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Full text of "Der Cicerone eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens von Jacob Burckhardt Architektur"

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Jacob Burckhardt 



DBB CICERONE. 



EINE ANLEITUNG 

GENRSS DER KUNSTWERKE ITALIENS 

JACOB BURCKHARDT. 

ZWEITE AUFLAGE 
l 

ARCHITEKTUR. 




LEIPZIG, 

VERLAG VON E. A. SEEMANN. 
1889. 

I ) 



flBF"" Der II. Sand wird im Juni, der III. im September erscheinen. 



Vorrede, Haupttitel und Regitler werden mit dem 3. Bande 
ausgegeben. 



Einbanddecken 

in rotbcm Galileo sind zu jedem Bande ä 5 Sgr. durch alle Buch- 
Landlungen zu beziehen. 



Dir Guttut Itr itenaiflnii« i 
Riocite biitdfgefebtue 'Jlirtla 
^olbfraiiibanb 2 s / t SE&tr. 

Bett Coiipontins Dt« ©rsgitt. SSon Sacob fflutttbatbt gt. Eey^B. 
1853 (SSdfcI). broi$. IV» 3^(t.; in ^olbfranäbnnb 2 £b>. 



Verlag von E. A. SEEMAMN in Leipzig. 



I 



DER CICERONE. 



EINE ANLEITUNG 

\ ZUM 

GENUSS DER KUNSTWERKE ITALIENS 



JACOB BUROKHARDT. 



:r MITWIRKUNG VON MEHREREN FACHGENOSSEN BEARBEITET 



D"" A. von Zahn. 




LEIPZIG. 

VERLAG VON E. A. SEEMANN. 

im.: :. . ... 



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Du Beeht der üeberBeUnDB in fremde Sprachen "bleibt lorbenslten. 



Drnok von C. Grumbach in Leipzig. 



DigitizGd b/Coogli 



ARCHITEKTUR. 



Die Baukunst beginnt in Italien viol früher als bei den Tempeln 
von Piiatum, mit welchen wir hier den Anfang raachen. 

Schon die UrvBllcer, dann dag durch Einwanderung entstandene 
Misehvolk der Ktrupker haben Knuten liintcrlnsseu, welche nicht bloss 
durch Massenhaftigkeit, sondern auch schon durch Anfänge eines 
höhern Formgei'iihl-. ausgr/^ leimet sind. AHein in ihrem jetzigen 
Zustande gehören sie doch mehr der Archäologie an; sie liegen meist 
seitab von den üblichen .Strassen und sind auch dem Verfasser dieses 
Buches grösstonthcils unzugänglich geblieben. [Die wichtigsten soge- 
nannten cykloin'sehen Üefestigmigsbauten, /.um Theil von beachtens- 
werther landschaftlicher Wirkung sind die wohlerhitltcnon Stadt- 
mauern in Cosa auf dem Berge Ansedonia, hei Orbetello; Stadt- « 
mauern in Orbetello, in Arniuo (Terra di lnvoro) Fcrontino, i. 
die Burg von Alatri (I). Frosiuoue) und Segni. — Die Porta dell' c 
arco in Vol terra. — luden Gräberfa enden von Ciistellaccio und rt 
Xorchia zumTlieil Belege für den etruskischrn Tempelbnu, wovon 
anscliauliebe Reste nirgends erhnltcu. Die architektonisch wichtig- 
sten etrurischen Gräber aus alter Zeit in Cervetri (ant. Caere) — b 
N'uragbi oder Sepolture dei Gi^unti in Sardinien'], licberdiess ist 
zwischen ihnen uuil den Bauten der rollendeten antiken Kunst eine 
grosse Lücke. Der Zweck unseres Buches verhingt, dass wir sie 
übergehen, um uns auf solche Denk mit] er v.u beschränken, in welchen 
die hiihorc Kunst form das Wesentliche, der Ihuiptausdruck der 
monumentalen Absicht ist. Welchem (Ichäude des italischen Fest- 
landes liier die erste Stelle gebührt, darüber wird wohl kein Zweifel 
herrschen. 



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2 



Antike Architektur. Tempel von Pästum. 



Von don drei erhaltenen Tempeln der alten Poseidonia sucht daa 
Auge sehnsüchtig don grüssten, mittlem. Es ist Poaeidon's Heilig- 
s thum; durch die offenen Trümmer hallen schimmert 1 von fern das 
blaue Meer. 

Ein Unterbau von drei Stufen hebt daa Haua des Gottes über die 
Fläche empor. Es sind Stufen für mehr als menschliche Schritte. An 
. den Resten des alten dorischen Heraklcstoinpcls in Pompeji sieht 
man, dasa für den Gebrauch ei uc Treppe von gewöhnlichen Stufen 
vorgesetzt wurde. 

Den ältesten griechische]; Tempeln wie z.B. demjenigen vonOcha 
auf Eubüa, genügte ein Bau von vier Steinmauern. Als aber eine 
griechische Kunst erwachte, schuf sie die ringsum gehende Säulen- 
halle mit dem Gebälk, zuerst vielleicht von Holz, bald von Stein. 
Diese Malle ist, abgesehen von ihren besonderen Zwecken, nichts als 
ein idealer, lebendig gewordener Ausdruck der Mauer selbst. In. 
wunderbarer Ausgleichung wirken strebende Kräfte und getragene 
Lasten zu einem organischen Ganzen zusammen. 

Was das Auge hier und an anderen griechischen Hauten erblickt, 
sind eben keine blossen Steine, sondern lebende Wesen. Wir müssen 
ihrem innern Wesen und ihrer Entwicklung aufmerksam nachgehen. 
Die dorische Ordnung, welche wir liier in ihrer vollen alterthüm- 
lichen Strenge an einem Gebäude des VI. Jahrhunderts v. Chr. vor 
uns haben, lässt diese Entwicklung reiner und vollständiger erken- 
nen , als ihre jüngere Schwester, die ionische. 

Der Ausdruck der dorischen Säule musste hier, dein gewaltigen 
Gebulke gemäss, derjenige, der grössten Tragkraft sein. Man konnte 
mißlichst dicke Pfeiler oder Cylinder hinstellen, allein der Grieche 
pflegte nicht durch Massen, sondern durch ideale Behandlung der 
Formen zu wirken. Seine dorische Ordnung aber ist eine der höchsten 
H erv Orb rill gmi sren des menschlichen Kiirmgcfühls. 

Das erste Mittel , welches hier in Betracht kam , war die Verjün- 
gung der Säule nach oben. Sie giebt dem Auge die Sicherheit, dass 
die Säule nicht umstürzen könne. Das zweite waren die Caunelirun- 
gen. Sic deuten an, dass die Säule sich innerlich verdichte und ver- 
härte, gleichsam Ihre Kraft zusammennehme; zugleich verstärken sie 
'den Ausdruck des Ströhens nach üben. 1 lie Linien aber sind wie hu 
ganzen Bau nirgends, so auch in der Säule nicht matheniathisch 



Tempel von Pütom. 



8 



hart ; vielmehr giebt eine leiae Anschwellung das innere schaffende 
Leben derselben auf das Schönste zu erkennen. 

So bewegt und beseelt nähert sich die Säule dem Gebälk. Der 
mächtige Druck desselben drängt ihr oberes Ende auseinander zu. 
einem Wulst (liehiuus, das Motiv eines überfallenden Blattkranzcs, 
dessen Zeichnung ursprünglich aufgemalr ist), welches hier das Capi- 
tal bildet. Sein i'niiil ist in jedem dorischen Tempel der wichtigste 
Kraftmesser, der Grnndtou des Ganzen. Nach Tinten zu ist er um- 
geben von drei Riemen, gleich als verschöbe sieh liier eine zarte, 
lockere Oberhaut der Säule. Ihnen entsprechen und antworten etwas 

weiter unten, an der Säule seihst, drei KoischuiÜc ringsum. — Eine 

starke viereckige Deckplatte i.wlirt die Saulo vom Gebälk. 

(An vielen Stellen dieses Tempels seh ei neu die Säulen auf vier- 
eckigen Untersätzen /,u stehen, allein nur weil Steine dazwischen weg- 
genommen worden sind. Die dorische Säule, als erdgeborne Kraft 
bedarf der Basis nicht; unmittelbar aus der obersten Tempclstitfe 
steigt sie empor.) 

Es folgt zunächst ein Band von hier sehr mächtigen Quadern, der 
sog. Architrav, ganz glatt und schmucklos. Es sind die Hallten, welche 
über die Säuleu hingeben. Was aber von Bewegung übrig ist, setzt 
sieh fort in dem darauf folgenden Gliede, dem Fries. Die von innen 
kommenden Querbalken enden sind in der Mitte zweimal und an beiden 
Seiten senkrecht eingekerbt zu „ Triglyphen ", die Zwischenräume 
(Metopon) aber ausgefüllt mit Steinplatten , die ohne Zweifel mit Ge- 
mälden oder Reliefs geschmückt werden sollten. Wir wissen nämlich 
nicht, ob dieser Tempel je. ganz, vollendet wurde. — Ini Architrav 
entspricht jeder Triglypho ein kleines Band mit sechs daran hängen- 
den sog. Tropfen. 

Ein hier besonders weit vorragendes Kraiizgeamise deckt das 
Ganze. Von unten erkennt man daran eine idealo Darstellung der 
schrägen Dachsparren , deren jeder drei Keihen von je sechs Nägeln 
aufweist. An den beiden Hauptsciten des Tempels ragen darüber die 
Giebel empor, die zwar jetzt (und vielleicht von jeher) leer stehen, 
ohne jene Gruppen von Statuen, welche einst dient tischen Tempel zier- 
ten, dabei 'aber durch das schönste, gerade für diesen Bau passendste 
Verhältniss der Hohe den Blick erfreuen. Der stumpfe Winkel des 
Giebels nämlich ist das Schlusscrgebniss jener ganzen idealen Rech- 



4 Antike Architektur. Tempel von Püstum. 

uung zwischen Klüften und Lasten ; er deutet genau an, wie viel von 
strebender Kruft am Ende übrig gehlieben ist. 

Eine grosse Anzahl feinerer Gliedeningen, »'flehe man an den 
dorischen Bau ton Athens vorfindet, ('etilen liier entweder ursprünglich 

. S Yomlnnern fehlt fast die ganze Mauer, welche daB längliche Haus, 
die Cella des Gottes ausmachte. Wahrscheinlich lockt™ die glatten 
Quadern den kirchen bauenden Xuvnisniiiuu zum llauh. Doch ist die 
innere Vorhalle, /.wci .Säulen zwisrhen zwei Maiiovpfcilern (Anten) 
erhalten. Diese letztern situl als Theil dcrlluuei' bckuidolt, also weder 
canuelirt, noch verjüngt, noch geschwellt, doch deutet ein eigenes 
Capitäl, welches bedeutsam mit dem Ecliinus der Säulen contrastirt, 
:uif ihre Theilunhutc um Tragen hin. 

Von den Stehibalken und deren vertieften viereckigen Zwischen- 
l'eldcrn (Cassetten), welche d;>ulla um z» isehen.Siiiilenlialle und Tempel- 
r.num bedeckten, ist nichts mehr erhalten. Das Geh;;] I; dei Sütilen- 
halle scheidet sich , auch von innen gesehen, in Arollitrav und Fries, 
nur dass letzterer hier glatt ist. Am Gebälk dcrC'clla dagegen, soviel 
davon vorhanden ist, hat der Fries seine TrigJyphen und Mctopen, 
nur niedriger als am Attsscnbau. 

Das lunpre des Heiligthnms erhielt einst sein Lieht durch eine 
grosse Da eh Öffnung, ohne welche die feintcrlo? en grier bischen Tempel 
durchaus dunkel gewesen wären. An den bedeutendem Tempeln 
wurde gleichsam als Einfassung und Stütze dieses offenen Daches eine 
innere Säulenordnunir angebracht, und zwar eine doppelte, weil ein- 
fache dorische Saiden allzu gross und dick hätten gebildet werden 
müssen im Verhältniss zu dein so beschränkten Raum. Die Bauten 
der höchsten Bliitliezeit scheinen meist eine untere dorische und eine 

ohere Ordnung dorisch und dabei noch von etwas ungeschickter 
Bildung, als wäre die kleine obere -Säule unmittelbar die durchs 
Zwbächongeslms hindurchgehende Fortsetzung der grössern untern; 
überdies wirkt, der hielt, atiseimiiidet gehende Eehinus der kleinen 
.Säule nicht gut. ') 

■) Auattnlcni Isl in IjFjntrken : An ilcr Aus-ensf Lte k ml jcrlc «weite Tri|,'ly|ili>' 

mitten ilbor etne Säule zu slHion. i_Tä.'m <!i<; Ecki-ii hin ulm- «t-nii-u die Melnin™ tirellrr. 



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Tempel von Paatam. 



5 



Nur in dürftigen Andeutungen haben wir das, was die Seele die- 
ses wunderbare 11 Ihmes ausmacht, bezeichnen können. Obwohl eines 
von den Ijerterhalteneii Denkmälern seiner Art, verlangt er doch ein 
beständiges geistiges Iiestaurireu und Xaehfuldcn dessen was fehlt 
und dessen, was nur flir die aufmerksamste Pietät noch sichtbar ist. 
Wie ganz anders würde er auch zum äussern Aujro sprechen, wenn 
er noch mit allen Senlpfurcn seiner Giebel mid Metopeu, mit den 
Daclizicrden(Akrotcrien) von Laubwerk und Statuen, mit den Löwen- 
köpfen desKranzgeshnses, mit dem jetzt so fraglichen Farbeiischmnck, 
innen aber mit dein l.;ild Poseidon's and den Weihgeschonken ge- 
retteter Seefahrer geschmückt wäre! Unsere Vorstellung voni Kunat- 
vermögon der Griechen steigert er aber schon in seinem jetzigen Zu- 
stande auf das höchste. 

Vielleicht, blickt ein scharfes Auge die einzelnen leiten im Profil 
enthing und findet, dass keine einzige mathematisch gerade Linie an 
dem ganzen Hau ist. Man wird zu nächst nn ungeschickte Ver- 
messung, an die Wirkung der Erdbeben und Anderes der Art denken. 
Allein wer z..li. sich der reell ton Ecke der Vorderseite gegenüber- 
stellt, so dass er das obere Kranzgesimse der l.angseite verkürzt 
sieht, wird eine Ausbeugung desselben von mehreren Zollen ent- 
decken, die nur mit Absicht hervorgebracht sein kann. Und Aebn- 
üehes findet sich weiter. Es sind Aeusserungen desselben Gefühls, 
welches die Anschwellung der Säule verlangte and auch uj scheinbar 
mathematischen Formen Uberall einen Pulsschlag imieru Lehens zu 
iiffcubaren suchte. 



Die beiden andern dorischen Tempel von Püstuni sind aus einer 
viel spätem, ausgearteten Epoche der dorischen Kaukunst, die man 
der Zeit nach vielleicht in das .t. Jahrhundert v. Chr. verlegen kann. 
Der Eindruck ist indes« iuinier ein solcher, dass .sie ohne die Nnehbar- 
sebaft des Pose Idol [Stempels zu den herrliclir-ien Lauten des italischen 
Pestlandes gehUren würden. Sie sind weniger gut erhalten, besitzen 



» äaii die Trlalyphc auf die Ecke [Ecken tonn. Im Innern Destclit ilns Gesimse 
zwischen den beiden Ordnnneen aus einem bionscti Arcldtra» mit Hohlkehle, da ein 
Fries, als Sinnbild Jca Dechen. Rand«, hier nicht nm Platze Ware. Das tlestmec 
über der obern Ordnung besieht ebenfalls aas einem ähnlichen Stielte, nllein wir 
wissen niehi, wäi einst noch darüber lag und wie der Dachend nnsetstc. 



Antike Architektur. Tempel von Pastnm. 



aber wenigstens den ganzen äussern Säuionkranz nnil Areliit rare ohne 
UiitcrWeehung. 

An dem sog.Cercatcmpcl fallt zunächst eine abweichende Bil- 
dung der Säule auf, welche wie aua weichet™ , minder elastischem 
Stoffe geschaffen scheint. Dies drückt, sieh aus in der viel stärkern 
Ausbauchung des Schaftes und in der breit wulstigen Bildung des 
Echinns, welche letztere durch eine jranz eigenthümlichc Zusammen- 
Ziehung (Hohlkehle) am Oberende des Schaftes zwar erklärt, aber 
auch durch das Grelle des Ueborgangcs um so viel fühlbarer w ird. 
Diese gewaltige Breite des F.ehintis zieht <\;\mi eine verhaltnissmässige 
Vergrößerung der Deckplatte nach sich. (Die Intervalle der Deck- 
platten sind etwa gleich der Hälfte ihres Durchmessers). Zu der ge- 
ringem inneni Kraft der Säule passt dann ganz gut der sehmalere 
Architrtiv. Statt der Trigl yphen und Motopon , welche von besserm 

An den einst hernbgostürzten und in n euerer Zeit wieder aufgesetzten 
Giebeln ist das Obergesimse mit vertieften Cassetten verziert, die das 
AJtcr zum Thcil sogar durchlöchert hnt. Von der Gellft ist wenig 

mehr erhalten, ;ils die linindmauem. 

Hoch deutlicher erscheint die Ausartung de? dnrisclien Stylea in 
der sog. Basilika. Trotz, auffallender Abweichungen, wie z. B. die 
ungerade Neunzahl der Säulen aa den beiden Fronten, ist dieses Ge- 
bäude ebenfalls ein Tempel [mit zwei ( 'eilen VI gen esen-, Gestalt, Lage, 
Stufen, Enge des Raumes im Innern lassen den Gedanken an eine 
andere Bestimmung, wie z. B. die der Basiliken war, gar nicht auf- 
kommen. Wiederum aind die Säulen stark gesehwellt und von dem 
sehr weichen und runden Echinus durch eine ähnliche Hohlkehle 
getrennt wie am Cerestcmpol. Von dem Gebälke ist ein schmaler 
Arehitrav ganz erhalten, theilweise auch ein stark zurücktretender 
Fries, an welchem ohne Zweifel sculpirte Triglyphen und Metopen 
aus besserm Stein angenietet waren (oder werden sollten, denn mit 
der Vollendung solchen Tcmpelschinuckes verhielt es sich nur zu oft 
wie mit dem Ausbau unserer gothischen Kaihcdruien). —Innen be- 
ginnt die Cella mit einer Vorhalle von drei Säulen und zwei Mauer- 
pfeilern (Anten), welche letztere, als stärkstes Merkmal der Ent- 
artung, die Verjüngung sowohl als die Anschwellung der Säulen 
mitmachen; auch ihr Capitiil — eine. Hohlkehle — ist von gefühlloser 
Bildung. — Im Innern steht, auffallender Weise eine Säulenreihe der 



Ionische Ordnung. 



7 



mittlem Axe des Gebäudes entlang; drei Säuion sind ganz, von zweien 
die Capitälo erhalten. Wolchon Zweck und welche Bedachung man eich 
dabei vorzustellen habe, lässt sich um so weniger entscheiden, du 
dieser Innenbau vielleicht nicht einmal der ursprüngliche ist. 



Heben der dorischen Ordnung ent wickelte sich als deren schiinstes 
Gegenbild die ionische; anfänglich in andern Gegenden entstanden, 
auch wohl für gewisse Zwecke vorzugsweise angewandt, wurde sie 
doch mit der Zeit ein völlig frei verwendbare* Klement der griechi- 
schen Gesammtbaukunst. Leider ist in den griechischen Colonien Ita- 
liens kein irgend lieträciitliehor L'eherrest echter ionischer Ordnung 
erhalten und die römischen Nachahmungen geben bei aller Pracht 
doch nur ein dürftiges, erstarrtes Schattenbild von dein Formgefiibl 
und dem feinen Schwung des griechischen Vorbildes. — Die Grund- 
lage ist im Wesentlichen dieselbe, wie bei der dorischen Ordnung, 
die Durchbildung aber eine verschiedene. Die ionische Säule ist ein 
zarteres Wesen, weniger auf den Ausdruck angestrengten Tragens 
als auf ein reiches Ausblühen angelegt. Sie beginnt mit einer Basis 
von zwei Doppclwulsten, einem weitern und einem engern, deren 
ii(neres Leben sich durch eine schattenreiche Prolilirung verrät]». (An 
den römischen Uebcrresten entweder glatt oder mit reichen , aber be- 
ziehungslosen Ornamenten bekleidet). Ihr Schaft ist viel schlanker 
lind weniger stark verjüngt, als der dorische; seine Ausbauchung ein 
eben so feiner Kraftmesser als bei diesem. Die Caunclirungen nehmen 
nicht die ganze Oberfläche des Schaftes, ein , sondern lassen schmale 
Stege zwischen sich , zum Zeichen , diiss sich die ionische Säule nicht 
so anzustrengen habe, wie die dorische. (An den römischen Ucber- 
resten fehlen hier wie bei allen Ordnungen die I launelirungon oft, ja 
in der Regel : mit grossem rnreelit, indem sie kein Zierrath, sondern 
ein wesentlicher Ausdruck des Strebens sind und auf die bewegte 
Bildung des Capitäls und Geäiiiisi-s notliwendig vorbereiten). Das 
ionische Capitiil, an den alten athenischen Bauten von unbeschreib- 
licher Seliönheit und Lebendigkeit, setzt über einem verzierten Hals 
mit einem Ecliinus an; dann aber folgt , wie aus einer weichen, ideal- 
elastischen Masse gebildet, ein oberes Glied , gleichsam eine Bliitho 
des Echinus selbst, die auf beiden Seiten in reich gewellten Voluten 
(Schnecken) herniederquillt und sieh, von vorn gesehen, in zwei 



Antike Architektur. Korinrfcitche Ordnung. 



prächtigen Spiralen aufrollt. Diu Deckplaue, wclelie bei einer ernsten, 
dorischen Bildung dieses ganze reiche Leben tüdten würde, ist nur 
als schmales, veiv.iertes, ansgeschwimgenes Zwischenglied zwischen 
das Capitiil und das Gebälk hiueingeschnben. (Au den römischen 
UebeiTCstcn : Hals und Echinus schwer un<l massig verziert , die Vo- 
luten auf den Seiten mit sei nippeuar tigern Blattwerk bedeckt , ihre 
Spiralen sc Ii w litigiös und mathematisch, die Deckplatte überreich). ') 
— Das Gebälk ist leicht und der Säule gemäss gestaltet; der Avchi- 
trav in drei Übereinander hervortretende Kiemen getheilt; der Fries 
ohne. Unterbrechung duieh Tii^lvjjln n tu furllaulViiden Keliefs ein- 
gerichtet-, alle Zwischenglieder und alle Thcile des Übergesimses zart 
und reich gebildet. (An den römischen Ueberresten wohl ebenso 
prachtvoll aber lebloser). 2 ) 



Endlieh schuf noch die griechische Kunst das korinthische 
Capitiil. An den Mauten Griechenlands .seilet können wir dasselbe 
nur in seinen Anfängen nachweisen . Anlange die t'ivilieh Grösseres 
verheissen als es später unter römischer Hand wirklich erfüllt hat. 
(Das früher „Laterne des Demostheues" genannte thoragische Denk- 
mal des Lysikratos in Athen). 

Indess haben die llüiiu-r dh'se Ordnung mehr geliebt und rich- 
tiger verstanden und behandelt als die beiden andern, ja wenn man 
die Trefflichkeit der korinthischen Formen am Pantheon und am Tem- 
pel des Mars Ultor neben der mitist igen Thätigkcit so zahlreichen 
griechischer Künstler im damaligen tlimi in Erwägung zieht, so wird 
auch wohl der Gedanke erlaubt sein, dass hier noch eine ziemlich 
unmittelbar griechische Tradition, wenigstens stellenweise zu uns 
spricht. 

wo diese sieh roi'iindee, sind dieselben. Itns ( 'iipitäl aber bildet einen 



1) Jn Kam, 2. B. an der sj.Üten und sehr schlechten Restauration des Snturntem- 
pdia und ia Pompeji :ei viden lj;ii.lr;i !.n'.:.-.]Lct 111:111 ■ ■ei-'m irnihHieu C'a|rLliU . wolch?* 
Hütt der beiden SeliuiivuliiiL'u vii-r Eckvi.lutmi !mt; ycwU* i-ine iecuudilre und nicht 
eben glückliche SchSpfiiUE. 

-i Da zu wenii; 1 i : u i r. . ■ I : -i . . - 1 i - ^ [ it. U.uitoi! < r]i:ii(ui sind, so urlhellen "it hier nach 
Fragmenten, wclchi; al [crilin^ü ;eii-ti von k'.'riiiitii-H.iu ru.ini.-n tK-ritainmen jiKi^eni 
allein beide Ordnungen stimmen mit Ausnahme lloa CnpitUi bei Im Römern Hbtnln. 



Korinthische und Composita- Ordnung. 



9 



runden Kelch, der mit zwei Rethen von Akanthnsb lütte ni ringsum 
bekleidet ist. Aus diesen Blattern spriessen Stengel hervor, iiujj 
welchen siel] mächtig gerollte Voluten entwickeln; diese, jo zwei sieh 
aneinander drängend , bilden die weit vorspringenden vier fickeu des 
t'apitäK Hillen t'ulgr.die ahsgesHiwnngcne I teckplatro, deren einwärts- 
gebende Rundungen in der Mitte durch die lilume unterbrochen sind. 

Wer an den bessern römischen 1 Linien ein wohlerhaltenes Capitiil 
mit der nötliigen Geduld verfolgt, wird über die FiTllc idealen Lebens 
erstaunen, die sich darin nunlrüfkl. I »er A kaut lins ist wohl ursprüng- 
lich die bekannte Pflanze Bärenklau; man pflücke sich über, z.B. auf 
den Wiosoiiliöheii der Villa I'nintili, ein lilatr derselben, und überzeuge 
f-ieh bei der Ycrgleicliimg mit dein archil ek tonischen Akantlius, welch 
ein Genius dazu gehörte, nm das Blatt so um zu gestalten. In einem 
neuen, plastischen Stull" gedacht , gewinnt es eine Spannkraft und 
Biegsamkeit, einen Ueiclithum der Umrisse und der Modellirung, wo- 
von im grünen Bärenklau nur die halb versteckten Elemente liegen. 
Die Art, wie die Blätter Über- und nebeneinander folgen, ist eben- 
falls der Bewunderung werrh, und su aueli ilue höchste und letzte 
Steigerung in Gestalt der Eckvoluten; diese, als (scheinbarer) Haupt- 
ausdruck der Kraft, sind mit Iteclit freier, d. h. weniger vegetabilisch 
gebildet, haben aber ein Akanthusblatt , das. mit ihnen aus dem 
gleichen Stengel spriesst, zur Unterlage und Erkliirung mit sieb. 
Und jeder einzelne Theil dieses so elastisch sprechenden Ganzen hebt 
sieli wieder klar und deutlich von den übrigen ab; reiche Unterhöbl-' 
iingen, dureil welche der Kelch als Kern des Capitiils sichtbar wird, 
geben zugleich dem Blattwerk jene tiefen Schatten zur Grundlage, 
durch welche es erst völlig lebendig wirkt. 

Eine blosse Spielart des korinthiselicu ist das sog. Composita- 
capit.äl, erweislich zuerst an dem Titusbogeu angewandt. (Der & 
llrususbogen bei l'orta s, Sebastiano in Born ist wahrscheinlich falsch b 
benannt ; .sonst wäre er ein noch älteres üeispiel.i. liiu .Mischung aus 
den zwei untern lilattrcihen des korinthi-eheu l'apitiils und einoni 
dar üb ergesetzten unecht ionischen mit vier Eckvoluteu (demselben 
etwa, welches oben, in der Anmerkung zu Seite S beschrieben wurde) 
ist eine unschöne, mechanische. Es liesse sieh schwer begreifen, wie 
mau gerade den glänzend lebendigen ubem Tlieil des korinthischen 
Capitiils opfern mochte, wenn die Modo nicht stärker wäre als Alles. 



10 



Antike Architektur, Sieilische Tempel 



[Sicilisehe Tempel, alle dorisch, sämmtlicli aus porösem Kalk- 
stein, ursprünglich ganz mit Stuck überzogen. 

In Syrakus der fragen. Artemistempel in der heutigen Stadt mit 
der engsten bisher bekannten Säulen st eilung, Abstand noch geringer 
als der Säulendurchmesser, neuerdings weiter ausgegraben, wobei 
eine sehr altcrthümlielie Inschrift an Apollo (r<7, IJü.w*) an der oberston 
Stufe des Eingangs zum Vorschein kam, die sich auf Weihgeschenke 
hezog, welche In den beiden iiussersten Int er columnien zur Linken 
aufgestellt waren. — Die nocii erhaltenen Säulen des sogenannten 
Mhicrvatempcls in der Kathedrale, an der Sud- und Westseite am 
besten zu sehen. — Zwei Säulen des sogeu. Zeustempels am Anapun, 
eine Stunde westlich von Syrakus. 

In Girgenti, am besten erhalten der Tempel der Coneordia. 
Tempel der .Inno Lucina. Tempel der Proserpina (jetzt S. Iiiagio). 
Tempel des Zeus Olyiupikos, der grüsste Sieiiiens mit den Kolossen dor 
Atlanten. Tempel des Castor und Pollux (spät, mit gut erhaltenem 
Gesims). Tempel des Vulcau. Grabmal des Theron und sogen. Ora- 
torio'di Phalaride. 

In Sei i mint sieben Tempel, welche durch Erdbebenoder gewalt- 
same Zerstörung siumntlieli in Ruinen liegi*n, vier auf der von Mauern 
unizogonen Akropolis der Stadt, drei auf dem östlichen Hügel, in der 
jetzt so bezeichneten Neapolis. Von drei Tempeln einige Metopen 
(in Palermo) erhalten, aus drei verschiedenen Epochen: der älteste 
(um 60(1) ist der mittlere der Akopoüs, der darauf folgende der mitt- 
lere der Neapolis; die besten , der Zeit des l'liidias nahestehenden Me- 
topen sind von dem südlichsten Tempel der Seapolis, den man neuer- 
dings nach einer in der Cella neben einem archaischen weiblichen 
Kopf aus Tuff gefundenen Votivinsehrift (ohne hinreichenden Grund) 
Ileratempel nennt. Der grüsste der selimintisclten Tempel ist der 
nördlichste der Neapolis, mit ionischer Ordnung im Innern der Cella; 
der späteste: das kleine Templum in a litis (Tempio di Empedocle) mit 
vorzüglich erhaltenen Farben des Stuekübcmigs auf der Akropolis. 

Unvollendeter Tempel in Segesta, an dem Cavallari kürzlich 
(Bnllett. Siciliano 1864, 2 p. 16) Ourvaturen gefunden haben will.] 



liei der nun folgenden Tbei-sieht der römischen Bauwerke in Ita- 
lien möge man ja im Auge behalten, dass wir das rein Arcbao- 



Digilizcd ö/Googlt 



Bömiteha Ordnung. 



IL 



logische absichtlich beseitigen und auf eine Ergänzung ili'sst lii' u au«, 
den Kcisehnndbfl ehern und aus sonstigen Studien rechnen. Audi 
unsere Vorbemerk trogen werden nicht aus Notizen bestehen, sondern 
einige allgemeine flcsieht.spuukte festzustellen suchen. 

Römerbanten der bessern und noch der mittlem Zeit haben ein 
Königsrecht selbst neben dem Massivste» wnn Italien uns dem Mittel- 
alter und der neuen Bauperiode besitzt. Selbst ein kleiner Rest be- 
meistert in seiner Wirkung ganze Hassen . deren Häuser doppelt und 
dreimal so hoch sind. Diess kommt zunächst von dem Stoffe, aus 
welchem gebaut wurde; in der Regel ist es der beste, der 7.11 haben 
war. Sodann wurde von allem Anfang an hei öffentlichen Gebäuden 
nicht gepfuscht und nicht jedeT Rücksicht nachgegeben-, man baute 
etwas Rechtes oder gar nichts. Endlich ist die antike Architektur 
mit ihren plastisch sprechenden , bedeutsam abwechselnden Einzel- 
theilen, Säulen, Gebülken, Giebeln etc. im Stande, jeder andern 
baulichen Gliederung die Spitze zu bieten, selbst der gothischen, so 
wie sie in Italien auftritt. 

Nun sind einige zeitliche und technische Unterschiede zu beobach- 
ten. Zur Zeit der römischen Republik und auch der frühem Kaiser 
wurden die öffentlichen Bauwerke aus Quadern desjenigen Steines 
erbaut, welcher unter den nächst zu habenden der beste war. Für Rom 
1. B. niusate die Wahl auf den grüngrauen Peperin und den gelb- 
lichen Travcrtin fallen. Allein schon seit Augustus gew ann man den 
fernab liegenden weissen Marmor so lieb, dass mit der Zeit wenigstens 
Säulen und (jebiilk vn17.11?.' weise daraus gebildet wurden, während 
man die Wände mit Platten dieses und anderer kostbarer Stoffe be- 
kleidete ; das Innere der Mauern aber bestand fortan aus Ziegeln oder 
aus Gusswerk zwischen Zie;e]t'nltermatiern. 

Marm erbauten jedoch waren das ganze Mittelalter hindurch die 
beliebtesten und bequemst™ Steinbrüche, wo man die schönsten Säu- 
len, in der Regel ans Einem Steine, fertig vorfand, um hundert Basi- 
liken damit auszustatten. Von den Mauern löste man mit Leichtig- 
keit die vorgesetzten Platten ab und verwandte sie auf alle Weise ; 
Gebäude, deren Mauern ans vollen durchgehenden Quadern bestan- 
den hatten, würde man gewiss eher respec.tirt und so gut es ging, zu 
neuen Bestimmungen eingerichtet haben. 

So kommt, es nun, dass der Reisende, auf einen einigermassen 
vollständigen Anblick wenigtens der Bruchstücke antiker Tempel, 



13 



Antike Architektur. Bogen und Gewölbe- 



Thermen und l'alästc gefasst, durch scheinbar ganz formlose Ziegel- 
haufcn enttäuscht wird. So schön die Zievel namentlich des ersten 
Jahrhunderts gebranni, sn sorgfältig sie auf einandergeschielitet sein 
mögen, so glühend ihre Farbe in der Abendsonne wirken mag, bleibt 
es eben doch ein bloss /.iitiilliy zu Tage getretener innerer Kern ehe- 
maliger Gebäude, den einst, als das Gebäude vollständig war, kein 
Auge erblickte, weil ihn eine leuchtende Hülle und Schale umgab. 
Wir werden im Folgenden sehen, auf welche Weise sich das einiger- 
massen forsehungsfa'higc" Auge entschädigen kann. 



Bekannt lieh brachten die Kömer zu den entlehnten griechischen 
Formen aus der eti-uski sehen Baukunst den Bogen und das Ge- 
wölbe hinzu, letzteres als Tonnengewölbe (wie ein gebogenes Blatt), 
als Kreuzgewölbe (zwei nie lisch neidende Tonnengewölbe, z.B. Amphi- 
theater von Captin bei Santa Maria Maggiorei und als Kuppel. 
Schwere und Druck verlangen sog. Widerlager, welche entweder 
durch verhaltnissmussige Dicke der Mauer oder durch Strebepfeiler 
an den dem stärksten Druck ausgesetzten Steilen dargestellt werden 
müssen; die Körner bi ssen es im Ganzen hei dicken Mauern bewenden 
(Vergl. das Pantheon). — Wie man sieht, handelte es sieh um ganz, 
neue Aufgaben. Die griechischen Säulen, Gebälke und (Hebe!, ur- 
sprünglich auf einen wesentlich iuidcni Kernbau berechnet und nur 
ihrer schönen Wirkung weifen beibehalten, mnssten nun die römischen 
Bauten „accompagiiircn" helfen, wenn uns dies Wort erlaubt ist. Man 
aog Säulenreihen vor den .Mauern , Jlalbsiitilcnrcilien an den Mauern 
— sowohl im Innern als am Aeusscru — hin; mau gab den Mauer- 
pfeilcrn (Anten) und den I'ilust.ern überhaupt dieselben Capitäle wie 
den Säulen, nur zur Fläche umgebildet; mau stellte Pcristylc als Ein- 
gangsimllen, bisweilen sehr unvermittelt, vor ein Gebäude von be- 
liebiger Form; man liest! das griechische Gesimse ohne Unterschied 
über Säulenreihen oder Mauern lassen — geradlinige oder runde — 
dahin laufen. Kein Wunder, dass sein fein abgewogener coustruetiver 
Sinn, dass die Fülle von Andeutungen auf das Mauze, dein es einst 
gedient, verloren gingen und dass mar. sich u-it möglichster Pracht der 
decorativen Ausbildung zufrieden gab. 

Hierin aber zeigt sich die römische Kunst wahrhaft gross. Sobald 
man es vergisst, wieviel missverstandeneuiid umgedeutete griechische 



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Bogen und Gewölbe. 



18 



Formen unter den römischen verstockt liefen, wird man die letztem 
um ihrer prachtvollen, höchst, energischen Wirkung willen bewundern 
müssen. 

Von dem korinthischen Capital ist schon die Rede gewesen als 
von einer noch wesentlich griechischen Schöpfung. Am Gebälk findet 
Bich tunlichst ein bereicherter Architrav, dessen drei Bänder mit Perl- 
stiiben n. dg], oingofasst sind; bisweilen bestellt das mittlere ans 
lauter Ornamenten. (Spater: oft nur üwei Bänder.) Eine zierliche, nur 
7.11 weit vorwärts profilirto Blattreihe scheidet den Architrnv vom 
Fries, welcher die Inschriften und .HHiHs r"h'i'rihin;.enzierratheu ent- 
hält. (Später : der Fries in der Hesel Qtmvex und auf irgend einen 
nicht mehr anfweisbareii , otwa aufgemalten Schmuck berechnet), 
lieber dem FrieseinoitiimnigiYifh varürtc Aufeinanderfolge vortreten- 
der, reich decorirter Glieder : Reihen von Akanthnsblättcrn mit ge- 
fälligem Welle nproril, Eierstübe, Zahiifchuitte, und als Uebcrgang zu 
dem mit LiiweuköptY'n und i'.'dinetteu gen-hiniickten Kranzgcsimsu : 
die Consolen. Diese sind eine römische l'miieutiiiig jener schrägen 
Dil eh Sparren, die wir beim grossen Tempel von l'ästmn erwähnten und 
verdienen als Höhepunkt «lies römischen l'Vrmgefülils eine besondere 
Aufmerksamkeit. Unter das wellenförmig gebildete, architektonisch 
verzierte Sparrenende legt sich, ebenfalls in Wellenform, ein reiches 
Akanthuablatt; sodann wird der Zwischenraum zweier Consolen von 

Tiefe eine Rosette hell herahragt. (Später: il^ Akmithusblatt kraft- 
los an die Console angeschmiegt ; die elastische Tiihlung beider ver- 
nachlässigt; dicCassctten flach, die Kose leblos gebildet). Am Giebel 
ist. ein Theil des lliuiptgesiinses mit. den Consolen wiederholt, welche 
hier trotz des schrägen Ansteigens an den besten Bauten senkrecht 
gebildet werden. (Vorhalle des Pantheon). Ein vielleicht nur allzu- 



Akroterien oder Eckzierdon aus römischer Zeit in der Galeria lapi- 
daria des Vaticans). Die Anwendung grosser plastischer Freigruppen 
in den Giebeln selbst ist auch für die Körner wahrscheinlich, doch 
nicht mit »»pietai.i. belegen. 

Es versteht sich, dnss nur eigentliche l'rachrgebäudc diesen 
Schmuck vollständig aufwiesen und auch diese nicht durchgängig; 
zudem sind sie fast ohne Ausnahme nur in geringen Fragmenten er- 



14 Antike Architektur. Römisches Detail. Tempel. 



halten. Ausser dennoch an Ort uud Stelle befindlichen Banrcsten wird 
man desshalb zur Ergänzung auch die verschleppten undin die Museen 
geretteten Fragment cstuitirenumssci], indem «ich stellenweise gerade 
an ihnen das Schönste und Eeichste, auch wohl das Zierlichste , wenn 
sie von kleineren Hauten herstammen, erhalten hat. Im Vatican 
enthält nämlich die schon genannte Guleria iapiduria und auch das 
Museo Chiaramonti einen Schatz von solchen Ii ruchst ticken ; ebenso 
das Museum des Laterans (im 2., 9. u. 10. Zimmer); von den Privat- 
sammluugeu ist die Villa Albani besonders reich daran; von den 
christlichen Basiliken Roms bieten der ältcro The.il von S. Lorenzo 
fuori le mura und das Hauptschiff von S. Maria in Trastevere ganze 
bunte Mustersammlungen dar. Eine Sammlung von Abgüssen in der 
Acadeniie de Trance. [Beachteuswerrhe Stucke au der Rückwand der 
VillaMedici. l>i<i best -i;rlin I ton tut schönsten Dcem-ü Honen aus der Zeit 
der Antonine, meisterhaft bchamlclic Sluekreliefs auf titeil weis far- 
bigem Grund in den beiden 1859 entdeckten Gräbern der Via Latin» 
am 3.Miglienstein.] In Floren/, (äussere Vorhalle der Uflizien) nur ein 
Stück von einer Thürgewandung und ein anderes von einem Fries; 
aber beide von hohem Werthe. 

Iiier wie überall rnnss der Besch au er jene restaurirendo Thätig- 
koit in sich entwickeln, ohne welche ihm die antiken Reste wie la.uter 
Formlosigkeit und die Freude daran wie lauter Thorheit erscheinen. 
Er muss aus dem Theil das vermuthlichc Ganze ahnen und herstellen 
lernen und nicht gleich einen „Eindruck" verlangen bei Ucberresten, 
deren Sehünheit nich eist durch das Hinzugedachte ergänzen kann. 
Das ganze Gebäude aus Trümmern zu errathen, wird wohl nur dem 
Forscher möglich sein, allein aas ein paar Säulen mit Gebälkstücken 
wenigstens auf die Wirkung einer ganzen Colonnade zu schliessen ist 
Sache jedes nicht rohen oder abgestumpfteu Auges. 



Wir beginnen mit den Tempeln. Hier ist das Verhältniss der 
Säulenhalle cur Cella fast dureh^iinsifr ein anderes als bei den Grie- 
chen. Jene dient nicht mehr zum Ausdruck dieser und entspricht ihr 
nicht mehr in derselben Weise, Die Halle ist jetzt ein Vorbau der 
Cella und wird nur aus Prachtliebe etwa noch ringsum geführt; sonst 
bequemt sich die römische Kunst sehr leicht, nur einen Anklang davon 
in Gestalt von llalbsiiuleu ringsum anzugeben oder auch die Wand 



Römisch - dorische Tempel. 



ganz unvcrziert zu lassen. Ein weiterer Unterschied int die jetzt üb- 
liche Bedeckung des Innern mit einem cassettirten Tonnengewölbe, 
während man doch aussen den griechischen Giebel, d. h. den Ausdruck 
eines Balkendaches, beibehielt. Wahrscheinlich brachte man, wie 

grosse Lichtöffnung an, ohne welche die Beleuchtung ganz zweifel- 
haft bliebe ; Seiten i'enster linden sich fiisl nirgend?. Eclit römisch ist 
endlich die Zcrthcilung der Wandflächen durch einwarf st retende, ab- 
wechselnd viereckige und runde Nischen und die Errichtung einer 
hintern Hnuptniseho für das Bild der Gottheit; dieses ganze Xischen- 
werk aber muss man sich bekleidet und umgeben denken von be- 
sondern Säulen« ellungon mit (iebiilken und Giebeln, wodurch die 
ganze Mauer ein prachtvoll abwechselndes Leben erhielt und die grie- 
chische Ruhe total cinbüsste. — Das Dach der Vorhalle bestand wie 
bei deni griechischen Tempel im- .Sieinbalken \ ersebiedener Lagen und 
verschiedenen Ringes, deren Zwischenräume mit Steinplatten zu- 
gedeckt waren. Allein die Durchführung Ist eine andere als in den 
(sehr wenigen) erhaltenen Beispielen der griechischen Zeit; von der 
Balkenlage wird nur eine Keniiniscenz beibehalten und die ganze 
Innensicht des Daches als erwünschter Anlass zum Aufwand von Or- 
namenten benützt. Die Uutcnseiteii der Balken bekommen Relief- 
arabesken, ihre Zwischenräume, werden zu reich profilirten Cassetten, 
welche grosse, gewaltig wirksame Rosetten enthalten. 



Mit der dorischen Ordnung hatten die Rumer entschiedenes 
UnglUck. Sie wollten die ernsten Formen derselben mit den leichten 
Wrliiiltuisseuder ionischen verbinden und lielen dabei nothwendig in 
(Iiis Magere und Dürftige. In Rom selbst ist kein dorischer Tempel 

lieh, welche vom Tempel des liuirinus entlehnt sein sollen , ist die ur- 
sprüngliche Höhe fraglich und die Capitälo sind modern. - ■ Das 
einzige Beispiel, welches eine ungestörte Anschauung des Kömisch- 
Dui'ischen giebt, milchte wohl in der Vorhalle desllerculestempels i> 
zu Cor» (drei Stunden von Vclletri) bestehen; Lage, Material und 
Ernst der Formen (so übe 1 einfach sie sein mögen) sichern diesem Ge- 
häude noch immer eine grosse Wirkung. Dasselbe wird etwa in die 
Zeit Sulla's versetzt ; eine noch ältere, aber schon mit fremden El emeu- 



16 Antike Architektin-. Römisch -dorische Tempel. 



ten versetzte Anwendung des Dorischen findet mau an dem Sareophag 
des Scipio harbntus (Vatican, l'.elvedoic, Gemach dos Torso) und dem 
nach Forin und Ornauicntinm:: ähnlichen grossen Altar im Hof des 
sogen. Aesculap-Tempels in Pompeji. Ausserdem bietet Pompeji 

mcisi Hallen, « Heiie l'lälze und Höfe [■/.. Ii. den des verschwundenen, 
einstgricc.hisch-dnrisrhen Heraklestempolsiind den des Venu Stempels) 
umgeben, und welche ihrer Detailbüduiig wegen am besten hier zu 
erwähnon sind. Die Säulen sind luv diese Ordnung sehr schlank und 
dilliu, ihre Caniiellrungei) deumaeii seinilal ; die ier/,iercn beginnen oft 

erst in einer gewissen Höhe über der Erde, « eil sie sich weiter unten 

trocken und klein, die Deckphtte dünn gebildet. Am ' lehälk ist der 
Arehitrnv schon nicht mehr platt, sondern in zwei Riemen getheilt, 
der Fries mit den Triglyphen ohne den griee.hi scheu Nachdruck. Noch 
;ini meisten griechisch ist das einzige Fnimuen! der schon erwähnten 
Halle um den Hof des HeraklestempelB, des sog. Foro triangolare; 
liier hat der Eehinns noeb die drei Kiemen, unter welchen dann die 
Caimeliniiigeu mit runden- Ansätzen herinnen; anderwärts wind diese 
Ansätze wagrecht und die Riemen durch Irgend ein cmplindungsloses 
Zwi.-eliouglied ersetzt. So am sog. Soldatenquartier [Gladiatoren- 
Caserne] und an den altern .Säulen des grossen Forums; die jungem 
haben einen ganz sinnlosen, wellenförmigen Kchinus. Die Halle um 
den Hof des Venus touipels war ebenfalls von einer geringen dorischen 
Art [sie hatte ursprünglich dorisches Gebälk aber psendu-iouische 
Säulen mit vier Voluten] n ie die .Stellen zeigen, wo die spätere Uebor- 
avbeitung mit Stucco allgefallen ist. (Wie weit das Dach mich Uber 
sie hervorragte, zeigen die wohl vier Fuss ausserhalb angebrachten 
Regenrinnen am Boden). — [Ein dorisches Gebäude aus römischer Zeit 
in Solunt bei Palermo neuerdings gefunden.) 

Das spätere Rom, mit seiner Nci^nnp für prächtige Detailver- 
zierung, gab die dorische Ordnung beim Tempel bau hald ganz, auf 
und behielt sie nur zur Bekleidung des Erdgeschosses an mehr- 
stöckigen Hauten (/.. Ii. Theatern). Hier tritt sie wiederum viel ent- 
stellter auf, nämlich in ihrer ganz zweideutigen Verschmelzung mit 

der sog. tnscaiusclieii Ordnung, welche in selbsl ä mlijren Exemplaren ' 

nicht mehr nachzuweisen ist. Sie verliert ihre Ca nncl innigen und 



■ 

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Römisch- ionische Tempel, 



17 



gewinnt unten eine Basis und oben (kurz vor dem roh gebildeten 
Echinus) einen Mala, über welchem sich bisweilen einige Zierratbeii 
zeigen. Auch ihr Gebälk fallt mehr oder weniger der Willkür anheim. 



Von römisch-ionischer Ordnung besitzen wir noch ein gutes 
und frühes, aber sehr durch Verwitterung und moderne Verkieiste- 
rung entstelltes Beispiel , den sog. Tempel der Fortuna virilis zu n 
Rom. Die Voluten, seit« ärts mit Blattwerk verziert, haben allerdings 
schon ziemlich todtc, unelastische Spiralen; dafür zeigt der Fries 
noch anniutlii^e Lanh^ev. inde und das Kranzgesimse seine Löwen- 
küpfo. Uer kleine Sibyllen tcmpel in Tivoli hat noch seine vier- i> 
siiulige Vorhalle. — Der schon erwähnte Tempel des Saturn (sonst c 
Vcsp.isians), am Aufgang zum Forum, ist bei einer höchst nach- 
lässigen Restauration des in. oder IV. Jahrhunderts mit jenen oben 
(S. 8 Ann». 1) geschilderten ionischen Bastardcapitälen verschen 
worden. Svinc'Gi-aniisiiulen, schon früher nie cannelirt, wurden in 
ungehöriger Aufeinanderfolge der Stücke zusammengeflickt/ Von 
den Bauten in Pompeji ist wenigstens die innere Säulen Stellung des 
Jiipiteriempels leidlich Ionisch; sonst herrscht dort die Rastard- 
ordnung fast ausschliesslich vor. 

Die schönem römisch-ionischen Tempel leben fast nur noeh in 
jenen Sammlungen verschleppter Fragmente fort. Man wird wohl 
nirgends mehr eine solche Auswahl guter ionischer C'apitülc bei- 
sammen finden, wie über den Säulen von S. Maria in Truste vere; ein- a 
/eine haben noch einen fast {i'riei'li isclier: Sclnviiüg, andete sind durch 
reiche Zierratheu, ja durch Figuren, welche aus den Voluten und an 
der Deckplatte herausquellen, interessant. Oh die Menge verschie- 
dener antiker Oonsolen, welche am Gebalke derselben Kirche an- 
sei j nicht sind, von denselben Gebäuden hciTÜtin-ii , ist begreiflicher 
Weise nicht zu ermitteln. IEin schönes römisch- ionisch es Capitäl u. si. 
im grossen Saal des I'ala/.zo Faruese, eine ganze Reihe, nebst einer c 
sehönen liusis von der Basilica Julia, im zweiten Zimmer des Lateran.- 
Zu den besten Bastanleapitälcn dieser Ordnung mit vier Eckvoluten 
gehören diejenigen in S. Maria in Cosmcdin, an der Wand links.) 



BurctUardt, Cilimt. 2 



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16 



Antike Architaktnr. Das Pantheon. 



Weit (Iiis Vorherrschende iin ganzen rtfmischen Tempelbaii , ja im 
Bauwesen überhaupt, ist die korinthische Ordnung. So selten ihre 
Formen in vollkommener Reinheit auftreten, so oft wird man da- 
für das decorative Geschick der Körner bewundern müssen, welche 
ihr, und vorzüglich ilivcm Capitäl Eines um das andere aufzuladen 
wussten, bis es endlich doch zu viel wurde. Sic unterbrachen das 
rilattwork des Capitäls mit Thierliguren , Trophäen, Menschen- 
gestalten, endlich mit ganzen Historien, wie zur Zeit des roma- 
nischen Styles im Mittelalter. (Ein hiüturienreiches Cupitiil der Art im 

ü Ciariiiuo (ielia Pigna de? Vatikans.) Sie listen auch die letzten glatt 
gebliebenen Profile des Gebälkes in Reihen von Blätterzierrathen 

i> auf. (Dioeletiansthenncn, jetzt S. Maria degli Angeli zu Rom.) Pas 
Ende war eine definitive Ermüdung und plötzlieh hereinbrechende 
Rohheit. 

Das schönste Beispiel korintldsdier Hauonliumg ist anerkannter 
c Maassen das Pantheon in Rom; ein Gebäude, welches zugleich so 
einzig in seiner Art dasteht, dass wir es hier vorwog behandeln 
müssen. Ursprünglich von Agrippa als Ihyipt halle seiner Thermen 
gegründet, vielleicht erst später von ihm als Tempel ausgebaut und 
mit der Vorhalle versehen, hat es nach allen Restaurationen und Ite- 
raubungeu seine ausserordentliche Wirkung im Wesentlichen gerettet, 
doch nicht ohne schwere Einbusse. Wir wollen nur dasjenige an- 
führen, was dio ehemalige, ursprüngliche Wirkung zu veranschau- 
lichen geeignet ist. 

Zunächst denke man sieh den jetzt stark ansteigenden Platz viel 
tiefer und eben fortlaufend; denn fünf Stufen führten einst zur Vor- 
halle hinauf. Sn erhält der jetzt etwas steil und hoch scheinende 
Giebel erst sein wahres Verhältniss für das Auge. Man fülle ihn mit 
einer (.Üebclgriippe oder wenigstens mit einem grossen Kelicf an, und 
kröne ihn mit den Statuen, die einst der Athener Diogenes für diese 
Stelle fertigte. (Die gewaltigen Granitsäulcn sind allerdings ihres 
Stoffes halber grossentheils unberührt geblieben ; leider wagte sich 
die augusteische- Zeit selber nicht gerne an diese Steinart und Hess 
die Säulen dem Stoff zu Ehren nncannelirt, während die marmornen 
Pilastor ihre sieben Cannoliriingen auf jeder Seite erhielten.) Ferner 
eiitsehliesse man sich, aus den durchgängig mehr uder minder ent- 
blätterten t'apitälen in I iedaukon ein ganzes, unverletztes, zusammen- 
zusetzen; gehören sie doch in ihrer Alt zum Schönsten, was die 



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Dm Pantheon. 



Kunst geschaffen liat '). (Die Sclineidung des Kelchrandes mit der 
Deckplatte, vermittelt durch die darüber emporspriessende, durch 
zwei kleinere Voluten mit Akanthuablättern vorbereitete Blume, bo- 
wie die Bildung der grössern Eckvoluten hat nicht mehr ihres 
Gleichen.} Mau vervollständige die innere und äussere Wandbeklci- 
dung nni hintern Theil der Vorhalle, mit ihren anrauthigen Quor- 
hündern von Fruehtselmüren , Candolabern u. b. w. Man denke sich 
die drei Schiffe der Vorhalle mit drei parallelen, reicheassettirten 
Tonnengewölben bedeekt. [Der Daehatuhl von Erz, welchen Ur- 
ban VIII. einschmelzen liess, bestand aus nicht sichtbaren Bindern 
ohne künstlerische Form.] Vor Allem vergesse- man Bornini's Glockon- 
thifnuehen. — Bei aller Pracht fand sich an dieser Vorhallo auch die 
Einfachheit an der rechten Stolle ein. Der innere wie der äussere 
Architrav hat nur die Profile, die ihm gehören; an seiner üntenseite 
ist nur eine Art von Rahmen als Verzierung angebracht | das äussere 
Hauptgesimse -) besteht nur aus dun unentbehrlichen 'i'heilen. Die 
Thüreinfassung , wahrscli ein lieh die ursp ün glich o 3 ) ist bei einem ge- 
wissen Reichthum doch einfachin ihren Profilen; die Brqnzethür selbst 
mag zwar noch antik, doch aus beträchtlich späterer Zeit sein. 

Am Hauptgebäude scheint aussen eine ehemalige Bekleidung von 
Stucco zu fehlen. Diesem Umstände verdanken wir den Anblick des 
vortrefflichen Ziegelwcrkcs , dergleichen beim Abfallen des Putzes 
von neuorn Gebäuden wohl selten zum Vorschein kommen wird. Ob 
die Consolen, welche die Absätze der Stock werke beliehnen, die ur- 
sprünglichen sind, wissen wir nicht anzugeben. 

Im Innern liberwilltigt vor Allem die Einheit und Schönheit dos 
Oberlichtes, welches den rieben Rundbau mit seinen Strahlen und 



nclunack realinirlrle . stuft sich nach Jen an nahe liegenden Muntern 3U richten, 

-) Oll Krün wen I in. r und Ciplicl nuuti vim Avrlpiin's Hau hernlammcn, bleibt dahin- 
gestellt i sicher ursprünglich Ist nnr der Architrav. 

3 > Die prachtvoll, 1 1-1 ll:u:vL-i!'jf.--.ir..-i 11 ..ks Alu-rt Linns hi.hcn wir nicht mehr oder mir 
in Bruchstücken. Bin solches , mit .Ich schönsten Afcniithusranken , welche In Schoten 
auslaufen, mit pfekonusn Viigetn u, a, w, findet sich In den unklen (Kussere Vorhalle). ' 
Viel bcacheldener, obnohl noch immer von- urosiem nciclilhum, tit die vollständig cr- 
naltenc TliUreiufMsun S vom Portion* dar Euiuuchi* zu l'omueji (jetzt Im Museum von •• 
Efapgl als Hingang der Ilailc des Jupiter verwendet). 

2" 



Diaitizcd by Google 



so 



Antike Architektur. Du Pantheon. 



Reflexen so wunderbar anfüllt. Die Gleichheit von Höhe und Durch- 
messer, gewiss an sich kein durchgehendes Gesetz der Kunst '), wirkt 
doch hier als geheim uissv oller Reiz mit. — Im Einzelnen aber möchte 
die Gliederung der Wund durch abwechselnd halbrunde und vier- 
eckige Nischen fast das einzige »ein, was von Agrippa's Bau noch 
übrig ist. Die Säulen und Pilaster dieser Nischen tragen zwar Ca- 
pitäle von grosser Schönheit, dnch nicht mehr von so vollendet reiner 
Bildung wie die der Vorhalle; auch die altzureiche, neunfache Canne- 
Ürung der Pilaster deutet wohl auf eine jener Restaurationen, doren 
von Domitian bis auf Caraealla mehrere erwähnt werden. Die heiden 
Gesimse, das obere und das untere, haben ihrer Einfachheit wegen 
noch eher Anspruch auf die Zeit Agrippa's, ohwolil der Porphyrfries 
Einiges zu denken giebt. Entschieden Spitt, vielleicht aus der Zeit des 
SeptimitiB Severus, sind die Säulen und Giebel der Altäre, wenn 
anch schon ursprünglich ähnliche an ihrer Stelle standen , als ent- 
sprechender Contrast zu den Nischen, wie es der römische Bausinn 
verlangte. Aus welcher Zeit die Bekleidung der untern Wandflächen 
mit Streifen und Rundnachen verschiedenfarbiger Steine herrühren 
mag, lässt sich schwor entscheiden ; man hat sie z. B. in der Madeleine 
zu Paris etwas zu vertrauensvoll nachgeahmt. Die jetzige Bekleidung 
der Wandfläche dos oborn Stockes ist notorisch erst aus dem vorigen 
Jahrhundert; dieiiltern Allbildungen zeigen dort eine Pilaster reihe, 
als natürliche und wohlthuen de Fortsetzung des Organismus im untern 
Stockwerk*). Endlich sind (ii.i duselten ihres jedenfalls prächtigen 
ilctallschmuekcs beraubt, doch auch noch in ihrer jetzigon Leere und 
Farblosigkeit von grosser Wirkung. Die Verschiebung ihrer Tiefe 
nach obon zu erscheint ursprünglich. Wer füllt aber das flache Rund, 
welches das Fenster uingiebt, mit den wahren alten Formen ausV 
Hier war für die ernste, monumentale Decoration der Aula ss zur 
meisterlichsten Schöpfung gegeben. — Zum Beschluss machen wir 
noch auf eine Disharmonie aufmerksam, welche schon dem Baumeister 
Agrippa's zur Last fällt. Die Thürnischc und, ihr gegenüber, die 
Altarnischc mit ilircn runden Wölbungen schneiden in das ganzeüuud 



') Und an gothlschen Kathedralen . wo sie vorkommt, ohne Zweifel nur Sache des 
Zufalls. 

'') Wo und wie die Karyatiden angebracht waren, von welchen die vatlcan Ische {Im 



Digitizcd B/Coogl 



Dm Pantheon. Tempel da» Man Dltor etc. 



auf eine üble Weise ein; es entsteht eine doppelt . bedingte Curve, die 
<Vas Auge nicht erträgt, sobald es dieselbe bemerkt liat. . 

Nachbildungen düs Pantheon ];ür.iicn niflir ^f-IVJbll linlien, und 
vielleicht wussten die römischen Nachahmer besser als Bianchi, der 
S. Francesco di l'aola au Neapel stückweise nach diesem Muster baute, 
auf was es im Wesentlichen ankam, nänibch aui'dieEihheit des Lichtes. 
Der runde .Vorbau von SS. Cosma e Damiano am Forum ist ein an- 
tiker Tempel, wahrscheinlich der Penaten, mit ehemals reinem 
Oberlicht (der doppelte Hoden, dessen unterer Raum zugänglich ist, 
hat nah rech ei nl ich das scharfe Echo, in der Mitte hervorgebracht), 
entstellt durch eine im Mittelalter aus antiken Fragmenten an willkür- 
licher Stelle eingesetzte Thür. Von Thermonräumcii u. dgi. mit Ober- 
licht wird weiter die Kode sein. 

Der Ansatz der geradlinigen Vorhalle an den Rundbau ist an 
sich betrachtet immer disharmonisch und das Pantheon dürfte nicht 
als entschuldigendes Beispiel geltan, weil die Vorhalle erst ein späterer 
Gedanke, ein Pen t im.cn to ist, weil zwischen dem Rundbau und ihr 
<lie Bestimmung dos Gebäudes verändert wurde. (Wenigstens waren 
■der Vorhalle, wenn ursprünglich beabsichtigt, wohl andere Verhält- 
nisse und geringere Ausladung zugodacht.] Wir werden sehen, 
wie bei spätem Gebäuden dieser Gegensatz aufgelöst und versöhnt 
wurde. 



Die überwiegende Mehrzahl der römischen Tempel ist oder war, 
wie bemerkt, von der länglich viereckigen Art. An den vorhandenen 
Fragmenten soll hier nur das künstlerisch Bemerk enswerthe hervor- 
gehoben werden. 

Weit der edelste Bau dieser Art ist der Tempel des Mars Ultor, 
welchen August 119 nach dem Siege Uber Antonius an der Rückwand 
seines Forums errichtete. Seine Mauern waren nicht aus Ziegeln, 
sondern aus mächtigen Travert inMücken construirt mit einer Marmor- 
bekleidung, von welcher noch der Sockel und einige der weitern 
Schichten erhalten sind. Die drei erhaltenen Säulen bestehen glück- 
licher Weise nicht aus Granit, sondern aus Marmor, und sind von 
mustergültiger Cannelirung , ihre Capitale trotz aller Entblätterung 
noch von überraschender Schönheit. Vom Gebälk ist nur der 
Architrav erhalten, der schönste aller römischen Bauten, ander 



82 



Antike Architektur. Tempel der Harciana. 



Untenseite mit Eecht unvorziert. Unvergleichlich in ihrer Art ist die 
Inneusicht der Decke des Porticus; die Querbalken mit einfacher 
Mäander Verzierung, die Cassettcu dagegen mit r ei chprofilirter Ver- 
tiefung, aus welcher mächtige Rosetten niederschaucn. 

Es folgen die drei Säulen am Forum, früher als Tempel des 
Jupiter Stator, jetzt als Tempel des Castor und Pollux benannt. Die 
Capitäle sind noch immer schon , doch nicht mehr von dem Lobens- 
gefülil durchdrungen wie die oben erwähnten; der Architrav hat 
schon eine stark verzierte Untenseite und im mittlem seiner drei 
Bänder eine Blätterreihe. Die ohern Theiie des Gebälkes dagegen 
verdienen ihren Ruf vollständig. 

Zu rein für die Zeit des Restauratora Septimius Severus sind die 
drei Säulen am Abhang des Capitols gebildet, welche die Ecke 
vom Tempel des Vespasian ausmachten. (Unter Titus errichtet, früher 
als Jupiter tonans oder Saturn benannt). Die Capitäle sind noch sehr 
schön , haben aber bereits eine lilättervcrzierung an der Deckplatte, 
doren Function nur ein einfaches Profil verlangt und ertragt. An der 
Vorderseite ist , wie bei mehrern Kaiserbauten , der Organismus des 
Gebälkes einer grossen Inschrift aufgeopfert , mit welcher moderne 
Baumeister Achnliches hu rechtfertigen glaubten. — Zwischen den 
Säulen sind, der steilen Lage wegen, Stufen angebracht, die den 
Anschein eine; Pierlestüls her vorbringen. 

Schon eine betrüchtlirlie Stufe niedriger steht der Tempel der 
Schwester Trajans, Harciana, die jetzige römische Doganadi terra ■); 
der Architrav ist bloss zweitheilig, der Fries conves, das Zwischen- 
glied zwischen beiden sehr schwer, die Unten seite des Architravs 
mit nichtssagenden Ornamenten bedeckt. (Das Obergesimse scheint 
modern Uberarbeitet, dass wir kein Urtheil darüber haben. Die An- 
sicht von der Seite, die eilf Säulen entlang, ist belehrend für die 
Anschwellung und Ausbauchung römischer Ordnungen. Der Unter- 
bau muss sehr hoch gewesen sein, da er noch jetzt aus dem 
Boden ragt.) 

i) Früher hlessdas Gebinde: Tempel des Antoninus Pins, und würo demnach etwa 
unter Maro Aurel erbaut gewesen. loh kenne die archäologischen Gründe für die jetzige- 
Benennung nlelit, glaube aber, dass die frtlhere besser um Styl des Gebäudes passte. 
Für Trajao'n Zelt sind die Formen wuld sehen zu flau und ausgeartet. Vielleicht wurde 
der Tempel wohl zur Ehre Marclana'a, aber erst lause nach ihrem Tode gebaut. [Jetzt 
meist Septuntonipol genannt; es fehlt für olle Namen an durchschlagendem Grund}. 



Tempel der Venns und Koma. 



Von dem Wunderwerk Hadrians, dem Tonipcl der Venus und a 
Roma, sind nur Stücke der beiden mit dem Rücken aneinander 
gelehnten Cellen erhalten, nebst einem Theil der Ungeheuern Unter- 
bauten und Treppenrauipen und einer Anzahl von Säulen fragmeuteu. 
Man fragt sich nur, wo der Rost hingekommen? Was wurde aus der 
öllO Fuss langen und 300 Fuss breiten Halle von Uranit&äulen, welche 
Jen Tempelhof umgab? was aus den 56 canneürten Säulen von grie- 
chischem Marmor (jede sechs Fuss dick), welche, zehn vorn und 
zwanzig auf jeder Seite (dio Eeksäulen beidemal« gerechnet), das 
Tempeldach trugen, wozu noch acht innerhalb der vordem und der 
hintern Vorhalle kamen? wie konnte das Gebälk bis auf ein einziges, 
jetzt auf der Seite gegen das OoloBseum eingemauertes Stiick gänzlich 
verschwinden? — Wenn irgendwo, so äussert sich hier die dämonische 
Zerstörungskraft des mittelalterlichen Roms, von welcher sieb das 
jetzige Rom so wenig mehr einen Begriff machen kann, dass es be- 
harrlich die nordischen „Barbaren" ob all dergränlichen Verwüstungen 
anklagt. Wenn auch die ä'/a Fuss dicke Marmormauer (denn hier 
waren es keine blossen Watten), m o.lelie dio Ziegehnaner umgab, wenn 
die porphyrne Säulen Stellung im Innern der beiden Cellen mit sammt 
dem Schmuck aller Nischen und der Bodenbekleidung geraubt wurde, 
so ist dies noch eher zu bogreifen, weil es eine leichtere Aufgabe 
war. — Hadrian hatte bekanntlich den Tempel selber coinponirt und 
dabei auf einen höhern Totaleffekt des so wunderlich in zwei Hälften 
getheilten Inner u aus irgend welchen (.iriinden verziditet. Wenn aber 
der Tempel selbst 333 Fuss lang und 1 fiO Fuss breit war, so blieb, bei 
der oben angegebenen Ausdehnung der Hüllf des Tempclhofes auch 
für die Wirkung von ausson nur ein verhältnissmässig schmaler Ranm 
übrig; der Beschauer konnte sieh vorn oder hinten kaum SO Fuss von 
einer Fassade entfernen , die vielleicht doppelt so hoch war (nämlich 
etwa so hoch als breit). FUr den Anblick aus der Ferne war dies wohl 
gleichgültig, indem der Tempel mit seiner enormen Masse Alles 
überragte. - Welcher Ordnung seine Capitäle gewesen , ist un- 
bekannt; der Wahrscheinlichkeit nach [welche Münzen und ein Bas- 
relief bestätigen] wird er hier bei den korinthischen aufgezählt. Die 
Halbkuppeln der beiden Nissehui haben nicht mehr quadratische, son- 
dern rautenförmige Cassetteu, welche mit denjenigen des Schiffes der 
Cellain offen barer Disharmonie stehen, dennoch aber fortan kunstüblich 
wurden. (Die Cassetten gewiss nach dem Brande unter Maxentius.] 



24 Antike Architektur. Tempel de> Antonio. T. zu AuUi. 

Der Tempel des Antoninus und der Faustina, (jetzt 
Kirc.heS.LorenzoiuMiniudai ein Hau M;iit Ann-ls. ist für riieso Zeit ein 
sehr schönes Gebäude. Die (''iitdllinsänlen sind zwar, um den pracht- 
vollen Stoff ungestört wirken zu lassen, uueannelirt geblieben, trafen 
nberCupitüle, die bei einer fast totalen Entblätterung noch eine einst 
ganz edle Form ahnen lassen. Der Architravist mir noch zweitheilig, 
an der Unterseite massig (mit Torusband und Mäander) vorziert; der 
Fries, soweit er erhalten ist, enthalt treffliche Greife, CandeHber und 
Arabesken; das Obergesimse, statt der Consoten mit einer weitvor- 
ragenden Hohlrinne versehen, ist mich einfach grossartig gebildet (nur 
an den Seiten sichtbar). Der Kernbau bestand wie beim Tempel des 
rächenden Mars ans Quadern (hier von Peperin), welche mit Marmor- 
jiluttots iibciv.Oi.-en waren. 



Von den Gebäuden dieser Gattung ausserhalb Roms gehürt der 
b schöne Minerventcmpel von Assisi mit seiner vollständig erhaltenen 
sociissäuligen fronte noch in die bessere Zeit der korinthischen Bau- 
ordnung; die Formen sind noch einfach und ziemlich rein, der Giebel 
niedrig, [miteigeiithiutdichein gedreht ein Wulst anstatt dcsKymation]. 
Audi hier sind zwischen den Säulen Stufen angebracht, welche den 
Säulen das Ansehen geben , als ständen sie auf Piedestalen. Und In 
der That hat mau diesen Zwischenstücken der Hasis ein besonderes 
kleines Gesimse und Basis gegeben , welche besagten Anschein noch 
erhöhen. Allein an keinem einzigen Tempel haben die Säulen wirk- 
liche Piedestale; diese entstehen erst, wo weit auseiuanderstehende 
Säulen zurDeeoriiticn einer dazwischen liegenden Haiii'nrni, 7.. lt. eines 
Bogens dienen müssen und doch, um anderweitiger Gründe willen, nur 
massige Dimensionen haben dürfen , welchen man durch einen Unter- 
satz nachzuhelfen geniitliigt ist. 

Ausser den genannten Tempeln wird man noch au vielen altern 
Kirchen Italiens einzelne Säulen und Gebälkstücke von Tempelruincn 
in die jetzige Mauer aufgenommen finden, allein sehr selten an ihrer 
echten alten Stelle und kaum irgendwo so, dass sich auf den ersten 
AiiMi'k .1. r ' li'rnili^'n fli;'«iij«fiii« n u ,l «i Ii,.' Verhall n im« «rratlirn 
c liessen: An S. Paolo in Neapel stehen von der Colonnade des Dios- 
ku reut emp eis, die noch im 17. Jahrhundert fast vollständig zu sehen 
d war, nur noch zwei korinthische Säulen. Don Dioskurenteiupel 



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Tempelfragmente. Tempel zu Pompeji. 25 



in Com tohbb man aus zwei könnt hineilen Sünlen mit einem Gebälk* 
atiieke erganzen. Der grosse Fortunentempcl von Paliistrina 
ist mit all seinem Terrassen- und Treppen werk von einem Theil des 
jetzigen Städtchens völlig überbaut ; ehcnmls'vielleieht eine der präch- 
tigsten Anlagen der alten Weit. Der Dom von Torracina ist in die 
Trümmer eines korinthischen f'?} Tempeln, wahrscheinlich des Jupiter 
Anxur hineiugobaut, von welchem noch der Unterbau und zwei Hfilb- 
sä'nlen (hinten) eine bedeutende Idee gellen. [Aehnllcli die Cathedrale 
von Pozzuoli, S. Proculo, in einen T. d. Augustus.] 

Vorzüglich durch die Anlage bedeutend ist der ebenfalls korin- 
thische Heren lostompel zu Brescia; an einen Abhang gelehnt 
nnd desshatb mehr Breitnau als Tiefbau, ragt er mit seinen drei Cellen 
aof hohen Substrnetioncn empor; der I'iirtiens tritt in der Mitte um 
zwei Säulen vor, nnd an diesen Vorbau setzt dann die breite Treppe 
an. Von den Säulen und den Ibiuern der (jetzt, innen zum Museum be- 
nützten) Cellen ist bo viel erkalten , das« das Auge mit dem grJissten 
Vergnügen sieh den ehemaligen, lioehmalerisclien Anblick des Ganzen 
vergegenwärtigen kann. 



Von den Tempeln in Poinpej i erhebt sieh , seit dem Verschwin- 
den des altdoriscbcn Heruklcstempcls, keiner über ein bescheidenes 
Maass; ihre Säulen , z. Th. aus Ziegeln mit Stuceoüberzug, sind in so 
beschädigtem Zustand auf unsere Zeit, gekommen, dass bei mehreren 
selbst die Ordnung zweifelhaft bleibt, der sie angehörten. Der 
Jupitertcmpel auf dem Forum hat noch Reste seiner korinthischen 
Vorhalle (ausser der schon erwähnten ionischen Ordnung im Innern); 
allein das Material [Tuff] , gestattete nicht diejenige freie und leben- 
dige Durchbildung, welche das korinthische Capitäl, das Lieb Ii ngs- 
kind des weissen Marmore, verlangt. Pompeji liefert hier, wie in 
mancher andern Beziehung, wichtige A ufsehlüsse darüber, wie die 
Alten auch mit geringen Mitteln einen erfreulichen Anblick hervor- 
zubringen wussten. Allerdings mnss das A uge hier (wider Erwarten) 
gar Vieles restauriren, indem die vielleicht ineistentlieils hölzernen 
Gehälke verschwunden und die Säulen halb oder ganz zertrümmert 
sind; allein schon der Gedanke an das ehemalige Zusammenwirken 
der Tempel und ihrer Höfe mit Hallen und Wandnischen ergiebt einen 
grossen künstlerischen Genuss. (Tempel der Venus, des Mercur oder 



26 Antike Architektur. Tempel m Pompeji. BundtempeL 



a Romulus, derlsis). Man kann Bich genau überzeugen, aus welcher Eut- 

b fernung der Baumeister seinen Tempel betrachtet wissen wollte, und 
wie wenig ihm der perspectiv! sehe Reiz, der sieh ja hier in so vielen 
Privathäusern auf einer andern Stufe wiederholt, etwas Gleich- 

o gültiges war. (Von dem hübscheu Fortunentempel, welcher ohne liof 
an einer St rasseiiccke frei herausragt, ist leider die Vorhalle ganz ver- 
schwunden). Allerdings zeigt sich nur weniges von Stein und fast 
nichts von Harinor , aber das Ziegelwerk ') ist fast durchgängig treff- 
lich und der dick darauf getragene Mörtel und Stucco von einer Art, 
welche den Neid ulier jetzigen Techniker erregen mag. Die Formen 

d zeigen wohl oft, wie z.B. nur Isistempel, eine barocke Auaartung, 
doch mehr die untergeordneten als die wesentlichen. Was die Hallen 
der Tempelhofe (und der zum Verkehr bestimmten Räume Überhaupt) 
betrifft, bo vergesse man nicht, dass hier das Bediirfnisfl weitere 
Zwischenräume zwischen den Säulen verlangte, als man an derSliulen- 
halle des Tempel selbst gut heissen würde , und dass hier wahrschein- 
lich schon die Griechen selbst mit dem vernünftigen Seispiel vorange- 
gangen waren. Sich zum Sklaven einmal geheiligter Bauverhältnisae 
zu machen , sich! ilmen am allerwenigsten ähnlich. 



Von Rundtempeln mit umgeben der korinthischer Säulenhalle 
sind uns durch eine Gunst des Geschickes zwei verhältnissmiissig gut 
erhaltene übrig geblieben, in welchen diese überaus reizende Bauform 
noch ihren ganzen Zauber ausspricht. Aus guter , vielleicht hadria- 

e nischer Zeit stammt der Vestatempel zu Tivoli, welcher nicht nur 
die meisten seiner cannclirten Säulen , sondern auch die schone Decke 
des Umganges mit ihren C'assetten und das Meiste des Gebälkes sammt 

f dem verzierten Fries noch aufweist. Am sog. Tempel der Vesta 
(nach anderer Ansieht der Cybele oder des Herkules Victor, jetzt 
S. Maria del Sole oder S. Stcffaito dello carozze) zu Rom fehlt sogar 
von den schlanken , dicht gestellten zwanzig Säulen nur eine, aber 
dafür das ganze Gebälk; von der vierstufigen Basis sind wenigstens 
noeil Stücke sichtbar. Nach den Capitälen zu urtheilen gehört das 



■) Das so hübsch aussehende „Opus reticnlntum", welches hEer und an andern Rumer- 
baulen tiberall vorkommt — schlag Uber einander llOKCIlilä quadratische Bruchsteine (in 
Pompeji Lasa und TutT, In Rom iiiwelleu Ziegel), war später meist von itb'rlcl bedeckl. 



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Rundtempel. Schicksal der Sänlen. 



27 



Gebäude etwa in das 3. Jahrhundert; der," Kelch greift mit seinem 
Rande nicht mehr über den Rand der ziemlich dick gebildeten Deck- 
platte und die Ausführung der Blätter hat schon etwas leblos Deco- 
ratives. Die Seitenfonstor erklären sich vielleicht durch die Kleinheit 
beider Gebäude, in welchen unter einer Kuppeloffnung kein Gegen- 
stand vor dem Wetter sicher gewesen wäre; doch bleiben sie immer 
auffallend. Von dem runden Serapistempel zu Pozzuoli mit 
seiner vierseitigen Hof halle stehen nur noch die berüchtigten drei 
Säulen , über deren von Seeschnecken angefressenen oberu Theil sich 
die neapolitanische Gelehrsamkeit noch immer den Kopf zerbricht. 

Ganz kleine Rundtempel Helen wohl eher der zierlichen ionischen 
ala der korinthischon Ordnung zu, deren Capitäl eine gewisse Grösse 
verlangt , wenn sein inneres Gesetz sich klar aussprechen soll. *) So 
scheint das Tempelchen im Klostcrhof von S. Niccolö a' Cesarini 
zu Rom (vier Säulenstücke) und das sog. Pute al beim Heraklcs- 
tempel zn Pompeji (acht untere Enden) ionischer Ordnung gewesen 
zu sein. Moderne Nachahmungen, wie die beiden Rundtempelehen 
ohne Cella in der Villa Borghcse, geben nur einen sehr bedingten Be- 
griff von der Anmutli antiker Ziergobäude dieser Art, auch wenn sie 
(wie die genannten) aus antiken Bruchstücken zusammen gesetzt sind. 

Tempel vou Comp osita- Ordnung wüssten wir keine zu nennen, 
wie denn diese Ordnung überhaupt mehr die der Triumphbogen und 
Paläste scheint gewesen zu sein. (Eine Anzahl Composlta- Capitäl e in 
der Kirche Ära Celi zu Rom). 



Weit die grösBte Anzahl erhaltener antiker Säulen, wohl in der 
Regel von Tempeln , findet man in den christlichen Basiliken Italiens, 
wo sie Mittelschiff und Vorhalle tragen, auch wohl auf alle Weise ein- 
gemauert stehen. Beim Sieg des Christenthums waren gewiss die 
heidnischen Tempel überall die ersten Gebäude, welche ihren Schmuck 
für die Kirchen hergeben mussten. Die älteren Basiliken, aus dem 



l) Indesa hatte Bich aus gntsr griechischer Zell ein einfacheres korinthisches Capitäl 
erhalten, welche« für solche kleinere Aurgauen sehr wohl passie. Es hat bloss vier 
Blätter, welche gleich die Eckvoluten trjgeo ; zwischen ihnen unten Eier, oben um 
Kelche Palme tten. InS.Kiceolb in Cnrcere zu Hera haben eich von einem der Tempel, 
welche In diene Kirche verbaut Bind , noch filn! Säulen mit strichen CapUSlen Kennet. 
Der noch sehr guten Detallblldnng gemäss niÜchlen »ie dein 1. Jahrhundert ungehliren. 



28 Antike Architektur. Schicksal der Säulen. GrahmMer. 



ersten christlichen Jahrtausend, da die Auswahl noch grösser war, 
ritlien in der Kegel auf den ehemaligen Aussensäulen von einem 
antiken Gebäude, welche siel: desshalb gleich sind und identische 

a Capitäle haben. (Glänzendes Beispiel: S.Sabina auf dem Aventin). 
Später war man schon genöthigt, Säulen von verschiedener Ordnung 
und Grösse von verschiedenen Gebäuden zusammen zu lesen, die 
einen zu kürzen , die andern durch Untersätze zu verlängern und mit 
barbarisch nachgeahmten Cnpitälen nachzuhelfen. — So wurden 
wohl die Tempel zu Kirchen umgewandelt, aber in einem ganz andern 
Sinne als man sich es wohl vorstellt. — Wir zählen diese Ilauten nieht 
hier auf, weil ihr wesentliches Interesse eine andere Stelle in An- 
spruch nimmt und weil die Doiajlbildung, namentlich an den korin- 
thischen Säulen der linsilikeu ausserhalb Roms, selten oder nirgends 
so vollkommen rein und schiiu ist, dass sie schon hier als klassisch 
erwähnt zu werden verdiente. 

So gross nun der Verbrauch von Tcmpelsäulen für die Kirchen 
soin mochte, so weit man herkam, um in Rom Säulen zu holen, ') ao 
ist doch das giin/liche Vorschwindln vieler Tanscndc derselben immer 
noch eine unerklärte Thatsacho. Rechne man hinzu die verlornen 
(iebälke, deren einzelne Theile doch, vom Architrav bis zum Kranz- 
geaimse, alsii oft in einem Durchmesser bis zu sechs Fuss, aus Kinom 
Stück gearbeitet wurden und sich, wenn sie noch da wären, he- 
morklich machen müssten. Neben den zwei Riesenfragmenten vom 

i> Sonnentempcl Aurelians (im Garten des Palazzo Colonna zu 
Rom) fragt man sich unwillkührlich, wo der Rest hingekommen. 
Vieles mag allerdings noch unter der jetzigen Bodcnfliicbe iiberein- 
andergeatürzt liegen, sonst aber darf man vermuthen, dasa das 
mittelalterliche Rom seine Kalköfen mit dem antiken Marmor gespeist 
habe. [Dies haben u. A. Ausgrabungen in Ostia bewiesen.] 



An die Tempel schlieasen sich von seibat die Grshniäler an, 
welche ja in gewissem Sinne wahre Helligtliiimcr der Manen waren. 
Wir übergeben die altitalischen mit ihrer jetzt meist sehr formlosen 



>) BckanntUoh geechnh dies i.B. durch Carl den Grojien. — Noch im Ii. Jahrhun- 
dert hing es an einem Hur, iläaa nicht (Ur den Neubau von S. Deny* bei Pari» dia 
Säulen fertig von Rom bezogen wurden. 



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Qrabm&Ier in Capellenform. 



Kegelgestnit ') oder ihren Felsgrotten und Gewölben, um uns den 
Werken einer durchgebildeten, frei Behaltenden Kunst anzuwenden. 

Diese behielt zunächst, für die Gräber der Grossen dieser Erde, 
die runde Gestalt bei und gab ihr den Charakter eines niiichriirni 
Baues mit griechischen Formen. üt> ist. das Grab der Caoeilia Me- a 
tella an der Via Appia vor Rom ein derber Rundbau auf viereckigem 
Untersatz, mit dem bekannten schönen Fries von Frucht schüttren und 
Stierschiideln, inneu mit einem konischen Gewölbe. Aetmlich (?) das 
des Mnnatius Plancus zu Gaeta. — Noch viel herrlicher aber waren b 
die lirabuiälüf unkest littet , welche Augustus und Hadrian für sich 
und ihre Familien bauten. Freilich verrät Ii deren jetzige Gestalt •— 
der sog. Correo und die Engclsburg — nicht mehr viel von der c 
ehemaligen terrassen weisen Abstufung mit rund herum gehenden 
Säulenhallen und Baumrciheu bis zur Kuppel empor. (Das runde 
Mausoleum der Kaiserin Helena, jetzt Tor Pignattara vor Porta i 
macgiure , lohnt in seine!» jetzigen Zustande den Besuch nur noch 
für den Forscher. Ein grosses rundes Denkmal liebst einem andern, 
thnruiartigcn, steht zu Conochiu, zwischen Alt-Capua und Caserta). e 

Eine jetzt vereinzelt stehende Grabfoi m (die aber früher noch in 
Kom ihres Gleichen hatte) ist die Pyramide des Cajus Cestius, bei f 
Porta 8. Paolo; die Grille eines reichen Mannes, vielleicht angeregt 
durch Eindrücke des damals neu eroberten Aegyptens. Wie die 
colossale Bildsäule des Verstorbenen und die noch jetzt in Resten 
vorhandene Säulenstellung mit der so unzugänglichen Pyramiden form 
m einige Harmonie gebracht war, lässt sieh schwer errat hen. 

Sonst war für reichen! Piivatgriiber die viereckige Capelle mit 
einer Halle von vier Säulen, oder zwei Pfeilern und zwei Säulen, auch 
bloss mit Pilastern, oft auf hohem Untersatz, der beliebteste Typus. 
Das Innere bestand entweder bloss aus einer kleineu untern Grab- 
kammer mit Nischen , oder auch noch aus einem obern gewölbten 
Kaum. Dieser Art sind sehr viele von den Gräbern an der Via 
Appia wenigstens gewesen, denn die Zerstörung hat. an keinem ein- 
zigen die Steinbekleidung verschont, so wenig als an den sog. Grä- 
bern des Ascanius und des Pompcjus bei Albane, an dem des Cicero b 
hei Mola di Gaeta und an so vielen andern. Am bebten ist es ein- h 



■) An dorn Bog. Grabmal der Hornticr uns! Curlatler vor Albano llt (ILO Bekleidung ■ 
ä« UmeiHtzo und der fünf Kegel faat ganz mortem. 



30 Antike Architektur. Grabmal« in Capellenform. 

zelnen grossentheils von Backsteinen errichteten Grabiuälern er- 
gangen, wie z.B. demjenigen beim Tavolato vor Porta S. Giovanni, 
und dem fälschlich so benannten Tempel des Deus redieulus (am 
Wege zur Grotte der Fgerin). Hier sind nicht liloss die Mauern, son- 
dern auch die (allerdings imvoiucn) baulichen Details von einem Stoff 
gebildet, der nicht wie die verschwundenen Marmor Vorhallen die 
Raubsucht reizte und vermöge höchst sorgfaltiger Bereitung den 
Jahrtausenden trotzen kann. (Bezeichnend : die möglichste Dünnheit 
und daher gleichmüssigc Brennung des Backsteins ; Zusammensetzung 
sogar der Zierrathcn aus mehrern Platten). — Ganz wohl erhalten ist 
nur der sog. Bacchustompel, aus später Kaiserzeit (als Kirche: 
8. Urbano, über dem Thal der Egeria), welcher noch seine voll- 
ständige Fassade mit Säulen und Pilastcrn, sein Untergcschoss mit 
den Grabresten und sein Obergcsehoss mit cassettirtem Tonnenge- 
wölbe besitzt, zugleich aber durch den schweren Aufsatz zwischen 
dem Gebälk und dem haekstehieniiMi Giebel Anstoss giebt. [Die 
Gräber an der Via Latina, s. oben S. 14 i , von interessanter An- 
lage, Vorhof und Ueberbau der unterirdischen Grabkanuner]. — Eine 
Spielerei wie (ins Grab des Bäckers Eurysacos an der Porta 
Maggiore zeigt nicht weniger als die Pyramide des Cestius, dass der 
Aberwitz im Griilwiian nicht uuss-chliesslieh eine Sache neuerer Jahr- 
hunderte ist. [Mau vergleiche das Rcliefbild eines geschmückten 
(.raliti'iupels im Lateran, 10. Zimmer.) . . 

Alles erwogen, möchten diese Gräber in Capelleuform das Beste 
gewesen sein, was sich in dieser Gattung schaffen Hess. Sie sind 
CoUeetivgrKber und enthalten, nach der schönen Sitte des Alter- 
thums, die Nischen für die Aschenkriige ganzer Familien, auch wohl 
ihrer Freigelassenen auf einem verhältnismässig sehr kleinen Raum 
beisammen. Auf dem neuen Campo santo bei Xen pel und anders- 
wo hat man dieses Motiv wieder aufgegriffen und sowohl Familien- 
grüfte als auch Grabcapellen für die Mitglieder der sog. Gonfraterni- 
täten in Form von kleinen Tempeln errichtet. Trotz der meist sehr 
oberflächlich gehandhabten antiken Nachahmung ist jenes Campo- 
santo jetzt der schönste Kirchhof der Welt, auch ganz abgesehen von 
seiner Lage. Andere Kirchhofe, deren Werth in den prächtigsten 
Separat grab ern besteht, werden ihn in der Wirkung nie erreichen. 
Und wie viel grosser würde diese noch sein, wenn man die ech- 
ten griechischen Bauformen angewandt und nicht ein abscheulich 



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Grabmal«- in Capellenfonn, 



31 



misa vorstand encs Gothisch neben die lahme CUssicitiit hingesetzt 
hatte. 

Ohne allen baulichen Schmuck o rech einen (wen igstens jetzt) einige 
sog. Columbarien, unterirdische Kammern mit bisweilen äusserst 
zahlreichen Nischen (hie auf 150) für die Aschenkrüge. So dasjenige 
für die Dienerschaft des augusteischen Hauses an der Via Appia, 
Vigna Codini (innerhalb Porta S. Sebastian«) und dasjenige in der 
Villa Pamfili; ein kleines, das sog. Grab der Freigelassenen dcrOctavia 
beiS. Giovanni aportaLatina; andere in Ostia. Säramtlich interessant 
durch die Decoration in Stuck und Malerei. 

Endlich bietet uns die Gräherstrasse Poinpeji's eine ganze 
Anzahl der verschiedensten Grahformen dar, Capellen, Altäre, halb- 
runde Steinsitze n. s. w. Die neuere Decoration , in ihrer Verlegen- 
heit um würdige Gestaltung der letzten Ruhestätte, hat sieh oft hie- 
her an die Heiden gewandt, um sich Käthes zu erholen , und unsere 
nordischen Kirchhofe Bind damit nur noch bunter geworden. Die Alten 
werden 1 uns ans der Grabmal eranarchie, in die wir ans Innern Gründen 
nnsercr Bildung verfallen sind, nie heraushelfen, so lange wir ihnen 
nur den Zierrath und nicht das Wesentliche absehen, nämlich das 
Colloctivgrah. Dieses ist freilich am ehesten bei der Leichen Verbren- 
nung mit massigen Mitteln schön auszuführen, und unsere Sitte ver- 
langt beharrlich die Beerdigung, ohne darauf au achten, welches 
Schicksal später die Gebeine zu treffen pflegt, sobald ein Kirchhof 
einer andern Bestimmung anheimfällt, und wie viel sicherer die 
Aschenkriige in einem verschlossenen kleinen Gewülbe geborgen 
sind. — Seit dem 2. Jahrhundertc kamen mit der Beerdigung die Sar- 
kophage wieder in Gebrauch, welche theils im Freien, [wie auf dem 
Soldatcn-Bcgräbnissplatz im Walde, oberhalb Albano] thcils in Grüf- 
ten , theils in Grabgebäuden wie die bisher üblichen gestanden haben 
mögen. Mchrero in den Grabe™ der Via Latina. Römisch-christliche 
-Mausoleen werden an anderer Stelle besprochen werden. 



Auf die Grabdenkmäler mögen die Ehrendenkmälcr am 
schicklichsten folgen. Wir sehen einstweilen ab von den Ehren- 
Btatuen, welche von hoher Basis herab die Plätze der Städte be- 
herrschten 'man vergleiche die Basen auf dein Forum von Pompeji, 
etc.) und beseitigen auch einige sehr entstellte Baulichkeiten: das 



82 Antike Architektur. Ehrendenkmülec. Obelisken. 



Donkmal des augusteischen Krieges gegen die Alpcnvülker au 
Turbia bei Monaco (j etzt hl "*s « in vierseitiger thurntartiger Mauer- 
kern); die Trofef di Mario, d. h. die einst plastisch geschmückte 
droitheilige Fronte eines WussercastellB der Aqua Julia in Rom (un- 
weit hinter S. Maria maggioro), u. dgl. tu. Von den Säulen des 
Trajan und des Maro Aurel wird bei Anlass der Sculptur weiter 
die Rede sein-, hier Bind sie zu erwähnen als sehr unglückliche Ver- 
suche, einer Ungeheuern Masse bildlicher Darstellungen einen mög- 
lichst com pendiü seit Träger oder Kaum zu vi: lach äffen. Die Säule 
muBsto hiezu ihrer Bestimmung, welche das Tragen eines Gebälkes 
ist, entfremdet und mit spiralförmigen, also fast wagr echten Linien 
umgeben werden, die ihrem innern Sinn geradezu « idersprechen ; die 
so angebrachten Sculpturen aber geniesst aneli das schärfste Auge 
nicht mehr. Doch muss man anerkennen , das wenigstens das Capitäl 
sehr augemessen als blosser verzierter Siiuleualjpcliluss, als Ecliinus 
mit Eierstab, nicht als Uebcrlcitung der Tragkraft gebildet ist. (Die 
zwischen beiden Denkmälern seitlich in der Mitte liegende .Säule des 
Antonmus Pius bestand aus einem glatten Grnnitachaft, auf einem 
Marmorpiedestal mitSculptureu, welches letztere allein uoch erhalten 
ist. Die Säule des Phocas auf dem Forum wurde von einem Ge- 
bäude des II. Jahrhunderts geraubt, um im VII. Jahrhundert als 
Ehrendenkmal zu dienen; die Columna rostrata des Duilius aber , in 
der untern Halle des Couservatoreupalastes auf dem Capitol, wurde 
im XVI. Jahrhundert der alten Inschrift zu Liebe aus der Phantasie 
hiuzugeschaffen). 



Auch von den Obelisken inuss hier die Rede sein, obschon sio 
im alten Rom nicht zu abgesonderten Denkmälern dienten, wofür sie 
sich auch sehr wenig eignen, sondern vielmehr zum bedeutungs- 
vollen Schmuck von Gebäuden. Sie hielten Wache am Eingänge des 
Mausoleums des Augustus; sie standen auf der Mitte der Mauor 
(Spina), welche die Cirken der Länge nach theilte; einer warf auch, 
gewiss von angemessenem baulichem Seliuiue.k umgehen, als Sonnen - 
zeiger seineu Schatten auf das Martfeld. YV;t lux.' Ii ein lieh gaben ihnen 
schon die Römer senkrechte Pledestale zur Unterlage, während ihre 
höchste formale Wirkung im alten Aegypten gewiss darauf beruhte, 
dass sie erstens ganz aus Einem Steine bestanden und zweitens mit 
ihren schiefen Seitenflächen bis auf die Erde leichten. Das Wesent- 



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Obelisken. Triumphbogen. 



33 



liehe aber war, in Horn wie im alten Aegypten, die Aufstellung im 
Zusammenhang mit einem monumentalen Bau. Neuere wundern Bich 
bisweilen mit Unreeht, wenn ein aus hunderten von Steinen zu- 
sammengesetzter Obelisk, einsam in die Mitte eines grossen vier- 
eckigen Platzes einer modernen Hauptstadt hingestellt, trotz aller 
Höhe und trotz allen Ornamenten nur als reinster Ausdruck der 
langen Weile wirkt. ■) 



Weit die ivii htia^ti vi Knirti viii iikmäler, mit Ausnahme jeuer bei- 
den Spiralsitulen , sind die Triumphbogen, eine echt italische, 
und zwar etruskische Form des Prachtbaues, welche uns zugleich 
den Sinn römischer Decoration deutlicher offenbart als die meisten 
sonatigen Uobcrrestc. — Das einfache oder dreifache Thor erhielt 
eine Bekleidung architektonischer und plastischer An, die aller- 
dings nicht ans dem Innern kommt, sondern wie eine glänzende 
Hülle herumliegt, in dieser Gestalt aber die Kunst doch immer be- 
herrschen wird. 

Die Provinzen enthalten fast lauter einfachere Bauten dieser Art, 
welche zugleich der Zeit nach zu den frühesten gehören.. So der 
Bogen in Aosta, die des August u» in Susa, Fano und Rimini a 
(jetzt Porta Romana, ein als Triumphbogen gestaltetes Ht.tiltthor zur 
Verherrlichung der augusteisch cn Strassenl)auten), der von Pol« h 
(wahrsclie inlieh augusteischer Zeit), mit zwei korinthischen Säulen 
oder Halbsaulen und einem Gesimse nebst Giebel oder flachem Aufsatz 
(Attiea). Sehr edel, sehiank und einfach der marmorne Bogen Tra- 
jans am Hafen von Anco na, einzelner bronzener Zier rathen beraubt, « 
ohne Zweifel auch der Bildwerke, mit welchen man sich das Dach 
jedes Triumphbogens bekrönt denken muss. 2 ) [Zu Benevctit der d 
Trajansbogeu (jetzt Porta aurea) mil reichen ll^sn-liel's bedeckt]. 

'1 Bei diesem Aulass darf man fragen : wer hat die Obelisken umgestürzt and blosa 
den von S. Peter auf seiner Spina (in dar Nähe der jetzigen Stelle) stehen lassen J • 
Erdbeben oder Fanatiker waren u dicht, denn diese hatten auch gar -vieles andere 
umstürzen müssen, das noch aufrecht steht. Ich ruthe un massgeblich auf mächtige 
Schatzgräber in den dunkelsten Zelten des Mittelalters tetwa. Im X. Jahrhundert) und 
erinnere an die fast durchweg arg zerstörten und deshalb »bgeaSgten untersten Thello. 
wo man den Obelisken mit Feuer und autn mEgUchen Iiiätrumentcu zugesetzt laben 
mag. Den Ton S. Peter schlitzte .laiin wahrscheinlich die Nachbarschaft des Hallig. 
Ihnraea, oder die mehrmalige Enttiiuschung. 

2 > [Belehrend : ein Relief Im 10. Zimmer des Lateran.] 

Barckharät, Cictnmi. 3 



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34 Antüw Architektur. Triumphbogen. 

In Rom beginnt die Reihe, nachdem die Bügen aus rcpublika- 

a nischer Zeit und der Tiberiushogen am Capitol verschwunden sind, 
(abgesehen von dem sehr entstellten und wahrscheinlich späten 

b Drususbogen) mit dem berühmten Denkmal des Titus, welches 
unter Pius VII. bescheiden und zweckmässig restaurirt wurde. An 
dem echten mittlem Stück sind , in richtiger Würdigung der Klein- 
heit des Ganzen, blosse Halbsäulen (von Com posita -Ordnung) ange- 
bracht, welche unten keines liesondcrn Piertestais, sondern nur des 
durchgehenden Sockels bedurften. Die Einfassung des Bogens 
selbst, wie gewöhnlich mit der Gliederung eines Arclütraves, ist 
hier einfach und edel , der -Seh luss stein als eine prächtige Console 
gestaltet. Im Innern des Bogens sind die Cnssettcn von der schönsten 
Art, ebeuso aussen das Hauprgesimse mit dem figurenreichen Fries. 
(Ueber die Sculpturen dieses und der folgenden Monumente siehe 
unten). Die Flächen neben und seitwärts über dem Bogen selbst 
waren nicht mit Reliefs geschmückt, wie an dem sonst ähnlich ange- 

e legten TrajaiiB-llogen von Benevent, sondern glatt und mit zwei 
Fensternischen versehen , wie alte Fragment e beweisen ; die Mitte der 
Attica nimmt die Inschrift ein, die noch jetzt an der Seite gegen 
dn3 ColoBscum echt erhalten ist. (An der andern Seite war sie einst 
identisch wiederholt). Zur Vollendung des Eindruckes gehört unbe- 
dingt noch der ohemc Wagen des Imperators mit der Victoria und 
dem Viergespann oben auf dem Dache. 
' Den reichern, droit hörigen Typus vertritt zunächst der Bogen 

d des Septimius Severus. Hier haben wir zwar nicht das iiiteste 
Beispiel, aber zufällig den ersten Anlass zur nähern Erwähnung für 
eine den Römern eigene Bauform, die vortretenden Säulea auf Piedc- 
stalen, welchen oben ein ebenfalls vortretendes (verkröpftes) Gc- 
bälkstück entspricht; auf diesem letztern fand sich die wirkungs- 
vollste Stelle für ein decoratives Standbild. Der überaus reiche und 
prächtige Effect solcher Sknleu, wenn man sich eine ganze Reihe der- 
selben an einer Mauer fortlaufend denkt, lässt es wohl vergessen, 
rtass der Zierrath ein rein willkürlicher ist und mit dem Innern Orga- 
nismus des Gebäudes nichts zu schaffen hat; es ist die dem Auge 
angenehmste Belebung der Wand mit schönen, rc ichschattigen Ein- 
zelformen, die sich ersinnen lässt. Sie entstand, wie oben (Seite 
Ti) bemerkt, sobald weite Intervalle mit Säulen decorirt werden 
mussten. Die vortretende Säule selbst, erhielt hinter sich , bisweilen 



□ igilized b/Coogl : 



Triumphbogen. Janas bogen. 



auch zu beiden Seiten, einen oder drei analog gebildete Pilaster 
zur Begleitung, welche die Wand angenehm unterbrechen. — Am 
Severusbogen sind allerdings die Details mit ermüdendem Reich- 
thum und schon etwas lahm gebildet; auch stört die Inschrift, welche 
prahlerisch die ganze Breite der Attica einnimmt. Ehemals mochten 
die Statuen gefangener Parthcrkönigc auf den Gesimsen der vier 
vortretenden Säulen die Eintönigkeit einigermaßen aufheben. 

Das Ehrenthor, welches die Goldschmiede in Kom demselben 
Kaiser und seinem Hause errichteten, ist ein Beleg dafür, wie unbe- 
denklich und beliebig die Baukunst zu Anfang des III. Jahrhunderts 
mit ihren Formen wenigstens im Kleinen umging, indem sie dieselben 
mit Zierrathen aller Art anfüllte. Die Renaissance berief sich in der 
Folge auf dergleichen. — Der Bogen des Gallienus ist im Gegen- b 
satze hiezu fast nüchtern einfach, kommt alter als Bau eines Privat- 
mannes liier kaum in Betracht. 

Es folgt der Bogen Constantins d. Gr., bekanntlich plastisch c 
ausgestattet mit dein Raub von einem bei diesem Anläse zerstörten 
Bogen Trajans, der vielleicht, doch gewiss nicht durchgängig, auch 
als hauliehes Vorbild diente und wohl auch die meisten Baustücke 
hergab. Wenigstens eontrastirt z. Ii. die Roheit des Obergoaimsos 
der Piedestale, das derbe Sich vor schieben des Architravs u. dgl. 
stark mit andern, viel bessern Details , z. B. mit den hier noch korin- 
thischen Capitälen. Heber den vortretenden Gesimsen derselben 
finden sich noch die Statuen an ihrem ursprünglichen Platze , unseres 
WiBsens das einzige erhaltene Beispiel. Es w äre interessant zu er- 
mitteln, ob die runden Reliefs am untergegangenen Trajansbogen 
dieselbe Stelle einnahmen wie hier. — Im Mittelthor an den Pfosten 
bemerkt man Hietlücher für bronzene Trophäen. 

Der räthselhafte Janusbogen, als ein Obdach flir die Kauf- a 
leute des damaligen Forum boariuin betrachtet, giebt sieh seiner 
mächtigen Construction zufolge eher als das Erdgeschoss eines Thur- 
mee kund, welcher aus irgend einem wichtigen Grunde gerade hier 
stehen und docli den Verkehr nicht stören sollte. Soine äussere 
Bekleidung mit Reihen theils tiefer theils flacher Nischen mit halb- 
rundem Abschluss ist eine kindisch müssige, die Formation aller 
Gesimse eine ganz lahme und leblose, für welche auch die späteste 
Kaiseracit kaum schlecht genug ist. Um die fehlende Bekleidung mit 
vortretenden Säulchen und Giebelchen möchte es kaum Schade sein. ■ 
■ ■ 3* 



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86 



Antike Architektur. Thore. 



DieThorc der Körner, sämmtlich rundbogig, sied Her nur in 
so weit zu erwähnen, als sich in ihnen eine entschiedene künst- 
lerische Absicht ausdrückt; das gewöhnliche Thor, als Glied der 
Stadtmauer, gehört in das Gebiet der Alterthumskunde. Doch muse 
schon hier bemerkt werden, dass wo es irgend anging, ein Doppel- 
thor, für die Kommenden und filr die Gehenden, errichtet wurde. 

Sehr altcrthümlich , ohschon erst ans der Zeit des Augustus, 
ist die Decoration der Porta Augusta in Perugia, tonische 
Pilastcr an der Attica und Schilde dazwischen. Die Porta Marzi», 
deren Bogen man in die Mauer des Castells derselben Stadt einge- 
lassen sieht, könnte trota ihres kindlichen und dosshalb für altctrna- 
kiscli geltenden Aussehens gar wohl ein Bau der spätesten Kaiaer- 

Von den Thoren Roms haben nur sehr wenige, und diese nur 
den über sie gehenden Wasserleitungen zu Liebe den Umbauten des 
fünften und der folgenden Jahrhunderte entgehen können. Von 
höherm monumentalem Wert he ist blos die Porta maggiore, ein 
(noch jetzt hohes) Doppelthor mit drei Fensternischen nebst Giebeln 
und Haibsäulon innen und aussen-, ') der Oberbau besteht aus den 
Wänden der Aquüducte mit den Inschriften. 



I) Diese Banlenstellungon neben und zwischen den Thoren sind wühl' nicht aus 
der Zell des Claudius, sondern am dem III. Jahrhundert, wie die Canltale und Profils 
beweisen; — sie sind ferner nicht Beflissentlich theihveise roh gelmaen, sondern un- 

gefunden, sie nuszume Issel n ; wären sie absichtlich so gelassen, so wäre dies con- 
seqnenter und nicht so ungleich und nrlncinlus geschehen. Die Architekten des XVI. 
und XVII. Jahrhunderts, welche mit Berufung nuf dieses DcnltniBl ihre sog. Tlujtlca- 
Säulen schufen, liehen sich doch wohl gehütet, die Säulen der Porta maggiore so 

Ebenso wird man sich heim AmpbUhUl» von Vcrone leicht Überzeugen können, 
dass die rollen TbaUi dem rorbftad«en Bruchstück der rtussern Sehale eben nur 
einstweilen roh gelassen waren. Die Steinsah lebten lind schon zu ungleich, um mit 
ihren rollen Flächen absichtlich als echte Rustlca zu wirken ; denn diese verlangt die 
Gleich massigheit seilen als HuuliUjcdlni-uuc der Fcstinkcit , welche symbolisch nusgo- 
drückt werden soll. Oloichnohl mussten hier die unfertigen Pilnster mit fertigen 
Capltälen als Vorbild der Kustlcaidlaster dienen, wie die Säulen an- Porta maggiore 
eis Vorhild der Rustlcasäulcn. 

Es soll damit nicht geleugnet werden, Uass fllr ungegliederte Flächen auch die 
Körner bisweilen absichtlich die tjnadern in rohcemcisseltcm Zustande lassen mochten, 
ueil dass llinen die speclellc Wirkung, die dabei min Vorschein kam, nicht gant 
entging; z. B. Mauer des August-i'ornms In Rom. 



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Thors von Verona. 



07 



Die antiken Thore von .Spoleto sind einfache Rogen, diejenigen 
vonSpello nicht vielmehr. Ein Doppelthor , mit einer von reich- 
verzierten Fenstern und Nisi'lien durchbrochenen Obermaucr, die 
Porta de' Borsari in Verona, uns der Zeit des Gallienus, ist so- 
wohl in der Anlage fils in der Deeoration ein Hauptzeugniss für die 
spielende Ausartung, weiche sichern HL Jahrhundert der Baukunst 
bemächtigt hatte. Der Arco de' Leoni, die erhaltene Hälfte eines 
Doppelthores, ebenfalls aus gesunkoner Zeit, ist doch nicht. ganz in 
dem kleinlichen Geist der Porta de' Borsari erfunden; die obere 
Nische, für deren Einfassung hier die rcicliBtc form, die spiralförmig 
ennnclirte Säule, aufgespart ist, konnte mit einer plastischen Gruppe 
versehen eine ganz gute iibscliliesaewlo Wirkung machen. — Ein 
drittes veronosisches Denkmal, der Arco de' Gavi, in der Nähe 
des Castel vecchio , wurde IS05 zerstört. Nachbildungen desselben 
erkennt man in verschiedenen Altären der Renaissance- Zeit, welche 
dieses Gebäude sehr schätzte; dahin gehört z. U. der Altar der Ali- 
ghieri im rechten Querschi ff von S. Fermo, von einem Abkömmling 
Dantc's, welcher selbst Baumeister war; und der vierte Altar rechts 
in S. Anastasia. 

Das liild des römischen Thorbaues in seiner imposantesten Ge- 
stalt vervollständigt sich erst aus einer sehr späten Nachahmung, 
etwa des VI. Jahrhunderts, nämlich der Porta Nigra zu Trier. 
Nur hier sieht man, welcher Ausbildung der Doppeldurchgaog, 
zum breiten Bau mit zwei durchsichtigen Obergeschossen vertieft 
und mit zwei halbrunden Vorbauten nach aussen bereichert, fähig 
war. Auch sonst enthält das alte Gallien stattlichere Thore als das 
römische Italien. 



Die einfachsten Nutzbauten nehmen unter römischen Händen, 
wenn nicht einen künstlerischen, doch immer einen monumentalen 
Charakter an. Das Princip, von allem Anfang an so tüchtig und 
solid als möglich zu bauen , deutet auf einen Gedanken ewiger Dauer 
hin, dessen sieh unsere Zeit bei ihren kolossalsten Nutzbauten nicht 
rühmen kann, weil sie in der Thnt nur „bis auf Weiteres", mit Vor- 
behalt möglicher neuer Erfindungen und der betreffenden Ver- 
änderungen haut. Ihre Gebäude geben auch ntir selten das echte 
Gefühl des Ueberflusses der Mittel, schon weil sie IVerktt der Specu- 



Antike Architektur. Aqnädtute. 



lation und der .Submission sind. Nach diesem Maassstab hört man 
bisweilen von Fremden in Rom z.B. die Ungeheuern Aquäducte be- 
urtheilen, welche die Uampagna durchziehen. Wozu von vornherein 
soviel Wasser nach Roms 1 und wenn es sein musste, warum nicht 
denselben Zweek mit einem Dritttheil dieses Aufwandes erreichen? 
Es wäre noch immer ein gutes Geschäft gewesen. — Hierauf lasst 
sieh schlechterdings nichts Anderes erwidern, als dass die Weltge- 
schichte einmal ein solches Volk hat haben wollen, das Allem was 
es thnt, den Stempel des Ewigen aufzudrücken versuchte, so wie 
sie jetzt den Völkern wieder andere Aufgaben vorlegt. — Uebrigens 
war im alten Rom mit seinen 1!) Wasserleitungen in der That viel 
Wasser „verschwendet", d. h. zur herrlichsten Zier der ganzen Stadt 
in unzählige Fontaiuen vortheilt ; ') ein anderes Riesenquantum 
speiste die Thermen — ebenfalls ein Luxus , da die modernen Völker 
das Baden im Gamsen für überflüssig erklärt haben. Nur in Betreff 
des Trinkwassers fängt man doch an, die Römer von Herzen in be- 
neiden. Wie soll man es nennen, wenn eine Hauptstadt von zwei 
Millionen Seelen wie London, die über die Schätze einer Welt ver- 
fügt, meist aus demselben Fluss ihr Getränk beziehen rauss, unter 
welchem sie Strassen und Eisenbahnen hindurchzufuhren die Mittel 
hat? Zur römischen Zeit war jede Provinzialstadt besser daran, und 
noch das jetzige Rom mit seinen bloss drei Aquiiducten ist an Zier- 
wasser ohne Vergleich die erste Stadt der Welt und steht in Beziehung 
auf das Trinkwasser wenigtens keiner andern nach. 

Stadtmauern, Strassen und Brücken der Römer sind, 
wenn auch schlicht in der Form, doch durch denselben Typus der 
Unvergänglichkeit ausgezeichnet. Es inuss eines furchtbaren, tau- 
sendjährigen Zerstörungssinnes bedurft haben , um auch diese Bauten 
auf die Reste herunterzubringen, welche wir jetzt vor uns sehen. 
(Unter den Brücken am merkwürdigsten die gewaltigen Roste zu 
Narni ; an denjenigen im Rom trägt auch das erhaltene Antike eine 
moderne Bekleidung.) Von den öffentlichen Bauten der RiSmer Uber- 
haupt stände gewiss noch weit daB Meiste aufrecht, wenn bloss die 
Elemente und nicht die Menschenhand darüber ergangen wäre. 
Gebäude, welche das Glück hatten, bei Zeiten vergossen zu werden, 



n welchen nur noch die sog. Mo» sudani beim Colosieum ki 



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wie z. B. manche in Arabien und Syrien, sind desshalb ohne Ver- 
gleich besser erhalten. 



Die Bauten des Uff entliehen Verkehrs sind leider in Be- 
treff ihrer Kunstform mehr ein Gegenstand der Altertumsforschung 
als des künstlerischen Genusses; so gering stellen sich die Reste 
dar, mit welchen wir es Iiier ausschliesslich au thun haben. 

Im höchsten Grade ist diess zu beklagen bei dem Porticus » 
der Oetavia, .Schwester des August ua, am Ghetto zu Rom. 
Hier, wenn irgendwo, muss der bewusste Unterschied der Behandlung 
zwischen Tempel iiallen und Hallen für den täglichen Vorkehr schön 
und ernst durchgeführt gewesen sein. Beim gegenwärtigen Zustand 
des einzig übrigen Bruchstückes, wo man schon durch einen antiken 
Umbau irre gemacht wird, gewährt wenigstens der Contrust des 
Alten mit seiner Umgebung noch einen malerischen Genuss. [Neuer- 
dinga von störenden Einbauten befreit.] 

Von dem Forum romanum, wie es zur Zeit der Republik 
war, als Platz mit Hallen und Buden, giebt das Forum von b 
Pompeji einen wenn auch entfernten Begriff. Was in Hercula- 
num das Forum heisst, milchte doch wohl für die bedeutende Stadt 
als Hauptplatz nicht genügt haben und ist wohl eher als Halle zu 
einem besondern Zweck zu betrachten. 

Von den Kaiser-Fora, d. h. den Gerichts- und Geschäfts- 
hallon, welche die Kaiser in der nächsten Umgebung dos Forum 
romanum anlegten, ist in Resten und Nachrichten gerade so viel 
erhalten, dass dio Phantasie sich ein ungefähres Bild davon ent- 
werfen kann. Es waren grosse mit Hallen umzogene Plätze , welche 
Tempel, Basiliken und wahrscheinlich auch eine Anzahl anderer 
Locale enthielten, nebst einem gewiss reichen Schmuck von Statuen, 
Springbrunnen u. dgl., ohne welche keine Anlage aus dieser Zeit 
[lenkbar ist. Von freiem Oberbau sind mit Ausnahme der riesigen 
Umfangsmauor am Forum Augusti nur die sog. Golonnacce (via c 
Alessandrina) zu erwähnen, zwei vortretende Säulen nebst vortre- d 
tendem Gebälk und Attica, wahrscheinlich von der Eingangshalle 
des Forum Nervae; alles von prächtig ilberroicher Formation, na- 
mentlich das untere Kranzgesimse, dessen Motiv schon undeutlich 



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40 Antika Architektur. Kaiwr-Fora. Baiilica. ülpia. 



wirkt, wie alle vegetabilischen Zierrathen , die sich von der ein- 
fachen Pnlmettc und dem Akantlvus zu weit entfernen. An den 
vortretenden Stücken der Attica sind Nietlücher, wahrsciieinlich für 
eherne Ornamente zu bemerken. Wären die untern Enden der Säulen 
nicht sammt den Picdestalen in der Erde versteckt , so würde diese» 
Beispiel vortretender Säulen das bedeutendste unter den in Italien 
vorhand eil cn sein. 

Von den einzelnen Gebäuden innerhalb der Fora wurde der 
Tempel des rächenden Mars schon beschriebe]]. Von den Basiliken 
sind zwei wichtige zum Thoil «uigi 'deckt : die FS. Julia am Forum 
romanum und die Basilic» Ulpia, welche diis Hauptgebäude des 
prachtvollen Forum Trajani ausmacht. Dies war ein fünfschiffiger 
Bau, mit unbedecktem Mittelschiff; die jetzt, zum The 11 auf den 
ursprünglichen Basen, aufgestellten Granit sä» len gehörten ■ wahr- 
scheinlich nur einem geringem Gebäude dieses Fornms an, während 
die Basilica auf kostbaren Marmorsäulen ruhte. Die beiden Enden 
des Baues, jetzt unter den Strassen vergraben, hatten ebenfalls 
jedes seine Säulenreihe; am hintern Ende folgte auf dieselbe das 
Tribunal, hier eine grosse, halbrunde, prachtvoll geschmückte 
Nische. Die Trajansäule, welche so wenig als die Obelisken allein 
stehen sollte, war mit in diese Iii esenoom position aufgenommen und 
von drei Seiten, nämlich von der Nordwand der Basilica und von 
zwei Anbauton derselben (die man für Bibliotheken erklärt) wie in 
einem Hofe eingeschlossen. Ob der Bau ein Obergesehoss hatte 
und welcher Art, bleibt wie so manches andere ein Problem. 

Diese Basiliken forni war es nun bekanntlich, welche die Christen 
für ihre Gotteshäuser adoptirten , da die heidnischen Tempel mit 
ihrem Verhältnis sraässig so kleinen Innern flir die Aufnähme von 
ganzen Gemeinden nicht genügt haben würden. Das Mittelschiff, 
welches hier noch den Charakter eines mit, Hallen umgebenen Hofes- 
hat, scheint an andern Basiliken öfter bedeckt gewesen zu sein; 
die Christen gaben ihm ebenfalls sein Dach und erhoben die Per- 
spective gegen den Altar hin zur wichtigsten Rücksicht. [Die Ba- 
silikenfrage ist neuerdings viel discutirt worden, betrifft aber 
wesentlich archäologische Interessen.] 

Von den Basiliken der guten römischen Zeit ausserhalb der 
Hauptstadt ist die zu Herculanum nach der Ausgrabung wieder 
zugeschüttet worden, dagegen die zu Pompeji noch so weit er- 



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41 



halten , Anas Bie einen lebendigen künstlerischen Eindruck gicbt. 
Sic war dreiBchiflig, unten von ionischer Bnstardordnung , die obere 
Halle korinthisch, wie man aus den vorhandenen Fragmenten sieht. 
Das Mittelschiff war wahrscheinlich unbedeckt (es sind Regenrinnen 
am lioden sichtbar) und von der Halle auch vorn und hinten um- 
geben; (iaa Tribunal ganz hinten bildete einen erhöhten Bau mit 
besonderer kleiner korinthischer Säulenhalle. Die perspectivisehe 
innere Ansicht mnss eigen thtini lieh reizend gewesen sein. Sehr 
interessant ist die Zusammen sei zun g der unfein ionischen Siitilen 
aus concentrischen Backstein blättern , welche nach aussen schon 
eine fertige Cannelirung darstellten, die nor noch des Stucco- 
Ceberzuges harrte. Die Halbsiiulen an der Wand und das Zusammen- 
treffen von Halbsäulen in den Ecken ') sind gleichsam Vorahnungen 
von Motiven, welche in der christlichen Architektur auf das Be- 
deutungsvollste ausgebildet werden sollten. (Das gegenüberliegende 
sog. Chalcidicuni und das Pantheon sind ihrer Bestimmung 
nach so zweifelhaft, dass wir sie hier bloss nennen, um sie bei 
den öffentlichen Gebäuden nicht gänzlich zu tihergehen ; von dem 
Chalcidicum stammt die prachtvolle Thüreinfaasung mit dem von 
Thieren belebten Bankenwerk her, welche jetzt im Museum- von 
Neapel den Eingang zur Halle des Jupiter bildet.)! 

Die Bestimmung der Basiliken , als Börse , Stelldichein und Ge- 
richtshalle, war jedoch durchaus nicht an diejenige Form gebunden, 
welche in Rom und anderwärtB die besonders Übliche sein mochte. 
Wir erfahren in der Tbat, dass auch ganz abweichende Formen 
versucht wurden , je nach den Mitteln und dem Sinn des Baumeisters. 
Einen solchen Versuch erkennt man in dem sog. Fricdenatempel 
»u Rom, welcher eine von Maxentiiis (306— 312) errichtete Basilica 
ist. Sie hat nur die dreischiffige Eintheilung und die (jetzt nicht 
mehr sichtbare) hintere Nische 5 ) mit der sonst üblichen Anordnung 
gemein , sonst aber ist es ein Gewölbebau, dessen weite Spannungen 
den lebhaftesten Verkehr einer grossen Menschenmenge gestatteten, 
and zwar, des gewölbten Mittelschiffes wegen, bei jeder Witterung. 

'I lUeM u. n. »uch «tu llercuItattEnpel iu Bre.eln. 
Ihre GitiiKliunuem sind In den GeWiudtn nur der Seile ge^en Jas Cnpilul hl» 
notb vorhanden. Die jetifgo Nluche, im rechten Selicnjchifr, ist ein eines späterer 



Antike Arehitektnr. Friodemtempel. 



Das hoch bedeutende Wölbungssystem — drei Kreuzgewölbe der 
Länge nach in der Mitte und drei niedrige Tonnengewölbe auf jeder 
Seite — war aehon früher im Thormonbau ausgebildet worden; 
gegenwärtig fehlt, auch an dem geretteten Theil, die Bekleidung, 
nänilich Tortretende korinthische Säulen an jedem Hauptpfeiler. (Die 
ü eine noch vorhandene stellte Paul V. bei S. Maria maggiore auL) 
Sie trugen das Gewölbe nur scheinbar, nicht wirklich, und desshalb 
verinisat sie auch das Auge nicht, so wenig als die (vormuthliche) 
Säulenstellung längs der untern Wände der droi Seitengewölbe, 
allein sie gewährten einst im Gunzen einen gewiss prachtvollen An- 
blick. An und ftlr aicli war die ehemalige Marmorbekleidung, nach 
den Fragmenten zu urtheilen, allerdings von geringer und lahmer 
llÜdung; die Üecoration der Kische mit kleinen Waudniachen, die 
mit Sänlchcn oingefasst waren, muaa etwas fast Kindisches gehabt 
haben. Die Consolcn, welche diese Säulchen trugen, sind noch er- 
halten. — Die Caaaetten der drei Seitengewölbe sind achteckig mit 
kleinen schrägen Zwischenquadraten , die der neuern Nische sechs- 
eckig mit kleinen Zwiackcnrauten, die des Hauptschiffes hatten, nach 
einem Fragment zu schliessen, verschieden geformte Felder — alle 
.aber zeigen, dass die Caasette ihre Eigenschaft, als Abschnitt eines 
Deckenraumes , mit der einfachen quadratischen Form zugleich abge- 
legt hatte und nur noch als Zierrath wirken wollte. Das Licht kam 
durch die Fensterreihen der Seitenschiffe, hauptsächlich aber, wie 
in den Diocletiansthermen , durch die grossen halbrunden Fenster 
oben im Mittelschiffe. Von der Vorhalle (gegen das CotosSeum zu) 
sind nur die Zicgolpfeiler erhalten. 

Vielleicht gehören noch manche jetzt anders benannte Mauer- 
reste im alten Italien zu den Uasiliken. Eine leicht kenntliche Durch- 
schnitt sform ist bei dieser Gattung von Gebäuden so wonig zu 
verlangen , als bei unaern jetzigen Börsen und Gericht slocalen. 



Von den Gebäuden des öffentlichen Vergnügens müssen 
zuerst die für Schauspiele bestimmten erwähnt werden, ala oigen- 
thümlichste Productionen des römischen Aussenbaues, welcher ja bei 
den Tempeln von griechischen Mustern abhing. — Der Zweck und 
die Einrichtung der Theater, Amphitheater und Cirken (sowie der 



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Basten Iii Schauipida. 



43 



gänzlich untergegangenen Naumachien und Stadien) wird hier als 
bekannt oder der Alterthuinskunde angehörig Ubergangen; wir 
haben ea bloss mit der künstlerischen Form zu thun. 

Dieae bestand an der Aussenseite der Theater und Amphitheater, 
vielleicht auch der Cirken, aus einer Bekleidung der runden oder 
elliptischen Wandfläche zwischen den Bogen der verschiede neu Stock- 
werke mit Halbsäulen und Gebiiiken der verschiedenen 
griechischen Ordnungen: der dorisch -toscaniseben , der ionischen 
und der korinthischen, aufweiche im einzelnen Fall (am Colossenm) 
noch eine obere Wand ohne Jtauerifffmingen mit Pilastern von korin- 
thischer Ordnung folgt. Die Griechen hatten ihre Theater in Thal- 
enden hineingelehnt oder aus dem Fels gehauen-, die Römer erst 
bauten die ihrigen frei vom Boden auf und mnsaten sie von aussen 
decoriren. 

Das Motiv, welches sie zu Grunde legten, war ein sehr verstän- 
diges. Ea fiel ihnen nicht ein, einer grossen Menachenraasse zuzu- 
muthen, dass sie sieh durch zwei, drei Thiiren mit einer Breite von 
zwanzig Fuss im Ganzen geduldig entferne, wenn das Schauspiel 
zu Ende war, oder dass sie gar, wenn Tumult entstand, nicht zu 
drängen anfange.' Sie kannten das Volk und verwandelten desalialb 
das ganze Innere ihrer Schaugebäude in lauter steinerne Treppen 
und Gänge und die ganze untere Mauer in lauter gewölbte Pforten. 
Letzteres zog dann eine ähnliehe Formation der obern Stockwerke 
nach sich, wo streng genommen blosse Fensteröffnungen genügt 
hatten. Mit der Thürform aber stieg auoh die Halbaäulcnbekleidung 
nebatGebälken und Attiken von Stockwerk zu Stockwerk und fasate 
die Bogen mit ihren hier nur oinfachen , aber durch die hundert- 
malige Wiederhol nng höchst imposanten Formen ein. — Die moderne 
Baukunst ist hier hauptsächlich in die Schule gegangen und hat für 
die monumentale Bekleidung wie für die Verhältnisse ihrer Stock- 
werke sich immer von Neuem an diese Vorbilder gewandt. Der Hof 
des Palazzo Famose ist fastgeuau denFormen des Marcel lua-Theaters 
nachgebildet; aus unzähligen Kiroheniaaaaden und Palästen tönt oin 
versteckter Kachklang vom Colosseum. 

Das durchgängig stark und meist völlig zerstörte Innere läast 
u. a. hauptsächlich in Beziehung auf die Säulenhalle, welche oben 
ringsherum ging, der Phantasie freien Spielraum. An den Cirken 
milchte dieselbe beaonders umständlich und prachtvoll gewesen sein. 



M Antike Architektnr. Theater. Amphitheater. 



In Syra cus sind die Beete eines der wunder vollen griechischen 
Theater erhalten , denen man die römischen im Wesentlichen nach- 
bildete, mir dass die Orehestra, d. h. der jetzt halbrunde mittlere 
Platz, nicht mehr den Bewegungen des Chores diente, sondern zu 
einer Art von Parterre eingerichtet' wurde. In Taormina sind die 
Backst einbauten der Seena römisch. In Rom ist von dem Theater 
des I'oiupejus nur noch die Richtung dca Halbrunds in den Gassen 
rechts neben S. Andrea della Valle kenntlich ; aus dem marmornen 
Stadtplan des JH. Jahrhunderts ersieht man, dass die Seena reich mit 
Säulen Stellungen geschmückt war, und aus andern Nachrichten, 
dass oben auf dem Umgang ein Venn Stempel stand. — Von dem 
Marcellus-Theater ist dagegen noch ein herrlicher Rest des 
Aussenbanes vorhin, de:] . nämlich ein Tlteil der ilun^ch-toscanischen 
Ordnung, welche hier in Säule und Gebälk dem echten Dorischen 
nahe stellt, und ein Theil der ionischen, ebenfalls noch von verhältniss- 
mässig reiner Bildung. — Im übrigen Italien hat fast jede alte 
Stadt irgend einen Theaterrest aufzuweisen, allein meist in formloser 
Gestalt. Das kleine artige Theater von Tuscnlum (über Fräsest i) 
hat noch sein ziemlich wohlerhaltenes Inneres, wfihrend in Pompeji 
vom Theater und von dem daneben liegenden üdeon (d. h. einem 
bedeckten Wintertheater V) vieles Steinwerk, Säulen etc. der Seena 
geraubt worden sind. Das Theater von Ifereulnnum wird man in 
der Korknachbildung (im Museum von Neapel) besser würdigen als 
an Ort und Stelle, wo es gar keine Uebersicht gewährt. Dasjenige 
von Ficsole (Faesulae) ist mehr durch seine Lage als durch dio 
(nach kurzer Aufdeckung wieder fast gänzlich zugeschütteten) 
Uebcrrestc des Besuches würdig. Bedeutende Reste in Parma, 
Verona etc. ■■ 

Von den Amphitheatern, einer rein römischen Schöpfung, für 
die Kämpfe von Gladiatoren und Thieren, besitzt Rom in seinem Co- 
losscnm weit d;iB mächtigste Beispiel. Die Reisehandbücher geben 
jede wünschenswert he Notiz, und der Eindruck der eineu Aussen- 
seite ist, wenn man sich in die Bogen der oberen Stockwerke Statuen 
hineindenkt und zwischen den Pilastern der obersten Wand eherne 
Reliefschilde befestigt, ein so vollständiger, dass wir kurz sein kön- 
nen. Die ganze DetailbiUlung ist, der riesenhaften Masse wegen, mit 
Hecht höchst einfach; die unterste Ordnung hat x. B. keine Trigly- 
plien mehr, die hier doch nur kleinlich wirken würden. Die Consolen 



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46 



der obersten Wand, den Oeffniingen im Kranzgesiinse entsprechend, 
dienten wahrscheinlich den Mastbäumen zur Stütze, an welchen das 
riesige Velariuni oder Schatt entlieh befestigt war. Die Löcher am 
ganzen Anssenbau entstanden wohl, als man im Mittelalter die eiser- 
nen Klammern raubte, weltihe die Steine verbanden. An den Bogen 
im Innern der Gänge fallt oft eine ganz krumme und schiefe Linie 
anf ; wahrscheinlich wurden die botreffenden Theile aus rohen Blöcken 
erbaut und dann, weil sie unsichtbar bleiben sollten, nur nachlässig 
glatt gesägt. — Von den Stufen, Mauern und fraglichen OberhaUen 
des Innern ist bekanntlich nichts mehr vorhanden, und die Einrich- 
tung der Arena zu plötzlicher Ueberschwemmung (wonn nicht zur 
Boden- Entwässerung), auch wohl zum plötzlichen Erscheinen von 
Thieren und Menschen nicht mehr sichtbar, da man das Auagegra- 
bene der schlechten Luft halber wieder zuschütten musste. 

Von den übrigen Amphitheatern Roms ist noch das sog. Am- 
phitheatrura castrense kenntlich, in einem Theil der untern 
und obern Ordnung, von trefflichem Ziegelbau (für Architekten 
von Werth; vor Porta S. Giovanni links hinauf, bei Santa Croce), 
vom Circus maxiinus ein Stück Rundung an der Mühle beim 
Judenkirchhof. 

Ausserhalb Roms wird dem Amphitheater von Alt - Capua we- 
gen eines nur kleinen, aber schönen Restes der zwei untern Ordnun- 
gen und wegen einzelner noch besonders deutlich sichtbarer Einrich- 
tungen um die Arena die erste Stelle zuerkannt. Das Amphitheater 
von Verona hat den Effekt der vollkommen erhaltenen oder herge- 
stellten Sitzreihen vor allen Gebäuden dieser Art voraus; allein von 
seiner äussern Schale ist nur ein sehr kleiner Theil vorhanden (und 
vielleicht nie mehr vorhanden gewesen) der gerade hinreicht, um die 
Lust nach dem zerstörten oder nie vollendeten Ganzen zu wecken. 
<VgI. S. 36 Anm.) — Das Amphitheater von Pompeji kann seiner 
Kleinheit und aichitektoni scheu Bescheidenheit wegen neben diesen 
Ungeheuern Massen nicht aufkommen. — In Lnccanoch bedeutende 
Beate eines Amphitheaters und eines Theaters. — In Padua bloss 
<ier Umriss eines Amphitheaters, bei S. Maria doli' Arena. — In Po z- 
zuoli: sehr umfangreiche, aber formlose Trümmer. — In S. Gor- 
mano (unterhalb Monte Uassino) ein nahezu kreisrundes Amphi- 
theater, das einzige dieser Art, indem sonst die Ellipse flir das 
Aufstellen zweier Parteien in der Arena den Vorzug haben musste. 



46 



Antike Architektur. (Ulken. 



[Amphitheater von Syracua.] — Einzelne Reste Überall, wo es 
Rümer gab. 

Die Cirken endlich sind mit einziger Ausnahme desjenigen des 
n Caracalla (richtiger: Mnjtentius) von der Erde verschwunden, so 
dass man ihre Form höchstens aus dem Zug der Strassen und Garten- 
b mauern um sie herum (wie beim Circus masimus in Rom) oder aus 
der Gestalt eines Platzes, der ihrem Umfange entspricht (wie beim 
t Stadium Domitians, der jetzigen Piazza Navona) oder auch nur 
aus Erdwellen erkennt. Selbst an dem oben als erhalten genannten 
Circus (vor Porta S. Sebastiano) ist alles bauliche Detail mit der 
Steinbekleidung des Hallenbaues ringsum und der Langmauer (spina) 
in der Mitte dahin gegangen, so dass wir uns dabei nicht aufhalten 
dürfen. — Das gänzliche Versehwinden des Circus maximus gehört 
übrigens auch zu den Rh'tliseln dos römischen Mittelalters. Denn das 
Gebäude fasste auf seinen Sitzreihen fast das Doppelte von der Men- 
schenzahl, die man fiir das Colosseum berechnet, nämlich nach der 
geringem Angahe 150,00(1 Menschen; es muss also nicht bloss die 
halbe Viertelstunde Lange, von der man sich noch jetzt überzeugen 
kann, sondern auch eine bedeutende Tiefe und Höhe gehabt haben, 
wenn für alle Zuschauer gesorgt sein sollte. Man trägt wiederum 
vergebens: wo gerieth diese Masse von Baumaterial hin?, 



Wie dio Gebäude für Schauspiele den römischen Auasenbau cha- 
raktcrisiren, so sind die Thermen die grösste Leistung des römi- 
schen Innenbaues. 

Die öffentlichen Bäder von Pompeji, mag darin auf Stadt kosten 
oder gegen Eintrittsgold gebadet worden sein, zeugen merkwürdig 
für den Luxus einer künstlerischen Ausstattung, welchen man selbst 
<i in der kleinen Pro vinzial Stadt verlangte. Die Thermen hinter dem 
e Forum; [die Stabianer Thermen oder Bagui nuovi]; andere warten 
vielleicht noch unter dem Schutt. Die architectoniache Behandlung 
ist hier, wo der Stuceo so sehr das Uebergewicht über den Stein hat, 
not Ii wendig eine ziemlieh freie; die Gesimse bestehen z. B. aus Hohl- 
kehlen mit Rclieffiguren, — allein es geht doch ein inneres Gesetz des 
Schönen durch. Im Tepidarium, wo viele kleine Behälter, etwa für 
die Gerätschaften regelmässiger Besucher angebracht worden muss- 



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Thermen von Pompeji. Kaigerthermes. 



ten, lieferte ilic Kunst jenes bewundernswerthe Motiv von Nischen 
mit Atlanten, während wir uns im entsprechenden Fall gewiss -mit 
einer Keine numerirtcr Kästchen, höchstens von Mahagony, begnügen 
würden. Wie glücklich sind an dem Gewölbe die drei einfachen Far- 
ben weiss, roth und blau gehandhaht! Im Caüdarium ist das 
Tonn enge w Iii be cannelirt, damit die zu Wasser gewordenen Dämpfe 
nicht niedertropfen, sondern der Mauer entlang abriiessen sollten. 

Doch dieses sind nur eigentliche Bäder, bestimmt für die tägliche 
Gesundheitspflege. Eine ungleich auagedehntere Bestimmung hatten 
die Kaisertherm en, welche in Eom und in wichtigen Provinzial- 
atädten zum Vergnügen des Volkes gebaut wurden. Diese enthielten 
nicht nur die kolossalsten und prachtvollsten Baderäume, sondern 
auch Locftle für Alles, was nur Geist und Körper vergnügen kann: 
Portiken zum Wandeln, Hallen für Spiele und Leibesübungen, Biblio- 
theken [?], Gern Ü ld egal lerien, Sculpturen zum Theil von höchstem' 
Werthe, auch wolil Wirtschaften verschiedener Art. 

Von all dieser Herrlichkeit wird man jetzt, mit wenigen Ausnah- 
men, nur noch die Backstein mauern linden, welche den inneren Kern, 
des Baues ausmachten, diese freilich von so gigantischem Maassstab 
und in solcher Ausdehnung, auch wohl in so malerisch verwilderter 
Umgebung, dass in Ermangelung eines künstlerischen Eindruckes ein 
phantastischer zurückbleibt, den man mit nichts vertauschen nocli 
vorgleichen möchte. 

Sobald das Auge mit dem römischen Bausinn einigermassen ver- 
traut ist, wird es aucli in dieser scheinbaren Formlosigkeit die Spu- 
ren ehemaligen Lebens verfolgen können. Diese zeigen sieh haupt- 

siii'-lilic Ii in ilrv i eichen Vorsei liedeum-tigki'it der Handflächen, also in 

der Ausweitung derselben zu gewaltigen Nischen mit Halbkuppeln 
(welche noch hie und da lieate ihrer Cassctten aufweisen), und in der 
Anordnung grosser Kuppelräume. Diese sind hier entweder so von 
dem übrigen Bau eingefasst , dass sie für das Auge nirgends mit ge- 
radlinigen Massen unharmonisch zusammenstossen oder sie sind nicht 
rund, sondern polygon, etwa achteckig gebildet und gewähren dann 
nicht nur jeden wünsch baren Uebergang zu den geradlinigen Formen, 
sondern auch einen völlig harmonischen Anachluss für die Nischen im 
Innern. So sind die beiden beim Pantheon hervorgehobenen Unvoll- 
kommenheiten (S. 21) beseitigt. Dass übrigens diese Abwech- 
selung der Wandflächen ein ganz bewnsstes, emsig verfolgtes Princip 



48 



Antike Architektur- Kaiserthörmen. 



war, beweisen auch die Ausscnwerke , welche den Thermenhof zu 
umgeben pflegten ; ihr Umfang ergiebt Halbkreise, halbe Ellipsen und 
auch ihre Bin neu räume sind von der verschiedensten Gestalt. — Voll- 
kommen uugewif-s lik'iht die Gestalt der Thermenfassaden; wir wis- 
sen nur so viel, dass das arcliitek tonische Gefühl der Römer auf den 
Fassadciihau überhaupt bei weitem nicht das unverhältnissmässige 
Gewicht legte, welches ihm die neuere Zeit beiniisst. (Eine Ausnahme 
machen natürlich die Tempel.) An den Caraca Ilathermen soll „eine 
Säulen halle* den Haupteingang gebildet haben, und an S. Lorenzo in 
Mailand steht noch eine solche. 

Von den zahlreichen ThermenbautMi Borns erwähnen wirnnr die- 
jenigen, deren Beste ein igerm aussen kenntlich sind. 

Die Thermen Agrippa's, hinter dein Pantheon, gehören bei 
ihrer gänzlichen Zerstückelung und Verdeekung durch die Häuser 
der nächsten Gassen nicht unter diese Zahl. Zu den Thermen seiner 
Böhne Cujus und Lucius, der Enkel August'» durch die Julia, ge- 
hörte (?) das grosse zehneckige Kuppolgebaude mit dem irrigen Na- 
me» eines „Tempels der Minerva medica", unweit von Porta mag- 
giore. ■ Weiche Function dieser Kaum in den Thermen hatte, wollen 
wir nicht errathen; genug dass schon hier, so bald nach Erbauung 
dos Pantheons, die entscheidenden Veränderungen im Kuppelbau als 
vollendete Thatsacho vor uns stehen: die polygone Form zu Gunsten 
des Anschlusses der untern Nischen, so dass jedoch in der Kuppel 
selbst durch den StiiecoUberzug der Anschein der Halbkugel form 
beibehalten wird-, merkwürdig ist auch die Ersetzung des Kuppellich- 
tes durch Fenster über den Nischen. (Die Mitte der Kuppel , welche 
seit IbTt eingestürzt ist, erseheint in allen frühem Ahbildungen als 
geschlossen.) So war schon um die Zeit von Christi Geburt das fer- 
tige Vorbild für die spätem Kuppelkirchen gegeben. — Von der ver- 
mutlichen Bekleidung des Innern mit .Säulen und durchgehenden Gc- 
bälken ist nicht einmal eine Andeutung auf uuscre Zeit gekommen. 
Her jetzt noch hie und da erhaltene Mtucco möchte kaum der ur- 
sprüngliche sein. 

Die Thermen des Titus und des Trajan, wunderlich durch- 
einander gebaut, geben in iiireu jetzt noch zugänglichen Thcilen einen 
Begriff, zwar nicht mehr von der längst ausgerauhten Prachtaus- 
stattung, wohl aber von der gewaltigen Höhe der einst wie jetzt dun- 
keln und auf künstliche Beleuchtung berechneten Gemächer. Der 



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Thermen des Titus and Caracalla. 



Grundriss ist, soweit man ihn vcrfolgon kann, der besoudern Um- 
stünde wegen nicht maassgcbend. 

Architektonisch die hedeutendsten Thermen sind oder waren die- 
jciii^cii des Caracalla. Vier Hauptmotive waren hier, wie ea scheint, & 
unvergleichlich grandios durchgeführt: 1) Die grossen, etwas oblon- 
gen gewölbten Sehwimmsäle, auf Pfeilern und Siiulen ruhend ('?), an 
beiden Enden, 2) die vordere Halle, der Breite nach von vier Siiulcn- 
stellungen durchzogen, 3) der mittlere Langraum (Pinakothek) und 
4) der hohe runde Ausbau nach hinten, von welchem nur die Ansätze 
vorhanden sind; — zahlreicher UehergangEiärnne , Anbauten und 
Aussenwerke nicht zu gedenken. Das Ganze lag so hoch, dass es 
noch jetzt wie auf einer Terrasse zu stehen scheint. Wie sich das 
obere Stockwerk zwischen und über den Hauptiii innen hinzog, ist bei 
seiner fast gänzlichen Zerstörung schwer zu sagen. Um das Bild des 
wichtigsten Raumes, der Pinakothek , einigermaassen zum Leben zu 
erwecken,, nehme man den Friedens tempel zu Hülfe, obschon er fast 
1UIJ Jahre neuer, deragemäss geringer und nichts weniger als identisch 
mit dem fraglichen Thermetisaal gebildet ist; immerhin hat er das 
grosse Mittelschiff mit Kreuzgewölben und Oberfenstern und die 
drei mit Tonnengewölben sich anschliessenden Kebenrliume auf .jeder 
Seite mit. demselben gemein. Auch die Sliulonhekleirlinisr war wohl 
eine ähnliche; für die Iiasilica wie für den Thermensaal nimmt man 
an, dass noch eine kleinere Säulenordnung mit (iebälke vor den Ne- 
hearäumen vorbeiging und sie vom Mittelschiff sonderte. — Die Säu- 
len und die ganze kostbare Bekleidung dieser Thermen überhaupt 
wurden, zum Theil erst seit dem XVI. Jahrhundert, zur Deeoration 
unzähliger moderner Heilande verbraucht. — Käthselhaft und doch 
wahrscheinlich bleibt auch hier die Dunkelheit der beiden grossen 
Schwimmsäle, während die vordere Halle von vorn, die Pinakothek 
und ohne Zweifel auch der runde Auabau von oben ihr Tageslicht 
empfingen. 

Die Thermen Diocletians auf dem Viminal waren der Masse b 
nach denjenigen des Caracalla überlegen, lösten aber, wie es scheint, 
keines jener grossen baulichen Probleme mehr, sondern bestanden 
eher aus Wiederholungen schon früher bekannter Haugedanken, 
welche hier etwas müde nebeneinander auftreten. So finden sich un- 
ter den Aussen werken zweilluudgebiiude mit Kuppel, deren eines als 
Kirche S. Bernardo ziemlich wohl erhalten ist; die Si sehe der Thür c 

Burcihardt, Gctrme. 4 



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50 Antik« Architektur. Thermen Caracalla's und Diocletiana. 

nnd die des jetzigen Ohorn schneiden sieh wieder mit der runden 
Hauptforni so unangenehm als am Pantheon , mit welchem dieses Ge- 
bäude übrigens auch das Oberlicht gemein hat. (Die Cnssctten acht- 
eckig, mit i-ciirü^cn (iiiiiilruteii dazwischen.) 

