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TAGBUCH EINER REISE
IN
INNER- ARABIEN
VON
JULIUS EUTING.
ERSTER THEIL-
BtTCHHANDLUNG UND DRDCKERKI
K. J. BRILL
r - 1898.
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DBtCKEREl v„rmil, r J. BRILL. LBtDBN
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SEINER MAJESTAT
OSCAR II
KONIG VON SCHWEDBN UND NOBWEGEN
*
ZUM FCNFUNDZWANZIGJAHRIGEN regierunos-jubilabum
IK TIKt'STKK K1IRKURCHT
ALLERUNTEBTHANIGST GEWIDMET
von dem VRRFASSEK.
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7-:- ■ l
VORREDE.
Den Plan, Arabien zu bereisen, habe ich schon in fruher
Jugend, wahrend meiner Studienzeit, gefasst, habe auch im
Jahre 1864 dem wtlrttembergischen Cultministerium eine darauf
bezflgliche Eingabe und Denkschrift uberreicht, musste aber
auf die AusfQhrung, aus Mangel an Geld, und in Folge des
inzwischen eingeschlagenen Lebensganges, verzichten. Fast zwan-
zig Jahre spater nahm ich den Gedanken wieder auf. Nachdem
das Reichsamt des Innern zu Berlin, wegen Mangels an Mit-
teln, einen nachgesuchten Beitrag abgelehnt hatte, wurde mir
die in den Jahren 1883 bis 1884 ausgerahrte Reise nur durch
dir hochherzige Unterstutzung des verstorbenen kaiserlichen
Statthalters in Elsass-Lothringen, Freiherrn Edwin von Maxtkdp-
pel , k6niglichen Generalfeldmarschalls, ermdglicht. Dessgleichen
hatte ich mich der Gnade Seiner Majestat des KOnigs Kakl von
WCrttembebg zu erfreuen, der mich mit Waflfen zu der Expe-
dition reichlich ausrustete.
Mein Genosse auf der Reise war Herr Charles Huber (ermor-
dert in der Nahe von Dscheddah 29. Juli 1884), geborener El-
sasser, durch Option Franzose, der einige Jahre vorher schon
einmal diese Gegenden bereist hatte, und dessen Erfahrungen
und Ortskenntniss tur mich besonders werthvoll waren ; obwohl
dereelbe von der franz6sischen Regierung einen officiellen Reise-
auftrag besass, auch verschiedene Gelder zu diesem Zweck an-
gewiesen bekam, war er doch mein Gast von Strassburg ab
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VI ,VORREDE.
(22. Mai 1883) bis zu unsrer freundschaftlichen Trennung (19.
Marz 1884) in el-c01a.
Der Zweck meiner Reise war ein vorwiegend archaologischer
und epigraphischer. Ich wollte in diesem Lande — in welches
schon friih assyrische Eroberer eingedrungen siDd, und durch
welches Jahrhunderte lang der gesammte morgen- und sud-
landische Handel nach dem Mittelmeer zu, auf dem Racken
der Kameele, sich bewegte — die Spuren vorislamischer Ge-
9chichte in Gestalt von lnschriften und Denkraalern untersu-
chen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse in dieser Richtung sind
in ihren wichtigsten Theilen bereits verOffentlicht ').
In dem vorliegenden Werke aber wollte ich dem grosseren
Publikum *) eine le9bare Beschreibung meiner persdnii-
chen Erlebnisse, Eindrucke und Beobachtungen vorlegen, die viel-
leicht — trotz ihrer ganz ausgesprochen personlichen Farbung —
doch nach verschiedener Seite von Interesse sein konnen. Bloss
nebenher — weil eben arabische Sprachstudien nicht mein Spe-
cialfach bilden — habe ich doch gelegentlich das Eine oder
Andere angemerkt, was dem Arabisten nicht unwillkommen
sein durfte. Anch liess sich gar nicht vermeiden, in der Dar-
stellung eine Menge arabischer Ausdriicke und Redensarten an-
zuwenden, die dort im taglichen Leben standig gebraucht wer-
den. Ich setze desshalb hier in die Vorrede eine Liste der outers
in der Darstellung vorkommenden arabischen Worte:
1) Eating J., Nabat&iache lnschriften ana Arabien, bag. m. Unterttutiung der k. prcass.
Akad. der Wiae. Mit 29 Liehtdracktafeln. Berlin, 6. Rcimer. 1885. 4°.
Epigrapbische Denkm&ler aua Arabien. (Nach Abklatachen and Copien dea Herrn Prof. Dr.
J. Eating in Straseburg) von D, H. M filler. Mit 12 Tafeln. Wien, Tempaky 1889. 4*. (S A.
Uenkachriften der philoa. hist. CI. der kaia. Ak. der W. Band 37).
Noldeke Th., Altaram&iicbe Inachrift ana Teima (Arabien). (SitzaBgaberichte. der Berl.
Akad. 1884 N". 86 (S. 818—820).
Landnuer S., Ueber die von Bating in Palmyra gefandene Synagogen- Inachrift. (Sitigaber.
der Berl. Akad. 1884 N». 89. S. 984 f).
Euting J., Epigraphiache Miacellen [I.] 2. (Sitigaber. der Berl. Akad. 1886 N". 35. S. 689—
668 a. 1887 N«. 26, S. 407-422).
2) Bit jetzt habe ich aber dieae Reise nar einen kleinen Vortrag dracken lasaen, den ich am
8. Mai 1886 vor der Geaellschaft fur Erdkunde la Berlin gehalten habe. (a. Verhandlangen der
Gea. f. Erdk. t. Berlin. 1886 N*. 6).
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VORREDE.
VII
cAba, Mantel.
eAkal Kopfstrick zum Fest-
halten der Kopfbedeckung.
'Asr, die Zeit Nachmittags
zwischen 31/,— 4 Uhr.
B. = Bani eigentlich Sonne d. h.
Leute vom Stamm ....
Badawi, Beduine, Plur.Bedu.
bismisllah im Namen Gottes
mit welcher Formel ein Be-
duine jede neue Handlung
einleitet.
Delul, feines Reitkameel.
Doleh, Pforte, turkische Re-
gierung.
el-hamdu lillah, Lob sei
Gott; Redensart beim Ab-
schlu8s einer Thatigkeit.
Emir, der Fiirst (speciell der
Herrscher zu Hajel).
Fegr, das fruheste Tages-
grauen noch vor der Mor-
genrOthe.
G. = Gebel Berg , Gebirge.
in scha'llah so Gott will; in
jedem Satz gebraucht, wo
von der Zukunft die Rede ist. I
Ithel, Tamariske.
tfahwah, Cafe.
? a h a w a h , Cafe-Zimmer ,
Empfangsraum. -
?a?r, Schloss, und die darin
wohnende filrstliche Familie.
Keffijjeh, Kopftuch.
K h a t i b , Prediger, Geistlicher.
ma scha'llah was Gott will,
Ausruf des Erstaunens.
Mes'hab, Platz vor dem
Schlosse in Hajd.
M I r i , Regierungsabgaben ,
Steuern.
Neftid, Sandwuste.
R a d i f , Hintermann , zweiter
Reiter auf dem Kamel.
Rasu, (Razu) Raubzug.
salam 'alejkum, Friede iiber
Euch. Gruss der Muslimen.
S chech, Familien-, Stammes-
Oberhaupt.
esch-Schijuch, (Plur. ma-
jestaticus) Bezeichnung des
Fursten in Hajel.
Talh, Akazien.
Zebun, Kaftan, langer Rock.
Far die Umschreibung arabischer Worte sind folgende Zei-
chen angewandt:
f s (im Anlaut nicht wiederge-
geben.
u» b
»o t
g
«> d
L
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VIII
VOHREDE.
O V (ts)
J k (ts)
ji S (sch)
Jb z
s h
Fttr die Bilder und Federzeichnungen , welche ich dem Texte
beigefflgt habe , bitte ich urn Nachsicht , da ich keinen Anspruch
auf Kunstlerschaft machc; dagegen hoffe ich, dass sie das Ver-
standniss erleichtern und verdeutlichen , und jedenfalls viele
unnGthigen Worte ersparen.
Wenn der erste Band meines Reisewerkes erst jetzt , nach
12 Jahren erscheint, so bitte ich zu bedenken, das mein Amt
an der hiesigen Bibliothek mir nur wenige Stunden des Tages
fur mich iibrig lasst, und dass ich den grOssten Theil des
Buches, einschliesslich der Zeichnungen, in spaten Stunden der
Nacht oder f'ruh Morgens ausgearbeitet habe.
Strassburo i/E, Schloss. Prof. Dr. J. EUTING,
28. Mara 1896. OberbiUioihekar.
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I. CAPITEL.
Reise von Damascus bis zo den Drnsen in eOrman.
31. August — 6, September 1883.
Morgens vor Tagesanbruch trat der von mir gemiethete Mu-
kari (Pferdetreiber) cAbduh in raeinem Hotel zu Damascus an ,
und meldete, dass er mit zwei Pferden bereit sei, mich nach
Brak zu bringen. Er war nicht wenig erstaunt, den Khawagah
(europftischen Gentleman), welchen er vor wenigen Wochen
durch den Antilibanou begleitet hatte , ploziich in der Kleidung
eines Beduinen vor sich stehen zu sehen. „Wohin willst Du o
— Schech?" ( — „ Khawagah" brachte er nicht mehr Ober die
Lippen). „Ich will zu den Beduinen; du sollst mich nur beglei-
ten bis zum lezten turkischen Castell nach Brak". Er beschaute
mich vom Haupt bis zu den Fflssen, und schuttelte mit dem
Kopf. Ich kam mir selbst ebenso ungewohnt und seltsam vor,
wie diesem Pferdetreiber; meine Kleidung bestand dazumalen
noch aus verschiedenen , spater als uberflussiger Luxus besei-
tigten, Kleidungsstucken ; zuerst aus einem langen bis auf den
Boden reichenden weissbaumwollenen Hemd mit langen gleich-
falls den Boden beruhrenden Aermeln; darunter, unmittelbar
auf dem Leib, ein paar weite baumwollene Unterhosen; Qber
dem Hemd ein Art seidenen Schlafrocks (in Syrien Rumbaz,
bei den Beduinen Zebun genannt) welcher durch einen Gurtel
zusammengehalten wurde; an den bestruinpften Fossen prang-
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ERSTES OAPITEL.
H»- 'It *»
ten ein paar feurig-rothe Beduinenstiefel , vorae leicht geschna-
i> Damascus belt , auf dem Absatz mit einem dreigriffigen
Hufeisen bewehrt, und auf dem Schienbein
mit einer priichtigen blauseidenen Troddel
verziert; den Kopf gegen den Sonnenbrand
zu schutzen, hatte ich zuerst eine weisse
enganliegende Filzkappe aufgesetzt, daruber
eine doppelte Keflljjeh d.h. zu einem Dreieck
zusarainengelegtes Kopftuch aus gemeinem
blaubedrucktem Baumwollstoff,
wovon der eine Zipfel bis in die
Mitte des Ruckens hinabhangt ,
wahrend die zwei seitlichen
vorae uber die Schultern her-
abfallen; der. ganze Kopf-
schmuck wurde durch den ubli-
chen schwarzwollenen Kopf-
strick1) der Be-
duinen, in dop-
pelter Windung
zusammengehal-
ten. Nachkurzem
Abschied vomBe-
sitzer des Hotels
Victoria , Pietro
Pavlitschevitsch,
schwang ich mich
mit einem „bismi
'llah'") in den
Sattel, und ritt
durch die beiSon-
nenaufgang schon ziemlich belebten Gassen der langen Vor-
stadt Meidan gegen Saden. Wie sehr die Leute uber diesen
1) 'Akkll.
2) .Im NamcD Gotte**'.
{/mm tf l-'C-S
H&uran
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DAMASCUS — OR MAN.
3
unerhOrt sauberlichen Beduinen in tadellosem Aufcug erstaunt
waren, entgieng mir keineswegs; anch hOrte ich ab und zu
die Auskunft, welche der hinter mir reitende cAbduh irgend
einem neugierigen Bekannten ertheilte. Vor dem Bawwabet
Allah, dem Sudthore der Stadt, angekommen war ich end-
lich der Neugierde entrackt und sagte der Civilisation Lebe-
wohl. Mit Wonne genoss ich die Kuhle des Morgens; nach den
heissen Tagen, welche ich kurz zuvor noch in Palmyra erlebt
hatte — bis zu 44° C. im Schatten — erschien mir der die
Landschaft deckende Nebel wie ein balsamischer Grass aus der
Heimath. Vierzehn Tage fruher hatte ich auf der kahien Ebene
vor diesem Thor in glQhendem Sonnenbrand den Auszug des
tlagg (Hadsch d.h. Pilgerkarawane nach Mekkah) mitangesehen ;
heute war die buntbewegte Statte menschenleer , und durch die
Nebelmasse hindurch kaum irgend ein Anhaltspunct fur die
Orientirung zu gewinnen. Da mein Mukarl den directen Weg
auf Brafc fiber Neghah nicht kannte, so musste ich einenziem-
lichen Umweg uber el-Kisweh einschlagen. Bis zu diesem Dorfe
zogen wir auf dem breitgetretenen Derb el-hagg (Pilgerstrasse) ,
und als die Sonne den Nebel niedergedrdckt hatte, stiegen wir
in einem an der Strasse gelegenen Cafe ab, um uns ein wenig
zu erfrischen. Nach einstundiger East ritten wir von el-Kisweh
weiter, bogen aber jezt beim tfhan Dennun von der Pilger-
strasse links ab und durch eine wellenfOrmige Landschaft in
sud6stlicher Richtung auf Brat zu. Wir trafen unterwegs ver-
schiedene aus dem Hauran kommende Kameelsztlge und passir-
ten unter steigender Hitze des Tages mehrere Dorfer, sammt-
lich aus dem dunklen Lavastein des Ledscha1 erbaut. Als wir
das lezte derselben (Merdschaneh) hinter uns hatten, und in
eine flache aber breite Thalmulde hinabstiegen , gewahrten wir
rechts druben ein paar Beduinenzelte , aus denen sich alsbald
die Urheber eines unheilvollen Dramas naherten. Ich sollte
eigentlich die nachfolgende Geschichte unterdrflcken , da sie
ein nicht ganz ruhmliches Zeugniss fur meinen damaligen Ver-
trauensdusel und meine mangelnde Menschenkenntniss enthalt*
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BR8TE8 CAPITRL.
will sie aber doch zur Waraung erzahlen. Kaum hatten wir
die Zelte in Sicht, so trabten zwei Reiter mit Lanze und Ge-
wehr bewaffnet flber die Ebene heruber auf uns zu. cAbduli,
mein Pferdstreiber , rieth dringend zur Umkehr in das lezte ^
Dorf; mir erschien das schmachvoll und lacherlich. Znm Ver-
standniss seiner Befurchtungen riss er sein Hemd auf und
zeigte mir zwei noch ganz frische Narben an der Seite der
rechten Rippen: die habe er vor ein paar Wochen von Be-
duinen bei Kerak im Sudosten des todten Meeres davon getra-
gen; auch das Pferd, dass er ritt, trug wie ich jetzt erst sah
sowohl am Bauch als an beiden Vorderschenkeln kaum ver-
heilte Hautschlitze die von denselben Beduinenlanzen herruhr-
ten. Ich bestand jedoch auf dem Vorwartsreiten und sprach
ihm Muth zu. Bald waren die zwei Reiter mit uns zusam-
men getroffen; ihre Kleidung war halb-beduinisch , auch hat-
ten sie wegen der Hitze das Kopftuch zur Halfte uber das
Gesicht gezogen; nach den ublichen Begrussungen kam eine
ganz hubsche Unterhaltung in Gang; sie fragten woher ich
komme, wohin ich wolle, und warum ich in dieser Tracht
reise , u. dgl., ob ich auch mit Lebensmitteln versehen sei , zu-
lezt baten sie, ich mochte ihnen auch etwas zu essen geben,
auf das hin verabfolgte ich ihnen Brod und einige Feigen, die
sie unter Dankesbezeugungen verzehrten. In meinem Innern
that ich ihnen schon bereits Abbitte fur alle die Schlech-
tigkeiten, die man ihnen etwa hatte zutrauen konnen; wie
mOgen nur die Stadthocker in Damascus mit ihrer ignoranten
Angst , vor allem was au3serhalb ihrer Thore lebt solche Schau-
dermahrchen von Drusen und Beduinen weiterpflanzen ; wenn
man ja nur halbwegs mit den Leuten in ihrer Sprache reden
kann, wie zutraulich und redselig werden sie! Nachdem noch
ein wenig politisirt war , kam das Gesprach auch auf Kanonen
und Waffen nberhaupt. „Was hast Du da far ein Pistol bei
Dir?" — Einen Revolver. „Lass ihn sehen" — Ach, es ist ein
ganz gewOhnlicher Revolver. „Nun so lass ihn uns doch sehen" —
Ihr werdet aber doch wissen, was ein Revolver ist. „Ja, ja,
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DAMASCUS — ORM AN.
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aber zeig ihn doch her". — Dazu habe ich keinen Gmnd und
keine Lost. wFurchtest Du etwa wir wollten ihn Dir nehmen?
Du bekommst ihn ja gleich wieder". Ohne dass ich es merkte,
war der eine der Kerle mit seiner Doppelflinte eine halbe Pferds-
lange im Hintergrund gcblieben, wahrend der andere im zu-
traulichsten Ton der Welt mich imraer langer bat, ihm doch
das Instrument zu zeigen; der fortgesezten Berufung auf mei-
nen Muth und auf ihre eigene Ehrenhaftigkeit konnte ich nicht
langer Widerstand leisten; ich gab ihm also den Revolver in
die Hand. Der aber probirt den Revolver geschwind in der Luft
dreht ihn augenblicks gegen mich, sein Qefahrte legt die Dop-
pelflinte auf mich an, and beide schreien: „wo ist dein Geld?
das Geld her." — Haltet ihr so euer Wort? ich habe auf Gott
vertraut, und auf eure Ehrenhaftigkeit; bei Euch bin ich be-
trogen. „Mach kein so frommes Geschwatz ; das Geld her oder — !"
— Geben thu' ich Dir's nicht, da! nimm was Du findest in mei-
ner Tasche. Wahrend der eine noch immer die Waffe im Anschlag
auf mich gerichtet hielt , durchsuchte der andere meine Taschen ,
und entnahm denselben als Beute den Inhalt von 4'/, Medscbi-
dls '). Auch der Pferdstreiber wurde gezwungen seine kleine
Baarschaft herauszugeben. Das Suchen nach dem Schlflssel zu
meinem Handkoffer, welcher etwa 500 francs enthielt, blieb
erfolglos, und da ihnen offenbar in erster Linie darum zu thun
war, ihren bescheidenen Raub rasch in Sicherheit zu bringen,
so gaben sie nach kurzem ihren Pferden die Sporen, undjagten
unter Hohngelachter , aus dem Revolver noch feuernd, mit
Windeseile von dannen. Meine ohnmachtige Wuth und schmah-
liche Beschamung kann ich kaum beschreiben. Der Mukari
eAbduh uberhaufte mich mit Vorwurfen, die, so gerecht sie
auch sein mochten , mich doch argerten. Ich befahl ihm zu
schweigen und versprach ihm , dass er fur seinen Verlust mehr
als genugend entschadigt werden solle. In langsamem Trab
ritten wir auf der leicht geneigten Ebene abwarts: im Hinter-
]) Medschtdi, oder tark. Rijil (Thaler) - ungefihr *i franc.
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ERSTKS CAPITE1.
grund tauchte das #auran-Gebirge (Qebel ed-Druz) herauf , zur
Rechten hatten wir den wallartig geschlossenen Nordabfall (Ldhof)
der vulkanischen Hochebene des Ledscha*. Auf seiner Nordostecke
ist das Dorf und Gastell Brak belegen, die lezte turkische Mi-
litarstation in der Richtung auf das Drusengebiet zu , mit der
Bestimmung die unruhigen Nachbarn etwas im Zaum zu hal-
ten. Einen kilometer, bevor man ans Castell selbst kommt,
befindet sich ein Wachtthurm, daneben ein guter Brunnen,
Tags uber besezt von den Soldaten, welche daraus den Was-
serbedarf fQr die Besatzung schopfen. Zugleich ist der Brunnen
umlagert von Heerden- und Carawanentreibern welche halbe
Tage lang geduldig warten, bis die Soldaten ihnen gestatten,
aus irgend einem Gefass dem Brunnen Wasser zu entnebmen.
Ich ritt durch die Soldaten hindurch und begehrte Wasser.
Nachdem ich den entsetzlichen Durst geloscht, verlangte ich
den Commandanten des Castells zu sprechen. In kurzem stellte
sich als solcher der Hauptmann (Juzbaschl) Ma&mud Effendi
vor. An seiner Uniform ware er jedenfalls nicht zu kennen ge-
wesen, denn er trug mit Rucksicht auf die Hitze und die Ab-
gelegenheit des Ortes eine geblumte Bettjacke. Kaum hatte er
mein Empfehlungsschreiben von Seiten des Muschir (Feldmar-
schalls) ijusein Fewzi aus Damascus gelesen , so wurde er aus-
serst unterwurfig, versicherte mich der hohen Ehre u. s. w.,
ich mflchte nur im Castell bleiben, so lange ich wollte, und
befehlen, was ich wunsche. Indessen hatte bereits mein Pferde-
knecht cAbduh den Soldaten angefangen von unsrer schmah-
lichen Auspliinderung zu erzahlen. Der Commandant war ganz
unglucklich, dass er keine Ahnung von dem Vorgang gehabt,
denn er habe die zwei Kerle (oflfenbar Drusen aus dem yauran)
rait Umgehung des Brunnens wohl rasch vorttber reiten sehen,
hatte sie aber auch leicht einfangen, oder noch bequemer mit
Vergnugen zusammenschiessen lassen kOnnen. Wie Schade, wie
Schade! Bei dem Ausruf seines Bedauerns konnte er nur muh-
sam die Betrachtung aber meine unglaubliche Thorbeit unter-
drucken — wie man nur auf den Gedanken kommen konne,
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DAMASCUS - ORM AN.
einem fremden Menschen seine eigeneu Waffen in die Hand zu
geben! — versprach mir jedoch dafur zu sorgen, dass die Rau-
ber ihren Fang wieder herausgeben mussen. Wie er das anstel-
len wollte, war mir zunachst ganz-
lich unklar , und erschien mir als reine
Redensart orientalischer HOflichkeit.
Ich wurde nun eingeladen, mich ins
Castell zu begeben und mich dort zu
erfrischen. Beirn Abreiten vom Brun-
nen zeigte mir der Hauptmann Mab-
mud Effendi rechter Hand das gftnz-
lich ausgestorbene Dorf Brak , in wel-
chem als einziger Mensch nur noch
der Rchech Khatt&r mit Hartnackig-
keit den Plata behaupte.
Das Castell ist im I. 1292 H. (=
1875/6 Chr.) erbaut, bildet ein regel-
m&ssiges Viereck mit vier Eckpavil-
lons; auf 'der Ost- und Westseite lauft
je eine Plattform mit Brttstung, der
Nord- and Sudseite entlang die 2 Sale
far die Mannschaft; damals waren
etwa 80 Mann drin, meist Kurden.
Die Pferde wurden in den Stall ge-
bracht , der Hauptmann geleitete mich
durch den Hof die hohe Treppe auf
die Plattform hinauf , liess mich aber
bald allein in seinem Zimmer, das
er mit einem schwindsuchtigen Mili-
tararzt aus Cypern, Namens flusein
§alih Effendi theilte. Dieser noch junge
Mann war zwar sehr freundlich und
entgegenkommend , sprach aber nicht arabisch, sondem nur
tflrkisch. Bei meiner fast ganzlichen Unkenntniss des letzeren
konnte von einem Gedankenaustausch keine Rede sein. Da ich
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ERSTES CA1MTI-X.
seit neun Stunden nichts mehr gegessen hatte, so war ich
ziemlieh hungrig; ich hatte damals noch zu viel europ&ische
Gepflogenheiten an mir. Der Doctor liess zunftchst einen schwar-
zen Cafe aufwarten , spftterhin eine Sussigkeit aus Milch , Zucker
und Zimrat , und brachte dazwischen hinein in langeren Pausen
mQhsam ein paar, meist unrichtige, franzosische Worte her-
vor, alte Erinnerungen aus seiner Studienzeit, urn wenigstens
seinerseits einen Beitrag zur Unterhaltung zu liefern. Um den
Massen von Fliegen zu entgehen , setzte ich roich in den kuhlen
Abendwind auf die Plattform , der Doctor neben mir schwei-
gend in seinen Mantel gehullt. Erst kurz vor Sonnenuntergang
kam der Hauptmann ins Fort zuruck, und zwar in Begleitung
des K hat tar, Schechs von Brafc. Dem fehlten an beiden Handen
unterschiedliche Fingerglieder. Auf mein Befragen zeigte er mir
noch weitere Kugelspuren an seinem Leib, und erklarte mir
das seien lauter Denkzeichen von seinen Handeln mit den Dru-
sen, die mit ihren fortgesetzten Beunruhigungen und Raube-
reien allmahlig alle Bewohner des Dorfes zur Auswanderung
getrieben haben, ihn aber, so lange er lebe, mit nichten zwin-
gen werden , von seinem Posten zu weichen. Seine Familie habe
er zwar auch in Sicherheit gebracht , er selbst aber werde nicht
nachgeben, er sei und bleibe Schech von Brafc. Auch er hatte
vom Auslug seines Hauses die zwei Strolche wohl bemerkt und
glaubte sogar rait ziemlicher Sicherheit sagen zu kOnnen, wer
sie waren. Von ihm bekam ich nun ganz ungeschminkte Vor-
wOrfe uber meine heutige Dummheit; ich horte sie schweigend
an und bestatigte sie zum Schlusse.
Eben gieng die Sonne unt^r; auf die 6stliche Plattform trat
ein Unterofficier und machte den Mu'eihJin, d h. er sang mit
lauter Stimme den A dan, den Ruf zum Gebet. Mit feierlicher
Warde leisteten Alle ihm Folge; unmittelbar darauf wurde
das Nachtessen gebracht. Heute gab es Reis und Fleisch von
Gazellen, die durch die Windhunde l) des Hauptmanns einge-
1) Slflkl.
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IiAMASOUS — ORMAN.
9
faogen worden waren; hintendrein noch Cafe. Wabrend ich um
der Hitze im Zimmer willen, trotz des starken Windes mein
Bett unter freiem Himmel auf die Terrasse machen liess , setzten
sich drinnen der Hauptmann, der Militararzt und der Schech
zusammen, und verfertigten noch einen Brief an den Drusen-
Schech Ibrahim el-Atrasch zu Sueideh, um ihn zur Ausfindig-
machung und Bestrafung der Strolche sowie Herausgabe ihrer
Beute zu bewegen. Eaum hatte der Schech Khattar das einge-
nahte Schreiben in Handen , so schwang er sich auf sein bereit-
stehendes Pferd, um noch in der Nacht, mit der Aussicht aut
einen guten Bakschisch, seinen Ritt zu den Drusen anzutrefcen.
Enarrend schloss sich hinter ihm die schwere eisenbeschlagene
Thure des Castells, auf der Plattform blies noch der Trompe-
ter das Signal zur Nachtruhe, und dann war A lies still. Bei
mir war jedoch von Schlaf keine Rede; nicht sowohl das Aben-
teuer von heute hielt mich wach, sondern die kleinen Thiere,
um derentwillen der Eauran und das Ledscha' von Kennern
nur mit Schreck genannt werden — FlOhe und Wanzen — ar-
beiteten an mir mit nimmer rastendem Eifer. Muss diese Granz-
garnison das ganze Jahr solche Prufung der Geduld aushalten?
Entsetzlich! Auch die Windhunde, die am Fussende meines
Bettes die Warme auszunutzen suchten, bestrebten sich alle
Augenblicke wider den Stachel zu locken.
Wie geradert entschlupfte ich am Morgen (1 Sept.) meinem
vom Nachtthau feuchten Bettteppich. Ein Bursche brachte mir
in der Hand ein Stuck Seife und Waschwasser in einer schlank-
halsigen Kupferkanne , aber naturlich ohne Waschschussel. Die
Orientalen verabscheuen es auf8 h6chste , nach unsrer Weise in
einem wenn auch noch so reichlich gefiillten Gefass sich zu
waschen , und behaupten , wir Franken waschen uns in unsrem
eigenen Schmutz. Wer aber von Jugend auf an eine Wasch-
schussel gew6hnt ist, wird es immer hart empfinden, wenn er,
unbequem auf dem Boden hockend, mit dem dunnen Strahl,
den ihm der Diener von Zeit zu Zeit auf die Hand giesst , das
sonst so angenehme Geschaft der Waschung in ausserst vcr-
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CAP1TF.I.
kummerter Weise abzumachen hat. Die Tagesordnung mit den
Mahlzeiten im Castell war hCchst gleichmassig ; morgens beim
Aufstehen: schwarzer Cafe, gegen 11 Uhr Mittagessen: zwei
Brodfladen und Hammelfleisch (oder dafur
zwei Eier), Dach Sonnenuntergang : Reis
und eine Schflssel Badingan (Eierpflanze
Melongena) nebst Baraieh (Hibiscus escu-
lentus) dann Cafe.
Reichlich fur seinen gestrigen Verlust
entschadigt , verabschiedete sich mein Da-
mascener Pferdstreiber cAbduh unter viel-
fachen Dankesbezeugungen und trabte mit
seinen Thieren der Heimath zu.
Nach dem Fruhstilck zeigte mir der
Hauptmann zuerst seinen Gurkengarten ,
mit Stolz seine einjahrigen Weinstocke
und die Truthahnzucht , dann bestiegen
wir die Pferde, ritten hinuber auf den
Wartthurm mit der prachtigen Aussicht
auf den schneebedeckten Her m on (2563
m.), und nahmen vom Wachtposten am
Brunnen noch einen Soldaten mit zu den
Ruinen des Dorfes Brak
Alle DOrfer des vulkanischen Landstri-
ches Ledscha' bestehen aus dunkelschwar-
zem Lavagestein , und mogen inihrer Mehr-
zahl aus den funf ersten Jahrbunderten
unsrer Zeitrechnung stammen. So auch in
Brak : nicht nur die Mauern und Treppen ,
selbst die Deckbalken der Zimmer , und
die in Angeln gehenden DoppelthQren ,
alles ist Stein. An einem der Hauser be-
merkte ich uber der Thure altchristliche
Symbole eingemeisselt , auf einer Sitzbank im innern eine Platte
mit Poch- und Muhleziehbrett ; in einem anderen Hause stand
14 £'
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DAMASCUS — OllMAN.
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noch die von den letzten Bewohnern zuruckgelassene Wiege.
Beim Wiederhinaustreten aus einem der dunklen Gemftcher ge-
wahrte ich , dass meine Kleider pl6tzlich ganz gesprenkelt , d.h.
von einem Fliegen-, nein von einem Flohschwarm ganz nbersat
waren. In ihrem verhungerten Zustand hatten sich die Thiere
mit Verzweiflung auf uns arme Opfer gesturzt, schienen aber
(lurch die lange Hungercur wie betaubt und ziemlich kraftlos.
Mit Lacheln waren Mahmud Effendi und der Soldatbereit, micb
einigermassen von der grflbsten Bescheerung zu saubern; sie
selbst wurden durch diesen Angriff eben so wenig uberrascht
ah beunrnhigt. Ziemlich ermudet und erhitzt kehrte ich ins
Castell zuruck. Nach dem Essen holte ich den verlorenen Schlaf
der Nacht herein. Als ich erwachte, fuhrte mich der Hauptmann
triumphirend in eines der GewGlbe im unteren Stockwerk: dort
hatte er einen von den Soldaten abgefangenen Drusen einge-
8perrt, der nun als Unterpfand sitzen sollte, bis der Schech
Khatfar wohlbehalten und mit gutem Erfolg zurackgekehrt ware.
Des Nachmittags lud mich der Hauptmann ein, seinen grossen
Garten zu besichtigen; derselbe lag etwa 20 Minuten vom Cas-
tell drausen in der Ebene. Wir liessen desshalb Pferde bringen;
ich bekam einen jungen lustigen Hengst von 1V« Jahren, der
trug bloss einen Teppich auf dem Rucken und einen Strick am
Kopf, von Zdgel wusste er noch nichts; der Hauptmann ritt
die Mutter dieses Thieres, auch die Hunde durften mit. Fur
seinen .Garten" d.h. Kurbis- und Durah-Acker erpresste mir der
Hauptmann mehrfache Aeusserungen der Bewunderung. Einige
Soldaten waren damit beschaftigt, die eben reifen Kolben der
Durah ') abzuschneiden und nOthigten mich , auch davon zu
versuchen. Einige vorzughch sch6ne Kurbisse wurden bei Seite
gelegt um sie nachher ins Castell mitzunehmen , und die Pferde
erhielten freien Laufpass, d.h. durften sich in der Pflanzung
gntlich thun. Qnweit von dem Acker waren viele Kameele mit
ihren Treibern gelagert; die meisten kamen aus dem Hauran,
1) N^erhine, dem Waltchkora iihnlich, nar mit kkineren Koroern.
I
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12
ER8TEB CAPITEL.
auch von der Ostseite des Gebel ed-Druz mit Getreideladungen
far Damascus. Zu diesen Leuten begab ich micb hinttber, urn
mich mit ihnen zu unterhalten; durcb Verabreichung von Ta-
bak zutraulich gemacht, ruckten sie mit allerlei Erzahlungen
heraus. Nur ungern ris9 ich micb bei Sonnenuntergang von
ihnen los , urn der Aufforderung des Hauptmanns zur Rflckkehr
Folge zu leisten. War scbon das Einfangen der durch die reich-
liche Nahrung ubermQthig gewordenen Pferde mit Schwierig-
kciten verbunden, so war doch das Reiten noch ein grosseres
Kunststuck: kaum sass ich oben so rannte in den tollsten
Sprungen der junge Hengst mit mir Qber Stock und Stein,
in die steilsten jezt trockenen Bachrinnen hinunter und wieder
hinauf , zu A Hem eher aufgelegt als zur Heimkehr in die kahlen
Mauern des Castells. Hilflos auf dem zagellosen Pferde dahin-
jagend, weit die Kaserne hinter mir lassend, konnte ich nur
von dem Hauptmann erwarten, dass es ihm gelange, durch
gutliche Uberredung und Rufen das Thier zu ruhiger Vernunft
zu bringen. Allein, wenn der in die Nahe kam, hielt raein
Hengstlein dessen Lockrufe fur Aufmunterung zum Wettrennen ,
und mit hellem Gewieher antwortete es dem Bellen der Jagd-
hunde. Endlich wendete der Hauptmann sein Pferd dem Cas-
tell zu, pfiff den Hunden und hielt vor dem Thor. Meinem
Fohlen mochte es bei dem einsamen Jagen auf der Steppe bei
rasch dunkelndem Himmel doch selbst nicht mehr so ganz ge-
heuer vorkommen : wie angewurzelt blieb es stehen , hob hoch
den Kopf , drehte blitz schnell urn , raste schnurstracks aufs Cas-
tell zu und sauste, dass mir Horen und Sehen vergieng, durch
den gepflasterten Thorweg in den Hof hinein. Da stand es.
Ich sprang ab, und war froh; von Mahmud Effendi erhielt ich
Lobspruche uber meine ungeahnte Reitkunst Dampfend und
klopfenden Herzens, doch gutwillig liess sich jetzt das Thier
in den Stall fuhren — zu dem gefangen Drusen. Ach Gott,
der arme Teufel war ja noch immer da! Auf mein Zureden
liess ihn der Hauptmann noch in der Nacht laufen , erflfmete ihm
jedoch , eigentlich hatte er verdient , seinen Kopf hier zu lassen.
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DAMASCUS — ORMAN.
13
So. 2. Sept. 83]. Durch reichliche Streuung von Insectenpul-
ver hatte ich heute etwas besser geschlafen, ohne jedoch die
Wanzen ganz abhalten zu konnen. Dem kranklichen Doctor
wurden diesen Morgen ftinf Fieberkranke von der Mannschaft
vorgefuhrt, denen er einige Pulver und Tranklein beibrachte.
Im Medicamentenkasten entdeckte ich bei der Gelegenheit eine
grosse Keibschale , die mir zur Waschschussel wie vom Himmel
gesandt schien , und auch bereitwilligat zur Verfttgung geatellt
wurde; ich machte mich gleich daran, diese Bequemlichkeit
auszunutzen, und erregte mit meinen lezten Besten von fran-
kischem Luxus , einer wohlriechenden Seife und kolnischem Was-
ser, hGchlichstes Erstaunen. Der Koch £Abduh und derKuchen-
junge Ahmed , zu meiner personlichen Bedienung commandirt ,
waren ordentliche Bursche und baten mich, ich mochte auch
ein Bild von ihnen malen, waren aber bei der Uberreichung
ihre8 Contrafeis ziemlich niedergeschlagen , nicht als ob sie die
Portratahnlichkeit bezweifelt hatten — denn dazu fehlte ihnen
ja jede Unterscheidungsgabe — sondern weil sie nicht im Staat
gemalt waren. In dem gemeinen Kuchenschurz und ihrer na-
turlichen Barfussigkeit kamen sie sich selbst ganz erniedrigt
vor, und wurden erst glucklich, als ich nochmals beide, jezt
in Uniform mit Stiefeln und Waflfen, zu malen versprach. Ich
liess mir all ihre Anliegen, besonders die Puncte, auf welche
sie das hGchste Gewicht zu legen sich berechtigt fahlten,
auseinandersetzen , und fertigte jedem einen farbenreichen Bil-
derbogen, auf dem in recht stereotyper Weise alle Einzel-
abzeichen eines Soldaten, zunebst den personlichen Sch6nheits-
raerkmalen des Inhabers als da war ein flbertrieben kraftiger
Schnurrbart und aberaus grimmiger Blick , gar sch6n zum Aus-
druck kamen. Wie glucklich und dankbar waren die zwei Bur-
sche! Mit n&chster Gelegenheit wollten sie die Bilder in ihre
Heimath senden , um selbst dem unglaubigsten Zweifler an ihren
VorzQgen das Maul zu stopfen, vielleicht auch ein gefahrdetes
Andenken aufzufrischen oder gar holde Sehnsucht zu erwecken.
Ihre Dankbarkeit zu beweisen, flberhauften sie mich mit al-
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14
ER8TE8 CAP1TEI..
lerhand Aufmerksamkeiten , brachten mir halbreifes aufKohlen
gerostetes Walschkorn, und wuschen meine Strumpfe sammt
den gesprenkelten Hemden.
Den Nachmittag brachte ich draussen beim Brunnen zu. Dort
waren zehn Soldaten, beauftragt mit der Wasserbeschaffung.
Zwei ehemalige Petroleumgefasse aus Blech wurden an Stricken
ins Wasser hinuntergelassen ; bei der schon lange fortgesezten
Behandlnng war die ursprungliche Form der Gefasse abenteuer-
licb entartet, und wenn sie gefullt heraufgezogen wurden, so
kamen zu den mehrfachen Rissen und Lochern die wunder-
lichsten Springbrunnen heraus; keinem Menschen ist es einge-
fallen, auch nur die einfachsten Ausbesserungen daran vor-
zunehmen; da wurde unbekummert weiter geniacht, etwas
Wasser blieb ja immer noch drin. Ein Pferd stand geduldig
neben dem Brunnen, bis die zwei machtigen ihm angehangten
ledernen Wasserschlauche gefQllt waren, und verbrachte dann
ohne Begleitung die Ladung ins Castell. Waren dort die Schlauehe
entleert, so stellte sich das Thier von selbst wieder am Brun-
nen ein. Selbst in den Zwischenpausen wurden die urn Wasser
nachsuchenden Araber und Drusen auf eine jammerliche Weise
von den Soldaten chikanirt und zuruckgewiesen, so dass die
Erbitterung der Leute gegen die Soldaten sich sehr wohl be-
greifen lasst. Ich legte mich mehrfach ins Mittel, habe auch
Abends dem Hauptmann Vorstellungen gemacht, ohne jedoch
damit auf gAnstigen Boden zu atossen, denn diese Reibereien
seien auf Gegenseitigkeit gegrdndet, und wer gerade das Heft
in der Hand habe, mache es sich zu Nutzen. Der Hauptmann
war im Uebrigen heute sehr gut aufgelegt, und liess mirnach
dem Nachtessen durch einen Soldaten ein nettes kurdisches
Lied singen, dessen Tonfall und Worte etwas bewegter waren
als die arabischen, auch hatte der Mann im Unterschied von
dem naselnden Singsang der Araber eine gute Bruststimme , die
in der Stille der Nacht zwischen den hohen Wanden des Cas-
tells melodisch klang. Das Lied handelte, wie mir verdol-
metscht wurde, von dem tragischen Ende eines kurdischen
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DAMASCUS — ORMAN-
15
Helden Braho (= Ibrahim), dessen Kraftthaten in lebhaften
Bildern gefeiert wurden.
Mo. 3. Sept 83]. In aller Fruh wurden etliche zwanzig Mann
fortgeschickt , um Eatab (Brennholz) heimzuschaffen. Da in
der naheren Umgebung des Castells langst Alles abgesucht ja
ausgerottet ist, so mussten sie ihren Streifzug weit ausdehnen
und kamen erst um Mittag allerdings reichbeladen heim. Den
ganzen Tag spahte ich mit dem Fernrohr in der Richtung auf
Damascus zu, um zu sehen, ob mein Reisegefahrte Charles
Huber noch nicht anrucke. Auch von der Mannschaft wollten
alle in das wunderbare Instrument hineingucken , und gaben
ihrem Erstaunen oft spasaigen Ausdruck. Herr Huber hatte in
den lezten Tagen zu Damascus noch allerlei Vorbereitungen far
die gemeinsame Reise ins Innere von Arabien zu vollenden und
wollte uDser gemeinsames Gepack (thatsftchlich eigentlich mein
Gepack) direct nach cOrman zu Kameel vorausspediren , und
mich selbst im Castell Brafc erst abholen , wenn dies Alles be-
sorgt ware. Zur Ausfullung der Langeweile rosteten der Doctor
und ich abwechselnd Walschkorn und Durah-KOrner , und ver-
zehrten nebenher den Rest von Feigen und Mandeln, die ich
noch von Damascus her bei mir hatte. Der Commandant war
heute den ganzen Tag nicht zu sehen, erschien nur kurz zum
Mittagessen, und verschwand dann gleich wieder. Ich thue ihm
wohl kein Unrecht, wenn ich annehme, dass er dem stillen
Trunk *) ergeben war ; er kam besonders heute Abend ganz
heiter heim, setzte sich noch eine Weile auf sein Bett, verlor
aber bald die Redseligkeit , trank auch den Cafe nicht mehr,
den er eben noch bestellt hatte, sondern legte sich rasch aufe
Ohr und entschlief horbar. Jezt wurde mir auch verstandlich ,
warum er gleich bei meiner Ankunft so angelegentlich nach
dem Inhalt meiner Feldflasche sich erkundigt hatte, und trotz
der Prftfung mit der Nase sich kaum bei der Versicherung be-
ruhigen konnte, dass nur nacktes Wasser darin enthalten sei.
)) eines Gliischens Raki.
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16
ERSTES OAPITEL.
Di. 4. Sept. 83]. Da der Brunnen hier die elnzige Unterhal-
tung bot , so lag ich den ganzen Tag dort draussen , wollte auch
in der Nahe eine grundliche Waschung vornehmen, mussteaber
dieselbe schleunig3t abkarzen, da ich von einer bosartigen
Sorte von Hornissen (Dabbur) uberfallen wurde und nur mit
Hilfe der herbeigeeilten Soldaten die wuthenden Thiere mir
vom Hals halten konnte. Auch heute war ich wieder Zeuge
von den Plackereien, denen voruberziehende Leute, die um
Wasser bitten, von Seiten der Soldaten ausgesetzt sind. Ein
durstiger Mensch Namens eEisa war mir ausserst dankbar, als
ich ihm zu einem Trunk Wassers verhalf, und erzfthlte mir
von seinem Dorfe Schafcka (N.O. des Gebel ed-Druz) das mir
aus Wetzsteins Reisebericht und aus dem Werke des Grafen
de Vogue ') um seiner steinernen Hftuser und Thurme willen
wohl bekannt war. Er versprach mir, wenn ich ihn dort be-
suchen wollte, mir [alt-syrische] Mumien aus den Grabthurmen
zu verschaffen, wovon noch keinem Europaer eine Spur ver-
rathen seie. Des Nachraittags um 4 Uhr kam endlich Huber
an; in seiner Beduinentracht hatte ich ihn kaum erkannt; er
hatte bei sich noch zwei Pferdetreiber , und ein Pferd fur mich
aus Damascus. Zunachst verlangte er naturlich auch Wasser,
und erkundigte sich gleich nach meinem Abenteuer, das in
Damascus bereits mit fabelhaften Zusatzen aufgebauscht wor-
den war, sodann theilte er mit, dass das gesammte schwere
Gepack auf Kameele verladen, unter Begleitung des fur die
ganze arabische Reise angenommenen Dieners Mahmud schon seit
zwei Tagen nach cOrman vorausgesandt sei, und dass wir uns
beeilen massten, rechtzeitig in eOrman einzutreffen , denn er
habe Nachricht, dass in 3 spatestens 4 Tagen von dort eine
Kara wane nach Kaf auf breche , und diese sei allein im Stande ,
uns mit verhaltnissmassiger Sicherheit aber diese gefahrlichste
Strecke hinweg zu bringen.
Nach dem Nachtessen liess der Commandant noch die g. -
1) Melrhior de Vogue, Syrie ccbtrale, Architecture civile el religiciuc. Paris 1S65 4°.
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DAMASCUS — ORMAN.
17
sammte Garnison auf der Terrasse des Castells antreten, wo
die Kurden hflbsche Wechselgesange vortrugen. Zum Schlusse
fuhrte eine Abtheilung der Leute noch einen seltsamen Tanz
auf, bei dem sie Schulter an Schulter, die Waffen vor sich
haltend , leicht trippelnd vor- und ruckwarts sich bewegten ,
und unter dem einformigen Gedudel einer DoppelflOte l) aus
Schilf , bald einen engen Knauel bald eine sich windende Schlange
bildeten. Die Windhunde begleiteten die AuffOhrung mit einem
schmerzerfallten Gesang.
Mi. 5. Sept.] Bis das Ehren- und Abschiedsfruhstuck flber-
standen und Alles zum Aufbruch gerilstet war, mochte es
sieben Uhr geworden sein. Von den Segenswunschen unsrer
Ga8twirthe begleitet, bestiegen wir die Pferde und ritten in
sfid-ostlicher Richtung am Rande des Ledscha' hin auf den
Gebel ed-Druz (oder Gebel Uauran) zu. Das Ledscha' und
der Haur&n mit ihrem verwitterten vulkanischen Boden sind
sehr fruchtbare Gegenden, und bilden die Kornkammer far
Damascus und dessen weitere Umgebung. Kaum hatten wir
den Wall4) der machtigen alten Lavastrome erstiegen, so bot
sich uns ein weiter Blick ilber die typische Tiaudschaft: kleine
Waideflachen mit Hecken, oder ausgesteinte Acker eingefasst
mit Steinriegeln ; alles wieder durchsezt von grOsseren Lava-
brocken, dazwischen zahlreiche Dflrfer oft ganz verlassen, aber
in iliren rabenschwarzen Ruinen noch manchen Schatz reicher
Architectur bergend. Von raschem Vorwartskommen ist in die-
sem Gebiete keine Rede, es sind im Grunde nur wenige sich
durchwindende Pfade, die man kennen muss; abseits derselben
verrennt man sich bald in ein Labyrinth von Ger6ll ; es war
desshalb das Ledscha' zu alien Zeiten der beliebteste Zufluchts-
ort und Versteck far Verfolgte aller Gattungen, als da sind
Deserteurs, Steuerflttchtlinge , Verbrecher u. dgl. Wir waren
1) ZambArsh. eigtl. ZammArah %y-*y
2) v_*?=0 iprirh I-5hof.
2
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18 EBSTES CAP1TEL.
noch gar nicht weit geritten , so tauchte in der Feme ein Reiter
mit einem Schimmel auf: es war richtig Khattar, der Schech
vqii Brafc, 8chon von weitem winkend mit hochgehaltenem Re-
volver. Wie mochte er den herausgekriegt haben? Nun, er
musste ja bald mit uns zusammen stossen und die Erklarung
geben. Mit grosser Befriedigung erzablte er denn auch, wie er
in einem Stuck bis Suweideh geritten sei, und den Raimmakam
Ibrahim Beg el-Atrasch aufgesucht habe. Dem war die StGrung
seiner Ruhe durch eine solche Lumperei recht unbequem; er
behauptete, eine Beraubung bei BraV babe nichts mit seinem
Gebiet, dem Gebel ed-Druz, zu schaflfen; im Ubrigen konne er
gar nicht verstehen, wie jemand so thoncht sein moge, seine
eigenen Waffen einem unbekannten Menschen zu zeigen und
gar in die Hand zu geben, eigentlich konne er nur billigen,
wenn einem solchen Menschen seine Waflfen abgenommen wur-
den. Erst wie der Schech Khattar ihm begreiflich machte, dass
unter Umstanden eine doch unliebsame und noch ganz unab-
sehbare Verwicklung mit der Regierung in Damascus daraus
erwachsen kCnne, und dass er selbst nicht eher Ruhe geben
wolle, bis er mindestens dreissig Drusen abgefangen und ein-
gesperrt habe, liess Ibrahim el-Atrasch sich bereit finden, nach
den Dbelthatern zu fahnden. Die Kerle waren aber nicht all-
sogleich aufeutreiben. Der flauptbelastete war ein gewisser
Iiamid el-Nomad, und sein Spiessgeselle einer Namens Fendi.
Der erstere bekam 100 Stockstreiche auf die Fusssohlen , mus3te
die 4Vt Megldi herausgeben und wurde noch uberdies ins Loch
gesteckt, wahrend der Andere etwas gnadiger wegkam. Mit
Genugthuung hatte Khattar den ausgelieferten Raub in Empfang
genommen , noch ein Gastessen erhalten , und dann unverztlglich
den Heimweg angetreten. Ich war froh, das Denkmal meiner
Schandc wieder in H&ndeo zu haben, und uberliess desshalb
alles Geld mit Vergnflgen dem Schech, der auf einen so reich-
lichen Bakschisch gar nicht gerechnet hatte, gab ihm sogar
spater noch einen Megidi dazu. Aus Dankbarkeit fahlte er sich
gedrungen, mir eine recht eindringliche Belehrung mit hand-
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DAMASCUS — ORMAN.
19
greiflicher Anweisung far ahnliche Falle zu Theil werden zu
lassen: „Sieh, wenn dich kanftig wieder einmal Einer fareinen
Neuling halt, und dich bittet, du m6chtest ihm deinen Revol-
ver zeigen, so sagst du „mit VergnOgen" l) , ziehst deinen Re-
volver heraus , spannst den Hahn , behaltst aber den Finger am
Drucker, und lassest ihn gerad in das Schiessloch hineingucken ,
so lange er will ; wenn er dann sagt , er habe genug gesehen ,
dann kannst du ihn ruhig wieder einsteeken". Ich musste ihm
versprechen, seine Unterweisung genau befolgen zu wollen.
Der Schech liess sich nicht nehmen uns noch ein Stack Wegs
zu begleiten, und nOthigte uns, wenn auch nur kurz in seinem
Hause abzusteigen. In einem der schwarzen Ruinenhaufen (Ha-
sem) hatte er sich das beste alte Steinhaus ausgesucht, und
dariu seine Familie, bestehend aus einer Frau, einem Knaben
yamid und einem Madchen Namens Metelle, in Sicherheit ge-
bracht. In der Zwischenzeit , wahrend die Frau einen Cafe be-
reitete , durchstoberte ich die Ruinen nach Inschriften , fand aber
nur verschiedene Kreuze auf den Oberschwellen der Thilren.
Das grOsste der Gebaude, mit mehreren Saulen geschmnckt,
trug oben auf dem Dach eine ringsum mit Stufen versehene
Terrasse, und wurde von dem Schech als Betplatz benamst.
Nachdem wir uns verabschiedet , hielten wir auf den 6st-
lichen Rand des Ledscha' zu, und kamen von Nord nach Sad
an 14 theils hulb, theils ganz zerstOrten Dorfschaften vorbei.
1) ifi) ^ 'M t*.t.
20
ERSTES CAPITEI..
Beim lezten derselben Umm ez-zeitun bogen wir links in ein
in den Wadi Luwa ab '), urn aus demselben gleich wieder auf-
steigend den Tell Schihan auf der N.O. Seite zu umgehen.
Dieser vulkaniache Kegel , von oben nach unten auf alien Seiten
von scharf eingeschnittenen Rinnen durchfurcht , tritt als mach-
tige Schildwache an der N.W. Ecke des Gebel ed-Druz hervor.
Aus seinem auf der Westseite ausgebrochenen Krater haben
sicb die Lavastrome ergossen , die dann das Ledscha' uberfluthe-
ten. Sein Gipfel ist von einem muhammedanischen Heiligthum
gekrOnt.
Gleich am Fuss des Berges stiegen wir durch eine breite
Hohlgasse ziemlich rasch aufwarts, und nach einer Stunde be-
fanden wir uns im Gebiet der Gharorahs, vulkanischer Stutz-
kegel , die der ganzen Landschaft einen merkwurdigen Stempel
verleihen: ich glaubte durch ein unermessliches Coakslager zu
reiten; das Auge, von der untergehenden Sonne geblendet,
vermochte an den ringsum aufgethurmten schwarzen Haufen
por6ser Lava nur hellgrau glanzende Lichter und ganz dunkle
Schattenmassen zu unterscheiden. Die Ruinen von Schuhbah
zur Linken lassend, triebeD wir von Durst gequalt die Pferde
zu grdsserer Eile an, um noch Murduk zu erreichen. Die Sonne
war schon hinunter, als wir bei der schmutzigen Quelle unter-
halb des Dorfes muhsam einen Trunk uns verschafften. In vdl-
ligem Dunkel ritten wir den Hang des Berges hinauf, und
1) An diwer Stelle b&wte Ibrahim Pawha im J. 1889 bei dcm Vewnphe einer R*crnten-
Anshebong eioe Schwa<lron seiner beaten Reiter ein. Sie wnrden nmmt and sender* von den
Prutcn niedergemeielt.
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DAMASCUS — OILMAN.
21
stiegen im Khan ab. Es war eigentlich nur eine viereckige Halle
mit Steinbanken an den Wanden, und einem Herd im Hinter-
grund; auf der Eingangsseite drei antike Saulen, das Dach
stflzend; das Ganze uberragt von einem prachtigen Nussbaum.
Unsre Ankunft war schon durch Leute , die uns bei der Quelle
getroffen , gemeldet worden , desshalb erschienen , trotz der vor-
geruckten Stunde imraer mehr Bewohner des Dorfes, um ihre
Neugierde zu befriedigen. Es dauerte aber ziemlich lang, bis
man uns ein durftiges Nachtessen, aus gekochtem Welschkorn
bestehend, verabreichte. Die jammervolle Menge von FlOhen
verkummerte uns auch noch den kurzen Schlaf.
Mi. 5 Sept. 83]. Schon beim ersten Morgengrauen hatte ich
mich aus meinem Teppich herausgewickelt , um meinen Peini-
gern zu entgehen, und mich wenigstens durch Kalte an ihnen
zu rachen. Alsbald erhob sich auch der Wirth und schickte
sich an, den Cafe zu bereiten. Ich trat in den feuchten Mor-
gennebel hinaus , und betrachtete mir den Khan von aussen ,
bemerkte auch im Halbdunkel eine griechische Inschrift ein-
gemauert, ebenso an einem benachbarten Hause; der Besitzer
des letzteren zeigte mir dann noch innen auf dem Boden einen
Inschriftenstein ; es war aber noch zu dunkel, als dass ich die
Buchstaben ordentlich hatte unterscheiden kftnnen. Um 51/, Uhr
konnten wir abreiten, zunachst noch in geschlossenem Nebel;
einzelne WindstOsse von der Ebene herauf suchten den feuchten
22
EItsTF,« CAP1TKL.
Schleier zu luften , es dauerte indess noch mehr wie eine Stunde,
bis die Sonne Meister wurde. Zur Lioken hatten wir die an-
steigende Gebirgsmasse, rechts hinunter reichgegliederte Abhange,
und bald schweifte der Blick weit hinaus in dieEbene des Ledscha',
vom Einschnitt des raittleren Jordanthales bis zum Hermon. Bei
der Annaherung an Ranawat auch Ranawah genannt macht
die Landschaft einen freundlich belebten Eindrnck: Wiesen,
Straucher, selbst Baume, dazwischen alte Tempel, Graber,
Betstatten der Drusen , ab und zu grossere und kleinere Zuge von
Maulthieren , Eseln und Kameelen , in der Nahe der Hauser die
Bewohner mit landlichen Arbeiten beschaftigt. Beim Einreiten
ins Dorf grosse Strohhaufen, dazwischen auf den offenen Ten-
nen die Dreschschlitten von Ochsen im Kreise gezogen. Nicht
ohne Wehmut und Verwunschung der Eile konnte ich die herr-
lichen Tempel- und Kirchenruinen nur nothdurftig aus der Ferae
bewundern. Allein hier liess sich nichts andern; wir wollten
doch um keinen Preis den Anschluss an die Karawane zu
eOrman verfehlen. Gegen 10 Uhr bekamen wir Su'eideh
in Sicht Aul* einer breiten noch wohlgepflasterten romischen
Strasse erstiegen wir die Gebirgsplatte , auf welcher diese Stadt
gelegen ist. In der Mitte befindet sich die Medftfeh, das all-
gemeine Gasthaus der Stadt. Die Pferde rasteten aussen, wir
stiegen eine breite Steintreppe hinauf in das Inn ere dieses an-
tiken Bauwesens. Das Ganze besteht nur aus einera einzigen
Saal mit erhOhten Sitzen langs der Wande; Sitze und Boden
sind mit Strohmatten belegt. Der $aimmakam Ibrahim Beg
el-Ati-asch war zufallig von der Stadt abwesend, so konnten
wir ohne Besuch und Feieriichkeit unser einfaches Mahl rasch
verzehren und gegen Mittag weiter ziehen. Wie schon beim
Einreiten so auch beim Verlassen der Stadt streifbe der Blick
die verschiedenen Uberreste antiker Bauherrlichkeit. Bei zuneh-
mender Hitze des Tages zogen wir uns uber ein bergiges Ge-
lande zwischen kleinen Waldern von immergrQnen Eichen,
Terebinthen und Hagdorn hindurch nach Kefr, an der S. W.
Ecke des Gebel ed-Druz. Unsre zwei zu Fuss gebenden Mukari
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DAMASCUS — OHMAN.
23
(Pferdetreiber) wollten hicr schon nicht mehr vorwarts , obwohl
es erst V, 3 Uhr war , und vernahmen unsren unabanderlichen
Entschluss, heute noch bis tOrman zu reiten, mit murrender
Ergebung. Es gieng nun bald durch eine Ode Gegend, kein
Mensch begegnete uns, nur zwei einsam waidende Kameele
suchten nach karglichem Futter. Durch ein Gewirr von aus-
gedehnten Steinriegeln uns windend stiegen wir hinab zu einem
offenbar vielbesuchten hartgestampften Lagerplatz der Heerden,
der die Nahe von ausgiebigem Wasser verkundete. Eine Schlucht
erOffhete den Zugang zu einem futterreichen Thai; dort waren
abseits einige Beduinenzelte aufgeschlagen. Bei unserer Ankunft
wurden wir von den zu den Zelten gehdrenden Hunden mit
heiserem Gebell begrusst, und beim Wiederhinaufreiten bis
auf die H6he des Thalrandes verfolgt. Ein Rttckblick belehrte
uns, dass wir vom Gebel ed-Druz uns zu verabschieden hatten:
der sudliche, scheinbar hOchste Gipfel ') des Gebirges, der £leb
(1720 m.) erglahte noch in alien Farben der untergehenden
Sonne; gegen Osten, schon im Halbdunkel verloren sich ver-
ctKle»(-.7M»
schiedene Kameels- und Ziegenherden ; vor uns, gegen S.W.,
dehnte sich eine steinigte Hochebene, aus der ein grosser
Hngel der Tell el-AschaMr herausstosst ; diesen, sowie den kurz
dahinter folgenden Tell el-Khidr liessen wir rechts. Zahliose
l) ThiUachlich i»t die hochste Spitie der weiter nordlich gelegene, aber weoiger herfortre-
Unde DaehuelU (1782 » )
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2-4
F.n>TE8 CAPITEL.
Steinriegel und vollstandige 2 — 3 Meter hohe Mauera oder
Walle *) fassen die Acker und Waideplatze ein ; bei immer
stftrkerer Dunkelheit schienen die starrenden Massen an Zahl
und Ausdehnung zu wachsen; die Pferdetreiber, in hohem Grad
ermildet, waren kaum mehr zu beschwichtigen , und auch die
Pferde mussten stetig angetrieben werden. Endlich Abends 8 Uhr
ritten wir durch staubige von Mauern eingefasste Gassen bei
stockfinstrer Nacht ziemlich erschopft in "Orman ein. Bei einem
Haus mit dunkler Vorhalle stiegen wir ab. Allsobald erhoben
sich verschiedene Schlafer aus ihrer Uinhilllung und begrussten
den ihnen von fruher wohl bekannten Huber. Auch der fur die
ganze Reise angenommene damascenische Diener Mal i mud er-
schien , und meldete dass das schwere Gepack , mit dem er
vorausgeeilt war , bei den Beduinen draussen in Verwahr gegeben
sei, morgen werde Nachricht kommen, wann die Karawane
nach Kftf aufbrechen wolle. Beim Schein einer Petroleumlampe
wurde nnser kleines Gepack die Stufen hinauf geschaftt, und
die Pferde versorgt. Allmahlig fQllte sich die Halle rait alien
mGglichen Gestalten, deren Personlichkeit zu erkunden mir
heute Abend nicht mehr besonders angelegen war; mirgeuugte,
zu wissen, dass der grosse Schech Negm el-Atrasch, an den
ich schon vor Monaten von Strassburg aus geschrieben, bereits
im Schlafe liege und nicht mehr erscheinen werde. Nach lan-
gem peinlichem Warten wurde uns noch eine Mahlzeit ver-
abreicht, Cafe, Datteln in heisser Butter, dazu Leben (saure
Milch) in Schasseln und Rase. Es raochte 1 1 Uhr vorbei sein ,
bis sich die Neugierigcn verlaufen hatten , und nur die wenigen
Personen zurflckblieben , welche in der Halle selbst ihr Nacht-
lager aufgescblagen hatten. Ich muss gestehen , ich freute mich
auf den wohlverdienten Schlaf, legte mich in meinen Mantel
nieder und rollte mich in meinen Teppich ein. Fremde Sitten
in fremdem Lande in Ehren; aber an eine Sitte, oder vielmehr
Unsitte konnte ich mich damals noch nicht gewOhnen, nam-
1) Vgl. J. G. Wetntein, Reuebericht fiber Hturftn and die Trtchonen. Berlin 1860,
S. 16 Anm.
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DAMASCUS — ORMAN.
25
lich an das unausstehliche Nacht-Schwatzen , ohne Rucksicht
darauf, ob sich Einer hart daneben zum Schlafen niedergelegt
hat , oder auch mitthun will. Diese Naturkinder sind ja nichts
weniger als nervos, und haben keine Ahnung, dass das eine
Sprung des Schlafes far andere sein kOnne. Meinem lang ver-
haltenen Arger machte ich endlich durch ein zorniges „So
schweigt doch!" Luft; die Leute fragten ganz erst aunt , was
ich eigentlich wolle, und fanden meine Forderung nnd Erkla-
rung gleich unverstandlich. Nach kurzer Pause fiengen sie auch
•richtig wieder an, diessmal mit etwas gedftmpfter Stimme. Erst
als ich Anstalten machte, auf die Strasse hinaus mein Bett
zu verlegen , baten sie mich , doch zu bleiben , sie wollten gewiss
keinen Laut mehr von sich geben.
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II. CAPITEL.
Yon 'Orman rait der Kara wane nach Kaf.
7.— 10. Sept 1883.
Fr. 7. Sept. 83]. Bei Sonnenaufgang herrschte
schon reges Leben. Leute, Sitten , Hauser, Alles
trug den Stempel des Drusenthums an aicb. Ich
will hier einige Worte Qber diese eigenthumliche
Volk einflecbten. Die D r u s e n sind nicht
sowohl eine besondere VOlkerschaft , als
vielmehr eine religiose Secte. Der ara-
bisch-syrischen MiscbbevOlkerung angehGrcnd , haben sie verhalt-
nissmassig am meisten altsyrisches Blut bewabrt. Man behaup-
tet gewflhnlich, ihre ursprunglichen Sitze seien im Libanon,
theilweise auch im Antilibanon, von Beirut bis gegen §aida,
sowie in der Nahe von Damascus gewesen, und erst in Folge
der stetigen K&mpfe mit ihren nOrdlichen Nachbarn den romisch-
katbolischen Maroniten, habe ein Theil von ihnen allmablig
in der Ebene des #auran und im benachbarten Gebirge (daher
Gebel ed-DrUz genannt) seine Wohnsitze aufgeschlagen. Allein
diese Annahme ist unricbtig. Die Beschlagnabme dieses Gebirges
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ORMAN — KAF. 27
durch die Drusen ist gewiss uralt. Doch ist zuzugeben , dass al-
lerdings in neuerer Zeit, besonders nach den Christenmezeleien
zu Damascus im Juli 1860, diese Gebirge im Sflden von Da-
mascus , als geschlossene Hochburg des Drusenthums auf ver-
sprengte und verfolgte Glieder dieser Secte mehr Anziehungs-
kraft ausgeflbt hat, als der zuganglichere Libanon. So konnte
es in den letzten 30 Jahren geschehen , dass ganze Reihen lftngst
verlassener Dflrfer auf dem Ostabhang des Gebirges von den
Drusen wieder besetzt und bebaut wurden.
Ihre Gesammtzahl wird auf 80000 Kopfe geschazt. Gegen Ende
des 16. Jahrhunderts wurden sie den Turken tributpflichtig.
Trotzdem aber verstanden es einzelne ihrer kriegerischen Fur-
sten , wie vornehmlich Fakhr ed-dln , und der Emir Beschir zu
Anfang uusres Jahrhunderts ihr Volk gegen die tTbergriffe der
Turken erfolgreich zu vertheidigen und demselben einen ge-
farchteten Namen zu erhalten. Heutigen Tages ist ihre politi-
sche Gliederung nicht mehr so straff einheitlich wie fruher:
die einzelnen Stamme stehen unter verschiedenen Schechs, ja
einige dieser lezteren fuhren geradezu tiirkische Beamtentitel.
Und wenn auch die Tflrken, die sich gern der Drusen gegen
die Maroniten bedienten , nicht wagen dflrfen , in geschlossenem
Drusengebiet Garnisonen zu unterhalten oder Aushebungen zu
veranstalten , so beziehen sie doch von dort regelmassigen Tri-
but. Die Religion dieser Leute kann als gnostischer Islam be-
zeichnet werden, ein seltsames Gemisch von altheidnischen ,
christlichen , muhammedanischen und persisch-dualistischen Be-
standtheilen , niedergelegt in sechs oder siebeu heiligen Bflchern.
Die Seelenwanderung von Mensch zu Mensch ist eine ihrer Haupt-
lehren. Dass Wesen Gottes kann nur erkannt werden von den
Eingeweihten , und zwar aus dessen Menschwerdungen , beson-
ders aus der lezten in der Person des agyptischen Chalifen
flakim biamrillah (996—1020), dessen Seele frflher in Jesus
Christus gewohnt hatte. Einen besonderen Priesterstand haben
sie nicht, sie zertallen nur in TIkljal, d. i. Wissende oder Ein-
geweihte mit verschiedenen Abstufungen, und in Dschohhal, d.h.
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28
ZW KITES 0APITE1..
Unwissende. Die 'UfcVal tragen losen Turban , mussen sich prunk-
hafter Kleider enthalten, ebenso des Weintrinkens und Tabak-
rauchens , und leiten die politischen Angelegenheiten ihrer Stam-
mesgenossen. Die Dschohhal bekammern sich wenig um die
Religion , sind weder an Fasten noch an Speisegesetze gebunden ,
verwerfen die Beschneidung und heirathen selbst in den aller-
nachsten Verwandtschaftsgraden.
Dieser Secte gehOrten also alle die Personen an, die sich
jezt mit Sonnenaufgang wie mit einem Schlag in der Halle
einfanden: An der Spitze der ganzen Gesellschaft trat dermach-
tigste Schech aller Drusen ein, der alte Ne&m el-Atrasch, eine
wflrdige Erscheinung mit schneeweissem Bart, und gescheidten
etwas misstrauischen Augen; er hatte als unzertrennlichen Be-
gleiter bei sich seinen Schreiber oder Secretar Abul $asim;
dann kam ein Sohn des Schechs, Ibrahim, erst 17 Jahre alt,
etwas fett und eunuchenhaft ; ferner ein Enkel, Sohn des
Schechs tfusein el-Atrasch in Melah; sonst noch machte sich
bemerklich ein pfeifenrauchender Alter, Aba Selim, der zwar
schon in London gewesen war, aber nur confuses und unver-
standliches Zeug davon zu erzahlen wusste. Ausserdem war
noch eine Menge Volks da, das in- und ausserhalb der Halle
angesammelt mit grossem Anstand zuschaute. Alle waren ge-
puzt und hatten, soviel ich sehen konnte, durchweg die Augen
mit Kuhl geschwarzt.
Kaum hatte der Schech Platz genommen, so erfolgteeineleb-.
hafte Begrilssung und Unterhaltung. Er machte mir Lobspruche
aber den schOnen Brief '), den ich ihm von Strassburg aus geschrie-
ben hatte, bemerkte mir aber: „Dein „Bismi 'llahi 'rrahmani
'rrahlmi" 2) an der Spitze Deines Schreibens hattest Du weglassen
kOnnen; war ganz aberflussig!" Die Frage nach meiner Natio-
nalitat beantwortete ich durch J,Alamani,, und erklarte es durch
Prussian! , was ihn jedoch etwas argwOhnisch zu machen schien.
1) Vgl. S. 24.
2) .Im Namen Gottea du AUbarfflhcrzigcn des Erbarmangareicben".
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OltMAN — KAF.
29
Dagegen nahm er die Geschenke sehr wohlgefallig entgegen,
vor Allem einen Mauser-Revolver; nur hatte er lieber noch
ein grosseres Kaliber als 11 mm. gewunscht, sprach aber schliess-
lich doch seine Zustimmung aus , dass eine solche Kugel schon
von guter Wirkung sein konne. Den Mechanismus und seine
Zerlegung musste ich einem herbeigerufenen jungen Mann er-
klaren, der die Sache sehr rasch begriff, und seine hochste Be-
wunderung ausdruckte. Dann wurden die anderen Geschenke
vorgelegt, die der Schech bei Huber's jungstem Besuch sich
ausgebeten hatte, vornehmlich Medicamente , dabei auch eine
Klystierspritze.
Eine fur mich unliebsame ErOfFnung war es, als uns der
Schech ankandigte, die Karawane habe sich 3 Stunden sudlich
von hier versammelt und werde schon morgen fruh nach K&f
auf brechen. Er versprach uns indess , sogleich far die nOthigen
Eameele , fur Wasserschlauche und Lebensmittel sorgen za wol-
len. Ich beklagte schwer, dass ich das nahe §alchat nicht mehr
sollte besuchen kftnnen, und musste mich eilen, wenigstens die
acht griechischen Inschriften ') abzuklatschen , die sich im Khan
und in benachbarten H&usern fanden. Der alte Aba Selim gieng
mir dabei an die Hand , fuhrte mich auch sonst in dem Stadtlein
herum, selbst ins Innere mehrere Hauser hinein ; er wollte Staat
mit mir machen, und hatte seinen Landsleuten jedenfalls eine
fabelhafte Beschreibung meiner Person gemacht, denn bald
wurde ich als Konsul bald als Beg angeredet. In einem der
Hauser, wahrscheinlich dem meines Fuhrers wurde ich genfl-
thigt einen Cafe anzunehmen, wobei die Frauen unverschleiert
daneben sitzend an dem Gesprach Theil nahmen. Eine derselben
klagte uber Schmerzen in den Augen und da ich bei naherer
Untersuchung bemerkte , dass die Wimpern der unteren Augen-
lieder nach einwftrts sich stulpten , so zog ich ihr verschiedene
dieser Widerborsten mit einen Z&nglein heraus. Nach Behebung
1) Wohl aai dem 3— 4t«» Jahrh. n. Chriato; ich bemerke, daas die Stadt zu Khren dca hier
gcborcaen und im J. 244 n. Chr. auf den Thron g«lang»en romiachen Kaiaera Philippaa Arab*
deo Namen Philippopolia fuhrte.
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30
ZWEITES CAPITEI..
der schmerzhaften Unbequenilichkeit ergieng sie sich in lebhaf-
ten Danksagungen. Zum Schluss trug mir Abu Selim den
Wunsch vor, ich mGchte die drei Frauen oder Madchen zeich-
nen, sie wollten es als Andenken aufbewahren. Wiewohl ich
kein sonderlicher Portratmaler bin, lieferte ich doch binnen
Kurzem von diesem Dreigestirn ein Contrafei, welches mit
grosser Heiterkeit und dankbarer Bewunderung aufgenommen
wurde.
Bis ich in den Khan zuruckkam, dictirte der Schech Negm
seinem Schreiber einen Brief an den Schech von Kaf 'Abdallah
ibn Khamis, worin diesem eingescharft wnrde, uns in jeder
Hinsicht eine gute Aufnahme zu gewahren , insonderheit aber
uns einen billigen Preis zu machen fur Karaeelsmiethe von Kaf
bis zum Gyof , andernfalls sollte er es schlimm zu bussen haben ')•
Uberdiess hatte der
Schech Negm bereits
2 Delul (Reitkameele)
fur uns gekauft, zu-
sammen t'ttr 31V| Napo-
leons (=510 M.), dann
5 Lastthiere bis Kaf
gemiethet fur 300 Pi-
aster {= 60 M.) und
noch 2 Megidi (7 M.)
Trinkgeld verabredet. Lebensmittel verschiedener Art, Cafe,
Reis, Datteln, Kameelsbutter in einem Schlauch verehrte er
uns aus seinen eigenen Vorrathen. Der Diener Mahniud ritt
mit den 5 Kameelen und dem schweren Gepack um die Mit-
tagszeit ab, wahrend wir zwei erst spater nachfolgen wollten.
Nicht ohne ein gewisses Bangen sah ich zu, wie unsre zwei
Reitthiere gebracht , gesattelt und bepackt wurden. Ich musste
mich jezt wohl oder Qber mit dem Thier naher bekaunt machen
1) eCxIj v_j^\i .wir werden dein llann nfrtrtnT laute<e der nnterblfimte Ansdruck in
drohcndnn Kmpfrhlmipbrief
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ORMAN — KAF.
31
und befreunden, das mich uber alle Schrecknisse der Waste
hinuber meinem Ziele entgegentragen , und mir meine Aufgabe
erfftllen helfen sollte.
Das in Syrien und Arabien vorkommende K am eel gehCrt
durchweg der einh6ckerigen species Camelus dromedarius an.
Die Beduinen unterscheiden fiir gew6hnlich nur zwei Arten,
namlich erstens das gemel (oder bacir), das zum Lasttragen
gebraucbte Thier, und zweitens das edlere Delul das schnell-
laufende Reitthier. Freilaufend in der Waste oder auch auf der
Reise erhalten die Kameele in Arabien keinerlei Futter gereicht ,
sondern sind daraaf angewiesen, ihre Nahrung aus den wild-
wachsenden Strauchern und Holzpflanzen wfthrend des Gehens,
besonders jedoch bei den Rastpl&tzen sich selbst zusammenzu-
suchen. Nur ganz selten, in der Nahe der wenigen festen An-
siedlungen, wo meilenweit alles Futter und Brennholz langst
von den Einwohner geholt oder besser ausgerottet ist, ebenso
in ganz trockenen und darum unfruchtbaren Jahrgangen, mfls-
sen sie kunstlich gefuttert werden , und- zwar geschieht diess
dann meistens durch Darreichung einiger ausgesteinten Datteln.
In der heissen Jahreszeit mussen die Thiere spatestens nach funf
Tagen getrankt werden , sonst gehen sie zu Grund ; alle darflber
hinausgehenden Angaben sind unrichtig; ohne Wasser sind sie
schon am vierten Tag kaum mehr im Stande zu fresaen, und
nur durch Misshandlung zum Vorwartsgehen zu bringen. Da-
gegen kann ich aus eigener Erfahrung versichern, dass die
Thiere bei Grtlnfutter — selbst nach 24 Tagen — noch keiner-
lei Verlangen nach Wasser bezeugten, und dargereichtes be-
harrlich verschmahten ; man kann daher getrost behaupten,
sie trinken das Wasser , wie manche Menschen sich ruhmen ,
nur im Nothfall. Nur ist eben der Nothfall in Arabien leider
der vorherrschende. Ins Gebiet der Fabel vollends ist zu ver-
weisen , was thOrichterweise noch in alien Kinderbttchern, aber
auch sonst, zu lesen stent, dass das Kameel in verzweifelten
1) Dalftl, PlnrelU Ddlul.
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/W F.I TEN CAPITEL.
Fallen geschlachtet werden konne, und dann noch aus seineni
Magen einen Vorrath trinkbaren Wassers liefere. Man uberzeuge
sich bei einem frisch aufgebrochenen Kaineelsmagen : ich mOchte
den Menschen sehen, der beira Anblick und Geruch dieser Ver-
dauungssafte , in welchen Disteln und Dornen zu einem Brei auf-
gelost werden, noch eine M6glichkeit einr&umte, sich selbst in
ausserster Nothlage, einen durststillenden Trank zu verschafFen
und sich dadurch vom Tode zu retten. Von einem feinen Delul
wird verlangt schlanke Bauart, demzufolge LeichtfQssigkeit ,
harter FetthGcker, eine gewisse Dressur (d. h. die Gew6hnung,
selbst wahrend rascher Gangart sich das Futter rechts und
links von Weg schon im Voraus zu erspahen und ohne Aufent-
halt zu erhaschen) sowie die Fahigkeit , selbst in der heissesten
Jahreszeit bis zu fimf Tagen den Durst ertragen zu k6nnen. Mein
Delul hatte eine Schrittweite von 1,95 Meter, und legte als
Passganger bei 5500 Halbschritten in der Stunde etwas uber
5 Kilometer, bei 15 — 18 Stunden Reitzeit etwa 80 Kilometer
im Tag zuruck. Bei dieser Gangart muss ein gutes Delul noch
nebenher fressen konnen. Zu den Hauptkunsten eines Reiters
gehort es , • ein Reitthier bis zu 7500 Schritten in der Stunde
zu bringen, ohne in Trab zu verfallen. Nur diejenigen Thiere,
welche bei kraftigem aber hartem Wustenfutter aufgewachsen
sind , halten eine so bemessene Gangart Tage oder gar Wochen
lang aus. Nach einem Razu (Raubzug) von 4 Wochen , der in den
ersten 7—10 Tagen bei 20—22 Stunden taglichen Marsches die
Delule auts ausserste anspannt , sind die Rttckkommlinge far das
ganze Qbrige Jahr zu alien weiteren Gewaltritten unfahig , und
milssen, um sich zu erholen, unbehelligt bis zum nachsten Grun-
futter in der Waste fressen durfen. Von den feisten FetthOk-
kern der Kameele im cIra^ spricht der Beduine des Negd ver-
achtlich ; sie sind ebenso rasch angemastet , als bei der gering-
sten Anstrengung hinfallig und werthlos. Die Menge der im
mittleren und nordlichen Arabien sich nahrenden Kameele zu
schatzen , ist schwierig. Auf Grund der verschiedenstens Einzel-
auskanfte bin ich geneigt, eine Zahl von mindestens 600,000
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ORMAN — KAF. 33
dieser Thiere anzunehmen. Davon mogen dem Emir zu Hajel
und seiner Familie etwa 120,000 Stuck eigenthOmlich gehOren,
uber die ein besonderer verantwortlicher Oberhirte *) gesetzt ist.
Die Reitversuche eines Neulings auf dem Delul bilden,
wie ich gleich zu Beginn erfahren sollte, stets eine recht mar-
tervolle Lehrzeit. Wo man uberhaupt einmal gendthigt ist,
sich des Eameels zu bedieneu, da kommt man auch unter 12
Stunden nicht leicht wieder herunter. Doch ist die Meinung
von der sich erzeugenden Seekrankheit eine reine Fabel; ich
bin gewiss nichts weniger als ein Seeheld, wurde indess auch
keinen Augenblick an die Opfer far den Poseidon erinnert; die
Schmerzen sind vielraehr rein mechanisch bereitete. Da die Gang-
art des Kameels, im Gegensatz zum Pferde, nicht in einem
Stossen von unten nach oben, vielmehr in einem tauchenden
Vor- und Ruckwartsschieben sich aussert, auch bei der eigen-
thumlichen Sitzstellung des Reiters, nicht die Innen-Seite der
Schenkel , sondern der ruckwftrts oberste Theil des Sitzfleisches
in Anspruch genommen wird, so geht die Abhoblung der zar-
ten Oberhaut und nach drei Wochen schliesaliche Verschwielung
nicht ohne die peinlichsten Qualen voruber. Wenn ich spftter,
nachdem ich selbst ein fermer Delul-Reiter geworden, der im
Lauf vom Kameel hinunter 8) und wieder hinaufzuspringen »)
verstand, und nach 18- selbst 20-stundigem Ritt noch keine
sonderliche ErmQdung verspurte — wenn ich da einen Anfan-
ger zu beobachten Gelegenheit hatte, so konnte ich mich bei
dem Anblick der abenteuerlichsten Stellungen , dem wechselnden
Probiren zwischen Reiten, Hocken, Knieen, Liegen, des Mit-
leids und zugleich Lachens kaum erwehren. Ein junger Egyp-
ter, mit dem ich am Schluss meiner Reise den Weg von Ko§er
nach Eeneh am oberen Nil in 4 Tagen zurttcklegte, hatte sich
1) LT*£ ^ e,'8««h
3) sjCb UibUk
») luwwal;.
•J
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31
ZWEITRS OAPITF.I..
in der Erirmerung an fruher ausgestandene Schmerzen , in einem
weibischen Reitbett, Schibrijjeh genannt, das Leben leichter
gemacht. Geradezu komisch aber musste es den Kenner der
Verhaltnisse bertthren, wenn er wahrend des lezten englischen
Feldzuges gegen Khartum in einem fQr europ&ische Zeitungen
bestimmten Bericbt folgende schCne Redewendung entdeckte:
.Unsere Truppen sind in vorzuglichster Stimmung, ja bei der
Kameelsschwadron steigen sogar manche von ihren Reitthieren
ab, und gehen zu Fuss daneben her!" Die Grande far solche
freiwillige Gehlust dieser Fussreiter kdnnen aus dem oben An-
gedeuteten leicht ermessen werden.
Doch nach dieser Abschweifung wieder zuruck nacb eOrman.
Der Nachmittag vergieng, die Abreise drangte, und es gait
Abschied zu nehmen von unsren Gastwirthen. Als ich mich
meinem Delul naherte, einem hochgesattelten Kameelshengst ,
breit behangt mit den Doppeltaschen !), worin auf jeder Seite
ein Kotfer stack , daruber noch zwei kleine Sacke 8) oben dar-
auf nocb mein Teppich , und als Bett eine abgesteppte Decke ,
am hinteren Sattelknopf mein Mauser-Repetir-gewehr in Bedui-
nenfutteral , auf der anderen Seite eine Sabel- und Stocktasche
dazu eine Wasserpfeife in einem Lederbeutel, da war ich doch
etwas befangen; mir war zunachst unklar, wie ich uber all
den Hausrath nnd Gepack binweg in den Sattel kommen sollte.
Der bisherige Besitzer brachte das sich hin und her windende
Thier endlich zum Niederknieen , trat ihm auf den zusammen-
gebogenen linken Vorderfuss, hielt den Zaura fest, und rief
mir zu , ich solle schnell in den Sattel hineinspringen. Ich packte
auch gleich die zwei HOrner oder Knopfe des Sattels, allein
wie das Thier mein Vorhaben merkte, klappte es bereits mit
den Hinterbeinen in die HOhe und briillte so furchterlich , dass
mir dem Ungewohnteu schier der Muth vergieng. Der Mann
aber schrie mir zu , ich solle nur machen , dass ich hinein-
komme und mich festhalten — also einen Satz, dann Hess er
1) Khfirg. Plur»li»: tkhrttg
2) M&wedeh.
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ORMAN — KAK.
35
los, das Thier schnellte in vier Absatzen in die HShe, wobei
ieh bald von vorn bald von hinten ganz unvergessliche Stflsse
von den hOlzernen SattelknGpfen erhielt, aber ich war doch
im Sattel; mit mGglichster Wurde setzte ich mieh zurecht
hangte meine Fflsse auf das Lederkissen (merakeh) aber den
Nacken des Thiers hinunter, nahm das Leitseil in die Linke,
den Karaeelsstecken in die Rechte. winkte noch den Drusen
einen Abschiedsgruss zu, und folgte meinem vorausreitenden
Gefahrten. Ein Stuck weit begleitete uns noch ein alter Mann ;
der sollte uns den Anfang des Wegs zeigen und den Berg, an
dessen Fuss wir die Karawane treffen wrtrden.
Es war eine herrliche Abendbeleuchtung ; rechts draben hin-
ter §alchat neigte sich die Sonne , und liess die Burg als dunk-
len Klotz in scharfen Umrissen hervortreten ; aus der hellen
WQstengegend vor uns hoben sich der Kegel des Khidr Imtan
mit einem Wallfahrtsort auf der Spitze , und die schwarzen Gebaude
des Dorfes Imtan selbst empor, begannen aber bald in rothen
Farben zu ergluhen. Mit dem Scheiden der Sonne traten sie
in blaue Feme zuruck, und der Hugel schien immer weiter
vor uns zu weichen. Von einem Lager keine Spur. Bei dem
bisherigen langsamen Tempo waxen meine Reitkdnste ausrei-
cheud gewesen, und die Neuheit der Bewegung hatte sogar
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3(1
ZWIOITKS CAPITEI..
einen gewissen Reiz , wie aber einmal die Sonne hinunter war ,
und das Lager sich immer noch nicht zeigen wollte, drftngte
mein Begleiter zur Eile. Da wurde ich denn sogleich auf nicht
ganz angenehme Weise in die hohere Reitkunat eingeffthrt und
inusste mich im Traben versuchen. Diese Gangart ist aber dem
Karaeel so wenig als dem Reiter auf die Dauer zutraglich,
uberdiess zflgelte die Unebenheit des Bodens und die plOtzlich
eingetretene Finsterniss sehr bald unsern Eifer. Mit einem Mai
tauchten auch einige unsicher flackernde Feuer in der Ferne
auf, verschwanden indess ebenso rasch; verschiedene Zuge frei
laufender Kameele kreuzten unsere Richtung und bekundeten,
dass wir doch nicht mehr so weit vorn eigentlichen Lagerplatz
seiu konnten. Der eben aufgehende schwach leuchtende Mond
hinderte eher, als dass er uns behilflich war, unser Ziel zu
erkennen. Den HQgel Khirlr Imtan hatten wir schon rechts
hinter uns, plfttzlich stiessen wir auf die ersten Zelte, Kameele
lagerten rechts und links in Massen ; doch wo war unser Diener
Mahmud mit dem Gepack, wo war das Zelt des Schechs?
Wir ritten aufa Geradwohl auf ein Zelt zu, da erhielten wir
den Bescheid, das Zelt des Schechs sei noch weit von hier,
wir sollten in dieser Richtung vorderhand nur noch getrost
zwischen den Zelten furbass reiten. Das war nun nicht so ganz
einfach: die Zelte waren furs erste ganz unregelmassig uber
ein weites Gelande in Mulden zerstreut, sodann aber greift so
ein arabisches Zelt mit den an Pfloeken im Boden gespannten
Stricken nach alien Richtungen mindestens viermal so weit aus ,
als 68 selbst gross ist, und diese langen Fangarme wollen zu
Kameel in achtungs voile m Bogen umgangen sein. Nach langem
Umhertasten und endlosem Fragen nahmen wir einen jungen
Burschen mit, der uns durch den Wirrwarr von Menschen,
Thieren , Zelten , Stricken , glucklich zum Schech fuhrte. Es war
ein grosses dreigetheiltes Zelt wo wir abstiegen. Trotzdem der
Ritt nur etwa 4 Stunden gedauert hatte, war ich doch von der
ungewohnten zusammengekauerten Sitzstellung ganz lendenlahm
geworden , und wie ich zuerst wieder den Boden mit den Fussen
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ORMAN — KAP. 37
berflhrte, konnte ich einfach das Gleichgewicht gar nicht fin-
den , offenbar auch nicht einmal mehr die Beine gerad strecken,
sondern taumelte vier , funfmal herflber und hinflber , und hatte
Milhe und Noth , mich nur soweit zu bemeistern , dass ich , ohne
eine lacherliche Figur zu spielen, den uns angebotenen Ehren-
platz erreichte. Der Schech eAbdan, Oberhaupt der Bani eEisa,
eines Zweiges der Bani §akhr, hiess una willkommen, und bat
uns, Platz zu nehinen. Ein grosser Kreis von auf dem Boden
hockenden Beduinen erhob sich , und ruckte aus einander. Dicht
vor unsrem mit einem herbeigeholten Teppich belegten Platz
gluhte ein halberstorbenes Feuer. Auf einen Wink des Schechs
brachte Einer in seinem Mantel einen Haufen von trockenem
Kameelsmist ') herbei und schuttete ihn neben dem girt hen den
Aschenberg aus; theils uni uns zu ehren, theils auch urn die
seltsamen Gaste naher betrachten zu konnen, wurden immer
neue Vorrathe in die Gluth geschoben nnd ein flackerndes Feuer
unterhalten. Zuerst wurde vor unsern Augen der Cafe bereitet ,
spater aus der Frauenabtheilung eine machtige Schussel mit
Burghul (aufgequollenem Waizen) herQbergebracht. Hungrig
wie ich war, konnte ich diessmal die Beduinensitte wohl ver-
stehen. Eine Mahlzeit ist bei den Beduinen eine Sache fur
sich; das Geschaft des Essens ist so wichtig und ernsthaft, dass
keiner der Mitessenden ein Wort sprechen wird. Niemand ist
verpflichtet , irgend einen Neueintretenden , mag er noch so vor-
nehm sein, zu begrussen, oder sich durch sonst etwas in der
Arbeit storen zu lassen. Auch keiner der Anwesenden wird et-
was dazwischen reden oder gar fragen. HGchstens muntert der
Gastwirth die Essenden auf, doch ja krftftig zuzugreifen und
nicht etwa schon aufhoren zu wollen. Die Ehrengaste erhalten
vom Wirth oder vom hCflichen Mitgast immer die vorzuglichsten
Bissen vor ihren Platz in der gemeinsamen Schussel zugescho-
ben. Ist . Einer fertig , so schleckt er die Finger ab , gibt als Zei-
chen des Wohlbehagens seinen dankschuldigen Ralpser von sich ,
1) b.'r, eolleeUram; ciu oiiueliwi Stflck: g«Uh.
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ZWEITE8 CAPITEL.
steht dann mit einem el-hamdu lillah („Lob sei Gott") auf , geht
bei Seite, wascht sich die Finger und den Bart nach MOglich-
keit , und begibt sich dann in den allgemeinen Gesellschafts-
kreis zurflck. So kam auch heute erst nach der feierlichen Es-
sensstille , und nachdem das Geschaft zu allseitiger Befriedigung
vollendet war , in lebhafteren Fluss , wobei politische Erorterun-
gen die Hauptrolle spielten. Die unablassigen Fragen aller frisch
Herzugekommenen nach unsern Gewehren mussten immer wie-
der von Neuem beantwortet werden , und es vergieng die halbe
Nacht, bis wir uns schlafen legen konnten.
Sa. 8. Sept. 83]. Im Morgengrauen ein Durcheinander ohne
Gleichen: Einzelne Heerden wurden nach verschiedenen Rich-
tungen auf die Waide getrieben. Wahrend noch da und dort
gepackt wurde, setzten sich unter eintonigem Gesang schon
andere Gruppen in Bewegung ; von alien Seiten her kamen lange
Zflge von Lastkameelen , und nahmen in aufgelostem Marsch
gewiss einen Raum von vier bis ftlnf Quadra tkilometer in An-
spruch. Ich habe nachher zwischen 6 und 700 Lastthieren ge-
zahlt, die meisten mit Sacken voll Getreide beladen; als Be-
gleitung waren dabei etwa 170 Manner, schlecht bewaffnet,
aber mit feinen Reitthiercn versehen , ausserdem 20 noch junge
Weiber. Das war nun die Karawane , die einmal des Jahres aus
dem yaurun nach Kaf mit Getreide zieht, urn dasselbe gegen
Salz einzutauschen , und das letztere dann im Einverstandniss
mit den Drusen auf tdrkisches Gebiet einzuschmuggeln. Dess-
halb konnte, wie oben (S. 30) erzahlt, Negm el-Atrasch ganz
wohl gegen den Schech von Kaf Drohungen gebrauchen, weil
eben dieser mit seinem Salzverkauf ganz von den Drusen ab-
hangig ist. Die Bani Sakhr besorgen bei dem Geschaft nur den
Transport.
Die Strecke zwischen 'Orman und Kaf, 2'/, Tagereisen lang,
ist als ausserst gefahrlich verschrieen und tragt mit Recht den
Namen Derb el-razawat (»Weg der Raubzflge"). Nicht nur ein-
zelne aus ihren Stammen ausgestossene verbrecherische Subjecte
(Bawwal^), sondern gauze Haufen von Gesindel aller Art versu-
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OHVUN — KAF.
39
chen in diesen Gegend ihr Gluck, und scheuen weder vor Ge-
walt noch Mord zurflck. Es ist daher sehr begreiflich , dass wir
diese einzig sichere Gelegenheit benutzen und um keinen Preis
versaumen wollten.
Erst allmfthlig kam eine etwas geschlossenere und gleichmas-
sigere Bewegung in den grossen Massen zu Stande. Die Rich-
tung, welche eingehalten wurde, gieng Anfangs ziemlich genau
nach Sud-Sud-Ost, um daun spater nach Sud-Ost uberzugehen.
Die Ode Landschaft durch die wir zogen, gehOrte schon nicht
mehr zu dem roth-schwarzen vulkanischen Gebirge der letzteTage,
soudern erOffnete den Zugang zu dem weisslichen ljamad (Stein-
wuste). Nachdem wir Imtan links hinter uns gelassen, folgten
auf der rechten Seite noch ein paar ganzlich verlassene Ddrfer
und alte Riiinen aus schwarzem Gestein: 'Anafc, Rab und Der
el-Kehf. Nicht lang darnach erstiegen wir eine Hochflache §a-
fauwijjat genannt, die in langsamer Senkung eine ausgedehnte
Fernsicht auf mindestens 80 Kilometer weit hinaus er6ffnete.
Nocb einen letzten Blick ruckwarts! Mit der civilisirten Welt
hatte ich fernerhin nichts mehr zu thun. Ich stand an der Pforte
des langersehnten Landes. Werden wohl alle meine Hoffnungen
und Traume in Erftlllung gehenl Bin ich der grossen Aufgabe
auch wirklich gewachsen? Werden nicht schwache Stunden
koramen , wo ich in Eleinmuth versinke 1 Werde ich je die Hei-
math und meine Lieben wiedersehen? Ich betete zu Gott, dass
er mich mit Muth, Geduld und Hoffnung waffne! — Wie wir
den Rand der Hochflache erreichten, konnten wir zum erste-
mal einen tfberblick aber den ganzen Zug der Karawane ge-
winuen: wir selbst befanden uns nahezu am Schluss derselben;
in eine Breite von einem halben kilometer aus ein andergezo-
gen und in einer Langenausdehnung von 2—3 kilometer senk-
ten sich vor uns die einzelnen Gruppen. Dnter einfOrmigem
Gesang wurden die Thiere im Gang erhalten , mit Geschrei und
Prilgeln die stehenbleibenden angetrieben, auf etliche muth-
willige junge Ausreisser, die sich etwa bei einem fetten Busch
abseits auf hielten , musste mit ' ist Jagd gemacht werden. Be-
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ZWEITES OAI'ITEL.
sonderes Qeschick zeigten darin die Frauen; ohne sich zu be-
sinnen , sprangen sie auf das nachste beste Delul , um in gros-
sem Bogen einen solchen Faulpelz abznfangen, und webe dem
unvorsichtigen Schmarotzer, der dann in den Bereich der kuhn
geschwungenen Keule kam. Zur Unterhaltung fuhrten dazwi-
scben die Manner Scheinkampfe auf mit ihren Sabeln und lan-
gen Lanzen. Um meines Deluls mich zu vergewissern , und um
zu erproben ob es bein Schiessen nicht erschrecke, feuerte ich
einigemale uber seinem Kopfe unversebens mein Gewehr ab:
das Thier muckste sich nicht. Und das diente mir immerhin
zur Beruhigung far den Fall, dass ich uber kurz oder lang
doch einmal ein ernsthaftes Begegniss erleben sollte.
So ritten wir den ganzen Tag uber, ohne anzuhalten bis
gegen Sonnenuntergang. Auf meine Frage nacb dem etwas rath-
selhafben (ob rdmischen oder fruh-muhammedanischen 5a«r
ezrak d. h. „blauen Schloss" erfuhr ich dass wir dasselbe im
Laufe des spaten Nachmittags auf ein paar Stunden Entfernung
links zur Seite gelassen hatten, ohne uns uberhaupt in den
Gesichtskreis zu bekommen. Ich war Uber die Massen froh, als
als ich beim Hinuntcrsteigen in eine breite Mulde BVauwijjeh
(oder Ebfcauwijjeh genannt) gewahrte, dass die Vorderstcn be-
reits anfiengen sich zu lagern ; wir selbst ritten noch mOglichst
weit vor , und suchten uns ganz im Hintergrund einen hubschen
Absteigplatz heraus. Binnen kurzem waren unsre sieben Kameele
abgeladen, und durften, der Burde ledig, mit gelockerten
Stricken, sich noch an einem guten Futterplatz erlustieren.
Die Teppiche und Decken wurden auf den Boden gebreitet,
und aus dem ubrigen Gepack eine Art Wagenburg errichtet.
Der Lange nach ausgestreckt und eine Wasserpfeife rauchend,
genoss ich mit Wonne die Ruhe in der Abendkuhle.. Da keiner-
lei Zelte mitgefuhrt wurden, war es leicht, das ganze Lager
mit seinem regen Treiben zu uberblicken. Dutzende von lusti-
gen Feuern wirbelten um die Wette ihren Rauch zur Himmel.
Der Diener Mahmud hatte sich zwei Beduinen als Gehilfen bei-
gelegt , und wahrend der Eine die Kameele beaufsichtigte , hatte
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ORMAN — KAF.
der Andere aus Steinen einen Heerd erbaut und schleppte un-
ablassig neues Brennmaterial herbei. Vor Allem wurde der
Cafe bereitet , daneben in einem eisernen Henkel-Topf ') der
Reis im Salzwasser gekocht. Den Durst zu stillen hatte ich
den Tag fiber aus meiner Feldflasche das letzte saubere in
eOrm&n eingefallte Wasser getrunken. Jezt war's mit der Herr-
lichkeit zu Ende , und verblieb mir nichts anderes , als aus dem
Schlauch zu trinken. Diese wichtige Gerath, bei den Bedui-
nen Tsirbeh l) genannt , ist gemeiniglich ein Schaf- oder Ziegen-
fell, bei welchem die mit Theer bestricbene Haar- oder Woll-
seite nach innen gerichtet ist. Das Wasser, schon an und far
sich nicht besonders sauberlich, nimmt darin eine trub-braune
Farbe an; wenn es aber einmal einen Tag oder langer durch
den Transport geschuttelt ist, so ballen sich die grObsten Un-
reinigkeiten in Flocken zusammen und bleiben in den Haaren
hangen ; nach dem zweiten oder dritten Tag wird es zwar noch
brauner an Farbe , jedoch im Ganzen klarer und reinlicher. Wohl
oder ubel liess ich mir aus dem aufgebundenen Hals des
Schlauches meine Messingschale vollfiillen und trank mit ge-
schlossenen Augen das Zeug hinunter. Brrrh! Eben wurde der
aufgequollene Reis gebracht, und mit flussiger Butter uber-
schuttet. Auch darflber will ich noch den Schleier lflften: so
lange in der Wuste Grunfutter wachst, also in den Monaten
December bis Marz geben Eameele, Schaafe und Gaisen eine
gute dicke Milch, die sich im Geschmack kaum unterschei-
det; in dieser Zeit wird aus der Schaf- und Ziegenmilch
(seltener aus Kameelsmilch) die Butter fars ganze Jahr herge-
stellt; in der spaterer Jahreszeit ist diess nicht raehr m6glich,
weil die Milch bei dem Holzfutter zu wflsserig ist. Im Anfang
noch consistent, nimmt die Butter, vom April ab, in den
Schlauchen, worin sie aufbewahrt wird, dickflussige Gestalt
1) sidr.
2) cigtl : KirUh ^ (rgl. S. 78 Anm).
42
ZWEITES OA PI TEL.
und einen unvergleichlichen Geruch an. Im September, als ich
die Wuste betrat, hatte demgemass unsre Butter das ehrwur-
dige Alter von mindestens sechs Monaten ; trotzdem lernte ich
sie nach kurzera noch als einen Leckerbissen schfttzen. Heute
bei der ersten Vorstellung konnte ich mich unmoglich gleich
damit befreunden, und schlug daher meinem Reisegefahrten
vor , wir wollten eine der sechs (!) Conservenbuchsen , die wir
nur fur den aussersten Nothfall bei uns fuhrten, doch heute
schon opfern. So wurde denn eine Buchse „turkey and tongue"
geflflhet, und zum allgemeinen Besten auf dem Reis vertheilt.
Die zwei von Mahmud als Gehilfen angenommenen Beduinen
wurden von jezt ab auch zu unsrer Gesellschaft gerechnet, und
nahmen als ebenburtige Mitglieder an der Mahlzeit Theil. Trotz
ihres rohen Gaumens merkten sie doch bald, dass hier etwas
besseres als Schaffleisch aufgetischt war und erkundigten sich,
was das fur ein wunderbares Gericht sei. Ich erklarte ihnen,
das sei Dagag hind! („indischer Hahn") und Ochsen- oder Ealbs-
zunge, und ahnliche gute Sachen gebe es noch mehr in christ-
lichen Landen. Gerade die lezte Bemerkung aber machte den
Einen stutzig und nachdenklich ; er hielt inue mit dem Essen ,
nahm eine angstliche Miene aus und versicherte , er spure plotz-
lich Bauchweh. Durch mein Gelachter wurden seine Bedenken
nur noch gesteigert , und er platzte heraus mit der griramigen
Beschuldigung : „Das ist gewiss Schweinefleisch!1' Alle gegen-
theiligen Versicherungen blieben wirkungslos; tief gekrankt
gieng er abseits und machte es — hier naturlich ohne Pfauen-
feder! — wie die Rflmer, wenn sie zu viel gegessen hatten.
Mit Wasser spQlte er den Mund aus und rief immer: „0 Ver-
geber der Sanden, ich bitte Gott urn Verzeihung!M Der Kerl
dauerte mich eigentlich, aber er war nicht mehr zu bewegen,
aus dem Winkel, in den er sich gehockt, herflberzukommen ,
und irgend eine andere Nahrung zu sich zu nehmen.
Da wir unter unseren Vorrathen zwei S&cke Mehl mitfuhrten,
konnten wir uns wohl den Luxus der Brotbereitung gestatten.
Und zwar geschah das iu folgender Art: Zunachst wurde eine
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HUMAN — KAF.
43
runde Lederplatte (Sufrah) auf den Boden ausgebreitet. Dieselbe
hatte etwa 2llt Fuss im Durchmesser, und war am Rande mit
Ringen versehen , um im Bedurfnissfall vermittelst einer durch-
gezogenen Schnur auch als Beutel verwendet werden zu kon-
nen. Sie musste uberhaupt zu verschiedenen Zwecken dienen
bald als Tischtuch , bald als Speisekammer , Trankkubel , heute
als Backmulde. Nachdem dann Mahmud die Haude gewaschen
hatte , schuttete er ein Quantum Mehl , Salz und Wasser in die
Vertiefung des Leders und begann darin die Masse zu kneten.
Das Ergebni8se, einen Ballen Teiges, formte er zwischen den
Handflachen zu einem ein bis zwei Finger dicken Kuchen und
schob ihn unmittelbar ins Feuer, doch so dass der Kuchen al-
lerseits von der Oluth umschlossen war. Von Zeit zu Zeit klopfte
er mit einem Stack Holz auf das Werk seiner Backkunst ; nach
etwa sechs Minuten belehrte ihn der Klang, dass die Oberseite
durchgebacken sei. Der Kuchen wurde nun umgedreht, und die
noch weiche Seite ebenfalls von oben her durch die Gluth in
kurzem fertig getnacht. Gluhendheiss herausgenommen und nur
nothdurftig von den grObsten Kohlen- Sand- und Holzstucken
gereinigt, wurde er dampfend an die glucklichen Mitglieder
der Tafelrunde vertheilt. Bald darnach verlangte der Schlat
sein Recht, und unter dem funkelnden Sternenzelt legten wir
uns mit unsren Waffen zur Ruhe.
So. 9. Sept. 83]. Es war noch stockdunkle Nacht (4 Uhr 40),
als sich die Karawane wieder in Bewegung setzte. Erst wie die
Sonne heraufstieg, kam auch Leben in die Leute, die durch
Gesang und Scherze sich Unterhaltung verschafften. Gegen elf
Uhr bogen wir in einen Gebirgspass ein, wo sich unser Weg
zwischen weissen Kalkfelsen, denen schwarzes Gestein auf'gela-
gert war, in die Hflhe wand. Da wo sich die Schlucht am
meisten verengte, wurde von der Vorhnt unter grossem Ge-
schrei ein Scheinflberfall auf uns ausgefilhrt, und unter den
Thieren eine heillose Verwirrung angerichtet. Ein jaher Seiten-
sprung meines erschreckten Hengstes hatte mich um ein Haar
in die steinigte Tiefe geschleudert. Wahrend ich noch das Thier
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44
/WF.ITE8 CAP1TEL.
zu beruhigen bemuht war, erschien plozlich von hint en her
aber meinem Haupte eine lange Beduinenlanze ; der TrAger
schrie .Willst dich ergeben oder nicht und stiess mir, ehe
ich noch meine Waffen zur Hand bekommen konnte, mit der
Spitze ') der Lanze mehrfach in meinen Mantel hinein. Da ich
nicht leugnen konnte, mich vollkoinuien in seiner Gewalt zu
befinden, so verlangte er ein hohes Losegeld. L&chelnd kaufte
ich mich mit einer Handvoll Tabak los; der Kerl wickelte ihn
in den langen Armelzipfel seines Hemdes, schwang den Ta-
baksknopf triumphirend durch die Luft und ritt unter scherz-
haftem Sieges-gesang , beneidet von seinen Qenossen, bis vor an
die Spitze.
Die Gluth der Mittagssonne brachte diese larmenden Vergnu-
gungen allmahlig zum Schweigen. Dem Beispiel der meisten
folgend hatte ich meine Keffijjeh fibers Gesicht herQber gezo-
gen , und dem Schlaf nahe , schaute ich nur von Zeit zu Zeit
durch einen schmalen Auslug vorwarts auf meine nftchste Um-
gebung. Vor mir draus ritt ein junger Bursche auf einem Last-
kameel; des Gleichgewichts halber stuzte er sich auf den quer
vor sich herubergelegten Sabel, nickte indess verschiedenemale
bedenklich nach rechts und links, schliesslich zog er vor, sich
schrag aber die Sacke weg zum Schlaf niederzulegen. Wie ich
so daruber nachdachte, ob ich wohl je im Stande ware, in
dieser Lage zu schlafen, schlich sich ein junges Weib, das of-
fenbar auch schon langer den Vorgang mitangesehen hatte, an
das Kameel hinan, raubte mit einem kQhnen Satz dem arglo-
sen Schlafer Kopftuch und Sabel, schattelte ihn an seinem
Haarschopf und rannte hohnlachend spornstreichs mit der Beute
von dannen. In seiner durch das Gelachter der Genossen gestei-
gerten Wuth aber die angethane Beschimpfung setzte der junge
Mensch Alles dran, seine Ehre wieder herzustellen. Allein die
Beduinenfrau ihrerseits war auch nicht gewillt, den Raub so
]) UiL& sohelfeh.
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ORMAN — KAF.
45
ohne Weiteres herauszugeben , und hatte sich die Sache fein vor-
ausberechnet. Wahrend jener sein Kameel zur Verfolgung an-
trieb , hatte sie sich schon vorher eines feinen Deluls versichert.
Mit wahrhaft bewimderswerther Gewandtheit, packte sie den
vom vorderen Sattelknopf herunterhangenden Strick, sprang
mit einem Fuss ab, mit dem andern gleich auf den Hals des
Deluls und war im Nu im Sattel. Wie wird jetzt die Sacbe
ablaufen? Das aufregende Wettrennen mit seinen raancherlei
Wechselfilllen und Kriegslisten wurde von Mannern und Wei-
bern mit Geschrei des Beifalls und Hohnes begleitet. Der baar-
hauptige junge Mann konnte sich zuletzt nicht anders helfen,
als dass er von seinem Kameel heruntersprang , und dann
mit entlehnter Lanze in ausdauerndem Schnelllauf die freche
Rauberin einholte. Aber selbst jetzt fand er noch hartnackigen
Widerstand. Doch gelang es ihm am Ende, ihr den Sabel aus
der Hand zu schlagen, und sie dadurch zur Ubergabe zu zwin-
gen. Das Delul selbst schien den Sieg des Mannes zu missbil-
ligen und gestattete ihm nur widerwillig und brullend den Sat-
tel zu besteigen, indess das Weib als Radlfeh hinter ihm ihren
Sitz einnahm. Diese Abenteuer gab mir zum erstenmal Gele-
genheit , den Kopf eines Beduinen unbedeckt zu sehen , ich hatte
mir vorher auch gar keine Gedanken daruber gemacht, war
indess nicht wenig erstaunt, zu gewahren und bestatigt zu hfl-
ren , dass eiu Beduine fur gewohnlich vier ZOpfe J) tragt , zwei
vorne d.h. auf beiden Seiten der Schlafe, und zwei hinten in
den Nacken hinab.
Die sanftgeneigte Ebene, welche wir Nachmittags durchzo-
gen war reich bestockt mit Thymian-duftenden Futter- und
Holzsorten aller Art , und wurde als ergiebige Jagdgegend auf Ha-
sen und Rebhuhner gepriesen. In der That sah ich auch im Durch-
reiten eine junge Trappe J) , die der Verfolgung durch nachge-
worfene StOcke und Steine noch glucklich entgieng. Im Hinter-
1) Qjy> KarAn, eigentlich • Horner".
*) Jj**- Uablri
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46 ZWEITFS OAPITEL.
grand der Landschaft machte sich ein Berg bemerklich, in sei-
nem oberen Theil rabenschwarz , im unteren mit weissen Schich-
ten gestreift. Als sein Name wurde mir Raschijjah , oder Rasch-
raschijjah angegeben. An seinem Fusse erreichten wir gegen
Abend unsern Ruheplatz beim Brunnen Hazim (^). Ein „Brun-
nen" in der Waste besteht gewOhnlich aus 20—30 WasserlO-
chern, die oft uber einen grossen Raum zerstreut sind. Zer-
stampfter und hartgetretener Boden, leicht erkennbare alte
Feuerstellen , aufgeschuttete Haufen von Kameelsmist kennzeich-
nen seine Nahe schon im Voraus. Die ersten Ankftmmlinge
hatten schon abgeladen; brullend und in erstickender Enge
drangten sich die Kameele in dichten Schaaren urn die 3— 4m
tiefen Wasserlocher , aus denen die Frauen in Lederkubeln das
Wasser den Thieren hinaufreichten. Aus den tieferen und stei-
leren Gruben wurden von den M&nnern in tactmassiger von
Gesang begleiteter Arbeit die schweren Ledersacke an Stricken
in die H6he gezogen und vermittelst in den Boden gegrabener
Rinnen in flache Vertiefungen entleert.
Nahezu drei Stunden dauerte das ununterbrochene SchGpfen
und Tr&nken, und wurde theilweise in spater Nacht noch fort-
gesetzt. Das Wasser selbst war ubrigens herzlich schlecht. Die
Abendkdhle wurde , eben durch die Nahe des Wassers , so emp-
findlich, dass ich nach beendeter Mahlzeit es behaglicher fand,
unter meine Bettdecke zu schlflpfen und von hier aus meine
Wasserpfeife zu rauchen.
Mo. 10. Sept. 83]. Da ich die ganze Nacht nicht recht warm
geworden war, begrusste ich es trotz der Madigkeit mit Freu-
den, als noch in voller Dunkelheit (4 Uhr 30) Mahmud einen
trefflichen Cafe zur Erwarmung brachte. Lautlos und fast ge-
spensterhaft , von dera lezten Flackern unsres Feuers beleuchtet ,
zogen schon verschiedene Gruppen dicht an uns vortlber.
Ich bestieg mein Delul und ritt allein in derselben Richtung,
die mir die Anderen genommen zu haben schienen. Nach kur-
zem wurde mir aber doch unbehaglich zu Muthe; kein Laut,
kein Anzeichen mehr von all den lebenden Wesen, die doch
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ORMAN — KAK.
47
gar nicht weit von mir desselben Weges ziehen mussten. Meine
Begleiter folgten auch nicht nach. Etwas beklommen rief ich
in das Dunkel der Nacht hinein. Keine Antwort! Ich musste
mich also doch zwischen dem hohen Buschwerk in derRichtung
geirrt haben. Zu weit rechts, zu weit links? Um besser lauschen
zu kSnnen, versuchte ich, uiein Delul anzuhalten machte aber
dadurch das Thier nur scheu und unruhig, so dass es sich im
Kreis drehte, und mir nun vollends jede Orientirung benahm.
Mit Herzklopfen dachte ich an die Folgen meiner Unbedacht-
samkeit. Von der ersehnten Morgendammerung immer noch keine
Spur! Vielleicht weiss mein Reitthier besseren Rath als ich?
Offenbar auch nicht! Funf, vielleicht zehn Minuten mochte ich
planlos dahin geritten sein, da hOrte ich plCtzlich zu meiner
Rettung auf eine Entfernung von etwa 200 Schritt ein Kameel
brQllen. Schnell schlug ich die Richtung ein, und war unbe-
schrieblich froh, dass ich mich eben noch den letzten Nach-
zuglern anschliessen konnte. Im Morgengrauen stiegen wir in
einer Schlucht aufwarts, und oben wand sich eiDige Stunden
laug der Weg bald rechts, bald links, die scharf eingeschnit-
tenen Schluchten umgehend. Mit einen Schlag erflflhete sich ein
neuer Anblick: die Bergmas3en zertheilten sich, abgestutzte
Kegel mit felsiger Kronung traten gleich Wachtposten in die
schneeweisse Salzebene vor. Hinter dem einen Berg, dem ehe-
mals befestigten ^a^r tjaldi, lockten schon die dunkelgrOnen
Palmen von K" t .
K»ir 5«T4t
Menschen und Thiere verfielen angesichts des Zieles in un-
willkahrliche Eile. Sogar mein unwirschas Delill , das aus Stolz
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48 ZWEITES CAPiTEI..
oder Laune heute noch keine Nahrung zu sich genommen hatte ,
und immer hatte angetrieben werden raussen, begann sich un-
erwartet in munteren Trab zu setzen, was wir nicht einmal
willkommen war. Nachdem wir am Fuss des £a§r §a^di einige
eingegangene Brunnen passirt hatten, blieb uns nur noch ein
schmaler Sandrucken zu uberschreiten , und links um die Ecke
lag vor uns Kaf. Wir mussten die Palmengarten gerade bis zur
Halfte umreiten, um den Eingang ins Dorf zu gewinnen. Der
grOsste Theil der Karawaue hatte schon ausserhalb der Hauser
abgeladen in der Ebene en-Nebk (sprich Nebts). Wir selbst
wollten natflrlich am Hause des Schechs absteigen; das Thor
von Kaf war indess so niedrig, dass wir nicht einmal sitzen
bleiben konnten, sondern zu Fuss unsern Eiuzug halten muss-
ten. Stets mit Widerstreben , und nur unter Stflhnen , Knurren
und Sichwinden ist ein Kameel zu bewegen , zwischen Mauern oder
durch Thore hindurchzugehen. So auch hier. Jedes Thier musste
einzeln an einem Strick vorwarts gezogen , und von hinten ge-
prugelt werden. Bei dem geringsten Anstreifen des Gepacks an
den Wanden wurden sie von diesem ungewohnten Gerausch er-
schreckt , und stolperten mit einem ungeschickten Satz uber die
Schwelle der engen Pforte hinein. Mein hohes Delul hatte so-
gar das Missgeschick mit dem Sattel am Deckbalken des Thores
anzustossen: krachend flog das eiae schOne Sattelhorn mir vor
die Fflsse. Wir uberschritten noch den freien Platz, der sich
im Hintergrund in eine Sackgasse fortsetzte , und liessen da vor
dem durch seinen Thurm kcnntlichen Hause des Schechs cAb-
dalUh el-Khamis unser Gepack abladen.
In dem uns eingeraumten Hause, das nur aus einem grossen
finsteren Gemaoh bestand, wurde rasch noch etwas gesaubert.
Zuerst wurde der Boden aufgekehrt und mit Wasser besprengt,
dann Strohmatten daraufgelegt , unser Gepack hineingeschafft ,
die Khorg ]) sammt den Waffen an die WandpflCcke gehangt ,
Plnrali. j'i-' Doppcltnache fiir'i Gepiiek.
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OIIMAN — KAF.
49
\v
I
t
unsre Teppiche an die Feuerstelle auagebreitet , und zur Auf-
lehnung des Armes die Kameelssattel neben die Sitze geruckt.
Der Schech 'Abdallah el-Khamis, des Lesens und Schreibens
unkundig, liess sich von Mah-
mud den drusischen Erap-
fehlungsbrief des Negm el-
Atrasch vorlesen, und hGrte,
ohne eine Miene zu verzieben , i <•
stand haft den Wortlaut (s. S.
30) mit an; er versicherte,
er wolle fur uns Alles thun ,
was in seinen Kraften stehe,
wir m6chten nur einstweilen
uns moglichst nach Bebagen hier
einricbten , und verlangen was wir
wunschten. Fur die dringendste
Befriedigung der Neugierde der
draussen stehenden Einwolmer
sorgte unter der Hand Mahmud;
er leistete darin das Menschen-
m6gliche. Uw ihnen unsre Vornehmheit
einigermassen begreiflich zu machen,
erklarte er ibnen, wir seien hOher als
alle tttrkischen Paschas , ilberhaupt die
machtigsten Begs (Bakawat) der Chris-
tenbeit; den Huber-Beg haben sie bei
seinem fruheren Hiersein einfach unter-
sch«1zt; der andere Beg sei eher noch
hOher an Rang. Ungewiss wie er mich
nennen sollte , frug er bei mir an , was
fur einen Namen ich kflnftig zu fQhren
wunscbte. Es hatte zu unleidlicben Fra-
gen und ErOrterungen geftlbi-t , ja es ware tlberhaupt ganz sinnlos
gewesen , den Leuten begreiflich machen zu wollen , dass Jemaud
50
ZWETTES OAPITF.I..
Euting heisse, und so nahm ich — nicht ohne Beziehung auf
meine damaligen wahhabitischen Plane — friachweg den Namen
'Abd el-wahhab ') an. Das fand Jederman verstandlich , und
kein Mensch hielt sich daruber auf.
1) .Diener d» AUgeben".
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III. CAPITEL.
KAf.
10. Sept - 3. Oct. 1883.
<-jA, •/^i; <•"<" . ^r^t
M*Kei
Das Dorf
Kaf1) liegt
in einer Salz-
ebene , e n-
Nebts
waeafceleh
genannt, die
sich gegen
Westeii und
S. W. etwa
eine Tagreise
weit aus-
dehnt; auf
den anderen
Seiten ist es eingerahmt von den gefransten Auslaufern eines
? S >
ft-**
Urn *t to.*,*.* *«Tf f- i
1) Ich babe spater noeh einen sweitea Namen atu dem Muode der Schainmar-Beduinen ge-
hort, kann aber die Notu niebt mehr findea: el-Rreifeh oder el-Kbreitcheb ? Wean du letztere
richtig ist, m wftrde daraut to achlieaaen win, data die Beaiedlnng (lurch
namigcn Stammea (einee Zweigea der Baa! Sakhr) erfolgt iat.
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52 DRITTES CAPITEL.
Gebirges ') ohne gemeinsamen Namen. Man sagt gewOhnlich ,
dass der im S. 0. des Gebel ed-Driiz entspringende Wadi Bagil ,
vom ?asr ezrak an auch mit dem Namen Wadi Sirhan belegt,
zusammenhangend bis hieher reiche. Ich will aber hier gleich
bemerken, dass meine beduinischen Begleiter den W. Sirhan
erst acht Stunden weiter sud6stlich , jenseits von lthreh , seinen
Anfang nehmen liessen. Die Hauser des Dorfes , etwa 30 an der
Zahl sind in zwei Hauptgruppen getheilt, die nur durch die
Palmengarten mit einander zusammenhangen. Die mannliche
Bevdlkemng mag Alles in Allem 90 Kdpfe betragen. Der weniger
wichtige Ostliche Theil hat einen breiten Zugang ohne Thor,
besitzt weniger Garten und auch geringere Brunnen. Im west-
lichen Theil wohnt der Schech 'Abdallah el-Khamis ; seine Hau-
sergruppe ist stattlich , mit mehreren H6fen versehen. Trotzdem
dass die Gewinnung des Salzes und sein Verkauf ihm ziemlich
Geld eintragt, und er dem gemass als vermGglich bezeichnet
werden kann, ist er doch sehr zum Geiz geneigt und stellt
sich immer arm. Freilich muss er nicht nur an den Emir zu
yajel, sondern auch an die Drusen, und noch uberdiess an
verschiedene Beduinenstamme Abgaben zahlen. Wollte er heute
die herk&mmlichen Zahlungen auch nur an einen dieser Oberen
oder Verbundeten einstellen, so ware es binnen Eurzem um
seine Herrlichkeit geschehen, und sein Salzhandel wurde erheb-
liche Einbusse erleiden. Die Garten des Dorfes sind lauter Pri-
vateigenthum , und als solches einzeln mit besonderen Mauern
eingefasst. Da in den grosseren derselben ein oder gar mehr
Brunnen sich befinden, die ihrerseits wieder zu f6rmlichen
Teichen mit einem Rinnensystem ausgearbeitet sind , so kflnnen
alle Dattelbaume wenigstens abwechselnd reichlich bewassert
werden; sogar noch ilberschussiger Ablauf ist vorhanden, der
dann den kleineren Besitzern zu gut kommt, und bei besseren
1 ) Die obige Karte ist cntworfen nach einom Panorama , daa ich nnter Zohilfenahme des
Compaaaet, Tom Gi|>fel dot Ka?r Sa'id! aus, gezeicbnet habe. Die FratiMD dc» Gebirget konoten
turn Theil nur aehematiKh behandelt werden , and uber die Zwitchenglieder der entfernteren
Bergapitten rennag ich keine weiteren Angaben iu machen. Auch die Kntfernungen sind nor
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KftF.
53
Jahrg&ngen in den an der Aussenseite befindlichen Abtheilun-
gen etwas Getreide- oder Gemusebau zu betreiben gestattet.
Im Besitz von 450—500 Palmbaumen kann Kaf for ein reiches
Dorf ans&ssiger Beduinen [tfa-
cjarf] gelten; ich will desshalb
hier seinen typischen Plan aus-
fQhrlich geben.
Die Sprache der Leute zu
Kaf weicht schon sehr stark von
dem Vulgar-arabischen in Sy-
rien ab. Die Aussprache der
Gaumenlaute kann als untrug-
licher Prufetein bedninischen
Dialeetes angesehen werden : vor
i und e werden k und V (q)
regelmasaig, vor a manchmal,
(vor u niemals) gequetscht zu
ts; bei dieser Aussprache kann
dann k und ]f durchaus nicht
mehr unterschieden werden ').
Der unglfickliche Buchstabe g
erleidet aber, wie auch ander-
warts , die mannigfaltigste , hier
sogar vierfache Aussprache : ich
habe das Wort fur Berg
aussprechen hOren 1., gewOhn-
lich : gebel 2., yebel 3., (schrift-
arabisch:) dschebel 4., schebel
(damascenisch, mit weichem sch
= FranzOs. j). Vor dem Diph-
thong au (6) lautet es wie gy,
z. B. gyaue ^Hunger", OjssJ! el-Gyof , Gy6har. Aus-
c^Jt sjuf Utf ent .wie gehts DirP"; ^
1) AUo c. 8. der gewohnliche
taem .wie »iel?"; wJ^ irU»b, eigentlich ,«U nuf, eil dich!"; ^ Vj> Wrrib 'M
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54
DR1TTES CAPITFX,
serdem sind die gebrauchlichsten Redensarten ganz andere als in
den syrischen Stadten: „Was ist das?" woschu? (far y» ^ ^Ij)
auch: schinu; „wie ist das, qualis?" schl6nu? (sjy! ^&
wniorgen" batser) f\S)\ ,ubermorgen" c6fcub batser (yb w^);
• „gesternM (^T); „fernd" cam (*U); ,heuer" ha'sseneh (kjuJII*); ,in
diesem Land" biha'ddere(t) (S^jJt L$-j); ,8ch6n" zen (^);
„es macht nichts" oLllia^ L* ma ikhalif; „ich weiss gewiss nicht"
ma adri wallah (*JUIj L») ; die gewOhnliche Efoflichkeits =
(auch Dankes =) Formel ist : Allah isallimak (dLjLg kJUI) u. dgl.
Fflr die Thiere hat man ganz besondere Rufe : Kameele jagt
man fort mit Dah! Dah!, Pferde mit gsch gsch!, Esel und
Schafe mit Kharr, Kharr!, Ziegen mit Kh Kh! Der Lockraf
fQr Kameele ist Hoit, Hoit!, far Schafe Tirrr, trrr, trrr!, weit
verlaufenen Kameelen ruft man mehrmals Hirrrtsbtf! Ange-
trieben werden die Kameele mit Heik, Heik! Um sie zura
Niederknieen zu bringen, muss man unter leichtem Klopfen
auf den Hals , ihnen zurufen Khll Khll (etwa wie galisches LI.)
Uber die Natur und den Ursprung gewisser arabischer Laute
fiel es rair hier wir Schuppen von den Augen. Wer auch nur
einige Zeit mit Kameelen zu thun gehabt hat, musz sofort die
unumsttfszliche tlberzeugung gewinnen , dass die ganz specifischen
Laute der arabischen Sprache dem Kameel entlehnt oder nach-
gebildet sind. Einem tuchtigen Lautphysiologen musste es ein
Leichtes sein, die rOchelnden und gurgelnden Tone, besonders
aber die nasalirten Uutturale cAjin und Rajin, aus ihrem
Urbild in den Tonen des Kameels nachzuweisen und zu erklaren.
Ich muss mich eigentlich nur wundern , dass diese naheliegende
Beobachtung nicht schon von anderer Seite gemacht worden ist.
Alle die Theilnehmer der Karawane wurden vom Schech
gruppenweise bewirthet, die meisten aut dem freien Platz
a-nir -geh her ans Feucr!"; *jy» tsirbeh Wattenchlanch"; t*>ltb .Brunaen" (aber Plu-
rali«: kulbUn); Leute atu .fidlieberen Diatrictea (el-Kaaim, W. Dawftair) aprachcn p*f bald
taeblr. bald Uchebtr.
Digitized by Google
55
gleich wenn man zum Thor hereinkommt, andere im Vor-
raum vor dem Hause des Schechs. Wir als die Bevorzugten,
erhielten unsern Cafe, Datteln und Gurken in dem schon
erwahnten Dlwan, oder ftahwah einem etwa 12 Schritte
langen und 4 Schritte breiten Gemach, das abgesehen von
einigen hochangebrachten Mauerschlitzen Luft und Licht nur
durch die Thure empfieng. Die einzige MoMrung bestand
aus einem Heerd mit Blasbalg und einem steinernen Morser;
dann waren an den Wanden eingeschlagen einige Holzpflocke,
auf dem Boden Strohteppiche gelegt; fertig. Ein grosser Theil
des Eaumes war durch unsre vielen Kisten' und sonstiges
Reisegepack in Anspruch genommen, so dass far Besuche der
Platz oft nicht reichen wollte. Dennoch drangten sich den
ganzen Tag Qber die Bewohner des Dorfs sowohl, als unsre
bisherigen Reisegefahrten aus und ein, Alle in der stillen
Hofmung, dass wir unsre Gewehre vorzeigen mCchten. Die ge-
wOhnliche Frage war, ob die Gewehre Marte (Mareti) seien,
d.h. Martini-System, also die tflrkische Militarwaffe. Antwort:
Nein, Mauser! .Was ist dasst" Da guck! Bi3 zur Maazlosig-
keit steigerten sich die Rufe des Erstaunens, wie bei Entladung
des Magazins die neun Patronen eine nach der anderer heraus-
flogen. Und immer kamen wieder neue Menschen herein , stunden-
lang hockten sie da oder legten sich auf den Boden und schauten
unverrttckt auf die an der Wand hangenden Wundergewehre.
Gliicklich, wem auch nur der Anblick der Futterale bescheert war !
Das Verlangen mich einmal wieder einer grundlichen Sau-
berung zu unterziehen trieb mich in den Garten. Mit mirgieng
ein Sclave, der mir behilflich sein sollte; wie er im Begriff
war , einen ersten Eimer Wasser uber mich hinunterzuschutten ,
machte er die Entdeckung, dass sich auf meinem linken Ober-
arm eine machtige Kameelslaus ■) festgesetzt hatte , und meinte
lachend, die musst ich doch eigentlich selbst gespttrt haben.
Dies Thier lag mir indess entfernt nicht so schwer an , als der
1) BedomiKhe AuMprache ist Kahfcuwah.
2) o\j> Krld.
56
DIUTTES CAPITEL.
schraerzhafte Wolf, den ich mir durch die dreit&gige Lehrzeit
(vgl. S. 33) von cOrman bis Kaf auf meinera zarten Sitz-
fleisch erworben hatte. Der Sclave konnte zuerst gar nicht
glauben, dass die zwei blutrunstigen Flatten von diesem ein-
fachen Vorgang herrtthren sollten , und drQckte seine hochlichste
Verwunderung aus. Als das Bad beendet war, besah ich mir
noch den Garten sammt den Brunnen , und begann zu zeichnen.
Nach dem Nachtessen kamen noch weitere Besuche, oder viel-
leicht immer wieder dieselben — mir schienen beinahe alle
auszusehen einer wie der andere — jedenfalls konnte ich die
mir gleichgiltigen Physiognomien im Anfang nicht recht un-
terscheiden; sie raumten erst in sp&ter Nachtstunde das Feld.
Wegen der Hitze in dem Kahwah machten wir unser Nacht-
lager in den Hot" hinaus, muszten denselben aber mit dem
Pferd des Schechs theilen. Das Thier war die ganze Nacht un-
ruhig , und konnte , wiewohl an einem Strick angebunden , doch
im Hof herumgehen; es benagte sogar des fifteren mein Bett.
Di. 11. Sept. 83] Bis ich aufstand hatte die Karawane schon
langst wieder den Ruckweg noch cOrman angetreten, nicht
ohne ein unliebsaraes Andenken zu hinterlassen , denn mit ihr
waren auch zwei Sacke Salz und drei Pistolen verschwunden.
Der heutige Ruhetag war unsrer KGrperpflege gewidmet. Um
der Reinlichkeit und Bequemlichkeit willen, liessen wir uns
von dem Diener Mahmud das gesammte Kopfhaar, mit Aus-
nahme des Bartes, radical mit dem Scheermesser abrasiren —
eine filr den Augenblick nicht ganz schmerzlose Erleichterung.
Auch an dem Rasirmesser gieng die Procedur nicht spurlos
voruber: der viele Staub und Sand, der sich in den Haaren
und der Kopfhaut festgesetzt hatte , brachte dem Messer tuch-
tige Scharten bei. Doch machte uns der Anblick und die Be-
fahlung unsrer weissen glatten KOpfe viel Freude. Auch die
Barte wurden etwas morgenlandischer hergerichtet ; vor allem
musste der Schnurrbart die Oberlippe sichtbar erscheinen las-
sen, denn das Hereinragen von Haaren uber oder in den Mund
gilt mit Rilcksicht auf das Essen als eine unschickliche Bei-
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Kft*. 57
gabe '). Nicht mit Unrecht. Sollte es etwa schOn sein , wenn ein
Mann, nach der bei Englandern, Amcrikanern und deren AfFen
weitverbreiteten Sitte, alle Speisen und Getranke zuerst durch
sein hOchsteigeues Haarsieb laufen lasst, dann von Zeit zu Zeit
mit aufgezogener Unterlippe oder Zunge die Speisereste ein-
schlttrft, oder gar rait eineni Tuche ira Bartezerreibt? — Ferner
stellten sich die Hemden als des Wechsels dringend bedarftig
heraus; sie hatten in den acht Tagen nebenher als Handtuch,
Servietten u. dgl. redliche Dienste gethan.
Des Nachmittags kam ein 15- oder 16-jahriger halbgewach-
sener Bursche, Namens cAli, ohne Hemd und ohne Kopfbe-
deckung, bloss rait einem Mantelfetzen nothdflrftig bekleidet,
in unsern IJahwah , grusste ins Allgemeine , und setzte sich in
die finstere Ecke. Aut' meine Anfrage, was er eigentlich da
wolle, erklarte er, er mochte nns bloss sehen, und bei der
Gelegenheit seine Wasserpfeife rauchen. Ich hielt ihm entge-
gen , ob denn das hier in Kaf so Sitte sei , wie das liebe Vieh 2)
ohne alle Kleider Besuehe zu machen; darauf erwiederte er
jammernd, er habe einmal nichts Anderes, und
kunne auch nichts dafur.
Wie sich herausstellte war er fruh verwaist,
Geld hatte er natrtrlieh keines, und fur einen
Raubzug war er noch zu jung; also wie hatte
er zu anderen Kleidern kommen sollen?
Vor Sonnenuntergang machte ich noch einen Gang uras Dorf
herum. Als Nachtessen wurde uns eine Schilssel voll Milch,
mit Gurken, Badingan und Brod darin, vorgesetzt. Ich ver-
zichtete auf diese Mischung, und begnugte mich mit Datteln.
Des Nachts machte sich das Pferd des Schechs los, und zuallem
Obcrflusse stellten sich auch noch einige Ziegen ein, und be-
schnupperten neugierig unser Lager.
Mi. 12. Sept. 83] Far heute war ein Besuch in dem benach-
1) Vgl Landb«rg, Proverbcs ct 'idons p. 255.
2) ,>5>>SI kamitl el w.l.Bch
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1
58 DRITTES OAPITEL.
barten Dorfe Ithreh in Aussicht genommen. Der Schech
'Abdallflh bestieg sein Pferd, wir unsre Kameele; auf dem Wege
tiber mehrere Einsattlungen hinweg trafen wir verschiedene ver-
lumpte Kerle, die oflfenbar der Jagd nachgiengen. Nach zwei
Stunden wurde in der Ebene das £asr Waschwasch sichtbar,
zehn bei einander liegende mit Brunnen versehenen Hauser, von
12 Mannern bewohnt. Eine halbe Stunde abseits von da liegt
in einer Ausbuchtung der weissen Salzebene das Dorf Ithreh
mit 120—130 Seelen.
Ausserhalb des Dorfes war einige Zelte aufgeschlagen ; eines
derselben hatte als Scheidewand einen grossen persischen Teppich,
ehemals gewiss ein Prachtstuck, (mOglicherweise von der "Wah-
babiten-Beute in Kerbelah 1801 stammend) und selbst jezt noch in
seinem jammerlichen Zustand von auffallender Farbenschouheit.
Beim Einreiten ins Dorf bemerkte ich im Boden einen Stein
mit einem Loch in der Mitte; man sagte mir, dass die Leute
darin ihr Schiesspulver bereiten. Vor dem Haus des rothhaari-
gen Schechs von Ithreh stiegen wir ab. Er bewohnt ein Hans
oder alterthQmliches Schloss, das im Gegensatz zu alien abri-
gen Hausern aus dunkelschwarzen also wohl aus yauran stam-
menden Steinen erbaut ist. Der Schech bewirthete uns mit noch
unreifen, gelben Datteln (Bisr) und mit Cafe, spater mit BadingAn
(Melongena) Bamieh (Hibiscus esculentus) und Brod, und liess
dann einen Menscben kommen , der mein zerbrochenes Sattelhorn
(s. S. 48) wieder leimte und mit einer Blechhulse zusammeu-
flickte; fflr dieses Kunststuck erhielt er V4 Megidi (1 Pranken).
Nach dem Essen begab ich mich in den Palmengarten. Wah-
rend ich an einem der Brunnen oder Teiche mich zu einem
Mittagsschlafchen niederlegte , stellten sich etliche junge Men-
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59
schen ein , um in dem Brunnen zu baden. Ich wurde indess bald
durch Flintenschflsse aufgeschreckt , denn die Bursche hatten zwei
gelbe Vdgel in der Grdsse von Staaren geschossen. Dieselben
wurden noch halb lebendig an einen Ladstock gespiesst, und
iiber einem Feuer von Palmzweigen unausgenommen saramt
deD Federn gebraten. Das Ergebniss waren zwei schwarze Klum-
pen , an Aussehen wie zwei in der Asche gebratene Kartoflfeln.
Als ich mir das Haus des Schechs naher betrachtete, be-
merkte ich uber der Eingangsthure zum Hof auf der steinernen
Oberschwelle einen Halbmond in erhabener Arbeit, daneben
einige Wasm (Stammeszeichen der Beduinen) eingemeisselt , in
der Steinlage daruber eine kufische (altarabische) Inschrift mit
der Formel, die sich geradeso auch auf den Abbasiden-Milnzen
findet ,Im Namen Gottes des
mungsreichen ! Es ist kein Gott j a^tJ^Jl j^^^dl aWrfUl-W
ansser Gott, er allein, er hat ^^^J'^^
keinen Gefahrten. Muharamed|
ist der Gesandte Gottes, den er gesandt hat mit der [richtigen]
Leitung und der wahren Religion , um sie strahlen zu lassen |
aber alle Religionen, auch wenn ■ j ■ j j —
Widerstand leisten diejenigen ~~T L \ V — I
welche Gott einen Gefahrten bei- i v** 'Mi!' 1^ [
lichen flauses war neben einem
Fenster ein roher Kopf ausgemeisselt , aber dem Ganzen ein
hubsches Stein-Gesims mit zwei Tragern.
Trotzdem dass die Sonne sich neigte, machte cAbdallah im-
mer noch keine Anstalten zur Rackkehr nach Kaf , und meinte
bedeutungsvoll , es kOnnten heute Abend noch Gaste aus dem
Gyof ') hieherkommen. Wir machten noch einen Gang aussen
urns Dorf herum, besahen die Salzgruben und wollten eben
1) So und nicht ander. wird der Name dicacr Oa« an Ort und Skllc an»gc.prochen.
legen [
An der Ostwand des alterthum
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imiTTES CAI'ITFX.
die Ruinen eines schwarzen ausserhalb des Dorfes liegendeu
Hauses aufsuchen , siehe da kamen 5 gut bewaffnete Reiter
auf leichtfassigen schongesattelten Delulen von S. 0. her schnur-
stracks auf uns zugeritten. Verduzt uber die rathselhaften
Fremden hielten sie ihre Thiere an und machten ihre Waffen
bereit. Huber und ich nahmen ebenfalls die Gewehre zur Hand,
und starrten ihnen entgegen. Waren es Rauber oder Freunde?
Sie batten das Kopftuch vor des Gesicht gezogen. PlGzlich
schrie einer wie wahnsinnig: Huber! Huber! hieng das Gewehr
an den Sattelknopf , sprang vom Kameel herunter auf Huber
zu, den er umarmte und mit Fragen bestflrmte. Eh ich michs
versah , wurde ich gleich falls in die Begruszungsscene verwickelt.
Statt jeder Auf klarung gieng einfach der grosse hagere Beduine
auf mich zu, und erdruckte mich fast mit seinen moschus-
duftenden Kussen, und seiner dringlichen vier, fnnfmal wieder-
holten Frage: Tsef ent, tsef ent? („Wie gehts Dir?"). Erst
nach dem sich der Begrflssungsturm gelegt hatte, erfuhr ich,
dass das J,Ianiud el- Migrad J) aus Hajel sei, von dem
Schammarfursten oder Emir Muhammed ihn Raschid cigens
abgesandt, um uns in Damascus abzuholen. Zum Verstandniss
muss ich hier einschalten, dass ich noch vor meiner Abreise
von Strassburg, schon Anfang Marz 1883 an den Emir zu Hajel
einen Brief 2) gerichtet hatte , worin ich ihm Hubers nnd meine
Absicht ins Schammarland zu reisen mittheilte, und zugleich
einfliessen liess, dass wir ihm mitbringen werden alles, was
sein Herz begehre (d. h. Waffen), doch mOchte er so gut sein,
und uns einen zuverlassigen Mann, am liebsten den Hamud
el-Migrad, welchen Huber schon von seiner ersten Reise her
kannte, bis Damascus entgegenzuschicken. Diesen Brief, sowie
einen zweiten, fur des Emirs Vetter Hamud el-cObeid be-
stimmt, hatte ich eingeschlossen in das Schreiben ») an den
Drusen-Schech Negm el-Atrasch , dem Alles zusammen im April
1) Mit seincm vollcn Naroen ITamAd ibn Tbr&htro ibn MA«4 ibn al-Mierfld; vgl. fiber ihn
weiter uoten.
2) Schon arabiach alyliairt von meinem Freund A. Socin. 8) S. 28.
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durch einen Expressboten des kais. d. Viceconsuls zu Damascus
H" Lutticke zu weiterer Besorgung ubergeben worden war. Der
Brief an den Emir scheint aber in cOrman langere Zeit liegen
geblieben zu sein, bis sich eben ein Mensch fand, bereit seinen
Kopf aufe Spiel zu setzen und den 14-tagigen Ritt mit dem
Papier nach Hajel zu unternehmen; jedcnfalls hat sich dieser
Bote nicht sehr beeilt, und liess sich gewiss unterwegs an den
paar bewohnten Platzen als Uberbringer eines Briefs an den
Fursten mit Gastereien aufs ausgiebigste feiern. Der Schijukh •)
befand sich ubrigens zur Zeit nicht zu Hajel selbst, sondern,
wie wir erst jezt erfuhren , auf einem Feldzug noch jenseits von
*Onezeh, also mindestens 10 Tagreisen im Suden von seiner
Hauptstadt und erhielt erst1) dort meine Briefe. An diesem
Kriegszug nahm auch Hainud el-Migrad Theil, und bekam
dort vom Schijukh den Befehl, sogleich nach Damascus aufzu-
brechen, urn uns abzuholen. Er hatte nur zwei Tage unter-
wegs in Hajel sich aufgehalten, um verschiedene Auftrage fQr
Damascus vorzubereiten ; von Hajel hieher war er 14 Tage auf
der Reise gewesen. Als Begleiter hatte er bei sich einen Halb-
neger Ibrahim Abu Khalil, einen gewissen Mehatil Abu Hamed
aus dem Gyof, einen Damascener Kameelshandler Husein und
einen Eingeborenen aus Ithreh , der sich ebenfalls im Gyof ihm
angeschlossen hatte: beladen war er mit einer Masse Briefe
und Auftrage fur Damascus. Das Letztere war nun eine fflr
mich erschreckende Zugabe, denn es bedeutete einfach eine
ReiseverzOgerung von drei Wochen. Ich hatte keine Lust,
nochmals nach Damascus umzudrehen, und wenn auch Huber
bereit war, den Hamad dorthin zu begleiten, so stund mir
doch die harte Geduldsprobe eines mehrwOchentlichen Aufen-
thalts in dem trostlosen Dorfe Kaf in Aussicht.
Ein so hoher Abgesandter des Emir wurde naturlich ganz
1) Mit diMein Pluralia maje»taticu» wird der Emtr grwohnlich von seinen Untcrtbanen ge.
nannt, wenn tie von ihm in der drittcn Person reden.
S) B» tei .am Sten Tog nach dem 'Id" (nach Knde dea Ramadhan) geweeen alio am 7. Au-
gust 1883.
62 DR1TTES OAPITEL.
anders empfangen und bewirthet , als wir diesen Morgen : zuerst
reife Datteln (tamar), keine Bisr mehr, dazu Butter. Der Schech
schlachtete unverzOglich eine Gaise, und rait dem Blutwurden
unsre Kameele am Hals und rechten Schenkel bestrichen. Das
ist bei den Beduinen eine Ehrung fur den Gast, damit alle
etwa des Wegs Kommenden sogleich inne werden, dass far
solche vornehme Reisende geschlachtet worden sei. Von diesem
Essen weg erhob sich die ganze Gesellschaft und begab aich
hinuber in das Haus des Ansassigen, der mit Main in I zusammen
die Reise vom Gyof hieher gemacht hatte. Da giengs hoch her !
Eine vollstandige zweite Mahlzeit, wie sie eben nur ein Bedui-
nenmagen unmittelbar hinter einer anderen pr&stiren kann. Der
Gastgeber suchte offenbar den Schech noch zu ilberbieten : Alles
war noch reichlicher und jedenfalls reinlicher als beim Schech.
Wahrend der Bereitung des Cafes wurde ein Koh-
lenbecken ') gebracht, aus Holz geschnizt , und mit
verziertem Messingblech beschlagen. Auf die glu-
henden Kohlen wurde wohlriechendes Sandelholz
(eud oder ward) geworfen, so dass ein lebhafter
Rauch sich entwickelte. Vornehme Leute rauchern
sich damit bloss den Bart, indem sie das Gefass mit der rechten
Hand darunter halten, und mit der linken gleichzeitig durch
den Bart streichen ; der gewOhnliche Beduine aber durchrauchert
auch die Innenseite der Keffijjeh (des Kopftuchs), und halt das
Gefass selbst unter den Mantel bis zu den Achselh6hlen. Das
Raucherwerk wird im Nothfall aufgefQllt , und ein oder zweimal
im Kreis herumgegeben.
Noch in spater Nacht wurde vor dem Dorf draussen bei dem
Kameelshandler Husein abermals ein Cafetrunk gehalten, und
erst hier vor ausgewahlter Gesellschaft wurden die wichstigten
politischen Nachrichten aus dem Negd durchgesprochen. — Zum
Verst&ndniss der heutigen politischen Verhaltnisse im Negd
1) Bj^Uo roibkharah.
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kAf. 63
(Central-Arabien) muss ich eigentlich auf den kurzen geschicht-
lichen Abriss aber die Wahhabiten verweisen, den ich im 7ten
Capitel bei Hajel gebe , und will hier nur vorausschicken , dass
im grossen Ganzen um die Herrschaft in Inner-Arabien heuti-
gen Tags zwei Herrscherfamilien sich streiten , die der Religion
nach beide zur wahhabitischen Form des Islam sich bekennen,
namlich in der sadlichen und sudostlichen Halfte die Familie
des Ibn Sa'ud (Residenz: Ryan1), in der nGrdlichen und nord-
westlichen die Familie des Ibn Raschid (Residenz: Hajel). Die
lezteren, die Raschididen, haben sich aus ursprunglichen Statt-
haltern der Sa'udiden schon seit den zwanziger Jahren dieses
Jahrhunderts zu immer grdsserer Selbstetandigkeit emporgear-
beitet, und seit den glucklichen Kriegszugen des Muhammed
ibn Raschid , also seit den lezten zwanzig Jahren , ist der Stern
des Ibn Sa'ud immer mehr im Sinken begriffen l). Es ist nun
aber ausserat schwer, uber die wahren Zustande und Ereignisse
in Inner-Arabien zuverlassige Berichte zu erhalten. Das Wenige
was nach Europa dringt, ist meist durch ein turkisches Sieb
gellossen. HOrt man aber an Ort und S telle unabhangige Be-
duinen, so muss man erstens, sobald es sich um Zahlen han-
delt, unendlich viel tJbertreibung abrechnen (so bei Angaben
uber Beute und Verluste), und zweitens die personliche 2u-
oder Abneigung des Erzahlers in Anschlag bringen, denn da-
lauten naturlich aus zwei feindlichen Lagern die Berichte aber
einen und denselben Vorgang ganzlich verschieden. So hatten
wir z. B. kurz vor dem Antritt der Reise nach Arabien, aus
Constantinopel eine beunruhigende Nachricht erhalten, wonach
Muhammed ibn Raschid auf einem Feldzug gegen seinen snd-
lichen Rivalen, eine oder mehrere bedeutende Schlappen durch
den £Abdallah Ibn Sacud erhalten haben sollte. Da wir dazu-
malen uns noch mit dem Plan trugen , von Hajel nach Rijad zu
gehen, so musste uns viel daran gelegen sein, aber den Sach-
1) Neuerdin^ ist to* d«m Negd die Kunde gekotnmen, dass Iln Htuchid den Ibn Sa'fid
TolUtiadig betiegt and anterworfen bat.
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DRiTTES CAPITEL.
verhalt verlassliche Auskuni't zu erhalten. Eine ahnliche nur
noch schadenfrohere Version hatten wir im Lager der Bani cEisi\ ,
bei Imtan , vernommen. Da wusste einer zu erzahlen , Ibn Sacud
habe dem Ibn Raschid einen Brief geschrieben , es konne nur
Einer im Negd herrschen („entweder Du oder ich"), er wolle
es auf einen Entscheidungskampf ankommen lassen. Bei diesem
lezteren habe Ibn Raschid schmahlich den Kflrzeren gezogen:
im Suden der Stadt cOnezeh vollstandig geschlagen, habe er
grosse Kameelsheerden und viele Pferde eingebusst. Nun hatte
uns zwar der Schech cAbdallah gleich bei der Ankunft in Kaf
wieder beruhigt: im Gegentheil! Ibn Raschid habe den Ibn
Sa'ud gefangen genommen , aber aus Grossmuth ihm wieder die
Freiheit geschenkt und denselben sammt zwei Delul nach Rijad
entlassen. — Von den Ankommlingen aus Ilajel hatte aller-
dings , bei gutem Willen , autheutischer Bericht geliefert werden
konnen; desshalb sollte jezt Hamud el-Migrild Aufklaruug ge-
ben. Der filhrte uns aber erst recht hinter's Licht, und gab
folgende Lesart: Ibn Sacad sei wegen unheimlicher Anzeichen
und grosser Unzufriedenheit seiner Unterthanen zu irgend einer
kriegerischen Unternehinung gezwungen gewesen , und habe sich
zu diesem Zweck mit dem Stamm der eAteibeh verbOndet. Ibn
Raschid, von Allem genau unterrichtet , habe sich plOtzlich und
mit grossem Ungestum auf die cAteibeh geworfen , und dieselben
so grtlndlich ausgezogen , dass ihnen kein K(;sscl und kein Faden
mehr blieb. Mit knapper Noth sei Ibn Sacud entronnen, mit
der Absicht sich in den Wadi Negran(!) zu wenden , unterwegs
aber dem Stamm der Harb in die Hande gefallen. Die Harb
liessen dem Ibn Raschid .sagen , jezt haben sie den Ibn Saeud ,
und seien bereit , ihn auszulielern. Ibn Raschid wollte ihn jedoch
nicht durch frerade Gnade haben, ertheilte ihnen vielmehr den
Rath , ihn freizulassen , und ihm noch einige Delul auf den Weg
mitzugeben. — Die Darstellung des lezten Vorgangs mit den
llarb klang zwar schon von vornherein ganz unwahrscheinlich ,
ich behielt indcss meine Zweifel bei mir, und der alte Khalaf
(s. S. 08) sagtc mir spater, die ganze Erzahlung sei ein Mar-
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KftF. 65
chen. Wenn ich somit auch nicht klug aus der Sache werden
konnte, so gieng mir doch soviel aus den widersprechenden
Nachrichten hervor, dass der Kriegszug gegen Ibn Sarud und
die eAteibeh zum mindesten nicht glanzvoll filr den lbn Raschld
verlaufen war, und noch weniger zu einer Entscheidung uber
die Rivalitat zwischen den beiden Gegnern gefuhrt hatte.
Do. 13. Sept. 83] In der Fruh wurde gleich wieder einereich-
liche Mahlzeit aufgetragen, und dann um 7Vj Uhr nach dem
benachbarten $a$r Waschwasch hinubergeritten. Wir wollten
uns eigentlich gar nicht bier aufhalten, alleiu ehe wir's uns
versahen, waren die Kameele von neuem mit Blut bestrichen;
es war also bereits abermals fur uns geschlachtet worden. Um
10 Uhr war auch dieses Festmahl uberstanden, und um 12 Uhr
ruckten wir, verstarckt durch die Leute vom 5asr Waschwasch ,
in stattlichem Zug wieder in Kaf ein. Zwei Mann waren voraus-
geritten, um die Ankunft so vieler Gaste zu melden. Im Hofe
standen die Kinder des Schechs — fast unkenntlich ! — in frisch
gewaschenen Hemden. Binnen Kurzem waren sammtliche Manner
und jungen Bursche des Dorfs theils im #ahwah tbeils im Hofe
des Schechs. Der Gesellschaft wurden frische Datteln gereicht,
und nachher eine Gurke von einem Meter Lange. Nachmittags
8choss ein junger Kerl einen grau und gelb gezeichneten Vogel ;
als Zeichen seines Jagdgluckes bestrich er den Schaft seiner
Luntenflinte mit Blut und Federn des erlegten Thieres, und
rostete dann am Ladstock den Vogel schier bis zur Verkohlung.
Fr. 14. Sept. 83] Beim Cafetrinken ein Schausspiel, wie es
nur hier moglich : der Schech eAbdallah ermunterte und unter-
richtete seinen dreijfthrigen Sohn Khamis im Rauchen eines
Nargilehs ( Wasserpfeife) !
Wegen eines Salzdiebstahls in der vergangenen Nacht gab es
diesen Morgen auf dem freien Platz im Dorf eine regelrechte
Schlacht. Die zwei Haupthahne giengen auf einander dar mit
Hacken und Prtlgeln, andere mischten sich drein mit Keulen ')
1) <iUft 'elk.
60,
nmrres oapjtel.
und Sabeln. Ea wurde feat drauf los geklopft, und ein frecher
Negerbub erhielt von 'Abdallah sogar ein paar tuchtige Hiebe
mit der flachen Sabelklinge, dass das Blut von ihm floaz.
Durch die Verbannung der Hauptschuldigen in den Garten des
Schechs loate sich die Angelegenheit zu allgemeiner Befrie-
digung auf.
Zum Morgenesaen waren wir in der oatlichen Halfte des Dorfes
bei einem gewissen Mansur eingeladen. Er ist nftchst dem Schech
der reichste Mann in Kaf, Besitzer eines Pferdes, und gefallt
sich sehr in einer feuerrothen Tuchjacke, die er irgendwo ein-
mal erbeutet haben muss. Dass er schon mancherlei Handel
mitgemacht hat, davon zeugen zahlreiche Narben, und etliche
eingeschlagene Zahne. Heute wollte er sich durch eine grossar-
tige Bewirthung auszeichnen , und hat auch wirklich den Schech
glanzvoll auagestochen. Auf den Abend desselben Tages muasten
wir nochmals einer Einladung zu ihm Folge leisten.
Mit Hamud el-Migrad besprachen wir heute unsre Zukunfts-
plane; er erOfraete uns gunstige Auasichten: solange wir im
Schammargebiete seien, brauchten wir far Nichts zu sorgen;
der Schijukh werde uns ilberall hin die besten Begleiter mit-
geben und Vorrathe so viel wir wollten; er halte es fur sehr
wohl moglich, dass Ibn Sacud selbst um die gleiche Zeit nach
Hajel komme, wie wir, und dann sei ja fur unsre Reise nach
Rijad am besten gesorgt; sollte er aber zu einer Zeit kommen,
wo wir von Hajel abwesend waren , so wurde der Schijukh ihn
bis zu unsrer Ruckkunft hinzuhalten suchen, unter alien Um-
standen wurde dieser ihm von unsrem geplanten Besuche in
Rijad reden, und sich das Veraprechen unsrer Wohlfahrt ge-
ben lassen.
Abends saszen wir lange im Mondschein zusammen. Es be-
durfte langeren Zuredens, bis Einer seine Rebabah holte,
ein einsaitiges Instrument, das mit i Fingern gespielt und mit
dem Bogen gestrichen wird. Zu den klagenden Lauten recitirte
ein alter Mann eine l£asldeh (Gedicht), die ich nur zum ge-
ringsten Theil verstehen konnte. Die Leute waren alle mehr oder
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minder befangen, durch die Gegenwart IJamuds, der aus dem
fromm-wahhabitischen Ilajel kam, wo jede laute Freudenausse-
rung, besonders aber die Musik, fur unanstandig und gottlos gilt.
