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(lorresponöeUjj-^Sfaff 

der 


deutsche^  Gesellschaft 

für 


Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


VJII. 

Jahrgang  1877. 


Redtgirt  von 


Professor  Kollmann  in  München, 

ÜeMnlnmlli  dtr  OmllKkift. 


I 

1 


München. 

Druck  von  R.  Oldenbourg. 
1877. 


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gorrespon&ettj-'^Sfaff 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

II  o d i g i r t 
von 

l'rofessor  Kollmann  in  München, 

Hrn^rmUfcrctir  der  Gwllachafl 

Erscheint  jeden  Monat. 


Nro.  1.  München,  Druck  von  R.  Oldenbourg.  Januar  1877. 


Gesellschaftsnachrichten. 

In  Jena  hat  sich  ein  anthropologischer  Verein 
als  Zweigverein  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  constituirt.  Er  zählt  31  Mitglieder, 
nämlich: 


28.  Ilm.  Prof.  Delbrück, 

29.  „ Stabsarzt  Dr.  liode, 

30.  „ Prof.  Sievers, 

31.  „ Prof.  Wittich. 


1.  Hrn.  Dr.  B a r d e 1 e !> en , 

2.  „ Prof.  Capeller, 

3.  „ Dr.  Frege, 

4.  „ Prof.  Fortlage, 

5.  ,<  Ilofrath  Gent  her. 

6.  „ Prof.  Klopflcisch, 

7.  „ Dr.  K.  Martin, 

8.  „ Prof.  Schwalbe, 

9.  „ Dr.  Teuscher, 

IO«  „ Prof.  Abbe, 

11.  „ Geh.  Rath  Röhtlingk. 

12.  Dr.  A.  Böhtlingk, 

13.  „ I)r.  Dctmer, 

14.  „ Prof.  Gaedecheng, 

15.  „ Prof.  Hai  Her. 

D>.  „ Universitätsbibliothekar  Dr.  Martin, 

17.  „ Prof.  Oehmichen, 

18.  „ Prof.  Reirhardt, 

19.  „ Geh.  Ilofrath  Ried, 

20.  „ Prof.  Schillbach, 

21.  „ Geb.  Medicinalratli  Sigm.  Schultze, 

22.  ,,  Prof.  Sieben, 

23.  Schulrat  h Stoy, 

24.  „ Prof.  Prcyer, 

25.  „ Prof.  Eucken, 

26.  „ Dr.  Heinr.  Stoy, 

27.  „ Med icinal- Assessor  Schuster, 


Die  Ziele  und  Mittel  der  modernen 
Anthropologie. 

Vortrag  des  Hrn.  Geh.  Rath  Prof.  Virrhow,  gehalten 
in  der  dritten  allgemeinen  Sitzung  der  Natnrforscher- 
Veraammlnng  zu  Hamburg  im  September  1876. 

Wenn  ich  trotz  der  späten  Stunde  und  der 
ungünstigen  Umstände,  die  in  der  Tagesordnung 
entstandene  Lücke  noch  wahrnehme,  so  ist  der 
Hauptgrund  der,  dass  ich  durch  mein  Erscheinen 
auf  dieser  Tribüne  einem  besonderen  Gefühl  der 
Dankbarkeit  und  Hochachtung  Ansdruck  geben 
möchte,  welches  ich  empfinde  in 'Bezug  auf  eine 
Reihe  von  Bürgern  dieser  Stadt,  und  auf  den  wissen- 
schaftlichen Geist,  der  sich  in  Hamburg  geltend 
macht.  Wie  mancher  andere  deutsche  Naturforscher 
bin  ich  seit  einer  Reihe  von  Jahren  gewohnt  , ein 
oder  mehrere  Male  im  Jahre  nach  Hamburg  zu 
kommen,  um  zu  sehen,  was  die  Schiffe  der  Herren 
Handelsmänner  Neues  gebracht  haben,  und  mit 
jedem  Jahr  wird  dieses  Neue  reicher  und  wissen- 
schaftlicher. Bis  vor  kurzer  Zeit  bewegten  sich 
diese  Sammlungen  allerdings  auf  einem  Gebiete, 
welches  meinem  Forschungskreise  ferner  liegt.  Seit 
wenigen  Jahren  beginnt  sieh  jedoch  in  immer 
grösserer  Ausdehnung  der  Gesichtspunkt  geltend  zu 
machen,  dem  Ausdruck  zu  geben  ich  hierher  ge- 


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treten  hin,  nämlich  das  Bedürfnis*,  den  Handel  zu 
benutzen  als  Mittel , um  mehr  und  mehr  jene 
Wissenschaft  zu  fördern,  welche  wir  jetzt  mit  dem 
Namen  Anthropologie  belegen. 

Dieser  Name  ist  freilich  vcrhältnissmässig  alt; 
nichtsdestoweniger  haben  wir  gerade  im  Laufe  der 
letzten  Monate  mehr  und  mehr  gesehen,  dass  es 
seihst  unter  wissenschaftlichen  Männern  Zeit  wird, 
sich  über  das  zu  verständigen,  was  diese  Wissen- 
schaft sein  soll,  sich  Rechenschaft  zu  geben  von 
dem,  was  die  jetzige  Anthropologie  eigentlich  vor- 
hat. Ich  erlaube  mir,  in  möglichster  Kürze  diese 
Gesichtspunkte  hier  zu  erörtern* 

Die  moderne  Anthropologie,  die  eben  nnfängt. 
zu  werden,  die  noch  die  Grenzen  sucht,  inner- 
halb deren  sic  sich  zu  bewegen  hat,  die  auf 
allen  Seiten  streitiges  Terrain  erwerben  muss,  aber 
auch  andererseits  Vieles  abgeben  muss,  ist  gegen- 
wärtig auf  dem  Punkte  angelangt , wo  sich  über- 
sehen lässt,  welches  die  Methoden  sind,  welches 
die  Ziele,  deren  man  sich  zu  bedienen  hat  und 
denen  wir  nachzustreben  haben.  Als  wir  atifingeu. 
da  fanden  wir  jenes  etwas  unruhige  Wesen  vor, 
welches  sich  in  jeder  jungen  Wissenschaft  geltend 
macht,  indem  jeder  einzelne  Forscher  möglichst 
frühzeitig  die  Früchte  seiner  Forschungen  einzu- 
heimsen  sucht.  Die  Anthropologie  ist  früher  über- 
geführt worden  in  eine  Anthropogenie , ehe  sie 
überhaupt  noch  eigentlich  da  war;  sie  ist  auf  dem 
Wege  hypothetischer  Constructionen  zu  einer  Art 
von  genealogischer  Wissenschaft  geworden,  ähnlich 
wie  es  schon  die  Alten  versucht,  und  wie  wir 
es  sonderbarer  Weise  herüber  genommen  haben 
aus  einem  diesen  Fragen  sonst  fremden  Kreise, 
aus  dem  der  Religionslehre.  Jede  Religion  hat 
einen  gewissen  anthropologischen  Antheil.  Indess 
so  interessant  es  ist,  die  verschiedenen  Methoden 
der  religiösen  Anschauung  kennen  zu  lernen  und 
zu  vergleichen,  so  interessant  es  namentlich  ist, 
zu  sehen,  wie  die  einzelnen  Religionsschöpfer  sich 
die  Entstehung  des  Menschen  gedacht  haben,  so 
wollen  wir  doch  nicht  verkennen,  dass  derselbe 
Weg,  auf  die  Wissenschaft  übertragen,  absurde 
Resultate  liefern  muss,  wenn  die  ersten  wissen- 
schaftlichen Resultate  noch  nicht  hergestellt  sind. 
Längere  Zeit  hat  man  sich  bemüht,  die  Geschichte 
der  Menscheueutstehung  einfach  zu  construiren, 
nach  Gesichtspunkten,  wie  sic  sich  je  nach  dem 
Zufall  der  C ulturentwick lang  einzelner  Stämme  dar- 
stellten.  Man  hat  z.  B.  einfach  präsomirt,  dass 
derjenige  Stamm  auch  der  physischen  Anlage  nach 
der  niedrigste  sein  müsse,  der  die  geringste  Summe 
von  Culturerwerlmngen  gesammelt  habe;  man  hat 


also  aus  dem  Gesammtsrlmtzc  der  Colturerzeng- 
niase,  der  Cnlturerrungensehaften  eines  Stammes 
Schlüsse  gezogen  auf  die  Summe  seiner  Fähig- 
keiten. Dieser  Schluss  kann  als  -berechtigt  er- 
scheinen, wenn  wir  uns  Umsehen  in  dem  Kreise 
derjenigen  Bevölkerungen,  welche  in  dem  allgemeinen 
Strome  grösserer  Culturbewegungen  liegen;  er  ist 
aber  absolut  falsch  und  unzulässig,  wenn  er  ange- 
wandt wird  auf  isolirte  Völker,  auf  Völker,  welche 
für  sich  leben,  welche  in  einem  gegebenen,  be- 
schränkten Gebiete  für  sich  existireu.  Um  ein 
bestimmtes  Beispiel  zu  wählen,  will  ich  die  Papuas 
erwähnen.  Die  Papuas  sind  bis  in  die  neueste 
Zeit  als  die  niedrigste  Stufe  der  vorhandenen 
Menschen  überhaupt  angesehen  worden,  und  wenn 
Jemand  sich  vorstellt,  dass  der  Ueberg&ng  von  den 
Affen  zum  Menschen  irgendwo  eingetreten  sei,  so 
richtet  sich  der  Blick  gewöhnlich  in  eines  der- 
jenigen Länder,  weiche  die  Papuas-Iiasse  bewohnt. 
Indessen  in  dem  Maasse,  als  wir  in  den  Besitz 
von  grösserem  Material  kommen , zeigt  es  sich, 
dass  keineswegs  so  niedere  Formbildungen  hervor- 
treten, wie  mau  vorausgesetzt  hat.  Jede  Berührung 
mit  den  Papuas  zeigt  ein  relativ  entwicklungsfähiges 
Volk.  Das  Studium  der  körperlichen  Eigenschaften, 
z.  B.  des  Schädels,  ergibt,  dass  es  sieh  nicht  tun 
eine  niedrige  affenartige  Bildung  handelt,  sondern 
dass  vielfach  Formen  hervortreten,  die  sich  den 
Formen  höherer  Culturvölker  anscliliessen.  Mit 
einem  Wort,  der  gesuchte  Thiermensch,  wenn  ich 
mich  so  ansdrücken  darf,  fehlt  immer  noch,  und 
wenngleich  sich  nicht  verkennen  lässt,  dass  bis  zu 
einem  gewissen  Maasse,  freilich  sehr  abgeminderten 
Anforderungen  gegenüber,  der  Australier  derartiges 
darbietet,  so  bietet  er  es  doch  nicht  in  dem  Maasse 
dar,  dass  man  eine  tiefe  Kluft  zwischen  ihm  und 
uns  erkennen  und  dass  man  sagen  könnte,  die 
Australier  ständen  den  Affen  näher  als  uns.  Immer 
bleiben  sie  Menschen  iu  unserem  Sinne , und 
nächste  Anverwandte  von  uns,  die  wir  anerkennen 
müssen.  Das  Bedürfnis*,  eilte  niedrigste  Form  des 
Menschen  zu  Hilden,  wird  nicht  geleugnet  werden 
können.  Aber  es  fragt  sich  eben : ist  die  physische 
Organisation  dieser  niederen  Stämme  so  beschaffen, 
dass  sie  nicht  in  die  allgemeine  U'ulturbcwegung 
eintreten  könnten?  Leider  liegen  über  diesen 
wic  htigen  Punkt  bis  jetzt  wenig  entscheidende  Er- 
fahrungen vor.  Es  ist  richtig,  dass  die  Engländci 
iu  neuerer  Zeit  vielfach  Versuche  gemacht  hahen, 
in  philanthropischer  Weise  der  Ausrottung  der 
Eingeborenen  in  Australien  ein  Ziel  zu  setzen, 
aber  leider  haben  diese  Bestrebungen  keine 
rechte  Dauer  gehabt,  am  wenigsten  jene  me- 


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thodische  Beständigkeit . welche  möglicher  Weise 
zum  Ziele  führen  könnte.  Thatsächlich  ist,  dass 
cs  in  Australien  geht,  wie  es  in  Vandiemens- 
Laud  gegangen  ist,  wo  durch  den  Contact  mit  den 
europäischen  Einwanderern  der  letzte  Tasmanier 
vor  wenigen  Jahren  gestorben  ist,  — die  Geschichte 
der  Vernichtung  eines  ganzen  Volkes  in  freilich 
anderer  Weise,  wie  Hr.  Dr.  Nachtigal  vorhin 
von  Afrika  geschildert  hat,  — einfach  durch  den 
Contact  mit  den  eingewanderten  Männern.  Herr 
I)r.  Xachtigal  hat  die  Meinung,  dass,  wenn  es 
gelingen  würde,  Afrika  zu  erscldiessen  und  die 
Einwanderung  dahin  zu  ermöglichen,  das  ein  Vor- 
theil für  die  Neger  sein  würde.  Ob  dies  der  Fall 
sein  wird,  das  ist  eine  Frage,  deren  Beantwortung 
ich  nicht  ohne  Weiteres  in  dem  Sinne  des  Hrn. 
Dr.  Xachtigal  aussprechen  möchte.  Möglicher 
Weise  möchte  gerade  das  Umgekehrte  da*  Resul- 
tat sein,  möglicher  Weise  könnten  wir  es  erleben, 
dass  in  den  der  europäischen  Einwanderung  zu- 
gänglichen Abschnitten  Afrikas  der  schwarze  Mann 
ebenso  vernichtet  werden  wird , wie  er  vernichtet 
ist  in  Tasmanien,  wie  er  vernichtet  wird  in  Au- 
stralien, wie  er  zu  Grunde  geht  auf  den  Fidschi- 
Inseln,  überall,  wo  überhaupt  der  Contact  stattfindet. 
Sonderbarer  Weise  können  wir  immer  noch  nicht 
sagen,  dass  er  zu  Grunde  geht,  weil  er  überhaupt 
culturunfähig  ist  Ich  behaupte,  es  ist  noch  Nie- 
manden gelungen,  nachzuweisen,  dass  der  schwarze 
Mann  in  Wirklichkeit  culturunfähig  ist;  man  hat 
überhaupt  nicht,  wie  ich  sagte,  die  methodische 
Beständigkeit  angewandt,  die  zu  jeder  Er- 
ziehung gehört.  Man  stelle  sich  vor,  dass  wir  die 
Erziehung  einer  erwachsenen  Landbevölkerung  in 
unserer  Gegend  unternehmen  wollten,  dass  man 
also  plötzlich  eine  grössere  isolirte  Landbevölkerung 
auswählte,  um  sie  durch  Unterricht  auf  deu  Stand- 
punkt zn  bringen,  auf  dem  durchschnittlich  der 
Gebildete  sich  befindet.  Meine  Herren,  jede  grössere 
politische  Bewegung  zeigt  , wie  inmitten  der  Be- 
wegung plötzlich  ein  Widerstand  hervortritt,  der 
in  der  Regel  in  der  Generation,  die  gerade  vor- 
handen ist,  nicht  zu  brechen  ist  Man  braucht 
eine  neue  Generation,  um  den  Gedanken  der  Be- 
tregung durchzusetzen. 

Obwohl  ich  anerkenne,  dass  an  verschiedenen 
Orten,  namentlich  von  englischen  Missionaren,  in 
milderem  Sinne  als  früher  gearbeitet  wird,  so  be- 
schwere ich  mich  doch  darübor,  dass  immer  noch 
nicht  eine  ausgiebige,  in  gleichmässigcr  Weise  fort- 
wirkende Pädagogik  auf  die  niedern  Stämme  an- 
gewendet  worden  ist.  Ich  behaupte,  dass  Alles, 
was  wir  bis  jetzt  wissen,  nicht  ausreicht,  um  dar- 


zuthun,  dass  diese  Stämme  untergeben  müssen, 
dass  sie  gleichsam  für  die  Vernichtung  bestimmt 
sind.  Wäre  es  so.  wäre  diese  Bevölkerung  absolut 
culturunfähig,  ja,  meine  Herren,  daun  wäre  es  in 
der  That  sehr  sonderbar,  dass  aus  solchen  niedrigen 
Stämmen  durch  allmähligc  Entwicklung  die  Cultur- 
völker  hervorgegangen  wären,  die  gegenwärtig  gegen 
sie  agitiren.  Und  doch  ist  das  die  Präsurnption, 
welche  durch  die  ganze  Wissenschaft  geht.  Ueber- 
all  stellt  mau  sich  vor,  die  jetzigen  Culturvölkcr 
seien  hervorgegangen  durch  langsame  Arbeit,  durch 
fortschreitende  geistige  Arbeit,  aus  einem  Zustande 
niederer  Art,  in  dem  sie  sieh  mehr  und  mehr  von 
demjenigen  Zustande  entfernten,  in  dem  gegen- 
wärtig die  schwarze  Rasse  des  Ostens  sich  be- 
findet, eiti  Zustand,  der  in  Australien  noch  wesent- 
lich dem  Steinzeitalter  entspricht  und  zwar  jenem 
Zeitalter,  in  dem  man  noch  nicht  einmal  Töpfe 
machen  konnte.  Wenn  wir  aber  ziemlich  allge- 
mein, fast  als  selbstverständlich  voraussetzen,  dass 
derjenige  Schatz  geistigen  Besitzes,  der  uns  er- 
freut, diejenige  Entwicklung  von  Kunst  und  In- 
dustrie. von  der  wir  Nutzen  ziehen,  hervorgegangen 
sind  aus  Zuständen,  wie  diejenigen,  in  welchen  wir 
jene  Völker  sehen,  so  müssen  wir  doch  auch 
annehmen,  es  seien  Mitglieder  einer  solchen  Be- 
völkerung auch  als  unsere  materiellen  Ahneu  zu 
betrachten.  Das  sind  Widersprüche,  wie  Sie  scheu: 
auf  der  einen  Seite  annehmeu,  diese  Völker  seieu 
gar  nicht  eulturfähig,  auf  der  andern  Seite  an- 
nehmen, wir  selber  seien  aus  Völkern  dieser  Art 
hervorgegangen. 

Nun  kanu  mau  sagen:  diese  ganze  Frage  ist 
ja  zunächst  nicht  die  Aufgabe  der  Untersuchung, 
halten  wir  uns  zunächst  an  die  Untersuchung  der 
gegebenen  Bevölkerung.  Das  ist  in  der  That  eine 
Aufgabe,  welche  ich  gern  anerkenne,  und  ich  werde 
gleich  darauf  zurückkommen,  aber  auf  der  andern 
Seite  muss  ich  sagen:  es  ist  ganz  unmöglich,  die 
Anthropologie  der  lebenden  Stämme  zu  treiben, 
ohne  sich  in  jedem  Augenblick  bewusst  zu  bleiben, 
dass  man  mit  den  Fragen,  welche  die  Gegenwart 
darbietet , zugleich  ein  Stück  der  Geschichte  der 
Menschheit  anfbaut,  ein  Stück,  welches  vor  aller 
Historie  liegt.  Freilich,  wir  gebrauchen  in  erster 
Linie  das  Material,  welches  uns  dienen  soll,  alle 
lebenden  Stämme  genau  kennen  zu  lernen,  und  ich 
benutze  die  Gelegenheit  hier  auf  dieser  Tribüne, 
um  nicht  blos  die  deutschen  Naturforscher  und 
Acrzte,  sondern  spcciell  die  Bürger  Hamburgs, 
welche  in  der  Lage  sind,  solche  Interessen  zu  för- 
dern, darauf  hinzuweisen,  wie  nothwendig  es  ist, 
alle  Mittel,  welche  die  Schifffahrt  darbietet,  zu 


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benutzen,  um  nicht  blos  die  Kleidungsstücke,  Waffen, 
Geräthe,  Schädel.  Skelette,  Photographien  zu  bringen, 
sondern  noch  etwas  mehr  zu  thun,  nämlich  uns  ein 
Stück  von  dem  geistigen  Leben  dieser  Völker  zn 
sichern,  Nachrichten  zu  bringen,  wie  sie  leben, 
wie  sie  denken,  wie  sie  sprechen,  wie  ihre  Vor- 
stellungen über  das  Jenseits  sich  gestaltet  haben, 
genug,  eine  Reihe  von  Dingen,  die  so  nothwendig 
sind  für  die  Entwicklung  der  Anthropologie,  wie 
dem  Menschen  das  liebe  Brot  für  sein  Leben.  Es 
klingt  vielleicht  sonderbar,  wenn  ich  derartige f An- 
forderungen stelle,  die  ein  gewöhnlicher  Schiffs- 
capitän  oder  einer  seiner.  Leute  besorgen  soll,  und 
doch  gibt  es  auch  in  diesem  Gebiete  eine  Reihe 
von  Kragen,  auf  welche  jeder  einfache,  nüchterne 
Beobachter  Antwort  mitbringen  kann.  Wir  wissen, 
welche  Schatze  der  Metereologie  gewonnen  sind 
dadurch,  dass  man  die  einfachen  Beobachtungen 
der  Schiffscapitäne  sammelt  und  daraus  die  Ge- 
setze der  Stürme  und  Wind  Strömungen  ableitete. 
Ja.  meine  Herren,  in  ähnlicher  Weise  würde  sich 
sehr  viel  leisten  lassen,  wenn  diejenigen  Capitäne, 
welche  längere  Zeit  mit  fernen  Küstengegenden  in 
Verkehr  stehen,  veranlasst  würden  eine  Reihe  von 
Punkten,  soweit  sic  sich  ihrer  Beobachtung  dar- 
bieten, ohne  weitere  Künsteleien  zn  notiren  und 
mitzubringen,  um  sie  einer  wissenschaftlichen  Be- 
arbeitung zu  unterbreiten.  Die  Berliner  anthro- 
pologische Gesellschaft  hat  schon  vor  Jahren  einen 
grossen  Fragebogen  aufgestellt,  auf  Anlass  des 
Marineministers,  um  ihn  den  Officiercn  der  Kriegs- 
marine zu  unterbreiten.  Leider  muss  ich  eon- 
statiren,  dass  auf  diesem  Gebiete  der  rechte  Sinn 
noch  nicht  erwacht  zu  sein  scheint;  das  ist  zum 
Theil  der  Grund,  dass  ich  heute,  wo  ich  zur 
Handelsmarine  spreche,  einmal  bemerklich  machen 
möchte,  ob  es  nicht  vielleicht  gelingen  sollte,  dass 
von  dieser  Seite  her  in  frischer  Weise  die  Initiative 
übernommen  würde,  gerade  wie  hier  in  Hamburg 
die  Initiative  in  Bezug  auf  die  körperlichen  Samm- 
lungen stattgefunden  hat.  Sie  Alle  haben  wahr- 
scheinlich gesehen,  was  die  Thätigkeit  eines  ein- 
zelnen Mannes  leisten  kann,  wenn  er  die  Umstände 
zu  benutzen  weiss,  und  wenn  er  zugleich  das  Herz 
hat,  an  der  rechten  Stelle  die  Mittel  nicht  ängst- 
lich zu  wägen,  welche  nothwendig  sind,  um  wissen- 
schaftliche Erwerbungen  zu  machen.  Ich  brauche 
nur  den  Namen  Cesar  Godeffroy  zu  nennen, 
um  in  Aller  Herzen  ein  Gefühl  der  Hochachtung 
wachzurufen.  Niemand  in  deutschen  Landen  hat 
in  der  Zeit  weniger  Jahre  so  viel  für  die  Samm- 
lung wissenschaftlichen  Materials  des  Auslandes 
geleistet  , wie  dieser  eine  Mann  für  uns  geleistet 


hat.  Aber  so  musterhafte  Sammlungen  wie  er  hat 
anlcgen  lassen,  so  vortreffliche  Gegenstände  der 
mannigfachsten  Art,  aus  dem  Thier-  und  Pflanzen- 
reich nicht  blos,  sondern  aus  allen  Zweigen  des 
ethnologischen  Gebietes  er  angehäuft  hat,  so  sehen 
wir  doch  nicht,  dass  innerhalb  seines  Kreises  irgend 
ein  psychologischer  Gedanke  Platz  gegriffen  hat, 
nichts  was  über  das  Gebiet  des  Körperlichen  hinaus- 
geht. Aber  warum  sollte  nicht  die  Möglichkeit 
gegeben  sein,  dass  dieselben  Beobachter  mit  In- 
structionen versehen  würden,  welche  das  geistige 
Gebiet  betreffen?  und  welche  grossen  Fortschritte 
würde  man  machen  in  der  Völker-Psyehologie,  wenn 
es  gelänge,  eine  Reihe  von  einfachen,  nüchternen 
objektiven  Beobachtungen  nach  einem  gewissen 
Schema  zu  erlangen  ? 

Wenn  ich  zu  dieser  späten  Stunde  Sie  noch 
damit  behellige,  so  möchte  ich  zu  meiner  Ent- 
schuldigung sagen:  Es  gibt  so  viele  aussterbende 
Völker,  bei  denen  jeder  Tag  wichtig  ist,  dass  ich 
nicht  früh  genug  diesen  Impuls  gehen  kann.  Herr 
Berendt  hat  erst  neulich  Mittheilung  gemacht 
über  einen  eben  aussterbenden  Stamm  von  grosser 
Wichtigkeit,  die  Chorotegas  in  Central- Amerika, 
einen  Stamm,  der  zu  den  alten  Culturstämmen  ge- 
hört, welche  die  grossen  Ruinenstädte  hinterlassen 
haben,  die  die  Bewunderung  der  Welt  auf  sich 
ziehen.  Nichts  war  über  den  Zusammenhang  dieser 
Stämme  mit  den  Nachbarstämmen  bekannt,  und 
als  Hr.  Berendt  vor  zwei  Jahren  in  jenem  Ge- 
biet ankam,  waren  nur  noch  wenige  (»reise  vor- 
handen. welche  die  alte  Sprache  kannten,  und  von 
denen  er  Material  an  Wort-  und  Sprachfornien 
sammeln  konnte,  und  dieses  Material  genügte,  um 
den  Zusammenhang  dieser  Stämme  mit  den  nörd- 
lichen Stämmen  von  Anahuac  festzustellen.  Herr 
Berendt  erzählt,  dass  während  er  in  dem  Bezirke 
war,  die  Mehrzahl  der  alten  Leute  ausstarb,  so 
dass,  wenn  nicht  ein  glücklicher  Zufall  ihn  gerade  noch 
hingeführt  hätte,  jede  Spur  der  Sprache  zu  Grunde 
gegangen  wäre.  Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  an 
vielen  Stellen  der  Welt,  und  wenn  etwas  geschehen 
soll  nach  dieser  Richtung,  so  ist  keine  Zeit  zu 
verlieren.  Es  hat  grosse  Eile,  diese  Sache  aus- 
geführt zn  sehen. 

Nun,  meine  Herren!  darf  ich  vielleicht  von 
diesen  auswärtigen  Gebieten  noch  einen  kleinen 
Blick  auf  das  Innere  unseres  Vaterlandes  werfen. 
Wir  haben,  Angesichts  der  grossen  Schwierigkeit, 
selbst  in  unseren  Gegenden  in  ausgiebiger  Weise 
die  Untersuchung  zu  fördern,  vor  einiger  Zeit  eiuen 
ungewöhnlichen  Weg  betreten.  Während  man  bis 
dahin  glaubte,  jede  exacte  Forschung  Über  den 


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Menschen  müsse  mit  dem  Knochenbau  beginnen, 
wie  wenn  Jedermann  Anatomie  lernen  wollte,  so 
zeigte  sich  zu  unserem  Erstaunen,  dass  es  nicht 
einmal  in  Deutschland  möglich  war,  das  Material 
zu  erhalten,  um  eine  Ethnologie  der  deutschen 
Stämme  zu  machen.  Wir  wissen  fast  gar  nichts 
darüber;  was  vorhanden  ist,  sind  reine  Redens- 
arten. Da  wir  nun  hier  in  einer  Versammlung  der 
Naturforscher  und  Aerzte  sind,  so  möchte  ich  dem 
Wunsche  Ausdruck  geben,  dass  deutsche  Schadel- 
und Knochensammlungen  eingerichtet  und,  wo  sie 
schon  vorhanden  sind,  verstärkt  würden.  Gegen- 
wärtig besteht  das  sonderbare  Verhältnis»,  dass, 
wenn  man  wissen  möchte,  wie  sich  in  gewissen 
(regenden  unseres  Vaterlandes  der  Knochenbau  der 
Menschen  verhält,  man  selten  in  der  Lage  ist, 
auch  nur  ein  kleines  Quantum  desjenigen  Materials 
zu  finden,  welches  man  gebraucht.  Es  fehlt  fast 
an  allen  Stellen,  namentlich  an  der  Mehrzahl  der 
Universitäten,  an  exacten  Sammlungen.  Die  meisten 
dieser  Snmmlnngen  stehen  auf  ähnlichem  Stand- 
punkt wie  früher  unsere  zoologischen  und  minera- 
logischen Sammlungen,  wo  man  Objecte  hatte,  aber 
den  wirklichen  Fundort  nicht  kannte.  Wenn  man 
einen  Vogel  kanfte,  so  wurde  wohl  ungefähr  gesagt, 
wo  diese  Vogelart,  wie  sie  im  Buche  steht,  vor- 
kommt, aber  man  konnte  meist  nicht  feststellen, 
ob  gerade  auch  der  gekaufte  Vogel  von  derselben 
Stelle  herstammt.  Ebenso  ist  es  mit  dem  anthro- 
pologischen Material,  das  unsere  Sammlungen  ent- 
halten; es  ist  rein  abstractes  Material,  ohne  dass 
man  mehr  erfährt,  als  dass  der  Schädel  z.  B.  zur 
kaukasischen  Rasse  gehört.  Wir  bedürfen  jedoch 
einer  Schädelsammlung,  die  so  eingerichtet  ist,  dass 
man  bestimmt  sagen  kann : dies  sind  Hessen,  oder 
Schwaben,  oder  Friesen,  oder  Holsteiner  u.  s.  w. 
Dadurch  erst  wird  es  möglich,  eine  wahrhaft  eth- 
nologische Untersuchung  zu  veranstalten.  In  dieser 
Beziehung  sind  glücklicherweise  die  Sammlungen 
ausländischer  Schädel  viel  correcter,  aber  in  der 
Regel  ist  das  vorhandene  Material  viel  zu  gering. 
Wir  sind  selten  im  Stande,  die  individuellen  Eigen- 
schaften soweit  zu  eleminiren.  um  generelle  Resul- 
tate zu  gewinnen.  Wir  bedürfen  daher  einer  Er- 
weiterung, einer  Verstärkung  der  Sammlungen.  Ich 
kann  nicht  dringend  genug  bitten,  dass  nicht  allein 
die  Hamburger  Rhcderci,  sondern  auch  die  Bremer 
sich  möglichst  bestreben  möchten,  das  ethnologische 
Material,  das  häufig  in  fremden  Ländern  utnher- 
liegt  und  verdirbt  , mitbringen  zu  lassen  und  uns 
zu  überliefern. 

Angesichts  dieser  Mängel  ist  die  Deutsche 
Anthropologische  Gesellschaft  vor  einigen  Jahren 


auf  meinen  Vorschlag  cingcgangen , eine  andere 
Reihe  von  Untersuchungen  zu  unternehmen.  Diese 
Untersuchungen  werden  noch  jetzt  unterschätzt  in 
ihren  Zielen  sowohl , als  in  ihren  Ergebnissen. 
Wenn  man  keine  Knochen  haben  kann,  so  kann 
man  doch  möglicherweise  eine  Reihe  äusserer 
Merkmale  ermitteln.  Dies  wäre  vielleicht  am  voll- 
ständigsten herzustellen  gewesen , wenn  wir  im 
Stande  gewesen  wären , unsere  Fragen  durch  die 
Armee  beantwortet  zu  sehen.  Ich  hatte  auch  eine 
Zeit  laug  die  kühne  Hoffnung,  dass  es  gelingen 
würde,  die  Recrutirung  zum  Mittel  anthropologischer 
Forschung  zu  machen,  da  ich  nicht  zweifelte,  dass 
rückwärts  wieder  ein  Nutzen  für  die  Armeever- 
waltung daraus  hervorgehen  könnte.  Leider  hat 
die  Armeeverwaltung  es  abgelehnt,  auf  diese  Unter- 
suchung einzugehen.  Ich  muss  anerkennen,  dass 
eine  nicht  unbeträchtliche  Arbeit  damit  verbunden 
ist.  Vielleicht  ist  die  Ausführung  späteren  Zeiten 
beim  Fortschreiten  der  Friedensbestrebungen  Vor- 
behalten, wenn  die  Armeen  sich  wieder  einmal 
verkleinern.  Augenblicklich  müssen  wir  darauf 
verzichten.  So  blieb  Nichts  übftg,  um  wenigstens 
gleichmassiges  Material  zu  erhalten , als  auf  die 
Schulen  zurückzugehen.  Es  wurde  der  Fragebogen 
ausgearbeitet,  den  wir  an  die  Schullehrer  gerichtet 
haben  in  Beziehung  auf  die  Farbe  der  Augen,  der 
Haare  und  der  Haut. 

Zum  Verssändnisse  möchte  ich  daran  erinnern, 
dass  zur  Zeit,  als  die  Germanen  mit  den  Römem 
in  Contact  kamen,  beide  Völker  sich  fast  so  zu 
einander  verhielten,  wie  Fidschileute  zu  Euro- 
päern. Die  Germanen  waren  den  Römern  ganz 
ungewohnte  Erscheinungen;  alle  römischen  und 
griechischen  Schriftsteller  jener  Zeit  sind  damit 
einverstanden,  dass  die  Germanen  ihnen  wie  eine 
einheitliche  Erscheinung  entgegentraten , sie  er- 
zählen alle,  dass  die  Germanen  sämmtlirh  blond 
seien,  blaue  Augen  und  helle  Haut  besässen  u.  s.  w. 
Wenn  wir  nnn  auch  annchmen,  dass  das  nicht 
ganz  allgemein  war,  so  muss  doch  die  grosse  Mehr- 
heit der  Bevölkerung  den  Eindruck  gemacht  haben, 
etwas  absolut  Verschiedenes  zu  sein.  Ich  habe 
daher  in  einer  Arbeit,  welche  nächstens  erscheinen 
wird,  diese  Eigenschaften,  dieclassischen  Eigen- 
schaften der  Germanen  genannt.  Meine  Herren! 
Sic  können  es  uns  nicht  verdenken,  dass  wir  diese 
dassischeu  Eigenschaften  heransgegrifTen  und  sagten, 
wir  wollen  mal  sehen,  wie  viel  ist  jetzt  noch  davon 
da?  Man  braucht  nicht  weit  zu  gehen,  um  zu  er- 
kennen, dass  diese  einheitliche  Bevölkerung  nicht 
mehr  existirt  oder  mindestens  sehr  vermindert  ist, 
und  es  entsteht  die  Frage,  wie  ist  es  zugrgangen, 


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6 


dass  die  classischcn  Erscheinungen  des  Germanen 
sich  mehr  und  mehr  vermindern;  ja,  wie  geht  es 
zu,  dass  unter  unseren  Augen  dieser  Process  sich 
immer  starker  gestaltet.  Mancher  sagt,  warum 
sollen  die  blonden  Leute  nicht  braun  worden?  Das 
ist  wohl  möglich,  doch  muss  ich  constatiren,  dass 
in  absolut  reiner  Descendcnz  solche  Veränderungen 
nicht  eintreten.  Ebensowenig  wie  ans  schwarzen 
Menschen  nachweisbar  eine  weisse  Rasse  hervor- 
geht, sehen  wir,  dass  Engländer  oder  andere  helle 
Personen  oder  ihre  Kinder  in  tropischen  Zonen  zu 
Mohren  verwandelt  wurden.  Wir  haben  gar  keine 
Beispiele  dafür.  Es  ist  absolut  irrthümlich,  wenn 
man  sagt,  solche  Veränderungen  gehen  von  selbst 
vor  sich.  Und  doch  muss  man  eine  selche  Prä- 
sumption  machen.  Denn  wenn  wir  nicht  an- 
nchmon  wollen,  dass  die  blonden  Germanen  von 
einem  ganz  isolirten  Schöpfungspunkte  aus  sich  in 
die  Welt  hinausgeschoben  haben,  bis  sic  auf  eine  aus 
ganz  anderer  Quelle  hervorgegangene  braune  Rasse 
gestossen  und  auseinander  gegangen  sind,  so  bleibt 
nur  die  Frage  übrig,  ob  unter  gewissen  Umständen 
aus  braunen  Lc#cn  blonde  sich  bilden.  Die 
Braunen  erscheinen  dann  als  die  Alteren.  Eine 
andere  Frage  ist  die,  ob  bei  späterer  Vermischung 
der  aus  gemeinschaftlicher  Urquelle  hervorge- 
gangenen Rassen  die  eine  Rasse  die  mächtigere 
wird,  ob  nicht  wie  bei  den  Thiercn,  schliesslich 
eine  Rasse  verloren  geht  uml  die  andere  den  Sieg 
davon  trägt . ohne  irgend  welchen  Kampf,  ohne 
eigentliche  Vernichtung  der  Individuen,  sondern 
so,  dass  die  Descendenz  eine  andere  wird.  Wenn 
man  solche  Fragen  stellt,  so  muss  man  sich  Um- 
sehen, wo  können  wohl  die  braunen  Leute  herge- 
kommen  sein,  welche  die  Germanen  nach  und  nach 
immer  mehr  dunkler  machten?  Es  handelt  sich 
darum,  zu  entscheiden,  woher  die  braunen  ge- 
kommen sind,  ob  von  Süden  oder  Norden,  oder 
Westen?  Das  lässt  sich  durch  solche  Aufnahmen 
ermitteln , wie  wir  sie  anregteu.  Es  war  die . 
Meinung,  dass  wenn  erst  der  Grund  gewonnen 
wäre,  auch  die  übrigen  physischen  Merkmale  ge- 
funden werden  könnten. 

Die  meisten  deutschen  Regierungen  haben 
unserem  Appell  mit  grosser  Freundlichkeit  ent- 
sprochen , und  besonders  die  deutschen  Lehrer 
haben  mit  ausserordentlicher  Genauigkeit  und  Sorg- 
falt die  Aufgabe  erfüllt,  die  wir  von  ihnen  gelöst 
zu  sehen  wünschten.  Ich  darf  ihnen  auch  hier 
unseren  besonderen  Dank  dafür  aussprechen.  Einige 
Regierungen  sind  noch  im  Rückstände,  auch  die 
Regierung  dieses  Freistaates.  Was  bis  jetzt  vor- 
liegt, sehen  Sie  cartographisch  auf  5 Karten  dar- 


gcstollt,  welche  ich  vorlegc.  Die  Resultate  sind 
so  augenfällig , dass  trotz  der  kleinen  Bezirke, 
welche  gewählt  worden  sind.  Jeder  im  Saale  im 
Stande  sein  wird,  das  Gesamrotergebniss  zu  er- 
kennen. Wir  sehen  auf  diese  Weise  Deutschland 
in  zwei  grosse  Theile  zerlegt:  Nord-  und  Süd- 
deutschland sind  ganz  verschieden  von  einander. 
Der  erste  Blick  genügt,  um  zu  zeigen,  dass  die 
Blonden  im  Norden,  die  Brünetten  im  Süden  vor- 
herrschen. Jede  dieser  Kassen  ist  auf  einer  be- 
sonderen Karte  dargestellt.  Die  Kftrteu  sind  unab- 
hängig von  einander  aufgestcllt,  die  eine  gibt 
nicht  etwa  die  positive,  die  audere  die  negative 
Zahl;  es  sind  nur  die  positiveu  Verhältnisse  jeder 
der  beiden  Rassen  dargestellt.  Sie  sehen , dass 
dies  ausserordentlich  Überraschende  Gegensätze 
sind.  Ich  will  nur  noch  das  Eine  hervorheben, 
dass  die  dunkelsten  Nuancirnngen  überall  von  den 
Grenzbezirken  herkomm en,  von  Oberschlesien,  von 
der  Donau  bis  an  die  Alpen  heran  und  am  Rhein. 
Die  folgenden  Karten  geben  isolirte  Darstellungen. 
Auf  der  einen  ist  dargcstellt,  wie  viel  braunhaarige 
auf  je  100  blonde  verkommen.  Sie  sehen  hier, 
dass  die  Verhältnisse  sich  im  Einzelnen  etwas 
inodificireu,  dass  aber  das  ll&uptresultat  dasselbe 
bleibt.  Die  vierte  Karte  stellt  das  Verhältnis*  der 
braunen  und  blauen  Augen  dar.  Auf  der  letzten 
Karte  finden  sich  die  Mischungen.  Sie  werden 
sich  überzeugen,  dass,  so  gewagt  das  Unternehmen 
Ihnen  vielleicht  erschienen  ist,  es  doch  gelangen 
ist,  eine  Grundlage  für  die  Betrachtung  unserer 
einheimischen  Bevölkerung  zu  gewinnen , wie  man 
sie  nicht  besser  erwarten  konnte. 

Wir  sind  gegenwärtig  in  der  Lage,  dringend 
zu  bitten,  dass  diejenigen  Orte  und  Länder,  welche 
noch  im  Rückstände  ßind,  uns  möglichst  bald  die 
Zählungen  geben,  damit  wir  in  der  Lage  sind,  an 
eine  Publication  der  Karten  zu  denken.  Dann  ist 
der  erste  Schritt  geschehen , wir  werden  damit 
weiter  gekommen  sein,  als  eine  andere  insul&rische 
oder  continentale  Bevölkerung  Europas.  Hoffeu 
wir,  dass  wir  dann  auch  dahin  kommen  werden, 
die  anthropologischen  Sammlungen  zu  füllen.  Soll- 
ten die  Aerztc  die  Gelegenheit  wabrnehmen,  wenn 
Kirchhöfe  ausgegraben  werden,  die  Schädel  an  sich 
zu  ziehen,  so  wird  es  mit  der  Zeit  möglich  sein, 
weitere  Schritte  in  der  Erkenntniss  der  deutschen 
Ethnologie  zu  machen.  Ich  muss  leider  sagen, 
dass  noch  in  diesem  Augenblicke  eine  Vergeudung 
des  Materials  statttindet,  welche  wirklich  entsetz- 
lich ist.  Ich  weiss  Städte,  wo  hunderte  von  Schä- 
deln zur  Verfügung  standen,  welche  nur  genommen 
zu  werden  brauchten,  aber  mau  hat  sie  einfach 


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unbarmherzig  wieder  hineingeworfen  und  der  Zer- 
störung überlassen.  Wir  braurhen  durchaus  eine 
grosse  Masse  von  Localsammlungen,  und  es 
wird  die  dringendste  Aufgabe  sein,  dass  zunächst 
an  allen  Orten  damit  vorgegangen  wird.  Eine 
einzige  Gelegenheit  ist  bestens  ausgenutzt  worden. 
Es  gibt  Beinsammlnngen,  welche  in  früheren  Zeiten 
auf  den  Kirchhöfen  angelegt  wurden,  um  gewisse 
kirchliche  Operationen  zu  erfüllen,  namentlich  um 
Golgatha  darzustellen.  Solche  Heinhäuser,  in  denen 
die  Knochen  und  Schädel  aufhewahrt  wurden, 
existiren  zum  Theil  noch  in  Bayern;  sie  sind  im 
letzten  Jahre  durch  Hm.  J.  Ranke  untersucht 
worden,  und  es  haben  sich  die  interessantesten 
Ergebnisse  dabei  herausgestellt,  ln  den  meisten 
Gegenden  Deutschlands  hat  man  die  Beinhäuser 
nicht  inehr  und  es  müssen  solche  erst  wieder 
hergestellt  werden.  Mein  Appell  geht  nun  dahin, 
nachdem  die  kirchliche  Gewalt  ihre  Tbätigkeit 
auf  diesem  Gebiete  zum  grossen  Theil  eingestellt 
hat,  und  wenigstens  ganz  zusammengestellte  Tlieile 
des  Skelets  nicht  mehr  xnm  Gegenstände  ihrer 
Aufbewahrung  macht,  dass  nun  die  weltliche  Armee 
aufmarschiren  möge  und  dass  die  grosse  und  mäch- 
tige Institution,  welche  durch  Sie  hier  vertreten 
ist,  weltliche  Beinhäuser  schaffe. 


Sitzungsberichte  der  Local  vereine. 

Sitzung  der  Göttinger  anthropologischen 
Gesellschaft  vom  15.  Juli  1870. 

Vorsitzender  Herr  Ehlers. 

Herr  Benfey  hielt  einen  Vortrag  über  einige 
neuere  Sehrifteu  anthropologischen  Inhalts,  näm- 
lich 1)  Christian  Hostmann:  Zur  Geschichte 
und  Kritik  des  nordischen  Systems  der  drei  Cultur- 
perioden,  — (Archiv  für  Anthropologie  Bd.  VIII, 
Heft  3),  — 2)  R.  C.  Childers : notes  on  the  Sinhalcse 
I.anguage.  (Journal  of  the  royal  Asiatic  Society 
VoL  VHI,  Part.  I.) 

Derselbe  bespricht  ferner  eine  Streitfsage  zwi- 
schen Hm.  Staatsrath  Böhtlingk  in  Jena  und  ihm 
über  die  Kenntniss  des  Salzes  seitens  der  Indo- 
germancn  und  übergibt  eine  Erwiederung  auf  den 
betr.  Artikel  des  Hem.  Böhtlingk  in  der  Jenaer 
Literaturzeitung. 

Entgegnung  betreffend  Nr.  52.  p.  740  des 
Jahrgangs  1875  der  Jenaer  Literatur- 
Zeitung. 

Der  Artikel,  welchem  gegenüber  der  Unter- 
zeichnete sich  einige  Worte  erlaubt,  ist  demselben 


durch  einen  sehr  verzeihlichen  Zufall  erst  am 
21.  Juni  zu  Gesicht  gekommen;  er  bittet  desshalh 
diese  späte  Erwiderung  zu  entschuldigen.  Erbezieht 
sich  auf  einen  Vortrag  des  Unterzeichneten,  welcher, 
in  der  Augsb.  Allg.  Ztg.  1875  Beilage  Nr.  208  und 
209  S.  2369  ff.  abgedruckt  , auf  die  Identität  von 
sanskritisch  sara,  salzig,  mit  lateinisch  sal,  Salz, 
und  andern  indogermanischen  Wörtern  gestützt,  die 
Kenntniss  des  Salzes  hei  den  Indogermanen  vor  der 
Sonderung  derselben  nachweist. 

