Voltai
Friedi
Georg
VOLTAIRE
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VOLTAIRE
IN SEINEM VERHÄLTNIS ZU
FRIEDRICH DEM GROSSEN
UND
JEAN JACQÜES ROÜSSEflü
?n
VON
GEORG BRANDES
BEI MARQUARDT & CO. IN BERLIN
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Published March 9, 1909.
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the ad approved March 3, 1905
by Marquardt Gr Co. in Berlin
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ALLE RECHTE VORBEHALTEN
VOLTAIRE UND FRIEDRICH
DER GROSSE
NICHT oft ist in der Weltgeschichte ein Regent
in ein solches Verhältnis zu einem schöpferischen
Geist getreten, daß es für beide Bedeutung
erhielt. Im Altertum war Aristoteles der Lehrer
Alexanders, und Alexander verschaffte ihm Bücher
und sandte ihm Studienmaterial von seinen Feld-
zügen. Aber Alexander konnte keinen Einfluß auf
den Philosophen ausüben. Cäsar und Cicero kann- Ax
ten einander. Cicero war der politische Gegner Cä-
sars; Cäsar huldigte nichtsdestoweniger in ihm dem
Vertreter der Literatur und erwiderte seine An-
griffe mit ritterlicher Aufmerksamkeit; aber weder
schenkte Cäsar Cicero geistige Bereicherung noch
umgekehrt.
In der neueren Zeit dauerte das Verhältnis zwischen
Goethe und Karl August von beider frühen Jugend
bis zum Tode des Fürsten. Goethe verdankte seinem
Herzog eine gesicherte Stellung und dieser Stellung
verschiedene Lebenserfahrung. Aber geistige Ein-
drücke hat Goethe nicht von dem Fürsten empfangen.
Trotz bedeutender Eigenschaften war Karl August
kein Genie.
Der neuesten Zeit gehört das Verhältnis zwischen
Richard Wagner und Ludwig IL Wagner erhielt von
König Ludwig Wohlsein und Arbeitsruhe; aber der
König hat keine Art von geistigem Einfluß auf den
Komponisten ausgeübt.
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8 GEORG BRANDES
I.
Das geschichtliche Verhältnis zwischen Voltaire und
Friedrich ist einzig. Es ist kein harmonisches Verhält-
nis. Erst schwärmt man sich an; dann kommt es durch
die Undlszipliniertheit Voltaires und die Tyrannei Fried-
richs zum Bruch; der Bruch wird einigermaßen geheilt,
und die Verbindung hält sich das Leben hindurch.
Dies Verhältnis ist ein Zeugnis des Weltbürger-
geistes des 18. Jahrhunderts, da Fürst und Schrift-
steller verschiedenen Völkern angehören, wenn auch
nur einer Sprache. Doch das Entscheidende ist, daß
\< beide Genies sind, 1 ja die anerkanntesten des Zeitalters,
und einen Einfluß aufeinander ausüben//;.- \ - &
Als Voltaire im August 1736 den ersten Brief vom
Kronprinzen von Preußen empfing, stand er in seinem
42. Lebensjahre. Der Briefschreiber war 24 Jahre alt.
Voltaire war^ schon europäisch berühmt, von den
meisten als der bedeutendste Schriftsteller der Zeit
betrachtet. Friedrich war ein junger Prinz, der durch
das, was er ausgestanden hatte, noch am meisten be-
kannt war. Er hatte für seine geistigen Anlagen und
Neigungen gebüßt, wie Voltaire für seinen Witz und
die revolutionäre Kraft seiner Gedanken. Sie waren
alle beide Opfer der Brutalität des Zeitalters und der
Willkür eines Regierungssystems gewesen.
Erst 22 Jahre alt war Voltaire in die Bastille ge-
sperrt worden und hatte dort ein Jahr verbracht wegen
des Verdachts, der Autor einiger Spottverse auf den
verstorbenen König Ludwig XIV. zu sein, die er nicht
geschrieben hatte.
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VOLTAIRE IM JAHRE 1736
Post «jcnitis hie carus erit, nunc carus amicis
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 9
Als das Mißverständnis aufgeklärt wurde und der
Regent Voltaire zu seinem Tische lud, sagte der junge
Mann: „Ich danke Ihrer königlichen Hoheit, daß Sie
heute an meine Beköstigung gedacht haben; was das \
Logis betrifft, möchte ich zukünftig selbst dafür sorgen."
Doch als er einige Jahre in der besten Gesellschaft
Frankreichs geglänzt, die Gunst des Hofes genossen und
durch glückliche Spekulationen den Grund zu seinem
Vermögen gelegt hatte, wurde er von dieser Höhe ge-
stürzt durch eine der Demütigungen, denen unter dem
französischen Absolutismus der Bürgerliche ausgesetzt
war. Ein großer Herr, der Ritter von Rohan-Chabot,
dem er auf eine grobe. Anrede eine beißende Antwort
gegeben hatte, ließ ihn in einen Hinterhalt locken und
von seinen Lakaien durchprügeln. Als Voltaire mit /,.
einer Herausforderung antwortete, wurde er aufs neue
in die Bastille geworfen, und er wurde nach einem Monat
nur auf die Bedingung losgelassen, daß er in die Ver-
bannung nach England ging. Dort blieb er drei Jahre.
Da er während seines Aufenthaltes in London sich
die englische Kultur angeeignet hatte und nach seiner
Heimkehr seine Philosophischen Briefe herausgab, in
denen er, ohne irgend einen direkten Angriff auf fran-
zösische Zustände, die politische Freiheit Englands, die
gute englische Rechtspflege, die englische Literatur und
Philosophie rühmte, indem er die großen Eigenschaften
Shakespeares, Miltons und Popes hervorhob, doch be-
sonders Newton und Locke gegen den damals in Frank-
reich kanonisierten Descartes stellte — so war ein Ge-
witter gegen ihn losgebrochen. Sein Buch wurde j mit
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GEORG BRANDES
Beschlag belegt und nach Urteil des französischen Parla-
ments am 10. Juni 1734 vom Henker verbrannt. Eine
Arrestordre wurde gegen den Verfasser erlassen. Voltaire
entfloh nach Holland und suchte, als das Gewitter sich
gelegt hatte, seine Zuflucht im Schlosse Cirey in der
Champagne, nahe der Grenze, wo er die folgenden zehn
Jahre bei seiner Freundin, der Marquise von Chätelet,
Aufenthalt nahm.
Das Schicksal Friedrichs war nicht minder hart ge-
wesen. Als er sich weder dem Erziehungsplane des
Vaters unterwerfen, noch weniger auf die Thronfolge
verzichten wollte, folgten die gräßlichen Mißhandlungen
des Vaters gegen den Sohn; dessen Fluchtversuch 1730,
das Kriegsgericht, wo der König auf Todesstrafe bestand,
die Einkerkerung, die Hinrichtung von Friedrichs Mit-
helfer Katte vor den Augen des Prinzen. Es war der
Stil der Zeit. Zwölf Jahre früher hatte Peter der Große
seinen Sohn Alexeizu Tode knuten lassen und selbst
dabei mitgeholfen.
Ab Siebzehnjähriger unterhielt Friedrich eine zärt-
liche Verbindung mit einer Schulmeisterstochter in
Potsdam, die er auf der Flöte begleitete, wenn sie Cla-
vecin spielte. Der König ließ sie vom Henker um den
Platz in Potsdam führen, der sie vor den Augen Friedrichs
durchpeitschte.
II.
In seinen ersten Briefen nähert Friedrich sich Vol-
^ taire mit tiefer Ehrfurcht und Dankbarkeit: Voltaires
Werke seien Schatzkammern von Geist. Bei jeder neuen
Lektüre scheinen sie neu. Er sei so groß, daß er ganz
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE II
allein durch seine Persönlichkeit den alten Streit über
den Vorzug antiker oder moderner Literatur entscheide.
Es gebe niemanden, ohne Ausnahme niemanden in
Europa, dessen Lehrer Voltaire nicht sein könne. Er
hofft, Voltaire werde ihn nicht unwürdig der Belehrung
finden, wie gering er auch sei. Denn was sei Geburt x
gegen Genie!
Voltaire, der durch die Huldigung des Königssohnes
überrascht wird, gibt, glücklich darüber, daß sich ein
Thronerbe findet, der seine Gedanken verwirklichen will,
die Antwort, daß ein Mann wie Friedrich ein goldenes
Zeitalter in seinem Reiche wird herbeiführen können
und sich von Königswürde zur Menschlichkeit erheben.
Friedrich antwortet: Ist es möglich, daß derselbe
Voltaire, dem unsere Hände Altäre und Statuen er-
richten, in seinem Vaterland zurückgesetzt wird und
als Einsiedler in der Champagne lebt! Das ist ein
Paradoxon, ein Rätsel. — Voltaire habe keinen ande-
ren Fehler als den, den übrigen Menschen überlegen zu
sein. Wenn Friedrich je nach Frankreich käme, solle y
seine erste Frage sein: Wo ist Herr de Voltaire?
König, Hof, Versailles, Frauen, Vergnügungen, nichts
von alledem werde jemals Ziel seiner Reise sein.
Beide bewegen sich stets in Reminiszenzen aus dem
klassischen Altertum. Voltaire wird von Friedrich
Apollon oder Sokrates genannt, Friedrich von Voltaire
mit Trajan und Titus verglichen ; er vereine die Talente
Vergib mit den Tugenden des Augustus.
Friedrich erklärt in Reimen: Der Vers, worin du
meinen Namen anbringst, wie man einen Heiligen in
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GEORG BRANDES
einer Nische anbringt, wird mir Unsterblichkeit schenken .*
Ohne dich würde der Name nur einen Platz an einer
Stammtafel einnehmen.
Friedrich hatte bekanntlich die unschuldige Manie,
Tag aus, Tag ein französische Verse zu schreiben. Er
fing an, sie an Voltaire zu schicken, um sie verbessert
zurückzubekommen. Er konnte bewunderungswürdig
Französisch für einen Fremden, aber er begriff nicht die
Unmöglichkeit, lyrischer Dichter in einer fremder Sprache
zu sein, noch weniger verstand er, daß er trotz seiner
schönen Rhetorik kein Dichter war.
In den Oden, womit (laut dem Briefstil von Vol-
taire) Se. königliche Hoheit die Gnade hatte, die fran-
zösische Poesie zu schmücken, hat amitii vier Silben
anstatt drei, carriire drei Silben anstatt vier, und tite
ist ein Reim auf trompetie. Ich wage wird geschrieben
pause, Gesichtszüge tres.
In diesen Briefen, die so schwierig an ihre Adressen
gelangten, daB Friedrich es unbegreiflich schnell nennt,
als ein Brief vom 17. April ihm am 9. Mai in die Hände
kommt, offenbaren sich zwei starke Intelligenzen. Kein
Wunder, daß Voltaire zuerst dem J üngling sehr überlegen
erscheint, aber nach nur anderthalb Jahren gibt es Ge-
dankenauswechslungen, wo Friedrich sich als der vor-
urteilsfreiere und konsequentere Denker zeigt. So in
der Debatte über die Wolffsche Philosophie in der
Frage: Determinismus oder Willensfreiheit. Friedrich
glaubt an die letztere nicht.
Voltaire zeichnet sich hier weniger durch den Witz
aus, der bei der Nachwelt sein Kennzeichen geworden
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 13
ist, als durch Klarheit, Geschmeidigkeit, Grazie. Der
Gegenwart zählt er ja nicht mehr mit als lyrischer Dich-
ter, aber sein epigrammatischer Stil in den Versen und
besonders sein Prosastil haben eine Bündigkeit und Sicher- x
heit, dazu eine spielende Leichtigkeit und Anmut, die un-
übertroffen sind. Es ist die Anmut der Kraft. Es gab
in ihm eine Grundsumme von Elektrizität, ununter-
♦
brochen wirksam bis in die achtziger Jahre seines Lebens
hinein, so daß er seine Umgebung förderte und auf die
ganze Zeitgenossenschaft Eindruck machte, stets anregend
und stets Funken sprühend.
III.
Als Friedrich am 31. Mai 1740 den Thron besteigt,
ist er endlich in der Lage, die persönliche Bekanntschaft
Voltaires zu machen, und er fühlt sich entzückt durch
diesen Gedanken, so viel er auch in den ersten zwei
Monaten zu tun hat. Er debütiert wie der echte Schüler X " '
Voltaires. Seine ersten Regierungshandlungen sind Ab-
schaffung der Tortur, der Jagdplage für die Bauern,
die Auflösung der so teuer gekauften Riesengarde, end-
lich die Zurückberufung des vertriebenen Denkers Wolff
ab Professor in Halle.
Dann wird die erste Begegnung verabredet. Friedrich
soll sie sehen, diese klugen Hände, diese klaren Augen,
soll diesen beredten Mund küssen:
Je baiserai cent fois cette bouche, eloquente
dans le serieux et le badin,
dont la voix folätre et touchante
va du cothume au brodequin,
toujours enchanteresse et toujours plus charmante.
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14 GEORG BRANDES
Voltaire ist damals in den Niederlanden damit be-
schäftigt, das Buch Friedrichs, den Anti-Machiavell,
X herauszugeben, in dem der Prinz die streng rechtliche
Politik verteidigt, die nicht eben die seinige wurde.
Aber das Buch war als Angriff auf den Kardinal Fleury
gemeint.
Voltaire bittet den König, Tropfen für ihn mit-
zunehmen, denn er werde gewiß vor Vergnügen ohn-
mächtig werden. Friedrich schreibt: „Es wird der
schönste Tag meines Lebens; ich glaube, ich werde
daran sterben."
Friedrich bekam das kalte Fieber; der Ort der Be-
gegnung mußte verändert werden, und Voltaire reiste
zu ihm.
Im Schlosse Moyland bei Cleve wurde er durch leere
Säle in ein nacktes Zimmer geführt, wo auf einer Ruhe-
bank unter einem Reitermantel ein kleiner Mann fieber-
schauernd lag. Es war Friedrich. Doch das Fieber hörte
durch die Erregung auf. Am 11. September sahen sich
die zwei großen Männer zum ersten Male. Man ist auf
eine gewisse Enttäuschung von Friedrichs Seiten vor-
bereitet. Aber nein! Er schreibt eine Woche später
an Jordan:
„Ich habe also diesen Voltaire gesehen, den zu kennen
ich so neugierig war. Ich hatte das kalte Fieber, und
meine Seele war so angegriffen, wie mein Körper ge-
schwächt. Aber mit Leuten seiner Art darf man nicht
krank sein, muß sich eher besser befinden als sonst. Er
hat die Beredtsamkeit Ciceros, die Milde des Plinius,
die Weisheit Agrippas. Er vereinigt die Tugenden und
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 15
Fähigkeiten der drei größten Männer des Altertums."
(Friedrichs klassische Bildung ging nicht tiefer, als daß
er diese drei für die größten Männer des Altertums hielt.)
„Sein Geist arbeitet unaufhörlich. Jeder Tropfen Tinte,
der von seiner Feder kommt, ist ein Funke von Geist: v "
Mme du Chätelet ist beneidenswert, daß sie ihn hat."
Für die nächste Zusammenkunft wenige Monate da-
nach hatte der französische Hof Voltaire die diploma-
tische Mission gegeben, die Absichten Friedrichs aus-
zuforschen; aber so liebenswürdig der König auch war
als Wirt, so undurchdringlich zeigte er sich als Politiker,
und er versetzte nicht weniger Voltaire als Europa in
Staunen, da er trotz seiner kurz vorher geäußerten An-
erkennung Maria Theresias unter einem Vorwande mit
seinem Heere in Schlesien einfiel und das Land eroberte.
Seine Entschuldigung ist unter anderem, daß
Preußisch-Schlesien heutzutage viel besser administriert
wird, als das österreichische. Man vergleiche nur die
Wege!
In vollen zehn Jahren nach seiner Thronbesteigung
strebt nun Friedrich vergeblich danach, Voltaire an seine
Person zu knüpfen.