Sa. 13. Sept. 83] Die Vorbereitungen zu Hubers Rackreise
mit Hamud und Genossen nach Damascus nahmen noch im
Morgendunkel ihren Anfang. Hamud liess abermals alle seine
Briefe durch die Hand gehen, ob keiner verloren sei; da waren
Schreiben nach §alkhat, ferner an Muhammed ibn Dukhi ibn
Zmer von den Wuld cAll (eAnezeh), tlberdiess ein ganzes Bundel
Briefe nach Damascus bestimmt. Huber sollte ihm versprechen,
an den franz6sischen Botschafter in Constantinopel zu telegra-
phiren, ob er nicht die Pforte (D6leh) bewegen kOnnte, das
unlangst durch den Pascha von Medio eh besezte Khaibar an
den Schijukh zuruckzugeben ; dann rechnete er vor, was er fQr
Einkaufe in Damascus zu machen babe , und hoffte 4 (!) Wochen
— ich hoffe nicht solang — in Damascus schwelgen zu kOn-
nen l). Auch mein schOnes Delul bat er sich fQr die Reise aus ,
und ruhte nicht eher, als bis er mir die Zusage erpresst hatte,
mein Doppelgewehr (Lefaucheux), das bisher dem Mali mud zur
Hut und Zier anvertraut war, mitnehmen zu durfen. Zur Ver-
mehrung seines Staates hatte er den Revolver Mahmuds am
liebsten auch noch zu sich gesteckt; da fand er aber so en-
ergischen Widerstand, dass alle seine Bemuhungen fruchtlos
blieben. Mahmttd hat von da ab einen unausloschlichen Hass gegen
diesen Menschen gefasst, und spater kaum die geringste Gele-
genheit versaumt , sich an ihm zu reiben. Im lezten Augenblick
kamen naturlich auch noch die Weiber mit einigen Coramis-
sionen. Fheideh , eine der Frauen des cAbdallah , wunschte noch
eine silberne Armspange, Ringe u. dgl. Hamud, misstrauisch
und gewitzigt wie er sagte, war ungalant genug, ihr vorher
das Geld dafur abzuverlangen. Wie sie, trotz aller Mahe und
Entlehnungsversuchen bei anderen Frauen, doch nicht das no-
1) Die eiuige Wolke, welche etwa tein Gluck trubte, war der G«dsnke an die Flohe io
DamaacM. Ich trdetete ihn durch Verabfolgung tod einem Qaantam Inaecteopulver, tod deaaen
Wirkong er angeahnte Wander erleben viirde.
§8 DRITTES CAPITEL.
thige Kleingeld zusammenbrachte , wurde Ilamud argerlich , bis
ich durch die Beisteuer von 1 Megidi (31/, M.) das noch Feh-
lende reichlich ersetzte. Urn 7 Uhr sind sie dann , begleitet von
unsren Segenswunschen , abgeritten.
Jezt sass ich hier allein mit dem Diener Mahmud , und kam
mir vor wie ein Gefangener. Was sollte ich da Vernunftiges
anfangen , und wie die lange Zeit in Kaf nicht bloss todtschla-
gen, sondern anch verwerthen? Mein Plan war, im Allgemei-
nen die far mich noch fremden Sitten, sowie den mir noch
ziemlich verschlossenen beduinischen Dialect immer mehr ken-
nen zu lernen; nebenher wollte ich in korperlicher Abhartung
weitere Fortschritte machen, und fur alle Nothfalle baarfuss
gehen lernen. Durch meine gezwungene Sesshaftigkeit fohlte
ich mich bald wie ein Kleinburger von Kaf und hatte alle
Gelegenheit, in das Stilleben eines bescheidenen Beduinendorfes
Einblicke zu bekommen. Nach Abzug aller der vielen fremden
Leute kamen allmahlich die Frauen und Kinder mehr zum
Vorschein, und ermoglicbten mir daher, auch die hauslichen
Beschaftigungen naher zu beobachten.
Zunachat war mir nach der Unruhe der lezten Tage die Stille
ausserst wohlthuend, und ich suchte mich im Kahwah mOglichst
behaglich eiuzurichten : aus einem Kistendeckel in Verbindung
mit zwei Kameelssatteln stellte ich eine Art Tisch her, auf
welchem ich doch etwas bequemer schreiben und zeichnen
konnte als auf den Knieen; fur die Menge von Fliegen liess ich
mir aus einem Palmzweig l) einen Wedel ") anfertigen.
Ein alter Mann aus dem Gydf Namens Khalaf ') besuchte
mich heute und erzahlte mir interessante Einzelnheiten — die
ich damals sowohl sprachlich als sachlich leider nicht alle ver-
stand — aber die Unterwerfung seiner Vaterstadt unter die
Herrschaft des Schammarfarsten zu Hajel. Die Oase Gy6f hatte
sich namlich nach dem Feldzug Ibrahim Paschas im Jahr 1817
1) w'feh. 2j mirwaliBh. 3) Vgl. 8. 64.
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K&F. 69
einer ziemlichen Unabhangigkeit zu erfreuen, konnte dieselbe
aber in Folge von inneren Zwistigkeiten nicht lange behaup-
ten, gerieth vielmehr in Abhangigkeit von den im Norden
wohnenden Riialah— Beduinen. der Emir von flajel,
machte sich die Streitigkeiten der Familien nnd Stamme zu
Natzen, und nachdem er anfanglich gelinde Saiten aufgezogen,
sandte er im J. 1855 (nach And era im Jahr 1853) seinen Oheim
el-cObeid '), genannt ed-DIb („der Wolf1') mit Kanonen*) dort-
hin, schoss die Manern und Hauser zusammen, liess 85 Kopfe
abschlagen, den Widerspanstigen oder auch nur Verdachtigen
sammtliche Palmbaume umhauen , und stiflete auf diese Weise
allerdings Ruhe und Ordnung. Seither gehOrt der Gy6f zum
Schammargebiet. Zu den dem grossen Blutbad Entronnenen
gehOrte auch obiger Khalaf; er wurde indess nachher mit 65
andern ubrig gebliebenen Vornehmeren nach tfajel verbracht,
und dort sechs Jahre lang in Ketten gehalten, spftter dann
freigelassen. Er war sehr erstaunt von mir zu vernehmen,
dass ich die lezte Thatsache bereits (aus W. G. Palgrave) ')
kannte, und war begierig zu erfahren, wie und was ich uber
seine Person wusste. Der Mann kam von da an regelmassig
jeden Tag, um mir Geaellschaft zu leisteo.
Der Schech cAbdallah begann allmahlig seinen wahren Cha-
racter mehr zur Geltung kommen zu lassen, und der bestand
vorzugsweise in einem schmahlichen Geiz. Bei der Aussicht,
dass ich ihm jezt drei oder vier Wochen im Hause liegen werde ,
hielt er es oflfenbar far unn6thig, noch weiter auf mein Gast-
hfltlein Riicksicht zu nehmen , und entbaud sich desshalb selbst
von uberflussigen Ausgaben. Um alien Enttauschungen oder
stillen Anklagen vorzubeugen, erfiffnete er mir mit klaglicher
Miene, er habe jezt leider gar kein Mehl und Reis mehr im
Hause; ich enthob ihn jedoch aller weiteren Lugen und bat
ihn, er mochte sich doch das gar nicht anfechten lassen, ich
1) Den Vater de* unten bei Hajel oft zo erwahnenJen II am Ad el-'Obeid.
2) Von Ibrahim Faacha bei aeioem Abxag aoi dem Negd xaruckgelasaen.
3) Reiae ia Arabien (Leipxig 1867) Band I, S. 84.
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70
DRITTES CAPITES.
sei mit seinem gastlichen Hause vollstandig zufrieden. Mir war
das neue heuchlerisch eingeleitete Verhaltniss im Grunde ganz
willkommen; Vorrathe an Reis Mehl und Cafe hatte ich ja
genug. Nachdem er den ganzen Tag uber nicht einmal far
ntfthig gefunden, mir auch nur ein Tasse Cafe anzubieten,
konnte ich mich als nur auf Dach und Fach einquartiert be-
trachten, und befahl dem Diener Mali mad, ein fur allemal
eigene Haushaltung und Kache zu fahren.
Die gewOhnliche Hausordnung far die Mahlzeiten bei ansas-
siger ') Lebensweise ist folgende : Mit Tagesanbruch wird Cafe
getrunken. Etwa um 9 Uhr findet das Morgenesseu *tiX£ Rada
Statt , bestehend in Datteln mit Butter, oder Reis mit flOssiger
Butter aberschattet , wahrend auf dem Grund der Holz- oder
Kupferschassel Brodfladen gebettet sind. Gleich nach Sonnen-
untergang kommt die Abend- und Hauptmahlzeit eAscha) :
zuerst Cafe, dann wieder Reis oder Burrul'), im ganstigen
Fall noch Fleisch dabei, und wenn mOglich etwas Grttnes (Ba-
mieh, Badingan, Gurken). In den ersten Nachtstunden wird
wieder Cafe bereitet. Kommt im Lauf des Tages nach dem
Rada ein Gast, so wird ihm keine vollstandige Mahlzeit ge-
reicht, sondern bloss Cafe und etwa Datteln. Mit dem eigent-
iichen Essen muss er warten bis Einbruch der Nacht. Nach
dem Abendessen setzte ich mich heute in den dunklen Hof,
um bei einer Wasserpfeife im Kreis der Gaste dem Gesprach
zuzuhorchen. Ein Neger bereitete den Cafe, und schenkte den
Gasten ein; zu mir kam er als zu dem Lezten. Mit der Be-
merkung , ich sei nicht gewohnt , dass man mir zulezt anbiete ,
erhob ich mich und begab mich in den Rahwah zurack. Bei
der allgemeinen Bestarzung erwachte der Schech, der wahrend
der Scene neben driiben geschlafen hatte, eilte mir nach und
1) Auf dem Marsch gibt ea aberhaapt nor eine Mahlzeit, etwa eine Stunde Tor Sonoenun-
tergang. Fruhmorgena Cafe zu bereiten, oder ein formliches r'riibstuck (Futflr jj*3*) «■ htlten
gilt achon fur eineu Luxua.
2) Borrul (Burghul h. Waizen, zaent gekocht und gedflrrt, dann geachrotet
iul«t mit Butter oder aaurer Milch aufgequollen.
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K&F.
71
entschuldigte sich dringlichst wegen der niir widerfahrenen
Mis8achtung ; der Sclave sei ein ganz roher Kerl, der keine
Vorstellung habe , das8 ich der nobelste Beg aller Christen sei ;
er selber habe ja geschlafen, uod gar keine Ahnung von der
Sache gehabt, ich m6ge uberzeugt sein, dass nie mehr etwas
ahnliches vorkomme. Auf sein Bitten liess ich mich bewegen,
wieder hinauszusitzen und von einem durch ihn selbst bereiteten
Cafe die erste Tasse aus seiner Hand anzunehmen. Ich musste
so handeln, weil es bei diesen Leuten durchaus nicht gleich-
gultig ist, in wie weit man ihnen Versttfsse gegen die eigene
Sitte ungerugt hingehen lasst, und weil sie bis auf Weiteres
jeden Andern nur nach der ausseren Wurde zu beurtheilen
vermflgen, die er sich selber beilegt.
So. 16. Sept. 83] Hart an der N. W. Seite des Dorfes erhebt
sich zu einer HOhe von etwa 300 Fuss der schon oben (S. 47)
erwahnte, ehemals befestigte Berg £a.sr ^aldi; er besteht in
seinem unteren Drittel aus einer zusammengesehwemmten Ter-
rasse von dunklem sandig-brOekligem vulkanischem Auswurf;
von derselben Beschaffenheit ist auch ein regelm&ssig gebildeter
spitziger Kegel , am Ostende der Terrasse vorgelagert , und
]£uweiret ez-za'l genannt. Aus der Terrasse selbst steigt der
eifOrmige RQcken des Berges empor in der Erstreckung von
S.S.O. nach N.N.W; sein Kern ist gebildet aus weissem Sand-
stein mit etlichen krystallinischen Gipsadern durchzogen; ge-
krOnt ist das Ganze von einer 10—15 Fuss machtigen Schichte
eines Gesteins, das mir wie Grauwacke aussah; die obere Flache
von Thilrmen und Mauern eiDgesaumt. Da man vom Gipfel eine
ausgedehnte Fernsicht haben sollte , so veranlasste ich den Schech
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DRITTE-S CAPITFX.
mich hinaufzubegleiten und mir die Aussicht zu erklftren. Gleich
hinter dem Dorf kreuzten wir den schmucklosen Begrabnissplatz.
Der Schech zeigte mir die Graber seiner Familie , und bat inich ,
nur einige Augenblicke zu verweilen , bis er zwei Rikcah (Knie-
beugungen beim Gebete) verrichtet habe. In der Zwischenzeit
betrachtete ich die Graber; sie trugen ein bis zwei Fuss bohe
schwarze Steine , ganzlich unbehauen und auch unbeschrieben —
denn Lesen u. Schreiben versteht hier kein Mensch ; auf einzelnen
waren StOcke aus Palinrippen niedergelegt , auf einem Frauen-
grab bemerkte ich Reste von einem blauen Hemd , sowie einen
Buschel Haare, verniuthlich von einer Heimsuchung durch Hyanen
herruhrend. Die Besteigung des Berges benutzte ich zugleich
als ersten Versuch , urn barfuss gehen zu lernen ; bei Tag giengs
ja auch ganz gut, ich konnte mir den Weg etwas heraus-
suchen, und da in den Schuhen Sand und kleines Gestein doch
nicht zu vermeiden ist, so muss ich sagen, es kara mir sogar
angenehmer vor, weil dann nicht alle Unebenheiten auf dieselbe
Stellen drucken. In 25 Minuten waren wir oben ; durch ein noch
wohlerhaltenes Thor stiegen wir uber hohe Steinstufen aufwarts ,
an alten Wachtstuben rechts und links vorbei, und betraten
nun die ebene Flache des Gipfels. An der S.W. Seite fehlte die
Mauer oft ganzlich , wahrend sie auf der N. und N.O. Seite wohler-
halten, auch durch vorspringende vierekige Thflrme verstarkt ist.
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73
Die Reste der Hauser sind unbedeutend : auf der N.W.-Halfte
stand das umfangreichste derselben mit mehreren Gelassen,
daneben eine flache Cisterne (birtseh), weiter nach S.O. ein
verscbutteter Brunnen (bicr); in der Mitte des Ganzen die so-
genannte Moschee mit einer halbrunden Apsis; da die leztere
nicht genau der £iblah (Richtung nach Makkeh) entsprach,
so durfte vielleicht urspranglich eine cbristliche Kirche hier
gestanden haben. Uber die Geschichte und Schicksale der Burg
wusste der Schech naturlich keinen Aufschluss zu geben. Von
Alterthumern war so gut wie nichts zu entdecken: im ,Brun-
nen" fand ich einen Stein mit Halbmond und Sonne drauf
gemeisselt, sonst nur noch einige Zeichen anscheinend aus
neuerer Zeit, so in einem Haus ein -^r_ und <h , andere
wasm (Stammeszeichen) der Beduinen theilweise mit rother
Farbe gemalt. W. Blunt behauptet, die Burg sei 1834 von
Ibrahim Pascha (im aegyptischen Feldzug gegen Arabien) zer-
stflrt worden.
Die Aussicht von oben ist weitreichend , und es lohnte sich
der Muhe , die Rundschau *) zu zeichnen. Auf den drei hochsten
im N.O. von hier gelegenen Bergen Majftel, Schmisftneh und
Ebrajjit (lezterer auch Schamah genannt) soil , wenn auch selten ,
etwas Schnee *) vorkommen. Auch wurde mir von einem grossen
Vogel ») erzfthlt , der nur auf diesen hohen Bergen in ganz kalten
Wintern aber immer nur selten sich aufhalte; die unklare Be-
schreibung passte etwa auf eine Trappe, oder einen jedenfalls
ganz ahnlichen Vogel. Im Sudwesten verlor sich die salzige Ebene
(en-Nebk wa-cakeleh) , von ein paar Wegen durchkreuzt in einer
wagrecht abgeschrittenen Linie, gegen Sttden schloss sie mit
den hellblauen 'Bergen Umm el-fanagll 4) zackig ab. In einer
Entfernung von 2 oder 2V, Stunden erkannte ich einen schwar-
zen Punct sich bewegend; eAbdallah erkliirte mir, das sei ein
}) Aof Ornnd derselbco babe ich die oben (S. 51) nitgetbeilte KiHe eatworfco.
2) Jt**^ Ktmitl Khaimeh »wie eine Zeltdecke".
3) Sie nannten ihn AnVget et-tarfah Mjlai' (fflr iL&JU .Schaf") JLfVujl.
4) A nob fanlgtr geaproeheo.
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DKITTES CAHTKL.
ihm gehoriger Neger, der beim Ipfib el-milh aus einem Brunnen
Wasser auf den Salzboden schtttte , um die Kruste auszulaugen.
Ich brachte den ganzen Vormittag damit zu, die Namen, mit
denen der Schech die Berge u. s. w. bezeichnete , mir mehrfach
vorsprechen zu lassen und dann niederzuscbreiben ; es blieb
mir dennoch mancbes zweifelhaft: mein Ohr war damals noch
nicht sehr geubt in der sicheren Unterscheidung verwandter
Laute.
Gegen Abend setzte ich meine Gehubungen mit blossen Fussen
fort und hatte meine Schuhe an einer Schnur uber die Achsel
gehangt. Hinter dem Dorf waren einige armselige Zelte von
Schaf- oder Ziegenhirten aufgeschlagen , daneben lagen ein paar
Beduinen. Von diesen letzteren stand einer auf und gieng auf
mich zu, er verlangte von mir, ich solle ihm ein Amulet1)
schreiben. Unschlussig, wie ich mich zu dem Verlangen stellen
sollte, bedeutete ich ihm, er solle morgen frQhzumir kommen,
da wolle ich sehen was zu machen sei. Da kam auch noch ein
Anderer herzu und fragte mich .Warum gehst du eigentlich
barfuss? ich habe dich schon diesen Morgen ohne Schuhe gehen
sehen. Du bist doch ein vornehmer und reicher Mann, und
hast ja Schuhe" — Ja! aber wie lang? S61ang bis ihr mir sie
stehlet; fur diesen Fall will ich dem Dieb nachrennen kOnneu,
und sie ihm aus den Klauen ziehen — „Guck! der ist gescheidt,
der kennt uns!"
Zum Nachtessen gab es heute Eier und Datteln mit heisser
Butter. Nachher kamen zum Cafe viele Besucher, darunter kaum
einer, der nicht Tabak, oder lieber gleich noch ein Revolver
dazu von mir erbetteln wollte; ich gab keinem etwas. Ein
Sturm aus S.O. wirbelte entsetzlichen Staub auf die nachtliche
Gesellschaft , und vertrieb die in ihren Hoffnungen Getauschten
bald nach Hause.
Mo. 17. Sept. 83] Auf den Rasr ipa'idi nahm ich fruh mor-
gens den dreizehnjahrigen Sohn des Schechs, Namens Salim
1) V1^ V*R*b.
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k&f. 75
mit hinauf, und liess mir von ihm nochmals alle Puncte in
der Gegend benennen, die er kannte. Wie ich vom Berg ber-
unterkam, stand bereits der Beduine von gestern da, Rairan,
and wollte sein Amulet haben. Eigentlich hatte ich keine Lust ,
mich auf die Thorheit einzulassen, und suchte es ihm auszu-
reden; weitgefehlt; er behauptete, es sei bloss boser Wille von
mir, weil er ein armer Teufel sei, und mir nicht viel dafQr
geben kftnne. Ich erwiederte ihm, der Gedanke an einen Geld-
gewinn konnte mich gerade am allerwenigsten bestimmen , sein
Verlangen zu erfilllen , er solle mir aberhaupt einmal sein An-
liegen naher auseinandersetzen. Er erzahlte mir nun, er sei
Gazellenjager, habe aber schon lange Zeit her nichts mehr ge-
schossen, sei auch oft in gefahrliche Abenteuer verwickelt, und
sein hochster Wunsch ware , sich kugelfest zu wissen. liber das
Missliche der von mir zu treffenden Entscheidung war ich mir
ganz klar — ich konnte unter Umstanden schon morgen aber
die Wirksamkeit meines Amulets handgreiflich Logen gestraft
sein — liess desshalb mit zurflckhaltender Wichtigkeit einige
Bemerkungen fallen aber moralische und andere uncontrolier-
bare Vorbedingungen , ohne welche das Amulet nicht nur nicht
heilsam, sondern geradezu verderbenbringend far den Trager
werden konne. Nachdem er mich versichert hatte , dass er alle
die geforderten Eigenschaften besitze, auch far den Fall eines
UnglQcks keinenfalls mich als verantwortlich ansehen wolle,
drang er immer begieriger auf Ausfertigung des geheimniss-
vollen Schriftstflcks. So schrieb ich ihm denn auf ein Papier
folgenden Wunsch in deutscher Sprache:
*JU! [Allah]
Armer Teufel ! MGge dich dein Glaube selig machen ,
und wenn du ein ehrlicher Kerl bist, so wflnsche ich,
^ dass dir die Kugeln wieder aus deinem Fell hinaus- r-^
^ fahren, wie sie hineiDgefahren sind. g
4 datum Kaf J. Euting, Stuttgardiensis. ^
16. IX. 1883.
«JJf [Allah]
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DRITTES CAPITEL.
Ehe er aber diesen Schatz eingeh&ndigt bekam, hatte er zu
versprechen, wenn er auf das hin etwas schiesse, mir gegen
ein gutes Geschenk den Braten abzuliefern. Mit einer gewissen
Feierlichkeit legte ich das Papier zu einem schmalen Streifen
zusammen und verschr&nkte es zu einem platten funfeckigen
Knoten. Auf Befragen , wie das zu tragen sei , ertheilte ich die
be3timmte Anweisung, es masse unter Wahrung des Fanfecks
in ein Stack sauberen Gazellenleders eingenaht, mit einem
Lederbandel am Kopfstrick befestigt , and auf der rechten Seite
des Kopfe getragen werden; fertig. Kaum im Besitz des be-
gehrten Papiers stand der Beduine auf, grflsste und entfernte
sich nach der Sitte seiner Vater ohne ein Wort des Daukes.
Mein Hauswirth cAbdallah el-Khamis hatte wahrend dergan-
zen Unterredung und Beschenkung stillschweigend , doch auf-
merksam dagesessen. Der Neid Hess ihm natttrlich keine Rune;
sobald der Beduine fort war, brauchte sowohl er als sein jOngster
Sohn auch ein Amulet. Was wollte ich machen? Unter Verbit-
tung aller weiteren Gesuche der Art fur die Zukunft schrieb
ich dem Alten einige bosartige Wendungen auf ein Papier und
uberreichte sie ihm mit verbindlicher Gebarde; fur seinen drei-
jahrigen von Schmutz strotzenden Stolz , Khamls genannt , hatte
ich etwas mildere Gesinnung, und verehrte ihm — auch im
Fflnfeck — folgende wohlwollende Zeilen:
M [Allah]
„0 unschuldiger Dreckfink! Wasche dich, so wirst du
„ ein gar nicht abler Kerl werden. So Gott will, lernst
<a du einmal andere Gastfreundschaft aben, als dein Vater.
^ Einstweilen wansche ich dir alles Gute, und verbleibe }>
5 dein sonst wohlgewogener s»
datum Kaf J. Edtinq, Stuttgardiensis
16. IX. 1883. v^Uyi Ju^ [eAbd el-wahhab].
*JJf [Allah]
Zu Mittag liess ich Reis mit Walschkorn und Aprikosenmuss l)
1) Durch AufireichuDg von getrockneten AprikoeenfladeD (Kamr ed-dbi).
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bereiten , uod legte nrich dann in den dunklen Rahwah schlafen.
In wachem Zustand hatte ich raich bereits gewflhnt, 20—30
Fliegen im Gesicht , an Handen und Fassen zu ertragen , ohne sie
zu verscheuchen ; zum Schlafen aber zog ich heute einen langen
weisen Tullschleier von zwei Meter im Geviert aber den ganzen
Korper, und hoffte, mit Schadenfreude die vergeblichen An-
strengungen dieser Peiniger sehend und htfrend , ganz ungestflrt
mich der Ruhe Clberlassen zu kOnnen. cAbdallah war Zeuge
dieser Absperrung alles Lebens und Spectakels gewesen und
hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als Manner Frauen und
Kinder unter die geOffnete Thure zu rufen und auf das Wunder
zu deuten. Sprachlos und mit einem Gesichtsausdruck wie die
Kinder, wenn ihnen Schneewittchen im Glassarg gezeigt wird,
stand die ganze Gesellschaft da. Der blosse Anblick konnte un-
mOglich geniigen ; die Neugierigsten rflckten immer naher heran ;
das Wunder musste auch mit den Handen untersucht und in
die H5he gehoben werden. Einigen klopfte ich wohl auf die
Finger, allein umsonst; bereits hatten die ersten Fliegen Ge-
legenheit gefunden , sich durch pers6nlichen Leibesbesuch an mir
zu rachen. Das Gescheidteste war unter sothanen Umstanden,
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TiRITTES OAPITEL.
die Auferstehung lieber gleich zu feiern und die durchsichtige
Halle der unbeschrflnkten Betastung auszuliefern. Ich setzte
mich ins Freie , um meiue Wasserpfeife zu rauchen , und hatte
nun alle moglichen Fragen der Frauen zu beantworten. Dadnrch
wurde ich uberhaupt mit der weiblichen Einwohnerschaft Kafs ,
insonderheit mit der Familie des Schechs naher bekannt.
Die Tracht der Frauen besteht ans einem dunkelblauen baum-
wollenen Hemd ') mit langen Aremeln und mehr oder minder
-langer Schleppe; flber den Kopf wird aus demselben Stoff ein
kleineres Tuch ') gehaugt und bei Annaherung fremder Manner
vors Gesicht gehalten. Als Schmuck tragen sie im rechten
Nasenflugel irgend einen Knopf, einfach schwarz, oder einen
TQrkis , oder auch eine au9 mehreren Steinen zusammengesetzte
Blume; Ringe so viel wie moglich, wenn nicht von Silber, so
doch im Nothfall von Blei; dazu Armspangen von Glas oder
Metall, bei kleineren Madchen auch Spangen an den Fussen.
Vor mir haben sich die Frauen kaum je genirt, sind im Ge-
gentheil allmahlig ganz zutraulich gewordcn. Oftmals gieng ich
in den inneren Hof, und sah den hauslichen Arbeiten zu,Korn-
mahlen, Brodbacken Kochen, Nahen u. dgl. Dort sassen rar
gewfihnlich von 'Abdallahs Frauen drei, Fheideh, Makbulah
und Fadclah , von deneu jede eine besondere verschliessbare
Eammer hatte; die vierte Ijatsmeh *) noch ganz jung und hubsch ,
dazu rothbackig , hielt der Schech meist verborgen in einem be-
sonderen Haus; ich habe sie nur einmal zu Gesicht bekommen ;
sie hoffte mit ihrer Sch6nheit solchen Eindruck auf mich zu
machen, dass sie sich nicht versagen konnte, einen goldenen
Ring von mir zu erbetteln; ich liess sie aber kurz abfahren.
Die anderen beschenkte ich ab und zu mit Kleinigkeiten , wie
sie fur ein Frauenherz erfreulich sind. Dazu kam noch die
hassliche Sch wester des Schechs , Treifeh , ein allerseits unbe-
liebter Hausdrache mit keifender Stimme; sie war an einen
Beduinen verheirathet , der aber seit sechs Jahren nicht mehr
1) tfb. 2) buschijjeh. 3) iU5 L> HAkimeh.
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gesehen ward. Ihr ranfzehnjahriger Sohn Ratjan dagegen war
ein prachtiger Bursche. Fheideh war die Mutter des verwGhnten
dreyahrigen Khamis und des alteren Salim. Auf die Frage wie
alt dieser letzere sei, gab sie zur Auskunft, der sei im Hun-
gerjahr geboren. Es kostete Muhe dieses Datum umzurechnen ,
und schliesslich stellte sich heraus, dass er vor 12 Jahren ge-
boren war. Damals seien keine Datteln gewachsen, sie haben
ibre Kameele scblachten mus3en, 1 §ac (wMess") alter Datteln
9ei mit I Megidi (3'/, M.) bezahlt worden. — Die Madchen wer-
den bei der Aufzahlung der Kinder nicht mitgerechnet ; Eltern
im Besitz von einem halben Dutzend Madchen, gefragt, wie
viel Kinder sie haben , werden mit einem Seufzer antworten :
ach leider gar keine! Hingegen ist der jungste Bub, aofern er
nur selbstandig in die Schussel greifen kann, im Kreise von
Bekannten gesellschaftsfahig; freilich darf er, abgesehen von
Beantwortung einer Frage , kein Wort reden. An kleine Kinder
ein Wort richten zu wollen , wird nicht leicht jemanden ein-
fallen ; keinenfalls wttrde e9 als Artigkeit gegen die Eltern auf-
gefasst werden; besser wird man sogar vermeiden, sie auch
nur des Anblicks, geschweige der Bewunderung, zu wiirdigen,
man kommt sonst leicht in den Verdacht , ihnen durch das bose
Auge einen Schaden zuzufugen. Was sollte man auch mit den
Kindern reden ? Fragt man sie, wie in Europa ablich, nach
ihrem Alter, so ist das den Kleinen ebenso unverstandlich als
den Alten; beide haben sich noch nie darum gekammert. Selbst
die Erwachsenen warden schwerlich genauer als auf 4 bis 5
Jahre hin ihr Alter angeben konnen. Die Rangordnung der
lebenden Wesen in einem Haushalt kann man am besten bei
einer feierlichen Mahlzeit, wenn geschlachtet wurde, beobach-
ten: Vor allem kommt aD die Reihe was mannlichen Geschlechtes
ist, entweder als eine einzige Gruppe, oder in zwei Abstufun-
gen derart, dass zuerst die Gaste mit den Erwachsenen allem
essen , und dann , wenn satt , den tfberschuss den Knaben uber-
lassen. Die machen tabula rasa und Schick en die leere Platte
zurflck in die Abtheilung der Frauen. Diese lezteren behalten
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MttTCES CAP1TKU
von einem geschlachteten Thier als ihr Anrecht zuruck die
Fusse, das GekrOse und die Eingeweide ( jedoch mit Auslieferung
der Leber). Zuletzt gelangt an den .Besitz", d.h. an Sklaven
und Hausthiere nicht viel mehr als Haut und Knochen.
Mit einer Negerin, Namens Balwah, die auch gewOhnlich im Hof
sass, wahrend ihr Mann den Tag uber in den Salzgruben arbei-
tete , hatte ich oft viel Spass. Eines Tags verlangte sie gemalt
zu werden , und war sowohl sie als die anderen Frauen von
deni uberlassenen Bildniss hflchlichst erbaut. Wenige Minuten
nahher, als ich aus dem £ahwah in den Hof zuruckkehrte, fand
ich Balwah in Thranen und Jammer. Was war geschehen?
Mahmud der Schalk hatte ihr weiss gemacht: so, jezt nachdem
sie gemalt sei, befinde sie sich schutzlos in meiner Gewalt;
jederzeit, wann mir's einfalle, konne ich sie durch die Luft ins
Christenland kommen lassen — er machte dazu ein ganz son-
derbare Gebarde , um auszudrucken , wie sie in der Luft daher
gewirbelt kame, und sich fortwahrend uberschlagen musste —
und Gott allein kdnne wissen, was ihr da bevorstehe. Trotz
meiner Beruhigungsversuche gestand sie, vor Angst werde sie
die ganze Nacht kein Auge zuthun. — Um die Harmlosigkeit
der Malerei etwas begreiflicher zu machen, holte ich noch eine
Anzahl anderer Bilder von Menschen und Thieren; und da war
mir nun besonders merkwurdig der wechselnde Eindruck , wel-
chen Photographien von Personen auf diese Naturkinder raach-
ten. Zuerst hielten sie die Bilder in der Hand ohne zu erkennen
was es war; auf einmal gieng ihnen ein Licht auf, dieGesichts-
zoge veranderten sich, sie liessen die Bilder fallen mit einem
Schrei und unheimlichen Grauen — etwa wie vor einem homun-
culus! Es bedurfte besonderen Zuredens, sie sollten die Bilder
nur getrost anfassen und naher betrachten. Das Grauen schlug
mit dem Erkennen unmittelbar in Gelachter um, und des
Staunens war kein Ende : „ Ja £Abdallah , irtsab frtsab , schuf !*'
(Schnell her Abdallah, schnell, guck!). Jeden Tag mehrfach,
so oft ein neuer Besuch kam, hatte ich die Bilder wieder
herschaffen sollen: ,die Frau mit den 2 Kindern, und die Mad-
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chen !" Uber die seltsame Tracht , die Haarfrisuren , das Schuh-
werk die Handschuhe wurden endlose Verhandlungen gepflogen ,
and oftmals musste ich den Schleier, den schwarzen cAba
(Mantel) aus einem Stack Tuch und die in Europa geuahten
Hemden holen. Die feine und gleichinassige Naharbeit, der
dQnne Faden u. s. w. wurden als etwas ganz Erstaunliches ge-
priesen. Als ich von Nahmaschinen ihnen erzahlen wollte,
merkte ich bald, dass das eitel thdrichte Mtthe war, und inich
hochstens in den Verdacht brachte, sie for Narren haben zu
wollen. Sie selber verstehen nur mit dicken Nadeln und gro-
bem Faden zu nahen, und wussten mit den ihnen von mir
verehrten feineren Nummern eigentlich Nichts anzufangeu. Um
einen Zeug zu halten, gibt es weder Nahkissen noch Steckna-
deln , sondern sie klemmen den Stoff einfach zwischen den grossen
und zweiten Zehen und halten ihn so gespannt Far grobere
Arbeiten verfertigen sie sich selbst einen schwarzen wollenen
Faden, der allerdings ziemlich widerstandsfahig ist; bei den
Zelten hinter dem Dorf sah ich mehrfach seine Verwendung
zu Webereien von Zelttttchern und Mantelstoffen.
Zu Besuch in £Abdallahs Hans war ein habsches Madchen
von etwa 1 7 Jahren , Namens L h a d , eine Verwandte aus Ithreh.
Mit grosster Unbefangenheit ausserte sie ihren Wunsch, ich
solle sie heirathen; auch die anderen Frauenspersonen waren
unablassig hinter rair her, ich solle sie nehmen. Wie hatte ich
mich da zu wehren, um der staunenswerthen natarlichen Be-
redtsamkeit die Stange zu halten: ich reise jezt im Lande der
Bedu dahin und dorthin ohne Ruh und Rast, und da kann ich
keine Frau brauchen , sonst hatte ich eine aus meiner Heimath
raitgenommen. „Eure Frauen sind wohl nicht gewohnt zu rei-
ten, ich wollt' aber Tag und Nacht reiten, so gut wie ein
Mann!" Ich habe aber nur ein einziges Delul, wie du weisst!
„Das macht nichts; ich will als Radifeh mich ganz gut am
hinteren Sattelhorn halten; ich brauche nicht einmal einen
Strick weder als Sitz noch als Steigbagel1'. Schon recht; aber
Gott soil haten dass ich mein ganzes Leben in eurem trost-
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DRITTF-S OAPITEL.
losen Lande umherreite, ich will auch einmal wieder heim ins
Land der Christen , und da kannst du doch nicht mit mir. „ Warum
denn nicht ¥ werden die Christen mich, eineFrao,zu todtscbla-
gen; konntest du dein eigenes Weib nicht beschfltzen? und
wirst doch reich genug sein , mir Burghul oder eine Hand voll
Reis und die pilar Datteln zum taglichen Leben zu beschaffen ,
mir ein Hemd zu kaufen, wenn ich eines brauche?" Das ware
das Geringste; allein ich weiss schon, wenn du in unser Land
kommst, wo du die Sprache nicht verstehst und lauter fremde
Leute siehst, wurdest du mir den ganzen Tag den Kopf voll
heulen und nach deiner Mutter und deinem Vater jammern!
„Du haltst mich fur zu thoncht! warum sollte ich eure Sprache
nicht erlernen kdnnen , von wem lernen sie eure Kinder ? Nimrast
du mich zum Weib, so will ich's auch sein, UDd ob ich schon
an meine Eltern und Geschwister immer denken werde, soil
doch nie ein Wort der Klage uber meine Lippen kommen". —
In gewandter Rede blieb sie mir keine Antwort schuldig; be-
denklich wurde ihr hochstens, dass es bei mir daheim keine
Datteln und keine Kameele gebe, und dass die Sonne sich das
halbe Jahr oder langer hinter Wolken und Nebeln versteckt
halte. So ziemlich jeden Tag wurde das Heirathsthema verhan-
delt, die offenen und naiven ErCrterungen waren sogar sehrun-
terhaltend ; und ich muss sagen , ich habe nicht leicht bei einem
Mildchen einen kuhneren , dabei doch schmiegsameren Character
gefunden. Wer weiss, ich ware vielleicht gar nicht Obel mit
ihr gefahren. Pietro della Valle hatte es auch nicht zu bereuen ').
Di. 18. Spt. 83]. Wie schon gestern Abend so war auch diesen
Morgen bei heiszem Sudostwind der Himmel mit Wolken uber-
zogen; ich war eben im Begriff, dem rothjackigen Man?ur (S.
66) einen Besuch abzustatten, da kamen zum Thor hereinge-
ritten 5 Beduinen von Stamm der ^wazim ') um sich in Kaf
mit Salz zu versorgen. cAbdall&h, der Armuthsheuchler, be-
1) Einen Khnlichen Antrag hat Wallin erhalten, a. Reaeanteckningar IV, 112 f.
2) Zweig der Bant Sakhr, Sehekh: SatAm el Pu'u.
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83
thenerte mir mit klftglicher Miene, er kCnne seine Gaste nicht
einmal mit Cafe bewirthen , und niGchte von mir Bohnen ent-
lehnen. A Is dann kurz vor Sonnenuntergang einige Leute vom
?asr Waschwasch hertlbergeritten kamen , die vor ein paar Ta-
gen selbst fur mich geschlachtet hatten (S. 65), benuzte er die
Wohlgelittenheit seiner Frau Fheideh , urn bei mir durch sie aber-
mals einen Bohnen-Anlehen zu vermitteln. Der Sudostwind war
bei Einbruch der Nacht in Weststurm umgesehlagen , und der
Staub im Hof wurde dadurch bis in seine untersten Schmutz-
schichten aufgewuhlt. Im Freien konnte man sich nicht auf-
halten; ich lud daher die ganze Gesellschaft ein, bei mir im
ftahwah Platz zu nehmen. Ich will bei dieser Gelegenheit die
Bereitung des Cafes, wie sie bei den Beduinen ublich ist, be-
schreiben. Der Trank hat nichts gemein mit dem sogenannten
BUsfcaU,
N'a tV^->x\*J!n, ********
/ — -J A' ; \ Tf ? »»
7^
#'3 A*&\L&>
Jfofitr
„turkischen" Cafe , jenem sat-
zigen Aufguss von ganz ver-
brannten Bohnen , ubertrifft
den lezteren vielmehr weit
an Wohlgeschmack und Bele-
bungskraft. Wahrend man in
Europa einfach den fertigen Cafe auf dem Tisch haben will ,
und etwa noch eine Cigarre dazu geniessen, so liegt beim Be-
duinen ein mindestens ebenso grosser Genuss im Zuschauen der
N'gJ)elhA i
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DRITTES CAIMTFL.
feierlich langweiligen Vorbereitungen , wobei das schliessliche
Trinken der winzigen Gaben des braunen Erzeugnisses fast als
Nebensache erscheint. Zuerst wird in der Feuergrube des Bo-
dens mit IJafab (Brennholz) , oder auf dem etwa 1 7S Fuss hohen
in der Ecke stehenden Heerd 1) mit Kohlen ein Feuer ange-
macht, und durch einen Blasbalg2) in Gluth gesezt. Auf eine
flache eiserne Pfanne 3) mit 2 Fuss langem Stiel werden die aus-
gelesenen Bohnen geschuttet, mit dem an eiserner Kette han-
genden Lflffel wahrend des Rdstens umgeruhrt, und dann auf
den Kuhlteller 4) geschuttet Von den im MOrser 5) mit dem stei-
neraen Stosser 6) zu Mehl zerstampften Bohnen , wird das Pulver
mit einem kurzstieligen eisernen Ruhrloffel 7) heraufgeholt Mitt-
lerweile sind die 3 Dellen 8) (verzinnte Kupfertopfe mit Griff
und Deckel) in Bereitschaft gesetzt. Die erste und grosste der-
selben, enthaltend entweder reines Wasser, oder Wasser mit
altem Cafesatz , wird zunachst aufe Feuer gesezt , und bis zum
Sieden erhizt. Daraus wird der strudelnde Inhalt in die 2*
Delleh , enthaltend das soeben gestossene Kafemehl , ubergegos-
sen; nun kommt dieses zweite Gefass unter sorgfaltiger Ver-
hfltung des Uberlaufens solang aufs Feuer (etwa 10 Minuten)
bis kein Schaum mehr aufsteigt, und der Satz ganzlich ausge-
kocht auf dem Boden bleibt. Inzwischen hatte der Hausherr
1) °8^. oder^ kftr aoch jtf klr. ta!r genanat; gemaaert und weias angtstrichen,
mit achwarsen Zierrathen bemalt; Brannloch 2 Zoll im Darchmeaaer and etwa 1 Fuaa tief.
2) ^UJU minfth oder manaab, Ut aoi Leder and hat 2 Holx»teckcn, als Qriffe
cam in Bewegang tetsen.
8) iuoU^ mahmMeh.
4) mibrideh.
5) Qr>- guru oder jto nifcr; derselbe ist bei wandernden Bedninen entweder von Hart hols
oder teltener von Meeting (indiichea Encugnias fiber Makkch bezogen), oder bei an&ussigen
von Stein. Der in 'Abdall&ht Haua wog etwa einen Centner, war von einem rothlich ijraueu
Stein (beim Mttrid im G76T gebrochcn) mit Beechlag and Ringen (htlk) von Meeaing versehen.
6) iXjI td oder Juw* mil.
■J) *i'yL« marrifah.
8) Die er»tc Delleh (*L>, Plnr. Jk) heifet ra.'?fa oder rna^fi; die «weite JO-LL*
matb&bah, die dritte 8,1^ mabharah.
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85
einige Bohnen Hel 9) aus dem E*er 10) geholt und zum Stosseu
im MOrser hergegeben. Das Hel wird dann in die 3,c Delleh
geworfen , und der Inhalt der Kanne N°. 2 draufgegossen. Auch
diese 3te Kanne wird kurze Zeit noehmals aufs Feuer gethan,
bald aber auf die Seite gestellt, damit sich aller Satz feiu auf
dem Boden niederscblagt. Erst jezt, nach 30—40 Minuten im
Ganzen, ist der Cafe 11) fertig. Eine Person hat die kleinen
Tassen (ohne Henkel und Untersatz) alle in der linken Hand,
6—8 Stack in einander geschachtelt , und schenkt nun nach der
Ehrenfolge der Gflste jedem eine Tasse ein, kaum zur Halfte
gefullt. GewOhnlich geht die Reihe nur zweimal herum. Solange
man trinkt, oder noch weiter eingeschenkt haben will, behalt
man die Tasse in der rechten Hand; kommt der Mundschenk
zum dritten mal, und will man fflr Weiteres danker., so
wackelt man mit der Tasse und gibt aie zuruck.
9) cardaaomam minua aus Indien (Malabar) bezogen. Ohne dicaea oder ihnlichea Gewurz
(wie Nelken, Ambra, Moacho*) den Cafe vorzoaetzen, gilte bei den Beduiuen fur geixig
and geradezu beleidigend. NB. Dai echon im Mittelalter bekannte .Heir' t. Cardamomam
majui = Korarima (Fluckiger and Uanbury, Pharmacographia. liondon 1979 p A60 f.) a a*
den ProTinzen im Suden von Abeaeinien stammend, babe icb in Arabien nirgenda im Ge-
10)^Mfl3, eine echrig iiber die Ecke in der Wand angebrnchte Nieche. mit einem Tbiirlein
Statt einea Seihera wird in die Aaagnazachnaaze ein Kniuel von Palm but (Hf)
II) Die Bobneo heiaaen £y* buon, entweder jamani and <j^L5" higizi, weun auf dem
Landweg, direct von Sudarabien bezw. Medlneb, bezogen, oder ^e~S\i bahrt anf dem
Seeweg von Indien iiber Koweh eingef&brt. Nor der Trank aclbat beiaat 8^9 Kahwah; in
seinen rerachiedenen SUdien der Bereituog ffibrt er verachiedene Namen 1) in der Delleh
N°. 1 (mn*u) du alte auf dem Satz atebende Cafewaacer X \y , Z Herbet oder y ■<■»■•>
khamlr (eigtl. Gihrung) 2) der Aufguaa del friaehen Mebles in der Delleh N°. 2 mat-
bibah) beiaat 8^ alarah oder {jy^ tanwa; 3) der fertige friacbe Cafe in der Delleh
z?
N° 3 (mabhlrab) heimt (jJ, rta oder £i bikr.
Mi. 19. Sept. 83]. Der junge Bursche , welcher in cAbdallahs
Hause gewOhnlich den Cafe bereitete , ein unguter Mensch mit
Namen Mutailits {^XAut) war heute Morgen mit blutigem
Hemd und einigen fremden Kleidungsstucken auf dem Leib
heimgekommen. Mahmud, der von ihm stets behauptete , er sei
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86
DRITTKS OAPITEL.
ein ausgelernter Dieb, vermuthete wohl mit Recht, in der
Nacht zuvor werde er auf Abenteuer ausgezogen sein und irgend
einen armen Kerl erschlagen haben. — 'Abdallah ritt mit den
Leuten von Waschwasch fiber Nacht fort, urn der Jagd obzu-
liegen. Ich brachte den Nacbmittag im Garten des Fad!, des
Besitzers der Rebabah (S. 66) zu, nnd musste von Krieg, Ka-
nouen, Flinten u. dgl. erzahlen.
Do. 20. Sept. 83]. 'Abdallah brachte sechs Rebhuhner als
Jagdbeute heim , und verehrte mir davon zwei Stack als schmack-
hafte Abwechslung in den Reis. Tch hatte uberdiess Gelegenheit ,
Eier zu kaufen, je 5 Stuck fur einen Piaster (16 d); far ein
Huhn bezahlt man zwischen 3—6 Piaster (50 $— 1 M.). Das
waren flbrigens die lezten , die ich auf der ganzen Reise zu
Gesicht bekam. — Die Luft war heute stark bewegt und staub-
erfallt, der ganze Himmel grau, die Berge wie mit einem
Schleier eingehiillt. Den Schnaken zu entrinnen gieng ich gegen
Abend barfuss in die Salzebene (Sebchah) hinaus spazieren;
der salzdurchtrankte , wie mit einer dflnnen Eiskruste bedeckte ,
Boden knisterte bei jedem Tritt. Mit Genuss streckte ich mich
auf die harte Erde aus, schaute den Wolken zu, und liess mir
von dem starken N.W.Wind die Glieder kahlen. Abends, bei
reichlichem Cafefeuer sammelte sich um die Rebabah eine lus-
tige Gesellschaft. Thorichterweise liess ich mich verleiten , etwas
viel Cafe zu trinken, und konnte daher lange keinen Schlaf
finden. Mahmad musste mir wahrend zwei Stunden vom tfagg
(der Pilger-Karawane nach Makkeh) erzahlen. Er hatte als
Schreiber bei Muhammed Sa'ld Pascha *) siebenmal die Wall-
fahrt mitgemacht , und war auch mit dessen Vorganger Ahmed
Pascha Baza (yby*) wahrend vierjahriger Amtsdauer wohl be-
kannt, cbenso mit dem Vorganger des Lezteren — 7 Jahre im
Amt — Mahmad Pascha 'Adscheljafcin (^gJLc^). Er beschrieb
die ganze Einrichtung und Anordnung J) des {Jagg ausfiihrlich ,
1) Dcrselbe hat wit 13 Jahren, alt Emir el-hagg mit der Aabicht fiber die Soldateo, den
Proviant nod dat Geld betraut, die ayriache Pilgercarawane bis Makkeb m geleiten.
2) s^jy Urtib.
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87
dessgleichen was von den 49 Stationen zwischen Damascus and
Mukkeh zu sagen ist. Am andern Morgen schrieb ich seine
Angaben, besonders auch die topographischen Bemerkungen
fiber den Verlauf des Weges nieder; ich werde diese Aufzeich-
nungen , welche nar von speciellem Fachinteresse sind , vielleicht
einmal anderswo verOffentlichen.
Fr. 21. Sept. 83]. Rairan, der kugelfeste Jager (S. 75 f.),
ruckte heute , nachdem er eingestandenermassen in zwei Jahren
kein Thier geschossen, mit einer erlegten Gazelle und einem
Hasen an; festtlberzeugt , dass er solches Gluck nur der Treff-
lichkeit seines Amulets zu danken habe, lieferte er mir die
Beute bereitwillig ab, und empfieng dafar ein Geschenk von
15 Piastern (lVaM.).
Gegen Abend holte ich aus meinem Gepack einen Bumerang
(polynesisches Wurfholz) hervor, und warf denselben draussen
auf der Ebene durch die Luft, dass er in schCnem Bogenwieder
zuruckkehrte. Dieses Instrument erregte naturlich unbegranzte
Bewunderung, und die meisten waren um so mehr geneigt,an Zau-
berei zu glauben , als ich es deDen , die es selbst probiren wollten ,
mit dem falschen unmerklich langeren Ende in die Hand gab: das
Holz flog wohl fort , kehrte aber bei der unrichtigen Wurfweise
nicht wieder zuruck. Das ganze Dorf strOmte heraus, um das ncue
Wunder zu sehen. Einigen Frauen , die eben zum Thor heraus-
rannten, warf ich zum Scherz den Bumerang auf 200 Schritte
ziemlich wagrecht entgegen; mit lautem Schrei sturzten sie
sich auf den Boden, als sie wieder aufzuschauen wagten, stieg
das Holz senkrecht flber ihnen in die H6he und kehrte in
ruhigen Windungen an seinen Ausgangspunct zuruck. Ma scha
'llah!1)- Ein seltsames Spiel des Zufalls fugte es, dass der
Bumerang bei seiner Ruckkehr funfmal einen und denselben
Mann , und zwar nur diesen , traf , das leztemal allerdings noch
mit solcher Gewalt, dass er ihm in seinen murben Mantel und
Hemd ein Loch hineinschlug. Er behauptete, ich hatte es mit
1) .Wu Gott Willi0 Aotraf do finUnnvn*
38
I)RITTKS CAPITGX
diesera Teufelsholz auf ihn abgesehen , liess sich aber durch die
Aussicht auf eine Entschadigung beruhigen, nur wollte er sie
aus meiner Hand empfengen, und nicht durch Mahmuds Ver-
mittlung, denn der sei [in unsrem Interesse] knickerig und
,nicbt gut".
Das Abendessen fiel ungewOhnlich uppig aus : Reis mit einem
Rebhuhn, dazu Gazellen- und Ziegenfleisch. Durch Mahmud
schickte ich von dem Oberfluss einige Stttcke in den Nebenhof
zu den Frauen. Wie gewohnlich lud ich den Schech 'Abdallah
zur Mahlzeit seiner ein; dem stillschweigenden Ubereinkommen
entsprechend lehnt er regelmassig ab, und sezt sich erst wenn
ich fertig bin unter Zuziehung seines SprCsslings Khamls zu-
sammen mit Mahmud an den Uberrest der Mahlzeit.
Sa. 22. Sept. 83J. Vor Sonnenaufgang stellte sich bereits der
Mann von gestern ein, um seine Entschadigung zu holen. Die
Verehrung eines Zahrawi (= '/« Megidl = 1 franc) schien reich-
lich bemeesen; wenigstens meinte er, die Andern warden alle
bedauern, nicht auch beschadigt worden zu sein.
Meine Gesundheit lasst nichts zu wunschen; nur sind meine
Augen von dem vielen Staub und Sand stets entztlndet, ja des
Morgens mit Eiter ganz verklebt, und erfordern Behandlung
mit schwefelsaurer Zinkl6sung. Nicht gerade far die Augen,
wohl aber far das Allgemeinbefinden sehr zutraglich waren
die Bader, die ich taglich im Hauptbrunnen des Gartens zu
nehmen pflegte. Die Einrichtung des Ziehbrunnens war eine
sehr ursprungliche und rohe, wie aus beifolgender Zeichnung
zu ersehen ist; in weit verfallenerem Zustand befanden sich
im selben Garten ein paar ahnliche Brunnen.
Auf meinen Wunsch wurde heute der Hof vor dem l£ahwah
ausgemistet; viele KCrbe voll Staub und Unrath wurden in
den Garten geschattet, und als endlich der gewachsene Boden
wieder zum Vorschein kam, zwei neue Feuerstellen abgesto-
chen und ausgemauert. Auch im ^ahwah selber liess ich aus-
kehren und den Boden mit Wasser besprengen. Wahrend dieser
unerquicklichen Handthierung folgte ich der Einladung eines
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kai .
89
gewissen Schahir zutn Cafe; dort gab es noch ilberdiess von
Dibs, einem dicken Syrup, zwei Arten, die eine aus getrock-
neten Trauben (Zebib, Zibeben) bereitet, die andere aus Msac,
den kleinen rothen Beeren einer Wilstenpflanze. Ij&stig empfand
ich die Oewobnheit der Leute, wenn ich schlecht oder nur
halb verstandene Satze mir wiederholen liess, mich anzuschreien •
in der Meinung, das Verst&ndniss nius.se rair dann um so
richtiger aufgehen.
Nachmittags wartete bereits eine grosse Menschenmasse , bis
1
I
90 DRITTBS OAPITEL.
ich den Bumerang wieder hervorholte. Leider war die Freude
nur von kurzer Dauer, denn schon nach wenigen Wurfen zer-
sprang das Holz beim Niederfallen auf einen Stein, zum all-
gemeinen Schmerz der ganzen BevGlkerung.
So. 23. Sept. 83]. Warum die Leute hier so frQh autstehen!
Bei stockfinstrer Nacht, mindestens eine Stunde vor Sonnen-
aufgang sind die meisten schon auf den Beinen. Es kann un-
mOglich bloss religiflser Drang sein, dass sie etwa das FrOh-
gebet um die Zeit des Fegr *) nicht versaumen , noch weniger
dringliche Geschafte. Ich glaube, die Meisten stehen auf, weil
und wenn sie's friert. Drei Viertel von ihnen haben keinerlei
Art von Bett, nicht einmal einen Teppich, Einzelne ausserdem
Hemd nur noch ein Kopftuch, kaum einen Mantel. In ihrem
Hemd legen sie sich alle Nacht auf den blossen Boden in irgend
einen Winkel. Wenn nun eine laue Mondscheinnacht ist, gibt
es ja nichts SchOneres, als den Himmel zum Dach zu haben;
gegen Sonnenaufgang jedoch wenn die Feuchtigkeit zunimmt
und die Warme ihren niedersten Grad erreicht, friert es die
armen Tropfen: sie stehen auf und gehen umher.
Nach dem Fruhstflck wurde ich genCthigt, mich als Wasser-
schmecker und Quellenfinder aufzuspielen. 0 Beraz1)! Auf einem
Gang um den Fuss des l£asr J-Ja'idl herum betrachtete ich auf-
merksam die Gestaltung des Bodens, spahte nach etwaiger
Muldenbildung und bezeichnete auch bald dem Schech und
seinem Anhang vier Stellen , an welchen eine Nachgrabung von
Erfolg begleitet sein wurde. Von zweien derselben bestatigten
sie nachher selbst, dort seien frilher schon Brunnen gegraben,
aber vom Sand wieder verschttttet worden. Der eine Platz
gleich hinter dem Dorf stach dem Schech besonders in die
Augen wegen der Nachbarschaft von seinem Garten, und er
ruhte nicht, bis ich ihm mit einem Stock einen grossen Kreis
in den Sand gezogen hatte, um den (Jmfang der Grube fest-
zustellen. Er wollte natarlich gleich wissen , wie tief die Grube
1) Vor dem errtcn Morgengranen. 2) Eigen-Name «iaes bekannten Qaelfooaucbcn.
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KftF.
91
<ein masse; urn sicher zu gehen bezeichnete ich die Tiefe eines
Hauses als unerlasslich und fflgte noch hinzu, uberhaupt wenn
sie nicht saramt und sonders faule Schlingel waren, so hatten
sie die guten Brunnen ihrer Vftter nicht wieder eingehen las-
sen , sondern mit Mauern umgeben. Ich benuzte die gute Stim-
mung, um mir die Wasserplatze , Brannen und Quellen dee
Landes nennen zu lassen; mir wurde angegeben:
I. Wasser zwischen dem Gebel
1) el-Ezrak
2) el-'Amert
3) el-Hazlm
4) er-Rkaban
5) Kaf
6) Ithreh
7) el-Waswas
8) Kseibah
9) el-Bedah
10) 'Adwanah
11) el-Mheder
12) Sskik ed-dlb
13) Lamrar
14) Mrerah (gMrerah)
15) Faj semal
16) el-£der
17) el-cAsubbi
18)
19)
20)
21)
22)
0) yiuoW ; 30)
s^f I 31)
JU& ! 32)
33)
^ \ 34)
24)
25)
26)
27)
28)
29)
ed-Druz und Hajel: ')
Uweisit
el-Meisiri
en-Nebak (Nobats) dluJ\
§6bah km4
Hlekim (H^uJU
n-Nebk Abu K^r^^ldUJt
el-Grawi
&mr
Sbeihah
Meiku'a
el-Gyof
es-&ekik
Gy6bbeh
£na'
el-Lakitah
el-Wakid
Hajel
II. Wasser zwischen Hajel und el-Meshed (=N6gef)
1) el-Khasrah
2) Bakcah
3) §aceibeh
4) Khadrah
auf dem Leinah-Weg:
s^UaJI | 5) Linah (Leinah)
Lxib) tub ' 6) es-Selman
7) es-£
8) el-Meshed
1) Auffkllender Weiae fehlt in der Lute der Brunnen Kar4\[ir, etwa. iwitchen 8 and 11.
92
IUUTTE.S CAI'ITEL.
III. Wasser zwischen dem Gy6f und el-Meschhed:
1) el-Ha<lel J*X*J! 1 3) er-Raheimeh k^jd^I
2) es-Sbikeh i el-Mesned <X+&J\
IV. Wasser zwischen Kaf und Ma'an:
1) Rutti
2) Balr
^ i 3) el-Gofr
^ I 4) Maean
«
V. Wasser zwischen Kaf und Palmyra (7 Tagreisen):
1) Rsenu 'ssa<adeh »L.) *>!juJt u^i:
2) ()mer
3) Tudmur
a) auf der linken Seite (sud-
OstUch)
VI. Wasser zwischen Palmyra und Damascus:
b) auf der rechten Seite (n. w.)
des Weges
1) Abul fawaris ^lyUt y>\
2) Gazal Jj»
3) Gehar ^-^^
4) el-Geba UsJI
5) el-#arjatein &&tj*M
1) Tudmur
2) eAin el-wueul
3) el-Laljalt
4) el-Ba^ir
5) £afair
6) ez-Zubaidi
7) L&m
VII. Wasser zwischen Palmyra und dem Gebel Melozah l)
1) el-Mumbattah (8 St.) fpJaxJt e?-§aljri (12 St.) 157*^'
2) el-Hel (4 Stunden) Ju^t el-Ra'arah (12 St.) ty*Si\
3) el-Murabbacah (12 St.) wu^J! Warkah (2 Tage)
Bei dieser Gelegenheit vernahm ich die unliebsame Kunde,
das der Schafcik (Liste I, 29), der wichtigste Brunnen auf
meinem kunftigen Weg — der einzige auf der funftagigen
wasserlosen Strecke durch den NefM zwischen dem Gydf und
1) In der Mitte der geraden Linie xwuchen Damiscus and Hit (id Eaphrst).
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J
93
Gy6bbeh — auf Befehl des Schijuch zu Ilajel unlangst durch
Einwerfen von Steinen und Sand unbrauchbar J) gemacht wor-
den sei , um die Einfftlle seiner nOrdlichen (besonders der Rualah
und $ukur) Nachbarn und Feinde (wenigstens von dieser Rich-
tung her) unmoglieh zu machen. Da der zwei Meter im Durch-
messer haltende Schacht 68— 70m tief — etwa die HGhe der
Plattform des Strassburger Monsters — durch den Fels gebro-
chen ist, und man also erst bei dieser Tiefe auf den Wasser-
spiegel stosst, und da uberdiess an diesem Brunnen so wenig
als bei einem andern der arabischen Waste irgend eine Vor-
richtung3) zum Wasserheraufholen angebracht ist, so hatte
ich ausdrflcklich fur diesen Brunnen aus Europa vier dflnne
flanfeeile (von je 25m Lange) mitgenommen und vier leinene
Eimer. Diese Vorsicht war nun gegenstandslos geworden; ich
musste hingegen darauf bedacht sein , far die wasserlose Strecke
spatestens im Gyof noch weitere Wasserschlauche zu beschaflfen.
Ein lager Namens Diban brachte mir heute einen erlegten
Hasen und erbat sich darar ein Amulet; auch sonst noch far
einige andere Leute musste ich, nachdem ich einmal ttberhaupt
auf den Unsinn eingegangen war, fur die naivsten Special-
zwecke Zauberspruche schreiben. Ich habe oft das tollste Zeug
febricirt, und denke, wenn in 200 Jahren einmal Jemand bei
den Bedninen Amulete sammelt, der soil sein helles gaudium
haben. Es lauft nachstens eine ganze Cohorte hier im Dorf
herum, wovon einer immer einen schOneren Lederpfropf am
Haupte tragt als der andere; ich muss nur an mich halten,
wenn ich bei der Begegnung ernsthaft bleiben soil.
Durch die Ankunft von einer Anzahl Rualah-Beduinen hatte
ich etwas Ruhe vor Besuchern. Grosse Begrussung und Bekus-
sung der Gaste. Sie setzten sich im Hofe zusammen und ihr
Anfuhrer Ekreim ibn DurmP) hatte offenbar wichtige Mitthei-
lungen zu machen. Sie wollten in den Gyof, und sich dort
1) Er toll tchon frfther einigemale in unruhigen Zeitcn rorubcrgehend togeworfeo worden mid.
2) SUngen, Eimer, Stricke warea am aelbeo Tag, wo sie anfgeatellt wflrden, bereita gesiohien.
8> tr1*0 o*] (*/lm
04
MUTTES CAPITEL.
einige Zeit aufhalten. Bis zu ihrer Rackkehr im Winter liessen
aie etliche Sacke hier, um sie dann wieder raitzunehmen.
Den Herbst spurt man allmahlich ganz auffallend; ich kann
jezt schon Mittags 3 Uhr mit unverhulltem Gesicht und mit
blossen Fttssen draussen in der Sandebene umhergehen, ohne
mir die Haut zu verbrennen; vor U Tagen wftre ich's noch
nicht im Stande gewesen. An der Aussenseite des Dorfes hinter
einer Mauer sitzend traf ich Lhud (S. 81 f.) und noch ein
anderes Madchen mit aufgelosten Haaren, jede hielt einen
kupfernen Kubel mit einer gelblichen Flussigkeit auf dem
Schooss. Auf meine Frage, was sie da treiben, antworteten
sie lachend , sie wollten ihre Haare auswaschen. Sie sollten nur
vorwarts machen, ich wollte zusehen. Ja, sie hatten keinen
Kamm, und mussten noch auf eine Freundin warten, die im
Besitz eines solchen sei und ihn hoffentlich mitbringen werde.
Mahmud belehrte mich nachher, die FlQssigkeit sei nicht But-
ter, wie ich dem Aussehen nach angenommen hatte, sondern
Kameelsurin. Sehr beliebt sei es, wenn ein Kameel das Wasser
lasse, hinzu zu laufen und schnell den Eopf darunter zu hal-
ten. Der nb&\" sei uberhaupt ein Universalmittel , gelte far
heilsam und angenehm zugleich , wie bei uns ein warmes Bad ,
vertrete auch die Stelle von Seife und ktilnischem Wasser
In Maean sei bei den Weibern ein gesuchter Wohlgeruch und —
geschmack der Nicotinsaft aus den Pfeifen, womit sie sich die
Lippen und die Zahne einreiben. — Wahrend die Riialah draussen
sassen, liess ich mir im Eahwah durch Mahmud von el-£Aleh
(el-c01ah) erzahlen und von el-Hegr (= Madaln §alih). Er be-
schrieb mir die Felsenwohnungen (richtiger GrabhChlen) der
Bani Tamud (Nabataer) und sagte, man finde am lezteren Ort
auch kleine Steinstucke in der GrOsse eines Piasters , auf denen
sich Schrift befinde; er habe selbst einmal eines eingesteckt,
aber wieder verloren , denn er habe keine Acht darauf gehabt.
1) Gans Aholichea au» Sudamorika berichtct II. ,1. Pfeifer in aeinem Aofsatz: Und nod
Leote in Boliria, s. Bail. N°. 183 mr Allgem. Zcilung r. 3. Jnli 1888. S. 2688.
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95
Es werden also wohl tesserae aus gebranntera Thon sei, wie
sie aus Palmyra zahlreich bekannt sind.
Mo. 23. Sept. 83]. Bei Tagesanbruch hatte sich eine neue
Parthie Rualah eingestellt , vom Zweig der yawazim , Kawakbeh ,
An§er und Durman. Da mich die schmutzige Bande wenig in-
teressirte, so hielt icb mich heute den ganzen Tag im Rahwah
auf, und liess mir von Mali mud die Benennungen der Feuer-
waflfen und ihrer einzelnen Bestandtheile dictiren. — Mu tail its
(S. 85 f.) wollte sich zu mir herein in eine Ecke hocken, ich
wies ihn aber aus dem ftahwah hinaus, er solle seinen Zorn
anderswo ausbruten. Er war namlich tief beleidigt, weil ihm
der Sabel 'Abdallahs, den er sich zum Paradieren vor den
Weibern umgeschnallt hatte, durch dessen Sohn Salim wieder
abgenommen worden war. Vor lauter Zorn fand er sich sogar
nicht einmal zum Essen ein.
Klagend stellte sich im Dorf ein verlumpter Scherari, Na-
mens Haurfin , ein , Besitzer von etlichen 40 Schafen , mit denen
er das ganze Jahr in der Wuste herumzog, um sein Leben
durchzuschlagen. Gestern war er in unmittelbarer Nahe des
Dorfes aufgehoben, ein Stuck weit mitgeschleppt und seiner
Schafe beraubt worden. Die Bauber war §ukur, 16 Mann auf
8 Kameelen , aus dem Hadel (J<Xs>JI) jenseits des Gyof.
Die Sonne war schon hinuntergegangen , da h6rte man Flin-
tenschusse; die Leute giengen vors Dorf hinaus der Kara wane
entgegen, welche von hier und Umgegend vor 10 Tagen mit
Salz in den Hauran gezogen war und nun mit Korn zurtlck-
kehrte. Far die 50—60 Mann sollte ein feierlicher Cafe bereitet
werden. Tch zog vor, mich frtthzeitig in den tfahwah zum Schlaf
niederzulegen. Meine Ruhe wurde aber verschiedentlich gest6rt:
zuerst kam der beruchtigte Mutailits, um Cafegeschirr und
unsern M6rser zu holen; Mahmud schlug es ihm ab. Kurz darauf
wollte er die cylinderlose Petroleumlampe suchen, fur die ich
seither trotz aller Bitten und Versprechungen das abgeleugnete
Petroleum nie erhalten konnte. Spater kam auch noch die
alte Treifeh (S. 78) herein , und fuhrte wegen derselben Lampe
96 WHITES CAMTEL.
noch einen m6rderischen Spektakel auf. Eben war icb am Ein-
schlafen, da erschien unter der Thiir ein Kerl mit lichterloh
brennendem Palmzweig, urn abermals nach der Lampe zu fahn-
den; ich liess ihn durch Mahmud mit einem Stecken hinaustreiben.
Di. 25. Sept. 83]. Morgens lange vor der Sonne aufgestanden.
Die Begrflszungsscenen und Austausch derNeuigkeiten beobacbtet.
Zum Morgenessen gab es Samh ') mit Zucker und ranziger Butter
zusammengeknetet , sah aus wie ein Cbocoladekas , schmeckte
indess nicht ubel.
In einer eisernen Falle (gj fachh) haben sie in der Nacht
zuvor eine Hyane gefangen. Sie wollten sie mir als Braten(!)
anbieten; im Magen des Thieres fand sich noch eine Leichen-
hand vor. Mahmud hat die Kerle zum Teufel gejagt.
eAbdallah musste raich heute in aeinen Hausern herumfah-
ren , damit ich einen Einblick in die Bauart bek&me. Die Hauser
sind durchweg aus an der Sonne getrockneten Lehmziegeln er-
baut, meist einstockig, die Wande zwei bis drei Fuss dick, die
Mauern mit Zinnen aus Lehmziegeln gekront sehen von der
Feme festungsmassig, in der
^ > Nahe ganz unschuldig aus.
Die einfachen Zinnen heissen
VV\ t ' V\f\ f^Aj 1,am&m ' eigentlich „Tauben",
H5Sk75ll d» ^sammengesetzten zwei-
oder dreistamigen schum-
rukh, Pluralis schamarikh d.i.
,Ranken".
Die Gelasse der Hauser, be-
! 1
sonders die Empfangsraume (ftahawah) sind sehr hoch , gewOhn-
lich 4 — 6«n ; Decke und Dach zugleich wird gebildet aus wag-
recht gelegten Stangen und Prugeln von Ithel i), daruber kommt
1) Samh ist eine im nordliehen Arabicn allcnthalben waehuende Planze, einem klein-
bliittrigcn Krautbuachel ihnlich, hellgelb bluhend, mit crbaengrosaer Fruchl, welche rothbranne
Samenkorner enthalt; die lctzteren werden maatenhaft gesammelt, nnd fur den Bcdarf grob
r.wiachen Steincn gemahlen und dann mit \Va*sr>r grkoeht. E» ist da» eigentliche WiUtenbrod
2) ill, Tamariake.
Digitized by Google
Kf.F. 97
eine dicke Querlage von Palmzweigen, zuoberst Lehm und Kalk;
der dadurch entstehenden Plattform gibt man Abflussrinnen fur
den Regen. Zwischen den Hausern lftsst man verschiedene klei-
nere oder grossere H6fe und Mistwinkel. Den inneren grossen
Hof umsaumen ganz niedere einzeln verschliessbare Gelasse,
Vorrathskammern , Ktlche und Eaume fQr allerlei hausliche
Geschafte. Ich glaube beobachtet zu haben, dass jede der ver-
scbiedenen Frauen sammt ihren Kindern mindestens ein beson-
deres, stets abgeschlossenes Gelasz, zur Verragung hat. Wie es
in reicheren arabischen Hausern aussieht , davon werde ich unten
bei der Schilderung des Aufenthaltes im Hajel , ausfuhrliche Be-
schreibung und Zeichnung geben.
Heute bettelte mich ein Beduine ') aus der Gegend von Mesch-
hed am Euphrat an, er und seine Kameraden seien in der
garrah 2) so und so uberfallen und all ihres Besitzes an Ka-
meelen beraubt worden. Ich gab ihm V4 Megidi (1 franc); 6
Tage spater h6rte ich, das sei Alles erlogen gewesen; im Ge-
gentheil er und seine Spieszgesellen haben auf der Ostseite des
Gebel ed-Druz 25 Eameele gestohlen. Da soli man noch einem
Menschen glauben! Wer ist hier nicht Freiherr, Bettler, Dieb
und Rauber zugleich!
Nachdem cAbdallah gegen Abend mit Mutailii zusammen auf
zwei Tage nach Ithreh abgeritten war, hatte ich seine Gaste
allein auf dem Hals. Zum Cafe wurde noch spat die Rebabah
geholt , und mit Gesang begleitet. Ich hatte mein Bett im Hofe
langs einer Mauer ausbreiten lassen, und mich schlafen gelegt.
Einer der zuchtlosen Kerle , Nam ens Nassal , hatte sogar die
Unverschamtheit , seine Fusse zwischen mich und die Mauer
auf den Teppich hereinzuschieben ; ich packte ihn sofort an den
Faszen und warf ihn mit einigen Verwunschungen an einen
geeigneteren Platz. Das war das Signal far die Anderen, sich
1) Vom Stainme der 'Antuh. Zweig Dab&mtcheh (*_£_*L*>), Schrch: Ion HaddAI
2) Vulkaniirhc Steinwibte
7
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98 DR1TTE8 CAPITOL.
auch in eine Ecke zu legen. Trotz meinem Abwehren nahm
aber das Geschwatz darum noch kein Ende. Wie nun plfltzlich
auch noch eine Gaise auf mein Lager kam, sprang ich auf
und griff nach meinem zunachst Iiegenden Sabel. Die Eerie
glaubten, das gelte ihnen: den Sabel aus der Scheide fahren
hOren und mit Hinterlassung der Mfintel die Flucht ergreifen
war Eins. Zur ErhOhung der Verwirrung sprang Mahmud auch
noch mit einem Prugel und Revolver hinter her, verlor aber
bei der Verfolgung den Ladstock. Er stiesz ganz unerhOrte
Fluche gegen das Nest und seine Bewohner aus, und drohte
mit Verlegung meiner Residenz nach dem gastlicheren Ithreh.
Treifeh und Fheideh kamen besturzt aus ihren Hausern heraus.
. Nach kurzer Erklarung begab sich Treifeh ins andere Lager und
erOffnete ihnen auf eigene Faust, dass ich den ersten Besten,
der in der Nacht noch einmal den Hof betrate, unfehlbar mit
dem Revolver niederschiessen wflrde.
Mi. 26. Sept. 1888]. Lange vor der Sonne aufgestanden. Einer
der Verfolgten von gestern Abend lieferte als ehrlicher Finder
den verlorenen Ladstock zurQck. — Heute brachten sie wieder
eine Hyane ins Dorf ; das Thier war in die beim Friedhof hinter
dem Dorf gelegte Falle gegangen , und hatte sich , wie aus den
Spuren deutlich zu sehen war, urn das Sad- und Westende
des Kasr §aeidi herum mitsammt der Falle bis an den Fusz des
Berges Umm el-gras geschleppt, wo es aufgespdrt und mit
Prugeln zu todt geschlagen wurde.
Der Morgen war noch eine Stunde nach Sonnenaufgang sehr
kilhl und angenehm. Ich nahm desshalb mein Gewehr auf die
Schulter und machte einen Gang auf den Gipfel des Samrah
Ureik (s. 6. von Kaf). Bei durchsichtiger Luft waren die hohen
Berge im Nordosten , der Schmisaneh , Makkel und Ebmjjit sehr
klar und in die Nahe gerttckt. Von neun Uhr ab pflegt jezt
regelmassig jeden Morgen in der Ebene die Fata morgana (sarab
vjfj*,) sich einzustellen. Die Wasserflache ist wirklich zu tau-
schend, als dass nicht ein durstiger Mensch dadurch verfuhrt
werden sollte , ihr nachzujagen , ja selbst ohne Noth verspurt
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90
man unwiderstehlich Lust , an den schdnen See zu eilen. Das
Schauspiel dauert jedesmal eine halbe Stunde oder auch langer,
bis eben eine gleichmassige Erwarmung der Luftschichten dem
Trugbild ein Ende macht.
Bei der Ruckkehr vom Ureik stiess ich auf Diban den Hasen-
bringer (S. 93) und den kugelfesten Rairan (S. 75 f.); die blut-
bestrichenen Flinten mir entgegenhaltend wiesen sie auf einen
soeben erlegten Gazellenbock ; fQr einen Megidi (37a M.) tauschte
ich ihn ein mit der Bedingung , dass ich noch einen Hasen dazu
bekomme. Der Hase wurde auch richtig ein paar Tage spater
lebendig abgeliefert.
Gegen Mittag kam ein Haufen Frauen aus Ithreh, sie hatten
von den Bildern (Photographien) gehflrt, und mflchten siegerne
sehen. Es wiederholten sich genau dieselben Scenen wie das
erste Mai (S. 80).
DacAbdallah immer noch nicht zuruckgekehrt war, so herrschte
im Dorf dieselbe Zucht- und Ordnungslosigkeit wie gestern.
Do. 27. Sept. 83). Einem Schwaben darf man es nicht ver-
argen , wenn er in der Frerade , sei's in America oder Arabien ,
an Kflnig Wilhelms von Wnrttemberg Geburtstag, des Can-
statter Volksfestes nicht ohne Wehmuth gedenkt. Die heimath-
lichen Bretterbuden , Bankelsanger, Riesendamen , ambubajarum
collegia, Teichmanns 100000 Portionen Sauerkraut mit Brat-
wursten , der ganze Festplatz , tauchte — eine schwabische Fata
morgana — in meiner Erinnerung auf. Zur Feier des Tages , den
ich um der Verstandlichkeit willen als Geburtstag meines Sul-
tans ausgab, hatte ich mich in vollen Staat geworfen, meinen
langen rothseidenen Rock1) nebst allerhand Waffen angelegt,
und schaute nun zu, wie alle Schleussen meiner Gastlichkeit
flber Gerechte und Ungerechte sich Offneten. Wer sich einstellte,
erhielt Cafe, Thee, Wasserchocolade , Tabak, Datteln, Butter,
Brod, Fleischbruhe und dergleichen; auch die Frauen wurden
unerwartet reichlich bedacht. 'Abdallah , der gegen Mittag heim-
1) ZebAo
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100
nrtlTTES CAPITEL.
kehrte , war ganz betroffen tlber die nie gesehene Gasterei , liesz
sich's aber bald gleichfalls waidlich schinecken und fand sich
ausnahmsweise bei meinem Abendessen selber als Gast ein:
aufgetragen wurde eine Erbswurstsuppe , Reis mit Gazellen-
fleisch und Aprikosenmuss.
Bei Sonnenuntergang kreisten zwei Adler hoch in der Luft;
darob grosse Aufregung unter sammtlichen Flintenbesitzern ;
die Lunten wurden angezundet und Alle rannten schussbegierig
durcheinander ; nur leider waren die Adler nicht so gefallig,
sich in oder bei Kaf niederzulassen , verzogen sich vielmehr in
grossen Kreisen schwingend ruhig nach Norden.
Fr. 28. Sept. 83]. Fur seine jiingst erworbene Frau Hatsmeh
(S. 78) muss 'Abdallab eine neue Wohnnng bauen lassen.
Er hatte mir zwar letzthin versichert, er werde diese Frau
wieder aufgeben, das ist aber nur Verstellung ; mich daucht,
der Zierafle meistert ihn, dass es eine Schande ist; sie ist's,
die ihm diese ganze „neue Einrichtung" abgepresst hat. Im
inneren Hof liegt schon ein Haufen machtiger Ithel-stangen
(S. 96), um die neuen Ziramer einzudecken, und was er von
Ithreh in grossen Bundeln heimgebracht hat, wird auch nichts
Anderes sein , als neues Ausstattungszeug fur die Unersattliche.
Ich wollte die Stelle sehen, wo sie vorgestern die Hyftne in
der Falle erschlagen hatten (S. 96) und gieng an den n6rd-
lichen Fuss des #a$r ^a^di ; in der Ebene Sas el-^uff ( Jul! ^Lm)
bei den Trummern eines Hauses setzte ich mich neben einem
verschfltteten Brunnen nieder, um einen charakteristischen
weissen Berg zu zeichnen, der mir nachher als £**aJI yd ?asr
ed-dabea d. i. Hyanenschloss benannt wurde. An mm kann man
so recht deutlich die Entstehung der Waste beobachten: Das
von der Stirne des Berges abbrockelnde Gestein sturzt in grO-
bere oder feinere Schuttkegel ab, die sich ganz allmahlig in
Sand aufl6sen und verwehen.
In der Nachmittagshitze gieng ich in die Ebene (en-Nebts)
hinaus spazieren, baarfusz, und traf da an raehreren Stellen
nackte Bursche und auch einen alteren Mann in einer mir
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K 1 1 .
101
zunachst unverst&ndlichen Arbeit begrifFen: bis urn (lie Mitte
des Leibes im Wasser stehend schOpften sie aus Lochern von
5—6 Fuss Tiefe in Le-
derkubeln das Wasser,
welches durch kleine
Rinnsale in Teiche von
einem Fuss Tiefe ge-
leitet wurde. Hart da-
neben waren niedere
Lehmhutten mit oder
ohne Bedachung. Ich
dachte es handle sich
um Salzgewinnung ,
wurde aber belehrt :
nein um Vogeljagd. In
dieser wasserarmen
Zeit haben die Vogel
grosse Noth einen
Trunk zu finden, da
legen sich nun die Ja-
ger init ihren Luuten-
flinten Tag und Nacht
in die Hutten, uin durch
die kleinen Schiesz-
scharten auf die etwa
ans Wasser kommen-
den arm en Thiere zu
schiessen. Das Wasser
war alles stark salzhaltig ; auch der aus dem Boden ausgehobene
Lehm uberzog sich an der Sonne sogleich mit einer weissen Kruste.
102
DRITTES CAPITEL.
tiber die Salzgewinnung in der Gegend konnte ich Fol-
gendes in Erfahrung bringen. Die breite Thalsohle des Wadi
Sirhan mit seinen zahlreichen Ausbuchtungen birgt in ihreni
oberen Drittel ausgedehnte Salzlager, welche in wasserreichen
Jahrgangen zusammenhangende Salzseen oder -sumpfe bilden.
Am geschlossensten tritt das Salz zu Tag in unmittelbarer
Nahe der zwei DOrfer Ithreh und Kaf, die wohl eben diesem
Umstand ihre Existenz verdanken. Aber auch anderwarts, wenn
die Iladir ') (Thalsehluchten) mit Wasser getrankt sind , bluht
das Salz in ergiebigster Folle aus dem Boden hervor. Jeder
Beduine kann von dem frei sich findenden Reichthum holen
soviel er will, doch ist diese Ausbeute immer noch feucht und
muss erst besonders getroknet werden. Vom hiesigen Salz wird
gerflhmt, es sei helu (^JL*.) aSuss", und nicht w bitter" wie das
von Tudmur (Palmyra). In der Nahe jener zwei Dorfer wird
die Gewinnung etwas systematischer betrieben und zwar das
ganze Jahr hindurch. Zwei Stunden von Kaf im S. 0. erheben
sich in der Ebene en-Nebts die Berge Samra Rutti2) und der
£l£b el-milh J) „das Salzherzlein". Am Fuss der beiden Berge
hat eAbdallah der Schech von Kaf mit Benutzung des erschlos-
senen Grundwassers eine Canal- und Teichanlage eingerichtet ,
vermoge deren das heraufgeschOpfte Wasser eine Zeitlang ein-
strOmt, den Boden auslaugt, und das Salz an die Oberflache
herauftreibt. Ein Neger, der Mann der Balwah (S. 80), geht jeden
Morgen dorthin , des Abends wieder zuruek , und besorgt den Tag
aber das SchOpfen und die Stauung des Wassers,
sowie das Abrahmen des Salzes. Getrocknet und
gereinigt wird der gewonnene Vorrath in niederen
gemauerten Kammern, am Eingang der Dflrfer
aufgespeiehert. Die Sirlian-Beduinen und die Bani
eEisa schaffen davon jahrlich 3—4000 Ladungen *)
zum Verkauf naeh Hauran , d.h. sie tauschen die Waare gew6hn-
n^jjui Phr Qyi. 2)^^^. 3) gill ^Xi.
4) Eine Ladung wird gerechnet in 80 Rotl. - 160 Oka* - 205 Kilogramm = 80 Sft\ und
Bteht im Preise von 1 Megidi (8^ M.).
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ioa
lich aus gegen das gleiche Gewicht von Getreide. Das Abmes-
sen geschieht mit einem hOlzernen Mess , §ae genannt , welches
vollgehauft etwa 13— HPfund Salz entbalt Damit der Messende
sich nicht tauscht, wird wahrend der Arbeit immer die letzt
gewonnene Zahl 20 und mebr Male laut wiederholt; dabei wird
es als ein angenehmer Dienst empfunden , wenn ein paar gute
Freunde bei der far einen Beduinen immer schwierigen und
schweisstreibenden Anstrengung des Zahlens stillen Beistand
leisten. Nach 15 §ac, welche eine halbe Ladung d. h. gerade einen
Sack ausmachen , beginnt man einen neuen Hanfen aufzuschutten.
Wahrend der vorfibergehenden tfirkischen Occupation des Wadi
Sirhan im Jahr 1870(siehe unten im Capitel fiber den Gy6f) war
zu Kaf ein Salzsteuer-einnehmer eingesezt ; der erhob von jeder
Ladung einen Megidl, liesz die eine Halfte dem Schech, die andere
behielt er zuruck als Miri (Regierungsabgabe). Nachdem er von
seinem Schreiber urn ein gutes Stack Geld bestohlen worden,
und auf der grossen Retirade glficklich mit dem Leben davon
gekommen war, lieferte der gutmuthige Beamte auf dem Serai
(Regierungsgebaude) zu Damascus noch die hflbsche Summe
von 2000 Megidi ab, welche von den erstaunten Effendis, die
keine Ahnung von einem Steuereinnehmer zu Kaf gehabt hat-
ten, ohne ein* Wort der Belobung eingesteckt wurden.
Gegen Abend sah ich auf dem freien Platz des Dorfes einen
Menschen sitzen , der mir durch seine hellere flautfarbe auffiel.
Auf dem Leib hatte er nur ein Hemd , auf dem Kopf ein ein-
faches weisses Tuch, in der Hand einen Stock, Gepack absolut
Null. Auf meine Frage wo er herkomme und was erhier treibe,
wollte er zuerst nicht mit der Farbe heraus, bis eAbdallah ihm
durch einen Wink zu verstehen gab, er habe von mir Nichts
zu furchten. StQckweis bekam ich von ihm heraus, er sei De-
serteur von der turkischen Garnison, welche in llodeidah und
§anea zusammen 4 schwache Bataillons ') bilde. Mit etlichen
1) Ein Jahr rorher h*tt« ich dareh Kiepert «iae Photognphie der gc»amtnton Jamais hoch-
•trw 80 Mann bctragenden Oarniton von San'4 xu Geticht bekommen. Die Mannschaft irt ako
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104
DHITTES OAPITEt.
anderen Kameraden, die heute in Ithreh ubernachten, sei er
vor etwa 6 Monaten zu Fuss aufgebrochen , und habe , durch die
Beduinen sich durchbettelnd , die Gastfreundschaft des Ibn Ra-
schid zu Hajel aufgesucht. Dort habe Ieder von ihnen ein Hemd,
ein Kopftuch und 7, Megldi als Geschenk erhalten, und sie
seien mehrere Tage gut verkostigt worden. Jezt wolle er mit
seinen Kameraden heim in die Gegend von Damascus, und
hoffe den lezten Theil des Wegens vollends gut zu aberstehen.
Als Grund seiner Fahnenflucht gab er an: die unerhorte Hitze,
das verdorbene Trinkwasser, die Folge davon Fieber und andere
Krankheiten. 'Abdallah fugte noch hinzu, solche Bettler kom-
men alle paar Wochen bier durch, es sei nur ein Wunder,
dass uberhaupt noch ein turkischer Soldat im Jemen sich finde.
Sobald sie entlaufen, mussen sie jedwedes soldatische Abzei-
chen, namentlich Waffen, dahintenlassen — dann bleiben sie
unbelastigt, finden im Gegentheil bei alien Beduinen, den ge-
schworenen Feinden der D61eh (turkischen Regierung), gastliche
Zehrung, und werden von einem Stamm zum andern abge-
schoben , bis sie ihre Heimath erreichen. Alle suchen ihren Weg
uber Hajel zu richten, weil sie dort unbesehen das erwahnte
Gastgeschenk erhalten und sich einige Zeit ausruhen konnen.
Spater wahrend meines eigenen Aufenthaltes nlaselbst habe
ich auch wieder eine ganze Gesellschaft davon angetroffen.
Die Schabigkeit eAbdallahs zeigte sich heute in ihrer ganzen
Durchsichtigkeit : diesen Morgen hatte er versprochen , auf den
Abend Brod backen zu lassen. Da ich den Deserteur zu meinem
Abendessen eingeladen hatte, fQrchtete er fur diesen noch ein
StQck weiter herschaffen zu mussen, und so war Abends ein-
fach gar kein Brod da. Erst wie ich , ohne seine Lugen abzu-
warten, aus meinem Zauberkoffer Zwieback heraussuchen liess,
und ihm selber hOflichst davon anbot , sprang er beschamt von
dannen, und „entlehnte" — natilrlich bei sich selbst — einige
Brodfladen. Uberdiess musste er noch mit anhOren , wie ich bei
Mahmud Thee, Kafe, Chocolade oder irgend etwas Anderes
noch bestellte, und ihn einlud, unsern Gast mitzufeiern. Fur
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103
sich selbst ware er schon ausgeschamt gewesen, aber vor dem
dtirftigen Bettler fahlte er sich doch arg blossgestellt.
Sa. 2tf. Sept 83]. In der Fruh kamen die 4 anderen Deser-
teure an in jammervollem Zustand. Nachdem ich ihnen mit
Speise und Trank etwas aufgeholfen , auch zu einiger Ergetzung
Jedem V4 Megldi (1 franken) verabreicht hatte, wandte ich alle
Mittel an, um aus ihnen die Beschreibung des zuruckgelegten
Weges heranszubringen. Trotz alien Versprechungen fur den
Fall befriedigender Auskunft konnte ich doch nur eine Anzahl
Namen erpressen, deren sie sich aus ihrer 3-monatlichen Wan-
derung in unsicherer Reihenfolge erinnerten : $anca , Milh , Gebel
Jam, Ma'rib, Wadi Khab, Makhlaf (Beduinen Sbec £u~) , Gebel
cAsir, ^alcat Blscheh, Torabah, T&lf *), Wadi Dawasir (sehr
bevfllkert) Scha^rah, Bereideh, Hajel, el-Gy6f.
Auf dem freien Platz im Dorf lagerten Sirhan-Beduinen , welche
mit den Ban! §akhr verbrudert, aus der Gegend zwischen
Belka und §alt im Ostjordanland , auf 46 Kameelen hieher Korn
verbrachten, um es fur den Winter niederzulegen und nach
Bedarf davon abzuholen. Als Ruckladung nahraen die B. §akhr
Getreide mit. Ich schritt durch die geschaftigen Gruppen hin-
durch, und that einmal zufallig wieder einen Blick in den Hof
der sogenannten Moschee. Dort lag in einem Winkel zusam-
mengekauert noch ein weiterer Deserteur; kein Mensch hatte
sich um ihn gekummert, noch ihm irgend etwas zu essen ge-
geben; ich forderte ihn auf, mir zu folgen, er war vom Fieber
erschopft und hatte uberdiess 4 Medinah-wurmer s) an den
]) Ob lie wirklieh dort itch xn teigen wagten, iat mir doch fraglich.
9) Filaria raedinenris oder Dracancalua medinenaia iat ein an verachiedenen Orten dea Orients,
beeondera ater im Higix and im Jemen hiafig vorkommender Fmdenwarm, der in noch nicht
genaa bekannter Form darek Mhleobtei Trinkwaiaer in den Korper eingeffihrt, die Mueknlatar
duchbricht, and nach 6 — 10 Monaten, wo er auagewachaen eine Lftnge von 60 — 90 centimeter
erreicht, outer dem Bindegewebe der Hant rich fortachiebend , am liebaten an den nnteren
Extremititen , aoa einer aich bildenden Geachwnlat nach aoaeen bohrt Sobald der Kopf durch-
brieht, wird er in ein angeacbliztea Holilein eingeklemmt, nnd der Fadenwnrm, aoweit als er
gntwillig liaft, anfgeapnlt. Beim geringaten Wideritand moaa man innehalten, and darf erat
etwa am folgenden Tag wieder probiren; denn wenn der Wurm abreisat, entatehen boaartige
Gcachwure and Vereiterangen. Die Stelle wird mit Fett eingerieben and daa Holilein mit einem
Lumpen darauf festgebunden. £a vergehen bei dieaer Behandlong immerhin ein paar Wochen,
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10G DRITTES CAPITEL.
Fussen, so dags er kaum im Stande war, sich die 200Schritte
zu mir in den Hof zu schleppen. Durch Brod , Suppe, Gazel-
lenfleisch und Cafe wurde er bald etwas aufgerichtet , nahm
auch gerne auf den Weg einige Chiniopulver '), deren Werth
er wohl zu schatzen wuszte. Der Mensch war ftusserst dankbar,
und druckte — was ich in langer Zeit nicht mehr gehOrt
hatte — seinen Dank in Worten aus: Allah itawwil amrak
wajefoallik *). BGott schenke Dir ein langes und gluckliches
Leben!"
Im Laufe des Nachmittags begannen kraftige Wolken sich
zu bilden, und bei Sonnenuntergang erbob sich ein heisser
Sudostwind; wahrend 10 Minuten fegte der Sturm den Staub
in dicken Wirbeln aus dem Nest hinaus und jagte die Kronen
der achzenden Palmen durcheinander. PlOzlich Stillstand; von
Westen her fielen kalte Regentropfen durch die schwtlle Luft.
Gott, welche Wonne! Seit April hatte ich keinen Tropfen vom
Himmel fallen sehen! Die Abkuhlung war aber doch nur ge-
ring; Abends 9 Uhr beobachtete ich noch 34° C. Die Hitze
liess mich lange nicht einschlafen. Fruhmorgens in der Nacht
erweckte mich ein balsamischer Hoflhungsgruss : aus scheinbar
klarem Sternenhimmel fielen feine Tropfen auf mein Lager.
So. 30. Sept. 83]. Der Schech 'Abdaliah bat mich, heute
lieber nicht spazieren zu gehen, jedenfalls nicht allein und
nicht unbewaffnet, weil so viele Beduinen um den Weg seien,
und auch seine Gaste mit den Kameelen auf der Waide herum-
laufen. Nach Angabe eines Scherari seien in der Ebene draussen
mindestens 200 Scherarilt mit vielen Kameelen. Diese streifen
vornehmlich Nachts einzeln oder gruppenweis umher, seien
auch heute Nacht ans Dorf gekommen, um Wasser zu holen.
Er der Schech zahle zwar an die Scherar&t ebenso gut wie an
bit du Tbier nach and nach gaux aoi dem Korper berantgezogen iit. Eioo Gcachwalat mit dem
Meaeer aufiDachneiden , getraat sich bier natfirlich Niemand.
1) KinA-Ismi.
2) ituLssb ^ jJLJI-
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101
die Ban! cEisa, an die Bualah und sogar an die Howeitat ; aber
heutzutage sei der Verkehr nicht mehr so ganz harmlos wie
fruher, and der Obermuth der Bani eEisa steige mit der Zahl ihrer
Flinten; sie sollen jezt 40 Martinigewehre bei einander haben.
Ea kostete Muhe , den Schech von der Schweinerei in seinem
Hofe zu uberzeugen und ihn zur Ausmistung desselben zu ver-
anlassen. Ehe ich noch zum Fruhstuck meinen Platz an der
Feuerstelle einnahm , hatte sich bereits ein Beduine auf meinen
Teppich gesezt, und konnte von Mali mud nur durch Grobheit
verjagt werden. Auf seine Schimpf- und Fluchreden ') blieb ihm
Mahmud keine Antwort schuldig. Der Kerl hatte ubrigens einen
merkwurdigen Butterschlauch bei sich, die Haut einer Panzer-
eidechse. Er behauptete, das Thier (dabb Jm6 genannt) werde
beinahe eine Elle lang, komme in steinigem Sandboden vor,
lege Eier, sein Fleisch sei weiss und zapple mit Salz bestreut
auf dem Feuer.
Des Nachmittags drang plozlich ein eigenthumliches Geschrei
aus dem Hofe der Frauen heruber: Lhud (S. 81) hatte die
Nachricht von dem raschen Tod ihres Bruders zu Ithreh er-
halten, und brach in trostloses Jammern aus, wahrend die
auderen Frauen in die lauten Wehklagen einstimmten. Mit
Thranen in den Augen schickte sie sich Abends zur Heimkehr
an; ich reichte ihr noch zum Abschied die Hand, und habe sie
nie wieder gesehen.
Nach Sonnenuntergang kam von der Waide heim eine Ge-
sellschaft von 35 Gasten. Sie bildeten im Hof einen einzigen
Kreis und erhieiten drei grosse Platten Datteln vorgesezt,
wahrend ein Sclave mit brennendem Palmzweig zu der Mahl-
zeit leuchtete. Bei gut unterhaltenem Feuer konnte man die
Gesichter und Gebarden deutlich beobachten. Da ich von der
vorigen Nacht her noch ziemlich schlafrig ') war , so zog ich
mich, ohne den Cafe abzuwarten, bald zunlck, und hOrte
1) ^jLaiM jJofij .Gott rotte alle Christen au»I"
i) Beduiniaeh: 0^ rikI4n oder to^Uq (itatt des jjewahnlichon 0L«i na's&n).
108
imiTTES CAl'ITF.I..
kaum die Rebabah (S. 66), deren Laute erst beim Morgen-
grauen verstumraten.
Mo. 1. Oct. 83]. Ziemlich kalter Morgen. Die Bani TSisa zogen
in der Fruh nach Ilauran ab, und rauniten den Platz for die
Scherarat. Trotzdem dass dieser leztere Stamm ziemlich zahl-
reich ist , geniesst er doch kein sonderliches Ansehen , und ich
muss sagen, so verlumpt und verkommen hatte ich bis jezt
noch keine Beduinen gesehen. Ihre dunkle Haut unsauber, die
Poren mit weissem Staub verstopft, tief gefurchte und zer-
sprungene Sohlenschwielen. Ihre elenden Waflen hftngten sie
an die Wand oder legten
sie vor sich auf den Bo-
den. Bis sie etwas zu es-
sen bekamen , hockten sie
sich nieder, Andere auf
dem Bauch liegend stQtz-
ten den Kopf auf die El-
lenbogen , oder spielten
mit dem Katneelsstock
im Sand. Einer von ihnen
zerkaute zwanzig oder
mehr Dattelkerne zum
Zeitvertreib mit dersel-
ben Leichtigkeit wie wir
ger6steteCafebohnen.Wie
er merkte, dass ich ihn
beobachte, kam er her-
uber zu mir und bettelte
Tabak. Zugleich holte er
aus dem Feuer eine glilhende Kohle '), die er unter leichtem
Wflrfeln mit der Hand gemachlich an seinen Sitz hinubertrug.
Hart neben meinem gewOhnlichen Platz war der Eingang zum
1) Wcnn ich Feoer verUngte, wunlen mir Kohlen meiit auf ein^m Palmzweig ah Pru»cntir-
tcllrr gebracht, oder noch eiofacher in der mit dem Dachtten bestea Staob gefullten Hand
dargereicht.
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1 0<>
Garten des Schechs. Im Garten l) drinnen waren Tag und Nacht
zwei jange Bursche Bakkan and Saeud a Is Wachter anwesend;
darum gieng's aber doch den ganzen Tag aus und ein wie in
einem Taubenschlag , und nie habe ich gesehen, dass Jemanden
der Eintritt verwehrt worden ware. An der mir unvergesslichen
Lotterthure ') wurde in jeder Stunde drei, ?iermal geruttelt,
und da sie immer verschlossen war, wurden ebenso oft „Ja
Bakkan, Ja Sacad!" gerufen. Weil jedoch der Schlussei ») selten
im Stande war, seine sechs oder acht Stifte aus Hartholz ent-
weder zu kurz oder zu lang, oft auch ganz ausgebrochen , so
wurde mit der Einsetzung eines neuen Zinkens und dem Zu-
rechtbeissen mit den Zahnen eine ganz unglaubliche Zeit ver-
trOdelt. Ich lag oft viele Stunden im Garten, weil das sehr
unterhaltend war. Die kleinen Graben, welche den einzelnen
Palmbaumen das Wasser zufuhrten, wurden mehrmals im Tag
bald geschlossen, bald getfftnet oder wiederum ausgepuzt. So
oft Gaste kamen oder auch nur ein einzelner Gast, musste
jedesmal besonders, ohne weitere Hilfsmittel nur mit Benut-
zung der stehen gebliebenen Blattstumpfe , einer der Wachter
auf einen Baum hinauf klettern , um eine entsprechende Anzahl
frischer Datteln in seinem Hemd herunterzubringen. Ich staunte
fiber die Gewandheit und Unverdrossenheit , mit welcher der
Auftrag ausgefahrt wurde. An einem ausgewachsenen Palm-
baum (nachleh SJLiaj Phoenix dactylifera) von 50 — 70 Fuss
H6he hangen unter der Blattkrone an langen Stielen far ge-
wOhnlich 6 — 10 grosse Datteltrauben , jede ein paar hundert
Pflaumen, im Gesammtgewicht bis zu 600 Pfund enthaltend.
1) Hfttah l±>yS».
2) Am der Zdchnnng mag enehen werden, wie irerthvoll noch du elendette 8tuck Brett
geschlUt wird.
8) Daa irabiicbe bolzeroe Schlou hat inwendig eine Anuhl beweglioher eiwrner Stifle, welche
in die eatapreehenden LScher dei Riegels hinabfallen, aobald der letetere an seinen richtigen1
Plata hiaeingeachoben ist. Der Schlfissel moaa auf einer seiner Langaeiten die gleiche Anzahl
Stifte too dertelben Linge and dertelben Anordnang wie diejenigen im Schloaa beaitzen ; er wird
wagreeht mit den Zinken nach oben in den hohlen Tbeil dea Riegela eingeffihrt, damit er die
in den Riegel herabgefallenen Stifte in die H6he aehieben kann and ein Heraaaiiehen dea
Kiegels crm5glieht.
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DRITTES OAPITKL.
Im Juni noch hellgrQn wie junge Erbsen, nehmen die langlicht
gewordenen Fruchte im August gelbe Farming ') an , und wer-
den in hiesiger Gegend erst im September dunkelroth, dabei
mit einem hellblauen Reif ttberzogen. Frisch sind sie ungemein
schmackhaft , und im Zustande der Reife scheinen sie in Honig
zu zerfliessen, so dass beim Pflucken der Pflaume das saftige
Fleisch aber den zuruckbleibenden Kern herausschlflpft. — Es
ist vielleicht nicht uberflussig, daran zu erinnern, dass die
Dattelbaurae getrennten Geschlechtes sind, entweder mannliche
oder weibliche wobei auf 1000 weibliche kaum 5 — 6 mannliche
Baume kommen sollen. Nur die weiblichen tragen Fruchte,
mussen aber kunstlich durch Menschenhand befruchtet werden.
Zu diesem Zweck erklettert Jemand den weiblichen Baum,
haut mit dem Beil den Kreis alter Blatter ab und puzt die
Krone sftuberlich aus. Durch Aufschneiden der Blattscheide des
im Gurtel mithinaufgenommenen mannlichen Bluthenkolbens
wird der blumenkohlartig drinliegende weisse Samen blossge-
legt , und ein ganz kleiner Theil des Staubes auf die weiblichen
Bluthen zur Befruchtung ausgeschuttet. Ich habe das sp&ter zu
Teima, im Monat Februar Ofters mitangesehen. — Der Baum
kann uberhaupt nur da gedeihen, wo er entweder mit seinen
Wurzeln von selbst Wasser trinken kann, oder durch fortge-
sezte kunstliche Bewasserung die n6thige Feuchtigkeit zuge-
fuhrt erhalt: wsein Fuss im Wasser, sein Haupt im Feuer".
Wo man also Palmen sieht, ist nothwendig Wasser in unmit-
telbarer Tiefe oder seitlicher Nahe. Hemes „ Palme, die fern
im Morgenland einsam und schweigend trauert auf brennender
Felsenwand" ist dichterisch wunderschOn gedacht, aber that-
sachlich unm6glich. Wilde Palmen, die ohne Pflege wuchsen
1) Sie keuaen dann bisr (collect! v am); in diesem btlbreifen Stadium gepfluckt widerstchcn
•ie leichter der Fiolni»». Die meiiten ru not kommenden Datteln sind nnreif abgeoommen (wie
die Citronen and Orangen), tout wiirden lie den Transport nicht ansbalten. Die reifen Pflsumen
(tdmar oder aaca aahhah, s'hahah) werden fur gelegentlichen Verbrauch im Laade in Saekc ana
Zicgcn- ocier Schat'hautcu gans feat hincii)gt-stam|)ft , dass die Fruchte mitsammt den Steinen eine
unfonnliche geaehlonene und allmahlig sich terhlrtende Masse bilden. Sind aus UoachUamkeit
{rgend welche hohle Ranme geblieben, so geht der ganze Klnmpen in Gahrung aber, rerfalU
der raalniss and wird angeniessbar.
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Ill
und herrenlos w&ren, gibt es in ganz Arabien nicht. Trifft
man fern von menschlichen Wohnungen irgendwo solche Baume ,
so ist eben zufallig der Besitzer nicht bei der Hand. Sobald
jedoch die ersten erbsengrosse Frflchte ansetzen, wird kein
Palmbaum auch nur eine Stunde mehr allein gelassen, viel-
mehr Tag und Nacht gegen Diebe gehfltet, die sogar die un-
reifeten Frflchte nicht verschonen wilrden. Umhauen der Baume
kommt selbst in den grimmigaten Fehden nur selten vor, und
ist als sflndhafte Barbarei verponk
Abends halb funf Uhr kamen Huber und Hamud (S. 67 f.) mit
vermehrter Begleitung von Damascus zuruck. Sie hatten starke
Marsche gemacht , und waren beim l£asr Ezrak noch zwischen die
Nachzflgler von einem Razu (Raubzug) der Rualah gerathen ; Dank
der Bekanntschaft Hubers mit den Rualah von fruher her lief
das ZusammentrefFen noch glflcklich ab. Vom £asr Ezrak be-
richtete Huber, dass die einzige dort bemerkbare Inschrift ihm
eine schlechte kufische (altarabische) zu sein geschienen habe.
yamfld hatte in Damascus das lacherliste Zeug zusammenge-
kauft, unter Anderem eine ganze Menge Revolverfutterale , und
nicht weniger als drei leere Kofrer! Er wurde mir l&stig durch
seine kindische und zudringliche Neugier und Bettelei , sowie
durch die masslosen Wohlgerflche , mit denen er Leib und
Kleider aufs ergiebigste eingesalbt hatte. Er liess nicht nach,
bis er wenigstens von der einen Halfte meines Leibkoffers
Einsicht bekommen und das Meiste mit den Hftnden betastet
hatte. Mit welchem Schmerz musste er die Hoffnung unter-
drucken , mich je von diesem schweren Koffer auf dem Weg
der Erbeutung oder Erbettelung entlasten zu kOnnen; ich
that, als ob ich seine harten Seelenk&mpfe gar nicht merkte,
und wies seine einzelnen Erbschleichereien , sogar die Tausch-
versuche aufs entschiedenste zuruck.
Das Abendessen, herzlich schlecht, nahm ich nach langer
Zeit zum erstenmal wieder beim Schech in Gesellschaft der
Anderen ein. Bei gut unterhaltenen Feuer: Cafe, Rebabah und
endloses Geschwatz die halbe Nacht.
112
I'ltlTTES CAPITEL.
Di. 2. Oct. 83]. Schon seit einigen Tagen hatte sich an mei-
nem rechten Fuss zwischen dem ersten und zweiten Zehen eine
schraerzhafte Eiterpustel gebildet, die mir das Gehen sehr be-
schwerlich machte. Entgegen allem Abrathen hatte ich den
Fuss taglich mehrmals im Garten in eine Rinne mit fliessen-
dera Wa8ser gestellt. Da das GeschwQr sich nicht recht Offnen
wollte, legte ich Diachylonpflaster drauf. Das nflzte aber auch
nicht viel und so liess ich dem Ding seinen Lauf. Das ist eine
Krankheit, die mit der Angew6hnung an das neue Klima und
an die ver&nderte Lebensweise verbunden ist. Der Schech be-
hauptete, wahrscheinlich mit Recht, dass alle Leute, die nicht
in Arabien selbst geboren seien, auch wenn sie aus der Nach-
barschaft (§alkhad, Damascus) stammen, diescn vom Wasser
herruhrenden Geschwuren unterworfen seien; sie rnogen wohl
unbequem und hinderlich beira Gehen sein, aber gefahrlich
seien sie keineswegs, im Gegentheil Zeichen einer guten Ge-
sundheit , ich solle nur gar nichts daran machen. Offenbar sucht
ein kraftiger Organismus die fauligen Stoffe, welche durch das
schlechte Wasser ins Blut gelangen , wieder auszuschwitzen und
an den Extreraitaten in solcher Gestalt auszuscheiden. Diese
und einige andere spater sich bildende Wunden liess ich dess-
halb Wochen lang stets offen , wenn gleich der Sand und Staub
die Entzundung noch vermehrten.
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IV. CAPITEL.
Durch den Wftdl Sirfe&n in den Gyof.
3. Oct. — 9. Oct. 1883.
-if
Mi. 3. - So. 7. Oct. "JP
831. Gleich nachSon- /6>^"!JCr
nenaufgang wurden die Kameele ' "" ^ ^ '
gebracht, und ea begann die >K"'14*» v^<"^»
Zurttstung des Gepacks far die Abreise
durch den Wad! Sirhan in den Gy6f.
Huber hatte rair vorher kein Wort mitgetheilt, dass der Auf-
bruch heute Statt finden sollte; ich muss gestehen, ich war
etwas uberrascht — nicht als ob mir der Abschied von Kaf
schwer geworden wftre, aber ich konnte doch erwarten, dass
er mir, trotzdem ich ihm ganz freie Hand aber die Reisean-
ordnung gelassen, irgend eine Mittheilung aber seine Verabre-
dung mit Hamad machen wurde. — Znm Abschied verehrte
ich den Frauen noch einige Kleinigkeiten und fragte den Schech
1 Abdallah , ob ich ihm einen besonderen Wunsch erf&llen kOnne.
8
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Er bat mich , ich m&hte ihm ein paar Megldt .leihen", die er
mir bei meiner RQckkehr wieder erstatten wollte; ich nbergab
ihm 5 Megidi (etwa 18 Mark) mit der Anweisung sie ra be-
halten, bis wir uns im Paradiese wieder sehen wurden. Das
ganze Dorf versammelte sich draussen vor dem Thor, urn una
gluckliche Reise zu wunschen. Es war halb neun Uhr als sich
unsre Karawane in der Richtung auf Ithreh in Bewegang sezte.
Es waren 24 Manner auf 23 Kameelen , dazu noch eine Negerin
mit zwei Kindern. Die Hauptpersonen waren natorlich Huber
und ich; der eigentliche Lenker und Reisemarschall aber, gegen
dessen Anordnnngen es keinen Widersprnch gab, war Hamnd
el-Migrad (S. 60). Ich habe den Mann eigentlich erst spater
schfttzen gelernt und eingesehen , dass er ausser dem Fursten
in Hajel noch der beste aller Beduinen war; einstweilen frei-
lich 8ind mir seine ausgepragten beduinischen Eigenschaften
und personlichen Besonderheiten recht abstossend gewesen. Er
war angeblich 47 Jahre alt, gross und hager, hatte stechende
Augen und spitzige Nase. Seine Habsucht war schrankenlos :
was er sah, wollte er auch haben, und wenn er's auch nicht
bekam, so sollte wenigstens kein Versuch dazu unterlassen
werden. Seine Wahrheitsliebe hatte einer strengen Probe nicht
immer Stand gehalten , und wenn auch nicht gerade — wie der
Diener Mahmud (vgl. S. 67) behauptete — jedes Wort, das aus sei-
nem Munde kam , eine Luge enthielt , so war er doch von Jugend
auf gewOhnt, aus Vorsicht die Wahrheit eher zu verschweigen ,
und mit seinen Antworten den Frager auf eine falsche Ffthrte
zu leiten. Desshalb hatte er auch verschiedene heikle Auftrilge
und diplomatische Sendungen (z. B. an Ismail Pascha, den ehe-
maligen VicekGnig von Aegypten) zur Zufriedenheit seines Fflr-
sten erledigt. An Klugheit und Muth gebrach es ihm keineswegs ,
und auf manchem Raubzug hat er sich ruhmlich ausgezeichnet ;
Hieb- und Schusswunden hatte er unterschiedliche aufzuweisen.
Um so seltsamer stach dagegen seine lacherliche Eitelkeit und
Putzsucht ab: seinen kleinen Taschenspiegel zog er unzahlige-
mal des Tags hervor, und betrachtete sein wohlriechendes An-
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W. SIRH&N.
115
gesicht mit liebevoller Aufmerksamkeit; die Augen batte er
stets mit Kuhl geschwarzt, noch mehr Zeit und Sorgfalt aber
verwendete er auf seinen ergrauenden Bart. TJnbekannt uiit
den Mitteln die Haare schwarz zu farben, machte er's wie die
meisten Morgenlander, er farbte ihn roth. Das geschicht mit
den gestossenen Blattern der Pflanze Hennah (Lawsonia inermis).
Alle zwei oder drei Tage ruhrte er in einer Schussel den grau-
grflnen Brei an , und verklebte mit dem eckelhaften Geschmier
den Bart und die vorderen Zopfe. Nach einer Stunde war Alles
trocken, und konnte der Staub aus den Haaren herausgeklopft
werden. lch musste ihm das erstemal geradezu ins Gesicht
lachen , und konnte die Bemerkung nicht unterdrucken , er sehe
aus als ob er das Unglack gehabt hfttte, in einen frischen
Kuhlladcn zu fallen. Diesen Scherz hat er mir nie verziehen.
Far einen Beduinen war er sehr reinlich; Wasser konnte er
keines unbenuzt stehen sehen, er musste es gleich uber seine
Hande hinunterschutten und wischte dieselben dann sftuberlich
an seinen Zdpfen, am Kopftuch oder auch an einem unsrer
Teppiche ab. Als Leiter der Earawane und Eenner des Weges
war er unflbertrefflich , entschieden tyrannisch in seinen An-
ordnungen; ein ruheloser Scheucher trieb er unablassig zur Eile
und kummerte sich um alle Einzelheiten persOnlich. Nur von
Mali mild hielt er sich etwas fern, seit dieser ihm mit Recht
eine derbe Lection gegeben hatte bei seinem Versuch, ihm in
die Sattlung unsrer Kameele drein reden zu wollen: der ver-
logene Schmarotzer solle zufrieden sein, dass er von unsrem
guten Essen sich maste, er brauchte ihm, der siebenmal die
Wallfahrt nach Makkeh gemacht habe, keine Vorschriften zu
geben, wie man einen Schdad (Kameelssattel) auflege and die
Stricke knapfe. — Mich betrachtete er seit der Rackkehr von
Damascus, nicht mehr mit demselben Misstrauen wie zuvor;
er behauptete, in jener Stadt sehr befriedigende ja ruhmende
Auskanft uber mich erhalten zu haben.
Die zweite PersCnlichkeit , mit der ich jetzt in nahere Be-
ruhrung kam , war Muhetil Abu Hamed (JjUsvx) aus dem Gyof
116
VIERTES CAPITFX.
(vgl S. 120); er war die 7 Tage bis in seine Heimath mein
Radlf, d. h. mein Aufsitzer oder Hintermann auf meinem
Delul. Von den beiden Enden des Sattels aus hatte er einen
Stride um den Hi rite rn des Kameels gezogen, und , wahrend
er sich mit der Hand am Sattelhorn hielt, stemmte er ent-
weder die Fuszsohlen gegen den Strick oder sezte sich anch
zur Abwechslung in die Schlinge eelbst. Er war angelegentlich
bemuht, meinen Sitz moglichst bequein zu polstern, um mir
die unverkennbaren Schmerzen des Neulings zu lindern. Wi-
derwartig war mir nur sein durchdringendes , dicht in die Ohren
geschrieenes Heik! heik! womit er nnermadlich mein Delul zu
schnellerer Gangart anfeuerte. Sonst ist noch zu erwahnen ein
Halbneger Ibrahim Abu Khalil aus najel, dann ein unver-
falschter Scherart Namens $albukh {fy^* eigentlich ,Feuer-
stein") der uns die Lastkameele bis nach Hajel vermiethet hatte ').
Dazu kamen zwei etwas vomehmer sich ddnkende Menschen
auf feinen Delulen, Kameelshandler aus Damascus, der eine
Husein, dessen Vater schon 30 Jahre lang dasselbe Geschaft
betrieben hatte, der andere Ahmed. Diese zwei kommen seit
10 Jahren regelm&ssig in den Gebel Schammar, um dort Ka-
meele aufeukaufen, bisher immer bei Gelegenheit der Pilger-
carawane unterwegs sich abzweigend, diessmal im Anschluss
an Hamud reisend. Auch ein fieberkranker Mensch, aus dem
Easim gebflrtig, hatte sich uns zugesellt; nach 22-jahrigem
Aufenthalt in Damascus trieb es ihn in die Heimat, wo er
seine Tage beschliessen wollte. In lumpige Fetzen gehdllt , vom
Fieber geschuttelt, war er kaum im Stande, allein auf dem
Kameel zu reiten; ein mitleidiger Reisegenosse hielt ihn stun-
denlang in den Armen , er ware sonst sicher heruntergefallen.
Fur die ubrigen Reisegenossen hatte ich kein weiteres Interesse.
Theils zur Erhohung unsrer Sicherheit, theils auch zur Ent-
l) Ffir die 7-tSgige Streeke von KW bit in den GyAf erhielt er ffir seine 5 Thiere 20 Megidi
(70 M.). Vom Gyof bis HAjel wollte er andere Kameele beaehaffen, fiber deren Preia erst bei
der Vorfuhnuig ▼erhudalt werden aollte.
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W. SIKH&N.
117
lastung der Kameele hatten wir die Halfte der von S. Maj.
dem Konig Karl von Wtirttemberg mir verehrteu Steinschloss-
flinten ausgepackt, geladen und unter unsere Begleiter ver-
theilt; nichi als eine Last, sondern als stolze Zier trugen sie
wahrend der 20 Tage bis flajel die Gewehre, und obwohl ihnen
kein Zweifel flber die bloss zeitweilige Belehnung gelassen
worden war, hegten sie vielleicht doch die stille Hoffnung, dass
sie ihnen noch erb- und eigenthumlich zufallen k6nnten.
Mit einer Aufzahlung der auf dem siebentagigen Marsch lie-
genden Brunnen — (Dorfer gibts keine) — und der Bergkegel
im Wadt Sirhan will ich die Leser nicht ermuden; ich
verweise auf die Kartenskizze S. 113 und auf S. 91. Der
WadI Sirhan (LOwenthal1') ist ein von N.W. gegen S.O. lau-
fendes , 5 — 10 Stunden breites Thai oder wenigstens Bodensen-
kung, eingesaumt von weissen Ealkfelsen aber ubersat mit
dunklen glanzenden Gesteinsbrocken , und untermischt mit Gips-
krystallen (^^a**^. gabsin). Abgesehen von den oben (S. 102
und 58) erwahnten Salzsumpfen, ist der Boden fruchtbar und
buschreich; aus der wellig gefurchten Ebene erheben sich ein-
zelne abgeplattete Kegel, den bald steinigten bald sandigen
Boden durchbrechend. Alle paar Stunden findet sich Wasser,
von weitem kenntlich an reicherem Pflanzenwuchs und hOheren
Gebnschen. Nur in der Nfthe der grossen Brunnen ist der Bo-
den vom Lagern hart gestampft und kahl abgewaidet. Das
Wasser ist suss und wimmelt von kleinen Thieren, aus deren
Yorhandensein die Araber schliessen, dass das Wasser auch
gesund sei. Ein paar mal unterwegs haben wir den mit Ghinin
behandelten Fieberkranken in einen solchen Brunnen gesezt
um seine Blutwarme herunterzudrflcken. — Die Temperatur der
Luft betrug in diesen Tagen im Maximum bis 36° C., gieng
aber frOh Morgens bis auf 10° C. herab, was dann schonemp-
findlich kalt erschien. Sandhosen ') waren haufig zu beobachten,
ebenso Fata morgana. — Die hauptsftchlichsten Pflanzen auf
1) juu^ iflbt'ah, oder *jy*°L* Mnb.
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118
dem Weg waren Halfah , Rada , Sabafc , N&sl l) , Maac sowie ver-
schiedene Thymianarten , deren Wohlgeruch besonders beim
Verbrennen , die ganze Luft erfallt Die Negerfrau mit ihren
Kindern, der ich ab und zu von dem tfberfluss unsrer Mahl-
zeit etwas zu kommen liess, wollte mir eine Arligkeit erwei-
sen, und, wie man bei una in solchem Fall ein Strauszlein
verehrt, so gab sie mir eine kleine Anzahl scbwarzer Eugeln
in die Hand, ich solle sie als Wohlgeruch zu mir stecken: es
waren die allerdings nach Thymian duftenden Bohnen, welche
die Gazellen fabricieren! — An vielen Strauchern fand ich
ganze Stengel und Zweige mit einer harten Kruste von Sand
oder Staub uberzogen, der bei einer krankhaften Ausschwit-
zung durch Wind angeweht sein mochte. Ham fid bezeichnete
diese Krankheit als ardah (a-^l), Mahmud als armah («^f). —
Von Thieren kamen uns in den Weg ausser einer einzigen
Schlange, zahlreiche Gazellen und ein Hase, der seine Unacht-
sarakeit mit dem Leben bezahlen musste. Er wurde Abends einfach
im Wasser gesotten. — An bemerkenswerthen Bergen kamen zu
Gesicht: am zweiten Tage rechts abseits in der Ebene zwei weisse
Pyramiden el-Khaseijjen (Khi§sijjen) genannt; am dritten Tage
hatten wir auf der linken Seite die Kette des Gebel Misma' *) ,
mit einem vorgelagerten dunkleren Berg'); am achten Tag
links der Greimis und Adare'a, rechts eine Tagreise im Saden
der Tawil aus dem Nefud emporragend. Fahrlichkeiten war
keine zu bestehen; doch kreuzten wir kurz yor dem Brunnen
Nebak 50 Pferdespuren vom lezten Razu der Rualah oder §ukur,
die vor etwa 20 Tagen hier durchgekommen sein mussten.
Die Tagesordnung der Reise war ziemlich regelmassig fol-
gende: eine Stunde vor Sonnenaufgang etwa um 5 Uhr Auf-
bruch; nttchtern geritten bis 7\', Ohr; dann Morgenessen mit
1) Ein xartea Gra», d&s geschiizteitc Fatter f&r die Kameclc
2) Nioht sa rerweohwln mit dem gleiehnamigen Bergs , welcher lich im Weeten von Hijel ,
halbweg* Teimi, in des Gebel 'Aagah antc&lieett.
8) Genannt el-'Abd (.der Sclare"), gemeint ist der Schwam, weil eben nur Schwarae Sclaren
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W. 8IRH&N.
119
1 — stflndigem Aufenthalt. Von 9 — 4 Uhr ununterbrochener
Marsch ; zwischen 4 — 6 Uhr Rast zum Abendessen and Abend-
gebet; im Dunkel noch geritten bis etwa 9 Uhr. Bei jeder
Lagerung eine oder zwei Schildwachen aufgestellt.
Der Annehmlichkeiten einer Reise in der Waste sind man-
cherlei : vfillige Unabhangigkeit, Unnoth eines Geldbeutels , wun-
derbar reine Luft, Nachts erfrischende Kuhle, ganzliche Ab-
wesenheit von Fliegen Schnacken Flohen') Wanzeu. tiberfluss
an Brennholz •) kostlich daftende Lagerfeuer, herrliches Bett in
dem perlengleichen Sand.
Als Neoling freilich hatte ich manche Klage in meinem In-
nern zu verschliessen : die zwei wundgerissenen Hautplatten,
deren Umbildung in Sitzschwielen (S. 33 and 56) ich erst
abzuwarten hatte, will ich hinterher nicht hoch anschlagen,
jedenfalls konnte ich in den erst en 10 Tagen mich beim Aus-
ruhen nicht anders als auf die Seite legen; den Sand and die
Gesteinsbrocken, welche der Wind ins Essen weht, betrachtete
ich eben anch als ganz naturlich, selbst gegen das unsinnige
Prugeln der Thiere und das unablassige Geschrei „Heik! Heik!"
(S. 54 und 1 16) wurde ich allmahlich — leider — etwas abge-
stumpft. Aber ein anderer Ubelstand, den man im civilisirten
Europa kaum erwahnen darf, spielt bei den Bedoioen eioe
grosse Rolle , und kann hier unmdglich mit Stillschweigen uber-
gangen werden. — Erschrick nicht, o edler Leser, du brauchst's
ja nicht mitzukosten! — ich meine den treueu Begleiter aller
Beduinen: die Laus *). Dieses Thier, welches im mittleren
Europa — abgesehen von Feldzugen — fur gewOhnliche Men-
schen Gottlob schier zur Fabel geworden ist, war mir von
erfahrenen Reisenden als unvermeidlich langst angekundigt ge-
wesen; die tiberraschung brauchte also nicht gerade gross zu
1) Der einxige Vertreter dieMt 0«ttang , der als blinder PaitAgier in nntrcm Gejiick die
Reiae tohon tod Dtaucu to milgemacht bttte, wnrde beim Offnen eiaet Koflcrs am dritten
Tag cntaeekt, and musttc den Keaertod noi dem Ntrgilefa erleiden.
8) Vgl. im 6. Cnpitel die BeMhreibang da Nefld.
3) Pedicaliu Teetimenti, .Kleider-" valgo .Ui*lnu" — wohl ta antenebeiden Ton der Kopf-
and too der RUUne - wird 2-4»» lang, die Minncben, kleiner «!• die Weibehen, treton in
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120
V1KUTKS CAP1TKI..
sein, als ich endlich seine persdnliche Bekanntschaft machte.
Wie ich am zweiten Tag am Halse ein Beissen und Jucken
verspurte, bat ich meinen Hintermann auf dem Kameel,
den Muhdtil, doch einmal nachzusehen. Mit verstandnissinni-
ger Theilnahme — denn eben von ihra hatte ich den Gast als
Sezling — meinte er: „Aha! der cAbdelwahhab hat ein Laus-
lein" und erblickte in mjr von diesem Moment an nicht
mehr den Fremden, vielmehr einen ebenbOrtigen stammesver-
wandten Reisebruder. Unaufgefordert that er mir sofort an
diesem Erstling den selbstverstandlichen Liebesdienst , und be-
ruhigte mich mit den Worten ma ikhalif („thut nichts!"). In
beduinischer Kleidung ist die Sache auch wirklich nicht so
schlimm; da das weite Hemd bei Abwesenheit eines Gurtels
nirgends sonst am K6rper anliegt als am Halse, so halten sich
jene Thierchen eben nur am Hemdpreiss auf, und beissen von
dort aus in die Haut ein. Und da gibt es denn ein einfaches
Mittel, das schon seit 4000 Jahren erprobt ist: man schaut
jeden Morgen nach und wirft die fettesten Exemplare ins Feuer;
dann hat man den ganzen ubrigen Tag Ruhe , denn die junge
Brut braucht wiederum mindestens einen Tag, bevor sie aus-
gewachsen durch Beissen sich bemerklich machen kann. Bei
der Gelegenheit will ich eingestehen, dass ich in den nachsten
sieben Monaten nur selten lftnger als einen Tag ununterbro-
chen mich als lausfrei bezeichnen konnte; dagegen niemals von
geriogerer Anzahl, als die lezteren auf. Die Weibchen legen etira 60 birnfSrmige gllnzendc
Eier 0,8— 1,0mm lang and bis 0,6mm breit, und kleben dieeelben in
die Kleiderfolten and — n&hte an. Der KSrper ist schmutzig gran, der
Kopf langlicht rund trfigt saagende und stechende Mundwerkicuifc;
Fflhler schlank, Beine mit kleinen Klauengliedern veraehcn. Der
Brnstabschnitt text sich direct in den verbrciterten Hinterleib fort-,
der Leib am Rand rnndlich gezackt endet mit iwei Spitsen. Dm
Thier liebt als Aufenthaltsort nur die schwach oder kaum behftnrtcD
Stellen des menschlichen Kdrpers, Hals Baucbwand and Rflcken. —
Cans anders be ich a (Ten ist die viel grdssere Kameelslaus Kurad ,
krad), welche selten den Menschen befiUlt (S. 55), and ebenso die
Zecke *Jb» belmeh, hflemeh. Ich habe leider Tersiumt, Specimtna
J«dicuUu vcti.mnttr.ui dieser letzteren mitzubringen, and finde auch in Fachbuchern keine
Beschrribnng oder gar Abbildung.
1) ^A** KumtMeh, kosendes Diminutivum ton Kami.
■
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121
Fl6hen und Wanzen beunruhigt wurde, und erst spater konnte
ich den Hamud wahrhaft begreifen, wie er bei seiner Abreise
nach Damascus (S. 67 Anm.) vor den FlOhen und Wanzen der
Stadt so angstvollen Abscheu ausserte , dagegen , auf den Vorhalt
seiner angestainmten Lause, in einen schwunghaften Dithy-
rarabus auf die lezteren ausbrach. Hat man Zeit die Hemden
im Freien aufeuhangen und im Winde zu spannen, so kann man
sicher sein , dass nach zwei Tagen die Bewohner unfehlbar mit
Kind und Kegel den Platz geraumt haben. Von einer familiaren
Aufmerksamkeit , besonders bei Zeltlagern, machte ich in der
zweiten Halfte meiner Reise mehrfach Gebrauch ; wie man bei uns
einen Gast auffordert, sich durch Waschung zu erfrischen, und
woU auch anfragt, ob er nicht vielleicht Hemdkragen, Sack-
tucher oder StrQmpfe zum Waschen und Bilgeln hergeben wolle,
so erlebte ich's einigemale, dass man mich einlud, das Hemd
zu wechseln; da wurde dann das alte fortgenommen , in der
Frauenabtheilung druben sorgfflllig entlaust, und hflbsch zu-
sammen gelegt mir wieder uberreicht. — Doch nun genug.
Am Morgen des siebenten Tages (Di. 9. Oct. 83) senkte sich
unser Weg stark abwarts gegen die tief gelegene Oase el-Gy6f
(„Niederung"). Durch einen Engpass zwischen Sandsteinfelseu
gelangten wir auf eine wellige Vorterrasse , wo silberig graues
Gestein (wie schieferiger Musehelkalk *) anzusehen) in grossen
1) Der bliuliche Kalk tritt nor auf der We.taeitc auf. Gberall sonst Sanditcin. In der Nahe
dea Marid (S. 126) wird wgar ein rothlicher Marmorkalk gefundeo, der zu Moraern (S. 84,5)
yerwendet wird.
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1 22 V1BRTES CAPITEL.
Blasen oder zersprungenen Enollen den Kies und Sand durch-
brochen hatte. Eingesaumt von den Staffeln der 4—500 hohen
Sandsteinberge lag tief im Grund der dunkelgrflne Palmenwald
mit eingestreuten Hausern , beherrscht von dem dunklen Thurme
Marid, und von dem neuen £a§r, der Trutzburg der Raschidi-
den. Den Hintergrund der Landschaft anf der Ostseite , iiber-
ragte — einem blendenden Schneewall zu vergleichen — der
Nefud (s. Cap. 6), die wasserlose Flugsandwuste, welche im Suden
bis zum Gebel Schammar reicht. Nach Beduinensitte wurde
Angesichts der Stadt eine grosse Waschung veranstaltet , die
besten Kleider angelegt , tlberhaupt aller Staat entfaltet , damit
der Einzug moglichst feierlich sich gestalte. Zwei Boten wurden
vorausgesandt , unsre Ankunft zu melden. Gegen 9 Uhr stiegen
wir am ?a§r ab von den Eameelen , um als Gaste des Forsten
zu Hajel bei seinem Statthalter im Gy6f einige Tage zu verweilen.
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V. CAP1TKL.
Der Gyof.
9.—14. October 1883.
Der Gy6f, neben Teima die grOsste Oase den ndrdlichen
Arabiens , gewiss schon fruhe besiedelt , fuhrte ursprunglich den
Nanien Dumab. Das ist als ein alter Stammesnamen zu be-
trachten , der auf den gleichlautenden Stammvater , einen Nach-
kommen Ismaels (1. Mos. 25, 14. 1 Chron. 1, 10) zuruckgeht.
Die Weiasagung des Jesaja (21, 11) fiber Dumah HDII beziehe
ich unbedenklich auf die vorliegende Ortlichkeit, solange bis
die anderen Ausleger besseren Nachweis aus dem Lande Edom
liefern. Die Meinung, dass auf den assyrischen Keilinschriften
der Gy6f unter der Form Dumate ') erw&hnt werde , muss wohl
fallen gelassen werden. Ebenso wenig ist der nabataische a)
Beleg aus den Inschriften zu el-yegr haltbar. Dagegen wird der
Name bei den Classikern *) mehrfach erwahnt als Dumaitha,
1) Jot. Hale'ry, Eani ear lee inscriptions da Sam. Paris 1882, p. 806 fuhrt unter den
8 Furtten, welcbe der aeejritche K6nig nsarhaddon (680 — 669 v. Chr) aaf Minem Feldzog in
Arabien besiegte, each einen Akbaru, Konig von Dumate aaf. Der fragliche Name (Rawlinton
III, PI. 16, col. IV, 18—25 an einer beeohadigten Stelle) lautet nach Fr. Delitxaoh, (Pa-
radiee, S 306) Na (?).p)-a-te ; nach B. A. Badge (Hit lory of Eaarhaddon p. 101): Dapiato.
2) An der betreffenden Stelle ist oicht Ddmft , aondern lUumu zu le«en, alt Egenname nicht
einer Ortliebkeit, aondern einea rcntorbenen Mannes, fur den ein Grabmal erricbtet worde.
(J. Eating, Nnbatiiische In-nchriften 16, 2).
8) Ptolemiaa, lib. V, 19 (foL 144): Aevpa&a; Stepbanut Bys.: Ao6fi*3a 'Af*0/*c.
6 TBA/nrc Aoi/p^tfc Plinim. H. N. VI. 82, 14: Domatba. Auch itt bekannt eine Mfinae
mit der anfochrift AOTM9HNAN; icb fragte deeahalb im Gy6f nach, ob noeh alte MQnaen
gefanden wurden; et konnte tich aber Niemand erinovm davon geaehen oder aoch nur gehort
124
FttNFTES CAPITKL.
Dumatha , Domatha. Bei den arabischen Geographen , Geschicht-
schreibern, Dichtern, tritt noch ein Beisatz hinzu Dumat el-
dschandal (JjulcJI ix^ d. i. „Dnmah des Felsens"). Dieser Name
ist zwar noch jezt an Ort und Stelle gekannt, aber ganz ausser
Gebrauch gesezt durch den einzig ublichen el-Gy6f ') o^*vJI d. i.
„die Einbauchung, AushOhlung, Niederung". Zur Zeit Muham-
meds befand sich hier ein christlicher Konig Ukaidir (^Ju^t)
vom Stamrae der Kindah , der gleich anderen Fursten Arabiens
dem Siegeslauf des Islam sich beugend die neue Religion annahm.
Zur Oase el-Gyof im weiteren Sinne werden noch eine Anzahl
Ortschaften gerechnet, die bis zur Entfernung einer Tagreise
gegen Nordosten in abgeschiedenen Einbettungen gelegen, doch
zu einem und demselben Wasserbecken gehdren; es sind das
die Dflrfer Skakah (8000 Einw.), ?arah (1000 E.), Tuwer oder
Atwer (3001 E.); die von andern Reisenden erwahnten Ansied-
lungen Seh&rab, Gun(¥) Hasiah, Gawah, Mu'eizin scheinenver-
lassen zu sein. Der Hauptplatz aber ist der Gyof im engeren
Sinn mit etwa 12000 Einwohnern. Die Mulde, IV, bis 2 Stun-
den in der Lange , s/4 Stunden in der Breite messend , ist doch
nur zu einem Dritttheil mit Hausern und Garten ausgefOllt,
die auf der Sudseite den Rand der Htlgel selbst erklettern. Bis
zur Unterwerfung unter die Herrschaft der Schammari bildeten
die 12") Quartiere (Suk, Plur. Aswak) der Stadt jedes eine
Festung fur sich, im Zustande gegenseitiger Belagerung. Die
zusammengewurfelte BevSlkerung •) , ohne irgend ein Geftlhl der
Gemeinsamkeit , rieb sich selbst in grausamen Fehden auf, und
nur eine eiserne Hand wie die des cObeid und die rucksichts-
lose Politik des Talal konnte hier Wandel schaffen (vgl. S. 68 f.).
Wenn auch jezt Sicherheit und Ordnung herrscht , so ist darum
doch von Handel und Gewerbe beinahe keine Rede. Verkaufe-
xn haben. Anch tod dem groaten SHbcrachatz , weleher (A. 11. 9! 9 — 1513 n. Chr.) hier gefun
den worden >ein toll (Ritter, Erdknnde XIII, 888), hat sich nicht cinmal die Sage erhalten.
2) Bin nreiter GyAf (auf den Karten Dsehauf, Dscb6f) findet sich im ostlichen Jlmen, afld-
lich Totn W. Negr&n.
2) He ate z&blt man deren 14 oder 15.
8) llfialah, Tamim. Sirban, Schammari, B. IAm , Scherftrat , Motawalladin (Halbneger) and A.
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GYoF.
125
lftden oder Bazare existiren durchaus nicht; kauni dass ein
paar Handwerker l) aufzutreiben sind. Ohne einen Einblick in
das Innere zu gestatten , winden sich die engen Gassen zwischen
hohen Gartenmauern und Hausergruppen. Die besseren Woh-
nungen haben so ziemlich alle einen 30—40 Fuss hohen mit
Zinnen, Lucken und Senkscharten versehenen Thurm, der ur-
sprunglich zu kriegerischen Zwecken, als lezte Vertheidigung
und Zuflucht eingerichtet , jezt nur noch als Zierde und Zeichen
von Wohlstand anzusehen ist. Von alten Bauwerken ist nicht
mehr viel vorhanden. Am Westende der Thalmulde, unterhalb
des Rigm el-
burg , sperrte
ehemalsden Zu-
gang eine stei-
nerne Quer-
mauer S^l » r.
;duS^t eAmarat
al-Ukeidir mit
schmalem Thor.
Bedeutender
noch sind die
Reste des alten
Castells oder
Thurmes M a- fc lr tu. Mir,a m
rid.
Aus Hausteinen in drei Stockwerken mit einer Wendeltreppe
erbaut , von Ringmauer und Wall umgeben , hat er seit seiner
Beschiessung durch den 'Obeid im J. 1855 (S. 69) vielleicht
die Halfte seiner HOhe eingebusst, und ist jezt als Ruine nur
noch von einer armlichen Familie bewohnt. Fruher wurde viel
uber ihn gefabelt; Jusuf el-Milki ») behauptete im J. 1808, er
abertreffe 2 wenn nicht 3 mal an HOhe den hOchsten Moschee-
thurm zu Jerusalem. Heutigen Tags mag er noch gegen 50
1) Fur Lederarbeiten (Sandalen, Satte!
2) Hitter, Erdkonde XIII. 891, 895,
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126
FliNFTES GAPITF.L.
Fuss hoch sein. Zwischen dem Marid und dem £asr liegt das
j #s6r (,Schl6ssleinM) gleichfalls bei der schon er-
* wahnten Belagerung in Trummer gelegt.
Als jflngster Zeit stammt sodann der £asr
(„das Sri i loss"), ira Stadttheil Ehzam (^^) in
beherrschender Lage errichtet.
Fur einen Beduinen schreckhaft liegt die Zwing-
burg da mit ihren Mauern, H6fen, Thurmen,
Erkern, Schieszscharten. Auf der Sudostecke be-
li mlct sich der Eingangsthurm , viereckig nach
oben verjflngt; zur Vertheidigung sind einige
Pechnasen (fcJjSLf ') katulah) mit Senkscharten an-
\
I
\
f
gebracht. Die schwere hOlzerne Thure mit ver-
gittertem Guckloch versehen , wird auf der Innen-
seite von einem Sclaven bewacht. Fur gewflhnliche
Besucher wird nicht das ganze Thor, sondern zu
muhsamen Durchschlupf nur eine Art Laden s) geGffnet ; derselbe
1) Verwandt m. hebr. ^?n3?
2) K&&^£ saukahah?; in Damnsout *s>y> khokhah ^cnannt.
DER.GY&F.
127
ist eigentlich ein zweites kleineres Thor, misst zwei Fuss im
Geviert, und ist etwa 172 Fuss aber dem Boden angebracht.
Bei unsrer Ankunft (Di. 9. Oct. 83) war naturlich das gauze
Thor angelweit geflflhet. Unter dem Zudrang eiuer neugierigen
Menschenmasse wurde unsere Sacke abgeladen und in einer
verschlossenen Kammer aufgestapelt , die Teppiche und das
Handgepack aber auf das halboffene Dach eines Hauses ge-
schafft. Beim Eintritt in die Thorhalle musste das Auge, wel-
ches seit sieben Tagen keinen Schatten genossen, erst an die
Dunkelheit sich gewShnen. Abseits im Finstern lag ein alter-
thilinliches monstrum von eiserner Kanone auf blockischer La-
fette mit Scheibenradern von Ithelholz. Der Schauder von Hoch-
achtung , womit
unsere Beduinen
an dem Unge-
1 1 n'l mi mit seinen
geheimnissvollen
Kratten vonlber-
giengen , wurde
durch die Finsterniss jedenfalls erheblich veratarkt. Die Solda-
ten des Schijukh ') fohrten uns durch ein Gewinkel von ge-
brochenen Giingen nach dem £tfhawah (Empfangssaal). Den Sabel
1) Ragftgil each-Sch\jflkh - v^J' J-C>U>; (S. 82). In der Reaidenz Hijel mogen ilindig
etwa 200 Mann aein; 3 — 400 andere haben auawartige A a ft rage ; cine Abtheilung dieaer lezteren
iat daa ganxe Jahr in Bewegang, lie hat die paar hundert Kameele zn begleiten, welche der
Kiint alio 6 — 6 Wochen nach Negef an den Enphrat achickt, nm ron dort Reia im Land zn
achaffen; andere holen die peraiachen Pilger in Meachhed ab, geleiten aie nach Makkeh nnd
zorock, lind alae auch 6-7 Monate abweaend. Hier im Gy6f waren 10 Mann, nnd an andercn
kleineren Ortachaften werden aieh hochitens je 4 oder 5 Mann zerttreut finden. Von Uniform
itt naturlich keine Rede; man nnteracheidct lie indeaa bald an den »erhiltnia»maaaig reinen
weiaaen flemden , rothbanmwollenem Kopftnch und weiu wollenem doppeltgewnndenem Kopfatrick
Ihre Bewaffnnng beateht fur gewohnlich nnr ana einem Sabel, den aie aber nicht nmgebangt,
aondero ateta in der Hand tragen. Selten hat einer einen Mantel am die Schaltern, nnd die
wenigsten beiitzen Sandalen. Filr gefahrliehe Ezpeditionen bekommen aie Ton HAjel Steinachloaa-
flint™ anf den Weg, nenerdinga aogar Martini-Oewehre , deren der Erair allmahlig 7 — 800 Stuck
ztiaammengebracht haben aoll. Die Sabel die ich hier aah, mit ailberdrahtnmwundenem Griff nnd
silberbeachlagener Scheide, waren alio ana der Werkatatt dea in ganz Inner-Arabien bcrfihmten
Waffcnaehmieda RAnem zn Hljel herrorgegangen. Ein Sohn diesea RAnem Namena 1 1 Amid befand
aieh zafallig hier bei den Soldaten nnter der Abtheitung, die jest abgeloat werden aollte nnd
baldigat nach l,(Ajel zuruekkehren dnrfte.
128
fOnftes c a pit el.
in der Hand traten wir mit einem Salam caleikum (,Friede
Qber euch!M) Qber die Schwelle eines dunklen fensterlosen
Raumes: 'Aleikum es-salam (,uber euch der Friede") scholl es
aus der Finsterniss zurQck. Noch einige Schritte vorwarts, da
kam uns der Statthalter des Schijuch ein Neger Namens
Gy6har entgegen. Mit lebhaftem Wohlwollen reichte er uns
die Hand bekflsste — ich weiss jezt nicht mehr unsre Wan-
gen oder unsre Kopftflcher und rief zum Zeichen hOflicher
Theilnahme vier, fftnfmal hinter einander laut, fast grimmig,
Jeden an mit Tsef ent (oJf \JlS „wie geht's dir?") Es kostete
Mahe seine Besturmung allmahlig zu bescbwichtigen durch ein
Tajjib el-hamdu lillah (,Gut, Gottlob!"). Auf feinen persischen
Teppichen, mit unsren Kameelssatteln als Armlehnen, nahmen
wir Platz , legten die Sabel vor uns nieder und begrussten unter
leichtem Nicken des Kopfes jeden der anwesenden Gaste mit
einem „Gott segne euren Morgen". Wir wurden sodann ein-
gehend uber den Verlauf unsrer Reise ausgefragt. Gleichzeitig
wurde neben den iiblichen Raucherungen (S. 62). Kahwah helu J)
gereicht, dann kam der eigentliche Cafe, zulezt Datteln von
einer wunderbaren GrOsse und Susse, dazu flussige Butter und
Brodfladen. Gyohar liess sich von einem Soldaten seine Pfeife *)
bringen und in Brand setzen wahrend wir ein Narglleh (Was-
serpfeife) ansteckten; er versicherte uns des Ofteren, dass er
1) Bs gilt nicht fur fein, die Hand Toll za ergreifen, oder gar la schutteln; man legt nor
die Handfliichen auf einander and zieht sie raach dariiber weg.
8*^9 eigentlich •susser Cafe" ist ein heines Zockerwasser, mit ganz wenig Thee nnd
Citronensaft oder sonstigem Gewura antermiacht, bildet bei einer vornehmen bedainiachen Gaa-
terei immer die Einleitung.
3) Q»r<JLS Kaljun , ein Kopf an* rothem oder schwarzem Thon
(in reichster Anstattung auch noch mit drabtgeflochtenem Deckel,
Kohlenzanglein (mulai\cit) und Mesaingttift an kUiner Kette bin-
ge nd, irird ron den Beduinen ohne jedwedes Rohr geraacht — ein-
faeh weil sie keinea haben. Auch das beacheidenste Exemplar ist noch
so kostbar, dass manche Personen es nicht veraohmlhen , a as einem
halben Pfeifenkopf (ohne Hals) za raachen. Mag gut warm seint
Spater in Teima traf ich PfcifenkSpfe aus graaem Sandstcin mit dem
Measer geachnitten. Die Pfeife Gyohars bestand aoa rothem Thon-
kopf mit ganz knrzem Rohr dran; der Mandspitz war cin dicker Waist, mit Tach uberzogen,
und mit einem durchbobrten SilberpUttlein beachlagen.
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DER GY&F.
129
uber unsren Besuch und die Ehre, welche wir ihin erweisen,
hoch erfreut sei. Es mOgen zwar die prflchtigen Sabelklingen
aus Solingen , die wir ihm gleieh zu Fttssen legen liessen , sowie
eine verschwiegen zugestellte Verehrung von drei tilrkischen
Pfund (etwas mehr als 50 M.) nicht ohne Einfluss auf seine
vergnugte Stimmung gewesen sein , aber jedenfalls verlieh er
derselben einen ehrlichen und ungekunstelten Ausdruck. Er
strahlte von Wurde und Wohlwollen ; sein ganzes Trachten
war ausschlie8slich nur darauf gerichtet, uns den Aufenthalt
m6glichst angenehm zu machen , und unsern Wunschen in jeder
Beziehung entgegen zukommen.
Nach Lady A. Blunt's Schilderung
hatte man glauben sollen , in Gy6-
hars schwarzer Haut stecke auch
eine scbwarze Seele, und die un-
gebundene Machtvollkommen-
heit verleihe ihm den Charakter
eines zu furchtenden Despoten. .
lch babe das nicht gefunden ; und ^^J*8
sein Herr zu yajel, der gewiss
aber den Vorwurf der Ungerechtigkeit erhaben ist, scheint
auch mit ihm zufrieden zu sein , um so mehr, als , seit Gyohar
die Zugel im Gydf filhrt , und bei der Abschatzung ') aller Dat-
telpalmen personlich nachsieht , die Steuern , welche von dort
in den £asr nach Hajel fliessen, gerade das Doppelte von den
fruheren Einkunften betragen. Dass einem Sclaven ein solch
verantwortlicher und uneingeschrankter Posten anvertraut wird ,
hat hier gar nichts Auffallendes ; da der Sclave immer noch
Eigenthum seines Herrn bleibt, gilt er mit Recht far ergeben
und uneigennutzig. Spater in yajel wird von einem anderen
1) & tollen bei der lcxtcn Riehtigttellaog etwn G0000 Dnltelbnaffie tich ergeben haben. Ich
will bei die*er Gelegenheit bemerken, da« der Seh«fleh von teinen Unterthanen nnr nachite-
hende jihrliche Steuern erhebt: fur 4 aasgewachsene Dattelbiiume 1 Megtdi (3 J M.) ebenao fur 4
Kameele, oder fiir je 20 Schafc and Ziegen anch einen Megtdi. Die Oase Tcimft toll 4000
Megidi Steuer zahlen.
9
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130
KilNKTES CAI'ITEL.
Schwarzen, cAneber, die Rede sein, dem der Furst bei seiner
Abwasenheit von der Hauptstadt mehrfach die Stellvertretuug
ubergab: nur war dieser von jeher etwas verwOhnt, und im
Gefuhl seiner Machtffllle zum (jbermuth (z. B. gegen Doughty)
ganz anders veranlagt, als der milde Gyohar.
Sobald der eigentliche Empfang uberstanden war, und ich
ohne Aufsehen mich entfernen konnte, trachtete ich darnach,
mich zu erftischen: in einem Hof liess ich von Mahmud einige
Kubel Wasser fiber mich hinunterschutten , und auch den Kopf
wieder ganz rasieren (vgl. S. 56); dann zog ich frische Wasche
an. Wie neugeboren begab ich mich vor den l£asr hinaus ins
Freie, und wollte eigentlich zeichnen; zunachst aber legte ich
mich ausgestreckt — ach Gott wie gut ! — auf den Boden , und
verfiel in einen tiefen Schlaf.
Zum Abendessen wurde ein arg verpfeflerter Reis mit Ham-
melfleisch gebracht. Im Mondenschein erkletterten wir unser
Nachtlager, das auf dem schon erwfthnten halboffenen Dach
eines zweistflckigen Hauses fur uns bereitet war, und besprachen
da beim Nargileh die Plane fur die nachsten Tage.
Mi. 10. Oct. 83]. Morgens 8 Uhr ritt Huber mit Muharib,
seinem frilheren Fiihrer durch den Nefud, auf zwei Tage in
die nordostlich gelegenen DOrfer der Oase ab , nach Skakah ,
l^arah, fwer. Mit Rucksicht auf meine immer mehr sich ver-
schlechternden Fusswunden (S. 1 1 2) hatte ich vorgezogen , von
der Theilnahme abzustehen; auch gestehe ich offen, dass ich
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DER OT6K.
131
als Neuling die Ruhe noch sehr zu schatzen wusste. ftberdiess
wQnschte ich von unsrem Diener Mali mud eine Wiederholutig
seines merkwurdigen Berichts uber die vorabergehende Beset-
zung dea Gy6f durch die TQrken zu vernehmen, die er
mir schon in Kaf wahrend einer schlaflosen Nacht geschildert
hatte, und nun an Ort und Stelle am besten zu erlautern im
Stande war. Da von dem ganzen Vorgang wohl kaum eine
Kunde nach Europa gedrungen sein durfte, will ich die Dar-
stellung Mahm&ds ausfuhrlich wiedergeben.
Am Ende des Jabres 1869 oder Anfang 1870 kam der grosse
Schech der Rualah-Beduinen §atam ibn Scha^an nach Damascus
zu Subhl Pascha und Muhammed Sa'id Pascha, dem Oberhaupt
der Mekkah-Carawane (S. 86), und sezte ihnen auseinander,
er wisse ein herrenloses fruchtbares Land , reichlich mit Wasser
versehen, wie geschaflfen zur Anlage von Dflrfern, die einen
ausgiebigen Mir! (Steuer) abwerfen wurden. Erstaunt und be-
gierig fragten die Turken, wo denn dieses unbekannte und
kostliche Land sei , und erfuhren nun , das sei der Wadi Sirhan.
Sie, die Rualah waren bereit, sich sesshaft zu machen, die
DOrfer anzulegen und die Steuern zu bezahlen. Nur mOssten
die Turken, falls sie auf die Sache eingehen wollten, zuerst
den Gy6f besetzen, was gar nicht schwierig sei; denn ohne
starke Deckung des Ruckens kdnnten die Rualah in den D6r-
fern gegen ihre beduinischen Nachbarn sich nicht halten. Den
Turken leuchtete der Vorschlag ein, und — wie das dort in
so heiklen Fallen zu gehen pflegt — angeblich ohne officiellen
Auftrag wurde die Sache in aller Stille eingeleitet. Schlug die
Unternehmung fehl , so war wenigstens die BehOrde nicht bloss-
gestellt; gelang sie, dann war immer noch Zeit genug, die
Weisheit der Regierung offen zu preisen , und die Unternehmer
mit Ehren zu uberhaufen. Ganz gerauschlos, fern von Damas-
cus, sammelte sich die Expedition, und Ende Februar 1870
brach Muhammed Sacid Pascha von der Festung Macan auf
(am S.S.E. Ende des Todten Meeres). Er hatte bei sich an
regelrechten Soldaten 200 zu Pferd und 60 zu Fuss, dazu 80
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1 32
FtiNFTES C A PIT FX.
eAfcei-Beduinen unter Fflhrung des Schechs Muhammed Rawwaf ,
ausserdem eine kleine Kanone. Zum RaimmaVam d. h. Verwal-
tungsbeamten des zu erobernden Gebietes war ausersehen
Uusein Beg el-Tscherkas , der Schwager des §ubhl Pascha in
Stambul. Da dieser kein Wort arabisch verstand , war ihm als
Schreiber und Dollmetscher unser jetziger Diener Mahmud Agha
beigegeben. Am Ausgange des Winters , nachdem Regen in Menge
gefallen war, konnten sie unbekflmmert , gerade durch die Waste,
ihren Weg nehmen. Nach acht Tagen standen sie vor dem Gy6f.
Um einen Stfltzpunct in der Bevfllkerung vorzufinden, hatten
die Tflrken wohlweislich schon vorher mit den unzufriedenen
Elementen ') sich in Verbindung gesezt* Die lezteren waren
ihnen einen halben Tag weit bis zum Berg eAbd (S. 118,3) ent-
gegen gegangen und stellten sich an die Spitze des feierlichen
Einzugs. Die Tflrken richteten sich im Stadttheil Marid und
Khzam ein , pflanzten ihre kleine Kanone auf einem Htlgel auf ,
und waren entschlossen , sich zunachst beobachtend zu verhal-
ten. Allein bereits am folgenden Tag kamen als unheimliche
Vorboten Leute des Ibn Raschld aus ^lajel an , und stiegen im
Stadttheil SuV Ibn Dra* ab , an ihrer Spitze der alte Haudegen
§alih ibn RakhSs. Auf die naive Frage der Tflrken, was er da
wolle, antwortete er mit grosster Gleichgultigkeit , 6r wolle
gar nichts , er sei nur gekommen um zu sehen , was da eigent-
lich los sei. Am dritten Tag erschien Muhammed ibn Raschld
persdnlich mit dem erstaunlich rasch zusammengebrachten Auf-
gebot von mindestens 8000 Mann zu Delul und mit vielen
Pferden. Durch einen Sclaven, Ibrahim geheissen, schickte er
frQh morgens einen Brief an die Tflrken mit der Aufforderung,
den Gy6f sofort zu verlassen. Wie sie hiezu keine Miene mach-
ten, schritt er schon nach V, Stunde zum Angriff. Obwohl die
Leute des Ibn Raschid in erdrflckender tFberzahl vorrflckten,
waren sie doch nicht im Stande , die wohlverschanzten und gut
bewafineten Tflrken aus ihren Stellungen zu werfen. Dessbalb
1) Dntcr denen sich aach dto Pamilie meines MuWjil (S. 115 f. 180) be&nd.
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DER 0Y6F.
133
liess , zwischen Mittag und dem cA$r, Ibn Raschld den Vorschlag
zu einer persdnlichen Unterredung machen ; derselbe wurde auch
von den Turken auf der Stelle angenommen. Von negdaischer
Seite kam Ibn Raschld mit drei Begleitern heraus, von den
Turken Muhammed Sa'ld Pascha mit Khurschld Agha, Derwisch
Agha und Mahmud Agha (eben unsrem jetzigen Diener). Die
Unterredung, wahrend deren Ibn Raschld mehrfach laut auf-
lachte, war nach \ Stunde zu Ende. Wozu die thonchten
Reden ? Der Schijukh schwang sich auf sein Pferd und zog mit
seinen Reisigen uber Skakah nach Hajel zuruck. Nach sieben-
tilgigem Verweilen im Gydf rnckte auch Muhammed Saeid Pascha
mit 120 Soldaten und den cAl<:el nach §alt im Ostjordanlandab,
und liess nur den Husein Beg el-Tscherkas mit etwa 80 Sol-
daten , lauter Mararibeh (Algierer ') als Besatzung zuruck. Dieses
kleine Hauflein blieb ganz nnbelastigt; ja der frischgebackene
Eaimmakani wagte sich sogar nach Skakah, l£arah und Twfir,
um sein neues Territoritim zu beaugenscheinigen. Wie er aber
anfieng, ganz neue und unerh6rte Steuern z. B. auf Gerste und
Salz (vgl. S. 103) einzutreiben , stieg nach zwei Monaten die
Unzufriedenheit auf einen gefahrdrohenden Grad der Erbitte-
rung. Es war geplant, die Turken nach ihrer eigenen Weise
zu behandeln, und bei einem heuchlerischen Gastmahl, das ein
gewisser Hasan Abu Drac veranstalten sollte, zu ermorden; die
Opfer entgiengen zwar noch mit Schlauheit dem geahnten
Schicksal, wagten sich aber von da ab nicht mehr aus ihren
Quartieren heraus. Mittlerweile lief von Muhammed Said Pascha
ein Schreiben ein, sie sollten sich um jeden Preis halten, er
treffe bald wieder mit Verstarkung ein. Dieser Brief war in-
dess nicht officiell , sondern nur mit seinem Privatsiegel unter-
zeichnet. Um dieselbe Zeit liess Ibn Raschld dem Husein Beg
1000 turkische Lire (18500 M.) anbieten, wenn er jezt frei-
willig abziehe, uberdiess sollte er alle Reisebedurfnisse , die
1) E» war iitn eiae bequeme Oolegenheit. dra allmihlig xnr Lart fallenden AnhaDg dea in
Damascus ansossig gewordenen Abdclkader nntcnubringcn ; ein groaaer Theil davon bildel noch
jezt die Besatzung der 49 Caa telle auf dem Pilgerwcg twiachcu Dam aw us und Makkeh.