Herr  Staatsrath  Böhtlingk  macht  in  jenem 
Artikel  gegen  diesen  Nachweis  geltend,  dass  die 
Bearbeiter  des  Peterburger  Sanskrit- Wörterbuchs 
die  Bedeutung  „salzig“,  welche  der  indische  Lexico- 
graph  Henatschandra  dem  sanskritischen  Worte 
sara  gibt,  für  verdächtig  gehalten  haben,  weil 
dieser  Schriftsteller  erst  im  12.  Jahrhundert  unsrer 
Zeitrechnung  lebte.  Sie  sei  desshalh  nicht  besonders 
numerirt,  sondern  einfach  an  die  Bedeutung 
„laxativ“  angeschlossen.  Dies  geschieht  jedoch 
wie  ich  mich  gedrungen  fühlte  zur  Ehre  der 
Bearheiterzu  bemerken,  durch  die  Wendung  „hie- 
her  vielleicht“. 

Es  wird  nun  wohl  ein  Jeder  leicht  erkennen, 
dass  wenn  gleich  Salze  laxativ  sind,  doch  ein 
wesentlicher  Unterschied  zwischen  „laxativ“  und 
„salzig“  bestellt;  denn  nicht  alle  Laxative  sind 
salzig,  z.  B.  nicht  Oele.  So  wenig  wie  Jemand  von 
einem  Gegenstand,  welcher  „salzig“  schmeckt,  sagen 
kann  „er  hat  einen  laxativen  Geschmack“,  ebenso- 
wenig kann  „salzig“,  wenn  auch  nur  mit  einem 
„vielleicht  hieher“,  der  Bedeutung  «laxativ“  ein- 
fach an  geschlossen  werden.  Erkennt  man  für 
sara  die  Bedeutung  „salzig“,  wenn  auch  zweifelnd, 
an,  so  ist  sie  auch  als  eine  von  laxativ  unab- 
hängige anzuerkennen. 

W as  aber  die  Zeit  des  nematschandra 
betrifft,  so  gehört  sie  der  Bewahrung  der  San- 
skrit-Literatur, der  ununterbrochenen  Uebung  und 
vollständigen  Kenntniss  des  Sanskrits,  so  ganz  und 
gar  an,  dass,  was  er  gibt,  schon  desshalh  für 
ärlit  sanskritisch  gelten  darf.  Die  Berechtigung  zu 
dieser  Annahme  wird  aber  noch  mehr  durch  den 
Charakter  seiner  Arbeiten  gesteigert.  Sie  sind  so 
zuverlässig,  dass  der  Werth  seiner  Angaben  auch 
dadurch  nicht  veringert  wird,  wenn  sie,  wie  hier, 
sich  aus  der  Literatur  bis  jetzt  nicht  belegen  lassen. 
Jeder  Kenner  weiss,  dass  hei  den  indischen  Gram- 
matikern Wörter  in  Fülle  und  nichts  weniger  als  selten 
Bedeutungen  von  Wörtern  aufgeführt  werden,  welche 
in  Folge  der  ausserordentlich  grossen  Verluste,  die 
die  Sanskrit- Literatur  erlitten  hat,  aus  dieser  bis 
jetzt  nicht  belegt  werdeu  körnen.  Jeder  Kenner 


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weiss  aber  eben  so  wohl,  dass  die  Genauigkeit  der 
indischen  Grammatiker  eine  staunenswert  he  und 
vielleicht  mit  wenigen  — theilweis  aus  verschiede- 
nen Lesearten  u.  a.  Fehlern  ihrer  Quellen  und 
Theorien  erklärlichen  — Ausnahmen,  eine  voll- 
ständig zuverlässige  ist.  Es  ist  demnach  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  sara  in  der  Bedeutung  „salzig“ 
im  Sanskrit  wirklich  existirt  hat.  Dass  daraus  die 
Kcnntnits  des  Salzes  bei  den  Indogermanen  gefol- 
gert werden  muss,  ist  a.  a.  0.  in  der  Augsb.  Allg. 
Ztg.  nachgewiesen. 

Güttingen,  13.  Juli  1876.  Th.  Benfey. 

Kleinere  Mittheilungen. 

Die  vorgeschichtlichen  Alterthümer  iu  der 
Umgegend  Leipzigs. 

Oskar  Schuster  in  seinem  verdienstvollen  Buche 
Ober  die  lleidenschauzen  Deutschlands  (Dresden  1869) 
verzeichnet  unter  No.  258  und  256  seiner  Karte  auch 
zwei  Burgwälle  in  der  unmittelbaren  Umgebung  Leipzigs. 
No.  256  soll  ein  alter  Wall  an  der  Thekla- Kirche  hei 
Taucha  sein.  Ich  'habe  nur  wiederholt  den  Hügel  von 
Thekla  untersucht,  der  durch  eine  Sandgrube  gut  auf- 
geschlossen ist,  und  muss  constatireu,  dass  hier  nicht 
eftie  Spur  von  künstlichem  Schaiizenbau  vorhanden  ist. 
bis  handelt  sich  hier  nur  um  eine  natürliche  Düne, 
und  dieselbe  Ansicht  vertritt  auch  Prof.  C red  ne  r,  der 
Chef  der  geologischen  Landesuntersuchung  von  Sachsen. 

Was  No.  253  Schusters,  den  „Wall  bei  Burg- 
hausen“  westlich  von  Leipzig,  anbetrifft,  so  ist  es  mir 
nicht  gelungen  denselben  aufzutinden,  wenn  nicht 
darunter  die  Bodenwelle  des  benachbarten  Bienitz, 
eines  Wäldchens,  gemeint  sein  soll. 

Ich  glaube  daher,  dass  bei  der  in  Arbeit  befindlichen 
Karte  der  vorgeschichtlichen  Alterthümer  Deutschlands 
diese  beiden  „Burgwälle“  unberücksichtigt  bleiheu 
müssen. 

Dagegen  vermag  ich  einen  bisher  unbeachtet  ge- 
bliebenen Tumulus  in  unmittelbarer  Nähe  Leipzigs 
nachzuweisen.  Kr  liegt  auf  halbem  Wege  zwischen  hier 
und  der  Stadt  Taucha,  südwestlich  von  der  dorthiu 
führenden  Landstrasse  wenige  hundert  Schritte  von  dem 
Gaüthau&e  „Zum  heitern  Blick“  entfernt.  Da  er  mitten 
im  freien,  dem  Professor  Fregc  gehörigen  Felde  sich 
befindet,  ausserdem  von  eiuer  alten  Linde  gekrönt  ist, 
so  kann  er  leicht  aufgefunden  werden.  Bei  deu  Bauern 
der  Umgebung  heisst  er  das  „Rosinengrab“;  er  ist 
etwa  9 Meter  laug,  6 Meter  breit,  3 Meter  hoch. 

Leipzig.  R ichard  A ndree. 


Das  Urne nfeld  hei  Borgstedt. 
Rendsburg.  Bereits  im  verwicheneu  Winter  wurde 
au  der  Rendsburg-Eckernfördcr  Landstraße  iu  der  Nahe 
von  Borgstedterfeld  am  Fusse  eines,  wie  es  scheint, 


bedeutend  in  früherer  Zeit  abgetragenen  Hügels  eine 
Graburue  gefunden.  Vor  ungefähr  acht  l agen  nun  Hess 
Herr  Le  lisch  einige  Fuder  von  der  dort  betiudlicheu 
dicken  Schicht  Gartenerde  wegfahren  und  kamen  bei 
dieser  Arbeit  eine  Menge  Urnen  zum  Vorschein.  Die 
aufgefundeiien  Urnen  standen  in  grosser  Anzahl  neben- 
einander. Sie  sind  äusserst  verschieden  an  Gestalt, 
wie  an  Masse  und  Grösse.  Einige  sind  recht  kunst- 
voll verziert.  Die  Urnen  sind,  wie  man  sie  vielfach 
anderswo  aut  gefunden  hat,  aus  Thon  mit  grobem  Saud 
vermischt,  ange fertigt  worden.  Iu  denselben  befinden 
sich  gemeiniglich  uur  Knochensplitter,  jedoch  sind  kleine 
Bronzen-  und  Eisensachen,  welche  zum  Zusammenhalten 
der  Kleider  gedieut  zu  haben  scheinen,  sowie  einige 
glasähnliche  Körperchen,  welche  als  Perlen  gedient 
haben  mögen  und  durch  das  Feuer  zusammengeschmolzeu 
wurden , aufgefunden.  Die  Eisen  ■ und  Bronzesachen 
verrathen  sehr  geschickte  Bearbeitung.  Elin  grosser  Theil 
der  Urnen  ist  mit  Erde  ausgefüllt.  Die  vorhandenen 
Bronzesachen  sind  zum  Theil  mit  eisernen  Nieten  ver- 
sehen. Als  Urnendeckel  dienten  flache  Granitstücke.  In 
der  Wahl  derselben  ist  man  nicht  besonders  sorgfältig  ge- 
wesen, denn  manche  derselben  sind  von  solcher  Schwere, 
dass  sie  die  in  lockerer  Erde  stehenden  Urnen  zer- 
drücken mussten.  Das  Urnenfeld  scheint  von  einem 
Ring  kopfgrosser  Felsstücke  eingefasst  zu  sein. 


Grenzstein  mit  Runen  in  Schweden. 

In  dem  Jahrg.  1873  des  Correspondenzbl.  S.  56  findet 
man  eine  Mittheilung  über  einen  im  Kirchspiel  Arboga 
(Westmanlaml)  entdeckten  Runenstein*),  welchen  Prof. 
Stephan  nach  seiner  Lage  an  eiuer  alten  Grenzscheide 
dreier  Gemeinden,  nach  dem  orthographischen  Character 
und  dem  Wortlaut  der  Inschrift,  für  einen  Grenzstein 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  erklärte. 
Die  Inschrift  lautete  nämlich:  „Dieser  Stein  soll  Zeuge 
sein  zwischen  mir  und  dir."  (vgl.  B.  Josua  24,  27). 

Das  schwedische  „Manadsblad“  v.  November  1875 
bringt  nun  über  diesen  Stein  folgende  interessante  Aus- 
kunft. Zu  Näsby  Kap.  Asboga  starb  im  Sommer  1874 
der  Bauer  Nilo  Jonsson,  welcher  von  Jugend  auf 
grosses  Interesse  au  den  altnordischen  Sagen  gefunden, 
und  durch  eifrige  Lectüre  sich  eine  gewisse  Belesenheit 
auf  diesem  Gebiete  angeeignet  hatte.  Elr  pflegte  sich 
auch  in  der  Entzifferung  aller  Runen insehriften  zu 
üben  und  selbst,  Runen  zu  schreiben.  Als  er  nun  er- 
fuhr, dass  die  Arbogaör  Zeitung  von  einem  neu  ent- 
deckten Grenzstein  mit  Runeninschrift  im  Walde  zu 
Hanne  erzähle,  beeilte  er  sich  der  Redaction  mitzu- 
theilen,  dass  er  selbst  diesen  Stein  vor  50  Jahren  er- 
richtet, seihst  die  Runen  eingegraben  habe  zum  Ge- 
dächtnis seiner  Verlobung  mit  der  E'rau,  mit  der  er 
nun  seit  fünfzig  Jahren  in  glücklicher  Ehe  gelebt  habe.  — 

*|  IU«-*«  Mittäeitang  war  mit  d«r  IVWwckihft  ,Runvnin»rhrif(«‘n  im 


Schluss  der  Redactiou  am  18,  Dccember. 


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@otr  esponöcng-^f  tii  i 

der 


deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R o d i g i r t 
von 

Professor  K oll  mann  iu  Manchen, 

llonrrali.'crrUr  dtt  QwllatklfL 


Erscheint  jeden  Monat. 

Nro.  2.  München,  Dmck  von  R.  Oldenbourg.  Februar  1877. 


Prähistorische  Karte. 

Bitte  an  die  Mitglieder  der  deutschen 

anthropologischen  Gesell  sc  ha  ft. 

Der  Unterzeichnete  hat  dem  Beschluss  der 
dicssjährigen  Generalversammlung  der  Gesellschaft 
in  Jena  entsprechend  sftmmtliche  ihm  bis  jetzt  zu- 
gesandten Einträge  in  dem  Rey  m an  n 'sehen  Atlas 
auf  die  Generalkarte  übertragen.  Hiezu  wurde  ein 
weisses  Blatt  der  geologischen  Karte  von  Deutsch- 
land — bearbeitet  von  Pr.  II.  v.  Dechen  im 
Auftrag  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft. 
Verlag  von  J.  II.  Neumann  in  Berlin  — benützt. 
Es  liegt  jetzt  übersichtlich  vor  Angen,  wie  wenig 
seither  gesammelt  worden  ist  und  wie  Vieles  noch 
gesammelt  w erden  muss,  um  eine  auch  nur  einiger- 
maassen  vollständige  Ucbersicht  über  die  prä- 
historischen Verhältnisse  Deutschlands  zu  erlangen. 
Es  wird  daher  Seitens  des  Vorstandes  die  dringende 
Bitte  an  säinmtliche  Mitglieder  der  Gesellschaft 
gerichtet,  alle  denselben  bekannte  prähistorische 
Funde  auf  ein  betreffendes  Blatt  des  Rcymann*- 
schcn  Atlas  zu  verzeichnen  resp.  von  dem  Unter- 
zeichneten das  betreffende  Blatt  zu  requiriren,  auf 
demselben  den  Eintrag  zu  machen  und  dem  Unter- 
zeichneten zum  Uebertrag  in  die  Generalkarte  zu- 
zustellen. 

Bedenklich  licht  sieht  die  Karte  noch  aus  in 
Schleswig  - Holstein,  Oldenburg,  Hannover,  Braun- 
schweig.  Hessen,  Nassau,  Pr.  Sachsen,  Schlesien, 
Böhmen,  Mähren,  Oesterreich,  Tirol,  von  den 
Grenzländern  gar  nicht  zu  reden.  Ganz  weiss 
liegt  Ostprenssen,  Nieder-  und  Oberschlesien,  sowie 
die  neuen  Reichslande. 

Es  wird  daher  jedes  Mitglied  der  Gesellschaft, 
das  auf  prähistorische  Funde  wie  Steindenkmäler, 


Erdhügel,  Einzelgräber  oder  Reihengräber,  Urnen 
und  Aschenhügel,  Höhlen  mit  Knochen,  Pfahlbauten 
und  Knochenabfälle  aufmerksam  zu  machen  im 
Stande  ist,  freundlich«!  gebeten,  sich  der  Sache 
anzunehmen  und  in  der  oben  angedeuteten  Weise 
vorzugehen. 

Stuttgart  im  Decembcr  1876. 

Dr.  Oscar  Fraas. 


Gesellschaftsnachrichten. 

Der  Vorstand  des  anthropologischen  Vereins 
zn  Jena  besteht  aus  folgenden  Herren: 

Prof.  Dr.  Schwalbe,  Vorsitzender,  , 

„ „ Prcyer,  Stellvertreter, 

„ „ Klop fleisch,  Geschäftsführer. 


Der  VUI.  internationale  Congress 

für 

Anthropologie  und  Urgeschichte  in  Pest 

(September  1877). 

Von  Professor  Kollmann.*) 

Dem  8.  internationalen  Congress  sah  wohl 
Jeder  mit  besonderer  Spannung  entgegen.  Sie  war 
nicht  gerade  hervorgerufen  durch  das  Programm, 
das,  abgesehen  von  einem  Ausflug  nach  den  Avaren- 
ringen.  einer  wegen  ihrer  Grossartigkeit  berühmten 
prähistorischen  Befestigung  jene  stereotype  Reihe 
von  Fragen  aufwies,  welche  von  Anbeginn  die  Pro- 
gramme dieser  Congresse  charakterisirt.  Es  ist 
stets  derselbe  Wortlaut;  nur  der  Name  des  Landes, 

*)  Au»  einem  Vortrag  in  der  Sitzung  der  Mflnchener 
anthrop.  (»©Seilschaft.  November  1876- 


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in  dem  der  Congress  tagen  soll,  ist  dem  Wechsel 
unterworfen.“  Welches  sind  die  ältesten  Spuren 
des  Menschen  ? Wie  verhält  es  sich  mit  dem  Stein- 
zeitalter, wie  mit  dem  der  Bronze,  wie  mit  dem 
des  Eisens?  Gibt  es  nicht  auch  noch  eine  Knpfcr- 
periode  u.  s.  fort,  bis  zur  9.  Frage,  welches  sind 
die  anatomischen  und  ethnologischen  Charkaterc 
der  in  alten  Culturstätten  gefundenen  Schädel? 
Trotz  der  unbestrittenen  Bedeutung  dieser  alten 
noch  ungelösten  Räthscl  richtet  sich  die  Erwartung 
doch  wesentlich  auf  das  Material,  das  zu  ihrer 
Beurtheilung  den  Theilnehmern  vorgelegt  werden 
würde.  Mit  Recht  copcentrirt  sich  das  Interesse 
mehr  nach  dieser  Seite  hin;  denn  es  ist  der  einzig 
zuverlässige  Boden,  auf  dem  die  Erörterung  über  die 
Urgeschichte  der  Wissenschaft  Gedeihen  und  dem 
Gast  Belehrung  verspricht.  Man  konnte  sich 
gerade  darüber  ernster  Besorgnisse  nicht  ont- 
schlagen.  War  doch  das  Land  in  den  letzten 
Monaten,  welche  dem  Congress  voraosgingen,  durch 
den  Krieg  auf  der  Balkanshalbinsel  aufgeregt,  und 
die  Stadt  selbst,  wenigstens  nach  Zeitungsnach- 
richten, der  Schauplatz  manches  störenden  Auf- 
trittes gewesen,  welchen  der  Zuzug  von  Freiwilligen 
nach  Serbien  hervorgerufen  hatte.  In  der  Ferne 
benrtheilte  man  diese  Vorfälle  ernster,  als  sie  es 
verdienten,  was  daraus  hervorgeht,  dass  schon  die 
Vertagung  des  Congresses  erwogen  wurde.  War 
es  unter  solchen  Aufregungen  möglich,  die  Vorbe- 
reitungen für  den  Congress,  bei  denen  das  Zu- 
sammenwirken so  vieler  Kräfte  erforderlich  ist, 
genügend  zu  treffen?  so  fragte  man  sich  noch, 
als  schon  der  Koffer  parat  stand,  und  wiederholte 
es,  als  einige  Stunden  später  an  den  ersten 
Stationen  der  ungarischen  Westbahn  der  Schnell- 
zug vorbeidampfte. 

Der  erste  Eindruck  an  Ort  und  Stelle,  in  dem 
Flügel  des  Nationalmuseums,  der  den  Congress 
aufnehmrn  sollte,  war  ein  höchst  günstiger;  er  war 
entscheidend.  Das  Organisations-Coraitd  hatte  eine 
überreiche  Fülle  von  Material  aus  allen  Gebieten 
Ungarns  in  einer  Reihe  von  Sälen  ausgebreitet. 
Es  hatte  in  den  letzten  zwei  Jahren  überdies  Aus- 
grabungen angeregt,  oder  selbst  ausgeführt,  und  so 
sahen  wohl  alle  Theilnehmer  ihre  kühnsten  Er- 
wartungen darin  übertroffen.  Aus  Ober-  und  Nieder- 
Ungarn,  von  den  Ufern  der  Theiss  und  der  Donau 
waren  Funde  und  öffentliche  und  private  prä- 
historische Sammlungen  ausgestellt,  und  ein  Kata- 
log*) mit  178  Holzschnitten  gab  hinreichende  An- 

*)  Hampel,  I)r.  Joe.,  Catalogue  de  1 ’exponition 
prehistorique  des  Museen  de  Province  et  de  Collections 
particulieres  de  la  Hougrie.  Budapest  1876.  10  Bogen  8°. 


haltspunkte  für  das  Studium  dieser  Schätze,  die 
an  30,000  Nummern  zählten. 

Unter  diesen  befand  sich  auch  eine  bedeutende 
Anzahl  aus  Siebenbürgen  und  aus  Gebieten  nörd- 
lich der  Karpathen.  Die  IJebersicht  der  ersteren 
war  noch  vervollständigt  durch  eine  Festgabe,  weche 
der  Verein  für  Siebenbürgische  Landeskunde*)  ge- 
sendet hatte.  Von  Graf  Bela  Sz6chenyi  waren 
dem  Congress  die  Funde  am  Neusiedler  Seebecken 
geschildert  worden**),  eine  sehr  gut  ausgestattete 
Abhandlung  mit  6 Tafeln  vortrefflicher  Holzschnitte 
der  Steinwerkzeuge  und  Gcfässrcste. 

ln  der  einen  Beziehung,  dem  Congress  die 
prähistorischen  Funde  des  Landes  vorzulcgcn,  war 
also  alles  nur  Mögliche  geschehen,  und  so  Hess 
sich  die  weitere  Hoffnung  hegen,  dass  die  Sitzungen 
genug  des  Interessanten  bieten  würden , wenn 
auch  die  ausländischen  Theilnehmer  gerade 
wegen  der  kriegerischen  Ereignisse  nicht  sehr 
zahlreich  erschienen  waren.  Von  Mitgliedern  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  befanden 
sich  unter  den  Anwesenden  Virchow,  Schaaff- 
liausen,  Tischler,  A.  Hart  mann,  Voss, 
Aschersohn,  Ilandelmann,  Messtorf,  Graf 
Wur m b r a n d ; unter  den  übrigen  Gästen  M o n - 
telius  Osc.,  Hildebrand  IL,  Franks,  Evans, 
Worsaae,  Wald.  Schmidt,  Aspelin,  Don- 
ner, Dupont,  Capellini,  Pigorini,  Koper- 
nicki,  Lepkowsky  u.  last  not  least  Broca, 
Cotteaux,  Chantre  u.  A. 

In  Ungarn  selbst  fand  der  Congress  lebhafte 
Theilnahme,  und  unter  den  regelmässigen  Besuchern 
der  Sitzungen  war  die  Aristokratie  und  die  hohe 
Geistlichkeit  zahlreich  vertreten.  Mehrere  hatten 
auch  Sammlungen  oder  neue  Funde  aus  der  letzten 
Zeit  ansgestellt,  die  sie  mit  der  grössten  Zuvor- 
kommenheit immer  wieder  zeigten,  wie  denn  über- 
haupt bezüglich  der  Benützung  des  Materials  die 
anerkennenswertheste  Liberalität  herrschte.  Die 
Sitzungen  fanden  in  dem  Sitznngssaal  des  ungari- 
schen Abgeordnetenhauses  statt,  der  sammt  den 
anstossemien  weiten  Räumen  den  bequemsten  Ver- 
kehr gestattete.  Die  Sprache  des  Congresses  war 
wieder  ausschliesslich  die  Französische,  und  der 
Antrag,  den  einige  Mitglieder  auf  dein  letzten  Con- 
gress in  Stockholm  gestellt  hatten,  die  deutsche, 
englische  und  die  Sprache  jenes  Landes  zuzulassen, 
in  welchem  der  Congress  tagt,  wurde  leider  unter 
der  gewandten  Beihilfe  des  Präsidenten  in  der 

*)  Chronik  der  archäologischen  Funde  Siebenbürgens 
von  C.  Gr oos.  Hermannstadt  1876. 

**)  Funde  ans  der  Steinzeit  im  Neusiedler  Seebecketi. 
Budapest.  September  1876. 


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11 


ersten  Sitzung  abgeworfen.  In  den  Statuten  dieser 
Wanderversammlung  kann  nämlich  eine  Aeuderung 
erst  durch  das  Plenum  des  folgenden  Congresses 
vollzogen  werden,  und  so  kam  es.  dass  der  An- 
trag, der  in  Schweden  vorgelegt  worden  war, 
in  Ungarn  zur  Abstimmung  und  zum  Fall  gelangte. 
Leider  — denn  dieser  Sprachzwang  bedingt  eine 
lähmende  Monotonie,  die  an  dem  Mark  dieser  Con- 
grcsse  zehrt.  Wenn  von  anderer  Seite  über  den 
Verlauf  mancher  Sitzungen  geklagt  wurde,  so  liegt 
der  Grund  davon  nicht  in  dem  Inhalt  der  Mit- 
theilungen, sondern  eben  in  dem  Sprachzwang,  der 
zum  Ablesen  der  Reden  „mit  gesenkter  Stimme“ 
führt  und  einen  unverständlichen  Vortrag  bedingt, 
oder  der  die  orientirende  Auseinandersetzung  über 
die  Frage  des  Programmes  einem  anderen  über- 
lässt, der  schleunigst  damit  fertig  zu  sein  wünscht 
und  gedankenlos  das  Opus  ableiert.  Da  hätte  man 
doch  klüger  gethan,  den  feurigen  Redefluss  der 
Ungarn  zu  entfesseln,  den  wir  bei  festlichen  Ge- 
legenheiten so  oft  bewunderten.  Ihre  Reden  konnte 
jeder  Nachbar  verdolmetschen;  dieses  Französisch 
verstand  Niemand,  verstanden  selbst  nicht  die 
Franzosen.  Mögen  sich  also  jene  nicht  beklagen, 
welche  die  Hand  dazu  reichten,  die  Dauer  dieses 
lästigen  Zwanges  zu  verlängern. 

In  Pest  wurde  kein  neuer  Antrag  bezüglich 
einer  Aufhebung  gestellt.  War  man  doch  im  Un- 
klaren, wann  und  wo  der  nächste  Congress  tagen 
werde.  Moskau  hatte  abgelehnt,  und  so  hat  sich 
bis  heute  noch  kein  gastliches  Thor  aufgethan,  ob- 
wohl man  schon  an  manches  Haus  gepocht  hat. 
Ist  es  wahr,  dass  Krakau  uns  aufnehmen  will, 
dann  wird  die  Sprache  des  Congresses  wohl  die- 
selbe bleiben.  Sollte  einmal  Deutschland  begnadet 
werden,  so  wird  man  sich  hoffentlich  des  Beispiels 
von  England  erinnern,  das  einst  den  Congress  will- 
kommen hiess,  aber  mit  der  Bemerkung:  in  Eng- 
land würde  neben  dem  Französischen  auch  das 
Englische  gesprochen. 

Was  non  den  Inhalt  der  Sitzungen  betrifft,  so 
scheint  es  für  unsere  Betrachtung,  welche  nur  die 
Hauptfragen  ins  Auge  fassen  soll,  zweckmässiger, 
sogleich  eine  der  wichtigsten  herauszugreifen. 

Eine  Erscheinung,  die  in  Ungarn  ganz  beson- 
ders hervortritt,  ist  die,  dass  eine  Menge  auch  im 
Umfang  sehr  bedeutender  Geräthe  aus  Kupfer  ge- 
funden wird,  nnd  es  handelte  sich  darum,  ob  es 
in  Ungarn  nicht  eine  specifische  Kupfercultur  ge- 
geben habe.  Der  Vorsitzende,  Hr.  v.  Pulszky, 
glaubte  sich  entschieden  dafür  aussprechen  zu 
müssen , allein  die  Engländer  hoben  hervor , dass 


Kupfergeräthe  auch  in  anderen  Gebieten  gefunden 
würdon,  und  dass  es  im  höchsten  Grade  unwahr- 
scheinlich sei,  dass  Ungarn  eine  specitische  Kupfer- 
cultur  habe  erstehen  lassen.  Dass  die  Frage,  ob 
Ungarn  einst  eine  eigene  Bronzeperiode  be- 
sass,  trotz  des  Zwanges  der  französischen  Sprache 
dennoch  eine  Discussion  horyorrief,  darf  nicht  über- 
raschen. Die  Opposition  gegen  das  Dreitheilnngs- 
sy stem  (Stein , Bronze  und  Eisen)  blieb  jedoch,  wie 
sich  erwarten  liess,  in  Budapest  in  der  Minorität.  Die 
Herren  Hildebrand,  Montelius,  Worsaae, 
Schaa  ff  hausen  u.A.  traten  für  das  Dreitheilungs- 
system  ein  und  erklärten , Ungarn  hätte  entschieden 
eine  Bronzeperiode  gehabt..  Eine  Begründung  lässt 
sich  darin  erblicken,  dass  unzweifelhaft  in  Ungarn 
Bronzegeräthe  in  grossen  Massen  und  von  den  ver- 
schiedensten Arten  angefertigt  wurden.  Ich  selbst 
habe  eine  grosse  Anzahl  von  ßronzegussformen  ge- 
sehen. ferner  Funde  aus  Bronzegussstätten:  z.  B. 
15 — 20  Bronzohftmmer  in  verschiedenen  Graden  der 
Vollendung  aus  einer  Fundstelle.  Es  ist  ferner  kein 
Zweifel,  dass  in  Ungarn  die  Bronzegeräthe  in  grosser 
Anzahl  auch  einen  speciflschen  Charakter  an  sich 
tragen.  Zweifellos  ist  aber  anderseits  auch,  dass 
Bronzegeräthe  importirt  wurden,  und  es  ist  eine 
weitere  Aufgabe,  die  namentlich  Ungarn  zu  erfüllen 
hat,  zu  entscheiden,  wie  viel  und  was  importirt, 
und  woher  die  charakteristischen  Formen  kommen, 
ob  sie  in  der  Tliat  alle  in  demselben  Lande  ange- 
fertigt wurden,  oder  ob  nicht  vielmehr  in  Italien 
oder  Griechenland  oder  Kleinasien  ebenso  für  den 
Import  gearbeitet  wurde,  wie  das  heutzutage  in 
allen  Ländern  geschieht.  Mit  einigen  kritischen 
Bedenken  trat  Hr.  Virchow  auf  und  bemerkte, 
wie  schwer  es  sei,  diese  Bronzeperiode,  wie  sie 
vom  Norden  ausgegangen  sei  und  mit  der  grössten 
Energie  festgehalten  werde,  in  Deutschland  sicher 
nachzuweisen.  Die  Funde  lägen  so  complicirt,  und 
in  so  vielen  Fällen  hätte  man  Eisen  damit  gefunden, 
dass  die  Frage  in  Deutschland  als  eine  offene  be- 
trachtet werden  müsse.  Graf  Wurmbrand  sprach 
sich  geradezu  gegen  die  Drcithcilung  aus  und  be- 
tonte, dass  eine  Menge  von  Ornamenten  auf  den 
Bronzcgeräthen  nur  unter  Anwendung  des  Eisens 
hergestellt  werden  könnten.  Damit  war  die  De- 
batte beendigt,  aber  die  Frage  selbst  nicht  erledigt, 
wie  auch  selbstverständlich.  Denn  Congresse  sind 
nicht  bestimmt,  diese  Dinge  zu  entscheiden,  sondern 
durch  eine  eingehende  Erörterung  leitende  Gesichts- 
punkte für  die  Beobachtung  klar  hervortreten  zu 
lassen. 

Römer,  der  Generalsecrctär  für  den  inter- 
nationalen Congress,  erwähnte  in  seiner  trefflichen 


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12 


und  an  Thatsachen  reichen  Eröffnungsrede,  * •*))  dass 
Oberungarn  es  vorzugsweise  sei,  iu  welchem  die 
reichen  Bronze  fände  gemacht  würden.  Nachdem  nun 
dieses  Terrain  noch  wenig  durchforscht  ist,  können 
die  ungarischen  Archäologen  viel  beitragen  zur  Ent- 
scheidung dieser  Hauptfrage,  oh  die  Annahme  einer 
Bronzeperiode  berechtigt  ist.  Wir  dürfen  jedoch 
nicht  verhehlen,  dass  solche  archäologische  Unter- 
suchungen die  grösste  Umsicht  erfordern,  und  zu- 
nächst nicht  durch  Liebhaber  entschieden,  sondern 
durch  Fachmänner  festgestellt  werden  müssen. 
Dazu  braucht  inan  jedoch  Leute,  die  an  Ort  und 
Stelle  mit  der  nöthigen  Erfahrung  und  Ausdauer 
sich  an  die  Arbeit  machen,  um  die  archäologischen 
Schätze  zu  heben.  Hoffen  wir,  dass  die  ungarische 
Regierung  dem  Conservator  der  vorgeschichtlichen 
Schätze,  dem  unermüdlichen  Korner,  Mittel  zur 
Heranbildung  tüchtiger  Kräfte  und  zur  Ueber- 
wac huiig  von  Ausgrabungen  gewähre.  Möge  die 
verschwenderische  Grossmuth , welche  die  Stadt 
Test  mit  Prachtbauten  und  wissenschaftlichen  Insti- 
tuten •*)  aller  Art  überschüttet,  auch  seine  Be- 
strebungen in  ihren  fördernden  und  mächtigen  Schutz 
nehmen.  — Die  Ausstellung  enthielt  übrigens,  das 
scheint  mir  wichtig,  hier  anzuführen,  mancheu  Fund, 
der  Eisen  und  Bronze  zeigte.  Man  interpretirt  nun 
stets:  diese  Funde  stammen  eben  aus  der  Ueber- 
gangszeit.  Wie  aber,  wenn  neben  den  beiden  Metallen 
auch  noch  der  Silex  vorkommt  ? Sollte  in  a 1 1 solchen 
Fällen  neben  den  metallenen  auch  noch  die  stei- 
nernen Waffen  iin  Gebrauch  gewesen  sein?  Ich 
bezweifle  dies  und  führe  einige  ungarische  Funde 
dieser  Art  an.  In  der  Abtheilung  Slovenska  Ma- 
tiea  (zu  Turck*z-Szcnt-  Mrtrlon , Comitat  Turöcz) 
befand  sich  ein  Carton,  auf  dem  zwei  Feuerstein- 
splitter,  Fragmente  einer  bronzenen  und  einer  eiser- 
nen Sichel  und  ein  kleines  eisernes  Messer  als  ein 
Fund  zusammengestellt  waren.  Unter  »len  Funden 
von  Tisza-Igar  (Katalog  S.  151)  sind  Gegenstände 
aus  Stein,  Bronze  und  Eisen  zusammengestellt. 
Auf  einem  Carton  der  Ausstellung  aus  dem  Museum 
von  Zagrdb  ist  Bronze  und  Eisen  zusammengestellt. 
Die  Anhänger  der  Dreitheilung  werden  die  Zuver- 
lässigkeit dieser  Funde  in  Zweifel  ziehen;  allein 
es  ist  schwer  anznnehmen,  dass  in  all  den  Fällen 
Beobachtungsfehler  unterlaufen  sind;  bleibt  auch 

•)  Biscoura  da  Secretaire  gt*n£ral  au  Congres  inter- 
national le  4.  aeptembre  1876.  Budapest  8*. 

•*)  Soeben  wird  n.  a.  ein  Palast  fiir  descriptive 
Anatuniiu  errichtet,  ein  neue«  Krankenhaus  gebaut,  und 
wenn  ich  nicht  irre,  steht  ein  weiterer  Bicseubau 
für  da*  pathologisch- anatomische  Institut  bereit»  unter 
Dach. 


nur  ein  Fall  bestehen,  so  beweist  eben  diese  eine 
positive  Thatsaehe  mehr  als  hundert  negative.  — 
Auf  dem  Congress  waren,  wie  schon  erwähnt, 
die  Metallgeräthe  in  enormer  Zahl  vertreten,  aber 
auch  die  aus  Stein,  Horn,  Knochen,  Thon  etc. 
standen  au  Zahl  nicht  nach.  Hier  zeigte  sich  be- 
sonders, wie  anregend  die  internationalen  Congresse 
für  jene  Gebiete  sind , in  welchen  die  archäologi- 
schen und  urgeschiehtlichci»  Studien  noch  nicht 
zur  vollen  Geltung  durchgedrungen  sind.  Bis  vor 
Kurzem  glaubte  man,  Ungarn  hätte  keine  Werk- 
zeuge aus  geschlagenem  Feuerstein  aufzuweisen. 
Erst  als  in  den  letzten  2 Jahren  Uutersurhungeu 
vorgenorameu  w nrden , zeigte  sich  ein  enormer 
Reichthum  an  solchen  Geräthen  und  an  anderen 
aus  den  verschiedensten  nicht  metallischen  Stoffen, 
der  sich  aber  bis  jetzt  zum  grössten  Theile 
auf  Xiederungarn , hauptsächlich  auf  die  Ufer  der 
Theiss  beschränkt.  Ich  betone  vor  allem  die  zahl- 
reichen Obsidianmesser  und  die  Obsidiankerae. 
Sie  kommen  grösstentheils  ans  den  Bergen  von 
Tokay,  wo  man  diese  Steine  in  grosser  Menge 
findet.  Der  Bruch  dieser  ungarischen  Obsidiane 
gibt  Messer  von  grosser  Feinheit  und  Länge,  aber 
sie  sind  stärker  gekrümmt,  als  die  des  mexikani- 
schen oder  dänischen  Obsidianes.  Eine  reiche 
Sammlung  von  geschlagenen  Feuerstcimnassen  hatte 
Frl.  Torma  ausgestellt.  Im  Comitat  von  Szabolcs 
und  Siptd  sind  polirte  Feuersteinäxte  gefundeu 
worden;  von  anderen  Gesteinsarteu,  z.  B.  Serpentin, 
existiren  eiue  Menge  interessanter  Formen  und 
von  hoher  Vollendung.  Geräthe  aus  Knochen  und 
Horn,  sind  in  erstaunlicher  Menge  in  den  Cultur- 
schichten  prähistorischer  Wohnplätze  in  der  jüngsten 
Zeit  gesammelt,  so  in  Magyarad,  Szihalora,  Toszeg 
und  anderen  Orten.  Ich  führe  die  Worte  Romer’s 
an,  weil  sie  den  Reichthum  der  Funde  gleichzeitig 
ins  rechte  IJcht  setzen:  „on  voit  des  objects  en 

bois  de  cerf  et  en  os  par  centaines  et  par  milliers, 
oii  les  objets  de  bronze  et  de  fer  n ‘apparaissent 
qu  ’iso^ls  et  sporadiquement.*  Einen  solchen  Reich- 
thum  bot  auch  ein  Urnenfriedhof  in  Piliu  (Xogräder 
Comitat),  den  Baron  Nyäry  durchforscht  hat. 
Eine  grosse  Zahl  von  zierlichen  Urnen  der  verschie- 
densten Grössen  und  von  charakteristischen  Formen 
überraschte  zunächst  den  Beschauer  jenes  Theilcs 
der  Ausstellung;  dann  aber  fesselten  kleine  Thier- 
figuren aus  Thon,  die  mit  auffallender  Geschick- 
lichkeit gefertigt  sind.  Man  erkennt  ohne  Mühe 
das  Schwein  sogar  in  zwei  verschiedenen  Rassen, 
das  Schaf,  das  Rind  und  den  Spitzhnnd;  andere 
sind  zweifelhaft.  Höchst  merkwürdig  sind  ferner 
die  Stempel  ans  gebranntem  Thon,  die  derselbe 


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13 


Fundort  geliefert  hat.  Sie  zeigen  gut  gearbeitete 
Ornamente,  von  denen  viele  an  griechische  Vor- 
bilder erinnern.  Sie  dienten  zweifellos  dazu,  die 
Urnen  damit  zu  verzieren.  Welch  weite  Kluft 
trennt  noch  diese  Zeit  und  diese  (Kulturstufe  mit 
dem  ausgeprägten  Kunstsinn  von  dem  Urmenschen, 
von  dein  „l'homme  primitiv4  der  Plioeäne,  der 
Wallfisrhwirbel  und  W&llfischrippen  abnagt ! Eines 
Tages  trat  nämlich  Capellini  in  die  Versamm- 
lung mit  der  überraschenden  Mittheilung , dass 
er  den  P I i o c ft  n - Menschen  gefunden.  Seine  An- 
sicht gründete  er  auf  Wallfischknochen  eiuer 
neuen  Art,  die  von  ihm  in  der  Nähe  von  Siena 
in  plioeänen  Lagern  entdeckt  wurde.  Er  glaubt 
Spuren  menschlicher  Bearheitung  an  den  Kippen, 
an  den  Fortsätzen  der  Wirbel  beobachtet  zu  haben. 
Die  Wirbelknochen  und  Kippen  circulirten  nun  in 
der  Versammlung,  aber  nicht  mit  dem  gewünschten 
Erfolge.  Man  konnte  allerdings  nicht  bestreiten, 
dass  an  einem  Stücke  Spuren  einer  Bearbeitung 
sichtbar  waren;  aber  man  war  geneigt,  dieselben 
den  Kiefern  eines  Thicres  zuzuweisen  (Sägefische?). 
Anders  die  Angaben  des  Grafen  Wurmbrand 
über  den  Nachweis  des  Menschen  im  älteren 
Diluvium.  Sie  besitzen  wegen  der  genauen  Fest- 
stellung des  Thatbestands  einen  bedeutenden  Werth. 
Er  fand  in  Joslowitz  auf  dem  Grunde  des  Löss, 
der  den  tertiären  Sand  berührt.,  mehrere  Feuer- 
stellen zusammen  mit  Knochen  von  Mammuth, 
Rhinoceros,  Pferd,  Höhlenbär  und  Renthier;  dann 
Feuersteine  und  bearbeitete  Knochen  mit  Steinrinnen. 
Dieser  Fund  ist  schon  wiederholt  besprochen  worden, 
das  scheint  mir  jedoch  an  dieser  Stelle  zu  betonen, 
, dass  er  im  Zusammenhang  mit  denjenigen  in  Tau- 
bach bei  Weimar,  mit  denjenigen  in  Regensburg 
(Zittel),  mit  jenen  in  Württemberg  und  am  Liba- 
non (Fraas),  und  mit  noch  anderen  als  neues 
Glied  in  jener  Kette  von  Beweisen  eintritt,  welches 
die  Coöxistenz  des  Menschen  mit  den  grossen 
Säugethieren  der  Dilnvialperiode  in  Europa  con- 
statirt. 

Eine  der  glänzendsten  Mittheilungen  aus  dem 
Gebiet  der  Anthropologie  war  unstreitig  die  Vir- 
chow's  über  das  Resultat  der  deutschen  statisti- 
schen Erhebungen  bezüglich  der  Farbe  der  Augen, 
Haare  und  Haut, , und  die  Karten , die  dort  aus- 
gestellt wurden,  haben  die  gleiche  Bewunderung 
hervorgerufen  wie  in  Jena.  Die.  Untersuchung  von 
mehr  als  5 Millionen  Scholkindern  erschien  allen  als 
eine  staunenswerthe  Leistung,  und  gaben  den  ge- 
wonnenen Resultaten  das  Gewicht  unbestreitbarer 
Thatsachen.  Nachdem  diese  Resultate  durch  den 
Sitzungsbericht  der  Generalversammlung  in  Jena 


bekannt  geworden  sind,  kann  ich  rasch  darüber 
hinweggehen,  nnd  zunächst  zwei  weitere  anthro- 
pologische Punkte  erwähnen. 

Professor  v.  Le  u ho  s sek*)  (Pest),  der  jüngst 
ein  umfangreiches  craniologisehes  Werk  veröffent- 
licht hat , das  die  ungarischen  Kreise  auf  die 
Bedeutung  dieser  Studien  aufmerksam  machen  sollte, 
legte  der  Versammlung  einen  sogen.  Avarenschädel 
vor,  der  die  künstlich  deformirte  Gestalt  jener  Schä- 
del im  eminentesten  Grade  besass.  Seit  40  Jahren 
ziehen  sie  die  Aufmerksamkeit  auf  sich.  Dieser 
war  an  der  Theiss  gefunden  worden  mit  noch  5 
anderen,  welche  leider  in  den  Fluss  geworfen 
wurden.  Welchem  Volke  gehören  sie  an.  welches 
hatte  in  Europa  diesen  seltsamen  Trieb,  am  Schädel 
durch  Umschuüren  eine  abenteuerliche  Gestalt  zu 
geben?  Broca  meinte,  ein  Zweig  derCimbeni  oder 
Cimmerier  sei  es  wohl  gewesen  und  constatirt,  dass 
im  südlichen  Frankreich  noch  heutzutage  solche 
künstlerische  Verbildungen  am  Schädel  vorgenommen 
werden.  Man  kennt  dort  noch  nicht  den  Grund 
dieses  Brauches.  Den»  Neugebomen  wird  eine  Binde 
um  den  Kopf  gelegt,  so  dass  der  Scheitel  in  der 
Mitte  nicht  in  der  regelmässigen  Scheitelcurve  zum 
Hinterhaupt«  zieht,  sondern  bandartig  eingedrückt 
wird.  Es  sind  wahrscheinlich  alte  Erinnerungen 
an  Sitten  der  Urzeit.  Die  Frage  nach  ihrer 
Herkunft  ist  noch  offen.  Sie  ist  an  verschiedenen 
Punkten  gleichzeitig  und  unabhängig  aufgetreten 
(Peru),  und  was  das  seltsamste  ist,  es  scheinen 
auch  Unsere  Ahnen  von  dieser  Sitte  nicht  frei  ge- 
wesen zu  sein.  Linden  sch  mit  hat  aus  Reihen- 
gräbern bei  Mainz  einen  Schädel  gehoben , der 
künstlich  deformirt  ist.  Er  lag  neben  l*angschädelu. 

(Schluss  folgt.) 


Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Danzig  vom  5.  April  1876. 

Nach  einen»  Bericht  über  die  weitere  Ent- 
wickelung des  Vereins  legte  der  Vorsitzende  die 
neu  eingcgangcucn  Geschenke  und  Arbeiten  vor. 
Hr.  Gymnasialdireetor  Möller  hatte  einen  schönen 
Steinhammer  aus  der  Gegend  von  Moritzkehmen 
bei  Tilsit,  Hr.  Elorkowski  eine  Reihe  von  Urnen 
aus  Stcinkistengräbern  bei  Lunau  in  der  Gegend 
von  Grandenz  eingesandt.  Hr.  Baurath  Crügcr 
in  Sehneideinühl  hatte  die  Photographie  von  einen» 
grösseren  Bronzelund  aus  der  Nähe  von  Floth  im 

*)  J.  t.  L« oh 0 8 sek.  Die  Schädelkenntoiiis  des 
.McuBcheu.  Abhdlgu.  der  k.  utigar.  Akademie.  1876.  1“ 
mit  2 Tafeln  (Taf.  2 Fig.  1,  der  Avareuachidel). 


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Netzethal  nebst  einer  sehr  eingehenden  Abhand- 
lung über  die  archäologische  Bedeutung  desselben 
cingeschickt.  Ebenso  hatte  Hr.  Major  Kassiski 
ans  Xeustettin  zwei  grössere  Arbeiten  über  seine 
mit  unermüdlichem  Eifer  fortgesetzten  Ausgrabungen 
während  des  Jahres  1875  und  „über  die  Brand- 
groben*  cingeschickt,  deren  Inhalt  vom  Vorsitzenden 
kurz  mitgetheilt  wurde:  beide  Abhandlungen  sind 
für  die  Schriften  der  Gesellschaft  bestimmt.  End- 
lich wurde  von  der  Begründung  des  historischen 
Vereins  für  den  Regierungsbezirk  Marienwerder 
durch  Herrn  Regierungsrath  von  Hirsch  fei  d 
Kenntnis»  genommen. 