Besondera charakteristisch für die Zeit des Verfalls ist der Kup- 
pelraum hinter') der Pinakothek, welcher von der Hiihe und Grösse 
des entsprechenden Stückes im Bau Caracnlla'a weit entfernt, ja zu 
einem ganz kilinm er liehen Anbau eingeschrumpft erscheint. Die Pi- 
nakothek aelber iat in Gestalt dea noch jetzt überaus majestätischen 

i Quersehiffes von S. Maria degli Augeli erhalten. Hier sind bekannt- 
lich von den gewaltigen vortretenden Siinle» »och acht ursprünglich 
und aus je einem Stück Granit; von den sie begleitenden je zwei Pi- 
la»tern und dem Gohälk schcineii wenigstens viele Theilealt, und daa 
Kreuzgewölbe, eines der grüssten in der Welt, ist sogar völlig erhal- 
ten, wenn auch mit Eitibussc seiner Cassetten. Auch die Oberfenster 
zeigen noch ihr echtes Halbrund, nur vergypst. Die Nebenräume, 
welche dieselbe Stelle einnahmen wie diejenigen in der Pinakothek 
der Canicnllnthormen und einst ohne Zweifel ebenfalls durch vorge- 
aotzto Colomiaden vom Hauptraum getrennt waren, sind durch den 
Umbau Vanvitelli's gänzlich abgeschnitten worden, nachdem noch 
der Umbau Michelangelo'» sie geschont und zu Capellen bestimmt 
hatte. FUr die Bildung des Details ist, der allgemeinen Gypsäbcr- 
arbeitung wegen, nicht leicht einzustehen, aelbst an den sieben ech- 
ten marmornen Capitiilen nicht, welche theils korinthisch, theils von 
Com posita- Ordnung sind. Das Bezeichnende bleibt immerhin, dass 
möglichst viole Glieder des (iebülkes und Gesimses in wuchernde 
Verzierung umgewandelt sind, und duas die Consolen und ihre Cas- 
aetten bei ihrer kleinen und matten Bildung völlig von dem drüber 
vorgeschobenen Kranzgesimse verdunkelt werden. Ob au den Flach- 
bpgen, welche die beiden Eingänge des Schiffes bedecken, die Dc- 
coration alt ist, können wir nicht entscheide»; in dem jetzigen Chor 
ist fast alles modern. Die übrigen Räume sind alles Stein schmuck» 
entblösst und nieist sehr ruinirt. 

b (Was als „Thermen Constantins" im Garten des Palazzo 
Colonna gezeigt wird, sind Reste eines gewaltig hohen Gebäudes 



') El. b. für Jen Jclzlgcn Zutfang i-urn, au Jnas Jleaer runde Raum die Vurhalle 
von S. Murin degli AugEll bildet. Die jelil rersct.wimdune Vurderaulle lag in der lilch- 
xung gegen dos pi&tori anlache Lager hin. 



Thermen von Bajä. Hympheen. 51 

von Ungewisser Bestimmung. Die echten Thermen Constantins sind 
im XVII. Jahrhundert heim Bau des Palazzo Rospigliosi unterge- 
gangen.) 

Diesen Kaiserthermen mochten die Bäder von lSajä wenigstens 
nachgebildet sein, wenn sie auch nicht von Imperatoren erbaut sein 
sollten. Wir meinen jene kolossalen Reste, welche man jetzt als 
Tempel des Merkur, der Diana und der Venus benennt und welche 
offenbar Thcrnienräume waren. Das gewaltige Achteck des Venns- 
tempels mit den noch erhaltenen Thcilen der Kuppe! erinnert un- 
mittelbar an die sog. Minerva Medica. 

[Die früher für einen antiken Thermenbau angesehene Anlage 
von S. Lorenzo in Mailand gilt, mit Ausnahme der antiken Vor- 
halle, nach den Untersuchungen von Hübsch für altchristlich.] 

Zahlreiche andere Thermenrestc in den übrigen Städten Italiens 
bieten keine hinlänglich erlialtonon Formen mehr dar. Auch die 
Nympheen oder Brunnen gebiiude mit Nischen und Grotten leben 
mehr in der restaurirondon Phantasie als in kenntlichen Ueberbleib- 
»eln fort. Man hält ?.. B. die grosse Backstei umsehe im Garten von 
S. Crocc in Gerusalemme zu Koni für ein solches N3mpheum. 
Sicherer ist diess bei der Grüfte der Egerin, welche weniger um 
ihres geringfügigen Nischenwerkes als um ihrer ganz wunderbaren 
vegetabilischen und landschaftlichen Umgebung willen den Besucher 
auf immer fesselt. Und diese Grotte ist nur eine von vielen, die 
das liebliche Thal -zierten und nnn spurlos verschwunden sind. 
[Auch am Emissar des Albaner-See's ein Quadcrban, gleich ei- 
nem Nynipheum, erhalten.] — Ebenso ist das niedliche Tempelchen 
über der Quelle des Clitumnus (an der Strasse zwischen Spo- 
leto und Foligno, „alle Vene") nur eines von den vielen, die einst 
von dem schönen, bewaldeten Abhang m'edcrschaiiten. Trotz später 
und unreiner Formen (z. B. gewundene und geschuppte Säulen und 
dgl.) ist es doch wohl noch aus heidnischer Zeit und mit den christ- 
lichen Emblemen erst in der Folge versehen worden '). Der Archi- 
tekt kann sich kaum eine lehrreichere Frage vorlegen als die: wo- 
her dem kleinen, nichts weniger als mustergültigen Gebäude seine 
unverhältnissmässige Wirkung komme. 

'1 Oilcr in christlicher Zell aus den Fragmenten der umliegenden Heillgtiitlmer 
inaainroengebam [ [Die christliche iruenrift n-enlESIens scheint gleichzeitig mit der 
übrigen Steinarbelt.] 



Antifco Architektur. 



Die römischen Häuser, Villen und Paläste bilden schon in 
ihrer Anlage einen n durch geh enden Contrast gegen die modernen 
Wolinbauten. Letztere, sobald sie einen monumentalen Charakter 
annehmen, nähern sich dem Schlosse, weiches im Mittelalter die 
Wohnung der höhern Stände war, und sich nur allmählig (wie z. B. 
Florenz beweist) zum Palast im modernen Sinne, d. Ii. doch immer zu 
einem geschmückten Hochbau von mern-ern Stockwerken ausbildete; 
eine Form, welche dann ohne alle-Noth auch für die modernen Land- 
häuser beibehalten wurde. Der Hauptausdruek des ganzen Gebäudes 
ist die Fassade. 

Bei den Alten war diese eine Nebensache; in Pompeji haben 
e selbst Gebäude wie z. B. die Oasa dcl Faunn nach aussen nur 
glatte Mauern oder auch Buden, und von den Wohnungen der Grossen 
in Rom selbst darf man wenigstens vermuthon, dass der Schmuck 
der Vorderwand mit dem Veatibulum nur eine ganz bescheidene Stelle 
einnahm neben der Pracht des Innern. — Sodann war bei den Alten 
der Bau zu mehreren Stockwerken in der Kegel nnr eine Sache der 
Noth, die man sich in grossen Städten gefallen liess, wo irgend mög- 
lich aber vermied. Wer Platz hatte oder gar wer auf dem Lande 
baute, legte ilie einzelnen Bäume zu ebener Erde rings um Höfe 
und Hallen herum an, höchstens mit einem einzigen Obcrgeschoss, 
welches überdies fast bloss geringere Gemäeher enthielt und nur 
einzelne Thcile dcsBaues bedeckte. Plinius d. J. in der Beschreibung 
seiner laurent mischen Villa giebt hierüber ein vollständiges Zeugniss. 
Unebenes Terrain benutzte uum :i]lci'iliii.;.< zu mehrstöckigen Anlagen, 
wie die Kaiserpalaste auf dem P:datin und die Villa des Diomedes bei 
b Pompeji beweisen; allein Beiz und Schönheit solcher Bauten lagen 
ohne Zweifel nicht in einer grossen ("Jcsanmitl'iissadi-, wundern in 
dem terms sen artig ou Vortreten der untern Stockwerke vor dieobern. 
Luft und Sonne lagen dem antiken Menschen mehr am Herzen als uns; 
er liebte weder das Treppensteigen noch die Aussicht auf die Strasse, 
welche uns ho viel zu gelten pflegt. 

Die Ermittelung der einzelnen Bäume des Hauses und ihrer Be- 
stimmung gehört der Archäologie an ; wir haben es nur mit dem 
künstlerischen Eindruck der erhaltenen Gebäude zu thnn. Die Fassade 
war bei den potupej anischen Hauten, wie gesagt, deu Buden 
aufgeopfert. Innen aber lierrseht ein Reichthum perspectivischer 
Durchblicke, welcher bei jedem Resuch der Stadt einen neuen, uner- 



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HansBr, Tillen und Paläste. 



schöpflichen Genus» gewährt. Allerdings sind an den beiden mit 
.Säulen- oder Pt'eiliT - Haiku umgebenen ltfilcn, dem Atrium und dem 
Peristyliuni , die einst hölzernen Gebiilko sänimtlicli verschwunden ; 
dafür hemmt auch keine Zwischenthür, kein Vorhang mehr den 
Durchblick. Die Farbigkeit der StuccusÜulen, weit entfernt sich 
bunt auszunehmen , steht in völliger Harmonie mit der baulichen und 
figürlichen Bemalung der Wände, von welcher in besondern Ab- 
schnitten (siehe Seite 57 bis 6J , und: antike Maleroi) die Rede sein 
wird. Denkt mau sich ausserdem die vielen plastischen Bildwerke, 
die kleinen Hauscapellchen, die Brunnen im Usrtenhof des Peristy- 
liums , die grünen Lauben und die ausgespannten Schattentücher Uber 
einzelnen Kämneu hinzu, so ergiebt sich ein Ganzes, welches zwar 
keine nordische, aber eine beneidenswerthe südliche Wohnliebkeit 
und Schönheit hat. — Sehr fraglieh bleibt immer die Beleuchtung der 
meisten Gemächer um die Hufe herum, da der Oberbau fast durch- 
gängig nicht mehr vorhanden ist und Fenster sich fast nirgends lin- 
den. Durch die Thür nach dem Hufe konnte nur ein sehr ungenügen- 
des Licht hereindringen, da die bedockte Halle vor der Thür den 
besten Thcü vorwegnahm. Und doch können die zum Theil eo vor- 
trefflichen Malereieu des Innern weder bei Lampen schein ausgeführt 
noch dafür berechnet sein. Ein Oberlicht, etwa ;ils Dach Öffnung mit 
einer kleinen Lanteruu oder Loggia bedeckt zu deuken, würde wohl 
am ehesten die Schwierigkeit lösen. ') Jedenfalls ist es bezeichnend, 
dass alle Neben gemüeher, die einzelnen Hausgenossen oder beson- 
dern Bestimmungen zugewiesen waren, neben den Familienräumen: 
dem Tablinum und dem Tricliniuin zurückstehen, und dass die 
Hallen der eigentliche Stolz des Hanscs waren. Es wäre unbillig, an 
ihren Säuleu eine strenge griechische Bildung zu erwarten, da die 
Oertlichkeit sowohl als die bescheidenen Umstände der Besitzer dio 
Anwendung des Stueco verlangten , dieser aber die Formen auf die 
Länge immer dcmorah'sirt ; man darf im Gegentheil den Schönheits- 
sinn bewundern, welcher noch immer mit verhält nissmässig so 
grosser Strenge an dem einst für schön Erkannten festhiolt. An 
convexeu Canneürungen, an vortretenden Dreiviertelsäulen, an dem 
Öfter genannten ionischen Bastardcapitäi , an achteckigen Pfeilern, 



[Ein Beüplel abgcbild«« logsien«iiig«r Architektur mit OberlichtfenaHrn In • 
der .Cm» dl Cuturc t Polln«.-] 



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54 



Antike Architektur. Privatbau. 



sowie an vielen andern bedenklichen Formen soll zwar das Auge 
sieb nicht bilden, aber auch nicht zu grossen Anstoss nehmen, 
sondern erwägen, von welchem grossen, reichfarbigen Ganzen 
dieses einst blosse Thoile waren, und wie sich die Einzelheiten 
gegenseitig tlieils trugen theils aufwogen. Wie sehr bereitet schon 
die einfache Mosaikzeiclinung des Bodens auf den architektonischen 
Reicht! l um vor. 

Einen Prachtbau mit strengern Formen findet man wohl nur in 
a der „Oasa del Fauno"; den eigentliilni liehen pompejanischen 
h Zauber aber gewähren in hohem Grade z. B. auch die „Casa del 
c poeta tragico", die scliiini' Gartailuille der „Casa de' capitelli figu- 
d rati", die „Casa del lnbirinto" und die „Casa di Nürono" mit 
e ihren Trielinien hinten, die „Casa di Pausa" mit ihrem prächtigen 
f Peristilium, die „Casa dcllu Ballerina" mit dem so niedlichen hintern 
Raum für Brilnuchen, Statuetten und etwa eine Bebenlaube, die 
e „Casa di Meleagro", eine der gross räumigsten, und so viele andere 
Häuser. Denn Pompeji ist aus Einem Guss und bisweilen gewährt 
auch ein geringes Haus irgend eine architektonische Wirkung, die 
zufällig dem kostbarsten fehlt. — Von den Landhäusern ist die 
ii Villa des Diomedes reich an Räumen aller Art und Anordnung, 
unter welchen sich auch ein halbrund abgeschlossenes Triclmium 
mit Fenstern findet; für den Effect des Ganzen ist das Studium der 
] Jifter versuchten Restauration unentbehrlich. — In Herculanuni 
ist wenigstens eine schöne Villa vollständig aufgedeckt. — Als Er- 
gänzimg zu diesen Bauten betrachte man die vielen kleinen Veduten 
k in den Wanddecorationen zu Pompeji und iin Museum von Neapel ; sie 
stellen zum nicht geringen Theil Landhäuser und Paläste meist am 
Mecresstrand dar, allerdings nicht blosä wie sie waren, sondern wie 
die vergrößernde Phantasie sie gerne gehabt hätte; ausserdem be- 
sonders reiche Hafenan sichten, 
l Am Strand von Pozzuoli, Bajä und weiter hinaus liegen die 
ineist völlig entstellten Trümmer zahlloser Landhäuser, als deren 
Eigcnthilmer man einige der berühmtesten Namen des rtimischen 
Alterthums aufzuzählen pflegt. Die merkwürdigsten sind die ins. 
Meer hinaus gebauten, von welchen man noch im Wasser die Funda- 
mente und in jenen Abbildungen wenigstens die ungeiähre Gestalt 
sieht. Diese Bauweise erscheint durchaus nicht als blosser Luxus ; 



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Fonuoli, Bajä, Capri, Eom. 



sie schützte vor der Fieberluft, welche schon damals jene Küste heim- 
zusuchen pflegte. 

Ton den Trümmern der Knuten Tiber's auf Capti offenbart die » 
Villa Jovis durch ihre fiir das erste Jahrhundert ziemlich nachlässige 
Construetion, dass der alte Herr rasch fertig werden und bald ge- 
messen wollte. 

Iu und um Rom 1 ) nehmen Paläste und Villen einen grossem 
Charakter an und gehen in einzelnen Praehtliestanrttheilen weit Uber 
das bloss Wohnliehe hinaus. Wir können das Einzelne an den Ruinen 
dieser Art in Tusculuni, bei Tibur u. s. w. nicht verfolgen, da der 
jetzige Trümme ran blick bei weitem mehr wogen des maleriscnen als 
wegen des kunsthistorischen Wertlies geschätzt wird, lieber der 
Villa des Mäcenas , wie das Wasser des Anio ihre liegen durchströmt, b 
vergisst man den ehemaligen Grundplan und seihst dun Eigenthünier. 
Von den hieber gehörenden Kaiserbauten ist der Patatin mit seinen e 
Trümmern das Wichtigste. [Die neuen Ausgrabungen der ehema- 
ligen Orti Farnesiani auf Befehl Napoleons III. durch den Archi- 
tekten Cav. Hoan auageführt, haben fast Alles hlossgelegt, was von 
der colossalen Anlage noch erhalten war. Die Karte der Ausgra- 
hungen und die überall aufgestellten Tafeln geben — vielleicht zu- 
viel — Auskunft über die Bestimmung der Räume. In den sog. 
Bädern der Livia, kleinen, vielleicht von jeher unterirdischen Ge- 
mächern Reste sehr schöner Arabesken. Die wegen ihrer prächtigen 
malerischen Wirkung einst her ahmten unterirdischen Räume der 
Villa Mills (Sparta) jetzt Nonnenkloster, sind unzugänglich]. — In 
den jetzt vorzugsweise so benannten Palazzi de' Cesari: eine A 
ungeheure Masse von Ruinen, zum Theil riesiger Dimensionen, dar- 
unter eine Nische mit Umgang, welche noch ihre Cassetton bat, Vor- 
bauten gegen den Circus Maximus, dessen Spiele von hier wie von 
Logen aus beschaut werden konnten (das Meiste wohl aus der Zeit 
Domitians); die grosse Doppelreihe von Gewölben gegen den Cölius 
zu ein blosser Unterbau, über welchem erst der Palast (vielleicht 
des Scptimius Severus) sich erhob. Die Wasserleitung, welche in 
diesem System von Palästen die Brunnen und Bäder versah, ist 

'I Die Anordnung dor l'tlvnlhäuaor In Harn cnchclnt. dsm CQpilollnisctien Stadt- 
plan zufolge den pompej anlachen «ehr ähnlich ; [wie auch die hei den Caracallaihermen 
neuerllcb umgegrabene sag. Casa dl Aalnlo Polio n« uewaUI.l 



56 Antike ArchiWrtttr. PaläMa in Koni, Villen u. a. 

noch in einigen mächtigen Bogen erhalten. ') [Die umfassenden auch 
hier ausgeführten Ausgrabungen haben viele Räume blosBgelegt und 
viel von den malerischen Reizen der Ruinen zerstört. Die Reste 
von Decoration durchgchends gering). 

Von dem Palast und den Garten des Sallust (hinter Piazza 
Barberina beginnend) hat sich etwa so viel gerettet, d aas man mit 
Hülfe der Nachrichten sich ein glänzendes Gedankenbild des Ganzen 
entwerfen kann. 

Von dem Palast des Scaurns auf dem eölischen Berge hat be- 
kanntlich Mazois in einem angenehmen Buche (das in allen Sprachen 
vorhanden ist) wirklich ein solches Gedankenbild aufgestellt ; an Ort 
und Stelle igt indess kein Stein davon nachzuweisen. 

Die Villa Hadrians unterhalb Tivoli verlangt in ihrem 
jetzigen Zustande, nach dem totalen Verlust ihrer Steinbekleidung 
und ihrer Säuienbautcn, eine starke Phantasie, wenn man die ein- 
zelnen, meist nicht sehr bedeutenden Räume noch für daserkennen 
soll, was sie einst waren. Hadrian hatte hier die berühmtesten 
Locali täten der alten Welt im Kleinen nachahmen lassen und auch 
von den Gattungen deB römischen Prachtbaues immer je ein kleines 
Speeimen errichtet, das Ganze in einem Umfang von mehr als einer 
Stunde. Wenn andere Bauherren ähnliche Phantasien ausführten, 
so lässt »ich denken, wie schwer gewisse Ruinen römischer Villen 
und Paläste einleuchtend zu erklären sein müssen. [Die Bestim- 
mungen der Karte von Fea sind von zweifelhafter Richtigkeit). 

Von den zum Theil riesenhaften und äusserst ausgedehnten 
Villetitrüniniern der römischen Campagna scheint das Rundgebände 
„Tor de' Schiavi" der Ueberrest einer sehr namhaften Anlage 
der Gordiane (HI. Jahrhundert) zu sein. — Ungeheure Räume auf 
einem noch kenntlichen Gruntlplan findet man namentlich in der 
sog. Roma vecchia. — Die Villa Domitians umfasst gegenwär- 



Hei diesem Anlass bemerke man den römischen Goursurh giosacr Nischen mit 
lUlbkupncln In den Fassaden, deren eine .. B. hier als Kaisorloge gegen den Clrcu» 
dient Mm findet sie wieder an der (jetilgon) Vorderseite der Dlocletlansthormen ttt. ; 
dann in christlicher Zell am Palsst des Theodurich iu Ravenna; ata Nachklang »n. 
den Portalen von B. Marco in Venedig; In häufiger nnd sehr colossalcr Anwendung 
an den Bauten des Islams, nunal in Ostindien; endlich mit lierriteher Wirkung von 
Biamttnte zum Hauptmotiv des Oisrdlno dells Picna (im Vailcan) ertobin. 



Wanddecorationen. 



57 



tig ilcn Raum des Städtchens Alb an o und der Landgüter an dessen 
Westseite, gewährt aber nirgends mehr ein Bild des ehemaligen 
Bestandes, so zahlreich und gross angelegt auch die einzelnen 
TcUmmerstllcke sind. — Wie die Kaisorthermen mehr als blosse 
Thermen, so waren die Kaiser villen auch etwas Anderes als blosse 
Villen, vielmehr ein Inbegriff vieler einzelnen Praelitbauten der ver- 
schiedensten Art und Gestalt. 



DaeBild der antiken Bauwerke vervollständigt sicherst, wenn 
man sich einen reichen farbigen .Schmuck hinzudenkt. Fürs L'rsto 
wurden bis in die römische Zeit einzelne Theile des Baugerüstes 
Belbst, also der Säulen, Gebälke, Giebel etc. mit kräftigen Farben 
bemalt, und wenn auch an den Tempo besten Roms keine Spuren 
von Farben mehr gefunden werden, so sprechen doch die blauen 
und rothen Zierrathen auf dem M eissen Stucco der pompejanischen 
Säulen und Gesimse, ja die oft totale Benialung derselben unwider- 
leglich für eine durchaus übliche Polychromie (Mehrfarbigkeit). Ge- 
wiss nahm dieselbe in der Kaiseizeit bedeutend ab, indem ein immer 
wachsender, bis zur Verwirrung und Verwilderung führender 
Reiclithum gemeisselter Zierrathon ihre Stelle vertrat; auch die 
zunehmende Vorliebe für farbige Steinarten musst« ihr Concnrrenz 
machen. 

Zweitens war schon in der spätem griechischen Kunstepoche 
die sog. Scenographie aufgekommen, eine Jieinahing der glatten 
Wände, auch wohl der Decken und Gewölbe, mit architektonischem 
and figürlichem Zierrath. Was von dieser Art in rümisclien Tem- 
peln vorkam, wollen wir nicht ergründen; erhalten sind in Rom 
[anaser den Gräbern an derVia Latina mit interessanter Stuck - 
nnd Farbendeco ration , schwebenden Seetbieren, Nymphen, Genien, 
eingerahmten Gemälden etc.] nur wenige Fragmente in profanen Ge- 
bäuden, z. B. in den Titiisthermen , und auch diess Wenige lernt 
man jetzt, da Luft und Fackelrauch es entstellt, besser aus den 
(übrigens selten stylgetreuen) Abbildungen kennen als aus den 
Originaleh. Dagegen sind theils in Pompeji an Ort und Stelle, 
iheils im Museum von Neapel eine grosse Anzahl von Wand- 
decorationen mehr oder minder vollständig gerottet, die uns der 
Ausbruch des Vesuvs im Jahr 7fl zum Geschenk gemacht hat. 



Das Figürliche wird bei Anlass der Maleroi besprochen werden; 
hier handelt es sich zunächst um die architcktoniach-decorative 
Bedeutung dieses wunderbaren Schmuckes. 

Man wird «ich bei einiger Aufmerksamkeit sofort überzeugen, 
*iasa kein einziger Zierrath sich zweimal ganz identisch wiederholt, 
daas also die Schablone hier so wenig als an den griechischen Vasen 
{b. u.) zur Anwendung gekommen sein kann. Ich glaube behaup- 
ten zu dürfen, dass die Maler mit Ausnahme des Lineals, Zirkels und 
Messzeuges kein erleichterndes Instrument brauchten, dass sie also 
mit Ausnahme der geraden .Striche, einiger Kreislinien und der wich- 
tigem Proportionen Alles mit freier Hand Ii ervor brachten. Ihre Fer- 
tigkeit in der Production war zu gross; sie arbeiteten ohne Zweifel 
schneller so als mit jenen 1 Hilfsmitteln jetziger Dccoratoron. Mit den 
Stuccooniamenteu verhielt es sich nicht anders; im Tepidariuni der 
a Thermen von Pompeji verfolge man z. lä. den grossen weissen 
Hankenfries, und man wird die sich entsprechenden Pflanzenspiralen 
(je die vierte) jedesmal abweichend und frei gebildet finden. (Das 
kleine Gesimse unten daran ist allerdings mit einem sich wieder- 
holenden Model geformt, da hier die Anfertigung von freier 
Hand eine gar zu nutzlose Quälerei gewesen wäre.) Die Künstler 
aber, um die es sich hier handelt, waren blosse Handwerker einer 
nicht bedeutenden Provincialstadt. Sie haben ganz gewiss die Fülle 
der herrlichsten Zier-Motive so wenig erfunden als die bessern 
Figuren und Bilder, die sie dazwischen vertheilten. Ihre Fähigkeit 
bestand in einem unsäglich leichten, kühnen und schönen Itecitiren 
des Au swendiggel ernten; dieses aber war ein Thetl des allvcr- 
breiteten Grundcapiisils der antiken Kunst. 

Eine solche- Decoration konnte allerdings nur aufkommen bei der 
lianweise ohne Fenster, die uns in Pompeji so befremdlich auffallt. 
Diese Malerei verlangte die ganze Wand,' um zu gedeihen. Weniges 
und einfaches Hausgera'th war eiue weitere Bedingung dazu. Wer 
im Norden etwas Aehnliches haben will, muss schon einen Bauin 
besonders dazu einrichten und all den lieben Goiufort daraus 
weglassen. 

Der Inhalt der Zierrathen ist im Ganzen der einer idealen per- 
spectivischen Erweiterung dos liaumes selbst durch Architekturen, 
uud einer damit abwechselnden Beschränkung durch dazwischen 
gesetzte Wandflachen, die wir der Deutlichkeit halber mit unsern 



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Pompe janische Soeuog-raphio. 



5» 



spanischen Wänden vergleichen wollon. An irgend eine scharf con- 
scquente Durchführung der baulichen Fietiou ist nicht zu denken ; 
das Allgemeine eines wohlgefälligen Eindruckes herrachte unbe- 
dingt vor. 

Die Farben sind bekanntlich (zumal gleich nach der Auffindung) 
sehr derb: das kräftigste Roth, Blau, Gelb etc.; auch ein ganz 
unbedingtes Schwarz. Auf eine doininirende Farbe war es nicht 
abgesehen; rothe, violette, grüne Flächen hed ecken neben einander 
dieselbe Wand. Ungleich auffallender ist, dass man durchaus nicht 
immer die dunklern Flächen unten , die hellem oben anbrachte. Eine 
Reihe von Stücken einer sehr schönen Wand (Museum) beginnt unten , 
mit einem gelben Sockel, fährt fort mit einer hochrothen Hauptfläclie 
und endigt oben mit einem schwarzen Fries; freilich findet sich ge- 
wöhnlich das Umgekehrte. 

Die ornamentale Durchführung und figürliche Belobung dos Gan- 
zen ist nun eine sehr verschiedene, je nach dem Sinn des Bestellers 
und des Malers. In der Mitte jener einfarbigen Flächen war die 
natürliche Stelle für eingerahmte Gemälde sowohl ') als für einzelne 
Figuren und Gruppen auf dem farbigen Grunde selbst; anderwärts 
treten die Figuren als Bewohner der (gemalten) Baulichkeiten zwischen 
Saidchen und Balustraden auf. Die Landschaftsbilder finden sich 
theils ebenfalls in der Mitte der farbigen Flächen, theils vor die 
Baulichkeiten, oft sohr wunderlich, hingospannt. 

Die gemalte Architektur ist eine von den Bedingungen des Stof- 
fes befreite; wir wollen nicht sagen „vergeistigte", weil der Zweck 
doch nur ein leichtes, angenehmes Spiel ist, und weil die wahren 
griechischen Bauformen einen ernsten und hohen Sinn haben, von 
welchem hier gleichsam nur der flüchtige Schaum abgeschöpft wird. 
Immerhin aber werden wir diese Docoratoren für die Art, ihren Zweck 
zu erreichen, schätzen und bewundern. Sie hatten ganz recht, keine 
wirkliehen Architekturen mit wirklicher, auf Täuschung abgesehener 
Linien- und Luftperspective abzubilden. Dergleichen wirkt, wieso 
viele Beispiele im heutigen Italien a ) zeigen, neben ächten Säulen und 

') Ob das Coloril dluer Geuialdo wliklich in einem durch. gehenden Verhältnis! 
•Mit au der rothen, grünen ote. Farbe lies entsprechenden Waudstückos, wa s e ich 
steht zu entscheiden. Oerado die besten Gemälde haben durch die Uobortragung In 
dl» Museum vun Neapel inren Zusammenhang mit der Wsudlurbo olugebüssl. 

-] [Vereinzelt auch Iii Pompeji : Caaa del lublrfnto.i 



Antike Decoration. 



Gebiiiken doch nur kümmerlich und verliert bin der geringsten Ver- 
witterung allen Werth, während die iikalen Architekturen dieser 
alten Pompejancr, selbst mit ihrer abgcblasaten Farbe, auf alle 
.htluliiinderte Auge und Sinn erfreuen «-erden. 

Siiulchen, (iüblilki' und (iiehcl nämlich sind wie aus eincin idea- 
len Stoffe gebildet, bei welchem Knill und Schwere, Tragen und Ge- 
tragenwerden nur noch als Rcminiscenz in Betracht kömmt 1 ). Die 
Säulchen worden tlieils au schlanken goldfarbigen Stäben mit Canne- 
lirungen, theils zu Schilfrohren, von deren Knoten eich jedesmal ein 
Blatt ablöst, ähnlich wie an vielen Candolabem; ja bisweilen wird 
eine ganze reiche Schale rings umgelegt; auch blüht wohl eine 
menschliche Figur als Träger daraus ompor. Die Gcbälke, oft mit 
reichen Vcrkropfungen , werden ganz dünn, unten geschwungen 
gebildet und meist liluss mit einer Eeiiie von Conaolen, kaum je mit 
vollständigem Architrav, Fries und Dcckgosimse versehen. Dieselbe 
Leichtfertigkeit spricht sich in den Giebeln aus, welche nach Be- 
lieben gebrochen, halbirt, geschwungen werden. Wo es sich um 
Üntensicht und Schiefsicht, z. B. beim Innern von Dächern etc. 
handelt, sclieint die Perspective oft sehr willkührlich und falsch, 
man wird sie aber in der Kegel decorativ-riclitig empfunden 
nennen müssen. 

Der besondere Schmuck dieser idealen, ins Enge und Schlanke 
zusammengerückten Architektur sind vor Allem schone Giebel- 
zierrathen. Man kann nichts Anmut hige res sehen als die blasenden 
Tritone, die Victorien, die mit dem Ruder ausgreifende Scylla, die 
Schwäne, Sphinse, Seegrcifc und andere Figuren, welche die zarten 
Gesimse und Giebel krilneu. Dann finden sich Gänge, Balustraden, 
auf welchen Gefäsae, Masken it. dgl. stehen, und ein (mit Maassen 
angewandter) Schmuck von Bogenlniiben und Guirlanden. Letztere 
hängen oft von einem kleinen goldenen Schilde zu beiden Seiten 



durchgängig {an Wanuzicrrntheu, Stühlen, selbst feinen Schmucksachen) streng archi- 
tektonlach gedacht und wiederholt Überall Ihr« Wichen, Bockel, Fenster, Streben, 
I'j-romidon und Blumen Im kleinsten Xanaaslab Khnlieh wie im grasten. Sfo bednrfio 
jener besondem Erleichterung Tom Stufte nicht wie die antike, well durch ihr inneres 
Oeaect der Entwicltlun g nach oben der Stoff bereits Überwunden Ist. Au den 
Chnmtühlen, Altären ilcr apKtcren Oolhlk kommt es alsdann allerdings noch in einer 
Lnidentung der Formen Ins Uoborschlanko nnfl Durch sichtige, welohe elnigermajiaa«! 
der nompejanisclicn Decoration analog i.t. 



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Poiupojamsche Boanograplüe. 61 

herunter'). — Es giebt auch einzelne Beispiele einer mehr der 
Wirklichkeit eich nähernden Perspective, mit Aussichten auf Tempel, 
Stadtmauern u. dgl. (so im Museum und in den hintern Räumen s 
der Cas» del labirinto zu Pompeji): allein im Ganzen hat die ohen b 
dargestellte Behandlung das grosso Uebergewicht. In einzelnen 
l-lnslih-li'ii Glu^-cum . Stalihiucr Thermen) ist die ganze Architektur c 
und einige Theile der sonstigen Defloration von hellem Stucco erhaben 
aufgesetzt , wirkt aber so nicht gut. 

Der Hintergrund dieser phantastischen Baulichkeiten ist theils 
weiss, theils himmelblau, auch wohl schwarz, und contrastirt sehr 
kräftig mit den dazwischen ausgespannten farbigen Wanden. Oft 
sind auf be sondern schmalen Zwischenfeldern nocli leichtere Ara- 
besken, Hermen, Candclabcr, Thyrsussta'ho u. dgl. angebracht. Die 
Künstler wussten sehr wohl, dass eine reiche Decoration, um nicht 
bunt und schwer zu werden, in mehrere Gattungen geschieden sein 
muss. Der Sockel ist meist als Flache behandelt und enthalt: ent- 
weder natürliche Pflanzen, wie sie an der Mauer wachsen; oder, auf 
besonders eingerahmtem dunklem Grunde, Masken mit Weinlaub 
(auch wob! auf Treppchen liegend mit Fruchtschniiren ringsum), 
fabelhafte Thier« , einzelne Figuren, kleine Gruppen u. dgl. — Ucber 
der Hauptfläche ist der oberste Theil der Wand meist mit geringerer 
Liebe (auch wohl von geringerer Hand) verziert. Allerdings ent- 
wickelt Bich bisweilen erst hier das weiter unten begonnene Giehel- 
und Guirlnndenwesen auf hellem Grunde zum grüssten Reichthum; 
oft aber nehmen kindliche Darstellungen von Gärten und Laub- 
giingen oder sog. Stillleben (tndte KUohentMere, Fische, Früchte, 
Geschirr, Hausrath etc.) diese Stelle in Beschlag. (Wenn man eine 
Liehtoffnnng in der Mitte der Decke annimmt, so erklärt sich die 
priu^eie uiiileri^ehe Behandlung dieser obern Wandthcile, welche 
das schlechteste Licht genossen, ganz einfach.) 

Den Zusammenklang dieses köstlichen Ganzen empfindet man 
am besten im sog. Pantheon (Tempel des Augustus) zu Pompeji, d 
wo von zwei Wänden beträchtliche Stücke der Malereien ganz er- 
halten sind. Am Sockel: gelbe vortretende Piedestale mit schwarzen 



'} Vielleicht mir cIbc nraddtc BiolnlMani du Eimcrkctfc, welche von ihrer 
Rolle hernntirhänfct. Mail wird erat spül innc, aus nie kleinen Motiven die Kunst 
Zierliches um! s<:K>.-l Scliüiios 7.11 ii'lnilTen well». 



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62 Antike Doeoration. 

Füllungen, zum Theil mit gelben Karyatiden; an der Haupt fläche: 
ein hinten durchgehender rother Raiini mit prächtigen Architekturen 
und Durchblicken ins (helle) Freie, davorgestellt grosse schwarze 
Wände mit Guirlandcn und M i ttel bilde rn, die zu den werthvollsten 
gehören (Theseus und Äetlira, Odysseus und Penelope etc.); vor 
die Säulen sind unten, wie in der Regel, kleine Landschaften ein- 
gesetzt; die Architekturen selbst sind mit Gestalten von Dienern, 
Priesterinnen u. s. w. trefflich belebt; am ohern Theil der Wand: 
theils Durchblicke ins (blaue) Freie mit Gestalten von Göttern, 
theils Stulleben auf hellem Grunde. — Raphaels Logen danehen 
gehalten, kann man im Zweifel bleiben, welcher Eindruck im Gan- 
zen erfreulicher sei. 

Von dieser Pracht arbeit führt eine grosse Stufenreihe abwärts 
bis zu den einfachen Arabesken, .Siiulehen und Giebelchen, welche 
roth oder rothgelb auf weissem Grunde die Kaufladen, Ncben- 
gemächcr und Gänge der geringem Häuser verzieren. Wir wollen 
nur einige Gebäude namhaft machen, in weichet: die Seenographie 
ihre Gesetze besonders deutlich offenbart. 

Im „Haus des tragischen Dichters" sind mehrere Ge- 
mächer besonders schitn und belehrend. Eines: Architektaren auf 
weissem Grund, dazwischen rothe und gelbe Flächen mit einge- 
rahmten Bildern, drüber ein Fries mit Wertkämpfen und ibnin nue.li 
leichtere Ornamente, beides auf hellem Grund. — Anderswo: die 
schlanke Architektin besnnders reizend zu halbrunden Hallen ge- 
ordnet. — Im sog. Esszimmer: über schwarzem Sockel und violett- 
braunem Obersoekel yellie 1 lutipttliii'-lien mit trefflichen Bildern, da- 
zwischen Architekturen auf himmelblauem Grund, die Rohrsäulen 
ausgehend in Figuren (als bewegte Karyatiden); oben freiere Figuren 
und Ornamente auf gelbem Grund. 

Inder „Casa della Ballerina" an den Wänden des Atriums 
zierliche kleine Tempel fronten mit Durchblicken auf himmelblauem 
Grund. 

In der „Casa di Castore c Polluce" mehrere Gemächer 
mit reichem Zier werk auf lauter weissem Grund; die Figuren theils 
schwebend in der Mitte der Flächen, theils als Bewohner der Archi- 
tekturen angebracht. In andern Räumen zwischen brannrothen 
Architekturstücken blaue Z wisch endlichen, mit sehr zerstörten aber 
ausgezeichneten Bildern. 



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Pomp< 



»graphie. 



In der „Casa di Meleagro" ein Gemach mit guten Ornnmen- a 
teil (am Sockel Pflanzen) auf schwarzem Grund; ein anderes mit 
gelben Architekturen auf himmelblauem Grund und rgthen Zwischen- 
fläcben, die gute Bilder enthalten. 

In der „Casa di Nerone" mehrere Zimmer mit einer donii- b 
nironden Farbe, was sonst wenig vorkömmt; ein gelbes, ein rotlies, 
ein blaues Zimmer; oben durchgängig Architekturen mit Fililnguren 
auf weissem Grund. Das Tricliiiium ganz gelb, die Ornamente bloss 
mit. braunen Schatten und weissen Lichtern angegeben. Die Halle 
um den Garten dagegen : braun rot Ii er Sockel mit natürlichen Pflanzen 
u. dgh, unterbrochen von gelben vortretenden Piedestalen ; darüber 
reiche und treffliche Architekturen auf blauem Grund mit schwanen 
Zwischen flächen, welche gute Bilder enthalten; ohen: Zierrathen 
und Figuren auf weissem Grund. Im sog, .Schlafzimmer die Archi- 
tekturen mit Bewohnern besonders anmuthig belebt. 

Inder „Cnsa d' Apollo" das Tablinum vom ASlerzierlichsten; c 
das sogen. Schlafzimmer mit lauter goldgelben Architekturen auf 
hinimel blauem Grund, so dass gar keine Zwischenflächen vorhanden 
sind; die Figuren theils ganze, Götter darstellend, tlieils Halb- 
fig-nren hinter den Balustraden : die Ausführung gut, doch geringer 
als im Tablinum. 

In der .Cassi di Sallustio" enthält die Wand des hintern & 
«ärtchens eine harmlose Dceoration, wie sie auch sonst noch in 
pompejanisehen Gartenriiiimen und bis auf den heutigen Tag vor- 
kommt; hohe natürliche Pflanzen mit Vögel« und Gnirlanden auf 
himmelblauem Grunde. Um den kleinen Hof in der Nahe des Bildes 
«Diana und Actäon" herum gute Verzierungen auf lauter schwarzem 
(irumle mit Ausnahme des violetten Sockels. Andere Räume mit 
farhigen Quadern (von Stuccoi sehr unschön decorirt. 

Inder „Casa dellc Vestali" die Gartenhalle ganz gelb, auch e 
der untere Theil und die korinthischen Stuceocapitäle der Säulen. 
Die Architekturen der Wand bloss mit braunen Schatten und weissen 
Lichtern angegeben; oben offene Schränke mit Kllchenthicren und 
Ouirlanden in Naturfarbe; der Sockel braunroth mit mythologischen 
Figuren. 

Inder .Villa di Diomedc" die Malereien theils unbedeutend, r 
theils weggenommen und nach Neapel geschafft. Die Gewölbe der 



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fi4 Antike Decoration. Pompejanische Sonographie. Mosaiken. 



untern Räume sind mit Fortsei zun gen der Architekturen auf hellem 
Grunde verziert. 



Nur ungern trennen wir bei der Kesprcehmig dieser Schütze die 
eigentliche Malerei von der Doeorution , indem sich die beiden Künste 
nie so eng die Hand geboten haben wie gerade liier. Wo sollen 
wir z. B. die unzähligen kleineu Vignetten unterbringen, welche 
diese heitern Räume beleben? Wer ihnen je einen Mick gegönnt 
hat, wird sie noch oft und mit immer neuem Genuas betrachten, 
diese Gruppen von Gelassen , Vögeln , Schilden , Meerwimdcrn, Tem- 
pelchen, Masken, Schalen, Fächern und Onibrellen mit Schnurwerk, 
Dreifüsson, Treppchen mit Mufergeräthen, Hennen u.s.w., um zu 
schweigen von den zahllosen menschlichen l igiirchem 

Unlüugbar ist in diesem ganzen yi>jtj]>ei:iuisrlien Schmuckwesen 
wie in der Architektur schon Vieles, was der Ausartung, dem Ba- 
rocken angehört. Nur muss man sich hüten, gleich Alles dahin zu 
rechnen, was nicht dem Kanon der griechischen Säulenordnungen 
entspricht, denn auch das scheinbar Willkürliche hat hier sein 
eigenes Gesetz, welches man zu errathen suchen musB. 

Die spatern Schicksale dieses Stylt's werden allerdings bald 
traurig. Er scheint schon im II. Jahrhundert, jedenfalls im III. cr- 
h starrt zu sein. Die Mosaiken des runden Umganges von S. Distanza 
hei Rom zeigen, dass man zu Anfang des IV. Jahrhunderts gar 
nicht mehr wusste, um was es sieh handelte; in dem Rankenwerk 
herrscht Wirrwarr, in den regelmässigen Feldern eine Öde und 
steife Einförmigkeit. Einige gute Ornamente retten sich wohl bis 
tief ins Mittelalter hinein und gewinnen .stellenweise (s. unten) ein 
neues Leben; die llauptlH'diiigiiug dieser ganzen Produetions weise 
aber war unwiderbringlich dahin: nämlich die Lust des Impro- 

Wo diese nicht vorhanden gewesen war, da hatte auch der 
Ponipejancr einst nur Kümmerliches geleistet. Mau sehe nur seine 
meisten Mosaikornamente, bei deren Anfertigung natürlich diese 
1) Lust wegfiel. (Säulen und Brunnen im Museum zu Neapel; an- 
c deres in verschiedenen Häusern zu Pompeji seihst, u. a. in der 
„Casa della Medusa".) Ganz auffallend sticht die kindische Leb- 
losigkeit dieser Prunksachen neben den freien Arabesken der Wände 



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Marmorne Fracfctgerathe. 



-rfb. Auf ähnliche Weise hnt später das Mosaik, als es vorherr- 
schende Geltung erlangte, das Leben der Historienmalerei getödtet. 
Uiess hindert nicht, dass aus früherer Zeit einzelne ganz ausge- 
zeichnete MoBaitcHachen vorhanden sind und dass ausser einer 
Alexanderschlacht auch ein Friea von Laubwerk, Draperie und 
Masken (im Museum zu Neapel) existirt, der zum AllertTefFlichstcn a 
dieser ganzen Gattung gehört. ■ 



Auf die Architektur und bauliche Decoration der Alten folgt 
zunächst eine Classe von Denkmälern, in welchen das architekto- 
nische Gefühl, seiner ernsten Aufgaben entledigt, in freiem Formen 
ausblühen darf. Wir meinen die marmornen Prachtgcräthe 
der Tempel und Paläst«: Candelabcr, Throne, Tische, Kelchvaaen, 
Becken, Drcifussc und Untersätze derselben. Der Stoff und meist 
auch die Bestimmung gebeten eine feierliche Würde, einen Reich- 
thum ohne eigentliche .Spielerei. Es sind die Zierformen der Archi- 
tektur, 'nur so weiter entwickelt, wie sie siel), ahgeliist von ihren 
sonstigen mechanischen Functionen, entwickeln konnten. Man sehe 
i. B. den prachtvollen vatikanischen Candelaber (Galeria delJe i> 
Statue, nahe bei der Klcopatra); in solchen reichgeschwungenen 
Blättern muss der Akanthus sich auswachsen , wenn er nicht als 
korinthisches Capital ein Gebälk zu tragen hat! Man vergleiche die 
Stützen mancher Becken und Kandelaber mit den Tempelsäuleu, 
und man wird dort der stark ausgebauchten, unten wieder einge- 
zogenen Form und den schräg ringsum laufenden Cannelirungen 
ihr Recht zugestehen müssen, indem die .Stütze der freien Zierlich- 
keit des Gestützten entsprechen mnsste. 

Andere Bestandteile dieser Werke sind natürlich rein decora- 
tiver Art, doch herrscht immer ein architektonisches Grundgefühl 
vor und iiütet den Reichthum vor dem Schwulst und der Zer- 
streuung. Schon die Reliefdarstellartgen an vielen dieser Geräthe 
verlangten, wenn sie wirken sollten, eine weise Beschränkung des 
bloss Dekorativen. 

Die Küsse, wo sie erhalten sind , stellen bekanntlich Löwe nfdsae 
vor, stark und elastisch, nicht als lahme Tatzen gebildet. An Thronen. 
• SurcMordt, ttitrimt. 5 



66 



Antike Decoration. Marmorne Priohtgerlthe. 



und Tischen setzt sich der LÖwcnfuss als Profil Verzierung in scliij- 
nem Schwung bis über das Kniegelenk fort; dort löst sich die Lö- 
wenhaut etwa in Gestalt von Akanthusblüttern ab nnd der Oberleib 
einer Sphinx oder ein Lüwenhaupt »der das eines bartigen Greifes 
tritt als Stütze oder BekrÖnung darüber hervor; die Flügel an der 
Sphinx oder am Lüwenleib dienen dann als Verzierung der betreffen- 
den Seitenwand. Die horizontalen Gesimse sind durchgängig sehr 
zart, ala blosser architektonischer Anklang gebildet; ihre Bekrönun- 
gen dagegen mit Kocht reicher, etwa als I'al motten kränz. Eine gottea- 
dienstliche Beziehung, direct auf Opfer gehend, liegt in den oft sehr 
schön stylisirten Widderküpfen auf den Ecken. — In den Formen 
der Vasen herrschen unten an der Schale meist die eann ehrenden 
Streifen der Muschel, äooh auch wohl reiches Blattwerk; der obere 
Theil, welcher die eigentliche Urne ausmacht, bleibt frei fllr die 
Ueliofa; der Rand aber zeigt einen schönen Umschlag in der Form 
des sogenannten Eierstabes. Die Henkel sind bisweilen nach oben 
mehrfach in elastischen Spiralen geringelt (so an der sonst einfachen 

a Colossalvase des Vorhofes von S. Cccilia in Rom und an der 

li kleinern an der Treppe des Palazzo Mattci); ihre untern Ansätze 
erscheinen mit Masken und andern Köpfen verziert. Bisweilen sind 
lebende Wesen als Träger der Gefässe, Tische 11. s. w. rund genr- 

l- beitet; so ruht ein vatieanisthes (Belvedere, Raum zunächst dem 
Melcager) auf den verschlungenen Schweifen von drei Seepferden, 

il ein Becken ebendort (oberer Gang) auf den Schultern dreier Satyrn 
mit Schlauchen u. s. w. — Die liroiseitigkeit der meisten Untersätze 
hatte wohl ihren Ursprung in der Form der Dreiffiase, für welche 
dergleichen i'niclitpicdestale früher hauptsächlich gearbeitet wur- 
den; allein die Kunst behielt sie später gerne auch für Candelaber, 
Vasen u. ügi. bei, des leichten und aunmthigen Aussehens wegen 
und zum Unterschiede von der Architektur, 

Diese Arbeiten sind oft sehr Btark nach verhältnissmässig ge- 
ringen Bruchstücken und nach Analogien ergänzt. Wo zwei iden- 
tische' Candelaber stehen, wird der eine in der Regel die Copie, ja 
der blosse Abguss des andern und nur der Symmetrie halber mit 
aufgestellt sein. Wir zählen in Kürze eine Auswahl des Besten auf. 

e Im Vatican, mit Ausnahme des schon Genannten, im Braccio 
nuovo: die schwarze Vase mit Masken; — in den verschiedenen 

r Räumen des Belvedere und in der Saht degli Animali: Tischstiitzen 



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Marmorne Pracht gern Hie, 



«7 



(Trapezophoren) mit Thier«) und Thierköpfen jeder Art und Güte; 
— im ohern Gang 1 ; zwei kleinere und vier grössere Candoluber, u 
letztere besonders »dum mit Genien, die in Arabesken auslaufen 
(ein ganz ähnlicher im Chor von H. Agnoso vor Porta Pia); ein t> 
grosses (.'nndelnherfragmeut mit flachem Akanthus; grosser, stark 
zusammengesetzter Candelaber mit dem Dreifussraub an der Basis; 
mehrere schöne Vasen, lirunnen u. s. w.; zwei vierseitige schmale 
Altiire, nach Art der marmornen Dreifüsse sehr reich behandelt. — 
ImMuseo Capitolino: obere G.-ülei'ie: sehr ausgezeichnete grosse c 
Vase, deren Pflanzen vor zierung in fünfblüttrigen Schoten ausgeht; — 
Zimmer der Vase: nächst dem einfach sciiüncn bronzenen Mischkrug d 
des Mithridat (leider mit barock -modernen Henkein) die dreisei- 
tige Marmorbasis unter dem Opferk nahen. — Im 3. und 10. Zimmer 
des Lateranensischen Museums: vorzüglich schöne Tisch- e 
stützen mit Greifenköpfen und Löwenfüssen griechischer Arbeit. — 
In der Villa Albani: Hehreres in der Nebengaleric links; — im f 
sog. Kaffeehaus: ein guter aber später Candelaber; von den bei K 
Aniass der Reliefs genannten Vasen sind mehrere auch als Vasen 
ausgezeichnet. — In der Villa Borghesc: Hehreres, besonders in n 
iler Vorhalle. — Im Museum von Neapel , erster Gang: zwei runde 1 
Becken mit ins Viereck gezogenem Kande, auf gewundenen Säulen 
ruhend ; ein schönes llrunnenbeckcn auf drei Löwenfilssen mit Sphinx- 
oberlei bern. — Im dritten Gang: aufrecht sitzende Sphinx als n 
Trägerin einer Stütze mit Palm ettenh als ; Anbau dieses Ganges: l 
mehrere Thron- und Ti seh stützen ; ein herrliches Marmorbecken, 
welches die Gesetze dieser Ornamentik vielleicht so klar wie wenige 
iimlcre Uebcrveste offenbart ; endlich die kolossale Porphyrschalo, 
grosse nthcils ergänzt und mit Oellarbe liest vielen. — In der Halle in 
iler Musen: dio Vase von Gaeta, das Decorativc sehr zerstört. — 
In der Halle der farbigen Marmore: eine Sirene von rothem Marmor, n 
die mit ihrem Schweif die Tragsäule eines I Irunnenbeckens um- 
schlingt. — In der Halle des Tiberius: ausser einer Amphore und o 
einer Urne die beiden bekannten Candelaber mit den Fischreigern 
oder wie man die je drei Vögel nennen will. 

In Pompeji tnthiilt gegenwärtig der Hol' des Mevcin-stenipels p 
eint Sammlung von steinernen Tiscbsttltzcn u. dgl., welche den Zier- 
rath wieder auf seine einfachste Form: die senkrecht cannelirte 
Säule zurückführen. Aehnlieh die meisten Zugbrunnen (Pozzi) in 

5* 



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68 Antike Decoration. Marmorne Prnchtgorüthe, Inschriften. 



den Häusern. Ein Marmortisch auf Greifen ruhend in der (Jasa di 
Nerone; [desgl. Casa di Cornelio Ruf» und C. ilcl Principe di Russiaj. 

In den Uffizien zu Florenz, innere Vorballe: Zwei schlanke 
Pfeiler, zu Trägern von Büsten oder Statuen bestimmt, auf allen 
vier Seiten Uberfüllt mit kleinlichen Trophäen in Relief; eine späte 
und in ihrer Art lehrreiche Verirrung; gleichsam ein ins Enge ge- 
zogener Ausdruck dessen, was die Spiralsäulcn im Grossen gaben. 
— Verbindungsgang: rtrcisntjjre l'ainlelaberbasis mit Amorinen, 
welche die Waffen des Mars tragen. — Zweiter Gang und Halle der 
Inschriften: mehrere Altäre und altarfürmige Grabmälcr, dergleichen 
Rom in viel grosserer Auswahl bietet. — Erster Saal der Maler- 
bildnisse: die medieeische Vase mit Iphigenien« Opfer, klassisch auch 
in ihren Ornamenteu; der Fuss meist echt und alt, von den Hen- 
keln und vom oben) Rand wenigstens so viel als für die Restaura- 
tion nöthig war. 

Im Dogenpalast zu Venedig (Museo d'Archeologia, Corri- 
dojo) : ein schöner grosser Candclab er, sehr restaurirt, doch der Haupt- 
sache nach alt, ausgenommen die obere Schale; oben drei Satyr- 
kopfe und Laubwerk mit VUgoln. 

Hier noch eino Bemerkung, die wir nirgends anders unterbrin- 
gen kOnnen. In das Gebiet der Ornamentik fallen auch die Buch- 
staben der Inschriften. Die Griechen haben darin immer nur das 
Nöthige gegeben und irgend ein architektonisches Glied zum Trä- 
ger dessen gemacht, was sie in Verhältnissen ässig kleinen Charak- 
teren nur eben leserlich angeben wollten. Bei den Romern will die 
Inschrift schon in dio Fenio wirken und erhält bisweilen, nicht blos 
an Triumphbogen, wo sie in ihrem Rechte ist, sondern auch au 
Tempel fronten eine eigene grosse Fläche auf Kosten der Architrav- 
und Friesglieder. Allein wenigstens dio Buchstaben sind noch bis 
in die spätere Zeit Verhältnis sinäss ig schon gebildet und passen zum 
Uehrigen. Der Baumeister vcrlioss sich nicht auf den Steinmetzen 
und Bronzisteu, sondern behandelte, was so wesentlich zur Wirkung 
gehörte, als etwas Wesentliches. 



Von jenen grossen, monumental behandelten Prachtstücken gehen 
wir über zu den beweglichen Geräthen des wirklichen Gebräu • 



Diaiiizcd ö/ Google 



Eherne. Oerath«. 



ches, welchen ihr Stoff — das Erz 1 ) — einen besondern Styl und 
oine bessero Erhaltung gesichert hat. Vor allen Sammlungen hü- 
ben hier die sechs Zimmer der „kleinen Bronzen" im Museum von « 
Neapel den Vorzug, weil in ihnen die Schätze aus den verschütte- 
ten Städten am Vesuv und die Ausgrabungen von Unteritalien zu- 
sammenniünden. (Einiges recht Schöne auch in den Uffizicn zu b 
Florenz, II. Zimmer der Bronzen, 11.— 18. Schrank.) 

Auf den ersten Blick haben diese Ucberrcste gar nichts Be- 
stechendes oder reben-ascli Hilles. Ersteres nicht, weil der Grün- 
span sie unscheinbar macht; letzteres nicht, weil unsere jetzige De- 
coration sie seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts nachbildet, so 
dass bald kein Tischservicc, keine Salonlampc antikisironden Stils 
völlig unabhängig ist von diesen Vorbildern. Wer nun aber nicht 
schon aus historischem. Interesse dieser Quelle der neuem Decora- 
tion nachgehen will, der mag es doch um des innern Werthes willen 
getrost thun. Er wild <lriuii vielleicht irnie werden, dass wir un- 
vollkommen und mit Iiiirbsirjsi'lu'r Siyl-Mischung nachahmen, dass 
wir dabei l);il<l /.n iii-chiTckt (.misch trocken, bald zu sinnlos spielend 
verfahren, und dass uns nicht die Ueberzeugung, sondern die Will- 
kür leitet, sonst würde unsere Mode nicht im Chinesischen, in der 
Renaissance, im Rococo u. s. w. zugleich, herumfahren, ohne doch 
Eines recht .zu ergründen. Die Alten stehen hier unsem barocken 
Mt'illk'likcik'ii und ,Ni]!|>«:u'limi m-lil grandios gegenüber mit ihrem 
Schiinhoitssinn und ihrem Menschenverstände. 

Vase, Leuchter, Eimer, Wage, Kästchen, und was all die Alter- 
thümer noch für Namen und Bestimmungen haben mochten — Alles 
besitzt hier sein organisches Leben, seine Entwiekelung vom Gebun- 
denen ins Freie, seine Spannung und Atisladung; die Zierrathen sind 
kein iiusserliches Spiel, sondern ein wahrer Ausdruck des Lebens. 

Schon die gemeinen Küchen- und Tischge fasse haben eine gute, 
schwungvolle Bildung des Profils, des Halses, namentlicli der Hand- 
haben und Henkel. Eine Sammlung von abgetrennten Henkeln, in 
einem Schrank des fünften Zimmers (Einiges auch in den Dffiden, t 
1 2. Schrank des genannten Raumes) zeigt auf das Schönste, wie die a 

') Von den silbernen GcKsscn, dergleichen Varrel In Sizilien massenweise stahl, 
iat natürlich nur äusserst Weniges erhallen, und Nichts, was dem Fund von Büdesheim, 
jetst in Berlin, gleichkäme; Im Musco KErcheriano zu Korn lasse man sich den schönen ■ 
kleinen Hcchor mit bncchiselien Figuren nns Vlcarello zeigen. 



70 



Antike Decoration. Lamper: und Candelataer. 



Bildner jedesmal mit neuer Lust die einfache Aufgabe lösten, in 
diesem Thöil dos Gelasses eine erhöhte Kraft und Dehnbarkeit aus- 
zusprechen, und wie der Auslauf des Henkels in eine Maske oder 
Paimette gleichsam ein letzter, glänzender Ausdruck dieser beson- 
der!) Belebung sein sollte. (Eine sehr edel stylisirte Handhabe mit 
Blattwerk im genannten Kaum der Uffizien, 13. Schrank.) An Urnen, 
Opfers »lullen und andern festlichen Geriithen ist natürlich auf der- 
gleichen noch eine besondere Sorgfalt verwendet. Wo von der 
Ausaenseite des Gefässes ein grösserer Theil verziert ist, findet man 
in der Kegel, dass Form und Profil des Zierrathes der Bewegung 
des Gefasses, seinem Anschwellen und Abnehmen folgt und sie ver- 
deutlichen hilft '). Namentlich beachte man den umgeschlagenen 
Kaud mit der einfach schönen Reihe von Perlen oder kleinen Blät- 
tern; er ist gleichsam eine letzte Illüthe des Ganzen. 

Selir zahlreich sind, zumal im zweiten und sechsten Zimmer, die 
Lampen, welche sowohl in der Hand getragen als auf besondere 
Stünder gestellt oder an Kettchen aufgehängt werden konnten. 
Schon die ganz einfachen unifizierten haben die denkbar schönste 
Form für ihren Zweck: einen Behälter für das Ool und eine Ooffnuug 
für den Docht nebst einer Handhabe darzubieten. (Wer sich hier- 
von überzeugen will, mache einmal selbst den Versuch, ein Geräth, 
welches diese drei Dinge vereinigt, aus eigener Erfindung zu com- 
poniren.) Am häufigsten wurde wenigstens der Griff verziort, als 
Schlange, Thierkopf, Palmette mit Rauken iL s. w. Dann folgten 
Zierrathen, Reliefs und ganze freistehende Figürelieii auf dem Deckel 
des 0 Ölbehälters. Bisweilen sind mehrere Lampen an den Zweigen 
einer Pflanze, eines Baumes, auch wohl an reichen, von einem klei- 
nen Pfeiler ausgehenden Zierratheil aufgehängt, wozu eine schön 
architektonisch gebildete Basis gehört. (Eine grosse bronzene Lampe 
christlicher, doch noch römischer Zeit in den üffizien, M. Schrank, 
zeigt die spätere Erstarrung dieser Form; sie ist als Schiff gestaltet.) 

Von den Lampenständern wird man die kleinem als artige kleine 
Dreiftisse, als BSnmchen, 'du elastische Doppelk eiche (aufwärts und 
abwärts Behauend; gebildet finden. Der höhere Lampenträger da- 
gegen ist der bronzene Candelaber, der hier in einer grosson Menge 
von Exemplaren, vom Einfachsten bis zum Reichsten, repriisentirt 



') Vgl. unltn ilcn Abschnitt Uhtr Ht gemalten Vasen. 



Eherne Oeiftthg. 



u 



int. Der Stab desselben, fast immer auf drei Thierfiissen mit Pflan- 
zenzierrathon stehend, ist bald mehr architektonisch als schlanke 
cannelirte Säule, bald mehr vegetabilisch als Schilfrohr gebildet. 
Ohm geht er entweder in drei Zweige oder irr einen mehr oder we- 
niger reichen Kelch über, dessen breite obere Platte die Lampe trug. 
Ln Ganzen wird mnn kaum ein einfach anmnthigeres Hausgeräth 
erdenken können. Auch Figuren als Lampen träger fehlen nicht, 
e. It. ein Harpocrates, der in der Hechten einen Lotos mit der Lampe 
hielt; ein köstlicher Silen mit dem Schlauch, hinter welchem ein 
Bäainchen zwei Lampen trug; ein Amor auf einem Delphin, über 
dessen Schweif die Lampe schwebte u. 6. w. (Ein Candelnberfuss 
in den üffiziei), lu. Schrank, besteht aus drei zusammen springenden 
Luchsen mit Masken dazwischen.) 

Die Fiisse der Goräthe sind ideale und dabei höchst kräftige, 
doch — dem Stoffe gemäss — leichte Thierfilssc, welche die Zehen 
des Löwen mit dem schlanken Fussbau des Rehes vereinigen. Wie 
frei die Alten mit solchen Bildungen umgingen, zeigt der herrliche 
Altar des dritten Zimmers, dessen drei Thierfiisse über einem Ab- 
satz ebensoviel Sphinxe nnd hinter diesen Blumenstengel tragen, 
anf welchen dann die runde Platte mit ihrem Fries von Stierköpfen 
und Guirlimden ruht; unter sich sind die Fflsse durch schöne, 
■ ach wting reiche Pflanz eubildungen verbunden. 

An den meist aus Pompeji stammenden Helmen und Harnischen 
(viertes Zimmer) findet sich Iheilweise ein reicher, prachtvoller Re- 
liefs ch muck. Die ganzen Figuren und Geschichten, z. B. der Ein- 
nahme von Ilion, sind mit Iiecht dem Helm vorbehalten, während 
Arm- und Beinschienen mit Ausnahme einer vorn angebrachten gan- 
zen Götterfigur nur Masken, Adler, Arabesken, Füllhörner etc. dar- 
bieten. Andere Helme, von roherer römischer Ausführung, enthal- 
ten bloss Trophäen, Köpfe von Göttern u. dgl. An einem schön 
griechischen Brustharnisch (aus Pästum?) wird man das Haupt der 
Pallas Athene linden. — Man erkennt, dass auch in diesen Werk- 
zeugen des Krieges und der Gladiatorenspicle die schöne antike 
Formen bildung sich nicht verläuguet. (Im Museo patrio zu Brescia 
der tigurirte Brustsehild eines Pferdes.) ') 

') [Auch die verzierten Hornlache der Hamiorilaluen ?,. n- des Augustm im Brncdo 
uuoto, des sog. German! cun Im 6. Zimmer des Lateran, »lud offenbar treue Nachbildungen 
tob Mctallarbtlt.l - 



72 Antike 



Gläserne and Irdene OefäMe. 



Im Ganzen darf man immer von Neuem sich wundem, dass ein 
Volk, welches seine Zierfornaen so leicht und meisterhaft bildete, 
doch fast durchgängig Ma&ss hielt und des Guten nicht zu viel that. 
Es genügt ein vergleichender Blick auf die Renaissance, die sich 
dessen nicht rühmen kann, die ilire tragenden Theile im Styl der 
Flächen verzierte und an ihren, Gofassen vollends nur eine ange- 
nehme Pracht erstrebte, ohne auf eine lebendige Entwicklung be- 
dacht zu sein. Wie gerne verzeiht man daneben den Alten , wenn sie 
das Gewicht an der römischen Wag« als Satyrkopf, als Haupt des 
Handelsgottes Hermes bilden (Capitol, Zimmer d. bronz. Pferdes). Es 
kommen noch andere einzelne Spielereien vor, aber sie machen keinen 
Anspruch und verdunkeln nicht das Wesentliche. 

Einen interessanten Coutrast mit den ehernen Gefassen bieten 
die gläsernen dar, deren im dritten Zimmer der „Abtheilung der 
Terracotten " desselben Museums von Tieapel eine grosse Sammlung 
vorhanden ist. (Meist aus Pompeji). Biese Gläser sind nicht besser 
geformt als unsere gemeinen Glaswaaren, weil sie geblasen wurden, 
wobei in der Regel nur unbedeutende und leblose Profile zum 
Vorschein kommen können. Das Auge mag sich indess schadlos 
halten an einigen Schäfchen u. s. w. von schöner lasurblauer 
Farbe und an einigen Ueberresten bunter Milletiori, wenn auch 
letztere nicht mit den jetzigen venezianischen Pracht arbeiten wett- 
eifern dürfen. 

Von drn ijumpcjiniiselien Gefässen aus gebrannter Erde (im 
vierten und fünften Zimmer derselben Sammlung) weisen dagegen 
schon die allergo mein steu eine bessere und edlere Form auf; nur 
darf man sie nicht mit den griechischen Vasen vergleichen, von 
welchen bei Anlass der Malerei die Rede sein wird. Die vielen 
Hunderte von gewöhnlichen Thonlampen haben in ihrem befange- 
nen Stoff noch immer jene schone Grundform mit den ehernen ge- 
mein. Einzelne .^tinmegel in Pal motten form zeigen, wie zierlich 
selbst an geringen Gebäuden das untere Eude jeder Ziegclreibe des 
Daches auslief. (Auch ein Giessmodcl für dergleichen ist hier auf- 
gestellt). — Von thönerneu figurirten Friosstticken findet sich we- 
nigstens eine kleine Auswahl. ') 

') Elno der bedeutendalen Terrakotten-Sammlungen, die des Cavalicrc Cumpsn« (ehe- 
mals in Bom) , Igt von Nspoloon III. angekauft worden und jelit im Lonne. 



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Gläserne nnii lrdens Gefnsae. Christliche Architektur. 



73 



Einen eigenen klassischen Werth hat sodann die florenti- 
nische Sammlung schwarzer fignrcnloscr Thongefässe (bei 
den gemalten Vasen in dein Gang, der van den Uffizien nach Ponte 
vecchio führt). Neben mehr willkürlichen ctruskischen Formen finden 
sich hier dio schönsten griechischen Profilirungen , den edelsten 
Vasen von Bronze und Marmor im Kleinen nnd in einem andern 
Stoffe nachgeahmt. (Besonders eine Urna unvergleichlich). 



Es wurde bereits erwähnt, [S. d. Bemerkung S. 40], dass die 
christliche Kirchenbaukunst mehr oder weniger sich dem Vor- 
Wld der heidnischen Basiliken anschlosa 1 ) und die von den Tempeln 
genommenen Säulen zum Bau ihres Irinern beniitzte. Die grossen 
Modificationen, welche den eigenthiünliclien Werth der christlichen 
Basilica ausmachen, sind kurz folgende. 

1) Das Innere der heidnischen Basilica war ein zwar länglicher, 
aber auf allen vier Seiten von der Säulenhalle umgebener Raum oder 
(unbedeckt gedacht) Hof; in der christlichen Kirche wird derselbe zu 
einem bedeckten Mittelschiff, und die Halle zu zwei oder vier Seiten- 
schiffen, während die Fortsetzung der Halle auf den Schmalseiten 
(vorn und liinten) wegfällt oder nur vorn und dann in veränderter 
Bedeutung, als innere Vorhalle, sieh behauptet. 

2) Die grosse hintere Nische (Apsis, Tribuna), einst durch die 
davor hinlaufende Halle theilweiso dem Auge entzogen, wird jetzt 
geradezu das Ziel alter Augen, indem sich darin oder zunächst 
davor der Altar erhebt. Die Längcnpcrspeetive wird damit das 
Lebensprincip der ganzen Basilica und damit der meisten abend- 
ländischen Kirchen überhaupt. 

3) In den wichtigern Basiliken entsteht vor der Nische ein 
Quorschiff von gleicher oder fast gleicher Höiie mit dem Haupt- 
schiff, zur Aufnahmo bestimmter Classen von Anwesenden (Geist- 



t> [Niehl zu übersehen sind die ElecntuBialichkelten der äusserst bescheidenen Bmi- 
roraien in den Grobktpellen der uhrliclichea Kntntomb en Bom'i.] 



74 Christliche Architektur. Grundzüge de« Basiii konbaues. 



liehe, Beamte, Matronen etc.)- Ein besonderer grosser Bogen (der 
Triumphbogen) auf Säulen bildet den Uebergang aus dein Haupt- 
schiff ins Querschiff. 

4) Die Errichtung eines obern Stockwerkes, in den heidnischen 
Basiliken beinahe Itcgel, wird hier zur Ausnahme (S. Agnese , S. Lo- 
renzo fuori lo mura, SS. Quattro Coronati in Rom). Die Obermauer 
des Mittelschiffe« wird theila mit Malereien bedeckt, theils mit grossen 
(jetzt meist vermauerten oder umgestalteten) Fenstern durchbrochen. 
Die ursprünglichen reichgeschmückten Flachdecken sind sämmtlieh 
untergegangen; an einigen Kirchen ist noch das mittelalterliche 
.Sparrenwerk des Daches erhalten ; die meisten tragen moderne Decken 
oder Schcingewülbe. 

ä) An den Basiliken von Kavenna kümint zuerst regelmässig die 
Anordnung von zwei Nebennischen rechts und links von der Haupt- 
nische vor. 

(i) Die Aussenwündc blieben meist schlicht nnd glatt (in Kavenna 
schüchterne Anfange einer' Einthcilung, durch vortretende Wand- 
streifen mit Rundbogen, auch frlihc schon eigentliche Bogenfriese). 
Was etwa z. B. von Consoien am Obergesimse vorkömmt, ist von 
antiken Gebäuden entlehnt. (Apsis von S. Uccilia in Rom). Die 
Fassade erhielt eine Vorhalle, wovon unten die Rede sein wird; 
die Thürcn hatten wohl in der Hegel antike Pfosten; die Ober- 
mauer wahrscheinlich eine Decoration von kostbaren Mannorplattcn, 
auch wohl schon frühe von Mosaik. 

7) Im Innern ist die Sä ulonst eilung je älter desto dichter und 
desto gleichmäßiger (letzteres aus dem Seite 28, o angegebeneu 
Grunde). Die alte Pctorskirche hatte über den Säulen ein gerades 
Gebälk, der alte Lateran und die alte Paulskirche Bogen; S. Maria 
Maggiore hat noch ihr gerades Gebälk — sämmtlieh Bauten des 
IV. und V. Jahrhunderts. Von da an überwiegen die Bogen (Aus- 
nahme : das Untcrgeschoss der alten Kirche von S. Lorenzo fuori) 
und bilden in Ravenna die ausschliessliche Form; erst im XI, bis 
XIII. Jahrhundert kommt wieder in einzelnen römischen Beispielen 
(S. Maria in Trastevere, S. Crisogono, die neuere Kirche von S. 
Lorenzo fuori) das gerade Gebälk und anderwärts sogar der nach- 
bogen vor (Dom von Kami nnd Vorhalle der Pcnsola ebenda). 

8) In Rom setzen in der Regel die Bogen unmittelbar über 
dem Säulcncapitül an; in Ravenna schiebt sich ein trapezförmiges 



Basiliken. 75 

Zwischenstück cid, welches durch seine barbarische Bildung das 
richtige (irundgcfühl wieder verdunkelt, welches hier ein Zwischen- 
glied verlangte. Die Alten hatten wenigstens bei ihren vortreten- 
den Säulen auch das betreffende Gebälkstück vortreten lassen, und 
als Bruncllesco die alte Baukunst wieder zu erwecken suchte, war 
die Herstellung desselben sein Erstes. 



Die ineisten Basiliken haben so starke Veränderungen erlitten, 
daes man nur mit Mühe sich den ursprünglichen Eindruck verge- 
genwärtigen kann. Da diese ganze Bauweise, mit der hohen Ober - 
iwiucr über den Säulen, einem starken Erdbeben nicht leicht wider- 
stand, durch ihr hölzernes Dachwerk den Feuersbrlinsten unter- 
worfen war und auch ohne dieses durch ihre eigene Leichtigkeit 
mm Umbau einlud, so sind gewiss eine Menge Basiliken im Lauf 
der Zeit eingestürzt oder auseinandergenommen und grosscntheils 
mit Benützung der alten Baustilcke wieder zusammengesetzt wor- 
den. Ausserdem ergaben sich Zu- und Anbauten aller Art, Ca- 
pellen, welchen zu Liebe alle Wände durchbrochen wurden, neue 
Apsiden (zum Theil weil man Fenster brauchte), neue Fassaden je 
nach dem Styl des Jahrhunderts u. dgl. Zuletzt nahm sich nur zu 
oft der Barockstyl dieser baufälligen Kirchen au, schloss ihre Säu- 
len halb oder ganz in seine Pfeiler ein und Uberzog, was noch 
vom alten Bau übrig war, „harmonisch" mit seinen Stuccaturen ; 
namentlich waren ihm die alten Decken und gar das sichtbare 
Kparrcnwerk zuwider; im glücklichsten Fall nahmen überreich ver- 
goldete Flachdeekcn , nur zu oft aber verschalte Gewölbe mit mo- 
dernen Ornamenten deren Stelle ein. Das Vermauern der Fenster 
oben im Mittelschiff wurde so zur licgcl, dass keine Basilika mehr 
ihr volles altes Oberlicht gen i esst. Höchstens den Mosaikbodeu aus- 
genommen, wollte kein altchristliches oder mittelalterliches Detail 
mehr zu dem modernen System der Altäre, der ChorstUhle, der 
Wandmalereien passen; das Alte mussto weichen. So giebt es nun 
durch ganz Italien eine Menge Kirchen aus dem ersten Jahrtausend 
und den beiden nächsten Jahrhunderten, welche noch ihre antiken 
Säulen mehr oder weniger kenntlich aufweisen und auf den sonst 
als Ehrentitel gebrauchten Samen Basilika der Kunstform halber 



76 christliche Architektor. Vorhallen. Fas laden. Mosaik™. 



Anspruch machen, dabei aber einen überwiegend modernen Ein- 
druck hervorbringen. 

Wir wollen nur kurz andeuten, wie mau die ursprüngliche Ge- 
stalt der reichem Basiliken in Gedanken zu restauriren hat.. 

Vor Allem gehört dazu ein viereckiger Vorhof mit Hallen rings- 
um, dessen vorderer Eingang nach aussen noch eine besondere 
kleine gewölbte Halle mit zwei vortretenden Säulen hatte. {Diese 
kleine Hallo erhalten an S. Oosimato in Trastevere — IX. Jahr- 
hundert? — und an S. Clcmente, sowie im S. Prassede in Rom — 
XII. Jahrhundert). Von den vier Seiten des Porticus bildete die 
cino den Vorraum der Kirche selbst; in der Mitte des Hofes stand 
der Weihebrunnen. Erhaltene vierseitige Portiken an den Domen 
von Oapua und Salemo, an letzteren aus dem XI. Jahrhundert, auf 
schönen uud gleichförmigen Säulen von Pkstom; in Rom hat nur 
das späte 8. demente — XII. Jahrhundort — noch den unversehr- 
ten Porticus, theils auf Säulen theils auf Pfeilern; in Mailand 
stammt die Vorhalle von S. Ambrogio, gewölbt auf Pfeilern mit 
Halbsäulen, wahrscheinlich aus der Zeit, Ludwigs des Frommen. 
Spatere Kiostervorhallen geben eine ziemlieh genaue Anschauung 
von dieser Bauweise. ') Sehr viele Basiliken hatten indess nur eine 
Vorhalle längs der Fassade und diese hat sieh in manchen Bei 
spielen »amint ihrem meist geraden, nicht selten mosaicirten Gebälk 
erhalten; so z. B. in Rom an S. Cecüia, S. Crisogono, S. Giorgio 
in Velabro, S. Giovanni e Paolo, S. Lorenzo fuori, S. Lorenzo in 
Luoina, an SS. Quattro Coronati in einem Umbau des XII. Jahr- 
hunderts und an S. Saba mit einem obern Stockwerk; ausserhalb 
Roms z. IS. am Dom von Terracina, am Dom von Araalti (Doppel- 
reihe von Säulen mit normannisch- saracenischen Spitzbogen und 
Gewölben); in Ravenna nimmt ein geschlossener und gewölbter 
Vorbau diese Stelle ein, z. B. an S. Apollinare in Clasae. 

Von den Fassaden ist violleicht keine einzige mit ihrem ur- 
sprünglichen oder ursprünglich beabsichtigten Sehmuck erhalten; 
denn die Mosaiken, die man an S. Maria Maggiore noch sieht und 
an S. Paul sah, sind und waren Werke der Zeit um 1300. 2 ) Wir 
bleiben auf die oben angegebenen Vermuthungen beschränkt. 



') Vgl. 3. Anrnintlata Iii Flora». 

Ein Bild der Fajs.de von Äll-Sl. Peter Jn Bom anf Baplucrj . 



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77 



Im Inaern, dessen Ausstattung unverhaltnissmüssig überwog, 
wurde vor Allem der reichste farbige Schmuck erstrebt, womöglich 
durch Mosaikbilder, welche die Oberwiinde des Mittelschiffes, die 
Wand des Triumphbogens (bisweilen schiffwärts und nischenwärts) 
und die Apsis sammt ihrer Umgebung überzogen. Auch der Boden 
erhielt Mosaikornamente (die froilich in ihrer jetzigen Gestalt meist 
erst aus dem XI. und den folgenden Jahrhunderten stammen, wo- 
von unten), und die Wando der Seitenschiffe wenigstens unten einen 
Ueborzug mit kostbaren Steinarten aus den Ruinen des alten Roms. 
Die baulichen Details mussten noben der starken Farben Wirkung 
dieses Schmuckes, namentlich auch des Goldgrundes, Wirkung und 
Werth verlieren und sich bald auf das Allcrnothigste beschränken. 
Die Capitäle wurden, wo man keine antiken vorräthig hatte, bis- 
wciii-n .-ms orientalischen .Hsmliiittuu be/.o^eu ; namentlich in Kavcnna 
wird man oft einem sonderbar iimgcstaltctcn korinthischen Capitiil 
mit kraftlosem aber zierlich geripptein und ausgezacktem Blattwerk 
begegnen, dessen Stoff — prokonnesischer Marmor von der Pro- 
pontis — seine Herkunft verräth. (V. und VI. Jahrhundert). Hart 
daneben tritt aber auch 'ein schon gnnz lebloses, muldenförmiges 



pezförmigen Aufsatz besonders roll ausnimmt. (Jetzt in manchen 
Itasiiiken neue Capitälo und Gesimse von Stucco über den alten). 

Die grosse perspectiv! sehe Wirkung des Ganzen war nicht zu 
jeder Zeit, sondern nur in besonders feierlichen Augenblicken zu 
gemessen, indem eine unglaubliche Masse von Vorgingen die ein- 
zelnen Räume von einander abscbloss. Dieselben begannen schon 
mit der kleinen äussern Vorhalle (an derjenigen von S. demente n 
und anderswo sind noch einige Ringe an der eisernen Stange sicht- 
bar), umzogen dann den ganzen vierseitigen l'oitieus, tlieilten das 
Hauptschiff zwei bis dreimal in die Quere, gingen an den Colonna- 
den von Säule zu Säule und machten vollends den Aitarraum zu 
einem unsichtbaren All erh eiligsten. Am Tabernakel mancher Altäre 
sind überdies noch besondere Stangen und Ringe von den ehema- 
ligen Vorhängen zu bemerken, welche alle vier Seiten des Altarcs 
zu verhüllen bestimmt waren. Die Querbalken und Stangen , welche 
dieses oft kostbar gestickte Tuehwerk trugen, scheinen laut denNach- 
rlchten mit Heiligenbildern geschmückt gewesen zu sein ; ausserdem 



78 



Christliche Architektur. Altäre. Choma, 



dienten sie wohl auch dem Bau selber als Verankerungen oder 
Seh lau dem. 

Von den einzelnen Ziergegenständen, den Thronen, Lesepulten,. 
Prcdigfkanzeln , OstcrkerzensHuleu u. s. w. ist das Meiste erst seit 
dem XI. Jahrhundert gearbeitet (siehe unten). Wir müssen hier nur 
zwei Dinge erwithnen, welche ihre bleibende Gestalt schon in alt- 
christlicher Zeit erhalten haben mögen. Zunächst die Altäre, 
deren bis ins IX. Jahrhundert jede Kirche nur einen hatte. Sie 
sind sümmtlieti so eingerichtet, dass der Priester dahinter steht 
und sich mit dem Angesicht gegen die Gemeinde wendet, lieber 
ihnen erhebt sieb mit vier Säulen (wozu man immer die kostbarsten 
Steine nahm, die zu haben waren) das Tabernakel, dessen oberer 
Theil oder Baldachin einen besondern kleinen Zierbau bildet (obere 
Sittlichen Stellung, kleine Kuppeln u. dg!, auch wnh! einfache Giebel). 
Äcltcstes Beispiel: in S. Giorgio in Velabro zu Rom; ein späteres 
in S. demente; eines aus dem IX. Jahrhundert in S. Apollinare in 
Classe bei Ravcnna (im linken Seitenschiff), und eines aus dem XII. 
Jahrhundert (wenn nicht älter) in S. Anastasia zu Horn, in S. Lorenz» 
fuori 1 ) (von 1I8S); auch die zwei Seitenaltiiro des Domes von Terra- 
cina haben noch ihre ursprüngliche Form (XII. Jahrhundert?). An 
sehr vielen Altären aber sind nur noch die vier SSnlcn alt. 

Sodann war die Einrichtung des sog. Chorus, welche nur noch 
in S. demente zu Koni deutlich erhalten ist, eine Eigentümlichkeit 
der alten kirchlichen Anordnung, wenn auch nicht der urchristliclicn. 
Ein viereckiger Kaum gc^-en Ende des Mittelschiffes, um eine oder 

diente zur Aufstellung der psallirenden Priestcrsehnft *); an seinen 
beiden Seiten waren die Lesepulte (Amboueu oder Anal ogia) ange- 
bracht, links (vom Altar ans gerechnet) dasjenige für die Epistel, 
rechts dasjenige für das Evangelium. 

Ueberblickt man das Ganze dieser neuen Kunstsc Impfung, so fehlt 
ihr wesentlich das organische Leben, welches die Glieder eines Baues 
in einen harmonischen Zusammenhang liringen soll. Die Uenutzmig 
antiker Baureste, an die man sieb einmal gewohnt hatte , ersparte zu- 

') Dm Grabmal Lmiigiiu , rechls von der Han|iIlhUr derselben Kirche, besieht aus 
einem gani Bluillchen Tabernnliel («her einem ant. üorcopnatf), vielleicht erst vom 
Juhr 1S6S. 

') Yiclkkl.t ducti nur In Kirchen ohne QuenclihT uls Ersatz dafür pebrSnchlleli ? 



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7!» 



dem den folgenden Baumeistern die eigenen Gedanken, und so bleibt 
ihre Kirchenform bis ins XIII. Jahrhundert stationär, während in 
Oberitalien und im Norden schon längst entscheidende neue Bauprin- 
eipien in Uebung sind und während die verfügbaren antiken Säulen 
n. s. w. bereits auf das Empfindlichste abnehmen. Die einzige wesent- 
liche Veränderung in dieser langen Zeit besteht in einem stärkern 
Verhältnisa der Hübe zur Breite in den römischen Basiiiken des zweiten 
Jahrtausends, liom Uberliess es dem Ausland, aus dem grossen ur- 
christlichen Gedanken deB perspectivisehen Langbaues die weitem 
Cousequenzen zu ziehen. Nach einer Reihe von Umbildungen, die in 
der KunB Ige schiebte zuerst nach Jahrhunderten, später nach Jahr- 
zehnten nachzuweisen sind, ging aus der Basilika der Kölner Dom 
hervor. 

Wenn nun aber auch dieser Bauform jede eigentliche Entwick- 
lung fehlt, wenn sie die antiken Ue her bleib sei in einem ganz andern 
Sinne aufbraucht, als für den sie geschaffen sind , so giebt sie doch 
grosse, einfache Motive undl'imt raste. Die eolossak: halbrunde Nische 
:lls Abschlüsse des i|Uiulratisr]n'ii Hanne» und des langen geraden 
Hauptschiffes hatte vielleicht in keinem antiken Gebäude so hochbe- 
deutend wirken dürfen. Ui'herdiess lernt man den Werth grosser 
antiker Colonn.iüen , welche ja fiist säiiiintlieli diesen und ähnlichen 
Zwecken aufgeopfert wurden , geradezu nur aus den christlichen Ba- 
siliken kennen. Wer Snnct Paul vor dem Brande mit seinen vier 
Reihen von je zwanzig Säulen phrygischen uml miiuidischen Marmors 
gesehen hat, versichert, dass ein architektonischer Anblick gleich 
diesem auf der Welt nicht mehr vorhanden sei. 

Nicht unwesemlirh für die ^Wissen wir kui:;: erselieintes auch, dass 
alle Zierbaiitcn im Innern, der Altar sammt Tabernakel, die Kanzeln, 
Pulte h. a. w. ziemlieh klein gebildet wurden, d. h. nicht grösser als 
der Gebrauch es verlangte. Die Decoration der Barockzeit glaubte 
diese .Stücke in einem vermeintlichen „Verhältnis»" zu der Grösse des 
Baues bilden zu müssen, während sie doch nur zu der Grösse dos 
Mensehen, der sie bedienen, besteigen etc. soll, in einem natürlichen 
Verhältniss stehen. Bcrnini's Riesentubernftkel in S. Peter, die 
Kiesenkanzeln im Dom von Mailand und andere Verirrungen dieser 
Art werden dem Reisenden nur zu nachdrücklich in die Augen fallen. 



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80 Christi Architektur. Bömiaofce Bmiliken dei IT. bii TU. Jahrh. 



Von, den Bultiken Borna -zählen wir liier nur diejenigen auf, in 
weichen das Ursprüngliche noch kenntlich vorherrscht. 

S. Paul (IV. Jahrhundert) wird mit seinen jetzigen Säulen von 
Simplongranit und mit seinen höchst eolossalen Vorhältnissen das 
WiwiuliHtti den Khnlniekes einer liiii-ilik.i ersten Rangen immer am 
getrouesten wiedergeben, leider «■etriiljt durch die höchst willkür- 
liche moderne Decoration. Man halte sicli an die Räumlichkeit und 
die Hauptformen. 

S. Maria maggiorc (V. Jahrhundert} mit wahrscheinlich eigens 
gearbeiteten, nicht entlehnten ionischen Säulen und gerndem [mosai- 
cirtem) Gebälk. Die Pilaster der Oberwand sind in ihrer jetzigen 
Gestalt und vielleicht überhaupt modern, die Apsis iin XIII. Jahr- 
hundert umgebaut. Die schöne, feierliche Wirkung beruht wesentlich 
auf dem ausschliesslichen Oberlicht. (Henaissancedecke.) 

S. Sabina (V.Jahrhundert) ebenfalls von schönem, ursprüng- 
lich em Eindruck , der nur wenig gestört wird. Die Vorhalle gegen 
das Kloster hin ini XII. Jahrhundert so gestaltet . wie sie jetzt ist. 

S. Pietro in vineoli (V. Jahrhundert) hat durch den Umbau 
der Obermauer des Mittelschiffes seine alte Herrlichkeit cingebüsst, 
von der noch die mächtige Apsis und die Anordnung des Quer- 
schiffes Zeugniss geben. — S. Prisca (V. Jahrhundert?) zeigt we- 
nigstens noeli die alte Disposition. 

San Lorenzo fuori Ic mura gewährt in seinem äitern Thcil 
(VI. Jahrhundert) zunächst eine reiche Sammlung antiker Baufrag- 
mente, selbst aus der besten Zeit. Diese ältere Kirche, zweistöckig, 
unten mit geradem Gebälk, oben mit Bügen, hatte ihre Nische 
da, wo im XIII. Jahrhundert die neuere Kirche, welcher Bic jetzt 
als Chor dient, angebaut wurde. Bei diesem Anlass wurde ihr ur- 
sprünglicher Beulen, der sonst- tiefer als die neue Kirche gelegen 
hätte, beträchtlich erhöht und mit Balustraden im sog. Cosmaten- 
styl (siehe unten) versehen. Der Werth ist wesentlich ein malerisch- 
jilmntastiseher. 

S.Agnese, eineMiglie vor Porta Pia (VII. Jahrhundert) gieht 
den Eindruck einer Basilika mit Obcrgesclioss am schönsten und 
reinsten; die Halle ist hier wie in S. Lorenzo als nothwondiger 
Verbindungsgang für das «bore .Stockwerk auch vorn herumge- 
führt. Unter den antiken Säulen sind zwei mit vielfach profilirtcr 



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Bämlicho Basiliken. TU. bi» IX. Jahrhundert. 81 



(.'ifiim^ii u li^t auffallend. — AI* (»ms/es eines der besten 
des frühern Mittelalters , so dass die Abwesenheit alles 01 
Lebeiis in Gesimsen u. dgl. gerade hier am deutlicht 
bar wird. 

B. Giorgio in Velabro (VII. Jahrhundert), auf 1 
die Vorhalle angeblich IV., eher XII. Jahrhundert. 

SS. Quattro Coronati; von dem Bau des VII. Jah 



richtete ein oberes Stockwerk, das sich in Logen gegen das jetzige 
Hauptschiff öffnet. Beste der alten Colonnadc kamen so in den 
Vorhof zu stehen. — S. Giovanni a Porta Latina (VIII. Jahr- 
hundert) unbedeutend. — S. Maria in Coemcdin (VIII. Jahr- 
hundert) weniger durch die schon kümmerlichen Verhältnisse als 
durch die in Hauptmauern und Vorhalle verhauten Tempelreste 
merkwürdig, sowie durch eine Krypta, welche eine ältere Kirche 
zu sein scheint. 

Die grosse Kirche Araccli auf dem Capitol, aus unbekannter 
Zeit ; mit ziemlich gieichmässigen Säulen und den Zuthaten aus allen 
spätern Zeiten zwar von bunter, aber noch immer imposanter Wirkung. 
[Nach Hübsch: XIII. Jahrb.] 

S. Lorenzo in Borgo vecchio hat nur noch die antike Säu- 
lensteil un ff. 

SS. Nereo cd Aehilloo (um 800), mit achteckigen Pfeilern, 
die indess vielleicht erst im XVI. Jahrhundert die Steile der alten 
Säulen einnahmen; um der Zuthaten willen (alte Altäre, Schranken, 
Xiscbensitz , Oaudelaber, Mosaik) immer sehenswert!!. — [Krypta.] 

S. Marco (IX. Jahrhundert) sehr inodemisirt; die Vorhallo von 
G-iul. da Majano; die Decke ebenfalls einfach schone Renaissance. 
— S. Maria della Xavicclla (IX. Jahrhundert); für diese Zeit 
von guten Verhältnissen; (die Vorhalle schwerlich von Kafael; der 
grau in grau gemalte Fries im Innern von Ginli" Romano und Perm 
del Vaga ganz Ubermalt). 

S. Martine- ai Monti (IX. Jahrhundert), eine der prächtigsten 
Basiliken lioms, mit geradem Gebälk, aber in ihrer jetzigen Ge- 
stalt wesentlich ein Werk des XVII. Jahrhunderts; namentlich ist 
' das Gebälk über den Säulen stark Uberarbeitet. — Die links vom 

Bavthtrtl, Clwönt. G ■ 



82 Christi. AithiUktHr. Böm. Baeüiken des IX. bis XIII. Jahrh. 



Chor gelegene, jetzt fast unterirdische Pfeilcrhallc- soll vom heil. 
Sylvester zur Zeit Constantins als Kirehe erbaut sein, woran zu 
zweifeln ist. 

a S. Saba (wahrscheinlich IX. Jahrh.) mit räthsel haften Anbauten 
und zweigeschossiger Vorhalle. [Das offene Daehgebälk ilnreh- 
gehends erhalten.] 

ti S. Prasscde (IX. Jahrhundert) , ein merkwürdiger Versuch, in 
das Organische einzulenken ; grosse Backst einbögen fiberspannen 
das Mittelschiff; dazwischen je drei Intervalle und zwei Säulen mit 
geradem Gebälk. Der Vorhau, sehr entstellt, hat doch noch seinen 
kleineu Aussenporticus. 

c S. Niceolö in Carcere, aus unbekannter Zeit; merkwürdig 
durch die hinein verbauten Reste dreier Tempel. (Neuerlich fast 

.1 YonGrtmd aus restaurirt). — S. Bartolommeo auf der Tiberinsel 
(um 1ÜO0) hat fast nichts Ursprüngliches mehr als die Säulen. 

S. Clemeutc, in seiner jetzigen Gestalt aus dem XII. Jahr- 
hundert, ist als Basilika unbedeutend, aber durch die vollständige 
Erhaltung der Vorhallo und der Anordnung des Innern (Chorus, 
Lesepulte, Altar und Schmuck der Nische) von classischeui Wertlie. 
[Die 1S58 entdeckte dreischiifige Üasilika unter der jetzigen Kirche, 
vcrmuthlieli der bei S. Hieronymus erwähnte ursprüngliche Bau. 
Noch tiefer unten antike Gemächer.] 

f S. Maria in Trastevere (XII. Jahrhundert) mit geradem Ge- 
bälk auf ungleichen Säulen (vgl S. 2S) und mit erhöhtem Querscliiff; 
als historisches Arehitekturbihl von grosser Wirkung, zumal im 
Xac lim it tagslicht. 

s S. Crisogono (XU. Jahrhundert), dessgleieheu mit geradem 
Gebälk; trotz starker Erneuerungen ein edler Kaum, der den Ba- 
silikcnbau von der guten Seite zeigt. 

ii Der Neubau von S. Lorenzo fuori lo mura (Anfang des 
XIII. Jahrhundert!.), welchem der alte Bau C'iuir dient; — eben- 
falls gerades Gebälk; bedeutende Diiuensiuüeii ; ohne Zweifel ein 
Werk der äussersten Anstrengung, weil es sich um eine der Pa- 
tria rchfilkire heu handelte, und somit ninassgeueud für die romische 
Kunst unmittelbar nach Innoceuz III. — Die Vorhalle sehr geräu- 
mig und für starken Besuch berechnet. 
Wie wenig man sich aber zu helfen wussto, wenn keine Säulen 

i mehr vorräthtg waren, zeigt die gleichzeitige Kirche SS. Vinceuzo 



Basiliken. Campanili. 83 

ed Anastnsio alle tre fontane, eine halbe Stunde ausserhalb 
S. Paul. Es giebt aus jener Zeit, welche in Toscaua ein Bapti- 
sterium von Florenz, ein S. Miniato schuf, vielleicht gar kein miss- 
geschaffneres Gebäude als diese Pfeilerkirchc. (Die Fenster mit 
durchlöcherten- Marmorplatten verschlossen.) 

Wo der gänzliche Mangel an antiken Kaulen die Baumeister 
schon frühe genöthigt hatte, mit eigenen Mitteln das Mögliche zu 
leisten, da erscheinen sie viel selbständiger. Und /.war bis an die 
Thore von Rom. Die Cathedralc von Vitorbo (XII. Jahrhundert?) * 
mit i'i.aviis tfeli'i-1 i.u'trn , n-]eiehi>iiissi;;eii und stattlichen Säulen, bringt 
auch wieder einen cif;cn tili: ei liehen Kinrlniek hervor; vollends steht 
die schöne S. Maria in Toscanella (1206) an Schwung der Formen b 
den edlem toscanischen Hauten parallel. (Andere Basiliken freilich, 
in Viterbo selbst, in Montcfiascone, Orvieto, Foligno u. s. w. c 
sind sehr formlos und roh; 1 ) der Dom von Narni und die Vorhalle i 
der dortigen Kirche Pensola haben die schon erwähnten wunder- 
lichen Flachbogen). 



Die Campanili (Glockentürme) mehrerer Basiliken und auch 
späterer KiTchen Roms gewinnen durch ihre schöne landsdiaftliche 
Wirkung einen hühern Werth als durch ihre Kunstform. Auch sie 
sind oft ans antiken Trümmern errichtet; manche Simse, welche 
die einzelnen Stockwerke scheiden, die Säulehen, welche die meist 
dreibogigen Fenster stutzen, auch die Platten von Porphyr, Verde, 
antieo u. dgl., welche als harmlose Verzierung in die Wände einge- 
lassen sind und von dem sonstigen Ziegeiwerk wunderlich abstechen, 
sind aus den Ruinen des alten Roms entlehnt. Hie und da ent- 
wickelt sich aus dem Backsteinbau selbst durch Verschränkung und 
Schrägstellung der Ziegel ein neues primitives Gesimse. Von irgend 
einer Verjüngung oder organischen Entwicklung ist keine Rede, 
kaum hie oder da von einem Vortreten der Ecken. Der Effekt 
hängt wesentlich von der Umgebung ab, und es ist kritisch, das 




und *rii(tl K er BMdunu, 



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8* 



Christi. Architektur. Basiliken ven Bavenna. 



Motiv ohne Weiteres auf andern Buden zu verpflanzen. (Die inter- 
essante aten : an S. Pudenziana , S. Maria in Cosmedin, S.Giovanni e 
Paolo etc. Das Motiv im Geist der Renaissaiire umgedeutet : an S. 
Spirito.) 

[Ausserhalb Roms: S. Agostiuo del Croci fisso vorSpoleto. 
Von der dreischiffigeu Batilhsa bestellt noch der Chor und die mit 
wahrhaft klassischen Ornametitsculptureti bedeckte Westfassade. 
Interessanteste Vereinigung antiker Bruchstücke und «kehrtet lieh er 
noch vollendeter Technik.] 



Unter den Basiliken Kavenna's ist seit dem Unibau des Domes 
nur eine von erstem Raup übrig: 

S. Apollinarc in Classe, eine starke Miglie vor der Stadt, 
begonnen nach 534, geweiht 549, also aus der Zeit dos Unterganges 
der Ostgothonherrschaft. Sie vereinigt alle bezeichnenden Eigen- 
schaften der ravenn «tischen Basiliken: den geschlossenen Vorbau 
statt der Vorhalle, die äussere Eintheilung der Wände mit Bogen 
und Mauerstreifen , die für Ort und Stelle gearbeiteten, nicht ent- 
lehnten Säulen, diu Abwesenheit iles (iuersi'hiiFos, den runden iso- 
lirten Thurm. Vor Allem aber ist es ein herrlicher, weiträumiger 
Bau, die Säulen von grauem,, weissgeadertem Marmor mit einer 
eigenthüni liehen Art von ('ompositacupitälen, die sonst au den weni- 
gen erhaltenen Säulen der Ilerculesbusilica (auf dem grossen Platz 
in Rarenna) vorkommen; die Piedcstale mit einer rautenförmigen 
Verzierung. In der Tribun» ist noch ringsum das Gesimse mit 
Blätterfries erhalten, das keine grössere römische Kirche mehr in 
echter Gestalt aufweist. [Die zwei Seitentribunen ursprünglich aber 
stark restaurirt.] Die Details im Schill« beträchtlich modeniisirt ; der 
sichtbare Ihiclisuili! noch aus dem Mittelalter. 

Von den übrigen Basiliken sind mehr oder weniger erhalten : 

S. Agata (417), mit Einer Tribuna, ganz verschiedenartigen 
Capitälcn [u. A. korinthische mit aufwärts gerollten Voluten] einer 
innern Vorhalle, äussern) Vorbau und rundem Thurm. 

S. Giovanni Evangelista (425), bedeutend erneuert, zumal 
der Hinterbau-, die Capitäle hier vielleicht von einem iiltcrn Gebäude, 
gut korinthisch-, eine Crypta (ursprünglich?). 

S. Francesco (um 450), mit drei Tribunen, die Capitäle modern. 



Basiliken von Havanna und luesa. 



Am Dom lint der Umbau des 18. Jahrb. (in tüchtigem Barock- a 
styl) die ehemalige fiiiil'ficliiili^c Basiliea ganzlich zerstört, den alten 
isolirten Rnndthunn aher verschont. [Unzugängliche Krypta.] 

S. Maria maggiorc, sehr verbaut, mit rundem isolirtemThuim. i> 

S. Teodoro (oder S. Spirito)> aus der Zeit Theodorlehs den c 
Grossen, beim Baptisterinm des Arianer (s. unten). — Die nchon 
erwähnte Herculesbasilica war wohl kein kirchliches Gebäude. 

S. Apollinare iniovo, die bedeutendste Basilica in der <i 
Stadt, mit rundem Thurm; die Nebentribunen verbaut ; die 24 Säulen 
rtiis Co nst antin Opel mit besonders bezeichnenden , fast, ganz gleichen 
Capitälen; das Gesimse über den Bogen alt. Grossartip; es Mosaiken- 
system an den Obcrmaucm des Mittelschiffes (vgl. Malerei). — (In- 
teressant die Capelle Sancta Haiictoruin mit erhaltener altcliristlieher 
Einrichtung.] 



Später und schon mehr mittelalterlich als diese ravenna tischen 
Kirchen: der Innenbau von Sau Frediano in Lucca (VII. Jahr- o 
hundert?), ursprünglich flinfschiffig, jetzt durch Capellen verengt. 
T>ie Capitäle theils aus römischer Zeit, theils den römischen ohne 
Verwilderung nachgebildet, mit dünner Platte; die Bogen noch ohne 
UeberhÖhung. Der auffallend hohe Oberbau, die Fassade und die 
jetzige Tribnna werden einem Umbau des XII. Jahrhunderts wohl 
mit Recht zugeschrieben, allein die beiden letztem mit ihren ge- 
raden Gebälken Uber den Wandsäulchen , und die Aussenseiten 
der Nebenschiffe mit ihren Consolen und Wandstreifen (statt Bogcn- 
friesen und Pilastern) weichen so weit von dem pisanisch - lucehe- 
sischen System des XII. Jahrhunderts ab , dass man annehmen dürfte, 
der Umbau habo etwa die Formen der alten Kirche reproducirt. 
Gerade diese abweichenden Elemente sind aber das Wohlgefälligste 
ain ganzen Gebäude und ein vielleicht fruchtbringendes Motiv für 
unsere Baukunst. Schon Brunellesco hat die genannte Eintheilung 
der Seitcnwiinde an der Kirche der Badia bei Fiesole unverholen 
nachgeahmt. 

Im Innenbau von S. Micchele in Lueca (VIII. Jahrhundert 1) r 
Säulen und Capitäle noch denen von S. Frediano ähnlich. 



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86 Christi. Architektur. Basiliken im übrigen Italien. 

Der Dom von Triost, eine aua gedehnte, ziemlich unschein- 
bare Basiüca (VI. Jahrhundert?) lohnt doch die Mühe des Uesteigens 
wegen der oigenthiinilichen Verbindung der Kirche mit dem Bapistc- 
rinm und einem andern alten Anbau und wegen der Mosaiken. Sodann 
schlummert hier, hoch über dem adriatischen Meer, zwischen den 
Akazie nbilschen die Asche de^j eiligen Mannes, welchem die Kunst- 
geschichte vor allen Andern den Schlüssol zur vergleichenden Be- 
trachtung, ja ihr Dasein zu verdanken hat. 



In den folgenden Basiliken wenig kenntliches Altcrthum ausser 

den antiken (vielleicht auch umgestellten) Säulen, 
u S. Alessandro in l'iesole, hat nur noch seine ionischen Säulen; 

angeblich VI. Jahrhundert, 
c S. Pietro de' Cassinensi in Perugia, ebenfalls ionisch und stark 

verändert. 

ä Der Dom von Terracina, mit niiidet'iiisirten l'apitäle^i ; Vor- 
halle mit ionischen, durch Pfeiler verstärkten, auf Doppelthieren 
ruhenden Säulen, über welchen ein Mosaik tri es und über diesem 
offene Spitzbogen (XIT. Jahrhundert?). Der Glockeuthurm mit Säul- 
chenstellungen bekleidet, welche kleine Spitzbogen tragen; ähnlich 
ein Thurm in Velletri. 

c Der Dom von Sessa (bei S. Agata), mit korinthischen Säulen 
und einer gewölbten Vorhalle auf Pfeilern. Am mittlem der drei 
Bogen sind in der Hohlkehle biblische Geschichten eingemeisselt ; 
ein schwacher Nachklang nordischer Portalbantcn. 

r Der Dom von Capua, mit dem schon erwähnten statt liehen 
Vorhof, dessen Bogen auf antiken korinthischen Säulen ruhen. Im 
Innern Basiüeu mit geradem Gebälk; eovinthisclie Capitäle aus christ- 
licher Zeit, an die ravenna tischen erinnernd. Unter dem Chor eine 
merkwürdige Crypta mit einem Grab Christi, offenbar erst aus der 
Zeit der Normannen und der Kreuzzüge. 

[Antike Säulen ausserdem an den normannischen Basiliken: 
Dom von Amalfi und S. Kestituta am Dom von Neapel, wie im 
Vorhof des Doms von Salerno, von deren Architektur unten 
Mehr er es .1 

Unsere Aufzählung (die nur die wichtigem Kirchen umfaBst) 
endet mit der Benützung der antiken Säulen. Sobald man die Säulen 



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besonders arbeiten mnss, beginnt von selbst ein anderer Styl, 
dessen rohe Anfange eine Befreiung vom schwersten stofflichen 
Zwang mit sich führen. 



Neben der Basiliken fnriu , deren Lcbensprincip die Liingcnper- 
spective ist, behauptet auch der Centraibau eine wichtige Stolle. 
Italien bietet verschiedenartige Versuche dieser Gattung aus den 
frühem Christ liehen Jahrhunderten. Für Baptistcricn (Taufkirchen), 
[und Grabkirchen (Mausoleen) wofür schon die ltijmer den Centraibau 
anwandten] mochte diese Forin wohl die passendste sein; für eigent- 
liche Kirchen aber, d. h. für den Altardicnst nur dann, wenn man 
den Altar wirklich in den mittlem Ilauptraum als in die feierlichste 
Statte des ganzen Gebäudes verlegte. Dies konnte mau aber nirgends 
über sich gewinnen; in Gebäuden, welche eigentlich kein Ende, 
sondern nur einen Mittelpunkt und eine Peripherie haben, wurde 
ein besonderes Ende in Gestalt einer Nische u. dgl. für den Altar 
eingerichtet und so für die Gemeinde die von andern Kirchen her 
gewohnte I.ängenperspcctivc hergestellt. Dieser Widerspruch be- 
nimmt deu betreffenden Kirchen gewissermassen die höhere Weihe; 
das schöne Gebiiude und dann der Altarraum sind zwei verschic- 

Abgeschcn hiervon ist aber der Centraibau eines so vollkom- 
menen Abschlusses in sich, einer so grossen monumentalen Aus- 
bildung fähig, dass selbst die weniger geschickten Losungen dieser 
Aufgabe immer ein hohes Interesse erregen. 1 ) 

Für die Haptisterien, welche hier vorweg zu behandeln sind, 
behauptete sich von frühe an die Form des einfachen oder des mit 
einem Umgang versehenen, oben zugedeckten oder zugewölbten 
Achtecks, in dessen Mitte der Taufbrunnen stand. Seltener kommt 
eine andere polygone oder die runde Form vor. An keinem des 
ersten Jahrtausends zeigt die Aussenscite (jetzt) mehr als glatte 
Wände; die ganze", oft grosse, Pracht war dem Innern aufbehalten. 



iy [Die belle Beleuchtung durch Fcniter In ztvoi Geichosscn, -dl« Sondcning der 
Haupt- und tiebenruiimc 9(ud Uebertrflfc'unucn ded ßns Ulken Beb ema'jf auf den Ccntralunu, 
wodurch die christliche Architektur »Ich wocntllcb von den antiken Vorbildern 
unterscheidet.] 



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Chriifliche ArohiWktur. Baptiiterien. 



Auf künstliche Beleuchtung berechnet, sind die Räume meiat ziemlich 
dunkel, nur durch eine Lantcnaa und die offene Thür erhellt. 

Das Baptisterium beim Lateran im Rom {432— 440} hat nicht» 
Ursprfiugliches mehr als seine I hippeUtellutig vmi Säulen mit geraden 
Gebälkeii und die Mauern, nebst der von zwei grossen Porphyr- 
säulen gestützten, in zwei halbrunde Nischen ausblutenden Vorhalle 
'gegen den Hof). Mit dem echten, ernsten Schmuck versehen, würde 
es einen ganz andern Eindruck gewähren :\h mit den Malereien des 
Sncchi und Maratti; ein kleiner mosaicirter Nebenraum und das 
prächtige Ornament grüngoldener Weinranken auf blauem Grunde 
in der linken Nischenkiippcl der Vorhaitc deuten noch an, in welchen 
Farben und Ornamenten das ganze Gebäude prangen mochte. 

Die Kirche S. Maria maggiore, einige Minuten ausserhalb No- 
cerft unweit seitab von der Landstrasse nach Pompeji, ist vermut- 
lich ein Baptisterium des IV. Jahrb., aus antiken Rnustückcn ohne 
besondere Sorgfalt zusammengebaut. Ein Kreis von je zu zweien 
zusammengestellten Säulen trügt sofort (ohne Cylinder) die mittlere 
Kuppel; der Umgang ist rings angewblbt; eine kleine Tribun3 
ach Messt sich daran. Von Aussen ganz formlos, giebt dieses Gebäude 
in besondere Grade denjenigen Eindruck des Geheimniss vollen, 
durch welchen die damalige Kirche mit dem erlöschenden Glanz 
heidnischer Tempel und Weiheliii usev wetteifern musste. 

Das ISaptisterium der Orthodoxen beim Dom zu Ravenna 
(begunnen vor 3%) im Vollbesitz seiner Wandbekleidung und Mosai- 
ken (diese vor 430), welche für das Ornament des V. Jahrhunderts 
ilns wichtigste Denkmal sind ; das letzte kenntliche Echo der pompo- 
janischen Decoration ; dieFläehen mit erhabenen Stuceogcgenständen '} 
abwechselnd; das Gefühl vom Zusammenklang der Farben scheint 
das der schüuen und freien Bildung und Eintheilung der Zierformen 
zu überleben. Zur Einfassung dient eine untere und eine obere 
Reihe von acht Wandhofen mit Ecksäulen (Composita und ionisch); 
oben geht das Gebäude zu einer runden und ziemlich flachen Kup- 
pel zusammen. — Das Baptisterium der Ariancr (jetzt S. Maria 
in llosmcdin) VI. Jahrb.; Achteck mit später angebautem Schiff, 
ist eine genaue Wiederholung des Vorigen. 



') [Letzten, gani roht Figuren, wohl uns ipüterer Zell.] 



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Baptistericn. 



Beim sog. „alten Dom" zuBrcacia knnn man in Zweifel bleiben, 
ob das ziemlich grosse Gebäude als blasses Baptisten um oder als 
Cathcdrale erbaut worden; im erstem Fall wäre es die gröasto Tauf- 
kirche. Kuppelraum auf acht (modernisirten und bemalten) Pfeilern 
mit rundem Umgang:; letzterer bedeckt mit acht Kreuzgewölben; 
zwischen je zweien derselben das Heimeilt eines Tonnengewölbes, 
gegen die Kuppel hin ansteigend und daher eine dunkle Ecke 
bildend. Ein Nothbchelf , der (wie Aehnliclies im Dom von Aachen) 
die Anlage jedenfalls dem frühen Mittelalter zuweist. Cylinder und 
Kuppel aus dem XII. Jahrhundert, wenigstens was die jetzige Gestalt 
des Aeussern betrifft. Der sehr sonderbare hintere Anbau, welcher 
als Chor mit Nebencape Heu dient, könnte wiederum ganz alt sein. 

Bauten dieser Art sind fast hei jeder bischöflichen und mancher 
grossen Pfarrkirche erhalten oder (verhaut, in Trümmern oder ur- 
kundlich) nachzuweisen. Noch iui XL und XII. Jahrhundert wurden 
Baptisterien neu gebaut, später dagegen die Taufen in die Kirchen 
selbst verlegt. Bei grossen Umbauten der Kirchen ging das Bapti- 
sterium, wenn es zu nahe dabei stand, gewöhnlich zu Grunde. Es 
mögen liier noch einige der spätem und spätesten genannt werden: 

Dasjenige am Dom von Torcello (1008), einfaches Oetogon. 
(Der Dom selbst eine schlichte Basilica.) 

Dasjenige vor dem Dom von Novara, s. unten. — Jn Asti 
dasjenige bei Porta di Alessaudria mit engem achteckigen Mittelbau 
auf kurzen Säulen, meist mit Würfelcapitälen und mit breitem wun- 
derlich polygonem Umgang, wahrscheinlich erst XI. Jahrb.; das 
beim Dom mit fast gleich breitem Mittelbau und Umgang. (XI. ? 
Ja hrl mildert.) — Neben der Hauptkirelie von Chiavenna ein für 
uralt geltendes, Uherweisstes Achteck. — Ein Baptisterium war auch 
die Eundkirebe mit Umgang, welche jetzt zu S. Stefano in 
Bologna gehört. 1 ) Erbaut im ersten Jahrtausend, erhielt es im 
XII. Jahrhundert durch ein eingebautes heiliges Grab eine neue 
Bestimmung, musste im Verlauf der Zeit durch Backsteinsäulen (die 
man neben die alten Marmorsäulen stellte) gestützt werden, und 



'i Der Coniples YLin sieben Kirchen, midie liier in ve;><:!iM'.],-m'ii Zelten lusmmnen 
gebaut worden, sind, bietet dem AJtcrthu ms forsch er ein so anEcnehmes Problem, (lau 
.wir demselben die Frende der eigenen Kutdcckung In Betreff der Bnufolgc nieht stören 
vollen. Irgend einen begönnern architektonischen oder auch malerischen Werth haben 
diese gerlnglU eisen Gebäude „loht. 



SO Christi. Architektur. Spätere Bapt.Btoricn. Grabkirchen. 



verlor in diesem Jahrhundert die letzten Beete seiner alten iiinern 
Kuppelbemalung. Ein oberer Umgang ist langst vermauert und 
unsichtbar. — 

Das Baptisterium von Padua, runder Überbau auf viereckigem 
Untersatz; XII. Jahrhundert, von hübscher Wirkung. 
Das Baptisterium von Creraona (1167). 

Während bei den bisher genannten die äussere Decoration höch- 
stens ans den einfachen Wandstreifen und Bogenfriescn des romani- 
schen Styles besteht, so macht das achteckige Baptisterium von 
Parma (XII. und XIII. Jahrhundert) einen Uebergang in die pla- 
stische Detaillirungs weise toscanischer Wandflächen. Nur ist der 
Versuch — mit Wandbogen am untern Stockwerk und fünf Reihen 
Waudsiiulchen darüber — nüchtern und spielend zugleich ausge- 
fallen Das Innere sechszehnseitig, unten Nischen, dann zwei Ga- 
lerien mit geradein Gebälk, spitzbogige Lu netten und der Anschliiss 
der Kupnelgurte. Von den Baptisterien von Pisa und Florenz, 
in welchen sieh jener tuscanische Styl glanzvoll ausspricht, wird 
unten die Rode sein. — Das letzte Baptisterium, welches gebaut 
(oder doch nur so spät unigebaut) wurde, ist meines Wissens das 
Achteck von Pistoja, 133" [woran die glückliche Anordnung der 
Aussenkiuizt'l 7.\\ beachten]. 



Eine zweite Gattung von kleinem Gebündeii , welche als Centrai- 
bauten gestaltet wurden, kommt wenigstens in zwei Beispielen vor; 
Die Grabkirchcii hoher Personen.') 

S. Costanza bei Rom, wahrscheinlich als Grabmal zweier 
Töchter Constantins d. Gr. erbaut; der innere Cylinder mit der 
Kuppel auf zwölf Doppeistcllungeu von Biiulen mit besondem Ge- 
bälkstüeken (roll, ausgebauchte Friese) ruhend; der Umgang eben- 
falls rund mit mosaicirtem. Tonnengewölbe. [Aussen Reste eines 
Peripteros.] 

Das Grabmal Theodorichs d. Gr. (t 526), jetzt meist In Ro- 
tonda genannt, vor Porta sorrata zu Ravenna; aussen polygen 
und ehemals mit einer Säulenhalle versehen; Erdgesehoss im Innern 



') [Das Grabmal der Helena, a. oben S. M, »füre hier mit iu «Winnen.] 



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91 



kreuzförmig, (las Hauptgeschoss kreisrund; die flacho Kuppel be- 
kanntlich ans Einem von Dalmatien hergebrachten Stein, 34 Pubs im 
Durchmesser. Namentlich am Hauptgcsinise selbständige und aus- 
drucksvolle Detntlbilduiig. ') 

Diesen Denkmälern schlicssen wir noch daB der Walla Placidia a 
in Raveuna an, jetzt SS. Nazario e Celso geinnmt (um 110); zwar 
ein lateinisches Kreuz , aber durch die Erhöhung und Ueberkuppelung 
der Mitte (mit einem sog. böhmischen fiewülbe) den Centraibauten 
genähert. Die Mosnikoriianicnto zumal am Tonnengewölbe des vor- 
dem Kreuzarms an Werth und Alter denen des orthodoxen Bapti- 
steriuma nahe kommend. Das Acusscre ein roher Ziegelbau, klein 
und unscheinbar. 2 ) 



Der eigentlichen Kirchen sind unter den Centralbautcn allerdings 
nur wenige bedeutende. 

Das einfachste Motiv zeigt der l-üthscl hafte, im V. Jahrhundert 
errichtete liau S. Stefano rotondo auf dem Coelius zu Rom. i. 
Ein innerer Säulenkreis mit Bogen trügt den cylindri sehen Oberbau, 
wozu er im Verlauf der Zeit einer halbirenden Zwischenmauer auf 
zwei Säulen und drei Bogen als Unterstützung bedurfte. Ein 
äusserer Süulenkreis ist seit dem XV. Jahrhundert durch dazwischen- 
gezogeno Mauern zur (irenze der Kirche geworden; der zweite 
ruisrinifi, I ursprünglich in vier kreuzförmig angelegte Räume zer- 
fallend,] ist nur noch in Trümmern vorhanden. Es sind lauter 
weite Räume, nicht auf Wölbung, sondern auf flaches Eindecken 
berechnet. Der Altar unter dem hohen Mittelraura ist modern. Die 
höchst rohen imiisrlieii (.':;i(jitiile pa^en kaum zu der beglaubigten 
Einweihungszeit (46S— 483), wenn man erwägt, dass diejenigen von 
S. Maria roaggiore kaum SO Jahre alter sind, allein der Zustand 
Roms in dieser Zeit würde am Ende jede Missform erklären. 



i) Der Forphyrstrg , heim Slurzdor OatgoUnn der GtbdtlG beraubt, ist jetzt in iler 
Stailt III dem sog. Pslazzo dal Re Teodflrico eingemauert, Einem echten Rest des 
altea Künlgsp Elastes, voii dessen ehemaliger IIau|]tfassadc {n null dem Jlecrc) olnSloialk 
in S. Apollmare iiuove (rechts nm Eingang) ein ijliantaatiscliea nilil giebt. 

-) [Dieselbe Form rniiss die Apoatolklroho in Cooatantinopel gehabt haben, wflclie 
naeli des Eusobins Uorlcht absichtlich als Kalscrprnft erbaat gewesen zu sein sehElut.] 



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Chriitliche ArcMUktor. Grabldrchen. 



n Die Kirche S. Lorenzo in Mailand [früher für ein antikes 
Bauwerk gehalten, vgl. oben S. 51].') Trotz der Umbauten ist 
dieses Innere eines der wichtigsten und schönsten Bauwerke Italiens. 
Vor allem hat die Nische Iiier Hedcntuug; sie ist nicht ein blosser 
i~i>lirtcr Ilalhcylinder mit Halbkuppel, sondern ein durchsichtiger 
eiuwärtstretender Bau von einer untern und einer ohorn Säulen- 
reihe, welche in den untern und den obern Umgang des Kuppcl- 
ratimes führen. Wären der Nischen acht, so würde dieses reiche 
Motiv kleinlich und verwirrend wirken (wie in S. Vitale zu Itavenna); 
allein es sind nur vier, so dass sich der volle Rhythmus dieser Bau- 
weise entwickeln kann ; über ihren Kuppel segmenten und Hauptbogen 
wölbt sich dann die mittlere Klippel. An ^hin/i'iidcm perspectiv ischem 
Eeichthuni können sich wenige Gebäude der Welt mit diesem messen, 
bo unscheinbar seine Eiii/clforinen jetzt sein mögen-). Nach Aussen 
stellt es ein ruhigen Quadrat dar, indem die vier Ecken mit thnrm- 
artigen Massen ausgefüllt sind. 

Weit das wichtigste Gebäude dieser Gattung ist jenes berühmte 

& Achteck Sau Vitale zu Ravenna, in dar letzten Oatgothonzeit 
erbaut, zu Anfang der hysantinischen Herrschaft ausgeschmückt 
(Mitte de» VI. Jahrhunderts). Verwandt mit centralen Kirchen des 
Orients, mit nherm und unterm Umgang, dessen acht einzelne Seiten 
mit Stellungen von je zwei Säulen im Halbrund auswärts treten; 
die Kuppel der Leichtigkeit wegen aus t tönernen Hohlkörpern 
(Amphoren) conxtruirt. leider durch Stiiccrv.icrratheo entsU'llt; die 

Tribunn al- hc<j lerer Aushau durch lien L'I.i^mii« ! li rftiK t-U';; t : 

[die jetzige Vorballe nach neueren Forschungen wohl die ursprüng- 
liche] ; die Aussenmauern schlicht. Der Eindruck reieh, aber unruhig ; 
daB Auswärts treten der Säulen Stellungen ans einem Zweck perspecti- 
vischer Seheinerweiterung, welche erst wieder im Barockst yl des 
XVII. Jahrhunderts ihres Gleichen findet. Der untere T heil der Wände 
und der FuBShoden sind oder waren auf das Kostbarste incrustirt. 3 ) 



') Dom Yorf. (i. Goach. d. Rennlasonce In Italien S. SS) erscheint dieser Ban dem 
Grunrtplan nach, welcher hier enlschcldet, noch immer sli ein Palast- oder Theniien- 
rnum Jlaxlmiau's des Herculisdicn . um 30« i unter Galla Placldls umgeweiht m Kirch«. 

'') Die gegenwärtige Gestalt röhrt von Jfarfmo Baut her. 

3} [Reste a Heimatlicher Stuckdccoratlon in einem der dreieckigen Ränmo zwischen 
Octngun und Vorhalle ; Spuren schHner HnrmoRlnlagen Im nürdl. Theil des Umgangs, 
BrdgenchQss.) 



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Kirchen von Centralen läge. 



93 



Einen andern NacliklangbyziintiniselieuCeiitralbou.es gewährt diu 
Kirche S. i'oaca auf Torcello bei Venedig-, als lebensfähiges Motiv 
für grosse Binneuräume verdient sin die Beachtung der Architekten. 
— In den altem kleinen Kirchen Venedigs selbst zeigt sich ein 
merkwürdiges Sehwanken zwischen den beiden Systemen; es sind 
kurze Hasiiiken mit einer Kuppel über der Kreuzung; S. Giaco- 
metto di Kialto, angeblich vom Jahr 520, ist jedenfalls das 
älteste dieser Kirchlein, die Bauform als solche reicht aber bis ins 
XV. Jahrhundert hinunter. (Z. B. : 8. Giovanni Crisostomo, 14S3 
von Tullio Lombardei erbaut.) 

S. Tommaso in Limine, drittlialb Stunden von Bergamo 
(IX. Jahrhundert) ist wieder ein einfacher Rundbau; Cylinder mit 
Kuppel auf Süulen; runder Umgang mit hin ausgebaut er Tribima. 

Endlieh S. Angelo zu Perugia, wahrscheinlich noch aus dem 
ersten Jahrtausend; ein Sech sz eh neck. Ueber 16 (spütkorinthisehen) 
Süulen erhebt sich der Cylinder; aus acht Ecken springen Rogen 
hervor gegen dio Mitte und tragen das Dach; ebenso tragen sechs- 
zebn von Wandpilastem aus gegen den Cylinder hinan steig ende 
Bogen das Dach des Umganges. Ohne die modernen Zu Hinten 
würde dieses sehr glücklich gedachte Gebäude mit seinem aus- 
schliesslichen Oberlicht (durch die Fenster des Cylinders) eine be- 
deutende Wirkung machen. 



Bei all diesen Gebäuden des ersten Jahrtausends, mit ihren 
Säulen und andern Fragmenten aus dem Alterthiim trägt eine 
historische Ideenverbindung, selbst in unbewusster Weise sehr viel 
zur Werthschätzung bei. Es ist ein Weltalter, das die Erzeugnisse 
eines andern zu seinen neuen Zwecken aufbraucht; eine Kirche, der 
unsere Phantasie einen geh eimnlss vollen Nimbus giebt und deren 
Andenken mit der ganzen europäischen Geschichte unlösbar durch- 
einander geflochten ist. Biesen mitwirkenden Eindruck elegischer 
Art. möge man von dem künstlerischen getrennt halten. Es handelt 
sich eben doch um lauter zusammengesetzten Nothbehelf, dessen 
Ganzes nie einen wahrhaft harmonischen Eindruck machen kann. 
Wohin musstc es schon im XI. Jahrhundert in Italien gekommen 
sein, wenn man für die ravennatischen Kirchen, in Ermanglung 
antiker Bruchstücke, die Süulen und Capitäle aus der Gegend von 



94 CariKIiehB Arohitektor. Centnil bau ton. Ornamente. 



Coustantinopel fertig holen liess? Selbst die baulichen Combina- 
tionen und Ideen kamen, wie erwähnt, theilwcise von Osten her. 

Und doch keimt neben der liarbavisirung der grössern B*u- 
formen ein liest schöner Einzelbildung weiter in Gestalt des Orna- 
mentes ZU gewissen Zwecken. 

Der Schutt Roms war damals unermeßlich reich an kleinern 
Baustücken aller Art , die Jedem zu Gebote standen. Aus steiner- 
neu und thönemen Cmisolen, ttinisfragnscnteii , Capsetten it. s. w. 
entstund int X. Jahrhundert die sog. Casa di Pilato oder di 
Rienzi {richtiger Haus des (JreseeiiHus). Ausserdem aber gab es 
und giebt es stellenweise noch Platten von kostbaren Steinen, mit 
welchen einst die Wände der Paläste belegt gewesen waren; es gab 
Fi'i'l>lnT>iiiili'ii und Fragmente solcher, auch vielen grünen iiumi- 
dischen Marmor und Giallo antico. Diese Reste zerschnitt man und 
setzte daraus neue Zeichnungen zusammen; die zu Scheiben gesäg- 
ten Porplij-rsÜtilen pflegten dann die Mitte der zu verzierenden Fläche 
einzunehmen ; das L'i'hrige wurde mit gelbem, grünem und weissem 
Marmor ausgelegt. J):ii- inzwischen sein - emporgekommene Mosaik 
half mit seinen < ; Iii ^]>a.^t i'ii und zumal mit Coli! nach; doch blieb 
der Stein in liom immer das YorheiTsciicinh', und diese Decoration 
ist daher schon von Anfang an etwas Anderes als die saracenisehe 
oder moreske , welche wesentlich auf Glaskasten beschränkt blieb. 
Letzteres gilt, wie wir sehen werden, auch von der unteritali sehen. 

Die Gegenstände, um welche es sich handelt, sind Fussböden, 
ThÜrpfosten, bischöfliche Throne, Lesepulte, (Ambouon Analogien), 
Schranken und Einfassungen von Sitzen, Altäre und Säulen für die 
Osterkerze. Die der Sculptur und der plastischen Ornamentik ') 
unfähig gewordene Kunst ergehl sich in einem angenehmen rnathe- 
iiialhix-lien I.inienspiel , im Wechsel bunter Flachen. — Manche der 
betreffenden L'eberreste sind früh -mittelalterlich, alloin wir sind 
nicht, im Stande sie auszuscheiden von denjenigen des XII. und XJJI. 
Jahrhunderts, unter welchen sielt die wichtigsten mit befitidcu. 
Damals tliat sieh nämlich in liom die Familie der Cosmateu (Lau- 
rentius, Jacobns, Johannes etc.) mit solchen Arbeiten hervor; für 

') Was von dieser In Itom Tor dem XII, Jolirlmndcrt vnritommt, ist äusserst bur- 
barfsch , und so auch Späteres , ™ nicht von den Cosmaten herrührt. 



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Bodeumosaiken. 95 

diese kleinem, decorativen Aufgaben etudirten sie zum erstenmal 
wieder einigenuassi'u die Bauwerke des Alterthums und sahen den- 
selben wenigstens das Noth wendigste fiir die Profile der Ein- 
fassungen, Ränder, Gesimse u. s. \v. ab. Dieser kleine Anfang- von 
Renaissance macht einen erfreulichen Eindruck, obsehon er die Bau- 
kunst im Grossen nicht berührte. 

Von den unzerstörbaren Fussbüden aus jenen harten Stein- 
gattungen enthalt jede iiltere und auch manche sonst modernisirte 
Kirche ein Stück, ' wenigstens im Chor. (S. Cccilia, S. Alessio, S. 
Crisogono, SS. Giovanni e Paolo, S. Gregono, S. Prassede und 
viele Andere.) Dio reichsten sind mehr oder weniger sieher und 
zwar spät datirt: der in S. Maria in Cosmedin (um 112(1), dor praeht- n 
volle von S. Maria maggiore (um 1 15Ü), der von S. Maria in 'fräste* i> 
vere (etwas früher), der sehr reiche in der Vorderkirche von S. c 
Loreuzo faori le mura (XII. Jahrhundert, vielleicht erst um 1220). 
Im Detail Teppichmustern ähnlich, doch als Ganzes anders compo- 
nirt, geben sie deutliches Zeugniss davon, welchen Werth die Kirche 
von jeher auf schöne Fussbilden gelegt hat. Zu einer Zeit, da dio 
Kunst sich noch an das Material halten, durch Goldgeräth, Pracht- 
gewebe und Mosaiken den Eindruck des Heiligen und Ausser welt- 
lichen hervorbringen muss, weil sie die ewige Form nicht mehr 
oder noch nicht schaffen kann, — zu einer solchen Zeit gebührte 
auch dem Fussboden , der ja ein geweihtes Asyl bezeichnete und 
den Schauplatz für die heiligsten Begehungen ausmachte, eine 
Ausstattung, die ihn von dorn profanen Draussen auf das stärkste 
unterschied. ' 

Ausserhalb Roms hat auch S. Vitale in Kavenua einen präch- j 
ti^eu Htciuiiirittiiklindeu, ebenso 8. Marco in Venedig (der Dom von <■ 
Murano Uli]. Doch herrschen andere Dessins und .Steinarten vor. 

Die übrigen steinernen Schmucksachen sind hauptsäch- 
lich in folgenden Kirchen von Rom zerstreut: 

S. Agnese fuori le mura : Wandbekleidung -und .Sitz im Chor r 
(VII. Jahrhundert); Altar einer Ji eben kapeile. 

S. Cecilia: der Altartisch; sein Tabernakel erst vom Ende des g 
XIII. Jahrhunderts. 

S. Cesareo: mehrere Altäre, ein reicher [ii^elioi'sstulil mit ge- h 
wundenen mosaicirton Säulen, ein Pult, reiche Uhorschrankcn, — 
eine der bedeutendsten Kirchen hiefür. 



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96 Christi. Dccoriition. Dia Ctnmaten. Steinerne Prachtarbeiten. 



■a S. demente: der Altartabernakol und die vollständige Ei urich- 
tung des Chorus, s. obeu S. 78 u. 82. 

i) S. Giorgio in Yelabro : zierlicher Altartabernnkcl. 

« S. Lorenzo fuori le muru: Das Pult (Ambo) rechts das herr- 
lichste unter den vorhandenen: die Brustwehren und der Biscbofs- 
stuhl in der hintern Kirche ebenfalls vom zierlichsten Cos niateo styl ; 
der Altar vom Jahr 1148. 

.i S. Maria Araceli: Willkürlich getrennte und neu zusammenge- 
setzte Pulte, von den Cosniatcn Laurentius und Jacobus; im linken 
Querschiff die Ära. 

o S.Maria in Cosmedin: Boden, Bischofsthron und Pult um 1 120 im 
Auftrag dos Cardinal b Alphan us gefertigt, dessen Grab in dor Vorhalle. 

c SS. Nereo ed Aciiillo: Pult, Schranken, Candelabcr, Bischofs- 
stuhl und Fusshoden. 

g Geringere Reste in S. Balbina, S. Panerazio, 8. Saba (datirte 
Thüreinfasaung des Cosmatcn Jacobns) u. s. w. ') 

Die einzige wahrhaft architektonische Bliithe, welche diese De- 
coratorenschulc hervorbrachte, sind ein paar Klosterhöfo mit 
kleinen Bogen auf Sittlichen, innen nachgedeckt oder gewölbt. Die 

ii eiiifiti'lii'rn derselben (hei H. Lorenzo fuori, S. Vmcen/o alle tre fon- 
tane, S. Sabina) haben nichts als den Marmor von irgend einem 
frühen romanischen Kren/gaiu? in Deutschland voraus. An dem Hof 

• ') In Riretinn sind iliTiirtlsf m - [ ;i ml.- iiii'l.-l LiltiTcr Zeit iiml nicht raosal- 
clrt, dnECcnii incrkiviirilii; i-iiiili; ITrkuri'lrn der antiken plastischen Dekoration. 
In S. Apoll in uro in Clane: die Abschlüsse Her Knniibnnk der Tribnnn, entlehnt vom 
Illsehclsstuhl des h. Dnmlon (t TOS) i der Altartoberaakol am Endo des linken Seiten- 
schiffes (806-810); boido Werke mit schon kalligraphisch leblosen ZIcrrathcD. — In 

nnnilert elllt'emnu eilen Hälften des nirirl.-ii Ainliiins min i!er Zeit des Eriblschofs Aeiulllts 
(656 bis 609) mit flachen Thlcrti[;or t n In lauter viereckigen Fehlern, schon sehr roh: 
In der Sacrlstei der elfenbeinerne Bisohof.stnhl des h. Maiiminn (MB bis 666). 6. d. 
Sculptur. — In SS. Naiario e CcJso (Galla PUoldia): der Altanisch aus dünnen Ala- 
bssterplatton, weniger negcn der unbedeutenden Reliefs: merkwürdig als well er aar 
Erhcllune durch hineingestellte Lampen berechnet war. — In S. Apollinnrc nuova der 

Marco 10 Ye-nc-d Ii; ir^liiireii aller ilem Kn-ise ilk-.ur rnvennat Ischen Decoration an als 
der römischen. Leblose plastli-'he Vi'rahTiinB mit Verirrildifflg, aber kein Mosaik ; die 
Stelnyatl unnen sind an sich selbst schon kostbar genug. — Ein Unlcum des IX. Jahr- 
hunderts ist endlich der mit Rollofflgurcn versehene und (nach den alten Spuren neu) 
■"bemalte Tabernakel des Hochaltars in S, Amhrogio in Mailand. 



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97 



von S. Scolastiea au Subiaco dagegen bemerkt man sehon einen a 
Versucli, diircli ernste Annäherung an die antiken Hau formen Seele 
und Sinn in die Halle zu bringen, und in den rosen duftenden Kloster- i> 
hiifen dea Laterans und der Abtei S. Paul sind diese antiken Formen , 
sowohl durch Anwendung des prachtvollsten Mosaik seil muck es als 
durch gemeifsclte Jl:u-iiiuizii'n:itlien zu einer neuen und ganz eigen- 
tbiimlii'lifii Belebung gediehen. (Erste Jahrzehndc des XIII. Jahr- 
hunderts.) Unmittelbarer als in den ganzen Basiliken dieser Zeit, 
weiche Kitern Verhüllen! nachfolgen, spricht sich hier der Formcu- 
geist der Epoche Innocenz III. aus. — Die Vorhalle des Domes von 
Civita Caatellana zeigt ein ähnliches Zurückgeben auf clnssische d 
Vorbilder, verbunden mit zierlicher Mnsaicirung. — Die letzten Cos- 
luaten arbeiteten im gothischen Styl, wovon bei Gelegenheit. 

[Die unterit aliseben Arbeiten dieser Art s. unten bei der norman- 
nische icilisch cd Arcliitektur.] 

Es liisst sich nicht laugnen, dass die italische Kuustiibung sich 
mit diesem aiimuthigei) Sjjicl von Material und Farben begnügt, 
gleichzeitig mit den grössten Fortscbritten der nordischen Archi- 
tektur. Diese von VeruUtzung antiker Bausttickc fast seit Anfang 
an aligo seh nitten und, was mehr heissen will, von einem andern 
Geiste getragen , hatte inzwischen die erlöschenden Erinnerungen 
des römischen Styles zn einem eigenthündichen romanischen 
Styl ausgebildet, der um 1201) schon im Begriff war sich zum 
gothischen zu entwickeln. Diesem romanischen Styl stellt sich nun 
in Mittel- und Oburitidien ein nicht unwürdiges Seiten bild gegenüber. 



Das grosse Verdienst, dem Basilikeiibnn zuerst wieder ein neues 
Leben eingehaucht zu haben, gebührt, was Italien betrifft, unstreitig 
den Toscanern. Der hohe Sinn, der dieses Volk im Mittelalter 
auszeichnet, und dem man auch ein stellenweise* rm*ehlagcn in die 
Sinnesart der Erbauer des Thurmea von Babel verzeihen mag, be- 
gnügt« sich schon frühe nicht mehr mit engen, von aussen unschein- 
baren und innen kostbar verzierten Kirchen; er nahm eine Richtung 
auf das Würdige und Monumentale. Dieselbe offenbarte sich zu- 
nächst, seit dem XI. Jahrhundert, in der Wahl dea Baustoffes. Der 
Sandstein und Kalkstein, welchen man in der Nähe hatte, schien 



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98 



Romanische Architektur. Toscami. 



zu sehr der Verwitterung ausgesetzt ; man holte in Carrara den 
weissen, anderswo schwarzen und rotlicn Marmor und incrustirte da- 
mit wenigstens den Kcrnbnu, wenn man ihn auch nicht daraus er- 
richtete. Zum orstenmal wieder erhielten die Aussonwände der 
Kirchen eine organisch gemeinte, wenn auch zum Theil nur deco- 
rativ spielende Bekleidung: Pflaster und Halbsäulen mit Bögen, 
Gesimse , Streifen und Kinraluniuige n von abwechselnd weissem und 
sf.hwiirzem Marmor, nebst andenn mosaikartig ein Zierrath. An 
den grossem Fassaden behauptete sich seit dem Dom von Pisa ein 
System von melirem Säuk'.heiisti'lliingon über einander; die obern 
schmaler und dem obern Theil deB Mittelschiffes (wenigstens schein- 
bar) entsprechend; unten grössere Halbsäulen mit Bogen, auch 
wohl eine Vorhalle (Dome von Lucca und Pistoja). Im Innern rücken 
die Säulen auseinander; ihre Intervalle sind bisweilen beinahe der 
Breite de» Mitti4*chiilVs gleich, welches allerdings sich Bohr in das 
Schmale und Hohe zieht ; in den echt erhaltenen Beispielen hat es 
flache Bedeckung, während die Nebenschiffe gewölbt werden (S. 
Andrea in Pistoja). An den Säulen ist häufig der Schaft, ausser- 
halb Pisa aber selten das Capitäl antik, obwohl dio oft auffallende 
Disharmonie zwischen beiden (indem das Capitäl einen schmälern 
untern Durchmesser hat ab der Schaft) auf die Annahme benutzter 
antiker Fragmente fuhren könnte; ein Ra'thsel, welches sich nur 
durch die Voraussetzung einigermaassen löst, dass die Cnpitäle 
etwa aus wenigen Steinniet zw er kstätten für das ganze Land bestellt 
oder fertig gekauft wurden. Ihre Arbeit ist sehr ungleich, von 
der rohesten Andeutung Iiis in die feinste Durchführung des Ko- 
rinthischen, auch der Composita. An den bedeutendem Kirchen 
versuchte man schon frühe, der Kreuzung des Hauptschiffes und 
des QucrschifYes durch eine Kuppel dio möglichste Bedeutung zu 
geben. 



Die einfachsten Elemente dieses ganzen Typus enthält wohl der 
Dom von Fiosole (102S); das Aeussere dürftig, doch schon von 
Quadern; innen ungleiche [logen ü!ut dvu Säulen; der Kreuzranm 
kuppelartig gewölbt; die Neben räume (oder Arme des Querseliiites} 
mit halben Tonnongewölben bedeckt, dio sich sehr ungeschickt an 
die Bogen des Kreuzraums anlehnen. Alle Details einfach bis zur 



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Born von Pisa. 



Roheit; ilie Crypta (mit ionischen Sittlichen) ein späterer Einbau. ') 
Merkwürdiger Weise entspricht schon hier die ganz schmucklose 
Fassade der Kirche nicht, sondern ragt bereits als vorgesetzte Deco- 

Zur vollen Ausbildung des Typus reichte aber ein blosser 
Bischofssitz nicht aus; es bedurfte dazu des ganzen muuiripalen 
Stolzes einer reichen im Centrum des damaligen Weitverkehrs ge- 
legenen Handelsrepublik. Wie nilrdlich vom Apennin Venedig, so 
vertrat südlich Pisa diese Stelle. Im Hochgefühl eines .Sieges über 
die Sieilianer gründeten die von Pisa 1063 ihren Dom; als Bau- 
meister nennen sich Tiahuildus und Busketus. 

Die schöne iBollrte der edle weisse Marmor mit schwar- 

zen nnd farbigen Inemsr;itioiien, die klare Absicht, eiu vollendetes 
Juwel hi nan stell en , die gleichmassige Vollendung des Baues und 
der benachbarten Praehtgebiiude — diess Alles bringt schon an 
sich einen grossen Eindruck hervor; es giebt nicht eben viele 
Kirchen, welche diese Vorbedingungen erfüllen. Ausserdem aber 
thut die Kunst hier einen ihrer ganz grossen Schritte. Zum ersten- 
mal wieder seit der römischen Zeit sucht sie den Aussenbau leben- 
dig und zugleich mit dem Innern harmonisch zu gliedern; sie stuft 
die Fassade schön und sorglich ab und giebt dem Erdgest' Ii uss 
Wandsänien und Wandbogen, den obom Theilen durchsichtige 
Galerien, zunächst längere, dann, dem Mittelschiff und dem Giebel, 
entsprechend kürzere. Sic weiss auch, dass ihre Wmidsäuleii jetzt 
einem neuen Organismus angehören und verjüngt dieselben fast 
gar nicht mehr (womit es der Baumeister von S. Micchele in Lucca 
versah). An den Seiten wird ebenfalls die einfachere Form, hier 
Wandpilaster mit Bogen und eine kleinere Reihe- drüber mit gerndem 
Gebälk, den untern Schiffen zugewiesen, die leichtere und reichere, 
nämlich Wandeiiulen mit Bogen, dem Oberschiff. Es ist denkbar, 
dass orientalische Kirchen einzelne dieser Klemente darboten, aber 
ihre Vereinigung in Einem Guss ist pisanisch. Von der Wiese hinter 
dem Chor aus offenbart sieh dann eine andere grosse Neuerung: 
nach viel hundertjährigem Hemmn-reu in den Wirkungen des Details 
hat die Baukunst wieder ein wahres Composittonsgcfühl im Grossen 

von S. Mlumai li.-i Fl,,,-,...,,. !iin,,,-l,]i,;:i von ICl-H - v.-,W. ( ( ■MrMv.-i-f ili,- f. Ezi-[i- Dursh- 
blliung zeigt, {vgl. unten S. 107—9]. 



Bomaniache Architektur. Dom von Pisa. 



uir enden Hauptlinie 
iedrigen Nischen dt 



lauter antiken .Säulen (deren t'apitiile seit ihrer Ueberarb 
Gyps für die Untersuchung meist verloren sind), thollt 
hemmenden Bedingungen der römischen Basiliken. Aber 



Säulenreihe ist durch Ueberhühung der Hilgen luieligHji.ili'uu. Stau 
der hohen Oberwände und ihres Mosnikschmuckea sieht man dann 
die herrliche luftige Galerie von Pfeilern (gleichsam Eeprüsentanten 
der Mauer) und Bogen, in der Mitte von Säulen gestützt. Schon 
einzelne römische Basiliken haben Obergeschosse; auch die Ost- 
rümer liebten solche obere Galerien, allein sie versäumten, ihnen 
durch diese leichtere Behandlung den lokalen Charakter zu geben. 
Das Quersehiff endlich wurde hier — zum erstenmal an einer Basilika 
— dreisehiflig gestaltet, um dem Eindruck des Hohen uud Schlan- 
ken treu zu bleiben; es bildet mit seinen ^ehluss-Xisehon gleich- 
sam zwei anstosseude Basiliken. Vielleicht mein aus praktischen 
als ästhetischen Gründen führte der 1 Inn meist er die du«: h sieht ige 
Galerie auf beiden Seiten quer hindurch nach dem Chor zu, und 
schuf damit jenen geheimnissvoll prächtigen Durchblick in die Quer- 
arme. — Welches Quadrat aber sollte nun als Basis der Kuppel 
angenommen werden, die mau hier zum erstenmal mit dein Basi- 
likenbau zu combiniren wagte ¥ Langhaus und Querbau schneiden 
sich in ungleicher Breite, man nahm die ganze Breite des' letztem 
und die des Hauptschiffes des erstem und so ergab sieh die merk- 
würdige ovale Kuppel, die später noch eine gothische Ausscu- 
galerie erhielt. 

Während des Baues reinigte sich der Styl. Wir dürfen z. B. 
annehmen , dnss die schon sehr gut gegliederte Galerie im Innern zu 
den spätem Baugedunkcn gehört, ebeiist) ihre Aussenwand, welche 
eine obere Pilasterordnung über den Wandbogen bildet. 



Baptisterium und Campanile von Pisa. 



101 



Vollständiger spricht pich (Linn dieser gereinigte Styl im liapti- a 
sterium ans, welches 1153 von Diotimki gegründet wurde. (Die 
«.'t.Tlii-dii'ii Zmliateu. Buldnclnne. fiieliel, Spitz tliürmehen sind erst im 
XIV. Jahrhundert liin/u!.'ek-omiiieM\ Ilm! wird hier düiThsliu^ig die 
l-'^nncnhildung des Domen veredelt und vereinfacht wieder finden, 
die Ijogenprotile, die Jlnsuieinnig <lrv l'iiil uupren 11. s. w. Auch meldet 
sieh an der äussern Valerie wie im Innern vereinzelt das eigenthihu- 
lich romanische Capitiil. Ganz besonder» wichtig ist aber die Utiter- 
invrhung n;ieh jeder drillen Sä nie im Innern durch einen Pfeiler, und 
zwar im oberen sowohl als im unteren Stockwerk , worin sieh deutlich 
das Verlangen nach einem höhern baulichen OrfriiiiLsimiä ausdrückt. 
K»ensci Ist die huhe konis.ehi' !m;i'iil;ii|i|iel nur eine ungeschickte Form 
für das Bedtirfniss nach einem leichten, strebenden Hochbau. — Die 
Schranken um den Mittelraum und die Einfassung des Taufbeckens 
zeigen, welch ein neues Leben auch innerhalb der Decoration erwacht 
war, wie man auch hier sieh von dem blossen Mosaik mit Praehtstemen 
losmachte zu Gunsten einer reinen und bedeutenden plastischen 



mno ihn schief ausbaute. — Bei dlofcin Anloss hat E. Förster (Handbuch etc., «. d. 
Art.) eine allgemeine Ansieht nicht nur Uber diesen Bchlcfbnu, sondern über die Bau- 
ungleichhclten der fiimmtllclion umliegenden Pncbtgeblnda entwictaK, Walch er ich 
Anfangs glaubte b<l pflichten zu müssen, bis die Verglclchung anderer Italienischer 



oder anf besseren Fundamenten neu angefangen, der pisaulacbe Uebennuth aber Hess 
»ich ant das Schwierig und vL'UcLdit damals noch Unerhörte ein. 