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134
FilNFTES CAPITF.l..
nftthigen Kameele und sicheres Geleit bis Bosra in yauran
erhalten. Ich denke, es war mehr Stolz als Pfiichtgeftral, was
dem verblendeten Thoren nicht erlaubte darauf einzugehen.
Mahmud rieth dringend zum Abzug; er stellte dem Raimmakam
vor, wie sie von Muhammed Sa'id Pascha schmahlich iin Stich
gelassen seien und wie nutzlos es sei , die Leute hier , umgeben
von unfassbaren Feinden, thatenlos verhungern zu lassen; im
vierten Monat erklarte er ihm often , dass er nicht langer mehr hier
bleibe , und verliess in aller Stille rait einem Scherarl cAwwad
Alutah {SJey}\ ^t^) auf einem Delul den Gy6f. Am 5*" Tag
erreichten sie Maean. Noch vier Monate harrte rjusein Beg aus;
er wurde gar nicht mehr beachtet , noch weniger im Geringsten
belastigt, aber er hatte eben zulezt keine Lebensmittel mehr
und konnte nun schwer bereuen, dass er auf die fruheren gun-
stigen Bedingungen nicht eingegangen war. Wie ein Dieb in
der Nacht verliess er schimpflich und in klaglichster Verfassung
mit den wenigen Ubriggebliebenen die'Statte, wo er vor acht
Monaten mit so stolzen Hof&mngen seinen Einzug gehalten hatte.
So zwang ihn der Schijuch zu der Erkenntniss , dass fur jede
nicht-beduinische Regierung der Gyof auf die Dauer nicht zu
halten sei , und dass die Turken , ohne mit den Waffen bekampft
zu werden, ganz von selbst machtlos wieder hinaus mQssen.
Es ist im Kleinen dieselbe Erfahrung, die etliche 30 Jahre
fruher Mehemmed cAli von Aegypten im sudlichen Negd noch
theurer zu bezahlen hatte Die obigen Angaben Mahmuds
wurden mir noch von einem eingeborenen Gy6f i als ganz richtig
bestatigt; uber die Zeit gab dieser an, es sei im Jahr vor der
Hungersnoth (S. 79) gewesen, im zweiten Jahr der Regierung
des Ibn Raschid. Bei Ankunft der Turken sei das Getreide noch
ganz klein gewesen (Anfang Marz), und als Mahmud den Gy6f
verliess, haben die Datteln nocli grun auf den Baumen gehan-
gen (Juli), seien aber langt von denselben abgenommen gewesen
(October), wie die lezten Turken den Gyof raumten.
1) unten im 0. Capitel uber die W»hb»biten.
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DEB OY&P. J 35
Des Abends wurde im ]£aliawah des Gyohar stark politisirt;
die Ohnmacht der Pforte (D6leh) und ihr baldiger CJntergang —
wobei naturlich far die Beduinen ein gutes Stuck abfallen
sollte — bildete den Mittelpunct der Unterhaltung. Wie Ha-
niud el-Migrad von den vielen Eanonen htfrte, die bei den
Christen vorhanden aeien , hielt er den Augenblick fur geeignet ,
mir nahezulegen, wie passend es ware, wenn ich dem Schijuch
eine oder mehrere Kanonen als Geschenk schicken wollte; und
da er aich jezt achon einmal auf dem Weg des Bettelns befand ,
so vertraute er mir auch, unter einem Seitenblick auf die
Solinger Klingen, seinen persdnlichen Schmerz an, er musse
sich beinahe vor den Beduinen schamen, dass er, unser An-
fQhrer, nicht einmal einen neuen Zebun oder einen £Aba, ge-
achweige ein Waffenstflck als Zeichen unsrer Zufriedenheit
aufweisen kdnne. Ich vertrOstete ihn auf Hajel, und erfnllte
einstweilen einen anderen Lieblingswunsch von ihm; er durfbe
heute Abend noch einen Blick in die zweite Hal tie (vgl. S. Ill)
meines HandkofFers thun , die ihm bis jezt noch ganzlich un-
erOfinet geblieben war.
Do. 11. Oct. 83]. Morgens 8 Uhr kamen 10 Ragagil des
Schijuch aus Hajel an, bestimmt die hiesige Garnison abzu-
losen, welche nunmehr vier Jahre im Gyof gestanden hatte.
Auf die Nachricht, dass mein Radif Huh 6 til1) bei der An-
kunft vor seinem Hause bewusstlos uragefallen sei und an
starkem Fieber leide, beschloss ich, denselben Nachmittags
aufzusuchen. Seine Wohnung war in dem ziemlich entlegeneu
Suk el-Hawidl3); desahalb duldete Gy6har nicht, dass ich zu
Fuss hingehe , sondern beschafifte mir einen Esel s). Ich bestieg
ihn ohne Sattel und Zaum. Vor mir draus schritt der schwarze
Ibrahim (S. 116), der meinen Sabel trug, neben ihm Mahmud
mit einem Pack Arzneien, hinter mir zwei Soldaten. Vom ^asr
1) S. 11$ f. 120. 132. 2) v^XjjfJ'
S) Von dieaen Thieren exiatiren hier nar 4 Stuck; Kinder solicit etwt 10 sich finden, klein
too OesUlt uad mit einen Fettbackel aasgestattet , riclleicht derselbon \U*»e ugahSrend wie
die abeasinischen; Pferde gibt es im gwuen Gyof nicht; nar Gyohar, als VertreUr des SchijAch .
halt aich einen Hengsl.
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136 FQHFTES OAPITEL.
gieng der Weg steil hinab in die breite Thalmulde. Zwischen
endlosen Gartenmauern and an uralten Ithelbaumen vorbei,
stieasen wir da und dort auf Menschengruppen , die uns freund-
lich griissten. Unterwegs zeigte mir Mahmud einen freien Platz ,
mit einem kleinen HQgel in der Mitte, als die Stelle, wo die
turkische Kanone aufgepflanzt war, und wo auch die Unterredung
des Ibn Raschid mit Muhammed Said Pascha (S. 132 f) Statt
gefunden hatte. Nach einem Ritt von einer halben Stunde kam
ich vor dem Hause des Muhetil an; es lag versteckt in einem
schattenreichen und gutbewasserten Garten. Beim Eintritt fand
ich meinen Reisegefahrten in schlimmem Zustand: ohne Hemd
und Kopf bedeckurig , nur in einen Mantel eingewickelt , lag er
halbbewusstlos auf einer Lehmbank; unfahig sich zu erheben,
zum Sprechen zu mad, erwiederte er meinen Gruss mit dank-
barem Blick. Ich redete ihm Muth zu, und begann ihn zu
untersuchen: er hustete bei hohem Fieber, hatte empfindliche
Milz und harten Bauch , offenbar Typhus. Desshalb gab ich ihm
zunachst ein Calomel-Pulver ein, und lie9s fur den Nothfall
noch ein zweites zuruck; seinem Sohn scharfte ich ein, in
welcher Weise ec ihm die 6 Chininpulver innerhalb dreier Tage
beibringen sollte; nach dieser Zeit konne er bei mir weitere
holen. Zugleich wies ich ihn an , seinen Vater viermal des Tages
so kalt als raoglich mit TQchern zu waschen (— Schwamme
kennt man dort nicht — ) und ihm kuhlende Getranke, auch
Milch, aber keinerlei teste Nahrung zu reichen; im Ubrigen
sollten sie ihm m6glichst viel Ruhe und Schlaf vergOnnen. —
Wahrend ein Cafe bereitet wurde, wunschte ich noch den
wohlgepflegten Garten zu besichtigen ; ausser den Pal men wuch-
sen da noch Feigenbaume, Rebstdcke, Granaten, Aprikosen,
Pfirsiche, Gurken und Melonen und sonstiges Grunzeug. —
Beim Abschied von Muhelil pragte ich dem Sohn nochmals
genau ein, in welcher Weise er seinen Vater pflegen solle. Ich
habe erst mehrere Monate spater in Flajel erfahren, dass er
seine Krankheit glQcklich uberstanden habe.
Abends hatte ich zum erstenmal Gelegenheit , KameelsfleLsch
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DER OV6F.
137
zu essen: im Wasser gesotten unterschied es sich an Geschmack
in Nichts vom Scbaf- oder Ziegenfleisch , war hflchstens etwas
grobfaseriger und vielleicht dunkler von Farbe. Nach dem Essen
wurde der Cafe vor dem tfasr draussen bei dem Kameelshandler
Ilusein (S. 116) getrunken. Eben hatte Gyohar geaussert, er
sei nicht ganz ohne Sorge um Huber, weil ein grosser Razu
von 200 berittenen eAnezeh um den Weg sei , da langte Abends
8 Uhr der gefahrdet Geglaubte wohlbehalten an und erzahlte
von seinem gelungenen Ritt.
Fr. 12. Oct. 83]. In der Nacht herrschte ein starker Wind,
der unsre Habseligkeiten auf dem Dach durch einander jagte.
Das Portrat Gyohars, welches ich in aller Stille raitWasser-
farben entworfen, fand solchen Beifall des Dargestellten , dass
er ohne Schwierigkeiten mir regelrecht zu sitzen bereit war.
Durch die lichte Behandlung seiner schwarzen Haut tuhlte er
sich nicht wenig geschmeichelt , und legte uber die Verewigung
seiner Pfeife eine grosse Freude an den Tag. Es war mir er-
staunlich, spater wahrzunehmen , wie weit die Kunde von
diesem Bildniss in die Waste gedrungen war; schon in tfajel
in der ersten Stunde nach unsrer Ankunft verlangte der Schi-
juch das Bildniss seines Statthalters zu sehen, und bemerkte
scherzhaft: „Den hast du aber doch zu weiss gemalt!" Ebenso
dann in Teima und bei herumziehenden Stammen wurde ich
gebeten, das Bild des Gyohar und des Muferrig zu zeigen.
Durch Husein des Kameelshandlers Bekanntschaft gab ich
einem nach Damascus reisenden Beduinen, auf dem Consulal
dort abzugeben zwei Briefe in die Heimat mit, die aber nie
angekommen sind.
Als Vorbereitung fur das morgige »grosse Fest" (am 10ten
pu'l-higgeh, des lezten Monats im Jahr, wo im Thai Mina am
Berg Arafat bei Makkeh von den Pilgern Tausende von Schafen
geopfert werden) wurde hier ein Kameel geschlachtet. Dem
Thier wurde mit einem Sabel der Hals durchgeschnitten , wah-
1) El-'Id el-keblr, bei den TQrken KurUn Beinm geaannt
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138
I ilNKTES CAP1TKL.
rend andere Kameele ohne Gemuthsbewegung hart daneben
standen. Es dauerte langere Zeit, bis das Opfer auf die Seite
fiel and unter Hin- uud Herschleudern des Kopfes stohnend die
Seele aushauchte.
In alle Menschen, selbst die zerlumptesten und lausigsten
Kerle schien eine wahre Putzwuth gefahren: wo man in einen
Winkel hineinsab , wurden Kopfe gewaschen , Barte geschoren ,
Hemden gewechselt und verborgen gehaltener Staat hervorge-
zogen. Unser Diener Mahmud ubertraf mich jedenfalls weit an
Schonheit. — Nach dem Nachtessen war wieder grosser Ge-
sellschafbsabend draussen vor dem Thor bei dem Kameels-
handler IJusein. Gyohar selbst in neuem schwarzem Mantel
und gelber rothgestreifter Keflijjeh beehrte den Mann mit sei-
nem Besuch. Mehr wie 50 Personen sassen hinter einem Ge-
mftuer in weitem Kreis um die Feuerstatte, wo £ahwah helu
(S. 128,2) und dann Cafe bereitet wurde. Auch die zwanzig Sol-
daten welche anf anglich hinter Gyohar sich aufgestellt hatten ,
bekamen eineu Wink sich zu setzen; sie hielten ihre Sabel vor
sich senkrecht in den Sand gestelit. Das hellflackernde Feuer
aus Palrazweigen l) zauberte , mit dem Mondenschein in die
Wette, in Licht und Gegenlicht lebendigen Ausdruck in die
dunklen Gruppen. Mit einem langen feierlichen Gebet fand die
Unterhaltung ihren Abschluss. Der zu reichlich genossene Cafe
verhinderte mich leider lange Zeit am Einschlafen.
Sa. 13. Oct. 83]. Fruh Morgens nahm Gyohar im Rahawah
die Begrussung und Gluckwunsche s) zum Fest entgegen. Ver-
zinnte Kupferplatten (21/,— 3 Fuss im Durchmesser) , von einem
Reisberg mit Kameelfleisch belastet , wurden von je vier Sclaven
hereingeschleppt. In merkwurdig kurzer Zeit war mit den Herr-
lichkeiten aufgerilumt. Die Gesattigten sprachen ihr el-hamdu
lillah (Lob sei Gott), erhoben sich unter horbarer Dankesbe-
zeugung des Magens (S. 37) und verabschiedeten sich von Gyohar
1) ooy>, Ju^,
2) lite gewobDlichc Formel war: |Jww y^jt 3 *wL«Jl djuu* .Deio Fett aai
gescgnet! Mogest Du das ganzc Jahr Uiob wohl befinden!"
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DER OYf>F.
139
mit einem aufrichtigen : Aneaniu 'llahi calejk („Wonnen Gottes
fiber Dir!"), worauf dieser jedesmal antwortete: Jin'u.m ealejk
(„Moge Er dir Wonne verleihen!")
Unsre Absicht war, morgen weiter zu reisen. Die Beschaffung
der Miethskameele hatte aber ihre Sehwierigkeiten. Im Gyof
selbst werden keine Kameele gehalten, weil sich nicht genug
Futter fttr sie findet; wenn Thiere hungrig hier ankommen,
so reicht man ihnen etliche Blatter von Battih (Melonen) oder
etwas ahnliches, sorgt aber, dass sie baldigst in die Wuste
kommen, wo es Futter in Menge gibt. So waren auch unsere
Delul einen starken Tag von hier auf der Waide im Nefud
(S. 142). Der Kameelshandler IJusein dagegen hatte seine Thiere
nicht hinausgeschickt und musste darum in den funf Tagen 6
Megidi (21 M.) nur fur Futter hinlegen. — Gyohar war nicht
zufrieden beim Anblick der Lastthiere, mit welchen die Sche-
rarat anruckten: die Paeksattel taugen nichts, auch seien die
Thiere fur unser Gepack schier zu schwach. Aber es blieb keine
andere Wahl; und ^albakh (S. 116) musste eben sehen, wie
er damit in's Reine kam. Auch hielt es schwer, zwei weitere
brauchbare Wasserschlauche aufeutreiben , da auf den Brunnen
Schaklk (S. 92) nicht mehr zu rechnen war, und eine fanfta-
gige wasserlose Strecke uns bevorstand.
Da um die Mittagszeit unsre eigenen Deltil von der Waide
zurdckkamen , beschlossen wir nach dem cAsr noch einen Ritt
durch die Thalsohle zu machen bis an die Quermauer im Wes-
ten. Auf dem Heimweg, als schon die Sonne sich neigte, be-
kamen wir noch ein eigenthumliches Schauspiel zu Gesicht, das
ich auf der ganzen Reise nicht zum zweiten Mai zu beobachten
140
KtlNFTES CAPPTEL.
Gelegenheit hatte. In der Ebene auf einem freien Platz, wo
die Gartenmauern einen einspringenden Winkel bildeten , wurde
ein seltsamer Tanz aufgefQhrt. In einem Abstand von 20
Schritten standen sich zwei Reihen gegenuber, auf der einen
Seite etwa ein Duzend Madchen, auf der andern ebensoviel
junge Bursche. In der Mitte zwischen ihnen tanzten zwei Mad-
schen mit unbedecktem Haupte, die aufgelGsten Haare nach
hinten gekammt, sittsam den Blick auf den Boden gerichtet.
Trippelnden Schrittes, mit ausgebreiteten Armen wechselten
sie zwischen Annaherung und Entfernung. Auf einmal drehten
sie sich Rucken zu, und warfen den Kopf im Tact nach ruck-
warts , so dass sie die langen Haare gegen einander schwenkten.
Die Reihe der Freundinnen klatschte dazu Beifall , indem sie
die vor der Brust senkrecht gestellten Hande tactmassig zusam-
menschlugen, wahrend die gegenQberstehenden Bursche, Schul-
ter an Schulter, die S&bel vor sich haltend die KOrper hin- und her
wiegend , ihren Gesang beschleunigten. Die Worte des Gedichtes
(£a«ideh) habe ich im Voruberreiten nicht
verstanden, die Melodie aber lautete: =^Efe^Ej=S=..
Als Name dieses Tanzes wurde mir '
x»JJ! w**J laT) eddahhah angegeben. Ein ahnlicher Tanz wird
schon von J. L. Burckhardt, Bemerkungen uber die Beduinen
(Weimar 1831) S. 203 fi erwahnt; auch Wetzstein (Zeitschr.
der D. Morgenland. Gesellsch. 1868. 22, 105 f) hat eine gute
Beschreibung gegeben. Der Name sahgah wurde mir
indess nicht genannt. Auch bildeten die Personen hier im Gyof
keinen Kreis, sondern wie gesagt zwei getrennt sich gegenflber-
stehende Reihen. Graf Landberg theilt mir rait, dass der Tanz
auch in Syrien unter den Namen «o°5 existire.
Da morgen frilh der ftraftagige Ritt durch die wasserlose
Sandwuste angetreten werden sollte, wurde den Kameelen noch
den Abend zuvor reichlich zu saufen gegeben; es gilt namlich
in solchem Fall nicht far besonders zutraglich, die Thiere erst
kurz be vor sie sich in Bewegung setzen zu tr&nken.
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VI. CAPITEL.
Darch den Nefud in den Gebel vom Gyof bis Hftjel.
U — 21. October 1883.
So. 14. Oct,
83]. Schon
ehe derMor-
gen graute,
wurde Alles
zam Auf-
bruch ge-
rastet. Nach
dem Mor-
genessen
* tir
'llah („im Schutze Gottes!") rief
uns Gyohar nach, als wir den
Hugel des Schlosses hinabritten.
Eine gute halbe Stunde weit
durch die Niederung begleitete
uns noch ein ansehnlichea Gefolge.
Da wo der Weg zwischen den
Sandsteinbergen aufsteigend die
Hochebene erreicht, wurde der
Menschenknauel etwas lichter,
}G^b,K & und erst bei der Verabschiedung
merkte ich, dass
die Beeleitune
har als Zeichen der Er- *£Jk4ffif n*cnt 30w°hl
kenntlichkeit fflr seine E L ~jWf^ll^EL w» gegolten
bereitwilligen Dienste batte, als viel-
noch ein sch6nes Mes9er, ^.Hfj mehr einem
woruber er hocherfreut /jj Trupp von 12
war. Um 8 Uhr erfolgte vjj Menschen
verehrten wir demGyd- *frV"
der Abmarsch. Fi araani
auf
ebenso vielen
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U2
.SECH8TES OAPITEL.
Kameelen, die die Reise theils bis Gy<5bbeh, theils bis Hajel
in unsrer Gesellschalt machen wollten. Manche hatten freilich
gar schwache Thierc bei sich, uberdiess stark beladen, und
Hamad meinte, es masse gut gehen, wenn dieselben nicht un-
terwegs verenden sollten. — Auf dem Bergrand angekommen,
noch einen RQckblick auf die liebliche Oase, und dann der
Sandwttste entgegen! So weit das Auge in der blendenden
Landschaft umherschweifte , nichts als Sandberge, kein Futter,
kein Holz weit und breit. 1st das der Character der arabischen
Waste? Mit Nichten! Nur in der Umgebung der menschlichen
Niederlassungen , ist zunachst alle Vegetation ausgerottet; sonst
aber ist die arabische Waste (in ganzlichem Gegensatz zu der
aegyptischen zwischen dem Nil und rothen Meer) ein frucht-
barer Landstrich, wie er far die Besitzer zahlloser Kameels-
heerden nicht besser gewanscht werden kann.
Was man sich in Europa gewdhnlich unter wWaste" vor-
stellt, nennt der Araber Nefud (eigentlich Pluralis Nufftd).
Auf der ganzen arabischen Halbinsel gibt es nur zwei grosse, aber
ganz von einander getrennte Sandwttsten. Von der 3 ad lichen
(auf den Karten : Robae el-Khali) irgend welche zuverlassige und
eingehende Nachrichten zu erhalten , war mir nicht moglich. Ich
habe in Hajel verschiedene ftahtani aus dem Wadi Dawasir
aber Natur und Ausdehnung dieser sOdlichen Waste befragt,
erhielt aber immer nur die Auskunft, sie sei unbewohnbar,
und sie hatten nie gehOrt, dass Jemand hinaber oder heraber-
gekommen sei. Es ist wohl deukbar, dass die Begen- und
demgemass Futterverhaltnisse daselbst der Art sind, dass es
dem Menschen selbst mit Hilfe des Kameels nicht m6glich wird ,
jenen ungeheuren Landstrich zu durchqueren. Anders aber ver-
halt es sich mit dem nOrdlichen Nefud, also zwischen dem
Gy6f und dem Gebel Aga und zwischen Teima und Lineh. Der
besteht aus cinem unermesslichen Gewirr von 100 und mehr
Meter hohen Bergen, Hageln, Racken aus lauter feinem erd-
freiem Quarzsand ]), dh aus dem Verwitterungsproduct der
1) Kami d. i. gelbweiner fcincr FliigMod, im Gcgeaottz za dem grobkornigen , roth-gclUu
bttb»h oder Gnnitnnd.
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DER NEFftD.
143
Sandsteinfelsen. Wenn man aus dem ITamad (der Steinwaste)
kommend dem Nefud sich n&hert, so stellt sich derselbe an
Lichtwirkung vollatandig wie ein Schneefeld dar: hellweiss mit
schwachem Schimmer von lichtgelb oder zartrosa. Steigt man
144
SKCHSTES CAPITEL.
auf irgend einen Felk ') dh SandrQcken , so macht die unabseh-
bare Sandwelt den Eindruck, als ob sie durch eine Heerde von
Riesenpferden in der Richtung von Ost nach West durchstampft
worden ware. Die Hufspuren waren die fur den Nefud charak-
teristischen 5 a e r J) (Pluralis ftu'ur) d. h. grosse L&cher 30 — 50
auch noch mehr Meter tief, mit steilen, im Halbkreis unter
cinem Winkel von 50 — 60 Grad abfallenden , Wanden , auf der
Westseite unten im Grunde oft das nackte Gestein zeigend,
in der Langenachse gegen Osten sachte ansteigend. Je weiter
man im Nefud gegen Suden fortschreitet , um so grCsser wer-
den die Ifci.'r; ich schatze die Langendurchmesser der grdssten
auf nahezu zwei Kilometer. Mit der Zunahme der GrGsse nimmt
jedoch die Klarheit und Durchsichtigkeit der Bildung ab: die
gleichmassige Rundung und der Steilabsturz im Westen bleibt
noch ziemlich deutlich , aber der Sandauswurf gegen Osten zeigt
immer weniger Ebenmasz, und ist selbst wieder gegliedert
Unkenntlichkeit der zu Grunde liegenden Form. Die Rander
dieser Locher scheinen keiner merklichen Veranderung unter-
worfen; wenigstens haben meine beduinischen Begleiter ver-
sichert, sie bleiben sich stets gleich; auch die starken Hatab
(Holzgewachse) die darin wurzeln, sprechen far die Standigkeit
der Form. 0ber die Entstehung dieser eigenartigen Bildung
habe ich seiner Zeit (s. Verhandlungen der Gesellschaft fur
1) Irrthumlichcrweiae wird dieter Name (felk, folk, fouldj), welcher nar die hohen Scheide-
w&nde bedeatet, wodarch die einzelnen Ka'r von einander getrcnnt lind, von mchreren Reiacn-
den car Bezeichnang der Locher aelbet verwendet.
2) Die von arabiu-licn (icograiilu-n beech riebenen , aber in andern Gegenden aich findenden
Dilrnh's, scheinen eine ahnliche Bildung aufsnwciten (S. Wetutein in der Zeitachrift filr Erd-
knnde ^ Berlin 18o5) N. F. 18, 871); doch kann ich nicht ron Angenachein daruber reden.
oder gar zerrissen ,
ja manche £acr
greifen in einander
uber und schneiden
sich zulezt , wie die
Wellen der Was-
serringe, bis zur
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DER NEFGD.
145
Erdkunde zu Berlin 1886, Bd 13, S. 267 eine Vermuthung
ausgesprochen , die ich aber als unhaltbar selbst wieder zurack-
ziehe. Wie Johannes W a 1 1 h e r nachgewiesen , ist die Entstehung
der L6cher (£acr) sowohl als der Bogendunen (Felk) auf die Wir-
kung des Windes d.h. besonders heftiger Starme zuruckzufahren
Siehe dessen Schrift: Die Denudation in der Wuste und ihre
geologische Bedeutung, Leipzig 1891 (S. 165 f.) = Abhandlun-
gen der mathematisch-physischen Classe der k. sachsischen
Gesellschaft der Wissenschaften XVI, Seite 509 f.
Der gauze Nefftd ist seit der Zuschuttung des schon (S. 92
f. 139) erwahnten Brunneus Schakty durcbweg wasserlos, aber
darum doch nicht absolut unbewohnbar. Zur wasserlosen Jahres-
zeit allerdings gestattet der Nefud, welcher dann einem Feuer-
meere gleicht, keinen langeren Aufenthalt, und kann in diesem
Falle tlberhaupt nur mit Beschwerde und auf guten Reitthie-
ren gekreuzt werden. Far gewOhnlich findet man diese Sand-
welt bestockt mit einem unerechOpflichen Bestand von Hatab
d.h. brennbarem Gestrauch , das oft eine Hfihe von 2—3 Metern
erreicht, wahrend die Aste bis zu Armsdicke oder auch noch
starker entwickelt sind. Um die Straucher herum bilden sich
Sandanhaufungen in Folge des Windes, der die ersteren zwingt ,
nach Luft und Licbt in die Hohe zu streben. Die anderen
Pflanzen ausser dem Hatab fasst der Beduine zusammen unter
dem Namen Haschisch ') d.h. Futterkrauter, Granzeug.
Alles Haschisch entwickelt sich unter dem Einfluss des Regens
ungemein rasch; zu einem guten Jahrgang wird erfordert, dass
in zw6lf Monaten mindestens zehnraal, je eine halbe Stunde
lang, Regen fallt. Bleibt derselhe aus, oder wird er nur kain-
merlich gespendet, so entsteht Futtermangel , Hungersnoth.
Solche Regenmengen wie sie wahrend meiner Anwesenheit in
flajel gefallen sind — einmal drei Tage lang ununterbrochen ,
so dass ein 200 Fuss breiter und 7—8 Fuss tiefer Sel (Win-
1) Dber die veriehiedeoeD Arten uod Nsmeo ilea I.IaUb and Httchtseh rerweite ich auf die
Litte in den Anhaogen
10
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140
SGCHSTG8 CAIMTKL
terbach) sich mehrere Tage weit durch den sandigen Granitbo-
den walzte — gehdren zu den grossten Seltenheiten , wie sie
kaum alle dreissig Jahrc einmal vorkommen. Die Leute zu IJajel ,
die uns oft mit Thermometer, Barometer oder wie sie sich
dachten , Regenlockwerkzeugen hantieren sahen , lebten desshalb
der festen Uberzeugung, dass diese reichliche Regenperiode
unseren persOnlichen Bemuhungen zu verdanken sei, alsEntgelt
far die freundliche Aufnahme, die wir beim Fttraten Ibn Raschid
gefunden, und sie versicherten uns, dieses Jahr werde ihnen
als Senet en - Na?ara „das Jahr der Christen" im Gedacht-
niss bleiben. — Sobald der erste Regen fallt, beginnt es im
Nefud sich zu regen: aus dem Boden sprosst uberall das zarte
Grunfutter Oschb, oschub), und im Nu sind die Bedui-
nen mit ihren Kameels- und Schafheerden bei der Hand. Nun
begiunt die Zeit sorgloser Schwelgerei for diese WOstenbe-
wohner; sie ziehen dahin, dorthin wo es ihnen beliebt; die
elende Sorge um das Wasser ist verschwunden , der Mensch
lebt von der jezt plozlich wieder Milch gebenden Kameelin.
Wahrend in der heissen Jahreszeit bei dem holzigen Sommer-
futter die Thiere so gut wie keine Milch geben, und allerspa-
testens am fanften Tage selbst getrftnkt werden mussen, be-
dflrfen sie bei Grunfutter durchaus keines Tropfen Wassers. Ich
kann aus eigener Erfahrung versichern, dass unsre Kameele
wahrend 24-tagiger Reise durch Waste mit Grunfutter, trotzdem
sie mehrfach an freistehenden Wasserlachen vorbeikamen , nicht
die geringste Lust versparten , auch nur einen Schluck zu thun :
sie guckten in das Wasser hincin und guckten wieder heraus.
Uiese herrliche Winters- und Frahjahrszeit hat aber auch ihre
Schattenseite : ist der nun frei herum schweifende Heerdenbesitzer
aller Sorge um Essen und Trinken aberhoben, so sind es seine
Feinde ebenfalls ; und so ist das Frahjahr zugleich die Blathezeit
fQr die zahllosen RaubzOge einzelner verwegener Gesellen oder
ganzer Banden von ehrsamen Freibeutern. In einem guten Jahr-
gang tauchen die naramijjeh (ritterlichen Rauber) blitzschnell
auf: unbekammert um Zeit und Gegend, Hunger und Schlaf nicht
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DEB NEK&D.
147
achtend, in verlumptester Ausstattung — nur Waflfen und
Reitthiere so gut als moglich — versuchen sie ihr Gluck,
stehlen Vieh, ziehen Menschen aus, nehmen was Gott ihnen
bescheert, und verschwinden mit einem befriedigten el-hamdu
lillah d. i. „Lob sei Gott!" Diese ganze Herrlichkeit dauert
indess nicht lange; wenige Wochen nur, so gewinnt die Sonne
schon solche Kraft , dass alle die frischen Triebe versengt sind ,
und nur noch durre holzige Stengel in die Luft starren. Die
Pflanzen, die sich den Sommer durch halten und mit der
Ernahrung durch den Thau sich begnttgen, gleichen dann mit
ihrem weisslichen Aussehen am ehesten bereiftem Haidegebusch.
Trotz der vorgerttckten Jahreszeit hatten wir aber Mittag im-
mer noch 40° C (im kunstlichen Schatten gemessen); die Hitze
war aber doch nicht sehr beschwerlich , denn erstens herrschte
ganz regelmfissig von Morgens 9 Uhr bis kurz vor Sonnen-
untergang ein starker Wind, und zweitens war die Luft so
trocken, dass kein Tropfen Schweiss auf der Haut sich halten
konnte, vielmehr sobald er die Poren verliess, auch auf der
Stelle verdunstete. Far unsre Wasserschl&uche dagegen war die
Trockenhitze weniger gunstig; mit Schreck sahen wir unsre
Vorrathe schwinden, der zulezt angebrochene Schlauch wnrde
imraer dazu verwendet, in den noch vollen Schlauchen den
taglich entstehenden Abmangel aufzufiillen. — Von einem Weg
kann im Nefud keine Rede sein, und es erfordert darum eine
erstaunliche Ortskenntniss , bei dem ewigen Auf- und Absteigen
aber die Sandberge und bei den (Jmgehungen der I£acr die
Richtung ein zu halten. Einigen Anhaltspunct gewahren die Ex-
cremente der Kameele , denn auf der seit Jahrtausenden began-
genen karzesten Verbindungslinie zwischen zwei Brunnen ver-
leihen dieselben, auch wenn sie noch so fein zertreten und
zermalmt sind , dem Sand eine wenigstens far den Beduinen ')
1) lch konnte anfcnglich nicht Tenteben, waram sie in der Necht oft eine Handvoll S«nd
anfhobea and denaelben befriedigt darch die Finger gleiten lieaMn; lie hatten sich ehen fiber-
Mugt, dass es nicht reiner Sand war, aondern nntenniacht mit den gemahlenen atrohernen oder
holzigen Beatandtheilen. Bei Tag mueate ich dann ana dem Augenachein den Unterachied selber
US
8ECHSTES CAPITEL.
unverkennbare Bcimischung. Am lezten Tag an welchem wir
Gyobbeh selbst erreichten, liess sich eher eine Art regelmassi-
gen Pfades erkennen, auch warea die alteren Fussspuren von
Menschen und Thieren auffallend gut erhalten. Doch nun zur
Beschreibung der wenigen Reiseerlebnisse auf dieser Strecke.
Am Abend des ersten Reisetages (14 Oct.) stiegen wir in der
Dunkelheit tief hinab in eine Senkung, das war die Gegend
des verschatteten Brunnens Schafcifc (S. 92. 139. 145). Den
Brunnen selbst habe ich nicht gesehen.
Mo. 15. Oct. 83] war ein ergiebiger Jagdtag: es wurden zwei
Hasen geschossen. Eine Sandtaucheidechse J) (Scincus officinalis)
wurde gefangen und in Spiritus gesezt. Auch kamen mehrere
Jerbo'a (Springmause) und in weiter Feme eine Ba^arat el-
wahsch (grosse weisse Gazellenart mit geraden HOrnern) zu
Gesicht. — Rechts in einer Entfernung von vielleicht 20 Kilo-
metern hatten wir den HChenzug des fawil.
Di. 16. Oct. 83], In der Fruh wurden die am sudOstlichen
Horizont auftauchenden zwei pyramidenartigen Berge, e 1 - CA 1 e m
genannt , mit Freudenruf
, r^j^^ begrusst. Was die Leucht-
" "'1.^-7- • ' '^'SJi thurme fttr den Seefahrer,
'., A.x-At^^N^ das sind die fAlem far
den Reisenden im n6rd-
lichen Nefud. Der Weg rahrt in der Mitte zwischen den bei-
den etwa 250m von einander abstehenden Bergkegeln durch;
der linke hGhere (etwa 80—90™) ist von dunklem Gestein, der
rechts aus gewflhnlichem rothem Sandstein bestehend. Im Laufe
des Nachmittags wurde der Rttcken des Berges Umm es-selman
(dicht bei Gyobbeh liegend) sichtbar.
Mi. 17. Oct. 83] 3 Uhr 50 aufgebrochen. Urn 4 Uhr Morgens
im Mondschein fiel einer unsrer Begleiter, ein Neger, im Schlaf
vom Kameel. Ich hielt ihn zuerst far eine Kiste oder Ballen,
2) Der St*Dn|fflr gilt bei Artbern und Peraern, gedSrrt and dinn gatowen, ah »onugHchea
Ajihrodiaiacum, zur Slarkung der
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DER NEFfl I>. 149
weil er langere Zeit regungslos liegen blieb. Die Anstrengung
der lezten Tage macht sich allenthalben bemerklich. Mittags
konnte ich mich kaum des Schlafe9 erwehren , und hatte Muhe
ira Sattel aufrecht zu bleiben. Auch mein Delul blieb, wenn's
zum Aufbruch gehen sollte, mit ausgestrecktem Halse ruhig
liegen, ich bedurf'te gar keiner Kunstgriffe oder Oberlistung,
am in den Sattel zu springen (S. 34 f). Ein paar ganz schwache
Thiere sturzten auf dem Marsch mehrfach nieder und konnten
nur durch Misshandlung vorwarts getrieben werden. In der
lezten Nacht blieb sogar eines ganz zurack und wurde erst nach
langem Suchen wieder aufgetrieben. Bevor wir zum lezten
Nachtmar8ch uns anschickten, wollte ich, da wir spatestens
um die Mittagszeit des folgenden Tages den Brunnen zu Gyobbeh
erreichen mussten, meinem Delul eine halbe Trinkschale voll
uberflussigen Wassers reichen; allein Hamud riss es ihm weg,
wusch seine Hande drin und schflttete es aus: so ein Maul voll
Wasser ldsche den Durst doch nicht, und mache die Thiere
hochstens faul. Er musste das besser wissen. — Um die Mit-
tagszeit waren wir an dem Hilgel Semehah vorbeigekommen ,
so benannt nach einem Schammar-madchen , das hier von feind-
lichen Beduinen beleidigt worden sein soil.
Im Abenddunkel stiessen wir auf einen einsamen Badawi ,
der den Weg von Gyobbeh nach dem Gyof zu Fuss machen
wollte; er hatte nur einen kleinen Wasserschlauch bei sich,
von Lebensmitteln habe ich nichts bei ihm bemerkt. Da er
einige Bekannte unter unseren Begleitern hatte, so drehte er
noch einmal um und ging ein Stuck weit mit zurtlck, bis alle
Neuigkeiten ausgetauscht waren.
Di. 18. Oct. 83]. Die Nacht hatten wir auf der hochsten
Stelle des Nefud (960m uber dem Meer etwa 2 Stunden im
Suden von einem tiefen Kessel mit weissem Kalksteingrund
(daher el-Beda genannt) gelagert. Hier sollen schon mehrfach
Versuche zum Brunnengraben gemacht worden sein,. und der
Emir fragte uns spater ausdrQcklich , ob an dieser Stelle nicht
Aussicht ware auf Wasser zu stossen. — Morgens 4 Uhr waren
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150
wir bereits wieder auf dem Marsch. Bevor die Sonne heraufstieg ,
entrollte sich vor unsren Augen eine
Landschaft, deren Grossartigkeit mit
Bewunderung erfttllen musste. Im Vor-
dergrund senkte sich die breite Masse
des Nefud , durchfurcht von zahllosen
Ka'r. Im Mittelgrund stiess dunkel
der Umm es-selman empor, auf der
linken Seite begleitet von niedrigen
Vorbergen, ganz links draussen der
cAutah mit kegelfOrmigen Anhangseln,
den Horizont saumte ein hellblaue
Mauer, der Gebel Aga, noch zwei
Tagreisen entfernt. Bald vergoldete
die rosenfingerige Eos die Spitzen der
Berge und das Gestirn des Tages trat
mit voller Gluth die Herrschaft an.
Die Thiere, schon gestern nicht mehr
fresslustig, verschmahten heute vol-
lends jede Nahrung. Es that mir in
der Seele weh , zu sehen, wie die armen
Gesch6pfe geprogelt und gepeinigt
wurden, damit sie ilberhaupt nur
vorwarts kamen und nicht liegen blie-
ben. Endlos schien die Strecke sich
hinaus zu ziehen. Zulezt wo der Weg
ttber Felsen und Lehraboden abwarts
gieng, mochten selbst die Thiere be-
greifen, das3 baldige Ruhe und Erquik-
kung auch ihnen bevorstehen sollte.
Grausilbern dehnte sich zu unsern
Fassen die Ebene gleich dem Boden
eines ausgetrockneten Sees, und wie die ersten Palmwipfel
scheinbar schwarzgrun auftauchten, bemachtigte sich Allereine
freudige Eile. Es war halb zehn Uhr, als die Kara wane er-
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DER NEF&D.
151
schOpft vor den Mauern von Gyobbeh im Schatten der Ithelbaume
sich lagerte. Wir hatten den Weg durch den Nefud in 4 Tagen
und zwei Stunden gemacht , und im Ganzen 54 Stunden reinen
Marsches nOthig gehabt. W a 1 1 i n hat , allerdings auf halblahmem
Delul, 87 Stunden gebraucht, Palgrave wenn ich recht ver-
stehe 85 Stunden, Huber auf der ersten Reise 76 St., Guar-
mani 50 St., Wetzsteins Gewahrsmann Hamed1) 52 St., Lady
Blunt (zu Pferd) 6 Tage (zu wie viel Stunden?).
Die Kameele mussten, ihrer Last entledigt, zuerst noch eine
gute halbe Stunde ruhig liegen bleiben, ehe sie zu saufen
bekamen. Dann wurden sie an eine kleine Grube gefuhrt, die
man mit Wasser fdr sie gefullt hatte. Es war erstaunlich zu
sehen , mit welcher Schnelligkeit die ganze Wassermasse ausge-
trunken war. Abends vor dem Weitermarsch soil ten sie noch-
mals getrankt werden. In der Zwischenzeit wurde ihnen reich-
liches Futter gereicht.
Gydbbeh bei Ptolemaeus s) mit aramaischem Namen
Aina, d. i. die Quelle genannt, heutigen Tage3 ein Dorf von
etwa 90 Hausern mit 500 Einwohnern, liegt in einer eifOrmi-
gen 8 — 9 Kilometer langen Bodeneinsenkung mit salzigem Un-
tergrund, 150 — 200ra niederer als die umgebenden Rander des
Nefud. For die Benutzung der Brunnen , deren Wasser in einer
Tiefe von 12 — 15m sich findet, lasst sich der Scbech — was
ich sonst nie in Arabien gehflrt habe — von den Reisenden*
Geld bezahlen. Da wir uns als Gaste des FQrsten zu betrachten
hatten, wiesen wir die versteckt angebrachte Zumuthung als
unverstandlich ab. Auf der Westaeite des Kessels, mehr als zwei
Kilometer von den Mauern des Dorfes entfernt, ragt nahe an
400m hoch der steilrandige Umm es-Selman empor, ein lang-
lichter Klotz aus buntem Sandstein, der oben mit einem ganz
schmalen Grat abschliessen soli. Die Felswande und -blocke an
seinem Fusse tragen viele alte Inschriften, und roh eingemeis-
1) Zeitschrift f allg. Erdkunde h»g. r. W. Koner N. V. XVIII. (Berlin 1865) S. 412.
2) A Sprenger, Die alte Geographic Arabiena (Bern 1875) S. 171. N° 275.
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152
SECHSTES CAP1TEL.
selte Bilder, deren Vorhandensein schon Wallin angemerkt hat.
Beim Schech Naif nahmen wir nur die Einladung zum Cafe
an , und liessen selber unsre eigentliche Mahlzeit an den Mauern
der Garten im Schatten der Ithelbaume bereiten. Ein leichtes
Sauseln des Windes in den mageren Asten brachte wenigstens
die Tauschung von Kuhle hervor. Um 1'/, Uhr bestiegen Huber
und ich die Kameele und ritten in Begleitung eines Beduinen
hinuber an den Fuss des Umm es-Selman. Ein grauer Fuchs
trabte uns uber den Weg. Neben druben vergnugten sich einige
Knaben nach ihrer Weise : die Hemden hatten sie zur Schonung
abgelegt, sie setzten sich auf eine schrage ziemlich steile Fels-
flache und rutschten mit grosser Geschicklichkeit ab. Prosit!
Nach einer halben Stunde waren wir bei den Felswanden. Es
fanden sich Hunderte allerdings oft schlecht erhaltener, und
meist nur Eigennamen bietender, Inschriften. Die merkwur-
^ ^ Ik.
digste, welche ich entdeckte, war eine hebraische (N°. 1) ');
dann eine nabataisehe (N°. 2) *); sehr viele fruh-arabische
(z. B. N° 3), deren aus dem Suden stammendes Alphabet noch
nicht genugend erforscht ist , und endlich eine kufische (N° 4) s).
Dazwischen waren eine Menge Kameele, Steinboeke, Kriegs-
und Jagdscenen. Sehr seltsam ist auch die Darstellung eines
zweiradrigen Wagens mit vorgespannten Pferden (N° 5). Der
1) Wabraeheinlich : -Gepriew
enten 3 Jthrhanderten n. Cbr.
2) .E* moge g^dncht werden des Malcher, Sobne« dee
3) .Uottc* ist die Hemchtft friih and ipfit."
■ei der Heir, der Name! . . . Gnu", der Schrift
■Adijjo (?)"...
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153
Kunstler, welcher sein Vorbild jedenfalls weit au9serhalb der
Granzen des Negd gesehen haben muss, hat sich die Schwie-
rigkeiten der Perspective durch eine ktihne Wendung nach zwei
Seiten erleichtert.
Um 5 Uhr kehrten wir zu unsrem Lagerplatz zuruck. Die
Kameele wurden jezt zum zweitenmal getrankt. Nachdera das
Abendessen eingenommen war, sezten wir uns um V18 Uhr
wieder in Bewegung, zunachst in rein Ostlicher Richtung. Nach
lVt Stunden hatten wir den Berg eAutah im Rucken und lager-
ten gegen 10 Uhr wieder auf der Hohe der Sandberge.
Fr. 19. Oct. 83]. Den ganzen Tag gieng der Marsch durch
den Nefud in der Richtung zwischen Ost und Sudost; die £aer
(S. 144 f) nahmen an Grosse und Tiefe zu, zeigten aber nicht
mehr dieselbe Regelmassigkeit der Bildung, wie in der nOrdlichen
Halfte der Wuste. Futter und Brennholz wuchs im tlberfluss,
und so zundeten wir Abends zum Abschied aus dem Nefftd ein
ungeheures Feuer an, so dass IJamud nicht umhin konnte,
unsern Ubermuth und Verschwendung zu bejammern.
Sa. 20. Oct. 83.] In der Fruhe stiegen wir hinab zu dem
kleinen Dorfe ? n aJ ')• Im Hintergrunde erhebt sich der Granit-
wall des Gebel Aga, mit dem Era^jeleh2) als steilera Absturz
auf dem NO Ende. Die wenigen Hauser sind von hohen Palmen
ttberragt. Wir waren nicht wenig ilberrascht, hier sogar einige
1) US, W«llin: KanAh; Gntrmtni: Ghenta, Oena'a: Blunt; Igneh.
2) Ich bin nicht aieher, wie der Name nrabiach » ichreiben i.t. *L*j Ra'ilchP
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154 8ECIISTE8 CAP1TEL.
Gerstenfelder anzutreffen. Zahlreiche Brunnen mit knarrenden
Holzradern liefern das nothwendige Wasser far die Pflanzungen.
Jenseits des Dorfes lagerten wir uns urn abzukochen und gleich-
zeitig eine grosse Waschung vorzunehmen.
Um 10 Uhr brachen wir wieder auf. Nach Uberwindung eines
kleinen Sandrflckens stiegen wir in eine ganzlich veranderte
Landschaft hinab : eine fruchtbare Ebene aus bathah (Granitsand)
bestehend war belebt durch eine Menge zerstreut waidender
Karaeele; wir waren mit einem Schlag im G6bel (wGebirge*').
Das ist der Name der ganzen Landschaft zwischen dem Nefad
im Norden und dem tiefer liegenden £aslm im Sttden. Es ist
sicherlich die angenehmste und vermoge ihrer hohen Lage
(durchschnittlich 1000—1200 meter fiber dem Meer) die gesun-
deste Gegend von ganz Nordarabien; man nennt sie wohl auch
den oberen Negd , im Gegensatz zum £asim oder dem unteren
Negd. — Mehrere Stunden zogen wir zwischen Heerden von
Kameelen hindurch. Unversehens hatte sich der Himmel uber-
zogen, vor uns in den schwarzen Bergen rollte der Donner.
Mit welcher Wonne begnlssten wir die paar verirrten Tropfen,
die aus den Wolken auf die lechzende Creatur fielen! Das
erwartete Gewitter kam indess nicht zum Ausbruch, vielmehr
heiterte sich der Himmel wieder auf, und wie die Sonne zur
Neige gieng, ergoss sich friedlicher Sonnenschein uber Berg
und Ebene.
Ehe wir den Engpass des Gebirges betraten, lagerten wir
uns zum Abendessen unter einer Gruppe von Talh-baumen
(Akazien). Der Anblick der fruchtbaren Ebene mit den friedlich
waidenden Thieren , den freiwachsenden Baumen , die Grossartig-
keit des Gebirgswalles im Hintergrund, dazu das Geftthl der
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155
persOnlichen Sicherheit, die Sorglosigkeit urn Essen und Trin-
ken , der Gedanke , morgen schon das nachste Ziel zu erreichen,
Alles das zusaramen verfehlte nicht, eine zufriedene und ge-
hobene Stimmung hervorzurufen.
Die nackten Granitrippen , die dem Hauptstock des Gebirges
vorgelagert waren , zeigten eine auffallend leibarme Beschaffen-
heit. Coulissenartig standen sie hinter einander ; bei einer Lange
von 2—300 Fuss, und 60—70 Fuss HObe, hatten sie doch kaum
25 Fuss Dicke, so dass sie wie Scherben aus dem Sandboden
hervorragten. Auch dem Hauptgebirge ist dieselbe Bildung eigen ;
ich glaube kaum zu irren, wenn icb behaupte, dass die Kette
des Gebel Aga an keiner Stelle breiter als 10 — 12 Kilometer
ist. Der Kamm oder vielinehr die parallel laufenden Kamme
durften oben kaum mehr als ein paar Schritte breit sein. Nach
dreistundigem Ritt in rascher Gangart hatten wir das Gebirge
im Rucken. Es war stockdunkel, so dass ich von der Ge3talt
der Berge keine Vorstellung bekommen konnte. Auf einem
kahlen Sandrucken schlugen wir unser Nachtquartier auf,
wurder aber durch starken Wind und Regen am Schlaf ge-
hindert.
So. 21. Oct. 83] Urn 5 Uhr Morgens erfolgte der Aufbruch.
Der Regen floss in StrSmen , that aber der freudigen Stimmung
keinen Abbruch; sollten wir doch schon in drei Stunden unsern
Einzug in ITajel halten. Unser Weg lief gerade nach Suden;
zur rechten Hand hatten wir den Gebel Aga: durch den Regen-
schleier hindurch glauzten die glatten abschilssigen Granitwande
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166
SECIISTES CAI'ITEI..
wie Silber; links draussen in der rothen Sandebene zog sich
eine lange aufgeloste Reihe von Ithelbau-
men, dazwischen verfallene Brunnenmauern
und verlassene Hauser; in grauen Um-
rissen tauchte der Uebel Fetets ') heraus , ein
Berg in der Ebene zwischen dem G. Aga
und dem G. Selma gelegen. Mitten in einem
tuchtigen Regenguss , eine halbe Stunde vor
der Stadt, stiegen wir von den Kameelen
und wechselten im Freien die Kleider. Gleieh
darnach hGrte der Regen auf. Noch uber
einen kleinen Steinrucken , und zu unsren
Fflssen lag in der Pracht der Morgensonne
Hajel, die Residenz des Ibn Raschid.
Im Trab gieng's der Stadt zu , an dunklen
Beduinenzelten vorbei , gerade auf die lange
Linie der Lehmmauern los. Der alte Stadt-
theil links lag hinter den Palmengarten ver-
steckt; aus dem neuen Quartier ragte mach-
tig der thilrmereiehe £a§r (das Schloss)
hervor. An den Mauern scheuten natilrlich
wieder die Thiere (vgl. S. 48), und waren
nur rait Widerstreben in den engen Gassen
vorwarts zubringen. Auf dem grossen freien
Platz, Meshab genannt, stiegen wir ab, be-
gatlt von einer ausserordentlichen Menschen-
menge, und wurden nun durch eine Reihe
von HOfen zum Empfang in eine Halle des
Schlosses geleitet.
///
1) vji^l.
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VII. CAPITEL.
Die Wahhabitische Reli&ionsbewegung. Sa'udiden, Baschldiden
Ehe ich in der Erzahlung meiner persOnlichen Erlebnisse
fortfahre, muss ich zum Verstandniss des Qanzen Einiges iiber
die religiose Bewegung in Arabien seit anderhalb Jahrhunderten ,
und uber die daran sich anschliessenden politischen Ereignisse
einschalten.
Kurz vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts stand im Herzen
von Arabien ein einfacher Mann auf, der sich zum Reformator
«> des Islams berufen fuhlte: Mu hammed mit dem Beinamen
CA bd el-Wahhab, der Sohn eines armen Hirten Suleiman
vom Stamme der Bani Tainim. Geboren im Jahre der Hedschrah
1116, d. i. 1696 nach christlicher Rechnung, in dem kleinen
Flecken el-eAjenah, hatte er from men St udien zu Basra, Baghdad
und Damascus obgelegen, die Wallfahrt nach den heiligen
Statten mitgemacht, hatte abcr, gerade durch den persOnlichen
Verkehr mit den Sftulen der Orthodoxie, und durch den Augen-
schein wie es an den heiligsten Orten hergieng, einen tiefen
Abscheu vor den Auswilchsen seiner Religion gewonnen. Das
mechanische Formelwesen, auf welches die rechtglaubige ma-
hammedanische Theologie allmahlig eingeschrumpft war, die
Ausserlichkeit der Frdmmigkeitsbethatigung, wie sie sichbeson-
ders an den heiligen Statten zu Mekkah und Medinah breit
machte , die an AbgStterei streifende Verehrung von zahireichen
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8ECII£TE8 CAP1TFI-.
Localheiligen, erfallte ihn mit Eckel und Ingrimm, und er
beschlo9s, offen dagegen aufzutreten. In Hor&meleh ansassig
geworden, war er um seines zelotischen Wesens willen wenig
beliebt, und auch in seinem Heimathsort el-cAjenah machte er
sich der Art verhasst , dass er nach Der'ijjeh ') flQchten musste.
Das war ums Jahr 1 750 , eher frQher. Hier gelang es ihm , den
Schech Mu hammed ibn Sa'ud aus dem Stamme der Wuld
'AH (von den 'Anezeh) zu bekehren, und durch diese Verbin-
dung yon Religion und Politik eine fur die ganze islamische
Welt erschiitternde Bewegung hervorzurufen. Die Hauptsatze
seiner Lehre, die sich von der urprQnglichen und reinen Reli-
gionsform Muhammeds in Nichts unterscheiden sollte, waren
folgende : Es ist nur Ein Gott , und es bedarf keiner weiteren
Vermittlung zwischen den Menschen und ihrem Herrn. Alle
Propheten waren nur Uberbringer gOttlicber Botschaften , haben
aber keinerlei Anspruch auf persOnliche Verehrung. Heilige gibt
es nicht; priesterliche Vorberechtigung ist zu verwerfen, auch
alle prachtigen Ceremonien und kostbaren Gotteshauser sind
vom Cfbel. Die Graberdome mit ihren aufgehauften Schatzen
sind Statten des Gdtzendienstes und darum dem Untergang zu
weihen. Der Genuss von Tabak, das Tragen von Schmuck und
prunkvollen Kleidern, besonders von Seide ist sundhaft, ebenso
jede Ausserung von Lustbarkeit, Musik Tanz und Spiel. Uner-
lasslich dagegen ist far den Glaubigen das funfmalige Gebet im
Tag, die Feier des Fastenmonats , die Wallfahrt nach Mekka,
die Zahlung der Glaubensteuer (ursprunglich 1/100 des Einkom-
mens) und die Verpflichtung zum Krieg gegen alle falschen
Glaubensbrader, welche den Kuffar (Unglaubigen) und den
Muschrikin (Polytheisten) gleich zu stellen sind. J)
Der kriegerische Schech Mu hammed ibn Sa£ud verstand
es , diese Dogmatik ins Praktische zu ubersetzen. Nach funfzehn
Jahren kleinen Krieges hatte er die Landschaft el-eiaid im
1) lUfijJ, guproehen wie Dert'fjjeh.
S) Seine SchrifUo befinden tieh im Autograph in Leiden, tiehe CtUlog Ltndberg.
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WAHHABITKN.
159
Ionern des Landes, sowie den Kustenstrich el-Hasa am persi-
schen Meer vollstandig bekehrt d.h. unterworfen , und konnte
8einem Sohn und Nachfolger eine wohlbefestigte Macht hinter-
lassen.
Dieser leztere, lAbd el-aziz, geboren 1721, gestorben 1803
(Regent von 1765 — 1803) breitete in rasch auf einanderfolgen-
den glttcklichen Feldzdgen seine Herrschaft weit uber die Gran-
zen des Negd aus. Jeder Kriegszug wurde unter Auflforderung
zur Bekehrung und Unterwerfung vorher den Gegnern angesagt.
Angelockt durch reiche Beute wuchsen die Schaaren der Wahha-
biteo in ungeahnter Weise, und init Todesverachtung unter-
nahmen sie die tollkuhnsten Zuge. Von den zahlreichen Unter-
nehmungen nach alien Himmelsrichtungen will ich keine Auf-
zilhlung im Einzelnen geben; dieselben waren auch ganz ruhig
in der Geschichte verschollen, wenn sie auf das Innere von
Arabien bescbrankt gebiieben waren. Aufgerflttelt wurde die mu-
hammedanische Welt erst, als die Pilger des Hagg von den Wah-
habiten angegriffen wurden. Das geschah zum erstenmal im
Jahre 1783, wiederholte sich aber nachher noch mehrfach. Es
dauerte indess noch geraume Zeit , bis die Pforte als nominelle
Schutzherrin aller Muslimen sich aufraffte, um der Beraubung
und Vergewaltigung der Glaubigen sich zu widersetzen. Weder
das hohe Alter, noch die Erblindung des Stifters der Secte des Mu-
liammed eAbd-el-wahhab (der 1791 im Alter von 95 Jahren starb),
that dessen Eifer fur Anfeurung der Glaubensbethatigung irgend
einen Eintrag; auch dessen Nachfolger, sein gleichfalls blinder
Sohn Husein, verstand es, durch feurige Predigt die Begeiste-
rung wach zu erhalten. Im Fruhjahr 1801 unternahm der Sohn
des cAbd el-aziz und kflnftige Thronfolger Sa'ud einen Raub-
und ZerstOrungazug nach Kerbelah am Euphrat. Dort beim
Grab des Husein, Sohnes des Khalifen eAli, als dem hdchsten
Heiligthum der Schiiten lagen seit Jahrhunderten die kostbar-
sten Schatze und Weihgeschenke aufgehauft. Kein Wunder,
dass ein Zug dorthin verlockend erscheiuen musste. Am Bei-
ramfeste, 20. April 1801,erschienen die Wahhabiten vor Meschhed
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1 60 SECHSTES CAPITEL.
IJusein, zerstOrten die Heiligthumer und metzelten die Tem-
pelwftchter und Priester nieder; und diess mit so unbedaehter
Schnelligkeit , dass, wie sich's um die verborgenen Schatze
handelte , keine Person mehr aufzutreiben war , die den Zugang
zu den unterirdischen Gew6lben hatte verrathen kflnnen. Nun,
die often gefundene Beute war noch fett genug: 20 reich mit
Juwelen verzierte Sabel hiengen um das Grab Huseins, viele
Goldvasen und kostbare Teppiche zierten dasselbe , 500 Kupfer-
und Goldplatten die seit Nadir Schahs Zeiten den Dom uber-
wOlbten, dber 4000 Kaschmir-Shawl9, 2500 kostbare Feuergewehre,
6000 spanische Quadrupel , 350,000 venetianische Zecchinen ,
400,000 hollandische Dukaten, 25,000 spanische Dollare, dazu
Sclaven und Sclavinnen in Menge. Alles das wanderte nach
Der'ijjeh. Das Verzeichniss der Beute, die in der kurzen Zeit
von acht Stunden zusammengerafft war, wurde unterwegs, am
Abend des ersten Ruckmarschtages , beim Brunnen 'Akeider
angefertigt. — Der im J. 1802 gegen Mekka unternomme Zug
blieb zunachst erfolglos, wurde aber im folgenden Jahr wieder
aufgenommen und endete mit Plnnderung der Stadt und Kopfung
von 20 Scherifen; die heiligen Statten selbst wurden diessmal
noch geschont. Im gleichen Jahre 1803 am 14. October wurde
der Herrscher cAbd el-aziz, 82 Jahre alt, beim Gebet in der
Moschee zu Dereijjeh von einem fanatischen Schiiten ermordet,
welcher die Plunderung von Meschhed Husein an ihm zu rachen
gedachte.
Der Sohn des Ermordeten, der ruhmreiche Feldherr Sacud
fuhrte nun von 1803—1814 die Zdgel der Regierung. 1804
bekam er Medinah in seine Gewalt, und liess alle Kostbarkei-
ten vom Grabe des Propheten wegnehmen. Die grossen Pilger-
carawanen, die officielle tQrkische und agyptische, ebenso die
persische und jemenische horten auf ; nicht als ob die Wahhabi-
ten die Wallfahrt selbst hatten unterdrucken wollen , sie duldeten
aber eben nicht, dass die Pilger unter unbefugter Begleitung frem-
der Soldaten auf arabischem Boden auftraten. Das arabische Natio-
nalgefahl , verkOrpert in den Wahhabiten , wollte turkische und
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WAHHXBITEN.
161
agyptische Bevormundung sich nicht weiter gefallen lassen,
noch weniger aber bewaffnete Einmischung gestatten. In zwei
aufeinanderfolgenden Jahren 1806 und 1807 wurde die Mekka-
carawane vollstandig ausgeplundert; 1809 hielt Sa'ud als Pilger
seinen Einzug in den zwei heiligen Stadten, und 1810 liess er
bei derselben Gelegenheit das Grab Muhammeds zu Medinah
offhen, alle Juwelen, Sabel, Larapen und son9tige Kostbarkei-
ten wegnehmen und nach Dercijjeh schleppen, auch den
schwarzen Stein der Ka bah in Stucke schlagen. Hatte so die
wahhabitische Bewegung auf dem Gipfel ihrer Macht durch Blut
und Gewalt die ganze Halbinsel unterworfen, und die Edfe in
Stambul und Teheran mit Schrecken erfQllt, so trug sie doch
bereits auch den Keim des Verfalls in sich selber. Die Anhau-
fung der unermesslichen Schatze in der Hauptstadt musste ganz
nothwendig eine Verderbni&s der einfachen Sitten nach sich
Ziehen: Luxus, Gunstlingswesen , Ubermuth waren an der Tages-
ordnung. Beispielsweise verschmahte es Sa'ud nicht , einen gold-
gestickten Mantel ira Werth von 200,000 Piaster (= 35,000 M)
zu tragen. Bedruckung, Anssaugung und die hohe Blutsteuer
rief Unzufriedenheit unter den Stammen hervor und trieb einzelne
derselben zur Answanderung. Nur erneuerte Bedrohung von
aussen konnte den wahhabitischen Staat noch zusammenhalten.
Der Sturm sollte nicht lange ausbleiben. Die Plunderung der
heiligen Statten, die Schandung von Muhammeds Grab, die
Abschlachtung so vieler Glaubigen und die greifbaren Verluste
der asiatischen Provinzen raussten endlich die Hohe Pforte aus
ihrer sorglosen Verschlafenheit aufrutteln. Mehemmed Ali
Pascha von Aegypten, der nacbmalige VicekOnig, ward als die
richtige Geissei fQr die Beduinen ausersehen, und gieng bereit-
willig auf das Ansinnen ein. Bot es ihm doch Gelegenheit,
diesen Feldzug als Schule zu beuutzen filr die Heraubildung
eines kriegstAchtigen Heeres, das ihm far seine geheimen an-
derweitigen Plane unentbehrlich war. Was die RGmer auf ihrem
schmachvollen Feldzug nach Sudarabien unter Aelius Gallus
(im J. 25 — 24 v. Chr.) zu erfahren hatten — und vielleicht
n
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102
S1EBENTES CAPITEL.
ahnlich schon frilher die assyrischen Eroberer — ganz dasselbe
bekamen die Aegypter zu kosten: Hunger und Durst, Ungnnst
des Klimas und des Bodens, Seuchen, rascher Verbrauch von
Menschen und Vieh, Schwierigkeit des Nachschubes, Unzuver-
lassigkeit der Filhrer erwiesen sicb als weit gefahrlichereFeinde,
denn die Horden der Beduinen.
Im October 1811 brach die agyptische Landarmee , unterstuzt
von einer muhsam hergestellten Flotte nach Arabien auf. An
der Spitze stand der jugendliche Sohn Mehemmed Alis Tusun
Pascha erst 16 Jahre alt Der erste Vorstoss gegen den Feind
misslang vollst&ndig. Schon besser gieng es im J. 1812, wo
Medlnah, el-Hanakijjeh , Dscheddah und Mekkah eingenommen
wurden. Im J. 1813 begab sich Mehemmed AH in eigener Person
auf den Kriegsschauplatz und verrichtete — nicht ohne schlaue
Berechnnng — als einfacher Pilger seine Gebete bei der Ka'bah
und am Grabe des Propheten. Fur die rasenden Verluste des
Heeres an Soldaten Pferden und Kameelen musste Ersatz aus
Aegypten beschafft werden, und erst nachdem der VicekOnig
(am 10. Januar 1815) die Wahhabiten in einer Starke von
3000 Mann bei Bessel auf* Haupt geschlagen hatte , konnte an
einen Vorraarsch ins Innere gedacht werden. Mittlerweile war
Sa'ud im April oder Mai 1814 mit Tod abgegangen, und an
seiner Stelle kam sein Sohn 'Abdallah (1814—1819) zur
Regierung. Wahrend der letztere mit Anerbietungen zu fried-
lichem Ausgleich sich n&herte, wies der VicekSnig alle Unter-
handlungen als zu spat schroff von sich. Politische und Begierungs-
geschafte riefen den Mehemmed Ali in seine Besidenz nach
Kairo zuruck, und bei seinem Abzug liess Mehemmed Ali dem
Ibn Sacud sagen, er werde seinen Sohn Ibrahim Pascha mit
eiuem grossen Heere zur Verwttstung des ganzen Landes nach
Der'ijjeh senden, um ihn todt oder lebendig nach Stambul
auszuliefern. Und darin hielt er Wort. Von den Wechselfailen
des Krieges 1816/17, der beiderseits mit grosser Erbitterung
1) Bei deo Berfuinen gwiihnlich unter dem Namcn Aba Khaltl in Erinoerusg.
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I
Wahhabiten. 163
und Grausamkeit gefdhrt wurde, und wobei Ibrahim Pascha
kein Geld zur Bestechung und Begutigung der sich Unterwer-
fendeu sparte, sei nur die Schlusskatastrophe die Einnahme
und ZerstOrung DerHjjehs hervorgehoben. Am 14. April 1817
begann die Beschiessung der wahhabitischen Hauptstadt durch
die Aegypter. Den todestrotzigen Vertheidigern , angefeuert durch
die Frauen , welche im dichtesten Kugelregen Pulver und Blei ,
und Wasser in Krttgen herbeischafften , schien auch noch der
Himmel selbst Beistand gegen die Belagerer verleihen zu wollen.
Am 21. Juni erhob sich ttber dem agyptischen Lager ein ganz
ungewGhnlicher Wirbelsturm. Das ausbrechende Feuer verbreitete
sich mit rasender Schnelligkeit , ergriff das Pulvermagazin und
sprengte mit fftrchterlichstem Donner 200 Fasser Pulver und
280 Kisten voll mit Kartatschen und Bomben in die Luft.
Viele Menschen und Thiere auch die Halfte aller Vorrathe
gieng dabei zu Gruod. Weder dieses schreckliche Ereigniss,
noch der Mangel an Lebensmitteln , auch nicht die verheerenden
Krankheiten waren im Stand, einen Mann wie Ibrahim Pascha
niederzubeugen. Alle Ausfalle der Feinde wurden glanzvoll
zuruckgewiesen. Mit erneuerten Vorrathen und 1600 Mann
frischer Truppen nahm er 25 Tage spater den Angriff wieder
auf; und wahrend Khalil Pascha mit 3000 Mann Hilfetruppen
unterwegs war, setzte er Alles daran , um ohne fremden Beistand
die Stadt zu erobern. Nach heldenmuthiger Gegen wehr wurde
'Abdallah ibn Sacud, dem zulezt nur eine Leibgarde von 400
Schwarzen geblieben war, am 9. September 1817 zur Ubergabe
gezwungen. Ibrahim Pascha zollteder Tapferkeit und dem Edelsinn
seines Gregners aufrichtige Hochachtung. Er liess ihn nach Eairo
bringen und Mehemmed Ali schien geneigt, ihn begnadigen zu
wollen. Nicht so die Pforte zu Stambul. Sie bestand auf seiner
Auslieferung und liess ihn einfach hinrichten 1819. — Nach
der Plunderung und Zerst6rung von Dereijjeh trat Ibrahim
Pascha mit seiner Armee den Rackzug an, und setzte einen
habsQchtigen Beamten als Statthalter im Negd ein. Alles was
er an schwerem Material nicht nothwendig auf dem Marsche
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164
felEBENTES CAPITEL.
selbst braachte, liess er im Lande zurdck; Reste davon sind
zu Hajel die alten Kanonen und auch ein Amboss aus der
agyptischen Feldschmiede.
Wie lange die agyptische Occupation dauerte, auf welche
Landschaften sie sich erstreckte, und welche Wechselfalle sie
durchzumachen hatte, vermag ich nicht anzugeben, da die
Quellen hierQber eben so sparlich ala unrein fliessen. Ganz
sicher steht nur so viel fest, dass spatestens im J. 1849 auch
der letzte Schimmer eines ftgyptischen Einflusses in Central-
Arabien verschwunden war. Gehalten wurde derselbe uberhaupt
nur durch die Nahe der Truppenmacht , welche die Turko-
Aegypter 1824—27 und 1833—36 auf ihren Feldzttgen im sad-
lichen Higaz und in den Bergen des J6men gegen die kriege-
rischen Stamme der cAsir entfalteten.
In den dreissig Jahren zwischen der Zerstflrung Dercijjehs
und der gftnzlichen Raumung des Binnenlandes durch die Frem-
den konnten die Wahhabiten sich wieder sammeln. Was sie
zusammenfuhrte war der gemeinsame Hass gegen Turken und
Aegypter; und diesem liegt bei alien Beduinen, welchen edle
und ritterliche Gesinnung nie abgesprochen werden kann, der
tiefe Abscheu zu Grund, den sie vor der oft erprobten Treulo-
sigkeit, Hinterlist und Wortbruch der Anderen hegen.
War den Wahhabiten die Erkenntniss aufgedrangt worden,
dass es fur sie fehlerhaft und verderblich war, ausserhalb der
Granzen der Wuste mit geschulten Armeen anzubinden, so
mussten andererseits die Agypter sich gestehen, dass sie ohne
sinnlose Opfer sich im lnnern von Arabien nicht halten konnten ,
und dass unser keinen Umstanden eine Besetzung des Landes
sich bezahlt machte. Also die Waste den Beduinen, die festen
StAdte den Soldaten und Beamten! Und so ist es noch heute.
Die Meinung, dass der KQstensaum von Arabien geordnete und
zusammenhangende tilrkische Regierungsbezirke bilde, ist ein
grober Irrthum; es sind nur ein paar wenige Garnisonen mit
allernachster Umgebung , wo die Tarken etwas zu befehlen haben ,
soweit eben ihre Flinten und Kanonen tragen; draber hinaus
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WAHHABtTKV.
ir>5
im flachen Land oder im freien Gebirg hOrt das Alles auf, und
existirt hocbstens in der Bemalung der Landkarte.
Sind wir fiber die erste Periode der wahhabitischen Herr-
schaft, welche mit der ZerstCrung Der'ijjehs (1817) abschliesst,
verhaltnissmassig gut unterrichtet , so steht es dagegen urn
unsre Kenntniss der darauffolgenden Vorgange im Inneren
Arabiens urn so schlimmer. Die Gleichgultigkeit der Beduinen
gegen Jahreszahlen lasat uns hier vollstandig im Unsicheren.
Fragt man bei ihnen nach historischen Daten, so kann man
alien falls noch den Wochentag oder die Angabe eines benach-
barten Festes ermitteln, fiber das Jabr dagegen ist selten eine
Auskunft oder gar Ubereinstimmung zu erzielen, so dass die
Angaben fiber gar nicht fern zurfickliegende Ereignisse ganz
nnglaublich utn mehrere Jahre von einander abweichen. Dazu
kommt noch eine unselige Verwirrung der in mehreren Genera-
tionen und Verwandtschaftsgraden immer wiederkehrenden
Namen 'Abdallah, 'Abdel-'aziz , Sa'ud, Feisal und dgl., zusam-
men mit der allgemeinen Bezeichnung der Herrscherfamilie Tbn
Saeud. Ich muss einstweilen auf eine Richtigstellung verzichten,
und kann nur aus dritter Hand angeben , dass als 5ter wahhabi-
tischer Fflrst Turki, der Sohn des in Stambul hingerichteten
^bdallah aufgefuhrt wird, der 1820 — 32 die Wahhabiten zu-
sammengehalten haben soil. Sein Sohn (VI) Feisal soil 1836 —
1866 0) regiert, und nach ihm (als N° VII) cAbdallah den
Thron bestiegen haben. Von da ab verdunkelt mir eine waste
Verwirrung von Namen und Zahlen alle sichere Einsicht
Eines steht fest, dass nach aussen und innen der wahhabi-
ti8che Staat mit der neuen Hauptstadt Rij&cl immer mehr
zusammenschrumpfte , wahrend bereits aus dem Wurzclstock
in aller Stille ein neuer Seitenschofs ausschlug, berufen, ein
lebenskraftigerer und richtigerer Mittelpunkt des nationalen
Gedankens zu werden.
Im oberen Negd , im Gebel , d.h. in der Landschatt zwischen
1) t7ber die neactten Vorgange verglcichc schon oben S. 62 if.
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SIKRKNTES CAITTKI,.
den Gebirgen Aga und S61ma war in den Stadten Hajel und
£efar zu Anfang dieses Jahrhunderts unter wahhabitischer
Herrschaft die Familie der B6t cAli, zum grossen Stanmi der
Schammar gehflrig, die angesehenste und machtigste. Eine an-
dere Partei aber suchte ihr den Rang abzulaufen und die Ge-
walt aus den Handen zu winden. An deren Spitze stand ein
junger, ehrgeiziger und thatendurstiger Mann cAbdallah lbn
Raschid aus dem Stamme der cAbdeh gleichfalls einer Un-
terabtheilung der Schammar. Seine Unternehmungen gegen die
Bet 4Ali waren aber keineswegs von Erfolg begleitet und sein
erstes Auftreten uichts weniger als gliickverheissend. Er selbst
inusste fluchtig werden in J. 1818 oder 1820; er suchte zuerst
den Gyof auf, und trieb sich, wie er hier keinen Halt fand,
mit einer Anzahl Genossen im Wadi Sirhan um her. Bei einem
Uberfall durch die cAnezeh liessen Alle das Leben , und er sel-
ber blieb mit durchschnittener Kehle far todt in der Waste
liegen. Ein voraberziehender Kaufmann aus Damascus glaubte
in ihm noch Spuren von Leben zu entdecken, verband ihm
seine Wunden und nahm ihn mit sich nach Syrien. Unter auf-
merksamer Pflege wieder hergestellt und von seinera Lebens-
retter reich beschenkt suchte er wieder sein Heimathland zu
gewinnen. Nach Hajel konnte er nicht zurOck, er begab sich
desshalb nach der neuen wahhabitischen Hauptstadt Rijad, und
da zeichnete er sich durch Tapferkeit auf verschiedenen Kriegs-
unternehmungen aus. Etwa im J. 1830 nahm er mit Feisal
dem Sohne Turkis (S. 165) an der Expedition gegen den Hasa
Theil. Eben wie das Herr sich anschickte die Stadt el-Hufhuf
zu belagern, traf die Nachricht ein, dass der regierende Farst
Turki durch sein Vetter Mescharah beim Gebet in der Moschee
ermordet worden sei, und dass der Morder sich zum Herrscher
aufgeworfen habe. Auf 'Abdalltih's Rath wurde die Belagerung
augenblicklich aufgehoben, und Feisal kehrte mit dem ganzen
Heere in Eilmarschen nach Rijad zurQck. Mescharah , nicht ge-
fasst auf so rasches Handel n, hatte bloss den massiven Palast
und die Leibwache zu seiner Vertheidigung. Schon zwanzig
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WAHIIABtTETN. 167
Tage wurde die teste Burg erfolglos belagert, da gelang es dem
eAbdallah sammt zwei beherzten Gesellen durch Verrath zur
Nachtzeit mit Hilfe eines Strickes ins Innere des Schlosses zn
dringen, und den Mescharah in dessen Schlafgemach nach ver-
zweifelter Gegenwehr niederzustechen. Ohne weiteres Blutver-
giessen wurde der Palast eingenommen , und das Volk jubelte
dem neuen Herrscher entgegen.
Die Dienste welche 'Abdall&h geleistet hatte sollten nicht
unbelobnt blieben: Von Feisal erbat er sich und erhielt sogleich
die Statthalterschaft im Gebel, und da zogerte er nicht, in
seiner Vaterstadt Hajel uiit einer ansehnlichen Truppenraacht
als Muhafiz (Statthalter) seinen Einzug zu halten. Naturlich
wollte er zuerst mit den Bet eAli aufraumen, und ubertrug
diess Gesch&ft seinem Bruder cObeid mit dem Beinamen e<j-pib
(„der Wolf). Der besorgte das grQndlich. Die kleinen Ortschaf-
ten im Gebel bekamen bald die neue Herrschaft zu fuhlen; sie
waren ausser Stand, irgend welche Widersetzlichkeit zu tiben.
eAbdallah war schlau genug, seinem Lehensherren zu Gefallen
zu leben, d.h. auf Ubung der strengen wahhabitischen Reli-
gionsform zu achten , und regelm&ssig seinen Tribut nach Rijad
zu senden. Hatte er bisher zu Hajel inmitten der Hauser von
anderen angesehenen Familien gewohnt, so erschien es ihm
doch zur Hebung seines Ansehens und zur Bekundung seiner
thatsachlichen Herrscherstellung zweckdienlicher, in einem neu
anzulegenden Quartier sich einen besonderen grossen und festen
Palast zu erbauen. Oberdiess war die Erstellung einer festnngs-
artigen Burg im Interesse der Sicherheit seiner Person und der
ganzen Familie; auf offener Strasse von gedungenen MOrdern
angefallen, musste er auf Alles gefasst sein, und die Ergebeti-
heit seiner Unterthanen , in deren Adern eben doch freies Be-
duinenblut floss , war nicht uber alle Proben erhaben. Der Palast
war noch nicht fertig da starb 'Abdallah ') plOzlich „an einera
1) Sein Orabttein, draanen vor den Maaern von HAjel, trigt blow die Aaftchrifl: .'Abdmllfth
ibn Raachid, desten Got! sich crbarmcn roogc."
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S1EHENTES OAl'ITKI ..
Freitag" des J. 1845 (oder 18431); er hinterliess drei Sflhne
Tal&l, Meteab und Muhammed. Der nahezu fimfzigjahrige Bru-
der des Verstorbenen el-cObeid, bei Wenigen beliebt, aber von
Allen gefurchtet, hatte keine Aussicht, beim Volke Anklang
zu finden, und so vereinigten sich alle Parteien, den zwanzig-
jahrigen Talal als den Nachfolger anzuerkennen. Dieser war
nicht bloss Beduine, ich raeine nicht bloss kriegerisch, freige-
big , leutselig , sondern besass uberdiess wirklich staatsmannische
Eigenschaften. Er sorgte fur Ordnung in den Einkunften des
Reiches, suchte das Erbabel seines Volkes die Blutrache abzu-
schaflen, Qbte pcrsonlich die Rechtspflege, legte in der Haupt-
stadt ein Quartier mit Magazinen an, zog unter Gewahrung
von Vergttnstigungen Handworker aus Medinah und Kaufleute
aus dem clr&\ (meist Schiiten) ins Land , und Hess sich die
Sicherheit der Strassen angelegen sein; den wahhabitischen
Predigern zu Gefallen erbaute er gegenuber vom ]£asr eine
grosse Moschee, Hess neue Brunnen graben, Garten anlegen
die Mauern verstarken, sogar Schulen einrichten. Fur Erwei-
terung der Granzen des Schammar-Bezirkes und filr Bereiche-
rung der Unterthanen sorgte sein Oheiin el-cObeid , der rastlose
Kriegsmann, dem das Zuhausesitzen nicht behagen konnte:
Khaibar, Teima und der Gyof (S. 68 f.) wurden der Reihe nach
gezwungen, sich zu unterwerien und die Abgaben nach Hajel
zu zahlen. Tal&li dem Blutvergiessen persOnlich abhold, gab
seinen Bruder Metcab dem Oheim el-cObeid bei, urn dessen
Grausamkeit etwas zu massigen. Milde und Toleranz waren
nahe daran, den ya\&\ bei Fei.sal in den Verdacht der Lauheit
zu bringen , doch verstand er es , den Sehein der Rechtglaubig-
keit zu wahren. Wenn er sich auch persCmlich nicht angstlich
darum kammerte, so war doch der Luxus der Kleider, der
Verkauf und Genuss von Tabak fftrmlich verboten und der
Besuch der Moscheen fleissig eingescharft ; die etwaigen Zweifel
an seiner Aufrichtigkeit wurden durch reichen und regelrnassi-
gen Tribut nach Rijad niedergeschlagen , die Anwesenheit der
schiitischen Kaufleute in Ilajel als nothwendige Aushilfe daige-
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WAIIHAJMTEN.
169
stellt und deren Bekehrung zur wahren Religion vermeldet.
Nicht weniger geschickt war sein Verhalten zur Pforte. Wiewohl
niemals auch nur ein Parah Steuer nach Starabul wanderte,
wurde doch fur langes Leben des Grossherm alle Freitag in
den Moscheen gebetet; wenn im Gegentheil die frommen tQrki-
schen Pilger sammt dem Oberhaupt des Hagg alljahrlich beim
Durcbzug an der Westgrenze einen Tribnt an das Scham mar-
Reich zahlen mussten , so wurde das als eine selbstyerstandliche
Gegengabe far Beschiltzung gegen andere rauberische Beduinen
dargestellt. Es ist nicht unwahrscheinlich , dass schon Talal mit
dem VicekOnig von Aegypten diplomatische Verhandlungen ge-
pflogen hat, um sich far den Fall eines Zusammenstosse3 mit
der Pforte einen auswartigen Rflckhalt zu sichern. In den mehr
als zwanzig Jahren seiner Regierung hat er einen beduinischen
Musterstaat geschaffen, dessen geordnete und gerechte Verwal-
tung den Unterthanen ein vorher unbekanntes Gefuhl der
Sicherheit verlieh, und in den Nachbarn hOchstens das Verian-
gen wachrufen konnte, sich diesem Staate anzugliederu. Nicht
ohne Neid und Bangen mussten die Herrscher in Rijad mitan-
sehen, wie die aufstrebende Macht ihrer ehemaligen Vasallen
ihnen nicht nur langst ebenburtig, sondern geradezu bedrohlich
geworden war. Der brOtende Druck des religi6sen Fanatismus,
dem beduinischen Geiste an und fur sich fremd , hielt die beslen
Krafte im Reiche der Ibn Sa'ud gefangen, und vermochtedem
Niedergange des eigenen Sternes keinen Einhalt zu gebieten.
In Schwermuth fiber eine unheilbare Krankheit (Vergiftung ?)
verfallen, machte Talal am 17ten pu'l-Kaedeh 1284 (?) = ll.Mttrz
1868 seinem Leben duirch einen Pistolenschuss ein Ende.
Sein Bruder und Nachfolger M6teab ibn cAbdallah, ein
milder und verstandiger Herrscher, erfreute sich einer grossen
Beliebtheit beim Volke, aber nur einer kurzen Regierungs-
dauer. Talal hatte vier SOhne hinterlassen : Bender, 'Abdallah,
Naif, Bedr. Der erste und der lezte verschworen sich zur T6dtung
des Meta(b: in der Oberzeugung dass derselbe durch ein Amulet
gegen Blei gefeit sei , gossen sie silberne Kugeln und erschossen
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170 8IEBENTES OAPITEL.
von der BrOstung des l£asr herab den arglosen Oheim anf offenem
Marktplatz. Das soli am 2. Rabr II. 1285(1) = 23. Juli 1868ge-
wesen sein. Da Meta*b nur einen, damals kaurn zweijahrigen ,
Sohn cAbd eleaziz hinterlassen hatte , konnte hochstens der Bru-
der des Ermordeten Muhammed ibn cAbdallah (der jetzige Emir)
gefahrlich werden.
Bender ibn Talal, der sich mit 17 oder 18 Jahren zum
Herrscher aufgeworfen, hatte wenig Gluck. Seine Rohheit,
Willkuhr und Eigensinn waren nicht geeignet, seinen Thron
zu befestigen; Misswachs, Hungersnoth nahrte die Unzufrieden-
heit des Volkes. Die Abwesenheit seines Oheims Muhammed ,
der sich nach Rijad zu 'Abdallah ibn Sacud geflfichtet hatte,
beunruhigte ihn. Muhammed, der schon 13-mal die persische
Cberlandcarawane von Baghad noch Mekkah hin und zuruck
begleitet hatte, war durch dieses eintragliche Geschaft in den
Besitz eines ansehnlichen Vermogens gelangt, zudem besass er
ausgedehute Verbindungen , und sein Name ward von Jung
und Alt bei Persern und Beduinen mit Ruhm genannt. Aller
Augen waren auf diesen Mann gerichtet; und das war dem
Bender nicht verborgen. Dieser glaubte daher sicherer zu gehen ,
wenn er ihn auf irgend welche Weise wieder in die Nahe be-
kame. Briefe und Geschenke liess Muhammed zunachst unbe-
rrtcksichtigt. Erst durch Vermittlung des eAbdallah ibn Sacftd
gelang es dem Bender, durch freundliche und versdhnliche
Briefe, seinen Oheim wieder zur Rtlckkehr nach Hajel and zur
Annahme der Fuhrerscbaft des persischen tlagg zu bewegen.
Muhammed filhrte den Auftrag aus, und sollte zugleich im
Heimweg vom Euphrat 1000 Kameelsladungen Reis nach Ilajel
schaffen. Da kein anderer Stamm bei Negef in der Nahe
war, schlos3 Muhammed mit den sonst feindlicheu Beduinen
vom Stamm £aftr einen Vertrag, die Ladung nach Hajel
zu ilbernehmen, und verbQrgte sich fur freies Geleit. Bei der
Annaherung an Hajel sc^hickte Muhammed, wie ublich, einen
Boten voraus und liess seinen Gruss vermelden. Bender wuthend
und argwOhnisch uber sein AnrOcken mit einem fremden Stamm,
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WAllllABITEN.
171
befahl gleich die Pferde zu bringen und die Stadtthore zu scblies-
sen. Er selbst mit seinem jungeren Bruder, sowie mit Hamud
dem Sohn 'Obeids und kleinem Gefolge, ritt vor die Mauern
hinaus dem Muhammed entgegen. Statt aller BegrQssung nur
ein kurzer Wortwechsel und Vorwflrfe. Auf ein rasches Zeichen ,
durcb welches IJamud hinter dem Rucken des Bender bedeutete ,
dass es sich um seinen Kopf handle , warf sich Muhammed von
seinem Delul auf das Pferd eines der Begleiter, stflrmte auf
den Bender los , packte ihn bei den vorderen Zopfen und schlitzte
ihm mit dem tfangar (Dolche) blitzschnell den Bauch auf, dass die
Gedarme zu Boden fielen. Wahrend Bedr auf 9einem Ross ins
Gebirg entfloh und verfolgt wurde, ritt Muhammed nebst IJamfid
durch die menschenOden Strassen ins Schloss. Was von Talals
Familie zu erreichen war, darunter vier Kinder von der eigenen
Schwester Muhainmeds, dazu die Sclaven und alle Anhanger
wurden in einer und derselbe Stunde abgeschlachtet. Es sollen
70 Kflpfe gefallen sein. Darnach Todesstille. Das war am 20.
Ramadan 1286 — 25. Dec. 1869. Als am folgenden Morgen
die Pforten des £a$r sich Gffneten, nahm der neue LOwe des
Tages auf dem Herrschersitz Platz, neben ihm ITamud mit
einigen bewaffneten Schwarzen. Auf dem Mes-hab (Marktplatz)
vor dem Schloss befanden sich nur etliche fremde Beduinen ,
die in der Stadt eingeschlossen waren. Zeugen der Greuelscenen
vom Tag zuvor, klang ihnen noch das Wehgeschrei der Opfer
in den Ohren, und sie hielten ihr letztes Stundlein fur ge-
kotnmen. Ausser diesen wagten nur noch wenige Ansftssige von
ITajel auf dem Platz zu erscheinen und ihre Huldigung darzu-
bringen. Vor dieser mageren Volksversammlung rechtfertigte
Muhammed in abgerissenen Satzen und mit hastigen Geberden
sein Verfahren. Wahrend dieser Scene eilte die Schaar herbei,
welche den Bedr verfolgt und eingefangen hatte. Mit prahle-
rischen Worten verkQudete ihr Anffthrer, dass er den Bedr
unschadlich gemacht habe. Statt des erhofflten Lobes ward er
von Muhammed angeschrieen : „Wer hat dich geheissen, ihn
umzubringen? Etwa ich? Da geh her, du Hundesohn! — Als
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SIKBBNTES CAMTRL.
naher! — So! Da!" und bei diesen Worten hieb er ihm mit
dem Schwert auf einen Streich den Kopf herunter *). Von dem
Tag ab soli Muhammed in den H Jahren seiner Regierung
keinen Tropfen Bluts weiter vergossen haben. Ward im Anfang
in der ganzen arabischen WQste sein Name nicht anders als
mit Schreck genannt, so fliesst heute jeder Mund nur uber,
urn seine Gerechtigkeit , seine Tapferkeit, seine Freigebigkeit ,
seine Weisheit zu preisen. Der Schijuch oder wie er sich selbst
nennt der Schech el-maschalch *) , ist der Abgott aller Bedui-
nen, weil sie in ihm die VerkOrperung der nationalen Tugen-
den erblicken. Ein Jammer, dass er kinderlos ist! Seine Unter-
thanen wflrden far ihn durchs Feuer gehen: es gibt keinen
unter ihnen , der ihm ilbel wollte. Allah itawwll 'amruh ! ')
1) Wer denkt bieb«i nicht an die ahnliohe Scene 2. Sara. 1, 1 — 18?
2) .Der Schech der Scheche". Die Beduinen reden von ihm gewShnlich all dem Sehjjflch
oder aach den Emir, oder IWrmtehid, (Berratchld). In der An rede gebjrauchen tie nur «eineu.
Namen .Ji Muhammed "
8) -Oott rcrlangere >ein Lebenr
VIII. CAPITEL.
i
Hftjel.
21. October 1883 - 23. Januar 1884.
Wir waren begreiflicherweise voller Spaonung, den eben ge-
schilderten Herrscher des nSrdlichen Arabiens zu Gesicht zu
bekommen, in dessen Hand far die nachste Zeit unser ganzes
Geschick gelegt war. Wahrend unser Gepack in das far uns
bestimmte Haus verbracht ward, wurden wir selbst in das
Schloss gefahrt durch einen Hof an alten Kanonen vorbei zunachst
in die Empfangshalle *), wo wir mit tfahwah helu (S. 128) und
1) vjLyiax m.tfif.
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174
ACHTES 0APITE1..
Cafe bewirthet wurden. Die grosse Menge Menschen, die aus-
und eingieng uns zu begrussen und zu begaflfen, wurde im
Zaum gehalten durch einen wurdigen Greis mit langem schnee-
weissem Bart. Das war der alte Muferrig, Ceremonienmeister
und Eiufahrer im Palast. Wir mochten etwa eine halbe Stunde
in der Halle zur Schau gesessen haben — wahrend welcher
Zeit der Emir durch unsern Reisemarschall tfamud el-Migrad
sieh vorlaufigen Bericht hatte erstatten lassen — da trat Mufer-
rig vor uns mit der Meldung , der Emir wttnsche uns zu empfan-
gen. Durch einen langen dunkeln Gang, an der Wachtstube
vorbei , fuhrte er uns uber einen halboffenen Vorplatz , auf dein
rechts drdben ein paar lacherliche europaische Lehnstuhle
(Throne?), vergoldete GartenmCbel und son9tiges unnutzes
Zeug aus dem Abendland herumstanden , in den $aMwah d.h.
Empfangssalon des Fursten. Nachdem wir Schuhe und Sandalen
am Eingang zurflckgelassen hatten, schritten wir ohne Ver-
beugung oder Ceremonie mit einem einfachen Salam 'aleikum
schrag links hinQber auf den Emir zu. Kaum unsrer ansichtig
geworden, erhob sich dieser mit der Erwiederung uealeikum
es-salam , gieng uns entgegen , reichte uns die Hand und wahrend
wir ihn rechts und links bekussten , rief er mehrfach lebhaft :
Tsef ent, ts^f ent? (s. S. 128). Ebenso der Vetter des Fursten
I,Iamud el-cObeid. Tafaddald (,Seid so gut") war das Zeichen
sich niederzulassen. Allgemeine Begrussung mit ,Guten Mor-
gen!" Auf der linken Seite des Fursten nahmen Huber und ich
Platz, weiterhin §alih ibn llakhi§ der Kriegsmann (S. 132)
dann folgten die jungen Prinzen; rechts sass I^amud el*'0b6d und
einige altere Verwandte; an der Wand gegenuber (gleich links
vom Eingang) die — wir warden sagen — Minister und Palastbe-
amten, auch Soldaten mit gezogenen Sabeln. Da Huber als alter
Bekannter und Gast von frtther her in erster Linie Red und Ant-
wort zu stehen hatte, konnte ich mit Musse Umschau halten.
Der Empfangssaal besteht aus einem weissgetttnchten langlicht-
viereckigen Raum 16m lang, 10m breit und etwa im hoch. Die
Decke ist aus Ithelstammen gebildet, von drei Lehmsaulen ge-
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H&JEL. 175
tragen und mit vier Petroleumlampen *) behangen, der Boden mit
Palmmatten belegt , an den Wanden ringsum persische Teppiche
mit aufgeschichteten Kissen als Armlehneu. Vor dem Platz dea
Fursten wird in einer 2m langen Boden vertiefung die ganze
Zeit ein flamraendes Feuer unterhalten. Auf einera niederen
Tischlein davor stehen 3 Petroleumlampen und zwei Windlieh-
ter. Eine weitere Lampe hangt in dem finsteren Winkel rechts,
wo der Cafe bereitet wird. Bei Tag fallt in den ganzen Raum
nur wenig Licht, denn ausser der Thilre befinden sich nur noch
ein paar 8chmale Mauerschlitze an der gegenuberliegenden
Langwand.
Der Emir Mu hammed ibn 'Abdallah er-Raschid ist ein
Mann von etwa 48 Jahren , gleich alien Prinzen seiner Familie von
ziemlich heller Hautfarbe, mit schwarzem (oder jedenfalls tadellos
schwarz gelarbtetn) Bart, thatkraftigem Gesiehtsausdruck , und
lebhaften stets bevveglichen Augen 8). Nahezu schmucklos im
Aussern tragt er far gewOhnlich uber dem weissen baurawol-
lenen Hemd nur den schwarzwollenen am Hals gestickten cAba
1) Das amcrikanische Petroleum wird won Basra oder Baghdad ins Land gcschafft. Die leeren
Blechkt|>Mln und die Holzkiatcn der Verpacknng finden nachtrajzHch mancherlei Verwendaog,
bilden daher eine gesuchte Waare Die leere Holikiate ist immer noch einen Meg!di(3| M.) werth.
2) 1st ea Gewohnheit oder Argwohn . dasa er bci der geringsten Bewegung oder Sitxverande-
rung eines der Anwesenden aufort den Kopf dreht and den Mann mit den Augen featbannt?
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176 ACHTES OAPITEL.
(Mantel), auf dem Kopf eine rothe bauniwollene Keffijjeh mit
goldgewirktem 'Afcal (Kopfstrick) ; darunter kommen zum Vor-
schein zwei, bezw. vier, schwarze Zflpfe in schSnen Ringeln
angeordnet. Er geht ohne Strumpfe in gewGhnlichen Ledersan-
dalen. Sein einziger Luxus sind schflne Waffen: der Sabel,
welcher neben ihm an der Wand lehnte, mochte am Beschlag
der Scheide und am drahtumwirkten Griff 2—3000 M Gold
enthalten. Geistig ateht er thurrnhoch nicht bloss aber seinen
Unterthanen, sondern auch aber 3einen Verwandten. Wenn
schon koranglaubig ist er doch ziemlich vorurtheilsfrei gegen
Andersglaubige , die zu 9ehen and zu beobachten er in Baghdad
oft Gelegenheit hatte. Er spricht arabisch persisch und turkisch
gleich gewandt; die alten arabischen Dichter kennt er zum
grossen Theil auswendig, nicht minder alle alten und neuen
Spottgedichte und Schelmenlieder der Beduinen. — Er hehielt
uns in guter Laune wohl eine halbe Stunde da, wahrend deren
verschiedene £ahwah helu und Cafe gereicht wurden. Von da
wurden wir durch Muferrig in einen anderen Theil des Palastes
gefuhrt zum Empfang bei cAbd el-azlz ibn Met'ab. Da3 istein
junger fast madchenhafter Prinz von hochstens 16 Jahren mit
eigenem Hofstaat und besonderer Wirthschaft. Hier gab es —
abermals! — #ahwah helu und Cafe. Ich muss gestehen, ich
hatte jezt eigentlich genug von dem lapperigen Zeug im Leib,
und sehnte mich nach einer solideren Stutze meines Magens;
dabei musste ich unwillkflhrlich an den n Mayer in Constan-
tinopel" denken , dessen Besuch beim Sultan ein Freund ') von
mir so schon beschrieben hat. Zu unsrer Erldsung erschien
endlich Muferrig mit der Meldung , das Elssen sei bereit. Jenseits
des Hofes, wo gemeine Beduinen gespeist werden, stiegen wir
die Treppe hinauf zu einer Gallerie, welche far Gaste von
Auszeichnung vorbehalten ist. Alle die Leute, welche vom Gyof
bis hieher die Reise mit uns zusammen gemacht hatten, wur-
den der Ehre gewurdigt, gleich uus auf der Gallerie bewirthet
1) K. A. Wo II, Pfiiliiiche Oedichte. 3. A. Heidelberg, K. Gros 1881, S. 69 ff.
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UrtJEL.
177
zu werden. Sobald wir auf dem schraalen Gange Platz genom-
men, wurde das Essen gebracht: je 4 Sclaven schleppten eine
mehr als einen Meter im Durchmesser haltende verzinnte Kupfer-
platte daher, gehauft voll mit Reis und Kameelfleisch. Die
Platte selbst ruhte noch auf einer runden strohgeflochtenen
Matte mit vier Handgriffen zum Anpacken. Wir wollten uns
eben anschicken , zuzugreifen , da mussten wir nochmals Platz
machen , bis die anderen Platten an uns voriibergetragen waren ,
denn der Raum war so eng, dass die Sclaven mit dem Saum
ihrer Hemden und mit den Arrnel-Enden unsern Reisberg streif-
ten! Ich hatte gewiss auch einen guten Appetit, aber was da
neben von der nachsten Platte uusre beduinischen Begleiter,
die Scherarat , vertilgten , spottet jeder Beschreibung. In dem
schmerzlichen Gedanken, dass ihnen nicht so bald wieder eine
ahnliche Mahlzeit bescheert sein durfte, leisteten sie ihr Moglich-
stes, und brachten in der That je 10 eine ganze Platte leer,
die sonst far den grOssten Hunger von 15 Menschen berechnet
ist. Vor und nach der Mahlzeit wurde den Gasten Wasser zum
Handewaschen , und, als Luxus, zum Abtrocknen Handtucher
gereicht. Die lezteren waren dermassen schmutzig, dass Huber
sich nicht enthalten konnte, unsern Reisemarschall zu fragen,
ob sie im ftasr neuerdings keine sauberen Handtucher mehr
erschwingen kOnnten. Das wirkte; gleich wurden frische ge-
bracht. Nach dem Essen mussten wir noch unten im Hofe 6
Kanonen bewundern, alte eiserne Rohre mit den europaischen
Jahreszahlen 1793, 1794, von Ibrahim Pascha seiner Zeit im
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ACHTES CAPITOL.
£a§im zurackgelassen (s. S. 164). Die Laffetten waren in so
mangelhaftem Zustand , dass ohne Gefahr fdr die Bedienung kein
Schuss mehr daraus abgefeuert werden konnte. Uberdiess dtirfte
sich kaum noch Munition far diese Geschatze irgendwo im
Inneren Arabiens vorfinden.
Jezt endlich durften wir das Haus aufsuchen, welches der
Fur3t uns zur Verfugung gestellt hatte. Hamud el-Migrad hatte
uns schon bei der ersten Begegnung zu Ithreh erOflhet, dass
der Emir uns die Wahl lasse , ob wir im £a?r oder in eigenem
Hause wohnen wollten; wir hatten naturlich das leztere vor-
gezogen , weil wir darin ungenirter zu leben gedachten. Dieses
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Haus, iui persischen Viertel gelegen, war Eigenthum eines in
seine Vaterstadt zurflckgekehrten Meschhedi; der Wakil (Sach-
walter) des Lezteren hat es in Ermanglung von etwas Besserem
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IliUEL.
179
einstweilen far eine Erkennungsgebahr von 6 Megidi (20 M) jfthr-
lich an den Fursten vermiethet , und hofft daas dieser es kauflich
erwerben werde. Um eine Vorstellung von der baulicheu Ein-
richtung eines arabischen Hauses zu geben, will ich hier Plan
und Durchschnitt nrittheilen, und eine Ansicht des inneren
Hofes zu geben versuchen.
Durch einen in rechtem Winkel gebogenen Gang gelangt man
zunachst in den vorderen oder ausseren Hof, In dessen Mitte
reenter Hand die Eingangsthure zum l£aMwah, dem Empfangs-
zimmer gleichzeitig unsrem Wohn- und Schlafraum, fuhrt. Wande
und Boden bestehen aus gestampftem Lehm. Der Diener Mahmud
batte hier sauber ausgekehrt, die aus dem Ka-r erhaltenen
Strohmatten, sowie die Teppiche und Kameelssattel zurecht-
gelegt; alles Qepack war in den verschliessbaren Mtikhzan el-
^ahawah daneben geschafift , um es der Neugier und der Begehr-
180
AOHTES CAflTFI..
lichkeit der Besucher zu entziehen. Neben dem gewflhnlichen
KKhawah war noch eia besonderer Winter-^hawah belegen,
den einstweilen Mahmud ah Schlafraum angewiesen erhielt.
Vom erstea Hof durch cine vortretende Quermaaer abge-
trennt lag der itmere grossere Hof, um den sich verschiedene
zu Kuchenzwecken bestimmte Raumlichkeiten anordeten. Hier
war far gewShnlich der Aufeathaltsort der Sclaven, die der
Emir uns zur Verfagung gestellt hatte; das war erstens der
15-jahrige Matar, und seine Schwester Frehah, sp&ter noch eine
weitere Sclavin. Dieselben hatten dem Diener Mahmud in der
Kfiche behilfiich zu sein, Wasser am Brunnen Semah zu holen,
Holz Reis Fleisch Datteln und was wir sonst nCthig hatten aus
dem Schloss herbeizuschaffen. Sie wohnten nieht in unsrem Haus ,
sondern kehrten allabendlich nach dem Nachtessen zu ihren
Eltern zuruck, die im Sufc el-eabid (Sclaven-Viertel) wohnten.
Wir hatten naturlich am liebsten uns zunachst in der Wohnung
behaglich eingerichtet , und das NGthigste fur die eigenen Be-
durfnisse aus den Koffern ausgepackt; da war jedoch keine
Moglichkeit. Es gieng heute und ebenso in den folgenden Tagen
mit hohen und niederen Besuchen aus und ein wie in einem
Taubenschlag. Die eigentliche Absicht aller dieser Besuche, rich-
tiger Bcttler, war, mOglichst viel von uns herauszuschlagen ,
und uns in friedlicher Weise von dem wahnsinnig reichen Ge-
pack zu erleichtern. Sie mussten sich zunachst betrflbt uber-
zeugen, dass sie noch viel zu fruh gekommen waren, und
jedcnfalls einander selbst im Weg standen. Von Geschenken
erhielt Keiner etwas, weder in die Hand noch zu Gesicht. Also
waren Alle gewiss bitter enttouscht, und wahrend Jeder den
Andern im Stillen zum Teufel wunschte und vergeblich auf
dessen Abzug wartete, blieben sie mit unentwegter Standhaf-
tigkeit sitzen uud tranken , ihren Beerbungsgedanken nachhan-
geud, einen Cafe um den andern. Es waren im Grund immer
die gleichen Wettrenner, nur dass sie, um einander den Rang
abzulaufen , jeden Morgen fruher zu kommen sich bemuhten ,
namlich schon eine Stuude vor Sonnenautgang ! — was ohnehin
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HfUEL.
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hier zu Land als vollkommen anstandige Besuchszeit im Gebrauch
ist. Fur heute wurden wir die Bettelbande bequem los dadurch,
dass der Emir bei Sonoenuntergang uns ins Schloss zum Abend-
essen entbot.
Der Fttrst empfieng uns sehr freundlich im engsten Familien-
kreis , im Ganzen acht Personen. Nachdem die Hande gewaschen
waren, lud er uns mit einem sammu ') ein, aufdem BodcnPlatz
zu nehmen und die Mahlzeit zu beginnen. Ich war erstaunt
zu sehen, dass der Furst und die Prinzen an Einfachheit der
Speisen sich kaum von ihren Unterthanen unterscheiden : es
kam nur eine einzige grosse auf dem Grunde mit Brodfladen
ausgelegte Platte gekochten Reises mit Butter iiberschuttet
und Schaffleisch oben drauf. Wer Durst hatte konnte Wasser 2)
verlangen, das ihm dann von einem Sclaven in messingener
Schale gereicht wurde. Der Emir redete uns mehriach zu, wir
sollten ungenirt zugreifen, wir werden Hunger haben und dgl.,
dabei legte er mit eigener Hand die fettesten Stucke Fleisch
Jedem von uns vor seinen Platz in der Tafelrunde. Am Schlusse
der Mahlzeit wurde eine kupferne Schassel gebracht, wie sie
im civilisirten Orient im Gebrauch ist , urn die Hande abzuspu-
len: Das Wasser wird aus einer schlankhalsigen Kupferkanne
fiber die Hande gegossen, die Schussel aber hat einen doppel-
ten Boden, wovon der obere durchl6chert und abnehrabar das
schmutzige Wasser im Bauch des Gefasses verschwinden lasst.
Seife und diessmal saubere Handtucher fehlten nicht. Eine
Viertelstunde raochte das Essen gedauert haben, und da es
nicht Sitte ist , nach der Mahlzeit ohne ganz besondere Auffor-
derung zu verweilen, so kehrten wir mit der Dammerung in
unser Haus znruck. Eben gedachten wir uns zur Ruhe zu legen ,
1) Eigentlich : .sprwhet den Namen (Gottctt ana" d h. saget BUmillfth .im Namen Gottea",
mit welcher Formel jede neue Handlung eingeleilet wird.
2) Man ruft einfach laot, ohne sich an eine b«aondere Person zu wenden, hftt ma' (.bring
Wauer!"). Der Uiener, turn Zeichen data er den A u ft rig gebort hat, erwiedert aam' (eigtl.
1*4- .obediendo") .in Befehf, und bringt daa Geforderte. Der Trinkende wird die Sehale
nicht ohne ein el-hamdu lillAh .Lob sei Gott" zur&ckgebcn, worauf der Reibe nach alle Anwe-
senden ihn anblickend hanijjan .Getandheit" wunacben , was der Krstere jedraraal einzeln mit
hannik .Kr (Gott) mache dich geaund" erwiedert.
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1S2
ACIITHs C.M'ITEL.
und erOrterten noch die Frage, welche Geschenke wir morgen
dem Fflrsten uberreichen wollten, da klopfte Hamud el-Migrad
heftig an der Hausthure, um uns abermals in den £asr zu
bescheiden. Von den 24 Steinsehlossgewehren ') , welche S. M.
der Konig Karl von Wflrttemberg mir verehrt hatte, wurden
12 Stuck mitgenommen, ferner ein Mauser- Revolver und eine
Sabelklinge aus Solingen. Mahmftd und der Sclave Matar trugen
3ie uns nach. Im EShawah des Emir war grosse Gesellschaft
bei festlich beleuchtetem Hause. Wahrend wir Platz nahmen,
Hess der Furst die Gewehre vor sich niederlegen, und mit
sichtlicbem Wohlgefallen nahm er ein Stack in die Hand, um
das Feuerschloss zu probiren. Sein Auge fiel dabei auf den
Dieuer Mahmud, der sich eben zurflckziehen wollte, „Bleib
stehen! Aa— h! Bei Gott, dich kenn' ich vom Gy6f her! Hmm?
Nicht wahrl" Mahmud erblasste, er wusste nur zu gut, dass
er ja damals bei der unglUckseligen Expedition der Turken in
den Gyof (S. 131 ff.) als Dolmetscher gedient hatte, da war also
nichts abzuleugnen ; er stammelte daher einige Worte. Der Emir
einen Augenblick an seiner Angst sich waidend, rief ihm zu:
Ah, brauchst nichts zu torchten!", und gab einem von seiner
Umgebung einen Wiuk, worauf der Erschreckte mit einer stil-
len Ergetzung von 15 Megidi (52 M) entlassen wurde. Den
Mauser-Revolver prQfte er mit Behagen und war Uber die Ein-
fachheit und Sicherung der Waffe sehr erfreut. Die Solinger
Elinge ubergab er dem rasch hergeirufenen Waffenschmied
Ranem, mit dem Befehl zu sofortiger Instandsetzung. Wahrend
die ubrigen Anwesenden der Reihe nach gleichfalls die Waffen
betrachten und betasten durften, wandte sich der Fttrst zu uns
zweien und fragte: „Was meint Ihr? Unlftngst war ein per-
sischer Arzt bei mir und hat mir eine Kur verordnet. 1st das
wohl gut fur mich?" Dabei entblOsste er beide Oberarme , die von
schmalen silbernen Spangen eng umschlossen waren. Zwei Sclaven
kamen herbei und Gffneten den einfachen Verschluss ; unterdem
1) Aus dem Ktthhatu » Stuttgart sUmmead, Ton wo tie S.Maj. furmich hatte ankaufen las*eu.
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ii&jel. 183
Bande kamen grune Pflanzen-Blatter zum Vorechein , welche ein
Erbsen-Fontaneil bedeckten. Huber bemerkte ihm , die Kur sei
zwar nicht schadlich , aber jedenfalls eine nutzlose Schinderei , er
konne die Sache ebensogut ganz unterlassen; dennoch wollte
der Emir die Kur weiter erproben, liess neue Erbsen in die
kilnstlichen Wunden legen, dieselben mit frischen Blattern be-
decken and die Silberb&nder wieder schliessen. — Nachts zehn
Uhr endlich konnten wir unser Ruhelager aufsuchen.
Mo. 22. Oct 83] Nach einer langen und erquickenden Nacht-
ruhe stellte sich tfamud el-Migrad ein, unser bisheriger
Reisemarschall und nun standiger Adjutant wahrend unsres
hiesigen Aufenthaltes. Zugleich mit dem Fursten aufgewachsen ,
and demselben treu zugethan, geht er von Jugend auf im
$a$r aus und ein; und wenn er auch kein eigentliches Amt
bekleidet , so wird er doch mit Rucksicht auf seinen natarlichen
Verstand und seine gute Sparnase zu manchen ausserordent-
lichen Diensten verwendet (vgl. S. 60 und 1 1 4). Dabei kann er doch
nicht verhuten, von Zeit zu Zeit in Ungnade zu sturzen, in
welchen Fall er naturlich von keinem Sclaven auch nur mehr
gegrusst wird. Er kommt aber immer wieder oben auf, und
gerade jezt, wo er una als persOnlicher Adjutant beigegeben
ist, steht er hoch angesehen da. Unser Diener Mahmad freilich,
sein geschworener Feind (S. 67 und 115), behauptete, mit dem An-
sehen sei's nicht so weit her ; er gelte als Schmarotzer (mahrum) ,
der aus Geiz zu Hause kaum etwas ease, und flberall auswarts
sich zu futtern suche. Wir sollen nur auf unsrer Hut sein,
seine Freundlichkeit sei eitel Verstellung, er suche uns aufs
schamloseste fur sich und fur den I£a§r (die Herrscherfamilie
im Schloss) auszubeuten. Nun allerdings seine Stellung bei uns
auszunutzen war er nicht mussig. So jammerte er uns heute
gleich beim Eintritt ohne weitere Einleitung vor, dass er sich
doch scharaen musse vor den Leuten, die ihu nach seiner Be-
schenkung fragen ; denn er masse immer sagen , bis jezt habe
er von uns noch keine Anerkennung in Gestalt eines Geschenkes
erhalten (vgl. S. 135). Es kOnne uns doch auch nicht gleichgultig
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184
ACtlTGS CAPITEI..
I
sein , wie man fiber uns urtheile ! Es wurde ihm also zunftchst die
Steinschlossflinte , die er auf der Reise ate Lehen getragen,
nunmehr als Eigenthum zugesprochen. Da er diess Gerathjedoch
schon in seinem Hause verwahrt hatte, empfand er es offenbar
nicht als neues Geschenk, und wiewohl er einstweilen seine
Klagen aufstecken musste, schien er doch nicht sonderlich er-
baut. Die Habsucht stent eben selbst bei den besten Bedui-
nen im Vordergrund, und wird von ihnen auch gar nicht zu
bemanteln gesucht. Wenn man doch etwas haben kann,warum
soil man's nicht nehmen? Der Eine thut's mit Gewalt, der
Andere mit List, der Dritte mit Betteln! Gar bezeichnend fur
einen Beduinen ist es, dass Hamud el-Migrad, als er im Laufe
des Tages zum Zeichen unsrer Befriedigung einen Mauser-Revolver
erhielt, gleich fragte, ob wir nicht auch noch ein ubriges Dop-
pelgewehr fur ihn hatten.
Fur den heutigen Tag war die Erledigung der nothwendig-
sten Besuche angesetzt. Vor Allem achleppte uns {Jamud el-Migrad
wieder zum Fursten; der Grund fQr diesen, wie rair schien,
zudringlichen Besuch sollte rair bald klar werden. Schon unter-
wegs berichtete IJamud, der Furst habe sich bei ihm sehr an-
gelegentlich noch unseren Repetirgewehren erkundigt; es werde
uns wohl nichts anderes ubrig bleiben, als ihm dieselben zu
verehren. Und als wir nun beim Fursten empfangen wurden,
erOffnete uns dieser, er sei sehr neugierig, unsere Gewehre zu
sehen, denn er habe Wunder da von gehflrt. Alsbald wurde ein
Sclave fortgeschickt , um eines der Gewehre in natura zu holen.
Nachdem das Lederfuttcral abgenommen war, musste ich den
Mechanismus erkliiren; ich zeigte das Gewehr zuerst als Einzel-
dann als Mehrlader, oder als „Vater von neun", wie der Emir
sich ausdruckte; seine Augen leuchteten vor Bewundemng,
wie zum Schluss die neun Patronen eine nach der andern mit
einem Ruck herausgeworfen wurden. Ich musste den ganzen
Vorgang noch einmal vormachen , und legte dann am Ende das
Gewehr vor meinem Platze nieder. So rein akademisch sollte
indess die Sache nicht abschliessen. llaniud el-Migrad, der neben
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HkKl'. 185
mir sass, sagte mir leise ins Ohr: „Du musst's ihm verehren".
Kochend vor Arger, doch mit Beherrschung gab ich ihm zurtick :
BTst denn Euer Emir ein BettleH Hab' ich ihm nicht gestern
Abend zwolf (iewehre geschenkt? Wird er so noch eins oder
mehr jeden Morgen von seinen Gasten erwarten ?" Mit bezeich-
nender Geberde, den Finger gegen die Stirne gelegt, gab er
mir zu uberlegen: /Andak *afcir („Du hast doch Verstand")?
„ Ja , ich habe so viel Verstand , dass ich meine Gewehre selber
nOthig nabe!" „Gut! Du hast aber noch andere Gewehre, und
die genugen dir. Sieh! ich bin in der namlichen Nacht geboren,
wie er, ich kenne seinen Gesichtsausdruck von Jugend auf;
hast du denn sein Auge nicht gesehen, als er das Gewehr be-
trachtete1? ich sage dir: er will, er muss das Gewehr haben!"
Ich schwieg. Hamad mochte filhlen, dass der Boden schon
etwas gelockert sei, und fieng nach kurger Pause wieder an:
BcAndak cakl? Was willst du in unsrem Land? Was kannst du
ohne Zustimmung des Schijuch machenl" „Du weisst, ich will
die Ruinen von Teima, el-llegr, el-c01a sehen, sonst begehr ich
nichts!" „Sch6n! Glanbst du denn, dass du jene Gegenden
jemals zu Gesicht bekommen wirst, wenn du nicht sein Ver-
langen erfilllst ? Du wirst gastlich aufgenommen sein , so lange
du willst, aber den eigentlichen Zweck deiner Reise wirst du
nun und nimmer erreichen. Also gib's ihm doch!" Ich kampfte
in meinem Innern einen schweren Kampf: far die Falle, auf
die ich gerustet sein musste , war es gewiss nicht gleichgQltig ,
was fflr eine Waffe ich besass; mit oder ohne Repetirgewehr
mein Leben stand doch immer auf dem Spiel; es fragte sich
also nur: sollte ich mir die Erfflllung meiner Reiseaufgabe
erleichtern, ei*schweren oder ganz unmOglich machen? yamud,
du hast Recht! So nahm ich denn die Flinte — es stiess mir
schier das Herz ab — und legte sie mit dem iiblichen khod
(.Nimm's11) vor die Fttsse des Emir. Der ergriff die Waffe und
steUte sie, ohne eine Gemttthsbewegung zu verrathen, auch
ohne ein Wort des Dankes, neben sich an die Wand. Die
Metall-Patronen, zu dem Gewehr 300 Stack, sollte er im Laufe
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18G
ACHTES CAI'ITEL
des Tags erhalten. Sein Vetter Hamud el-e0b6d fragte noch, ob
das zweite Gewehr genau so beschaffen sei, wie dieses hier.
Durch einen Blick des Auges verstandigte ich mich mit Huber,
und zehn Minuten spftter stand auch noch das zweite, unser
leztes Repetirgewehr, neben dem ersten. Hamud el-Migrad hatte
far seinen Herrn gut gearbeitet.
Nach Weggabe meines wirksamsten Lebensbeschutzers konnte
ich nun beruhigt sein , abgesehen von meinen wissenschaftlichen
Ausrustungsgegenstanden in alien meinen Koffern nichts mehr
zu besitzen , dessen Verlust ich irgendwie schmerzlich zu empfin-
den gehabt hatte. Wie Recht hatte ich gehabt, einige Gegen-
stande zu Hause zu lassen , deren Einbusse mir doch sehr nahe
gegangen ware! So hatte ich z. B. ursprunglich die Absicht
gehabt, den orientalischen Prachtsabel, den S. Maj. der Konig
Karl von Warttemberg als Zeichen Allerhochster Huld mir fur
die Reise verehrt hatte , mitzunehmen. Aus Furcht , dieses wun-
derbare Stuck (weiland ein Geschenk des Vicekonigs Meh6m-
med Alia an Konig Wilhelm ') von Wurttemberg) auf der Reise
in der einen oder anderen Weise einzubussen, hatte ich es
daheim gelassen. Ja, wenn der Emir diesen Sabel gesehen hatte ,
so war's gegangen wie mit den zwei Gewehren: besitzen hatte
er ihn wollen und mussen. Er hatte mir einen anderen schonen
Sftbel, dazu 30, oder wenn ich gewunscht hatte mehr, Kameele
dafur verehrt — was hatte ich rait diesen in Strassburg oder Stutt-
gart anftingen sollen ? ! Entweder musste ich auf den Handel ein-
gehen , dann war ich den Sabel gleich los; oder aber, ich ware thd-
richt genug gewesen , sein Verlangen hOflich abzuweisen *), dann
hatte ich, wie oben dargelegt, den ganzen Zweck meiner Reise
wahrscheinlich vollstandig verfehlt, und wenn auch nicht der
Emir selbst — denn diesen wollte ich von dem Verdacht durchaus
freisprechen — so doch sein gleich nachher zu schildernder
1) Dieieo Sabel tragt Konig Wilhelm auf dom in Wurttemberg noch viel?erbreitet«n Bild,
wo er abgebildet iit ilehend in dem langen nittischen Rock, im Uintergrunde die Peldjiger —
ebenao auf der bronxenen Keiteratatue im Schlow in Stuttgart.
2) Daa hat dem Afrfca-Rdaenden Ednard Vogel iu Wara in Wadai daa Leben gekoatet, ala
er dem dortigen ilerreoher aeinen dnnkelfarbigen Hengat verweigerte.
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Vetter Hamud el-c0b6d hfttte in den von Habsucht schlaflosen
Nachten von Ungeduld gestachelt, schon ein Mittel gefunden,
dass mir im Verlauf meiner Reise von ungefahr ein Ungluck
zugestossen ware, bei dem ich den Kopf und damit von selbst
den Sabel verloren hatte. Somit konnte ich froh sein , jenen
Sabel ungefahrdet in Strassburg zu wissen.
Nachdera der Fflrst in guter Laune uns verabschiedet hatte, wur-
den wir in einen anderen Theil des Palastes zu seinem Vetter
Ha mud el -'0 bed zum Besuch geschleppt. Er ist der Sohn
des e0b€d mit dem Beinamen „des Wolfes" (S. 69. 167) und hat von
diesem manche Eigenschaften geerbt , doch ist er vielleicht etwas
weniger kriegerisch grausam veranlagt , als sein Vater. Ein bigot-
ter Wahhabite tragt er seine FrOmmigkeit gerne zur Schau , und
hat dabei die widerwartige Gewohnheit, bei jeder Pause in der
Unterhaltung from me Formeln ') zu murmeln : er sagt da z. B.
mit Leichtigkeit 50-mal hintereinander halblaut Subhana'llah
Subhana'llah etc. (,Gott soil huten!") oder Istarfir allah, istar-
fir allah etc (,ich bitte Gott um Verzeihung"). Neben der blos-
sen Gewohnheit lauft naturlich auch eine gute Gabe Heuchelei
mitunter, was zu seiner Hinterlist ein wflrdiges Gegenatuck
bildet. Von den Armen wird er um seiner Freigebigkeit willen
gepriesen, und Doughty konnte in ihni einen wohlwollenden
Beschdtzer erblicken. Er ist die rechte Hand des Fursten und
bestandig in seiner Nahe; als dem zweiten Mann im Reiche
wagt ihm Niemand zu widersprechen oder etwas abzuschlagen.
Seine Habsucht ist grenzenlos, geradezu kindisch: so soil er
in seiner Wohnung mehr als 200 Taschenuhren bei einander
haben, die er so ziemlich alle durch sein ewiges Dranherum-
stupfen caput gemacht hat Dem Emir muss ich das Zeugniss
geben, dass er, nachdem er die Repetirgewehre erhalten, nie
mehr auch nur das Geringste von uns verlangt hat, wahrend
sein Vetter Nimmersatt sich nicht schamte, tagtaglich hOchst-
selbst oder durch fremde Personen bei uns zu betteln. Der
i) Eiaeo noch irgeren Mnrmelbold Uiocr Gaitunp h»be ich spater in Caatell za el-Hcgr go-
troffen.
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ACUTE? CAP1TET-.
Emir halt, abgesehen von Waffen, nicht viel auf europaisches
Machwerk, das i3t ihm gleichgtlltiger Tand; sein Vetter hinge-
geD , wenn er schon alle erreichbaren eiiropaischen Artikel hat ,
erdenkt sich noch die Existenz von unerfundenen , und bettelt
wenigstena versuchweise darum. Es fiel mir daher oft recht
9chwer, meinen Abscheu gegen diesen Menschen zu verbergen,
der durch ein sussliches Grinsen seine widerwartigen Eigen-
schaften nicht ertriiglicher machte. Dazu hatte ich noch meist
die Ehre und das Vergnilgen, direct neben ihm zu sitzen. Im
Gegensatz zum FQrsten (S. 172) ist er mit Sflhnen reicb gesegnet ,
von denen der alteste, Magid, zum kunftigen Thronfolger
ausersehen ist. Da anzunehmen war, dass der Emir seinem
Vetter doch das eine Mauser-Repetirgewehr uberlassen werde,
so wurde dieser bei dem heutigen Be9uch nur durch einen
Mauser-Revolver, eine Solinger Klinge und eine Flasche Schnupf-
tabak l) aus der kaiserlichen Strassburger Tabaksmanufactur
zu Strassburg erfreut.
Von hier weg nahm uns der Prinz cAbderaziz ibn Metcab
(S. 176) in Beschlag, far den wir aber keine Geschenke bei
uns hatten. In seinem Empfangsraum war es hell und behag-
lich; eine gut gehaltene Rococo-Standuhr und ein bronzener
Samowar zeugten von gewisser Cultur. Er Hess Rahwah helu
und Thee serviren.
Ganz wohl wurde mir erst, als ich das Thor des £a§r im
Rucken hatte, und nach eigenem Geschmack meine Gange ein-
richten konnte. Ich war neugierig, den Waffenschmied Ran em
ibn Bani aufzusuchen, einen Manu, dessen Name fur die
Beduinen im ganzen Negd und druber hinaus der Inbegriff aller
Kunstfertigkeit ist. Ich traf ihn sammt seinem zwanzig-jahrigen
Sohne Muhammed beim Geschafb in der Werkstatt; da sass er,
mit zwei VergrOsserungsbrillen auf der Nase und arbeitete mit
elenden Werkzeugen an der Ciselirung des silbernen Beschla-
ges einer Sabelscheide. Natarlich wollte er gleich aufstehen , urn
l) Dinen hatte er lich ron Huber bei seiner crsten Aawetenheit in Hijel fur den Fall »einer
Wicderkehr ausgebeten.
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HfcEL. 189
mich in das Erapfangsziminer fflhren und konnte es kaura ver-
winden, dass ich vorzog, ihm bei seiner Arbeit zuzuschauen.
Es war eigentlich un-
klug Von mir, so viel
Interesse und Bewun-
derung fur ihn zu
zeigen, noch unvor-
sichtiger aber war es ,
ihm zu erOffnen , dass
ich zehnraal bessere
und vollkommenere
Werkzeuge aller Art
bei mir rahre und
ihm gerne das eine
oder andere Stock
schenken wolle. Der
Mensch hat sich nam-
lich von da ab, trotz mehrfacher Beschenkung, mir wie eine
Zecke angehangt, bis ich ihm unverblilrat zu verstehen gab,
dass ich furderhin keine Besuche von ihm wflnsche, und auch
nichts weiter mehr an ihn zu verschenken habe. Sein Sohn
Muhammed hat von ihm alle Kunstfertigkeit geerbt, nur in
der Bettelei steht er ihm nach, da kann er noch manches
von seinem Vater lernen. Eben dieser junge Mann gieng mit
mil- nach Hause , um im Auftrage des Emir die Patronen , je
300 Stuck ftir die beiden Repetirgewehre, abzuholen. Ererklarte
sich im Stande , die Metallhulsen der Patronen jedesmal wieder
frisch zu fallen und mit neuen Zflndhutchen zu versehen, so
dass jede HQlse zum mindesten zehnraal gebraucht werden
k6nne. Den Mechanismus der Gewehre begriff er autfallend
rascb, jedenfalls rascher als ich seiner Zeit; nach kurzer An-
leitung verstand er es , das Schloss auseinanderzunehmen ,
zu putzen, zu spannen und wieder einzufuhren. Zugleich
handigte ich ihm verschiedene Werkzeuge ein, die zu dem Ge-
wehre gehOrten ; bloss die Putzburste lehnte er mit dem instinc-
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190
tiven Gefuhl und Abscheu aller Muslimen gegen jede Burste
(wegen der Schweinshaare !) beharrlich ab , und versprach , auch
ohne Barste das Gewehr sauber und staubfrei (?) halten zu
wollen. Zur Annahrae des guten Schweineschmalzes behufe Ein-
fettung konnte ihn nur die Versicherung bewegen, dass diess
kostbarer Hirschtalg sei. Einen netten Kugelgieser far das Kali-
ber der Gewehre hat er wenige Tage nachher in Messing ge-
g09sen und erstaunlicb sauber ausgefQhrt.
Da gleich beim Eintritt in unser Haus Besucher und Kranke
aller Art nachdrilngten , fluchtete ich, sobald Muhammed ibn
Ranem abgefertigt war, aufs Dach, um dort ungestOrt auch
nur die allernothdurftigsten Notizen uber gestern und heute
festzulegen. In den zwei Tagen hatte ich so viel Neues gesehen
und erlebt, dass ich fttrchten musste, die richtige Aufeinan-
derfolge zu verlieren, oder Einzelnes ganz zu vergessen. Erst
Nachmittags wurde das Haus besuchsfrei, und wir benutzten
den Augenblick, uni einen Freund Hubers von froherher auf-
gerischen Vater des Hamad in hohen Ehren: er verwaltete
dessen VermOgen und vermehrte es mit Erfolg, hatte alle
Schlassel seines Hauses unter sich, begehrte nichts fur sich
zusuchen , den e A b-
dallah el-Mus-
lim ani. Urspran-
glich Jude, war er
vor 15 Jahren von
Baghdad als Elia
ben Rahamin nach
Hajel abergesiedelt
und daselbst zum
Islam abergetreten.
Kaufmann seines
Zeichens und erfah-
ren in Geschafts-
sachen stand er bei
el-cObed dem krie-
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H&JEL. 191
und genoss das unbeschrankte Vertrauen des ^Wolfes". Wenn
der e0b6d nach $efar ritt, war Abdallah sein Begleiter auf
feingeschirrtem Ross mit gestickter Satteldecke. Was Wunder
dass er viele Neider hatte. Mit des cObeds Tode batte aber auch
die Herrlichkeit ein Ende: in derselben Minute, wo der Alte
die Augen schloss, hat der Sohn Qamud dem cAbdallah die
Schlussel abgenommen und ihn aus dem Palast gejagt. Von
den Grossen und Kleinen des Landes wurde er nicbt mehr ge-
grusst, kaum angesehen; er war wieder ein einfacher Kramer ge-
worden. Doch hat er in der Stille der 13 Jahre filr sich selbst
gearbeitet; durch fleissigen Umtrieb seines Geschftftes, durch
Darlehen an Geld und Fruchten, welche er den sesshaften Be-
duinen gewahrte, hat er sein Vermogen dergestalt vermehrt,
dass er zu ftefar und eAfcdeh allmahlig grosse Garten und Hau-
ser sein eigen nennen kann. Leider kann er sich seines Besitzes
nur in beschranktem Masse erfreuen. Seinen Heichthum zu
zeigen wird er sich wohl huten; verkaufen kann er die Guter
nicht, oder .wenn er sie auch zu Geld machen ktinnte, was
sollte ihm dieses in pajel nutzen? Weder der Emir, noch viel
weniger sein Vetter yamud, wurde ihm je gestatten, das
Mark des Landes auswarts zu verzehren; das Geld soli im Lande
bleiben. Jedenfalls nur mit Hinterlassung und Aufgabe seines
liegenden Besitzes kOnnte er hoffen, aus dem Schammar-
Gebiete wieder abziehen zu dflrfen. — Den Weibern ist er stark
zugethan, wie aus den eigenen Erzahlungen seiner Abenteuer
hervorgieng, und er ist einer der wenigen zu Hajel, die sich
den Luxus von zwei Frauen gestatten. Seine Weltanschauung
ist begreiflicherweise viel weiter als die bed uinische, seine Sitten
sind gehobelter und freigeistiger, und das angenehmste an ihm *
ist, dass er nicht bettelt; in einer grossen Stadt aufgewachsen ,
wo nicht nur Araber, sondern Turken Perser Inder, selbst
Europaer verkehren , hat er doch manches gesehen und geh6rt ,
das er gerne in der Erinnerung und im Gesprach an sich vor-
uberziehen lasst. Huber hatte desshalb schon bei seinem ersten
Aufenthalt mit ihm als Freund verkehrt, und ihm wohl auch
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192 ACHTE8 CAPITEL.
manche kleine Dienste und Vergnugungen in der Stille zu dan-
ken gehabt. Das sollte diessmal nicht unbelohnt bleiben: ich
hatte auf Hubers Verlangen far ihn eine silberne Uhr mitge-
bracht und gleich heute fur die Begrussung zu mir gesteckt.
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ll'UKL.
193
Nach langer Pause kommt dieser Mann durch uns wieder zu
Gnaden und zu Ehren ; alle die vornehmen Leute , an der Spitze
Hamad el-cOb6d, die bei uns betteln und nicht zum Ziel ge-
langen , suchen sich bei c Abdallah wohl dranzumachen , sie laden
ihn ein und beschenken ihn in der Erwartung, bei uns besser
angeschrieben zu stehen, und weiter vorwarts zu kommen. Die
Auskunfte, die er uns gibt, sind zuverlassiger und unpartheii-
scher, als wir sie von irgend einer anderen Seite erhalten kSnnten.
Sein Hans unweit des unseren belegen, unterscheidet sich
von aussen in Nichts
von den gewOhnlichen
Hausern der Stadt; im
Innern aber war ich
erstaunt Qber den un-
gewohnten Aufwandan
Verzierung im Emp-
fangszimmer. Auf dem
braunen Grund der
Lehmmauern war eine
stark fingersdicke Kalkmasse aufgetragen , und aus dieser lezte-
ten daun die Verzierungen herausgeschnitten. Als solche waren
verwendet Spruche, mathematische Figuren, Lampen, Vogel,
vierfttssige Thiere, Menschen. Die grosseren Thiere hatten alle
durcbgeschnittene Halse, urn die Vorstellung der Belebtheit
und dadurch die Sundlichkeit der Darstellung aufzuheben. Der
Hausherr war sehr vergnQgt aber unsera Besuch und uber die
18
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194
ACHTES CAPITES.
Uhr die ich ihm mitgebracht. Wir blieben nur kurz da, tran-
ken einen Cafe und rauchten eine Wasserpfeife.
Bei Sonnenuntergang mussten wir einer Einladung zum Essen
in das Haus des ITamud el-Migrad folgen, woselbst sich ausser
uns zum Abschiedsmahl uoch sammtliche Gefahrten , die mit
uns die Iteise vom Gyof hieher gemacht hatten, einfanden.
Dem Gastgeber verehrte ich einen Kugelgiesser; statt sich zu
bedanken fragte er, ob er nicht die dazu gchftrige Flinte be-
kointnen k5nnte; ich bemerkte ihm, er sei bereits in deren
Google
M&JEL.
195
Besitz, denn die von ihm zu giessenden Kugeln werden in Lauf
der geschenkt erhaltenen Steinschlossflinte passen.
Die Hoffnung, den Abend in Rune zu Hause verbringen zu
kCnnen , war vergeblich : kaum zu Hause angekommen wurden
wir durch Hamad el-Migrad in den ]£a§r abgeholt. Der Emir
erkundigte sich, ob wir keine Wnnsche und Bedurfnisse hatten;
ich bat urn einen der Fliegenwedel , welche im Saale an der
Wand hiengen; anknflpfend daran schenkte er uns noch andere
Sachen , die gerade bei der Hand waren , so z. B. acht Kameels-
stftcke aus Ithelholz, zwei hOlzerne eingelegte Rosenkranze,
drei ausgesucht schdne Bernsteinketten , sowie eine raessingene
Schale. Urn ein Kleines hatte er auch zwei Sabel mit silber-
nem vergoldetem Beschlag dazugegeben, sie waren ihm nur
etwas zu gering far uns, er stellte dessbalb far spater sch6nere
in Aussicht, hat es aber wieder vergessen. Seinem Verlangen,
Bilder zu sehen, entsprach ich durch Vorzeigung einer Anzahl
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ACUTES CAI'ITKL.
von Holzschnitten , die ich als Zeicbenvorlagen auf die Reise
mitgenommen hatte. Die Darstellungen waren aber fur das
weitsichtige Auge etwas zu klein und fur seine Gewohnheit etwas
zu verwickelt. Hamad el-eObed hatte so wenig Fassungsgabe ,
dass er ohne Ahnung von dem abgebildeten Gegenstand die
meisten Blatter verkehrt in der Hand hielt und bewunderte.
Es war mindestens neun Uhr vorbei, als wir den #asr vor-
liessen. Eine auffallende ROthe, die rair zuerst wie ein Nord-
licht vorkam, zeigte sich am Nachthimmel , und zwar wie ich
erst bei Tag feststellen konnte, in der Richtung gegen Westen.
Noch regelmassig 14 Tage lang sehr kraftig, spaterhin allmah-
lig schwacher werdend , machte sich diese unerklflrliche Erschei-
nung bernerkbar. Ich konnte damals keine Ahnung haben von
dem Ausbruch des Vulkans Rrakatau in der Sundastrasse (27.
August 1883), und von den in seinem Gefolge auftretenden
Nachdammerungs-erscheinungen.
Als wir ebon in unsre Strasse einbogen, lauerte bereits
Ranem an der Ecke, urn uns noch einen Besuch abzustatten.
Er hatte vergeblich gehofft, dass ich inzwischen Zeit gefunden
hatte, die Kiste mit den far ihn bestimmten Werkzeugen zu
Oflhen. Er blieb da bis 11 Uhr.
Di. 23. Oct. 1883] Morgeos eine Stunde vor Sonnenaufgang
bei Hamad el-'Obed, dem Vetter des Farsten, einen Besuch
gemacht. Bei der Rackkehr nach Hause trafen wir die Prinzen
Magid und 'Abd el-'aziz an. Sobald diese sich wieder entfernt
hatten, suchten wir den cAbdallah el-Musliniani auf, welcher
uns mit feinein Brod , nach Baghdader Art gebacken , bewirthete.
Kaum wieder zu Hause angelangt sollten wir einer Einladung
zu dem Watfenschmied Ranem ibn Bani Folge leisten. Ich liess
mich entschuldigen wegen meiner Fusswunden, die ich eben
mit Carbolwasser behandelte, wurde aber durch Zusehdung des
Elssens beehrt. Im Laufe des Tages ununterbrochener Besuch
von Tagtodschlagern aller Sorten, audi von Kranken, die von
Huber Arznei verlangten. Ich flachtete mich, wie gestern, aufs
Dach, um nur auch einige Minuten ungestort meine Aufzeich-
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H&JEL. 197
nungen machen zu kOnnen. — Von Hamud el-cOb6d liessen wir
Bettstucke (abgesteppte Decken) und Armkissen erbitten. —
Da ich im Sinn habe, die Mauer unsres Empfangszimmers
(Saliawah) mit Sprnchen und Gemalden zu bemalen, so liess
ich zunachst die braunen Lehmwande von unten herauf bis
zur HOhe von zwei Meter mit weissem Kalk bestreichen.
Gegen Abend schickte der Emir nach uns , urn uns das Schloss
zu zeigen und um seine Pferde vorzufubren. Ich veratehe
nicht viel von Pferden und will dessbalb auch nichts fabeln
von den berflhmten arabi3chen Pferden , fiber die schon so viel
von Berufenen und Unbernfenen geschrieben worden ist. Nur
mflchte ich verschicdenen weitverbreiteten IrrthQmern entge-
gentreten. Vor Allem bitte ich mir zu glauben: die Anzahl
der Pferde in Inner- Arabien ist eine uberraschend geringe. Ira
Ganzen konnen allerhochstens 500 Stuck im Negd gezahlt wer-
den, die mit Ausnahme von 30—40 samrnt und sonders im
•
Besitz des Emirs und seiner Farailie sich befinden. Wohl mOgen
noch vor 40 Jahren etwa 100 Stuck mehr im Negd vorhanden
gewesen sein; eAbbas Pascha von Aegypten, ein grosser Lieb-
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1 r
198 ACHTES CAPITOL.
haber von edlen Pferden , hat aber dazumal was er irgend an
guten Thieren erreichen konnte durch seine dorthin gesandten
Handler zu unglaublich hohen Preise aufkanfen lassen. Leider
sind die etlichen 80 nach Aegypten verbrachten Thiere unter
den veranderten Daseinsbedingungen ganzlich aus der Art ge-
schlagen, haben auch, in Folge des reichlichen Grunfutters im
Nildelta, durchweg dicke Halse bekommen, und zulezt Qber-
haupt ihre gepriesenen Tugenden so ziemlich eingebusst. Von
einer eigentlichen Pferdezucht ist im Negd nicht die Rede;
da wird Alles der Natur selbst uberlassen, wenn nnr die Race
d.b. der Stammbaum rein ist. Den Ruhm der arabischen Pferde
haben im Grunde die Dichter besorgt und zu verantworten ;
besungen wird was selten, kostbar, hervorragend ist Und da
ist zu bedenken, die Vorzuge des arabischen Pferdes sind in
erster Linie relative, gegenuber den nach vielen Tausenden
zahlenden Eameelen. Im Kriege, beim Angriff und bei der Ver-
folgung, oder als Retter auf der Flucht, ist das Pferd, nicht
an Ausdauer, aber an augenblicklicher Kxaftleistung , Schnel-
ligkeit und Lenkbarkeit dem feinsten Delul weit uberlegen;
seine Leistungen werden darum von der dichterischen Phanta-
sie gern aufgegrifFen , zumeist aber ubertrieben. Die paar hun-
dert Pferde des Fttrsten stehen das ganze Jahr in den besten
und wasserreiehsten Waidegranden 5 bis 10 Tage im Norden
(und N. 0.) von der Residenz Hajel, und haben sich da mitdem
gewOhnlichen Wustenfutter zu begnugen, wie es die Kameele
und Schafe auch haben. So bald aber auch nur an den ent-
ferntesten Granzen des Reiches ein Raubzug vermuthet oder
gemeldet wird, werden die kostbaren Thiere sofort ein paar
Tage naher an die Residenz herangezogen. Fuhrt der Emir
selber einen Raubzug im Schild , dann werden die Pferde wochen-
lang vorher taglich mit ein paar Handvoll Gerste gefuttert;
und sezt sich der Raubzug (Razu) mit 3 — 4000 Theilnehmern
zu Delul in Bewegung, so werden in den 8 bis 10 Tagen seiner
Dauer, bei taglich 20 bis 22 stundigem Marsch, die Pferde
lose neben den Kameelen, die far sie noch Wasservorrath und
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H&JEI..
199
Gerste tragen mussen, hergefahrt und erst im Moment des An-
griffs und zur Verfolgung bestiegen. — Ganz anders freilich
sieht es mit den Pferden aus bei den Beduinen ausserhalb des
Negd , also z. B. bei den 'Anezeh , Rualah , Wuld f Ali , die , in
der syrischen Waste gegen den Euphrat zu wohnend, gansti-
gere Futter- und Wasserverhaltnisse haben; bei diesen kann
von einem gewissen Reichthum an Pferden die Rede sein, aber
dafur wohl ura so weniger von Reinheit der Race. Uber diesen
lezteren Punct steht mir indess kein Urtheil zu.
Und nun zu den Pferden des Farsten. In dem grossen einen
ganzen Stadttheil mit fortlaufenden Mauern bildenden Bauge-
t'dge des Scblo9ses befinden sich auf der Nordseite eine Anzahl
Hofe mit den Stallen. Dorthin begaben wir uns unter Fahrung
des Emirs in grosser Begleitung der Prinzen. Da standen im
Freien die Pferde, nach Alter und Oeschlecht getrennt , an den
Fussen angebunden, und mit scbweren Teppichstucken zuge-
deckt. Auf einen Wink des Farsten wurden die Teppiche abge-
nommen , und wir sollteu nun unser Urtheil abgeben. Der erste
Eindruck war nichts weniger als gunstig: die Thiere waren
erbarmlich mager, unansehnlich , wenig gepflegt. Etwas un-
geduldig uber unsre Zuruckhaltung drangte der Emir zu einer
Ausserung. Ich erklarte ihm vor Allem, ich verstande nicht
genug von der Sache, doch scheinen mir die Thiere durchweg
von der edelsten Race. Bestatigend erklarte er mir einige
Hauptkennzeichen der negdaischen Race. Zu einer Vergleichung
mit europaischen Thieren aufgefovdert , erlaubte ich mir zu be-
merken die Pferde im Christenland seien jedenfalls an Grflsse
uberlegen. „Ja das ist leicht mOglich, dafar wollen sie mehr
fressen und kdnnen keinen Durst ertragen; weiche Pferde aber
kOnnen wir in unsrem Lande nicht brauchen." Damit mochte
er nicht so Unrecht haben ; an Harte und Ausdauer werden
die Pferde im Negd , ebenso wie ihre beduinischen Herren, kaum
zu Obertreffen sein. — In einem andcren Hofe wurde reich ge-
sattelt und geschirrt ein grosser schwarzer Hengst vorgefuhrt,
den ich unverhohlen bewunderte. Der sei aber ein §aVlawi aus
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200
AOHTE5 CAPITF1..
Mesopotamien stammend. Abgetrennt von da befanden sich in
einem grossen Raum ein Dutzend Fohlen. Nach landlaufiger
Sitte waren ihnen, wie alien Pferden unter drei Jahren, die
Schwanzhaare vollstandig abgeschnitten , so das9 nur die kahle
Uabe iibrig war. Was das far einen Zweck hat , weiss ich nicht ;
jedenfalls ist der Anblick for den Ungewohnten geradezu lacher-
lich. Zulezt wurde uns noch in einem kleinen Hofe das Lieblings-
Delul des Farsten, eine Stute von der Race Nocraanijjeh, ge-
zeigL Das Thier, erst seit heute einen neuen Schmuck tragend,
namlich im rechten Nasenflugel eingeschraubt einen stattlichen
in Silber gefassten Turkis, mochte allmahlig zu der Uberzeu-
gang gekommen sein, dass das sehr schon sei, war aber doch
nicht ganz mit der Neuheit befreundet, und drehte dessalb von
Zeit zu Zeit den Kopf auf die Seite, um besser auf den Turkis
scbielen zu konnen.
Von den Pferden giengs weiter in den verwahrlosten S c h 1 o s s-
garten; zwischen Palmen wuchsen, zur blossen Zierde, zer-
streut noch einige andere Baurae , Feigen-, Citronen-, Orangen-,
Granaten-, Pfirsichbaume. Zur Bewasserung wurde das nOthige
Wasser aus einem 17 Klafter ') tiefen Brunnen durch drei
Kameele emporgezogen. Zu anderen Zeiten hielt der Emir in
einem eingehegten Theile des Gartens einige Thiere, wie Gazel-
len, Steinbocke, oder auch Baljar al-wahsch (grosse weisse
Antilopenart), hat sie aber, zum Theil wegen Bfisartigkeit , wie-
der abgehen lassen.
Nicht ohne Stolz wurde uns dann die Schlosskuche ge-
zeigt, in der gich 7 Kupferkessel befanden, geraumig genug,
um in jedem das Fleisch von einem ganzen Kameel sieden zu
kCnnen. Fur gewOhnlich werden taglich im Durchschnitt 150 —
200 Menschen im Rasr gespeist mit Schaffleisch und Reis *)
aus dem Irak. Es gibt aber Zeiten — z. B. kurz vor dem Auf-
bruch zu einem Raubzug, oder wenn die persische Pilgerca-
1) BA', g^prochon: BA'».
- >
2) 0**° W 'J*mw>; nnr dcr »nJi»che Reis heiwt: y} row
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201
rawane durchkommt — wo an mehreren auf einander folgen-
den Tagen 800 — 1000 gespeist werden. — Am Gefangniss *)
voruber, einem gewShnlichen Lehmziegelbau , der hinter der
offenstehenden Thnre .nur ein paar gekerbte Balken aufwies ,
(um Verbrecher in den Block spannen zu konnen), verliessen
wir das Schlos9 durch ein Thor auf der S. W. Ecke. — Auf
dem ganzen Gang zu den Pferden, und jezt schliesslich noch
hinauf in den £aMwah des Emirs hielt mich der junge Prinz
eAbdelaziz an der Hand. Er schien grosse Zuneigung zu mir
gefas9t zu haben, und lud mich dringend ein, bald zu ihm zu
kommen. — Far den Abend blieben wir merkwflrdiger Weise
von alien Besuchen unbelastigt.
Mi. 23. Oct. 84] Morgens wurden wir abgeholt von Hamud
el Migrad auf den Mes-hab d.h. auf den grossen freien Platz
vor dem Schloss. Da war feierlicher Meglis oder allgemeine
Versammlung vor dem Emir. Langs der Mauer am Scbloss
sassen auf den erhflhten Lehmb&nken der Emir mit seinem
Hofstaat, weiterhin nahmen wir unsren Sitz, etwas tiefer auf
dem freien Platz im Halbkreis sich anschliessend die Zuschauer
und Zuhorer , alle auf dem Boden hockend , jeder mit dem Sabel
oder wenigstens dem Kameelstecken vor sich. Beim Meglis
erscheinen uneingeladen regelmassig alle in der Stadt Anwe-
senden , die sich nach unsren Begriffen zur guten Gesellschaft
rechnen, oder wer einen besonderen Grund hat sich zu zeigen,
wer ein Anliegen personlich vortragen will und dgl. Der Furst
sieht sich die Leute an, empfangt Boten, erOffnet Briefe, und
theilt davon laut mit, was ihm gutdflnkt, er nimmt allerlei
Betteleien auch Ge3chenke entgegen, schlichtet Streitigkeiten ,
spricht Recht N.B. ohne alle Akten und Schreibereien , da ja
sammtliche Vorstrafen eines Individuums jedem Volksgenossen
bekannt sind. Unter den Vergehen kommt am haufigtiten
Diebstahl vor: es tritt einer vor und zeigt an, dass ihm von
dem und dem Menschen ein paar Schafe oder Kameele gestohlen
1) IUU u-jJ*.
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202
ACIITES CAPITEL.
worden seien. Der Emir verspricht ihm, fur Ruckgabe oder
Ersatz zu sorgen, und lasst den Schech des Stammes, welchem
der Dieb angehOrt, davon in Kenntniss setzen niit der Bemer-
kung dass er die Sache ins Reine zu bringen habe. Diese ein-
fache Anzeige schliesst dann stillschweigend in sich die Drohung ,
dass im ZOgerungsfall der betrefFende Schech sammt seinem
Stamnie bei der nachstjahrigen Vertheilung der Waidegrflnde
einen schlechteren Bezirk als bisher werde zugewiesen erhalten.
In der heutigen Versammlung trat einer vor, der gestern
Abend von einem Andern durch Stockhiebe oberhalb des linken
Auges eine Wunde erhalten hatte, und dazu sein blutiges
Hemd als erschwerende Anklage vorwies. Der Emir bemerkte
bloss, er wisse schon davon, ab! Darnach wurde etliche Kerle
vorgefuhrt, syrische Deserteure aus der turkischen Garnison
§anea im Jemen; sie trugen statt aller weiteren Kleidung nur
Hemden, ganzlich zerfezt und elende Kopftucher; dafur erhiel-
ten sie neue und noch ein Geldgeschenk , sowie die Zusage,
dass sie einige Tage hier gefflttert werden sollten (vgl. S. 103 ff.).
Nach einer halben Stunde war der Meglis beendet. Der Emir
stand auf und lud uns ein, ihm zu folgen. An das Schloss
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h&jel. 203
anstossend ist die Wohnung des Finanzministers Sebhan. Dort
stiegen wir in den oberen Stock zu einem Saal (Roschen)
der nur schmale in der HOhe des Fussbodens befindliche Lucken
auf der Seite gegen die Strasse bot. Der Emir drehte sich, so
oft. er etwas Besonderes drunten horte, plozlich herum, und
rief irgendwas zu der Lucke auf die Strasse hinab. Nach Kur-
zem wurde durch den Suk: (Markt) eben der Mensch daher ge-
sehleppt, der gestern Abend seinen Genossen geschlagen und
verwundet hatte ; der Emir gab zu der Schiessscharte hinab den
Befebl, den Kerl mit einem Prugel durchzuhauen. Das wurde
auch gleich besorgt. Von meinem Platz aus konnte ich den
Vollzug nicht sehen, wohl aber horte ich die Prugelei und ein
grosses Geschrei; doch schon nach wenigen Stockstreichen ge-
lang es dem Missethater wieder auszureissen. Der Emir kam
dann auf meine Inschriften zu sprechen und schrieb mir eigen-
handig in mein Notizbuch ein paar Namen von Ortlichkeiten ,
wo sich auf den Felsen Inschriften fin den sollten ; er wolle mich
einmal dorthin filhren lassen.
Auf drangendes Zureden begaben wir uns von da in das
Haus des IJamud el-eOb6d (S. 187 f.) in eine langweilige Ge-
sellschaft. Dieser infame Heuchler liess wieder die Kugeln seines
Rosenkranzes durch die Finger gleiten und frGhnte seinem from-
men Gemurmel. Er hat mich heute so schmahlich geargert
durch seine Zweifel an unsrer Wahrhaftigkeit , dass ich mir
vorgenommen habe, nicht sobald wieder einer Einladung dorthin
Folge zu leisten; er fragte namlich nicht nur uns, sondern zur
Sicherheit auoh noch unsern zufallig eingetretenen Diener
Mahmud, ob das wirklich alle unsre Patronen zu den zwei
Mausergewehren gewesen seien, die wir abgeliefert hatten (S.
185 f. 189). Ich winkte Huber mit dem Auge, wir verab-
schiedeten uns kurz und begaben uns heimwarts. Zu Hause
angekommen beklagte ich mich bei Hamud el-Migrad, unsrem
Adjutanten , aber diese Art der Ausfragerei , als ob wir Lugner
waren; ob wir etwa aus Geiz oder Vergnugen das nackte Blei
auf der weiteren Reise mit uns fahren wollten? Mit Thranen
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204
ACUTE* CAPITFX.
in den Augen setzte uns 5amud die Schwierigkeit seiner Stel-
lnng auseinander; er bekomme von beiden Seiten nur die
Vorwurfe, im Schloss halte er es als unser Reisegefahrte far
seine Pflicht, uns immer zu vertheidigen , dabei musse er sich
vom cOb£d sagen lassen, dass er nicht genug aus uns furs
Schloss (d.h. far ihn) herausschinde , und jezt uberfalle ich ihn
mit solchen Klagen. Bei seinem Zwiespalt der Pflichten kam
er mir vor wie im Nibelungenlied der Markgraf Rildiger von
Pechlarn. Diesen unerquicklichen Erorterungen wurde ein Ende
gemacht durch eine Reihe von eintreffenden Besuchen; zuerst
kam der Finanzminister Sebhan mit seinem Sohn Na§ir, dann
der nasenweise Prinz Magid rait Gefolge. Ich hatte nicht mehr
Zeit genug, meine Mezwedeb (Reisetasche vom Kameel) bei
. Seite zu schafi'en, und so schuttete er den ganzen Inhalt auf
den Teppich aus, und stflberte alle sich darin vorfindenden
Kleinigkeiten durch, in der Erwartung, ich werde sie ihm
verehren. Ich blieb steif wie ein Bock. Gegen Mittag gabs
endlich Ruhe.
Nachmittags malte ich auf die Wande des ?ifhawah (des
Empfangszimmers) auf eigens hergestellten weissen Grund mit
rother Farbe in grossen, ein Fuss hohen, arabischen Buchsta-
ben folgenden Spruch aus dem $oran (Sure 2, Vers 59):
„Siehe diejenigen, welche glaubig sind (Muslimen), und die-
jenigen welche der jQdischen Religion anhangen, und die Christen,
und die Sabier, wer an Gott glaubt und an den jungsten Tag,
und gute Worke thut, denen steht ihr Lohn bevor bei ihrem
Herrn, sie haben niehts zu fnrchten, und werden nicht betrubt
werden."
Gegen Abend begab ich mich allcin vor die Stadt hinaus,
um ein Bild der Stadt Tlajel zu zeichnen.
Untenvegs traf ich einige S6hne von Hamud el-'Ob6d mit
zwei Jagdfalken, beidc gefesselt und die Lederkappe (Bo>kae
£Sjl) auf'dem Kopf. Schon war der Blick auf das Gebirge, in
welchem eben ein Gewitter sich zusammenzog.
Nach dem Nachtessen kam wieder der unvermeidliche , all-
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HiUEL.
mahlig uberlastige Ranera
(S. 188 f.), gleich darauf der
Schmied Husain. Ich vexier-
te sie mit der „orientali-
schen Frage", zwei gestiel-
ten und spielend in einan-
der geschobenen halbotte-
nen Messingringen. Sie woll-
ten sie naturlich mit Ge-
walt lflsen — was ja nicht
sein darf — und konnten
nur durch die Drohung,
dass Ihnen das Kunstwerk
unerklart entzogen wurde,
davon abgehalten werden.
Zulezt erschien noch unser
Reisebegleiter durch den
Nefud,der schwarze Ibrahim
(S. 116). Er war schon die
lezten Tage der Reise ver-
rflckt gewesen, und hatte
die Kameele und das Ge-
pack nicht mehr richtig
besorgt. Vor der Abreise
nach Damascus mit Hamud
el-Migrad, hatte er seine
Frau fortgejagt, und der
Emir hatte ihm verspro-
chen , ihm bei seiner Ruck-
kehr eine neue zu geben.
Heute Abend sollte die
Hochzeit sein , und er kam
nun, um sein zugesagtes
Hochzeitsgeschenk bei uns
zu holen.
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206 ACIITES CAP1TEL.
Do. 25. Oct. 83] Morgens schon vor Sonnenaufgang klopften
unermadlich Besuche an unsrer Hausthare; ebenso beharrlich
wurde unsrerseits das Haus verschlossen gehalten. Gegen 9 Uhr
erschien pl6tzlich ohne vorherige Anmeldung der Emir, urn uns
einen Besuch abzu9tatten. Den an die Wande gemalten Spruch
aus dem tforan bemerkte er sofort mit beifftlligem Nicken und
recitirte ihn laut. Ich verehrte ihm ein Reise-Necessaire , dazu
erbat er sich noch ein Bttchslein mit schwarzer Stempelfarbe.
Huber bat mich, dem Emir mein Koran -Exemplar zu verehren,
das in rot hen Maroquin mit Goldschnitt gebundeu war. Der Emir
wQnschte dann noch zu sehen, was wir an Bach era mitgenom-
men hatten. Dass wir heute noch diesen Besuch des Fursten
erhielten, war urn so hOher anzuschlagen , als er mit den Vor-
bereitungen far den in den nachsten Tagen stattfindenden
Raubzug (Razu) vollauf in Anspruch genommen war. Wohin
derselbe gehen soli, ist bis jezt noch Geheimniss, wahrschein-
lich ins Gebiet des Ibn Sa'ud gegen Rijad zu. Durch die uner-
wartete Einladung an demselben Theil zu nehmen, wurde ich
in nicht geringe Aufregung versetzt: trotz aller Strapatzen und
Entbehrungen , wie viel des Neuen und Interessanten hatte
uns ein solcher noch nie von einem Europaer mitgemachter
beduini3cher Kriegszug gebracht! Ich schwankte lange hin und
her, musste aber schliesslich mit Racksicht auf meine b6sen
Fusswunden erklaren , dass ich davon Abstand nehme. Huber
behielt sich noch die Theil nab me vor. Wahrend dieser Unter-
haltung wurde der Thee in zwei Henkeltassen und in zwei
kleinen japanischen gereicht. — Nachmittags kam der Prinz
MAgid, um die zwei japanischen far seinen Vater (den 'ObGd!)
zu verlangen. Auch meinen kleinen Revolver wollte er haben.