. Voltaire will nicht die Marquise du Chätelet ver-
lassen. Sympathie und Studiengemeinschaft banden sie
aneinander. (Sie sandten jeder für sich eine Preis-
abhandlung über das Wesen des Feuers an das fran-
zösische Institut ein; Euler erhielt den Preis.) Um
Emiliens willen studierte Voltaire Mathematik und
Physik, so daß sie sich in der Verehrung Newtons be-
gegneten. Um Voltaires willen strebte Emilie der
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l6 GEORG BRANDES
Geschichtsforschung, die ihren mathematisch exakten
Geist abstieß, einiges Interesse abzugewinnen, und zwang
sich dazu, poetische Sachen zu lesen, die ihr im Grunde
gleichgültig waren.
Wenn sie Voltaires Übersiedelung nach Preußen ver-
hinderte, war es zwar hauptsächlich, weil sie ihn damals
nicht entbehren konnte, aber doch auch, weil sie hoffte,
ihm eine Stellung am Hofe zu Versailles zu sichern und
weil sie fürchtete, er könne seiner Aussichten ver-
lustig werden, falls er nach Berlin ginge.
Voltaire machte in den vierziger Jahren einen letzten
Versuch, am französischen Hofe zu durchdringen. Er
wurde von Mme de Pompadour beschützt, die er schon
■
in ihrer Kindheit gekannt hatte, und so wurde er Mitglied
der Akademie, französischer Historiograph und 1746
diensttuender Kammerherr.
Doch durch einige allzu schmeichelhafte Verse an die
Pompadour über ihre Eroberung des Königs brachte er
die Königin und ihren Kreis gegen sich auf, und durch
eine ungeschickte Wendung in der Zueignung der Tra-
gödie Tancride an Mme de Pompadour — „daß
einige sich vielleicht über diese Dedikation wundern
würden* 1 — mißfiel er auch der Favoritin.
Friedrich hatte außerdem, damit Voltaire ihm zu-
falle, schlau seine Stellung dadurch untergraben, daß er
höhnische Briefe von Voltaire an ihn über einflußreiche
Persönlichkeiten in Frankreich diesen selbst (so dem
Bischof von Mirepoix) durch seinen Pariser Vertreter in
die Hände spielen ließ. Ebenso gingen nach Paris Vol-
taires Glückwünsche an Friedrich als Sieger über das mit
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VOLTAIHK
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE IJ
Frankreich allierte Österreich. (Köstlich ist es, in
Voltaires Briefen die Vermutungen zu verfolgen, wo
wohl der untreue Postmeister sitze, der unterwegs
seine Briefe öffnet und ihren Inhalt verrät. Die
Wahrheit fällt ihm nicht ein.)
So begegnete Voltaire Kälte überall. Der fromme
Ludwig XV. hatte außerdem Voltaire teils wegen seiner
Freidenkerei, teils wegen seines Mangels an höfischer
Disziplin nie ausstehen können.
Der Dichter gab dann plötzlich die ganze Sache auf
und ging zum vertriebenen König von Polen Stanislaus
Leszczynski, der in Luneville einen kleinen Hof hielt.
Hier starb Mme du Chätelet im September 1749 im
Wochenbette. Sie hatte sich in ein Liebesverhältnis mit
demselben M. de Saint-Lambert eingelassen, den zehn
Jahre später Jean Jacques Rousseaus Geliebte Mme
d'Houdetot ihm vorzog.
Da Voltaire sie verloren hatte, gab es nichts mehr,
das ihn davon zurückhielt, den Einladungen Friedrichs
zu folgen. Er wollte außerdem den Hof in Ver-
sailles zeigen, daß man ihn anderwärts zu schätzen
verstand.
Zwar riet seine Nichte, Mme Denis, ihn heftig ab,
nach Berlin zu gehen, das ihrer Meinung nach eine Haupt-
stadt sei wie Paris zu Hugo Capets Zeiten, und wo man
ihm gar nicht wohlgesinnt sei.
Aber der König trat der Besorgnis entgegen: Wie,
antwortet Friedrich, ich sollte das Unglück eines Mannes
verursachen, den ich liebe, der mir Vaterland und alles
opfert, was den Menschen am teuersten ist?
BRANDES, VOLTAIRE 2
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l8 GEORG BRANDES
Daß Friedrich indessen als Bewunderer nicht ganz
zuverlässig war, erfuhr Voltaire zu gleicher Zeit. Fried-
rich dachte daran, Fre>on, den hartnäckigsten Angreifer
Voltaires, als literarischen Korrespondenten zu engagie-
ren. Und man zeigte Voltaire einige Verse, die Friedrich
— vielleicht aus Kritiklosigkeit, vielleicht um Voltaire
zu ärgern — an den Dichterling Baculard d'Arnaud ge-
schrieben hatte, worin stand: „Der Apollon Frank-
reichs ist in Dekadenz; er sinkt, Du steigst. Sein Sonnen-
untergang verkündigt einen noch schöneren Sonnen-
aufgang."
Kaum irgend etwas trug mehr als diese Zeilen dazu
bei, daß Voltaire sich seinen Abschied von König Lud-
wig ausbat. Der Abschied wurde ihm mit Kälte be-
v- willigt, und man beraubte ihn des Postens als königlichen
Historiographen.
IV.
Im Juli 1750 kam Voltaire in Potsdam an und wurde
x wie ein Halbgott empfangen.
Es war nicht der König allein, der über ihn entzückt
war. Er hatte täglich sein Kuvert gedeckt sowohl bei
der verwitweten Königin wie bei Friedrichs Gemahlin,
die verlassen und verstoßen in Schönhausen lebte. Er
gewann ebenfalb Friedrichs Brüder, die Prinzen von
Preußen, für sich. Sie spielten in seinen Dramen. Er in-
struierte sie, im vertrauten Ton, ohne Untertänigkeit, mit
der Vivazität, die er besaß und allen Menschen mitteilte.
Da seine Gesundheit schwach war, hielt er sich von
den Mittagsmahlzeiten Friedrichs zurück: „Es sind dort
allzu viele Generale und Prinzen", sagte er. Aber an
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE ig
den Abendgesellschaften des Königs war seine Teil-
nahme unentbehrlich. Die Gesellschaft bestand aus
all den notabeln Freigeistern, die Friedrich um sich \
versammelt hatte, meistens aus Frankreich, doch auch
aus anderen Ländern. Die Gespräche wurden immer
französisch geführt.
Da war der liebenswürdige Abenteurer, der Marquis
d' Argens, herzgewinnend, zugleich kenntnisreich und
gelehrt. Da war La Mettrie, der berühmte Arzt und
Zyniker, wegen des Materialismus seiner Bücher aus
Holland wie aus Frankreich vertrieben, und heimatlos
bis Friedrich ihm eine Zuflucht gab. Er war eifriger
Atheist, was weder Voltaire noch Friedrich waren. Da
war Maupertuis, Mathematiker, Physiker und Astronom,
einer der ersten, der sich Newtons Lehre über Diffe-
rential- und Integral- Rechnung zugeeignet hatte, von
Friedrich zum Präsidenten der von Leibniz gestifteten
Berliner Akademie ernannt, ein Mann, dessen Freund-
schaft Voltaire und Mme du Chätelet zuerst gesucht
hatten, der aber jetzt in Voltaire einen genierenden
Nebenbuhler sah. Er hatte seinerzeit aus wissen-
schaftlichen Gründen eine Lapplandreise unternommen,
auf die er außerordentlich stolz war, so ungefährlich
sie sich auch gestaltet hatte. Durch Gradmessung
hatte er die Richtigkeit von Newtons Lehre über die
Abplattung der Erde an den Polen außer Zweifel
gestellt, hatte übrigens Champagner mit den Offizieren
in den schwedischen Garnisonstädten getrunken und
sich bei seiner Heimkehr in einem Schlitten mit
Pelz und Pelzmütze malen lassen.
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GEORG BRANDES
Da war der tapfere Chasot, der in zahlreichen
Schlachten Heldenmut bewiesen hatte. Da war der
sanfte Italiener Algarotti, Mathematiker und Newtonianer,
und der verbannte Schotte, George Keith, den Friedrich
bei seiner Thronbesteigung als seinen außerordentlichen
Gesandten nach Frankreich geschickt hatte.
Voltaire war unter diesen Männern der besondere
Liebling. Es gab jedoch Quellen der Verstimmung
zwischen ihm und dem König.
Voltaire hatte seinerzeit Friedrich die Wahl zwischen
Fr6ron und sich gegeben, nachdem er mit seiner ge-
wöhnlichen unbändigen Leidenschaftlichkeit seinen An-
greifer als einen Auswurf der Menschheit geschildert
hatte. Friedrich hatte sich gefügt; aber er hatte es
nicht gern, sich zu fügen.
Da ferner die ungereimten Lobpreisungen Friedrichs
Baculard d'Arnaud an den Kopf gestiegen waren und
er es anfing, boshafte und unwahre Gerüchte über
Voltaire in Umlauf zu setzen, mußte Voltaire dem
König die Wahl geben zwischen d'Arnaud und sich.
Es gab ja da keine Wahl; aber Friedrich mochte
nicht, daß man ihn zum zweitenmal einer Zwangs-
wahl gegenüberstellte.
Voltaire hatte eine reichliche Bewilligung seiner
Reisekosten gefordert und alle seine Forderungen waren
ihm erfüllt worden. Friedrich hatte ihm außerdem
ökonomisch die weitestgehenden Versprechungen gegeben.
Aber aus Notwendigkeit sparsam wie er war, sparsam
bis zum Geize, ärgerte er sich über die übrigens beschei-
dene Gastfreundlichkeit, die Voltaire auf seine Kosten
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 21
erwies, und ließ nun in seiner neckischen Laune diesem
Kerzen, Zucker und Kaffee in nicht hinreichendem
Maße und in mittelmäßiger Qualität verabreichen. Vol-
taire scheint sich dem Hofklatsche zufolge gerächt zu <
haben, indem er Wachskerzen aus dem königlichen Salon
in sein Schlafzimmer mitnahm.
So etwas war gering. Aber nur fünf Monate
nach der Ankunft hatte Voltaire sein gutes Verhältnis
zum König ernsthaft aufs Spiel gesetzt.
Die Steuerscheine in Sachsen waren bis zur Hälfte
des angeführten Wertes gesunken. Nach dem Siege
Friedrichs über Sachsen war im Friedenstraktat be-
stimmt worden, daß jeder Preuße, der im Besitze dieser
Scheine sei, den vollen Wert ausbezahlt bekäme.
Dieser unvorsichtig abgefaßte Paragraph hatte zu
einer zügellosen Börsen jobberei Anlaß gegeben. Preußi-
sche Spekulanten kauften diese Scheine billig in Holland
und bekamen sie mit dem vollen Wert eingelöst. 1748
war das Ärgernis so groß geworden, daß Friedrich in-
folge von Beschwerden aus Sachsen die Scheine in Preußen
gänzlich verbot.
Voltaire hat wahrscheinlich zuerst geglaubt, daß man
derartige Spekulationen durch die Finger sehe, daß er
selbst jedenfalls als Ausnahme betrachtet würde. Denn
er forderte im November 1750 einen jüdischen Bankier *
Namens Hirschel auf, nach Dresden zu reisen und ihm
für 40 000 Franks Steuerscheine zu kaufen. Doch gleich
danach, als er erfuhr, daß der Handel dem König miß-
fallen würde, gab er Kontreordre und ließ den Wechsel
Hirscheis protestieren.
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GEORG BRANDES
Um Hirschel schadlos zu halten und außerdem sich
dessen Schweigen zu sichern, erbot sich nun Voltaire, für
eine große Summe Brillanten von ihm zu kaufen. Da er
sich aber mit den Brillanten für betrogen hielt, strengte
er einen Prozeß gegen Hirschel an.
Doch daß ein königlich preußischer Kammerherr, In-
haber des Ordens pour le m6rite und eines bedeutenden
Jahresgehaltes mit einem anrüchigen jüdischen Agenten
in Prozeß lag, das war ein Skandal, und was schlimmer
war, eine Dummheit.
Hirschel wurde wegen der Ableugnung seiner Unter-
schrift zu einer Geldstrafe verurteilt, außerdem zur
Herausgabe eines vorenthaltenen Wechsels. Wahrschein-
lich ist es auch, daß er gegen besseres Wissen Voltaire
beschuldigte, nach der Unterschrift ihrer Konvention eine
Zeile hinzugefügt zu haben. Durch das Faksimile läßt
sich die Sache nicht entscheiden.
Aber auch Voltaire war im Unrecht, er hatte hart-
näckig wochenlang eine Konvention geleugnet, deren
Existenz er schließlich zugab. Er scheint auch den Inhalt
der Konvention vor Gericht falsch angegeben zu haben.
Friedrich wurde außer sich wegen des schmutzigen
Rechtsstreites. Und da er es liebte, zu demütigen (wie
sein Vater zu prügeln), verbot er Voltaire, vor seine
Augen zu kommen, so lange der Prozeß anhielt, und als
dieser gewonnen war, ließ er Voltaire verstehen, es sei
fast ebenso häßlich, einen solchen Prozeß zu gewinnen
wie ihn zu verlieren.
Doch das gemeinsame Leben wurde wieder auf-
genommen, wenn auch ohne die frühere Herzlichkeit.
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 23
Friedrich verehrte noch das Genie Voltaires, verachtete
■
aber seinen Charakter, den er nie mit Feinheit zu be-
urteilen lernte. Er schätzte ihn jetzt am meisten als
Gesellschafter.
Die Mitglieder sein es Kreises waren ja alle geistvolle
Leute und auf Einen Grundton gestimmt. Friedrich ver-
stand durch Widerspruch und Neckerei aus ihnen Funken
zu schlagen. Die Gespräche drehten sich um Moral,
Philosophie, Geschichte, Religion. Aber es waren Zweif-
ler und Zyniker, die das Wort führten und die unbedingt
freie Sprache hatten.
Abends gab es Orgien von Spöttereien über Satzungen \
und Vorurteile, tolle Scherze über die Kirchen und ihre
Diener, ausgelassene Späße über bekannte Zeitgenossen,
Monarchen wie Hofleute, Hofleute wie Schriftsteller.
Man trank nicht viel Wein, aber man trank sich einen
Rausch in lustigen und tollkühnen Einfällen. Und die Mahl-
zeiten dauerten so lange, daß den aufwartenden Dienern
die Füße schwollen, weil sie zu lange stehen mußten.
Es versteht sich, daß bei diesen Turnieren des Witzes
Voltaire derjenige war, der durch seine Geistesgegenwart
und die Form seiner Einfälle am stärksten glänzte.
Er war bei Hofe beliebt und das Leben dort formte
sich anscheinend ganz wie vorher.
Eines Tages jedoch sagte ihm La Mettrie im Ver-
trauen etwas, das ihm seine Sicherheit raubte.
Auf eine Äußerung, daß Voltaire wegen der Gnade
des Königs stark beneidet wurde, hätte Friedrich ge-
antwortet: Bah, man preßt die Orange und wirft da-
nach die Schale weg!
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GEORG BRANDES
Voltaire beschwor La Mettrie ihm zu sagen, ob dies
eine Erfindung sei, um ihn zu necken. La Mettrie ver-
sicherte, daß die Worte genau so gefallen seien.
Voltaire empfand es, als sei ihm der Grund unter
den Füßen weggezogen worden.
Etwas später erzählte Maupertuis dem König, daß
eines Tages, als General Manstein bei Voltaire war, da-
mit dieser seine Erinnerungen an Rußland verbessere,
dem Dichter Verse von Friedrich zur Korrektur gebracht
wurden, worauf Voltaire zu Manstein gesagt habe:
Freund, kommen Sie lieber wieder! Da schickt mir der
König seine schmutzige Wäsche. Ein anderes Mal werde
ich die Ihrige waschen.
Voltaire leugnet bestimmt, diese Wendung gebraucht
zu haben. Aber sie sieht ihm ähnlich, und jedenfalls
hat Friedrich an ihre Echtheit geglaubt und sich sehr
gekränkt gefühlt.
V.