Weit die meisten schiefen Gebäude aber sind es ohne Absieht des Baumeisters 
Kewotdcn, durch ungenügende Fundamente. Daa Pilotiren, als einzige Sicherung bei 
morastiger oder sonst bodenloser Beschaffenheit der Erde, scheint nur ungleich und 



102 BomaniBoho Architektur. Schielbau und 



dcnmg des Details wieder um einen (Srad einfacher und das roma- 
nische Capitiil mit seiner derben iilütterbildung hat entschieden das 



alhnählig aufgekommen iu aeiu; die Früheren machten sich uuf die Senkung des 
Baues unter solchen rnistündcii gefasst und kamen dem Schaden durch Dicke der 
Slnucm, Verkümmerungen u. a. w. zuvor. Einen sprechenden Beleg Hefen noch 
■ ein Bauwerk In Pisa selbst; der Thurm von 3. Nicola sieht gar merklich schief, 
allein doch lange nicht schief genug, um als Werk der Kühnheit mit dem berühmten 
Ciunpivnile wetteifern m Minne», welcher sehn" »In Gebäude so viel bedeutender lat; 
an eine Absicht lässl *iuli lik-r nicht iIl ukun . mulil abor "II eine V.jriiuasiMU, wie aus der 
starken llllium;.' ilos JliiuLTi'.vliinUTS liervergelil. Jlljtiiso ist am Dom v.m Modeua die 
wahrhaft bedrohlich ai^sfiuivle Neigung des ga 



•"mit Rücksicht auf diesen Umstand ausgebaut sein mag. (Dagegen stehen Dom und 
t BUjitlstcrium In Parum völlig Inthrechl.) Am Dom von Ferrum iieiut ilits l':las:i<lc nicht 
unbedeutend vor, (.'cwi.-* {.■(■neu clrti Will, n des nainnelsters. 

Kunst geschichtlich vlol wichtiger witre die Ansicht Fiirster's Uber den Zusammen- 
hang des plan nisclicn Scltlefboncs mii den Ungleichheiten der Vermessung, 
schrägen und krummeu Baultnien, inientiprci'liLnLdMri limi-vallen etc.; in nll diesem 
spreche sieh numlich eine Scheu vor dein Jl.it lionnit lscIilj: , vor dur völligen (ilcicli- 
miiii..ij;kcll nus; es seien dies: ..die uiiLi^nilleiisItii Acinierungon romantischer Bc- 



mathcm.itisch Genaue. Letzteres verstund sich durchaus nicht immer so von seihst 

tt Ken besten Schlüssel gewahrt S. W»rco tu Venedig. Auf einer Laguucninsol 
errichtet, zeigt dieses Gebäude vor Allem In seinen Tortlculen Theilcn und Flächen 
viele unwillkürliche Schiefheiten , doch keine eigentlich annähenden, Indem ohne 
Zweifel das »»gliche geschah, um sie zu vermeiden. (Der Fustbodcn dar Kirche 
mll seinen welle nfürui Inen Unebenheiten beweist am bellen, welche Opfer man 
bringen mussie, um wenigstens Pfeilern und Heuern eine leidlich luthrechte Stellung 
zu sichern.) Sehr nunallend dagegen Ist illo Ungleichheit und Unregelmässigkeit 
eütunitlivlu-r llngcu »ml IvüUjkiiki-ii , seihst du Kuppclränder. Anfangs Ist msn ver- 
ancht, dieselbe von dein Ausweichen der Pfeiler und Mauern abzuleiten, welches auch 
in der That hie und da die Schuld tragen mag; hei längerer Hetrachtnng dagegen 
«beneuÄt man sich, dass die reine Gleichgültigkeit gegen das KegelruiUsigo der 
Wttenttinhe Grund ist. Ich glaube, dass sehen die Lchrbogen nicht einmal genau 
gemeeeen waren. Man betrachte 3. B. die ehern Wandungen an der Slhlselte des 
AeUiscm; sie sind krumm «ml unlur sich ungleich, obschon es liier gnnz leicht ge- 
wesen wäre sie im reinsten Halbkreis in construlren und fhaev diese Form uuf immer 



die bunte Verschiedenheit ih-s Detail, »cum; AbwiTlislmiir ceiniv mit sich bringt. 

Auf diesen Vurgaug gestützt dürfen wir auch In Pisa, das (docli sehr unmerkliche) 
Ueberhängcn der Domkuppel nach hinten für eine blosse Vngonuuigkeil , die schiefe 



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Uobergewicht vor dem römischen. Der Composition nach ist dieses 
einzige Gebäude eines der schönsten des Mittelalters. Das Princip 
der Griechen, die Säulenhalle als belebten Ausdruck der Wand rings- 
um zuführen, ist hier mit der grüssten Kühnheit auf ein mehrstöckiges 
Gebäude übertragen; es sind viel mehr als blosse Galerien, es ist eine 
ideaio Hülle, die den Thurm umschwebt und die in ihrer Art densel- 
ben Sieg Uber die Schwere des Stoffes ausspricht, wie die deutsch* 
gothischen Thürme in der ihrigen. 



Das reiche System dieser drei Bauten ist natürlich an den übri- 
gen Kirchen nur stellenweise durchgeführt, oder auch nur in Andeu- 
tungen, gleichsam im Ausaug gegeben. Immer aber wirkt diese erste 
consequente Erneuerung eines pln siisilMiedeut enden Architekturstj-ls 
mit grossen) Nachdruck und auch die kleinste dieser Kirchen zeigt 
deutlich, dnss man diesen bezweckte. Bei den kleinern beschränkt 
sich der Marmor auf die Fassaden; statt der < blerien kommen blosse 
Wandbogen vor , aber auch da ist mit geringen Mitteln, z. lt. mit dem 
( 'Inn-ukterunterschied von Wandpi lästern und Wandsiiulcn das We- 
semtielie entschieden ausgesprochen. Im Innern sind oder waren es 
laoter Siiulenbasiliken : das < ibei>chifl' meist verändert. 

Aus dem XII. Jahrhundert: S. Fredinno; im Innern liefern a 
■i. B. die zwei nächsten Säulen den Beweis, dass die alhukleinen Ca- 
pitäle nicht immer antike sind, mit denen man sich hatte begnügen 
müssen, wie man sie fand. {Vgl.S.98b.} Die Säulen dagegen scheinen 
sämnitlich antik. 



Stellung den Bapttoterltun- (wovon leb mich nElier za Überzeugen Teraämnt habe) für 
die Folge einer Borten Senkung hall™. — Für die Wommen Llntcn, angannon Paral- 
lelen, oiiglelchen Intervalle am Acussern des Dumoa würde oboüfalla 8. Slareo Windige 
Analogien bieten ; eine nähere Verfiel elionc aber gewühlt 1. 1). die SUdUcite den Domes 
vonFcrrara, welche von mii'iilllni'lc:! [."nglci^iln.i^n (k'r intcrvaLLu, Krümmungen der' 
Horizontalen II. dpi. wimmelt, während die Anspruchslosigkeit des iiaues jeden <!o- 

Dla mathematische Rcgelmässlgkclt , welcbe mit den bald zu nennenden floren- 
tiniaclien Bauten den Sieg davontragt , innaate eintteien schon In Folge der strengem 
Plastik des Detillls. welche von seibat auf genaue Vermessung btauIÜDgtj sie war OS, 
«eiche i. B. na S. Jlurco noch vlj'Di« febltc. — Allerdings fc'iebt es noch weit spätere 
BSUue] , wl« -l. M. äer Dom von sieno, welche wir als lläthsel miläsen auf sich bc- 



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V\i Romanische Architektur. Kirchen von Pisa. 

S. Sisto, antike Säule» von ungleichem Stoff; auch hier gerade 
die unpassendsten Capitälc modern. Das Aeusacre fast formlos. 

S. Anna, nur ein Tbeil der Südseite erhalten; das Uebrige ein 
Umbau von 1610. 

S. Andrea, aussen nur die einfache Fassade alt, sowie der baek- 
steinerne Canipiiiiile; innen die l'chcilüihung der Bogen durch ein be- 
sonderes Zwischengesimse erklärt; die Kapitale meist aus dem Mittel- 
alter , mit Thierköpfen etc. 

S. Pierino, in seiner jetzigen (JestaltXJI. Jahrh., aussen ein- 
fach, innen wahrscheinlich beim il;nn:iltgen Umbau (des Arno'a we- 
gen ¥) erhübt; die Kapitale zum Tbeil antik; der Boden mosaicirt. 

S. Paolo all' Orto, nur der untere Theil der Fassade erhalten 
(wonach die Kirche eine der ältesten nächst dein Dom sein möchte.) 
Das Innere ganz verbaut. 

S. Sepolcro, eine der im ganzen Abendlando vorkomni enden 
pulygoneii 1 leiliggrabkirchen , 2. Hälfte des XII. Jahrhunderts. Hohes 
Achteck mit Pfeilern und Spitzbogen , mit aihtwitiirem Im gang, die 
Fenster noch rundbogig. Alle Details für Pisa auffallend schlicht. 
Gegenwärtig grossenthcils erneuert. — Der (üoekenthurm von Dio- 

S. Paolo in ripa d'Arno, wohl ebenfalls erst XIII. Jahrhun- 
dert, mit der besten Fassade nach dem Dom; innen mit Querschiff 
und Kuppel; durchgängig Spitzbogen; doch unter den vieren, welche 
die K uppel tragen , noch besondere Kundbogen. (Restaurirt.) 

An S. Nicola die Fassade und der schon erwähnte Thurm 
(S. 102 *) angeblich von Nie. Pisano. 

S. Micchele in Borgo; das Innere, so weit es erhalten ist, eine 
ziemlich alte Basilika ; von der Fassade der obere Tbeil mit den schon 
spil/.lmgigen fJalerien XIII. Jahrhundert, vorgeblich von Niccolo 
Pisano, eher von dessen Schüler Fra Guglielmo; in die Mitte treffen 
Säulchen statt der Intervalle. 

S. Catcrina, XIII. Jahrhundert, die Fassade eine noble und 
prächtige Uebertraguujr des phänischen Typus iu die gothiseben For- 
men. Innen einschiffige ungewölbte. Klosterkirche. 

[Die alte Kirche S. Piero in ßrado, eine halbe Stunde see- 
wärts, mit merkwürdigen Fresken verschiedener Zeit] 



Kirchen von Lucca etc. 



105 



Die Kirchen von Lucca sind (mit Ausnahme der oben genannton 
altern Reste) fast nur Nachahmungen der phänischen , und zwar 
keine ganz glücklichen. An unendlichem und fast peniblem Reich- 
thimi thun sie es den reichsten derselbe!: bisweilen gleich oder zuvor 
(figurirtc Säulen, Mosaieining möglichst vieler Flächen etc.), allein 
das Vorbild der Antike stellt um einen kenntlichen Grad ferner (man 
vergleiche die Uesiiiitiliihliuig), obschon auch hier nicht wenige antike 

unbegreiflichen Stolz, scheinen die LncelieM-ii d;imn gesetzt zu haben, 
daas in den Galerien ihrer Fassaden nicht ein Intervall, sondern ein 
Säulchen auf die Mitte traf. Man möchte glauben, es sei das Wahr- 
zeichen ihrer Stadt gewesen. In Pisa ist ist diess Ausnahme. — Die 
t'ampanili, sowohl die nmmim-iieii als die back st ein erneu, ohne be- 
sondere Ausbildung. 

S. Giovanni, XII. Jahrhundert; die Gapitäle meist ans dem 
.Mittelalter, doch gut den römischen nachgeahmt: an das linke Quor- 
schiff lehnt sich ein uraltes, zur gothischen Zeit nur umgebautes vier- 
eckiges Baptistcrium. Aussen einfach, von der Fassade nur die 
Thür alt. 

8. Maria forisportam, XII. .Jahrhundert; eine der bessern, 
mit Quersehiff und Kuppel: die ('upitüle di r S.'üdoii hier meist antik; 
nach alter Weise etwa in der Mitte der Reihe ein Pfeiler statt einer 
Säule. 

S. Pictro Somaldi, Fassado vom Jahr 1203; back steine nies 
Campanile; das Innere modern. 

Der Ausscnbiui von S. Miccbelc (Vgl. S. 65, c): die Chornische 
reich und gut, die Fassade dagegen (XIII. Jahrhundert) mit absicht- 
licher Uebertreilinug de* |ns;mifchen Princips stark über die Kirche 
vorragend, spielend reich; das ganze Er dgeschoss um eines vermeint- 
lich höhern Effectes willen nicht mit Wandpilastein, sondern mit vor- 
gelehnten Säulen bekleidet, die sieh verjüngen und damit unförmlich 
hoch erscheinen. 

Kleinere Kirchen, zum Theil nur mit einzelnen alten Bestandtei- 
len: S. Giusto, S. Giulia, S. Salvatore, S. Vicenzo etc. Der 
Ucbcrgangins Gothische: Fassade H. Francesco. 

UeberS. Frediauo vgl. S.85, b. Was ans dem XII. Jahrhundert 
ist, scheint Nachbildung von älterm und weicht von dem pisanisch- 
luechesi sehen Styl ab. 



106 KomaniHohe Architektur. Kirchen in Pistoja etc. 



Endlich die altern Theile des Domes: die Fassade, inachriftlich 
von Guidetto 1204, empfindungslos reich; die Galerien auf einer drei- 
bogigen Vorhalle ruhend, deren Inneres hu Detail schon sehr gereinigt 
erscheint. Dann das Aeussore des Chorbaues und Quersehirrs, aehr 
i'ilcl und firmiirii'ijn (auch in der Incrustation) ; durch die Höhe des 
Quersclu'ffos ein imposanter AnhJick. Der Glockenthurm mit regel- 
mässig zunehmender Fensterzahl, wie der von Siena. 



In anderen Städten Toseana's: 

Der Dom von Prato, angefangen im XII. Jahrhundert, hat ans 
dieser Zeit noch das schmäh; Mittelschiff mit den weiten Bogen Uber 
schweren Säulen mit rohen Capitülen. Anmnthig ausgebaut im XIV. 
Jahrhundert trägt die Kirche im Ganzen das Gepräge dieser Zeit. 

InPistoja ist S. Giovanni fuorieivitas ein einfaches läng- 
liches Viereck, dessen eine Langseite aher die Zicrlust jener Zeit 
(XII. Jahrhundert) in fast kindlicher Weise an den Tag legt; unten 
Filaster mit WiiiidliüL'i'ii. drüber z.wei Reihen mit kleinem Wnndaäu- 
len mit Bogen; keines der drei Stockwerke entspricht dem andern; 
die Wand gestreift und inosaieirt. 

S. Andrea, Basilika des XII. Jahrhunderts, mit schmalem Mittel- 
schiff, dessen hohe Ohe rmauorn schmale Fenster enthalten: dicFassade 
mit Wandhogen, schachbrettartiger Flache und (als Gesims) grossem 
Eic-rstab. (Der obere Theil nouer.) — Der innern Anlage nnd der 
Zeit nach verwandt: S. Bartolomineo. 

Der Dom, mit der schon erwähnten Vorhalle und drei Säulehen- 
stclluugcn driiher, im Innern eine sehr verbaute Basilika, mit unglei- 
chen, doch wohl nicht antiken Oapitälen. ist wohl ebenfalls aus dem 
XII. Jahrhundert, nicht von Xiecolö l'isano. Die Seitenfassade, ji't/.t 
bloss Wandpfeiler mit Bogen, trag vielleicht einst eine obere Galerie. 
Der Thurm wiederholt in seinen drei obersten Stockwerken das Motiv 
des phänischen : freistehe mlt> Siüilehen um einen Mauerkern herum, 
nur viereckig statt rund. Der Chorbau modern. Das erhöhte Ton- 
nengewölbe, welches die Vorhalle in der Mitte unterbricht, mit scho- 
nen gebrannten Cassetten des Luca dellu Kobbia. 

Der Dom von Volterra gehört ebenfalls in diese Reihe und 
wird ebenfalls dem Niciolö Pisano zugeschrieben (waB sich nach An- 
dern nur auf die von 1254 datirte Fassade beziehen soll). 



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107 



Wiederum eiucn hühern Aufschwung nahm die neue Bauweise 
unter den Händen der Florentiner. Sie legten zunächst in die 
bisher spielende Incrustation mit dem Marmor verschiedener Farben 
einen neuen Sinn, bildeten aber vorzüglich das plastische Detail der 
Architektin- edler und consequ enter aus, nicht ohne ein ziemlich ein- 
gehendes Studium antiker üeberreste, sodass auch hier wieder ein 
früher Anfang von Renaissance uns' erkennbar ist. Endlieh fasst die 
Kirche S. Miniato das vorgotliisehe Kunst vermögen Italiens auf eine 
so glänzende Weise zusammen, dass man die bald darauf folgende 
Einführung deB gothischen Styles uns dem Norden beinahe zu be- 
ilnnern versucht ist. 

Die betreffenden Gebäude haben wohl siimtutlieh kurz vor oder 
um das Jahr 12IHI ihre jetzige Gestalt erhalten, eine Annahme, für 
die wir hier die Beweise schuldig bleiben müssen und die mit sonst 
geltenden Zeitangaben im Widerspruch stellt. [Nene Forschungen 
von Schnaase Bd. VII. S. 82 seiner Geschichte der bildenden Künste] 

Das erste derselben ist die kleine Basilika SS. Apos toi i in Flo- 
renz; die Neben*!' Iiilt'e gewüllit ; gleielimiissigc Coinpositasäulen tra- 
gen Bogen mit feiner antiker Einfassung; ihnen entsprechen Wand- 
pdastcr (mit vielleicht heuern (;n|iit;il('ii); die ('üpellreiheu gelten als 
ursprünglich; ihre Hinterwände laufen schräg, wohl aus Rücksicht 
n'.tf irgend eine Bedingung des engen Platzes. 

An S. Jaeopo in dem gleichnamige» liorgo ist nur eine drei- 
bogige Vorbaue mit Aufsatz, an der Badia bei Fiesole nur ein in- 
crustirtes Stück der Fassade aus dieser (letzteres vielleicht aus einer 
etwas frühem) Zeit vorhanden; merkwürdig ist hier das besondere 
Gebälkstüek (Architrav, Fries und Sims) über den Wandsäulen, ne- 
ben einer sonst noch ziemlich spielenden In er u Station. 

Das Baptistorium S. Giovanni bezeichnet einen Höhepunkt 
aller decorativen Architektur überhaupt. Schon die Vertheilung des 
Marmors nach Farben im Einklang mit der baulichen Bestimmung der 
betreffenden Stellen (Simse und Einrahmungen schwarz, Flächen weiss 
etc.) ist hier selbst edler und besonnener als z.H. am Dom '). Vorzüglich 
schön sind dann in ihrer Miissignng die plastischen Details, die Kranz- 

') Laut Vuui ȟrc die Incrustnllon wcninatcnj der unteren Tlieilo des Baptiste- 
rioms ein Work des Donibnumcisters Anal/o, nacli liBI. Allein aus V«i»ri'« eigenen 
Worten Bchiinnicrt hervor, dflss Amolfu nur das sclion Vorhandene von entstellenden 
Zeoiulen befreite aai orginite. [HUbaeli Ulli den Bau für altebriitlich.) 



108 Bomuuiche Architektur. Baptisterium. San Miaiftto. 



gesimse der drei Stockwerke, die Wanifpfeiler , welche im halben 
Viereck beginnen, im halben Achteck fortfahren und ab cannelirtc 
Wandnilaster die Bewegung in der Attica fortsetzen. Im Innern 
stehen vor den acht Nie eil eil des Erdgeschosses je. zwei Saiden, miisBig, 
wenn man will, aber hier als bedeutenden Zetignisfc eines Verlangens 
nach monumentaler Gliederung. Sic sind von orientalischem Granit, 
ihre vergoldeten korinthischen Capitälc aber ohne Zweifel für diese 
Stelle gearbeitet, mit genauem Anschlnss an römische Vorbilder. 
Die Galerie des obern Stockwerkes schlicht sich streng harmonisch 
an das untere an, mit korinthischen Pilastern und ionischen Sätilchen. 
Die bauliche Wirkung wird beeinträchtigt durch die Mosaikfignren 
anf blendendem Goldgrund, welche Friese, Brustwehr und zum 
TJicil auch das Innere der Galerie in Anspruch nehmen, und vorzüg- 
lich durch die drückenden Mosaiken der Kuppel. Der Chorbau steht 
ausser Harmonie mit dem Udingen . und nein Triumphbogen milchte 
wohl der Thcil eines altera Garnen nein. — Die ISodeoplatten znui 
Thefl als Nietlen mit Ornamenten, ein Er?atz filr Mosaiken, wozu ilic 
harten Steine fehlen mochten. 

San Miniato al Monte, vor ilcni gleichnamigen Thor, be- 
pehliesttt diese Reihe mif das ruhmvollste, /war hat die graziös« 
Faraule mehr Wtllkih lirht'it. zumal im Farben Wechsel der Incriistntion, 
als das Baptisterium, allein danehen finden sich die zartesten antiken 
Details '.;/.. B. am Dachgesimse Consolen); das Vorhkltniss des obern 
Stockwerkes zum untern ist violleicht hier zum erstenmal nach einem 
rein ästhetischen Gefühl bestimmt, weil keine antiken Säulen (las 
Maass vorschrieben. Im Innern findet man jene Unterbrechung des 
r.jisilikenb.'uies durch Pfeiler und Rogen, welche in S. Prasseiie zu 
Rom noch roh auftritt, in höchst veredelter Gestalt wieder; auf jede 
■/.weite Säule folgt ein Pfeiler von vier Halbsiiulen mit überleitenden 
Bogen. Der Dachst uhl, durchaus sichtbar, ist einer der sehr wenigen, 
welche im Sinne ihrer iirspningliclii'n Verzierung: gutrestaurirt sind '). 
Die Oapitale sind theils für das Gebäude, gemacht und dann einfach, 
thcils reich antik. Auch die Vorderwand der ziemlich hohen und 
bedeutenden Crypta und das Halbrund der Tribuna sind inerustirt; 
an letzterem erscheinen die Säulen aus Einem Stein und antik, wäh- 
rend die grossen Säulen der Kirche aus lauter Stücken zusammen- 



') Ein arüteror, bcilKullB gtngt, In S. Agojiinc iu Luccji. 



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Are 110. Genua. 



109 



gesetzt sind. Die fünf Fenster der Tribuna sind mit grossen durch- 
scheinenden Mannorphvtteu geschlossen. Die Steiiisclirnnken und 
das Pult des Chores gohüren /.n den prächtigen Decorat ionsstiieken 
derselben Art wie die Rachen im liapti^tiTium v.n Pi*n; die liodeu- 
platten im Hauptschiffe vorn , mit Niellen, ähnlich denen dos Hören- 
tiniachen Baptist eriums '), tragen das Datum 1207, [während der Bau 
selbst nach Schnaase's Hinweis ung auf die von 1093 ilatirte Fassade 
der Kirche zu Empoii in die erste Hälfte des XII. Jahrhunderts au 
datiren sein wird.]. 

Man sollte kaum glauben, dnss auf ein System von Kirchen fas- 
aiiicnwic die genannten 'noch eine Missbildung habe folgen können 
wie die Vorderseite der »uy. Picvc veeclii» zu Arezzo, vom Anfang 
des XHI. Jahrhunderts s ) Mit einer solchen Anstrengung ist kaum 
irgendwo jeder Anklang an Harmonie, an vernünftige Entwicklung 
durchgehender Motive vermieden worden wie hier. Das Innere ist 
bei Weitem besser und durch die fast antik korinthischen Capitata 
interessant; das Aenssore der Chornische dagegen wieder der Fas- 
tade würdig. 



der von Pisa ausgehenden Einwirkung. Die betreffenden Kirchen 
sind meist Basiliken mit einer Art von QuerschifT, auch wohl mit 
einer (unbedeutenden und meist veränderten) Kuppel; die Säulen 
thcils antik, tlieils in Schichten von schwär/, und weiss abwechselnd; 
diu Capitäle thcils antik, tlieils antikisireud. An den Fassaden ist 
nirgends das reichere toscanii-clie Sy.-rem mit (Jnlevien, sondern nur 
das einfachere von Wandpfeilcrn, mit Abwechslung der Farben- 
schichteu, zu bemerken. (Die auch oft nur aus moderner Romantik 
aufgemalt sind.) Zur gotliisehen Zeit behielt man diese ganze, für 
die reiche Stadt etwas dürftige Hinweise bei und ersetzte nur einen 
Thcil der Itundbogen durch Spitzbogen. 



') Wogegen diu sinnlichen Boden-Mosaiken (Bnttlatoro, Dom, S. Picrino) nebst 
denen von 8. Frediono in Liiccn noch fiut ganz der christlich-römischen Technik 
folgen, wie tie schon oben S. 91 u. 95 geschildert wurde. 

-) Uns Datum der l'orlnlsculiiiurcn von Mareliiormi, 1216, gilt doch wobl annähernd 

Hlr ^iiilÄU Fassade. 



110 



Romanische Architektur. Basiliken etc. von Genua. 



Durch plastischen Reichthnm sind nur die beiden Portale der 
Seitenschiffe des Domes (XII. Jahrhundert V) einigerraassen ausge- 
zeichnet. (Das Innere des Domes ein Umbau von 1307, laut In- 
schrift, mit Benützung der älteren Siiulen.) S. Maria di Castello 
ist nacl) den fast, durchaus antiken Säulen und Capitiilen zu schliessen 
die älteste dieser Kirchen (XL Jahrhundert?). Die Kreuzau wölbe 
sä mint He her Schiffe wohl neuer. — 8. Cosmo (XII. Jahrhundert?), 
die Säulen schiel [Hinweise von weissem und schwarzen Marmor, die 
Capitäleroli:uitikisireiid.— S. Dona to, XII. Jahrhundert (die Fassade 
etwas später), die liiitti'ni Siiulen saiumt l-apitäleu antik; die vordem 
von abwechselnd schwarzen und weissen Marmorsciiiciircn mit i'nli 
antik isirendeu ('apitälcu: auf dem Chorquadrat ein achteekiger 
Thurm. (Moderne ISemalung des Innern mit gothischen Zicrrathen 
ohne Sinn.) 

Unbedeutend und nur in Fassade und Thurm erhalten: S.Ste- 
fano, S. Tomaso etc. 

Aus gothischer Zeit und zwar noch aus dem Anfang des XIII. 
Jahrhunderts: S. Giovanni di Pre, Pfeüerkirche, zweistöckig mir 
lieuiitzung eines Abhanges; in neuerer Zeit umgekehrt orientirt, so 
dnss das Quersehiff und der ehemalige Chor jetzt der Hauptthiir 
nahe Bind. — Etwas später: S. Matteo, innen mehr durch die ge- 
schmackvolle Umbildung Montorsoli'a als durch die alte Anlage 
merkwürdig. S. Agostino und S. Maria in via lata, beide innen 
verändert, niinirt und aufgegeben. 

Die Thür mc sind meist von dem einfachsten rumänischen Typus, 
der im ganzen Abendlaiide galt. Die neuem zeichnen sich ausser der 
Mittelpyraniide noch durch vier Eckpyramiden nach iV:iuziisisclnT 
Art aus. 

Von Klosterhöfcn, welche im Ganzen nicht die starke Seite 
des enggebauten Genua sind, findet man einen rohen und sehr alten 
(XI. Jahrhundert?) links neben S. Maria delle Vigne, mit Würfel- 
capitälen auf stämmigen Säulen und mit weitem Bogen; sodann 
einen wenig neuem mit kleinen Rundbogen auf je zwei ■Siinlelien, 
Erdgeaehoss und Obergcsehoss, neben dem Dom links. — Schon 
weit aus der gothiselien Zeit (lltfiS) und doch kaum erst spitzbogig: 
der niedliche, ebenfalls doppelsäulige Kreuzgang von S. Matteo 
(links). 



San Hareo in Venedig. 



111 



Eine ganz andere, weit von allem bisherigen abweichende 
Gruppe von Gebäuden bietet Venedig dar. Der eigen thiimli che 
Genius der handelsreichen Lagunenstadt spricht sich darin von allem 
Anfang an ganz deatfich ans; die tiefsten nationalen Zilge liegen 
klar zu Tage. Mit schwerer Einschränkung, durch Pfahlbau im 
Wasser, erkauft der Venezianer den Hort, wo seine Schütze unan- 
greifbar liegen können ; je enger desto prächtiger baut er. Sein 
Geschmack ist weniger ein adlicher als ein kaufmännischer; das 
kostbarste Material hott er ans dem ganzen verwahrlosten Orient 
zusammen und thtirmt sich daraus weine Kirehenhallen und Paläste. 
DaB Vorbild Constautinopels und eigener patriotischer Ehrgeiz 
drängen wohl auf das Bedeutende und Grosse hin, allein vor- 
wiegend bleibt das Strebeu, möglichsten Heiehthum an den Tag 
zu legen. 

Die Marenski rch e, begonnen Si'll, ausgebaut während des XI. a 
uiiil XII. Jahrhunderts, dem Schmuck nach fortwährend vervoll- 
Htiimligt bis ins XVII. Jahrhundert, ist nicht als Cathedrale. von 
Venedig (S. Pietro hatte diesen Kang) sondern als Prachtgeh äuso fiir 
ilie Geheine des Schutzheiligen, das Palladium des Inselstaates, er- 
richtet. Auch fiir die liauform möchte dies nicht unwesentlich sein. 

Die monumentale Absicht war hier nicht minder gross als bei 
den Erbauein des Domes von Pisa, die Mittel wohl ohne Zweifel 
grösser, zumal in Betreff der Stoffe, welche seit den römischen 
Zeiten im ganzen Abendland kaum wieder so massenhaft kostbar 
aafgewandt worden sind wie an S. Marco. 

Im Orient, wo man die prächtigen Steinal ten zusammensuchte, 
stunden auch diejenigen Kirchen, welche auf die damaligen Vene- 
zianer den grösatcu Eindruck machten: die Kuppelbauten des byzan- 
tini-eheu Styles ; diesen wünschte mau etwas Aehnlichea an die Seite 
zu stellen. Nicht zunächst von der Sophienkirehe, welche nur eine 
Hmiptkuppel mit zwei grossen angeleimten Halbkuppeln bat, sondern 
von den in alleu Eornien vorkommenden mehrkuppeligen Kirchen 
der Griechen entnahm man die Anordnung der fünf einzelnen Kup- 
peln über den Kreuzarmen und der Mitte: ') byzantinisch sind auch 
die grossen Seitenbogen, welche, durch Säulenreihen abgetrennt, 
die Nebenschiffe siimnitlicher Haupträume bilden: ebenso die um 

1 [Byzantinisch ist vor Allem die Kuppal-Comtnielion mitteilt Ott Zwickel (Penden- 
Uf>)ltlscllsllil™Tiii t '.!bii|. : in um] Jirfi-jriiiiil.nn Aul'siitü .kl Knj. ji«.-L -Cyl in ders (Tum bmir)]. 



Romanische Architektur. 



Thcilcn und an der Ausseuhalle die Wandfläche aufgeht, eines der- 
jenige!) Elemente des alt römischen (und jedes grossen) Gewülbebaues, 
an welchem die Orientalen von jeher mit Vorliebe festgehalten 
hatten. Die halbrunden Abschlüsse der H au pl mauern, welche uns 



welchen die Kuppeln ruhen; in decorat ivem Sinn wurden sie dann 
auch an den untergeordneten Räumen reihenweise wiederholt, (Die 
gothiselien Verzierungen daran erst aus dem XIV- Jahrhundert.) 

Die Höhe der Kuppeln ist und war von jeher, nach der Mosaik- 
abbildung (am äussersten Frontportal links) zu urtheilen, eine 
falsche, d. h. der imicrn Schale nicht entsprechende. 

Vom Detail ist die Bekleidung sämmflicher untern Wandfiäehen 
mit kostbaren Steiuarten und die der obern mit Mosaik noch ganz 
im Sinne des ersten Jahrtausends, das sich immer auf den Stoff 
vcrliess, wenn es einen hohem Eindruck hervorbringen wollte. 
Alles dasjenige Detail dagegen, welches das Leben und die Ent- 
wicklung der liaumasse plastisch darzustellen hat, ist überaus sinn- 
lich; die Gesimse jedes Ranges sind kaum zu bemerken; die Bo^i'i). 
K(i|i|H'lnitider u. s. w. im Innern haben nicht einmal ausgesprochene 
Profile, sondern nur einen unbestimmten Mosaikrand; am Aeussern 
bestehen die Profile theils in blosser Verzierung, theils in aais- 
drucklosem und willkürlichem Handwerk. Dies Alles sind echt by- 
zantinische, ostioLnisrhe Kigenthümlichkeiten; ebenso auch die Ee- 
kteidung der äussern Wandfliichen mit zerstreuten Reliefs und 
Mii.-^iik/.ii.'iTatlii'ii, die namentlich in den obern Halbrundwänden der 
Palastneile den Charakter einer vor Alter kindisch gewordenen Kunst 
zeigen. — Wie dieselbe in Betreff des Details boinahe nur das Längst- 
vorhandene aufbraucht, ist namentlich in Einer l'.i^ieliung interes- 
sant zu vorfolgen. 

Die Leidenschaft , möglichst viele Säulen an und in dem Gebäude 
aufzustellen, verlangte auch eine reiche Auswahl von Capitäleu. Und 
so ist an S. Marco angebracht, was die sieben letzten Jahrhunderte 
au Capital formen producirt hatten, eine wahre ha ugesel licht liehe 
Hepctition. Von antiken habe ich kein einziges entdecken können, 
während von den Säulen wahrscheinlich sehr vk'le antik sind; dafür 



San Marco in Venedig. 



118 



ist jeder Grad von frühmittelalterlicher Nachahmung und Umbildung 
der antiken Capitäle irgendwie reprKscntirt. Die grossen Capitüle 
ühcr den Hauptsäulcn im Innern sind von der in Ravenna üblichen 
Art der korinthischen, zum Thcil auch der Camposita-Ordnrmg; der 
Akanthue ist zwar zu sehr ermattet, um noch jenen schönen elasti- 
schen Umschlag der römischen Zeit hervorbringen au können, allein 
seine ISlütt er sind ducli eigentümlich lebendig gezackt; an einigen statt 
der Voluten Wiclderköpfc. — Sonst findet man ausser dieser gewöhn- 
lichsten ravennatisciien Form auch die mit einzeln aufgeklebt schei- 
nenden Blättern, die zu Ravenna. an S. Apollinare in Classe un<i 
an der Herculosbasilika vorkommt, sogar mit seitwärts gewehten 
Blättern. Korinthisirende mit bloss einer lilattreihe kommen beson- 
ders an den kleinern Säulen der Fassade vor; damntor auch solche 
mit Stieren, Adlern etc. an den Ecken. 

Im Gegensatz zu diesen vom Alterthum abgeleiteten Bildungen 
macht sich dann das ganz leblose, nur durch ausgesparte vegetabi- 
lische 1 1 in l kalligraphische, z. B. gitterartige Verzierungen äusserlich 
bereicherte Muhleneapinil geltend, das in Ravenna schon seit dem 
VI. Jahrhundert auftaucht. Von den vielen Variationen, in welchen 
es hier vorkömmt, ist die rohsto die an mehreren Wainlsiiulen des 
Innern, die interessanteste, tue au den bogentragenden Wandsäulen 
in der Vorhalle; da letztere ein zaghaftes Naohlüld ionischer Vo- 
luten unter sich haben, so scheinen sie eher für eine Art von ver- 
mittelnden Consolen als für eigentliche Uapitale gelten zu sollen. 
Neben dieser Form kommt auch das echte abendländische Wiirfel- 
capitäl, doch nur vereinzelt vor. — Endlich offenbaren die ('apitäle 
der acht, freistehenden Säulen in der Vorhalle den Charakter abson- 
derlicher Pracht arbeiten irgend einer Bauhütte von Constanthunid ; 
es sind diejenigen mit den noch antik schönen LüwenkÖpfen und 
Pfauen. — Die beiden viereckigen Pfeiler aussen an der Südseite, 
welche aus einer Kirche in Ptolemais stammen , sind eine Trophäe 
aus der Zeit der Kreuzzüge. — Einzelne Itcnaissancecapitüle kamen 
bei Ausb esse rangen hinzu. 

Der Eindruck des Gebäudes ist von der Iiis fori seh- phantastischen 
Seite ungemein bedeutend. Der Inselstaat , ein Unicum in der Welt- 
geschichte, hat hier geoffenbart, was er in den ersten Zeiten seiner 
höhern Blüthe für schön, erhaben und heilig hielt. Er hat das Ge- 
bäude auch später immer respeetirt und sieh selbst auf dem Gipfel 

Burclhardt , Cleertmt. 8 



114 Romanische Architektur. Eon Marco in Venedig. 

seiner Macht (um 1500) wohl gehütet, es etwa durch eine Rcnais- 
sancekirclie zu ersetzen. Sanct Marcus war IleiT iiml Mittelpunkt 
der Stntit, des Staates, der Flotten, die auf allen Meeren fuhren, 
der fernsten Colonicn.und Factoreien; gel icimniss volle Bande wal- 
teten zwischen dem ganzen venezianischen Basein und diesem Bau. 
In den fünf letzten Jahrhunderten ist Niemand mehr darin begraben 
worden; eB hätte geschienen, als dränge sich ein einzelner in dem 
Räume vor, der allen gehörte. Die einzige Ausnahme, zu Gunsten des 
Cardinais Giov. Batt. Zeno, wurde gemacht, als die Kunstbegeisterung 
einen Augenblick stärker war als jede andere Kiieksiohl (1 ">1>5 — 1515). 

Rein als Bauwerk betrachtet, ist S. Marco von Aussen ziemlich 
nichtig und -ungeschickt. Die Kuppeln heben sich in der Wirkung 
gegenseitig auf; die Fassade ist die unruhigste und zerstreuteste die 
es giebt, ohne wahrhaft herrschende Linien und ausgesprochene 
Kräfte. Ander? veihütt es sich mit dem Innern. Man wird dasselbe 
vor allem grösser finden , als der Eindruck des Aeussern erwarten 
liess, trotz der Bekleidung mit Mosaiken auf Goldgrund, die sonst 
ein ^ebiüule- eher verkleinert und trotz der Aussenhalle, welche fiir 
den Effect dos Innern natürlich in Abrechnung kömmt. Diese schein- 
bare Grösse beruht auf den einfachen, gar nicht (wie am Aeussern) 
in kleine Motive zersplitterten Haupt formen; die Mittelränme sind 
wirklich gross und gleichsam aus Einem Stück, die Ncbenschirfe 
versprechen eine bedeutendere Ausdehnung, als sie in der That be- 
sitzen. Auch die Kuppeln gewähren liier eine, Bereicherung der 
Perspective und eine scheinbare Erweiterung des Raumes. Sodann 
macht die ernste, gediegene Pracht siiinmtlicher Baustoffe, hier im 
Dienste grösserer Einfachheit, immer eine grosso Wirkung. Ihr 
jetziges Ilauptliclit hat die Kirche erst im XIV. Jahrhundert, durch 
das grosse Rund fcuBter des südlichen liiierseliiffcs erhalten-, vor- 
her war sie nach byzantinischer Art ziemlich dunkel; die wichtig- 
sten Gottesdienste gingen wohl bei starker Lampcnbeleuehtung vor 
sich. — Noch grosser als die bauliche Wirkung ist aber die ma- 
lerische int engem Sinn, welche S. Marco zum Liebu'ngsbau der 
Architekturmaler gemacht hat. Sie beruht auf den geheimniss- 
volleu Durchblicken mit scharfab wechselnder Beleuchtung,') auf 



'1 Dlo dunkeln, .«»tun Farben rlea meisten Stauwerkes wüten rcfleslos ohne die 
eigenthiim licht Stiege iKlalte der Flücbtn desselben. 



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Alte venezianische Bauten. 



115 



der gedämpften Goldfnrbe der sphärischen und cyliudri sehen Flächen, 
und auf der ernsten r'arhigkoit aller piast.iselii'n Getreu stünde; ab- 
gesehen von dem liier sehr stark mitwirkenden historisch-phan- 
tastischen Eindruck. [Man wird das venesinnisehc Coiorit am leben- 
den Menschen nirgends so schiin sehen als unter dem lieflos der 
Cfoliigrnnil-Mosnikcn in den Seitencapellen des Chors.] ') 

Diesem Gebäude kann schon dessbaib in und um Venedig nichts 
mehr gleichkommen, weil nur Ein politisch -religiöses Palladium, 
nur Ein Leichnam des Evangelisten vorhanden war. 

Von den Kirchen der umliegenden Inseln wurden diejenigen 
auf Toreello schon bei einem frühem Anlass (S. 89,«; 92, c) a 
erwähnt. Der Dom (S. Donata) bei Jlurano aus dem XII. Jahr- b 
hundert, eine gewölbte .Siiuleukireke mit Quer sc hilf auf I'feilern, 
ist in der innern Deeoration mit aller Anstrengung der Pracht von 
S. Marco genähert; Säulen von griechischem Jhu'mor, ähnliches 
Kodcnmosaik u. s. w. Aussen dagegen zeigt der Chor, wie sich 
ilieser Styl ohne Marmorbekleiduai; in Buck^cin zu helfen suchte. 

Von weltlichen Gebäuden dieses Stylus ist der sog. Poudaco « 
de' Turchi, ein alter Privatpalast, das bedeutendste; eine lange 
Loggia mit überhöhten Kundbogcu über einer starken Säulenhalle 
im untern .Stockwerk giebt ihm ein bedeut endes Ansehen, (Kiiui'lnius 
der Türken erst seit 1(121, die Fassade neuerlich restaurirt). 

Ausserdem: Palast Favsetti, jetziges Munieipio (nahe bei d 
der Post) mit einer durchgehenden Stellung von Doppclsäulchen 
im ersten Stock und einer vier Biiu]igen Halle im Erdgeeehoss, deren 
liasen umgekehrte Capitäle sind. (Innen eiu schönes Treppenhaus 
des Ilaroekstyls). — Sech bedeutender der austossende Palast 
Loredan, mit bunten In er ustatio neu. — Eiu kleiner Palast zwischen o 
Palast Miebeli und Palast Civran hat sogar von jenen kleinen Zier- f 
fensterchen, wie sie an S. Marco vorkommen. 

Diese sa'nnnrlichen Gebäude mögen uns etwa das Venedig des 
vierten Kreuzzuges (1202; vergegenwärtigen helfen. 

■) [Die grosse Crjptn unter dorn Chor der Mnrcuskirche ist Macrdlnffs wieder zn- 
i-:triL_-l i.-bi gwordi n ; sie folgt dem Grundrlis des Gebäudes noü hat einen BMdnrBfdigon 
Einbau mit aitcbiiat liehen Ms niior sittern.] 



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Hü E omar.i sehe Architektur. Lomb (irdischer Xircheubiiu. 



Zwischen Venedig und Tonen na, in der Lombardei und stellen- 
weise dio ganze Via Aemilia abwärts bis ans adria tische Meer 
i'ntwirkelte sich, nicht ohne nordische Einwirkung-, derjenige Styl 
dcB Kirchcnbauos, welcher von Manchen als der lombardische 
Bchlechtweg bezeichnet wird. Mit grossem Unrecht, würde man aber 
diese Benennung (wie schon geschehen) auf den romanischen Styl 
überhaupt ausdehnen; der Norden hat hier gewiss eher gegeben als 
empfangen, und seine Bauten sind viel strenger in einem bestimm- 
ten Sinne durchgeführt als die lombardischen; sie geben gerade 
das Wesentliche: den Gewölbebau mit gegliederten Pfei- 
lern, ungleich conser[iienter und edler. — In einer Beziehung aber 
"bleiben die italienischen originell: im Fassadenbau. Die roma- 
nische Architektur des Nordens hatte von frühe an die Thürtue, 
7.11 zweien, zu vieren. :ils wi senilicke iSaudiciler an den Ecken der 
Kirche angebracht ; seit dem Vorgang normannischer Baumeister nach 
der Mitte des XI. Jahrhunderts wurden die Thürme sogar zum 
Hauptmotiv aller bedeutenden Kirehenfnssaden. In Italien dagegen 
blieb der Thurm als Nebensache auf der Seite stehen, und die 
Fassade war auf irgend eine andere Weise v.n deeoriren. Wir sahen, 
wie die Toscaner durch Anwendung des Marmors, durch mehrere 
Stockwerke von Säulen Stellungen zu wirken wussten ; ihre Fassade 
ist immer der wenigstens annähernde Ausdruck der Kirche, d. h. 
eines hohen Mittelschiffes und niedriger Nebenschiffe. In Oberitalien 
dagegen wird die Frontwand nur allzu oft als ein Gegenstand be- 
liebiger Bildung und Deeoration vor die Kirche hingestellt; ohne 
Ahsat?. steigt sie empor, als wären alle drei Schiffe gleich hoch: 
Galerien laufen querüber und am Dachrand auf und nieder; als 
Strebepfeiler dienen vorgesetzte Säulen, deren Capitäle in der Regel 
nichts tragen; Bogenwerk, Wandsau! eben, Scnlpturen oft ohne allen 
Sinn füllen den Kaum wohl oder übel aus. (Der Portalban ist oft 
von grosser Pracht, seine Gliederung theils nordisch mit schräg 
einwärts tretenden Säulenreihen, theils südlieh mit vorgesetzter 
Halle von zwei Säulen, in der Kogel auf Löwen, theils aus beiden 
Motiven zusammengesetzt). Auch an den Übrigen Aussenseiten 
macht sieh eine willkiirliduTe Veiy.iening geltend als an den bessern 
Kirchen des Nordens. — lieber der Kreuzung der beiden Arme 
wird wo möglich eine achteckige Kuppel angebracht, mit Galerien 
ringsum, flach gedeckt. 



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Lambardiaeher Kirohonban. OberitaUsn. 



117 



Mehr als im Norden und in Toscana ist hier eine unbarmherzige 
Modernisirung Uber das Innere der Kirchen ergangen. Während die 
[■'assiide das reinste Mittelalter vorspricht, wird man beim Eintritt in 
die Kirche beinahe regelmässig durch einen Umbau im Barockstyl 
enttäuscht. ]>ie historische Pietät, welche seit dem XV 1. Jahrhun- 
dert manche toscanischc Kirche als Werk einheimischer Künstler 
rettete, fiel weg bei Gebäuden, dio mau als Werke eines aufge- 
drungenen barbarischen Styles betrachtete. ') 

Die allzu berühmte Kirche S. Michcle in Pavia muss zuerst u 
genannt werden, weil ihr vermeintliches Alter — mau verlegte sie 
in dio Zeit des Ion gobardi sehen Königreiches — zu dem irrigen Zu- 
frestämlniss einer Priorität Oberitaliens in dem betroffenden Styl 
Anlass gab. Der ganze jetzige liau, auch innen leidlich erhalten, 
stammt aus der letzten Zeit des XI. Jahrhunderts. Die Fassade ist 
ganz besonders gedankenlos. — Später und etwas belebter: die der 
AuguBtincrkirelie. b 

S. Ambrogio in Mailand, vom gewölbten Vorhof ans (S. c 
7H,f) ein bedeutender Anblick, mit einer untern und obern Vor- 
halle, entspricht im Innern durch keine Art von Schönheit dem 
classischen geschichtlichen Ruhm. Ungeschickte und frühe Umbau- 
ten (die jetzige Gestalt aus dem XII. Jahrhundert); geringes Licht-, 
Anzahl wichtiger Alterthümer. [Neuerlich restaurirt). 

[Die Klosterkirche von Chiaravalle b. Mailand (XII. Jahrb.) 
ilreischiffig, die Kuppel ab phantastischer Thurmbau, zahlreiche 
Spuren decorativer Malerei.] 

S. Fedole in Domo, beträchtlich verbaut, aber wegen der ab- ii 
gerundeten Kreuzarmc mit Bogonstellungen als Nachbildung von S. 
I.orenzo in Mailand merkwürdig. 

Der Dom von Modona in seiner jetzigen Gestalt begonnen c 
1099; aussen mit einer ringsum laufenden Galerie, von welcher je 
drei Hog™ durtli einen griisse-rn Bogen auf Wandsäulcn eingei'nsst 
werden ; im Innern abwechselnd Säulen mit antikisirenden Cäpitälen, 



i) Ex Ist unglaublich , welche Vornrthelk oft selbst den gebildetsten Italienern In 
Betreff acr„niBnlcra l -ollca,"uail der vermein Illeben „Zers!Üturi B eu durch diu Barbaren" 
(s. oben S. 53) ankleben, Sie haltet] Dinee für bnrbarisch, die der scliüuatc Ausdruck 

ihfschc Partei nimmt, rite s. I!. in Mailand, guehfeht es In einer solchen Weise, daes 
es besser unterbliebe. ' 



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IIS Romanische Architektur. Oberitnlische Kirchen. 



und starke Pfeiler mit Halbaäulen; die obere Ualeric (von jeher) 
bloss scheinbar, indem ihr Raum noch zu den Seitenschiffen gehört; 
hohe Crypta auf Säulen mit romanischen Capitälen; ihr Eingang eilt 
Lettner von geraden Steinplatten auf Säule hen , deren vordere Reihe 
auf Stützfiguren (Zwerge auf Löwen) ruht. Hinten drei Tribunen. 
Der Oberbau neuer. Das Detail durchgängig befangen, doch nicht roh. 

. Der Dom von Cremona, XII. Jahrhundert, mit reicher säulen- 
ge schmückt er Fassade. 

Der Dom von Piaeonza, begonnen 1122, erhielt im XIII. Jahr- 
hundert eine Erhöhung, welche sich schon von aussen durch den 
Backstein im Gegensatz zum Marmor dea Unterbaues kund giebt. 
Innen macht jetzt das Hauptschiff den Eindruck einer französischen 
Kirche des Uebergangsstyles ; man hatte für uöthig gefunden, die 
alten (Säulen oder) Pfeiler zu schweren Kundsäulen zu verstärken; 
je zweien ihrer Intervalle entspricht nun eine Abtheilung des hohen 
Kreuzgewölbes. Die Lösung der Kuppelfrage ist hier viel weniger 
gelungen als in Pisa; die Kuppel entspricht — aehr unharmonisch 
— zweien Schiffen des drei sc Iii Aigen Qüerbaucs, welcher übrigens 
mit dem pisanischen die halbrunden Abschlüsse gemein hat. Unter 
dem Chor eine weitläufige fUnfschiffige Crypta mit drei schiftige in 
Querbau; die Kreuzung ist durch eine Lücke markirt, die vier Säulen 
entsprechen würde. — Der Campanile mit dem Bau verbunden. 

Der Dom von Parma, ein Bau des XU. Jahrhunderts, mit ge- 
gliOiitTtcn Pfeilern, einschiffigem Quer bau (der in Nischen schliesst), 
und hoher weiter Crypta, erhielt, wie es scheint, im XUI. Jahr- 
hundert einen hohem Oberbau wie der Dom von Piacenza, doch 
ohne dabei seine innere Galerie cinzubiiasen wie dieser. Das Detail 
der alten Bestandteile erscheint durchgängig, zumal in der Crypta, 
noch sehr unentwickelt. Der Anblick von der hintern Seite vor- 
züglich bedeutend, besonders wegen der Höhe des Chors, bedingt 
durch die Crypta. 

Am Dom von Ferrara gehören dem Umbau von 1135 nur 
noch der untere Theil der Fassado und die beiden Seitenfassaden 
an. Die letztern sind vorherrschend (die nördliche fast ganaj von 
Backstein; eine obere Galerie, mit birnförmigen Giebelchen über 
den je vier und vier zusammengehörenden Bogen entspricht zwar 
nicht der weiter unten angebrachten, wo je drei Bogen von 
einem grössern Bogen eingefasst sind, ist aber doch wohl eben- 



119 



falls aus dem XII. Jahrhundert. — Chor und Thurm Kenaissalice; 
das Innere vollständig (und zwar nicht schlecht.) modernisirt. Der 
Oberbau der Hauptfassade ist eine wunderliche Decoration; noch 
romanisch gedacht, aber in bereits gothiBclien Formen, aus dem 
XTJI. Jahrhundert. 

Vielleicht der edelste romanische liau Oberitaliens ist die schöne 
Kirche S. Zeno in Verona, die in ihrer jetzigen Gestalt 1139 be- 
gonnen wurde. In der Passade spricht sich früher als sonst irgend- 
wo die Neigung zum Schlanken und Strebenden aus, nicht bloss 
durch die verteilen Wandstreif en , sondern noch deutlicher durch 
die Unterordnung der horizontalen Galerie , welche von jenen durch- 
schnitten wird statt sie zu durchschneiden. — Das Innere: eine 
Basilika abwechselnd auf Säulen und Pfeilern; Uber letztem sollten 
sich oben grosse Bogen als Mitträger eines Sparren dachea wölben; 
allein sie wurden nur über zwei Pfeilern itusi.'vfiiliiT. imtriu lioim 
weitem Verlauf des Baues eine Erhöhung der Obermnuer und ein 
Holzgcwiilbe sie unnütz machten. Die Crypta ist hoch und ausge- 
dehnt, wie in den meisten olicritaliBchen Hauptkirchen dieser Zeit. 
Die Capitäle der Säulen seheinen fast alle im Mittelalter nach 
antiken Vorbildern gcmeisselt, die hintersten modernisirt. (Antik: 
vielleicht das vorletzte rechts). Die Bildung des Details ist 
durchweg ziemlich streng und : gut. — Der anstosscnde Kloster- 
hof mit einem eigenthlimlichen Ausbau ist gleichzeitig- mit der 
Kirche. 

Die übrigen alten Basiliken Verona's, welche wir bei diesem 
Anlass nachholen, zeigen einige interessante Eigentümlichkeiten. 
So hat S. Lorcnzo ein oberes Stockwerk von Galerien und aussen 
au der Fassade zwei antik scheinende Eundthiirme. Das Innere, 
abwechselnd Pfeiler und Säulen, letztere zum Theil mit antiken 
Oapitäleu, gehört doch wohl erst unserm Jahrtausend an; dae 
Tonn enge wlllbe vielleicht ursprünglich. — S. Zeno in Oratorio, 
zwar klein und gedrückt, doch nicht sehr alt, mit einem Kuppelchen 
vor derTribmia. — In S. Maria antica haben sur noch die Säu- 
leu ihre ursprüngliche Gestalt. — S. Giovanni in Ponte, das 
Baptisterium, ist eine einfache Basilika, etwa XII. Jahrhundert. — 
S. Stefano, Pfeüerbasilika von schwer zu ermittelndem Alter, mit 
Polygonkuppel aus romanischer Zeit; der auf hoher Crypta stehende 
Chor mit einem wunderlichen Umgang. (Das Grab der jüngern 



12') Romanische Architektur. Verona. Mittelitalien. 



Placidia igt der Altar unmittolbar rechts vom Hochaltar; wichtige 
altchristliche Sarkophage in der Crypta). 

a Am Dom ist dio Fassado (XII. Jahrhundert) zwar hesser und 
sinnvoller als die der Cathedralen von Piaeenza bis Modena, doch 
derjenigen von S. Zeno noch nicht zu vergleichen. (Die Fenster 
nicht ursprünglich s. u. S. 148). Sehr interessant ist die gleichzei- 
tige Aussen Verzierung derTribnna; engst eh ende Wand st reifen mit 
einem geraden Gesimse, welches mit zierlicher Schüchternheit die 
Antike nachahmt. (Die Ausbauten an den Seitenschiffen ähnlich, 
aber erat aus dem XV. Jahrhundert). 

ii DerDoni von Novara, eine Gesnnsmtanlagc aus vielleicht sehr 
früher Zeit (IV. Jahrhundert?), der Langbau eine ehemals fünf- 
schiffige Säulenbasilika , von Pfeilern unterbrochen , mit Oberge- 
achoss; vor dem viereckigen Atrium, der Fassade gegenüber, das 
schon (S. 89 1>) erwähnte IJaptisterium , achteckig mit antiken Säulen 
in den Ecken , rings Wund- Nischen. Dies ailes in früh romanisch er 
Zeit Uberarbeitet oder umgestaltet; ebendaher wohl die sinnlose 
Fassade, welche den einen Ann des Atriums bildet. 

[In der malerischen Kirche S. Giulio im See von Orta Wand- 
malereien und reich sculpirte Kanzel romanischen Stils.] 

Im Süden ist der Dom S. Oiriaeo zu Ancona ') (XII. u. XIII. 
Jahrhundert) ein eigenthümliches Gemisch lombardisehcr und orien- 
talischer ISauweiBO: ein griechisches Kreuz, nach jeder Eichtung 
dreischiffig ; die Mittelschiffe und ihre Fronten erhöht; gewölbter 
Sa'ulenbau; in der Mitte eine Kuppel; an der Fronte gegen die 

a Stadt ein reiches Portal. — Die Kirche S. Maria della Piazza 
ebenda zeigt in ihrer einzig erhaltenen Fassade (XII. Jahrhundert) 
ilie lhiirfüstelhiiigcii, die an den Iombardischen Kirchen noch immer 
einen Anschein von Sinn haben, zur bunten Spielerei entwürdigt. 
— Aehnlich, jenseits vom Apennin, die Fassade des Domes von 

c Assisi (XII. Jahrhundert, mit einer viel altern Crypta); am Por- 
tal das Decorativc auffallend gut gearbeitet. — In S. Flaviano- 

r vor Montefiascone ist der romanische Styl überhaupt nur noch 
wie von Hörensagen gehandhabt. (Als Doppelkirche sehenswert h )_ 

I) Angeblich von ilargheriime ron Arcus entworfen, doch wohl älter. [Die Con- 
structl™ ähnlich wie B, SInrco j tnvennnitsch -byzantinische Kapitale, Krypten unter 
ilen Qumrmen} 




131 



— Die Seitenfaseade des Domen von Foligno und die Haupt- « 
fassade des Domes von Spoleto haben schon eher etwas einfach i. 
Imposantes. — Aber auch einzelne ziemlich streng romanische 
Hauten kommen noch weit abwärts, bis nach Apulien vor; freilich 
keine von dem Belang irgend einer rheinischen Cathcdride. 

[Der Dom in Todi, weiträumig und von besten Verhältnissen, 
vorzüglich antikisirende Ornamentik am Westportal.] 



[Die normannisch -sici Ii sehe Architektur, deren Blüthe in 
ilas XII. Jahrhundert füllt . liisst an ihrem eigenthiimliehon Eindruck 
den Beschauer empfinden, dass sie nicht aus italienischem Geiste 
sondern aus einer Mischung byzantinischer, mohnmc dänischer und 
abendländischer Formen hervorgegangen. Das reizvolle, aber im- 
urpuiisrbe Spiel der orientalischen Verzierungen, der Hufeisen bogen 
und das Stalaktit cngcwöibe tritt mit den einfachen Grundformen, 
mit der specirisch nordischen Anlage der Tliilrmc in wunderliche 
Verbindung. Der Spitzbogen ist hier als rein decoratives Element 
von den Saraeenen entlehnt, noch nicht wie später im Norden ans 
ronst i'uetivcv Notwendigkeit erwachsen. — In Palermo S. Gio- 
vanni degli Eremit i, wesentlich byz* tinisch und mohame dänisch ; e 
die Martorana (S. Maria dell' Ainmiraglio) ursprünglich ein ii 
Quadrat mit Kuppel und drei Apsiden von byzantinischer Anlage, 
jetzt erweitert und vieles Mosaikschmucks beraubt. — An dem restau- 
rirten Dom ist das Aeussere durch seine Decoration aus späterer Zeit. 
1 1 «achte ns w erth. — Prächtig und ausgebildet die Capella Palatina i- 
von 1132, dreischiftige Basilika mit erhöhtem Chor , überhöhten Spitz- 
bogen, flacher Decke mit Tropfst ein gewölb -Tb eilen, Kuppel und völlig 
erhaltenem Mosaik schmuck. — Fast gleichzeitig der Dom von Ce- r 
falu, zwei mächtige Thürme durch einen Porticus verbunden an 
der Fassade; ebenfalls dreischifiige Basilika mit Quersehiff und 
drei Chor- Apsiden. Ein malerischer Krenzgang mit gekuppelten 
Säulen. — Das bedeutendste Donkmal dieses Styls dor berühmte 
Dom von Monreale (t 174— 1189), dreischiffig in Form des latei- e 
nischen Kreuzes; ohne die speeiflsch orientalischen Tropf stein- 
wüti umgen und Kuppeln, nur durch die überhöhten Spitzbogen von 
itheiulliiiulischer Form abweichend. Der überaus reiche und präch- 
tige Hu saiken schmuck berücksichtigt wonig die architektonische Con- 



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122 



Bomanieclie DeooraÜoa. ünteritalien. 



struction sondern «leicht mehr einem angehefteten Teppich, in wel- 
chen die Arfcadflnbogen einschneiden. Auch hier ein malerischer 
Kreuzgang mit mosaicirten und reich ornameutirten Säulen]- 

Anklänge dieses Ht.yls linden sich in mehreren Bunten Unter- 
Itiiliwis aus normannischer Zoit. — So die phantastische Vorhalle 
(Uberhühte Spitzbogen mit Gewölben auf antiken Siiulen), der Thurm 
und der Kreuzgang am Dom von Arualfi, als malerischer Gegen- 
stand bedeutender denn ala Kunstwerk; die Siiulen des Innern zu 
Pfeilern mndernisirt. Die Crypta reich modernisirt. 

Der Umbau links «in Dom von Neapel, die alte Kirche S. 
Restituta, eine ISasilika mit Spitzbogen; vielleicht ist die Tribun« 
und jedenfalls ein Gewölbe daneben rechts (das alte Baptisterium) 
aus viel früherer Zeit; das letztere noch mit Mosa ikrosteu etwa des 
SU. Jahrhunderts. 

Der Dom von Sa lerne- von Robert Guiscard um lu'O erbaut, auf 
Pfeilern mit Ecksiiuleu. (Iiis ins UukeuutUehe modernisirt, auch die 
grosse Crypta; von den drei Tribunen nur eine besser erhalten). Der 
Vorhof mit überhöhten Rogen auf den schönen Siiulen von Pästum ; 
der Thurm daneben mit Ecksäulen wie -derjenige zu Amalti. 

[Aehnlich in Ravollo der kleine Dom S. Pantaleone, und die 
malerischen Kirchlein S. Gtevanni del Toro und S. Maria im- 

Die unter italischen, ganz auf der Glaspaste beruhenden Zier- 
arlieiten des XI. und XII. Jahrhunderts (denn was Aelteres darunter 
sein mag, lüsst sioh schwer ausscheiden) liabeu einige Motive mit 
den saraeenisehen gemein, möglicher Weise sogar die Urheber. 

Weit das Umständlichste und Prachtvollste in dieser Art auf 
dem italieniachen Festbinde : die Ambonen, die Sängertribime, die 
Osterkerzensäule, der Rest der Choruc kranken u. A. m. im Dom 
von Saloruo. Auch der Fussboden, von harten Steinen, ist we- 
nigstens im Chor erhalten. 

Ein fächere Reste im Dom von Amal fi. [In dem nahen Ravello 
das prüchtige mOBuieirte Lectorium, 1272 vom Meister Nicolaus de 
Barthalomeo aus Foggia ausgeführt; ein Evangebenpult in S. Gio- 
vanni del Toro; hübsche Kanzel in Scala oberhalb Amaliij. 

Im Dom vonCapua sind am Grab Christi in der Crypta grosse 
Mosaikplatten von der ehemaligen Kanzel eingelassen , mit moreskeu 
Dessins, doch auch Mäander. 



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Gothische Architektur. 



128 



Im Dom von Sessa dient die sehr reiche Kanzel, deren Säulen 
auf Thier on ruhen, jetzt als Orgellettuer ; prachtvolle Mosaikplatt on 
als Einfasaungswande des jetzigen Chors; die Oster kerzensäule mit 
sculpirten Biindcni unterbrochen. 

In dcrCatliedrale zuFondi; Mosaikkanzel aufSäuleu niitThierea. 

Im Dom von Terraeina: eine ähnliche; die 0 sterker? en s ä ule , 
gewanden und gestreift, eine der prächtigsten. 



Da der Massstab, nHcli welchem wir verfahren, nicht der der 
historischen Merkwürdigkeit, sondern der des bo&t mimten Sty lliildo* 
ist, so müssen hier eine Menge Gebäude unentschiedener, disharmo- 
nischer Bildung ungenannt bleiben. Italien ist ganz besonders 
reich an wunderlich z usammon geflickt on , theiJ weise ans alten Resten, 
theilweise aus Zubauten aller Jahrhunderte bestehenden Kirchen ; die 
Cmei-.selieidung dieser verscldedenen Ifcstandtheüe könute ganze 
Abhandlungen erfordern, ohne dass das künstlerische Verlangen 
dabei die geringste Nahrung fände. Wir beschränken uns auf eine 
allgemeine liemcrkung, welche bei der Altersbestimmung vieler Ge- 
bäude zum Leitfaden dienen kann; noch während der ganzen Herr- 
schaft des gothischen ISaustyJs in Italien (XIII. u. XJV. Jahrhundert) 
wurde unaufhörlich, zumal bei kleinem und entlegenem Bauten, 
an dem Rnndbogenstyl aus Gewohnheit festgehalten. Da mau ferner 
selbst an liauptbauten dem gotluschcn Styl sein echtes Detail nur 
mit Widerstreben und Missverstand abnahm, so bildete sich über- 
haupt keine so kenntliche bis in das geringste Gesims, Blatt oder 
Thürmchen charakteristische Formation aus, wie in der nordischen 
Gothik. Rechnet man hinzu, dass die Italiener, selbst wo sie das 
beibehielten, doch den Spitzbogen bald wieder aufgaben, so wird 
es nicht mehr befremden, wenn ihre- Kirchen des XIV. Jahrhun- 
derts bisweilen von viel frühem nur unwesentlich oder fast gar 
nicht abweichen. 



Das Eindringen der gotbiseben liauformen aus dem Norden 
war für die italienische Kunst ein Schicksal, ein Unglück, wenn 
man will, doch letzteres nur für die Ungeschickten, die sich auch 



124 



Gothischa Architektur. 



sonst nicht würden zu helfen gewusst haben. Wenn man z. B. tun 
llaptisteriuni von Florenz <1bb XII. Jahrhundert auf dem besten 
Wege zu einer harmoni sehen Schönheit in antikisirenden Formen 
findet, SO wird man sieh auch l>ald überzeugen, dass unter der 
kurz darauf eingedrungenen gothischen Zierform das Grundgefühl 
unverletzt blieb und sieh gerade unter dieser Hülle auf das Herr- 
lichste ausbildete. 

Die ersten gothischen Baumeister in Italien waren Deutsche. Es 
ist auffüllend und beinahe unerklärlich, dass sie das aus dem Norden 
Mitgebrachte so r,iseh und völlig nach den südlichen Grundsätzen 
umbilden konnten. Sie gaben gerade das Wesentliche, das Lebens- 
prim-ip der nori Ii seben Gothik Preis, nämlich die Ausbildung- der 
Kirche zu einem Gerüst von lnuter aufwärtsstreb enden , nach Ent- 
wicklung und Auflösung drängenden Kräften ; dafür tauschten sie 
das Gefühl des Hudens für Räume und Massen ein, welches die von 
ihnen gebildeten Italiener allerdings noch in weiterm Sinn ah den 
Tag legten. 

Ein einziges Gebäude macht, so viel mir bekannt ist, eine un- 
bediiijik' Ausnahme: der Chor Umgang von San Loren zo in Neapel, 
unter Carl von Arijou ohne Zweifel unter dem Eiufluss eijics mitge- 
brachten französische n Baumeisters '1 errichtet. Wer sich für einen 
Augenblick in den Norden versetzen will, wird in dieser hohen, 
schlanken Halle mit ihrem Capellenkranz sein Genüge finden; die 
Formen sind allerdings nicht von deutscligot bischer Reinheit und 
der Chor selbst modernisirt. (Leider ebenso der hübsche Capitcl- 
saal.) S. Domenico maggiore hat vom nordischen Styl wenig- 
stens die enge Pfeil erste! hing und die steilen Spitzbogen [Inneres 
hSsslich modernisirt] : S. Pietro a Majella ebenso, doch für Italien 
minder auffallend; am Oberhau des Domes (aussen am Querschifl" 
etc.) macht sieh das Kestungsartige der französisch-englischen Uathe- 
draien geltend. An S. Giovanni maggiore ein stattliches Portal 
von noch [1415] beinahe franzüsisch-gothischer Bildung. (An S. 
Chiara das Gothisehe theils nie. ganz ausgebaut, theila bis ins 
Unkenntliche entstellt.) 

Diesen vereinzelten französischen Einfluss abgerechnet hat überall 



') Wenn auch Vasurl einen Florentiner .VajHo™, Schiller des Sic. Krane, all 
Baumeister nennt. 



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Allgemein« Zöge. 135 

das südliche Grundgefühl deo Sieg behalten. Die gothischeu Formen, 
l-'^^L'f ri'imt von ihrer Wurzel , «erden nur als ein deeoratives Gewand 
übergeworfen; Snitztliiirmchen. Giebel, i'eustcrstabwerk 11. dgl. sind 
und bleiben in Italien nie etwas Anderes ab Zicrrath und Redens- 
art, da ihnen die Basis fehlt, deren lies ul tat und Ausdruck sie 
sind, nämlich das nordische Wi-hülmi^s des Raumes zur Höhe and 
die strenge Entwicklung der Form nach oben. Der iiothwcudige 
Ausdruck des Weiträumigen dagegen, welches die Italiener be- 
zweckten, ist die Horizontale; während sie im Konten mir als über- 
wunden angedeutet wird, tritt sie hier als herrschend auf. Natürlich 
ergehen sich hiebei oft schreiende Widersprüche mit dem auf das 
Steile und Hohe berechneten Detail, und diejenige Kirche , die von 
dein letztern am wenigsten an sich hat, wird auch am wenigsten 
Störendes haben. — Genau besehen inüehtr die grosse Neuerung, 
die aus dem Norden kam, wesentlich ganz anderswo liegen als in 
der Behandlung der Formen. Nachdem schon lange in der Lrtm- 
hardie der gegliederte Pfeilerbau in der Art der romanischen Bau- 
kunst des Nordens ausgeübt worden war, drang er jetzt (XIII. 
Jahrhundert) erst recht über den Apennin. Die Säule nbasilica wich 
endlich auch in Mittelitalien, nicht vor dem ästhetischen, sondern 
vor dem mechanisch -constrnetiven Ruhm der nordischen, jetzt ins 
(iothischc umgebildeten Bauweise. Die Wölbung im Grossen, bisher 
den Kappeln und Nischen vorbehalten, dehnt sich jetzt erst über 
das ganzo Gebäude aus und /.war sogleich in einem andern Sinn 
als im Norden, zu Gunsten der WeitrÜuniigkeit, die dann bald zur 
Sehünräinnigkeit wird. 

Ist es oliue Lästerung erlaubt, etwas zu Ungunsten des herr- 
lichen gothischen Styles zu sagen und den Italienern in irgend einem 
Punkte dieser Frage ein grosseres Recht zuzugestehen?— so möchte 
ich zu bedenken geben, ob an den nordischen Bauten nicht des 
»(■iranischen Geriistwcscns zu viel sei, und ob nicht wegen der 
ungeheuren Kosten, die dasselbe nach sich zieht , manche Cathcdrale 
im vollendet geblieben. Man wird z. B. an vielen italienischen Bauten 
dieses Stvles vielleicht mit Befremden die Strebepfeiler, die im Norden 
so weit vortreten, kaum als Wandbänder angedeutet rinden, die 
denn natürlich keines Abschlusses durch Spitz thürmchen bedürfen; 
der Grund ist einleuchtend: ihre nordische Ausbildung hatte das 
construetive Bedürfniss eines Widerlagers für die Gewölbe unendlich 



12Ö 



G-otbüohe Architektur. 



überschritten und wurde daher im Süden nls Luxus beseitigt. Die 
nordische Gofhik hatte ferner den Thurm zum Führer, zum Haupt- 
an-di'iK'k des linues gemacht und die ganze Kirche mehr oder 
weniger nach seinem Vortilde stylisirt ; — die Italiener fanden dieses 
VorlirLItTiiss weder nothwendig noch natürlich und stellten ihre 
Thürmo fortwiihrend getrennt oder in ansprach loser Verbindung 
mit der Kirche auf; den ursprün glichen Zweck der Thünne, als 
Glockenbehlilter (Campainli) licssen sie weder der Suche noch dem 
Wort nach in Vergessenheit kommen. Nun stand ihnen für die Fas- 
sade jede Form frei; die Folge war eine bereicherte Umbildung der 
Fassaden ihrer romanischen Kirchen, meist als isolirtes Prachtstück 
behandelt, das mit dem Übrigen Ran nur äusserlieh z usa mm enh fingt 
und ihn schon an Grösse zu überragen pflegt. 

Wenn man von der Pracht des Materials, der Marmoraeulpturcn 
tind Mosaiken an den wenigen wirklich ausgeführten Fassaden dieser 
Art (Siena, Orvioto) 'nicht mehr geblendet ist, so wird man 
ffcrne zugestehen , diiss in ihnen nicht das grfisste Verdienst des 
Baues liegt, gerade weil sie am meisten mit gnthischen Elementen, 
die hier deeoffrtiv geblisBbrancht werden, erfüllt sind. Am ganzen 
übrigen Kau aber wird man das Gothisrhe seihst als Zierform nur 
wenig angewandt, ja vielleicht auf Fenster und Thüren beschränkt 
finden; selbst die Hauptbogen, welche da« OberscMfF tragen, sind 
seit dem XIV. .1 ah rl [lindert und bisweilen schon früher wieder 
rund. — Und das OberschifT selbst, wozu die in Deutschland ge- 
bräuchliche Hohe, die das Doppelte der Seitenschiffe beträgt? Zu 
den engen Pfcilcrstelluugen des Nordens gehörte sie als notwen- 
dige Ergänzung; über den weitgespannten Intervallen der italie- 
nischen Kirchen wäre sie schon mechanisch bedenklich nnd für das 
Gefühl überflüssig gewesen, und so erhielt das Mittelschiff nur die- 
jenige Uebcrhüliimg. welche der Kirche ein mässiges Oberlicht 
sicherte. (Am Dom von Perugia sogar die drei Schiffe gleich hoch, 
wie an der Elisabethkirche zu Marburg, S. Stephan in Mainz etc.) 
Die Fenster, welche in den Oathedrnlen des Nordens die ganze ver- 
fügbare Wandfläche in Anspruch nehmen und recht eigentlich als 
Negation derselben geschaffen sind, durften in Italien wieder auf 
eine massige (ifiissc lieni' 'gesetzt werden, da man hier gar nicht 
den Anspruch machte, alles Steinwerk nur so weit zu dulden, als 
es sich in strebende Kräfte auflösen liess; die Wandfläche behielt 



Dom von Mailand. 127 

ihr Recht wie der Raum überhaupt."— Endlich zehrt die Pfeiler- 
bildnng, dass wenigstens die mittelttalieni sehen Baumeister im'Stande 
waren, das Detail nach dem Ganzen ihres Baues nicht bloss 7.11 
modificiren, sondern neu zu schaffen. Die herübergekommenen 
Deutschen, wie der Meister Jakob, welcher S. Francesco zu Assisi 
und den Dom von Areezö schuf, halten noch einigermassen an dem 
Säalenbündel der nordischen Gothik fest ; die gebornen Italiener aber 
orgnnisiren ihre Stützen bald für jeden besondern Fall cigenthttmlieh. 



Unglücklicher Weise macht gerade das berühmteste, grösste 
Bild kostbarste gothische Gebäude Italiens, der Dom von Mai- 
land, in den meisten der genannten Beziehungen eine Ausnahme 
zum Schlechtem. Entworfen und begonnen in spätgothischer Zeit 
(1386) durch Heinrich Arier von Gmünd, aus einer Künstler- 
familie, welche damals einen europäischen Ruf genoss, beruht diese 
Kirche von allem Anfang an auf dem veihättgni ssvollsten Comproniiss 
zwischen der italienischen Komposition s weise und einem spat auf- 
flammenden Eifer 1 ) für die Pracht Wirkung des nordischen Details. 
(Wozu noch kömmt, dass die leblose Ausführung des Gothischen 
zum Theil erst den letzten Jahrhunderten, ja dem unsrigen ange- 
hört, nachdem eine Zeit lang im Styl der spätem Renaissance an 
dem Gebäude war fortgebaut worden.) Italienisch und zwar specieil 
lombardisch ist die Fassade gedacht, und alle Spitz thürinehen können 
ihr den schweren und breiten Charakter nicht nehmen ; italienisch 
ist auch (iie geringe Ueberhühung der mittlem Schiffe über die 
äussern. Im Ucbrigen herrscht das unglücklichste Zuviel und Zuwenig 
der nordischen Zuthatcn; der Grundplan mit der verhältnissmässig 
engen Pfeilers toll ung ist wesentlich nordisch ; aussen weit vortre- 
tende Strebepfeiler, mit hässiinliem Iteichthuni organiairt; die giebel- 
losen Fenster nordisch gross, so dass das Oberlicht aus den kleinen 
Fenstern der mit Horn Schilfe nicht dagegen aufkommen kann und 
ifas Gebäude damit den Charakter einer Kirche gegen den einer 
Halle vertauscht; die Pfeilerbild ung" im Innern eine Reniiniscenz 
nordischer Säulenbündel, aber von sinnloser Hässlichkeit; ihre Basen 
n ahrhaft barbarisch ; statt der Cnpitälc ganze Gruppen von Statuen 



') Viallalcht ilts t-ereiBtcn Ginn Gsleanu Visconti In p«raon? 



128 Gothische Architektur. Dom von Mailand und Genua. 



unter Baldachinen, dergleichen elicr überall als dort hingehört. Am 
ganzen Bau ist dann das nordische Detail, auf dessen deeorative 
Wirkung gs abgesehen war, dergestalt mit vollen Händen vcrtlieilt, 
dass man z. B. Uber die leere Gedankenlosigkeit des Chor ah Schlusses, 
über die willkürliche Bildung der Kuppel ') und der Querf rollten 
mit angenehmer Täuschung hin weggeführt wird. Man denke sich 
aber diesen Reiclithum der Bekleidung hinweg und sehe zu was 
übrig bleibt. 

Der Doni von Mailand ist eine lehrreiche Probe, wenn man 
einen künstlerischen und einen phantastischen Eindruck will von 
•einander scheiden lernen. Der letztere, welchen man sich unge- 
schmälert erhalten möge, ist hier ungeheuer; ein durchsichtiges 
Maruiorgebirge, hergeführt aus den Steinbrüchen von Ornavasso, 
prachtvoll bei Tag und fabelhaft bei Mondschein; aussen und 
innen voller Sciilpturen und Gllaagemälde und verkmifiu um ge- 
schichtlichen Erinnerungen aller Art — ein Ganzes, dergleichen 
die Welt kein Zweites aufweist. Wer aber in den Formen einen 
ewigen Gehalt sucht und weiss, welche Entwürfe unvollendet 
blichen, während der Dom von Mailand mit riesigen Mitteln voll- 
endet wurde, der wird dieses Gebäude ohne Schmerz nicht an- 
sehen können. 

n Bei diesem Anlas» nwss auch noch der Fassade des Domes 
von Genua gedacht weiden. Sie ist ein fast ganz getreues Nach- 
bild älterer französischer Cathedralfronteu des XIII. Jahrhunderts, 
nur mit denjenigen Modificationen , welche der Stoff — scliichten- 
weis wechselnder weisser und schwarzer Marmor — nothwendig 
machte. In den obern Theilen, zumal dem einen ausgeführten 
Thurm, wird das französische Muster wieder vernachlässigt. Innen 
folgt auf den gewaltigen Unterbau der Thürme mit sonderbarem 
Contrast eine schlanke spitzbogige Basilika, sogar mit doppelter 
.Säulen Stellung, (jetzt) mit Tonnengewölben bedeckt. (Anfang des 
XIV. Jahrhunderts.) 



Kirchen von Assisi. 129 

Nach Beseitigung der bisher genannten, unter Ausnabmsbc- 
dingungen entstandenen Kirchen gehen wir zu den wahrhaft italie- 
nisch - gothisehen über, in welchen der nordische Styl weder un- 
mittelbar, noch in erzwungenem Mischgrad zur Geltung kömmt. 
Vielmehr durchdringen sich hier Nordisches und Südliches auf viel- 
artige, immer auf geistreiche Weise. 

Als es noch kaum in Deutschland seiher gothische Kirchen gab, 
erbaute Meister Jacob der Entfache <\\c. iir.ppi'lkirche S. Francesco n 
su Assisi (von 1128 an, geweiht 1253). Sic ist eine der wenigen 
Kirchen Italiens, welche das System der nordischen Bildung des Pfei- 
lers (als Säulenbiindel) in einiger Reinheit aufweisen. Allein schon 
die Gewölberippen sind ohne die nordische Schärfe, vielmehr als breit 
profilirte Trüger gemalter Ornamente gestaltet, und in derGesammt- 
disposition hat das italienische Raumgefühl mit seinen möglichst 
grossen Quadraten das Feld behalten. (Die genannten Ornamente der 
fli-w iiibeb ander und Rippen sind , beiläufig gesagt, das bestimmende 
Vorbild für die ganze Gewülbedceoration der mittelitalienisehen Go- 
thik 1 ) geworden, wie sie es mit ihrer lebensvollen Eleganz verdien- 
ten; im dritten Gewölbe der Oberkirche, vom Portal aus gezählt, ist 
sogar noch die ganze dazu gehörende Deckenmalerei von Cimabue, 
eder einem unmittelbaren Nachfolger, erhalten). Die Mauern der 
Oberkirche sowohl als der Unterkircho sind mit ihren nur massigen 
Fenstern hauptsächlich den Fresken gewidmet. Dio Strebepfeiler 
aussen an der Mauer nicht eckig, sondern halbrund, Wendeltreppen 
enthaltend. An der schönen Hauptpforte (unten links) ein merkwür- 
diges Schwanken zwischen antiker und gothischcr Einzclbildung. 
Das Innere der Oberkirche als Ganzes höchst würdig und imposant. 
(Die Crypta unter der Unterkirche durchaus modern.) — S. Chiara b 
in Assisi giebt ähnliche Motive einfacher wieder; die grossen 
Strebebogen nur des Abhanges wegen errichtet. 

Diese Gebäude warfen ein weites Licht über die Gegend und 
trugen zum Sieg des gothischen Styles in Mittelitalien nicht wenig 
hei. Mit S. Francesco nahm der ganze grosse Orden, <ter von dem 
dort begrabenen Heiligen den Namen führt, Partei für die Neuerung, 
und daneben durfte auch der Dominicanerorden nicht zurückbleiben. 



') Elno freiore Aiisfiillnns nnd Einfassung der Glieder mit Laubwerk mit weissem 
Gründe wurde z, B. in S. Anastasia zu Verona veranent, doch nicht mtl besonderm Glück. " 
Barckkardl, Oteavat. 9 



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130 Goth. Architektur. BatUIordMuldrohen. Dom von Arezzo. 



Die wichtigsten Kircbou der beide» mächtigen Genossenschaften 
werden noch besondere au nennen sein; hier ist nur auf den allge- 
meinen Typus aufmerksam zu machen, der sich für. ihre Gotteshäuser 
feststellte. Die nordischen Bettele- rdenskirchon des XUT. und XIV. 
Jahrhunderts sind bekanntlich dreisehiffige ßaebgedeckte Säuleu- 
kirchen mit möglichst schlankem, gewölbtein, hochfenstrigem, poly- 
gon abschliessendem Chor, dessen Dach ein dünnes Spitzthürruehen 
trägt. Die' unibrischen und t ozeanischen dagegen ') haben in der 
Regel nur ein breites, bisweilen ganz ungeheures Schiff mit sicht- 
barem Dachstuhl (S. Francesco und S. Domenico in Siena, S. Fran- 
eesco in Pisa etc. und einen Querbau , an welchen sich hinten fünf, 
sieben , ja bis eilf quadratische Capellen anscldiessen, deren mittelste, 
etwas grossere, den Chor ausmacht. Bei geringerh Kirchen fehlt der 
Querbau und es schlicssen sicli bloss drei Räume, ein grösserer und 
zwei kleinere, an das Schiff an; bei ganz grossen dagegen hat der 
Qu er bau Capellen an beiden Seiten und wohl -auch noch au beiden 
Fronton. Von auBsen sind diese Gebäude ganz schlicht, meist Ziegel- 
bau mit Wandstreifen und Bogenfries; ihre Fassaden harren fast 
ohne Ausnahme noch der Incrustation ; höchstens eh) Portal mit ge- 
malter Lunette ist fertig, und noch dazu aus späterer Zeit. Von den 
backsteinernen Glockentürmen ist der von S. Francesco zu Pisa 
einer der beston. — Uebrigons war diose Kirehenform nur Gewohn- 
heit, nicht Gesetz, und gerade einige der berühmtesten Ordeus- 
kirchen richten sich danach nicht. 

Wir nennen zunächst diejenigen Gebäude, in welchen noch von 
der nordischen Tradition her der Pfeiler mit Halbsäulen gegliedert 
auftritt. 

Der Dom von Arezao, nach neueren Forschungen 1277 be- 
gonnen, 3 ) zeigt, bei frühen und unentwickelten Formen des Aeussern. 
die iiiilieniächeRaumbehandluug in ausgebildeten gothischenFormen; 
das Mittelschiff, nicht bedeutend über die Seitenschiffe emporragend, 
trägt an seinen Öbermauem Rundfenster; die weitgestellten schlanken 
Pfeiler sind schön gemischt aus vier h.ilbachteckigen Haup Krügern 
und vier dazwischen gesetzton Halbsäulen. 

<) Die obcrltaliaclien a. unten. 

=) Anco wqM S. Frsoceaco In Vilerbo Tor dem Umbau dea Hauptschiffes . 
3 ) Vaaatil'iast ibnvon demselben Jacob dem BmUchen, welcher S. Froncescn baute 
begonnen, nach 1376 von Uarghiritoae fortgeaetit werdan. 



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S. Maria novella. 



131 



Die iiücli3te Verwandtschaft mit dieser Cathedrale offenbart die 
UerähmteDominicaiicrkirche S.Maria novella in Florenz, in ihrer 
jetzigen Gestalt begonnen 1278 unter Leitung der Mönche Fra Sixto 
und Fra Eintoro. Hier finden wir einen etwas andere gegliederten 
Pfeiler, bestehend aus vier Halbsäulen und vier Eckgliedern da- 
zwischen, welche als Theile achtkantiger Pfeiler gedacht sind. Wie- 
derum aber ist die durch sichtige, schlanke Weiträumigkeit offenbar 
das Hauptziel gewesen, das denn auch hier ohne alle Sehlandcrn und 
Verankerungen in hohem Grade erreicht worden ist. (Auch aussen 
treten dio Strebepfeiler nur sehr wenig vor). Hier zum erstenmal ist 
die miiglicliste Grösse der einzelnen Theile als leitendes Princip fest- 
gehalten; ein Gewölbe -Quadrat des Hauptschiffes entspricht nicht 
zweien des Nebenschiffes, wie im Norden, sondern einem Oblougum, 
und diese Anordnung bleibt bei allen italienischen Gewölbekirchen 
diiTe-i Styles eine stehende. Ueber so wenigen so weit auseinander- 
stehenden Pfeilern bedurfte und vertrug die Obermauer des Mittel- 
schiffes, wie bemerkt, nur noch eine geringe Höhe. (Zu den . 
Räthseln gehört hier die ungleiche Entfernung der Pfeiler von ein- 
ander; die zwei hintersten, gegen das Querschiff hin, stehen am 
engsten, 35 Fuss im Lichten, die vordem Intervalle schwanken 
zwischen 44 und 46 Fuss. Eine Scheinverlängerung der Perspective 
war kaum der Zweck; die hintersten sind die ältesten). Der links 
hinten stehende Thurm unterscheidet sich kaum von romanischen 
Tliiinnen; Eckstreifen, ISogcnfriese und Bogenfenster auf Säulchen. ') 
— Die sogenannten Avelli an der Mauer neben der (spätem) Fassade 
sind als Collectivgrab des florentini sehen Adels schön und einfach 
gedacht. — Die Kreuzgänge und innern Räume des Klosters sind, 
gegen frühere italienische Klostorhöfe gehalten, ebenfalls weitbogig 
und weiträumig, und als malerischer Anblik von grossem Reiz. 
(Durchgängig, auch in den innern Räumen achteckige Säulen, theils 
schlanker, theils schwerer; die Bogen nähern sich meist dem soge- 
nannten Stichbogen). 

Der Dom von Sicna, unstreitig eines der schönsten gothischen b 
Gebäude Italiens, empfängt den Beschauer gleich mit einer Reihe 



') Bei diesem Anlese mag als artiges Curiosnm das sechsseitige Thilrmchen der 
Abbadln in Florenz erwähnt wurden. F.t stammt aus dem XIV. Jahrhundert, und seine • 
Bogen frie se sind eyltaiogig. 

9* 



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132 Oothistite Architektur. Dom von Siena. 

■\ 

von Eäths ei fragen , welche der Verfasser so wenig als die meisten 
Andern zu lösen im Stande ist. ') Wurde die sechseckige Kappel, 
wolche oben zu einem total unregelmä's eigen, schief gezogenen Zwölf- 
eck wird und ohnehin den Bau auf jede Weise unterbricht, zuerst 
(XII. Jahrhundert) gebaut? Wesshalb die schiefen und krummen 
Linien im Hauptschiff und vollends die schiefe Richtung und die un- 
regelmäseigen Pfeilerintcrvalle im ganzen Chor? hat man vielleicht 
auf vereinzelte Stücke Felsgrund mehr als billige Rücksicht genom- 
men? Was war von der Unterkirche Sau Giovanni vorhanden, als 
man den obern Chor begann? (Vgl. S. 101 ff). — Wie dem auch sei, 
es spricht sich in dem ganzen Gebäude der italienische Bausinn sehün 
und gefällig aus. So besonders an den Aussenwänden der Seiten- 
schiffe; das Massen verhältniss der Fenster zu den Mauern (ein Be- 
griff, welchen die consequento nordische Gothik gar nicht anerkennt) 
ist hier oin sehr wohlthuendes; die Strebepfeiler, nur massig vor- 
tretend, laufen oben nicht in Thürmchen, sondern in Statuen aus; 
der schwarze Marmor, nur in seltenen Schichten den weissen unter- 
brechend, übertönt nicht die zarten Gliederungen, und das Kraoz- 
} kann energisch wirken (XIV. Jahrhundert). Die Fassade 



') [Dlo Darstellung Humohv's, welcher znent die Urkunden dor Slencsor Bnuvcr- 
waltung bsnutito und hier, wie an so Tiden andern Orlen , die naclifolgenden Forscher 
die riditi;;:; ;LLhrli> frufiilirt lmr , war schon In der 1, Auflaije d.n. iura Thel! berichligl 
worden ; durch die aelUier erfolgte YerWTentlichung der säramtUehen Sleneser Urkunden 
aber (uonMIlaneal, in den riocnmontl per laatorls dall' arlo Senese, 1854) ergiebtslch 
ein Resultat, welches nach Schnaaae (Geschichte der blld. KUnsio Vli, 1S8 fg.) 
folgenden Verlauf der Arbeiten an diesem crelgnissvollcn Bau darstellt. In der 1. Hallte 
dei XIII. Jahrh. hefte die Commune eine Vcrgrossorung dea alten Dorna begonnen und 
war bis inm Chor gediehen. Wie es acheint, Kord In diesem Jahr, Doch Auf- 
stellung eine ■ veränderten Planes , die Kuppel begonnen und U6i vollendet, worauf man 
«Ich mit dor plastischen Ausschmückung beschäftigte. 1284 vaid diocanni Pisano 
für die Oberleitung gewonnen und begann nach der Tradition die Fassade, deren obere 
Theile, man weiss nicht unter welchen AMadarmtsu des ersten Plana, erat 1372 und 
spater aiiSEefUhrt wurden.— Im Jahre 1311 begann nun eine Erweiterung der Kirche nach 
.ler Cbor.eito hin nnd die Fassade der anstoßenden Taufhlrche S. Giovanni ; über diesen 
nken, 1331 wird von filnf fremden Mciatem empfohlen, lieber 



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Dom von Sicna. 



133 



<I284), mit ihrem majestätischen Reichthum , hat ganz die über- 
strömende Energie des Giovanni Pisano (der wenigstens das Modell 
schuf) und konnte desshalb (einige Jahre später) von dem Baumeister 
des Domes vonOrvicto an ruhiger Eleganz der Linien überboten wer- 
den. Die gothischen Einzeiformen sind übrigens in verhiiltnissmässig 
reiner Tradition gehandhabt. 

Im Innern hebt allerdings die Abwechselung des weissen und des 
schwarzen Marmors (die in dem später erbauten Cbor weislieh einge- 
schränkt ist) die architektonische Wirkung theilweise auf; die An- 
wendung der Papstküpfe als eine Art von Consolen unter dem Ge- 
simse war vielleicht eine — allerdings übel getroffene — Aushülfe, 
als man sah, dass neben dem durchgehenden Schwarz und Weiss nur 
das allenierhste Gesimse ins Auge fallen würde. An sich betrachtet 
sind aber die Pfeiler mit ihren Halbsiiulen (XIII. Jahrhundert?) gut 
gegliedert und leicht, und der Kaum schiin eingotheilt, mit Ausnahme 
der unerklärlichen Kuppel. 

Aber an diesem Bau machte Sicna nur sein Lehrstück. Ganz 
anders gedachte man die gewonnenen Erfahrungen zu benutzen, als 
im Jahr 1340 der neue Anbau begonnen wurde, ein colossaler drei- 
schifriger Langbau, dem das Bisherige nur als Querschiff dienen 
sollte. Dieser neue Dom, angefangen vom Maestro Lando, wäre 
bei weitem das achOnste gothische Gebäude Italiens und ein Wun- 
der der Welt geworden. Nirgends ist die Haumsehiinheit vollkom- 
mener als in den wenigen vollendeten Hallen dieser Euine; die 
Schlankheit der Pfeiler, die weite und leichte Spannung ihrer Rund- 
bögen (freilich um den Preis eiserner Verbindungsstangen erkauft) 
und der Adel der Decoration stellen den alten Dom beinahe in den 
Schatten. Im Jahre 1357 [s. die Anm. vor. S.] blieb das Unter- 
nohmen liegen, doch muss man aus den Ornamenten dos vordorn 
Rundfensters schlieHscn, dass noch im XV. Jahrhundert wieder ein- 
mal an einer Fortsetzung gearbeitet warde. Meister, wie Cccco di 
Giorgio und BnTnardo Eosellino, haben offenbar diesem Werke viel 
ku danken. 

Gleichzeitig mit diesem Bau ') entstand auch die Fronte der Unter- 
kirche San Giovanni. Diese ist, namentlich was die Gliederung der 



') [Seit 1317; vgl. S. 183, Anm. 1; Ober-Msister war liBmali Camaixo ii Creicnuio ,* 
VniarTs Angabe, dass Agmtino und Agnato von SIena, welche nie Dombaumelster 



134 Gothische Architektur. S, Giovanni, Hiena. Dom von Orvieto. 

Streben betrifft, das am meisten nordisch - gothische Stück dos ganzen 
Domes; leider nnvollcndet. Die ganze Fassade leimt stark um einen 
Fuss rückwärts und die Streben verringern sich (abgesehen von ihren 
geringem Absätzen) dcBshalb unmerklich nach oben zu. Von grosser 
Schönheit sind die Portale, ruhiger durchgeführt als die der grossen 
Fassade. Freilich übertrifft das einzige Seiten-Portal des Neubaues 
sie alle mit einander. 

Der Thurm, offenbar einer der iiitesten Tbeile, macht keine 
künstlerischen Ansprüche. Die Zunahme der Fensterbögen nach 
Stockwerken (von 1— SJ ist der möglichst naive Ausdruck des all- 
miiiigen Lei cht er werdens der Masse. 



Der Dom von Orvieto, innen eine imposante Säulen-Basilika 
mit sichtbarem verziertem Dachstuhl, edel gebildeten Fenstern, Quer- 
schiff und geradein Chorabscliluss, muss um seiner Fassade willen 
hier beim Dom von Siena erwähnt werden. Der Bnn ward 129U 
unter Meister Lorenzo Maitaiu vonSiena, 1310 die Fassade begonnen, 
132t das Dach aufgerichtet. Die Fassade ist im besten Sinne des 
Wortes eine veredelte Reproduction derjenigen von Siena. Das plas- 
tische gothische Detail, mit welchem es doch nie ernstlich gemeint 
war, wird hier möglichst beschränkt und durch Mosaik Verzierung 
und Reliefsculpturen ersetzt, d. h. die Fläche behält ihr südliches 
Vorrecht vor dem nur angelernten Scheinorgan ismus. Wenige grosse 
ruhige Hauptformen genügen hier, um einen unermessliehen Reich- 
thum von Farben und Gestalten schon zu umfassen. Auch alle rein 
baulichen Glieder, die Simse der drei Giebel, die wenigen Spitz- 
thürmchen etc. sind ganz mit Mosaikmustern angefüllt, so dass diese 
Fassade das grösste und reichste poiychromatischc Denkmal auf 
Erden ist. (Bis auf die Stufen und PraUsteine vor der Kirche.) Bei 
einer so starken Absicht auf materielle Pracht ist die Schönheit der 
Komposition ein doppeltes Wunder. [Man übersetze sich die zopfig 
erneuerten figürlichen Mosaiken in giottesken Styl. In der „Opera* 
gegenüber dem Dom, interessante alte architektonische Entwürfe.] — 



waren, cHfho Fasaade entworfen, kann richtig sein ; Agosttnu's Sohn Giovanni wlril 
1340 als Werkmeister angenommen, ohne ilaas von einer speeleUen Arbelt die 
Rede Ist.] 



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Dome von Orrioto u. Haspel. Aufhören dee SAulenbündels. 185 

Die Nebonfassadcn und die Säulen im Innern haben abwechselnde 
weisse und dunkle Hannorschichten. Edle Bildung der Bogenprofile 
und des Hauptgcsimses im Innern. 

Einen schwachen Nachklang dieser dreigiebeligen Anordnung 
gewährte einst die Fassade des Domes von Neapel (1299), deren 
Ncbengiebcl jetzt durch Streben mit der hohem Mauer des Mittel- 
schiffes zu einer empfindlichen Union» verbunden sind. Auch die 
Gicbelsculpturcn zum Theii modernisirt. Im Innern Pfeilerbau mit 
eingeklebten antiken Säulen, immer zwei übereinander an der Innon- 
seite des Pfeilers; flache Decke. 



Einen weitem und bedeutenden Schritt thut inzwischen die tos- 
canischo Baukunst mit der Umbildung des Säulen bünd eis, den sio 
doch niemals nordisch lebendig fomiirt hatte, zum viereckigen, acht- 
eckigen oder runden Pfeiler. Erstere Form ist ohne Frage die 
schünere und reichere, letztere aber für den vorliegenden Fall die 
wahrere. Das Säulenbündel steht in engem Zusammenhang mit dem 
.Schlanken und Engen nordischer Gothik; es ist nicht bloss das Cor- 
respondens von so und so viel Gewö'lbegurten und Rippen (die man 
ja zum Theil beibehielt), sondern ein wesentlicher Ausdruck des 
Strebens naeh oben. Wo letzteres nicht als leitendes Prinoip galt, 
musste es dem Pfeiler weichen-, immerbin aber behielt auch dieser 
noch eine Andeutung des Tragens verschiedener Lasten, in Gestalt 
von schmälern polygonen Trägem in den einwärts tretenden Ecken. 
Statt eines eigentlichen Oapitäis werden nunmehr zwei oder drei 
Blattreihen ganz sebh'cht um das obere Ende dCB Pfeilers auf allen 
vier oder acht Seiten (oder im Kreis, wenn es ein Itundpfeiler ist) 
hemmgelegt; vorzüglich aber gewinnt die Basis jetzt erst eine con- 
sequentc Bildung. ... 

Schon hier begegnen wir dem sonst hauptsächlich als Bildhauer 
berühmten Niceölv Pisano, [beglaubigte Werko seit 1260, 1278 als todt 
erwähnt] , als einem Anfänger alles Grossen und Neuen. ') In seiner 
frühem Zeit mnss er noch der romanischen Bauweise zugethan ge- 
wesen sein, wenn S. Nieeolo in Pisa von ihm ist; übrigens bätteer ; 



i) [Die «mmtlichen auf Viuri'i Angaben beruhenden Nachrichten über Baoton de> 
Nieeolfc PiMno sind nnsichet.] 



136 



Gothiitshe Architektur. Niccolb Filsmo. 



schon hier das nordische Princip der Verjüngung und Umgestaltung 
des Thurmes nach oben auf merkwürdige Weise geahnt und nur sehr 
befangen ausgedrückt. (Rund, dann Achteck, weiter eine soehszehn- 
seitige Bogengalerie um einen runden Kern, endlich ein Sechseck.) 

Von seinen gothischen Bauten hat S. Trinita in Florenz schon 
viereckige Pfeiler, deren Stellung jedoch mit Rücksicht auf die Ca- 
pellenreiheu rechts und links neben den Seitenschiffen eine enge ist, 
so dass jeder Capelle ein Intervall entspricht. Sodann entwarf Hic- 
colö um 1250 die grosse Franciscanerkirche S. Maria de' Frari in 
Venedig. Das Misstrauen, welches man in seine Urheberschaft 
setzt , ist kaum zu rechtfertigen, wenn auch dieselbe nicht urkundlich 
gesichert sein sollte. 1 ) So viel wird Jedermann zugeben, dass diese 
grandiose Kirche kein einheimischer venezianischer Gedanke ist, dass 
flie auf das Stärkste contrnstirt mit aller sonstigen venezianischen 
Raumbehandlung. — Das Innere ruht auf hohen Sundpfeilern; die 
Anordnung ist hier schon ganz italienisch, so dass dos Mittelschiff" 
aus möglichst grossen Quadraten besteht, die Seitenschiffe aus ob- 
longen Abtheilungen. Sonderbarer Weise geschieht der Abschluss 
des prächtigen Chores mit seinen Doppelfenstern und derjenige der 
sechs Capellen an der Rückseite des Querschiffes nicht durch ein 
Fenster, sondern durch einen Pfciier. ") Am Aeussern ist der Back- 
stein noch ohne das Raffinement der spätem Gothik behandelt ; Stein 
ist nur an den "wenigen Baldachinen über den Giebeln und an den 
(kenntlich fr ühgothi sehen) Portalen gebraucht. Der Abschluss der 
Fassadengiebel in sonderbar geschwungenen Mauerstücken ist eine 
venezianische Zuthat; die echten alten geraden Linien Niceolö's laufen 
noch wohlerhalten darunter hin. Die Nebenseiten erinnern ganz an 
S. Maria novella. 

Um dieselbe Zeit soll .von Dominicanern , welche Niccolöa Schü- 
ler waren", S. Giovanni e Paolo in Venedig erbaut worden 
sein. Diese Kirche ist die höhere Stufe der ebengenannten; sie ver- 
meidet die Uebelstände derselben. Die Verhältnisse sind beträchtlich 
schlanker und schöner; die hintern Abschlüsse geschehen durch 
Intervalle (Fenster), nicht durch Pfeiler. Ueber der Kreuzung wurde 

') [Sie beruht »Heuling» nur auf einer iwelfelhuften Stell* VasarTs ; 1280 begann uer 
Gottesdienst, die «rate Erwähnung der Vollendung mit 1338.] 

-) Man erinnere eich der Galerien lucclieilechor Fassaden , wo auch ein Säulchen statt 
eines Inten-allos auf die Mitte trifft. Vgl S. 105. 



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Kirchen von Venedig-. 



167 



eino Kuppel angebracht. Nur die Fassade weicht von der edeln Ein- 
fachheit der Frari ab; sie sollte mit Marmor inernstirt werden und 
blieb unvollendet. 

Endlich Boll Niceolö Pisano auch die berühmte Kirche des heil. 
Antonius in Padua (il Santo) erbaut haben, welche [25G be- 
gonnen wurde. Dasa der Santo den Frari in der Anlage auf keine 
Weise gleicht, wäre kein Beweis gegen Niccolö's Urheberschaft; die 
Aufgabe war hier eine andere, nämlich die, ein Gegenstück zurMar- 
cuskircho zu schaffen; eine Grabkirche zu Ehren des grossen neuen 
Heiligen von Oberitalien. Griff man vielleicht in einem nur halb 
bewussten mystischen Drang zn der uralten viclkuppeligen Anlage V 
Unterscheiden wollte man das Gebäude jedenfalls von andern Fran- 
ciscanerkirchen. 

Es entstand keine glückliche Schöpfung. Die Fassade ist viel- 
leicht die allermatteste des ganzen gothischen Styles. Im Innern kam 
das Hauptschiff auf lauter dicke viereckige Pfeiler zu stehen; nicht 
bloss die Kuppelträger, sondern auch die Zwischenstütz on haben 
diese Form. Das Polygon des Chores zeigt wohl eine gewisse Aehn- 
lichkeit der Verhältnisse mit demjenigen an den Frari, aber die 
Einzelbildung ist aussen und innen ungleich geringer, der Umgang 
und Kapellenkranz roh in Entwarf und Ausführung. Immerhin 
mochte der Bau mit seinen damals niedrigen Kuppeln, mit seiner (be- 
absichtigten oder durchgeführten) vollständigen Bemalung, mit einer 
Masse stylverwandten Schmuckes aller Art gerade den Eindruck 
hervorbringen, welchen die Andacht am Grabe des Heiligen vor- 
zugsweise verlangte. Im XV. Jahrhundert erat baute man die 
Kuppelräume, welche bisher von aussen kaum sichtbar oder doch 
anspruchlos gestaltet sein mochten, zu eigentlichen Kuppeln mit Cy- 
lindem aus. Abgesehen von der eminent hässlichen Bedachung der 
mittlem Kuppel war diese ganze Neuerung Uberhaupt sinnlos. Die 
Kuppeln stehen einander nicht nur im Wege (für das Auge), sondern 
sogar im Lichte , und bilden schon von Weitem eine widerliche Masse. 
Den einzigen möglichen Vortheil, den eines starken Oberlichtes, hat 
man nicht einmal benutzt. 

Später wurde dann das ganze Innere mit Ausnahme weniger 
Capellen überweisst und mit modernen Denkmälern angefüllt; ein 
Schicksal, vor welchem S. Marco gänzlich bewahrt geblieben ist. Der 
erste Eindruck ist durchaus weihelos und zerstreuend. 



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188 Gothiiche Architektur. II Santo in Pidna. Giovanni Piiano. 

Dagegen hüben die vier Klosterhöfe einen imposanten Charakter 
durch die Höhe und weite Spannung ihrer Bogen; sie scheinen eher 
für Tempelritter als für Mendicanten gebaut. 

In der als Aussichtspunkt herrlich gelegenen Kirche S. Marghe- 
rita zu Cortona, welches von Niccolo und seinem Sohne Giovanni 
Pisano erbaut sein soll, ist vom ursprünglichen Bau wonig mehr als 
ein Fenster erhalten. S. Domenieo in Arezzo ist eine ganz geringe 

Dem Giovanni allein gehört dann, wie bemerkt, wenigstens der 
Entwurf zu der prächtigen Fassade von Siena (S. 133), wonach er 
unter den Italienern der erste gewesen wäre, der sich mit der deco- 
rativen Scito des Gothischen näher befreundete. Ausserdem war 
von ihm S. Domenieo in Perugia erbaut, gegenwärtig mit Aus- 
nahme des viereckigen Chores modernisirt. In Pisa selbst rindet 
sich von Giovanni das Kirchlein S. Maria della Spina — ein Reli- 
quienbehälter im Grossen und mehr durch Stoff und Reichthum (zum 
Theil in franzosisch-gotlüscher Art), als durch reine Gothik ausge- 
zeichnet; — und das herrliche Cainpo santo(1278— 1283). Die Bau- 
formen, so edel und grandios z. B. das Stabwork der hohen, rund- 
bogig schliessonden Fensteröffnungen ') sein mag, werden hier immer 
nur als Nebensache erscheinen neben der monumentalen Absicht, die 
dem damaligen Pisa eine der höchsten Ehrenstetten in der ganzen 
Geschichte moderner Cultur zuweist. — Unter den übrigen Kirchen-, 
bauten Giovanni's ist der Ausbau des Domes von Prato von 
Bedeutung. 



Indess war es nicht dem Niccolo Pisano, sondern einem seiner 
Schüler, dem Florentiner Armlfo del Cambio (fälschlich A. di Lapo 
genannt) beschieden, von jener neuen Behandlung des Pfeilers aus 
dem ganzen Styl eine neue Wendung zu geben. Seine Bauten fallen 
sämmtüch in die letzten Jahre des XIII. Jahrhunderts. 

Das wichtigste derselben ist der Dom zu Florenz, S. Maria def 
Fiore (seit 1294). Die Florentiner verlangten von dem Meister das 
Unerhilrte und nie Dagewesene, und in gewissem Betracht hat er es 
geleistet. Wer mit dem Maassstab des Kölner Domes an das Gebäude 



i) Saeh Andern wäre Jlcäs StabweA Mit beträchllith ipäler olngcielit. 



Dom von Florenz. 



189 



herantritt, verderbt »ich ohne Noth den Genuas. Von strenger 
Harmonie ist bei einem secundären nnd gemischten Styl wie dieser 
italiem'sch-gothisehe, a priori nicht die Rede, aber innerhalb der 
gegebenen Schranken ist hier eigenthUralieh Grosses geleistet.— Wir 
beginnen mit dem Langhaus. Arnolfo war zunächst kein angenehmer 
Decorator '); die Zncrustation der ganzen obern und untern Mauern 
der Schiffe ist eine endlose Wiederholung einförmiger Motive; die 
Fenster und Thüren haben nicht bloss etwas Strenges, sondern durch 
das Uebcrwiogen der Mosaikbänder etwas Lebloses (zumal wenn man 
damit die schönen spätem Thtiren zunächst beim Qtierschiff ver- 
gleicht); die Gesimse sind am Tüchtigsten charakterisirt. Im Innern 
liegt das Unerhörte in der Baumeintheilung; möglichst wenige und 
dünne Pfeiler mit Spitzbogen umfassen und überspannen hier Räume, 
wie sie vielleicht überhaupt noch nie mit so wenigen Stützen über- 
wölbt worden waren. Ob diess ein höchstes Ziel der Kirchenbaukunst 
sein dürfe, ist eine andere Frage; die Wirkung ist aber, wenn man 
sich allmähiig mit dem Gebäude vortraut macht , eine grossartig er- 
greifende, und wäre es noch mehr, wenn nicht eine unglückliche 
Galerie auf Consolcn ringsum laufend die sämmtlichen Gewölbegurte 
grade bei ihrem Beginn durchschnitte und auch die Ohermauer des 
Mittelschiffes unschön theilte. 1 ) Die Bildung der Pfeiler nnd ihrer 
Capitäle ist eigentümlich streng; nur in dieser Gestalt passtc sie zu 
den Ungeheuern Spitzbogen, welche darauf rnhen; Siiulenbündel 
würden kleinlich disharmonisch erscheinen. 

Mit dem Kuppelraum und den drei hintern Kreuzarmen verdun- 
kelt sich das Bewusstsein Arnolfo 's; es ist eine missrathene Schöpfung, 
wozu die Ruhmsucht der Florentiner ihn mag getrieben haben. Auf 
einmal wird mit dem nordischen Verhältniss der Stockwerke ein Pact 
geschlossen und dem 0 ap eilen k ran z *) um die drei Kreuzarme nur 
etwa die halbe Höhe des Oberbaues gegeben, mit welchem er durch 
hässliche schräg aufsteigende Streben in Verbindung gesetzt wird. 



<) Oder wer sonst nach Ihm die Incruitation leitete. 

3) 3. Patronin In Bologna, das Nachbild, hat sie nicht. Sollte sie etw* spate™ 
Zuthat sein ( 

3) Den Arnolfo doch nicht mit nordischem, polygqncm Iioichthum bilden durfte, 
weil sonst der Unterbau viel iu unruhig geworden wäre. Zwischen den viereckigen 
Capellen musstc er keilförmige ManermasscB hineinschieben. 



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Gothische Architoktnr. Dom von Florenz. 



Die drei Kreuzarme und als vierter das Hauptschiff bilden im Innern 
vier grosse Mündungen gegen den achteckigen Kuppelrauin, dessen 
vier übrige Seiten äusserst unschön durch schräge Mauenoassen 
dargestellt sind; zwei der letztern haben Durchgänge nach den 
Seitenschiffen des Langhauses, die beiden übrigen enthalten die Sacri- 
steithüren und die Orgeln. Um eine riesigere Kuppel zu haben als 
irgend eine andere Stadt, verzichtete man auf das System von vier 
Pfeilern mit Pendentifs; um diese Kuppel möglichst gross erscheinen 
zu lassen, hatte man auch den Kreuzarnien jenen niedrigem Capellen- 
kranz gegeben. — Und inzwischen starb der Baumeister und es vor- 
gingen über 100 Jahre, ehe man sich wirklich an die Kuppel wagte. 
Nach der Abbildung einer Idealkirche zu achliessen, welche in den 
Fresken der Cupella tlegli Spagnuoli bei S. Maria novella (1322) vor- 
kömmt, hätte Arnolfo oino etwa halbkugclförmigc Kuppel beabsich- 
tigt, deren Gesimse dem Hauptgesimse des Langhauses entsprochen 
hätte, und die mit den Kreuzarmen im Ganzen eine Pyramide gebildet 
haben würde; vielleicht eine harmonischere Gesammtform als die 
jetzige, durch den Cylinder erhöhte Kuppel Brunellesco's mit den 
von ihr einigennnssen gedrückten Anbauten darbietet. — Der unan- 
genehme Eindruck des ganzen Kuppelraumes wird durch das wenige 
und zerstreute Licht, durch die schon beim Langhans genannte 
Galerie und durch die Bemalung der Kuppel noch verstärkt; ein 
widriges Echo steigert ihn ins Unleidliche. Man darf nur nicht ver- 
gessen, dass ohne dieses Lehrstück keine Kuppol von S. Peter vor- 
handen wäre. 

Die Fassade wurde 1332 nach einem herrlichen Entwürfe 
Giotto's begonnen. Das wenige, was davon vollendet war und 
1588 wieder weggenommen wurde, sieht man theilweise dargestellt 
in einem der Freacobilder PoecetttB im ersten Klostcrhof von S. 
Marco. (Wand vom Eingang rechts, sechste Lunette. Die Dar- 
stellung des Domes in einem Frcscobild desjenigen Kreuzganges, 
welcher sich unmittelbar an der Südseite von S. Croce hinzieht, ist 
sehr verdorben und unbedeutend.) — [Nachdem schon in den vierziger 
Jahren ein schweizerischer Architekt, der zu früh verstorbene Job. 
Georg Müller von Wyl, eine schöne dreigiebelige Fassade entworfen 
hatte, sind durch die neuesten wiederholten Concurrenzen Plane aller 
Art entstanden, Uber deren Ausführung man bis jetzt — - 1869 — 
nicht hat schlüssig werden können.] 



Dom von Flore». Santa Grase. Iii 

Noch eine andere Gewölbekirche auf viereckigen Pfeilern, S. 
Maria ra a gg i o r e in Florenz, wird Arnolfo zu geflehrieben, n 
Schlank, daa Mittelschiff oben ohne Fenster; statt der Capitäle 
blosse Simse, sowohl an den Pfeilern als an den darüber emporstei- 
genden Wandpilastern. — Derselben Schale gehört S. Kemigio an, i> 
mit kanra überhöhtem Mittelschiff, auf achteckigen Pfeilern mit 
Blättere apjtälen. 

Sodann bauto Arnolfo selbst (seit 1294) die gewaltigste aller 
Bettelordenskirchen: Santa Croce. Die Aufgabe war, mit mög- c 
liehst Wenigem, wie es sich für die Mendicanten ziemt, ein Gottes- 
haus für ein ganzes Volk zu banen, welches damals den Kanzeln und 
Beichtstühlen der Franeiscaner zuströmte. Arnolfo ist hier, wie 
überall, streng und kalt im Detail , allein seine Disposition ist gross- 
artig. Bei der Ungeheuern Gritsso des Gebäudes war es construetiv 
nünachbar, wenn nicht nothwendig, die Mauern der Nebensciuffe 
nicht durch blosse angestUtztc Balken, sondern durch gewölbte 
Bogen mit den Mauern des Hauptschiffes zu verbinden, und ihnen 
Über diesen Bogen eigene Dächer, damit auch eine Reihe eigener 
Giebel zu geben. Die Pfeiler sind achteckig. An der hintern Seite 
des Qucrschiffes ziehn sich zehn Capellen von halber Höhe hin; in 
ihrer Mitte der polygone Chor; ausserdem sind höhere Capellen an 
beiden Enden und an der nähern Seite des Querschiffes angebaut. 
Die Ansicht von hinten (am besten sichtbar vom Garten des Marchese 
Berte aus) zeigt die Mauern des Chores und der Capellen mit steilen 
Giebeln gekrönt, welche indess kein Dach hinter sich haben. [Der 
Thurm ganz und sehr gut erneuert ; weniger glücklich die Fassade 
von Cav. Matas — angehl, nach einer Zeichnung des Cranuca — im 
Jahre 18(13 vollendet;] der vordere Kloster hof, mit etwas abgeflach- 
ten Rundbogen, achteckigen Säulen, eigenthümlichen Basen, gilt für 
Arnolfo's Werk. 

Ueberblicken wir acine Thätigkeit, so ist das, was ihm Ruhm 
und Bedeutung gab, gewiss mehr das Construetive , als das Formale 
an seinen Werken. Er geht in der weiten Spannung seiner Gewölbe 
und Decken , endlich in dem Entwurf seiner Kuppel über alles bisher 
bekannte, namentlich aber über alle nordische Gothik (die etwas 
ganz anderes wollte) hinaus. 

Wo Er die Baukunst in formaler Beziehung vernachlässigt, da 
trat Giotlo mit seinem hohen Sinn des Maasses als Vollender in die 



112 Cothische Architektur. Giotto's Campanile. 



Lücke. Aussei' dem Entwurf zur Domfassade schuf er den prächti- 
gen Gampanile .(seit 1334; nach seinem Tode 1336 seinem Ent- 
wurf gemäss vollendet von Tuddeo Gaddi; die Sage von einem beab- 
sichtigten Spitzdach, das über dem starken Hauptgesimse keinen 
rechten Sinn mehr hätte, lassen wir auf sich beruhen.) Von einer 
Entwicklung aus dem Derben ins Leichte, wie sie etwa das Lebens- 
prineip eines Thurmcs von Freiburg im Breisgnu ausmacht, sind hier 
nur Andeutungen vorhanden, nur so viel als streng nothwendig war; 
das dritte und vierte Stockwerk sind z. 1). so viel als identisch; nur 
das Grössorwerden der Fenster in den obern Stockwerken ist eine 
nachdrückliche Erleichterung. Aber an feinern Abwechslungen der 
Incrustation sowohl als der plastischen Details gewährt dieser schone 
Bau ein stets neues Studium. Die Gliederung in Farben und Formen 
ist durchgängig ungleich leichter und edler als bei Arnolfo ;, die Fen- 
ster vielleicht das schönste Detail der italienischen Gothik. 

Endlich zwei Gebäude- in Florenz , welche nur in bedingten! Sinne 
zu den Kirchen gehören. 

. Das eine ist Orsanmicchele. Als städtischer Kornspeicher 
an Stelle eines älteren Hallenbaues 1337 (angebh'ch vonTaddeoGatltli 
in seiner jetzigen Gestalt erbaut), giebt das edle und stattliche Ge- 
bäude mit seinen feinen Gesimsen und seinem C'onsolenkranz ein 
Zeugniss von der schiinen Seite desjenigen monumentalen Sinnes, 
welcher die damaligen Florentiner beseelte. 1355 Übertrug man die 
Leitung des Baues dem Orcagna, welcher die bis dahin offene untere 
Halle als Kirche ausstattete und das berühnite'fabernakel schuf; ■) 
nach der Inschrift, worin sich der Meister als -Maler" nennt, 135!? 
vollendet. Was dessen baulieben unddecorativen Theil betrifft, so wird 
man dieses Werk des höchsten Luxus niemals neben gute deutsche 
Altaraufsätze, Sacramenthäusehen u. dgl. stellen dürfen; es ist ge- 
rade die schwächste Seite, von welcher sich hier die italienische Go- 
thik producirt. Statt des Organischen, an dessen volle Strenge bei 
vollem Reichthum unser nordisches Auge gewülint ist, giebt es hiei 
Flächen, mit angenehmen aber bedeutungslosen Spielformen, zun 
Theil aus buntem Glas nach Cosmatenart, ausgefüllt. Die Kuppel 
zwischen den vier Giebeln ist wie eine Krone gestreift; das Mosaik 



l) [Das zierliche FHIlwerk rter jetzigen Fenster arbeitete — nnch Orcagna's Entwurf: 
— 1378 flimimt rfi Franctico Talmli.] 



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Orutunioohels. Confratcrni täten. 143 

erstreckt sieb selbst auf die Stufen. (Die Nebenkirche der Oertosa 
iiei Florenz, ein griechisches Kreuz ohne Nebe nschiffe von reizender 
Anlage, wird nebst dem festungsartigen Unterbau des Klosters eben- 
falls Orcagna zugeschrieben). 

Sodann steht auf dein Domplutz, dem Thurm gegenüber, das 
zierliche liigalio. Eine jener Con Paternitäten zu frommen und mild- 
thiit igen Zwecken schmückte nach guter italienischer Sitte ans eigenen 
Mitteln ihr Local auf das Beste aus, in einer Zeit', da kein heiliger 
und kein Öffentlicher Raum ohne Verklarung durch die Kunst denk- 
bar war. Hier entstand nun zwar keine Palastfassade wie an meh- 
reren der sog. Scuole zu Venedig, welche eben solche Bruderschafts- 
gebändc sind, sondern nur ein verziertes kleines Haus, dessen Reiz 
ausschliesslich in der prächtigen Behandlung ansp ruchlos er Formen 
liegt. Der unbekannte Urheber möchte ein Nachfolger Orcagna's 
gewesen sein. Die Dachconsolen sind in ihrer Art classiseh und 
miigon hier statt derjenigen vieler andern Gebäude genannt werden. 



Strenger und reicher ist die Fassade der Fraternitä delia 
Misericordia zu Arezzö (hinter der Pieve vecchia) ausgebildet; 
ein wahrer und in seiner Art reizender Uebergangsbau, indem das 
obere Stockwerk den gothisch begonnenen Gedanken in den Formen 
der Renaissance vollendet. [Jetzt Museum mannigfach interessanten 
Inhalts.] 



Endlicb bieten die neuern Theile des Domes von Lucca (das 
Langhaus und daB Innere des Querschiffes) ein ganz sonderbares und 
in seiner Art schönes SchanBpiel. Es ist die Pfeilerbildung dos 
Domes von Florenz, angewandt auf Verhältnisse, welche denen des 
Domes von Siena ähnlich sind. Nicht ein möglichst grosses Quadrat 
des Hauptschiffes, sondern das (doch nicht ganz vollkommene) 
Quadrat der Neben schiffe bildet wieder die Basis; doch wird die Viel- 
heit der Pfeiler durch ihre Schlankheit ausgeglichen; die Bogen fast 
alle rund; oben Reihen grosser Fenster mit reichem Stabwerk, 



144 



GfothiBche Ardiittktur. Dom von Luoca. 



welche in eine dunkle Galerie Uber den Neben schiffen hineinblicken 
lassen; drüber kleine Rundfenster. Die Galeriefenster geben sogar 
als blosse Stütze und Decoration quer durch das Querschiff und 
theilen auch seine beiden Arme der Lange nach. (Am Gewölbe des 
Hauptschiffes sind die gleichzeitig gemalten Medaillons mit Halb- 
figuren auf blauem Grund, an den Gewölben der Seitenschiffe eine 
Renaissancebemalung erhalten.) Aussen mischt sich wieder Siena, 
Florenz und das Streben nach Harmonie mit den altern Theilen ganz 
eigi'tithiimlich zu einem schönen Ganzen. (Alles etwa vom Ende des 
XIV. Jahrhunderts.) 



Südlich über Toscana hinaus begegnet man, hauptsäch- 
lich in Perugia und Vitcrbo, einer Anzahl kleiner gothischcr Kirchen, 
welche selten mehr als eine Fassade, etwa noch ihren einfachen 
Thurm in alter Form aufweisen. Ihre zum Thcil hochmalerische 
Lage, einzelnes tüchtiges Detail und der Ernst des Materials machen 
ihren Werth aus. (Ein besonderes zierliches Kirchlein in Viterho, 
unweit vom Palazzo Comniunalc.) Sonst offenbart sich an mehrern 
eine ganz wunderliche Ausartung der Incrustation , welche nieht 
mehr einrahmend, auch nicht mehr schichten weise, sondern schach- 
brettartig, selbst gegittert zwischen rotbem und weissem Marmor 
abwechselt. (So schon an S. Chiara in Aaaisi.) Am Dom von 
Perugia ist ein Anfang gemacht, dessen Durchfuhrung das ganze 
Gebäude mit einem Tcppichmuster würde Uberzogen haben. (Das 
Innere weiträumig, aber mit schwerem Detail, die drei Schiffe von 
gleicher Hühe, die Pfeiler achteckig.) 



Das einzige gothiachc Gebäude Roms, die Dorainicanerkirehe S. 
Maria sopra Minerva, [nach neueren Forschungen wahrscheinlich 
von den Erbauern von S. Maria novella zu Florenz Fra Sisto und 
F ra Ristoro 1280 begonnen] bleibt hintor der ältom Schwesterkirche 
beträchtlich zurück. Die jetzige Restauration mit Stuckmarmor, Gold 
und Fresken lässt die Kirche nur noch schwerer erscheinen , als sie 
in der weissen Tünche war. Ausserdem hat noch das Innere der 
Capelle Sancta Sanctorum beim Lateran eine gothisirende Beklei- 
dung von gewundenen Säulchen mit Spitzbogen, um 12S0 vermnth- 



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S. Prtronio in Bologna. 135 

lieh von dem Cosmaten Adeodatm erbaut. Sie dient alten Malereien 
zur Einfassung.— Einzelne {rothische Bogen und Bogeufricso kommen 
hin und wieder vor. — Von Klosterhüfen dieses Styles liat lloin 
meines Wissens nur die wenig bedeutenden bei Araceli. — Als 
Klostcrbau im Grossen ist S. Francesco zu Assisi (XIII. und XIV. 
Jahrhundert) unvergleichlich, weniger in Betreff der Höfe als der 
Auasenseite, welche mit ihren Substructionen und Gangen wie eine 
Kiinigsburg über der Landschaft thront. 



In sehr kenntlichem Wetteifer mit den Florentinern begannen die 
Bolognesen 1390 die Kirche ihres Stadtheiligen S. Pctronius, nach 
dem Plan eines angesehenen Mitbürgers, Antonio Vincenzi. Das 
Gebäude sollte ein lateinisches Kreuz, von 608 Fuss Länge werden, 
der in gerade Fronten ausgehende Qu erbau 439 Fuss lang; das 
Ganze durchaus dreischiffig und ausserdem mit Capellenreihen zu 
heiden Seiten ; über der Kreuzung sollte eine achteckige Kuppe! von 
250 Fuss Hithc entstehen , flanklrt von vier Thtirmen. Sonach hätte 
man die Florentiner überliolt in der riesenhaften vierarmigen Aus- 
dehnung, auch durch die Zugabe der Capellen reihen ringsum ; man 
wäre hinter ihrer (damals übrigens noch nicht erbauten) Kuppel 
zurückgeblieben, nm nicht ebenfalls die innere Perspective durch 
schräge Mauermassen statt schlanker Pfeiler aufheben au müssen; 
man hätte dies aber wenigstens nach aussen reichlich ersetzt durch 
den Effect der vier Thtlrme. Gegenüber nordischen Oathcdrnlen 
wäre man durch die sinnlose Ausdehnung des Querbaues im Nach- 
theil gewesen, auch hätte die Verstärkung der Pfeiler unter der 
Kuppel, selbst wenn sie sich auf das Unentbehrliche beschränkte, 
immer den Blick in den Choi etwas bediitiächtigt. Der runde Chor- 
abschluss endlich hätte schwerlich dm> iirtiiigücheCcstalt bekommen. 

■ Von all diesem ist nun bloss das Langhaus und eui Ansatz zum 
Qtierschiff wirklich ausgeführt, und auch dieses nur mangelhaft, mit 
bloss theil weiser Vollendung der Ausscnflächen , in ungleichen und 
zum Theil sehr späten Epochen (bis tief ins XVII. Jahrhundert). 

So wie das Gebäude vor uns steht, ist es die Frucht eines Com- 
promisses zwischen nordischer und südlicher Gothik, doch in einem 
viel hessern und strengern Sinn als der Dom von Mailand. 

Bureihardt, Cianmc, 1 0 



Gothische Architektur. S. Fetronio in Bologna. 



Zar Basis des Innern nahm man die Anordnung des Langhauses 
von Florenz mit möglichst grossen Pfeilenveiten und Hauptquadraten, 
steigerte aber die Höhe. Den oblongen Abteilungen der Heben- 
schiffc entsprechen je zwei etwas niedrige Capellen mit gewaltigen 
Fenstern; wenn dieselben sämmtlicli mit Glasgeroälden versehen 
waren, so blieb den obwohl an Umfang kleinem Rundfenstern der 
Nebeuschift'e und des Hauptschiffes, d. lt. dem Oberlicht , dennoch die 
IK'iTsi'hitft. J lie Pfeiler und ihre Cnpitäle sind viel weniger scharf 
und schiin gebildet als in Florenz, wirken aber durch ihre Höhe 
besser; zudem sind die Bogen schlanker, die Obermauer durch keine 
Galerie durchschnitten. (S. 139 Anm. 2). 

Aussen ist durchgängig nur das Erdgeschoss ausgeführt; den 
obern 'fheileu fehlt die Incrustation , welche io reicher Form, theils 
in Stein, theils in Backstein lioalx-iiciiTigt war. Die untern Thcile der 
Seitenschiffe zeigen einfache Pfeiler und ziemlieh reines Fensterstab- 
werk mit Ausätzen zu Giebeln. Die Fassade (von Marmor) ist so wie 
sie aussieht nicht gut begonnen; ihre Wandpfeiler sind schräg pro- 
iilirt, diejenigen gegen die Ecken hin sogar rund. Man ist auch nie 
recht damit zufrieden gewesen. 

Ein Zimmer am Ende des linken Seitens cid ff es , das auf Ver- 
langen (am besten um Mittag) geöffnet wird, enthält mehr als dreißig 
Entwürfe verschiedener, zum Theil hochberühmter Architekten vom 
XV. bis zum XVII. Jahrhundert für eine Fassade von S. Petronio, 
grossent heils in einem gotliisrheu Styl , dessen Gesetze sie nicht mehr 
kannten. Man kann z. B. sehen, welche Begriffe sich Ginlio Romano 
und Baidassar Feruzzi von der Gothik machten. So viel ich habe (bei 
schlechtem Licht) sehen können, sind die Entwürfe in modernem 
Styl, z. B. von Alberto Alberti und Palladio, bei weitem erfreu- 
licher. Eine verkleinerte Herausgabe in Umrissen würde sich gewiss 
lohnen. [Man lese den hübschen Aufsatz Springers: Der gotuischc 
Schneider von Bologna]. 



Die Bettelordenskirchcn der Via Aemilia weichen über- 
haupt sowohl von den toscanischen als von den deutsehen ab. Es sind 
ganz durchgeführte backsteinerne Gewölbekirchen mit Anbauten 
und Querbauten aller Art, hinten mit Chorumgang und aussen abge- 



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Oherital. Hendicantenklrehen. 



147 



rnndetem Capellenkranz, dergleichen im Norden nnr Hauptkivehen 
und vornehmere Klosterkirchen zu haben pflegen. ') Obschon die 
.Seitenschiffe nur etwa die halbe Höhe des HanptBchiffes haben, so 
ist doch in der Regel eine Fassade nach iombardischer Art vorn an- 
gesetzt, deren obere Ecken also blind sind. Die Stützen sind Rund- 
eiiuien, achteckige Säulen, Pfeiler mit Säuion, Säulenbündcl, je nach 
der Stärke des nordischen Einflusses. (In derServi zu Bologna weeh- n 
sein runde und achteckige Säulen). Der mißlichst vielseitige Chor- 
abschluss (aussen durch ebensoviele Strohebogen repräsentirt) macht 
eine bedeutende Wirkung. In Bologna: S. Francesco (innen neu- b 
gotliisch bunt restaurirt, mit einem der schönsten liacksteinthürme 
des gothischen Styles); — S. Domenico (sehr lang, innen moder- c 
niairt); — S. Martino maggiove (Carmeliterkirche von 1313); — Servi d 
(vom Jahr 1383, mit einem Porticus vorn und an der linken Seite, der 
sich durch ungemeine Diinnheit und weite Stellung der Säulen aus- 
zeichnet; der Baumeister war der General des Servitenordens Fru 
Andrea Manfrcdi vonFaenza, der damals auch die Aufsicht Uber 
den Bau von S. Petronio führte); — S. Giacomo maggiore (Eremi- s 
tanerkirche vom Ende des XIII. Jahrhunderts, wovon der hintere 
Theil und die Fassade noch erhalten). Beiläufig ist hier auch das 
Chorherren stift S. Giovanni in monte zu nennen, als eine der ältesten f 
spitzbogigen Kirchen Italiens (1221'? Kuppel, Chor und Fassade 
neuer). — In Modena: S. Francesco. — In Piacenza: S. Francesco s 
(eine der mächtigsten Kirchen dieser Classe, mit dem bedeutendsten ii 
und bestgebildeten äussern Strebewerk von Backstein) ; — S. Antonio i 
(mit cigeuthümlicher Vorhalle, die eine schone Innenthlir enthält); — k 
il Carmine. etc. 



Nördlich vom Po folgen eine Anzahl von Ordenskirchen und 
anch einzelne Pfarrkirchen und Ca-thedralcn eher demjenigen Typus, 
welchen Niceolö Pisano in den Frari zu Venedig aufgestellt hatte: 
mit weit gestellten Ruudsäulen oder Pfeilern, sodass grosse mittlere 
Quadrate nnd in den Seitenschiffen oblonge Käume entstehen; über 
den grossen Bogen ein nur ganz massiges ObersehirT; der Chor ohne 



'I Letztere unterscheiden sich hier fast gor nicht ron den Mcndicanionkirchcn. 

SO* 



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148 Gothische Architektur. Kirchen nördlich vom Po. 



Umgang; '1 er Querbau mit zwei bis vier Capellen an der Hinter wand. 
Eigentümlich ist: die Vermeidung der Seitenfenster. 

Ebi schönes und frühes Beispiel genährt S. Lorenzo in Vi- 
ccnza; auch die Fassade gut und schon desshalb beaohtenswerth, 
woil sie zeigt, wie man sich ungefähr diejenige von S. Giovanni e Paolo 
zu Venedig nach der ursprünglichen Absicht vollendet zu denken hat. 
{Sonderbare sei liefe Wölbung der Seiteuschiffe, wahrscheinlich um die 
kleinen Blindfenster möglichst hoch oben anbringen zu können, etwa 
mit ltiieksicht auf gegenüberstehende, lichtraubende Gebäude?) — 
S. Corona in Vicenza, von ähnlicher Anlage, nur alterthümlielier 
und gedrückter; von aussen bietet der tüchtige Backsteinbau mit 
Anbauten und Umgebung einen malerischen Anblick. ') 

S.Anastasia in Verena (Dominicanerkirche), naeb 12G1 be- 
gonnen , hat eine nur theilweise und spät incrustirte Fassade, ist aber 
in Betreff des Innern eine der schönsten und schlanksten Kirchen 
dieser Gattung, mit reinem Oberlicht und trefflicher Vertheilung des 
innern Schmuckes. Auch der äussere Anblick malerisch. (Das Kirch- 
lein links vor der Fassade heisst S. Pietro mnrtire). 

Das Innere desDomes von Verona verbindet eine ähnliche An- 
lage mit gegliederten schlanken Pfeilern statt der Riindsäulen. Diese 
Gliederung nähert sieb schon etwas derjenigen im Dom von Mailand, 
allein die Leichtigkeit der Bildung und die Wohlräumigkeit des Ganzen 
lassen dioss vergessen. Da die Seitenschiffe fensterlos blieben, brach 
man in die (ältere) Fassade grosse gotliische Fenster ein. [Aus dem 
Domhof male ri sehe Aussicht]. 

Hie diischiffigeii gothischen Kirchen Veroua's theilcn mit den 
übrigen die schöne, malerisch glückliche Behandlung des Aeussern. 
Nichts, was nicht auch anderswo vorkäme, aber Alles vorzüglich 
hübsch beisammen und selbst durch Unsymmetric reizend. Einen 
solchen Anblick gewährt besonders S. Fermo mit seiner aus Back- 
stein und Marmor gemischten Fassade, dem Vorbogen des Seiten- 
portals, den Giebeln und SpitzthfLrmchen des Chores und Querbaues. 
Im Innern das vollständigste Beispiel eines grossen Holzgewölbes, 



') Der Dom von Viconia, innen ciii-sküfi;." :nit r:i]ieüqn auf beiden Seiten, go- 
hiirt dagegen *u üen gedenken- und prlnclnluaen Getinuden der italienischen tiuüüfc; 
die MannorfaHade hat eine jener matratienarügen Inemstationen , nie sie sonst haopt- 
siiclilicli iu Mittelilalien voriummen. Der Clior geringe KenalMBnea. 



Verona. Venedig, Herzogthtun Mailand. 149 



ans je drei Heilten Consolen mit zwei halben und einem mittleren 
ganzen Tonnengewölbe bestehend ; den eonstruetiven Werth können 
nur Leute vom Fach beurth eilen. S. En f curia ist von Aussen weni- 
ger bedeutend und im Innern ganz erneuert. 



■ Die gothischen Kirchen Venedigs sind mit Ausnahme der bei- 
den genannten von keinem Belang; ineist auf Säulen ruhend, deren 
Capitäle insgemein von auffallend roher Bildung sind. Sie wieder- 
holen etwa aussen im Kleinen den Ohorbau von S. Giovanni c Paolo, 
nur mit bloss je einer Capelle zu beiden Seiten des Chores. Die ein- 
zige schöne Fassade findet sich an S. Maria dell' Orto ; — einfach gut 
in Backstein : diejenige von S. Stefano. Die Liobhaberei für rond- 
theilige und wunderlich ausgeschwungene Mau erab Schlüsse, welche 
sogar den erhabenen einfachen Giebel der Frari nachträglich nicht 
verschonte, hat an S. Apollinare, S. Giovanni in Bragora und ander- 
wärts ihrGentigc gefunden. — Im Carotine (1348) sind vom alten Bau 
nur noch dio vierund zwanzig Säulen und die Chorabschlüsse kennt- 
lich. — S. Giacomo dali' Orio, wunderlich dnreheinandergebaut. 

Die Decken bestanden wohl ehemals durchgängig aus jenCD 
eigenthfimlich und nicht unschön construirten Holzgewölben, deren 
eines (erneuert) noch in S. Stefano vorhanden ist. (S. oben). 



Die gothischen Kirchen des alten Herzogthums Mailand, 
zum Theil von grossem decorativem Reichthnm, stehen den toaca- 
nisehen und manchen der ebengenannten in all' dem, was die Seele 
der Architektur ausmacht, beträchtlich nach. Man flihlt, dass die 
grossen Fragen über Baum, Verhältnisse und Gliederung nicht hier 
entschieden werden, wo man sich noch mit der alten lombardisclten 
Unform der in ganzer Breite emporsteigenden Fassaden begnügt und 
inieli im Innern die Schiffe kaum in der Höhe unterscheidet, wo der 
Säulen blind el in gedankenloser Weise beibehalten oder mit beson- 
ders schweren Rund sänleu vertauscht wird, wo endlich das Detail 
schon des wechselnden Stoffes wegen beständig im Ausdruck 
schwankt. Neben dem Stein kommt nämlich in Oberitalien der 



150 Gothisohe Architektur. Hsriogth 



Backstein, oft in sehr reicher Form und schonen, geschickten Mo- 
tiven, zur häufigen Anwendung; — der Architekt wird eine Menge 
vortrefflicher Einzelkleen darin ausgedrückt finden, — aber der 

Vom Dom zu Mailand, welcher theils Ergebniss, theils Vorbild 
dieser Baucntwickelung ist , war oben schon die Rede. 

Der Dom von Monza, im XIV. Jahrhundert so wie er jetzt ist, 
von Marco diCampione neu erbaut, fiinfsehiffig, wiederholt in seiner 
Marmorfassade lauter Ziermotive, welche eigentlich dem Backstein- 
1kl u an^eln'h-eii. Diesellje ist nächste Vorbild , zugleich das Ge- 
ripp der Mailänder Fassade. Das Innere hat dicke Rundsiiulen mit 
weitgespannten Bogen, ist übrigens total verkleistert. — An S. 
Maria in St rata zu Monza ist die einzig erhaltene obere Hälfte der 
Fassade ein wirklicher und höchst eleganter Backsteinbau. 

In Mailand gehen die gothischen Tiieile von S. Maria delle 
Grazie — Fassade und Schiff — den mittlem Durchschnitt lom- 
bardischer Kirchen dieses Stylcs. (.Sonstige gothisclie Kirchen in 
Menge, eine der grtissten S. Eustorgio, eine der edelsten S. 
Simpliciano). — Der sehr elegante Thurm von S. Gottardo 
(am Palazzo reale), aus Stein und Backstein gemischt, giebt mit 
Ausnahme der Spitzbog cnfriese kein einziges Motiv, welches nicht 
schon im romanischen Styl vorkäme. Achteckig; die Ecken so leicht 
wie das Uebrige. 

S.Francesco zu Pavin zeigt bei einer tollen, schachbrett- 
artigen Verzierung der Fassade doch ein gewisses Gefühl fdr be- 
deutende Wirkung. 

Der Dom von Como: die iiltern Theile, von einem im Jahr 
139G begonnenen Bau, gehören zur besten lombardischen Gothik; 
die Pfeiler ungleich besser gebildet, ihre weito Stellung 1 ) italienischer 
als im Dom zu Mailand. Die Fassade, eine der wenigen in der Mitte 
bedeutend erhöhten, hat auch sonst wohlthuende Verhältnisse, aber 
eine spielende Decoration: Auflösung dor ff an dpfeiler in Kästchen 
mit Sculptuven etc. (Querschiff und Chor von 1513 s. unten.) In 



'1 Die heidtn ersten Intervalle sind noch eng. ao doäs dio NobenschilTc hier Iii 
regelmässige Quadrate zerfallen wie ImDoro von Mailand. Erst vom drillen Intervall an 
beginnt die SchanrSuniigkeit Im Sinne doi lUUoniscli - Gothischen. 



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Profanban. Oberitalien. 



151 



dieser Zeit wurden auch die Aussenseiten und Strebepfeiler des 
Langhauses incrustirt; die Spitzthürmchen der letztem eine höchst 
zierliche Uebersetzung aus dem Gothischon in die Renaissance. 
Aehnliches besonders an französischen Kirchen dieser Zeit, 8. Eu- 
etache in Paris etc. 

Die berühmte Certosa von Pavia, in demselben Jahr 1396 von 
Marco di Campione begonnen, hat dieselben Vorzüge vor dem Dom 
von Mailand; schlanke, edel gebildete Pfeiler von weiter Stellung. Der 
Hauptnachdruck liegt indess auf der Fassade, welche die prächtigste 
des Renaissance styl es ist, wovon unten; ans dieser Zeit auch Quer- 
baii und Chor. 

In Asti der Dom eines der bessern schlankeren Gebäude (innen 
vermalt) S. Secondo eines des geringeren, beide mit interessanten 
Back steinfassa den. — In Alessandria Nichts von Belang. 



In Betreff des gothischen Profanbaues hat wohl Ober- 
italien im Ganzen das IXeberge wicht "durch die grosse Anzahl von 
damals mächtigen und unabhängigen Städten, welche in der Schön- 
heit ihrer Stadthäuser nnd Privatpaläste mit einander wetteiferten. 
Dem Style nach sind es sehr verschiedenartige Versuche, etwas Be- 
deutendes und Grossartiges zu schaffen) eine unbedingte Bewun- 
derung wird man vielleicht keinem dieser Gebäude zollen, da das 
gothische Detail nirgends in reinem Verhältniss zu dem Ganzen 
steht. Allein als geschichtliche Denkmale, als Massstab dessen, was 
jede Stadt an Repräsentation für sich verlangte und ihrer Würde für 
angemessen hielt, machen besonders die öffentlichen Paläste einen oft 
sehr grossen Eindruck. 

An den Anfang dieser Reihe gehört schon zeitlich als ganz frlih- 
gothisches Gebäude und vielleicht auch dem Wert he und Eindruck 
nach der Palazzo commnnale zu Piucenza; unten eine offene. 
Halle von Marmorpfeilern mit primitiven, aus reinen Kreissegmenten 
bestehenden Spitzbogen, oben ein Backstcinban mit gewaltigen 
Rundbogen als Einfassung der durch Säulchen gestützten Fenster; 
die Füllungen mit verschiedenen auf die einfachste Weise hervorge- 
brachten Teppichmustern. (Der grosse Saal im Innern völlig ent- 



152 GotaUoher ProimUn. Obwitajien. 

stellt). Eines dor frühesten Gebäude, in weichen das freistädtische 
Selbstgefühl sich auf ganz grossartigo monumentale Weise ausspricht. 

[In Crcmona der Palazzo pubblico von 1245 auf leichten 
Arkaden, äusaerlieli restaurirt. Per prächtige Bau des Palazzo 
de' Giureeonsulti von 1292; colossale, jetzt vermauerte Erdge- 
schosslialle , interessantes Zinn engest ms]. 

Mailand besitzt ein Backst ein gebäude einziger Art, aus der 
letzten gothischen Zeit, schon mit Renaissance gemischt; die alten 
Theile dor Fassade des grossen Hospit^js, angeblich von Antonio 
Filarete, oiuein Florentiner; es sind die reichsten und elegantesten 
gotltischen Fenster, die sicli in diesem Stoff bilden liessen. 

> Der stattliche Palazzo pubblico, „Broletto" in Como, ruit Stein- 
scluchten vermiedener Farben (beim Dom) folgt in der Anlage dem 
Palast von Piacenza, nur in viel kleinerm Maassstab- 

Un'ii-o derjenige in Bergamo, dessen offene untere Halle auf 
Pfeilern und (innen) auf Säulen ruht. 