Diese freundlichen Rauber! Der Gott's Will es dauerte gar
nicht lange, da kam nach dem Nachtessen der gewandteste
Bettler Hamad el-MigrOd, um sich erkundigen (angeblich im
Namen des Emir) ob es nicht etwa unsere Absicht gewesen
sei , dem Emir das sechsbandige geographische Werk des Jakat
und die zwei Bande des Bekri zu verehren. Als ich veraicherte,
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207
o nein, das sei em Irrthum, da ineinte er, ich kOnnte ja
irgend einen Band davon als Geschenk hergeben. Auf meine
bestimmte Erklarung, dass ich diese zwei arabischen Geogra-
phen brauchte, wie das tagliche Brot, fiel ihm ein, er hatte
doch noch andere BCLcher bei uns geseheu. Ja, das eine ist
1001 Nacht, das hat der Emir selbst, und das andere ist das
Leben Muhammeds von Eastalani. Nun so gebet das Leben
Muhammeds und leihet uns wenigstens abwechslungsweise die
anderen Bande zum Vorlesen. — Abends hatten wir zunachst
Ruhe. Bald stand tfamad el-Migrad wieder da, bekam aber
diessmal eine gut einstudirte Predigt aber die Habsucht der
Schammar zu hdren, so dass wir fur heute vor weiteren
Zumuthungen verschont blieben. Ich muss immer wieder den-
ken, wie froh bin ich, dass ich den von Sr. Maj. dem Konig
Earl erhaltenen Sabel (S. 182) nicht mitgenommen habe; ich
glaube nicht, dass es mOglich gewesen ware, denselben vor
diesen" Elauen zu retten. — Noch in spater Stunde wurden
die bei einem Schuhmacher bestellten Sandalen abgeiiefert. Sie
waren schOn ausgefallen, und kosteten 3/4 Megidi das Paar.
In die meinigen hatte ich auf die Stelle des Fersens ein Stack
mitgenommener Geldborte einnahen .lassen , urn bei einem Be-
such etwa im Schloss, wo unter Umstanden 40—50 Paare
ganz gleich aussehender Sandalen im Vorzimmer abgelegt wer-
den , beim Fortgehen die gesuchten sofort herausfinden zu kon-
nen. — Nachdem schon den Tag aber verschiedene kurze Ge-
witterregen niedergegangen waren, trat Nachts lebhaftes Wet-
terleuchten auf, begleitet von heftigen Donnerschlagen , spater
platschender Regen.
Fr. 26. Oct. 83] Durch die Vorbereitungen far den Razu sind
alle Leute in der Stadt vollstandig Anspruch genommen, so
dass wir heute ziemlich sauberes Haus haben. Ich beniitzte die
Gelegenheit, um die eine Wand unsres Empfangszimmers mit
einer Landschaft in Leimfarben zu bemalen: im Vordergrund
stand ein hoher Wald von Dattelbaumen , um die dazwischen
hervor8prudelnde Quelle waren Beduinen in reichem Waffen-
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20S
ACHTES CAPiTEL.
achmuck gelagert, im Hintergrund waideten Kameele in uppi-
gem Grilnfutter.
Nachmittag3 4 Uhr begaben wir uns auf den Meshab. Wegen
des bevorstehenden Aufbruchs zum Riizu war der Platz trotz
des leichteu Regens uugewGhnlich belebt. Von einem guten
trockenen Sitze jagten wir zwei Beduinen weg und nahmen
deren Stelle ein , um von da ans das Treiben bequem beobach-
ten zu konnen. Da wurden Sacke herbeigeachleppt , Mundvor-
rathe aufgestapelt , Waffen ausgebessert , Sattel und Kleider
getlickt, Stricke entlehnt, Thiere gefuttert und getrankt. Ob-
schon vollgepropft mit Kanieelen war der Meshab doch sehr
sauberlich, weil der frisch gefallene Kameelsmist von kleinen
Madcben um die Wette sogleicb in K6rbe aufgelesen wurde,
uni nichts von dem kostbaren Brenn material verloren gehen
zu lassen. Da namlich die Gegeud um Hajel in einem Umkreis
von mehreren Stunden langst jeden Pflanzenwuchses im Freien
beraubt ist , so fallt es den unvermoglichen Leuten in der Stadt
immer schwer, sich auch nur das nothdilrftigste Brennmaterial
zu verschatfen. Wohl werden aus der WQste Kameelsladungen
voll I,latab ab und zu auf den Markt gebracht , aber die Ladung
mit einem halben bis einem ganzen Rijal (1 M. 60—3 M. 20)
bezahlt So viel Geld zu verauagaben haben jedoch in Hajel nur
wenige Familien. Darum wird den Kindern bei jeder Gelegen-
heit das Verdienstvolle der Jagd auf den Kameelsmist einge-
scharft. — An einem Thore des Schlosses wurde Geld an die
Beddrftigen unter den Theilnehmern an dem Razu vertheilt
(1 — 20 Rijal) theils um noch nothwendige Ausrustung zu be-
schatt'en, theils um die zurfickbleibenden Familien zu unter-
stutzen. Unweit von un9 hockte einsam ein fremder Beduine,
autiallig durch seine dunkelbraune Hautfarbe. Ilamud el-Migrad,
der geschaftig in dem Meuschenknauel herumkommandirte ,
ward herbeigewunken , und belehrte uns, das sei ein Eahtani,
Namens Salim ibn Fetnan au3 dem lyasim, dem sudlichsten
Theilc des Negd , absichtlich in der Stadt zuruekgehalten , weil
AngehOrige eines fremden wenn auch befreundeten Stammes
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H&JEL.
209
erst einige Tage jiach dem Auf bruch des Razu in ihre Heimath
zuruckkehren durften (S. 206). Huber wflnschte von ihra
Auskunft aber die Stamme und Gliederung der Rahtanl. Der
Mann bezeugte aber natarlich gar keine Lust hiezu, gab viel-
mehr zuerst gar keine, dann eine ausweichende Antwort, bis
ihra yamud begreiflich machte, wir seien vollkommene Gaste
des Schijukh, er durfe uns getrost jede geforderte Auskunft
ertheilen. Um nicht gestort zu sein und inn gesprachiger zu
machen, luden wir ihn zum Essen ein und bewirtheten ihn
reichlich. Seine dankbare Zufriedenheit bekundete er durch die
ablichen Rfllpser, und schickte sich an, im $ahaiwah selbst
eine g&nzliche Waschung seines Korpers vorzunehmen. Ange-
blich zu seiner Bequemlichkeit boten wir ihm an, diese Er-
frischung draussen im Hofe vorzunehmen. Gestarkt und gesiiu-
bert kam er nach langerer Zeit wieder herein , und liess sich
nun ziemlich willig aber alle Einzelnheiten seines Stammes
ausforschen. Unser schreibkundiger Diener Mali mud verzeichnete ,
wie bisher ublich , die Angaben des frahtani in Hubers Tagbuch.
Das Geschftft gieng Qbrigens nicht so glatt von Statten, denn
kaum hatte der Eahtani einige Namen genannt, so hielt er inne ,
und klagte aber das Wasser, das sich in seinem Kopf befinde , wir
sollten ihm doch die Arznei dafQr geben. Die Vorstellung der
Leute hier zu Land aber die Krankheiten und deren Heilmit-
tel ist ebenso einfach als naiv: jede Krankheit sitzt in eiuem
bestimmten KOrpertheil , und far jeden Korpertheil gibt es eine
besondere Arznei, die der Arzt nur aus der Kiste herauszu-
nehmen und zu verabreichen braucht. Eine besondere Beschrei-
bung der Krankheit oder personliche Vorfilhrung des Kranken
wird nicht fttr ndthig erachtet. Also von dem Kopfwasser woll-
ten wir erst nachher mit ihm reden; er solle nur einmal fort-
fahren , die Stammes- und 'Familienhaupter aufzuzahlen. Bis
die Angaben, immer wieder unterbrochen von den Klagen aber
das Wasser im Kopf, beendet waren, mag wohl eine Stunde ver-
gangen sein. Dann gaben wir ihm zum Abschied ein Portion
Sennesblfttter. — Nach ihm kam noch der Kameelshftndler
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ACHTES OAPITEI..
Husein (S. 116), und erbot sich, una Briefe uber Medina durch
den flagg nach Damascus zu befordern. Er wolle sie dieser
Tage abholen.
Sa. 27. Oct. 83] In aller Frfth kam £Abdallah el-Muslimani
und berichtete, vor der Eingangsthure unsrea Hauses sei eine
grosse Blntlache. Der gleich darnach eintretende Kameelshandler
yusein bestatigte es, und fugte hinzu, auf der Schwelle des
Hau9es, in dem er abgestiegen,9eidieselbeSchweinerei,auchdie
Thure selbst sei ganz rait Blut verschraiert. Die allgemeine Stimme
in der Stadt bezeichne die Maschahideh (die aus Mescbhed ein-
gewanderten persischen Kaufleute , in deren Quart ier unser Haus
belegen war) als die Thater, die gewiss aus Arger daruber, dass
wir sie verschiedenemal umsonst am Hausthor klopfen lieasen,
una diesen Schimpf angethan hatten. Derselben Ansicht war Mu-
hammed , der Sohn des Waffenschmieda Ranem. Kaum war dieser
junge Mann mit 4 Blechkapseln besten Schiesspulvers beschenkt
abgezogen, so erschien der Vater Riinfim, um auch far sich
Pulver zu erbetteln. Die Bemerkung, dass wir ja so eben sei-
nem Sohne 4 Schachteln voll gegeben hatten, wiea er mit
Entrustung zurQck: was wir seinem Sohne schenken, gehe ihn
nichts an! — Dem Kameelshandler tfusein wurden fur Uber-
nahme und Besorgung der Briefe in die Heimath einige andere
kleine Geschenke verehrt. — Zum Morgenessen schickte una
cAbdaliah trenliches Baghdader Brot , von seiner Frau gebacken ,
ferner Pistazien und eine Art Bonbons.
Der bisherige Haussclave Matar (S. 180) hatte Schwatzerzien
gemacht, und wurde darum heute durch einen anderen Namens
Khairullah ersetzt. Der Bursche ist aber wegen Dummheit achier
nicht zu brauchen: er versteht weder Huber und inich, noch
unsern Diener Mahmud, er weiaa gar keine Worte, und begreift
nur, wenn man Feuer oder Wasaer verlangt; seine hdchate
Fertigkeit beateht darin, mit Lehm und Sand die Locher im
Boden auazufQllen, und dann mit den affenartigen Handen
draufzupatschen. Da sind die zwei Sclavinnen, welche bei der
Kuche helfen, viel intelligenter.
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1I&JEL.
211
Gegen Abend meldete nam fid el-Migrad, der Emir erwarte
uns bei Sonnenuntergang zum Nachtessen. Wahrend Hamud
betete, kam der Wakil, der Bevollmachtigte unsres Hausbe-
sitzers, urn sich zu entschuldigen wegen der unsrem Haus
widerfahrenen Beschimpfung , er sei doch selbst Meschhedi,
kOnne aber nicht in Erfahrung bringen, von wem und aiis
welchem Grund die Sache verubt worden sei. Hamud unter-
brach sein Gebet fQr mehrere Minuten, um uber den Vorfall
zu verhandeln; erst nachdem der Wakil sich entfernt hatte,
8etzte er sein Gebet fort. Wenige Augenblicke nachher wurde
bei uns eine nette lebendige Gazelle abgeliefert, die der Wakil
uns als Geschenk ubersandte.
Als wir uns zum Emir begaben , war die Strassen ganz still :
die Hauptmasse der kampffahigen Leute war schon Mittags
unter Vorantragung der Fahne (Berafc) auf den Razu abgezogen.
Im Schloss trafen wir den Ffirsten in guter Laune; er scharfte
den zuruckbleibenden vier Wflrdentragern ein, far alle unsre
Wunsehe Sorge zu tragen. Briefe und Zeitungen, aus Medinab
eingetroffen, wurden vorgelesen, andere uns zum Lesen gegeben.
Die Mahlzeit bot eine angenehme Abwechslung in der Kost:
ausser Reis und Fleisch, wovon der Emir einige Stucke mit
den Fingern abriss und selbst uns vorlegte , gab es vorzQgliches
Fladenbrot und eine Art Fleischkuchlein in einer Bruhe. Mir
wurde wegen mangelnder Fingerfertigkeit ein LOffel gereicht.
Das Essen war nicht in der Hof ktiche bereitet , sondern stammte
aus dem Harim. Mit den besten Wflnschen fur den Erfolg des
Razu verliessen wir noch vor dem letzten Gebet das Schloss.
LI a mad el-Migrad begleitete uns nach unsrem Hause. Unter Be-
rufung darauf, dass ich inn ersucht habe, mich auf Alles auf-
merksam zu machen, was ich thnn und lassen solle, bat er
mich beim Abschied, auf die hiesigen Sitten mehr RQcksicht
zu nehmen: unter dem Einfluss der wahhabitischen Pfaffen sei
es hier zu Lande nicht gerne gesehen , wenn Einer seine Freude
laut aussere oder gar singe. In seiner Gegenwart konne ich
thun und treiben was ich wolle , ich mOchte aber in Anwesen-
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ACHTES CAPITOL.
heit von anderen Personen (ausser etwa noch des 'Abdallah
el-Muslimanl) ja nie mehr singen.
Zuletzt kam noch Muhammed ibn Ranem, urn una Aufkla-
rung und Entschuldigung fQr die Blutlache vor unsrem Hause
zu bringen. Er selbst sei unwissentlich offenbar der Tb&ter ge-
wesen: er musse am vergangenen Abend, in der Dunkelheit,
in einen groben Glas9cherben oder dergleichen getreten sein,
ohne es gespurt zu haben. Vor unsrem Hause stehend habe er
mehrmals vergeblich um Einlass geklopft; wohl sei es ihra vor-
gekommen, als ob er in einer Regenpfutze stehe und habe
dann die nasse [blutige] Hand , mit der er den Fuss abgewischt ,
an unsrer Thure trocken gerieben; weil er dann, wie auf das
wiederholte Klopfen nicht geflffhet wurde, vermuthet habe, •
wir bringen den Abend bei dem Kameelshandler Husein zu ,
so habe er sich vor dessen Hausthure begeben, wo er, abermals
in der Nasse stehend, sich Fuss und Hand an der Schwelle und
am Thore gereinigt habe, ura nicht etwa mit nassen Fussen
das Haus zu betreten. Nachdem er auch hier lange vergeblich
geklopft, sei er nach Haus zum Schlafen gegangen. Erst den
anderen Morgen habe er wahrgenommen , dass er eine Wunde
am Fersen habe. Dabei zeigte er seine Fusssohle vor: da war
ein 3 centimeter tanger und fast 1 cm. tiefer klaffender Schnitt
in der Sohlenschwiele. Da gehdrt doch ein gesundes Fell dazu ,
um so etwas erst am andem Tag zu merken!
So. 28. Oct. 83] Seit wir hier in yajel sind, hat das Wetter
winterliche Gestalt angenommen: der Himmel ist mehr oder
minder bewOlkt, auf den Kopfen des nahen Gebirges hangen
Nebelkappen , die glatten triefenden Granitwande schimmern ,
wenn ein Sonnenstrahl sie trifft, in fahler Silberfarbe durch
den leichten Spruhregen.
Heute in aller Fruh ist also der Emir mit den Vornehmsten
auf den Razu abgerftckt, und wird mit der tlbrigen Menge am
Gebel S6rra3 Abends zusammentreflFen. — Nach dem Morgenes-
sen beschlossen wir, bei dem Muttersbruder des Emirs, bei
Sliman el-Khoreischi , einen Besuch zu machen. Beim Oflfnen
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t
213
der Hausthure trafen wir auf einige unvorbereitete Weiber, die
mit grossem Geschrei die Flucht ergriffen. Im oberen Stock
(R6schen) des Hauses wurden wir empfangen, und mit Datteln
von wunderbarer Sttsse bewirthet. Die hellen hOlzernen Thuren
waren habsch mit Eisen beschlagen, und alle mit rotben und
schwarzen Verzierungen bemalt. Ich gebe als Probe das Thur-
lein am $ser (S. 85) in dem Atlas.
Fur den Abend hat 'Abdallah el-Muslimani uns ein feiDes
Gastessen bereitet , und zur ErhGhung der Feierlichkeit die sil-
berne Uhr angehangt, die ich ihm verebrt hatte (S. 192). Aus-
ser dem Hause, und vollends vor dem Abmarsch des Razu
durfte er sie ja nicht zeigen, sonst ware ihre Existenz in der
ersten Viertelstunde dem cObed vermeldet worden, dersiedurch
eine ganz unmissverstandliche Bewunderung seiner Uhrensamm-
lung (S. 187) einverleibt hatte: Huber brachte fur die Gasterei
eine Flasche Champagner hervor, die auf das Wohl des Gebers
d.h. des Dr. Schroder kais. General-Consuls in Beirut geleert
werden sollte. Erwartungsvoll sah unser freigeistiger Hauswirth
der feierlichen Entkorkung zu, und trank ohne Gewissenbisse
ein Glaschen nach dem andern. Vergeblich hoffte ich , er werde
einen Zopf davon bekommen; trotz der langen EntwOhnUng
kam ihm doch offenbar eine gute Schule in Bagdad zu Statten.
Nur durch mehrfache Kohlensaure-Ernptionen gab er seinem
Wohlbehagen einen naturlichen Ausdruck.
Fur den morgigen Tag planten wir eine Besteigung des un-
mittelbar bei der Stadt gelegenen Berggipfels Samra, und be-
stellten zu dem Zweck bei Selamah (dem Finanzminister) zwei
Esel auf Morgens 8 Uhr.
Mo. 29. Oct. 83] Naturlich kamen die Esel nicht. Wir sandten
zweimal vergeblich zu Selamah. Da es mittlerweile 12 Uhr ge-
worden war, gaben wir den Plan rar lieute auf. Um 3 Uhr
musste unser Diener Mahmud einen Brief an Selamah schrei-
ben: Es sei bedauerlich, dass seit der Abreise des Emirs, aus
dessen Mund er den Befehl doch selbst vernommen habe, nichts
mehr far uns besorgt werde. Da die Esel nicht zu beschaflen
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214 ACHTE8 OAlMTEt..
seien, moge er wenigstens so gut sein und nach unsern (eine
Tagreise von hier) auf der Waide befindlichen Kameelen senden ,
datiiit wir dann unsre eigenen Reitthiere zur Verfagnng hatten.
Nach der Absendung des Briefes giengen wir gegen N.W. vor
r
die Stadt hinaus auf deu Hugel Umm el-masagid ; von da habe
ich einen Theil des Gebirges Aga gezeichnet.
Bei der Ruckkehr trafen wir in unsrem Hause den eAbdailah
el-Muslimani ; er erzahlte, in unsrer Abwesenheit sei Selamah
schon zweimal dagewesen , und habe uiit Thrftnen in den Augen
geklagt, es sei ihm ausserst leid, dass er die Esel nicht habe
schicken konnen; zwei Sclaven haben ohne Erlaubniss, den
einen nach Lafcitah, den andern nach cAlfdeh genommen. (Die
Kerle werden keine schlechten Hiebe dafor bekommen!) Bis
raorgen fruh seien die Esel sicher da.
Abends nach dem Nachtessen kam der Schmied IJusein. '
Meine grosse Blechkapsel , welche zur Auf bewahrung der Papier-
abdrucke von Inschriften diente, hatte auf der Reise verschie-
dene b6se Beschadigungen erlitten, und war von ihm wieder
schOn rund geklopft worden. Zur Belohnung verehrte ich ihm
verschiedene Werkzeuge und Smirgelpapier. Uber den Bezug
seines Eisens befragt gab er zur Auskunft, alles Eisen komme
aus Indien zu Schiflf uber #oweit am persischen Meerbuseu;
ebenso Baumwolle, und der KaflFee, daher bahri genannt. Der
feinere Kaffee aus Sudarabien (jemeni) werde durch den ljagg
von Mekkah und Medinah gebracht, von Jemen selbst aber nie
zu Land transportirt , sondera zur See nach Giddeh oder Jamboc
verschifft, — Als ich mich , nachdem ich einen tuchtigen Schluck
Wasser getrunken, zum Ausruhen auf den Teppich niederlegte,
sprang er auf mich zu, riss mich angstvoll in die Hflhe, und
bat mich, doch ja nicht zu schlafen, es kdnnte mir sonst das
Wasser in den Kopf laufen!! — In spater Stunde stattete noch ^
der ehrwurdige Ceremonienmeister Muferrig einen Besuch ab.
Mitten in der Nacht liess sich ein Geklirr vernehmen: die
Gazelle war in den Kahawah eingedrungen und spazierte zwi-
schen den Tassen und dem Geschirr umher. Sie liess sich nur
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R&JEL.
215
mit Widerstreben und unter Verubung von allerlei Muthwillen
binaus jagen.
Di. 30. Oct 83] Morgens 8 Uhr erschiea mit den zwei Eseln
ein Huteimi Namens cAld el-Dursi. Wir ritten zum SQdende
der Stadt hinaus und erreichten nach einer halben Stunde im
Osten der Stadt den Fuss des Berges Samra. Wahrend wir
die Esel unten waiden liessen, bestiegen wir den Qipfel, der
sich etwa 4 — 500 Fuss flber die Ebene erhebt. Der Platz war
sehr gunstig zu einer Orientirung; [im Westen der Aga, im
Osten der Selma, theilweis vom Fetefc (Fetets) verdeckt. Ich
zeichnete von beiden 1 Panorama (siehe den Atlas), indessen
Huber verschiedene Winkelmessungen vornahra. Uber die Namen
der einzelnen Berggipfel wusste unser ortskundiger Begleiter
vollkommen Bescheid. Aus der Ebene ragten merkwurdige ganz
niedere Granitrippen empor, die parallel von Westen nach
Osten sich erstreckten.
Nach vierstQndigem Aufenthalt auf dem Gipfel stiegen wir
hinab zu den Thieren und ritten zu einem von Mauern einge-
fassten Garten des Emir, Hreiraijjeh genannt, dann durch den
ganz verfallenen und jezt unbewohnten Stadttheil cAinat aber
N.W. in die Stadt zuruck.
Zum Abendessen stellte sich der ]£ahtani wieder ein, um
Abschied zu nehmen, weil er morgen abreisen durfe. Bis dahin
waren alle fremden Beduinen in der Stadt zuruckgehalten wor-
den, damit keine Nachricht Aber den beabsichtigten Razu nach
auswarts dringen kftnnte. Die, Klagen uber seinen Nasenkatarrh
waren zum Lachen; mindestens 5 mal in jeder Viertelstunde
sagte er: Guck da! in meinem Kopf ist Wasser, und fliesst
immer zur Nase herunter; weun ich den Kopf schQttle, hore
ich das Wasser schwabbeln, und Andere hOren es auch. Huber
versicherte, er hore nichts, und er durfe beruhigt sein, dass
ihm ira Schlaf kein Wasser ins Gehirn gelaufen sei, ubrigens
wolle er ihm beifolgend eine Arznei geben (war irgend ein
gleichgiltiges Medicament). Zur erlflsenden Abwechslung erschien
dann der Oberaufseher uber alle Sclaven und Sinecurist All.
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216
AfHTE-S CAl'ITEI.,
Ich befragte ihn uber die Anzahl der hiesigen Sclaven, welche
sammt und sonders Eigenthum des Emirs sind, und in einem
besonderen Quartier (Sufc el-cabid) im N.W. der Stadt wohnen.
Er nannte als Zahl der Erwachenen 160 [Manner], ausserdem
30 Eunuchen; das wflrde Alles in Allem gegen 1000 Sclaven-
kOpfe geben.
Ausflug nach 'Afcdeh.
Mi. 31. Oct. 83] Das Haus wurde abgeschlossen , und die Ga-
zelle mit Gerste Datteln und Wasser allein in den HOfen gelassen.
Betten und Kochgeschirr, auf zwei Esel verladen, wurden mit-
sammt einem zu schlachtenden Hammel unter Begleitung von
drei Treib^rn vorausgeschickt. Um 7a 10 Uhr ritten 'Abdallah,
Huber und ich, sodann der Diener Mahmud auf Eseln hintendrein.
Unterwegs gab mir cAbdallah ein im Feuer gehartetes Stock
von einer Palmrippe , um den Esel durch Stupfen im Rist etwas
lebhafter zu erhalten. Der Weg gieng uber die Ebene gegen
Westen und fuhrte uns nach l'/j Stunden an den Fuss des
vollstandig kahlen Gebirges Aga. Da Offnete sich die Thalsohle
von eAkdeh, etwa 100™ breit, wagrecht mit dem groben Gra-
nitsand ausgeschwemmt. Aus der Mitte stiefs eine Felsengruppe
el-^ajjid hervor, die den Eingang zu verschliessen schien.
Rechts dahinter bogen wir zur Seite ab nach der Quelle
cUweimir, und lagerten einige Zeit unter den schattenspendenden
Palmen. Ein netter Vogel, schwarz mit weissem Kopf (Aba
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llfUEL.
217
m reran), trieb sich munter und zutraulich an dem Wasser
umher. Die Quelle, fruher reichlich, soil seit 3 Jahren bedeu-
tend nachgelassen haben. Um 12 Uhr brachen wir wieder auf;
wahrend die Felsen immer naher zusamrncuruckten , stiessen
wir nach Kurzem auf eine, die schmalste Stelle sperrende, etwa
hOm lange Mauer.
Auf der linken Seite wurde ein Thor ge6ffnet , dahinter lagen
in einem Palmeuwald versteckt, von einem Kessel nackter
Felsen eingeschlossen , die Hauser der Oase cAfcdeh. Wir stiegen
in dem vom Schijukh erbauten und vOllig unmOblirten ]£asr
ab. Das Gepack war schon abgeladen; wahrend die Teppiche
mit den Sitzen zurechtgemacht und der Hammel geschlachtet
wurde, inachten wir in zwei Hausern Besuch und tranken
mehrere Cafes. In dem einen Garten lag ein ganzer Palmstamm
mit einem Ende im Feuer; er gluhte langsam ab und wurde
nach Bedilrfniss in die Feuerstelle vorgeschoben. Gegen Abend
zeigte sich auf einer ganz nahen Felsspitze ein Steinbock, der of-
fenbar die Absicht hatte, zu irgend einem Wasserloch herunter-
zusteigen. Els machte sich auch sofort ein Jager mit der Flinte
auf die Beine, bekam ihn zwar nochmals zu Gesicht, kehrte
aber nach langerer Zeit unverrichteter Sache heim. — Mein
kOrperliches Befinden liess heute viel zu wunschen; ich litt an
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A
218
ACHTFS OAPITKI..
starkem Kopfweh uad Betaubung, Oberlippe und Nase waren
dick verschwollen , dazu noch Verschlimmerung meiner Fuas-
wunden.
Do. I. Nov. 83] Morgens fand ich Erleichterung durch starkes
Nasenbluten. Far den heute auf den Far' (el-Farea g^O, den
hochsten Gipfel des Gebel Aga, beabsichtigten Ausflug machte
ich verschiedene raisslungene Versuche, meine Sandalen weni-
ger drockend fur die Fusswunden zn gestalten. Das einfachste
Mittel ward zulezt gefunden: die Sandalen ganz wegzulassen.
Wir hatten zwei Fuhrer und Namenkundige kommen lassen,
den Muhammed el-eAld und den Mufaddl. Diese setzten 9ich
zusammen auf einen Esel, eAbdallah blieb im l£asr zuruck,
Huber und ich be9tiegen die beiden Esel des Schijukh. So ritten
wir um 9'/9 Uhr von *A^deh ab. Der Weg fClhrte sudwestwarts
durch die Sandsohle des Thalkessels; rechts und links noch
einige frei wachsende Dattelbaume. Bald nlckten die Felsen
enger zusammen; nach einstQndigem Ritt stiegen wir von den
Thieren ab, und schickten dieselben auf einem bequemeren
Umweg voraus. Wir selber wanden uns zwischen den Granit-
blOcken gerade aufwarts, trafen auch noch unter einem hohl
liegenden Felsklotz ein klares Wasserbecken , belebt von einem
halben Dutzend kleiner schwarzer Frosche. Das Wasser war
uns ein Labsal. Von hier ab mussten wir theilweise unter
grossen Felskugeln durchschlQpfen , bis wir auf eine kesselartig
gestalteten Futterplatz (el-Gazieh) gelangten, der zum freien
Verbleib unsrer Thiere ausersehen war. Nach Kurzem kamen
die Esel an, und machten sich mit Behagen an die binsenarti-
gen Buschel (*&oj» Mseic). Die Thiere konnten hier ruhig un-
beaufsichtigt gelassen werden, da es keinem Menschen einfallen
wird , das Eigenthum des Emirs stehlen zu wollen. Immer steiler
stieg der Weg in der engen Schlucht; links in der Felswand
zeigte der Fuhrer ein nicht ganz bequem zu erreichendes Loch ,
von ihm als Quelle bezeichnet. Ich kletterte hinauf : die Hflhlung
war etwa 30rm im Durchmesser und 15cm hoch mit Wasser ge-
fullt, an den Wanden zu raeinem Erstaunen Moos, das einzige,
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BftJIL. 219
welches ich auf meiner ganzen Reise zu Qesicht bekam. Nach
einer weiteren halben StuDde tiberstiegen wir einen Felsriegel
und hat ten nun, dnrch eine Gebirgsfalte von uns getrennt,
rechts druben die steilen mit Blocken besaten Steinwande des Fare.
An einer schragen Flache war eine weisse Stelle benierkbar,
blossgelegt durch frisch herabgebrockeltes Gestein. Die Leute
erzahlten, hier sei vor Jahren vora Himmel ein Stern (Meteor)
draufgefallen und habe die Brocken heruntergeworfen , die an-
deren massenhaft herumliegenden FelsblOcke seien von Alters
her da, und durch die das Gebirge streifende Arche Noahs
heruntergestossen worden. Durch die gerade vor uns sich hinauf-
ziehende Felsscharte habe , vor ein paar Jahren , ein aus cAlydeh
entlaufenes Kameel den Weg uber das Gebirge genommen;
das Eamin steigt so steil an, dass ich es nicht fur moglich
gehalten hatte. Da der Aufstieg gegen den Gipfel immer be-
schwerlicher zu werden drohte, legten wir- alle uberflussigen
Kleider ab und begnugten uns mit den Hemdeu und einer
weissbaumwollenen Kappe (Telfijjeh). Nachdem die lezte schrage
Wand aus glatten Felsplatten bestehend, im Schweisse des
Angesichtes erklettert war, standen wir um 12 Uhr 50 m. aut
dem Gipfel, von wo sich eine ausgedehute Ubersicht *) aber
1) Siehc du Aqiurell No. 1 im Atla».
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220 AOHTE8 OAI1TEL.
die absolut nackten schmalrippigen Granitmassen darbot. Draus-
sen in der einer Meeresflache gleichenden Ebene waren die
H&user von Hajel leicht zu erkennen ; den Horizont saumte die
hellblaue Linie des Gebel Selma. Die wunderbare Aussicht in
ihren Einzelnheiten zu geniessen, war ich indess wenig geeignet ;
der qualende Durst zwang mich, bald wieder hinabzusteigen zu
einer Steinmulde an ein kleines Wasserloch, das ich schon im
Heraufweg tief unter uns liegend bemerkt hatte. Wahrend
Huber auf dem Gipfel noch Winkelmessungen vornahm und
sich die Namen einzelner Berge nennen liess, zeichnete ich
unten in der $hauwat Fawwaz (siehe Aquarell N° 2 und 3 des At-
lasses). Es war mir ein wonniges Gefuhl, in dieser grossartigen
Gebirgslandschaft mutterseelenallein herumzuschlendern : kein
Gepack , kauni ein Kleidungsstuck auf dem Leib , ein Zeichen-
heft und eine Gerte in der Hand, Verirren nicht moglich, von
nirgends her eine Gefahr, keinerlei Gehetz, als einzige Uhr
den Magen. Bei den Eseln in der Mulde el-Gazieh angekommen
hatte ich eben noch Zeit , die nach 'Alfdeh hinabfuhrende Schlucht
zu zeichnen. Schon zog dichtes Gew&lk herauf, der Donner
begann in den Schluchten zu rollen und mahnte zum Auf bruch.
Huber war eiligst mit den 2 Begleitern vom Gipfel herunter-
gekommen. Die Thiere , welche nun fflnf Stunden gewaidet hat-
ten, liessen sich willig wieder besteigen. Der Himmel verfin-
sterte sich immer mehr, und bei einbrechender Nacht erreichten
wir den ^a,?r zu eAl>deh.
Nach dem Abendessen kamen noch Leute aus dem Dorf,
spielten die Rebabah und sangen dazu martervolle Lieder. Die
ganze Nacht dauerte das Krachen des Donners und das Leuch-
ten der Blitze, Regen fiel wenig, das Hauptgewitter gieng im
Norden des Gebirges am Ra'lleh nieder. Einem seltsamen Gast,
der uns im Dunkeln einen Besuch machte, einem Frosch, ward
ein passenderer Aufenthaltsort ausserhalb des Hauses angewiesen.
Fr. 2. Nov. 83] Durch den gestrigen Marsch hatten sich raeine
Fusswunden empfindlich verschlimmert und zwangen mich, das
Haus zu hilten ; ich benOzte die Zeit zum Malen. Der Himmel
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war den ganzen Tag ilber bewOlkt, sandte indess trotz kr&fti-
gen Donners nur wenig Regen hernieder. Des Nachts kam der
kalte Frosch von gestern zu mir in mein Bett, musste aber
dieselbe Bebandlung wie das erate Mai erfahren.
Sa. 3. Nov. 83] Morgens wurden unsere Siebensachen gepackt ,
und dadurch der tfasr wieder ganz entleert dm 10 Uhr 50 m.
ritten wir ab, und in kaum zwei Stunden war die Stadt Hajel
wieder erreicht. Wahrend Huber noch unterwegs verweilte,
war ich mit dem Diener Mahmud und deni Sklaven Khairullah
vorausgeritten.
Eben war das Haus aufgeschlossen und das Gepack abgela-
den, so drangte schon wieder eine Anzahl Menschen in den
Hof herein. Ich war gerade mit dem Auspacken einer Reise-
tasche beschaftigt , hatte meinen Sabel an die Wand gelehnt ,
und dem Diener befohlen zu sorgen , dass die unnatzen Leute
das Haus verlassen, da trat pltftzlich ein Mann herein, schOn
angethan, einen Prachtsabel in der Hand, von 5 Sclaven be-
gleitet; er blickte mit unzufriedenem Gesicht im ganzen Hof
herum und gieng gleich in das Empfangszimmer. Ohne zuvdrderst
auch nur zu grussen stiess er die Frage hervor: Wo ist der
Huber? Argerlich flber sein Auftreten ant wortete ich, ohne mich
umzudrehen „Der Huber ist nicht da, mach dass du hinaus-
kommst." Auf das hin erfolgte ein Zornesausbruch und eine
Fluth unerh6rter SchimpfwOrter von denen ich nur verstand:
ja Na^ranl, ja Kafir, ja Kelbl (»Die Christ, du Unglaubiger,
du Hund!") Ich rief dazwischen: ,An deiner Stelle wurde ich
mich schamen eines Christen , eines Hundes Haus zu betreten ,
geh doch hinaus, oder reit* in dein Paradies, du Prima-
Muslim ')!" Dann beschimpfte er den Diener Mahmud, und
nannte ihn einen verkappten Christenhund , dem der Kopf
herunter gehOre. Wie ich mich umdrehte, reizte ihn mein wohl
auch nicht lieblicher Anblick ; mit geschwollener Zornesader auf
der Stirne biallte er: Her ihr Sclaven, haut ihm den Kopf
1) Mmlira birio^hi
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ACHTF.S CAPITEL.
herunter ') ! Hab ich's euch nicht scbon ein trial gesagt ? Im sel-
ben Augenblick riss er den Sabel aus der Scheide, ich sprang
ebenso schnell nach detn ineinigen und wollte auf ihn dar.
Wahrend die Anwesenden mit Schreck und Geschrei uns beiden
in die Arme fielen, und un9 au3einanderhielten , machte ein
Begleiter des Wutherichs hinter seinem RQcken mir durch
Zeichen begreiflich , dass er im Kopf nicht richtig sei. Nur mit
Mahe gelang es, den Rasenden aus dem Hof hinauszuschaffen ,
und mich zu beruhigen. Kochend vor Wuth rief ich ihm noch
nach, ich werde dem Emir von seiner sauberen Auffiahrung
berichten und erzahlen, wie seine Gaste hier im eigenen Haus
belastigt werden. Dann Hess ich die Hausthure abschliessen.
Kurz darnach kam 'Abdallah mit Huber zuruck und belehrte
mich , das sei der geisteskranke Prinz Fahd gewesen , Sohn des
alten eObeid, also ein Bruder des Hamud el-cOheid. Demselben
sei, solange der Emir in der Stadt weile, ein Haus mit Garten
zum Aufenthaltsort angewiesen; nur wenn derFurst und Hamud
von der Stadt abwesend seien, durfe er es wagen, mit dem
Sabel auszugehen. Oftmals verfalle er auch in Tobsucht und
masse dann mit Ketten angeschlossen werden. Da mir alle diese
Verhaltnisse zuvor unbekannt waren, so hatte ich auch nicht
verstanden, warum der Mann nach Huber fragte. Der Ungluck-
liche wollte ihn als hakim (Arzt) aufsuchen und befragen. Ich
bat Huber, morgen nach ihm zu sehen.
So. 4. Nov. 83) Als Huber den Fahd diesen Morgen aufsuchte ,
zog er alle seine Ausserungen, uberhaupt seine ganze AuffQh-
rung, in Abrede. — Meine Fusswunden werden merklich schmerz-
hafter und allgeraach beschwerlich.
Mo. 5. Nov. 83] Temperatur nur 14° C. — Der Diener Mah-
mud liess sich heute von einem Barbier das Haupt rasiren.
Ich war verwundert, die Beiden mit einander tdrkisch reden
zu h6ren, und erfflhr, der Mann sei ein Kurde von Geburt,
aus Siwas, tflrkischer Deserteur von der Garnison in ^an'a,
1) Ta'H jft 'abld. uVU'A raVoh.
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und seit zwei Jahren hier ansassig. Ich dachte ihm ein beson-
deres Bene anzuthun, und reichte ihm ein vorzugliches euro-
paisches Rasirraesser; doch war er damit nicht im Stand seine
Kunst auszuiiben, zog es vieltnehr vor, weiter zu hanthieren
mit seiner lumpigen Schabklinge , die einfach an ein Stuck Holz
festgebunden war. — DeD Abend brachten wir in 'Abdallahs
Haus zu , auf dessen Dach Huber ') fttr astronomische Beobach-
tungen seinen Theodolithen aufstellte. Die ROckkehr in unsre
Wohnung verzogerte sich bis 10 Uhr; das Thor zu unsrem
Stadttheil war bereits geschlossen ; der Wachter in tiefem Schat
sprach von strengsten Vorschriften und reiner UnmOglichkeit ,
brachte aber nach langem Hin- und Herreden doch das Wunder
fertig, Offnete die Pforte und liess uns durch.
Di. 6. Nov. 83] Dilsterer
nebliger Morgen bei 15° C,
den ganzen Tag kein Son-
nenstrahl vom Himmel. Ich
schmuckte die Wande uns-
res Empfangszimmers mit
weiteren Gemalden und
zeichnete die Sclavin Fr£-
hah *).
Meine Fusswunden wer-
den immer schlimmer, dazu
bildet sich an der linken
Wade ein bOses Geschwur,
von dem die Leute sagen das
sei gut (als ob der Mensch
es ipso — oder durch das
hiesige Essen? — voll Un-
reinigkeit stecken musste,
1) Alucute Hubero AbdalUh proli* ab axorc sua (qainta!) oUinendae cupidiuimus mcdiea-
mentam aphroduiacnm a me petiit. .Abaiu rire. coMumantar, continentia crwcunt. Uior antem
rariui compreaaa filiam, Deo jarante, tibi gignet."
2) Dm dankelblaue Hemd heiut tub, das ebpnoo duokle bei Aonaherang einei fremden Man-
nes vor. Geaicbt geiogene Kopftoch mit Troddeln: buachijjeh.
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ACHTES CAPITEL.
fur die man Gott danken solle, wenn sie herauskomme !) An
meinem rechten Schuh habe ich ubrigens eine sehr wohlthuende
Erfindung angebracht: ich habe in das Oberleder uber dem
kleinen Zehen ein kraftiges Loch hineingeschnitten , jezt kann
die Wunde vom Leder nicht mehr gedrackt werden.
Auf dem Weg zu 'Abdallah sah ich schon von Weitem den
irrsinnigen Prinzea Fahd (S. 221 f.). Bei der Enge der Strasse
musaten wir dicht an einander voruber. Er machte seinem
Namen (^Panther1') alle Ehre; den Sabel in der Hand schaute
er mich an, ah ob er raich fressen wollte; ich trug keinerlei
Waffe bei mir, gieng aber stolz an ihm voraber, und blickte
ihm dabei scharf ins Gesicht. Jeder mass den Andern mit dem
Gedanken: Willst du Ruh halten, so soli mir's recht sein,
iangst du aber an, so bin ich auch gleich dabei.
Mi. 7. Nov. 83] Der oberste Schech der Bant 'Atijjeh oder
des Stammes der Ma'&zeh, rait Namen Mu hammed ibn "Atijjeh
aus der Gegend von Tebuk machte uns mit 4 Begleitern seinen
Besuch ; er war hieher gekommen um den Fursten zu einem
Raubzug gegen seine nordlichen allmahlig unbequemen Nachbarn ,
die Howeitat, zu bewegen. Der Diener Mahmud kannte ihn
von truher her, aus der Zeit, wo er noch Schreiber bei der
Pilger-Carawane (S. 86) gewesen war, und die Geschenke an
die Beduinen zu vertheilen hatte. Da uns der Schech unter
Umstanden bei einer spateren Reise in den Westen sehr von
Nutzen und NOthen sein wird, so wollen wir ihm alle Ehre
erweisen, und ihn einmal zunachst zu einer feierlichen Mahl-
zeit auf morgen einladen.
Do. 7. Nov. 83] Die Wande unsres Empfangszimmers sind
mir immer noch zu kahl , da muss noch etwas mehr maleri-
scher Schmuck drauf. Einstweilen habe ich ira Durchgangshof
auf die Stirnseite eines Mauerpfeilers in ein grunes Medaillon
mit goldgelber Farbe die Worte ^JU b („0 cAliM), schOn vor-
schlungen gemalt. Das gill zugleich als eine HOflichkeit gegen
den Hausbesitzer, der ein Semite ist, und, wenn er den Spruch
nachstens zu Gesicht bekommt, sehr erfreut sein wird.
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H&JEL. 225
Als der alte M u f e r r i g heute zu Besuch kam , bat ich ihn ,
mir zu einem Portr&tbild zu sitzen. Er war auch gleich dazu
bereit. Der alte Mann ist eine hervorragende Erscheinung, er
gebOrt zu den wenigen Leuten hier, die es verschuiahen *) , ihre
Haare roth zu farben; dabei ist sein Bart fur einen Beduinen
ungewOhnlich dicht und lang, und es kostet ihn den Tag uber
gewiss manche Zeit , seinen stolzen Schnurbart so schfln wagrecht
gestreckt zu erhalten. In fruheren Jahren hat er alle Baubzuge
mitgemacht , und verschiedene Denkzettel von Flinten, S&beln
und Lanzen davon getragen. Auf der linken Stirnhalfte tragt
er von von einem Sabelhieb eirie tiefe Narbe (*aJli felkeh).
Muferrig
Neben dera Fursten und seine m Vetter Haraud ist er unter
alien Schammar die bekannteste Pers6nlichkeit. Wo ich spater
auf meinen Wanderungen zu Beduinen kam, sollte ich gleich
das Bild des Muferrig in meinem Buche zeigen. Alle erkannten
It Es war mir tchon am crsten Tag aufgefallcn, was hier in HAjel fur eine jngcndliche
Generation lebt. Alte Leute bekommt man kaum in Oesicht. Bei den ?ielen Ranbiogen, die ein
Mann im Laufe seines Lebens mitraacht, muss es freilich gnt geben, wenn er bei 20 oder 30
aoleher Gelegenhciten aein Leben nicht einbfisat. Die graaen BArte werden gcwahnlich (a. S. 115)
mit Ilennah roth gefarbt, and to kommt ea. daaa eine alte Generation gar nicht tn exittiren
15
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22G
ACHTES CAP1TKL
ihn sofort und riefen: Ja, das ist er! sieh seinen Schnurrbart,
und auf der Stirn die Felfceh ; und seinen Stock ') !
Die Einladung, die wir dem Muhammed ibn 'Atijjeh auf
heute Abend hatten zu Theil werden lassen brachte uns insdfern
in Verlegenheit , als wir versaumt hatten, uns zeitig zuverge-
wissern, dass wir unsern Gasten auch etwas Ordentliches vor-
zusetzen hatten. Im Laufe des Nachmittags war es weder im
Schloss, noch sonstwo in der Stadt moglich, irgend ein essba-
res Thier aufzutreiben. Fleisch musste jedenfalls her; die nach-
sten Schafe waren aber mindestens 4 Stunden von hier auf
der Waide. So blieb denn nichts Anderes ubrig, als unsre
Gazelle zu schlachten. Mir war es leid um das Thier; es war
gerade in den lezten Tagen erst recht zutraulich geworden,
und hatte diesen Morgen noch so lebensfrohe und spassige
Sprunge gemacht Gegen Abend stellte sich Muhammed ibn
'Atijjeh mit seinen 4 Begleitern zum Essen ein. Wir besprachen
unsre Reiseplane fur den Higaz, und schlossen mit Rucksicht
darauf feierliche Brflderschaft. Diese wurde durch besonderen
beduinischen Hande- und Daumendruck besiegelt, d.h. es wur-
den die Hande nicht bloss wie sonst fluchtig beruhrt oder die
Handflachen uber einander weggezogen, sondern die Hande
vollstandig gefiasst, und dann noch die Daumen gegenseitig um-
schlungen. Die Unterhaltung drehte sich vornehmlich um die
m6glichen Aussichten des Razu, spatestens in zwei Tagen
musste ein Beschir (Siegesbote) des Emir hier anlangen. Wir
trennten uns in der Hoffhung, nach 3 Monaten uns im Higaz,
in der Gegend von Tebuk, gesund wiederzutreffen.
Spat Abends kam noch der Schmied ITusein und verlangte
eine Arznei far irgend ein Gebrechen. Auf eindringliches Be-
fragen gestand er, es sei eigentlich nicht fur ihn, sondern fur
einen sehr frommen Khatib , der sich nur genire , direct an uns
[Christen!] sich zu wenden. Das ist ja sehr nett von diesen
1) mit dem er den aatwirtigen auf dem Methab lagernden Bedoincn wiokt, al* Zeiehen,
daas die Olucklichen worn SchijAkh cam Easen im Sehlouhof geladen aeien.
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wahhabitischen Pfaffen, und erinnert mich an ahnliches ver-
schamtes Gebahren, wie es zu Begin n der siebenziger Jahre
gegenuber der kaiserlichen Universitats- und Landesbibliothek
zu Strassburg mit indirecter Entlehnung von BQchern prakti-
zirt wurde.
Ausflug zum Gildijjeh und nach Bek£a.
(9.-46. Nov.)
Fr. 9 Nov. 83] Die auf heute fruh bestellten Kameele waren
naturlich nicht zur Zeit geliefert, sondern musten auf irgend
einer Waide durch einen besonderen Boten aufgesucht werden.
Zwischen Reisesacken, Bettstncken, Kuchengerathen und Lebens-
mitteln sassen wir ein paar Stunden in erwartungsvoller Lange-
weile, so dass sogar der Besuch des sonst uberlastigen Ranem
(S. 188 f. 210) gar nicht unwillkommen war. Um die Mittagszeit
langten die drei ftrarischen Kameele an ; das waren traurige Exem-
plare: hinkend, abgeschunden und schlecht genahrt; bessere zu
erhalten ware rein unmoglich gewesen , denn alle halbwegs
leistungsfahigen Thiere, darunter auch unsere eigenen seiner
Zeit in cOrman (S. 30) gekauften feinen Delule, waren auf den
Raubzug des Emir mitgenommen worden. Dagegen war alles
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228
ACHTES CAIMTKl..
Reitzeug nagelneu, nor sass meinem Thier der Sattel nicht,
und musste schon nach der ersten Viertelstunde neu angepasst
werden. Um 1 Uhr ritten wir langsam zur Stadt hinaus. Ausser
dem Diener Mahmud batten wir als eigentlichen Fuhrer noch
einen Beduinen Namens Schawardi bei uns. In der ganzen
Landschaft war zunachst, wie immer in der Nahe vonstandigen
menschlichen Ansiedlungen, alles Futter langst ausgerottet, mir
Coloquinthen ') wucherten allenthalben ungestfirt auf dem Bo-
den. Qegen 5 Uhr zeigte sich bei den Sandsteinhugeln Sandfly
und Hasanijjeh eine Stelle, die nothdurftig Futter und etwas
Brennholz darbot, und darum als Lagerplatz ausersehen wurde.
Am Himmel hiengen bedenkliche Wolken, die uns aber erst
spater im Schlafe dicke Tropfen ins Gesicht sandten. Das Nach-
tessen bestand aus Reis, etwas Gazellenfleisch (Resten von ge-
tern), Datteln und in der Asche gebackenem Brod.
Sa. 10. Oct. 83] Im Morgengrauen tranken wir Cafe. Der
Sattel passte meinem Eameel so wenig, und war so schlecht
aufgelegt | dass ich beim Aufsteben des Thieres um ein Haar
sammt Sattel und Gepack in das noch hell lodernde Feuer ge-
sturzt ware. Um 1/f 8 Uhr ritten wir ab. Mahmud stellte dem
Schawardi mit ernsthafter Miene vor, es ware doch Schade,
wenn er den in dem Lederbeutel (S. 43) befindlichen flbrigen Reis
von gestern Abend — er schazte ihn auf 5 Portionen — verloren
gehen liesse, und beredete ihn, (was er zuvor selbst nicht for
mdglich gehalten hatte), den Rest in viertelstundigen Absatzen
in sich hineinzustopfen. Gegen 10 Uhr bogen wir in den Scha'ib
Sch8*iV ab, einen Nebenarm des nach Osten in den Salzsee
von BeYa mundenden Wadl Hajel. In den Sandsteinplatten der
flachen Thalrinne fanden sich da und dort Lecher mit frischem
Regenwasser gefallt. Dieser Umstand bewog uns , hier die Mahl-
zeit zu bereiten. Ein elender Scherari, der sich in der Nahe
mit einer Ziegenheerde herumtrieb, nahm die gftnstige Gelegen-
heit wahr, und machte sich durch Beischaffen von Brennholz
1) iV&a> Hanial. eioe kleioe dunkelgrune KflrbiMrt, bitter and nicht eattwr.
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'229
nutzlich , in der gerechtfertigten Hoffnung , za dem bevorstehen-
den Essen eingeladen zu werden. Der arme Teufel war offenbar
sehr ausgehungert , denn er schleckte aus der Schfiffel noch
jedes einzelne Kdrnlein heraus. Nachdem wir aus dem Scha'lb
wieder heraufgestiegen waren, fahrte der Weg aber eine ein-
ffcrmige Sandstein-Ebene , die mit kleinen verschiedenfarbigen
wie glasirten Steinen abersat war.
Um 4 Uhr lagerten wir uns. Als in der Nacht mehrfach
Regentropfen fielen, breitete ich den Kautschuk-Regen mantel
aber mein Lager, hielt es aber vor Dampf nicht lang unter
demselben ans.
So. 11. Nov. 83] Von der ostlichen Richtung gegen Nordost
abbiegend, wandten wir uns einer Anzahl seltsam geformter
spitziger Sandsteinfelsen zu, die dem Gildijjeh nach Norden
vorgelagert den Namen A§abac el-Gildyjeh ') fohren. Auf diesen
Felsen hatte Huber schon auf seiner ersten Reise Inschrifben
nnd Thierfiguren eingemeisselt gesehen. Nach langerem Suchen
fanden wir dieselben auch richtig wieder. Zwischen den In-
schriften waren abgebildet zahllose Kameele, Gazellen, Ba^r
el-wahsch , Straussenjagden und Ahnliches , Alles ziemlich roh ,
nur bei der Darstellung eines Pferdes liess sich ein schwacher
Kunstleranflug bemerken. Ich gebe hier eine zusammenge-
drangte Probe von diesen sich oft wiederholenden Abbildungen.
Durch den Leichtsinn unsres Dieners, der dem Geschwatz
der Beduinen *) von dem vielen Wasser in der Gegend Glauben
geschenkt hatte , kamen wir im Laufe des Tages in empfindliche
1) Siehe den Atlas.
3) Pragt man eioen BeHaioen, ob tieh anf dem oder jenem Wege Wwer flnde, to erhilt
nun gew«hnlich die Antwort: wlgid! wlgid! (du gibtV das gibt't!), kuw aber debei die
achmenlicbaten Knttiueebangen erleben.
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230 A0HTE8 OAPITEU
Wassernoth. Hfttten wir nicht ganz zufellig in weiter Ferae
einen einsamen Menschen entdeckt und herbeigerufen , sohatten
wir noch lange nach Wasser suchen konnen. So erschien er
uns als ein wahrer Retter, und liess sich durch ein Geschenk
an Tabak bewegen, von seinem Weg abzubiegen, und unsrem
beduinischen Begleiter Wasser — ganz in der Nahe J) , wie er
sagte — zu zeigen. Es dauerte aber zwei Stunden, bis Scha-
wardi zu Kameel mit den gefullten Wasserschlauchen vom
Tselat (<c£k3) zuruckkehrte. Unaer Lagerplatz war herrlich, auf
schwach geneigter Ebene im feinsten Sand des Hef&d, vor
uns in goldgelber Abendbeleuchtung der raachtige Block des
Gildijjeb.
yatab war in Menge vorhanden , so dass wir im Ubermuth
drei macbtige Fener unterhielten. Hier zu Land legt sich der
Wind meist mit Sonnenuntergang , heute aber steigerte er sich
zum Sadsturra, wie ich ihn seit den Tagen des Samum in
Palmyra (Juli auf August 1883) nicht mehr erlebt hatte. Pras-
selnd jagte er den Sand auf unsre Lagerstfttte. Zum Schutz
1) fctr^ib.
f
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H&JEL.
231
232 ACHTE8 CAIMTEL.
verkroch ich mich vollstandig unter den Teppich, und halite
den Kopf ganz ein; trotzdem drang der Sand uberall durch,
und fiillte Mund, Nase, Augen und Ohren. Urn 3 Uhr Morgens
liess der Sturm nach; er hatte unser Lager mit einer zwei
Finger dicken Sandschichte uberschtlttet.
Mo. 12. Nov. 83] Heute sollte der Gildijjeh erklommen wer-
den. Als ich an den Fuss des Berges kam, und vom Kameel
abstieg, wurde ich inne, dass es mir unmoglich war, mit mei-
nen wunden Fussen zu klettern; so beschloss ich unten zu
bleiben, dafdr auf einem Rundgang die Felsen nach Inschriften
abzusuchen. Aber auch das machte mir zu viel Schmerzen;
nach Kurzem stand ich davon ab, und begab mich langsam
nach der in dem dichten Hatab nicht ganz leicht zu findenden
Lagerstatte zuruck. Um 11 Uhr kam Huber vom Berg herun-
ter; von einer Besteigung des Gipfels hatte er wegen der
Steilheit Abstand nehmen mussen.
Nachmittags setzten wir uns wieder in Bewegung, filllten
unterwegs die Schlauche und erreichten beim Sinken der Sonne
den SchaU Bus6b.
Dort waidete mit wenigen Kameelen ein Hirte Namens
eAneizan ibn Zaid. Er hatte lange unter den Rualah gelebt,
was naturlich den Verdacht wach rief, dass er Grund hatte,
wegen irgend einer unsauberen Handlung das Weite zu suchen ;
auch seine jetzige Beschaftigung, so ein paar geringe Kameele
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233
fur fremde Leute zu haten, ist in den Augen der Beduinen
keine sonderliche Empfehlung, eher verdachtig. Nicht ohne
eigenntltzige Absicht, d.h. in der Erwartung an unsrer Mahlzeit
Theil nehmen zu durfen, rieth er uns, in dieser futterreichen
Gegend abzusteigen und die Nacht zu verbringen. Er selbst
kGnne uns Nichts anbieten, als frische Kameelsmilch, ob er
solche bringen dflrfe. Es wurde ihm gesagt: ja, er kfinne etwas
bringen. ') Nach Kurzem erachien er mit einem viereckigen
gefullten Melkgefass aus Holz, und bot ea mir zuerst an. Obwohl
icb an Kameele nun schon ziemlich gewOhnt war, und die
Milch auch ganz reinlich aussah, so konnte ich doch ein un-
klares Grauen, etwa wie vor einem Menagerie-Trunk, nicht ver-
winden. Huber redete mir zu, ich solle es nur versuchen, ich
musse es doch einmal kennen lernen, uber kurz oder lang
werde ich noch ganz froh dran sein. Noch immer traute ich
der Sache nicht recht, doch setzte ich die Schussel an den
Mund und schaute dabei auf Huber hinflber. Wie der aber
keine Miene verzog, that ich einen Schluck, und wirklich die
laue Milch schmeckte ganz gut, ja ich musste zugeben, ich
merke eigentlich keinen Unterschied von einer anderen. Ganz
befriedigt uber meine Heldenthat nahm ich in zwei oder drei
Absatzen ein ordentliches Quantum zu mir. Huber dessgleichen.
Die, eine halbe Stunde darnach von unsrem Diener Mahmud
gebrachte, Mahlzeit konnten wir nicht mit Seelenruhe geniessen ,
vielmehr glaubte ich nicht anders, als mem letztes Stuudlein
1) Nna muss roan wis»cn — was ich dazamalen Bach noch nicht wasste — die Milch dieter
Thiere ist fur die Beduinen nicht nur die wichtigste Nth rang, sonde rn auch ingleich das natar-
licbste Heilmittel fur die hiafigsten Krankheiten. Auster Aogenubelo, (von dem Saod and der
Hitse herruhreod) and den Magenschmerzen (fom langen Hongern and dann plotzlichen Sicbvoll-
pfropfen) siod am verbreitetsten Dytenterie , oder das Gegentheil: anhaltende Verstopfang. Und da
liefert nan die Natar in der Kameelsmilch die Moglichkeit inr wirksamsten Ansgleichung. Man
rauM, wie beim Karlsbader Wasser nur gerade umgekehrt, die Temperetur des Trankes nach
&.eiDem pcrsoniichcn Bedurfniu richtig in verwerthen verstehen. Kameelswarm getronken ist die
•nste Milch (haltb) sicherer als Rhaharber and RieinasSl, kalte susae Milch hemmt alien Darch-
fall sofort. Pur normale Zustande and den Uarehschnittsmenschea gilt die eanre and die entbat-
tertc Milch (lebco) als die lotrdglichsle Nahrung. Soli einer Kameelin die Milch abgewohnt
werden, so nimmt man sie ihr nur alle nrei oder drei Tage; eine solche frische Milch wird
meheljeneh genannt; die wirkt grfindlicher , als das wirmste HanvWi J.nosch Was der Hirt
bnchte. war eben mehejjeneh
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234
ACHTES OA.PITEL.
sei gekommen, und es stehe mir das traurige Ende des Erz-
ketzers Anas ') bevor. Au9 lauter Geist und geschwachter Seele
bestehend legte ich mich in mildem Mondenschein zur Nachtruhe.
Di. 13. Nov. 83] Fruhmorgens hatten wir nur 14° C. Bei
Sonnenaufgang ritten wir nach Nord-nordosten abwarts im Thai.
Da wo von rechts her der Schacib A'aiwig') einmundet, liegt ein
verfallener Thurm, als Rest einer aufgegebenen Ansiedluug.
Hier lagerten wir bis 11 Uhr. Der Boden war salzhaltig und
theilweise mit grossen Gipskrystallen bedeckt, dazwischen eine
Menge von Bohnerz (raschrasch) »). Streckenweis war der Boden
eben wie ein Tanzplatz, ganz reinlich geplattet, an anderen
Stellen waren die Steinfliesse kleiner geformt, zum Theil pa-
pierdunn verwittert, oder auch in ganzen Haufen feiner 1—5
Millimeter dicker halb aufgerollter Blatter aufeinandergeschich-
tet, dass man glauben konnte, man reite durch das sauberste
Makulaturlager der Welt. War der Wind unten im Thai schon
frisch gewesen , so brachte er vollends auf der Hochebene Sand-
und RegenstOsse daher; im Suden am Gildijjeh hiengen dunkle
Wolken mit schragen Streifen. Auf der Hdhe angekommen,
sahen wir uberrascht vor uns in einer Mulde einen grossen
weissen See, umgeben von dunklen Palmen, dazwischen Durah-
ielder mit halbverfallenen Brunnen, zerstreute Gruppen von
Hausern, auf einem FelshOgel den Wartthurm Muraitsib*).
Das war die grosse Ortschaft Bekca *) mit ihrem Salzsee
(sebkhah).
Anderthalb Stunden zogen wir uns am oberen Rand des
Kessels bin, und stiegen danu allmahlig an den Salzsee hinab.
Um jene Jahreszeit war es vielmehr eher ein Salzsumpf, aus
1) lite cum soderct, grarissimo repente dolore cruciatus, omnia sua viscera, et ipsum cor,
quod erat thesaurus impietalis, effudit in stercora, atque its, mirabile dicta, internis omnibus
evneuatis, attenuatus est, ut per angustias forarainia et sedilis tolus ipse laberetur.
2) _ caxsI.
3) Die Beduinen sammeln die Bohuerzkugein , und sortiren die regelmassig geformten nach der
Grouse, tauscheo dieselben dann nach dem Kaliber ihrer Gewchre unter einander aus, und erspa-
ren to das kostbarere Blei.
4) .-^Mj*- 5) vergleiche das farbige Bild im Atlas.
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ACUTKS CAPITEI-.
dem das Salz schneeweiss ausblahte. Unsichere Pfade theils far
Thiere, theils auch bloss far Fussganger, kreuzten als hellgraue
Linien die Flache, rechts und links davon schlapfriger Unter-
grund. Das Verlangen, den letzten Zipfel am Nordende abzu-
schneiden, wftre uns beinahe abel bekommen. Hubers Kameel,
durch einen plfttzlichen Scblag mit dem Stock erschreckt und
nach rechts ausweichend , glitschte aus und starzte in den grauen
schmierigen Brei. Mich freute nur, dass der faule und gefras-
sige Schawardi, der immer drei Vierttheile des Tages als Radif
bei Huber aufgestiegen war, durch den jahen Sturz doch etwas
angeregt, sich allgemach bemussigt fand, auch wieder einige
Schritte zu Fuss zu machen. Der Weg zog sich entsetzlich in
die Lange, und das gesuchte Haus des Schekhs cObeid wollte
immer noch nicht erscheinen. Dazu erhob sich bei verfinsterter
Luft der Sturm noch starker, Sandwolken trieben daher wie
ein nordisches SchneegestOber. Endlich, wie gerade der Regen
losbrach und Hubers Kameel zum zweiten Male starzte , erreich-
ten wir das Anwesen des Schekhs cObeid. Gleichzeitig mit uns
stieg ein anderer Reiter ab mit ganz civilisiertem Gesichtsaus-
druck '). Es war ein Eaufmann aus Baghdad oder Semawa ,
der 200 Kameelsladungen Reis for den Emir und 100 Ladun-
gen far andere Leute nach Hajel zu bringen hatte. Der Schekh
fahrte uns ins Haus des Ehatib, damit wir uns da wohnlich
einrichteten. Freilich war der aberlassene Raam eng und nie-
drig (etwa 6m lang und 21/im breit), aber wir waren doch
wenigstens gegen den Sturm und Regen geborgen. Nur zum
Cafe begaben wir uns hinaberindasallgemeineFremdengemach,
w&hrend draben der Diener Mahmttd das Nachtessen bereitete.
Schon mehrere Tage an das Leben im Freien gewOhnt , empfan-
den wir es hart, in einem geschlossenen , noch dazu so niedri-
gen, Raum schlafen zu massen.
1) In einem <o gesohlosscnen Menschcngebiet , wie in dem der Bedainen, lind nicht nnr Tracht,
eondern »och GeticbUlinien nnd Geberden der Meuchen gmu einheitlieh and gleichformig nu»-
geprigt, eo data, wenn je einmal ein fremder Typua dazwiachen auftauoht, deraelbe a offal lend
herouaaticht. Dieae Beobachtang dr&ngte aieh mir apater beita Durchrng der peraiachen Pilger-
c»ra«ane in HAjel noch viel atirker aof
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237
Mi. 14. Nov. 83] Da es noch immer regnete, beschlossen
wir, mit dem Aufbruch bis nach dem Morgenessen zu warten.
Bei dunklem wasserreichem Himmel ritten wir urn 11 Uhr ab.
Als wir auf der Nordwestseite die Hange, welche den Kessel
von Befc'a umgeben, erstiegen hatten, bot sich uns eine phan-
tastische Beleuchtung dar: vor uns der Nefud in grelles Schwe-
felgelb getaucht, flber unsern Hauptern Unheil brutend indigo-
farbene Wolken mit giftig rothen Regenschleppen gesaumt. Im
bunten Wechsel der Farben , gekraftigt durch jagende Schatten ,
schien die sonst einf&rmige Landschaft reich gegliedert, ins
Unendliche sich dehnend. Grimmige Stosse des Nordwinds ris-
sen binnem Kurzem das herrliche Farbengewand in Fetzen,
und hullten die kahle nichtssagende Gegend in ein characterlo-
ses Grau. — Hinter uns tauchten unversehens sechs Ragagil
esch-Schijukh ') auf; als Begleitungsmannschaft der Reis-Cara-
wane mitgegeben , waren sie jetzt im sicheren Lande unnO-
thig, und eilten nach der Hauptstadt voraus. Im Voruber-
reiten grussend riefen sie uns verschiedene Fragen zu , nament-
lich, ob wir nichts vom Schicksal des Razu wussten. Der ra-
sende Wind schnitt aber jede Verstandigung ab. Auf ihren
behenden Delulen waren sie mit beneidenswerther Geschwin-
digkeit unsrem Gesichtskreis entrQckt, wir dagegen auf unsren
halblahmen Thieren mussten unthfttig das nun losbrechende
Unwetter uber uns ergehen lassen. Wagrecht sausten die Regen-
schauer daher, und unter den aufgeblahten Kautschukmantel
drang das Wasser ein. Von den troddelbehangenen IJameels-
Taschen troflf es herunter gleich den gespannten Saiten einer
Harfe. Bei dem Anblick solcher Menge von Feuchtigkeit konnte
sich Schawardl der hofifnungsreichen Ausserung nicht enthal-
ten, das musse ein gesegnetes, ein futterreiches Fruhjahr2)
geben; ich konnte darauf nur sagen: in scha sllah. — Um 4
Uhr war Alles vorbei ; nach einer halben Stunde bogen wir vom
1) *. S. 127.
2) rM'm.
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238
ACHTES CAPITKL.
Wege links ab, urn uns zu lagern. Noch war der Sand ganz
feucht , aber der Himmel wurde klar. Dankbar stellten wir uns
urn ein rasch entfachtes Feuer, und warmten die frostelnden
Glieder1). Auch unsre Habseligkeiten konnten die Trockntmg
wohl vertragen. Jetzt aber, wo konnten wir uns setzen , wo
uns spftter schlafen legen? Eine Schurfung des Bodens ergab
die aberraschende Gewissheit, dass an diesem Platz der Regen
nicht tiefer als 10— 12 cm. in den Sand eingedrungen war. Da
liess sich ja leicht abhelfen. Mit der langgestielten schmiedeiser-
nen Kaferostschaufel 3) hub einer nach dem Andern seine eigene
Lagerstatt aus; Jeder suchte den Vorganger durch Feinheit
der Ausfuhrung seiner Trappisten-Arbeit zn ubertreffen.
Do. 15. Nov. 83] Die Nacht war kalt (10° C), dazu Alles
feucht und mit dickem Thau uberzogen, des Morgens perlten
auf den Teppichen grosse Tropfen. In leichtem Morgennebel
uberraschten wir eine Kette Rebhuhner; Schawardi verfehlte sie
mit seinem nachgeworfenen Stock; bis ich schussfertig wurde,
waren sie lttngst in Sicherheit. So ein Vogel h&tte uns nach
langer Zeit der Entbehrung wieder einmal ganz gut gethan.
Weit schmerzlicher aber war mir die Entdeckung, dass ich
nichts mehr zu rauchen hatte: dem gestrigen Regen hatten
die zwei englischen Pflaster, worait ich, des Flickens wenig
kundig, ein grosses Loch in meinem Tabaksbeutel von aussen
und innen sorgfaltig verklebt hatte , nicht Stand gehalten. Un-
bemerkt war der gesparte und angstlich gehotete Inhalt ver-
loren gegangen. Als Lasterknecht des Rauchens verfiel ich durch
den bittern Mangel in Trubsinn und Missmuth. Ein schwacher
Hotinungsstrahl durchzuckte mich , wie hinter uns von der auf-
gelosten Reiscarawane eine Abtheilung sich nftherte. Ich, der
ich so oft fiber den schamlosen Tabaksbettel der Beduinen ge-
schimpft hatte, nahm keinen Anstand, mich vertrauensvoll in
dieser bisher nicht geubten Kunst zu versuchen. Und in der
1) Ich mnsste dabei an die Bilderbdcher meiner Kindheit deakeo, wie ich die Franzoteo im
rottitcheD Feldzug nm die Feuer habe ttehen tehen.
2) k*>U&* mahmaaeb, >. S 83, 3
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239
That , es gelang ; einer der Leute gab mir alsbald eine Handvoll
goldgelben persischen Schaweri, den er aus nilleh mitgenom-
men. In meiner Herzensfrende schenkte ich ihin ein Taschen-
messer, und erhielt nun meinen ganzen Tabaksbeutel gefdllt,
nachdem ich die zerrissene Stelle durch einen Bindfaden zu
einem Art Wurstzipfel gefestigt hatte. Schon auf unsrem ge-
strigen Weg waren wir an Gerippen von Kameelen vorbeige-
kommen; heute mehrten sich diese Merksteine vielbegangener
Wege. Vom lezten persischen Etagg (Pilgerzug) lagen noch zwei
Thierleichen da; das Fleisch war von den Raubthieren gefres-
sen, die Haut uber den Knochen nahezu unversehrt. Kann
man denn mit einem so grossen Fell gar uichts anfangen ? Ich
habe bis jetzt nie gesehen noch gehflrt, dass im Morgenland,
oder auch bei uns in den Lederfabriken Kameelshaute verar-
beitet werden. Oder sollte ich mich irren?
Am Brunnen Khasereh vorbei gelangten wir zu dem Doppel-
felsen Rumairninat Wahrend ich hier die Inschriften copirte,
eilten mit Gesang durch die Niederung vereinzelte Zflge der
Reiscarawane. Gegcn Abend kamen wir noch an einen Radlr,
der gespeist von den gestrigen Regenfallen einen ansehnlichen
Bach bildete. Mahmud und Schawardi waren abgestiegen, um
die beste Stelle far den Ubergang ausfindig zu machen. Ich
unterhielt mich eben mit dem zu meiner Rechten reitenden
Huber, und hatte das linke Bein seitwarts hinabhftngen. Es be-
durfte nur leichten Zuredens , um unsre zwei Kameele uber den
Bach zu bringen. Das dritte Thier dagegen, das ohne Reiter
nachfolgen sollte , konnte nur durch Stockschlage dazu gebracht
werden, das Wasser zu durchschreiten , dann allerdings mit
9olchem Ungestam , dass es mit ein paar Satzen uns ftberholte.
lm Vorbeisturraen quetschte es meinen wunden Fuss zwischen
zwei Gepackstrtcke , dass ich vor Schmerz laut aufschrie. Am
kleinen Zehen hieng die Haut in Fetzen, und das Fleisch war
bis auf den Knochen zerrissen. Das war so gut wie ein chirur-
gischer Eingriff, und hatte, wie sich wenige Tage nachher her-
ausstellte , den gQnstigsten Einfluss auf die Wiedergewinnung
240 ACHTEB CAPITEL.
meiner Gehfahigkeit. — In der Nahe des Scbalb Scheie lager-
ten wir im Rarat al-Islaf.
Pr. 16. Nov. 83] Die Kftlte und Feuchte der Nacht bewog
uns , schon vor Sonnenaufgang aufzubrechen. Ein paar Inschriften
an dem Felsen §acUtse !) waren bald copirt , dann marschirten
wir den ganzen Tag ziemlich rasch, zulezt immer schneller,
so dass wir mit den erachopften Thieren Hajel kurz nach Son-
nenuntergang erreichten. cAbdallah, von unsrer Ankunft be-
nachrichtigt , erschien auf der Stelle, and versorgte uns nicht
nur mit einer Mahlzeit, sondern auch mit den mannigfaltig-
sten, sich gegenseitig wiedersprechenden , Nachrichten aber
den Verlauf des Razu. Der Hunger und die lange Entbehrung
liessen mir sogar das Bocksfleisch wohlschmeckend erscheinen ,
eine wahre Labsal aber war das Baghdader Brot und die guten
Datteln. Nachdem wir noch eine hochst ndthige grundliche
Sauberung des KOrpers veranstaltet hatten, kamen wir erst
spat zu der wohlverdienten Ruhe.
I) iLSLAjuo.
ENDE DBS l,ten THRII.ES.
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REGISTER ZUM ERST EN THEIL.
'Abbas P. v. Aegypten 197.
All (Oberaufs.derSclaven mH.)216.
el- Abd 118, 132.
Anak 39.
Abdallah el-Khamls, S. v. Kaf 49 ff ;
Amulete 75 f. 87, 93, 99.
- geizig 69, 82, 104;
'Aneber 130.
•
— neidisch 76;
Aneizan 232.
— „entlehnt Geld 113.
An§6r 95.
eAbdaliah lbn ba'ud (t 1819) 163.
Appetit der Beduinen 177.
Abdallah el-Mushmanl 190 ff.
Arche Noah 219.
Abdan, S. der B. Eisa 37.
Anus 234
Abdelazlz lbn Metab 176, 188.
Arznei 209, 226.
Abdelkader 133.
A§aba el-Gildijjeh 229.
Abdelwahhab (Sektenstifter) 167 ff.
C A A. * V. ~ £> 1 i>
Ateibeh 64 f.
'Abdelwahhab 50, 120.
Augonentzundung 88.
eAbduh 1, 4, 6, 10.
'Awwad Alatah 135.
Abenteuer 4 ff.
Baarfuss gehen 72, 74, 218.
Abu mrerah (ein Vogel) 216 1.
Bakkan 109.
Adareca 118.
Bakar el-wahsch 148, 200.
Adler 100.
Bdlwah 80.
Ahmed (Kameelshandler) 116.
Ban! 'Atijjeh (= Macazeh) 224.
Ahmed P. Buzu 86.
Bani eEisa 107.
'Aid ed-Dural 215.
Ban! $akhr 105.
'Akal (Kopfstrick) 2, 176.
Barbier 222 f.
eAkdeh 191, 216 ff.
Bart 57, 225.
Akeider 160.
Bawwak 38.
eAkel-Beduinen 132 f.
el-Beda 149.
Alamanl (Prussiani) 28.
Bedr 171.
el-'Alem 148.
Beduinenlager 36.
'All (ohne Kleider) 37.
Bek'a 234 ff.
16
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UEOlsTETt.
^42
Bemalung der Zimmer 193, 207 f,
213.
Bender ibn Tal&l 170.
Bera^ 211.
Bettelhaftigkeit 180.
Besuch , vor Sonnenaufgang ISO f ,
196, 206.
Bilder malen (Brafc) 13;
- (Drusen) 30;
- (Balwah) 80;
- (Gyohar) 137;
- (Muferrig) 226;
- belebter Wesen 193.
- (photogr.) betrachten 80 f, 99.
Bismfllah „im Namen Gottes" 2
u. 8. w.
Bkauwijjeh 40.
Blut, Kameele bestricheu 62;
- Flintenschaft m. Blut bestr. 65.
Blutlache 210.
Bocksfleisch 240.
Bohnerz (raschrasch) 234.
Braho (kurdisch = Ibrahim) 15.
Bral? 6 flf, 10.
Brennmaterial , siehe Hatab, Ka-
raeelsmist
Brief an Negm el-Atrasch 28.
Brief an den Ftlrsten Muhammed 60.
Brodbereitung 42 f ;
- n. Bagdader Art 196, 210;
- Fladenbrot 211.
Brunnen, in Brilk 14, 16;
- in Kaf 89;
- in Gyobbeh 151;
- in £na' 154;
- in Hajel 200;
- Schaklfc , 70* tief 93.
Bumerang 87.
Bursten (Abacheu) 190.
Butter 41.
Cafe, zwei Sorten 214.
Cafebereitung 83 ff.
Canstatter Volksfest 99.
Castell zu Brak 7.
Castelle (49 am Pilgerweg) 87, 133.
Champagner 213.
Coloquinthen 228.
Dabbur (Hornisse) 16.
Dahamscheh 97.
Datteln 110;
— gute ira Gy6f 128;
— von den B&umen frisch geholt 109;
— in heisser Butter 110;
— tamar 68, bisr 58 (62);
— s'bahah 110, Anm. 1.
Dattelpalmen 109 flf.
Bawasir 105, 142.
Delul (Reitkameel) 81.
Deserteure (aus §anea) 103 flf, 222.
Dibs 89.
DMn 93, 99.
Der el-Kehf 39.
Derb el hagg (Pilgerstrasse) 3.
Derb el-razawat 38.
Der'ijjeh 163.
D61eh (Pforte zu Stambul = tflrki-
sche Regierung) 67, 184.
Drusen 26 flf.
Dumah = el-Gyof 123ff.
Durah 11, 234.
Durman 95.
Ebrajjit 73, 98.
Ekreim ibn Durmi 93.
Elijja b.Rahamin (=eAbdalh\h) 190.
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nKoi>TF.n.
243
Emtfjeleh 163.
Esel 135, 213.
Eunuchen 216.
Faddah 78.
Fadt 86.
Fahd (geisteskrank) 221 ff.
Falken 204.
Fallen (f. Hyanen) 96.
el-Fare 218.
Farben der Haare 115, 225.
Fata morgana 98.
Felk 144.
F<§tets 166, 215.
Feuer (vor dem FOrsten brennend)
175.
Fheideh 67, 78, 83.
Filaria medinensis 105.
Fleischlcuchlein 211.
Fliegen 77.
Fontanell 182.
Frehah 180, 210, 223.
Frosche 218 ff.
Fruhaufstehen 90.
Fusswunden 112, 218, 223, 239 f.
Garten
- in Brak 11;
- in Kaf 109;
- in Hajel 200.
Gazelle, als Gastgeschenk 2 1 1 , 2 1 4 f.
el-Gazieh 218.
Gebel Aga (elGebel) 150, 153 f;
- ed-Drus 20;
- Mi'sma' 118;
- Serra 212.
Gebet, unterbrocben 211.
Gefangniss 201.
Getreidekarawane nach Kaf 38 f.
I Gewehre, (Steinschloss-) 117, 182,
184.
- (Mauser-Repetir ) 55, 184 f. 189.
- (Martini-) 55.
Ge witter 220.
Ghararah 20.
Gildijjeh 227 ff.
Granitformation (schmalrippig) 165,
216, 220-
Gurken 55.
Gy6bbeh 161.
el-Gyof 59, 121, 123 ff.
Gydhar 128.
Graber 72.
Graimls 118.
Hadari 53.
el-9adel 95.
Hagg (Hadsch) Pilgercarawane nach
Mekka 3,
- persische 236 Anm., 239.
tfajel 156 ff.
tfamAd (Stein wiiste) 39, 143.
tfamud el-MigrAd 60, 67, 1 1 1, 1 14 f,
135, 188 ff, 203, 206 f.
Hamad el-'Obed 187, 203.
Handtucher 177.
Hasan Abu Drae 133.
Hasanijjeh 228.
HasIS 145.
Hatab 146, 208.
IJatsmeh 78, 100.
Hauran, N.pr. m. 95.
Haus, arabisches 178, 192.
Hauser, in Kaf 96.
- im Leclscha* aus Stein 10.
Hawazim 82, 95.
Hazlm (Brunnen) 46.
244
REGISTER.
el-Hegr 94, 185.
Heik 116, 119.
Heiratsthema 81 f.
H61 85.
Hannah 115, 225.
Hermon 10, 22.
HoweitAt 107.
tfusein (Kameelshandler) 62, 116,
137, 139, 210.
IJusein Fewzl (Muschlr) 6.
Husein §alih Effendl 7.
Husein (Schmied) 214, 226.
HuteimI 215.
Hyanen 96, 98, 100.
Ibn Haddal 97.
Ibn Sa'ud 156flf.
Ibn Raschid 63, 165.
Ibrahim (Neger) 116, 135, 205.
Ibrahim el-Atrasch 9, 18.
Ibrahim Pascha (Abu Khalil) im
GK ed-Drus 20, Anm. 1.;
- ira Negd 69, 162 f. 177.
Jerbo'a 148.
ImtAn 35.
Inachriften , in Gyobbeh 151 f;
-in Ithreh 59;
- am Gildijjeh 229 f , 232.
Ithel 96, 100, 152;
- Rader v. Ithelholz 127.
Ithreh 58 ff.
Jugendlichkeit der Bedninen 225 A.
Jusuf el-Milki 125.
el£aeajjid 216.
K&f 51 ff.
Kabtani 142, 208.
]£ahawah, Empfangszimmer 57, 65,
68, 127, 173, 179, 204.
Sabwah hflu 128, 173, 176.
?aljun 128.
Kameel 31 ff. ,
- unbehaglich zwischen Mauern
und Thoren 48, 156;
- tranken (31) 46, 140, 149,
151, 153;
- handler 116;
- hirte 232;
- miethe 30, 139;
- milch 233;
- mist (Brennmaterial) 37;
- - kostbar in der Stadt 208;
- fleisch 136 ff;
- haut 239;
- urin, heilkraftig 94.
Kanawat 22.
Kanonen 69, 127, 135, 177 f.
Ea'r 144.
Sarah 124, 140.
Earat al-Islaf 240.
Karl, Konig von Wflrttemberg 117,
182.
Easr in tfajel 133, 197;
- (= Herscherfamilie) 204;
- in Gyof 126:
- in cAkdeh 217, 221.
£a?r ed-dab'a 100 f.
- ezrak 40, 52, 111.
- Said! 47, 71.
- Waschwasch 58, 65.
Kawakbeh 95.
$eftr 191.
Keffljjeh 2.
Kefr 22.
£6rbelah 58, 159.
Khairullilh 210.
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REGISTER.
245
Tfhalaf fi4 Aft
Ma^imUQ 1 . AabcneJjakin ob.
Tvlvurifa AK 7 A
MtiKouian to.
Ml k* n o i i'*iin 1 1 Q
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MtlKkOl (O. y©.
lTh^anraVi 9QU
iftanizeit uer lseauinen 37, 70, 7y;
TThatih 99A 9QA
— ieiLTiiLae 1 / 1 ;
TChattAr 7 ft. Ifi f
— ueiiii r ursteii ioj.
l?hiHr fmtiln QA
luaD^ur do, o6.
JvUUlg tOt
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KhvAm 1 9A
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Matjcnaniaen ziv.
T/flAh 9Q
Mavar iou, ziu.
K'lrth al.milh 74
aiaiiber^ewenre io4n;
ivieiuuug, noiiuue angeiegi i<jz, loo.
rovnltrar 9U 1ft9 1QU
— revolver zy, ioz. loo.
I'ltJuiiiau- vv urm iuo.
TTranthoifian 900 9QQ A nm
JVlall KJJcil/tJll ZUi7 <jOo , A mil.
Meuaieii zz.
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Meycmmua All lo4-, loi n.
— aes iiarirn zu.
MeKKa, gepiundert icu.
Jiuraen, singen, tanzen 14, 17;
Me ra^en {t ussKissen) oo.
in TTAiol 09O f
— in Majei <L£iiL i.
Mac'VioH IRA OiW 9AC
Dies nao loo, ZUl, ZUo.
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j^uvreiret ez-zai ri.
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Lager uer rseuuinen oo.
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Miiiorrig i<*> zi4, zzo.
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ijOb&auieii izum ocnerzj
MiiVinmmari ihn 'Afiiioh 994 9v>«
Muyd mill ba ion Avijjeu , zzo.
T lloronhift-iorlroir CJ7
ijuyeniidiu^Kuil y/.
UiiViammAr) ihn DnlrM A7
MiHiiiinuiyu ion uukiu oi.
Mo^n 1Q1
iila all 1 a 1 .
\f nliaTTim/srl ihn Rdnom 910 91 O
uiu yam iii txj ion luinem ziv, ziz.
JXld dzeil — 15. Aliljjen 66*.
Mnhnmmml ihn RnQphtH 170ft" 17Rff
iMunaiiiiiicu lull nasuuiu i <uu, i < on.
Magid 188, 206.
Muljammed Raww&f 132.
Mabmad Effendi (Brafc) 6.
Muhammed Sa'ld P. 86, 131 ff.
Mabmud (unser Diener) 16, 24, 86 ;
Mu'odd'in 8.
- Hass gegen HamCld 67, 116;
Muvarib 130.
- Schalk 80;
MuWl 115, 120, 132, 135.
- vom FQrsten erkannt 182.
Murduk 20 f.
246
Mureitsib 284.
Mutailite 85, 95.
Nachdammerung 19ti.
Nachtschwatzen 25, 98.
Nahen der Frauon 81.
Na'If 152.
Naaenringe der Frauen 78.
— der Karaeele 200.
Nasi 118.
Nasir ibn Sebhan 204.
Nassal 97.
Nebak 118.
Nebel 3, 21, 288.
en-Nebts 48, 61, 78, 100.
Nefud 141 ff.
Negm el-Atrasch 24, 28.
el-'Obeid (edDlb) 69, 125, 167.
'Obed (8. v. BeVa) 236.
•Orman 24 flf.
el-40la 94, 185.
Palmeti 109 ff;
— zweige als Beleuchtung 107;
— stamme ins Feuer geschoben 217.
Panzereidechse 107.
Petroleumlampen 95, 175.
Pferde, in Kaf 56 f, 66;
— im Gy6f 185, Anm. 3;
— des Fursten 197.
Pflanzen, wohlriecbende in der
Waste 118.
Prugelei 65.
Prtigelstrafe 203.
Quellenscbmecker 90.
Rab 89.
Radlf 116.
Radlfeh 45, 81.
Radtr 102, 289.
I Ragagll esch-Schijflch 127, 287.
i Rairan 75 f, 99.
Ranem ibn BanI 127, 182, 188,
196, 205.
Raschraschijjah 46.
Rasiren, des Kopfes 66, 130, 222.
Rauchen, eines 3-jahrigen Knaben
65.
Rauchern 62.
Razu 32, 111, 118, 206, 208 239 f.
Rebabah 66, 97, 108, 111, 220.
Uebhuhner 86, 288.
Regen 145, 155, 207, 228 f, 234,
236 f;
— tropfen 106, 154.
Reiten auf dem Eameel 33 ff.
Repetirgewehre 55, 184 f, 189.
Revolver 4, 18, 29, 182, 188, 206.
Rigm el-burg 125.
Rinder 135.
Ru'alah 93, 107, 232.
Rufe fur die Thiere 54.
Rumaiminat 239.
$a4 79, 103.
Sabel des Konigs Wilhelm I 186.
§afauwijjat 39.
§albukh 116, 189.
§aiih ibn Rakhls 132, 174.
salim ibn Fetnan 208.
§a'litse 240.
Salt 138.
Salz, -gewinnung 102;
— besteuerung (1870) 103;
— karawane 95.
— stlmpfe 58, 102, 234 ff.
Samb 96.
Samra 213, 215.
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247
Samra Ruttf 102.
Samra Ureik 98.
Samum 230.
SandaleD 207.
Sandbosen 117.
Sandstein, verwitterter 234.
Sandsturm 230 flf.
Sanduk 228.
Sattam ibn Sa'lan 131.
Sas el-Kuff 100.
Schahir 89.
Scha'Ib A'aiwig 234.
Scha'Ib Schaklk 228, 240.
Schaklk (Brunnen) 91 f, 139, 148.
Sch&kka 16.
Schawardl 228, 230, 236.
Scbech el mascha'ich 172.
Scberari 228,
Scherarat 106, 108.
Schiff, abgebildet 193.
esch-Schijuch 172 (61).
Scbleier 77.
Schloss und Schlussel 109.
Schmisaneh 78, 98.
Schnupftabak 188.
Schnurrbart (Unsitte) 57.
Schroder P., G. Consul in Beirut 218.
Scbweinefleisch 42;
- borsten 190;
- schmalz 190.
Schwielen (Wolf) 33, 119.
Sclaven in Hajel 180;
- in hoher Stellung 129 f.
Scincus officinalis 148.
Sebban 204.
Selamah 218 f.
Semawa 236.
Semebah 149.
Serra (Gebel) 212.
§hauwat Fawwaz 220.
Singen, bei den Wahhabiten nicht
gerne geseben 211 f.
Skakah 124.
Sliman el-Khoreischl 212.
Sprache der Beduinen 53 f.
Spuren eines Razu 118.
Staatmacben 122, 138.
Steinbocke 200,. 2 17.
Steinhauser im LMscha' 10.
Steinschlossflinten 117, 182, 184.
Steuern 103, 129, 181, 133.
Stockschlage (Bestrafung) 202.
Sturm 230, 237.
Subhi P. 131.
Su'eideb 22.
Sufrah 48.
Sukur 93, 95, 118.
Tabak (persischer) 238.
Tabaksbeutel 238.
Talal 69, 168.
Talb 154.
Tanze, kurdische 17;
- der Beduinen-Burschen und
-madchen. 140.
Tawil 148.
Teima 186.
Tekujeh 219.
Tell el-Ascha'ir 28.
Tell el-Khidr 23.
Tell Schlhan 20.
Temperaturen 44° C. 3; 40°: 147;
36°: 117; 34°: 106; 14°: 222;
10°: 117, 238.
Tesserae (aus Thon) 94 f.
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248
HFOISTEK.
Thore am l£a?r ira Gyof 126;
— Stadthore in Kaf niedrig 48 ;
— in najel geschlossen 171;
— jede Nacht um 9 Uhr 223.
Tracht der Frauen 78, 223.
Tranken (derKaraoele) 31, 46, 140,
149, 151, 153.
Trappe 45, 73.
Treifeh 78, 95, 98.
Turken im Gyof 1870, 131.
TuwSr (Twer) 124, 130.
(Teberfall, zum Schein 43.
Ilhren 192, 213;
— 200 Taschenuhren 187;
— Rococo-Standuhr 188.
Urara el-fanagil 73;
— el-gra? 98;
— el-masagid 214;
— es-Selman 151 f.
Ungeziefer, F15he 9, 10, 21, 67
Anm. 1 , 119 Anm. 1 ;
— Wanzen 13, 121 ;
— Lause 119 ff;
— Kameelsiause 55.
Verzierungen der Wando 194, 204,
206 f.
Vogel Ed., t in Wadai 186.
Vogel, (216 f);
— schiessen 59, 65;
— aus dera Hinterbalt 101.
Volksfest (Canstatter) 99.
Wadi Bu'eb 232;
- Dawasir 105, 142;
- Hajel 228;
- Luwa 20;
- Ragil 52;
- SirhAn 52, 113 f.
Waffenbelehrung 18 f.
Wagen, abgebildet 152.
Wahhabiten 157 ff.
Walder 22.
Wasser, im Kopf 209, 214 f.
Wasserschlauch 41, 139.
Wasserplatze in der syrisch-arabi-
schen Wuste 91 f.
Weg in der Wuste zu erkennen
147 Anm.
Wehklagen um Todte 107.
Wilhelm I, Konig v. Wurttemberg
99, 186.
Wind, in der Wuste (86) 106, 137,
142, 145, 147, 230 f. 237.
Woll, pfaizische Gedichte 176.
Wolken 82, 106, 237.
Wuste (Nefud) 142 ff.
Zablen, den Beduinen schwierig 103.
Zarabarah 17.
Zeban 2.
Zeitungen 211.
Zopfe der Manner 45, 176.
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A RABISCHER INDEX.
78, 223
96 jjl
89
83 f ^bJ
110
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250 ARABISCHER INDEX.
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TRRTHLMER XJND DRUCKFEHLER.
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Soite60, Z. 8 lies: das.
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• 12 lies:
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» 41, » 8
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111,
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» 41, » 4 t. n. lies : apateren.
122,
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»
4-500 Pu88.
» 42, » 21 statt
aus lies: an.
128,
> 3
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» 43, » 5 lies:
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138,
> 18
»
einen.
» 43, » 10 >
Ergebnias.
144,
» A.1 ,
felfc, folfc.
> 45, » 20 »
Dieses.
145,
. 4
»
» 47, . 16 »
unbeschreiblioh.
155,
» 8
Y. U.
lies : wnrden.
» 48, • 3 »
mir.
163,
» 8
»
Oognera.
i 54, » 19 >
wie.
>
165,
I. 4
• Beitensohoss.
<■ 56, t 19 >
nach.
206,
. 8
> japannischen
• 58, > 10 »
waren.
Tassen.
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UNTKR DKN ARABISCHEN WORTEN 1ST ZU BERICHTIGEN:
S. 2, Anm. 1, lies: jUe iafc41.
a 35, Z. 5, lies: me<rafceh KJyw (vgl. Doughty II, 453; Bernhardt 109;
Journ of the r. aa. Boo. 21 , 864.
8. 41, Anm. 1, $idr unrichtig; es ist jJ3 teidr.
S. 44, Anm. lies: i&Lb (vgl. Wetzstein, Reiseber. 145).
S. 66, A. 1 statt: tfUc lies: OOc.
8. 84, Anm. 2, lies: ^JULL..
S. 84, Anm. 8, lies: K^Uk..
S. 138, Anm. 1, lies: &U>3.
8. 200, Anm. 2; Socin theilt mir mit: Bibiiotheca geogr. arab. IV, 198
was falsch ist fur in Baghdad hdrte Sooin: timman und
t£memeneh. Doughty I, 153 sohreibt: tommn.
Di
Ubersichts Karte zuJ.EUTItfGS Reiskn m Vorder-Asien
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TAGBUCH EINER REI8E
IN
INNER- A R ABIE N.
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TAGBUCH EINER REISE
IN
INNER-ARABIEN
VON
JULIUS EUTING.
ZWEITER THEIL.
HKRAD30BORBEN VON
ENNO LITTMANN.
HLTIIIIANDMTNG USD PRUCKEREI
VOlMALs
E. J. BRIJL.L
I.EItHCN — 1914.
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1>ER ERSTE THKIL DIESKS BUCHES
GKWIDMKT WAR.
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VORREDE ZUM ZWEITEN THEIL.
■
Als ira Jahre 1896, noch wahrend meiner Studentenzeit, der
Erste Theil von Eating's Tagbuch einer Reise in Inner-Arabien
erschien, habe ich nicht ahnen konnen, dass ich cinmal die
Aufgabe haben wilrde, den Zweiten Theil dieses Tagbuchs her-
auszugeben. Als aber ira Jahre 191B die Aufforderung an mich
gerichtet wurde, dieae Aufgabe zu flbernehmen, habe ich gem
und freudig zugesagt.
Lange haben die Freunde Euting's, die in'ihra nicht nur den
Epigraphiker und Palaeographer, sondern vor Allem auch den
unermndlichen Reisenden und vortretflichen Men.schen verehrten,
auf die Vollendung seines Tagbuchs gewartet. In den Jahren,
wahrend derer ich rait ihm im schGnen Strassburg zusaramen
war, habe ich oft gesehen, wie er selbst daran arbeitete; und
raanchmal las er rair auch aus dem mit so sorgsamer Hand
geschriebenen Manuscripte einzelne Capitel oder Schilderungen
vor. Viele seiner Erlebnisse haben wir auch mflndlich bespro-
chen, raeist in seinem Arbeitszimmer ira Rohan-Schloss, dort
wo viele Orientalisten ihre epigraphischen Kenntnisse erworben
haben. So war mir der Inhalt des Tagbuchs schon zum Theil
vertraut. Zugleich hatte icli durch eigene Reisen in Pahlstina,
Syrien, der syrisch-arabischen Waste, Agypten und Abessinien
eine personliche Anschauung vom Orient gewonnen und konnte
mich um so eher in die von Euting geschilderten Erlebnisse
hineinversetzen, namentlich auch in die epigraphische Thatig-
keit in jenen Lflndern.
In der Schilderung seiner Erlebnisse, Eindracke und Beob-
achtungen zeigt sich so ganz die liebenswOrdige Personlichkeit
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ViFl - VOUHKI.K.
des Marines, der in Allem ungeschminkt, echt und natftrlich
war. Wie er sich uber jede kleine 131 u me in der Natur freute,
so hatte er aueh Interesse far alle kleinen Ereignisse des tag-
liehen Lebens, das ihn umgab. Als Maler hatte er zugleich das
Beobachten gelernt. Und mit einem feinen Humor wusste er
die Dinge selbst zn nehraen und far Andere darzustellen. Gerade
in dieser Detail-Malerei des Lebens in Inner-Arabien liegt wohl
der Hauptwerth des Tagbuchs. Dazu kommen dann auch die
vielen Zeichnungen und Bilder aus einem so fernen Laud.
Denn Inner-Arabien i*t ein verhaltnissmassig noch recht wenig
bekanntes Land. Aber gerade in unserer Zeit macht die Euro-
paisierung des Orients ungeheure Fortschritte. Syrien und Pa-
lastina werden sehon von einem Netz von Eisenbahnen durch-
zogen, wahrend es dort um 1900 erst zwei ganz kurze Eisen-
bahnlinien gab. Sogar Damascus und Medinah werden bereits
durch das Stahlross verbunden. Dies hat natnrlich auch die
Wirkung, dass manche alte Sitten und Lebensgewolinheiten
aufgegeben werden und dass Land und Leute sich in Vielem
verandern. Aufzeichnungen wie die Euting's werden daher immer
ihren Werth behalten, auch wenn sie erst 30 Jahre nach der
ersten Niederschrift der Offentlichkeit Qbergeben werden. Es
war daher fnr mich nicht nur eine liebe Pflicht der Pietat
gegen den Freund, die Herausgabe seines Werkes zu flber-
nehmen, sondern auch eine Pflicht gegemlber Allen, denen die
Kenntniss Arabiens und der Araber am Herzen liegt.
Bei der Herausgabe nun bin ich in folgender Weise verfahren.
Capitel IX— XIII lagen druckfertig vor, von Euting's Hand
geschrieben. Capitel XIV und XV habe ich auf Grund des
von Euting auf der Keise gefuhrten Tagbuchs ausgearbeitet.
In Capitel IX— XIII habe ich zunftchst nur die Orthographie
und die Interpunction etwas consequenter durchgefuhrt. Wer
den 1. Theil aufmerksam durchliest, wird bald bemerken, dass
die von Euting gewahlte Orthographie willkflhrlich ist. Ich legte
mir daher, um auch hierin moglichst treu Euting's Eigenart zu
wahren, ein Verzeichniss der verschiedenartigen Schreibungen
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VOKKEDi:.
!X
auf (irund des I. Theiles an. Dabei fand ich, dass die deutsche
Ilechtschreibung ein Land der unbegrenzten M6glichkeiten ist.
Und davon hatte Euting ausgiebigen Gebrauch gemacht: manche
Worte sind bald mit s, bald mit ss, bald mit sz geschrieben,
andere bald mit tz, bald mit z, wieder andere hier mit ck,
dort mit k u. s. w. Um hierin ein gewisses System zu bringen,
habe ich die altere deutsche Orthographie, etwa aus den
Jahren von 1860—1880 zu Gruude gelegt und habe dann
meist je eine der verschiedenen im Ersten "Theil gebotenen
Moglichkeiten durchzufuhren gesucht. Ganz ist mir das aber
doch nicht gelungen; so habe ich z. B. bei dem Worte nNichts"
manchmal die Schreibung mit kleinem Anfangsbuchstaben stehen
lassen. Bei dem Namen des Fiuanzministers in I.lajel, den
Euting Nasir Sebhan schrieb, der aber nach Hess Nasir es-
Sebhan heisst, hatte ich von vorn herein die letztere Form
wahlen sollen.
Im Obiigen ist Alles, was ich zu den Worten Euting's in
Capitel IX- XIII hiuzugefQgt habe, in eckige Klaramern - [ ] —
eingeschlossen. Das sind zum grossen Theile Anmerkungen, die
ich Prof. J. J. Hess verdanke. Letzterer arbeitete in Cairo
mehrere Jahre mit einem Central- A raber, namens Muhidz ibn
cAgga{>, zusammen, und er hatte die Freundlichkeit mir eine grosse
Anzahl von Fragen entweder direct aus seinen Sammlungen
oder nach Erkundigung bei Muhidz zu beantworten. Alles, was
von ihm stammt, ist durch ein H. gekennzeichnet. — Das, was
ich selbst zur weiteren Erklarung von Capitel IX — XIII bei-
getragen habe, bezieht sich meist auf sprachliche und inschrift-
liche Fragen.
In Capitel XIV und XV bin ieh etwas freier und selbstan-
diger vorgegangen. Natitrlich hatte ich das ursprnngliche Tag-
buch wflrtlich zum Abdruek briugen konncn; aber dann wAren
diese Capitel ein Torso geblieben. Vieles war von Euting nur
kurz angedeutet, manche SAtze waren im Telegram m-Stil nieder-
geachrieben. Um nun nicht eine zu grosse Kluft zwischen IX— XIII
und XIV— XV zu lassen, habe ich versucht, in dem selben Stile
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vi mm: i ik.
forty.u fall ivn, in dem Eutiog sein druckfertiges Manuscript ver-
fasst hatte. Ob tnir das gelungen ist, m6gen die Leser beur-
theilen. Die Moglichkeit der Nachprufung ist ja immer gegeben,
da die urspranglichen Tagbflcher Euting's von alien seinen
Reisen zusaramen mit seinen Zeichnungen aus dem Orient auf
der Universitats-Bibliothek in Tilbingen aufbewahrt werden ').
Aber alles Sachliche, was ich in den letzten beiden Capiteln
hinzugefugt habe, ist auch hier in [ ] eingeschlossen.
Die Abbilduugen sind fast sammtlich von Reg.-Baum. D.
Krencker, der auch selbst liingere Zeit im Orient war, nach den
Original-Zeichnungen Euting's hergestellt. Die Inschriften habe
ich selbst gezeichnet. In Capitel IX— XIII ist genau nach den
Angaben ira Original-Manuscript verfahren; in XIV — XV sind
die ineisten der Zeichnungen des Tagbuchs wiedergegeben.
Dagegen konnte der „Atlas", auf den iin I. Theil mehrfach
hiugewiesen ist und auf den auch im Manuscript zu Cap. IX — XIII
einige Male Bezug genommen war, aus leicht begreiflichen
Grflnden nicht hergestellt werden.
Hier mOge noch auf mehrere Einzelheiten hingewiesen werden.
Der auf S. 171 erwahnte Jud Suss ist der Finanzmann Joseph
Suss Oppenheimer, der uuter der Regierung des Wurttember-
gischen Herzogs Karl Alexander (17:18—1737) als Geheimer
Finanzrath eine verhftngnissvolle Rolle spielte. Nach dem Tode
des Herzogs wurde er hiugerichtet ; die Erinnerung an ihn ist
heutigen Tags noch in WOrttemberg lebendig.
Eine Anzahl sQddeutscher Ausdrucke, die der Schreibweise
Euting's hie und da einen hesonderen Reiz und besonderen
Nachdruck geben, die aber von Norddeutschen und Ausl&ndern
nicht ohue Weiteres verstanclen werden dflrften, seien hier
erklart.
Als weiter! = Immer nur wei- gah = steil.
ter! Kaib = Aas (Schimpfwort).
Als zu! = Immer zu! Muhr = Moor.
1) Kin Wrwichims davon liodet sich nin Knde dieter Vurn-dr.
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■
VOIlltEI.K.
XI
mulzig = schwammig, wie Stundenhalter = Pietist, tier
Springerle = kleines Gelnlck. quem.
Hieran m6ge sich gleich ein Verzeichuiss der in Theil II
vorkommendeu, nicht immer erklarten arabischen Wfirter
schliessen, soweit sie nicht bereits in Theil I, Seite vn ange-
fahrt sind.
Derb el-Hagg, Pilgeratrasse. Megidi, tflrkischer Thaler.
Dlw&n, Empfangsraum. Meglis, Rathsversammlung,
y agg, Pilgerfahrt nach Mekkah. Versammlungsraum.
Pilgerkarawane. R a g a g 1 1 , Soldaten.
Khan gar (.so, mil kh), breiter Rebabeh, beduinisehe Geige.
Dolch. Rijal, Thaler {mile).
M a k h z a n , Magazin, Vorraths- S c h a c i b , trockenes Flussbett.
mum. Suk, Bazar.
Der Titel Schijukh (Pluralis raajestatis von Schech) ist audi
hier mehrtach fur den Fnrsten von l.Iajel gebraucht. Es wire
zwar folgerichtiger, auch im Deutsehen, wie im Arabischen,
das Verbum dazu in den Plural zu setzen ; aber meineui Gefnhl
nach widerspricht das zu sehr dem guten deutschen Sprachgeist.
Bei der Umschreibung arabischer Wdrter habe ich mich nach
der Tabelle in Theil I, Seite vji und vin, gerichtet und mich
dabei bemuht, moglichst consequent zu sein. Aber mehrfach
habe ich auch, wie Euting, s und sch, t und th neben einander
fur den selbeu Laut gebraucht, meist nach dem mir vorliegenden
Manuscript. Auch hatte durchgangig Razu, Beli geschrieben
werden sollen; auf beiden Worten fehlen zu Anfang die Accente. —
Die auf S. 226 genannte Stadt cAnezeh hatte wie auf S. 14
cOneizeh geschrieben werden sollen. — Den Namen der Stadt
el-'Ola schreibe ich, Eutiug folgend, ohne Accent, obgleich
el-cOIa richtiger gewesen ware. — Am meisten Schwierigkeiten
g; es wird bei den verschiedenen Stammen ver-
schmelzender Schnee.
Runse = Rinnsal.
Sack (im Anzug) — Tasche.
Gebetsstunden abhalt.
1 Tobel = Schlueht.
ungattig = ungeschickt, unhe
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*
Xll VORRKDE.
schieden gesprochen. Ich habe darin iramer die von Euting
gew&hlte Schreibart, ob g, oder oder gy, steben lassen, ob-
wohl ich an manchen Stellen £ fur richtiger denn g gehalten
habe. — Der auf S. ^62 genannte Sclave Mubarak wird wohl
derselbe wie Mabruk sein.
Bei der Herstellung der Register habe icli zunachst fur den
deutschen Index dieselbe aussere Form gewahlt wie in Theil I ;
ich habe ihn jedoch etwas ausfuhrlicher gestaltet und sammt-
liche Eigennamen darin aufgenoramen. Im arabischen Index
glaube ich durch die Ordnung nach WortstAmmen und die
gleichzeitigen Erklarungen den Wunschen der Orientalisten mehr
entgegengekoramen zu sein.
Die von Euting besuchten Orte sind spater, nach Herstellung
der Eisenbahn, zum Theil von den Pat res Jaussen und Savignac
besucht nnd erforscht worden. Sie hatten mehr Musse und
bessere Arbeitsgelegenheit in eHJegr und el-c01a als Euting.
Ihr Werk „ Mission en Arabie" ist denen, die sich genauor mit
den Ruioen und den Inschriften beschaftigen wollen, unent-
behrlich. Hier sei noch bemerkt, dass sie auch die arabischen
Inschriften von den Kastellen el-Akhdar, el-Muea?zam und Tebitk
verOffentlicht haben, und dass die von Euting gelesenen Daten
(unten S. 170, 175, 181) durch sie bestatigt sind.
Mein Dank gebuhrt den Herren Prasident A. Euting, dem
Bruder des Verfassers, ferner J. J. Hess, D. Krencker und der
Firma E. J. Brill in Leiden.
MCge dies Buch nunmehr alien Freunden Euting's ein An-
denken sein an ihn und an seine Reisen, mOge es ihm ab<?r auch
noch nach seinem Tode nene Freunde zu den alten hinzugewinnen!
({OrriNGEN, Ende April 19H. E. LITTMANN.
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vonRF.m-:.
Mil
VERZEICHNISS
der TagbOcher u. s. w. von Julius Euting, die in der Universitats-
Bibliothek Tubingen aufbewahrt werdeu,
zusammengestellt von A. Edting.
Reise nach Tunis, 2. Sept.— 24. Okt. 1869: 1 Tagbuch, 1 Skizzen-
buch.
TQrkische Reise, 10. Nov.— 31. Dez. 1870: 1 Tagbuch, 1 Skizzen-
buch.
Oriental isten-Kongresse in London 1874, Berlin 1881, Wien 188G,
Stockholm 1889: 1 Tagbuch.
Reise in Inner-Arabien, Mai 1883— August 1884: Tagbuch I — VI,
VIII; 1 liber inscriptionum, 1—65 und 1—95; Arabische
Notata Nr. II; Skizzenbuch I — V; 1 Panoramenbuch : 4
Aquarelle; 1 Panorama vom Gipfel des Samra, 1 ftbersichts-
karte.
Reise nach Agypten — Sinai, 15. Febr. — Ende Mai 18S9: Tag-
buch I— III.
Reise nach Nord-Syrien (Sendschirli — Urfah — Aleppo — Send-
schirli) 27. Dez. 1889 — 27. Mai 1890; Tagbuch I- IV; I
Skizzenbuch.
Reise nach Port-Said — Jaffa — Jerusalem — Petra — Udruh (Ex-
pedition Brunnow), 23. Jan. — 22. April 189S: Tagbuch I— II.
Reise nach Jaffa — Jerusalem — Meschatta — Jerusalem — Cairo,
16. Sept. — 23. Nov. 1903: Tagbuch I— II.
Orientalisten-Kongress in Algier, 9. April — 15. Mai 1905: Tag-
buch I— II.
i
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>
IX. CAP1TEL.
Hfijel.
17. November I8K1 _ 2± Jannar
Samstag 17. Nov. 188BJ. Gleich beim Erwaehen war unser erster
Gedanke wieder: wie ist der Razu verlaufen? Machen wir uns
klar, was uberhaupt eiu Razu1) d. h. eia beduinischer Raub-
oder Kriegszug ist, wie er ins Werk gesetzt wird, was seine
MOglichkeiten imd Anssichten sind, und hOren dann im Beson-
deren, wie es mit dem vorliegenden Kriegszug des Ibn Raschld 2)
gegangen ist. Ein Razu kann unternommen werden schon von
einzelnen Beduinen, die sich auf eigene Faust und Gefahr zu-
sammenthun, um ihr Gluck durch Raub und Diebstahl an Hab
und Gut der AugehOrigen eines fremden Stammes zu versuchen.
Solcbe Freibeuter vermeiden, wenn es irgend angeht, Blut zu
vergiessen; denn das blosse Rauberhandwerk ist dort ganz
ehrenhaft, und fur die raeisten armen Teufel sogar das einzige
Mittel, sich ein neues Hemd, Mantel, oder Waften und Reit-
thiere zu verschaffen; wenn aber auch nur ein einziger T ropfen
Menschenblut dabei vergossen wird, so zieht das vermOge der
Blutrache unausloschliche Familien- und Stammesfehden nach
1) Der arabische Name ist unter der veriindcrten Form Razzia auch in die abendlandUchen
Sprachen libergegangen. — Geradezu typisch ist cia liazu der Amalekiter ge«childert im erstcu
Bach Samuelii ico 80. Cnpitcl. [Im Arabiachen sind die beideo Worte ram und rdxija too der-
telben Wurzel abgeleitet nnd haben diesclbe Itedeutung. Has letztere Wort ist zu einer Zeit in
die europiiscbeu Spracbcn ubcrgcgangcn, io der das r beieits als Ziipfeheu-r gesprochen wurde,
wahracheinlich Lain es aus Algier each Frunkreicb. Sontt wiire, wie bei Gazelle, aus dem r ein
g geworderi].
[2) Der Name wird in Arabien incist Ibr-Raschid gesprochen].
1
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2
NKLNTKS CAPITKI..
sich. Im grossen Stil aber spielt sich ein Razu zwischen ganzen
Stammen ab. Die Macht und der Reich thum eines Starames
hangen ganz unmittelbar von der Haufigkeit und dem Erfolg
der Raubzuge ab; es ware bald um das Ansehen und den Ein-
fluss eine9 grossen Schechs geschehen, wollte er nicht darauf
bedacht sein, wie er den Wohlstand seiner Statu niesgenossen
und die Anzahl ihrer Heerdenthiere dnrch glQckliche Unter-
nehmungen vermehrte. Ein Razu kann naturlich nur unter-
nommen werden gegen Angehorige eines fremden, feindlicben
Stammes, uberhaupt gegen solche, die sich bisher zu keinem
Bundniss oder zur Tributzahlung verstandigt haben. Heutigen
Tages, wo im Herzen Arabiens ein ungeheures, fur beduinische
Verhaltnisse geordnetes, Staatswesen unter der starken Hand
des Muhammed ibn Rascbld zusammengehalten wird, ist ein
Razu jminer ein weitausschauendes Unternehmen. Was an klei-
neren widerborstigen Elementen an den Grenzen des Schammar-
Staates vorhanden war, ist langst aufgerieben oder einverleibt,
und zahlt unweigerlich die regelinassigen Abgaben, den Zeka ').
Es kommen also nur in Betracht die ganz grossen mftchtigen
Stamme, wie im Norden die cAnezeh, speziell die Riialah, ira
Westen die cAleideh, Beli, Geheineh, im SQden die Muter, Harb,
tfahtan '), im Sddosten der alte Rivale Ibn Sacud zn Rijad im
Mutterlande der Wahhabiten. Diese liegen aber samrot und
sonders mindestens 500 Kilometer von der Hauptstadt Hajel
entfernt, dabei dehnen sich ihre wechselnden Waideplatze viel-
leicht noch ebensoweit, und mftssen filr den entscheidenden
Augenblick zuvor ausgekundschaftet sein. Unter drei oder vier
Wochen ist demgemass nicht dran zu denken, dass die Aus-
ruckenden wieder nach Hanse kommen. Ohue triftigen Grand
kann Keiner der personlichen Kriegspflicht sich entschlagen;
jedenfalls muss er eine Kriegssteuer zahlen, die in Geld, Darlehen
von Waffen, Thieren oder anderer Ausrastung bestehen kann.
1) H. gibt ztitlA — Tribut, uod schrcibt die Stammcsoamon folgoudormadssen : \\tnze, Ruirsla,
cl-KiitS, Bill, (u-hcttc, M<tiir (bei lla.lnr: Mi-ii-r), Harb, n«hntnn (oder filialAnV]
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For einen Monat mussen die Leute mit Lebensmitteln (Datteln)
ausgestattet sein, und durfen nur solche Thiere bei sich haben,
die den aussergewflhnlichen Anstrengungen in jeder Beziehung
gewachsen sind. Sobald ein Razu geplant ist, wird jede Andeu-
tung nach aussen strengstens vermieden (vgl. Bd. I, S. 206, 208).
Gegen wen es jeweils gilt, weiss nur der Furst und sein Kriegs-
rath. Am festgesetzten Tag und Ort finden sich 4—5000 Kameels-
reiter zusammen, und sobald der Furst selbst anlangt, setzt
sich der Zug in aufgelflster Gangart in Bewegung. Taglich 21,
ja 22 Stunden wogt der lebendige Haufen durch die Wflste;
zwei Stunden mussen genugen zuin Schlafeu, daneben mussen
noch die Karaeele mit ausgesteinten Datteln, oder ein paar
Handvoll Mehl gefuttert, die Pferde mit Gerste gestftrkt und
aus dem mitgcrahrteu Wasser getrankt werden. Setzen wir
einen gunstigen Fall, so wird am Abend des zehnten Tages
von den vorausgeeilten Kundschaftern ') gemeldet, der feindliche
Stamm lagere an der und der Stelle in funf oder sechs grossen
Gruppen in einer Ausdehnung von 2 bi3 3 Stunden; es sei aber
zu befflrchten, dass sie schon morgen frflh die Zelte abbrechen,
weil die ganze Gegend grQndlich au3gefressen sei. Jetzt wird
Alles drangesetzt, am den Feind noch vor Tagesanbruch zu
tlberfallen, die abgehetzten Thiere werden zur letzten, entschei-
denden Kraftanstrengung angetrieben: in weit au9greifendera
Bogen soli der Feind gefasst werden. Gleich einem Wirbelsturm
brechen die Karaeelsreiter in die Lager ein. In wenigen Minnten
ein wildes Chaos von Menschen und Thieren, in den Kriegsruf
der Manner, in das Wehklagen der Weiber und Kinder mischt
sich das Brullen der Thiere, Zelte sturzen, durch die halbver-
glommenen Lagerfeuer rasen die toll gewordenen Schafe und
Ziegen ; was sich wehrt, wird zu Boden gestochen oder nieder-
gesabelt. Nach alien Richtungen stieben die Flflchtlinge aus-
einander, mit sich schleppend, was sie noch erratfen konnten.
Aber das Entrinnen wird ihnen sauer gemacht. Schon haben
1) [H.: tyjum oder HjA* Itr lUtciid oder lb* SoVd lind «wei Knndach»rter, die dem
Kaxu des 1. B. oder I. S. vorautrcitca;.
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SEUSTKS CAl'ITKI..
von den Verfolgera die besten Schutzen ihre bisher lose mit-
gefilhrten Pferde ') bestiegen, und jagen ihneo, was sie geborgen
glaubten, zuletzt noch ab. Wohl mCgen Einzelne im Dunkel auf
tiflchtigem Delul entronnen, Hunderte von Schafen und Kameelen
mdgen ausgebrochen sein. Das verschwindet iudess gegen die
geschlossen zusammengepferchte Masse von Mensch und Vieh.
Vor Allem werden den Besiegten die Waffen abgenommen,
✓ Sclaven, Madchen und Weiber, soweit sie noch begehrenswerth
sind, ausgeschieden, die Manner halbnackt, von ihrein Hab und
Gut weg, mit Hohn dem Elend zngetrieben. Nichts wird den
Unglucklichen belassen; ist ja der lausigste Mantel, ein durch-
locherter Kessel, der geraeinste Zeltpfloek, ein Stilck Holz von
1 Fuss Lange, noch der Millie werth, als Beutestttck nach Hause
geschleppt zu werden. Doch die Vertheilung der Beute nach
Wurde und Verdienst kommt erst spater dran. Einstweilen
handelt es sich bloss um Essen und Trinken, dann aber Ruhe
und Schlaf. Zunachst gibt der grosse Schech Befehl, das3 ein-
mal tausend Schafen oder Ziegen der Hals abgeschnitten wird
— denn auf funf Beduinenmagen rechnet man ein solches Thier*).
1m Handumdrehen lodern schon die Feuer, halb gar wird das
Fleisch verschlungen, noch der letzte Schluck aus dem Schlauch,
dann aber: schlafen, schlafen! Nur die ausgestellten Wacht-
posten zunden, um sich in Qh sain die Augen offen zu halten,
bis zur ungewissen AblCsung, ihre Pfeifen an. Die Kameele,
zu mud um zu freshen, haben sich mit geschlossenen Augen
und wagrecht vorgestrecktem Hals in den Sand geworfen, da-
zwischen liegen, die Waffen im Arm, die Krieger und schnar-
chen. Sie weckt nicht das BlOken der hungrigen Schafe, noch
das Klagen der nicht gemolkeuen Kameele. Da ist der beste
Kirchenschlaf eines Artillerieregiments nichts dagegen; das
jQngste Gericht mit seinen Posaunen mftsste hier unbeachtet
vorQberziehen : languor, torpor, sopor — —
I) Vgl. lid. I, S. 198-199.
"2) Anch die AbMsioier rechneu eioe Ziege auf funf Mann; vgl. Littmann, Publications of
the Princeton Expedition to Abyssinia, Rand IV, S. flOO, V. 9].
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V&JKL. 5
Wie ganz anders stent's mit den Besiegten, den ausgeplnn-
derten Unglucklichen ! Hab und Gut, Weib und Kinder sind
dab in ; von Allem entblosst, dem grim men Hunger preisgegeben,
gestachelt von Rachedurst und Verzweiflung, haben sie nur
den einen Gedanken: wie kann der Spiess umgedreht werden,
das heisst: wo sind die nachsten kraftigen Bundesgenossen auf-
zutreiben? Noch sind einige gute Renner gerettet; die raogen
zusammengeschunden werden und gar drauf geben, maikhalif! ')
Helf was helfen mag! Keine acht Tage sind's her, da konnte
man druben im Osten an den blauen Bergeshangen die schwarzen
Linien der befreundeten Zelte ganz deutlich unterscheiden.
Jetzt, wo sind sie hingezogenl Wer wird sie zuerst ausfindig
machen1? Den Spuren folgend jagen die jungen Bursche bereits
24 Stunden drauf los, 200 Kilometer haben sie hinter sich. Wie
sie bei Tagesanbrueb den Zelten in Sicht kommen, werden sie
zuerst selbst far die Vorlaufer eines Razu gehalten, bald er-
kannt, und mit Uuruhe und Spannung ibr Anritt erwartet.
Am Zelte des Schechs brechen die Thiere zusammen. Umringt
von den waffenbereiten Mannern erzahlen die Burscbe rascb,
was gescheben, und rufen die Freunde um Hilfe an. Nieht die
bewegliche Schilderung von dem Elend, wohl aber die Aussicht
auf glanzende Beute gibt den Ausschlag. Es bedarf keiner langen
Berathung der Stammeshaupter, da ist schon entschieden, dass
man das Wagstilck versuchen wolle. Binnen einer halben Stunde
sind alle Vorbereitungen beendet, dann wird aufgesessen; los!
Am zweiten Morgen stossen sie auf den Eilboten eines befreun-
deten, vier Tagreisen im Westen waidenden Stammes, und er-
fahren, dass die Rauber mit ihrer Beute nach Norden abge-
zogen seien, zugleich erhalten sie die Weisung, mit Aufbietung
aller Krafte eine Umgehung des Gebirges auf der Ostseite und
eine Sperrung des Ausgangs aus dem Engpass von Norden her
zu versuchen, wahrend die Freunde aus dem Westen von SQden
her auf die Rauber drQcken wollten. Sofort wird nach Nord-
1) „Thut nichUt"
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NKirNTKS t APITKI-
westen abgebogen; am funften Tag Nacbraittags ist der Pass
von Nordeu her geschlossen, die Felsen sind besetzt, die Schutzen
liegeu in guter Deckung. Es war hochste Zeit. Aua dem Hinter-
grund der schwierig gaogbaren Schlucht drangt 9ich der schwere
Tross beladener Kameele. Knatterndes Gewehrfeuer bekundet
das Ntfehdrangen der Verfolger. Von alien Seiten wird in die
sich stauendcn Massen hineingefeuert. Nutzlose Proben des
Heldenthums andern Nichts an der verzweifelten Lage. Genug
der Opfer sind bereits gefallen, weiterer Widerstand ist ganzlich
aussichtslos. Bedingungslose Ergebung, Herausgabe des Raubes
wird geheischt. Ehe die Sonne sich neigt, hat sich das Blatt
gewendet. Aus den stolzen Raubern sind nackte Bettler geworden.
Verfolgt von den Spottliedern der uberniuthigen Sieger schleppen
sie in die Nacht hinein die Verwundeten mit sich. Der Eine
stosst VerwQnschungen aus, der Andere murmelt: La kuwwah
ilia billah („Es ist keiue Kraft, ausser bei Gott"). Hinter sich
blickend gewahren sie, wie die Todten bestattet, das heisst mit
einem Haufen Steine zugedeckt werden; sie massen zusehen,
wie das wiedergewonnene Eigenthum zunebst der Beute getheilt
wird. Unter den Weibern steht eine Debora auf und singt aus
dem Stegreif von den neuen Heldenthaten ihres Stammes. Es
wahrt gegen Mitte der Nacht, bis die Feuer verglosten und die
Lieder verklingen.
Nun, wie ist es aber mit dem jungsten Razu der Schammar
gegangen? Der in der verflossenen Nacht eingetroffene Beschir
oder Siegesbote des FOrsten hatte trotz aller natftrlichen Be-
redsamkeit Mahe, die mageren Ergebnisse des Razu aufzubau-
schen. Der Raubzug hatte den Muter im Sastm '), sfldlich vom
Wad! er-Riimmah, gegolten. Am siebenten oder achten Tag,
noch im Dunkel des Morgens, waren die Leute des Farsten
zuerst auf eine kleine Abtheilung berittener Mut6r gestossen,
die gerade selbst auf Raub ausgezogen waren. Bei dem sich
[1) H.: Die Mctir w»rcn urspriinglich in el-Ga,!m, wic mir gewgt wurde, zogen »b«r nich
0.teB f#^«n)3.
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7
entspinnenden Kugelwechsel bOssten Einige das Leben ein,
wfthrend es ein paar Anderen gelang zu entrinnen. Die Haupt-
masse der Muter war mit den Heerden auf einer weiten Ebene
gelagert; auf eine Entfernung von zwei Stundeu konnten sie
schon die anreitenden Schammar wahrnehmen. Sofort Alarm
durchs Lager, Abbruch und Aufpacken der Zelte, Auflosung der
Heerden. An Einschliessung dieser weit auseinander eilenden
Massen war nicht zu denken. Was den Schammar in die Hande
fiel, mogen ein paar Hundert Kameele und vielleicht 3000 Schafe
gewe9en sein, also nicht mehr wie ein Fleischessen far 8 Tage.
Der Qbrige Gewinn an Zelten, Vorrathen, Waffen, Kleidern
scheint auch kaum der Rede wertb gewesen zu sein. Kurzum:
der Razu ist missgluckt. Der Bote des Fflrsten flberbrachte uns
auch von Hamud el-Migrad einen Brief, worin dieser unterwegs
alle Ortlichkeiten, Berge, Thaler, besonders alle Lagerstatten
aufgeschrieben hatte. Obwohl der Brief von orthographischen
Fehlern wimmelte, war er doch fQr uns werthvoll.
Den Tag tlber habe ich viel gezeichnet und gemalt. Gegen
Abend kara ein Mann auf KrQcken an, der vor anderthalb
Jahren fftnf KugelschQsse in den Leib erhalten hatte ; vier der
Wunden waren ganz verheilt, die fanfte Kugel aber, die ihm
den Kopf des linken Oberschenkelknochens zerschraettert hatte,
sass ihm noch im Leib, und aus dem Schusskanal in der Lcisten-
gegend wurden Knochensplitter und reichlieher Eiterabgeschieden.
Bei oberflachlicher Untersuchung mit der Sonde war keine Spur
der Kugel zu entdecken. Abgesehen von einer entsetzlichen
Magerkeit, hatte er die Verwundungen gut Qberstanden, war auch
ganz vergnugt, aber nur schwer danlber zu belehren, das3 es
uns mit dem besten Willen nicht moglich sei, ihm das abge-
schossene und abgeeiterte Knochenstack durch ein neues zu
ersetzen.
Kaum war der fortgehinkt, so stellte sich der Steifbettler
Ranem ein, und fieng wieder von einem Revolver an. Was
sollte ich drauf sagen? Nichts. Es war mir ganz lieb, dass
Muferrig durch sein Erscheinen dem Gebettel ein Ende setzte.
8
NKUNTKS C'APITEL.
Mit Bezug auf die gestern angekommenen 200 Kameelsladungen
Reis erzahlte er, diese reichen far 20 — 25 Tage. Eine Ladung
(liaml) im Gewicht von etwa 2 Centnern ') enthalte 90 — 100 §ac
(Maass). Wenn der Hagg stark sei, brauchen sie ini Schlossjeden
Tag far die Bewirthung der Pilger und Beduinen bis zu 800 Sac,
also etwa 8 Kameelsladungen Reis. Muferrig wollte sein Bildoiss
(Bd. I, S. 225) sehen, und war davon sehr befriedigt ; Ranem und
sein mittlerweile dazu gekommener Sohn Muliamraed verlangten
auch noch die anderen Bilder von Gy6har (Bd. I, S. 129) und von
'Abdallah al-Muslimani (Bd. I, S. 190). Als Ranem das Bild des
'Abdallah betrachtete, machte er, ohne dass Huber oder ich es
gleich verstanden hatten, eine abfallige, unanstandige Bemer-
kung5). Unglftcklicherweise war eAbdallah schon langere Zeit
ungeseheu vor der Schwelle der oftenen Thflre gestanden und
hatte Alles mitangehort. Plotzlich trat er in grosser Erregung
herein, und nun gieng zwischen Beiden eine heftige Schimpferei
los: sie verfluchten gegenseitig ihre Eltern und Kinder, Ranem
hiess den cAbdallah einen Jehudi '); dieser erwiderte: „Allerdings
ist mein Vater und mein Bruder Jude; ich habe doch wenig-
stens eine Religion, wer aber bist denn du? Du bist ja ein Ibn
Scher&ri, kennst deinen Vater gar nicht!"4) FQr uns war die
Scene ausserst peinlich, ebenso far den greisen Muferrig, der
mit patriarchialischer Warde die Streitereien zu beschwichtigen
suchte, und Mahe hatte, den "Abdallah von Ranem zurOck-
[J) H.: bimii (J**=>) wurde mir angegebcn als 150—200 wezue, «1. i. 219—392 Kilogramm,
und dainit stimmt Burckhardt p. 859, der tagt, dau ein Kaincel auf kurzcn Bciaen 3 — 4, auf
langea 4— 6 Ceutncr tragc. Mcinc Angiibc ist vod Hadar (d. i. ansassigen Arabero); Mflbidi
mcitite, da» sei zu vicl. la Leonard, The Camel, I oudon 1894, p. 187, finde icb, daai die
Kebabig im Sodan ihre Trantportkameele durchschaittlicb ntit 300 % bcloden. — Kin «.-«* ist in
tl-Gasim = 3 midd, d. i. 3 X 1.33 Liter - 4.00 Liter].
4) Objiciena, eum non e patre legilimo at irpis »chammaf icac, sed a vagaute quodara Scherario,
quotum mater ligoans in deserto convenisaet, genitum fui»M, Ui!1 c\Jj \t.
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Hi'UKI..
9
zuhalten. Endlich verliess Ranem mit seinem Sohn das Haus,
kurz danach auch Muferrig; nur cAbdallah blieb noch einige
Zeit da, um sich zu verschuaufen. Als einzige Genugthuung
wilnschte er, dass der Emir bei seiner Ruckkunft durch uns
von dem Betragen des Ranem erfahre.
Zuletzt kam anch noch der Schmied Husein. Als er mich mit
meinen Fusswunden beschaftigt sah, zeigte er mir an seinem
linken Waden Spuren derselben Geschwure (vgl. Bd. I, S. 223),
wie ich sie habe; er meinte, das korame vom Wasser, und habe
bei ihm 40 Tage gedauert. — Er erzahlte von einem Christen,
der sich unlangst zu Mekkah selbst den Hals abgeschnitten
habe, sodann von einem anderen Christen, der durch Bestechung
des Scherifen sich in Mekkah nicht nur aufgehalten, sondern
sogar ein Haus gekauft habe. Auf Drangen der Einwohner habe
der Scherif ihm selbst etupfohlen, sich wieder von daunen zu
heben, und nach 6iddeh (Dscheddah) zu verziehen. TTuterwegs
sei er von den Beduinen niedergeinetzelt worden. Darob seien
dann Kampfe zwischen den Beduinen und den turkischen Sol-
daten entstanden, in deren Verlauf — nachdem auf beiden
Seiten etliche 50 'Mann gefallen waren — die Beduinen unge-
hindert bis (jidueh vorrucken konnten. Das sei vor einigen
Monaten geschehen, und wird also wahrscheinlich die in Da-
mascus (25. Aug. 1883) als Tatarennachricht angelangte ErstQr-
mung Dscheddahs durch die Beduinen gewesen sein.
So. 18. Nov. 1883]. Wer hatte gedacht, dass wir hier einen
Streik erleben? Unser Diener Mal.imud hatte schon gestern dem
cAbdallah erklart, er inusse hOheren Lohn haben. Huber habe
ihm in Damascus kein Wort gesagt, dass er zwei Herren zu
bedienen habe; mit einem allein wolle er fQr den bisherigen
PreLs von 300 Piastern per Monat (= beinahe 3 Napoleons)
uberall hinreisen, aber nicht rait zweieu. Er nannte als Preis,
den er jetzt verlange: 500 Piaster (V 2 Napoleons). Da ktfnnte
er sich aber doch hinsichtlich seiner Unentbehilichkeit etwas
tauschen, und dilrfte bald zu Kreuz kriechen. Nachdem er ein
paar Stunden stolz in der Stadt hemmgestrichen war, kam er
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10
NBl'NTES CAPITEL.
Nacbmittags 3 Uhr mauschenstill hefm, lieferte ziemlich nieder-
ge8chlagen Gewehr, Revolver, Hausschlussel u. dgl. ab, und
verliess dann mit seinen paar Habseligkeiten das Haas. 'Abdallah,
der ihm aus Barmherzigkeit einen Unterscblupf einraumte,
wird ihm schon den Kopf wieder zurechtsetzen. Einstweilen
waren wir einmal unsre Herren und Diener zugleich. — Der
Schech Naif ibn cAtidz ') aus Gyobbeh meldet in einem Brief,
er kOnne unsretn Verlangen nach einem oder ein paar Bafcar
el-wahsch*) (grosse weisse Gazellen) zunachst nicht entsprechen,
weil sie augenblicklich keine haben, werde aber sobald als
mOglicb uns welche zu verschafTen suchen. Der Brief war ge-
bracht worden durch Hamid ibn Ranem, den wir seiner Zeit
im Gy6f3) unter den Soldaten des Schijdkh getroffen batten.
Nach ihm kam auch noch sein Bruder Muhammed ibn Ranem,
und entschuldigte seinen Vater, so gut es gieng, wegen der Scene,
die derselbe dein 'Abdallah gestern Nacht in unsrem Hause
bereitet hatte.
Nachdem schon den ganzen Abend Regen gefalleu war, brach
zwischen 8 und 9 Uhr ein unerhdrtes Gewitter los. Der ganze
Hof stand einen halben Fuss tief unter Wasser, so dass wir
keinen Schritt Qber die Schwelle wagen konnten. Huber war
nicht einmal im Stand, sein gewohntes Nachtquartier unter der
Dachhalle aufzus,uchen, sondern musste unten bleiben. In der
Nacht wachte ich auf an dem Gerauseh, wie der Regen im
Nebengeraach durch die Deeke herunterkam und unsre Koffer
betraufelte.
Der zweite Bote des Emir, der sogenannte Nattaf *) meldete
in der Stadt auf morgen frflh die Ankunft des Schijukh, und
kundigte den Weibem an, es sei Zeit, sich auf die bevorste-
hende Rilckkehr der Manner zu schmOcken 3).
[1) H.: H)t\dl .
2) H. by9ar «l-*ahai, - Oryx bcntrix J. E. Grav, wird auch wir^i gcomnntl.
3) S. Bd. I, S. 127, Anm.
4) oUJ! dcpiUtor.
5) Fiibem depilandam jubena.
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H&JEI..
11
Mo. 19. Nov. 1883]. Was der Regen wahrend dcr Nacht im
Hofe und im Dache des Hauses zerstort hatte, wurde gleich
durch die Sclaven ausgebessert. 'Abdallah berichtete von seinem
Hause, da sei auch Alles caput, und durch den Sufc (Bazar)
in der Hauptstrasse sei ein tiefer Bach gestrflmt. Um 9 Uhr
hielt der FQrst zu Pferd mit dem Gefolge seinen Einzug auf
dem Meshab (Schlossplatz) ; eine halbe Stunde spater traf die
Fahne ein. Da noch itumer etwas Regen uiederrieselte, liess ich
mich entschuldigen, dass ich nicht zur Begrussung erscheine.
Seit ich namlich meine Fusswunden dem zu haungen Gebrauch
des kalten Wassers zuschreibe, habe ich eine ganz arabische
Scheu vor vielem Waschen und Durchfeuchten. Als der Regen
aufhGrte, machte ich einige Besuche, bei Nasir Sebhan '), den
ich aber nicht zu Haus traf, dann bei Jusuf el-eatidz und seinem
Bruder Nasir el-cattdz (dem Secretar des Schijukh), denen ich
eine Sabelklinge und einen spanischen Knicker verehrte.
Beim Durchschreiten des Suk, wen traf ich auf dem Boden
hockend, in vollem Rtaat, einem persischen Kaufmann gleich,
die Wasserpfeife rauchend? — unsern weiland Diener, jetzt
Freiherrn Mahmud! Feierlichen Ernstes stand er auf und
entbot mir mit aller Ehrerbietung den Gruss; ich ebenso mit
Herablassung. Es muss ihm doch in der kurzen Zeit der Herr-
lichkeit die Dummheit seines Streiches und Streikes zum Be-
wusstsein gekommen sein. Was wollte er denn mit seinen paar
Napoleons im Sack unter den Beduinen fur ein Dasein fflhren?
Der FQrst hatte ihn als Turken doch flber kurz oder lang zu
seiner Familie nach Ma'an abgeschoben! Ohne Zweifel hatte
ihm auch 'Abdallah in der Zwischenzeit den Kopf tQchtig ge-
waschen. Drum gieng's, wie vorauszusehen war: Nachmittags
trat er bei uns wieder an, und wurde nach kurzer Frage und
Antwort zu den fruheren Bediugungen von neuem in Dienst
genommen. 0 quae mutatio re rum !
Hamud el-Migrad ergftnzte die ersten Nachrichten vom Razu
1) [H.: NA?ir u.Sebh». - Vgl. Hesi, Bodoineontmen »u ZentnUrtbioii, S. 28].
12
NEUNTES CAPITF.L.
noch durch folgende -inundliche Erzahlung: Der Zug gait den
Muter. Unterwegs stiessen sie urn die Mittagszeitauf zehn Ange-
h6rige dieses Stain mes, die aber Feuer gaben und dem SchijQkh
drei Pferde erschossen. Bei der sofort eingeleiteten Verfolgung
wurden sieben eingeholt, und ihnen ohne Weiteres die K6pfe
abgeschnitten. Den drei Andern aber waren sie auf den Fersen
noch die Nacht, den folgenden Tag und eine zweite Nacht,
ohne sie zu erwischen. Es lag begreiflicherweise Alles dran,
dass diese- ihren Stammesgenossen keine Nachricht von dem
Raubzug geben konnten. Am Morgen des dritten Tages, wo
natnrlich Alle halb caput waren, karaen sie auf eine grosse,
keine verborgene Annaherung gestattende Ebene, auf welcher
in der Feme die Muter gelagert waren. Diese hatten Zeit in
die Berge zii entriunen und mussten bloss ihre Ziegen- und
Schafheerden zurncklassen. Hamud behauptete, die Schammar
hatten in einer Nacht 10000 ') Stock davon geschlachtet, Im
weiteren Verlauf stiessen sie auch auf eine Anzahl feindlicher
Harb, von denen sie 20 rait Martinigewehren erschossen. Hamud
selbst hatte sich bei der Vert'olgung verirrt; auf Befehl des
Farsten wurden aber alle Anstalten getroffen, ihn wieder auf-
zusuchen. Hamud's Pferd gieng drauf in Folge von Ersch6pfung;
er hofft auf einen Ersatz von Seiten des Fursten.
Abends redeten wir mit Hamud noch viel von unsern Reise-
planen far die Zukunft. Er meinte, wenn wir nach Sedus und
Schakra wollten, sei ein einziger Empfehlungsbrief des Schijukh
mehr werth, als alle etwa mitgebrachten Geschenke. BDenu,
sagte er, du solltest doch jetzt allmahlich die Araber kennen :
wenn du ihnen eine Nadel schenkst, so wollen sie ein Messer;
gibst du ihnen das Messer, so wollen sie eine Pistole; haben
sie die Pistole, so brauchen sie noch eine Flinte; haben sie
die Flinte, so begehren sie auch noch eine Kanone. Du siehst's
ja an mir: Du hast mir einen Revolver geschenkt, und ich babe
gleich noch eine Doppelfliute verlangt".
1) Wird eine mode arnbische Zahl sein :
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nhn.u 13
Di. 20. Nov. 1883]. Ranem lieferte ein von Huber bestelltes
silbernes Gehause fttr seinen Chrouoineter ab, und erhielt dafflr
10 Megidl. Von zwei persischen Kaufleuten (Maschahideh) bekam
ich einen Pfeifenkopf verebrt. Mittags haben wir einen langen
Besuch vom Prinzen Magid zu erdulden gebabt, der die bettel-
hafte Habgier von seinein Vater Hamad el-eObeid geerbt oder
erlernt hat. Zuerst wollte er mein Luftkissen, dann, trotzdem
dass er einen Mauser-Revolver von mir als Geschenk erhalten
hat, auch. noch meinen kleinen Revolver dazu. Ich schlug ihra
Beides ab. Der Alte hat auch schon wieder ein ganz nettes
Kunststucklein eingefadelt. Heute Abend erzahlte eAbdallfth,
im Lauf des Tages habe Hamad el-cObeid einen Boten geschickt
und ihm sagen lassen, es sei ihm zn Ohren gekoramen, dass er
mit einer Uhr von uns beschenkt worden sei. Nun niochte er
die Uhr nur gem seheu, doch so, dass wir nichta davon er-
fQhren. Gewiss hatte cAbdallah alle Ursache. aich vor dem
blossen Uhrenblick des eObeid zu farchten. Wir meinten darum,
er solle sagen, die Uhr sei ihm nicht geschenkt, sondern nur
zum Staatmachen als zeitweiliges Lehen flbergeben worden,
versprachen uns indess auch nicht viel von diesen Flausen.
Das einzig Richtige traf der noch hinzugetretene Hamud el-
Migrad mit seinem allerdings schmerzlichen Rath : das Gescheid-
teste sei, wenn er die Uhr dem cObeid mOglichst bald und
moglichst freundlich zu FQssen lege. Der Vielfrass wird ihm
zwar ein ganz erkleckliches Geschenk raachen, aber schliesslich
ist die Uhr far cAbdallah dahin.
Der Schech Muliammed ibn 'Atijjeh (Bd. I, S. 224, 226) ver-
abschiedete sich von uns ; er wolle morgen in seine Heimat auf-
brechen, begleitet von cAneber (Bd. I, S. 130), der die Steuer
von den westlichen StTimmen eintreiben soil.
Mi. 21. Nov. 1883J. In der That: Noch im tiefsten Morgen-
dunkel hat der £Obeid dem 'Abdallah einen Besuch gemacht,
und ihm die Uhr einfach abgenommen. Er drflckte ihm dafftr
in- die Hand eine verlotterte amerikanische Uhr, die er wegen
ihres ketzerischen Geruchs vielleicht nicht ungern weggab; aut
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14 SEI'STKS CAPITEI-
dem Zifferblatt war namlich das Bild des Prasidenten Lincoln
emaillirt; nur hatte sie die bose Untugend, taglich um 10
Minuteu nachzugehen. Diesem Fehler konnte ich mit meinen
schwachen Maschinenkenntnissen eben noch abhelfen, habe sie
auch in Ermanglung eines feineren Fettes grundlich mit ErdGl
geschmiert.
Sehr nalv meinte Ilamud el-Migrad, nachdem der Razu so
glflcklich hinter ihm liege, konnte es eigentlich nichts schadeD,
wenn er einmal wieder einen ihneren Generalausputz seines
K6rpers vornfthme, er wurde vor keinerlei Kraft eines Arznei-
mittels ') zurnckbeben, und fftgte dann noch gutigst hinzu, am
besten ware es wohl, wenn er die Kur in unarem Hause durch-
machte. Wir gaben ihm im Laufe von 10 Stunden 3 Tropfen
Croton-Oel auf Zucker.
Nachmittags liess der Emir mein Skizzenbuch holen, um die
Bilder des Muferrig, Ranem und cAbdallah zu sehen. Abends
wurden wir noch selbst zum Emir befohlen, der ubrigens er-
mQdet und gealtert aussah. Er liess verschie^ene Mineralien
vorlegen, die er auf dem R&zu far uns hatte sammelu lassen:
Granaten, Glaskopf, eine kleine versteinerte Muschel, auch
Glimmerschiefer, von dem sie die schwache Hoffnung hegten,
es kOnnte Gold drin enthalten sein. Mein unausstehlicher Freund
Hamud el-cObeid, neben dem zu sitzen ich die Ehre hatte, er-
kundigte sich, ob wir auf dem Ausflug nach dem Gildijjeh (BcL I,
S. 227 ff.) keine Steinkohlen getroffen hatten, ferner wollte er
Auskunft haben flber die modernen Sprengmittel (Nitroglycerin)
und deren Wirkungen, uber Attentatsbomben und dergleichen.
Dann liess er sich das Wesen und die Handhabung einer Wind-
bfichse erklaren, die schon seit mehreren Jahren im Schloss
als Geschenk herumlag, ohne dass Jemand das Geheimniss des
Gewehres verstanden hatte. Zum Abschied verehrte uns der
Emir 50 silsse Citronen und einen Sack ausgesteinter Datteln,
fQr ihn eigens in der Stadt c0neizeh bereitet. Auf die Frage,
1) Sn rauni nr dcorsuin cflicnciMinium.
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H&JEU 1 5
ob wir sonst irgend einen Wunsch hatten, erbaten wir una
eine Laterne grosserer Gattang.
Do. 22. Nov. 1883]. Den Prinzen Magid, der kein Mittel un-
versucht lies9, mit einem erneuerten Bettelbesuch uns zu be-
ehren, haben wir nicht eingelassen. Es ist sicherlich eine der
unausstehlichsten Empfindungen, hinter eioer Thi\re sich still
verbal ten zu mussen, und draussen einen Menschen mitkurzen
Unterbrechungen fQuf Minuten lang an derselben Thure klopfen
zu horen und rufen zu lassen. Dagegen ist es ziemlich unter-
haltend, ihm bei dieser Beschaftigung ungesehen zuzugucken.
So machte ich mir denn den Spass, stieg auf das Dach des
Hauses, legte mich auf den Bauch, zundete eine Pfeife an, und
betrachtete ruhig a He die Seelenausserungen und Geberden eines
Unzufriedenen : Unbegreiflich! Sie mnssen zu Ilaus sein! —
Nachbarn versicherten, sie hatten noch vor kurzem den Diener
Mahmud ins Haus hineingehen sehen. Der ist also jedenfalls
zu Haus, nur wahrscheinlieh im hinteren Hof, der hort er's
nicht. Drum etwas vernehmlicher klopfen! — Alles still. —
Noch eindringlicher! Jetzt, das mussen sie gehGrt haben. —
Dan n ist nur denkbar, dass Mahmud das Haus gleich wieder
verlassen hat! — Zu guter Letzt gieng dem Magid doch die
Geduld aus, und er zog mit seinen Sclaven ab. Sobald die
Strasse sauber war, und ich sicher sein konnte, ihm nicht
gleich wieder in die Hande zu laufen, schlflpfte ich hinflber
zum Waffenschmied Rftnem, um nach dem Sabel zu sehen, den
ich mir bei ihm bestellt hatte. Von da gieng ich allein hinaus
auf den Begrabnissplatz ') im Norden vor der Stadt draussen,
wo unter Anderera die Angeh6rigen der jetzigen Herrscher-
familie beerdigt sind. Schmucklose kaum behauene Steine wei-
sen die Namen der hier Begrabeneu auf, so zum Beispiel
J) S. den I'Uti in Bd. I, «nf S. 173
NKI NTF.S l APITKI-
N«. 2. ?)
N«. 3. »)
IfVA &Ju» «JJI
+ 1
N». 4.*)
N« 0. «)
Unweit davon ein Grab, in welchem, wie ich mir nachtrag-
lich sagen liess, zwei vom jetzigen Herrscher bei seiner Thron-
besteigung abgeschlachtete Einwohner der Stadt (s. Bd. I, S. 171,
Mitte) untergebracht sind. Denksteine far Bender (Bd. I, S. 170)
und far Met'ab7) (Bd. I, S. 169) konnte ich nicht entdecken.
Es finden sich viele Steine ohne jedwede Anfschrift, oder hdch-
stens rait den Familienzeichen versehen.
1) \*bdallfth ibn KaachJd, s. Bd. I, Seite 166 ff, f an eineui 1'reiUg 1843.
2) Tal&l ibo Kaschid. ». S. 168 f, f 17. DA 'J-ka'deh 1284 = II. Mkrz 1868. Die dem Xameu
der Krwahnung von vernickteit My*tikern und heilig gehalteneu Schwiirmeni bochsten HangM
gobroucbt, bier obcr auch auf Pcraonen angeweudet, die iu eincin Anfall von Schwerniuth und
Imion aich selbst das Lebcn genomracn haben, wobei ebco vorauagesctxt wird, dust Gutt ihren
Geiat achon vorher zu sich genonimcn haben.
8) Fei¥al ibn Raachid, f 1278 - 1861/2.
4) Zeid ibn Talftl, f 25. Safar 1288 = 16. Mai 1871.
5) HajiV. Tochtcr dea 'AbdallAh ibn Raacliid
C) Mualrah. [Tochter dea] Bcdr [ibn TalaU
^Das uber deni Namcn stehende Zeiiben | + i»t das Familienzeichen von Ibu Raschid. — H.:
Pic Zcichen atchen abcr nicht nebeneinaudcr, wenu tie nuf dem Kamel eingebrannt »ind. Du
Krcoz + (el-zorgd>) iteht auf dem Oberschenkcl dei recbten Hinterbeina, der Strich I {el-mufri}),
auf dem rechCcn Vorderbcin. — ( bcr dies* Staronie&zeichen »gl. Litiinnnu, Zur Kntzifferung
der lhamtideniacben Imchriften, Anhang .
[7,t Amh Mifyb gesprocben ; vgl. Hess, Ueduincnuameu, S. 13 ~.
Abends waren wir zum Emir befohleo, und uberreichten ihra
einen Vorrath Pulver und Schrot. Um mir eine Artigkeit zu
erweisen, begriisste er inich mit meinera abendlandischen
Namen: „Ke1 khatrak [wie geht's dir],ja Julius Eiiting?" Alsich
erzahlte, ich sei heute auf dera Friedhof gewesen und habe
dort Grabsteine abgeschrieben, erkundigte sich tfainud el-cObeid
nach der bei uns ublichen Begrabnissweise und nach dem Ein-
balsamiren. Aus Anlass eines Streites uber einen Spruch aus
dem Koran wurde der Khatib (Hausgeistliche) gerufen, und
musste zur Richtigstellung einen langen passus aus dem heiligen
Buch hersagen. Der Emir liess heute einen feinen Thee aus
dem Harem kommen; dazu wurden sflsse Citronen zum Ein-
traufeln herumgereicht. Zum Schluss faud grosses allgemeines
Gebet Statt.
Fr. 23. Nov. 1883]. Der Prinz'Abd el-'Aziz, sonst gewiss ein lieber
Mensch, konnte sich auch nicht versagen, bei seinem Besuche
meine Reisetasche zu durchwilhlen, war aber wenigstens so
anstandig, nichU davon far sich zu begehren.
Hamftd el-Migrad, ftber die Ausdehnung des geographischen
Begriffs Negd befragt, gab zur Auskunfb: Zum Negd werden
gerechnet folgende Ortlichkeiten :
1. Gebel en-Nir ;*JI Ju^ 12. El-KhaDufcah *SjiiU
2. Er-Rass [H.: er-Rass] ^
[H. : el-Hanilge]
3. Ed-Dawadimi ^dJI ^- J**" IH-: Goul oder Uol]
[H.: ed-Dwa-imi] u- Sbermeh [H. : Sb&rrae]
4. EsSir [H.: fc-Sirr] ;^Jf 15' Keb&lD
5. Es-saen\ ytfiJI
6. eArw;i [H. : cArwu] \^
7. cArga [H.: cAr£a]
8. Wasit KJ}
16. pSrijjeh
IH.: perije, ay^]
17. Mis-tse '' b£~jo
18. El-tfaid JuJ.1
19. Nifi [H.: Nefi.] ^
9. Balaton [H.: Heleban] ' 20. Udah [H.: Udilj. ^LiJ] -l^
10. Setsir(?) ^ (PjjjJu-i j 2i. El-Itleh [H.: el Etle] *JU^I
[H.: USedzir, | 22. Er-Rebkijjeh *xZfj)\
11. &akra lyt* ! [H. : er Ribdzije]
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NKUNTKs CAPITKL.
23. Dikhneh
[H.: yesjan Dyhne]
24. EsSebaikijjeh i
[H.: eS-Sbstsije]
25. Ed-BAt
«a,C»«aH 27. Wadi ed Dawftsir ^Jjjjt ^ofj
' 28. Abu Gelal J**. ^1
vi,'jj| [H.: Obu (ie\&\)
[Erne genaue Karte des Negd, auf der u. a. aueh fast alle
der hier angefuhrteu Orte vorkominen, ist von J.- J. Hess ge-
zeichnet, aber noch nicht verdffentlieht].
Bei einer sich daran knQpfenden ErOrterung wurde festge-
stellt, dass die 4 letzten (N°. 25—28) nicht allgemein als zum
Negd gehorig betrachtet werden.
Nachmittags holte micli Magid ab und schleppte mich in
sein Haus. Abends bei der lluckkehr aus 'Abdallahs Haus
constatirte ich wieder einmal eine erstaunliche Lauscolonie in
meinem Hemd. Das Kleidungsstack wurde obeu auf dem Dach
im Wind gespannt 2). Das k6nnen die Luder nicht vertrageu.
Sa. 24. Nov. 1883]. Dem 'Abdallah habe ich heute einechine-
sische Tasse verehrt. — Die persischen Kaufieute (Maschahfdeh),
als Schilten den Christen allenthalben ungilnstig gesinnt, scheinen
vom Enair einen Wink bekommen zu haben, sehr zuvorkouiniend
gegen uns zu sein. Als ich zum Haus hinaus gieng, lud mich
cAbed, unser Nachbar zur Linken, unterthftnigst ein, bei ihra
einzutreten. Ich lehnte es zunftchst ab, weil ich bei eAbd el-
cAzlz einen Besuch machen wollte. Da aber dort Niemand zu
Haus war, begab ich mich auf dem Ruckweg zu Abed hineiu.
Die Ausstattung des Empfangszininiers war so einfach als denk-
bar. Auf dem Boden Strohmatten, ein einziger sehnialer Teppich
an der Halfte der linken Wand, eingerahmt von zwei Arm-
lehnen ') aus Lehm, danebeu ein Heerd und einige weuige Ge-
schirre. Ich bin uberzeugt, dass der Meschhcdi dieseu Rautn mit
seiner mageren Moblirung ausschliesslich far den Empfang von
[I) H.: So hei&»eu nach ihren Hcwohuera <li<- bcidcn Thaler W. R«njc und W. Hurme],
2) Vgl. m. I. S. l*0f.
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lift J EL.
nicht-schiltischen Gftsten vorbehalten hat, und dass z. B. aus
der Tasse, die durch meine Beruhrung und mein KafFee-Trinken
veruureinigt war, vor- wie nachher nie ein Perser getrunken
hat. Es mag auch sein, dass das durftige Aussehen des Emp-
fangsraurnes bei einera Uneingeweihten jeden Gedanken an
etwa hier aufgehauften Geschaftsgewinn von vornherein aus-
schliessen soil.
Von da wurde ich zusammeu mit Huber zu tfamud el-eObeid
gerufen. Ich verlangte seine Schwerter, darunter ein paar alt-
berfihinte, auch die seines Vaters, zu sehen. Er nahtn sie aus
den Tuchunihrtllungen, in denen sie ihm gereicht wurden,
heraus und crkl&rte sie ; von einem behaupte er, er habe damit
auf einen Hieb Einem den Kopf und den Arm ahgehauen.
Auch verschiedene IJangar (breite Dolche) wurden vorgelegt,
Prachtstueke aus Bahrein und cOraan; allein bei dem dnster-
frommen Halbdunkel, das in seinem tftfhawah herrschte, kounte
ich leider nichts genau sehen. Er fragte immer, was er uns
vcrehren k6nne; wir lehnten A lies dankend ab. Doch schickte
er uns, kaum das3 wir zu Haus angekommen waren, durch
unsern Freund cAbdallah, dessen er sich jetzt als eiufiussreichen
Mittelsnianns mit Vorliebe bedient, je eine 'Aba (Mantel) und
einen indischen ]£umbaz oder Zebun, zusammen im Werth von
mindestens 50 Megldi (175 Mark). Die mir verehrten alttesta-
mentlichen Feierkleider sind mir natnrlich alle viel zu king,
und mflssen hinaufgenaht oder urn ein gutes Stack abgeschnitten
werden. Nach einer Stunde kam cAbdallah abermals als Ab-
gesandter des yamud und des Emir: die eine japanische Tasse
war zerbrochen, wie sie tfaniud ira Diwan des Schijakh eigen-
handig spfllen wollte. Ich schickte zum Troste eine Tasse aus
Limoges und eine chinesische. Von den acht-chinesischen
glauben sie namlich, dass wenn man vergifteten Thee oder
Kaffee darin darreiche, so zerspringen sie; darum sind sie so
hoch geschatzt.