Alles ging doch seinen stillen Gang ein paar Jahre
hindurch; Aber 1752 entzweiten sich Maupertuis, den
die Gunst des Königs übermütig gemacht hatte, und
dessen früherer Freund König in Amsterdam, ein vor-
züglicher Mathematiker, der (wie Maupertuis) Gast in
Cirey gewesen war. Maupertuis meinte, eine wichtige
Entdeckung in betreff der Bewegungsgesetze gemacht
zu haben, indem er das Prinzip der mindesten Aktion
aufstellte; König, der Maupertuis seine Ernennung
zum Mitglied der Berliner Akademie verdankte, war
nicht einig mit ihm über die Prinzipien der Bewegung,
wollte aber seine Kritik nicht veröffentlichen, um den
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 25
empfindlichen Präsidenten nicht zu verletzen. Doch
in seinem Übermut forderte Maupertuis selbst ihn
dazu auf.
In dem Aufsatz Königs stand, es scheine, daß Leibniz
einen ähnlichen Gedanken wie Maupertuis gehabt habe;
er führte als Stütze dafür einen Brief von Leibniz an
einen Professor Hermann an.
Erbittert wollte Maupertuis hierin eine Beschuldigung
des literarischen Diebstahls sehen, und da er bestätigt
erhielt, was er mit Recht vermutete, daß König nicht
das Originalmanuskript zum Briefe von Leibniz besaß,
ließ er die von ihm ganz abhängige Berliner Akademie
das Benehmen Königs als Gebrauch eines Falsums
stempeln.
König, der die gesunde Vernunft auf seiner Seite
hatte, antwortete mit einem Appell an das Publikum.
Doch schon vor diesem Hefte erschien eine kleine
Flugschrift: Antwort eines Berliner Akademikers, worin
ernste Anklagen gegen Maupertuis zusammengedrängt,
seine Despotie enthüllt, und sein häßliches Vorgehen
gegen einen stillen Gelehrten getadelt war, dessen
ganzes Verbrechen in einer wissenschaftlichen Un-
einigkeit mit dem Präsidenten bestand. Übrigens
nicht eine Anzüglichkeit und kein überflüssiges
Wort. — Die Schrift war anonym, aber nur einer
schrieb diesen Stil.
Friedrich wurde bis zum Äußersten gereizt; das Blut
des Vaters regte sich in ihm. Man wagte den Präsiden-
ten seiner Akademie, folglich seine Akademie, folglich
ihn selbst lächerlich zu machen.
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GEORG BRANDES
Er beschloß anonym dem anonymen Voltaire Ant-
wort zu geben. Gewiß lag das Wort schmutzige Wäsche
dahinter und gärte.
Des Königs Broschüre: Brief eines Akademikers von
Berlin an einen Akademiker von Paris ist nicht glück-
lich. Es ist lauter Weihrauch für Maupertius, von dem
es in einem pathetischen Stil heißt: Er genießt hier in
Preußen bei Lebzeiten die Ehre, die Homer lange nach
seinem Tode gewann: die Städte [hier Berlin und St.
Malo] streiten sich darum, welche seine Vaterstadt sei.
Maupertuis mit Homer verglichen!
Der Angriff gegen Maupertuis wird auf das niedrigste
Motiv, die Wut eines Neidharts, zurückgeführt. Vol-
taire neidisch auf Maupertuis! Ja, so weit war es ge-
kommen; nicht nur schrieb Friedrich gegen Voltaire,
sondern er gebrauchte noch dazu die Worte: Unwissen-
heit, Lüge, Infamie, Verleumdung, Schändlichkeit usw.
Beide begegneten sich jetzt wie vorher zu den Mahl-
zeiten, konversierten, als sei nichts geschehen, aber
welchen Zwang legten sie sich dabei auf!
Als die erste Ausgabe von Friedrichs Flugschrift
erschien, wußten die deutschen Kritiker nicht, wer der
Verfasser sei, und behandelten ihn wie jemanden, der
nichts von der Frage verstand! Aber dann kam die
zweite Ausgabe mit dem preußischen Adler, einer Krone,
einem Zepter auf dem Umschlag, und jeder Zweifel war
zu Ende.
Wäre Voltaire nun von der Unmöglichkeit der Situa-
tion durchdrungen gewesen, und hätte er vor allem sein
gutes Verhältnis zum König bewahren wollen, so wäre
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 2J
für ihn nichts anderes übrig geblieben, als aufzuhören,
die Sache in Vergessenheit zu bringen, Maupertuis in
Ruhe zu lassen.
Aber ach! Mit all seiner Geschmeidigkeit war er
kein Hofmann — ein unruhiger, unlenksamer Poet, und x
trotz des Hoftones das unbändigste Wesen. Er war ja
auch nicht umsonst der witzigste Mensch, der seit Aristo-
phanes und Lukianos gelebt hatte. Die Einfälle ließen
ihm keine Ruhe, und er konnte keinen Witz zurück-
halten. Er mußte Possen und Intrigen stiften wie
Scapin. Er hatte immer den Ausweg, alles wegzuleugnen.
Er war ja beständig anonym.
Zwar schrieb er keine Zeile gegen den König, ver-
schlang ohne eine Grimasse all die groben Kränkungen,
die von ihm kamen. Aber er konnte sich nicht das
Vergnügen versagen, den armen Marsyas Maupertuis zu
schinden.
Mit seiner Antilopengrazie und seiner Tigerkraft er-
innert Voltaire an einen anderen „Teufel von Gottes x,.
Gnaden", Heinrich Heine, der ungefähr gesagt hat:
Es ist wahr, ich war kein Lamm, doch wenn das Lamm
die Klauen und Zähne des Tigers bekommen hätte,
glaubt man, es würde sie nicht gebrauchen?
Maupertuis, der damals krank war, und außerstande,
größere Arbeiten vorzunehmen, hatte eben damals
unter dem Titel Briete eine Reihe kleiner Artikel
herausgegeben voll sonderbarer Hypothesen und
Vorschläge.
Darin war an und für sich nichts Böses. Renan hat
ähnliches getan in seinen Philosophischen Dialogen, wo
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28
GEORG BRANDES
vorgeschlagen wird. Genies in einem neuen Asgard zu
kultivieren und sie die Herrschaft Über den Erdball
durch Sprengmittel behaupten zu lassen.
Aber Maupertuis gab ohne Geschmack seinen tollen
Einfällen die Zügel.
Er schlug vor, man sollte einige sehr hohe Männer
sezieren, um zu sehen, ob sie organisch von den kleineren
verschieden seien.
Er schlug vor, man solle ein Loch in die Erde graben,
um deren Mittelpunkt zu erreichen, — man solle eine
völlig lateinische Stadt gründen, wo lateinisch geredet,
gepredigt, plädiert, Komödie gespielt werde, damit die
Jugend dort in einem Jahre mehr Latein lerne, als sonst
im ganzen Leben, — ferner: daß die Ärzte nur dann hono-
riert werden sollten, wenn der Kranke sich erholte usw.
Dies Buch mit seinen Ungereimtheiten und Para-
doxen beschäftigt Voltaire so, daß er davon besessen
wird. Er träumt und spricht von nichts anderem.
Und die Frucht seiner Träume wird die berühmte Bro-
schüre: Die Geschichte von Dr. Akakia (d. h. dem
gutmütigen Arzte) und dem Eingeborenen von St. Malo.
Sie geht, so witzig sie ist, durchaus nicht Maupertuis
als Privatmann nahe, enthält weder Grobheiten noch
Schimpfworte.
Der persönlichste Zug ist der unschuldige: Mauper-
tuis einen Lappländer, in St. Malo geboren, zu nennen,
weil Maupertuis so unbändig stolz auf seine Reise nach
Lappland war.
Akakia ist als Arzt unruhig über die Perspektive, nie
Honorar erhalten zu sollen, wenn der Patient nicht
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 2g
geheilt wird. Maupertuis will, sagt er, uns Ärzte
behandeln wie seine Verleger, uns vor Hunger sterben
lassen.
Akakia ist ferner über das Loch unruhig, das bis zum
Mittelpunkt der Erde gegraben werden solle. Es müsse
einen Umfang haben wie ganz Deutschland, und werde
Europa aus dem Gleichgewicht bringen.
In der lateinischen Stadt würden die Köche und die
Waschfrauen ja nicht in voraus lateinisch sprechen, und
würden sie anfangen, die lateinische Grammatik zu
studieren, so würde nicht gekocht und kein Hemd ge-
waschen werden.
Ab und zu tut Voltaire Maupertuis unrecht. Sein
klarer, aber nicht tiefer Verstand genügte nicht gegen-
über einzelnen der Behauptungen.
Maupertuis hat gesagt, daß der Raum nur eine
Vorstellung unseres Geistes sei. Voltaire belehrt ihn,
daß, wie jeder Schulknabe wisse, die Ausdehnung nicht
wie Licht und Farben nur in unserer sinnlichen Wahr-
nehmung existiere. Hier ist es Voltaire, der wie ein
Schulknabe denkt. Ebenfalls denkt er nicht scharf,
wenn er sich über die, freilich ungereimt begründete,
Äußerung lustig macht, der Geist könne die Zukunft
mit derselben Klarheit wie die Vorzeit sehen. Denn
so ist es in der Astronomie. Wir können auf Tag und
Stunde eine Sonnenfinsternis voraussagen, die lange
nach unserem Tode stattfinden wird.
Wie die Schrift war, muß sie aber jedenfalls ein Werk
des Witzes genannt werden, von streng literarischer Be-
schaffenheit, unschuldig verspottend. Im Vergleich mit
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30 GEORG BRANDES
Heines Polemik gegen Platen z. B. ist dies Zucker-
wasserpolemik.
Die Schwierigkeit war die, das Heft herauszugeben.
Es war eine königliche Bewilligung erforderlich, und
Friedrich würde sie selbstverständlich nicht geben. Vol-
taire erhielt sie durch eine Täuschung. Er gab vor,
einen Angriff beantworten zu wollen, den der Züricher
Theolog Zimmermann gegen den König und ihn als
Freidenker gerichtet hatte. Auf diese Bewilligung hin
wurde Akakia gedruckt.
Maupertuis war bettlägerig, erschien nicht zu den
Abendmahlzeiten des Königs. Friedrich und Voltaire
fuhren fort, so zu tun, als wäre nichts geschehen — «
und als man eines Abends die Idee zu einem von dem
kleinen Kreis geschriebenen Real-Lexikon bekam, gab
Voltaire sich sogleich an die Arbeit, und schickte heiterer
Laune dem König Artikel nach Artikel: Abraham,
Arne, Athlisme, Baptßme usw.
Dieser Einfall wurde zur Enzyklopädie, zum Diciio-
naire philosophique, dem großen Werke Voltaires, Di-
derots und d'Alemberts.
Man kann sich die Erbitterung Friedrichs vorstellen,
als er entdeckte, daß Akakia in Potsdam gedruckt vor-
lag. Wer der Verfasser sei, sah er mit einem Blick. Er
sandte seinen Kammerdiener zu Voltaire, um zu erfahren,
wo die Auflage verborgen war.
Voltaire wußte von nichts.
Indessen bekannte der Buchdrucker, so daß es Vol-
taire nichts mehr nützte, seine Unschuld zu behaupten.
Er suchte dann gegenüber dem König das Ganze als
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 31
einen Scherz hinzustellen. Doch der König lud ihn vor
sich, ließ die ganze Auflage im Schloß verbrennen und
zwang Voltaire eine Erklärung ab, worin er versprechen
mußte, keine Regierung Frankreichs, keine Souveräne
und keinen berühmten Schriftsteller — was die Haupt-
sache war — anzugreifen, solange ihm die Ehre erwiesen
würde, als Kammerherr Seiner Majestät mit hervorra-
genden Männern zusammen in dessen Schlosse zu wohnen.
Voltaire unterschrieb notgedrungen, war aber trotz-
dem nicht weniger eifrig, seinen Krieg durchzuführen.
Sein Akakia war schon unterwegs nach Dresden, um
dort veröffentlicht zu werden. Und kurz danach er-
weckte das kleine Buch Jubel in Berlin, wo Maupertuis
wegen seines Hochmutes wenig beliebt war, und wo man
die Partei des Spaßmachers ergriff.
Nun wurde Friedrich wild vor Entrüstung. Mau-
pertuis sollte Genugtuung haben, seine eigene Autorität
nicht minder. Die Exemplare, deren man habhaft wurde,
verbrannte der Henker an verschiedenen Straßenecken
Berlins, unter anderem vor dem Hause Taubenstraße 20,
wo Voltaire während des Karnevals abgestiegen war.
Diese ungereimte Brutalität wurde von Friedrich am
Weihnachtsabend 1752 ins Werk gesetzt, 18 Jahre nach-
dem Ludwig die Philosophischen Briefe hatte verbrennen
lassen. Beide Könige begegneten sich in dieser autori-
tären Auffassung der Literatur.
Für Friedrich war Voltaire zwar noch der große
Schriftsteller, übrigens aber die boshafteste Kreatur, ein
Affe, der mit Fug und Recht hätte durchgepeitscht
werden sollen.
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32
GEORG BRANDES
Voltaire sandte Friedrich seinen Kammerherrn-
schlüssel, seinen Orden pour le merite und sein Brevet
als königlicher Pensionär zurück, und schrieb dabei ehr-
erbietig, fast zärtlich:
Je les recus avec tendresse,
Je vous les rends avec douleur,
C'est ainsi qu'un amant dans son extrSme ardeur
Rend le portrait de sa mattresse.
Er bekam jedoch noch am selben Tage alles zurück.
VI.
Voltaire hatte jetzt nur Einen Gedanken, zu ent-
fliehen. Aber das war schwierig; er konnte bloß Gesund-
heitsrücksichten als Ursache angeben. Denn Friedrich
sah es sehr ungern, daß jemand aus seinem Kreise ihn
verließ. Und er wollte nicht Voltaire entbehren, konnte
es nicht.
Voltaire mußte ein Vierteljahr hindurch eine ganze
Krankheitskomödie spielen, sich außerstande erklären,
das Zimmer zu verlassen. Er täuschte indessen Fried-
rich nicht durch seine Behauptung, die Bäder in Plom-
bidres nötig zu haben. Der König ließ ihn wissen, es
gebe sehr gute Bäder in Glatz in Schlesien, in der Nähe.
Aber zuletzt mußte Friedrich seinen Widerstand auf-
geben: Voltaire könne seinen Dienst verlassen, wenn
er wolle. Doch verlangt er, daß Voltaire ihm den Ver-
trag über seine Anstellung, Schlüssel, Kreuz und einen
ihm anvertrauten Band Poesien zurückgebe, gibt schließ-
lich der Überzeugung Ausdruck, daß Voltaire jetzt an-
fangen werde, seine Schriften anzugreifen.
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MÖNS» DE VOLTAIRE
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 33
Unglücklicherweise vergaß Voltaire über das viele
andere, das ihm zu denken gab, das Verlangte noch ein-
mal einzuschicken — er hatte es ja eben zurückerhalten.
Er vergaß es um so leichter, wie er nach seiner An-
kunft in Potsdam von Berlin zwei Stunden eingeschlossen
mit dem König in freundschaftlichem Gespräch verblieb,
und sechs Tage nacheinander am Abendtisch gefeiert
und verzogen wurde.
Eines Morgens, als der König bei der Parade war,
sagte man ihm: Hier ist Herr de Voltaire, um die Be-
fehle Ew. Majestät zu empfangen. Der König wendete sich
um und sagte: „Sie wollen uns also unbedingt verlassen,
Herr de Voltaire?" — „Sire, unaufschiebbare Geschäfte
und besonders mein Gesundheitszustand zwingen mich da-
zu." — „Monsieur, ich wünsche Ihnen eine gute Reise!" —
Sie wußten beide, daß sie sich nie wiedersehen würden.