Hr.  Walter  K a u f f in  a n n referirte  über  neue 
Funde  bei  Espenkrug,  Lichtenthal.  Artschau,  Xen- 
kau  und  Broddener  Mühle  bei  Mewe. 

In  Lichtenthal  hatte  bereits  früher  der  Be- 
sitzer Hr.  Rittergutsbesitzer  B.  P 1 e h n auf  einem 
ziemlich  hohen  Bergrücken  verschiedene  Urnen 
ausgegraben,  und  fand  Referent  auch  an  derselben 
Stelle  noch  drei  andere,  die  sich  dadurch  von  den 
in  hiesiger  Gegend  gefundenen  auszeichneten,  dass 
sie  keine  Deckel,  sondern  weit  Über  den  Hals  der 
Urnen  reichende  Schalen  als  Bedeckung  hatten, 
die,  wie  es  scheint,  ehedem  als  Wlrthschaftsgeräthe 
gedient  haben.  Die  Urnen  selbst  sind  ziemlich  roh 
gearbeitet  und  zeichnen  sich  durch  keine  beson- 
deren Merkmale  aus.  In  einer  dieser  Urnen  fan- 
den sich  viele  Bruchstücke  von  Eisen-  und  Bronze- 
ringen , sowie  von  Glasmasse.  Die  Eisen-  und 
Bronzestücke  bieten  keine  weiteren  Eigentümlich- 
keiten , als  dass  sie  teilweise  mit  Glas  - und 
Knochenüberresten  zusammengeschmolzen  sind.  Die 
Glasmasse  selbst  aber  ist  in  sich  vollständig  in 
ganze  kleine  Stückchen  zersprungen,  woraus  sich 
sehlicssen  lässt,  dass  die  Urne  mit  dem  Gesammt- 
inhalte  sogleich  nach  dem  Leichenbrande  in  der 
Erde  beigesetzt  ist,  wofür  auch  andererseits  der 
Umstand  spricht,  dass  der  Boden,  in  dem  die  Urne 
gefunden  wurdo,  aus  sehr  fettem  und  feuchten 
Lehm  bestand.  Hr.  Plebn  hat  ausser  diesen  drei 
Urnen  noch  fernere  vier  Urnen  und  zwei  Schalen 
dem  Vereine  freundlichst  übersandt. 

In  Espenkrug  hatte  der  dortige  Gastwirt  Hr. 
G.  Becker  eine  Steinkiste  beim  PHügen  aufge- 
deckt, in  der  2 Urnen  gefunden  wurden,  von  denen 
er  die  erhaltene  nebst  Inhalt  dem  Vereine  freund- 
lichst überlassen  hat.  ln  der  Urne  wurden  gefunden : 
ein  Bronzering  nebst  grosser  blauer  Glasperle,  drei 
kleinere  Ringe,  von  denen  zwei  aus  viereckigem 
Draht  geformt  waren,  eine  kleine  Bronzekette  von 
zwanzig  Gliedern  und  drei  Stücke  von  einer  kleinen 
Bronzcspirale  von  vier  resp.  7 Windungen.  Diese 


Stücke  sind  insofern  wichtig,  als  sie  deutlich  er- 
kennen lassen,  dass  sie  mittels  eines  sehr  scharfen 
Instrumentes  von  der  Masse  abgedreht  sind,  welches 
noch  deutlich  seine  Spuren  auf  jeder  einzelnen 
Windung  hinterlassen  hat.  Sie  gleichen  vollständig 
den  jetzigen  Metallspähnen,  die  von  einer  Dreh- 
bank herrühren. 

In  Artschau  bei  Praust  faud  Referent  sehr 
schön  erhaltene  Steinsetzungen  von  Kopfsteinen, 
etwas  unter  der  tiberfläche  des  Erdbodens  gelegen, 
und  im  Durchmesser  22  Fuss  messend,  ganz  kreis- 
förmig. Die  in  der  Mitte  liegenden  Steinkisten 
enthielten  sowohl  röthlich  braune  wie  schwarze 
Urnen  mit  vereinzelten  Bronzeringen  als  Beigabe, 
von  denen  sich  ein  sehr  breiter  Fingerring  durch 
kleine  parallel  laufende  Furchen  besonders  aus- 
zeichnete. 

ln  Xeukau  war  auf  den  alten  Fundstätten 
leider  nur  eine  zerbrochene  Urne  von  gewöhnlicher 
Form  aufzutinden,  in  der  sich  zwei  kleine  Thon- 
perlen  und  ein  grösserer  Wirtel  mit  hübschen  Ver- 
zierungen vorfand. 

In  Broddener  Mühle  bei  Mewe  hatte  Herr 
Glaubitz  seu.  aus  Dauzig  eine  sehr  sauber  ge- 
arbeitete abgeschliffene  Steinaxt  gefunden,  deren 
4 Stielloch,  wie  noch  deutlich  zu  ersehen,  ausgedreht 
ist.  Sie  ist  an  den  Seitenflächen  sehr  schön  ge- 
schliffen. Ganz  in  der  Nähe  der  ersteren  lag  eine 
zweite  Steinaxt,  die  jedoch,  wahrscheinlich  bei  dem 
Bohren  des  Stielloches,  zerbrochen  und  später  in 
einen,  bei  uns  so  sehr  seltenen  llohlmeissel  um  ge- 
arbeitet ist.  Ferner  wurde  bei  Jacobsmühle  beim 
Sandgraben  eine  Steinkiste  aufgegraben,  die  jedoch 
zusammcnflel,  und  in  Folge  dessen  auch  die  darin 
enthaltenen  Urnen  zerbrachen.  Die  Stücke  dieser 
Urnen  zeigen  sehr  hübsche  Muster,  sind  von 
schwarzer  Farbe  und  scheinen  mit  Graphit  über- 
zogen zu  sein.  Merkwürdig  ist,  dass  die  vertieften 
Verzierungen  mit  einer  weisscu  kalkartigcn  Masse 
angefüllt  sind,  wrie  man  es  schon  bei  einigen  Ver- 
zierungen von  Gesichtsurnen  gefunden  hat.  Endlich 
ist  auch  hei  Jacobsmühle  ein  Bodeu  eines  Bronze- 
gefässes  gefunden , der  dieselben  concentrisclien 
Kreise  zeigt,  wie  das  Münsterwalder  Bronzegefäss, 
und  dessen  Bearbeitung  mit  letzterem  auch  identisch 
zu  sein  scheint. 

Hr.  Dr.  M a u n h a rd  t besprach  aus  dem  Kreise 
seiner  umfassenden  Untersuchungen  für  mythische 
Ackerbaugerüthe *)  ein  einzelnes  Beispiel,  den: 


*)  Die  ersten  Grundlinien  hat  der  Verfasser  bereits 
iu  einer  früheren  Schrift . Roggenwolf  und  Roggeu- 
hund,  Danrig  1866,  2.  Aull,  veröffentlicht. 


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Roggen vrolf  und  Kogge  uh  und, 

und  ist  durch  eine  Fülle  grösstentheils  von  ihm, 
theils  auch  auf  Grund  seiner  Fragestellung  durch 
Andere  neu  erhobener  Thatsachen  sowohl  Stoff 
ab  Verständnis»  bedeutend  gewachsen.  Der  Vor- 
tragende hat  in  mehreren  Arbeiten  den  Nach- 
weis 'geliefert , dass  in  allen  uordcuropäischen 
Landen)  unter  dem  Landvolk  eine  grosse  Anzahl 
von  Gebrauchen  und  aus  alter  Zeit  überkommener, 
wenn  auch  oft  in  moderne  Formen  ungestalteter 
Redensarten  bei  Saat  und  Ernte  erhalten  ist,  welche 
heutzutage  nicht  mehr  verstauden  und  nur  aus 
Gewohnheit  fortgeübt,  den  einstigen  Glauben  unserer 
Vorvater  bekunden,  dass  der  Pflanze,  zumal  der 
Cnlturfracht,  ein  dämonisches  Wesen  nach  Art  der 
griechischen  Dryaden  einwohne,  welches  in  sehr 
verschiedenen,  theils  menschlichen,  theils  thierischen 
Gestalten  gedacht  wird , nnd  bald  die  Pflanze  als 
seinen  Leib  erfüllt,  bald  aus  derselben  frei  her- 
vortretend im  gesummten  Kornfelde  seinen  Auf- 
enthalt nimmt.  Es  äussert  sein  Leben  im  Winde, 
der  die  Aehren  bewegt  ; man  scheut  sich  ihm  nahe- 
znkommen,  da  die  Berührung  oder  das  Ansichtig- 
werden  von  Geistern  nach  dem  Volksglauben  Krank- 
heit. Ermattung  und  dergl.  zur  Folge  hat.  Beim 
Kornschnitt  stirbt  es  entweder  unter  der  Sichel, 
oder  wird  vor  den  Schnittern  entweichend  in  den 
zuletzt  geschnittenen  oder  ausgedroschenen  Halmen 
eingefangen.  Nicht  selten  wird  als  Repräsentant 
des  Korndämons  beim  Schluss  des  Getreideschnitts 
oder  Dreschens  ein  in  die  letzten  Halme  hinein- 
gestecktes lebendes  Thier  (Hahn,  Katze  u.  s.  w.) 
erschlagen  oder  ausserhalb  des  Erntefeldcs 
am  Tage  des  Ernteschlusses  oder  einige  Zeit  nach- 
her mit  Sichel,  Sense  oder  Steinwflrfen  getödtet. 
Oft  empfängt  die  letzte  Garbe  Thiergestalt  oder, 
unter  Bekleidung  mit  Gewändern,  Menschengestalt 
und  der  ihr  innewohnende  Pflanzengeist  wird  doppelt, 
d.  h.  zugleich  durch  diese  Figur  und  einen  den 
Namen  dieses  Wesens  erhaltenden  Menschen  dar- 
gestellt. Auch  kommt  es  vor,  dass  man  behufs 
Ergiebigkeit  der  nächsten  Ernte  jene  Gestalt  mit 
Stßeken  schlägt.  Hr.  Mann  har  dt  steht  im  Be- 
griff, weitere  Untersuchungen  zu  veröffentlichen, 
welche  durch  eine  Reihe  zum  Theil  durchaus 
zwingender  Thatsachen  klar  legen  sollen,  dass  nicht 
allein  die  nordischen  Völker,  sondern  auch  Griechen, 
Römer  nnd  vorderasiatische  Nationen  beim  Beginn 
ihres  historischen  Zeitalters  die  Vorstellung  von 
Vegetationsdämonen  der  beschriebenen  Art  gekannt 
haben  müssen;  verschiedene  Thatsachen.  weit  durch- 
schlagender als  die  im  diesmaligen  Vortrage  er- 
wähnten, machen  die  Vermuthung  wahrscheinlich, 
dass  wir  es  mit  einem  Glauben  zn  thun  haben, 
der  mit  Ackerbau  und  Baumzucht  in  Vorderasien 
entstanden,  sich  mit  diesen  in  vorhistorischer  Zelt 
nach  Europa  resp.  Nordafrika  verbreitete. 

Eine  der  thierischen  Gestalten  des  Konidämons 
war  der  Hund.  Von  kriegsgefangenen  Bauern, 
aus  deren  Munde  Dr.  Mannhardt  1K70 — 71  die 


Ackerbräuche  fast  sämmtlicher  französischer  De- 
partements zu  sammeln  Gelegenheit  fand,  stellte 
er  fest,  dass  im  romanischen  Lothringen  ganz  all- 
gemein, in  den  angrenzenden  Provinzen  Frankreichs 
häutig  mit  dem  Namen  „den  Erntehund  tödten* 
der  Schluss  der  Ernte  bezeichnet  werde.  Im  Be- 
griff, den  letzten  Rest  der  Aehren  zu  schneiden, 
ruft  mau  dein  betreffenden  Arbeiter  die  Aufforderung 
zu:  tödte  den  Hund:  (tuet  1e  dtien!) ; und  auch 
der  grüne  Baumzweig  auf  dem  letzten  Fuder,  wie 
das  Festmahl  bei  Beendigung  des  Kornschnitts  oder 
Dreschens  heisst  in  übertragener  Bedeutung  „Hund“ 
oder  Hundetod  (tt  dtien  d'aoüt  oder  Ic  tue-chien 
de  In  moiaaon).  Man  spricht  vom  Getreidehund, 
Roggenhund  (ckim  du  btt,  du  seiytt) , sogar  vom 
Kartoffelhund  ( chicn  des  pommes  de  terre ) und 
Ileuliund  ( dtien  du  foin  oder  de  la  fennison). 
Wird  ein  Erntearbeiter  krank,  so  spottet  man- 
„der  weisse  Hund  (weiss,  weil  dem  Franzosen 
das  reifende  Getreide  weiss  wird  „les  Otts  commen- 
ceni  d blnnehir“)  ging  an  ihm  vorbei  (le  chien 
blnnc  es t jtnssc  jtrH  Ic  lut)  oder  die  Hfindinhatihn 
gebissen  (la  mgne  Fa  mordu ).  Nach  Analogien 
in  anderen,  ganz  parallel  laufenden  französischen 
Erategebrüuchen  darf  man  als  wahrscheinlich  an- 
nehmen,  dass  in  früheren  Zeiten  als  Vertreter  des 
geisterhaften  Erntehundes  ein  wirklicher  Hund  zu- 
gleich mit  dem  Schneiden  der  letzten  Halme  ge- 
tödtet,  oder  unter  der  letzten  zum  Ausdrusch 
kommenden  Getreidelage  erschlagen  wurde. 

In  deutschen  Landschaften  taucht  das  näm- 
liche mythische  Wesen  in  mannigfachen  Gestalten 
anf.  Wer  beim  Kornschnitt  die  letzte  Weizengarbe 
bindet  „hat  den  Weizenhund“  ( Wcssbeller) , wer 
die  letzten  Erbsen,  den  Schotenmops  (Sckutamups), 
Gegend  von  Striegau.  Bei  Lindau  am  Bodensee 
gebrauchen  die  Schnitter,  wenn  alle  Halme  bis 
auf  einen  kleinen  Rest  herunter  sind,  einen  Aus- 
ruf. welcher  besagt,  dass  man  jetzt  in  den  letzten 
abzumähenden  Aehren  „des  Mutterschosses  der 
(den  Fruchtsegen  gebärenden^  Hündin  habhaft 
werde“;  derjenige,  welchen  die  Reihe  trifft,  die- 
selben zu  schneiden,  darf  beim  Festmahl  zuerst  in 
die  Schüssel  langen.  Besonders  am  Dreschen  haftet 
der  Glaube  an  den  Vegetationshnnd.  Das  Aus- 
drcschcn  des  letzten  Gebundes  heisst  „den  Hund 
derschlagen“  (Tirol),  das  Drischelmahl  „Feier 
des  Dreschhundes“  (Schmalkalden).  Auf  den  Knecht, 
welcher  den  letzten  Flegelschlag  that , d.  h.  das 
geisterhafte  Thier  zugleich  mit  den  Körnern  aus 
den  letzten  Aehren  trieb,  geht  der  Name  des  letz- 
teren über,  indem  inan  ihn  als  „K orn -Roggen - 
Weizenmops“  (Stade)  oder  „Stadelpudcl“ 
(Oberösterreich)  begrüsst.  Dem  steht  beim  Raps- 
dreschen der  ähnlich  angewandte  oldenburgische  Aus- 
druck „Strükpudel“,  „St rohpudcl“  zur  Seite,  während 
der  aus  der  letzten  Garbe  herausgetri ebene  Korn- 
geist,  von  der  Person,  welche  den  letzten  Drisehel- 
schlag  machte , in  Schwaben  unter  jenem  bei  Lindau 
gebräuchlichen  Namen  in  Gestalt  eines  in  Stroh 
gebundenen  Steines,  in  der  Obcrlausitz  und  Meissen 


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16 


als  „Sc he u nbet ze 44  (Sclieonhündin)  in  Gestalt 
eines  mit  Obst  und  Getreide  gefällten  Topfes  dem 
Nachbar,  der  noch  nicht  fertig  ist,  also  noch  un- 
gedroschene  Fracht  hat,  auf  die  Tenne  geworfen 
wird,  ln  Tirol  heisst  bei  der  Heuernte  das  Xaeh- 
rechcn  des  beim  Zusammenharken  zurückgeblie- 
benen Grases  das  ..11  und  reche  n“,  weil  der  Hund 
sich  darin  versteckt  hat,  und  die  Mäher  „machen 
den  nachharkendeu  Mädchen  einen  Hund“, 
indem  sic  dreimal  mit  dem  Wetzsteine  über  die 
schrillende  Sense  streichen.  Weil  der  Hund  nun- 
mehr im  Heuschober  verweilt,  bekommt  auch  dieser 
den  Namen  „Hund“.  Schüttelt  der  Wind  den 
Heuhaufen  auseinander,  so  „hat  das  der  Hund 
gethan“  und  man  wirft  ein  Messer  hinein,  wie  man 
ein  solches  in  den  Wirbelwind  wirft,  um  den  ver- 
meintlich darin  hausenden  bösen  Geist  zu  treffen. 
Auch  wenn  das  noch  auf  dem  Halme  stehende 
Korn  sich  irgendwo  nach  allen  vier  Seiten  gelagert 
hat,  nennt  man  dies  „das  T ol I h u n d s n e st“  (Osna- 
brück). Bewegt  der  Wind  das  Getreide  wellen- 
förmig, so  „jagen  sich  die  llunde“  darin 
(Osnabrück).  Kinder  warnt  man  in  vielen  deutschen 
Landen  davor,  sich  ins  Saatfeld  zu  verlaufen,  da 
sitze  „der  grosse,  der  tolle  Hund“,  da  seien 
„die  Rüden , die  Menschen  zu  Tode  kitzelnden 
Kitzelhunde  ■ Kiddelhunde);  ebenso  in  Holland  ., de 
dollen  hu  mir  loopen  in  het  koom",  in  Frankreich 
„le  chien  raus  nmw/cta in  Polen  „i eielki  pics" 
u.  s.  w.  Im  Erbsenfelde  versteckt  sich  der  Schoten- 
betz  (Fulda),  im  Grase  der  Heupudel  (Ostfries- 
land), altüberlieferte  Redensarten,  in  welchen  nur 
die  modernen  Specialitäteu  Pudel,  Mops  u.  s.  w. 
der  Verschönerung  halber  den  einfachen  Hund  der 
ursprünglichen  Phrase  ersetzten.  Ja,  die  Phantasie 
der  Deutschen  im  Regierungsbezirk  Posen  sieht 
zuweilen  gar  leibhaftig  in  den  Abendstunden  einen 
schwärzet»  Hund  durchs  Kornfeld  streichen,  dessen 
Erscheinen  sie  auf  einen  glücklichen  Ausfall  der 
bevorstehenden  Ernte  und  ausnahmsweise  volle 
A ehren  deuten. 

Ob  nicht  aus  demselben  Gedankenkreise  heraus 
eine  Reihe  südländischer  Gebräuche  zu  deuten  sei, 
die  man  bisher  anders  erklärt  hat,  stellt  der  Vor- 
tragende in  vorläufig  nur  auzuregende,  aber  noch 
nicht  sicher  zu  beantwortende  Frage.  In  Rom 
pflegte  man,  nach  den  älteren  Pontificalbücherü 
unbestimmt,  sobald  sich  der  Kern  des  Getreides  in 
der  Hülse  bildete,  nach  späterer  priesterlicher 


Festsetzung  jedesmal  am  25.  April,  damit  die 
Früchte  zur  Reife  gelangten  und  nicht  vom  Rost- 
pilze litten,  dem  Wachsthumsgeber  und  Abwender 
der  Halmschäden  Mars  und  der  Rostgöttin  Robigo 
junge  säugende  Hunde  von  röthlicber 
Farbe  darzubringen.  Die  Deutung  auf  den  Hunds- 
stern ist  Grübelei  naebvarronischer  römischer 
Gelehrter.  Näher  liegt  es,  die  säugenden 
Hündchen  als  thiorgestaltige  mythische  Gegen- 
bilder des  reifenden  Getreides  anfzufassen.  In 
Griechenland  gab  es  zu  Argos  im  Hochsommer  ein 
Fest  des  II undetodt achlags»  auch  Arnis  ge- 
nannt. durch  seine  Verwandtschaft  mit  den  Kameen 
als  ein  altes  Erntefest  charaktcrisirt.  Auch  hierbei 
nicht  an  eine  symbolische  Bestrafung  des  Hunds- 
sterns zu  denken,  rftth  eine  merkwürdige  Analogie 
aus  Sennaar,  wo  Lepsius  und  R.  Hartman n in 
Fasoglo  bei  dem  Volke  der  Funje  den  eigenthüm- 
lichen  Brauch  entdeckten,  dass  zur  Zeit  der 
Dhorra- Ernte  der  Landesfürst  von  den  Ministern 
im  Dorfe  auf  einem  Ruhebette  umhergetragen  wird, 
an  das  ein  Hund  angebunden  ist,  deu 
man  mit  Steinen  tödtet  oder  mit  Iiutheu 
schlägt.  Das  erinnert  au  die  Eingangs  erwähnte 
Darstellung  des  Konidämons  durch  thiergestaltete 
Kornfigur  und  Mensch,  an  die  Steinigung  des  Ge- 
treidehahns und  die  Steckenschläge  auf  die  Kom- 
pnppe.  In  den  Funje  hat  man  die  Ptocmp/uinae 
der  Alten,  ägyptisch  P-to-cm-phan  (d.  i.  Bewohner 
des  Landes  Phon)  wiedererkannt,  vou  denen  Pli- 
nius  berichtet,  dass  sie  einen  Hund  zum  König 
hätten.  Paul  de  B u c h öre , der  den  Zusammen- 
hang zwischen  der  Erzählung  des  römischen  Natur- 
forschers und  der  neueut  deckten  Sitte  der  Funjes 
aoffand,  glaubte  jedoch  irrig,  dass  die  letztere  der 
Einsetzung  eines  Usurpators  ihre  Entstehung  ver- 
dankt, welcher  die  vermittelst  seiner  Priesterschaft 
geübte  theokratische  Regierung  eines  göttlich  ver- 
ehrten Hundes  durch  sein  weltliches  Regiment 
ersetzte  und  ein  Denkmal  dieser  Staatsumwälzung 
stiften  wollte.  So  entstehen  nie  derartige  Volks- 
bräuche. Vielmehr  ist  die  ganze  Fabel  von  dem 
Köiiigthum  des  Hundes,  wie  in  hundert  ähnlichen 
Fällen,  als  rationalistische  Deutung  aus  dem  schon 
zu  Plinius’  Zeit  bestehenden  Erntebrauch  ge- 
schlossen, und  letzterer  wird  einst  zugleich  mit  der 
aus  Asien  stammenden  Dhorra  (d.  h.  Mohrhirse, 
hol chs  aorgum  /.)  in  die  Länder  am  rothen  Meere 
eingewandert  sein. 


Fine  werth volle  Sammlung  von  Alterth  timern  (Stein,  Bronze,  Eiseu,  Urnen  mit  erläu- 
terndem Teil  und  photogr.  Abbildungen)  au»  dem  Nachlasse  de«  zu  Wolinirstedt  verstorbenen  Sanitiiu-Bathes 
Dr.  Sch  ult  ho  iss  soll  im  Ganzen  verkauft  weiden,  und  liegt  bis  Ende  Februar  daselbst  zur  Ansicht  au».  — 
Anfragen  zu  richten  au  Frl.  H.  Schultheis»  in  Wolinirstedt  bei  Magdeburg. 


Schluss  der  Redaction  am  13.  Februar. 


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gornspoubenj-^Sfdf 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R c d i g i r t 
ron 

Professor  Kollmann  in  München, 

UrnpralKN  rrtir  d*r  Oca»llarlk«n. 


Erscheint  jeden  Monat 

Nro.  3 u.  4.  Manchen,  Druck  von  H.  Oldenbourg.  MÜTZ  U.  April  1877. 

Die  am  I December  1875  in  Sachsen  woh- 


Gesellschaftenachrichten. 

(«egen  das  Ende  des  vorigem  Jahres  sind  die 
statistischen  Erhebungen  (Iber  die  Karbe  der  Augen, 
der  Haare  und  der  Haut  auch  im  Königreich 
Sachsen  durvhgefrthrt  worden.  Wir  geben  den 
Lesern  des  Correapondenzblattes  eine  interessante 
Notiz  Über  die  Ergebnisse  «ler  Zählu.g  in  den 
durch  Wenden  hauptsächlich  bevölkerten  Distrikten. 
Die  Leipziger  Zeitung  enthielt  in  ihrer  .Wissen- 
schaftlichen Beilage“  No.  114  Nov.  187t)  ausführ- 
liche Angaben  von  Dr.  V.  Böhmert. 

W e n d e o. 

Eine  besondere  Beachtung  verdient  der  slavi- 
sche  Volksstamm  der  Wenden  in  Sachsen,  der 
seine  Sprache  und  Stumnieseigeuthümlichkeit  sehr 
zäh  beibehält . und  bei  welchem  die  blauen  und 
grauen  Augen  und  blonden  Haare  vorwiegen.  Nach 
«ler  Zählung  vom  1.  December  1875  betrug  die 
(iesaimntzahl  der  Wenden  im  Königreiche  Sachsen 
50,737. 

Eine  Vergleichung  mit  früheren  Zählungen  er- 
gibt , dass  die  Zunahme  der  Wenden  hinter  der 
Zunahme  der  Deutschen  zurückgeblieben  ist  und 
im  letzten  Jahrzehnt  eine  erhebliche  Abnahme 
stattgefundeu  hat:  denn  während  im  Jahre  1849 
in  Sachsen  auf  10n0  Einw.  noch  2t5  Wenden  kamen, 
betrug  die  Zahl  der  Wenden  1875  nur  noch  18 
auf  je  1000  Seelen. 


»enden  50,737  Wenden  vertheilen  sich  auf  die  vier 
Kreishauptmannscliaften  in  folgender  Weise:  Es 
kommen  auf 

Kreishauptm.  Hautzet  47.593  Wenden, 

„ Dresden  *2.818 

„ Leipzig  228  „ 

„ Zwickau  98  „ 

Sa.  50,737  Wenden. 

In  der  Kreishaupluiaunscliaft  Bautzen  mit  zu- 
sammen 339,203  Einwohnern  wohnten  von  47,593 
Wenden  in  der  Amtshauptmannschaft  Zittau  nur 
170  Wenden,  dagegen  in  der  Amtshauptmannschaft 
I .öltau  5o<>2,  in  der  Amtshauptm&nnschaft  Kamenz 
7398  Wenden. 

Von  den  47,593  Wenden,  die  am  1.  Der.  1875 
allein  in  der  Kreishauptmannschaft  Bautzen  lebten, 
kommen  44,2157  auf  die  Dörfer  und  nur  3320  auf 
die  StAdte.  In  der  Amtshauptmannschaft  Bautzen 
mit  zur.  97,188  Einw.  gab  es  auf  den  Dörfern 
32.25(5  und  in  der  Stadt  Bautzen  27(59  Wenden. 

Entsprechend  diesen  Zahlen  Hilden  wir  nun 
auch  in  dem  Schulinspectionsbezirk  Bautzen  die 
grösste  Anzahl  von  Schülern  mit  blauen  und  grauen 
Augen  und  blonden  Haaren. 

(Sieh«  Tabelle  S.  18.) 


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18 


Schul  inspectioiiRbestirk  Bautzen. 


lU'tnii-buun'ir 

«U>r 

Helm  Ir- 

ScMler- 

»hl 

unirr 

14 

Jahre. 

Uftrutiter-. 

Mit  mil 

blauen  grünen 

Augen  Augen 

und  und 

blonden  blonden 
Huren.  Huren 

Stadt  Rantxen 

Gymnasium 

102 

40 

20 

IWrtrt': 

Baruth  . 

Volkaschule 

220 

76 

57 

Burk 

* 

90 

37 

19 

Caunewitz  . . 

166 

61 

28 

Coblenx  . . 

72 

37 

7 

Gnaschwitx 

140 

70 

20 

Oröditz  . 

.• 

123 

54 

32 

UroRRwelka 

168 

55 

58 

Outtau  . . . 

166 

58 

30 

Kleinbautzen  . 

110 

42 

10 

Klix  .... 

221 

106 

51 

Königswnrth  i 

3S0 

110 

34 

I.nc«  . . 

63 

30 

18 

Malacbwitx 

174 

68 

25 

Niedergang 

143 

54 

18 

Obergurig  . 

151 

68 

34 

Oppitz  . . . 

71 

46 

2 

Purschwitz 

150 

52 

17 

Quatitz  . . . 

« 

166 

98 

13 

IThyat  . . . 

• 

• 

* 

180 

82 

29 

Vorschlag  zur  Verständigung  über  eine 
gemeinsame  Methode  für  Schädel- 
messungen 

von  Ob. -Med. -Rath  Dr.  v.  Holder 
in  Stuttgart. 

Um  raschere  Fortschritte  in  der  kraniulogischen 
Erforschung  Deutschlands  zu  machen,  ist  es  uner- 
lässlich eine  Untersuchungsmethode  zur  Geltung 
zu  bringen,  welche  ohne  Schwierigkeit  allgemein 
verständliche  Ergebnisse  hat.  Wenn  man  versucht, 
die  Maasse.  welche  ohne  genaue  Abbildungen  ver- 
öffentlicht wurden,  zur  Vergleichung  mit  den  selbst- 
gefundenen Schädelformcn  zu  bringen . so  laufen 
mit  Ausnahme  der  grössten  Länge.  Breite  und  Hohe 
der  grösste  Theil  der  Zahlen  so  wirr  durcheinander, 
und  die  Beschreibung  der  Formen  ist  so  ungenü- 
gend. dass  es  unmöglich  ist,  sich  ein  richtiges  Bild 
zu  machen.  Man  erfährt  allerdings,  oh  die  Schädel 
dolicho- , ortho-,  brachy-,  hypsi-  oder  ohamaeo- 
cephal  sind,  aber  weiter  Nichts. 

Die  Kraniometrie  für  anthropologische  Zwecke 
soll  die  verschiedenen  Formen  der  Schädel  als 


Ganzes  einer  genauen  Vergleichung  unterziehen,  und 
die  erhaltenen  Maasse  sollen  diese  Verschiedenheiten 
in  einer  Weise  zun»  ziffermftssigen  Ausdruck  brin- 
gen, dass  mau  ein  scharfes  Bild  von  ihnen  im  Ge- 
dächtniss  behalten  kann.  Die  verschiedenen  Durch- 
messer müssen  also  diesem  Zweck  entsprechend 
gewählt  werden,  gleichviel  oh  sie  von  anatomischen 
Pnnkten  ausgehen  oder  nicht. 

Wie  es  gewöhnlich  geht,  wenn  man  über  die 
zu  erstrebenden  Ziele  noch  nicht  ganz  klar  ist,  so 
ging  cs  anfänglich  auch  in  der  Kraniometrie.  Man 
liess  seinem  Thätigkeitsdrange  die  Zügel  schiessen 
und  gab  statt  möglichst  bezeichnender  möglichst  viele 
Maasse.  Dass  nicht  viel  dabei  herauskam.  weiss 
jeder,  und  »lass  nicht  viel  herauskommen  konnte, 
hat  Herr  v.  1 he  ring  in  seiner  Abhandlung  über 
die  Reform  der  Kraniometrie  schlagend  dargethan. 
Von  nun  an  werden  keine  Arbeiten  Anspruch  auf 
Geltung  machen  können,  welche  nicht  die  Schädel- 
durchmesser parallel  oder  rechtwinklig  mit  einer 
innerhalb  des  Schädels  liegenden  Grundlinie  proji- 
eiren,  also  in  der  Richtung  der  8 rechtwinklig  sich 
schneidenden,  die  8 Dimensionen  des  Raumes  dar- 
stellenden Ebenen,  welche  inan  die  sagittale,  die 
frontale  und  die  horizontale  zu  nennen  gewohnt  ist. 

Diese  von  Herrn  v.  I bering  in  die  Kranio- 
metrie eingeführten  Grundsätze  sind  freilich  selbst 
bei  den  deutschen  Kraniologen  noch  nicht  allseitig 
anerkannt.  Ihre  innere  Nothwendigkeit  für  alle 
vergleichenden  Untersuchungen  liegt  aber  so  sehr 
auf  der  Hand,  dass  sie  sich  für  alle  Schädol- 
messungen  nach  geraden  Linien  Rahn  brechen 
muss. 

Möglich,  dass  die  Schwierigkeit,  ein  leicht  zu 
handhabendes  Instrument  zu  construiren,  eine 
raschere  Verbreitung  jener  Grundsätze  verhindert 
hat.  Vielleicht  interessirt  es  dcsshalb,  das  von  mir 
seit  1867  verwendete,  allmählich  verbesserte  Instru- 
ment kennen  zu  lernen  Seine  Anwendung  wird  durch 
den  von  Hm.  Spengel  erfundenen  Crauiophor 
wesentlich  erleichtert,  an  welchem  es  sich  durch 
eine  einfache  Vorrichtung  leicht  befestigen  lässt. 

Das  Instrument,  dessen  Abbildung  ich  hier 
anfüge  (s.  die  Figur)  besteht  aus  6 rechtwinklig 
oder  parallel,  nach  Art  der  Kalibermaasse  zu  ver- 
schiebenden und  nach  Bedürfnis  zu  versetzenden 
Armen  von  Eisen,  welche  anf  beiden  Seiten  in 
Centimeter  und  Millimeter  eingetlicilt  sind,  und 
deren  Flächen  rechtwinklig  auf  einander  stehen. 
Die  Hülsen,  in  denen  sie  sich  bewogen , sind 
von  Messing.  Die  beiden  längsten  Arme  aa  und 
bb  sind  30,  ee  28,  rc  und  iUJ  25  und  ff  7 Centi- 
metor lang.  Die  Winkel  messe  ich  mit  einem 


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0,5  cm.  dicken,  im  Durchschnitt  quadratischen,  28  cm. 
laugen  Stabe  von  Eisen,  welcher  durch  eine  Klemm- 
schraube in  dem  Gehörgaugc  befestigt  und  an  der 
Mitte  des  unteren  Bandes  der  Augenhöhle  durch 
einen  senkrecht  au  ihm  festxustellenden  Arm  fest 
angelegt  werden  kann.  Hin  zweiter  verschiebbarer 
und  um  seine  Achse  drehbarer  Arm  wird  dem  zu 
messenden  Winkel  entsprechend  eingestellt  und 
dieser  mit  der  Horuplattc  nbgclesen. 


Die  Grundlinie,  auf  welcher  alle  Messungen 
beruhen,  muss  natürlich  innerhalb  des  Schädels 
liegen,  der  Schädelkapsel  und  dem  Gesichte  ge- 
meinsam sein  und  der  Ebene  möglichst  entsprechen, 
welche  hei  aufrechter  Stellung  des  Kopfes  hori- 
zontal liegt.  Dass  man  diese  Ebene  wählt , hat 


seinen  Grund  darin,  dass  sie  die  Grundlage  der 
natürlichen  Stellung  des  Schädels  bildet,  und  dass 
denselben  gewöhnliche  Menschenkinder  auch  in  dieser 
Stellung  zu  sehen  gewohnt  sind.  Eine  andere 
Grundlinie  würde  die  Maasse  verzerren,  und  mau 
würde  bei  den  verschiedenen  Ansichten  (nonnae) 
immer  Theile  von  zwei  Seiten  ztf  sehen  bekommen. 

Die  Herren  Ecker  und  Schmidt  haben  in 
ihren  vortrefflichen  Arbeiten  über  diesen  Gegen- 
stand nachgewiesen,  dass  die  wirkliche  horizontale 
Ebene  des  Kopfes  individuellen  sowohl  als  typischen 
Schwankungen  unterworfen  ist.  Man  muss  sich 
also,  wenigstens  für  die  europäischen  Rassen,  über 
eine  Linie  einigen,  welche  im  Mittel  jener  wahren 
horizontalen  am  nächsten  kommt.  Für  die  Mehr- 
zahl der  württerabergiichen  Schädel  ist  dies  die- 
jenige, welche  von  der  Mitte  des  unteren  Randes 
der  Augenhöhle  ausgehend,  die  Mitte  des  oberen 
Bandes  des  Gehörgaugos  als  Tangente  berührt. 
Diese  Linie  ist  auch  in  praktischer  Beziehung  am 
empfehlenswertliesten , weil  nicht  allein  ihr  vor- 
deres, sondern  auch  ihr  hinteres  Ende  leicht  und 
sicher  zu  linden  ist.  und  weil  man  sie  in  den  aller- 
meisten Fällen  auf  die  Jochbogen  zeichnen  kann, 
was  bei  der  v.  Ihering’schen  nicht  der  Kall  ist. 
Die  rechtwinklige  Messung  wird  aber  sehr  erleichtert, 
wenn  man  die  Linie*)  anfzeichnet  und  sie  noch 
über  den  Gehörguug  hinaus  nach  rückwärts  ver- 
längert. 

Zunächst  handelt  es  sich  darum,  die  bezeich- 
nendsten Durchmesser  für  die  einzelnen  Schädel* 
formen  zu  linden.  Will  man  das  von  mir  vorge- 
schlagene System  annehmen,  das  auf  Zuhilfenahme 
von  Abbildungen  beruht , so  bedarf  mau  nur  die 
grösste  Länge,  Breite  und  Höhe,  die  Entfernung  der 
Spitzen  beider  proc.  mastoidei,  sowie  die  grösste  Breite 
des  Gesichtes  und  die  Entfernung  der  Nasenwurzel 
vom  hintern  Ende  des  vomer  auf  der  Fläche  des 
os  basilare.  — Von  den  Winkeln  der  Schädel  haben 
meiner  Erfahrung  nach  folgende  Werth:  l)  für 
die  norma  lateralis  der  in  der  sagittalen  Ebene, 
liegende  Protilwinkcl,  der  Stirnwinkol.  der  Winkel, 
welchen  die  untere  Fläche  des  os  basilare  und  die 
Ebenen  des  foramen  magnum  mit  der  Grundlinie 

Diese  Linie  ist,  wie  die  r.  I bering 'sehe  nur  sehr 
wenig  von  der  Göttinger  verschieden.  Für  alle  3 
ist  der  vordere  Endpunkt  gemeinsam : der  hintere  der 
letzteren  , der  unterste  Tbeil  der  linea  temporal«  in- 
ferior (crista  supra- mastoidea  nach  ßroca)  wechselt 
seine  Lage  Aber  der  Mitte  des  Gehörgangc*  zu  sehr, 
um  einen  sichern  Anhaltspunkt  xu  geben,  ist  hei  Schädeln 
von  Kindern  und  Weibern  selten  nnd  hei  allen  Lebenden 
gar  nicht  aufzufiuden. 


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machen:  2)  für  die  n.  frontalis  der  Winkel  der 
queren  Mittellinie  der  orbita  und  3)  für  die  n. 
basilaris  der  in  der  horizontalen  Ebene  liegende 
Winkel , welcher  die  Mittellinie  de?  Felsenbeine? 
mit  der  sagittalcn  Ebene  macht. 

Wollte  inan  aber  keine  Abbildungen  zu  Hilfe 
nehmen,  so  bliebe  nichts  übrig,  als  alle  diejenigen 
Müsse  anzugeben,  mit  deren  Hilfe  man  sich  die 
allgemeinen  Umrisse  der  Schädel  zeichnen  kann. 
— Ausser  der  Bestimmung  des  Cubikinhaltes,  wel- 
chen man  am  besten  mit  Gries  oder  Senfkörnern 
misst,  und  der  der  beste  Maassstab  für  die  Grösse 
des  Schädel*  ist,  handelt  es  sich  bei  jener  Auf- 
gabe darum,  für  die  ti,  den  3 Dimensionen  des 
Raumes  entsprechenden,  oder  weil  die  beiden  Seiten- 
ansichten nahezu  gleich  sind,  für  5 Ansichten  die 
bezeichnendsten  Maasse  zu  finden.  Also  für  die 
tiorma  verlicaüs,  occipitalis,  frontalis,  lateralis  und 
basilaris.  Die  Zahl  der  Maasse  vereinfacht  sich 
dadurch,  dass  ein  Theil  derselben  2 und  3 An- 
sichten gemeinschaftlich  ist. 

Soweit  meine  Vergleichungen  reichen,  halte  ich 
die  folgenden  für  die  besten.  Ich  setze  zugleich 
Buchstabenschitfcrn  bei.  und  werde  mich  weiter 
unten  über  die  Gründe  aussprechcn,  welche  mich 
bei  ihrer  Wahl  geleitet  haben.  Eine  grosse  Er- 
leichterung für  das  Messen  ist  es,  nach  Welker’s 
Vorgang,  die  Endpunkte  der  Durchmesser  mit 
Kreuzen  zu  bezeichnen.  Es  verstellt  sich  von  selbst, 
dass  alle  die  folgenden  Maasse  in  Projcctionsmanier 
zu  messen  sind. 

1)  norma  verticalis. 

Grösste  Breite  des  Schädels  wo  sie  sich  findet. 
/»;  — schmälste  Stelle  des  Stirnbeins  über  dem 
proc.  zygomatiens.  in  der  linea  temporalis,  /?* ; — 
grösste  Breite  in  der  Kraimiaht  ZU;  — quere 
Entfernung  der  Mitte  beider  Seitenwandbeinhöcker, 
/;•;  — grösste  Länge,  von  der  höchsten  Stelle  der 
Vereinigung  beider  St imhöhlen wulste  bis  zum  hin- 
tersten Endpunkt  des  Schädels  l.\  — Länge  des 
Stirnbeins,  Nasenwurzel  bis  Kranznaht,  ul;  — von 
der  Mitte  der  St  imhöhlen  wulste  bis  zur  breitesten 
Stelle  in  der  Kranznath,  LB* ; — Entfernung  des 
hintersten  Endpunktes  des  Schädels  von  der  brei- 
testen Stelle,  LB  (Lagenindex);  — von  der  Mitte 
des  Seitenwandbeinhöckers  bis  zum  hintersten 
Endpunkt  des  Schädels.  LB*. 

2)  norma  occipitalis. 

Gemeinschaftlich  mit  der  vorigen  sind  ihr  B 

und  B*;  mit  der  n.  lateralis  hi1. 

Die  grösste  Höhe,  vom  tiefsten  Punkte  der 
Ebene  des  for.  m&gnum  (in  den  meisten  Fällen  die 


Mitte  des  hinteren  Randes)  bis  zum  höchsten  Punkt 
des  Scheitels,  tt;  — Höhe  des  Punktes-  B über 
der  Ebene  des  for.  maguum,  kB;  — Höhe  der 
Mitte  der  Seitenwandbeinhöcker  über  der  Ebene 
des  f.  in.,  h B* ; — qnere  Entfernung  der  Spitzen 
beider  proc.  mastoidei.  bx ; — Angabe,  um  wie 
viel  der  tiefste  Punkt  des  for.  m.  über  oder  unter 
der  Spitze  des  proc.  mast,  steht,  ± hf. 

3)  norma  lateralis. 

Gemeinschaftlich  mit  der  n.  vert.  sind  ihr  L 
und  sl.  mit  der  n.  oceipit.  1t. 

Sagittale  Entfernung  der  Nasenwurzel  von  der 
Fläche  des  os  Imsilarc  am  hintern  Ende  des  vom  er, 
g\  — Grundlinie.  G ; — Entfernung  der  Mitte  des* 
oberen  Randes  des  Gehörganges  vom  hintersten 
Endpunkt  des  Schädels,  lo‘  (///,  Hiuterhauptslänge 
nach  der  Dresdener  Uebereinkunft);  — Höhe  des 
Stirnbeins,  Nasenwurzel  bis  Krauznatb.  h\  — Er- 
hebung der  Stimhöhlenwulste  über  die  Nasenwurzel, 
st;  Höhe  der  Stimhöker  über  die  Nasenwurzel, 
ä1;  senkrechte  Entfernung  der  Mitte  der  Kranz- 
naht  von  der  Fläche  des  os  basil.  am  hintern  Ende 
des  vomer.  II *;  — Entfernung  der  Mitte  des 
Kranznath  von  der  höchsten  Stelle  des  Schädels. 
LIt;  Höhe  der  proc.  mast,  von  seiner  Spitze 
bis  zur  Mitte  des  oberen  Randes  des  Gehörganges. 
h m ; — Höhe  des  hintersten  Endpunktes  des  Schä- 
dels über  der  Ebene  des  for.  m.,  ho;  Höhe  des 
Gesichtes.  Nasenwurzel  bis  foramen  ineisivum.  h *; 
— Länge  der  Nase . Nasenwurzel  bis  Mitte  der 
Spitze  des  Nasenbeines,  «/;  — flöhe  der  Nase  von 
demselben  Punkte  gemessen,  nh;  — Höhe  der 
Na sen Öffnung,  nh' . 

I > norma  frontalis. 

Gemeinschaftlich  mit  der  n.  vert.  sind  ihr  B, 
1t,  B* ; mit  der  n.  lateralis  h.  *!.  ffh,  n I und  nh'. 

Breite  des  Gesichtes  an  der  hervorragendsten 
Stelle  des  Jochbeins,  b (G  B nach  der  Dresdener 
Uebereinkunft );  — Nasenbreite,  in  der  Naht,  zwi- 
schen beiden  Augenhöhlen,  nh;  — Breite  der  Nasen- 
öffnung, nh’;  Augenhöhlen,  Höhe  or\  Breite  or. 

5)  norma  basilaris. 

Gemeinschaftlich  mit  der  n.  vert.  sind  ihr  I ^ 
B,  LB;  mit  «1er  oceipit.  I*  : mit  der  lateralis  G 
und  b‘. 

Gaumen.  Länge,  nl;  Breite  ab;  — Joehhogen- 
breite,  jb;  — l.änge  der  os  basil.,  ff1;  — for. 
magnum  Länge,  //’;  Breite  öf\  — Entfernung  der 
Mitte  des  hinteren  Bandes  des  for,  magnum  vom 
hintersten  Endpunkt  des  Schädels,  lo. 


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25 


5.  Jahrhundert  am  Khcin  in  den  Kämpfen  mit  den 
römischen  Legionen  wieder  zeigen.  — Für  die  prä- 
historische Anthropologie  ist  es  terner  überaus 
wichtig  hinzuzufügen,  dass  diese  doliehocephale 
Rasse  schon  zur  Zeit  jenes  Dolmenbaues  andere 
Elemente  in  sich  aufgenommen  hatte;  denn  Broca 
erklärte  in  Fest  ausdrücklich , dass  nicht  alle 
Schädel  dem  gleichen  Typus  angehörten , man 
filnde  auch  noch  eine  andere  Rasse  vertreten. 
Repräsentirt  uns  diese  letztere  einen  Theil  der 
Autochtoucn . oder  kam  sie  gleichzeitig  mit  den 
ersterwähnten  an  als  ein  Theil  ihrer  Schaaren  ? 
Wir  können  darüber  zur  Zeit  noch  keine  Antwort 
crtheilcn.  Hoffentlich  gelingt  auch  die  Lösung 
dieser  Krage.  Wie  immer  jedoch  diese  Entschei- 
dung ausfallen  möge,  an  der  Thatsache  von  der 
weitesten  Verbreitung  der  Dolichocephalie  in  Raum 
und  Zeit,  innerhalb  der  eben  angedeuteten  weiten 
Grenzen  vermag  sie  nichts  zu  ändern. 