Nach dem Abendessen kam noch Muhammed ibn Ranem und
lieferte einige Arbeiten aus seiner Kunstwerkstatte ab. Die
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20 S'Kl'NTKS CAP1TEL
Wassereutnahiue aus einem an einem Holznagel ') aufgehangten
Thierfell (Schlauch) durch Aufbinden des zugeschnurten Halses
habe ich immer als eiue eben so schwierige, wie lastige und
umstandliche Haudlung empfunden. Desahalb hatte ich ihin einen
mitgebrachten Messinghahnen abergeben, den sollte er nach
rackwarts durch ein anzulOthendes Rflhrenstuck mit Wulst
verlangern, so dass man ihn bequem in den Hals des Schlauches
hineinstecken und festschnQren konnte. Sein Machwerk war
ganz gut ausgefallen und lieferte auch gleich staunenswerthe
Proben seiner Nntzlichkeit. Ausserdem hatte er noch ein paar
silberne Sicherheitsnadeln fur uns verfertigt, sowie einen zer-
sprungenen grossen Kantschukring,den ich unlangst weggeworfen
hatte mit silbernen Schliessen versehen. Er hatte seiner Tochter
Sohn, den kleinen cAbdallah, mitgebracht, einen netten funfjah-
rigen Buben, dem ich durch Zeichuung etlicher Thiere und
durch ein paar Pfeffermunzkachlein grosse Freude bereitete.
Ganz unerwartet brach noch ein Gewitter los, das aber die
Stadt nur leicht streifte. Urn 3 4 9 Uhr kam yamOd el-Migrad, war
aber durch Fasten und meine abschlagige Antwort in Betreflfdes
von ihra eigenmachtig far den Schijukh begehrten Feldstechers
in sehr giftiger Laune ; er bekam von mir zu hOren : in solcher
Stimmung bleibe man besserzu Haus, und mache keine Besuche.
So. 25. Nov. 1883]. In aller Morgenfruh kam schon wieder
cAbdallah mit der ErCffnung, dass Hamud el-cObeid uns einige
Hemden machen lassen wolle. — Ich war eben beschaftigt,
fur den Emir eine grosse Kaite von Europa, Nordafrika und
Vorderasien aus dem Gedachtniss zu malen, da kam der Stutzer
und Finanzminister Na$ir Sebhan, und war sehr begierig zu
sehen, was das Ding sein solle. Da er sich recht eingebildet
und nasenweis benahm, so fragte ich ihn, ob er im Stande sei,
die Landschaften des sadlichen Negd in ihrer verhaltnissmassigen
Grdsse und Lage zu einander richtig darzustellen. Ohne sich
nur einen Augenblick zu besinnen antwortete er: „Ja wohl!"
1) Sjl> glUah.
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H&JKL.
21
Ich handigte ihm Papier und Bleistift ein, darauf gab er mit
einigera ZGgern folgendes Machwerk von sich.
Als eigentlichen Zweck seines Besuchs gab er an, er mochte
von uns einige Scheeren haben; er merote, in unseren Kisten
mCtssten mindestens zwanzig Stuck sein, wir sollten nur einmal
recht nachsehen. Dem war jedoch nicht so ; ich besass nur eine
einzige, und Huber hatte selbst eine von TJainud erbettelt. Also
war nichts zu machen. Wie er fort war, habe ich — strassbur-
gisch zu reden — eine „hirnwuthige" Laus gefangen. Das war
ein Prachtexemplar! Hatt' ich sie doch gleich mit Gummi
arabicuro auf ein Papier gepappt; gewiss hfttte ich bei einem
Sanimler und Spezialisten alie Ehre dainit eingelegt!
Una 3 Uhr gieng ich spazieren hinaus an den Brunnen Somali.
Da gerade ira SQden und Sudosten ein Oewittnr am Himmel
heraufzog, bestieg ich einen nahen Felsenhugel, urn den Anblick
■
besser zu geniessen. Gleich darauf kam der Emir mit Hamfld
und einem gewissen cAld ') eAli zu Pferd zur Stadt herausge-
ritten, hinten drein viel Gefolg zu Fuss. Eaum hatte er mich
erblickt, so rief er: „Ja Julius! kef khatrak, kef halakr 3) Auf
das hin eilte ich vom HQgel hinab, ihn zu begrussen. Er ritt
1) r_H.: Man sprieht 'Ajid, XAjif, wobei das j allerding* etwas reduziert wird].
2) O Julias 1 wie geht't, wie stebt's?
Kartonbild dct Nc£d
Na§ir es-SebhAn.
22
NEl'NTKS CAPITBLi
einen pr&chtigen Happen und trug einen wunderschGnen Hangar
mit goldener Scheide und Griff. Da die Pferde sehr unruhig waren,
ritt er nach kurzen Worten mit dem Gefolge weiter. Eben hatte
ich meinen Felsensitz wieder erstiegen, da kam auch Hamud
el-Migrad zur Stadt heraus. Er hatte mich sotbrt entdeckt, kam
heraufgeklettert, und war verwundert, mich so ganz allein zu
sehen: es ware immerhiu besser, wenn ich allemal Jemand mit-
nahme. Ich erwiderte ilim, er brauche sich meinethalben nicht
zu beunruhigen ; da ich aber nun doch einmal seine Gesellschaft
geniesse, mOchte er so gut sein, und mir den Sgrn&h zeigen.
Der Brunnen Srm&l; bei IIAjcl.
Der Brunnen 86m ah, auf der Sfldseite der Stadt gelcgen,
ist ein ziemlich zusammengcsetztes Anwesen. Er besteht 1) aus
der eigentliehen Brunnenstube mit dem ctwa 25 Meter tief
durch den lockeren Uranitfelsen gebrochenen, 4 m. im Durch-
messer haltenden Schacht, aus welchem das Wasser in Leder-
kiibeln in die Hohe gezogen wird; 2) aus der 35 Meter laugeu
von Mauern eingefassten Bahn, in welcher zwei Kameele bin
und zurQck gehen, um die Lederkabel Qber die Holzrader
heraufeuziehen und wieder hinabzulassen ; 3) aus dem lang-
23
lichten Eckgebftude, mit einem Saal (Rosen) iin ersten Stock,
von wo aus man den Brunnen und den anstossenden farstlichen
Garten, sowie den Platz ausserhalb der Mauer abersehen kann.
An dera einen Ende fnhrt eine Treppe hinauf in den schlanken
Thurm. Diese drei Stilcke sind alle mit Thoren verschlossen.
Ursprauglich nur far die Bewasserung des Gartens berechnet,
ist der Brunnen doch so ergiebig, dass der Emir, auf dessen
Kosten er das ganze Jabr „gezogen'* wird, seinen tlberschuss den
Einwobnern der Stadt zum freien Genuss einraumt. Zu diesem
Der Bruooen ScmAI, b«i HAjel.
Zweck ist 4) ein etwa 40 Quadratmeter haltender Hot* neben
der Brunneustube eingerichtet, an dessen Wanden in einer Rinne
das zu Tag gefOrderte Wasser hindurchstr&mt, und, bevor es
in die Gartencanille abfliesst, abgefangen und in Schlauche
gefasst werden kann. Den grossten Theil des Tages ist der
Brunnenhof von Wasser holenden Weibern besetzt, die dies
Geschaft mit Musse und reichlichem Geschwatz betreiben: Eile
hats ja keine, und far das Wasser ist es ganz gut, wenn es
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NKUNTKS CAPITKI.
ein bis zwei Stunden steht oder hangt, andernfalls, sagen die
Leute, bringt die Bodenwarnie (28° — 29° C) dem Trinkenden
Fieber. — Den Heimweg nahm ich mit yamud durch den
Garten, der, ohne sonderlich gepflegt zu sein, doch eine Falle
von Reben, Grauaten-, Orangen-, Citronen-, Pfirsich- und anderen
Fruchtbaumen beberbergt.
Nacb dem Abendessen raussten wir in's Schloss. Ich verehrte
dem Emir den Feldstecher und die Karte von Enropa (S. 20);
letztere sollte von nun ab im Vorsaal an der Wand prangen.
Er scbenkte uns eine Handsehrift der altarabiscben Preisge-
dichte, der sogenannten Mu'allal^at, mit Commentar, und zeigte
uns auch noch eine schOne Handsehrift der Gedichte des Muta-
nabbi mit Erklarung. Aus beiden las er langere StOcke laut vor.
Eine Krote, die sich in den Saal verirrt hatte, wurde von einem
Sclaven mit der Kohlenzauge gepackt und an die Luft gesetzt.
Mo. 26. Nov. 1883]. Dnsterer Tag. Hamad el-Migrad brachte
seinen zwSlfjahrigen Sohn Fahad und seinen achtjahrigen Neffen
MOsft ibn cAli; ich holte Jedem ein kleines Notizbuch, dazu
je einen Megidl.
In cAbdallaha Haus wollte ich einige Skizzen seines Empfangs-
saale3 anfertigen. Der Besitzer musste fort in seinen Laden und
liess mich allein. Da ich mich bcim Zeichnen ganz ruhig verhielt,
glaubte seine Frau, ich sei fort, und guckte einmal neugierig
zur Thilre herein. Ich that, al9 ob ich Nichts gemerkt hatte.
Der persische Hagg (Pilgerkarawane aus Mekkah) soil in
angeblich zwei Tagen hier eintreffen.
Nachts Wetterleuchten. Gegen Morgen Regen.
Di. 27. Nov. 1883J. Als ich durch den inneren Schlosshof schritt,
um dem Prinzen cAbd el-cAziz einen Besuch zu machen, glaubte
ich gerade noch zu bemerken, dass der Gesuchte rechts hin-
flber um die Ecke zum Filrsten vei-schwunden sei. Desshalb
fragte ich den Sclaven an der Thar des Prinzen : „Ist c^bd el-cAziz
zu Haus, oder ist er zum Farsten?" und erhielt die Antvrort:
nNein, er ist zu Haus", und dann mit hinaufgezogenen Augen-
braunen, leicht erhobenem Kopf und schwachem Zungenschnalzen
H&JKI,.
25
den nalven Beisatz; „esch-Schijukh ikajj" '). cAbd el-cAziz war sehr
erfreut uber den Besuch und suchte mich auf alle erdenkliche
Weise zu ehren und zu unterhalten. Ich blieb wohl ein paar
Stunden bei ihm; wir stflberten in verschiedenen HOfen des
Schlosses umher, in der Kuche, im Gefangniss, im Garten, und
besahen zuletzt noch die Pferde.
Nachmittags vollendete ich im Brunnen SSmah die gestern
angefangenen Skizzen.
Auf den Abend waren wir vom Prinzen Magid zutn Essen
eingeladen. Wir wurden zwar in seiuem Hause empfangen,
aber — ob er den Kunsten seiner Kuche nicht recht traute,
oder ob er seine Weiber argern wollte? — - zum Essen mussten
wir aber die Stra9se hinuber ins Schloss und zwar in die
duster-fromme Htfhle seines habgierigen Vaters. Vier Sclaven
schleppten die machtige Platte mit den Gerichten herein. Aus
besonderer Aufmerksamkeit fQr mich, den Suppenschwaben, war
unter Anderem Fleischbruhe bereitet worden, und der Diener
Mahniud hatte zu grfoserer
Bequemlichkeit raeinen haus-
licheu EsslOffel mitbringen
mussen 3). Nach Beendigung
des Essens wollte Magid ein ige
Proben seiner Zeichcnkunst
ablegen, die sich indess uber
die Flache der seit Jahrhun- Zeichnong de» prin«n Magid.
derten von den Beduiuen geabten Kunstart keineswegs erhoben.
Da ich ausser Standes war, diesen Leistungen die erhoffte
Anerkennung zu zolleu, im Gegentheil versicherte, man wflrde
in Europa derartige Schanden-Machwerku einem Schuler hoch-
1) .Princept vomit", da* toll bcifttcn, der Kinir hat heute cin Brcchtnittel eingenommcu, man
kana ihn darum uicht betuchen Dieaen mundlichen ilufbericht wei«« dann gleich die gnnze Siadt.
2) Dabci muate ich an die ehenuligeo Stadt-Ziukenutcn in Tubingen dcnken, die noeh zu
rociner Studcntenzcit, wenn sic Sonntagt und Donnerttags sich zn ihreni Freitisch im Speise»aal
des Stifie* einfanden, ihr Ku-l)c*teck in einem Futteral initbr«chteii Ich sehe uoch, wie tie
nach etfolgtem Gebrauch die Gcratbc lauberlich abachlcckteo, und dann dera Futteral wieder
einverleibten. Mein Esaloflel hier wurde von irgond einem Sclaven am Zipfol seines- Hemdarmeli
geputit.
•_>!>
KKT7NTKS CAPITEU
stens ein paar Mai um den Kopf schlagen, gestand er, das
sei auch noch nicht gerade das Vollkommenste, was er auf dem
Gebiete der Malerei hervprzubringen befehigt sei. Diese Ausse-
rung bewog mich nur um so mehr, ihn noch weiter in die
Enge zu treiben, bis er sich das zweite Kunstwerk abrang,
womit ich mich etwas befriedigter erklarte.
Zeichoung dci Prioxen MAgid.
Er war, glaub' ich, ganz froh, als zum allgemeinen Gebet
gerufen wurde. Nacli demselben gieng man noch hinuber zum
Fursten. Auf diese Weise kamen wir spat nach Haus. Das
Einschlafen fiel mir schwer, nicht allein wegen des vielen Kaffees,
den ich getrunken hatte, sondern hauptsachlich noch darum,
weil mir lAbd el-'Aztz diesen Morgen den Bart dermaassen par-
fflniirt liatte, dass mein Llaupt den unruhigen Wallungeu dieser
Woblgestanke sich nicht zu entziehen im Stande war. Zuletzt
machte ich kurzen Process: ich stand — was ich schon langst
hatte thun kOnnen — nochmals auf, wusch mit Seife den gau-
zen Kopf, scnwemmte ihn tnchtig ab, schnaubte die Nase zehn-
mal aus, und zog uber den gestern blank rasirten Schadel ein
frisches Kopftuch. Danu gieng's.
Mi. 28. Nov. 1883J. Morgens kam Nasir Sebhan. Es wurde ihm
Thee gereicht, in den vielleicht etwas zuviel Citronensaft ge-
rathen war. Plotzlich bekam er Angst; ob da am Ende Wein
oder Arak drin sei ? Die Versicherung des Gegentheils half Nichts.
Seine Gewissensbisse steigerten sich bei unsrem Gelachter bis zum
formlichen Leibweh, und veranlassten ihn zu baldigem Aufbruch.
Bei cAbd el-' Aziz ibn Met'ab fertigte ich einige Zeichnungen
an, unter Anderem eine Skizze des Prinzen selbst'). Aus dem
1) Siehc du Bild unter detn 3. December. Auf die Fragc, ob er seioe Zopfe »elb«t mftche,
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uaJKI- 27
Harem hatten sie iu der Zwischenzeit einen zweijahrigen Buben
Namens Talal ibn Naif) geholt. Deasen Vater Naif (ein Sohn
des fruhereu Herrschers Talal f 186S) hatte ein Alter von kaura
18 Jahren erreicht ; er war dera Prinzen Magid in seinen Absichten
auf die spatere Thronfolge im Weg gestanden, und desshalb von
diesem vor etwa 2 Jabren bei einem Reiter- und Fechtspiel mit
einer, zufallig, nicht blind geladenen Flinte erschossen worden.
Gem hatte ich den netten Buben abgeraalt; sie hegten aber
die Besorgniss, es kOnnte ihm zum Unheil ausschlagen, vor
Allem raussten sie zuerst den Emir frageu, ob er's erlaube.
Auf dies hin stand ich naturlich von meinem Vorhaben ab.
Ueute wurde das Dach unsres Hauses ausgebessert ; zum
Gluek, deun nach Einbruch der Dunkelheit entlud sich wieder
ein Gewitter.
Spat Abends kamen zu Besuch K&nem, Uamud el-Migrad
und der Schraied Husein. Der Letztere braehte zwei Kohlen-
zangen und einen Stahl zum Feuerschlagen ; er erhielt dafftr
einen Kugelzieher und eines der grossen Sagenblatter, welche mir
mein Freund Commerzienrath Ferdinand Schmidt in Neuenbflrg
(Wilrttemberg) aus feinstem Sensenstahl hatte anfertigen lasseu.
Do. 29, Nov. 1883]. Der persische Hagg, die Pilgerkarawane
auf ihrem Ruck weg von Mekkah war angekommen, und auf
dem grossen mauerumschlossenen Grundstuck, das nCrdlich an
den Garten des Sem&h stOsst, untergebracht. Ich eilte dorthin,
muss aber gestehen, ich war sehr enttAuscht. So erbarmlich
hatte ich mir ibn nicht gedacht! Es f'ehlen eben dies Jahr
die schiltischen Perser, welche sonst den Hauptbestandtheil der
Uberlandpilger durch Ceutral-Arabien bilden. Alljahrlich briu-
gen die Perser S— 10000 in Felle eingenahte Leichen nach Ker-
l)clah und Meschhecl am Euphrat, um sie neben der Moschee
mit ihren vergoldeten Kuppeln, woselbst die Marty rer Hasan
und Husein, die S6hne des Khalifen cAli, begraben liegen, in
V
erwiderte er, nein, »cioe Mutter, zuweileu seine Frau. Wic oft? Vicllcicht allc drei Woehen —
wenn'« ebeo nothig »ai.
1) Vgl. oben S. 21. Ann. 1.
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28
NEIJNTES CAPITEL.
geweihter Erde zu bestatten. Viele der Begleiter dieser Todten-
Karawanen haben den Wunsch, an den Besuch der hdchsten
schiltiscben Heiligthamer auch noch die Wallfahrt nach Mekkah
und Medinah anzuschliessen. Der'nachste Weg dahin — etwa
60 Tage zu reiten — fiihrt schrag durch die arabischen Wusten,
grGsstentheils durch das Gebiet des Emirs von Hajel. Um die
passende Zeit schickt der Emir seine Leute nach Negef an den
Euphrat, damit sie die persischen Pilger abholen, und unter
sicherem Geleit nach den allgeinein muslimischen Heiligthumern
zu Mekkah und Medlnah befordern. Far die Lieferung der Reit-
tbiere (Karaeele) und des Wassers und fur das Geleit haben
die Pilger im Hinweg 30 Megidi, und, falls sie denselben Ruck-
weg wahlen, noch dazu die Halfte, also im Ganzen 45 Megidi
d. h. etwa 150—160 M., zu zahlen. Der grOsste Theil dieses
Geldes fliesst in die Kasse des Fursten, was bei gewOhnlich
800—1000 Theilnehinern, selbst nach Abzug aller eigenen Un-
kosten, eine nicht zu verachtende Sum me ausmacht. Nun hatte
im vorigen Jahr der Fuhrer jener Begleitmannschaft auf eigene
Faust sich das unkluge Vergnugen bereitet, zwei oder drei
Tage vor der Rucklieferung der Pilger nach Negef, von den
verhassten Schilten noch einen besonderen ganz unvernunftig
hohen Bakschisch zu erpressen. Die Mehrzahl der Schi'ah, durch
den Besuch der Statten zu Mekkah und Mediuah — wo man
das from me Zwicken aus dein ff vei*steht — schon lftugst weiss
geschrOpft, erklarte sich far ganzlich unvermOgend, nocb irgend
etwas zu bezahlen. Der augenfellige Beweis der leeren Sacke
und Taschen wurde mit Hohngelachter aufgenommen: BSo ist's
recht, ihr Hunde, Gott verHuche eure Vater, hier im Sande
sollt ihr ven-ecken, oder Geld schwitzen ; es ist einerlei, ob ihr
durch Hunger oder Durst draufgehet. Wenn ihr nicht wollet
oder k6nnet, so nehnieu wir unsre Kameele und unsre Wasser-
schlauche zu uns und lassen euch hier hocken ; dann mdget
ihr zusehen!" Der auch nach beduinischeu Begrilfen unehren-
hafte Handel wurde dadurch beigelegt, dass die paar noch ver-
m6glichen Perser uberdies fflr die anderen die geforderte Summe
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I.I&JKL. 29
entrichteten. In die Heimath zuruckgekehrt brachten die Pilger
ihre Beschwerden der Regierung vor. Der Karawanenfuhrer
seinerseits lieferte in tfajel das erpresste Geld ab, wurde aber,
statt der erhofften Belobung und Belohnung 9einer Finanzkunste,
voni Fursten hart angelassen ob seiner schandbaren, zugleich
unpolitischen Handlungsweise, und kurzer Hand ins Gefangniss
geworfen. Durch einen besonderen Boten sandte der Fttrst an
den persischen Wakll (Sach waiter) in Negef ein Scbreiben zur
BefGrderung nach Teheran, worin er sich entschuldigte, der
unsaubere Raub sei ganz ohne sein Wissen und Wollen ge-
schehen, der Thater sei bestraft, hiemit erstatte er das Geld den
Beschadigten zurflck, und gebe die Versicherung, dass die per-
sischen Qnterthanen kQnftig ebenso sicher und ehrlich wie bisher
durch das Beduinengebiet begleitet wurden. Eine ahnliche Mit-
theilung Schick te er nach Mekkah an den Scherffen und an den
dortigen persischen Wakil. Bevor jedoch das Schreiben in Teheran
eintraf, hatte der Schah von Persien bereits an den Wakil, den
der Emir von I.Iajel zu Mekkah unterhalt, die Mittheilung abgehen
lassen, dass er angesichts der treulosen Behandlung seinen Unter-
thanen verboten babe, bis auf weiteres den Weg durch das Schatn-
mar-Gebiet zu nehmen. Und dabei blieb's. Die Folgen zeigten sich
dies Jahr bei der Ankunfb des sogenannten persischen Jiagg.
— A-
Die prraischa Pilgerkarawsnc.
Auf deui genannten Platz waren etwa 30 Zelte aufgeschlagen,
theils runde, theils dacht'6rmig-langlichte, aber auch Unter-
schlupfe allereinfachster Art, die nicht mehr den Namen von
Zelten verdienen ; ich gewahrte sogar einen tragbaren Abtritt ')
mit faltbaren Wanden. An den Zeltstricken waren Waschestucke
oder voni gestrigen Gewitter durchnasste Kleider und dergleichen
1) m!khr.
30 S Et'NTKS CAPffKL.
zum Trocknen aufgehaugt; zwischen den ruhenden Kauieelen
und Eseln standcn Sftcke und verschnQrte Ballen aller Art
umher; neu waren mir eigenthamliche rohrgeflochtene KOrbe
mit htilzernen Ftissen und hocbgewolbtem tuchbespanntem Dach.
Rechts vom Thor lehnte in einer Ecke die zusammengelegte
Fahne. Abseits war tar diese Tage ein kleiner Markt aufge-
schlagen. Der Theilnehmer an dem Pilgerzug mdgen es ira
hftchsten Fall 150 gewesen sein, darunter 4 oder 5 Frauen mit
einer Negerin. Die Menschentypen erschienen mir auffallend civi-
lisirt ; der Gesichtsausdruck stach von dem beduinischen merklich
ab (vgl. Bd. T, S. 236, Anm.). Solche Kleidung und Bartschnitt,
die halhmilitarische Gangart hatte icb seit Damascus nicbt mehr
gesehen, ausgenuisterte tflrkische Soldatenbosen, Fes, Schnnr-
stiefel, persische Schuhe und Strum pfe. Obwohl angeblich 4
Perser, wahrscheinlich Kaufleute aus Mesehhed, im Zug sicb
befandeu, konnte ich doch nirgends eine persisehe Kegelmfltze
aus Filz oder Sehaffell entdecken. Die Mebrzahl der Leute war
mit Trocknen und Ausbessern der Habseligkeiten beschaftigt,
Andere machten Einkaufsgange in die Stadt; Alle schienen
zufrieden, einmal ein paar Tage lang von den Anstrenguugen
der Reise sich ausruhen zn kOnuen.
Urn 7 Uhr Abends kam ein erstes Ge witter, das schon ziem-
lich khiftig war, so dass der Regen an ganz ungewOhnlichen
Stellen von der Decke herunterranu, auch z. B. die Bilcber nslsste ;
nach 9 Uhr kam das zweite und urn lO'/i Uhr das dritte
und zwar allerheftigste. Ich hatte mich unter die Thfire gestellt,
unuuterbrochen /olgten sich die Blitze, das Krachen des Donners
war erschreckend, von den Daeheru, von den Treppen schoss
das Wasser zusammen in den JJof. Auf einmal prasselten
HagelstQcke hernieder, so dass ich mich rasch hinter die ver-
riegelte Thure rettete, mit Wonne und Beben h5rte ich, wie
sie zischend in die tosende Wasserttache einschlugen, versprengte
Stacke flogen durch die schmalen Mauerschlitze ') in den
1) jjy£3S fm.lwall.
HflJEU 31
hawah herein. Immer noch hatte ich eine fast kindische Freude,
dass dieses dQrre Land doch endlicb einmal grilndlich einge-
weicht werde : Als weiter, es kann nicht dick genug kommea !
Sobald der Hagel nachliess, Gffnete ich die Thttre wieder; es
goss noch immer in Str6men. Die Lampe, mit welcher Mahmud
auf den See im Hof hinausleuchten wollte, wurde vom Luftzug
ausgelOscht, doch hatte die kurze Beleuchtung genflgt, um die
Gefahr erkennen zu lassen : die Wasserraasse mit ibrer raulzigen,
gewiss handtiefen Schichte von EiskOrnern schwabbelte immer
hflher, und drohte jeden Augenblick die Schwelle der Wohnung
zu uberfluthen. Gesehwind wurden die Teppiche und was am
Boden lag zusammengerafft und auf den Heerd sowie auf die
gemauerten Armlehnen aufgeschichtet. Zura Glflck hatte jetzt
der Regen ein Ende. Auf eiuraal — was ist das? Eiu schauer-
liches Brausen in der Luft: rast ein neuer Sturm daherl Mit
geheimnissvollem Schaudern ruft Mahmud: Der Sel kommt, der
Sel!') Ich wollte es zuerst nicht glauben, und doch hatte er
Recht. Von dem l'/2 Stunden weit entfernten Gebirge rollte
das Wasser als Bache, als Strom, als wandelnder Damm gegen
die Stadt heran. Wie sich am anderen Morgen herausstellte,
hatte er unter Anderem auch die Beduinenzelte ausserhalb der
Mauern weggerissen. Einstweilen in der Nacht konnte man
aus dem Rauschen nur so viel abnehmen, dass der Hauptstrom
auf der Ostseite der Stadt vornberzog.
Huber, schon mehrere Tage her nicht wohlauf, hatte heute
einen ernstlichen Fieberanfall, er klagte besonders nberSchmerzen
im Hinterkopf und redete gauz wirr; ich gab ihm Chinin in
drei Portionen, rausste aber, um meiner Sache sicher zu sein,
die Pulver selbst zuvor versucheu.
Fr. 30. Nov. 1883]. In der Frtth eilte Hamad el-Migrad herein:
der Scha'ib (das sonst trockene Flussbett im Osten der Stadt)
sei bis an den Rand voll; der Schijukh uud Alle seien soeben
hinausgeritten, um das seltene Schauspiel ') zu sehen. Ich er-
1) Wildwftsser.
2) Dag war *icllcicht in 20 odci mehr Jahren nicht vur^ckoriiincn.
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NKIJNTKS CAPITKl..
klarte mich bereit, sofort mitzugehen ; er wollte aber nicht auf
mich warten: ich gehe ihm zu langsam. (Wegen der bisherigen
Wtmden an meinen Zehen hat er mich noch uie ausschreiten
gesehen; jetzt sind sie geheilt). Wart1 nur, Kaib, dachte ich,
dich will ich schon kriegen, dir werd' ich deinen Ulasbalg warm
treten! Wie der Wind war ich an ihm vorQber zur Hausthure
dranssen, nnd griff aus, dass er nur so hiutendrein keuchte.
Ich liess ihn ruhig mehrfach rufen: sehwdje, usbur (nlangsam,
wart doch!"), dann drehte ich den Kopf halbrQckwarts uber die
Achsel und hflhnte ihn: „Auf dich kann ich nicht warten, du
gehst mir zu langsam!" In zehn Minuten hatte ich die Sudseite
der Stadt umgangen. In der That, durch die enge Schlucht
zwischen den nebelbehangenen Bergen Umm Erkab und Samra ')
wtllzte sich ein rothgelber Strom dahin, vielleicht 60 m. breit
und mindestens 2 m. tief. Die Leute, die am Rande umherstanden,
versicherten, er habe bereits um 1 Elle abgenommen.
H<K-hwiwsor in der Wiiiiie.
Das Herz schwoll mir beim Anblick des wellenbewegteu Was-
sers. So etwas hatte ich hinge nicht gesehen. Ein grosser Theil
der Bevolkerung war auf den Iteinen; am Ufer fullten die
Weiber von dem kostlichen Getrilnk ihre Sehlauche, iudess die
Kinder sich scheu an die Kleider der Matter anklammerten.
1) Siche auf dem Plan Bd. I. S. 173.
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HftJKI-
Wahrend ich Nachmittags meine Briefe fftr Europa abschloss,
die der persische yagg nach Baghdad raitnehmen soil, kam
M.lgid, um einige Schachteln Jagdpulver und die Skizze zu der
unlangst fQr den Emir gezeichneten Karte von Europa1) zu
erechnappen. Sein Vater, der cObeid, missbraucht jetzt den in
Gnaden angenommenen cAbdallah zu alien Botschaften und
Bettelauftragen an unsere Adresse ; so liess er heute sagen, wir
hatten nun Alle hier beehrt und beschenkt, nur noch nicht
seinen vielgeliebten zweiten Sohn Salim. Auf das bin wurde
ihm der drittletzte (angeblich letzte) Revolver verehrt. Als Er-
widerung sandte er noch spat Abends einen Bock ins Hans,
der morgen geschlachtet werden soil.
Da heute so viel Regen gefallen war und man aus tausend
Pfntzun Wasser schOpfen konnte, war der Betrieb des Brunnens
S6raah eingestellt, in Folge davon den ganzen Tag Wassernoth
im Hause. Ich weiss nicht, von woher die Bruhe stammte, die
wir zu trinken bekamen.
Nachts 10 Uhr kam noch tfamud el-Migrad, in unaussteh-
licher Laune. Hab' mich nicht viel um ihn geknmmert. ~ Als
er fortgieng, zeigte das Thermometer nur noch 8°C.
Sa. 1. Dec. 1883]. Die Trauer des Hamud el-cObeid, dass wir
noch nicht ganz nackt aller unsrer europaischen Herrlichkeiten
beraubt sind, bluht lustig weiter. Noch f>esitzt Huber einen
sch6nen Spiegel, den er aber nicht hergeben will, und noch
wissen sie mich im Besitz meines kleinen Mauser-Revolvers
(7 mm). Mit Zagen, weil er furchtete, von uns hart drum an-
gesehen zu werden, brachte 'Abdallah den Schmerz des eObeid
unter vielen Entschuldigungen vor. Wir beruhigten ihn, wir
wussten wohl, wenn er sich nicht zum Ausrichten solcher Auf-
trage hergabe, warde sich gleich ein Dutzend Anderer tinden,
die mit Vergnugen bereit waren, sich ein rothes Rocklein zu
verdienen. Erleichtert gieng er von dannen, erschien aber bald
von Neuem. Aha, was ist jetzt schon wieder los? Unter dem
1) S. oben S. 20.
NKI'MTES CAPITKI.
Mantel hervor brachte er in ein Tuch eingewickelt ein Packet
zum Vorschein: der cObeid lasse mir statt nieines kleinen Re-
volvers hier ejnen anderen als Ersatz anbieten. Ich stellte mich
dnmm: „Mir ist mein Revolver gerade recht, ich brauche keinen
Ersatz; er soil doch dies Stuck selbst behalten, nach solch
zweifelhaftem Lumpenzeug trag' ich kein Begehr." In richtiger
Voraussicht dieser Antwort hatte er die neue Anfrage bereit,
ob ich Geld oder sonst was Anderes dafflr haben wolle. Ich
mOchte doch nachdenken, ob ich nicht einen Gegenstand nolhig
hatte, mit dem er auszuhelfen ira Stande ware; er werde mir
sonst auis Geradewohl irgend etwas in's Haus schicken. Aus
Fureht, einen theuren unerwunschten Schund aufgehalst zu
bekoramen, der mich, abgesehen von der aufdringlichen Dau-
kesverpHichtung, schon durch sein blosses Dasein tagtaglich
geargert htltte, liess ich mich zu der unbedachten Ausserung
verleiten, mein einziger von Damascus mitgenommener Zebun
(langer Rock) sei allmahlich ziemlich schadhaft geworden, es
ware wahrlich kein tTbermuth, wenn ich einen neuen truge;
am liebsten ware mir allerdings ein weisser goldgeblQmter, wie
sie aus Indien rar die hiesigen Prinzen bezogen werden, und
wie z. B. sein Sohn Magid einen hatte. Ganz glQcklich flber den
greifbaren Bescheid wickelte cAbdallah sein Packet wieder ein
und eilte davon. Nach einer halben Stunde kehrte er zuruck —
auf dem Arm zwei neue Hemden als Vorlaufer der weiteren
zugedachten Geschenke. Der c()beid bedaure lebhaft, weisse
goldgesprenkelte Zebun hatten sie augenblicklich ira Schloss
keine mehr vorrathig, eine Umfrage bei den persischen Kauf-
leuten sei ergebnisslos verlaufen, er sei aber bereit, seinem Sohn
Magid den Rock auszuziehen und fur mich richten zu lassen.
Cbrigens hatten sie im Schloss eine grosse Auswahl syrischer
und indischer Zebun, darunter einen rothseideneu, der vielleicht
noch schOner sei als ein weisser, jedenfalls weniger heikel; ob
ich nicht den wunsche? Ich erwiderte, das kOnne ich jetzt
nicht sagen, ich wolle ihn einmal gelegentlich ansehen; die
Sache habe ja gar keine Eile. Obschou mir ganz klar war, dass
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iiujiiL. 35
ich den Revolver nicht auf die Dauer vor seinen Klanen retten
kdnnte, so war ich doch entschlossen, den Mann m<5glichst
lang am Bratspiess der Geduld zappeln zu lassen, wobei ich
nur eines bedauerte, dass ich mich nicht in der Zwisehenzeit
an dem Gesicht von dem Hallunken und an seinen verlangerten
Schmerzen waiden konnte.
Abends 9tellte sich Hamud el-Migrad ein, leidlicher als sonst,
er verweilte fast drei Stunden. ~ Bis 2 Uhr Naehts las ich
einmal wieder den ersten Theil des Faust an einem Stack.
Das war rair ein feierlicher Genuss, durch den ich wieder in
eine ganz andere Welt versetzt wurde.
So. 2. Dec. 18S3]. Morgens vor der Sonne aufgestanden ; bald
kam cAbdallah. Ist's m6glich? ohne Auftrag? ohne Staatsstreich?
Ja. — ■ Huber klagt wieder uber Fieber und sieht schlecht aus.
Zur Unterhaltung gieng ich hinaus zum Lager des tfagg, und
besah den dortigen Markt; nebenher fertigte ich einige Skizzen.
Um die Mittagszeit wollte ich mit cAbdal!ah den Prinzen Magid
besuchen. Da es aber hiess, er sei bei den Weibern im Schloss,
so wandten wir uns zuruck naeh 'Abdallahs Haus, um uns dort
aufs Dach in die Sonne zu setzen. Bevor wir die Treppe hin-
aufetiegen, rief 'Abdallah seiner jflngsten Frau, der Baghdaderin '),
„Ja Zhawah!" Arglos gehorsam eilte sie aus einem Nebenraum,
Moss mit einem blauen Hemd angethan, heraus, gerade auf
mich zu. Mit einem leichten Schrei und das Gesicht mit den
Handen bedeckend sturzte sie wieder da von, indess der Mann
ihr einen Auftrag nachrief. Soviel hatte ich gesehen: sie hatte
schone grosse Augen, und, was hier sehr selten ist, rothe Backen
und Lippen ; dem Haar freilich hatte etwas mehr Pflege nichts
geschadet-)- Es war mir eigentlich leid, dass er das Wesen so
schwer in Verlegenheit gebracht hatte, und ich enthielt mich,
1) Vgl. 5. Jan. 1661
SJ) Da» vcrttehca die Weiber hier ubcrhaupt nicht, i»t auch bci der Trncht uud Sitte kaum
anders moglich. Waren unserc Fraucu getiuthigt, dt-n jranzen Tag ein langes schwcrct Tuch
uber den Kopf m tragea — kein Theater-fichu — und dastclbc bei Aunnherung einea frem-
den Maan»bildc» bald rcchU bald link* uber das Gesicht zu Jtichen, so dutftcn »ie binneu Kur-
xem arg vi-rhaart und vcrheit auuchcu uod kutinleu da» Krisircu auhteckeu.
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■
36 NKl'NTES CANTKl.
wiewohl er darauf zu warten schien, jedweder Bemerkung. So
stiegen wir schweigend die Treppe hinauf. Oben angekommen
that er vertraulich eitel die Frage: „Hast sie gesehen?" Ohne
eine Miene zu verziehen sagte ich bloss: „Ja, mit einem Auge".
Wir hatten uns eben auf dem Dach zurecht gesetzt, und uns
mit den Fliegen in den Genuss des Sonnenscheins getheilt, da
klopfte an der Hausthure ein Bote von Magid, wir mochten
zu ihm komraen. Ich musste des lftngeren von Kanonen er-
zfthlen, auch einige Thiere zeichnen; vier jungerc Brader des
Magid hOrten und sahen aufmerksam zu, mit einer ihrer Jugend
entsprechenden Bescheidenheit.
Die Wasserpfeife, um die ich den Mittag bei eAbdallah ge-
kommen war, wurde Abends bei ihm geraucht; mitlluberwar
auch noch Ham lid el-Migrad gekommen.
Mo. 3. Dec. 1883]. Die Maschahideh brachten einen ihrer Lands-
leute Sliman Mirza, der mit dem Uagg von Medinah gekommen
war, zu Besuch. Er und namentlich sein in Meschhed lebender
Vater, den Huber auf der fruheren Reise keunen gelernt hatte,
sind um ihres Reichthums willen sehr angesehene Leute.
Auf dem Weg zum Lager der Pilger stellte mich ein Unbe-
kannter auf der Strasse und hielt mir drei Finger der rechten
Hand ins Gesicht mit den Worten: „Da, riech!M Auf mein bei-
falliges Nicken strich er mir ohne Weiteres seine Finger in
den Bart, und wahrend ich noch ganz erst aunt dastand, sagte
er im Weitergehen : wGelt, das ist feines RosenOl und Zabad?" ')
Zum Prinzen c A b d e 1 -CA z i v. brachte ich in meinem Zeichen-
buch die in Aquarell ausgefuhrte Skizze seines Portrats J); er
schien nicht ganz befriedigt — wer ist ganz befriedigt, wenn
man ihm sein Bildniss hinhalt? — er zeigte es zur eigenen Be-
ruhigung und zur Stillung der weiblichen Neugier im Harem vor.
Wenn er auch pers6nlich nicht unter der Angst litt, wie
sein Verwandter, der cObeid, der von den unnutzen und sund-
1) Mo.chu.siilbc. [In Wirklichkeit in zabAd (oder wie H. «hreibt tibdd) das Zibet, da. im
Orient ah Parfiim whr bcticbte Sekret der Zibctkatiej.
2) VK1. oben S. 26.
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H.'l I I I .
37
haften Bildern alsbald unab wend bares Unheit wittert, so war
er doch offenbar durch den Gedanken bekflmmert, dieser edle
Vetter und Onkel kcmnte sich
hinter den Emtr stecken, urn
irgend eine Handhabe gegen
ihn daraus zu schmiedeD. Es
wurde ihm sichtlich leiehter,
wie ich vor seinen Augen das
Blatt aus dem Skizzenheft los-
trennte und ihm die Zusage gab,
dass ichNiemanden davon reden
und furderhin keinem Menschen
hierzulande das Bild zu seiien
geben werde. cAbd el-cAziz sehlug
einen Gang durch den Garten
vor; dort trieben wir allerlei
Kurzweil, warfen mit Lanzen
und Steinen. Da die Beduinen
die Lanzen nur zum Stechen
gebrauchen, hatte naturlich keiner eine tfbung. Den schOnsten
Kernschuss that ich mit einer Lanze mitten in einen Palm-
stamm hinein. Wie der lange Bambusschaft sekundenlang wag-
recht in der Luft zitterte, brachen Alle in Bewunderung aus.
Wir rannten an den Baum, um den Treffer zu besehen. Die
Schneide stak so tief drin, class der Sclave Fendi Mflhe hatte,
sie wieder herauszuziehen ; das Eisen hat er dabei grundlich
verbogen. Urn wenigstens in einer Kunst seine Fertigkeit zu
zeigen, verfiel der Prinz aufs Wettlaufen. Ich rieth ihm davon
ab, da ich ihn, selbst bei belassenem Vorsprung, bald am Genick
haben wurde; darauf wolle er es doch noch ankommen lassen,
er sei flink wie eine Gazelle. Gut, dann werde ich wie ein
Panther sein. Ausser den hinaufgesteekten Hemden und den
Filzkappen (Telfijjeh) ') wurden alle Kleidungsstflcke abgelegt.
fl) JuiJp, daber (afijje* ta »chreiben; H .ehreibt fOftj*].
Prinz 'Abd cl-'Axii.
38
nm;stks capitkl.
Zehn Sehritte Vorsprung; eins zwei drei, los! Barfuss aber die
Btlsche wegspringend und die mitrennenden Sclaven weit flber-
holend, erwischte ich ihn nach vielleicht achtzig Satzen an
seinen ZGpfen. Wir waren Beide ziemlich ausser Athem und
hatten an unsrer gegenseitigen Hochachtung genug; uberdies
war mein Fusswerk b6s mitgenommen, ich blutete an mehre-
ren Stellen und zog aus der Fusssohle einen Holzsplitter. —
Nach Beendigung der Leibesubungen und unter dem frischen
Eindruck derselben trat Einer von clem vornehmen Stamm der
cAbdeh mit uns in den Diwan ein. Er begann sofort mit der
unvergleichlichen Cberlegeuheit der Beduinen uber christliche (!)
Soldaten zu prahlen, von denen er ja noch nie einen gesehen
hatte. Wenn wir auch moglicherweise vollkommenere Waffen
besitzen, so seien die Araber daftir jederzeit im Stand, alle in
ihre Reihen gerissenen Liicken durch immer neue Menschen-
massen zu stopfen. Ich gab rair Anfanga MQhe, seine hochmn-
thigen und dummen Vorstellungen zu verbessern, erklftrte aber
bald, ich milsse es aufstecken, da es vergeblich sei, mit einem
Blinden aber Farben zu streiten. Seinen verschiedensten An-
reden und Herausforderungen setzte ich ein ganz hartnackiges
iStillschweigen entgegen, ja verstarkte dasselbe noch durch zeit-
weiliges vergnilgliches Anstarren. Da dieses ausser in einem
Narrenhaus kein Mensch auf die Dauer aushalten kaun, so zog
er es nach 5 Minuten vor, den Platz zu raumen. Filr den Herrn
des flauses, der offenbar befurchtet hatte, wir kftmen noch
emsthaft hiutereinander, war diese LOsung jedenfalls die an-
genehmste.
Urn 4 Uhr schickte der Emir nach uns. Er sass vor dem
hell lodernden Feuer in einem goldgestickten, pelzgeftttterten
Mantel, neben ihm Hamud el-cObeid wie gewOhnlich mit einem
neuen geschmacklosen Gewand angethan. Da unter dem Pelz-
mantel des Fursten ein seidener') Rock hervorguckte, drQckte
ich mein Erstaunen aus: Jst das Seide?" Der Furst nickte. Das
1) S. Bd. I, S. 158, Z. 22 und 168 unten.
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nhn.u
39
ist doch Silnde 1 Was sagt denn dein Hauspfatf dazu ? Ich mochte
ihm nicht rathen, dass er etwas sagte. Der Fflrst wollte wissen,
ob ich in diesen Tagen wieder gemalt habe, una Hess meine
zwei Skizzenhefte holen. Fur die Landschaften hatte er keinen
Sinn, er wollte die Sclaven sehen, die ich abconterfeit hatte.
Wie bin ich froh, da9s das Bild vom Prinzen cAbd el-eAziz her-
ausgeschnitten war; h6chst wahrscheinlich war ihm doch was
zu Ohren gekommen. — Von einem Wabr (Klippendachs) ') der
voriges Jahr geschossen worden war, brachten sie einen son-
derbaren Magenstein daher. Dann kam der Farst auf die Nach-
richten zu sprechen, die ihm durch den tfagg aus Mekkah ge-
bracht worden waren; er erkundigte 'sich dringlich, ob wir nicht
wdssten, was das europaische Kriegsschitf zu bedeuten habe,
das zwischen Janboc und el-Wegh im Rothen Meer die Gegend
beunruhige. Wir konnteu nur sagen, das sei das erste Wort,
das wir h&ren, vielleicht handle es sich um die Ausfindigma-
chung einer Kohlenstation. Er fuhr dann fort, der „Pascha" in
Mekkah habe den Karawanenfflhrer cAbd er-Rahtnan zur Rede ge-
stellt und lasse ihn (den Emir) f'ragen, was denn die zwei Christen
treiben, die er in Ijajel als Ga9te feiere. Ohne Zweifel fnrchten
die Tflrken auch hier eine politische Anzettelung. — Von da
giengen wir hinnber zu den Pferden; ich hatte dera Fursten
den Wunsch geaussert, seinen sehwarzen Hengst zu zeichnen,
merkte aber sogleich, dass es ihm (aus aberglaubischer Angst) ')
nicht angenehm war, und so kam ich nicht mehr darauf zuruck.
Dagegen zeichnete ich iu seiner Gegenwart sein Lieblings-Delill,
ein schlankes Thier von der Rasse No'manijjeh. Dabei wollte
er noch die Farben sehen, mit denen ich male; ich zeigte ihm
die kleine Bleehbttchse mit den feuchten Wasserfarben. — Huber
hatte einen schOnen Khangar (Dolch) bei einem der Pilger ge-
sehen, und dem Nasir Sebhan den Auftrag gegeben, ihn zu
kauten. Sobald der Emir davon hOrte, befahl er, ihn ausseinem
I) H.: wablr Klippwhliefer. Hyrax syriacm Schreber.]
2) Huber belehrte raicb nachher, do** die A r aber nicht blo»» hier iiuaterst mi«»traai«ch teiea,
wean einer ein Pferd nnr recht aiuchaue; ich aolle nie mehr von Abteichncn rcdun.
40 NKl'NTKS CAPITKI-
i
Beutel zu beschaffen. Beim Abschied forderte er uns nochmals
aaf, doch stets zu sagen, wenn wir irgend etwas wunschten.
Di. 4. Dec. 1883]. Dem Prinzen Magid eine Anzahl Holzscbnitte
rait Darstellungen von Pferden verehrt. Im Heimweg zu Hamud
el-cObeid gerufen worden, der mir den rothen goldgewirkten Zebun
verehrte. Also schon wieder einen Schritt weiter: timeo Danaos!
Nachraittags bei einigen persischen Kaufleuten Besuch gemacht
Mi. 5. Dec. 1883]. Morgens war ich'zu einem Meschhech ein-
geladen, wurde bald abgerufen, weil Magid mit zweien seiner
Bruder uns besuchen wollte. Nachraittags zu Ranem; spater
einen Spaziergang auf den Steinhugel im Sudosten des Semah
gemacht, von wo aus man das Treiben im Pilgerlager flbersehen
konnte. Abends bei eAbdallah zum Nach tessen; bei der trostlosen
Langeweile des hiesigen Daseins doch eine kleine Abwechslung.
Do. 6. Dec. 1883]. Der Emir liess uns holen wegen der nach
Eu io pa bestimmten Briefe. Aus besonderer Artigkeit wollte er
sie nicht durch die zurrtckkehrende Karawane, sondern durch
einen Expressboten befordern lassen. Die Briefe waren von uns
bereits in Leinwand eingenaht, dazu kam noch ein eigener
Begleitbrief an den Inspector der Quarantane in Meschhed Ali
(Negef) am Euphrat, einen Dr. Lubitsch; ausserdem eine
Blechrolle, in die einige von mir gefertigte Abklatsche (aus
Murduk, aus c0rman und aus Gyobbeh) eingel6thet waren. Vor
uusren Augen wurden die drei Stflcke zusammen nochmals in
eine Leinwandhulle vernaht, vom Secretar des Fursten Ober-
schrieben und einem Eilboten Obergeben, der dieselben nach
10—12 Tagen in Negef abliefern soil. Die Post wird von dort
moglicherweise flber Bombay nach Europa befordert werden. -
Um den Hals trug ich an rothseidener Schnur hangend ein
Schiebbleistift in Elfenbeinhrtlse. Hamftd el-c0beid rQckte an
mich heran und fragte, das Bleistift ergreifend, mit bedeutungs-
vollera Blick, ob ich nicht noch so eines hatte. Wie ich den
Menscben ansah, dachte ich : Pfui Teufel ! Wahrscheinlich konnte
ich den dazu gehdrigen Gesichtsausdruck nicht ganz beherrschen.
Der Emir gab ihm argerlich einen abwehrenden Wink mit den
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H/iJEI.. 41
Worten: „Ah! hada h&Vkuh" (»das gehort ihm" = das braucht
er selber).
Vor dem Schloss wurde grosser Meglis abgehalten. Nach
dem Essen zu eAbd el-cAzlz, Rftnem und eAbdallah. Dabei h6rte
ich, gestern seien Schecbe der cAteibeh ') hier angekommen,
urn uber Verbruderung oder Unterwerfung zu unterhandeln.
Die RaubzQge werden ihnen offenbar zu heftig und zu hftufig.
Abends kam der Kameelshftndler tfusein, er dictirte mir auf
Verlangen Auskunfte aber die Kameele, ihre Namen, Krank-
heiten, Gangarten und dergleichen. Der Schmied IJusein und
der Diener Mahraud betheiligten sich an der Vervollstandigung
seiner Angaben.
Mit dem heutigen Tag begann auch der Emtr zu fasten, d. h.
solange die Sonne am Himmel steht, auf Speise und Trank zu
verzichten. Der vorletzte Kazu war n&mlich in den Ramadan,
in den eigentlichen Fastenmonat (diesmal Juli bis August)
gefallen. Im Krankheitsfall oder auf einer Reise oder wahrend
ernes Krieges ist der Muslim des Fastens uberhoben, muss es
aber zu einer anderen gelegeneren Zeit hereinbringen, also nach-
fasten. Das tbut demgemass in diesen Tagen hier die Mehrzahl
der waffenfahigeu Manner. IJamud el-MigrOd z. B. fastet heute
den 14ten Tag; dabei tragt er in Ermanglung eines Kalenders
einen Fetzen Papier bei sich und macht zur Sicherheit jeden
Abend nach Sonnenuntergang einen Strich darauf. Die Faster
vermeiden, wenn eine andre Person, die raucht, in die Nahe
kommt, den Tabaksrauch in die Nase zu kriegen3); so habe
ich heute zwei gesehen, die in diesem Fall die Keffijjeh dicht
uber das Gesicht zogen. Selbst bei Rauchemng mit Wohlge-
rflchen weigern sie sich, davon Gebrauch zu machen; sie lehnen
es ab mit den Worten: ,lch faste".
[1) Noch H., der Unge mit Leulea dieses Stainmes zamrameu war, spreehrn sie «elb*t ihren
Nameu ^Otale bus.
2) Das mag damit zusammenbnntren, das* man im Arabuchvii fur rauchen sagt „Rauch
trinken'*. Das Trinken ist verboten. ergo — . Auch im Turkiacheu sagt man ..Ranch trinken"
fur Mrauchen", und derielbe Anadruck war in fruberer Zeit in Europa gebruochlich. Die ortho-
doxen Juden pflegen am Sabbath nicht ni rauchen. j
42
NEHNTKS CAIMTKU
Fr. 7. Dec. 1883]. Bei deru Waffenschmied R&nem gelingt es
mir selten, ihn oder seinen Sohn Muhammed bei der Ausubung
ihrer Kunst beobachten zu kdnnen. In seinem Hans ist von
Besuchern ein standiges Gelauf, wodurch der Mann allemal
abgerufen wird und gezwungeu ist, in seinem KaMwata die
Mussigganger zu empfangen. Da ist nur zu verwundern, dass er
daueben noch so schdne Sachen fertig bringt. Wie ich sah, dass er
alle Schnipfel und Spftne seiner Arbeit von Zeit zu Zeit auf den
Lehmboden ausschuttelte, stellte ich ihn zur Rede, was er denn
rait dem Abfall der Edelmetalle, wie er sich beim Graviren und
Ciseliren ergebe, anfange. Was sollte er damit anfangen? Es
werde halt aller Kehricht miteinander in das Wasserloch
im Hof und in die Dohle geschflttet. Vergeblich suchte ich ihui
klar zu machen, was das fur eine unverantwortliche Versch wen-
dung und Thorheit sei. Bei unseren Goldarbeitern und in den
Fabriken werdeu die Uberbleibsel („Krfttze") sorgfaltig gesam-
raelt, weil sie urageschmolzen einen ganz erheblichen Werth
darstellen. Ja, es sei sogar ein eigenes Gewerbe, die Kleider
und Gerathschaften, Tische und StubenbOden zu reinigen und
aus dem Schmutzwasser das Edelmetall wieder zu gewinnen.
Wenn auch das Einzelne winzig erscheine, durch die Masse
komme doch so viel dabei heraus, dass die Wascher das Ge-
schaft nicht etwa bloss unentgeltlich besorgen, sondern noch
Geld daranf bezahlen. Vater und Sohn lachten unglaubig uber
die Mnekenseigerei : bei ihrem eigenen Betrieb kftmen solche
Lappalien gar nicht in Betracht. Dann also!
Mittags bei Slimftn Mirza (oben, S. 36) eineu Abschieds-
besuch gemacht. Auch unser Nachbar Mirza will, angeblich
auf ein Jahr, nach dem eImk zuruek; es kommt mir aber eher
vor, er habe das Leben unter den Beduinen satt, und wolle ^
uberhaupt nichts mehr davon wissen. — Nachmittags den
Schmied ftusein aufgesucht; da er selbst nicht zu Hause war,
besah ich wenigstens seine Werkstatt.
Magid, der an Schraerzen leidet wegen eines hohlen Zalmes,
schickte eineu Sclaven urn Arznei. Huber iibersandte ihm Carbol-
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HftjEL
43
saure mit der Weisung, er solle einen Tropfen auf Baumwolle
thun, die daraus gebildefce kleine Kugel in die Hflhlung drttcken
und noch etwas trockene Baumwolle darauf, aber Acht geben,
dass niehts au das Zahnfleisch odcr die Zunge komme, weil
das brenne. Kaum im Besitz des Mittels stach ihn der Nasen-
weis; er Hess einen Sclaven die Zunge herausstrecken, um
daran die Wirkung der Carbolsaure zu probiren.
Seinem Vater IJamud el-cObeid fehlen zwei obere Schneide-
zahne. Er hatte gehOrt, in Damascus sei ein Zahnkunstler,
und mftchte nun von dort zwei Einsetz-Zahne kommen lassen.
Ich wundre mich eigentlich nur, dass er nicht langst einem
Sclaven sammtliche Zahne zur Probe hat einschlagen lassen,
um zn selien, oh ihm keiner von diesen passt und gleich halt.
Es war schwer, ihm begreifiich zu machen, dass die Kunat
darin bestehe, die Zahne geuau an den Kiefer anzupassen.
Dazu mQsste er dem Damascener zuvor einen Abdruck seines
Oberkiefers etwa in Wachs einsenden. Natflrlich ware es noch
gescheidter, wenn er selber nach Damascus reiste; doch dazu
ware er ja nicht um alles in der Welt zu bringen. Dagegen
kam ihm der Gedanke, ob der Mann nicht vielleicht hieher
kame, wenn er ihm ein Delul zur Reise und das furstliche
Geschenk von 200 Megidi (750 M.) schickte. Er wurde ganz bos,
wie ich bezweifelte, ob der Mann damit zufriedeu ware. ,Was
sagst Du? das ist doch, weiss Gott, genug far zwei Zahne!" —
„ Ja freilich ! aber bedenke doch : wenn der Maun reiten wilrde
wie vernlckt und ohne auszuschnaufen, so brauchte er von
Damascus nach yajel 20 Tage. Thatsachlich wird er 30 brauchen.
Dann kommt er hier an mit Klagen flber die ausgestaudenen
Schmerzen ') und Entbehrungen, und muss sich doch etwas
ausruhen. Bis deine Zahne angetertigt und eingesetzt sind, ver-
gehen mindestens 10 Tage. Zum Rilckweg braucht erwieder30,
thut summa summarum 70 Tage. In der Zeit hatte er in
Damascus taglich doch mindestens seine 4 Megidi, also im
1) Tgl. Bd. I, S. 33 f.
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44
NFINTTS CAPtTBL.
Ganzen 2S0 Megidi (9S0 M.) verdient, ohne sich dabei abzu-
schindeD und wund zu reiten". Dieser geschaftsm&ssigen Redl-
ining konnte er schliesslich die Richtigkeit nicht absprechen;
ich Jrin aber ilberzeugt, dass er, wie ich zum Haus draussen
war, meine gauze Beweisf'Qhrung fur den Werth der Zeit als
graue Theorie flber Bord geworfen hat: Narr! l&cherlich!
Sa. 8. Dec. 1883]. Morgens kam der Schmied IJusein, den
ich gestern verfehlt
habe; er begleitete
mich zu den drei
alten Ithelbaumen
(Tamarisken) in
der Nahe seines
Hauses. Nachdem
ich einen derselben
in Wasserfarben
gemalt hatte, nahm
er mich mit in
seine Werkstatt,
woselbst ich seinen
Neffen Hamud ibn
Khalaf zeichnete.
Auf dem Heimweg
gewahrte ich im
Stadttheil Sarl.iah
einen Palinbaum,
dessen Stamm bis
hinauf in die Halfte
zwischen Bretter
Ithel-Baum in l.Mjel. Mini Stangen mit
Stricken fest eingebunden war. tfusein nannte mir den Namen
der Krankheit, an der der Baum leide, und gab eine langere
Erklarung davon, von der ich aber nicht viel verstanden habe.
Er begleitete mich noch bis zu cAbdallah ins Haus.
Nachmittag8 3 Dhr liess sich pltftzlich der Emir zu Besuch
l.l&JEL.
45
ansagen. Er erschien auch gleich darauf mit Hamud el-^Obeid,
eAbd el -c Aziz und einigen Leibdienern. Da er fastete, konnten
wir ihm nichts anbieten. Nacb einer Viertetetunde machte er
den Vorschlag, wir wollten etwas ins Freie gehen gegen den
Brunnen S£mah zu. Voran gieng der Emir mit Hamud, einen
halben Scbritt hintendrein Huber und ich rait cAbd el-cAziz an
der Hand, dann in breiten Reihen ein Schwarm von Schwert-
tragern und Sclaven. Am Brunnen Semah (oben S. 22 f.) klopf-
ten wir, uberraschten firaf Weiber, die behaglicb in der Sonne
auf dem Boden lageu. Bei unsrem Eintritt fuhren sie erschreckt
in die H6he, verhflllten sich und wurden von den Sclaven nicht
gerade sap it hinausgeschoben. Der Emir erklarte den Brunnen
und den Garten, und dann hockten wir Alle an einer Innen-
mauer auf den blossen Boden; nur fur den Emir zog Einer
den Mantel aus und breitete ihn auf das Erdreich. Auf seinen
Wunsch zeichnete ich ganz fiachtig einen einaugigen Diener
und einen Sclaven. Von da nahmen wir unseren Gang in die
Ebene gegen eAkdeh zu. Uuterwegs rief ein alter Bettler den
Emir an ; dieser blieb stehen und wechselte mit ihm einige Worte.
Ein paar hundert Schritte weiter kamen wir an eine niedrige
Steinmauer mit einer ftiblah-Nische, welche die Richtung nach
Mekkah andeutete. Hier traten sie in zwei Reihen zusammen
zum Gebet ; der Khatib stellte sich auf ein paar erhOhte Steine
Stchcndo Butcr.
und betete vor, wfthrend des3en Huber und ich, weiter rilck-
Kni«eude Beter.
41)
NKt'STES CAP1TKI..
warts sitzend, uns unterhielten. Nach beendetem Gebet setzte
sich der Einir mit Gefolge hier ebenfalls auf den Boden. Er
erkundigte sich, wie es deun komme, dass Leute behaupten,
die Sonne stehe still und die Erde bewege sich. Er h6rte der
Begrttndung dieser welturasturzenden Theorie mit Interesse zu,
schien aber nicht recht folgen zu konnen, eher beunruhigt zu
sein, denn mit einem Senfzen der Erleichterung meinte er, im
Koran stehe nichts davon, und es sei jedenfalls besser, man
lasse es beim Alten '). Er gab sodanu Befehl, aus der Stadt
ein paar Esel zu beschaffen, um nach Hause zu reiten. Mittler-
weile kam des Wegs daher der Khatib vom Dorfe cAkdeh;
dieser musste in den Halbkreis hocken, und aus dem Koran
auswendig etwas vortragen. Dazwischen kam auch noch ein
junger Mann und brachte eine Klage vor; der Emir versprach,
sich um die Sache zu bekummern, dann schoben sie den Men-
schen bei Seite. Als die Esel zur Stelle wareu, empfahlen wir
uns und giengen mit tfaraud el-Migrad zu Fuss in unser Quartier
zurflck. Vor dem Hause trafen wir mit dem Prinzen Magid zu-
sammen, der uns noch eine voile Stunde bis zur Essenszeit
elendete.
Abends erzahlte cAbdallah, yarnud el-cObeid habe ihn darauf
angeredet, er habe gehtfrt, ich besitze eine Uhr. 'Abdallah er-
widerte, er habe noch nie eine bei rair gesehen. Ich liess ihm
1) Als vor etwa 16 Jnhrcn auf der Plattform und auf der Spitze dcs Strassburgcr Ministers
meteorologische Iastrumeate verschiedener Art aagcbrncht wurden, erkldrte mir der 8S-jiibrige
Thurmwuchter — Beronrd hiess er — alle dies© Ncuerungea »eivn wcrthlos und dammes Zeug,
aber das Gesrlteidteste sci, jedem Narrcn seine Knppo zu l«s*eu. Da sci unliingst cia Freinder
heraufgckuiuiDca und habe ihn bclehrcu wollen, da»s die Krde sich drehc und die Sonue still-
stche. Ja, was solle man dazu sagen? Seit mehr als 40 Jahren sehc er scbier Tag fur Tag alle
Morgen da druben hiuter dem Schwarzwald die Sonne heraufsteigen, und da koiume nun so ein
uasenweiser GrGnschnabel uad lueiue, ihtn altcu Mauue kunne mau schou eincn derartigen
Barcu aufbindeo. „Aber wissc Se, lierr Euting, cs miles au so Vech gun [a muu aucb solchcs
Vieh gcbea.)" Der Freindc war gerichtct. — Aus Agypten ist mir folgeude Geschkhtc bekannt:
„Ein SchuUmanu sab eiumal bei Nacht einco lktrunkeneu auf der Straste stebeu. Da sprach
er zu ihm: „Warum stchst du hier so berum, du Bursfho?" Der antwortcto: „Ich. habe eintnal
gehort, wie etner sajjtc, die Erde drehe sich, doch ich glaubtc sciuen Worten nicht. Aber jetzt
Behc ich, wie die Welt sich drcht , und «la sogte mir mein Verstand : „Stott delue Fiisse bis
nach Hause niiide zu laufeu, bleib liebcr stcben; wenu du daun siehst, wie dein Haus vorbei-
komrat, geb, greif nach eiuera von den Fcnstera und gch hinein! Adieu:" lu kitiib mtai
kilaya ma-littiya, von Muhammul Kjf^ndi cA6d al-Vatiah, Aleianilria, ohnc Jahr, S. 13.] •
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47
sagen, freilich habe ich eine, die sei aber von gemeinem Kupfer,
trotzdem gebe ich sie nicht her. Kriegt denn der Uhrenfresser nie
genug? (Bd.I,S. 187 und obenS. 13f.). Auch unsrem Reisemarschall
I Iamud el-Migrad liegt er allzeit weinerlich in den Ohren : warum
bringt du uns nichts mehr von Huber und cAbd el-Wahhabl
Vor ein paar Tagen habe ich dem fflnfjabrigen Enkel des Ranem,
dero cAb'dallah ') ibn IJamd ez-Zeheri, ein kleines Schiebbleistift
verehrt in Gestalt einer Flinte, in dem Perlmutterschaft war
auch noch eine Messerklinge untergebracht. (Frau Alfred Jobst
in Stuttgart hatte es mir mit anderen Gegenstanden zum Ver-
schenken auf der Reise mitgegeben). Heute hOre ich, dass der
'Obeid, von dieser Kostlichkeit in Kenntniss gesetzt, zu Ranem
gelaufen sei, und unter der Hetheuerung, dass er doch auch
Kinder genug besitze, die ich in erster Linie hatte beschenken
kfinnen und sollen, das Ding dem Buben weggenoramen habe. —
Ach! dieser Mensch!
So. 9. Dec. 1883]. Der Prinz Magid, sonst ja nicht gerade
kflnstlerisch veranlagt (.siehe oben S. 25), ist doch von einer
ungemein raschen Auflfassungsgabe. Als ich diesen Morgen in
seinem Empfangssaal zeichnete, stellte er mich zur Rede, warum
denn in der Flucht der Saulen die hintersten immer kleiner
werden, sie seien doch thatsuchlich alle gleich gross. Ich liess
ihn nun zunachst ein Auge zuhalten, und zeigte ihm dann die
mit der Entfernung zunehmende VerkOrzung; bald begrifl' er
auch die von oben oder unten auf den Augenpunkt (Horizont)
zulaufenden Linien, so dass er, ehe zehn Minuten um waren,
perspectivisch richtig sehen gelernt hatte. Eben sollte er durch
eine anzufertigende Zeichnung beweisen, dasserjetzt auch wirk-
lich richtig die Linien und Winkel zu Papier bringen konne,
da wurde gemeldet, der Emir wolle mit den Prinzen ausreiten.
Die Hausthure wurde geCffnet, die Pferde hinter einander aus
dem gegenuberliegenden Stall herausgefQhrt, die Prinzen schnall-
ten sich die Khangar (Dolche) um, und zogen auf der Strasse
I) Pern Kind des Leibdienera des Puretco.
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NEUSTK8 CAl'ITI I..
ungenirt die weiten Unterhosen auf den blo9sen Leib an, wahrend
ich uud andere gerade anwesende Personen zuschauten.
Von Ranem wollte ich gerne horen, wie der cObeid eigent-
lich in den Besitz von deui Flinten-Bleistift gekommen sei. Bis
ich in seinem Hause ankam, hatte wahrscheinlich mein Gesicht
einen so galligen Ausdruck angenommen, dass Ranem ganz
erschreckt behauptete, nicht der eObeid, sondern der Emir selbst
habe seinem Enkel das Geschenk weggenommen. Was wird denn
der Emir um ein solche Bagatelle sich heknmmern ! Unter Ver-
wunschungen verliess ich das Haus. Auf den Steinhugeln Buedah
im Sudosten der Stadt kaute ich noch an raeinem Arger weiter.
Mo. 10. Dec. 1883|. Morgens vor dem Essen hinter dem Semah
ein grosses Panorama von yajel gezeichnet. Nachmittags den
Sohn des Wolfes (Bd. I, S. 187) in seiner dusteren HOhle auf-
gesucht. Er hatte die Frechheit, mir sofort zum Empfang das
aus der Tasche gezogene Flinten-Bleistift vor die Nase zu
halten und sich dam it zu brflsten : wSieh, jetzt hab ich's doch!
Warum hast du mir's nicht gleich gegeben?" Nur mit Muhe
konnte ich mich beherrschen: „Ich hatte nie gedacht, dass du
nach solehem Tand Verlangen trflgest, und dann wollte ich es
eben gerade diesem Buben geben, weil ich meine Freude an
ihm babe." „Ach! was hast du mir an dem Buben far einen
Affen gefressen, das ist ja ein ganz einfaltiger Kerl !M ~- Heiliges
Gewitter! Da kSnnte man spomstreichs das grilne Fieber krie-
gen! Ich glaube, es ist reiu unmoglich, in Hajel irgend Jemanden
persOulich zu beschenken. Ehe drei Tage vergehen, ist das Ge-
schenk ins Schlos8 gewandert; der Jvasr ist der grosse Glucks-
hafen, in den freiwillig oder gezwungen A lies zusammenlauft. —
Doch damit hatte der heimtuckisehe Vielfrass noch nicht genug;
er hub an, auch noch auf tfamud el-Migrad zu schimpfen, der
doch im Interesse des Rasr ein wackerer Kampe uns schon ganz
tuchtig ausgeplandert hat, und dem sie selber alle Geschenke,
die wir ihm gegeben, weggenommen haben. Er hatte offenbar
beim Emir den Mann bereits angeschwiirzt, und wollte nun
auch bei ineiner Person den Versuch macheu, doch vergeblich,
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denn ich liess Nichts auf unsern alten Raftk (Reisegefahrten)
kommen, vertheidigte ihn vielmehr nach Kraften.
Abends wui'den wir zum Emir ins Schloss geholt. Nach dem
Gebet mussten inehrere Sclaven antreten und ihre Kunstfertig-
keiten zeigen. Der Eine ahmte alle m6glichen Thierstinimen
nach, dann das Gebet eines Schi'ah (Persers), das er mit eineni
plumpen Laute1) abschloss. Ein Anderer legte die hohle Hand
in die AchselhOhle, und brachte durch Drucken mit dem Arrae
die beliebten unfeinen TOne hervor, wie sie Jeder aus seiner
Kinderzeit kennt. Ein Drifter verstand es, verschiedene stadt-
bekannte PersOnlichkeiten nach der Eigenart ihrer Gangweise,
Reden und Geberden auftreten zu lassen; kostlich ahmte er
die klaglichen Laute der Rebabah nach, und fflhrte zuletzt noch
einen Nationaltanz aus seiner Heimath auf. Bei alien diesen
an die Granzen des Anstandes streifenden Vorstellungen lachte
die gauze Gesellschaft, einschliesslich des Fflrsten, nach Her/ens-
lust. Zum Schlusse zeigte sich noch ein anderer Selave, Namens
Khuraejjis, von ziem-
licher KOrperkraft. Er
musste auf einem Fusse
tanzen, und dabei den
grossen Zehen des an-
dern mit den Zahnen
halten; dann: durch den
L..J
wag-
Arabi&che Akrobaten.
von ihm selbst
recht gehaltenen Stock vor- und ruck warts springen, auf einem
Schemel die Wage halten, gleichzeitig den Kopf niederbeugen
und mit den Zahnen einen Gegenstand vom Boden aufheben.
Sein schOnstes Stack, versichei-te der Emir, k6nne dieser Sclave
nur im Nefud (Flugsandwilste) ausfuhren, namlich vom Hocker
des Kameels den Kopfsprung in den Sand machen, und die
Beine senkrecht in die Luft streckeu, bis er umfalle. Mein
Nebensitzer, der Vetter des Fursten, Hamftd el-cObeid, tilhlte
1) Crepitum imitani.
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50 NK.DXTKS CAtMTKl..
sich durch die eben gesehenen Kraftausserungen in seinem natio-
nalen und muslimischen Bewusstsein oflfenbar sehr gestarkt, denn
er wollte mir das Gestandniss erpressen, dass es ioi Christen-
lande keine so kraftigen und gewandten Leute gebe. Auf das
hin guckte ich ihn einen Augenblick ruhig an und sagie: „Lass
einmal die gepriesensten von deinen Sclaven zu mir herkom-
men, ob mir da einer das Knie biegt". Gleich katnen zwei auf
einen Wink herbei. Sehr hochmathig drehte ich mich halb auf
die linke Seite, streckte aus meinen Kleidern das nackte rechte
Bein hervor, und forderte sie auf, damit anzustellen, was sie
kflnnten. Allsogleich stemmte Einer seinen Fuss in meine Knie-
kehle und packte mich am Fuss und Knochel, urn das Knie
zu biegen. Lachend spottete ich der verzweifelten Anstrengun-
gen: „Du kannst dir noch von zweien helfen lass en, und dann
bringt ihr's zu dritt erst nocli nicht zuweg". Sofort sprangen
zwei herbei, die ich aufmunterte zuzugreifen : Als zu ! Dieweil
nun alles Driicken, Treten und Zerren umsonst war, verfiel
einer in seiner Raserei auf ein ganz unerlaubtes Auskunfts-
mittel: mit einem wathendeu Faustschlag lflhmte er mir ur-
plOtzlich einen Muskel des Oberschenketa, so dass das Knie
umsehnappte and idle drei nach rackwarts stQrzten. Allgemeine
Heiterkeit. IJamud war damit immer noch nicht zufrieden, und
meinte, ob ich den Kuuststuckcn, wie seine Neger vorhiu einige
gemacht, etwas Ahnliches gegenflber stellen kfmnte. ,Gewiss!"
Ich verlangte eine oder zwei Ithelstangen, wie man sie zum
Eindecken der Zimmer braucht, mOglichst glatt und gerad, doch
nicht zu dick. Eiligst rannten Einige fort, und brachten ein
halbes Dutzeud, wovon ich mir eine als Reckstange auswahlte.
Allerdings war die Rinde nicht sehr gflnstig far den Zweck,
darum schnitzelte ich mit dem Messer einige Astansatze glatt.
Zwei Paare von Sclaven mussten die Stange auf den Achseln
halten; ich probirte das wacklige Gestell. Nachdem ich Mantel
und Kopftuch abgelegt, und das Hemd in einen umgeschnall-
ten G artel zusammengeraflft hatte, konnte die Vorstellung los-
gehen. Ich commandirte: ,Festhaltenr Da ein rascher Bauchauf-
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Ha J EL. 51
schwung um ein Haar die Sclaven zu Boden geworfen hatte,
wurden zur Sicherheit noch vier weitere Sclaven angestellt.
Uiiter athemloser Spannung des Publicums brachte ich die
seit 20 oder mehr Jahren nicht mehr geabte Kniewelle zu
Stande, freilich nicht ohne schmerzhafte Einbusse von Haut in
meiner ungeschatzten Kniekehle.
Mitten in der Auffahrung einigei*
weiteren staunenswerthen Kunststacke
wurde der Besuch eines sehr frouamen
Mannes, des Khatib cAbdallah, gemeldet.
Der Emir rief mir noch rasch zu: Ilbis
(»zieh dich an!'1): ich hatte knapp Zeit,
in meinen Mantel hineinzuschlapfen und keuchend meinen Platz
zu erreichen, da trat auch schon der Khatib herein. Befremdet,
doch ohne Auf kl&rung zu verlangen, schritt er auf den ihm
angebotenen Platz zu. Es herrschte ein verlegenes Schweigen
im Saal, und Alle hatten, statt den Gruss zu erwidern, den
guten Mann am liebsten zum Kuckuck gewQnscht, deun der
Abend war schmerzlich unterbroehen. Ich hatte Musse, flber
die VergaDglichkeit, meiner Kanstlerlaufbahn uachzudenken :
Qualis artifex pereo! Ob er's nun von selbst merkte, oder ob
es ihm in der Stille gesteckt wurde, dass er als Stdrefried eio-
gedrungeu, weiss ich nicht ; jedenfalls wollte der Khatib sich
mir getallig erzeigen, und erzahlte mir: am Berge Serra ')
(eine starke Tagreise im Saden von hier) habe er in der Nahe
des Wassers eiue Inschritt in unbekannten Zeichen am Felsen
abgeschrieben, er wolle mir bei Gelegenheit seine Abschrift
zeigen.
Di. H. Dec. 1883J. Ich war ganz erstaunt, schon in der
FrQh durch einen Boten des Farsten ein Blatt Papier 2) mit der
1) ffyJl.
2) Auf dem Blatt stand: & ^ ^cjJ! 41) ij£> Jx. byJU wjO>j
. L\£$> J)L („Ich f»nd eine Inachrift auf dem Felsen voin Bergc ScrnV, bei
dem Wasser in der Landschaft Tajj. Meine Abzeichiiui.g ist wio folgt:")
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SkOntks cawtkJ..
Zeichnung des Khattb eAbdallah zugeschickt zu erhalten. Es
ist sicherlich selten, dass ein Beduine auf Schriftzeichen Ach-
tuug gibt, ganz unerhdrt aber ist, dass einer aus freiem Antrieb
die Buchstaben abzeichnet. Wie richtig und pftnktlich der Mann
das get h an hatie, davon konnte ich mich am 27. Januar 1884
durch Augenschein uberzeugen, als ich 3elbst am Serras vor
dem Felsen stand.
Die stetige Abnahme der Luftwarme. wird schon recht em-
pfindlich (7°C); ich legte heute ein wollenes Unterhetud und
sogar Socken an. lira 9 Uhr sandte Magid, wir mochten auch
zu cAbdallah kommen, damit wir gemeinsam dort einen Besuch
machten. Von da schleppte mich Magid noch in seinen Garten.
Unterwegs erkundigte er sich, was ich denn in der Brusttasche
meines Herades stecken habe. Die geheimnissvolle Auskunft:
„ein [faltbarer] Trinkbecher aus Gummi [Kautschuk]", wirkte
auf seine Neugier und Habsueht dermaassen, dass er sich nicht
mehr beherrschen konnte, vielmehr mit einem raschen Griff
das Wunderding gltlcklich entwendete. Meine Einsprache, dass
das nichts far ihn sei, er mache es doch in den nachsten fttnf
Minuten caput, half nichts. Der Becher rausste gezogen und
gedehnt sein bis ins Unmogliehe; ich konnte die kindische
Misshandlung nicht mit ansehen, sondern drehte den Kopf auf
die Seite. Zur Begtltigung versprach er mir einen Messing-
■*-J(ihr\Tip-/i9
^ ^ ) i r / v ^ p
^Eiue Kcnautrc Kopic ist untcu, unter dem 27. Jnnuar, ab^ebildef.
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53
Becher oder -Schale aus dera Schloss zu schickcn, wiewohl ich
mich lebhaft gegen ein derartiges MObel verwahrte, das ich
nur schwierig in der Tasche bei mir fQhren konnte. In einem
an Magids Haus anstossenden Hof bekam ich die Jagdfalken
zu sehen. Es sind sechs Stack gewesen, die aut gestielten Holz-
tellern angekettet sassen.
Ich musste einen dersel-
ben malen, dazu einen
Sclaven Namens Feneisan
(^LfjOi), der die Jagd-
vogel ') zu besorgen hat.
Nebenher wollte ich mir
gerne die Art und Weise
der Abrichtung erklilren
lassen, muss aber geste-
hen, dass ich, dem die
Sache selbst fremd war,
von den Kunstausdrucken
so gut wie nichts verstan-
den habe. Die Leute haben
FeneisAn mil einem Falkcn.
auch ihre Jfigersprache,
fur die es noch kein Worterbuch gibt
1) jiuo (Plur. »V»r Jl.-.fogVr ., Koike.
(PI. bork«c lH-: bttrga% Lederkappe.
jtfl^(Pl.v»US'U/«) mitkAkeh, Lederbiindel.
Mt^j4 mcrkAbah [H.: myrlcttbt , Sit/ (-teller),
sikh, Si tl des Si ties.
diss, Handschub, aus dem Ledcr des grauen
Fu crises, husni genannt.
jJuJL»>Jl Bsjyl murbat es-silsileh, Lederbiindel
mit der Kette.
Ibrcu Falkcn gebea sie Namen wie
0b>f 'Argin.
^IjP Haz/a Bcutezerfetzer].
Rannan [H. : Beutevertheiler].
cAzz4tu.
wXjvtw Sued.
q!j^> GerdAii.
[H. kennt auch noch oLix> KhattAf "Raffer", o'io Kaflag. „dcr mit deu Flugcln schlagt".
Dagegen wurde ihm OerdAo als Name cines Lastkamcls gegeben/
2) Als Kigennamen, wie sie fur Jagdhunde ( ^i^JL. sluki, PI. qIaLw tnlkAn) gebraucht
54
NKI-NTK8 C.M'JTEL.
Nachmittags zu Hamud el-cObeid, der die Gelegenheit nicht
vorbeigehen lassen konnte, wieder etwas zu erbetteln; diesmal
war es eine silberne Sicherheitsnadel, die ich aus Versehen an
raeiuem Mantel hatte stecken lassen; er versprach, durch lUnem
mir eine andere anfertigen zu lassen. Bei der Ruckkehr nach
Hause stiess ich auf einen Sclaven MAgids, der mir ein plum-
pes. Trinkgla** von giftig gruner Farbe zu uberbringen hatte.
Auf die Frage: „Nun, zerrt ihr Alle noch iuirucr an dem Gummi-
becher herum?" antwortete er: „Ach nein, er ist caput; gleich
wie du fort warest, hat Magid aus Leibeskraften dran gezogen,
und ihn auseinandergerissen. Jeder von uns hat ein Stuck davon
bekommen. Da, guck!" ~ Ja, so sind die Kerle.
Zum Essen fanden sich l.Iamud el-Migrad und 'Abdallah ein.
Letzterer erzahlte, tfamud el-cObeid babe zu ihm gesagt: „[ch
genire mich '), rede doch du mit Huber [— vor mir genirt er
sich scheint's noch mehr — ], er solle mir noch eine schtfne
Uhr, oder einen Revolver, oder eine Flinte schenken." —
Ach, hab' ich den Menschen satt! — Huber gieng spater ins
Schloss, um ihm eine versprochene Arzuei2) zu uberbringen.
tfamud el-Migrad, von mir befragt, warum er nicht mit Huber
gegangen sei, meinte, er sei im Schloss gegenwartig nicht zum
besten angeschrieben.
Mi. 12. Dec. 1883], Lange nicht aufgestanden wegeu der
grimmigen Killte (7° C). Bei einem Meschh£di Ahmed Raschid
Gegenbesuch gemacht, audi den Bruder unsres nach Meschhed
abgereisten Nachbars Mirza getroffen. Ahmed liess einige aus
seiner Heimath stammende Sttssigkeiten reichen, z. B. weisse
Kuchlein 3), rothe Pasten 4), stark verzuckerte Pistazien Bon-
bons0), gerostete Mandeln und andere Kerne.
werden, fubrten tie -n iih Turfth, i^Ja*- Sathth. *U Sohflleh. iL^JU Schelbah,
Roddeh. Der Koppclmeister oder Hnndcfuhrer wird jili*^' Frbcit»b gcnannt.
]) uC^w'. 2) fur die ^i.
3) fy*. Semibar. 4) .jg&'J* Kanitt. 5) rJiXmi Fustak. 6) ^-Jlrf MlibtoU.
[H : $en6bar siod Pinicnuimc, die wohl ouf hdu, d. i. unter Um»Unden Kuchlein, gegewen
wcrdeo (wohl *yritcbr.
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Bei cAbd el-cAziz wollte ich Besuch machen, konnte aber nicht
hineingelangen ; der Hausschlflssel war abgebrochen oder einige
Zahne in dem Riegel stecken geblieben. Der Prinz fand sich
persOnlich hinter seiner Hausthare ein, utn sich zu entschul-
digen. Die Unterhaltung zweier sich gegenseitig nicht sehenden
Personen ist aber auf die Dauer nicht erquicklich, und unser
Zwiegesprach wurde da rum bald aufgehoben.
Der Emir liess tins urn 1 27 Uhr ins Sehloss rufen. Haraud
el-cObeid, der mir so wenig zugethan ist, wie ich ihm, machte,
als der Emir mein Zeichenheft kommen liess, nun zum zwei-
ten Mai die Bemerkung, Menschen zu zeichnen sei eine Sunde.
Wie ich ihm erwiderte, bei uns ist es keine Sunde, fuhr er
mich an: „Du hist aber hier nicht in deinem Lande!" Indess
glaube ich kaum, dass die Sache damit abgethan ist; wahr-
scheinlich schuren die Pfaffen. Zwar rief mir der Furst, als
Hamud zeitweilig zum Gebet sich entfernt hatte, heruber: La
takhaf („brauchst keine Angst zu haben!"), und erkundigte
sich, wie ich dazu gekommen sei, FeneisAn den Sclaven mit
den Falken zu zeichnen. Es kam ihm ganz gelegen zu verneh-
men, dass Magid und seine Brflder mich dazu aufgefordert hat-
ten, weil sie sehen wollten, wie man mit Farben umgehe. Ins
Ohr aber sagte er zu Huber, er solle mir beibringen, dass es
besser sei, wenn ich hier keine Menschen mehr zeichoe; Huber
rieth mir auch, sobald es Gelegenheit gftbe, meine Tagbucher
und Zeichenhefte sei es nach Damascus oder nach Baghdad
in Sicherheit zu schaft'en. Die Dummheit, welche aus religidsem
Aberglauben entspriugt, ist docli die boshaft-gefahrlichste.
Beim Nachhausegchen zeigte der Himmel wieder dasselbe
wunderbare Rothgluhen, das wir schon gestern und in den
fruheren Tagen angestaunt hatten (vgl. Bd. I, 8. 196).
Do. 13. Dec. 1883]. Morgens kamen zu Besuch der Khatib
§alili, yamud el-Mignid, Nasir Sebhan und der Pei*ser Ahmed
Raschid Mtrzn. Der Khatib hatte als Geistlicher den Ehrenplatz
auf meinem Teppi(;h inne; wie der Schilte eintrat, war ich so
gedankenlos, ihm meinen Platz (also auf demselben Teppich
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XEUNTKS CAIMTKU
neben einem wahhabitischen Pfafien) anzubieten. Huber ver-
besserte stillschweigend mein grobes Versehen und ftlhrte den
Ketzer an der Hand hinuber auf seinen Teppich. Nach kurzem
Aufentbalt entfernte sich der Khatib zusammen mit yamud.
Huber gieng allein zum Vetter des Fursten, zu cObeid. Dieser
emptieng ihn, mit Bezug auf den gestrigen Zwist mit mir, mit
der Anfrage: £um? („ist Feindschaft ?") wurde aber von
Huber beruhigt mit : Istayfir allah („Gott, wo denkst du bin !").
Heute ist ein Seherari, Namens Mubarak, durch Gy6har im
Gy6f abgesandt, in I.Iajel angekommen, war Tag und Nacht
geritten, um den Emir zu benachrichtigen, dass die cAnezeh
einen Razu auf die Schammar im Norden und Nordosten von
hier unteruebmen. Auf der Stelle musste eine Anzahl Ragagil
aufsitzen, sollten reiten was Zeug halt, alle Schammar in der
Richtung des Razu lagernd zu warnen. Sodann wurde cAld es-
Sitr, der Oberhirte -), gerufen und erbielt
den Auftrag, die Pferde und Kameele des
Fursten auch wenn nicht unmittelbar ge-
fahrdet, unbedingt in Sicherheit, d. h. naher
an die Hauptstadt, zu bringen 3).
l.Iamud el-Migrad ist wieder viel aufge-
rflumter; er hat uns zwar nichts davon
gesagt, soil aber im Laufe des Tages mit
rObeid eine ganze Stunde allein gewesen,
demnach wieder ganz zu Gnaden augenommen worden sein.
Das Nachtessen haben wir zur Abwechslung bei cAbdallah ein-
genommen.
Fr. 14. Dec. 1883]. ljamud el-Migrad war sehr widerborstig,
sogar unartig gegen mich. Er brachte den Scherari Mubarak
ins Haus. Huber liess sich von ihm die Verzweigungen (ZnflQsse)
des Wadi Sirhan nennen; unser Diener Mahmud, der die ara-
bischen Namen aufzuschreiben hatte, behauptete nachher, die
Der Oberhirte c.\id e»-Sitr.
dem Fursten und
(1) H.: gum heisst 1) Truppe; 2) Feind.j
2)
3) Vgl. Bd. I, S. 198.
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Halfte der Angaben sei, auf Anstiften des Migrad, erlogen ge-
wesen. Mir machte es eher den Eindruck, als ob der Mann aus
Gewohnheit, Angst und Argwohn gelogen hfttte.
'Abdallah erzahlte von den fraher so zahlreichen Kdpfungen,
die er mitangesehen habe. Einmal sollte einer gekGpft werden,
und sei beim ersten Streich in den Nacken umgefallen. Da er
aber nicht todt war, habe der Scharfrichter ihru noch die Gurgel
durchgeschnitten. Wie das Blut reichlich herausgeflossen sei,
habe er ihn fur todt liegen lassen. Nach einiger Zeit kam der
Mensch wieder zu sich, und es wurde beim Emir angefragt,
was mit ihm anzufangen sei. Dieser ertheilte den Befehl, man
solle ihn am Leben lassen, aber er solle sich fortscheeren.
Darauf nahten sie ihm die Haut zusainmen, und der Mensch
verzog sich in den &asim. Die KGpfuugen, oft 5, 6, 7 auf ein-
mal, h6rten eigentlich erst auf, seit die Herrschaft des Mu-
hammad ibn Raschid sicher begrundet war. Kame aber heute
der cObeid ans Ruder, so wurde wahrscheinlich wieder lustig
drauf los gekopft, und einem Christen mochte es schwer fallen,
sich im Negd blicken zu lassen.
Der Bruder des cObeid, Feid '), liatte von einera persischen
Pilger eine silberne Uhr um 13 Megidi (45 M.) gekauft, leider
mit dem Bildniss des Czaren und der Czarin auf dem Zifferblatt.
Als er damit in die Moschee gieng, und unvorsichtigerweise
vor dem Khattb die Uhr herauszog, erklarte ihm dieser, das sei
Snnde, und mit einer derartigen Uhr auf dem Leib durfe er
nicht hier hereinkommen, um zu beten. Jetzt will er suchen,
uusrem Freund cAbdallah die Uhr aufzuhangen ; der soil sehen,
wie er sie weiter verkauft,
Dem Meschhedi cAmran, dem ich vor einiger Zeit 1800 francs
geliehen habe, machte heute der Emir einen Besuch, und liess
sich von ihm die neuerdings aus Mekkah mit dem flagg bezo-
genen Waaren vorlegen. Er wahlte sich — uatQrlich unent-
geltlich l) — einige Lampen aus. Das ist die Art und Weise, wie
[1) H. wobl - FhM.]
2) jibb (t^ li).
58
NEUNTKS CAPITKL.
der Fflrst von den sich hier als Kaufieute bereicheraden Per-
sern eine ibm bequeme Abgabe erbebt.
Sa. 15. Dec. 1883]. Mittags zu cAbd el-cAziz, abends zum Emir
eingeladen. Als wir eintraten, war der Kbatib und Vorleser des
Fursten Garallah eben dabei, aus Rastallani's Leben Muhammeds,
das ich in Cairo als Geschenk eingekauft hatte, einen Abschnitt
verzuckt, doch eintonig, vorzulesen. Noch seltsamer klaog mil-
der schulmassig und fttr unerlasslich geltende Singsang, womit
er StQcke aus den Mu'allaljat (Preisgedichten der alten Araber)
vortrug. Ich war froh, wie der feierliche cantus zu Ende war,
da ich doch in der Geschwindigkeit nicht das Geringste zu be-
greifen im Stande war. In einem Gegensatz hinzu karaen noch
andere der Neuzeit entsprungene Kriegs- und Spottlieder, sowie
sonstige Gedichte ') zur Geltung. — Unser Freund cAbdallah
liess sich beira Emir anmelden. Nachdem er einige Zeit Platz
genommen, trat er vor und hockte vor dem Emir nieder. Er
erzahlte, er habe schon vor Jahren Einem 35 Rijal geliehen,
nun sei derselbe gestorben, sein Sohn wolle nicht zahlen, sondern
verjuble2) Alles. Er erbitte sich desshalb von ihm einen Brief
1) So ffihrte z. B. der Emir mit Bezug auf die Aden dor hier zu Lande wachaonden
Truffeln ('U^ Tiema') dea Vert an:
<3
••v
•J-ciiJ • JLiJ
H. kennt dco Vers felgcndermaa&Ben :
el-btifx r ra$i Die Ifldft aiod fiir mich (^edf).
etyibdl Limm el banal die $ihdt fiir die M otter der Madchen,
ez-stbidi l^obidi die zebedi fiir meinen kleinen Sclaren,
el belt h, l-ei-hjtiff die belilf fiir die Scheche.
Die einzeloen Atten «ind nach H. die folgenden:
/jUft rothe Truffelart, nahe unter der Erde; Burckhardt 48, Huber A*. — eljiba (nomen
unitatit jitdt, clattiscb ^uC>) anuen rotblich, ionen weiw, lief gelegen. - tebidl weiue
Triiffcl , Bnrckbardt 48, Haber 62. — b*M& rothe (?) Triiffeln ; Haber 02 (falich beKifi) aagt Kweiaae".]
2) Wie man d&t hier fertig bringen kaun, ist schwer abzuaehen.
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l.laJKI..
59
(Zahlungsbefehl). Der Secret&r musste gleich einen Zettel schrei-
ben, rieb dem Emir etwas Tinte auf die linke Hand, dieser
tupfte seinea Ring hinein und untersiegelte das Schriftstuck,
mit welcbem cAbdallah sich alsbald entfernte. Mit dem Brief
geht er zum Schuldner; falls er auf dies hin immer noch keine
Bezahlung erhalt, bringt er ihn vor den Emir, der dannBeide
zum #adi (Richter) schicken wird.
So. 16. Dec. 1883]. Zu Magid gegangen, jedoeh ohne ihn zu
treffen, dann zu Ranem. Ieh liess mir heute vom Diener Mahmud
die Namen des Gewehrs und seiner Theile dictiren. Als Abends
Huber von cAbdallah sich alle Arten von Kleidungsstucken be-
nennen uud durch Mahmud aufschreiben liess, kam yamud el-
Migrad dazu. Es erregte schon seine Eifersucht, dass da etwas
ohne ihn geschieht. Bei jedem Stack, das genannt wurde, sagte
er ganz argerlich: bess („genug, fertig"), um die Arbeit abzu-
kurzen und der Langweilerei ein Ende zu machen. Er wollte
lieber schwatzen.
Mo. 17. Dec. 1883]. Morgens kam Nasir Sebh&n und Magid
mit Gefolge. Er schickte spater zu meiner Benatzung ein grosses
arabisches WGrterbuch '). — Einer unsrer persiscben Nachbarn,
Mahmud N N., holte niich in sein Haus, und liess mich — oh
nie gesehnes Wunder! — aus seiner eigenen Pfeife rauchen. —
Gegen Abend brachte Hamud einen Singari, der seine Starames-
eintheilung angeben sollte. Das war ein Geklemm, GestOhn,
eine Besorgniss zum Lachen und Erbarmen ; vor dem grausam-
sten Chirurgen mit Knochensage, Meissel und Hirnbohrer hatte
er nicht diese Angsten ausgestanden. Man musste ihn schliess-
lich springen lassen; es war zu weuig aus ihm herauszupressen.
Abends zum Emir befohlen worden. Schallendes Gelachter
schon aus der Feme vernehmlich; sie practicirten bereits an
s&mmtlichen Sclaven das Flaschenreiten mit ubergelegtem einem
Bein und gleichzeitigem Kerzenanzunden, das ich diesen Morgen
1) Don K&uiu« tod Firuzab&di. Dieae vocaliiierta Atugabe war lithographiach gedruckt zn
Lakhnao [Lucknow] in Indieo i. J. 1898 H. = 18S1 in 4 Banden folio, in Mekkah fur 6 Me-
gtd! (21-22 M.) gekauft.
GO
NKI NTKS CAP1TKI.
dem Magid und Nasir gezeigt hatte. Neben dem jeweiligen
Versuchs-Subject sass imraer der tflnegewaudte Neger (oben
S. 49), und lauerte nur darauf, bei jedem misslungenen Anlauf
den Ungeschickten anzublasen.
Cnterhalttif>gs«I.iol in HAjcl.
Der th6richten Beschaftigung machte ich ein Ende, indem
ich versprach, etwas viel Merkwflrdigeres zu zeigen. Ich ent-
nahm einer Flasche den Korkpfropfen, drflckte eine Nahnadel
mit dem Ohr hinein, und steekte von schrag unten her zwei
Messer sich gegenaber stehend in den Kork. Dann Mess ich
einen Sclaven antreten, der einen gezdckten Sabel senkrecht
vor sich halten musste. Mit verhaltenem Athetn und wachsen-
dera Staunen schaute die ganze Gesellschaft zu, wie ich die
Nadel mit ZubehSr auf der Sabelspitze aufpflanzte, und dann
das ganze Kunstvverk rait dem Finger in drehende und wak-
kelnde Bewegung setzte. Dass das uicht herunterfieH ! Ma
scha 'llah! La ljuwwata ilia billah!
Der Emir erkundigte sich, ob es wahr sei, dass es ira Chris-
tenland Geld aus Papier gebe, und wie es sich eigentlich damit
verhalte, ob denn eine Papiermasse so kostbar sein kflnne,
oder was sonst dem Papier den Werth verleihe, und ob sich
die Lente nicht wreigern, ein Papier statt Geld anzunehmen.
Die Fragen konnte ich nur durch rein kindliche Beispiele be-
antworten: „Wenn du z. B. auf ein Stack Papier schreiben
lassest: ich befehle dem Nasir Sebhan (dem Finanzminister),
an den Oberbringer dieses 100 Rijal auszubezahlen und drflckst
dein Siegel darunter, so wird sich der Nasir Sebhan keinen
Augenblick besinnen, dem Mann die 100 Rijal in Silber ein-
zuhandigen. Also kannst du auch sagen: jenes Papier sei 100
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(U
Rjjal werth, oder so gut wie Silbergeld. Nun hat unser Kaiser
vielerlei zu thun, und ubertragt manche Geschafte an seine
grossen Wezire. So muss z. B. der Wezir des Geldes — der,
wohlverstanden, viel grosser ist als euer Nasir Sebhan — auf
die Geldpapiere seinen Namen und Siegel setzen. Naturlich
haftet er mit seinem Kopf daftlr, dass Alles in Ordnung zu-
geht. An und for sich konnte also Jedermann, sobald er ein
solches Papier erhalt, in das Scbatzhaus laufen, und aus den
Truhen sich dafQr Gold oder Silber gebeii lassen. Allein die
Kaufleute haben es gar nicht gerne, sich rait so schwerem
Metall zu schleppen, sondern ziehen es vor, das Papier von Hand
zu Hand weiter zu geben oder zu nehmen." „Ja ja, ganzrecht;
jetzt mochte ich aber nur einraal so ein Stuck in natura sehen."
Mit den Worten : „Das kannst du gleich sehen" erhob ich mich,
gieng nach Hause und holte von dort einen Hundertmarkschein.
Der Emir befuhlte das Papier und betrachtete es von vorne
und hinten. Es hielt nicht schwer, ihm die Zahl 100 erkenn-
bar zu machen, auch die Unterschriften auf verschiedene Arater
(des grossen Wezirs, Truchsessen, Schatzmeisters, Rechners u.s.w.)
zu vertheilen. Wie er auf die geflugelten Knaben oder kranz-
haltenden Engelein deutend wissen wollte, was das sei, rettete
ich mich durch die kuhne Behaup^ung, das seien eben Dschinn
(Genien). „Was!! s6 sehen Dschinn aus? Da komraet AUe her;
jetzt konnt ihr einmal Dschinn sehen!" Mit Ausrufen wie: ma
scha 'llah, und subliana 'Hah, oder ja sat tar („Gottes Wunder,
es wird doch nichts passierenf) liessen sie der Neugierde und
dem geheimen Schauder freien Lauf. Jeder Einzelne musste
natflrlich das Papier in die Hand bekommen, bis er sich satt
gesehen. Als ob ich die neuesten und zuverlassigsten Nach-
richten flber die Dschinn besasse, ertheilte ich mit angenom-
mener Gleichgaltigkeit alle gewttnschten AuskQnfte. Eigentlich
seien die Dschinn naturlich viel grosser, manche sogar er-
schreckend gross, jetzt wegen der geringen Flache des Papiers
habe man nur von den kleiusten genommen, flberdies seien
sie aus der harmlosen, sogar wohlthatigen Classe ausgewahlt
1
62 NKIJNTES C.VPlTEL.
worden. — Meinen Hundertmarkschein bekam ich ubrigens erst
nach 3 oder 4 Tagen zurack, denn Hamud el-cObeid Hess ihn
gleich hinflber in semen Harem waudern, von da machte er
die Runde bei Magid, cAbd el-cAziz und so weiter; sie wollten
sich augenscheiulich Alle daran waiden, wie es ihren Weibern
bei der Vorfahrung der Dschinn gruselt.
Di. 18. Dec. 1883]. Heute schrieb ich verschiedene Sprech-
nbungen nieder von Wortgrnppen '), deren rasche Wiederholung
1. A^>
tahln h&utah tahln dukhn;
[d. i. WeiworaeW, Hirsemehl].
2. tJ^S g+L> t~inS goO alȣ> ^s.
cammi Tinman •Jab ah kabfiuh tabakh calft Hiri kab&uh ki5k
[d. i. mein Oheim Taram&n tchlachtete aeinen Hammcl, er kochte xa dem Magen
Ilaiumelt Milchkloste].
8. eLiJGl *j1c gjjsl 0'w*jl> c<f^ {J*S <J.S v^3* l» jrf
brrr ja matjab kiri kab* "amrni TaramAn la tabakh Sdeihi 'I-Wk.
[ah, wie gut ist der Magen del HammeU Oheim* Taram&n, Milchklos* dam kocht.]
kadlb el-kai<lalan>lab wa'asiljet cl-'isalamjob watairuu takufVaf wakaf calh kafa kafaK min el-
ka$ab el-asfar.
Der Zweig von jrai*/«/a»t/ai und der Stock von ''afakutfib, und ein Vogel zitterte und sasa
auf dem hinteren Thcile des Bauers au» gel bom Rohr. — II. hat fiir die merkwurdigen Wortc
am Anfaug keine Bedeutung erhalten kunnen; man tagtc ilim, sie scien als Sprechubung fabri-
cirt ohne Sinn.]
•
sabc kha&abfit bokj ebsakf bib habs Hums
(.sieben fiachabolzer an der Oberachwelle des Gefangnisathores zu Horn?").
6. Zur Kennzeichnnng der verschiedeoen Nationality ten gobrauchen tie bier folgenden Vera
y&i ^ ui^c £fl\ „Der Araber ist ein Spritzer aus dem Meer,
^■«aJ! ,5 yii (j^yj' der Tiirkc eine Hohlung ira Stoin,
^ *J ^cjUo^i der Franzose ein Ballen fenriger Gluth,
jPji! ^ wJai (j^Uf der Perser ein Strauss von H lumen,
ytJ! ^j, «J ^^yc! der Kurde ein Bollcn von Dreck".
7. ^ iai J^ol nsl laf? Srabas
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H&JKL 63
heiteres Stolpern verursacht, ahnlich dem Kottbuser Postkutsch-
kasten oder: 's liegt e KlOtzle Blei glei bei Blaubeuren, u. dgl.
Mi. 19. Dec. 1883]. Ich war sehr erstaunt, als vor dem Haus
zwei Esel erschienen, auf denen Huber und cAbdallah angeb-
lich gegen Osten einen Ausflug fQr diesen Tag nnternahmen. —
Urn 9 Ubr zu Magid, spater zu Ranem. Mittags wurde ich zu
Hamfld el-cObeid gebeten. Seine Reden waren eitel Honig. Er
erkundigte sich angelegentlich aber Deutschland, Warttemberg,
das Elsass. Um der Verstandlichkeit willen liess ich mich bloss
LTri^ turki honaras
tf*J& farsl Sakaras
(j*^> (jr^r*^ 'agamt duraras.
Yon dem letxteren Spruch wuaate weder Mabmud, ooch aonst Jemand einen Sinn anzugeben;
e» tei eine Redeaaart.
[Der Spruch ist in Wirklichkeit persisch, und es ist merkwordig, dass keioer der Amber in
Hftjel ein Wort persisch versland, da docfc Perser unter ihnen ansassig waren. Andererseits
wire ei denkbar, da»s ma a den Spruch aus Hofliohkeit nicht ubersetzea wollte, da sich in ihm
die Cberhebuog dea Muslimen uber die Nichtmusiimen ausdruckt Mit geringen Xudernngsn
lasst sich der oben wiedergegebene Sprnch so ubersetzen:
„Die iiltestc Sprache ist das Arabische.
Das Tiirkische i»t Vortrefflichkeit;
Das Persische ist [suss wie] Kucker;
Das Kroinde ') ist Vogcl>zwiUcher]" »).
Dieaer Sprueh schcint im Orient zietnlich weit verbreitet zu seio. Mein Kreund 6. Jacob
kaonte ihn aus Constautinopel. Auf meine Bitte hatto mein fruhcrer Schuler H. Ritter, jetxt in
Hamburg, die Freundlichkeit, sich bei dem dortigen Perser, Dr. Nisan, zu erkundigen. Dieaer
kennt ihn folgender Form:
y>wl
Danach ist auch der von Euting gehorte Teit zu Terbcasern; zuuitchst ist in Z. 1 das Wort
J?uL zweimal so setzen. Die letzte Zeile heiss: hier: „Das Kurdische ist Eselsdreck". Ob nun
kurdi oder zs^ami das urtprunglichc ist, weiss ich nicht. Aber statt jt^J wird doch j> (je^i
zu lesen sein].
[1) Darauf dass das Fretnde hier gegenuber den drei muslimischen Sprachen das Nicht-Mosli-
mischc ist, raachte mich Dr. R. Tschudi zuerst aufmerksam].
(2) Palls die Lesung richtig ist, koaute man an fb denken, das einen Yogel bezeichnen toll].
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KEtJNTES CAMTEL.
auf Folgendes ein: Deutschland besteht aus vier K6nigreichen,
Preussen, Bayern, Sachsen, Wurttemberg ; ein jedes wird fur
sich verwaltet und hat seinen besonderen Konig, doch ist der
Kflnig von Preussen der grosste von den vieren: und fur den
Fall eines Krieges hat er alle unter seiner Hand, darum heisst
er auch Kaiser. Vom Elaass hatte ich fruher einmal ein Wort
fallen lassen, das er wieder aufgriff. Da ich gewiss alien Grund
hatte, meinen staatsrechtlichen Kenntnissen uber das Reichs-
land selbst nicht zu trauen, entzog ich mich jeder weiteren
Pnlfung durch die sprunghafte Abfertiguug, das Einfachste
ware gewesen, wenn naeh dem Krieg das Elsass vom KOnig
von Preussen eingesteckt worden ware. Vom Kaiser (Wilhelm T.)
wollte er alles Mftglichc wissen, ob er viele SOhne habe, schflne
Pferde besitze, wie alt die Kaiserin sei. Unbegreiflich erschien
ihui, dass er keine neue Frau m»hme, da die Weiber init 50
.Tahren doch keine Kinder mehr bringen konnen.
• Do. 20. Dec. 1893]. Morgens stellte sich Garallah el-tfumeid
ein; er erzahlte vom yagg, den er mitgemacht, und dass die
Leute in Mekkah meinen, der Pascha') sei am Ende selber ein
Christ. Er bestatigte, was uns nun schon von mehreren Seiten
berichtet war, dass an einem Tage im Monat Scha'ban des ver-
gangenen Jahres 1300 (6. Juni -4. Juli 1883) in ganz Arabien
ein grosses Getose in der Luft vernomraen worden sei. An
jedem Ort behaupteten sie, es kflnne gar nicht weit entferat
sein und mflsse von Flintenschflssen in der nachsten Stadt her-
ruhren. Nur in Khaibar versicherten sie, es habe unmittelbar
flber der Stadt iu der Luft geknattert. Es handelte sich offen-
bar um das Niedergehen irgend eines nicht weiter beobach-
teten Meteors.
Nachmittags habe ich wieder einen Felshilgel ausserhalb der
Stadt erstiegen, um dort die Stille zu geniessen. Das Allein-
sein ist einem ja so seiten bier vergonnt. Sobald man einen
Schritt zum Haus hinaus thut, ohne einen Diener hinter sich
1) "Attn Paocba, WHi dc» Hijiuz.
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tfklEtm
65
zu haben, ist dies h6chst auffallig. Jeder, den man nur einmal
mit einem Auge gesehen, filhlt sich gedrangt zu fragen: ,Was
thust du dennl wo koramst du her? wo willst du hint". Ja, er
wQrde es geradezu far unhOtiich halten, sich nieht als Begleiter
anzuhaugen. Am ehesten habe ich die Leutc immer losgebracht,
wenn ich sagte: ,Ich muss vor die Stadt hinaus, muss nach der
Luft und dem Regen sehen". BeidiesemgeheimnissvollenGeschaft,
denken sie, kOnnte ihre Anwesenheit eher ungOnsf ig einwirken.
Bei der Kackkehr durch den Sak (Bazar) rief mich Magid
an, der zwischen seinen Sclaven in dem vollgepfropften Laden
eines Meschhecli sass. Er erzahlte mir, der Emir habe gegen
Hamad el-'Obeid sein Erstaunen geaussert, dass 'Abdallah, und
nieht ich, gestern rait Huber in die Berge geritten sei. Er habe
die Esel fur Huber und raich, nieht aber far Abdallah herge-
geben. Ich glaub's. — Der Raubzug der cAnezeh (oben, S. 56)
soil den Schammar einen Verlust von 10 Menschen und :5 Pfer-
den gebracht haben.
Fr. 21. Dec. 1883J. Vorraittags 9 Uhr hielt Hasan Muhanna,
der Herrscher von Bereideh, seinen Einzug in Hajel. Der Be-
such war schon seit Wochen erwartet. Eine Masse Mensehen
war auf den Beinen, urn das Sehauspiel zu sehen. Voran zwei
Reiter zu Pferd, die der Fflrst von Hajel seinera Gast zur Be-
grassung entgegengesandt hatte, der Secretar Nasir el-'atidz
((j^utaJ!) und Fahad ; dann, hoch zu Delal, Hasan Mehanna selbst,
hintendrein seine acht Begleiter auf tanzelnden und sich driin-
genden Kameelen. Es wareu lau-
ter ausgesuchte Thiere, prachtig
geschirrt und behangt. Dazwi-
schen schob sich viel Volks, hin-
tendrein eine Menge Kinder.
Noch am selben Vormittag
kam Nasir Sebhan; er wollte
wissen, ob ich den Hasan Me-
hanna bereitS gezeichnet hatte. Einzug dc* Emln Ha»an Muhunuft in Mjel.
Ja, Lieber — dachte ich — dir binde ich auch nieht Alles auf
5
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KM NTEs ( \HTKl-.
die Nase, und sagte: „Nein, hier zeichne ich uberhaupt Nichts
mehr, dauiit ist's fertig; ihr seid zu thOricht, haltet das
Zeichnen fflr eine Sunde." Er erwiderte: „Ach nein, das ist
keine Sftnde, bloss in den Augen des Hamud; der Eoiir ist viel
zu gescheidt". Ahnlich hatte seiner Zeit *Abd el-cAzlz sich ge-
flussert. — Mit Rucksicht auf die kuble Temperatur beschlossen
wir, unsern Aufenthaltsort in den sogenannten KtfhAwah mestfl,
(Winter-Salon1)) zu verlegen. Das Zimmer ist warmer, weil es
keinen unmittelbaren Ausgang auf den Hof hat. — In der
Nacht brachen zwei Gewitter los.
Hamad el-'Obeid's zweiter Sohn Salira hat heute zumersten
Mai eine Frau bekommen. Ohne dass diesem Ereigniss eine^
besondere Feier gewidmet worden wflre> hatte er doch, als
Zeichen dass er jetzt eigene Wirthschaft fuhre, auf den Abend
Gaste zum Essen eingeladen. In den Gemachem seines Vaters
mussten wir lange warten, bis das Essen fertig war.
l.lamAd el-<Obeid erklart Schwerter.
Der Vater, Hamud el-cObeid, vertrieb sich und uns die Zeit,
indem er verschiedene Sabel hervorsucbte und erklftrte. Die
Erinnerung an die alten Heldenthaten schien sich zu leibhaf-
tigem Kflpfgelust zu beleben, und, unter dem Staunen seines
1) S. den Plan in lid. I, S. 1?H.
luVlKI..
vorletzten 14 Monate alten Sprosslings Sacud ergieng er sich
in Lufthieben und fuchtelfee iriit den schwanken Kliogen im
ganzen Zimmer herum. 0 Atta Troll! Endlich wurden wir zur
Mahlzeit gerufen. Die Speisen — wie das bei jungen Haushai-
tungen vorznkoinmen pflegt — waren beinahe kalt, dazu leicht
angebrannt. Es wurden 5 Platten mit Reis und Ziegenfleisch
Die Spciseu wcrdeo »ufgetra."i;ii.
hereingetragen. Sclaven leuchteten mit der Laterne, andere
hielten Wasserschalen far die Durstigen bereit.
Gastnmhl bei Sftlim.
Von da wurden wir zuin Emir geholt. Vor der Thure trafen
wir mit Hasan Muhanna von Bereideh zusammen. Er scheint
auf einem Auge blind zu sein. Tch kam zwischen ihn und den
alten Sliman zu sitzen. Dieser letztere, mein Nachbar zur Rech-
teu, erz&lilte, anf mehr als einem Raubzug im Osten ties Gebel
68
XKUVTKS C VPITKL.
Tuweits ') habe er bei S e d a s 2), 20 Tage im Sfldosten von hier,
ausserhalb (fJLk c^c) der Stadt, eine Saule gesehen, die mit
seltsaiuen Scnriftzeichen bedeckt sei. Ich habe, um sicher zu
gehen, den Sliman am folgenden Tag noch besonders aufge-
sucht, in der Hoffnung, vielleicht noch Genaueres von ihm zu
hOren; er wusste jedoch nichts Neues hinzuzufOgen ; er sagte
nur, jeder Mensch weit und brcit in der Gegend kenne die
Saule, auch versprach er mir, bei einera kQnfbigen Razu we-
nigstens einen Theil der Buehstaben abzeichnen zu lassen. Von
welchem Volke kann nun jene Saule herrahren? Sind es PhO-
nizier, die auf ihrem Wege von Gerrhae am persischen Meer
in der Richtuog nach Petra das Denkmal setzen konnten?
Nabataer durften kaum in Frage kommen, ebensowenig Sabaer
und Himjaren. Am ehesten m6chte ich an ein Siegesdenkmal
von durchziehenden assyrisehen Eroberern denken. Jedenfalls
kann diese Saule noch sehr wichtig werden far die alteste Ge-
schichte von Arabien. Aber wie lange mag es dauern, bis es
einem kuhnen Reisenden gelingt, in jene gefahrlichen Gegenden
vorzudringen ? Palgrave war ja dort, hat aber nichts bemerkt.
Sa. 22. Dec. 1883]. Schon einige Zeit her klagte unser Freund
cAbdal)ah aber zunehmenden Rheuraatismus. Ich wickelte ihn
in ein nasses Hemd und halite ihn in fflnf Mantel ein. Die
letzteren waren aber zu steif und wenig schmiegsam, so dass
die Schwitzkur nur unvollkommen von Statten gieng. Der Er-
folg war desshalb auch gleich Null. Ich bekam Lust, mich
an eine lange nicht mehr geilbte Kunst zu machen, an die
Feuerwerkerei. Nachdem ich mir einen MehlkleUter bereitet,
fertigte ich aus Schreibpapier aber einem mit Seife geschmier-
tun Bleistift einen Vorrath von Schwi\rmer- und Froschhalsen
an. Bei Ranem holte ich Eisenfeilspane und liess mir einen
Porcellanscherben fein stossen. Zusammen mit dem in Spiritus
aufgel6sten Pulver gab das eine lebhaft sprahende Mischung.
Den HQlsen far die Schwarmer hatte ich enge Kehlen gewOrgt
[I) H.: Dilec TwtNh.; 2) Vgl unten S. 76.
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If&JKL.
GO
und geschnQrt, den Satz fest geschlagen, dann die Zander ein-
gesetzt. Es waren Prachtstucke ; auch die Frosche konnten jede
Prafung aushalteD. Wegen der den frisch geklebten Hulsen
inne wohnenden Feuchtigkeit mussten die Stucke noch mehrere
Tage in der Nahe des Feuerheerdes getrocknet werden.
So. 23. Dec. 1883]. Ich erstieg allein den Berg Umm erkab gegen-
Qber dem Samra und genoss von da eine schflne Aussicht nach Osten
und Nordosten auf die Gipfel des Gildijjeh und Et-tuwftl. Beim
Hinabsteigen traf ich den Prinzen cAI>d el-eAziz mit den Falken.
Ich Hess mir heute noch besondere Gebirgs-Sandalen anfer-
tigen, weil Hamud el-Migrad's Bruder, der Steinbockjager cAli,
mich morgen ins Gebirge auf die Jagd mitnehmen will; habe
mir auch gleichzeitig ein paar Beduinenstiefel bestellt. — Abends
kam der Damascener Kameelshilndler Mu hammed el-ldVarrawi
und spater noch ein Meschhedi zu Besuch.
Mo. 24. Dec. 1883]. Es war noch nicht 4 Uhr, da stellte sich
bereits der Jagersmann cAli (ibn Ibrahim ibn Mus&) el-Migrad
ein. Er hatte bei sich seinen achtjahrigen Sohn Mftsa und seinen
Neflen cAbdallfth, Sohn des cAbd el-cAziz el-Migrad, den die
cAteibeh vor acht Jahren beim Hagg in den Oberschenkel ge-
schossen hatten, und der zu Mekkah seinen Wimden erlegen
war. An der HausthOre angebunden standen drei Esel. Ausser
den Flinten und Patronen bestand unsre AusrQstung ingestos-
senem Kaffee, einer Kanue, einer Tasse, etwas Reisig, einer
Sardinenbuchse, drei Stucken Brod und ein paar Datteln; dazu
kamen noch ein paar Kleiduugsstucke. Ohne Zogern wurden
die T hiere bestiegen. Bei grimmigem Wind ritten wir im Dun-
kel der Nacht gegen Sudwesten zur Stadt hinaus. Nur rait
Hemd, Mantel, Kopftuch und Sandalen angethan, fror ich pein-
lich; nach Kurzem waren meine Beine so erstarrt, dass ich,
bei Abwesenheit von SteigbQgeln kein Gefahl mehr hatte, ob
die Sandalen noch an den Fussen hiengen, oder bei dem leich-
ten Trab gar schon heruntergefallen seien. Um der ewigen
Ungewissheit ein Ende zu machen, nahm ich sie auch vollends
ab und steckte sie in die Satteltasche. So mochten wir zwei
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NKLNTES CAIMTKL.
Stunden geritten sein, durchweg ia der Ebene, in spitzem Winkel
auf das Gebirge zu. Vor dem Eingang zu einer Schlucht stie-
gen wir ab von den Thieren. Mit eiskalten Fussen auf dem
groben Granitsand stehend hatte ich weuig Sinn, die iin ersten
Morgenschimmer erstrahlenden Felsspitzen zu bewundern. Wa.s
lag mir dran, ob sie rosenroth oder vergoldet aussahen! Wich-
tiger war mir zunachst die Bereitung eines wftrmenden Trankes.
Zu dem Kaflee assen wir Brot und Datteln. Schier mit Wehmuth
schlachtete ich die unsterbliche Sardinenbaclise, welche, ein
treues Leibthier, schon seehs Jahre lang alle meine Wande-
rungen dureh Schwarzwald und Vogesen im Rucksack mitge-
macht hatte. Meine Gefahrten hatten noch nie in ihrem Leben
Fische gesehen, mochten sie vielleicht fflr eine Art Gewflrm
halten, verspeisten dieselben aber doch mit vorzuglieher Hoch-
achtung, ja die Buben schleckten noch die letzten Oelspuren
aus der Bilchse heraus. Nun erubrigte nur noch die jagennas-
sige Umkleidung: cAli legte ein braungelbes Hemd und Kopf-
tnch an, welche beide durch Natur und Schmutz von der Ge-
steiusfarbe sich nicht abhoben ; ich selbst trug ein grauwollenes
Jagerhemd und dessgleichen Unterhosen, dazu ein Kopftuch;
die Mantel liessen wir beide zurilck. Die Patrontaschen wurden
umgeschnallt, und meine Sandalen hangte ich an einer Schnur fiber
die Schulter. cAli rait seiner Steiuschlossninte
schritt voraus, ich mit dem Lefaucheux hinten-
drein. Jetzt konnte die Sache losgehen, fehlten
nur noch die Steinb6cke.
In einer Felsspalte gieng
es sogleich gah aufwarts.
~Ali gedachte often bar, niich
st i 1 lscbweigend in den Gr und
zu laufen — umsonst ; mich
freute nur, dass er, so gut
wie ich, von Zeit zu Zeit
gehfirig verschnaufen musste. Nach einer halben Stunde naherten
wir uns dem Kamm des Gebirgsstockes ; vorsichtig schlichen
Auf der Steinboekjagd.
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wir uns an den Grat hinan. Allein alles Umherspahen war
vergebens; obschon wir die kahlen Absturze gegen cA^deh offen
Steinbockjagd : Aim-hleicheu.
iibersehen konnten, war doch kein Steinbock weit und breit
ZD erblicken. Die jilngste Losung war zwei, wenn nicht gar
drei Tage alt. Vom Panther') trafen wir viele und starke
Spuren. In unzahligen Windungen aber den Pelskamm hinuber
und heruber zogen wir uns nOrdlich gegen den Berg Merdijjeb,
und legten uns dort in ein Menteris2), d. h. in ein Jagerversteek
mit Brustwehr aus groben Steinen, dazwischen unmerkliche
Schiessscharten. An der gegenuberliegenden Felswand war die
H<3hle eines wabr (Klippendacbses), der sich aber nicht zeigte.
Aus einer Hitze schlug ich einea schdnen Bergkrystall heraus
und steckte ihn zu mir. Hier wuchs zahlreich das Kraut Haua'-
bau 3), welches von den Steinbticken mit Vorliebe gefressen wird.
Dann war noch eine andere Pflanze da: Gelwah4). cAli brach
den Stil ab, zeigte inir das gelbe Holz mit rothem Bast; er
ruhmte es als gute Augenarznei, brenne aber als Stift5) in die
Augen gebracht und treibe das Wasser heraus. Da hier sonst
Nichts weiter zu holen war, steckten wir das aussichtslose Hand-
werk auf. cAli wollte noch allein einen letzten Versuch machen,
und wandte sich gegen Suden einen Grat uberkletternd in die
schroffen Klufte des Kischrijjeh. Ich selbst stieg durch eine
rauhe schwierig zu begehende Schlucht gahlings ins Thai hinab.
1) j+i [uimir. Fclis pardut L. Auch nach H. koromt Uiea Raubthier in Arab it o noch vor.]
[2) H.: metrtt, pi. nularit u. nuldrit, bei den siaf» auch nitrdi, i»t ein Steiowall oder ein
Steinhaufeu, hinter dem der SchuUe oder Jager Deckung .ucht.j
3) jjy=>? [H.i Dieter Name i.t richer falich; ich kenne ein buwwa c£> und iwar A. td-
(iib = Picridinm tingitanam L. ; A. etyatdl = Zollicoferia glomerate Casa ; A. W-c«r«A Zolli-
coferia nudicaulis L. — Vielleicht ist hauiibau verburt aus huwwa huh „dort ist huicicn '
4) 'ijL> [H.: Mir unbekannt; Tielleirht *^L> .Collyrium im allgemeinen, Antimon".]
72
NK.USTE8 CAPITM-
Der Verabredung gemftss knndigte ich durch Gesang den Bubeii
meine nahe Ruckkehr an, und konnte 8chon von hoch oben
herab mich ilberzeugen, wie sie in der Zwischenzeit den Kaffee
zurflsteten. Rascher als ich gedacht traf ich unten beim Feuer
ein. Welche Labsal war doch der schwarze Track ! — Bis cAli
zuruck sein konnte, musste mindestens noch eine Stunde ver-
gehen. Die Zeit zu nOtzen setzte ich mich nach kurzer Rast
hinaus in die Ebene, um den Eiogang in die Schlucht, im
Hintergrund den Merdijjeh und den Zinken des Kischrijjeh zu
Gebirgc von Kisrhrijjeh.
zeichnen. Oliue auch nur einen Steinbock gesehen zu haben, kam
cAli vora Gebirge zurttck. Etwas verstimrat verlangte er nur nach
einer Tasse Kaffee. Dann be^tiegen wir wieder die Esel. Der Heira-
ritt war wieder kalt und windig, dot h kam er rair kurzer vor, als
der Weg von heute frQh. Zu Hause wartete schon cAbdall&h und
nahm mich mit zura Abeude.ssen. Das schmeckte prachtig. Spater
sandte noch der Emir den Kopf eines starken Steinbocks. dessen
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I.I&JKU
73
Geweih 4'/2 Spannen in tier Lange mass. (Vgl. unten, S. 97).
Di. 25. Dec. 1883]. Das Christfest wollte ich heute durch
einen einsamen Spaziergang feiern. Es gelang mir naturlich
wieder nicht, ohne Weiterung zur Stadt hinauszukommen. Denn
zuerst fieng oiich Magid auf dem Weg zum Waffenschmied Ranem
ab, dann rannte noch ein Sdave hinter inir drein und bat mich
im Auftrag des Mubarak el-Frekh, des Fahnentragers '), ich
mochte bei ihm eintreten und einen Kajfee trinken. Von da aber
entwischte ich glucklich ins Freie auf den Berg Umm erkab.
Hier konnte ich raeinen Gedanken nachhangen, an die Lieben
in der Heimath, an die geputzten Christbaumc, an die Freude
der Kinder, an den einschlaiernden Schnee. Alle die Palmen
zu meinen Fflssen hatte ich unbedenklich verschenkt gegen eine
einzige gesunde Weisstanne! tiber den Kamrn gegen Sudosten
stieg ich ins Thai hinab und kehrte durch das Viertel von Lubdeh
in die Stadt zuruck. Im Vorbeigehen trat ich bei meinein Jagd-
gefahrten von gestern cAli el-Migrad ein, und liess mir ein Lied,
das er gestern gesungen, dictiren, das Lied von dem Steinbock-
jager Gasir. Von da begab ich mich zum Fursten, urn ihm fur
das gestern verehrte Geweih meinen Dank abzustatten. Er er-
kundigte sich artig Qber den Verlauf des gestrigen Tages und
ob ich mit "All zufrieden gewesen sei. Wie ich ihm von dem
Lied des Steinbockjagers Gasir erzahlte, verlangte er die Nieder-
schrift zu sehen, nahm sie mir aus der Hand, und fieng an das
Lied laut vorzutragen. „Halt! da fehlen ja zwei Verse zwischen
hineiu." Er dictirte mir dann im Ganzen 4 weitere Verse, die
cAli nicht gekannt oder jedenfalls vergessen hatte.
Mi. 26. Dec. 1883]. Bei dem Prinzen eAbd el-cAziz einen Be-
such gemacht. Das Zimmer war voll von beduinischen Gasten,
an deren Spitze Rakan ibn Hatlein •) vom Stamme der 'Agraan,
die im Oaten von Hajel gegen den tfasa zu wohnen. Wie ich
von da auf brach, lief ich meinem Jagdgeffthrten cAli el-Migrad
1) ;'^>^ IMrAkdAr.
2) (jO&> H.: HSkun ibn Hetlio.]
74
NKlt.NTKS CAI'lTKL.
in die Hande; schon wieder ein Eaffee! Als ich von ihm loskatn,
wandte ich mich dem Berg Samra zu, oder vielmehr seinetn
ftstlichen Auslaufer. Vom Gipfel herab konnte man die Ver-
wQstungen nberschauen, die das Wasser vor vier Wochen in
der Thalrinne angerichtet hatte. Da unten lag der Khreimi,
ein junger Palmengarten des Fursten, arg zugerichtet. Ich klet-
terte hiuab, die ZerstGrung aits der Nfthe zu besehen, Durch
eine breite Bresche in (Jer Lehmmauer stieg ich ins Innere. Aus
dem Schutt ragten niedergeworfen die Bftume, dazwischen das
Wachterhaus mit klaffenden Rissen. Von da stieg ich noch weiter
hinab in das trockene Rinnsal des Baches von yajel. In schmaler
Linie dehnen sich die Trflmmer des ehemaligen Stadttheiles'Aiuat,
untermischt mit misshandelten lthelbaumen und verfallenen Zieh-
brunnen. Durstig kam ich heim, dazu hinkte ich: irgend ein Stein,
Glasscherben oder derartiges hatte mir in den Fersen geschnitten.
Do. 27. Dec. 1883]. Vor Sonnenaufgang gieng Huber zum
Emir. Da scheinen irgend welche Machenschaften und Stupfe-
reien unterzulaufen, urn mich solo au3 dem Land hinauszu-
compliraentiren, und mich am Besuch von el-tfegr und el-c0la
zu verhiudern. Wer und was mag dahinterstecken ? Ich habe
zunachst den edlen Vetter des Fursten ira Verdacht, den tfamud
el-cObeid. 1st er beunruhigt wegen meiner vermeintlichen Zau-
berkunste und sundhaften Zeichnungen?
Nach dem Frnhstack suchte ich Magid auf, wurde aber gleich
zu flaraud el-cObeid geholt. Ich hatte ihm ohnehiu einen Be-
such zugedacht, urn mich zu bedanken far das gestern flber-
sandte silberne Buchslein mit Zabad '). Er war von Qberstro-
mender Honigsusse und bat mich, ihn taglich zu besuchen (0
nein! nur das nicht! -). Bei meiner RQckkehr traf ich zu
Hause einen ftahtani, Namens Khalid mit dem Beinamen Aba
tal&tina), den auch sein Vater gefuhrt hatte. Er ist ein noch
kraftiger Mann mit schneeweissem Bart, stammt aus dem Suden,
1) Mowhuwalbe. [Zibet, vgl. oben S. 86, Anin. l.j
2) ^5 pi* **** Ufc3^* &f*. aJi
-
MUJKI-
75
lebt seit 5 Jahren in IJajel, und wird vom Fursten wenu uOthig
als tiberbringer von Botschaften an Ibn Sa'ud in Kijad gebraucht.
Er dictirte Huber (d. h. dem Diener Mahmud) die Namen nnd
Eintheiluug der sQdlichen Stitrnme in Mittelarabien.
Abends uach dem letzten Gebet waren wir noch zutn Emir
l.lasan Muhannft von Bereideli (oben, S. 65) eingeladen. Thin war
vom Fursten als Wohnung ein Haus neben dem Waffenschniied
Kaneni eingeraunit. Ich war ganz betrott'en, wie mich beiui
Durchschreiten des schwach erleuchteten Hausganges ein auf
dem Boden knieendes Kameel anbrQllte. Es war das Leibthier
des Muhanna, und wnrde, was man sonst selten sieht, im Hause
gehalten und gefuttert. Ausser uns war noch eiue Menge an-
derer Personen geladeu, auch
unser Diener Mahmud kam in
grossem Staat und mit bren-
nender Laterne. Bald war der
Empfangsraum voll von Men-
schen, und da es ziemlieh heiss
wurde, erleiehterte sich Mu-
Mnna das Dasein dadurch dass
er die Keflijjeh halb iiber den
Kopf zuruck schlug.
Die Unterhaltung drehte sich
natitrlich iu erster Linie um den
Regen und urn das herrliche
Granfutter, dann um Bezeich- Ruiir l.la»an MuhannA.
nung, Preis und Stammbfturae unsrer Pferde; man wollte wissen,
wie es bei uns mit Gazellen, Straussen, SteiubOcken bestellt sei.
Auch die Saule bei Sedus (oben, S. 68) war dem ljasan Muhauna
wohl bekannt; er versprach, durch einen Schreibkundigen die
Zeichen auf dem Stein copiren zu lassen. Nach Kurzem begaben
wir uns in das Haus von Ranems Schwiegersohn Ilamd Zheri, dem
Kammerdiener des Fursten. Da wurde wieder Kaffee bereitet,
auch irgend eine Art Citronen oder Melonen mit Zucker gereicht.
Fr. 28. Dec. 1883]. Der starke Wind draussen war nicht ein-
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76
NKUXTE8 CAP1TK1-
ladend ins Freie zu gehen. Die sonst lastigen Besuche der per-
sischen Kaufleute kamen mir darum weuiger ungelegen.
Sa. 29. Dec. 1883]. Des Morgens entschlos9 ich mich, ohne
ein Wort zu sagen, ganz allein nur mit der Flinte und dem
Rucksack auf die Steinbockjagd zu gehen. Mein Ziel war der
felsige M u n I f im Gebel Aga. Zuerst fuhrte der Weg andert-
halb Stunden durch die kahle Ebene. Naher dem Gebirge zu
uberschritt ich kleine Wasserabfinsse, die zwischen den aus
dem Sand aufragenden niedrigen Klippeti nach Nordosten einen
Weg sich bahnten. Bald olihete sich vor mir feine Schlucht,
el-(jibbeh ') genanut, in welcher eine gemauerte Behau3ung zum
Vorschein kam. Wie ich spater erfuhr, war dieselbe zum Auf-
enthalt ftlr Pockenkranke und Aussatzige bestimmt, also ein
Siechen- oder Gutleuthaus. Rechts davon war eine kleine H6hle,
voll von modernen Namen. Die Schlucht selbst wurde immer
eager und schliesslicb in Folge eines Tobels, der ein ziemlich
tiefes Gesteinsbecken ausgehOhlt hatte, durchaus ungangbar.
durch maehtige Steinkugeln verpfropft ; also wieder heraus,
Ich wahlte desshalb eine
andere Rinne, die sich
gegen Sudwesten hinauf-
zog, urn so willkomme-
ner, weil der starke Sud-
wind jede Annaherung
an das Wild von einer
anderen Richtung her
aussichtslos gemacht hat-
te. Urn hfiher hinauf zu
gelangen, tappte ich viel-
fach nutzios umher. Hatte
ich eine Spalte erwahlt,
so erwies sich dieselbe
nach kurzem K let tern
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I.U'UKL.
77
und das Heil da und dort an den schragen Gesteinswanden
versucht. Nur immer aufwarts! Siehe, da stiess ich auf eine
zweite H6hle, sogar mit Moos darin! Durch angewehten
Grauitsand waren die zarten Pflanzen 9tellenweise wie ver-
steinert. Am Eingang rastend sah ich zunachst keine MOg-
lichkeit weiter vorzudringen. Nach oberhalb zog aich in weit
gedehntem Halbkreis ein fugenloser Steinwall, zum Theil fiber-
hangend; binab in den gahnenden Kessel schienen die glatt
gefegten Steinwftnde sich zu wfllben. Ach was! Fortes fortuna
juvat! Also einmal die Sandalen in den Rucksack, und dann
quer hinflber fiber den feinen Tanzboden. Vorsichtig, mit aus-
gebreiteten Armen, betrat ich die unter etwa 40 Grad geneigte
Fhlche. Barfuss gieng sich's da ganz gut. Sonderbar war mir
nur, dass unter meinen Fusstritten der Granit knisterte und
in dfinnen Schalen abblatterte. Da musste schon lang weder
Mensch noch Thier geschritten sein. Allmahlieh waren es tfich-
tige Scherben, die ich lostrat, und es machte mir Spass, wenn
sie in die Tiefe rutschten. Aber die Sache war schon nicht
mehr ganz geheuer, wie grOssere zusammenhangende Platteu
abbrOckelten und mit Geklapper aich in Bewegung setzten. Als
nun gar einige Schritte fiber mir Leben in die Schichten kam,
wart' ich mich erschreckt an den Hang zu Boden, indess der
wackelnde und wachsende Steinteppich recbts und links an mir
vorflbersausend in dem Schlund zerschellte. Ich konnte froh
sein, mit ein paar Schrammeu an Armen uud Handen davon
gekommen zu sein. Noch zweimal warf ich mich in ahnlicher
Gefahr nieder; dann kam ich wieder dauernd auf festen Fels-
boden, und pries mein Geschick, dass das Tanzlein rait der
Atropos so glimpflich abgelaufen wai*. Nun aber meinem Ziele
weiter entgegen; in einer Scharte aufsteigend erklomm ich einen
Felsgrat, war aber nicht wenig enttauscht, den Munif, welchen
ich ganz nahe wahnte, als hohe gezackte Wand, aus einer
tiefen Kluft aufragend noch weit zurficktreten zu sehen.
Soviel war mir klar: wenn es flberhaupt m6glich ist — was
ich fast bezweifle — den Munif von der breiten Stirnseite aus
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78
NEUNTES CAPITES
zu erklettern, so gehoffcn dazu jedenfalls mehr Stunden, als
mir heate zu Gebot standen. Wollte ich nicht denselben Weg,
den ich gekoramen, auch fur die Ruckkehr wahlen, so blieb
mir nichts ubrig, als gegen Norden und Nordosten hinter den
Nadeln des MuschamrSkhah ') d. i. des „gezinnten Berges" mich
dnrchzuwinden und von dort irgendwie einen Abstieg zu ver-
suchen. Unter vielen Mahsalen ruckte ich nur langsam von
der Stelle. Ich hatte mich etwa 20 Meter in einer steilen Kunse
abwarts geschoben, und war unsehlflssig, ob ich den bedenk-
lichen Weg weiter verfblgen oder wieder aufwarts klettern
sollk*. Mit Handen uud Fussen mich ansteramend beugte ich
mich vorwarts, urn einen Ausweg zu erspahen, da pl6tzlich ge-
wahrte ich links druben, 60
Meter vor mir, zwei prach-
tige SteinbOcke, die, im selben
Augenblick meiner ansichtig
geworden, an gahem Felsenhang
klappernden Schrittes dahin
v %A% \':// ■■■ trottelten. Mir klopfte horbar
das Herz im Leib; ich war nicht
einmal im Stande, die Flinte
vom ItQcken zu nehmeu, hatte
nicht wagen dilrfen einen Fin-
ger oder Zehen loszulassen. Mit
Gier und Wuth geladen, musste
ich zuschauen, wie es den Lum-
pen nicht im Geringsten pres-
sirte, denn die, die hatten meine Unschadlichkeit sofort richtig
erkannt. Nur einmal, ehe sie urn's Eck verschwanden, drehten
sie noch die K6pfe mit ihren schoflen Barten! Hat nicht der
eine Sakerrnenter gar die Zunge herausgestreckt und noch dazu
gelacht? Ha! infam !
Es war unnutz, dem Arger ilber die widerfahrene Verhflh-
Schlucht mit Stcinbockcn.
1) t&j+ZJ.] , rgl. unten. S. 92.
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nung und den Rachegedanken nachzuhangen. Ich hatte Nflthi-
geres zu thun. Zunachst gait es uberhaupt, aus der bOsen Klemme
herauszukomraen. An ein Ausweichen nach seitwarts war nicht
zu denken, es konnte sich nur urn den Abstieg nach abwarte
handeln. Tief unten die Scblucht mit den Felsbrocken musste
mein Ziel sein ; nur konnte ich den dazwischen liegeuden Theil
nicht flbersehen. Ich war schon ein gutes Stuck abwftrts ge-
laugt, da gahnte vor niir ein dnukler Schlund: in die Rinne
war nach vorne ein Felskeil eingeklemmt, und das Kamin er-
weiterte sich verhangnissvoll nach abwarts. Zur Vorsicht legte
ich Flinte, Rucksack, Mantel ab, urn die Lage sorgfaltig zu
untersuchen. Ich uberzeugte mich, dass gar nichts Anderes
ubrig blieb, als hinter dem Steinpfropf durchzuschlupfen und
einen senkrechten Sprung etwa 2'/i Meter hinab auf eine Stein-
kugel zu wagen. So kletterte ich denn wieder hinauf, ura die
zuruckgelassenen Gerathe zu holen. An einc Schnur gebunden
wurde sachte die Flinte hinabbefOrdert, Mantel und Rucksack
fiogen nach. Erechreckend rund guckte die Steinkugel herauf.
Julius! deine Knochen roflssen eben den Sprung aushalten!
ich prafte noch einmal alle Gelenke, und dann — bismillah!
— hinunter!
Ich dankte Gott, da.ss das WagstQck gelungen war, gedachte
mir's aber doch als Warnung anzuschreiben. Was heisst War-
nung? — Kaum war ich gerettet, so rannten raeine Gedanken
wieder hinter den Steinbocken drein. Wiewohl ich mir sagen
musste, dass ich heute bei der vorgerrtckten Tageszeit am
besten von alien weiteren Versuchen abstehen sollte, stachelte
mich doch die Neugier, wenigstens den Verlauf der Thalsohle
ein Stack weiter nach links aufwarts, auszukundschaften. Zu-
v6rderst musste ich den im ubrigen ungefahrlichen Abstieg
vollenden, dann wandte ich mich nach links und kletterte muh-
selig zwischen mannshohen Steinkugeln aufwarts. Nach etwa
20 Minuten konnte ich nicht weiter vordringen, die ganze Schlucht
war mit FelsblOcken verrammelt, nur zwischen den Eugeln
durchblickend konnte ich teststellen, dass da oben in einem mit
so
NKUNTES CAI'ITEI..
Sand verschweramten Becken eine Gruppe verwilderter Palm-
baume stand; dahinter ragteu unersteigbare Felswande, von
Steinbocken natOrlich keine Spur. Betrnbten Sinnes musste ich
mich zur Umkehr bequemen. Der Abstieg in die Mrawwat')
gieng, weil beschwerlich, nur langsam von Statten. Endlich
war das anscheinend ganz geschlossene Sandbecken erreicht:
rechts, abermals an einer kleinen Hfihle vorbei, uber niedrige
Einsattlungeu hinweg, sehritt icli rasch fiber die Ebene hinaus,
der Heimstatte zu.
Eigentlich hatte ich jetzt Trank, Speise, Kauch und Ruhe
redlich verdient, fand aber nur Wasser, Datteln und Tabak.
Das ganze Hauswesen war einzig und allcin zugespitzt auf den
Besuch des Emirs I.Iasan Muhanna von Bereideh, der nach deni
letzten Gebet hei uns erscheinen wollte. Bei 'Abdallah waren
Geschirr, Tassen, Samowar entlehnt worden, bei unsrem per-
siscben Nachbar (cAmran) Lanipen, Kupferplatten, Stearinlichter.
Unser Diener Mali mad hatte Andeutungen gemacht, dass er
ausgesuchte Feinheiten seiner Kochkunst entfalten wdrde, ver-
weigerte aber jedwede weitere Auskunft ; kurzum, es musste
ein grossartiges Fest absetzen. — Nach dera mageren Nacht-
essen kounte ich mich des Schlafes kaum erwehren; die ganze
Gesellschaft wQnschte ich zum Kuckuck. Das letzte Gebet war
langst voruber und der Emir mit Gefolge liess immcr noch auf
sich warten. Die hastig betriebenen Vorbereitungen zu seinem
Empfang konnten schliesslich mit Seelenruhe abgemacht wer-
den; er brauchte also nur noch selbst zu erscheinen. An den
Wanden brannten drei Petroleumlauipen, auf eyaem wackeligen
Tisehleiu brannten gleichfalls drei Petroleumlampen, auf dem
Hole, in dessen Hintergrund cAbdallah und ftamud el-Migrad
erwartungsvoll standeu, strahlten zwei frisch geputzte Laterneu
mit Stearinl ich tern. Konnte uberhaupt ein Haus hier heller be-
leuchtet sein ? Im letzten Augenblick entschloss ich mich noch
einen Theater-Streich auszufnhren. Fast mein ganzer Vorrath
1) o£±ii.
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I.I&JKL.
81
selbstgemaehter Sch warmer, vielleicht vier Dutzend Stuck, musste
dazu herhalten. Eiligst pflanzte ich dieselben an geeigneten
Stellen der Mauer und der Treppe auf; ein Sclave wurde als
Feuerwerker abgerichtet, und brannte vor Ungeduld, seines
Amtes zu warten. Endlich urn ' j9 Uhr rttckten die Gaste 10
Mann hoch an. Auf dera Kohlenbecken am Eingang wirbelte
Weihrauch, Benzofi und Myrrhen. Schwarmer knatterten von
rechts und links, von oben und unten. Allgemeine9 Staunen und
Bewanderung. Durch die Wolke schreitend nahm der Emir von
Bereideh auf Hubers Teppich Platz, neben ihm der Schech
Rakan (oben, S. 73) von den cAgman; zwei Leute des Letzte-
ren fuhrte ich auf raeinen Teppich. Wahrend der Unterhaltung
mit einem meiner Naehbarn bemerkte ich bei einer Drehung
seines Kopfes, dass er vorne neben den Backen zwei Paare
von Zopfen ') herunterhangen hatte. Auf meine Frage, wie viel
Zopfe er denn habe, schlug er stolz, ohne ein Wort beizufflgen,
das Kopftuch in die HOhe, und zeigte mir seinen Nacken: ich
zahlte zehn Stack. Zuin ersten wurde ein Tliee gereicht, der
durch langes Stehen und Citronensaft bitter, durch vielen Zucker
kaum geniessbar geworden war, aber dem arabischen Geschmack
vollkommeu entsprach. Ich war ganz erstaunt als der Schech
Rakan mit Mali mud einige tflrkische Worte wechselte, und
vernahm nachher, dass er sieben Jahre in der Festung zu
Nisch1) als Gefaugener verbracht hatte. Er war naralich vor
ungeffihr 20 Jahren durch Midhat Pascha gegen Zusicherung
freien Geleites als Unterhiindler in den tlasa (an der Ostkuste
Arabiens) gelockt, dort aber gleich gefesselt und nach Europa
geschleppt worden. Gerade solche Treulosigkeiten und Wort-
brttche sind es, um derentwillen die Turken von den Beduinen
mit unausloschlichem Hasse verabscheut werden; begreitlich.
Auf den Thee folgte eine Limonade, dann kam eiue grosse
Platte, getharmt mit den Kochkflnsten Mahmuds: Citronen-
1) Fur gcwGhnlich trugt ein Rcdaiuc vicr Z«ipfe, iwei vornc uud zwei hinten fiber die Schollem
hinabhaugend.
2) In Scrbien; bi« 1678 t.irki»ch.
0
82
NF.UNTES I'.MMTKI,.
schnitze mit Zucker, Fastnachtskuchlein, Dattelkrapfen glacirt,
eine Art Hefenkuchlein '), dazu vier S:husseln dickes Zucker-
wasser. Zuerst sassen wir zu sechsen an der Tafel oder Platte,
dann, nachdem sich Alle gutlich gethan, kamen die Andern
an die Reihe. Da ihnen zunaehst die Schilsseln mit dem Zucker-
wasser vorgesetzt wurden, so tranken sie dieselben in ihrer
Ungeduld gleich aus; mit dem Schmalzbackwerk raumten sie
gleichfalls kahl auf. Eine derartige Schnabelwaide bluht ihnen
halt nicht alle Tage. Jetzt kam der Kaffee, dann Raucherwerk,
zuletzt Zabad (Moschus-Salbe)*); auch diesmal reichte Mahmud
mit gewohnter Vorsicht das Silberbflehslein nicht umher, son-
dern Hess sich bei den Einzelnen heruragehend den Finger her-
strecken, und tupfte jedem das Quantum darauf, dessen er ihn
nlr wflrdig erachtete. Nach der Waschung der Hande wurde
zum tTberfluss fur Alle zusammen ein Handtuch dargeboten ;
es sah auch am Schluss darnach aus. H6chlichst befriedigt er-
hoben sich die Gaste zum Aufbruch; sie konnten in der Helle
des Hofes ihre Sandalen mflhelos zusammen fin den. Ein paar
vergessen gebliebene Sehwarmer spieen noch den Abschieds-
Salut, und erregten die trugerische Hoffuung auf ein neues
Schaustuck. Dann verzogen sich Alle in Stille. Innen im Hause
gieng es noch lange unruhig zu: das SpQlen und Aufraumen
des Geschirrs nahm viel Zeit in Anspruch. Ifch sandte nock
einen letzten Gedanken an meine SteinbOcke, dann sttlrzte ich
mich in einen GOtterschlaf.
So. 30. Dec. 1883]. Wenn die Sonne nicht scheint, kann der
Mensch keine heiteren Gedanken haben. Es ist zu traurig, dass
wir unsrem Ziel, den alten Kuinen und Graberstatten im
Westen gar nicht naher kominim. Wir sind ja hier sehr gefeiert,
befinden uns al>er eben doeh nur in einer ehrenvollen Gefan-
genschaft zur Uuterhaltung des MSchlosses." Tn Missmuth und
aus Faulheit legte ic h mich vor die Stadt hinaus auf einen HOgel.
Mo. 31. Dec. 1883]. Der Prinz Magid hatte einen Sclaven
l) Schwabisch, Pfizauf. 2) Zibet; vgl. obcn S. 36, Anni. 1.]
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S3
geschickt, er wolle sogleich zum Besuch kommen. Da er aber
nach einer halben Stunde immer noch nicht kam, gieng ich
fort, und Huber liess die Hausthflre schliessen. Auf der Strasse
begegnete ich dann dem Magid, und erklarte ihra, dass es uns
jetzt zu spat sei, liess ihn stehen und gieng weiter. Statt
seiner heftete sich Uamud el-Migrad an raeine Fersen, und bat
mich dringend, zu ihm nach Hause zu kommen. Nachdem der
Kaffee getrunken und eine Pfeife geraucht war, nahm ich seinen
achtjahrigen Nett'en Musa ibn CAII als Begleiter zu einem Spa-
ziergang um die Mauern der Stadt herum. Auf den Abend
waren wir zu Magid und zwar wieder ins Schlos*, d. h. in den
Gemachern seines Vaters, eingeladen. Wahrend dieser Letztere
sich in die Moschee begeben hatte, traten alle Gilste zum Gebet
in Iteih und Glied zusammen; als Vorbeter stellte sich Khai-
rnllah an die Spitze; an den Wanden blieben nur Huber und
ich sowie ein ganz junger Sohn des tfamud el-cObeid sitzeu.
Wahrend der feierlichen Handlung er-
ttinte ein unerhorter Ralpser — ohne ir-
gend Jemandeu zu stOren. Huber und ich
wechselten einen Blick, den ich aber nicht
zu wiederholen gewagt hatte.
Di. 1. Jan. 1884]. Wie froh bin ich,
dass es hier kein Neujahr gibt, keine
Visitenkarten , keine Enthebungslisteu,
nicht die brutale Ohrenmarter des Glok-
kenlautens, nicht die katzenjammerlichen
Gesichter, noch die heuchlerischeu Besuche bei den Vorgesetz-
ten (im Nothfall bei deren Frauen). Trotz dem erleichternden
Gefahl, den Auswilchsen der Civilisation entrOckt zu sein, regt
sich doch in mir die Lust, auf ein Viertelstilndlein mich in
die gute Stadt Strassburg hineinzuversetzen.
Dort haben bereits vor Tagesanbrtich die Balbirer die Messer
aufs feinste gescharft; schon nlsten sich die dreifach frisch
gewaschenen Kaminfeger mit rosigen Gedichten, die Milch-
weiber, die Lampenanzander, zu hoffnungsvollen Rundgangen.
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S4
S'KI'NTKS i APITKL
Horch! was drOhnt da von feme? Es sind mit schwankem
Rosshaarbusch geschmuckte Ulanen, von deren breitem unge-
satteltem Kirchschritt die Mauern widerhallen. In der Meisen-
gasse paradiren woblduftende Fraulein von alien Altersstufen
mit ihrem neugebackenen Staat, die jflngeren klopfenden Her-
zens den Grass der Tanzstund-Herren erwartend. Ja, das ist
die mit Recht so beliebte Bertha, die lange Paula, die sttsse
Emilie; die tauzwuthige Maria, bereit ihre Seele fur einen
Maskeuball von der Lange einer Polarnacht zu verkaufen; die
runde Martha (heute leider mit leicht verschwollenem Backen,
daher hinter einem Schleierj kann trotzdem sich nicht versagen,
ihren Biber-Muff spazieren zu fahren. Ein paar stadtbekannte
Junggesellen, mit irgend einer seltenen Blume im Knopfloch,
stehen unzufrieden am Eek des Platzes; die gewohnte Cigarre
scheint ihnen diesmal nicht sonderlich zu schmecken. Gigerl
und Referendare, einen Prugel oder eine Fisehbeingerte in der
linken Cberzieher-Tasehe, schuttelu sich die Rechte mit hoch-
gestelltem Ellenbogen, und Ziehen die Hilnde mit einer eckel-
haften Sclileifbewegung wieder auseinander. — Und wie sieht s
im Innern der Hauser aus? Abseits vom Christbaum stellen
die Buben seit 8 Tagen ihre Bleisoldaten aut, und schiessen
sie reihenweise mit Erbsen nieder, wofern einer nicht eine
staunenswerthere Methode aufgebracht hat. Ein alterer Karaerad
hat sogar etwas Pulver bei sich (in einer Date, die zum Theil
in der Hosentasclie auigegangen ist), will aber damit erst her-
ausrflcken, wenn die Mama in die Kirche gegangen ist. Deni
sch6nen Trom peter auf seinem Schimmel fehlt bereits der Kopf,
aber so ein Musiker spielt unschwer mit dem Herzen weiter.
Die kleinen M&dchen mit ihrer Puppenstube und -kiiche haben
den besten Platz im Zimmer. Da riecht's aber bedeuklich nach
angebranntem Zucker und Milch. ,He! mir scheint, ihr k6nnt
nichts Ordentliches kochen!" „ Ja wohl, Sie durten es sogar gleich
selbst versuchen, Sie mflssen nur noch einen Augenblick Ge-
duld liaben, es kommen noch Mandeln darauf." *Was soil denn
das eigentlich sein?" wDas ist ein Creme de chocolat. Wissen
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hAjkl.
85
Sie, was das ist?" ,0 freilich, ihr lieben Affen, doch meine ich,
es ist etwas wenig." „Allerdings, es ist namlich die eine Halfte
ins Feuer gelaufen, und dann hat auch noch das Luisle, die
doch eigentlich nur Spulniagd sein soli, gewiss vier Kaffeel6ffel
davon geschleckt." „Es ist ja nicht wahr ; es waren kaum zwei !"
„Ihr herzigen Fresssacklein, konnt ihr denn uberhaupt noch
etwas in euch hineinstopfen ? habt ihr euch nicht die Magen
verstaucht ?" „Ja! — (mit einem Blick auf die Mama) — vor-
gestern, aber heute konnen wir schon wieder. Und Sie sagen
ja immer: Thut nur langsam, Kinder, ihr glaubet gar nicht,
was in euch hineingeht." „Also komm her, liebe Elsa, lassmich
versuchen, gib rair einen Schmatz; da hast einen Lebkuchen,
und du, Luisle, wirst auch noch einen Zimmtstern hinunter-
wurgen kCnnen". Ach! das ganz Kleine hatt' ich schier ver-
gessen! doch, da nab' ich noch in der Tasche ein Springerle.
So! da kannst daran schnullen. Jetzt aber: Ada!
Nun genug der Traumereien. Bei der Wende des Jahres ver-
mag ich mich auch recht ernsthafter Gedanken nicht zu ent-
schlagen. Was ich bis jetzt auf dieser Reise erlebt und ge-
trieben, sollte ja nur Einleitung, ein Vorspiel zur eigentlichen
Arbeit sein. Werden bald greifbar vor mir stehen die unklaren
sagengehtlllten Ruinen von el-l.Iegr und von el-c01a? Werde
ich finden, was ich hoffe ? Kann ich leisten, was man von mir
erwartet 1
Um 9 Uhr zu Magid. Kaum war ich dort, so liess sich der
Emir zu Besuch ansagen. Er kam mit I.Iamftd el-c0beid, mit
tlasan Muhanna von Bereideh und viel Gefolge. Der ganze
hawah war voll von Menschen. Nachmittags zeichnete ich an
den Landkarten fur Hubers Tagbuch. — In der Nacht regnete
es stark.
Mi. 2. JaD. 1884]. Noch den Morgen trOpfelte der Regen
gleichmassig aus dem graueu Himmel herab, dabei war es den
ganzen Tag so finster wie bei uns im Winter. In den Strassen
liefen Baohe, die man ungenassten Fusses nicht uberschreiten
konnte. Ich hockte mich auf einen Steinhugel im Osten der
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KEL'STE* CAP1TEL.
Stadt in eine kleine HOhle, die sogenannte JJubbet cAli. Hier
hflrte ich auf eine Entfernung von 6 Kilometer vom Munif
heruber das Tosen der Wassersturze zwi9chen den Felsen. Ich
konnte natnrlich nicht unbemerkt bleiben; eine Anzahl junger
Bursche gesellte sicb zu mir und sang Lieder, die ich aber
nicht verstand. — Zu Hause traf ich Barrascb '), den Schech
der Aslam aus dem I.Iasfc (Megmacah); er gab Auskunft uber
seine Stammes-Eintheilung, die von Mahmud niedergeschrieben
wurde. Nachts kam neuer Regen. Mein Tabak saugt sich voll
Wasser.
Do. 3. Jan. 1884]. Wer nicht Regenwasser gesammelt hat,
ist in diesen Tagen ohne Haustrunk; die Brunnenmauern sind
vom Uegen so weich, dass man die R&der und Stangen ohne
Qefahr des Einsturzes nicht in Bewegung setzen kann. — Seit
acht Tagen leide ich an einem unbedeutenden aber stark beis-
senden Aussehlag, der vom Blut, d. h. von der vorherrschenden
Datteluahrung, herruhren soil. Das unvermeidliehe Kratzen mit
den Nageln ist keinenfalls zuhaglich , meine Abklatsch-Bnrste
mu9s far die schwer erreichbaren Stellen des RQckens herhalten.
Der Kalit.ani Khalid, mit dem Beinamen Abu talfttin (oben,
S. 74) sollte uns seine Stammes-Eintheilung angeben; statt
dessen ruckte er mit ernstlichen Bekehrungsversuehen zum Islam
an uns heran 2). Wir seien doch jetzt so tnachtig und angesehen,
im Range eines Emirs, wie der Emir von Bereideh, oder noch
h6her. Wenn wir vollends Muslimen wurden, gienge' uns gar
nichts mehr ah, wir konnten aus den edelsten St&inmen Frauen
bekommen, den ganzeu Tag in einem Garten sitzen, Schaffleisch
essen so viel wir nur wollten ; wenn es uns nicht behagte,
brauchteu wir die Beschwerden eines Razu gar nicht auf uns
zu nehmen, kfinuten ruhig zu Hause bleiben und wurden doch
unsern Theil an der Beute davon tragen. — ,Da wOrd' ich
mich schamen!" — Und dann erst im Paradies, da bekamen
1) (Jlwc J I H. : B»niai ihu Twi'le, Schech der d-Kslara /,
2} Mahmud scrvus uoster, lingua gallica utcns, suasit: l'arat* jam novaiulam ad amputaodum
Urbusch.