In Leipzig fügte Voltaire noch einen kleinen ko-
mischen Abschnitt zur Akakia. Maupertuis, der nun
gänzlich den Kopf verlor, schrieb an Voltaire und drohte
ihm, er werde ihn zu finden wissen, falls er es wagte,
aufs neue gegen ihn zu schreiben. In eine Leipziger
Zeitung, Der Hofmeister, ließ Voltaire dann die folgende
Annonce einrücken:
„Ein quidam hat an einen Inwohner von Leipzig
einen Brief geschrieben, worin er besagtem Inwohner
droht, ihn zu ermorden. Maßen nun Mordanschläge
sichtbarlich den Meßprivilegien zuwiderlaufen, so er-
sucht man jedermänniglich, von besagtem quidam Nach-
richt zu geben, falls er sich an den Toren von Leipzig
blicken ließe. Derselbe ist Philosoph, von zerstreutem
BRANDES. VOLTAIRE 3
34
GEORG BRANDES
Wesen und hastigem Gange, Augen klein und rund,
Perrücke desgleichen, Nase platt, Gesicht voll, Gesichts-
ausdruck schlimm und selbstgefällig; trägt beständig
einen Scalpell in der Tasche, um Leute von hoher Statur
zu sezieren. Wer Nachweisung über ihn geben kann,
erhält 1000 Dukaten Belohnung, angewiesen auf die
lateinische Stadt, welche besagter quidam bauen läßt . ."
So pathetisch nahm Friedrich diese Witze auf, daß
er an seine Schwester schrieb, man lasse manch einen
rädern, der es nicht verdient habe, wie Voltaire. Eine
Furcht begann jedoch den König zu befallen, Voltaire
werde einen ebenso indiskreten Gebrauch von seinen
Briefen machen, wie er selbst von Voltaires gemacht
hatte, und besonders fürchtete er, Voltaire werde in
Frankreich die Verse vorzeigen, in denen er sich über
Souveräne und Minister lustig gemacht. Voltaire dachte
an nichts Derartiges, führte nicht einmal irgend etwas
mit sich, das vom König herrührte.
In Frankfurt holte Friedrichs Zorn Voltaire ein, und
das burleske Nachspiel zu ihrem Zusammenleben fand
statt, das den Wendepunkt bildet in Voltaires innerem
Verhältnis zum König von Preußen.
Frankfurt gehörte damals dem Kaiser; Friedrich
hatte dort nichts zu sagen. Aber kaum angekommen,
wurde Voltaire von dem preußischen Residenten, Herrn
Freytag, arretiert, der ihm das Weiterreisen verbot, so-
lange die dem König gehörenden Sachen nicht zurück-
gegeben seien. Es galt ihm besonders darum, die Poesien
des Königs zu erhalten. Voltaire meinte, das Buch liege
in einem Kasten, der in Leipzig stehen geblieben war.
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 35
Am 1. Juni schrieb er nach dem Kasten; erst am 18.
kam er an und in ihm das Buch. Voltaire glaubte nun,
befreit zu sein. Aber Freytag konnte sich nicht denken,
daß dieser französische Missetäter um eines gedruckten,
vermutlich überall käuflichen Buches willen zurück-
gehalten werden solle. In der Order wurde unbestimmt
von königlichen Papieren gesprochen. Man hielt also
noch immer Voltaire gefangen.
Er machte einen Fluchtversuch, schlich sich mit
seinem Sekretär und einem Diener, der einen kleinen
Sack trug, hinaus und fuhr in einem Mietwagen davon.
Sie wurden aber vermißt, ausgespäht, verfolgt und im
Triumph zurückgeholt. Die Flucht machte in Freytags
Augen den Verbrecher noch gefährlicher.
Die Nichte Voltaires, Mme Denis, die angekommen
war, um den Onkel zu sehen, der Sekretär, die Diener-
schaft, alle wurden festgehalten. Soldaten wurden an der
Haustür postiert, vier sollten auf Voltaire aufpassen und
einige wurden in dem Zimmer der Nichte, sogar des
Nachts, untergebracht, obwohl die Ärmste „nie Verse
für den König von Preußen verbessert hatte".
Endlich am 5. oder 6. Juli kamen die Autoritäten
der Stadt Voltaire zu Hilfe, und er konnte nach fünf-
wöchentlicher Einkerkerung abreisen. Doch forderten
ihm die preußischen Beamten eine bedeutende Summe
ab als Ersatz für Beköstigung und Logis. Gewiß war
man etwas weiter gegangen, als Friedrich es gemeint
hatte. Die Dummheiten kommen nicht auf seine Rech-
nung, wohl aber kommt die Härte.
Und er ließ niemanden bestrafen.
3«
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36
GEORG BRANDES
VII.
Es blieb als Niederschlag von alledem eine Bitter-
keit, fast ein Haß in Voltaire zurück. In den Memoiren,
die er sechs Jahre später über sein Verhältnis zu
Friedrich niederschrieb, macht er sich in blutigen Spötte-
reien Luft.
Und dennoch konnten die zwei Männer sich gar
nicht entbehren. Sie haßten und liebten sich ab-
wechselnd oder zugleich. Voltaire charakterisiert den
König jetzt:
Misanthrope et farouche, avec un air humain
Souvent impätueux et quelque fois trop fin —
Dangereux politique et dangereux auteur,
Mon patron, mon disciple et mon pers6cuteur.
Nach kurzer Zeit wirkt jedoch der alte Zauber aufs
neue; der Briefwechsel beginnt wieder und dauert fernere
vierundzwanzig Jahre; bis zu Voltaires Tode.
Ein Zeitraum ist besonders bemerkbar, der von Juni
bis November 1757.
1756 war Österreich ein Bündnis mit Frankreich und
Rußland gegen Friedrich eingegangen. Da Friedrich in
Sachsen einfiel, schlössen sich dem Bunde noch Schwe-
den und die Reichsfürsten an. Eine Bevölkerung von
hundert Millionen erklärte einer Bevölkerung von fünf
Millionen den Krieg. Nach der Niederlage bei Kollin
(18. Juni 1757) scheint alles für Friedrich aus zu sein.
Er trägt ein Flacon mit stark wirkendem Gift bei sich
und ist entschlossen, es zu gebrauchen, wenn sein Schick-
sal sich nicht wendet.
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 37
Er schreibt höchst bezeichnend für seine Metromanie
einen Reimbrief darüber an seinen Freund d' Argens.
Es ist das Gedicht, das beginnt:
Ami, le sort en est jet6.
Das Los ist geworfen. Müde all des Mißgeschicks
und des Elends, womit unsere Mutter, die Natur, mein
Leben angefüllt hat, will ich meine Tage verkürzen.
Lebe wohl, Größe! Lebe wohl, göttliche Lust! Ich
kehre mich nicht an die Religion. Ich weiß von meinem
Lehrer Epikur, daß der Funke des Lebens nicht un-
sterblich ist. Aber schmücket mein Grab mit Rosen
und Myrten!
Und er vergleicht sich in Briefen an Voltaire mit den
großen Freiheitsmännern, einem Cato, einem Brutus, die
durch ihre eigene Hand fielen.
Tragikomisch ist es, daß Friedrich aus alter Gewohn-
heit auch dieses Gedicht, worin er in vollem Ernst seinen
Selbstmordvorsatz verkündet, an Voltaire schickt, um
es verbessert zurückzuerhalten. Mit Recht antwortet
dieser, nicht darum handle es sich, ob dieses Merkmal
eines großen Geistes noch mehr vervollkommnet werden
könne, sondern um das Leben des Königs und das Inter-
esse, welches die Menschheit daran habe, dies Leben zu
bewahren. Und um den König zu bewegen, die Selbst-
mordgedanken fallen zu lassen, läßt er ihn kühnlich
wissen, daß niemand ihn mit Brutus oder Cato ver-
gleichen werde: „Niemand wird in Ihnen einen Mär-
tyrer der Freiheit sehen . . . Sie müssen sich vor Augen
halten, wie viele Höfe in Ihrem Einfall in Sachsen hart-
näckig einen Bruch des Völkerrechtes erblicken."
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GEORG BRANDES
Friedrich werde also durch seinen Tod nur seinen
Feinden und denen der Philosophie einen unermeßlichen
Triumph verschaffen.
Friedrich antwortet Voltaire am 9. Oktober 1757 in
einem schönen und männlichen Brief. Er beginnt:
Je suis homme, il suffit, et ne" pour la souffrance,
aux rigueurs du destin j'oppose ma constance.
Glauben Sie mir, wäre ich Voltaire und Privatmann, so
würde ich den Wandlungen des Schicksals mit Gleich-
gültigkeit begegnen. Ich kenne die Langeweile, geehrt
zu werden, die Last der Pflichten, die Mundart der
Schmeichler. Ich werde wissen, zu denken, zu leben
und zu sterben als König.
Pour moi, menac£ du naufrage,
Je dois, en affrontant l'orage,
Penser, vivre et mourir en roi.
~ Kaum jedoch hatte Friedrichs Schwester, die Mark-
gräfin von Bayreuth, den verzweifelten Vorsatz des
Bruders Voltaire mitgeteilt, als dieser mit seinem auch
politisch fruchtbaren Gehirn zu arbeiten anfing und die
Idee bekam, der König solle, um Luft zu kriegen, zuerst
mit Frankreich Frieden schließen.
Und da Voltaire schon von der Schulbank her den
Marschall v. Richelieu, der die französischen Heere
führte, sehr genau kannte, riet er, daß der König sich
brieflich an Richelieu wenden und Voltaire den Brief
zur Weiterbeförderung senden solle.
Friedrich schrieb dann einen würdigen, aber auch
klug schmeichelnden Brief an Richelieu, und Voltaire
empfahl die Sache. Richelieu antwortete Friedrich, er
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 39
habe keine Vollmacht, Frieden zu schließen, habe aber
den Brief an den König, seinen Herrn, gesendet. Und
nun fing Voltaire an, leidenschaftlich für den Frieden
zu arbeiten, nicht so sehr aus Freundschaft für Friedrich,
denn er haßte ihn bisweilen, sondern damit nicht etwas
so Seltenes und Wertvolles wie Friedrich zugrunde
gehe, wie auch um Frankreichs willen, denn er wußte,
welche Kraft der König sogar im äußersten Mißgeschick
war, und übte er jetzt in der Desperation geniale Groß-
taten, so hätte Frankreich den Schaden.
Durch den Kardinal von Tencin, mit dem er die
Markgräfin in Verbindung brachte, suchte er den er-
bärmlichen Premierminister Frankreichs, den Abb6 de
Bernis, den Minister der Madame de Pompadour, zu beein-
flussen. Tencin bittet die Markgräfin, Voltaires Rat zu be-
folgen, die Gefahr der Machtvermehrung des Hauses Habs-
burg hervorzuheben und dem Minister zu schmeicheln.
Aber Madame de Pompadour war sehr österreichisch
gesinnt, Friedrich hatte seiner bösen Gewohnheit nach
Spottverse über sie geschmiedet, Maria Theresia hatte
ihr mit geheuchelter Herzlichkeit einen schmeichelhaften
Brief geschrieben. Und Bernis sah natürlich auf Vol-
taire wie auf einen bloßen Literaten herab, während
er selbst einen Staatsmann vorstellte. Friedrich erhielt
keine Antwort.
Dann sammelte er sich und demütigte Frankreich,
wie es nie zuvor gedemütigt worden. Am 5. November
folgte die Schlacht bei Roßbach. In wilder Flucht
wälzte das französische Heer sich von dannen, von Fried-
richs Reitern verfolgt.
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GEORG BRANDES
Voltaire schreibt an d'Argental: „Friedrich hatte nur
einige und zwanzigtausend Mann, die durch Märsche
und Kontramärsche ermattet waren, und damit zerstört
er ein Heer von fast 50 000 Mann. Welch eine Schmach
für unsere Nation! Jetzt kann Mme de Pompadour
sehen, daß ich recht hatte, als ich ihr schrieb, die Zeit
könnte kommen, wo man zufrieden sein würde, einen
Franzosen am Hofe in Berlin zu haben" . . . und an Thie-
riot: „Die Nachwelt wird sich wundern, daß ein branden-
burgischer Kurfürst nach dem Verlust einer großen
Schlacht gegen die Österreicher, nach dem vollständigen
Abfall seiner Bundesgenossen, in Preußen selbst von
100000 siegreichen Russen verfolgt, zwischen zwei fran-
zösischen Heeren in die Enge getrieben, die zugleich
über ihn fallen sollten, dem allem widerstanden, seine
Eroberungen bewahrt und eine der denkwürdigsten
Schlachten des Jahrhunderts gewonnen hat . . . Es ist
nicht angenehm, im Auslande jetzt Franzose zu sein.
Man lacht uns ins Gesicht, als seien wir alle Adjutanten
des Herrn v. Soubise."
Man hätte die Demütigung vermieden, wenn man
seinem Rate gefolgt hätte.
VI IL
Von jetzt ab .verläuft das gegenseitige Verhältnis
Friedrichs und Voltaires in friedlichem und lebhaftem
Gedankenaustausch noch zwanzig Jahre. Aber Vol-
taire hatte nun genug davon, Königen zu dienen. In
der freien Schweiz wurde er selbst ein König, der geistige
Monarch des ganzen Zeitalters.
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 41
Was Voltaire dem Zusammenleben mit Friedrich ver-
dankt, läßt sich natürlich nicht haarscharf beweisen. Es
läßt sich aber beobachten.
In der Atmosphäre, die Friedrich um sich schuf,
stieg die philosophische Kühnheit Voltaires. Friedrichs
kräftige und rücksichtslose Gedanken hatten die Wirkung,
ihm Mut einzuflößen. Vorher war Voltaire kein eigent-
licher Kampf Schriftsteller gewesen. Seit er 1734 die
Philosophischen Briefe schrieb, war sein Lebenswerk
rein literarisch oder rein wissenschaftlich gewesen.
Seine Angriffe auf das Bestehende waren indirekt, ver-
kappt, so angelegt, daß er sie nötigenfalls verleugnen
konnte.
Man denke an seinen MahometI Ohne Zweifel ganz
und gar als Angriff auf geoffenbarte Religion gemeint,
aber so gefaßt, daß Voltaire 1745 dem Papst Benedikt
XIV. das Drama zueignen konnte. Er dediziert „dem
Chef der wahren Religion" diese Schrift „gegen den
Grundleger einer falschen und barbarischen Religion."
Der Papst antwortet mit einem reizenden Brief an
seinen lieben Sohn Voltaire und zeigt sich in seiner Ant-
wort als guter Humanist, denn er macht Voltaire auf-
merksam, daß er gegen einen Franzosen, der ihn wegen
einiger Eigentümlichkeiten in seinen lateinischen Versen
angegriffen habe, sich mit ähnlichen Betonungen bei
Vergil verteidigen könne.
Von nun ab dediziert Voltaire keinem Papst mehr
Bücher. Der Verkehr mit Friedrich hatte ihn zum
kühnen Bekämpfer des Begriffes der Offenbarung ge-
macht; daß nahe Verhältnis zu ihm hatte außerdem
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4 2
GEORG BRANDES
eine Zeitlang sein Ansehen bei den Zeitgenossen ge-
stärkt. Zum ersten Male war ein großer Schriftsteller
Freund und Ratgeber eines Königs, nachdem er sein
Lehrer gewesen war. Seit Aristoteles und Alexander war
das nicht gesehen worden.
Was Friedrich war und wurde, weiß jedermann. Er
schuf Preußen und dadurch das moderne Deutschland.
Man nehme aber als Maßstab für seine Größe nur
dieses. Er und er allein unter Preußens und Deutsch-
lands Herrschern wagte es, offen als Freigeist aufzu-
treten, in jener dunklen Zeit sogenannte religiöse
Versehen ungestraft zu lassen und bei allen Gelegen-
heiten eine freigeistig-philosophische Gesinnung an den
Tag zu legen.
Das letztere hat im XIX. Jahrhundert, dem Jahr-
hundert der Reaktion, in Monarchien niemand getan.
Kein Kaiser oder König — nicht Napoleon I. einmal —
kein Minister — nicht einmal Bismarck.
Aber daß er es wagte, verdankt man Voltaire.