Noch  sei  einer  anderen  höchst  seltsamen  Er- 
scheinung gedacht,  über  die  Broca  auf  dem  Kon- 
gress berichtet  hat.  Wau  kennt  iu  Frankreich*) 
aus  Dolmen  - und  Hügelgräbern  der  jüngeren  Stein- 
zeit trepanirte  Schädel.  Es  wurde  eine  Anzahl 
von  Beweisstücken  vorgelegt,  die  allerdings  keinen 
Zweifel  lassen,  dass  kleine  Stückchen  der  Hirn- 
schale von  menschlichen  Schädeln  schon  damals 
künstlich  ausgeschnitten  wurden.  Diese  rundlichen 
Knochrnplättclien  sind  bisweilen  durchbohrt,  was 
zur  Vcriuuthung  berechtigt,  dass  sie  als  Anhängsel 
oder  Am  ulet  getragen  wurden.  Sie  tinden  sich 
entweder  unter  den  Grabesbeigaben,  oder  sonst 
wohlerlialtene  Schädel  zeigen  ein  rundes  Trepan- 
loeh.  Diese  Entdeckung  erhält  ein  erhöhtes  In- 
teresse durch  den,  wie  es  scheint,  bereits  ge- 
lungenen Nachweis,  dass  diese  Operation  auch  an 
lebenden  Individuell  ausgeführt  wurde,  nicht  nur 
an  Todten.  Unter  den  vorgeleglen  trepanirten 
Schädeln  zeigen  nämlich  einige  uarbige  Knochen- 
ründer,  wodurch  die  Operation  au  Lebenden  un- 
verkennbar dargethan  ist ; denn  die  Natur  batte 
augenscheinlich  nach  der  Operation  noch  lange 
Zeit  zum  Versuch  einer  Heilung  der  Knochcnwuude. 
Andere  trepanirte  Schädel  scheinen  aber  von  völlig 
gesunden  Individuen  zu  stammen.  Unter  dem  bis 
jetzt  gefundenen  Material  sind  Männer,  Frauen  und 
Kinder  vertreten,  und  das  Loch  sitzt  bald  au  der 
Stirn,  bald  seitlich,  bald  am  Hinterhaupt.  Der 
Redner  meint,  die  Veranlassung  zu  dieser  Operation 

*)  Vergl.  UaUriiui  pour  l'histoire  primitive  de 
1 homme  1873  et  187*1»  de  Hayc:  La  trepanntiou  pr6- 
bwtorique.  Paris  1876. 

Cflrmip. -Blatt  Xu.  .1  a.  4. 


sei  wohl  zunächst  auf  einen  ärztlichen  Eingriff 
zurückzuführen.  In  alter  Zeit  ist  diese  Operation 
viel  häufiger  als  heut  zu  Tage  vollzogen  worden, 
vielleicht  kam  sie  bei  Irrsinn  schon  damals  in  An- 
wendung, der  ja  stets  von  böser  Geister  Unfug  her- 
geleitct  wurde.  Möglich , da«?  man  damit  eine 
Thüro  öffnen  wollte,  um  sie  gewaltsam  auszutreiben. 
Die  ausgeschnittenen  Srhädelstücke  hatten,  das  ist 
wohl  kaum  zu  bezweifeln,  im  Volksglauben  jener 
Zeit  eine  geheime  Kraft.  Der  in  einem  gallischen 
Grabe  in  der  Champagne  gefundene  Bronzehals- 
ring trägt  ein  rundes  Sebädelstückchen  (rondelle) 
als  Amniet  eingehängt.  Dreimal  hat  inan  bei 
Schädeln,  welche  die  Operation  nach  dem  Tod 
erlitten  hatten,  kleine  runde  Stückchen  von  einem 
fremden  Schädel  gefunden.  Für  Vermuthangen 
aller  Art  ist  hier  ein  weites  Feld  geöffnet. 

Verlassen  wir  nun  den  Sitzungssaal*)  des  Kon- 
gresses, der  noch  mehr  des  Interessanten  bot  und 
die  reiche  prähistorische  Ansstellung  mit  ihren 
Schätzen,  um  unsero  ritterlichen  Wirtheu  ins  Freie 
zu  folgen,  zum  Urnenfeld  nach  Hätvan,  der  Donau 
entlang  zu  den  -centum  colles“  (hei  ßrd)  und  zu 
den  Ringen  der  Avarcn. 

Diese  Excursionen  waren  vor  allem  interessant 
für  den  Anthropologen.  Römer  hatte  den  glück- 
lichen Gedanken,  zn  all  diesen  Gelegenheiten  die 
Lebpiideu,  das  Volk  in  grossen  Massen  herbei- 
zuziehen.  Es  kam  im  Festschmuck  und  im  All- 
tagsgewand. zn  Wagen  und  zu  Pferd,  mit  seinen 
Heerden  und  seiner  Musik,  den  Zigeunern  mit  den 
oft  wilden,  oft  wehmflthig  klagenden  Melodien.  So 
war  es  in  Hätvan,  nnd  in  £rd,  Magyaräd  und  Bdny, 
und  Vämos  - Mikola  nicht  zu  vergessen.  Für  die 
archäologisch  geringe  Ausbeute  bei  GödöUo  ent- 
schädigte der  Anblick  des  Volkes,  der  endlose  Zug 
der  kleinen  Rauernwagett,  die  mit  schnellen  Pferden 
uns  landeinwärts  führten,  und  die  Männer,  Weiber 
und  Kinder,  welche  auf  dem  mit  Buschwerk  spär- 
lich bedeckten  Hügel  standen  und  freundlich  unsere 
Neugier  an  den  alten  Knochen  bewunderten.  Noch 
erinnere  ich  mich  von  dort  eines  Zigeunermädchens 
von  ca.  15  Jahren,  voll  bezaubernder  Schönheit. 
Die  Haut  glühte  in  jenem  Goldton,  der  uns  so 
oft  in  Italien  begegnet,  oder  auf  den  Tizian’schen 

*)  In  einer  der  leisten  Sitzungen  wurde  noch 
zwischen  den  Anwesenden  folgendes  wichtige  lieber- 
entkommen  getroffen:  Rin  umfangreicher  Tauschvarkchr 
mit  Zeitschriften,  rrnonscherben,  Oypsabgiissen,  Photo- 
graphien soll  die  weiteste  Verbreitung  finden.  Der  Vor- 
schlag ging,  wenn  ich  nicht  irre,  von  Hru.  Chantre, 
l’igoriui  und  Belucci  ans  und  fand  allgemeinen 
Anklang. 

8 


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26 


Bildern;  das  dunkle  grosse  Auge,  sinnend  auf  das 
Treiben  gerichtet»  stand  sie  ruhig  da  und  glich  trotz 
der  nackten  Küsse  mehr  eiuem  Fürstenkind  aus 
dem  Osten,  als  dem  eines  Zigeuners  aus  Valko. 
Ich  werde  Gelegenheit  haben,  noch  an  einer  an- 
deren Stelle  über  die  Menschen  Ungarns  vom 
anthropologischen  Gesichtspunkt  aus  einige  Mit- 
theilungen zu  machen.  Dass  die  Lebenden  nicht 
minder  das  Interesse  fesselten,  als  die  Todten,  lässt 
sich  erwarten;  Zweifler  brauche  ich  nur  zu  er- 
innern an  den  Czärdäs!  Dieser  Nationaltanz,  4ei* 
überall  getanzt  ward  und  manchen  Anthropologen 
und  die  begleitenden  Damen  in  seine  Wirbel  zog, 
ist  voll  charakteristischer  Ursprünglichkeit . schön 
und  leidenschaftslos  in  seinem  Beginn  und  be- 
rauschend, bacchantisch  in  seinem  Ende.  So  fand 
sich  reichste  Gelegenheit  zur  Beobachtung,  und 
das  Einst  und  Jetzt  boten  sich  oft  in  überraschen- 
den Gegensätzen. 

Vom  Untenfriedhof  in  Hä  t van,  einer  Sand- 
terrasse, sab  man  auf  ein  kleines  Volksfest  mit 
Pferderennen,  das  die  männliche  ungarische  Jugend 
zu  Ehren  der  Prfthistoriker  improvisirte ; innerhalb 
der  Avarcnringe  und  an  den  Kjökkenmöddinger  von 
Magyaräd  tönte  Musik,  und  man  redete  in  allen 
Zungen,  und  während  die  Wasser  der  Donau,  der 
alten  Völkerstrasse,  die  Wand  des  Dampfschiffes 
schmeichelnd  bespülten,  zogen  die  Fremden,  begrüsst 
von  den  Einheimischen , hinauf  zu  den  „centum 
colles“  bei  Erd,  oder  zum  Hypocaustum  einer  römi- 
schen Niederlassung  Namens  Potentiana.  Erhielten 
so  die  verschiedenen  Endpunkte  der  Excursionen  eine 
in  hohem  Grade  fesselnde  Staffage,  so  war  der 
Eindruck  der  vorgeschichtlichen  Stätten  geradezu 
bedeutend.  Das  Umcnfeld  in  Hätvan  ist  bezüg- 
lich seines  Keichthumes  an  Urnen  vielleicht  nur 
mit  dem  von  Zaborowo  zu  vergleichen  (Sitzungs- 
bericht der  Berliner  anthropol.  Ges.  Nov.  1871). 
Wie  dort,  so  war  auch  hier  ein  grosser  Kanin  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes  gefüllt  mit  Thon- 
geräthen  von  V*  Meters  Grösse  und  darüber,  von 
vortrefflicher  Form,  schöner  Profilimng,  durch 
kreuzende  Parallellinieu  und  damit  coinbinitleii 
tieferen  Punkteindrücken  verziert:  dabei  sehr  gut 
gebrannt.  Der  leichte  Sand,  der  den  Urnensatz 
bedeckte,  hatte  die  Geräthe  in  einem  sehr  guten 
Zustande  erhalten,  und  nachdem  an  f»  Stellen  gleich- 
zeitig hier  von  Mestorf.  dort  von  Evans,  an 
einer  anderen  Stelle  von  Yirchow  u.  s.  f.  nahezu 
mühelos  das  ganze  Grab  in  weitem  Umkreis  frei- 
gelegt war,  war  der  Anblick  doch  von  anderer 
Wirkung,  als  wenn  eine  halb  zerfallene  Urne  vor 
unserem  Auge  nach  langer  Anstrengung  endlich 


ungeschält  ist,  um  vollends  in  den  Staub  zu  sinken. 
Dazu  kamen  aus  diesen  Gräbern  sehr  vollendete 
Bronze-  und  Eisenger&the.  Ich  gestehe,  beim  Be- 
schauen dieser  schönen  und  reichen  Todtenbestattung 
überkam  mich  ein  Gefühl,  das  uns  auf  unseren  Fried- 
höfen oft  beschleicht,  wo  so  mancher  Mitstrebende 
schon  ruht.  Denn  so,  wie  in  Hätvan,  senken  nicht 
Barbaren  ihre  Todten  ins  Grab,  sondern  nur  Kultur- 
völker, die  schon  vom  Geiste  einer  Civilisation  be- 
rührt sind.  Dies  Grabfeld  ist  allerdings  nicht  sehr 
alt,  doch  stammt  es  immerhin  aus  einer  Zeit , die 
wir  gewohnt  sind,  als  noch  völlig  in  der  Wildheit 
versunken,  anzusehen.  Prof.  K lopfl eiseh  (Jena», 
dem  ich  einige  TJrnenscherben  vorgelegt,  äussert 
sich  dahin,  dass  die  Ornamentik  (sie  hat  Verwandt- 
schaft mit  dem  Burgwall- Ornament)  auf  eine  Zeit 
hinweist,  in  welcher  schon  eine  Berührung  mit  den 
Römern  stattgefunden  hatte. 

Aus  derselben  Zeit  stammen  wohl  auch  die 
Avarcnringe  bei  B6ny.  Die  Fahrt  dorthin  nahm 
2 Tage  nach  Schluss  des  Kongresses  in  Anspruch. 
An  der  Station  Szobb  der  Pest -Wiener  Bahn 
erwarteten  uns  20  Zwei-  und  Viergespanne,  und 
die  Fahrt  ging  mit  vortrefflichen  Pferden  (engl.- 
arab.  Kreuzung)  durch  das  gut  bevölkerte  Eipel- 
tlial  zunächst  nach  Vdmos-Mikola.  Nach  der  vier- 
stündigen Fahrt  trat  eine  willkommene  Unter- 
brechung ein,  welche  die  Familie  Hussdr  mit 
allem  Aufwand  vornehmer  Gastlichkeit  würzte,  bei 
der  Inhalt  und  Form  des  Gebotenen  weit  mehr 
an  die  exquisitesten  Stätten  menschlicher  Genüsse, 
als  an  ein  vom  Weltverkehr  entlegenes  Ihal  er- 
innerten. Die  Reise  ward  dann  nach  Magvaräd 
fortgesetzt,  dessen  prähistorische  Niederlassung  der 
Steinzeit  angehört,  und  primitivere  Gefässe.  Werk- 
zeuge aus  Hirschhorn.  Knochen  des  Rindes  (Priini- 
geniusrasse  . des  Bronzehundes  etc.  aufwies.  Hier 
fliesst  der  Szdntöer  Säuerling,  den  Hr.  Signi. 
Toldy  in  Tausende  von  Flaschen  füllt  und  ver- 
sendet. Für  die  Unterkunft  der  Gäste  während 
der  Nacht  war  in  dem  ländlichen  Badeort  und  im 
naliegelegeneu  Szdntö  reichlich  gesorgt , und  am 
folgenden  Tage  kam  die  Gesellschaft  im  Dorf  Beny 
an,  das  von  dem  dreifachen  Wall  der  Avaren  um- 
gürtet ist. 

Ob  die  Avaren  diese  Uiesendämme  aufgeworfen, 
ist  noch  keineswegs  entschieden,  man  nennt  sic  in 
Ungarn  so,  und  verlegt  ihre  Entstehung  gemeinhin 
in  die  Zeit  der  Völkerwanderung.  Man  darf  je- 
doch sicher  annehmen,  dass,  wenn  diese  Befestigung 
in  jener  stürmischen  Periode  entstand,  sie  jeden- 
falls von  dem  sesshaften  Volk  zum  Schutz  gegen 
die  Eindringlinge  errichtet  ward,  denn  das  ist  nicht 


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das  Work  einiger  Wochen,  sondern  das  von  Jahren. 
Der  äusserste  Halbring  (es  sind  drei  roncentrische 
Halbringe,  die  mit  den  offenen  Enden  an  das 
40  Meter  hohe  Ufer  der  Gran  stossen)  hat  eine 
Weite  von  12,190  Kuss,  also  den  Umfang  einer 
Wegstunde  und  ist  10  Meter  hoch  von  der  Sohle 
des  breiten  Grabens  ansgemessen.  Und  von  der- 
selben Höhe  sind  die  beiden  übrigen.  Es  ist  ein 
bedeutender  Flftchenranm . der  von  ihnen  um- 
schlossen wird ; die  Entfernung  zwischen  dem 
äussersten  und  mittleren  ist  so  gross,  dass  ein 
Heiterregiment  jede  beliebige  Schwenkung  auf  dem 
» weiten  Plane  auszufflhren  vermöchte.  Hr.  Eug. 
Hnzai.  der  Pachter  der  fürstl.  Palfy'schen  Herr- 
schaft zn  B6ny,  Hess  uns  mit  ausgesuchter  Zuvor- 
kommenheit nicht  allein  um  den  ftussersten  Wall 
fahren  und  gewährte  so  den  vollen  Anblick  dieser 
grossartigen  Wälle,  er  machte  es  der  zahlreichen 
Gesellschaft  auch  noch  möglich,  das  Kernender 
Ca  st  mm  zu  besuchen,  das  zwar  gänzlich  ver- 
schieden in  der  Anlage,  doch  nicht  minder  be- 
deutend und  merkwürdig  ist.  5 Kilometer  entfernt 
liegt  ein  Berg,  ein  Ansläufer  der  kleinen  Kar- 
pathen, der  schon  bei  dem  Verlassen  des  Dorfes 
B6ny  auffiel.  Die  Abendsonne  malte  seltsame  Ringe 
mit  starken  Schlagschatten  um  ihn,  aus  denen  ein 
steiler  abgestumpfter  Kegel  hervorragte.  In  der 
Nähe  erklärte  sich  die  Erscheinung.  Wo  der 
Hügelzug  gegen  das  Granthal  abstürzt,  war  ein 
Tlieil  durch  einen  tiefen  Einschnitt  getrennt  und 
durch  zwei  Wallgräben  zu  einer  Veste  umgewandelt 
worden,  die  von  drei  Seiten  völlig  frei  stand  und 
nur  nach  hinten  an  die  angrenzenden  Hügel  sich 
lehnte.  Die  Böschung  war  nach  dem  Kegel  zu 
immer  steiler  angelegt,  und  ging  schliesslich  in 
ein  Plateau  über,  auf  dem  ca.  500  Männer  zu 
stehen  vermögen.  Das  Ganze  ist  noch  vortrefflich 
erhalten  und  soll  unter  Marc.  Aurel  durch  die 
Quaden  errichtet  worden  sein,  worauf  nach  Hm. 
v.  Kereskenyi,  einem  der  freundlichen  ungari- 
schen Archäologen,  eine  Stelle  im  Tertulian  un- 
zweifelhaft hinweisen  soll. 

Unter  allgemeinen  „Kljen  Römer“  trennten 
sich  die  Theilnehiner  des  Ausfluges,  als  sie  spät 
Nachts  von  Gran-Näna  kommend,  mit  dem  Wiener 
Zug  wieder  in  Pest  cintrafeu:  denn  die  Excursionen 
waren  in  jeder  Beziehung  lehrreich,  und  überall 
waren  die  Fremden  der  Gegenstand  herzlichster 
Aufmerksamkeit.  So  gestaltete  sich  auch  dieser 
Theil  des  Congresses,  wie  früher  das  Leben  wäh- 
rend der  Sitzungstage  zu  einem  werthvollen  und 
hochinteressanten  Beitrag  für  die  Wissenschaft, 
reich  an  den  schönsten  Erinnerungen.  Und  so 


ist  es  eine  angenehme  Pflicht,  den  wärmsten  Dank 
zu  wiederholen,  der  schon  in  Pest  so  oft  beredten 
Ausdruck  fand  — den  wärmsten  Dank:  dem  Or- 
ganisationscomit^ , der  Stadt  und  dem  gastlichen 
Haus  des  Präsidenten! 


Sitzungsberichte  der  Localvereine. 

Sitzung  der  Hamburger  antliropolog. 

Gesellschaft  am  19.  Ortober. 

Herr  Dr.  J.  W.  Spenge)  stellte  zwei  auf 
einem  hiesigen  Kauffahrteischiffe  als  Matrosen  be- 
schäftigte Eingeborneii  der  Südsee  vor,  einen  Sa- 
moaner  und  einen  Savage- Insulaner.  ln  einigen 
einleitenden  Worten  schildert  der  Vortrageudc 
kurz  die  Verbreitung  der  verschiedenen  Völker 
der  Südsee  oder  Oceaniens,  die  sich  den  Bewohnern 
des  australischen  Festlandes  anschliessenden  Papuan 
oder  Melanesier  und  die  bei  Weitem  den  grössten 
Theil  Oceaniens  bewohnenden  Polynesier.  Zu  den 
letzteren  gehören  die  in  der  Versammlung  vorge- 
stellten Eingeborneii.  Es  sind  braune  Männer  mit 
blauschwarzera  fast  schlichtem  Haar , braunen 
Augen,  hohem  und  dabei  kräftigem  Körpergewächs. 
Ausführlich  schildert  der  Redner  dann  die  eigen- 
tümliche, in  ganz  Oceanien  verbreitete  Sitte  des 
Tättowirens,  welche  an  dem  kunstreich  tättowirten 
Samonner  erläutert  werden  konnte.  Die  ganzen 
Oberschenkel  sind  mit  einer  offeubar  einem 
Kleidungsstücke  nachgebildeten,  blänlicbschwarzen 
Zeichnung  bedeckt. 

Sodann  spricht  Dr.  Unna  jr.  über  die  Ver- 
wertung von  Haut  und  Haar  für  das  Studium  der 
Menschenrassen.  Redner  gibt  eine  Uebersiclit  über 
die  Fortschritte,  welche  letzthin  in  der  Kenntniss 
des  feineren  Baues  der  Oberhaut  und  des  Haares 
gemacht  worden  sind,  und  betont  besonders  die 
Umwälzung,  welche  in  Betreff  der  Lehre  vom  Haar- 
wechsel stattgefunden.  Seitdem  haben  die  Unter- 
suchungen über  Haut  und  Haar  fremder  pigmen- 
tirter  Russen  ein  neues  uns  hohes  Interesse  ge- 
wonnen. Für  die  Lehre  vom  Pigment  des  Haares 
weist  der  Vortragende  auf  die  pathologischen  Pig- 
mentirungen  hin  als  Hilfsobjecte  der  Untersuchung, 
auf  den  Farben  Wechsel  niederer  Wirbeltiere  und 
das  Variiren  der  Färbung  höherer  zum  Theil  der 
Züchtung  unterliegenden  Wirbeltiere.  Aber  nicht 
nur  für  die  Anatomie  des  Menschen  und  die  Eth- 
nologie würden  solche  Untersuchungen  eine  werth- 
volle Ausbeute  ergeben , Mindern  auch  für  den 
Stammbaum  und  die  Urgeschichte  der  Menschheit. 
In  dieser  Beziehung  hebt  der  Redner  ganz  beson- 

2* 


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ders  hervor,  dass  wir  in  der  Pigment  losigkeit  der 
Embryonen  und  der  alhnähligrn  Pigmeiitining  der 
Xeugebornen  farbiger  Hassen  einerseits  und  «ler 
gesetzmässige»  Haarrichtung  der  Kmbryoueu  und 
Erwachsenen  andrerseits  zwei  wichtige  und  leicht 
zu  untersuchende  „Ahnenstücke1*  besitzen,  welche 
über  den  Zusammenhang  der  Rassen  Aufschluss  zu 
geben  versprechen.  Er  schliesst  mit  der  Auffor- 
derung an  alle  Freunde  der  Anthropologie . Ma- 
terial an  (in  Alkohol)  conservirtcr  Haut  und  Haaren 
(mit  Haarboden),  ganz  besonders  aber  von  Embryo- 
nen und  Xeugebornen  farbiger  Kassen  nach  ihren 
Kräften  der  Wissenschaft  zugänglich  zu  machen. 

Dr.  med.  R.  Krause  erstattet  zum  Schluss 
Bericht  über  die  Aufdeckung  mehrerer  Hügel-  und 
zweier  SteingrAber  im  Klecker  Forst,  einem  aus- 
gedehnten Waldplateau  zwischen  Buchholz  und 
Lüneburg.  Der  grösste  Theil  dieser  Gräber  war 
mit  ca.  30  Jahre  alten  Föhren  bewachsen,  welche 
erst  gefällt  werden  mussten.  Die  Aschenurnen  be- 
fanden sich  meist  *2  Fuss  unter  der  Oberfläche, 
waren  zum  Theil  durch  das  Umgraben  des  Bodens 
beim  Bepflanzen  des  Terrains  zerstört.  Von  grossem 
Interesse  ist  besonders  eine  leider  auch  uicht  ganz 
vollständige  Urne  mit  erhabener  Verzierung,  wie 
sie  Redner  noch  niemals  gesehen  und  die  bis  jetzt 
ein  Unieum  zu  sein  scheint.  In  derselbe»  wurden 
eine  grosse  Menge  calcinirter  menschlicher  Knochen- 
reste  vom  Leichenbrande  her  gefunden.  Ausser- 
dem wurde  sonst  nur  noch  eine  bronzene  grosse 
Haarnadel  erbeutet.  Der  eine  Hügel  erwies  sich 
nicht  als  Grab,  sondern  scheint  nur  eine  Lager- 
stelle gewesen  zu  sein;  denn  ziemlich  tief  unter 
der  Erde  fand  sich  in  einer  harten  Lehmschicht 
eine  dicke  und  ausgebreitete  Lage  von  Asche  und 
Holzkohlen . in  deren  Begleitung  ein  Streitheil  aus 
Granit  aasgegraben  wurde. 


Ausgrabungen  im  Lüneburgischen.*) 

Unter  den  heidnischen  Denkmälern  treten  gegen- 
wärtig besonders  die  Steingrfther  in  den  Vorder- 
grund, da  die  Discussion  auf  dem  archäologischen 
Gebiete  an  die  Einrichtung  und  den  Inhalt  gerade 
dieser  Gattung  von  Denkmälern  culturhistorische 
Fragen  von  einschneidender  Bedeutung  knüpft.  Die 
berühmten  Karlssteine  im  Hon  bei  Osnabrück,  das 
nicht  minder  grossartige  Bölzeiibett  in  der  Nähe 

*)  Hannoverscher  Courier  1876  No.  8204.  Abend- 
ausgabe. Wir  danken  für  die  freundliche  Sendung. 

D.  B. 


von  Lehe  und  die  sogen,  sieben  Steinhäuser  hei 
Fallingbostel  sind  allbekannte  Beispiele  derselben. 
In  ihrer  Anlage  zeigen  sie  Verschiedenheiten,  be- 
haupten aber  im  Ganzen  einen  gemeinsamen  Uhn- 
rakter,  sic  sind  Bauwerke  desselben  Volkes,  welches 
auch  die  zahlreicheren  Hügelgräber  aufTührte.  Die 
Todten  wurden  verbrannt  und  ihre  Reste  dann  in 
einer  Urne  im  Denkmale  beigesetzt . das  ist  die 
vorherrschende  Restattungsform ; aber  es  finden 
sich  auch  ungebrannte  Gebeine  in  diesen  Stein- 
gräber»,  Skelete  iu  hockender  oder  sitzender  Stellung, 
oder  es  sind  die  Knochen  jedes  Skeletes  zu  mehr 
oder  weniger  regelmässigen  Haufen  zusammen- 
gelegt,  oder  auch:  die  Gebeine  mehrerer  Todten 
wurden  in  der  Stcinkaminer  ohne  alle  Ordnung 
durcheinander  untergebracht.  Wie  frühere  und 
neuerdings  die  wichtigen  Untersuchungen  von  Dr. 
Hostmann  (in  den  letzten  Heften  des  Archivs 
für  Anthropologie)  dargethan  haben,  fand  auch  in 
den  letzteren  Fällen  der  Leichenhraud  insofern 
statt,  als  von  den  Gebeinen  das  Fleisch  gelöst  und 
dem  Feuer  übergeben  ward;  die  religiösen  An- 
schauungen. welche  die  Bestattung  regelten,  kamen 
also  auch  hier  zur  Anwendung,  und  es  gellt  daher 
durch  alle  Variationen  dasselbe  Grundprincip,  das 
wohl  in  der  Uulturcntwickelung  des  Volkes  ver- 
ändert, aber  ohne  völlige  Aufgabe  des  maassgehen- 
den  religiösen  Standpunktes  nicht  verlassen  werden 
konnte.  Dieselben  Thatsachen  sind  in  den  eben 
so  alten  Hügelgräbern  und  in  den  grossen  Fried- 
höfen der  Alemannen,  Franken  und  Sachsen  be- 
obachtet. Auch  hier  lä«st  sich  die  Uontinuität  der 
Entwickelung  unanfechtbar  constatire».  Es  ist  nicht 
unsere  Absicht,  das  Thema  an  dieser  Stelle 
weiter  zu  verfolgen,  wir  fügen  nur  noch  hinzu, 
dass  die  Steingräber  keineswegs  hlos  der  aller- 
ältesten Zeit  angehören,  sondern  nach  Maassgabe 
ganz  sicherer  Funde  mindestens  bis  ins  4.  Jahr- 
hundert ii.  Uhr.  Geburt  errichtet,  resp.  nach 
altem  Brauch  und  Herkommen  fortgesetzt  benutzt 
wurden. 

Die  Untersuchungen  über  die  Steindenkmäler 
werden  gegenwärtig  wieder  schärfer  augefasst.  In 
unserem  Lande  sind  dieselben  freilich  vielfach 
durchwühlt , zum  Theil  schon  vor  Jahrhunderten, 
zum  Theil  in  jüngerer  und  jüngster  Zeit,  sie  sind 
zum  grössten  Theil  sogar  den  materiellen  Bedürf- 
nissen geopfert,  indessen  genügend  sorgfältige  Be- 
obachtungen älter  ihre  Beschaffenheit  und  ihren 
Inhalt  sind  bei  uns  seither  nicht  veröffentlicht.  In 
ihrer  äusseren  Form  bis  auf  seltene  Ausnahmen 
mehr  oder  weniger  angegriffen  und  im  Innern  ganz 
oder  tbeilweise  bereits  ausgeplündert,  erscheinen 


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29 


die  noch  vorhandenen  meistens  nur  als  Ruinen, 
deren  Untersuchung  jetzt  nur  noch  sehr  pro- 
blematische Resultate  in  Aussicht  stellt,  hie  erste 
Schwierigkeit  liegt  also  zunächst  darin,  überhaupt 
noch  unberührte  Stcindcnkiniiler  in  unserer  Provinz 
aofzufinden. 

Mit  Genehmigung  des  Um.  Oberprftsidenten 
und  der  kgl.  Finanzdivection.  Ahthcilnng  für  Forsten, 
wurde  jüngst  zu  einem  Versuche  eines  von  den  lunf 
Hfinenbetton  im  Rarscamper  Walde  (Schutzbezirk 
Schieringen)  in  der  Gegend  von  Itleckede,  aus- 
ersehen. und  der  ständische  Verwaltungsaussehuss 
bewilligte  für  die  Ausgrabung  durch  das  Landes- 
directorium  . welches  derartigen  Fntersuchungen 
stets  eine  wohlwollende  Theilnahtne  widmet,  in 
liberaler  Weise  die  nöthigen  Mittel. 

Eine  vorläufige  He«ichtiguug  der  bezoichnetcn 
fünf  Denkmäler  ergab,  dass  kein  einziges  derselben 
uoch  vollkommen  intact  war,  indessen  trug  doch 
eins  die  Anzeichen  an  sich,  dass  das  Innere  der 
Grahkamnier  noch  keine  hiirehwühlung  erlitten 
batte.  Dieses  beschlossen  Studieurath  M ü*l  I e r aus 
Hannover  und  Ür.  Hostmann  aus  Celle,  welche 
die  Ausgrabung  leiteten,  anzugreifen.  Zuvörderst 
wurde  es  von  dem  bedeckenden  Baum-  und  Strauch- 
werk gesäubert  und  zeigte  hierauf  folgende  Be- 
schaffenheit: Es  bestand  aus  einem  10  M.  langen 
und  1 1 M.  breiten,  mit  4H  gewaltigen  GranitblÖckeu 
eingefassten  Krdaufwurfe;  im  westlichen  Theile  be- 
fand sich  die  Kammer.  Von  ihren  ursprünglich 
sechs  Decksteinen  waren  zwei  bereits  abhanden 
gekommen ; einer  lag  uoch  regelrecht  auf  seiuen 
Trägern,  zwei  andere  zwischen  denselben  und  einer 
war  bereits  zur  Seite  gewälzt,  um  gesprengt  zu 
werden.  Es  ist  nicht  uninteressant,  dass  dieser 
Angriff  auf  das  Denkmal  sehr  wahrscheinlich  schon 
vor  mindestens  2.'Z)  Jahren  stattfand,  wie  der  an- 
wesende Forstmeister  Duckstein  aus  folgendem 
Fmstande  nachgewiesen  hat:  Von  einem  umge- 
stürzten Umfcisiingssteine  ist  nämlich  ein  Tlieil  be- 
reits nbge  sprengt  und  zwischen  den  beiden  Stücken 
steht  der  Stumpf  einer  abgehauenen  Huche,  die 
unzweifelhaft  erst  nach  der  Sprengung  in  dem 
Zwischenräume,  den  sie  vollständig  ansfüllt,  empor- 
ge wachsen  ist.  Aus  der  Stärke  des  Raumes,  mit 
Hinzurechnung  der  Zeit,  vor  welcher  er  nach- 
weislich gefällt  worden  ist.  berechnet  sich  der  oben 
angegebene  Zeitpunkt,  vor  dem  der  Versuch  einer 
Devastiruug  des  Denkmals  >tatt gefunden  haben 
muss.  Auch  einige  andere  Steine  bezeugen  durch 
eingehauenc  Rillen  den  alten  Zerstörungsplan,  der 
aus  unbekauuteu  Gründen  wieder  aufgegeben  wor- 
den ist. 


Die  erste  Aufgabe  der  Untersuchung  bestand 
nun  darin,  die  Decksteine  so  weit  zu  beseitigen, 
dass  man  au  das  Innere  der  Kammer  gelangen 
konnte,  ein  mühsames  Stück  Arbeit,  obwohl  es 
sich  nur  um  zwei,  nicht  einmal  übermässig  grosse 
Steine  handelte,  wovon  der  stärkere  nach  der  Be- 
rechnung Dr.  Hoslmaun's  ca.  140  Ctr.  und  der 
kleinere  etwas  weniger  wog.  Aber  sie  waren  zum 
Theil  versunken  und  ihnen  beizukommen  machte 
viel  Arbeit.  Ein  tüchtiger  Krahu,  mächtige  Hebe- 
bäume  und  eine  Auzahl  kräftiger  Hände  unter 
kundiger  Leitung  schafften  den  kleineren  Block 
bald  auf  ilie  Seite,  indessen  den  grösseren  aus 
seinem  Lager  zu  heben,  zumal  er  sich  festgeklemmt 
hatte,  nahm  fast  einen  ganzen  Arbeitstag  in  An- 
spruch. Die  Sache  ward  mitunter  bedenklich  und 
es  passirte  wohl,  dass  ein  plötzliches  NachruUchen 
der  Ketten,  womit  der  Kralin  den  störrigen  Granit- 
stein  vorwärts  zerrte,  die  Umstehenden  zu  einem 
weniger  graziösen  als  behenden  Seitensprnng  ver- 
anlasste.  Doch  auch  dieses  Hindernis*  wurde  be- 
wältigt und  die  Kammer  lag  endlich  für  die  weitere 
Untersuchung  frei.  Dieselbe  befand  sieb  fast  völlig 
in  der  Erde  und  war  auch  im  Innern  fast  bis  zum 
Rande  der  Steinwände  mit  Erde  — sandigein  Lehm 
— angefüllt.  Beim  Ausleeren  kamen  darin  ziem- 
lich viele  Geröllsteine  zum  Vorschein,  dann  ver- 
einzelte Umenstücke  von  grober  und  schlechtge- 
brannter Masse,  geglühte  Feuersteine  und  neben 
einem  etwas  grösseren  Geröllsteine  ein  Ascheulager 
mit  Kohlenstückchen.  Der  Spaten  griff  tiefer,  es 
zeigten  sich  wieder  zwei  Aschenstellen,  auf  der 
einen  mit  einer  Steinuntertage  eine  zerbrochene 
Urne  von  derselben  schlechten  Beschaffen  beit  wie 
die  vorigen  Fragmente,  und  ein  anderes  Gefäss 
von  der  denkbar  rohesten  Arbeit  von  Kohlen  um- 
geben und  mit  Lehm  gefüllt.  Fast  auf  dem  Roden 
der  Kammer  erschienen  im  östlichen  Theile  Bruch- 
stücke von  einem  jener  schönen,  mit  dem  sogen. 
Schnurornament  deeorirten  Oefftsse,  wie  sie  das 
hannoversche  Provinzialmuseum  aus  den  Stein- 
gräbern  im  Osnabrückschen  besitzt,  und  im  west- 
lichen Theile  ein  kleines,  glänzend  schwarzes  Ge- 
fäss von  sehr  feinem  Thon,  das  aber  leider  schon 
zerfallen  war,  sich  indessen  wieder  zusammensetzen 
lässt.  Hier  erstreckte  sich  auch  ein  bedeutender 
Rraudplatz.  mit  dümige*]»altencn  Granitstücken  ein- 
gefasst und  mit  einer  Menge,  in  starkem  Feuer 
zerbröckelter  rot  her  Feuersteine  bedeckt,  der  bi* 
auf  das  festgefügte  Steinpflaster  der  Kammer  reichte. 
Damit  war  der  Inhalt  der  Kammer  erschöpft:  'bei 
der  sorgfältigsten  Untersuchung  hatten  «ich  nirgends 
die  geringsten  Spuren  von  einer  Leiche,  weder  gc- 


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30 


brannte  noch  ungebrannte  Skeletreste  finden  lassen 
— leer  «Ahnte  der  mächtige  Behälter  jetzt  in  das 
Tageslicht.  Diese  Thatsaclie,  dass  hier  keine  Reste 
eines  Todten  zum  Vorschein  gekommen  sind,  ist 
eigentümlich.  Es  ist  immerhin  möglich,  das«  schon 
vor  längerer  Zeit  eine  t'roe  mit  gebrannten  Knochen 
ans  dem  Denkmale  genommen  ist,  zumal  wenn  sie 
ziemlich  nahe  der  Oberfläche  stand;  ein  unver- 
branntes Skelet  würde  dagegen  wohl  noch  ver- 
einzelte Knoclieiitheilchen  zurückgelassen  haben. 

Das  Denkmal  wird  in  seinem  jetzigen  Bestände, 
welcher  die  Einrichtung  der  Kammer  vollständig 
tlhersehen  lässt,  ohne  Zweifel  erhalten  werden.  Die 
letztere  hat  im  Eichten  7,50 M.  Länge.  2,30  M.  Breite 
und  bi«  aut  die  Pflasterung  1*50  M.  Tiefe.  Da*»  lang- 
gestreckte Hünenhaft,  eingefasst  von  der  gross- 
artigen  Umzäunung  der  Pfeilersteine,  liegt  malerisch 
im  jungen  Tannengrün,  in  der  Nachbarschaft  eines 
gewaltigen  Erddenkmals,  des  sogen.  Opferberges, 
und  vier  anderer  Hflnenbetten,  welche  ebenfalls 
von  imponirenden  Verhältnissen  sind. 

Verschiedene  Streifereien  in  der  Umgegend, 
die  auch  zu  dem  durch  Dr.  Hostmann  berühmt 
gewordenen  Urnenfriedhofe  von  Darzau  führten, 
verschallten  nur  die  Bekanntschaft  mit  bereits  ge- 
leerten Nestern.  Kür  die  Expedition  musste  daher 
der  Schauplatz  der  Thaten  an  einen  anderen  Ort 
verlegt  werden.  Dieser  fand  sich  nordwestlich  von 
Dahlenburg  hei  dem  Dorfe  Wennekath.  Schon 
früher  hatte  man  hier  auf  dem.  jetzt  zum  Theil  in 
Uultur  genommenen,  übrigens  mit  Fichten  bestan- 
denen Hanl  rücken  am  linken  Ufer  des  munteren 
Mausebaches  in  einem  Hügel  eine  grosse  Stein- 
kammer und  in  derselben  verschiedene  Steingcräthe 
sowie  Knochen  entdeckt  — Grund  genug  zu  der 
Hoffnung,  dass  auch  die  Untersuchung  der  hier 
jetzt  noch  vorhandenen  Denkmäler  nicht  ohne  allen 
Erfolg  sein  werde.  Es  bestehen  diese  aus  sieben 
Grabhügeln  und  einem  Hünenbett;  ein  zweites 
Hünenbett,  sowie  eine  Anzahl  Hügelgräber  sind 
hier  bereits  zerstört. 

Ein  Kreuzschnitt  in  der  Form  breiter  Gräben 
durch  einen  der  grössten  Hügel  (von  ca.  90  Schritt 
Umfang  und  2*/i  M.  Höhe)  ergab  im  Innern  des- 
selben eine  Masse  Geröllsteine  und  zwischen  den- 
selben zerstreut  die  spärlichen  Reste  von  gebrannten 
Skelettlieilen  — eine  Form  der  Bestattung,  die  in 
den  Gräbern  dieser  Gegend  sehr  gewöhnlich  und 
nur  selten  von  kleinen  Geräthen  von  Bronze  be- 
gleitet ist.  Ein  zweiter  Hügel  lieferte  genau  das- 
selbe Resnltat,  ebenso  ein  dritter  — ein  zu  geringes 
Aequivalent  für  die  grosse  angewendete  Mühe. 


Da  ferner  die  Sondirung  auch  bei  den  übrigen 
noch  intarten  Hügeln  eine  solche  Beschaffenheit 
des  Innern  indicirfe,  so  Hess  man  diese  liegen  und 
wandte  sich  zu  dem  Hünenbett,  das  einen  besseren 
Lohn  der  Arbeit  versprach. 

Dies  Denkmal  hatte  eine  Länge  von  fast  M. 
und  eine  Breite  von  t»  M.,  war  den  Barscampern  in 
der  Form  ähnlich  (nur  dass  die  Kammer  in  der 
Mitte  lag),  zeigte  aber  durch  das  Fehlen  mancher 
Umfassungssteine,  sowie  durch  die  nur  noch  in 
Resten  vorhandenen  Decksteine , dass  es  bereits 
eine  Beeinträchtigung  erlitten  hatte.  Doch  war 
das  Innere  der  Kammer,  worauf  cs  hauptsächlich 
oder  in  diesem  Falle  allein  ankam,  noch  völlig  un- 
berührt. Sie  maass  nach  der  Ausräumung  im 
Eichten  4,80  M.  in  der  I*änge.  1.92  M.  in  der 
Breite  und  1,30  M.  in  der  Tiefe;  der  Boden  be- 
stand aus  fest  geschlagenem  Lehnt  — - und  dieser 
verhältnissmässig  beträchtliche  Raum  umschloss  nur 
eine  einzige  Urne,  mit  Henkel  25  Ctm.  hoch,  und 
in  der  starken  Ausbauchung  von  27  Utm.  Durch- 
messer, die  ein  zierliches  Beigeföss,  wie  der  obere 
Theil  der  Urne  mit  Sand  gefüllt,  und  darunter  ge- 
brannte Menschenknochen  enthielt.  Ausserdem 
fand  sich  nichts,  weder  in  dem  Geftis . noch  in 
der  bis  zum  Rande  mit  Erde  ausgefüllten  Kammer. 

Der  Zweck  der  Untersuchung  war  indessen 
erreicht:  die  Leiche  war  verbrannt  und  ihre 
Reste  in  der  Urne  heigesetzt. 

Schliesslich  fanden  noch  einige  Ausgrabungen 
in  der  Nähe  von  Thomasburg  und  Sttttof  statt ; es 
wurden  noch  etwa  ein  Dutzend  Grabhügel  geöffnet, 
welche  theils  die  Ausstreuung  der  gebrannten  Skelet- 
reste zwischen  zahlreiche  Geröllsteine  (wie  oben 
hei  Wennekath)  auswiesen,  oder  an  der  Spitze  je 
eine  Urne  mit  gebrannten  Knochen  und  einigen 
oxydirteu  Eisensachen  enthielten.  Hügelgräber  mit 
reicheren  Beigaben  scheinen  dieser  Gegeud  fremd 
zu  sein.  M. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Archäologische*  vom  Rhein. 

1.  Gräber  in  Freinsheim. 

Auf  dem  Terrain  zwischen  Dürkheiiu  und  Worms, 
das  jeden  Tag  Beste  der  Vorzeit  an  den  Tag  bringt, 
seien  es  Münzen  oder  Steinkeile,  F.r /.schmuck  oder 
Kiseuwaffoii , entdeckte  diesen  Summer  ein  Landmaim 
beim  Boden  eines  Weinberges  ein  Grab,  das  ohne 
Zweifel  der  fränkisch  - alemannischeu  Periode  ange- 
horig  merkwürdig  ist  durch  die  Art  der  Bestattung  nnd 
die  Beigaben. 


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31 


Westlich  von  Freinsheim  auf  das  Hardtgebirge  zu 
__  fand  er  auf  der  Gewanne  „Zollstock“  I Meter  iui  Boden 
einen  wohlerhaltenen  Leichnam . dessen  Gesicht  genau 
nach  Osten  schaute.  Der  Schädel,  gut  erhalten,  tragt 
stark  dolichocephalen  Charakter;  eine  Messung  ergab  als 
LÄngenbreitenindex  70.  Zur  Seite  lagen  dem  Skelet: 

a)  Ein  eisernes  Messer,  einschneidig,  Lange  40  Ctm. 
ohne  Griffknopf,  ein  sogenannter  Seraiuasax  mit  starkem 
Rucken  (1  Ctm.  breit).  Kr  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit 
dem  bei  Linde  tisch  mit  Alterth.  u.  h.  V.  I.  B.  II. 
II.  T.  6.  N.  9 abgehildeten  Messer. 

b)  Ein  eiserner  Speer  von  75  Ctm.  Lange,  desseu 
Spitze  allein  eine  Lange  von  22  Ctm.  besitzt.  Die  Form 
ist  identisch  mit  der  Speerspitze  von  Nackeuheim.  ab- 
gebildet bei  Li ndensc hm it  a.  0.  I.  B.  1.  II.  T.  6.  N.  4. 

c)  Eine  eiserne  Scheibe  von  8 Ctm.  Durchmesser, 
1 Ctm.  Dicke. 

d)  Zwei  eiserne  Pfeilspitzen  von  12  Ctm.  Länge. 

e)  Fragmente  eines  Halsschmuckes,  die  aus  grünen 
Thonperlen , durchbohrten  Stückchen  von  Achat  und 
Feldspath,  sowie  einem  Bronzeringlein  (1  Ctm.  Durch- 
meiner)  bestehen. 

f)  Bruchstücke  einer  Urne,  deren  Beste  aus  nicht 
verzierten,  regelmässig  gestalteten , dickeu  und  nicht 
mit  Graphit  geschwärzten  Scherben  bestehen.  Das 
Gelass  hatte  eine  ziemliche  Ausbeugung  im  untern 
Theile. 

Von  SteiuKctxung  fand  sich  nichts;  dicht  daneben 
grub  inan  vorher  einen  »teiuerneu  Sarg  aus,  den  der 
Ackersmauii  wieder  eingrub  ohne  ihn  zu  öffnen.  Die 
Gegenstände  befinden  sich  im  DUrkheimer  Altertliums- 
vereiii. 