Dagegen besitzt Bologna eine Anzahl von Denkmälern, welche 
ilie uljei'itiilisi'lie und die toscanischc Weise zu einem merk wiirdi gen 
Ganzen vereinigen. — Vor Allem ist die Loggia de' Mercanti 
(oder la Jlcrcanzia) ein sehr schtlncs Boispicl gothischen Backfatein- 
baues, ') angeblich vom Jahr 121)4, doch wohl ein Jahrhundert neuer 
und vielleicht von der Loggia de'Lanzi in Florenz (s. unten) bedingt. 
Der Sinn ist wesentlich ein anderer: es sollte die Fronte einer Art 
von Börse und Handelsgerichts lokal werden. — Das Material lud 
dazu ein , dio Pfeiler als reiche Säulenbündel zu construiren ; anderer- 
seits hängt damit dio zaghafte Bildnug des Hauptgesimses zusammen. 
Eine empfindliche Disharmonie liegt darin, dass (dem mittlem Bal- 
dachin zu Liebe) die Fenster nicht auf die Mitte der beiden untern 
Spitzbogen kommen. (Die Seitenfronten modern). 

Den Eindruck einer jener grossen Familien bürgen des Mittel- 
alters giobt, ebenfalls im Backst ei ubau , am ehesten der Palazzo 
Pepoli, wo ausser den reichprofilirten gothischen Thorbogen noch 
ein gewaltiger Hof mit Halten an der einen Seite und vorgewölbten 
Gängen an den drei übrigen erhalten ist. Nimmt man einen der zier- 
licheren Höfe in Häusern (z.B. alte Nr. 313) hinzu, so vervollständigt 
sich einigermassen das Bild des holognesischen Privatbaues im XIV. 



I) [Leider durch moderne LekertUncliims entstellt.] 



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Oberitalien. Venedig. Dogenpalaat. Adolspaläate. 158 



Jahrhundort. — Das riesige Sehloss, welches jetzt Palazzo rtel n 
Governo heisst (eheuinls Palazzo Apostolico), hat an der Vorder- 
seite noch einige reiche grosse Fenster; der erste Hof ruht fast nach 
altflorentiniBcher Weise auf achteckigon Pfeilern mit Blättercapitälen 
<md nicht völlig halbrunden Bogen. 

Der Palazzo deila ragione zu Ferrara, vom Jahr 1326, ein '■• 
merkwürdiger gothiacher Backsteinbau, hat bei der vor zwanzig 
Jahren unternommenen Erneuerung eine fast völlig neue Ober- 
fläche erhalten. 

Der Palazzo dolla ragione zu Padua ist mehr wegen der unge- c 
heuern Grösse seines gewölbten ohern Saales als aus irgend einem 
andern baulichen Grunde merkwürdig. (Die jetzige Gestalt nach 
1420). Sehr unglückliche Beleuchtung; die Vertheilung der Fresken 
Miretto's nicht architektonisch motivirt; dio äussere Halle von zwei 
Stockwerken interessant als diejenige Form, welche Palladio andert- 
halb Jahrhunderte spater an der sog. Basilika zu Vicenza neu belebt 
zu reprodueiren hatte. 



Venedig hat vor Allem seinen weltberühmten Dogonpalast, d 
begonnen um 1350 von Filippo Caitndario. Es ist schwer mit 
einem Gebäude zu rechten, welchem abgesehen von Grösse und 
Pracht auch noch durch historische und poetische Vorurtheilo aller 
Art ein so grosser Phantasie- Eindruck gesichert ist. Sonst müsaten 
wir bekennen, dass die ungeheure, rautenartig incrustirte Obermauer 
die beiden Hallen stock werke, auf welchen sie unmittelbar ruht, in 
den Boden drückt. Man hat deshalb auch immer gemeint, das untere 
derselben habe wirklich durch Auffüllung des Bodens etwas von 
seiner Höhe eingebüsst, bis Nachgrabungen diess als irrig erwiesen. 
Jedenfalls ist schon die Proportion desselben zum obern unentschie- 
den, geschweige denn zuui Ganzen ; entweder müsste es derber und 
niedriger, oder höher und schlanker sein als es ist. Auch hier offen- 
bart sich der Mangel an demjenigen Gefühl für Verhältnisse, welches 
sich nur da entwickelt, wo die Architektur festen Boden und grossen 
ireien Raum zur Verfügung hat. ') — An sich aber wirkt das obere 

') [Nich einer neuerdings entduckien Zeichnung aui ilem XIV. Jahrh. (In der Buü- 
leyma m Oxford) Irat mÜKlIcherwelie der Oberbiu uriprilnglieh Uber den Gnterien 
Iiirück. Vgl. Schnuue, VII. S57 fc.l 



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lbi Goth isolier Profanhan. Paläste von Venedig. 

Hai lenstock werk ausserordentlich schön und hat als durchsichtige 
Galerie in der KunBt des Mittelalters nicht mehr seines Gleichen. — 
Die Fenster der Obermauer und die Zinnen des Kranzgesimses sind 
blosse Decoration, dagegen die Porta dolLa Carta (s. unten) ein sehr 
wcrtlivoller und tüchtiger Bau des sieh schon zur Renaissance neigen- 
den spätgothiachen Stylea (1439). 

Dieses wunderbare Gebäude ist nun theils Nachbild, theils Vor- 
bild einer bedeutenden Palastbaukunst, die im XIV. und während ■ 
der ersten Hälfte desXY. Jahrhunderts in Vcin'difr blühte. Sie unter- 
scheidet sich von der sonstigen italienischen (floreutiniachen, aiene- 
sisehen) dadurch, dass sie sich nicht aus dem Bau fester Faniilien- 
burgen entwickelt, welche dem •politischen Parteiwesen als Schau- 
platz und Zuflucht zu dienen haben. Vielmehr ist es hier der ruhige 
Reichthum, der sein heiteres Antlitz am liebsten gegen den grossen 
Canal wendet. Das ErdgesehoBS war (wenigstens früher) den Waaren- 
lagern und Geschäften gewidmet; einfache Bogen thore öffnen sieh 
für die Landung der Barken und Gondeln ; ausnahmsweise auch etwa 
eine offene Halle. In den obern Stockwerken aber, die zur Zeit des 
byzantinischen Stylea (S. 117) nur überhöhte Bogenfenster auf Säu- 
len gehabt hatten, entwickelt jetzt der gotliische Styl ein keckes 
Prachtmotiv ; über und /wischen den Spitzbogen folgen nämlich eben- 
falls durchbrochene Rosetten, die noch mit zum Fenster gehören. 
In der Mitte drängen sieh eine Reihe von solehon Fenstern zu einer 
grossen Loggia zusammen, womit die einzelnen Fenat er auf beiden 
Seiten vortrefflich contrastiren. ') Rechnet man hinzu die Bekleidung 
der Hausecken mit gewundenen Säulen, die der Wandflächen mit 
bunten Steinalten, die der Fenster mit birnförmigen Giebeln und die 
des Dachrandes mit moresken Zinnen, so ergiebt steh ein Uberaus 
fröhliches und zierliches Ganzes. Aber zu dieser leichten und Inf- 
tigon Bauweise gehört auch der Wasserspiegel und das bewegte Le- 
ben der Canäle; wo solche Paläste oder ihre Rückseiten auf blossen 
Plätzen (Campi) stehen, wirken sie auffallend geringer und das Auge 
kann den Jubel nicht mehr recht begreifen. Vor einer Nachahmung 
in den Strassen unserer nordischen Städte wird sich jeder besonnene 
Architekt wohl hüten. 



') Auffalle nd bleibt ea . dass die Logg!» Biets am einer geraden Zahl von Fenslern 
8) bestellt, so dnsa eine Sank auf die Mitte trifft. Vgl. S. 105 oben und 8.136 b. 



I 

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Palristc von Venedig, Vieenza Verona. 



155 



Das niedlichste dieser Gebiiude ist die. Ca Boro: sie zeigt, in 
welchen Dimensionen dieser Stj'l am glücklichsten wirkt. Aus der 
grosse« Zahl der übrigen Paläste nennen wir diejenigen am Cnnnl 
grande, vom Marcusplatz beginnend: — (Rechts) das jetzige Albergo 
dell* Europa; nahe dabei ein kleines Gebiiude, au welchem auch die 
reichen Balcons noch wohl erhalten sind. — (Rechts) Palast Barbaro, 

— und Palast Cavalli, letzterer besondes energisch in der Fenster- 
bildung. — (Links) die aneinander stossenden Paläste Giustiniani, — 
und der grosse Palast Foseari, welcher die' Wendung des Canals 
beherrscht, mit ach tfenstr igen Loggien. — (Links) Palast Pisani 
a S.Polo, ebenfalls einer dcT bedeutendsten. — (Links) Palast Ber- 
nardo. — (Rechts) Palast Bembo. — Nach dem Rialto : (Rechts) Palast 
Sagredo — dann die genannte Ca Doro. 

In andern Gegenden der Stadt ist beinahe koin ansehnlicher Ca- 
nal, kein grösseres Campo, au welchem nicht irgend ein Gebiiude 
dieser Art in die Augen fiele. Ich erwähne noch den Palast neben 
der Aqm'la d'oro, die Gebiiude bei S. Polo, Albergo Danieli, u. a. w. 
Für Aquarellmaler: Palast Cicogna bei S. Augelo Raffaele, au sich 

Eine Anzahl ähnlicher Gebiiude iimlet nirui auch iu Padua und 
in dem kleinen Vicenza, welches doch von jeher eine verhiiltniss- 
mässig bedeutende Bau gesinuung offenbart. Unter den vicoutinisehen 
Palästen wird man z. B. zwei in der Nähe von Palast Barbar.ano mit 
Vergnügen besuchen; sie haben ausser der Fassade auch noch ihre 
alten Hofhallen, Troppen, Balustraden etc. wenigstens stückweise. 
Ein artiges Häuschen, (alte Nr. iBUti), mit teppic hart igen Arabesken 
bemalt u. s. w. 

In Verona finden wir an den gothischen Palästen zwar auch 
den venezianischen Typus wieder, aber in einer andern Nuance, mit 
vorherrschender Berechnung aufMauerbemalung. ') Auch die steinerne 
Staffage im obern Theil der Fenster hat eine eigenthümlichc Gestalt. 

— (Der Hof des Municipio daselbst, unter dem grossen Thurm auf 
Piazza delle Erbe, theils romanisch, theils gothisch, gewahrt mit 
seiner hallenbedeckten Marmortreppe wenigstens einen malerischen 
Anblick). — [Dei - Palazzo pubblico in Udine venezianisch - gothisch 
von 1451], 



') [Ancli 'llc veru'/!:iiii-..'!i^n l'.itiiii wuren nitfat bi>miil:.] 



166 



Gothiseker Profanbau. Genna Florenz. 



Genua besitzt von diesem Styl nichts von Bedeutung. Die Go- 
thik der paar Häuser auf Piazza S.Mattco beschränkt sich im Grunde 
auf die BogenfricBe, ebenso an mehrere andern Gebäuden der alten 
i^tailttheilc. Die Höfe, auf weichen hier der Aceent gelegen haben 
muss, sind überall verbaut. Für Architekten wenigstens ein halb- 
erhaltenes Spccimen : in dem anonymen St ras senge wirr um Madonna 
dolleVigne dasHauBNr.4U3; eine seulpirte Thür führt in cinHöfclien 
mit Spitzbogenhalle und niedlicher Freitreppe, welche noch ihre 
gothische Balustrade hat; die Fassade abwechselnde Schichten 
schwarz und weiss. 



Florenz ist sehr reich an einzelnen Bestandteilen, zumal untern 
Stockwerken inittelulterlicluT Pauiilienburgen, die man nur in un- 
eigentlichem Sinno als Paläste bezeichnen könnte. (Ganze Gassen 
entlang z. B. um Piazza de' Pemzzi, liorgo S. Croce etc.). Eine künst- 
lerische Form ist fast nirgends durchgeführt; die einfachen meist 
achteckigen Pfeiler , die bin und wieder die wenigen Bogen des Hofes 
stützen, haben anspruchslose Blättere apitäle. Diese Steinhäuser 
waren Vestcn und mussten in bürgerlichen Wirren Vieles aushalten 
können; gerne behalf man sich unter dieser Bedingnng so eng es 
anging. (Die Gänge auf starken Consolen rings um einen kleinen Hof 
hervorragend , in einem vollständigen Beispiel Palast Davaazati, Via 
di Porta rossa Nr. 9). Belehrend ist die hier klar zu Tage, liegende 
Entstehungs weise der modernen Rustica (Bossagen): weit entfernt, 
sie als ein Mittei der ästhetischen Wirkung zu benützen, uieissclte 
man den Quader gern glatt, wenn Zeit nnd Mittel es zulicssen; blich 
er einstweilen roh, so wurden doch um der genauen ZusammenfUgung 
willen seine Ränder scharf und sorgfältig behauen. Eine völlige 
ötefobmaasigkelt der Schichten oder gar der einzelnen Steine wurde 
selbst an öffentlichen Gebäuden nicht erstrebt. Erst die Renaissance 
fand, dass man die Kustica als künstlerisches Mittel behandeln und 
durch Abstufung aus dem .Kobern in das Feinero zu bedeutungs- 
vollen Contrasten der einzelnen Stockwerke benutzen könne. (Vgl. 
S. 3ö, Anm.) 

Von Privatgebäuden des 3ilV. Jahrhunderts, in welchen die 
Säulenhalle des Hofes schlankere Verhältnisse und einen Anfang 
räumlicher Schönheit zeigt, nenne ich boispi eishalb er Palazzo Conto 
Capponi (Via de' Bnrdi 22) und Palazzo Uonte Bardi (Via del fosso 3), 



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Florenz. Loggia de 1 Lanzi. 157 

dessen Hof «uf zwölf sehr schlanken Säulen mit überhöhten Rund- 
bogen ruht, angeblich ein Gebäude des JJruneHesohi, und in diesem 
Fall ein frühes Jugendwerk. 

Von Arnolfo, dem Erbauer des Doms, rührt bekanntlich nuch 
Fulazzo vecohio her (vom Jahr 1298). Grösse, Erinnerungen, 
Steinfarbe und phantastischer Thunnbau geben diesem Gebäude 
einen Werth, der den künstlerischen bei Weitem übertrifft. Das ganze 
Innere nebst dem Hinterbau ist spätem Ursprunges. — Dem Atjnolo 
Gaddi schreibt Vaaari die jetzige Gestalt des im Jahre 1255 erbauten 
Palazzo, del Podestä (oder del Bargello) au, ') welcher anmale- i 
rischer Wirkung zumal des Hofraumes seines Gleichen sucht, in 
Beziehung auf das Detail aber ebenfalls nicht viel mehr bietet als 
Zimu'ii, sjiii/,!"!;.;i^-r Foiister mit ui:i;:sig<.'m Schmuck, sehr beschei- 
dene Gesimse und im Hof ein Stück Halle. [Die neue Restauration 
als Museo nazionale von Kunstwerken und Alter thiimern ist wohl in 
jeder He/.ichung mustergültig, namentlich was die architektonische 
Malerei betrifft]. 

Bei weitem das acliiinste gothische Profangebüude der Stadt ist 
Orccijina'n Loggia de' f.anzi (begonnen 137G). 5 ) Hier begegnen b 
wir wieder demjenigen Raum- und Formgefühl, welches S. Marin 
novella, S. Croee und den neuen Dom von Sieua schuf. Der Ort, wo 
die Obrigkeit ihre feierlichsten Functionen vollzog, wo sie vor dem 
Volk auftrat und mit ihm redete, in einer Zeit, da die Florentiner sich 
als das erste Volk der Welt fühlten — eine solche Räumlichkeit durfte 
nicht in winzigem und niedlichem Styl angelegt werden. Möglichst 
wenige und dabei grossartige Motive konnten allein der „Majestät 
der Republik" einen richtigen Ausdruck verleihen. Die einfache 
Halle von drei Bogen Breite uinfasst einen Ungeheuern Kaum, mit ge- 
waltigen Spannungen, über leicht und originell gebildeten Pfeilern; 
ihr Oberbau hat unabhängig von antiken Vorbildern gerade diejenige 
Form getroffen, welche für Auge und .Sinn die hier einzig wohl* 
thuendc ist: über breiter Attica tüchtige Consolcn und eine durch- 
brochene Balustrade. 



l) [Dia Urkunden, welche freilich hei Bauwerken seilen [Ion ernadendon Künstler 
nennen, v/enn derselbe nicht der ausführende Architekt wer, nennen als Hcstaurstor 
Strt dl Flonmontt 1333-45.] 

{Capo-Muestri »aren Bend dl Ciooe aus Couio (nicht Bruder Orcagnas) Unä Simon t 
Fra'iccico TWen«.] 



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Gothiachor Profanbau. Pisa. Siena. 



Von dem uls Kornspeicher erbauten Orsanmiechele ist schon 
oben (S. 142 b) die Rede gewesen. 

Die Thoro von Florenz, meist ans dem XIII. Jahrhundert, über- 
raschen durch den mächtigen Ernst der Construction , die Grösse der 
Pforte nnd die Höhe des stadtwiirts schauenden Bogens. — Nebst 
den meisten andern italienischen "Stadtthoren dieser Zeit entbehren 
sie der überragenden Seitenthürme, welche häufig an deutschen 
Stadtthoren vorkommen; in Italien z. B. nm Arco dell' Annunziata 
zu Lucca, an der interessanten Pforte della Vacca in Genua, an 
einem andern Binnenthor daselbst, etc. Die wenigen daran ange- 
brachten Decorationen durchgängig solid und einfach; im Bogen 
gegen die Stadt Freseogemälde, die Mutter Gottes und die Schutz- 
patrone darstellend. 



In Pisa ist da» hugniieiigebäiuie unweit der mittlen) liriieke ein 
ernsterer steinerner Zierbau, das jetzige Caffe dcll' Usscro gegen- 
üher am Lungarno ein leiehteiei- backst tiuenier (XIV. Jahrhundert, 
mit einzelnen Veränderungen der Fenster im iienaissaneestyl). Die 
Flächen, wie sie sieh durch die Einrahmung mit Filastern, Bogen etc. 
ergaben, sind ganz, naiv mit gntliiwcheiii Blaltwevk ausgefüllt, nach 
einein schon wesentlich modernen Gefühl. Einzelne Details von fein- 
ster Eleganz. 



Ganz Siena ist voll von gothischen Privatgebäuden und Palästen 
des XIV. Jahrhunderts ; keine Stadt Italiens oder des Hördens, weder 
Florenz und Venedig, noch Brügge und Nürnberg ist in dieser Be- 
ziehung reicher. Man findet sie von Stein, von Backstein und gemischt, 
wie z. B. der Palazzo pubblico; sonst mügen noch Palazzo 
Tolomci, Palazzo Saracini und als zierlichster Backsteinbau 
Palazzo Buonsignori genannt werden. — Sie können dem jetzigen 
Architekten nicht viel helfen; denn wenn er auch ihre nur massigen 
Profile und Zierformen, wenn er selbst die beträchtliche Höhe ihrer 
Stockwerke nachbilden dürfte', so würde man ihm doch nicht leicht 
den Luxus des Materials gestatten, auf dessen echter, unverkürzter 
Anwendung ganz wesentlich der Effect beruht. In Mörtel und (wenn 
es hoch kommt) Zink nachgeahmt würden diese Formen nnd Maasen 
nicht viel bedeuten. 



□ igifeec o/CüOgll 



359 



Die durchgehende Form der Maucril Urningen ist der Spitzbogen, 
welcher in der Kegel drei durch Säulchen geschiedene Fonster enthält. 
Der Bogen selbst bleibt eine m lisaige Verzierung; oft darunter noch 
ein sog. Stichbogen (Kreissegment). 

Eine freie Nachahmung der Loggia de' Lanzi ist die Loggia 
degli Uffiziali am Casino de Nobili in Siena (1411). Sie hat im 
Kleinen dieselbe Schonräumigkuit; die Hauptglicdcr der Pfeiler sind 
hier HauptsÜulen; das obere Stockwerk ist in meiner jetzigen Gestalt 
wohl ein Jahrhundert neuer, passt aber trefflich zum untern. 

Endlieh sind die Brunnen, eigentlich grosse, mit massigen 
Spitzbogen überwölbte Wasserbehälter, für Siena bezeichend. Her 
Kunstwerth ist bei Foute Brands (1193) wie bei Fönte nuova und 
den übrigen gering , der malerische Eindruck aber durch die phantas- 
tische Umgebung, namentlich der erstem, einer der besten dieser Art, 
die man aus Italien mitnimmt. 

In Pistoja sind Palazzo del Commune >) und Palazzo de' 
Tribiinali (ehemals del Podesta) aus dem XIV. Jahrhundert; beide 
mit Spitzbogen über den Fenstern. Der letztgenannte Palast hat eine 
stattliche untere Halle mit breiten Kreuzgewölben; vier weite Sand- 
bogen schliesseu den Hof ein. Dieser ganze Raum ist überdiess sehens- 
werth der zahllosen gemalten Wappen wegen ; man ist in den jetzigen 
italienischen Wappen gewohnt, eine gänzliche heraldische Gesetz- 
losigkeit, eine beständige Verwechselung der Wappengegenstände 
mit Symbolen und Emblemen anzutreffen , die von Hause aus etwas 
ganz anderes sind ; hier dagegen sind alte Wappen saimnt Helm- 
zierden und Zuthaten echt heraldisch und mittelalterlieh gehandhabt. 
Leider hat eine neuere Keatanration Einiges im Styl von Theater- 
deco ratio neu hinzugefügt. 

[Indem kleinen malerischen San Gimignano der mittelalterliche 
Gesa nun tcharakter der Stadt sehr erhalten ; der Palazzo conimii- 
nalc ans dem X1H. Jahrhundert]. 

Besonders edel und glücklich ist dieFenstcrbilduug am Palazzo 
del Commune zu Perugia, wo je 3 oder 4 durch SS «lohen ge- 
trennte Fenster zusammen in ein gntprofilirtcs Quadrat eingerahmt 
sind. Diese Fenster sind, wie auch das prachtvolle Portal, als Ein- 
zelschmuck nicht sehr regelmässig in die durclniu-. glatte Qu ad erfronte 

') [Erbaqci trur der Siencser Simon cfi -ftr JfcmnwJ 



160 



GothiBoher Profanbau. Viterbo. Schlosser. 



eingesetzt und so der Anspruch auf organische, strenge Gesanirnt- 
composition ganz- geflissentlich vermieden. Zwei Consolenfriese und 
ohen ein Bogcufries sind die einzigen durchgehenden Glieder. 

[I'alazzo municipale in Gubbio von Giovanetto Maffei 
gen. üGuttapone (1332'/— 46); sehr interessante Benutzung des an- 
steigenden Terrains. Palazzo comm. auTodi von 1261 romanisch- 
gothisch; auch zu Naini einige malerische Bauten.] 

Weiter nach Süden besitzt Viterbo ein artiges gothisehes Pa- 
lästchen, das Veseovato, in der Nähe des Domes. Die Brunnen, 
wofür diese Stadt namhaft ist (Fontana grande 120G— 1279 etc.), sind 
wie die meisten italienischen ISrunnen dos Mittelalters, Breitbauteu, 
während in der nordischen Gothik auch der Brunnen ein Stück Kir- 
chenban, und zwar ein Abbild des Kirchtliurms darstellen muss. Der 
schönste italienische Brunnen dieser Zeit ist der dreischalige zu Pe- 
rugia, den wir bei Anlass der Sculptur wieder erwähnen müssen. 
(Die Brunnen von Siena verlangten als grosse Wasserbehälter einer 
Bergstadt jene besondere Form.) [In Co meto der Palast Suturini.] 



Rom besitzt mit Ausnahme der Minerva und einiger Flickbauten 
an altern Kirchen überhaupt nichts von gothischem Styl; Neapel 
wenigstens keinen Profanbau von höherer künstlerischer Bedeutung. 
Dergleichen Gebäude reichen in der Regel so weit damals ein freies 
municipalcs Loben reichte. 

An Schlössern dieser Epoche, und zwar oft ungeheuer grossen, 
ist zumal in Mittel- und Unteritalien kein Mangel. Sie gohöron nicht 
der Kunstgeschichte an, nehmen aber in der Geschichte des Kriegs- 
baues ohne Zu'rifVt eim'. ln-ilinm iuicre Stelle ein als unsere nordischen 
Adelsscldüsser. Der grosse Aufschwung kam in den italienischen 
Festungsbau allerdings erst während des XV. Jahrb., als Päpste, 
Fürsten und Republiken sich auf alle Weise gegenseitig sicher zu 
stellen suchten. Aus dieser Zeit stammt der jetzige Bestand vieler 
jener „Rocche", welche die italienischen Städte, auch Thalschluchteii 
und Flüsse bellen- sehen; bedeutende Baumeister wie Bern. Rosellmo 
und Anderewaren ihr Lebenlaug vorzugsweise mit solchen Aufgaben 
beschäftigt und auch das Ausland zog die italienischen Ingenieure an 
sich. Ausser Stande, das Militiirisclio an dk'son Bauten zu beurthei- 
leu, nenne ich nur um des hochmalerischeu Anblicks willen die von 



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161 



Filippo Maria Visconti (um 1445) errichteten Festungswerke von Bei - 
linzona, bestehend aus drei Schlossern und deren Verbindungs- 
mauern nebst einer Mauer bis an den Tieino. Von den frühem viscon- 
tinischen Bauten' ist das schick salsberühmte Ca stell von Paviaatich 
architektonisch als Palast ausgezeichnet, von den spätem das Ca- 
stell von Mailand, welches im XVI. Jahrhundert als die vollkom- 
menste Veste der Welt galt; von dem alten Bau sind nur die unzer- 
störbaren EckthUrroe und ein Theil der dazwischen liegenden Mauern 
ganz kenntlich erhalten, die inneru Theile meist umgebaut. — Von 
den Angioinen- Schlössern im Königreich Neapel wird wohl das 
colossale CaBtcl nuovo der Hauptstadt (unter Carl von Anjou an- 
geblich nach einem Plau des Giovanni Püano begonnen) den unbe- 
streitbaren Vorzug behalten. Die stattlichen Mauern und Thürme 
Neapels vom Carmine bis über Porta Capuana hinauf sind erst aus der 
Zeit Perdinand's I. von Aragon (14S4). üeber die Thore von Florenz 
s. Seite 157, d. — Von den Thürmen, welche das Abzeichen städtischer 
Adels Wohnungen waren, hat sich in Pavia (noch jetzt) am meisten, 
in Flor enz einer oder der andere, in Bologna die durch ihre Schief- 
heit allzuberühmte Garisendaund die weniger schiefe aber viel höhere 
Tum' degli Asinelli erhalten. (Erstere wenigstens absichtlich so ge- 
baut.) Ebenda noch einige andere. — [Mehrere in S. Giraignano.] 

Ausser aller Linie steht endlich das Oasteil von Ferrura, bei 
weitem der bedeutendste Anblick, welchen Italien in dieser Gattung 
gewahrt. Steinfarbc, Wassergräben, Vor- und Kliekwärtstrcten der 
einzelnen Theile, treffliche Erhaltung ohne entstellende Zuthaten — 
Alles trägt dazu bei, die Burg des Hauses Este zu einem malerischen 
Gegenstand zu machen, wie er sonst nicht wieder vorkömmt. 

Es sei noch eine Schlussbemerkung über die gothischen Profan- 
gebäude überhaupt gestattet, die sich auch anf unsere nordischen be- 
zieht. Nur wo sehr reichliche Mittel vorhanden waren, wird man eine 
gegliederte Gesa mmteomposition durchgeführt finden; sonst begnügte 
sich das Mittelalter mit einzelnen rcichornameutirten Theilen, die 
oft ganz «u symmetrisch an dem sonst schlichten aber massiven Bau 
vcrtheilt sind. Und solche Gebäude machen gerade oft die aller- 
schdnste Wirkung. Sie geben ein unmittelbares Gefühl des Ueber- 
flusses, während sog. durchcomponirte Gebäude unserer Zeit so oft 
den Gedanken rege machen, es habe am Besten gefehlt. 



11 



Gothische Decoration, Altäre. 



Kleinere, dccorativo Arbeiten sind in Italien, wie Angedeutet, 
nicht die starke Seite dieses Styles. Von einem der wichtigsten 
Werke, dem Tabernakel Oveagna's, ist schon die Rede gewesen; an- 
deres wird unten bei Anlass der Seulptur zu erwahnlm sein. — In der 
Anordnung ist der echte Organismus des Gothisehen durchgängig 
nrissverstninhu oder geflissentlich bei Seite gesetzt. Aber das von 
diesem Zwang befreite Detail ergeht siel] uft in einem eigeuthümliehcn 
harmonischen Reichthum des Stoffes, der Form und der Farbe. Die 
Comaten (Seite 94) hatten ein System von Zierformen geschalten, 
weichem man gerade jetzt am wenigsten entsagen wollte und das 
man mit den gothisehen Grundformen oft auf die ansprechender 
Weise verband. Die Fassade von Orvieto zeigt, wie weit dieses 
Streben bisweilen fülirto. — Von kleineren Werken sind besonders 
Altartabernakel und Grabmal er der Beachtung Werth, 
a Der erstem enthalt Rom vier bedeutendere: in S. Paul (kurz 
b vor 1300, von Armdfws, vermuthlich Arnolfo dd Cianbio), in S. Cecilia 
e (von demselben), in S. .Maria in Cesmedin (von dein (.'osuniten Adeo- 
d datas, nach 1300) und im Lateran (gegen 1370)'). Die mosaicirten 
ThUrmchen, die südlich flachen Giebel u. s. w. sind nichts alB Bastard- 
formen, aber die sichere und delicate Behandlung des Einzelnen, 
das prächtige Material , der monumentale Sinn und die Liebe, womit 
das Ganze vollendet ist, geben diesen Werken einen bedeutenden 
Werth. — Viel lebendiger gothisch und in plastischer Beziehung 
reicher durchgeführt (gewundene Säulen mit Blattwerk in den Rin- 
a nen etc.) erscheint der erz bischöfliche Thron im Dom von Neapel, der 
vielleicht ursprünglich auch als Altartabernakel diente. 

In Oberitalien beginnt schon statt des frei uud vierseitig eom- 
ponirten Altartabernakels hie und da der nordische AI tar sehr ein, 
d. h. eine Wand mit einfacher, doppelter oder dreifacher Niselienrcilie 
für (meist hölzerne) Statuetten und mit geschnitzten Pyramiden als 
Abschluss; das Ganze bemalt und vergoldet. In einzelneu Fällen 
kamen solche Altäre sogar fertig aus dein Norden. Natürlich hat die 
Bpätcrc Zeit mit ihren vermeint lieh so viel etl'e;:ti viclient grossen Altar- 
gemälden und Marmorgrnppc]) diese bescheidenem Arbeiten grosseu- 
theils von den Altären verdräugt; mau muss zufrieden sein, wenn sie 



') Ausser demjenigen in der Kirche die üeste eines allern im KloiMrhof. von dorn 
genannten Adeodalai. 



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Gräber von Padua. 



KJ3 



üljorhaupt iiocli vorhanden sind. Im Dom von Piacenza ist z. B. ein n 
fjiiitlitisrur ehemaliger Altaraufsatz über dem Hauptportal angebracht. 
Ein anderer in S. Petronio zu Bologna. (4. Cap. links.) b 

An .den berühmtem K anzoln dieser Zeit ist das Architektoni- 
sche in der Regel der Sculptur untergeordnet, ebenso an den Pracht- 
gräbeni von Heiligen. 

Die übrigen Grabiuälcr, als einer der ersten Anlasse zur Ent- 
wicklung einer neuen Sculptur hoehbed eilten d , sind in der baulichen 
Anordnung höchst verschieden. Gemeinsam ist ihnen ein Hauptmo- 
tiv, welches in neuem Grabdenkmälern meist ganz übergangen wird, 
nämlich der Sareophag. Um und an diesen setzt sich der ganze 
übrige Schmuck in vielen Variationen an, während im Norden die 
f.ir:ibpkitte — gleichviel ob liegend oder stehend — die Grundform 
bleibt, weil auch Bischöfe und Fürsten insgemein in die Erde gesenkt 
wurden. Die älteste Weise, den Sareophag monumental bedeutend 
zu macheu, ist seine Aufstellung auf kurzen Säulen, wie z. B. der ver- 
meintliche Sareophag des Trojaners Antenor in Padua, aufgestellt ist; <r 
das Bescheidene Grabmal Gregors X. (f 1276) im Dom von Arezzo ; <i 
in derselben Woise auch das Grab des Cardinais Anchera (f 1286) « 
in einer Nebencapclle rechts in S. Prassede zu Rom. — Oder der 
Sareophag wird hoch an einer Wand auf Consolen angebracht, 
welche dann oft prächtig und kraftvoll gestaltet sind ; vgl. die Gräber 
in mehreren älteren Kirchen Venedigs, im Dom von Florenz, im rech- 
ten Qucrschiil' von S. Maria novella und im Kreuzgang von S. Grocc t 
daselbst u. s. w. 

In Päd ua sind die Grabniäler dieser Art eigenthümüch und nicht 
miBirhiii! au? allen drei Künsten gemischt. Uebcr dem auf Consolen 
schwebenden Sareophag, der bisweilen schöne Eckfiguren und eine 
fein individuelle Portrait statu e aufweist, wölbt sich ein Spitzbogen 
mit quadratischer Einfassung; auch dieser hat an den Ecken Statuet- 
ten, in der Laibung gemalte oder Belieffigurcn ; die Innenfläche des 
Bogens aber und seine Füllungen gehören regelmässig der Malerei an, 
welche die erstere meist mit. einer thronenden Maria zwischen Hei- 
lig«:, oiler mit Mariii Krönung u. dgl. geschmückt hat. Ausser dem 
malerischen Wcrthe dieser Darstellungen, in welchen sich die padua- 
nischen Giottesken mit mehr Glück und Liebe bewegen, als iu den 
grossen Freskcncyclcn, ist auch die Sculptur mit ihrem oft sehr kennt- 
lichen pisanischen Nachklang nicht zu verachten. An den beiden 

11* 



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164 



Gothisohe Decoration. (Jrabmäler. 



stattlichsten Gräbern dieser Art , von Mitgliedern der Fürst enfamilie 
Carrara, in den Ercmitani (rechts und links von der Thür) sind leider 
die Malereien verloren gegangen. Wolderhaltene findet man z. B. in 
andern Theilen derselben Kirche, sodann im Santo (Durchgang rechts 
zum ersten Klosterhof), im rechten Querschiff des Domes u. a. a. O. 

Ausserhalb Padua's kommen ähnliche, zum Theil recht schöne 
Gräber vor, z. ß. in S. Corona zu Vicenza (Capelle rechts vom 
Chor) ; sodann in Verona, nur dass hier der Überbau insgemein wieder 
die Giebelform annimmt. 

Wo antike figurirto Sarcophage vorhanden sind, bedient man 
sich derselben in einzelnen Fällen und verziert sie mit sonderbaren 
Zusätzen, wie das Grabmal Savelli im Quersehiff von Araeeli zu Rom 
zeigt. 

Endlich werden grössere Architekturen bei wachsendem Gräber- 
luxus zur Sitte. Blosse gothische Giebel auf gewundenen Säulchen 
Uber dem als Sockel behandelten Sarcophag stehend kommen z. B. in 
S. Croce zu Florenz ((iuersehirf) vor, in Fällen wo statt einer Hintcr- 
wand der Durchbück verlangt wurde. Sonst ist die in Mittelitalten 
nu hniiiils iiml in tri'itiicliciii Styl vorkommende Gestalt die einer voll- 
ständigen g'othischen Nische mit einem Gemälde oder Mosaik ; unten 
steht darin der Sarkophag, mit der liegenden Statue des Verstorbenen, 
zu deren Haupt und Füssen Engel schützend das Leichentuch halten. 
So an den beiden schönen cosmatischen Gräbern des Cardinal Con- 
salvo (f 1299) in S. Maria raaggiore, rechts vom Hauptaltar, und des 
Bisehofs Durandus in S. Maria sopra Minerva zu Rom ')■ — An den 
neapolitanischen Gräbern ist insgemein dieses Motiv mit einem 
der obengenannten in eine nicht eben glückliche Verbindung ge- 
bracht; der Sarkophag wird auf Säulen oder statt deren auf Carya- 
tiden (allegorische 'l ugenden) gestellt, so dass die darauf liegende 
Statue kaum mehr sichtbar ist; die beiden Engel aber, der geringen 
Höhe der Nische wegen meist nur klein, machen sich hier mit dem 
Wegziehen des (steinernen) Xi sehen Vorhanges mehr als billig zu thun. 
Der Giebel über der Nische hat dann noch seine besondere Aus- 
bildung und seine Statuetten, ja oft noch einen besondern Baldachin, 
der das Ganze umschliesst. Ausserdem erreicht das bauliche Gehäuse 



') In B. Dumenico zu Orvlelo soll (Ins schöne OmbniHl eines Conllnals (!e Braye von 
Arnolfa herrühren. 



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Gral maier. 



der Scaliger, 



namentlich an den Angioinengräbem in S.Chiara undS. Giovanni 
aCafbonaraeinenausserordentlichen doch niemals reinen und schönen 
Reiehthum. Diese und das zwar von Giotto aber nicht eben glücklich 
angeordnete Grabmal Tarlati im Dom von Arezzo werden bei der 
-Sculptur wieder zu erwähnen aein. 

Rom bat seine altern Papst griiber in Bruchstücken, wobei die 
bauliche Einfassung durchweg verloren ging, in die Crypta von S. 
Peter, die Sagre grotto vaticano, verwiesen. Das Grab Gregors VII. 
im Dom von Salemo ist modern ; im Dom von Perugia ruht der grosse 
Innoccnz III. mit zwei Amtsnachfolgern unterhalb einer beschei- 
denen Inschrifttafel (im rechten Querschiff)- Allein in S. Domenico 
zu Perugia (linkes Querschiff) ist wenigstens ein Papstgrab ersten 
Sanges erhalten; dasjenige Benedicts XI (f 1304) von Giovanni 
Pisnno; ein prächtigi-r Imieiibtui unter einem Baldachin auf gewun- 
denen und figurirten Säulen, alles mit reicher und dabei gemessener 
Mosaicirung. Ein ebenfalls prächtiges Papstgrab im Cosmatcnstyl 
ist dasjenige Hadrian'» V. (t 12Tfi> in S. Francesco zu Viterbö. 



Endlich beschliesst Verona den Kreis italiseh-gothischcrGräher- 
formen mit den berühmten Denkmälern der Scalig er, bei S.Maria 
antica. Neben mehrern einfachem zeichnen sich diejenigen des Can 
Grande (1329), des Mastino II. (vor 1351) und des Can Signorio (v»r 
1375) als Freiarchitekturen aus; das kii Onmde liegende, verschieden- 
artig ausgebildete Motiv ist der erhöhte Sarcophag mit liegender 
Statue unter einem Baldachin auf Säulchcn, der mit einer Beiter- 
statuc gekrönt ist. Cllltnrgeschiehtlich sind diese Gräber eben so 
merkwürdig als in Betreff dor Kunst. Ausserhalb der Kirche, in mehr 
politisch -monumental er als in religiöser Absicht von den Gewalt- 
herrschern Verona's noch bei Lebzeiten errichtet, sind sie die Vor- 
stufe jener ganz profanen Reiterdenkmäler, wie sie später vou den 
Venezianern als politische Belohnung für ihre Feldherr n gesetzt wur- 
den. Hier sind die Reiterstatuen noch klein auf dem Gipfel ange- 
bracht; das Grab eines Generals und Verwandten der Scala, des 
Sarego, links im Chor von S.Anastasia (1432), stellt Ross und Reiter 
schon beträchtlich grösser und als die Hauptsache dar (wovon unten). 
— Das Übrige Figürliche an den Gräbern der Scaliger, selbst an dem 
prächtigen des Can Signorio (vonüonino daCampiglione) ist ebenfalls 



mehr sachlich als künstlerisch wichtig. Die sechs Helden , welche in 
den Baldachinen des letztem prangen, sind noch als heilige Krieger 
zu verstehen (die Heiligen Georg, Martin, Quirinus, Sigismund, 
Valentin und Ludwig IX.); wenige Jnhrzebnde später wären es schon 
eher jene unbestimmten römischen Heroen, welche an den Dogen- 
gräbern der Lambardi Wache zu halten pflegen. 



Die Ursprünge der modernen Baukunst und Deeoration, bei 
welchen wir dem innern Werthe und den Architekten zu Gefallen 
etwas umständlicher verweilen wollen, heissen in dei- jetzigen Kunst- 
sprachedie Renaissance. Schon die betreffenden Künstler selbst 
glaubten an eine mögliche Wiedergeburt der ganzen antiken Archi- 
tektur und ni'-ititi'n diesem Ziele wirklich sich /.u niilieni ; in der That 
aber bekleideten sie nur die von ihnen selbst geschaffenen Composi- 
tionen mit den antiken Detailformen. Die römischen Banreste, so 
grosse Begeisterung ihnen im XV. Jahrhundert gewidmet wurde und 
so viel reichlicher .ils jetzt fie auch vorbanden waren, gaben doch für 
die Lösung der damaligen Aufgaben zu w enige unbedingte Vorbil- 
der. Für mehrstöckige Hauten z. B. war man fast einzig auf die 
römischen Theater und auf das damals noch vorhandene Scptizoniuni 
Sevcri (am Fuss des Palatin) angewiesen , welches letztere denn aller- 
dings einen bedeutenden Einfluss ausübte ; für Prachtbekleidung von 
Mauern fand man nichts Besseres vor als die Triumphbogen. Von 
irgend einer Unterscheidung der Epochen war uoch nicht die Kede; 
man nahm das Alterthum als Ganzes zum Muster und berief 'sich auf 
das Späteste wie auf das Frühste. 

Es wird bisweilen bedauert, dass Brunelleseo und Alberti nicht 
auf die griechischen Tempel statt auf die Bauten von Rom sticssen; 
allein man vergisst dabei , dass sie nicht eine neue Compositions weise 
im Glossen, sondern nur eine neue Ausdrucksweise im Einzelnen 
von dem Alterthum verlangten; die Hauptsache brachten sie selbst 
mit und zu ihrem Zweck passten gewiss die biegsamen römischen. 
Formen besser. 



Vergl. des Verfassers: Gesclilchte i er Renaissance In Italien (in Biireklutrdt und 



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Ihre Eigenichaften und Epochen. , 167 



Die Renaissance hatte schon lauge gleichsam vor der Thür ge- 
wartet : in den romanischen Bauten Toscanft's aus dein XII. und XIII. 
Jahrhundert zeigt sieh bisweilen eine fast rein antike Dotailbildnng. 
Dann war der ans dem Norden eingeführte gothi sehe Styl dazwischen 
gekommen, scheinbar allerdings eine Störung, aber verbunden mit 
dem l'feilei*- und Gcwolbobau im Grossen und daher eine unvergleich- 
liche Schule in mechanischer Beziehung. Während man , so zu sagen, 
unter dem Vorwand des Spitzbogens dir schwierigsten Probleme be- 
wältigen lernte, entwickelte sich, wie oben erhiutert wurde(S. 125 fg.), 
das eigenthiimlich italienische Gefühl für Räume, Linien und Ver- 
hältnisse, und dieses war die Erbschaft, welche die Kcnnissance über- 
nahm. Sie wtisste dieselbe gar wohl /ai würdigen und Michelangelo 
hat nicht vergebens S. Maria novella „seine Braut" genannt. 

Für das XV. Jahrhundert kommt noch eine besondere Richtung 
des damaligen Formgeistes in Betracht. Der phantastische Zug, der 
durch diese Zeit geht, drückt sich in der ganzen Kunst durch eine oft 
übermässige Verzier imgslust aus, welche bisweilen auch in der Ar- 
chitektur die wichtigsten Rücksichten zum Schweigen bringt und 
scheinbar der ganzen Epoche einen wesentlich decorativen Charakter 
giebt. Allein die bessern Künstler liessen sieh davon im Wesent- 
liche-Ii nicht übermeistern; und dann hat auch diese Vcrzierungslust 
selber nach Kräften eine gesetzmassige Schönheit erstrebt; sie hat 
fast hundert Jahre gedauert ohne zu verwildern , und ihre Arbeiten 
erreichen gerade um das Jahr 1500 ilire reinste Vollendung. 

Wir können zwei Perioden der eigentlichen Renaissance trennen. 
Die erste reicht etwa von 1420 bis 1500 und kann als die Zeit des 
Suchcns Charakter isirt werden. Die zweite möchte das Jahr 1540 
kaum orreichen; es ist die goldene Zeit der modernen Architektur, 
welche in den grössten Aufgaben oine bestimmte Harmonie zwischen 
den Hauptformen und der in ihre Grenzen gewieseneu Decoration 
erreicht. — Von 1540 an beginnen schon die ersten Vorzeichen des 
llarockstyls, welcher sieh einseitig an die Massen und Verhältnisse 
hält und das Detail willkürlich als äussern Schein Organismus behan- 
delt. Auch die allerhöchste Begabung, in einem Michelangelo , Palla- 
dio, Vignola, Alessi, Richini, Bernini, hat nicht hingereicht, um 
etwas in jeder Beziehung Mustergültiges hervorzubringen; von 
ihrem unvergänglichen relativen Werth wird weiter die Rede sein. 



168 



Verhältnis nun Stoff. 



Es liisBt sich voraussehen, dass (He Renaissance noch lange in 
der heutigen Architektur eine grosse Rolle spielen wird. Durch 
ihren scheinbaren Mangel au Emst empfiehlt sie sich für jede Art von 
Prachtbekleidung; man glaubt mit ihr durch zu kommen ohne irgend 
eine Consequenz mit iu den Kauf nehmen zu müssen. Ich verkenne 
daneben nicht die erfolgreiche Bemühung geistvoller Architekten, 
die Formen der Renaissauce zu reinigen . sie namentlich mit der grie- 
chischen Protilirung in Zusammenhang zu bringen. Und wenn ein 
Torbild für Bauten, wie sie unser Jahrhundert bedarf, rückwärts 
und auswärt s gesucht werden soll, so hat dieser Styl, der allein ähn- 
liche Aufgaben ganz, .-citön Kiste, gewiss den Vorzug vor allen andern. 
Nur suche man ihm zunächst seinen Ernst und dann erBt seine spie- 
lende Zierlichkeit abzugewinnen. Man ergründe vorzüglich auch sein 
Vei-liälrniss zum Material; der gewöhnliche Baustein spricht sich 
eigen thiimlich kräftig aus; einen bestimmten Ausdruck des Reicb- 
th tinig wird man dem Marmor, einen bestimmten dem Erz, einen 
andern dem Holz, und wiederum einen verschiedenen dcmStucco zu- 
gemuthet finden; und zwischen all diesem bleibt noch ein besonderes 
(iebii't für die Malerei unverkürzt übrig. Ai'ussm belii>i'zigim>wi>iTii 
bleibt es, dass kein Stoff sich für etwas ausgiebt, was er nicht int. 
Es giebt z. B. keine falsche, von Mörtel nachgeahmte Rustica vor den 
mittlem Jahrzehnten des XVI. Jahrhunderts ; wer in den guten Zeiten 
der Renaissance nur mit Mörtel zu bauen vermag, gesteht es zu und 
begnügt sich mit der Derbheit der steinernen Fenstergewandungen 
und Gesimse. Aufgemalte Rustica kommt freilich schon frühe 
vor, allein dann in rein di-comliYciii Sinne, nicht mit der Absicht zu 
täuschen. (Ein sehr frühes Beispiel, vielleicht noch aus dem XIV. 
Jahrhundort, am Palast Conte Bardi in Floreuz, via del foaso, 
N. 3). Sie ist auch ganz anders behandelt als das, was etwa an 
modernen Häusern von dieser Art (mit Schlagschatten etc.) hinge- 
malt wird. 



Einzelne grosse Befangenheiten hängen selbst den florentinischen 
Baumeistern an. Die Ecken ihrer gewölbten Räume z. B. bedurften 
entweder gar keiner besondern Form oder aber eines vortretenden 
Pfeilers, auf welchem dann die von beiden Seiten her kommenden Bo- 



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Ihre Mängel. 



169 



gen , die Träger des Gewölbes ruhten ; wenigstens eines abschliessen- 
den Pilasters. Statt dessen schlug man oft einen Mittelweg ein und 
Hess einen ganz schmalen Pfeilerrand mit einzelnen Bestandt heilen 
eines Capitäls aus der Ecke hervorgucken. lieber die äussere Be- 
kleidung der Kirchen , abgesehen von der Fassade , ist man erst spät 
ins Klare gekommen. Die Profilirung hat lange de« Charakter der 
Willkür und trifft das Wahre und Schöne mehr durch unbewussten 
Takt als vermöge eines Systems. In der Behandlung der Kranzge- 
simse kommen unglaubliche Schwankungen vor. An den venezia- 
nischen Bauten geht bisweilen durch die grüsste Pracht ein auffallen- 
der Mangel an organischen Gedanken hindurch. Das Gefühl für 
schöne Verhältnisse der Flächen zu einander, für schöne Contraste 
ihrer Bekleidung (durch Rustica, Pilaster u. s. w.) macht gar oft einer 
blossen eleganten Einrahmung Platz, die alle vier Seiten mit dem- 
selben zierlichen Profil umzieht und sich weiter um nichts kümmert ; 
so z. B. an manchen oberitalischen Bauten u. s. w. 

An allen Enden offenbart sich der Hauptmangel dieses ganzen 
Styles: das Unorganische. Die Formen drücken nur oberflächlich 
und oft nur zufällig die Functionen aus, welchen die betreffenden 
Bauthcile dienen sollen. Wer aber auf dem Gebiet der Baukunst nur 
in dem streng Organischen die Schönheit anzuerkennen vermag, hat 
auf dem italischen Festland« mit Ausnahme der Tempel von Pästnm 
üherhaupt nichts zu erwarten; er wird lauter aligeleitete und schon 
(Icsshalh nur wenig organische Style vorfinden. Ich glaube indess. 
dass es eine bauliche Schönheit giobt, auch ohne streng organische 
Bildung der Einzelformen; nur dürfen letztere nicht widersinnig ge- 
bildet sein, d. h. ihren Functionen nicht geradezu widersprechen; es 
darf i. Ii. nicht das Schwere auf das Leichte gesetzt , nicht das eon- 
struetiv Unmögliche durch künstliche Mechanik erzwungen werden. 
Wo ein Reiz für das Auge vorliegt, da liegt auch irgend ein Element 
der Schönheit; nun übt offenbar ausser den schönen, strengen For- 
men auch eine gewisse Vertheilung der Grundflächen (Räume) und 
Waudflächen einen solchen Reiz aus, selbst wenn sie nur mit leid- 
lichen, widerspruchslosen Einzelformen verbunden ist. Ja, es werden 
Aufgaben gelöst, Elemente der Schönheit zu Tage gofördert, welche 
in den beiden einzigen streng organischen Stylen, dem griechischen 
und dem nordisch- gothischen, nicht vorkommen, und sogar nicht 
vorkommen konnten. Was insbesondere die Renaissance, sowohl 



170 



Renaissance. Entwürfe. 



die frühere als dio spätere, in dieser Beziehung Grosses geschaffen 
hat . soll im Folgenden kurz angedeutet werden. 



Natürlich blieh auch in der Blüthezeit der Renaissance das Hoste 
und Grossartigste unausgeführter Entwurf. Wir erfahren durch 
XiicliL-icht™, auch wollt durch Zeichnungen welche die frriisstc Sehn- 
sucht rege machen, wie Bruntltesco einen grossen Palast für dio Mc- 
dieeer, Bosdlino eine neue Peterskirche saiumt Umgehung tmd Re- 
sidenz, lintmtuite einen neuen Vatican entwarf, zahlloser anderer 
Projekte der grüssten Meister nicht zu gedenken. Die Sammlung der 
llaudzeidimingen in den Uffizien enthält von dieser Gattung wenig- 
stens einiges vom Wichtigsten. [Namentlich die neuerdings geord- 
neten Plane von S. Peter]. Für Architekten, welche mit der oft nur 
andeutenden AiiMlnicksweise des Zeichners, namentlich mit den per- 
p]icctivischen Ilalban sichten von Interieurs raach vertraut sind, hat 
die Besichtigung derselben einen grossen Werth. Eine faesimilirte 
Herausgahe des Besten würde sich gewiss lohnen. 

Noch eine andere Quelle kann Tins das Bild dieses Styles ergänzen 
helfen. So reich auch eine Anzahl besonders kleinerer Gebäude mit 
dem heitersten Sehmuck ausgestattet ist , deren Venedig vielleicht 
die zierlichsten enthält, so konnten doch Marmor und Erz nicht alle 
I'hiuit;t;iieii verwirklichen, denen sich die decorative Neigung des XV. 
Jahrhunderts hingab. Wer auch diese Phantasien kennen lernen will, 
betrachte die in vielen damaligen Bildern dargestellten Baulichkeiten ; 
sie sind bunt, überladen, bisweilen unmöglich, und doch nicht nur 
oft von grossem Beiz, sondern auch zur Kenntniss des Baugeistos 
jener Zeit unentbehrlich, wobei nicht zu vergessen ist, dass viele 
Maler zugleich Baumeister waren. Mantegna und seine ganze Schulo 
ist sehr reich an Hintergründen von Hallen mit Reliefs ; von den 
Ferraresen ahmte ihn M»-;oh»o hierin mit Uebertreibung nach; 
PitUiiricchio ergiebt durchgängig Vieles, Dom. Ghirhmilajo Einiges 
und Gutes (Chor von S. M. novclla in Florenz); selbst ein Maler 
dritten Banges wie Domenico tti Bartolo verleiht seinen Werken 
(Fresken im Hospital dclla Scala zu Sien«) ein grosses Interesse 
dureh solche Znthaten. Sandro llotticelli und Filippino Lippi waren 
vollends unermüdlich darin. Vorzüglich aber offenbaren die Fresken 
des BenoszQ Gozioli im Campo santo zu Pisa den Geist der Renais- 



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IdealdaratellungMi von Gebändelt 



171 



sanecbauten in reichem Masse. Ausserdem mochte ich noch auf die 
kleinen Legendenbilder aus der Sacristei von S. Francesco de' Con- 
ventuali zu Perugia (Pinakothek N. 20(1 fg.) aufmerksam machen, 
welche einen ganzen Curaus idealer Renaissance ohne Phantasterei ge- 
währen. [Ferner Perttgino's Schlüsse lamt in der Sixtina]. In Rafaek 
Sposalizio (Brera in Mailand) findet sich dann ein gesetzmiissig schönes 
Zuammen wirken jler geschichtlichen Composition und des baulichen 
Hintergrundes, welcher hierauf rasch seinen iilim-eiehen Schmuck 
verliert und in die Dienstbarkeit des malerischen Ganzen tritt. Daneben 
scheidet sich (schon mit Dahin s.'virc l'eriizSs Malereien im ersten obent 
Saal der Faraesina in Eom) eine sog. Prospeetmalerei als eigene 
Gattung aus. 

Mehrere der grössten Historienmaler haben iudess fortwährend 
dem baulichen Hintergrund alle Sorgfalt zugewendet., wo der Gegen- 
stand denselben irgend zulicss. So. vor allem Bafael, welcher schon 
wegen der Räumlichkeit der „Schule von Athen" und des „Hoiio- 
dor" den grössten Architekten beizuzählen sein würde. Daun zeigt 
sich Andrea äelSarto in seinen Fresken (Vorhalle der Annunziata zu 
Florenz) als qin Meister einfach edler Baukunst. Von den spätem 
sind die Venezianer in dieser Beziehung am reichsten ; Paul Veronese 
zumal, obschon alle seine Praehthnllcn das einzige Gebäude der 
Schule von Athen nicht aufwiegen. In der Zeit der entarteten Kunst 
nahm dieser Bestandtheil der Malerei schon als Hillfsmittel der Hlusion 
einen neuen, beträchtlichen Aufschwung und unsere bedeutendsten 
Historienmaler könnten wohl einen Pater Poixi, einen Luca Giordano 
und dessen Schüler um ihre ungemeine Fertigkeit in der Linien - und 
Luftperspcetive architektonischer Gründe beneiden. 

Sehr edel, obwohl etwas kait, ist die Architektur in den Bildern 
Nie. Pmunn's (auch wohl Claude Lorrairis) gestaltet. 

Ausser den Gemälden sind auch die Intarsien (eingelegten Holz- 
arbeiter) an den Chorstiihlcn mancher Kirchen sehr belehrend ; mit 
Vorliebe wurden darin architektonische Ansichten dargestellt, oft 
'von reicher, phantastischer Art; die besten vielleicht in S. Giovanni 
in Parma. Auch wo die Intarsien geschichtliche Scenen enthalten, 
sind die baulichen Hintergründe bisweilen wichtig; so an den Chor- 
stühlen von S. Domenico in Bologna. 



172 FrührenaiBsance. BruneHesco. Dom von Florenz. 



Der erste , welcher nach emsigem Studium der Ruinen Roms, mit 
vollem Bewusst sein dessen was er wollte, die Bau formen des Alter- 
thums wieder ins Leben rief, war bekanntlich Filippo Briinellescn 

n von Florenz (1377— 1446). Die Kuppel des Domes, als grösstes 
mechanisches Meisterwerk alles bisher (1421) geleistete üherbii teinl. 
ist für die grosse Stylveränderung die sich an Brunelleseo"s Namen 
knüpft, wenig bezeichnend; die äussere Decoratiijn an der einzijrui. 
Seite des Achtecks , wo sie wirklich ausgeführt ist, rührt von Boens 
d'Agnolo her, und die Lauterna ist ebenfalls später. — Arnolfo, der 
ursprüngliche Baumeister, scheint (S. 140) eine nicht sehr hohe 
Klippel beabsichtigt zu haben, welche die drei Arme des Kreuzes 
nur massig überragt hätte; erst Brnnelleseo erhob den Cylinder 
(sog. Tambour) mit den Rundfenstern und darüber die gewaltige 
Spitzkuppel. In der Wirkung steht sie tief unter der Kuppel von 8. 
Peter; allein die Vergleichung ist eine ungerechte. Fürs Erste würde 
sie ohne die abscheulichen Malereien der Zuccheri, mit einer ein- 
fachen, dem Organismus folgenden Decoration in heller Färbung, ') 
einen ganz andern Anblick von innen gewähren und nicht mehr einer 
flachen dunkeln Decke gleichen; sodann ist hier zum erstenmal der 
Cylinder bedeutend behandelt und eine Aufgabe der Construction 
gelbst, welche man später sowohl mechanisch überbieten als auch in 
reichern und freiernFomien ausdrücken konnte, welche aber das erste 
Mal am schwierigsten war. Brunellesco war zudem auf alle Weise 
durch Arnolfo's Unterbau gebunden. 

b Während des Donibaues begann Brunellesco auch S. Lorenzo 
(1425). Auf einmal wird die Form einer Basilica oder Säulenkirche 
in einem neuen und edeln Geiste belebt; die Säule erhält wieder ihr 
Gebälkstück und ihre antike Bildung, die Bögen ihre verzierten Pro- 
file ; den gewölbten Seitenschiffen schliessen sich die Capellen als 
niedrigere Nischen reihenweise an, alles mit streng durchgeführter 
Bekleidung von Pilastern und Gesimsen, dergleichen damals wohl 
noch an römischen Nischenbauten erhalten war. Die Decke des 
Haupt- und Querachittes (wohl nicht mehr die alte) ist flach; über der 
Kreuzung eine einfache Kuppel ohne Cylinder, welche weislich keinen 
Anspruch macht , da sie bei ihrer Kleinheit die Kirche doch nicht be- 
belien-schen könnte. Die reichen Rundformen Bpnrte Brunellesco für 



') Bruirellcico seibat beibuldillgte allerdings eino Mojaicirung. 



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E. Lorenz». S. Spirito. Cap. de' Paizi. 173 



die Sacristei auf, welche über ihrem Quadrat eiue polygonc niedrige 
Kappel nnd über dem zierlichen Ausbau fiir den Altar eine kleine 
Flachkuppel hat. — Aussen am Oberschiff ein regelmässiges römi- 
sches Gebälk über der sonst glatten Mauer ; lirunellesco konnte sich 
auf die Römer berufen, welche ebenfalls die Gcbälke über blosse 
Mauern hingeführt hatten (Tempel des Antonin und der Faustina). 
Die Fassade, fiir welche nach lirunellesco auch Iiafael und Michelan- 
gelo Entwürfe machen mussten, ist vor lauter grossen Absichten 
ein Rohbau geblieben. Auch der erste Klosterhof soll nach Brunel- 
lesco'is Entwurf gebaut sein. 

Längst nach Brun eil esco's Tode (1470) wurde eine zweite Basilica 
S. Spirito, nach seinen (wie man glaubt, sehr frei benutzten) Zeich- 
nungen begonnen. Hier sind die Cap ellonni sehen mit den Nebcn- 
schiffen gleich hoch und dafür wie für alles Detail ist Brunellesco 
kaum verantwortlich zu machen. (Die übertrieben grossen Portal- 
akroterien; das Zusammentreffen zweier Fenster in einer Ecke aussen!) 
Auch die kleinliche Kuppel mit Cylinder über dem Kreuz (die er an 
S. Lorenzo vermied) ist vielleicht nicht sein Gedanke; wohl abor die 
Herumfilhrung der Nebenschitfe um Querbau und Chor, trotz der oft 
getadelten Zweitheiligkeit der Abschlüsse. Unser Auge ist an 
ScMu ss- Intervalle von ungerader Zahl zu sehr gewöhnt, um dieser 
Freiheit leicht gerecht zu werden; an sich ist der perspectivisclie 
Durchblick dieser hintern Theile sehr schön. 

Für die ganze Entwicklung der Renaissance von grosser Bedeu- 
tung ist die Capelle des Geschlechtes L'azzi, im vordem Ktosterhof 
von S. C'roce in Florenz. Die polygono Flachkuppel mit Rundfenstern 
iiher deni griechischen Kreuz ist in dieser Geseilt eiue Lieblings form 
von Brunellesco's Nachfolgern geworden. {Giuhano da San Gallo 
ahmte sie u. a. nach in der Madonna delle Carceri zu Prato.) Höchst 
anmuthig ist die Vorhalle, ein Tonnengewölbe auf Säulen, in der 
Mitte durch einen Hauptbogen und eine Kuppel mit glasirten Casct- 
ten unterbrochen. (Sie gab u. a. Ventura Vitoni das Motiv zur 
Vorhalle der Umiltä in Pistoja.) Obwohl vernachlässigt und unvoll- 
endet wird dieses Gebäude, abgesehen von den Reliefs des L. dclla 
Robbia, immer als einer der reinsten Klänge, aus dem XV. .fahr- 
hiuulert wirken. (Das Innere schwer sichtbar, da die Pazzi den ein- 
zigen SchlUssel besitzen.). [1867 bei Ca valier e Guglielmo de' Pazzi, 
Borgo la C'roce 13.] 



174 FrühronaisBance, Brunellesco. Hallen und Höfe. 



Ab städtischer Zierbau ist diu Halle des Findelhauses auf 
Piazza doli 1 Annunziata (links, von der Kirch« kommend; ein wahres 
Muster ansjuiielilnser Schönheit. 10s sollte keine Wacktlialle und 
kein politischer Sauimelort, sondern nur ein weiter, sonniger Warte- 
raum sein, der nun mit seiner harmlosen Decoration {den Medaillons 
mit den Wickelk indem des Luca dclla llobbia) und semein einfachen 
alicin Stockwerk die anluuthigste Wirkung macht. (Der Hof wohl 
nicht von Brunellesco, aber auch nicht viel später.) — Die Halle 
gegenüber eine Nachbildung von Antonio da Sanijallo d. ä. — ür- 
spriluglii'U von lirunelle.sca, ah er mehrfach verändert: die Halle auf 
Piazza S. Maria novella; — dieser und der vorigen wenigstens sehr 
ähnlich: die vermauerte Halle an der Via S. Gallo, welche jetzt die 
Rückseite der Dogana bildet. 

Von den vollständigen Klosterhöfen glaube ich, nach Fan- 
to//.i's Vorgang, dem llmaeileseo den zweiten Kreuzgang von Santa 
Croce in Florenz mit Sicherheit beilegen zu dürfen. Es ist einer der 
schönsten der. Renaissance, mit vollständig durchgeführten Bogeu- 
profilcu und Gesimsen, die Füllungen liiit Medaillons; das obere 
Stock« ork flach gedeckt auf Säulen mit treulichen Consolen. — An 
Bauten dieser Art gab Brunellesco den Säulen kein Gebälkstück, 
weil die dünnen und zarten Verhältnisse des Ganzen dadurch über- 
trieben worden waren und weil die Höhe wohl eine gegebene war. 

Wie Brunellesco, allerdings mit reichlichen Mitteln von dem 
grossen Cosimo ausgestattet, eine landliche Chorherrnresidenz als 
Villa gestaltete, zeigt die sog. Badia am Fuss des Berges von Fie- 
sole, eine halbe Stunde von Florenz. (Architekten, welche wenig 
Zeii übrig haben, dürfen eher Fiesole selbst als dieses Gebäude über- 
gehen.) Ks ist ein iniregeliiiaVsig sciiiiiien. dem !Iev:;abliang folgendes 
Aggregat von Einzelbauten; ein reizender oblonger Hof, die untere 
Halle gewölbt, die obere (im vermauert) flach gedeckt; gegen Süden 
hinaus nach dem Gerten eine Halle, deren oberes Stockwerk beson- 
ders schone l'iuisuleu über den .Säulen hat : die übrigen Bäume unten 
saimntlich gewiilbt. mit Waikkapitälen oder Consolen; — nur einfach 
entwickelt und ohne die Verfeinerung der letzten Zeiten des XV. 
Jahrhunderts aber nun und schon erscheint das Dccorntive, wie z. B. 
die Kanzel im Kefcctorium und der Brunnen in dessen Vorsaal; - 
die Aussemunuem durchgängig glatt und nur mit den noth wendigsten 
Gliederungen versehen. — Die Kirche, an deren Fassade ein Stück 



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Badia von Fiesole. Fol. Pitti. 



175 



des altern Baues im Styl von S. Miniato beibehalten ist, bildet ein 
einsehifliges Kreuz mit Tonnengewölben , über der Kreuzung selbst 
mit einem Kuppel segm o u t ; Alles ist mit absichtlichster Einfaehheit 
behandelt; die Xebenenpellcn offnen sich als besondere Kaum e mit 
]>csondoni Pfonen a-e^en d:is Liiiigscliiff; das Acusscre ist glatt mit 
v>i'iiiuvi] \V;indsircitVn um! sparsamen Consolcn; die ganze Kirche 
einzig schiin in ihrer Art. (Vgl. S. 85, c. 107, c.) 

[Sicht von Br. aber in seinem Geist die Madonna di fuori in a 
Empoli; vollständige eigenartige Central- Anlage; Krenzform der 
Kirche innerhalb inner umgebenden Halle, aehlseitige Kuppel über 
der Vierung.] 

Endlieh entwarf und begann Jirunellcsco den Palazzo Pitti b 
lion^eführt viin L. Faiicc'ii, di'r Hof von Auniutnttto, die Vorbauten 
ans neuer Zeit; das Innere durchgängig später cingetbeilt als die 
Fassade). Vor allen Profan gehäuden der Erde, auch viel grössern, 
lad dieser Palast den höchsten bis jelzt erreichten Eindruck des Er- 
habenen voraus. Seine Lage auf einem ansteigenden Erdreich und 
seine wirklich grossen Dimensionen begünstigen diese Wirkung, im 
wesentlichen aber beruht sie auf dem Verhüttniss der mit weniger 
Abwechselung sieh wiederholenden Formen zn diesen Dimensionen. 
Ihm fragt sieh, wer denn der weltverachtcndc f-ieivii.lt mensch sei, (1er 
mir solchen Mitteln versehen, allem bloss Hübschen und Gefälligen 
su ans dem Wege gehen mochte?— Die einzige grosse Abwechselung, 
nämlich die Üesclu-änkung des obersten' Stockwerkes auf die Mitte, 
wkkr allein schon eoiossal und gie.br. das Cefiilil, als hatten beim 
Venheilen dieser Massen ilbertnenschlicbe "Wesen die liechnnng ge- 
führt. (Man vergleiche z. II. die beträchtlich grossere l''assado des c 
l'ahistts von Caserta zwischen Capua und Neapel, von Vanritelli.) 

Aber Bninellesco verstand auch den reizvollsten Zierbau, wie 
der Pal. Quaratcsi (ehemals Fazzi, Via del Proeonsole, N. 10) be- d 
weist. Diu Fenster der Fassade und des :uif Itogcnhalk'n ruhenden 
Hofes sind mit Laubwerk cingefasst, die Uogenfü Hungen mit Me- 
daillons verziert, welche antike Kopfe enthalten ; liustiea nur am »in- 
tern Stockwerk, dessen Ausseuselte offenbar einem altern Hau ange- 
hört. Die Capititlc im Hof mit Delphinen und t'audelabern. 

Von den antiken Capitalen hat lirunellesco mit Vorliebe die ein- 
fachem Formen der korinthischen und der Coinpositn-Ordnung nach- 
geahmt, und 'zwar in eigcnthüml icher Umgestaltung; für die obern 



J 

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176 



FrührCEaiäsance. Bnraellewo. Micbelozzo. 



Stockwerke brauchte er die ionische, freilieh nach sehr geringen 
römischen Vorbildern , worin der Missverstand überwogen haben 
muss. Von dein vollständigen korinthischen Capital hatte er einen 
nur mangelhaften Begriff und bildete z. B. die Stengel der Mitte 
ebenso zu Voluten ans wie die der Ecken. (Cap. Pazzi, Findeüunis, 
selbst S. Loren zo '). 



Was Brunollcsco angefangen hatte, führte der Florentiner 
Miclielozzo weiter, nicht mit bahnbrechenden, genialen Neuerungen, 
wohl aber mit vielem Verstand und Geschick für die Behandlung Am 
einzelnen Falles im Verhältniss zu den vorhandenen Mitteln. Er er- 
baute den gewaltigen PalnzzoEiccardi (damals Medici) und stufte 
dabei zum erstenmal die Eustica nach Stockwerken ab , vom Kobern 
zum Feinern. Wohl sehen die zierlichen Fenster der zwei obern 
Stockwerke etwas gedrückt ans zwischen dem Ungeheuern Quader- 
bau des Erdgeschosses und dem grossen Hauptgesimse ; wohl sielt 
man den Baumci.sffi' bei der ISch.i.ntllimg des erwähnten Hauptgesim- 
ses schwanken und irre gehen sowohl in dcnFormen als in der Dimen- 
sion; allein ohne diesen l'alast hätten Bern. Rosellino und Benedeito 
da Majano später die ihrigen nicht zu Stande gebracht. Der Hof mit 
seiner Säulenhalle, den beiden Gesimsen drüber und den rnndbogijen 
Fenstern der obern Stockwerke ist das Vorbild für zahllose Hof- 
bauten des XV. Jahrhunderts geworden. (Von einem fiir Cosimo in 
in Mailand errichteten Palast , jrt/.t (_';isa Vismara, nur das Fortal nai 
dio Halle des ersten Hofes erhalten). 

Miclielozzo selbst bildete den vordem Hof des Palazzo vec- 
chio ähnlich, nur mit Ausnahme der stärkern untern Stützen (deren 
St uc coverzier ung übrigens sammt dem ganzen Arabeskenwerk der 
Gewölbe erst vom Jahr 15G5 ist). Der Hof des Pal. Corsi (ehemals 
Tornabuoni, unweit Pal. Strozzi) hat unten eine sehr geräumige 
Säulenhalle (C'omposita) mit stark überhöhten Bogen, dann ein Ge- 
simse mit Medaillons und Fenster, endlich oben eine offene Halle 
(korinthisch). Die Villa Eicasoli bei Fiesole zeigt nur noch in ihrer 
S. Michael sea pelle, die nahe Villa Mozzi nur noch in ihrer allgemeinen 



eine formloat Ruine gqblteben. ' 



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Florentiner Bauten des XV. Jahrhunderts. 177 

Anlage die Erfindung Michelozzo's; in der letztem hat die hübsche 
untere Halle eine viel spatere Bekleidung. 

Die Kloaterbanten Michelozzo's sind einfach und zeichnen 
sieh neben denjenigen BruneUesco's auf keine Weiae aua. In S. 
Croce gehört ihm das (völlig schlichte) Noviziat, der Gang bei der 
Sacristei {mit stattlichen halbgothischen Fenstern) und die an dessen 
Ende gelegene Capelle Medici. Im Dominicanerkloster S. Marco sind 
von ihm beide Kreuzgänge und mehrere Treppen nebst der Sacristei, 
bei deren Bau er sieh gewiss mit sehr Wenigem bchelfen musstc. 



Da im Ganzen die von Michelozzo ausgebildete Bauweiso ihre 
Herrschaft in Florenz sehr lange behauptete, so wollen wir eine An- 
zahl Bauten , deren Urheber nicht genannt werden , gleich bei diesem. 
Anlass aufzählen. — Von Klöstern erinnert das sehr einfache 
Monte OKveto (vom Jahr 1172, vor Porta S. Frediano) am unmittel- 
barsten an des Meisters Styl; die Kirche wiederholt das Motiv seiner 
Saoristeien und Capellen in grösserm Maasstabe: Kreuzgewölbe auf 
Wandeonsolen und ein Chorraum mit niedriger Kuppel ; der ionische 
Klosterhof ist wohl etwas neuer. — Die Klosterbauten der Badia, he- a 
sonders der vordere vermauerte Säulengang mit zwei trefflichen Ca- 
pellen und ein hinter der Sacristei gelegener reizender kleiner Hof 
mit gewölbter ionischer Doppelh alle acheinen von zwei verschiedenen 
Architekten herzurühren. — Von mehrern Meistern, deren aber keiner 
genannt wird, aind die vier Höfe der sehr sehenswerthen Ccrtosa, eine o 
starke halbe Stunde vor Porta Homana; der zweite ist eine der reizend- 
sten kleinen Doppelhallcn ; der vierte oder Gartenhof liefert den merk- 
würdigen Beleg, wie sehr bisweilen auf Bemahing der architekto- 
nischen Glieder mit Arabesken (hier weiss auf braun) gerechnet wurde. 
Die (neuere) Hauptkirche selbst gering und ungeschickt — Vom An- t 
lang des XVI. Jahrhunderts der kleinellof des 8 calzo (unweit S. Marco), 
phantasievoll in wenigen Formen durch die blosse Stellung der Säulen. 
— Ein anderer artiger kleiner Hof alsEingang derConfrat. diS.Pietro g 
martire (unweit der Annunziata, selten offen). ') — Ein Klosterhof bei Ii 
S. Girolamo 1528. — Baulich nicht bedeutend die beiden Höfe von i 
Ognissanti ; in den vordem ragt das linke Querschiff der Kirche auf 



') [Schliiasel beim Schuhmacher VI» S. ScbMÜaiiQ 1. — IBM.] 
Bur/ihardt, detrimt. 12 



178 Frührenais 5ancc. Florenz. Kirchen und Klöster. Paläste. 



s gothischen Itogen malerisch herein. — Die drei kleinem. Hofe von 
S. Maria novella, aus verschiedenen Zeiten des XV"- Jahrhunderts. — 
ii Der zweite Klosterhof al Garmine (1490), unten gewölbt, oben mit 
c flachem Gebälk aufOonsolen, beide Stockwerke ionisch. — Die Kirche 
d Sau Feiice, vielleicht von Miehdozto selbst. — Die zierliche Sacristei 
e von S. Felicitä (1470), mit besondere hübschem Chörchen. — Der 
f schöne Vorhof der Annunziata, möglicher Weise von dem ältem 
Antonio San Gallo (s. unten), von welchem der mittlere Bogen an 
deren Aussenhalle herrührt. (Der Rest dieser Anssenhalle erst seit 
■ 1G0O von Caccini.)] 

VonPalästen und Privatgc bänden ') dieses Stylcs sind hier zu 
s nennen: Pal. Giugni-Canigiani (Via de' Bardi N. 24) mit einem Hof 
auf ältem Pfoilern, welche zum Theil WUrfelcapitälc tragen; die 
Treppe mit ihrem Geländer von ionischen Sänlchen gewährt einen 
malerischen Anblick. (Der Ausbau gegen den Garten XVI. Jahr- 
hundert.) — Der cinfacli malerische Hof von Pa). Ccrchi (borgo S. 
Ii Jacopo N. 7.) — Derjenige von Pal. Casamurata (Via delle Pinzo- 
i chere N. 3). — Aus späterer Zeit und sehr stattlich; Pal Magnani, 
k ehemals Ferroni (Via de' Serragli N. 0). — Etwa gegen 1500; zwei 
i Höfe des Pal. Cepperello (Corso K. 4) mit weit gespannten dünnen 
Bogen auf Composita-Säulen und zartem Detail. — Ungefähr aus 



') Von den Landhäusern der Frtih-Renaiasance um Floronz Lüben die freiwilllgta 
Domolitioncn von 1530 vor der spanischen Belagerung wohl das Beate zernichtet. ])« 
j;-h;liKii.; mnfcr oüe: wcni.ji'r n:n-chiiut. Villi Mic!itla::i uder Bellosgunrdo hat noch 
die untere Halle; Boggle a Cajann, in grösserem uml fri'knmi styl flir Lorenio Magnl- 
fleo von Oiuliano da Stmgallo. — Den Architekten Ist die Wanderung vor sümmtllohcii 
Thoren der Stadt In müglichat weitem Umkreis dringend aniuompfehlon. Von den 
stattlichen (nur nunatuniweiae piicbtlgeu) Villen bis zum Bauernhause herab werden 
alo hier eine Fülle lundlieh-schSner Baugedaukan. antreffen , die eben nur In der 
Helmatn der modernen Baukunst so beisammen sind. Was in der römischen Umgegend 
vorhanden Igt, zeigt thells mehr den schloas-nnd palastartigen Charakter, thcils mein 
bäurische Formlosigkeit Wo Gebäude unr Neapel sind bei oft grossem malerischem 
Reiz insgemein klein und formlos, diejenigen um Genna auffallend itldtlaoh. Dk 
Villen der Vcuojlnucr an der Brontn, zum Tbcil Anlagen der Palladlo, sind dem Ver- 
mehr praktisch Anregendes i i Jk-.T t;ittmig besitzen als das ganze übrige Italien. 
Dach muss euch den Villen In der Brlanza und um Varose (nljrdlich von Mulland) Im 
Garnen ein schöner, echt ländlicher Stil zugestanden, werden. Ej ist überhaupt ein 
Irrlhum zu glauben, dass die malerische Bauweise in Italien südwärts unbedingt zu- 
nehme; die subalpinen Thüler und Ortschaften enthiiltcn schon Manches, das slldlldi 
nicht mehr schöner und nicht häufig so schön vorkömmt. 



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179 



derselben Zeit der Hof des Pal. Incontri (Via de Pucci N. 1). — a 
Ebenso Pal. Ginori (Via de' Ginori N. 11), dessen Aiissenseitc b 
schon dem unten zu nennenden Pal. Guadagui entspricht. ') [Palazzo 
Corsini, Borgo S. Croec N. 6.— Das Haus Via dei Bardi N.27. — Casa, 
Bomanelli, Lnng' Arno Guieeiardini Et. 7. — Pal. Vitali, Borgo degli 
Albizzi N. 26, hinter dessen Fassado des Ammanati sich eine reizende 
Anlage dieser Zeit findet. — Kleine aber reizende Fassade am klei- 
neren Pal. Corsi, hinter S. Gaetano, Via Teatina 956. — Hübscher 
Hallonhof Via dei Neri 27.] 

Die im Ganzen vorherrschende Form ist: Säulenbau um den Hof 
iwlcr um einen Theil desselben; an der Wand Consolen, in deren Bil- 
dung jeder Architekt neu zu sein suchte; an einer Seite des Hofes 
ein vorgewölbter Gang im ersten Stock-, die Gesimae, eines über den 
Bogen und eines unter den Fenstern, sehr massig; ihr Zwischenraum 
(jft mit Medaillons, Wappen u. dgl. verziert und ebenBO auch die Bo- 
gen fii Hungen über den Säulen ; die Fenster der obem Stockwerke bis 
zu Anfang des XVI. Jahrhunderts fast durchgängig halbrund; die 
Treppen mit Tonnengewölben und fortlaufenden Gesimsen ; alle Aus- 
läufe von einzelnen Gewülbckappen durch das ganze Gebäude auf 
Consolen gestützt. (Dies gilt auch von den Klosterbauten). Durch- 
gängig ist das Bedeutende mit mässigen Mitteln geleistet. 

Als einzelnes kleines Prachtgebäude ist hier einzuschalten die an 
S. Mimato angebaute strengschöne Grabcapelle des Cardinais von 
Portugal (f 1450), von Antonio Rosadlino, welcher sonst vor- c 
ziigh'ch als Bildhauer berühmt und von seinem Bruder Bernaräo 
(s. unten) au unterscheiden ist. 



Kocli ganz der frühem Itemu'ssancc gehört auch der grosse Flo- 
rentiner Leon Bathta Albcrti an (geb. 1405). Er ist der erste eney- 
cl'-'} Plüsche Theoretiker der italienischen Kunst, ausserdem aber 
auch einer der ersten Architekten seiner Zeit. Sein wichtigstes Ge- 
bäude, die Kirche S. Francesco in ttimini (1447), eigentlich nur a 
Ausbau einer gothischen Klosterkirche, deren Bogen im Innern er 

») Der alte unvollendete l'alas! iu der Vin dollc Tenne, vorgeblich von Bnmelkaco * 
begonnen i ist erst im vorinen Johrhundcrt min Pnlnzio dei Commnne gemacht worden. 

12* 



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180 



PruhronaiBSiinM. L. B. Älberti. 



hloss im neuen Styl Ubetkleidete, zeigt in der Fassade als besonderes, 
maskirendes Prachtstück behandelt (ausgeführt nur bis etwas Uber 
das Erdgeschoss) und in den Aussenseiten höchst originelle und 
eigentümlich schöne Formen, In Mantua ist an S. Andrea noch 
die von ihm angegebene Grundform, namentlich in der edeln Vor- 
halle, doch nur mit grossen Veränderungen erhalten; die Fassade 
erstes Beispiel einer erzwungenen scheinbaren Tempelfronte. In 
Florenz rührt der grosse runde Chorbau der Annunziata von 
ihm her (durch totale Verkleidung und Vermalung im Barockstyl 
unkenntlich gemacht; doch mögen die gewölbten untern Capellen 
sich von jeher unschön mit dem grossen Rund geschnitten haben; 
die Kuppel ohne Lanterna). An der reich-incrustirten Fassade von 
S.Maria novella musste er sich einer schon begonnenen gothischeu 
Decoration anschliessen , deren sehr leise Gliederung ihm joden nach- 
drücklichen plastischen Schwung verbot und ihn zum Ersatz durch 
Mosaicirung nüthigte; am untern Stockwerk ist die ungemein schöne 
mittlere Thür mit dem cassettirten Bogen von ihm ; im ober« Stock 
gab er das erste bedenkliche Beispiel jener falschen Vermittelung 
mit dem untern mittelst verzierter Voluten, wahrscheinlich weil ihm 
die von beiden Seiten angelehnten Halbgiobel (dio er doch in Kimini 
brauchte) zu der sonstigen decorativen Haltung des Ganzen zu 
strenge schienen. Sein schönstes Bauwerk in Florenz, der Pal. 
Ruccellai (Via della vigna nuova Nr. 20), zeigt zum erstenmal die 
später so beliebt gewordene Verbindung von Rustica und Wand- 
pilastern (die Rustica sehr gemässigt nm dio Pilaster nicht zu über- 
tönen) in allen drei Stockwerken; auch dio dreibogige Loggia 
gegenüber ist von ihm. Im Auftrag derselben Familie errichtete 
Alberti 1467 in der nahen Kirche S. Pancrazio (jetzt Assisonhof, 
Via delle arme N. 10) den köstlichen kleinen Zierbau des „heiligeu 
Grabes". An Pal. Stiozzi-Ridolfi [jetzt Orloff], ehemals auch der 
Familie Ruecellai gehörig, ist von Alberti's Bau nichts mehr erhalten. 



Ehe weiter von der florentini sehen Architektur die Rede sein 
kann, müssen wir einen Blick auf Siena werfen, dessen Bauten 
gerade für die Zeit von 1450 an besonders bezeichnend sind. Ich 
schreibe das Folgende nur für geübte Augen, denn wem nur riesen- 



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Eiena. 18 1 

hafte Massen oder dccorativer Reichthum einen Eindruck machen, 
für den ist in Siena ausser dem -Dom Uberhaupt nicht viel zu ge- 
■nicssen. Ganz besonders entrieht sieh die mässige Frtihrenaissancc 
an kleinen Bauten dem flüchtigen oder Abgestumpften Blick. 

Es sind hauptsächlich die Baumeister des Acneas Sylvias Picco- 
lomini (Pins II), welche die Heimath des Papstes und deren Umge- 
bung zu verschönern unternahmen: Francesco (Cecco) di Giorgio 
von Siena und ein Bernaräo von Florenz. Heide gemeinschaftlich 
(r] schufen das alte Corsignano (seitwärts von der Strasse von Rom ' 
nach Siena, einige Miglien (tätlich von Torrenieri und S. Quirico), zu 
Pienza, zur „Stadt des Pins" um; dort bilden auf äusserst be- a 
sehränktem Räume die Kirche, eine Bi schofs wohn ung und drei ver- 
schiedene Palfiste eine vollständige Baugruppe edler Frührenais- 
sance, hervorragend darunter der Pnlazzo Piccolomini mit gross- 
artiger Fassade, wesentlich auf der Stufe des oben besprochenen 
Paiazzo Ruccellai in Florenz, und einer Loggia von drei Sä'ulen- 
geschossen, der schönen Aussicht an Liebe an der Rückseite; per- 
spectiv Beb er Durchblick in der Hauptaxe. [Für Architekten der 
Besuch sehr zu empfehlen.] 

Der berühmte Herzogspalast in Urbino, unter dem grossen Fe- b 
derigo von Montefcltro — vielleicht nach seinen eigenen Angaben — 
errichtet, (ein Illyrier Luciano de Laurana war 1466 sein Archi- 
tekt, der. schöne Hallenhof gilt als Werk des Baccio PintelU) das 
vollständigste Beispiel eines prachtvollen Herrschcrsitzes der Früh- 
renaissance. [Ebenfalls von Laurana der Palast in Gubbio auf an- 
steigendem Grund, von malerischer Wirkung.] 

In Siena verdienen vor Allem Beachtung: derl'alastNerucci; ?. 
die Paläste Piccolomini (jetzt del Governo) und Spnnnoechi d 
(alles zwischen 1460 und 1472) den Architekten BernardoRossellinoxmA 
Francao di Giorgio ohne sichern Grund zugeschrieben. Der gemein- 
same Styl dieser Bauten beruht noch auf dem mittelalterlichen Fas- 
sadenprineip und die antikisirende Verzierung (Gesimse, Consolcn, 
Eierstäbe u. s. w.) ist nichts weniger als rein gehandhabt; allein 



') Wahrscheinlich nicht Btmtrdo Rmstllino sondern ßernardo di Lorano , schon 
™ Nicolai« V, in Born bcicliäftlut. Wieweit Feancerco di Giorgio mehr als Festiings- 
baumelAter gewesen und vm Ihm etwa von den Paüiaien in SIenn 7n zuschreiben, ist 



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182 



Frühranais Bancc. Siena. 



Brunellcsco Latte das Gefühl für schöne Verhältnisse der Stock- 
werke geweckt und Michelozzo (an seinem Pal. Riccardi in Florenz) 
eine gesetzmässige Abstufung der Rnstica, der Fenater und der 
Gliederungen zum erstenmal durchgeführt und diese Fortschritte 
eignoten sich die Sieneson flir ihre Bauten an. Der Charakter einer 
ernsten Pracht wird wohl selten in so müssigen Dimensionen so be- 
deutend erreicht worden sein. Nichts Einzelnes , z. Ii. keine mittlere 
Loggia, drängt sich vor; das Ganze wirkt gleichmässig imposant; 
der Moment, da das Schloss zum Paläste wird, drückt sich hier 
cigenthiimlich schön aus. (Der ehemals reizende Hof des Pal. del 
Goveruo ist schon lange etwas verhaut) 

Gut gelost sind auch kleinere Aufgaben (für die jetzige Archi- 
n tektur besonders lehrreich). Der Pal. dclla Ciaja (jetzt Coatant in i), 
nahe der Kirche S. Egidio, der nur ein elegantes Privathaus sein 
sollte, ist ohne Eustica, mit einfach zierlichsten Gesimsen undFenster- 
ü aufsätzen und edler Pforte eines der liebenswürdigsten Gebäude von 
Siena; der Pai. Bandini-Piccolomini (von Backstein mit stei- 
nernen Einfassungen) kann vollends als kleines Renaissancebaus im 
vorzügswcisen Sinne gelten. [Ebenso Pal. Finotti, Via della Cercliin 
bei S. Agostino, mit farbiger Behandlung des Dachvorsprungs ; ferner 
das reizende Häuschen an S. Agostino angebaut, mit einfachsten 
c Baeksteinformen.] — An derLoggia delPapa (1460) [vom sieneser 
Bildhauer Antonio i'ederi(jhi\ fast zu dünne zarte Bogen, von weiter 
Spannung; zwei einfach schöne Klosterhüfe bei S. Francesco, deren 
Gewölbe (mehr alB Brunellesco's Bauten) den Eindruck des Leichten 
und Schwebenden hervorbringen. — Der Palazzo del Magnifico oder 
Petrucci an der Piazza S.Giovanni von GütcomoCozsareW ist der Lage 
a wegen etwas formlos. — Von den Kirchen gehören die kilBtliehea 
e kleinen Fassaden von S. Caterina und Madonna delle Novi 
. hierher. [Die Sacristci in Carmine ein Raum von hoher Schönheit 
— Das kleine Kirchlcin degli Innocenti unterhalb des Hospitals 
della scala ein reizender Centraibau Uber gricch. Kreuz. — Von 
klassischer Schönheit der Verhältnisse die kleine Fassade der Kirche 
S. Pietro la Magione bei Porta Camollia, und die zum Palazzo del 
Diavolo gehörende Capelle, ein Juwel der Fr Uhren ai s sance ; der 
„Regina Collis" gewidmet.] 
r Das Kirchlein Fontegiusta — zwölf Kreuzgewölbe von vier 
Säulen und acht Wandsäulen gestützt, mit einem obern Stockwerk, 



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Siena. BtnedtttO da M.ijann. 



183 



das innen nicht sichtbar ist — rührt von Franc. Fedeli ans Como 
(1419) her. — [Die Kirche des Klosters Osservanza, Stunde vor s 
Porta Ovile, 1423 angelegt, 14S5 von Giacomo CoszarcUi, erweitert 
und verschönert. Dem Cecco di Giorgio werden die Terracottarcliefs 
im Gewölbe zugeschrieben.] 

Von irgend einem trefflichen Meister gegen 1500 mnse die De- 
coration den obern Oratoriums in S. Bcrnardino herrühren. Pilaster, u 
Friese und Flachdecke gehören zum Geschmackvollsten der Blütke- 
zeit. — Die Decoration im untern Raum von S. Caterina etwas später t 
und nicht mehr so rein. 



Das Resultat zu ziehen aus der speciell toscanischen Palastbau- 
kunst war in'dcss nicht den Bauherrn von Siena, sondern dem Flo- 
rentiner Benedetto da Majano bestimmt. Nach seinem Entwurf 
(ob noch bei seinen Lebzeiten, ist ungewiss) begann 1489 der Bau 
des Palnzzo Strozzi. Mit Ausnahme des ausser aller Linie stehen- <i 
den PaL Pitti ist dieses majestätische Gebäude die letzte und höchste 
Form, welche ein Steinhaus ohne verbindende und überleitende Glie- 
der durch den blossen Contrast lin der Flächenbehandlung erreichen 
kann. Dieser Contrast ist hier ohne Vergleich glücklicher 'gehand- 
habt und die Fenster zu den Flächen besser vertheilt als am Pal. 
Riccardi; das weltberühmte Kranzgesimse (nur an der hintern Seite 
und an einem Theil der Nebenfassaden ganz ausgefiihrt) und der bei 
aller Enge und Tiefe doch schöne Hof wurdon später noch Cronaca's 
Entwurf hinzugefügt. 

Es folgte das ältere Briiderpaar Giuiiam und Antonio di San 
Gallo, deren Ruhm durch die ausgebreitete Thätigkeit ihres Neffen, 
des jüngem Antonio, mit Unrecht etwas in den Schatten geräth. 
Dem Giuliano werden wir in Rom wieder begegnen; Florenz besitzt 
von- ihm den noch in seiner Vermauerung reizenden Klosterhof von c 
S. Maria Maddalena de' Pazzi (wunderlich ionisch ') mit geradem Ge- 
bälk, die rundbogigen Haupteingänge ausgenommen) und den Pal. 
Gondi (PiazzaS.FirenzeN.l). Die Fassade desselben giebt das floren- 



') Sich Ma»sag«bo oines In Flesolo gafDnilencn antiken CsnitäU. 



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184 



Fr&hnnRiMuu». Dia Bruder San Gallo. 



tillische Princip in ansp ruchloser Gestalt wieder; das Erdgesclioss 
hat starke, das mittlere schwache, das oberste keine Rustica; die 
Fenster sind einfach rundbogig und lassen bis zu den Gesimsen einen 
weiten und bedeutend wirkenden Raum übrig:. Der Hof mit seinem 
Springbrunnen und der zierlichen Treppe ist vielleicht der elegan- 
teste dieses Stylos; die Capital o sind von reicher, wechselnder Bil- 
dung und die Gesimse fein profilirt. Viel einfacher und nur durch 
Vermuthnng dem Giuliano zugeschrieben: Pal. Antinori, Via Torna- 
buoni3. — In Prnto erbaute Giuliano die kloine Madonna dcllp 
Carceri, welche allein schon den Ausflug daliin reichlich lohnt; ein 
griechisches Kreuz, aussen nur einfach (und sohr unvollständig) mit 
Marmor incrus(jrt; in der Mitte eine niedrige Kuppel mit zwölf Rund- 
fenstern ; die vier Arme mit Tonnengewölben ; das innen rings herum- 
gehende Hauptgesimse hat einen glasirten Fries, weisse Festons und 
Candelaber auf blauein Grunde; die Wände mit zierlichen Eck- 
pilastern. — (Die inedieeische Villa Poggio a Cajano siehe oben 
S. 178 Anna. 1). 

Der ältere Antonio di San Gallo lebte weit in das XVI. Jahr- 
hundert hinein und sein einziges Hauptgebäude , die seit 151S erbaute 
Madonna di San Biagio in Monte Pulciano, gehört schon dem 
ganz cutwickelten Styl an. Es ist die Madonna delle carcori seines 
Bruders auf einer erhöhten Stufe; mit sehr erhöhter Kuppel; in den 
vordem Ecken des griechischen Kreuzes erlieben sieh zwei Tliürnie 
(nur der eine ganz ausgeführt), und zwar getrennt von der Kirche: 
sie sollten dieselbe nicht beherrsche« , sondern nur den Eindruck ver- 
stärken; ihre Höhe ist derjenigen der Kuppellatemo nicht ganz 
gleich; ilir Organismus besteht aus soharf vortretenden Pilastern an 
den Ecken und Säulen Stellungen an den Wänden; das Aenssere der 
Kirche selbst bat bloss Eckpilaster. Innen: Tonnengewölbe mit 
Rosetten bündern, die Kuppel durch eine sehr schlanke und enge 
Stellung korinthischer Säulen im Cylinder vorbereitet. Ein halb- 
runder Ausbau am hintern Kreuzarm enthält die (ovale) Sacristei. 
— In derselben Stadt von ihm (1510) der Palast des Cardinais del 
Monte [und vielleicht Palazzo Tarugi, interessantes Eckhaus. Ob 
der einfach gute Palast Cervini am Corao, und ein kleines Haus mit 
Halle bei der Madonna diS. Biagio V Aus seiner letzten Zeit derPalazzt> 
Bollarmini gegenüber dem Dom]. In San Sovino (wo Antonio später 
lebte) soll der Palast des Cardinais von Santa Prassede und mehr als 



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VitonL 185 

eine Kirche von Antonio's Erfindung sein [ebenso der originelle Palast a 
an der Hauptstrasse von 1533. Ob ihm in Cortona der Dom oder 
die kleine Madonna del Calcinajo (am Fusspfad von Camugia 
nach Cortona hinauf) angehört ist unsicher. Hier zu erwähnen:' 
S. Maria nuova ausserhalb Cortona von (inschrift!.) Cristoforo Fanelli 
aus Florenz 1630]. — Wenn in Arezzo die Kirche deli' Annunziata 
dieselbe ist, welche bei Künstln storikern Madonna delie lagrime 
heisst . so rührt auch diese herrliche Kirche grossentheils von Antonio 
her und zwar in diesem Fall aus seiner frühem Zeit. Das Aeussere 
ist Kohbau geblieben; im Innern scheidet sieh ein von Säulen ge- 
tragener Vorraum höchst malerisch aus; dann folgt die dreischiffige 
Pfeilorkirche mit lauter Tonnen- und Kuppeige wölben; endlich über 
dem KreuK die niedrige Kuppel. Die Capitäle an den Pfeilern sehr 
zierlich mit Delphinen und Masken ; alles übrige Detail einfach. 

Endlich gilt als sicherer Bau Antonio'» die erliaben über dem h 
Abgrund thronende Vestc von Civitä Castellann. 

[Vielleicht von Antonio: der Palast Maifei -Guarnacci in Vol- 
terra, mit zweistöckiger Halle]. 



Hier muss eine ganz eigentümliche jErsoheftmug eingesclinltet 
werden. Als sich die Renaissance von dem alten, rituellen Langhau 
»idit molir gebunden hielt und sich ihrem freien Schönheitssinn über- 
liess, als man von dem Kirch oubaumeister vor Allem ein schönes 
und phantasie volles Gebäude verlangte, da schuf (um 150Ü) ein 
sonst wenig bekannter Architekt in Pistojn, Ventura Vüoni, die c 
Kirche Madonna delT Umiltä. Das Achteck, welehes gleichzeitig 
Cronaca und Bramante nicht mehr für Baptisten eu , sondern für Sa- 
tristeien anwandten, ist hier in bedeutender Grösse, mit einer ele- 
ganten lunenbeklejdung korinthischer Pilaster und zierlicher Fenster, 
zum Hauptranm einer Kirche geworden, die nur leider erst in später 
Zeit (durch Vasari) ihre Kuppel erhalten hat, dunkel wie die floren- 
tinische. (Vitoni's Kuppel hätte vielleicht derjenigen von S. Maria 
delle Grazie zu Mailand .ähnUch werden sollen). Ausserordentlich 
fein und edel ist besonders' die Vorhalle gedacht, zwei Tonnen- 
gewölbe und in der Mitte eine kleine Kuppel, Uber einer Pilaster- 
architektur, unten herum Sockel und Sitze von Marmor. Die äussere 
Incrastation fehlt oder ist ärmlich modern. — Von demselben Bau- 



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186 



Frährenaissancc. Cronaca. 



meister das einfach niedliche Kirchlein S. Giovanni delle Monache in 
Pistoja. 



Den Beschluss der toscam'schen Frühreuaissauce macht der schon 
* öfter genannte Oronaea (1451— 1509). Die Vollendung des Pal. 
Strozzi durch das schöne Gesimse, dessen Formen er nach einem 
in Horn gefundenen Fragment in vergrtissertemMaBSBtab bildete, war 
in doppelter Beziehung ein Ereignis»: in Beziehung auf die Form, die 
hier zum erstenmal das römische Vorbild mit ganzem vollem Emst 
nachahmte; sodann in Beziehung auf die Verhältnisse. Hatto man 
bisher geschwankt, ob das Kranzgeaimse bloss im Verhültniss zum 
obersten Stockwerk oder zum ganzen Gebäude zu bilden sei, hatten 
viele florentinische Paläste durch das weit vorragende Dach mit Beinen 
consotenartig abgestuften Balken das Kranzgesims geradezu ersetzt 
oder gleichsam flir nnnöthig erklärt, so wurde hier ein Mustor hin- 
gestellt, dessen grandioser und wohlthuender Wirkung sich kein 
Auge entziehen konnte. Sein Verhältniss zur Höhe und Form des 
Baues ist an sich ein rein willkürliches, weil seine Bildung das Re- 
sultat eines ganz andern Ensemble ist, nämlich irgend einer altro'ini- 
schen Säulenhalle, die zu diesem Gesimse bei weitem nicht ao hoch 
sein dürfte als der Palast Strozzi ; gleichwohl wirkt es schon und 
richtig zu dieser Art von Wandfläche. 

Cronaca behandelte aber auch andere Gattungen von Gebäuden 
b mit feinem Sinn. So sollte Pal. Guadagni (Piazza S. Spirito Nr. 
11) nur ein stattliches fior entmisch es Haus werden und erhielt diesen 
Charakter rein und vollständig. Der Quadorbau beschränkt sich anf 
das Erdgeschosse die Ecken und die Fenstereinfassungen; mit be- 
tfi'lioideuen Mitteln ist die Abstufung der Stockwerke trefflich durch- 
geführt ; das oberste ist eine offene Säulenhalle, welche das weit vor- 
goschrägte Dach trägt. — Der Hof trefflich in der Art des Giul. da 
S. Gallo; an der Treppe schon der strengere Organismus, wie wir ihn 
bei Baccio d'Agnolo werden ausgebildet finden. — Nicht minder 
i bedeutend zeigt sich Cronaca in der Kirche San Francesco al 
Monte (vor Porta S. Miniato), welche Michelangelo .das schöne 
Landmä denen" zu nennen pflegte. Es ist die einfachste Bettel- 
orden skirche, deren Dachstuhl selbst bis ins Chor hinein sichtbar 
ist; schlichte Pilaster trennen unten die Capellen, oben die Wand- 



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Cronaca, Pisa. 187 

flächen um die Fenster, — allein gerade in dieser absoluten Schmuck- 
losigkeit treten die reinen Verhältnisse crnBt und bedeutend hervor. 
— Ob zu dem Umbau des Klosters der Annunziata, welcher diesem 
Meister zugeschrieben wird, auch der vordere Kreuzgahg und die 
Sacristei gehört, weiss ich nicht anzugeben; beide bieten keine 
Formen dar, die nicht schon seit Jliehelozzo vorkamen. 

Zu den schönsten kleineren kirchlichen Bauwerken in Florenz 
gehört die Sacristei von S. Rpirito, ein höchst reizender Zierbau, 
achteckig, unten mit Nischen, die Wände mit Pilastern eingefaßt 
(doch so, dass die Ecken selbst frei bleiben); viereckige Fenster an 
den 0 borwänden, runde in den Lunctten, Uber welchen die einzelnen 
Kappen der Kuppel beginnen. 

Daran anstossend der köstlirlie oblonge l)iin-hi;;n]g /.lvi^rhcn <U>r 
Kirche und der Sacristei: .■sei'lis Säulen auf jeder Seite, vor der 
Wand stehend, tragen ein Tonnengewölbe ; dass sie der (sehr reichen) 
(.'assettirung desselben nicht entsprechen, benimmt dem Gebäude 
seinen wesentlichen malerischen Werth nicht. — 

[Nach neueren Forschungen ist die Sacristei von (Huliano da 
SangaUo 1488—92, die Klippel von Antonio del Follainolo 1405, das 
Vestibül von SangaUo und Cronaea gemeinsam erbaut. — Vasari 
schreibt den Dnrchgang dem grossen Bildhauer Andrea Sansovino 
zu, von welchem unten decorative Arbeiten erwähnt werden.] 



In Pisa ist der Hof der Universität ein einfach schöner Klo- 
sterhof der frfihern Renaissance, in der Art des Bruneliese o ; unten 
Bogenhallen, oben Säulen mit Holzgebälk, die nur ihre ehemaligen 
Consolen nicht mehr über sich haben. Beide Ordnungen ionisch; 
das mittlere Gesimse sehr zart. Dass Pisa, beiläufig gesagt, von da 
an im Gefolge von Florenz mitgeht, hat seinen Grund in der poli- 
tischen Abhängigkeit seit Anfang des XV. Jahrhunderts. Die poli- 
tische und die geistige Hegemonie der Florentiner setzte sich zu 
gleicher Zeit durch. 

Die Caaa Trovatelli , auf dem Wege nach dem Dom • wenige, aber 
sehono und originelle Fenster und eine zierliche Rnndbogenthiir, 
Mitte des XV. Jahrhunderts. 



188 



Früh remis es tiace. Pisa. Lncca. Är«zio. 



Der Hof des erzbischöf liehen Paläste«, etwa vom Ende des 
XV. Jahrhunderts, zeigt eine TJebertragung des Klosterhofbaues 
Brunellesco's in den weissen Marmor und in grossere Verhältnisse. 
Die obere Ordnung hatte indess ehemals gewiss Consolen und Ge- 
bälk von Holz; erst spiiter wurden die Säalen mit Marmorp feilem 
eingefasst, mit einem Marmorgebälk bedeckt und ihre Zwischen- 
räume mit Eeostermauorn geschlossen. (Der Aussenbau tüchtig 
modern). 

Die beiden Klosterhöfe von S. Francesco sind von der stattlichen 
Art dieser Zeit. 

Ein Privat geh ä mlc (t'a.sit ToscniieHi; in tlrr mit Hallen versehenen 
Strasse Borgo wird wenigstens den Arcliitekteu von seihst in die 
Augen fallen. Auf einer Bogenhalle von fünf Säulen ruhen zwei 
Stockwerke iu Backstein mit Fenstern im Halbrund. Die Gesimse, 
Archivolten etc. einfach und zart; es ist nicht möglich mit Wenigerem 
einen so bedeutenden Eindruck hervorzubringen als hier geschieht. 
Allerdings ist Baum und Stoff nicht gespart. 



InLucca ist der Palazzo pretorio ein schönes derbes Ge- 
bäude — unten mit einer Säulenhalle, welche sich an den geschlosse- 
nen Theilen als Pilastencihe mit Bogen fortsetzt; die obem Fenster 
mit unzweckmässig verzierten Einfassungen. 



Noch eine kleine Kaehlese auf den Strossen über Perugia und 
Uber Sicna nach Rom. 

An das gothische Oarmeliterkirchlein S.Maria bei Arezzo (vor 
Porta Reinana eine Viertelstunde links) ist eine grosse Vorhalle im 
Üorentinischen Styl angebaut, welche zum ganz Malerischen in dieser 
Art gehört; sieben Bogen vorn, zwei anf jeder Seite und zwei rechts 
und links an die Fassade anschliessend; das Kranzgesimse allerdings 
etwas willkürlich gebildet mit einem vorspringenden steinernen Dach- 
rand von lauter Rosetten ; die Bogen fiillungen mit gemalten Ver- 
zierungen ausgefüllt. (Laut Vasari von Benedetto da Mojano). 



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Perugia, Muni. Born. GinL da Kajano- 189 



In Cortona einige sehr massige Fassaden. Wichtiger scheint 
das naheMontepulciano durch die genannten Bauten. In Monte 
Fiaseone und in dem zierlichen Viterbo, sowie auch in Orvieto habe 
ich keine bedeutendem Renaissancebauten bemerkt. ') 

In Perugia ist dio Fassade der Confratemitä von S. Bernar- a 
dino (bei S. Francesco) als vorherrschend figurirtes Werk hier nur 
vorläufig zu nennen. Von sehr schöner Frührenaissance (angeblicii 
von Agostmo della Robbia und I'olidoro di Stefano): die stattliche t> 
Porta S. Pietro. (Daa Hauptgesimao fehlt). [Renaissance- Motive 
amPalazzo Tribunale.— Ein Haus dieser Periode Borgo S. Pietro 82.] 

Am Dom von Narni, jener wunderlichen Basilika mit Flach- c 
bögen, ist ein artiger Porticus vom Jahr 1497 angebracht. Viel 
prächtiger ist die Vorhalle am Dom von Spoleto: fünf Bogen auf d 
Pfeilern, dio mit schlanken Säulen bekleidet sind, an beiden Enden 
noch besondere Kanzeln zum Vorzeigen von Reliquien und zur 
Predigt;. Gebälk und Balustrade reich und zierlich; die Bogen des 
Gewölbes innen auf Consolen ruhend. (Angeblich von Bramante). 



In Rom, zu der Zeit als Bruneil esc o die dortigen Alterthümcr 
zeichnete, existirte kaum ein cinbcimipelici Kunstlebon. Der päpst- 
liche Stuhl, der naoh langer Kirchentrennung einmal wieder seine 
unbestrittene Stelle am Tiber einnahm, fand keine gewerbfreie 
kanstlicbendo Bürgers cliaft, sondern ein verwildertes und verkom- 
menes Volk vor, und alle geistigen Bestrebungen, die das neube- 
festigte l'apstthum schützt und begünstigt, tragen einstweilen den 
Charakter einer unstäten Colonie, eines beständigen Wechsels. 

So ist eB denn auch unläugbar, dass die neuo Bauweise zuerst 
durch fremde, und zwar ftorentinischc Künstler durchgesetzt wurde. 
Unter Eugen IV. erschien Antonio Filarete, der mit Donateüo's 
Bruder [i] Simone die ehernen Pforten von S. Peter goss. Dann kam 
Giuliano da Majano, der Erbauer des Palazzo ili Venezia und o 
der Vorhallo von S. Marco. Das Acussere des Palastes, für welches 
dem Künstler derQuadorbau versagt gewesen sein muss, ist nicht 

') Die Kirch« dclla 0.uercia In Vilerbo soll nacb der Zeichnung Branianlts er- • 



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190 



Frthrtmaiiaanoe. Ginl. da Majano. 



niaassgebend , obwohl <Iie Verhältnisse der Stockwerke zu einander 
immerhin bedeutend wirken. Allein der ausgeführte Theil der Halle 
um den grössern Hot' mvi i\w annW'; gebildete Vorhalle von S. Marco 
(mit einer sehr achönenlnnenthiir) bezeichnen eine wichtige Neuerung; 
es sind die ersten consequent durchgeführten Pfeilerhallen mit Halb- 
aänlen, unten dorisch -toseanisch, oben korinthisch. Ohne Schwierig- 
keit wird man darin die ins Hohe und Sehmale gezogenen, Formen des 
Colossemns wieder erkennen, von dem auch die Steine entlehnt sein 
sollen; nur hat Giuliano die Attiken der verschiedenen Stockwerke 
dieses Gebiiudes furBasamenteangesehen und desshalb hier auch der 
untern Ordnung Piedostale gegeben. Ganz ausgeführt , wäre dieser 
Hof eine der grössten Zierden von Rom. (Der kleinere Hof, nnten 
mit achteckigen, oben mit runden Säulen, in der Richtung gegen 
Piazza Trajana hin, ist vielleicht eher von Baucht Finteüi). — Von 
Leon Batists Alberti's und Beraardo Rossellino's Thätigkeit sind in 
Rom keine bleibenden Spuren mehr erhalten: es war dem Florentiner 
Baccio PinteUi [eigentlich Pontellt] bestimmt, fast alles das zn bauen 
oder zu entwerfen, was aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts 
in Rom auf unsere Zeit kommen sollte ')- 

Baccio war vielleicht ein geübter Techniker, allein keiner von 
denjenigen Künstlern , welche die neue Formenfreiheit genial und 
schön zu handhaben wussten. Sein wichtigstes Werk, die Kirche S. 

n Agostino, ist in Betreff des Innern ein ziemlieh nüchterner Ver- 
such hohen Gewölbebaues auf Pfeilern mit kleiner Kuppel , wobei er 
wie Brunei! eseo die unieru Wände in Nischen auflöste. Mit der phau- 
tasievollcn Annunziata von Arczzo könnte dieses (überdies unange- 
nehm belenchtete)G ebände keinen Vergleich aushalten. An derFassadc 
macht sich jene bei Alberti zuerst bemerkte Verbindung des obere 
Stockwerkes mit den hervorragenden Theilen des untern auf eine ■ 
recht üble Weise beinerklich; die beiden Voluten haben nämlich die 
Gestalt eines colossal vergrösserten Winkelblattes des ionischen Ca- 
pitüls. Aehnlicli sein geringster Bau: die Fassade des Domes in 

b Turin. — An S. Maria dcl Popolo ist die Fassade oben umge- 
baut, sonst aber sehlicht und gut ; das Innere, hier ein Tfeilerbau mit 



* ') An S. Giacoino desli Syainmoli iai nur nucli das reiche I'ortal bemerkenswert!!, Im 
S. Salvotoro in Lanro der ans derselben Zeit itamraenilc grariüSQ Klostethof, beiden ano- 
nyme Werte. 



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Baccio PülteUi. 191 

Halbsäuleu, von jelier etwas gedrückt, hat durch moderne Verkleiste- 
rung allen hohem baulichen Reiz verloren, und die achteckige Kup- 
pel kann gegen die sonstige breite Masse nicht mehr aufkommen. — 
Einer kleinem Aufgabe, wie S. Pietro in Montorio, genügte * 
Baccio recht wohl; dieses Kirchlein, einschiffig gewölbt, mit Quer- 
achiff, Capellen als Wandnischen und polygonem Ckorabschluss, 
bildet ein sehr tüchtiges Ganzes und würde mit der ursprünglichen 
Decoration einen trefflichen Effect machen. — Beim Bau der six* 
tinischen Capelle lag vielleicht ein bindendes Programm und die b 
Rücksicht auf die schon vorhandenen vatieanischen Bauten vor; 
sonst licssc sich schwer denken, dass für die päpstliche Hauskirche 
eine so absolut schlicht« Form gewählt worden wäre. — Mehrere 
ältere Kirchen sind von Baccio mit Fassaden versehen worden; so S. 
Pietro in Vineoli, SS.Apostoü. Er berief sich vielleicht auf die ^ 
mittelalterliche Kirche 8. Sah a oder auf das frische Beispiel von S. ,1 
Marco und legte eine gewölbte Doppelhalle vor die Kirche, mit weit- 
gespannten Rundbogen, unten auf achteckigen Pfeilern, oben auf 
Säulen. Diess macht zwar keinen kirchlichen, aber immerhin einen 
heitern und angenehmen Eindruck. — Sonst erbaute Baceio auch den 
Ponte Sisto und. hatte Antheil an dem Hospital von S. Spirito e 
(die Kuppel beim mit (lim JCingaugV Dw ( i lockeiithimn der Kirche? f 
welcher der erste und vielleicht der beste des neuen Styles in Rom 
ist; vgl. S. 84 b.) Bloss durch Vermuthung wird ihm auch das kleine 
Schiff und der achteckige Rnppelraum von S. M aria dclla Pacc zu- g 
geschrieben, alles mit Cnpellenmsehcn. Pietro da Cortona hat später 
dem Aeusscrn einen ganz neuen Sinn gegeben. [Ausserhalb Roms 
vielleicht noch von ihm: die Klosterkirche von Monte Cappuccino 
bei Turin, ein achteckiger Centraibau mit Capellennischen; Kuppel 
mit Zeltdach, bescheidene gute äussere Incrustation. Der Hallenhof 
von Urbinos. oben S. 181b.] 

Die achteckigen Pfeiler, von welchen die Rede war, sind in dieser 
Zeit das Zeugniss für das gänzliche Ausgehen der bequem und für 
Jedermann zur Hand liegenden antiken Säulen; Uber die noch verfüg- 
baren begann damals schon eine höhere Aufsicht, sei es, dass sie er- 
halten oder vernutzt werden sollten. Der un verjüngte aehUrckigi- 
Pfeiler kann in jeder Steinbutte geliefert werden und die toscanische 
Baukunst hatte ihn in der gothischeu Zeit und schon früher auf alle 
Weise angewandt. In Rom ist vielleicht eines der frühesten Beispiele 



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192 



der Hof des Governo vccchio, malerisch unrege Im äs Big, von mehrera 
Stockwerken, etwa aus der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts. — 
Et was später ; der Hof von Sforza-Cosa rini (unweit der Chics a nuova). 
— Wiederum später und sehr htlbsch: der Hof des Hospitals 3. Gio- 
vanni de' Genovesi (im Trastcvere). 

Im Jahr 1500 begann der Bau von S. Maria dell' Anima. Das 
Innere von einem nordischen Baumeister ; gleiche Schiffhühen, Kreuz- 
gewölbe, hohe missgeschaffene Wandnischen durch moderne Stncca- 
tur stark verändert. Die Fassade wird dein einen ältern Sangeiüo, 
Ghrfinno, zugeschrieben; die Verbindung von Back stein flächen und 
drei Ordnungen korinthischer Pilastcr über einander, obwohl rein 
decorativer Natur, wirkt doch edel ; bei der bescheidenen Bildung der 
Pilastor und GeBimse kann die schöne Mittelthiir kräftig heraus- 
treten. Für eine schmalo Strasse und illr beschränkte Mittel ist hier 
das Mögliche geleistet; eine spätere Zeit hat bei ähnlichen Aufgaben 
mit den dreifachen Kosten ganze Sänlen nebst einer Begleitung viel- 
fach abgestufter Wandpilaster dahinter und weit vortretenden Ge- 
bälken darüber aufgewandt und einen Schattenwurf erreicht, der 
diesem Gebäude fehlt ; allein hier stehen die Ziermittel gerade im 
richtigen Verhältniss zu der harmlosen Composition des Ganzen. Von 
Giuliano da Sangallo ist auch der schöne, weithogige Klosterbof in 
S. Pietroin Vincoli (der Brunnen später); als Decoratorim Sinne der 
edelsten Jtenaissance lernt man ihn kennen durch die herrliche Flach- 
decke von S. Maria maggiore, die er im Auftrag Alexanders VI. ent- 
warft 

Vielleicht noch aus dem XV. Jahrhnndcrt, jedenfalls aus nicht . 
Tiel späterer Zeit stammen die alten Theile in den Höfen der Paläste 
Strozzi (bei der Kirche delle Stimmate) und della Vallc ("von Loren- 
setto); letzterer Hof ist noch in seiner Vernachlässigung einer der 
schönem der Frührenaissance. 

[Das päpstliche Jagdschlösschen La Maglianahatvon seinem 
Umbau unter Innocenz VIH. manch hflbscheB Renaissance-Detail.] 

In den Abruzzen besitzt Aquila ein vorzugliches Gebäude der 
Renaissance an der Fassade von S. Bernardino, von Cola della 
Matrice, 1527. 



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HeapeJ. 198 

Jiy Neapel trat mit den aragonesischen Königen die Renaissance 
au die Stelle der vom Haua Anjou gepflegten gothischen Bauweise. 
Die Anregung kam ohne Zweifel von aussen; Alfons von Aragonien 
berief den Florentiner Öiuiiano da Majano nach Neapel. Leider 
ist der schone luftige Sommerpalast Poggio Reale, den man u. a. aus 
Serlio's Abbildung und Plan kennt, von der Erde verschwunden ; man 
lernt Qiuliano nur noch als grossen Dccorator kennen, zunächst im 
Tri umphbogen des Alfons. Die Einrahmung dieses hohen weissen * 
Marmorbaues zwischen zwei dunkle Thiirme des Castello nuovo *) 
wirkt schon an sich sehr bedeutend ; die Ornamente sind prachtig und 
selbst edel; die Composition aber, unorganisch und spielend, lässt 
das frühe Jugendalter dieses Styles nicht verkennen. Jahreehnde 
später baute Giuliano die Porta Capuana; ein Bogen mit Säulen b 
eingefasst, ebenfalls zwischen zwei Thiirmen, mit hohem Fries und 
Attica, vielleicht das schönste Thor der Renaissance. 

Zu derselben Zeit nahm auch ein einheimischer Künstler, Andrea 
Ciedone, der bisher gothiach gebaut (wie u. a. sein Grabmal für König 
Ladislaus beweist) die neue Bauweise an. Von ihm einfache ehe- 
malige Klosterhöfe bei Monte Oliveto (jetzt Carabinieri-Caserne) « 
und S. Severino (derjenige mit den Fresken des Zingaro), auch die d 
Kirche Monte Oliveto selbst, unter deren Anbauten sich zwei ein- c 
fach schöne Capellen (rechts und links vom Portal) 5 ) und eine Sacristei 
(links hinten) von florcntinischem Styl befinden. Das artige vier- 
eckige Oratorium des Pontanus, bei der Kirche Pietrasanta, an der f 
Strada de' Tribunali, soll lange nach Ciccione's Tode, erat 1492, nach 
seiner Zeichnung errichtet sein; Uber kräftigem Sockel Oompoaita- 
Pilaster und schlichte Fenster; der Aufsatz unvollendet, das Ihnere 
glatt. [Interessante Sentenz-Inschriften.] 

Zaghaft- zierlich und seibat ungeschickt tritt der florentinische Pa- 
lastbau mit Rustica auf in dem 1466 für Diomede Carafa umgebauten 
Pal. Colobrano (jetzt Santangelo, Strada S. Biagio de'Librai, 121). ( 
Aber noch vor dem Ende des XV. Jahrhunderts erbaute der Neapo- 



') Onlanll nennt als Urheber des Bogonn einen Piclro de Jfarfino aas Mailand. [An 
der Kirohe S. Barbara im Hofo doa Ceatello nuovo eins schöne Prührnnaiaaance-Thür.] 

2) Vielleicht von Antonio RourUino , du für die eine denelben die v lehllsen Sculp- 
turen schuf. Sin ansprechen so ziemlich der von ihm erbauten Capelle inS. Mlnlalo hei 
Florens. 

Baroühardl, Cfreroiu. 13 



Neapel. 



titaner Gabriele d'Agnolo den Palast Gravina (Post), dessen 
ehemalige, durch den jetzigen Umbau stark beeinträchtigte Anlage 
von grösster Schlfnheit war: das Erdgeschoss gewaltige Rustica, das 
obere Stockwerk glatte Wimde mit korinthischen Pflastern ; üborden 
kräftig eingerahmten Fenstern Medaillons mit Büsten, dann das Haupt- 
gesimse. (Das jetzige modern.) Durch die Vermehrung der Stock- 
werke und das Herausbrechen neuer Fenster geht der ganze Sinn 
des Baues verloren. — Von (himfmnceaco Mormandi, um welchen 
sich Florenz und Neapel streiten, ist der Pal. dclla Bocca, 
StradaS.Trinita,N.6; wenigstens die einfachen untern Stockwerke des 
Hofes, Bogen auf Pfeilern, mit der mächtigen gewölbten Einfahrt, 
die schon damals und seither immer für das prunkliebendo Neapel be- 
zeichnend war. An der Kirche S. Severino ist von Mormandi's Bau 
(14H0) noch die einfach florentinisch schöne Ansflonseitc links erhal- 
ten. — Gut erlialten ist aus derselben Zeit der niedliehe Palaat 
Alice, jetzt Palazzo CalViati, Piazza S. Domenico maggiore N. 3, 
dossen Urheber ich nicht anzugeben weiss. 

Von den zeitlich spätem Renaissance kirchen (die doch noch dem 
Styl des XV. Jahrhunderts folgen) verdient S. Oatarina a For- 
mello, 1523 von Antonio Florentino (aus la Cava) erbaut, auch 
S. Maria la nuova (gleichzeitig, obwohl das Datum der Vollendung 
später lautet) wenigstens einen Bliok. Merkwürdiger als beide ist Ö. 
Maria delle Grazie, bei den Ineurabili, erbaut (um 1330 etwa) 
von Giacomo de' Santi, welcher noch Ciecione's Schüler gewesen 
sein soll; die Capellen ein gäuge" zu beiden Seiten des Schiffes haben 
nämlich die Gestalt antiker Triumphbogen und Bind fast über und 
Uber mit reichen und schon ziemlich schwülstigen Ziorrathen bedeck!. 
Die obern Mauern u. s. w. gehören einem Umbau an. 

Die wenigen Thiirme dieses Styles, z. B. der von S. Lorenz« 
(datirt 1487) sind höchst einfach ; glatte Wände, an den Ecken-Pilaster, 
die Entwicklung nach oben fast null. Die obern Theile des Thurmcs 
von S. Chiara, aus welchen die Neapolitaner ihre Priorität in der Re- 
naissance beweisen wollten, sind nicht vom jüngern Masuecio — 
XIV. Jahrhundert — sondern wahrscheinlich vom Anfang des XVII. 



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Neapel. Genua. 195 

In Genua nehmen die Bauten des XV. Jahrhunderts über- 
haupt keine bedeutende Steile ein; was man davon sieht, ist 
überdies nicht frei von lange nachwirkender Gothik, wie z. B. 
die graziöse Capelle Johannis d. T. im Dem beweist, ein Werk a 
der zweiten Hälfte des Jalirliunderts. — Ein artiger Säulenhof der 
-Frührenaissance in Pal. Centnrione (unweit links von S. Matteo, u 
N. 13.) 

Von Kirchen zeigt S. Teodora die verkloi st orten Anfänge r 
einer gutgemeinten Innendecoration (links vom Eingang) ; S. Caterina <i 
am Hospital Pammatone, vom Jahr 1520, könnte sogar vor der 
Vergypsung eine hühsehe Kirche dieses Styles gewesen sein; das 
Portal mit schonen Sie dail Ion köpfen ist von einfacher lombardi scher 
Renaissance. 

Von kleinci-n Privathäusern ist noch eine recht ansehnliche 
Zahl in den altern Stadtt.heilen erhalten. Es wäre fruchtlos, in dem 
Rewirr von Gässehen Strassennamen anzugehen, die kein Plan ent- 
hielt nnd die nur der Nachbar weiss; [Namen und Nummern jetzt 
erneuert.] Ich kann dem Architekten nur ruthen, die ganze Um- 
gebung von 1) Madonna dellc Vignc, 2)S. Giorgio zu durch- B 
streifen; die Htnr.de die er duriuif wendet, wird ihn nicht reuen. Man 
keimt die betreffenden Häuser durchgängig an ihren oft höchst zier- 
lichen Portalen im Styl der lombardischcn Renaissance, welche frei- 
lich nur zu oft das Einzige daran sind , was sich erhalten hat. Innen 
eine internem nur kleine Vnrhalle, die aber mit ihrer einfach stuc- 
chirten Wölbung und mit der seitwärts üiigelcgren Treppe und deren 
Einleiten einen oft ganz, nialorisehei] Raum ausmacht. (Unweit der 
Vignc, auf Piazza Camhinsn, ein artige.-; Ibilelien mit 'f'reppe, vom 
Anfang des XVI. Jahrhunderts; das bedeutendste dieser Art in Strada 
dclla Posta vecebia , keimt lieh an dem ThiiiTeliel' eines Trionfo in pa- 
dii;iiii&e!ier Manier, der kleine Hof wenigstens theilweise erhalten, die 
Säulentreppe fast ganz, mit ihren Kreii/.geu'iillien ~ statt der florenti- 
nischen Tonnengewölbe — , ihren kleinen Madonnennischen, und der 
üuternBclegungilerMmierinil bisntghuh'len Ikuk Steinplatten, welche 
ilie schönsten Teppiebmnster enlbiilten. l.)iesn is( eines der wenigen 
noch kenntlichen moresken Elemente im genuesischen Hänscrbau; 
vielleicht bot die Stadt in jener Zeit noch mehr dergleichen dar, 
aber die alten Ilöfc der bedeutendem Familienpalästc sind alle ver- 
schwunden.) [Vgl. unten Decoration, S. 255.] 

13* 



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Ein etwas grösseres Gebäude dieses Styles, wie er sich in die 
ersten Jahrzehnde des XVI. Jahrhunderts hinein mag gehalten haben, 
irt Pal. Brüse-, rechts neben S. Pancrazio. ') 



Eine Ableitung der oberitalienischen Renaissance aus ihren 
wahren Quellen ist der Verf. nicht im Stande zu geben. Allem An- 
schein nach hätte die westliche Lombardie die Priorität für sich; 
Lombarden, die man nach dieser ihrer Ileiniath benannte, brachten 
den Styl bald nach 1450 halbfertig nach Venedig. Demnach ist mit 
den Bauten des alten Herzogtums Mailand unbedingt der Anfang 
zu machen. Wir gestehen jedoch , dass uns hier eher die Bequemlich- 
keit der topographischen Aufzählung bestimmt, indem wir, wie ge- 
sagt, eine Entwicklungsgeschichte des betreffenden Styles in diesen 
Gegonden doch nicht liefern könnten. Wir beginnen mit Mailand 
und der Umgegend, verfolgen dann die Via Emilia von Piacenza bis 
Bologna, wenden uns über Ferrara nach Venedig und schliessen mit 
den Bauten der alten venezianischen Tcrraferma, bis Bergamo ge- 
rechnet. Unendlich Vieles, zum Thcil von grossem Werthe, liegt 
abseits in Landstädten; wir geben was wir gesehen haben. 

Wie zunächst in Mailand die Renaissance begann, ist nach den 
starken Umbauten der folgenden Jahrhunderte schwer zu ermitteln. 
Einzelne florentinischo Einflüsse sind wohl nachweisbar; so baute 
z. B. Antonio Filarete das Ospedale wagginre in Mailand, allein wie 
wir sahen, noch in einem vorherrschend gothischen Deeorationsstyl; 
n von Michelozeo dagegen existirt hinten an S. Eustorgio eine Capelle 
Ii eleganten florentinischon Styles in der Art Bruuellesco's; [das Kloster 
an S. Pictro in Gcssatc (jetzt Waisenhaus) hat zwei zierliche Säulen- 
hüfe]. Jedenfalls beginnt die fortlaufende Reihe grösserer Bauten 
erst mit den Sforzas und das Bedeutendste entsteht erst unter Lodo- 
vico Moro. Und zwar hält man fast die sämmtlicken Bauten aus dem 
letzten Viertel des XV. Jahrhunderts für frühere Arbeiten des 
grossen Bramante von Urbino oder Castel Durantc, dessen Name in 
diesen Gegenden allerdings ein Gattungsbegriff zu werden scheint. 



<) [Andere interessant!: Häuser der FrührenalsBance : Palaiio Hnjno, VliGuinu 
IgncalG; nribenannter Palaet im \ Ico delNotari 38, alles UnpriiriEllchi: erhalten, ThQren, 
Fensterlüden , Beschläge ; PI «im Sin SIro 5 , Portal mit maleriieher Tmppoj. 



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Mailand. Frühe Bauten Brajnantfl's. 197 

(Bramante wurde gehören in Brunellesco'a Todesjahr 1444, kam Dach 
Hailand ab Ingenieur unter Giangaleazzo Sforza 1476, ging nach 
Born Tor 1500 und starb daaelbst 1515; er war bekanntlich Oheim 
oder Verwandter Rafaels). Ohne entscheiden au können, wie Vieles 
ihm wirklich angehört, stellen wir die ihm zugeschriebene Gruppe 
von Bauten hier zusammen; mehrere darunter offenbaren schon die 
freie Grossartigkeit seiner spätem, römischon Schöpfungen; andere 
sind nooh befangener. Jedenfalls iat sein früherer Styl (diese Ge- 
bäude als die seinigen angenommen) bedingt von derjenigen reichen 
und üppigen Renaissance, wie sie an der Certosa von Pavia (die 
Fassade 1473) ihren Triumph feiert; zugleich aber musa der schöne 
und sorgfältige Backatoinbau der Lombarden (S. 149 fg.) oben grossen 
Eindruck auf ihn gemacht haben. 

Beides findet sich vereinigt in Chor, Kuppel und Querbau von 
8. Maria delle Grazie zu Mailand. Das Innere hat eine moderne 
Mörtel bek leid ung und wirkt nur noch durch das Allgemeine der 
Raumsohönhoit ; im wohl erhaltenen Aeussern dagegen spricht sich 
der echte Geist der Friihrenaiasance mit seiner ganzen anmuthigen 
Kühnheit aus. Auf engem Unterbau {so dass der südliche Querarm 
nicht in die Strasse hinaustreten durfte) wollte Bramaute eine bedeu- 
tende polygone Flachkuppel mit leichter offener Galerie errichten ; 
in schöner und geistvoller Weise bereitet er das Auge darauf vor. 
Elegant abgestufte Einrahmungen theilen den Unterbau — Chor und 
Querarme mit runden Abschlüssen, hinter welchen noch gerade 
Obermauern emporragen — in schlank scheinende Stockwerke; Pi- 
laster, Wandcandelaber, Gesimse und Medaillons grüsatontheils von 
Stein, die Füllungen von Backstein. Die genannten runden Ab- 
schlüsse der Qnerarine sind für die Lombardie eine traditionelle Form, 
die schon mit alten Beispielen wie S. Lorcnzo in Mailand, S. Fedele 
in Como etc. zu belegen ist; der Meister, welcher sich hier vielleicht 
zum ersten Mal darauf einlässt , sollte später dieselbe Anlage in viel 
höherem Sinne an der Consolazione zu Todi und an S. Peter in Rom 
wiedergeben. 

Ebenfalls früh ist S. Satiro in Mailand; dio Fassade eine liebe- ■ 
volie Und solide Uebortragung olassischer Formen, das Innere nicht 
ohne verwirrende neuere Ausschmückung (ursprünglich: die wunder- 
liche Sc Ii einer Weiterung der Mauer durch perspectiviache Vertiefung; 
ähnliches in der Incoronata zu Lodi s. u.); dio achteckige Sacristei 



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198 Frührenaiao an ce. Mailand. Bramante. 

dagegen (unten mit Nischen, oben mit einer Galerie, im mittlem 
Fries Putten und Medaillons) ein köstlicher wohlerhaltener Bau , der 
der berühmten Sacristei von Spirito 7.11 Florenz (S. 187)' zwar nicht an 
reiner Eleganz des Details gleichkommt, sie aber an Strenge und 
Bedeutung übertrifft. 
» An S. Eustorgio wird die Kuppel einer Capelle (ich weiss nicht, 
b welcher) dem Bramante 7.11 geschrieben, im grossen Hospital der Hof 
c rechts vom Haupthof. Im Kloster von S. Ambrogio, jetzt OBpedale 
militare, ist von Bramante Nichts mehr kenntlich; [die zwei pracht- 
vollen Kcnaissancehöfe sind spater]; an S. Ambrogio selbst das schöne 
Fragment einer schlanken Hof halle links neben der Kirche. Von den 
Klästerhöfeu bei S. Simplieiano Boll wenigstens ein Thcil Bramante'a 
Werk sein; das bekannte Lazareth vor Porta Orientale wird ihm nur 
durch Vermuthung zugeschrieben ; das für seinen Zweck hübsch ge- 
dachte Capollchcn in der Mitte des Hofes ist wohl bestimmt neuer. 
Den Schritt in das Einfache würde die herrliche Kirche S. Maria 
d preaso S. Celso in Mailand bezeichnen, wenn sie dem Bramante 
sicher beizulegen wäre. Den cdeln Eindruck des Backsteinvorhofes 
mit seinen Pfeilern kann selbst die bombastische Marmorfassade des 
Galeazzo Alessi nicht total stören; das Innere ist eine dreischiffige 
Pfeilcrkirehe mit Ohorumgang und cassetirtem Tonnengewölbe; der 
Charakter ist der einer einfachen Pracht; da das Licht nur aus den 
Seitenschiffen einfallt, fehlt der Charakter kirchlicher Weihe. In den 
umliegenden Städten und Flecken gelten u. A. als von Bramante ent- 

0 worfen oder erbaut: in Busto Arsizio die runde Kuppelkirehe S. 
f Maria; in Legnano die Hauptkirchc; in Canobbio am Lago Mag- 
g giore das Octogon als Chorbau der Kirche; in Lodi die Incoronata') 
h und in Pavia die ehemalige Klosterkirche Canopanova, in Beiden 

fast übereinstimmend ein Achteck mit oberem Umgang, Chor und 
Vorhalle als besondere Anbauten. Von Bramante fundirt nnd von 
Crietoforo Socchi 1486 nach verändertem Piano ausgeführt ist das 
unvollendete majestätische Fragment des Dom eszu Pavia, ein heller, 
lichter Hochbau; die Fassade nur im Modell. — Weiter nach Stid- 

1 osten: der Dom zu Carpi, von Andern dem Peruzzi zugeschrieben. 

Von einem mailändischen Schüler Bramante's, Gioe. Doleebuono, 
rührt das einfache Innere von S. Maurizio odor Monastero mag- 



■! ') (Henliehe IWlienverhaUnl.ia , der Chor nnd der obere Thell leider Terreataurirt). 



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199 



giore her, welches man hauptsächlich wegen der Fresken Luini's 
auf sucht. Ein geistreicher Bau, für lauter Fresken und Decoration 
gebaut und doch schon ohne Rücksicht ilarauf schon, in welchem /.um 
letztenmal durch die Rippen des Kreuz gewölbes eine leichte und edle 
Wirkung erzielt wird. — S. Nazaro hat noch seinen wunderlichen a 
achteckigen Vorbau vom Jahr 1518 mit den Sarcophagcn doi Familie 
Trivulzi in den oben herumgehenden Nischen; eine Construetion zu 
welcher offenbar die .Sacristei von S. Satiro Anlass gab. 

Von Profanbauten au beachten : Casa Frigeria bei St. Scpolcro 
mit sehr schön contponirtem Gesims und Kranzgesima. 

Schon vor Braniante's Ankunft in Mailand hatte Anihrogio Bor- 
gognone die Fassade der Certosa von Pa via begonnen (1473). Neben h 
derjenigen des Domes von Orvieto ist sie das erste decorative Pracht- 
stück Italiens und der Welt, und abgesehen vom Schmuck vielleicht 
die beatgedachtc des XV. Jahrhunderts. Ihr Motiv, unabhängig von 
den antiken Ordnungen, ist das der romanisch - lombardieren abge- 
stuften Kirchen fronten mit vortretenden Pfeilern und quer durch- 
laufenden Bogengalerien ; innerhalb dieser festgcschlossenen Form 
beherbergt sie allen erdenklichen Sehmuck in weiser Abstufung des 
Ausdruckes. Die unermessliche Pracht und zum Thcil auch der feine 
decorative Geschmack, welche das Erdgesehoss beherrschen, haben 
ein in seiner Art unvergleichliches Ganzes hervorgebracht. Schon 
die Basis des Sockels beginnt mit Puttenrelicfs und Kaiserköpfen ; 
am Sockel selbst wechseln Reliefs und Statuen in Nischen; die Pflaster 
sind beinahe in Nischen aufgelöst, in welchen sich Statuen befinden; 
was sonst von Flachen übrig bleibt, ist mit Figuren und Ziorrathen 
in Relief völlig bedeckt, Alles in weissem Marmor. Das auf vier 
glatten Säulen vortretende Portal ist edel gedacht; vollends aber 
gehören die vier grossen untern Fenster , eigentlich als Pforten ge- 
dacht, zu den grössten Triumphen aller Decoration; ihre Innea- 
stiitzon sind reiche Candclabcr, ihre Akrotcrien mit betenden Engeln 
geschmückt. Am mittlem (jetzt obersten) Stockwerk Flächen und 
Einfassungen mit Marmor verschiedener Farben incruatirt, hier ganz 
am rechten Orte; ein oberster Aufsatz sollte consequonter Weise 
ein colossalcs Mosaikbild in einer kräftigen giebelgekrönten Ein- 
fassung enthalten , wie man aus einer alten Abbildung sieht. 

Das Langhaus ist gothisch(S. 151 a); jeder der drei Arme von Quer- 
bau und Chor schlicsst mit drei Nischen nach drei Richtungen ; wenn 



diese Anordnung erst der Renaissance angehört, so wäre sie für viele 
der unten genannten oberitalischen Kirchen ein nahes und bedeuten- 
des Vorbild gewesen. Die in vier Galerien abgestufte Kuppel ist 
entschieden erst ans dieser Zeit, ihr Abschluss noch neuer. Im Klos- 
ter zwei berühmte Backateinhüfe von kräftigstem Eeichthnm aller 
Zierformen. — Auch in Pavia ein herrlicher, theilweise erhaltener 
Palasthof gegenüber vom Carmine. 

An der Hauptkirche S. Lorenzo von Lugano ist die Mannor- 
fassade, wahrscheinlich von T. Rodari, ein graziöses kleines Excerpt 
aus derjenigen derCcrtnsa; quadratisch, mit einem höhern Erdge- 
schoss und einem niedrigem Obergeschoss , in dessen Mitte ein Blind- 
fenster; Friese, Pilaster und theilweise auch die Wandflächen mit 
Sculpturen geschmückt. ') 

Es folgt der im Jahr 1513 von Tomviaso Rodari begonnene Aus- 
bau dos Domes von Conio (vergl. S. 150 8 ): Chor, Querbau und 
Außenseiten des Langhauses, vielleicht das schönste Spoeimen 
höherer Renaissance baukunat in diesen Gegenden. Die drei Ab- 
schlüsse ini halben Zehneck; das Aeussere einfach edel gegliedert; 
im Hauptfrics an den Strebepfeilern Urncntrüger für den Wasscr- 
ablauf. (Die achteckige Kuppel in ihrer jetzigen Gestalt von Ju- 
vara). -) Innen ist Chor und Querbau umzogen von einer Doppel- 
ordnung korint bischer und Composita-Säulen, welche ein horrliches 
Doppel syst em von Fenstern einfassen; die übrig bleibenden Flächen 
zwar nüchtern de cor irt , aber trefflich eingetheilt; unter den untern 
Fenstern Nischen mit (oder doch für) Statuen. Die Wölbungen mit 
prachtvollen roth- weiss -goldenen Cassetten. Bei der durchgängigen 
Einfachheit, welche auf reine Tntalwirkung ausgeht und b. B. keine 
Arabesken an Pllastern und Friesen zulässt, gehört diess Gebäude 
wie S. M. pr. S. Celso zu Mailand schon eher der classischen Zeit an. 

In Orema zwei Backstein kirchen La Madonna und Lo Spirito 
Santo, noch vorhanden? — {In Lodi ein reizender Ziegelbau: Ctsa 
Mutignani, jetzt Cerisoldi, Via Porapeja 45]. 



>) [Ausserdem In der IUI. Schwell ; ä. l'lcttn c Slcfanu in Bellimonii ; Chics« nun 
in Locumo ; Madonna dt Penis hei UtlsKSBO, Kupnelanlngu in BrnumiUscIiem Sty!.] 

a ) Die Decurnlfnn der vordem Thelln äti Langhin lei, mißlicher Weise ebenfalls v 
Rodari ing früherer Zelt, gebort mehr der bunten nnd he tun sauen FrUhrennisunce r 



Orandiuge dea lombardischen 



Schon die genannten Bauten geben einige gemeinsame Züge kund, 
die auch für die folgenden wesentlich sind. Die Lombardei war schon 
in der vorigen Periode das Land des grossartigen und verfeinerten 
Backsteinbaues gewesen und behielt jetzt dieses Material bei, ab- 
gesehen natürlich von Gebäuden des äussersten Luxus n ie z. B. die 
Fassade der Oertosa. Zweierlei Consequenzeu hievon sind: t) die 
Vorliebe ftfr den Pfcilerbau mh Stucchirung; dieser gestattete 
kühne Ocwlflbe; die Säule und mit ihr die flachgedeckte Basilika 
kommen zur Benaissancezcit im Ganzen selten vor. 2) Die Vorliebe 
för reiche, kecke Dispositionen, hauptsächlich runde Abschlüsse, 
grosse Nischen u. s. w. , die im Backstein , wo man es im Detail nicht 
so genau nimmt , ungleich leichter darzustellen sind als im Stein, der 
eine sehr consequente Durchführung des Details und eine hier müh- 
same Messung verlangt. Diese reichen Formen sind gleichsam ein 
Ersatz fttr den mangelnden Adel des Materials. ■ — Weitere Folgen 
sind: dio stets einfache und befangene Bildung der Säule , wo sie 
vorkömmt, wie z.B. an vielen (doch nicht den meisten) Klosterhlifen; 
die Deeoration des Innenpfeilera, den man doch einmal nicht 
roh lassen -wollte, durch gemalte oder selbst erhabene Arabesken; 
eine ähnliche Behandlung der Gesimse, der Gewölbe (Kippen sowohl 
als ganze Kappen, Halbkuppeln u. s. w.). Die Kuppel bleibt noch 
längere Zeit die mittelalterliche, polygone, aussen flaehgedeckte, mit 
Galerien umgebene. Man sieht an der Certosa von Pavia recht deut- 
lich, wie sie sich steigern und verklären möchte, es aber nicht über 
die Vervielfachung der Galerien hinaus bringt. 

Dio Dauer der Frülirenaissance ist hier eine längere als in Mittel- 
italien ; ßramantc (oder wer es sonst war) drang mit der grossartigen 
Vereinfachung der Formen , die man z. B. an S. Maria presso S. Celso 
bemerkt, zunächst nicht durch. Der Bruch erfolgt hier erst gegen 
die Mitte dos XVI. Jahrhundorts und dann ziemlich unvermittelt. 

Dia nächste bedeutende Gruppe von Kirchen, welche der Ver- 
fasser aus Anschauung kennt, besteht aus S. Sisto in Piacenza, 
(1499—1511), 8. Giovanni (1510) und der Steceata in Parma 
(1521), die beiden letztern von Bernurdino Zaeeagni aus Torohiara. 

Bo dlt Nordthlir, die Anoenolntainnten der Fenster nnd die geistreichen Renaissance- : 
Spititlillrmchen, "eiche Uber den Strebepfeilern des Querbones und Chorea , also an dem 
Bai der mehr claaelschen Zelt nicht mehr vorkommen. Die Inschrift Uber den Beginn 
dea eiiterblaca sieht an der Rückseite des Chorea. 



Die älteste ist S. Sisto ; ') fiir die moderne Fassade entschädigen zwei 
gute ionische Kreuzhänge. Das Innere ist von glänzend naivem 
Kciehtlium der Disposition nnd Ausführung; eine Säulenkirche mit 
Tonnengewölben und zwei Qu erste Iii Ifen , über deren Mitte Kuppeln; 
die Seitenschiffe mit lauter kleinen Kuppelgewölben; seitwärts davon 
Capellen in Nischen auslaufend, welche indess von aussen durch eine 
gerade Mauer maskirt sind. Von ganz besonders seltsamer Compo- 
situm sind die beiden SchluBscapellcn des vordem Queracbiff es : grie- 
chische Kreuze auf vier Säulen ruhend, mit Kuppelchen und vier 
Kc k räume h en , an den Enden Hauptnischen, in den Eck räumen klei- 
nere Wandnischen, und diess Alles bo klein, dass man sich kaum 
darin drehen kann. — S. Giovanni in Parma hat eine ähnliche 
Disposition, doch leider Pfeiler (von schöner schlanker Bildung) und 
nur Ein Querschiff; ausserdem (links) drei prächtige Klosterhöfe mit 
bemalten Bogenfüllungen und Friesen (die Fassade modern). — La 
Steccata endlich bildet ein einfaches griechisches Kreuz mit runden 
Abschlüssen, Mittelkuppeln und vieT etwas niedrigem Eckräumen, 
welche zu be sondern Capellen abgeschlossen sind. (Die Verlängerung 
des Chores neuer). Es ist eine der schönsten, wohlthu endeten Bau- 
massen, welche die neuere Kunst geschaffen hat, übrigens von aussen, 
wie alle diese Kirchen möglichst einfach ; die einzige reichere Form ist 
die Galerie um die Kuppel. 