H&JEL. 87
wir seidene R&cke, alle erdenklichen Herrlichkeiten und was
sonst das Herz begehrt. Wir machten ihm begreitiich, dass wir
zunachst mehr Werth auf seine Angaben aber die Stftmme der
Eahtan und ihre Gliederung legen warden. Ungerne, lQcken-
haft, ruckweise, vielleicht sogar absichtlich falsch, gab er die
Namen von sich, die der Diener. Mali mad niederschrieb ; dazwi-
schen hinein machte er seiner Beklemmung Luft durch neue
Abschweifungen ins Paradies, und musste immer wieder er-
mabnt werden, bei der Sache zu bleiben und fertig zu mac hen.
Nach der Meinung der Leute sind Huber und ich aberhaupt
der Rahm und Ausbund der Christenheit, kaum noch dem Na-
men nach Christen, in Wirklichkeit stehen wir dem Islam sehr
nahe, jedenfalls hoch aber den Schfah (den hier zeitweilig an-
sassigen persischen Kaufleuten aus Mescbhed); unverstandlich,
dass wir nicht vollends Obertret^n, so vortheilhaft hienieden
und im Jenseits. In derselben Weise hatte mir ja schon der
achtjahrige Masa (obeu S. 83) seine Hochachtung bezeugt: wir
seien doch Christen, hatteu ein Huch und eine Religion, aber
die Maschahideh (die persischen Kautieute) das seien „G0tzen-
diener — Gott verfluche ihre Vater" — , er wisse von seinem
Vater, dass wir den Muslimen gleichkommen, und nicht ins
[H6llen-]Feuer wandern milssen.
Heute trat der Emir von Bereideh, I.Iasan Muhanna, die
Rttckreise an, und morgen will der Kameelshftndler tluseiu auf-
brechen; er hat sieh erboten, Briefe mitzunehmen, und denkt
nach zwei Monaten in Damascus einzutreffen. — Nachmittags
bei unsrem persischen Nachbar cAraran Besueh gemacht.
Fr. 4. Jan. 1884]. Seit gestern Abend ununterbrochenes Nebel-
rieseln '), seit dem 24. December aberhaupt kein Sonnenstrahl!
Von dem vielen Regen starzte eine Mauer in Magids Hause
ein, mit solchem Getose, dass man es draben im Schlosse hflrte.
Im Stadttheil Lubdeh wurde ein Mann bis an den Hals ver-
schattet; sie haben ihn aber noch lebend herausgezogen.
1) v_sUij nafnAf.
-
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8S NKUNTK8 CAI'ITKI..
Der demnachst stattfindende Razu ist nun angekfindigt;
Iieitende wurden an die grossen Scheche abgesandt.
Aus Langweile fertigte ich heute FrGsche und Schwarmer,
die aber wegen der Feuchtigkeit der Luft nicht trockneten,
vielmehr versagten. Ich will noch warten bis morgen, andern-
falls werfe ich sie ins Feuer, da wird alle Bosheit weichen. —
cAbd el-'Aziz schickte ein Piicklein feinen Kuhl (Augenschw&rze).
— Bei dem persisehen Kaufmann cAli, dera Schwager cAmrans,
Besuch gemacht. Abends kam cAinran und brachte das entlehnte
Gold ') in Gestalt von Silber zuruck, d. h. er erlegte statt der
90 Napoleons 427 '/« Megidi. tfamud el-Migrad, unser Adjutant,
brauchte bei dieseni Anblick plOtzlich 6 Megidi zum Ankauf
eines Teppichs; ich konnte nicht wohl behaupten, ich habe
kein Geld, musste also fdglicherweise die 6 Megidi springen
lassen.
Sa. 5. Jan. 1884]. Da cAbdall»h sein zweites Weib, die schOne
Baghdaderin Zhdwah'), vor einiger Zeit geprugelt hat, ohne
sie inzwischen durch das Geschenk eines neues Heindes oder
dergleichen wieder zu versohuen, so entbehren wirseit lOTagen
das gute Baghdader Brod; aber auch ohnc diesen Streik haben
wir seit 4 Tagen uberhaupt kein Brod, weil 'Abdallahs Backofen,
frei im Hof stehend, vom Rcgen ganz verwiistet und unbrauch-
bar geworden ist. — Auch heute hieng der Hiramel voll leichter
Regenwolken 3) ; erst gegen Mittag kam die Sonne etwas zum
Vorschein. — Nachmittags bei eAmran KafFee getrunken, Abends
von dem Meschhedi Mehdi Besuch erhalten.
So. 6. Jan. 1884]. Heute morgen vcrspurte ich einmal wieder
Haslause. Die Jagd war sehr ergiebig; mindestens 30 Stuck er-
litten unter Knistern den Feuertod ; ein ganzer Haufen Nester
wurde in den Falten des Hemdes zerstflrt ; aus dem Hemd, auf
einem Dach im Wind gespannt, wandern sie von selbst wieder
aus. — Dem Magid einen kurzen Besuch gemacht; er hatte
1) l\. Dec. iSeite
2} Vgl. ohen S. 35. 3) *j>> ditu-
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iiaJKi..
89
schon mehrfach den Wunseh geaussert, einmal ein paar Hand-
schuhe zu sehen; ich konnte seiner Neugier abhelten.
Wenn wir nur endlich einmal fort-kamen von hier! Bald ist
es ein Vierteljahr, dass wir da heruinsitzen. Diese Menschen
haben ja keine Vorstellung von der Zeit, keine Ahnung, welche
Pein sie uns anthun. Was haben wir davon, dass wir Datteln,
Reis und Schaffleisch essen konnen, so viel wir wollen? dass
wir sorglos schlafen kfinnen, so lange es uns beliebt? dazu
einige Geschenke und Ehrungen! Wir giengen zum FQrsten,
um ihm Vorstellungen zu machen, dass wir nach Teima, el-
Uegr, Tebuk aufbrecheu mOchten; er solle uns doch Ziehen
lassen ! Wegen der beiden ersten Puncte, meinte der Furst,
habe es keine Schwierigkeit, aber nach Tebuk sei es zu ge-
fahrlich. Auf die Bemerkung Hubers, es werde nieht so arg -
sein, lachelte der Farst: So? Er habe gerade die Nachricht er-
halten, dass Muhammed ibn cAtijjeh') zusammen mit 'Aneber 2)
und deji Ragftgil des Schijakh unweit Tebak beim Steuerein-
treiben von einer Obermacht der Bani eEisfi (eines Theils der
Bani §akhr) uberfallen und total ausgeplundert worden sei.
HmH Der Zeka (Steuer) im Betrag von 7000 Megidi sei zum
Teufel! — Mehr noch thut mir unser Diener Mahmud leid,
der, zur Ablieferung an seine in Macan lebende Familie, dem
Muhammed ibn 'Atijjeh 10 Napoleons anvertraut hatte.
Diesen Abend hat uns der Emir (zum erstenmal wieder seit
dem 21. Dec.) nach dem Nachtessen zu sich rufen lassen. Er
war uberaus zuvorkommend ; seiu Vetter IJamud el-cObeid, zu
dem wir nachher giengen, von geradezu beangstigender Frennd-
lichkeit. In seinem ^«h4wah herrschte ubrigens ein Rauch,
dass er die Augen beizte. — Zu Hause angekoraraen probirte
ich noch einige der Schwarmer von vorgestern; die konnten
jetzt trocken sein. Siehe da, sie spieen vorzaglich, kraftig und
ausdauernd. Da muss ich mich noch mehr auf diese Kunst legen.
1) S. Bd. 1. S. 224 u. 226.
9) Dem ubermiithigea ScUvcn, der «eiaer Zeit den Doaght) to rehlecbt behandelt hatte.
Koont' ich doch dem Doughty diese befriedigende Nachricht telegraphirenl
90
SEINTK9 CAI'ITKU
Mo. 7. Jan. 1884]. In gewohnlichen Jahren ist der Beduine
eigentlich nie zufrieden mit dem Regen ; wenn es nach ihm
gienge, mnsste noch zehnmal so viel vom Himmel fallen. Jetzt
wird's aber den Leuten allmahlich doch auch genug. In vielen,
selbst guten Hausern, wie z. B. beim Prinzen cAbd el-cAziz ist
kaum ein trockener Platz zum Schlafen. Alle Gebaude sind
dermaassen eingeweicht, dass kein Mu'eddin (Gebetsrufer) sich
mehr auf eine Mauer, geschweige auf ein Min&ret traut. Auch
bei uns koramt der Regen an ganz ungebrauchliehen Stellen
herab. Unsere Kisten und KotFer milssen alle von der Stelle
geruckt und gefluchtet werden. Von den Treppen, die aufs
Dach fuhren sind grosse Stuck e heruntergerutseht. Im Winter-
zi miner, das oben in der Decke ein Loch ') zum Abzug des
Ranches hat, ist auf dem I.ehmboden eine grosse Pfutze, die
durch den Hagel diesen Morgen mit stattlichen Eisbrocken
verziert war. Ein Mann, der von auswarts hier anlangte, musste
seinen Esel dahinten lassen, und allein durch den tiefen S6l
(Winterbach) waten. Habe den ganzen Tag nicht zum Haus
hinausgeschaut, und wusste nichts Besseres zn thun, als Schwar-
mer anzufertigen.
Di. 8. Jan. 1884]. Die ganze Nacht regnete es unentwegt
weiter. In unsrem Makhzan, wo die Kisten stehen, kam das
Wasser durch zwei Stock werke herunter. Der Boden war ein
Surapf. Meine beiden neuen Zebiin (R6cke), die an den Wan-
den hiengen, wareu von dem durchtraufelnden Lehmwasser
ganz eingeweicrht und beschmutzt. Nachmittags begab ich mich
hinaus an den Scha'lb, dessen Wasser etwa 2 Meter tief ein-
herschossen. Im Stadttheil Lubdeh erzahlten die Leute, cs seien
20 H&user ganzlich eingesturzt; eines habe ich gesehen, das
war in einen 1 7 Klal'ter tiefen Brunnen hinuntergerutscht. Dabei
waren wunderbare Errettuugen vorgekommen. Die meisten
Mauern an den Palmgarten sind schwer beschadigt, uberall
die Zinnen herabgefallen, Stosse zerbrochener Lehmziegel sperren
1) tuwdmak. PH. : tamdtet Sjlf*..]
1
viijki- 91
die Wege. Zwischen luckenbaften Gartenmauern, uber schlupf-
rige Lettenhaufen kletternd, und durch Pfatzen watend, stiess
ich auf ein verlassenes Gebaude, und machte mir Gedanken,
warum dieses einst stattliche Anwesen so ganz dem Verfall
preisgegeben sei. Kaum war ich daran vorbei, so erfolgte ein
Krachen und GetOse; wie ich mich umwendete, sah ich noch
zwischen den stehen gebliebenen Urnfassungswanden Wasser
und Schlamm hoch emporspritzen. Ich wagte nicht naher hin
zu gehen, da der Boden breiweich war. Vor der Stadt im
Westen, aber auch sonst in den Palmengarten leben eine Masse
Menschen in Zelten, weil ihre Hauser den Einsturz drohen,
oder jeden falls zunachst, unbewohnbar sind.
Auch der Emir in dem festen £asr ist nicht ganz sicher, es
regnet bei ihm allenthalben herein; zur Vorsicht hat er sich
ausserhalb der Stadt ein machtiges Zelt aufschlagen lassen,
um im Nothfall sich dorthin fiachten zu konueu. Besucher,
die zu uns kommen, versichern, unser Hans sei noch verhalt-
nissmassig wenig beschadigt. Argerlich ist allein, dass man
den Schaden nicht auf den Leib rucken kann; denn die Trep-
pen, welche auf die 3 Plattformen fuhren, sind nicht mehr da,
die LehmstafTeln sind von den schragen Palmstammen herun-
tergerutscht, und den Mauern, gegen welche sie lehnen, ist
gar nicht mehr zu trauen. Man vernimmt, dass der Razu
verschoben oder ganz abgestellt sei. Der Fflrst zeigte uns einen
schwarzlichen Stein '), der gestern Nachmittag im Sclavenviertel
nach Aussage der Leute aus der Luft heruntergefallen sei. Kr
erkundigte sich angelegentlich, ob das denkbar sei. Ich erinnerte
ihn an das koranische Capitel voin „Elephanten" -J), wornach
eine Schaar V6gel gluhende Steine aus der Luft auf das Heer
herabwarf, und dasselbe vernichtete 3).
1) Vgl. Bd. I, S. 219 und oben S. «4. 2) .Sure 105.
3) Dm bezieht »ich auf deo athiopiKhen Va»alleo, den cbri»tlicben Kouig oder Vicekouig voiu
Jemcn, N'amen* Abraha, dor [nach der Tradition; im GeburUjahr de* Prophcton MuUmraed
(ca. 570 n. Chr.) mit eincm tahlreicben Heer, dabei 15 Elephaotcn, einen rerungliickten Feld-
zug gegen Mekkah unternahm.
92 NKI NTKS CAP1TKI-.
Mi. 9. Jan. 1884]. Der herrliche Sonnenschein lockte mich
ins Freie. Ich nahm die Flinte auf den Rucken und schritt
Der „Gczinnte Berg".
bei scharfem Nordwind (VffC) dem Gebirge zu. Hinter dena
Berg Muschamraldiah gieng ich wieder in der Richtuog auf
Am „Ge*innten Berg".
den Munif, den mir bekannten Weg') aufwftrts, bekam aber
keinerlei Wild zu Gesicht.
Die Schlucht im Hintergrund erstieg ich diesmal leichter,
drang auch bis in das obere rait Palmen bewachsene Becken
vor. Nachdem ich mehrere Wasserlf)cher theils umgangen, theils
durchwatet hatte, befand ich mich schliesslich ganz unmittel-
bar unter dem Gipfel des Munif, der sich vor mir noch etwa
80 Meter hoch wie eine geschlossene Mauer aufthilrmte. Wie
1) S. oben S. 76.
H&JEL.
03
ich mich auf dem Rilckweg beim Hinabsteigen zwischen den
Felskugeln durchzwangte, war ich erstaunt auf einen Neger
zu stossen, der ebenfalls mit der Flinte bewaffnet auf die Jagd
gehen wollte; spater traf ich noch einen zweiten Neger; sie
hatten auch keinen Steinbock gesehen.
Unten in der Ebene Mrawwat ange-
kommen setzte ich mich hinter einen
Felsblock und rauchte dort, gegen
den Wind geschutzt eiue meinerauf-
gesparten Cigarren. Dann suchte ich,
nicht ganz glQcklich, fQr die Ruck-
kehr einen anderen Weg als ich ge-
komraen, und langte nach dem cAsr (+UvoSULf\u«G u^die"^? au-
(etwa 4 Dhr) zu Hause an. Bei dem bi,a°Dg &e,eichnot)-
grimmigen ' Hunger hatte ich keine Lust noch ein bis zwei
Stunden auf die Mahlzeit zu warten, rief also dem Diener
Mali mild, er solle mir irgend etwas zum Essen bringen. Wie
nun dieser die Unverschamtheit hatte, sich zu weigern und
mich zu belehren, jetzt sei keine Essenszeit, ich werde eben
so gut noch warten kOnnen, wie andere Leute, entfuhr mir
uuwillknhrlich ein: Sakerment! Auf das hin gebardete sich
Mahmud wie verruckt, fuchtelte mit den Armen und stiess
einen kaum verstaudlichen Wortschwall hervor: ich habe ihm
die grOsste Beschimpfuog angethan, habe seine Religion ver-
flucht — Bwas?!n — ja freilich, er kenne das von Damascus
her; es sei ein Unheil, dass er flberhaupt mit uns gezogen sei.
Nachdem er sich etwas erleichtert hatte, erklarte ich ihm, auf
diese Weise werde es wohl nicht mehr lang anstehen, dass wir
uns nach einem andern Diener umsehen mussen. Ich schickte
ihn zum Zimmer hinaus, und holte mir aus den Vorrathen eine
Hand voll Datteln. Gleich darnach trat der Diener wieder ein,
bat um Verzeihung und wartete mit einem Kaff'ee auf. —
Abends noch einmal zum Emir gerufen worden.
Do. 10. Jan. 1384]. Eine kalte Nacht lag hinter uns. Im
Hofe waren 2°C; ausserhalb der Stadt aber sei Qberall Eis
91 NKUNTKS C.VI'ITE!..
gewesen. Ein Sclave des Emir sei in der Oegend von Lakitah
erfroren gefunden worden. Ich befknd mich heute gar nicht wohl;
es scheint, dass ich mich auf der gestrigen Gebirgstour bei dem
Wind im blossen Hemd und Mantel doch etwas erkaltet habe;
dies macht sich durch Kopfweh bemerklich. Nun muss auch
noch gerade in diesen kalten Tagen mein einziges wollenes
Hemd aus bekanuten Grflnden auf dem unzuganglichen Dach
hftngen! — Ein Besuch von Magid war mir gar nicht will-
kommen.
Abends waren wir von cAbdallah zum Essen eingeladen; es
hatte nftmlich in der Zwischenzeit eine Aussohnung mit der
Baghdaderin stattgefunden. Der Hauswirth brachte die Rede
auf die Dschinn (bosen Geister), und erzahlte ganz ernsthaft
— es gruselte ihm noch jetzt, — wie er einmal spat Nachts
im Bazar zu Baghdad, wo er einen Laden besessen, wahrend
einer ganzen Stunde von einem Dschinn geohrfeigt worden
sei, und obwohl mit der Ortlichkeit vertraut bei der Finsterniss
und in der Verwirrung alle Augenblicke den Kopf an ein Eck
angestossen habe. Kein acudu billah! („ich nehme meine Zu-
flucht zu Gott'*), kein snbhan allah! (,Gott soli hflten*') ') habe
gefruchtet. Mit Beulen am Kopf, mit blauen Malern am Leib
habe er klaglich durch die Oden Gassen sich schleppend seine
Wohnung erreicht. Mich kostete es Mflhe, das Lachen zu halten.
Hatte ich nicht von sonst aus seinem eigenen Mund gewusst,
dass er den geistigen Getranken wenigstens nicht abhold war,
so ware ja zur Unterhaltung eine ilbersinnliche Erklarung des
Vorganges immerhin erorterbar gewesen. So aber wollte ich
diesen wunden Punct nicht unbenlhrt lassen, und fragte, ob
er denn nicht vielleicht an jenem Abend des Guten ein wenig
zu viel gethan. Er verschwor sich jedoch hoch und theuer, er
sei durchaus nQchtern gewesen, und konne es nur als eine Strafe
dafilr ansehen, dass tr frAher an dem Dasein der Dschinn
lasterliche Zweifel geausscrt habe. Ich meinte, diese Art der
[1) Kigentlieh „fi»tt »ci gepricscu !" .
i
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or.
Be9trafung sei ja gewiss sehr schmerzhaft und bedauerlich ge-
wesen, indess, was er denn aberhaupt bei nachtschlafeuder Zeit
in so einem ausgestorbenen Bazar zu thun gehabt habe. Ja,
er habe noch spat in seinem Laden aufgeraumt, und, wie er
denselben abgeschlossen, habe er erst bemerkt, dass es stock-
dunkel geworden und der ganze Bazar verlassen und abge-
schlossen gewesen sei. Der Wftchter habe bei dera unheimlichen
Poltern und jammerlichen Geschrei sich gefarchtet, desshalb
auch noch lange gezaudert, das Thor zu entriegeln.
Fr. 11. Jan. 1884]. Um in die abstumpfende Einformigkeit
des Daseins eine heitere Abwechslung zu bringen, beschloss ich
meinen ausseren Menschen etwas zu verandero. Zu diesem Be-
huf hatte ich mich schon vor Tagesanbruch so schon wie mOg-
lich aDgethan: seidenes Herad mit rothen Quasten, seidenes
Kopftuch mit ganz neuer Einlage, seidenes Taschentuch, den
neuen indischen dem Magid abgenomuienen Rock '), an den
Fussen fein gewobene, durchbrochene Strampfe (seit mehr als
4 Monaten uberhaupt zum erstenmal wieder Strumpfe), wollene
tfbersocken, rothe Beduinenstiefel rait blauer Quaste und eiser-
nen Absatzgriffen, Goldschmuck, die Augen mit Kuhl schon
schwarz bemalt, den Bart leicht gestutzt. So gieng ich nach
dem Fruhstflck mit dem Sabel in der Hand durch die Strasse,
und grflsste gnadig und voll Wilrde die erstaunten Bewohner.
Was kommen musste, war klar: schon nach 5 Minuten war
dem Emir gemeldet worden, ich hatte einen nie gesehenen
Staat angelegt, da mflsse etwas Besonderes los sein. Naturlich
schickte er uuverzuglich einen Boten, ich mochte ins Schloss
kommen. Dort wartete bereits mit Ungeduld die gesammte
hoflahige CJesellschaft. Ich wurde untersucht, betastet, und musste
eingehende Auskunft ertheilen; ich gab an, heute sei raeiner
Schwester Geburtstag, und diesen wolle ich wie ublich feiern.
Sie wollten dann wissen, ob ich im Christenland den ganzen
Tag in solcher Tracht eiuhergehe. Diese falsche Vorstellung
1) S. oben, S. 34.
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XECNTES CAMTHX.
durch Besclireibung rait Worten zu berichtigen, war nicht gut
mflglich; darum liess ich mir ein Papier geben und fertigte
eioige Zeichnungen an. Der breitrandige Hut erregte Staunen
und Bewunderung (ob er von Eisen sei1), Cylinder und Frack
dagegen Gelachter, Touristentracht, Rucksack und Bergstock,
Steigeisen, Schneeschuhe fanden keine Billigung, sondern blie-
ben unverstandlich. Wie ich gar das Schlittschuhlaufen erklaren
wollte, dabei aber rait meinera Arabischeu etwas in die Bruche
kam, merkte ich an den Gesichtern meiner Zuhorer, denen alle
physikalischen Vorbegrifi'e mangelten, dass ich Gefahr lief, fur
einen Schwindler geschfttzt zu werden, und brach daher ab mit
dem Bedauern, sie verstiraden es doch nicht, selbst wenn ich
im Stande ware, es in gewandteren Ausdrucken deutlich zu
machen. Der Emir lenkte das Gespraeh auf die Musik, ob wir
auch Lieder hatteu ? Ich setzte auseinander, dass die verschie-
denen Volksstamtne, Stande, Lebensalter und Geschlechter je
nach der Gemuthsstiramung verschiedene Lieder bevorzugten,
als da sind Tiroler, Soldatenf Jager, Matrosen, Studenten, ver-
liebte Madchen, Kinder. Dera Verlangen, Proben l) zu horen,
konnte ich nicht ausweichen. Da indess die deutschen Worte
unverstanden blieben, und nicht so leicht arabisch wiederzu-
geben wareu, hinterliessen die Melodieen rar sich keinen son-
derlichen Eindruck. Wie ich aber die Leonore aus dem Trou-
badour mit irech unterschobenem arabischem Text (h6chst
einfacher Art *) sang, brachen Alle in EntzQcken aus, und for-
derten Wiederholung. Der Prinz Magid bat mich, ihn das Lied
in seiner Wohnung zu lehren. Diese Matinee fand einen nicht
ganz wurdigen Abschluss durch VorfQhrung einer aus den Schatz-
kammern des Schlosses herausgezogenen Drehorgel. Nach Hause
zuruckgekehrt entledigte ich mich wieder der Maskerade.
1) Bin ein- und ansgaugen iiu gan/e Tirol u.s.w. ; Woblauf, Karncraden auf* Pfcrd, an ft Pferd ;
Ich hatt' eineu Kaiiicradcrt ; Itn Wald und auf der Haide; Auf dem Moer bin ich geboreo,
Gaudeamus igitur; Mem SrhaU, der ist auf die Wandcrschaft hin ; So viel St«rn am Himmel
fttehen.
\t \> p& cr I*5 J fi „Stch* auf, mein Lieb.au*
dem Schlaf, stch' aus dem Schlaf, o ineiuc Gazelle, o Ga/elle!"
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Il/UE... 0?
y Zura Nachtessen hatte uns der Emir eingeladen ; es gab lteis,
Fleischbrahe, Steinbockfleisch (in der Brunstzeit nicht gut) und
eine Art Fleischwurste in Blatter eingewickelt. Jeder bekam
neben sich eine init bitterer Limonade gefullte Schussel, in der
eine Tasse zum Heraussehopfen umherschwamm. Der Furst ver-
ehrte mir das Geweih des Steinbocks '); es hatte eine Lange
von ilber 4 Spannen.
Sa. 12. Jan. 1S84]. Wieder herrlicher Sonnenschein. Schon
in der Frnh Schick te Magid einen Sclaven, er mochte ein Blei-
stift und einigo Schwarmer haben. Ich liess ihm sagen : Ja ja,
er werde es im Laufe des Tages bekoramen, — fallt mir natQr-
lich nicht ein, er kann aich ein Bleistift im Suk kaufen, und
soil sich seine Schwarmer selbst machen. Die Botschaft war
ohnedem, wie mir am folgenden Tog klar wnrde, nur ein Vor-
wand gewesen; er wollte mich zu sich locken, urn eine Sing-
stunde von mir zu erhalten.
So. 13. Jan. 1884]. Magid hatte sich einstweilen in seineu
vier Wanden die Melodie der Leonore einzuverleiben versucht.
Es war erstaunlich, wie dieser begabte Mensch (den ich ubri-
gens auch zu allem SchlechtenJ) fur fahig halte), — abgesehen
von dem verfehlten Schluss, den ich ihm besonders austreiben,
und unter dem Staunen der Sclaven mQhsam neu einpauken
musste — im Ganzen doch die Tone richtig behalten hatte.
In der Schlussstelle fand er den tiefen Ton nicht, Ich tupfte
ihm jedesmal tuchtig auts Knie, und rief ihn an : camik ! camik !
(„tief, tief !"). Ich glaube kaiun, dass dieses arabischey Worije
als musikalischer Kunstausdruck so
erregte es Heiterkeit. Magids jQngere
indem sie, sobald die Stelle nahte, mit nach abwarts stupt'en-
dem ZeigtiDger den Magid argerlich anschrieen: camik! camik!
Da nun bald aus alien Winkeln des Hauses die Leonore miss-
handelt wiederschallte, machte ich mich aus dem Staub, und
3 dieses arabische Worl^e
gebraucht wirdYjedenians
i BrQder ahmtei/mich nach,
1) Vgl. oben S. 72.
2) Er Mil thoUichlich <«ineo Onkcl, den Emir Muhnmmed ibu Raschid, Endc 1897 vergiflet
habcu !
SKUSTES CAP1TKI..
schickte dem Magid als Anerkennung seiner musikalischen Lei-
stungen einige Schwarmer.
Mo. 14. Jan. 1884], Morgens frflh kam Magid mit seinen
Brudern Salim und Sultan zum Besuch. Nachher die nordost-
lichen Quartiere der Stadt durchstreift. — Der persische Kauf-
mann cAli sah bei mir Kautschuk-Bander, und fragte angstlicb,
ob sie aus Schweinsleder seien (vgl. Bd. I, S. 42, 190).
Di. 15. Jan. 1884]. Den Waffenschmied Ranem aufgesucht,
den ich wegen seiner Aufdringlichkeit und Bettelei einige Zeit
bei Seite geschoben hatte. Auf die Frage nach seinem ftlnf-
jahrigen Enkel cAbdallah '), gab er zur Antwort: „Der Bub bat
so viele Lause; er ist bei den Weibern, die suchen sie ihm
heraus". — Abends batten wir den Schech der Tuman Sened
ibn Rubcaa) mit 2 Genossen zu einem leckeren Mable eingeladen.
Dass naeh dem Kaffee und Reis mit Hammelfleisch Mahmud
auch noch Fastnachtskuchlein und Zuckerbruhe dazu auftrug,
belebte die Bewunderung nicht minder als den Appetit. Nach
einem Trunk Wassers entfuhr dem Einen ein Rulpser, den er
mit einem aufrichtigen el-hamdu lillah („Lob sei Gott!M) be-
gleitete. Der Schech, welcher ganz unten am Schatt (sQdlich
von Basra) seine Waidepl&tze hat, versicherte aufs Bestimm-
teste, der viel gefragte Wadi er-Rummah mflnde nach Zobeir
hinaus, also viel ostlicher als er auf den Karten angedeutet wird.
Nachdem die G&3te sich verabschiedet, uahm ich die zwei
Bande von Ritter uber Arabien zur Hand, las zuerst wieder
die Feldzuge gegen die Wahhabiten, dann zum so und so viel-
ten Male die Zusammenstelluug aller Nachrichten uber die
Nabataer, und die Aussagen orientalischer Geographen und
Pilger aber die Uuinen von Madaln §&lili (= el-^egr). Es be-
darf einer morgenUlndiscben Geduld und Zufriedenheit, wenn
man mit Schilderungen, von Orientalen gemacht, ins Reine
kommen will. Nichts ist iin Senkel, wenig Greifbares; haltlos
1) Vg). oben S. 20, 46. 48.
2) &j ^ JO*. [H.: Sonea cr-Kubec, Schech der et-Tnmftn.]
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nach Maass, Zeit und HimmelsrichtuDg, lottert Alles, mit werth-
losen frommen Brocken untermischt, einher; es ist zum Ver-
zweifeln. Staunenswerth war rair immer, wie Ritter sich in
diesem zuchtlosen Wust zurecht gefunden und wie er ibn ver-
arbeitct hat. Wenn ich nur endlich daraus klug werden kOnnte,
wie sich die Thamudaer zu den Nabataern zu verhalten; wie
der Theil zum Ganzen?1); ob die Inschriften in el-tfegr naba-
taisch sind, oder was sonst? Es fiel mir schwer, mich aus
diesem Labyrinth loszureissen. Drei Viertheile der Nacht waren
vorQber, als ich die kQmmerliche Lampe lOschte.
Mi. 16. Jan. 1884J. Um 11 Uhr erhob icfc mich bescbamt von
meinem Lager. Auf einem Gang im Osten um die aussersten
Palmpflanzungen herum besuchte ich den Friedhof jenes Stadt-
theils. Die schmucklosen Steine trugen theilweise Namen (z. B.
§alih ibn Ibrahim ibn Migrad
1 296), die meisteu aber bloss ein
Wasm d. h. Starames- oder
Familien-Abzeichen
[Aus dem Tagbuch seien hier
noch die folgenden Inschriften »«— «*h» -f ******* a****.
angefahrt: 1) *AJf fj&£; 2)-*b ^1 ^Ja*; 3) ^UJU
iX*«j«; 4) JLA^Lc. D. i. 1) Snips, Gott habe sie selig!; 2) Hindi
^1) Die Nabataer und Thamudeaer waren zwei verschiedene arabische St&mme, die erateren
mebr dem Weaten, die lotzteren mebr dem Oaten Arabieus aogehorig. Die Nabataer gelaogten
zu grower Macbt and grtindeten in Nordwest-Arabien. Sudpaluatina and dem Ostjordanlandc ein
Keich, das aclbst den Rontern gefahrdrohend eischien. Die Bliitezeit des Reiches war etwa von
50 vor Chr. bis 00 nach Chr. Die Hauptstadte des Reicbe* waren Hegra (el-Hegr) und Petra.
Im Jabre 100 n. Chr. wnrde da« nabatiiische Reich von den Romern uoter Cornelius Palma
zerstort, and cin grosser Teil davon zur Provincia Arabia gemacht. Die NabatAer batten die
Schrift and im offizielleu Gebraucbe die Spraehe der Aratnaer angenommen nnd behielten sie
anch nach Verlust ihrer Selbstuodigkeit tei. Aus der Form, die das aramiiische Alphabet bei
den Nabataern erhielt, erwuehs spater die arabiscbe Schrift. — Die Thamudener jedoch blieben
immer in bescheidenercn Grenzeu. Sie nahmen wcnig oder gar nicht am Kulturleben der alten
Welt teil. Ihre Sprachc and ihre Schrift war rein arabisch; aber ihns Inschriften sind zum
grossten Teile Kritzeleien und enthalten ineist our Eigennameu. In Hegra beriihrten Thamudener
nnd Nabataer einander, wie uberhaupt manche Thamudener znm nabataischen Reiche zur Zeit
seiner hochsten Machtentfaltung gehort haben raogen. Hicrzu vgl. auch unten das Tagbuch vom
25. Marz 1884 ]
[2) Cber Namen und Bedeutuug der Stammeszeichen Tgl. Littmnnn, Zur Entzifferung der
thamadenischen Inschriften, Berlin 1904, S. 78 ff.l
' I « I
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1! I m i n I mi i - I
100
NKONTKS CWHTKI..
ibn Nasir; 3) Sulaimftn ibn Muhammed (dazu Stammeszeichen X);
4) cAlaah (dazu Stammeszeichen n)].
Auf dem Mesliab (dem freien Platz vor dem Schloss) lagen
10 fremde Delul; ich kannte die Stammesabzeichen nicht. Man
sagte mir, es sei eine Anzahl Beduinen aus dem Norden an-
gekommen, Rualah, $ufcur und Andere. Die von den befreun-
deten Stftmmen liefern Nachricht uber die Orte, wo die Feiude
liegeu, und uber das, was sie sonst ausspioniert haben; die
von den feindlichen, wie z. B. eben von den Rualah und §ul$ur,
briigen Geschenke an Pferden oder sonst was, und stellen sich
uberhaupt hier ein, weil ihr Stamm derzeitig an den Granzen
der Schammar waidet, iu den Wudjan. Solange ihr Abgesandter
bei den Schammar weilt, kOnnen sie unangefochten dort wai-
den; ein Uberfall auf sie in dieser Zeit galte fur unehrenhafb.
Naturlich wollen sie bei dieser Gelegenheit moglichst viel er-
horchen und erspahen. Abends trafen wir die ganze Gesellschaft
beim Fflrsten als Gaste. Einer derselben hatte die Frechheit,
seine mitgebrachte Wasserpfeife zu rauchen. Es fiel zwar von
keiner Seite eine Bemerkung gegen das strafliche Beginnen,
wurde aber doch allgemein als ein Verstoss gegen die Sitte
empfunden. Die Strafe folgte auch gleich auf dem Fuss: Beim
Verlassen des Schlosses war es stockfinstere Nacht, der Beduine
mit seiner Wasserpfeife hatte sich der Stufen, die zum Thore
hinausfahrten, nicht mehr erinnert. Kaum war die ThQre hin-
ter ihm zugeworfen, so flog er mit seinem silndhaften Gerathe,
mitten zwischen uns durch hinaus auf den Platz. Er versuchte
unter unsrer Beihilfe die einzelnen Bestandtheile wieder zu-
sammen zu finden, allein es war zu finster; wir pochten daher
kraftig und anhaltend am Schlossthor, um eine Laterne zu
erhalten. Es stand geraume Zeit an, bis oben auf der Mauer
die Wache erschien und herunterrief, es komme gleich eine.
Walirend der Schecb jammerte, es fehle ihm immer noch der
Pfeifenkopf und der Deckel, gieng gerade der wahhabitische ])
]) Vgt. Bd. I, S. 168 uad 168 unteii.
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yJUF.L.
101
Pfaffe §alih vorbei und fragte, was denn da los sei und zu
was der Spektakel. Es wurde ihm gesagt, der Schech N. N. sei
mit seiner Wasserpfeife gestarzt und habe sie verloren, aber
er werde sie — in scha 'llah — wieder finden. Voll Gift und
befriedigt aber das Missgescbick antwortete jener: „Und ich
sage euch: in scha 'Hah wird er sie nicht wiederfinden; ge-
schieht ihm ganz recht."
Do. i'i. Jan. 1884]. Huber meinte, jetzt bei dem bevorstehen-
den Razu ware der richtige Zeitpunct gekommen, urn dem
Farsten meine letzten 1 1 Steinschlossgewehre ') zu verehren, er
wflrde dadurch urn so leichter sich bereit finden lassen, uns
die Reise nach dem Westen zu gestatten. Ich erklarte mich
einverstanden und scharfte ihm ein, die Verhandlungen recht
eindringlich zu betreiben. So begab sich denn Huber — ich
hatte keiue Lust — von zwei die Flinten schleppenden Sclaven
begleitet, vor Sonnenaufgang zum Farsten, und legte ihm die
Gewehre als unsre Beisteuer fur den Razu zu FOssen. Nach
zwei Stunden kehrte er mit der frohen Botschaft zurack, dass
wir in den nachsten Tagen die ersehnte Reise antreten konn-
ten, und mit Thieren, Proviant und Ffthrer versehen werden
sollten.
5amud el-Migrad brachte einen §lubi 2), namens Dirbisch ibn
Ban n AH aus der Gegend von el-I.Iegreh (halbwegs zwischen hier
und dem cIrak). Die Sleb leben zerstreut und geduldet unter
den Beduinen, werden aber nicht zu ihnen gerechnet. Sie sind
armselig, scheu, zQchten nur Schafe und Esel, und liegen der
Jagd auf Straussen und Gazellen ob. Dirbisch musste aber die
Eintheilnug seines Stammes und aber die Ortlichkeiten im
syrisch-arabischen Wastengebiet Angaben machen, welche der
Diener Mali mud far Huber niederschrieb. Ich hatte in der Zwi-
schenzeit Musse, den §lubi zu betrachten und zu zeicbnen. Er
trug den far die §leb charakteristischen Mantel aus 15 bis 20
[1) H. : bindeg emtenned oder bindtgin dteddJh~i. \
2) PluralU: ^aIU $l«b, oder »jJo Srilubah. H.: Sing. Slubl, Plur. $Uti> oder $1*6*.)
102 NKUNTKS CAHTKI..
Gazellenfellen zusamtnengenaht; die Armel schliessen das Hand-
gelenk eng ein und gehen vor bis auf die Finger; der Mantel
ist, im Gegensatz zu der eAba der Beduinen, nicht der ganzen
Lange nach vorae offen, sondern hat bloss einen schmalen
Schlitz an Brust und Hals zum Hineinschlupfen, Es gilt bei
ihnen als Luxus, unter dem Mantel noch ein Hemd zu tragen.
Nachmittags machte ich einen Besuch
bei dem Waffenschmied Ranem und traf
da auch den Prinzen cAbd el-cAziz, den ich
zu Haus verfehlt hatte. Dem Schwieger-
sohn des Ranem, dem IJamd ibn Fadil
ez-Zeheri handigte ich fur meinen dem
Der SMW Dirbiwh. Emir verehrten Mauser-Repetir-Carabiner
eine Schachtel Vaselin ein, dazu eine alte Zahnbilrste. —
Abends kam ein tfarbi, Natnens Faris; es war aber nichts aus
ihm herauszukriegen uber seine Stammes-Eintheiluug oder die
Namen der Scheche.
Fr. 18. Jan. 1881]. Bin sehr fifth aufgestanden. Die Aussicht
bald fortzukommen belebt meine Energie. Ich ruste Alles zu-
recht, so dass ich in der naehsten besten Stunde aufbrechen
kflnnte. — Nachmittags bei cAbdallah Kaffee getrunken. Aus
schwerem Wolkenhimmel h'el Abends' etwas Regen.
Sa. 19. Jan. 1884]. Morgens zu Magid und zu des?en Vater
I,Iamud el-eObeid '). Der Letztere hat bereits gestern wieder
durch eAbdallahs Vermittlung bei una gewinselt: dem Emir
hatten wir jetzt abermals Flinten gegeben, ob wir ihm nicht
auch fur den bevorstehenden Raubzug etwas zu verehren hat-
ten, etwa Revolver. (0 te monstrum insatiabile! — ) Ich musste
mein Bedauern ausdrucken, dass wir keine ubrigen Waffen
mehr zu verschenken hatten.
1) De puero quodam Aetbiope, docceu vel decern aunoa onto, coffcac pocilla minittrante «e
excusarunt; quia omoes aervi adolescent** abesscnt e palatio eipeditionis impedimenta curaotes,
ilium pueiulum, revera eunuchum. e gyuaeceo aices.itum esse, (^uum logassem, uumne liceret,
enm visere, Magid aecitum ilium tunica sublata oc ilis meis praebuit. Ferro testes caudulamque
inuoceutem ndco radicitus misero deme«uerant, ut taotummodo oriticium o ret brae tegre con*pi-
euuni ac cicatrix licris a cutis colore vii discrcpans sedem pristinac majestatis iudicarent.
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HfUKL.
103
Ausser dem §ltibi Dirbisch (S. 102) besuchte uns noch ein
gewisser Fahad ibn Razi von Stamme der Drerat aus der
Gegend Badlich von Mustagiddeh.
So. 20. Jan. 1884]. Jusuf el-cAtik (<Atidz) brachte einen Hu-
teiml1), der seine Stammeseintheilung und die Anzahl der Zelte
dictiren sollte.
Im Laufe des Gespr&chs ergab sich eine sehr bezeichnende
Demuthigung far den Huteiml. Dieser mochte allerdings uns
Fremden gegenuber etwas zum Prahlen aufgelegt sein, und
hantirte darum nur mit fetten runden Zahlen, von denen ihin
Jusuf imraer gehorige Abstriche machte. Endlich riss dem Jusuf
die Geduld, nud verachtlich sagte er zu ihm: „Und wenn du
100 von euren Zelten vor dir siehst, so wirst du doch nicht
die Frechheit haben zu behaupten, das sind Beduinen-Zelte *),
sondern du kannst nur sagen, das sind Hetm&n." Die Hetman
werden namlich den Arabem fOrban) nichts weniger als eben-
burtig erachtet; sie werden vieliuehr verabscheut, auch wird
ihnen als Vorwurf angerechnet, dass sie — wenigstens die Kusten-
bewohner — Fische essen; am ehesten lftsst man von ihnen
noch die Scherarat gelten. Ausser diesem Huteimi land sich
noch ein weitgereister Scharainari ein, Namens Drejjem3), der
mir versprach, den Weg aus dem Wadi Negran uber den Wadi
Dawasir bis nach el- A flag anzugeben. Zuletzt stellte sich noch
unser demnachstiger Reisebegleiter yelan*) vor, den der Furst
uns zur Fuhrung auf der Reise nach dem Westen mitgeben
wollte. Er ist ein Mann von uber 60 Jahren, noch sehr rustig
und lebhaft, hat bis jetzt noch samtliche Raubzuge mitgemacht,
vom Fursten als Kundschafter bevorzugt und geschatzt, kennt
alle Wege, Entfernungen, Berge, Brunnen, und weiss ihre Na-
raen mit Sicherheit anzugeben.
1) cC^P, Plur»li9: 0t4^ Hetnwn.
2) C^-J ; er tergonnta ibm »ogar nur ungern des Wort Zelte (o>-o).
3) jl*eo . -i) 0^L=>.
NEUNTKS CAPITKL.
Alle Bekannten komnien noch zu uns gelaufen; sie mflchten
ausser Flinten und Pistolen auch noch Pulver und Blei haben!
Die Vorbereitungen zu einem Razu sind ja die beste Gelegen-
beit zum Betteln und zum Verschenken. So hat der Emir in-
diesen Tagen m.ehrere Tausend Megidi an die Theilnehmer des
Raubzuges zum Unterhalt der Familien sowie zur persGnlichen
Ausstattung vertheilen lassen. Wir konnen uns billiger los-
kaufen ; ein paar Blechschachteln Pulver und etwas Schrot ge-
nugen als Beisteuer. Andere Leute, wie z. B. 'Abdallah, leihen
ein paar Flinten.
Mo. 21. Jan. 1884]. Jetzt wird's Ernst ! Da werden eben drei
Eameele vors Haus gefuhrt — Gottlob! — wir hatten freilich
vier begebrt, und brauchen auch thatsachlich vier: zwei fur
Huber und filr mich, eines far den Diener Mahmud, und eines
fur den Ftihrer Ilelan. Obschon wir ja keine Zelte oder uber-
flassige Annehmlichkeiten mit uns fflhren, hat jedes der Thiere
doch genug zu tragen, n&mlich, ausser der Person des Reiters*
vertheilte StQeke der Ausrttstung, d. h. Teppiche, Decken, Klei-
der, Wafl'en, Lebensmittel Kochgeschirre, Wasserschlauche,
Stricke, Werkzeuge, Theodolithen, Sextanten, Arzneien, Bucher,
die zerlegbare Loiter von 8 Meter Lange, und natflrlich eine
Menge Kleinigkeiten. Die Thiere wurden einstweilen im Hofe
eines leerstehenden Hauses eingestellt. l}is zum Abend war
ihnen bereits das Futter, wahrscheinlich durch unsre persischen
Nachbarn, weggestohlen. Es waren nbrigens nicht unsre eigenen
im September zu 'Orman1) gekauften Hengste3) sondern drei
der Heerde des Fttrsten entnommene Stuten.
Abends liess der Emir durch einen Sclaven mich allein_rulen
und ausdrucklich sagen, es solle Niemand sonst mitkomny&.J
Im Empfangssaal war nur er selbst mit tlamud el-cObeid, Sliman
und $alih er-Rakhis. Nachdem der fertige Kaftee auf den Boden
1) 1 Sack Dattelu, 1 Ruttcrscblaueh. Rcis, Kallcc, Thcc, Zucker, Sal», ein Sacklciu Meh), ciue
Dose Cacaopulvcr, 2 Do»cn Sunpcnmchl, 1 Keutel Tabak, Wasscrpfcifen.
2) S. Bd. I, S. 30.
») "Weil iu der Urunst bcfludlich (/iralj, gcfiihrlich und unbrauchbar.
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tl&JKL.
105
gestellt und die Diener hinausgeschiekt waren, hub der Ffirst
an, mir auseinanderzusetzen, Huber trachte darnach ohne uoich
nach el-ljegr und nach el-c01a zu gelangen; ich solle auf mei-
ner Hut sein. (Wie em Blitz durchzuckte mich die Erinnerung,
dass ich schon vor einigen Wochen beim Waffeuschmied Ranem
und ein zweites Mai bei Magid gefragt worden war, ob ich
auf den Besuch jener Ruinenstadte verzichte, was ich, ohne
mir weitere Gedanken zu raachen, als Unsinn zuruckgewiesen
hatte.) In grosser Erregung erwiderte ich dem Fflrsten, ich
begreife nicht, was er wolle. In der Meinung, ich hatte die
arabischen Worte nicht richtig verstanden, wiederholte oder
umschrieb ljamud nochmals die Worte des FOrsten. Ich ent-
gegnete: „Eure Worte habe ich ganz wohl verstanden, aber
ieh kann's nicht glauben! Wie sollte Huber solche Gedanken
hegen? Habe ich nicht die ganze Reise mit ihm bloss zu dem
Zweck unternommen, jene Orte aufzusucheu 1 1st er nicht mein
Rei9ebegleiter, ja mein Gast von Anfang an? Er wird's auch
bis zu Ende sein!" Der Fftrst zuckte mit den Achseln; ich
schied mit Unmuth aus dem Schloss. [Huber hat in der That
seinen Reisegefahrten hintergangen, auf dessen Kosteu er doch,
zum grossen Theil reiste und der ihm voiles Vertrauen ent-
gegenbrachte ; dies ist dem Herausgeber von fluting selbst
sowie von Prof. N6ldeke bestimmt versichert worden. Aus
dem Buche von Nolde, Reise nach Innerarabien, Kurdistan
und Armenien, Braunschweig, 1895, S. 43, geht sogar hervor,
dass Huber den Arabern gegeuuber Euting als seinen Diener
bezeichnet hat. Vgl. auch unten das Tagbuch vom 16. und
25. Marz].
Als ich in nnser Haus zunlckkehrte, fragte mich Huber, was
der Fflrst gewollt habe. Ich verheimlichte ihm uichts, was ge-
sprochen worden war, erklarte ihm aber, es werde ihnen im
Schloss mit nichteo gelingen, Misstrauen und Unfrieden zwi-
schen uns zu saen.
Di. 22. Jan. 18&4]. In der FrQh gieng Huber zum Farsten,
holte bei ihm die Empfehlungsbriefe ab (darunter auch einen
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NEl'NTKS CAPITKI
an den Scheiifeu in Mekkah), und erhielt auch noch das ge-
wQnschte vierte Kameel zugesagt. Dabei stellte sich heraus,
dass mein stiller Widersacher flamud mich je frdher je lieber
nach Damascus oder Baghdad abschieben mochte. — Gegen
Mittag begab sich der Emir auf den Razu, angeblich nach
Norden. Abends machten wir noch die letzten Einpackuogen
fflr die schwere hoffnungsvolle Reise. Was wird sie bringen ?
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X. CAPITEL.
HJUel bis Teim*.
83. Januar — 15. Februar 1884.
Mi. 23. Jan. 1884]. Vor Aufregung hatte ich wenig geschlafen.
Kaura dass der Tag graute, durchschritt icli nochmals alle Raume
des Hausea. Da standen meine zehn Kisten und Koffer mit
Ausrflstungsgegenstanden und Vorrathen, Kostbarkeiten, euro-
paischem Geld, Bequeralichkeiten aller Art, die wir far die be-
vorstehende Expedition nicht brauchten, und desshalb in Ijajel
far spater zurQcklassen wollten. An den von mir bemalten
Wanden hieng ein Theil der Geschenke des Fursten, Feier-
kleider, Watfen, Steinbockkflpfe, Seltsarakeiten. Das ganze An-
wesen war sch5n aufgeraumt und zusammengestellt. In 4, 5,
6 Monaten — in scha 'llah! — konnte ich Alles wieder in
derselben Ordnung antreffen. Im Hofe waren aufgestapelt die
zum Autladen best i ram ten Sacke und Gep&ckstflcke. Was da
drin sich befand, war Alles schon Tage lang berechnet, ausge-
klQgelt, aufs Nfithigste eingeschrftnkt, zum Theil wieder aus-
gewechselt, und zum so und sovielten Male nachgepruft wor-
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108 ZEHSTKS CAPITFU
den. Da konnte nichts fehlen. Wozu also noch das Gehirn
kleinlich peinigen, ob nicht doch irgend ein Gegenstand ver-
gessen sei, dessen Abwesenheit spater schmerzlich zu vermissen
ware? Nur bald aufs Kameel! dann mag vergesaen sein was
will! Ich bin jetzt geladen mit Thatendrang, bereit alien An-
strengnngen und Fabrliehkeiten Trotz zu bieten. Auf der Strasse
lagen wiederkauend die Kameele und jammerten klaglich, als
die fur sie bestimmten Lasten — dabei die zusammengeklappte
8 Meter lange Leiter — herausgeschleppt wurden. Da die ein-
heimische Bevolkerung auf den Raubzug abgezogen war, hatten
sich zum Abschied nur cAbdallah el-Muslimanl und unsre per-
sischen Nachbarn eingefunden. Mich zu warmen hatte ich die
Hande mit verschrankten Fingern zusammengelegt, rieb dieselben
langsam in einander und streckte dann die Handflache nach
auswarts. Der Nachbar cAmran konnte diese Gebarde nicht
mitansehen — erinnerte sie ihn an christliche Gebetstlbungen ?
— kurzum er that mir die Hande auseinander mit den Worten :
„Musst nicht so machen, das ist nicht gut". — 'Abdallah beglei-
tete uns noch zur Stadt hinans bis zura Brunnen Semah, be-
kusste den Huber zum Abscliied ausgiebigst, hielt aber nicht
far nflthig, mir auch nur die Hand zu reichen. Nun ja!
Auf unseren vier Kameelen ritten wir in spitzem Winkel
auf die lang gestreckte Kette des Gebel Aga1) zu, voran als
Fuhrer Helan, dann Huber und ich, den Schluss bildete der
Diener Mali mud. fiber die Ebene blies der Wind kalt und
scharf aus Suden. Um die Mittagszeit bekamen wir links das
grosse Dorf Refill- in Sicht, dessen Ausdehnung ich auf 3 Kilo-
meter Lange schatze. Als wir beira Eingaug ins Gebirge ge-
schwind lagerten, um einen Kaffee zu bereiten, beniltzte ich
die Gelegenheit, um durch ein europaisches wollenes Hemd und
wollene Unterhosen meinc Kleidung zu vervollstandigen, die
bis dahin lediglich aus einem Beduinen-Hemd, Mantel, Kopf-
1) Den Namen des Gebirges sprach Hcli\n aus: I<:a (mit Betouong des i), vgl. ZeiUchr. f.
Erdkunde 1866, X. F. 18. 243 Anm. 1.
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H&JKI. — TKIM&.
tuch nnd Kopfstrick bestanden hatte. War die Wegrichtung
bis dahin Sudwest gewesen, so bogen wir jetzt unter WNW.
in die scharfe Gebirgsspalte es-Self) ein. Far das Nachtlager
fanden wir einen etwas geschutzten Platz, Rar talniah8) be-
nannt, breiteten unsre Betten d. h. Teppiche aus, uud warm ten
uns an einem tflchtigen Feuer3).
Do. 24. Jan. 1884]. Die Kalte der Nacht hatte in der was-
sergefullten Trinkschale eine Scheibe von Eis gebildet. — Nach-
dem wir noch eine Weile in der alten Richtung fortgezogen
waren, bogen wir auf steinigem Pfad an einigen Palmen vorbei
1) i^iLwJi AJU.. 2) KtidO ,'kC.
"J J
3) JedenfalW war die Warme bes&er als die, welche ich am 23. Januar 185? im Kloster zu
BlaubeureD genua*. Da mala sass ich wegcu ciues versuchteu harmlosen Wirthahaua-Besuches »ou
6 — 10 Uhr Abend* hintcr vergitterteo Fenstern im uubii/baren Career bei — 22° R. t In einer
dickeu Seitenmauer befand aich ein Loch too eioem halbeu Meter im Geviert, dersen Hinter-
grund die Ofenplatte de» anstossenden FamulaUzimmers bildctc; da koniite ich meine Fuas-
tohlen bratea. Meinc Compromotionalcn erechicuen in der freicn Stande nach dein Nachtessen
» vou 8—9 Uhr an den Fcusteru des angebauteu Scitenfliigels, uud sangen mir aua dem Gcsaujj;-
buch das achoue Lied, welches bci Kiudaleichen angeatimint zu vrerdeu pflegt: „Wenn kleine
Himmelaerben iu ihrer Unschuld aterben, io busst man sic nicht ein u.s. w." Zahneklapperad
and gcriihrt bedankte ich mich aus dem muhsam geoffneten Fenater fur diu ainnige Standohtn.
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110
2EHNTKS CAPITK1.
nach SW. einer PasshOhe zu, von wo sich ein prftchtiger Blick
nach abwarts bot. Am Ausgang des Thales uberschritten wir,
zwischen waidenden Kameelen hindurch, den §acib Fatkhah %
and stiegen einen sandigen Hang gegen den zerklufteten Berg-
klotz des Garar1) hinan. Der Boden war bedeckt mit violetten
Blumen Tarbah1) genannt und mit der tiefwurzligen Pflanze
cAsansal4); dazwischen wimmelte es von fuchsrothen Raupeu.
Am Fus.se des Garar fanden wir hinter den Felsen einen wind-
stillen Lagerplatz.
Fr. 25. Jan. 1884]. Beim Erwachen bluhte uns eine 3chone
ttberraschuog : statt 4 batten wir nur noch 2 Kameele. Trotzdem
dass den Thieren, wie beim Lagern ublich, der linke Vorder-
fuss in der Kniebeuge zusammengebunden war, batten sich
wahiend der Nacht zwei Stuck unbemerkt auf den 3 Fussen
davon gemaeht, um sich fur die Kalte an dem reichlichen
Futterplatz zu entschadigen. Der Fuhrer I^lan brauchte eine
Stunde, bis er die Ausreisser wieder beigetrieben hatte. In den
Trinkschalen und Wasserpfeifen war fiber Nacht eine Eisschichte
bis zur Dicke von einem Centimeter gediehen, auch die Was-
serschlauche waren steif gefroren. Bei schneidend kaltem Sud-
Mokak aus der Ferae.
wind brachen wir gegen Westen auf. Im Hintergrund der Ebene
sah man einen dunklen Streifen von Bitumen, dazwischen weisse
4) JyaJUaC, auch ...^La*c . rti. : ^afanfal habe ich nic gehort ; es gehort 10 deu lahlreichen
Dcmaten des alien uU^Lc , die Zwiebelgewuchse aus der Reihe der Minora* be*eichnen.
Wenn bei Velenovsky atancal Druckfehier fur «MNM< ist, wie ich glnube, so ist c«f*»f«/ =
Colchicum Szowitzii C. A. Meyer.]
1) fci=Us w~*-~. i
8) AjJj i . [H. : terbe — Malcolinia.
2> irr-
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ll&JKL — TEIMU.
Ill
Hauser; es war unser heutiges Ziel, das Dorf M 6 leak. Der
Weg zog sich fiber Erwarten in die Lange; wir brauchten 4'/s
Stunden, bis wir bei den Hausern anlangten. Am Hofe des
Schechs Bnrukeh ibn Mnijjem ') hielten wir.
Die Kameele waren wieder nicht durch das Thor zu bringen
(vgl. Bd. I, S. 48), wir mnssten absteigen und sie aussen ab-
laden. Fast gleichzeitig mit uos waren von anderer Seite her
auch einige Ragagil (Soldaten) eingetroffen, dabei der sonst so
abermuthige, heute so aufl'allend bescheidene cAn6ber*). Sie
kamen zurdck von einer verunglackten Sendung, als sie zu-
sammen mit Muhammed ibn 'Atijjeh 3) bei den westlichen Stam-
men die Steuern eintreiben sollten und auch bereits eingetrieben
hatten, waren aber nach der Hand von einer ftbermacht der
yoweitat und der Bani §akhr4) uberfallen und ganzlich aus-
geplandert worden. Bei der Gelegenheit hatte 'Aneber auch
seinen protzigen rothen Mantel eingebusst, und musste sich
nun — wie mir mit stiller Schadenfreude zugeflustert wurde
— in der schlecht und rechten Kleidung eines Beduinen zeigen.
Nachdem die Begrassung und erste Bewirthung mit Kaffee,
Datteln und Butter beendet war, wollte ich etwas zeichnen,
dabei flberhaupt das Dorf naher in Augenschein nehmen. M6kak ^
soli fruher 5 — 7000 Einwohner gehabt haben; durch Pest oder
Cholera und Wegzug mancher Bewohner sank die Zahl auf
1000 oder h6chstens 1200. Die Hauser und Garten erstrecken
sich in einem schtnalen Streifen von NO. nach SW. etwa 3/4
Stunden lang; Hauser, Palmen und Brunnen schreiten allmahlich
gegen Westen vor; im nordostlichen Theil sind viele alte in
regelmassigen Beihen gepflanzte Tamarisken (Itel) *), davor
grime Wiesen, fruher als Garten mit jetzt zumeist verfallenen
Mauern eingefasst. Ehemals raachtige Palmen strecken noch ihre
1) ^ *Sy.
i) S. Bd. I, S. 180.
8) S. Bd. 1, S. 224.
4) S. oben, S. 98, und uuUn 28. Fobr. und 4. Mirz 84.
[5) H. : efli, nom. un. e[U = Tunnrij wtieuUU V»hl.]
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112
ZE11NTES CAP1TKI-
StOmpfe klagend gen Himmel. Die alten wenig besorgten Hauser
haben durch die letzten Regenfalle bedenklich gelitteu.
if
Mokak.
Bis ich den Rundgang vollendet hatte, war es itn Hause des
Schechs schon recht lebhaft zugegangen. Im Hofe lagerten
unsre Kameele, die Halse und Schenkel auf der rechten Seite
mit Blut bestrichen, ein Zeichen, dass zur Ehrung der Gaste
geschlachtet worden war'). Im RoMwah drangten sieh die
Neugierigen aus und ein, theils um uns Fremde anzustaunen,
theils um Naheres uber die Ausplunderung der Steuereintreiber
zu vernehmen. Im Feuerplatz brannten 5 Schnh lange Scheiter
von Itelholz. Unter den Gefahrten des 'Aneber befand sich auch
ein gewisser Naunian3), der auf Befehl des Fursten un9 vou
Teima nach Tebilk und zuruck begleiten sollte. Ware er in
europaischer Tracht gesteckt, so hatte er am ehesten far einen
pietistischen Schuhmacher und Stundenhalter gelten kOnnen,
in Wirklichkeit war er ein ganz bekannter J.Iarami (Rauber)
und Kameelsdieb, als soleher mit Recht von den Beli ge-
fnrchtet. So hat er ihnen zuletzt vor 2 Jaliren ein feines Reit-
thier (Delnl) abgefangen und dem Fursten nach ^ajel als
Geschenk gebracht. Wie dieser es ablehnte, verkaufte er es in
der Hauptstadt um 44 Megidi (etwa 150 Mark). Sein lumpiger
Anzug von heute war darauf berechnet gewesen, bei der bevor-
stehenden Ruckkehr nach l.Iajel das Mitleid wach zu rufen,
1) Ein jedcr Stamm hat sciuc bcsondere Art iler B*«trei«-huuji, die von den Wiiatenbewobnern
bis zu den Kiodern herab mit Sicherhcit crkaunt wird; da «ci»s Jedcr aofort, wo dor Kremde
zuletzt abgcatiegeo und bewirthet worden i«t. Es iat also cine Art Reclame der Gaatfreundacbaft,
die dcui bn»»lichcn Aufkleben der Adreascn auf die Koffer der Keiaeuden in Europa enlsprieht.
2) 0L.y.
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h&jei. — tkimJl 113
und dadurch dem Fflrsten nahe zu legen, ihm eine neue Aus-
stattung zu verabfolgen. Obschon nun sein Ziel zunachst ver-
fehlt war — denn gleich morgen musste er umdrehen und uns
nach dem Westen begleiten, wo er eben hergekommen war — ,
so hatte er es doch nicht zu heklagen; er fand bei uns auch
seine Rechnung.
Das Gastessen wurde spat Abends, von Sclaven mit bren- ^
nenden Palrazweigen geleitet, aus dem Wohnhaus des Schechs
in den tfahawah gebracht Auf dem Reis lag Kopf, Herz, Leber,
Lunge des Hammels. Zum Schluss kam nochmals Kaffee. Wahrend
der Dauer der Mahlzeit wurden die abgangigen Palmfackeln
durch neue ersetzt. Sobald ich raeinen Hunger gestillt hatte,
empfahl ich mich franzOsisch, d. h. machte mein Bett in den
nachsten Winkel, und verfiel bald, ohne mich durch die Unter-
haltung storen zu lassen, in einen tiefen Schlaf.
Sa. 26. Jan. 1884], Schon vor Tagesanbruch hub das Geschwatz
der aus und ein laulenden Menschen von Neuera an. Um 9 Uhr
konnten wir uns von den Leuten zu M61>aV verabschieden, und
wandten uns in der Richtung OSO. wieder dem Gebirge Aga zu.
l.Ielau und Nauman ritten und giengen abwechslungsweise vor-
aus durch die Ebene. Wir batten vor uns links den Mukaisir,
den Krater eines ausgestorbenen Vulkans, in der Mitte den
Dreigeh, dann nach rechts den fawal B6d aus 7 scharfen Ba-
saltnadeln bestehend, dahinter den Sirwal, der mich an den
Climont in den Vogesen gemahnte. Der dreistOndige Aufstieg
durch eine Gebirgsschlucht l), in weleher Granit und Basalt
I) J^J Kt at T>«« B«..l.
8
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114
2EHNTK8 CAMTKI..
wecbselten, ftlhrte uns auf eine Hochebene, woselbst sich eine
schmucklose Begrabnissstatte des Stamraes der Dreirat') be-
tindet. Nach einer halben Stunde senkte sich die Hochebene
sachte nach Nordosten, die Berge traten aus einander, und wir
waren ganz uberrascht zu gewahren, dass wir die Kette des
Aga uberschritten hatten und bereits wieder in der nach Suden
ansteigenden breiten Ebene zwischen den Gebirgen Aga und
Selma angelangt waren. Eine Stunde vor Sonnenuntergang
stiegen wir ab neben den Hugeln el-Mubarakat J). Ich machte
mich auf die Suche nach Gesteinsproben, und brachte einige
schflne Stucke Bergkrystall, audi Jaspis zusammen. Der Boden
war ilppig bewachsen mit einer immergrnnen Pflanze Kalli 3),
dem Kraut unsrer gelben Ruben zu vergleichen, aber urn sei-
ner Bitterkeit willen von alien Thieren als Nahrung verschmaht.
Bis ich zum Lager zurQckkehrte, hatte I.IelAn frisches Wasser
herbeigeschleppt, und Mali mud das eiufache Mahl zubereitet.
Hinter dem von Nauman aufgeschichteten tfatab (Gestrauch
zum Brennen) lagen wir wie hinter einer Mauer geborgen und
pflogen noch heitere Unterhaltung bei hell loderndem Feuer.
Aus den nahen Steinkluften liessen die Eulen oder Kauzlein *)
die ganze Nacht hindurch ihre klaglichen Rufe ertonen.
So. 27. Jan. 1884]. Gem&chlich ritten wir Qber die Ebene in
der Richtung nach OSO. ; auf dem Sandboden, der mit zahl-
reichen Quarziippen durchsetzt war, gedieh ausser dem schon
erwahnten Grunkraut Kalli noch eine andere Pflanze Rubahleh *),
die auch von den Beduinen gegessen wird, ferner eine Menge
von Trflffeln0). Dieser Leckerbisscn findet sich haufig in der
Waste; die Kopfe stossen im ersten Frtihjahr den Sand in die
l) o^*cO. 2) o^LU!.
8) „%b , [II.: kalfy = 1) Ferula sinoica Roi*» ; 2) Ferula communis L. Ferula bedcutet «!»»-
Mlbe wie kalf,, d. i. .PriigeUtock".;
4) bfim.
5) jj^bj. "II.: ruMtfrla ■» Scorzouera papjwsa DC.
0) Tannin'. v*1. ..ben S. 36.
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V&iEI. — TElMfl. 115
H6he und verrathen dadurch ihren Standort. Nauraans getlbtes
Auge erkannte sie schon von Weitem, und mit raschen GriflFen
hatte er bald einen stattlichen Vorrath ausgehoben. Die Knollen
waren aussen hell rothbraun, wie mit gestossenem Zimmt be-
streut, das Fleisch weiss und achmackhaft. Wir verzehrten sie
ohne weitere Umstande, so wie sie Nauman uns aufs Kameel
herauf reichte. Schon 4 Stunden lang hatten wir uuser heu-
tiges Ziel den Gebel S6rra3 in Sicht; je naher wir kamen,
um so reichlicher zeigten sich WasserlOcher, sogar Brunnen
und grflne Wiesen. Die Kameele konnten nur mit Schlagen
fiber diese herrlichen Futterplatze weg vorwarts gebracht wer-
den. Es mochte 3 Uhr sein, als wir abstiegen und die Thiere,
nachdem das Gepack abgenommen war, in ihrem Paradies wai-
den Hessen. Wir lagerten ini Sand am Rande des Baches '), der
zwischen den beiden Steinhflgeln dm Serra' von Westen nach
Ocbel SirriV.
Osteu sich eine Rinne gebrochen hat. Die eigeutliche Bachsohle
war angefullt mit grobem Schotter verschiedenen Gesteines ; von
den Regengussen des Winters her waren die StrudellOcher (Gum-
1) cLwJI
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116 7.KIINTKM CAI'ITKI .
pen) voll von Wasser; eine flachere Mulde benutzte der Dieuer
Mali mild, um ein Bad darin zu nehmen. Da wo der Bach sich
hart an den sfldlichen Hagel drangt, befinden sich protoara-
bische Inschriften und Thierfiguren eingemeisselt,diewir copirten.
Nur nra zu zeigen, wie genau der Khatib cAbdalhih seiner
Zeit abgezeichnet hat (oben, S. 52), will ich hier meine Ab-
schrift mittheilen. Etwas weiter oben links auf einem anderen
Felsblock war ein Lowe ') abgebildet.
Im Sande gewahrten wir die Spuren eines Wolfes und einer
Trappe4). Auch diese Nacht ertonten die Klagerufe der Eulen
aus den Felsspalten.
]) Das Thier ist in Arabien langst auagestorben.
[2) Die Copien dieier Inachrift: a) foo 'Abdallah, b) und c) von Eutiug. d) und e)
Muber (Journal, p. 521, 522), weichen alle von einandar ab, und es ist aekr schwierig einen
lesbaren and verstandliehen Teit benrastellen. Ich babe mirb im Jahre 1904, in meiner Scbrift
„Zur Eotzifferang der thamudeniscbcn InachrifW. S. 66, bemiibt iu das Versttudnis dieaer
dnoklen Zeilen einzudringen ; nber, soviel ich »ehe, hat sich seitdem niemand dazn geaosaert.
Das Gaoie bestebt aus mehreren eiuzeloeu Inschriften. Mit hebraiacben Buchstabeo umachrieben
wiirde ea etwa folgendermaassea ausseben:
yXDD nbil) P rpyb A Von 'Affaf, dem Sobne des Dalwat(?); und er preaate
Tl b* pmH) 3(B1) Da«*ln »«»»(■•>. ™* »l>»te aicb nach Hjjaij.
aW3TTITl*,3 B Bei (... Gottesuemc)! Gross dea KiiPf?)
DfQ an Taim.
nyn^H JiyO YUTI (: O Nhj! Hilf doch dem Abu-JatbiSkt!
^jrUPI pnjTDI TU3 d Bei Nhj! Efhaben aei RAm-SahbAn (?). O Nhj,
UQV IIDn 33 durch dich kommt die Freude. Die Sonne
^niDm Dpj liPD E ° B*'JU. niche .den Wahab-Nbjt
j!33) inn \*2 V03 * Bei Nhj, Ungl;ick(?) des Hfttir(V) und Nauroun.
Uiese Lesung weicht rum Theil von meiner friiberen ab. Vor allcm ist die Schrift von J. J.
II ess. Die Kntzifferung der thamudischen Inschriften, beriicki<ichtigt worden. Aber anch jetzt
ist nocb sehr vieles unsicber.
Aus dem lohalte ergibt sich, dass verschiedenc Leutc ibre Gotter anrufen um Hilfe odcr um
Racbe. Eine aaderer erzrihlt, was er damals that und wie er sich nach seinem Fretud achate ;
dieser Freund mag statt Mi jag auch II ujaij o<ler Tujaij (I'ijaij) geheissen haben. Der Name dea
Goltcs Radu ist bcknont, er war wobl der Gott des Morgeustcrns. Aber Nhj, der so oft erwahnt
wird. ist ooch gan* riU»elUaft. Kb sab friiber dcu altarabischen Namen des Allah darin; aber
das ist inir docb durch Lidzbarski und Hcas sehr zweifelhaft gewordcn.]
[3) Die Iuschrifc unter dem Lowcti bezieht sich wobl nicht auf ihn, aondern auf den Stein-
bock darunter. Sio lautet, wenu man im letzten Worte das |~| zu einem 0 u»d das-j zu
einem ~\ verbeasert, folgendermaasaen : b$V\ HEttH ^TlD^fr »Dem Aahal und &amit [gehort]
der Steinbock". Dass zwei Leute ihr Eigentumsrecht an demselben Ticre documeatiren, kommt
auch sonst vor; vgl. Hess, a. a. O., S. 10, N°. 40 I nd dass man SteinbTieke einfangt und
bchalt. beriehtet Doughty, Tiavels in Arabia Descrta, 1, S. 013.
4) SjU=> Khubflrah. I), i. Itubfira. — H. : tirUra Trappe, Otis.
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H&JEI. — TEIM&,
-1 t 1
;v1,nY(S;tfO)TY- + rH'i
Thamudiache luschrift *).
1 18 ZKHSTKS CAPITKI .
Mo. 28. Jan. 1884J. Wir erstiegen den n6rdlichen Felsgipfel,
und liessen uns von dem ortskundigen I^elan die Namen der
Berge angeben. Ich habe die Aussicht gegen Oaten und SQd-
osten gezeichnet. [Abbildung auf S. 117.]
Vom Serra5 ritten wir erst Nachmittags 1 Uhr ab in uord-
westlieher Richtung; nach 2 Stunden gelangten wir, an einer
gut unterbaltenen Palmenpflanzung vorbei, in das trockene
Bachbett des Sebeitseh '). Die trachtige Kameelin, auf welcher
Mahmud ritt, fieng plotzlicli an zu hinken. Ich beobachtete das
Thier von der Ruckseite und behauptete, der rechte Oberschen-
kelknochen, welcher verschwollen hervorstand, mftsse verrenkt
sein. Die Anderen wollten es zuerst nicht glauben, konnten
sich aber bald selbst davon uberzeugen. Um das Thier zu schonen
und zu entlasten, lagerten wir am nachsten passenden Platz
im GerOll des Sebeitseh. Nachts fielen mehrmals etliche Regen-
tropfen aus scheinbar heiterem Himmel.
Di. 29. Jan. 1884]. Die kranke Kameelin lief heute vollstandig
unbeladen mit. Das schwere Gepack war auf JJclans bisheriges
Reitthier ilbergeladen, andere Stucke an Huber und mich ver-
theilt. Unter eisigem Sfidwind naherten wir uns langsam wieder
der Gebirgskette des Agu. Wahrend wir zahlreiche Quarzadern
Oberschritten, scheuchten wir cine Trappe und einen Raubvogul
('Ulcab)-) auf. In dem Querthal des Mukhtelif 3), kaum zwei
Stunden sttdlich vom Lagerplatz des 26. Januars, stiegen wir
an einer gc9chutzten Stelle ab. Die Schlucht bildete die Granze
zwischen den nordlich wohnenden Drerat4) uud den sttdlicheren
cAmud3). Das Futter war schlecht, vorwiegend holzig0). Das
1 ^ >V -- i . ■ » :': .
• / . — I.1 •
2) ^Aic. [H.: og.ib nach Mithidz Aquili fasciaU Vieillot. Nach Tristram: » term applied
to all smaller eagles and bnzzards.j
3)
4) oL*£0, auch Adrt-iat nc*i»r«n:hfti.
5) J>ylc.
6) Fa»t lauter .i-iUfc Wag. [H. : -auit: = Lycium arabicnm Schw.~
c* ■
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IjlYlEI. — TElMfl.
119
kranke Thier frass gar nicht und lag regungslos da. Wahrend
tfelan und Naurofm fin* den verrenkten Oberschenkel ein Kata-
plasma aus Gerste, Salz und Kameelsurin bereiteten, bestiegen
Huber und ich eine Felskuppe gegen Osten, batten aber oben
nicht die gewQnschte Aussicht. — Den alten tfGlan schQttelte
die Kalte, dass er mich dauerte; er hatte eben nur Hemd,
Mantel und Kopftuch, Nichts zum Zudecken in der Nacht. So
Qberliess ich ihm denn — obschon ich wusste, dass er mir als
einzigen Dank mindestens ein Dutzend Lause darin lassen
wQrde — einen raeiner guten wollenen Teppiche, um sich
darin einzuwickeln.
Mi. 30. Jan. 1884]. Die Nacht war in der That so kalt, dass
ich gegen Morgen selber nicht mehr warm blieb. Kaum brach
das erste schwache Tagesgrauen ') hervor, da
gewahrte ich ein absonderliches Schauspiel:
Der Alte hatte sich aus seiner UmhQllung her-
ausgeschalt, stiess eine Kameelin mit dem Fuss
an, und streckte, als dieselbe das gewQnschte
stillicidiuni von sich gab, abwechselnd seine FOsse unter den
warmeu Wasserfall. Uch, uch, uch! ufffi'! Aaaaah!
Vielleicht wollte er audi damit eine Kur1) verbinden. Ge-
stern hatte er uns die Schwielen an seinen Fusssohlen gezeigt;
ich habe uie etwas Ahnliches gesehen, sie schienen mir etwa
einen Centimeter dick zu sein, und fdhlten sich an hart wie
Horn. Er klagte aber die in die Tiet'e reichenden Risse, die
nicht mehr heilen wollten und Schmerzen bereiteten. Mahmud
hatte ihm ernstlich gerathen, eine Laus hineinzusetzen, dann
werde es besser.
Nachdem wir die Thalschlucht des Mukhtelif clurchzogen
hatten, Oflfnete sich eine malerische Aussicht auf die ferner
liegenden Berge ; rechts hatten wir den Basaltkegel des flau§an 3),
1) el-fc^r. 2) Vgl. Band I, S. »4.
8) GU^.
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I
120 7.EHNTES OAFITKl..
hinter uns den Dreigeh, vol* uns drei kegelformige Berge '), noch
weiter vorwarts den Gedyeh*).
El-GeJjeh.
A Is wir mehr nach Westen drehten und nach Oberschreitung
eines niedrigen Ruckens die offene Ebene erreichten, waren wir
schutzlos einem Sturm wind preisgegebeu. Machtige Staubwolken
verfinsterten die Luft und gestatleten nur vorubergehend einen
Durchblick, so z. B. auf die zwei Gipfel des Nusur.
Wir waren froh, als
wir das au8 wenigen
Hausern bestehende Dorl
Gfeifeh erreichten, und
Berpgruppe Nn»fir. hier hinter den Mauern
Schutz gegen den rasenden Wind fanden. Auf dem Dach des
Hauses von Schech 'Otman ibn Duwas ') stand so ziemlich die
gesammte Einwohnerschaft, darunter auch ein paar unverschlei-
erte Frauen, urn unsre Ankunft zu beobachten. Innen im Hause
hockten bei*eits 3 andere Gaste am Feuer. Wir jagten sie von
den besten Plfttzen weg und richteten uns sesshaft ein. Der
£#hawah war geraumiger als der in M61>alf, aber der Schech
geiziger, auch offenbar nicht ganz klar, wie er sich uns gegen-
aber benehmen sollte. Er schenkte zuerst den drei Lumpen
Kaftee ein, und wie er sich einen Augenblick entfernte, machte
Huber, mit Absicht vernehmlich, die Bemerkung, der Schech
scheme nicht zu wisseu, was wir fur Gaste seien *). Auf das hin
erschien sofort ein zweiter Kaftee, der diesmal uns zuerst ge-
reicht wurde. Thatsachlich wurde in der Zeit von 4 bis 7 Uhr
1) *AaJ} ij>.}j Ra » uleideh. 2) AJcXJi-.
:3) H.: Douwfis.] 4) Vgl. Bd. I, S. 70, 71.
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I.I&JKI. — TEIMft. 121
Abends 1 animal frischer Kaffee gemacht. Dann erst kam das
Nachtessen. Der Schech hatte allerdings far uns geschlachtet,
besass aber weder Reis noch Datteln. Das widerlich verpfefferte
Fleisch wurde einfach auf einer dicken Schichte von Brodfladen
hereingebracht. Meinen Hunger zu stillen ass ich im finstern
Vorrauin draussen beim Diener Mahniud eine Hand voll Datteln
aus unseren eigenen Vorrathen, und legte mich dann schlafun.
Ich mag gar nicht nachsehen, wie es mit meinen Lausen steht.
Do. 31. Jan. 1884 J. Draussen war es nasskalt, nebelig, uber-
haupt unfreundlich ; ich muss gestehen, mir war es gauz lieb,
unter Dach und Fach zu sein. Bevor wir ein neues Kameel zu
miethen Gelegenheit fanden, konnten wir ja doch nicht auf-
brechen. Uelan und Nauman ritten mit einandw fort, um bei
Beduinen, die irgendwo in der Nabe waiden sollten, eines auf-
zutreiben. Nach ein paar Stunden kamen sie zuruck mit zwei
Leuten von den eAmud, die uns zwei Thiere vorfilhrten. Eines
davon war ganz schwach, darUm unbrauchbar, das andere sammt
seinem Besitzer Schifak ') wurde in Miethe angenommen. Da
der Wind aus Westen sich noch steigerte, entschieden wir uns
heute noch hier zu verweilen. Ich hatte Musse, mein Tagbuch
in Ordnung zu bringen, und draussen vor dem Dorf zu zeichnen.
Haus do» cOtmftn io Gfcifeh.
Die Palmplianzungen sind noch jung und ruhren ei-st aus
den letzten Regierungsjahren des FQrsten Talal her (s. Bd. I,
S. 168 f.), also etwa aus dem Jahr 1863. Im Hofe aahicheinen
Ptlug1) von einer Einfachheit der Form, wie sie ursprilnglicher
wohl kaum sonst nachzuweisen ist.
2) Ich hsbe oacb meiner Ruckkehr dem ehenialigcD jetzt vei»torbeoen Director der Und-
wirttschaftlicheu Aiademie zu Hobeoheim (Witrttemberg) Dr. L v. Rao davon Mittheilung ge-
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122
A
ZKHSTKS CAI'ITKI-
Pflug.
Die Wande im Hau9e be-
standen aus Lehmziegeln, die
abwechselnd schrftg gestrichelt
waren.
^^^^^^
Lehmziegelschichten.
An einem Holzptiock hieng ein Lederkubel '), in ein Gestdl
von Holzreifen gefasst, etwa einen halben Meter im Geviert.
Lederkiibel.
Er wird anf Reisen mitgenommen, una die Kameele daraus zu
tranken. Auf dem Boden stand ein Kaffeestosser -) von gelb-
macht. Dieser hattc sich seit viclcn Jahren rait der Entwicklungsgeschichte des Pflages bescbif-
tigt, und schrieb mir uber dieses Stuck: .I'ngemein iutcrc»sant war mir die (bersendung der
Pflug-Zcichnung aus Gfeifeh. Er ist primitivrr als jeder nltugyptUcbe Pflug. In dem Britischcn
Museum faud ich eincu Papyrus mit ciner Pflugjceichnung, welcbc to ziemlich die gleiche Form
buillt. abcr wait zweckentsprechender gebaut ist. Inter den hieroglypbiacheu Zcichen eutdeckte
ich einen zwciten ahnlichen, aber der bat 2 beqneme Handhabea. Ich schiitze das Alter des
arabi*chen Pfluges noch we it hohcr alt Sic, denn die Schriftbilder der ersten agyptischen Dy-
nast icu keunrn eiu to zui irkcrblicbracr Grtaihr nicht mchr. Ks wird bei mir ein<- EbrrnsU'lli-
einnehmcn, und in tneinem opus, das ich unter der Feder babe, gebuhrend hcrvorgehoheo irerden.
1st mir doch darch ibren Pflug einc Frage gelott, an der ich mich vielfach schon abgemubt habe s
die Frage, ob ansaer dem vom altcn Aegypten beeinfluastcn, wenn uicht bebcrrachten Kiistcnland
Yemen uberhaupt von einem arahisi-hen Fcldbau die Rede tein konne. Die aogenannten arabiscben
Pflnge in Nordafrika sind namlich alt-carthagische. Ich war darum, und weil Arabei meut
Hirten und Rauber sind, bisbrr geneigt, die Frage zu verneinen. Jetzt muss ich sie bejaheu.
Sin wiirden mich iibrigens noch weiter durch die Mittheilung sehr verbinden. welche Thiere ror
den Pflug geapannt werden. Es wird] wohl nur eiu Knmeel tein, und der Boden sehr leichtr" —
Ich kann das beatatigen; ich habe in Gfeifeh cin Kamecl Tor den Pflug gespannt gesehco, nnd
der Bodcn ist dort sandig mit nur ganz gcringem Bindemittel.
1) jsy> 1,64. [H.: h4d kf4&, »"ch Wil-bU «nd n»»t Reifen versteiftc Lederlroge.]
2) j£ nigr. Vgl. Bd. I. S. 83 f. [H.: nifir ist der Kaffee-Morser. — Vg|. die
von Hess im UUm, Bd. IV, S. 81B, 819.]
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I.UlJEl. — TKIMl'l.
123
rtfthlichem Stein, aus dem Kasim ') stain mend. Abends berei-
tete der Diener Mahmud for Huber und mich das Essen, fur
die Anderen lieferte es der Schech cOtman. Der neu angenom-
mene Beduine Sclrifafc rauchte aus seinem geflickten Pfeifen-
kopf, in Ermanglnng von Tabak, Kameelsbollen. 0 Schlagden-
haufen! Hattest du das gewusst, so hattest dus) den Kaiser
Rudolph von Habsburg bei Bingen vielleicht nicht einmal Nuss-
blatter rauchen lassen!
Schifalf war aber nicht bloss Raucher, sondern auch Poet
zugleich. Aus dem Stegreif beklagte er seine jflminerliche Lage
und sang etwa Folgendes: ,0 diese harten Herren und Be-
gleiter, sie trinken Tabak, doch ich — leider — schmauch an
dem thierischen Gewachse weiter." Und richtig, unsre Herzen
liessen sich durch diesen Scherz erweichen, dem Dichter ward
— in unsrem eigenen Interesse — ein menschenwOrdigeres
Kraut verabfolgt. Die Gefuhle des Dankes begeisterten ihn sofort
zu neuen Gesangen, die ich nur zum geringsten Theil verstand.
Bemerkenswerth erschieu mir nur ein, wie er sagte, allbekanntes
Spottlied, das sich auf die Ausplflnderung der Soldaten des
Fursten dnrch die Rualah bezog. — Am Feuerherde wahrte
das Geschwatz der jungen Leute die halbe Nacht. Der Schlaf
war um so weniger erquicklich, weil aberdies der durch eine
Offnung in der Wand eindringende Regen mir hin und wieder
das Gesicht nasste.
Fr. I. Febr. 1884]. Die trachtige Kameelin rait dem verrenk-
1) Geuauer aus w«j<A*t cl-Miduab.
2) lu Nadlers Gediciu „der Antiquar":
Seit inc i m "y ao.ro Lowe
Wee»6 ich's un jodem kind is jo bekannt,
Dass wanu halbwiichsge Buwo bier zu Land
Sich noch kecft Raachduwak vcrscbaffe konne,
Dass sie du hergchfl un Kartuffel bladder brenne,
Nuubliidder, un wer weess was noch for Zeug —
I n waun's Kami Lie ware, des is gleich!
Desswege i» dio Pcif, aus dor sic raache,
Halt doch e Duwakspeif in meine Aage,
Un hatt der Kaiser Rudolf aa keen Knaster ghatt,
Wann's ihm nor gschmeckt hot — was hot's gschadt?
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124 ZEIINTES C.M'ITEI..
ten Oberschenkelknochen weiter mit uns zu schleppen war un-
mdglich. Der Schech von Gfeifeh, cOtraan, behauptete, man koune
Nichts mehr mit dem Thiere anfangen, es bleibe Nichts ubrig,
als dasselbe zu schlachten, er biete dafur 2 Megidi (etwa 7
Mark)! Hinter unserem Rucken machte er sich an den alten
^lan und versprach ihm als Bakschisch 3 Megidi, wenn er
uns zu dem Handel berede. So duram waren wir indessen nicht.
Der Schech hatte das Thier sicher nicht geschlachtet, sondern
zum Wasserschopfen ausgenQtzt, und das Juuge spater aufge-
zogen. Wir raaehten vielmehr den Schifafc fur das Thier ver-
antwortlich; er sollte uns ja nur bis zu den nachsten Beduinen
begleiten, bei seinem Ruckweg in Gfeifeh das Thier abholen
und dann auf die freie Waide mitnehmen. Als wir um 9 Uhr
gegen Westen abritten, rannte uns der Schech cOtman nach,
und wollte von Neuem mit seinem Kameels- Handel anfangen.
Er wurde aber kurz abgefertigt; es bleibe bei dem ertheilten
Bescheid. Wir durchzogen nun eine futterreiche ') Gegend. Dm
2 Uhr Nachmittags erstiegen wir die Spitze eines Hugels'),
hinter welchem das Lager der Beduinen sich befinden sollte.
Diese waren aber schon nach WNW. weiter gezogen. JJelan
ritt noch zwei Stunden vergeblich auf die Suche.
Als die Sonne schon stark auf die Neige gieng, und die Nabe
der Beduinen iminer zweifelhafter wurde, lagerten wir in der
freien Ebene nahe bei einem Felsklotz el-£ftc&s3). Wir waren
da nur schlecht vor derii Wind geborgen, der mir Nachts gar
eindringlich unter die Decke blies.
Sa. 2. Febr. 1884]. Starke Eisbildung. Schon in der Nacht
hatten wir immer das Bellen eines Hundes gehdrt, wie der Tag
1) Es gab gelbe* *JJuo isuffarah, rothea oder violettes _,^L« silftb, und kleinw weissblumigw
*jyf tarbah. [H. : fufftha nacb Velenovsky liar ha re a arabica »|t. u.; tUifi (to »Utt tildh),
clauiach >»t eine Crucifera. Bei raehreren Autoren werdeD verschiedene Arten damit
bejceicb.net. — Cber Tarbah vgl. obeD S. 110, Anin. 3.]
2) MtLaJl e-l-DalSih.
3) ijoiiBJ!.
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lift J FA. — TEI.MU. ' 125
heraufkam, sogar menschliche Stimmen, doch zun&chst ohne
Jemanden zu sehen. Ala Morgenessen verzehrten wir von ge-
stern Abend ubrig gebliebenen Reis kalt, und warmten uns
durch eine Tasse Thee, dann brachen wir auf, um nach den
Beduinen zu fahnden. Von der Spitze eines Hugels erblickten
wir zuerst einige Schaf heerden, bald einige Kameele (im Gan-
zen 25 Stack), zuletzt 9 Zelte. Bei unsrer Annahemng an die
Zelte natten sich die Manner in denselben versteckt, und nur
die Weiber mit den Kindern vorgeschoben, um dadurch vor
der Ehre unsres Besuches geschutzt zu sein. Um '/j9 Uhr stie-
gen wir bei einem grosseren Zelte ab, dessen Eigenthumer sich
nicht mehr hatte verbergen kdnnen. Es wurde Milch gebracht,
und der Diener Mahmud bereitete einen Kaffee. Daschonum 10
Uhr for uns geschlachtet wurde, hatten wir Musse, fur den
ganzen Tag es uns bequem zu machen. Ich begab mich auf
einen Hflgel, um eine t'bersicht von der Gegend zu gewinnen.
Hatte gerne die Aussicht auf den Nefud (Sandwnste) und auf
die Gebirge Mismas und 'Augah gezeichnet; der scharfe Wind
vereitelte es und trieb mich bald wieder herunter. Auf dem
Boden einer kleinen HOhle, deren Wande schOne Quarzkrystalle
zeigten, fand ich die Losung von Hyanen.
In der richtigen Voraussicht einer griramig kalten Nacht,
erinnerte ich mich an den armen Gesellen, der dem Bischof
von Trier gegen Verabfolgung eines Guldens das Mittel ver-
rieth, niemals zu frieren; der sprach: „Gnediger Herr, es frurt
einen nach dem als er kleider hat, ich hab all meine kleider
an, darumb so frQrt mich nit, und legen euwere kleider auch
alle an, so wurt euch auch nit fruren ')." Nach diesem Recept
struck te ich mich auf mein Nachtlager, deckte auf mich alle
Kleidungsstucke, die ich besass, zog das Kopftuch uber das
Uesicht, und liess mich durch Mahmud in den Teppich eng ein-
1) So iu dci cl»iU*i*rhcn lUrfimerinoorb* Juhannc* I'auli, Scbimpf und Ernst N°. 513 (™
Bibliothek «le» litter. Vcrcin*. Hand 8r». S. 295. Stntt^rt 18fifl); uhnlich bei Popgias, He be I
Adatrii, und Aaderen.
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126 ZKHNTKS CANTEI-
wickeln, niir auch noch die beduinische Jacke aus Schafpelz
urn die Fftsse fest schnuren. Ganz erfreut uber die sich ent-
wickelnde Warme und frech durch die diebssichere und kugel-
teste Vermummung dachte ich : . So, falls jetzt der Teufel schwarz
gewichst sich nebeD mich legen will, was liegt's mir an?" ( —
Oho, junger Herr, nur nicht so herausfordernd ; konnte ja ein-
mal eine kleine Vorprobe halten! — ) und, horeh, schon hQpfte
es auf meinem Teppich herum und krabbelte und schnupperte.
„Das Dunnerwetter, ich glaube gar, er ist's." Ein Blick durch
den Spalt meines Kopftuches belehrte raich, dass nicht etwa
der Mephisto oder Bitru, sondern eine grosse Springmans l) mir
einen Besuch abstatteu wollte. Ich blies ihr scharf auf die
Nase, konnte sie aber dadurch nur fur wenige Augenblicke
verscheuchen. Die Thiere in der Waste leideu halt alle Hunger,
und frieren thun sie auch. Sie suchte also einen Unterschlupf
und fand bald lieraus, dass der Pelz zu meinen Fflssen der be-
haglichste Platz sei. Die ganze Nacht hOrte und spnrte ich,
wie sie in der Wolle herumnagte. Das sonst ganz harmlose
Gesch6pf wusste genau, dass ich ihr in der Dunkelheit nicht
nachspringen konnte. Da ich keine Lust hatte, mich aus der
warmen Verpackung herauslocken zu lassen, so begnugte ich
mich, von Zeit zu Zeit mit den Fnssen gegen das Thier zu
stossen; zuviel durfte ich freilich nicht wagen, sonst lief ich
Gefahr, mich bloss zu legen. Somit war ich eigentlich ziemlich
wehrlos. Das kleine Kanguruh kam doch immer wieder uud
hatte, wie sich bei Tag herausstellte, richtig sieben LOcher
durch den Pelz gefressen.
So. 3. Febr. 1884 J. Die kal teste Nacht, die ich in Arabien
erlebt, lag hinter mir: das Thermometer zeigte — 5°C. Ich
kann nur jedem Wusten-Keisenden rathen, einen langen Pelz
und einen Schlafsack mitzunehmen. Die Beduinen ertragen die
Kalte mit erstaunlicher Widerstandskraft, dabei haben die Kinder
je junger urn so weniger Kleider.
1) £»fJ-» Jcrlx'.a [U. : Fiir class. *|>richt man heutc alkemcin j/ntrif.
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IllVlKL TKlMa. 127
Zelt mit Frau und Kindcrn.
Zur Erwarmung liessen wir uns durch Malimud einen sehr
wasserigen Wasserchocolat bereiten. Dem Beduinen Schifak, der
sich mit seinem Thier zur Rflekkehr anschiekte, wurde noch-
mals eingescharft, auf das ia Gfeifeh zuruckgelassene Kameel
Acht zu geben. Der Schecb, welcher uns bewirthet hatte, war
erbdtig, uns fur die Beffirderung des Gepacks bis zu den nach-
sten Beduinen einen in der Brunst befindlichen Kameelshengst ')
zu leihen. Das Thier war erschreckend anzusehen: es trippelte
bei gebundenen VorderfQssen rait kleinen Schritten einher, aus
dera schaumigen Maul walzte es seitwilrts die blasig geschwol-
lene Zunge2), und stiess dabei unheiralich rollende TOne her-
vor. — Wir traten bald in den Nefud ein (s. Bd. I, S. 142 ff),
d. h. wir batten die Flugsand-Wiisle vor uns, obschon die #acr-
Bildung nieht so charakteristiseh ausgesprochen war. Viele tau-
sende der rothen Raupen, die gestern noch den Sand belebt
hatten, deckten heute als schwarze Leicheu den Boden, auch
raancbe zarte Pflanze zeigte dieselbe Trauerfarbe. Nachdem wir
urn 3 Uhr einen Kaffee eingenomraen, n.lherten wir uns den
Steinbergen des Ureits '), woselbst sich ein Lager der 'Anezeh
befand. Die ganze Gesellsehaft machte einen armlichen Eindruck ;
sie batten ausser ihren Schafeo hauptsachlich Esel, nur wenig
Kaineele; auf den Zeltdacher'n lagen Graufutter und Brocken
Schafkase zum Trockuen. Durch Ungeschicklichkeit verfehlten
wir das Zelt des Schechs und tielen bei einem armen Teufel
1) Zitnl Jw«j H.: ttmiU itt der allgemeine Auadruck fiir nmnnlicbc kamelc (collect!*).]
-i In W 1 1 kt ichk.i i i i»t ej nicht die Zange sondern der „ BrulUack", den der Kamelhengit in
der Hruntt aiu dem Maule hervontotat. Dies i»t eine am Oaumen liegendc Blaae, die der Hengtt
mit Oeifer fiillt, herauMtosat und danu wiedcr mit gluck»eudeu Gur(f;clt6nen einschluckt; vgl.
Urchin'. TkierUben, 2te Aufl. Ill, S. 60.;
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128 ZEIINTES CAPITKF.
zu Gast ein. Bei Sonuenuntergang kamen die Schafe heim und
wurden gemolken. Die Weiber bereiteten Butter, indem sie
Milch in einen Schlauch schutteten, noch Luft hineinbliesen,
und nun den Schlauch von einer Seke des Kdrpers auf die
andere hinundher schleuderten ; andere hatten den Schlauch
an einem Strick flber einem Gestell von drei Stecken aufge-
hangt und schwenkten die Masse hinflber und heruber. Es war
mittlerweile 8 Uhr geworden, und rair war es bereits ganz
schwindlig vor Hunger, denn seit dem Cacao- Wasser in der
Frflh und den zwei Tasslein schwarzen Kaffees hatten wir nichts
im Leib. Endlich, nacbdem ich, hinter dem Gepack versteckt,
aus dem Dattelschlauch einen grossen Brocken mit Gier ver-
schlungen hatte, wurden als Voressen (uni die Gefrassigkeit
der Gaste far die zu erwartende Mahlzeit zu dampfen) einige
Holzgelasse mit Leben (saurer Butterniilch) herumgereicht.
Um V.10 Uhr kam die ersehnte Platte
mit Reis und Schaffleisch; ich ass davon so
viel, dass ich mich fast schamte. Bei der
Uuterhaltung, die sich nach dem Essen ent-
HoUgefiiM und Keuie. spann, fragte ich, wie dieser Ableger des
weit verzweigten Starames der cAnezeh, die doch zu den ein-
getieischten Feinden der Schammar gehoren, hier mitten in
das Gebiet der Schammar herein komme, und erfuhr, sie haben
sich, nachdem die Oase Khaibar durch die Tarken dem Fdrsten
zu IJajel entrissen worden sei, in der Nahe von Khaibar sess-
haft gemacht, da sie aber nach Kurzem befQrchteten, dass Ibn
Raschid schliesslich Khaibar doch wieder gewinnen wOrde, sicli
dem Filrsten unterworfen, und dieser habe ihnen die Gegend
am Gebel Misma5 als Waideplatze angewiesen. Sie besitzen noch
jetzt Dattelbaume in Khaibar. Ich kaufte von ihnen eine Keule '),
bestehend aus einem hartholzeneu Stock mit Ring oben dran,
das untere Ende durch eine kQnstlich durchbohrte Quarzkugel,
von der Grosse eines Apfels, gesteckt.
1) L*l^> IVbbiK
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I.I&JKI. - TEJMi'l.
129
Mo. 4. Febr. 1884]. Schoa nach einer halbeo Stuude Reitens
stiessen wir auf ein anderes Beduinenlager, und stiegen daselbst
als Gaste ab, urn womGglich uber die Vermiethung eines Ka-
raeels bis nach Teima zu unterhandeln. Da der Gastwirth sich
nur zu Liefernng eines Nachtessens far verpflichtet zu erachten
braucht, liessen wir uns durch Mahmild eine regelrechte Mahl-
zeit (Kaffee, Reis mit einer dttnnen Knorriscben Bohnenbruhe
und Brod) bereiten, und aberliessen den flbrig bleibenden Rest
den Weibern. Der Schech von gestern trat, nachdem er noch
an unsrem Essen Theil genommen hatte, den Rflckweg mit
seinem Kameelhengst an; er schien es eilig zu haben, denn
er hatte erst dieser Tage eine frische Frau genommen.
Ich beschloss einen der beiden Gipfel des Ureits zu er-
steigen. Bis an den Fuss des Berges watete ich eine voile Stunde
durch den weichen Sand, und war froh, als ich auf festem Ge-
stein anlangte. Der Bergklotz bestand aus Granit und Quarz,
deren glatte wie mit Firniss angestrichene Oberflache das K let-
tern erschwerte und zur Vorsieht mahnte. Dera Gipfel ganz
nahe Oberraschte ich einen Hasen der Art, dass ich ihn schier
mit den Handen hatte ergreifen konnen. Wie ich an der ober-
sten Wand stand, kamen unten drei Reiter zu Kameel mit
Lanzen vorbei und riefen mir herauf: „He junger Mann, he
junger Mann" '). Ich schenkte ihnen keine weitere Beachtung,
gab auch keine Antwort. Von oben zeichnete ich das Pano-
rama des Misma' und cAugahl), und war freudig erstaunt,
als ich die charakteristische Form des Umm es-Selman bei
Gyobbeh (Bd. I, S. 150), hellblau am fernen Horizont aufstei-
gend erkannte. Bis ich zuruck kam, war ich recht durstig ge-
worden, denn die Sonne schien bereits wieder ganz kraftig
(20° C im Schatten hinter den Zelten). — Bei der Abendunter-
haltung setzte sich unter Anderen ein Hirte ans Feuer, und
1) (A^ b AJj b jft weled, jft weled !
0
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1
130
ZEHNTES CAPITOL.
fragte mich ernstliaft: „Kannst du melken?" ') Als ich es ver-
neinte, meinte er: „Ja, was kannst du dann?" Der Sohn des
Hauses, gefragt wie sein Hund heisse, gab ganz erstaunt zur
Autwort: „Das weiss ich bei Gott nicht!"1) Abends — es war
nicht zum Erleben — kam das Nachtessen erst kurz vor 10
Uhr. Da ich die Ver3patung mit Recht schon zum Voraus be-
farchtete, legte ich mich urn 8 Uhr schlafen, und ass noch
unter der Decke ein Strtck Brod. Sie weckten mich nachher
zur Theilnahme an der Mahlzeit und waren ganz verwundert,
dass ich unter Verzicht auf Alles vorzog weiter zu schlafen.
Huber liess aus Vorsorge ein stattliches Stuck Fleisch far mor-
gen einpacken.
Di. 5. Febr. 1884]. Die Temperatur betrug in der Fruhe
wieder nur — 1°C. Nachdera wir «ine Tasse Thee getrunken,
erschienen tfdlan und Nauman, von einer unternommenen Streife
zurflckkehrend, rait einem jammernden Beduinen, von dem sie
ein Kameel miethweise bis Teima erpresst 3) hatten. Nun, der
Mann bekam sein Geld auf der Stelle uud konute sich beruhigen.
Wir bestiegen die Kameele und ritten durch steiniges Gelande
auf den Gebel Misma5 zu. Der Boden war besat mit Bohnerz-
kugeln *), die von deu Beduinen als Ersatz fur Bleikugeln ge-
sammelt und nach dem gewunsehten Kaliber geordnet aufbe-
wahrt werden. Wir bogen bald wieder seitwilrts in den Nefud
ein, da uusre zwei beduinischen Fahrer bereits eine neue
Schlachtung witterten. Kaum vier Stunden unterweg3 trafen
wir auch richtig in einer Sandmulde auf eine Anzahl Zelte
der Fedeil von den cAwagi, also einer Unterabtheilung der
Wuld Sliman von den cAnezeh. Ausgesprochen judische Typen
legten die Vermuthung nahe, es konnten Nachkommen der
Juden von Khaibar sein. Alle, auch die Weiber, waren sehr
*
1) wsJ^ Q^«j' taVif tahlib. 2) aJb'fj i^*^' b m& *dri
8) w^axj bira^b.
4) uiyi^ uVirai. ril.: Iluhnorx als Schrot gcbraucht heist faCim (aus Uirk. A*^L»), wohl aurb
rail, wic iu Agypten; rehJi ist em Gelande mit GenHl. Vgl. Islam, Bd. V, S." 117.]
6) Der Name der (irtlichkcit war Ciisi?A\ ZVebAn.
H&JFX — TKIMft.
131
dienstbereit, schleppten Brennholz und Wasser herbei ; doch im
Erbetteln von Tabak waren sie unersattlich. Die Kinder waren
durchaus unbekleidet. Die Buben bis zu 10 Jahren trugeu nur
einen Gurtel aus Lederschnuren, theilweise mit Knochenstacken
verziert; einer hatte in den Schnflren ein messingenes Zang-
lein ') stecken, urn, wie er sagte, aus den Fussen die Dornen
herauszuziehen. — In der Nahe der Zelte trieben
sich zwei Raubv6gel herum, die mir-als hadejjeh 2)
bezeichnet wurden.
Das reichliche Nachte9sen erschien diesraal vor
Sonnenuntergang. tfel&n und Nauraan entblOdeten
sich nicht, zwei Stucke von dem Fleisch zu unseren
Vorr&then auf die Seite zu schaffen ; Nauman trug Beduinenknaben.
sie wie ein Bettelm6nch unter seinem Mantel von dannen. —
Der Abend und die Nacht waren bei weitem nicht mehr so
kalt, als bisher.
Mi. 6. Febr. 1884]. Gegen 9 Uhr verabschiedeten wir uns von
den gastlichen Wirtheu. Der Weg fuhrt<» uber eine 6de Flache
mit wenig Futter. Der Boden bestand aus Sandstein, der in
zahlreichen Mulden Wasserlachen von 100 und mehr Meter
Durchmesser beherbergte. Die Kameele, in 14 Tagen nicht ein
einziges Mai getrankt, bezeugten auch hier keine Lust zu saufen.
lhnen ist die Feuchtigkeit des Granfutters offenbar ausreichend,
dabei sprenzen sie noch zehnmal des Tags je zwei Minuten
lang. Es scheint eben doch durch die Haut so gut wie gar
' keine Verdunstnng stattzufinden. Mit der Annaherung an den
lang gestreckten Gebirgszug des Misma3 kam auch dessen
malerische Gliederung immer mehr zur Geltung. Buschiges Ge-
strauch 3) mit Blattern wie die des Maulbeerbaumes belebte
1) JaaJL. roulaikit. [H.: miUigif, von mil?Uf.)
2) juL\=> Milrus aegyptiacus migrans; Schraarot/^nnilan.]
S) Kirrl. In Tctmft (S. 156) tab irh gptitor, daw RUsrohie aus den Stecken genucb
werden. \l. : girr'i oder tin girrl i»t eine griinc Fcigenart (Gegcnsatx tin c,>rnb't rotbe Feigenart).
Blasrohre, die mau bei Wiiien ofters findet, giobt es offenbar keine, auch mcht als Spielieug.
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132
ZKHNTKS CAP1TKI..
die Schluchten am Fusse der Felsgrnppe des Behtra. Weiter
westlich an einem Platz, Alai genannt, fanden sich Inschriften
in nabataischen und protoarabischen Zeichen eingetneisselt, dazu
viele mehr oder minder rohe Abbildungen verschiedenartiger
Thiere, von denen ich einige Proben mittheileu will. Diesen
etwas geschfltzten Ort hatten tfelan und Nauman als Lager-
platz erkoren ; wir benfltzten die noch bleibende Tageshelle zum
Copiren der Inschriften.
Do. 7. Febr. 1834]. Den ganzen Tag waren wir beschaftigt
mit Abzeichnen der uberall an den Felsen zerstreuten Inschriften
und Thierbilder. Zum Ruheplatz hatten wir eine tiefe Einbuch-
tung ausersehen zwischen den Felswauden des cErkub ') und dem
Steilabfall der Sandwflste. In der Nacht toste der Wind fiber uns
weg in den KlQften, wahrend wir tief unten in einer AH Hohle
(S. 133), bei gut unterhaltenem Feuer, Stille und Warme genossen.
Fr. 8. Febr. 1884). Schon waren die Thiere beladen, wir selbst
bereit uns in Bewegung zu setzen, da meldete Nauman, soviel'
er sich erinnere, seien unweit von hier oberhalb von unserera
Lagerplatz am sogenannteu Nadira el-'Erkub -) noch eine ganze
Anzahl von Inschriften. Nachdem wir, so rasch als es eben
nioglich war, die steile Wand in dem weichen Sande erstiegen
hatten, zeigte er uns unter dem Vorspmng eines Felsens die
Nicmand wusstc ctwns Javon. Dat'cgen macht man bus gxrn cine Koallbiichte wyfttU/e. Man
bring! in die hcidcn Endcii dc* AsUtiicke* gekautcs Papier. sto*jt dann mit cinem Stocke (mihdn)
zuer»t lang«atu uud dann pliit/lich durch; go entslcht ein Knall."
1) ^>£f^. 2) v>^!
Altarabiichc FeUmalercicii.
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134 ZKHNTES CAPITEL.
Inschriften und kehrte daun mit Huber um. Ich verweilte noch
eine halbe Stunde, um die Abschriften trotz dem erschwerenden
Winde zu vollenden. Da ich die Anderen so lange hatte warfcen
lassen, wollte ich mich nach Kraften mit der Rfickkehr beeilen.
Es machte mir Spass, in ttatterndem Gewand mit langen Satzen
Ober den Sandabsturz jah hinunterzuspringen. Entsetzt, als ob
ihnen der Uberfall eines grausigen Raubthieres drohte, schnell-
ten die gelagerteu Kameele empor und rannten wie toll mit
dem Gepack in die Flucht. Nachdem sie wieder eingefangen
und beruhigt waren, umritten wir den Gebirgstock des £Erfcub
von Nord fiber Ost nach Sad und erstiegen nicht ohne Mflhe
den hochgelagerten Nefud. Da oben sausten Wind und Wolken
einher. Als nun gar Regen und Hagel losbrach, wahrend wir
beim Vorwartsreiten auf der Hochebene nirgends Scbutz vor
dem Sturm zu gewartigen batten, wandten wir uns wieder
rfickwarls gegen die Felsen, wo wir unter einem tfberbang
nothdfirftig Deckung gegen das Unwetter tanden. Immerhin war
der Sturm auch hier noch kraftig genug, mir aus dpni Pfeifen-
kopf den brennenden Tabak hcrauszultfffeln. Nicht gesonnen,
mir diesen einzigen Zeitvertreib und Seelentrost rauben zu
lassen, rauchte ich meine Pfejfe in dem unter dem Mantel ge-
borgenen Tabaksbeutel weiter.
Eingeschflchtert durch die geringe Aussicht auf Besserung des
Wetters, waren wir bereits bescheiden genug, eben uns darauf
einzurichten, hier die Nacht zu verbringen. Wie I,i61an die
Melduug brachte, er habe ganz nahe von hier einen Ort ent-
deckt, den er zu einem regen- und hagelsicheren Lagerplatz
zu gestalten sich getraue, fand er bei uns zunachst wenig
Glauben und nur zogemde Geneigtheit, auf den vorgeschlagenen
Tausch einzugehen. Ganz schlau wartete er eine Pause zwischen
den ftrgsten WindstOssen ab, und brachte es durch seine natur-
liche Beredsamkeit dahin, uns zum Aufbruch zu bewegen.
Richtig: da vorne tauchte aus der Laudschaft empor ein maeh-
tiger Pilz aus Sandstein. In wenigen Minuten waren wir bei
dem Steingebilde angelangt. Anderthalb Meter fiber dem Boden
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i.iujki. — i i.i. Ma.
135
ragte die Deckplatte nach alien Seiten 4 bis 5 Meter hinaus.
Da war es ein Leichtes, dureh aufgehauftes Brenngestrauch
(yatab) eine oben und unten versteifte Schutzmauer zu errichten.
Spannten wir noch hinter uns die Mantel, steramten Gewehre
und Sabeltaschen dagegen, so war kein herrlicherer Schlafplatz
zu wQnschen. Es gewahrte mir ein stilles Verguugen, einmal
unter einem solchen Steintiseh in Gesellschaft zu rasten, ohne
das Einer rait geheimnissvollem Schauder die in den Vogesen
unerlasslichen Philosophemata uber Menhire, Cromleche, kelti-
sche Menschenopfer, sinnreiche Wasserlocher, Blutrinnen, Fett-
pfannen und anderes Gruselzeug an den Mann zu bringen
trachtete. Hier war nichts von alle dem zu riechen.
Pilzformiger FcU.
Sa. 9. Febr. 1884]. Hat unser kunstvoll verspriesstes Boll-
werk den Sturm zu erneuerten Ausbnlchen in der Nacht ge-
reizt ? Ja, die Eleniente hassen das (iebild von Menschenhand.
In ein paar kraftvollen Stossen wurde die ganze Mauer aus
Reisig sammt Tilchem, StCcken, Flinten und so fort uns auf
den Leib geworfen. Ohne Schaden genomraen zu haben ent-
ledigten wir uns der Oberlast, konnten uns aber in der Dun-
kelheit zunilchst nicht weiter daruni kQmmern, ob dabei etwas
caput gegangen war, hilllten uns nur noch fester ein und lies-
sen Wind und Sand fiber uns weg fegen.
So. 10. Febr. 1S84]. In der Morgenfrische bei durchsichtiger
Luft genossen wir eine herrliche Aus9icht nach Westen. Den
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136
ZKHNTES CAPITEL.
schwarz und weiss gesprenkelten Kegel des cAnz el-'Erfcub')
links lassend ritten wir flber die schwach geneigte Sandflache
ab warts ; dabei uberraschten wir eine Hyane, die dicht vor uns
at. KK.^ck
^Panorama von cAnz el-cErkflb bis er-Rukhain.
aufsprang und erschreckt sich in die Flucht begab. Nach €ber-
schreitung des Gebirges el-Khin<Jweh s) ruhten wir eine halbe
Stimde in der Ebene Nul^rat er-Riikham 3). In lebhaftem Schritt
aus der Ebene abreitend gelangten wir bald an den HOhenzug
des Kharam *) mit seltsamen Felsformen z. B. der Gestalt eines
liegenden Kameels, links darnber die sogenannten RarainiP),
El-Kharam.
aus dem Sand aufragende Steinrippen und Zinken, einer thur-
mereichen Festung zu vergleichen. Nachdem wir die urn ihrer
El-RaramJl.
Waiden willen berQhmte Mulde el-J£amrah°) durchquert und
auf die HOhe des Passes Helwan 7) gelaogt waren, lag vor uns
eine weitgedehnte Landschatt mit Sandstein-Riegeln, Tischen,
Sflulen, Mauern, Pilzen, Nadeln, KlStzen, deren absonderliche
Art im Einzelnen bei zunehmender Annaherung immer noch
starker hervortrat. Wir zielten zunachst auf die Felsgruppe
1) 2> &b^Ji. 3) j^jil syLi. 4)
6) J^jjC. TH.: ijurmil, pi. {/aramil sind kleine, sehwarie, spitzkcgelformige Hugel ]
6) yait. 7) 0\jk>.
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HiVlEL — TEl.Mtl.
von Ma hag gen') ab, weil sich
dort viele Inschriften finden sollteu.
Je naher wir anruckteu, urn so
abenteuerlicher gliederte sich die
Masse; man hatte glauben kOnnen,
eine indische Pagode sei hieher ver-
zaubert.
Die Sandsteingruppe von M a h a g-
geh setzt sich zusammen aus 5 ge-
trennten Theilen : 1) aus einem etwa
30 m hohen geschlossenen Block mit
senkrecht abfallenden Wanden, wei-
terhin, 2) aus einer 20 — 25 m hohen
Halle, 3) aus einer etwa 10 m hohen
halbrunden Nische, 4) aus einem
kleinen freistehenden Klotz, aus
einem frei vortretenden Portions
von vielleicht 35 m Hf)he. Als wir
am Sadosteck abstiegen, war ich
ganz uberwaltigt von dem sich dar-
bietenden Anblick; an den Fels-
wanden eingemeisselt Hunderte von
Inschriften, dazwischen durch Jagd-
scenen, Tliiere aller Art, ein Ge-
wimmel von Pferden und zum Theil
uberlebensgrossen Kameelen, wovon
ich nur ein paar Proben geben will.
Trotz dem lastigen Wind wollte
ich doch noch die Tageshelle be-
nutzen, urn von Bildern und In-
schriften zu copiren, was mir am
nachsten lag. Da sich fur gewOhn-
1) Aus dem Naraen hat Nauman die ety-
mologitche Fabel abgeleitet, daw in alien Zeiten hier
die Pilgontraase des Hagg vorbeigegangen sei.
138
ZKHNTKS CAPITKI.
lich bei Mahaggeh kein Wasser in der Nfthe findet, war es ein
glucklicher Zufall, dass der alte tfelan nach kurzem Suchen in
irgend einem Loch noch hinreichend Regenwasser auftrieb, um
die Schlauche fallen zu kOnnen.
Mo. 11. Febr. 1884]. Morgeus allsobald wieder das Zeichnen
und Abschreiben aufgenommen. Ich machte die Wahrnehuiung,
die ich auch spater noch oft bestatigt fand, dass Inschriften,
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VftjKL - TEIMa. 139
namentlich verwitterte und verwaschene, unter veranderter Be-
leuchtung wieder ein ganz versehiedenes Bild zeigten. Ich copirte
fl) Die lotchriftcn aiod zain gtvutca Telle rccht andeutlich aad konnea ohne Verbetserangen
uod Vermoliingeo nicbt veistaodeo werden. Die In*cbrift oben rechU scheint zu la u ten
20n "}3 TliH 0 Nbj t Durch dich miigen wir blcibco
bbv? D2 *l"!Dn3 >n Krende. — Von Salil.
Die Bedeutuog den Wurtes «= .von"' bat J. J. Hcm zuerst bettimmt.
Die Inschrift links obeD muss «o, wie sie dastebt, umschrieben werden:
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1
140
ZE1INTKS CAPITKU
Mahaggeh: Narhtlagcr im Mondrusrhcin
an diesera Tage 160 Inschriften, allerdings fast nur Eigennamen,
das steinerne Stammbuch der ira Laufe von Jahrtausenden hier
erblich waidenden , oder
mittlerweile langst vertrie-
benen und vernichteten Be-
duineustamuie. Ausser den
lesbaren Einmeisselungen
fanden sich noch weit mehr
zerfressene und zerstorte.
Wahrend die Thiere Tags
flber auf der W aide sich her-
umtrieben, schafften unsre
Lento das Gepilck in die
grosse Halle. 'Palais') Oheim
cUmejjid hatte einstens an
diesen Platz die cAnezeh zusammenberufen, um von ihren
Schechs die Steuer (den Zeka2)) einzutreiben. Damals mag
es larmend zugegangen sein. Heute Abend rnhten wir einsam
in der 6den Halle, indess das fahle Licht des Mondes, durch
die hohen Bogen des Gewolbes wandelnd, magiseh unser Lager
beleuchtete.
Di. 12. Febr. 1884]. Morgens rait der Sonne fort. Nach drei
Stunden lagerten wir auf don Wiesen von La^at 3). Fast hei-
niisch grune Wit-en, so grfln, wie icb sonst nie in Arabien
gesehen, umsaumten einen kleinen Teicb, in welchem ich aus
lauter Freude am Wasser sofort ein Bad nahm. Das Wasser
"P nt'J'tH Wahracheinlich ist das erste Wort aU n^NH zu 'efen un'l Anrnf der Guttin
ZN"1^ A Hat zu bctrachtco. Das zweite Wort ist wohl in "p zu rerbeuern, das dritte
Wort in CNIT Dabei kann nun 3^" der Eigrnnaiue Aa-'Au* aein, otlcr „die
Gabe" bcdeuten.
Die dritte Inschrift unter der auf dem Pferde reitenden Dame enthalt zu Anfang einen un-
bekraatM Buchstaben. Dicscu kiinntc man za n verliesseren und so 'cm0; dann ware
viellcieht Fagarat der Name der nhgcbildctcn Dame. Vielleicht ist der crstc Burbstabe alter ein
2; dann konnto man fPJQ „Kameelin", cin im Altarabiscbcn nicht bekanntes Femininum zu
yfjii lesen.]
1) S. Bd. I, 8. 188 f.
2) A-i-*^ ji juzattsihuni; wird eine schone seccatura geweseu sein!
3) Jafcj.
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HftJKI, — TKIM;*I. 141
selbst war nun Trinken nntauglich. Am Rande standen die
Mahasgch: Der l'orlirus vou N\V.
Grabsteine von 4 eAwagf, die vor einem Vierteljahr bei einem
Oberfall durch die Beli hier abgeschlachtet waren.
Mohaggch: Ni>chc und Porticus.
0 Herr halt' em mit Deinem Segen! An einer wohl 200
Meter langen Felswand fanden sich Hunderte und aber Hun-
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142 ZEHNTKS CAWTEL.
derte von Inschriften; ich beschrankte mich, nur die besser
erhaltenen (150 Stuck) zu copiren. Auf anderen Steinen bot sich
eine Anzahl roher Thierfiguren z. B.
Altarabisehe Malereieu >).
Die senkrechten Wande der weissgelben Sandsteififelsen waren
(auf der Sild- und theilweise auch auf der Nord-Seite) mit
einer glftnzend braunen Schichte wie gefirnisst, d. h. sie waren,
mit einer von den Geologen sogenannten natttrlichen Schutz-
rinde versehen a). Wahrend nun die jOngsten, aber docb aller-
mindestens 1500 Jahre alten, protoarabischen und nabataischen
Inschriften bei Ritzung oder Verwundung jener Rinde die helle
Farbe des Gesteines ganz leuchtend hervortyeten lassen, als
ob sie der allerneuesten Zeit entstammten, so laufen unter und
zwischen diesen jungeren Einmeisselungen viel altere Schrift-
denkmaler durch, deren Vertiefungen im Laufe einer geschicht-
lichen Zeit bereits wieder mit der braunen Schutzrinde aus-
gekleidet waren. Wie viele Jahrhunderte mOgen also zwischen
beiden Arten liegen, und in welches Jahrtausend gehen die
altesten zurflck? Ich beklage jetzt hinterher, dass ich beim
Copiren der Inschriften nicht jedesmal angetnerkt habe, ob
hellgelb oder dunkelbraun.
[]) Mehrere der Thierc habcn in der Mittc ein Loch, wi<s i. B. auch die tiirkttchen Schatteo-
spieltiguren. Vielleicht war schon in vorislamiacher Zeit, etwa unter jadiachem Einfluu, bei der
Darstellung lebendcr Weoen grosae Vorsicht geboten. Vgl. die Thiere auf S. 132 und Bd. I, S. 198.]
2) S. die Auafuhrungen von J. Walt her, die Denudation in der Wuste. S. Ill — 117 and
S. 22 f. (• Abb. der matb.-ph. CI der k. sicha. Gea. der Win. XVI, 455— 461, 386 f. Leipzig 1891).
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143
In wasserarmen Gegenden ist es niemalen rathlich, in der
Nahe des Wassers lang zu verweilen — denn Halsabschneider
und Raubthiere suchen und finden
dort noch am ehesten ihre Rech- TnLs~x S7
nung — darum brachten wir uns, /? Pnr j 2) / L.
sobald die Arbeit gethan war, in K ^"7
Sicherheit. Wir ritten noeh etwa
1 Stunde abseits und hatten unter- ~A,,»"bi«be '>
wegs den ungewohnten Anblick eines durch den Wind wellen-
bewegteu Teiches. In einer Sandsteinhflhle bezogen wir ein an-
genehmes Lager. War es das schlechte Wasser von Laljat, oder
was sons} ? : sobald ich mich auf den Teppich niederlegte, wurde
es mir ganz schwindelig.
Mi. 13. Febr. 1884].
Nachdem wir abge-
kocht, sind wir den
ganzen Tag wie dureh
Sandsteinbruche ge-
ritten ; der Boden war
bedeckt mit gleich-
massig geperltem
Quarzsaud, der wie
Brillanten funkelte.
Der breite Bergklotz
des Bird, und noch
weiter sudlich der
Ruaf beherrschten
durch ihre Formen die ganze Gegend. In der Landschaft Tsebad3)
gut erhaltene Inschriften copirt. Da spater keine Deckung
gegen den starken Westwind zu erhoffen war, stiegen wir schon
um 4 Uhr ab im sogenannten Batin Tsebad3) an der Grenze
der Ebene Kholeh4).
[1) ioterc*Mot siad die Zeiehuungoo dt-» llakcnkreuic* towie dea Hasea. firstere* itt in der
gaoieen Welt vcrbreitct; ] caterer war sow oh 1 im Morgeulande wie ira Abendlande in
Zeit ein heiligcs Thier.J
2) JLT. «)oUr yAv- 4)XJ^.
Bird.
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/
144
ZKIINTKS CM'ITKI.
Do. 14. Febr. 1884]. Wahrend die Kh6leh noch ertrftgliches
Futter geboten hatte, fanden die Thiere von Mittag ab in den
kochen zu kOnnen. An einem See von Regenwasser5) legten wir
uns mit wenig Behaglichkeit znm Schlafe nieder.
Fr. 15. Febr. 1884]. Dq, unsre Kaffeebohuen zu Ende gegangen
sind, konnten wir znm Frfthstuck nur Brod in der Asche be-
reiten. Mit Sonnenaufgang setzten wir uns in Bewegung, am
mOglichst rasch der trostlosen Ode zu entrinnen. Als Richt-
punct diente uns der schon gestern Abend in Sicht getretene
Gebirgstock des Ranem3), hinter welchem unser nftchstes Ziel
Teima liegen sollte. Da es seiner Vaterstadt zu gieng, rannte
Nauman in gehobener Stimmung an der Spitze voran, und
muhte sich, uns zu lebhafterem Trab anzuspomen. Der Mittag
war vornber, als wir den Ranem auf seinem Nordende nber-
scbritten. In den Felsen fiberraschten wir arme Holz suchende
Weiber, die, ersehreckt zur Flucbt sich wendend, erst durch
blngeres Zurufen sich beruhigen liessen, dass sie nichts von
uns zu fflrchten hatten. — Vor uns lag in einem weiten Becken
die palmenreiche Oase von Teima. Zwei Stunden bevor wir
uusern Einzug hielten, machten wir uns mit dem Rest von
Wasser, soweit mOglich, schOn und sauber4), nach dem passen-
den Spruch: „Des Sonntags in der Frflh wascht sich der Bauer,
aber wie!" NB. in den 23 Tagen hatten wir kein Hemd ge-
wechselt, kaum zweimal uns gewaschen. Ausser in den D6ri'ern
La^er: Xachtbild.
trostlosen Flachen der
San&nijjat ') winzig wenig
Nahrung. Im Abenddun-
kel mussten wir noch
lumpige Holzstengel zu-
sammenklauben, um nur
uusern Reis und Kaffee
2) khabrah. [H.: fyabra RegenwassertcicU in thoniger Depression.'!
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HlifKL — TKI.Ma.
H5
M61>al> und Gfeifeh, hatten wir nur dreimal Beduinen, sonst
nberhaupt keinen Menschen gesehen. Heute, wo wir in eine
Stadt einziehen sollten, mussten wir die Feinen spielen. Also
alien Staat augelegt, aber den wir irgend zu verfugen hatten.
In vergnuglichem Trab gieng es jetzt der Stadt zu, zuerst an
einigen mit Mauem umschlossenen Hausergruppen vorbei, dann
in einem Scha'ib (trockenen Bachbett) reitend auf die Suche
nach der Wohnung de3 von Ibn Raschid hier eingesetzten Statt-
halters £Abd el-cAziz el-cEnkri. Da wir erst hier erfuhren, dass
er sein vom Winterregen ganzlich verwOstetes Haus (den I£asr)
mit einem auderen vertauscht habe, mussten wir beinahe die
ganze Stadt umreiteu, bis wir endlich, durch (lassen mit engen
Lehmmauern uns windend, seine neue zeitweilige Wohnung
erreichten. Die Thore an den VorhOfen waren so niedrig, dass
wir absteigen mussten, w&hrend die Kameele, wie immer, nur
mit Schlagen durch die engen Pforten sich hindurchzwangen
liessen. Es war nahe an 5 Uhr, bis wir im Hause unterge-
bracht waren.
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XI. CAPITEL.
Teiraa
15.-20. Februar 1884.
Fr. 15. Febr. 1884]. Teinia gehflrt zu den altesten gesehicht-
lich bezeugten Stadten Arabiens. Es wird bereits in den Keil-
inschriften ') erwahnt. lm Alten Testament') ist es bekannt
als Durchgangs- und Knotenpunkt der Handelsstrassen ; in Jesaja
21, 14 heisst es — wohl mit Bezug auf den weltberfthmten
Brunnen der Stadt, den Haddag — : „Entgegen den Durstigen
bringen sie Wasser, die Bewohner des Landes von Teima.'' In
der Zeit zwischen Christus und Muhammed waren hier, wie
auch an anderen Platzeu des ftigaz, zahlreiche Juden angesie-
delt, aus denen die Gestalt eines ura seines Heldenmutes und
lun seiner Treue willen sprichwortlich s) gewordenen Mannes her-
vorragt, des Samau'al (Samuel) ben cAdija. Iu dem festen Schloss
al-Ablalc4) bei Teima hatte er dem von dem Herrscher zu
yirah al-Mundir verfolgten Dichter Imru3 ul-Kais sammt dessen
Tochter Hind und Vetter Jazid Unterkommen gewahrt und
dessen Vermflgen, Harnische und andere Waffen in Obhut ge-
nommen. Wahrend nun der Dichter selbst sich auf den Weg
machte zum Kaiser nach Byzanz, erschien vor dem Schlosse
1) Rawlinson II, 67. 63; alu Te-ma-a-a „die Stadt Temft" (oder die Sudt de« TernA??);
rcrgleiche daxa DeliUscb, Wo lag das Paradies?, Seite 802.
2) Temft jtDVl Jcs. 21, 14. Jcr. 25, 23; Jt20 Hiob ®> cbenso NlTf! »«ifder aramkischeo,
hier gefaDdeucn, Stele aus dem 5. Jahrhuudert vor Christo. LXX: Sm/xSv. — Warom die
heutigen Einwohncr durchvveg bchauptcn, der Name der Stadt habe in alter Zeit Tumi gelautet,
Tcrmochte ich nicht /a ergriinden.
I, , A * - T c6
8) J;^f^' ^y* j-^S ,treuer als as-Sttinau5al".
4) Jjl>\ sJiL^f el-AbUV (weiss und schwarz"), uber dessen Lage ich in TeimA uiebu er*
fahren konnte; siche jedoch F. Wuslenfeld, Das Gebiet von Medina (Gott. 1878), Seite 73
(Abb. der Ges. der Wiss. XVIII, 162).
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mit einem Heere al-IJarii; bin JJalim, der im Auftrage des
al-Mun(Jir das Verm6gen des Imru* ul-]£ais dem Saraau'al ent-
reissen sollte. Samau'al setzte sich in Vertheidigungszustand ;
er besass einen eben erwachsenen Sohn, der gerade auf die
Jagd gegangen war und bei der RQckkehr dem al-Harit in
die Hande fiel. Da fragte al-ftarit den Saraau'al; „Erkennst
du diesen?" sJa, sprach er, es ist mem Sohn". „Wiilst du, fragte
er weiter, das dir Anvertraute herausgeben, oder soil ich ihn
tfldtenf Er aber sprach: „Thue was du willst; ich breche mit
nichten weder meinen Bund, noch liefere ich das Vermogen
meines Schutzlinges aus". Da hieb al-flarit den Jangling mitten
durch und theilte ihn in zwei Stucke; danu zog er weiter').
Seit der tfagg eine westlicher verlaufende Strasse gewfthlt
hat, und Teima nicht mehr berQhrt, hat die Stadt viel von
ihrer Bedentung verloren.
Die Oase Teima ') liegt in einer tiefen von Suden nach Nor-
den sich senkenden Mulde, deren unterirdische, jedenfalls weit
ausgreifende Wasserzuflusse in dem schon oben erwahnten
Brnnnen el-Haddag*) eraporquellen. Sie wird ilberdies von
einem fur gewOhnlich trockenen Bachbett (Schacib) durchschnit-
ten, durch welches die Gewitterregen und winterlichen Tag-
wasser in den Salzsumpf nach Norden sich ergiessen. Auf drei
Seiten wird die Ansiedlung durch kflnstliche Erd- und Stein-
wftlle d. h. alte Befestigimgen umsaumt An Bauwerken aus dem
Alterthum sind noch zu erkennen die Fundamente zweier Tempel,
der #asr ed-Dalr, vielleicht der Tl6han, der verfallene alte J£asr
Zellum, eine zerstorte Wasserleitung im Nordwesten, ferner in
den verglasten Schlackenhaufen die Spuren von alten Eisen-
schmelzen (oder ZiegelOfen ?). Ob in der Stadt selbst, oder wo
sonst in der Nahe das Felsenscbloss el-Abla^ gestanden habe,
1) So nach dem KitAb al-Agb&ni, atufubrlich bei Tb. Noldeke, Beitr. tor Kenntniu der Poetic
der alten Araber (1864), S«itc 57 ft*; verglctche auch Franz Delitxsch, Sud-arabi»che Poeaiao ant
2) 'U-o fait ohnc i gesprochen T8(i)raA, also der biblttchen Vucaliaation gleiebkommend.
[8) S. bewnder. anten S. 168-163.]
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118
KLFTKS CAP1TKI..
Plan von Tcimfi.
a. El-Ka$r cd-DAir. — b. Alte Wasrerleitung. — c. Fundort dcr GoldniuMe. — d. Alte* Kasr. —
e. Zentorte* Ka*r. — f. Nicht alte. Koocheofeld. Graber. — Cacatorium. — h. cAbd ol-'Arfx
el-cEnkri. — i. Grower Drunnen. — k. Ka$r. — m. Haupttempel. — n. Hauptgebaude. —
o. TlShAn, Fundort dcr grosten Stole. — p. Alto Eisenschmelzen odcr Zicgelofen.
daruber konnte ich weder eine Auskunft erhalten, noch aus
eigener Anschauung Anhaltspunkte gewinnen. Die Gassen der
Stadt 8ind meist so eng, dass ein beladenes Kameel nicht durch-
kame. Zwischen den Hausern finden sich durchweg grosse HoTe
und reich bewasserte Garten mit Palmen, Reben, Pfirsich- und
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TF.IMft. 149
Granat bau men. Unter den Einwohnern, etwa 1000 anderZahl,
herrschte bis vor kurzer Zeit grosse Zwistigkeit. Sie unter-
scheiden sich nach den drei Quartieren (Suk), in welche die
Stadt zerfallt, namlich
1. SuV el-cali, an dessen Spitze der Schech Tutmi ibn Rum-
mftn') steht
2. Suk el-madi, unter Frthrung des Schechs Fahad et-Talak J)
3. Suk el-hamdeh, unter Schech Talib el-cAlds).
Heutigen Tage9, wo sie dem Ibn Raschid tributpfiichtig ge-
worden siud, wevden die drei feindlichen Theile im Zaum ge-
halten, durch den Statthalter des Fursten, den *Abd el-eAziz
el-'Enkri4). An diesen hatten wir vom Fflrsten einen Brief,
worin er angewiesen war, uns Lebensmittel und, was wir sonst
brauchteu, zu liefern.
Kaum war uuser Gepack ins Haus gescbafft, so strOmte auch
gleich an Menschen herein, was nur halbwegs durch eine bes-
sere Kleidung sich dazu berechtigt ftthlen konnte. Wie wenn
man in Europa in einem zoologischen Garten seltene Menschen,
als da sind Feuerlander oder Tasraanier, vorfflhrt, so wurden
wir als Nordlander und dazu als Christen angestaunt und be-
gafft, und das Alles ohne Gefahr und Kosten. Da wir seit dem
trockenen Morgen-Brod nichts gegessen hatten, war mir durch
die vielen Tasseu schwarzen Kaffees, die zur Ehrung gereicht
wurden, ganz zitterig im Magen und schwindelig im Gehirn
geworden. Endlich um 7 Uhr Abends wurde unter Beleuchtnng
rait Fackeln aus Palmwedeln die Essplatte von drei Sklaven
hereingetragen. Am Essen nahmen Theil, ausser uns funf Reise-
genossen, cAbd el-' Aziz er-Rumman, der Khatib (Geistliche)
"Abdallah, zwei persische Kaufleute 5) in feinen Zebun (Kaftans)
darunter ein eitler aufgeblasener Mensch Namens Sultan0),
3) OuLjtjt wJLb — uJuJJ- Ov- *) i«t***J' f»^' hXt£.
5) DieMn (Much&hldeh) ist zeitweilig und widerruflich der AufeuUult in Teimi gesUttct,
am hier Qeechifte zu treiben. Si« sind ein Ableger der persiscnea Colonie in UAjel, and losen
eintnder von dort aus ab. 0) Vgl. unten S. 105 und 801.
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150
KLFTJES CAPITEL.
dann noch sechs weitere Ehrengaste, die ich erst in den nach-
sten Tagen unterscheiden lernte. Um 9'/t Uhr ausserten wir
den Wunsch, uns jetzt zur Ruhe zu begeben. Das veranlasste
aber weder den Hausherrn noch die Gaste, sich zu entfernen;
im Gegentheil, um keineu Preis hatte sich Einer entgehen
lassen wollen, znzuschauen, wie wir unsere Lagerstatte berei-
teten, welcher Kleider oder gar Waflen wir uns entledigten,
was dabei herauskame, in welcher Lage wir uns zum Schlat
anschickten, in was for Hollen wir uns einwickelten und der-
gleichen. Ob bei diesen beraerkenswerthen Vorgangen noch ein
Dutzend anderer Meuschen ihre Neugierde befriedigen wollten,
konnte uns gleichgultig sein; ich hGrte nur noch, wie ein
Zuruckgewiesener lebbaften Einspruch erhob und zur Begrnn-
dung ausfahrte, er wolle doch nicht gestern und heute so weit
hergelaufen sein, und uns dann erst nicht sehen dflrfen.
Sa. 16. Febr. 1884]. Morgens etwa l'/t Stunden vor Sonnen-
aufgang erwies uns der gutmuthige Pfaffe cAbdallah Abu Mu-
hamined aus Schaljra ') die verwunschte Aufmerksamkeit, im
Hofe neben unsrer Thare eine halbe Stunde lang mit lauter
Stimme ganze Suren aus dera Koran vorzutragen. Eine andere
Gewohnheit von ihm lernten wir bei Tag kennen : jede Pause
in der Unterhaltung fallte er au3 mit dem Ausruf 1A ilaha ilia
'llah („Es ist kein Gott, ausser Gott"). Mit dem Fegr, also
etwa eine Stunde vor Tag kamen auch schon die Leute in die
Moschee, welche an unseren Hof stiess, um hier das Morgen-
gebet zu verrichten. Zehn - Minuten spiiter traten sie alle in
unsern (tfhawah ein, und brachten uns vollends um den llest
des Schlafes. Ad alveum exonerandum locum idoneum quaerenti
aream raihi raonstrarunt, parietinis saeptam, 90 m longam 40 m
latam. Cacatorium prostabat vastissimum, quo amplius vix
usquam invenies. Foveae arenosae interjectis grumis delectum
varium suppeditabant. Scaraba?i stercorarii a), munditiam pu-
1) Vgl. 20. Febr. 1684, uutcn Seite 1«3.
2) Jhi&i U?iz.
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r i j M ;\.
151
blicam administrantes quodcunque depositura minimis momen-
tis digerendo exstinguebant. Neque dubito, quin avarus ille
Catullianus, lapillis durior, uberrimam arenae copiam conspi-
ciens, emollito corpore et amnio ad liberalem largitionem in-
clinaverit.
Von da begab ich mich zu unseren
getreuen Thieren. Erstaunt sahen sie
mich an, als ich durch die ThQre in
den kleinen Hof trat, der ihoen als
Aufenthaltsort angewiesen war; drei
Lehmsanlen trugen ein Dach aus c»c*torium.
lotterigen Stangen gebildet, daruber verwelktes Laubwerk,
durch den Lehmboden floss in einer Rinne etwas Wasser. Seit
dem Aufbruch von I.Iajel bis gestern, also in 24 Tagen hatten
die Kameele, wie ich ja leicht uberwachen konnte, trotz man-
nigfacher Gelegenheit, nicht ein einziges Mai getrunken. Ich
neige zu der Meinung, dass diese Thiere, solange sie Grflnf utter
haben — also wie hier im Spatwinter nnd Frohjahr gewOhn-
lich — uberhaupt weder BedQrfniss noch Lust zu Wasser haben.
Wie ich aus dem Hofe
heraustrat, traf ich einige
Leute bescbaftigt mit zwei
Kameelen, die geknebelt auf"
den Boden gewoifen waren.
Im Feuer lag ein gluhendes
Eisen mit dem Stammes-
zeichen '), das unter grosser
Schinderei den Thieren in den Schenkel eingedruckt und dann
noch durch ein zweites gluhendes Eisen riechbar nachgebrannt
und vertiefb wurde.
Nun giengen die Schwierigkeiten an wegen der Beschaffung
von Beitthieren zur Reise nach Tebuk. Wir brauchten im Ganzen
5 Thiere; eines hatten wir in Gfeifeh lassen mflssen (S. 124),
1) maisfiin, uad ^ muhwar ^ ,
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152 RLKTES CAPITKI-.
das gemiethete (S. 130) gieng zurOck, auf einem weiteren sollte
y^lan den Ruckweg nach tfajel antreten. Thatsachlich hatten
wir nur drei zur VerfOgung gehabt, und diese wollten wir
noch schonen fur den zweiten Theil der Reise. Da wir nun
horten, dass die Scherarat zwei Tage von hier im Nordwesten
waiden, und die Fufcara (— Fedzir) ') etwa ebensoweit im Suden,
wurde Nauraau auf meinem Delul zu den Fukara gesandt, una
noch zwei weitere Kameele zu miethen. Hoffentlich fallt er keiuen
Raubern in die Hande. Erst vor wenigen Tagen sei ein Razu
der Ban! fjiakhr hier durchgezogen, und habe noch weit nach
Saden gestreift. Auch attain ibn Faiz (von den Rualah) sei
zwei Tage von hier gesehen worden. Ob dies wahr ist?
Uni 10 Uhr machten wir einen Rundgang durch die Stadt.
Unser erstes Ziel war der wunderbare Brunnquell el-Haddftg2),
in ganz Arabien und Syrien bekannt, auch durch Gedichte
mannigfach gefeiert. In der Mitte eiues von nahezu 80 ge-
mauerten Rinnen durchschnittenen Platzes befindet sich in
naturlichem, theilweise durch Steinbau erganztem, Felsboden
ein kreisrunder Schlund, etwa 20 Meter im Durchmesser. In
einer Tiefe von 15 Meter sieht man eine Flache lebendigen
Wassers, durch aufquellende Zuflttsse genahrt. Der obere Rand
ist umstellt mit einem Wirrwarr von Stangen, h6lzernen Radern,
Drehrollen, Stricken, Ledereimern und Ausflu3svorrichtungeu.
Nach jeder der vier Himmelsrichtuugen ziehen 12 bis 15 Ka-
meele, also vielleicht 60 Thiere, in 30 Meter langen Bahnen,
den ganzen Tag unablassig die Eimer aus der Tiefe; sie liefern
das Trinkwasser und durch die kleineren Vertheilungscanale
das unentbehrliche Nass fftr die Tausende von Palmen dieser
urn ihres Wasserreichtums willen von Alters her 3) beruhmteu
Oase. Das Wasserrecht der Gartenbesitzer ist ein sehr ver-
wickeltes, und gibt, wie allerwarts, Anlass zu vielen Streitig-
keiten. Eine Wasserader (Canal) theilt sich bis zu Ende des
[I) H.: Der SUmm hei*st el-Fedur (ling.), tl-Fegdra (plur.).]
8) JvA^ll. 3) Je»»j« 21, U.
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Tl IM:i.
153
Laufs in verschiedene kleine Rinnsale, die alle einzeln durch
Stellfallen abgeschlossen werden konnen. Das Gewohnliche ist,
dass die an einer Rinue Betheiligten auf einen, oder wenigstens
auf einen halben Tag, gemeinsam ein Kameel zum Ziehen eines
Lederknbels miethen, und dabei angstlich uber die richtige
Vertheilung in die Verzweigungen wachen. Die Besitzer oder
Miether eines Kameels setzen sich zu diesem Zweck an das
Ende der von dem Thiere zu durchlaufenden Bahn, balten auch
wohl zur Ermunterung und Beschleunigung des Laufes dem
ankommenden Thier eine Hand voll Fatter entgegen, indess
die jilngeren Familienmitglieder bei den durch die Strassen
laufenden Rinnen auf die Fallen Achtung geben. Als ich mich,
behufs Aufertigun«j einer Skizze, einer Gruppe von solchen
Brunncn al-Had«lAg io Teim'i.
Leuten naherte, standen sie ehrerbietig auf und raumten mir
den gewunschten Platz ein, huben auch gleich ein Gespi-fteh an,
um aus meiuem Munde eine Bestatigung ihres berechtigten
Stolzes zu vernehmen. Sie fragten mich, ob in meinem Lande
auch ein solcher Quell zu finden sei, oder gar ein Sel (ein
laufender Bach); ob Garten und dergleichen. Als ich mir die
Bemerkung erlaubte, dass ira Jjande Alemania 4000 oder mehr
Bache und Flusse das gauze Jahr ihr Wasser ungetrunken ins
Meer laufen lassen, und dass das ganze Land ein Garten und
bebaut sei, zwar nicht mit Palmen, aber mit Wald- und Frucht-
baumen, dazwischen Getreidefelder und uberall ^schub'1 (Grun-
futter), dass man jedoch nicht herumschweifen dQrfe, weil Alles
abgegranzt oder gar mit Hecken und Mauern eingezaunt sei,
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ELFTUS CAPITEL.
da raeinte ein alter — ich kann nicht sagen SpiessbGrger, eher —
Raubritter von Teiraa: „WeDn ja das Alles wahr ist, was du
da von deinem Lande erzahlst, warurn bist da dann nberhaupt
von dort weggegangen? Hm? — und im Cbrigen, wo es keine
Datteln, keine Kameele, keine Beduinen gibt, und wo man nicht
einmal herumstreifen kann, wo man will, so ist das ttberhaupt
kein begehreuswerthes Land.1' Die Anderen sehauten ihn, sich
und mich an. Ich war schOn abgefuhrt: ein Aufschneider und
Schwindler, dem aber fur alle Zeit zu Teima das Handwerk
gelegt ist! Schweigend rauchte ich meine Pfeife weiter, und
war froh als, nach beendigter Zeichnung, Huber mich verab-
redetermaassen abholte.
Ich brannte vor Ungeduld. im eigentlichen ftasr eine naba-
taische und uamentlich die alt-aramaische Inschrift zu sehen,
die mir Huber seiner Zeit in dem Tagbuch von seiner ersten
arabischen Reisc gezeigt, und die ich ihm far seinen Bericht
an den franzOsischen Unterrichtsminister als spatestens aus dem
5ten Jahrhundert vor Christi Geburt stammend bezeichnet hatte.
So oft in den engen Gassen Weiber uns begegneten, stellten
sie sich mit dem Gesicht gegen die Wand und liessen uns auf
der Rflckseite vorbeigehen. Der l£asr, in dessen Lehmmauern
aussen und innen drei Steine eingelassen sein so 11 ten, war von
den Regengussen arg verwflstet und desshalb zur Zeit unbe-
wohnt. In der ostlichen Aussenwaud, vielleicht sechs Meter
ilber dem Boden, war eiu merkwurdiger Stein eingemauert.
Da er aber mit dem Fuss nicht nach unten gerichtet, sondern
seitlich umgelegt war, musste ich, um ihn richtig zu erkennen
und zu zeichnen, den Kopf ebenfalls zur Seite drehen. Von der
elenden Nahrung der letzten Wochen wurde mir jedoch hiebei
so schwindlig, dass ich zweimal an die Wand fiel. Der Stein
soil, wenn die baufallige Wand ausgebessert wird, fur uns her-
unter genommen werden.
Das Ganze ist eine Opferscene : ein Mann steht auf dem ab-
gestutzten Wipfel eines mit Fruchten behangenen Palmbaumes;
hinter ihm rankt ein krafbiger Rebstock; zu beiden Seiten der
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TKlMll. | 155
Palme auf niederen Gestelleu fussend zwei grosse Amphoren,
die Ergebnisse der letzten Weinlese und Dattelernte enthaltend ;
der Mann wendet sich nach links gegen einen mehrstockigen
Sculptur in TcimA.
Auf bau von Scheraeln und Kissen gebildet; daruber auf einer
Tragbahre ist die Bildsaule der Gottheit sitzend zu denken ').
Zwei andere Steine mit Inschriften leichter erreichbar, konn-
ten wir auf der Stelle herausnehmen und in unser Haus schaf-
fen lassen.
Nach dem cAsr machten wir. einen Gang an das Bachbett
(Schacib) oberhalb der Stadt, wo verschiedene schlechte kutische
Inschriften eingemeisselt wareu. Auf dem Wege dahin fanden
wir viele Scherben von gebranntem Thon, auch von Steinge-
fa&sen, dazwischen schOne Stucke Carneol. Darnach setzten wir
uns noch eine Zeit lang an den grossen Brunnen (Haddag),
und machten sodann einen Besuch bei Gar allah el-Jusuf,
1) Ich wurde e. nicht f.ir ausgeschlo.sen haltcn, dau da. Bild zutammeDgehort mit der alt-
aramaiachen Inwhrift im Corpus Inscriptionum Semiticarum II, 114, dau alio der Opferade eben
der dort genannte Ma nan bar cImr&n ist, and dags auf dem Thron (JQrPS- 2JVQ) daa Bild des
Gottca Selfcm too Mahram sich befuoden hat.
2) Corpus Inscript. Semit. II, 114 und 386.
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156
KI.KTLS CAPITtL.
dessen Haus sich durch peinliche Sauberlichkeit auszeichnete.
Wande und Boden waren mit grossen Teppichen geziert, die
in einer besondern Webart und mit eigenthumlichem Muster
hier am Ort gefertigt werden. Als Prei9 eines sechs Meter
langen Teppichs wurde mir 30 Megldi (etwa 100 Mark) ge-
nannt. Von hier wurden wir abgeholt zum Abendessen bei
einem anderen vornehmeu Mann cAbd el-cAziz er-Rumman.
Wir bekauien da zu h6ren, was fftr Nachrichten uber unsere
Person laugst vor der Ankunft in Teima eingelaufen waren.
Der Khatib wusste, dass cAbd el-Wahhab nicht meiu wabrer
Name sei; dass ich die Bildnisse des Mufenig und des Gy6har
gemalt habe; dass wir dem Emir Flinten gegeben hatten, mit
denen man gerauschlos einen Menschen tddten kftnne; dass
Huber sich unsichtbar zu machen verstehe u. s. w. Ferner wurde
uns erz&hlt, dass heute ein Mensch, aus dem £asim geburtig,
in 40 Tagmftrschen von Aegypten kommend, hier eiugetroffen
sei. Kr habe seinem Kameel 16 Flinten und je 100 Kugeln
dazu (Martini-Patronen?) aufgeladen, wahrend er selbst zu Fuss
hinten drein gieng. Die Gewehre sollen vom Aufstand des
cArabi herrflhren, und als (lesehenk for den Emir in Hajel
bestimmt sein.
So. 17. Febr. 1884]. Eben hatten wir gefrnhstuckt, da holte
man uns zu Tu6ni er-Rumman zum Essen. Es wurden Dat-
teln nebst Brodfladen vorgesetzt, dazu in zwei kleinen Schus-
seln sowohl frisclie als heisse Butter, als Trunk saure Milch
(leben). Beim Abschied durch den Hot schreitend gewahrte ich
mehrere Blasrohre aus Kirri-Holz '), die hier sehr .gebrauchlicb
sein sollen. Kaum waren wir da fertig, so wurden wir von
Fahad et-Talak zum Essen in sein Haus geleitet. Es gab aber-
mals Datteln, Brod, Butter, Sauermilch. Unter den Eingeladenen
befand sich auch ein geschickter Waffenschmied, Namens Zeidan,
den ich wegen seiner Ortskenntniss uud seines Eingehens auf
meine Absichten mir zum Begleiter durch die Stadt erkor. Ich
1) ^c^S vgl. obcu JScik 131, Anm. 3.
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TKIMs'l.
16?
hatte es nicht zu bereuen. Sobald das Essen abgemaeht war,
begab ich mich init ihm alleia in den Westen der Stadt, wo
nach seiner Angabe das alte Teima zwei Klafter ') tief im Bo-
den stecken soli. Bei einem oberflachlichen Gang durch das
sandige Gelftnde hob ich Glasscherben, Bruchstucke von Bronze
dick mit GrOnspan ilberzogen, Brocken von Cementbdden und
Carneole auf. Ein nach Norden laufender, mit Kalk ausgemau-
erter Canal schien mir ehemals bestiramt, das Wasser in den
Salzsurapf (Sebkhah) abzuleiten. Weiter sndlich kainen wir zum
Kasr ed-Diilr, einem grossen viereckigen Bau mit Eckthflr-
men und Resten eines verschntteten Brunnen3.
Von hier filhrte er mich
an ein etwa 5 Minuten wei- ^ , fiP--*
— n
K&sr ed-D&ir in Teimu.
ter nach Suden gelegenes
Haus, Tl6hana) genannt, in ^l£lDl^;^
welchem ich die merkwur-
digste Ausbeute meiner ara-
bischen Reise fand: Am zweiten inneren Thor des Anwesens,
rechter Hand als ThQrpfosten, war rait dem Kopfe nach ab-
warts und mit der zun&chst nicht sichtbaren bildlichen Schmal-
seite (mit den Figuren des Gottes oder Kdnigs und des Priesters)
ein Stein eingesetzt, den man in der gelehrten Welt3) heuti-
gen Tages als Stele von Teima kennt. Wie ich die Buch-
staben sah, konnte ich meine Aufregung nur muhsam verbergen ;
mit erheuchelter Seelenruhe nahm ich einen Abklatsch in Papier.
Vom Besitzer 4) des Hauses angebettelt, gab ich gern ein Geld-
geschenk. Dann eilte ich, nachdem ich Zeidun auf morgen friih
bestellt hatte, ermildet, doch stark erregt, heimwarts, urn Huber
von der neuen Entdeckung in Kenntniss zu setzen, und ihn
uber die Wichtigkeit der Inschrift autzuklaren, die sicher dem
6ten Jahrhundert vor Christo angehOrt, Der Stein soil morgen
1) ejjf bft: (bcinahc boc lautcuil). 2) ^L>fJlI>.
8) Corpus Inscriptionum Semiticaruin II, 113.
4) JJte cAdzil, oder J-Jic 'Adzil? Beide Namen, 'Adzil und cJd:U (Odzit), siod moglich;
rgl. He&s, Beduinennaroen, S. 40.1
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EL1TKS CAI'ITEI..
herausgenommen und zu uns ins Haus verbracht werden. Abends
waren wir zn Tufini eingeladen und baben dann noch den Kaffee
bei cAbd el-eAziz er-Ru m man getrunken. Hundertmal lieber ware
ich daheim geblieben, urn den Papierabdruck der Inschrift zu
studiren.
Mo. 18. Febr. 1884]. Der Gedanke an die Stele trieb micb
die ganze Nacht um, und brachte mich um alien Schlaf, so
dass ich bereits um den Fegr, noch bei Kerzenlicht, wieder den
Papierabklatsch zur Hand nahm. Nach Tagesanbruch entledigte
ich mich zunachst einiger monstra von Kleider-Lausen, und
folgte dann dem Waffenschmied Zeidan zu einem Gang durch
die Stadt; zuerst in das Haus des Khatib Mu hammed el-
CA t i d z '), wo im Tnnern auf einer steinernen Durchgangs-Schwelle
e ben falls eine aramaische Iuschrift eingemauert war ; dann flber
einen mitten im sudOstlicheu Teil der heutigen Stadt gelegenen
Friedhof, aus dessen Grnnd noch runde Saulenstumpfe (von einem
Tempel1) herruhiend ?) hervorragten ; unweit davon Schlacken
von alten SchmelzOfen und verglaste Topfereien, dabei eine
Hyanenfalle mit Aas. In seinem Hause angelangt verehrte mir
Zeidan ala Geschenk ein schwarzes Steinbeil, das er zum Pro-
biren von Silber und Gold verwendet hatte. Ausserdem besass
er ein alterthilmliches Thongefass, ohne Kunstwerth.
Bis ich von dem Rundgang zurflckkehrte, standen im Hofe
sieben Mann, welehe eben die Stele vom Tlehan abluden. Ich
Hess jedem Trager einen Viertel Megtdi, und dem Besitzer Vft
Megidi (etwa 5 Mark) auszahlen. Nachdem die fremden Leute
entlohnt waren und das Haus verlassen hatten, konnte ich
mich erst daran machen, den Stein naher zu prflfen. Huber
erinnerte sich jetzt, dass er den Stein schon auf seiner ersten
Reise (1880) gesehen, ihm aber keinen Werth beigelegt habe1).
Die Steinplatte ist 1,10 in. lioch, 0,43 m. breit, und 0,12 m.
dick. Sie ist oben abgerundet , und trilgt auf der linken Schmal-
1) Vgl. antcn, Tagbuch vom 8. Miirz 1SS4. 2) Vjrl. unten, Tagbuch vom 12. Marx 1884.
3) Man 5ehe Ch. Hubcr, Inscriptions rcnieillie* Uons l'Arabio cenlrale 1878 — 82(?) im:
Bulletin de la Society de Geographic p. 289 If., und die Abbilduog N°. 85.
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■mm'*. 159
seite zwei Bildnisse, namlich: das Bild des Gottes [$elem von
Hagam?], in Gestalt eines stehenden bartigen Mannes, in assy-
rischer Kleidung, mit der assyrischen hohen Konigsmutze auf
dem Haupte, in der linken Hand einen Speer tragend, die
Rechte wie zum Schutze des Priesters ansgestreckt. Cber dem
Gott breitet sich die geflilgelte Sonnenscheibe. Dann: unter
dieser Darstellung etwas kleiner das Bild des durch die Bei-
schrift als solcher bezeichneten wPriesters §el6m-8chezebM, eben-
falls in assyrischer Tracht, baarhauptig, in der Stellung eines
Opfernden vor dem mit einem Stierkopf gezierten Altar. Schrift
und Figuren sind in halb erhabener Arbeit au9gefuhrt. Wiewohl
der Stein in seinem oberen Theil, mit dem er auf den Kopf
gestellt im Boden gesteckt hatte, ziemlich zerstdrt ist (besou-
ders Zeile 5—8), kann man heutigen Tags doch den Wortlaut
mit annahernder Sicherheit feststellen *).