Der  ganze  Habitus  des  Schädels,  der  Thonperlen, 
des  Bronzeriugleins  u.  s.  w.  erinnert  an  die  Reste  der 
Weiaaenheimer  Gräber.  Man  wird  sie  iu  eine  Periode 
setzen  müssen  (Uber  letztere  vgl.  Beilage  z.  Allgem. 
Zeit.  189«.  N.  188). 

2.  Reibplatte  vom  Feuerberg  bei  Dürkheim. 

Hat  Verfasser  dieses  in  seiueu  „Studien“  2.  Ahth. 
die  Yennuthuug  ausgesprochen,  ein  keulenartiges  Werk- 
zeug (vgl.  a.  O.  IV.  T.  Fig.  h)  umge  zum  Plätten  des 
Töpfert hons  gedient  haben,  so  möchte  eine  Platte,  die 
sich  auf  den  Thoiiiimfisen  am  Fenerherge  fand,  diese 
Vennutliung  bestätigen.  Diese  Platte  aus  Porphir  be- 
sitzt oiue  Länge  von  88  und  eine  von  4t5 — 26  Ctm. 
absteigende  Breite.  Sie  ist  sichtbar  bearbeitet,  aussen 
auf  der  Ilauhseite  convex , innen  auf  der  glatten  Seite 
schwach  roucav  (Höhe  der  Wölbung  ca.  3 Ctm.).  Wie 
Abiiutzuiigs&pureu  beweisen,  mag  auf  ihr  der  Thou  mit 
eckiger  Keule  geplättet  und  gereinigt  worden  seiu.  Daun 
brannte  man  die  fertigen  Goftase  in  nahebei  gefundenen 
Gelen.  Die  Töpferfabrik  der  Vorzeit  iui  lsoiiachtliaio 
wäre  vorgeftiiideu;  vielleicht  deckt  man  noch  die  Brouze- 
giesserei  auf. 

Dürkheim,  October  1 876. 

Dr.  C.  Mohlis. 


Im  October  1876  wurden  drei  Hügelgräber  in  der 
Grafschaft  Hohnstein,  nördlich  vom  Dorfe  Urbach, 
am  Südabhange  de*  Harzes  aufgegraben.  Die  Hügel 
hatten  ca-  IV*  Meter  Höhe  und  20 — >80  Meter  Abstand 
von  einander.  Eine  benachbarte  Flur  trägt  den  Namen: 
die  Heidengärten.  In  jedem  Grabe  fand  sich  eine  Urne 
aus  grobem  schwarzen  Thon,  ohne  Verzierungen,  mit 
ausgeschweiftem  Rande.  Die  Urne  des  mittleren  Hügels 
war  die  grösste,  von  ca.  */*  Meter  Durchmesser,  und  wie 
die  übrigen  mit  sandigem  Lehm,  Fragmenten  mensch- 
licher Röhrenknochen  (Femur  etc.)  und  Kohle  gefüllt. 
Die  Hügel  lagen  in  einer  von  Norden  nach  Sudeu  sich 
erstreckenden  Reihe  und  im  Rande  des  südlichen  Hügels 
tand  sich  ferner  «iu  Brouzemesser,  dessen  Klinge  10  Ctm. 
lang  und  12  Mm.  breit  ist.  mit  zugespitzten  Stiel  von 
Bronze.  Die  Gräber  sind  der  Zeit  nach  wohl  in  das 
1.  bis  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  zu  setzen 

Prof.  W.  Krause,  Güttingen. 


Die  Schwertatäbe  des  Bronzealters. 

Ausaer  den  18  Funden  von  Schwertatäben , die 
Rr.  Prof.  Liudeuachmit  in  den  „Alterthüraern  uiiaorcr 
heidnischen  Vorzeit“  111,  6 Tafel  1,  1-6  und  ‘I  be- 
schreibt. kenut  man  noch  wenigstens  7 Stück  Einen 
Schwertstab,  bei  Grimmen  gefunden,  besitzt  das  Vor- 
pomraersche  Provinzial -Museum  in  Stralsund ; ein  zweiter 
tindeteich  in  der  ethnographischen  Sammlung  in  Göttingeu. 
Iu  den  Jahrbüchern  des  Mecklenburgischen  Verein»  sind, 
nasser  den  von  Lind ensch mit  angeführten  Funden, 
noch  drei  Schwertstübe  erwähnt,  bei  Pustohl,  Glasin  und 
Haundorf  gefunden  iMecklenb.  Jabrb.  26,  188  ^ 20,  151). 
Ferner  k^nut  man  ein  Exemplar  aus  Lilhnuen , dem 
Kreise  Kowuo,  das  von  Tyszkiewic*  in  Badania  aroheo- 
logiczne,  Wilno  1850,  abgebildet  iat.  Endlich  wird  eiu 
Schwertetab  in  der  prähistorischen  Abtheilung  de»  eth- 
nologischen Museums  in  Kopenhagen  aufbewahrt.  Dies 
Stück,  im  Jahre  1801»  aus  Mecklenburg  nach  Dänemark 
gekommen  (.in  Friderico  Francisceum  8.  116  i»t  Hol- 
stein unrichtig  als  die  Fundstelle  angegobeu),  ist  wahr- 
scheinlich einer  der  drei  bei  Blengow  im  Jahre  1808 
gefundenen  Schwertstäbe.  — Je  grösser  die  Anzahl 
dieser  Waffen,  je  geringer  wird  die  Möglichkeit,  sie  als 
Symbole  zu  erklären. 

Kopenhagen,  Januar  1877. 

So p hu«  Müller, 


Bildung  einer  american  anthropological 
asaoeiation. 

Gelegentlich  der  Weltausstellung  versammelten  sich 
am  4.  September  v.  J.  in  Philadelphia  eiue  Anzahl 
von  Pflegern  und  Freunden  der  Anthropologie  uud  con- 
stituirten  sich  als  Gesellschaft  unter  obgenanntera 
Namen.  Die  Aufgabe  derselben  ist  eiue  umfassende 


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32 


Kenntnis«  der  Eingeborenen  Nord-  und  Südamerika*! 
und  der  zugehörigen  Inseln,  ihres  physischen  Charakters, 
ihrer  Sitten,  Sprache,  Geschichte,  ihrer  AlterthÜmer  etc., 
sowie  der  Wandlungen,  die  sie  durch  den  Contakt  mit 
der  europäischen  Civilisatinn  erlitten  haben.  Als  Prä- 
sident der  Gesellschaft  wnrde  Hr.  Ch.  C.  Jones  in 
New-York  erwählt,  unter  den  Vicepräsidenten  finden 
wir  u.  A.  unsern  Hm.  Ch.  Rau,  sowie  Hm.  Spencer 
Haird.  Die  Gesellschaft  wird  Denkschriften  heraus- 
geben  und  ladet  die  Forscher  und  Gesellschaften  anderer 
Länder  nur  Unterstützung  ihrer  Bestrebungen  ein.  — 


Wir  begritaaen  mit  Freuden  die  Bildung  dieser  Schwester 
Gesellschaft  und  wünschen  ihr  Wachsthum  and  Ge- 
deihen. Wir  haben  s.  2.  mit  Bedauern  bemerkt , dass 
das  anthropological  Institute  of  New-York 
seine  l'ublicationen  eingestellt  hat.  Uns  ist  wenigstens 
nur  eine  Nummer  des  „ Journal  of  tho  anthropological 
Institute  of  New-York  vol.  I New-York  Westemar  & 
Co.  1871  — 1872"  zugegangen.  Wir  hoffen,  dass  die 
neue  Gesellschaft  die  Erbschaft  dieses  Instituts  über- 
nommen habe. 

A.  Ecker. 


Bei  der  Redaction  eingelanfen  bis  zum  20.  Februar  1877: 

HrUnci  Gin*. : L'etü  della  pietra  in  Tunisia.  Koma  1876  (Giua.  Civelli  Foro  Trujauo  No.  37).  Mil  einer  Karte  des 
Golfes,  der  Umgebung  von  Gabes  und  2 Tafeln  Abbildaugen  von  Steingerntltmi.  8°  (43). 

Dirftnbach  Lor.  Dr. . Die  Volksstämme  der  europäischen  Türkei.  Frankfurt  a/M.  Verlag  von  Winter,  1877.  Sft- 
(VIII,  116.) 

Erker  A:  Zur  Statistik  der  Körpergrösse  im  Grosaberzogthum  Baden.  Archiv  für  Anthropologie,  Ethnologie  und 
Urgeschichte.  1877. 

Haydrn  V.  F. : Sixt  nnmial  Report  of  the  U.  8.  Geol.  Survey.  Washington  1873. 

Derselbe:  Annunl  Report  of  the  U.  8.  Geol.  a.  Geograph.  Survey.  Washington  1876. 

Lixmuer  Dr. : Drei  ßurgwalle  bei  Deutsch  • Eylau.  Mit  1 Tafel.  Schriften  der  naturf.  Ges.  iu  Danzig.  Bd.  IV. 
Heft  1. 

MUthedungen  der  anikropologiHcken  Gesethehafl  in  Wich.  Bd.  VI.  No.  10. 

MayiM  E.:  Lettres  de  Hougrie  ecrites  ä l’occaaion  du  Cougres  d Autbr.  et  d'Archeol.  preh.  1876  k Pest.  Paris 
Libraire  des  Bibliophiles.  8°.  (37  8.) 

bthri/tij  A.  Dr. : Beiträge  zur  Kenutniss  der  Diluvialfauna.  (Fortsetzung  mit  Tal.  II.)  Zeitscbr.  f.  d.  ges.  Natur- 
wissenschaft. Ild.  XI. VIII.  1876- 

Puforini  Lnigi ; Oggeti  preist  orici  dei  Liguri  vcleiati.  Parma.  Tipugraphia  Kossi • Ubaldi  1871  4°.  Mit  1 Taf.  (7  iS.) 
Drreefhe:  Materianx  ponr  1*  Ins  toi  re  de  la  paleoethnologie  italieune.  Parma.  Ferrari  et  tiU. 

Armi  ed  utensili  degli.  Austraiiani  EstraUu  dal  Hollettiuo  della  Societa  Geografien  italiaua  Fase.  ij. 

— Ksposizione  preistorica  di  Veroua.  Estratto  dal  Dulletino  di  Palctuologia  Italiaua.  11.  Jahrgang  1876. 
No.  8,  9,  10;  13  • 1 1. 

Stutd/irrffer  F. : Die  prähistorischen  Uebcrrestc  iin  mittleren  Mainthale.  Jahrbücher  des  Verein»  von  Allerlhuius- 
Freunden  iru  Rhein  laude.  Heft  LIX.  Bonn  1876. 

.‘vixos/n.  Zeitschrift  für  Geschieht*-,  Allei  thuuis-  und  Landeskunde  des  Königreichs  Sachsen.  Hrraiisgegeben  von 
Dr.  phil.  Al  fr.  Moscbkuii.  2.  Jahrg.  No.  7 — 10. 

' '■.>< nyebcrichic  der  Berliner  Gr*rMxehuß  ßir  A HÜtro/tolorfie , Etknofiyie  und  Uegeachiekte.  JMaiz  — J uni  1876-  Mil 

zahlreichen  Sleiudrucktafelu. 

.s » L, n mjtittrickle  der  Localvereine  zu  Jena  Uber  die  erste  constiluirwndo  Versammlung  am  22-  Juni  1876;  über  die 
2.  Sitzung  am  3.  Juli,  die  3.  Sitzung  aut  13.  Nov.  1876,  und  zu  Danzig-  (Manuskripte.) 

Vitvhnw  R.:  Beiträge  zur  physischen  Authropologic  der  Deutschen  mit  besonderer  Berücknicbtiguiig  der  Friesen. 

Mit  5 Tafeln  in  4°.  Aus  den  Abhdlgu.  d.  kgl.  Akad.  d Wissenseh.  zu  Berlin.  1876- 
Deraefl«- : lieber  einen  neuen  Brouzewagen  von  Burg  an  der  Spree.  Auszug  h.  d.  Monatsbericht  der  kgl.  Akad. 
der  Wissensch.  zu  Berlin.  16.  Nov,  1976.  Mit  1 Tafel. 

4W : Bericht  über  die  durch  die  deutsche  Expedition  an  der  Westküste  Afrikas  in  das  kgl.  Mu'Ciuu  zu  Berlin 
gelangte  Sammlung  ethnologischer  Gegenstände. 

Ihreefbe:  Correspondenzblatt  der  Afrikanischen  Gesellschaft.  Uerausgegcben  von  Prof.  Dr.  U.  Har  Im  an  il 
No.  17-  187«. 

Wnnkrl  11. : Ein  erratischer  Grauitblock  mit  pliöiiizischer  Inschrift  bei  Smolensk  in  Russland  gefunden.  Sep.- 
Abdruck  aus  No.  5,  VI.  Hd.  der  Milllieiluugon  der  anthr.  Geaellsch.  m Wien.  1876. 


Schluss  der  Bedactiun  am  7.  März. 


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21 


6)  U nterkiefer. 

Höhe  in  der  Mittellinie.  k;  — Länge  des  hori- 
zontalen Astes,  von  der  Mitte  des  unteren  Randes 
bis  zum  Winkel,  kl;  — Höhe  des  ansteigenden 
Astes  bis  zur  oberen  Flüche  des  proe.  coronoideus. 
kh;  — Winkel  des  horizontalen  Astes  mit  dem 
ansteigenden.  < k. 

Um  sieh  ein  annähernd  richtiges  Bild  eines 
Schftdels  zu  machen  und  zeichnen  zu  können,  sind 
diese  Maasse  nöthig.  Prüft  man  sie  bei  verschie- 
denen Schädelformen  nüher.  wie  ich  bei  einer  grös- 
seren  Zahl  srethan.  so  ergiebt  sich  das  Gesetz,  dass 
sic  alle  in  einem  bestimmten,  mit  der  Abänderung 
der  ganzen  Form  sich  reeeimassig  ändernden  Ver- 
hältnisse stehen.  Aus  diesem  Grunde  sind  sie  auch 
zum  näheren  Studium  der  Entwicklungsgesetze  der 
verschiedenen  Schädelformen,  für  die  systematische 
Bestimmung  aber  nur  daun  nöthig,  wenn  man  keine 
Abbildungen  gieht.*)  Für  Massennntersuchungen  ist 
aber  ihre  Zahl  viel  zu  gross,  sie  erfordern  zu  viel 
Zeit,  und  die  grosse  Menge  von  Zahlen  erschwert 
den  Uebcrblick.  Für  diesen  Zweck  ist  es  nöthig, 
Abbildungen  zu  Hilfe  zu  nehmen  und  sich  auf  die 
obenangegebeneti  wenigen  Durchmesser  zu  be- 
schränken Für  die  deutschen  Schädel  sind  aber 
nur  wenige  Abbildungen  nöthig.  wenn  man  sie  unter 
die  von  mir  gefundenen  it»  Formen  und  deren 
Maasse  einordnen  will. 

Die  rohen  Zahlen,  welche  man  auf  dem  oben 
angegebenen  Wegen  erhält  sind  zur  Darstellung 
jeder  besonderen  Schädelform  brauchbar  and  auch 
anzugeben , wenn  es  sich  nicht  uni  zitfermäasige 
Vergleichung  mehrerer  mit  einander  handelt.  Im 
letzteren  Falle  müssen  sie  alle,  und  nicht,  blos 
einzelne  von  ihnen,  auf  gleiche  Thelle  eines  ge- 
meinsamen modulus  umue  rech  net,**)  d.  h.  für  jeden 
Schädel  muss  der  gleichnamige  Durchmesser  zu 
diesem  Zwecke  verwendet  werden.  Zwei  oder  drei 
ruodnli.  wie  z.  B.  die  Länge  und  die  Höhe  oder 
Breite  oder  für  jede  norma  eine  besondere,  also  5 
aufzusteilcn,  ist  so  verkehrt  als  möglich.  Dadurch 

*)  Du  .von  dein  hervorragendsten  Kraniologen  Frank 
reiche.  Hem»  Uroca  veröffentlichten  System  (hiatrnc- 
tion«  cnuiiol<\giqu®*.  Memoire»  de  la  so©.  d'Anthrop.  2. 
scrie,  t.  II  und  Bulletins  de  la  «oc.  d'Anthrop.  2 serie 
t.  X,  p.  337)  xor  Beschreibung  und  Messung  der  Schädel 
bindet  sich  au  keine  Grundlinie  fiir  die  Projicirung, 
der  Durchmesser,  Kt  sehr  ausfuhrlieh,  wird  aber  wohl 
au*  verschiedenes  (».-finden  keine  nachhaltige  Verbreit- 
ung in  uicht  franaöakMihen  Kreisen  finden. 

•*)  Diese  rmrcdbei'iig  wird  durch  eine  Mmltlpli- 
cations-Tabelle  B.  dia  bei  Schul*  in  Oldenburg  I84SO 
.erschienene,  wesentlich  «Ibgekürit. 


wird  die  Vergleichung  ohne  weitere  Umrechnung 
unmöglich,  die  verwendete  Zeit  für  das  Rechnen 
ist  ganz  umsonst  aufgewendet,  die  Zahlen  sind  zur 
Vergleichung  so  unbrauchbar  als  die  rohen. 

Bisher  wurde  mit  wenigen  Ausnahmen  der 
längste  Durchmesser  als  modulus  gewählt,  wie  mir 
scheint  mit  vollkommenem  Rechte.  Denn  die  so 
erhaltenen  redueirten  Zahlen  haben  den  Vortheil. 
dass  sie  alle  kleiner  sind  als  100,  also  schneller  in 
ihrem  gegenseitigen  Werthe  beurtheilt  wei  den  können, 
als  wenn  man  einen  Durchmesser  von  mittlerem 
Werthe  wählt  wie  z.  B.  die  Grundlinie,  welche 
zweierlei  Werthe,  grössere  und  kleinere  als  100 
gäbe.  Der  längste  Durchmesser  hat  auch  noch 
den  Vortheil,  dass  er  seither  als  modulus  benützt 
wurde,  also  nicht  allein  die  älteren  rohen  Zahlen, 
sondern  auch  die  indiees  verständlich  bleiben.  Ein 
sehr  kleiner  modulus  würde  sehr  grosse,  in  ihren 
gegenseitigen  Werthen  schwerer  zu  beurt heilende 
Zahlen  gehen,  deren  Gesammtbild  für  die  gewöhn- 
liche Anschauung  zu  sehr  verzerrt  wäre.  Dass  die 
erhaltenen  Durchmesser  nach  dem  Decimalsystem 
auf  Theile  des  modulus  reducirt  werden,  ist  ein 
Verfahren,  dessen  Zweckmässigkeit  von  keiner  Seite 
in  Zweifel  gezogen  wird.  Am  meisten  empfiehlt  es 
«ich,  ' ie  erhaltenen  Zahlen  in  Procenten  auszu- 
drücken,  tuusentel  oder  zehntel  halte  ich  für  we- 
niger zweckmässig,  weil  bei  den  Hunderteln  die 
Haupt  unterschiede  vor  das  Komma  fallen.  Aller- 
dings ist  das  Gewohnheitssache,  und  jeder  kann 
das  Komma  hinsetzen,  wo  er  will.  Sehr  unzweck- 
mässig  scheint  es  mir  aber  zu  sein,  den  grösseren 
Th  eil  der  Durchmesser  als  Procente  und  nur  ein- 
zelne wie  z.  B.  den  Lagenindex  als  Zehntel  zu 
schreiben;  ein  derartiges  Verfahren  giebt  sehr  leicht 
zu  Irrthümem  Veranlassung. 

Feber  die  Bedingungen,  unter  denen  arith- 
metische Mittel  zulässig  sind,  habe  ich  mich  in 
meiner  Abhandlung  über  die  württemberg’schen 
Scliädclforraen  ausgesprochen  und  will  daher  hier 
auf  diesen  entfernter  liegenden  Gegenstand  nicht 
zurückkommen. 

Zur  Ersparnis»  von  Zeit  und  Raum  haben  die 
meisten  Kraniologen  die  einzelnen  Durchmesser  und 
Punkte  am  Schädel  mit  Buchstaben  bezeichnet. 
Bei  der  Wald  derselben  hat  sich  aber  jeder  *© 
ziemlich  seiner  eigenen  Phantasie  Überlassen.  Da 
sie  aber  auch  eine  raschere  gegenseitige  Verstän- 
digung zum  Zwecke  haben,  so  wäre  cs  sehr  er- 
wünscht. wenn  sich  wenigstens  die  deutschen  Krauio- 
logen  Über  die  bei  ihrer  Wahl  zu  befolgenden 
Grundsätze  verständigen  würden. 


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22 


Hei  den  «heil  schon  vorgcschlagencn  Buch- 
staben  bin  ich  von  den  seither  von  mir  gebrauchten, 
in  der  Mehrzahl  von  den  Herren  Erker  und 
Welker  aufgestellten,  Bezeichnungen  allgegangen, 
um  mich  den  in  Dresden  vereinbarten  zu  nflhern. 
Ganz  kann  ich  aber  letzteren  nicht  folgen. 

Vor  allem  muss  inan  verlangen,  dass  die  Ä 
Dimensionen  des  Raumes  durch  die  Wald  verschie- 
dener Buchstaben  von  einander  unterschieden  wer- 
den. Ich  halte  cs  daher  für  fehlerhaft,  dieselbe 
Dimension,  die  man  am  Schädel  Höhe  nennt,  am 
Gesicht  Länge  zu  nennen  und  demgemftss  mit  ver- 
wirrenden Buchstaben  zu  bezeichnen.  Im  gewöhn- 
lichen Sprachgebrauch  geschieht  allerdings  das- 
selbe. aber  die  KranioFgio  hat  offen  har  nicht  die 
Aufgabe,  die  Unrichtigkeiten  der  Umgangssprache 
beizubehalten. 

Mein  Vorschlag  geht  also  dahin , am  ganzen 
Schädel  die  Höhen  mit  //,  die  Breiten  mit  li  'statt 
mit  V wie  bisher  nach  Welker)  und  die  Idingen 
mit  L,  und  alle  in  diese  3 Richtungen  fallenden 
Durchmesser  theils  mit  grossen,  theils  mit  kleinen 
Buchstaben,  oder  mit  Kombinationen  derselben  zu 
benennen.  Das  einfachste  wäre  allerdings,  die  ver- 
schiedenen Kategorien  von  Durchmessern  mit  Bl 
Zf1"*“  und  " zu  bezeichnen.  Meiner  Er- 
fahrung nach  beschwert  es  aber  das  Gedftehniss.  aber 
1.  2 und  3 hinauszugehen,  und  ich  halte  cs  daher  für 
besser,  neben  grossen  und  kleinen  Buchstaben,  also 
B.  b,  II , h,  I.  und  /.  auch  noch  Kombinationen  von 
zwei  dieser  Buchstaben  zu  wählen,  also  z.  B.  l.B 
für  den  Lagenindex  (statt  LJ);  h II  für  die  Höhe  des 
Punktes  li  über  der  Ebene  des  foramen  magnmn 
n.  s.  f.  Ob  man  die  Grundlinie  mit  G oder  L\ 
sowie  einige  andere  in  der  Nähe  der  Basis  gele- 
genen sagittalen  Durchmesser  mit  ff,  //'  * bezeich- 
nen will  oder  mit  /,  /*  *,  ist  an  sieh  gleichgiltig; 

doch  wird  man  sich  darüber  verständigen  müssen, 
ebenso  in  welchen  Fällen  man  grosse  oder  kleine 
Buchstaben  wählen  will.  Um  Verwirrungen  zu  ver- 
meiden. ist  es  nötbig,  auch  einzelne  Punkte  und 
Flächen  am  Schädel  mit  besonderen  Buchstaben 
zu  bezeichnen.  Dahin  gehören  die  Nasenwurzel 
(s),  die  Spitze  des  Nasenbeins  («),  der  hinterste 
Endpunkt  des  Schädels  (©),  die  Spitze  der  Lanthda- 
naht  (A),  die  Stelle,  an  welcher  der  Joehbogen  am 
weitesten  lateralwärts  reicht  (j),  die  Ebene  des 
foramen  magnum  mit  / oder  fm  u.  s.  w. 

Die  Messung  der  Kurven  mit  dem  Bande  halte 
i'*h  für  gänzlich  überflüssig.  Denn  man  verwandelt 
sie  bei  diesem  Verfahren  in  gerade  Linien,  welche 
nicht  den  mindesten  Anhaltspunkt  für  die  Beur- 
theiluug  der  wahren  Gestalt  der  sehr  unregelmäs- 


sigen, vielgestaltigen  Krümmungen  geben.  Ausserdem 
ist  es  unmöglich,  seihst  mit  dem  besten  Instrumente, 
genau  zu  messen,  schon  weil  es  nicht  gelingt,  das- 
selbe bei  «len  verschiedenen  Schädelformen  immer 
an  derselben  Stelle  anzulegen.  Ich  habe  eine  grosse 
Zahl  solcher  Kurven  und  ihrer  Theile  in  dieser 
Weise  gemessen,  und  niemals  bezeichnende  Maasse 
für  die  verschiedenen  Schädelfortnen  erhalten,  immer 
natürlich  nachdem  sie  auf  Proccnte  des  Läugen- 
durchmepsers  reducirt  waren.  Nicht  einmal  für 
tlie  Üeurtheilnng  der  Grösse  der  Schädel  geben  die 
Goammt um fäuge  in  den  3 Dimensionen  eiuen  so  zu- 
verlässigen Anhaltspunkt  als  der  Cubikinhalt,  oder 
die  Vergleichung  der  Höhe,  Länge  und  Breite. 

Mit  allen  geradlinigen  Maassen  und  Winkeln 
ist  eben  den  Kurven  nicht  beizukommen.  Da  sic 
aher  ztim  Bilde  des  Schädels  nothweudig  gehören, 
so  bleibt  Nichts  übrig,  als  die  Konstruction  von 
Ordinate»  und  Abscissen.  Da  diese  aber  wegen  ihrer 
Umständlichkeit  kaum  zu  verwenden  und  ohne  Zeich- 
nungen sehr  schwer  auf  konkrete  Vorstellungen 
für  so  unregelmässige  Körper,  wie  die  Schädel  sind. 
Übertragen  werden  können;  so  bleibt  als  noth- 
wendige  Ergänzung  aller  geradlinigen  Messungen 
nichts  audercB  übrig  als  Abbildungen,  die  ja  auch 
ohne  Ordinate»  und  Abscissen  verstanden  werden 
können.  Die  Abbildungen  haben  für  Massenunter- 
suchungen auch  noch,  wie  schon  erwähnt,  den  grossen 
Werth,  dass  die  grosse  Masse  der  ausserdem  nö- 
thigen  Durchmesser  auf  einige  wenige  beschränkt 
werden  kann. 

Die  Originale  der  Abbildungen  müssen  natür- 
lich genau  auf  die  Grundlinie  eingestellt  sein.  Diese 
Aufstellung  wird  dadurch  erleichtert,  dass  man  die 
Punkte,  au  welchen  der  längste  (L),  der  höchste» 
(II)  und  der  breiteste  Durchmesser  (B)  den  Um- 
fang des  Schädels  schneiden,  mit  leicht  sichtbaren 
Punkten  oder  Kreuzen  markirt,  bei  hell  gefärbten 
Schädeln  also  mit  schwarzer,  bei  dunklen  mit 
weisser  Farbe. 

Streng  genommen  wären  für  jeden  Schädel  5 
Abbildaugen  nötbig.  Bei  rechtwinkliger  Aufstellung 
decken  sich  aber  die  Umrisse  der  norina  verticalis 
und  der  basilaris  nahezu,  und  die  letztere  ist  in 
verkleinerten  Abbildungen  wegen  der  grossen  Zahl 
ihrer  gebrochenen  Linien  nicht  leicht  in  klarer 
Weise  wiederzugeben,  so  dass  man  ihre  Abbildung 
ohne  grossen  Schaden  wohl  ent  hehren  kann,  so 
lange  es  sich  nur  darum  handelt,  ein  deutliches 
Bild  von  der  Gosammtform  des  Schädels  zu  er- 
halten. Ueherdiess  kann  man,  soweit  ich  bis  jetzt 
sehen  kann,  durch  keine  ihrer  Formen  und  Maasse 
die  einzelnen  Schädelspecies  schärfer  unterscheiden. 


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23 


als  durch  dir  der  anderen  Ansichten.  Den  vor- 
erst zu  erreichenden  Zielen  entsprechen  als»  die 
übrigen  4 Ansichten  vollständig. 

Die  besten  Bilder  sind  die  lehensgrossen,  geo- 
metrischen mit  dem  Apparate  von  Ln  eae  gemachten. 
— Nach  meiner  Erfahrung  erleichtert  man  sich 
das  Zeichnen  mit  ihm  dadurch,  dass  man  2 cm. 
Über  dem  Fadenkreuze,  an  der  Säule  des  Diopters 
eine  Blendung  anhringt,  welche  mau  mittelst  einer 
Spiralfeder  auf-  und  abwärts  bewegen  kann,  und 
au  welcher  vorn  ein  kleiner  Pinsel  aus  Marder- 
haaren schief  befestigt  wird.  Die  Spitze  des  letz- 
teren wird  dann,  je  nach  Hedürfniss,  durch  leichten 
Druck  auf  die  Blendung  mit  der  Glasfläche  in  Be- 
rührung gebracht  oder  wieder  von  ihr  entfernt. 
Anf  diese  Weise  kann  man  heule  Hände  zur  Füh- 
rung des  Instruments  verwenden  und  daher  die 
Linien  sicherer  ziehen.  Ungeübte  vermeiden  da- 
durch leichter  das  an  diesen  geometrischen  Zeich- 
nungen so  störende  Verzittern  der  Linien.  Fein 
zerriebener  Satz  von  Kopirtinte  ist  meiner  Erfah- 
rung noch  die  beste  Farbe.  — Leider  ist  aber 
auch  so  nach  das  Zeichnen  sehr  zeitraubend.  Han- 
delt cs  sich  daher  um  Abbildungen  in  grösserer 
Zahl,  so  werden  die  Meisten  die  Photographie  zu 
Hilfe  nehmeu  müssen.  Lässt  man  die  Aufnahmen 
mit  grossen  Instrumenten  und  auf  möglichst  grosse 
Entfernungen  machen,  so  wird  die  Verzerrung  der 
Bilder  so  weit  vermieden,  dass  sic  ganz  gute  Dienste 
leisten.  Die  Herstellung  photographischer  Bilder 
in  Lebensgrösse  ist  aber  eine  sehr  theuere  Sache, 
und  wem  nicht  sehr  bedeutende  Mittel  zu  Ge- 
bote stehen , der  wird  sich  mit  halber  natürlicher 
Grösse  begnügen  müssen.  Diese  kleinen  Bilder 
haben  übrigens  den  Vortheil,  dass  alle  4 Ansichten 
auf  einem  leicht  zu  übersehenden,  handlichen  Blatte 
zusammengestellt  werden  können.  Wenn  es  sieh 
darum  handelt,  grössere  Reihen  von  Schädeln  neben- 
einander zu  stellen,  so  verwendet  man  am  besten 
Bilder  von  viertel  Grösse.  Andere  Maassstäbe  als 
1,  £ und  \ sollten  aber  vermieden  werden,  weil 
sie  nicht  so  leicht  exact  herzustellen  sind,  also  zu 
mehr  Irrthümern  Veranlassung  geben,  als  jene. 
Zur  Vervielfältigung  genügen  lineare  Kopien  der 
photographischen  Bilder. 

Die  genaue  rechtwinklige  Aufstellung  muss  dem 
Photographen  dadurch  erleichtert  werden,  dass  man 
auf  einem  Karton  für  jede  Ansicht  eine  Linie  als 
Maassstab  für  die  Grösse  zeichnet.  Er  benützt  dann 
die  oben  empfohlenen  auf  den  Schädel  gezeichneten 
Punkte  oder  Kreuze  der  Hauptdurchmesser.  Zur 
rechtwinkligen  Aufnahme  jeder  Ansicht  bedarf  er 
4 Punkte,  je  2 Endpunkte  desselben  Durchmessers. 


Der  VIEL  internationale  Congreps 

för 

Anthropologie  und  Urgeschichte  in  Pest 

(September  187G). 

Von  Professor  Kollmnnn. 

(SöhloM.) 

Unter  den  Mittheiluugen  aus  dem  Gebiet  der 
Uraniologie  verdienen  die  folgenden  eine  allgemeine 
Beachtung. 

Kopernicki  legte  dein  Uongress  alte  Gräber- 
schädel  aus  dem  Osten  Europas  vor.  In  der  Ukraine 
sind  in  Grabhügeln  hrachycephale  und  dolirho- 
cephale  Formen  gefunden  worden  ( Längen  breiten- 
Index  der  letzteren  73,0 — 74,0).  Aus  russisch 
Polen  sind  7 aus  einem  Tumulus  im  anatomischen 
Institut  in  Warschau;  ihr  Index  beträgt, 71,0 — 74.0 
(vier  davon  warer  im  Sitzungssaal  ausgestellt). 
Iu  Weiss-  und  Rothrussland  hatte  die  alte  Rasse, 
welche  für  ihre  Todten  Hügel  errichtet  hat,  eben- 
solche lange  Schädel  gehabt,  und  in  Galizien 
finden  sich,  mit  Beigaben  von  Eisen  und  Bronze, 
Formen  identisch  mit  den  langen  Uranien 
unserer  Reihengräber!  Der  Redner  hatte 
schon  früher  diese  Erscheinung  theilweise  hervor- 
gehoben,  und  wiederholte  sie  vor  der  Versammlung, 
iudem  er  darauf  hinwies,  dass  nach  den  vorliegen- 
den Thatsachen  diese  Rasse  in  prähistorischer  Zeit 
ein  Verbreitungsgebiet  besass  von  der  Wolga  bis 
zum  Rhein.  Die  Discussiou  über  diesen  Gegen- 
stand ergab,  dass  sich  diese  Grenze  einst  noch 
weiter  gegen  Westen  erstreckt  hat.  Auf  die 
Bemerkung  des  Referenten,  dass  diese  aus  Russ- 
land stammenden  Schädel  vollkommen  den  Lang- 
köpfen unserer  Hügel-  und  Reihengröber  gleichen, 
fügte  Broca  bei  „die  nämlichen  Formen  seien 
auch  in  den  Hünengräbern  (Dolmen)  Nordwest- 
Frankreiths  gefunden  worden*.  An  der  Richtigkeit 
des  Sachverhaltes  lässt  sich  bei  der  hervorragenden 
Bedeutung  Rroca's  nicht  zweifeln;  wir  dürfen 
also  sagen,  dass  diese  dolichocephale  Rasse  auf 
ihren  Wanderungen  bis  zum  Ocean  gelangt  ist.  Auf 
dieser  weiten  Strecke  findet  man  ihre  Spuren  unter 
Lebenden  und  Todten;  unter  den  ersteren  freilich 
nur  wenige,  aus  alter  Zeit  dagegen  viele  Beweise 
für  ein  zahlreiches  Volk.  Sie  sind  allerwörts  wegen 
ihrer  charakteristischen,  auffallenden  Gestalt  als 
solche,  wenn  auch  unter  verschiedenen  Namen,  be- 
zeichnet. So  heissen  sie  in  Ungarn  Avaren-  oder 
Barbarenschädel ; in  Deutschland  lange  Reihen- 
gräberschädel, oder  fränkisch-alemannischer  Typus; 
in  Frankreich  cranes  merovingieus. 


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24 


Die  Trapweile  dieser  Erkenntnis  für  die 
Craniolopie  lässt  sieh  noch  kaum  völlig  übersehen. 
Denn  erwägt  man , dass  in  Skandinavien  noch 
heute  ein  Theil  dieser  Kasse  lebt,  dass  sie  jenseits 
des  Kanales  in  England  in  den  eiförmigen  Grab- 
hügeln gefunden  wird,  so  gewinnt  die  enorme  Ver- 
breitung dieser  einen  Rasse  in  prähistorischer  Zeit 
schon  um  desswillen  eine  besondere  Bedeutung, 
weil  sie  die  erste  ist.  deren  Verbreitungsgebiet  mit 
ziemlicher  Sicherheit  nachzuweisen  ist.  Ich  habe 
schon  an  einer  anderen  Stelle*)  darauf  hingewiesen, 
dass  im  südlichen  Spanien  Gräber  derselben  Rasse 
aus  dem  5.  Jahrhundert  gefunden  worden  sind 
(Dr.  A.  Sehet elig),  dass  sie  ferner  in  West- 
preussen  und  den  angrenzenden  Theilen  Pommerns 
(Dr.  Li  s Bau  er)  Vorkommen,  und  zwar  um  die- 
selbe Zeit.  Heute  bin  ich  in  der  angenehmen 
Lage,  eine.  Lücke  ausfüllen  zu  können,  welche 
zwischen  der  Wolga  und  dem  Ocean  noch  offen 
blieb.  In  der  prähistorischen  Ausstellung  zu  Pest 
fanden  sich  mehrere  Schädel,  welche  zu  derselben 
langköpfigen  Sippe  gehören.  So  aus  der  Aggteleker 
Höhle  im  Gömörer  Comitat , deren  Ausdehnung 
nahezu  8 Kilometer  beträgt.  Sie  ist  wohl  stets  ein 
Wohn-  und  Begrübnissplatz  gewesen;  denn  eine 
ihrer  Abtheilungen  heisst  im  ungarischen  Volks- 
mund Knochenbaus,  und  wenn  nicht  alle  Zeichen 
trügen,  so  liegen  iu  ihr  drei  Culturschichtcn  über- 
einander. Nach  den  mündlichen  Mittheilungen  des 
Baron  E.  Ny  dry  fanden  sich  auf  dem  Boden  der 
Höhle  Topfscherben  und  Geräthe  aus  Bronze  und 
Eisen;  unter  der  l*/t  Meter  dicken  Tuffschichte 
ein  Todtenlager  mit  Beigaben  von  Stein , Hora 
und  Silex.  Die  Leichen,  13  Individuen,  Männer. 
Frauen  und  Kinder,  lagen  regelmässig  geordnet; 
unter  ihnen  befanden  sich  zwei  Langschädel 
mit  einem  Längenbreiten-Index  von  C‘J, 4 und  72,4. 
Diese  stimmen  völlig  mit  denen  unserer  Reihen- 
gräber  überein;  andere  nicht  messbar,  sind  von 
derselben  Form  oder  raeso-dolichocephal.  Ich  be- 
tone ferner  den  Schädel  einer  Frau  mit  einem 
Index  vou  81,4,  um  daran  zu  erinnern,  dass  auch 
hier  in  der  noch  von  keiner  Hand  berührten,  son- 
dern seit  der  frühesten  Periode  unveränderten 
Begräbnisstätte  die  langköptige  Rasse  schon  an- 
dere Elemente  in  sich  aufgenommen  hatte,  also 
schon  nicht  mehr  völlig  unvermisebt  uns  entgegen- 
tritt. Der  Bericht  des  Höhlenforschers  wird  Ge- 
wissheit darüber  bringen , ob  die  gespaltenen 
Röhrenknochen  des  Höhlenbären  und  die  dazwischen 

*)  Bericht  über  die  6.  allgemeine  Versammlung  *u 
München.  München.  Oldenbourg.  Aiigu*t  1875.  S.  2U 


gefundenen  Steinhämnur  der  untersten  Schichte, 
in  einen»  C’ansalnexus  zu  einander  stehen,  oder  ob 
bei  den  Ueberscbweiiitnungeii  der  Höhle,  es  Hiessen 
zwei  Bäche  durch  dieselbe,  die  Reste  der  diluvialen 
Säugethiere  mit  denen  des  Menschen  einer  spä- 
teren Epoche  durcheinander  geworfen  wurden,  wie 
dies  auch  in  anderen  Tropfsteinhöhlen  zweifel- 
los der  Fall  war.  Leider  war  es  mir  nicht  mög- 
lich. alle  nns  zunächst  interessireuden  Schädel, 
welche  sich  in  der  Ausstellung  befanden,  zu  messen, 
um  entscheidende  Zahlenangaben  machen  zu  können. 
Meine  Notizen  bezeichnen  jedoch  einen  Schädel  iu 
der  Collection  des  Hm.  31ajläth  Belu  (Comitat 
Liptd).  einen  andern  aus  dem  Comitat  Szabolcs 
(Fundort  Insel  Cserej)  mit  der  Aufschrift  „Ajak“  als 
identisch  mit  unserem  sog.  Reihengräbertypus.  In 
der  Sammlung  des  collöge  ri'form^  zu  Debreczin 
ist  ein  Schädel  mit  einem  Index  von  67,0  und  ein 
anderer  von  74,0;  aus  Reihengräbern  hei  Sobor 
mit  Beigaben  von  Eisen  und  Bronze,  welche  die 
Fluthen  der  Raab  freigelegt  haben,  sind  mehrere 
Schädel  erhalten,  davon  einer  mit  dem  Läugen- 
hreiten-lndex  73,0,  die  übrigen  meso-  und  brachy- 
cephal.  Diese  wenigen  Notizen  mögen  zur  Zeit 
für  die  ungarischen  Bezirke  genügen. 

In  Niederösterreich  hat  Dr.  Much  in  Still« 
fried  an  der  March  inmrhalb  der  umfangreichen 
prähistorischen  Befestigung  im  Jahre  1876  Aus- 
grabungen gemacht,  und  VI  Schädel  mit  Beigaben  von 
Bronze  und  ‘Eisen  gefunden . von  denen  5 dolicho- 
cephal  sind.  Aehtiliche  Schädel  hat  er  in  Eisgrub 
und  Koggendorf  aus  alte»»  Grabstätten  constatirt, 
v.  L n s c I)  a n und  Specht  solche  aus  Oberöster- 
reich (Mittheilungen  der  Wiener  anthr.  Gesellschaft 
1875  und  1870,  Weis« hach  aus  alten  Gräben» 
Böhmens,  so  dass  der  Zusammenhang  zwischen  dem 
Osten  und  Westen  dadurc  h hinreichend  festgestellt 
ist.  Erinnern  wir  uns  noch  daran,  dass  sie  auch 
auf  dem  Boden  Italiens  und  Griechenlands  ihre 
Spuren  zurückgelassen  hat,  so  ist  es  klar,  dass 
durch  alle  diese  ebeu  angeführten  Funde  jene  auf 
deutschem  Boden  durch  A.  Ecker  zuerst  sicher 
erkannte  Rasse  ihre  eng  begrenzte  ethnologische 
Bedeutung  verliert,  die  man  ihr  anfangs  zuznweisen 
geneigt  war.  Aus  den  bisherigen  That Sachen  folgt 
ferner,  dass  ihre  Wanderungen  sich  nicht  allein 
räumlich  über  weite  Länder,  sondern  und»  zeitlich 
über  lauge  Jahrhunderte  ausgedehnt  haben.  Wenn 
sie  die  Dolmen  au  der  Nordwestküste  Frankreichs 
erbaut  hat.  welche  nach  Hroca  in  der  jüngeren 
Steinzeit  errichtet  wurden,  dann  ist  der  erste  Yor- 
stoss  dieser  Rasse  wohl  um  1000  Jahre  älter  als 
jene  späteren  Wanderungen,  die  sie  uns  von»  3.  bis 


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(Soiresjtoubenä-'gMdl 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

H « d i g i r t 
von 

Professor  K o 1 1 m & n n in  München, 

•Jvfli'niliwrn't&r  «Irr  Wrarilm  tun. 


Erscheint  jeden  Monat. 

Nro.  6.  München,  Druck  von  R.  Oldenboorg.  Mai  1877. 

V 


V er  einsnach  richten. 

Die  Genera  I versäumt  limi:  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft 

Die  VIII.  Versammlung  der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  findet  anfangs  August 
dieses  Jahres  in 

Conatanz  am  Bodensee 

statt.  Das  ausführliche  Programm  wird  der 
nächsten  Nummer  des  Correspondenzblattes  hei- 
gelegt  werden. 


Der  Sc  hat  ameiste  r der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  erlaubt  sich,  au  die  Be- 
schlösse der  letzten  Generalversammlung  zu  Jena*) 
bezüglich  der  Dauer  des  Budgetjahres  zu  erinnern, 
nämlich: 

1)  das  Budgetjahr  des  Vereines  läuft  nunmehr 
vom  1.  August  hin  30.  Juli  jeden  Jahres; 

2)  die  Lokal  vereine,  die  Gruppen  und  die  iso- 
lirteu  Mitglieder  sind  verpachtet , bis  zum 
1.  April  jeden  Jahres  ihre  Beiträge  dem 
Schatzmeister  einzuhändigen ; 

3)  nach  dem  1.  April  können  die  restirenden 
Beiträge  durch  Postraandat  erhoben  werden. 

Im  Anschlüsse  an  diese  Bestimmungen  bittet 
der  ergebenst  Unterzeichnete , ihm  die  noch  aus- 
stehenden Beiträge  baldmöglichst  zusenden  zu 
wollen , damit  der  ordnungsgemässe  Iterhnungs- 

*)  (orreNpotidenxblHtt  1070  Nu.  9 S.  66  Spalte  2. 


ahsihluss  der  VIII.  (ieneralveriammlorK  in  C'onstanz 
vorgelegt  werden  könne. 

Mo  ne hen,  am  G.  Mai  1H77. 

Der  Schatzmeister:  Weidmann. 
Theatinerstrasse  36/4. 


Die  Statistik  Uber  die  Farbe  der  Augen,  der  Haare 
und  der  Haut  bei  den  Schulkindern  unter  14  Jahren 
im  Herzogt  hum  Sachsen*  Altenburg. 

Zahl  der  Schüler  23,957. 

1)  blaue  Augen,  blonde  Haare,  weisse  Haut  6,094 


2)  blaue 

braune  „ 

weisse  „ 

1,701 

3)  braune  „ 

braune  „ 

braune  „ 

321 

4)  jrrauc 

blonde  „ 

weisse  • ,t 

r>,9i9 

f.)  graue  „ 

braune  „ 

weisse  „ 

2,332 

(j)  braune  „ 

braune  „ 

braune  „ 

535 

7)  braune  „ 

schwarze  „ 

braune  „ 

215 

8)  braune  „ 

blonde  „ 

weisse  „ 

2,70« 

9)  braune  „ 

braune  „ 

weisse  „ 

2,973 

10)  braune  „ 

braune  „ 

braune  ., 

801 

11)  braune  „ 

schwarze  „ 

braune  „ 

358 

Es  exist iren  also  in  dem  Herzog!  hum  über 
25%  mit  blauen  Augen,  blonden  Haaren  und 
weisser  Haut,  und  nahezu  ebensoviel  blonde  In- 
dividuen mit  grauen  Augen.  Zählt  man  die  mit 
gruuen  und  blauen  Augen  zusammen,  dann  besteht 
die  Bevölkerung  zu  60,5  % aus  Individuen  mit 
blonder  Complexion,  übertriffi  also  diejenige  Bayerns 
in  dieser  Hinsicht  um  30%.  — 


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u 


Mitgliederliste. 