Die gemeinsamen Eigenschaften dieser Kirchen sind nun : 1) Eine 
wahrhaft prächtige architektonische Bemalung aller Bauglieder des 
Innern, theilweise auch der Banflächen, wie denn in 8. Sisto der 
Fries über den Hauptbogen durch eine ganz hohe Attica mit lauter 
allegorischen Malereien grau in grau vertreten ist. (Von dieser Be- 
malung unten ein Mehrerca). 2) Eine merkwürdig schlechte Beleuch- 
tung. In 8. Sisto und 8. Giovanni kommt das meiste Licht durch die 
Fenster der untern Capellenreih on, die zu beiden Seiten der Altäre 
in den halbrunden Nischen angebracht sind; an der Steceata hat 
der Meister sogar seine Fenster ohne alle Noth so weit unten als 
möglich angebracht. . Von den Kuppeln hat leider gerade diejenige 
von S. Giovanni, mit Coreggio's Fresken, das kümmerlichste Licht 

') In dieser Kirchs befand sich ehernste die berühmt« Madonna dl S. Hlato, welche 
daher den Kamer. der Siitlnischen führt. (InDreaden). AlsSchhi.s dar schonen Kirche 
In dein trefflichen Licht, welches jetat die Cople genieist, muiile sie eine einzige Wir- 
iong Buchen, .i 



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Xodena. Bologna. 



durch vier kleine Lucken. In der Steceata geht dem Innern, das 
sonst so schön gedacht ist, sein bester Reiz durch diesen Mangel 
ganz verloren. . 

Um sich den Eindruck des ganzen einigermassen zu vervoll- 
ständigen, denke man sich bei S. Sisto und S. Giovanni eine Hack- 
stebfassade dieses Styles hinzu, wie sie z. B. S. Pietro in Modena 
vecht schön darbietet. Wie oinst die gothischcn, so reproducirt in 
dieBer Epoche der Backstein die antiken Formen in einer oft eigcn- 
thiimlicli reizenden Weise. 

In Modena ist ausser der eben erwähnten Hacksteinfassade von 
S. Pietro nichts von höherer Bedeutung vorhanden; der zweite Kloster- 
hof daselbst (ionische Halle) bat ein sonderbar niedriges Obergeschoss. 
Für Architekten: Pal. Coccapanc (Strada Ena de! ninro), Backstein- 
bau mit reichen Gesimsen aussen und im Hof, gemalten Friesen und 
Decken in den untern Hallen. — Pal.Rangoni (jetzt Bei Ii ntani, Hanpt- 
strasse) bat rechts noch ein sehr entstelltes Höfchen mit oben herum- 
gehendem offenem Pfeilergang. 

Ton andern Renaissancebauten der Gegend können zwei Gebäude 
an der Via S. Antonio zu Piacenza und ein grosser halbzerstörter 
Klosterbof links neben 8. Quintino in Parma für Architekten einiges 
Interesse bieten. Die Madonna della Campagna in Piacenza (am west- 
lichen linde der .Stadt) scheint eine frühe Nachahmung der Steceata 
zu sein. Das bischöfliche Seminar in Parma, beim Dom, ist eine gute, 
jetzt vermauerte Doppelballe. (S. Sepolcro ebendaselbst von schöner 
Anlage , jetzt Hospital]. 



Bologna besitzt aus dieser Zeit keine bedeutende Kirche, aber 
einzelne sehr werthvolle Bruchstücke von solchen. Die ganze fröh- 
liche Naivetat der FrUhrenaissance lebt z. B. in der zierlichen Baek- 
steinfassade der Madonna di Galliera (nahe bei S. Pietro)', vom 
Jahr 1470. In den allerkleinsten Dimensionen roprKsentirt diesen 
Styl das aufgehobene Kirchlein S. Spirito. — An der Kirche Corpus 
Domini (oder la Santa) ist von dem Bau des Jahres 145S (?) ebenfalls 
nur die Fassade und vollständig nur die prächtigste Backstcinthtir 
erhalten. Sie zeigt gerade in ihrem Reichthum den tiefen Unter- 
schied awischen oberitalischer und toscanischer Decoration. — Eine 



204 F rühre Hainau«». Bologna. Kirchen. Paläste. 



vollständige, aber nur einschiffige Kirche (angeblich von 1447 , doch 
eher erst nach 1500) ist 8. Michele in Bosco; namentlich aussen gnt 
und gediegen; das Portal dem Peruzzi beigelegt; von den Anbauten 
mehrere einfach gut. — An S. Bartolomeo di Porta ravegnana ist auf 
zwei Seiten die reiche Pfeilerhalie des Formigine erhalten, vom 
Jahr 1530 und doch noch Fr Uhren aissance, wie Alles was noch auf 
vorherrschende Einzelwirkung ausgeht. (Das Innere, eine Säulen- 
kirche mit Tonnengewölben, vielleicht aus derselben Zeit, aber mo- 
dernisirt). — In H. Giacomo mnggiorc ist das ganze Langhaus ein 
sehr schöner Einbau vom Jahr 14U7 in die altere Kirche; einschiffig 
mit je drei Bogen cn pellen zwischen den vortretenden Wandpfeilern.— 
An der an stoss enden S. Cecilia gewährt die kleine Kuppel von aussen 
einen zierlichen Anblick. 

Wie langsam und gegenüber welchem Widerstand die Renais- 
sance in Bologna eindrang, beweist z. B.: die Annunziata (vor Porta 
8. Mammolo), welche noch in den 1480er Jahren gothisch erbaut 
wurde. Der Weiterbau von S. Pctronio hielt hier den gothischen 
Styl Üborhaupt lange am Leben. [S. oben S. 146.] 

Einzelne Capellen, oft sehr hübsch mit eigenen polygonen 
Kuppeln und Eckpilastorn nach florentini scher Art: In 8. Hartiao 
niaggiore, die erste links ; — in der Misoricordia (vor Porta Casthr- 
lione), die letzte rechts; üborhaupt ist das Innere dieser gothischen 
Kirciic im Jahr 1511 umgebaut; — in S. Stefano; ein hübsches 
Capcllchen links neben dem sog. Atrio di Pilato; — in S. Giacomo 
maggiorc: die Capella Bontivoglio (Chorumgang), datirt 1486, 
durch ihre halbmoderne Bemalung entstellt; — in S. Giovanni in 
Monte: an jedem Ende des Querbaues eine. 



Für Paläste der Frührenaissanco (die wir hier, wie bemerkt, 
noch Uber die ersten Decennien des XVI. Jahrhunderts ausdehnen 
müsson) ist Bologna oine der wichtigsten Städte Italiens. Allerdiugs 
treten zwei beinahe durchgehende Beschränkungen ein, welche eine 
florentini sehe oder venezianische Eutwickclung des Palastbaues hier 
unmöglich machen : der Backstein und die Verwendung des Erdge- 
schosses zur Straascnhalle. Letzterer Gebrauch, an sich sehr schön 
und für den Sonuuor und Winter wohlthütig, hat eben doch das Anf- 



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Bologna. Fallit*. 205 

kommen jeder streng geschlossenen Composition verhindert; es ent- 
standen fast lauter Horizontalbauten, bei welchen das Verhältnis» 
der Länge zur Höhe gar nicht beachtet, keine Mitte bezeichnet und 
e. B. die Thür ganz willkürlich angebracht wird. 

Innerhalb dieser Schranken aber äussert sich die Renaissance 
hier äusserst liebenswürdig, ja es triebt in gauz Italien wenige Räume, 
wo der Geist des XV. Jahrhunderts uns so ergreift, wie in einzelnen 
Hofräumen von Bologna. Das Detail ist meist gerade so reich als der 
Backstein es gestattete; allerdings liegt zwischen hier und Rom wie- 
der ein Gebirge mehr, und die antiken Formen werden schon mehr 
nie von Hörensagen reproducirt. — Die Backstein säulen des Erd- 
geschosses, meist mit einer Art einblättriger korinthischer Kapitale, 
tragen reichprofilirte Bogen ; über einem Sims setzen dann die rund- 
bogigen Fenster des Obergeschosses an , oft sehr prächtig , mit eiuer 
Art von Äkroterien seitwärts und oben; in dem (bisweilen noch be- 
malten) Fries finden sieh runde, auch rnndschliessende, auch vier- 
eckige Luken. Das Kranzgesimse mit seinen kleinen und dichtstehen- 
den Consolen tritt nur massig vor. — In den Höfen, wo sie wohl 
erhalten sind, entspricht den untern Säulen oben die doppelte Zahl 
Ton Säulchen (seltener Pilaster mit Zwischen bogen), welche eine Ga- 
lerie um den grössten Theil des Hofes bilden ; oder auch Fenster, die 
den äussern ähnlich sind. Die Friese; Einfassungen u. dgl. meist um 

Diese Bauweise dauerte bis gegen die Mitte des XVI. Jahrhun- 
derts, und gerade aus dieser spätem Zeit giebt es Beispiele von be- 
sonderer Schönheit. Der Baumeister Formiffine bemühte sich da- 
mals, den jetzt sand steinernen Capitälen eine möglichst reiche und 
abwechselnde, oft figurirte Bildung zu geben. In den Höfen bemerkt 
man oben statt der Säulen hie und da kleine Pilaster mit dazwisehen- 
gesetzten Bogen. Aussen wird auch wohl durch- viereckige Fenster 
(statt halbrunder) der eindringenden Glassicität ein Zugeständniss 
gemacht. — Wir zählen einige bezeichnende Beispiele aus dem XV. 
und XVI. Jahrhundert auf. 

Pal. Fava, N. 590, sehr schön; im Hof auch ein offener Ver- a 
bindungsgang auf reichen Consolen. — Aehnlich das Haus N. lOöO. 
— Das phantastische schöne kleine Eckbaus N. 49U Via delle Grado 
und Contrada de' Poeti. — Der Pal. Bevilacqua, eins der wenigen b 
Gebäude dieser Zeit, welche unten keine Halle, sondern eine ganze 



Frahrenaisuanoe. Bologna. Paläste. 



und zwar steinerne Fassade haben, deren Quadern denn auch mit 
ganz besondenn Nachdruck behandelt, nämlich jeder einzeln vor- 
ziert sind; auch alle übrigen Details sehr reich, das Gesimse eines 
der wirksamsten. Der Hof, mit Ausnahme der Säulen ganz vonBack- 
stein, ist der schönste dieses Styles. Man hat auf verschiedene Bau- 
meister gerathen; nenn aber der reiche Porticus an S. Giacomo (um 
1483) ui'kundlich von Gaspero Nadi erbaut ist, so wird man ihm 
wenigstens auch den Hof von Pal. Bevilacqua zuschreiben dürfen, der 
in d it Zier«' eise mit jenem Portiens fast völlig übereinstimmt. — Der 
Pal. delPodesta (1485, von Flor a van ti) sieht dem Werk einer unreifen 
liege isternng fiirl'al. Bevilacqua ähnlich; das zalune obere Stockwerk 
passt nicht zu den facettirten und geblümten Quadern und den derben 
Halhsänlen der Pfeiler des Erdgeschosses. (Der rechts davon gelegene 
Portico de' Banchi rührt in seiner jetzigen Gestalt erst von VigwAa 
her, der auf oine sehr goschickte Weise einoMenge kleiner Räume und 
Fensteröffnungen einer neuen grossartigen Uaupteintheiluug zu snb- 
ordiniren wusste.) — 

Der Platz vor S. Stefano ist fast mit lauter Gebäuden dieser 
Gattung umgeben; darunter H. 94, neben Pal. Isolani, noch halb- 
gotbisch (oben eino Art Bogeofrics mit Köpfchen ausgefüllt) ; beson- 
ders artig N. 8Q. 

_ Der zierliche Palast auf dem Platr, der beiden sehiefen Thürmc 
(eigontl. Pal. dell' arte degh Stiacciaiuoli) mit dem Datum 1496, soll 
von Niemand anders als von Fruiuxtico Francia entworfen sein. 
Wenn man in den mehr decorativ als architektonisch gehandhabteu 
Formen den „Goldschmied" wieder erkennen will, so haben wir nichts 
dagegen einzuwenden (1020 umgebaut). — Wiederum einfach und 
sehr ttiehtig: Pal. Fibbia; N. 5S0. — Artige Höfe: N. 1063, N. 1079, 
N. 2501 (letzterer mit gemaltem Putten fries). 

Ausserdem ist der grosse Porticus der Putte di Baracano unweit 
Porta S. Stefano bc achtens werth, als Fassade einer wohlthätigen An- 
stalt aus den letzten Jahren des XV. Jahrhunderts. 

Dem reinem Clnssicismus nähert sieh dieser Styl z. B. in PaL 
Bolognini N. 77 unweit S. Stefano (vom Jahr 1525), mit den Praeht- 
capitälen des Formtgine und den Medaillonköpfen des Alf. Lombardi. 
Don bolognesiachen Hofbau in classischer Umbildung zeigt sehr schön 
Pal. Malvezzi-Campeggi, Via di S. Donato N. 2 i98, von Formigüte. Für 
die Fassaden dagegon wusste dieser Meister, als der römisch -florcn- 



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Bologna. Pallete. Ferrari. 



907 



tinische Einfluss nach Bologna drang, keinen rechten Rath ; andern 
genannten Gebäude behielt er für Friese, Pilaster und Füllungen 
wenigstens oine öde calligraphische Spielerei bei, und an Pal Fantuzzi, n 
Str. Vitale 118, gab er den gekuppelten Halbsäulon b cid er Stock werk o 
eine ganz widersinnige Rusticaob erfläch e. Naiver verläuft sich die 
alte bolognesische Zierinst in den Barockstyl uu dem Pal. Bolognetti 
[jetzt Savini, N. 1310), vom Jahr 1551, mit einer allerliebsten untern t 
nnd obem Halle und Treppe. Das beste Gebäude dieses Ueberganga- « 
styles aber möchte wohl Pal. BiLoncorapag-ni-Ludovisi sein(N. 1719, 
hinter dem erzbisehöflichen Palast), vom Jahr 1545; im Hof erlöschende 
mythologische Grisaillen des Giro!, da Trevüo. 

Von Klosterh Öfen der Renaissance sind zu nennen: der von a 
S. Martino maggiore; derjenige der Certosa, welcher jetzt den Haupt- « 
hof des Caniposanto ausmacht, mit besonders roichen und schönen 
Capitälen, etc. etc. 

Die völlige modorn-elassische Umbildung tritt dann ein mit 
Bart. Triaehini (Pal. Mal vozzi-Modici, oder Bonfiglioli, Strada maggiore f 
N. 2492, eines der besten Gebäude Bologna's), mit Francesco Terri- s 
büia (die alte Universität, jetzige Bibliothek; der durchaus mit Rustica i. 
bekleidete Klosterhof bei S. Giovanni in Monte etc.); sie neigt sich 
dem Barockstyl entgegen mit Tellegrino Tibaldi und seinem Sohn 
Doinenieo, von welchen unten. 



Ferrara besitzt zunächst einen der wichtigsten Rcnaissauco- 
thUnne Italiens, den Campanile des DoraeB. (Anfang des XVI. ; 
Jahrhunderts.) Mit Marmor, und zwar schichtenweisc roth und weiss 
incrustirt, mit derb vortretenden Bckpilastern und Säulen Stellungen 
dazwischen, wirkt dieser Bau ganz imposant, obschon man es den 
Säulen ansieht, dass der Baumeister beim Backstein aufgewachsen 
war. (Die Fensterbogen setzen unschön ohne Mittelplatte auf.) — 
Die Tribuna der Kirche oin guter Backstoinbau, innen mit reich scul- 
pirten Wandpilastern. 

Südlich gegenüber 'Iii' iiufirehobene, .sehr verbaute Kirche S. Ro- k 
mano, von früher und schlichter Renaissance.' 

S. Francesco (1494, wahrscheinlich von einem gewissen Pietro i 
Benvenuti) gehört noch zu der oben mit S. Sisto zu Piacenza bc- 



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Frühranaissance. Ferrora. Kircheo. 



gonnenen Reihe. Aussen mager vertheilte Pilaster mit hUbacben 
Friesen (Putten, Medaillons haltend)-, innen Säulenkirche mit lauter 
Kuppelgewölben und den beiden Seitenschiffen entlang mit hübsch 
eingefassten Capellenreihen, durch deren Fenster wiederum das meiste 
Lieht kömmt. Auch die Ornamentirung in ähnlicher Weise an Frie- 
sen, Bogenfttlluagcn etc., sowie an den Pfeilern der Kreuzung auf- 
gemalt, wie in jenen Kirchen. — Von demselben Geschlecht: S. Be- 
nedetto (um 15UU von Oianbatt. und Alberto Tristaio), die Fassade 
(auch die von S. Francesco) mit jenen von L. B. Alberti (S. lBGo) üu- 
erst gebrauchten, von Pintelli(S. 190 ■) nachgeahmten Seitenvoluten 
und mit Marmorpilastern; alles Uebrige schlichter Backstein; die 
Capellenreihen auch aussen rund, ebenso die Abschlüsse des Quer- 
baues. Innen Tonnengewölbe (in der Mitte des Langhauses durch 
eine Flachkuppel unterbrochen; Uber der Kreuzung die Hauptkuppel ; 
die Nebenschiffe mit lauter kleinen Kuppelgewölben. Die prächtige 
und doch weislich gemässigte decorative Bemalung ist an den untern 
T heilen überweiset oder nie vorhanden gewesen. — Eine der besten 
dieser Keine, obschon ebenfalls durch das vorherrschende Unterlicht 
beeinträchtigt: die Oertosa 8. Cristoforo (1498-1553) einschiffig 
mit Kuppelgewölben, geradlinigen Capcl len reihen , Mittelkuppel und 
Querbau; die Gliederungen aussen nobel von Backstein (mit Aus- 
nahme der noch nicht inerustirten Fassade), innen sänimtlich von 
Marmor; über den Capellen reihen eine hohe Attica wie in S. Sisto zu 
PUeenza (hier leerj. — S. Maria in Vado (seit 1475 erbaut von 
Biagio Rossetti und Rurtol. Tristan* ist in der Bildung des Aeussern 
den bisher genannten analog, innen eine Säulenkirche mit Flachdecke, 
ohne Capcllenreihen und TJnterlicht, deshalb von schöner Wirkung. 
(Die Hauptfassade erneuert, die Querbaufronte ursprünglich und 
der Fassade von S. Bcncdetto ähnlich. — Die Nebenschiffe haben 
Kreuzgewölbe.) — Endlich S. Andrea, mit noch gothischer Fassade 
von 1438 ; innen Pfeilerkirche mit flacher Decke über niedriger Ober- 
mauer; die Nebenschiffe mit Kreuzgewölben; Ca pellen reihen mit 
Seitenlicht durch je 2 Fenster; diess Alles etwa um 1500. — Von S. 
Giorgio ist wenig mehr als der schiefe Backstein thunn aus dieser 
Zelt erhalten (1485, von Biagio RossetH). 

Als griechisches, gleicharmiges Kreuz mit Eckräumen wurde S. 
Spirito 1519 gegründet; nach mancherlei Schicksalen jetzt sehr ver- 
ändert. — Noch zu Ende des XVI. Jahrhunderts baute Alberto 



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Kirchen. Klösterhöfe. Paläste. 209 

Schiatti das einfache und sehr artige Kirchlein la Madonnina in dieser ■ 
Form (unweit Porta romana). 

Von den Kreuzhängen blieb dem Verfasser zufällig derjenige i> 
der Certosa (jetziges Camposanto) unzugänglich ; — drei durch offene 
Durchblicke zu einer sehr schönen Wirkung vereinigte finden sich c 
neben S. Benedetto (davon einer auf Pfeilern, die andern auf Sänlon); 

— ein ähnlicher bei S. Maria in Vado. 

Von Profanbauten dieses Styles ist in Fcrrara nicht so viel 
bedeutendes erhalten als man erwarten möchte. Die schönsten Bauten 
der Herzöge vom Hause Este sind untergegangen; ihr Castell ist als 
malerischer, imposanter Anblick ohne Gleichen , kann aber nicht als 
Palast gelten. Von den sonstigen fürstlichen Gebäuden zeigt der 
jetzige Pal. communale allerlei interessante Reste, aber nichts zu- d 
sainmenhängendes mein-, mit Ausnahme des hinten angebauten her- 
zoglichen Arsenals, welches aussen ein schlichter Backsteinbau mit 
Pilastern, innen eine regelrechte Basilica (nur ohne Tribun a) ist. — 
Die angefangene Halle aussen im Erdgeseboss des Palastes, gegen 
das Castell hin, ist erst von Galeazzo Alessi (s. unten), der längere 
Zelt in Alfonso's II. Diensten stand. — Der Palazzo Schifa-noja, c 
vom Herzog Borso seit 1470 ausgebaut, ist architektonisch nicht be- 
deutend, ausgenommen das schöne Portal mit dem Wappen darüber. 

— Das Wichtigste ist immer der Pal. de' Diamanti (jetziges Ate- t 
neo, mit der städtischen Galerie), begonnen 1493 für Sigismondo von 
Este; mit der facettirten Bekleidung, den sculpirton Pilastern und den 
sehr schön gebildeten Fenstern versehen in der ersten Hälfte des XVI. 
Jahrhunderts, mit dem Kranzgesimse vollendet 1567 für Cardinal 
Luigi d'Este. Die schönen Verhältnisse des Ganzen leiden nur durch 
die Disharmonie zwischen den zarten Pilastern und der energisch sein 
sollenden Quaderbehandlung. — Der letzte estensische Zierbau ge- 
hört schon dem classischon Styl au und verriith die Einwirkung des 
Palazzo del Te in Mant.ua: nämlich la Palazzina (1559), ein ehe- s 
mals köstliches Gartenhans, nur Erdgeschoss mit Fenstern, Portal 
und vier Pilastern, hinten mit (jetzt vermauerter) Loggia und einem 
links anstossenden, jetzt meist unzugänglichen „Tcatro". Das Ganze 
im kläglichsten Verfall. 

Die Privatpalästc des Adels sind hier, wie in den Städten 
kleiner Fürsten Uberhaupt, nie so wichtig als in den ehemaligen 
Hauptstädten der Republiken. Das argwöhnische Regiment, auch 

Bvrekhardt, Cieeron/. 14 



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»10 



Fröhmuüuanee. Ferra™. Paläste. 



wohl dor finanzielle Druck des Hauses Este im XV. und XVI. Jahrhun- 
dert Hess keine grosse bauliche Maehtäusserung aufkommen. Der ein- 
zige bedeutende Hof bub dem XV; Jahrhundert, der des Pal. Sero fa 
(Corso di Porta romana) ersetzt aber zehn Paläste, obwohl er nur zur 
Hälfte gebaut und in drohendem Verfall begriffen ist. Er zeigt den 
bolognesischen Hofbau vortrefflich in das Schlanke und Leichte über- 
tragen, welches die Hallen Ferrara's, deren Säuleu durchgängig von 
Marmor sind, überhaupt kennzeichnet. — Die fehlende Fassade mag 
man sich ergänzen durch die äusserst zierliche des Pal. Roverella 
(der dafür nur einen unbedeutenden Hof hat). Ucbcr dem heitern 
Eindruck dieses Gebäudes ubersieht man es gerne, das z. B. die Ara- 
besken des obern und des untern Frieses derber und massiger ge- 
bildet sind, als die der Pilaster, und dass die Fenster sich auf die da- 
mit eingefassten Flächen nicht gut vertheilen. Die Pforte marmorn; 
drüber ein grosser Erker, woran diess bei der Post gelegene Gebäude 
leicht kenntlich ist. — Pal. de' Leoni, beim Pal. de' Diamanti, hat an 
seinen Eckpilastcrn die schönsten Arabesken Ferrara's, ausserdem 
ein stattliches Portal mit einem von Putten umgebenen Balcon; sonst 
sind Fassade und Hofhalle ganz einfach. — Pal. Bevilacqua und Pal. 
Zstti auf Piazza Ariostea, beide mit vorderer Strassenhalle, der er- 
stere mit einem der bossern Hüfc. [Interessant wirkt die schräge 
Böschung aller Häuser den Corso Vittorio Emanucle entlang. — 
Hübscher Hof in Nr. gegenüber dem Seminar».] 

Weiter im XVI. und XVU. Jahrhundert begegnet man hier eini- 
gen kleinem Palästen, welche durch harmlose Zierrathen in den 
"Wandfläehen selbst (Trophäen, Büston, Motto's etc.) ein Echo der 
frühem Zierlust offenbaren; Pal. Bentivoglio'; Pal. Costabili. Das 
beste Gebäude des etwas strengem Classicismus, Pal. Crispo (um 
die Mitte des XVI. Jahrhunderts von Girotamo da Carpi entworfen) 
lässt es bei blossen Denksprüchen bewenden, die aber das ganze Ge- 
bäude bedecken. — Das einfache Haus des Ariost, Strada Mirasole, 
N. 1208. 



In Venedig drang der neue Styl im Verhältniss zu den Um- 
ständen spät durch. Die paduanisehe Malcrschule und die einheimi- 
schen Sculptoren hatton schon die naturalistische Darstelhings weise 



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Venedig. Mtustro Bartolommeo. 



211 



anselinticli ausgebildet, während Baukunst und Decoration noch an 
den gothischen Formen mehr oder weniger festhielten. Der Chorbau 
von S. Zaccaria wurde (1457) gothisch begonnen fast zu derselben 
Zeit, da Mantegna schon seine heilige Euphemia malen konnte. Die 
Einfassungen der Prachtaltiire, welche von der muranesi sehen Haler- 
werkstatt ausgingen, sind noch bis nach 1450 gothischen Styles; 
Mastro Bartolommeo meisselt Statnen im Styl des XV. Jahrhunderts 
für seine noch gothischen Zierbauten. Seine Porta dclla Carta am c 
Dogenpalast und die dazu gehörende Halle bis zur Kiesentreppe hin 
(nm 1439) zeigen diesen Styl in seinem Verscheiden und doch noch in 
eigentümlich schöner Weiso behandelt; das spätgothische , starkgo- 
bauschte Blattwerk bildet schon Friese, die im Geist des neuen Jahr- 
hunderts gedacht Bind. l ) Sogar das Dogcngrab Franc. Foscari(f 1457) r 
im Chor der Frari (rechts) ist noch gothisch, ein Werk der Bildhauer- 
familie Bregno. An den Chorstflhlen mehrerer Kirchen hält sich das 
Gothisehe bis um 1470. (S. unten.) Auch das ganze Portal von S. 
Giovanni e Paolo gehurt dieser späten, vegetabilisch prächtigen g 
Gothik an. 

Als aber die Renaissance hereinbrach, fand sie in dem reichen 
Venedig eine Stätte ganz eigentümlicher Art. Die edlern Stoingat- 
tungen, deren ihre Deco ratio n bedarf, um völlig zu gedeihen, wurden 
ihr hier bereitwillig zugestanden; von Backstein und Stucco ist keine 
Rede mehr, wenigstens an decorativen Theileu nicht. Der neue Styl 
kam gerade in die Zeit der grössten Macht des Staates und eines 
grossen Eeichthumos der Vornehmen hinein. Ihm schien eine Haupt- 
rollo zugedacht, wenn es sich darum handelte , der Iuseistadt einen 
dauernden Ausdruck festlicher Freude und Herrlichkeit au verleihen. 
Es fehlte an nichts als an Platz und — an wahrhaft grossen Bau- 
meistern. *i 



') [DIo P. della Curla war ursprünglich, noch der Abbildung des Sebatliano latiaro, 
Akeü. N. 683, Tcrgolitot.] 

S) Die Ineialim lvirhilffirn Hunten werden der Künstlerfamllle der Lombardi bei- 
gelegt, von welchen man einen ältom Martina Lombarde, einen Ptetro t. mit zwei 

macht, anderer dieses Hamens nicht in gedenken. Allem noch zu urtbcileu. waren sie 

— Girolamo Lombardi BUS Ferrum steht, wie der i.-lt:k-!n;.i:ni;,-c Mfr-usö, (von welchem 
bei Anlas« der Scnlptnr ein Mebrcrcs) in keinem Zusammenhang; mit Innen. 

14« 



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212 r rühre naiasanco. Venedig. Compoflition. 



Auf eingerammten Pfählen wird nie von selbst eine freie and 
groseartige Architektur sich entwickeln. Die einzigen bisherigen Ge- 
bäude, welche grossartig gedacht heiasen können, die Kirchen S. Gio- 
vanni e Paolo und S. Maria de' Frari, waren Hiceolö Pisano's Gedan- 
ken; dem Dogenpalast, so gross auch sein älterer (vorderer) Theil 
ist, wird man es immer ansehen, dass Bein Erbauer unter den Ein- 
drücken einer kleinräumigen Pracht aufgewachsen war '). Und diese 
Beschränkung ging nun auch der venezianischen Renaissance nach 
und alle folgenden Baustyle, die in den Lagunen geherrscht haben, 
sind mehr oder weniger derselben unterlegen. Wir werden weiter 
unten finden, dass auch ein Jacopo Sansovino sich beugte. Der ein- 
zige Andrea Palladio leistete erfolgreichen Widerstand. 

Von jenen grossartigen baulichen Dispositionen, wie wir Bio in 
Brunellesco's Basiliken finden, von dem mächtigen Ernst florenti- 
nischer und sienesischer Palastfassadon , von der toacanischen und 
römischen Wohlräumigkeit des Hallenbaues giebt kern Gebäude 
Venedigs im Styl der Frührenaissauce einen Begriff. Man war weder 
des Platzes genugsam Herr noch des festen Bodens sicher. Um so 
ergiebiger ist das damalige Venedig an einzelnen überaus netten de-' 
corativen Effecten zu Nutz und Frommen des jetzigen Platz sparen- 
den Privatbanes. Die Composition im höhern Sinn, nämlich nach 
Verhältnissen, ist an Kirchen und Palästen meist null, aber das Ar- 
rangement geschickt und die Phantasie reich und durch kein Be- 
denken gehemmt. Das Aenssere wird an Kirchen und Palästen mit 
zwei, drei Ordnungen von Pilastera bekleidet, ohne dass man eich 
auch nur die Mühe nähme, die obern Ordnungen durch grössere 
Leichtigkeit zu charaktcrisiren, oder einen Gegonsatz in den Flächen 
auszudrücken (S. Maria de' miracoli, Seitenfronte der Scuola di S. 
Marco etc.). An den Hauptfassaden sind die Pilaster wohl mit Ara- 
besken oder mit Nischen ausgefüllt, cannelirt, in der Mitte durch 
Scheiben von rothem oder grünem Marmor unterbrochen, u. dgl.; 
überall sonst haben sie ihr eigenes vertieftes Rahmenprofil, welches 
ihnen die Bedeutung einer Stütze, eines Repräsentanten der Säule 
benimmt und sie selber zum blossen Rand eines Rahmens um das be- 
treffende Maucrfeld macht. Von einem nothwendigen Gradverhäit- 
niss zwischen der Pilaster- und der Fries de coration trifft man kaum 



') Man vergleiche ilsmH z. H. das Stadthaus von Placenia. 



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Kirchen. 8. Zaccaria. 



213 



eine Ahnung. Für den oborn AbBchluss der Kirchenfassaden er- 
laubte man sich fortwährend die frühliche runde Form in verschiede- 
nen Brechungen; seit dem Hau von S. Marco war die venezianische 
Baukunst daran gewöhnt und hatte auch in der gothischen Zeit da- 
mit barock genug zu schalten gewusst — Auch an den Palastfassa- 
den behielt man die bisherige Anordnung (Seite 154) bei, nur im 
neuen Gewände. Die schöne Wirkung der offenen Loggien in der 
Mitte der Haupt Stockwerke ist nicht das Verdienst des neuen Styles, 
sondern das einer alten Sitte. Die zwischen den Fenstern, Thiiren, 
Gesimsen und Pilasteru übrigbleibenden Flächen wurden mit bunten 
Steiuscheiben in symmetrischer Zusammenstellung, an den Kirchen 
auch wohl mit Nischen, Sculpturen u. s. w. ausgeschmückt. 

Im Innern sind die Paläste grössern Theils verbaut; was von 
Treppen und Sälen einigen Eindruck macht, ist durchgängig spätem 
Ursprunges. DasErdgeschoss ist weder entschieden als blosser Sockel- 
bau, noch als mächtiges Grundstock werk behandelt, und diese Halb- 
heit raubt natürlich der untern Halle jede höhere architektonische 
Bedeutung, wonn sie auch — in Verfall und Verkommenheit — oft 
«in ganz malerisches Interieur gewährt. Höfe sind entweder nicht 
vorhanden oder ohne Belang 1 ). 

Das Innere der Kirchen ist je nach der Aufgabe sehr verschieden. 

Dio älteste des betreffenden Styles ist wohl unläugbar S. Zac- a 
■earia, begonnen 1457 (von Einigen dem Martina Lombardo zuge- 
schrieben). Der Chorbau ist noch zum Theil gothisch, Umgang und 
Capellcnkranz von gleicher Höhe damit. Dio gewölbten drei Schiffe 
ruhen auf Säulen über hohen geschmückten Piedestalen, der Chor 
nach Art einiger romanischen Kirchen auf Säulengruppen. Im Detail 
wagt hier die Frührenaissaneo höchst unsichere und barocke Formon. 
(Wulste der Säulen, mittlere Simse des Capellenkranzes u. s. w.) Die 
Fassade ist mit Ausnahme des Erdgeschosses wohl um mehrere Jahr- 
zehnde neuer; in ihren viclon Stockwerken und runden Abschlüssen 
.zeigt sie zuerst jene nur in Venedig so ausgebildete *) Schrei nerphan- 



1) Bei diesem Anlass ist vorläufig auf Pul. Piniol an Campo B. Stefano hlniu- 
-welsen, wclchor xwar von Bcnaissance nicht mehr als die Zwlscbenhalle seiner bei- 
den Hole besitzt, als vollständigster Privatbali der Barockzeit aber von Interesse Ist. 
Die grossen Sc bilTlaternon in denunlcrn Hullen dieser und anderer Paläste sind Ehren- 
zeichen des ScccomraBndo's der Inhaber. 

=) Vielleicht durch fclelnUcho BBmerbauten, wie Portade' Borsari in Verona, geweckt. 



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214 FrälrenaiBSMwe. Venedig- Kirohen. Kirwoli. 



taste, welche die Baufoimeo ans reinem "Vergnügen an ihrer Wirkung 
vervielfacht, ohne sie zum Ausdruck von Verhältnissen zu benutzen. 
Diese Wirkung aher, erhöht durch dag Material und ein grosses 
decoratives Geschick, ist für den flüchtigen Blick eine sehr ange- 
nehme. 

■ Nahe mit diesem Bau verwandt, nur einfacher, ist S. Michele 
(14GG), welches Martino's Sohn, Maro Lombardo, angehört. Flachge- 
deckto ,-siiik'iikivehe, schon vorn durch einen fnBt gleichzeitigen 
Lettner unterbrochen; hinten drei Tribunen ohne Umgang. An der 
Fassade ist ausser den runden Abschlüssen die unbeholfene Rustiea- 
bekleidung bemerkenswert]!, eine florentinisehe Anleihe. 

b Es folgt das kleine Juwel unter den venezianischen Kirchen: 
S. Maria de' miracoli, 1480 unter Mitwirkung des Fietro Lombardo 
erbaut. Es dauort eine Weile, bis das von oinom .allerliebst" zu nen- 
nenden Eindruck beherrschte Auge sich gesteht, dass der bauliölie 
Gehalt des Gebäudes fast null ist. Der grosse runde Abschluss, mit 
buntem Scheibeuwerk ausgefüllt, erdrückt die beiden delicaten Pilas- 
terordnungen ; der mittlere Bogen der obern wird auf barbarische 
Weise breit gezogen, um der Thür unten zu entsprechen. Auch am 
Chor tragen runde Abschlüsse das Quadrat, auf welchem sich die 
kleine Kuppel erhebt. Innen hat das Schiff ein Tonnengewölbe; die- 
bemalte Cassettirung ist sehr verschwärzt and geht ihrem Untergang 
entgegen. Der Chorbau, auf zierlicher Treppe mit Balustraden be- 
deutend erhöht (um darunter die Sacristei anzubringen), ist in Betreff 
seiner innern Gestalt ein flo rentin i sc her Gedanke auf venezianischem 
Boden. Die Pila st erbek leidung des Innern und Aeusscrn ist fast ohne 
alle Abstufung als blosse Decoration mitgegeben; von dem Werth 
ihrer Ornamente wird unten die Rede sein. 

b S. Giovanni Crisostomo, 14S3 von TuUio Lombardo erbaut, 
wiederholt die Anlage kleiner früh venezianisch er Kirchen (S. 93, i) 
in einem neuen und hühern Sinne; das griechisebo Kreuz mit seiner 
Fiachkuppel wird durch glückliche Abstufung in Haupträume nnil 
Eckräume, durch Schlankheit der Pfeiler zu einem "perspectiviseli 
reizenden Innenbau. Aussen zwar runde Mauers cklüsse u. a. Spiele- 
reien, aber einfaches und gutes Detail, wie auch im Innern. — Eine in 

d deu meisten Beziehungen entsprechende Nachbildung, S. Feiice, ist 

c etwa 50 Jahre jünger. — Auch S. Giovanni Elemosinario ist (1527, von 
f Scarpagniim) nach diesem Vorbild gebaut. — S. Maria Mater Domini 



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Typus tob 8. Öio». Crisoitomo etc. Thurm*. 215 



{von Sansovmo vollendet) nähert sich durch Verlängerung des vor- 
dem Kreuzarmes wieder mehr der Langkirche und hat minder leichte 
Stützen. — S.Maria Forniosa mit iiiren tiefen, durch Zwischen fenster a 
verbundenen Capellen, durch welche das meiste Licht kömmt, ist ein 
itngl üekliches Gebäude— Einemodeme Nachahmung des Systemes von b 
S. Giovanni Crisostomo, vom Jahr 1S06, bietet S. Maurizio. Auch die 
demolirte Kirche S. Geminiano (von Saneooino) hatte dieselbe Anlage, c 

Um 1500 wurde die Kirche S. Fantino begonnen; der Urheber a 
ist unbekannt. Als sehr glücklich gedachter Binnenraum bildet sie 
die Vorstufe zu H. Salvatore (s. d.); nur daas statt der Kuppelgewölbe 
noch Kreuzgewölbe angewandt sind. Der Chor wurde 15(14 von 
Sansavino hinzugebaut. — Neben all diesen dem Centralbait sich 
nähernden Anlagen entstand nach 1509 eine einfache weitbogige Ba- 
silika : S. Pietro e Paolo in Murano. e 

Schliesslich sind ein paar niedliche kleine Bauten des Guglielmo 
Bergumusco hier mit au erwähnen: die Capclla Cornaro (rechts) an f 
SS. Apostoli, mit vier reichen Ecksäulen und einer Kuppel, — und 
r das sechseckige Capelichen bei S. Michele (1530), mit einfachen Eck- s 
säulen aussen, doppelten innen und einer Kuppel; ein geistlicher 
Pavillon. 

Die Kreuz gän g>e dieses Styles, soweit sie noch zugänglich sind, 

bedeuten künstlerisch nicht viel. (Bei den Frari, S. Giovanni e Paolo, 
, Carmine etc.) 

[In Troviso gilt für ein Werk des Pietro Lombardo die Rcstau- 
l j ration und Decoration des Domes, einer d reis eh iffigen Pfeilerbasilika n 
si mit drei Knppeln im Mittelschiff; für Zuflw'x Arbeit die Capelle del i 
r Sagramento am Dom rechts, die Croelera der Kirche Madonna delle k 

Grazie von 1 530 ca. und drei Capellen mit Orgel in S. Polo.] i 
Auf dem venezianischen Thurmban lag damals wie in allen 
, Zeiten die Verpflichtung einer Mauerdicke ohne Unterbrechung. Man 

wussto ans Erfahrung, dass der Thurm trotz aller Fundament irung 
.j »ich irgendwie senken würde und wagte dcsshalb nur ganz oben eine 
r - freie durchsichtige Pfe Herstellung; alles Uebrige wurde nur festes 
L « Mauerwerk, mit kleinen Nothfenstern. Es ist merkwürdig, dass die 
^ Renaissance nicht dennoch eine äussere Decoration versucht, dass 

sie sich fast durchaus mit Wandstreifen und etwa Einem Zwisclion- 
'.-.< gesims begnügt hat. Der einzige etwas reichere Thurm ist der isolirt w 
; [, stehende bei S. Pietro in Castcllo (1471). Ein anderer ganz origineller n 



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916 



Frührenaissance. Venedig. Scnole. 



stellt bei S. Maria dell' Orto. Spater (1510) gab Bartoloinmw Biton 
dem Campanile von S. Marco sein hübsches Obergeschoss sammt 
Spitze. — Wenn die Torre doli' Orologio (1496 von Pietro Lom- 
hardo) wirklich erst nach inehrern Jahrzehnden ihre Seitenflügel er- 
halten hat, so war sie bis dahin der einzige Thurm mit vollständiger 
Pilastcrbekleidung in mehrern Stockwerken. Von den Übrigen Thtir- 
men des XVI. Jahrhunderts ist der bei S. Giorgio de' Greci einer der 
elegantesten. (Wohl mit der Kirche von Juc. Sanxovino.) 

Zwischen den Kirchen und Palästen stehen die Scuole, d. h. 
Bruderschaftshäuser, in der Mitte. In Venedig vorzüglich waren die 
geistliehen Zünfte oder Confraternitäten durch Schenkungen und Ver- 
mächtnisse zu einem grossen Reichthum gelangt, welcher damals wie 
aller corporative Besitz noch nicht beim ersten besten Gelüste oder 
Bedlirfniss des Staates für gute Beute erklärt werden konnte; viel- 
mehr durfte und musste er sich am hellen Tage zeigen. Vor allem 
durch Schönheit des Locales. 

DieScuoladi S. Marco, bei S. Giovanni e Paolo, erbaut 1495, 
hat eine der prächtigsten Fassaden des ganzen Styles. (Man nimmt 
an, Marlino Lombardo habe den baulichen Entwurf, Pietro Lom- 
bardo das Deornt ive nvliHVrt ; die liild werke tlioiis von M/istro Bar- 
tolommeo, thcils von l'iillio Lombardei). Vom Innern liat nur noch die 
untere Halle ihre alte Gestalt; schlanke Säulen auf hohen gutverzier- 
ten Piedestalen tragen eine Holzdecke ; vorzüglich gebildete hölzerne 
Consolen vermitteln beides. Das Gebäude ist jetzt als Eingangshalle 
mit dem zum Spital eingerichteten Dominikanerkloster verbunden. — 
Die Fassade ist eins .der wichtigsten geschichtlichen Denkmale des 
alten venezianischen Lebens, dessen ganze elegante Fröhlichkeit sich 
darin ausgesprochen hat. Wenn es sich aber um den Kunstgehalt 
handelt, so rechne man etwas nach, wie z. B. Bogen jeden Grades 
unter sich und mit Giebeln abwechseln, wie sinnlos die Fenstersäulcn 
mit handbreiten und dabei über und über vorzierten Pilastern he- 
gleitet sind'), wie wonig die Stockwerke sich unterscheiden, wie der 
Fries und das Ornamentband zwischen den Capitälen mit einander 
coneurriren u. s. w. Wir sagen dies nicht, um dem Beschauer den 
Gennas zu verderben, sondern um den grossen toscanisehen Baii- 



') [Am Erducschins eine der n unilorlichcii persin i tivi-dun Srlu-iii-Yrrtteftiiigcu 
— i. oben 1). Brnmanle H. 191» — mit herüujichreltenilen Lowon ] 



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Sonola di S. Socco etc. 



217 



meistern neben den voneziani sehen Dceöratoren ihren Vorrang nicht 
zu schmälern. Die letztem haben übrigens hier in der wunderbaren 
Fröhlichkeit der obern Abschlüsse und deren durchbrochen gearbei- 
teten Ziorratben etwas in seiner Art Einziges hingestellt. 

Ein graziöser Rest eines Bruderschaftsgebäudes, um einige Jahre 
älter (1481) und ebenfalls vom Styl der Lombardi, ist der kleine Vor- 
hof von S. Giovanni Evangelista; zwei Wände mit Pilastern; 
hinten die Malier mit der Thür nach dem innern Hof — diese ein- 
fachen Elemente sind mit liebevollster Pracht behandelt. (Hinten im 
Hof das schon etwas mehr dem classischeu Styl genäherte Frontstuck 
einer Kirche, vom Jahr 1512). 

Aber dies Alles wurde Uberboten durch dieScuola diS.Eocco, 
begonnen 1517 nach einem Entwurf des Pietro Lombaräo (?), ausge- 
führt durch eine Reihe von Architekten bis auf Sansovino herab. Hier 
handelt es sich nicht mehr allein um decorirte Pilaster; blumenge- 
schmücktc Säulen treten sammt ihren Gobälken in zwei Stockwerken 
vor; pomphafte Fenster, ein reichfigurirter Oberfries, eine Incrusta- 
tion mit farbigen Steinen vollenden den Eindruck mährchonhaftor 
Pracht ; auch die übrigen Seiten des ganz frei stellenden Gebäudes sind 
reich ausgestattet; im Innern ist die ganze untere Halle, das reichere 
Abbild derjenigen in derScnola di S.Marco , sowie dicTrcppc noch aus 
dieser Zeit. (Die nahe Kirche S. Rocco erhielt ihre FasBade später 
nach dem Vorbilde derjenigen der Scnola.) Einem Eindruck von 
diesem Range gegenüber ist es vielleicht vergebliche Mühe, auf den 
Mangel aller wahren Verhältnisse aufmerksam zw machen. Das For- 
menspiel, mit welchem der Blick abgefertigt wird, ist ein au ange- 
nehmes. 

Einfacher und kleiner: die Scuola bei S. Spitito; — von Jac. 
Sansotino (s. unten): Scuola di S. Giorgio de' Schiavoni; — von des- 
sen Schüler Äkss. Vittoria: Scuola di S. Girolamo. — Noch die späte 
Barockzeit sucht sich in Gebäuden dieser Art der Pracht jener erst- 
genannten auch äusserlich zu nähern: Scuola di S. Teodoro; — 
Scuola de! Carmine etc. 



Von den Palästen mögen einige aniicre Profanbauten erwähnt 
werden, welche ebenfalls für die Baugesiuuuug des damaligen Vene- 
digs bezeichnend sind. 



218 Frührenaiisance. Venedig. Ooffcntliche Bauten. 



Wie die Frührenaissance iiberliaupt auch in ihren Kricgsbaiiten 
einen heitern Eindruck erstrebt, so ist dices auch hier bei der Pforte 
a des Arsenals (1460) der Fall. Merkwürdig sind an diesem Zierge- 
bäude die noch fast byznnrinisdi gebildeten Blätter an den Capital en. 
— Gegen Ende des XV. Jahrhunderts erbaut« Bartolommto Suon 
ii ans Bergamo die „ alten Procurazien" am Marensplatz als Amts- 
wohnung für die Procnratoren von S. Marco und als grossen Inbegriff 
einer Menge von Bureaus. Die innere Einrichtung ist jetzt nirgends 
mehr zu erkennen, immer aber wird diesosGcbüude, verglichen mit 
dem Ernst der in ahnlichem Zweck etwa 80 Jahre später erbauten Uf- 
fizien zu Florenz den grossen Unterschied der Zeiten bezeichnen; 
ohne eigentliche Pracht, z. B. ohne plastischen Schmuck, als blosser 
Horizontnlbau mit Hallen verschiedenen Ranges, gieht es doch in 
hohem Grade den Eindruck eines glänzenden, fröhlichen Daseins. — 
Ein anderer, etwas späterer Bergnina ske, Gughehao, errichtete für 
c eine Corporation 1525 am Eialto den Palazso de' Canierlingbi, 
jeteigen Appellhof, in dem prächtigen Styl der Privatpalüste , aber 
d etw *a gedankenlos. — Der gegenüberliegende Fondaeo de' Te- 
deschi, jetzige Dogana, von Fru Giocondo da Verona 1506 erbaut, 
ist zwar ohne diese plastische Pracht, als einfache grosse Waaren haue 
und Factorei mit vielstückigem Pfeilerhof erbaut, allein Tizian und 
und seine Schüler bemalten die sämmtlichen Aussemnauern , sodass 
dieser Fondaeo, wohl erhalten, eins der ersten Gebäude Italiens sein 
wurde. Leider ist dieser malerische Sehmuck bis auf wenige Spuren 
(an der Canalseite) verloren. — Als städtische Bureaus und Waaren- 
« balle sind auch die einfachen Fabbriche vecehie (ebenfalls beim 
Eialto) 1620 von Scarpugnino erbaut '), welchen in der Folge 1555 
«c- Sannorino die etwas roichern, mitPilasterordnungen bekleideten 
' f alj briche nuove beifügte. Auch dioseGcbäude machen trotz 
er absichtlichen Schlichtheit immer einen stattlichen venezianischen 
Eindruck, 



ni >^ Uf ihrCm Höne P llökt angelangt (seit 1500) erhielt die venezia- 
isehe Renaissance die Aufgabe, den grossen Hof des Dogen- 

Fra Gio' 11 Uebct E tl,uu 2 ™«, wie Vanati TcnkhBrt, UDgteicb seiwnern Plan« nn 



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Dogcnpalaat. 



819 



palastes mit der erdenk Heilsten Pracht auszuschmücken; es geschah 
durch Antonio Bregno und Antonio Scarpagnino. An zwei Seiten 
kam nur das Erdgeschoss und das zunächst folgende Hallenstock- 
werk zu Stande ; die dritte wurde nebst der entsprechenden Rück- 
seite gegen den Canal ganz vollendet. 

Wahrscheinlich mussteu eine Menge von Wünschen und Mei- 
nungen berücksichtigt werden -, wahrscheinlich wurde selbst der Plan 
mehrmals geändert. Näher verantwortlich sind die Architekten wohl 
nur für die beiden untern Geschosse — eine rnudbogige Halle auf 
Pfeilern und darüber eine spitzbogige auf Pfeilern mit vorgesetzten 
Säulen — und auch hier waren sie gebunden durch die Verhältnisse, 
welche Calendario dem Aussenbau gegeben hatte. Man darf nicht 
mir nitznfripchen Kvin Urningen von oinem Pal. di Venezia in Rom, 
einem Pal. Eiceardi in Florenz, vollends nicht von den Bauten Bra- 
mante's hereintreten. Die sämmtlichen obern Stockwerke des Hinter- 
bancs sind dann blosse Decorntion eines unter schwankenden Ent- 
schlüssen allmälig zu Stande gekommenen Innern. Die unabsichtliche 
Unsymmetrie, welche auf diese Weise in die Fassade kam, ist beinahe 
ein Glück zu nennen, da die Architekten wohl ohnehin für eine wahre 
CompoBition im Grossen nicht ausgereicht hätten. Es kommt dabei 
freilich zu krausen Extremen; Fenster desselben Stockwerkes von 
verschiedener Höhe, doppelte Friese n. a. m., was man über dem Un- 
geheuern Reichthum der Decoration vergessen muss. Die Canalseite 
ist einfacher und am Sockel facettirt. — Die artige kleine Fassade 
links von der Ricsentreppe hat Gugliclmo Bertjanianco 1520 hineinge- 
gebaut; sie möchte leicht das Beste am ganzen Hofe sein. 



Von den Privatpalästen ist Pal. Vendramin -Calergi datirt ■ 
mit der Jahreszahl 1481 und dem Namen des Fietro Lomhardo. Die 
Säulcnordnungen , welche vor die Fassade gesetzt sind, die grossen 
halbrunden Fenster, das bedeutend vorragende Gesimse und der be- 
trächtliche Maesstab geben diesem Gebäude ausser der ungemeinen 
Pracht auch einen gewissen Ernst, ohne dass in den Verhältnissen 
irgend eine höhere Aufgabe gelöst wäre. Die Adler im obern Fries 
entsprechen anf nicht eben glückliche Weise den Säulen. DiePilaster 
des Erdgeschosses, welche der eannelirten mittlem und der glatten 
obern Säulenordnung entsprechen, sind für ihre Function viel zu zart 



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220 Fiülircnaiaaancc. Venedig. Paläste. 

gebildet. [Das Aeussere wohl eine der frühesten nicht auf Malerei 
berechneten Fassaden.] 

Alle andern Paläste dieses Stylus werden als „in der Art der 
Lombardi", „aus der Zeitder Lombard!" bezeichnet, aber ohne nähere 
Beziehung. Am Canal grande, vom MnrcuBplatz aus beginnend, ist 
i die Reihenfolge diese: (Links) der kleine Pal. Dario, fröhlich unsym- 
metrisch, mit bunten Eundplatten in verschiedener Anordnung ver- 

i ziert. — (Links) Pal. Manzoni- Angarani, besonders reich und 
schon, mit einem Guirlandenfries Uber dem Erdgeschoss. — (Eeehts) 

0 Pal. Cantarini delle Figure, 1504, von kleinlich spielender Composition, 
mit einem unglücklichen Giebel über der mittlem Loggia; an den 
Mauerflächen aufgehängte Schilde und Trophäen. — (Rechts) Pal. 

1 Corner-Spinelli, vielleicht das einzige dieser Gebäude, welches 
ein hoher gereiftes (■of'iiiil für ( 'oniposition verräth; ein hohes Erdge- 
gesekoss mit Rustica ; darüber in zwei Stockwerken die Fenster ähn- 
lich jenen an Pal. Vendramin, aber schön vertheilt. — (Links) Pal. 

: Grimani a S. Polo, klein, zierlich, aber wieder etwas gedankenlos. — 
r Jenseits des Rialto ist nur der genannte Pal. Vendramin von Be- 
deutung. 

In andern Stadttheilcn finden sich noch eine Anzahl mehr oder 
■ weniger reicher Fassaden. Eine gute an Pal. Trevisan hinter dem 

ii Dogenpalast; — eine artig spielende an Pal. Malipiero, auf Campo 
S. Maria Fonnosa, von Saute J.ombardo zu Anfang des XVI. Jahr- 
hunderts erbaut. 



In Padua ist gerade die frühere Iienaisaanco baulich nicht so 
vertreten, wie man es nach der weitgreifenden doeorativen Wirksam- 
keit der dortigen Künstler erwarten sollte. Das sehönste Gebäude 
i dieser Gattung, dieLoggia dol Consiglio auf dem Signo renplatz, 
ist von dem schon oben genannten Ferraresen Biayio Rossetti erbaut. 
Die freie untere Säulenhalle, wozu das obere Stockwerk mit seinen 
Fenstern so glücklich eingethoilt ist, der edle Marmor, die Gediegen- 
heit der wenigen Zierrathen, die Lage Uber der Treppe, der Contrast 
mit dem venezianischen Engban — diess Alles giebt zusammen -einen 
köstlichen Eindruck. 

An den Privat gebäuden macht sich das damalige Schicksal Pa- 
dua's als venezianische Landstadt (seit H05) empfindlich geltend. 



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Pftdna. Vioenift. 231 

Hundert Jahre später unterworfen, könnte os eine Physiognomie haben 
wie Bologna. Statt dessen sind seine Portiken dürftig, seine Palazzi 
sehr massig. Ein heiteres kleines Gebäude ist die sog. Oasa di Tito 
Livio (Pal. Cicogna), unweit vom Dom, an dessen Fassade allerlei 
kleine farbige Manuorplatten symmetrisch um die Fenster herum ver- 
theilt sind ; ein grosses sehr elegantes Hittelfenster beherrscht das 
Ganze. (Wahrscheinlich war die Fassade einst bemalt.) — Mit Fal- 
conetto tritt dann der Styl des XVJ. Jahrhunderts in sein Eecht. 



In Vicenza übersieht man zu leicht neben den Bauten Palkdio's 
die schönen Werke der frühern Renaissance, die doch als allgemeine 
Zeugnisi« 1 eines schon früher vorhandenen Bauainns es erst recht er- 
klären, wie ein solcher Meister aufkommen und eine so glänzende 
Laufbahn in der eigenen Heimath finden konnte. 

Im ITof des Vescovado (beim Dom) ist eine zierliche kleine Halle i> 
vom Jahr 1494 erhalten; unten Rundbogen, oben eine Fensterreihe 
mit Pilastern und geradem Gebälk. — Unweit von der Basilika Pal- 
ladio's findet sich das steinerne Häuschen N. 1828, Casa Pigäfetta, 
noch halbgotbisch obwohl vom Jahr 1481 , kenntlich an dem Motto: 
11 n'est rose sans espine; eines der all erniedlichsten Gebäude dieser 
Art, mit kleeblattforniig vortretenden Balemis, deren Ciinsolen aus 
Laubwerk, Greifen, Füllhörnern bestehen ; die oliem Fenster mit Can- 
lieialie.m eiiijrt'fiii-st, ihre Zwischenräume mit gemeisselten Arabesken 
verziert. Ein gleichzeitiger Nebenhau von Mauerwerk war mit far- 
bigen Arabesken bemalt. — Ein grösserer Palast, dessen freie untere d 
Halle durch Aufhiihung des Bodens halb vergraben worden ist, steht 
heim Ponte de' Giangioli. — Das Haus N. 1044, mit dem Motto: Omnia e 
praetereunt, redennt, nihil inte rit , ist unten mit einer sonderbaren, 
gitterartigen Verzierung überzogen, sonst von guten Verhältnissen. — 
Schon aus der classischen Zeit stammt dann das Häuschen N. 127G, 
ein ganz merkwürdiger Versuch , selbst in den allerkleinsten Dimen- 
sionen monumental bedeutend sein zu wollen. Mit der Fassade gelang 
es; mit dem Höfchcn doch nicht mohr. 

Von da bis auf Palladio ist eine zwar nicht reichliche, aber doch 
nie zu lang unterbrochene Reihe von mehr oder weniger stattlichen 
Privatgebäuden vorhanden, welche, die Vorstufen seiner Werke bilden. 



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399 



FrührenaisianoB. Verona. Brascia. 



Verona war die Vaterstadt eines der berühmtesten Architekten 
der Frührenaissanee , des Vru Giocondo (geb. um 1435; starb nach 
1511). Seine Thatigkcit gehörte meist dem Auslande an, doch hat 
er in der Heiniath wenigstens ein wichtiges Gebäude, den Palazzo 
del Consiglio (am S ig noren platz) hinterlassen. Bei grosser Eleganz 
ist dasselbe doch in der Anordnung weniger gelungen als die ähn- 
liche Loggin, del Consiglio zu Padua; viertheilig sodass ein Pfeiler 
auf die Mitte trifft; die Flachrundgiebcl der obern Fensterrelhe an 
das Gesimse stossend ; die Sculpturui sehen in der Mitte nicht gut an- 
gebracht. Vorzüglich fein und gediegen ist das bauliche Detail (Ge- 
simse, Archiv ölten etc.), weniger das bloss decorutive. Die Spuren 
der gemalten Arabesken an säinmtlichon Mauer flächen sind so weit 
erhalten, dass man sich das UiitiTgcguugeiie hinzu denken kann. — 
Sonst gilt |z. B. noch (las schöne Portal von S. Maria dclla Scala 
als Werk Fra Gioeondo's; anderes ist weder bedeutend, noch sicher 
von ihm. 

Von den Privatpaliisten der Frührenaissance ist kein einziger 
baulieh wichtig; der Ersatz hiefür lag in der specieil veronesischen 
Sitte, die Fassaden von oben bis unten zu benialeu, wovon bei spä- 
terem Anlass. 

Von den Kirchen ist S. Sazario e Celso gothisch angefangen 
und gegen 1500 ausgebaut; S. Maria in Organo vom Jahr 1-181 (die 
Fassade 15112); erstere dreischif% mit Pfeilern, letztere eine Säulen- 
kinlie mit. Tonnengewölbe, einigurmassen an S. Sisto in Piacenn 
erinnernd, nur dass der Fries über den Bogen mit vollfarbigen Ge- 
schichten bemalt ist. (Viereckige Kuppel). Beide Kirchen sind mehr 
durch ihre de co rat Sven Zutlmteu bedeutend. 



Breucia besitzt vor Allem einen höchst snist-liiiliehoii Puhizün 
communale, der 1508 von einem einheimischen Künstler, Formen- 
tone, erbaut oder doch begonnen wurde. Das Erdgeschoss, nach lom- 
b;ini Schern Brauch mehr als zur Hälfte eine offene Halle bildend, hat 
innen Säulen, aussen Pfeiler mit sonderbar hineingestellten Wand- 
säulen (au den Seitenfronten nur glatte Pilaster); in den Hogen- 
fiillungen tiefe Medaillons mit Büsten römischer Kaiser u. s. w.; der 
Kni'H trägt bereits tüchtige Löwenköpfe. Das Obcrgcschoss tritt, wie 
am Pal. del Podesta zu Bologna und andern Stadthäusern beträ'cht- 



BresoU. 223 

lieh zurück; ') die Balustrade, welche emigermasseu vermitteln sollte, 
ist nur vorn ausgeführt. Die Wanddecoration — dünne Pilaster init 
derben Arabesken, Schilde mit schwarz on Halbkugeln, Einrahmungen 
von grauem Marmor — hat einen spielend deeorativen Charakter. Zu 
diesem Ganzen componirte spater Jacopo Saammao den reichen vege- 
tabilischen Fries mit Putten und das Kran zgc Bimse, Palladio aber die 
schonen Fenster , deren Obersims mit Consoleu seinen Styl leicht ver- 
riith. (Die Attica modern, der kleine Anbau rechts wohl ebenfalls 
von Formentone). 

Von einfacherer, älterer Renaissance sind die links gelegenen 
Prigioni, in der Mitte durch eine hübsche Durchgangshaüe unter- «. 
brochen. Privatpalästa sind wenige oder keine aus dieser Zeit vor- 
handen; Pal. Longo, an sich nicht eben bedeutend, gehört schon dem u 
Styl des XVI. Jahrhunderts an. 

Endlich eine der wunderlichsten Kirchen der Fruhrenaiseance: 
S. Maria de' miracoli. Die Fassade, im Styl der Lombardi, hat c 
ganz die engräumige venezianische Pracht, welche deren Bauten be- 
zeichnet; das heiterste Detail — unterhöhlt gearbeitete Arabesken, 
runde Freibogen als obere Mauorabschlüsse etc. — kann den Mangel 
an Composition nicht ersetzen. Innen ein griechisches Kreuz mit vier 
Eckräumen; sonderbarer Weise haben hier diese letztern und der 
mittlere Kreuzraum Tonnengewölbe, während vier Kuppeln (zwei 
höhere und zwei niedrige) auf die vier Kreuzarmo vcrtheilt sind; der 
Chor ein (unterer Anbau mit Tonnengewölbe. (Mau könnte das Ge- 
bäude scherzweise einen Centrifugalbau nennen, indem die Kuppeln 
der Mitte des Baues förmlich ausweichen). Candolaberartige Säulen 
zwischen den Hauptpfeilern isoliren die einzelnen Käume ; die Durch- 
blicke gewähren mit dem eigentümlichen Lichteinfall ganz ange- 
nehme Architekturbilder, wozu der Reiclithum dos Einzelnen — hier 
eher im Styl eines Scarpagnino — ebenfalls beiträgt. Unter den Ver- 
suchen im Gebiet des Vielkuppelsystoms ist diess Gebäude einer der 
gewagtesten. (Die obornTheile des ganzen Innern sind durch Rococo- 
stuccaturen nicht gerade entstellt, doch ihres wahren Charakters be- 
raubt). — Au S. Maria delle grazie verdient der artige kleine Hof mit & 
dem Brünnchen wenigstens einen Blick. 

') Ans dem guten Grande, dass nmn sich nicht auf ich webende Hakens UberConsolcn 
■verlassen wollte, wenn die Bclilirdcii imi faierlklsoui Anlas* sivli üben seilten ransalen. 



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224 FruhrsnaiManca. Festuiigslmuten. Decotation der Benaiaiance. 

In Bergamo ist die an S. Maria maggiore angebaute Gapelle 
Coleoni innen stark erneuert, aussen eine bunte, reiche und in ihrer 
Art graziöse Composition, aas schwarzem, weissem und rothem 
Marmor, mit einer Menge von Sculpturen und den feinsten Pracht- 
arabesken. DeT Oberbau hat etwas Spielendes. [Eine schöne Haus- 
fassade: Contrada S. Cassiano N. 331]. 



Von den Festungsbauton der Früh renaissance sind die noch 
an den gothischen Profanbau erinnernden oben S. 161 erwähnt wor- 
den , die Burg von Civitä CasteUana von Antonio Sa» Gaäo S. 187»; 
anzuBchliessen ist hier noch: das Castell von Palo, angeblich von 
Bramante. [Den Styl italienischer Renaissance-Kriegsbauten reprä- 
sentiren in vorzüglicher Weise die malerischen Befestig» ngswerke 
von Nürnberg]. 



Es mag nicht sehr methodisch scheinen, wenn wir bei einem so 
vorzugsweise decorativen Baustyl die Werke der Decoration im 
engern Sinne besonders aufzahlen, zumal da manehe derselben 
von den nämlichen Künstlern herrühren, welche die Schicksale der 
Baukunst im Grossen bestimmten. Vielleicht aber wird man uns einst- 
weilen der Uebersicht zu Gefallen beipflichten. 

Die Anfänger der Decoration dieses Styl sind nur zum Theil 
Architekten ; auBser Jirunellesco hat auch der Bildhauer DottaUHö 
und wahrscheinlich auch der paduanische Maler Sqaarcione einen 
bedeutenden Antheil an diesem Verdienst; der letztere war selbst in 
Griechenland gewesen, um antike Fragmente aller Art zu erwerben. 
Die Gunst, welche die neae Zierweise fand, ist um so erklärlicher, 
als d»B Decorative gerade die schwächste und am meisten mit Will- 
kür bchafteto Seite der bisher herrschenden italienischen Gothik ge- 
wesen war ; zudem musstc die begeisterte Anerkennung, welche der 
gleichzeitig neu belebten Scnlptur entgegen kam, auch derjenigen 
Kunst zu Statten kommen, welche für die möglichst prächtige Ein- 
rahmung der Sculpturen sorgte. In der technischen Behandlung der 
Stoffe, des Marmors, Erzes, Holzes, waren die Fortschritte für beide 
Künste gemeinsam. 



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BenaiManea - Decoration. 225 

Die Gegenstände waren dieselben, wie bisher, allein die Behand- 
lung und der Aufwand wurden offenbar bedeutender. Wenn man 
einzelne wenige Pracht arbeiten der gothischen Zeit, wie die Gräber 
der Scaliger in Verona, die Gräber der Könige Kobert und Ladislaus 
in Neapel, den Altartabernakel Orcagna's in Florenz ausnimmt, so 
hat schon an äusserm Reichthum die Renaissance das Uebergewieht. 
Man vergleiche nur in Venedig die gothischen Dogengräber mit den- 
jenigen des XV. und de» beginnenden XVI. Jahrhunderte. Die 
Schnmckliebe ist überhaupt grösser geworden , was sieh z. B. schon 
in der Malerei auf das Deutlichste zeigt. 

lieber die wichtigem Gattungen der betreffenden Denkmäler ist 
vorläufig Folgendes anzudeuten: 

Die freistehenden Altäre mit Tabernakeln auf Säulen kommen 
fortwährend, doch minder häufig vor. 

Eine besonders grosse Ausdehnung gewinnt der seulpirto 
Wandaltar; unten, an der Vorderseite des Tisches mit Reliefs, 
oben über dem Tische mit Statuen oder Reliefs in reicher architek- 
tonischer Einfassung versehen. Bisweilen wird die ganze betreffende 
Wand als grosse Prachtnische mit Bildwerk und Ornamenten aller 
Art ausgebildet. 

Steinerne Chorsehranken, Balustraden u. dgl. erhalten oft 
eine überaus prachtvolle Decoration. 

Sängerpulte und Orgellettner werden ebenfalls nicht selten 
mit dem grüssten Luxus ausgestattet. 

Die Kanzel dagegen verliert den umständlichen Säulenbau und 
steht entweder auf Einer Säule oder hängt auch nur an einem Pfeiler 
des Hauptschiffes. Der reichste deeorative und figürliche Schmuck 
wird fortwährend daran angebracht. 

Die Bodonmosaiken, wo sie überhaupt noch neu hergestellt 
werden, was selten vorkommt, wiederholen die bekannten Ornamente 
der alt -eh ristlichen Zeit und des Cosraatenstyles. Eine besondere 
Gattung sind die von Marmor verschiedener Farben eingelegten 
figürlichen Bilder in den Domen von Siena undLucca. Von glasirten 
Ziegelbliden finden sich mehrfach anziehende Beispiele Im Ganzen 
wandte man die vorhandenen Mittel nicht mehr auf einen Luxus 
des Fussbodens , dessen übermässige Pracht den Blick von den Bau- 
formen abgezogen hätte. Die grossen Baumeister fühlten, dass eine 
einfache Abwechselung von Flächen, in Marmorplatten von zwei oder 

Bwcthardt, Oietrone. 15 



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226 Ren&iM&ne« - Decoration. 

drei Farben ausgedrückt , am ehesten in Harmonie stand mit dem 
Gebäude selbst. 

Ein ausserordentlicher Luxus, dessen Fülle jetzt noch in Er- 
staunen, setzt, wurde auf die Grabmäler verwandt. Gegen das 
manierirte italienisch -gothische Grab gehalten, ist das Renaissance- 
grab in jeder Beziehung im Vortheil. Der bisherige Sarcophag auf 
Säulen oder Tragiiguren, mit seiner unsichtbar hoch angebrachten 
liegenden Statue , der Tabernakel auf Säulen mit seinem Gemälde im 
tiefen Schatten, seinen allzuhoch aufgestellten Statuetten, seinen Vor- 
hangzielienden Engeln u. s. w., — diess Alles wurde schön und sinn- 
voll in vernünftigen Verhältnissen umgestaltet. Das Ganze bildet in 
der Regel eine nicht 7.11 tiefe Nische, in welcher unten der Sarcophag 
steht ; auf diesem liegt entweder unmittelbar oder über einem zier- 
lichen Paradehcttc die Statue. Im obern Halbrund findet man insge- 
mein eine Madonna mit Engeln in Hochrelief, oder auch die Gestalten 
von Schutzheiligen. Die Pfosten der Nische, die Enden des Sar- 
cophages, die Anaätze und dio Mitte des obern Bogens erhalten 
dann noch je nach Umständen eine Anzahl von Statuetten oder Re- 
lieftiguren, welche Heilige, Kinderengel (Putten), Allegorien etc. 
darstellen. An Gräbern von Kriegern und Staatsmännern, die zumal 
in Venedig und Neapel vorherrschen, macht sich eine sehr vielge- 
staltige Oomposition , bisweilen auch schon ein Missbranch der Alle- 
gorien geltend. 

In den Sacristeien und in der Nähe der Klosterrefoctorien finden 
sich oft reichverzierte Brunnon. 

Das Gitterwerk einzelner Kirch enräuiue ist nicht selten mit 
vielem decorativem Geschick behandelt. 

Die wenigen ehernen Kirehenpforten , die man hauptsächlich 
um ihrer Sculpturcn willen betrachtet, sind durchgängig (Ghiberti's 
Thüren) in decorativem Betracht nicht minder bewundernswert!!. 

Die Holzdecoration (Chorstühle, S ae ri st eise h ranke etc.) wird 
unten im Zusammenhang erörtert werden. 

In profanen Gebäuden ist aus begreiflichen Ursachen weit we- 
niger von dem alten Zierrath zu finden, als in Kirchen, und das Wenige 
(einzelne Thüren, Kamine u. dgl.) ist nicht immer leicht sichtbar. Da 
die Wände fast bis unten mit Teppichen bedeckt wurden, so eon- 
trastirten sie nicht wie bei ihrer jetzigen Nacktheit gegen die ge- 
schnitzte und vergoldete Decke. In einzelnen Beispielen wurde auch 



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Die Arabeske. 227 

für den Anblick bei weggenommenen Teppichen durch bloss geinalto 
gesorgt. — Wir rechnen übrigens im Nachstehenden nicht nur die 
gemalten Einfassungen von Räumen, Oeffnungen und Gemälden, 
so weit sie von sprechender Bedeutung sind, ebenfalls zu dieser 
-Gattung, sondern die Decorationsmalerei im weitern Sinne. Mit 
einer Uebcrsieht der Donkmäler der letztem wird vorliegender Ab- 
schnitt sehliessen. 



Die Architektur und das Arabeskenwerk an diesen Ziergegen- 
ständen ist noch bis über die Hälfte des XV. Jahrhunderts hinaus 
einfach im Vergleich mit dem spätem Raffinement, ja selbst befangen 
und unsicher. Vielleicht waren es weniger die grossen Baumeister, 
als die Bildhauer nnd Maler, welehc die Ausbildung dieses Kunst- 
zweiges bis zur höchsten und edelsten Eleganz Ubernahmen. (Wobei 
freilich nicht zu vergessen, wie oft die drei Künste damals in Einer 
Hand beisammen waren, sodass nur der Zufall über die grössere Be- 
schäftigung und Anerkennung in einer derselben entschied). 

Die Arabeske des XV. und beginnenden XVI. Jahrhunderts ist 
eine fast selbständige Leben sä usserung der damaligen Kunst; von 
verhältnissmässig gewiss sehr wenigen, bloss plastischen antiken 
Vorbildern (Thürpfosten , Friesen, Sarcophagcn) ausgehend, hat sie 
das Höchste erreicht aus eigenen Kräften. Ich glaube, ohne es be- 
weisen zu können, dass dem Besideria da Settignano ein wesent- 
licher Theil dieses Verdienstes angehört. An den ihm zugeschriebe- 
nen Werken ist die Arabeske und das Architektonische vielleicht 
am frühsten ganz edel und reich gebildet. Von seiner Werkstatt 
ging dann Mino da Fiesole aus, der ihm eine ausserordentliche Ge- 
wandtheit und Delicatcsse in der Behandhing des Marmors verdankte. 
Mino's Stellung in Eom erleichterte wahrscheinlich die rasche Ver- 
breitung der ohnehin leicht raittheilbaron D eco ratio nsmotive, die 
man denn auch an weit auseinander gelegenen Orten bisweilen fast 
identisch wieder findet. 

Eine grosse Umwandlung trat, wie wir sehen werden, mit der 
Entdeckung der Titusthermen ein. Das neue, aus Malerei und Plastik 
wunderbar gomischtr .System, welches man ihnen, vielleicht auch an- 
dern Resten entnahm , fand seinen reichsten und sCiiöusten Ausdruck 
in den Loggien des Vaticans. 

15* 



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228 Een&iEsanco - Decorati on. Die Auflartnng. 

Von dieser Leistung an geht es rasch abwärts. Sowohl die ge- 
malte, als die in Marmor und Stucco gebildete Decoration wird fiast 
plötzlich nicht mehr mit derjenigen Liebe zum Einzelnen behandelt, 
welche ihrbisherzu Statten kam; sie geräth in eine völlige Abhängig- 
keit von den grossen baulichen Gesammteffekten , welche eich nicht 
mehr durch zierliches Einzelnes wollen stören lassen ; sie muss der 
Architektur ihre inzwischen empfindungslos und willkürlich gewor- 
dene Profilirung, ihre Behandlung der Flächen u. b. w. nachmachen, 
anstatt durch Eeichthum gegen ein einfacheres Ganzes contrastiren 
zu dürfen. (Diess ersetzt sich gewisserniassen durch den grösser» 
Maasstab der plastischen Figuren, welche jetzt erst in bedeutender 
Menge lebensgross und selbst colossal verfertigt werden). — Inner- 
halb der Veraierungs weise selbst zeigt sich ebenfalls grosse Ent- 
artung. Das von R&fael so genau abgewogene Verhältniss des Figür- 
liehenzum bloss Ornamentistischen und beider zur Einrahmung geräth 
ins Schwanken ; orsteres wird unrein und oft burlesk gebildet (z. B. 
die Masken jetzt alsFratzcn); letzteres verliert in den vegetabilischen 
Thcilen den schiinen, idealen Fflanzencharakter, dessen Stelle jetzt 
eine Convention eile Verschwollen heit einnimmt ; ein allgemeiner Stoff, 
einem elastischen Teige vergleichbar, wird in Gedanken willkürlich 
vorausgesetzt. (Sehr kenntlich ausgesprochen in den sog. Cartouchen, 
bei welchen man sich vergebens fragt , in welchem Material sie ge- 
dacht seien). — Im Verlauf der Zeit wird die ganze Gattung wieder 
von der Architektur und von der Scnlptur absorbirt ; d. h. die Gegen- 
stände selbst, Altäre, Kanzeln, (Jrabmäler, Thiirp losten u, s. w. 
werden furtdauernd in Masse gefertigt, aber sie haben keinen eigenen, 
abgeschlossenen Styl mehr, sondern sind Anhängsel der beiden ge- 
nannten Künste. 

Wir greifen hier absichtlich tief in das XVI. und selbst in da» 
XVII. Jahrhundert hinab , um eine Menge von Einzelheiten mit einen) 
Mal vorzubringen, die sich bei den spätem Epochen der Baukunst 
(wo sie der Zeit nach hingehören) sehr zerstreut ausnehmen würden. 
Dem Styl nach ist es ohnedies meist ein Nachklang der Früh- 
renaissance, für deren schönen und reichen Anblick die Deco ration 
des spätem Systemes keinen rechten Ersatz gewährte, und die man 
daher stellenweise reproducirte. 



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Stein und Watall. 229 

Verschollen und verschwunden sind natürlich alle jene prächtigen 
Decorationen des Augenblickes, von welchen Vaaari eine 80 grosso 
Menge mitten unter den bleibenden, monumentalen Kunstwerken 
aufzählt. Die Begeisterung, mit welcher er die Bauten und Gerlithe 
für Festziige, die Triumphbogen und Theater für einmalige Feierlich- 
keiten schildert, lässt uns die Fülle von Talent ahnen, dessen Ent- 
faltung und Andenken mit dem hinfälligen Stoff, mit Holz , Leinwand 
und Stuceo unwiderbringlich dahingegangen ist. 



Auch die Aufzählung der deco rat iven Werke beginnt wie die der 
Bauwerke billig mit Florenz, nud zwar mit BruneUenco selbst Ohne 
völlige Sicherheit, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man 
ihm den Entwurf zu der Lesekanzel des Eefectoriums und zu dem a 
Brunnen von dessen Vorraum in der Badia bei Fiesole zuschreiben ; b 
in der leichten, edeln, auf das Ganze gehenden Zierweise spricht sich 
mehr der Architekt als der Bildhauer aus. In der Kirche sind die 
AufsätBe der beiden Thören des Qucrscliiffes sicher von ihm; von c 
dem artigen Giossbecken mit zwei Putten in dem hintern Nebenraum 
rechts, durch welchen man in die Kirche geführt wird, lässt sich diess 
weniger behaupten. Die Laibung einer Thür im Hof mit einfach cdcln 
Arabesken ist wohl wieder von seiner Erfindung. — Nach diesen 
Werken zu nrtheilen, kann der sehr prächtige, fein inemstirte Orgel- a 
lettner von S. Lorenzo mit seinen kleinlichen Motiven nicht von Bru- 
nellesco entworfen sein. Aber der köstliche Brennen in dem linken e 
Nebcnraume der Sacristei , mit den Drachen an dem Brunnstock und 
den Löwenköpfen an der untern Schale [der auch dem Donatello und 
Verrockio zugeschrieben wird] möchte vielleicht sein Bestes in dieser 
ganzen Gattung und eines der trefflichsten Zierwerke der Friihrenais- 
eance überhaupt heissen dürfen. 

Ghiberti geht als Decorator in Erz sogleich weit über die Schran- 
ken der Arabeske hinaus, am Anfang noch mit einiger Scheu, zuletzt 
ohne KUckhalt Die Pfosten seiner drei Thtiren haben an der Innen- f 
seite nur flache Arabesken, die späteste (mit den Thtfrflügeln Andrea 
Pisano's) gerade die schönsten; an den Außenseiten dagegen stellte 
er Fruchtgewindc und Vögel , auch Köpfe u. a. m. in voller unter- 
hahlter Arbeit dar, an der NordthUr nochmässig, an der Ostthür sehr 



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ition. Stein und Metall 



reich und schün, an der spätesten, südlichen schon überreich und na- 
turalistisch, als wäre der Guss über den Gegenstand selbst gemacht 
worden. An den Pfosten der Ostthür sind die Einrahmungen zwar 
zum Stoff und zur Function trefflich gedacht, in der Einzelform aber 
* nicht ohne einen barocken Anklang. An den beiden Reliquionkasten 
(a. unten) ist das Ornament mehr alB billig untergeordnet. 

DonateUo ist in seinen Deeorationen überaus gewagt. (Ein- 
u fassnng seiner Annunziata in S. Orocc, nach dem fünften Altar rechts, 
c des wunderlichen Madonnenreliefs in der Capelle Medici ebenda, mit 
d buntem Glas; reiche Nische an Orsanmiccliele mit der Gruppe Veroc- 
chio'B.) Es ist mehr die muthwilligc Seite der Frilhrenaissance, welche 
mit ihrem von Rom geholten Beiehthum noch nicht Haus zu balten 
weiss. Von seinem Bruder, dem schon genannten Simone, ') rührt die 
e Einrahmung der Hauptpforten von S. Peter in Rom her. [Das präch- 
f tige eherne Gitter an der Capelle der Madonna della Cintola im Dom 
von Prato, mit den durchsichtigen Friesen und Seitenfriesen von 
Hankenwerk und Figürchen, und den Palmetten und Candclabern als 
Bckrünung wird nach Ausweis der Documente von Vasari irrig dem 
Simone zugeschrieben.] — Ausserdem stammt wohl von Simone ein 
gewisser einfacherer Typus von Grabmonumenten, welcher schon seit 
s Mitte des XV. Jahrhunderts, vielleicht zuerst am Grabe des Gianozzo 
Paiidolfino (f 1457) in derBadia zu Florenz und dann noch öfter recht 
schön vorkömmt. Er besteht in einer halbrunden, mit Laubwerk cm- 
gefassten Nische, in welcher der mehr oder weniger verzierte Sarcophag 
aufgestellt ist; die Wand darunter wird durch wohl eingefasste far- 
bige Steinplatten als eine Art Unterbau charakterisirt. (S. Crocc, 
h Capclla dei sagrainento ; S. Annunziata, fünfte Capelle rechts; Dom 
l von Prato, hinterste Capelle links u. s. w.) 

it Ein sehr artiger Zierbau Micheloszo's ist das Sacellum des vor- 
dem Altars in S. Miniato mit seinem Tonnengewölbe voll glasirter 
CaBsctten. Viel prachtvoller, nur leider durch einen barocken Auf- 

1 satz des vorigen Jahrhundorts entstellt, der Tabernakel in der An- 
nunziata zu Florenz (links vom Eingang)) mit farbigem Fries, Casset- 

m tenwerk etc. {Womit zu vergleichen; seine unruhig reiche Decora- 
tion in der Capelle des Pal. Kiccardi.) 



') [Dia Herausgeber lies Vaemrlvermuthen In ihm nicht einen Bruder sondern einen 
Schiller du Dontitlls , Simone tfAfnf.] 



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Die l'lorontiner. 231 

Von einem Schüler Donatello'a; dem oben (Seite ISi) als Bau- 
meister genannten Bernardo Rosettino ist daa Grabmal des Lionardo 
Aretino im rechten Seitenschiff von S. Oroce'; bei aller Pracht noch 
etwas befangen, sodass der noch ganz rechtwinklig gestaltete Sarg 
auf schweren Stützen ruht) auch das Postament kleinlich, der Tep- 
pich der Bahre mit Raffinement verziert. 

Die Bionzcdecorationen , welche von Verrocchio und Ant. Pol- 
lajuolo vorhanden sind, haben bei jenem etwas Schwülstiges und 
Schweres (medieeischer Sarcuphag, in der Sacristei von S. Lorenzo a 
in Florenz), bei diesem etwas barock Spielendes (Bronzegrabmal Six- 
tus' IV., in der Sacramentacapello von S. Peter in Rom). Beide aber b 
und Pollajuolo zumal, entwickeln einen glänzenden Iteichthum an 
Zierformen; der letztere hat sich nur durch das Motiv eines Parade- 
bettes zü weit führen lassen, während der erstere das Motiv des 
Gitters (Strickwerk) auch auf den Sarg ziemlich unglücklich an- 
wandte. 

Ein bedeutender neuer Anstoss war inzwischen in die Renais- 
sance gekommen dureh Desiderio da Settignano. Das einzige grosse 
Werk desselben, das Grabmai des Staat ssecretiirs Carlo Marzuppini c 
im Unken Seitenschiff von S. Croce (nach 1J50), wurde früher haupt- 
sächlich wegen der naturalistischen Wahrheit einzelner Ornamente 
bewundert); wir erkennen darin den höchsten decorativen Schwung 
und Styl der durch griechische, nicht blos römische Muster geläutert 
scheint. Hier ist alle Willkür verschwunden; die glücklichste Untcr- 
und Ucberordnung macht auch den vollsten Itcichthum geniessbar. 
Was vielleicht später nicht wieder in dieser Reinheit und Pracht er- 
reicht wurde, ist vorzüglich das Rankenwerk am Sarcophag. — Auch 
andern Wandtabcrnakel der Schlosscapollo des rechten Quersehiffes <i 
in S. Lorenzo ist das wenige Ornament sehr schon. (Das Christus- 
kind von Baccio da Montelupo.) Wahrscheinlich eher von, Desiderio 
als vonVerrocchio Ist auch die prächtige eherneBasis, welche jetzt in e 
den Offizien (zweites Zimmer der Bronzen) eine antike, ebenfalls eherne 
Statue trägt. Sie will nicht ein freies Ornament, sondern ein reich 
verziertes Postament von wesentlich architektonischem Charakter 
sein. Die Reliefs auf zwei Seiten sind ebenfalls trefflich und würden 
dem Desiderio entsprechen. 

[Ganz im Charakter dieser Arbeiten ein Marmorsarkophag rechts 
im Dom von Volterra.] f 



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Stein and Metall. 



Dcsiderio's Schüler war nun der in Florenz und Rom vielbeschäf- 
tigte Mino da Fiesole, durch welchen, wie ea scheint, die floren- 
tinisehe Renaissance erst recht weit in Italien herumkam. Mino hat in 
einzelnen floren tinischen Arbeiten seinen Lehrer nahezu erreicht ; man 
a wird namentlich in den beiden Grabmalern der Badia (des Bernardo 
Oiugni 1466 und des Grafen Hugo 1461, im rechten und linken 
Kreuzarm der Kirche) eine Fülle des herrlichsten decorativen Lebens 
in beinahe griechischen Formen, in den edelsten Profilen bemerken, 
ii Auch der Altar in der Capelle del miracolo in S. Ambrogio ist 
c ornamentistisch von ähnlichem Werthe. In der Annunziata bat die 
d köstliche Sacristeithttr etwas von Mino's Styl. — [Ein Grab und Altar 
im Dom zu Fiesole, Kap. rechts.] 

Allein die römischen Arbeiten entsprechen dieser Schönheit nicht 
ganz. Bei Anlass der römischen Renaissaneo wird wieder davon die 
Rede sein. 

e Von Benedetto da Majano ist die Kanzel in S. Croce, schon 
in decorativer Beziehung eines der grössten Meisterwerke, leicht und 
prachtvoll. Wahrscheinlich um das zarte Gebilde nicht zu stören, 
versteckte der Meister die Treppe kunstreich in den Pfeiler selbst, 
an dessen Rückseite das schöne Thürchcn mit eingelegter Arbeit den 
Eingang bildet 1 ). — In ihrer Art ebenfalls vom Allert refflichsten: die 

r Marmorthür in der Sala de' Gigli des Pal. vecclüo, mit zart figurirtem 
Fries und Capita'len. — Von den Prachtthoren, die Benedetto's Bru- 
der Öiuliano in Neapel errichtete, ist schon Seite 193 die Rede ge- 
wesen. — Als Decoratoren in Holz werden Beide noch einmal zu 

e nennen sein. In der Sagrestia, nuovades florent. Doms, wodasGctäfel 
von ihnen ist, steht der so viel geringere marmorne Brunnen, Arbeit 
eines gewissen Latzero de" Calcanti gen. Buggiano, von welchem der 
Brunnen in der Sagrestia vecchia und das Roliefmedaillon BruncI- 
lesco's herrührt.) 

Dem Givliano da San Gallo werden die beiden schünen Gräber 

h der Capelle Sassetti in S. Trink» zugeschrieben. Sie sind vielleicht 
die sohöasten des (S. 230, g) bei Anlass des Simone di Donatello er- 
wähnten Typus und Uberdiess durch zierliche Reliefs interessant. 
(Copion nach Motiven antiker Sarcophage ett.) 



i) Diu decoratlv and plssllsch su viel geringere Knnzel In S. Maria novella, 
von Buggiano, Ist als Vorrtufe dieser in vergleich«!. 



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Von unbekannten Meistern sind die Zierarbeiten der Certosa. 
Sebr ausgezeichnet und früh, ja an diejenigen Brunellesco's erinnernd: 
der Brunnen des dritten Hofes als Sarcophag auf verschlungenen n 
Drachen ruhend ; das Lesepult im Kefectorium. b 

Den Auslauf der Marmor de coration in das Derbe, Schattige und 
Kräftige zeigen hier die Arbeiten des Benedetto da Rovezisano: die 
zu seinen Reliefs in den Uffizien (dang der toakanischen Sculptur) c 
gehörenden Ginfassungen, das Kenotaphium des Fietro Soderini 
(von 1513) im Chor des Carmine, das Kamin im Saal des Pal. Roseiii d 
del Turco und das Grabmal des Oddo Altoviti in der nahen Kirche c 
SS. Apostoli (linkes Seitenschiff). Die Arabeske sucht mit der nach- 
drücklicher gewordenen architektonischen Profilirimg Schritt zu 
halten ; sie vereinfacht sieh und verstärkt ihr Relief. — Von Benedetto 
ist auch die Deeoratinn der Kirchthür. — Noch eher der Frührenais- 
sance zugewandt: die ebenfalls dem Benedetto zugeschriebene Thür f 
der Badia (gegen den Pal. del Podeatä hin). 

Auch ganz späte Arbeiten sind nicht zu übersehen. So beweisen 
die beiden marmornen Orgellettner in der Annunziata — reiche Ba- e 
lustraden mit Consolen über Triumphbogen — dasa selbst die De- 
tailformen der Frührenaiasance zu solchen Zwecken bis gegen Endo 
des XVI. Jahrhunderts hic und da wiederholt wurden, als es daneben 
längst ein neues (aber freudloseres) Ornament gab. — Dagegen giebt 
das Piedestal von Senv. CellinCs Perseua an der Loggia de' Lanzi h 
den beginnenden Barockstyl in seiner zierlichsten Gestalt. — JBa»- 
äinelli in den decorativen Theilen seiner Basis vor S! Lorenzo ver- i 
fährt ungleich schöner und massiger. 



Neben all diesen Bemühungen, dem Marmor und Metall das reich- 
ste und edelste deeorative Leben mitzutheilen, gab die Schule der 
Robbia das lehrreiche Beispiel weiser Beschränkung. Ihr Stoff, 
der gebrannte und glaairte Thon, hätte zur Noth eine Art von Con- 
currenz gestattet; allein in dieser goldenen Kunstzeit giebt sich kein 
Material für das aus , was es nicht ist, sondern jedes lebt unverhohlen 
seinen innern Bedingungen nach. — Die Eobbia, welche lieber schön 
brennen und zart und gleichmäaaig glasiron als grosse Platten auf 
einmal fertig ■ machen wollten, setzten ihre Arbeiten aus vielen 
Stücken zusammen und verhehlten dieFugen niciit, während der Mar- 



284 TU 



mor in den grössten Blöcken bearbeitet wurde. Ausserdem konnten 
sie mit demselben auch in der Schürfe der Behandlung nur mühsam 
wetteifern. Ihre Arabesken sind daher bescheiden. Allein sie er- 
setzen, was abgeht, durch Kraft und Tiefe der Modellirung, durch 
reichliche Anwendung von Fruchtkränzen, welche Strenge und Fülle 
in hohem Grade voreinigen, hauptsächlich aber durch die drei oder 
vier Farben (gelb, grün, blau, violett), welche lange Zeit und ab- 
sichtlich ihre ganze Palette ausmachen. Das Wosb Plastische, das 
farbige Plastische und das bloss Gemalte wechseln in klarster und 
bewusstestor Abstufung. Es genügt einstweilen, auf ein Meister- 
werk wie der Sacristeibrunncn in S. Maria novella hinzuweisen. — 
(Von ihren Fussböden s. unten.) 



Die Fahnen- und Fackelhalter an einzelnen Palästen, durcli S au-^- 
von geschmiedetem und gefeiltem Eisen, mit herabhängenden Ringen, 
beweisen in ihrer einfach schönen Behandlung ebenfalls die allge- 
meine Kunsthölie, welche jedem Stück sein besonderes Recht wieder- 
fjuimi Hess. Da sie zu dem Ernst der Rusticabauart passen mussten, 
so ist es leicht, sie an Pracht zu überbieten, aber für ihre Function 
bedurften sie der derben Form- An Pal. Strozzi sind auch noch die 
gewaltigen und dabei reichen Ecklaternen des Caparra (eigentlich 
Niccolö Grosso) erhalten: eine ähnliche auch an Pal. Guadagni. Es 
ist, als ginge aus der Ecke des Gebäudes ein Strahl von Strebckrsft 
in das Eisenwerk hinein. 



In Pisa folgt die Kenaiiisanrt' Iiier wie im Grossen der floren- 
tini sehen. 

Vielleicht das Schönste von Allem ist hier das Weihbeckeu ün 
rechten Seitenschiff des Domes; Italien enthält reichere, aber kaum 
ein odlercs. — Möglicher Weise von derselben Hand: das Lesepult, 
auf einem Adler ruhend, am Chor. 

Im XVI. Jahrhundert arbeitete ein gewisser Stagi (wie man be- 
hauptet, unter dem Einßuas Michelangelo's) das Grabmal des Gama- 
liel, Nicodemus und Abdias im rechten Seitenschiff, die Nische mit 
einem heiligen Bischof im rechten Querschiff des Domes und das 
Grabmal Dexio im Campo sauto; lauter schwüles, überladenes Aia- 



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Pisa. Lucca. Siena. 285 

beskenwerk, das schon an die gleichzeitige neapolitanische Schule 
(um 1530, s. unten} erinnert. Benedctto da Ilovezzano mit seiner ein- 
fachem Derbheit war auf einer richtigem Spur gewesen. Von Stagi 
oder eher von einem unbekannten Meister: die beiden tigurirten Ca- 
pitäle auf der Osterkerzensäule und auf der gegenüberstehenden, im n 
Chor des Domes. 

In S. Sisto : zwei einfacli schöne marmorne Weihbecken. h 
[InEmpoli ein edelcs Weih becken von 1447 in der Taufcapelle c 
des Domes.] 



In Lue ca befindet sich eine der frühesten decorat iven Arbeiten 
der Renaissance: Bruchstücke von Jacopo delia Quercia' s Grabmal <i 
der Ilaria dcl Carrctto, mit Genien und Fcstons, im Dom, nahe bei 
der Thür im nördlichen Querscbiff; ein anderes Bruchstück in den e 
Uffizien, Corridor der moderne» Öciilpturcn. — Abgesehen von diesem 
und wenigen andern altern Sachen, wie z. B. das energische Portal des s 
erz bischöflichen Palastes, ist hier der grosse Bildhauer ilfiiifeoCYj -itali 
auch für die Decoration der erste und der letzte. Seine Behandlung 
verräth dio Schule Scttignano's und die Genossenschaft des Mino da 
Fiesole; aber er ist durchgängig ernster, architektonischer, auch 
weniger fein und elastisch als die beiden. Im Dom ist von ihm der 
Zierbau des Tempictto (1484), eine Aufgabe, die vielleicht andere s 
Zeitgenossen graziöser gelöst hätten , ohne doch einen höher» Ein- 
druck hervorzubringen. Sodann die Kanzel (1498), die Einfassung 
des Grabmals des Petrus aNoeeto(1172) und vielleicht auch die ganze 
untere Einfassung der Sacramentscapelle , beides im rechten Quer- 
arm, sowie dio schönen decorativen T heile seines licgulus- Altares 
(1484), zunächst rechts vom Chor. Auch die Marmorpilaster in der 
hintersten Capelle des linken Querarms werden ihm zugeschrieben. 
— In 8. Salvatore ein Marmorrahmen um ein Altarbild. — In S. 
Frediano der neuere Taufbrunnen (als Nische) in der Nahe des alten, b 



In Siena empfangt uns die Renaissance gleich beim Eintritt in 
den Dom mit de» boiden marmornen Weihbecken, deren eines von i 
Jacopo delia Quercia herrühren soll. (Einen antiken Fuss hat keines 



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236 BenaiBMuee-OseontioiL Stein and Metall. Biena. 



von beiden). Ks giebt einfach schtfnere Weihhecken deB entwickeltem 
Styles in andern Kirchen von Toscana, aber keine prachtvollem. 
Die Aufeinanderfolge von Flachsculpturen , stützenden Statuetten, 
Festons, Adlern und Waase rthieren als Trägern der Schalen etc. 
giebt einen wahrhaft reiehen und festlichen Eindruck. Die Fische im 
Innern der Schalen wird man der Ubergrossen Vorzierungslust zu 
Gute halten. 

Als einen trefflichen De eorator in Marmor, und zwar wohl un- 
abhängig von den gleichzeitigen Architekten, lernt man zunächst den 
namhaften Bildhauer Lorenzo diMariano, gen. Marrina (1476 — 1534) 
kennen. Noch etwas alter thtimlich : die Steinbank linka in der 
Loggia des Casino de' Nobili, mit besonders schöner Rückseite (vor- 
geblich nach dem Entwurf l'eruzzi's , der aber damals wohl noch zu 
jung war. ') Die Bank rechts von A. Federighi, 1464). Von höchster 
Pracht und Vollendung: die kloine Fronte der Libreria im Dom (mit 
einem Relief des Urbano daCortona) und der unvergleichliche Haupt- 
altar der Kirche Fonteglusta (1517), an welchem nicht bloss die Orna- 
mente der ebengenannten Arbeit vollkommen gleich am Werthe, 
sondern auch die Figuren von höchster Bedeutung sind. Die Engel 
und Enkelkinder, der Fries von Greifen, ganz besonders das Relief 
der Lunette — der todte Christus mit drei Engeln — gehören zum 
Seliiiiisti'n und A usd ruck voll st en , was die Sculptur der rafaelischen 
Epoche geschaffen hat. An keinem der damaligen römischen Grab- 
mäler wüsstc ich z. B. eine Lunette von diesem Werthe nachzuweisen. 
—In S.Martino ein anderer seuipirter Altar derselben Meister von 1522. 

Mehr durch seiue Ornamente und Proportionen im reinsten Styl 
der Bliithczeit als durch seine (zum Theil auch sehr guten und als 
Jugendarbeiten Michelangelo 's geltenden) Figuren behauptet der 
grosse Altar Piccolomini im Dom (linkes Seitenschiff, zunächst vor 
der Fronte der Libreria) eine classische Stelle unter den damaligen 
Ziorbauten. Ah Meister wird ein gewisser Andrea Fusina von 
Mailand genannt , der das Werk in Rom gearbeitet haben soll. Ein 
Triumphbogen umgiebt die Nische, in welcher sich der zierliche 
Altar erbebt. (Demselben Andrea soll auch das schöne Denkmal 
des Erzbischofes Birago in der Passione zu Mailand, hinten rechts, 
angehören). 

') [Mit Lortnio Marrina arbeiteten daran Pirlro Comyogmni anä Michttt doli von 
SetUgnano.) 



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Siena. 237 

Sodann hat Baldassare Pervxii in der aus Stucco bestehenden 
Wandbekleidung der runden Gapelle San Giovanni (im Dom, linkes a 
Seitenschiff) den besten Geschmack in der Verzierungsweise der 
Blüthezeit bekundet. Er hatte die Sculptnren des Neroccio, die 
Freeken Pinturicchio's einzurahmen und zugleich den Organismus 
seines Baues zu behaupten. (Die Kuppel leider später; das Portal 
ein pomphaftes und überladenes Werk, schwerlich nach Peruzzi's 
Erfindung 1 ). 

Von einfachem Altareinfassung en enthält z. B. S. Domenico zwei. 
In der Bogel hat der Barockstyl mit Beinen weit und schattig vortre- 
tenden Säulen und Giebeln diese massigen, flachen Pilasterarchitok- 
turen verdrängt oder verdunkelt. — Beich, aber schon von zweideu- 
tigem Styl: die Treppe zur Kanzel im Dom, [von Riccio 1510]. b 

Ausserdem ist Siena elassisch für die bronzenen oder eisernen 
Fahnenhalter und Glockenzüge mit Ringen, welche im XV. Jahrhun- 
dert an den toscanischen Palasten angebracht wurden. Zwar über- 
treffen die genannten Laternen am Palast Strozzi in Florenz an Ruhm 
alles von dieser Gattung, doch dürften diejenigen am Palazzo del e 
Magnifico zu Siena, von Giac. Coisarelli, ihnen im Styl über- 
legen sein, wie sie denn zu den schönsten Erz zier rat hen der Renais- 
sance gehören; eherne auch an Pal. della Ciaja; an den übrigen i 
Palästen (auch Piccolomini) ist das Material meist Eisen. — Es ist 
nicht bloss die Schönheit des einzelnen Stückes, mit seinen Akan- 
thusblättem und seinen energischen Profilen, was uns diese Kleinig- 
keiten werth macht, sondern viel mehr der Kückschluss auf den 
Humor und die echte Prachtliebe jener Zeit, die Monumentales ver- 
langte in Fällen, wo wir uns mit dem Flitter des Augenblickes zu- 
frieden geben. 

Das hübsche kleine Weihbecken in der Sacristei des Domes zu e 
Siena, emaillirt und auf einen Engel gestützt, von Giov. Tvrini, und 
das noch einfachere bronzono in der Kirche Fontegiusta (zweite Säule f 
links) von Giov. delle Bomharde (14S0) haben durch denselben monu- 
mentalen Ernst, der auch im Kleinen sich nicht zur leoron Niedlich- 
keitbequemt, eine Bedeutung, die weit Ubor den absoluten Form geh alt 
hinausgeht. 

Lorenzo Vecchietta , als Bildhauer nur ein manierirter fleissiger 
Nachfolger des Quercia und Donatello, als Maler den bessern Zeitge- 
nossen weit nachstehend, hat als Decorator in Marmor und in Bronce 



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ReimisBunce-Decoration. stein und Metall 



einen eigen thüudicheri Werth. Das eherne Ciborium (Saerament- 
häuschen) auf dem Hochaltar des Domes, wovon sich in der Acade- 
mie (Grosser Saal) die Orighialzeielinung befindet, hat durch seine 
originelle energische Bildung auf die ganze sienesische Zierweise Ein- 
fluss gehabt [vielleicht entnahm er das Motiv dem marmornen Auf- 
satz des Tanfbrimnens in San Giovanni]; ein kleineres bronzenes 
Ciborium in der Kirche Fontegiusta (zweiter Altar rechts), schöner 
als diese beiden Arbeiten und in seinen untern Thcilen faBt griechisch 
luln'udig, ist von Lormzo Marrina. Guss und Ciselirnng sind durch- 
gängig trefflieh. — Das Marmorciborium auf dem Hochaltar von 
San Doraenico giobt dasselbe Motiv, freilich im allcrromstcn und 
schönsten Styl der Bliithezeit wieder, sodass man es den Sienesen 
kaum verargen kann, wenn sie darin eine Jugendarbeit Michel- 
angelo's ') erkennen wollen. 

Auch Jacopo detta Quercia selbst muaa hier noch einmal erwähnt 
werden, wegen des glücklich gedachten Eisengitters an der Capelle 
des Palazzo pubblieo. ■ ■ 



Auf dem Wege von Florenz nach Rom sind ausser den genannten 
und noch zu nennenden Arbeiteu hier noch einige anzuführen , die ich 
an keiner besonder« Stellt» unterzubringen weiss. 

InS.Domenico zu Perugia, vierte Capelle rechts, ist die ganze 
Altarwand mit einer grossen Decoration von Stuccaturcn und Ge- 
mälden dieses Styles bedeckt. (Von dem Florentiner Agostino di 
(riiccio 1150). Nur als Specimen merkwürdig; das Gemalte, z. B. die 
Engel und Putten um die obere Lunette passen durch ihren grössere 
Maasstab nicht zu den Statuetten der Madonna und der beiden an- 
betenden Engel. 

Im DomvonSpelio der Tabernakel des Hauptaltars, eineKuppel 
auf vier Säulen , in graziöser und früher Renaissance. 

ImDom vonNarni, rechts, eine Altarnische sammtdem zunächst 
davorstehenden Bogen, beide als Triumphbogen inStucco behandelt; 
noch XV. Jahrhundert. 

. [Im herz ogl. Palast zu Urbino wieindcmzuGubbio docorative 
Sculpturen, namentlich Thüreinfaasungeu besten StylB]. — ImDom 

') tWobl eher von Btntditlo da Ifnjant, , mit dessen beglaubigter Au8flihrun S der- 
selben Anfgaba im Dom von 9. Glmlgnano es übereinstimmt.] Im Dom von Forli kM 
ebenfalls des Ciborium dem Miclitiangtlo zugeschrieben; 



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Perugia. Horn. 



23» 



von Orvieto das schöne Weüibecken , Hl", angcblicli von einem 
Mattet) Sanese. 

[0er Hauptaltai' in S. Maris della Calcinaccia beiCortona, 1519, 
verwandt mit den römischen Arbeiten des Andrea Sansovmo. 



In Rom beginnt, abgesehen von einigen früher» Arbeiten des 
Filarete und Anderer, der reichere Luxus des Marmorornamentes mit 
den 1460er Jahren und erreicht ein Jahrzehnt! später eine unbeschreib- 
liche Fülle und Pracht. Ich hin nicht im Stande, das Beste und 
[icin.Jtr iuis dem Gedächtnis« näher au bezeichnen, oder die Ent- 
wicklung dieses Zweiges der Ornamentik historisch zu verfolgen, 
glaube aber, dass das grösste Verdienst, wenn nicht der Erfindung, 
doch der Verbreitung dieser eleganten Formen dem Mino da Fiesole 
angehört, welcher damals (s. unten) in Rom eine ganze Anzahl von 
marmornen Gräbern u. a. Praehtarbeiten schuf. Man beachte, dass 
von seinem Hauptwerke, dem Grabmal Pauls II., nur die figürlichen 
Theile (in der Crypta von S. Peter) gerettet , die decorativen dagegen 
untergegangen sind. — Unter den Grabmälern sind diejenigen spa- 
nischer Prälaten, welche durch Calixt III. und wohl noch durch 
Alexauder VI. nach Rom gezogen worden sein mögen, vorzüglich 
zahlreich. — Pollajuolo's Arbeiten wurden schon genannt. 

Von Portaleinfassungen ist diejenige an S. Marco des Gin- u 
tianodaMa jttiitt (,S. 1 im) Kt'lher würdig. A ucli diejenige ;m H. Giacomo ii 
degli Spagnuoli sehr schön. 

Die Sänger tribune der Capella Sistina, mit ihrer eiieln, ernsten c 
Pracht, ist für diese gegebene Stätte und Ausdehnung ein vollkom- 
men vortreffliches Werk zu nennen. Auch die Marmorschranken, 
mi-lche den Vorraum vom Bauptrauni trennen, sind vom Besten; 
elienso die Balustrade der Capella Carafa inS. Maria sopra Minerva, d 

An den marmornen Altären tiberwiegt das Figürliche; doch 
sind auch die tri umphbogen artigen Architekturen, welche dasselbe 
einfassen, nicht ohne Bedeutung. Der sehr grosse Hauptaltar von S. n 
Wlvestro in Capite und der Altar Innoeenz VIII. in der Paco (eine der r 
Capellen links im Achteck) sind vergoldet und nicht von reiner Form. 
Der herrliche Altar Alexanders VJ. in der Sacristei von S. M. dcl Po- % 
pnlii ist auch in decorativ er Beziehung der edelste dieser Uattung. 
Andere Altäre derselben Kirche, z.B. derjenige der vierten Capelle u 



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240 



EenEiisnance-Decoration. Stein und Metall. 



a rechts und derjenige im Gange vor der Sacristei bieten nur drei ein- 
fache Nischen mit Predella und Aufsatz. 

An den Grabmälern bemerkt man wieder diejenigen Elemente, 
welche die florentinischen Decoratoren geschaffen hatten, allein 
mannigfach neu combinirt. Eine bestimmte Abweichung liegt dann in 
der fast durchgehenden Ausschmückung der Seitenpfosten der Nische 
mit kleinen Nischen, welche allegorische Figuren enthalten. Sodann 
kommt das schöne Motiv einer über dem Sarcophag stehenden Bahre 
mit Teppich, welche die Hegende Gestalt des Verstorbenen trägt, 
häutiger vor als in Florenz. 

Weit die grössto Anzahl dieser Gräber enthält (seit S. Peter 

b seinen derartigen Schmuck eingebüsst hat) S. Maria del popolo. 
Vor allem die beiden Prälatengräber im Chor, welche der grosse 
Andrea Samovino seit 1505 arbeitete. Sie geben gleich die höchste 
und letzte Form , welche das architektonisch angelegte Wandgrab 
erreichen kann; der Triumphbogen, auch sonst für Gräber oft ange- 
wandt, ist nirgends mehr mit dieser leichten Majestät behandelt; 
unter den Arabesken sind die des Sockels von den allerschönsten 
der ganzen Renaissance. — Die übrigen PrachtgrUber, meist ebenfalls 
von Caidinälcn und Bischöfen, füllen fast sfimmtliche Capellen der 
Kirche an; alle Arten von Anordnung und Schmuck sind hier durch 
irgend ein Specimen repräsentirt. Die besten Ornamente vielleicht an 

o dem Grabmal Lonati (um 1500) im linken Querschiff, und an dem 
Grabmal Eocca (starb 1482) in der Sacristei. — In der Vorhalle von 
S. Gregorio ist das einfache Grabmal Bonsi (rechts) eines der 
schönstgeordneten ; die beiden Brüder, welchen es gesetzt ist, sind 
durch zwei Reliefbüsten an der Basis des Sarcophags verherrlicht. 
Gegenüber das Grabmal Guidicoioni, erst vom Jahr 1643, aber mit 
Benützung der allerschönsten Arabesken, Capitiile etc. von einem 

d Monument der Blüthezeit. — In der Kirche Araceli ist das Grabmal 
Gio. Batt Savelh'(l49S, im Chor, links} sowohl plastisch als decorativ 
ausgezeichnet; am Sarcophag Genien mit Fruchtsclraüren, unten 

e Sphinxe. — In S. Maria sopra Minerva (Capella Carafa) zeigt sich der 
späte Pirro Ligorio als tüchtiger Decorator an dem Grabe Pauls IV., 
während in zahlreichen Grabmälern des XV. Jahrhunderts die dama- 
lige Zierwei'so verewigt ist; in dieser Beziehung eins der besten das 

f des Petrus Ferrix (starb 1478) im ersten Klosterhof. — In SS. Apostoli 
enthält der Chor das prächtige Grab des Nepoten Pietro Eiario (starb 



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Rom. Neapel. 241 

1474), dcoorativ dem Grab Savclli ähnlich. — Eine Anzahl Grabmaler 
in dem bedeckten Hof hinter S. Maria di Monserrato. — In S. Pietro n 
in Montorio contrastirt das schöne Grabmal links von der Thür (1510 h 
von Dosio) mit den bloss plastischen Denkmälern jlnwnaHaffs, welche 
den Querbau einnehmen; — ebenBO in S. Maria della Pace das c 
Ornament der beiden links stehenden Grabmäler Ponzetti (1505 und 
1509), beinahe von sansovinisclier Schönheit, mit den späten über- 
ladenen Arabesken, womit Simone Mosca um 1550 die Fronte der n 
zweiten Capelle rechts Uberzog. Im 'Kreuzgang bei der Pace das o 
decorativ vortreffliche Grab des Bischofs Bocciaccio (starb 1497). — 
Unter den Gräbern in 8. demente hat das einfache des Brusato f 
(rechtes Seitenschiff) die schönsten Arabesken. — Andere Grabmäler 
in vielen ültern Kirchen zerstreut. 

Schon lange vor der Mitte des XVL Jahrhunderts hört diese 
reiche Marmorornamentik an den römischen Gräbern fast völlig auf 
und macht einer Verbindung von blosser Architektur und Seulptur 
Platz. Bei Anlass der letztem werden wir darauf zurück kommen. 



So weniges Neapel an vollständigen Banton der Blü'thezeit 
moderner Baukunst aufzuweisen hat, so reich ist es dagegen an 
decorativen Einzelheiton, zum Theil der besten Renaissance, vom 
Triumphbogen des Alfons an. 

Eine ganze Schule dieses Styles gewährt die Crypta des Domes x 
(1492), eine kieine unterirdische Basilika von drei gleich hohen flach- 
gedeckten Schiffen, über nnd Uber mit Ornamenten [angeblich von 
Tommaso Maknto aus Cromona oder Como] bedeckt. (Oft gezeichnet, 
abgegossen und nachgeahmt). Hier verräth sich nun die Renaissance 
nach ihren tiefsten Eigenschaften; sie genügt völlig, wo sie spielen 
darf; — alle Pilaster und die blossen Gewandungen, sowohl die hori- 
zontalen alB die vertiealen , mit ihren Arabesken , Blumen , Schilden, 
Guirlanden u. s. w. sind von der schönsten, leichtesten Wirkung: 
dagegen ist das Bauliche nur wenig organisch, die Profile zu dünn, 
das Tragende zu decorativ. Die menschlichen Figuren , die ohnediess 
auf keine Weise den Ornamenten obenbürtig sind, auch lastend an der 
Decke anzubringen, war ein ganz speciell neapolitanischer Gedanke. 

Das Uebrige sind Nischen, Altäre und Grabmäler, in unUber- 
seh lieher Menge ; an diesen Aufgaben bildete sich eine ganze grosse. 

BitrcMardl, Cierrmr. 16 



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Renaissance - Deco ratio n. Stein und Metall 



Decoratorensehule, welche jedoch erst im XVI. Jahrhundert und 
durchschnittlich erst in den nicht mehr reinen Werken durch be- 
stimmte Künstlernamen repräsentirt igt: Giovanni (Merliano) da 
Noht , fiiralumo Santacroce, Domenico di Auria, und eine Reihe Ge- 
ringerer bis auf Cosimo Fansaga hinab , der noch in berniniacher Zeit 
die Art der altern Schule nicht ganz verleugnete. — Als Bildhauer 
ist sclbBtGiov. da Sola nur untergeordneten Hanges; das Wenige 
plastisch Ausgezeichnete wird bei Anlass der Sculptur erwähnt wer- 
den. Als Deco ratoren, ob von aussen abhängig oder nicht, wird man 
diese Künstler immer achten müssen, weil die Verbindung de* Bau- 
lichen und des Figürlichen in ihren Werken im Ganzen eine sichere 
und glückliche ist , selbst wo die Figuren gering sind und nur gleich- 
sam in den Kauf gegeben werden. 

Was die Altäre betrifft, so dauern fürs Erste aus dem Mittelalter 
noch die den Altartisch bedachenden Tabernakel fort : reiche Bogen 
und Giebel auf vier oder nur swei Säulen und dann hinten angelehnt. 
In S. Chiara, zu beiden Seiten des Portals, ein gothiseher und einer 
der b" rühre na issance. — Sodann bildet sich gerade in Neapel der 
sculpirtc Altar, mit Statuen und Reliefs in einer Wandarchitcktur, 
oft Alles innerhalb einer grossen Nische , mit dem vollsten Luxus aus. 
Zum Zierlichsten gehören die Altäre zu beiden Seiten der Thür von 
Monte Oliveto (von Nola und Santa Crom) ; — prachtvoll und um- 
ständlich eine grosse Nische mit Altar in S. Giovanni a Carbouara, 
die Figuren zusammengesucht); ebenda noch Mebreres von ähnlicher 
Art;. in S. Lorenzo, vierte Capelle rechts, der Altar Eocehi, ausge- 
zeichnet durch höchst delicate und schwungvolle Ornamente; — An- 
deres in S. Domenico maggiore; siebente Capelle links {Altar von 
Nota) u. a. a. 0. 

In den neapolitanischen ü-rabmülern verewigt sich eine krie- 
gerische Aristocratie, wie in den römischen vorzugsweise eine hohe 
Piiesterschaft j der Bildhauer durfte eher von dem altüblichen Motiv 
eines mit gefalteten Händen auf dem Sarcophag liegenden Todten 
abgehen und den Verstorbenen in der Haltung des Lebens darstellen, 
wobei auch die decorative Anordnung des Ganzen eine sehr ver- 
schiedenartige wurde. 

Den Hören tinischen Typus trägt sehr deutlich das dem Antonio 
Bossdlino zugeschriebene Grabmal der Maria d'Aragona (Ulli) in der 
Kirche Monte Oliveto (Capelle Piccolomini; links vom Eingang). 



Neapel. 



248 



Selbst von Donatello will Neapel ein Grabmal besitzen, dasjenige * 
des Bischofs EinaldoBrancacci (f 1427) in S. Angclo a JJilo; vielleicht 
dürfte sich die Theilnahme des berühmten Florentiners an diesem 
Werke doch nur auf Einzelnes, etwa aiif dio beiden oben» Engel- 
kinder beschränken ; die Anordnnng des Ganzen ist eher neapolita- 
nisch und bildet don Uebergang von den Masuccio's zur neueren Art. 
— Als ritterliches G-rah bezeichnet denselben Uobergang dasjenige i> 
des Sergianni Caracciolo in der Chorcapelle von S. Giovanni a Car- 
bonara. 

ümamentistisch besonders werthvoll: im rechten Qucrschiff von c 
S. Maria la miova, das Grab des Galcazzo Sauseverino (f 1477); — 
in S. Donienico magg. u. A. die Gräber in der Capelle dcl Cvocefisso, d 
namentlich' dio zweite Gruftcapelle links ; im rechten Querschiff der- e 
selben Kirche das Grab des Galeazzo Pandono (f 1514); [daseibat, 
Capella San Stefano, ein unbegreiflich gutes Grabmal von 1636] — 
im Kreuzgang von S. Lorenzo, nennte Capelle, der Sareophag des f 
Pudericiis u. A. m. ; — im Chor von Montooliveto besonders das Grab g 
des Bischofs Vasallus von Aversa, etc. — Man begegnet durch- 
schnittlich denselben theila hoch, theils nachgearbeiteten Arabesken, 
welche damals in ganz Italien herrschend waren, wie denn die ganze 
neapolitanische Renaissance wenig ganz eigentbümliches hat. Ich 
hätte darüber kurz sein dürfen, wenn diese Fragmente aus der 
Morgenfrühe der modernen Baukunst nicht gerade hier einen beson- 
dern Werth hätten. Das von massenhaften Barockbauten ermüdete 
Auge sucht sie mit einer wahren Begier auf. 

Giovanni da Nola (s. d. Sculptur) ist vielleicht im Detail nirgends 
mehr ganz rein, z. B. das Grab des Pietro di Toledo in S. Giacomo 
de' Spagnuoli; bei seinen Schüler tritt vollends jener Schwulst 
ein, der das Architektonische wie das Vegetabilische des wahren 
Charakters beraubt. Als Ganzes wirken ihre Arbeiten immer; selbst 
den (früher sehr überschätzten) Brunnen des Domenico di Auria 
bei S. Lucia wird man glucklich gedacht finden. h 

Einzelne gute Portale des XV. Jahrhunderts findet mau am Gesu i 
nuovo, an dem Bau neben der Annunziata, einfachere an S. Angelo k 
a Kilo, an S. Arpino, Ecke der Strada Nilo und Via S. Agostino alla 
Zecca, u. a. a. 0. 



16* 



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Konoissmice - Decoration. Stein und Metall. 



In Genua setzte sich die Zier weise der Renaissance wie der be- 
treffende Styl der Architektur und selbst der Sculptur nur langsam 
durch. Er drang weniger von Toscan» als von Oberitalien her ein. 

Das frühste, nocli halbgot Iii sehe Denkmal, die Fronte der Jo- 
hannescapclle im Dom, ist erst 1451 begonnen und das Ganze, 
abgerechnet die neuem Veränderungen, 14% vollendet. Dieses einst 
gewiss vorzüglich interessante Ziergebäude hat durch barocke Zu- 
thaton im Innern seinen besten Keiz verloren; in der leichten und 
'schönen Anlage tönt er noch nach. 

Sodann ist Genna vorzüglich reich an marmornen Thürein- 
fassungen, welche mit Arabesken oft reichen lom bardischen Styles, 
wenigstens mit Mcdaillonküpfcn und prächtigem Obersims verziert 
sind. Es war eine der weiligen möglichen Arten, dem kajUtenhaften 
Wohnen in engen Strassen einen bessern Ausdruck zu verleihen. 
Die besten , die mir zufällig vorgekommen sind, linden sich an einem 
Hause auf Piazza S. Matteo, an einem andern auf einem Plätzchen 
hinter 8. Giorgio, und im Hausflur eines grossen Gebäudes auf 
Piazza Fossatcllo (von einer Kirche entlehnt?). Vgl. oben S. 195. 

Der marmorne Orgellettncr in S. Stefano ist eine leidliche, wahr- 
scheinlich floren tinische Arbeit, vom Jahr 1499. 

In S. Maria di üastello bildet die Nische des dritten Altars 
recht«, mit dem schönen Bilde des Sacchi (1524), der Innonbekleidung 
von glasirten Platten, und der äussern Einfassung ein sehr artiges 
Ganzes. 

Schon mehr antikishend, in zum Theil sehr schöner Ausbildung, 
die Decorationen des Montwsoü in S. Matteo , hauptsächlich die bei- 
den einfachen lleiligeusarcophage an den Wänden des Chores, auch 
die Altäre an beiden Enden des Qucrschiffes. — Ob die beidon Unge- 
heuern Prachtkamine in den grossem Säien des Pal. Doria auch von 
ihm sind, ist mir nicht bekannt. 

Endlich siegt das Bemühen des reinen Ciassieismus auch hier 
für einen kurzen Augenblick. Der Tabernakel der Jo h an uesea pelle 
im Dom, von Giacoim della Porta (1532) ist eines der schönsten Deco- 
rations stücke dieser Art, zumal was die Untonsicht der Bedeckung 
betrifft. (Die Sculpturen an den Siiulenbasen sind von Giacomo's 
Bruder Gugliclmo). 



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Bologna. 



245 



Mit der Decoration tler oberitalischcn Denkmäler (Venedig 
ausgenommen) können wir uns kürzer fassen. Die Seltenheit des 
Marmore ntSthigte zur Arbeit in Sandstein, Kalkstein, Stucco , Terra- 
cotta. Zwar könnte ein fester kllns tierisch er Wille auch in diesen un- 
edlem Stoffen ein Höchstes erreichen , allein die Durchschnitt sbildting 
wird doch immer unter solchen Umständen eine geringere bleiben. 
Der weisse Marmor allein fordert den Künstler unablässig zum Fort- 
achritt, zur Verfeinerung auf. 

Den Uebergang von der fiorentinischen Weise zur oberitaü sehen, 
hauptsächlich paduanischen , macht Bologna. Den vom Norden 
Kommenden mag die heitere Pracht, zumal die Back stein zier rathen, 
wohl zunif chst blenden, allein das praktische Studitim wird doch erst 
hei den Marmorsachen von Florenz und Eom seine Rechnung finden. 
Sicht nur sind die holognesischen Arbeiten oft bunt und überladen 
(man analysire nur einen Pilaster mit Putten, Delphinen, Candelabern, 
Schalen, Bändern, Fruchtgehängen etc.), sondern auch im Ausdruck 
des Einzelnen unfein, nicht empfunden, zumal die Sandsteinzicr- 
rathen. ') Im XVI. Jahrhundert suchte der Baumeister Formigine 
sie etwas mehr der reinem antiken Form zu nähern und manche der 
von ihm angegebenen Capitäle sind sehr schon fS. 205), allein in den 
Arabesken war er kaum wahrhaft lebendiger als die fiUhern. — 
Wir zählen nur Einiges von dem auf, was noeii nicht bei Anlass der 
Architektur genannt wurde. 

Zunächst eine Anzahl Marmorschranken, theils mit Gittern, 
theils mit enggesrellten Säulchen oben, welche zum Verschluss der 
Capellen in S. l'etronio dienen. Das älteste, noch gothiei'hc Beispiel, 
4. Capelle links; — reiche und frühe Renaissance, 7. Capelle links; 
—später und eleganter, 10. Capelle rechts ; — das schönste: -J. Capelle 
rechts, vom Jahr 1483; — einfach: 6. Capelle rechts; — das späteste, 
von Formiffine, 8. Capelle rechts. — In 8. Michele in bosco: die 
-Hauern zu beiden Seiten des Chorgitters, die Pilaster und Thürcn den 
Thores, vom Bessern des ob erituli sehen Styles. 

Einzelne Altar nischen mit und ohne Schranken: in S. Martino 
inaggiore die erste rechts (lö20); in Madonna di Baracano die Ein- 
fassung der Hauptaltarnische, von der Bildhauern! Propecia de' 



') Was die borkst einem eil betrifft, so glaube ich, da Sa diese) Ii en , <vo sie lieh 
iiiiniiicii wiederholen, in hölzernen Modeln gepreBst jlnd. 



246 Benaissance-Decoration. Stein und Metall 



u Jtosai, die liier dem Formigino nachfolgt r in SS. Vitale ed Agrieol» 
ilio Stuceoeinfassungen um die Fresken der grossen Capelle links, mit 
guten, bloss vegetabilischen Arabesken. 

Die Grabmäler sind sammt und sonders im Styl der Arabesken 
weit geringer als die bessern florentinisehen und römischen. Die an 
den Backstein und Sandstein gewöhnte Decoration konnte sich in die 
Vortheile des Marmors, wo sie an diesen kam, nicht hineinfinden. Eine 

ii ganze Anzabl aus verschiedenen Kirchen stehen jetzt im Composanto 
bei der Certosa; andere noch in den Kirchen selbst. Ausnahmsweise 
arbeitet wohl ein Florentiner irgend ein Prachtstück in seiner beimi- 

g sehen Art, wie z. B. Francesco ili Simone das Grabmal Tartagni 
(147") in S. Domenico (Durchgang zur linken Seitenthiir) ; allein dieses 
ist doch nur eine plastisch und decorativ befangene Nachahmung des 
Grabmals Marzuppini (S. 23 1, d) und das Meiste, was sonst vorkömmt, 
ist noch viel geringer. 

Als prächtige decorative Erscheinung ist das Stnccograbmal des 

d Lodoz. Gozzadini im linken Seitenschiff der Servi (statt des 3. Altars) 
trotz seines Schwulstes diesen Marmorsachen vorzuziehen ; von einem 
unbedeutenden Bildhauer jener Zeit, Giov. Zacchw. Auch das ein- 
c fächere Grabmal des Giac. Birro im Kloaterhof von S. Domenico ist 
eines von den glücklich angeordneten des beginnenden Barockstyls. 

Ein Gegenstück zu den metallenen Fackelhaltern der toscanischen 
Paläste (welche hier durch diejenigen am Pal. del Podestä nur mit- 
telmüssig repräsentirt-sind) bilden die sehr stattlichen ehernen T hiir- 
hämmer, als springende Thiere u. dgl. in rcichep Einfassung gebil- 
det. An den zahlreichen Palastpforteu , wo sie vorkommen, reichen 
sie allerdings nicht über das XVI. Jahrhundert und kaum in dasselbe 
hinauf. 



Sepolcro das Datum 1505. - 

die nördliche Seitenthiir hin 
Carissimo) mit dem Namen 
zeichnet, beide von den schi 
Eenaissance, ohne. Figürlich 
mornc Denkmal des Barthol. 



liehen Pilaster au der Fassade von S. 
Im Dom : die Marino rschranken der 
alb der Treppe gegen die südliche und 
wei GrabmHler, das eine (der Familie 
s Sculptors Gio. Franc, da Grado be- 
im Arbeiten der reifem oberitalischeu 
. Im rechten Querschiff das rothmar- 



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Parma. Perrara. Venedig. 



343 



Im Dom von Reggio nennt sich gleichzeitig (15Ü8) der Gold- > 
schmied Barthol. Spanns als Verfertiger eines einfachen bischöflichen 
Nischengrabes mit der guten Statue des (schlafend dargestellten) Ver- 
storbenen; Capelle links vom Clior. Anderes der Art dritte Capelle 
rechts. 

In F er rar a, wo man von jeher dem Marmor weniger entfremdet 
war, steht die Bildung der Arabeske durchschnittlich etwas höher, 
als in Bologna. Man lernt sie z. B. auf eine sonderbare Weise kennen 
an den Eckbckleidungen mehrerer sonst ganz schlichter Paläste, einer 
Art Programme einer künftigen durchgängigen Marmorhekleidung, 
zu welcher dannZeit und Mittel fehlten. Die schönsten anPal.de' Leoni, h 
der auch eine vorzügliche Thür aufweist (S. 210, b). — . Die Pfeiler- 
basen in der Carthause S. Cristoforo haben sehr schöne Arabesken, q 
wobei man sogar den Namen Saiuiovino'x zn nennen wagt. 

In Modena ergiebt der Dom ausser einem guten Nischengrab d 
(Molza, Capelle links vom Chor) ein paar merkwürdig grosse Altar- 
nischen in beiden Seitenschiffen. Die schönste die des ersten Altares 
rechts, deren Füllungen von Dosso Dossi ausgemalt sein sollen. 

Das Decorative an des jüngeren Ant. Sangallo Marmorumbau e 
der Santa Casa in Loretto charakteristisch für die Tendenz des 
XVI. Jahrhunderts: das Ornament durch rein architektonische For- 
men zn ersetzen. Die Stylobaten incrustirt, cannelirte Säulen, strenger 
antikisirendo Formen. Die sehr schönen Festons von Mosca. 



Vouedig besitzt einen ungemeinen, aber einseitigen Keichthum 
an Ornamenten dieses Styles. Zwar liess es der gediegene Pracht- 
sinn an weissem und farbigem Marmor, an Stoffaufwand aller Art 
nicht fehlen, sodass die äussere Aufforderung, schön zu bilden, so 
stark war als in Florenz und Rom. Allein sei es die grössere Ent- 
fernung von den römischen Alterthiiniern, sei es das Bewusstsein, 
üass der Besteller doch nur Praeht und Glanz zu würdigen verstehe 
— das Ornament kömmt nur in einzelnen Riehtungen zu wahrhaft 
hoher Rlüthe. Ihm fehlte auch die rechte Pflegemutter: die strengere 
Architektur, welche den Sinn für Verhältnisse im Grossen wie im 
Kleinen wach gehalten hätte. 



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248 BiraaUianw-Deeoration. Stein and Metall. 



Man muss hier das Ornament weniger an einzelnen Prachtarbeiten, 
an Gräbern und Altären aufsuchen; die vornehmern Gräber gehen 
nämlich schon frühe über die blosse Nischenform hinaus und worden 
grosse, ausgedehnte, selbst triumphbogenartige Wandarchitekturen 
mit Säulenstellungen und Statuen, neben welchen die Arabeske nur 
gleichsam in den Kauf gegeben wird-, auch die Altäre nehmen eine 
mehr umständliche architektonische Bildung an. Während aber so 
die Zierdenkmäler zu Bauten werden, bleibt gerade die eigentliche 
Architektur, wie wir sahen, in ihrem Wesen decorativ, und so findet 
sich das Wichtigste von Arabesken hauptsächlich an der Aussenseite 
der Gebäude. 

Der aufmerksame Beobachter wird bald bemerken, (lass die bloss 
vegetabilischen, hauptsächlich für Friese passenden Arabesken im 
Schwung der Zeichnung und in der zugleich zarten und kühnen Ee- 
liefbc Handlung den grossen Vorzug haben vor den mehr figürlichen, 
einen aufwärt» strebenden Stamm umspielenden, welche anderweitig 
die Haupt Verzierung der Pilaater sind. Es scheint, als hätte die 
Schule der Lombardi diess gefühlt; sie gab wenigstens auch den 
Pflastern sehr oft blosses Ranken werk , ohne jene Schütte, VaBCn, 
Greifen, llavpyji-n. TiiiVli'hen, Patten -u. s. w. Später, zu Anfang des 
XVI. Jahrhunderts, folgen dann auch treffliche Pilasterbekleidungen 
der letztem Art, allein nur um bald einer öden Manier Platz zu 
machen. Im Ganzen ist man sich nur wenig klar darüber, dass tra- 
gende Glieder anders decorirt werden müssten als getragene. Unter 
<k'n heuern,' an Gebäuden vorkommenden Arabesken sind etwa 
bei spiel shalb er folgende zu bezeichnen. 

Die Pi)i't;il|jilüstei- an S. Zaccaria. — In S. Maria de' iniracoli 
hauptsächlich die Arabesken an der Balustrade über den Chorstufen, 
an den Basen der Chorpilaster (mit Sirenen und Putten hübsch figu- 
rirt) und am Gesanglettner; die Friese der Chorschranken; die Pi- 
laster der Thülen; das Uobrige hat an sich nur mittlem Werth, hilft 
aber mit zum Eindruck eines in seiner Art einzigen Eeichthums. — 
An der Scuola di S. Marco alle horizontalen und bogenförmigen Bau- 
glieder mit dem schönsten Rankeuwerk, auch die (zum Thcil restau- 
rirten) durchbrochenen Zierratben und die Akroterien vorzüglich; 
die meisten Pilaater kaum mittelmässig. — Am Vorhof von S. Gio- 
vanni Ev. das Wenige sehr schön. — Am Hinterbau d,es Dogen- 
palastes (von Bregnonnd Scarpagnino) das Beste wohl die Arabesken-- 



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Venodig. 



flachen im zweitobersten Stockwerk, die Pfeiler über der Rieden et eppe 
und wahrscheinlich auch viele Fenstorpilaster ; wenigstens sind die- 
jenigen an der Canalseite, welche man in der Sala dcllo Scudo und in 
der Sala de' Eilievi genau betrachten kann, die beBtornamentirten in 
Venedig, von einem fest reinen Gleichgewicht des Ornamentalen und 
Figürlichen. — An der Seuola di S. Rocco ist das reiche Ornament 
durchgängig unrein , zumal au der Treppe. — Einc.schüue Thür ist i> 
aussen am Gebüude der Aeademie (Westseite) eingemauert. — An S. o 
Michele : die Pilaster der Pforte, die Basen der Chorpilaster, u. A. m. 

Als nicht sehr frühe und doch noch ganz primitive Renaissance 
ist die marmorne Choreinfassung in den Frari (1475) geschichtlich a 
bemerkenswerth. 

In der Decoration und im Entwurf einzelner Denkmäler ist 
offenbar Älesaandro Leonardo der erste und der allein mit dorn Flo- 
rentinern vergleichbare. Seine Basis der Reiterstatue des Feldherrn c 
Collconi bei S.Giovanni o Paolo, datirt 1495, ist mit bewunderns- 
werthem Takt componirt; leicht und schlank, mit sechs vorgelehnteil 
Säulen, mit schönfigurirtem Fries und Sockel, hebt sie das ihr anver- 
traute, nichts weniger als colossale Bildwerk ausserordentlich, ohne 
doch durch alteugrosse eigeno Ansprüche den Blick zu zerstreuen. 
Wettberühmt sind dann Leonardo 's drei ehernecandelabcrartigeFuss- t 
gesteile für die Flaggenmaste auf dem Marcusplatz, ebenfalls von 
glücklicher Coraposition und vortrefflichem Styl des Einzelnen. (Bei 
den Ornamenten der Capolla Zeno in 8. Marco möchten andere Hände t 
gewaltet haben, aus genommen etwa an der Basis der Madonna, welche 
Leopardo's nicht unwürdig würe.) ■ 

Für alles Uebrige werden bestimmte Namen Uberhaupt nicht oder 
iloch ohne genügende Sicherheit genannt, bis mit-Guglielmo Berga- 
maeco und J. Sanxorino eine näher documentirte Reihe — freilich von 
geringerm ornamentalen Interesse beginnt. 

Im Dogenpalast enthalten die Sala de' Busti und die Camera a fi 
letto noch prächtige Marmorkamine aus der Schule der Lombardi ; 
über gewundenen Säulchen und herrlichen Consolen etwas zu schwere 
Friese (sogar ein doppelter) und neuere Aufsätze. 

Die Brunnen gaben in Venedig als blosse CisterncnmUndungcn 
kein geeignetes Motiv zu besonderin Schmucke her; doch musste dun 
beiden im Hof des Marcuspalastes eine Gestalt verliehen werden, die t 
mit der Umgebung in Harmonie stand, was allerdings erst zur Zeit 



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250 Reiiaissaace-Dccoration. Stein und Metall. 



der beginnenden Barockformon (1556 und 1559 , durch Conti und Al- 
berghetti) geschah. Der eine iat ein vorzügliches Denkmal phantas- 
tisch reicher Decoration in der Art des Benvenuto Collini, mit glück- 
licher Mischung des Zierrathes und des Figürlichen. — Von Sacristei- 
brunnen hat derjenige bei den Frari einen guten Marmorfries. — Ein 
ganz einfacher und sehr guter ist in der Hofhalle der Academie ein- 
gemauert. ... 

Von Altären sind die beiden des Pietro Lombardo im Querseliiff 
von S. Marco decorativ wohl die zierlichsten. 

AnGrabmälern hat wohl etwa der Sarcophag eine gute Ran- 
kenverzicrung (Grab Soriano in S. Stefano, links vom Portal, u. a. m.), 
dagegen sind die Arabesken der baulichen Einfassung, wie bemerkt,' 
selten mehr als mittelmässig. Die Einfassung selbst ist als grosses 
Gerüst in der Friihrenaissance meist sehr gut gedacht; ja man könnte 
Denkmäler wie die Dogengräber im Chor von S. Giovanni e Paolo 
(Vendramin , 1478, von Aless. Leonardo) und von S. Maria de' Frari 
(Denkmal Tron, 1472, von den Bregni) harmonischer finden als die 
Kirchenfassaden desselben Styles, zu welchen die organisirende Kraft 
nicht ausreichte; die genannten Gräber sind überdies» auch im Orna- 
ment gut. — Aber mit dem XVI. Jahrhundert wird dieses Gerüst auf- 
fallend einfacher, grösser und derber, mit vortretenden Säulen, Sim- 
sen und Giebeln ; die Einzeldecoration rouss weichen, um den Statuen 
das fast alleinige Vorrecht zu lassen. Ebenso ergeht es den Altären, 
Emporen u. s. w. Guglielmo Bergamasco hat z. B. in S. Salvatore 
den Hochaltar und den zweiton Altar links , Jac. Sunsovino ebenda 
das Dogengrab Venier und den Orgellettncr in dieser Weise gestaltet-, 
viel einfacher und ärmer im Detail als seine Biblioteca ist. — Ein 
schönes Grabmal, bloss Sarcophag mit Büste und Untersatz, in S. Ste- 
fano {"Capelle links vom Chor), dem Sanmicheli zugeschrieben, sucht 
Seichthum und strengern Classicismus zu vereinigen. Man mag es 
vergleichen mit seinen veronesischen Monumenten, z. B. dem an der 
Aussenmauer von S. Eufemia. — Von verzierten Grabplatten eine 
Anzahl z. B. im Chorumgang von S. Zaccaria. — [Sehr einfache, 
musterhaft eingeteilte Fussboden- Grabplatten des XVI. Jhdta. in 
S. Fantino.] 

Für die bronzenen Leuchter gab der berühmte des Andrea 
Biccio im Chor des Santo zu Padua das verlockende Beispiel eines 
endlos reichen Schmuckes. Die beste spätere Arbeit ist der Leuchter 



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Padna. 251 

neben dem Hochaltar der Salnte, von- Andren H' AUisawäro Brenciano, * 
mit nielit weniger als scclia Ordnungen von allerdings hübschen Figiir- 
chen, von den Sphinxen der Basis an gezählt. — Ein Werk derselben 
Hand sind wahrsch ein lieh auch die sechs Leuchter auf dem Altar. [Im 
Querschiff von S. Marco rechte zwei kleinlich figurirte.] 

Von geringerm Wert Ii und schon vorherrschend barock: die h 
Leuchter in S. Stefano (Capelle rechtB vom Chor, aus den Jahren 1577 
und 1617); diejenigen in S. Giovanni e Paolo (Capelle dcl Rosario), o 
welchen auch die silbernen Leuchter in der Capelle des heil. Antonius <i 
im Santo zw Padua nur zu ahnlich sind; n. s. w. 



[In Tre viso scliilne decorative Arbeiten der Lmnbiirili ; u. a. von o 
Tiiilio das Grab des Bisehof Zenetti in der grossem Capelle des Doms. 
— Im Hauptclior von S. Niccoli'i ein schöner l li'iuäldernhmen um Gio- r 
vanni Bellini's Bild.] 



In Padua enthält die Kirche ilSanto billig das Prächtigste. 
Gleich beim Eintritt bemerkt man zwei schöne Weihbecken, das eino K 
mit einer guten gleichzeitigen Statuette des Täufers, das andere mit 
derjenigen Christi, welche später von Tiziano Aspetti gearbeitet ist. 
Dann folgt im linken Seitenschiff das pomphafte Grabmal des Antonius 
de Royceiiis (f 1466), von florentinischer Ordnung. Der ganze Chor h 
ist mit reichen Marmorwänden umgeben, deren Ornament freilich nicht 
zum besten gehört ; er enthält dann, links neben dorn Altar, eines der 
berühmtesten Decorationsstücke der ganzen Renaissance: den grossen 
ehcrnenCandelaber des Andrea Eiccio (1507). l 

Dieses Werk resuirrirt das ganze ornamentale Wissen und Können 
(5er damaligen Paduaner; an Fleias, Gediegenheit, Detailgeschmack 
hat es kaum seines Gleichen. Allein es ist des Guten zu viel; die 
Gliederung hat wohl doppelt so, viele Absätze oder Stockwerke als 
ein antiker Leuchter bei gleicher Grösse haben würde, und diese ein- 
zelnen Ahthcilungcn sind untereinander zu gleichartig im Mnassstab. 
Verbunden mit der dunkeln Farbe wird dies doppelt fühlbar. Man 
sehe den Candelaber aus einer Entfernung von zehn Schritten an nnd 



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ition. Stein and MeUU. 



denke sich z. B. den gleich grossen vaticanischen daneben, beide als 
Silhouetten wirkend ')• 

Ausserdem ist die Cnpclla del Santo nicht als Ein Prachtstück 
von Renaissance. Nach Vasari hatte J. Sansovino die Oberleitung 
der Decoration, während sich als Ausführende Matteo und Tommaso 
Garei au dem Eckpilaster rechts ausdrücklich nennen -). Ausser der 
Architektur und der glänzenden, aber nicht ganz reinen Decoration 
fast sämmtlichcr Kauglieder [Flach-Arabesken von a. Th. grosser Zier- 
lichkeit] gehört ihnen wahrscheinlich auch ein grosser Theil des 
plastischen Einzelsehmuckes an; so die (allzu) reiche Figurirung der 
äussern Eckpilaster, deren Styl kenntlich die Schule des Leopardo 
verräth; die Propheten in den Bogenfiiilungen nach innen und nach 
aussen; die Putten an den innerri und äussern Friesen; vielleicht so- 
gar die fünf Heiligen statuen auf der obern Brüstung. Wenn aber 
etwas. Dccorativcs dem Jac. Sansovino bleiben soll, so sind es am' 
ehesten die herrlichen von Tiziano Minio ausgeführten Arabesken 
der gewölbten Decke. Wem die Reliefnalbfiguren der Apostel in den 
Lunetteu derselben zugeschrieben werden" müssen, mag dahin ge- 
stellt bleiben. 

Vicenza ist besonders reich an grossen und prächtigen Ein- 
rahmungen der Altarbilder durch Architekturen in Marmor 
oder Terracotta. Da man hier und in Verona znr gothischen Zeit 
und auch noch später den Seitenschiffen der Kirchen keine Fenster 
oder nur ganz geringe runde I<uken gab, so war ein genügender 
Raum für solche Decorationen vorhanden. Zunächst enthält S. Lo- 
renz o deren mehrere von Werth; hauptsächlich aber S. Corona. Hier 
ist der fünfte Altar links eines der prachtvollsten Phantasie werke, 
welche in dieser Gattung überhaupt vorhanden sind, und wenn nicht 

■ ') Sonst ist wohl das Grabmal Turrlnni in S. Formo zu Verona (Capelle naben 

pn*c sind In Pub geblieben und schmücken Jelit die ThUr der Salle den Curlstldes 
im Lonvre: des Decorative — eine untere bauchige Hänichen Stellung, dilluer ahernu 

Ganten au mUbelhuft gedacht für ein Grabmal. 

2 i Die Inschrift ist wohl so zu lesen: Mathaeua et Thoinaa aculplores et archf- 
lecti fratrea Garvi ilo Allio Medlolancnsl faclebant. Am Pilastcr links steht allerdings 
der Kuno des (lirol. IHroni, aber nur an deiir Kcbenatrcifcn. 



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Horzogthum Mailand. 



die UcberfUHe den lom bardischen, die bunten Marmorschciben der Pi- 
laster den venezianischen Charakter verriethen, so wäre er auch eines 
der schönsten. 

In Ver on a enthalt S. Pernio mehrere gute r darunter eine Nach- a 
ahmung des Areo de' Gnvi (Seite 37, e). — Im Dom sind diese Taber- u 
nakcl merkwürdiger Weise oben spitzbogig geschlossen, wahrschein- 
lich um mit dem Bau in einiger Harmonie zu bleiben; übrigens meist 
gering, mit Ausnahme desjenigen über dem Grab der heil. Agatha 
(Schhiss des rechten Seitenschiffes) vom Jahr 1508 , welcher in den 
Arabesken seiner äussern Pilaster das Höchste an Delicatesse, 
Schwung und Eeiehthum erreicht , aber in Verbindung mit derselben 
Ueberfülle, welche so manche lombardisehe Deeoration verderbt. (Das 
Figürliche iiherdies nicht vom llesten.) — In S. Anastasia eine Reihe e 
der reichsten und gritästen; die innere l'ilastcrordnnug durchgängig 
mit strengem Arabesken in dnnkelm Stein, die grüssere äussere Ord- 
nung mit dem reichsten Rankenwerk in hcüerm Marmor; einer der 
Besten der dritte rechts ; in anderer Weise architektonisch bedeutend 
derjenige des rechten Querschiffes; zwei links (der erste und vierte) 
werden bei Anlass der Sculptnr vorkommen. 

[Die schönsten Vilast er- Arabesken : in Smimichcli'x Kimdeaiielle 
an S. Bernardino.J 



In Bergamo kann die Fassado der Capelle Colleoni an S. Maria n 
maggiore (Seite 221, n ) beinahe eher für ein grosses Decorationsstiick 
als für ein Bauwerk gelten. Es giebt reicher verzierte Fassaden, wie 
i. B. diejenige der Ccrtosa von Pavia, bei welchen glrichwohl die Ar- 
chitektur viel mehr ihr Recht behauptet, als an diesem bunten, gra- 
ziösen und khiiliicli sjiii'h'iiili'ii Zierlmu. — [Das Drerirntive an Amiuleo's 
Grabmal im Innern der Capelle Colleoni sehr reich.] 

In Mailand steht oben an das wundervolle St ucco-Rankeuwerk 
der Pilaster in der Sacristci von S. Satiro, wahrscheinlich wie das 
Gebäude von Bramanie. [Ausserdem: das Mauergrab des Stefano 
Brwsco in S. Eustorgio, 1. Cap. rechts — Einige gute Marmor - 
Grabmälcr, eine schöne Thüreinfassung und einige Tcrracotta- 
Kiihmcn in dem neu gegründeten Museo Lapidario der Brcra]. 



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254 



Renaiaianoe-Deooration. FoMOöden. 