Gemeint ist also: Die Stele ist errichtet von einem Priester
Namens §elem-sezeb, Sohn des Petosiri, zu Ehren eines durch
ihn von auswarts nach Teima hereingebrachten Gottes „Sel£m
von Hagam", wodurch er bekunden will, dass er rait Zustim-
mung der einheimischen G6tter Teima's (Selem von Mahram,
Sangala und Aschera) den Dienst des neuen Gottes eingefnhrt
babe, und dass der K6nig und die alten GOtter an dessen
Terapei eine alljahrliche Kultusabgabe, das Ertragniss von 21
Palmbaumen, zahlen, und zugleich ihn und seine Nachkommen
als Priester des neuen Gottes anerkennen.
1) Die erste vorliiafige Verf.ffcntlichung erfolgie durch Noldeke in den Sitiungtberichten der
k. Prcus». Ak*kmte der Win. 1884 N» SB, Seite 818 ff.
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1 00
ti.ms OAIMTKI.
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Coty^' rut WPT33 ini^D 2* "hcbc 13 3racSfc vpi;x ksti n
0BER8KTZDNG '):
1
im Jahre 22 [des K'Onigs] 2 [haben berechtigt
zu Teiraja $clum [von Mahrani und Sangala 3 und Asch]era,
die Gfitter von Teima, den $elem von 4 [Hagam] ... an diesem
Tage zu Tei[ma] 6 welcher 6 7 8 ....
desshalb [diese Stele], 9 welcbe [errich]tet hat $el£m-sezeb, der
Sohn des Petosiri, 10 [in dem Tempel des §]elem von Hagam.
Desshalb haben die 0 Otter von 11 Teima berechtigt den §elem-
sezeb, den Sohn des Petosiri, 12 und seinen Samen im Tempel
des §elem von Hagam. Und jedweder, ls der zerstort diese
Stele, den m6gen die Gutter von Teima u ausrotten, ihn und
seinen Samen und seinen Namen von der Fhlehe vod 16 Teima.
Und dies ist die Gerechtsaine, welehe verliehen haben 16 §elem
von Mahram und Sangala und Ascbera, 17 die Gutter von
Teima, dem Selem von Hagam . . ., 18 vom Grundbesitz 16 Palmen
und vom Krongut 19 des Konigs 5 Palmen, Summe der Palmen
20 21 [alljjahrlich. Und weder die Gutter noch irgend ein
Mensch 21 sollen entfernen durfen den Selem-sezeb, den Sohn
des Petosiri, 22 aus diesem Tempel uoch seinen Samen noch
seinen Namen 23 als Priester in diesem Tempel [in Ewigkeit]".
Auf der Schmalseite unter dem 13ild :
„SelOm-sezeb, der Priester".
1) Nach spiiterer eadgiltiger FesUtclluug [und kleincrcu Bcrichtigungea von dem Hermmgeber.j
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TEIMfl.
1G1
Da ich mit Huber schon vor Antritt der gemeinsamen Reise
in Strassburg ubereingekommen war, dass ich rair von alien
etwa von ihm entdeckten oder spater gemeinsam zu entdek-
kenden, transportabeln AlterthGmern als mein persflnliches
Eigenthum fur meine seiner Zeit dera Staat zufallende Samm-
lung uberhaupt einen Inschriften-Stein auswahlen dOrfte,
wahrend ihm alle andere Ausbeute verbleiben sollte, so ver-
standigten wir uns jetzt dahin, dass er mir die Stele vom
Tlehan uberlassen wollte ').
Der Transport des Steines, der etwa 150 Kilogramm wiegen
mag, wird allerdings seine Schwierigkeiten haben, und wird
besondere Vorkehrungen far die Vertheilnng und Befestigung
der Last auf einem Kameelssattel erfordern. Im Laufe des
Tages wurden noch andere aramflische Steine a) in unsere Woh-
nung verbracht. Vielleicht ist es das Beste, alle Steine nicht
mit uns auf der Reise im Uigaz herum zu schleppen, sondern
durch ungefahrliches Gebiet zunachst nach tfajel zu befdrdern. —
Nachmittags wurde ich noch in verschiedene Hauser iind Garten
geschleppt, wo angeblich Steine mit Inschriften sein sollten;
von Inschriften war nun keine Spur vorhanden, nur der gute
Wille war da; die Leute haben ja keine Ahnung, was Buch-
staben sind. In solchen Fallen der Enttauschung aber Unmuth
zu zeigen, oder gar in Schelten zu verfallen, ware ausserst
unklug; man lauft sonst Gefahr, dass sie einem uberhaupt
Nichts mehr zeigen.
Di. 19. Febr. 1884]. Morgens wurden wir von Ma h mad el-
' A 1 & w i 3), einem fruheren Reisebegleiter Hubers, zum Essen
eingeladen. Wir trafen bei ihm ein ausnehmend sauberliches
Hauswesen mit schonen Teppichen. Selbst die herumstehenden
dienstbereiten Kinder wareu zur Reinlichkeit und Punktlichkeit
erzogen ; so z. B. war ein kleiner Bub da, der ungeheissen den
1) Durch dio uaMlige Ermorduog Hubert am 30. Juni 1884 kam die Saehe freilich ga»
aadera. [Der Stcto wurde durch die Bemiihung det fraazoaiKhca CodsuU in Dacbidda, Dr.
Lostalot, in das Lourre*M<uenm nach Pari* geachaffl.
2) S. obeo, Seite 155.
[8) H.: Mir i.t ah Name nur die Form cOUm bekannt.l
11
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162 KLFTES CAPITEI.
KafFee-Morser nach Benutzung rait einem Tuch wieder zudeckte.
Die Tassen, schon vorher sauber, wurden vor unseren Augen
nochmals rait Wasser gespfllt, getrocknet auf eine Kupferplatte
im Krei9 gestellt, in die Mitte eine Kohle gethan und Weih-
rauch darauf, darnach die Tassen einzeln fiber den Ranch ge-
halten, und dann der Kaffee gereicht. Arabien ist eben von
Alters her das Land der Wohlgeruche.
Da far heute keine weitere Eiuladung vorlag, hatte ich Zeit,
mich meiner Korperpflege zu widmen, d. h. mich ganz grnnd-
lich zu waschen, und den Schadel wieder einmal kahl rasiren
zu lassen. Das arme Hasirmesser ! mehr eine feine Sage —
und der arme Kopf !
Huber ersuchte mich, ihm die verschiedenen hier gefundenen
Inschriften in sein Tagbuch zu zeichnen. Die Steiue wurden
durch Meisseln und Abschroten an der Rttckseite auf einen
kleineren Umfang und geringeres Gewicht gebracht. Nicht genug
zu beklagen hatte ich, dass wir weder durch Versprechungen
noch durch unverbl urate Drohung es fertig bringen konnten,
eine Saule mit Inschrift, die vor ein paar Jahren aus dem
grossen Brunnen Haddag heraufgeholt worden war, zu erwerben,
oder auch nur behufs Copirung zu Gesicht zu bekommen. Der
augenblickliche widerborstige Besitzer, ein gewis9er Selamah el-
eAld, entzog sich durch plotzliche Entweichung in die Waste
— „um Futter zu holen" — alien weiteren Zumuthungen.
Von unserem Gastwirth cAbd el-cAziz el-'Enkri waren wir auf
den Abend zur Mahlzeit eingeladen. Der Diener Mahmtid hatte
uns vorbereitet: das Essen sei schauerlich verpfeffert — darait
wir nicht so viel assen! Es war allerdings arg verpfeffert, aber
es kam doch wenigstens Fleisch zu dem Reis, worauf ich bei
dem Geizkragen gar nicht gerechnet hatte. — Als ich nachher
ganz zufallig einen zerbrochenen Kautschuk-Ring aus der Tasche
zog, wurde ich, wie schon fruher einmal, von zwei Seiten
gleichzeitig gefragt, ob das Schweinsleder sei.
Mi. 20. Febr. 1884 J. Der Khatib 'Abdallah aus SchaM, der,
weun ich nicht irre, seinen Nachtschlaf im Hofe vor unserem
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TniM.k
Zimraer abhalt, wollte am Frahmbrgen d. h. 1 Stunden vor
Sonnenaufgang, uds abermals eine Aufmerksamkeit ') erweisen,
und trug etwa 20 Minuten lang mit lauter Stimme einige
Suren aus dem Koran vor. Oh! wilrest da doch still! wie gerne
vergatete ich dir deine unterdruckte Fr6mmigkeit!
Um 8 Uhr begaben wir uns zmn zweiten Morgenessen in
das Haus eines gewissen T&Ub el-eAld, dann zu Gar allah el-
cAtidz zum Kaffee. Huber zweigte von hier ab in das Haus des
Muhammed el-eAtidz, um von ihm den Stein aus der Schwelle
seines Hauses gegen Verabreichung von 2 Megidi herauszube-
kommen.
Um die Mittagszeit kam nach filnftagiger Abwesenheit Nauman
mit 4 Beduinen vom Stamme der Fuljara und 4 Kameelen
zuruck; er batte sie an der Pilgerstrasse in der Geg^nd von
el-Jtegr aufgetrieben. Als sie seiner zuerst ansichtig geworden
waren, batten sie die Flucbt ergriffen, weil sie in ihm einen
Rauber und Vorlaufer eines Kazu furchteten. Sie verlangten
fur jedes der Kameele von Teima nach Tebak und zurflck 10
Megidi (37 Mark), und als Trinkgeld far jeden Mann noch ein
Hemd. Nach Tebuk brauchten wir nur zwei ; zwei andere waren
fur unsren alten Fahrer ^lan bestimmt, der noch heute
Abend den Rflckweg nach ftajel antreten und Briefe an den
Emir, IJaniftd el-eObeid, Selamah, und 'Abdallah el-Muslimani
mitnehmen soil.
1) S. obcn Scitc 150.
I
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Xn. CAPITEL.
Von Teimft nach Tebflk and zuruck.
21. Februar-6. Mans 1884.
Do. 21. Febr. 1884]. Heute wollen wir nach Tebuk aufbrechen.
Es gilt also, noch rasch die nothigen Vorbereitungen fur die
Htagige Reise zu treffen. Unser Gastwirth cAbd el-cAziz el-'Enkri
stellte sich bockbeinig und knickerig an, gab uns als Mund-
vorrath weder Reis, noch Kaffee, noch Butter, bloss Mehl und
Datteln, die letzteren sogar erst nach einigem Wortwechsel
und nach der ausgesprochenen Drohung, dass wir den Emir
von seiner Schabigkeit unterrichten wollen; der werde es ihm
dann schon eintranken. Wie sich am Abend herausstellte, wa-
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TEIM& — TEBftK UND ZURCCK. 165
ren die Datteln uberdies schlecht, und durch beginnende Gah-
rung kaum geniessbar. Der persische Kaufmann Sultan ') ist
ein elender Tropf; vor 8 Tagen schon hatte er sich fflr ein
zu lieferndes Quantum persischen Tabaks (Schaweri) das Geld
voraus bezahlen lassen, unter windigen Ausreden aber bis heute
noch keinen gebracht. Der Teufel soli den verfluchten Schfa
holen! Wo soli ich denn jetzt was zu rauchen herkriegen? 0
Schifafc! ich gedenke deinP).
Um 10 Uhr brachen wir auf. Viel Gepack hatten wir nicht.
Wir waren 5 Personen: Huber und ich, der Diener Mahmud,
Nauman und fAwwad ibn Rneimeh, Schech der tfugur, eines
Zweiges der Fiiljara8). Zwar wollten die drei anderen Fiikara
uns auch nach Tebnk begleiten; erst als wir ihnen erflffneten,
dass wir fflr sie durchaus keine Lebensmittel flbrig hatten,
wurden sie von ihrer Reiselust abgeschreckt. Der Plan, mit
einer Abbiegung gegen Osten nach dem Tawil zu (eine Tag-
reise vora Gy6f entfernt) den Weg nach Tebuk zu nehmen,
mussten wir aufgeben, weil der Schech erklarte, sie, die Fiikara,
seien Feinde der Scherarat, durch deren Gebiet dieser Weg
fflhren wflrde; diese warden ihn „inetzen", er drehe lieber
gleich una, und selbst wenn wir sein Delul mit Gold fflllten,
gienge er nicht mit. So schlugen wir denn die Richtung nach
Westnordwest ein; rechts hatten wir zun&chst die auf Sand-
hflgeln sich hinziehenden Reste der alten Stadtmauer, gegen
Norden die Ebene mit der Sabkhah (Salzsumpf). Nach einer
Stunde kamen wir an einer verfallenen Warte4) vorbei; vor
uns tauchten in der Feme zwei Gebirgszflge auf, links der
Farwah8), rechts der pabca°). Um P/t Uhr streiften wir eine
1) S. oben Soite
2) S. ob«n Seite 128.
4) luLt Jvj .Uairf Mtnt&r B»n! cAtijjeh.
6) „Pelr".
fl) fcytt JA-f'kw". [H.: Beuer Qaba- oder jp»S? ta tpreclwn.]
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166
ZWtil.KTKS CAPITKL.
grosse Wasserlache, die Khabrat er-Riialah1). Der Boden war
ohne alien Pflanzenwuchs. Der Wind blies heftig aus Westen.
Urn 31/* Dhr lagerteu wir in der Schifa Mahaggeh').
Fr. 22. Febr. 1884]. Nachdem wir eine Tasse Thee zu uds
genommeo, bracben wir mit der Sonne auf, und durchzogen
die Ebene Greideb3). In der Feme jagte vor uns eine schnee-
weisse Gazelle, Baljarat el-wah§ (Oryx beisa)*) vorbei. Urn 11
Uhr fanden wir etwas Futter bei einer Anzahl Talh-Baume
(Akazien) *), die von nun ab den Charakter der tfigaz-Landschaft °)
kennzeichneten. Rasch bereiteten wir Brod in der Asche und
wollten bald weiter reiten. Als das Kameel Hubers gleich nach
dem Aufsteigen beiin Anblick einer Schlange scheute, erhielt
es von Huber mit dem Stock einen Scblag aus Versehen uber
das Auge, und war!' den Reiter in weitem Bogen zu Boden
auf den Kopf. Eilends sprang ich von meinem Thier ab, um
nach ihm zu sehen. Durch den Sturz betaubt lag er einige
Zeit bewusstlos, und klagte uber innerliche Schmerzen. Eine
halbe Stunde spater erklarte er sich soweit wieder im Stande,
dass wir behutaam weiter reiten konnteo. Doch beredete ich
ihn nach einer Stunde, nochmals abzusteigen und sich auszu-
ruhen ; er legte sich auf den Bauch, was ihm noch am meisten
Linderung gewahrte. Unter steigendem Wind naherten wir
uns dem Gebirgsstock des Farwah und wanden uns durch die
Schlucht7), welche die Felseu durchzieht. Im hinteren Ende,
in einer Seiteubucht schlugen wir unser Nachtquartier auf. Ein
von der Sonne silberweiss gedOrrter Baumstrunk lieferte Stoff
zu einem machtigeu Feuer.
Sa. 23. Febr. 18S4]. War es die Nahe der Glut, oder die
3) sJuj>.
[4) Oryx beatrix, vgl. oben S. 10, Anw. 2.]
i 5) H.: Acacia Seyal Del ]
6) Schcch Awwfld, befragt, wo eigvutlicb die Grou/.cp des Higax auhebeo, gab zur Antworl:
„Wcuii du vide Tolh-Bauwe bfisaniraeo sichtt, das iat steber der Higftz".
7) ^3**a!i oL^as> iJu. Rrat haslit cl-keui?.
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TKIMft — TKHl'lK t'ND ZURlJfK. 167
Menge des genossenen Kaffees, kurzum ich habe schlecht ge-
schlafen, bin auch mitten in der Nacht nochmals aufgestanden
und habe an dem glostenden Baumstamm wieder eine Pfeife
angesteckt. Wahrend wir als Frahsttick Brod bereiteten, molk
der Schech cAwwad seine Kameelsstute far uns. Zwei und eine
halbe Stuude ritten wir auf einer pflanzenarmen Ebene auf-
warts. Der Boden war besat mit seltsamen Steinen; da lagen
Stttcke wie gemasertes Nussbaumholz, dann schwarze cylinder-
fOrmige Brocken, theilweise durchbohrt, weiter Haufen von
Sandsteiu-Platten, die Stabe oder Zapfen vielfach ausgewittert.
Die letzteren wurden vora Schech cAwwad als „Dud Ejjub" ')
bezeichnet, weil der selige Iliob bei seiner Genesung die War-
mer hier in der Waste sich vom Leib geschattelt habe. Spater
seien 9ie versteinert. Oben auf der hGchsten Stelle that sich
ein weitgedehntes Panorama auf.
Vor uns in westlicher Richtung die Kette des 'Awerid*),
rechts nach Norden.anstossend die Kuppe des cAnaz, dann die
Kdpfe der Atlab, noch weiter nOrdlich stiegen, gauz im Hinter-
grund, hellblau die Gipfel des VV utar, Scheiban, und die zackige
yarrat Bani cAtijjeh empor. — Als wir wieder aufbrachen,
machte der Schech eAwwad uns auf die Spuren eines (jberfalls
aufmerksam, den die Fukara vor fanf Tagen von Seiten der
Bani $akhr und Scherarat erlitten hatten. Beim Abstieg in den
Scha'ib Aenad 3) bot sich den Thieren zunachst gutes Futter,
spater nichts mehr. Auf einmal gewahrten wir ganz erschreckt
den Boden zerstampft von Pferden und Kameelen. cAwwad lachte
laut auf: das sei schon lange her, hier sei cAneber4) ausge-
zogen worden. Mit sichtlichem Behagen erzahlte er den Her-
gang folgendermassen : Vor mehr als zwei Monaten sei cAn6ber ^
(der Sclave und T ribut-Eintreiber des Emirs von H&jel) zuaam-
1) Vergleiche Naberei unten S. 190 (Tagbuch vom 8t«n Milra). Der arme Htob mu»» aW
viel voo dicsara vermebrungsfabigen Getbier auf »ich gehabt haben!
2) *f>.
3) oUft! ^f*^. 4) Siehe oben, S. 111.
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168 ZWOLHTKS CAP (TEL.
men mit dem grossen Schech Muhammed ') ibn cAtijjeh —
nachdem sie ihre Aufgabe bei den westlichen Staminen been-
det batten — im GanzeD 12 Leute, bereits auf dem Heimweg
begriffen gewesen. Eben hatten sie bei SonnenuntergaDg in
der friedlichen Landschaft abgekocht, da kamen auf einmal
Ober die Sandlehne heruber gesprengt zwei, drei und gleich
noch mehr Reiter zu Pferd, die Gewehre im Anschlag. Die
t)berfallenen hatten nicht einmal Zeit ihre Waffen schussfertig
zu machen, da rief ihnen cEjtana), der Schech der eEisa (von
den Ban! §akhr) zu: „Halt! Hier sind Bani §akhr und Freigat3)
bei einander! Wenn ihr eines von unseren Pferden t6dtet,seid
ihr Alle verloren! Barid? barid?"4). In richtiger Erfassung der
Sachlage — es waren im Nu 35 Reiter zu Pferd, und 50 zu
Delul auf dem Schauplatz — legten die ttberraschten die Waffen
nieder, und riefen: barid! wobei sie die Handflachen der ge-
seukten Arrae nach vorwftrts kehrten. Zuerst wurden ihnen
die WaflFen abgenommen, dann die silbergefullten Sacke aufge-
schnurt. Nun begann der schwierigste Theii des Gesch&ftes
In 2!/i Stunden hatten sie das ganze Steuer-Geld bis auf den
letzten Megidt nachgezahlt; es waren richtig 7000 Stuck. Mit
der Vertheihmg der ubrigen Beute verfuhren sie summarischer.
Was muss der Anfflhrer cEjtan far eine Freude an dem schar-
lachroten Mantel des cAneber gehabt haben; er brauchte ihn
nicht wie Achan0) zu verstecken, sondern konnte ihn schmun-
zelnd sofoit selbst anlegen. Mit Rucksicht auf die warme Wit-
ter ung gieng die Beraubung grQndlich vor sich, bis aufs Hemd
einschliesslich ! H6hnisch wurden sie auf die benachbarte Fe-
stung (das Pilger-Castell el-Muea?zam) verwiesen; dort sollen
sie von den Turken sich mit Hemden, Mauteln und sonstigem
Nothbedarf neu ausstaffiren lassen. (Dass der dort gewahrte
1) Siehe Bd. I, S. 224, 226 und oben, S. 89. 2) 0Uja£.
3) oWr./, cio Zweig der Howcitat.
4) Bcdouteod cigcntlich „Kolt", danD im Sinn von ,ouf Gegenwehr venichUnd".
b) Vgl. Bd. I. S. 103.
6) Joaua 7, 21.
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TF.IM& — TEBIIK DND ZURtfCK.
169
Ersatz dann nicht gorade nppig ausgefallen war, davon batten
wir uns ja schon vor ein paar Wochen zu M61jaV) durch Augen-
schein aberzeugen kOnnen). Erheitert durch die Erz&hlung gien-
gen wir ziemlich rasch vorwarts; wir machten bis zu 7500
Schritten in der Stunde. Bei der leicht trabenden Gangart
rutschte mem Sattel stark rQckwarts. Ich musste absteigen
und ganz frisch satteln. Der Wind gieng in Sturm uber, als
wir zwiscben den kahlen Schuttbergen aufwarts rflckten. Auf
der Passh6he angekommen bot sich uns ein scbdn gerahmtes
Bild: durch die mit Triebsand ausgefullte Schlucht sah man
hinaus auf die Ebene, in welcher das Castell el-Muca?z am 2)
mit seinem Teich und dem einsamen Talh-Baum auftauchte.
Annnherung an el-Mu'az/am.
Eine halbe Stunde spftter stiegen wir an dem Castell ab,
und waren hinter den Mauern gegen den tosenden Sturm ge-
borgen. Die Thiere aber die hohen Staffeln in den innerenHof
zu bringen, kostete natflrlich wieder Milne; vorgehaltenes Fut-
ter erwies sich noch als das wirksamste Mittel. Begrilsst wur-
den wir durch den Commandanten der besatzungslosen Festung
Si Muhammed Aba cUmar es-Serfcawi aus Fez3), einen freund-
1) Sielie obeo, Seite 111.
170
ZW.'.ITTF.s i \PITKI..
lichen alten Mann, der wie die meisten Festungsw&chter an
der Pilgerstrasse als Maghrebi von cAbd el-Jviider hier unter-
gebracht war. Er hatte zwei Weiber, zwei Kinder, einen Schwager
und noch einen Mann Namens Ahmed bei sich. Zum Willkomm
wurden Datteln und Kaffee vorgesetzt, und dann gegen Abend
Reis gebraeht. Die Festung, wenn ich reeht gesehen, im Jahre
1031 d. H. (= 1622 n. Chr.) erbaut, bildet ein regelmassiges
Viereck mit Eckthurmen, deren Kuppeln theilweise eingestilrzt
sind. Dnrch eine schwere eisenbeschlagene Thflre wird der Ein-
gang verschlossen. Im Hofe heKnden sich zwei bogengewOlbte
H alien, dann mehrere verschlossene Kammern und ein ofiener
Stii.ll. Eine Steintreppe fahrt auf den Umgang des ersten Stockes,
welcher die Kuche und den liarim beherbergt. Ein zweiter
gauz schmaler Umgang verbindet als Wehrgang je ein Paar
der Eckthnrme. Auf der Sudseite ilberragt ein Soller als Auslug
die Brustung. Ausserhalb der Festung nach Suden erstreckt
sich etwa 60 Meter lang die Birkeh, der Wasserteich; am
Rand stehen zwei viereckige Steiupfeiler mit verwitterten In-
Festung el-Muc«//nin.
schriften; auf der Sudwestecke ein Talh-Baum. Diesmal, in
Folge der vor einem Monat gefallenen Regenmassen wai* der
Teich bis zum Rand mit Wasser gefitflt, wahrend bei der Rack-
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TKIM& — tkbAk und ZURtfCK.
171
kehr der vorigjahrigen Pilger-Karawane nicht ein Tropfen Was-
sers darin war.
Far unsere Kameele war Futter im Hofe aufgeschattet. Wir
hatten bereit8 zu Nacht gegessen, und die Sonne war eben hin-
abgegangen, da wurde geraeldet, in der Ferae zeige sich ein
die Castelle an der Pilger9trasse inspicirender tflrkischer Offizier,
der von el-c(Ma zuruckkehrend ebenfalls nach Tebftk reise. Zur
Vorfeier seines zu erwartenden Eintritts hid der offenbar wenig
kriegerisch veranlangte Ahmed ein paar alte Pistolen, und
knallte dieselben — aus Furcht, sie ktinnten etwa auch nach
ruckwarts losgehen ? — mit abgewandtem Gesicht in die Luft los.
Hof der Festong kl-Mn^azzam.
Bald darauf erschien der Offizier im Hof. Es war tfasan
Agha, Commandant der zwei Festungen Tebuk und Zmurrud,
der wie alle die Befehlshaber der an der Pilgerstrasse von
Damascus nach Mekka liegendeu Castelle, sein Haus mit Familie
in Damascus hat, und jetzt auf 6 Monate, bis der I^agg wieder
angeht, dorthin sich begibt. Im Gesicht glich er dem Jud Sflss,
wie ich ihn in meiner Jugend oft abgebildet gesehen habe. Er
begrusste uns kaum, weil wir nicht far nOthig erachteten, uns
vor ihm zu erheben. Ziemlich protzig nahm er Platz, stieg aber
bald mit seinen fttnt Leuten ins obere Stockwerk, wo sie sich
ein Essen und Kaffee zurecht machten. Im Hole blieb sein
Pferd, ein von uns lange nicht genossener Anblick ; die Kameele
blieben draussen. TJnter seinen Leuten war einer aus Tanger,
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172
ZWOLKTES CAPITKL.
Namens cAbd es-Salani, der seiner Zeit am Suez-Canal gear-
beitet hatte, und der nun, uns zu Ehren, in einer schwer ver-
standlichen Mischung aus Spanisch und Franzosisch von den
goldenen Zeiten schwadronirte, wo man in Burt Saeid (Port
SacId) mit Leichtigkeit 5—7 francs taglich verdiente.
So. 24. Febr. 1884]. Morgensvor der Sonne aufgestanden. Sobald
der Kaffee getrunken war, brach unsre Karawane auf; voraus
der Reiter zu Pferd, dann wir mit unseren 5 Delul, am Schluss
die 6 Mannschaften mit 7 Kameelen. Nach einiger Zeit er-
kannte man den Derb el-hagg, die „Pilgerstrasse", bestehend
aus einer weehselnden Zabl von, vielleicht 50 wenn nicht mehr,
stark ausgetretenen Pfaden, die ziemlich parallel tlber die mit
Talh bewachsene Ebene sich hinschlangelten. Nacb zwei Stundeu
im Wadi er-Remfimijjeh wurden in der Feme einige schwarze
Punkte sichtbar. Araber mit Maulthieren und Schafen. Es waren
armliche Mazaldeh ') von den Banl cAtijjeh, unter ihnen ein
blinder Kerl, in dessen Gesicbt eine abscheuliche Krankheit
bosartige Verwnstungen angerichtet hatte, der aber doch aus
seinem zerfressenen Maul heraus ganz vergnflglich seine Pfeife
rauchte. Wir stiegen bei dem Schech cAId Abu Fheman2) ab.
Der Diener Mahmud hatte gerne von ihnen die so nothige Butter
gekaufb; dazu wollten sie sich aber nicht herbeilassen : sie
hatten selbst zu wenig. VVie aber Mahmud ihnen eine Schflssel
voll Tabak zum Tausch anbot, wurden sie weich und konnten
schliesslich nicht widcrstehen. Da fur uns geschlachtet wurde,
dauerte der Aufeuthalt reichlich lang, namlich von 9 bis 121,',
Uhr. Von da setzten wir uns langsam gegen Norden in Be-
wegung, gaben aber schon nach einer Stunde dem Drangen
unserer Begleiter nach, und fielen bei anderen Beduinen ein,
die in einer Thalinulde*) erst seit gestern ihrq Zelte aufge-
l) ^ ^ *X5fj*. 2) Juc
3) *l«Ujj! *5. Jb i*t wobl £j iu lcseo. Nach H. ist gf oine flache ruudliche Depreni
n lehmigem Gelinde, obne Stein und Sand und oboe Vegetation.]
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TEIMft — TKBl'lK USD ZUItttCK. 173
schlagen hatten. Es waren Sacajjid '), die auch zu den Ban!
'Atijjeh gehoren; ihr Schech Salim el-AeragJ).
Sie waren erst vor zwei Tagen mit knapper Not einem Razu
entgangen. Da unsere Kameele zum Zeichen, dass fur uns bei
einem fraheren Gastempfang geschlachtet worden war, mit
einem breiten Strich Blut der ganzen rechten Halsseite entlang,
und aberdies mit einem zweiten uber den Hintern herober,
gezeichnet worden waren, so wussten diese armen Teufel all-
sobald, dass sie gleichfalls far uns zu
schlacbten hatten. Der lange Strich ist
bei den westlichen Arabern nblich, und
F) \ in der verschiedenen Art der Anbringung
zugleich Erkennungszeichen der einzelnen
K>mcel mit Blutat riches.
Stamme.
Huber klagte uber Ruckenschmerzeo, und so verzichteten
wir fur heute auf einen Weitermarsch. Mit dem Schech eAwwad
stieg ich auf einen Huge!, den er Tuwejjil5) nannte; unterwegs
fieng ich ein paar blaue, schwarz-weiss gefleckte Kafer4), die
gleich in den Spiritus wanderten. Das Nachteasen wurde, Gott
Lob, vor Sonnennntergang gebracht. Die Sacajjid hatten zweierlei
Formen von hOlzernen KafFee-Morsern im
Gebrauch. Einer der Beduinen rauchte aus
einem Pfeifenkopf, von dem ihm nur die
eine Halfte geblieben war.
Abends machten wir noch einen Besuch
im Zelte des Schechs Halajjil5), bei welchem JJasan Agha
mit seinen Leuten abgestiegen war. Im Laufe der Unterhaltung
wurde es bald klar, dass Halajjil sowohl unsrem Nauman, als
auch dem Schech cAwwad von den Fuljara an Kenntniss der
4) iu*3j! j.1 als Umm erkeibe
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174 ZWoLFTKS CAPITFJ-
Ortlichkeiten und ihrer Benennungen weit uberlegen war. Ein
Wink des Auges genugte, mich mit Huber zu verstandigen.
Ohne weitere Umstande liess sich Halajjil sofort bereit finden,
uns nach Tebak und von dort zuruck nach Teima zu begleiten.
Mo. 25. Febr. 1884], 6'/4 Uhr ohne Frubstuck abgeritten. Unsre
Karawane wird imraer stattlicher: ausser dem Schech Halajjil
mit seinem Delul sind noch 4 Schafe und 2 Uaisen dazu ge-
kommen, die der Offizier I.iasan Agha bei unseren Gastgebern
sich zugelegt hatte, ob fur Geld odor gratis ') oder mit Gewalt a),
konnte roan ihnen nicht ansehen. Wenn das so weiter geht,
gibt es bald eine schfme Cohorte. Nach einer Stunde am Felsen
Khanzir3) vorbei in den Wadi es-§uni4) eingebogen; rechts und
links gelbrothe Sandsteinfelsen, die Thalsohle bedeckt mit vul-
canischem Auswurf, zuletzt vollstandig ausgefttllt mit einera
alten Lavastrom, dessen Spalten und ungattige Blflcke fur
Thiere und Iteiter ein beschwerliches Hinderniss bildeten. Nach-
dem wir zur Vorsorge aus einem Wasserloch die Schlauche
aufgefullt hatten, und den Absturz5) des Lavastromes hinab-
zusteigen im Begriff waren, zeigte sich rechts eine jetzt mit
Sand vollgeschwemmte Teichanlage aus frflherer Zeit ; von einer
Thalseite zur andern war eine Quermauer gezogen, die von
Halajjil als Gisr („BruckeM) bezeichnet wurde [AbbildungS. 175].
Es war beinahe Mittag geworden, bis wir sparlich Futter
und wenig Brennholz fanden. Wir machten geschwind Brot
und assen einigc Datteln. Da3 schlechte Mehl, die ganz schlech-
ten Datteln von dem noch schlechteren cEnl>ri machten mir
dermaassen ubel, dass ich im Laufe des Nachmittags dreimal
vom Kameel steigen musste, bis ich all das Schandenzeug aus
dem Magen herausgewurgt hatte. Obschon wir — den Ober-
gang ilber den Lavastrom abgerechuet — den ganzen Tag
i
1) J£b b«l&H .unuoml". 2) birnsb.
3) Oder gut ^iis> Khinsir „dcr kleinc Finger".
4} j,Lajf. 5) l<il?uf-
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I I I M ; I - Tl lll'lK I'M' /l I!' l k. 1 75
scharf geritten waren (bis zu 7200 Schritten in der Stunde),
Gitr im Wid! es-SAni.
war doeh die Nacht hereingebrochen, ala wir bei dera Castell
el-Akhdar') abstiegen.
Castell el-Akhdar.
Sintemalen aber mir von den Anstrengungen der Wiedergabe
1) ysor*^ , auch el-Kha'lar gesprochen. Die Bauinschrift auswn am Tbor besagt, da*s dai
Caitcll ira J. 938 H. (-= 1531/2) fcrtig gcttcllt wordeu tei.
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1 76
ZWdLFTES CAPITKL.
des Essens noch sehr unlustig zu Muth war, fiel es mir nicht
schwer, auf das Nachtessen zu verzichten; ich trank einige
Tassen Thee und legte mich zura Schlafen nieder. Ich h6rte noch
wie die Unterhaltung in unverfitlschtem Damascener Dialect
gefuhrt wurde und wie Mahmftd von Hasan Agha fflr unsere
Wasserpfeifen TumbGki einhandelte. Im Lauf der Nacht fiel ein
wenig Regen.
Di. 26. Febr. 1884]. Morgens 7 Uhr abgeritten. Zu meinem
Erstaunen war fiber Nacht die Gesellschaft abermals gewachsen :
dem tfasan Agha schloss sich sein Sohn Kemal zur Reise pach
Damascus an. Nacb einer Stunde wurde gerastet und gefrflh-
stttckt. Wfthrend der Haupt-Tross weiter zog, erstiegen wir
einen HClgel Greinat el-razal von dem aus wir eine ausge-
dehnte Fernsicht genossen. Im Nordwesten erhob sich aus der
Ebene ein absonderlicher Berg, el-Minbar -) .die Kanzel" ge-
zweie davon, der Scheiban uud der Wutar, trugen stattliche
Schneefelder. Trotz dem einsetzenden leichten Sprflhregen konnte
ich mir nicht versagen, das Panorama zu zeichnen. Wir suchten
dann auf einem naheren allerdings beschwerlicheren Weg die
Karawane wieder einzuholen, stiessen da aber so unvermuthet
und von der Seite kommend auf einander, dass der Schech
Halajjil rasch das Kameel niederkuieen liess und Alle die Waffen
rilsteten gegen die verraeintlichen Feinde. Der Schreck lflste sich
in Heiterkeit und Gelachter auf. Urn 3 Uhr schlugen wir unser
Lager im Wadi Rdejj 3) auf, der seinen Namen von dem reichen
Bestand an Rada-Baumen 4) ftthrt.
Mi. 27. Febr. 1884]. 6 Uhr mit der Sonne abgeritten. Grobe
Gesteinsbrocken in buntesten Farben bedeckten weithin das
H. einerseit* mit Calligonara comosam L'Her. ideotiticiert, andereneits all Tamarix-Art be-
zeichnct; tut lctitcren stimmen die Zeichnung aaf S. 177 und die Anjraben »oa MtVbidx.].
llerg el-Miabar.
nannt. Er gilt als ein vorgeschobener Posten
des Gebirgszuges Scherurah. Die Berge im
Westen boten einen herrlichen Anblick,
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TKlMf'l — TKHUK I NI. ZIHil K. 177
Erdreich. Nach 1 Va Stunden im Wadi el- Atel oder el-Alali ')
abgestiegen, der aus den Rinnen des Scheiban, Wutar und
Lajeh herunterkommt. Das zur Zeit trockene Bachbett ist 3
Gsda-ltauin.
bis 4 Meter tief in den Schotter des Muhrs eingefressen, rait
grauem Sand vollgeschwemmt, die Rander mit kraftigen Ttel-
baumen (Tatuarisken) nnd andereni Gestriluch bestockt. Nach-
J) JlW oJcr ^1,.
M
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178
/W..I.KTK8 CAIMTKU
dem die Thiere sich satt gefressen, setzten wir den Marsch uber
die Ebene nach Nordwesten fort, ritten quer durch eine alte
Lagerstatte, bedeckt mit zahllosen Kameelsbollen. Halajjil, von
Huber befragt: „Von wem sind diese] von euchT, gab zur
Itel-Baum.
Antvvort: „Ja, die sind von uns". — Gegen 9 Uhr naherlen
wir nns einem flachen HObenzug Schohar ') geuannt. Oberragt
von einem kegelfCrtuigen Hugel. Mit Erstaunen sah ich gauze
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TElMa - tkbAi cni» ecrDcx.
Reihen von winzigen Steinhausern'^und behauptete, trotz Hubers
Widerspruch, dass das keine Stadtruinen, sonderu Graber sein
mflssten, und sprach die Vermuthung aus, dass Sch6har die
Nekropole far das 3 bis 4 Stunden ntirdlich gelegene Tebuk ist.
Dns Graberfeld von Schohar.
l'laa eioe* Grabthunnet. Auiicht einc* Grnbthurmes.
Nachdem wir die Hohe erklommen batten, war denn auch
ganz klar zu sehen, dass die vermeintlichen Wohnhiluser, ver-
mOge ihrer Kleinbeit, keine Wohnungen, sondern bescheidene
1) V«l. unten, S. 20U, die Nekropole von Tcimn.
--
180 ZWOI.ITKS CAlMTKI.
rohe Grabthurme gewesen sein mflssen. Sie sind namlich nur
2 bis 3 Meter hoch, und auf den schmalen Hugel-Zungen ganz
unregelniassig zeratreut. Die Mitte des etwa 3 bis 4 Quadrat-
Kilometer betragenden Terraios nimmt der kreisrunde Hflgei
ein. Die Anzahl der Grabh&user betragt mindestens 200 Stilck.
Die zum Bau verwendeten Sandsteine brechen von selbst platten-
fOrmig, sind kanm behauen und ohne MOrtel auf einander ge-
setzt. Die Thrtrme haben so ziemlich alle viereckige Form,
ganz wenige sind rund gestaltet ; manche weisen nur ein kleines,
1 m. hohes Gemacb auf, innen auf der Oberseite mit grOsseren
Platten gedeckt; andere sind durch Anbau bis zu 5 Kammern
erweitert. Bei ganz oberflachliehen Nachgrabungen stiessen wir
weder auf Gebeine noch auf Beigaben ; ebensowenig fanden sich
irgend welche Inschriften oder andere Anhaltspunkte fur eine
Aufklarung. Sie glichen vollstandig den sogenaunten Nawamis l),
welche auf der Sinai-Halbinsel bekannt sind. Im Westen glaubte
ich Ueste einer zusammenhangenden Mauer zu erkennen, auch
waren dort viele Steinhftuser uber den Haufen geworfeh, da-
zwischen eine Menge rother Thonscherben.
Von hier ab ritten wir in raschem Schritt auf das schon seit
dem Morgen aus der Ferne erkennbare Tebuk zu. Vor uns in
der Ebene rechts eine kleine Felsgruppe el-cAr£k -) genannt,
links ein Palmenwald, dazwischen das Pilger-Castell mit einem
Haufen ganzlich verlotterter Lehnihutten ; im Norden der Berg
el-Minbar 3).
Dass die Stadt Tebuk4) in der alten arabischen Geschichte
eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat, kann man aus dem
lumpigen Zustand der vollig leer stehenden etwa 50 Lehm-
hauser k.uun errathen. Von Bewohnern derselben ist nicht einer
mehr vorhanden. Ausser den 5 Mann Besatzung des Castells
waren an lebenden Wesen bemerkbar nur ein paar erbarmungs-
wurdige Hunde ; einer derselben besass nur drei Beine, das vierte
1) 2) oujiif. 3) Siche oben, S. 176.
4) Der OcDKrapli Jukut *ngt, sic sti vim ciueiu Jmlcn Iliii CA ri"l nmninuert tvonlen, wcil sie
itniiicr von Zeit y.u Zeit wit.lor virsiluillct wiircli*.
i
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TKIJJll — TKI1UK UNI. ZUlUlK.
181
hatte er in einer Hyanen-Falle eingebusst. Zu den Mahlzeiten
fanden sich noch einige jam merliche, halb verhungerte Katzen ein,
und des Morgens weckten einige nnsichtbare, wohl gehntete Hahne.
Die Festung, d. h. Pilger-Castell, ist, wie eine uber dem Portal
blau auf Fayence-Platten angebrachte Inschrift besagt, ini Jahre
1064 der Hedschra (= 1654 n. Chr.) erbant oder erneuert
worden; sie liegt inmitten eines verwahrlosten Palmengartens
an einem Teich, der durch eine natQrliche Quelle gespeist wird.
Das Wasser soil aber nicht sehr gesund sein, nur den Weibern
zutrftglich, wie der Diener Malnnud versichert. Dagegen befindet
sich im Hof des Castells ein Schopfbrunnen mil gutem Wasser.
Als wir im Castell ab-
stiegen, wurden wir von
dem derzeitigen Comman-
danten Muhammed Aghsi
freundlieh begrusst und
ins Innere geleitet. Bei
der ilblichen Bewirthung
mit Kaffee drehte sich hier,
wo wir schon nahe an die
halbcivilisirte Welt her- OmWI von VeMk.
angerfickt sind, die UntfrhaltiiDg um Ereignisse in Damascus,
dem Ostjordanland und MaVin. Bei der gelegentlichen Erwah-
nung des doch nicht so fern gelegenen Wadi Musa (= Petra),
vermochte ich meine Sehnsucht nach der einstigen Hauptstadt
meiner gelicbten Nabattler nur mQhsam niederzukampfen durch
die nQchterne Erwagung, dass eine Abschweifung dorthin durch
das Gebiet der feindlichen l.loweitiit, in Begleitung unserer
lleisegenossen, Nauman von den Sch&mmar, des cAwwad von
den Fukara, und des Halajji! von den Bani cAtijjeh durchaus
unausfilhrbar ware. Der Commandant von Tebuk erzahlte,
dass ei*st vor wenigen Tagen der grosse Schech Muhammed ibn
cAtijjeh ') einen ghlcklichen Raubzug auf eine Abtheilung der
1) Siehc Bi. 1, S. 224, 22fl, uad oben, S. 89.
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182 ZWOI.FTKS CAIMTKL.
tloweitat ausgerahrt habe, wobei diese total ausgezogen wurden
und nur 6 Reiter entkamen. Dieses selbe Schick&al konnte uns
bei einem Zusauamenstoss mit den auf Rache sinnenden Howeitat
gerade so gilt bluhen.
Des Abends musicirte der Maghribi cAbd es-Salam ') auf seiner
marokkanischen Guitarre und sang dazu zieuilich bewegte leb-
hafte Melodien, wie ich sie lange nicht gehort habe, und die,
irn Gegensatz zu dem traurig einfdrmigen Gesang der Beduinen,
einen nahezu abendlandischen Eindruck niachten.
Do. 28. Febr. 1884]. Far heute hatten wir in Aussicht ge-
nommen, die angeblichen Ruinen einer etwa 2 — 3 Stunden im
Westen von hier gelegenen Stadt aufzusuchen. Da aber ein
sehr kalter und heftiger Wind wehte, beschlossen wir von dem
Vorhaben abzustehen und dafQr unsere Tagbflcher ins Reine zu
bringen. Mit Rucksicht darauf, dass morgen tfasan Agha mit
seinen Leuten den Weg nach Damascus fortsetzen wollte,
schrieben wir noch einen von diesem mitzunehmenden Brief
an Mu hammed S a e i d Pascha2) (den Chef der Pilger-Kara-
wane von Damascus nach Mekkah), um uns fur die gastlicbe
Auf hah me in den Castellen zu bedanken. Auf einem elenden
Zettel, weil ich sehr sparsam mit Papier umgehen musste, gab
ich Nachricht an Bscharah Asfar (Geschaftsfuhrer im Hause des
deutschen Vice-Consuls LiUticke in Damascus), dass ich noch
am Leben sei, und mich zur Zeit wohlbehalten in Tebuk be-
finde. Der Zettel wurde auch, wie ich ein Vierteljahr spater
erfuhr, richtig an seinem Bestimmuugsort abgegeben.
Fr. 29. Febr. 1884]. Wie Nachmittags der Wind und Regen
nachliess, begaben wir uns zu dem oben (S. 180) erwahnten
Felshugel el-cArek. Davon, dass hier die dem heutigen Tebuk
vorausgehende illtere Stadt gestanden habe, konnten wir keine
Spur entdecken. An dem Felsen waren einige unbedeutende
Inschriften, dabei das Bild eines mit Waffen aller Art behan-
1) S. obeo Seite 172.
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TKIilil — TKIII1K UNI> ZriliVK.
183
genen Mannes, femes das Bild eines Madchens init aufgelosten
Haaren, und je einer Scheere rechts und links.
Weit im Westen (14° gegen Suden) sahen wir
aus der Tihamah einen weithin leuchtenden Schnee-
berg aufragen, den Halajjil ed-Diibar ') benannte.
Ein im SQden aufeiehendes Gewitter mahnte uns
zur Rockkehr ins Castell. Das noch bei Tageshelle TebAk. °
gebrachte Nachtessen war eben beendet, als plOtzlich der Himmel
sich verfiusterte, und unter Blitz und Donner ein Platzregen
sich ergoss. Geborgen in einer hochgew&bten gegen den Hof
zu offenen Halle konnten wir das 1 V* stundige Toben des
Unwetters eigentlich mit Behagen ertragen.
Da untnittelbar nach dem Abzug des Ge witters der Himmel
sich vollstaudig aufgeklart hatte, wollte Huber den (furs Abend-
land) im Annuaire du Bureau des Longitudes (oder im Nautical
Almanach'O voraus berechneten Dure h gang der Venus
hinter den Mond nicht versaumen. Die Instrumente waren
bereit gestellt, Huber schaute durch den Theodolithen ; er hatte
mir den Chronometer zur Beaufsichtigung Gbergeben, und dabei
eingeschftrft : sobald er, als Zeichen der eingetretenen Beruhrung
der Mondsichel durch die Venus, „Top" rufe, die Secunde pein-
lichst zu vermerken. Stolz auf das mir anvertraute Amt, aber
auch zugleich in fieberhafter Angst verfolgte ich elender Hilfs-
astronom unablassig den Gang des Secundenzeigers. Eine halbe
Stunde, wahrend deren die ganze ubrige Gesellschaft lautlos
kaum zu schnaufen sich getraute, dauerte die mich ganz nervOs
machende Arbeit, bis Huber uns erOffnete, der Stern sei gar
nicht durch den Mond hindureh, sondern direct unterhalb vor-
ftber gegangen. So hatte Fran Venus zu Tebuk uns zum Narren
gehalten.
Zur Entschadigung beschlossen wir eine lustige Mu sain a rah
oder Nachtunterhaltung zu veranstalten. Der Maghribi nahm
die Guitarre zur Hand und tmg Melodien und Lieder aus seiner
l) gjjf. 2) yU*.
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184
rWOLFTSa CAPITKL.
Heiraath vor. Ein Anderer sollte, nach zuvor abgewandtem
Gesicht, versteckte Gegenstande (einen Kosenkranz, Geldstuck
oder dergleichen) auffinden. Im stummem Einverstandniss mit
dem Suehenden spielte der Maghribi, der jeweiligen starkeren
Annaherung an das Versteck entsprechend, etwas rascher auf
der Guitarre. Den Schliissel zur Entlarvung des Rathsels suchten
die beduinisehen Reisegefahrten naturlich vergeblich in Gebarden
oder Uewegungen der Mitspielenden zu entdecken. Fast nocli
grosser war ihr Erstaunen und Arger, als ich mit Iluber Ge-
danken-Errathen nach ilblichem Recept anffuhrte. Der Diener
Mali mild liess sich die Arme auf den Rucken festbiuden, und
l6ste dann unter der umgehiingten Pelzjacke die Stricke. Danach
gieng ich abseits, holte aus meiner Satteltasche einen Blech-
teller, schwarzte ihn auf der Unterseite mit brennender Wachs-
kerze, und rief aus dem Kreis einen jungen Burscheu, der emst
und unverwandt mich anblkkend alle ihm vorgemachten Bewe-
gungen getreu nachzuahmen hatte. Die eigenhandige Schwarzung
zeigt, ihnen zum Schlusse noch die Losung der Rathsel nicht
langer vorzuenthalten.
seines Gesichts vollzog sich
unter unbilndigem Gelachter
der Zuschauer, in das der juoge
Meusch nach vorgehaltenem
Spiegel naturlich auch ein-
stimmte.
Die noch unaufgeklarten
ersten KunststOcke batten bei
imseren beduinischen Beglei-
tern das Gefuhl ihrer eigenen
Einfaltigkeit, jedenfalls den
Stachel der unbefriedigten
Neugier, wenn nicht gar im
Gebeimen den Verdacht teuf-
N
lischer Zauberei hinterlajaen.
Ich hielt es daher far ange-
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TElMa — TEltUK bill Zl'Kt'CK. 185
Sa. ]. Marz 1884]. Ich hatte Gelegenheit, einen aus Stein
geschnittenen Pfeifenkopf zu erwerben. Der Stein wurde mir
als hagar el-helAl ') bezeichnet und soli in der Tihainah sich
fin den.
Heute wurde der Rflekweg nach Teima angetreten. Nachdem
wir eine starke Stunde sudwarts geritten waren, rasteten wir
an einer Quelle, Rals8) genannt. Eine Gruppe von Itel-Baurnen,
phantastisch verschlungen, bildete fiber den zwei Wasserloehern
ein inalerisches Gewirr, wie ich es uppiger auf der ganzen
arabischen Reise nirgends getroffen habe. In der N&he waren
Itel-Biiuinc (Tarnariskcn).
ein paar verwilderte Palmbamne und *ihwache Keste von be-
' hauenen Steinen. Von hier wandten wir una wieder der Todten-
stadt Schohar zu. Die Nachgrabung in zwei Thurmen bis auf
den gewachsenen Felsen liefer te keinerlei Anhaltspunkt f'Or Zeit
oder Urheber der Grabkaminern. Ausser auf ein paar unbedeu-
tende Knochenreste stiessen wir nberall nur auf Spuren von
1) J^l 2) KJ^y
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18G ZWol.KTES CAIMTKI..
Hyftnen und ihrc Arbeit. Wfthrend sich im Saden uber dem
Berg Debasijjat *), auf dessen nordlichem Auslftufer Schohar liegt,
verschiedene Gewitter zusammenballten, ritten wir gegen Osten
uber den Wadi Atall -) in den Wadi Hdejj 3) ganz in die N&he
uusres Lagerplatzes vom 26. Februar, um hier zu n&chtigen*
Kauni hatte ich mich am Rande eines GebOsches auf dem
ausgebreiteten Teppich etwas niedergelegt, so brach, vom West-
wind gejagt, ein Unwetter los, das mich durch Mantel lind
Hemd hindurch bis auf die Haut nasste. Meine einzige Sorge
war, das Gepack mit dem Teppich zugedeckt trocken zu er-
halten. A Is das Argste vorOber war, machte icb mein Bett auf
dem nassen Boden zurecht, und schlief, nachdem ich ein paar
Datteln verzehrt hatte, bald ein. Zwar kam spater noch ein
zweiter Regen, nicht so heftig wie der erste, der uns darum
auch weniger beunruhigte.
So. 2. Marz 1884]. Noch vor dem ersten Morgengrauen weckte
uns Halajjil mit der Nachricht, dass er von Sflden her das
Brullen von Kameelen vernommen babe. Gleich ritt er auf
Kundscbaft ab und brachte nach Kurzem die Botschaft, das
seien seine eigenen Leute (also Bani cAtijjeh), die, in der Nacht
von el-Akhdar aufgebrocheu, hier sich niedergelassen haben.
Wir mussten naturlich die angebotene Gastfreundschaft anneb-
men und uns nach dem Lager begeben. Wahrend wir durch
das Gebusch ritten, tauchten immer mehr Kameele auf — nach
Halajjil's Angabe hatten sie 1200 Stuck bei sich — , wurde noch
unterwegs auf sein Geheiss fur uns gemolken und frische Milch
gereicht. Bis wir am Mittelpunkt des Lagers eintrafen, hatten
die Weiber bereits etliehe Zelte aufgeschlagen, so dass wir
beim nachsten bestiiii abstiegen, um nur ilberhaupt aus dem
Trubel herauszukommen. Mein erstes war, das wollene Hemd
2) Alias 'Orfi
8) Jrfafi.
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TKIMU — TKItUK IM» ZI IU CK,
187
zn wechseln und an einem Domstrauch in Wind und Sonne zu
spannen; warum, siehe Bd. I, Seite 121. Nach und nach strO rate
allerlei Volks herbei, urn uns zu begrQssen oder wenigstens zu
sehen. Mehr als einmal musste ich aus meinera Skizzenbuch das
Bild des Muferrig ') vorzeigen, denn alle hatten davon gehOrt
und begehrten es zu seheu. Gegen Mittag traf auch das Zelt
des Starames-Oberhauptes ein, und gleich darauf dieser selbst.
Es war § a k r Abu 'All, der Bruder des Muhainmed. Erst hier
erfuhr ich, dass nicht dem Muhammed ibn 'Atijjeh, wie mir
frdher gesagt war, diese Wnrde zukam, obschon Muhammed
als der Gewandtere den Stamm nach aussen vertritt. Muhammed
selbst, unser Freund von fruher 2), war, wie wir hier vernabmen,
nach Tebuk geeilt, urn uns dort abzuholen. Wir mussten
naturlich ins Zelt Sakr's Qbersiedeln. Als ich nach unseren
Reitthieren schaute, machte ich die betrubende Entdeckung,
dass von jedem derselben vom Sattelzeug ein Lederriemen nebst
Messingring abgeschnitten und gestohlen war. Dem §akr war die
Kunde peinlich, und, wie er sagte, beschamend. Indess wer konnte
den Thater entdecken, wer wollte ihn verrathen? Gegen Abend
verkiindete das GebrAU die Heimkehr der weit zeistreuten Thiere.
Mit Betremden ei*schante ich zwei Raben, auf Hals und
RQcken der Kameele emsig hin und her laut'end. Man belehrte
mich, Raben, aber auch Sehwalben, begleiten treulich die grossen
Kameelsherden, und picken den Thieren die vollgesogenen nuss-
grossen Zecken 3) durch kraftige Schnabeltriebe aus der Haut.
1) S. Bd. I, Seite 225.
2) Siebc Bd. I, Seite 824, 226.
3) jtyl Icrftd; tiebe Bd. I, Seite 55. Von dieaem Liebetdicnst dei Rabeu reden auch die ara-
bi«chen Dichter; liehe F. Hoinmel, Die Saugethiere bei den Sudieiniten, Leipzig 1879. Seite 208 ;
vgl. A. Musil, Arabia Petraea III, 19, 270.
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188
ZW6LKTKS CAPITKI-
Die Gaste zu ehren — und, wenn er es gewusst hatte, zugleich
zur Feier von Nflldeke's Geburtstag! — hatte Halajjil ge-
schlachtet. Brot und Reis war aber nicht aufzutreiben, und so
wurden die gekochten Fleischstucke, ohne Bruhe, in einem
Kessel aufgetragen. Schon wollte ich mich zur Ruhe ari-
schicken, so wurde zum zweiten Male Kaffee gekocht. Mit dem
Schlafen-k6nnen war es naturlieh schlecht bestellt. Trotz der
Nacht gieng es ini Lager i miner noch sehr lebhaft zu, und das
Melken wollte kein Ende nehmen ; reehts und links von unsrem
Zelte das Rulpsen der Wiederkauer, verstarkt durch wohlbe-
hagliche Detonationen abwarts (— von dem guten Grunfutter!).
Ganz allmablich gewonnte ieh mich auch an diese Wnsten-Musik,
und war gerade nahe am Einschlafen, da — es mochte Mitter-
nacht sein — wurde es wieder lebendig. Reiter zu Kameel
kamen an und hielten vor unsrem Zelt. Es war Muhammed ibn
cAtijjeh mit seinem Sohn. Er hatte gestern, als wir bei Rals
rasteten, eine Stunde ostwarts sein Lager gehabt, war von da
nach Tebuk geritten und, da er dort in Erfahrung gebracht,
welehen Weg wir abgezogen waren, hatte er eiligst umgedreht,
um uns nicht zu verfehlen. ilalajjil schatt'te Milch und Datteln
herbei und nun wurde zum dritten Male Kaftee gemacht. Wohl
oder flbel durften wir die Aufmerksamkeiten nicht missachten,
und mussten zwei Stunden an der Unterhaltung uns betheiligen.
Endlich durften wir uns zur Ruhe legen, indess im Zelte nebenan
Muhammed seinem Binder §akr noch ausfuhrlich von seinen
jilngsten Abenteuern mit den Bani Sakhr und IJoweitat berichtete.
Mo. 3. Marz 1884]. Obwohl Muhammed ibn eAtijjeh sich alle
Mflhe gab, noch einen Tag langer uns als Gaste zu behalten,
schien es uns doch rathlicher, deh Heimweg nach Teima nicht
noch weiter zu verschieben. Nachdem wir dem Schech Halajjil
als Erkenntlichkeit frtr seine Begleitung und FQhrerschaft 8
Megidi (ca. 30 Mark) verschwiegen in die Hand gesteckt hatten,
nahmen wir Abschied. Halajjil liess es sicb aber dennoch nicht
nehmen, uns noch zuruck bis nach Teima zu geleiten. Zunachst
verfolgten wir ungefahr denselben Weg wie vor einigen Tagen.
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TKIM& — TEIUIK UND Zl R< CK.
ISO
Auf dem sogenannten Derb Khabini '), stiessen wir wieder, wie
am 23. Februar2), auf die Saudsteinschichte mit den^Hiobs-
wflrmern" J). Die Platten sind mit Zapfen durchsetzt, die
ausgewittert haufenweise umherlagen. Sie haben von je her die
Aufmerksamkeit der muhamraedamschen Pilger nnf sich ge-
zogen, und werden von ihnen mehrfach erwahnt. So liest man
z.B. bei Ritter, Erdkunde XIII (= Arabien II,) Seite 437:
„XVIII (= 18*" Pilger-Castell; gemeint ist el-Akhdar) Okhaidher.
Flier, sagt das Dschihan-niinia (des Hadschi Khalfa), wusch sich
Hiob die Warmer vom Leib, die dann versteinert gesammelt
werden Die Art dieser Petrefacten ist sonst unbekannt".
Oder, in dem Reisebericht des Schechs cAbd el-6aui b. Ismail
en-Nabulsi (Zeitschr. d. deutschen morgenl. Ges. 1862, XVI, 695)
hei9st es: „Zwischen Medaln J^alih und el-Akhdar bei Ukeiri'4)
auch Mafaris" er-Ruzz5) voll kleiner weisser, den Reiskornern
ahnlicher Steinchen, ed-Dar el-tfamrii genannt".
Hiob hat ubrigens seine Warmer nicht nur hier abgeschat-
telt, sondern auch in der Landschaft Nufcra im Ostjordanland,
und zwar in der Gegend des Hiobsklosters ; nur scheinen an
dieser Stelle die Steine violett zu sein. Wetzstein in seiner
Abhandluog „das Hiobskloster in Hauran und das Land Uz"
(= Anhang zu Delitzsch's Commentar zu Hiob 2. A. Seite 563 f.)
berichtet von dort : „Au diesen Felsen, erklarte unser Fahrer,
lehnte sich Hiob an, als er von seinem Herrn heimgesucht
wurde. Wahrend meine Leute an dieser Stelle ihr *Asr-(Nach-
mittags-)Gebet verrichteten, brachte mir Sa'id cine Hand voll
langlich runder violetter Steinchen und Schlacken, welche die
Sage als die versteinerten Warmer bezeichnet, die aus den
Schwaren Iliobs auf die Erde gefallen. „Nimm sie dir", sprach
er, „/,um Andenken an diesen Ort mit; sie mdgen dieh lehren,
im Ghlcke Gott nicht zu vergessen, und im Unghlck nicht mit
2) Siche obcti S. 107.
5) j-'i j^lAt.
190
ZWuLFTKS CAPITKL.
Gott zu hadern". Mochte immerhin der haufige Gebrauch
diese Worte im Munde de3 Mannes zur Phrase abgeschw3.cht
haben; sie gehorten zur Situation und verfehlten ihreu Ein-
dmck nicht. Nachdem auch meine Begleiter sich mit Hiobs-
wurmern versehen hatten, verliessen wir die §achra. Diese
Warmer gehoren als etwas Wesentliches zur flauraner Hiobs-
sage, und man kennt und ebrt sie im Lande allgemein. Unser
christlicher Begleiter aus Semiskin band sie sich sorgfaltig in
seinen weiten Heindarrael und recitirte uus ein paar Verse aus
einer ftaside, in der sie erwabnt werden "
lliobtwiirmer.
Die von mir gesehenen und mitgebrachten Proben (s. die
Abbildung) sind ubrigens vorwiegend rOthlich oder hellbraun,
nur einige wenige schwarz. Sie sind in meiner der Strassburger
Bibliothek ubergebeneu Altertbumer-Sammlung niedergelegt.
Prof. Benecke von der Strassburger Universitat, von dem ich
mir eine gutachtliche Ausserung erbat, scbrieb mir unter dem
20. Juli 1908: „ Derartige Dinge, deren Form nicht mit
Sicherheit auf irgend einen Organismus hinweist und die keine
Structur zeigen, lassen sich nicht sicher deuten. Im vorliegenden
Falle haben wir es mit zur Schichtung des Gesteins senkrechten
R6hren zu thun, die spater mit Gestein ausgefilllt sind, also
flberhaupt nur mit einer Spur. Solche Hohren sind eine ge-
wChnliche Erscheinung in sandigen Gesteinen alter Formation,
besonders des Cambrium. Sie erhielten von Salten den Namen
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TElMfi — TKliflK UNI) Zl Rt CK. 191
Scolithus, und warden fur WurmrOhren angesehen. Es kann
sein, dass diese Deutung richtig ist; dann ware auch die Be-
zeichnung Hiobs-WQrmer ganz passend. Auffallend ist an Ihren
Stueken eine quere RiDgelung, die nnarabische Stucke unserer
Sammlung nicht zeigen. Das arabische Vorkoramen gehSrt doch
wohl einer geologisch jttngeren Zeit an? " ').
Je naher wir an das Castell el-Akhdar kamen, wo wir vor
wenigen Tagen so prachtiges GrQnfiitter angetroffen hatten,
war die ganze Strecke bei dem Dorchzug unserer Freunde, der
Ban! cAtijjeh, vollstandig kahl gefressen. Der Diener Mahmud
rief mir bei einer Stelle, wo sich Tags zuvor mehrere Kameele
iui Sand gewalzt hatten, zu: Obacht! da vorne koinmt eine
M era rah! 2). Bei dem scharfen Wind, und weil ich den mir
fremden Ausdruck Oberhaupt nicht verstand, drehte ich mich
nach ihm und rief: „Was meinst du?" lm selben Augenblick
warf sich mein Deiul nieder, ich flog in einem Bogen zwei,1
drei Meter weit vorne fiber, sprang, ohne Schaden genommen
zu haben, sofort in die HOhe, und prugelte das Thier durch,
welches sich auf die Seite geworfen hatte, und io den grossen
Gepacktaschen durch den schweren Druck arge Verwustungen
angerichtet batte. Kaum hatte ich es wieder auf die Beine
gebracht, so trieb ich es absichtlich auf einen ahnlichen Platz,
und verabreichte ihm, zur Scharfung der Erinnerung, noch ein
paar tflchtige Hiebe. Urn 3 Uhr kamen wir bei dem Castell
el-Akhdar an.
Die Tosehrift ttber dem Eingangsthor nennt als Jahr der
Erbauung 983 d. H. (= 1532 n. Chr.). Der Brunnen befindet
sich im Innern des Gebftudes, wird mit dem SchOpfrad durch
zwei Esel oder Maulthiere gezogen, und leitet das Wasser in
1) Die Uencnnaug Scolithu* fiode ich auch bei Jobs. Walt her, Geachichte der Erde und de*
Lebetis. Leipzig 1UU8, Seite 203 ff. — H. de Lapparcnt nennt lie wieder under*; in winein
Traite de geologic, 5e ed. P»ri» 1900, Seite 771 *agt er: I*» Tigillites teraient de» tube* de
vers a.euicules. Die liezcichnung Tigillite* arabica scheint aufStanitlas Meunier zuruckzugeben.
2) iifcL* uWitlzplat2". Wenn Kameele eine Vertiefung im Sande beinerken, wo andere vor
ihnen sich darin hernm gescbeuert haben, so erzeugt da* in ihnen die Voreteltang einer herr-
liclieu Gelcjcoheit, sich dieselbe Anncbmlichkcit und Krleichterung zu vertchatfen: Ah, da muss
e» cut scin'
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■
192 ZWol.KTKS C.M'ITKL
drei ausserhalb gelegene geinauerte Teiche ab. Als Abendessen
kam Gerste mit ein wenig Linsen untermiseht.
( astell cl-Akh'.lnr.
Di. 4. Marz 1884]. Uuser Begleiter Schech 'AwwAd erwarb
von den Leuten im Ccistell 5 Stflcke dunkelblanen Zenges fur
seine Weiber ura den Preis von je eineni Megidi (= 3 M. 70)
und erhielt zu jedem Stack auch nocb den nothigen blauen
Fadeu.
Etwa 6'/2 Uhr brachen wir auf, durchzogen in rascher Gang-
art (bis zu 7500 Schritten in der Stunde) die alien Futters
beraubte Gegeod. Wir hatten die Absicht, in deu Wadi es-§ani
einzubiegen. Der Scbech Halajjil aber rieth da von ab, ward
bedenklich, wollte indess nieht recht mit der Sprache heraus;
er deutete auf die vor uns steil aufsteigende Zuuge des alten
Lavastromes, der uns am 25. Ftibruar so viel Beschwer gemacht
hatte, imd meiute, dort konnten Feinde versteckt liegen. Ich
war gerade rauflustig gestimrat, und ausserte, wir thaten am
best*;n, lustig mit der Fliute in der Hand drauf los zu reiten,
dann wollten wir scbon sehen, wer Meister wflrde. Da wurde
der Schech argerlich : „Wie konnen wir bei diesem unwegsamen
Boden ') drauf los reiten ? die Kerle liegen jedenfalls unsichtbar
hinter den Laval docken, lasscn uns geruhig vorbeiziehen, und
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TEl.Vl'l — TKllUK UNH ZUIUCK.
i n
sucheu una dann hinterrucks abzuschiessen". Und nun rnckte er
erst mit der Spracbe heraus; er wolle uns jetzt uberhaupt
einmal sagen, was man ihm — nicht uns, urn uns nicht un-
nOthig zu beunruhigen, — in Tebuk mitgetneilt habe: tfasan
Abu Drac mit 8 verwegenen Spiessgesellen von den Beli,
treibe sieh in der Gegend hernni, um auf uns Jagd zu machen;
und dem sei schon mancher gate Fang gegluckt. Wenn irgend
wo, so sei bier die Bescbafl'enheit des Bodens ihm gunstig. Der
Schech hatte, wie wir ein paar Tage spater in Teima bestatigt
vernahmen, eine ganz gute Nase gehabt: die Strolche batten
wirklich dort sich auf die Lauer gelegt. Bei ruhiger Cberlegung
mussten wir ihm beistimmen, schwenkteu also — sicher nicht
ungesehen — links (direct Ostlich) in den Udejj al-MesV ') ab,
dann in vielen Windungen zwischen dem vulkanischen GerGll
und den Sandsteinfelsen hindurch aufwarts, schliesslich uber
einen Pass in den Wadi Abu Tor. Hier lagerten wir noch bei
hellem Tag, in einer bis jetzt nicht abgewaideten Gegend mit viel
Grunfutter unmittelbar vor einer kleineu Sandsteinhtfhle. Vor
und in der HOhle waren Fahrte und Losung des »],)erbfln"-).
Im Silden zogen Regeuschauer von Ost nach West. Das Lager
vom 24. Februar und der Hugel Tuwejjil befanden sich h6ch-
stens eine Stunde entfernt in sudwestlieher Riehtung, der Berg
Salub (oder Salum?) im Norden.
Mi. 5. Marz 1884]. Eben waren wir vor Sonnenaufgang ab-
geritten, so stiessen wir auf die Spuren von 5 Kameelen und
2 Fussgangem, die in grosser Hast die Thalsohle gekreuzt
haben mussten. Zwei der Kameele waren, nach der Spurentiete
1) (^_oOj , mcrkwiirdiger Wcisc mit dem Accent auf der Silbe al. [So habe icb auch
in S)rien t. B. il-Mara geburt. H. fonuuliert die Kegel to, dass der Ariikel den Accent
bei zweivokaligen Wurtcrn hat, wie il-yihtl, tt-lyken, ferner bei ursprunglieh cinvokaligco,
wenn der zweita Radical eine Gutturalis ist, wie ei-lafram, el-lahem~\
2) Anderwarts falschlich als „wildcr Hund" bezeichuct. Es ist wohl richtigcr ^j^> ZirbAn
oder Zaribun = litis, ['utorius oder Foe tori us Die Bcschreibung, welche unscre Beduinen von
ihm gaben, war to unklar, wie tnoglich: er sci in der Grosss zwischen Hund uud Katze, kurz-
haarig, sebwarz am Korpcr, doch am Bauch weits, greife auch den Mtuscbcn an. Vergleiche
Hitter, Erdkunde von A»ien XIII, 2 (= Arabien VI), Scite 3fli— 3»2 [H. giebt auch die
Formen frimbttn, bezw. lirimbnu, und srimbdn, und vermuthet, das Tbier sei eine Ictonyi-Art.]
13
194
ZWiil.FTKS CaPITEI..
zu erkennen, doppelt besetzt daneben batten, am Sattelstrang
sicb haltend und mitspringend, zwei Fussganger die zwei Meter
langen Schritte mitgemacht. Das war sicher Hasan Aba Drtf,
der mit seinen 8 Raubgenossen aus dem unberuhrten Sand sich
vergewissert hatte, dass wir hier noch nicht durchgezogen waren.
Sie waren offenbar vorausgeeilt, urn uns in den Scbluchten des
Berges Farwah, wo wir muthmaasslich Wasser fassen mussten,
an gunstiger Stelle zu nberfallen. Unsere Beduinen riethen,
den Farwah, auf der Nordseite streifend, auf der Ostseite zu
umgehen.
An dem flachen Hugelrand der Bijadijjeh 2), die wir zur
Linken liessen, sahen wir die Fahrte 3) einer sogenannten wilden
Kuh 4), d. h. einer grossen weissen Gazelle (Oryx Beisa), mit
■ sehr spitzigeu, geraden, meterlangen H6rnern ; und bald darnach
nberraschten wir, in einer Senkung des Bodens, das Thier selbst,
das dann in wilden Sfttzen von dannen galoppirte. — Hier
konnte man ebenfalls naeh 9 Woehen noch deutlich die Pferde-
spuren von dem Razu der verbundeten floweitat und Bani §akhr
erkennen, welche den cAneber und den Muhammed ibn cAtijjeh
ausgeplundert batten 5). Wir machten uuterwegs Brod bei einer
ergiebigen Futterstelle. In Mengen wuchs hier eine Pflanze
Kahlah, auch Khelah gcnamit''), mit wollig stachlichtun Blattern
und schon blauer BhUhe; sie wild audi, als Gemuse gekocht,
genossen. Ehe wir naher an den Farwah herauruckten, stiegen
wir in ein kleines Thai, in den Wadi Ba'ud ;), hinab, woselbst
drei Gazellen, durch unser plOtzliches Erecheinen erscbreckt,
-
1) tfJJijA imiraddafin.
3) 5 jif j;irrch.
4) J^>y-\ syb Mikarat cl-wahJ; vgl. Bd. I, S. H8, 200 u. oben, S. 10, Anm. 2.
5) Ygl. ob«o, S. 98, 111, 167 f.
C) *JLs/, XiL^li' T»l.ii-leh [II.: kluila u. 'kkula = Eohium lotigifolium.]
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TEIMil — TKBUK UND ZllU'CK.
19")
Hasftt el- Ken is.
zur Flucht sich wandten. In grosser Eile durchmaassen wir den
Nord- und Ostabfall des Farwah, und mundeten erst wieder
auf der Sadseite in den Ausgang der Schlucht Ha?at el-?enis ') ein.
Die Nacht war einge-
brochen, als wir abseits
von der Tbalrinne unter
einem Felsendach neben
guter Futterstelle abstie-
gen. Sicher litt Jeder von
uns mehr oder minder
unter dem Durst; gleich-
wohl wagte Keiner an dem Wasserloch (vielleicht einen Kilo-
meter weiter oben) Wasser zu holen. Aus den Schlauchen war
mit dem besten Willen nicht mehr als ein elender Vorrath von
hochstens einem Liter Wasser herauszupressen — fur 6 Kopfe 2)
herzlich wenig. Wir standen vor der Wahl, ob wir das Nass
in ein paar Schluck vertheilt so trinken, oder ob wir es zur
Bereitung eines Kaffees verwenden wollten. Einstimmig wurde
das Letztere gewahlt. Mit der Flinte im Arm, den Sftbel zur
Hand, legten wir uns schlafen. Damit wir auf alle Fftlle ge-
rustet wftren, hielt in der Nacht je einer von den Beduinen
abwechselnd die Wache. Wir bliebeu indess unbehelligt — ob
ganz unbeobachtet, weiss ich nicht. Vielleicht fehlte ihnen doch
der Muth zum Angriff.
Do. 6. Marz 1884]. Heute war der Geburtstag meines aller-
gnadigsten Landesherrn, des K6nigs Karl von Wurttemberg.
WehmHthig gedachte ich der Heimath, schweigend ritt ich des
Wegs. Gepeinigt von Durst, das Kopftuch seitlich uber Mund
und Nase gezogen, schaute ich begierig aus, ob sich nicht bald
die grosse Khabrat er-Rua'lah8) zeige. Aber noch stunden-
lang zog sich der Weg hinaus. Endlich kam die Mulde in Sicht.
1) (jjAAfti! o^^>.
2) Hubcr nod mieb, dea Diener Mahiudd, NsutnAn. die Scheche Halijjil und cAwwAd.
3) aJj^' HjA>. Kbsbrah bedeutet ein flacben Teicb, d
vor dem Verjkkern nebutit [rgl. oben S. 144, Anm. 2.]
lebmiger Uatcrgrnnd dns Wi
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196 ZWbMTKS CAI'ITEI.
Frohe Hoffnung beschleunigte unsere Schritte. Alleiu, wo wir
vor 12 Tagen einen See von etwa 100 Schritt im Geviert,
vielleicht einen halben Meter tief gesehen hatten, war Alles
ausgedttrrt, kein Tropfen Wassers zu entdecken ; die Lehmkruste
auf dem Grnnd war schliesslich in aufgerollte Stticke zerbor-
sten; alten Schuhsohlen gleich lagen die Scherben uraher! Wir
schauten uns nur an. Nanman befragt, ob er keine andere
Wasserstelle wusste, gab etwas barsch zur Antwort: wenn in
der grossen Khabrah kein Wasser mehr ist, dann gibt es anders-
wo noch viel weniger. Ich ritt niedergeschlagen weiter; Gaumcu
uud Zunge dauehten mir FremdkOrper im Munde. Huber und
die Beduinen waren besser an den Durst gewohnt, als ich; die
Wdstenbewohner denken ohnehin nieht anders als, der Menseh
und das Kaineel seien von unsrem Herrgott dazu erschaffen,
dass sie den Durst ertragen lernen. — In einer Entfernung
von etwa 8 Stunden tauchte der Gipfel des Ranem, des die
Oase Teima ilberragenden Gebirgsstockes, in die HOhe. Das war
inir aber jetzt ganz gleichgiltig. Ebenso wenig fochten mich die
noch ganz frischen Fussspuren von vier Reitern an. Wie die
Mittagshitze am starksten brannte, rief plotzlich Halajjil: „Da
vorne ist Wasser!" Das wirkte wie ein Blitzstrahl. Ich riss die
messingene Trinkschale aus der Satteltasche, warf mein Leitseil
dem Nauman zu, sprang hinunter und sturzte mich auf die
Wasserlache. Niederknieend schol) ich den Schlamm des Grundes
zur Seite, sehopfte hastig die Sehale voll, und trank was ich
trinken konnte. Die Gefabrten machten es ebenso. Das El-hamdu
lillah (nLob sei Gott!") war ehrlich gemeint. Dann filllten wir
zum t'berfluss noch einen kleinen Vorrath in die Schlauche;
und nun durf'ten auch die Kameele herau. Ungeduldig sich hin
und her windend hatten sic bisher vcrgeblich nacli dem Rande
der Lache gedrangt, jetzt rutschten sie mitten hinein, tauchten
die Kopfe hinab uud wie uiit einer Saugspritze schlQrfteu sie
durch die langen liaise in unglaublich kurzer Zeit das schlam-
mige Nass in sich hinein. Zufriedeu reckten sie die KOpfe in
die Hohe. So — jetzt war die Herrlichkeit zu Ende. Eine kurze
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TK1JI& -- TKHUK I NI) ZUHtCK. 197
Rast benutzte ich dazu, mich eines in 6 Monaten •) nicht er-
lebten Gastes (pulex irritans) zu entledigen, den ich au9 dem
halbcivilisirten Castell el-Akhdar mitgebracht hatte.
Wir mussten jetzt trachten, Teinia noch Tor Einbruch der
Nacht zu erreiehen. Nauman, die Brust geschwellt durch die
vergnuglicbe Aussicht, noch heute Abend in seiner geliebten
Vaterstadt einzuziehen, sang unermudlich ein Lied nach dem
andern. Fnnf Kilometer westlich von Teinia stiessen wir noch
auf einen Thurm, tfser „Schlfi3slein" genannt. Ein kleiner Stein
mit protoarabischer Iuschrift konnte leicht aus der Mauer ge-
brochen und aufgeladen werden; auf einem anderen war ab-
gebildet, wie zwei Manner mit einem vor eine Egge gespannten
Ochsen pflugeu.
Da eft stark zu dunkeln
begann, auch bereits einige f-
Regentropfen fielen, bettflgel-
ten wir nach Kraften unsere n
Schritte, so dass wir zwar bei
vollst&ndiger Nacht aber doch re bene gesta und wohlbehalten
iu dem alten Standquartier beim Statthalter des Fursten,
eAbd el-'Aziz el-cEnkri 2), absteigen konnten. Der Mann war von
unsrer Ankunft nicht sondcrlich erbaut, beeilte sich auch gar
nicht sehr, durch Aufstehen von seinem Platze uns zu begrussen.
Offenbar hatte er seit der Drohung s), dass wir uns beim Emir
zu Hajel fiber ihn beschweren werden, in der Zwisehenzeit
bereits ein Schreiben von dort bekommen, das ihm etwas auf
die Leber gefallen war. Und das hatte wenigstens ein Gutes
im Gefolge: er lies* sich herbei, noch heute Abend far uns zu
schlachten, was ich dem Geizkragen eigentlich gar nicht zuge-
traut hatte. Bis die Kocherei zu Ende gediehen war, drehte
sich die Unterhaltung urn Nichts Anderes, als um die verschie-
denen Raubzuge, die in den H Tagen unsrer Abwesenheit
1) Siehe Bd. I. S. 119. 1 ber die Seltenhcit diese* Thicre. tiehe auch A. Musil, Arabia
Petrata IK, 20 f.
2) Siehe oben Seite 145. 3) Siebe oben Seite 164.
L
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108
ZWdLFTKS CAPITKL.
rechts und links von uns vorabergezogen uns doch nicht er-
reicht hatten. Hasan Aba Drac mit 8 Kerlen von den BeTi sei
unseren Spuren nachgeritten, urn unser, wie allgemein geglaubt
wurde, goldgefulltes Gepack uns abzunehmen. Gegen Abend war
sogar das Gerflcht eingelaufen, er habe uns niedergemetzelt.
Unter solchen Gespracben mussten wir uns drei voile Stunden
gedulden, bis das Essen aufgetragen wurde. Vor dem Scblafen-
gehen bettelte mich Nauman um meine Keffijjeh (Kopftuch)
an, die ich ihm auch zuin Andenken verehrte.
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XIII. CAPITEL.
Teima.
7.— \A. Man im.
Fr. 7. Marz 1884]. Schon eine Stunde vor Sonnenaufgang
tieng der thoncht aufmerksarae Khatib cAbdallah ') aus Schaljra
wieder an, im Hofe durch laute Recitation von Capiteln aus
dem Koran seine Gelehrsamkeit und Frfimrnigkeit zu bekunden.
Oh, was gabe ich darum, wenn er schweigen wollte! Zum Mor-
genessen trug nnser Hauswirth wieder Butter und Buttermilch
auf, aber ohne Brod, dazu Datteln schlechtester Sorte. Bald
kamen allerlei Besuche, damnter der persische Kaufmann Sul-
tftn mit seinera mir unausstehlichen Gesicht. Ich war froh, als
der Waffenschniied Zeidan uns von dieser Gesellschaft erloste,
und una im Kasr ed-Darr2) em paar Inschriften-Steine zeigte.
Wahrend Huber von da nach Hans sich begab, unterguchte ich
mit Zeidan den alten Stadtwall im Westen der Stadt, auf wel-
chem eine sehwach 1 Meter breite Steinmauer hinlief. An einer
Stelle waren noch die Grundmauern eines viereckigen Thurmes
zu erkennen. Bei der ganzlich zersetzten Beschaffenheit meiner
Sandalen babe ich den ganzen Weg barfuss zurilckgelegt,
und kehrte nach drei Stunden nittd und durstig heim. Huber
hatte unterdessen sich mit der Beschaffung von Kameelen zur
VVeiterreise bemuht. Das Geschaft hat aber seine Haken. In
der ganzen Stadt ist nur ein einziges gutes Delul aufzutreiben,
fur das der Besitzer 60 Megldi (etwa 200 Mark) verlangte, und,
weil wir nicht gleich zugriffen, uns als spateren Kaufpreis 100
1) Vgl. oben S. 162.
2) Vgl. oben S. 157.
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200
KKKIZEHNTF.S CAP1TF.U
Megidi in Aussicht stellte. Desshalb soli morgen Nauman mit
dem Schech 'Awwad von den Fukarft zu deren Lager reiten,
uni wo mtfglich zwei 9tarke Kameele zu kaufen. — Abends kam
nochraals Zeidan und brachte niir /.wei aii3 Stein geschnittene
Pfeifenk6pfe ').
Sa. 8. Mar/ 1SS4]. Zum Morgenessen waren wir bei Fahad
et-'J'alafc eingeladen. Hier stellte sich aueh der durch den Mesch-
hgdi verhetzte Pfaffe Muhammed el-cAtidz2) ein, in der eitlen
Hoffnung, wir wflrden seinen Stein urn jeden Preis kaufen. Um
10 Uhr brachen Nauman und cAwwad zu den Fukara auf.
Gegen Mittag ritten wir mit cAbd el-cAziz er-Rumman und
einen gewissen A'tallah, dessen Delul wir zugleich probiren
wollten (und uachher aueh wirklich um 50 Megidi = 180 Mark
gekauft haben), in den Osten des Teimaner Beckens. Nachdem
wir, den Salzsumpf links lassend, die Bachrinne gekreuzt bat-
ten, stiessen wir auf den im (Men der Stadt nach Norden
verlaufenden alten Stadtwall; nicht weit dahinter wurde die
Niederung begrauzt durch eine im Bogen verlaufende Felswand,
Rar el-hamam3) genannt, in deren zerrissenen Scbluchten sich
eine Anzahl kutischer und thamudischer Inschriften fanden.
Bei dem rasenden Winde war es unmoglich, Papierabdrucke zu
machen ; ich begnilgte mich rait Abzeiehnung.
So. 9. Marz 1S84J. Morgens bei Tueni zum Fruhstuek. Hier
erschien Einer, und wollte uns wieder ein Kameel zum Kauf
anbieten ; er solle es lierbringen, damit man e3 ansehen k6nne.
Darnach schleppte ein Anderer einen „Insehriften-Stein"v ins
Haus, und war ganz niedergesehlagen zu vernehmen, dass auf
dem Stein nichts Gescbriebenes sei. — Ober Mittag nahm der
Sturm an Heftigkeit zu, so dass man nicht gut in's Freie konnte.
Der von Hajel mitgebrachte Tabak ist jetzt zu Ende. Wohl
oder ilbel muss ich mich jetzt zu dem hiesigen „grunen" be-
quemen. Das ist aber nicht so einfach. Zuerst muss er ausge-
1) Vgl. oben, S. 185.
2) Vgl. obeu, S. laS.
3) jUi JU. BTaubcnlocb "
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TEIM&.
201
lesen werden, denn dem grunen Gewachs ist aller mOgliche
Unfug beigemischt, als da ist: Erde, kleine Steine, Palmbast,
Wolle, Dattelkerne, Schafbollen und Ahnliches.
Nach deren Beseitigung kann man rechnen, mindestens Vs
weniger im Besitz zu haben. Der Tabak brennt ilberdies nur
so lange, als erne ghlhende Kohle darauf liegt. Naturlich konnte
ich keine sonderliche Befriedigung uber die neue Erwerbung
kundgeben; da raeinten sie, der sei gar nicht so ubel, in el-
e0la werde ich einen viel schlechteren bekomraen, (— ich soli
also noch tiefer sinkenH— ); in Tebuk seien die Leute mit
Malven zufrieden, und anderwarts kriege man uberhaupt Nichts.
Der infame Meschh£dl Sultan ') durchschaute meinen Seelenzu-
stand, und gedachte, ihn sofort auszubeuten; er bot mir «aus
Freundschaft" — o Hundesohn — ein $ae (Masslein) hellgel-
ben Schawerl far 2 Megidi (7 Mark) an, und als ich dies mit
dem Beraerken ablehnte, dass ich in Hajel nie weiter wie 3/4
Megidi gezahlt habe, meinte er hohnisch: „8o kauf dir eben
deinen Tabak in Hajel, der meinige kostet jetzt 3 Megidi." —
Wie mir eine ghlhende Kohle auf die Kleider flel, dass sie
rauchten, riefen Alle nach hiesigem Brauch : „Der cAbd el-Wahhab
ist Brautigam !"a).
Nachmittags trafen in unsrem Haus als Gaste bei cAbd el-
cAziz el-cEnkri 4 edle Raubritter und Diebsgesellen ein, Scham-
mar-Beduinen (Singari). Unter Ffthrung ihres Schechs paifallah
el-Maceidzel 3) waren sie auf zwei Delulen gerade aus von Gyob-
beh4) hiehergeritten, urn im Gebiet der Belt Freibeuterei zu
treiben. Ihre Hoffnung ist, den Hasan Abu DraC5) abzufangen,
was wir ihnen gerne g6nnen mochten. Abends langten noch 4
Hetman (Huteimi) an, die mit Ausniltzung des Fruhjahrs eben-
falls hier ihr Gliick versuchen wollten; sie wurden bei Tueni
]) Vgl. ubeii, S. 149 und 105.
3) JJLjlU aIJS v^Lyto [H.: Defallih el-Meefedzil."
4) S. Bd. I. S. HI ff.
5) S. obeu, S. 198.
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I'llEIZEIlNTES CAl'ITKI..
untergebrachti Bei diesem Letzteren haben wir mitsammt der
ganzen Bande zu Nacht gegessen, herzlich schlecht, eingestampfte
Gerste [und Mais?], aber ohne Brod oder sonstige Zugabe. Als
wir endlich nach Hause durften, machten wir unser Nacht-
lager zurecht im Hofe, und uberliessen den Gastraura den vier
Singari, unter denen ein Schnarcher ersten Ranges — ruck-
warts dumpf rOchelnd, vorwarts sagend und pfeifend — die ganze
Nacht hindurch seine Kunst practicirte.
Mo. 10. Marz 18b4]. Morgens hat eAbd el-eAziz el-'Enkri uns
bloss Datteln und Sauermilch vorgesetzt, aus Geiz, um das
theure Brennholz zum Kochen zu sparen. In jedem Zuchtbaus
unsres Vaterlandes werden die Insassen besser genahrt, als wir
in diesem Hause der Bewirthung. Die heuchlerischen Worte,
welche beim Abtragen des Essens dem Gastwirth gespendet
werden: ,Wonnen Gottes tiber Dich!" l), klangen wie schnei-
dender Hohn, wurden aber von ihm ohne ein Zucken der
Wimpern eingesteckt. Der ebenfalls zum Essen geladene Khatib
eAbdallah leistete aus Dankbarkeit sein Moglichstes im Rulpsen,
und stocherte sich mit einem zugespitzten Kameelstecken die
Zahne aus.
Nachdem die Kaubritter, begleitet von unsren Segenswunschen
abgezogen waren, begaben wir uns zu einem gewissen Mahmud
el-cAlawi, der uns zum Kaflfee erwartete. Die Palmengarten,
an denen wir auf dem Weg vorboi kamen, boten einen lieb-
lichen Anblick; zwischen den durch Rebenranken verbundenen
Palmen, waren vielfach Pfir3ichbaume gepflanzt, die zur Zeit
iu prachtvoller BlQte standen. Bis wir nach Hause kamen,
hatte der Diener Mali mud eine Wasche abgehalten, und zur
Beschamung des Hauswirths far uns Brod gebacken. Der Neger
des Hauses, Nassar, war behilflich den grossen aramaischen Stein
in Palmbast, Packtuch und in eiuen Beduinenteppich, fur den
ich 4 Megidi bezahlte, einzupacken. Die anderen Steine stehen
schon seit gestern im Hofe zur Weiterbeftfrderung verschnurt.
i) eU* *L»I rL«J<.
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TKIM&.
203
Der Neger ausserte das Verlangen, mit uns reisen zu dtirfen.
Hier in Teima sei ein 8chlechtes Land, dabei zeigte er auf
seinen hohlen Bauch; wenn er mit uns gehen dilrfte, wilrde
sein Bauch gefilllt und recht sch6n gewClbt.
Abends bei cAbd el-cAziz er-Rumman zu Nacht gegessen:
Reis mit Brod, Schmalz und hart gesottenen Eiern, einem lang
entbehrten Gericbt. Bei der Unterhaltung wurden alte Gedichte
auf Teima bezuglich vorgetragen, von denen ich aber so gut
wie Nichts verstand. Auch erzahlten sie von einem tief aus
dem Lehm eines Gartens ausgegrabenen Skelett sammt Schadel,
an welchem noch die Haut erhalten gewesen sei.
Di. 11. Marz 1884]. Heute hat — o Wunder — unser scha-
biger cEnkri es aber sich gebracht, Reis zu den Datteln des
Frdhstucks zu liefern. Wahrend des Essens fttllte sich der
Ktfbawah mit Zuschauern, wahrecheinlich von el-cEnkri eigens
bestellt als stumme Zeugen der edlen Bewirthung seiner Gaste. —
A'tall&h, von dem wir das eine Kameel gekauft, dictirte dem
Diener Mali mud einige auf Teima bezugliche Verse. Von der
frttheren Geschichte der Stadt erzahlten sie unklare Fabeln:
Die Stadt sei im Laufe der Zeiten durch drei Katastrophen
vollstandig zerstOrt und jedesmal wieder neu besiedelt worden.
Ursprunglich sei es ein „Land der Christen" gewesen. Ferner
habe hier ein grosser Schech Bedr ibn Gy6har geherrscht;
spater seien die Bani Hilal ins Land gekommen. Auch seien
hier Mflnzen geprftgt worden mit der Aufschrift Bgepragt in
Tama*' '), denn Tuma sei die alteste Namensform der Stadt
gewesen. Trotz der Verspreehung von gutem Geldgeschenk war
es mir nicht mOglich, eines dieser angeblich hier gefundenen
Geldstacke zu Gesicht zu bekomraen. Da es nie zu erreichen
ist, ein Zimmer oder auch nur einen verschliessbaren Hof auf
einige Zeit fur sich zu erhalten, da vielmehr alle Bewohner
einer Ortschaft es fur ein Menschenrecht erachten, die Gaste,
und vollends so seltene V6gel wie wir sind, in jedem Augen-
i) S v/'-
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IHtKl/KHNTKS CAl'lTKI..
blick zu betrachten, war ich heute, — wo ich das Bedurfhiss
fahlte, mir nicht nur den Schadel durch den Diener Mahraud
glatt rasiren zu lassen, sondern uberhaupt einmal wieder vom
Haupt bis zu den Zehen mich grftndlich zu waschen — geno-
thigt, dies Geschaft im otfenen Hofe vorzunehmen. Zwei der
gerade im Ktfhawah anwesenden Be3ucher konnten .sich nicht
versagen, durch die Thflre herauszugucken, wie und was da
vor sich gehen sollte. Alles war far sie neu. Wozu ein Schwamm,
von dem sie bis dahin nicht einmal den Namen gehOrt hatten ?
Was soli die Bart- und gar die Zahnbflrste? Auch noch eine
Waschschussel, und ein Handtuch zum Abtrocknen! Auf Be-
fragen, aus was far Haaren die Barsten bestehen, hatete ich
mich wohl, sie aber die Schweinsborsten aufeuklaren, gab viel-
mehr die Auskunft, die stammen von Gazellen aus dem Christen-
land, worauf sie er3taunt und befriedigt die Barsten durch die
Hand gehen liessen. Bei dieser Gelegenheit stellte ich test,
dass meine Zehen allrn&hlig ihre Gestalt verfmdern. Sie fflhlen
sich von unten nicht mehr wie vier gepresste MosaikwOrfel an,
strecken sich in die Lange, sind fester geworden, haben auch
die Fahigkeit gewonnen, sich einzeln auf und ab sowie seit-
warts zu bewegen, kurzutn sind ganz lustig und brauchlich.
Mitleid erfallt tnich bei dem Gedanken, dass sie einmal wieder
in ein Ledeifutteral gezwangt werden sollen!
Die Bettelei urn meinen cAkkal (Kopfstrick) ist gar aufdring-
lich. Seit — weiss nicht woher — bekannt ist, dass ich noch
einen zweiten uagelneuen cAkkal besitze, sind mir funfPersonen
aufsfissig rait dem Ansinnen, ich soil*? ihnen den von mir ge-
w6hnlich getragenen verehren; er sei aberdies far mich nicht
mehr sch6n genug.
Nachmittags begaben wir uns mit cAbd el-eAziz el-'Enltri zu
dem in Sftdosten des Stadtgebietes gelegenen Platz, wro sich
die schon fraher ') bemerkten Saulenreste befanden. Auf diesem
Gang lief uns der Meschhecli Sultan in die Quere, und behaup-
1) 5>. oben, S. 158.
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TKlMiV
205
tete^einen grossen Inschriftenstein zu kennen, den er wohl
dem Huber zeigen wollte, aber ich durfe nicht dabei sein.
Huber benierkte scherzhaft : „Das raacht Nichts, wenn auch der
cAbd el-Wahhab dabei ist, wir verbinden ihui halt die Augeu".
Auf dem ehemaligen Tempelplatz — jetzt leider Begrabniss-
statte — angekommen, zeigte uns el-cEnkri ausser den zu Tag
tretenden Saulensttlmpfen noch einige andere Stellen, von denen
er behauptete, dass darunter im Boden noch ahnliche Steine
verborgen stecken. Ob hier — was ja gar nicht unwahrschein-
lich ist — der Tempel des Gottes $elem von Hag am ') stand,
wird sich erst spater einmal durch Ausgrabungen eines gluck-
licheren Forschungsreisenden feststellen lassen. Am liebsten
hatte ich naturlich gleich selbst gegraben, schutzte indess Scheu
vor Verletzuug des Ruherechts der Todten vor, und lehnte,
um die Sache harmlos erscheinen zu lassen, die sofort an einer
gleichgiltigen Stelle angebotene Ausgrabung far ein audermal
ab. Etwa 100 Schritt weiter nach Osten siud Spuren einer ahn-
lichen Anlage, die vvobl auch ein Tempel gewesen sein mag.
Abends bei Garallah ungewOhnlich gut gegessen: Reis mit
gebratenem Fleisch (was iiusserst selten ist), dazu viele Truf-
feln, aus denen allerdings die Steinbrocken nicht ganz ausge-
lesen waren. Der gutmuthige Khatib 'Abdallah schob mir beim
Essen die besten Stucke zu. Spater kam noch Talak, der Sohn
des Fahad, um uns im Namen seines Vaters fur morgen zum
Essen einzuladen. Er erzahltc von einem antiken Kupfergetass,
das er in der Sebkhah (Salzsumpf im Norden) ausgegraben habe
und zu llause besitze. - .
gelegt. Die unterste allein ubrig gebliebene Trommel war in zwei
l) s. obcn, s. 15a nr.
Mi. 12. Marz 1884]. Mein erster Ge-
danke war abermals der Tempel. Also
gleich wieder an Ort und Stelle. Dort
hatten sie noch im Laufe des gestrigen
Tages bereits einen Saulenstumpf bloss-
Siulcn»tuin|if in Teimft.
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206 MIKIZEHNTES CAHTF.I-
Halften gearbeitet; sie mass 210 cm im Umfang nnd ruhte
auf einem mortellosen Steinpflaster. Die Nahe der modernen
Graber hinderte an weiteren Bloslegungen.
Von da begaben wir uns zum tfasr ed-Dalr, um den oft an-
gekaudigten und von dem Meschh&li zu einem Werthstnck von
100 Megidi aufgeblahten Stein in Augenschein zu nehmen. Der-
selbe befindet sich auf der Nordostecke des Gebaudes etwa 1
Meter uber dem Boden in die Mauer eingelassen, 1st etwa l'/i
Meter lang und tragt eine in elendem Kftfi eingemeisseite
Inschrift.
Abends bekamen wir bei Fahad einen arg verpfeflerten Reis.
Als wir nach Hause zuruckkehrten, stand Nauman mit einem
Beduinen von den Fukara da. Er hatte ein Delul fur 68 Me-
gidi gekauft. Die Beiden hatten heute von einer Gegend, Ekrae')
genannt, einen starken Marsch hieher gemacht; desshalb sahen
auch die Thiere sehr erniodet aus. Wenn es uns nicht noch
gelingt ein funftes kraftiges Thier aufzutreiben, k6nnen wir
die schweren Steine nicht mitnehmen, sondera mflssen darauf
bedacbt sein, sie durch eine andere Gelegeuheit nach Uftjel zu
schaffen, und bei dem dort gelassenen grossen Gepack fur bes-
sere Zeiten aufstapeln zu lassen.
Nach dem letzten Gebet ruck ten noch die ublichen Tagdiebe
an. Der Meschhe'di behauptete alien Ernstes, die Christen des
Abendlandcs hatten den Telegraphen gar nicht erfunden. Im
fIrak habe man schon im grauesten Alterthum diese Kunst ge-
ubt. Da von auderer Seite sich schuehterner Zweifel vernehmen
liess, hielt unser Hauswirth el-cEnkri sich far verpflichtet, sei-
nem persischen Freunde beizuspringen und versicherte, dem
Sal omo, Davids Sohn, sei der Telegraph bereits bekannt gewesen.
Do. 13. Marz 1884]. Nachdem stadtbekannt geworden war,
dass Naumau 08 Megidi far das Delul bezahlt hatte, wurden
uns hinter einander 3 Kameele ins Haus gefQhrt, und unver-
schamte Preise dafilr verlangt. Wir beharrten auf unsrem Ent-
i) t/M
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TKIM&.
207
schluss, die Steine vorl&ufig hier zu lassen, und verzichteten
auf die Erwerbung weiterer Thiere. Dureh den beabsichtigten
Kameelshandel strfimten viele nasenweise Leute, die gar nichts
dabei zu than hatten, ins Haus, bo dass der ganze Rtfhawah
zeitweise vollgepfropft mit Menschen war. Sie hatten wohl Alle
gehofft, die Auszahlung des Geldes zu erleben und sich wenig-
stens am Anblick des vielen Silbers zu erlaben. Da blieb nichts
Anderes ublich, als sie kurzer Hand aus dem Local hinauszu-
complimentiren. Nach ihrem Abzug verspflrte ich am eigenen
Leib lebbafte Hinterlassenschaft '), und begab mich abseits zu
einer ergiebigen Jagd in den Nahten meines Hemdes.
Da wir heute noch von Teima zu scheiden, und die Weiter-
reise nach el-tfegr anzutreten hatten, wurde alles Gepack noch-
raals nachgesehen, in die Kameelstaschen verstaut, die Waffen
geprQft, Mundvorrath und Schlauche gesiehert, kurzum Alles
zum unverzilgliehen Auf bruch NOthige bereit gelegt. Die In-
schriftensteine wurden dem cAbd el-cAziz el-cEnkri zur Ver-
wahrung bis auf Weiteres in seiuem Jvasr1) uberantwortet.
Ehe wir aber wirklich auf brechen konnten, wurden wir noch
zu einem fflr hiesige Verhaltnisse lucullischen Mahle abgeholt
in das Haus eines gewissen Ret ibn Dawwas5). Dieser Mann,
eine Reisegefahrte Huber's von seiner ersten Reise her, war
die letzten Woehen von Teima abwesend gewesen und erst
gestern hieher zurflckgekehrt. Er hatte die Artigkeit, die Mahl-
zeit auf die aussergewOhnlich frahe Stunde um 3 Uhr Nach-
mittags zu richten, damit wir heute noch ein gutes Stuck vor-
warts kommen konnten.
Um 4 Uhr kehrten wir in unser Absteigquartier zurflck, ver-
abschiedeten uns mit Dank von dem Hauswirth eAbd el-cAziz
el-cEnljri und von den anderen anwesenden Notabilitaten, und
verliessen 3 \ Stunden spater Teima.
1) S. 1W. I, S. 120. •
3) LT'i^ yS>^£"
2) S. obcn, S. 154.
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XIV. CAPITEL.
Telmft — el-Hegr — eVOhu
'M. Mara 18H4.
it a Tit
Vud TciinA n.ch el-^OU.
Do. 13. Marz 1884. Fortsetzung]. Die Sonne neigte sich stark
gegen Westen, als unsre kleine Karawane die Stadt verliess.
Wir wareu 4 Personen: Huber und ich, der Diener Mahmud
und als Fuhrer Nauman, auf zusammen 4 Kameelen. Auf dem
schwanken Rucken meines Delul war mir ganz wonniglich zu
Muth, als wir die letzten H&user hinter uns batten ; denn erstens
gieng es wieder in die Waste, in die freie Welt hinaus, dann
aber war mir die Brust geschwellt von dem Gedanken, dass
ich mit jedem Schritt dera eigentlichen Ziele meiner Reise
naher ruckte, dass ich in den uachsten TageD schon die Stat-
ten meiner Sehnsucht, die Grabdenkmaler von el-tfegr und
die Ruinen von el-c0la zu Gesicht bekommen sollte. Es focht
mich wenig an, als Nauman uns erOffnete, dass uns zweiTage
scharfen Ritts in nicht ganz sicheren Gegenden bevorstehen.
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TKIM& — KI/-ME(iR — FA.-^l.K. 209
War ich docb mit Energie geladen und begehrte Nichts hflher,
als Anstrengungen und Fahrlichkeiten jeglicher Art zu bestehen.
Aus dem Teimaner Becken, das im Sfidosten durch den die ganze
Gegend beberrschenden Gebirgsstock des Gebel Ranfim flber-
ragt ist, zog sicb unser Weg durch eine langsam bis zu etwa
100 Meter HOhe ansteigende Mulde. Diese war in einer Breite
von etwa 1 Kilometer und in einer Langenausdehnung von 3
oder gar 4 Kilometern ubersat mit nur zum Theil reihenweise
angeordneten Erd- und Steinhaufen. Ab und zu konnte man
verfallene viereckige kleine und ganz niedrige Steinhauser un-
terscheiden, ahnlieh wie in der Todtenstadt Sch6har'). Hatten
mir doch die Leute in Teima wahrend der vielen mussig ver-
geudeten Zeit irgend eine Andeutung gemacht von dem Vor-
handensein dieses alten Begrabnissplatzes ! Hier mussten doch
rait aller Wahrscheinlichkeit ganz wichtige AufschlQsse uber
die altesten Bewohner der Stadt zu gewinnen sein! Sollten
denn da nicht der eine oder andere interessante Grabstein oder
Inschriften verborgen stecken? Am liebsten ware ich rasch ab-
gestiegen, um doch auch nur ein paar der Beachtung werth
scheinende Stellen in der Nahe zu untersuchen. Allein Huber
widerrieth jede Unterbrechung des Marsches, und ich musste,
wenn auch ungeru, seinem Einspruch Rechnung trageD.
Nekwpole von TeimA.
Wir ritten also weiter, nachdem die Nacht eingesetzt hatte,
zunachst ohne Mondschein, und lagerten schliesslich eine Stunde
nach Aufgang des Mondes, gegen 9 Uhr, an einer ziemlich ver-
borgenen Stelle, Khiiba 2).
1) S. oben, S. 178 — 180.
2) _j-^> [Der Name bedcutot Versteck.]
14
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-
210
VlKRZEHNTES CAWTKL.
Fr. 14. M&rz. 1884]. Mit der Sonne aufgebrochen. Die Mulde
el-Lebiddeh durcb die tinser Weg vier Stunden lang verlief,
war durchsetzt von zabllosen abenteuerlichen kleinen Sand-
steinfelsen. Die absonderlicben Formen sind zu erklaren aus
der Wirkung des Windes, der mit seinen Sandwirbeln in erster
Linie die weicheren Scbicbten wegfegt, wahrend die hftrteren
oft weit auskragende Platten oder andere seltsame Gebilde
aufweisen.
Gegen Mit tag giengen wir
in die Landschaft ed-Dirs1)
fiber, in der sich an den brau-
nen Felswanden eine Menge
von Thiergestalten aller Art und thauiudische Inschriften in
Masse fanden. Wegen der Gefahrlichkeit der Gegend konnten
wir hier nicht lange verweilen, und der schneidende Wind er-
schwerte das Copiren ungemein.
Siuidtteinfelaen.
Thamudiwbe Zeichnungen und loschriften. J)
s
Bei Sonnenuntergang und bei noch immer sich steigerndera
1) aJcJJ!.
2) jSxJCI y.
[8) Die thamuditchen Zeicbcn uuter dem Pfcrde euthahen den Namen des kuustlen
wahrscheinlich Li^ju* hiess, oder eveutuell Ltfrakdn. Unter dem Ochseu and deal Steinl
steht noch eiue andere Inschrift, die mit den Bildern nichu zu than hat. Sie Unlet:
]H rn<3> "ja ODD- I>" "are arabi«;h L? ^Lj ^jj — cin Hcitrag *ur Skatolojrie.
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TEIM& — KL-tfKGR — Kl.-'oLA.
211
Wind kamen wir in die Nahe von zwei Wasserplatzen : der
erste soli aus 12 Brunnen bestehen und heisst Rheijan1); der
zweite, aus 3 Wasserlochern bestehend, liegt hinter einem Sand-
steinberg el-'AS&rah l), mit einer Warte auf der Spitze, die als
Tamajil3) bezeichnet wurde. Hier rasteten wir, urn etwas zu
kochen, indess die Thiere an dem reichlichen Grunfutter sich
erlustirten. In der Nahe einer Wasserstelle zu dbernacbten,
ist imuier gefahrlich, und so entschlossen wir uns in der Nacht
nach einigen Stunden weiter zu reiten. Vor uns debnte sich
eine Einsenkung, deren Grundflftche ohne jedweden Humus aus
einem fugenlosen, glattgefegten Sandsteinboden bestand.
Binnen Kurzem trat stockfinstere Nacht ein ; denn der Mond
kam erst nach 9'/« Uhr herauf. Wohl durfte man ahnen, —
was mir flbrigens schon in tfajel angedeutet worden war, —
dass an den glatten, geradezu herausfordernden Steinwanden
rechts und links Bilder und Inschriften angebracht seien ; allein
ich betaubte mein epigraphisches Gewissen mit sehr uber-
zeugenden GrQnden: 1) war es vollatandig dunkel; Licht nicht
zu beschaffen; 2) in der gefahrlichen Gegend war es gar nicht
rathsam, abzusteigen und sich bemerklich zu machen; 3) die
Hier hatte man alto eine genaue Parallele /.u den Inschriften von Thera wie etwa 'Afior/uva
5iT(h)f Kpfpmv Tf(7)i»; vgl. Inscriptiooes Graecac Insularuin, eel. Hiller de Gaertringen,
Berlin, 1898, No. 6S8. — Die* thamudischc Inschrift wird von einem Siiidter •tammcn; denn
bei deu Beduioen ist in alter und neuer Zeit die Paderastie gliicklicberweiac so gut wie un-
bekannt.,
1} GC^r 2) Zjl^Jcl
Sandsteiuformation.
3)
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212
VlKHZKllNTKS < \PITKI-.
Ermtidung nach mehr als zwGlfstOndigem Ritt konnte doch auch
als Entschuldigung gel ten.
Nachta 1 2 Uhr stiegen wir von den Thieren. An verborgenem
Feuer verbrachten wir noch 7* Stunde und legten uns dann
ziemlich mflde zum Schlaf nieder.
Sa. 15. Marz 1S84]. Eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang
waren wir schon wieder im Sattel. Der Weg senkte sich gleich
einer breiten Gasse langsam abwarts. Auf eintnal erblickten
wir links vor uns einen Beduinen mit einer Flinte, der trotz
unsrem Anrufen nicht anhielt, vielmehr erschreckt im schnell-
sten Lauf einen Sandsteinklotz erkletterte und gegen Osten
Zeicben mit den Armen machte. Da anzunebinen war, dass or
als Wachtposten hier aufgestellt sei, rusteten wir die Waffen
und sandten gleichzeitig, zur Bekundung unsrer friedlichen Ab-
sicbt, den Nauman zu Fuss und ohne Waffen zu ihm hinauf.
Es war ein dem Nauman von frflher her bekannter Fedzir, d. h.
dem Stamm der Ful>ar&') angehOrig, diesem erst in letzter Zeit
durch den Emir zu yajel unterworfenen Stamm, der noch immer
als unzuverlassig gilt. Um ihm Muth zu machen und ihn nicht
zu verscheuchen, ritten wir rubig weiter, so dass er sich be-
wogen fahlte, mit Nauman zu Fuss hinter uns dreien zu kom-
men und sich ein Stuck uns anzuschliessen. Er war bekleidet
rait Hemd, Lederjacke und Kopftuch, bewaffnet mit Lunten-
flinte und statt einer Lanze mit einer Hakenstange, wie roan
sie auf den Bildern von der Ersturmung der Bastille sieht.
Kurz danach sahen wir zwischen den Felsen durch,
in einer Entfernung von drei oder vier Kilometern,
gegen Osten, von der aufgehenden Sonne beschie-
nen die Zeltt? der Fiikara inmitten einer weitzer-
streuten Kameelheerde von ilber tausend Thieren.
Beduino. Es dauerte nicht lang, so ersehienen bei uns drei
von den Beduinen und luden uns ein, bei ihnen abzusteigen,
was wir aber dankend ablehnten. Nachdem sie eine Viertel-
1) Das f wird vor i und andercn hcllen Vocalen zu dz, vgl. Band I, S. VIII.
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TKIJHU — KI.-HEliK — KI.-V'I.A. 213
stunde lang ihre Neugierde befriedigt und sich an unseren
Waffen satt gesehen hatten, zogen sie sich wieder zurflck, in
el-Ha.Ub.
ihrem Innern ohne Zweifel betrubt, dass sie uns t'rerade und
reiche Reisende, weil von einem befreundeten Schamraari (Nau-
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214
VIEIt/KHNTKs CAPITKI.
man) begleitet und gedeckt, nicht batten ausplundern kOnnen.
Da wir alien Grund hatten, nicht gar zu vertrauensselig zu
sein, schwenkten wir zur Tauschung auf einem Umweg links
ab, zuerst stark hinunter, dann wieder durch eine Sandlehne')
am Berge hinauf, und nun durch ein Labyrinth von coulissen-
farmig bis zu 150 m hoch aufragenden Felsen1) funf Stunden
lang: das war eine grossartige, mit fetten Waideplatzen dureh-
sprengte Steinlandschaft, zu der, wenn in Europa gelegen, alle
Touristen stromen wilrden. Eine Zeit lang hatten wir offenbar
den richtigen Durchgung verfehlt und waren zu einem hals-
brecherisohen Abstieg durch eine steile Sandschlucht gezwungen.
Mit meinen 99 B K5rpergewicht konnte ich es wageu, auf dem
Kameel zu bleiben; die Anderen waren vorsiehtigerweise abge-
stiegen. Als wir unten anlangten, zeigte es sich, dass Sattel
und Gepack nach vorae verschoben waren und darum ganz
abgenommen und neu aufgelegt werden mussten.
Stets die Wafl'en zur Hand, ritten wir durch die todesstillen
Schluchten im gluhenden, goldgelben Sande. Nur ab und zu
1) A^L». aenejjid.
8) lywaaffl el-Hu<lab genaunt. [H.: hadbt, pi. hedab, bozeichnet Saud»tein- oder Granitberge ]
cl-Ha.lab.
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TKIMll — EI.-HK<»K — K1.-6LS.
215
folgten uns mit unheimlichem Krachzen hungrige Raben. Hah,
ihr unseligen GalgenvGgel! ich verstehe eure Musik! vielleicht
diesen Abend schon gedenket ihr, mir die Augen auszuhacken !
in schiVllah — werdet ihr urn eure Hoffuung betrogen! Seit
Sonnenuntergang gestern Abend hatten wir Nichts mehr gegessen;
darum waren wir froh, als beim Ausgang aus der Schlucht
Nauman uns erklarte, von hier ab sei Nichts mehr zu befurch-
ten, wir kflnnten getrost absteigen und zu unsern paar Dat-
teln uns ein Brod, in der Asche des Feuers gebacken, vergOn-
nen. Bereits verkundeten die vielen Fliegen die Annaberung
an die durch ihren Fliegenreicbthnm berQchtigten el-Hegr und
el-'Ola. Um die Zeit des cAsr ritten wir fiber die Ebene, aus
deren Mitte das raoderne Pilgercastell Madaln $alih mit seinen
drei Palmbaumen auftauchte, dahinter links in Hufeisenform
zusammengedrangt die Felskegel mit den Grabern und anderen
Resten des alten el-Hegr.
Ebenc von M.dAio Saiih.
Im Castell wurden wir sehr
freundlich empfangen. Es waren
da als Vice-Commandant Umei-
deh, dann yag&i Mabruk, Haggi
l,Iasan, tfftggt Mustafa, lauter cMteii M^a.n saiu,.
Mariiribeh, d. h. Leute aus Algier, Tunis und Tripolis. Der eigent-
liche Commandant, Muluimmed \Ali war zur Zeit in Damascus;
er ist derselbe, der den Doughty seiner Zeit ausgeplttndert und
ihm seine Flinte abgenommen hat. Ausserdem fand sich noch
ein Beduine ein, Muliammed el-Azrak von den Fiifcara. Den
Thieren wurde reichliches Futter gestreut, und fflr uns wurde
gescblachtet. Ich brannte vor Ungeduld, nur wenigstens ein
paar hundert Schritte zu etlichen der nachstliegenden grossen
Felsgraber zu unternehraen ; denn, so oft ich auch die in Ritter's
Erdkunde gesammelten Nachrichten flber die Ortlichkeiten ge-
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21G
VIKKZKHNTKS CAI'ITKL.
lesen liatte, war ich Die darttber klug geworden, in welcher
Schrift und Sprache die grossen Inschriflen abgefasst seien.
Fast unwillig wegen der Gefahrlichkeit, begleiteten mich zwei
Leute hioflber an die Felsen. Es war mir eine schwer zu be-
schreibende Erleichterung, als ich die Gewissheit erlangte, class
sie von den Nabataern, diesera grossen Handelsvolke der alteu
Welt, herruhrten. In weniger als einer halben Stunde war der
Gang beendet1); die Sonne neigte sich zum Untergaug, als wir
wieder in den Hot des Castells zuruckkehrten. Aus niehreren
Hof iin Costell Madftm Sftlih.
Kara mem war das ilbliche Kindergehenl zu vernehnien, dazu
das Bl6ken der Schafe und das Meckern der hungrigen Gaisen.
Wahrend wir auf das Essen warteten, fallte der einem reli-
gi6sen Orden (Senusijeh) augehOrige Mustafa die Zeit aus,
indem er, den Rosenkranz zwischen den Fingern schiebend,
hundert und aber hundert Mai dieselbe Formel herunter leierte a).
1) i ber dic»e Deukmaler muJ die nihereu Atnfuhrungeu untcn S. 251 ff. zu vergleichen.
2) Vgl. Band I, S. 1S7 u. ham.
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TKIMil — KL-l.IKOK — EI.-V.LA.
217
Im Laufe des Abends wiederholte er die sinnlosen Litaneien
noch zwei Mai — far Unbetheiligte eine unausstehliche Gewohn-
heit ! Da lob' ich mir doch noch die Tibetaner mit ihren weniger
stflrenden Gebetsmuhlen.
Wegen der Hitze und des Geschwatzes an dem heissen Feuer,
zugleich in der Absicht dem Murmelbold tlag&i Mnstafa ent-
ruckt zu sein, schlug ich mein Nachtlager nicht unter der
Bogenhalle auf, der *als Diwan eingerichtet war, sondern legte
mich oben hinauf auf den Wehrgang des Castells. — Hier in der
Gegend wachsen viele Tertut-Pflanzen, d. i. prQgeldicke, tief-
wurzlige Pflanzen rait dunkel-purpurnen Staubfaden; im Boden
iat ein mindesteus 2 Fuss langer Stiel. Man neunt sie gewChn-
lich zubb el-ard „ penis terrae". [Nach Fitting ist es Cynomo-
rium coccineum L.].
So. 16. Marz 1884]. Morgens mit der Sonne brachen wir auf,
ohne die seit neun Monaten mitgeschleppte Leiter, die Huber
als far el-cOla „unn6thig" bezeichnet hatte. Es schlossen sich
uns noch an *.Iaggi Hasan, Haggl
Mustafa, Muhammed el-Azra^ und ein
Beduine, der auf Gesellschaft gewar-
tet hatte, um auf der kurzen Strecke
von drei Stunden nicht ausgeplflndert
zu werden. Da allerdings zu befflrch-
ten war, dass unsere Ankunft in der
Festung bereits gestern Nachmittag
von den Bell ') in den Bergen bemerkt
worden war, so wahlten wir einen
Umweg, der etwa um eine Stunde
langer war als der directe Weg. Letz-
terer fuhrte durch eine Schlucht, in
der hinter dem reichlichen Buschwerk
bequemes Versteck far Strolche und Strauchdiebe geboten war;
unser Weg machte einen Bogen nach Osten. Auf jede Anh6he
1) Jo. "Ein eiaz«lne» Milglied des Stain mea heisst Bluwi, tnehrere einzelne Mitglieder heis-
sen Biljsn; tgl. J. J. Hesi, Bedaineanamen aus Zenlralarabfen, Heidelberg, 1912, S. 9.
*«4
Lageskizzf von el- Ola und
Madam SMih.
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218
VIKUZK.IINTES 0/UMTF1..
sprangen uusere Begleiter mit den Flinten voraus, um den Weg
zu uberschauen uud zu prufen. Nach 10 Uhr kamen wir glack-
lich an das Ende der Schlucht: wir hatten sie ganz regelrecht
uragangen. Und wie sich ricbtig nachher herausstellte, hatten
sich bereits die ganze Nacht einige Kerle daselbst auf die Lauer
gelegt, um uns abzufangen. Ihr Schurken, das ist euch, el-hamdu
lillah, vergeblich gelungen! Nach einer Viertelstunde gewahrten
wir bereits die Palineng&rten von el-c0la: dazwischen lagen nur
noch die Trammer der alten Stadt, formlose Steinhaufen. In
den Felsen zur Linken befanden sich die Grabnischen mit den
Inschriften. Um '/nil Uhr ritten wir iu das Nest selbst ein:
in el-c01a '). Der Ort liegt tief in einem T halkessel, zwischen
hohe Sandsteinberge eingeklemrat. Er ist reich an Dattelbauraen
und an Wasser, darum aber auch eine Brutstatte fQr Fieber,
und wegen der engen Bauart und Gepresstheit der Hauser ein
Fliegennest, wie man es sich gar nicht arger vorstellen kann;
naturlich auch voll Staub und Dreck. Alle Hauser sind zwei-
stGckig; von dem Rahawah oder Diwan fuhrt die Treppe ins
obere Stockwerk und von da hinaus auf ein kleines Dach. Mit-
ten im Dorfe liegt ein Fels mit dem alten Castell; steigt man
auf ihn hinauf, so sieht man, dass es eigentlich eine dreischich-
tige Stadt ist. Denn 1) zuunterst befindet sich das Stockwerk
des Parterres; 2) daruber der obere Stock; 3) ganz oben ist die
Stadt der Dacher, die fast alle zusammenhangen, da die meisten
Gassen theilweise nberdeckt sind Die Hauser sind gewOhnlich
aus Stein gebaut; in ihneu ist viel altes Material verwendet,
darunter manch liebevoll behauener Stein aus alter Zeit, mit
verschiedenen Ornameoten wie z. B. in der Abb. auf S. 220 3)
1) Der Name win! arnbiech JjuI , uber aucb bUJf uud selbst a)ju\ ge*ehriebcn , auf deo
Kartcn hci-ist er auch el-Ala. bci St icier Alii, u. a in. Eiuo kurze Bet.chreihuog auf Gruod meines
Tagbuches ist bereits 1889 in D. H. Muller, Epigraph. Deokmaler au» Arabien, S. 8—11,
vefuffentlicht.
2) Vgl. die ,Bauten iu Arabien" in der Oslerreich. MonaUcbrift fur dea Orient, XVI, 1890,
S. 71—74.
3) Ahnliebe Steiue aim Nord-Afrika s. im Kecueil de notices et mem. de la Sociltc Arch<ol.
du Departctnent dc Constantinc, Vbl. 23, 1883—84, Con»tantine 1885, PI. I, II.
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TKIM& — ElrHEOR — Eb-'oi.A.
J*"*..
el- Dschisi
T
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Is
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1Z
5. -
si
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I
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3
XkVSI""<<iUw">"'"^WN
PUn von el-'Ola.
H — Haupteiug&ng nach dcr SUdt. — M — Mumicnfratzcn
t = Ruiucn. (Vgl. D H. Muller, Epigraphiwbe Denkmnler
S = Schlacken. —
» Arabian, Tafe! XI).
220
VIKHZEIINTKS CAI'ITKL.
aber auch mit vielen Inschriften. So habe ich bis jetzt deren
21 gezahlt und alle abgeklatecht ; ausser einem nabataischen
Steioventierungcn in el-^ila.
Steine sind alle hi mj arise h! '). Die Einwohnerzahl mag etwa
1000—1200 Seelen betragen; darunter sind viele Neger. Auch
der Statthalter des Erair, Said, ist ein Schwarzer. An Notabeln
waren zu nennen der JCadi Musa, dann ein gewisser cAbdallah,
der in Damascus geboren ist und so so Handel treibt, ferner
ein ziemlich belesener Mensch, der mir von den Feldzugen des
Harkal (Heraclius) ') und von Casarea und Constantinopoli zu
erzahlen wusste. Die Putzsucht der Neger hat hier die Tracht
der Manner und Weiber beeinflusst. Man sieht bei vielen Man-
nern ebenfalls blaue Hemden, wie bei den Weibern, aber mit
vielen Messingknopfen vorn herunter zura Zumachen, daruber
eine blau und weisse cAba mit rothen Nahten; die Weiber sind
mit kolossalen Ohr- und Nasenringen, auch mit Mflnzen be-
haugen, und ihr Kopfschleier ist unten mit batzengrossen Perl-
mutterstacken verziert. Die BevOlkerung geht, wenn sie es
immer erschwingen kann, bewattnet ; denn unmittelbar vor den
1) Vgl. I). H. Mullet, Epigraphische Penkmiiler aus Arabien, Wien, 1889.
i) Der Kaiser Heraclius (610 — 641), gegeo deo Mubaiuraed zu Felde xog uod der von dem
zweiten Khalifeo beaiegt wurde, i»t auch sonst bei den Muslimen im Volksmunde bekaant; vgl.
das grosse Heldeugedicht, das von C. Meinhof in der „Zeil»chrift fiir Kolonialsprachen" 1911
—1912 herausgegeben ist.
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— K1,-HEon — EL-'oL.\.
221
Thoren der Stadt liegen die Beli aul der Lauer, urn alles zn
plundern; so wurde gleich heute am Tage unsrer Ankunft,
Nachmittags 3 Uhr, ein Weib, das am Beginn der Palraen-
pflanzungen etwas Futter holte, vollstandig nackt ausgezogen.
Wegen des Besitzes eines Dattelschlauches schlagen diese Gur-
gelabschneider ohne Bedenkea einen Menschen tot. Der 9ohn
eines Schechs von hier, ein zwolfjahriger Knabe, spiel te bei
Hubers ^erstem Aufenthalt in el-c0la, mit seinem Cameraden
dreissig Schritt vom Thor, an einer Stelle, die ich selbst ge-
sehen habe. Als die Sonne sich neigte, giengen die Buben ins
Thor hinein. Der Sohn des Schechs, der natQrlich selbst zum
Spiel seinen Sabel bei sich hatte, war noch ein paar Schritte
zurack geblieben; pltftzlich sprangen zwei Kerle auf ihn los,
um ihm den Sabel zu nehmen; da er ihn mit den Hftnden
noch festhielt, biss ihm einer in den Finger, dass das Fleisch
herunterhieng, dann rangen sie ihm den Sabel aus der Hand
und zogen ihn vollends aus.
Nur die Stadt selbst zahlt dein Emir den Tribut. Ostlich von
der Stadt waiden die Fukara '), von denen ein Theil dem Emir
den Tribut zahlt, der andere noch ununterworfen sich herum-
treibt; doch stehen beide Theile unter einander im Bundnisse.
Westlich wohnen und waiden in den Bergen die Beli, denen
der Emir, nachdem ihre nGrdlichen Nachbarn, die B. 'Atijjeh
sich unterworfen haben, wohl auch bald an den Eragen gehen
wird. Im Sflden wohnen die vor zwei Jahren ausgeplunderten
und unterworfenen eAleideh J) von den Ban! Wahab 3).
Die Einwohner lieben das Wandern; die meisten sehen sich
eine Zeit lang in Syrien, besonders in Damascus, um, andere
aber auch in Stambul. So fragte ein alter Kerl im #ahawah,
ob wir wohl nach Stambul giengen. Wir antworteten: „Ja,
aber es ist nicht sicher, und vielleicht erst in einem Jahre!"
1) ^yuu!.
2) iJ*U. [H.: el-Eidi. ist der Clan der Scbeche der Wuld <Ali, die xu den Ben! W»h»b
geburen. ;
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222
VIERZEHNTKS C.MMTKt.
Dana meinte er ganz nalv: „So, dann werdet ihr dort meinen
Sohn sehen! Ich mochte euch einen Brief an ihn mitgeben;
ihr werdet ihn schon treflfen!"
Bei unserer Annaherung an das Stftdtlein rannten schon alle
raOglichen neugierigen Einwohner mit ihren Flinten herbei;
ein grosser Tross, der immer mehr anschwoll, walzte sich vor.
zwischen und hinter uns, und so wurden wir im Gedrange
durch die engen, uberdachten Gas sen geschoben. In einem
kleinen Hof, in dem kauni unsre vier Kameele Raura fanden,
stiegen wir ab und begrassten den schwarzen Sa'id, den Statt-
halter des Emir. Das ist ein ganz andrer Kerl als der geizige
Hund von eEnl>ri in Teima, von dem Nichts zu erreichen war
und der uns beinahe verhungern liess. Unser Gepaek wurde in
ein halbverfallenes Haus eingeschlossen ; wir selbst giengen in
den Diwan, der augenblicklich mit Gasten zum Erstieken voll
war. Nachdem der Begrussungs-KafFee getrunken war, stiegeu
wir die Treppe hinauf, wo gute Datteln mit Butter vorgesetzt
wurden. Dabei mussten aber von einem Sklaven bestandig die
Fliegen vom Mund weggewedelt werden ; und trotzdem schwim-
men sie nach funf Minuteu dutzendweise in den aufgestellten
Leben !)-Schalen herum. [Ahnliches ist dem Herausgeber in
Palmyra passirt; wenn da — es war gegen Ende April 1900 —
ein reiner Teller anf den Tisch gesetzt wurde, so war er sofort
schwarz von 1—2 Sc.hichten von Fliegen, die ihn im Nu be-
deckten] *).
Sacid war sehr erfreut uber unsere Ankunft und hatte uns
schon lange erwartet. Er war aussert dieustbereit und sorgte
gleich far alle gewilnschten Reisevorrathe.
Am Nachmittag machte mir Huher eine ErOfl'nung, die er
unbegreiflicherweise so lange verschoben hatte und von der ich
auf das Hochste nberrascht war: namlich dass der Emirmeine
Kackkehr nach T.Iajel nicht wQnsche, und dass er selbst sich
l"l) I), i. saurc Milch, iihnlirh dom tiirkischcu Jot<hurLJ
2) Vgl. unt*i. S. 230.
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TE1M& — KI.-lJKGft — EL-'OLA.
223
" daher vou mir trennen wolle, urn unsere in Teima zuruckge-
lassenen Sachen ') zu holeu. Es scbeint, dass tfamud, dem nur
durch Ranem ion Bani meine Zornesausserungen zu Ohren ge-
komraen sein konnten, mein Todfeind geworden war und beim
Emir alle Mittel in Bewegung gesetzt hatte, um meine Aus-
treibung in anstandiger Form durchzusetzen. Hatte Huber mir
das doch schon in Sajel gesagt! Ich ware damals nicht davon
uberrascht . gewesen, und ich hatte dann doch gleich mein
Eigentum selbst mitnehmen kOnnen! [Huber ist an jenem Be-
fehle des Emirs nicht unbetheiligt gewesen; er hat, wie man
oben 8. 105 zwischen den Zeilen lesen kann, in Hajel kein ehr-
liches Spiel getrieben -)]. Huber hatte nun die Absicht, flber
Khaibar an Medioah vorbei nach (jiddeh zu Land seinen Weg
zu nehmen und dort mich wieder zu treflen, wahrend ich von
hier mit einem Schech der Beli, den man jetzt holen lassen
wollte, zuerst in el-tfegr (= Madaln Sftlih) die Inschriften co-
piren, dann aber, uber el-c01a zurnekkehrend, mit dem Schech
durch das Land den wilden Beli hindurch nach Westen auf
el-Wegh hinaus ziehen warde. Von dieser unter ftgyptischer
Oberhoheit stehenden Hafenstadt wnrde ich leicht Gelegenheit
find en, rait einem Dampfer nach Giddeh (Dschedda) zu reisen;
von dort kOnnte ich womtfglich einen A us Aug nach Talf machen,
oder direct aber Sues nach Beirut zuruckkehren. Huber wollte
datin von 6iddeh wieder nach JJajel zuruckreisen und dann
fiber den cIrafc auf Damascus lossteuern. Aber das waren ja
alles blaue Zukunftstraume!
Wir mussten zunachst an die practischen Folgen unserer
Trennung denken. Zunachst theilten wir das Geld; es Helen
auf Jeden 270 Megidi (a 4 3 4 francs). Dann theilten wir die
Cigarren, von denen Jeder 25 Stuck erhielt; wir hatten in der
letzten Zeit nur alle 6 bis 7 Tage je einen Stengel von dem
kostbaren Kraut geraucht. Dann kamen die Lebensmittel dran ;
1) VK1. oben S. 207.
2) Vgl. auch untcn die Aninerkung i»bcr die Loiter, S. 255.
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221
VIERZKHNTKS OAPITKL.
Jeder empfieng eine Sardinenbachse und die Halfte von dem
vorhandeneu Thee. Ich kaufte selbst eine Kaffeekanne und
einen KhOrg, d. i. eine doppelseitige Satteltasche '); Papier,
Chinin, Tinte, Abklatsche u. s. w. wurden gleichfalls vertheilt.
Abends gab es ein reichliches Nachtessen, bei dem mit der
Palmfackel geleucbtet wurde und mit dem Muckenwedel die
Fliegen verscheucht wurden. Schliesslich wurde auf dem Dach
noch ein Feuer gemacht, und wir konnten wieder etwas frischere
Luft athmen.
Mo. 17. Marz 1884]. Heute machte ich mich sofort an die
Arbeit; denn die geliebten Insehriften liessen mir keine Ruhe.
Wie schon oben (S. 220) bemerkt wurde, ist in el-c6la eine grosse
Menge von Inschrif'tensteinen in die Hauser und Manern ver-
baut. Ich lief heute in der ganzen Stadt herum und trieb sehr
viele solche Steine auf. Alle waren zu meinem Erstaunen mit
hirajarischen Schriftzeichen bedeckt. [Wie sich spater herausge-
stellt hat, atammen diese „hiinjarischen" oder ssudarabischen"
Insehriften aus zwei verschiedenen Perioden, einer altereu und
einer jOngeren. Gerade hier in el-c01a laufen auch die Ver-
bindungslinien zwischen dem alten Sudaraberthum und dem alten
Nordarabefthum zusammen. Dadurch sind diese Insehriften von
grosser Wichtigkeit far die Geschichte des alten Nordarabiens
geworden. Aus ihnen hat sich auch ergeben, dass der alte Name
der Stadt Dedan wara). Dieser Name kommt im Alten Testa-
ment mehrfach vor; in Jesaia 21, 13 f. und Jeremia 25, 23
wird Dedan zusammen mit Teima 3) genannt. Zur Zeit, als die
Reiche der Minaer und Sabaer in Sadarabien blahten, war hier
eine sudarabische Handelskolonie filr den Transithandel zwischen
Sadarabien und Syrien. Die sttdarabischen Handelspioniere setzten
sich in el-c0la fest, ebeuso wie sie es in Abessinien thaten. Und
sie sind es, die hier das sudarabische Alphabet einfuhrten.
Zuerst schrieben sie noch ihre heimische sndliche Sprache mit
1) Auf dem Bilde Bd. I, S. 35, sind diese Satteltaschen iu orkennea.
2) Vgl. M. Lid /bar ski, Ephemera fur semititche Epigraphik III, S. 878.
3) Vgl. oben S. Hfi.
TE1MU — KI.-HEGIl — KI.-'oIA.
225
ihrer heimathlichen Schrift : eine Anzahl dieser Inschriften wurden
entdeckt. Dann aber — und dies war das uberraschende Ergebniss
des spateren Stadiums der heute gefundenea Iaschriftea —
entstand ein neues nordarabisches Gemeinwe3en ia el-e0la, das
seine eigene Sprache mit den von den Sadarabern her uber-
nommenen Zeichen schrieb. Nach einem in den Inschriften
mehrfach erwahnten Namen pflegt man dies Volk als Lilijaniten
(Banu Lilijan) und ihre Sprache als lihjanisch zu bezeichnen.
Es scheint, dass ihre Zeit etwa mit der ptolemaischen Herr-
schaft in Agypten zusammenfallt ; ein sicherer Beweis dafur
ware der Name TLMI, der in den Inschriften vorkommt, —
falls er namlich mit Ptolemaios identisch ist. Immerhin sind
die lihjanischen Inschriften als j Anger denn die minfto-sabaischen
und als alter denn die nabataischen, von denen ich weiter unten,
unter dem 25. Marz, sprechen werde, anzusehen ; und das wurde
etwa auf die letzten Jahrhunderte v. Chr. deuten.]
Alle Inschriften, die ich heute land, wurden natQrlich sofort
abgeklatscht. Da ich nur die nahe am Erdboden befindlichen in
Angritf nahm, war die Sache noch verhaltnissmassig einfach;
doch am nachsten Tage sollte es viel besser kommen. Dass ich
immer von einer ungeheuren Volksmenge begleitet wurde, ver-
steht sich von selbst; und dort, wo ich abklatschte, entstand
stets ein fQrchterliches Gedrange. Kein FQrst hatte von raehr
Trabanten begleitet sein kOnnen.
Abends kam auch ^elan, der als Beschir, d. i. Siegesbote,
des Emirs nach Teima gesandt worden war und nun noch
andere Orte besuchen musste. Er brachte die Botschaft des
Emirs in einem Briefe und war ganz ausserordentlich aufge-
putzt: er trug zwei Hemden, zwei Zebun, zwei 'Abas, und
dazu vier Keffijjehs auf dem Kopf. Der gauze ftahawah war
gestopft voll mit Leuten, und draussen auf dem Hofe standen
auch noch viele, um das Siegesbulletin aus dem Munde des
Vorlesers des Briefs des Emirs, d. h. aus dem Munde unseres
Dieners Mahmud, zu vemehmen.
In dem Briefe, deu Huber sich auch noch (lurch Mali mud
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226
VIKUZFHNTES CAflTKL
copiren liess, stand also folgendes. „Der Emir, der sich von
Hajel init etwa 270 Pferdeu und etwa 5000 Sehaniinaris zu
Kameel scheinbar zu eitiem Feldzug gegen Norden begeben hatte.
wandte sich plOtzlich fiber Megmac, das 6stlich vom Tuweik-
Gebirge liegt, nach Suden. Gauz in der Nahe von Snlfeh, im
Verlesung eiucr Siegesbottchaft.
Wadi er-Kummah, traf er 27 Eclaireurs der Feiude, die auf
der Stelle umringt und niedergemacht wurden ; nur zwei Fuss-
gftnger liessen sie am Leben, utn den Lagerplatz der Feinde
von ihnen zu erfahren. Nicht weit von dieser Stelle uberfieleu
sie bei Tagesanbruch die vereinigteu Lager der Leute des Ibn
Sacud, des Wahhabitenfursten von liijad, und der im November
entwischten 'Ateibeh. Bei ersteren befanden sich drei Vetter
des Ibn Sacud, die sogleich getotet wurden. Erbeutet wurden
von ihnen: 7 Kameelsladungen Flintenvorrath, 37 Pferde, 16
Zelte, 2 Heerden Kameele (zu je 200 Stflck); von den eAteibeh:
S Kameelsheerden, Zelte, viele Schafe, Sclaven, auch 7 Fahnen,
von denen der Emir zwei in den Kasira nach liereideh und
\An6zeh zur Schau schickte, eine zu den Rualah, die vier anderen
aber auf dem Mesl.iab zu IJAjel als Trophaen aufpfianzen liess.1'
[Fast genau so wie diese Siegesbotschaft lauten die Berichte
ilber die Kilmpfe des Konigs von Aksum, die er im vierten
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TEIM& — KL-HEGR — EI.-'oLA. 22?
Jahrh. d. Chr. auf Steintafeln eingraben liess; diese Inschriften
sind von dem Herausgeber in Bd. IV der Deutschen Aksum-
Expedition ubersetzt.]
Jetzt werden sich die eAteibeh bald alle unterwerfen, und
lbn Raschid wird fiber kurz oder lang den morschen Schatten-
thron der fanatischen, aber raachtlosen Wahhabiten uber den
Haufen werfen : dann wird er factisch der Nacbfolger und Erbe
des alten wahhabitiscben Gebietes zu seinen Glanzzeiten sein,
nur roit dem TJnterschiede, dass seine Regierung eine bessere
sein und dass unter ihm eine bessere Ordnung herrschen wird.
Bald wird er an beiden Meereu festen Fuss fasseu und Herr
von halb Arabien sein! [Diese Propbezeiung ist nicht in Er-
fflllung gegangeu. Vielraehr hat lbn Saeud spater den Ibr Raschid
besiegt und sich zu grosser Macht aufgeschwungen. Im Herbst
1913 berichteten die Zeitungen sogar, das3 er bis zum persi-
schen Meerbusen vorgedrungen sei, l£atif eingenommen habe
und im Begriff stehe selbst Oman und Maskat zu unterwerfen.
Er soli auch den Plan haben Mekkah und Medinah wieder zu
erobern.]
Di. 18. Marz 1884]. Morgeus wurde beim ?adi Musa Kaffee
getrunken. Danach schrieb ich etwas. Aber ich konnte es nicht
lange bei dieser Arbeit aushalten, vielmehr musste ich immer
an meine Inschriften denken. So machte ich mich denn bald
wieder ans Abklatschen. Dabei sollte ich grundlich erfahren,
wie viele Hiudernisse und Muhsale ein Epigraphiker in Arabien
zu uberwinden hat: aber, fur seine Kunst begeistert und vom
Forscherdrange beseelt, spottet er ihrer und tragi seine papierne
Beute heim, glOcklicher und stolzer denn ein Waidmam, der
einen Vierzehnender erlegt hat und heimschaffen lasst.
Es ist keine Kunst bei uns daheim im Museum Abklatsche
zu machen. Dort liegt der Stein schCn ruhig vor Einem; Pa-
pier, Wasser, Burste, alles ist bequem zur Hand, und man
braucht nur zuzugreifen. Auch reisst kein Wind Einem die
Papiere aus der Hand, noch giebt es Hunderte von interes-
sierten Zuschauern, die Einem fortwahrend die KOpfe zwischen
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228
VIEKZKIINTKS CM'ITKL.
Arme and FQsse stecken, am den Vorgang besser zu seheu.
Da icli Thor auf Anrathen Hubers die Leiter in Madaln Salih
gelassen hatte '), so musste icli far die holier oben eingemau-
erten entweder auf dera Rut ken meines Dieners Mali mad (Fig. A)
A AbkUt*.-hcn vou Innthriften. B
oder auf einem 'angelegten Palmstamm im blossen Hemd rei-
tend (Fig. B) ineiue schwierige Arbeit machen.
Das allerverzweifeltste Mittel aber musste kh
anwenden in einem Haus, in dem uber einem
8 Meter hohen Thorweg, an einer engen Fen-
sterluke ein himjarischer Stein eingemauert war
(vgl. die nebenstehende Abbildung).
Da die Fensteroffmmg sehr eng war, verzwei-
felte ich fast daran, zu meinem Ziele zu kom-
men. Nachdem ich die Erlaubniss erhalten hatte.
das dnnkle Haus zu betreten, stieg ich in den
oberen Stock, um mir die Localitat anzusehen.
Das Fenstcr gieng beinahe eben mit dem Zira-
nierboden hinaus, der Laden liess sich nur bis zum rechtei)
1) S. oben, S. 21?.
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T El Mil — EL-l.tEUK — EL-fOLA. 229
Winkel nach innen 6tihen, und die Weite dus 50— -60 cni. hohen
Funsters gestattete kaum den Korper durchzuschieberi . Ich legte
niich nun zuerst auf den Bauch, schob den Korper bis last zur
H&lfte zum Fenster hinaus und drehte micta dann auf den
Riicken. Mein Begleiter, 'Ahdallah ibn Ismail Mueiz') legte mir
das schou vorher genfisste Papier auf die Brust; von hier nahm
ich es ab und suclite es unter boshafter Dazwischenkunft von
WindstOssen nber mir auf dem Stein zu befestigen. Zugleich
musste ich auch die mir auf die Brust nachgeschobene Bfirste
ergreifen und meine Arbeit, so gut es gieng, vollenden.
So gelang es mir, drei ertragliche Ab-
klatsche zu Stande zu bringen; wahrend
der ganzen Zeit musste mein Begleiter mir
auf die Beine knieen, damit ich nicht das
Gleichgewicht verlor und zum Fenster hin-
aussturzte. Die braven Burger von el-c01a
schuttelten die KOpfe ob solch uuerhdrten
und unverstandigen Beginnens und dachten
in ihrem Ilerzen, der Stein mflsse doch gi*osse Schatze an Gold
und Silber bergen, die ich ihm durch mein Papier entzoge,
oder er nnlsse die Anweisung enthalten solche zu linden. Ich
aber zog nach vollbrachter That mit schwellender Brust in
unseren Muckenpalast zurflck.
Im» Kahdwah fand eine heitere Gerichtsverhandlung statt. Der
Baum sass ganz voll von Meuschen. Auf einmal walzten sich
immer noch mehr Leute herein, stiegen aber alsbald die Treppe
hinauf. Oben entspann sich ein lebhaftes Geschrei: das war die
(Terichtsverhandlung. Ein Kerl wollte seine Steuern nicht zahlen
und behauptete ganz frech, der Emir in I.Iajel hatte Nichts von
ihm zu fordern ; der sei nicht sein Emir, er hatte einen andem
— privaten! — Emir. Nun wurde, urn des Gestreit etwas
nachdrilcklicher vom Platze zu bringen, plOtzlich durch den
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230
VIKn/KllNTBS CAPITKL.
Kahawah ein Balken getragen, die khasabeh ') oder habs % der
Bock. Das wirkte eine Zeit lang als Schreckmittel; der Kerl
erklarte, er wolle ja zahlen, man solle ihn das Geld daheim
holen lassen. Zwei Gensdarmen wurden ihm mitgegeben; als er
in der Nahe des Thores war, entsprang er. Naturlich ist die
Procedur dadurch bloss verlangert; er wird, sobald er wieder
ins Nest kommt und sein Haus aufsucht, in den Bock gespannt,
bis er zahlt.
Abends waren wir bei einem gewissen cAbdallah zum Essen
eingeladen. Das war nach hiesigen Verhaltnissen recht pikant:
es gab eine Platte mit Reis, darauf etwas gerostete Zwiebeln
und fein zerbr&ckelte Eier, dann Gaisentleisch. Danach gieng
ich auf unser Dach und rauchte noch eine der 25 Cigarren, in
deren reichem Besitz ich mich jetzt befond. Wehmuthig sah
ich dem sich krauselnden Kauch nach, und machte mir klar,
dass ich nur noch 24 hatte. Die Nacht war ziemlich frisch.
Mi. 19. Marz 1884]. Morgens wurde alles zur Abreise Hubers
gerastet. Ich gab ihm einen Brief an den Emir mit, der fol-
gendermaassen lautete 3).
c
Ju-AjJ! A+^U* wiCXi ^Jl dULu£f tf.yi$y* ^ r^LJt
^3 idLsji yj+sio JL*J^ LjJ yiaxj ,5^' duuu* JUL* l.»S«.J;
^liif ^» ^-J', U*jJ! «JUJ LJ ^ ,J **J! U-Loj
«AjyuH lyji^l Jul* UT Lo jux do» jAi* Uft^ly«xj U>;
b^^sa^ (•'7^^' l*J ^ !,>•■) UaaJ Jssuc ^1 JJtjJj JLdi^lb liy^tj
l) suii*.
[3) Diwer Brief ist genau nai-h dem Tagbuch vom 18. III. 84 wiedergegeben.]
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TKIMa — KL-HKliR — KI.-'ol.A.
231
u-P^J 1^*^
el-eAla
J. Euting 18. III. 84.
[Zu deutsch:
„Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers.
Gruss von Julius Euting an den Stolz der edlen Fflrsten
Mnhammed er-Raschid. Friede sei mit Euch und die Gnade
Gottes und sein Segen !
0 Herr, wir sind nach el-'Ola gekommen, und wir sind bei
Sacid el-£Ali abgestiegen, damit er uns einen zuverl&ssigen
Gefahrten auserlese, der uns in el-Uegr begleite und uns nach
el-Wegh geleite. Gott sei Dank, wir haben Teima und Tebak
und el-tfegr besucht, bis wir nach el-'Ola gekommen sind, ohne
dass uns ein Leid geschehen ware. Wir haben eitel GlQck und
Freude gehabt, durch Ihre Hulfe. Gott lohne es Ihnen statt
unsrer! Denn wie wir in Uajel waren, haben Sie uns in Dank-
barkeit ertrankt und mit Wohlthaten nbevh&uft. Und ebenso,
wohin wir nur gelangen, thut man uns Gutes und ehrt uns
urn Ihretwillen. Gott erhalte uns Ihr Leben und gebe Ihnen
Sieg uber Ihre Feinde und mache Ihre Herrschaft lang auf
Erden! Auch sende ich meinen Gruss an ljamud el-cObeid und
an cAbd el-cAziz el-Metcab und an er-Raschid, an alle, die in
Ihrer erlauchten Versammlung sind. Leben Sie wohl!"
(Datum und Unterschrift).]
tfelan wollte eine Strecke den gleichen Weg wie Huber reiten.
Bis ans Thor begleitete uns die Bev6lkerung in grossen Schaaren.
Wir nahmen herzlich Abschied, und ich hofl'te aufrichtig, Huber
werde seine gefahrliche Reise glncklieh beendigen. Einen Ge-
fahrten, mit dem man in der weiten Fremde so eng verbunden
gewesen, mit dem man Freud und Leid getheilt hat, so ins
Ungewisse hinausziehen zu sehen, geht dem Menschen nahe
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232 VIKKZMINTKS C.U'ITKL.
aus Herz. Was wird er noch alles erleben? Wie wird es mir
selbst ergehen ? Nunmehr ist jeder auf sich allein angewieseu,
und Fahrlichkeiten drohen von alien Seiten! Meine Wunsche
far Huber sollten nicht verwirklicht werden : er wurde am 29.
Juli desselben Jahres ermordet. Doch meine eigene bange Hoff-
nung auf ein gluckliches Ende der Reise wurde xsifullt. Allah
sei geprieseu!
Aber ich will den Ereignisseu nicht vorauseilen. — Nachdein
ich mich von Huber verahschiedet hatte, setzte ich uiich auf
unser Dach, um mein Tagbuch in Ordnung zu bringen.
Nachmittags wurde zun achat mein Gep&ck vom Dach ins
Haus gescbafft, weil Safid selbst es dort nicht fQr sicher hielt
und die Moglichkeit bestand, dass es in der Nacht gestohleu
wurde. Etwa um 1 Uhr bestieg ich ungesehen mit dem Sclaveu
Merzuk ') den Felsen, der mitten im Nest gelegen ist und Umm
Nasir2) genannt wird. Dort kla,tschte ich eine himjarische In-
schrift ab und stieg dann auf dem halsbrecherischen Wege mit
den Abklatschen wieder hinunter. Dabei fand ich nach der
lteihe vier neue Inschriften, unter ihnen eine gute nabataiscbe
„aus dem ersten Jahre des Arethas, des KOnigs der Nabataer1)''-
Mein Begleiter, der Sclave Merzuk, stellte sich bei der Arbeit
sehr geschickt und behilflich an. Die urastehende Bevolkeruug
von alien Altersstufen war unausstehlich, nasenweise undfrech;
alle verlangten Bakschisch. Dies Wort hatten wir erst am Derb
el-Ilagg wiedergefunden. Gottlob hatten wir's lang nicht gebort.
Einer hatte die Frechheit Bakschisch zu verlangen, weil er aus
dem Land der Christen sei; ich spuckte aus und sagte: „D»
bist nicht aus dem Lande der Christen, wohl aber einer von
den Lugnern!"
Abends ass ich bei Sa'id zu Nacht. Das Mahl war sehr eiu-
fach; es bestand nur aus Reis und Brod.
2) yalj vgl. den Tlsn oben S. 219.
3) isn: -r?o nmn1? i n:».
i
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■
1
TKI.MU — KL-J.IKlilt — KI.-V.LA. 233
Do. 20. M&rz 1884]. Alle Morgen hOrt man hier in den Bergen
den Gesang der Hirten, der aueh einem enropaischen Ohre
ziemlich melodisch klingt; man glaubt fast in Tirol zu sein.
Es ist wohl eben die Berggegend, die ihre Bewohner solchen
Gesang lehrt.
In den Ruinen des alten el-e01a, die el-Khreiheh '), d. h.
„kleine Ruine", genannt werden, werden fitters Alterthitmer vom
Regen ausgewaschen. So wurde mir heute Morgen z. B. ein
Thougefass gebracht, das nach dem letzten Regen
dort gefnnden war. I
Ich fruhstttckte in einem fremden Hause; dann ^
trank ich, wie schon mehrmals, Katfee beim Thongefc» au» ei- ou.
#adi Musa. Nun beschaftigte mich die Toilette des braven
Merzuk, der mir gestern so gute Dienste geleistet hatte. Es
war — wenigstens fur mich — immerhin bemerkenswerth, dass
der Mensch nur mit einem durchsichtigen Packtuch bekleidet
herumlief. So griff ich denn in den Sack und kaufte ihm ein
Hemd, das einen Mcgidi kostete.
Nachmittags kam ein BUiwi, d. i. ein Beduine vom Stamme
der Bell, mit der Nachricht, dass gestern ein Razu von Norden
her gekommen sei. Ich dachte sofort an Huber und llelan und
hoffte, dass sie den Raubern nicht in die Hande gefallen seien.
Bald cursirten Qber diesen Razu die ver3chiedensten GerQchte.
[Man konnte dabei ein Studium historischer Methode machen.
Augenzeugen und Leute, die es von Augenzeugcn gehOrt haben,
oder Leute, die sich wiederum auf die Letzteren berufen, er-
zahlen der Eine so, der Andre anders. Dies kann man auch
gut auf die einheiraische Uberlieferung der altesten Geschichte
der Araber anwenden.] Also zunachst wurde berichtet, dass
tfelan und sein Raftdz3), d. i. „Begleiter", Simlani von den Belt
ihrer Thiere und aller Habseiigkeiten beraubt worden seien.
Dieser Simlani wurde spater genauer bezeichnet als Schech
1) iUjJi.
2) vJu3;.
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*
234 VIKUZEHNTES CAPITKI .
Sliman ibn Refadeh, ein Bluwi, der in el-Wegh wohnhaft uod
agyptischer Unterthan sei. Dann wurde aber berichtet, dass die
Rauber dem #6ian all sein Sacb zurflckgegeben hatten, mit
Auanahme seines Delate, da dies das Zeichen ') der Huteim
trug. Schliesslich hiess es aber wiederum, diese letzte Nach-
richt sei nicht wahr*). [Der Herausgeber jedoch weiss nicht,
worauf sich dieses „ nicht wahr" bezieht, ob 1) darauf, dass
Helan ein Eamel mit dem Brandzeichen der Huteim gebabt
habe; oder 2) darauf, dass dem IJelftn nur dies Kameel genom-
men sei; oder 3) darauf, dass die ganze Nachricht falsch sei.
Im ersten Falle bleibt das Ganze noch unentschieden ; im zwei-
ten hat flelan alles zurQckerhalten, auch sein Kameel ; im drit-
ten hat er Qberhaupt Nichts zurttckbekommen]. t)ber Huber's
Geschick werden wir noch Naheres unter dem 25. Marz hOren.
Spater schlenderte ich im Nest umher, auf der Suche nach
Inschriften. Und richtig, acht neue Inschriften waren der heu-
tige Ertrag. Aber schockschwerenoth ! — da sind ja zwei wieder
so hocb, dass ich ohne Leiter nicht an sie hinanreichen kann!
Die Leiter! Die Leiter! Wenn ich nur die Leiter hatt!
Auch heute waren meine Sachen wahrend des Tages wieder
vom Dach ins Haus hinubergeschafft, weil hier Nichts sicher
ist vor den Dieben, die uber die Dacher laufen. Vor ein paar
Jaliren kam ein Kaufman n aus Damascus hieher; dem wurden
zwei vollstandige Karaeelsladungen Waaren vom Dache ganz
und gar weggeputzt, ohne dass irgend etwas wieder zum Vor-
schein kam.
Der Abend wurde in der Familie (!) zugebracht. Cholwah3),
die Frau des Said, hatte ein Kind von vier bis fQnf Wochen
und klagte uber grosse Schmerzen im Bauch auf der linken
Seite. Schon kurz vor seiner Abreise hatte Huber ihr irgend
1) *-vt<».
2) Vergl. iiholiche Berichlerstattutig in Band I, S. 64.
[3) Ee ist nicht sicher, ob s^Jb- oder gcmcint ist.]
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TEIM& — EL-HE«R — E!.-cOLA.
235
eine unschuldige Arzenei verabreicht. Heute, als wir einen
Augenblick allein waren, bat sie mich, sie genauer zn unter-
9iichen: sie hatte offenbar eine Entzundung des Uterus. Sie
bot mir einen halben Megidi an, wenn ich ihr von ihren Schmer-
zen hulfe : ich verordnete kalte Umschlage oder Umwicklung. —
Deiseh '), die Schwiegermutter (oder das erste Weib?) des Schech,
verehrte mir eiu dreckiges Korble, wofur ich ihr '/* Megidi
schenkte.
Zum Nachtessen gab es Reis mit ein paar Stflcken von Gai-
senrippen, dazu ein paar Eier, Brod und susse Milch.
Fr. 21. Marz 1884]. Der heutige Tag war nicht besonders
ereignissreich ; um so mehr Gelegenheit hatte ich Betrachtungen
anzustellen flber die Fliegen und den Dreck von el-c01a im
besonderen und uber das Leben einer centralarabischen Stadt
im allgemeinen.
Morgens war grosser Kaffee bei Sa'id; dazu gehOrt natarlich
das obligate Geschrei. [Es war ein wastes Durcheinander von
Stimmen, so dass der Herausgeber dabei an die n Unterhaltung
der Berberiner, bei der Zehn reden und Einer zuhort", erin-
nert wird].
Im Innern des Hauses von cAbdallah Mueiz1) klatschte ich
eine hirajarische Inschrift ab. Dann kam die Nachricht, dass
Huber wieder nach el-Hegr zurttckgekehrt sei und erst heute
von dort aufbrechen werde.
Ferner erlebte ich ein eclatantes Beispiel dafur, dass man
nie schnell genug eine Inschrift copiren kann, bevor sie der
ZerstOrung durch Zufall und Dummheit ausgesetzt wird. Ge-
stern namlich, beim Gang an der Stadtmauer hatte ich eine
Inschrift hart am Boden entdeckt; das war dicht am Spiel-
platz der Kinder. Nattlrlich karneu die Kinder gleich herzu,
als ich einen Augenblick stehen blieb, um dem Merzufc den
Stein ins Gedachtniss einzupragen, damit wir ihn am nachsten
1) LoJ [H.: DUe.]
8) Vgl. obeu, S. 229.
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23(5
VIKIIZKIINTES C.M'ITKl..