Doch von jetzt an ist Voltaire nicht mehr nur der
Feind der Kirchengewalt. Er wirkt in seiner Einsam-
keit positiv als der große Beschützer, Helfer, Verteidiger
der Unterdrückten und Vergewaltigten, der ihnen Recht
im Leben und Ehrenrettung nach dem Tode verschafft.
Er ist der, vor dem die hochmütigsten Alleinherrscher
zittern, der, bei dessen Namen die blutrünstigen Macht-
haber erbleichen, und zu dem die Männer des Geistes
hinaufblicken wie zu ihrem natürlichen Häuptling. Ohne
seine Inspiration wäre die Enzyklopädie kaum zustande
gekommen; ohne sein Eingreifen wäre die katholische
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VOLTAIRE UND FRIEDRICH DER GROSSE 43
Kirchenmacht nicht dergestalt untergraben worden, daß
die französische Revolution nur zehn Jahre nach seinem
Tode sie zum Sturz bringen konnte.
Zu Voltaires Lebzeiten wurde er selbstverständlich
hitzig bekämpft, teils von Neidern wie z. B. J . B. Rousseau,
Freron, Desfontaines, La Beaumelle, teils von den Fein-
den der Philosophie, wie Palissot und Lefranc de Pom-
pignan. Zu dieser geistlosen Reaktion gegen ihn kam
bald die geistige Reaktion, Jean Jacques Rousseaus und
in Deutschland die Lessings, Herders, Goethes.
Noch während Voltaire am Leben war, schrieb der
junge Goethe in seinem Prosahymnus an Shakespeare:
„Voltaire, der von jeher Profession machte, alle Ma-
jestäten zu lästern [er hat nie daraus Profession gemacht],
hat sich auch hier als ein echter Tersit bewiesen. Wäre
ich Ulysses, er sollte seinen Rücken unter meinem
Szepter verzerren."
Aber als reifer Mann übersetzte Goethe selbst zwei
Tragödien von Voltaire, schrieb über ihn (in den An-
merkungen zu Rameaus Neffe) und legte ihm fünfund-
vierzig große Eigenschaften bei.
Er nennt ihn „den höchsten unter den Franzosen
denkbaren, der Nation gemäßesten Schriftsteller". Die
Eigenschaften, sagt er, sind mannigfaltig, die man von
einem geistvollen Manne fordert, und er nennt sie:
„Tiefe, Genie, Anschauung, Erhabenheit, Naturell, Ta-
lent, Verdienst, Adel, Geist, schöner Geist, guter Geist,
Gefühl, Sensibilität, Geschmack, guter Geschmack, Ver-
stand, Richtigkeit, Schickliches, Ton, guter Ton, Hof-
ton, Mannigfaltigkeit, Fülle, Reichtum, Fruchtbarkeit,
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GEORG BRANDES
Wärme, Magie, Anmut, Grazie, Gefälligkeit, Leichtig-
keit, Lebhaftigkeit, Feinheit, Brillantes, Saillantes,
Petillantes, Pikantes, Delikates, Ingenieuses, Stil,
Versifikation, Harmonie, Reinheit, Korrektion, Eleganz,
Vollendung.
Von allen diesen Eigenschaften, meint er, könne man
vielleicht Voltaire nur die erste und die letzte, die Tiefe
in der Anlage und die Vollendung in der Ausführung
streitig machen. (Ich gestehe, mir scheint Voltaire eher
zu vollendet, bis zur Glätte.) „Alles, was übrigens von
Fähigkeiten und Fertigkeiten auf eine glänzende Weise
die Breite der Welt ausfüllt, hat er besessen und da-
durch seinen Ruhm über die Erde ausgedehnt."
Goethe war ein Kenner. Ihm kommt das letzte
Wort zu.
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU
I.
IE beiden Männer, die, in der Literatur des
18. Jahrhunderts, Frankreichs zwei größte Namen
sind, haben nie Angesicht zu Angesicht gestanden.
Wahrscheinlich hat Voltaire nie Rousseau gesehen.
Dennoch befanden sie sich im gegenseitigen Verhältnis,
aber in keinem gemütlichen. Sie geben ein Beispiel
unter vielen ab von zeitgenössischen Begabungen, die
einander beleuchten, während sie sich mißverstehen
und allmählich verabscheuen.
Voltaire ist fünfzig Jahre alt und weit berühmt, da
Rousseau zum ersten Male seinen Gesichtskreis berührt.
Der Herzog von Richelieu hat Rousseau aufgefordert,
das Festspiel Voltaires, Die Prinzessin von Navarra,
für eine Aufführung bei Hofe mit Musik von Rameau
zu bearbeiten.
Rousseau sendet die Bearbeitung an Voltaire: Seit
fünfzehn Jahren habe er gestrebt, um sich dem Blicke
Voltaires und der Sorgfalt würdig zu machen, womit er
die J ungen begünstige, bei denen er etwas Talent spüre.
Rousseau bittet, ihm die Stellen anzugeben, wo er sich
von dem Schönen und Wahren, d. h. von dem Gedanken
Voltaires entfernt habe.
Voltaire antwortet als grand seigneur, äußert artig
und — gleichgültig: Rousseau vereine zwei Talente, die
bisher immer getrennt gewesen, das musikalische und
das poetische. Zwei gute Gründe für Voltaire, ihn zu
achten und zu versuchen, ihn zu lieben. Es tue ihm leid,
GEORG BRANDES
daß Rousseau diese Talente an einem Werke verschwende,
das seiner nicht ganz würdig sei. Rousseau sei un-
bedingt Herr darüber.
Voltaire hatte in den Jugendjahren Rousseaus einen
starken Einfluß auf ihn ausgeübt. Seine Schriften gaben
dem jungen Mann (seiner eigenen Aussage nach) Lust,
sich mit Eleganz auszudrücken und dem schönen Kolo-
rit des Stils nachzuahmen. Die Leüres philosophiques
belehren ihn und richten seine Gedanken auf England,
woher er, wie Voltaire, so viele Ideen holen sollte, die
in Frankreich Epoche machten. Die Tragödie Alzire
bewegt ihn als Zuschauer so, daß er kaum Atem schöpfen
kann, und mehrere Tage danach erkrankt. Sie ist ihm
das Erhabene, das Pathetische (Brief an Frau Warens).
Rousseau gehörte ursprünglich zum kleinen Pha-
lanx der sogenannten Philosophen, die wie Diderot,
d'Alembert, Helvetius die freidenkerische Kultur des
Zeitalters so fördern wollten, daß sie in Voltaire ihren
Häuptling sahen. Er entfernt sich zum ersten Male
von der Gruppe, als die Akademie in Dijon 1749 ihre
Preisaufgabe aussetzt: Hat die Erneuerung der Wissen-
schaften und Künste die Sitten gereinigt oder ver-
dorben?
Diderot fragt ihn: Welche Partei wollen Sie er-
greifen? — - „Die bejahende natürlicherweise." — Das
ist die Eselsbrücke, antwortet, mit seiner Bewunderung
für die Zustände auf Tahiti und seinem Sinn für Pa
radoxe und Effekt, Diderot. Alle Mittelmäßigkeiten
werden einstimmen, der entgegengesetzte Weg bietet
dem Denken und der Beredsamkeit neue Felder.
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 47
Diese Äußerung gab Rousseau den Anstoß dazu,
der zu werden, der er ward. Durch sie wurde der revo-
lutionäre und religiöse Plebejer sich seines Wesens be-
wußt. Er teilte nicht die oberflächliche Überzeugung
der Philosophen vom stetigen Fortschritt auf allen
Gebieten. Er war ein Sonderling, wie sie gesellige
Wesen. Er liebte die äußere Natur, die Landschaft,
während sie wesentlich die Natur als Weltall liebten.
Er war ein Mensch des Instinktes, der sich in Zweifeln
unglücklich fühlte, während sie als Denker zuerst den
Zweifel anbauen müßten. Er hatte einen Hang zur
Ehrfurcht, wie Voltaire zum Spott, und in seinem Haß
des Zweifels wurde er ein revolutionärer Dogmatiker
und Doktrinär.
In seinem Buche griff er die Schriftsteller des Zeit-
alters an als Schmarotzer bei hohen Herren. (Man lebte
ja damals nicht von Honoraren, sondern von De-
dikationen.) Er nahm nur einen, übrigens ungenann-
ten, aus,- Diderot. Voltaire erhielt einen Hieb: Sage
uns, berühmter Arouet, wie viel männliche Schönheit
du unserer falschen Feinheit, und wie viele große
Taten du dem Geist der Galanterie geopfert hast, der
so fruchtbar an Kleinigkeiten ist.
Voltaire nahm keine Notiz von dieser Neckerei, die
außerdem nicht traf. Er hatte seinem Naturell keinen
Zwang auferlegt. Der für Rousseau existierende Gegen-
satz zwischen dem glänzenden Schöngeist und dem
schöpferischen Genie war ihm fremd. Er war beides.
Ein unbedeutender Zusammenstoß im Th6ätre fran-
cais zwischen Voltaire und einem Herrn Rousseau, der
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GEORG BRANDES
ihn auszischte, und eine Verwechselung dieses Herrn
mit Jean-Jacques, gab Rousseau Anlaß, Voltaire einen
ehrerbietigen und stattlichen Brief zu senden, worin es
am Schlüsse heißt: Er finde sich darin, ungekannt zu
leben, aber nicht entehrt, und er würde sich für ent-
ehrt halten, wenn er es an dem Respekt fehlen lasse,
den jeder Schriftsteller Voltaire schuldig sei, und der
von jedem gehegt werde, der selbst Respekt verdiene.
Indessen fing Rousseau an, persönlich die Haltung
\Q eines Diogenes anzunehmen, wie er sie schon literarisch
angenommen hatte. Er reformierte seinen Anzug, gab
die Goldstickerei am Rock und die weißen Strümpfe
auf, trug eine unscheinbare runde Perücke — die Perücke
völlig wegzuwerfen war undenkbar — legte seinen Degen
ab und verkaufte seine Uhr.
Jetzt, da er mit seiner Geringschätzung der Mode
paradierte, wurde er selber Mode. Er ward von Leuten
überlaufen, die ihn kennen lernen wollten.
Er komponierte Le devin du village. Der König
und der Hof sahen die Oper in Fontainebleau. Rousseau
war bei der Aufführung zugegen in täglicher Tracht,
schlecht rasiert und mit ungekämmter Perücke. Er
vermied den König und ging des ihm zugedachten Jahr-
gehaltes verlustig, da er zu schwach war um sich
auszusetzen, während des Wartens auf Audienz, nicht
einen Augenblick hinausgehen zu können.
In dieser Zeit knüpfte der arme kränkliche Mann
(der an Aderverkalkung, Harnzwang und noch mehr
Gebrechen litt), seine lebenslängliche Verbindung mit
. der früheren Kellnerin Therese Levasseur, die der
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JEAN JACQucs kuusöüal
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 4g
Schönheit und der Begabung gleich entblößt, nicht lesen
und kaum schreiben konnte, nicht die Jahreszahl noch die
Wochentage kannte. Mit diesem armen Geschöpf be-
kam er nach und nach fünf Kinder, die er alle ins Findel- '
haus brachte. Dies war jedoch ein tiefes Geheimnis,
das erst spät verraten wurde. Rousseau gab dann ver-
schiedene Gründe für diese Handlung an, zuerst, daß
es damals Sitte war, danach, daß es galt, The>eses Ehre
zu retten, endlich, daß er als Bürger und Vater handelte,
indem er seine Kinder Arbeiter und Bauern werden ließ, X
anstatt Abenteurer und Glücksjäger.
II.
Jean Jacques hatte sich, sechzehn Jahre alt, vom
Calvinismus zum Katholizismus bekehren lassen. Als
er, 42 Jahre alt, nach 26 jähriger Abwesenheit von
seiner Geburtsstadt, nach Genf zurückkehrte, wechselte
er noch einmal Religion, und erhielt dadurch seine
verlorene Bürgerrechte wieder. Er wurde glänzend
empfangen und versprach, nächsten Frühling, also
1755, nach Genf zu übersiedeln.
Das war jedoch eben der Augenblick, wo Voltaire
nach dem mißlungenen Abenteuer mit Friedrich dem
Großen in der Schweiz ankam, unter dem Vorwand,
bei dem berühmten Genfer Arzt Tronchin Rat zu holen,
in Wirklichkeit um (wie er im Vertrauen einräumt)
seine Kleider nach dem Gewitter zu trocknen. Er kaufte
durch Tronchin das Gut Les Dilices; denn als Katholik
(er war es jedoch so wenig) durfte er in der Republik
Genf nicht Grundeigentümer sein. Er errichtete
BRANDES, VOLTAIRE. 4
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GEORG BRANDES
sogleich in seinem Schloß ein Haustheater, denn er
konnte nicht ohne Schauspiele leben.
Indessen konkurrierte Jean Jacques kurz nach seiner
Rückkunft nach Paris zu einer neuen Prämie der Aka-
demie von Dijon mit der Schrift: Ober den Ursprung
der Ungleichheit und über ihre Gründe.
Er widmet sein Buch der Republik Geneve und ver-
herrlicht in einer langen Vorrede Genfs Institutionen.
Er kann sich keine bessere Verfassung vorstellen; sie
ist von der erhabensten Vernunft diktiert; die Obrig-
keit ist die beste der Welt, die Pfarrer ehrwürdige
Seelenhirten, feurige Bewahrer heiliger Dogmen usw.
Doch das Buch, das die Gleichheit aller Menschen
in einem behaupteten Naturzustand verkündet und der
Gesellschaft wie der Kultur Schuld an der Ungleichheit
gibt, konnte der aristokratischen Regierung in Genf
nicht gefallen. Das Conseil antwortete höflich, aber
kühl, während Rousseau Begeisterung erwartet hatte.
In dem Buche verfolgt Rousseau seinen paradoxalen
Gedankengang und hat u. a. den abschreckenden Satz:
Der Mensch, welcher denkt, ist ein entartetes Tier.
Was Rousseau meint, ist das folgende: Er erkennt das
Gefühl als selbständige Macht im geistigen Leben an.
Da das Gefühl sich vor der Vernunft regt, ist es natür-
licher als die Vernunft, gibt uns unseren eigentlichen
Wert. — Dies war bestreitbar, aber nicht verblüffend.
Er wollte verblüffen.
Voltaire, der die Schrift über die Verderblichkeit der
Kultur als eine Kaprize betrachtet hatte, erstaunte
bei der Fortsetzung; aber Rousseau war mit allen
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 51
Enzyklopädisten befreundet, und als guter Feldherr
war der Mann mit dem klugen Blick gegen jegliche
Zersplitterung der Truppen des Lagers. Er verstand
nicht den tieferen Sinn des Buches, beantwortete aber
die Zusendung sowohl artig wie mit Humor:
„Ich habe das Buch, das Sie gegen das Menschen-
geschlecht geschrieben haben, gelesen und danke Ihnen
dafür . . . Man kann die Schrecken der menschlichen
Gesellschaft nicht mit stärkeren Farben malen, dieser
Gesellschaft, wovon wir uns so viel Gutes versprechen.
Man hat nie so viel Witz verwendet um uns zu ver-
dummen. Man bekommt bei dem Lesen Lust, auf allen
vieren zu gehen. Da es aber über 60 Jahre her ist,
daß ich diese Gewohnheit ablegte, ist es mir unmöglich,
sie wieder anzunehmen, und ich überlasse diese natür-
liche Haltung an Leute, die dazu würdiger sind als Sie
und ich ..."
Voltaire hat mit Trauer gehört, daß es mit der Ge-
sundheit Rousseaus nicht gut gehe. Er sollte sich in
dem Klima seiner Geburtsgegend erholen. „Kommen
Sie, und trinken Sie die Milch unserer Kühe zusammen ,
mit mir! Und wollen Sie unbedingt grasen, so tun Sie
es hier!"