Auf  Anregung  des  Hrti.  0.  Tischler,  des 
Vorstandes  des  archäologischen  Musepms  der  physi- 
kalisch- ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg 
sind  mehrere  Herren  dieses  Vereines  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  als  Mitglieder  boi- 
getreten. Ilr.  0.  Tischler  hat  sich  gleichzeitig 
in  zuvorkommender  Weise  bereit  erklärt,  die  Ver- 
keilung des  Cnrrespondenzhlattes  zu  besorgen, 
wodurch  die  Verbindung  mit  der  deutschen  Gesell- 
schaft ganz  besonders  erleichtert  wird.  Wir  gehen 
die  Liste  dieser  in  Ostpreussen  neugewonnenen 
Mitglieder: 

Herr  I)r.  Ban  eck«,  Professor, 

„ Haarbrücker,  Knuftnann, 

„ I>r.  Henncbe,  Stadt  ältest  er, 

„ Ür.  Je  uz  sch,  Geologe  d.  phys.-ük.  (ies., 

„ Dr.  Lohmeyer,  Professor, 

, l>r.  .Lotte  r mos  er,  Stadt  rat  h n.  Secr.  d.  Oes., 
„ br.  Schiefferdecker,  Sanitathrath  u.  Prüsid. 
der  Gesellschaft, 

„ Tisch ler-Loigehnen,  Gatsbesitzer, 

. Tischler  Otto,  Vorstand  d.  Jirch.  Museums. 


Sitzungsberichte  der  Local  vereine. 

Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 

zu  Danzig  am  22.  November  1876. 

Der  Vorsitzende  Hr.  Dr.  Lissauer  referirte 
zuerst  über  die  vom  Hrn.  Dr.  Hermann  Bercndt 
eingesandten  Remark s on  the  centres  of  anrient 
civilisation  in  Central  - Amerika.  Hr.  B ereu  d t hat 
es  sich  zur  Aufgabe  gemacht,  durch  das  Studium 
der  indianischen  Sprachen  Aufschluss  zu  gewinnen 
Aber  die  ethnologischen  Beziehungen  der  Einge- 
borenen Central -Amerikas  im  Allgemeinen  und 
besonders  zu  den  grossartigen  daselbst  aufgefun- 
denen Denkmälern  einer  untergegangenen  hoch- 
entwickelten Cnltur,  von  deren  einstiger  Existenz 
die  Indianer  seihst  keine  Ahnung  mehr  haben. 
Die  gesell irhtlichen  Quellen  darüber  fliessen  rar 
kärglich  und  trübe,  weil  die  spanischen  Conqui- 
stadoren  fast  alle  Vorgefundene  indianische  Cultur 
zerstört  haben  und  ihre  Berichte  voller  Wider- 
sprüche sind.  Es  bleibt  daher  nur  das  Studium 
der  Sprachen  und  der  Alterthümer  selbst  übrig, 
um  Licht  in  diese  dunkle  Zeit  zu  bringen.  Herr 
Berendt  hat  nun  zu  diesem  Zweck  f>  Expeditionen 
nach  Central-Amcrika  unternommen  und  sich  jedes- 
mal mehrere  Jahre  anfgehalten.  um  die  Sprachen 
der  Eingeborenen  zu  studiren:  das  Resultat  dieser 


Studien  liegt  nun  in  den  obigen  Uemarks  vor.  In 
dem  grossen  Gewirr  amerikanischer  Stämme,  welche 
von  Yucatan  bis  zum  Isthmus  von  Panama  wohnen, 
konnte  Berendt  der  Sprache  nach  drei  grosse 
Gruppen  unterscheiden,  welche  höchstwahrschein- 
lich ebensoviele  selbständige  Colturcentren  bildeten. 

In  dem  heutigen  Yucatan  sitzen  und  sassen 
die  Mayas,  sie  zerfallen  in  16  Stämme  und  sprechen 
alle  die  Maya- Sprache  oder  eine  deren  Tochter- 
sprachen , welche  von  einander  so  verschieden 
sind,  wie  etwa  das  Französische  vom  Italienischen. 
Berendt  hat  dort  sehr  interessante  Alterthümer 
nusgegraben;  die  Bevölkerung  selbst  hat  aber  keine 
Ahnung  mehr  von  ihren  Vorfahren. 

Südlich  im  heutigen  Isthmus  von  Panama 
sitzen  die  C oibas.  welche  jetzt  vollständig  in  Bar- 
barei versunken  sind,  während  ihre  Vorfahren  einst 
sieh  durch  hohe  Kunstindustrie  derart  nnszeiehne- 
ten,  dass  die  dort  gefundenen  Schinucksachen  noch 
heute  das  Staunen  unserer  ersten  . Goldschmiede 
erregen.  Durch  das  Studium  der  Sprache  konnte 
Berendt  naehweisen,  dass  die  dort  lebenden  In- 
dianer wirklich  die  Narhkommen  sind  der  zur  Zeit 
der  spanischen  Eroberung  dort  Angesessenen. 

Zwischen  diesen  Völkern  sitzen  die  Chorotegas, 
in  3 Gruppen  getrennt,  welche  durchweg  spanisch 
sprechen  um!  von  ihrer  Geschichte  nichts  mehr 
wissen.  Nur  wenige  Greise  auf  dem  Lande  kannten 
noch  von  ihrer  Kindheit  her  einzelne  Worte  und 
Phrasen  aus  der  Sprache  ihrer  Vorfahren  und  diese 
wenigen  Personen  starben  noch  während  Berendt’s 
Anwesenheit  ans ; indess  genügten  jene  Sprarhreste 
und  einige  Ortsnamen,  um  festzustellen,  dass  diese 
Stämme  einst  die  Sprache  der  Chapaneken  in 
Mexiko  geredet,  um  so  die  Ueberlieferung  zu  be- 
stätigen, dass  sie  in  früher  Zeit  von  dorther  ein- 
gewandert seien. 

Hierauf  hielt  Hr.  Schuck  einen  Vortrag  über 
seine  Ausgrabungen  im  Carthäuser  Kreise,  indem 
er  zugleich  die  dort  gefundenen  Objekte  vorlegte. 
In  Begleitung  und  mit  Unterstützung  des  Hm. 
Kreisbanmeisters  Apolant  hatte  derselbe  zunächst 
das  Gräberfeld  untersucht,  welches  auf  dem  Felde  des 
Ilm.  Mühlenbesitzers  Gilde  meist  er  in  Sullenezin 
schon  früher  entdeckt  worden  war.  Es  befand 
sieh  hier  anf  einem  Abhange  nach  dem  Wossidlo- 
See  eine  Gruppe  von  Stemkistengrfthem,  welche  in 
einer  Entfernung  von  etwa  6 Fuss  von  einander 
und  etwa  2'/*  Fuss  unter  der  Oberfläche  angelegt 
waren.  Die  Steinkisten  seihst  waren  in  gewöhn- 
licher Weise  gebaut  uml  enthielten  ausser  Sand 
je  2 stark  gehauchte  Urnen,  welche  gebrannte 
Knochen,  Asche,  kleine  Stücke  Bronzedraht  und 


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die  stark  oxydirten  Reste  einer  eisernen  Fibel 
enthielten.  Nur  in  einer  Steinkiste  befand  sich 
neben  einer  grossen  eine  kleine  nur  mit  Sand  ge- 
füllte Vasenurae.  Dagegen  hatte  eine  schon  früher 
ausgegrabene  Urne  mehrere  gut  erhaltene  Bronze- 
gegenstünde  enthalten,  darunter  besonders  zwei 
schöne,  spiralförmig  gewundene  Armringe,  an  deren 
einen»  durch  Form  und  Verzierung  der  Kopf  und 
Schwanz  einer  Schlange  angedeutet  sind.  Die  Urnen 
selbst  sind  nach  Material  und  Bearbeitung  grösston- 
theils  primitiv  und  zeigen  eino  nur  geringe  Orna- 
mentik aus  parallelen  Linien  und  wenigen  Buckeln. 
Etwa  50  Schritte  von  der  westlichsten  Steinkiste 
entfernt  fand  sich  in  einer  Tiefe  von  2 — 3 Fuss 
eine  Brandstelle,  d.  h.  ein  Pflaster  von  grösseren 
Steinen  mit  gohftufteu  Kohlenresten. 

Eine  krugförmige  gelbbraune  Urne  mit  Deckel, 
von  der  Form  der  meisten  Gesichtsurnen , welche 
der  Vortragende  vorzeigte,  stammte  aus  einer  bei 
Kcmharczewo  untersuchte  Steinkiste  her. 

Vier  Kilometer  von  C arthaus  entfernt,  westlich 
und  südlich  vom  Dorfe  KallUka,  liegt  in  dem  könig- 
lichen Forst  eine  grössere  Anzahl  von  Hügeln  - — 
etwa  20  — , deren  Untersuchung  von  Hru.  Ober- 
förster Schneider  freundlirhst  gestattet  wurde. 

Die  Hügel  waren  von  verschiedener  Grösse 
(der  grösste  hatte  6 m.  im  Breiten-  und  12  m. 
im  Längendurchmesser  an  der  Basis)  und  ent- 
hielten bei  der  sorgfältigsten  Untersuchung  nichts 
als  Sand  und  Steine,  welche  letzteren  kreuzweise 
und  in»  Rechteck  eingegraben  standen , in  zweien 
fand  sich  auch  etwas  Holzkohle.  Von  den  der 
Chaussee  zunächst  gelegenen  Hügeln  waren  die 
grossen  Steine  theilweise  weggenommen,  wahrend 
die  entfernteren  noch  intakt  schienen.  — Aehnliche 
Hügel  waren  schon  früher  bei  Schöneberg,  bei 
Stangenwalde  und  bei  Lewinno  untersucht  worden 
und  hatten  ebenfalls  nichts  ergeben,  als  hin  und 
wieder  Kohlenstückchen , nur  einmal  ein  kleines 
eisernes  Messer  und  einmal  Knochenstücke  von 
Menschen;  Hr.  Schür k halt  es  daher  für  wahr- 
scheinlich, dass  diese  Hügelgruppen  keine  Gräber, 
sondern  nur  Kenotaphien  seien,  welche  zum  An- 
denken an  die  in  «ler  Fremde  verstorbenen  Personen 
in  ihrer  Heimat  errichtet  wurden. 

An  diesen  Vortrag  knüpfte  sich  eine  lebhafte 
Disrussion , an  der  sich  besonders  die  Herren 
Helm,  Dr.  Oehlsrhläger  und  Schimmel- 
pfennig einerseits  und  Dr.  M a n n h a r d t andrer- 
seits betheiligten.  Die  erstem»  stimmten  mit  dem 
Vortragenden  überein,  dass  alle  diese  Hügel  nur 
als  Malhügel  zu  betrachten  seien , sei  cs  nun  zur 
Abgrenzung  von  Feldmarken  (Helm)  oder  zum  An- 


denken an  irgend  ein  wichtiges  Ereignis*  errichtet, 
eine  Sitte,  welche  ja  von  vielen  Völkern  des  Alter- 
tliums  bekannt  ist  (Schimmelpfennig) , während 
Hr.  Dr.  Mannhardt  die  Auffindung  einzelner 
menschlicher  Knochenstücke  und  die  angebliche 
Ausgrabung  eines  ganzen  menschlichen  Skeletes  aus 
einem  solchen  Hügel  in  früherer  Zeit  als  Beweise 
Ansicht , dass  diese  Hügel  ursprünglich  vielleicht 
doch  wirkliche  Grabstätten  gewesen  sein  dürften. 

Hierauf  berichtete  der  Vorsitzende  über  die 
Untersuchung  dreier  Burgwälle  bei  Dt.  Eylau,  über 
welche  or  iu  den  Schriften  der  Jiaturforscheuden 
Gesellschaft  eine  ausführliche  Abhandlung  veröffent- 
licht hat.  Der  eine  dieser  Wälle  liegt  an»  Labenc- 
see.  der  zweite  am  Silnisee,  der  dritte  auf  einer 
Insel  int  Geserichsec,  die  ersten  beiden  gehören 
zu  der  Klasse  der  sogenannten  Erdwalle  oder 
Schwedeuschanzen , der  zweite  zu  der  Klasse  der 
Burgberge,  während  Vertreter  der  beiden  andern 
Arten  von  Burgwällen,  das  ist  der  Schlacken-  und 
der  Uingwälle  in  unserer  Provinz  bisher  nicht  be- 
kannt geworden  sind.  Der  Vortragende  gab  nun 
eine  Schilderung  der  charakteristischen  Unter- 
scheidungsmerkmale dieser  vier  Arten  heidnischer 
Burgwällc.  wegen  deren  Kinzclartcn  wir  auf  die 
obige  Abhandlung  verweisen  müssen.  Aus  der 
hieran  sich  knüpfenden  Discussion  heben  wir  Fol- 
gendes hervor:  Hr.  Oberst  Hi udorf  wies  darauf 
bin,  dass  die  Schwedeuschanzen  von  den  Erdwällen 
getrennt  werden  müssen,  weil  sie  in  der  That  oft 
Erdwerke  sind,  welche  von  den  Schweden  aufge- 
worfen seien;  iu  Beziehung  auf  die  Riugwälle  be- 
halte er  sich  ausführliche  Mittheilungen  vor,  sobald 
er  von  Rügen  das  erforderliche  Material  erhalten 
haben  werde.  Von  den  Hrn.  Sc  hück,  Dr.  Mann- 
hardt und  Schulz  wurde  auf  die  eigenthümliehe 
Beschaffenheit  des  Uarthäuser  Schlossberges  auf- 
merksam gemacht,  welcher  ursprünglich  wohl  ein 
Inseiberg  gewesen  und  jetzt  noch  Reste  eiues  ge- 
mauerten Wasserbeckens  enthalte;  indes  sei  doch 
erst  durch  spezielle  Untersuchung  festzustellen,  ob 
seine  Benutzung  als  Burgwall  in  die  vorhistorische 
Zeit  zurückreiche. 


Sitzuug  der  anthropologischen  Gesell- 
schaft zu  Güttingen  am  12.  Februar  1876. 

Hr.  Prof.  Unger  legt  dem  Vereine  zwei,  von 
ihn»  der  ethnologischen  Sammlung  geschenkte 
Schmuckstücke  aus  Wallrosszahn  vor.  Dieselben 
stammen  von  einer  kanakischen  F’rau  — Sandwichs- 
inseln — in  deren  F amilie  dieselben  als  kostbare 

5 * 


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Erbstücke  seit  lange  gewesen  waren,  welche  sich 
noch  entsann,  sie  als  Schmuck  an  ihrer  Gross- 
mutter  gesehen  zu  haben.  Das  eine  derselben  hat 
autfallcnde  Aehnlichkcit  mit  dem  oberen  Theil  einer 
menschlichen  Ulna»  ist  durchbohrt  und  soll  au 
einer  Schnur  um  den  Hals  getragen  worden  sein. 
Das  andere  ist  knhnfürm'g,  von  einem  (künstlichen) 
Canal  durchsetzt,  dessen  beide  Oetfuungen  an  der 
coucaven  Seite  liegen  und  wurde  mittelst  einer 
durch  diesen  Canal  laufenden  Schnur  als  Armband 
getragen. 

Hr.  Prof.  Ehlers  hielt  einen  Vortrag  über 
die  Wirbelsäule  des  Men  selten  und  ihre 
Beziehungen  zu  der  der  Säugeth  iere,  in 
welchem  er,  an  die  Hosen  her g sehen  Arbeiten 
aoknfipfend,  die  Homologien  der  Wirbel  in  den 
verschiedenen  Abtheilungen  der  Wirbelsäule  und 
die  Assimilationsvorgänge  besprach  und  die  Wirbel- 
säule des  Menschen  mit  der  der  Affen  und  einer 
grossen  Anzahl  anderer  Säugethiere  in  Bezug  auf 
die  relative  Hänge  ihrer  einzelnen  Abtheilungen 
verglich.  Die  Differenzen  wurden  an  einer  Tafel» 
auf  der  die  Zahlen  der  Wirbel  in  den  einzelnen 
Wirhels&ulentheilen  der  betreffenden  Tliiere  gra- 
phisch dargestcllt  waren,  demonstrirt. 

Sitzung  des  anthropologischen  l.okal- 
Vereins  in  Jena  vom  3.  Juli  und 
13.  November  1876. 

Aus  den  vorliegenden  Berichten  dieses  Vereins 
entnehmen  wir  folgende  Mittheilungen. 

Hr.  Dr.  Bardelehen  hielt  einen  Vortrag  über 
die  Abweichung  der  sntnra  frontalis  persistens  und  der 
sntura  sagittalis  von  der  Medianlinie.  Bardelebe  n 
wurde  zu  einer  Untersuchung  über  diese  Trage 
veranlasst  durch  die  einander  widersprechenden 
Behauptungen  vou  W.  Sander  in  Berlin  (^lieber 
eine  Schädeldecke  mit.  persistenter,  scheinbar  ab- 
norm gelagerter  Stirnnalit“ , Berl.  klin.  Wochen- 
schrift 1875,  No.  7)  und  (dem  verstorbenen)  Pb. 
Simon  in  Hamburg  („Ueber  die  Persistenz  der 
Slirnn&ht“,  Virchow's  Archiv  1873.  Bd.  58. 
3.  und  4.  llft.).  Während  nämlich  letzterer  die 
persist imule  Stirnnaht  (deren  Vorkommen  derselbe 
nach  seinen  Resultaten  an  über  800  Sectionen  auf 
9,4  % angiebt)  nicht  selten  von  der  Medianlinie 
abweichend  fand,  giebt  Sander  an,  dass  in  seinen 
Fällen  die  Abweichung  uur  eine  scheinbare  gewesen 
sei.  Die  frontalis  verlaufe  regelrecht , aber  die 
sagittalis  weiche  ah;  nur  wegen  der  Ungewöhn- 
lichkeit des  Vorkommens  der  frontalis  übersehe 
man  die  Abweichung  in  der  Lage  der  sagittalis. 


Welcker  sagt  in  seinem  umfassenden  Werk 
über  diesen  Punkt  nichts. 

Bardelehen  untersuchte  25  Schädel  der 
Jenaer  anatomischen  Sammlung  (darunter  keine 
Kasseuschädel)  und  fand,  dass  Sander  wie  S i m o u 
Recht  und  Unrecht  haben.  Beide  Nähte  können 
median  verlaufen , beide  können  gleichzeitig  ab- 
weirhen  und  zwar  nach  derselben  oder  nach  ent- 
gegengesetzter Richtung;  ferner  kann  eine  der 
Nähte,  sowohl  frontalis  wie  sagittalis,  median  ver- 
laufen, während  die  andere  nach  rechts  oder  links 
abweicht.  Genauere  Angaben  über  einige  Punkte 
folgen  hier: 

Unter  24  Fällen  war 


«lie  frontalis  . 

. 12 

Mal  median, 

12 

„ abweichend, 

„ sagittalis  . 

. 8 

„ median. 

16 

„ abweichend, 

beide  gleichzeitig  median  in  3 Fällen,  beide  ab- 
weichend in  9 Fällen,  davon  4 Mal  nach  derselben, 
5 Mal  nach  entgegengesetzter  Richtung. 

Die  Distanz  beider  Nähte  von  einander  an  der 
Kininündiingsstelle  in  die  coronalis  betrug  2 bis 
Di  mm.,  im  Mittel  6 mm. 

Die  vier  nach  dem  Schema  an  der  Kreuzung  des 
sagittalcn  mit  dem  transversalen  Nahtzuges  an 
einander  stossenden  Knochen  kommen  nie  in  einem 
Punkt  zusammen,  sondern  es  stossen  an  einander: 
entweder  das  linke  frontale  mit  dem  rechten 
parietale  (15  Fälle), 

oder  das  rechte  frontale  mit  dem  linken 
parietale  (9  Fälle). 

W e 1 c k e r‘s  Bezeichnung : caput  „ c r u c i a t u m “ 
ist  also  nur  cum  grano  salis  anwendbar.  Von  den 
12  Fällen,  wo  die  frontalis  abwicli , endete  sie 
8 Mal  nach  rechts,  4 Mal  nach  links  von  der 
Mittellinie  in  die  coronalis. 

Die  Bestimmung  der  Medianlinie  und  der  Ab- 
weichungen von  derselben  geschah  durch  Faden-  und 
Baudraessung,  bei  der  der  obere  Rand  des  arcus 
zygomaticus  als  Basis  der  Untersuchung  diente. 

lieber  die  Ursachen  dieser  eigentümlichen 
Erscheinungen  vermochte  Bardelehen  nichts  Posi- 
tives anzugeben;  auch  wies  derselbe  gleichzeitig 
auf  seine  relativ  kleinen  Zahlen  hin,  die  die  Auf- 
stellung von  allgemein  gütigen  Sätzen  verbieten, 
aber  immerhin  Anhalt  uud  Anregung  geben  dürften. 

Nach  Beendigung  des  Vortrages  weist  II r.  Prof. 
Schwalbe  darauf  hin,  dass  vielleicht  die  Asym- 
metrie der  Kreuzschädel  mit  der  Asymmetrie  der 
Frontal- Arterie  in  Beziehung  stehe. 

Hierauf  hält  Prof.  Klop fleisch  einen  Vor- 
trag über  den  Bronzehcukel  aus  der  Borscher 


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Aue.  Nachdem  der  Grabhügel,  dem  jener  Fund 
entstammte,  als  ein  Grabhügel  mit  Verbrennungs- 
statte,  welche  letztere  ein  Steiukreis  begrenzte,  be- 
zeichnet wurde  und  die  weiteren  Fundstucke  dieser 
Grabstätte,  bestehend  in  den  Resten  eines  eisernen 
Scramasax,  einer  zerdrückten  aber  reich  verzierten 
Thonurne , Resten  einer  bronzenen  RAocherschalc 
mit  wohlriechendem  Harze,  und  einigen  audcren 
Bronzeresten  bildlich  vorgeführt  worden  waren, 
wurde  der  schöngearbeitete  Bronzehenkel  vorge- 
wiesen, der  die  Gestalt  eines  räthselhaften  vier- 
füssigen  Thieres  besitzt,  welches  mit  den  Hinter- 
füssen auf  einem  Schilde  steht  und  mit  den  Vorder- 
füssen auf  einer  zweigehäupteten  Schlange  auffu«st. 
Der  Vortragende  hob  hervor,  dass  ihm  das  be- 
treffende Thier  am  meisten  Aehnlichkeit  mit  einer 
aufwärtsspringenden  Maus  oder  einem  Wiesel  zu 
haben  scheine,  deren  Bedeutung  als  verkörperte 
„Seelen“  in  der  Mythologie  der  Indogermanen  durch 
Jacob  Grimm  und  Grohinanu  besonders  betont 
worden  sei.  Weiteres  knüpft  der  Vortragende  an 
den  Stil  der  Figur  selbst  an,  welche  er  jetzt  für 
eiue  et ru rische  Arbeit  halten  müsse,  wahrend 
er  frülier  (auf  der  Stuttgarter  Versammlung)  der 
Ansicht  gewesen  sei,  dass  hier  eine  germanisch- 
nordische  Arbeit  vorliege.  Immerhin  sei  es  aber 
merkwürdig,  dass  der  eigentümliche  Schnörkclstil 
dieser  Figur  entschieden  orientalische  Elemente  in 
sich  enthalte,  für  welche  Behauptung  er  persische 
und  indische  abbildliche  Belege  analoger  Ver- 
schnörkelungen  der  Gelenkpartien  bei  Thieren  bei- 
brachte und  darauf  hinwies,  dass  die  etrurische 
Kunst  eben  auch  orientalische  Motive  in  sieh  auf- 
genommen habe.  Sonderbar  aber  sei  es , dass 
die  Gallier  und  Germanen  in  ihren  künstlichen 
Thier-  und  Metischeufiguren  gerade  diesen  Schnörkel- 
stil nachgeahmt  hätten . wie  dies  süddeutsche, 
irische  und  skandinavische  Kunstprodukte  der  heid- 
nischen und  sogar  noch  der  christlichen  Periode 
bewiesen,  da  selbst  noch  im  14.  Jahrh.  im  skandi- 
navischen Norden  Gewichtsbilder,  welche  Thier- 
tiguren  darstellen,  in  eben  diesem  Schnörkelstile 
Vorkommen. 

Hr.  Prof.  Gädechens  giebt  hierauf  einen 
Utberblick  über  orientalisirende  Nachahmungen  bei 
den  Griechen  und  Etruskern  mit  besonderer  Hin- 
weisung auf  die  sogenannte  „persische  Artemis“. 
Hr.  Prof.  Gädechens  erblickt  übrigens  in  dem 
Borscher  Henkel  keine  Maus,  sondern  eher  ein 
Rauhthier,  meint  überhaupt,  dass  man  hinter  der- 
artigen Figuren  eher  ein  freies  Spiel  der  Phan- 
tasie als  einen  realen  Gehalt  erblicken  müsse. 

Hierauf  legt  Prof.  Klop fleisch  noch  einige 


der  interessantesten  hrachycephaleu,  dolicboceplialen 
und  prognathen  Schädel  des  germanischen  Museums 
zu  Jena  vor  und  giebt  Mitlheilungen  über  die 
höchst  interessanten  Vorkommnisse  bei  Taubach, 
wo  Knochenkohlen,  Holzkohlen  und  bearbeitete 
Feuersteinsplitter  neben  ausgestorbenen  Thierspecies 
(Rbinoceros  und  Elephas  et.)  im  Diluvium  Vor- 
kommen •). 

Klopf  lei  sch  berichtet  darüber,  dass  ihm 
aus  Thierschneck  (bei  Camburg)  eine  Meldung  zu- 
gekommen sei,  dass  dort  in  der  Umgebung  des 
„Ellrich“,  in  welchem  er  früher  erfolgreiche  llügel- 
ausgrabungen  unternommen  hatte,  neue  Spuren  von 
Culturschichten  sich  zeigten  und  beantragt  , dass 
die  Gesellschaft  Geldmittel  bewilligen  möge  für 
eine  Recognoscirung  und  Voruntersuchung  daselbst. 
Es  wurden  10  Mark  hierzu  bewilligt  und  Hr.  Prof. 
K 1 op  f 1 e i s e h beauftragt, . dio  Voruntersuchung 
daselbst  zu  übernehmen  und  noch  ein  Mitglied  der 
Gesellschaft  sich  zum  Begleiter  zu  cooptiren. 

Schliesslich  macht  Klop  fleisch  Mitthei- 
lungen  über  prähistorische  Thongefäss- 
sc herben,  welche  ihm  durch  Hm.  C.  ('lessin 
aus  Regensburg  und  ausserdem  durch  Hrn.  Prüf. 
Kollmann  zu  München  aus  Erd.  Ilsltvun  und 
Magyarid  in  Ungarn  zugesendet  worden  sind. 

In  Betreff  der  ersten  Scherben,  welche  aus 
der  Höhle  von  ßreitewinn  In  der  bayerischen 
Oberpfalz  stammen,  hat  Hr.  Clcssin  brieflich 
mitgetheilt,  dass  jene  Höhle  zwei  scharf  getrennte 
Culturschichten  enthalt ; in  der  obersten  finden  sich 
Metallgeräthe  aus  Eisen  und  Bronze ; die  Scherben 
dieser  Schicht  sind  meist  mit  Graphit  geschwärzt, 
haben  nur  selten  Verzierungen,  doch  sind  sie  aus 
feinerem  Thon.  Die  untere  Culturschicht  der 
Höhle  hat  kein  Metall  mehr,  die  Scherbenreste 
derselben  sind  von  zweierlei  Art,  aber  ohne  Graphit- 
Beimischung.  Neben  sehr  feinen  mit  schönen  Linien- 
Oraamenten  gezierten  finden  sich  ganz  rohe  rnit 
höchst  einfachen  Verzierungen:  aufgelegten  Leisten 
mit  Fingereindrücken ; die  feineren  dieser  Scherben 
hielt  llr.  Clessin  für  durch  Tauschhandel  erworben. 
Sieben  mit  übersendete  Spinnwirtel  entstammen 
der  oberen  Schicht. 

ln  Betreff  dieser  ßreitewinner  Scherben  con- 
statirt  Klopflcisch  zunächst  die  ITcbercin- 
stimmnng  der  roheren  Scherhenart  aus  der  unteren 
Ilöhlenschicht  mit  jenen  auch  in  Thüringen  häutig 
verkommenden  Thonscherben  mit  dem  sogenannten 


*)  Hierzu  kam  neuerdings  auch  ein  grösserer  Kalk- 
stein, der  durch  Fenereinwirkung  härter  und  röther 
gebrannt  ist. 


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38 


„Tapfen-Ornament  ,tt  das  seine  Verbreitung  beson- 
ders in  Süd-Enropa  (Spanien,  Ober-Italien,  Schweiz, 
Süddeut selilaml.  Ungarn)  hat,  in  Nord-Kuropa  je- 
doch seltener  wird.  Seine  Haupt  Verbreitung  deckt 
sich,  wie  es  scheint,  für  Deutschland  so  ziemlich 
mit  der  Karte,  welche  Virchow  nnf  der  Anthro- 
pologen Versammlung  zu  Jena  über  die  Verbreitung 
der  dunkleren  Kasse  in  Deutschland  vorlegte.  Dieses 
Ornament  beginnt  in  den  ältesten  /eiten,  in  der 
sogenannten  „Steinzeit“  und  reicht  auch  iu  die 
jüngeren  Perioden,  iu  denen  mau  längst  Bronze 
und  Eisen  kannte,  herauf.  In  ihm  scheint  die 
Kulturstufe  einer  rohen  Urbevölkerung  Süd-  und 
Mittel- Europa’«  sich  abzuspiegeln.  Die  feinere 
Schcrbcnart  aus  der  unteren  Höhlenschicht  zeigt 
eine  schöne,  oft  spiegelnde  Glättung,  die  Thon- 
masse ist  ziemlich  hart  gebrannt  und  von  feinerem 
Koni  ohne  die  grobe  Sandbeimischung  der  vorigen 
Art.  Die  Ornamente  sind  in  den  braunschwarzen 
Grund  ziemlich  tief  und  scharf  eingcsrlmittcn, 
öfters  mit  weisser  erdiger  Farbe  ausgefüllt ; sic 
stellen  Zickzacklinien,  Zackenkränze,  kränz-  oder 
ährenartige  Bänder,  auch  sc hrägranteii förmig  sich 
kreuzende  Figuren  dar  neben  senkrechten  Parallel- 
strich-Gruppen  and  wagrechten  Parallelstrich -Bän- 
dern. In  Thüringen  kommen  Anklängc  au  diese 
Ornamentik  nur  ganz  vereinzelt  vor,  z.  B.  in  den 
der  vormetallischen  Zeit  ungehörigen  Grabhügeln 
zu  Oldisleben  und  Tröbsdorf  a.  d.  Unstrut;  im 
Wesentlichen  ist  diese  Ornamentik  als  eine  süd- 
deutsche zu  bezeichnen,  die  von  den  Pfahl- 
bauten der  Schweiz  bis  nach  Oesterreich  hinein 
sich  erstreckt ; wie  weit  sie  südlich  und  westlich 
reicht,  ist  dem  Vortragenden  unbekannt.  Ob  die 
alten  Ligurer  zu  ihr  in  Beziehung  stehen,  ist 
erst  noch  festzustellen.  Die  mit  Graphit  geschwärz- 
ten Scherben  der  oberen  Ilöhlenschiclit  stimmen 
noch  mit  Scherben  aus  dem  fränkischen  Theile 
Thüringens,  weiter  nördlich  in  Thüringen  werden 
sie  seltener;  auch  die  mittelst  Stempels  einge- 
pressten Muster  derselben  kommen  hei  uns  nur 
selten  vor. 

Die  ungarischen  Scherben  von  Erd, 
lliitvan  lind  Magyarad  sind  meist  sehr  hart  ge- 
brannt, aber  von  sehr  grobem  Typus,  wenn  auch 
ihre  rohe  Ornamentik  hie  und  da  noch  Nachklänge 
von  dem  Tnpferoroament  zeigt,  so  ist  doch  ihr 
Ursprung  ein  relativ  jnnger,  mehr  an  das  soge- 
nannte Burgwall-Omainent  erinnernd,  das  erst  nach 
den  Berührungen  mit  den  Römern  auftritt. 

Hr.  Dr.  Böhtlingk  fragt,  ob  derartige  pri- 
mitive Ornamentik  nicht  überall  ähnlich  auftritt, 
was  der  Vorredner  verneint. 


Ilr.  Prof.  Gädechem  macht  darauf  aufmerksam 
und  belegt  es  zugleich  mit  Beispielen  aus  den  vor- 
liegenden Breitewinuer  Ornamenten,  wie  zu  den 
einfachsten  ornamentalen  Motiven  allmählich  weitere 
einfache  Motive  hinzutreten  und  jene  dadurch 
reicher  gestalten,  bis  sich  zuletzt  auf  diesem  Wege 
Aehnlichkeiten  mit  Naturgegenständen:  Vegetabilieu 
und  dergl.  bilden.  Bei  den  Griechen,  führt  er  aus, 
komme  dann  das  volle  Bewusstsein  hinzu,  hier  die 
Natur  selbst  nachzuahmen,  aber  der  Grieche  ver- 
edelt, verschönt  die  Natur  selbst  noch. 

Hr.  Prof.  Pr  eye  r bezweifelt,  ob  die  weisse  Farbe 
iu  den  vorliegenden  Ornamenten  absichtlich  auf- 
getragen  sei. 

Hr.  Dr.  K.  Martin  weist  darauf  hin,  dass  bei 
wilden,  niedrig  stehenden  Völkern  man  sich  ge- 
wohnheitstnässig  innerhalb  der  wenigen  hergebrach- 
ten Muster  bewege,  und  dass  so  das  Typische 
vieler  Ornamente  bei  einzelnen  Völkern  sich  erkläre. 


Zusammenstellung  der  in  Würtemberg 
vorkommenden  Schädelformen. 

. Von  Obermedicinal  • Rath  l.»r.  H.  v.  Holder. 

\\  ürtemberjfiftche  imturwinacnsciiaftliche  J Ahresbefte, 
Jahrgang  XXXII,  llrft  111,  p.  8Ö9. 

Die  vorliegende  Arbeit  gehört  zu  den  hervor- 
ragenden Leistungen,  welche  die  craniologische 
Forschung  in  den  letzten  Jahren  aufzuweisen  hat. 
In  knapper  Form  giebt  uns  llöldcr  die  Resultate 
seiner  langjährigen  sieh  auf  etwa  lOUl)  Schädel 
erstreckenden  Forschungen  und  seiner  historischen 
Studien.  Im  Gegensatz  zu  manchen  neueren  Schrift- 
steilem  hält  er  auch  in  der  Anthropologie  fest  an 
der  Unabänderlichkeit  der  organischen  Form,  und 
sichert  sich  damit  die  Basis,  auf  der  er  sein  cranio- 
loglsches  System  errichtet.  Er  läugnet  die  Ab- 
änderlichkeit der  Grundform  des  Schädels  durch 
Einflüsse  der  Kultur  und  sonstiger  äusserer  Ein- 
wirkungen, und  sieht  iu  der  zahllosen  Mannigfaltig- 
keit der  heutigen  Kopfformen  eine  Mischung  ur- 
sprünglich gesonderter  Typen.  In  der  genauou 
Analyse  dieser  Mischformen  liegt  der  Schwer- 
punkt der  Arbeit . N ieht  weniger  als  41»  s e I b s t ä ndi  g e 
Formenreihen  ergeben  sich  ihm  aus  der  Mischung 
von  3 Haupttypen,  und  wir  erhalten  damit  ein 
Schema,  in  dem  sich  jede  Kopfform  au  ihrem  Orte 
unterbringen  lässt.  Die  Zusammenstellung  der 
historischen  Thatsachen,  welche  als  ein  sehr  dankens- 
werther  Anfang  einer  ethnologischen  Behandlung 
der  Geschichte  begrünst  werden  muss,  beweist,  über- 
zeugend, dass  die  heutige  Bevölkerung  speziell  Süd- 


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deutschlands  der  Mischling  der  verschiedensten 
Völkerstämme  ihren  Ursprung  verdankt,  und  dass 
daher  das  Vorhandensein  vielfacher  Misehfonnen 
einfach  eine  nothwendige  Consequenz  der  Landes- 
geschichte ist. 

Ob  aber  die  von  Hölder  aufgcstelltcn  drei 
Gnindtypen  wirklich  genau  den  ihnen  zugeschriebenen 
ethnologischen  Werth  besitzen,  dürfte  vorderhand  als 
zweifelhaft  bezeichnet  werden.  Der  exquisite  Rund- 
kopf ist  nach  H öl  der  der  tnranische  (mongo- 
lische) Typus  und  die  breit -eiförmige  Form  der 
sarmatische.  Dass  die  Benennung  nicht  in  jedem 
Falle  richtig  ist,  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass 
z.  B.  auch  der  Röracrschftdel,  der  in  alten  Gräbern 
in  Würtemberg  vielfach  vorkomint,  innerhalb  dieser 
beiden  Formen  fällt  und  nach  Hölder's  Nomen* 
clatur  etwa  Sarmato-Turane  genannt  werden  müsste. 
Auf  festeren  Füssen  steht  jedenfalls  der  dritte  auf- 
gestellte Haupttypus,  der  germanische,  welcher 
sich  durch  die  so  auffallend  gleichförmigen  Befunde 
der  Reihengräber  jedenfalls  als  eine  gute  Art  im 
zoologischen  Sinne  erweist.  Wenn  es  auch  echt 
germanische  Schädel  giebt,  welche  nicht  dem  Reihen* 
gräbertypus  angehören,  sondern  sich  der  brachy- 
cephaien  Form  nähern,  wie  Virchow  gerade  von 
dem  ältesten  germanischen  Stamme,  den  Friesen, 
anzunehmen  geneigt  ist,  so  würde  sich  freilich  auch 
die  Bezeichnung  germanisch  als  ungenügend  er- 
weisen. 

Der  Werth  der  verschiedenen  Formenreihen 
wird  aber  durch  Aenderung  ihrer  Benennung  nicht 
alterirt.  llölder  hat  vielmehr  durch  Aufstellung 
derselben  den  einzigen  Weg  betreten,  der  aus  dem 
Labyrinthe  der  Formverschiedenheit  herausführen 
und  uns  zur  Beherrschung  des  craniologischen 
Materials  bringen  kann.  G . 


Kleinere  Mittheilungen. 

Antiquarische  Funde  bei  tiundelKheim. 

Die  Ausgrabung  von  Probelöchern  für  den  bevor- 
stehenden Eisenbahnhau  im  Neckarthal  von  Jagst» 
feld  über  Gundelsheiin  gab  Anlass  zu  antiquarischen 
Fundcu.  Das  fragliche  Probeloch  wurde  im  Spät- 
jahr 1875  links  von  der  Strasse  von  Offenau  nach 
Gundelsheiin  auf  der  Markung  des  letzteren  Städt- 
chens in  den  Sandäckern,  in  der  Nähe  des 
Kirchhofs,  geöffnet.  Das  Probeloch  zeigte,  dass 
über  einer  Kieslage  der  gute  Ackerboden  in  einer 
Höhe  von  l1#  bis  zwei  Fuss  sich  erhebt.  Un- 
mittelbar Über  der  Kiesluge  fanden  sich  Scherben 
vor,  welche  wenigstens  theilweise  noch  zusammen- 


gesetzt werden  können  lind  die  nachbeschriebenen 
Ge  fasse  darst  eilen: 

1)  Schüsselartige  Schalen  von  tuigeschlemmtem 
Lehm,  untermischt  mit  dem  Sand,  wie  er  sich  in 
der  Gegend  vorfindet;  von  der  Dicke  eines  kleinen 
Fingers,  gut  gebrannt,  aussen  schwarz,  und  von 
der  Grösse  einer  gebauchten  Suppenschüssel.  Auf 
der  Aussenseite  sind  geradlinige  rohe  Eindrücke 
und  Striche  sichtbar.  2)  Eine  kleine  platte  Schale 
mit  niederem  Rami,  sie  hat  einen  Durchmesser 
von  8 cm.  3)  Eine  offene  Urne,  oben  glatt,  in 
der  Grösse  eines  Blumentoples.  4)  Ein  grösseres 
weit  ausgebauchtes  Gcfäss  von  feinerer  Thonmasse. 
6)  Ein  etwas  kleineres  Gefäss  auf  der  äusseren 
Ausbauchung  mit  Verzierung,  bestehend  aus  2 gleich- 
laufenden Strichen,  die  offenbar  mit  einer  Form 
eingedruckt  worden  sind,  und  damit  gleichlaufenden 
auf  einer  kleinen  Kante  gemachten  nagelartigeu 
Eindrücken.  G)  Ein  grösseres  urnenartiges  Gefäss 
mit  auswärts  gebogenem  Rand,  zierlich  aus  feinem 
Thon  gefertigt.  Aussen  auf  einer  Kaute  der  Aus- 
bauchung sind  punktirte  Eindrücke  und  sodann 
2 gleichlaufende  Striche,  offenbar  mit  einer  Form 
eingedrückt,  ähnlich  wie  bei  dem  vorbeschriebenen 
Gefäss.  Bemerkt  wird,  dass  die.  von  2 bis  6 be- 
schriebenen Gefässe  sämmtlich  von  feiner  ge- 
schlemmter Thonmasse  gefertigt  sind,  wesentlich 
verschieden  von  derjenigen  groben  Masse  der 
Gefässe  1. 

Unter  den  Gefässseherben  fanden  sich  kleinere 
Stücke  von  Knochen  vor. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  dann  aber 
noch  die  weiter  dabei  gefundenen  Stücke  von  Metall, 
nämlich : 1)  Ein  eiserner  Nagel  mit  ungleichem  Kopf 
in  der  Länge  von  6 rm.  2)  Eine  Bronzenadel  in 
der  Länge  von  10  cm.  mit  einem  erbsengrossen 
Kopf,  nebst  noch  einigen  theilweise  stärkeren  Stücken 
mehrerer  solcher  Bronzenadeln.  3)  Ein  kleiner 
Bronzering,  gerade  so  gross,  dass  ein  Zehnpfennig* 
stück  hineingelegt  werden  kann  und  die  Hälfte  eines 
zerbrochenen  Ringes  von  gleicher  Grösse.  4)  Ein 
Bronzestürk  von  einer  kleineren  zerbrochenen  Hafte 
(fibula).  5)  Ein  Armring  von  Bronze  mit  einer  Licht- 
weite von  7 cm.;  in  der  Milte  hat  er  die  Dicke 
eines  starken  Gänsekiels,  während  die  beideu  Enden, 
die  uicht  ganz  zusainmengreifen,  nur  noch  die  Stärke 
eines  dicken  Stiftes  haben.  Von  einem  weitereu  gleich 
grossen  nnd  dicken  bronzenen  Armring  fehlt  das 
abgebrochene  Stück. 

Uebergeliend  zur  Reurtheilung  dieser  Fund* 
stücke,  so  ist  daran  zu  erinnern,  dass  in  südöstlicher 
Rii-htung  von  Gundelsheiin  an  der  von  da  nach 
Obergriesheim  führenden  Fahrstrasse  auf  dem  Sand* 


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Imekel  sieh  ein  weitausgedohntes  von  dieser  Strasse 
durchschnittenes  Gräberfeld  (Rcibengräbor) 
befinde!,  welches  in  der  Zeitschrift  des  Instor. 
Vereins  für  württ.  Franken  1804  S.  479  und  l«Gf> 
S.  11«  von  mir  näher  beschrieben  worden  ist.  Oie 
Gräber  sind  aus  der  fränkischen  Periode,  sie 
reihen  sich,  mit  Kalksteinen  ausgemauert  und  mit 
Steinplatten  überlegt,  aneinander;  als  Funde  sind 
dort  zu  verzeichnen:  Waffen  von  Eisen,  Thonperlen, 
Stücke  von  thönernen  Gefässen  u.  dergl.  Die  Sand- 
Acker,  in  welchen  die  oben  beschriebenen  Funde 
gemacht  worden  sind,  liegen  nicht  gar  weit  von  dem 
Gräberfeld  im  Sandhuckel.  in  südlicher  Richtung 
von  Gundelslieiin,  durch  den  Lohgruben  davon  ge- 
trennt. Die  Funde  in  den  Sandftekcrn  stammen 
ohne  Zweifel  aus  Älterer  Zeit;  von  einer  Aus- 
mauerung, wie  bei  den  Reihengrflbern.  war  nichts 
vorzufinden  ; die  Armringe  aus  Bronze  und  die  Gefäss- 
stA^ke  weisen  auf  ein  höheres  Alter  hin,  wobei  ins- 
besondere zu  bemerken  ist,  dass  die  einfache  Orna- 
mentik, wie  sie  bei  den  beschriebenen  Go  fassen 
vorkumint,  schon  in  früher  Zeit  begonnen  hat.  Die 
Funde  gehören  wohl  einer  der  vielen  germanischen 
Grabstätten  au,  die  in  dieser  Gegend  und 
namentlich  auf  den  über  dem  Neckarthal  sich  er- 
hebenden Anhöhen  schon  ausgegraben  worden  sind 
und  von  welchen  im  Laufe  der  Zeiten  wohl  noch 
manche  gefunden  werden  mögen. 

In  südöstlicher  Richtung,  nicht  gar  weit  von 
den  Sandäckern  entfernt,  am  oberen  Theile  des 
Lohgrabens,  liegt,  was  hier  noch  Erwähnung  verdient, 
ein  Ackergewünde,  Maueräcker  benannt,  welche 
Bezeichnung  in  der  weiteren  Umgegend  gewöhnlich 
auf  das  Vorhandensein  einer  römischen  Niederlassung 
hinweist.  Unterstützend  ist  der  Umstand,  dass  nicht 
weit  davon  auf  der  Höhe  eine  Römerstrasse  in  der 
Richtung  von  Wimpfen  nach  Heckarburken  (sogen. 
Daliauerstrasse)  hinzieht.  Uebrigens  sind  Funde, 
die  eine  römische  Niederlassung  sicher  bestätigen 
würden,  noch  nicht  bekannt  geworden. 

W.  Ganzhorn. 

AUerthumsfniido  in  Sachsen. 