Am Dom von Coiuo sind die Tabernakel der Denkmäler der 
beiden I'linius (das eine datirt 1498) decorativ merkwürdig, weniger 
wegen der barock- reichen Candelabersäulen, als wegen der Consolcn 
mit den magern nackten Tragfiguren, welche offenbar den Schluss- 
steinen römischer Triumpfibogen nachgebildet sind. Die Thür des 
nördlichen Seitenschiffes, zum Theil von dem Architekten Tommaso 
Hoduri, aber aus dessen früherer Zeit, ist auf das Reichste Uberladen 
in der lombardischen Art jener Epoche. Vielleicht von derselben 
Hand wie die Pliniusdenkiuäler ist dann der Uberaus prächtige Schnitz- 
altar (der zweite rechts) im Innern, von welchem ein Mehreres bei Au- 
lass der Sculptur; das Decorative ist als Ganzes nicht gut und im 
Detail nirgends rein, obwohl nicht geistlos; die Candelabersaulchen 
zu zart für die vortretenden Gesimse. 

An der Cathedrale von Lugano sind die Arabeskenpfosten der 
drei ilauptpfortcn zwar, zumal im Verhiiitniss zu ihrer baulichen 
Function betrachtet, sehr überfüllt, auch zum Theil nicht mehr rein 
in der Composition, aber von der elegantesten vegetabilischen Arbeit, 
M.'hwiiiigviill und stark unterhöhlt. 

[In Cremona ein schönes Marmor-Portal an der Casa de' Magi, 
gia Sissiconda, Corso di Porta Milanese !.] 

Von der Certosa von Pavia wurde die Decoration der Fas- 
sade bei Anlass der Architektur (Seite 199) besprochen. Das im 
Querbau befindliche, sehr prächtige Grabmal des Giangaleazzo Vis- 
conti wurde 1190 von einem gewissen GuXeazzo PellegriiU entworfen, 
der sonach der Urheber des Decorativcn sein möchte; an den plas- 
tischen Theilen wurde bis 1362 von sehr verschiedenen Händen ge- 
arbeitet. — Schöne Bronze- Leuchter. 



Zwischen der plastischen Steindeco ratio n und der Malerei mitten 
inne stehen die Flachmuster der Fussböden in Marmor und Ter- 
racotta. — Die ersteren sind, wie oben S. 225 erwähnt, den alt- 
christlichen Mosaiken nachgebildet. Sistinische Capelle und Stanzen 
des Vaticans; Grabcapelie des Cardinal von Portugal in S. Miniatu 
bei Florenz ; Capelle des Palazzo Riccardi daselbst — Ein eigenthiiiu- 
liches Beispiel der weitgehendsten Lust am künstlerischen Schmucke 
sind die berühmten von Marmor verschiedener Farben eingelegten 
Geschichten, welche den Boden des Domes von Siena ausmachen, 
/vom XIV. bis Ende XVI. Jahrhunderts ausgeführt; (nur an wenigen 



RenniBsance-Decoration in Holz. 



266 



hohen Festtagen ganz zu sehen). Ein Muster ähnlicher Art im Mittel- 
schiff des Domes von Lucca , »las Urtheil Salomo's.— liesondere Beach- a 
tuiifr verdienen wegen ihrer schönen stylgerechten meist orientalisi- 
renden Zeichnung und treffliciien Farbenwirkung die wenigen erhal- 
tenen alten Beispiele- von glasirten Ziegel bilden, welche Tep- 
piehmuster nachzuahmen scheinen, zum Theil aus der florentinischen 
Fabrik der Eohbia, von welchen z. II. Rafkel die (jetzt ganz ausge- Ij 
ttetenen) Bodenplatten für die Loggien bezog. Etwas besser erhal- o 
ten: einige Reste in den Stanzen des Vaticans. — Aus früherer Zeit: d 
iliejeni^en in der Capelle Bentivoglio in B. Giaeomo maggiore zu Bo- 
logna; — und diejenigen in der fünften Capelle links von S. Petronio 
ebenda, letztere sechseckige Plättchen mit Ornamenten und Figuren. 
— [Ferner: im Oratoriuni der h. Catharina und in der Librerla des 
DomszuSiena; sehr gut erhaltene in einem kleinen Zimmer des Quartiers e 
Leo's X. im Palazzo veeehio zu Florenz. — In Neapel, wo die Sitte 
heute noch fortdauert: in S. Giovanni a Carbonara die Congregation; 
in Monte Oliveto die Capelle rechts vom Eingang. Auch als Wand- 
bekleidung von schtiner Wirkung: ebendaselbst ein Vorzimmer des 
Refectoriums von S. Maria nuova. — Prachtb ei spiele vom Belegen der 
Treppengeländer: zu Genua, Via Luccoli, N. 20; Via S.Mattoo.N. 
10 u. a. s. 0. — Gut erhalten die Fussböden in Villa Imperiale bei 
Peaaro.] ■ 

Von Marmor Erz und Thon wenden wir uns zu der Decoration in ■ 
Holz, welche in der Renaissance eine so bedeutende Stelle einnimmt. 

Die mittelalterliche Kirchen deeoration hatte ein Princip, welchem 
sie aus allen Kräften nachlebte: die Zubauten, wodurch sie die Har- 
monie des gothischen Gesammtbanes stören musste, so reich und 
prachtvoll als möglich zu gestalten; gleichsam zur Entschuldigung 
nml zum Ersatz für den unterbrochenen Rhythmiis des Ganzen. Da- 
her wirken noch so manche Wendeltreppen, Lettner, Balustraden etc. 
im Innern der Kirchen als Prachtstücke ersten Ranges; namentlich 
aber wurde das Stuhlwerk im Innern des Chores mit stets neuem 
ßaffinement in den reichsten gothischen Zierformen und mit einem 
oft werthvollen figürlichen Schmuck ausgearbeitet. Italien besitzt 
nun zwar aus seiner gothischen Kunstperiode keine Chorstühle wie 
die des Ulmer Münsters; diejenigen der Obcrkirehe von S. Francesco c 
iu Assisi würden z. B. in Deutschland geringe Figur machen ; ebenso 



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Ben&iliance-DMOraUon in Holz. 



die altern Theile desjenigen im Dom von Siena, das Stuhlwerk in S. 
Agostino zu Lucca, in S. Domenico zu I'errara (1384), in den Servi 
zu Bologna (13D0), in S. Zeno zu Verona, selbst dasjenige im Dom 
von Rcggio. (Am ehesten behaupten noch die Chorstühle im Dom 
von Orvieto einen unabhängigen Werth, weniger wegen des Archi- 
tektonischen, als wegen der eingelegten Ornamente und Halbfiguren 
des Tietro di Minellu aus Sicna um 1400). — Allein zur Zeit der Re- 
naissance warf sich die I >e.c oratio n mit einem Eifer gerade auf diese 
Gattung, welcher das Versäumte gewissermassen nachholte. Das 
Stuhlwerl; und die Lesepulte in einzelnen Kirchen und Capellen, auch 
wohl in weltlichen Gebäuden, sowie die Orgcllettner und die Wand- 
schränke in den Saeristeien ans dieser Zeit, erreichen das Mögliche 
innerhalb der Grenzen dieser Gattung und einzelne davon werden auf 
immer als classische Muster dienen. Alle Luxusschrcinerei unserer 
Tage pflegt dieselben — zugestandener Maassen oder nicht — wenig- 
stens theilweise nachzuahmen, wie der Blick auf die beliebtesten 
l'rriditmülie] der Welt- Ausstellungen beweist. Nur findet sie nicht 
immer nöthig, diesen Vorbildern ausser dem Detail auch das Princip 
abzusehen, welches. mit so grosser Sicherheit das Architektonische 
und Decorative zu scheiden und zu verbinden wusste. 

Als Nebengattung der Architektur richtet sich diese Holzschnitz- 
erei natürlich nacli den persönlichen und Schuleinflüssen derselben; 
dennoch stellen wir hier der Uebersiclit. zu Liebe die wichtigem "Werke 
der ganzen Gattung nach den wenigen Städten zusammen, welche 
der Verfasser daraufhin hat durchforschen können. — Sie besteht, 
wenn man das rein Architektonische, die Stützen, Gesimse u. b. w. 
abrechnet, aus zwei Darstellungs weisen: dem ausgeschnitzten Relief 
(vom flachen bis zum stark vortretenden und unterhöhlten) und der 
glatten eingelegten Arbeit (Intarsia, Marketterie), weiche sowohl jede 
ausschliesslich, als' auch beide gemischt angewandt wurden. Zu 
figürlicher Darstellung wurde mit Vorliebe (jedoch nicht allein) die 
Intarsia gebraucht. Stellenweise Vergoldungen kommen je später, 
desto. häufiger vor. [Vereinzelt : Nachahmung der Intarsia in Malerei.] 

Den meist tombardi sehen Klosterbrüdern und Handwerkern, 
welche als Urheber dieser zum Theil- so wunderschönen Arbeiten 
genannt werden, will man bisweilen deren Erfindung nicht recht zu- 
trauen ; Manche glauben dem Werk eine Ehre anznthun durch die 
Annahme, dasselbe sei „nach der Zeichnung Hafaels etc." ausgeführt. 



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Ftowna. 257 

Dies ist derselbe Irrthuin, der liei der Beurtheilung der griechischen 
Vilsen, der pomp ej an i sehen Malereien und bei so vielen andern Punk- 
ten der vergangenen Kunst sich geltend macht; man .unterschätzt 
das Kunstvermitgeu f welches in gesundem Zeiten über das ganze 
Volk verbreitet war. In einzelnen Fällen soll jedoch die Mitwirkung 
he deutend er Künstler nicht in Abrede gestellt werden. 

Die Holzschnitzerei hielt sieh bis gegen die Mitte des XVI. Jahr- 
hunderts in ziemlich reinen Formen, empfand aber doch auf die Utii^i' 
eine unvermeidliche Mitleidenschaft unter den grossen (Seitherigen 
Schicksalen der Architektur. Als diese offenkundig das Detail zu 
niisehandeln und den äusserlichen Effect zum höchsten Ziel zu machen 
anfing, dn verfiel auch die Ncbcngattung ins Barocke und später, der 
Harmonie mit den Banlinien zu Gefallen, in das Glatte und Aerni- 
liche. Doch giebt es noch aus dem XVII. Jahrhundert treffliche, Ar- 
beiten dieser Art und im XVIII. Jahrhundert flösste das Rococo dem 
Stuhl- und Schrankwerk bisweilen sein eigen thUmljchesneues Leben ein. 



In Florenz finden sich von dieser Gattung keineswegs die präch- 
tigsten Beispiele, aber dafür eine Keihe, welche die Styltibevgihiiro 
klar maeht und der Entwicklung der Architektur wahrnehmbar folgt. 
Laut Vasari hätte Bruneltenco auch hier einen bestimmenden Kinfluss 
ausgeübt. 

Zum Alterthiimlichstcn innerhalb der Renaissance , mit einzelnen 
noch gothischen Details gehört das schöne Stuhlwerk in der Capelle 
des Pal. Riccardi und dasjenige im Chor von S. Miniato. — Auch die 
einfache, mit einem englischen Gruss figarirte Intarsia-Thür der Sa- 
«iBtei in der Badia von Fie^ole ist wohl noch aus der ersten Hälfte 
des XV. Jahrhunderts. Unter dem Einfluss Brunelhsco's und J)onu- 
teün's entstand ohne Zweifel das Täfelwerk in der Sacristei von S. Lo- 
renz«; mit vortrefflicher einfacher Intarsia. 

Darauf folgte wohl zunächst die bedeutende und als Ganzes clas- 
sisch zu nennende Leistung der grossen Decoratoren Giuliano und 
Benedetto da .Majano: das Getäfel der Sagrestia nuova im Dom, mit 
Donatello's Fries von festontragonden Putten (gegenwärtig grau be- 
malt). Einfache , das Innere der Wandschränke oder blosse Orna- 
mente darstellende Intarsia, von schlanken Pilastern unterbrochen, 

BtrcUwrdt, Cieenmi. IT 



Renaissance -Deco ratio u in Hole. 



a mit massigen Gesimsen. — Dem Benedctto allein wird die prächtige 
Intarsia-Thür in der Sala de' Gigli des l'al. vecchio zu gesell rieben, 
deren Marmoreinfassung von ilim isti (Sie stellt u. a. die Gestalten 
Danto's und Petrarca's dar.) — Vom Ende des XV. Jahrhunderts 

b ist dann das herrliche Getäfel in der Saeristei von S. Croce, welches 
als Kinfassung für Giotto's Hildercyclus vom Lehen Christi und des 
heil. Franeiacus gearbeitet wurde, der jetzt theils in der Academie 
aufgestellt, theils im Auslände zerstreut ist. Nirgends mehr ist wohl 
die Intarsia mit so feinem ISewusstsein abgestuft , vom fast bloss kal- 
ligraphischen. Band bis zum reiclibewegten Hauptfries; das Relief 
beschränkt sieh auf die I'ilaster und die Hauptglieder des Gesimses. 
(Ebenda auch iilteres und bei' an generös Getäfel,) — Die Thür zur 
Saeristei und die zur nahen Capelle Medici — geschnitzte Rosetten 
mit Intarsiarahmen eingefasst — sowie die (der freien Luft wegen) 
ganz geschnitzte Thür der Capella de' Pazzi im ersten Klosterhof 
konnten wohl von demselben Meister sein. — Noch sicherer iiesse 

c sieh diess vermutlien von dem einfach edeln Stuhlwerk im Chor der 
Badin, wo auch noch das (wohl einzige) Mittelpult aus dieser Zeit er- 
halten ist, sechseckig, drüber eine kurze decorirte Stütze, welche den 

.1 (neuern) Obertheil trügt. — Einfachere Thiiren z. B. an S. Feiice, am 
Pal. Uuadagni etc. (Von GM. und Antonio da S. Gallo sind keine 
sichern Schnitzarbeiten vorhanden.) 

Die Rücken der Chorstiihle in S. Maria novclla, eine (frühe) Ar- 
beit des Jiaccio d'Agnolo (s. unten) besehlicssen das XV. Jahrhun- 
dert in dieser Gattung glanzvoll , mit einer Reihenfolge der reinsten 
und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster In- 
tarsia. — Die Stühle selbst später nach einer Zeichnuug dos Vnsari 

e erneuert). — Jedenfalls erst XVJ. Jahrhundert: der mit weiss und 
Gold bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de' Pazzi. — Aus der 

f Mitte dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den 
Uffizien (Gang der toscani sehen Sculptur) angebracht ist ; lauter 
Btarkes , im neuen Sinn antikisireudes Reliefornament, aber noch von 
schöner Bildung '). [Von derselben Hand und Muster in der Behand- 
lung die Thüren in der Halle der Ufiizieu. Aus früherer Zeit einige 
Thiiren in der Mähe dos Eingangs znr Gallerie; gegenüber zwischen 



') nie Ilerorntltm der Blbl. Laurenzla™ ülelic onfeli bei Anlass der Hihiioi 
. Michel-, \ Ii ad o*. 



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Plorww. 259 

der Loggia de' Lanzi und der Poet eine Thür von hoher Schönheit]. 
— Noch das Stahlwerk in der Hauptkirche der Certosa und die vom 
Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Widerstand gegen 
den andringenden Barockstyl. — Von den Arbeiten des XVTL Jahr- 
hunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Michele e Gae- 
tano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig und ernst ge- 
tan d habt. 

Ferner ist Florenz der classisehe Ort für Bilderrahmen; hier 
erfahrt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die 
Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke e in gefasst wissen wollen. 
Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architck Ionischen 
Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön- 
ten Obcrgesimsc, die PilastCr mit Reliefarabesken insgemein Gold auf 
Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten: hei Nischen für Sculpturen 
kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der gross tc Schatz 
dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargomälde im Qucrschiff 
und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden, wess- 
halb ein Saudro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten gol- 
denen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht , in- 
dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Hildes schön 
ausklingen lässt Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad- 
dalena de' Pazzi. — Ein einfach schöner um die Nische eines von 
Lumardo del Tusso gearbeiteten S. Sebastian in S. Ambrogio (links). 
7- Von Caroto, einem tUchtigcn Deeorator des XVI. Jahrhunderts, 
die Nische um die Madonna des Alberto di Amoldo im Bigallo. (Ar- 
chivrauni.) — Wie oft und wie stark der kostbaren Holzschnitzerei 
durch Stuceo nachgeholfen wurde, weiss ich allerdings nicht anzu- 
geben. 

Endlich mögen hier einige geschnitzte Decken angeführt 
»erden, in deren Pracht die Renaissance bisweilen keine Schranken 
kannte. Sie sind sämmtlich auf stark farbig (mit Teppichen, Malereien 
etc.) decorirte Wände berechnet und sehen, wo diess mangelt, um so 
schwerer aus, da die Vergoldung meist erblichen und das Holz stark 
nachgebräunt ist. Die reichste, noch aus dem XV. Jahrhundert, ist 

') Noch nontllcber niril ein ähnliches Verhültnln xugaaMmlen in den Rahmen 
einiger sltveueiUn lachen Altarbilder; a. unten 3. 268. — Ueber die flotentinibohen 
Rahmen tat eine Stelle bei Vmurl (Leben ile> Fr«. Burtelomnieo) belehrend. 

17* 



Renaiasance-Dcicoration in Holz. Pisa. 



die der Sala de' Gigli im Pal. vecchio (sechseckige Casaetten, rings- 
um ein LÜwenfries); die der anstossenden Sala d'ITdienza, von Marco 
fiel Tusso, scheint etwas neuer. Einfacher und leichter die Decken in 
Privat gebunden, z. B. im Pal. Guadagui (Vorsaal des ersten Stockes). 
Andere Decken florentinischer Künstler sind bei Anlass llom's zu er- 
wähnen.-- Nach dem Entwurf Michelangelo' s soll dann die sehr schöne 
Decke der Bibl. Laurenziana gearbeitet sein; sie hat viel grössere 
Eintheilungen und eine freiere vegetabilische Verzierung; unten wie- 
derholt der Zii'frelbmleii dieselbe Zeielmurig. Fantozzi schreibt :mch 
die vergoldete Decke in der Kirche der Bencdictine rinnen von S. 
Appollonia, Via S. Gallo, N. 27, dem M. Angelo zu [eine bunte und 
barocke Arbeit]. Auf diesem Princip baute Setialoni weiter, der 1025 
die Decke der Badia entwarf, eines der trefflichsten Werke dieser 
Art, von glücklich gemischtem architektonischem und vegetabilischem 
Reichthum, freilich ohne alle organische Verbindung mit dem Ge- 
bäude. — Die Decke der Annunziata, von Giro Ferri, im späten und 
schon flauen BarockBtyl. 

"" -Pisa hat einige zwar spiito, aber vorzügliche Arbeiten, zumal 
Intarsien aufzuweisen. 

Im Dom ist zunächst der Bischofastulil gegenüber der Kanzel 
1536 von Giov. Üatf. Cerceüesi (bei Vasari: Uereelliera) gearbeitet, 
ein PrachtslUck der durch die Antike besonnen gewordenen Intarsia, 
das gerade in dieser Art seines Gleichen sucht. — Das Stuhlwerk im 
untern Theil des Chores ist etwas älter (angeblich von Giul. da Ma- 
jano) ebenfalls lauter reiche Intarsia, mit Propheten, baulichen An- 
sichten , Musikinstrumenten , Thieren u. s. w. Die plastisch trefflich 
geschnitzten Ausliiufe lassen auf den Meister des Stuhlwerkes der 
Badia in Florenz rathen. — Die beiden Throne über den Choratufen 
stattlich im beginnenden Barockstyl um die Mitte des Jahrhunderts. 

Von geschnitzten Decken ist die sehr glänzende und noch streng 
eingetlieilte des Domes vom Ende deB XVI. Jahrhunderts. Ausge- 
arteter und schon mehr als ein freies Prachtstück behandelt : diejenige 
von S. Stefano de' Csvalieri (nach 1609). 

In Luc ca: der Orgellettner rechts im Dom vom Jahr 1481 , derb 
geschnitzt; ausser der Holzfarbe Gold und Blau. (Allerlei neuere Zu- 
thaten.) 

Die drei vordem Thüren des Domes, die mittlere von grüsster 
Vortrefflichkeit. (In der Sacristei fünf Intarsiatafeln.) 



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DieTbilr des erzbUchüflicken Palastes, älter und einfacher. (Innen 
eine treffliche Balkendecke auf geschnitzten Consolen.) 

Der Orgel lettner links im Dom, gute Barockarbeit, von Saute 
Landutd 1615. ,,„:i ;., ,'. :i ...... .\\ ,. \ , , , 

[In Pistoj n schöne Thülen : au der Madonna delle monache, Corso 
YittorioEmanuclc; Battistero am Domplatz; Palnzzo couununale. Ans 
späterer Zeit gute Thiiren in den oberen Stockwerken desselben, und 
im grossen Saale ein mehr architektonisches als deenratives grosses 
.Stuhlwerk , eine herrliche Arbeit aus der I. Hälfte des XVI. Jahr- 
hunderts.] 

In Siena gehört das Stiihlwerk der obern Capelle des l'nlnzzo 
pubblico, von Domenico di Kicwt» (.U21I), der frühsten Kenainsanw* 
an; die Intarsia an den Wanden stellt Figuren mit den Artikeln des 
christlichen Glaubens dar; (Die Orgel ein fassung spater und sehr 
aehüii.) — Aas der BlUthezeit des Styl es sind die Intarsien des Fra 
Gioe. däVerona (1503) zu erwähnen, welche in den Rücklelinen der 
.Stühle zu beiden Seiten der Chornische des Domes eingelassen sind; 
(aus der Kirche von Monte Oliveto bei Buonconvento entlehnt, wo 
sich der Regt der Tafeln, die schöne ursprüngliche Umgehung sowie ein 
Lettner und — in der Bibliothek — ein schöner Schrank des llufuello 
da Brescia befinden], sie stellen theils heilige Geräth schaffen und Sym- 
bole, theils Ansichten von Gebäuden und Gassen im Sinne jener Zeit 
dar. — Ganz einfach und schiin das Stiihlwerk im Chor der Hospital- 
kirchc della Scala, von Ventura di Giuliano. Vom aller reichsten 
und tüchtigsten beginnenden Barocks tyl das in dieser Art klassische 
Stahlwerk in der Chornische des Domes, sammt Pult, I5Ü!) von Bart. 
Negroni, genannt Miccio. 

Wenn auch Handwerker, sonst namenlos, in dieser Gattung bis- 
weilen das Herrlichste leisteten, schlössen sich doch berühmte Künst- 
ler nicht gegen die Uebernahme von Zeichntingen ab. So hat Bal- 
dasaare Fenint, der so manche kleine Kirche mit ein paar tausend 
Backsteinen zum Kunstwerk schuf, auch die Holzdecoration nicht 
verschmäht. Von ihm ist der edelpräehtige Orgellettner (rechts) in 
der genannten Kirche della Scala, auf den stolzen Consolen, ent- 
worfen; in seinem Geist schufen die beiden Bariii (1511) denjenigen 
im Dom über der Saeristcithür. 



202 



Hcnnissance-Decomtioa in Holl. Perugia. 



Die schönste in Siena vorhandene Holzdecoration , freilich ganz 
architektonisch gedacht, sind wohl die acht eichenen Pilaster aus dem 
Palazzo del Magnifico (um 1500), jetzt in der Academie (vierter Baum); 
Werke dea Antonio Barile. Wenn die Holzarbeit ihre Arabesken, von 
Thierfussen beginnend, ihreGefasse, Genien, Pane, allegorischen Fi- 
guren, Seepferde u. s. w. zu einem solchen Ganzen bildet wie hier, 
so vermisst man den weissen Marmor kaum. 



In Perugia steht das Stuhlwcrk, das Pult und die Thüren des 
Cambio [von Antonio MercateUo] obenan; keine Behörde der Welt 
sitzt so schön wie einst die Herren Wechselrichter der Hauptstadt von 
ümbrien. Mitten im Reielithum der durchgebildeten Renaissance 
(nach 1500) wird auf das Edelste das Maass beobachtet und der Un- 
terschied der profanen Bestimmung von der heiligen festgehalten. — 
Zunächst folgt das berühmte Stuhlwerk im Chor von S. Pietro, voll- 
endet von Stefano da Bergamo Tim 1535 (mit Ausnahme der vordem 
Zusätze mit dem Datum 1556 und der Chiffre S. D. A. S.). Der 
untere T heil der Sitzrücken Intarsia; das Uebrige Relief, von grosser 
Pracht und sehr edelm Geschmack. Die Erfindung wird ohne irgend 
einen bündigen Grund beharrlich Rafacl zugeschrieben, der doch in 
seiner letzten, höchstens dem Beginn dieses Werkes entsprechenden 
Zeit selbst die Decoration der vaticanischen Loggien grossentheils 
seinen Schülern tiberlassen muaate. Die einzelnen rnfaeli sehen Mo- 
tive, als Mittel figuren der Wandatlicke (die Charitas und Fides aus 
der vaticaniachen , damals noch in Perugia befindlichen Predella , der 
ChriBtus aus Perugino's und Rafaels Auferstehung im Vatican, selbst 
der Heliodor, u. A. m.) beweisen, als bunte Auswahl von Keminia- 
cenzen, gerade gegen Rafael's Urheberachaft. — Von einem gleich- 
zeitigen, sehr tüchtigen Holzschnitzer die Chorattlhle von S. Dome- 
nico und vielleicht auch diejenigen von S. Agostino (für welche man 
eben so willkürlich Pertigino in Anspruch nimmt); an beiden Orten 
die Intarsia besser als das Relief. — Der Uebergaug in das Barocke 
macht sich kenntlich an dem sehr zierlichen und reichen Spätrenais- 
sance- Stuhlwerk eines durch Gitter abgeschlossenen Raumes im 
Dom, rechts vom grossen Portal; [das in der gleichen Capelle links 
erträglich barock]. In allen bedeutendem Kirchen und Saeristeien der 



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Stadt und Umgegend eine Menge Besseres und Geringeres dieser Art; 
zusammen ein vollständiger Curaus der Decoration in Holz. 



In Rom findet Bich von dieser Art nur sehr Weniges, aber Be- 
deutendes aus der guten Zeit , nämlich die Thören der Zimmer Rafacls • 
im Vatican, unter Leo X. geschnitzt von Giovanni Bariie und mit 
Intarsia versehen von Fra Giov. da Verona. E« läset sich denken, 
dass das Verhältniss der beiden Gattungen und die Grenze dessen, 
was sie neben den Fresken zu leisten hatten, bei dieser Aufgabe be- 
sonders gründlich erwogen wurde. — Die Pforten in den Loggien 
h. a. a. 0. im Vatican stammen meist erst aus spatem Pontificatcn 
her. — Das Stuhlwerk in S. Eusebio ist eine gute Arbeit vom Ende b 
des XVI. Jahrhunderts. — Dasjenige der Capeita del Coro in S. 
Peter erst aus der Barockzeit. 

Danebon besitzt Rom vielleicht die beiden edelsten Holzdecken 
der Renaissance. Die eine (von Giuliano da Mujano Y) in S. Marco, t 
noch früh und bescheiden ans der Zeit Pauls II.; die andere, von 
Giuliani) da San Gallo, in S. Marin niaggiore, Stiftung Alexander' s d 
VI., von dem schönsten und dabei weise gemässigten Keichthum gol- 
dener Zierrathen auf weissem Grund, den man sonst nur zu selten 
angewandt findet. — In allen nicht gewölbten Kirchen wurden dann 
fortwährend stattliche und prächtige Decken angebracht, allein der 
Barockstyl verrfith sich ausser dem Detail auch in der oft bizarren, 
der wirklichen (und vom Auge verlangten oder vorausgesetzten) 
Balkenlage widersprechenden Einthciluog; die hunte Bemalung 
(ausser dem Gold mit Blau und Roth) vollendet den schweren 
Kindruck. 

Meist um das Jahr I liOO : die Decken in S. Maria in Trastevere, e 
S. Crisogouo, Araccli, Lateran, S. Cesareo, S. Martino ai monti etc. 
Weit erquicklicher erscheinen die farbl osen und auf die Holzfarbe 
berechneten Decken, z. B. in S. Loren zo fuori lemura (hinten), [&. c 
Agnese fuori}, und die sehr stattliche im grossen vordem Saal des k 
Pal. Farnese. 



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264 Renaissance -Decoration in i Holz, Neapel. Genna. 



■ 1 Naapcl ist reich nn stattlichem Stnhl- und Schrankwerk et«, 
aus der Barockzeit, besitzt aber doch auch Einiges aus der frühen 
und scheinen Renaissance, sowohl Intarsia als Schnitzwerk. Dahin 

» gehören die Chorstiihle von Monte Oliveto, [desgl. in San Sevcrino, 
in S. Pietro a Majella , S. Aiigelo a Jiilo] namentlich aber eine Anzahl 
von Thorfliigeln , deren Behandlung 1 für den Architekten wenigstens 

u nicht ohno Interesse ist. So diejenigen von Honte Oliveto [bronzirt 
angestrichen !}, Uie.TIiUr, welche in S. Sevorino nach der Saeristei 
führt, die Thür von S. Arpino (Strada Trinitä), die einfachem Pfor- 
ten mehrerer Paläste (Colobrano- Carafa, della Pianura, in einer 

c Seitengasse rechts neben S. Paolo, ti. a. m.). Die Pforten der Crynta 
im Dom sind von Erz gegossen, wahrscheinlich nach Angabe des 
Architekten. 

Den Uebergang in das Barocke hiMet auch hier Giovanni da 
d A'oZu mit <len ungemein reichen Sacrjsteischränken der Annunziata 
(um 1540). Das Schnitzwerk, welches die ganze Geschichte Christi 
darstellt, ist eine mühselige und styllose Zugabe zu dem schon sehr 
unreinen Ornament. [Ebendaselbst die wirksam reiche Wanddecora- 
tion des Tesoro]. . . 

p In der Provinz Salcrno enthält die Carthause S. Lorenzo di Pa- 
dulla ein sehr umfangreiches Chorgestühl mit lauter biblischen Ge- 
schichten in Intarsia. (Mittheilung eines Freundes). 

. [In Monte. Cassino ein lioch sehr schönes geschnitztes Chor- 
gestiihl von 1 6!)6 von Gim:. Ant. Colieeio.) 



t In Genua ist das Stuhlwerk des Doiuehors eine sehr bedeutende 
Arbeit aus dem Anfang (lesXVI. Jahrhunderts, von dem Bergamasken 

e Francesco Zabello, welchem wenigstens die ausgedehnten biblischen 
Geschichten in den Intarsien der EUcklolmen zugeschrieben werden. 
Allein diese sind gerade der geringe Theil; eigenthttmlich und reich 
belebt erscheint eher das Decorative , zumal das durchbrochene und 
figurirte Eankenwerk Uber den Lehnen, die Friese und runden 
Bedachungen. — In den meisten übrigen Kirchen Neueres und nicht 
von dem Belang, den man bei dem sonstigen Luxus erwarten würde. 



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- Bologna. 



Bologna besitzt' vor Allem die schönsten figurirton Intarsien 
von ganz Italien, in dem berühmten Stahlwerk (Jos Chores von S. n 
Domenico, einer Arbeit des Dominicaners JV« Damiano da Bergamo 
von 1528— »1. Das Decorative tritt hier .bei aller Gediegenheit doch' 
weit zurück hinter dem unermesslichen Reicht hum und der tüchtigen 
Ausführung des Malerischen. Schon die oben herumlaufende Inschrift 
iat durchzogen und umspielt von hundert.en von tanzenden und spie- 
lenden Putten. An den StahlriLcken sind dann die Geschichten des 
alten und neuen Testamentes dargestellt, nicht Dutzendarbeit, nicht 
Reminiseonzen , sondern lauter originelle Compositionen voll Geist 
und Leben. Die vermuthlich frühem erinnern mehr an die umbrische, 
die spiitem mehr an die römische Schule. Die vordere Stuhireihe (die 
im Jahr 1744 einer noth wendigen Restauration scheint unterlegen zu 
sein) enthielt vermuthlich in ihren kleinern Rückenfeldern die Ge- 
schichte des H. Dominicus, wenigstens sind Hl der Sacristei noch 
einige etwa daher gerettete Felder dieses Inhaltes, nebst einigen der 
grossem biblischen Reihe, in diis Schrankgetäfel eingelassen. (Eben- 
falls mit Fra Damiano's Namen). 

Neben dieser unvergleichlichen Arbeit ist alles übrige Schnitz- 
werk Bolpgna's untergeordneter Art. Doch mag man im Palazzu i> 
del Governo (Vorsaal des zweiten Stockwerkes) die Thür mit Relief- 
ornamenten nicht übersehen; welche u. a. das stets Schönheit verkün- 
dende Wappen Papst Julius H. enthalten. Aus derselben Zeit möchte c 
das einfach gute Stuhlwerk der Misericordia herrühren. — In S.-Pe- 
tronio ist das sehr ausgedehnte des Chores von unbedeutender Bil- 
dung; dagegen enthält die achte Capelle rechts Stücke des alten 
Stühlwerkes ans S. Michele in Bosco, von dem Ülivetanermönch Fra , 
Raffaele daBrexcia, mit guten Relict'pi lästern und Intarsien perspee- 
tivischen -Inhalts; in der fünften Capelle links sind die Intarsienorna- d 
mente des Stuhlwcrkes (von Giacomo de Marehis und seineu Brüdern, 
1495) sogar von florentinisch schöner Bildung. — In S. Michele in o 
Bosco: die beiden Beichtstühle rechts, wold des Fra Damiano würdig. 
— In S. Giovanni in Monte erscheint das Stuhlwerk des Faolo Sacca r 
(1523), eine saubere und tüchtige Arbeit, technisch wie eine Vorstufe 
des Letztem (die Intarsien bloss Bau- und Seh rankau sichten)."— . 
Weniger bedeutend: das Stuhlwerk der Certosa, theils vom Jahr e 
1539, theils (nachgeahmt) 1611. 



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306 Renaissance- Decoration in Holz. Parma etc. 

Die sehr zahlreichen Bilderrahmen [ein gutes Beispiel: S. 
Domenico, zweite Capelle links vom Chor] aus der Werkstatt des 
Formigine können mit dem schönen Styl der oben genannten floren- 
tinischen keinen Vergleich aushalten. Ueberhanpf stellt in Bologna 
die Reliefsehnitzerei durchgängig tiefer als die eingelegte Arbeit. 



In Parma hat der Dom ein noch halbgothisehes Stuhl werk vom 
Jahr 1473, bezeichnet: CrütoforoLendsnari. Dieser harmlose Meister 
fand einon Verehrer and Nachahmer („cultor") in Lucchino Bianca 
von Parma, welcher das Getäfel der Sacristci, wenigstens einen 
Theil desselben, schnitzte. (Meist Intarsia). — Weit das Prächtigste 
aber sind die Chorstiihle von S. Giovanni, als deren Verfertiger 
Zucclii und l'esta genannt werden. In der Anordnung halbrunder 
Muscheln oben, in der Behandlung der Ileliefarabesken , in den zu 
Drachen belebten und durchbrochenen Seitenstiitzen haben diese vor- 
züglichen Arbeiten etwas mit dem Gestühl in Genua gemein, in den 
höchst säubern Intarsion der RUcklehnen, welche lauter bauliche An- 
sichten von originellster Renaissance darstellen , sind sie von einzigem 
Werthe. (Vgl. S. 171). 

Im Battistero : Stuhlwerk von ähnlichem Styl und wohl von den- 
selben Händen wie in S. Giovanni. 

Gute Rahmen dieses Styles: um das Altarbild im Uattistero, 
um dieBilder in der ersten und zweiten Gapelle rechts in S. Giovanni. 
Wie die Schule Correggio's einrahmte, zeigt z.B. das erste Bild rechts 
in 8. Sepolcro (eine heil. Familie von Girolamo iLizsolu,) wo sich auch 
eine der stattlichsten Barockdeckcn mit herabhängendem Zapfenwerk 
und gewaltigen Consolen befindet. 

Von Thiiren ist die mittlere des Domes vorzüglich schön, auch 
die zu beiden Seiten und die etwas strengern des Battistero (in alter 
Form erneuert). 

In Modena enthält der Domehor ein Stnhlwerk , welches dem 
des Domes von Parma ähnlich und von demselben Lendenari 1465 
gefertigt ist. 

Das umfangreiche Stahlwerk im Dom von Ferrara (1498—1525 
ist in der Decoration flüchtig neben den bessern bolognesisclion Ar- 



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2*i7 



beiten; die Intarsien überdies« aehr verdorben. — Ein ähnliches 
Stiihlwerk in 8. Andrea daselbst. 



LMailand besitzt eine sehr reizende Nachahmung von Intarsia, 
in Holzmalerei : das ohne Grund dem Luini zugeschriebene Schrank- 
werk der Sacristei von S.Maria delle Grazie; die Landschaften in den 
Füllungen und die Wappenschilder bnnt. — 

Zu den allerbesten Intarsien ganz Italiens gehört das herrliche 
Stahlwerk im Chor der Oertosa bei Pavia; die Ornamente von 
wahrhaft classischer Schönheit der Zeichnung], 



In dem reichen Venedig', das die Bcrgamaeken so nahe unter 
der Hand hatte , ist die in Rede stehende Gattung lange nicht bo ver- 
treten , wie man erwarten sollte. Die Prachtliebe selbst verhinderte 
zum Theil das Aufkommen der Holzschnitzerei r statt manches Ge- 
täfel findet mau eine Bekleidung mit kostbaren Marmorarten. Die 
Chorstiihle der Kirchen aber sind grossentheils neuer. 

Nicht sehr alt, aber doch noch halbgothisch sind diejenigen in n 
den Frari, 1468 von Marco da Vicema geschnitzt ; mit keckem durch- 
brochenem Laubwerk, hohen geschwungenen Giebeln und Spitz- 
thitrmchon. Die Relief- Ha Ibdguren der RUcklehnen sind bedeuten- 
der als die darunter befindlichen Intarsien (bauliche Ansichten u.dgl.). 
[Die ftir das Sitzen bequemen schrägen Linien der Leimen und 
Sitze von eigentümlich guter architektonisch er Wirkung]. — Ganz 
in derselben Art, nur einfacher: das Stuhlwerk in einer grossen 
Nebeneapclle rechts an S. Zaccaria; dasjenige im Chor von S. 
Stefano. 

Es folgt das Getäfel und Schrankwerk hinten in der Sacristei \> 
von S. Marco, seit 1520 verfertigt von Antonio und Paolo da Mantova, 
Viemeo da Verona u. A., mit guten geschnitzten Einfassungen und 
grossen Intarsien ; diese stellen unten das Innere der Schränke dar, 
oben Stadtansichten, die mit den Wundert baten des Ii. Marcus staffirt 
sind, gute Compositionen in sorgfältiger Ausführung, doch mit Fra 
Damiano's Stuhlwerk nicht zu vergleichen. — Schiine liitarsia-Arabes- c 
ken der gnten Zeit siebt man an dem Getäfel im Chor der Kirche 
(gegen das Schiff zu). 



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268 Be 



iration in Hob, Venedig. 



Mit dorn Beginn der Barockzeit fanden reiche, g esc hni Ute Histo- 
rien oder Brustbilder, begleitet von buntquellendem .Ornament hier 
einen ausgesprochenen Vorzug. Dieser Art ist das Stahlwerk des 
Niederländers »Alberto di Brule" im Chor von S. Giorgio maggiore, 
das noch spätere Wandgctäfel in der Cap. del rosario und im linken 
.Seitenschiff von S. Giovanni e Paolo, dasjenige in den ober« Sälen 
der Seuolft (Ii S. Rocco , im Chor des Carniinc etc. Bei grossem Luxus 
und einer oft rafhuirten Behandlung des Figürlichen ist das Decora- 
tive doch ohne rechte Freudigkeit, als wäre es nur eine Nebensache. 
[Gutes Spätronnissan co -Stuhl werk im Salute-]. . , ', 

DafUr sind in Venedig noch ein 'Anzahl geschnitzter Decken 
der Frührenaissance vorhanden, dergleichen, man vielleicht sonst 
nirgends beisammen findet. Da es sich nicht um heilige, sondern um 
Palasträume u. dgl. handelte, so durfte auch die Deeoration hier 
weniger ernst architektonisch, mehr reich und spielend verfahren. 
Daher überwiegt nicht die Batkenlage und Einrahmung, sondern der 
Zierrath; nicht die Cassette, sondern die Rosette, als Schild, Blume 
etc. mit der grössten Pracht — in der Regel gold auf blau — stylisirt. 
Zwei dergleichen finden sich in den vom Brand des Jahres 1574 un- 
berührt gebliebenen Zimmern des Dogenpalastes (Sala de' Busti und 
Camera a letto , beide zur jetzigen Antikensammiung gehörend) ; ein 
sehr reicher, mit figurirten Mittelfeldern , und ein ganz vergoldeter 
uäi Cherubim in der Academie (Räume des alten Klosters derCarita). 
— Von Kirchendecken dieses Styles ist die (beträchtlich erneuerte) 
in S. Michele erhalten, mit quadratischen Cassettcn. Ein schönes Stück 
einer llohwölbung in S. Gjacoino dall' Orio (rechtes Querschiff). 

Von Gemälderahmen ist wohl nach den noch gothischen der 
muranesischen Altarbilder (Academie , zweite Nebencapelle rechts an 
H. Zaccaria . sowie Pinacoteca zu Bologna) als einer der schönsten der 
ganzen Renaissance derjenige zu nennen, welcher das Bild Giov.Bel- 
Um» in derSacristei der Frari umgiebt (I49S); oben Sirenen und 
Caudelaber. An anderen, namentlich auch an den Jlaruiorrahmen 
grosser Altarbilder, deren Arabesken sonst nirgends von besonderem 
Werth sind, bildet der Rahmen die perspectiviseh. berechnete Fort- 
setzung der im Bilde dargestellten Architektur; man sieht von der 
Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bogen auf 
die beiden plastischen Pilastor zukommen. Der grosse Giov. Bellini 
in S. Zaccaria ist ein sprechendes Beispiel, eines der schönsten war 



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Padua. Verona. 269 

derjenige in S. Giovanni c Paolo [tSfi" verbrannt]. —.[Ebenso auf 
dem schönen Bilde d. Bnmunino in Padua; s. u.] Andere geringere: 
zweite Capelle links vom Chor, um den Johannes liouutetlo's ; dritte 
Capelle links vom Chor, um das Bild des Basaiti. 

In Padua ist das hbelist prachtvolle Stuhlwerk im Chor von S. 
Ginetina, mit zahllosen Historien, erst aus der beginnenden Barock- 
zeit; dasjenige in der nahen Capeila S. Prosdoeiino (Capitelhaus) da- 
gegen von fr über Renaissance mit guten Intarsien (Ansichten. u.dgl.). 
Der Rahmen um das [jetzt in die städtische Galleric versetzte] Bild 
Ruiiuinino's ist dieses schönsten Gemiil des von Padua nicht mi würdig. 
— Sehr grosse Intarsiat afein mit Figuren findet man in der Sacristei 
des Santo. 

Von Holzdcckeu hat diejenige im Obcrgeschoss der Scuola del 
Santo gemalte Cassettirungeii der guten Zeit. 



Mit Verona gelangen wir in die Gegenden, wo die grössten 
Virtuosen dieser Gattung heimisch waren. Einiges sehr Bedeutende 
hauen sie auch an Ort und Stelle hinterlassen. 

Ein bescheidenes, aber graziöses Stuhlwerk der Frflhrenaissance 
findet sich hier im Chor von S. Anastasia, mit bloss decorativen In- 
tarsien. — Allein dasselbe verschwindet neben den Arbeiten des in 
diesem Fach berühmten Fra Giovanni da Verona. In der Kirche sei- 
nes Klosters, S. Maria in Ürgano, ist von seiner Hand ') zunächst der ■ 
grosse hölzerne Can del aber (Capelle rechts vom Chor), von schönstem 
Detailgeschmack, doch nicht ganz glücklich componirt; der Tem- 
piettoam obcrnTheil, mit den Statuetten auf Sphinxen und Harpyien . 
giebt einen unklaren Contour. Sodann das Stuhlwerk des Chores 
(1493), im Geschnitzten und Durchbrochenen wie in den Intarsien 
(welche oben Stadtansichten und Sehrank bilder, unten Arabesken ent- 
halten) von glcichmüs Biger Schönheit und Gediegenheit ohne Raffine- 
ment; auch der Chorpult in echter Form erhalten. Ferner das Ge- 
täfel der linken Wand in der Saeristei, später, reicher, z. B. in den 
candelaberähnlichen Wandsaulcn schon ziemlich Uberladen. — Neben 
diesen Arbeiten des Giovanni befinden sich andere Stücke, nämlich 

') Hm glaubt, anch der Thann der Kirche jei nach Giovanni's Entwurf gebaut. 



270 RenaiMaace.Dworatioii. Bolz. Pcachtgeräthe. 



dio Wandsitze vor dem Hochaltar und das Getäfel der rechten Wand 
in der Saeriatei, welche in der Holzarbeit nur schlicht, aber durch 
die aufgemalten Landschaften des (,'aroto und Brusacorsi merk- 
würdig sind. . , 

InBrescia enthält der Chor von S. Francesco ein noch halb- 
gothischea Stuhrwerk,, mit kalligraphisch zierlichen Intarsien, und 
einem der prachtvollsten Gemälde rahmen des ganzen Styles. 

In Bergamo endlich ist wenigatena ein Prachtstück und zwar 
des Fra Damiano selbst, erhalten: das hintere S tu hl werk im Chor 
von S. Maria maggiore, mit den geiat vollsten Intaraien, bestehend 
aus Puttenfriesen verschiedener Ordnung nnd sehr schönen histo- 
rischen Mittelfeldern. — Daa vordere Stuhlwerk desselben Chores, 
von den Brüdern Belli , ist etwas älter ; der ringsnni gehende Auf- 
satz bildet eine leicht« 1 ]iöl/.enie nogenlmlle mit geschnitzten Akro- 
TerieiiOIeerwundtTii, CandeUibern etc.). Die Intarsien der Sitzrücken, 
welche kirchliche (ienithe und Symbole /.u Ktilliebeu geordnet dar- 
atcllen, könnten wiederum von Fra Damiano sein. 



DenBeschluss der plastischen Dceoration niaehüii die Schmuck- 
sachen, Gefiissc und Prachtgei'äthe hauptsächlich dea XVI. 
Jahrhunderts, deren Styl wesentlich durch einen weltbekannten 
Künstler, den Florentiner Benvenitto Cellini (1500—1572) sein Ge- 
präge erhielt. 

Nach weislich wird kaum irgend etwas als Arbeit des Benvenuto 
bezeichnet werden können. Indeas ergiebt sich ein Bild dos Stylus 
aus den Vasen, Schalen a, a. Schmuc ^gegenständen , welche (nebst 
Neuerem) in den Üffizien, Abtheilung der „Gemme" und in der 
Argen t er ia dea Palazzo Pitli aufgestellt sind; Einiges findet sieb 
auch in der Galerie des Pal. Pitti (Durchgang zu den hintern Zim- 
mern); dann im Museuni von Neapel (Abtheilung der Terracottcu, 
/weiter Saal), so wie zerstreut a. a. 0. Manches von diesen Pracht- 
gegen standen ist auch älter als Bcnvcnuto oder sonst von seiner 
Art unabhängig. '</.'• '" ' 

Das gegebene Motiv war in der Kegel: irgend ein kostbares Mi- 
neral, hauptsächlich Agate, Jaspen, Lapislazüti , auch wohl schöne 
Glasflüsse in mehr oder weniger freier, selbst phantastischer Form 



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Styl des Bonvonnto Criltni. 271 

zum Gefassc zu bilden und mit Henkeln, Fuss, Rand, Deckelgriff etc. 
von Gold mit Email oder Edelsteinen zu versehen; oder man fasste 
eine Vase von Bergkrystall mit eingesehliffeneu Ornamenten oder Ge- 
schichten auf dieselbe Weise ein; Scemuseheln u. dgl. erhielten meist 
einen geringeren Schmuck. Ausserdem giebt es noch hie und da ganz 
metallene Goldschiniedcarbeit mit Email und Edelsteinen aus die- 
ser Zeit. 

In dem vegetabilischen Ornament, in der Bildung der Arabeske 
darf man hier wohl nirgends mehr die unabhängige, elastische Schön- 
heit dor frühem Renaissance suchen, allein innerhalb der Grenzen der 
Gattung hätte diese wohl überhaupt kaum eine Stelle gefunden. Das 
Wesentliche ist der vollkommene Einklang der reichen Formen und 
der Farben; der GefKssprofile und der Einfassungen und Zuthaten, 
der hier erreicht ist; allerdings scheinbar nur ein c onvent ioneil er Ein- 
klang, der ab er gleichwohl classisehe Gültigkeit erlangt hat. Kostbare 
Stcinarton, bei deren Bildung der Künstler schon auf die Form des 
eben vorhandenen Stückes Rücksicht nehmen, und die er zu irgend 
einem Phantasiemotiv verarbeiten musste, gestatteten in dor goldenen 
Einfassung nichts streng Architektonisches, auch keinen zu grossen 
liliistisi'hcii Reichthum, sondern verlangten gerade die ileliraten Hen- 
kel, Ränder etc. von Gold und Email, welche wir hier sehen. Und 
zwar wechselt insgemein flacheres Email auf Gold mit Relieforna- 
raenten rings um die Edelsteine. In den Farben ist mit feinstem Sinn 
i!a,i li.ieht.ige getroffen: zu Lapislazuli n. dgl. eine Einfassung von 
Gold und Perlen; zu rothbraunem Agut eine Einfassung von weissen 
Emailzierratiien und Diamanten auf schwarzen) Grunde u. s. w. Eine 
Haupteon sequenz der freien Gefässform aber war die phantastische 
(und doch noch nicht fratzenhafte) Ausbildung einzelner Theilc der 
Killfassung zu Masken, Nymphen, Drachen, Thierküplen u. dgl., und 
hier scheint Benvcnuto vorzüglich in seinem Elemente geweäen zu 
sein. Statt der reinen Arabeske gab er Leben und Beweglichkeit. 

Von den geschliffenen Crystal Isachen ist einiges bloss ornamen- 
tistischer Art, wie z. 1J. die herrlich mit Gold und Roth emaillirte 
Deckelschale in don Uftizien (mit den verschlungenen Buchstaben H 
und D, Heinrich II. und Diane de PoitiersV), das Bedeutendste aber 
figurirt; so (ebenda) eine Art von Trajanssifule mit reicher Basis, 
zw ei Schalen mit NereidcuzUgen, eine Flasche mit Bacchanal, u. s. w. 

Ausserdem befindet sieh hier ein berühmtes Denkmal: das Käst- 



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'272 Kenais Bance-Decoraticn. Eenvenuto Cellini. 



chen Clemens' VII. mit den in den Crystnll geschliffenen Passions- 
geschichten des Valeria Vicentino. Wie die Eobbia, ao ist Valerio 
durch seinen Stoff zu einer Einfachheit der Darstellung genöthigt 
worden, deren Mangel die Reliefs der grilssten Meister jener Zeit 
nur bedingt genicssbar macht. So glaubt man eines der reinsten 
Denkmäler damaliger Sculptur vor sich zu sehen; es fragt sich aber, 
ob Valerio im Marmor ebenso einfach und bedeutend geblieben wäre. 
Vielleicht dem hohen Werthe dieser Com Positionen zu Liebe wurde 
die Einfassung des Kästchens eine nur schlicht architektonische. (Zu 
vergleichen mit den lielieftä fei chen Verschiedener im ersten Zimmer 
der Bronzen, ebenda.) 

Anders das farnesische Kästchen des Joanne» de Bemardi im 
Museum von Neapel, an welchem die reiche, bewegte Metalleinfaasung 
das Uebergewicht hat über die Crystnll schliffe (Jagden, Thaten des 
Hercules etc.). Ale decoratives Ganzes einzig in seiner Art, ist es 
im Einzelnen bei trefflicher Arbeit doch minder erfreulich als das 
obengenannte '). 



Leider ist von den erzgegossenen rrunkgegenständen, nach wel- 
chen Bonvcnuto's Lebensbeschreibung die Lust rege macht, nichts 
Sicheres mehr erhalten 5 ). — Die welche bald nach ihm kamen, erbten 
das feine Gleichgewicht seiner Behandlung nicht, wurden auch wohl 
der sinnlosen sitiitiiLodici'isdieii Liebhaberei für das Seltene und 
Selnvii'iige unter (hau. (Apostelsiatuetten von kostbaren Steinen; 
ExvotoreÜef Cosimo's II. in den Uftizien.) — Von dieser Sinnesweise 
sonst kunstv erdient er Regenten ist dann die florentinische Mosaik- 
technik in „harten Steinen" (pietre dure) ein unvergänglich zu nen- 



i) Da Jtir diesen Klelnsculptotan, welche mglololi Medailleurs waren, weilen hier 

Lebensbeschreibung du Vattria VUmtbto und der DebHgaO bei Vasnri , sowie auf 
die 'AnmerfcUTifOii l' r Heraus!« ln-r (Ed. Lcmonuler IX, VIS) verweisen. 

») In der Bibliothek de« äluaeum« xu Neapel wird dem Benveuuto der Deckel eine* 
Meßbuches, in Mantua (Saerlutei vun S. Barbars) ein Backen , Im Sclisti von 3. t"eter SM 
Rom eine Reihe von Leuchtern lugeachrieben. — Unter den Bromcn, welch« uns den Uf- 
fiiien in den Musen nazionule des Bnr|;ello verseilt wurden, ist nur „Helm und Schild 
Franr. 1." von Ihm , und auch hier Hessen eich Zweifel erheben. — Im Palast Durand zu 
Oenua »wei gegosiene und clselirte SllbcrvaMn. 



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Kostbare Stoffe. Majoliken. 



27a 



nendes Denkmal. Wir dürfen die unglaublich kostspieligen Arbeiten 
■fieser Fabrik aus dem XVII. und XVIII. Jahrhunderte übergehen, 
da der selbständige und eigenthümlmhe künstlerische Zug darin un- 
gemein schwach ist. Das beste sind vielleicht einzelne Tischplatten 
mit Ornamenten auf achwarzemGrunde; von Arbeiten grossem Maass- 
etabes nennen wir bei diesem Anlass die Kelief Verzierungen von ■ 
feinen Steinen in der Madonnen Capelle der Annunziata, die Wappen i> 
in dem grossen Kuppelanba« von S. Lorenzo und das Chorgeländer 
im Dom von Pisa. 

Das römische Mosaik, welches nicht auf dem prini-i[iH'lUin Luxus 
harter Steine, sondern auf der mittelalterlichen Glaspaste beruhte und 
eine natürliche Fortsetzung des alten, nie ganz vergessenen Kirchen - 
mosaik's war, konnte denn auch bis auf unser Jahrhundert ganz an- 
dere Dienste leisten. Zur Zeit des Marratta, unter Leitung des Cria- 
tofari, gab es die grössten moderneu Altarbilder mit der Wirkung 
des Originals wieder. (Altäre von S. Peter.) a 



Einen Ucbergang von der plastischen Decoration zur gemalten 
bilden u. a. die sog. Majoliken, Uberhaupt die glasirten Geschirre 
des XVI. Jahrhunderts, in dessen zweiter Hälfte hauptsächlich zu 
L'astel Durante im Herzogthum Urbino eine ganze Schule mit diesem 
Kunstzweig beschäftigt war. — [Die ehemals wichtigste Sammlung, 
die der Apotheke der Kirche von Loretto ist, nach Murray' s Angabc t 
der besten Stücke beraubt und so gut als unzugänglich;] eine Menge 
der besten Geschirre befinden sieh Uberdiess im Ausland (Sauinilungen 
in Paris, Berlin etc.) ; in Italien bewahrt z. Ii. das Museum von Neapel 
(«weiter Saal der Terracotten), die Villa Albani bei Brun (am Billard-, r 
saal) u. a. Sammlungen, [namentlich das Museo nationale im Bargello 
zu Florenz, das Museum in der Misericordia zu Arczzo, das Spcdale 
<iogli Incurabili in Pesaro] noch manches Gute. g 

Es sind fast die Farben der Eobbia (S. 234), gelb, grün, blau, 
violet, auf welche sich die Majolikenmaler beschränkten; in diese 
trugen sie Geschichten und Ornamente über, erstere grossentheils 
nach Compositionen der römischen Schule, auch Rafftet" 8 selbst, wess- 
lialb die Sage nicht ermangelt hat, sogar ihn persönlich zum Geschirr- 
maler zu machen. (Einer der Urbinaten dieses Kunstzweiges hioss 
Uberdiess Raffuele Ciarlti, was Spätere unrichtig verstanden.) Auch 

BtrciAurdl, Cictront. 18 



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274 Eenaisaance-Deconlion. Majoliken. 

\ 

Gio. Satt. Franca lieferte viele Zeichnungen. Unseres Erachtens st | 
indess das Ornament bei Weitem das Wichtigere, sowohl die kei te 
plastische Bildung des Gefässes selbst mit Thierfüsaen, Fruc t- 
schnüren, Muschelprofileu etc., als die aufgemalten Zierrathen. ] är 1 
die letztem war die Beschränkung in den Farben offenbar eine je er 
wohlthätigen Schranken, welche das Entstehen eines festen nid 
sichern Styles begünstigen. Das schon etwas vorgerückte X' 'I. 
Jahrhundert verrüth sich allerdings in einzelnen barocken Form n, 
allein im Ganzen ist das Ornament doch vom besten dieser Zeit (i a- 
mentlich wo cb zart und dünn auf einem vorherrschenden weisi en 
Grunde steht). 

Was giebt diesen einfachen Gesehirren einen solchen Werth? 
Unsere jetzige Fabrication liefert ja ihre Sachen viel sauberer und 
raffinirter. — Die Majoliken sind eben keine Fabricate, sondern Hai d- 
arbeit, aus einer Zeit all verbreiteten Formgefiihls , in jeder Scheibe 
lebt ein Funke persönlicher Theilnahme und Anstrengung. Sodann 
sind sie wirkliche Gefässe; das Schreibzeug (es giebt deren sehr 
schöne) will keinen Altar, die Butterblichse kein Grabdenkmal vor- 
stellen. 

Im Museum von Neapel (a. a. 0.) ist auch noch das einfach 
prächtige Service des Cardinais Alessandro Famose (blau mit auf- 
gemalten Goldomamentcn) zu beachten. 



Von der gemalten Decoratiou endlich und von ihren wich- 
tigsten Leistungen muss hier in einigem Zusammenhang die Rede 
sein. (Der Verfasser bedauert, diesem Capitel aus Mangel an Kennt- 
nissen bei weitem nicht die wünschbare Reichhaltigkeit geben zu 
können.) 

Die Gattung als solche ruht kauptsäclilich auf den Schultern 
einiger grossen Historienmaler, deren Sache sie auch in Zukunft sein 
und immer wieder werden wird. Alle blossen Docoratoren, welches 
auch ihr Schick und ihre Keckheit sein möge, können sie auf die 
Länge nicht fördern, ja nicht einmal auf der Höhe halten; von Zeit 
zu Zeit muss der Historienmaler im Einklang mit dem Architekten 
die Richtung im Grossen angeben. Die Gattung ist entstanden ab 
Einfassung um historische Fresken, als deren Begrenzung im bau- 
liehen Raum. Schon die Malerei des XIV. Jahrhunderts hatte gerade 



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Einfnaanngen voll Fresken, 



275 



diese Arabesken sehr Behbn in ihrer Art ausgebildet und mit Poly- 
gonen, Medaillons n. dgl. unterbrochen, ans welchen llnlbfiguren 
(Propheten, Sibyllen u. dgl.) hervorschauen. Die meisten der unten 
zu nennenden Fresken dieser Zeit sind so umgeben.' [Schöne rein de- a 
corative Wand Verzierungen im Hargello zu Florenz.] Das XV. Jahr- 
hundort konnte eine solche Einfassung noch viel weniger entbehren; 
wie der Prachtrabmen für das Tafelbild , so war die Wandarabeske 
für das Fresco nichts anderes als die nothwendige Form, in welcher 
der überreiche Lebensinhalt des Gemäldes harmonisch auszTiklingen 
strebte. Ausserdem aber wurde sie auch zur blossen Decoration von 
Bautheilcn nicht selten angewandt. 

Sie will während des XV. Jahrhundorts meist noch die Architektur 
und Sculptur nachahmen; daher ihre Einfarbigkeit, grau in grau, 
braun in braun «. s. w. etwa mit einzelnen aufgesetzten Gold Ver- 
zierungen; auch wiederholt sie die uns vom Marmor her bekannten 
Motive, nur reicher und mit stärkerem Aufwand figürlicher Zuthaten. 
In lotztorn scheute man sich aueh an der heiligsten Stätte nicht vor 
der antiken Mythologie. Wo der Raum es zuliess, wurden über Ge- 
simsen und Postamenten noch allegorische Figuren, Putten u. dgl. 
meist in derselben Farbe hingemalt. 

An den gewölbten Decken aber, und bald auch an den Wand- 
pfcilern etc. versuchte man gegen Ende des Jahrhunderts reichere 
Farben, z. B. Gold auf Blau, und colorirte endlich die einzelnen Ge- 
genstände theils nach dem Leben, theils Convention eil. Einzelne 
Künstler setzten auch die Zierrathen plastisch, in Stucco auf. Bis- 
weilen wird sogar die Wirkung der Fresken durch eine so reiche und 
bunte Einfassung beeinträchtigt. 

[Unterhalb der Fresken wird zuweilen der Wandsoekel mit Tep- 
pich-Mustern verziert, z. B. Sixtinischc Capelle zu Eom; wie sie auch 
sonst an Wandfll Hungen als Ersatz wirklicher Teppiche vorkommen, 
so in der Sala de' Gigli (jetzt Parlament s-Bibliothek) im Pal. vecchio 
zu Florenz. Diese Muster haben ineist orientalisirende Motive.] 

Abgesehen von den in den Bildern selbst und zwar sehr reich- 
lich (S. 170 etc.) dargestellten Architekturen glebt die Einfassung 
von Filippo Lippi'x Fresken im Dom von Prato eines der frühern Bei- t, 
spiele der Gattung; ebenso die Einrahmungen dos Benoizo Gossoli 
im Camposanto zu PiBa. Domenico Ghirlandajo ist hierin meist sehr 
massig, Filippino Lippi in den Fresken der Cap. Strozzi in S. Maria ,1 
18* 



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276 



Einfassungen von Fresken. 



& novella zu Florenz und der Cap. Carafa in der Minerva zu Rom da- 
gegen schon viel reicher, und die peruginisehe Schule geht vollends 
oft Über das Maass hinaus. Von Pinturicchio sind fast alle (unteu 
zu nennenden) Fresken reich mit gemalten Pilastern , Gesimsen u. s. 

t> w. verziert; die erste, dritte und vierte Capelle rechts in S. Maria del 
Popolo und die Gewölbemalereien im Chor geben eine umständliche 
Idee von seiner Behandlungs weise; an den Gewölben eines der 

c Zimmer, welche er im Appartanicnto Borgia des Vatieans ausmalte, 
sind hochaufgesetzte Stuceozierratheu, Gold auf Ulau mit uaturfar- 
bigen Figuren (vielleicht von Torru/iano? ) angebracht, Alles in dem 
nur beschränkt antikisir enden, heitern Styl des Jahrhunderts. (Später, 

d in der Libreria des Domes von Siena finden wir ihn viel behutsamer). 

e Ein sehr bedeutendes Donkmal dieser Art sind dann Perugiiw'.s 
Fresken im Cambio zu Perugia. Die untern Zimmer im Pal. Colonna 

r zu Rom, welch» nach der Beschreibung noch bezeichnender sein 
möchten, sind dem Verfasser nicht bekannt. Von einem Zeitgenossen 

i Perugino's sind die decorativen Malereien in der hintern Kirche von 
S. Lorenzo ftiori le mura. 

Eine ganz besondere Vorliebe für diese Zierrathen verräth auch 

h Luca SignorelU, der in der Madonnen Capelle des Domes von Orvioto 
reichlichen und originellen Gebrauch davon machte und selbst ein- 
zelne seiner Staffeleigemälde (z. B. eine Madonna in den Offizien) 
mit einfarbigen Medaillons versah. Er hatte ein tiefes Gefühl von 
dem Werthe der Gattung, und wollte in den kleinen Figuren des 
decorativen Theiles seiner Fresken in Orvieto ein mythologisches 
Gegenbild zu seinen Weltger iclitscompositionen darstellen. Kein 
Maler des spätem Italiens hat wohVdie Sache so ernst genommen. 
Peruginer und Siencsen haben auch die Ei nth eilung und Ver- 

i zierung der Decken in zwei vaticanischen Zimmern zu verantworten. 
In der Stanza dell' Incendio Hess Rafaol die Arbeiten seines Lehrers 
ganz, in der Camera della segnatura von den Malereien Sodornns 
einen Rest und die Gesammtanordnung bestehen. 

[Die schönste Leistung des frühem Styles vielleioht; Peruzzix 

k Decke im Galatea-Saal der Farnesina zu Rom.] 

Im XVI. Jahrhundert dauert der bisherige Styl ausserhalb Roms 

] noch einige Zeit fort. So z. B. in Franciabigw'x Einfassungen um 
die Malereien A. del Sarto's im Scalzo zu Florenz. — ffidolfo G'fti'r- 

u Utndajo'x gemalte Ornamente in der Sala de' Gigli und in der Cap. 



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Decorirande Malerei. Maiitogna. 



277 



S. Bernardo des Palazzo vecchio sind in dieser Art mittclmässig, zu- 
mal die letztem, wo die figurirten und die ornamentirten Felder ein- 
ander ganz gleichartig sind (Gran auf Gold). — Besondere zierlich und 
mit grosser Absicht behandelt sind die Einfassungen der Fresken A, j 
A»pert*ttfs in S. Frediano zu Lucca (links). 

Die wenigen erhaltenen Beispiele von elegantem Cassettenwerk 
an kleineren Gewölben aus der Werkstatt der Robbia: über dein i. 
Tabernakel des Altares im Schiff von S. Miniato bei Florenz; in der 
Vorhalle der Capella de' Pazzi bei S. Groce ebenda; in der Vorhalle c 
des Domes von Pistoja. 



Eh ist schwer, in dieser Gattung die Grenzen der Decoration 
scharf zu bestimmen. Neben der bloss einfassenden Arabcskcnmalerei 
tritt, wie mau sieht, hauptsächlich an den Gewölben eine deco- 
rirende Malerei auf, deren Inhalt, abgesehen von einzelnen ört- 
lichen oder allgemein symbolischen Beziehungen, ein wesentlich freier 
ist. Der kirchliche Bilderkreis nämlich, welcher sich zur Zeit der 
Giottesken auch Uber die Gewölbe erstreckt hatte, verliert seinen 
Alleinwerth; neutrale, blos für das Auge angenohme Figuren und 
Secneii , Kt'iitiuiriceiizen aus der alten Mythe und Geschichte nehmen 
selbst an geweihter Stätte seine Stelle wenigstens theilweise ein. Es 
ist das Wesen der Renaissance , dem Schönen, Lebendigen und 
Charaktervollen, auch wenn es beziehungslos ist, den Vorzug -zu 
geben. 



Beträchtlich grösser als in Mittelitalien war der Aufschwung der 
gemalten Decoration in Oberitalien, dessen Backsteinbau gewisser- 
maassen darauf als auf einen Ersatz für die mangelnden Quader an- 
gewiesen war (Seite 202). Zudem hatte hier die am meisten decorativ 
gesinnte Schule, die von Padua, ihren Sitz. Erhalten ist wenigeres 
aU man erwarten möchte, doch wenigstens Ein wichtiges und um- 
fassendes Beispiel. 

Der grosse Andrea Mantegna , als er in den Eremitani zu Padua d 
eine gothische Capelle von der gewöhnlichen Form (eines Quadrates 
und eines polygoncn Ausbaues) mit den Geschichten der Heiligen 



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Renaissance. Secorirsnd« Malerei. Verona. 



Jacobus und Christoptio ras auszumalen hatte, gab Auch den einfassen- 
den und bloss baulichen Thailen einen Schmuck, der in der Art die- 
ser Zeit elassisch tieissen kann. Die je sechs Bilder der beiden Seiten- 
wändc erhielten zunächst gemalte Rahmen grau in grau mit Frucht- 
schnliren, Köpfen u. s. w.; Uber diese hängen oben prachtvolle far- 
bige Fruclitsehnüre herunter, an welchen Putten her um klettern. 
Von den dunkelblauen Gewölben heben sich die Rippen als grüne 
Laubwulste mit grauen Arabesken eingefasst ab ; im Polygon schwingt 
sich von Rippe zu Rippe die reichste Fruchtschnur mit weissen Bän- 
dern ; im Quadrat umgeben ähniiehe Fruchtschnlire die Medaillons 
mit den Evangelisten auf Goldgrund. Der übrige blaue Raum dient 
als Hintergrund für die Gestalten des Gottvater, einiger Apostel 
und (im Quadrat) roth geflügelter Putten mit Spruchbändern. (Alles 
so weit erhalten, dass man sich den Eindruck des Ganzen her- 
stellen kann). 

Ungleich tiefer steht bei aller Pracht und Zierlichkeit die Dcco- 
ration der Capeila S. Biagio (links am Ende des Seitenschiffes) an S. 
Xazarit) e Ol so zu Verona, ein frühes Werk des in der Folge als 
Architekt berühmten Giov. Maria Falconeito. (Auch das Figürliche 
zum Theil von ihm, zum Theil von B. Montagna). Weder in dem 
viereckigen Unterbau und dem polygonen Ausbau noch in der Kuppel 
folgt Einfarbiges, Mehrfarbiges, Goldfarbiges mit der rechten Con- 
setpienz aufeinander ; aber die Detail Wirkung ist noch in dem kläg- 
lichen Zustande des Ganzen eine sehr angenehme. In der Kuppel 
zwei Kreise Capsetten für Engelgestalten ; der Cylinder mit steinfar- 
bener Pilastcrstellung für Heilige ; der Fries darunter ein Nereiden- 
zug auf farbigem Grunde; an den Zwickeln die farbigen Evange- 
listen zwischen stein färbe neu scheinbaren Reliefs etc. 

Den Ausgang der paduanischon Weise in die der classischeu 
Zeit bezeichnet dann rocht schön und würdig die Gowölbeverzierung 
in der Sacristei von S. Maria in Organo zu Verona, von Franc. Moräne, 
welcher wenigstens die eigentlichen Malereien geschaffen hat. 

Eine Auswahl von guten gemalten Arabesken für schmale Wand- 
streifen bietet S. Nazario e Celso in Verona (Füllungen an den Pfei- 
lern zwischen den Seitenaltären); Fruchtschnlire mit und ohne 
Putten, goldene Candelaber, Zicrgeräthe aller Art etc. auf dunklem 
Grunde. (Um 1530?) 



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Parma. 279 

[Hit an erster Stelle unter allen farbigen Decorationen <lor Re- a 
naissance steht die prächtig- ein fache Ausmalung- der Certosa bei 
Pavia, vielleicht nach Borgognone's Angaben. Farbige Cassettirung 
der Gewölbefelder, perspectivisehe Architekturen, Kränze etc. an 
den Wänden bilden ein Ganzes von unvergleichlicher Schönheit. 

Von lorabardisehen farbigen Dceorationcn hervorragend: 
Bramunte's Arabesken in der Incoronata zu Lodi ; die edle und reiche 
Pfeilerbemalung im Monastero maggiorc zu Mailand.] 



Für Parma scheint ein im historischen Fach unbedeutender i> 
Maler, Alessandro Araldi (f 1525), der Ilauptrcpräsentant der von 
Padua ausgegaugeneu Zierwciae gewesen zu sein. Von ihm ist in o 
dem Kloster S. Paolo zu Parma , hinter dem Gemach mit den Fresken 
Correggio's, das Gewölbe einer Kammer mit Arabesken, Pancn, Mcer- 
wnndern, kleinen Zwischcnbildern cte. auf blauem Grunde ausge- 
malt; in den Lunetten ringsherum heil. Geschichten. Diesdh oder 
einen ähnlichen Styl zeigen nun auch die iiltern Verzierungen der 
Pilaster und Gewölberippen in S* Giovanni, auch die schöne mosai- <i 
cirte Nische des rechten Querschiffes im Dom (mit Goldgrund). Auch e 
in S. Sisto zu Piaeenza gehört Manches an den betreifenden Bau- f 
theilen derselben Art an. — Mit der grossen Umwälzung aber, welche 
f'nrrajijio in die Malerei jener Gegend brachte, drang auch in diese 
Gattung ein anderer Styl ein; die Putten (Kindcrcngel) verdrängen 
das Vegetabilische mehr und mehr und füllen endlich die Pilaster, 
Friese ete. fast ganz an. Von den Schülern (.'orreggio's hat sich Giro- 
lamo Mazzola durch die Bfnialung des Gewölbes im Hauptschiff des B 
Domes vielleicht einen grössern Samen verdient, als durch seine 
Altarbilder, und wenn man darüber streiten kann, ob die Kappen 
eines mittelalterlichen Gewölbes Uberhaupt bemalt werden sollen, 
so wird man doch zugeben, dass die Aufgabe wohl selten schöner 
gelöst worden ist. (Farbige Medaillons mit Brustbildern, Putten, 
Fruchtkränze, zweifarbige Einrahmungen der Gewölberippen u. s. w.). 
Die neueren Malereien in S. Giovanni, hauptsächlich der Fries, sind 
weniger glücklich, indem hier Vollfarbiges (Sibyllen, Putten u. s. w.) h 
und Einfarbiges (heilige Gesehich ten), noch dazu von verschiedenem 
Maassstab, auf Einer Fläche vereinigt sind. Die l'i last erverzierun gen 



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D&corirtnda Malerei. Fimra. 



etc. in der Steccata scheinen von geringem Händen au sein, ebenso 
die neuem Bestandteile in S. Sisto zu Piacenza. 



Ferrara hat in dieser Beziehung Einiges nicht bloa aus der 
guten Zeit, sondern auch von einem grossen Künstler aufzuweisen. 
Im Erdgeschoas des erzbiachüf liehen Seminars sind noch die grau in 
grau gemalten Decken zweier Gemächer von Garofido (bez. 1519) er- 
halten, welche einen frisch von Rom gebrachten Schwung verrathen; 
noch nicht in der Art der Loggien, sondern der Stanzen. Der Styl 
der Ornamente ist der Zweif'arlugkeit. vortrefflich und ohne Schwere 
angepasst. — Darauf folgt, ebenfalls noch vom Besten , die Bemalung 
von S. Benedetto; ausser einem durchgehenden Fries mit Genien 
sind vorzüglich 'Iii 'IVmm'iige wölbe mit ihren von reichen Bändern 
eingofassten Casaotten beachtenswert!) ; dies Alles ist nur grau in 
grau mit wenigem Goldbraun; die Farbigkeit wurde aufgespart für 
die Flachkuppel, und die figürliche Composition in vollen Farben für 
die Hatptkuppel und die drei Halbkuppcln der Abschlüsse. (Diese 
von Vmcenzo Veronesi ausgemalt). Die untern Theile sind weiss ge- 
blieben , oder üborweisBt. • 

Den Ausgang der Gattung in sinnlosen Schwulst zeigen hier die 
von Girötumo du Carpi in S. Francesco gemalten Zierrathen (um 155U, 
Seite 2(17) und vollends diejenigen in S.Paolo (1575). 

Von den Arabeskeu profaner Gebäude sind diejenigen, welche 
die zahlreichen Malereien Dosso Dnsxi's und seiner Schule im CastelL 
umgeben, nicht von höherer Bedeutung. Freier und angenehmer er- 
geht sich dieselbe Schule in den Deckenmalereien der sämmtlicheu 
einige rmassen erhaltenen Räume der Palazzina (Seite 209g); der 
allerdings erst von den Loggien abgeleitete Styl offenbart hier durch 
den Rauch der Schmiedewerkstatt hindurch, als welche ihis Gebäude 
jetzt dient, seinen unzerstörbaren Reiz. 



Von venezianischen Arbeiten gehört die Mosaieirung dos Sacri- 
steigewülbes in S. Marco hieher, von welcher unten. 



Die grosse Veränderung, welche zunächst in Rom mit diesem 
DccorationsBtyl eintritt, datirt wohl hauptsächlich von der Ent- 



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Loggien des vaticam. 



281 



deckungder Thermen doB Titus, welche man nicht nach den erhal- 
tenen Resten in den jetzt zugäng liehen Theilen, sondern nach ihrem 
damaligen Bestände würdigen mus3. Die rafaelische Kunstgeneration 
lernte hier in den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts eine Menge 
neuen mythologischen und allegorischen Stoffes, einen neuen antiken 
Styl, eine neue Eintheilung der baulichen Flüchen und Glieder, neue 
Fsrbenwerthe , eine neue Abwechslung von Stuccorelief und Zeich- 
nung in bestimmtem Verhältnis» zu den Farben, endlich den Überaus 
dauerhaften antiken Stncco selber kennen. Sie verarbeitete diese 
Elemente auf glänzend geniale Weise, so daas ihre Werke neben 
den antiken eine ganz selbständige Gültigkeit behalten. 

Die Verzierung der Loggien im zweiten Stockwerk des Cortile a 
di San Damaso im Vatican geschah im Auftrag des vor Allem pracht- 
liebenden Leo X. — BafaeVs Verdienst bleibt es, dass die Loggien 
die Bchönatc und nicht etwa bloss die prachtvollste Halle der Welt 
wurden. — Hier ist es der Mühe werth, dass sieh das Auge nach 
Kräften anstrenge, tun sich Alles, was noch irgend kenntlich ist, an- 
zueignen. Nicht die Unbill der Witterung, sondern der elendeste 
Muthwille hat iiier den grüssten Schaden angerichtet; es hat eiserner 
Werkzeuge bedurft, um den Stueco des Giovanni da Udine von 
Wänden und Pfeilern abzulösen. — Die grossen Kupferstiche , welche 
colorirt noch bisweilen im Handel vorkommen, gewähren zwar eine 
sehr schätzbare Aushülfe, allein sie geben die Detail Zeichnung und 
die Wirkung des Ganzen doch nur ungenügond wieder. ') 

Von den Gemälden wird unten die Rede sein. Für die Aus- 
führung des Dccorativen bediente sich Rafael hauptsächlich des ge- 
nannten Giovanni da Udine, eines Malers der venezianischen Schule. 
Wie viel demselben vorgezeichnet, wie viel seinem eigenen Ermessen 
Überlassen wurde, ist gänzlich unbekannt; Rafael war damals mit 
Aufträgen Uberladen , und gleichwohl muss nicht bloss die Anord- 
nung des Ganzen, sondern auch die Zeichnung sehr vieler Einzel- 
heiten von ihm herrühren. Eine genaue Rechenschaft über seinen 
Antheil wird allerdings nie zu geben sein. 5 ) Man sieht die Tausend© 



') tAnf diesen Stichen sind die Randurnbejken der Tapeten. S. !R8h, als Verzie- 
rung von Logglen-rfellern Hill nbgetiUdfil.J 

*) Laut Vaisri hätte er freilich Alles scllior vorgeicicliHcl ; unter den ExectiMnton. 
wäre Ptrin drl Fopo derbeite gewesen. 



282 Renaissance. Decorirende Malerei. Loggien 

einzelner Figurenmotive durch, die alle von Einem Geiste durch- 
drungen und im rechten Stoff an der rechten Stelle angebracht sind, ■ 
und fragt sich immer von Neuem, welcher Art die geistige Verbin- 
dung zwischen Rafael und Beinen Ausarbeiten! gewesen sein möchte. 
Vergebens wird man sich in andern Kunstschulen nach etwas Aehn- 
lichem umsehen. Damit konnte es nicht get Ii an sein, dass der Meister 
seine Leute auf die antiken Reste ähnlicher Art, zumal auf die Titus- 
thermen verwies, denn so viele einzelne Figuren und Gruppen, so 
viel decoratives Detail von dorther entlehnt sein mag , so ist eben die 
Composition im Ganzen eine völlig neue und originelle. Gerade das 
Wesentliche, die aufsteigende Pilaster Verzierung , gewährten die 
antiken Vorbilder nicht, oder ganz anders. 

Das grosse Geheinmiss, wie das Unendlich -Viele su einem har- 
monischen Eindruck au gestalten sei, ist hier vermöge der Glie- 
derung und Abstufung gelöst. Die Iiauptpikster , die Neben- 
pilaster, die Bögen, die Bänder und Gesimse verschiedenen Ranges 
erhalten jede Gattung ihr besonderes System von Verzierung; die 
Architektur bleibt noch immer die Herrin des Ganzen. Was die 
Fenster der Mauerseite von Wandflächo übrig liessen, wurde durch- 
sichtig gedacht und erhielt auf nimm elblauem Grunde jene unüber- 
trefflich schönen Fruchtsehniiie, in welchen der höchste decorative 
Styl sich mit der schönsten Naturwahrheit verbindet, ohne dass 
nach einer optischen Illusion gestrebt worden wäre, die das Auge 
hier gar nicht begehrt. Innerhalb der viereckigen Kuppelräume 
ist die Umgebung der je vier Gemälde sehr frei und verschieden- 
artig verziert, wie dies bei einer Reihenfolge isolirter Räume ange- 
messen war. 

Eine Analyse dieses Ganzen wurde ein umfangreiches Buch wer- 
den. Wie hier Stuceatur und Malerei, Figur und Ornament, die 
Farben der Gegenstände und ihrer Gründe sieh zu einander ver- 
halten (oder verhielten), davon muss das Auge sich im Detail über- 
zeugen. ') Wer sich die Aufgabe setzt, bei jedem Besuch des Vati- 
kans etwa eine Abtheilung des Ganzen genau durchzusehen, der 
wird einen bleibenden Eindruck davon tragen und vielleicht in einer 
Anzahl von Figuren und Gruppen die im mittel bare rafaelisehe Zelch- 



') Aneh äio Mitwirkung der einst glusirtin Hgdcn]>latlen <s. a6S) ist dahei in 
Erinnerung zu bringen. 



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Tapeten. Appartamento Borgia, etc. 



288 



nung erkennen. (Die Gewölbemaler eien in dem Gang zunächst unter 
diesen Loggien sind ganz von 6 top. da Udine; sie stellen Reben- 
laiiben dar, mit andern Pflanzen schön durchflochten und mit Thie- 
ren belebt). 



Ein ähnliches decoratives Gefühl, nur in einem andern Stoff 
anders ausgesprochen, offenbart sich in den wenigen erhaltenen 
Randarabesken der rafaelischen Tapeten (erste Reihe). Auch 
hier nimmt man eine bedeutende Mitwirkung des Giovanni da Udine 
an. Ganz kleine, isolirte Figuren und Ornamente wären hier nicht 
schiin und deutlich genug darzustellen; daher grössere Figuren; 
auch bildet jedes Randbild ein Ganzes, sowohl in dekorativer Be- 
ziehung, als vermöge des durchgehenden allegorisch- mythologischen 
Inhaltes. Das Vorzüglichste : die Parzen. 

Eine wesentlich andere Aufgabe gewährte die grosse gewölbte 
Decke des vordem Saales im Appartamento liurgia. In den 
daran stossenden Zimmern hatte Pintu riech io, wie gesagt, die Ge- 
wüIW im Styl der frühem Renaissance verziert; seine Arbeit erscheint 
erstaunlich unfrei, wenn man in den vordem Saal tritt, den Giov. du 
Udine und Pcrin del Vaga unter Rafael's Beihiilfe verzierten. Die 
Verthcilung der Farben flächen, die edle Massigung der Ornamente, 
welche an einer Decke so wesentlich ist, die vortreffliche Bildung des 
Details geben diesem Saal einen hohen Werth, auch wenn man nicht 
wüsste, dass die Figuren der Planetengotthciten von des Meisters 
eigener Erfindung sind. Die vier Victorien um das päpstliche Wappen 
sind einer der höchsten Triumphe figürlicher Deeoration. 

In den Stanzen hatte Rafacl, wie. gesagt, frühere Deckenver- 
zierungen angetroffen und ganz (Stanza del!' incendio) oder theil- 
weisc !(.'amera dolla segnatura) geschont. Was er mit der Decke der 
Kala di Costantino vorhatte, ist unbekannt. In der Stanza d'Eliodoro 
sucht er durch den ziemlich einfachen blauen Teppichgrund der vier 
Deckenbildcr den Eindruck des Leichten hervorzubringen. Auch 
dürfen hier die bloss architektonischen Einfassungen der Klippcl- 
bilder in der Capeila Chigi (S. Maria delpopolo zu Rom) nicht über- 
gangen werden. Sie sind in ihrer Einfachheit vom edelsten Deco- 
rationsstyl gerade dieser Gattung; durchweg vergoldet; zn den 



Mosaiken vortrefflich stimmend. — Höchst meisterhaft hat Giovanni 
da Udine in der Farnesina die Festons gemalt, welche die Geschichten 
der Psyche einfassen. 

Endlich die untere offene Vorhalle der Villa Madama bei Rom. 
Die Ausführung des Gebäudes gehört notorisch dem Giulio Romano, 
welchem man die trefflichen Friesmalercien der untern Zimmer, auch 
den schönen Fries mit Festons, Candelabern und Amorcn, schwer- 
lich streitig machen wird. Auerin der Vorhalle, welche von Giovanni 
da Udine decorirt ist, weht der Geist der Loggien noch so rein, 
dass Rafael, der den Bau schwerlich erlebte , doch als der moralische 
Urheber erscheint. In einzelnen der eingesetzten Historien glaubt 
man auch Motive seiner Erfindung zu erkennen. Vielleicht wurde die 
Decoration nie ganz vollendet; im vorigen Jahrhundert wurden die 
herabgefallenen Theile durch Rococozierrathen ersetzt, und gegen- 
wärtig läset der Besitzer Alles zur Ruine werden. 

Die Stuccaturen in den untern Hallen des schönen Pal. Massud, 
wahrscheinlich von Giovanni da Udine, gehören ebenfalls noch zum 
Besten dieser Zeit. Ohne Zweifel arbeitete Giovanni unter dem Ein- 
fluss des Baumeisters Permsi. 



Was wir nun noch beizufügen haben, ist neben diesen Leistungen 
nur von bedingtem, immer aber noch von beträchtlichem Wertlic. 
Es sind meistens gewölbte Decken, denn die Pilaster Uberliess mau 
fortan fast durchgängig der Architektur; ausserdem ist bei diesem 
Anlass eine besondere Gattung von Mauerdecoration im Grossen zu 
erörtern. 

Von Rafaels Schülern malte Perin de! Vaga*) den Pal. Doria 
in Genua aus. Das Deeorative ist noch sehr schön, aber zum Theil 
iiberzierlich und bei Weitem nicht mehr in dem grossen und freien 
Geist der Loggien und des App. Borgia gedacht. In der untern Halle 
die Flachdecke mit schweren, wirklichen römischen Geschichten be- 



') Seine Malereien In verschiedenen Räumen der Engekiliurg sind nebst den Slurct- 
turen des liaff. da Jftntdvpo dem Verfasser uniuginKlIdh geblieben. Laut Vaaarl fllhrlo er 
in Kum eine Unsabl kleinerer decorativer Werke jcdurGattung ans, wovon noch Manches, 
jetit namenlos, vorhanden sein könnte. [Eine hübsche Troppenhalle : Via l'aoln , H.5I], 



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Perm del Vaga und Schule. 



285 



deckt , statt lies luftigen Olymps der Faraesina ; in der Gaieria die 
Gewölbe Verzierungen im Einzelnen überaus elegant und vom feinsten 
Farbensinn beseelt (gemalte Mittelbilder; die Eckfelder Rcliefdeco- 
ration grau auf blau, grau anf Gold u. s. w.; prächtige Motive in den 
Bändern) aber nicht mehr sicher der Architektur subordinirt; im Saal 
der Giganten eine höchst reiche und glücklich originelleEinrahmung; 
in den {einzig noch sichtbaren) neun Zimmern der Stadtseite theils 
ähnliches, nur einfacheres Arab es ken werk als Einfassung mytholo- 
gischer und allegorischer Gegenstände an Zwickeln und Kappen 
der Gewölbe, theils farblose Stuccaturen. ') Die Wände mit Aus- 
nahme der Gaieria, waren siimmtlicli auf Behängung mit Teppichen 
berechnet. 

Perino fand in Genua selbst eine nicht unbeträchtliche Nach- 
folge, die ihn aber doch nirgends erreichte und ihm nur die Effecte 
absah. Das Umständlichste in dieser Art ist die innere Decoration 
des Pal. Spinola (Strada S. Caterina Nr. 13); auch das Erdgeschoss > 
von Pal. Pallavieini (Piazza Fontane amorose). Sonst wiederholt sich i> 
in den untern Hallen und an den Treppen der ältern Palaste ein 
System etwas magerer Arabesken und sparsamer Phantasiefiguren 
auf weissem Grunde, wie diese ineist etwas dunkeln Räume es ver- 
langten; oft dienen die Decoration on als Einfassungen um mytholo- 
gische und historische Mittelbilder-, andere Male herrscht sogar das 
Gemälde mehr als für diese Bäume billig vor und namentlich mehr 
in historisch wirklicher Raumbohandlung, als die Deckenmalerei 
leicht verträgt. 

Von den ältern und bessern Arabesken geben folgende Gebäude 
an den untern Hallen, Treppen und oborn Vorsälen einen Begriff: 
Pal. Imperiali (Piazza Campetto); — Pal. Lercari (jetziges Casino, c 
Str. nnova); — Pal. Garega (jetzt Cataldi, gegenüber). a 

In der aus Stuccaturen und Malereien gemischten Gewölbever- 
zierung der Kirchen geht MonlorwU mit der Decoration von S. Matteo « 
voran; auch hier war Perin del Vaga, speciell die Gaieria des Pal. 
Doria, Anhalt und Vorbild. Die schwebenden Putten womit Luca 
f 'ambiaso die Felder der Nebensch iffge wölbe bemalte, sind an sich 
zum Theil trefflich; aber viel zu gross für die kleinen Räume, an 
deren Rändern sie sieh bei jeder Bewegung Stessen müseten. — Eine 

') Für die Stucconrlielt Ubarhiujit brauchle Perln <len Silrio Cotini am Flesole. 



286 KanuM&nce. Decorirende Malerei. Giulio Romano. 



ganz endlose Pracht von Gewülbe Verzierungen und grossen histo- 
rischen, daher schwer lastenden und ohnediess nur iraproviairten Ge- 
wülbfresken verdankt dann Genua der Künstle rfanülie der Carloni 
und ihren Nachtretern. Das Ornament ist und bleibt durchgängig 
um einen Grad besser als in Neapel. 

a Parallel mit der Thätigkeit Pcrino's geht die des Giulio Eomano, 
der in seinem berühmten Hauptbau, dem Palazzo del To, sowie 
im Palazzo ducale zu Mantua, ein nicht minder glänzendes System 
von Decorationen aller Art aufstellte. 

[Bekanntlich hat Giulio in diesem Bau mit allen Gesetzen archi- 
tektonischer Decoration an einzelnen Stellen auf die tollste Weise 
gespielt, namentlich in der Sala de' Giganti, wo die Gestalten rück- 
sichtslos über Wände und Decken weggemalt sind. Auch in dem 
Saal der Psyche biegt sich das Bild um die Ecko und das Featon- Ge- 
rüste steht nur lose darin. Dagegen sind andere namentlich kleinere 
.Räume, u. a. der zweite neben dem Saal der Psyche, von feinster 
architektonisch- strenger Decoration. Sehr reich die offene Garten- 
halle: Sala della Grotta in der Ecke des Hofes neben der Einfahrt 

b rechts. — Im Palazzo ducale sind namentlich die Decken und unter 
diesen wieder die der kleineren Zimmer theils mit den feinsten plastisch 
goldnen Cassetten- Verzierungen auf blauem Grund, theils mit den 
farbigen Thermen- Arabesken {Vorhalle der Stanza di Troja) verziert. 
Ganz roizend das kleine Zimmer: Stanza del Paradiso.] 

Auch Jacopo Sansorino hat in dieser Gattung wenigstens Eine 

c wichtigere Arbeit angegeben und geleitet: die Scala d'oro im Dogen- 
palast zu Venedig (1536). Als Ganzes steht diese Leistung aber 
wiederum eine beträchtliche Stufe tiefer als die Arbeiten des Perin 
del Vaga. Schon die gemeisselten Arabesken der Pilaater sind 
schwülstig und unrein; ebenso an den Tonnengewölben die Stucco- 
einfassungen des Äless. Vittoria, der sonst in den kleinen Relief- 
feldern manches Hübsche anbrachte, ebenso wie Battista % 'raneo in 
den gemalten Feldern allegorischen und mythologischen Inhaltes. 
(Franco besass gerade für solche einzelne Figuren und kleine Com- 
positionen von idealem Styl eine entschiedene Begabung, wie auch 

& seine Gewölbemalereien in 3. Francesco della Vigna, erste Capelle links, 
darthun. Vgl. S. 274). Das Ganze ist bei blendender Pracht schon im 
Princip nicht glücklich, indem die geraalten Arabeskenfclder im Log- 
gienstyl von den nebenhergehenden Stuccaturen erdrückt werden. 



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Venedig. Spätere Arabesken maier und Stuceateren. 2S7 

Wenige Jahre vorher (153U) hatte noch die Friihrenaissance mit 
schonen Mosaikzi errat] ien auf Goldgrund das Gewölbe der Sacristei 
von S.Marco geschmückt. Einem Tcppichmuster ähnlich, schlingt 
sich reiches weisses Ornament um Medaillons mit Heiligenfiguren; 
derber farbig sind die Ränder der Gewülbekappen verziert; in der 
Mitte concentrirt sich der Schmuck zur Form eines Kreuzes. 

Es giebt ausserdem eine von Sansoinno oder von FaJconetto ent- 
worfene, von Thiano Miaio ausgeführte ganz harmonische und vor- 
züglich schiine Decoration: nämlich die weisse, wenig vergoldete 
Stuccatur am Gewillbe der Capelle des H. Antonius in Santo zu 
Padua (S. 252»). Leicht und doch ernst, trefflich eingethcilt; leises 
und doch vollkommen wirksames Relief der Zierrathen und des 
Figürlichen. 

Ganz in der Nähe steht Pal. Giustiniani (Nr. 3950), dessen beide 
Gartenhäuser, 1524 von Falconetto erbaut (s. nnten), eine theils 
stucchirte, theils gemalte Decoration — Ornamente und Figuren — 
enthalten, welche man ihrer Schönheit wegen von ßafael erfunden 
glaubt. Es ist wenigstens anzunehmen, dass der ausführende Künst- 
ler (Campagnol-a) ohne Kcnntniss der Loggien dieser Schöpfung 
nicht fähig gewesen wäre. 



Giovanni da Udiae selber soll in seinen alten Tagen als Glas- 
maler die Fenster der Eibl. Laurenziana m Florenz und die des ge- 
schlossenen Ganges im dritten Hof der Certosa mit jenen Arabesken 
ausgefüllt haben, welche zwar sehr hübsch und für das Tageslicht 
vortheilhaft , aber doch ein sehr matter Nachhall der Loggien sind, 
dass man sie lieber einem Andern zutrauen möchte. — Es sind von 
den letzten Glasgemälden (bis 1568) ') der italienischen Kunst, Re- 
paraturen nnd moderne Arbeiten ans genommen ; auch wollen sie bloss 
zarte Zierrathen rings um ein kleines einfarbiges Mittelbild oder 
Wappen vorstellen. 

[In Ddine selbst : eine farbige Decke des Palazzo Archivcscovile.] 



') Also schwerlich von Giovaanl , der schon 150t starb. — In einem Zimmer das Pal. 
Orhaani in Venedig (bei 8. Mario formoia) jollen nochDecorationon von Giovanni, neb» 
Gemälden des Solvlatl erhalten sein. Qnadri's .Otto gioml" melden nichts davon. 



288 BewuM&nce-Deoiration. Malerei und Stucco. 

[Den Arbeiten des Giovanni sehr verwandt sind die dccor&tiven 
Arbeiten aus der Schule des B. l'eruzzi in und bei Siena; bo die vor- 
züglichen GewiUbmalereien der Villa Belcaro ausserhalb der PortaSan 
Marco von Crescendo de' Turainini und im Hof des Palazzo Sarazini]. 



Kehren wir zur gemalten Man erde coration der Interieurs zurück. 
Sie hatte inzwischen das Schicksal der GeBehichtsmalcrei getheilt itnd 
sich zum schnellen und massenhaften Producircn entschlossen. Ihr 
höchstes Princip wird die tiefall igkeit, das angenehm gaukelnde 
Spiel vegetabilischer, animalischer und menschlicher Formen nebst 
Schilden, Gelassen, Masken, Caitoucken, Täfelchen, auch ganzen 
eingerahmten Bildern, auf meist hellem Grunde. Nicht die Phantasie 
ist es, die da fohlt; eine grosse Fülle von Ooncetti aller Art strömt 
den Decoratoren zu; Laune und selbst Witz stehen ihnen reichlich zu 
Gebote; als Maler gehören sie noch immer dem furchtlosen XVI. 
und XVII. Jahrhundert an; aber das Gleichgewicht ist verloren, die 
schone Vertheilung des Vorrathes nach Gattungen und Functionen 
im architektonisch gegliederten Itaume. Sie glaubten, der Werth der 
Loggien beruhe auf dem Reichtlium, während doch die Gesetzlich- 
keit dieses Reichthums das Wesentliche ist. 

Hiohcr gehören u. a. die im Jahr 1565 ausgeführten Arabesken 
im vordem Hof des Pal. vecchio in Florenz, hauptsächlich von 
Marco da Fttenza. — Einen viel grossem Aufwand von Geist ver- 
rathen die Deckenarabesken im ersten Gang der Uffizien von Poccetti, 
welcher auch die Perlmutter -Incru Station der Tribuna angab. (Um 
1561). Sie sind vielleicht die wichtigste von diesen spätem Leistungen, 
überreich an trcft'liehcn Einzelmotiven, die in unsem Zeiten sich erst 
recht würden ausbeuten lassen , aber als Compositioucn im (allerdings 
wenig günstigen) Itaum sehr unrein. (Die Fortsetzung im entschie- 
denen Barockstyl bis in deu Rococo hat wieder ihren besondern Werth). 
Und doch ist Poccetti an anderer Stelle auch in der Anordnung noch 
einer der Besten, wie das mittlere Gewölbefeld in der Vorhalle der 
Innocenti, die Deckenfresken in der Sacramcntscapelle und St. Auto- 
ninscapelle zu S. Marco, die Halle des Scitenhofes links in Pal. Pitti 
u. a. zum Thcil mit Stuccatur gemischte Malereien beweisen. — Von 
Poccetti und in Beinern Styl viele der besten Deeorationen im Innern 



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Rom. Spätere Stuooatorea. 



289 



des Palazzo vecchio. Eins der merkwürdigsten Interieurs, geschnitzte 
Wandschränke, gemalte und stucebirto Decke das Schatz ge wölbe der 
Mcdici's im Mezzanin auf der Seite der Via dellaNinna; daneben ein gut 
gemaltes Tonnengewölbe. — Im Quartier Leo's X. Gewölbodecoration 
mit Portraitmedaillons; im Quartier des Leone di Toledo schon ge- 
malte Ilolzdccken und ein Fries reizender, Buchstaben umspielender 
Putten. — Besonders gute Gewülbedeekcn in den Erdgeschoss-Siüen « 
der Villa Stiozzi, jetzt Orsini, Via Valfonda.] 

In Born coneurrirte mit den Arabesken eine andere Gattung: 
die theils reine, theils zur Einfassung von eigentlichen Gemälden die- 
nende, vorherrschend architektonische Stuccatur. Ueberaus präch- 
tig und monumental wirkt vor Allem die mit wappenhaltenden Ge- 
nien und reichstem Casscttenwerk stucchirte Sala regia im Vatican, b 
von Perin <iel Vat/a und Daniel da VoUerru; ein kleines Specimen 
derselben Art bietet die hinterste Capelle des linken Querschiffes in c 
S. Maria del Popolo. Auch der Ügurirte und ornamentale äussere 
Schmuck des Palazzo Spada zu Rom, von dem Lombarden Giulio d 
Mazzoni (gegen 1550) gehört hieher. Wie schon Gratia Romano seine 
grossen mythologischen Bilder gerne in Stuccosculpturen einrahmte, 
zeigt der grosse Saal desselben Pal. Spada; eine unrichtige Uebertra- e 
gung in einen kleinen Waassstab ist die sog. Galeriola daselbst. Von 
sonstigen tüchtigen rünn'schen Stuccaturen des sinkenden XVI. Jahr- 
hunderts nennen wir beispiclshalber: das Gewölbe von S. Maria ai r 
monti; — den hintern Eaum rechts an S. Bernardo; — in S. Pudon- 
ziana: die Praclitcapeile links, von Franc, da VoUerru, mit Mosaiken 
nach Feil. Zucckero; — in 8. Peter: das nur zweifarbig stucchirte g 
Gewölbe der Vorhalle, von Maderna, welchem eine besondere Vor- 
liebe ftir diese Gattung vorgeworfen wird. Bald herrscht mehr der 
Stucco, bald mehr das Fresco vor. Letzteres ist nur zu oft mit 
schweren historischen Gegenständen in naturalistischem Styl Uber- 
laden, die am wenigsten an ein Gewölbe gehören. Eine Menge ein- 
zelner Prachtcapellen an Kirchen geben den Beleg hiezu. — Blosser ii 
Stucco, und noch sehr schön, an den Tropponge wölben im Palast der 
(Konservatoren auf dem Capitol. 

Wenn hier der allgemeine Verfall der Gattung sich in den nach- 
rafaelischen Gängen der Loggien von Pontificat zu Pontilicat urkund- 
lich verfolgen lässt , so hat die bloss gemalte Arabeske in Rom viel- 
leicht nicht einmal diejenige Nachblüthe aufzuweisen, die Poccetti 

Burtihardl, ßww(. 19 



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290 



ration. Venezianische Decken. 



für Florenz repräsentirt. Die Malereien in der Salii dticale des Vati- 
cans, in <ier vatieanischen Bibliothek, in der Galeria geografiea eben- 
daselbst sind den florentinischen kaum gl eich zu st eilen und intcressiren 
mehr durch die Ansichten römischer Gebäude und die Landschaften 
des Mattkäm und Paul Bril, welche wenigstens in der Geschichte 
der Landschaft eine bestimmte Stelle einnehmen. — Von Vherubino 
Alberti und seinem Bruder Burante ist zu wenig vorhanden; die 
Decke der Cap. Aldobrandini in der Minerva verräth einen sehr tüch- 
tigen Dceorator; ebenso die der Sagrcstia de' Canonici im Lateran. 

i [Verhilltnissmässig gut: die Malereien in der Vigna di Papa 
Giulio, von den Zuecheri nnd Pr. Fontana.] 

Im Ganzen aber unterliegt die römische Arabeske zu sehr dem 
Sachlichen, den geschichtlichen und symbolischen Zuthaten, nnd ver- 
liert darob ihre Heiterkeit. Wie sollte sie z. Ii. in der Gal. geografiea 
zwischen der ganzen Kirchengeschichte (in den Bildern des Tempesta 
mit ihrem echten Spiel aufkommen können? Rafael hatte in den 
Loggien so weislich das Heilige von der Arabeske getrennt gehalten. 

[In Neapel manches Gute von diesem Styl; z. B. der Kreuzgang 
in S. Carmine ; die Congregation in Monte Oliveto , von ! 545.] 



Auch in Venedig war bald von der Decoration, wie sie noch in 
der Scala d'oro und in den oben (S. 287 , b e) genannten paduani- 
schen Werken lebt, grundsätzlich keine Rede mehr. Man gewöhnte 
sich daran, dieGewölbe weiss zu lassen (Kirchen Pal 1 ad io 's), die flachen 
Decken aber mit grossen Oelgemälden zu tiberkleiden. (Räume des 
Dogenpalastes seit den Bränden von 1514 und 1577, Scnola di S. Rocco, 
viele Sacristeien, kleinere Kirchen etc.) Die Zweckmässigkeit von 
Deckengemälden überhaupt und den hohen Werth mancher der be- 
treffenden insbesondere zugegeben, bedurfte es doch eines idealen 
Styls, um selbst die idealen allegorischen Scenen erträglich zu machen, 
geschweige denn die schwer auf dem Auge lastenden historischen. 
Statt dessen wird eine naturalistische Illusion erstrebt; die einzelnen 
Geschichten machen den Anspruch, durch Goldrahmen hindurch als 
wirkliehe Vorgänge gesehen zu werden, wovon bei Anlass der Ma- 
lerei das Nähere. Die Rahmen selber bilden eine bisweilen grossar- 
tige Configuration, allein ihre Profilmmg ist schon höchst barock und 
(zu Vermeidung des Schattens) meist flach. Nebenfelder werden 



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Faauuienmalerei 2Ö1 

wohl mit einfarbigen Darstellungen (bronzefarhen , blaugrau, braun) 
einfacherer Art ausgefüllt, allein die starke goldene Einrahmung 
macht jeden siartern deeorativen Contrast zu den farbigen Hanptbil- 
dern unmöglich. — Immerhin sind wenigstens die Räume im Dogcn- 
palaat von den prächtigsten dieser Zeit; das stattliche untere Wand- 
getäfel, die Thören mit ihren Giebelstatuen, die pomphaften Kamine 
mit allegorischen Figuren oben und Marmoratianten unten vollenden 
den Eindruck von Maclitflille, der in diesen Sälen waltet. Wenn es 
sich aber um wohlthuendc, reine Stimmung handelt, so wird diese in 
den Räumen der rafaclischen Zeit sich eher finden lassen. Die um- 
fassenden neuen Restaurationen haben hier Vieles modernisirt. 

Ausser diesen Wand- und Dockenverzierungen gab es schon seit 
Anfang der Renaissance eine Verzierung der Fassaden, wie sie dem 
schmuck lustigen Jahrhundert zusagte '). 

Die Mörtelflächen zwischen den Fenstern, auch Bogen füll ungen, 
Frieae etc. wurden, wo man es vermochte oder hellte, mit Ornamenten 
oder mit Geschichten bedeckt. Diess geschah theils al Frcsco, theils 
allo Sgraffito (d. h. die Wand wurde Behwarz gefärbt, ein weisser 
Ueberzug darauf gelegt und dann durch theilweises Wegschaben des 
letztern die Zeichnung hervorgebracht). Natürlich haben alle diese 
Arbeiten mehr oder weniger gelitten, auch wohl totale Erneuerungen 
erduldet. Es ist eine schwierige Frage, wie weit die architektonische 
Compositum auf diesen Schmuck rechnete; an der Farnesiua zu Rom H 
%. B., für welche bestimmte Aussagen existiren, vermisst doch das 
Ange denselben nicht, o bschon er verschwunden ist (mit Ausnahme 
der Bogenfüllungen auf der Tiberseite im Garten, welche noch Victo- 
rien, Abundantien etc. von rafaelischer Erfindung enthalten). In 
Rom war das Sgraffito und das einfarbige Freseo damals sehr be- 
liebt ; doch hat sich von Polidoro da Carai-aggio und seinem Gehülfen 
Maturino nicht viel mehr erhalten , als der Fries mit der Geschichte b 
der Siobc (an dorn Hause Via della maschera d'oro, H. '), welcher 

'} FUr uleae ganze Galluns Tgl. Hei Vasarl dlo Blogiaplilen des Tiaemto da S. 

CriXfano Ghtrardl genannt Docmo (fiir die garnie gemalle Decoration wlchUg), des 

Quelle iufolt-c uro» daa Erhaltene »m Verlorenen in einem winzigen VerÜuitln-. f L,l ■■■„. 
Die r'aieailcnmnlerei beatlmintc nouh um 16M offenbar .Sic ritysioe.nomic mancher Städte 
in »ejcntlichem Grads. 

19* 



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252 



Benaissanca-Decoration. FaMademnalerei. 



als grosse mythologische Composition eines der besten Werke der 
rafacliachen Schule ist; ausserdem Einiges an Pal. Ricci (Via Giulia). 

Ein Haupteitz der Gattung aber wurde, wiederum wohl durch 
Perindel Vuya, Genua, wo noch an der Gartenseite des Pal. Doria 
Aussonmalereien von der Hand Jenes erhalten sind '). Die genuesi- 
schen Paläste, welchen bei. dem vorherrschenden Engbau die kräf- 
tigere architektonische Ausladung versagt war, bedurften am ehesten 
eines Ersatzes durch Malereien. Das Ornament nimmt hier nur eine 
untergeordnete Stelle ein; es sind vorherrschend ganze grosse heroi- 
sche und allegorische Figuren, selbst Geschichten, in mässiger archi- 
tektonischer (d. h. bloss gemalter) Einrahmung. Das Vollständigste 
und Beste was mir aus der Zeit Perin's selber in dieser Art vorge- 
kommen ist, sind die Malereien an dem Hause Pin/./.;i äi'iV Atnieilu. 
N. 6; zwischen Friesen von Trophäen und andern von Putten sieht 
man Ilelilenfignrcii , Hchlacliten , Gefangene, mythologische Siege etc. 
noch recht gut dargestellt. Auch die grau in grau gemiiiieu fliege 
des Hercules, an der Eücksoite des Pal. Odero (jetzt Mari, von Salita 
del Castelletto aus sichtbar) sind von ähnlichem Werthe. Dann folgt 
Pal. Imperiali (Piazza Campetto), vom Jahr 1560, mit seinen theils 
brouze- theils naturfarbenen Aussennialereieu , — Pa). Spinola (Str. 
S. Uaterina, N. 13); — die Stadtseite des Gasthofes Croce di Malta; 
— Pal. Spinola (Str. unova), sehr vollständig durchgeführt, auch im 
Hofe. — Der Inhalt ist bisweilen speciell genuesisch ; berühmte Männer 
und Thatcn der liepublik. Oft aber auch sehr allgemein, sodass 
mau in Ermanglung anderer Gedanken z. B. mit den zwölf ersten 
römischen Kaisern vorlieb nahm , die in der Profankunst dieser Zeit 
ja ein förmliches Gegenstück zu den zwölf Aposteln bilden, — der 
architektonisch sehr bequemen Zahl zu Liebe, in der uns nun eiiuml 
ihre Biographien bei Sueton überliefert sind. (Man hat sie im XVI. 
und XVII. Jahrhundert auch unzählige Male neu in Marmor darge- 
stellt.) — [Schiine Fassade aus frfiher Zeit: Vico S. Matteo, N. 1(1.] 



Eine andere, eigentümliche Ausbildung dieses Zweiges zeigt 
Florenz, wo wiederum der schon genannte l'occetti darin das Beate 



i) !>en S. Quote von Carlo dtl Umttyna , an der Swltaeitc nea Pal. dl S. aiorjie, 
kann nun kaum inelir erkennen. 



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Florenz. 393 

scheint geleistet zu haben. Schon die Frilhrenaissance hat hier in 
bloss ornamentalen Sgraffiti einiges Treffliche aufzuweisen, z. Tli. » 
wohl noch aus dem XV. Jahrhundert die Fassaden: Piazza Pitti. N. 
18; [Borgo S. Nicolo N.43; Palazzo Torrigiani, Piazza dei Nozzi N. 5; 
kleiner Pal. Corsi hinter S. Gaetano, Via Teatina N. 95(1]. In der Folge 
wurden phantastische Figuren, Pane, Nymphen, Medaillons in dem 
noch schönen beginnenden Barockstyl , auch ganze grosse historische 
Compositionon einfarbig an den Fassaden angebracht, wo sie zu den 
derben Fenstereinfassungen, Nischen mit Büsten, Wappen u. dgl. 
recht glücklich wirken. Hans Via della Scala N. 6; mehrere Paläste b 
Ämmanati's, wie Pal. Kamirez, Borgo degli Albizzi N. 24; [Casa 
Romanelli, Lung Arno Guicciardini N. 7 ; auf Piazzetta S. Biagio beim 
Mercato nuovo; Via Maggio N. 26; ebendaselbst N. 15, sehr einfach; 
N. 3", schlecht erhalten aber gut u. s. w.] (Wozu noch der grosse 
Palast auf Piazza S. Stefano in Pisa zu rechnen). — Aber auch 
die Bemalung in Farben wurde nicht selten versucht, und hat Bich 
verhältnissmassig besser gehalten als man denken sollte. Wir nennen 
nur die Fresken (nach Salt iati), an Pal. Coppi, Via de' Benei N. 2fl, 
und den sehr auffallenden Pal. del Borgo auf dem Platz vor S. Crocc, 
dessen Malereien unter Leitmi^- mul Tlu'ilsialiuie des in seiner Art 
grossen Giov. da San Giovanni zu Stande kamen. Ihr Zweck war 
gleichsam, die mangelnde Raumschönhcit der nordisch fensterreichen 
Fassade zu ersetzen. (Die zwei kleinern, farbig bemalten Paläste in ü 
Pisa auf dem genannten Platz sind sehr verwittert.) 

Das Anmuthigste dieser Richtung ist vielleicht der Fries mit 
Geuienin dem hübschen kleinen Hof des ehem.Oamaldulenser-Klosters » 
degli An ge Ii (zugänglich durch dasSpital S. Marianunva) links von der 
Kirche, nach 1621. In der zweifarbigen Maleroi tönt hier eiu Echo der 
Kobbia nach, obwohl die Formen der Putten schon manierirt sind. 

Mit der völligen Ausbildung des Barockstylcs (seit etwa 1630) 
nahm diese Art von Decoration auch in Florenz ein Ende; man seheint 
sie als etwas Kleinliches oder Kindisches verachtet zu haben ; mit ihr 
zehrt die Architektur das letzte freie Zicrelement auf. An ihre .Stelle 
tritt, wo man der Decoration bedurfte, die Perspectiv enmalerei , in 
welcher sich einst schon Biddasmre Peruzzi auf seine Weise versucht 
hatte. Wir werden bei Anlass der spätem Epochen darauf zurück- 
kommen. 



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394 



ition. Fasiadonnialerai. 



Venedig besitzt in dieser Gattung nur noch Weniges und im 
Zustande fast totaler Zerstörung durch die Feuchtigkeit, aber von so 
grossen Heistern , dass man gerne auch die Trümmer aufsucht. So 
war derFondaco de' Tcdcschi am Bialto (jetzige Dogana), ein grosses 
einfaches Gebäude des Fra Giocondo vom Jahr löflG, vollständig be- 
malt von Tizian und seinen Schülern; hie und da ist noch ein 
schwacher Schimmer zu erblicken. [Nenerdings fast ganz übertüncht.] 
Etwas besser erhalten sind die Malereien an der Oberwand des Klostcr- 
hofos von S. Stefano, von Qior. Ant. Pordenone, theils alttestament- 
lifhe ü .'schichten, theils vorzüglich schön belebte nackte Figuren 
(meist Kinder) und Tugenden. Dieser Rest ist vielleicht die bedeu- 
tendste Ausscnmalerei der goldenen Zeit , welche überhaupt erhalten 
ist und wiegt alles Gleichartige in Genna weit auf. 



Endlich muss Verona vor allen Städten Italiens durch Menge 
und Werth bemalter Fassaden ausgezeichnet gewesen sein. Eine be- 
sondere ciimatische Ursache oder irgend ein innerer Fehler des Mör- 
tels liat leider bei weitem das Meiste davon zerstört und auch das 
Erhaltene ist nur dürftig erhalten, ungleich weniger als z. B. ähnliche 
Malereien in Florenz. An vielen Häusern ist nur etwa das Haupt- 
bild seines religiösen Inhaltes wegen geschont und (freilich auch durch 
Uobermalnng) gerettet worden, während man die unscheinbar ge- 
wordenen Malereien der ganzen übrigen FaBsadc der UebertUnchuug 
preis gab. Und doch wäre gerade das Ganze dieser Decoration un- 
entbehrlich; mehr als irgendwo in Italien ist das Architektonische 
darauf berechnet, ja der Renaissancebau tritt aus keinem andern 
Grunde in Verona so mässig und einfach auf, als weil ihm die Malerei 
zur wesentlichen Ergänzung diente. 

Schon zur Zeit des gothischen Styles war es in diesen Gegenden 
zur Gewohnheit geworden, die Wandflächen mit regelmässig, teppich- 
artig wiederholten buntfarbigen Ornamenten zu bedecken und diese 
mit reichern, bewegten Friesen und Bändern zu umziehen; das Mit- 
telalter konnte des Bunten viel vertragen, zumal da letzteres unter 
der Herrschaft eines gesetzmässigen Farbensinnes stand; [z. B. am 
Veseovado; an der Pieta vecchia, Rigasta Redentore bei Porta 8. 
Pictro K. 4112; Vicolo S. Cosimo, X. 1426.] Zur Zeit der Renaissance 
dauerte ein ähnlicher Schmuck fort; nur tritt jetzt das Figürliche 



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395 



erst iu sein volles Recht. Man begnügt sieh nicht mehr mit dem 
einzelnen Bilde einer Madonna zwischen zwei Heiligen, sondern die 
ganze Fassade wird zum Gerüst für ruhige und bewegte, heilige und 
profane, einfarbige und vielfarbige Darstellungen. 

Und zwar sind es grossentheils Arbeiten von sehr tüchtigen, 
seihst hie und da von grossen Künstlern. Schon im XIV. Jahrhun- 
dert schuf z. IS. ein Stefano da Zevio diu Fresken einer thronenden 
Madonna zwischen Heiligen und einer Geburt Christi an dem Hause a 
X. 53Ü3 Via di inezzo, vor Ponte Nävi ; noch ist genug davon erhalten, 
um die süsse Schönheit der Jungfrau, den Jubel der blumenbringen- 
den Engel zu erkennen. Im folgenden Jahrhundert hat Andrea Man- 
tegna selber diese Fassadenmalerei nicht verschmäht und seine besten 
veronesischen Nachfolger fanden daran eine ganz wesentliche Be- 
schäftigung; bis gegen Ende des XVI. Jahrhunderts folgen dann die 
veronesischen Schüler dor Venezianer. Es erhellt hieraus schon, wel- 
chen Werth diese bemalten 'Fassaden auch in technischem Betracht 
haben müssen; mehrere derselben enthalten von den besteolorirten 
Fresken der damaligen Zeit. 

Von. Mantei/nu selbst soll Casa Borella, dalia piazzetta Nie- b 
coli> alla Stella d'oro, N. 1310, bemalt sein; die grossem Wandflüchen, 
durch goldfarbige Pilaster mit Arabesken ahgetheilt, enthalten ge- 
sclik'hMidie Seeiieu, auf baulichem Hintergründe mit blauem Himmel; 
ein Fries ist mit Fruchtschnüren und Putten belebt, die Räume Uber 
den Fenstern mit Medaillons, welche Halbligureu enthalten und von 
Putten auf dunklem Grunde hegleitet sind, -r- Wie hier durchgängige 
Fiirbigkcit . so herrscht dagegen an Pal. Tcdeschi, Via S. Maria della c 
Scala, X. 902, das Bestreben, die Wirkung dem Relief zu nähern durch 
einfarbige Darstellung und zwar in gelb. Der Inhalt ist, wie es diese 
Schule ganz besonders liebte, classisch- historischer Art: die Allo- 
cution eines Kaisers. Nur die Arabesken über den Fenstern sind 
gelb auf blau. — N. S35, bei S. Eufemia, CorticeUa di S. Marco, wie- 
der mit Malereien Mantegtut's selbst, Schlachten und Puttenfriese, ii 

— Noch aus dem XV. Jahrhundert stammt auch die Bemalung des 
Häuschens N. 4Sl)OboiSanToinniaso, al pontc neuua niortamit farbigen 
Novelleuscenen, eiugefusst von farbigen Pilastern und grauen Friesen; 

— ebenso der Fries von K. 73, Via Ponte Pictra: auf violettem 
Grund steinfarbige Put ton in allen möglichen Verrichtungen des 
Pizzicarol-Gewerbes darstellend. — Aus der hesteu Zeit, etwa bald 



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2% RenaisEance-Decoration. Fassadcnmalurci. 



nach 150(1, sind die Malereien zweier kleinen Häuser auf riazza 
i dolle Erbe; eines mit Maria Krönung, zwischen festonhnltenden 
Putten ete.; — und ein anderes, wo das obere Bild eine biblische 
Scene, das untere eine Madonna zwischen Aposteln, der Zvräehenfries 
ein von Putten begleitetes Medaillon enthält, wahrscheinlich eine 
der schönsten Arbeiten des Caroto. — Wie sonderbar aber bisweilen 
in dieser goldenen Zeit Heiliges und Profane? gemischt wurden, zeigen 
die Malereien eines Hauses zwischen diesem Platz und der Aquila 
nera, Via Felieiai N. 815, von Aliprttndi und Andern: man sieht einen 
rafaelesken Slindcnfall, eine Madonna mit S. Antonius von Padua, 
weiter oben aber tanzende Bucklige , eine Bauernhochzeit und eine 
Wasserfahrt. — Ganz farbig,.wie an den drei letztgenannten Häusern 
sind auch die colossalen mythologischen Malereien des Cavatti an 
einem Eckhaus der Piazza (teile Erbe (Casa Mazzanti), worunter sich 
auch eine Darstellung rteB Laokoon befindet. — Es ist zu bemerken, 
dass an all diesen Fassaden kein Versuch vorkömmt , eine per spec- 
tiviseh gemalte Architektur mit scheinbar an Balustraden und Fen- 
stern sich bewegenden Figuren illusionsmässig zu beleben. Hans 
Holbein, der dieses Ziel mehr als einmal verfolgte, muss die Anregung 
dazu anderswoher empfangen haben. — [Etwas der Art: Via Leoni, 
i> N. 1915, bei Ponte Nävi.] Der Palazzo del consiglio, erbaut von Fra 
Giocondo da Verona, hat an den freien Mauerflächen nur gemalte 
Ornamente , diese aber durchgängig '). 

Gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts hin gewinnt die Gattung 
eine neue Ausdehnung und einen fast ausschliesslich mythologischen 
Inhalt; die einfarbige Darstellung, und zwar nach Stockwerken und 
Abtheilungen in den Tönen wechselnd (griin, roth, grau, violett, gold- 
braun etc.), beginnt entschieden vorzuhorrschen. Allerdings büssten 
die venezianisch geschulten Maler hiebe! einen ihrer besten Vortlieile 
ein , ohne dass ein Ersatz eingetreten wäre durch jene höhere elassi- 



Madonna von Carole; — s. 5SSI jenielu Ponte detle navl: Madonna mit Heiligen. 
Hauptwerk ron Frans. Moroni; — N. «riflS: der Gekreuiigte mit Gottvater iwlselien 
- dae Hau> neben N. HM unweit Ponte nDOTt: 
ica Gote ist iltm Verfasser entgangen. 
[V!« nuatrane, N. MBl: Madonna von Dominion dt ihrocini; Via del pnradiso. N. 
MOS: Opfer Abrahame ; Hof des l'al. Treia, Btr. Porta Veicoro SOSO: l'rlea ; Corti- 
celli vloolo del paradlso. bei 8. Nazarlo e Colso, \. i'Mi: hdbjeher Pultenfriea.] 



Verona. Srenia. 



sehe Auffassung, wie sie etwa in Polidoro's Niobidenfries lebt. Allein 
je nach der Begabung de» Einzelnen kam es doch zu sehr bemerkens- 
werthen Schöpfungen. 

Unter diesen ist vorzüglich die Bemalung au nennen, womit Do- 
menico Brusacorai den Pal. Murari della Corte völlig bedeckte. ,i 
(N. 4684, links jenseits Ponte nuova.) Die Strasscnsoitc enthält in 
farbigen, die Fluss- und Rückseite in einfarbigen Bildern und Friesen 
eine ganze Mythologie, die Geschichten der Psyche, die Centauren- 
und Lapithen kämpfe, die Hochzeit des Seegottes Bensens (Lago di 
Garda) mit einer Nymphe, Tritonenztlge etc.; von Historischem den 
Triumph des Paulus Aeniilius und die Gestalten berühmter Vermieter. 
— Ausflordem gehört zum Bessern: die Bemalung von N. 1S78, Via 
Stella d'oro Opfer und Waffenweihe, von l'orbido; — N. 5502, Via 
ponteNftvi: Allegorisches und eine Scene aus Dante, von Fariiwti ; 
[— Casa Murari bei SS. Xazario e Celso, überweisst;] -— N. 1579, Via 
leoucino grosse Fassade mit lauter Einfarbigem in der Art von Palazzo 
Murari ; — N. 4135, Via S. Chiarn, Casa Sacchctti mit einfarbigem % 
Fries von Battütta dal Maro. U. A. m. 

Mit dem Ende des XVI. Jahrhunderts stirbt die Gattung aus. 
Sie theilt das auffallende Schicksal der ganzen Kunst des veneziani- 
schen Gebietes, welche es nach ItiOO in keiner Weise mehr zu einer 
Xaehblüthe brachte, wie wir sie in Bologna, Florenz, Rom und Nea- 
pel anerkennen müssen; 



In BreBCia war diese Fassaden mal erei einst ebenfalls sehr im 
Schwünge; ein bedeutender Loealmalcr, Lattuwio Oambara, hat 
sogar die beiden Hänserreihen einer Strasse (eines Theiles der jetzigen 0 
Contradn dol Gambero) mit fortlaufenden farbigen Darstellungen my- 
thologischen Inhaltes versehen. (Manches von ihm ausserdem in Thor- 
hallen, Höfen etc.,z.B.N.318.) Neuerer Umbau hat das Meiste zerstör!. 

[In Bergamo: ContradaS. Pancrazio 291; Piazza del pozzobianeo d 
432.— In Mailand angebl.vonZutmderHofderCaeftPunti (Contradn • 
dei Bigli N. 1 1), reich mytliolog. Darstellungen; Corso di Venezia N. Iii. 

InVicenza: Pal. Schio am Corso, Spuren von frühen Malereien; r 
Ornamente an den Häusern Contrada Porti N. 847 u. 849 n. a. m. — 

lnUdinc,Conegliano,Treviso,Trient undfastallenStädten e 
des venezianischen Gebiets und der Lombardei ist Einzelnes erhalten.] 



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Die Hochrenaissance. 



Ungefähr mit dein XVI. Jahrhundert nimmt die moderne Bau- 
kunst einen neuen und höchsten Aufschwung. Die schwierigsten 
constnictiven Probleme hatte sie bereits bewältigen gelernt; das 
Handwerk war im höchsten Grude ausgebildet, alle Hülfskünste zur 
vielfältigsten Mitwirkung erzogen, monumentaler Sinn in Bauherrn 
und Baumeistern vollkommen entwickelt, und zwar gl eich massig für 
das Profane wie für das Kirchliche. 

Die Sichtung, welche die Kunst nun einsehlug und bis gegen die 
Witte des Jahrhunderts mehr oder weniger festhielt ,' ging durchaus 
auf das Einfachgrosse. Abgetlian ist die spielende Zierluat des bunten 
XV. Jahrhunderts, die so viel Detail geschaffen hatte, das zum Ein- 
druck des Ganzen in gar keiner Beziehung staud, sondern uur eine 
locale Schönheit beaass; man entdeckte, dasa dessen Wegbleiben den 
Eindruck der Macht erhöhe. (Was schon Brunellesco, San Gallo, 
Cronaca gewusst und sich stellenweise zu Nutze gemacht hatten.) 
Alle Gliederungen des Aeusscrn, Pilaster, Simse, Fenster, Giebel 
werden auf einen kein es weges trockenen und dürftigen, wohl aber 
einfachen Ausdruck zurückgeführt und die decorative Pracht dem 
Innern vorbehalten ; auch hier waltet sie nicht immer und wir werden 
gerade einige der ausgezeichnetsten Innenbauten so einfach finden 

Sodauu lässt sich ein gewisser Fortschritt in das Organische nicht 
verkeimen. Die Gliederungen {Pilaster, Simse, u. dgl.) hatten bisher 
wesentlich die Function des Einrahmens versehen; ja die Frührenais- 
sauce hatte ganze Flächen und Bautheile mit vierseitigen Rahmen- 
profilen umzogen (Dom von (Jomo etc.), in der Absicht, den Raum 
zu beleben. Jetzt erhalten jene Glieder von Neuem ihren eigentlichen, 
wenn, auch ebenfalls nur couventionellen Werth; man sucht sie deut- 
licher ^tüt/.e etc. mi charakterisiren und holt von Neuem Bei ehruug 
bei den Trümmern des Alterthums. Brunellesco hatte deren Formen 
iijLchge/Aiiclinet, jetzt erst liiiiass mau genau ihre Verhältnisse und lernte 
sie als Ganzes kennen. Sie als Ganzes zu reproducireu, lag nicht im 
Geist und nicht in den Aufgaben der Zeit, man baute keine römischen 
Tempel und Thermen, — aber dazu fühlte man sich mächtig genug, 
mit Hülfe der Alten einen eben ao imposanten Eindruck hervorzu- 
bringen wie sie. Die Muster waren dieselben, die schon das XV. 
Jahrhundert beschäftigt hatten: für freie Säuleulialien die Tempel 
Roms, für Wand- und Pfeilcrbcklcidungeti die Halbs üulensy steine 



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Die Verhältnis»«. 239 

der Theater, die Triumphbogen, die Pilaster des Pantheons, die 
Wölbungen der Thermen u. 8. w., wobei im Einklang mit der begin- 
nenden Kunatarchäologie die Epochen der Blüthe und dea Verfalls 
schon beträchtlich mehr unterschieden wurden als früher. Mau lati- 
nisirte noch einmal die Bnuformoii , wie damals viele Literatoren es 
mit der Sprache versuchten, um in dem antiken Gewände die Gedanken 
des Jahrhunderts auszusprechen. 

Der bedeutendste dieser Gedanken war hier im Grunde die neue 
Vertheilung der b;mlichenMassen; jetzt erat entwickelt sieh die(schon 
bei Brunclleaeo verfrüht ausgebildete) Kunst der Verbal tnisse im 
Grossen. Jener neuerwachte Sinn fiir die organische Bedeutung 
der echten antiken Formen muas sieh diesem Hauptgedanken ganz 
dienstbar unterordnen 1 ). 

Was sind nun diese Verhältnisse '( Sic sollen und künnen ur- 
sprünglich nur der Ausdruck für die Functionen und Bestimmungen 
des Gebäudes sein. Allein das erste Erwachen des hohem monumen- 
talen Baues giebt ihnen eine weitere Bedeutung und verlangt von 
ihnen nicht bloss das Vernünftige, sondern das Schüne und Wohl- 
thuende. In Zeiten eines organischen Styles, wie der griechische und 
der nordisch-gothische waren, erledigt sich nun die Sache von selbst; 
eine und dieselbe Triebkraft bringt Formen und Proportionen un- 
trennbar vereinigt hervor. Hier dagegen handelt es sicli um einen 
secundüren Styl, der seine Gedanken freiwillig in fremder Sprache 
ausdrückt. Wie nun die Formen frei gewählt sind, so sind cb auch 
die Verhältnisse; es genügt, wenn beide der Bestimmung des Baues 
einigermaassen (und sei ea auch nur flüchtig) entsprechen. Diesesgrosae 
Maass von Freiheit konnte ganz besonders gefährlich wirken in einer 
Zeit, die mit der grüssten Begier das Ausserordentliche, Ungemeine 
von den Architekten verlangte. 

Es gereicht den Bessern unter ihnen «um ewigen Kuhin , dass sie 
diese Stellung nicht miss brauchten, vielmehr in ihrcrKunat die höch- 
sten Gesetze zu Tage zu fördern' suchten. Dadurch, dass sie es ernst 
nahmen, erreichte denn auch ihre Cornposition nach Massen eine dau- 



') Auf den oralen Anschein Brächte nun glauben, ämn die Anwendung der nn- 
Säule tumlnun-uu n l.eiliminlen VurlililtnLssuii i.-enutliisrt habe. Allein IhatoSch- 
hch bchmiuelle uiun niese Ordnungen güui frei und gab ihnen diejenige Ausdehnung 
U Cniizen. diejenigen Intervalle zu einander, welche zweckdienlich schienen. 



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300 Hochrenaissance, GrOMräomigkeit. 

ernde, classische Bedeutung, die gerade bei der grossen Freiheit 
doppelt schwer zu erreichen war. Etwas an Bich nur Gonventionelles 
drückt hier einen Rhythmus, einen nnläugbaren künstle tischen Ge- 
halt aas. Die Theorie, weiche Stockwerke und Ordnungen messend 
und beurtb eilend den Gebäuden nachging, umfasste gerade dieses 
freie Element aus guten Gründen nicht; man wird bei Serlio, Vignola 
und Palladio keinen Aufschluss in zusammenhängenden Worten , nur 
beiläufige Andeutungen finden; dagegen eine Monge Recepte für 
Einzel Verhältnisse, zumal der Säulen. 

Die construetive Ehrlichkeit und Gründlichkeit, welche noch 
keinen pikanten Widerspruch zwischen den Formen und den bau- 
lichen Functionen erstrebte, war ebenfalls der Keinheit und Grösse 
dos Eindruckes förderlich. Bei diesem Anlass muss zugestanden 
werden, dass manche Bauherren an Material und Baufestigkeit zu er- 
sparen suchten, was sie an Raumgrösse aufwandten. Vielleicht 
haben die beiden folgenden Jahrhunderte im Ganzen solider gebaut 
als das XVI. das ihnen an künstlerischem Gehalt so weit überlegen 
bleibt. 

Erst mit dem XVI. Jahrhundert wird der Aufwand an Raum und 
Baumaterial ein ganz allgemeiner; es. beginnt jene allgemeine Gross - 
räumigkeit, auch der bürgerlichen Wohnungen, jener weite Hochbau 
der Hallen und Kirchen , welcher schon aus technischen Gründen den 
Wölbungen und Kuppeln den definitiven Sieg über die Säulenkirche 
verschafft und auch an profanen Gebäuden die Pfeilerhalle in der 
Regel an die Stelle der Säulenhalle setzt. (Das XVII. Jahrlnmdert 
verfolgt diese Neuerung noch weiter, bis in die lieb ertreibung). — 
Dicss hindert nicht, dass auch in kleinen Dimensionen, bei beschränk- 
tem Stoff und äusserst bescheidener Verzierung bisweilen Unver- 
erbliches geleistet wurde. Ein mitwirkender, doch nicht bestim- 
mender Umstand zu Gunsten des Pfeilerbaues war das Seltenwerdcn 
disponibler antiker Säulen, welches 2. B. schon früher in Rom den 
Finteiii (Seite lül) zur Anwendung des achteckigen Pfeilers veran- 
lasst zu haben scheint. Vollends so grosse antike Säulen, wie Bie zu 
dein jetzigen liamuaii^stab gepasst. haben würden, gab man nicht 
mehr her oder hob sie für einzelne Prachteffecte im Innern auf, für 
Verzierung von Pforten, Tabernakeln u. s. w. — Ausserhalb Roms 
blieb namentlich in Florenz der Saulenbau weit mehr in Ehren; wir 
werden Beben aus welchen Gründen. 



Bramante's spätere Werks. 



SOI 



Die Wall! der Formen im Grossen war jetzt noch froier als im 
XV. Jahrhundert. Wenn nur etwas Schönes und Bedeutendes zu 
Stande kam, das der Bestimmung im Ganzen entsprach, so fragte der 
Bauherr nach keiner Tradition; es war in dieser Beziehung ganz 
gleich, ob eine Kirche als Basilica, ais gewölbte Ellipse, als Achteck 
gestaltet wurde, oh ein Palast schlossartig oder als leichter durch- 
sichtiger Hallenbau zu Stande kam. Der moderne Geist, der damals 
nach joder Richtung hin neue Welten ontdecktc, fühlt sich zwar nicht 
im Gegensatz gegen die Vergangenheit, aber doch wesentlich frei 
von ihr. 



Die erste Stelle wird hier wohl dem grossen Bramtmte nicht 
Stroit ig gemacht werden können. Er hat noch den ganzen Styl des 
XV. Jahrhunderts in schönster Weise mit durchgemacht und in den 
letzten Jahrzelinden seines Lebens den Styl der neuen Zeit wesent- 
lich geschaffen. Au Höhe der Begabung und an weitgreifendem Ein- 
tiuss ist ihm bis aufziehet angelo keiner zu vergleichen. 

Seine frühere Thätigkeit gehört der Lombardei an (Seite 197). 
Es ist mir nicht möglich zu entscheiden, wie vieles von den ihm dort 
zugeschriebenen Bauton ihm wirklich gehört; in der Umgegend von 
Mailand wird sein Name, wie gesagt, ein Gattungsbegriff. — Fragen 
wir, was er aus dieser ob eritali sehen Tradition mitbrachte , so ist es 
(im Gegensatz gegen die Florentiner) die Vorliebe flir den geglie- 
derten Pfeiler, für kilhnwirkende halbrunde Abschlüsse und hohe 
Kuppeln, Elemente, welche die lombardische Früh ren ais sance aus 
ihrem Backsteinbau (S. 150,201) entwickelt hatte. Seine Grösse 
liegt nun darin, dass er in der spätem Zeit seines Lebens diess Alles 
seinem hohen Gefühl fdr Verhältnisse dienstbar machte. . 

Von den Gebäuden, welch cBr am ante kurz vor und unter Julius 11. 
überhaupt in seiner spatern Lebenszeit ausführte, sind die ausserhalb 
Korns gelegenen dem Verfasser nicht oder nur aus Abbildungen be- 
kannt : die Kirche von Loretto mit Ausnahme der Kuppel-, die Santa □ 
casa in dieser Kirche; der bischöfliche Palast daselbst; S. Maria del i> 
Monte in Cesena; endlich S. Maria della Consolazione in Todi. [Die c 
letztere, eine Wallfahrtskirche, frei auf halbk reis- förmiger Terrasse 
am Berghang gelegen, bildet eines der in sieh vollkommensten Ge- 



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Hochrenaissance. Rom. Branmnte. 



bäude Italiens; über vier (von innen «ml aussen mit zwei Pilastcr- 
stellnngen bekleideten) polygonalen Apsiden, welche die Arme eines 
L-iicclii^clien Kreuzes bilden , erhebt eich eine hohe Kuppel, deren Cy- 
liuder ebenfalls von innen «nd aussen mit Pflastern versehen ist. 
Das Ganze durchaus ein Hochbau , beträchtlich schmaler als hoch, 
selbst die Lanterna ungerechnet.] 

Unter den römischen Bauten gilt als die frühste, vom Jahr 1504, 
der Klosterhof bei S. M. della Paec (links von der Vorderseite 
der Kirche, durch eine Strasse davon getrennt) '). Dieser kleine ver- 
nncliliissi^te Hof ist an und für sich schon eine Revolution des ganzen 
bisherigen Hallenbaues. Unten Pfeiler mit Pilastern und Bogen ; oben 
Pilasterpfciler mit geradem Gebälk, das in der Mitte jedes Tntervalls 
durch eine Säule unterstützt wird ; — in dieser Porm motivirte Rra- 
mante dieNoth wendigkeit, das obere Stockwerk von seinem bisherigen 
Holzgesimse mit Consolcn (S. 174 a) zu befreien und ihm eine 
monumentale Bildung zu geben , die mit dem Erdgeschoss in reinster 
Harmonie steht. (Baupedanten tadeln jede Säule über der Mitte eines 
Bogens, allein hier ist durch das bedeutende Zwischengesimse mit 
Attica und durch die fjchmiiclitigkeit der Säule jedes Bedenken ge- 
hoben.) 

Es folgt Bramante's einzig ganz ausgeführtes und erhaltenes 
b Meisterwerk: die schon früher begonnene aber erst später vollendete 
Cancelleria mit Einschluss der Kirche S. Loronzo in Damaso. Die 
gewaltige Fassade, welche beide Gebäude mit einander umfassl, zoiirt 
eine ähnliche Verbindung von Rustica nnd Wand pilastern wie Alber- 
ti's Pal. Ruccellai in Florenz , aber ungleich grandioser und weniger 
spielend. Das Erdgeschoss, hoch und bedeutend, bleibt ohne Pilaster; 
sie beleben erst, je zwei zwischen den Fenstern, die beiden obern 
Stockwerke. Das stufenweise Leichter werden ist sowohl in der Gra- 
dation der Rustica und in der Form der Fenster als auch in jener 
obern Reihe kleiner Fenster des obersten Stockwerkes ausgedrückt; 
letztern zu Gefallen hätten die Baumeister der höchsten Blüthezeit 
noch kein besonderes Stockwerk creirt wie Spätere thaten. Gestalt 
nnd Profilirung der Fenster, der Gesimse, sowie alles Einzelnen*) 



* ') Gani in der Nähe nvci snte llauserfassaden derielbcn Zell. 
" ^ Vuii den Tbtlren iat eine alürcwl barocke des Palastes von Domrnico Fontana, 
die sehr schone der Kirche ™n Vignela, dem man sie kaum iutr»uon vilrdc. 



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Canoelleria. Pal. Giraud. 303 

sind an sich schön und in reinster Harmonie mit dem <:mv/.vn gebildet. 
Allerdings gewöhnt sich das Auge in Korn leicht an den starken und 
wirksamen Schattenschlag der Barockbauten nnd vermisst diesen an 
Bramante's massigen Profilen; allein mit welcher Aufopferung aller 
Hauptlinien pflegt er erkauft und verbunden zu sein. — An den Sci- 
tenfassaden Backstcinbau statt der Rustica. 

DerHof derCancelleria ist der letzte grossartige Säulcnlinf Rovn's. 
Bramante benutzte dazu wahrscheinlich die Säulen der alten (flinf- 
sebiffigen oder zweistöckigen) Basilica S. I.orenzo in Damaso, die er 
abbrach. Das Mittelalter hatte sie auch nur von irgend einem antiken 
Ucblmde genommen, und wir dürfen vermuthen, dass sie ihre jetzigf, 
dritte Bestimmung harmonischer erfüllen als die zweite. Es sind 36 
imErdgeschoss, 2(i im mittlem Stockwerk, mit leichten, weiten Bogen ; 
das Obergeseboss wiederholt das Motiv desjenigen der Fassade, nur 
mit je einein Pilaster zwischen den Fenstern, statt zweier. Der wun- 
derbare Eindruck des Hofes macht jedes weitere Wort überflüssig. 

Die Kirche S. Lorenzo, wie sie Bramante neu baiite, ist trotz * 
moderner Vermörtelung noch eines der schönsten und eigen thfimlieh- 
sten Interieurs-, ein grosses gewölbtes Viereck, mit Hallen trefflich 
detaillirter Pfeiler aufdrei Seiten; hinten die Tribtma : mit fast aus- 
schliesslichem Oberlicht durch das mächtige Halbrundfenster HnkB; 
reich an malerisch beleuchteten Durchblicken verschiedener Art, 
durch Schönheit des Raumes und der Lichtwirknng bezaubernd. 



dem schönen Palast auf Piazza Scossacavalli zu wiederholen. (Später 
Pal. Riraud, jetzt Torlonia benannt). Das Wichtigste aber sind die 
Unterschiede zwischen beiden; es wird nicht hlos ein Stück aus dem 
langen HorizontHlban der Cancelleria wiederholt, sondern die ge- 
ringere Ausdehnung zu einer ganz neuen Wirkung benfitzt; das 
Erdgeschoes höher nnd strenger, die obern Geschosse niedriger, die 
Fenster des mittlem grösser gebildet. Das Portal auch hier neuer 
nnd schlecht'); der Hof ein überaus einfacher Pfeilerban mit Bogen 
und Pilaetern. 

') Dl« Portale der Renaissance haben, vorzüglich seit dos Fahren allgemeine Sitte 
»urdt, den breitem barocken rtolcn weichen müssen. In Neapel (S. lH4li) waren cm 
»on jeher brsite und hohe Einfahrten. 



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304 Hochrenaissance. Bramante. Vati a an. 



Auf die einfachsten Elemente reducirt findet man Bramante's 
l'alasthauart in dem tierlichen kleinen Hause eines päpstlichen Schrei- 
bers Turinus ; (der sogenannte Palazetto di Bramante, Via Apostolica 
12-1). Wenn wir hier auf Bramante wenigstens ratheu dürfen, so ist 
dagegen der ihm wirklich zugeschriebene Pal. Sora {jetzt Caeerne, 
unweit L'hiesa nuova) das Werk eines Stümpers jener Zeit. 

Ferner war Bramante der glückliche Meister, welcher dem vati - 
eanischen Palast seine Gestalt geben sollte. Seit Nicolaus V. 
hatten die grössten Architekten (S. 1T0) Pläne gemacht; durch Un- 
ln'.-tiimligkeit, anderweitige Beschäftigung und baldigen Tod der 
Päpste hatte es jedoch hei einzelnen Stttckbauten sein Bewenden ge- 
habt, hauptsächlich in der Nähe von S. Peter (Appartamento Borgia, 
Cap. Sistina, (Jap. Nicolaus' V. etc.); Innocenz VIII. legte in beträcht- 
licher Entfernung davon das Lusthaus Belvedcre an (nach der Zeich- 
nung des Antonio Pollttjaolo). Die Verbindung des letztern mit 
den übrigen Theilcn und eine gänzliche Umbauung derselben mit 
neuen Gebiiudeu war nun Bramante's Aufgabe. Allein, nur in dem 
vordem dreiseitigen Hailenhof, demCortile di SanDamaao, ist seine An- 
lage einigermaasson vollständig ausgeführt (zum Xheil durch ltufad) 
zum Theil lange nach seinem Tode) und erhalten. Die Aufeinander- 
folge der Motive von den starken untern Pfeilern, zu den leichtern 
der beiden mittlem Stockwerke und zu den Säulen des obersten ist 
sehr schön behandelt, Uberdiess linden sich hier Eafaels Loggien und 
eine Aussicht über Rom, die nicht zu den vollständigen aber zu den 
schönsten gehört. Doch dieser Hof sollte bei Weitem nicht das 
Hauptmotiv des Gesammtbaues bilden. 

Dieses war vielmehr denjenigen Bauten vorbehalten, welche den 
grossen hintern Hof und den Giardino della Pigna umgeben. Man 
denke sich die Querbauten der vaticaniseben Bibliothek und des 
Braccio nuova hinweg und an deren Stelle ungeheure doppelte Iiaui- 
pentreppen die aus dem tiefer gelegenen untern Hof in den genannten 
Giardino hinaufführen; man setze an die Stelle der Seitengalerien, 
welche nur in bastardmässiger Umgestaltung und Vennauerung vor- 
handen sind, diejenige grandiose Form ununterbrochener Bogenhallen 
und Mauerflächen, welche Bramante ihnen zudachte, so entsteht ein 
Ganzes, das seines Gleichen auf Erden nicht hat. Man kann den 
Backsteinbau mit mässigem Sims- und Pilasterwork, den Bramante 
theils anwandte theils anwenden wollte , leicht au Pracht und Einzel- 



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Vatietui. S. Pietro in Montorio. 



Wirkung überbieten ; für das grosse Ganze war er fast vollendet schön 
gedacht. Er ist ferner abgeschlossen durch eine Hauptforiii, vor deren 
imposanter Gegenwart jeder Mittelbau neuerer Paläste gering und 
unfrei erscheinen würde, so gross und reich er auch wäre 1 ). Wir mei- 
nen jene eolossale Nisehe mit Halbkuppe], Uber welcher sieb ein halb- 
runder Säulengang mit tcmpelartigeu Selilussfronteu hinzieht. Sie ist 
wohl factisch nur eine SchlüKSilecoi'jitkm, allein sie küiinte der feier- 
lichste Eingang zu einem neuen Bau sein. (Die Aussennischen des 
1 alten Horns, S. 56 Anm.) Am untern Ende des Hofes entspricht ihr 
gewissermaassen eine nur unvollständig ausgeführte Exedra. 