Rousseau dankt geschmeichelt für den Brief. Er
habe nur eine Huldigung erweisen wollen, die alle dem
Häuptling schuldig seien. Er dankt noch dazu für die
Ehre, die Voltaire durch seine Ansiedelung seinem
Vaterland getan habe, und bittet ihn, ein Volk auf-
zuklären, das seines Unterrichts würdig ist, es zu lehren,
die Tugenden und die Arbeit zu lieben.
4»
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52 GEORG BRANDES
Nun war der Augenblick da, wo Rousseau, der immer
seinen Haß gegen Paris betont hatte, nach Genf über-
siedeln sollte; aber jetzt fühlte er, daß es ihm unmög-
lich war. Er wollte in Genf der erste sein, und Voltaire
war da. Die Nähe Voltaires verschloß ihm die Tore
Genfs. Er bat Mme d'Epinay ihm die Eremitage bei
Montmorency zu überlassen. Der Vorkämpfer der Gleich-
heit nahm die Gastfreiheit einer Bankiersfrau an; der
Vorkämpfer der barschen Tugend befand sich wohl in
der überkultivierten und am freiesten liebenden Gesell-
schaft.
November 1755 traf das Erdbeben in Lissabon ein.
Zwei Drittel der Stadt und 30 000 Menschen gingen
zugrunde. Diese Begebenheit machte den tiefsten Ein-
druck auf die Zeitgenossen und bewegte die fortgeschrit-
tensten Männer, ihre Lebensansicht einer erneuerten
Prüfung zu unterwerfen. (Man vergleiche den geringen
Eindruck von dem vulkanischen Ausbruch Mont-Pel£es
oder von der Zerstörung Messinas in unseren Tagen.)
Jene Lebensansicht beruhte auf Leibniz' Optimismus:
Gott hat zwar alle möglichen Welten denken, aber nur
die bestmögliche schaffen können. Wenn diese Welt
Unvollkommenheiten hat, so ist es nur, weil eine Welt
ohne solche nicht möglich sein würde. Im allgemeinen
beruhigte man sich also bei dem Gedanken, daß diese
Welt die beste aller möglichen Welten sei.
Nun trat dieser große Zusammenbruch einer ganzen
Stadt ein. Was war dessen Sinn? Man konnte doch
schwerlich glauben, daß die 30 000 Umgekommenen
schlechter und sündiger als die übrigen Einwohner
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 5J
gewesen wären. Wo spürte man hier den Finger einer
Vorsehung?
Voltaire war wie Rousseau (wie fast alle andere
Nicht- Rechtgläubige des Zeitalters) prinzipieller Deist.
Er hat nie an das Dasein eines Gottes gezweifelt. Er
brauchte ihn physisch um die Weltkörper in Gang zu
setzen, und moralisch um Lohn und Strafe nach dem
Tode zu verteilen. Wenn er nicht existierte, müßte man
ihn erfinden. Innerhalb dieses Kreises bewegte sich
sein geistiges Leben.
III.
Aber die Zerstörung Lissabons erschütterte seinen
Optimismus. Nein, alles war nicht gut. Und er schrieb
sein Gedicht: Le disasire de Lisbonne. Alles wird ein-
mal gut werden; das ist unsere Hoffnung. Alles ist
schon gut — das ist Sinnestäuschung.
Un jour tout sera bien, voilä notre esperance,
Tout est bien aujourd'hui, voilä Tillusion.
Les sages se trompaient, et Dieu seul a raison.
Humble dans mes soupirs, soumis dans ma souffrance
Je ne m'61eve point contre la Providence.
Die Pfarrer in Genf riefen Rousseau an, er solle ant-
worten. Er hatte im voraus Galle genug; er fand die
Haltung Voltaires lächerlich: „Der arme Mann, der
überwältigt ist von Erfolgen und Ehrenbezeugungen,
deklamiert gegen die Erbärmlichkeit des Lebens." —
Er, der Unbemittelte und Unglückliche, wollte Voltaire
beweisen, daß alles gut, und daß der Gott Voltaires ein
Teufel, ein Übeltäter sei.
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GEORG BRANDES
Es war ja deutlich genug nicht Gottes, sondern der
Menschen Schuld, daß Lissabon zugrunde ging. Gott
wollte, sie sollten im Naturzustand verblieben sein, in
Erdhöhlen und zerstreuten Hütten gewohnt haben. Sie
zogen in großen Städten zusammen. Daher das ganze
Elend.
Und er schreibt Voltaire einen langen Privatbrief
zu, den er beabsichtigt, später zu veröffentlichen: Der
Himmel verhüte, daß ich den beleidige, dessen Talente
ich am meisten verehre und dessen Schriften am
stärksten mein Herz ansprechen, aber es gilt die Sache
der Vorsehung, der Vorsehung, von der ich alles
erwarte.
Rousseau hoffte auf eine Antwort, auf einen dra-
matischen Zusammenstoß mit dem ersten Mann des
Zeitalters, einem Turnier, worin er als Ritter der Vor-
sehung auftreten könnte. Aber Voltaire ging nicht in
diese Falle, gönnte außerdem nicht den Feinden der
Philosophie das Schauspiel, zwei Freidenker Sturm gegen-
einander laufen zu sehen. (Erst vier Jahre später gab
er eine Antwort. Sie wurde weltberühmt und ihr
Name ist Candide.)
Anstatt einer theologischen Kampfschrift sandte er
Rousseau ein artiges Billet: Seine Nichte sei krank, er
selbst unwohl; er müsse sie pflegen. Unter diesen Um-
ständen lasse er die Metaphysik liegen. Aber er ver-
sicherte, kein Leser Rousseaus verehre ihn mehr, und
niemand wäre — wenn er nach Genf käme — bereit,
ihn zärtlicher zu lieben.
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 55
IV.
In dem von den Lehren Calvins beherrschten Genf
waren Schauspiele und Theater unbedingt verboten.
Sogar Marionetten -Vorstellungen waren dort unmög-
lich. Als d'Alembert Voltaire besuchte, unmittelbar
bevor er den Artikel Genf in der Enzyklopädie schreiben
sollte, bat Voltaire um die Erlaubnis, einige Zeilen über
das Theater einflechten zu dürfen:
„Man verträgt in Genf nicht Schauspiele, fürchtet
die Putzlust und die Leichtfertigkeit, die sie mit sich
führen. Man könnte ja aber strenge Gesetze gegen
diese Übel geben, und die Theatervorstellungen
würden den Geschmack der Bürger ausbilden und nicht
weniger das Feingefühl, das sonst so schwierig er-
worben wird."
Die Einwendungen der damaligen Zeit gegen Schau-
spiele sind uns so fremd, daß wir über sie lächeln:
sie befördern die Putzlust. Die Verteidigung ist uns
nicht weniger fremd: sie bilden ein sonst schwierig
erreichbares Feingefühl aus. Wie die europäischen
Vorurteile zäh sind! Nach dem Tode Shakespeares
schließt der Puritanismus ihm alle Theater in Eng-
land. Port-Royals Verurteilung der Bühnenkunst be-
wegt Racine, das Theater aufzugeben. Mehr als hun-
dert Jahre nach der Zeit Shakespeares schließt der
Pietismus in Kopenhagen Holberg und der Calvinismus
in Genf Voltaire das Theater.
Die Pfarrer waren über die Bemerkung in der Enzy-
klopädie empört, wußten nicht, wie sie d'Alembert be-
wegen könnten, die Stelle zurückzurufen. Er verweigerte
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56
GEORG BRANDES
es bestimmt. Sie erhielten auch von Rousseau ursprüng-
lich eine abschlägige Antwort, als sie ihn um eine
Widerlegung baten, Erst als Rousseau erfuhr, die
Stelle sei von Voltaire inspiriert, ergriff er die Gelegen-
heit, seinen großen Nebenbuhler zu ärgern, und schrieb
seinen Brief über die Schauspiele.
Er wurde nicht von der Betrachtung zurückgehalten,
daß es sich nicht eben für einen Dramatiker, einen Text-
und Opernkomponisten ziemte, gegen die Gefahren des
Theaters zu warnen. Er wurde allein von seiner Be-
gierde geleitet, Voltaire beizukommen. Voltaire ist der
Inbegriff geworden von dem, was er haßt. Voltaire ist
vornehm, liebenswürdig, spöttisch. Er selbst unbehilfsam,
unliebenswürdig, feierlich. Voltaire ist geistreich und
boshaft witzig, er selbst ernsthaft und schwerfällig
genialisch. Voltaire ist unfromm, aber konservativ; er
selbst ein Naturfrommer und ein Empörer. Voltaire in
der Politik Realist und vorsichtig, er idealistisch und
Umstürzler. Voltaire ist besonders alles, was er benei-
det; er ist reich, zufrieden, bewundert.
Rousseau greift die dramatische Kunst an, wie Tolstoj,
sein großer moderner Nachahmer, nach ihm: Die Tra-
gödie ist verderblich, die Zuschauer werden durch er-
dichtete Qualen gerührt, gegen wirkliche verhärtet.
Die Komödie ist verderblich. Ihre Moral warnt nicht
gegen das Laster, sondern gegen die Lächerlichkeit.
Moliöres Theater ist die Schule des Lasters. Moltere
lacht über seinen Misanthropen, den ehrenhaftesten
Mann. Die Errichtung eines Theaters in Genf, einer
Kleinstadt von 20 000 Menschen, würde die Stadt
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 57
zu Grunde richten. Sie soll Feier in freier Luft, Revuen,
Schützenfeste, Wettsegeln haben. Daß die Bürger sich
ein bißchen betrinken, ist unschuldig, das Wirtshaus ein
lieber Ort im Vergleich mit dem Theater. Schauspiele
sind in einer verderbten Stadt wie Paris unschädlich,
nicht in dem unschuldigen Genf.
Gewiß war seine Oper Le devin mit ihrer Ausstellung
tanzender Mädchen der Tugend gefährlicher als der
Misartthrope Molidres. Aber alles dies war ja nur Heraus-
forderung an Voltaire, wenn auch dessen Tragödien,
Der Tod Casars und Brutus vorsichtig als unschädliche
Ausnahmen bezeichnet waren. Doch Voltaire schwieg.
Die Bürgerschaft in Genf war entzückt. Voltaire
mit seinem Haustheater wurde plötzlich ein Schrecken;
er wurde öffentlich insultiert. An seinem Herrensitz
wurden drohende und schmähende Zettel angeschlagen.
Er beschloß denn, den Ort zu verlassen, veräußerte mit
großem Verlust Les D&lices, wie er schreibt, „damit
nicht die Priester Baals ihn verbrennen sollten".
Er kaufte die Güter Ferney und Tournay jenseits der
Grenze und baute dort sogleich nicht weniger als zwei
Theater. Er gab ununterbrochen Privatvorstellungen
in Tournay, wo die Genfer Aristokratie sich im Schloß-
saal drängte, ja mitspielte.
V.
Während einer Pause in dem Verhältnis der zwei
großen Schriftsteller treten entscheidende Begebenheiten
in dem Leben Rousseaus ein. Er verliebt sich in die Vi-
comtesse d'Houdetot, lebt in dem Wahne, daß sie seine
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GEORG BRANDES
Liebe erwidert, aber plagt sie vergeblich. Ihr Geliebter,
Saint- Lambert, der am Heer ist, erhält darüber einen
anonymen, warnenden Brief (vermutlich von Therese).
In seinem Argwohn bildet Rousseau sich ein, seine
Wohltäterin, Madame d'Epinay, habe den Brief ge-
schrieben, und beleidigt sie tief. Noch schlimmer, er
bildet sich ein, sie sei in Umständen und wolle anstatt
ihres Geliebten, Grimm, ihn für den Vater gelten lassen,
gibt sie wegen dieser Schlechtigkeit bei Diderot an.
Bruch mit ihr, mit Mme d'Houdetot, mit den Ge-
liebten beider, Saint-Lambert und Grimm, ja mit Di-
derot, weil dieser in der Vorrede zu Le fils naturel ge-
schrieben hat: „Nur der schlechte Mensch ist einsam"
und Rousseau sich einbildet, damit sei auf ihn an-
gespielt.
So bricht Rousseau mit der ganzen philosophischen
Partei, und die Salons, wo man die Philosophen haßte,
öffnen sich ihm. — Er, der so viel Böses von dem Hoch-
adel gesagt, der sich so strenge gegen die literären
Schmarotzer gezeigt hatte, wurde Gast des Marschalls
von Luxembourg und seiner Frau, der Herzogin, in deren
Schloß zu Montmorency. Die Herzogin war wegen ihrer
Leichtfertigkeit verschrieen gewesen, war von ihren Ver-
ehrern verlassen; ihre Schönheit war fort, aber sie war
geistreich und wohlerzogen, für Rousseau begeistert.
Bei ihr versammelte sich die vornehmste Gesellschaft
Frankreichs und bei ihr traf er täglich den Prinzen von
Conti, einen Bourbon, der sein Beschützer wurde, und
dessen nahe Freundin, die Gräfin von Bouffiers, die
kenntnisreich und fein gebildet war. Nach seiner
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 59
Gewohnheft bildete er sich ein, daß die Gräfin in ihn
verliebt sei, hielt sich aber doch aus Respekt vor
Conti zurück.
Während Voltaire sich in vornehmer Gesellschaft mit
vollkommener Ungezwungenheit bewegte, wirkte Rous-
seau teils durch sentimentale Unterwürfigkeit, teils
durch Unhöflichkeit und Steilheit. Er schlug ein Stück
Wild vom Prinzen von Conti aus. Die Gräfin schrieb
ihm: Der Prinz billigt nicht Ihre allzu große Delikatesse,
und obwohl selbst sehr weit davon, sie zu verdenken,
fürchtet er, daß andere darin einige Affektation er-
blicken werden.
In diesen Kreisen sprach Rousseau immer gegen
Voltaire, füllte auch seine Briefe mit heftigen Ausfällen
gegen ihn. Doch Voltaire machte noch immer, als
merkte er nichts. Vom Jahre 1759 ab bot er ihm sogar
wiederholt durch den Genfer Chappuis ein Landhaus
an, das er in seiner Nähe gekauft hatte.
Noch beschäftigte Rousseau nicht Voltaire. Zwar
hatte Rousseau ihn empfindlich getroffen, indem er
laut eines Appells an die mittelalterliche Auffassung des
Theaters als Ort der Sünde eine Zeitlang die rein privaten
Aufführungen künstlicher und unschuldiger Schauspiele
in Alexandrinern gehindert hatte, aber niemals hatte
oltaire Rousseau als seinen Nebenbuhler betrachtet.
Jean Jacques dagegen hatte seit seinem Erwachen
als geistiges Individuum Voltaire vor Augen gehabt, ihm
nachgeahmt, ihn geneckt; er fühlte nun, daß er in Ge-
gensatz zu ihm ein neues Prinzip verträte, und hatte
ihn en miniature auf seiner Nase reitend.
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GEORG BRANDES
Es ist traurig, diese zwei Riesengeister außerstande
zum gemeinsamen Wirken zu sehen. Man erinnert sich
an Byrons Charakteristik der beiden in C Hilde Harold,
an die zwei Strophen, worin:
Der Ein' ein Kind, ganz Unbestand und Feuer,
Der Andre zäh und tief.
Der eine, der ebenbürtige Gegner der katholischen
Kirche, der Inquisition und der politischen Allein-
herrschaft, schenkte seinen Zeitgenossen eine ganz neue
Weise, aufzufassen, die kritische, und gab zum ersten
Male dem Spott einen Wert als Waffe, der allein mit
dem verglichen werden kann, den das Pulver Jahr-
hunderte vorher erhielt. Der andere, fanatischer Buß-
prediger des Zeitalters und Prophet der Demokratie,
teilte den Zeitgenossen eine ganz neue Gefühlsweise mit,
besonders eine neue Weise, die Natur zu fühlen, zu
lieben und zu beschreiben, und damit vereinigt eine
Denkart, welche die Urteilskraft der Empfindsamkeit
unterwarf, und das Gefühl revolutionär machte, es in
eine Sprengkraft gegen die alte Gesellschaft verwandelte.