Urnenfund.  Auf  einem,  neben  dem  fiskalischen 
Weinberge  in  der  Lössnitz  bei  Kötzschenbroda  ge- 
legenen Weinbejge  ist  man  vor  mehreren  Monaten 
beim  Bearbeiten  desselben  auf  eine  heidnische 
BegräbnissstAtte  mit  GrabgefAssen  gestossen,  von 
denen  3 Stück,  darunter  eine  sehr  grosse,  ziemlich 
erhalten,  vor  dem  gewöhnlichen  Zertrümmern  durch 
die  Arbeiter,  gerettet  worden  sind.  Der  Besitzer, 
Mitglied  de«  Dresdner  Geschichtsvereins,  hat  die- 
selben dem  Vereine  znm  Geschenk  gemacht  und 


will  bei  geeigneter  Jahreszeit  weiter  forschen 
lassen.  Die  geschenkten  3 Urnen  sind  in  mehr- 
facher Beziehung  von  Interresse,  weil  sie  mehr 
Kunstfertigkeit,  als  gewöhnlich  au  solchen  Gefassen 
walir/unelnnen  ist,  verrathen. 

(Saxonia  1877  No.  7 S.  71.) 

t Karl  Ernst  von  Baer. 

Am  28.  November  1876  verschied  in  Dorpat 
in  seinem  85.  Lebensjahre  der  herühmte  Gelehrte 
Karl  Ernst  von  Baer,  der  Mitbegründer  der 
neueren  anthropologischen  Forschung.  Mit  seinem 
Freunde  Rud.  Wagner  lud  er  1861  mehrere 
Anthropologen,  n.  A.  Vrolik  aus  Amsterdam, 
Lucae  aus  Frankfurt.  Bergmann  ans  Rostock, 
Weber  aus  Leipzig  und  die  Anatomen  der  Georgia 
Augusta  zu  einer  Berathnng  nach  Göttingen  ein. 
Es  hatte  sieh  ihm,  den  das  bunte  Völkergemisrh 
des  rassischen  Reiches  zum  Stadium  der  typischen 
Kopfformen  der  Menschenrassen  angeregt  hatte,  die 
Ueberzeugung  au fged rängt,  dass  vor  Allem  eine 
Einigung  über  eine  genaue  Messungsmethode 
notli  thue.  Die  Gesichtspunkte,  welche  damals  als 
maassgebend  aufgestellt  wurden,  hielt  die  anthro- 
pologische .Forschung  in  Deutschland  sich  weiter 
entwickelnd  fest,  und  so  liegt  schon  in  dieser  That 
Baer ’s  Grund  genug,  das  Andenken  an  das  einzige 
Ehrenmitglied  der  deutschen  anthropologischen  Ge- 
sellschaft hoch  zu  halten.  Erinnern  wir  uns  aber 
ferner,  dass  er  als  Mitarbeiter  des  Archives  für  An- 
thropologie, des  Organes  der  Gesellschaft,  mit  uns  auf 
das  innigste  verknüpft  war:  dass  er  für  die  Pflege 
und  Ausbreitung  nicht  nur  derjenigen  Wissenschaft, 
die  in  diesen  Blättern  vertreten  wird,  sondern  für 
die  Pflege  und  Ausbreitung  der  Naturwissenschaften 
überhaupt,  und  für  die  Vertiefung  ihres  Studiums 
Bahn  gebrochen ; dass  seine  embryologischen 
Forschungen  für  die  Lehre  vom  Leben  und  von 
der  Entwicklung  des  thierischen  Körpers  epoche- 
machend geworden;  dass  sein  Name  in  den  Annalen 
der  Wisseuschalt  unter  der  Kcihe  jener  seltenen 
Koryphäen  glänzt,  welche  die  Universitas  literaruni 
gleichsam  persönlich  repräsentiren : so  erscheint  es 
als'  eine  Pflicht,  „Karl  Ernst  v.  Baer“,  wenn 
anch  verspätet  an  dieser  Stelle  ein  kleines  Denkmal 
zu  setzen.  Wer  das  breite  Wissen  dieses  univer- 
sellen Geistes  kennen  lernen  will,  lese  die  „ Reden 
und  Aufsätze  vermischten  Inhalts4*,  oder  „die 
historischen  Fragen,  mit  Hilfe  der  Naturwissenschaft 
beantwortet4*,  welche  hei  einem  gediegenen  Inhalt 
in  eine  äusserst  anmuthige,  wahrhaft  klassische 
Form  gegossen  sind.  Kollmann. 


Schluss  der  Kedaction  am  6.  Mai. 


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^orresponbcng-^Sfaif 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R e d i g i r t 
von 

Professor  Kollmann  iu  München, 

«?iwr»U*creli»  der  Geaellechftft. 


Erscheint  jeden  Monat 

Nro.  6.  M(\  nch  cn.  Druck  von  R.  Olden hourg.  Juni  1877. 


Ein  angeblicher  Fall  von  Hybridität 
beim  Menschen. 

Von  Professor  Dr  Th.  von  Bisch  off.*) 

Bei  dem  hohen  Interesse,  welches  die  Frage 
nach  der  Monogenie  oder  Polygenie  des  Menschen- 
geschlechtes besitzt,  und  den  fast  täglich  grösser 
werdenden  Schwierigkeiten  einer  allseitig  begrün- 
deten Beantwortung  derselben,  halte  ich  cs  für 
zwerkmIUsig.  einen  mir  gewissermassen  zufällig 
bekannt  gewordenen  angeblichen  Fall  von  Hybridität 
einer  bestimmten  Kreuzungsstufe  zwischen  Euro- 
päern und  Negern  bekannt  zu  machen,  von  der  ich 
mich  bisher  niemals  etwas  gehört  oder  gelesen  zu 
haben  erinnere. 

Als  ich  im  vergangenen  Sommer  1876  in  meinen 
Vorlesungen  über  Zeugung  und  Entwic  klung  über 
Bastardzeugung  gehandelt  und  dabei  erwähnt  hatte, 
dass  inan  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Untersuchung 
annehmen  zu  können  glaube,  dass  alle  Menschen- 
arten  und  Rassen  unter  einander  fruchtbar  seien 
und  eine  unbedingt  fruchtbare  Nachkommenschaft 
erzeugten,  theilten  mir  zwei  meiner  Herren  Zuhörer 
aus  den  Südstaaten  von  Nordamerika  mit,  dass 
Letzteres  doch  nach  den  bei  ihnen  gemachten  und 
bekannten  Erfahrungen  nicht  der  Fall  sei. 

Die  Herren  Mac  Ko  wen  und  Hamilton 
Bo  wie  haben  seit  mehreren  Jahren  bei  uns  Medicin 
studirt,  Ersterer  bereits  gesetzten  Alters,  hat  sehr 
Heissig  gearbeitet,  die  bei  nji$  vorgeschriebenen 

*)  Au»  einem  Vorträge  In  dem  anthropologischen 
Vereine  an  Miincheu  den  Ü7.  Ap  il  1877. 


Prüfungen  ehrenvoll  bestanden,  promovirt  und  ist, 
so  viel  ich  gehört  habe,  in  Rom  jetzt  praktischer 
Arzt.  Herr  Bowie  ist  noch  ein  jüngerer  Mann,  besitzt 
aber  gleichfalls  einen  regen  Eifer  für  das  Studium 
der  Medicin. 

Von  Beiden  erfuhr  ich  nun,  dass  ein  so- 
genannter Octoroon  sowohl  mit  Weissen  als 
Negern  und  Mulatten  unfruchtbar  sei. 

Ein  Octoroon  ist  das  dritte  Glied,  die  dritte 
Generation  der  Verbindung  zwischen  einer  Negerin 
und  einem  Weissen.  Die  erste  Generation  einer 
solchen  Verbindung  ist  bekanntlich  ein  Mulatte, 
also  halb  weisses,  halb  schwarzes  Blut.  Der  Nach- 
komme einer  Mulattin  und  eines  Weissen  ist  ein 
Qundroon,  also  '/«  weisse§  und  schwarzes  Blut. 
Der  Nachkomme  einer  Quadroon  und  eines  Weissen 
ist  nun  ein  Octoroon,  also  V»  weisses  und  '/» 
schwarzes  Blut. 

Herr  Dr.  Mac  Ko  wen  theilte  mir  nun  mit, 
ein  solcher  Octoroon  habe  immer  eiue  Haut-  und 
Ilaar  - Farbe  wie  ein  Italiener  oder  Spanier, 
und  wenn  Vater,  Grossvater  und  Urgrossvater 
blond  gewesen,  so  komme  es  sogar  vor,  dass  der 
Octeroon  rothes  Haar  habe.  Die  Octoroon  seien 
meistens  von  zarter  und  schwacher  Constitution 
und  Gesundheit.  Während  einer  Cholera-  oder 
gelben  Fieber -Epidemie  würden  sie  leicht  von 
diesen  Krankheiten  ergriffen  und  unterlägen  den- 
selben fast  ohne  Ausnahme.  Sie  sterben  meistens 
jung  und  Dr.  Mae  Ko  wen  sagt,  er  erinnere  sich  nie, 
einen  alten  männlichen  Octoroon  gesehen  zu  haben. 
Uebrigens  seien  die  weiblichen  Octoroon  meistens 
ganz  hübsch,  ihre  Geschlechtsorgane  und  Brüste 
gut  entwickelt,  ja  Herr  Dr.  Mac  Kowen  behauptet 


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42 


sogar.  dass  sie  regelmässig  menstruirt  seien.  Allein 
sie  seien  immer  unfruchtbar,  sowohl  mit  einem 
Weissen,  als  mit  einem  Schwarzen  und  Niemand 
kenne  einen  Nachkommen  von  einer  Octoroon,  daher 
denn  auch  mit  ihnen  die  Nachkommenschaft  von 
Weissen  und  Negern  auf  höre.  Die  weiblichen 

Octoroon  seien  wegen  ihrer  Unfruchtbarkeit  als 
Maitressen  sehr  beliebt,  und  hätten  zur  /eit  der 
Sklaverei  einen  sehr  hohen  Preis  gehabt.  Audi  ein 
mftnnliehorOctoroon  erzeuge  weder  mit  einer  Weissen 
noch  mit  einer  Vollblut-Negerin  Kinder.  Die  meisten 
dieser  Angaben  wurden  mir  auch  von  Herrn  Ho  wie 
bestätigt,  obgleich  seine  Erfahrungen  nicht  in  allen 
»Stärken  so  weit  reichten. 

Ich  bin  nun  weit  davon  entfernt,  die  Sache 
damit  für  ab-  und  ausgemacht  zu  halten.  Ich 
habe  mich  zunächst  bemüht,  in  alten  mir  zugäng- 
lichen literarischen  Hilfsmitteln  eine  Erwähnung, 
eine  Hestätiguug  oder  Bestreitung  und  Widerlegung 
dersellien  zu  finden.  Allein  vergeblich.  Im  All- 
gemeinen slösst  man  immer  nur  auf  die  Angabe, 
dass  wenn  sich  eine  Mischrasse  fortwährend  mit 
ihrer  Stammrasse  wieder  vermische,  so  kehre  die 
Frucht  allmälig  wieder  zu  der  Stammrasse  zurück. 
Auch  von  dem  Octoroon  wird  angegeben  (S.  z.  H. 
H 1 um cn  1) ach : De  generis  humani  varietate  na- 
tiva  ]).  147),  dass  man  denselben  von  einem  rein 
Weissen  kaum  unterscheiden  könne,  sowohl  was  die 
Farbe  der  Haut,  als  Farbe  und  Beschaffenheit  der 
Haare  beträfe;  doch  wird  dieses  von  Anderen  be- 
stritten. Soweit  aber  schien  mir  aus  diesem  Studium 
hervorzugehen,  dass  Niemand  eine  Generation  von 
Weissen  und  Negern  über  die  Octoroon  hinaus 
bestimmt  kennt. 

Es  scheint  mir  nun,  dass  zunächst  die  That- 
sache  Reiter  festgestellt  werden  muss,  und  dazu 
möchte  ich  gerne  durch  diese  Mittheilung  die  Ver- 
anlassung geben,  /war,  ich  habe  keinen  Grund 
an  ihrer  Richtigkeit  und  Wahrheit  zu  zweifeln,  da 
sie  mir  unter  ganz  unverfänglichen  Umständen,  ohne 
alle  Nebenabsicht,  zufällig,  aus  rein  wissenschaflichem 
Interesse  mitgctheilt  wurde.  Soll  aber  die  Thatsache 
weiter  erforscht  werden,  so  dürfte  es  wahrscheinlich 
die  höchste  Zeit  dazu  sein.  Denn  wie  mir  die  Herren 
Mac  Kowen  und  Bowie  mittheilten,  kamen  und 
kommen  diese  Fälle  von  Octoroon  mit  Zuverlässig- 
keit nur  in  alten  Familien  von  Sklavenhaltern  vor, 
wo  sich  die  Generationen  schon  seit  mehr  als  hundert 
Jahren  rein  erhalten  haben.  Sowie  die  Mulatten 
dem  freien  Verkehr  unterworfen  sind,  so  hört 
natürlich  die  Reinerhaltung  des  Stammbaumes  auf; 
nur  wo  sie  und  ihre  Nachkommen  Familienbesitz 


sind  und  waren,  war  die  Vermischung  mit  anderen 
Elementen  verhütet  und  unmöglich  zu  machen. 

Wenn  dann  die  Thatsache  feststeht,  wird  es  sieb 
um  deren  nähere  Erörterung  und  Kritik  handeln. 
Es  würde  vor  Allem  im  höchsten  Grade  wünschens- 
wert h sein,  die  Genitalien  solcher  Octoroon,  sowohl 
männlicher  als  besonders  weiblicher  genau  anato- 
misch zu  untersuchen,  um  zu  ermitteln,  ob  an  den- 
selben. oder  ihren  Produkten,  Saainen  und  Ei, 
irgend  eine  histologische  Abweichung  zu  beob- 
achten ist. 

In  Beziehung  auf  eine  sogenannte  Erklärung 
der  Thatsache,  würde  es  wahrscheinlich  nicht  an 
Solchen  fehlen,  welche  dieselbe  als  eine  Folge  zu 
strenger  Inzucht  aufzufassen  geneigt  wären, 
weil,  wie  gesagt,  diese  Fälle  von  Octoroon  meistens 
nur  bei  Isoliruug  in  einer  bestimmten  Familie  Vor- 
kommen. Ich  muss  indessen  bemerken,  dass  meiner 
Ansicht  nach  dadurch  nur  ein  Wort  an  die  Stelle 
der  einfachen  Thatsache  gestellt  sein  würde;  denn 
wieso  ? und  wodurch  ? fortgesetzte  Inzucht  zur 
Unfruchtbarkeit  führt  und  führen  soll,  hat  Niemand 
bisher  nachzuweisen  vermocht.  Wenn  fortgesetzte 
und  zu  strenge  Inzucht  wirklich  zur  Unfruchtbarkeit 
führt,  so  genügt  es  meiner  Ansicht  nach  nicht, 
irgend  einem  mysteriösen  Umstande  die  Ursache 
zuzuschreiben,  sondern  derselbe  muss  näher  narh- 
go wiesen  und  aufgedeckt  werden.  Darin,  dass  dieses 
meistens  nicht  geschehen  ist  und  nicht  geschieht, 
liegt,  wie  mir  scheint,  zunächst  der  Grund,  wes- 
halb über  die  Folgen  fortgesetzter  Inzucht  die 
Ansichten  und  Behauptungen  so  verschieden  sind. 
In  früheren  Zeiten  wusste  man  bei  der  Thierzucht 
von  den  nachtheiligen  Folgen  fortgesetzter  Inzucht 
nichts.  Man  nahm  allerdings  Kreuzungen  ver- 
schiedener Rassen  gerne  vor,  aber  nur  um  ge- 
wisse gewünschte  Eigenschaften  der  Nachkommen, 
sogenannte  Veredelungen,  in  irgend  einer  Hinsieht 
zu  erzielen.  Man  richtete  sich  in  der  Auswahl  der 
Thiere  zur  Zucht  nur  nach  der  Güte  der  Individuen, 
ohne  sich  um  ihre  Verwandtschaft  zu  kümmern. 
Erst  B uf  fon  lehrte,  dass  Paarung  verwandter  Thiere 
die  Art  verschlechtere,  ohne  einen  Grand  dafür 
angeben  zu  können,  daher  denn  auch  viele  Thier- 
züchtor,  Blakwell,  Thaer,  Fowler,  Paget, 
Kirth,  Betland,  Hofacker  u.  A.  behaupten, 
durch  Inzucht  die  tadellosesten  Arten  erzogen  zu 
haben.  Andere  behaupten  das  Uegenthcil:  auch 
Darwin  hält  nahe  Inzucht  für  schädlich  und  nament- 
lich für  zur  Unfruchtbarkeit  führend,  „weil  beide 
„Keime  schliesslich  fast  dieselbe  Constitution  an- 
„nehmen  und  desshalh  die  zur  Einwirkung  aufein- 
ander nöthigen  Reize  fehlen*.  Neuerdings  sagt 


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43 


Darwin  in  seiner  Schrift:  „Die  Wirkungen  der 
Kreuz-  und  Selbst-Befruchtung  im  Pflanzenreiche“ 
pag.  24:  „Hermaphrodit e Blüten  tragende  Pflanzen 
„können  in  noch  näherer  Inzucht  fortgepflanzt  wer- 
den, als  es  mit  doppeltgeschlechtlichen  Thieren 
„der  Fall  ist,  und  sind  daher  sehr  geeignet,  auf 
„die  Jfatur  und  die  Ausdehnung  der  guten  Wir- 
kungen einer  Kreuzung  und  auf  die  üblen  Wirkungen 
„naher  Inzucht  oder  der  Selbstbefruchtung  Licht  zu 
„werfen.  Der  bedeutungsvollste  Schluss,  zu  dem  ich 
„gelangt  bin,  ist  der,  dass  der  blosse  Akt  der 
„Kreuzung  (d.  h.  der  Befruchtung  einer  Blüte 
„mit  dem  Pollen  einer  verschiedenen  Pflanze  eiuer 
„und  derselben  Species)  an  und  für  sich  nicht  imt 
„thut.  Das  Ganze  hängt  davon  ab.  dass  die  Indi- 
viduen, welche  gekreuzt  werden,  unbedeutend  in 
„ihrer  Constitution  von  einander  verschieden  sind, 
„und  zwar  in  Folge  davon,  dass  ihre  Vorfahren 
„mehrere  Generationen  hindurch  unbedeutend  ver- 
schiedenen Bedingungen,  oder  was  wir  in  unserer 
„Unwissenheit  „spotanen  Abänderungen**  nennen, 
„ausgesetzt  waren.“  (8.  auch  pag.  425.) 

Ich  bin  nicht  im  Stande,  in  diesen  Aussprüchen 
Darwins  eine  Aufklärung  darüber  zu  finden,  wes- 
halb ein  gewisser  Grad  von  Verschiedenheit  der  sich 
paarenden  Individuen  für  die  Fortpflanzung  vorthcil- 
haft,  eine  zu  grosse  Uebereinstimmmig  in  ihren  Eigen- 
schaften nacht  heilig  sein  soll.  Man  unterscheidet, 
wie  mir  scheint,  hei  dieser  Frage  der  Inzucht  und 
bei  der  sich  daran  anschliessenden,  der  Yerwandten- 
Heiraton  unter  den  Menschen,  meistens  nicht  ge- 
hörig die  Bedingungen,  unter  welchen  diese  Verbin- 
dungen erfolgen  und  erfolgen  können.  Sind  beide 
Zeugenden  vollkommen  normal  und  von  gesunder 
i frganisatiou.  namentlich  auch  in  Beziehung  auf  ihre 
Produktionsorgane,  so  ist  unzweifelhaft  von  physischer 
Seite  gar  kein  Grund  vorhanden,  weshalb  ihre  Ver- 
mischung nachtheilig  und  namentlich  zur  Unfrucht- 
barkeit führen  sollte.  Im  Gegentheil,  ihre  guten 
normalen  Eigenschaften  werden  sich  vererben  und 
die  Früchte  wieder  normal  und  gesund  sein.  Be- 
kanntlich vererben  sich  aber  auch  anormale  und 
ungesunde,  ja  geradezu  pathologische  Organisations- 
Eigenschaften  der  /engenden.  Die  nnchtheiligcn 
Folgen  solcher  abnormen  Eigenschaften  der  Eltern 
werden  aber  nothwendiger  Weise  um  so  lebhafter 
hervortreten,  wenn  sie  bei  bei  d e n Zeugenden  die- 
selben sind.  Es  tritt  dann  eine  Sommation  solcher 
nachtheiligen  Eigenschaften  ein.  Dies  wird  aber 
gerade  bei  verwandten  Thieren  und  Menschen  ge- 
wöhnlich und  am  leichtesten  der  Fall  sein.  Ganz 
normale  Constitutionen  sind  bekanntlich,  zumal  unter 
den  Menschen  sehr  selten,  und  noch  seltener,  dass 


sic  sich  gerade  zusamraentinden.  Besitzt  aber  der 
eine  der  Zeugenden  diesen,  der  andere  einen  anderen 
Fehler,  so  werden  sich  dieselben  wenigstens  nicht 
snmmiren,  vielleicht  sogar  neutralisire»,  und  daher 
ist  es  im  Ganzen  immer  räthlich.  nicht  zn  nahe 
verwandte  Thiere  und  Menschen  zasammenzubringen. 

Ich  berühre  hierbei  natürlich  immer  nur  ent- 
ferntere Ursachen,  welche  auf  die  Artung  der 
Frucht  bei  der  Zeugung  ein  wirken.  Wollten  wir 
sie  näher  analysiren,  so  müssten  wir  näher  auf  das 
Wesen  der  Zeugung  und  Befruchtung  eingeben,  wozu 
hier  nicht  der  Platz  Ist,  und  auch  dann  würden  wir 
bald  auf  die  Grenzen  unserer  Einsicht  und  Erkennt» 
niss  stossen,  da  uns  die  materiellen  Verschieden- 
heiten des  Sau  mens  und  des  Eies,  durch  welche 
normale  und  pathologische  Eigenschaften  der  Eltern 
vererbt  werden , unbekannt  sind  und  wahrschein- 
lich noch  lange  Zeit  unbekannt  bleiben  werden. 

Ich  könnte  aber,  um  auf  unseren  Fall  zurück- 
ztikomineu,  nur  dann  zu  nahe  Inzucht  als  die  Ur- 
sache der  Unfruchtbarkeit  von  Octorooncn  zugeben, 
wenn  zugleich  dabei  nachgewiesen  oder  wenigstens 
angenommen  wird,  dass  sich  in  «1er  betreffenden 
Familie  erbliche  Fehler,  speziell  in  Beziehung  auf 
die  Zeugnngsorgaue  und  das  Zeugungsvermögen  der 
Zeugenden  vorgefunden  hätten  oder  vorfindeu. 

Ich  will  indessen  nicht  unterlassen,  auch  noch  auf 
einige  andere  Umstände  hinzuweisen,  welche  wenig- 
stens in  Beziehung  auf  die  weiblichen  Octoroon  auf 
ihre  angebliche  Unfruchtbarkeit  von  Einfluss  sein 
könnten.  Es  ist  bekannt,  dass  Prostituirte,  wenn  sie 
auch  im  Anfänge  ihres  Lebenswandels  einmal  ein  Kind 
gehabt  haben  sollten,  wenn  sie  uueh  sonst  ganz  ge- 
sund und  namentlich  selbst  regelmässig  menstruirt 
sind,  doch  meistens  unfruchtbar  sind.  Wer,  wie  ich, 
Gelegenheit  gehabt  hat,  die  Leichen  vieler  solcher 
Unglücklichen  zu  untersuchen,  denn  sie  stellen  ein 
bedeutendes  Contingent  zu  «lern  Material  unserer 
anatomischen  Anstalten,  der  weiss,  dass  sehr  ge- 
wöhnlich, ja  vielleicht  meistens,  «lie  Ursache  ihrer 
Unfruchtbarkeit  in  Verwachsungen  ihrer  inneren 
Zeugungsorgane  gelegen  ist.  Die  Eierstöcke  und 
Eileiter  finden  sich  durch  Pseudomembranen  unter- 
einander und  mit  den  benachbarten  Organen  auf 
das  mannifaltigste  verwachsen,  und  wenn  daher  auch 
die  Eierstöcke  fort  fahren,  regelmässig  zu  fuuktio- 
niren  und  zu  ovuliren.  so  ist  doch  die  Leitung  der 
Eier  und  des  Saamens  gestört  und  gehindert  und 
es  kann  keine  Befrachtung  erfolgen.  Die  oft  wieder- 
holte und  übermässige  Reizung  der  Geschlechts- 
organe führt  zu  solchen  Exsudationen  und  Verwach- 
sungen an  den  inneren  Geschlechtsorganen. 

6* 


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44 


i 


Nun  erfahren  wir,  dass  die  Octoroon  häufig  als 
Maitresscn  gesucht  gewesen  sein  sollen;  freilich 
angeblich  weil  sie  unfruchtbar  seien,  und  nicht 
umgekehrt  seien  sie  unfruchtbar,  weil  sie  als  Mai- 
tressen fungirten  Allein  solche  Verwechslungen 
von  Ursache  und  Wirkung  wären  immerhin  denkbar. 
Ks  könnte  also  sein,  dass  sie  wegen  ausschweifen- 
der Lebensweise  unfruchtbar  wären. 

In  einer  neueren,  die  jetzigen  Verhältnisse  von 
Nordamerika  besprechenden  Schrift  von  William 
Hepworth  Dixon:  White  Conquest;  1875. 
kommt  zwar  direkt  und  bestimmt  von  den  Octoroon 
und  namentlich  von  ihrer  Unfruchtbarkeit  nichts 
vor.  Kr  sagt  im  Gegentheil,  er  habe  eine  Schule 
besucht , iu  welcher  farbige  Kinder  unterrichtet 
. wurden,  welche  von  einem  weissen  Vater  und 
einer  Qnadroon  oder  Octoroon!  ahgestammt, 
wodurch  also  ausgesprochen  wäre , dass  auch 
eine  Octoroon  Kinder  bekommen  könne,  allein  er 
sagt  das  nur  so  nebenbei;  ohne  diese  Angabe 
näher  zu  untersuchen.  An  einer  anderen  Stelle 
aber  beklagt  er  das  Vorurtheil,  welches  auch 
jetzt  noch  alle  Farbigen  und  deren  Nachkommen 
in  Nordamerika  verfolge.  Kr  sagt  das  Schicksal 
auch  einer  wohlerzogenen  und  gerne  in  irgend 
einer  rechtlichen  uml  sittlichen  Weise  ihr  Leben 
machen  wollenden  Tochter  einer  Quadroon,  also 
einer  Octoroon,  sei  unausbleiblich  das  der  Pro- 
stitution; denn  man  werde  sie.  wenn  sic  auch  schön 
und  fast  weiss  sei,  dennoch  unzweifelhaft  überall 
als  Abkömmling  einer  Farbigen  erkennen  und  ver- 
folgen, sic  möge  anfangen  was  sie  wolle,  und  es 
bleibe  ihr  zuletzt  nichts  übrig,  als  sich  der  Pro>ti- 
tution  in  die  Arme  zu  werfen.  Wäre  dieses  richtig, 
so  könnte  man  sagen,  dass  diese  Octoroon  aus  dem- 
selben Grunde  unfruchtbar  seien  als  unsere  Prost i- 
tuirten. 

Ich  bin  auch  darauf  aufmerksam  gemacht 
worden,  dass  leider  in  Amerika  der  Gebrauch  von 
Abortivmittelu  ein  sehr  allgemein  utid  weit  ver- 
breiteter ist,  und  auch  daher  die  Sage  herrühren 
könne,  dass  die  Octoroon  unfruchtbar  seien,  weil  sie 
bei  einer  lockeren  Lebensweise  diesem  Gebrauche 
ebenfalls  huldigten. 

Ich  muss  indessen  bemerken,  dass  alle  diese 
EinwQrfe  oder  Krklärungen  nicht  wohl  passen. 
Denn  die  mir  mitgethciltc  Angabe  bezieht  sich 
ganz  vorzüglich  auf  Octoroon,  welche,  wie  gesagt, 
gewissennassen  als  Familienmitglieder  in  alten 
Familien  geboren,  ja  so  zu  sagen  gezüchtet  worden 
sind,  und,  wenn  man  die  Verhältnisse  recht  erwägt, 
auch  eigentlich,  nur  gezüchtet  werden  können, 
weil  in  dem  freien  Verkehr  nach  Ausscu  sehr  bald 


die  Reinerhaltung  einer  Zucht  aufhört.  In  diesem 
Familienleben  war  aber  schwerlich  die  Gelegenheit 
und  Möglichkeit  gegeben,  durch  solche  ausschwei- 
fende Lebensweise  die  Fruchtbarkeit  der  Octoroon 
zu  vernichten. 

Herr  Ilowie  gerieth  ausserdem,  als  er  die 
Schrift  von  Dixon  gelesen,  in  grosse  Entrüstung 
und  behauptete,  entweder  kenne  der  Autor  die 
namentlich  in  den  Südstaaten  herrschenden  Ver- 
hältnisse nicht  aus  eigener  Beobachtung,  oder  er 
habe  sie  aus  Parteirücksichten  falsch  «largestellt. 

Endlich  ist  bei  Allein  nicht  zu  übersehen,  dass 
die  behauptete  Unfruchtbarkeit  sich  nicht  nur  bei 
weiblichen  Individuen  finden  soll,  auf  welche 
allein  die  gegebenen  Erklärungsversuche  etwa 
passen  könnten,  sondei  n auch  bei  den  tu  ä n u 1 i c h c n, 
so  dass  man  jedenfalls  genöthigt  sein  würde,  sich 
nach  anderen  utnzusehen. 


Das  Urnenlager  von  Borgstedterfeld, 

dessen  in  Xr.  1 dieses  Jahrgangs  gedacht  ist,  — 
wird  gegenwärtig  für  das  Kieler  Alterthumsmuseum 
ausgebeutet,  welches  von  daher  bereits  ca.  100  Urnen 
erhalten  hat.  Sechs  Urnen  bewahrt  das  Reuds- 
burger  Gymnasium;  einige  andere  sind  in  Privat- 
besitz zerstreut  von  Aarhuns  bis  nach  München 
hinunter.  Bei  weitem  die  Mehrzahl  ist  allerdings 
durch  Wurzelfasein  zersprengt  oder  durch  den 
darüber  gehenden  Pflug  zerstört,  wie  auch  die  wohl- 
erhalteuen  Urnen  meistens  oben  beschädigte  Ränder 
zeigen.  Nach  deu  Mittheilungen  des  Herrn  Schul- 
lehrers Steinbock,  der  sich  um  die  Entdeckung 
und  Untersuchung  dieses  Begräbnissplatzes  das 
grösste  Verdienst  erworben  hat,  sind  bis  jetzt  im 
Ganzen  mehr  als  fünfhundert  Thongefässe  beob- 
achtet, und  der  Vorrath  ist  noch  lange  nicht  er- 
schöpft. Die  Urnen  stehen  in  der  Regel  nicht 
viel  tiefer  als  50  cm,,  in  einer  Schicht  schwarzer 
fettiger  Gartenerde,  die  auf  dem  Urboden  ausge- 
breitet ist;  einzelne  sind  bis  in  den  Urboden  hinein 
gegraben.  Manchmal  stehen  mehrere  dicht  neben 
einander,  fast  Rand  an  Rand;  manchmal  finden 
sich  Zwischenräume  von  ein,  zwei  Fuss  (30 — GO  cm.) 
oder  mehr.  Nur  in  zwei  oder  drei  Fällen  standen 
zwei  Gefässe  übereinander;  schwerlich  mit  Absicht, 
sondern  man  hatte  wohl  vergessen,  dass  der  Platz 
bereits  besetzt  war.  Von  den  kleineren  Töpfen 
haben  die  meisten  offenbar  als  Beigefässe  gedient 
und  euthalteii  ausser  Erde  höchstens  eiu  kleines 
Grabgeschenk;  andere  sind  wirkliche  Kinderurnen, 
in  denen  z.  B.  Milchzähne  erkennbar  Vorlagen.  Die 


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45 


Thongefässe  zeigen  eine  grosse  Mannigfaltigkeit 
an  Gestalt,  Grösse  und  Ornamenten;  bei  einigen 
scheinen  römische  Broncegefässe  als  Vorbilder  ge- 
dient zu  haben.  Ganz  besonders  bemerkenswert)! 
ist  eine  Urne,  die  in  vier  Feldern  verschiedene  mit 
Stempeln  eingedrückte  Figuren  (Mensch, 
Hund  oder  Wolf,  zwei  einander  gegenüber  hockende 
Eber,  Fisch)  aufweiset;  sie  erinnert  an  die  Dar- 
stellungen auf  den  berühmten  Gold  hörnern  von 
Gallehuus.  In  einem  Topfe  lag  oben  ein  eigentüm- 
lich gestalteter  thönerner  Deckel.  Unter  den  Bei- 
gaben ist  bisher  nichts  von  edlem  Metall,  und  auch 
kein  Stück,  das  eine  annähernd  sichere  Zeitbestim- 
mung ermöglicht.  Die  übrigens  erst'  stellenweise 
beobachtete  Steinreihe  („Ring  kopfgrosser  Fels- 
stfickc“),  die  (Corr.-Bl.  1H77  S.  8)  als  Einfriedigung 
des  BegrAbnissplatzes  gedeutet  wird,  kann  nicht  wohl 
als  solche  gelten,  da  auch  ausserhalb  derselben 
Urnen  Vorkommen;  doch  sollen  letztere  nicht  so 
regelmflssig  mit  Steinen  zugedeckt  sein,  wie  die- 
jenigen innerhalb  des  „Ringes“.  Ueberliaupt  stehen 
die  Urnen  weiter  hinaus  weniger  gedrftngt  und 
flacher,  und  wegen  dieser  geringeren  Tiefe,  bis  25 
bis  90  ciu.,  sind  die  meisten  heim  Pflügen  oder 
durch  sonstige  Erschütterung  zerbrochen. 

Ursprünglich  hat  man  das  Uriienloger,  so  zu 
sagen,  angebaut  an  den  südlichen  Abhang  eines 
halbkugelförmigen  Grabhügels,  der  bei  weitem  zum 
grössten  Theil  auf  der  nördlich  angrenzenden  Nach- 
barkoppel lag,  aber  schon  vor  circa  20  Jahren  ab- 
gefahren ist.  Derselbe  war  in  der  Mitte  eingesunken, 
und  unter  dieser  eingesunkenen  Stelle  fand  man 
einige  Urnen,  die  aber  nicht  innerhalb  einer  Stein- 
kamnier  standen.  Im  Uebrigen  ergab  dieser  Hügel 
etwa  ein  halbes  Fuder  faust-  und  kopfgrosser  Steine. 
Die  Nachbarkoppel  ward  damals  planiil.  während 
diesseits  des  Grenzwalls  (auf  Hm.  Lensch'  Koppel) 
• der  äusserste  Abhang  des  Hügels  mit  dem  daran 
gelehnten  Umenlager  stehen  blieb.  Soweit  die  Beob- 
achtungen jetzt  reichen,  scheint  hei  der  ursprüng- 
lichen Anlage  dieses  Friedhofs  folgendermaßen 
verfahren  zu  sein:  über  den  südlichen  Fuss  des 
Hügels  und  den  benachbarten  Urbodet»  breitete 
man  eine  Schicht  der  herbcigeholtcn  schwarzen 
Erde,  worin  dann  die  Urnen  vergraben  wurden: 
und  auf  dieselbe  Weise  konnte  man  den  Bcgräb- 
nissplatz  nach  Bedarf  allmälig  vergrößern. 

H. 


Archäologisches  vom  Rhein. 

1.  Das  Gräberfeld  von  Alsheim. 

Der  westliche  Abhang  des  Mittelrheinthales, 
der  schon  die  Gräberfelder  von  Selzen,  Sprendlingen, 
Weisseuheim  a.  Berg  und  Andere  aus  fränkisch- 
alemannischer  Zeit  geliefert  hat,  bietet  iti  neuester 
Zeit  wieder  einen  nicht  unbedeutenden  Fund  dar, 
der  sowohl  in  authro}vologischer  als  in  archäo- 
logischer Hinsicht  sich  würdig  den  früheren  Todteu- 
feldern  anreiht. 

Am  Westabhange  des  rheinischen  Hessen’»,  in 
der  Nähe  des  Dorfes  Alsheim,  zwischen  Worms  und 
Mainz,  entdeckte  auf  der  Gewanne  llahl  heim  An- 
legen von  Weinbergen  Gutsbesitzer  B raun  ein  aus- 
gedehntes Leichenfeld  mit  gut  erhaltenen  Skeleten. 

Das  Gesicht  der  Leichen  schaute  nach  Osten; 
sie  lagen  in  parallelen  Reihen  einige  Fuss  unter 
dem  Boden,  wahrscheinlich  zwischen  zwei  Brettern, 
jeder  zu  HAupteu  ein  ovaler  Stein. 

Die  Schädel,  Arm-  und  Beiuknochen  sind 
ausgezeichnet  erhalten;  letztere  tragen  vielfach 
röthliche  Farbe  — vom  Leder? 

Die  Messung  eines  Dutzends  von  Schädeln  ergab 
für  den  Längenindex  stark  dolichocephalen  ( ’harakter, 
*/n  haben  den  Index  73,  die  Ausnahmen  gehen  bis 
69  herab;  ein  Schädel  zeigt  79,4. 

Von  Beigaben  fanden  sich: 

1)  von  Eisen:  Schwert,  Srramasax  und  Lanze, 
Schildbeschläge,  wie  bei  den  Leichen 
von  Selzen; 

2)  von  Bronce:  Bulla,  Ringe,  Ketten;  meist 
ohne  ornamentalen  Schmuck; 

3)  von  Kupfer:  Kiemeuheschläge  und  rö- 
mische Münzen  aus  später  Kaiserzeit, 
die  uls  Halsschmuck  getragen  wurden 
— sie  waren  durchlöchert ; 

4)  von  Tliou:  Perlen  und  Wittel; 

5)  von  (»las:  Perlen  und  Becher; 

6)  von  Elfenbein:  Kämme  und  Kettenglieder; 

7)  von  Stein:  durchlöcherte  Amulette; 

8)  Rundflholn  aus  Eisen  mit  Bronzescheihe, 
stark  zerstört,  mit  Steinen  besetzt. 

Die  Beigaben  und  die  Bestattung  ist  einfacher, 
als  bei  Selzen  und  Sprendlingen. 

Nach  den  römischen  Resten  und  den  fehlen- 
den Urnen  darf  man  das  Todtenfeld,  das  einer 
kriegstüchtigen,  aber  knlturannen  Bevölkerung  au- 
gehört,  in  die  niittel fränkische  Zeit,  etwa 
Anfang  des  6.  Jahrhunderts,  setzen. 

Ausführlicher  Bericht  wird  seiner  Zeit  folgen. 


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2.  Gräber  vom  Michelsberge  bei  Dürkheim. 

Am  südlichen  Abhang  des  Michelsberges  bei 
Dürkheim  gegenüber  und  östlich  der  Ringmauer 
sticss  man  beim  Anlegen  von  Weinbergmauern  auf 
PlattengrAhcr.  die  in  einer  Tiefe  von  2 m.  nach 
Südosteu  lagen. 

Sie  bestanden  aus  je  drei  mächtigen,  roh  be- 
hauenen. über  2 m.  langen  Längeuplatte»  und  zwei 
viereckigen  Schlussplatten , dereu  Steinmaterial 
weiterher  vom  Abbange  des  Ringmauerberges  her- 
geholt war. 

Im  Innern  befanden  sich  die  Skeletreste  in 
schlechtem  Zustande.  Der  Schädel  des  einen  war 
noch  zusammenzusetzen  und  ergab  einen  Längcn- 
index  von  ca.  70.  Im  zweiten  lind  dritten  lirab 
waren  nur  wenige  Fragmente  vom  Schädel  und 
starke  Schenkelkuochen  erhalten.  In  allen  drei 
Gräbern  fand  sich  von  Beigaben  nichts,  als  in 
zweien  stark  oxydirte  Eisenmesser,  wie  man  sie 
häutig  in  fränkischen  Gräbern  trifft. 

Da  man  auf  der  Ringmauer  ähnliche  Messer 
angetroffen , dürfte  die  Verbindung  der  Gräber  vom 
Michelsberge  mit  den  Bewohnern  des  Walles  nicht 
abzuweisen  sein. 

Man  kann  diese  Gräberart  als  Vorläuferin  der 
fränkisch -alemannischen  Reihengrüber  betrachten 
und  sie  in  Rücksicht  darauf  und  auf  die  Eisenbei- 
gaben,  sowie  auf  die  überlieferte  Ethnographie  der 
Umgegend  - Gau  der  Vaugionen  — als  früh- 
fränkisch  bezeichnen.  Auffallend  ist  der  Mangel 
römischen  Einflusses,  der  sonst  hier  tonangebend 
erscheint;  Hesse  sich  daraus  auf  den  vorrömischen 
Charakter  der  Gräber  schUessen?*) 

Dürkheim,  Anfang  April. 

Dr.  C.  Mehlis. 


Heidnische  Alterthümer. 

Der  Garten  des  Schlossermeisters  Spier  in 
Achim  von  ca.  6 Morgen  Grösse  enthält  in  der 
Mitte  grosse  Sandherge,  die  mit  Föhren  bepflanzt 
sind.  Als  vor  etwa  sechs  Jahren  zu  der  Vergrös- 
seruiig  des  Bahnhofes  zu  Achim  als  Material  ein 
Theil  der  Sandberge  abgefahren  wurde,  fand  sich 
in  denselben  eine  Steinkammer  von  ca.  70  Fuss 
Länge,  12  Fuss  Breite  und  angeblich  15  Fuss  Höhe. 

*i  PUtteugräber  bei  Aufhofen  (Corresp.-Blntt  1876. 
No.  3 n.  4)  enthielten  mit  Auünahme  eines  beinernen 

Kammes  keinerlei  Beigaben.  Der  LAngenbreiteoindex 
der  5 Schädel  berechnet  sich  im  Dnrcbschnitt  auf  70,5. 
Nichts  steht  im  Weg,  sie  wie  die  oben  erwähnten  für 
vorrömitth  zu  halten.  Anm.  d.  Red. 


Sie  war  mit  Sand  gefüllt,  nach  dessen  Entfernung 
der  Bodeu  der  Kammer  ein  Steinpflaster  zeigte, 
worauf  Thongefässe  mit  gebrannten  Knochen,  einige 
fein  gearbeitete  Keile  von  Stein  und  Hso  mehrere 
Sachen**  lagen.  Diese  Gegenstände  wurden  bedauer- 
licher Weise  verzettelt.  Die  Steinkammer  befand 
sich  am  östlichen  Ende  des  Sandberges.  Später 
ist  weiter  nach  Westen  hin  eine  kleinere  gefunden 
und  im  Decemher  vorigen  Jahres  (nach  einem  an- 
deren Berichte  im  Laufe  dieses  Jahres),  als  durch 
Sturm  einige  Föhren  umstürzten  und  durch  Sand- 
wehen tiefe  Gruben  entstanden,  die  dritte  Kammer, 
die  von  der  ersteu  ca.  DK)  Fuss  entfernt  lag.  Sie 
mass  etwa  40  Fuss  in  der  Länge,  12  Fuss  in  der 
Breite  und  15  Fuss  in  der  Höhe;  wie  mitgetheilt 
wird,  ruhten  auf  6 mächtigen,  ca.  8 — 10  Fuss  hohen 
Trägem  3 Decksteine,  und  bei  der  Zerstörung  des 
Denkmals  ergaben  sich  ca.  70  Cbm.  Steine.  Der 
Boden  der  Kammer  war  mit  geschwärzten  Feld- 
steinen gepflastert  und  mit  einer  1‘  t Fuss  hohen 
Aschenschicht  bedeckt,  worin  verschiedene  Thon- 
gefässe, Pferdeknochen,  ein  Steinkeil  und  einige 
stark  oxydirte,  mit  einer  Sandkruste  bedeckte,  zum 
Theil  grossen  Nägeln  vergleichbare  Eisenstücke 
lagen.  Die  Urnen  sind  wie  gewöhnlich  von  den 
Findern  zerschlagen,  einige  Scherben,  welche  ganz 
neuerdings  noch  aufgelesen  sind,  zeigen  vertikal  lau- 
fende Liniensysteme  von  eingedrückten  Punkten  und 
Strichen,  horizontale  Zickzack-  und  auch  Doppel- 
linieu  von  schräg  gestellten  oblongen  Vertiefungen. 
Ein  Bruchstück  ohne  Ornament  ist  mit  zwei  kleinen 
nahe  zusammeustehenden  Henkeln  besetzt.  Diese 
Scherben,  ferner  die  erwähnten  Eisenstücke,  ein 
kleiner,  roh  gekneteter  Napf  von  ca.  2*  » Zoll  Weite 
und  1 Zoll  Höhe,  ein  4 Zoll  langer  polirter  Stein- 
beil und  einige  PferdozAhne  sind  jungst  an  Ort  und 
Stelle  von  einem  Bremer  Alterthumsfreunde  noch 
aufgefunden.  Es  muss  ausserordentlich  beklagt 
werden,  dass  die  Entdeckung  nicht  sofort  zu  der 
Kenntniss  von  Fachmännern  gelangte,  damit  diese 
eiue  systematische  Ausgrabung  vornehmen  und  den 
T hat  bestand  in  wissenschaftlicher  Weise  feststellen 
konnten.  Schon  früher,  im  Jahre  1847,  wurden 
hier  bei  dem  nahen  Bierden  zwei  frei  liegende  Stein- 
denkmäler zerstört  und  da'*  Material  derselben  bei 
dem  Bau  der  Eisenbahn  verwendet. 