Endlich ist die schiine flache Wendeltreppe am lielvedere-) nach ;> 
Bramante's Plan ausgeführt; in der Mitte auf einem Kreise von immer 
iK'lit Säulen' ruhend , die von den schwerern zu den leichtern Ordnun- 
gen übergehen. 11 

Von dem grossen Tribunal- und Verwaltungsgebäude, welches b 
Julius II. durch Bramanto wollte ausführen lassen, sind mich Anfänge 
von Hauern des Erdgeschosses an mchrern Häusern der Via Giulia 
sichtbar. Nach der sehr derben Rustiea, der gewaltigen Steinblocke 
zu urtheilen, hätte der Palast einen wesentlich andern Charakter als 
alle bisher genannten erhärten. 

Was Uramanto für einen Antheil an dem jetzigen Bau von S. 
Peter hatte, wird bei Anlass Michelangelo'«/ zu erörtern sein. — Sur 
ein Kuppelbau ist in Rom nach seinem Plän ausgeführt: das runde 
Tempelehen, welches im Klosterhof von 'S. Pietro in Montorio 
die Stelle der Kreuzigung Petri bezeichnet; ein schlanker Rundbau, 
unten mit dorischem Umgang und zwölf kleinem Nischen innen mit 
vier grüssern und mit dorischen Pflastern; das ObergeschoB3 innen 
nnd aussen einfach, die Kuppel als Halbkugel; zu mit erst eine Crypta. 
Allein die Absicht Bramante's wird erst vollständig klar, wenn man 
weiss, dass rings um dieses schöne Gebäude nur ein schmaler freier 
Raum und dann ein runder Porticus von viel grössern Säulen beab-' 
sichtigt wat ; die vier abgeschnittenen Ecken hätten dann vier Capel- 



') Ehus Centmlfonn von annlogor Empfindung Iii M, was i. B. dem Tullerienlmf 
fehl! und iminar fehlen wird. Kein Schmuck kann Cnmpoiltlon und Linien Im Otogen 

a ) Der eine Elnunnn, den man alch an den T^i-.i .lt.- nkhiüilVm Hullen Ilcsuelwj 
kann Uffncn lassen, (el In der Kita des Meleager. 

B*rc**«nU, Cle/rost. 20 



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306 



Hoch rean.is3a.iice. Brummte'« H acbfolgw. 



leu gebildet. Der Meister wollte also sein Tempietto aus einer be- 
stimmten Niilie, in einer bestimmten Verschiebung', eingefasst (für 
das Auge) durch Säulen und Gebiilk seines Port icus betrachtet wissen. 
Es wäre somit das erste Denkmal eines ganz durchgeführten perspec- 
tiv jselien Raffinements. — Auch das Nischenwerk ist .hier von ganz 
besonderer Bedeutung. Die runde Forin (vgl. S. 301) sollte sich an 
diesem so kleinen Bau in den verschiedensten Graden und Absichten 
wiederholen und spiegeln, als Hauptrunde des Kernbaucs, des Um- 
ganges, des grossem Porticus, als Kuppel, dann als Nische des Innern, 
des Aeussern , der Porticus wand und selbst der Porticuscapeilen — 
Alles streng zu einem Ganzen geschlossen. Das Nischenwerk der 
bisherigen Renaissance erscheint gegen diese systematische Aufnahme 
und Erweiterung altrbmischen Thermen- und Palastbaues gehalten 
wie ein blosser befangener Versuch. Im Detail, — die Rosetten in 
den Gassetten des Umgangs ausgenommen, — ohne ein Laub von Ve- 
getation. . . 



Ohne dass sich eine eigentliche Schule an Bramante angeschlossen 
hätte (womit es sich in der Baukunst überhaupt anders verhält als in 
Sculptur und Malerei), leruten doch die Meister des XVI. Jahrhunderte 
alle von ihm. Ganz besonders hatte er in dem Grundriss von S. Peter, 
den mau (was Kuppelraum und Kreuzarme betrifft) vielfach änderte 
aber nie völlig umstiess, ein Programm grandiosen Pfeilerbaues mit 
Nischen aufgestellt, wonach alle Künftigen sich zu achten hatten. Die 
toscanische Schule, mit all ihren bisherigen Kuppeln und Gewölbe- 
kirchen, war hier durch ein neues System der Massenbelebung, ein 
neues Verhältniss von Nischen und Eckpilastern überflügelt; sie hatte 
sich noch immer stellenweise auf den Säulenbau verlassen; Bramante 
gab ihn im Wesentlichen auf. 

Seine Pfeiler mit Pflastern, wenigstens an Aussenbauten, sind 
vielleicht die einfachsten, welche die Renaissance gebildet, ohne Can- 
nelüren, mit nur sehr gedämpftem Blattwerk etc. der Capitäle; und 
wenn die Schönheit in der vollkommenen Harmonie des Einzelnen 
zum Ganzen besteht, so sind sie auch die schönsten. 

Allein schon die nächsten Nachfolger begnügten sich damit nicht 
gerne. Sie behielten aus der frühern Renaissance die Wandsäulen, 
wenigstens zur Fensterbekleiduug bei, auch wohl zur Wandle- 



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Safael. 



307 



klcidung. Dem gemäss traten dann auch die betreffenden Gesimse 
weit und starksehattig hervor. Man vergass zu leicht das, wovon der 
grosse Meister allein ein völlig klares Bcwusstsein scheint gehabt zu 
haben: dass nfimlieh einem abgeleiteten, mittelbaren Styl wie diesem, 
sobald die Zeit der naiven Deeoration vorüber ist, nur die gemessenste 
Strenge und Oeeonomie auf die Dauer zu helfen im Stande ist, dass er 
dadurch allein den mangelnden Organismus würdig ersetzen kann. 



Gleich derjenige, welcher Bramante am nächsten stand , Rafael, 
ging in seinen Palästen über dieses Maass hinaus. Sein Schönheitssinn 
sicherte ihn allerdings vor Klippen und Untiefen. 

Von den wenigen nach seinem Entwurf ausgeführten und wirk- 
lich noch vorhandenen Gebäuden ist Pal. Vidoni in Eom (auch „ 
Coltrolini, Stoppani und Caffarelli genannt, bei S. Andrea Hella Valle) 
arg verbaut, sodass das Rustica-Erdgesehoss, auf dessen starken Con- 
trast mit den gekuppelten Säulen des obern Stockwerkes Alles an- 
kam, fast nirgends mehr die ursprünglichen Ocffnnngcn zeigt; auch 
die obern Thcilc sind modermsirt. — Resser erhalten , aber zweifei- b 
liaft ist Pal. Uguceioni (jetzt Fenzi) auf Piazza della Signoria in Flo- 
renz. Auch hier unten derbste Eustica und dann ein ionisches 
und ein korinthisches Obergcschoss mit gekuppelten Wandsäulen. 
(Von Andern dem PaUadio zugeschrieben; die Ausführung wahr- 
scheinlich erst lange nach Rnfael's Tode). — Ganz sicher ist der herr- 
liche Pal. Pandolflüi, jetzt Nencini, ebenda (Via S. Gallo), von c 
Rafael entworfen , aber erst etwa ein Jahrzelmd nach seinem Tode 
ausgeführt und wohl nicht ohne Veränderungen, etwa an der Garten- 
seite. Es sind die Formen eines nur bescheidenen Gebäudes in 
grossen Dimensionen . und mächtigem Detail ausgedrückt; Rustica- 
Eckcn; die Fenster oben mit Säulen, unten mit Pilastern eingefaßt 
und mit Giebeln bedeckt; über einem Fries 'mit grosser Inschrift ein 
prächtiges Hauptgesimse; nach einem bedeutenden Rusticaportal 
neben dem Gebäude wiederholt sich das untere Stockwerk als Altan, 
eines der reizendsten Beispiele aufgehobener Symmetrie. — Von 
Anbauten an römischen Kirchen ist die köstliche Capelle Chi gi in a 
S. Maria del Popoio von Rafael angegeben, während die ihm ebenfalls e 
zugeschriebene ganz einfache Vorhalle der Navicella wahrschein- 
lich schon um 1 äftti erbaut wurde. 

20* 



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308 Hochrenaissance. Ginlio Romano. 

Diese ausgeführten Bauten werde» von den, früher (S. Iii) . ge- 
nannten Architekturen in seinen Gemälden natürlich weit Ubertroffen. 

Von den Werken eines andern Urbinaten, der verrauthlich y.o 
ßramante in einiger Beziehung stand, Girolamo Genga (1476—1551) 
können wir nur die Namen (nach Milizin) angeben, für Die, welche 
die Rouiagna besuchen : ein Pnlant auf Monte dell' Imperiale bei Pe- 
saro, jetzt dem Verfall überlassen; die Kirche S. Giovanni Battista 
in dieser Stadt; das Zoccolantenkloster in Monte Barroecio; der 
bischöfliche Palast in Sinigaglia. (Die von Vasari ihm zugeschriebene 
Fassade des Domes von Mantna wird eher von Giitlio Romano sein.] 
Von Girolamo's Solin Burfuhntmeo war einst ein Palast des Herzogs 
von Urbino zu Pesaro, die Kirche S. I'ietro zu Mondavio vorhanden, 
auch eine Anzahl Gebäude auf Malta. Was von all diesen Bauten 
noch.existirt, können wir nicht angeben. 



Ii> der zweiten Generation ist Itramante's Vaterschaft noch sehr 
kenntlich bei dem berühmten Ginlio Romano (I 1!)2 — 1546), der als 
Baumeister eher an jenen ab an Jtafae! anknüpft. (Wobei zu beden- 
ken bleibt, dass wir Kafaol von dieser Seite nur wenig kennen.) 

Giulio's frühere Bauthätigkeit gehört Rom, die spätere Mantna 
au. Das wichtigste und älteste Werk der römischen Periode ist die 
Villa Madama [nach einem Entwurf llafaeh, von welchem, ein Brief 
des Grafen Baldassare Castiglione gerichtet] am Abhang dos j Monte 
Muiio (für Clemens VII , damals noch Cardinal Giulio de' Medici er- 
baut, aber nie vollendet und jetzt allmälig zur Ruine verfallend, 
nachdem schon längst der Garten aufgegeben worden). Das gerade 
üegentlioil von dem was der Durchschnittsgcschmack unserer Zeil 
ein freundliches Landhaus zu nennen pflegt. Kaum je zum Wohnen, 
eher nur zum Absteigequartier bestimmt; möglichst Weniges in 
möglichst grossen Formen, von einer einfachen Majestät, wie sie dem 
vornehmsten der Cardinäle und schon halb designirten Nachfolger 
auf dem päpstlichen Stuhl gemäss zu sein seinen. Sur Eine Ordnung 
von Pilastern; ja in der Mitte, wo die dreibogige Halle mit den oben 
(S. 284 b) erwähnten Arabesken sieh öffnet, nur ein Stockwerk , über 
hoher, malerisch ungleich vortretender Terrasse ; das Wasserbecken 
unten dran ehemals durch Ströme aus den Nischen belebt. Auf der 
Rückseite eine unvollendete Exedra mit Wandsäulen und Fenstern, 



I 

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Born und «antun. 309 

ein Kreissegment bildend, wahrscheinlich bestimmt, einen Attati zu 
tragen '). 

Das kleinere Casino der Villa Liinte auf dem Janiculiis ist gegen 1 - s 
wärtig unzugänglich und auch durch Abbildungen nicht bekannt. — 
Der Pal. Cicciaporci an der Via de' Bauch!, nur halb vollendet und b 
vernachlässigt, ist ein schöner und eigenthiiinliciicr Versuch Giulio's, 
ohne Wandsäulen und stark vortretende Glieder, mit -bescheidenem 
Baumaterial einen neuen und bedeutenden Kindruck hervorzubringen. 
- Die Beste' dea'PaL Maccarani auf Piazza S. Eustachio geben in l 
ihrem jetzigen Zustand nur den dürftigsten Begriff von der Absieht 
des Künstlers. — Weichen Anfheil er an der Kirche Madonna dell' d 
Orto im Trastcvere gehabt haben mag, ist aus der heutigen Gestalt 
derselben schwer zu entnehmen. 

Die spatere Lebenszeit Giulio's verstrich bekanntlich in Jlant na. 
Es ist dem Verfasser nicht vergönnt gewesen, die schönen , aber ziein- 
'idt frühen JiigendeimhiieUe, die ihm diese Siai.lt hinterlassen, er- 
neuern; er muss sicli damit begnügen, Giulio's Hauptwerke zu nennen. 
Der Palazzo del Tc (abgekürzt ans Tajetto), ein grosses fürstliches « 
Lnsthaus, ist die bedeutendste unter den erhaltenen Aulagen dieser 
Art aus der goldenen Zeit, aussen fast zu ernst mit Einer dorischen 
Ordnung, innen mit Hof, Garten und Zubauten das vollständigste Bei- 
spiel großartiger l'rofaudecoration. (Vgl.S.iSGa.) [Architektonisch, 
am bedeutendsten die offene Loggia nach dem Garten auf gekuppel- 
ten Säulen.] Am alten Palazzo dueale ist ein Tjicil von Giulio ; unter f 
seinen übrigen Palästen wird besonders sein eigenes stattliches Haus 
gerühmt. [Niedrig, von derben Formen, mit Flach- Etustica Erdge- 
schoss und schönem Guirlanden-Fries, gegenüber der nach seiner Zeich- 
nung von einem Nachfolger, Giamlinttialn Hertttiui ausgeführte, schon 
sehr barocke Palast (.'olloredo.] Von den mantnauisclien Kirchen gc- s 
hört ihm das jct/.ige Innere des Domes [fünfsehiffig weiträumig, mit h 
flacher Decke und Kuppel] und die 10 Miglien südlich von der Stadt t 
gelegene Kirche S. Benedctto, eine ho ebbe de Utende Anlage; [drei- k- 
schiffig, Mittel- und Seitenschiffe gewölbt, achteckige Kuppel;. in den 
Arkaden des Mittelschiffs, das von einem Rundbogen unterbrochene 
Gebälk auf zwei Säulen, welches dann für Palladio charakteristisch 



'> In einer allen, doch veid Kehligen nestnuriiUiin igt die Exeilra zur runden Holle 
erweitert, »eiche ersl den Mittelbau des verum tlilielien Gunieii lillilet '(??). 



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31p Hochrenaissance. Parum. 

wird. Das plastische Detail unrein; günstige Beleuchtung.] Von 
dem genannten Bertano ist 1565 die Kirche S. Barbara erbaut, mit 
einem schönem Thurm jop vier Ordnungen. 



Auch der grosse lialdassare Peruzzi fl481 — 1536) gehört 
zu denjenigen, auf welche Brainante einen starken Eindruck gemacht 
hatte. Seine Thätigkcit tlieilt sich hauptsächlich zwischen Siena und 
Horn, und zwar mit mehrmals wechselndem Aufenthalt. In Siena wer- 
den ihm eine ganze Anzahl meist kleiner Gebäude, auch einzelne Theile 
solcher zugeschriebeu; bedrängt und sehr bescheiden wie er war, ent- 
zog er sich auch untergeordneten Auftrügen nicht, (Seine decora- 
tiven Arbeiten S. 236, 261.) Laut Romagnoli wären von ihm die Pa- 
läste Pollini und Mocenni nebst dem Innern von Villa Saracini, der 
Arco alle due pnrte; das Kloster der Osscrvanza ausserhalb der 
ßUdt [s. oben 183 a], die Kirchen S. Sebastiano und delCarminc, die 
Fassade von S. Marta, das Meiste an S. Giuseppe, der jetzige Inneu- 
bau der Servi (oder Ooncezione) und der kleine ITof hinten über S. 
Caterina. So vieles mir von diesen Bauten bekannt ist, sind es lauter 
Anleihen, bei welchen mit sehr sparsamen Mitteln, hauptsächlich 
durch massiges Vortreten back steinern er Pfeiler und Gesimse in 
schiinen Verhältnissen, das Mögliche geleistet ist, mehrmals mit genia- 
ler Benützung des steil abfallenden Kidreichs. Für das flüchtige 
Auge ist hier kein auffallender Reiz geboten ; man muss die äusserst e 
Beschränkung des Aufwandes mit erwägen, um das Verdienst des 
Baumeisters zu würdigen. Vielleicht wird das in seiner Armuth so 
reizend schöne Höfchen bei S. Oaterina, in welchem der Geist Brn- 
mante's lebt, am ehesten den Beschauer für diese unscheinbaren 
Denkmäler gewinnen'). (In der Ooncezione dürfen die spitzbogigen 
Gewölbe der Seitenschiffe der Basilica nicht befremden ; Peruzzi hatte 
das f-otliische studirt und sogar für S. Petronio in Bologna eine Fas- 
sade dieses Stylos entworfen. S. 146 a.) 

[Nach Peruzzi's Zeichnungen begann Crexcenzio de' Tvramini 
<len unvollendeten Palast, Loggia und Capelle der Villa Belcaro (jetzt 



') In der Villa Sann Colouilja. die dein Collegio Tclunei gehört, soll sich eine 
vonllslidi schöne WeiLdtlLrejine von Peniiil erhallen liabsn. 



rarnetina. Palazxo Maasimi etc. 311 

Camaiori) vor Porta Fontebranda. Eine Hnndz eich nun g in den Uffi- 
zien, Plan, läset die grossartige projectirte Anlage erkennen.] 

In Rom hatte er bedeutenden Antheil am Bau von S. Peter (s. 
unten bei Michelangelo). Sodann gehört ihm die berühmte Farne- * 
sina.dieer int Auftrag des sienesisehen Bankiers Agostiuo Chigi 
erbaute. F,s ist unmöglich, eine gegebene Zahl von Sälen, Hallen und 
Gemächern aumuthiger in zwei Stockwerken zu disponiren ah hier 
geschehen ist.') Neben der vornehm grandiosen Villa Madama er- 
scheint diese Famesina als das harmlos schönste Sommerhaus eines 
reichen Kunstfreundes. Durch die besonnenste Mässigung der archi- 
tektonischen Formen behält der mittlere Hallenbau mit den vortre- 
tenden Seitenflügeln eine Harmonie, die ihm eine Zuthat von äussern 
Portiken mit Giebeln u. dgl. nur rauben könnte. Die einfachsten Pi- 
liister lassen das obere und das untere Stockwerk gleichsam nur er- 
klärend ein; das einzige plastische Schmuckstück, das denn auch wirkt 
wie es soll, ist der obere Fries. (Ueber die Bemulung s. S. 291, a .) 
Die kleinen Mittelstock werke (Mezzaninen) sind (wie in der guten, 
Zeit überhaupt, zumal an einem kleinen Gebäude) verhehlt; die 
Fenster des uutern sind ganz ungescheut zwischen den Pilastereapi- 
täleu,.die des obern im Fries angebracht. Die malerische Ausstattung, 
deren Ruhm das Bauwerk als solches in den Schatten stellt, wird 
nnten zur Sprache kommen. 

Der Raum war hier frei, Licht und Zugang von allen Seiten gi- 
geben. Alier Peruzzi wuaate, ohne Zweifel von seinen sienesischen 
Erfahrungen her, auch im Engen und Beschränkten gross und be- 
deutend zu wirken; Bedingungen solcher Art steigerten seineKräfte, 
ähnlich wie ungünstige Wandflächen für Fresken diejenigen Rafael's. 
EincB der ersten Denkmäler Italiens bleibt in dieser Hinsicht der Pal. t. 
Miissimi all« eolonne zu Rom, an einer engen, krummen Strasse, 
die denn allerdings die strengern Fassndenvcrliältnisse unanwendbar 
machte. Peruzzi eoucentrirte gleichsam die Krümmung, machte sie 
zum charakteristischen Motiv in Gestalt einer schönen und originel- 
len kleinen Vorhalle, die schon in den wachsenden und abnehmenden 
Intervallen ihrer Säulen und in ihreuv Abschluss durch zwei Nischen 
diese ihre aussergewöhuliche Bestimmung ausspricht. Von ihr aus 



') .Hon miirato ms veramentc nnto' engt Vmarl von d™ rciienden Gebäude. 



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312 Höchte nai£snnce. Ferniii.. 

führt ein Corridor in den Hof mit Siiulen und geraden Gcbälken, der 
mit seinem kleinen Brunnen und dem Blick auf die Treppe ein wieder- 
um einzig schönes und malerisches Ganzes ausmacht. Die Decora- 
tion, durchgängig strenger classicis tisch als die oben, angeführten 
Sachen in Sienn,'vcrräth die späteste Lebenszeit des Meisters. (Aus- 
geführt von U<U„e.) . . ( 'i ■■ ■■„■,• 

Ebenso der kleine Palast „delja Linotta", in dem Gässchen Via 
dell' Aquila, welches von der Via de' Baullari nach der, Cancelleria. 
führt; nach den Lilien, zu urtlieilen, mochte er flir die JTfu - -. 
nesen gebant Hein. Die Urheberschaft Peimzi's wird bezweifelt ; 
jedenfalls würde ihm dieses trotz Verniauerung der Loggien .und Ver- 
unzierung aller Art noch immer schone Gebäude keine Unehre machen. 
Als enger Hochbau mit vielen Fenstern nähert es sich etwas den 
genuesischen Palästen. ... .. M _, , r i; „ -. 

Der Hof von Pal. Altemps, Via diSt.Äpollinare, vorn und hinten ( 
mit rcichatucchirten Pfeilcrhallen, auf der Seite mit Pilnstcrn, wjrd^ 
ebenfalls dem Peruzzi zugeschrieben. — Bei diesem Anlauts ist am 
besten aufmerksam zu machen auf einen schönen Palast, dessen Namen 
und Erbauer ich nicht habo erfragen können, Via delle coppclle 
N. 35 '). Der bescheidejie und elegiuitel'ilasterhof steht etwa zwischen 
Giulio Romano und Peruzzi in der Mitte. • n.i--. ;-i 

Wenn in Bologna die grossartige Fassade des Palazzo Albergati 
(Strada di Saragozza) von Peruzzi ist, so muss ihm irgend einer der; 
bologne Bisrhen Decoratoren das Krdgcsehoss verdorben haben. Die' . 
Fenster, auf einfach derbe viereckige Einfassung berechnet, bilden.,,' - 
mit ihrem jetzigen niedlichen Rahmen van Caiineliiren, Omsolen etc. 
keinen echten Gegensatz mehr zu den gewaltigen Fenstern des Ober- - 
geschosses. Auch die Thiiren und der Sims Uber dem Sockel sind ' 
Peruzzi's unwürdig. — . Die Fassade des Pal. Fioresi, mit ihren dünnen 
Säulchen unten vor den Pfeilern, oben vor der Wand, ist bestimmt 
nicht von ihm entworfen, sondern eine rechte Frührenaisaaiiceform. 
(Das Innere, viel später, übrigens gut disponirt, besonders die' Treppe.) 



') Möglicher Welle vom JUngeru San Gallo, der laut VasHrl unweit s. Agoitlno 
einen Palast für Messet Murcliionne Hnldnsslni gebaut liat. Petln del Viuja malle 
darin einen SrbI. 



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Oer jüngere San Gallo. 



313 



Hiehcr ist auch am ehesten Pill. Spada in Rom einzureihen. Die- 
ses «igen fb Ii uili che Gebäude muss uns ein verlorenes ähnlicher Art 
ersetzen, nämlich (bin Haus, welches itafael nach seinem oder Bra- 
mante's Entwurf für sich selbst im Borgo unweit S. Peter erbaute. 
Pal. Sparta erscheint, nach Allem zu urtheilen, wie eine Copie davon. 
Es ist ein geistvoller Versuch, ein architektonisches Gefühl durch rtie 
Ünilptur, durch Statuen in Nischen, und freibewegten vegetabilischen 
Schmuck, nämlich 'Frucht schnüre von Genien getragen etc. auszu- 
drücken. (Wenn ich nicht irre, so kam rtie Idee von ähnlich bemal- 
ten Fassaden, S. 2'JO, h her und ist als Dcbcrtragung dieser zu be- 
trachten.) Am Pal. Spada ist das Erdgeschtiss als ruhige Basis behan- 
delt, aussen Rustica, innen eine schöne dorische Pfeilerlmlle; erst die 
oberen .Stockwerke entwickeln aussen und innen jene plastische 
Pracht (s. oben.) 1 ) 

(In der. Nahe, gegen Ponte Sisto zu , zwei gute einfache Renais- 
sancen» uscr.) 



Neben Bramaute, Giulio und Peruzzi erseheint der jüngere 
Antonit} < {u San (f ,5,,G ) a,s ciu sehr ungleiches und vielleicht 
innerlich nie ganz selbständiges Talent. Dagegen wurde ihm Gunst 
und hohe Stellung im reichen Mausse zuTheil. Seine Arbeiten zeugen 
immer von der güldenen Zeit, weil sie wenig Falsches und Uebeilaile- 
nes haben; allein sie sind meist etwas nüchtern. — Die achteckige 
Kirche S. Maria di Loreto (auf Piazza Trajana) ist innen durch neuere 
Siiicchinmg. aussen durch die abgeschmackte I.anterna drsGiontuni 
del Duca entstellt, war aber von jeher keine der ertlern Renaissance - 
kirchen. — Das Innere von S. Spirito einfach und tüchtig- die nahe 
gelegene Porta schon sehr empfindungslos. — Das Innere von S. Ma- 
ria di Moiiserrafo ist nach allen fauch ganz, neuerlichen'! Restauratio- 
nen kaum mehr sein Eigentliuin ■ der ehemals schone kleine Rof 

fen sah; war es vielleicht nie. — Dagegen ist Pal. Sacchetti (Via 
Gi'uUaj unstreitig von ihm und sogar zu seiner eigenen Wohnung 'er- 
baut, überdies wohl erhalten ; von allen Gebäuden jener Zeit vielleicht 

') Cm» CrlvelU, Via S. Lucia, Jit nur ein sehr gttln|M Sptcinn'n llutr Galluse. 
- S. unten, S. 315a, die Villa PI». 



Hochrenaissance. San Gallo. 



dasjenige, (Ins bei grossen Dimensionen und einem gewissen Luxus 
a am wenigsten Eigentümliches hat. — Was wäre vollends aus Pal. 
Famose geworden, wenn nicht Michelangelo später den Bau auf seine 
Schultern genommen hätte? Per colossalc Mas astab allein hätte da3 
Gebäude nicht gerettet. Die kleinen, eng an einander gerückten Fen- 
ster stellen zu den enormen Mauern lassen im aller schlechtesten Ver- 
hiilrnips, und ihre prätentiöse Bekleidung mit Säulen lässt dieses nur 
noch empfindlicher bemerken. Alle Hallen und Treppen des Innern 
haben etwas Schweres und Gedrücktes, und eine abscheuliche Ge- 
simsbildung. Sur die schüne divisHiirfigr l-lingiinicslialle mit demherr- 
lich cassettirten Tonnengewölbe in der Mitte macht eine auffallende 
Ausnahme; der Ilof aber ist von Michelangelo (auch das untere Stock- 
werk, so viel davon nicht einwärts schaut), der bekanntlich auch das 
f> grosse Kianzgosimse des Palastes angab. — An der Saht regia des 
Vaticans ist blos die allgemeine Anordnungvon San Gallo; die be- 
deutende Wirkung beruht aber wesentlich auf den Stuccaturcn (S. 

ii) und auf den Wandgemälden-(als Ganzes, denn im Einzelnen 
sind sie nicht zu rühmen). Mit der anstossenden Capclla Paolina ver- 

0 hält os sich ähnlich. — Die beiden kleinen Kirchlcin auf den Inseln 
des Bolsener Sees kenne ich nicht aus der Nähe. 

d [In Colle di Val d'EIaa der sohl oss artige Palast Ceccerelli auf 
steilem Felsen ähnlich Palazzo Fnrnese. — In Sangallo's Styl die zwei 

* Prachtfenster des Erd^fsHio^ses a:n l'al. Cuccoli in Florenz , Via di 

f Servi.N. 1U, ebenso die unvollende te Fassade des Pal. Cnpponi daselbst, 
Borgo S. Spirito.] ■ 

Endlich werden diesem Meister eine Anzahl von Schlotts- und 

k Festungsbaiitcn zugeschrieben. Wenn das majestätische Hafen- 
castell von Civita vecchia wirklich von ihm ist (man traut es ge- 
wöhnlich dem Michelangelo zu), so würde er in der Kunst, mit we- 
nigen Formen gross zu wirken, einer der ersten gewesen sein. Er 
übertraf hier noch die seinem Oheim, dem altern Antonio zugeschrie- 

ii bene Veste von Civita castellana. Das Castell von Perugia kam vor 
seiner theilwusen Zerstörung (LS49) diesen beiden im Styl nicht gleich. 

1 Die Festungsmauern von Nepi sind wenigstens in ihrem seculären 
Verfall höchst malerisch; die Bauten in Castro kenne ich nicht. (Das 
Castell von Palo auf der Strasse nach Civita vecchia soll von Bra- 
m.inte sein.) 

Von dem als Archäolog in zweideutigem Ruf stehenden Pirro 



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Florenz. Baccio d'Agnolo. 



315 



Ligorio (»Urb 1580) ist die um 15ÖU erbaute Villa Pia im gros Ben 
vatieanisclien Garten. Die fehlende vegetabilische Umgebung hin- 
zugedacht wäre siederschönsteNachmittagsaufenthalt, den die neuere 
ilitukunst geschaffen hat; kein Sommerhaus wie die Farncsina und 
Villa Madama, sondern nur ein päpstliches Gartenhaus nebst Vorpa- 
villon, zwei kleinen getrennten Eingangshallen, kühlenden Ii nmnen 
und einem küstlich unsymmetrisch angebauten Thurm mit Loggia, 
Alles terrassenförmig abgestuft. Hier tritt denn auch die reiche 
plastische Fassadeuverzierung, als scheinbarer Ausdruck ländlicher 
Zn anglosigkeit in ihr bestes Recht. 



In Florenz hat gerade der kurze Moment der höchsten liliithe 
keine Denkmäler ersten Ranges zurückgelassen. Doch ist derselbe 
(abgesehen von den beiden rafaeli sehen Palästen) durch einen höchst 
ansprechenden Künstler in kleinern Bauten vertreten, durch liaccin 
iVAgnolo (1462—1543). Er übernahm diePalastarclutektur ungefähr 
da, wo sie Cronaca gelassen; das Aeussere überschreitet fast nie die 
Formen, welche dieser am Pal. Guadagni entwickelt hatte und ist 
nieist weniger bedeutend. In den Höfen ist das bisherige florenttui- 
ache Princip mit der einfachsten Eleganz durchgeführt; selbst die 
reichem Säulen Ordnungen scheinen Baccio zu bunt und er beschränkt 
sich meist auf die sog. toscanische, welcher er aber bisweilen durch 
eine feine Blattlage um den Eehinus eine leise Zierlichkeit zu geben 
sucht. 

Eine Ausnahme bildet zunächst die mehr plastisch durchgefühl te 
Fassade von Pal. Bartolini (jetzt Heitel du Nord, bei S. Trinitä). Die 
Ecken bedeutend als Pilaster mit Rnstica behandelt, zwischon den 
Fenstern Nischen; übet den Fenstern (als frühstes und desshalb. zu- 
nächst in Sonetten verspottetes, bald mit Uebertreibung nachge- 
ahmtes Beispiel) Giebel, abwechselnd rund und gradlinig," etwa von 
den Altären des Pantheons entlehnt; bisfier nur an Kirchen gebräuch- 
lich; die Fenster noch mit besonders derb gegebenen Steinkreuzen; 
das schwere und rohe Gesimse angeblich auch von Baccio. — Ein an- 
deres höchst originelles Gebäude ist der kleine Pal, Serristori auf 
dem Platz S. Croce; iSaceiu musste hier (las Recht des Ueberragens 
der obern Stockwerke, zwar nicht vorn aber auf beiden Seiten nach 



Hochrenaissance. Florentiner. 



den Nebengassen , benützen und mit seinem classischen Detail in Ein- 
klang bringen; es ist lehrreich zu sehen, wie ihm (Hess gelang.' 

Andere Paläste sind aussen schlicht, zeigen aber den Organismus 
des Hofes vorzüglich fein und an genehm durch geführt' So vor "Altern" 

« Pal. Levi(Vi'a de' Ginori'N. 11), wo die Schlusssteihc'der Bögen noch 
Akanthusconsolen bilden. — Pal. Rosclli del Turco, bei SS. ApostbhV 
ist ffir Architekten seheusworth wegen der schönen und naehdriick- ; 
liehen Gliederung der iirhcrn Räume, besonders der Treppe (Cons'olcn, 
Gesimse, Steinbalkcn, Lunetten). Von Einzelheiten sind der statt- 1 
lieh« eiserne Ring an der Ecke und das figurirte Kamin im vordem 
Saal nicht zu übersehen. 

Nur unscheinbar in seinem jetzigen Zustande, aber für Architekten 

h wichtig ist endlich ein Lust haus , welches von Baccio für die Familie 
Stiozzi-Ridolfi erbaut und 153^ von S/h-nni vergrüssert wurde. Ab- 
sichtslos unregelmäßig, mit Siiulenhof, Ncbeuhof, GartcnhaUe und 
Thurm bildet es eine für ergänzungsfällige Augen sehr reizende halb- ' 
ländliche Anlage. (Jetzt Pa!. Orsini, Via Valfonda N. 83.) 

c Von Kirchen Baccio's ist mir nur das Innere von S-' Giuseppe 
(1519) "bekannt; eine schlichte korinthische Pilaster'ordnung mit Ge- 
simse umzieht die Hoire nein gärige der ebenfalls ganz einfachen Ca-' 
pellen; am Oberbau scheint Manches verändert. — Die von Baccio 
entworfene (und auf der einen Seite schon ausgeführte) Umkleidung' 
der Domkuppel mit Galerie und Gesimse, die recht gut flir diese Stelle" 
gedacht war, blieb unvollendet, weil Michelangelo sagte, es sei" ein' 
Ileuschreckenkiifig, dergleichen die Kinder in Italien' aus Binsen ; 
flechten. — Die Zeichnung zum Fussboden des Domes wird u. a.'' 

d Künstlern auch dem Baccio zugeschrieben; es ist das bedeutendste 
Werk dieser Art, welches ans der Blüfhezcrt vorbanden ist. — Der 
Thurm von S. Spirito wird nur in Florenz bewundert ; derjenige von 
S. Miniato ist nur unvollkommen erhalten. — In ä. Marin novella steckt 

f der,' wie man sagt kleine , Orgolle ttner Uaceio's in dem jetzigen höl- 
zernen verborgen. 

Mehrere Gebäude, deren Urheber nicht genannt wird, zeigen eine 

r grosso Aehnlichkeit mit seinem Styl. So u. a. der kleine mittlere 
Hof des (sonst neuern) Pal. Bacciocchi (Via de' Pucci'N; 2). ' 

k Von Baccio's Sohn Bomenico rührt der stattliche Pal. Buturlin 
(pihst Niccolini,' Via de' Ser'vi N. 15) her; die Fassade wiederholt 
noch den Typus des Pal. Guadagiii; innen ein schöner zwölfsäuliger 



Padaaner. 



317 



Hof und darüber der Oberbau,; die Formen um einen Grad kalter als 
in den Bauten des Vaters. 

Ein Nachahmer Baccio's, dessen Thätigkeit bis gegen das Ende des 
XVI. Jahrhunderts reicht, Giov. Am. Dosio (geb. 1533),' muss wegen 
eines vorzüglichen Gebäudes schon in dieser Reihe genannt werden: 
wegen des Pal. Larderel (Via de' Tornabuoni N. 19), welchen man 
wohl nicht den schönsten Palast, allein das edelste Haus der fioren- 
tmhschen Architektur heissen könnte. Es ist die Vereinfachung des 
Pal. Bartolini, streng der Horizontale unterworfen, mit dreimaliger 
toseanischer Ordnung au den Fenstersäulen. — Dosio's übrige Bauten 
folgen dem Styl der Zeit, so- die Capelle Gaddi in S. Maria novella 
(zweite d. 1. Querschiffes) der Säulenem.ichstehtelinig des Michelangelo 
(die Uk'hti.L'e» Shtccatirrcn der Decke von Dosio's eigener Hand); 
auch die Capelle Niccoliui in S. Croce bat nichts eigenthüroliches; 
wohl aber der in seiner Einfachheit merkwürdig malerische Hof des 
Arcivescovato, welcher mit äusserst Wenigem einen bedeutenden Ein- 
druck hervorbringt. 

Sonst tragt in Florenz noch den kenntlichen Stempel der golde- 
nen Zeit der Mercato nuovo des Bernardo Tusso 154" (nicht von 
Buontalenti). Edler., grossartiger und einfacher Hess sich die Auf- 
gabe für dieses Klima nicht wohl liisen, als durch diese Halle ge- 
schehen ist. 



Dem Bildhauer Baccio du Monlelupo wird die Kirche S, Paolino 
in Lucca zugeschrieben, die dem Styl nach um inDO fällt. Innen und 
aussen der einfachste, sogar trockene Pilasterbau; nur die Front- 
wände innen mit vorgekriipften Säulen verziert. Es ist Brunellesco's 
Badia von Fiesole ins XVI. Jahrhundert übertragen, selbst in Betreu" 
der Anordnung der Seitenschiffe. 



In Padua wurde während der ersten Jahrzchude des XVI. Jahr- 
hunderts die Kirche S. Giustina erbaut von Andrea Riccio, eigent- 
lich Briosco, den wir schon als Dccorator und Erzgiesser genannt 
(fiaben. Nach seinem berühmten Candelabcr im Santo zu urtheilen 
S. 251 i), würde man einen schm uckli eben den , im Detail wirkenden 
Baumeister der Friihreuaissance in ihm erwarten, allein die Justinen- 



318 



Sochrenaiasance. Padua. 



kirche giebt nichts als grussartige Disposition in ungeheurem Maass- 
stab. Die Grundlage ist eine ähnliche wie in den oben (Seite 201 ff.) 
erwähnten Kirchen südlich vom Po, verbunden mit dem in der 
Nähe Venedigs unerlässliehen Vielkuppelsystcm, allein die Dnrch- 
fllhrnng geschieht mit lauter Mitteln, die auf das Ganze berechnet, 
also Uber die. Fililirfnaissanoe hinaus sind. 

Die Nebcuschiffe wurden mit Ungeheuern Tonnengewölben be- 
deckt , welche unmittelbar die jedesmalige Hochkuppel oder Flach- 
kuppel tragen; hohe Durchgänge durchbrechen unten die Stütz- 
wände ; Reihen von tiefen Capellen schliefen sich auf beiden Seiten 
an. Die Quernnnc sind rund abgeschlossen, ebenso ihre Seitenräume 
und die des beträchtlich verlängerten Chores, sodass das Auge über- 
all auf Nischen trifft. 

Von den Kuppein würde die mittlere mit ihren vier kleinen Eck- 
kuppeln genügen und wahrscheinlich auch dem Künstler genügt 
h:tljn:. Die pailuanische .Sitte zwang ihn, noch drei andere Kuppeln 
rechts, links und hinten beizufügen, die er zwar etwas kleiner und 
weniger schlank als die mittlere bildete; gleichwohl sind sie der- 
selben im Wege, decken sich, sehneiden sich unschön und tragen zur 
Wirkung des Innern sehr wenig bei. Immerhin sind die Thorheiten 
der Baumeister des Santo nach Kräften vermieden. Eine auffallend 
geringe, rohe Bildung und dunkle Färbung der Pilflstercapitäle, 
auch der Gesimse, dazu die leere Weisse der Wände, macht es nüthig, 
das Auge etwas an dieses liniere zu gewöhnen, welches nicht nur an 
Grösse, sondern auch an Wohlriiumigkeit eines der ersten der gol- 
denen Zeit ist. 

Aussen ist die Fassade noch nicht incrustirt. Die Seitenschiffe 
haben lauter einzelne Flachgiebel, den grossen Tonnengewölben des 
Innern entsprechend. 

[Aelinliche Raum Schönheit in kleineren Dimensionen zeigt S. 
Sepolcro in Piacenza, wo das Mittelschiff abwechselnd von zwei 
quadratischen Kreuzgewölben und zwei sehmaleren Tonnengewölben 
überdeckt ist.] 

Seit der Mitte des Jahrhunderts wurde dann von Andrea della 
Valle und Agostino Bighetta der jetzige Dom zu Padua erbaut. Dass 
ein Entwurf von Michelangelo zu Grunde liege, ist kaum glaublich, 
da die Verwandtschaft mit den nahen oberitalischen Bauten viel 
grösser ist, als diejenige mit den seinigen ; wohl aber mag man he 



Jalconetto. 319 

der Behau dl ung der kuppelt iahenden Toisneiigewiilbe und ihrer Eck- 
rüurae auf sein Modell von S. Peter hingeblickt haben, welches da- 
mals einen noch ganz frischen Ruhm genoss. Das Langhaus wird 
zuerst durch ein kürzeres Querschiff mit kleinerer Kuppel unter- 
brochen, dann durch ein grosseres mit einer (modernen) hohem Kup- 
pel und runden Abschlüssen. Die Seitenschiffe sind lauter kleine 
Kuppolräume mit etDatosaeriderj Capellen. Die Bildung der Pilaster- 
eapitäle und Gesimse zeigen die Uebelstiiiidi' derjenigen von S. Giu- 
stina in noch höherm Grade. 

Di« Wirkung dieses lauern hängt, wie bei so vielen Kirchen, 
vom Schliessen und Oeffuen der Vorhänge ab. Hat mau die Kirche 
hei geschlossenen Vorhängen der Kuppelfenster und offenen der 
(weitherabreichenden) Chorfenster gesehen, so glaubt man in ein 
ganz anderes Gebäude zu treten, wenn dasVerh.'iltniss ein entgegen- 
gesetztes ist. Dil- Üi'ijiH'üilirhkcil der yat'i'istaue , welche sich mit 
den Vorhängen in der Kuppel nicht gerne abgeben , raubt bisweilen 
einem Gebäude jahrelang seine beste Bedeutung. — Die Fassade 
ebenfalls nackt. 

Wie aus Trotz jri'guit den venezianischen Engl ja u sind diese Kir- 
chen in colossal^m Maiiüssta!) angelegt. Massiger verfuhr in dem zur 
Provincialstadt gewordenen Padua der Profanbau, welcher sieh hier in 
den ersten J&hrzehuden des XVI. Jahrhunderts hauptsächlich an den 
Samen des Veronesers Giov. Maria Faleonetto (1459 — 1534} knüpft. 
Was er am Pal. del Capitanio gebaut bat, möchte sich etwa in Betreff 
der Fassade gegen den Signorenplatz auf die mittlere Pforte mit dem 
Uhrthurm , in Betreff derjenigen gegen den Domplatz (jetziges Leih- 
haus) auf das obere Stockwerk über der (mittelalterlichen) Bogen- 
halle beschränken; beides keine Bauten von höherm Belang. Sodann 
gehören ihm mehrere Stadtthore: P. S. Giovanni, P. Savonarola 
etc. Daa erstgenannte (1528) ahmt, aussen mit Halbsäulen, innen mit 
rohgelassenen Pilastern, die Form eines einfachen antiken Triumph- 
bogens nach, selbst in der Anordnung der Fenster '). Die Kirche delle 
Grazie, welche ihm zugeschrieben wird (unmöglich mit Recht), ist ein 
geringer Barockbau*). 

'1 Die UlKigen Thore vuii Padua alnd etwas ftUlicr, i. B. Port« S. Croco und Porta 
Llvia von 1S17; Poria Portellu soll von (lugt. Btegamateo »ein. 

s > Ein wunderlicher Rundbau — breiter Umfang mit Wachen um ein gut schmnlei 1 
Knrpelchen anfacht Säulen — In Geatalt der Kirche 8. Maria del Tnreslno; noch au> 
dem XVI. Jahrhundert mit Auinahmc der Fassade. 



Weit daa Schönste, was Faleonetto hinterlassen hat, findet sich 
am Palast Giustiniani, beim Santo, N. 3950. Der Hof dieses von 
Aussen unscheinbaren Gebäudes wird von zwei im rechten Winke) 
stehenden Gartenhäusern begrünst, [der zur Symmetrie fehlende 

. linke Flügel soll existirt haben] die noch im iinssersten Verfall jenen 
unzerstörbaren Charakter der Lustgebaüde des goldenen Zeitalters 
an sich tragen; erbaut l.V>4, für den Verfasser des Luches „Vom 
massigen Leben" Luigi Cornaro, wahrscheinlich unter Beirath des 
Bauherrn. Das eine mit Wandsäulen im Erdgeachoss, das andere mit 
Pilastern in zwei Stockwerken; jenes einen obern und untern Saal, 
dieses ein köstliches achteckiges Gemach mit Xischen, wahrsehriiilitli 
zur Musikhalle bestimmt, ein paar Sehenriiiime, und oben eine offene 
Loggia enthaltend; die Räume grosseiitlieils voll der herrlielistrii 
Malereien und Arabesken (S. 2S7 o). Der Geist des wahren Otiitm 
cum diguitate, der in diesen Räumen lebt , wird freilieh heutzutage 
ao selten, dasa ein volles Verständnis* des liebäudes eine gewisse An- 
strengung erfordert. Unser Geschlecht sucht in seinen derartigen 
Zierbauten nicht den Genuas, sondern die Abspannung oder die Zer- 
streuung, daher ist ihm entweder das Formloseste oder auch das 
Bunteste willkommen. 

b Das Vorbild Falconctto's hielt in Padua noch einige Zeit die bes- 
sere Architektur aufrecht. Der obere Hof im Pal. dol Podesta und 
mehrere einfache Privatpalästc' geben hie von Zeugniss. Auch der 

« vierte Kl Osterhof bei S. Giustiua, dessen Bogcnpfeiler unten mit ioni- 
schen, oben mit korinthischen ilalii.-änlen bekleidet Kind, ist ein gutes 
Gebäude.^ (Es soll sich unter den Höfen dieses Klosters — jetzt Ga- 
den fiinfen passen kann, welche ich gesehen habe, ausgenommen etwa 

<i auf den zweiten, noch halb mittel alterlichen. Sonst sind mir nur die 
einfachen iienais-auceböl'e beim Seminar bekannt.) " . 



In Verona ist die Itliithczeit der Baukunst repräseutirt durch 
Michele Sanmickeli (1481—1559), welcher seino wesentlichen Anre- 
gungen achon frühe in Rom fand und auch seine ersten GebäuJeiiu 
Kirchenstaat ausführte. In Montcfiascone die Madonna delle Grazie, 
griechisches Kreuz mit Kuppel, verwandt mit Ant. da San Gallo'* 



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821 



Kirche S. Biaxin in Montepulciano. S. Domenico (?) in Orvieto; auch 
Privatgeba'ude au beidon Orten. ') Spüter wurde ihm hauptsächlich 
als Festungsbaumeister Ruhm und reichliche Beschäftigung zu Theil, 
doch blieb ihm nicht nur Zeit und Anlnss für Prachtbauten übrig, son- 
dern er durfte auch den Festiingshau selbst mit einer Majestät der 
Ausführung behandeln, welche nur selten wieder so gestattet und 
noch seltener wieder erreicht worden ist. 

Im Dienst seines Souverains, der Republik Venedig, vergrösserte 
und verbesserte er fast alle Befestigungen, welche dieselbe nah und 
fern (bis Cypern) besass. Bei Venedig selbst gehört ihm die Forti- :. 
fication des Lido; in Verona die wichtigsten Basteien «nd Thorc. 
Der militärische Werth seiner Neuerungen wird sehr hoch angeschla- 
gen; wir haben es nur mit dem Styl seiner Thore zu thun. — Von un- 
fertigen Römerbauten, wie zum Beispiel das Amphitheater von Ve- 
rona, abetrahirte er (vielleicht von allen Architekten zuerst?) die Be- 
fugnis*, nicht bloss Flächen, sondern auch Gliederungen (Säulen, 
Wandsäulen, Pilaster etc.) mit Rustiea zu bekleiden; sein Zweck war, 
den ernsten, trotzigen Charakter des Festuugsbauea mit der Schön- 
heit des dorischen Säulonsyatems und seiner Verhältnisse zu verbin- 
den. Allerdings entstanden Zwitterformen , indem die regelrecht ge- 
bildeten Gcbälkc und Capitäle bu dem roh gelassenen Uebrigen nie 
passen können, allein Sanmicheli war der Künstler dazu, dieses ver- 
gessen zu machen. Porta nuova zeigt sowohl an den beiden Fronten u 
als (und hauptsächlich) in der Durchfahrt mit deren Seitenhallen 
eine imposante Anwendung seines Princips oiine alles Schwere und 
Plumpe, in vortrefflichen Vorhältnissen. Porta Stuppa (oder Palio), c 
schon lange zugemauert, eine quer über den Weg gestellte Halle von 
fünf Rogen mit (nicht ganz richtig erneuerter) Attica, wirkt durch 
Einheit des Motiv's in diesen gewaltigen Dimensionen noch grossar- 
tiger. (Man bemerke, wie Sanmicheli durch sehr schlanke Bildung 
seiner dorischen Halb sä ulen die rohe Bossirung derselben wioder auf- 
zuwogen suchte.) Porta S. Zeno, anspruchsloser, ist ebenfalls von ihm ; 
Porta S. Giorgio dagegen (1525J der unbedeutende Bau eines weniger d 
Entschlossenen. 

Von dieser einseitigen Beschäftigung her behielt Sanmicheli (und 
nach ihm fast die ganze spätere veronesisehe Architektur) eine. Vor- 



') In Orvlclo viellaicht der iulereiaante Pal. Buotui B uuri. 
Burilthardt, CtcffOnc. 21 



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322 Hochrenaissance. Verona. Snnmicheli. 



liebe für das Derbe auch an den Erdgeschossen der Paläste. Er 
behandelte sie mit lauter Rusüca, ohne sich doch cntsehlieesen zu 
können, ihnen in diesem Fall den entschiedenen Charakter eines 
blossen Sockelgeschosses zugeben, wie Pal ladio nachmals und wie z. B. 
Rafael und Giulio Romano schon um dieselbe Zeit tbaten. Gleich- 
wohl wirken diese Gebäude immer sehr bedentend durch die mäch- 
tige Behandlung des Obergeschosses mit seinen wenigen und grossen 
Theilen und der ernsten Pracht seiner Ausführung. 

n Das frühste dieser Gebäude in Verona milchte Pal. Bevilaequa 
am Corso sein; oben mit spiralförmig cannelirten Säulen, zwischen 
welchen abwechselnd grosse triunrphbogen artige und kleinere Fen- 
ster mit Oberluken sich offnen. — Pal. Canossa, am Corso beim Castello 

u vecchio, aussen einfacher; das ganze Erdgeschoss oine offene 
Halle, durch welche man in einen Pilasterhof nach Art der römischen 
Schule hinausblickt, dessen Hintergrund dio herrliche Landschaft 
jenseits der Etsch bildet. (Das kleine Mittelstockwerk oder Mezzanin 
gehört aussen noch zum untern Busticageschoss; im Hof bildet es 
schon ein nicht glückliches besonderes Glied.) — Es folgt der einfach 
herrliche Pal. Pompei alla Vittoria, an der Etsch, Via di Porta al Cam- 

t po Marzo, [jetzt die städtische Pinakothek enthaltend]; hier gabSan- 
micheli die untere Ordnung auf und verlieh dem Erdgeschoss schon 
mehr den Charakter eines blossen Unterbaues; die obere dorische 
Ordnung fasst fünf grosse Fensterbogen (über welchen Masken) ein; 

a der Hof ist nicht bedeutend. Pal. Verzi, auf Piazza Bra N. 2069, der 

c einfachste. — Die alte Gran-Guardia auf demselben Platz ist nicht 
von Sanmichcli, sondern von seinem Venvandten Domenico t'ortoni; 
die beiden Stockwerke stehen in keinem guten VerhältniBS zu einan- 
der. [In Sanmicheli's Styl: Pal. Trcsa, Strada Porta Vescovo, 
N. 5030.] 

c In Venedig ist von Sanmicheli der Pal. Grimani (jetzige Post), 
welcher in der gro saart igen Eint heilung der Fassado über alles Mnass 
venezianischer (auch San sovinis eher) Eaumbehsndlung hinausgeht, 
dabei gleichwohl auch'den Kindruck des Phantastisch-Festlichen er- 
reicht, welchen die Baukunst am Cannl grande verlangt. Im Erdge- 
schoss omaneipirt sich der Meister von seiner continentalen Derbheit, 
und vollends die untere Halle ist wohl die einzige wahrhaft würdige 

b - in ganz Venedig; das Obergeschoss ist zu triumphbogenavtigeu Rie- 
senfenstern geöffnet. Auch Fai. Corner- Mocenigo , auf Campo S. 



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Venedig- . Jacopo Saiisovino. 



Polo ist sein Werk. Ebenso Villa Soranzo ausserhalb C'astelfranco 
(zwischen Padua und Trcviso). 

Von einzelnen Portalen in Verona werden die beiden auf dem Sig- 
norenplstz, an der Polizei nnd am Tribunalgcbiiude, ihm beigelegt. 

Von seinen Kirchenbauten ist die berühmte Madonna di Campagna, 
eine grosse Kundkirchc von einfachem Aeussern, erst nach dem Tode 
S.'s (1559) und ungenau ausgeführt; die Runrtcapelle bei S. Bcrnar- 
dino ein höchst reizender Zierbau, innen die antiken Formen geistvoll 
imdprächtigdurchgefUhrtbis in dieCassetten der sphärischen Kuppel; 
[neuerdings gewissenhaft und gut restaurirt]. — An S. Giorgio in 
Braida soll nach Einigen bloss der Thurm , nach Andern der Kuppel- 
raum oder gar das Ganze von Sanmicheli sein; einschiffig und ohne 
Querhau, gleichwohl aber von reicher und bedeutender Gliederung 
des Innern. (Vortretende Pfeiler mit Halbsa'ulen; im Cylinder der 
Kuppel ein Kreis von 20 Pilastern ; der Chor etwas enger, mit rundem 
Abschluss.) An S. Maria in Organo (Seite 222, a) ist die unvollendete 
Fassade nach seinem Entwurf gebaut (1592). 



Vristofano Solan gen. il Göbbo erbaute das gewaltigo Octogon 
S. M. della Passione zu Mailand 1 530 mit untern Auabauten und 
Zeltdachkuppel-, bis 1692 reiner Centraibau; die untem Theile so edel 
und einfach, dass sie einem frühem Bauanfang von 1483 angehören 
könnten. Von demselben : der zierliche achteckige Hochbau S. Croce 
bei Riva, aussen unvollendet. 



Sur mit einigem Widerstreben reihe ich hier den grossen Bau- 
meistern der BlUthczeit auch den Florentiner Jacopo Saasomno&n. 
(Geb. 1477, f 1570; er hiess Tatti, erhielt aber jenen Beinamen von 
dem grossen Andrea Contucci-Sansoww, dessen vertrauter Schüler 
in der Sculptur er war.) Alle Andern in dieser Reihe haben ihre 
Bauwerke frei und grossartig nach einer innern Noth wendigkeit zu 
gestalten gewusst; Jacopo dagegen , der mitten unter den erhaben- 
sten Bauten von Rom und Florenz die erste Hälfte seines Lebens zu- 
gebracht hatte, bequemt sich in der Folge als bauliches Factolnm 
von Venedig zu allen Spielereien und Liebhabereien der dortigen 
Frührenaissance und hilft dieselben verewigen. Es muss ihm bei 

21* 



324 Hochrenaissance. Venedig. Jac. Sansovina 



grossen Gaben des Geistes und Herzens doch am wahren Stolz ge- 
fehlt haben, der lieber eine glänzende Bestellung ausschlägt , als sie 
gegen besseres Wissen durchführt. 

In Born ist von ihm das Innere von S. Marcello am Corso und 
der Pal. Nieeolini an der Via de' Banehi angegeben; ersteres immer 
eines der bessern unter den kleinem Interieurs dieses Styles. — In 
Venedig bekam er eine Menge von Aufträgen und genoss bis au 
seinen Tod eine künstlerische Stellung parallel mit seinem Altersge- 
nossen Tizian. — Unter seinen Kirchen ist wohl die beste S. Giorgio 
de' Greci (1 550); einschiffig mit Tonn enge wölbe (das in der Mitte von 
einer Kuppel unterbrochen wird), aussen ein schlanker Hochbau von 
zwei Ordnungen, zu welchen vom noch eine Art von Oberbau als 
dritte kommt. In der Hehandlnng des Ganzen erkennt man leicht die 
Uebcrlogenheit des an die Rechnung im Grossen gewöhnten Florenti- 
ners; allein derselbe lässt sich doch herbei zu der venezianischen Be- 
handlung des Pflasters (mit Rahmenprofil) und zu einer überaus klein- 
lichen Verzierung jener obersten Ordnung der Fassade, dergleichen 
ihm in Rom nicht durch gegangen >värc. — Gleichzeitig baute er (1551) 
die Fassade der nahen Scuola di S. Giorgio degli Schiavoni, in dem- 
selben schreinerhaften Geist, wie die meisten Scuole von Venedig. 

Das Innere von S. Francesco della Vigua (153-1) wobei ihm einer 
dir Theoretiker der Renaissance, der Mönch Francesco di Giorgio 
die Pruportiouen nach vermeintlich platonischem System corrigirte, 
ist ein wahrer Rückschritt ins Oberital ionische, wenn man S. Marcello 
in Rom (1519) damit vergleicht. Nüchterne Pilaster; tiefe Seitenca- 
pellen, aus welchen das meiste Licht kömmt. — An S. Martino (1540) 
sieht man, dass Sansovino bei geringem Mitteln seine Tüchtigkeit 
wieder fand; er hat einem quadratischen flach gedeckten Raum durch 
glückliche Eintheilung der Wände in niedrigere und höhere Capellen 
Bedeutung zu geben gewusst. (Aussen fehlt die In cru Station). — 
Wiederum von geringer Anlage: S. Giuliano (1555.) — Die Fassade 
von S. Sebnstiano ist aber doch hoffentlich nicht von ihm; so tief 
kann er nicht gefallen sein. In Padua kann S. Francesco von ihm 
nur umgebaut, nicht erbaut sein. 

Die Loggia unten am Marcusthnrm (1540), ehemals der Warte- 
ruuta für die Procuratoren, welche während der Sitzungen des grossen 
Rathes die Wache zu befehligen hatten, ist im Grunde mehr eine 
plastische Decoration als ein Gebäude. Dass die Attica viel zu hoch 



Die Bibliotaoa und ihre Nachahmungen. 325 

ist, würde man w eniger empfinden, wenn die vorgekropfton Gebälke 
die beabsichtigten St n tuen erhalten hätten. 

Von Sansovin's Palästen ist offenbar der frühste Pal. Corner della 
Ca grande (am Canal gr. rechts); man könnte sagen, es sei sein letz- 
tes Gebäude von römisch-modernem Gefühl der Verhältnisse; unten 
Rustica, die beiden ober n Stockwerke mit Bogen zwischen Doppel- 
säulen (1532). — Wenige Jahre später (15:)6) begann er die Biblio- 
teca. an der Piazzetta'), welche man wohl als das prächtigste pro- 
fane Gebäude Italiens bezeichnen darf. Hier zuerst erfahren die Ve- 
nezianer, welche Fortschritte das übrige Italien acit den letzten Jahr- 
zehnden in der Ergrlindung und Neuanwendung der echten römischen 
Säulenordnungen gemacht hatte; alle bisherige venezianische Renais- 
sance war eine Nachfolge des Alterthums auf blosses Hörensagen hin 
neben diesem einzigen Werke. Von dem römischen Pilastcrbau mit 
Halbsäulen , wie man ihn von den Theatern und Amp Iiitheatern her 
kannte, war hier nicht bloss das Allgemeine abstrahirt, sondern die 
sicherste Künstler!) and hatte diese Formen mit der gediegensten pla- 
stischen Pracht durch und durch belebt. Wir dürfen glauben, dass 
Venedig sich an der grandios energischen Behandlung der Halbs änlen 
und Gesimse, an dem derben Schattenschlag der Gliederungen, vor- 
züglich aber an dem ungeheuern Reichthum dos Figürlichen kaum 
satt sehen konnte. Allein das Gebäude ist seinem innersten Wesen 
nach eben nicht mehr als eine prächtige Decoration, wie die Venezi- 
aner sie gerade haben wollten. Mit dem Programm, eine Bibliothek 
auf diesen Kaum zu bauen, hafte sich etwas Bedeutenderes, durch 
Verhältnisse und Einthcilung Sprechendes componiren lassen. Man 
braucht nicht einmal an Rramatite, nur z. H. an Peni'/.zi v.a denken, ja 
nur an Palladio's Basilica zu Vicenza. Immerhin ist es eine der glän- 
zendsten Doppelhallen auf Ei den, wenn nicht die glänzendste. 



Die Bewunderung war denn auch so gross, dass später (1584) 
Scamozzi zum Bau seiner „neuen Procura zien * , welche von der 
Biblioteca aus den Marcusplatz entlang gehen, geradezu das Motiv 
dieser letztern wiederholte. Zum Unglück aber bedurfte sein Bau 



') Jctii IbellwelM Palmin reale. 



eines dritten Stockwerkes, welches er aus eigener Macht hinzu com- " 
ponirtc. Kein Zeitgenosse hätte etwas viel Besseres hingesetzt; 
aber man durfte auf Sansovin's Halle überhaupt nichts setzen, 
da ihr decorativer Sinn mit den beiden Stuckwerken vollkommen 
abgeschlossen ist. — Die zweite Fortsetzung, auf der Seite gegen- 
über S. Marco, (zum Theil an der Stelle der Uemolirten Kirche S. 
Gemignano) ist in ihrer jetzigen Gestalt aus der Zeit Napoleons. 
(Von Soli, der indess nicht ganz daflir verantwortlich ist.) — Als 
das anerkannte Prachtstück von Venedig übte der Bau Sansovin's 
eine dauernde Herrschaft Uber die Phantasie der Spätem aus. Es 
ist nicht schwer, denselben, mit einem Erdgeschoss von facettirter 
Rustica vermehrt, wieder zu erkennen, z. B. in der reichen und 
Hiiiditi^en Fassade von Pal. Pesaro am Canal grande (schief gegen- 
über von Ca Doro), erbaut von Longkeim (um 1G50); ebenso in dem 
Pal. Rezzonico desselben Architekten, mit einem Erdgeschoss von 
Rustica mit Säulen. Schon Scamozzi hatte in den etwas öden For- 
men seines Pal. Contarini Uli Serigni eine Art von Beproduction 
versucht. (Beide lelztgenannten Paläste am Canal grande linke 
nicht weit von Pal. Foacari.) 

Selbst an Kirchen kehrt jene für unübertrefflich gehaltene An- 
ordnung von "Wandsäulen und Fenstersäulen in zwei Stockwerken 
noch ganz spät wieder. So an S. Maria Zobenigo, 16S0 von Sardi 
erbant, der sein Vorbild an erstickendem Reichthum zu übertreffen 
wusste. (Die Wandsäulen verdoppelt; die Piedestale oben mit See- 
schlachten, unten mit Festungsplänen in Relief bedeckt.) 



Die übrigen Paläste Sansovin's sind wenig mehr als Umklei düngen 
der venezianischen Renaissance mit seinen strengern Formen. Sn 
Pal. Hanin, unweit vom Rialto, u. a. m. 

Die Fabbriche nnove wurden schon erwähnt (S. 218, f). An der 
Zecca, einem seiner spätem Gebäude , hat Sansovino durch Ku st iea- 
lialbsäulen an allen Fenstern seiner zwei obern Stockwerke einen Ein- 
druck des Ernstes hervorgebracht, der mit der Biblioteca zu contra- 
stiren bestimmt ist. Der Hof ist vielleicht bedeutender als die Fassade; 
wie der schöne Hof der Universität zu Padua (1552, eine doppelte 
Halle mit geraden Gebälkeu) verräth er noch die frühem, festländi- 
schen Inspirationen des Meisters. 



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Hochrenainanca. Venedig. Spavenlo. 321 



Von seinen unmittelbaren Schülern hat Alasandro Yittoria 
an dem einfachen Pal. Balbi (Canal grande, links, bei l'al. Foscari) a 
am meisten Takt und Geschmack bewiesen. — Als Gegenstück zu 
der Zecca , d. h. als ernstere L'oulisse zum Dogenpalast , wie es die 
Zecca flir die Iliblioteea ist, erbaute später Gioi-anni da Ponte (1512 
— 1597) die Carceri. Ob die berühmte Seufzerbrücke ebenfalls von ii 
ihm ist, weiss ich nicht anzugeben; einstweilen pflogt man ihm, viel- 
leicht nur seinem Namen zu Ehren, die berühmte Brücke Rialtozuzu- c 
sehreihen. (Abgesehen von dem inechani sehen Verdienst, das wir 
nicht beurtheileu können, ist es ein häuslicher und phantasieloser Bau. 
Ein neuerer Sammler scheint den wahren Autor, einen gewissen An- 
dren Boldn, ausgeniittelt zu haben.) 



An der schönsten modernen Kirche Venedigs , S. Salvalare, hat d 
Sansovino nur die Ausfuhrung leiten helfen; entworfen ist sie von 
Ciwyiv .Sptieeiito unter Theilnahme des Tnllio Lombardo, vollendet 
schon 1534, mit Ausnahme der beträchtlich spätem Fassade. Hier 
trägt das in S. Marco halbunbewitsst, an S. Fantino bewusster aus- 
gesprochene Princip seine reifste Frucht; drei flache Kuppeln hinter- 
einander ruhen auf Tonnengewölben, deren Eckräume, von schlanken 
Pfeilern gebildet, ebenfalls mit kleinen Kuppelgewölben bedeckt sind. 
So entsteht eine schöne, einfach reiche Perspective, die das Gebäude 
grösser scheinen la'sst , als es ist. Allerdings trägt hiezu auch die 
Farblosigkeit und das einfache Detail, sowie die glückliche Verthei- 
lung des Uchtes bei. (Welche letztere mau doch erst einer spätem 
Durchbrechung der anfangs dunkeln Kuppeln verdanken soll.) 



An das Ende dieser Reihe gehört der grosse Michelangcio 
Buonarroti (1475— 15<i4); seine bauliche Wirksamkeit begann erst 
verhältnissmäsaig spät, als seine bedeutenden Zeitgenossen schon ihre 
Systeme ausgebildet hatten, und sie bezieht sich als Vorbild mehr 
auf das jüngere Geschlecht, welches dann über ihm selbst die Alten . 
vergass. 

Michelangelo hat sich nicht zur Architektur gedrängt. Seine dä- 
monisch gewaltige Formenbeh and hing in der Scuiptur und Malerei 
brachte die Bauherren darauf, von ihm auch Rath, Entwurf und Lei- 



838 



HocbrcnaiBeance. Michelangelo. 



tung für die Gebäude zu verlangen. Der erste Auftrag (1514 durch 
LeoX.) war eine Fassade für S. Lorenzo in Florenz; sein Plan 
wurde allen andern, auch demjenigen Rafael's, vorgezogen. Man be- 
wahrt eine Skizze desselben noch intPalazzoBuonarroti, den er selbst 
viele Jahre bewohnte und den sein Neffe, der als Dichter bekannte 
Michelangelo Buonarroti der jüngere zu einem Museum für das An- 
denken des Oheims eingerichtet hat. (Via Ghibellina N. 64, sichtbar 
Montags und Donnerstags.) Der untere Theil der Fassade wÄre mit 
grandios zwischen Säulen Stellungen angeordneten Reliefs bedeckt 
worden; in Betreff des obern, dem Mittelschiff entsprechenden, lässt 
die Zeichnung Zweifel zu; die Vermitte hing zwischen beiden, die von 
andern Baumeistern in grossen Voluten gesucht wurde, sollte hier 
blos durch colossalc Statuen geschehen. — Beträchtlich später, jeden- 
falls erst unter Clemens VII., kam wenigstens die Bekleidung der In- 
nenseite der Fassade zu Stande, wobei der Gang zur Vorzeigung von 
Reliquien das Hauptmotiv lieferte; Michelangelo hatte die Einsicht, 
der Gliederung der Kirche Brun eile seo's sich an zu sc h Ii essen, sodaBs 
er nicht für die (übrigens glücklichen) Verhältnisse dieses Säulen- 
und Pilasterbiuies verantwortlich ist. 

Ganz frei gestaltend treffen wir ihn erst in der berühmten Grab- 
capelle der Mediceor (sog. Sagrestia nuova, um 1521t) am rechten 
Querschiff derselben Kirche. Keinem Künstler ist je freiere Hand ge- 
lassen worden; man kann kaum entscheiden, ob er die Capelle für 
seine Denkmäler baute oder die Denkmäler für die Capelle meiaselte ; 
— Architektur nnd Sculptur sind so zu sammenge du cht, als hätte der 
Meister aus einem nnd demselben Thon Beides vormodcilirt. Als 
Ganzes ist sie ein leichtes, herrliches Gebäude, welches das Princip 
ttrunelieschischer Sacristeicn auf das Geistvollste erweitert nnd er- 
höht darstellt. Es ist nicht blos die reinere und vollständigere Hand- 
habung einer untern und einer obern Pilasterordnung, was hier den 
ganzen Fortschritt des XVI. Jahrhunderts im Vei'haltniss zum XV. 
klar macht, sondern vor Allem ein hüheres Gefühl der Verhältnisse. 
Man übersieht daneben einzelne schon überaus bedenkliehe Filifor- 
men, z. B. die Nischen über den Thüren u. dgl.; man rechtfertigt die 
Schrägpfosten der obern Fenster vielleicht sogar durch altctruskische 
Vorbilder und die Ausfüllung der beiden Grabnischen mit einer spie- 
lenden Architektur durch den Vortheil, dass die Figuren um so viel 
griisser scheinen. Der Contrast des dunkeln Steinwerkes mit dem 



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Florenz. LanrenriFina. 



geweissten Mauerwerk kommt wohl überhaupt nicht auf Michelangc- 
Io'b Rechnung 1 ). 

Seine wahre Grösse liegt hier wie überall in den Verhältnissen, 
die er nirgends, auch nicht von den antiken Bauten copirt, sondern 
aus eigener Machtflille erschafft, wie sie der Gegenstand gestattet. 
Sein erster Godanko ist nie die Einzelbildung, auch nie der eonstruc- 
tive Organismus, sondern das grosse Gegeneinanderwirken von Licht- 
tmd Sehnttenmasaen , von einwärts- und auswärtstretenden Partien, 
von Obern und untern, mittlem und flankirenden Flächen. Er ist 
vorzugsweise der im Grossen rechnende Componist. Vom Detail ver- 
langt er nichts als eine scharfe, wirksame Bildung. Die Folge war, 
dass dasselbe unter seinen Händen ganz furchtbar verwilderte und 
später allen Bravour- Architekten für die gröbsten Missformcn zur 
Entschuldigung dienen konnte. 

Hoch im Auftrag Clemens' VD\ begann Michelangelo im anstossen- 
den Kloster die Biblioteca lanrenziann. Die Vorhalle mit der 
Treppe ist jenes ewig lehrreiche Bauwerk, in welchem zuerst dem 
Sinn aller Ei n/ el form en absidillith) lulm jrcsproelien wurde. Zwischen 
einwärts vortretenden M.iiioriiiasscn mit barocken (blinden) Fenstern 
stehen je zwei Säulen dicht im einander wie in engen Wandschrän- 
ken; darunter gewaltige Consolen; das obere Stockwerk i-r unvoll- 
endet. Die berühmte Treppe, von Vatari nach einer Zeiclimmt; 
Michelangelo 's h in ein gebaut. , sollte monumental aussehen und doch 
jenen Wandorganismus nicht stören, daher ihre Isolirung; dem unbe- 
schadet dürfte sie etwas*weniger halsbrecliend gefährlich sein. — 
Qas Ganze hat wohl einen bestimmten Sinn, der sich deutlicher aus- 
sprechen würde bei vollendetem Oberbau. Der Künstler hat mit 
allen, auch den verwerflichsten Mitteln das Gefühl des Strebenden 
hervorzubringen gesucht; wir wissen aber nicht mehr, was er damit 
wollte. Eine baldige Nachahmung blieb nicht aus; Amvitmati stellte 
Säulen in enge Wändnischen an der Fassade der Jesuitenkirohe S. 
Giovannino; Uior. da Bologna an den Wänden seiner eigenen Gruft- 
capelle hinten in der Annunziata u. s. w. - 

Das Gebäude der Laurenziana selbst ist wieder baulich einfach 
und würdig, und wenn hier das Detail der Verzierung wirklieh, nie 



1} Eine Zeitlang waren bedeutende Tlidk der Oiiiclle In der Thal bemalt und 
Btuccbirt, und mar von der Hand des Giovanni da Vdint. 



330 



HochrsaaisiaaM. Michelangelo. Horn. 



man annimmt, vun Michelangelo angogeben ist, so besuss er im Klei- 
nen den feinsten Schönheitssinn , den er im Grossen der Bizarrerie 
aufopferte. Die Holz-Decke, deren edles und reichesMotiv sieh in der 
Zeichnung des von Tribolo ausgeführten Hackst ein bodens wiederholt, 
soll „nach seiner Idee" von Tausa und Caroto, das einfach classische 
Stahlwerk vonViapino und detUinqtte, die bloss zweifarbigen lichten 
Glasmalerei- Arabesken der Fenster, wie oben bemerkt, von Giov. da 
Udine ausgeführt sein. Die Thür, eines der ersten Beispiele' perspec- 
ti vischen Schemreichthums durch Verdoppelung der Glieder, ist er- 
weislich von Michelangelo. 

«eine römische Thätigkeit ging zum T heil mit Plänen verloren, 
die nicht ausgeführt wurden. (Entwurf zu einem Palast für Julius IH. 
an der Ripetta , fünf Pläne für S. Giovanni de' Fiorentini, welche 
siimuitlieh nicht mehr vorgefunden wurden, als im vorigen Jahrhun- 
dert die jetzige Fassade, von Galilei, zur Ausführung kam. U. a. m.) 
Doch sind ausser dem Bau von S. Peter, den er erst nach 1546 Über- 
nahm, einige Bauten von ihm ausgeführt vorhanden, welche die Grüsse 
und Richtung seines Geistes gerade au sehr verschiedenen Aufgaben 
darthun. 

Von ihm ist zunächst am Pal. Farnese das bewundernswürdige 
grosse Hauptgesims (dessen Wirkung er vorher durch hölzerne Mo- 
delle erprobte) und die beiden untern Stockwerke des Hofes. Diese 
imposantesten Palasthallen Horn 's sind, wie ohne Mühe zu erkennen 
ist, den beiden unten) Ordnungen des Marcel iustheators fast genau 
nachgebildet, nur dass die Metopun mit Waffen und der ionische Fries 
mit Fruchtschnüren und Masken ausgefüllt wurden. Nirgends mehr 
hat sich Michelangelo so völlig dem Alterthum angeschlossen; hier 
lag die Genialität darin, sich unterzuordnen. (Die hässliehen Doppel - 
gesimso in den Hallen kommen wohl noch auf Sangallo's Rechnung, 
S. 314, ii.) Das oberste Stockwerk des Hofes scheint von Giacoaio 
delta Porta hinzugefügt. Als dieser die Loggia an der Hinterseite 
des Palastes zu hauen hatte, wuBSte *r keinen andern Rath, als das 
grandiose Motiv von Michelangelo 's Hofe nach aussen zu wiederholen, 
und er that wohl daran, nur hätte er das Gesims mit den anstossen- 
den Stücken des grossen Gesimses nicht so vermitteln dürfen. — Die 
grandiose Absicht, den Bück aus dem Hofe zu einem architek- 
tonischen Durchblick bis an die Longara zu erweitern, blieb ohne 



Folge. 



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C.pi»lM*h. B.«... 331 

Aus den letzten Lebensjahren Michelangclo's rührt sodannl'orta ■ 
Pia her. (Der Oberbau erst neuerlich und wohl nicht genau nach 
seiner Absicht vollendet.) Ein verrufenes Gebäude, scheinbar reine 
Caprioe; aber ein inneres Gesetz, das der Meister sieh selber schafft, 
lebt in den Verhältnissen und in der örtlichen Wirkung der an sich 
ganz willkürlichen Einzel formen. Diese Fenster, dieser starksebattige 
Thorgiebel n. s. w. geben mit den Hauptlinien zusammen ein Gauzes, 
das man auf den ersten Blick nur einem grossen, wenn auch verirrten 
Künstler zutrauen wird. Innerhalb der Willkür herrscht eine Ent- 
iülsk'ileniH'it, welche fast Nothweudigkeit seheint. 

Der Umbau der Diocletiatisthermen zur Kirche 8. Maria degli b 
Angeli ist durch einen neuen Umbau des vorigen Jahrhunderts un- 
kenntlich geworden. Erhalten blieb jedoch in dem dazu gehörenden 
(.'arthäu Berk lost er der einfache hundertsäulige Gartenhof, dessen 
mittlere Cypressen sogar von Michelangelo gepflanzt sein sollen. Die 
für den Orden traditionelle Anlage rindet sich , wenn auch nicht in 
derselben Ausdehnung, mehrfach wieder, aber dann mit reichem De- 
tail, das zu der Gesammt Wirkung gar keine Beziehung hat. (Aufge- 
malte Ornamente am Gartenhof der C'ertosa bei Florenz, plastische an c 
ilem von S. Martino in Neapel.) Hier ist nur gegeben, was zum Gan- d 
zen beitrügt. 

Auch die jetzige Anordnung und zum 'f heil auch die Gestalt der 
capitoliniscben Bauten rührt von Michelangelo her. So wie sie 
sind, entsprechen sie gewiss nicht seinem ursprünglichen Gedanken, 
sondern sind in Ermanglung eines Bessern ullmälig unter schwanken- 
der Benutzung seiner Entwürfe zu Stande gekommen. Er selbst legte 
schon 153U die beiden Flachtreppen an, deren vordere mit den Ba- c 
lustraden zu beiden Seiten und oben an der Terrasse so wesentlich 
für die Wirkung des Ganzen ist. Im Jahr 153S erhielt unter seiner 
Leitung die Keitcrstatue Marc Aurcl's ihren jetzigen Platz in der 
Mitte der ganzen Anlage. Wahrscheinlich gehört ihm auch der Ent- 
wurf zum jetzigen Senatorenpalast, und gewiss dessen herrlich an- f 
gelegte Dopp el treppe , welche mit dem Brunnen und den beiden 
Flussgöttern ein wahrhaft einziges plastisch -architektonisch es Ganzes 
bildet und fUr die Treppe der Laurenziana reichlich entschädigt. Zu 
den beiden Seitenpalästen, die erst ein Jahrhundert später (derjenige s 
des Museums zuletzt) im Detail nach dem Geschmack dieser Zeit aus- 
geführt wurden, lag ein Plan von ihm vor; sie sind zu originell ge- 



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Hochrenaissance. Xichol&ngelo, 



dacht, zu richtig im Verhaltnias zum Senatorenpalast, als dass man 
die Idee einem Andern beimessen möchte. (Die Pfeiler haben, zur 
Versüsaung des Eindrucks, Säulen hart neben sich.) Für alles Ein- 
zelne aber, namentlich für das hössliche Mittelfenster des einen, ist 
derselbe Giovanni del Duca verantwortlich, welcher auf Sangaüo'B 
Kirche an Piazza Trajana die barocke Laterne setzte. Auch die 
schräge Richtung auf denSenatoreupalast zu, wurde am ehesten wühl 
von Michelangelo angegeben. Die beiden hintern Hallen über den 
a Treppen nach Araccli und dem tarpeischen Berge hin sind von Vignola 
entworfen. 

Eine theilweise Benützung von Michelangelo 's Ideen trat bei 
vielen Gebäuden ein; manches wird auch nur sagenhaft mit seinem 

ii grossen Namen in Verbindung gebracht. So soll z. B. die Sapienza 
in Eom, welche thoils von Giac. della Porta, theils erst gegen 1650 
erbaut wurde, auf einem Entwurf Michclangelo's beruhen und wenn 
Juan die grandiose Wirkung des Pfeilerhofes (ohne den Oberbau) und 
der hintern Fronte in Betracht zieht, so gewinnt die Behauptung 

c Glauben. -— Porta dei popolo ist viel zu zahm für Michelangelo, zu- 
mal an der Aussenseite. — In S. Maria maggiore ist der zweite Anbau 

•I von der Hauptfronte kommend links (Cap. Sforza) von Giac. della 
Porta oder Tilirrin ( 'uhuujui nach emem u illkiirlich veränderten Plan 
Michclangelo's ausgeführt. 

Ausserhalb Rom's wird bei Anlass der Madonna di Carignano in 
Genua, einem notorischen Bau des Alessi, nur eine Nachahmung des 
ursprünglichen Plans vonS. Peter, und zwar eine trefflich modificirte, 
zuzugeben sein. — Wie weit beim Dom von Padua Michclangelo's 
Angaben befolgt wurden, vgl. S. 318, b. — Die ihm zngeBChriebene 

n Decke des Laterans steht so weit unter derjenigen der Laurenziana, 
dass eine andere Angabc, wonach sie von Giac. della Poita entworfen 
ist, ungleich mehr Glauben verdient. 



Erst als Greis erhielt Michelangelo durch Paul III. den Auftrag 
f zur Vollendung der S. Peterskirche, von welcher liier im Zusam- 
menhang die Rede sein muss. Ohne auf die Geschichte des Baues im 
Einzelnen, auf den Wechsel der Entwürfe näher einzugehen, bc- 



DigilizMByGoOgli 



Bau von S. Peter. 



schränken wir uns auf dasjenige , was wirklich, ausgeführt und noch 
vorhanden ist. ') 

Sramanta liattc [vielleicht unter Benutzung eines von Bemardn 
Rotsellino angefangenen Chors] 5 ) das Gebäude 150Ü angefangen, mit 
der Absicht ein griechisches, gleicharmiges Kreuz mit grosser mitt- 
lererKuppe! an errichten. Ihm gehört dieAbrundnng der Kroiizanne 
iu Tribunen, die er {S. 301) in der Lombardei gelernt und später auch 
an der Madonna della Consolazione zu Todi in Anwendung gebracht 
hatte. Schon in verschiedenen (Jost alten ist uns diess griechische 
Kreuz mit abgerundeten Armen begegnet, z. B. (S. 202, c) an der 
Steceata in Parma (1521); es galt seit Bramnnte ohne Frage als die 
vollkommenste Kirehenform, sodass z. B. Leo X. unter den Planen 
flir S. Giovanni de' Fiorentini demjenigen des Jacapo Sansovino (s. 
dessen. Leben bei Vasari) den Vorzug gab, weil er diese Gestalt hatte. 

— Die Theorie wird über diese Grundform sich immer in verschiedene 
Ansichten spalten; sicher aber würde dieselbe, nach Bramante's Plan 
ausgeführt — vier Halbrunde mit quadratisch vortretenden Ecken — 
an sich eine grosse Wirkung machen, zumal wenn man den Bau in des 
grossen Meisters Weise organisirt denkt. (Dazu zwei Seitenthllrme 
und eine sechssäulige Vorhalle.) 

Von JRafaers neuem Entwurf ist nichts Ausgeführtes vorhanden. 

— Von Baldauxare Peruzti stammt die Flankirung der Kuppel mit 
vier kleinen Kuppeln [wovon später nur dio beiden vordem ausge- 
führt wurden). Die Combination mehrerer Kuppeln ist eine venezia- 
nische, aus dem Orient übernommene Idee; die Eenaissancc fühlte 
intless, dass die Kuppeln einander nicht gleich oder ähnlich (wie an 
S. Marco in Venedig und am Santo in Padua) sondern einander sub- 
ordinirt sein müssten (wie diess Andrea Riecio 1521 au der prächtigen 
Justinen kirche zu Padua zuerst und zaghaft durchführte). Aberaucli 
so modiücirt ist der Gedanke wohl kein glücklicher; die grosse Form 
einer Hanptkuppei miisste möglichst einfach und deutlich mit ihrem 
quadratischen Unterbau contrastiren; will man die vier Ecken des 



3Hi 



Hochrenaissance. Michelangelo. 



letztem noch besonders hervorheben, so sind vier Thürme, wie sie 
Galeaszo Alessi an der Kirche Carignano zu Genua auf den vier 
Eckräumen (einstweilen auf zweien) anbrachte, das Richtigere und 
weniger Störende. Allerdings gewinnt die scheinbare Grosse der 
Hauptkuppel durch Zutliat kleinerer Trabanten von einer analogen 
und dabei reichen Form, allein diess sind keine architektonischen 
Principien. 

Nach der Zwischenherrschaft des jüngern San Gallo trat Michel- 
angelo ein. Es bedurfte seines ganzen schon gewonnenen Ruhmes 
und seiner Verzichtung auf jeden Lohn, um seinemEntwurf den Sieg 
zu sichern. Eine der FrescoaoBichten des damaligen Roms in der 
vaticanischen Bibliothek stellt den Bau ungefähr so dar, wie Er ihn 
haben wollte: ein gleicharmiges Kreuz, dessen vorderer Arm in der 
Mitte der Fassado eine nur viersäulige, aber in riesigem Maas sstab ge- 
dachte Vorhalle aufweist. Die Kuppel hätte diesen vordem Arm des 
Kreuzes ebenso villlig beherrscht, als die gleich langen drei übrigen 
Arme. — Von dem jetzt vorhandenen Gebäude hat Michelangelo zu- 
nächst die Aussenseiten der hintern Thcile des Unterbaues mit Pi- 
iastern und Attica zu verantworten. Sie sind eine bizarre, willkür- 
liche Hülle, die Bramante's Entwurf schmerzlich bedauern laset; die 
Winkel der vier Eckiüume zwischen den halbrund heraustretenden 
Tribunen sind durch schräge Wände abgestumpft; die Fenster zeigen 
eine Bildung, die an Caprice mit der Porta Pia wetteifert '). Viel ge- 
mässigter verfuhr Michelangelo im Innern, dessen Organismus {Pi- 
laster, Mischen, Gesimse, auch wohl die Angabe des Gewölbes) 
wenigstens soweit ihm angehört, als nicht späterer, zumal farbiger 
Schmuck einen neuen Sinn hineingebracht hat. Wem das sehr bizarre 
Nischenwerk in den drei Tribunen zur Last fallt, weiss ich nicht an- 
zugeben; die Stuccaturen ihrer Halbkupp ein sind erst aus dem vorigen 
Jahrhundert.) Das hier ausgesprochene System ist es , welches einen 
so ungeheuem Einfluss auf den Innenbau der ganzen katholischen 
Welt ausgeübt hat und als Kanon in tausend Variationen nachgeahmt 
wurde. Als einfaches Gerüst ist diese Bekleidung grossartig gedacht; 
das Vor- und Zurücktreten des Gesimses ist verhältniss massig spar- 
sam gehandhabt, sodass dem letztem seine herrschende Wirkung 



'.> Mllliia nicht wenigstens diu Verantwortung wegen der Attica auf Carlo Ma- 



Digitized ö/ Google 



bleibt; die Pilaster sind ebenfalls noch einfach; erst die Nachahmer 
wollten durch Vervielfältigung der Glieder die Wirkung überbieten. 
Die Cassettirung der grossen Tonnengewölbe, zwar erst beträchtlich 
später, aber doch wohl nach der Absicht des grossen Meisters ausge- 
führt, ist in ihrer Art elassisch zu nennen und unbedenklich als das 
beste Detail der ganzen Kirche zu betrachten, wahrend die Einzel- 
bildung der Pilaster und Gesimse doch nur von mittlcrm Werthe ist. 

Die K uppel Michelangelo 's, an Form und Hübe derjenigen der 
frühern Baupläne gewaltig überlegen, bietet vielleicht von aussen 
die schönste und erhabenste TJmrisslinie dar, welche die Baukunst 
auf Erden erreicht hat. Hier zuerst ist der Cylinder in eolassaler 
Grösse zum Ausdruck tragender Kräfte (in Gestalt der gekuppelten 
Säulen mit vorgekröpftem Gebälk) erhoben: über das Wie? wird man 
wohl streiten, aber schwerlich innerhalb dieses Styles eine andere 
Lösung angeben können. (Was an Ktc. Genevieve in Paris möglich 
war, der offene Sätdengsng ringsum, war bei den viel grösseren Ver- 
hältnissen von S. Peter unmöglich und wäre construetiv jedenfalls 
werthlos.) Endlich ist die überhöhte Schale mit der Lanterna im Ge- 
danken wohl abhängig vom Florentiner Dom, aber in der Ausführung 
und in den Verhältnissen unvergleichlich viel schöner, erstere schon 
durch die Rundung. 

Ins Innere fallen durch die grossen Fenster des Cylinders jene 
Ströme von Oberlicht, welche die Kirche wesentlich beherrschen. Die 
Wände des Cylinders und der Schale sind auf das Glücklichste or- 
ganisirt durch Pilaster, Attica und Gurte, welchen sich die Mosaiken 
sehr zweckmässig unterordnen. Wenn man sich das schlechte spätere 
Nischenwerk der vier Hauptpfeiler sammt ihren Statuen hinwegdenkfc 
und das Ganze überhaupt auf seine wesentlichen Formen reducirt, so 
übt es einen architektonischen Zauber, der sich bei jedem Besuch er- 
höht, nachdem der historische P Ii an tasieeind ruck längst seine auf- 
regende Kraft verloren hat. Hauptsächlich das harmonische Zusam- 
menwirken der zum Thcil so Ungeheuern Curven verschiedenen Han- 
ges, welche diese Räume um- und Überspannen, bringt (wie ich glaube) 
jenes angenehm traumartige Gefühl hervor , welches man sonst in 
keinem Gebäude der Welt empfindet, und das sich mit einem ruhigen 
Schweben vergleichen Hesse. (Das Innere grosser gothischer Kathe- 
dralen giebt den entgegengesetzten Eindruck eines unaufhaltsam 
raschen „Aufwärts!" —der ebenfalls unvergleichlich in seiner Art ist.) 



336 HoohrenaiBsanoB. MiohBhmgalo und Madorna. 



Dio nächsten Seitenräume und Eckcapellen sind wohl in der An- 
lage ji ach Michelaugelo'a Entwurf gebaut , aber ihr ganzer Schmuck, 
sowohl die 11 annorbek leidung der Pfeiler und Wände als die Mosai- 
ken und Statuen sind spätem Ursprunges und die Farben Wirkung 
ist gewiss eine ganz andere als die, welche er beabsichtigte, 

Doch imGrosson wich erst Carlo Maderna, auf Geheiss Paul's V. 
(seit IGuä), von dem Plane Michelangelo 's ab; durch den Weiterbau 
des vordem Armes wurde das Kreuz wieder ein lateinisches und die 
Kirche auch nach der L äugen dimensiun die grösatc der Welt. Unter 
dein Einfluss der damaligen Bauprincipien wurde das Mittelschiff mög- 
lichst weit und gross bei einer doch im Verhältnis« nur massigen 
I.ä iige; Maderna's Pfeiler stehen beträchtlich weiter auseinander als die 
der. hintern, ältern Theilc. Dafür wurden die Nebenschiffe nur klein, 
und zwar in ovale Kuppelräume get heilt, an welche sich Capellen, 
d. h. ziondich flache Nischen anschliessen. Im dritten Buche des Serlio 
sieht man, welche ganz andere Bedeutung ltafael in seinem Plan eines 
lateinischen Kreuzes diesen Partium im Vcrhliltiüss zn dein ungleich 
schmälern Mittelschiff zugedacht hatte. In Maderna's Bau verhin- 
dert überdicss die beträchtliche Breite der Pfeiler den reichern Ein- 
blick in die Nebenschiffe, sodass diese für die Wirkung im Grossen 
kaum in Betracht kommen. — Aussen ging der vordere Anblick der 
Kuppel für jeden Gesichtspunkt verloren, und es mussto eine neue 
Fassade compouirt werden, diessraal als breite Fronte, indem die 
Rücksicht auf dio drei übrigen abgerundeten Arme des Kreuzes weg- 
fiel. Von aller Beziehung zur Kuppel und zum Rest dos Baues über- 
haupt abgelöst, fiel sie aus wie sie zu Anfang des XVII. Jahrhunderts 
ausfallen. m usste, als ungeheuere Decoration, deren Theile auf alle 
Weise vor- und rückwärts, aus- und einwärts treten ohne Grund und 
Ursache. Selbst mit Anschluss au dasjenige Motiv, welches Michel- 
angelo an den übrigen Aussenseiten der Kirche durchgeführt, hätte 
sich etwas viel Grossartigeres machen lassen. Aber derselbe Maderns 
schuf auch das Innere der Vorhalle , welches eine der schönsten mo- 
dernen Bauten in ganz Rom ist. Die vorgeschriebene Einfachheit in 
Gliederung und Farbe lässt die Wirkung der Verhältnisse ungestört. 

Nach Maderna's Tode kam der noch junge liernini über das Ge- 
bäude (1629). Von den Glockentürmen, welche an beiden Enden 
der Fassade (wo das Auge sie. nicht verlangt) prangen sollten-, baute 
er einen und muBsto ihn wieder abtragen. Beträchtlich später, schon 



Ltj iizod b, Co 



Michelangelo. 



387 



als Greis (1667) legte er die berühmten Colonnaden an, Tjei Weitem 
das Beste waB er Überhaupt gebaut hat. Die Bildung des dorischen 
Details ist -nicht nur einfach , was sie hei der hundertmaligen Wieder- 
holung 1 der Formen durchaus sein iniiBste, sondern kalt; allein fast 
gar nicht barock. (Die Säulen der äussern Curvun sind dicker als 
die der innern.) Was die -Geeammtanlage betrifft, so ist vor allem 
Maderna seinem Nachfolger den gross ten Dank schuldig; Bernini hat 
das Mögliche gethan, um die Fassade zu heben und gross scheinen 
im lassen. Diess geschah namentlich durch die Annäherung der bei- 
den nächsten Hnllenenden, Uber welche sie so weit emporragt, wah- 
rend zugleich das Auge über das (in der That ziemlich starke) An- 
steigen des Platzes getäuscht und damit in der Meinung erhalten wird, 
sie stehe beinahe auf demselben Plan mit den Colonnaden. Träten die 
Hallenenden weiter auseinander als die Fassade breit ist, so würde 
jene Vergleich ung wegfallen. In dem elliptischen Grundplan der 
Colonnaden selbst liegt wiederum eine Schein v er grßsserung, indem 
dag Auge ihn eher für rund halt, ihm also eine Tiefe zutraut, die er 
nicht hat. — Die Stelle ist richtig gewählt; wenn S. Peter ein Atrium 
haben sollte, von welchem aus die Kuppel sichtbar war, so musato , 
dasselbe in einige Entfernung zu liegen kommen, selbst ohne die mit- 
bestimmende Rücksicht auf den schon vorhandenen Vorbau des vuti- 
cani seilen Palastes. — 

Ausserdem drückte Bernini anch dem Innern durch die von ihm 
hineingesetzten plastischen Werke (und mittelbar durch die Nach- 
ahmungen seiner Schüler und Nachfolger) ganz entschieden seinen 
Stempel auf. Leider blieb es dabei nicht; er bekleidete die Pfeiler 
der Seitenschiffe mit jenen pamfilisoheu Tauben u. s. w. auf buntem 
Mannorgrund; er war es auch, welcher die vier Kuppelpfeiler mit 
jenen kläglichen Nischen und Loggien versah, welche diesen wichtig- 
sten Thoiles des GebHudes Einfachheit und Nachdruck rauben. Die 
vier Statuen mussten entweder wegbleiben oder gigantisch gross (und 
dann in anderm Styl!) gebildet werden; gegenwärtig sind sie viel 
kleiner als die drüber an den Zwickeln der Kuppel angebrachten 
Evangelisten in Mosaik. 

Es ist eine alte Klage, dass S. Peter innen kleiner aussähe, ala 
er wirklich ist. Ich weiss nicht , ob Jemand , der ohne diess Vorur- 
theil zum erstenmal hineintritt, die Kirche nicht doch nngehener 
gross finden würde-, jedenfalls hängt viel von der Beleuchtung und 

Burclharai, detrmt. 22 



Architektur von 1540 bis 1680. 



von der Menschenzabl ab. Am Oatermorgen weiss Jeder , dass er 
aieh im grämten Binnonrauin der Welt befindet. Auch in der Abend- 
dämmerung wachsen die Dimensionen, nicht nur weil (wie liberal!) 
das Einzelne verschwindet, sondern weil Farben und Vergoldung er- 
bleichen, welche bei Tage die betreffenden Flächen dem Auge nähern 
und damit kleiner scheinen machen. Was davon noch unter dem Ein- 
fluss Mickelan ff elo's zu Stande kam (wenn auch erat lange nach seinem 

a Tode), nämlich die Mosaicirung der Kuppel und die Cassettirang der 
Tonncugowillbe, lässt sich architektonisch wohl vüllig rechtfertigen; 
grell wirkt erst Hernini's Incnistation und naturalistisch die Kuppel- 
mosaiken der Nebenräume, welche indess für die Wirkung des Ganzen 
nicht in Betracht kommen. Entschieden verkleinernd für das ganze 
Gebäude erscheint dann der Effekt des entsetzlichen Tabernakels 

b und der Cathedra Fe tri , beides Arbeiten des Rernini. Hier allein 
wird das Auge zu einer falschen Rechnung beinahe genöthigt (S. TU). 
Die Weihbeckenengel, von welchen man gewöhnlich spricht, täuschen 
nicht lange und nicht stark genug, um den Kindruck des Ganzen mit 
zu bestimmen. 



Keine kunstgescbichtlioheJilintheiliing hält nach Jahr und Datum 
vollkommen Stich und bei den lange leb enden Architekten des XVI. 
Jahrhunderts ist eine schärfere Styhibgrenzung nach Epochen voll- 
ends nüsslich. Doch wird man in denjenigen Bauten, welche etwa 
zwischen 1540 'und [580 fallen, einen vom Frühem abweichenden 
Charakter nicht verkennen. Es ist die Zeit der grossen Theoretiker, 
eines Vignola, Serlio, Palladio, Scamozzi; ihre Absicht ist wohl ganz 
die ihrer Vorgänger: das Alterthuni zu reproduciren, allein ihre 
Mittel sind andere. Die Ausdrucks weise erscheint einerseits schär- 
fer: vortretende Halbsa'ulen- und Säulen Systeme statt der früher 
herrschenden Pilastcr und Wandbänder; demgemäas eine derbe Bil- 
dung der Fenster und Portale; auch im Innern, namentlich der Kirchen, 
eine stärkere Bekleidung mit den clttssischen Einzelformen, während 
früher daa Gerliat des Baues wie es war eher nur auf irgend eine 
harmonische Weise decorirt wurde. Von einer- andern Seite ist 
diese selbe Ausdrucks weise um einen beträchtlichen Grad kälter; . 



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Vignola. 



statt des reichen Details der Friihrenaiasancc, statt dos einfach 
Ii arm oni seb eu Details der Blüthezeit finden wir hier ein zwar noch 
verhältnissmässig reinen, aber sclion kaltes und gleichgültiges Detail. 
Vom Ende des XVI. Jahrhunderts an beginnt dann der Baroekstyl, 
welcher das Detail misahandelt, weglässt oder vervielfacht, je nach- 
dem es zu willkürlichen Effekton verwerthot wird. 

Die Zeit von 1540 — 1 580 ist im Vergleich mit der frühem mehr 
die des rechnenden , corabinir enden Verstandes, gleichwohl aber voll 
Geist und Originalität. Sie rechnet sehr im Grossen, und wer etwas 
in ihren Werken finden will , musa ihren Gesamnitcomposi Honen und 
Dispositionen naehgehon und die Säulenordnungen für das nehmen, 
was sie hier sind: für eine Convention eile Be k 1 ei dungs weise. Auch 
ohne sie können die Umrisse und Verhältnisse des Ganzen Seele nnd 
Bedeutung haben. — Die Gesinnung der Bauherren, welche jetzt mehr 
als je zuvor auf das Grossräumige ging und dieser Hücksicht jede 
andere nachsetzte, stand in völligem Einklang mit der Richtung der 
Architekten. Erst jetzt auch , in der Zeit der still gestellten Politik, 
der Gegenreformation und der zunehmenden Vornehmheit auf spa- 
nische Weise, erhält der Palastbau seine definitive Ausbildung. 



Die Bauten Michel angelo's, der mit der goldenen Zeit begann und 
durch seine spätere Willkür schon den ganzen Barockstyl einleitete 
und zu rechtfertigen schien, wurden bereits aufgezählt. Von den zu- 
nächst zu nennenden Baumeistern waren mehrere seine unmittelbaren 
Schüler und Executantcn, andere seine Anhänger, alle mehr oder we- 
niger von ihm berührt. Man darf sie darob bewundern, dass sie 
seine Extravaganzen noch nicht mehr im Sinne eigener Willkür aus- 
beuteten. 

An ihrer Spitze steht Giacomo Barozzi von Vignola (1507— 1573), 
desson Handbuch der Säulcnordnungen (Trattato degli ordini) die Ar- 
chitektur der letzten zwei Jahrhunderte völlig beherrscht hat und 
noch jetzt stellenweise einen grossen Einfluss ansübt, nachdem seit 
hundert Jahren die echten griechischen Ordnungen bekannt und ab- 
gebildet sind. Als ausübender Künstler begann er mit einigen Bauten 
in Bologna; ausser den oben (S. 206, b) genannten Banehi wird eine 

22* 



340 



i 1540 Iiis 1580. 



n Casa Bocchi, jetat Piella , beim Dom, und in dem nahen Minerbio em 
Palazao Isolani genannt, übet dessen Votliandeneeln ich keine Kunde 
habe — Sein frühster Colossalbau , der Pal. Farneae in Piacenaa, ist 

b intereasant als eines der ersten Gebinde, in weMien durchaus kein 
herrsehendea Einaehnotiv vorkiimmt, sondern nur die Verhaltnt.se 
sprechen, und awar beim einfachsten Detail, das ilherdiese nur atel- 
lenwciso wirklich ausgeführt ist. Die Abstufung der Stockwerke ist 
der (allerdings nicht genügende) Gehalt des nngehenern Gebäudes, 
welches übrigens nicht aar Hälfte vollendet und jetzt eine Ca- 

,e ™n"l£om hatte er grossen Anthell an der prächtigen Villa, welche 
Papst Julias III. (1550- 1551) an der Via Flnmi.i. baute und dm 
noch jetat alsVigna diPapa Giulio benannt wtrd Wer d,e Ur- 
heber und Erfinder der einaclne» Motive dieses ehemala grossen 
Garnen sind, läset sieh nicht mehr ansmltteto; F««m, der an mehmn 
Stellen (in den Biographien dea Taddoo Zucchero zweimal und in der 
Deber.lcht seiner eigenen Werke) davon spricht, schreibt d,o Baupt- 
ideen dem haulustigeu Papste an, sich .elbo, aber die Redact.on der- 
selben; diese habe Mid.etaujiäo durchgesehen und verbessert, F W ,.»te 
aber Hos ausgeführt; ausschliesslich von ihm (Va.an) sei der Ent- 
wurf au dem Brunnen unten (d. h. in hintern Hof) welchen dann 
Vignola und AmMa/iati ausführten. Angesehen von .einen Drhebern 
intere.sirt uns das Gebäude in ähnliehen, Sinne w,c L.gora ,, Villa 
Pia (S, 315, .), als letale Villa der Ken.rsaanee. An Eeia und Anmuth 
kommt e. de, F.rnesina, an Wurde der Villa M.dama, «WH» 
dlgkcit der Au.fflhn.ng ') uud Erhaltung dem Pala.eo d.l 1. aller- 
dings bei Weitem nicht gleich; man glaubt dt. achwa.kenden und 
«„„ Thoil kleinlichen Einfalle de. Bauherrn noch jetatau erkennen 
doch Weiht da. Ganse .eh, aehenswerth. An der Stra.se aelbst 
(11) Minuten vo, Porta del Popolo) beginnt d.e Anlag, ml ; einem 
nicht grosse» ah« gro.sartig gedachten , iihrurens unvollendeten Pa- 
last, in dessen Fenstcreintheilung und S.ulenlogg.a • eh am ehesten 
Vrgnola's Erfindung venäth. Von hier fuhrt om Seitenweg recht, 
„isehen den Gartenmauern a»r eigentlichen Villa lunan, deren Fa.- 



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Born; Vignola. 



341 



»ade ein schlecht es Gemisch abwechaeluder BauentschllisBe ist; auch 
die Gemächer verdienen höchstens wegen der Fresken der 3Swxheri 
(s.. oben S. 290 d) einen Blick. Gegen den Hof bildet das Gebäude eine 
halbrunde Säulenhalle ; dann folgen rechts und links stneco verzierte 
Hofwündo und hinten eine offene {jetzt mit Glnsthüren verachlosaene) 
.Säulenhalle, durch welche man in den liintem Uninnenhof sah. 
Dieser enthält in awei Stockwcrkon Nischen und Grotten und in Hei- 
ner Mitte eine halbrunde Vertiefung mit Bruunenwerken , zu welcher 
Treppen hinabführen. Zur Ergänzung des Eindruckes gehört der 
Schatten ausson stehender Bäume (und die Bekanntschaft mit dem 
Charakter Julius HJ. wie ihn Ranke Bebildert). ') 

Von Vignpla allein iat (oder war!) alles Architektonische an dou 
Orti Farneaiani, [jetzt die EingangsgebSude zu den Ausgrabungen der 
kaiaerlich-fran zu" Bischen Kaisorpaläste auf dem Palatin am Forum]; 
Portal, Grotten, Rampen treppen, Brunnen und oberer Doppclpavillon 
in glücklich gedachter perspeetiviHclicr Folge. Blieben die Trümmer 
ihrem natürlichen Verfall überlassen, bo hätten eie ihre bestimmte 
Ruiuenschünheit: leider kommt moderne .ibsicbtliche Zerstörung hin- 
zu. Die wenige noch erhaltene Decoration zeigt, daas die Renais- 
sance vorüber ist, daas der mehr auf Gesammtcffokte ausgehende 
Styl die Überhand erhalten liat. (Die Rustica hoH hier das Ländliche 
ausdrücken.) — Ob Porta det l'opolo, wenigstens die Außenseite, 
dem Viguola mit grossem Reciit als dem Michelangelo zugeschrieben 
wird, bleibe dahingestellt. — Bei Weitem das Wichtigste, was von 
Viguola vorhanden, iat das grosse ebenfalls farnesiseno Schlaga Ga- 
prarola, droissig Miglien von. Rom, auaaen fünfeckig, innen mit 
lrundom Hof, alle Gemächer mit historischeu Freaken auegemalt von 
den Zucclieri. Ehemals ein Wallfahrtsort für alle Künstler und Kunst- 
freunde, jetzt kaum je von Solchen besucht, die ihr Leben in Rom 
zubringen. Auch der Verfasaer hat daB Gebäude auf der Strasse 
von Rom nach Viterbo aua weiter Ferne ansehen müsson. 

Von Vignola'a Kirchcnbauteu iat das kleine Oratorium S. Andrea 
an der Strasse nach Pontemolle der bekannteate; quadratischer Unter- 
bau mit Pilaatern, runder Oberbau mit niedriger Kuppel. Als land- 
schaftlicher Gegenstand seit der Geburt stunde der modernen Land- 
schaft Uberaus beliebt, hätte das kleine Gebäude selbst die Kritik 



') Bai Gcbiwio jetit Caierne. aber xufünilich. 



Architektur von 1540 bis 1580. 



eines Milizia entwaffnen dürfen. — Die Kirche Madonna degli Angeli 
in der Ebene unterhalb Assisi zeigt noch den grossartigen Grundriss 
Vignola's, Gewölbe und Kuppel aber sind neuer. — Endlich ist der 
Gesü in Rom (156B) ein höchst ein Süss reiches Gebäude geworden; 
hier zuerst war möglichste Höhe und Weite eines gewölbten Haupt- 
schiffes und Beschränkung der Ncbenschiffo auf abgeschlossene Ca- 
pellen in derjenigen Art und Weise durchgeführt, welche nachher 
der ganze liarockstyl adoptirte. Frühere einschiffige Kirchen mit 
Capellenrcihen, deren wir eine Menge angeführt haben , gewähren im 
Verhältniss den Capellen eine -viel grössere Tiefe und dafür dein 
Hauptschiff eine geringere Breite. Die nächste bedeutende Wirkung 
äusserte der Gesü auf Maderna's schon erwähnten Ausbau von S. 
Peter (Seite 336). 



Giorgio Vasari (1511— 1574), unschätzbar als Kunstschriftsteller, 
vielseitig und gewandt wie irgend ein Künstler seinerzeit, scheint 
sich am Meisten in der Malerei zugetraut zu haben. Unser tlrtheil 
und unser Gefühl sind aber seinen Gemälden fast durchgängig ab- 
hold, wahrend von seinen Gebäuden wenigstens zwei zu den besten 
seiner Zeit gehören. 

Von der Vigna di Papa Giulio war eben die Rede. Wir über- 
gehen auch die Gebäude am Platz der Stephansritter in Pisa: den 
unbedeutenden Palast und die in auffallend unangenehmen Verhält- 
nissen erbaute Kirche, sowie den von Vasari grossentheila erneuten 
Innenbau des Pal. veechio in Florenz ; er selber spricht mehr als ge- 
nug von den Treppen und besonders von dem grossen Saal, dessen 
beide Schmalseiten allerdings perspectivisch treffliehe Abschlüsse 
Bind. Die ganze Tüchtigkeit des Meisters zeigt erst das Gebäude 
der Uffizien, nach seinem Entwurf 1560 von ihm selbst begonnen, 
von Parigi, Buontalenti u. A. vollendet. Zur richtigen Beurtheil- 
nng ist es wesentlich zu wissen, dass schon vorhandene Mauern be- 
nutzt werden mussten, dass der Verkehr zwischen Piazza della Sig- 
noria und dem Arno nicht gehemmt werden durfte und dass die 
„Uffizi", d. iL Bureaus; , die verschiedensten Bestimmungen hatten 
(Verwaltung, Kassen, Tribunale, Archive), also kein Motiv zu einer 
mehr geschlossenen, centralen Composition gegeben war. Das Erd- 



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geschoss bildet eine der schönsten Hallen von Italien; in Harmonie 
mit allen Übrigen Formen des Baues gab ihr Vaeari ein gerades Ge- 
bälk und sparte die Bogen für die hintere Verbindungshalle, wo sie 
denn auch ihre imposante Wirkung thun. Beim Organismus der obern 
Stockwerke ist zu erwägen, daas ea sich nicht um einen fürstlichen 
PalaBt, sondern um einen engen, hohen Nutzbau mit sehr bestimmten 
Zwecken handelte. Auch bei der Anlage der Treppen, welche nock 
ziemlich steil sind, war Vasari nicht frei; doch that er das Mögliche, 
um auch hier und in den Vestibülen schiine Käume zu schaffen. Ein- 
zelne Barockformen an Thilrgiebeln etc. fallen vielleicht nicht ihm 
zur Last. 

Endlich ein origineller, höchstens an Venezianisches (Seite 327, d) 
erinnernder Kirchenbau Vasari's: Die Abbadia de' Cassinensi zu 
Arezzo, aussen roh gelassen, wie leider so viele zumal toscanische 
Kirohen; innen ein Tonnengewölbe der Länge nach, durchkreuzt 
von zwei Querachiffen ebenfalls mit Tonnengewölben; Uber den Kreuz- 
ungen niedrige Kuppeln (deren eine in der Folge von dem bekannten 
Meister der Perspective, dem Jesuiten l'ozzo, mit der täuachenden 
Innensicht einer Hoch kuppel ausgemalt worden ist); die vier niedri- 
gem Nebenräume, welche so entstehen, sind durch Säulcnstcllungen 
gegen das Hauptschiff geöffnet , die in der Mitte einen Bogen tragen ; 
ihre Wölbung bildet jedesmal eine kleine Flachkugel. Die Abwesen- 
heit jeglicher Deeoration lässt diesem graziösen und originellen , aber 
profanen Bau seine volle, ungestörte Wirkung. 

Die Vorliebe für den Säulenbau, welche sich ]in diesen Werken 
gegenüber dem römischen Pfeilerbau behauptet, ist auch später in 
Florenz heimisch geblieben. Die nächsten Gründe sind: das grosse 
und stets verehrte Beispiel Brunellesco's, der Besitz einer geeigneten 
Steinart (Pietra serena), besonders; aber die Bescheidenheit in dem 
florentinischen Palaatbau zur Zeit der medieeiachon Grossherzoge. 
Auch die reichsten Geschlechter in Florenz dürfen nicht auftreten, 
wie z. B. päpstliche Nepotenfamilien in Horn. 

In Arezzo erbaute sich Vasari sein eigenes , noch wohl erhal- 
tenes Haus, jetzt Casa Montatiti. 



Den florentinischen Privatpalästen giebt in dieser Zeit Jtarloloni- 
wo Ammanati (1511—1592) einen neuen und mehr hausartigen 



Architektur von 1540 bis 1580. 



Charakter; im Innern bleibt der Säulenuof der Frührenaissauee, nur 
mit freudloserem Detail; die Fassaden mit energisch barocken Fen- 
ster- und Thüroinfassungcn und Euatica-Ecken , sind zum Theil auf 
Beinalnng mit Arabesken und Historien (vgl. Seite 297) berechne!. 
Beispiele; Pal. IUmirez und Pal. Vitali, beide in Borgo dogli Albizzi 
au Florenz u. s. w: [(tut decorirte Erdgesehossfenstor mit kermenar- 
tigcn Caryatidon: ViaS. Gallo, N. !>; Pal. Pucci, Via diPuoei, mit gut 
angeordneter mittlerer Loggia-, Pal. Giugni, Via degli Alfani N. 50 mit 
gutem Portal und maloriBcbem Hof. — Eine UeberseUung des Pal. 
Lurdercl, s. o- 318 f, ist der kleine Palazzo, Viadell' Anguillara, N.23, 
hinter S. Firenze]. Ammanati ist allerdings berühmter durch einen 
der grüssten Pfeilerhöfe, denjenigen dos Pal. Pitti, dessen drei Reihen 
von Bogen auf Pfeilern mit Rusticahalbsäulen der drei Ordnungen 
bekleidet sind, ein in Formen nnd Verhaltnissen hassliehes Gebäude ; 
— sein Pfeilerbof mit einfache» Pilastern imCollegio romano au Rom 
zeigt, dass er sieh in ähnlichon Aufgaben ein «öderes Mal glücklicher 
zu bewegen wusste. — Rom besitzt auch Aumiauati's beste Fassade, 
die des Pal. Ruspoli (Uaffe nuovo), an weleher nur die Höhe des Erd- 
geschosses (aamnit Kellergoschoss) getadolt wird. (Die einst be- 
riiliiute Truppe von pariachem Marmor, hinten rechts, ist viel spitter, 
vom jüngeren Martitio LungH erbaut.) — Von Ammauati's Kloator- 
höfen in Florenz hat der zweite bei S.Spirito, auf Säulen mit originel- 
ler Abwechselung von Bogen und geraden Gebälken den Vorzug vor 
dem öden hintern Pfeilerbof bei den Camalduletiscm (agü Angeli) etc. 
Allein dieses und die nüchterno Jesuitenkirche S. üiovannino und so 
vielesAndere darf man vergessen über Ammanati's reinstem Meister- 
werk: der Dreieiuigkeitsbrücke. Die edle für das Auge über- 
aus wohlthuende Spannung der drei Bogen, welche mit dem denkbar 
angemessensten Detail bekleidet sind, soll nach Ansicht derer, welche 
den Arno kennen, zugleich die technisch zwockmässigste sein. 

[In Lucca sind von Amniauati (1578) das Fragment des Palazzo 
ducale, narli si>i:mi Zoicliniingeu von Juvam und Pini vorändert; fer- 
ner die Paläste Celaniii am Dom, und Casa Lombardi oder Manzi, beide 
mit Hallenhüfcn. Pal. Hernardini, schönes Portal mit Thürklopfer, 
1560; Pal. Orsetti, Via S. Giustina, reiches Portal mit prächtiger Holz- 
thür. 

In Voi terra der schöne Hof der Badia de'Monaci.] 



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Plorani. Spätere. 345 

Eine ganze tüchtige Generation von Architekten sehloss sich audie 
beiden genannten an und hielt die BChlimniern Exccsse dos Barock- 
styls längere Zeit von Florenz ferne. Giov. Antonio Dosio (geh, 
l53a),ivnTde bereit« erwähnt (Seite 317). — Von dem Bildhauer 0 iov. 
da Bologna (152-1—1008), ist die S. Antoninucnpelle in S. Marco (links) ei 
r-inSkMYitet durch zwei einfach« Bogen auf Sä ulen stell u ngen , einer der 
besten Bauten dieser Art (vgl. S. 288, tt). — Bern. BuontaUnti 
(1530—1008), bisweilen überaus nüchtern, wie z. B. am Palazzo Reale i> 
in Sicca, erhebt sieh doch z. B. in der Fasaadenhalle des Spitals o 
S. Maria la nuova in Florenz zum <"4ross;«i ti^ - Ijtiiclitt-n j das Oberge- 
sekoss, dessen Fenster zu nahe an das Gesimse stossen , ist später so 
verändert worden. Am Unterbau des Palazzo non finito (1592) flUirt i 
er den beginnenden Harockstyl mit einem eigenen plastischen Ernst 
ein, während sein Pal. Eiccardi (Via de' Servi), vom Jahre 1505, noch o 
der Spätrenaissance angehört. [Seine beste Leistung wohl das sogen. 
Casino di Livia, Eckbäuschon der Piazza S. Marco.] — Matteo Nigetti r 
(t 1649) hat zwar die sehr barocke Fassade Ogniasanti, aber auch den E 
niedlichen Sä idenhof vorn links beiden Camaldulonsern gcschaffonjwas 
anSS.Hiehelo e Gaotano(1604— 48) Gutes ist, gehört gewiss eher ihm i, 
als seinem Mitarbeiter Don Giovanni M.ediei; an der OapcllaJUedicea i 
bei S. Lorenzo (wovon unten.) ist freilich gar nichts Gutes; und hier 
wird der Prinz wohl das Uebcrgewicht gehabt haben. — Der Maler 
Lvigi Oigoli (1549— 1613) begann in Vasari's Geist den perspectivisch 
trefflich beab sich (igten Säulenhof des Pal. non finito, und noch ganz k 
spät hat Gherardo Silmni (1579— 1675) in seinem Seminar bei S. Fro- 
diano den alten Styl der Klosterhofe getreulich nachgeahmt. Von i 
ihm ist auch der stattliche Säulenhof bei den Cnmalduleuscrn vorn m 
rechts; wie er iniFassudenbau den Ammanati reproducirt, zeigen Pal. 
Fenzi, (ViaS. Gallo) und der einst durch seine (jetzt veräusserte) Ga- n 
lerie berühmte Pal. Einuccini, (Fondaccio di S. Spirito). o 

Allerdings war gleichzeitig mit den Bemühungen der Genannten 
der liaroekstyl schon stellenweise in seiner vollen Thäti^ki'it. In der 
abgelegenen Via del Mandorlo bemerkt man ein hohes, schmales,, vor- p 
rückte sGebäude, unten statt derEusticnbekleidung gcmeisselte Fels- 
flächen und Relieft rophäeu, eingefasst von regelrechten glatten Glie- 
derungen, oben Backstein und Pictra Serena in wüster Zusammen- 
stellung. Es ist das Atelier, welches sich schon 1579 der damals 
weltberühmte Maler Feilerigo Zuecliero zu bauen wagte. Anderes 



3±6 



Architektur von. 1540 bis 16 90. 



der Art bei Anläse des Bsrockstyls. — Wie lange aber im einzelnen 
Fall das Untc und Tüchtige nachwirkt, zeigt z. B. das Innere von 
S. Felicitä in tröstlicher Weise, ein Nachklang der hessern Zeit des 
XVI. Jahrhunderts und zwar vom Jahr 1736, das Werk des Archi- 
tekten Muggieri. 

Ausserhalb Florenz ist mir anfällig Pal. Coltroni au Lucca in die 
Augen gefallen, mit einem einfachen, aber malerischen Treppenhof, 
der dem toseanischen Säulenbau um 1600 alle Ehre macht. 



Zu Bologna sind ans dieser Zeit die etwas nüchternen aber gut 
disponirten Bauten des Pettegrino Tibaldi (1522—1592) und seines 

<: Sohnes Domenico zu bemerken: der Chor von 8. Pietro, die jetzige 

(i Universität, der Hof des erzbischüflichen Palastes; vorzüglich und im 

? Verhältniss au dem kleinen Raum grossartig : Pal. Magnani. — Dieser 
Pellegrino Tibaldi ist identisch mit dem Architekten Pellegrtni, wel- 
cher in Mailand zur Zeit des Carlo Borromeo vielbeschäftigt wurde. 

f Als Baumeister des Domes schuf er die moderne Fassade, wovon 
später nur die Thüren und die nächsten Fenster beibehalten worden 
sind, prächtige und für den Styl diesor Zeit bezeichnende Decora- 
tionsstücke, die ich, offen gestanden, der Gotkik dieses Gebäudes 

e vorziehe. — Die Kirche S. Fedele, ebenfalls von ihm, mit Doppel- 
ordnung am ganaen Aeusscrn und einfacher vortretender Ordnung 
im Innern, hat lange als classisches Muster gegolten und grossen Ein- 

ii fluss ausgeübt. — Die sehr barocke Rundkirche S. Sebastiano er- 
.baute er in Folge eines städtischen Gelübdes an den Pestheiligen vom 

i Jahr 15"6. — Im erzbischöflichen Palast ist der vordere Hof mit seiner 
hohen DoppelhaUe von Bustica ein weit besseres Gebäude als Am- 
manati's dreistöckiger Hof im Pal. Pitti (Seite 344, b); hier wird mit 
der mürrischen Rustica Ernst gemacht, sei es dass der Baumeister 
oder dass San Carlo selber für diesen Hof den Charakter einer düstem 
Majestät verlangte; nur ein unteres und ein oberes Stockwerk, aber 
von enormer Höhe; die Bauglieder (Sehl uss steine, Consolen, Gebälk' 
theile etc.) nicht classisch, sondern in angemessener barocker Umbil- 
dung gegeben. Der hintere Hot' und die Fassade gegen Piazza Fon- 
tana später, ebenfalls tüchtig. 

k Ans derselben Zeit ist der Hof des erzbischö fliehen Seminar's, 
von Giuseppe Meda, eine schone, unten dorische, oben ionische 



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Genua. Montoraoli. Castello. 



347 



Doppelhalle, mit geradem Gebälk, deren Säulen abwechselnd enge 
und weite Intervalle haben. — Id den zwei Höfen des Collegio olvetico u 
(jetzt Contabilitä (von Fitbio Matigone, nach IC()0, gerades Gebälk 
von riesigen Verhältnissen. — Vincenzo Seregno's Collegio de' nobili b 
(auf Piazza de' mercanti), vom Jahr 15U1, erinnert in der Behandlung 
der untern Stützen schon sehr an Gtdeazzo Alessi, dessen mailändische 
Bauten nun im Zusammenhang mit den genuesischen zu besprechen 
sein werden. 



In dieser ;Zeit (1540— IGOfl) setzte sich nämlich auch der Typus 
der genuesischen Paläste, hauptsächlich durch ob crital ionische 
Baumeister fest, welchem dann Alessi seine volle Ausbildung gab. 

Noch ausserhalb der Linie steht gcwisserinassen der grosse Pa- c 
last, den Gio. Aiujdo MontoTsoU (seit 1529?) für Jeu berühmten An- 
drea Doria baute. Von Architektonischem ist hier nur das Notwen- 
dige gegeben, indem die Hauptwirkuug der (jetzt aussen fast durch- 
gängig verlorenen und durch gelben Anstrich ersetzten) Henialung 
mit Figuren und Historien vorbehalten war. Die dünnen Fenster- 
einfassungen, der Mangel an Filasterwerk und die massige Prolili- 
rung überhaupt geben jetzt dem Gebäude einen Ansehein von Frlili- 
i-euaissauce. Als freier Phantasiebau ohne strenge Compositum wird 
ob mit seinen luftigen Hallen an beiden Enden und mit den in den 
Garten vortretenden Altanen auf Portiken immer einen so bezaubern- 
den südlichen Eindruck machen, wie kaum ein anderer grosser Palast 
Italiens. Die mit Hallen bedeckten Treppen am Ende des Gurtens 
und die Brunnen mit Ausnahme eines sind aus derselben Zeit '). 

Auf Montorsoli folgte der liergamaske Gio. Batt. Castello. Sein 
Pal. Imperiali (Piazza Campetto), erbaut 1560, giebt einen vollst&n- d 
digerj Iiegriff von der gemischten Comp nsitions weise der auf Hoch- 
bau in engen Strassen berechneten genuesischen Paläste; Reichthuin 
der Ausstattung inuss hier die strengern Verhältnisse ersetzen, die 
man von unten doch nicht gewahr würde. (Bemalung mit bronzefar- 
benen und colorirten Figuren , Putten und Laubwerk in Relief etc.) 

i) Glelchielllg: Pal. Mut), cheniala Oilcro, nicht die Fronte gegen Str. ouovlwlms, * 
iondorn der obere Hof, In welchen man von der Salita del Caslcllclto gelangt^ die 
Halle mit etwa« lebweren SMnlen und lauter kleinen Kuppelgewiii ben. 



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348 Architektur von IS40 bis 1580. 

Die untere üalle, der Hof und die malerisch seitwärts angelegte 
Treppe offenbaren zuerst ohne Rückhalt die Herzlosigkeit der ge- 
nuesischen Säule nbüdung und Profilirung, die nach Florenz und Rom 
n das Atige empfindlich berührt. — An PaL Garega (jetzt Cataldi, Str. 
nuova.) versuchte Castello noch einmal eine durchgängige Pilastcrbo- 
kleidung und bei den nicht allzuschmalen Fensterintervallen ging es 
damit noch ziemlich gtiirklirh; Spütcie wagten bei den liclitbedilrf- 
tigen,hoehfenstrigen Fassaden dasselbe nicht ungestraft; ihre Pilnster 
wurden eine magere Deeoration, die überdicss sinnlos ist, weil der 
enge ilauerpfeiler schon an sieh wie ein Pilaster wirkt. Das Vestibül, 
von sehr schöner Anordnung, ist eines der frühesten von denjenigen, 
welche die beiden Anfange der Dop poltreppe zum Hauptmotiv haben. 
An vielen andern Palästen dauert indess die einfache, seitwärts, etwa 
neben oder hinter dem Hof angebrachte Treppe fort. — Als glück- 
lichen Decorutor (in Verbindung mit Moiitorsoll) erwies sich Castello 
if bei der zierlichen innen) Ausschmückung von S. Matteo ; eine der 
wenigen mittelalterlichen Kirchen, welche bei solchen Anlässen ge- 
wonnen haben. 

Von -Roceo Fennone, ebenfalls einem Lombarden , sind die ältem 
c Thcile des Pal. durale , kiuptsiichlich die (ehemals stattlichen) Dop- 
pelhallen der Seitenhöfe, die hintere Fronte und, wie man annimmt, 
auch die berühmte Treppe. Darf man sie in der That in die Zeit 
bald nach 1550 setzen, so ist sie die erste von den ganz sanft ge- 
neigten, ungeheuer breiten; sie hätte dann auch vorzugsweise die 
Begeisterung der Genuesen (und des Auslandes) für diesen Theil des 
Palastbaues geweckt. 

Alle Treppen Bramante's und der Florentiner sind daneben steil 
und schmal. Genua suchte fortan wie schon früher in den Vestibülen 
und Treppen den Ersatz für die Kleinheit der Hofe; man unterbrach 
willig jede vordere Verbindung der untern Stockwerke, um dieser 
Partie auf jede Weise Nachdruck und Majestät zu geben; der per- 
«pectivische, Durchblick zwischen den Säulen der Trcppenhalle oder 
des üofea wurde selbst boi den engsten Dimensionen eine Haupt- 
sache; wo uiiiglirh kam hinten als Schinaspunkt eine Bninneiinisehe 
zu stehen. An der Strada nuova thaton einander die Besitzer den 
Gefallen, gemeinschaftliche Hauptaxcn mit den je gegenüberliegen- 
den Gebäuden anzunehmen, sodass die Durchblicke durch die Portale 
sich verdoppeln. 



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Beuna. Alesai. 



Gleichzeitig etwa mit Castello war in Genua der Penigincr 6a- 
leauo 'Alessi (1500—1572) aufgetreten, der in Horn mit Michelangelo 
in Verkehr gestanden hatte, seinem Wesen nach aber mit dem nur 
wenig jtingern Vignola parallel erscheint. Sein Verdienst ist dem- 
jenigen der meisten grossen Baumeister dieser Zeit analog; wenig be- 
kümmert am den organischen Specialwerth des Details , jeder Auf- 
gabe durch Anordnung und Verhältnisse eine grosse Physiognomie 
abgewonnen zu haben. Wo es darauf ankam, wo Ruum und Mittel 
(und guter Wille des Bauherrn) vorhanden waren, konnte er auch im 
Detail reich und elegant sein, wie kein anderer Baumeister des be- 
ginnenden Barocks! vis-, der schöne Pal. Marini [jetzt Munieipiu, Piazza 
delle Seala] in Mailand, sowohl Fassade als Hof, übt in den ausarten- 
den Einzelformen noch den Zauber der Friihrenaissance '). Von seinen 
genuesischen Bauten im Ganzen gilt diess weniger; er fügt« sieh in 
die wirklich vorhandenen und in die bloss angenommenen Verhält- 
nisse; auch sein Sänlenbau ist kaum edler als der der Andern. Allein 
er behandelte was er gab grossartig und besonnen , und wo man ihm 
Licht und Raum gönnte, sehnt' er Werke die in dieser Art kaum mehr 
ihres Gleichen haben. 

Am Dom gehört ihm nur die einfache achteckige Kuppel and die 
Pilasterstellung darunter (1567); die Chorvcrkleidung soll ihm der 
genannte Petmone verdorben haben. Dagegen ist die berühmte 
Kirche S. Maria di Carignano wesentlich sein Werk. 

Sie muss uns jetzt hauptsachlich die Bauzeit vergegenwärtigen, 
da an S. Peter nach Miclielaugelo's Plan gcarbeit wurde, da die Kup- 
pel Uber dem griechischen, d. h. gleicharmigen Kreuz als die fiit den 
Kirchenbaii erhabenste Form galt. Die Lage auf steilem Vorgebirg 
Uber der Stadt erhöht den Werth des Gebäudes ungemein, ünd scino 
L-mrisse wirken schon von Weitem sehr bedeutend. Bei den so un- 
gleich kleinem Dimensionen gab Alessi seiner Knppel mit Recht 
nicht vier Arme, sondern ein grosses Quadrat zur Unterlage, und 
flankirtc sie nicht mit vier Nebenkuppcln, welche hier ganz klein aus- 
gefallen wären , sondern mit vier (in der Thnt zwei) Eckthtlrmen. 
(Die vier Kuppeln sind wohl im Innern vorhanden , aussen jedoch nur 

') Uia Kirche S. Villort) daselbsl von 1560 [einfadm Aenssere, innon mit Ubtrmis 
wiener StLcchlrang nnd Malereien des Crupi u. Proiatcmi »emenend dte Futado ■ 



360 



Arohitektur von 1540 bi« 1580. 



durch Lanterninen angedeutet.) — Aber das Einzelne des Aeussern 
durchgängig dorn Alessi Helber zuzutrauen, erscheint fast unbillig. 
Auch wenn die liHsslich hohen Giebel in der Mitte der Fronten un- 
entbehrlich wären wegen des Lunettenfenstcrs, das sie enthalten, so 
konnte doch der Meister nicht diese ThUrmc mit ihren glatten Pi- 
lastcm über das so viel zartere und reichere Er dgeschoss gesetzt 
haben. Auch die Kuppel zeigt sehr willkflrlicho , barocke Formen. 
(Das Hauptportal neuer). Das Innere dagegen, glücklicher Weise 
und hoffentlich absichtlich farblos, ist cm wunderbar harmonischer 
Bau, der den Sinn rait dem reinsten Wohlgefallen erfüllt. Vier Ton- 
nengewölbe, eine Mittclkuppel , vier Eckkuppeln und eine Tribnna, 
alles auf Pfeilern mit einer Ordnung von (leider zu schwer gebildeten) 
korinthischen Pilastern ruhend; die hb'chstc Verbindung von Reich- 
tlium und Einfachheit ; der Raum scheinbar grüsser als er wirklich ist. 
— Das Ganze im Grunde ein Bau der rein ästhetischen Begeisterung 
für die Bnuformcn als solche, und für jede andere ideale Bestim- 
mung eben so geeignet als für den Gottesdienst, 
ß Das Thor, welchos zum Molo veceliio führt, charakterisirt recht 
die Mitte des Jahrhunderts; auf der Stndtseite fast bramantisch ein- 
fach, auf der Seite dos Molo consequont und absichtlich barock. (Kn- 
" Btica siiulen etc.) — Die stattliche Loggia dc'Banchi ist erst viel später 
naeh einem Entwurf Alessi's, ausgeführt. 

Galeazzo's Paläste sind zum Theil Enghauten, an welchen nur 
c durch energisches Detail zu wirken war; so Pal. Centurione an Pi- 
azza Foasatello u. A. — An der Strada nuova, die mit ihren 20—24' 
d Breite etwas mehr Spielraum gewährte, giobt Pal. Cambiaso den 
Durchschnitt dessen, was er unter solchen Umständen für thunlich 
hielt; ohne Pilasterbeklcidung, dafür durchgängige Rnstica, rait 
strengem Mäanderflims Uber dorn Erdgosclioss ; die HUhenabwechscl- 
* ung der Stockwerke vortrefflich wirksam. — Pal. Lercari (jetziges 
r Gasino), vor dem Säulenhof ein (ehemals) luftiger Loggienbau. — 
n ^* a l- Spinola, welcher zunächst folgt, iiberliess er, was das Aeus- 
sere betrifft, der Bemalung; innen ist Vestibül, Treppe, Oberhallcn, 
'md Garten von imposanter Gesammtdispositic-n. — Auf der an- 
e p 6 ? 1 ^ e ' te ist Pal- Adorno der geringste Bau Alessi's; — viel besser 
a.Serta, an welchem er, mit Ausnahme des Kellergeschosses in 
K »8tica, nur eine glatte Maner, an dieser aber Thür, Fenster, Balcon 
Ü Ge slmae von Marmor in den wohltuendsten Verhältnissen au- 



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Genua. Alessi. 



351 



brachte; das Vestibül jetzt farblos, aber obcnfalls schön gedacht. 
— Andere Paläste hat der Verfasser nicht Zeit gehabt auszumitteln ; 
Manches, das die Baugeschichte dem Alessi zuschreibt, ist wohl 
durch Umbau zu Grunde gegangen oder entstellt. 

Auf Piazza delbj Vignc wäre der ehemalige Palast de Amicis, 
I*. 4, Alessi's nicht unwürdig. 

Von seinen Sommerpalästen und Villen war Pal. Sauli a 
<Borgo S. Vincenzo) unvergleichbar schön. Der Verfasser sali bei 
frühern Keisen diess Gebäude in seiner tiefsten Entwürdigung, doch 
noch im Wesentlichen erhalten. Im März 1853 fand er es im Beginn 
des Abbruches und weidete seine Blicke zum letztenmal an dem wun- 
derbaren Hallenhof, in welchem mit ganz einfachen Mitteln auf be- 
schränktem Kaum durch die blosse Disposition der höchste Phanta- 
sieeindruck hervorgebracht war. Zu Anfang des folgenden Jahres 
hatten die neuen Besitzer den Palast bereits zu einem Scheusal um- 
gestaltet Die sardinische Regierung war ausser Schuld; die Stadt - 
behördc des sich allgemach araericanisirenden Genua hätte das Un- 
glück verhindern müssen. 

Es bleibt noch ein Sommerpalast-übrig: Villa Pallavicini, oder b 
gewöhnlich „delle Peschiere" zwischen Acquasola und dem sog. 
Zerbino , an der Salita a Sau Bartolommeo. (Jetzt an der Inschrift : 
Collegio commerciale kenntlich und zu einer Handelsschule einge- 
richtet. Isolirt auf hohen Gartenterrassen, mit einwärts tretenden 
Bogenhallen in der Mitte, und prachtvoller durchbrochener Balustra- 
de oben, macht das Gebäude die glänzendste Wirkung, von der man 
nicht sogleich inno wird, dass sie auf der weisesten Oeconomie der 
Mittel beruht, auf der schönen und schlichten Flächen ei n theil u ng , 
auf der sorglichen Handhabung der Pilaster beider Ordnungen (io- 
nisch und korinthisch), welche nur an den Hauptfronten cannelirt 
und nur an den Hauptth eilen derselben reichlich angebracht 
sind. (Die dorische Ordnung für eine Grotte an der Hauptterrassc 
verspart). 

Was von den Villen der Umgebung erhalten ist, vermag der 
Verfasser nicht anzugeben. (InS. Pier d' Arena: Villen Spin ola, Ler- c 
cari, Doria, Grimaldi, Imperiali jetzt Conte Scassi). InS. Martin i 
d' Albaro Villa Cambiaso von 1557. Das sog. Paradiso, über der 
Strasse dahin, soll ebenfalls von Alessi sein. [Villa Giustiniani auf 
dem Wege von S. Francesco d' Albaro nach S. Luea d' Albaro]. — Am 



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Architektur von 1540 bis 1580 



See von l'erugia ist das Schloss von CaBtiglione ein , wie ea heiaat , 
ausgezeichneter Bau von ihm; [in Perugia selbst der bei Porta Au- 
gusta gelegene Pal. Antinori, Piazza Grimani, mit schöner Treppe.] 



Wiederum von einem Lombarden dos XVI. Jahrhunderts, Soceo 
Luraya, ist der berühmte Pal. Doria-Tursi (jetziges Municipio, 
Str. nnova). Hier zum erstenmal tritt jene gänzliche Verwilder- 
ung des decorativ mi Behandelten Details ein, in der Absieht auf 
Effect im Grossen. (Hässliche nnd roho Pfeiler nnd Gesimse, eolos- 
sale Fratzen als Masken Uber den Fenstern etc). AHein die Compo- 
sition ist vorzüglich wirksam ; die Fassade setzt sieh rechts und links 
in durchsichtigen Altanhallen fort; innen iBt die Unebenheit des Bo- 
dens zu einer prächtigen Treppen Wirkung mit Ausblick in den Kalten- 
hof hinauf benützt, »n dessenEndedann die Haupttreppe, vom ersten 
Absatz an in zwei Armen, emporsteigt. 

Doch die höhere, veredelte Stufe desselben Hofbaues gewShrt 
erst der Palast der Universität (Str. Balbi), von dem Lombarden 
Bartolommeo liianco, (als Jesuitencollegium begonnen 1623). Auf die 
sehr ausgeartete Fassade folgt hier unerwartet ein Hofraum, den die 
Phantasie kaum reicher und schöner denken kann-, durch Verdoppelung 
der Säulen bekommen die Intervalle durchgängig ein leichteres, das 
Ganze ein reicheres Ansehen ; die untere Vorhalle ist mit Seitenhallen 
versehen und nicht so lang wie dort, der Aufblick in den Hof freier; 
die Doppeltreppe hinter dem Hof scheint sich in luftige Höhen zu 
verlieren. Mit besonnener Benützung der Mauer hinter dem obern 
Garten liesse sieh die Wirkung noeli steigern. 

Andere Paläste aus verschiedenen Zeiten, an welchen ■wenigstens 
die Disposition der untern Thoile den Architekten interessiron wird: 

An Strada S. Caterina (von der Piazza delle Fontane amorose 
nach der Acquasola) Pal. Fransoni N. 4 ; — Pal. Pessagno N. 3, 
einer, von den altern, mit Aussendet oration von Andrea Senäni; — 
Pal.Spinola N. 13, einer der wichtigsten von .den ältern, der Hof mit 
schöner Doppelhalle, die Treppe noch seitwärts. (S. 285, 292 e). 

Auf Piazza dell' Annunziata; Pal. Negrotto, die Halle eine Nach- 
ahmung derjenigen von Pal. Carega, das Aenssere init unglücklicher 
neuerer Pilast er Verzierung. 

An Strada nuova: Pal. Raggio, mit ovalem Vestibül und einem 



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Paläste von Genna. Lnrago. Binnoo. Palladio. 353 



sehr glücklich im ßarockstyl gedachten Brunnen im Hofe , wo Licht 
und Wasser gemeinschaftlich von oben einfallen (sollten), während 
vorn eine schatten werfende Balustrade herumgeht. Die Stuccobild- 
werke sind allerdings in solchem Zustande, dass man darin schwer 
Phaetons Fall erkennen wird. — Die beiden Pal. Brignolc baulieh 
nur durch Grösse ausgezeichnet. 

AnStradaBalbi hauptsächlich Bauten der spätem Zeit, mit einem ■ 
l'lataaufwand, den man einem Galeazzo noch nicht gegünnt hatte: 
Pal. Balhi (der zweite links, von unten kommend), mit Durchblick 
durch Säulenhallen in den Orangengnrten ; — Pal. Durazzo (der dritte) 
mit einfachem Säulenhof; — Pal. Keale (ehemals Marccllo Durazzo, b 
der vierte) mit reicher, aber in den Verhältnissen ganz schlechter 
Fassade , mit Rusticapi lästern zwischen eng gedrängten Fenstern und 
einem au den letztern doppelt unpassenden Riesenthor; auf der See- 
seite mit prächtigen Altanbuuten, deren mittlere Verbindung als 
Bogen mit einer Fontaine drüber den Hauptprospect bildet. — Pal. e 
Filippo Durazzo (der erste rechts), von liartöt. Bianco, mit gewal- 
tigem Thor, Balcon und Ältanhallen; die schöne Treppe (hinten, 
links) von Tagliajico zu Ende des vorigen Jahrhunderts erbaut. 

Strada de' Giustiniani: Pal. Ncgrotto mit einer trotz aller Ver- d 
mauerung noch interessanten Disposition. — Erst aus dem vorigen 
Jahrhundert : PaL BalbifStr. nuovissiraa N. 16) von Gregorio Petondi, 0 
merkwürdig durch den auf un regelmässigem und sehr unebenem 
Terrain um jeden Preis erstrebten perspectivischen Effect der Halle 
und Treppe , welche als Brücke quer über den Hof geht ; — Pal.Penco, 
auf Piazza delle oinque lampadi, nahe hinter S. Pietro in Bancbi, mit 
trefflich perspectivisch gedachtem Vestibül nnd einer stattlichen 
Treppe, welche nahezu don Hof ausfüllt; — Pal. Salvagi (jetzt Pi- 
nelli) bei Croce di Malta; — Pal. Deferrari (Piazza S. Domenieo); 
— Pal. Casanova (Via JLuccoli) mit malerisch wirkendem Hofe; u. s. w. 



Den Bcschluas dieser Reihe bildet der grosse Andrea Palladio 
vonVicenza (1518 — 15S0). Kein Architekt des XVI. Jahrhunderts 
hat dem Alterthum eine so feurige Hingebung bewiesen, wie er, keiner 
auch die antiken Deukmiiler so ihrem tiefsten Wesen nach ergründet 
"ad dabei doch so frei producirt. Er beinahe allein hat sich nie an 

Barzthardl. OUtrmu. 23 



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354 Architektur von 1540 bis 1580. 

einen decorativen Einzeleffekt gehalten, sondern ausschliesslich von 
der Disposition und von dem Gefühl der Vorhältnisse ans seine Bauten 
organisirt. Michelangelo , von welchem dasselbe in gleichem Umfange 
gilt, steht bei vielleicht höherer Anlage und bei groasartigorn Auf- 
gaben, wie z.B. die St. Peterskirche, doch unter der Botmässigkeit 
seiner eigenen Grillen-, Palladio ist durch und durch gesetzlich. Er 
wollte in vollstem Ernst die antike Baukunst wieder in's Leben rufen, 
während Michelangelo nichts weniger im Auge hatte, als eben diess. 

Die antiken Reste gaben freilich keine Gesammtvorbilder gerade 
für das, waa die Zeitgenossen von Palladio verlangten: für Kirchen 
und Paläste-, letztere znmal mnssten einen von a|lem römischen Pri- 
vatbau weit abweichenden Charakter tragen : den des Schlosses, der 
adlichen Residenz. Was Palladio bei seinem wiederholten Aufenthalt 
in Rom sich fruchtbringendes aneignen konnte, bestand daher weni- 
ger in dem Frontenbau, als in den innern Dispositionen und in der 
Gliederung der Wände, hauptsächlich der innern. Er widmete vor 
Allem den damals noch wohlerhaltncn Thermen das emsigste Studi- 
um ; keiner seiner Vorgänger hat die Grundrisse der antiken Trümmer 
so gekannt wie er. Die Frucht hievon war, dass er das Ganze und 
die wirksame Aufeinanderfolge der einzelnen Glieder des antiken 
Binnenraumes (Säulen Stellungen , Pilaster, Nischen u. s. w.) mit einer 
Sicherheit und Originalität für jeden einzelnen Fall neu und anders 
reproduciren konnte, wie kein Zeitgenoss. — Im Detail hielt er sich 
fern von der ornamentalen Pracht der Kai s erbauten ; sei es, dass er 
eine Verdunkelung des Hauptgedankens durch dieselbe fürchtete, 
oder dass er die vorhandenen Mittel lieber auf die Grossartigkeit der 
Anlage wandte, oder dass er dem frühem Alterthum auf diese Weise 
näher zu kommen hoffte. Seine Capitäle, Gesimse u. s. w. sind meist 
einfach, das Vegetabilische möglichst beschränkt, die Consolen ohne 
Unterblätter u. s. w. Oft entsteht dadurch ein Eindruck des Nüch- 
ternen und Kalten , wie er gerade auch den friihern Römorbauten mag 
eigen gewesen sein-, allein das Detail wird wenigstens nie verachtet 
und barock gern isshandelt, wie bei den Spätem; ein hoher Respect 
vor dem Ueberlieferten schützte den Meister vor den Abwegen. 

Er ist der letzte und vielleicht höchste unter denjenigen Archi- 
tekten des XVI. Jahrhunderts, welche in der Kunst der Proportionen 
und Dispositionen gross und eigenthiimlich gewesen sind. Was bei 
der Einleitung zu dieser Periode gesagt wurde, kann hier mit ganz 



besonderer Beziehung auf ihn zum Schlüsse wiederholt werden : die 
Verhältniaae aind hier nicht streng organischen, nicht conatructiven 
Ursprunges und können es bei einem abgeleiteten Styl nicht sein; 
gleichwohl bilden sie ein echtes künstlerisches Element, das seine 
sehr bestimmte Wirkung auf den Beschauer äussert und das aus- 
gebildetste Gefühl im Künstler selbst voraussetzt. Wir dürfen bei 
unserer jetzigen Kcnntnias derechten griechischen Bauordnungen die 
copirten römischen Einzelformen Pnlladio's völlig verschmähen , aber 
derjenige Baumeister muss noch geboren werden , welcher ihm in der 
Raumbe handlung — sowohl der Grundfläche als des Aufrisses — 
irgendwie gewachsen wäre. Allerdings Hess ihm bei den Palästen 
der vicentinische Adel eine Freiheit, wie sie jetzt Keinem mehr ge- 
gönnt wird ; die Bequemlichkeit wurde der Schönheit des Grundrisses, 
der Fassade und des Hofes mannigfach aufgeopfert. Um diesen Preis 
erhielt Vicenaa und die Umgegend eine Anzahl von Gebäuden , welche 
in bescheidenen Dimensionen grossartig gedacht, mit vollkommener 
Consequenz durchgeführt und alle von einander unabhängig sind. 