Der eine, zuerst ein geistiger Erwecker und Einweiher
(u. a. in die Engländer Newton, Lecke, Shakespeare),
ein Schriftsteller mit ausgesuchter Sprache und engem
Geschmack, dann ein Hüter und Bewahrer der geistigen
Schätze der Nation — der andere der Apostel des
Individuums, von dem zuerst die Revolution, dann die
Romantik ausging — beide Jahrhunderte hindurch die
Geister befruchtend, wie seit dem Altertum kaum große
Männer vor ihnen. Voltaire wurde die geistige Nahrung
von Generationen. Von ihm stammen u. a. ab: Paul
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 6l
Louis Courier, Lessing, Byron, Heine, Edmond About,
Anatole France und die moderne Journalistik. Rousseau,
der noch heute Schüler hat wie Leo Tolstoj und August
Strindberg, erzeugte Chateaubriand, Frau v. Stael,
George Sand, und befruchtete die zwei großen Geister
Deutschlands, Goethe und Schiller. — Werther folgt der
Neuen Hiloise, Die Räuber verherrlichen den Natur-
zustand ; das Gedicht Schillers sagt : Rousseau, der aus
Christen Menschen wirbt.
Mehrmals hatte Rousseau sich an Voltaire gewandt
mit der Bitte, den Brief über Lissabons Zerstörung ver-
öffentlichen zu dürfen. Voltaire, der sich nicht auf
einen Streit über Vorsehung oder Nicht -Vorsehung ein-
lassen mochte, verweigerte immer die Erlaubnis. Da
aber Rousseau die kleine Schrift vielen gezeigt hatte,
erschien sie 1760 in Berlin.
Nachdem er in einem Briefe an Voltaire die Ver-
öffentlichung kurz und knapp entschuldigt hatte, fügte
er die verrückten Worte hinzu: ,,Ich mag Sie nicht. Sie
haben mir, Ihrem Schüler und Enthusiasten, das Übel
zugefügt, das mir am peinlichsten war. Sie haben Genf
verdorben zum Lohn für die Zuflucht, die es Ihnen gab.
Sie haben meine Landsleute von mir entfernt zum Dank
für die Lobsprüche, die ich auf Sie verschwendet habe.
Sie sind es, die mir den Aufenthalt in der Heimat un-
erträglich machen und die mich zwingen, in einem
fremden Land zu sterben, während aller Ruhm, den
ein Mensch erreichen kann, Ihnen in meinem Vater-
lande zuteil wird. Ich hasse Sie, da Sie es gewollt
haben."
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62
GEORG BRANDES
Voltaire antwortete keine Silbe, schrieb aber an
d'Alembert: „Ich möchte, daß Rousseau nicht ganz
irrsinnig wäre, aber er ist es. Er hat mir einen Brief
geschrieben, für den er Duschebäder und stärkende
Fleischbrühe haben sollte."
VI.
Zu dieser Zeit erstand in Genf ein unbedeutender
Skandal. Eine Frau, die für ebenso tugendhaft galt als
geistreich und schön, und die von Rousseau als das
eine der beiden weiblichen Genies der Erde bezeichnet
worden — Sapho war das andere — - wurde von ihrem
Ehemann mit einem Liebhaber überrumpelt. Die kleine
heilige Stadt war außer sich. So was war unerhört. Wer
und was hatte die Schuld? Wer sonst, was sonst, als Vol-
taire und sein Theater! Der Rat verbot aufs strengste
jede Teilnahme an den Vorstellungen in Tournay. Nie-
mand wagte sich dahin zu begeben.
Voltaire schreibt an d* Argens: ,,Wir haben einen
Hahnrei in Genf gehabt. Die kleine Gemeinde Calvins,
deren Tugend in Wucher besteht, bildet sich ein, daß es
solche nur dort gibt, wo Schauspiele aufgeführt werden."
Aber dieses Mal wurde er böse und besonders böse
auf Rousseau, der immer die Pfaffen in Genf gegen
das Theater hetzte.
Er schränkt sich doch vorläufig auf einen lustigen
Scherz mit dem Kontrapart ein. Als ein beliebter Gast-
wirt, den man für die Bühne in Paris gewonnen hatte,
seine Verpflichtungen brach, schrieb er Die Verteidigungs-
rede Ramponneaus vor seinen Richtern. Damit eine
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 63
Anspielung darin verstanden wird, muß vorausgeschickt
werden, daß in dem satirischen Stück Palissots Die
Philosophen, das in Paris Erfolg hatte, war Rousseau
von dem Verfasser, der noch nicht seinen Abfall von
der Gruppe kannte, als Philosoph dargestellt worden,
jedoch (dem allbekannten Briefe Voltaires gemäß) auf
allen vieren gehend. Ferner muß man wissen, daß
Rousseau (in seinem Brief gegen die Schauspiele) von
seinen Genfern, die um keinen Preis das Theater be-
suchen durften, geschrieben hatte: Laßt nur diejenigen
die Nacht mit Trinken verbringen, die sie sonst zu
schlimmeren Dingen verwenden würden.
Ramponneau sagt also: Man meint, daß wenn
Rousseau, ein Genferbürger, auf allen vieren gehend,
sich auf der Bühne hat beschauen lassen, so solle
Ramponneau, Bürger von Courtille, nicht darüber er-
röten, sich auf einer anderen Bühne zu zeigen. Aber
Jean Jacques ist Ketzer, ich bin Katholik; Jean Jacques
ist ein Komedienmacher, ich ein ehrenhafter Gastwirt.
Jean Jacques selber zieht laut Gastwirte Komödanten
vor. Er kann den schönen Tag nicht vergessen, da er
alle Bürger Genfs betrunken sah.
VII.
1761 erschien La Nouvelle Hilolse, ein epoche-
machender wenn auch geschmackloser Roman. Hier war
die Liebe nicht, wie sonst in den Romanen, leichtfertig
— das gefiel, besonders den Damen — und hier wurde x
unablässig von der Tugend geredet, nachdem man so
lange über das Laster gescherzt hatte — das begeisterte,
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GEORG BRANDES
besonders die Damen. Rousseau behauptet, daß es
wenige gab, sogar unter den höchststehenden Damen,
deren Eroberung er nicht habe tun können, wenn er sie
versucht hätte. Er glaubte sich immer unwiderstehlich,
obwohl er in Wirklichkeit nie andere Frauen gewann als
V ^ seine sogenannte Mama, Mme de Warens, und Therese,
Frauen, die keine Widerstandskraft besaßen.
Das Buch war zugleich gegen die Philosophen und
gegen die Rechtgläubigen gerichtet. Gegen Voltaires
Richtung, die irreligiös war ohne atheistisch zu sein,
stellte er die seine, die religiös war ohne christlich
zu sein.
Voltaire wurde zorniger und offenbarte seine Be-
schränktheit. Für ihn war Rousseau jetzt nur ein
Elender, der seine Freunde verlassen hatte. Schade,
daß er einige Halbtalente besaß!
Voltaire schrieb eine Reihe satirischer Briefe über die
Neue H61oise, für deren Urheber der Marquis von Xi-
mends auf sein Ersuchen sich ausgab. Dieser hatte ein-
mal gegen seinen Willen eines seiner Bücher heraus-
gegeben und mußte deshalb tun, was von ihm ge-
fordert wurde. Die Schrift macht schlagend auf einige
sprachliche und andere Mängel des Romans aufmerksam,
hinterläßt aber einen peinlichen Eindruck. Diese Kritik
ist unfruchtbar und leer. Kein Schimmer von Aufmerk-
samkeit für das wertvolle Neue bei Rousseau, den Sinn
für die landschaftliche Natur und für einfache, un-
gekünstelte Lebensweise, der hier durchbricht.
Voltaire hätte hervorheben sollen, daß nicht in
tausend Jahren war der Sinn für die Physiognomie
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 6$
unserer Erde, für Luft und Duft der Landschaft,
für Farben und Linien lebend wie bei Rousseau.
Er hätte sich seines eigenen Heldengedichts, der
Henriade, erinnern sollen, wo es „nicht Futter für die
Pferde gibt".
Voltaire scherzt ferner mit dem Plan Rousseaus
zum ewigen Weltfrieden. Der Kaiser von China legt
es in einem Reskript allen Souveränen ans Herz, Frie-
den zu halten; für die erste Übertretung werden sie
sonst damit bestraft, eine Broschüre von Jean-Jacques
über sich zu erhalten.
1761 erschienen Rousseaus zwei Hauptwerke, Emile
und Le Contrat social, das eine ein von Locke stark
beeinflußtes Buch über Erziehung, das andere die Lehre
von dem allgemeinen Volkswillen und die Gleichheit
aller Menschen.
Es gab damals keine Preßfreiheit, die Verhält-
nisse waren etwas schlimmer als heutzutage in Ruß-
land. Alle Schriftsteller waren deshalb anonym. Sogar
Montesquieu gab sich nicht zu erkennen als Urheber
einer so wissenschaftlichen Arbeit wie UEsprit des
Lais.
Anstatt sich nach der Sitte zu richten, versah Rous-
seau aus Trotz das Titelblatt von Emile mit seinem
Namen, was der Staatsprokureur später gegen ihn als
unerhörte Frechheit geltend machte.
Sein Werk enthielt christliche Moral ohne christliche
Dogmen. Er warf den Müttern vor, daß sie nicht selbst
ihre Kinder nährten. Die Pflegemütter hingen die Kin- \
der an einem Nagel auf, wenn sie schrien, Niemand,
BRANDES, VOLTAIRE 5
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GEORG BRANDES
der nicht die Pflichten eines Vaters erfüllte, hätte das
Recht, Vater zu werden — dies unmittelbar, nachdem
er selbst sein fünftes Kind ins Findelhaus gebracht
hatte.
Das Parlament in Paris, das die Jesuiten verfolgte,
wollte seine Gerechtigkeit durch Verfolgungen in ent-
gegengesetzter Richtung zeigen, und erklärte: Diese
Schrift wagt einen Versuch, die Wahrheiten und Prophe-
zeiungen der heiligen Schrift zu zerrütten, die Gewißheit
der dort erzählten Wunder zu untergraben. Das Buch
soll also von dem Henker zerrissen und verbrannt, der
Verfasser verhaftet werden.
Gleichzeitig zerriß und verbrannte man beide Bücher
in Genf, und der Autor wurde für der Freiheit verlustig
erklärt, wenn er sich zeigte.
Die Bürger fanden sich zur Enttäuschung für
Rousseau in dem Urteil des Conseils.
D'Alembert riet nun Rousseau, nach Neufchatel, der
Provinz des Königs von Preußen zu entfliehen, wo Mylord
Marechal, der seines Landes verwiesene Schotte, Lord
Keith, Gouverneur war.
Rousseau hatte Friedrich verabscheut, hatte unter
seinem Porträt an der Wand in Montmorency geschrie-
ben: Er denkt als Philosoph, führt sich aber wie ein
König auf (womit er nichts Schmeichelhaftes meinte).
— Friedrich begnügte sich nicht damit, ihm Zuflucht
zu geben, sandte noch dazu seinem Gouverneur eine
bedeutende Summe Geld für ihn, bot eine Villa,
Korn, Wein, Brennholz an. Mit seinem Armenstolz
lehnte Rousseau alles ab: Es sei ihm unmöglich, in
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 6y
einem Hause zu schlafen, das von königlicher Hand
gebaut war. — So schlug er auch immer die Geschenke
aus, die The>dse hinter seinem Rücken empfing.
VIII.
Voltaire saß beim Frühstück, als die Post aus Paris
die Nachricht von den Verfolgungen gegen Rousseau
brachte. Er brach in Tränen aus, und sagte mit seiner
dumpfen Stimme: Laßt ihn doch kommen, nur kommen!
Ich werde ihn mit offenen Armen empfangen. Er soll
mehr als ich hier Herr sein. Ich will ihn wie meinen
eigenen Sohn behandeln.
Er fertigte sogleich eine Einladung an Rousseau in
sieben Exemplaren aus, da er die genaue Adresse nicht
kannte, damit wenigstens eines ihm in Händen käme. —
Rousseau antwortete nie und ärgerte sich später, wenn
er daran erinnert wurde.
Nemesis war über ihm. Er hatte selbst seiner Zeit
um den Prädikanten in Genf zu gefallen, gegen d'Alem-
bert über die Schauspiele geschrieben; jetzt ließen die-
selben Prädikanten sein Buch verbrennen und drohten
ihm mit Verhaftung.
Aber in seinem Wahn bildete er sich ein und teilte
es allen mit, daß Voltaire die Schuld hatte, wenn die
Genfer so gegen ihn auftraten.
Als der Erzbischof von Paris einen fulminanten Brief
gegen Rousseau schrieb, antwortete dieser mit der Be-
hauptung, die damals lächerlich schien, daß man ihm
Statuen errichten sollte, anstatt seine Bücher zu ver-
brennen. (Jetzt wird eine Statue nach der anderen ihm
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GEORG BRANDES
zu Ehren errichtet.) Er behauptete, er sei Christ, ob-
wohl er die christliche Glaubenslehre dem Spotte preisgab.
Voltaire schreibt sarkastisch: Vielleicht geht er darin
etwas zu weit. Das Christentum hat ja doch in ungefähr
1400 Jahren nicht mehr als 50 Millionen Menschen
beider Geschlechter wegen theologischen Streitigkeiten
umbringen lassen.
Voltaire nannte nun Rousseau einen Diogenes,
der sich bisweilen wie Piaton ausdrücke. Es gäbe in
Emile 50 Seiten, die er in Maroquin möchte binden
lassen.
In jedem Besucher Rousseaus in Motiers glaubte
dieser einen Spion Voltaires zu sehen; in anonymen
Briefen glaubte er dessen Stil zu erkennen. 1763 er-
strebte Voltaire trotzalledem aufs neue eine Versöhnung
durch Rousseaus nahen Freund, Moulton, der ihm an-
läßlich Voltaires Kampf für die Wiederaufnahme des
Prozesses gegen Calas aufsuchte, der ehrenhaftesten Hand-
lung im Leben Voltaires. Rousseau schlug die Versöh-
nung aus, nannte Voltaire einen Komödianten.
Er hatte auch abgelehnt, sich der unglücklichen,
mißhandelten französischen Protestanten anzunehmen.
Er gab als Ursache die Unduldsamkeit an, die Genfs Pro-
testanten ihm selbst erzeigt hatten. Aber er konnte und
wollte nicht wie Voltaire Fürsprecher der Toleranz sein.
Er war Verfechter einer Staatsreligion, die Toleranz aus-
schließen mußte.
Zu dieser Zeit legte Rousseau armenische Tracht an.
(Er hatte einen armenischen Schneider in Montmorency
getroffen.) Sie eignete sich für seine Koketterie mit
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 6g
Ungewöhnlichkeit und war wegen seines Blasenleidens
bequem. Sie war sehr prächtig, um nicht mit einem
Schlafrock verwechselt zu werden.
IX.
Als der Generalprokureur in Genf ein Buch, Letires
de la campagne, schrieb, um die Haltung des Rats gegen
Rousseau zu verteidigen, antwortete Rousseau mit
Letires de la montagne, einer gewaltsamen Satire gegen
Regierung und Religion in Genf. Die Protestanten seien
von Verfolgten Verfolger geworden. Da die Refor-
mierten sich vormals auf die freie Forschung berufen
hatten, müßten sie sich jetzt in jede Auslegung der
Schrift finden. — Die Briefe enthielten eine ganz witzige
Stelle über Voltaire. Darin lag aber eine Angeberei.
Rousseau denunzierte Voltaire als Verfasser der kühnen
Schrift Sermon des cinquante, die den Bibelglauben
lächerlich macht, einer Schrift, die Voltaire hartnäckig
abgeleugnet hatte.
Diese Angeberei, die Voltaire den ernstesten Ge-
fahren aussetzte, ließ seine Erbitterung überströmen:
„Es ist infam, schreibt er (in einem Briefe vom 4. Januar
1765) Denunziant zu sein"; „und einen Standesgenossen
so ungerecht zu verleumden 41 — fügt er vorsichtig
hinzu.