Tage abklatschen konnten. Heute, wie wir mit dem Abklatsch-
material anruckten, war der Stein jamraerlich beschadigt: die
dumraen Buben hatten mit Steinen daran herumgeklopft. Zum
Glnck stellte es sich heraus, dass es eiu Stein mit einer werth-
losen arabischen Inschrift war. [Einer kurzen nabataischen In-
schrift in Bosra, die der Herausgeber in den Nabataean In-
scriptions, Leiden, 1913, S. 58), verOflentlicht hat, ergieng
genau so; zum Gluck war vor der Zerstflnmg eine Copie ge-
macht worden. Ein anderer schoner nabataischcr Inschriften-
stein, den der Herausgeber im Jahre 1900 in Sic im Hauran-
gebirge abklatschte und in den Semitic Inscriptions, New York
1904, S. 90, veroffentlichte, war bei einem zweiten Besuche
der Ruinenstatte im Jahi-e 1904 vollstandig in Stttcke zer-
schlagen: die Einwohner hatten nachsehen wollen, ob Gold
oder Silber in dem Stein sei. Der eclatanteste Fall aber ist die
Geschichte der beruhmten Mesa-Inschrift, die im Jahre 1868
im Ostjordanlande entdeckt wurde und die fur die Geschichte
des alten Orients von der grossten Wichtigkeit ist. Sie wurde
von den Beduinen zerstort, indem man den Stein erhitzte und
denn kaltes Wasser darauf goss!J
Nun zu den Fliegen und zu dem Dreck! Die Fliegen sind
hier so massenhaft, da-ss es selten moglich ist, einen Abklatsch
fertig zu bringen, ohne dass zwei, drei, vier, auch zehn Fliegen
sich zwischen das nasse Papier und den Stein drangen und
naturlich mit abgedruckt werden. Beim Essen, besonders der
DattelD, bringt man kaum einen Bissen in den Mund, ohne
ein paar Mucken mit hineinzukriegen. Sobald die Kaffeekannen
nicht unmittelbar auf den Kohlen stehen, mrtssen sie mit
einem Lumpen zugedeckt, der Deckel heruntergeklappt, und die
Schnauze ebenfalls mit einem Ijappen test zugebunden werden.
Unser erster Empfang in el-cOIa, den ich oben S. 222 beschrieben
habe, war also ein Omen filr manche kunftige Tage gewesen.
Von dem Dreck und dem Staub von el-c01a kann man sich
schwer eine Vorstellung macheu, wenn man ihn nicht selbst
gesehen hat. Aller Abfall, aller Mist, aller Koth liegt auf
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TKIMft — Kl.-HKliH — FIBULA. 237
Strassen und H6fen umher, sinnreich vertheilt, so dass man bei
jedem Schritt Gelegenheit hat hineinzutreten. Der Staub, ver-
mischt mit Tausenden von Milliarden Bacterien oder noch mehr,
umgibt einen auf alien Seiten ; er dringt in Mund, Nase, Augen,
Ohren, ja in die Poren der Hant ein. Man sieht ihn, man fQhlt
ihn, man riecht ihn, ja, man erlebt ihn! Der Dreck scheint
heilig und unantastbar zu sein wie das Schwein.
Gegen Abend gieng ich mit cAbdallah Mueiz in seinen Pal-
mengarten. An der lanen Quelle, deren Wasser 28,5 Grad Cel-
sius warm war, leben viele kleine Muscheln von derselben lang-
lichen spitz zulaufenden Gestalt wie in Teima. Nachher ass
ich in seinem Hause zu Nacht.
Sa. 22. Marz 1884]. Es war ein frischer Morgen. Zu Hans
in Deutschland wird heute Kaisers Geburtstag gefeiert. Aber
wer der Deutsche Kaiser und was Deutschland sei, davon hat-
ten die Simpel hier naturlich keinc Vorstellung; es wardarum
unnfltz und unm6glich, sie daraber aufzuklaren. Ja, in flajel
hatte ich wenigstens noch auf ein gewisses Verstandniss rech-
nen ktinnen.
Erst nach Mittag stellte sich Merzuk ein, urn die neu ge-
fundenen Inschriften abzuklatschen. Eine war so hoch, dass
kein Palmbaum reichte. Wo ist die Leiter? Die Leiter, ja, die
hatte hinaufgereicht ; aber sie war in sicherer Hut im Castell
von Madaln §alih. 0 Huber, was far Unheil hat dein Rath an-
gerichtet ! Und o ilber mich Esel, dass ich deinem Rathe folgte !
Eine andere, ebenfalls sehr hohe Inschrift habe ich nur mit
wirklicher Lebensgefahr erreichen kOnnen. Dazu war noch der
Stamm nicht ganz capitelfest, und ich furchtete, er kCnnte
mitten durchbrechen.
Der Kerl, der unlangst, wie ich oben S. 229—230 erzahlt habe,
steuerfiachtig durchgebrannt war, sass heute Abend wieder,
nachdem er durch einen Sicherheitsbrief des Said aus seinem
Asyl in der Festung zu Madaln $alih zuruckgekehrt war, ganz
gemilthlich am Kaffecfeuer bei Sacid Abu cAli und liess weiter
mit sich pactiren. Auch am folgenden Morgen spielte sich
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238
VIKIUE1INTK8 CAPiTKL.
beim Kaffee die Scene weiter. Nur vergass leider der Haus-
wirth ob dem Gezeter und Geschrei, den Kaffee za bereiten.
Es war entsetzlich heiss, und ich war heilig froh, als ich end-
lich nach beendigtem Kaffee auf mein Dach hinnbersitzen
konnte.
So. 23. Marz 1884]. Der Morgen war schwfll, schwere Wol-
ken hiengen am Himmel. Gewitterstiraniung lastete auf der
Landschaft.
Meine Tbatigkeit gait beute wie gewOhnlich den Inschriften.
Zuerst erwarb ich den nabataischen Stein, derausdem 1. Jahre
des Kfmigs Arethas datiert war '), um einen Megidi. Dann liess
ich ihn noch gegen Megidi auf ein Drittel seines ursprung-
lichen Gewichts behauen, um ihn leichter transportiren zu kfin-
nen. Zwei andere Steine mit lihjanischen Inschriften suchte ich
gleicbfalls zu ersteheu. Den einen weigerte sich der EigenthOmer
gegen 1 Megidi abzutreten. Den anderen, der von einem klei-
nen Altar herzurfihren scheint, hoffte ich noch fur 1 Megidi
zu bekommen : in der That erhielt ich ihn am nachsten Abend.
»
Da er sehr hoch eingemauert war, musste man ihn erst unter
Schwierigkeiten von seiner Stelle loslGsen.
Heute kam ich mit meinen Inschriften von el-c01a bereits
auf N°. 50, und noch waren mir zwei weitere in den Palm-
garten angekundigt. Der Sclave Merzulc, mein Leibsclave, ist
durch die verschiedenen Bakschische sehr anstellig geworden
und hat zwei gute Inschriften entdeckt; ein paar andre von
ihm gemeldete waren werthlose arabische Inschriften. Oft werde
ich in oder an Hauser gerufen, wo angeblich eine Inschrift
sein soli : das ist dann manchmal nur ein grob behauener Stein
oder irgend ein roh gearbeitetes Steinornament. Aber man dart
die Leute nicht entmnthigen und sie nicht desswegen auslacben;
sonst zeigen sie einem Nichts mehr.
Die Fliegen waren heute wie besessen. Das machte die Nahe
des Regens: der entlud sich unter lebhafter Donnerbegleitung
I) S. oben, S. 232.
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TEIMi — EL-HEGK — EL-'oLA.
239
von 4 Uhr Nachm. an mit reichlichem Schwall. Darum ver-
legte ich heute auch mein Nachtquartier vom Dache ins Haus.
Mo. 24. Milrz 1884]. Nun sollte ich endlich die Ruinen des
alten el-e6la selbst kennen lernen. Seit einer Woche war ich
innerhalb der Mauern des lieblichen Nestes eingesperrt. Waren
nicht die Inschriften gewesen, die meine Zeit doch imraerhin
ziemlich gut ausfQllten, so ware es nicht zum Aushalten ge-
wesen. Wahrend all der Tage hatte ich mich doch auch danach
gesehnt, einen Spaziergang ausserhalb der Mauern zu machen,
und noch lieber mich in den Battel zu schwingen und das
ganze weite Ruinenfeld zu durchstreifen.
Morgens mit der Sonne fanden sich 23 Gewehrbewaffnete ')
im Kahawah des Sacid ein. Es verstrich aber noch einige Zeit,
bis all die verschiedenen Schafheerden, Esel, Weiber und
Kinder beisammen waren, die alle von der seltenen Gelegenheit
profitieren wollten, eine Viertelstunde ausserhalb der Mauem
von el-c01a Futter zu suchen. Endlich fand der Exodus statt.
Voraus gieng eine Anzahl Kundschafter, die sich bei jeder
kleinsten Erhebung des Bodens auf den Bauch leg ten, um die
Ortlichkeit auszuspahen. Wirklich zeigten sich einige Rauber*)
vom Stamme der Bell, die sich aber bei dem Anrucken der
grossen Heeresmacht allmahlich wieder verzogen.
Die Ruinen3) sind ein loser Haufen von rothen Sandstein-
brocken; sie liegen auf einer kleinen Bodenerhebung im Thai,
zwischen den hohen Bergen eingeschlossen. Rechts und links
stehen einige Akazienbaume *), dazwischen Futter. Mitten in
den Ruinen liegt ein aus dem naturlichen Sand stein gemeis-
seltes und im Fels ruhendes Gef&ss von colossalen Dimensionen
das innen drei zerbrochene Stufen hat (Abb. S. 240). Es wird
von den Eingeborenen Halawijjet en-Nebi (sc. §aHh)a) genannt.
Nach ihrer Meinung ist es das Gefass, aus dem das durch die
1) Jl^I^j bawftrdijjeb.
2) b»rft,nijjeh.
4) ^Ab talh.
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240
VIKRZEIINTES CAWTKI..
Sage geheiligte Kameel des Propheten Salih mit Milch getrankt
wurde ').
I.Ul&wijjet en-Nebi Silih.
Das Ganze erinnert stark an die „ Butte des Abts von Maurs-
mflnster," die zwei Stunden sudlich von Zabern (ira Elsass)
mitten im Walde liegt — Weiter fand ich in den Ruinen zwei
Paar Schienbeine von Statueu, von einer doppeltlebensgrossen,
sowie von einer kleineren; an der gTossen waren noch die An-
satze von Sandalen zu sehen. Auch lagen einige Reste von Ge-
fassen aus gestreiftem Sandstein
umber. Die Bnben brachten mir
ein Bruehstuck einer kleinen
Statue init agyptiseher Haar-
tracht. Das Fragment war etwa
in ei-'Ou. 30 cm. hoch ; zu ihm mogen
die kleinen Schienbeine gehfirt haben.
Grabhohlen.
Die GrabhOhlen <iud hier sehr einfach (S. Abb.). Sie ent halt-en
4) xAJ! Uls..
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-
TElMft — KL-HEOU — r.l.-di.X. 241
noch einige Knochenreste, Fetzen von LeichentQchern und Holz-
splitter von den Sargen, auch Reste von Stein- und Thonge-
fassen. — An einem Abhang traf ich viele grunlich-schwarze
Schlacken; ihr Fundort ist auf dem Plan obenS. 219 angedeutet.
Ausserdem fand ich eine ganze Anzahl von Inschriften; mit
einer Ausnahme, einer kurzen nabataischen Inschrift, die wohl
den Namen eines Mannes und seine9 Vaters angab '), waren
alle ,sudsemitisch", d. h. minaisch und lihjanisch, Inschriften
von denen oben S. 224 — 25 die Rede gewesen ist. [Die hier ge-
fundenen Inschriften sind so recht geeigoet den Cbergang von
der echten minao-sabaischen Schrift zur altnordsemitischen
Schrift zu zeigen.]
Ich nahm meinen
Weg von Nord nach
Sfld, da ich an den
Felswanden noch
mehr Denkmaler des
Altertums vermu-
thete. Meine ftefahr-
ten behauptetenzwar,
dort im Sudwesten
sei Nichts vorhanden,
und riethen mirdrin-
gend ab dorthin zu
gehen, da jene Gegend
sehr gefahrlich sei.
Ich liess mich aber
durch Nichts beein-
fiussen, sondern setzte
meioen Weg fort, begleitet von vier Bewaffueten, wahrend das
Lager meiner Begleiter im Thai parallel mit mir weiterwanderte.
Und ich hatte meinen Entschluss auch nicht zu bereuen; deun
[1) Dieae Intchrift ut in Euting, Nabatiiiache Iaschrifteu »o« Arabien, S. 13, oab. 44 abgii-
bildet. Auch im Corpu* In»criptionum Semiticarum, II, No. 121 iit sie wiedergegtben. Wahr-
kcheiolith ist *u )o«d „al-\afijj, Soho dc» :Abd.'j
16
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242
VIERZK1INTE8 CAPITKL.
ich traf bald an der Felswand in vier Nischen, deren Lage auf
S. 219 und in der folgendeu Abbildung ersichtlich ist, vier
Feliwaudc bei . ! « Ua. (Bei + MumieiifraUen).
seltsame Mumienfratzen, in je zwei Paaren, die halb an ftgyp-
tische, halb an mexikanische Gestalten erinnern, mit bleckendem
Gebiss. Zwischen dem ersten Paar befand sich eine gute Inschrift,
die ich leider wegen des schmalen Wegs, auf dem ich nicht
zurflcktreten konnte, nur unvollkoimnen sah und die ich ohne
Leiter nicht erreichen konnte.
[1) Die Inschrift twitchen den Bildern Ut von dem Herautgeber nach dem AbkUUche der
Patres Jaussen und Savignac, Rcrue Biblique, l'J12, S. 60, binzugefugt, da Euting'» Conic
nicht ausreichte.]
1Anr*^nlMV
Mnmieofratzcn nod mionuchc Inschrift >).
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TEIMsi — KL-HKfiR — V.l.-'6l.\. 243
[tiber diese Inschrifl zwischen den beiden Muinien ist inzwi-
schen viel geschrieben worden '). Aber erst nachdem die Patres
Jaussen und Savignac einen Abklatsch von ihr gemacht hatten,
war es moglich, eine sichere Lesung und eine eiuigermaassen
sichere Deutung zu geben. Letzleres geschah durch M. Lidzbarski,
den verdienten Erforscher semitischer Inschriften. Nacb seinen
Erklarungen mOchte ich das Ganze etwa folgendermaassen uber-
setzen :
„Hani', Sohn des Wahab'el, aus Mill). — Siehe, mit einer Busse
von Nikrah und Wadd sei der belegt(l), der etwas an diesem
Grab andert, wahrend der Dauer von Jahren und Monaten!"
Es ist also eine minaische Grabinschrift, mit Angabe des
Namens des Bestatteten und Strafandrohung ira Naraen de9
heimischen sfldarabischen GOtter. Unten werden wir sehen,
dass die Nabataer dasselbe thaten im Namen ihrer GStter. Der
Ausdruck „ wahrend der Dauer von Jahren und Monaten" be-
deutet soviel wie „in alle Ewigkeit!"]
Noch ungunstiger gelegen waren andere Inschriften, die 10 —
15 Meter hoch eingemeisselt waren. Diese mflssen nur von oben
zuganglich gewesen sein, und zwar vou der auf halber HOhe
gelegenen Festung.
Ziemlich mud und ersch6pft stieg ich nun zu dem Lager
meiner Begleiter hinunter, wo Rahwah helu und #ahwah, d. i.
Zuckerwasser1) und richtiger Kaffee, bereitet worden war.
Dann zogen wir heim. Vor uns lag el-eOla mit seinen Palmen-
garten, seinen Lehmtnauern und dem Hilgel Umm Nasir in der
Mitte. Als wir naher kamen, bemerkte ich an den Mauern als
Zinnenverzierung verschiedene Ornamente (Abb. auf S. 244).
Unsere Ruckkehr glich einem wahren Triumphzug. Alles war
froh, dass die Expedition glacklich verlaufen war,*ohne Zusam-
H) Vgl. D. II. M uller, Epigrapbitche Dnnkraulcr aus Arabien, S. 51; J. H. Mordtmnnn,
Beitiiigo zur MiDai»cben Epigraphik, S. 57; A. Jiunen et 11, Savignac, in Kcfue Bibliquc,
Nouvellc Seric IX (1»I2), p. 80 ff.; M. Lidibarski, Ephcmeris fur Scmitische Epigraphik,
HI. S. 274.]
2) Vgl. Band I, S. 128, Anm. 2.
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244
YIKRZEHNTKS CAOTKl.
mentreffen mit deu berflchtigten Raubern; man freute sich,
dass man draussen gewesen war, und man freute sich, dass
El-'Ola von Nordcn.
man nun wieder heimkehrte. Die Heerden eilten vorne draus.
Dann kam ich auf meinem durch die Fliegen ganz verruckten
— ^ ' -. I~-
ZiiioenverzicniDgen auf den M&ucrn von el-<Ola.
Delul, hinter mir SaHd, der Gouverneur, und nun in einer Linie
s&mmtliche Flintentrager. Vor der Linie tanzte Einer, die Anderen
trippelten in Reihe und Glied und feuerten nach einander ihre
Flinten ab, mir beinahe ins Ohr. Jeden Augenblick glaubte
ich, der nachste Schuss wurde mir in den Hinterkopf geben
und das Gehirn durch die Stirn hinausjagen. Einem der Schnt-
zen flog bei der Abfeuerung der Schaft herunter.
Als wir zu Hause ankamen, traf ich meinen kilnftigen Be-
gleiter fur den Weg nach el-Wegh; er hiess Rdejj&n ') und
war der Bruder dea Hauptschechs der Beli, Merzuk ibn Rueihil *).
Nach kurzer Verhandlung erklarte er sich bereit, mich fflr
zwanzig Megidi nach el-Wegh zu liefern. Doch sei noch eine
i) wL*rf.
2> u*] Oi;/'
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245
besondere Bedeckungsinannsehaft nfltig, urn ganz sicher zu gehen.
Der Mensch war noch jung und machte einen sehr guten Ein-
•
Riickkehr von den Ruioen.
druck. Er hatte als Diener den verlumpten 'Obeid bei sich und
ritt eMn weisses Delul.
Abends wurde mir auch der kleine Altar mit lihjanischer
Inschrift, urn den ich gestern gehandelt hatte, ins Haus gebracht.
Ich war flber diesen Erwerb sehr befriedigt. Lange war er eine
Zierde meiner Sammlung und befindet sich jetzt in der Uni-
versitats- und Landesbibliothek zu Strassburg. [Seine Form hat
sieli auch spater als sehr wichtig erwiesen ; in Band II der Ver-
Ottentlichungen der Deutschen Aksum-Expedition ist er auf S.
52 u. 101 zura Vergleiche mit ornaraentalen Formen aus Abes-
sinien herangezogen.]
Die drohenden Gewitterwolken entluden sich nicht ilber el-
c()la selbst, sondern ndrdlich und flstlich vom Ort. Sehr zufrie-
den mit dem Erfolge des heutigen Tages begab ich raich zur Ruhe.
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24G
VIKHZKIINTK.S CAI'lTKI.
Di. 25. Marz 1884]. Heute sollte es endlich nach el-yegr gehen,
dem Ziele meiner Sehnsucht. Dort waren ja die grossen Pracbt-
inschriften, Qber die durch Doughty die ersten genaueren Nach-
richten nach Europa gekommen war, die Inschriften, die micta
zu meiner Reise nach Arabien begeistert hatten und von denen
ich mir so viele Aufschlflsse fur die Geschiehte der Araber und
Nabataer versprach.
Zuerst copirte ich noch drei ffsud$emitische" Inschriften, die
in den Palmengarten gegen Norden eine halbe Stunde weit
entfernt lagen. Dann rustete ich Alles zum Aufbruch.
Mit den tiblichen VerzOgerungen wnrde es Mittag, bis Alles
beisainmen war. Dazwischen hinein kam ein Kerl an, der nur
zwei schmale Tocher, eins nra die Lenden und ein auderes auf
dem Kopfe, trug: er war soeben von den Beli ausgezogen
worden. Bis vors Thor begleitete uns eine grosse Menschen-
menge. Dann nahm ich Abschied von el-c5la, von seinen In-
schriften und neugierigen Einwohnern, von seinen Fliegen und
seinem Dreck. Vieles Interessante und Wichtige hatt,e ich ge-
funden; aber Dinge, die noch interessanter und wichtiger waren,
warteten meiner. Doch war dies nicht der letzte Abschied von
el-c0la; nach wenigen Tagen sollte ich ihn wiederholen, ebenso
wie ich auch Huber noch einmal seheu und von ihm Abschied
nehmen sollte. Man sagt wohl, doppelt genaht halte besser;
dies Sprichwort bewahrheitete sich hier, denn mein doppelter
Abschied von Huber und von el-c01a war ein endgQltiger, fflrs
ganze Leben.
Etwa urn 12 Uhr ritten wir ab. Kdejjan zog voraus mit
seinem Radif cObeid, auf dem weissen Delul; er hatte einen
Theil meines Gepacks bei sich. Ich ritt hinterdrein. Mit dem
Bluvvi konnte ich diesmal direct nach Norden durch die Schlucbt
reiten, die sonst durch seine Stammesgenossen unsicher ge-
macht wurde, und die wir am 16. Marz sorgsam umgaDgen
batten. Diese Schlucht heisst el-cAdib'); in »hr betinden sich
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TKISJ& — KL-yKOtl ~ FI.-'ol.A. 247
wilde Palmen, reichliches Buschwerk, dazwischen einzelne
Brunnen, und so eignet sie sich vorzflglich zum Schlupfwinkel
far Raubgesindel. Hinter der Schlucht bogen wir rechts ab
durch die Hugelgruppe el-£ardijjeh ').
Nach etwa zwei Stunden kamen wir an einem Felsen vorbei,
der mit Inschriften verschiedenster Art bedeckt war. Diese
Felswand mit ihren altaramaischen, thamudischen, nabatai-
schen, griecbischeu und lateinischen Zeichen ist so recht ein
Denkmal der langen und wechselvollen Geschichte Hegra's.
Alle diese Inschriften sind Memorialinschriften : Menschen der
Vorzeit haben hier ihre Namen der Nachwelt uberliefert. Ein
deutsches Sprichwort besagt: „Narrenhande beschmieren Tisch
und Wande". Aber wir Epigraphiker und Palaeographen sind
froh, dass die Menschenhande in alter Zeit Steine und Wande
mit ihren Namen bedeckt haben. Mogen die Nachrichten, die
sie uns uberliefern, zunftchst auch noch so unbedeutend und
nichtssagend sein: aus den wenigen Zeichen lassen sich oft die
wichtigsten historischen, sprachlichen, kultur-, religions- und
schriftgeschichtlichen Schlilsse ziehen.
Wir sahen schon oben (S. 157 ff.), dass im 6. oder 5. Jahrhundert
vor Chr. hier in Nordarabien die aramaische Sprache und Schrift
festen Fuss zu fassen suchte; daf'Qr ist die Inschrift von Teimft
das dauernde Wahrzeichen. Einer der Leute, die diese Schrift
anwandten, ist auch durch unsere Schlucht gezogen und hat
uns folgendes Andenken hinterlassen.
Aramaitche* Onllito.
[Das heisst ubersetzt: „Ma{nallahi und sein Oheirn 2)'\ Ein
Araber, der die national-arabische Schrift und Sprache vorzog,
1)
2) Vielleicht sind jndoch die boiden Namen „Ma'uallahit Na'araah" darin enthalUn; Ygl.
Bating, Nabat. laacbr. aus Arabian, S. 18— 14, u. Corp. Inscript. Semitic. If, N°. 118.
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VIKKZKIINTF.S fAl'ITKI.
schrieb einen Gruss far einen Freund und seinen eigenen Namen
an den Felsen.
Diese Inschrift ist, wie es scbeint, etwas undeutlich geschrieben.
Man kOnnte sie mit hebraischen Buchstaben folgendermaassen
wiedergeben :
I DDI! I D22b „Lubabat, Gruss!
nj?JD | I noyj I Und ich bin Na'raah, der Sohn des Kancah'\
Aber wenn man den ersten Buchstaben leicht ver&ndert
und statt des ^ ein n liest, so warde die erste Zeile entweder
flbersetzt werden kOnnen:
Aus der Nabataerzeit jedoch stammeu die meisten Inschriften.
[Da pflegten die Durchreisenden ihren Naraen und den Namen
ihres Vaters, dazu das Wort schebmi „Gruss", entweder vor
oder nach den Namen, einzumeisseln oder fluchtig einzuritzen.
Der Name des Vaters wurde etwa in derselben VVeise gebraucht,
wie heute in Europa die Familiennamen ; von diesen gehen ja
auch unendlich viele auf Vatersnamen zurnck, wie man aus
den vielen Janssen, Petersen, Christiansen u. s. w., aus den
schottischen Namen mit Mac, den irischen mit 0', den slavi-
schen auf -off und -witz, den armenischen auf -ian u. a. m.
ersehen kann. A Is Beispiele mOgen hier angerahrt sein
in n Al x nn i
AUoordar»bi>hcs Grnllitn.
Jch grasste den tfabib",
oder
,Ich grasste einen Freund".]
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TKINft — BL-I.IKOIt — KL-'of.A. 249
Die erste der beiden Inschriften lautet:
„Gruss! Sa'dallahi, Sohn des Asad".
Die zweite:
„Ijas, Sohn des Kulaib, Gruss !" ')
Die Namen sind rein arabisch, obgleich die Schrift nabataisch
ist. Sa'dallahi heisst wGlflck Gottes"; das war ein Omen, dass
das so benannte Kind seinen Eltern Gluck bringen sollte. Asad
heisst der ,L6we"; der Knabe sollte so stark werden wie ein
LOwe. Namen wie Leon, Leo, sind ja auch uns heute noch
bekannt. Ijas ist „die Gabe"; in sehr vielen Sprachen wird
das Kind als eine Gabe Gottes bezeichnet. Kulaib heist „Hund-
chen"; es ist ein Koseform fur Kalb, hebraisch Kaleb,
„Hund". Fflr diesen Namen sind zwei verschiedene Erklarungen
moglich. Der Name BHund Gottes" ist aus alter und neuer
Zeit bei den Semiten bekannt. Dem Herausgeber wurde der
Name bei den Beduinen so gedeutet, dass der Trftger seinem
Gott so treu sein solle wie ein Hund seinem Herrn. So ist es
auch nur mOglich, dass z. B. ein Muslim „Hund 'Alls" genannt
wurde; dieser Name wurde dem Herausgeber aus Mesopotamien
beriehtet. Andererseits ist der Hund in alterer Zeit aber auch
als starkes, wQthiges Thier gefarchtet. Wenn ein Knabe .Hund"
genannt wurde, so wird auch oft der Wunsch darin gelegen
haben, das Kind niOge stark und gefahrlich werden. Denn die
Araber „benennen ihre eigenen Kinder far die Feinde, ihre
Sclaven aber far sich selbst" *) ; d. h. die Namen der Kinder
bezeichnen oft gefahrliche, die der Sclaven ntttzliche Eigen-
schaften, und die Sclavennamen werden daher oft in der Kose-
form gebraucht ').]
Neben all diesen Semiten haben sich auch einige Europiler
'1) Die Inschriftcn sind vcroffeotlicht in Kuting, Nnbat. Inschriften, S. 13, nub. 46 u. 50;
fcrner im Corp. Inicript. Semitic II, \°. 315 u. 313.
2) Vgl. J. J. Hess, Bediiincnnamcn aus Zenlralarabien, S. 7.
3) Vgl. Pal grave, Reise in Arabieu < Leipzig 1867), S. 3'J.l
*
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250 VIKNZKHSTKS CAIMTKL.
aus alter Zeit verewigt; da. ist <ler Grieche Kassidromos und
der Lateiner Titus.
8€ Nl r i r
Gricchisches Graffito. Lateinischo Graffito.
[Der Name des Kassidromos stent im Vocativ. Dieser wurde
bei den orientalischen VOlkern, die mit den Griechen in Be-
ruhrung kamen, oft statt des Nominativs gebraucht, da erstere
hOrten, dass die letzteren so angerufen wurden. Es scheint.
das Titus ein beneficiarius war, d. i. ein Soldat, der eine be-
sondure Vergflnstigung erbalten hatte, namlich durch einen dazu
berechtigten Officier von deu gewOhnlichen Dienstleistungeu
befreit war und* im Bureau beschaftigt war. Was far Menschen
waren alle diese, von denen gerade die Rede gewesen ist, und
was thaten sie hier in Hegra? In meiner Phantasie werden
plOtzlieh diese Thaler wieder belebt. Da zieht ein Kaufmaun
auf seinem Kameel mit seinen Waaren und Dienern durch die
Schlucht; er macht Rast bei einem der Brunnen. Er blickt auf
den Felsen und sieht die Namen : Hugs geht er hin und scbreibt
auch den seiuigen dortbin. Das Bild vergeht; sieh, eine grosse
Karawane kommt daher, Araber, siegreich, mit Beute beladen.
Sie sucben Kohlung im Schatten der Felswand, sie wollen ihre
Thiere tranken und selbst ibren Durst loschen. Rasch bilden
sich kleine Kreise, die Feuer lodern auf und die laute Unter-
baltung beginnt. Einer sieht die Schriftzeichen am Felsen; er
fragt, was sie bedeuten, und es entspinnt sich eine leidenschaft-
liche Debatte daruber. Man holt einen Schreiber herbei; der
entscheidet die Frage. Dann wird er rait Bitten bestOrmt, auch
die Namen der Anwesenden in das „FelsenbuclT einzutragen.
Doch wer war Titus? War er ein Nabataer, der im r5uiischen
Heere gedient, lateinisch gelernt und einen lateinischen Namen
angenommen hatte, dann auf seine alten Tage in seine Heimath
zurtlckgekehrt war und nun bei einem Spaziergange seine Kunst
zeigen wollte? Oder war er ein wirklicher Rflmer, der hierher
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TKIM& - KL-1.IK1.R — YIL-OSA.
251
versprengt war? Oder ein Theilnehmer der verunglflckten Expe-
dition unter Aelius Gallus im Jahre 24 v. ChrJJ
Doch wir haben uds schon zu lange an dieser Fclswand auf-
gehalten ! Mein Begleiter trieb sehr zur Eile und wollte eigent-
lich nberhaupt nicht stehen bleiben. Das Abscbreiben von In-
schriften 6stlicb der Strasse wollte er ganz und gar nicht
zulassen. So musste ich denn manche Inschrift trauernden Her-
zens unabgeschrieben lassen und sie spateren, glacklicheren
Forschern zur Bearbeitung empfehlen ').
Nun kamen wir den herrlichen Grabbauten von Madaln salih
naher, den Bauten mit den langen uabataischen Inschriften,
deren Erforschung der Hauptzweck meiner Reise war. Zwei
fluchtige Skizzen mogen veranscbanlicben, wie sich diese Fels-
graber aus der Ferne ansehen.
Pelswande mit Grabcro bci Madftin SAIih.
Als wir nahe bei den Grabern waren, stiegen wir ab und
liessen die Thiere unter cObeid's Aufsicht waiden. Ich eiite zu
den Grabstatten und begann eifrig zu zeichnen. Die eigentlichen
Graber sind im Felsen, die Vorderseiten sind mit mannigfachen
Ornamenten und architektonischen Verzierungen aus der Fels-
fl) Die moisten liud jctit wobl von Jnuiscn nnd Savifniac veroffeotlicht worden, in ihrcu
Bnchc MiMioa en Arable, Paris 1WJ.
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252
VIEHZKHNTKS CAPITKI..
wand herausgearbeitet. Die beifolgenden Skizzen mogen die
Hauptformen dieser Facaden veranschaulichen '). Die schonste
und grosste von ihnen, auf dem Bilde rechts unten, heisst Ferid
^einzigartig" >).
Orabfacaden bci Madain S&lih.
Werfen wir auch noch einen Blick ins Innere! Da sind die
Lager far die Todten wie leere Schubfacher, oder wie quer
liegende Nischen aus der Felswand herausgehauen. Einzelne
*
"1) Photographicn dicscr Faradcn, die in Einzclheitcn natiirlich eio getreueres Bild geben als die
obigen Zck-hnnngcn, siud in dem Wcrkc von Jauiten und Sa v i g n ac , Mission en Arabie, gegrben.
Tber ihie kuostgejrhichtlichc Bedeulung im Vergleirh zu denen von Petra hat der bekannte,
leider M friih vcrstorbene Archaologe 0. Puch stein gehandelt in seioem Aufaatzc .Die nabatai-
schen Grabfa»»aden". (Archaolog. Anzeiger, Berlin 1910, I).
2) Eine genauerc Photographic dieses Dcnkmals *. in Jnmsen u. Savignac PI. XXXIX, in S. 382.]
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TEIMii — KL-HKUlt — KI.-'oLA.
253
befinden sich auch auf dem Boden uud sehen aus wie Sarge
ohne Deckel.
Die grossen nabataischen Pracht-
inschriften, die ich in meinem Buche
„Nabataische Inschriften aus Ara-
bien" herausgegeben und ubersetzt
habe, befinden sich fiber den Ein-
gangen zu den Grabern. Aus der
Abb. auf S. 257 ist die Stelle einer
solchen Inschriftgenauer ersichtlich.
Aber nicht alle tragen Inschriften, sondern nur ein Theil. Bei
anderen ist an der Stelle, an der man eine Inschrift erwarten
wilrde, eine Nische vorhanden, in der ehedem vielleicht eine
Marmor- oder gar eine Bronzetafel eingelassen war. Die In-
schriften dieser Graber sind alle nabataisch. Wir sind also von
den Himjaren in el-e01a zu den Nabataern von Hegra gekom-
men. Es scheint daher, dass el-c01a der Stapelplatz filr die
Waaren, die aus dem Silden kamen, gewesen ist und dass die
dortigen Handelsherren Minaer und Sabaer waren, wahrend in
Hegra Araraaer, oder aramalsierte Araber ihr Centrum hatten.
In oder zwischen beiden Orten mag die Umladung und der
Austausch der beiderseitigen Handelsgegenstande, stattgefunden
haben. Aber es fragt sich noch, ob die beiden Stadte zu glei-
cher Zeit blQhten, oder ob nicht Hegra das altere el-T)la in
seiner Bedeutung abgelOst hat. [Eins jedoch ist sicher: die
national-arabische Schrift und Sprache, die sogenaunte thamu-
dische, sowie die von den .Aramaern entlehnte nabataische
haben bis ins 3. Jahrh. n. Chr. neben einander in diesen Ge-
genden existirt. Denn wir kenneu nunmehr eine Grabschrift
von Hegra aus dem Jahre 267 n. Chr. die ihrem Haupt-
inhalte nach nabataisch, mit starker arabischer Farbung, ist,
die aber auch eine thamudische Beischrift fcrflgt1).]
Wer waren die Thamudener, die Banft Thainud, die noch heute
[l) Vgl. zuleUt M. I. idzbartki, Ephemeri. fur scmitiiche Epigraphik, 111, S. 84 ff.]
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254
VIKItZEHSTES CAHTKI..
im Volksmunde der Araber fortleben? Die Einwohner glauben
namlich, trotz der menschlichen Knochenreste und der Brucb-
stilcke von S&rgen, dass diese Grabbauten die Wohnungen der
alten Thamudener gewesen seien. Das ist aber kerne Tradition
aus alter Zeit, die sich etwa an Ort und Stelle erhalten hatte,
sondern die Sage beruht einzig und allein auf dem Koran.
Dort ist mehrfach von dem Volke Thamud die Rede, von den
Wohnungen, die sie sich im Felsen ausgehauen h&tten, von
ihrem Unglauben, als sie sieh weigerten der Predigt des Pro-
pheten $ftlih Gehflr zu schenken, und von ihrer Bestrafung
durch ein Erdbeben; so in Sure 7, Vers 71—76, Sure 15, Vers
80 ff., S. 26, V. 141 ff., S. 89, V. 8. Es muss also bereits urn
600 n. Chr. die Erinnerung daran, dass dies Grabbauten waren,
unter den Arabern geschwunden gewesen sein. Vielmehrerzahlte
schon zu Mohammed's Zeiten die Sage, dass diese Graber die
Wohnungen der Thamudener gewesen seien. Der Prophet wird
auf seinen Reisen nach Norden sich auch in Hegra und in el-
c0la aufgehalten haben. Der Name der Nabat&er scheiut im 6.
Jahrh. dort schon ganz unbekannt gewesen zu sein, wahrend
er sich in anderen Gegenden, in Syrien und im unteren Zwei-
stromlande, bis in spatere Zeiten erhalten hat. Es ist sicher,
dass in heidnischer Zeit in jenen Gegenden ein Stamm der
Thamud gewohnt hat. Der Name selbst scheint auch in den
Inschriften einer bestimmten Gattung vorzukommen. Und gerade
diese Inschriften ptJegeu wir heute thamudisch oder thamudenisch
zu nennen. Aber der Name ist auch nur ein Notbehelf.
Ehe wir far heute diese Gebiete verlassen, wollen wir uns
noeh einmal dort umschauen und das Bergland mit einem Auf
Wiederseheu grdssen.
Wir zogen nun in die Festung von Madain Salih ein. Mein
Erstaunen war nicht gering, dort Huber, Malimud, Naumau
und die bekannten intelligenten (lesichter ihrer Kameele wieder
zu treffen. Huber war amTage, an dem IJelan ausgeplflndert war')>
1) Vgl. obcn S. 233—234.
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TKIM& — EI.-HMiU — EI.-'OI.A.
255
nur mit knapper Noth einem zweiten R&zu entronnen und hatte
die Nacht und ein paar Stnnden des Vormittags mit den Thieren
Im Wctcn von Madftin SAlib.
in einem Versteck zugebracht. Durch Abwarten war es ihm
gelungen, sich noch in die Festung zu retten, aber dort erfubr
er, dass 15 Beli auf ihn und seine Goldkisten lauerten. Da er
Gefangener in der Festung war, so versuchte er an den Grft-
bern Inschriften abzuklatschen. Er und seine Leute mussten
aber, von den Bell verfolgt, die Flucht ergreifen. Unterwegs
beim Galopp l5sten sich die Stricke an der Leiter; sie stOrzte
vom Kameel herunter, konnte aber noch zwischen den Felsen
versteckt werden '). Huber hatte mir heute einen Brief nach
el-c()la gesandt, durch einen Boten, der naich aber nicht raehr
getroffen "hat und den wir auch unterwegs nicht gesehen haben.
In der Festung traf ich auch noch den eAli ibn Sa'ld, der
vom Razu des Emir zuruckkam. Er hatte einen Brief des
liana ud el-cObeid an den cAbd el-eAziz el-cEnkri in Teima zu
Oberbringen. Der Brief begann mit den Worten: Grass von
TJamud el-:Obeid an den Esel den eEnljri zu Teima. Dann wurde
er daruber zur Rede gestellt, dass er uns so schlecht bewirthet
hatte und uns bezuglich der Steine so wenig geftLllig gewesen
war; zugleich wurde ihm der Befehl gegeben, unsre verpackten
Steine sowie den aus dem #asr, den Stein des Pfaffen, ferner
den zum Ka'ffeestOsser umgeformten Saulensturapf, der aus dem
Brunnen gezogen war, nach tfajel zu liefern.
1 1) Der Herausgebvr inacht auf Folgendes aufmerkeam: Huber hatte bewirkt, dass die Leiter
zuruckblieb. Huber kobrte nach MaUin Sllth zuriick, — we'll er ubcrfullen war; Huber
klatachte die Inschriften ab, die Euling hatte abklaUcben wollen, — wcil er Nichta andcres tu
thun hatte; Huber vcrlor die Leiter, — wcil er zum 2. Male iiberfallen wurde; Huber fcr-
stcckle die Leiter, — truUdem er im Galo^i vor dcu Fciiidcn flob. Vgl. obeii S. 22S.]
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256 YlfRZKHNTKS CAP1TKU
Mein Begleiter, der Bliiwi Rdejjan, erbat sich fur die Nacht
Urlaub, uni mit cAli ibn Sa'id geschwind nach el-cOIa zurtick-
kehren zu dilrfen, d. h. dort den Festfrass mitzuraachen, der
ob der Ruckkehr des Sohnes zu erwarten war. Er nahui auch,
gegen Verabreichung eines Schutzgeldes von je 1 Megidi, noch
zwei Kerle mit, die hier in der Festung auf Begleitung ge-
wartet hatten.
Mi. 26. Mar/ 1834]. Heute war der grosse Tag, an dem ich
die Arbeit an raeinen nabataischen Inschriften von Hegra be-
ginnen sollte, die Arbeit, von welcher der Erfolg tneiner ganzen
Reise abhieng. Die von Huber versteckte Leiter war wieder-
gefunden; auch gab es heute zum GlQck einmal wieder etwas
weniger Fliegen als in den letzten Tagen. Aber der Wind ! der
Wind! Ja, wenn ich auf dem Delul sitze, und durch die freie,
weite Wilste Allans reite, da ist mir ein frischer Lufthauch
schon lieb ; oder auch wenn eine kraftige Brise die Segel meines
Bootes blaht, da bin ich auch ganz zufrieden. Aber der Wind,
der mir auf dieser Reise ein so trauter Gefahrte geworden war
und den ich wegen seiner Tucke den „Abklatschwind" getaiift
hatte, der bringt den Menschen zum Heulen, zur Verzweifiung,
zur Raserei. Wenn man da vor einer schOnen Inschrift steht,
den nassen Papierbogen in der Hand, dann kommt der elende
Gesell und schflttelt einein zunachst den Bogen hin und her,
bauscht ihn vorwarts und rflckwarts. Aber warte, wir lassen
uns nicht unterkriegen und unser eigens fabricirtes Papier ist
test; das kannst du mit all deinera Blasen nicht zerreissen!
Nun also, sobald der Wind einen Augenblick verschnaufen
muss, da legt man mit aller Geschwindigkeit das Papier auf
den Stein. Schon will man die Bilrste herausnehmen zum Klopfen,
da — Allah verfluche den Satan ! — tliegt der Bogen mit Hohn
und Spott vom Stein herunter. Kaum kann man ihn noch fest-
halten ; es ist ja auch gleich, ob man diesen Bogen behalt oder
nicht. Man versucht es zum zweiten Male. Dies Mai ist man
kluger: nachdem man seinen Bogen auf den Stein gelegt hat,
halt man ihn mit beiden Handen darauf fest. Man lasst die
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TKIMa — El.-HEGU — EI.-OLA.
257
Hand nicht vom Papier; man wartet, wartet, wartet, in der
Hoflhung, dass doch noch ein Moment komme, in dem die
Windstflsse etwas nachlassen. Solcher Abklatschwind wehte
heute!!
Etwa um 11 Uhr kara Rdejjan von el-c01a zurttck. Mittags
12 Uhr brachen wir alle auf, fttnf Mann zu Kameel, zwei zn
Fuss. Ich wandte mich zuerst der Ostlichen Gruppe der Fels-
graber zu. Beim Abklatschen musste ich, um nicht gehindert
zu werden, alle Kleider ablegen. Nur das Hemd behielt ich
an, und dies band ich mit einem Strick um den Leib, aber
um des Anstands willen musste ich es von hinten nach vorne
durchziehen und in den Strick hineinstopfen. Natflrlieh brannte
die Sonne empfindlich auf Waden und
Nacken und auf die blossen Anne, an
denen ich die Armel nach hinten ge-
bunden hatte. Bei einzelnen Inschriften
reichte selbst dieacht Meter hohe Leiter
nicht hinauf; ich stand unter dem Gie-
beladler und konnte, da mir dieser die
Aussicht versperrte nur einen Theil ab-
schreiben, und selbst diesen, weil ich
fast senkrecht imter der Tafel stand,
nur ungenugend (S. die nebenstehende
Abbildung) ')• In einzelnen Grabern fand
ich noch Todtenlampen und Brocken
von h6lzernen Sargen.
Um 4 Uhr etwa schloss ich meine
Arbeit ab. Ich hatte um meine Inschriften gekampft wie ein
LOwe um seine Beute. Wenigstens von einigen Prachtinschriften
hatte ich gute Abdrucke gemacht. Diese waren alle auf doppelt
genommenen Papierlagen. Leider konnte ich, des Windes wegen,
nie die ganze Breite des Bogens nehmen: der ware nie und
nirnmer auf dem Steine haften geblieben. So zerriss ich denn
Die unerreichbare In»chrift.
1) Die Patrcs Jaime a und Savigaac warcn glrn-klicber; ?g1. Mission cn Arabic, S. 116.
17
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258 VIEnZEHNTBS CAPITEL.
jeden Bogen in vier Theile und fflgte Stuck an Stflck, bis der
ganze Stein bedeckt war. Das musste alles in fieberhafler Hatz
gemacht werden. Die Gleichm(Ls3igkeit und das schone Aussehen
der Abklatsche litt uuter diesem Verfahren, aber die Deutlich-
keit in der Wiedergabe der Buchstaben nicht, Gott sei Dank!
Ich fand es sebr practisch bei dieser Arbeit, einige genasste
Papiere zusammenzulegen und in einer wasserdichten Tasche
auf die Letter hinaufzunehmen.
Huber rustete Abends Alles zur Abreise auf morgen frflh
vor Tagesanbrucb, damit meine zwei Beli-Begleiter nicht die
Richtung sehen kOnnten, in der er abritt. Er wollte seinen Weg
nach Norden zu den Ftikara nehmen, von denen wir am 15.
Marz eingeladen waren, deren Einladung wir aber nicht ange-
nommen hatten.
Do. 27. Marz 1884]. Morgens vor Sonnenaufgang ritt Htiber
ab. Der Abschied war von gegenseitigen besten Wunschen be-
gleitet. Ein ahnliches banges und ungewisses Gehlhl wie am
19. Marz kam wieder uber mich. Aber dies Gefabl wurde bald
durch andere Gedanken verscheucht. Dass diese Gedanken den
Inschriften galten, wird der Leser schon erraten haben. Mit
Huber zogen natOrlich Mali mad uud Nauman. Nauman — der
Hund! — hat mir, wie ich erst sah, als es zu spat war, meinen
schOnen dickschweren Kameelszaum gegen seinen schwindsflcli-
tigen vertauscht.
Bald nach dem Frflhstflck kam ein Sclave als Bote des Said
von el-c0la. Er brachte den Brief, den Huber an mich nach
el-c01a geschickt hatte '), und einen Brief von Said an Huber.
Zugleich liess mir Safid sagen, ich sollte ihn durch den Sclaven
die Stunde meiner Rilckkehr nach el-c01a wissen lassen; dann
werde er selbst mir mit einer Anzahl von Flintentrt-gern ent-
gegengehen.
Nach dem Morgenessen ritt ich mit raeinen beiden Biljan,
d. h. Mitgliedern des Beli-Stammes, ferner mit Mabruk und
1) Vgl. oben S. 255.
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TKIM& Kl.-HEGR — Tl.-%L\.
259
seinera Neffen, dem Buben Khalid, wieder zn den Ruinen, und
zwar zunachst zu der Stelle, an der wir gestern die Leiter und
einen Theil der noch nicht ganz trockenen Abklatsche verborgen
hatten. Der Wind war heute ein klein wenig gnadiger. Beim
Abklatschen war ich mit einem Jagerbemd und mit Jagerhosen
bekleidet, d. h. Unterhemd und Unterhosen von Dr. Jager. Bei
den meisten Insehriften reichte heute die Leiter von sechs
Metern HChe ; ich brauchte also nur drei der vier Theile meiner
Leiter auf einander zu setzen.
Im Ostlichen Theile des Ruinenfeldes liegen zwei gro9se HOhlen,
die von den Eingeborenen Diwan1) und Mesgid, d. i. Moschee,
genannt werden. Dort schrieb ich heute viele Insehriften ab.
Ira Diwan und dahinter befinden sich eine Anzahl zwef Meter
hoher Nischen.
N Lac ben bei Mad&in Salih.
Ziemlich mQd und durstig kehrte ich um 4 Uhr nach dem
Castell zuruck. Abends konnte ich lange nicht einschlafen. Die
Ubermudung und die Gedanken an meine Arbeit und an die
UDgewisse Zukunft hielten mich wach.
Fr. 28. Marz 1884]. Auch der heutige Tag war noch den In-
sehriften von Hegra geweiht. Aber es war der letzte Tag, und
da hiess es alle Krafte anspannen, um fertig zu werden. Sofort
nach dem Morgenessen brach ich auf. Meine Begleiter waren
wiederum die beiden Biljan, ferner I.lraeideh mit seinem jungen
Sohn Khalid und der Sclave Mabrdk. Es gait die sddlichen und
Gstlichen Graber vollstandig zu erforschen. Von alien Grabern
ist doch el-Ferid2) das schOnste und am reichsten verzierte.
1) Diss ist wahrwhoinlich ein nabataiacbt* Heiligtuui geweacn; ygl. Jauaaen a. SaTignac,
MiaaioD eo Arabia, S. 405 ff.
2) S. obeo S. 252.
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200
VIEH/KHNTKS CAI'lTEL.
Leider wehte heute wieder ein starker Wind, der vermale-
deite Abklatschwind ! Doch ich liess mich nicht einschucbtern;
ich wollte und musste heute zum Ziele kommen. Bei keiner
Inschrift gab ich nach, ehe ich meinea Zweck erreicht hatte.
Nur ein Mai war der Wind starker als ich. Ich war oben auf
der Leiter vor einem der grOsseren Prachtgraber. Der Wind
ptiff ohn Unterlass: ich machte verzweifelte Anstrengungeo,
um das Papier auf den Stein zu bringen und an ihtn haften
zu lassen. Alles war vergebens: immer und imnier wieder kamen
neue Windsttfsse und rissen die Blatter vom Stein ab. Padiese
Inschrift uberdies nicht gut erhalten war, gab ich endlich,
um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, das aussichtslose Ge-
schaft auf. Als ich die Leiter hiuunterstieg, entfuhrte mir der
Wiud ausserdem noch mit Triumphgeheul drei Papierblatter.
Und wohin fuhrte er sie? Auf die Akroterien, die sich oben
rechts und links auf der Facade des Grabes befinden! Daran
konnte ich so recht seine Tucke erkenuen.
Nach Mittag machten wir etwas Kafifee; das war eine knlf-
tige Erquickuug bei der ermCldenden Arbeit.
Als ich meine Arbeit endgtlltig abschloss und die „Strecke"
zahlte, stellte es sich heraus, dass ich 26 Inschriften schonerer
Art abgeklatscht hatte: das waren auch alle nur halbwegs
zugauglichen gewesen, mit Ausnahme der einen einzigen, die
der Wind mir nicht hatte flberlassen wollen. Ausserdem hatte
ich natilrlich noch ein ganze Anzahl kleinerer Inschriften al>
gezeichnet.
In welcher Weise unsere Kenntnis von der Sprache und Sehrift.
von den Namen, den Sitten und Gebrauchen, von der Geschiehte
der nabataischen Aiaber durch diese Inschriften bereichert
worden ist? — das zu schildera gehOrt nicht in dies Tagbuch.
Darilber mai? der Leser die Einleitung zu meinem Werke
BNabataische Inschriften" oder auch die betreflfenden Capitel
in Jaussen et Savignac, Mission en Arabie, nachlesen. Aber ich
will doch hier (?ine der grOsseren Inschriften in t)bersetzung
mittheilen und einige Bemerkungen daran knQpfen. Es ist die
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TKIMsi — M.~I.IKGR — KI.-OU. 261
Inschrift N°. 2 ia meinen wNabataischen Inschriften", im Corpus
Inscriptionum Semiticarum II, N°. 197, bei Jaussen und Savignac
S. 156, N°. 8. Sie lautet, wOrtlich Qbersetzt, folgendermaassen.
„Dies ist das Grab, das hat machen lassen cAldh, der
Sohn des Kehil, Sohnes des Alexi, fQr sich selbst und seine
Kinder und seine Nachkomtnen und far den, der in seiner
Hand vorweist eine authentische Urkunde aus der Hand des
cAldh, die fQr ihn gQltig ist; und fQr den, dem darin zu be-
trraben erlaubt cAldh zu seinen Lebzeiten. Im Monate Nisan
im Jahre neun des Arethas, des K6nigs der Nabataer, der sein
Volk liebt. Und es mOgen verfluchen DASara und Manot und
tfaisah jeden, der diese GrabhOhle verkauft oder kauft oder
verpfandet oder verschenkt oder verraiethet oder Qber sie ir-
gend eiu anderes SchriftstQck verfasst oder einen Menschen
drin begrabt mit Ausnahme der oben Genannten. Und diese
GrabhOhle und ihre Inschrift sind unverletzlich, gemass der
Beschaffenheit der HeiligthQraer der Nabataer und Salamier, in
alle Ewigkeit!'1
[Dies ist also gewissermaasen die Stiftungsurkunde der Grab-
hohle. Und die meisten anderen grossen Inschriften sind ganz
ahnlich abgefasst. Da kommt zunachst der Stifter mit dem
Mamen seines Vaters '), hin und wieder mit einem Titel wie
Reitergeneral u. a., dann kommen oft die Namen einzelner
Familienmitglieder, fQr die das Grab mitbestimmt ist. Darauf folgt
das Datum. Danach wird nochmals genau darauf hingewiesen,
wer in dem betreffenden Grabe eine Leiche beisetzen daif, even-
tuell aueh mit Theilangaben. Die Zuwiderhandelnden werden
dem Fluche der Gottheit ausgesetzt oder mttssen, wie z. B.
anch in Kleinasien, eine bestimmte Strafsumme zahlen. Die
Zuwiderhandlungen werden meist bis ins Einzelnste aufgefQhrt;
dies beweist, dass dergleichen Dinge Ofters vorkamen, denn
sonst hfttte man sie nicht so sorgsam verboten. Zum Schlusse
wird wohl, wie hier, auf die Unverletzlichkeit des Grabes und
1) Vgl. oben S. 248.
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26,2
VIKR/.EHNTKS CAPITEU
der Inschrif't hingewiesen; sonst werden auch oft die Stein-
metzen genannt, die die Graber ausgefuhrt haben.
Der Kimig Arethas IV. regierte vom Jahre 9 v. Chr. bis zum
Jahre 40 n. Chr. Unsere Inschrift stammt also aus dem Jahre
1 v. Chr., und zwar aus dem Monate Nisan, d. i. April. Dieser
Arethas trug den Beinanien Philopatris, „der sein Vaterland liebt";
darin liegt ein Unabhangigkeitsgefuhl und ein Gegensatz gegen
die weltbeherrschenden ROmer. Beinahe alle Inschriften von
Hegra stammen aus der Zeit seiner Regienmg; daraus erseheo
wir zugleich, dass das Nabataerreich uuter ihm seine Bluthezeit
erlebte.
DuSara, Man6t und tfaisah sind arabische Gottheiten. Dusara,
bei den Griechen und RGmern Dusares genannt, war der Haupt-
gott der Nabataer. Er wurde mit Bacchus-Dionysus identificirt.
Man6t ist die SchicksalsgSttin ; sie wird auch im Koran, Sure 53.
V. 20, erwahnt.
Neben den Nabataern werden auch die Salamier, nabataisch
„das Volk von Sal(a)mn, genannt. Sie sind als Verbuudete der
Nabataer den Alten bekannt gewesen. Stephanus von Byzanz
spricht von ihnen, und jttdische Quellen kennen ihren Namen.
Auch im Norden des Reiches der Nabataer, in der grossen Stadt
Umm ig-6imal, sQdlich von Bosra, wird ein Mitglied dieses
Stammes genannt ').]
In der Nacht gieng noch der Sclave Mubarak nach el-c01a,
urn den Sacid zu benachriehtigen, dass wir am nachsten Morgen
von Madaln Salih aufbrechen wQrden; er mochte uns daher
mit Bewaftneten entgegenkommen. In derselben dunklen Nacht
begannen aber auch finstere Gewalten ihr unheilvolles Spiel,
das sich rasch zu einem wuchtigen Drama entwickeln sollte.
Die feindlichen Personen dieses Dramas waren drei Rauber vom
Stamme der Geheineh, die heute Nacht bei der Festuug an-
kamen und die schon von weit her durch lautes Gebell der
Hunde angekilndigt wurden.
1) Ygl. Littmann, Nabatacnn Inscriptions, Leiden 1913, S. 42.
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TElMi'l — KL-HKGH — EL-'dLa.
Sa. 29. M&rz 188iJ. Morgens um 7 Uhr brachen wir von
Madaln §alih auf. Ich war leichten und frohen Herzens. Gem
sagte ich dem 6den Nest und der 6den Gegend Lebewohl, da
ich meine Arbeit gethan, meine Aufgabe erfnllt, meinen Zweck
erreicht hatte. Wenn ich jetzt nur erst sicher in el-Wegh ware!
Von Zeit zu Zeit blickte ich zu den finsteren Geselleu hinuber,
die sich uns angeschlossen hatten. Das waren die drei Rftuber
von den Geheineh auf ihren zwei Kameelen: sie kamen mir
wie Unglncksraben vor, und ihr Anblick liess Nichts Gutes ahnen.
Wir ritten denselben Weg, den wir am 25. Marz geritten
waren ; er wird Derb el-a&indi ') genannt. Gegenuber von dem
Felsen, an dem ich damals die griechischen Inschriften getroffen
hatte fand ich heute noch eine nabataische Inschrift.
Nabataiaches Graffito.
Sie heisst Qbersetzt: „ Alih, Sobn des Haram. Gruss!"3).
Das war mein Abschiedsgruss von Arabien und von meiner
epigraphischen Thfttigkeit. Noch dazu kam er von einem „Sohne
des yaram!" Sollte das ein Vorzeichen sein? tfaram und harami,
.Rauber", klingen sehr ahnlich, und beide Worte sind von
derselben Wurzel abgeleitet.
Unterwegs trafen wir eine schneeweisse, trockene'
Pflanze, die einer arabischen Keule ahnlich sieht, und
die Bernuk*) genannt wird. — Im Wadi cAdib 5)
lagerten die mir von Sacid entgegengesandten Flinten-
trager. Von nun an konnte ich den Revolver ein-
stecken. Es war heute ein sehr heisser Tag. Der Himmel war
Tl) D. i. wahncbeinlich „Militar»tra««e", da es der dircctc Weg itt, auf dem die Truppen
durcbziehcD. Daram itt besser el-jfindi zu sprechcn.
2) 8. oben S. 250.
8) Vgl. Euting, Nabat. Inachr., S. 13, N°. 12, u. Corp. Ioacript. Semitic. II, N°. 30».
Aber dort itt die Inschrift uoch uicht richtig erkannt.j
4) ^jyy- ;H.: bemug M**<he, alt JuSf, Phelipaea iutea Deaf.]
5) Vgl. oben S. 246.
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264
VIKR7KHNTKS CAl'ITKI..
mit einer Dunstachicht tiberzogen ; dadurch wurde die Hitze
noch drtickender und die Augen schmerzten, wenn sie in das
verstreute Licht blickten.
Gleich nach meiner Ankunft in el-c01a musste ich noch alle
m6glichen Dinge einkaufen, von denen ich erwartet hatte, dass
Sacid sie rair gratis liefern wurde. Ich kaufte u. a. Datteln,
Mehl, Tabak, zwei Tassen, dann noch eine Weibertracht von hier,
etc. — Der Sclavc Merzuk der ja frflher schon so anstellig
und gelehrig gewesen war, hatte meine Abwesenheit dazu be-
nfltzt, urn weiter nach Inschriften zu suchen. Wirklich hatte
er auch drei hiinjarische Steine in den Palmengarten entdeckt.
Tch machte mich daran sie zu copiren; dabei stellte es sich
allerdings heraus, dass ich zwei von ihnen bereits frdher copirt
hatte.
Von den B61i waren noch zwei Brflder des Rdejjan ange-
kommen, ein alterer, namens Salim, und ein jungerer, namens
Muhammed. Sie wollten uns auch auf der Reise nach. el-Wegh
begleiten.
Gegen Abend war der gauze Himmel bedeckt, und Nachts
erhob sich sogar ein formlicher.- Sturm. Der Staub el-c0la's,
von dem ich oben S. 237 ein schwaches Bild zu zeichnen ver-
sucht habe, wirbelte in unglaublichen Massen fiber die Dacher.
So wurde ich genOthigt mein Bett vom Dach ins Haushinunter
zu tragen.
1) Vgl. obcn S. 238.
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e
XV. CAPITEL.
SCHLUSS.
El-c01a-el-Wegb.
30. Marz.-15. April 1884.
H } C A Z
Wegdnrchichnitt von el-'Oia bit el-Wegh i).
So. 30. Marz ~1S84]. Jetzt also den Blick heimwarts ge-
wendet. Von heute ab sollte es wirklich der Heimath zu gehen.
Aber noch durfte ich mich nicht allzufrohen Hoflhungen hin-
geben, durfte mich nicht in Sicherheit wiegen lassen. Freilich
zunachst hatte ich das angenehme Gefahl, dass ich in das
Staub- und Drecknest, so man el-c01a nennt, nicht wieder
zurflckzukehren brauchte. Das war schon Etwas! Naturlich gab
es am Morgen, als ich gleich nach dem Morgenessen abreiten
wollte, viele Verzogerungen. Da fehlt dies, dort fehlt das! Die
eine Last ist nicht ordentlich in zwei Halften vertheilt; ein
Kameeltreiber ist nicht zur Stell! Ein Kameel will sich nicht
niederlegen ; das andre will nicht aufstehen. Alles dies giebt
ausserdem reichlichen StoflF zu lebhafter Unterhaltung. Die Un-
terhaltung dauert selbstverstandlich ganz bedeutend viel l&nger
als das Aufpacken selbst.
[1) Da einc Karte von £uttag'i Haad fur die*en Weg nicht vorliegt, babe ich die Stationen
in den von ihm geieichneten Wegdurchtchnitt eiogctragon. l)er Weg selbst ist aus der Geaamt-
karte in erkenoeo.]
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260 H'NFZKIINTKS CAI'ITKU
Schliesslich war es aber doch soweit, class wir aui'breehen
konnten. Unsere Karawane bestaud also aus mir, Rdejjan, Sulim,
Mu hammed und 'Obeid; wir hatten zusa'mmen vier Thiere. Nnn
rasch von Safid Abschied genommen imd hinaus zum Thore
von el-e01a! Wir ritten zuerst in den breiten Wadi el-6isl nach
Saden, bogen dann nach Westen um in den Sa'ib Umm flaiitn.
spater in den grossen Sacib Aba Beli. Unterwegs machten wir
Thee und Brod; dabei tfitete ich eine giftige Schlange durch
einen Pistolenschuss. Erst nach Sonnenuntergang lagerten wir
im Wadi el-Hamm.
Der Uberfall vom 30. Marz 1884»).
I. Bericht.
„Wir hatten wieder Thee gemacht, Datteln und von unse-
rem Brod gegessen und wollten uns beinahe zur Rube legen,
doch so, dass Salim und cObeid am Eingang des 8acib wacheD
sollten, um uns vor Oberfallen der Geheineh zu warnen. Nach
ganz kurzer Zeit rannten sie mit furchterlichem Angstgeschrei
zu uns zurrtck und baten mich sie zu vertheidigen, es seieu
da vorne 10 Geheineh, sie hatten sie erkannt beim Feuer-
/ schlagen, um ihre Flinten anzuzunden. Nun muss man wissen,
dass Rdejjan und c0beid von diesen Kerls bereits raehrere fraher
erschossen hatten und sich also auf Alles gefasst halten mussteo.
Ich sprang auf im Hemd mit dem Revolver, wir rannten vor-
warts, deckten uns hinter einem Busch, und ich feuerte einen
Revolver zuerst ins Blaue ab. Grosses Geschrei; Rdejjan rief:
„Ja Beli, ja Geheineh11, um zu hcren, was es far Leute
seien. Wir verfahrten einen grossen Kriegslarm und Mannen-
aufruf, als ob wir zwanzig waren. Meine Gefahrten zeigten
[1) Uber dieien tibcrfall, der jedem Freunde Euting'i durch seine lebendige Schilderuag in
Erinncrung scio wird, gcbc ich hier teine bcidcn Berichte genau nach dem Wortlaut* ohu
rcdactionelle Andcrongen; nur Iuterpnnuiion und Ortbographie aind ein wenig ausgefeilt. Der
ersie Bericht lindet sich im Tugboch nnter dem 80 Mara, der andere am Schlntse nach dem
20. April.,
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KI.-'OI.A — KI.-WEGH. 267
niir einen Busch, hinter welchem ein paar hocken sollten. Ich
feuerte dorthin drei Schflsse ab und habe — Gottes Wunder —
wie sich nachher herausstellte, Einen dieser Hunde in die Schulter
geschossen ; das war auf eine Entfernung von zehn Schritt, also
wird die Kugel gut sitzen. Ildejjan soli einen Andern getroffen
haben. Wahrend dieser Kampfesscene ^euerte ich im Ganzen
fflnf Mai und sparte meine Munition. Leider habe ich durch
ein Loch meiner Tasche sechs Revolverpatronen verloren und
besitze jetzt nur noch neun Schflsse. Kapsele zum Gewehr habe
ich auch nieht. Mittlerweile hat ten Muhamined und cObeid die
Kameele wieder beladen, und wir ritten nun bei dem schwachen
Schein des vier Tage alten Mondes im Trab drei Stunden auf
die Zelte der Beli los. Dieselben lagerten im Wadi el-yamm.
Wir bemerkten noch einige Feuer, die Hunde bellten, und etwa
200 Schritte von den Zelten lagerten wir.
Die Nacht etwas unruhig verbracht. Sie brachten mitten in
der Nacht Milch zu trinken."
II. Bericht.
„Den tFberfall durch die Geheineh am Abend des 30. Marz
muss ich doch etwas genauer beschreiben:
Aus dem Wadi Abft-Beli herausgetreten, schritten wir, als
eben die Sonne sich legte, uber eine Ebene mit reichlichem
Futter, rechts drflben war ein ziemlich dichtes Geheg von stach-
lichten Talh-Bftumen '). Meine Begleiter wollten nicht lagern,
sondern in der Nacht weiter reiten bis zu ihren in den Bergen
3—4 Stunden weiter gelegenen Zelten. Erst meinen zornigen
Drohungen (von vermindertem Bakschisch) gelang es, sie zu
bewegen, an dem Eingang des Wadi el-I^amm das Nachtessen
zu bereiten. Wir waren hinter einigen Rada ^-Bflschen abge-
stiegen und hatten gegessen; der Mond beschien schwach die
[1) D. i. Acacia Sejral Del. ; vgl. obeo S. 186, Aom. 5.
2) D.i. wahrtcheinlich eine Tamaru-Art; $. obeo S. 176, Anm. 4]
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268 KtlSKZKHNTKS t'Al'ITKI..
.■
Landschaft. Ich setzte mich mit Rdejjan und seinem jangeren
Bruder Muhammed noch etwas ans Feuer, und wollte mich
bald zur Ruhe legen, wahrend Rdejjan's alterer Bruder Salim
und der einaugige Diener cObeid erklarten, sie wollten 50 Schritt
weiter rflckwftrts 9ich legen und wachen, daas Nichts VerdW-
tiges sich nahe. Sie waren noch keine fflnf Minuten fort, so
rannten sie zuruck, cObeid mit angsterfallten Geberden, und
Salim mit der dringenden Aufforderung, ich solle gleich Sabe!,
fc Revolver und Gewehr zur Hand nehmen; hart neben unslagern
zehn oder elf Riluber (^laramijjeh). Ich hielt es zuerst far eine
Erfindung und glaubte, sie hatten diese Scene nur konstlich
aufgefiihrt, urn, auf Furcht von meiner Seite speculirend, doch
noch zu ihrem Ziel zu kommen, d. h. mich zura Nachtmarsch
bis zu ihren Zelten zu bewegen. Ich war deshalb ziemlich ruhig.
gab den Sabel dem Salim, der schon eine Flinte hatte, meine
einlautige Pistonflinte (Geschenk von Onkel Gottlob Mayer) gab
ich Rdejjan; ich selbst rannte im blossen Hemd mit dem Re-
volver voran und commandirte: „Jallah, wdn el-kilab, bis-
millah!'^(Vorwarts, wo sind die Hunde? Im Nameu Gottes!).
Zugleich verfuhrten meine Begleiter ein grosses Kriegsgesclirei
mit Aufruf von Namen aller mtfglichen Leute, die wir gar nicht
bei uns hatten. (— Horen Sie, wir haben Gensdarmen bei uns,
ich lass mich gleich zu Protocoll nehme! — ). Ich fragte Salim,
wo denn die Kerle seien. Er sagte: ,Halt, halt, gleich hinter
dem nachsten Busch ; ich habe sie gesehen, wie sie Feuer ge-
schlagen haben (urn ihre Luntenflinten anzuzunden). Feure nur
drauf los!" Ich feuerte also drei Revolverschusse hinter einander
in den Busch auts Gradwohl hinein und rief nach ruckwarts
dem cObeid, er solle das Revolverfutteral bringen (mit den
zw6lf Reservepatronen). Dann feuerten die beiden andern ihre
Flinten ab, und alles war mauschenstill. Der AutTorderung die
Flinte wieder zu laden konnte ieh nicht nachkommen, da icb
unvorsichtigerweise keinerlei Munition fur die Flinte bei mif
hatte. Nachher erst merkte ich : das Kapsele hatte versagt^ und
dieser Schuss war gar nicht losgegangen. Den Revolver lud ich
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KL-'dl.A — KL-WKOH.
269
wieder und fenerte nochmals ein oder zwei SchOsse ab. Nun
sprang Rdejjan auf und rief: „Ja Beli, ja Geheineh!", und he-
gab sich — far mich unverstandlich — nach vorwarts, wahrend
er mir sagte, ich solle das mittlerweile wieder gesattelte Delul
besteigen und vorwarts reiteu. Nach ganz Kurzem kam er zurnck
mit der Nachricht, es seien Geheineh, einen hatte ich durch
die (vorgebeugte) Schulter, als er eben anschlug, in die Lunge
geschossen, und ein andrer sei — vielleicht von ihm ? — in den
Kopf geschossen. Auf mein Befragen, woher er dies Alles wisse,
wollte er nicht mit der Farbe heraus; er wollte nicht gestehen,
dass mit den Geheineh auch Leute von seinem Stamm (Beli)
waren, und mit diesen hatte er sich rasch beredet. Mir wird
immer wahrscheinlicher, dass es — o Schande — bloss Beli
waren, ausser den drei von Madaln §alih her bekannten Ge-
heineh. Wir trabten nun in der Nacht ein paar Stunden beinahe
ununterbrochen, bis wir bei den Zelten des Schechs Merzul;
ankamen.
Erst am folgenden Morgen kam etwas Licht in die Sache
durch einen jungen Beli namens Muhammed, der spater bis
Tajjib-ism mit uns gieng. Die Geheineh waren eben die drei,
welche in der Nacht in der Festung von el-IJegr angekommen
(S. 262), von den Hunden so angebellt worden waren, die mit
uns gegessen hatten und dann bis el -'Ola mit uns geritten
waren. Wie viel andere Geheineh und wie viel Beli bei dem
liberfall waren, das konnte ich nicht herausbringen. Genug,
die Kerle hatten unter jeneu Talh-Baumen zur Rechten von
unsrem Weg, wo ich lagern wollte, gelauert und waren mit
Zurilcklassuog ihrer Kameele in der Nacht herangeschlichen.
Nun, es ist ihnen versalzen worden.
Ich hatte nie geglaubt, dass, wenn man einen oder gar zwei
Menschen erschossen hat, man so wenig Gewissensbisse danach
empfindet ( — den Krieg naturlieh ausgenommen — ), und darauf
so gut und herrlich schlaft. Mag sein, weil ich die Cadaver nicht
gesehen habe.
Die Erschosseneu wurden noch iu der Nacht von ihnen be-
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270
FONFZEHNTES capjteu
graben, ein Erdhflgel1) und eine grosse Blutlache bezeichnete
allein die Statte des Schlachtfeldes."
Mo. 31. Marz 1884]. Der Wurfel war gefcllen; ich hatte
meinen Maun erschlagen. Unter den Brudern und Stammes-
genossen des Mannes, der durch meine Kugel gefallen war,
war ich verfehrat; ihre heilige Pflicht war es, au mir Blut-
rache zu uben. Jetzt rousste ich auf der Hut sein. Aberglilck-
licberweise befand ich mich ja bei einem mir befreundeten
Stamme, der seinerseits mit meinen Feinden2) in Blutfehde Jag-
Morgens vor der Sonne gieng ich an die Zelte der Beli hin-
aber; aber ich bekam dort Nichts zu essen, sondern nur etwas
sttsse Milch zu trinken. Es katnen einige neugierige Schechs
und viel armes Gesindel zu mir. Da diese Beli keinen Kaffee
besassen und ich selbst auch keinen mehr hatte, so war icb
genftthigt, eine Bewirthung mit Thee zu veranstalten. Tch hatte
jedoch nur sehr wenig Zucker bei mir, und so verabreichte
ich den Thee ohne Zucker. Den ganzen Vonnittag hindurch
fand ein Gelage von diesem armlichen Qesindel bei mir Statt.
Daran nahm auch ein Belli wi theil, ein junger Kerl, namens
Muhammed, der mit den zehn Raubern von gestern gewesen
war! Er berichtete, der ganze OberWl sei auf" Vemnstaltung
der drei Diebsgesellen geschehen, mit denen ich zusamraen von
el-IJegr nach el-c01a geritten war, jener Kerle, die mir schon
gleich so unheimlich und unsympathisch vorgekommen waren.
Wegen der blinden Heldenthat von gestern Abend wurde ich
als Heros gefeiert; alle wollten meine Waffen sehen, was ich
den Schechs nicht abschlagen konnte.
Wahrend all dieser Unterhaltungen und Besuche entwickelte
sich in meinem Innern ein starkes Hungergefuhl ; der schwache
Thee war gar nicht dazu geeignet, ihn zu stillen. Endlich, um
2 Uhr Nachraittags, brachten meine Wirthe mir Reis mit Fleisch.
Da war der Hunger freilich schon etwas vergangen.
[1) Daruber steht im Tagbucb, in der Handschrift Eutings .2 Steinhiigel". Dies wird jweifelk*
riebtiger sein. Die Heduincn begraben, indem sic Tiber den Toten einen Steinbaufen errickten."
2) Obgleich nirgenda gesngt wurde, das» der Gctutete einer von deo Geheineh war, m i't
dies doch amnnchmen.]
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Kly'dl.A — EL- WKCII. 271
Unausstehlich war die Neugierde von Weibern und Kindern,
Junglingen \ind Mannern, als ich sie fortgejagt hatte, um mich
zu waschen, und wenigstens nur auch einen Theil des Staubes
von el-e0la mir vom Leib zu schaffen. Zu alien Ritzen des
Zeltes guckten die Viecher herein, und ein Weib mit ihrer
Tochter benQtzte sogar die paar Minuten meiner Einsamkeit,
um die Krankheit ihrer Tochter mir aufs ThOrichtste zu be-
schreiben. tfberhaupt fand ich die Weiber unerhOrt frech, die
Kinder schreierisch und alle zusammen uber die Maassen bet-
telhaft, besondera in Bezug auf Tabak. Das war ja eine edle
Gesellschaft, in die ich gerathen war! Das also waren raeine
Freunde und Brttder, mit denen mich die Blutrache gegen die
Geheineh verband!
Abends liess ich von meinein eigenen Mehl Brod machen
und ass dazu einige Datteln. Dann schlief ich trotz dem Ge-
schwatz am Feuer ein.
Di. 1. April 1884]. Auch den heutigen Tag fiber musste ich
noch in derselben widerwartigen Umgebung zubringen. Ich
selbst wollte die Reise so rasch wie mOglich fortsetzen und
staud zu dem Zwecke auch vor der Sonne auf. Aber raeine
Begleiter waren nicht dazu zu bewegen; sie bestanden darauf,
mit ihren Leuten heute noch zusammen zu sein. Diese luden
die Zelte und alles Gerath auf uud verlegten ihr Lager weiter
abwarts im Wadi el-yamra, ganz in die Nahe der Stelle, wo
der Dberfall am 30. Marz stattgefunden hatte. Die Beduinen
pflegen ja flberhaupt das nachste Lager nicht mOglichst sehr
weit von dem vorhergehenden aufzuschlagen. Unterwegs lagerte
ich mit meinen Leuten etwas abseits. und dort assen wir un-
gestcrt ein paar Datteln.
Nach kurzer Rast in herrlichem Schatten ritten wir den An-
deren wieder nach, und um 9 Uhr trafen wir bei den frisch
geschlagenen Zelten ein. Meiner wartete hier ein neuer qual-
voller Tag inmitten dieses bettelhaften, unverschamten Raub*
gesindels der Beli.
Natflrlich war auch wieder vielfach die Rede von dem t)ber-
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272
FtfNKZEIINTES CAP1TEL.
fall. Mir wurde erzahlt, der Kerl, den ich erschossen hfttte,
hiesse Sleiman ibn Sel&mah; er sei nach Kurzem noch in der
Nacht gestorben; die Kugel sei ihm durch die Schulter von
oben hinab in die Lunge gefahren und durcb den Rucken hin-
aus. Der andere Kerl, den Rdejjan ebenso zufallig erschossen
habe, sei durch die Stirn getroffen und augenblickiich todt ge-
wesen. Diesen Morgen haben unsere Leute die Graber an Ort
und Stelle gesehen, dazu auch noch eine Menge Blutspuren.
Ich selbst habe das Schlachtfeld nie zu Gesicht bekommen.
Merkwurdig! War es Scheu vor dem Blut oder war es das
Gefuhl der mich umgebenden Gefahr, das mich davon abbieltt
Schon Morgens beim Aufbruch war ein eckelhafter Kerl am j
Feuer gewesen, der trotz aller Aufforderungen zu gehen doch
sich nicht hatte forttreiben lassen. Nachher beim zweiten Lager
stellte er sich vor und sagte: „Ich bin der Bruder dessen, den
du gestern Abend erschossen hast').'1 Ich sagte: „Gottlob, habe
ich ihn erschossen! Ich habe ihn nicht gerufen. Warum wollte
er mich Qberfallen ?" Nachher war er noch sehr frech und
wollte alles anrflhren ; ich musste ihn schliesslich durch Pistolen-
drohung fortjagen. Spater suchte er sich zu bessern und wollte
sogar mit mir Freundschaft schliessen, was ihm naturlich nicht
gelang. — Ich furchte nur, die Kerle werden mir an einer
Stelle des Wegs autlauern, und bei meinem dicken Schlaf
kOnnte ich ihnen leicht zum Opfer fallen. — Es ist uberhaupt
ein Wunder, dass ich der Blutraehe entronnen bin, wo doch
z. B. dieser Bruder des GetSteten nun so genau um mich Be-
scheid wusste!
Die Schechs Muhauna el-Wasiti und Mursid bir Refadeh
waren beide farchterlich bettelhaft auf Tabak aus; ich sche
schon voraus: in zwei Tagen werden wir Nichts mehr zu rau-
cben haben. Schrecklicher Gedanke! Ausserdem wollte das ge-
samte elende Volk Alles berflhren: jeder Gegenstand, den ich
besass, wanderte von einer ungewaschenen Hand in die andere.
l) ^>.3.
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KL-fOLA — Klv-WKfiM. 273
Der Scbedad, d. i. Kameelssattel '), wurde zwanzig Mai des Tags
iraraer wieder von alien Seiten betastet; mein Teppich, meine
Kleider, selbst das Hemd auf dem Leib, Alles erregte ihre Neu-
gierde.
Am Nacbmittag sah icb zu, wie die Kerle schossen. Sie hat-
ten ein Papier an dem Felsen befestigt, das nun als Scheibe
diente. Ich muss gestehen, sie schossen ziemlich gut, — was
ich nicht erwartet hatte — , allerdings mit aufgelegtem Ge-
wehr. — Dann beschaftigte ich mich mit — Nahen! Zuerst
wurde das fatale Loch in meiner Tasche, das mich meine Pa-
tronen gekostet hatte2), zugestopft. Dann besah ich mitleids-
voll meinen Zebun: er war voll von Lochern, die ich mit den
Kohlen hineingebrannt hatte, und die der fleissigen Hand harr-
ten. Sollte ich es thun oder nicht? Nein, es waren doch zu
viele, und ich verzichtete lieber darauf, mich an dieses Danal-
denfass zu wagen.
Ich musste wieder eine Ewigkeit auf das Essen warten. Als
das Abendessen immer und immer noch nicht kam, zog ich
es vor, ein Stack altes Brod zu verzehreu und mich dann
schlafen zu legen.
Mi. 2. April 1884]. Als Morgens vor der Sonne alle Zelte
abgebrochen wurden, war ich ausserordentlich froh. Den Beli,
die mit ihre in Lager nach Sfldosten zogen, weinte ich keine
Thrflne nach. Ein Fluch der Erleichterung kam auf meine Lip-
pen, aber niemand h6rte ihn; ich war mir nur seiner inneren
Sprachform bewusst.
Wir anderen, d. h. Rdejjan, Schech MurSid, 'Obeid und Mu-
hammed, der in der Nacht des Oberfalls bei den Geheineh ge-
wesen war, lagerten noch eine Weile in der Nahe, um auf
eine Karawane von sechs Kameelen zu warten, die mit uns
nach el-Wegh gehen sollte. Die Leute wollten dort Butter,
1) S. eioe genane Bescbreibuug von J. E u t i n g in Oricntalische Studien, Theodor Noldoke
gewidmct. B*od 1, S. 898. Dun Berocckuogcn von J. J. He»« io der Zeit»ohrift .Der hlam",
Bd. *. 1913. S. 814—816.
i) S. obco S. 267.
18
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274 H'SKZKHNTKS CAPITKI..
Schmalz und dergl. verkaufen und dafilr andere Gegenstande
einhandeln. Wir verzehrten wahrend dieser Wartezeit Thee,
Brod und Datteln.
Nachdem die Karawane als in der Ferae anrQckend signalisirt
worden war, brachen wir direct gegen Westen anf, durch den
Sa% Mererah '), und gelangten dann aber einen niederen Pass
wieder in den Wadi el-tfamm; an der Stelle unseres ersten
Nachtlagers vora 30. Marz zogen wir vorbei. Vom Wad! el-yamm
kamen wir in den Wadi es-Sillul J), wo wir an einem Wasser-
spalt, der Abu IJammadah 8) hiess, einen unsrer Schlaucbe fQllten.
Thee kochten und etwas Brod assen.
Dann gieng e-s wieder weiter. Die Sonne war ziemlich hinter
Wolken verborgen ; das Licht war verstreut, die Luft drQckend,
die Fliegeu massenhaft und sehr lastig. Es ist sonderbar, dass
die Kameele mit ihrem dicken Fell gegen die gemeine Fliege
noch viel empfindlicher sind als die Pferde; sie benutzen jede
Gelegenheit eines Strauches oder eines Kameelshintertheils, um
die Nase daran zu wetzen und die Mucken wegzujagen.
Hin und wieder erhoben sich aber starke WindstGsse. Als
wir durch den Sa^b Serhtit 4) ritten, begann der Himmel sich
zu verfinstern. Im Wadi Ribaeah 3), an einer Stelle el-yainlr
genannt, lagerten wir, raachten Brod, assen Datteln und tranken
Thee. Gleich bei Sonnenuntergang, noch starker aber in der
Nacht Helen starke Regensclultter, die mich far meine Abklatsche
sehr besorgt machten. Die waren namlich theilweise nur in
Papier und in ein Hemd verpackt und staken iu einer alten
Satteltasche. Als der Regen begann, deckte ich sie noch rait
rneinera Plaid besonders zu und behielt sie die ganze Zeit unter
ni einer Bettdecke. Waren sie doch das KOstlichste von Allem,
was ich von meiner Reise mitbrachte. Sie verdienten schon,
dass ich um sie sorgte wie eine Mutter um ihr Kind und wie
der Araber um sein edles Ros9.
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KL-V.I.A — EL-WKGH. 275
Do. 3. April 1884]. Morgens vor der Sonne wurde Thee ge-
macht. Dann brachen wir sofort auf. Ich s&urate nicht: sollte
ich doch heute wiederum eine gute Strecke roeinem Endziel
naher kommen und von diesen Begleitern, deren Gesellschaft
mir zura Halse heraushieng, befreit werden! Durch einen wild-
steinigen Felspass, en-N6ljrah zogen wir in den breiten Wad!
Ferri -) hinab. Wegen der Steilheit des Wegs zog ich ea vor,
vom Kameel abzusteigen. Nachdem wir dann noch den Wadf
Kuielah 3) passirt hatten, lagerten wir, am Ende der dritten
Marschstunde an der Wasserstelle el-Melehah 4). Dort machten
wir Brod, assen Datteln und tranken Thee.
Nach Mittag stiegen wir einen Pass namens Tajjib-ism hinauf ;
dort trafen wir sogar H lessen des Wasser und dabei einige wilde
Palraen. Der Name ist wohl aus Tajjibet el-ism, oder et-Tajjibet
el-ism verkarzt. Er bedeutet ,die Statte guten Namens1'. Gerade
dieser Name kommt in arabisch sprechenden Landern mehrfach
vor ; auch in der kurzen Form et-Tajjibeh. Prof. Clermont-Ganneau
hat3) in ansprechender Weise darzulegen gesucbt, dass dieser
Name als Ortsnarae von einer kleiner Pflanze abzuleiten sei,
die ebenso bezeichnet wird. Andererseits hat R. Hartmann darauf
hingewiesen, dass Orte, deren Namen etwas Unangenehmes be-
deutete, in Tajjib-ism oder et-Tajjibeh umgenannt worden sind c).
Von der Hflhe aus gieng es in eine groteske Schlucht hinunter,
die for die Kameele ausserst beschwerlich zu gehen war. Weiter
karaen wit durch die Giddel es-Sed&rah und den Wad! el-Kder
bis in die Nahe der zwei fantastisch geformten Berge Ralab7)
und et-Tenibbeh *). In es-Sufah 5) wurde genachtigt.
Fr. 4. April 1884]. Jetzt nur rasch weiter, immer weiter!
Hah, noch einen Tag, noch ein Nachtlager rait euch Lumpen-
kerlen zusammen! Dann aber morgen, morgen! Ach, ich konnte
1) SyLJf. 2) ^ oder 3) iJL*3. 4) S^iD.
5) Recueil d'Arch.'ologie Orientnle II. S. 21.
6) ZeiUchrift der Deulschen Morgcnliindisclicu Gcscll^haft, Bd. (55, S. 530 IT,
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276 fOxkzkhntes capitkl.
meine Freude gar nicht ausdenken. Ich hatte nicht mehr viel
Sinn fur die Landschaft und far das, was um mich herura
vorgieng; ich dr&ngte nur vorwarts ich wollte die Menschenlos
werden, die mich jede Minute durch ihren Anblick irritirten.
Vor der Sonne brachen wir auf. Nach Sonnenaufgang trafen
wir viele wilde Tauben und Hasen. Unterwegs pruften meine
Begleiter bedenklich frische Kameelsbollen ; meine Stimmung
sank auch bedeutend tiefer. Al9 wir dann wieder eiue steile
Schlucht hinunterstiegen und eben den cObeid mit den Schlauchen
fortgeschjckt hatten, um Wasser zu holen, horten wir plOtzlich
Stimraen. Was war das ? Waren es Geheineh, die uns nachsetzten ?
Waren mir die Blutracher auf den Fersen? Sollte nun doch Alles
vergeblich gewesen sein und ich in dem Augenblick, in dem
ich den rettenden Strand nahe vor mir sah, noch in den Wellen
versinken? Ich war entschlossen mein Leben theuer zu verkaufen.
Aber Ildejjan forderte zunachst nur zwei Megidi-Thaler von mir,
um die Feinde im Nothfall zu beschwichtigen. Ich gab sie ihm;
bald stelite es sich heraus, dass es eine Karawane der cAnezeb
war, die ebenfalls nach el-Wegh gieng, aber Rdejjan behielt
natQrlich seine beiden Thaler. Die cAnezeh hatten 180 Kauieele
und wollten wie meine Begleiter ihren Butter u. s. w. gegen
Reis, Kaffee etc. eintauschen. Rdejjan und der Schech kaunten
die meisten der Leute. Nach einer Stunde lagerten wir uns
etwas und setzten danu mit all den Kerlen, die saramtlich mehr
oder minder ihr vermaledeites Heik! Heik! ') ausstiessen und
dazu einen entsetzlichen Gesang verfQhtten, unsern Weg fort.
Der Weg war sehr einformig. Abends in Wadi Leileh kamen
alle mOglichen Subjecte ans Feuer, in der Hoffnung, Kaffee und
Tabak bei uns erbetteln zu kOnnen. Allein beides gab's nicht,
und die meisten zogen sehr eutt&uscht ab. Am Feuer blieben
ein Schech und drei Biljan, welche zu den 15 Raubern ge-
h6rten, die dem Freund Huber in Madain $alih aufgelauert
hatten -)• Sie fragten mich, ob es wahr sei, dass Huber eine
.) Vg). hand I, S 54, 110. 119. 2) Vgl. oben S. 255.
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KL-Vil.A — KI.-WKOH. 277
/
Flinte mit 20 Schassen bei sich fQhre. Ich sagte: ,Nein, er hat
zwei Flinten zu je 30 Schassen bei sich, da ich ihm meine
auch noclr gelassen habe!"
Nachts war starker Thau, der raich wiederum fQr meine
Inschriftenabklatsche besorgt machte.
Sa. 5. April 1884]. Eine Stunde vor Sonnenaufgang war schon
die ganze Karawane irn Gange. Nun wurde geschwind Thee
gemacht und getrunken. Da — wer beschreibt mein Entzucken! — -
sah ich richtige Seemflven. 0 ihr lieben VOgel, ihr Bringer froher
Botschaft! Paul de Lagarde beneidete euch ob eurer Freiheit
und dichtete ') :
«,Und wie die Mtive dann die See erlilickt,
die Well' auf Welle nacli dein Strande scliickt,
die draussen Well' auf and re Welle Uauet,
stunt sie geschwind,
der See lieimkehrend Kind,
dem vor der See nicht grauet,
auf jenes ullgewult'ge Meer
mit einem Schrei der Lust, und schutit,
und schwebet, schwcbt und m:liauet".
Ich aber danke euch far euren Gruss vom Meere, den ihr mir
heute frtih oberbrachtet!
Wir legten einen langen Marsch zurflck, ehe wir zu einer
kurzen FrflhstQcksrast Halt machten. Jetzt war es zu Ende mit
dem ewigen „Brod, Datteln und Thee". Die aufgesparten kGst-
lichen Dinge konnten jetzt mit Gemiltsruhe verzehrt werden.
Wie mundeten mir Chocolade und Albert-Biscuits!
Gegen Mittag kamen wir in eiue enge Schlncht, ed-Dreib J),
wo aus einigen Wasserlflchern hastig Wasser geschCpft wurde
und wo auch die Kameele zu trinken bekamen. Bald hinter der
Schlucht zeigte sich die am agyptischen Derb el-ljagg gelegene
Festung el-Wegh. Rasch erreichten wir sie, und dann, nach
etwa zwei Stunden, die mir fast zu einer Ewigkeit wurden,
gelangten wir zur Hafenstadt el-Wegh selbst, die unter agyp-
1) Deotache Schriftcn, Guttingen 1892, S. 291.
•2) -o^Al!.
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Ft'NKZEHNTES CAPITES
tischer Oberheit steht. Welches Gefahl! Ich sollte das Meer
wieder sehen, Wassermengen ! 0 thalatta, thalatta !
Fe«tung el-Wegh.
Nur wer in der Wuste gedorrt und gedttrstet hat, wer mona-
telang keinen Fluss, keinen Bach, keinen Quell gesehen hat,
der weiss, eine wie herrliche Gottesgabe das Wasser ist. Das
Auge kann sich nicht satt sehen an seinem Anblick; das Ge-
fflhl schwelgt in Paradiesesfreuden.
Und nun sollte ieh auch wieder zu halbcivilisirten Meuschen
kommen. Ich war im Grunde meines Her/ens froh,
die Beduinen jetzt los zu seiu. Denn ihre Bettelhaf-
tigkeit, Habsucht'), Verlogenheit, ihr Dreck, ihre Gleichheits-
flegelei, ihre Unlenksamkeit sind mir zum Eckel oben heraus!
Ihr Mangel an Sinn fur die Zeit, ihre Zudriuglichkeit an den
Gast sind zum Verzweifcln; ihre Sehmutzigkeit ist unbeschreib-
lich. Dass Wasser, weun es von Dreck strotzt, eigentlich nicht
zum Trinken geeignet ist, davon haben sie keine Vorstellung.
Wenn sie einem den Teppich mit Staub und Sand versauen,
so denken sie sich gar Nichts dabei; und dass sie beim Auf-
stehen ihren Mantel sararat Inhalt drauf ausschfltteln, ist ganz
natttrlich. Fragt man: „Gibt's auf dem Weg Wasser V\ so sagen
sie Ju>f3, J^lj Jiaut'eugnug, haufengnug!" -) Kommt man an
Ort und Stelle, so ist gerad ein Maulvoll vorhanden, kaum
hinreichend, um eine Feldflasche zu fflllen. Fragt man: „Ist
uoser Lagerplatz noch weitT', so heisst es stets LufiVS, L*t<Xi
„vor uns, vor uns!" (natilrlich nicht hinter uns!). Fragt man:
1) VK1. Band I, S. 184. /. 7.
2) V?|. Bm.4 I, S. 221), Anm. 2
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EL-C«5LA — KL-WEGH. '
279
„Wie weitl", so ist die Antwort ^yS, „ach! ganz nahe" ');
darunter versteht dana so ein Homvieh 3, 4, 5, 6, auch 8
Stunden, sogar unter Umstanden zwei Tagemarsche.
So fdhlte und dachte ich daraals uber die Beduinen, als wir
nahe bei el- Wegh waren. Freilich war ich auch in den letzten
Tagen tnit elenden Exemplaren dieser Gattung zusainmen ge-
wesen. Spater, als der Aiger verraucht war, habe ich wieder
milder geurtheilt und auch ihre guten Seiten nicht verheimlicht -).
Jetzt hielt ich noch unterwegs eine ergiebige, so Gott will letzte,
Lausejagd ab.
Die Annaherung an die Hafenstadt schwellte meinen dflrren
Wustenbusen hdher. Da war es ja, das Meer! Da waren ein
paar Masten. Da war ein Reiter zu Pferd! Da sah ich einen
Kl-Woiih.
Tarbusch, agyptische Jacken, saubre Hemden. Gott, welche
Seltenheiten ! Jetzt waren meine Inschriften in Sicherheit; von
den Menschen brauchte ich Nichts mehr zu fiirchten. Mt*ine
Freude war ubermenschlich gross!
Eigentlich sollte ich hier schliesscn: denn hier endet meine
„Ueise in Innerarabien". Doch ich will noch ganz kurz daruber
Bericht erst&tten, wie es mir in el-Wegh ergicng, und auf wel-
chem Wege ich nach Europa zurQckgekehrt bin.
Als wir am Thoie von el-VVegh ankamen, lagerte dort die
1) W. I. S. 230.
2) Bd. I, S. 1<H, Z. 19—20; S. 168, Z. 7—8. Palgravc, liber de»*eti GUubwiirdigkeit freilich
Zweifel botebcD, urthcilt fcnni ahnlieh, vgl z. B. BJ. I »ciner Rciw (Leipzig 1807) S. 8, 33,
50, 51, 145.
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280
Kt'NFZEHXTES CAPITEL.
grosse eAnezeh-Karawane, die uns etwas voraus war. Eine grosse
Menschenmasse drangte sich dort, um ihre VVQstenerzeugnisse
einzuhandeln. Am Thore standen zwei Schildwachen. Da ich
selbst als dreckiger Badawi angethan war, wollten sie mich
zuerst nicht einlassen; es bedurfte einiger Erlauterungen. Ich
stieg ab bei Muharumed Sahatah mit dem Beinamen el-Bedewi,
dem Oberhaupte einer weitverzweigten, begoterten Familie. Dort
wurde niein Gepack abgeladen. Nach Kurzem schickte der Wakil
der agyptischen Regierung und ersuchte mich ins Regierungs-
gebaude zu kommen. Dort, umgeben von einer grossen Volks-
menge, wurde ich ausgefragt: Woher? Wohin?, und Alles wurde
durch den Secretar Ahmed Effendi aufgeschrieben. Nachdem
Alles befriedigend ausgefallen war, konnte ich wieder abziehen.
Bedewi hatte mir inzwischen ein kleines Stflblein hart am Meere
ueben dem Kaflfee raumen lassen (s. Abb.); dort wurde mein
El-Wegh: am St ramie.
Gepftck niedergelegt und mein Teppich etc. auf einem Gesteli
aufgeschlagen. Nuu konnte ich mich einraal grflndlich waschen,
was auch sehr n6thig war. Mit Sonnenuntergang wurde ich
vom alten Bedewi zum Essen abgeholt, zu einem Fflrstenessen.
wie ich seit Damascus, also seit August, Nichts mehr gesehen
hatte. Eine Brflhe mit Loffeln, Eier, gebackene Hflhner, gebra-
tenes Fleisch, gesauertes Brod ! Tch muss gestehen, mir ist kaum
je eine Mahlzeit reicher vorgekommen.
Die orientalische Halbeivilisation ist bekanntlich durch einen
grossen Flohsegen ausgezeichnet. Das erfuhr ich heute Nacbt
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EL-'&LA — KL-WEOH.
2S1
wieder, nachdem ich es beinabe vergessen hatte. An Schlaf war
in raeinem Zi miner nicht zu denken. Nach einer Stunde ver-
geblichen Ringens Hess ich mir mein Bett hart am Meere ma-
chen, aber ich nahm natflrlich einen Theil der Einquartirung
dorthin mit.
So. 6. April. — Di. 15. April 1884]. Eine ganze Woche und
noch zwei Tage dazu musste ich in el-Wegh auf ein Schiff
warten, das mich Europa nfther bringen sollie. Das war eiue
scheme Geduldsprobe!
In el-Wegh existirt keine Dampfschifffahrt; nur zur Zeit des
tfagg kommt ein agyptiscber Pilgerdampfer hierher. So war ich
also ganz auf irgend ein zufallig fahrendes Segelschiff angewiesen.
Im Hafen lagen zwar zwei kleine Schuner ') (vgl. Abb. S. 280).
Aber die Schifier hatten keine Lust mich nach Giddeh zu fQhren :
und nach Sue*, sagten sie, brauche man bei jetzigem Winde
10—20, ja auch 25 Tage. Ich entschloss mich daher nach looser
an die agyptische Kflste in 3 Tagen hinaberzufahren, dann zu
Kameel nach Reneh an den Nil und von dort nach Cairo zu
reisen. Von Koser konnte jeden Tag ein Schiff ankoramen.
Ich versuchte nun zunachst mein Delal gunstig zu verkaufen.
Aber alle meine Anstrengungen waren erfolglos. Da die Leute •
sahen, dass ich verkuufen wollte und musste, so blieben sie
hart; es war nicht mOglich, mehr als 25 Megidi dafar zu be-
kommen2). Ich liess es schliesslich den Beduinen nm diesen
Preis, und war nun einer Sorge ledig. Dies geschah am Tag
nach meiner Ankunft. Am selben Tag verabschiedeten sich auch
meine Beduinen von mir, nachdem sie noch einigen Bakschisch
herausgeschunden hatten. Lebt wohl, ihr Bedu! Zieht in eure
Waste und eure Zelte zuruck, in die ihr gchflrt!
Naturlich machte ich in el-Wegh bald die Bekanntschaft aller
Notabeln, einheimiacher und fremder. Da waren der Comman-
dant der Festung (Tobgi BaSi), der Doctor I.iasan Eflendi, der
1) SambflV. vJy*JU..
2) Wictiel ich dafur i>e*ahlt hatte, i»l in Baud I, S. 30, gcjn^t.
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282
n'NKZEHNTBS CAPITEL.
Secretar Ahmed Effendi, der $&d1, .der Kaufmann Muhammed
cAwwad, der frnher in Sues englisch und franzflsisch gelemt
hatte. Letzterer verehrte niir statt meiner zwei verlorenen
Feuerzangen eine messingene Zange, von den Zigeunern gear-
beitet '). Besonders interessirte mich Schech Sllman bir Refadeh2).
Ich hatte ihn schon im Regierungsgebaude bei meiner Ankunft
gesehen. Am nachsten Tage machte er mir einen Besuch. Er
ist derjenige, der den tlelan ausgezogen hat, wie oben S. 234
unter dera 20. Marz berichtet ist. Er hatte filr einen Badawi eio
feines Qesicht nnd trug elegante Kleidung; seine Keffijjeh war
aus Seide, seine cAba schneeweiss und leicht. Wir unterhielten
uns uber sein Land und die In3chriften. Er nannte mir als
Orte mit Felseninsehriften im Gebiet der B61i: el-Rser el-Kur-
kumah3) und Umm Krejjat 4). Von Kurkumah erzahlte mir
BedGwl, es sei identisch mit el-I£asr el-Krim Sacid ') und liege
nur einen Tag sudlich von el-Wegh. Rdejjan hatte mir vorher
noch andere Orte genannt: el-Khder, et-Terwah, es-Serhah,
Hadab Ta'lab, Rsei. — Sliman bir Refadeh verabschiedete sich
und ritt in seiner stadtischen Kleidung zu seinen Zelten, die
sich in Preib befanden. Aber er kam am 12. April noch ein-
mal in die Stadt zuruck, und am 13. musste ich bei ihm ein
grosses Beduinenfressen mitmacheu.
Auch mit dem alten Bedewi hatte ich manche Unterhaltun-
gen uber das Land und die Inschriften. Er war es, der den
Captain Burton einst ins Land Midian begleitet hatte0). Er
erzahlte mir, einen Tag nordlich von el-Wegh sei ein Marmor-
berg, Rabar1) genannt, dort seien Saulen und viele Inschriften;
acht Stunden nfirdlich davon liege Beda*ctt), und dort sei Alles
voll von Inschriften. Captain Burton hatte die Statten besucht,
doch habe er Nichts davon verstanden. Einen Tag sudlich von
1) jii. 2) ^ ^ C)L*L-.
3) iUJ'yil j+xwl 4) J*? r'. 6) ^X*«- fijti ^ofiil.
6) Vgl. Burtou, The Und ft Midian.
7) S) pAj.
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ELr'bLA — EJ.-WKOH. 283
el-Wegh sei ein Schwefelberg mit alten Ruinen ; er selbst habe
aber keine Inschriften dort bemerkt.
Komisch ist es, wie in el-Wegh das Wort Antika gebraucht
wird. Darunter versteht man nicht etwa nur Antiquitaten,
sondern Curiositateo, Sehen9wurdigkeiten jeder Art. Meinen
Karaeelssattel nehme ich mit, nm ihn als Antika in meiner
Heimath zu zeigen. So fragte mich einer, ob ich keine Antikat
kaufe. Ich antwortete: „Ich will sie zuerst sehen." Was brachte
der Mann mir? Muscheln ') und Korallen!
Die Sekte der Senusi's breitet sich immer weiter auch in
dieser Gegend aus. Vor fftnf Jahren war noch kein Senusi in
el-Wegh gewesen. Jetzt aber halt ein Senusi-MUsionar jede
Nacht in der Moschee eiue Betstunde. Da uben die Oi'dens-
bruder ihren Zikr. Diese Narren singen, zuerst langsam, dann
immer schneller la ilaha 'ilia llah, bis zur Bewusstlosigkeit:
dann ffinf Minuteu lang das Wort allah, allah, allah; darauf
stossen sie das Wort hajj, hajj, hajj heraus und Ahnliches.
Ich begreife nicht, wie diese Form des Gottesdienstes so an-
steckend und so rasch wirkt. Da getiel mir der Gesang des
Mu'eddin besser: der hatte eine sehr schGne Stimme. Am besten
aber getiel mir der Gesang der Fischer, die Morgens mit ihren
Booten fortfuhren; das war der erste wirklich schtine Gesang,
den ich in Orient gehort habe.
Am 14. April kam endlich das Schift', das uns nach looser
bringen sollte. Es hiess Nasim el-Farag") „Freudenzephyr",
Capitain Suleiman Mahmtid3); es war 110 Tonnen gross, hatte
eine Besatzung von 18 Matrosen und konnte 10 Passagiete
aufnehmen.
Am 15. April Morgens kam mir noch der letzte Abschieds-
gruss aus der arabischen Waste. Das war eine grosse Kameels-
karawane, die fiber Medinah aus Mekkah kam. Man nannte sie
1) ^_jA*> [II.: ffde/ rerlmutter; altes v_?Joo iit I'erlroutler, Mecr>cliiiccken nod Muwhel-
•chaleu/
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284
R NKZKHNTEh CAPITKL. EL-SjLA — KI.-WKOH.
el-Muwarrci '); sie brachte Kameele von den I.Iarb, und ver-
kauft ihre Thiere entweder auf dem Weg hierher, oder in el-
Wegh oder sogar in Agypteu.
Abends konnte ich endlich, nachdem ieh mich von alleu
Freunden in el-Wegh verabschiedet hatte, an Bord gehen. Obeu
auf Deck machte ich mir ein Lager zurecht. Das Schiff lichtete
etwa um 1 Uhr Nachts die Anker und segelte nordwestlich
der Kfiste entlaug.
Voile drei Tage waren wir auf dem Wasser. Mehrfach herrschtf
entsetzliche Windstille. In der Bucht cAntara) und der Bucht
ed-Dmfirah s) giengen wir vor Anker. Die Leute auf dem Schiff
erinnerten sich alle sehr wohl des Freundes Dr. Klunzinger; sie
nannten ihn aber Kolosingara.
Am Sonntag, den 20. April, um 12 Uhr kamen wir endlich
in Koser an. Es dauerte ziemlich lang, bis die Sanit&ts-Polizei
ihr Amt verrichtet hatte, bis alle Matrosen und Passagiere
abgezfthlt waren, und bis wir endlich ans Land durften.
Nun noch fttnf Tage auf dem Kameel bis Reneh am Nil,
dann mit dem Dampfer bis Assiut, mit der Eisenbahn nach
Cairo und uber Port Said, Jaffa, Jerusalem, Beirut, Smyrna,
Athen, Patras, Triest nach Deutschland! Das war raeine ara-
bische Reise.
ENDK OES 2™ THEILES.
1) ^\v»' ["-: el-Mwarreci soil eiue Art von K«i»eunternehmer gevesen sein.]
2) ,aa£. 3) ijLy»w\ji.
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REGISTER ZUM ZWEITEN THEIL.
cAba (Beduinenmantel) 19, 102,225. < al-Ablak 116 f.
'Abdallah in elc0la 220, Aba Gela), ira Negd, IS,
"Abdallah Aba Mubammed 150. , Aba tlammadah, Wasserstelle, 274.
fAbdallahel Musliman!a-106(bau- Achan 16&
fig), 107, 163, : el'Adlb 246, 263, Vgl. Nachtrage.
eAbdaUah ibn eAbd el 'Aziz 6JL , Aelius Gallus 25L
cAbdallah ibn JIamd ez Zeheri 20, el-Aflag HIS,
iL 9& j Aga, Berg, 76, 108, US f, US.
cAbdaliah ibn Isma'il Mueiz 229, 235, | cAgman, Stamm, 73, 8L
232. Afcmed 120 f.
'Abdallah ibn Raschid 16, Anm. L At>med Effendi 280, 262*
cAbdallah, Khatfb, 52, 116, 149, A^imed Raschid Mlrza oif.
162, 199, 202, 205, 'Aid Aba Ffceman 122,
cAbd el-eAziz, Prinz, 12=106 (hau- cAid cAli 2L
fig), 149, 23L , cAid es Sitr 56.
cAbd el-eAziz el-cEnkrt 145, 14& f , 'Alschah ML
162, 164, 174, 197, 201 ff, 206 f, cAldh, Sohn des Kehil, 26L
222. 2Ml
cAbd el-cAziz er-Rumman 156, 158,
Akazien 166, 170, 172, 239, 267,
269.
200, 20S. j cAfcdeh 15 f.
cAbd el-tfader 120, I el-Akh<Jar 175, 186, 189, mi f ; lflL
cAbd el-Wahhab (= Euting) 47, Aksum 226,
156, 201, 205. 1 Alai (el-Aj) 132. Vgl. Nachtrage.
cAbd er-Raljraan 31L I 'Aleideh (= el-Eida) 2, 221,
£Abd es Salara 172, l&L I Algier 215,
cAbdeh, Stamm des Ibr Raschid, 36, j cAli, Khalife, 22.
cAbed 16, ; cAli, Perser, 88, m+
Abessinien 215, j cAli, Steinbockjager, 69 ff.
Abklatschen von Inschriflen 40, 227, ■ cAli ibn SacId 255. — Vgl. Wuld cAli.
2ol ff, 274, 222, Alih 2ii^
286
REGISTER.
Alphabet, sudarabisches, 224*
Altar mit Inschrift 245.
cAmud, Stamm, 118, liL
cAmrftn 57, 80, £2 f, lffi.
'Anaz, Berg, 1BJL
eAneber 13, 89, UT, 122 f, 1£Z f,
cAnezeh, Stamm, 2t 56, 65, 130,
140. 276, 2811
Antika 283.
£Antar 284.
eAnz ol-'Erkub, Berg, 13tL
cArabl 156.
Arak 2iL
el-cArek, Pels, 18^ IBiL
Arethas, KOnig, 232, 238, 2G1 f.
cArga, im Negd, 1L
cAri<J, Ibn-, 180 Anm.
Artikel, Betonung, 123 Anm. L
eArwa, im Negd, YL
Asad
el-cAscharah, Berg, 211.
AschSra, Gottheit, 15iif.
Asfar, BschArab, IS:'.
Aslam, Stamm, &£L
Assiut 281.
A'tallah 200, 223.
eAteibeh, Stamm, 41, 69, 226. f.
cAtijjeh, Bani, 172, 181, 186, 221.
A tkl b, Berge, 16.L
cAugah, Berg, 125, 129_
cAun Pascha 64 u. Nachtrage.
AusrQstung far Reise 104. 107.
Ausstattung eines Zimmers 18.
cAwagi, Stamm, 130, 14_L
eAw6ri<J, Gebirge, 167.
cAwwad ibn Rneimeh 165. 167,
173. 181. 192, 200.
Baghdad 83, 55, 94, 120,
Bahrein 12,
Bakar el waljsch 10, 166, 124.
Bakschisch 28, 232, 267, 281.
Barrasch 86.
Basalt US, 112.
i Batin Tsebad 143.
Bedac 282.
el-Bed6wl, vgl. Mu^iamraed Sena-
te tah.
Bedr ibn GyOhar 203.
Beduinen, Eigenschaften, 278.
. Begrabnissplatz 15, 209.
Behim 132,
Beirut 223,
Beli (bezw. Bluwl, Biljan) 2, LLL
193, 201, 217, 221. 223, 233 f,
239. 244. 246. 255 f, 258 f, 264,
266. f, 222 ff, 273, 276, 282,
Bender lfi.
Benecke 190.
Berberiner ?35.
Bergkry stall 114.
Bereideh 65. ff, 75, 80 f, 85, 87, 22fL
Bernuk, Pflanze, 263.
Bestattung der Todten 6, 17, 212
Anm. L
Bettelei 7, 1 2 f , 15, 33, 40, 111
54, 98, 102, 104, 131, 211 f, 276.
Beute 4, 222,
BijAcjijjeh, HQgel, 124.
Bilder, vgl. Thierflguren, Zeich-
nungen.
Bilder malen von belebten Wesen
2L 37, 39, 55, 66.
Bird, Berg, 143.
Blasrohre 131 Anm., 15<i.
Blaubouren 122 Anm.
lie
REGISTER.
287
Blutbestreichung s. Kameele.
Blutracbe L 270 ff.
Hlutracher 21k
Bohnerz 130.
Bombay 40.
Bosra 236, 2G2.
Brennholz 114, im
Brief an den Eintr 230 f.
Briefe nach Europa 83, 40, 8JL
Brod in der Asche gebacken lfifi
Brunnen 115.
— , Ziehbrunnen, 74.
Brunnenmauern 8iL
Brunnen al-Haddag in Teima llfiff,
- Semarj in tfnjel 21 ff, 25, 27,
33, 40, 45, 48, 1I&
Buedah, HQgel, 4k
Btirste 201,
Burton 282.
Burukeh ibn Mrajjem 111.
Butter 128, 273, 22k
Buttermilch 128, 156, 222,
Byzanz 146.
Cairo 281, 281,
Caibolsaure 43.
Carneole 155, 1£L
Cholera LLL
Cholwah, Frauenname, 234.
Citronen, silsse, 11,
Citronensaft 2k
Clermont Ganneau 975.
Constantinopel (Stambul) 221 f.
CrotonOel H.
Czar 57.
Pab'a, Berg, l£k
Paifallah el-Maeeidzel 20_L
eij-I)arah, HQgel, 121,
Damascus 30, 34, 43, 55T S7, 93,
106, 176, 131 f, 215, 220, 221,
223, 234, 280.
ed-Dat, im Negd, IS,
Datteln ausgesteint 3, 11*
ed-Dawadimi, im Negd, LL
ed-Dawasir, im Negd, 18, mL
Debasijjat, Berg, 130,
Debora 6.
Dedan 221,
Deiseh (Dlse), Frauenname, 23k
Delul, Reitkameel, haufig.
— , weiss, 21k
Derb elagindl 233,
-.el-JJagg 172, 232, 222,
Derb Khabini 182.
Derijjeh, im Negd, 12,
Dikhneh, im Negd, 18,
Dirbisch ibn Bannafc 101, 103,
Dirsch, Landschaft, 21k
Diwan (= ftahawah) 218, 222 u. 6.
Dlwan, Heiligthum in Hegra, 259.
ed-Dmerah, Bucht, 281,
Dolche 19, 22, 39, 42..
Dornauszieher 131.
Doughty 82 Anm., 215, 24k
ed-Dreib, Ort, 277, 232,
Dreigeh, Berg, US, 12k
Dfejjem, Schammarl, 103.
Dr6r;U (Dreirat), Stamm, 103, 114,
118.
Dscheddah, vgl. Giddeh.
Dschinn SI f , 91,
ed-Dubar, Schneeberg, 183.
Durst 12k
Duschara, Gott der Nabataer, 231 f.
Eimer 1 52.
Ein balsam ieren L2L
288
KWJIsTKH.
Eis 102 f, 124,
cEisA, Bant, 89, IM,
cEjtan 1£S,
EVrac 206.
cKnV:ri s. 'Abd el-cAzta el-eEnVri.
cErljub, Felsen, 132, 134,
Eulen 114, LIB.
Fahad 24, 65^ 20&
Fahad et TalaV 149, 156, 2QLL
Fahad ibn Razi 103,
Fahnen 30, 22&
Fallen fQr Hyanen, vgl. Hyanen.
Familienzeicben, s.Stammeszeicben.
Falken 53, 55, 6H,
— Jagd, Utensilien dazu, 53 Anna.
— Namen 53 Anna.
Faris 102,
Fanvah, Berg, 105 f, 124 f.
Fasten 4L
Fefleil, Stamm, 13LL
Feid (Fhed) 51,
Feisal ibn Raschld Ifi Anm. 3,
Fendi 3L
FeneisAn 55.
Ferid, Grabgebaude in Hegra, 252,
25iL
Feuerwerkerei 68, 81, SSff.
Fbed 52 Anm. L
Filzkappen 32,
Fische als Speise 103.
Fleisch, gebraten, 2ur>.
Fliegen 36, 215, 218, 222, 224,
235 f, 238, 256, 274.
Frauen, neugierig, 271.
— schlagen Zelte auf 18fL
— suchen Holz 144.
— unverschleiert, 120.
Freigat, Stamm, 1M,
Fiifcara (bezw. Fedzir), Stamm, 152,
163, 165, 167, 173, 181, 200,
206. 212, 215. 221, 25S,
Fuss, vgl. Schwielen, Wunden.
Garallah 205.
GarallAh eKAtidz 1£3,
Garallah el-tfumeid 64,
Garallah el-Jusuf 155.
Garallah, Khatib, 58,
Garar, Berg, L11L
Garten 23, 24, 25, 45^ ; vgl. auch
Palmengarten.
Gasir, Steinbockjager, 23*
Gazellen 194.
Gebel en-Nir, im Negd, 12,
Gebet 45,
el-Gedjeh, Berg, 120,
Geheineh, Stamm, 2, 262 f, 266,
262 ff, 278, 2m
Gerichtsverhandlung 229.
Gerrhae 6&
Gesang 182 f, 233, 283,
Gewitter 10, 2Q f, 24, 29, 30, 66,
183, 186, 245,
Gfeifeh 1211 if, 145, 15L
el-Gibbeh, Schlucht bei tfijel, 2&
6iddeh (Dscheddah) 9, 228, 2&L
Giddel esSedarah 225,
Gildijjeh, Berg, 14, 62,
Graber 122 f, vgl. Begrabnissplatz.
Grabbauten 251 ff, 20L
GrabthQrme 122 f.
Granit 113, \2\i
Greideb, Ebene, 100,
Greinat el Razal, Hagel, 1HL
Gruss in Inschriften 248 f, 263,
Gyobbeh 10, 40, 129, 20L
Gy6f 10, 56, 165,
REGISTER.
289
Gy6har 8, 56, iML
Haarpflege 35.
el-Hatfab 213 f.
Hatfab Ta'lab 232.
al-Haddag, s. Brunnen.
yagg (Pilgerfahrt, Pilgerkarawane)
8, 24,2J7,2J^^35ft39,64,
69, 187, 147, 171, 28L
Hagel 30, 90, 134.
Habne 18L
Haja, Tochter des eAbdallah ibn
Raschid, 16. Anna, 5,
el-IJaid, im Negd, LL
tfajel 1-106 (haufig), 152, ,156,
161, 168, 167, 222 f, 22k
Ilalaban, ira Negd, 17.
Halajjil 123 f, 176, 178, 181, 183,
186, 188, 192, 196.
Halawijjet en-Nebl §alib 232 f.
tfarad ibn Fa^il ezZeheri 75, 122.
yamid ibn Ranem l£L
yamQd el Migrad 7-106 (haufig).
];Iamud el-'Obeid 13-106 (haufig),
163, 223, 231. 255.
Hamad ibn Khalaf 1L
Handtuch 82, 2M,
Haram 263.
tfarami, Plur. flararaijjeh, 112, 239,
263, 268.
flarb, Stamm, 2, 12, 284.
tfarbi 102.
ai yarit ibn £filim 142,
Flarrat Bani cAtijjeh 167.
Hartmann, R., 215.
yasa 73, 81, as,
tfasan Aba Drac 193 f, 198, 2QL
yasan Agha 171, 174, 176, 132,
tfasan, ttag&, 215, 2JJL
IJasan Effendl 281.
Hasan, Marty rer, 22.
tfasan Muhanna 6_5ff, 75, 80,85,87.
tfasat el ^enis 166, 125*
Hasen 129, 143, 22ft
tfauran 189, 23JL
IJauschan 112.
el-tfegr (bezw. Hegra) 74, 85, 89,
98f, 105, 163, 222 f, 215, 223,
231, 235, 246 =2M (haufig), 2S2f.
el tfegreh, zwischen flajel undcIrai<;,
LO
1
tfelan 123 f, 108, 1KL 113f,113f,
121, 124x 130 f, 152, 163, 225,
231, 233 f. 254. 232,
yelwan, Pass, 13fL
Heraclius 220.
Hess 116, 122, L39, 157, 217, 249,
223,
Uigaz 161, lfifi.
Hilal, Bani, 2M,
Himjaren 68,253; vgl. Inschriften.
Hind Ufi.
Hindi 22,
Hiobskloster 132.
HiobswQrmer 167, 132 f.
al-tfirah 14ft
tfmeideh 215, 252.
Howeitat, Stamm, HI, 131 f, 188.
194.
Huber 9 f, 13, 19, 21, 31, 85f,39,
41, 46, 54 ff, 59,63,65,76,8^
83, 104i 108, 118 ff, 130, 154,
152 f, 16L 165, 178, 183f, 196,
199, 205, 222 ff, 22L 223, 228,
230 ff, 233 ff, 23_L 254, 258, 22ft
Huber's Unaufrichtigkeit 74, 105,
222. 255 Anna.
19
•JOO
REGISTER.
Hugur, Stamm, 165.
Hunde 180, 262, 26_L 26iL
— Jagdhundenamen 53 Anm. 2.
l.Iusein, Kameelshandler, 41^ 82,
I.lusein, Martyrer, 22,
Husein, Schmied, 9, 27, ±1 ff.
Huteira (bezw. Huteimi, Hetman)
103, 201, 2&L
Hyanen 125, 136, 158, l&L l&fi.
Ibn Raschid, s. Raschid.
Ibn Sacud, s. Sacud.
Iga = Aga IBS Anm.
Ijas 249.
Imru3 ul-ftais 146. f.
Inschriften 162, 170,
Jjfcut ISO.
Janbof 3ii.
Jaspis 114.
Jaussen u. Savignac 243, 251 f, 257,
259.
Jazid 14ft
Jud Suss 171 .
Juden 8, 130, 146.
Jusuf el-Attdz H, 10A
el ¥;Vas, Felsen, 124,
tfatfi 5^ 282j vgl. Musa.
Kafer 113.
Rahawah 12 u. o. = Diwan 21iL
— meschta GIL
Ivabtan. Stamm, 2, 82.
199 f, 205,
207, 209, 211, 220, 234, 251, 259. JtabtanI 74,
- arabische 170, 175, 181, 238. £ahwa belu 243.
- aramiische 154 f, 159 ff, 202, Raisah, Gottheit, 261 f.
21:
griecbische 247, 250.
2U»J
- kuflsche 200,
- lateinische 247, 250.
- lilijanische 225, 238, 241, 245,
- des Mesa 23J.
— . minaische 225, 211 f.
- nabataische U2, 154, 220, 225,
238, 241, 247. 251 ff, 256 ff .
- siidsemitische 246.
- thamudische (protoarabische)
116, 132, 134, 132 ff, 14£f, 197,
200. 210, 247. 253 f .
'Irak 42, 10L 206, 223.
ItelBaume 44, 74, 111 f , 122 f. 18JL
Itel-Stange 50.
el-Itleh 12.
Jagd auf SteinbOcke 20 ff, 26 ff, 93.
Jagdfalken 53.
Jagdhunde 53 Anm.
Kaiser, der Deutsche, 6_L 64, 237.
Kalender 4L
Kalte 119, L2af.
Kameele 5tL
— beim Aufladen 108, 26JL
— blutbestrichen H2, 123.
— Brullsack 122 Anm.
— beira Brunnen 22, 1 59.
— erschrecken 134.
— festgebunden 1 it).
— im Hause gehalten 25,
— krank llfif.
— mit Raben 1£L
— mit Stammeszeichen versehen
151.
— Tranken der, 131, 15L 126.
— unbehaglich zwischen Mauern
und Thoren HI, 145, 1££L
— walzen sich 191 .
Kameelsfutter 3.
201
Kameelsreiter 3.
Kameelsurin H9.
el-£amrah, Mulde, L3iL
Kanonen 3£,
£acr 122.
el-]£arglijjeb, Hugel, 2A2.
Karl, K5nig von Wurttemberg, 1££l
Kase aus Schafsmilch 127.
el-#a$im 6, 57, 123, 166, 22k
Kasr in yajel 48, 9_L
- in Teima 145, 148, 164, 207,
255,
I£a§r ed-Dair 142 f, 157, 199, 2Q&
el-Ra§r el-Krlm Sacid 282.
Kasr Zellum 112,
Kassidromos 25iL
Kastallani 5iL
£atif 222,
Katzen UiL
Kebscban, im Negd, LL
£efar, Dorf bei tfajel, IM,
Keffljjeh 41_, 75, 198, 225,
Kemal im
tfeneh 28_L 284.
Kerbelah 22,
Keule 128.
Khabrat er-Kualah 166, 195.,
Khaibar 64, 128, 130, 223.
Kbairullah 83,
KhAlid 25AL
Khalid AbO Talatln 74, 8&
Khanul>ah, iin Negd, LL
Khanzir, Felsen, 174.
el-Kharani, Felsen, 136.
Khatib in f, 51 f, 55, 58, 116, 156,
158 ; vgl. 'AbdaMh und Gfirallah.
el-Khfler 282.
el Khindweh, Gebirge, 130.
el-Kholeh, Ebene, li3f.
el-Khreibeh, bei el-cUla, 233.
Khreimi, Palmengarten bei IjAjel,74.
Khiibu 2Q£
KhuraSjjis, Sclave, iH,
el-tfischrijjeh, Berg, 21 f.
Kleiduog von Beduinenkindern 131.
— in el cOla 220,
— eines Sclaven 233.
— eines vornehraen Beduinen
— schone angelegt 144.
Klippdachs 39, 7_L
Kopfstrick 2&L
Kopfungen 5JL
Korbe 3U,
looser 281 ff.
Kriegspflicht 2-
Kriegssteuer 2,
Krote 24.
Kser 1H2.
el £ser el Kurkuraah 222.
' ftubbet £Ali fifi,
Kul.il as,
Kulaib 24J1.
Kumbaz UL
Kundschafter 3.
Kunststucke 49, 5H.
Eurkumah s. Rscr.
i Lagarde, Paul de, 277.
LAjeh, Berg, 122.
Lakat 140 f, 143,
Lakitah
Lanzen 37-
Lause s. Ungeziefer.
Lavastrom 174, 192.
el-Lebiddeh 21LL
Lehmziegel 122.
Leiter 217, 228, 234, 237, 2Mf.
REGISTER.
Lidzbarski 224, 243, £53,
Lieder 96j vgl. Gesang.
Libjaniten, lihjanisch 225; vgl. In-
schriften.
Lincoln, Prasident,
Litaneien 217: vgl. 28JL
Lostalot, Consul in Dscheddah, 161.
Lowe 1 1 <>.
Lubdeh, Stadttheil in Ilajel, 73, 87±
Lubitsch, Quarantane-Inspector, i£L
Lutticke, Consul in Damascus, 1£2*
Macan IBL
Mabruk 215, 258 f.; vgl. Mubarak.
Madam §alifci 98, 189, 215, 217,
223, 228. 237, 251 f, 254, 2G2 f,
269, 276; vgl. el-Hegr.
Mafa risen er-Ruzz 189.
Maghrebiner 170, 182, 215,
M&gid, Prinz, l fi - 1 06 (hauflg).
Mafcaggeh, 132 ff.
Maljmud, Diener, 9, U, 15, 25, 31,
4_L 56, 59, 75, SO ff, dfi f , 89,
93, 101, 104, l_08_i H i, 116, 118,
121, 125. 127, 129, 162, 105,
176, 181, 184, 202 ff, 208, 225,
254, 258.
Mahmud el-cAlawi lOT, 202.
Maljmud, Perser, 5iL
xMakhzan 9iL
Manot, Gottin, 2iii f.
Man tar Ban I cAtUjeh 165.
Mantel der $10b, 10J. f.
Martini Gewehre 1 2.
Maschahideh. s. Meschhedi.
Maskat 227.
Mauser-Revolver 13, 33
volver.
vgl.
Re-
Mazaideh, Stamm, 122*
Medinah 28, 36, 223, 227, 2S3,
Meglis iL
Megmac(ah) 86, 22& Vgl. Nachtrage.
Mehdl 8&
Mekkah 9, 24^ 22 ff, 39, 45, 57,
64, 69, 91, 106, 227, 2S3,
el Melefoah, Wasserstelle, 22&
Mel ken 13JL
Menteris(?) 7_L
el-M(e)rawwat 15 ff, 93,
Merdijjeh, Berg, 21 f-
MerzuV, Sclave, 232 f, 2Sh% 2SL
Merzul> ibn Rueihil 244, 262,
Meschhed 27, 36, 54,
Meschhedi, Plur. Maschahideh, s.
Perser.
Mesgid, Gebaude in Hegra, 259.
Mestiab, Platz in tfajel, IT, 100,226.
Meteab 1&
Meteor 64.
Midhat Pascha BL.
Midian 2i&
el Midnab 123. Anm.
Migrad s. ftaraud el-Migrad.
Minaer 224,
Minaret 9iL
el-Minbar, Berg, 176. 18_£L
Mineralien 14.
Mlrzfi 42, 5J_.
Misma3, Berg, 125, 123 ff.
Mis-tseh, im Negd, 17.
Molcafc Uiiff, 120, 145, 1_££
Morser 122.
M6ven 277.
Mu'allafcat 24, 5fL
el-Mucazzam ItiSff.
Mubarak 5JL
Goo;
REGISTER.
293
Mubarak, Sclave, 262; wabrschein-
lich = Sclave Mabruk.
Mubarak el-Frfikh 23,
Mubarakat, Httgel, ILL
Mu'eddin 90, 283,
Muferrig 7, 8. 14, 156. 132.
Mubamraed, Prophet, 58, 91 Anm.,
220. 25L
Mubammed, ein Bluwi, 269 f, 215.
Mu jammed, Bruder des R^ejjan,
264, 2Mff.
Mu hammed Abu cUmar 169.
Mubammed Agha 181.
Mubammed CA1I 215.
Mu jammed cAwwad 232,
Mubaramed el-cAtidz 158, 2Q&
Mubammed el Azralf 215, 217.
Mubammed e)-Macarrawi 62.
Mutiammed ibn eAtijjeh 13, 89, 1 Mj
167, 1SL 132f, 194.
Muhammed ibn Ranem 8, 10, 19,42,
Muhammed ibn Raschld, s. Raschid.
Muhammed Sacid Pascha 182.
Mu bammed Schabatah el-BedSwI
28iL
Muhilnna el-Wasitf 222,
Muhr 1 77.
Mukaisir, Krater, 113.
Mukhtelif, Thai, 115 f.
Mumienfratzen 212.
alMun<]ir 146 f.
Munif, Berg, 26. ff, 92.
Munlrah, Tochter des Bedr, 16.
Anm. 2.
Murduk 42,
Murschid bir Refadeh 272 f.
Musa, £a<Ji, 220, 227, 233,
MusA ibn CA1I 24, 69, 83, 8L
el-Muschamrakhah, der gezinnte
Berg, 26 ff, 22 f.
Muscheln 14, 237.
Mustafa, flaggi, 215ff.
Mustagiddeh, 123.
Mutanabbi, Dichter, 24.
Muter, Stamm, 2, 6, 7, 12.
el-Muwarrci 284,
Mystiker 16. Anm. 2.
Nabataer 68, 28 f, 216, 232, 246,
250. 253 f, 261 ; vgl. Inschriften.
Nachtunterhaltung 183 f.
Natfim el cErl>ub 132.
Naif ibn cAtidz ML
Naif ibn Talal 2L
Nasim el-Farag (Schiffsname) 283,
Nasir el-cAtidz 1_L
Nasir es-Sebhan 11^ 20, 26, 39, 55^
52 ff, £5,
Nassar 2112,
Nattaf 12,
Naum.in 1 12 f, 115, H9, 121, 130f,
144. 152, 163. 165. 173. 181,
196 f, 200, 206, 208, 212 f, 215,
254. 258,
Nefud 49, 125. 127, 130. 134.
*fegd (Negd) 17, 18, 20, 52,
Negef 29, AiL
Neger 30, 93, 202, 22U.
Neugierde 271, 223,
Nifl, im Negd, LL
en-Nir, s. Gebel.
Nisun, Monat, 26J. f.
Nisch 8_L
Noldeke 105, 159, 188.
en-Nokra, Felspass, 275.
No'mAnijjeh, Kameelsrasse, 32,
Nukra 132,
-
294
KEr.IsTKR.
Nul^rat er-Rukham 1
Nusur, Felsen, 12iL
cObeid, Sclave, 245 f, 266 ff, 273,
276; vgl. auch Haraud el-c0beid.
el cOla 74, 85, 105, 171, 208, 215,
217-246 (hauflg), 253, 2M f,
262. 264 ff, 269 f.
'Oman 19, 22L
'Oneizeh 14, 226 (statt eAnezeh !).
c0rra<1n 40, 1M,
cOtman ibn Duwas 12Qf, 124.
Pa) men, krank 4_L
wild 80, 247, 275.
Palmfackeln 11_3, 149, 224,
Palmgarten 74_, 90, 148, 202, 232 f,
243, 264.
Palmyra 222,
Panther TL
Papiergeld 00 f.
Paiadies 86 f.
Perser (bezw. persische Kaufleute,
Meschhedi, Plur. Maschahldeh)
1^1^34,36,40,54^ 57,595
65, 69, 76, 80, 31ft, 98, 149,
165, 199 ff, 201^ 204, 206.
Persische Kegel mutze 3H.
Persischer Vera £2 Anm.
Pest Hi.
Petra 68, l&L
Pferde 3 ff, 25, 39, 56, 75,
Pflug 121 f.
Philopatris 262,
PhOnizier
Pilgerkarawane, s. fjagg.
Ptolemaios 225.
1IL
Puchstein
2^9
Quarz, Gestcin, H8, 125, 12£f,
143,
Quermauer im Wadi 124 f.
Rabar, Berg, 2S2,
Raben 215.
— picken Zecken von Kameelen 18L
Ra<ja, Baum, 126 f, 26L
Rafik (Rafidz) 49, 223,
Rais, Quelle, 185, IBS,
Rakan ibn tfatlein 23, 3L
EUUab, Berg, 223.
Ramadan, Monat, 4.L
Ranem, Berg, 144, IM. 2D1L
Ranem 7-106 (baufig), 223.
Rar el-tfamam 2QIL
Rar Talmah m Vgl. Nachtrage.
Raramil, Berge, 136.
Raschld, Mubammed Ibn, 2. 57,
97, 128, 145, 149, 227, 231.
Rau, L. v., L21 Anm.
Haub, Raubzug, s. Razu.
Raubvfigel LL8, 131.
Rauchen, s. Tabak.
Raul, ira Negd, PL
Rau pen HO, 122,
Razu 1 ff, U f, 44, 56, 65, 86, 88,
9L 10L 104, 106, 152, 163,173.
181, 194, 197, 233, 254.
Rebabah 4JL
er-Rebkijjeh, im Negd, LL
Regen m f, 24, 3D f, 33, 75, 81 f.
82 f ; 90, 102, U8, 123, 134, IM
170. 176, 238, 224,
Rot ibn Dawwiis 202.
Revolver 54, 102, 2M ff; vgl.
Mauser- Revolver.
Rdejjan 244, 246, 256 f, 2M* 2#>fi
212 f, 276, 282.
Rhejjan, Wasserstelle, 211.
Rijatf 2, 75, 226,
REGISTER.
295
Roschen, Soller, 23.
Rosenol 31L
R?ef 232.
Ruaf, Berg, 113,
Ruaiah (Ruwalah), 2, UK), 123, 152,
226.
Rudolph von Habsburg 123.
er-Rukham L3JL
Ru58 uteideh, Berge, 120 Anna.
Sae, Maass, 8, 20L
Sacajjid, Stamm, 173.
Sabaer 6JL 224.
Sabel 15, fifi.
Sacdallahi 219.
Sagen 2L
Sacid, Statthalter in el-c0la, 220,
222, 231 f, 231 f, 232, 239, 244,
258, 262, 26jL_26£,
Sakhr, Bani, 89, 111. 152, lflZ f,
188, 194.
Sakr Abu cAli IfiZf.
Salamier 26.1 f.
j>ilih er-Rakhi? 101.
Salih ibn Ibrahim ibn Migrad 99.
fj?ftlih Khatib, 55, 101,
Salili, Prophet, 210,
Salira, ein BliiwI, 264, 2fifi ff.
Salira el-Acrag 123.
" Salim ibn yamud 6iL
Salim ibn Magid 33, 9A
Salomo 21i£L
SAlQb, Berg, 193, Vgl. Nachtrage.
Salzsumpf, 157, 165, 200, 205.
Samau'al 116 f.
Samra, Berg, 82, 69, 13,
Sananijjat, Ebenen, U4.
.Sandstein 131, 136, 112 ft 174, 193,
211) f.
i Sarhah, Stadttheil von Ijajel, 11.
! §attAm ibn Faiz 152,
i Satteltascben 221.
I Sacud, Ibn, 2, 75, 226. f.
Saeud ibn tfamud 07.
Savignac, s. Jaussen.
Schah 29.
Scha'ib 31, 145, 112.
Scha'ib Abu Bell 266j vgl. Wadi.
- Acnad 1£L
- Fatkhah 110.
- Mererah 221,
! - Scherhut 221,
- Umm tfaschim 266.
! Schakra, Ort, 12, 12. 150.
i Schakra, Frauenname, 99.
Schammar (bezw. Schammari) 2, 7,
H Anm. 4t 12, 2D, ML 65, 100,
103. 128, 181, 213, 22&
Schangala, Gottheit, 159 f.
SchaVa, im Negd, 12.
Schatt 9JL
Schaweri, Tabak, 165, 2UL
Schbermeh, im Negd, 12.
Schebeitseh 1 18.
Schedad, Sattel, 22&
Scheiban, Berg, 167, 120 I
Scherari (bezw. ScherArat) & Anm.
4, 103, 152, 165, 167, 201,
Scherif von Mekkah 29, U£.
Scherurah, Gebirge, 176. Vgl. Nach-
trage.
Schfah, Schiiten, 18, 28, 49, 55, 82.
Sen i fa Mabaggeh 100.
Schifafc 12L 123f, 12L 105.
Schijukh 10, 11 f, lOf, 20, 25, 31,89.
SehimlAnt 233.
Schlange 166, 266.
296 REGISTER.
Schmidt, CommerzieDrath, 22. Sliman ibn Refadeh 234, 282.
Schnee 176, 183, j Sliman Mirza 36, 42j vgl. Wuld
Sch&har 128 ff, 186 f, 2QD. Sltman.
Schuner 28L Sprechubungen 62,
Schwalben picken Zecken von Ka- 1 Springmaus 126.
meelen 187. Stamme9zeichen , lfi Anm. 6, 99,
Schweinsborsten 201* 151, 234.
Schweinsleder 98, 1£2, i Statuen 24iL
Schwerter 12, ! Staub 120, 218, 23S f, 264, 2IL
Schwielen am Fuss 119; vgl. Steine mit Inschriften, s. In-
Wunden. schriften.
Schwitzkur 6S. Steinbeil 158.
Sclavennamen 2AiL Steinbocke 2Qff, 76 ff, 93, 9JL
Scolithus 1£L Steinpfeife 186.! 2Q£L
Sculptur I5fi. : Stephanus von Byzanz 262.
Sedus 12, 6S, 7JL Steuer, s. Tribut.
Seide bei Wahhabiten verboten 38 f. ; Strassburg 83, 190, 24£,
Selamah 1£3. Sturm, s. Wind.
Selamah ol-eAld 1£2, Sues 223, 28L
es-Self 1£9_. es-§uffih 275.
$elem, Gott, 155, 159 f, 205, Suk, Bazar, LL 65, 97, WL
§elemSchezeb, Sohn des Petosiri, Sukur, Stamm, 100.
159 f. Sulaiman ibn Mahmud 283,
SelraA, Berg, 1 U. Suleiman ibn Muhamraed 100.
Semnfy, s. Brunnep. Sulfeh 226. D. i. ez-Zflfi, s. Nach-
Sened ibn Rubca 98. trage.
Senusi 216, 283, , Sultan (§ultAn) 28. Vgl. Nachtrige.
es-Serljah 282. SultAn, ein Perser, 149, 165, 199,
Serra5, Berg, 51 f, 05, 118, 20T, 2&L
Sic 23£. ; Sussigkeiten 51,
Siegesbote 22A 1 Tabak 165, 172, 2QQ f, 221 f, 27JL
Sinai 180. — aus Kameelsbollen 123.
Singari 59, 2111 f. — rauchen beim Fasten 1L
es-Sirr, im Negd, 12, t — — bei den Wahhabiten 100.
Sirwal, Berg, 113, Taif 221
tfleb (bezw. Slubi) lOT, H12, Tajjibism 269, 22k
Sleiman ibn Selamah 222* Talak ibn Fahad 2illL
Sliman Ql f, 11M, Talal ibn Naif 27_
I
REGISTER.
297
Talal ibn Raschld IB Anm. 2.
Talib el-eAld 149, 103.
Tamajil, Warte, 21 l.Vgl. Nachtrage.
Tanger ML.
Tassen, chinesische(Aberglaube)10.
Tauben, wilde, 22&
Tawil, Berg, 105,
Tebak 89, 15^ 163, 164, 17L 174,
180$ 188, 201, 231.
Teheran 2&
Teima 89, 129 f, 144, Ufl-207
(hauflg), 222, 224. f, 28L 232,
Telegraph 206,
et-Tenibbeh, Berg, 275,
et-Terwah 282.
Thamudaer (bezw. BanQ Thamud)
99, 253 f; vgl. Inschriften.
Thau 222,
Thierflguren aus alter Zeit auf
Felsen U6, 132, 132 ff, 142, 210f.
Tih.unah 183, 185.
Titus 250.
'ftehan 147 f, 152 f, 10L
T&bgi Baschi 231.
Trappe 1H5, LL&
Tribut 2, 13, 89, 221 ; vgl. Zeka.
Trier 125,
Tripolis 215,
Trflffeln 58, 114, 205.
Trilffelvers 58.
Tsebad US,
TQbingen 25 Anm.
Tueni er-Rumman 149, 156^ 158,
200 f.
Tama 203,
Tiimnn 08,
Tumbeki 120,
Tunis 215.
TQrken 81.
et-Tuwftl 60,
Tuwal Be<J LLS.
Tuweidz, Berg, 68, 226,
Tuwejjil, Huge), 173, 103,
ttberfall 266 ff.
Utfati, im Negd, LL
Udejj al-Meschac 103,
CJhr 13, 46, 54, 52.
Ufceiric miL
cUmejjid 140.
Umm Erkab 32, 69, 23,
Umm es-Selman 129.
Umm ig-6imal 262.
Umm Rrejjat 282.
Umm Nasir 219, 232, 243.
Ungeziefer
Flohe 197, 280 f.
Lause 18, 21, 88, 98, 119, 121.
158, 207, 279.
Unterhosen 48.
Ureits, Berg, 127, 120,
Uschedzir, im Negd, LL
Venus, Planet, 183.
Vulkan 113,
vulkanischer Auswurf 174.
vulkanisches GerOll 193.
Wachtposten 4, 212.
Wadi Abft Beli 267*; vgl. Schacib.
- Abu Tor 103.
- el-Aiel (el-Atali) 177, 136,
- Ba'tidt?) 104.
- Dawnsir 103,
- el-Dschisl 219> 266,
- Ferrl 225,
- el- 1,1am m 266 ff, 271. 274.
- el Kder 215,
- Emelah 225,
298
REGISTER.
Wadi Leileh 21&
- Musa 1M.
- Negran
- Wejj 116, 186.
- er-RemAmijjeh 1 72.
- Riba'ah 21L
- er-Rumraah 6^98, 226. S.Nachtr.
- e? §Ani 174 f, 1^
- esch-Schillu! 214.
- Sirtian 56.
Wahab, Ban5, 221.
Wahhabiten 2, 56, 98, 222,
Waizplatz der Kameele 191.
Wakll, Sachwalter, 29, 28JL
Wasit, im Negd, 12.
Wasserrecht 1 f)2.
Wasserteich 1 1 ILL
el-Wegh 39, 223, 231, 234, 244,
263 f, 226 ff.
Woin 2A
Wettlaufen 32 f.
Wetzstein LSiL
Wezir 6L
Wind (bezw. Sturm) 12J, 124, 137,
143, 106, 169, 191, 200, 210,
227, 256, 259. f, ZLL
WindbQchse LL
Wolf LlfL
Wuld eAll 221 Anm.
' Wuld Sllraan 130.
Wunden, am Fuss, 11 ; vgl. Schwie-
leu.
WUtar, Berg, 167, 125 f.
Zabad, Zibet, 36, 74, 82.
Zahlungsbefehl L9.
Zebun 19, 84, 39, 90, 149, 226, 223.
Zecken l&L
Zeid ibn Tatol 16 Anm. 4.
Zeidan 156 f, 199 f.
Z6ka, Tribut, 2, 89, liH
Zeltforraen 29.
Zeichnungen
des Khatib cAbdallah 52j
des Magid 26, 26j
des Nasir es-Sebhan 2_L —
Vgl. Bilder, Thierfiguren.
Zhawah, Fnuenname, 36, 88.
Zinnenverzierungen 244.
Zk6ban 130, Anm. 5. .
Zmurrud 12L
Zobeir 9iL
ZOpfe der Manner 26 Anm., 8L.
ARABISCHER INDEX.
«£i7, etle (nach Tamarix i
articulata Vahl. 44, 50, 74,
111, 177, 185,
■ ■
nukh{t)r Abtritt 23. Vgl.
Nach. rage. ^Jot^o
uA Auaruf des Uuwillena i_L
*Jb -
Mri'd auf Gegenwehr ver-
zichtond 168.
bawdrdijjeh Gewehrbewaff-
nete 23JL
burka' Lederkappe 5JL
birkeh Wasserteich 170.
berndk Phelipaea lutea DeBf.
263.
bess genug 5JL
beSir Siegesbote 23JL
iji^>tj' Oryx beatrix 10^
166, 184.
ba Ids' umsonst 57, 174.
beWj weiftse TriifFeln (nach
H.) 5JL Vgl. Nacht rage.
t^ti Wasserloch ±2,
■
&j -
bindeg emzenned oder binde-
gin dzedddhl (naoh H.) Stein*
schlossflinte 101, Anm. L
&<Jm Eole LLL
Zelt 108.
Fahnon*rager 13.
torftaA Malcolraia no, 124
Anm.
metres, Plur. metdris Jager-
versteck I_L
taste Miatkafer(?) 15JL Vgl.
Kachtrage.
mitkdkeh Lederbandel 5JL
L*3» —
^>-=
#M< (nach IL) TrGffelart 5JL
girreh Fahrte l'.U.
Gerddn Falkenname 53(naoh
1L Kameelsname).
g"isr Briicke, Damm 174.
Pflanzonname 7_L
gdzah Holznagel 211
Kara eel o aft.
Ml \BISCIIElt INDEX.
vJL> —
Aefrdrn (»o Trappe, Otis
llfi
Aat* Fessel-Balken 230.
Aa^ar el-heldl Steinart 185.
hadejjeh Schmarotzennilan
131.
Aardwrf RSuber 112, 2fi3.
Plan hardmijjeh 239, 2fifi.
humt graaer Fache 5JL
Aa(<i6 Brenngeetrilpp 114,
135.
hakkuh ugehort ihm" ±L
humt (himil) Karaeelslast a u.
Aom. L
(?) Pttanzen namo; vgl. 11
Adid. S.
mahicar Bronneisen 151.
h64 (H.: hdff) Lederkfibel 122
Anm. l!
kef hdlak «wie geht's dir ?"
2L
Oiii- —
khabrah Regenwasserteich
144, 196, 195.
khiirg Battoltasche 224.
khuiabeh Fessel-Balken 23JL.
kif khd(rak "wiegeht's dir?"
17, 2_L
Kha((df Falkennarae 5JL
JsO —
/</dx? (so IL) Triiffelart M
(Eating bat ^^Lc).
md t*Ad/i/.<achadetNichU!"
iL
*l^b> Zigeaner 282. Vgl.
Nacbtrage.
khangar b re iter Dolch 19,
22, 39, ±L
debbus Keule 128.
Handscbob bei der Fal-
kenjagd 53.
d&d Ejj&b Hiobswurmer 1H7.
dim Regeowolke fifL Vgl.
Nachtrfige.
— dikr Litanei 283^ Tgl. 2LL
rebdbah Geige 4iL
rubfihln (so |L) Scorzonera
pappoaa DC 114-
murbaf es-silsilth Lederbau-
del mit der Kette bei der
Falkenjagd 5JL
erbeifah Koppelmeister 54.
jerbd'a (H.: <}erb&') Spring-
maus L2iL
rw/tytt "Soldaten" 89, ILL
Iioddeh Hundename 5_L
AflABISCHER INDKX.
301
rod 1/246; muraddaf doppelt
besetztes Reitthier 134*
rairol Bohnerz 130, Anm. 4*
Vgl. IL zur Stelle.
JlJL (jp!^ Oberhirte ofi.
/ 'mm er&eifte Kaferart 113.
merkdbeh Sitzteller 5JL
marka Lehne aus Lehra lfi
A nra. 3_,
pytm
J0 ~
Uj-
zubb el-ar4 Cynomoriam coc-
cineum L. 217.
zebrdi (nach weisse Trtif-
felart 5A
«6£r Lehrobank lis Anm. 3.
z<Mn vgl. Register.
fimibriinstigerKameelhengst
104, 1L>7.
13 jJ) Jjj SchimpfwortSAnm.4.
miftMna 'Udh 61, iLL
nabkhah Salzsumpf 157, 165,
•2Q'i.
^'a «a//dr Ausruf 6.L
Safhah Hundename 54.
«i74A (H.: *i7»A) eino Cruci-
fera 124 Anm. L
v/fi/bf pi. sulkdn Jagdhund 5JL
- musdmarah Nachtunterhal-
tung isa.
semJ&ar (bzw. *en...) Pinien-
niisse 54.
samb&h Schaner 231.
senejjid Sandlehne 214.
Sti*d Falkenname 5JL
siJ& Bazar, s. Register.
suwdmah Rauehloeh 20. (H.:
sf*A Stil des Falkensitztellers
sH Wildwasser 31, 39, 153,
c-
t^i —
Selleh Hundename 64*
Selhah ., 5_4»
j5m?<5/> (each IL Siceije) lang-
sam 32, Vgl.
Muscheln 283.
suffdra Barbarea arabica sp.
IL 124 Anm. L
Saffdk Falkenname 5JL
xi^ar Falke hL.
(ertdt Cynomorium cocci-
neum L. 217.
Turfah Hundename 54.
talk Acacia Seyal Del. 166,
1ML, 172. 239, 267, 269.
(akijjeh Filzkappe 3L
302
ARAlltsCHKIt INDEX.
- fustuk Pistazien 54.
■5b
■
U29
fa4wah Mauerschlitz 31L
— -
iftrb&n, zrimbun, (frimbun,
zrimbdn Stinkmardor 193.
1
—
^! 8chimpfwort 8.
t
jo^ aUI jj^Jo 16. Anm. 2.
ST6
—
cAr$&n Falkenname 53.
j.!Jo Tor 2<9.
--
woy ganz nah 279.
—
lSiuh GrQnfutter 153.
krdd Zecken 131 Anm.
—
lawio<7 (H.: £a«*i«) Lyciam
ttrrJffi Strauchname 131, 156.
arubicumSchw. ll££Anm.6_
» .••
kandfi rothe Pasten 51.
'a/tangal Colcbicum Szo witzii
• •
c>yj —
Sohimpfworfc 8 Anm. 2.
110.
^fci kr&ftig 15 Anm. — S^S
—
'uk&b Kaubvogel US*
Manneskraft 54 Anm. 2. —
lakkdl 0<5*«/)Kopfstrick204.
Id kuwwah (lid billdh 6, 6JL
cffaju billdh 91.
eS-Uj&kh ilcajj princeps vo-
—
Hj&n Kandschafter 3 Aom.
mit 25.
i
J
f/urm&l pi. (jar Ami I spitz- ,
^ -
kahlah oder khilah Echicra
• •
kegelformige HQgel 1M
longifoliuro 194, Anm. £,
Aom. 5>
^ -
4
fcaM (so ID Ferula, 111
—
bira*b mit Gewalt 130, Hi,
Au in. 3»
i
raid Strauch 176, 26JL Vgl.
U -
ta?wt<is Truffeln 114; vgl.
1 7(i Anm. i.
Truffeln im Register.
Ranndm Falkenname 53.
Pflanzenname = ^Ua-Uat
J
110.
\jr^ —
mldbb&s Bonbon 54.
/e&en Buttermilch 128, 156.
222.
> •
/Vyr das orate Tagesgrauen
lohuf Absturz dee Lavastro-
119, 158.
mes 174.
An.VBISCHER INDEX.
303
I?q-t — mulaikit (H.: meleigit) ZSng- w**»?
loin 12L
^ — mfrdrnA Walzplate 1JLL
— mi/ Schminkstift LL
—
haiab (bezw. hadbe, pi. hetfdb)
Sandstein* oder Grauitberge
214,
Zieifc Ruf der Kameeltreiber
27C.
wAXj — naltdf Depilator ID Anm. L.
fF ,— nijtr Kaffeemorser 122*
y — n»n^;- Felis pardus L. 71.
— nawdmis Qrabbauten 180.
— &y Mai 7_i Anna.
ts)j — futuere & Anm. 3, II Anm.
(TharoudUch 21 0).
*M9
0*3
xoabir Klippschliefer, Hyrax
syriacus Schreber 39, 7_L
L>^;3 vorhanden 278.
trasm Stamraoezeiohen 1)9,234.
— maisHm (Eison)mit Stam-
meszeichen Inl.
tcacr unwegsamer Bodon 192.
wen wo 2<i8.
Hazzd1 Falkenname 53.
b — Ail) jalldh "TorwarU" 2iiiL
NACHTRAGE UND V ERBESSE RUNGE N .
S. 2, Anm. : I. Ruwala (nach H.).
S. 6: II. verweiat auf die Marschroute des
Hazu bei Huber, Journal, S. 106—108,
wonach el-Kasim nicbt beriibrt ware.
S. 8. Anm. 1 : /,. himll. A. 187- 250 Kilo-
gramm (H.).
S. 10: Nacb H. ist der Name Nattaf nur
ein Scberz.
S. 16, Anm. 0 . el-'orgS nnd el-mutrag.
3. 19, Z. 14: Khangar.— Z. 21: i/Aba.
8. 22, Z. 1 : L. Kbangar.
S. 29, Anm.: Mikhr, wortlich „das hinterste
[Zelt]" (uach H.).
S. 32, Z. 8: NbcIi H. /. schweije.
8. 36: Statt Sliman schliigt H. vor iiberall
Slflmau zu lesen. Vielleicht hat der Perser
seinen Namen wirklich mit i gesprochen ;
aber im Arabischen ist hier wohl Slemfin
besser.
S. 37, Z. 1 : L. Unheil.
8. 39: Nacb H. wird die iu Syrian No'ma-
nijjeb genaunto Rasse iu Inner-Arabien
cOmaoijjeb genannt.
8. 47, Z. 5 : L. bringst.
8. 54, Anm. 1: I. e<r=^5-
S. 58, Anm. 1 : Nach H. sind die Mud weiaa ;
er verweist auf Wetsstein, in Sitz.-
Ber. d. Botan. Vor. d. ProT. Brandenburg,
22 (1880), S. 127.
S. 59, Z. 21: L. Mahmud.
S. 64 : ,,'Auu cr-Rafik Pascha war der durcli
seine freigeiatignu Anwandlungen bekannte
Grosscherif von Mekkab. Ein Schech aus
'Ouezeh crklhrte mir, i\aa habe wohl nie
gebeletund eiu agyptischerOberst erziihlte
mir, cAun habc ihm gesagt, der heilige
Stein sei Unsinn {keUy\ So II.
S. 65, Z. 12 u. Z. 3 v. u.: I. Muliautia.
S. 68: Cber Sedus vgl. nocli Vr**'
Bd. Ill, N . 7, 8. ^o", wo and) von der
beriihmtcn Inschrift die Rode ist. 11. ver-
weist micli jedocli auf Pelly (Journ. R.
Ocogr. Soc. London, 18<>5, vol. 35, p. 175),
dor auf dieser Siiule nar „two Greek
crosses" gesehen hat.
S. 71. Z. 2 v. u.: L. Kischrijjch.'Ebcuso
S. 72, Z. 9 und 10.
S. 88: Nach H.'s Erkundigungeo ist dim
„lang anhaltender, nicht starker Regen**;
so auch in den Lexicis.
8. 90, Z. 2 v. u. : L. Palmgarten.
S. 98, Z. 4: Nach H. wird in Inner-Arabien
Sultan gesprocben; diese Aussprache ist
mir auch aus Syrien und Aegypten bekannt
8. 98, Z. 11 v. u.: //. Wadi er-Rumah, beute
Wnd' eVRmeh gesprochen. (Nach H.).
S. 101. Z. 3 v.u.: L Mahuiud.
S. 109, Z. 4 : L. Bar Zalmah, iJlb^tc (H.). -
Anm. 1: L. ^ (H.).
8. 132: L. el-Aj, = „die Zeiclien" (H.).
S. 142, Aum. 2: Vgl. A. Lucas, The
Blackened Rocks of the Nile Cataracts and
of the Egyptian Deserts, Cairo, 1905 (H.).
8. 150, Anm. 2 : L. vielleicht jJjJ; vgl.
„ Pferdeflioge", Lercbundi, Voc. 56 (H.)-
8. 151, Anm.: Wohl mihtcar maitum „eine
mit dem Stammesteicben vorsehene eiserne
Axe". Die Axe (vgl. Islam IV, 317) wird
nach H. wie jedes andore Risen rum
Breunen der Kameele benutxt.
8. 165, Anm. 4: H. kennt nur die Form
Man tar.
S. 170, Z. 13: L. Maram oder Haiim fH.)
S. 176, Z. 17 : L. ScherfirS (H.). — Z. 4
v. u.: L. Bdcjj. — Z. 3 v. u.: L. Rada.
S 177, Z. 4. v.u.: L. Rarift.
S. 183, Z. 14: L. „wollte Hnber die iu dw
Connaissance des Ternps vorausberechnete
Bedockung dor Venus durch den Mood
nicht versaumen" (H.).
S. 191, L. 3 v.u.: L. 938.
S. 193, Z. 4 v. u.: Huber (S. 362, 364)
giebt Sfflub (H.).
S. 204, Z. 10 v.u.: H. liest 'Okal.
S. 211, Z. 5: Nach H. ist jemile, Plur.
temajil „ein Wasserloch im Wadi- Belt";
cr verweist auch auf Huber, S. 393.
S. -226, Z. 4 u. 5: L. ol-Mcgn^ah und
ex-Zflft (H.). — Z. 4 v.u.: L. beaser
'Oncxeh.
8. 227, Z. 8 v. u. : L. Waidmann.
S. 229, Z. 2. v.u.: L. das.
S. 24fi, Z. 1 v. u. : Nach H. el-'Odab.
3. 255, Anm.: L. Madain S&lih.
S. 282, Anm. 1 : H. giebt iurl kktuwijjek
„ Arbeit der Sluba".
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