Palladio's erstes grosses Gebäude war die sog. Basilieain a 
Vicenza, d. h. die Umbauung des[ mittel alterlichen Palazzo della ra- 
gione mit zwei ringaumgehenden Stockwerken von offenen Bogen- 
hallen, wobei er auf die Wandeintheilung (Fenster u. dgl.) des alten 
BaucB eine lästige Rücksicht zu nehmen hatte. Gleichwohl — und 
trotz einzelnen empfindlichen Ungeschicklichkeiten seines eigenen 
DetaÜB — kam eines der gr oasartigsten Werke des XVI. Jahr- 
hunderts zu Stande, das z. B. in Venedig Sansovin's Biblioteca voll- 
kommen in den Schatten stellen würde. Ernst und in hohem Grade 
monumental, wie es sieh für ein öffentliches Gebäude ziemt , hat diese 
Auasenhalle doch das reichste Gnindmotiv , welches in seiner durch- 
gehenden Wiederholung (oben wie unten) ganz mächtig wirkt: die 
Räume zwischen den mit vortretenden Säulen bekleideten Pfeilern 
enthalten nämlich innere Bogen, welche zu beiden Seiten auf je zwei 
Säulen einer kleinern Ordnung ruhen. — Im Bau seit 1549. 

(Das Motiv dieser Halle [s. oben S. 309] fand eine allgemeine Be- 
wunderung und wurde auf verschiedene Weise neu verwerthet. In 
dem Teatro Farnese zu Parma brauchte es der Baumeister , Giambatt. b 
Ahotti, 1618, für zwei obere Reihen von Logen. Der Hof des 
Falazzo ducale zu Modena erhielt durch Anwendung deaaelben den o 
Charakter eines der schönsten Höfe von Italien , während an der Fas- 



Fallndio. Folüste etc. 



667 



r 1 Unter den Palästen mit Einer Ordnung ist wohl der schönste Pal. 
Mareantonio Tiene 155<i, jetzige Dogana, niifsgezeielinet durch die n 
nur unvollständig ausgeführte Säulenhalle deB Hofes, welche sich 
über einer Ruslica halle erhebt. (Der Hinterbau, gegen Pal.'Barba- 
rano, Ton hübscher Frtihrenaissance). — Pal. Porto (1552), ion. Ord- b 
niing, mit einer Attica, welche die Fenster eines ohern Stockwerkes 
enthält. — Pal. Valmarana, zwischen den Composita - Pilastern (,1566) c 
je ein oberes und ein unteres Fenster, Uber letztem ein Relief • eine 
dritte Fensterreihe in der Attiea- kein glückliches Ganzes. Vom 
Hintorbau nur eine untere ionische Halle ausgeführt. (Ein zweiter 
Pal. Valmarana, unweit Pal. Chiercgati, ist ganz unbedeutend). Pal. 
Schiri, [ein gothischer Palast dieses Samens am Corso], die Loggia in 
einem Garten Valmarana und andere Gebäude hat Verfasser dieses 
nicht gesehen und weise nicht, ob sie noch vorhanden Bind. — Bei 
Pal. Caldogni, vom Jahr 1575, wird Pal ladio 's Urheberschaft nur ver- a 
niuthet. — Pal. Ercole Tiene am Corso, von Jahr 1572, scheint einem e 
altera' , hinter der Zeit zurückgebliebenen Architekten anzugehören. 
Auch Pal- Gusano, jetzt Gasthof (Hotel de la ville) ist nicht von 
Palladio. — Das kostliche kleine Häuschen unweit Pal. Chieregati, f 
welches als die eigene Wohnung des Meisters gilt, haute er 1566 für 
einen gewissen Pieiro Cogolo unter besonders lästigen Kaumbedingun- 
gen. Wer heut zu Tage so viel Luxus aufwendet, verlangt mehr 
Platz. (Das mittlere und obere Stockwerk offenbar auf Malereien 
berechnet). 

Von öffentlichen Gebäuden wird dem Palladio ausser der 
Basilica das Fragment auf Piazza del Castello mit ziemlicher Wahr- g 
scheinlichkeit zugesehriehen. (Jetzt als „altes Seminar' oder Ca del 
Diavolo bezeichnet , eigentlich ein angefangener Palast für die Fami- 
lie Porto). Eine untere Fensterrcihc ist nicht eben glücklich zwischen 
die Piedestale der Compositasäulcn verwiesen; doch würde die Fas- 
sade, fortgesetzt und vollendet gedacht, wohl imposant wirken. 
(Fruehtschnürc von Capitäl zu Capital ; kleine Fenster oben im Fries.) 
— An dem Palazzo prefettizio, sonst Loggia del Delegat», gegen- n 
über der Basilica, hat Palladio mit Unrecht seine grossen Formen an 
eine kleinränmige Aufgabe gewandt; dergleichen gelang der Friih- 
renaissance besser. Die Seiten fassade , wo er den Säulen nur die 
Hüne des untern Stockwerkes gab nnd das Ganze mehr decorativ be- . 
handelte, lässt vormüthen, dass er den Fehler erkannt habe (1571). 



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958 Architektur von 1540 bis IS80. 

— Der einfache Triumphbogen, welcher den Stationenweg nach dem 
Monte Berico eröffnet, war erat nach Palladio's Tode, aber vielleicht 
nach seiner Zeichnung errichtet und entspricht in den Verhältnissen 
am ehesten dem Titusbogen. 

Auch das berühmte Teatro olimpico, nächst der Basilica der 
Stob, Vicenza's, wurde erst nach dem Absterben des Meisters ausge- 
führt (1560). Am ehesten hat man sich bei der Säulenhalle über der 
halbelliptischen Stufenreihe für die Zuschauer an seine Zeichnung ge- 
halten; die schwere Doppelordnung und Attica der Seena selbst kann 
kaum so von ihm entworfen sein. Die fünf (eigentlich sieben) per- 
spectivisch ansteigenden und sich verengenden Gassen, in welche man 
von der Seena aus gelangt, sind noch wohl erhalten. — Dieser merk- 
würdige Versuch eines Theaterbaues in der Art der Alten ist in juner 
Zeit lange nicht der einzige; wir dürfen z. B. bei vielen Theaterbau- 
ten des Augenblickes, deren Vasari eine ganze Anzahl erwähnt, eine 
ähnliche Anlage voraussetzen. Allein des Erhaltenen ist ausseror- 
dentlich wenig ; das oben (S.355 1>), genannte Teatro Farnese in Parm» 
erscheint bereits als ein Mittelding zwischen antiker und moderner 
Anlage; die Seena ist schon ein auf Verwandlungen berechneter 
Tiefbau. 

Von den Villen Palladio's geniesst dieRotonda der Marchesi 
Capra, eine Miglie von der Stadt , mit ihrem runden Mittelbau und 
ihren vier ionischen Fronten den grössten Ruhm. Es ist wohl auf- 
faltend, dass weder er noch seine Bauherrn jemals sich von der Idee 
eines schloss- oder tempelähnlichen Prachtbaues mit bedeutender 
Central anläge haben losmachen können, dass trotz der in der Haupt- 
sache klaren Schilderungen der antiken Schriftsteller vom Landbau 
und des Plinius Niemand eine echte antike Villa, d. h. ein Aggregat 
von niedrigen, nicht symmetrisch geordneten Einzelbauten hat bauen 
oder besitzen mögen, dass z. B. auch Palladio's nächster Nachfolgor 
Scamozzi die Villa Laurentius des Plinius so grundfalsch restauriren 
konnte. — Die übrigen Villen Palladio's kennt der Verfasser nur aus 
ziemlich alten Abbildungen ; ausser der nahe bei Vieenza befindlichen 
Villa Tornieri sind es nach der damaligen Bestimmung der Orte und 
Besitzer hauptsachlich folgonde : Villa Sarego , in Collogneso ia Miga 
(Gebiet von Vieenza); Villa Pisani bei Montagnana (Gebiet von Pa- 
dua); Villa Tiene in Cicogna; Villa Barbaro in Masera (Gebiet von 
Treviao); Villa Emo in Fanzola (dasselbe Gebiet); Villa Repetta in 



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Palladio. Villen. Kirchen. 



369 



Campiglia (Gebiet von Vicenza); Villa Pisani in Bagnolo (dasselbe 
Gebiet); Villa Badoer ia la Fratts (PoleBina); Villa Valmarana in 
Lisiera (Gebiet von Vicenza); Villa Sarego in S. Sofia (5 Miglien von 
Verona); Villa Tiene in Quinto (Gebiet von Vicenza?); endlicb Villa 
Triasino zn Meledo (Gebiet von Vicenza), wo das Motiv der Eotonda, 
mit grossen Vorhallen vermehrt , wiederholt ist — vieler andern zn ge 
schweigen. Der Mittelbau, hier öfter mit doppelter, als offene Loggia 
behandelter Ordnung, pflegt die Anbauten und die mit Portiken umzo- 
genen Oekonomiegebände völlig zu beherrschen. Imlnnera ein grosser 
Keichthnm an originellen und schönen Dispositionen, auch der Trep- 
pen. Die Ausführung ohne Zweifel sehr einfach, die Säulen aufge- 
mauert. — Vor Porta di San Bartolommeo der Palazzo Trissino in Cri- 
coli, den der literarisch berühmte Bauherr Giovanni Giorgio Trissino 
selbst errichtet haben soll. Die Fassade ganz ähnlich der ächten von 
Villa Madama, aber zwischen zwei vortretende (ältere?) Thiirme ein- 
geschlossen. 



In seineu Kirchenbauten, deren wichtigste sich sämmtlich zu 
Venedig befinden, ist Palladio — zunächst in Betreff der Fassaden 
— gegenüber dem bisherigen vielgliedrigen System der Venezianer, 
welchem sich noch Jacopo Sansovino anbequemt hatte, ein grosser 
Xeuerer. Sein Beispiel, das in Venedig mehr bewundert wurde als 
völlig durchdrang 1 ), hat dafür in andern Gegenden eine starke Nach- 
folge gefunden. Seit seinen Kirchonbauten war unter den strengem 
Architekten nur Eine Stimme darüber, dass die Fassade nur aus 
Einer Säulen Ordnung, nicht aus zweien oder gar dreien bestehen 
solle, welches die Uebung der frühem Benaissance gewesen war. Erst 
in Verbindung mit den grossen Halbsaulcn schien nun auch der Gie- 
bel seinen wahren Werth zu erhalten; man wusste jetzt, dass er sich 
auf das Ganze, nicht blos auf das obere Stockwerk bezog und konnte 
ihm die gehörige Vorragung und Schattenwirkung geben. Die Fronten 
der Seitenschiffe wurden dann in Halbgiebeln abgeschlossen , die sich 
an die Fassade auf beiden Seiten anlehnen. (Gleichzeitig nahm auch 
Michelangelo für das Aeussere von S. Peter nur Eine Ordnung an.) 



>) 3. Pletro dl Ciitello, 1198 von Smtralil begonnen, soll nach einem Entwurf 
Pall»dlo's, Tom Jahr 156T, erbaut «oin. 



360 



Offenbar glaubte man mit dieser Annäherung an die Art antiker 
Teinpelfronten einen grossen Fortsehritt gemacht zu haben. Und ge- 
genüber der ausartenden Frührenaissance war es wirklich so. Einen 
viel bedeutendem monumentalen Eindruck machen Palladio's Fas- 
saden gewiss; sie bereiten würdiger auf ein Heiligthnm vor, als die 
meisten Kirchenfronten seiner nächsten Vorgänger. Im Grande ge- 
hen sie über weiter und willkürlicher von dem Zweck der Fassade 
ab r ein baulicher Ausdruck des Ganzen zn sein. Jede Forin ent- 
spräche baulich dem Innern eher als gerade diese Tempelkalle. Aus- 
serdem hat sie besondere Uebelstände; ihren vier Säulen, wenn sie 
die antiken Verhältnisse beibehalten und doch dem Höhenvcrhältniss 
des Mittelschiffes entsprechen sollen , xnuss mit Piedestalcn nachge- 
holfen werden ; ihre Intervallflächon harmonisch zu verzieren ist un- 
möglich , weil diesolben durch die Schwellung der Säulen eine nicht- 
winkelreehte Form haben und im Grande doch nur ein Ersatz sind 
für den freien Durchblick einer offenen Säulenhalle 1 ). Palladio muss- 
te ihnen Nischen mit Statuen geben. Endlich ist das Anlehnen der 
Halbgiebel mit ihrem schiefen und ihrem wagerceliten Sims (der dann 
über dem Portal wieder zum Vorschein kömmt) nie ganz schün zu 
bewerkstelligen. 

Als grosser Künstler brachte froilich Palladio eine Art von Har- 
monie hinein. Die strenge Einfachheit seines DetailB, die beständige 
Berechnung der Theilc auf das Ganze bringt bei ihm immer einen 
zwingenden Eindruck hervor. 

In Betreff des Innern belebt er die Anordnung der frühem Re- 
naissance durch einen imposanten Organismus von kräftigen Gliedern, 
namentlich Halbsäulen, nnd durch Verhältnisse, welche die einzig 
wahren scheinen, so lange mau sie vor Augen hat. Auch hier herrscht 
Eine Ordnung. Durch ausdrückliche Verfügung des Meisters oder 
durch einen glücklichen Zufall blieben diese Kirchen ohne Vergoldung 
und Bemalung. (Irgend eine decorative Gliederung der Gewölbe 
möchte Palladio doch wohl beabsichtigt haben.) 

Die Kirche S. Giorgio maggiorc in Venedig, herrlich isolirt 
der Piazzetta gegenüber gelegen , ist das frühste dieser Gebäude (be- 



') We.Mb die Allen all klllMllcn unveiiicrl lieasen. Siebe z. ». üea Ttrmpel der Forttin» 
Virilit In Rom. 



Vanedig. PaUadlo'a 



gönnen 1560). Schon von aussen bilden Kirche, Querschiff, Thurm 
und KloBter eine malerische Gruppe. Der Eindruck des Innern ist 
besonders schön und feierlich. Die Hauptordnung hat, wie gesagt, 
HalbsÜuien 5 die von ihr ein gefassten Bogen ruhen auf Pilastera; unter 
der ganz einfachen Kuppel treten dann auch in der Hauptordnung 
PiiaBter hervor ; in den Seiten schiffen eine kleinere Ordnung von Halb- 
säulen. Die Qnorarme schliossen im Halbrnnd. Der Durchblick in 
den hintern Mönchschor durch eine schöne Säulen Stellung mit gera- 
dem Gebälk ist durch die darüber gesetzte Orgel verdorben. — Das 
Kloster mit seinem vielbewundertcn Kefcctorium ist gegenwärtig 
Caserne. 

Die Fassade von S. Francesco della Vigua (t566) wiederholt 
das Motiv derjenigen von S. Giorgio; nur treten die Gesimsetlicke 
der Halhgiebel und dasjenige »her der Thür hier weiter hervor, als 
die Wandsäulen selbst. (Das Innere von J. Sansocino). 

Es folgt die Kirche del Redentore In der Giudecca {1516), 
Palladio's vollkommenster Kirehenbau ;' einschiffig mit nicht sohr tie- 
fen Seiteucapellen , sodass an der Fassade die Hauptordnung — diess- 
mal 2 Säulen zwischen 2 Pilastcrn— mehr Uber die untern Halbgiebcl 
vorherrschen konnte; statt der Postamente eine herrliche Treppe mit 
Balustraden , aber nur in der Mitte und zwar absichtlich so angeord- 
net, dass man den Sockel zu beiden Seiten sehe; Uber dem Haupt- 
giebel eine horizontale Attica, an welche sich obere Halbgiebcl — der 
Ausdruck für die Strebepfeiler des Tonnengewölbes — anlehnen. Bei 
einem etwas entferntem Gesichtspunkt steigt die Kuppel vortrefflich 
über die Fassade empor. Das Innere (mit Tonnengewölbe) von 
grosser perspectivischer Schönheit, bei den einfachsten Formen; 
reizvoller Einblick in die Capellen mit ihren Nischen, in die lichtrei- 
chen abgerundeten Querarmc, in die einfache Pilastcrordnung der 
Kuppel; endlich der erhabene Durchblick in den hintern Mönchschor 
durch eine Säulenstelluog im Halbkreis. Das organische Gerüst be- 
steht theils ans Halbsaulen, theils aus Pilastern, welchen Palladio 
dieselbe Schwellung und Verjüngung zu geben pflegte, wie den 
Säulen. (Das Kloster höchst einfach, für Mendicanten). 

Erst nach des Meisters Tode wurde (1566) die kleine Kirche des 
Nonnenklosters delle Zitelle, ebenfalls in derGiudecca, ausgeführt, 
mit ungenauer Benützung seines Entwurfes. Ich weiss nicht, ob das 
Auge, das sich in Venedig an Zierbauten wie die Scuola di S. 



sei 



Architektur von «40 bislBSO. 



Marco, S. M. de' Miracoli n. dgl. gewöhnt hat, für diese einfache 
Fassade mit zwei Pi Unterordnungen, einem Halbrundfenster und einem 
Giebel noch einige Aufmerksamkeit übrig haben wird; vielleicht ist 
aber nirgends mit so wenigen Mitteln Grösseres erreicht, und nicht 
umsonst wurden und werden diese Formen und Verhältnisse noch 
fortwährend mehr oder weniger treu nachgeahmt. Im Innern ruht die 
Kuppel auf einem Quadrat mit abgestumpften Ecken ; ein Vorraum 
und ein Chor; Uber don Seitenaltäron die vergitterten Nonnenplätze; 
— Alles zeugt von Ranmersparniss. (Die Vereinigung von je zwei 
. Pilastern unter. Einem Capitäl gehört ohne Zweifel zu den Verän- 
derungen). 

■ Noch später (160!)) benützte man einen Entwurf Patladio's für 
eine andere Nonnenkirche, 8. Lucia (beim Bahnhof). Die raum- 
sparende und dabei grossartig originelle Anlage des Innern (das 
Aeussere unbekleidet) ist nicht leicht zu beschreiben, wer aber die 
wenige Schritte entfernte Kirche der Scalz-i und deren empfindungs- 
losen Pomp damit vergleicht, wird in S. Lucia die Hand des hohen 
Meisters erkennen. 

Auaser-diesen Kirchen hinterliess Pal ladio in Venedig unvollendet 
Ii (auf immer) das Kloster der Carita (1561), in welchem sich jetzt 
die Akademie befindet. Man sieht .das kleinere dreiseitige Erdge- 
schosse eine Pfeilerhalle mit Pilastern, und die. eine Seite eines gross- 
artigen Holbaues — zwei Geschosse mit Pfeilerhallen nnd Halbsäulen, 
und ein Obergeschoss mit Mauer und Pilastern. Es ist das Gebäude, 
von welchem Göthe mit so vieler und gerechter Begeisterung spricht. 
Kein weisser Marmor, fast nur Backsteine, für welche Pal ladio eine 

■ Vorliebe hatte, weil er wohl wusste, dass die. Nachwelt kein Inter- 
esse hatte, sie abzureissen, wie die Quaderbautan. 



Der gerechte Stolz , womit Vicenza und das Ostliche Oberitalien 
überhaupt .auf Pal ladio hinblickten, gewährte diesen Gegenden auch 
die beste Schutzwehr gegen die Excesso dos Barockstyls. Während 
der schlimmsten borromineaken Zeit verdunkelte sich wohl Paliadio's 
Buhm zu einer mehr bloss historischen Anerkennung, aber mit dem 
XVIH. Jahrhundert wurden seine Gebäude von Neuem als Muster 
anerkannt, Dachgeahmt, ja wiederholt. Das Ausland, hauptsächlich 
England , mischte sich in die Frage und nalun Parthei für ihn anf das 



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llachfolg« Falladio'e, Scampi«. 



Nachdrücklichste. Wie Viguola für die Bildung des Details , so war ' 
Palladio für die Compositum das Orakel und Vorbild der Htrengern 
Architektur aeit 1700 : ja er herrscht in der Klassischen Schule Ober- 
italiens bis auf den heutigen Tag. 

Die Schattenseiten dieses grossen Einflusses sind nicht zu- ver- 
hehlen. Unvermeidlich brachten die Nachfolger die entleimten Mo- 
tive auch da an, wo sie nicht binpassten, blos um des Effectes willen; 
die pallailianiechen Formen der Palast fronten, Höfe, Kireheniuterieur» 
Ii. s. w. worden üuaserlich gehandhabt, als gross artigste Dekoration, 
die sieb vorbringen licss, und zwar «ft in ganz knechtischer Nach' 
alimung bestimmter hauten ; umsonst lehrten die Urbilder , dass der 
Meister jede einzelne Aufgabe ar>dcrs und immer neu äu lösen go- 
wusst Imtte. 

Dennoch überwog der Vortlieil, Unlkugbar hlieb man auf dieser 
fahrte den wahren und im if-eu Gesetzen der Architektur naber, als 
wenn man dem Barockstyl folgte. Bei der grossen Einfachheit des 
Details in diesem System erhielt sich auch eher der Sinn für die 
Wirkung der Verhältnisse, welche nun einmal die Seele der modern- 
italienischen Baukunst sind. Jeden Augenblick kann sich dieser Styl 
wieder der echten wenigstens römischen, wenn nicht griechischen Bil- 
dung nähern; es ist, so zu. sagen, noch nicht viel an ihm verdorben. 

Ja, wenn sich Auge und Sinn darüber Eechensehaft geben, wie 
sehr schon das Einfach- GrossrSumige — in wenigstens nicht unedeln 
Formen — auf die Stimmung wirkt, wie sehr das Gefühl „im Süden 
zu sein" davon bedingt ist, so lernt man diese Nachfolge Palladio's 
erst vollkommen schätzen. Ihr verdankt das moderne Oberitalien, 
hauptsächlich Mailand, jene Bauphysiognomie, die man kalt und herz- 
los, aber niemals kleinlich schelten kann. Sie hat das Bedlirfniss nach 
dem Grossen und Monumentalen wach gehalten und damit für jede 
höhere Entwickelung in der Baukunst einen günstigen Boden vorbe- 
reitet. Ein grosser Gedanke trifft wenigstens in jenen Gegenden auf 
keine meachine Baugesinnung. 

In Vicenza seihst war und blieb Palladio „das Palladium", wie 
Milizia in seinen Briefen sagt, und wie man auB Göthe's italienischer 
Reise noch deutlicher ersieht. Schon ein (nicht sehr dankbarer) vieen- 
tinlscher Zeitgenosse, Vinctnzo Scamozzi (1552— 1616), zeigt sich in 
seinem bedeutendsten Gebäude, Pal. Trissino am Corso, wesentlich . 
von Palladio abhängig. (Von ihm auch Pal. Trento unweit vom Dom, 



864 



Der- BaroctttyL 



n und in Venedig der schon genannte Ausbau der Procurazien , sowie 

b ein Pal. Cornaro am Canal grande, dann mehrere Villen u. 8. w. 
Scaniozzi iBt durch sein grosseB Werk „Architettura universale" be- 
kannter als durch seine eigenen Bauten). Aber noch viel später galt 
Palladio in der Heimath als Vorbild. Theils nach vorhandenen Zeich- 
nungen von ihm, theils wie gesagt mit Nachahmung seiner Bauten 
wnrdcn eine ganze Anaohl von Villen und Palästen errichtet, bis die 
französische Invasion den Wohlstand der venezianischen Landstadt 

l tieferschütterte. Dahin gehört Pal. Cordellina, jetzige Scnola elemen- 
tare etc., mit schöner Doppelordnung an der Fassado und im Hof, um 

<1 1750 von Calderari erbaut; Pnl. Losco am Corso, mit nur zu zahmer 
Rustica am Erdgeschoss u. a. dl 

e In Verona sind die Dogana (1758, von Pompei) und das Mnseo 

f lapidario, eineHofhalle beim Teatro filarmonico (1745, von demselben), 
sehr unmittelbare Zeugnisse der Begeisterung für den paltadian. 

z Hallenbau mit geraden Gobälken und echt antiken Intervallen; S. 
Sebastiano (von unbekanntem Urheber) ist ein relativ Klassisches Ge- 
bäude aus der Zeit, da sonst überall der Barockstyl herrschte. — In 

ii Brescia der Hof des Pal. Martinengo. 



i [Von den nicht zahlreichen Bauten derSpätrenaissance in Neapel 
möge PalazzoVicario, jetzt Tribunal, wogen der stattlichen Hofen - 
lage mit halbrunder Halle gegenüber der Einfahrt, und der brillante 

n Gartenhof von 8. Martino, mit Marmorsäulen im Erdgeschoss er- 
wähnt werden.] 



Wir hören mit den 1580er Jahren auf, die Künstler einzeln zu 
charakterisiren. Statt dessen mag hier oin Gesammtbild des seitdem 
aufgekommenen Barockstyls folgen, so gut wir es zu geben im 
Stande sind. - 

Man wird fragen: wie es nur einem Freunde reioer Kunatgestal- 
tnngen zuzumuthen sei, sich in diese ausgearteten Formen zu versen- 
ken, über welche die neuere Welt schon längst den Stab gebrochen? 



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Sein» Bepr&SMttMten. 365 

Und woher man nur bot der grossen Menge des Guten in Italien Zeit 
und Stimmung nehmen «olle, um auch an diesen späten Steinmaasen 
einige mögliche Vorzüge za entdecken? Hierauf ist zu antworten, 
wio folgt. Wer Italien nur durchfliegt, hat vollkommen recht, wenn 
er sich auf das Allerbeste beschrankt. Für diejenigen, welche sich 
einige Zeit gönnen, ist es bald kein Geheimnis» mehr, dass der Ge- 
nnas hier bei weitem nicht bloss in dem Anschauen vollkommener 
Formen, sondern grösserntheils in einem Mitleben der italienischen 
Culturgeschichte besteht, welches die schönem Zeiten vorzieht, aber 
keine Epoche ganz ausschliesst. Nun ist es nicht unsere Schuld, dass 
der Barockstyl ganz unverhältnissmässig vorherrscht und im Grossen 
den äussern Eindruck wesentlich bedingt, dass Rom, Neapei, Turin 
und andere Städte mit seinen Gebilden ganz angefüllt sind. Wer sich 
irgend eines weitem Gesichtskreises in der Kunst rühmen will, ist 
auch dieser Masse einige Aufmerksamkeit schuldig. Bei dieser Be- 
schäftigung des Vergleichens wird man vielleicht auch dem wahren 
Verdienst gerecht worden, das manchen Bauten des fraglichen Stylos 
gar nicht abzusprechen ist, obwohl es ihnen bisweilen in Bausch und 
Bogen abgesprochen wird. Diese Verachtung wird man bei gebilde- 
ten Architekten niemals bemerken. Dieselben wissen recht wohl In- 
tention und Ausdruck zu unterscheiden und beneiden die Künstler 
des Barockstyles von ganzem Herzen ob der Freihoit, welche sie ge- 
nossen und in welcher sie bisweilen grossartig sein konnten. 

Noch weniger aber als ein allgemeines Verwerf ungsurtheil liegt 
unB eine allgemeine Billigung nahe. 

Unsere Aufgabe ist: aufmerksam zn machen auf die lebendigen 
Kräfte und Eichtnngon, welche sieh trotz dem meist verdorbenen 
und conventioneilen Ausdruck des Einzelnen unverkennbar kund 
geben. Die Physiognomie dieses Stylcs ist gar nicht so interesselos, 
wie man wohl glaubt. 



Die uinfluas reichsten Architekten waren: zunächst ein vielbe- 
schäftigter Schüler Michelangelo 's : Giacomo deUa Porta; dann jene 
Colonie von Tesainern, welche Born seine jetzige Gestalt gab: Dome- 
nico Fontana (1543— 1607) nebst seinem Bruder Giovanni und seinem 
Neffen Carlo Maderna (1556—1639), welehen noch der Nebenbuhler 



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866 



Oer Borockstyl. 



Bemlni's, Francesco Borromtnt (1699— 16ß7) und der späte Carlo 
Fontana (1634— n 14) beizuzählen sind. Dann einige Lombarden: 
die drei Lunghi (der Vater Martino, blühte um 1570, der Sohn Önorio 
1561—1619, der Enkel Martino f 1657); Flaminio Ponzio (f unter 
Paul V.); Coskno Fansaga 1591—1678, meist in Neapel thätig; die 
Bolognesen Domenichino (ISS"1 — 1641) und Alestandro Algardi (1602 
—1654), jener sonst mehr als Maler, dieser als Bildhauer berühmt; 
die Römer Girol. Sinaldi (1570— 1655), sein Sohn Carlo (1611—1641) 
und Giovanni Antonio de' Eossi (1616—1695); ferner der bekannte 
Maler Pietro da Cortona (1596 — 1669); gleichzeitig mit diesen und 
Allen überlegen: 'Gioe. Lorenzo Bernini von Neapel (1589 — 1680); 
alle Spätem von ihm abhängig : Guarino Gwarini von Hodena (162* 
bis 1683), der das jetzige Turin begann; derDecorator Pater Andrea 
Pozzo (1642—1709); die drei Bibbkna von Bologna, deren Blüthe 
nach 1700 fällt; die Florentiner Aless. Galüei (1691. — 1737) und Fer- 
dinando Fuga (geb. 1699); endlich die beiden mächtigsten Archi-, 
tekten des XVIII. Jahrhunderts: Fäippo Juvara oder Ivara von 
Messina (1685 — 1735), und Luigi VanvitelH, von niederländischer Her- 
kunft, zu Neapel geboren (1700—1773)'). — Das Loeale verliert hier 
fast alle Bedeutung; einige der Genannten führen ein kosmopoli- 
tisches Wanderleben, Andere liefern wenigstens Zeichnungen und 
Pläne für weit entfernte Bauten; 

Innerhalb des Styles, welchen sie gemeinsam repräsentiren, giebt 
bcb natürlich während der awei Jahrhunderte von 1580 bis 1780 nicht 
nur Nuancen, sondern gana grosse Veränderungen, und bei einer voll- 
ständigen methodischen Besprechung müsste mit Bernini unbedingt 
ein neuer Abschnitt beginnen. Für unsere rasche Uebersicht ist eine 
weitere Trennung um so weniger räthiieh, als die Grundformen im 
Ganzen dieselben bleiben. 



Die Barockbaukunst spricht dieselbe Sprache, wie die Renais- 
sance, aber einen verwilderten Dialekt davon. Die antiken Säulen- 
ordnungen 5 ), Gebälke, Giebel n. s. w. werden mit einer grossen Will- 

i) Der Vertaner benennt, Juviira - » Ilanptbaa, ilio Snpergi bei Törin, gar nicht, 
arid Vanvitelli'« Bchlosa von Caserta nur Ton atmen gesehen in hauen. 

') Die Capitata Insgemein In gefühllos achwülitiger Umbildung. B. 1(1, Ann. 1. 



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Die Äusdruckaweioe im Detail. 



367 



kür auf die verschiedenste Weise verwerthet; in- ihrer Eigenschaft 
als Wandbekleidung aber wird ihnen dabei ein viel stärkerer Accent 
gegeben als vorher. Manche Architekten componiren in einem be-. 
ständigen Fortissimo. Säulen , Halbsäulen und Pilaster erhalten eine 
Begleitung von zwei, drei Halb- und Viertclspilastcrn auf jeder Seite ; 
eben so viele Male wird dann aber daB ganze Gebälk unterbrochen 
und vorgeschoben; je nach Umständen auch derSockel. In Ermangel- 
ung einer organischen Bekleidung verlangt man von Dem , was zur 
Zeit der Renaissance doch wesentlich nur Decoration war, dass es 
Kraft und Leidenschaft ausdrücke; man will sie erreichen durch Derb- 
heit und Vervielfachung. Von der perspecti vischen Nebenabsicht, 
die sich damit verbindet, wird bei den Passaden die Rede sein. 

Eine nahe Folge dieser Derbheit war die Abstumpfung des Auges 
für alle feinern Nuancen. Auf eine merkwürdige Weise tritt diess 
zu Tage, sobald der Ausdruck der Pracht verlangt wird. Man sollte 
erwarten, dass die Baukunst der römischen Kaiserzeit all ihren vege- 
tabilischen und sonstigen plastischen Reichthum hätte herleihen 
müssen, die Cannelirunge'n ihrer Säulen, die ornainentirten Basen, die 
Blätterreihen ihrer Architravc, den Prachtschmuck der Friese, endlich 
jene plastische Detailfülle ihrer Kranzgesimse, zumal Consolen und 
Rosetten. Diess Alles kommt aber nur stollenweise und kaum je voll- 
ständig zur Anwendung, meist dagegen nur in dürftigem Excerpt. 
In ganz andern Dingen wird d er Reiz für das Auge gesucht, welcher 
der Pracht entsprechen soll : die Bauglieder selbst, ohne ornamentales 
Detail, aber mit durchgehenden, oft sinnlosen Profilirungen aller Art 
überladen, kommen in Bewegung; hauptsächlich die Giebel beginnen 
seit Bernini und Horromini sich zu brechen, zu bäumen und in allen 
Richttingen zu schwingen. An einzelnen besondern Prachtstücken, 
wie Altäre u. s. w. werden, gewundene Säulen beinahe zur Regel. 
Wie die Farbigkeit der Steine und Metalle zur Mitwirkung benutzt 
wurde, soll weiter erörtert werden. Endlieh bringt um nuo der Pater 
Vozzo diese ganze neue Art von Decoration in ein System, das, im Zu- 
sammenhang mit jener durchgehenden perspecti vi sehen Absicht vor- 
getragen, wahrhaft lehrreieh ist, obschon die Mittel, einzeln genommen, 
zum Theil abscheulich heissen müssen. 

Wo dann eine wahre bauliebe Function deutlich markirt werden 
soll, weiss dieser Styl sich natürlich nur noch in unverhältnissmässig 
massiven Formen auszusprechen. Man vergleiche, um mit einem klei- 



368 Dar Barock«tyL 

neu Beispiel au beginnen, die coloasalen Deckenconsolen in S. Maria 
in Via lata zu Rom mit den so massigen, welche in alten Basiliken den 
Dachstuhl tragen. 

Seiten aber ist es mit dem Ausdruck von Functionen ernstlich 
gemeint. Vielmehr bekommen die einzelnen Formen ein von allem 
Organismus unabhängiges, später ein krankhaftes Leben. Man findet 
z, IS. bei l'ozzo eine Sammlung von Thür- und Fensteraufsätzen , wie 
sie um 1701) für claasisch galten und oft genug wirklich ausgeführt 
wurden ; es sind Fieberphantasien der Architektur. — Allein auch die 
schlimmsten dieser Formen haben eine Eigenschaft, die für den ganzen 
Styl wichtig und bezeichnend ist: nämlich ein starkes Relief und so- 
mit eine starke Schatten Wirkung. Untauglich znm Ausdruck des 
wahrhaft Organischen, des Coustructiven, sind sie im höchsten Grade 
wirksam zur Eintheilung von Flüchen, zur Markimng bestimmter 
Stellen. Sie können diejenige lebendig gebliebene Seite der Archi- 
tektur darstellen helfen, welche als das Gobiet der Verhältnisse zu 
bezeichnen ist. 



Der Hauptschauplatz auf welchem diese Frage der Verhält- 
nisse durchgefochten wird, sind in dieser Zeit imliiugbar die Kir- 
chenfassaden. Ich weiss, dass man leicht in Versuchung geräth, 
keine einzige auch nur recht anzusehen. Sic sind schon in der Re- 
naissancezeit, ja in der italienischen Gothik blosse vorgeschobene 
Decoratio 11 en und werden jetzt vollends rein conventiouclle Zierstücke, 
die mit dem Ganzen gar keinen Zusammenhang haben. Ihre Verhält- 
nisse, ob schön ihIcv h.üsslich jiaeli damaligem Maassstau, dürften uns 
gleichgültig sein. Allein als reine Fictiou ergreifen sie den Beschauer 
doch bisweilen, trotz der oft so verwerflichen Ausdrucks weise, und 
nöthigen ihn, der Absicht des Baumeisters nachzugehen, seine Rech- 
nung — nicht von Kräften und Lasten , wohl aber von Massen und 
Formen — nachzurechnen. Man entsinnt sich dabei, dass es zum 
Thcil die Zeitgenossen der giüssteu Maler des XVII. Jahrhundert« 
waren , wclclio so bauten , ja Maler wie Domcnichino , Bildhauer wie 
liernini selbst. 

Seit Palladio werden die Fassaden mit Einer Ordnung (Seite 359) 



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369 



häufiger, ohne jedoch im Ganzen das Uebergewicht zu gewinnen. Für 
Boro z. B., welches den Ton im Grossen angab, mochte die wider- 
wärtige Fassade von S. Carlo al eorso eher zur Abschreckung als a 
zur Empfehlung dieser Baufonn dienen. (Angeblich von Ünorio 
LuMghi, in der That vom Cardinal Omedei.) Auch diejenige Ma- 
ilema's anS. Francesca Romana steht weit unter Palladio. Der Uber- b 
wiegende Typus, welchen seit etwa 1580 Giae. della Porta, Dow:. 
Fantana, Mart. Lunghid. ä. etc. geschaffen hatten, blieb immer der- 
jenige mit zwei Ordnungen, und zwar früher eher von Pilastern, 
später eher von Halbsäulen und vortretenden ganzen Säulen. Das 
breitere untere Stockwerk und das schmalere obere werden auf die 
bekannte Weise vermittelt, durch Voluten oder durch einfach ein- 
wärts geschwungene Streben; doch ist der Abstand zwischen beiden 
nicht mehr bo bedeutend, wie zur Zeit der Renaissance, indem jetzt 
die Anlage der Kirchen iiberliaupt eine andere und die Xcbensehiffe 
zu blossen Capellenreihen von geringer Tiefe geworden sind (wovon 
unten). Hie und da wird die Strebe ganz graziös gebildet, mit Frucbt- 
schnüren geschmückt etc. (S. M. inCampitetli zu Rom, von fiMb); ■> 
andere Architekten geben der obern Ordnung dieselbe Breite wie der 
untern , lassen jedoch den Giebel Wob dem Hauptschiff entsprechen. 

Innerhalb dieser gegebenen Formen bemühen sich nun dieBesseni, 
in jedem einzelnen Fall die Verhältnisse und das Detail neu zu com- 
hiniren. Die Harmonie, welche sie nicht selten erreichen, ist eine rein 
conventionelle, wie die Elemente, aus welchen sie besteht, wirkt aber 
eben doch als Harmonie. Das massige Vor- und Zurücktreten ein- 
zelner Wandtheile, die engere oder dichtere Stellung der Pilaster 
oder Säulen, die Form, Grösse und Zahl der Nischen oder Fenster 
wird im Zusammenhang behandelt und bildet ein wirkliches Ganzes. 
Dass die gedankenlosen Nachtretor und Ausbeuter in der Majorität 
sind, kann auf Erden nicht befremden , nur darf man nach ihnen nicht 
die ganze Kunst bcurtheilen. Ich möchte die Behauptung wagen, 
dass die Hessern dieser Fassaden in der Gesammtbehaudlnng conse- 
quenter sind, als diejenigen der Renaissance. 

Die römischen vom Ende des XVI. und Anfang des XVII. Jahr- 
hunderts erscheinen in der Gliederung noch einfach und mässig; 
blosse Pilaster, meist noch ohne Nebcnpilaster ; Halbsäulen nur am 
Erdgeschoss, ja selbst nur an den Portalen. Von Gide, della Porta: 
II Gesü, 8. Caterina de' Funari; S. Luigi de' Francesi, letztere be- d 
Burckhardl , aitnnr. 21 



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370 Der Bämekityl. 

sonders nüchtern. — Von Mali. Lunghi d. ä.: S. öirolarao de' Schia- 
voni;S. Atanasio. — Von Vincenzo dellu Greca: SS. Domenico e Sisto, 
seiner Zeit viel bewundert. — Von Carlo Maderna: S. Sueanna und 
S. Giacomo degli Incurabili , beide weit besser als die Fassade von 3. 
Peter (Seite 336) für welche seine Kräfte nicht hinreichten. — Von 
Gio, Batt. Soria: S. Carlo V Catinari , die tüchtige Vorhalle von S. 
Gregorio u. m. a. — In Neapel konnte schon vor 1600 eine Missform 
entstehen, wie die Fassade des Gesü uuovo, mit ihrer facettirten 
Rustica, und um 1620 eine so gedankenlose Marmorwand , wie die der 
Gerolomini; boido wären in Rom unmöglich gewesen. (Schon der 
Travertin nöthigte die Römer zu gleichmässiger Behandlung, während 
Neapel zwischen Marmor und Mörtel schwankt^ i -'•<•' . ■ 

Mit Algardis Fassade von S. Ignazio und Srnaldi'n säulenreicher 
Fronte von S. Andrea della Valle zu Rom beginnt die derbere Aus- 
drncksweise der Fassade von Sl Peter ihre Früchte zu tragen: das 
Vor- und Riickwärtstreten der einzelnen Flächen, die stärkere Ab- 
wechslung der Gliederungen nebst der entsprechenden Breehung der 
Gesimse. (Diejenige von S. Ignazio ist immer eine der besten dieser- 
Classe.) An Rinaldi's sehr interessanter FaBsadc von S. M. in Cain- 
pitelli hat das untere Stockwerk Säulen und Halbsäulen von viererlei 
verschiedenem Rang auf eben so vielen Axen. Hier offenbart sich 
besonders deutlich das Vorwärts- und Riickwärtstreten der Mauer- 
körper als ein malerisches Prineip; Abwechslung in den Linien 
undstarke Schatten Wirkung werden leitende Rücksichten, im geraden 
Gegensatz zu aller strengern Architektur. ■ 

Reine Prahlereiist dagegen eine Fassade wie die von.S. Vin- 
cenzo ed Anastasio hei Fontana Trevi, mit ihren gegen das Portal 
hin en echelon aufgestellten Sänlen. (Von Mart. Lunghi d. j.) 

Um die Mitte des XVII. Jahrhunderts, mit dem Siege des ber- 
linischen Styles, tritt dann jene eigentliche Vervielfachung der 
Glieder, die Begleitung der Pilastcr und Halbsäulen mit zwei bis drei 
zurücktretenden Nebenpilastem vollständiger ein. 

Der Zweck derselben war nicht blos Häufung der Formen; viel- 
mehr treffen wir hier auf einen der durchgreifendsten Gedanken des 
Barockstyl es: die scheinbare perspectiv! sehe Vertiefung. Das Auge 
geniesst die, wenn auch nur flüchtige Täuschung, nicht blos auf eine 
Fläche , sondern in einen Gang mit Pfeilern auf beiden Seiten hinein 
zu sehen. 



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Di« KirchenfasMden. Ihn Schwingnng. 371 

Theüweiae denselben Zweck, nur mit andern Mitteln eratrebt, 
darf man auch in der verrufenen Biegungder Fassaden erkennen. 
Auch hier wird eine Schein bereichern ng beabsichtigt, wenn die Wand 
aamnit all ihrer Decorat ion rund auswärts, rund einwärts oder gar 
in Wellenform 1 ) geschwungen wird. Das Auge; halt, zumal beim 
Anblick von der Seite, die Biegung für stärker, als sie ist, und setzt 
die ihm durch Verschiebung unsichtbaren Theile reicher voraus, als 
sie Bind. Sedann ist auch hierein malerisches Princip thätig: das- 
jenige, die homogenen Bauglieder , z. B. alle Fenstergiebel, alle Ca- 
pitata desselben Banges dem Beschauer auf den ersten Blick unter 
ganz verschiedenen Gesichtspunkten vorzuführen , wahrend die stren- 
gere Architektur ihre Wirkung im geraden Gegentheil sucht. Ich 
weiss nieht, war es nothwendige Consequenz oder nicht, dass die 
Giebel ausser der Schwingung nach aussen auch wieder eine nach 
oben annahmen, sodass ihr Band eine doppelt bedingte, meist ganz 
irrationellc Curve bildet; so viel ist sicher, dass diese Form zu den 
abschreckendsten der ganzen Baukunst gehört, zumal wenn die 
Giebel gehrochen sind. — Es wird damit theoretisch zugegeben, 
dass die geschwungene Form unter allen Umständen die schönste 
sei 5 ); ohne darauf zu aehten, welche Vorbedingungen die wahre 
Baukunst macht und machen mnss. 

Francesco Botrmnini ist für diese geschwungenen Fassaden der 
berüchtigte Name geworden, obschon die übelsten Conscquenzen erst 
von der miss versteh eh den Willkür der Nachahmer gezogen wurden. 
Sein Kirchlein S. Carlo alle quattro fontane (1667) enthält in der That 
weder innen noch aussen andere gerade Linion als diejenigen an den 
Fensterpfosten etc. — An S.Marcello amCorso ist die Fronte von Car- 
lo Fontana; S.Luca von PietTO da Cortona; S.Croco unweit vom Pan- 
theon aus dem XVIII Jahrhundert. — Eine Seite kann man diesen 
Fratzengobild en immerhin abgewinnen : sie sind wenigstens wirkliche 
Architektur, können schöne und grossartige Haupt Verhältnisse dar- 
stellen und stellen sie bisweilen wirklich dar. Diess wird man am 

i) Ein werther Frotmd pflegte m lagen, solche Fassaden seien aaf dem Ofen 
getrocknet. 

a ) Es ist hier nocil einmal hinzuweisen anf Berninl's Culonnaden von S. Feier 
(S. 337|. als deren Caricatur Mm die Halle von S. Miccliele hl Malland (von Francrice 
Crocr) zu nennen wäre, Kelchenm vier grBssern und vier dazwischen verdienten 
kleinem Kreissegmenten beucht. 

2*« 



Dar Barockityl. 



Besten innebeim Anblick gleichzeitiger venezianischer Kirchen- 
fassaden (S. Mois6, Chiesa del Bicovero, S. Maria Zobenign, Scalzi) 
welche zwar geradlinig , aber keine Architektur mehr, sondern mar- 
morne Schreinerarbeit sind. Die kleinlichsten Gedanken der venezi- 
anischen FrührenaisB&oce spuken hier in barocken Wulst gehüllt fort; 
es iät die Phantasie jener Schränke von Ebenholz, Elfenbein und Email 
(Studioli), die damals mit schwerem Aufwand für die Paläste der 
Grossen beschafft wurden. Der Platzmangel nöthigte wohl zu einer 
concontrirten Pracht, allein diese konnte sich auch imBnrockstyl wür- 
diger ausdrücken als durch solche Puppenkasten. 

Uobrigens war die Herrschaft jener Fassadenforni in Italien 
keine lange und keine durchgehende; im XVIII. Jahrhundert sind 
die wichtigsten Fassaden wieder alle geradlinig; so die sehr colossale 
von S. Pietro in Bologna und die Bich schon dem neuern Classicismna 
nähernde am neuen Dom von Brescia; in liom diejenige von S. Gio- 
vanni de' Fiorentini, welche Älesa. Galilei in Ermanglung der durch 
Nachlässigkeit verlorenen Zeichnungen Michelangelo'» entwarf, ohne 
sich in die der altern Zeit angehörige Anlage mit breiten Neben- 
schiffen wieder hinein finden zu können. Von ihm ist auch die Fas- 
sade desLateran's 1 ), wo das vorgeschriebene Motiv einer obern Log- 
gia Uber einem untern Vestibül wahrhaft grossartig von einer riesigen 
Halle Einer Ordnung eingefasst ist, die sich oben in fünf Bogen, unten 
In fünf Durchgängen mit geradem Gebälk öffnet. (Lehrreiche Paral- 
lele mit der in jeder Beziehung schlechtem Fassade von S. Peter). 
Fuga, welcher einige Jahrzehnte später <1T43) nach einem ähnlichen 
Programm die Fassade von S. Maria maggiore baute, kehrte zu dem 
System zweier Ordnungen zurück, und schuf ein Werk, welches zwar 
durch reiche Abwechselung und durch den Einblick in Loggia und 
Vestibül malerisch wirkt, aber selbst abgesehen von den sehr aus- 
gearteten Einzel form kleinlich und durch die Seitenbau ten gedrückt 
erscheint. Gleichzeitig entstand freilich noch viel Schlechteres, z. 
B. die gewundene Fassade nnd Vorhalle von S. Croce in Gerusalem- 
me (von Gregorini). Und doch hatte für kleinere Kirchen mit Vor- 
halle und Loggia schon Pietro da Cortona um 1650 ein so tüchtiges 
Muster aufgestellt wie S. Maria in Via lata (am Corso). 



wardm, in eine gute Doppelh«lle *m der Zeil Bixtni V. 



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Fassaden. Ferapectiviscae 



878 



Ausser jenen geschwungenen Fassaden kommen übrigens noch , 
viel kühnere Mittel der Schein er Weiterung vor. Derselbe Pietro da 
Cortona wusste der kleinen und Übel gelegenen 8. M. della P ace ■ 
ein majestätisches Ansehen zu geben, indem er vor die Fassado eine 
kleine halbrunde Vorhalle , um die hintere Hälfte der Kirche aber eine 
grosso, hohe, decorirte Halbrundmauer hinstellte, deren vordere Ab- 
schlüsse durch reichmotivirte Zwisohenbanten mit der Kirche verbun- 
den sind. Das Auge setzt nicht nur hinter dieser Hauer ein grösse- 
res Gebäude voraus, sondern es würde auch von den beiden contrasti- 
renden Curven und der schön wechselnden Schatten Wirkung auf das 
angenehmste berührt werden, wenn die Einzelformen etwas reiner 
wären. — Sernini, als er um die Kirche von Ariecia ebenfalls eine t> 
Halbrundmauer anlegte, brauchte die List, dieselbe nach hinten hin 
allmühlig niedriger werden zu lassen, damit das Auge ihr eine wei- 
tere Entfernung und grössere Ausdehnung zutraue; er rechnete nicht 
darauf, dass nach 200 Jahren eine Brücke über das Thal würde ge- 
führt werden, von welcher aus sein Betrug sich durch die Seitenan- 
sicht verrüth. Wir werden ihn noch auf andern Erfindungen dieser 
Art betreten. 



Die Seitenfassaden, wie Uberhaupt das ganze Aeussere mit 
Ausnahme der Hauptfassade und Kuppel, sind in der Regel blosse 
Zugabe. Nicht nur wurden die vorhandenen Mittel durch möglichste 
Grossräumigkeit (und Pracht) des Innern und durch möglichsten 
Hochbau in Ansprach genommen, sondern die Kunst hat, auch wo 
das Geld ausreichte, auf eine höhere Durchbildung dieser Theile bei- 
nahe verziehtet Höchstens werden die beiden Ordnungen der Fas- 
sade, ku Pilastern ermässigt, so gut es geht zur Einrahmung und 
Theilung der Mauerflächen benutzt. Wo Strebepfeiler an die Mauer 
des Oberschiffes hinansteigen , sind 3ie meist von todter oder sehr 
barocker Gestalt. Die tüchtigste Physiognomie zeigen die Aussen- 
theile einiger oberitalischeu Kirchen, vermöge des Backsteins, der 
hier ungescheut zu Tage tritt; so t. B. an S. Salvatore in Bologna c 
(von Magentd); an S. Gaudenzio in Novara (von-Pefie^Mrai). Der blosse 
Mörtel dagegen offenbart die ganzcFormlosigkeit. Von den römischen 
Kirchen bietet, nächst S. Peter, der Hinterbau von S. Maria raaggiore d 
wenigstens einegrosseuini malerisch gut disponirteTravertinmasse dar. 
Die Thürme sind in diesen Zeiten am leidlichsten, -wo sie nur 



374 



Der Barockityl. 



als kleine, schlanke Campaniii von an sprachloser, leichter Bildung 
neben die Kirche hingestellt werden. Man gewöhnt sich bald daran, 
diesen durchsichtigen Pfeiler als Trabanten der Kuppel hübsch zu 
finden und vermisst ihn ungern, wo er fehlt. — Sobald dagegen diese 
Naivetat wegfallt, sobald der Thurm als solcher etwas bedeuten soll, 
geht der hier ganz entfesselte Barockstyl in die unglaublichsten Phan- 
tasien Uber. Barromini baut in Rom Thtinne von ovalem Grund- 

a plan (S. Agnese in Piazza nnvona),mit zwei convexen ■ und zwei 
coneaven Seiten (Kloster der Chiesanuova), mit spiralförmigem Ober- 
bau (Sapionza) u. s. w.; endlich giebt er gleichsam ein Manifest aller 

h seiner Stylprincipien in dorn Thurm von 8. Andrea.delle Fratte. Wenn 
in diesem Wahnsinn Methode und künstlerische Sicherheit ist, bo fehlt 
dieselbe ganz in dem (vielleicht) grössten Barockthurm Italiens: dem- 
jenigen an S. Scpolcro in Parma. Neben diesem abscheulichen Ge- 
bäude kann selbst die Nüchternheit mancher andern Thilrme will- 
kommen sein. 

Viel grössere Theilnahmo wurde dem Aeussern der Kuppeln, 
zugewandt, welche das Vorbild der Peterskuppel nach Kräften re- 
produeiren. Ein wesentlich neues Motiv kommt wohl kaum vor '), ob- 
wohl sie unter sich äusserst verschieden sind in den Verhältnis seil 
und im Detail des mit Halbsäulen umgebenen Cylinders und in dem 
Wölbungsgrad der Schale. Ich glaube nicht, dass eine in Italien 
vorhanden ist, welche dem ungemein schönen, beinahe parabolischen 
Umriss von Mansard's Invalidenkuppel gleichkömmt-, doch haben die 
meisten spätem mit dieser genannten die bedeutendere Höhe und 
Schlankheit gemein. Auch hier offenbart sich der principielle Hoch- 
bau des Barockstyles. In Neapel ist die verhältnissmässige Niedrig- 
keit der Kuppeln durch die vulcanische Beschaffenheit der Gegend 
vorgeschrieben. - 



Die wichtigsten Neuerungen erfuhr die Anlage des Innern. Zu- 
nächst muss von dem weitern Schicksal der bisher üblichen Föhnen 
die Rede sein. 

Sänl enkirchen kommen zwar noch vor, aber npr als Aus- 
nahme und nach 1600 kaum mehr; nicht nur war die ganze ange- 

I) Wenn man absichl von den niimn Missbildqngen des Padre OvarM an den 
Kuppeln von S. Lorenio und der Capeila del Sudarlo 2u Turin, welche kaum Nach- 
ahmnng gefanden haben mBgira. 



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Thürme. Kuppeln. Baiilikcn. Grioou. Krem. 375 



nommeno Gliederung auf Mauermaasen und Pfeilerbau berechnet, 
wobei Säulen nur als vorgesetzter Schmuck zur Auwendung kamen ; 
nicht nur verabscheute man jetzt im Ganzen die Bogen Stellungen 
auf Säulen, sondern mich das Raumgefühl des Barockstyls find bei 
engen Intervallen jeglicher Art seine Rechnung nicht mehr. Dennoch 
gehören gerade die paar Basiliken zu den bessern Gebäuden des Sty- 
les; die Gerolomiui (oder .8. Filjppo) in Neapel (von Oio. Bait. (Ja- 
eagni 1587); die Annunziata in Genua (von Giac. della Porta), bei 
welcher man sich durch die schwere Vergoldung und Bemal ting des 
Oberbaues nicht darf irre machen lassen, u. a, m. In 8. Siro und in 
Madonna delle Vigne zu Genua (1576 und lSSli) stehen je zwei Säulen 
zusammen, wobei der Baumeister durch Anbringung eines Gebälk- 
stllekes und durch grössere Zwischenweiten sein Gewissen beruhige» 
konnte; ein Motiv das damals auch bei allen Säulenhöfon befolgt 
oder wenigstens verlangt wurde. , . ; ,. 

Sodann musste das griechische Kreuz, wie Bramante es für 
S. Peter beabsichtigt, Michelangelo schon so viel als durchgesetzt 
hatte, eine» grossen Eindruck auf alle Architekten machen. Mehr 
als ein halbes Jahrhundert hindurch (bis 1605) wussto man von nichts 
Anderem, als dass diese Kirche alter Kirchen ein griechisches Kreuz 
werden und bleiben solle, welches von seiner Kuppel nach allen 
Seiten hin beherrscht worden wäre. In dieser Gestalt kannten die 
grossen Baumeistor von 1550— itiuu S. Feter; auch wir können uns 
den Kindruck-vergegenwärtigen, sobald wir uns innen an das eine 
Ende des Quer bancs. stellen, oder aussen in die Gegend neben der 
Sacristei. — Damals entlehnte hier Galeazzo Alesgi, ..via wir sahen 
(S. 34U), die Grundform für seine Madonna. «Ii Carignano; später, 
nach 1596, wurde die Madonna delle Glüara in Reggio entworfen, 
deren schönes Innere nur durch die vollständige Bemaluiig der 
Gewölbe und Kuppel Uber dem hellfarbigen. Unterbau schwer er- 
scheint. Beide Gebäude schliessen allerdings nicht in halbrunden, 
sondern in lauter geradlinigen Fassaden, letzteres mit Ausnahme 
des Chores. In Rom ist das Innere von S. Carlo a' Catinari (1012, 
von Bosati) ei» schöner Bau dieser Art. Noch in ganz späten 
Redactiouen, wie S. Agnese in Piazza navona zu Rom (Inneres 
von Carlo Hinaldi) und S. Alessandro in Zebedia zu Mailand wirkt 
wenigstens die nicht zu verderbende Raums chünheit eines so gestal- 
teten Innern. An dem besten derartigen Bau des vorigen Jahrhun- 



376 



Der Barockstil 



i derts, an dem herrlichen Dom von Brescia, -von welchem noch 
weiter die Rede sein wird, ist jener Haupt vortheil, die Herrschaft der 
Kuppel Uber das ganze Aeusaere, ohne Noth Preis gegeben, und zwar 
blos zu Gunsten jener Ungeheuern vorgesetzten Fassade (S. 372 c). 
Allerdinge ist die Kuppel das späteste, allein sie war von jeher beab- 
sichtigt. Von den Armen des griechischen Kreuzes ist hier der hin- 
terste (Chor) betrachtlich verlängert. (Ferrara, vgl. S. 208e.) 

Für einzelne besonders angebante Prachtcapellen wurde das 
griechische Kreuz die beinahe aliein übliche Form, nur dau die Kap- 
pel sehr die Hauptsache ausmacht, und die vier Arme mit ihren 
Tonnengewölben ihr nur als 8 tützbogen dienen. Capellen wie diejenigen 

b Sixtus' V. und Pauls V. in S. Maria maggiore zu Rom wurden schon 
durch ihre Pracht mustergültige Vorbilder ; em wahrhaft schöner Bau 

c ist aber die eben so reiche, nur weniger bunte Cap. Corsini im La- 
teran. (Die Cap. Corsini im Carmine zu Florenz, 1675 von Silvani 
erbaut, gehört ebenfalls zu den bessern dieser Art.) Die ausgeschweif- 
ten Grundplüne borrominesker Capellen, die meist auf Ellipsen zu- 
rückzuführen sind, zeigen erst den wahren Werth des griechischen 
Kreuzes. 

Allein der Gottesdienst war so sehr an Langbanten und auch an 
deren Verbindung mit Kuppeln über der Kreuzung gewöhnt, dass eine 
Art von mittlerem Ausweg für längere Zeit zur Regel wurde. Es ist 
hier wieder an Vignola und an seine Kirche del Gesn in Rom zu 
erinnern (S. 342 b). Wenn schon einer der nächsten Schüler Michel- 
a angelo's, Giaoomo della Porta, beim Bau von S. Maria ai monti 
sich diesem Vorbild im Ganzen anschloss, wenn dann Maderna's vor- 
deres Langhaus von S. Peter mit einer (trotz der Nebenschifte) ana- 
logen Anlage das natürliche Muster für hunderte von Kirchen not- 
wendig werden musste, so kann die grosse Verbreitung dieses System' s 
nicht mehr befremden. 



Das Innere der Bnrockkirchen wird, wie schon vorläufig ange- 
deutet, vorzugsweise 1) ein Weitbau und 2) ein Hochbau. 

Das Hauptziel des Barock styla ist : möglichst grosse Haupträume 
aus Einem Stücke zu schaffen. Dieselben Mittel, mit welchen die Re- 
naissance lange, massig breite Hauptschiffe, geräumige Nebenschiffe 
und Reihen tiofer Capellen zu Stande gebracht , werden jetzt darauf 
verwandt , dem Hauptschiff und Querschiff die möglichste Breite und 



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Neuere Gestalt da* Langhaus«». 



Höbe zu geben ; die Nebenscbiffe werden entweder stark reducirt oder 
ganz weggelassen; die Capellen erhalten eine oft bedeutende Hüne 
und Grösse, aber wenig Tiefe. (Natürlich mit Ausnahme der zu be 
sondern Cultu «zwecken eigens angebauten.) — Man sieht, dass es sich 
wieder um eine Scheiner Weiterung handelt; das Auge soll die Ca- 
pellen, obschon sie blosse Nischen geworden sind, für Durchgänge 
zu vermutlichen Seitenräumen ansehen. 

Der Breitbau zog den Hochbau nach sich. Man findet fortan über 
dem Hanptgesimsefast regelmässig eine hohe Attica, und Uber dieser 
erst setzt das Tonnengewölbe an. 

Kon tritt auch jene Vervielfachung der Gliederungen (S. 387) in 
ihr wahres Licht. Ausser der perspectiv lachen Scheinbereichernng 
liegt ihr das Bewusstsein zu Grunde, dass der einzelne Pflaster bei 
den oft Ungeheuern Entfernungen von Pfeiler zu Pfeiler nicht mehr 
genügen würde. (D. b. dem Auge, und nur als Scheinstutze, denn 
constructiv hat er ohnehin keine Bedeutung.) 

Ferner ergiebt sich nun noch ein letzter und entscheidender Grund 
gegen den Basilikenbau. Die Säulen hätten bei den Verhältnissen, 
die man jetzt liebte, in enormer Grösse errichtet werden müssen. Kein 
Wunder dass jetzt auch die Halbsäulen, welche noch Palladio so gerne 
zur Bekleidung der Pfeiler verwandte, im Gänsen selten werden. Es 
setzt sich der Gebrauch fest, die Säulen Uberhaupt nur noch zur Ein- 
fassung der Wandaltäre anzuwenden, in welcher Function sie dann 
gleichsam das bewegliche Element des Erdgeschosses ausmachen. Ihr 
möglichst prächtiger Stoff (bunter Marmor und, wo die Mittel nicht 
reichten, Stuckmarmor) löst sie von der Architektur des Ganzen ab, 
doch wollen sie vor der Zeit Bernini's die Linien des Gebäudes noch 
nicht ohne Noth stören ; ja der Hauptaltar richtet sich bisweilen mit 
seinen Freisäulen nach der Hauptpilasterordnung der Kirche, und 
ebenso die Altäre der Capellen nach der Pilasterordnung der letztem 
(S. Ambrogio in Genua) ; erst seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts 
hören alle Rücksichten dieser Art auf, wovon unten Mehrores 

Der vordere Arm der Kirche ist im Verhältnis s zum Ganzen sel- 
ten lang 1 ); er Überschreitet in dor Hegel nicht drei Pfeilerintervalle; 



<} Ei Yerateht sich, dass Ii kr blome Umhauten, «eiche alch an diu Form älterer 
Kirchen aniumhlleiicn haben, eine durchgängige Ausnahme machen. So du von 
florromr'n* umgebaute Innere des Lateran« etc. 



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TTutertrechong de« Landhauses. Encdbau. 379 



trachte z. B. ohne Vorurtheil das Innere von S. Pietro in Bologna 
(vom Pater Magenta, nach 1606); das Hauptschiff ist trotz schwerer 
Ungeschicklichkeiten von grandiosem Effect; hauptsächlich aber bieten 
die Nebensohiffe eine Abwechselung grosser und kleiner, hellerer 
nnd dunklerer Räume auf einer und derselben Axe dar, deren Durch- 
blick das Auge mit Entzücken erfüllt. Von demselben Meister ist S. 
Salvatore ebenda. Kleiner, später und Überladener: Corpus Domini 
(oder la Santa). Ein ziemlich würdiges Interieur dieser Art ist auch 
dasjenige des Domes von Ferrara (1712, von MazzareUi.) 

War man einmal so weit gegangen, gab man zudem das ganze 
Aoussere mit Ausnahme der Fassade und etwa der Kuppel Preis, so 
blieb das Feld für noch viel kühnere Combinationen offen. Namentlich 
wurden in der borrominesken Zeit Kund räume, runde Abschlüsse 
mit Halbkuppeln, ja Verbindungen von elliptischen, halbrunden und 
irrationell geschwungenen Räumen beliebt. Dieser Art sind in liom 
Borromini'a eigene verrufene Interieurs von S. Carlo alle i fontane 
und von der Kirche der Sapienza; in Genua mag man bei Gelegenheit 
einen wundersamen Excess dieser Art in der kleinen Kirche neben S. 
Giorgio beobachten. Bernini hat sich nie so tief eingelassen; seine 
elliptische Kirche S. Andrea in Rom (Via del Quirinale) zeigt Eine 
sehr deutlich festgehaltene Eauptform, welcher sich die Capellen 
glcichmässig unterordnen. Das ansprechendste Interieur dieser freieren 
Art hat wohl unter den römischen Kirchen S. M. in Campitelli {von 
Rinaldi 1665); auf einen Vorderraum in Gestalt eines griechischen 
Kreuzes folgt ein Kuppelraum und eine Chornische; durch sinnreiche 
Vertheilung vortretender Säulen und Oekonomie des Lichtes ist ein 
grosser perspectivischer Reiz in dieses (gar nicht sehr ausgedehnte) 
Ganze gebracht. — In kleinem Kirchen findet man Uberhaupt die ori- 
ginellsten Ideen,- freilich oft im allerbarocksteu Ausdruck. 

Uebrigens wünschte man auch in dem gewöhnlichem Typus, wie 
er seit dem Geaii in Rom sich festgestellt hatte, immer neu zu sein. 
So suchte der Barockstyl z. B. für das Aufstützen der Kuppel auf die 
vier Hauptpfeiler oder Mauermnssen unablässig nach einem leichtern 
und elegantern Ausdruck ats ihn etwa S. Peter darbot. Es wurden 
vor den Pfeiler nacli beiden Seiten hin Säuleu mit vorgekröpftem Ge- 
bälk — doch nur als Scheinträger — aufgestellt u. s. w. Eine der 
geistvollsten Losungen des Problems bietet der Dom von Brescia, 
wo in den Pfeiler zwei Winkel hineintreten , vor welchen freistehende 



889 



Säulen angebracht sind: kein« Kuppel scheint leichter und sicherer zu 
schweben als diese. 

Die Beleuchtung der Kirchen ist, rein vom bauhehen Gesichts- 
punkt aus, fast durchweg eine glückliche: bedeutendes Kuppellieht 
(wenn die Vorhänge nicht geschlossen sind!), Fenster im Tonnenge- 
wölbe des Hauptschiffes, grosse und hoch angebrachte Lunetten- 
fenster in den Qu erschüfen , kleinere in den Capellen; also lauter 
Oberlicht, gesteigert je nach der Bedeutung der betreffenden Bau- 
theile. Aber die Altar gern aide komme» dabei erstaunlich schlecht 
weg; von denjenigen in den Seitencapellen ist kein einziges auch nur 
erträglich beleuchtet. — Wo Seitenschiffe angebracht sind, erhalten 
sie womöglich eigene Kuppelchen, welche ihnen durch Cy lind erfenatcr 
und Lanterninen wenigstens so viel Lieht zufuhren, dass die an- 
stossende Seitencapelle nicht ganz dunkel bleibt. 



Dieses ganze Formensystem offenbart sich am Vollständigsten 
und von der günstigsten Seite in solchen Kirchen, welche entweder 
farblos oder doch nur massig decorirt sind. Wie in der nächstvorh er- 
gehenden Epoche S. Maria di Carignano in Genua, so verdient in 
dieser der oftgenannte Dom von Brescia — hell steinfarbig von unten 
bis. zu den einfachen Cassetten der Kuppelschale hinauf — den Vor- 
zug der Schönheit vor mehreren Kirchen, die in der Anlage eben so 
trefflich, dabei aber Uberladen sind. Der Dom von Spoleto (um 1640) 
verdankt seine Wirkung sogar einzig der Farblosigkeit. Einzelne vor- 
nehmere Orden, die ihren Gottesdienst so zu sagen nur für sich halten 
und keine Gemeinde nm sich zu sammeln suchen, bauten sich wohl- 
räumige, weisse Kirchen, in welchen nur der Marmorboden und die 
Ausstattung der Altäre den Reiehthura verrathen. So in Rom S. Gre- 
gorio (Camaidulenser), SS. Giovanni e Paolo (ehemals Jesuaten) etc. 
DieCnrthauser dagegen scheinen für ihre noch grössere Ab Schliessung 
einen Ersatz in der vollen Pracht der Kirchen zu suchen. Die Je- 
suiten endlieh sind für die bunte Ueberladung der ganzen Decora- 
tion sprichwörtlich geworden. Es ist nicht zu leugnen, dass manche 
ihrer Kirchen hierin wahre Extreme sind und dass der Pater Pozzo 
ihrem Orden angehörte. Nur darf man dies nicht so verstehen, als 
hätte es eine specioll jesuitische Kunst gegeben. Je nach den Bau- 
meistern (die nur geringsten Theils vom Orden waren) sind ihre 



Jemitenityl. 381 



Kircben sehr verschied™ und selbst die buntesten Bind mit einer con- 
sequenten Solidität verziert, welche andern Kirchen oft fehlt. 

Das malerische GrundgefUhl des Barockstyls, welches so viel 
Abwechselung in Haupt- und Nebenformen verlangte, als sich irgend 
mit der unentbehrlichen Bedingung aller Architektur (der mecha- 
nischen Wahrscheinlichkeit) vereinigen Hess, musstein derDecoration 
sein volles Gentige und seinen Untergang finden. DasUebelist nicht die 
Buntheit an sich, denn diese könnte ein strenge geschlossenes System, 
bilden, sondern das Missverhältniss der einzelnen Decora- 
tionsweisen zu einander. 

Schon in dem architektonischen Theil zeigt Bich die Rastlosigkeit, 
welche kein Stückchen Wand mehr als blosse Wand existiren läset. 
Was neben den Altaren übrig bleibt, wird zu Nischen verarbeitet, 
deren Grösse nnd Gestalt zu der umgebenden Filasterordnung — sei 
es die des Hauptschiffes oder die der Capellen — in gar keinem ra- 
tionellen, nothwendigen Verhältnis» steht. Wesahalb denn auch 
grössere und kleinere abwechseln. Oft klemmen zwei Pilaster eine 
obere und eine untere Nische in ihre Mitte ein-, es genügt, die Pfeiler 
des Schiffes von S. Peter mit einem Pfeiler Palladio'B, %. B. im Ke- 
dentore zu Venedig, zu vergleichen, um zu sehen, wie eine Nische als 
blosser LUckenbüsser und wie anders sie als ernsthaftes Motiv wirkt. 
(Wobei wir die höchst bizarre Einfassung mancher Nischen nicht ein- 
mal in Betracht ziehen.) 

Pilaster, Friese, Bogenlaibungen u. s. w. hatten schon zur Zeit 
der Renaissance oft einen reichen ornamentalen Schmuck (gemalt 
oder stucchirt) erhalten, der nach strengem architektonischen Gesetzen 
wenigstens den erstem nicht gehörte, sich aberdurch die »aiveFreude 
daran und durch den schönen Detailgeschmack entschuldigen lässt. 
Der Barockstyl beutet diesen Vorgang mit absichtlichem Miss verstand 
aus, um bei solchem Anlass seine Prachtstoffe anbringen zu können. 
Ergeräth wieder in diejenige Knechtschaft derselben, welche mit dem 
erstenJahrtauBcnd(8eite77,tl2) hätte auf immer beseitigt sein sollen. 
Es beginnen, namentlich in Jeuitenkirchen die kostbarsten Incru- 
Stationen mit Marmoren aller Farben, mit. Jaspis, Lapis Lazuli u. s. w. 
Ein glücklicher Zufall verschaffte den Decoratoren des üesu in Eom 
jenes grosse Quantum des kostbarsten gelben Marmors, womit sie 
ihre Pilaster ganz belegen konnten; in andern Kirchen erschien ge- 
wöhnlicher Marmor zu gemein, und der kostbare Jaspis etc. war zu 



382 Dur BaroekityL ■•■ t 

selten, um in grossen Stücken verwendet zu werden; man gab dem 
erstem vermeintlich einen höhere Werth und dem letztem eine glän- 
zende Stelle, indem man beide zu Mosaik Ornamenten vermischte. Und 
dieselbe Zeit, die sonst so gutVusste, was Farbe ist, verfing sich nun 
in einer barbarischen Gleichgültigkeit, wo es sich um die Farbenfolge 
verhältnissmässig einfacher Formen und Flächen handelte. Die plumpe 
Pracht der medieeischen Capelle bei S. Lorenzo in Florenz (S. 273 i>) 
steht ausserhalb dieser Linie; wohl aber kann man z. B. die Incrusta- 
tion von S. Ambrogio in Genua als normal betrachten, d. h. als eine 
solche, wie man sie gerne Überall angebracht hätte. Hier sind die 
PUaster der Hauptordnung unten roth und weiss, oben schwarz und 
weiss gestreift, Capitiile und Gesimse weiss, hur der Fries hat weisse 
Zierratheuauf schwarzein Grund; an der untern Ordnung ist in Marmor 
aller Farben jenes kalligraphisch gedankenlose Cartouchenwerk an- 
gebracht. Einzelne besonders verehrte Capellen, auch die Chöre von 
Kirchen ganz mit spiegelblankem gelbem, gesprenkeltem, buntge- 
adertem Marmor zu tiberziehen, unter den Nischen vergoldete Bronze- 
reliefs herumgehen zu lassen, die Traner z. 11. in Passionscapellen 
durch feinen dunkeln MarmoT, ja durch Probirstein auszudrücken, 
wurde eine Art von Ehrenpunkt sobald die Mittel ausreichten. (Chor 
von S. M. Maddalena de' Pazzi in Florenz; rechtes Qucrschiff von S. 
Carlo in Genua; Capellen in allen reichern Kirchen Roms.) In S. 
i'eter zu Rom füllte Bernini (S. 337) die untere Ordnung vollends mit 
Rcliefzierrathen in Mosaik an. 

Den reichsten Schmuck erhielten insgemein die Theiio, welche 
dem Auge die nächsten waren, Sockel, Piedestale von Altarsäulen etc. 
(Mosaikwappen der Medieeischen Capelle in Florenz, in S. Ambrogio 
in Genua etc.; Capellonschranken in S. Martino zu Neapel). Wer 
aber die Stoffe nicht hatte, ahmte sie in Scagliola oder Stuck- 
marmor nach, wenn nicht an den Bantheilen selbst, doch wenig- 
stens an den Altären. Welch undankbare Opfer man sich doch bis- 
weilen auferlegte, lehrt z. B. die Jesuit enkirche in Venedig. Das 
Tcppichmuster , grllngrau auf weiss, welches die Flächen zwischen 
den Pilastern, ja auch die Säulen im Chor deckt, wird Niemand beim 
ersten Blick für etwas Anderes , als für eine aufgemalte Decoration 
halten. Dann denkt man vielleicht an Stucco oder Scagliola, bis das 
Auge sich zuletzt Überzeugt, dasB es sich um ein unendlich kost- 
spieliges Marmormosaik handelt. 



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Inkrustationen. Houlpturen. Gewälbemalereien. 389 



Zu dieser Art von Polychromie wollte dann das Plastische 
nur noch im derbsten Ausdruck passen. Die antike Architektur 
hatte die Bo gen fül langen mit ltelieffiguren , z. B. am Titusbogen mit 
Viotorion beseelt, an welchen man nicht bloss den herrlichsten pla- 
stischen Styl , sondern die vollkommenste Harmonie der Anordnung 
und des Reliefmaassos mit den Bauformen bewundert. Die Renais- 
sance ahmte dergleichen zuerst aohitn und maassvoll (Altar Alexan- 
der 's VI. in der Sacristei von S. M. del Fopolo), dann mit kecker 
Umwandlung des Reliefs beinahe inFreiseulptur (Joe. Samovitio's 
Biblioteca, S. 325) nach. Der Barocksty) aber gab auch die Harmonie 
mit der Form der Bogenfiillung Preis und Hess grosse allegorische 
Figuren in dieselbe hineinsitzen , so gut es ging. . Mit ihrer natura- 
listischen Auffassung empfindet das Auge um so peinlicher ihren 
Anspruch , wirklich da zu sitzen , wo kein menschliches Wesen sitzen 
kann. (S. Peter in Rom; S. Anjbrogio in Genua etc.). Bloss gemalte 
Figuren desselben naturalistischen Styles (z. B. diejenigen des 
Spagnolettö in 3. Martino zu Neapel) sind an dieser Stelle erträg- 
licher, weil sie wenigstens hinter dem Bogen sitzend gedacht sind 
und nicht herunter zu fallen drohen. — In der Folge überlud der 
Barockstyl noch alle Gesimse, namentlich die Altargiebel u. dgl. mit 
Heiligen und Putten von Marmor und Gyps. Von irgend einem Ver- 
hältniss zwischen diesen Decorationsfiguron und den Statuen der 
Nischen ist a priori nicht die Rede, da schon die Nischen selber kein 
bewusstes Grössenverhältniss mehr zum Gebäude haben. 



Oberhalb der Gesimse beginnt endlich der Raum, in welchem die 
entfesselte Deco ration ihre Triumphe , bisweilen auch wahre Orgien 
feiert. Seit der aitch ristlichen Zeit hatte die Gewöibemalcrei in 
Italien nie ganz aufgehört, allein sie hatte sich entweder auf die 
Kuppeln und auf die Halbkuppeln der Tribunen beschränkt, oder 
(wie in der Schule Giotto's) sich der baulichen Gewitlbecinth eilung 
strenge untergeordnet. Zur Bliithezeit der Renaissance hatten in 
den besten Gebäuden nur Kuppeln und Halbkuppeln figürliche Dar- 
stellungen; die übrigen Gewölbe waren cassettirt. Michelangelo, 
der das Gewülbe der Sistina ausmalte, zog doch für die Haupt- 
gewillbe von 8. Peter die vergoldete Cassettirung vor; Correggio 
malte nur Kuppeln und Halbkuppeln aus. Auch der Barockstyl 



384 Dar BaroekrtyL 

begnügte sich noch bisweilen mit einfacher Ornameutirung seiner 
Tonnengewölbe, doch bald riss die Deckenmalerei Alles mit sich 
fort; vielleicht zum Theil, weil die handfesten Maler Bie schneller 
und wohlfeiler lieferten als die Stuccatoren ihr sehr massives und 
kostspieliges Cassettenwerk. Es blieb noch immer der vergoldeten 
Stuccaturen genng übrig, in Gestalt von Einrahmungen aller Art 
nm die Malereien, auch von Fruchtschnüren an Gesimsen, Archi- 
volten u. s. w. Oft sind diese .Theile das Beste der ganzen Deco-- 
ration. (Festons mit besonderer Beziehung auf die Gärtner und 
Lebensinittelhändler als Stifter, in S. Maria dell' Orto zu Rom, 
Trastevere.) Es giebt Beispiele solcher Einrahmungen, in welchen 
die unbewegten architektonischen und die bewegten vegetabilischen 
Theile mit einem dritten Bestand theil zusammen ein Überaus glück- 
liches Ganzes ausmachen; dieses dritte ist die Muschel, ein orga- 
nisches Gebilde und doch in festem Stoff, das gleichsam die Mitte 
einnimmt zwischen jenen beiden. Freilich entsteht noch Öfter eine 
bombastische Fratze als ein schönes Ornament. Doch wir kehren 
zur Gewölbemalerei zurück. 

Dieselbe drängt sich auf jode Weise ein. Zuerst in die Casset- 
ten, an die Stelle der Rosetten; sie treibt die Cassette nach Kräften 
zum Büde auseinander. In den Kirchen Neapels nm 1601) sind die 
Gewölbe bereits in eine Anzahl meist viereckiger Felder getheilt, alle 
voll historischer und allegorischer Darstellungen. (Gesu nuovo 
u. s. w.; als profanes Gegenstück; VasarCs Deckengemälde im 
grossen Saal des Pal. vecchio zu Florenz; alles je naturalistischer, 
desto unleidlicher.) Dann schallt sie sich bequemere grosse Car- 
touchen von geschwungenen Umrissen und füllt dieselben mit ihren 
Scenen an (Annunziata in Genua). Endlich nimmt sie das ganze 
Gewölbe als Continnum in Anspruch. Auch jetzt noch besannen 
sich die bessern Künstler und suchten dem grossen Vorbild in der 
Ristina (s. d. Malerei) jene wundersame Abstufung von tragenden, 
füllenden und krönenden Figuren, von ruhigen Existenzliildern und 
bewegten Scenen abzugewinnen. (Domenichiiio: Chor Von S. Andrea 
della Valle; als profanes Beispiel: Galerie des Palazzo Farnese in 
Rom, von Annib. Caracci.) Im Ganzen aber sehlügt Coreggio's ver- 
führerisches Beispiel siegreich durch; schon hatte man die Kuppeln 
mit jenen in Untensicht gegebenen Glorien, Empyreen und Himmel- 
fahrten anzufüllen sich gewöhnt; jetzt erhielten fast alle Gewölbe 



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Pono. 



385 



der Kirche solche Glorien, umrandet von Gruppen solcher Figuren, 
welche auf der Erde zu stehen censirt sind. Der Styl und die illusio- 
näre Dar »tellungs weise wird uns bei Anlass der Malerei beschäftigen ; 
hier constatiren wir nur die grosse Abtretung 1 , welche sieb die Ar- 
chitektur gefallen läset. — Es war ein richtiges Bewusstscin, welches 
den Pater l'ozzo dazu trieb, diesen Gestalten und Gruppen einen 
neuen idealen Raum zur Einfassung und zum Aufenthalt an geben, 
welcher gleichsam eine Fortsetzung der Architektur der Kirche ist, 
eine möglichst prächtige Hofhalle, über welcher man den Hinmiel 
und die schwebenden Glorien sieht. Es gehörte dazu allerdings seine 
resolute Meisterschaft im perspectiv! sehen Eirtomporiren vou Figuren 
und Baulichkeiten , seine Herrschaft Uber die Nuancen des Tones 
und die ganze volle Sorglosigkeit in allen höheren Jiessiehungen. 
Sein Gewölbe in S. Ignazio zu Rom ist unerreicht geblieben; er « 
selber hat in S. Bartolommeo zu Modena Geringeres geleistet. 
Andere Male begnügt er sich mit der blossen perspeetivisch gemalten 
Architektur (Scheinkuppel in der Badia zu Arezzo; Saal in der h 
Pinakothek zu Bologna u. A. m. ; umständliche Anweisungen in .■ 
seinem Lehrbuch.) Aus der spätesten Zeit des Styles ist das Gewölbe 
im Carmine zu Florenz (um IT&o, vonStagi) eine nicht zu verachtende -\ 
Arbeit, man glaubt aus einem tiefen Prachthof durch eine grössere 
und zwei kleinere Oeffnungen in den Himmel zu schauen. — Gleich- 
zeitig mit Pozzo arbeiteten Haffner und Colmma in vielen Städten 
Italiens die baulichen Theile der Deckenmalereien. 

Natürlich konnten sich die Maler nie ein Genüge thun. Welche 
Kunstgriffe erlaubte man sich bisweilen, um die täuschende Wirkung 
auf das Aeusserste zu treiben! — Die Maler, trotz ihrer „blühenden 
Palette", vermochten doch ihren Glorien natürlich nie die Helle des 
Tageslichtes, geschweige denn den Glanz des Paradieses zu geben; 
man hatte die Fenster neben der Malerei zur Vergleich ung. Es ge- 
schah nun das Mögliche um sie zu verstecken und nur auf das be- 
malte Gewölbe, niclrt auf die Kirche abwärts wirken zu lassen. 
Mnnnurd in seinem Invalidendom baute zwei Kuppeln über einander, 
die obere mit Scitcnfenatern , die untere mit einer Oeffnung, welche 
gross genug war , um die Malereien der obern , nicht aber die Fenster 
sehen zu lassen. Am wunderlichsten half sieh der Baumeister von S. c 
Antonio zu Parma (der jüngere Bünena, um 1714). Er baute im 
Langhaus zwei Gewölbe übereinander, gab dem obern starkes 

Bvtikaräl, dornt. 2b 



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386 



Dar BawckityL 



Seitenlicht, unii lieas im untern eine Menge barocker Oeffnungen, 
durch welche man nun die himmlischen Personen und Engel an der 
obern Decke hell beleuchtet erblickt. Ala Scherz Hesse sich der 
Gedanke auf ansprecheudere Weise verwerthen. 

Die daneben noch immer, hauptsächlich in Venedig und Neapel 
üblichen, mit einem System von Einzelgemälden überzogenen Flaeh- 
decken erschienen als ein „überwundener Standtpunkt" neben solchen 
Kühnheiten; der Tou dieser Oelgeniälde war schwer und dunkel 
neben den fröhlichen Farben des Fresco. Als endlich in Venedig 
Tiepolo die Glorienmalerei in Fresco einführte, ging er mit kecker 
Uebertrcibung Uber alles Bekannte hinaus. 

Die erstaunlichsten Excesse beginnen überhaupt erst mit dem 
■ XVIII. Jahrhundert. In der Absicht, das Kaumverhiiltniss der 
himmlischen Schwebegruppen recht deutlich zu vorsinnlichen und 
den Beschauer von deren Wirklichkeit 211 überzeugen, lieas man die 
Arme, Beine und Gewänder einzelner Figuren über den gegebenen 
Rahmen hervorragen (auf vorgesetzten ausgeschnittenen Bleck- 
stücken). Die Figuren des Kuppelpendentifs a. B. sind seitdem in 
der Regel mit solchen Auswüchsen behaftet. (Den nähern Figuren 
gab man bisweilen ein unmerkliches Relief) Ganz drollig wird aber 
die Prätenaion auf Täuschung, wenn einzelne Engelcheu und alle- 
gorische Personen ganz aus dem Rahmen herausgeschwebt sind und 
nun, au irgend einem Pilaster weislich festgenietet, ihre blechernen 
Füsse und Flügel über die architektonischen Profile h mausstrecken. 
Won dergleichen intereaairt, der durchgehe die Kuppelehen der" 
1 Nebenschiffe in S. Ambrogio zu Genua, einer der belehrendsten 
Kirchen im Guten, wie im Schlimmen. 



Von dieser Art und Massenhaft igkeit ist die Decoration, welche 
„zusammenwirken" soll. Es ist überflüssig, näher zu erörtern , wie 
Iiier Eines das Andere Ubertönt und aufhobt, wie die einzelnen 
Theile, jeder von beaondern Präcedentien aus, ihrer besondern 
Entartung entgegeneilen und wie sie einander gegenseitig demorali- 
siren, die Farbe, die bauliche und die plastische Form und umge- 
kehrt. Keines nimmt Rücksicht auf die Maass- und Grad Verhältnisse 
der andern. 

Und doch sind Wohlräumigkeit und gedämpftes Oberlicht so 
mächtige Dinge , dasa man in manchen dieser Kirchen mit Vergnügen 



Decocitionsmalereien. Du Ensemble. Altäre. 887 



verweilen kann. Selbst die deeorative Ueberladung hat ihre gute 
Seite: sie gicbt das Gefühl eines sorglosen Reiehthuma; man hält sie 
für lauter Improvisation höchst begabter Menschen, welche sich nur 
eben diessmal hätten gedankenlos gehen lassen. Die geschichtliche 
Betrachtung modificirt freilich diess Vorurtheil 

Die übelsten Eigenschaften des Styls culminiren allerdings in dem 
centralen Prachtstück der Kirchen : dem Hochaltar, und in den Al- 
tären überhaupt. Der Wandaltar, zur Zeit der Renaissance so oft 
ein Kunstwerk hohen Ranges, verarmt hauptsachlich in Rom durch 
den Gebrauch äusserst kostbarer Steinarten zu einem cuIossslIcii, 
formlosen Rahmen mitSäulcnatcllungen. (Cap. Paul's V. in S.M. mag- a 
giore ; linkes Querschiff des Lateran 's ete). Gegen die Mitte des XVII. 
Jahrhunderts nimmt er dann die hnrromineskcn Schwingungen des 
Grundplans, die Brechungen und Schncckenh'nien des Giebels an, 
welche schon an den Fassaden, nur gemässigter, vorkommen. — Noch 
schlimmer geberdet sich der isolirte Altar, welcher, von der Rück- 
sicht auf die Wand entbunden , eine wahre Quintessenz aller übclver- 
standenen Freiheit enthält. Ohne Oberhau wird er ein ganz form- 
loses Gerüst in Gestalt eines grossen Kreissegmentes (Hochaltar von S. h 
Chiara in Neapel); mit einem Oberbau oder Tabernakel, als sog. Al- 
tare allo romana, bietet er vollends die abschreckendsten Formen 
dar. Bernini'» Frechheit stellte mit dem ehernen Tabernakel von S. 
Peter die Theorie auf : der Altar sei eine Architektur , deren sämmt- 
liche Einzclformen in Bewegung gerathen. Seine gewundenen und 
geblümten Säulen l ), sein geschwungener Baldachin mit den vier 
Giebel sehn ecken haben grösseres Unheil gestiftet, als die Fassaden 
Borromini's, welche um Jahrzehnte später, ja vielleicht nur Weiter- 
bildungen des hier zuerst ausgesprochenen Princips sind. — Ausser- 
halb Roms wird der Altare alla romana meist als Pracht gehäuse ftir 
eine Statue oder Gruppe behandelt. Und hier begegnen wir noch 
einmal dem Tozzo, welcher in der ganzen Altarhaukunst sein Aeus- 
aerstes geleistet hat. Vier Säulen erschienen ihm viel zu mager; 
man uiuss in der Jesuit enkirchc zu Venedig sehen, wie er zehn Säu- c 
len mit geschwungenen Gebälk stücken zu einer Art von Tempel ver- 



i) Dl« Kouiiueneu Biulen dei fruhmilteliiltorlleban AllMTaumeu, wovun cinig-s jetzt 
in der Capelln del Sigrameiitu , entschuldigen Hin nlehi. Siehe Rafael» Frese»! üio ' 
Scherl kung CoiMiantln-i. 

25* 



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388 



Sa BarwkrtyL 



n band; noch schrecklicher aber ist sein Hochaltar a' Scalzi cbcDda. 

h Unter seinen Wandaltären ist der des heil. Ignatius im linken Quer- 
schiff des Gcsü in Rom berühmt durch ungemeine Pracht des Stoffes 
und Vollständigkeit des Schmucke (Neben gm ppen,, eherne Coinmu- 
nionbank etc.). Andere in S. Ignazio u. s. w. 



Die Klöster der mächtigern Orden nehmen in dieser Zeit den 
Charakter einfacher Pracht, vor Allem der Grossräumigkcit an. 
Ausser den Jesuiten verstanden sieh hierauf besonders die Philippiner 
(Padri dell' oratorio) ; an giossartigen Benedictin erabteien dieser Zeit 
möchte dagegen Deutschland beträchtlich reicher sein als Italien. 

Wer würdige, bequem geordnete Räume gerne besucht, wird in 
den Capitclsälen , Refectorien und Sacri&teien dieser Kleister sein Ge- 
niige linden; (las eichene, oft geschnitzte Getäfel der untern Theile 
der Wand, die hoch angebrachten Fenster, die Stuccaturen und die 
bisweilen werthvollen, oft brillanten Fresken der gewölbten Decke 
und des obern Thcilcs der Mauern geben den Eindruck eines Ganzen, 
welches in dieser Einfachheit, Fülle und Gleichartigkeit nur einer 
wohlgesicherten Corporation und zwar nur einer geistlichen ange- 
hören kann. Die Cunidore sind gewaltig hoch und breit, die Trep- 
pen geben oft denjenigen der grössten Paläste nichts nach. Die 
Hallen der Höfe unterliegen, wie der meiste Hallenbau dieser Zeit, 
einer öden, interesselosen Pfeilerbildung; auch zeigt ihre übergrosse 
Einfachheit, dass ihnen lange nicht mehr derjenige Werth beigelagt 
wird, wie zur Zeit der llenaissanc«. Indess giebt es einzelne höchst 
glänzende Ausnahmen; und zwar sind es die wenigen Fälle, da 
der Barock styl sieh entschloss, Rogen auf Säulen zu setzen. Im 
Einklang mit den übrigen Dimensionen wurden die Bogen gross 
und weit, mussten daher auf je zwei mit einem Gebälkstücke ver- 
bundene Säulen zu ruhen kommen (S. :t"5t). Wir fanden diese Hallcn- 
form bereits in dem herrlichen Universität sgobäude zu Genua (S. 
352!:); ein anderes Heispiel, ebenfalls ein früheres Jesuitencollegiuui, 
ist der Hof der Brera in Mailand, einer der mächtigsten des ganzen 
Styles, von Eichini; mit der Doppeltreppe und den zahlreichen 
Denkmälern des untern und des obern Porticus einer der ersten 
grossartig südlichen Baueindrücke, welche den vom Norden Kom- 
menden erwarten. 



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Altäre. Klöster. Hallen. 



An don Palästen dieser Zeit iat, was zunächst die Fassaden 
anbelangt, das Gute nicht neu und das Neue nicht gut. Die bessern 
von denjenigen , welche nur die Traditionen aus der Zeit des Sanso- 
vino, Vignola, Alessi und Palladio wiederholen, sind zum T heil schon 
bei Anlasa dieser ihrer Vorbilder genannt worden. 

Im Allgemeinen haben diejenigen ohne Pilasterbckleidnng das 
Ue berge wicht; bei der bedeutenden Grösse und Hübe der Gebäude 
war es aus ökonomischen und bauliehen Gründen gerathen, darauf 
zu verzichten; auch waren die Pilasterordnungen nicht leicht in Ein- 
klang zu bringen mit den Fenstern der kleinen Zwischen stock werke 
(Mezzaninen), welche zur Zeit der Renaissance entweder halb verhehlt, 
d. h. in die Friese verwiesen, oder doch ganz anspruchlos angebracht, 
wurden, jetzt dagegen sieh einer gewissen Grösse und Ansschmilk- 
tung erfreuen sollten, sodass das Mezzanin ein eigenes Stockwerk 
wird. Paläste mit einer Ordnung, wie die Nachfolger Palladio's sie 
entwarfen , psssten z. B. für die pompliebenden römischen Fürstenfa- 
milien nicht mehr. Die nnschönt und Iclihw Kim-almnm«- rior .Mau- 
ertheile in Felder, welche seit dem XVI J. Jahrhundert häufig vor- 
kömmt , soll eine Art von Ersatz bieten , da einmal das Auge die ver- 
ticale Gliederung nicht gerne völlig entbehrt. Das Detail unterliegt 
theils einer reich barocken, theils einer wüsten und rohen, missver- 
ständlich von der Rastica abstrahirten Bildung; auch wo es verhiilt- 
nissmässig rein bleibt , sieht man ihm die Thcilnalnnlosigkeit an , wo- 
mit es , bloss nm seine Stelle zu markiren , gebildet wurde. An den 
Kranzgcsimsen tritt, während man vor demjenigen des Pal. Far- 
nese in Rom (S.330s),noch immer die grösste Verehrung zu empfinden 
vorgab, eine erstaunliche Willkür zu Tage, indem Jeder neu sein 
wollte. — Eine wirkliche Neuerung waren, heiläufig gesagt, die 
grossen Portale; die Zeit des Reitens begann der Zeit des Fahrens 
Platz zu machen. — Der einzige mögliche Werth der Gebäude liegt 
natürlich nur in den Proportionen. 

Die beste römische Fassade dieser Zeit ist die dos Pal. Sciarra, n 
von Flaminio l'onzio, vermöge der einfachen aber nachdrücklichen 
Detailbitdung und der reinen Verhältnisse der Fenster zur Mauer- 
masse, sowie derStockwerko unter sich. Durch großartige Behand- 
lung des Mittelbaues in drei Ordnungen mit offenen Bogenhallen 
zeichnet sich Pal. Barberini aus (von Maderna und Bernini). Die b 



390 



a Fassade des QuirinülB Regen den Platz (von Fonzio) zeigt wenigstens 
eine grossartige, noble Vertheilung der Fenster. 

Der berühmte Domenico Fontana ist gerade in dieser Beziehung- 
niemals recht glücklich; seine Fenster stehen entweder zu eng oder 
sie haben einen kleinlichen Schmuck, der in den ungeheuren Fassa- 

h den in keiner Beziehung steht. (Pal. lies Laterans in Born; Museum 
— einst Universität — und Paläzzo reale in Neapel). Sein' Werth 
liegt in den Dispositionen. , ., , . ...... 

Die meisten Übrigen römischen Paläste dieser Zeit sind als grosso 
Herbergen des hohen Adels und seiner obern und niedern Dienerschaft 
erbaut; Zahl und Ausdehnung der Stockwerke sind Sache der Con- 
venienz, uud damit auch die Compositum im Grossen. Die eine Fas- 
sade ist besser als die andere, allein keine mehr eine freie künstleri- 
sche Schöpfung, obwohl die Grösse des Maassstabes und die Solidität 
des Baues immer einen gewissen Phanta sieein druck hervorbringen. — 
Die Fassaden Scapels stehen in jeder Beziehung um ein Bedeutendes 
tiefer-, in Florenz, Venedig und Genua herrschen die aus der vorher- 
gehenden Periode ererbten Typen weiter. (Seite 326 , 345 , 353. i 

Die Hofe der Paläste werden jetzt häufiger geschlossen als mit 
Hallen versehen und haben dann eine ähnliche Architektur wie die 
der Fassade, oder ihre Hallen zeigen einen nicht bloss schlickten, son- 
dern gleichgültigen Pfcilerbau. Wo aber Säulen höfe verlangt wer- 
den, kommt es gerade wie in jenen Jesuitencollegien zu einzelnen, 
leichten , prächtigen Bogenhallen auf gedoppelten Säulen. So im Pal. 

c Borghese zu Rom (von Mart. Lunghi d. ä.); [zu Turin im Palast der 
Fürstin Pozzo della Cistema, Via S. Filippo; in einem andern, Via 
S. Francesco, offenbar eine Nachahmung vom Hof des ehemaligen 
Palastes Sauli zu Genua; im UniversitÜtshof, dem einzigen, aber sehr 
schönen, mit Doppclhalle.] Oft erhält wenigstens die eine Seite eine 

d hohe, gewaltige Loggia; so im Pal. Mattci (von Modernd). Der grosse 

e Hof des Quirinals (von Mascherino) wirkt ganz imposant durch die 
einfache durchgehende Pfeilerhallc, welche an der Seite der päpst- 
lichen Wohnung sich zu einer offenen Loggia steigert. Wo der Zweck 
des Gebäudes einfache Säulen mit Bogen rechtfertigte, entstand auch 
wohl noch eine Halle im Sinne der früheren Renaissance, wie z. B. 

f der grosse Hof im Ospedalc maggiore zu Mailand (von Richint); ein 
trotz manchem barocken Detail schönes und majestätisches Bauwerk. 
Bei dem so grossen perspectivischen Raffinement des Barock- 



BS1 



style» konnten auch die Höfe nicht leer ausgehen. Der Durchblick 
vom Portal her sollte jenseits des Hofes womöglich nicht nur auf einen 
bedeutenden Gegenstand, etwa Brunnen mit Statuen, sondern auf eine 
Architektnr auslaufen, welche wenigstens scheinbar in weite Tiefe 
hineinführte. Auch wo die Hinterwand des Hofes nur eine schlichte 
Mauer ist, wird irgendwie für ein solches Schaustück gesorgt, und 
wenn man es auch nur hinmalen müsste. Wo ein hinterer Durch- 
gang ist, wird er mit grossartigen Formen umgeben und auf diese 
Weise irgend eine bedeutende Erwartung geweckt. Der Hof der 
Consulta beim Quirinal (von Fuga) giebt, vom vordem Portal aus 
gesehen, ein solches Scheinbild, dem das Ganze des Hofes gar nicht 
entspricht. Im Pal. Spada zu Rom hat Bor romini von der linken 
Seite des Hofes aus nach einem Nebenhof einen Säulengang ange- 
legt, dessen wahre Länge das Auge nicht gleich erräth. — Wie schon 
in der vorigen Periode, z. B. in den Palästen von Genna, auf solche 
Durchblicke hingearbeitet wurde, ist oben (Seite MS) nachzulesen. — 
Am Palast von Monte Citorio in Rom (von Bernii'i und Carlo Frm- 
(ra«a^ist der ganze halbrunde Hof mit derBrunnenschalo in der Mitte 
nur auf den Durchblick aus dem Vestibül berechnet. 

[In Turin, Via Lagrange, N. 30, sieht man vom Strassenportal 
in den Hof, im Hintergrund unter der Portalhalle die doppelarmige 
Treppe, darunter den Zugang zum tiefe fliegenden zweiten Hof. — 
Ein kleines Beispiel von perspectiviseheui Duchblick : Pal. Sonnaz, 
Via delle Finanze. Im Pal. Davolo, Via delle orfane, dreiarmige reich 
(lecorirtc Treppe mit obern Vorsälen.] 

Der Stolz der damaligen Paläste sind aber vorzugsweise die 
Treppen. Wer irgend die Mittel aufwenden kann, verlangt breite, 
niedrige Stufen, bequeme Absätze, steinerne (selten eiserne) Balustra- 
den und eine reiche gewülbte Decke. Als das Ideal der Treppenbau- 
kunst galt Bemini's Scala regia im Vatiean mit ihren ionischen 
Säulenreihen uudihrer kunstreich vorsteckten Verengerung. Man wird 
in der That zugeben müssen, dass auf einem so geringen Raum nichts 
Imposanteres denkbar ist. In den Palästen der neuen Nepotenfamilie 
Corsini zu Rom (von Fuga) und zu Florenz sind dagegen den Dop- 
peltreppen eigene grosse Gebäude gewidmet; es war das einzige, wo- 
durch man die Paläste vor denjenigen des ältern Adels ganz ent- 
schieden auszeichnen konnte. Die Treppe des Pal. Lanceiotti in 
Vellctri (von Matt. Lug/n d. ä.) ist schon um der Aussicht willen, die 



392 



Der BarooXityl. 



von ihren Bogenhallen eingefasst wird , einzig auf Erden. [Die Dop- 
peltreppe des Pal. Madama auf Piazza di Casteilo in Turin, von 
■fttvara 1718 erbaut; Prachtstück von festlichem Anblick.] — In eini- 
gen Palästen von Bologna (z. B. Pal. FioreBi) erblickt man durch 
eine Oeffnung des Plafonds die hellbeleuehtete, mit eincra Freseobiide 
versehene Decke eines obern Raumes. Wiederum eines jener Mittel, 
durch welche der Barockstyl die Voraussetzung einer viel grösser« 
Ausdehnung und Pracht zu. erwecken weiss, als wirklich vorhanden 
ist. (Vgl. Seite 378, u. m. a. Stellen.) 

Was an obern Vestibülen, Vorsälen u. s. w. Gutes ist, 
beruht meist auf der Wiederholung früherer Motive. . ■ . 

Die Gemächer und Säle des Innern zeigen zweierlei Gestalt. 
Die frühere (etwa 1581)— 1650 herrschende) hat folgende Elemente: 
eine flache geschnitzte oder mit Ornamonten (zweifarbig, mit etwas 
Gold) bemalte Sparrendecke; unterhalb derselben ein breiter Fries 
mit Historien oder Landschaften in Fresco; über dem Kamin ein 
grösseres Frescobild; der Hest der Wand entweder vertäfelt oder 
(ehemals) mit Tapeten , etwa gemodelten Ledertapeten, bezogen. Die 
spätere Gestillt zeigt Säle mit verschalten Gewölben, an welohe 
die Fresken verlegt werden; die Wand entweder ganz mit Tapeten 
bedeckt, oder auch mit grossen Perspectiven bemalt. — In den Palä- 
sten von Bologna herrscht der erstem Typus vor; in denjenigen von 
Genna mischen sich beide Gattungen; in Horn enthält z. B. Pal. Cos- 
taguti ausgezeichnete Beispiele beider, Pal Farneae aber ausser dem 
grossen Saal (S. 263 n) die berühmte Galeria des Annibale Caracci, 
welche eines der wenigen ganz architektonisch und malerisch durch- 
geführten Prachtinterieurs dieser Zeit ist. 

Phantasiereiche Pmehtsalo wird man durchschnittlich eher in den 
Villen zu suchen haben, wo das doppelte Licht, von vom und von 
der Rückseite, benutzt wurde nnd wo das Erdgeschoss nicht duroh 
die Einfahrten in Anspruch genommen war. In dem Casino der Villa 
Borghesc (von Vasanzio) kömmt noch ein Luxus der Incrustation 
hinzu, welcher dem hintern Saal einen wahrhaft einzigen Stoffwcrth 
triebt. (Die Verwendung der Steine besonnener nnd geschmackvoller 
als in irgend einer Kirche.) 

Das Prachtstück der Paläste war jetzt nicht der grosse, mittlere, 
quadratische, sondern ein schmaler länglicher Saal, etwa mit Säulon- 
steiliingcn und bemaltem Gewölbe, la Galeria genannt. Sehr statt- 



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Paläste. Irappan. Säle. 



098 



lieh imPalazzo reale zu Genua, im Pal. Doria zu Korn unil im Pal. 
Colonna ebenda (von Antonio del Grande). — Von eigentlichem 
Kococo findet man in Italien nicht obon viele Proben, da die pla- 
stische Durchführung der Wanddecoration, wo sie versucht wurde, 
zu viele inländische Vorbilder fand; doch ist der berühmte Saal des 
Pal. Serra in Genua (Str. nuova), von dem Franzosen de tyaüly, 
auch nach Versailles noch sehr achenswortli als eine der schönsten 
und ernstliaf testen Schöpfungen dieses Styles, schon mit oiuem Anflug 
des wiederer wachenden Claasicismns. 

[Hierher gehören auch die Prachtsäle des Palastes der Soeietä 
Filarmonica, Piazza San Carlo, in Turin.] 

Die Gesimse machen nicht selten einen phantastischen lieber- 
gang. zu den gemalten Gewölben, durch barocke Steigerung, Schwin- 
gung und Unterbrechung; die Stuccofiguren, welche aus ihrem Laub- 
werk hervorkommen, werden schon in die am Gewölbe gemalte 
Handlung gleichsam mit hineingezogen. Weit daBliedoutondste dieser 
Art sind die von Pietro da Cortona angegebenen Gesimse in den von 
ihm gemalten Sälen des Pal. Pitti zu Florenz, Wenn diese ganze 
Decorations weise ein Irrthuni ist, so wird wohl nie ein Künstler mit 
grösserer Sicherheit geirrt haben. Andere Kähmen als diese Gesimse 
darbieten, lassen sich zu diesen Malereion gar nicht ersinnen. 



Wie die damalige llaugesinnung im Grossen ssu rechnen gewohnt 
war, zeigt sich besonders an einigen Itauten in Koni, welche ausser- 
halb Italiens und vollends in unserni Jahrhundert kaum denkbar 
waren. Die Architekten mögen sich z. Ii. fragen, in welcher Form 
gegenwärtig eine grosse Treppe von Trinitä de' Montinach dem spa- 
nischen Platz hinab angelegt werden würde? und ob man es wohl 
w agen würde, Kämpen und Absiitzc anders als in rechten Winkeln 
an einander zu setzen! SpeecM und De Santit, welche (172! bis 
1725) die jetzt vorhandene Treppe bauten, wechselten beneidenswerth 
leichtsinnig mit Rampen und Absätzen der verschiedensten Grade 
und Formen und sparten die interessantem Partien, nfimlich die Ter- 
rassen, für die obein Stockwerke 1 ). Sie fanden eine Vorarbeit in 



'1 Auf dicae Weise Hess sich auch am ehesten die bedeutend schiefe Klchtiwg der 
Treppe lanfwärta naoh Units) verdecken. 



394 



Der Barock ityL 



der 1707 erbauten Ripetta, welche vielleicht praktischer, aber nicht 
leicht malerischer hätte angelegt werden können. — Wiederum eine 
ganz einzige Aufgabe gewährte Fontana di Trevi. Einet hatten 
DDiHenieoFojKainidieAcqiLaPaolinabeideiiDiocletianathermen, Gio- 
vanni Fontann die Aeqna Feiice ans geistlos decorirten colossalen 
Wänden mit Nischen hervorströmen lassen und dem Wasser erhöhte 
Becken gegeben. Niceolo Salm dagegen ersetzte das Architekto- 
nische durch das. Malerische; am das Wasser in allen möglichen 
Functionen und Strömungsarten und doch (iberall mächtig (nicht in 
kleinlichen Künsten) zu zeigen , Hess er es aus einer Gruppe von Fel- 
sen entspringen und legte daa Eecken in die Tiefe, als einen See. 
Die Sculpturen and die das Ganze abschliessende Palastfassade sind 
wohl blosse Decorationen, letztere aber mit dem triumphbogenartigen 
Vortreten ihres Mittelbaues, wodurch Neptun als Sieger verherrlicht 
wird, giebt doch dem Ganzen eine Haltung und Bedeutung, welche 
jenen beiden andern Brunnen fehlt' 

Die Brunnen auf öffentlichen Plätzen und in Gärten (s. unten) 
haben meist sehr barocke und schwere Schalen (Beminfs Barcaccia, 
auf dem spanischen Platze, etc.) Doch giebt es einige, in welchen die 
einfache Architektur mit dem springenden und ablaufenden Wasser 
ein vortreffliches Ganzes ausmacht; so die beiden unvergleichlichen 
Fontainen vor S. Peter (von Maderna), diejenigen im vordem grossen 
Hof des Vaticans, im Hof des Palastes von Monte Giordano u. s. w. 
Von solchen, deren Hauptwerth, auf plastischen Zutiiaten beruht, 
wird bei Anlass der Sculptur die Hede sein. . , 



Endlich ein Vorzug, wonach die bessern Baumeister aller Zeiten 
gestrebt haben , der aber damals besonders häutig erreicht wurde. 

Schon abgesehen von den perspectivischeu Reizmitteln am Ge- 
bäude selbst ist nämlich anzuerkennen, dass der Barockstyl sehr auf 
eine gute Wahl des Bauplatzes achtete. In tausend Fallen 
musste man natürlich vorlieb nehmen mit dem Raum, auf welchem 
eine frühere Kirche, ein früherer Palast wohl oder Übel gestanden 
hatte. Wo aber die Möglichkeit gegeben war, da wurden auch be- 
deutende Opfer nicht gescheut, um ein Gebäude so zu stellen, dass 
. es sich gut ausnahm. Man wird z.' B. in Rom bemerken , wie oft die 
Kirchen den Schluss und Prospect einer Strasse bilden; wie vorsieh- 



Stadllroppon. Brunnen. Wohl der Bauplätze. 395 



tig die Jesuiten den Platz vor S. Ignazio so arrangirt haben, dass er 
ihrer Fassade zuträglich war; wie Vieles geschehen musste, um der 
Chorscite von. S.Maria maggiore die Wirkung zu sichern, die sie jetzt 
(wahrlieh nicht Styl eshnlber) ausübt; wie geschickt die Ripetta (1707) 
zu der schon früher vorhandenen Fronte von 8. Girolamo hinzuge- 
ordnet ist u. dg!, m. Auch in dem engen Neapel hat man um jeden 
Preis den wichtigern Kirchen freie Vorplätze geschaffen, ja selbst in 
Genna. Der Hochbau wird selbst bei geringen Kirchen da ange- 
wendet, wo man damit einen bedeutenden Anblick hervorbringen, 
einen Stadttheil beherrschen konnte. Wie schmerzlich würde das Auge 
z. B. in Florenz S. Frediano, in Siena Madonna di Provenzano ver- 
missen, die doch vermöge ihres Styls keinerlei Theilnahme erwecken. 
In Venedig hat schon PaUadio sein schönes Inselkloster S. Giorgio 
maggiore so gewendet, wie es der Piazzetta am besten als Schluss- 
decoration dienen musste. Vollends sind die Dogana dt mare (1682) 
und die Kirche dell« Salute (1631) mit aller möglichen perspectivi- 
BChen Absicht gerade so und nicht anders gestaltet und gestellt wor- 
den. Longhena, der die Salute baute, wusste ohne Zweifel, wie 
sinnwidrig die kleinere Kuppel hinter der grössern sei, aber er schuf 
mit Willen die prächtigste Decoratton; ausser den beiden Kuppeln 
noch zwei Thurme; unten ringsum Fronten, die theils von S. Giorgio, 
theils von den Zitello (Seite 361, e) geborgt sind; überragt von unge- 
heuren Voluten und bevölkert von mehr als 100 Statuen. Wie sich 
der so viel gebrochene Umgang deB Achtecks im Innern ausnehmen 
würde, kümmerte den Erbauer offenbar wenig. (Das Achteck seihst 
ist innen ganz nach S. Giorgio stylisirt; dahinter folgt ausser dem 
zweiten Kuppolraum noch ein Chor.) Und wfe grundschlecht die 
ganze Decoration von hinten, von der Giudecca ans sich priisentiren 
mÜBse, war ihm vollends gleichgültig. 



Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts werden zuerst Anläufe, 
dann ernstliche Versuche zur Erneuerung des echten Chtssicismus ge- 
macht. Es sind für Italien weniger die Stuart' sehen Abbildungen der 
Alterthümer von Athen, als vielmehr neue ernstliche Studien der rö- 
mischen Ruinen, welche im Zusammenhange mit andern Bewegungen 
des italienischen Geistes den Ausschlag geben. Ganz speciell war 
dasDetaildesliarockstylsdermasscnausgclebt, dass der erste Ans toss 



Anfänge, dement» ClMsiciasra* 



ihm ein Ende machen musste; schon etwa seit t730 hatte man lieber 
ganz matte, leere Formen gebildet, als jenen colossalen Schwulst 
wiederholt, zu welchem seit Pozzo und dem Bibia na Niemand mehr 
die erforderliche Leidenschaft und Phantasterei. bewiB. Der Gultus 
Palladio's in überitnlieii (Seite 362) kam der neuen Regung niclit 
wenig zu Hülfe, , ... . , , ', , 

Bisweilen sieigt »ich dieses Nene in wunderlicher Zwittergeatatt. 
Die Kirche und der Vorplatz desFrioroto. di Malta in Rom gebea 
vollständig denjenigen Haarbeutelstyl wieder, welchen man um ITH) 
in Frankreich „a lagtecque" nannte; ein Werk desselben Ptronaw, 
der um die genaue Kenntnis» des echten römischen Details sich so 
grosse Verdienste erwarb. — Der-grüsste italienische Baumeister 
dieser Zeit ist wohl Michelangelo Simomtti, welcher unter Pius VI. 
im Vatican u. a. die Sala delle muse, Sala r.otonda und Sala a owne 
greca nebst der herrlichen Doppel treppe errichtete; edle und für Auf- 
stellung von Antiken auf immer ciassische Räume, welche die Stim- 
mung (los Beschauers leise und doch mächtig steigern, (liinc nicht 
unwürdige Sachfolge aus unserm Jahrhundert: der Braccio nuovo, 
von Maffaelle Stern»), — Die Familie Pius' VI. haute durch Morelli 
den Pal. Braschi, welcher die Compositionsweise der vorigen Periode 
merkwürdig in olassisches Detail übersetzt zeigt, vorzüglich aber 
durch seine prachtige Treppe berühmt ist. 

Ausserhalb Rom ist nicht eben vieles von diesem Styl vorhanden, 
oder das Bessere ist dem Verfasser entgangen. In Bologna wird man 
mit Vergnügen den Pal. Ercolaui besuchou, welcher zwar seine Ga- 
lerie eingebüsat, aber Venturoli's herrliches grosses Treppenhaus 
mit Pfeilerhallen oben ringsum beibehalten liat. In Genna ist ausser 
dem schon genannten Treppenhaus Tagliafiw's im Pal, Filippo Du- 
razzo (S. 353, c.) die jetzige Fronte des Dügenpalastos, ein sohiines 
Werk des Tessiners Simone Caiitoni, zu erwähnen; der Saal des 
ersten Stockwerkes entspricht freilich seinem Ruhm nicht ganz. 

Seit 1796 wurde Italien in Wcltschicksale hineingezogen, welche 
seinen Wohlstand vorläufig zernichteten und einen starken Rias in 
seine Geschichte inaohten. Wir versagen uns die Schilderung seiner 
Kunst im laufenden Jahrhundert. 

— -*-o-« 



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Villen und Gärten. 897 

Im XVH. Jahrhundert bildete sich der italienische Gartenstyl 
zu seiner höchsten Blttthe aus, dem wir hier als wesentlicher Ergän- 
zung zur modernen Architektur eine besondere Betrachtung schuldig 
sind. (DerVerfasser ersucht um Nachsieht wegen seiner mangelhaften 
Kenntnis* des Gegenstandes). 

Die Anfange dieses Stytes sind unbekannt. Man liest wohl von 
einzelnen prächtigen Anlagen aus dem XV. Jahrhundert und die Hin- 
tergründe damaliger Malereien (Benosto Gozioli im Campo santo au 
Pisa etc.) geben auch eine Art Phantasieuild, «Hein keine dieser An- 
lagen ist irgend kenntlich erhalten. 

Im XVI. Jahrhundert möchte Sramante'a ursprünglicher Ent- 
wurf zu dem grossen vaticanischen Hof (Seite 304) eine bedeutende 
Anregung ku grandioser künstlerischer Behandlung der Gärten ge- 
geben haben, besonders durch die Doppeltreppe mit Grotten, deren 
Stelle jetzt die Bibliothek und der Braccio nuovo einnehmen. Der 
jetzige grosse Garten hinter dem Vatican rührt suirli noch ras [k>u] 
XVI. Jahrhundert her und giebt wenigstens einen Begriff von den 
Hauptprincipien der spät ern Gartenkunst : Anlage in architektonischen 
Linien, welche mit den Gebäuden in Harmonie stehen; ein tiefliegen- 
der windgeschUtzter Prunkgarten mit figurirten Blumenbeeten und 
Fontaulen ; umgeben durch hoch liegende Terrassen (als stylisirten Aus- 
druck des Abhanges) mit bedeutender immergrüner Vegetation, be- 
sonders Eioften. Vielleicht hat gerade die Villa Pia ihre echte alte 
Umgebung nicht mehr (Seite 315, «). 

Das reichste, durch Natur vort.üge ewig unerreichbare Beispiel 
eines Prachtgartens bietet dann die schon 1549 angelegte Villa 
d'Este in Tivoli. Der steile Abhang und die vom Gewaltigen bis ins 
Niedliche unter allen Formen benützte Wassermasse des Teverone 
waren Elemente , die anderswo sich nicht Wieder so zusammenfanden. 
Das zu Grunde liegende Gefühl ist übrigens noch ganz das phan- 
tastische des XVI. Jahrhunderts, welches steile Absätze und den 
Ahschluss der Perspective durch wunderliche Gebäude und Sculp- 
tnren liebte. Als kleinere Anlage aus nicht viel späterer Zeit ist. 
der schone Garten des Pal. Colon na in Rom zu nennen. Die drei 
bedeutendsten römischen Gartenanlagon des XVI. Jahrhunderts 
sind freilich untergegangen (bei Villa Madama, bei Vignn di Papa 
Gräfin und die Orti Farnesiani auf dem Pnlatin, eine Schöpfung 
Vignola'z), sodass ein Durchschnitlsurthcil kaum zu geben ist. Der 



998 



Garten an der Farnesina im Trastevere hat keinen höheren Zu- 
sammenhang mit dem Gebäude. 

In Genua ist der Garten des Pal. Doria eine ziemlich alte 
Anlage (seit 1529)-, die Treppen zum Theil mit Bogenhallen bedeckt; 
die Gestalt der Hauptfontaine (mit der Statue des Andrea Doria ab 
Neptun) vielleicht der älteste erhaltene Typus dieser Art. ' 

In Florenz entstand der Garten Boboli unter der Leitung des 
Bildhauers Tribolo und später dea Architekten Bwntaienti, schon 
zur Zeit Cosimo's L Die Wasserarmuth des Hügels, welche nur 
wenige Fontainen und ein Becken in der Tiefe gestattete, wird ver- 
gütet durch die Schönheit der Aussieht ; das Motiv des Circus an der 
Stelle desPiunkgartcns, mit der Umgebung von Eichen-Terrassen, 
ist grossnrtig und glücklich als Fortsetzung der. Seitenflügel des 
Hofes in's Freie gedacht; zu den hintern, tiefliegenden Theileu mit 
Gian Bolognas IhbcI führt jene steile Cypressenallee, die als solche 
kaum mehr ihres Gleichen hat, während es anderwärts viel schönere 
einzelne Üypressen giebt. Sie ist ein wahrhaft architektonischer 
Gedauke. > 

Prachtgärten wurden eine raedieeisehe Leidenschaft und der 
schon genannte Buontatenti legte für Cosimo und Francesco deren 
mehrere an, worunter der berühmte von Pratolino und Triboto's 
nach allgemeinem Urtheil noch jetzt bedeutende Villa von Castello. 
Die ganze Gattung blieb, beiläufig gesagt, fortwährend ein Zweig 
der Baukunst und eine Sache der Architekten , welchen sie aucii von 
Rechtswegen gehörte. (Wenn auch Ludwig XIV. seinen besondern 
Gartonmeister Le Notre hatte, so sind doch dessen Anlagen so archi- 
tektonisch als irgend welche joner Zeit; in Rom gehört ihm Villa 
Ludovisi, s. unten.) 

Die berühmten Anlagen der letzten Herzoge von Ferrara sollen 
sämmtiieh untergegangen oder unkenntlich geworden sein, 



Vom Ende dos XVI. Jahrhunderts an bildet sich das System der 
italienischen Gartenkunst vollständig aus. Das Bunte und Kleinliche 
verschwindet oder wird versteckt und dann oft in grosser Masse an- 
gewendet ; dieWasserorgeln^Vindstösse, Vexirstrahlen und was sonst 
von dieser Art die Besitzer glücklich inachte, bekommen ihre beson- 
dern Grotten, der Garten aber wird harmonischer als früher den 



Villen und Gartan. 



grossen Linien und Perspectiven , den möglichst einfachen Contrasten 
gewidmet. Anch in den Wasserwerken herrscht das Barocke nicht 
BO vor, wie man wohl annimmt und einzelne davon sind so schön 
und ruhig componirt, so zur Umgebung gedacht, dass sich nichts 
Voll koinmn eres in dieser Art ersinnen lässt. Das Ganze hat nun einen 
Zweck, welcher demjenigen dcB sog. englischen Gartens geradezu ent- 
gegengesetzt ist. Es will nicht die freie Natnr mit ihren Zufälligkeiten 
künstlich nachahmen, sondern die Natur den Gesetzen der Kunst 
dienstbar machen. Wo man krumme Wege, Einsiedeleien, Chinoi- 
serien, Strohhütten, Schlossruinen, gothische Capellen u. dgl. an- 
trifft, da hat modernste Nachahmung des Auslandes die Hände im 
Spiel gehabt '). Der Italiener theilt und versteht die elegische Natur- 
sentimentalität gar nicht, wovon dies« die Aeusserungen sind oder 
sein sollen. Das Wesentliche des italienischen Gartens ist vor Allem 
die grosse, übersichtliche, symmetrische Abtheilung in Räume mit 
bestimmtem Charakter. Znnächst ist der genannte Prunkgarten und 
seine Umgebung von Terrassen mit Balustraden und Rampentreppon 
der reichsten architektonischen Ausbildung fähig, durch halbrunden 
Abschluss (als sog. Teatro), durch Abstufung, durch Grotten und 
Foutainen ; insgemein steht er im nächsten Zusammenhang mit dem 
Uebäude der Villa. Dann werden Thäler und Niederungen stylisirt 
durch Absätze, und das in stets gerader Linie durchfli essen de Wasser 
zu Bassin's erweitert und womöglich zu Cascaden aufgesammelt, 
deren massiges Träufeln durch architektonischen und mythologischen 
Schmuck motivirr « in! und dnher nicht lächerlich erscheint , wie der 
künstliche Natu rwasscr fall des englischen Gartens bei ähnlicher 
Armuth. Oder es wird eine Niederung als Circus gestaltet (und 
sogar als solcher gebraucht). Odor ein ganzes Thal, eine ganze 
Hegend wird auch einer bestimmten Vegetation Uberlassen, doch 
nicht bis zum vollen Eindruck dos Ländlichen; den Pinienhain der . 
Villa Pamüli z. B. wird Niemand für einen wild gewachsenen Pinien- 
wald halten. Sodann erhalten die in.'iminllieh geradlinigen) Gänge, 
die womöglich auf bedeutende Ausblicke, auch auf Brunnen und 
Sculpturen gerichtet sind, entweder eine blosse Einfassung oder eine 



1) Man t-errfamo nicht, sich zur Villa TorlonU vor Porta Pia Elnlasa zn Ter- • 
■ ehalten. Sla enthält den jramen Cnrms der romantischen Gartenkunst gagwUbtr der 
tHubdKn un.l uer Ultaru Villen. 



400 



Villen und Giften. 



Ueuerwülbung von immergrünen Bäumen; im erstem Fall dichte 
Cypressenhecken und Lorbeern, im letztern vorzugsweise Eichen. 
Diese Einfassung macht zugleich die der Oeconomie überlassenen 
Stücke des Garten» unsichtbar. > 

Es wird hier durchaus im Grossen gerechnet ; indess ist nicht zu 
längnen , dass ohne die Mitwirkung des Irrationellen , der Bergfernen, 
der ländlichen oder städtischen Aussichten, auch wohl des Meeres 
und seiner Küsten der Eindruck vielleicht ein schwerer und drücken- 
der sein würde. Ein solcher ist (mindestens für mein Gefühl) der des 
Gartens von Versailles, dessen letzte Perspectiven sich in die unbe- 
deutendste aller Gegenden verlaufen. Auch die vollkommenste 
Ebene, wenn sie nur durch Berglinien beherrscht wird, kann sich 
zum italienischen Garten eignen, während hier das so bedeutend be- 
handelte Terrassenwcrk die mangelnde Aussicht nicht ersetzt Der 
Contraat der freien Natur oder Architektur, welche von aussen in 
den italienischen Garte» hereinschaut, mochte geradezu eine Grund- 
bedingung des Eindruckes sein. 



Wir beginnen diese zweite Reihe mit der einst herrlichen Villa 
Negroni-Massiroi auf dein Viminal und Esqnilin, angelegt seit 
etwa 15S0, noch in ihrem verwilderten und zum Theil ansgeliol/.ten 
Zustande schön und ehrwürdig. 1 ) Das untere Ca'sino ein Bau Dotne- 
iiickiiiu's; sonst im Ganzen mehr das Ländliche als das Bauliche vor- 
herrschend; bedeutende Mitwirkung der Kirche S.Maria maggiorc; 
vom Cy pressen h ügel aus eine grandiose Aussicht auf die Campagua. 

Villa Aldohrandini bei Frascati (der Garten wahrscheinlich 
mit dem Palast von Giacoma üdhiTortti angelegt) ist dagegen ein 
prächtiges, durch hohe naturliche Vorthefle begünstigtes Haupt - 
heispiel des strengen Styles. Der Prunkgarten auf hoher Terrasse, 
zu welcher Rampen emporff ihren; an dessen Rückseite der Palast, 
an Masse und Styl sehr verschieden von den Cas-ini rihui melier Stadt- 
veen, welche blosse Absteige- und Fest-ITallen sein wollen. Dahinter 
das mächtige Tcatro mit Grotten und Fontainen, und über demselben 
die Eichen, durch deren Mitte die von einer obern Fontaine herunter- 
kommende Cascade messt; einer Menge Nebenmotive nicht zu 
gedenken. 

'1 [Jcm tum grossen Thtil utr Eiaenbohn mm Upfcr gefallen. J 



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Villen und Oärten. 



401 



(Villa Mattet auf dorn Colins, 1582, ist gegenwärtig und 
auf längere Zeit unzugänglich.) 

Villa Mctlici auf Monte Pincio, jetzige Aeademie de France, 
ebenfalls vom Ende des XVI. Jahrhunderts; das Gebäude, von Anni- 
bale Lippi, zeigt wenigstens auf der Rückseite den Charakter der rö- 
mischen Casini schon ziemlich vollendet: luftigeHallen und Bekleidung 
der Wandfläche mit antiken Reliefs. Der Prunkgarten (und seineFort- 
setzung in grossen einfachen Laubgängen) ist überragt von einer 
hohen Eichenterrasse, aus welcher eine Stufenpyramide (nicht etwa 
ein Hügel mit Spiralgängen nach Art englischer Gärten) als Belve- 
dere emporsteigt. 

Der Garten des Quirinalisehen Palastes, einfach und 
grossartig, wahrscheinlich von Carlo Maderna (nach 1600), wel- 
cher wenigstens die Grottenpartie mit den Spiel Wassern etc. entwarf 
und sie.in eine Ecke links unter der Terrasse des Prunkgartens ver- 
wies. Das Casino (von Fug«) ist spät und für seine Bestimmung 
schwer und meschin. 

Villa Mondragonc bei Frascati, der Riesenbau Paul's V. und 
seiner Familie, einst (wenigstens dem Entwurf nach) eines der voll- 
ständigsten Speciniina des strengsten Stylea, ist gegenwärtig in trauri- 
gem und unschönem Verfall und lohnt den Besuch auch wegen der 
(von andern Punkten aiiB reichern) Aussicht kaum. 

Villa Borghese vor Porta de! Popolo; der ältere Theil mit 
dem Casino des Vasanzio (S. 302, a), an welches sich der Prunkgarton 
seitwärts anschliesst, umfasst ausser den mehr ländlichen Thailen und 
dem (in neuerer Zeil angelegten) Circus auch noch einen besondern 
architektonisch ungelegton Eichenhain, dessen Aeseulaptempel inmit- 
ten eines kleinen Sees, indess von neuerem Datum ist. Der zwecklose 
VandalismuB des Jahres 1849 hat die Hälfte des Hains gefallt. — Die 
neuern Thcile der Villa, bei demselben Anlass verheert, waren in ein- 
zelnen Partion mehr mit Absicht auf malerisch landschaftliche Wir- 
kung im Sinn der Schule Poussins angelegt. 

Auch Villa Pamfili vor Porta S. Pancrazio hat 1849 stark ge- 
litten, doch glücklicher Weise nicht in den wesentlichen Theilen. Die 
Anlage, von Algardi (nach 1650), war durch die grossartigsten Vor- 
theile, durch herrliche hohe Lage und den Wasserreichtum der Aequa 
Paolina unterstützt. Ein System von Eichenhallen, rings um eine 
Wieso, fasst den Blick auf das Casino ein, welches mit antiken Sculp- 

Bnrelihardl, Cicerone. 26 



402 Villen und Gärten. 

turen fast bedeckt ist. Hinter demselben, von Eichenterrassen umge- 
ben, folgt der tiefliegende P runkg arten und dann eine noch tiefere 
Fläche , welche ehemals in dichter Laubnacht eine wunderbare Fülle 
von springenden Wassern längs einer Terrasse und eines Teatro ent- 
hielt, gegenwärtig ab er durch eine höchst unglückliche englische Partie 
ersetzt wird. Zu beiden Seiten dieser Hauptanlnge, namentlich rechts, 
dehnen sich die mehr ländlichen, aber noch immer in einfachen archi- 
tektonischen Gesammtlinien gegebenen grossen Nebenpartien aus: 
die Anemonen wiese und das Thal mit dem Lagketto; den Abs chl aas 
macht jener berühmte Pinienhain, der an gleichartiger Macht der 
Mume und Kronen in Italien wohl seines Gleichen sucht. 

Vilia Conti (jetzt Torlonia) bei Frascati macht vielleicht von 
allen den reinston und wohlthnondsten Eindruck, während sie an 
Ausdehnung und Zahl der Motive von vielen andern Gärten iiber- 
troffen wird. Nur eine obere (dichte) und eine untere (lichte) Eichen- 
terrasse, aber von den herrlichsten Wasserwerken belebt und mit der 
schönsten Aussicht. 

Villa Lodovisi auf Monte Pincio, von Le Notre angelegt, 
mit einzelnen grandiosen Partien (vorn) und angenehmen Schatten- 
gängen. Die neuem Theile von buntestem sog. englischem Styl. 

Der Garten des Pal. Barherini in Born, ehemals herrlich. 

Aus dem XVIII. Jahrhundert stammt zunächst der Garten Co r- 
sini am Abhang des Janiculus; nur Ein Motiv ist von strengem) 
Styl, dieses aber erhaben schön, nämlich die Cascado mit Fontaine 
zwischen den Ahornbäumen. 

Villa Albani vor Porta Salara, Gebäude und Garten angelegt 
von Carlo Marcliionne unter der Leitung des Cardinais Alessandro 
Albani; direktes Uebergewicht der architektonischen Linien und der 
Architektur selbst, unter bedeutender uud hier einzig durchgängiger 
Mitwirkung antiker Sculpturcn; die Eichen nur als Abschluss und 
Hintergrund ; Einzelnes schon mit rein malerischer Absicht angelegt ; 
der Blick auf das Sabinergebirgc sehr mit in Uechnung gebracht, und 
dcashalb die vordem Theile ganz licht mit blossen Cypresscnhecken. 

Der Garten des Priorato di Malta auf dem Aventin mit einem 
einfachen Laubgang, der direkt auf die Kuppel von S. Peter gerichtet 
ist; [die bekannte Aussicht durchs Schlüsselloch]. Vielleiclit vou 
Piraneai, der wenigstens die Gebäulichkeiten angab. 



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401 



Eine Menge kleinerer Villen verdanken eineu bisweilen unbe- 
schreiblichen Reiz wesentlich ihrer Lage und Aussicht. (Die ruinirte 
Vigna Barberini bei S. Spiritu; die ebenfalls ganz vernachlässigte a 
Villa Sparta hinter der Aqua Paolina, nebst den übrigen Villen des 
Janiculus; Villa Spada oder Hills auf dem Palatin, [als Nonnenkloster b 
mit erbErmlichen Bauten verunziert und wohl für immer unzugänglich] ; 
der Garten der Passioniston auf dem Coeliua u. a. m.). Andere, auch in 
wenig bevorzugter Lage, entlialten doch einzelne Elemente von 
grossem Heiz oder erwecken durch ihren Charakter dieselbe Stimmung, 
welche jene grüsaeru und berühmtem Anlagen hervorrufen. (Mehrere 
ganz anspruchslose an der Strasse von den Diocletiansthermen nach 
Porta S. Lorenzo, andere an der Strosse von S. Maria maggiore nach 
dem Lateran; in der Nähe des letzteren Villa Massiini und Villa AI- c 
tieri, letztere mit schiincn Laubgäugen und einer grossen Pinie, so- 
wie auch Villa Wolkonski, deren Haupt Wirkung auf der Trümmern 
des Aquiiductes beruht). 

Nicht eine Anlage, sondern nur ein wonnevoller Ort war der 
Cypreascnhain der Villa Poniatowski, nutzlos dem Boden eben a 
gemacht im Jahr 184'J. Die Baumfeindscliaft ist im heutigen Italien 
ein populärer Zug. 

Von den neapolitanischen Villen reicht keine bedeutende 
über das vorige Jahrhundert hinauf. Die zum Theil altern Anlagen 
auf dem Vomero sind im Gartenatyl den römiaohen auf koine Weise 
zu vergleichen, auch ganz wasserlos, allein so gelegen, dass die Aus- 
sicht auch die prächtigste Einrahmung würde vergessen machen. 
Floridiana ist völlig modern, Belvodere zum Theil; Villa Pa- * 
tri zi und Villa Ricciardi (diese mit doppeltem Blick, gegen das f 
Meer und gegen Camaldoli) sind älter; die traumhafte Herrlichkeit 
der Aussicht haben sie mit dem ganzen Höhenzug gemein. Von den 
Bourbonenvillen des vorigen Jahrhunderts nimmt der Park von Ca- s 
serta, nieht durch Aussicht, allein durch die Anlage, den ersten 
Rang ein. Ausserdem Üapodimonte, Qnisisana bei Castellamare, 
Portici u. s. w. — Als moderne Gründung ist der hintere Theil der 
Villa reale in Neapel seiner vielartigen tropischen Vegetation ge- h 
mäss mit Recht in landschaftlichem, nicht im architektonischen Sinne 
angelegt. 

In Genua heramon die starken Winde den cdlorn Baumwuchs 
uud die Wasscrarmuth der Hohen ringsum fügt eine weitere Ein- 

26" 



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404 Tillen nnfl Gürten. 

schränkung hinzu. Der Garten des Pal. Doris ist, wie bemerkt, 
eine aite Anlage; wirksames Terrassenwerk mit Grotten bietet wohl 
dieses und jenes Landhans, doch die Gartenanlagen sind vegetabilisch 
ganz gering. Die kleine Villa des Marchese di Negro ist mehr ein 
oii t zückender Punkt als ein wichtiger Garten. Das Schönste was mir 
bekannt ist, gewährt der Garten des schon genannten Pal. Paila- 
vicini ausserhalb Aquasols, welcher eine oberound eine untere Ter- 
rasse mit Grotten etc. bildet. Hinter dem Palast sind es aber doch 
eben nur magere Cypressen statt der römischen Eichen (S. 351b). Eine 
sehr ansehnliche Terrassenanlago verspricht (wenigstens von aussen) 
die Villa Durazzo, jetzt Grappallo, al Zerbino. — Die Villen der Uui- 
gobuug, unter welchen sich sehr prachtvolle befinden sollen, sind mir 
nicht hinlänglich aus eigener Anschauung bekannt; die des Marchese 
Pallavicini in Pogli ist von modernem englischem Gartenstyl. 

(In S. Francesco d' Albaro die Villa Paradisi mit einer herrlichen 
Bogenhalle. 

Die Villa Lnperiali in S. Fruttuosa, ein Palast mit Altanhallen 
7,n beiden Seiten. Obschon in traurigster Verwahrlosung voll der 
reizendsten Schönheit. Noch sichtbare Malereien an der Fassade 
vom besten Styl, wie die Architektur des Ganzen, das wohl dem 
Montorsoli zugeschrieben werden kann. 

Die Villa Cambiaso in S. Francesco d' Albaro früher ßiustiniaui 
wie die Villa Pallavicini von glänzender Wirkung mit einer Nischen- 
halle auf der Landseite, die zu dem Schönsten gehört, was Italien 
bietet,] 

Ueber die alten venezianischen Villcngärten an der Brenta und 
deren jetzigen Uestand vermag ich keine Auskunft zu geben. 

Auf dem altvenozianisehen Festland geniesst der Garten Giusti 
in Verona wegen seiner Cypressenterrassen einen gerechten Ruhm; 
im alten Ilorzogthum Mailand der ungoheüro Park von Monza 
(voriges Jahrhundert) und vor Allem die borromeischen Inseln. 
(Die Anlagen seit 1671). In Betreff der Isola bella lässt sich wohl 
nicht läugnen , dass die Aufgabe , wenn das Bauliche so vorherrschen 
durfte, sich phantasiereicher hätte lösen lassen, als durch zehnfache, 
immer kleiner werdende Wiederholung eines und dosselbon Motives, 
allein wer mag liier unter dem noch immer unwiderstehlichen Phan- 
tasieeindruck mit dem Erfinder rechten? — Isola madre mit ihrer . 
mehr ländlich vertheilten, mit Durchblicken auf die Dürfer am See 



Vülaa und Gärten. 



405 



abwechselnden und dabei hochaiidlichen Vegetation wird je nach 
Stimmung und GeBchmack mehr Gefallen erregen. 

In den Villen am Comersee, welche fast sämmtlich durch steile r 
Ufer bedingt sind, ruht das Hauptgewicht bei weitem mehr auf Archi- 
tektur und Aussicht, als auf planmässigen Gärten. Das bedeu- 
tendste Terrassenwerk hat wohl Villa Sommariva, den schönstes 
Garten Villa Meki. 



Berichtigung und Zusatz. 

2u Seite 262 f g. Die Cnoritllblo in S. Domonico 

gewissen Poiimante di Nicola; die Im Dom s 

DomrtM IVtci florentlnl 1191. 
Zu SeltaBlSh. Nahe verwandt unil sehr tüchtig In dieser Art; S. Qudenilo in Novaro, 



Voi, 



Verlag von E, A, SEEMANN in Leipzig. 



Jahrbücher für Kunstwissenschaft, Herausgegeben von Dr. A. 
TOn Zahn. I. Jahrgang, gr. Lex.-S. 186S. Mit Holz- 
schnitten und Hlhogr. Tafeln, br. 3 Thlr. 6 Sgr. 
Sit 3a6vlnicl)fc nur baju trftimmt, ber naatn Jimiftfcvftbiiiig ju bienen, 

[otnoljl in Scji!,j oni Mufiiahnit mit stkidjreit'usi^ tci- Sjurmüicv nie and) in 

ßinfidl bei «^tMlifitui: siiicliii. ii; l-il^cit inu-imi an; (iv^injung btr 

„Scitfojrift für &ilb. Ännjl". 

23« I. Salirgang enthält u. 31. fotgcnbc Sinilcl größeren Minfange, bte 

üb« bie betreff enb«i aJiaterieu neue uub interrffmtte Slufjcbliiffe geben: 

Ein Besuch In nnventin. Von Dr. Rudolf Hahn. Mit Illuslrmtlnnrn. — Die Pur- 
um Inn ural AiEuilimr ('lilui. V.m .1. r™ Arumanf — Uelur In S]innlcn vorlwndcne 
•-■r . MiniiLiiirpii 1 1 :i u-.l j!-_-i«-tin 1111 ri. Vun <i. /'. nW/rn . — li.'i;;.j.. r v n i- Kunst - 

p.-iliichli- S iirtil.tr-!!. Vnn Jeff lloodrr. — Zur 5ih».l!-r . i l.iinnlprei. Von 
IV. r.ühki. - Mu'lifl Aiiv.-I..'.- U:i,l..imi von ilrllj,-,'. V..ii J/V™. r» tlrimn. — Der 



l- Ol^m.i 



Hier. — Die Dürer. 
. — Ein Autogrnph A 



FA. m-n™der. — Hon» öehröiir. Von Julia, Hnbmrr etc. 

Sem II. Sfonjrgtntg ifl baS 1. §rft bereits erfdjiencn. 
Dir tänfgsuinfferi in itjier Ijiftonfiben ISnttoideltmg pon ber Steilheit bis 

jnm LS. dmnJ-cr;. i£in ,£>mibl'iici> ber SSafiaitiutbe Ben SLtiigufl 

Stmnuii. a>ii: qsjcii Mnihi ^«'Übungen. ISfiO. 1. Sieferung ü. 24 Sar. 

CBM ®anjc tthi 4 Stefernngcu umfoffen.1 
Rom und die Campagna. Neuer Führet Tut Reiwniie. Von Th. Four- 

nier, Secretaire Interpret« der E. l'rmii. Gesandtschaft. Mit Karten 

und Plänen. Zweite vermehrte nnd vetbcsftette Auflage. Itoth cart. 

2V: Thlr. 

Die Götter und Heroen der Griechen, nebet einer Uebersl cht derCultus- 

■statten nnd rcligiÖMn Gebräuche Eine Vorschule der Kur.ftravtholnirie. 
Von Otto Seemann, Oberlehrer am Gymnasiora zu F-räen. Mit 
153 Holöchnitten. gr. 8. 1869. br. 2'/t Thlr.; eleg. geb. 2* 3 Thlr. 
Populäre Aesthetlk. Voa Dr. Carl Lcmcke, l*rof. der Uni*er>iUt iu 
Heidelberg. Zwoite vermehrte nnd Terbesscrte Anfinge. Mit vielen 
r.8. 1861. broch.2V a Thlr.,eleg.geb.2Thlr.27V a Sgr. 



(EljnraitlErtiilöEr aas Der ßmi|twf" ri )'ntle Hir CEinfßljrniig in Uns Stuoium 

betfelbcii. Süeu 51. SIS. Sie ff er. Srttle von S. UlMifj befolgte, flaut 
»«mehrte Siufiage. 3rci SMbcilimgcii C>iiiciU>i:i!;, londoner, 91enr 
lett). fflKt bielen ©oljfdjnittnt. gr. 8. br. 2 2blr. 12 @gr.; lieg, 
grt. 2 3$Ir. 22Vs Sgr. 



flunn iiiiö fiiiii|ilrr Its 16., 17. imö 18. Siihrhunorris, öioitrniJljicii 

unb Slxivafifiifiitni. i-en !l. Ssjptfg. Secter. Mit ättblreitben $ci-trmts 
unb anbeten fifljidjjiititn. 3 SBänbe. ar. 8. 1563—1865. br. 10 Sblr., 
eleg. geb. mit 2trf clwtjjDlbuitjj 1 1*/* £blr. 

Geschieh "e der Architektur von den ältesten Zelten bis auf die Gegen- 
wart von Dr. Wilhelm Lübke, Prof. um Polytechnicnm und an 
der Kunstschule in Stuttgart. Dritte stark verm. Auflage. Mit 
583 Holischnitten. gr. Lex.-8. 1S65. br. 6 Thlr., cleg. geb. G'/a Thlr. 

Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, 
dargestellt von Dr. Wilhelm Lübke. Mit 231 Holzschnitten, gr. 
Lex.-8. (1863.) br. 5 a /a Thlr.. eleg. geb. 6*/i Thlr. 

Geschichte der Malerei, in ihren Hauptepochen bis zur Gegenwart 
dargestellt von Dr. Ad. GorSing. Mit 192 Hoksohn. 2 Bde. 186«. 
gr. B. br. 3 Thlr., geb. 3'/, Thlr. 

Uorrrfjule jirni Siniiium air hirnjlttljm -Sun|t Srs BCUtfBjen f&ititl- 
altert. Sien Dr. Sit^elm i'übfe. fünfte ftavl Mrmrbrte unb 
befferte Sluflnge. Sfffit 170 ^otjfdjnittcn. 1866. gt. 8. &r. * " 
IS ©gr., (leg. geb. 1 £blr. 27 ©gi. 

^Olbeili liitü [eine StiL Sinn Dr. St (fr. SBo.ftmnnn, ^tof. ai . 
tedjniEum ju EarlSrube. W\t ja^tretdjen SIL 1 bi (tun gen in ^ohfd 
3»ei Säubr unb <£ui>Bltment. B r - Sej-'S- 8 £*<t. 1 ©gr.- — 
©oK-minäbfliifcen il'/ 3 £Mr. 

ffiffnjidjtc öcr mebernett ftttniöfifät« ßtaltiti ftit 1789, i 

ihrem Serba Itniü jimi i)i)(itifcbcu l'i'bm. ;uv iV'cjiiliing unb £ 

Sern Dr. SultitS SKeuev. äJtit 3! ©oljfdjnittblÜttenL gv. Sei.* 8. 
1867. brodj. 5 1 /, Sblr., rieg. gt6. G Sb.tr. 

Die Galerie ZU Braunschweig in ihren Meisterwerken. 1 8 Radirungen von 
William Unger. Mit erläuterndem Texte. 1869. 4. 6 Lief, h 20 Sgl. 

3cit|ujrift fütr btiörntiE tiuii|t. 9Hit bem Beiblatt: „Sie fiwijldjrcitir". 
Unter ÜJIitiritlung ton ffi. u. eitelberger. 3a(. gälte, ©. $riber, 
Remter, 3R. 3evl>mi, *Sart Seincte, SS. ruhte, (£. ed)naa(e, ©. Semper, 
S. ©bring«, ». leicblein, ». Sboufing, 0r. Jb. Ciffljer, SR. 
3immtniiiiim x. herausgegeben teil $ref. Dr. £ s. öttfcou). I— IIL 
3o6rgong (1S6G— 1868). äfiit 0el,j4nitltn unb jablreidjfti flunfc 
beiladen in Jiirti. ViiLuMiM^i-ie k. U-vciS tcS Sabcgoii^Hj &r. 4 £61r., 
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