Voltaire war bisher sorgenlos Zeuge der Autodafes
seiner Schriften gewesen. Er war immer anonym. Er war
außerhalb der Genfer Jurisdiktion wohnhaft, hatte nichts
zu befürchten gehabt. Nun wurde man in Genf aufge-
bracht. Es hieß, daß er die Republik mit skandalösen
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GEORG BRANDES
Schriften überschwemme. Seine Verfasserschaft zum
Brief von einem Quäker war eben denunziert worden,
da Rousseaus gefährlichere Denunziation erfolgte.
Auch in Le Dictionnaire Portatif wurde nun Voltaire
wiedererkannt. Der Skandal in Genf war groß; die
Stadt stand in Flammen der Entrüstung. In seiner
schwierigen Lage schrieb Voltaire an den Polizeipräsi-
denten und gab selbst Le Portatif als eine der verderb-
lichsten Schriften an. — Aber seine Situation in Paris
war noch schlimmer als die in Genf. Der Herzog von
Choiseul, der Premierminister, hatte größere Strenge für
nötig erklärt. Der König selbst hatte gesagt: Kann
man diesen Menschen denn nicht zum Schweigen bringen !
Alle Briefe aus Paris teilten mit, daß jetzt nur davon die
Rede sei, ihn aus Ferney zu entführen und ihn in die
Bastille für den Rest seiner Tage einzuschließen.
Voltaire war in tödlicher Angst. Aber mitten in
seiner Angst war er witzig, schrieb z. B. an Helvetius:
Man sollte nie unter eigenem Namen etwas herausgeben.
Ich habe nicht einmal die Pucelle geschrieben. Ich will
beweisen, daß es der Staatsanwalt selber ist, der sie
schrieb. Sobald es augenblickliche Gefahr gibt, bitte ich
mich zu unterrichten, damit ich mit meiner gewöhnlichen
Treuherzigkeit und Unschuld in allen Zeitungen das
Werk ableugnen kann.
Offiziell schrieb er nach Paris: Der König ist allzu ge-
recht und gut, um mich auf der Grundlage leichtfertiger
Verleumdungen zu verurteilen, und um einen schwäch-
lichen, gebrochenen Greis von 71 Jahren nach einer so
unbestimmten und falschen Anklage zu überwältigen.
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU JI
In diese Bedrängnis brachte also die Angeberei
Rousseaus Voltaire. Als ob die beiden großen Männer
nicht im voraus sich in hinlänglich schwieriger Lage be-
fanden, mußten sie noch durch gehässige gegenseitige
Verfolgung sich aufreiben. Wir sahen bei Rousseau
zuerst die Verehrung, dann den Neid, den doppelten auf
den Reichtum und den Ruhm. Dieser Neid vermummt
sich als Tugend in dem Angriff auf die Genferbühne,
als Religion in dem Angriff auf die Lissaboner Ode. Der
Neid wird Haß, glühender Haß. Doch dieser Haß ist
selbst eine Vermummung des unklaren Bewußtseins,
Träger einer neuen Idee zu sein, eines Prinzips, das dem
rationalistischen Voltaires entgegengesetzt ist.
Bei Voltaire die Überlegenheit, dann der Ärger,
schikaniert zu werden, die Entrüstung über einen Ab-
trünnigen, vermehrt durch den Mangel an Sinn für die
Neuerungen eines Sonderlings. Dann das Mitleid, An-
erbieten einer Hilfe, die zurückgewiesen wird. Dann
die gehässigen, gegenseitigen Denunziationen an die
Machthaber.
Mit einem Tigersprung wirft sich nun der so lange
herausgeforderte Voltaire über Rousseau. Er gibt ano-
nym Le sentiment des Citoyens heraus, ein Büchlein,
das, im Namen der Genfer Bürger geschrieben, Jean
Jacques des Unglaubens, der Gottlosigkeit und der Blas-
phemie überführt: „Ist es einem Manne, der hier geboren
ist, gestattet, unsere Pfarrer zu verhöhnen? Ist dies
ein Gelehrter, der Gelehrte angreift? Wir gestehen es
mit Trauer, es ist ein Mann, der noch die Merkmale
seiner Ausschweifungen trägt und der, als Marktschreier
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J2
GEORG BRANDES
verkleidet, von Stadt zur Stadt das unselige Weib mit
sich schleppt — deren Kinder er an der Türe eines
Spitals ausgesetzt hat."
Dies war ein ganz unwürdiges Kampfmittel, aber
es versetzte einen fürchterlichen Schlag. Kaum vier
oder fünf Menschen in Europa waren damals in Rous-
seaus Geheimnis eingeweiht. Niemand wußte anderes,
als daß The>dse die treue Hausvorsteherin sei; niemand
ahnte, daß Rousseau mit ihr Kinder gehabt hatte, weit
weniger war das Schicksal dieser Kinder bekannt. Was
man auch gegen Rousseau einzuwenden hatte, seine hohe
puritanische Tugend, die er bei jeder Gelegenheit in dem
Mund führte, war von niemand angezweifelt.
Rousseau konnte nicht glauben, daß die Schrift von
Voltaire herrührte, suchte den Urheber in der Geist-
lichkeit, fiel über Unschuldige her und machte sich sie
zu Feinden.
Rousseaus Lettres de la montagne wurden in Paris
verboten, in Bern und Haag verbrannt. Er konnte
nicht mehr eine Zuflucht finden. Er wollte seine Ge-
sammelten Werke in Neufchatel herausgeben; der Rat
setzte sich dagegen. Die Pfarrer examinierten ihn.
Selbst Mylord Marechal verzweifelte daran, den theo-
logischen Haß überwinden zu können.
Da Rousseau nicht das Klima Berlins vertragen
konnte, schrieb Lord Keith um eine Freistätte für den
Verfolgten zu erlangen nach Venedig an den Staats-
inquisitor, der Nein sagte. Dieselbe Antwort kam aus
Turin und aus Wien, wo der Beschützer Rousseaus, der
Prinz von Württemberg, doch Verbindungen hatte.
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 73
Indessen wurde die Bevölkerung in Motiers aufgewiegelt,
man warf Steine durch die Fenster in Rousseaus Haus,
Thlrese ließ außerdem die Kinder der Stadt große Steine
in die Galerie des Hauses hineintragen, um Rousseau zu
erschrecken. Sie langweilte sich in der Stadt. Er ent-
floh dann, während Friedrich Briefe von äußerster
Strenge an die von ihm sogenannten „Dalai-Lamas" in
Neufchatel sandte.
X.
UmdieseZeit brach ein neuerund possierlicher Skandal
in Genf aus, der zur Folge hatte, Voltaire ganz mit dem
Konsistorium zu verfeinden. Ein Herr Robert Covelle
wurde von einem Fräulein Cath6rine Ferboz angeklagt,
ein Verhältnis mit ihr unterhalten zu haben und Vater
ihres Kindes zu sein. Er räumte ersteres ein, bezweifelte
aber das letztere. Er wurde der Sitte gemäß verurteilt,
Gott auf seinen Knien um Verzeihung zu bitten. Er
verweigerte es zu tun, wurde eingesperrt, verweigerte
es aufs neue, bat Voltaire um Hilfe, der die eine lustige
Flugschrift nach der andern darüber schrieb.
Da Herr Covelle in Ferney immer gut empfangen
wurde, fing er an, sich selbst für einen großen Mann zu
halten. Voltaire, der sich höchlich über ihn amüsierte,
nannte ihn unter Freunden nur mit dem biblischen Aus-
druck für sein Versehen: Monsieur le fornicateur. Die
Lakaien, die ihn immer so nennen hörten und den bibli-
schen Ausdruck nicht verstanden, glaubten, er bedeute
irgend einen Dienst unter der Republik und meldeten
ihn von nun an zur Freude der Anwesenden immer mit
tiefer Verbeugung an: Monsieur le fornicateur.
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GEORG BRANDES
Die Bürger standen auf der Seite Covelles gegen den
Rat. Während des stehenden Streites suchten diese
Bürger den Schutz Voltaires, denn er war mit dem
französischen Residenten befreundet, der als Vermittler
hergerufen war. Voltaire war befriedigt: In Versailles
sollte man jetzt erfahren, welchen Einfluß er in Genf
ausübte. Er wollte die Gegner versöhnen, die Rousseau
gegeneinander gereizt hatte.
Der französische Resident wünschte die Theater in
Genf wieder geöffnet zu sehen. Der Rat wagte nicht,
sich dagegen zu setzen. Man spielt dann Tariuffe unter
Jubel.
Von dieser seiner Höhe bot Voltaire zum letzten
Male Rousseau Frieden und Versöhnung an. Aufs
neue vergeblich, obwohl er ihm versprach, ihn in seine
Genfer Rechte wieder einzusetzen.
XL
Man wirkte einen Paß für Rousseau aus zur Durch-
reise nach Frankreich. In Paris begegnete ihm eine un-
beschreibliche Begeisterung. Er hielt einen förmlichen
Hof und ging im Luxemburg-Garten in seinem arme-
nischen Kostüm spazieren.
Man meinte jedoch, er würde in England sicherer
sein. Und der große Philosoph, David Hume, damals
Gesandtschaftssekretär in Paris und allgemein bewundert,
brachte ihn nach England und führte ihn überall in
London ein. Er wurde mit Ehren im Parlament emp-
fangen, saß im Schauspielhaus in Garricks Loge; der
König und die Königin gingen ins Theater, um ihn zu
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VOLTAIRE UND ROUSSEAU 75
sehen. Hume bat mit der Billigung Rousseaus um ein
Jahresgehalt für ihn und erreichte es vom König.
Dann legte sich die Neugierde. Rousseau wurde von
The>£se eingeholt. Er forderte, daß die vornehme Welt
sie mit ihm einlud. Man wollte aber nicht um seinet-
willen „die sozialen Gebräuche suspendieren".
Hume fand dann einen vortrefflichen Zufluchts-
ort für ihn auf dem Lande in Wootton, wo ein
Mr. Davenport Haus und Dienerschaft zu seiner Ver-
fügung stellte.
Aber die Verehrung, deren Gegenstand Rousseau
war, in Verein mit seinen ewigen Klagen über Ver-
folgung hatte Horace Walpole geärgert, und in seiner
Ausgelassenheit schrieb dieser witzige Mann einen Brief
von Friedrich dem Großen an Rousseau, worin diese
scherzhaften Zeilen:
Mein lieber Jean Jacques! Kommen Sie zu mir!
Ich bewundere Ihre Talente . . . Zeigen Sie jetzt Ihren
Feinden, daß Sie bisweilen gesunden Menschenver-
stand haben können. Das wird die Feinde ärgern und
Ihnen dennoch nicht sonderlich bei den Freunden
schaden. Ich hege Wohlwollen für Sie und werde es
Ihnen beweisen, wenn Sie es wünschen. Wenn Sie
aber meine Hilfe ablehnen, so vertrauen Sie nicht
darauf, daß ich es an andere erzähle. Wenn Sie fort-
fahren, sich den Kopf zu zerbrechen, um neues Un-
glück, worüber Sie sich beklagen können, zu finden, so
wählen Sie es, wie Sie wollen. Ich bin König und
kann Ihnen Unglück nach Belieben verschaffen usw.
Ihr guter Freund Friedrich.
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76
GEORG BRANDES
Dieser Brief verbreitete sich in Paris wie ein Lauf«
feuer, kam jedoch nicht Rousseau vor Augen. Nun
brachte St James Cronicle den Brief, und die Zeitungen
sprachen von Rousseau mit Ironie. Er bildete sich ein,
der Brief sei von Voltaire geschrieben, von Hume ver-
breitet, und wütete gegen beide. Er bildete sich außer-
dem ein, daß Hume seine Briefe öffnete, nannte ihn
deshalb öffentlich Verräter und Verfolger.
Hume antwortete entrüstet und konstatierte Rous-
seaus Undankbarkeit. Er verstand nicht den Ver-
folgungswahn Rousseaus, und Voltaire ebensowenig, so
oft er auch Rousseau toll nannte.
Doch jetzt ging Voltaire angrrffsweise zu Werke,
und gab einen anonymen Brief an den Dr. Pansophe
heraus, der Rousseau durchhöhnt und ihm besonders in
England schaden mußte, indem er alle leichtsinnigen und
törichten Worte hervorzog, die Rousseau vorher gegen
die Engländer geschrieben hatte. Noch ärger waren die
späteren Noten zu diesem Brief, worin Voltaire Rousseaus
wenig ehrenhaftes Jugendbetragen in Venedig enthüllte«
Doch da Voltaire sich an Friedrich wandte, um auch
ihn zu einem verdammenden Urteil zu bewegen, ant-
wortete Friedrich hochsinnig und barsch: „Ich meine
von ihm, daß er unglücklich und zu bedauern ist. Ich
mag weder seine Paradoxen, noch seinen zynischen Ton.
Aber man muß die Unglücklichen respektieren. Nur
verderbte Seelen überwältigen sie.**
Verwirrt und verzweifelt entfloh Rousseau aus
Wootton nach Frankreich und lebte dort einige Jahre
in Ruhe.
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■
VOLTAIRE UND ROUSSEAU 77
XII.
1770 bekam Mme Necker den Einfall, man solle
eine Statue von Voltaire zu seinen Lebzeiten errichten.
Rousseau sandte zwei Louisd'or mit einem Brief an
d'Alembert: „Ich erfahre, daß man allen denen, die
sich durch irgend eine Publikation bekannt gemacht
haben, erlaubt, zu diesem Unternehmen beizutragen.
Auch ich mache dann Anspruch auf diese Ehre." Da
Voltaire es erfuhr, erstrebte er mit aller Macht die Rück-
sendung des Beitrages. Aber darauf wollte man sich
aus guten Gründen nicht einlassen.
Acht Jahre später starben beide Gegner, Voltaire
zuerst, Rousseau einige Monate nach ihm. Friedlich
verbunden wurden sie nie.
Sie waren Gegensätze, wie sie zu paaren die Welt-
geschichte sich bisweilen amüsiert.
Oft stehen solche Paare ziemlich schroff gegen-
einander, lassen sich jedoch versöhnen, wie in älterer
Zeit Shakespeare und Ben Jonson, in neuerer Hugo
und Musset, Björnson und Ibsen. Bisweilen sind
sie unversöhnlich wie Erasmus und Luther, Corneille
und Racine, Byron und Southey, Oehlenschläger und
Baggesen, Heine und Börne, Wergeland und Wel-
haven.
Recht selten fühlen zwei große Zeitgenossen inner-
lich brüderlich füreinander wie Petrarca und Boccaccio.
Ebenso selten wird die ursprüngliche Antipathie von
einer fruchtbaren Freundschaft abgelöst. Goethe und
Schiller geben das große Beispiel ab.
In diesem Fall war der Gegensatz unversöhnlich.
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GEORG BRANDES
Bei Voltaire war der gesunde Menschenverstand in so
hervorragendem Grade zugegen, daß er Genie wurde,
wie hundert Jahre später auf praktischem Gebiete bei
Bismarck.
Bei Rousseau war es umgekehrt das ganz Irratio-
nelle, das geheimnisvolle Gefühl, die Tollheit selbst in
ihrer Verwandtschaft mit der Genialität, die als heilige
Raserei zum Genie wurde, zur Schöpferkraft, zur Freude
am Leben und an der Allnatur.
Den Griechen war der Dichter Poet, Macher, For-
mender, Bildender. Den Römern war er Vates, Seher,
Weissager, Wahrsager.
Voltaire war als Denker und Dichter Poietes, Rous-
seau als revolutionärer und empfindsamer Religionsstifter
Vates.
Voltaire formgebend bis zum Aberglauben an Formen,
Rousseau formsprengend, pathetischer Fürsprecher des
fundamentalen, Formen sprengenden Gefühls.
Das positive Wesen beider ist in Tausende von Gei-
stern übergegangen, während die Werke ins Halbdunkel
zurückgetreten sind.
Beide siegten am deutlichsten in dem Negativen.
Voltaire sprengte die religiöse Intoleranz und den Dög-
I menglauben der alten Regierungsform, Rousseau ihre
Gesellschaft.
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