Eine  andere  Gattung  von  Gräbern  kam  in 
neuerer  Zeit  hei  dem  braunschweigischen  Orte 
Hohnslehen  (nordöstlich  von  Scliöningen)  zu  Tage. 
Die  Fundstelle  liegt  ca.  200  Schritt  nordwestlich 
vom  Dorfe.  Es  ist  eine  Bodenerhebung  von  etwa 
22  Fuss,  die  an  der  Westseite  von  der  Chaussee 
nach  Harbke  und  an  der  Ostseite  von  einer  Schlucht, 


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dem  früheren  Harbker  Wege,  begrenzt  wird.  Bei 
dein  Planircn  dieses  Terrains , um  den  Hohlweg 
zuzuwerfen,  wurde  im  vorigen  Jahre  ein  Leichen- 
feld entdeckt.  I)er  Boden  ist  verschieden:  an  der 
Ostseite  der  Erhöhung  ist  er  schwarz  und  hier 
lagen  die  Skelete  am  häufigsten:  dem  Dorfe  zu 
an  der  Südseite  besteht  die  sich  keilförmig  ver- 
sdimälernrie  Anhöhe  aus  Thon,  der  viel  weniger 
Leichen  enthielt;  ebenso  zeigte  sich  diese  an  der 
Westseite  nur  vereinzelt,  und  nach  Norden  zu,  wo 
das  hohe  Terrain  sich  verbreitert,  fehlen  sie  ganz. 
Das  ganze  Areal,  das  damals  mit  Skeleten  besetzt 
gefunden  wurde,  umfasst  etwa  ein  Viertel  Morgen. 
Die  Zahl  der  auf  diesem  vcrhÄltnissmässig  kleinen 
Tlatze  beigesetzten  Todten  wird  auf  470  beziffert. 
Die  Anordnung  derselben  war  sehr  verschieden: 
im  schwarzen  Boden  lagen  sie  sehr  dicht,  einmal 
sogar  zu  19  beisammen,  öfter  zu  2 bis  5;  dann 
wieder  häufig  vereinzelt;  die  Tiefe  betrug  gemeinig- 
lich 5 Fuss,  und  ziemlich  regelmässig  war  bei  der 
Beisetzung  den  Leichen  die  Richtung  von  Westen 
(Kopf)  nach  Osten  gegeben.  Einige  fanden  sich  in 
einer  schrägen  Lage  vor,  so  zwar,  dass  die  Küsse 
viel  tiefer  als  der  Kopf  lagen,  der  dann  nur  etwa 
2 Kuss  hoch  mit  der  Erde  bedeckt  war.  ln  dem 
Thonboden  an  der  Südseite  betmg  die  Tiefe  durch- 
schnittlich nur  2 Fuss.  hier  war  eine  regelmässige 
Beisetzung*  nicht  zu  bemerken,  sondern  die  Schädel 
^ fanden  sich  nach  allen  Himmelsgegenden  gerichtet. 
Auch  bezüglich  dieser  Begräbnisstätte  bei  Hohns- 
leben ist  es  sehr  zu  bedauern,  dass  sie  nicht  von 
einem  Sachverständigen  wissenschaftlich  untersucht 
werden  konnte.  Jetzt  ist  sie,  bis  vielleicht  auf 
einen  Theil  an  der  Westseite , zerstört.  Plinige 
(4  Stück)  der  Schädel  sind  in  kundige  Hände  ge- 
rathen:  Dr.  Ne  bring  in  Wolfenbüttel  bezeichnet  sie 
sänimtlirh  als  dolichocephal  mit  starker  Ausbildung 
des  Hinterhauptes,  der  Unterkiefer  mit  seinem  Pro- 
eess.  eondyloid.  auffällig  stark  nach  hinten  ausge- 
zogen; acht  andere  Schädel  hat  ein  Arzt  in  SchÖ- 
ningen  erhalten.  Von  sonstigen  Fundgegenständen 
werden  erwähnt:  ein  Knochenkamm,  von  der  Art, 
wie  er  in  Reiliengrähem  häufig  gefunden  wird ; ein 
Broncestüek,  welches  in  seiner  fragmentarischen 
Form  nicht  näher  zu  bestimmen  ist;  dann  12  oder 
13  eiserne  Messer,  die  gewöhnlichste  Beigabe 
in  Umenfriedhöfen  und  Reiliengrähem;  ein  zer- 
brochener Ring  von  Elfenbein,  im  Durchmesser  „von 
der  Stärke  eines  Arms*;  schliesslich  einige  Thon- 
gefässe,  die  zerbrochen  wurden,  und  zerstreute 
Scherben  von  solchen.  Im  Allgemeinen  gehört  das 
Leichenfeld  von  Hohnslehen  zu  den  immerhin  hei 
uns  im  nordwestlichen  Deutschland  bisher  sehr  selten 


beobachteten  Begräbnisstätten,  die  wir  in  ganz 
ähnlicher  Weise  bei  Rosdorf  in  der  Nähe  von 
Göttingen,  Bohlsen  in  der  Gegend  von  Uelzen  und 
Pohle  am  Deister  kennen  gelernt  haben.  Sie  ver- 
dieuen  darum  eine  besondere  Aufmerksamkeit. 

J.  H.  Müller. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Der  Lndwigsburger  Grabfund. 

Die  Stadt  Ludwigsburg  lässt  gegenwärtig  ein  neues 
Wasserwerk  durch  Oberbaurath  Dr.  v.  Ehmann  einrichten 
Das  Wasser  wird  aus  dem  Riosbrunnen  bei  PflngMden 
geholt,  an  dessen  Rand  Spuren  alter  Niederlassung  aus 
der  Eisenzeit  sich  fanden  ueben  den  zerschlagenen 
Knochen  von  Ur,  Elch,  Bär,  Hirsch,  Schwein,  Reh  u.  ».  w. 
Das  Ilochrcservoir  aber  kommt  auf  beziehungsweise  in 
einen  gewaltigen  Grabhügel  zu  stehen  von  6 m.  Hohe 
und  80  m.  Durchmesser.  Beim  Abhebeu  des  Hügel*  stieg« 
man  mit  5 m.  auf  regellos  über  einander  liegende  Feld- 
steine von  1 — 3 Ctr.  Gewicht,  die  aus  der  weiteren  Um- 
gebung stammen,  da  in  nächster  Nähe  keine  Steine  sind, 
unter  den  Steinen  faud  sich  ein  3,5  m.  im  Geviert  mes- 
sendes Holzrahmen-Grab  und  in  demselben  eiu  Skelet, 
das  unvollständig  verbrannt  war,  den  Kopf  nach  Norden 
gerichtet.  Zu  den  Füssen  stand  ein  Houkelgefäss  aus 
Bronce  und  ein  eimerartiges  Gefliss  aus  dem  gleichen 
Metall.  Zur  Rechten  des  Skeletes  lag  eiu  prachtvoll 
gearbeiteter  Dolch  mit  eiserner  Kliuge,  Griff  und  Scheide 
aus  Bronce;  in  der  Schädelgegend  ein  2 Finger  breiter 
Goldreif,  iu  der  Armgegend  ein  Streifen  schmäleres 
Goldblech,  wohl  eine  Spange.  Letztere  ist  glatt,  der 
erstere  ist  mit  2 Perlstaben  und  zwischen  beiden  lineär 
ornAmentirt.  Lag  das  Skelet  auf  der  Westseite  des  grossen 
Grabes,  so  war  der  übrige  Raum  mit  eiaem  Pracbtwagen 
erfüllt,  von  dem  freilich  nnr  die  aus  Kupfer  getriebene  Be- 
kleidung der  Radnaben  uud  eines  Theils  der  Speichen 
erhalten  war.  Das  Holz  (Birnbaum  und  Birke)  war  mit 
Ausnahme  der  Stellen,  wo  es  in  Berührung  mit  dem  sich 
bildenden  Kupfcrsalz  war,  vollständig  vergangen;  die 
eisernen  Rrdreifc,  eiserne  Ketten,  eine  Menge  eisernes 
Wagenbeschläge  und  Wageugerüsie,  waren  gleichfalls  vom 
Rost  so  zerstört,  dass  nur  die  rohen  Umrisse  noch  uotirt 
werden  konnten.  Zerstreut  lagen  ferner  zwischen  den 
4 Rädern  und  bald  auf,  btld  unter  ibnen  Pferdeschmuck 
aus  getriebenem  Kupferblech  mit  Vergoldung,  verschie- 
dene Ketten  nus  Bronce,  Messereben  aus  Bronce,  eine 
AiixaM  Uohlriuge  u.  drgl,  Das  Grab  lag  auf  der  früheren 
Erdflncbe,  und  fand  sich  aber  hei  der  Fuudation  der 
Reservoirmauern  3 m.  nördlich  dieses  Grabes  noch  ein 
zweites,  4 in  im  Quadrat  haltendes,  das  1,29  m.  tief  iu 
den  Boden  eingelassen  und  gleichfalls  mit  grossen  Feld- 
steinen Ausgefüllt  war.  Ein  Skelet  fand  sich  hier  nicht 
mehr,  aber  Spuren  von  rfroueegerathen,  Bernstein-Peude- 


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loque»,  Dolchgriffe,  Goldbleche,  goldene  Nietnägel  u.  drgl., 
Spuren  von  Asche  und  Kohle  allenthalben,  dagegen  keine 
Spur  von  Thierknochen.  Es  ist  dies  in  Schwaben  nun- 
mehr der  zweite  bekannte  Fall,  dass  1)  ein  Wagen  mit 
der  Leiche  begraben  wurde,  2)  unter  der  Erdflache,  auf 
welcher  da»  Hauptgrab  liegt,  ein  zweites  Grab  noch 
gefunden  wurde.  Der  andere  Pall  betrifft  das  Grab  von 
llundersiegen  im  Donauthal,  wo  in  'dem  tieferen  Grab 
weibliche  Skelete  mit  Frauenschniuck  sich  fanden.  Die 
Behandlung  der  Kuustgegenstüude  weist  nicht  nach  Ita- 
lien oder  überhaupt  nach  dem  Süden  Europas,  sondern 
nach  dem  Osten,  indem  die  Skythengr&ber  von  Kertsch 
am  meisten  Anhaltspunkte  zur  Vergleichung  bieten. 

Fraas. 


Eine  alemannische  Begräbn issstatte  bei 
Welse  hin  geu. 

An  einer  Kicshuldo  bei  Welschingeu  unweit  Eugen 
stiessen  Arbeiter  auf  verschiedene  Gegenstände,  welche 
ihre  Aufmerksamkeit  erregten.  Von  einem  Freunde 
davon  benachrichtigt,  war  ich  sofort  zur  Stelle.  Leider 
war  gar  manches  schöne  Stück  angeschliffen  und  ange- 
feilt  und  aus  der  Sucht,  Gold  zu  linden,  werthlos  gemacht. 
Eine  hübsche  Sammlung  von  Schmuck'  und  Waffenresten 
unserer  Vorfahren  habe  ich  aber  immerhin  noch  von 
den  verschiedenen  Arbeitern  zusammengebracht  und  für 
das  städtische  Rnsgarien-Museum  envorbeu. 

Eine  erkleckliche  Anzahl  buntfarbiger  Glas-  und 
Thotipcrleu  der  verschiedensten  Grösse,  Zeichnung  und 
Form  von  altera  Halsschmuck,  den  bekannten  römischen 
gleich,  bewog  zum  Weitersuchen  und  liess  auf  römische 
Funde  scbliessen.  Die  Untersuchung  der  Übrigen  Funde 
zeigte  aber  gar  bald  ihre  heimatliche  Art.  Da  sind 
bronceue  Nadeln  mit  den  ringförmigen  und  schuurge- 
windähnlichen  Ornamenten;  eine  silberne  Schnalle  mit 
alter  Einail-Zickznck-Zeichnung,  ein  goldener,  geradgu- 
furcliter  Ring,  Kleiderschlieseen  aus  ßrouce  mit  Gravi- 
rung  alt  alemannischer  Art;  ein  Feuerstein  mit  darauf 
gewachsenen  Grünspan-  und  Eisenrost-Schichten;  bron- 
eene  Ringe  und  Ringelten.  Schnallen;  zwei  Broncemünzen 
mit  Löchern  zum  Anhängen,  wohl  römischen  Gepräges, 
aber  zur  Unkenntlichkeit  angeschliffen ; dünn  verrostete 
eiserne  Schildbuckel  mit  broncenen  Nägeln;  Messer, 
Pfeile,  Schnallen,  Kollerschliessen  und  Henkel  mit  Bronce- 
haften  ; verrostetes  Eisenwerk  verschiedener  Art.  Einer 
der  Skramasaxe  (zweibändige  Messer)  ist  meterlang,  die 
anderen  haben  die  Länge  eines  halben  Meters.  Merk- 
würdig ist  der  Rest  einer  Speerstange,  deren  Speereisen 
oben  zwei  Widerbaken  trägt,  mit  der  Dülle  die  Länge 
eines  Meters  misst  und  unten  mit  Kisendraht  schnnrge- 
windartig  am  eisenfesten  Holze  haftet.  Die  übrigen 
Speereisen  sind  gewöhnlicher  alemannischer  Form.  Dabei 


fanden  sich  Topfscberben  mit  dem  rohesten  Ornament 
und  roh  in  der  Masse;  Speereisen  und  Topfscherben,  wie 
wir  sie  aus  dem  ausgobaggerten  Schlamme  unseres  See- 
ufers graben.  Mehrere  Stücke  sind  mir  zur  Zeit  noch 
unerklärlich.  Die  Knochen  zwischen  dem  Kiese  sollen 
alle  vollständig  an  der  Luft  zerbröckelt  sein.  Der  einzige 
erhaltene  Menschenschädel  ist  dolichocephal. 

Im  Walde  nahe  bei  Welschiugen  finden  sich  noch 
mehrere  Erdhfigel,  wie  wir  solche  im  Walde  bei  Hegne 
unweit  Konstanz  haben.  Einen  hat  Herr  Bürgermeister 
Scheu,  dem  ich  neben  Herrn  Müller  znm  „Büren* 
das  freundliche  Geleite  verdanke,  angegraben.  Darin 
fanden  sich  nur  verrostete  Waffenreste.  Speereisendüllen, 
Pferdgebissstangen  und  runde  Harnisehscheiben  neben 
Fragmenten  von  einem  grossen  gelbthünemen  Gefäss. 
Das  Eisen  ist  alles  zur  Unkenntlichkeit  zusammengorostet. 

Ob  wir  es  bei  dem  erst  erwähnten  Begräbmssfnnde 
auch  mit  dem  Reste  eines  alemannischen  Hügelgrabes 
zu  thun  haben,  ist  schwer  ru  sagen,  da  der  an  der  Strasse 
gelegene  Kiesrain  schon  seit  langer  Zeit  allerorts  ange- 
backt  und  ungeschaufelt  ist  und  koinerlei  Schluss  mehr 
auf  seine  ursprüngliche  Form  gewährt. 

Noch  erwähnen  muss  ich,  als  nicht  allerinänniglich 
bekannt,  dass  Welsehingen  einen  altmerkwürdigen  Kirch- 
thurm  hat,  um  den  sich  ein  noch  älteres  Mauerwerk 
zieht.  Der  Kirchtburm  trägt  in  seinen  Ecksteinen  ein- 
gesetzte Skulpturen  aus  grauer  Vorzeit,  gegen  Osten 
das  vorstehende  Bild  eines  Menschenkopfes,  daneben  die 
Bilder  von  Sonue,  Mond  und  Stern;  auf  der  entgegen- 
gesetzten Kckseite  des  Thurmes  ist  ein  verstümmelter 
Reiter  und  daneben  das  Bild  eines  Drachen,  das  ja  bei 
den  Zeichen  unserer  Voreltern  dann  und  wann  vorkömmt 
und  bis  in  das  Bild  des  heiligen  Drachen iodters  späterer 
christlicher  Zeit  hineinspielt.  Oben  im  Thunno  sind 
gekuppelte  romanische  Fensteröffnungen  mit  schwerem 
Würfelkapitäl,  darüber  Spitzbogenpaare. 

Ob  wiederum  die  alte  Kirchenmauer  und  die  einge- 
mauerten Steinbilder  unserer  Voreltern  aus  alter,  alter 
Zeit  mit  den  Funden  der  Begräbnisstätten  im  Zusam- 
menhänge stehen,  lässt  sich  nur  leise  vormuthen. 

Konstanz,  17  Febr.  Ludwig  Lelner. 


Urnenfund  in  Delmitz  bei  Wurzen. 

Aus  Wurzen  berichtet  das  dortige  Wochenblatt: 
Vorige  Woche  wurden  bei  dem  Babub&u  in  der  Nähe 
von  Dehnitz  eine  Anzahl  Urnen  aufgefunden , von 
denen  einige  noch  ziemlich  unversehrt  geblieben  waren. 
Sie  sind  in  bekannter,  einfachster  Form  uns  grob- 
körnigem Thon  gebrannt  und  mit  Erde  und  Asche  un- 
gefüllt, doch  lassen  sich  noch  recht  deutlich  calcinirte 
Knochcn  Ueberreste,  Stücken  von  Kohle  und  Kupfer  (?) 
unterscheiden.  (Saxonia  1877,  Nr.  7,  S.  71.) 


Schluss  der  Redaction  am  S.  Juni. 


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gorresponöettj-^faft 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R e d i g j r t 
von 

Professor  Ko  11  mann  in  München, 

GeamlatrrrUr  &*r  Gntrllachaft. 


Erscheint  jeden  Monat 

Nro.  7.  München,  Druck  von  H.  Qldenbourg.  Juli  1877. 


Heber  die  Unfruchtbarkeit  der  Octoroon. 

Von  Prof.  Dr.  Th.  von  Blschoff. 

Mein  Wunsch  über  die  von  mir  zur  Sprache 
gebrachte  angebliche  Unfruchtbarkeit  der  Octoroon 
weitere  Auskunft  und  Belehrung  zu  erhalten,  hat 
früher  Erfüllung  gefunden,  als  ich  gedacht  habe. 

Mein  Schwager  Ilr.  Heinr.  Ticdemann  in 
Philadelphia,  an  den  ich  mich  gewendet  hatte,  hat 
die  Frage  Herrn  Professor  Jos.  Leidy  in  Philadel- 
phia, und  dieser  einem  seiner  Freunde  Herrn  Dr. 
H.  D. Schmidt,  in  New  Orleans  vorgelegt,  und  alle 
Drei  haben  die  Freundlichkeit  gehabt,  sich  brieflich 
über  die  Sache  auszusprechen,  und  mich  zur  Ver- 
öffentlichung ihrer  Mittheilungen  berechtigt. 

Ich  theile  zuerst  den  Brief  des  Herrn  Dr. 
Schmidt  in  möglichst  getreuer  Uebcrsetzung  mit. 
Er  lautet  ■. 

„ln  Beziehung  auf  die  Octoroon  habe  ich  mit 
einigen  meiner  ärztlichen  Freunde  sowohl  in  New 
Orleans  als  einigen  benachbarten  Staaten  gesprochen, 
und  ich  kann  Ihnen  daher  einige  positive  Nach- 
richten geben.  Der  Volksglauben,  dass  die  Orto- 
roon  unfruchtbar  sind,  ist  ein  vollständiger  Irrthum, 
welchem  durch  jeden  intelligenten  Mann  wider- 
sprochen wird.  Folgendes  sind  die  authentischen 
Facta. 

Der  Nachkomme  einer  schwarzen  Frau  und 
eines  weissen  Mannes  ist  ein  Mulatte,  welcher  die 
ursprüngliche  Lebensfähigkeit  (Vigor)  beider  Kassen 
besitzt,  nnd  gewöhnlich  ein  kräftiges  und  gesundes 
Wesen  ist.  Wenn  aber  sich  ein  Mulatte  mit  einer 
Mulattin  vermischt,  so  entartet  die  Nachkommen- 


schaft nnd  erlischt  in  etwa  vier  Generationen.  Es 
ist  nicht  selten  unter  den  Mulatten  Unfruchtbarkeit 
zu  Anden. 

Die  Frucht  eines  Mulattenweibes  und  eines 
weissen  Mannes  ist  nun  ein  Quadroon,  "«  schwarzes 
und  */«  weisses  Blut.  Dieser  Quadroon  ist  gewöhn- 
lich ein  zartes  und  häbsches  Wesen,  nicht  so  kräftig 
als  ein  Mulatte.  Meistens  sind  die  Quadroon 
zn  tuberkulösen  Krankheiten  disponirt,  und  die 
Weiber  haben  wenige  Kinder.  Vor  dem  Kriege 
wurden  viele  derselben  von  reichen  Weissen  als 
Maitressen  gehalten,  während  Andere  Prostituirte 
waren.  Von  diesem  Umstande,  vermuthe  ich,  rührt 
ilie  Sage  von  ihrer  Unfruchtbarkeit  her. 

Der  Nachkomme  eines  weiblichen  Quadroon 
und  eines  weissen  Mannes  ist  ein  Octoroon,  •/» 
schwarzes  und  ’/«  weisses  Blut.  Die  weibliche 
Octoroon,  obgleich  keineswegs  steril,  ist  doch  nie- 
mals sehr  fruchtbar.  Ihre  Nachkommenschaft  ent- 
artet bald  und  stirbt  aus.  Es  fehlt  bei  dieser 
Mischung  sowohl  an  körperlicher  als  geistiger 
Energie. 

Alle  meine  medirinisrhen  Freunde  kommen  in 
der  neuen  Thatsachc  überein,  dass  diese  Mischung 
zuletzt  entartet  und  ansstirht.  d.  h.  je  weiter  das 
Individuum  sich  von  seinem  schwarzen  oder  weissen 
Vorfahren  entfernt,  um  so  weniger  kräftig  ist  es, 
und  nm  so  mehr  Krankheiten  unterworfen.  Es 
scheint,  dass  eine  beständige  Erneuerung  von  der 
original  schwarzen  oder  weissen  Kasse  nothwendig 
ist.  Es  giebt  noch  andere  Srhattirungen  nnd 
Mischungen  zwischen  den  von  mir  erwähnten,  welche 
ich  abergehe.  Ich  will  nur  noch  das  Eine  erwähnen, 
dass  man  unter  den  Quadroonen  solche  von  tcuto- 


1 


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nischen  oder  nordischen  Rassen  Abstammende  findet 
fbit  blauen  Augen  und  glattem  blonden  llaar,  mit 
gebogener  Nase  und  ohne  afrikanische  Zöge.  Ich 
kenne  eine  solche  Familie,  wo  Vater  und  Mutter 
Quadroone  sind;  der  Mann  von  einem  Mulattenweihe 
und  einem  französischen  Vater;  die  Frau  von  einem 
Mulattenweibe  und  irischen  Vater.  Die  Kinder 
sind  hübsch,  mit  blauen  Augen  und  blondem  Haar. 
Aber  merken  sie  wohl  auf  mein  Freund,  einer  der 
Knaben,  der  vier  Jahre  alt  starb,  bot  durchaus 
alle  Charaktere  seines  schwarzen  Vorfahren  dar, 
krauses  Haar,  platte  Nase,  dunkle  Hautfarbe  etc. 

Meine  eigene  Meinung  in  dieser  Angelegenheit 
ist  diese,  dass  all  diese  Mischungen  Produkte 
einer  künstlichen  Selektion  sind,  wie  ich  sagen 
möchte,  und  bald  erlöschen  oder  entarten,  während 
die  Produkte  einer  natürlichen  Selektion, 
welche  eine  viel  längere  Zeit  (Tausende  von  Jahren) 
erfordern,  sich  erhalten.  Dasselbe  ist  der  Fall  mit 
der  geistigen  Kultur  der  Neger  iu  den  südlichen 
Staaten;  sie  ist  rein  künstlich  und  wird  verschwinden, 
sobald  der  Neger  sich  selbst  überlassen  bleibt. 
Der  grösste  Missgriff,  welchen  die  Vereinigten  Staaten 
je  begingen,  welcher  eine  Uebertreibung  der  Civili- 
sation  genannt  werden  könnte,  war  der,  dieser 
Rasse  das  Stimmrecht  zu  ertlieilen.  Wir  haben  die 
beklagenswerthcn  Folgen  davon  schon  gesehen.“ 

Professor  L e i d y fügt  Diesem  in  seinem  Briefe 
hinzu:  „Ich  habe  der  angeblichen  Unfruchtbarkeit 
der  Octoroon  nie  Glauben  geschenkt.  Ich  bin  über- 
zeugt. dass  dieselben  wegen  ihres  schwarzen  Illutes 
niemals  unter  den  Weissen  des  Südens  zu  einer 
Ehe  gelangen,  aber  wegen  ihrer  Schönheit  zu  Mai- 
tressen gesucht  werden,  oder  Prostitnirtc  werden. 
Bei  beiden  Lebensweisen  wird  die  Frucht,  auch 
wenn  sic  sich  entwickelt,  durch  Abortus  zerstört 
werden. 

Wenn  die  Octoroon  wirklich  steril  waren,  so 
würde  diese  Thatsachc  von  Dr.  Nott  in  Mobile 
mit  Begierde  zur  Stütze  seiner  Theorie  der  spezifisch 
verschiedenen  Charaktere  der  Menschenrassen  auf- 
ge griffen  worden  sein,  ln  der  Thal  findet  sich 
aber  in  seinem  mit  Gliddou  herausgegebenen  Werk 
keine  Erwähnung  dieses  Umstandes,  welchen  er 
sicher  gekannt  haben  würde,  wenn  er  wirklich  ge- 
geben wäre,  da  er  einer  der  angesehensten  Aerzte 
in  Mobile  war,  und  vor  einiger  Zeit  auch  in  New 
Orleans  lebte.“ 

Diesem  Allen  fügt  mein  Schwager  Dr.  Tiede- 
mann  noch  die  Warnung  hinzu,  selbst  scheinbar 
wissenschaftlichen  Angaben  aus  Nordamerika  keinen 
zu  grossen  Glauben  zu  schenken,  da  die  Vorbedin- 
gungen dazu  unter  den  Aerzten  und  selbst  den 


Professoren  an  den  sogenannten  Universitäten  und 
Colleges  fehlten.  Auch  er  meint,  dass  die  Anwen- 
dung von  Abortiv  - Mitteln  gewiss  vorzugsweise  die 
Sage  von  der  Unfruchtbarkeit  der  Octoroon  veran- 
lasst hätte. 

Dieses  Alles  nun  klingt  in  der  That  sehr  ab- 
weisend. Dennoch  kann  ich  nicht  sagen,  dass  ich 
überzeugt  bin. 

Ich  wiederhole,  dass  kein  irgend  denkbarer 
Grund  vorhanden  war  und  ist,  weshalb  die  Herren 
Mac  Kowen  und  Bo  wie  mich  getäuscht  haben 
sollten.  Beide  wissen  noch  jetzt  nichts  davon,  dass 
ich  ihrer  Mittheilung  irgend  eine  Folge  gehen  wollte 
oder  gegeben  habe.  Ihre  Augabeii  aber  sind  zu  genau, 
als  dass  sie  nur  auf  Hörensagen  oder  allgemeinem 
Volksglauben  beruhen  sollten;  vielmehr  ist  ihre 
Quelle  gerade  in  Familien -Traditionen  zu  suchen, 
wo  der  Natur  der  Sache  nach  dieselbe  auch  nur 
allein  mit  Sicherheit  festgestellt  werden  konnte 
und  kann. 

Ich  habe  ferner,  durch  eigene  Kritik  geleitet, 
schon  auf  die  möeliche  und*  scheinbare  Quelle  der 
Sage  der  Unfruchtbarkeit  der  Octoroon  in  ihrem 
Lehen  als  Maitressen  und  Prostituirte  oder  auf  die 
Anwendung  von  Abortiv -Mitteln  hingewiesen,  aber 
zugleich  hinzugefügt,  dass  diese  Erklärung  schwer- 
lich ausreiclit,  zumal  nicht,  wenn  es  sich  um  die 
Unfruchtbarkeit  auch  der  männlichen  Octoroon 
handelt. 

Ausserdem  glaube  ich  mir  nun  aber  auch  noch 
erlauben  zu  dürfen,  die  Mittheilung  des  Herrn  Dr. 
Schmidt  einer  Kritik  zu  unterwerfen. 

So  zuverlässig  die  positive  Versicherung  dieses 
Herrn  nämlich  auch  lautet,  dass  der  Volksglaube 
und  die  Angabe  der  Unfruchtbarkeit  der  Octoroon 
ein  Irrthum  sei,  so  scheinen  mir  doch  gerade  seine 
übrigen  Mitthcilungcu  dieselbe  durchaus  nicht  un- 
wahrscheinlich zu  machen.  Einen  ihm  positiv 
bekannten  Fall  der  fruchtbaren  Vermischung  einer 
weiblichen  Octoroon  mit  einem  Weissen  oder  Neger, 
oder  Mulatten  und  ebensowenig  der  Nachkommen- 
schaft eines  männlichen  Octoroon  führt  er  nicht 
an;  er  muRs  einen  solchen  nicht  kennen,  da  er 
denselben  sonst  sicher  als  entscheidend  miteetheilt 
haben  würde.  Alles  was  er  nun  aber  über  den 
Gesundheitszustand,  die  Lebensfähigkeit  und  Frucht- 
barkeit der  Mulatten  unter  einander  und  ihrer  Ver- 
mischung mit  Weissen  sagt,  lautet  bestimmt  dahin, 
dass  diese  sehr  mangelhaft  und  ungünstig,  ja  dass 
ihre  Nachkommen  bestimmt  auf  die  Dauer  nicht 
erhaltungsfähig  sind. 

In  meinem  mündlichen  Vortrage  in  der  anthropo- 
logischen Gesellschaft  hatte  ich  diesen  Gegenstand 


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auch  bereits  berührt,  und  mich  dahin  ausgesprochen, 
dass,  so  weit  meine  Kenntnis»  von  den  betreffenden 
Verhältnissen  in  der  Literatur  reichten,  mir  eine 
ganz  bestimmte  Dvsgenesie  oder  Paragenesie  nach 
Rroca  in  der  Nachkommenschaft  der  Mulatten 
ganz  entschieden  ausgesprochen  zu  sein  scheine. 
Ich  hatte  bei  den  betreffenden  Mittheilungen  na- 
mentlich auch  der  scheinbar  am  meisten  wider- 
sprechenden Erfahrung  auf  der  Insel  Pitcaien  Er- 
wähnung gethan,  mich  aber  auf  dieses  ausgedehnte 
und  schwierige  Kapitel  nicht  weiter  einlassen  können 
und  wollen,  und  habe  diesen  Theil  meines  Vortrages 
sogar  in  der  gedruckten  Mittheilung  ganz  unter- 
drückt, weil  er  zu  weit  geführt  haben  würde. 

Dieses  verhalt  sich  jetzt  noch  ebenso.  Ich 
will  und  kann  hier  nicht  weiter  auf  dieses  Thema 
eingehen.  Allein  indem  ich  sehe,  dass  Herr  I)r. 
Schmidt,  der  doch  die  Unfruchtbarkeit  der  Octo- 
roon  bestreiten  will,  sich  ebenso  dahin  ausspricht, 
dass  die  Nachkommenschaft  der  Mulatten  nach 
wenigen  Generationer  zu  Grunde  geht,  so  glaube 
ich  daraus  entnehmen  zu  dürfen  und  zu  müssen, 
dass  auch  die  Angaben  über  die  Unfruchtbarkeit 
der  Öctoroon  einen  ganz  bestimmten  Grund  haben. 
Es  ist  das  ja  nur  ein  Fall  des  von  ihm  als  allge- 
mein gültig  angenommenen  Satzes.  Verhält  es 
sich  mit  seiner  Theorie  der  „künstlichen  Selektion“ 
richtig,  (und  ich  hin  gar  nicht  abgeneigt  ihr  beizn- 
treten),  so  wird  auch  der  Volksglauben,  dass  die 
Öctoroon  unfruchtbar  sind,  kein  so  vollständiger 
Irrthtim  sein,  und  eino  objektivere  Nachforschung 
verdienen,  als  auch  Hr.  Dr.  Schmidt  ihr  bisher 
bat  angedeihen  lassen  können.  Es  handelt  sich 
um  die  Frage:  Sind  wirklich  alle  Mensehenrassen 
oder  -Arten  unbedingt  fruchtbar  untereinander  oder 
nicht?  Giebt  es  gewisse  Formen  ihrer  Vcnnischnng 
untereinander,  welche  auch  ohne  Pazwischeukunft 
pathologischer  Anlagen  und  Zustände  lebensunfähig 
und  unfruchtbar  werden,  oder  sind  solche  Folgen 
nur  zufälliger  und  individueller  Art?  Ist  die 
Thatsache  fcstgestellt , dann  wird  man  sich  erst 
nach  ihrer  Bedeutung  und  Folge  Umsehen  können. 

Dass  Dr.  N o 1 1 und  G 1 i d do n im  ihrem  Werke : 
Types  of  mankiml,  der  Öctoroon  und  ihrer  Unfrucht- 
barkeit oder  Fruchtbarkeit  nicht  erwähnen,  hatte 
ich  in  meinem  Vortrage  auch  bereits  erwähnt.  Allein 
dieser  negative  Umstand  hatte  für  mich  so  wenig 
einen  beweisenden  Charakter  gegen  die  Unfrucht- 
barkeit der  Öctoroon,  dass  icl»  die  genannten  Autoren 
sogar  gegen  die  Zweifel  Darwins  an  ihrer  Glaub- 
würdigkeit oder  hinreichenden  Vertrautheit  mit  dem 
von  ihnen  behandelten  Gegenstand  in  Schutz  ge- 
nommen hatte,  ln  der  Tliat  theilen  ja  diese 


Schriftsteller  diesen  Fehler  mit  allen  Andern,  die 
mir  über  das  betreffende  Thema  bekannt  geworden 
sind,  und  gerade  weil  Alle  darüber  schweigen,  fand 
ich  eine  Veranlassung,  dasselbe  zur  Sprache  zu 
bringen.  Man  kann  doch  ein  solches  Schweigen 
über  eine  bestimmte  Frage  nicht  als  einen  Beweis 
für  ihr  Nichtvorhandensein  betrachten. 

Ich  fahre  also  fort  zu  glauben,  dass  fernere, 
auf  bestimmte  Thatsachen  gegründete  Nach- 
forschungen über  die  in  Hede  stehende  Frage*  zu 
wünschen  und  noth wendig  sind. 


Eine  vorgeschichtliche  Steppe  der 
Provinz  Sachsen. 

Vou  Dr.  A.  N eh  ring. 

Die  Gegend  zwischen  Magdeburg  und  Halber- 
stadt gehört  heut  zu  Tage  zu  den  fruchtbarsten  und 
kultivirtesten  in  Norddeutschen  1;  trotzdem  liegen 
hinreichende  Gründe  vor,  nm  uns  anf  die  Ver- 
muthnng  zu  bringen,  sie  habe  in  der  Vorzeit  wäh- 
rend einer  längeren  Periode  eine  Steppe  gebildet, 
eine  Steppe,  welche  wahrscheinlich  nicht  isolirt  dalag, 
sondern  nach  Osten  zu  mit  dem  grossen  russisch- 
asiatischen  Steppengebiete  im  direkten  Zusammen- 
hänge stand. 

Gewöhnlich  denkt  man  sich  Norddeutsch- 
land und  damit  auch  die  oben  bezeichnete  Gegend 
in  der  Vorzeit  entweder  als  noch  vom  Meere 
überflutet  und  den  skandinavischen  Eisschollen 
sammt  ihren  erratischen  Blöcken  zugänglich,  oder 
man  stellt  sich  unsere  Heimat  so  vor,  wrie  Cäsar 
und  Tacitus  sie  uns  schildern,  nämlich  mitdichtem 
Wald  nnd  ausgedehnten  Sümpfen  bedeckt. 
Beide  Vorstellungen  haben  ihre  Berechtigung,  jene 
für  die  ältere  Periode  der  sogenannten  Diluvial- 
zeit, diese  für  die  dicht  vor  der  historischen  Zeit 
liegende  Epoche. 

Es  wird  jedoch  auch  die  Frage  erlaubt  sein: 
Wie  mag  sich  die  Zwischenzeit  für  unsere 
Gegend  gestaltet  haben,  d.  h.  jene  Zeit,  in  der 
das  Meer  aus  den  Ebenen,  welche  den  Nordfuss 
des  deutschen  Mittelgebirges  umsäumen,  zwar  schon 
zurückgewichen,  der  Wald  aber  von  den  benach- 
barten Höhenzflgen  aus  noch  nicht  so  schnell  vor- 
gedrungen war?  Es  lässt  sich  mit  einer  gewissen 
Wahrscheinlichkeit  vermuthen,  dass  der  frühere 
Meeresboden,  welcher  als  eine  sandig-lehmige, 
vom  Salzwasser  durchtränkte  Ebene  dalag,  sich  in 
manchen  Gegenden  Norddeutschlauds  vorläufig 
zu  einer  Steppe  entwickelte.  Es  trat  hier 
also  wahrscheinlich  dasselbe  ein,  was  wir  noch  jetzt 


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in  »len  früher  vom  Meere  bedeckten,  im  Laufe  der 
Zeit  trocken  gewordenen  Gebieten  Asiens,  beson- 
ders um  das  kaspische  Meer  und  den  Aralsee 
herum  beobachten  können,  was  auch  auf  analoge 
Weise  in  weit  ausgedehnten  Gebieten  amlerer  Erd- 
tlieile  (Prftrien  von  Nordamerika,  Pampas  von  Süd- 
amerika etc.)  cingetrcten  ist. 

Man  braucht  sieh  eine  Steppe  durchaus 
nicht  vollständig  eben  zu  denken;  es  finden 
sich  vielmehr  in  den  meisten  der  heutigen  Steppen- 
länder innerhalb  der  weiten  Ebenen  nicht  selteu 
hügelige,  wellenförmige  oder  auch  plateauartige 
Erhebungen,  zuweilen  unterbrechen  sogar  felsige 
Partien  die  gewöhnliche  Einöde*).  Charakte- 
ristisch ist  das  Fehlen  des  Waldes;  der 
sandig  - lehmige  Boden  ist  bedeckt  mit  Gräsern, 
Zwiebelgewächsen  und  niedrigen  Standen,  welche 
im  Frühjahr  (resp.  nach  der  Regenzeit)  schnell 
und  üppig  emporschiessen.  in  der  heissen,  trocknen 
Zeit  aber  verdorren  und  dann  der  Steppe  das  öde 
Aussehen  verleihen,  an  welches  wir  bei  dein  Worte 
„Steppe*  gewöhnlich  denken.  Der  Boden  pHegt 
gar  nicht  unfruchtbar  zu  sein;  der  sandige  Lehm 
ist  im  Gcgenthcil  für  das  Gedeihen  vieler  PHanzcn 
günstig**).  Nur  da,  wo  der  frühere  Meeresgrund 
aus  reinem  Sand  oder  Kies  besteht,  kann  ein  PtJauzen- 
wuclis  sich  nicht  entwickeln;  solche  Gebiete  be- 
zeichnen wir  dann,  zumal  wenn  sie  in  den  heisseren 
Gegenden  der  Erde  liegen,  als  Wüsten.  Der  Boden 
der  eigentlichen  Steppe  ist  oft  sehr  frachtbar,  aber 
es  fehlt  ihm  an  einer  regelmässigen,  dau- 
ernden Be  Wässerung;  nur  hier  und  da  wild  er 
unterbrochen  von  Flüssen , Sümpfen  und  Seen, 
welche  letzteren  meistens  sehr  salzhaltig  sind.  In 
der  Nähe  solcher  Gewässer  kann  sich  eine  das 
ganze  Jahr  ausdauernde  Vegetation  entwickeln ; der 
grösste  Theil  der  Steppe  zeigt  sich  dagegen  nur 
wenige  Monate  mit  einem  Pflanzenteppich  bedeckt, 
welcher  ebenso  schnell  verdorrt  wie  er  aufgeblüht 
ist.  Hitze  und  Kälte,  Dürre  und  Ueberschwem- 
mung,  Uebcrtluss  und  Noth  grenzen  hier  nahe  an 
einander. 

Die  Thicrwoit  der  Steppe  ist  zum  Theil 
eine  ganz  eigenthümliche  ***) ; diejenigen  Tliiere 
wenigstens,  welche  an  den  llodeu  der  Steppe  ge- 
bunden sind  und  der  schlimmen  Jahreszeit  nicht  durch 
weite  Wanderungen  aus  dem  Wege  gehen  können, 
haben  sich  in  ihrer  Lebensweise  so  vollständig  den 

*j  Vergl.  A.  v.  Humboldt,  Ansichten  der  Natur  S.  6. 

**)  A.  v.  Humboldt,  a.  a.  U.  8.  106  f. 

•**)  Andr.  Wagner,  die  guogr.  Verbreitung  der  Säuge- 
tliiere  S.  57  ff. 


Verhältnissen  des  Klimas  und  des  Bodens  accom- 
niodirt,  dass  sie  in  anderen  Gegenden,  z.  B.  in 
waldigen  oder  sumpfigen  Distrikten  nie  gefunden 
werden.  Dahin  gehören  vor  allen  die  Steppen- 
nager. welche  einerseits  in  den  Zwiebeln,  Blättern 
und  Beeren  der  Steppenpfianzen  eine  hinreichende 
Nahrung  finden,  anderseits  in  dem  sandig-lehmigen 
Boden  ein  geeignetes  Material  zum  Bau  ihrer  unter- 
irdischeu  Höhlen  haben,  durch  welche  sie  sich 
gegen  die  ihnen  nachstellenden  Raubthiere,  sowie 
gegeu  die  harte  Kälte  des  Steppenwinters  Schutz 
verschaffen.  Unter  ihnen  hebe  ich  die  Springmäuse, 
Ziesel  und  Arvicoten  hervor.  Für  unseren  Zweck 
kommen  vorzugsweise  diejenigen  Steppen  in  Be- 
tracht, welche  sich  zwischen  der  unteren 
Wolga  und  dem  oberen  Ob  ausdehnen.  Die 
charakteristischsten  Tliiere  dieses  Gebietes  sind 
etwa  folgende:  1)  Der  grosse  Sand  Springer  oder 
Pferdespringer  (Alactaga  jaculus).  2)  Mehrere 
Zieselarten,  besonders  Spermophilus  altafcus 
(wahrscheinlich  identisch  mit  Eversmanni).  3)  Das 
Steppenmurmelthier  (Arctoinys  bobac).  4)  Der 
kleine  St  ep  pen  pfeif  base  (Lagomys  pusillus). 
5)  Wilde  Pferde  (Tarpan).  6)  Die  Saiga- 
Antilope. 

Die  sonstigen  Süugethierc,  welche  entweder 
als  «lauernde  Bewohner  oder  nur  als  zeitweilige 
Gäste  jene  Steppen  betreten,  zeigen  einerseits  eine 
Annäherung  au  die  Fauna  von  Mitteleuroqa,  ander- 
seits an  diejenige  des  polaren  Sibirien. 

Ganz  dieselbe  Zusammensetzung  zeigt 
nun  die  Diluvialfauna,  welche  ich  durch  meine 
wiederholten  Ausgrabungen*)  in  den  Bcrgling- 
schen  Gypsbrüclien  von  Westeregeln  (Kreis 
Wauziehen)  coustutirt  habe.  Hinsichtlich  der  Zahl 
der  Individuen  überwiegen  die  Steppenthiere  der- 
art. dass  die  anderen  Arten,  welche  eben  so  wie 
die  heutige  Fauna  von  Südwestsibirien  eine  eigen- 
thümlirhc  Mischung  von  nordischen  und  südlichen 
Säugcthieren  bezeugen,  daneben  nur  schwach  ver- 
treten erscheinen.  Am  zahlreichsten  sind  die 
Springmäuse  und  die  Ziesel,  welche  förmlich 
rudelweise  oder  in  Familien  die  Gegend  von  Wester- 
cgcln  (zumal  nach  Gröningen  hiu)  bewohnt  und  in 
den  sandig- lehmigen  Ablagerungen  der  dortigen 
Gypshrtb  lic  ihr  Grab  gcfuuden  haben.  Fast  eben 
so  zahlreich  müssen  die  wilden  Pferde  gewesen 
sein,  deren  Zähne  und  Knochen  massenhaft  Vor- 
kommen und  auf  eine  tarpanähnliche  Art  schlossen 
lassen.  Daneben  treten  zahlreiche  Arvicolen, 

*)  Wesentlich  nuterstütrt  wurde  ich  dabei  durch 
das  freundliche  Interesse  des  Herrn  Be  r gl  in  g jun. 


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also  fe  ldm  ansahn  liehe  Nager  hervor,  meistens  solchen 
Arten  angehörend,  deren  Verbreitungsbezirk  heut  zu 
Tage  wesentlich  in  Osteuropa  und  Westasien  liegt. 

Das  St  eppe n in urmelthier  und  den  kleinen 
Steppenpfeifhasen  kann  ich  vorläufig  nur  in 
je  einem  Exemplare  nachwcisen,  doch  werden  die- 
selben bei  weiteren  Nachgrabungen  wohl  noch  häu- 
tiger zum  Vorschein  kommen. 

Von  den  oben  aufgezflhltcn  charakteristischen 
Steppenthieren  habe  ich  nur  die  Saiga-Antilopc 
noch  nicht  bei  Westeregeln  gefunden ; ich  vermuthe 
jedoch,  dass  auch  von  diesem  interessanten  Thiere 
fossile  Reste  im  dortigen  Diluvium  abgelagert  sind, 
da  einerseits  die  ganze  übrige  Fauna  zu  dieser 
Annahme  berechtigt,  anderseits  die  Saiga-Antilope 
schon  an  mehreren  im  westlichen  Europa  (Frank- 
reich) gelegenen  Orteu  fossil  gefunden  ist.  Vielleicht 
ist  sogar  ein  vor  Jahren  bei  Westeregeln  von  Germar 
entdeckter  und  in  der  Literatur  erwähnter  Unter- 
kiefer einer  angeblichen  Ovisart,  welche  grösser 
gewesen  sein  soll,  als  unser  Schaf,  auf  jene  Steppen- 
Antilope  zu  beziehen. 

Aber  auch  wenn  wir  die  Saiga-Antilope  vor- 
läufig fortlassen,  so  zeigt  sich  die  Westeregler 
Dilu vialfauna  dennoch  in  ihren  Haupt  repräsen- 
t an ten  so  deutlich  als  eine  einheitliche  Step- 
penfauna und  weist  nns  so  entschieden  auf  Ost- 
europa und  Südwestsibirien  hin,  dass  wir  gewiss 
zu  dem  Schlüsse  berechtigt  sind,  es  müsse  dort, 
wo  diese  Fauna  einst  hauste,  eine  Steppe 
gewesen  sein,  und  diese  müsse  eiuen  ähnlichen 
Charakter  wie  diejenigen  zwischeu  Wolga 
und  Ob  gehabt,  ja  vielleicht  mit  diesen  in 
einem  direkten  Zusammenhänge  gestanden  haben. 
Dass  aber  die  im  Westeregler  Diluvium  begrabenen 
Thiere  in  der  nach  dem  Fusse  des  Unterharzes 
sich  hinziehenden  Ebene  gelebt  haben,  glaube  ich 
auf  Grund  der  bei  meinen  Ausgrabungen  gesam- 
melten Einzelbeobachtungen  mit  aller  Bestimmtheit 
behaupten  zu  können.  Wir  sind  daher  zu  dem 
Schlüsse  berechtigt,  dass  jene  Gegend,  wie  schon 
mehrfach  von  mir  angedeutet  ist,  während  eines 
gewissen  Abschnittes  der  Diluvialperiode  eine  Steppe 
gebildet  bat. 

Sind  meine  obigen  Schlussfolgerungen  richtig, 
so  liegt  die  Vermuthang  nahe,  dass  in  jener 
Epoche  der  Entwicklungsgeschichte  nnsercs  Erd- 
theils  überhaupt  die  einstmals  vom  Meere 
bedeckt  gewesenen,  später  frei  gewor- 
den enEbenen  sich  meistens  zunächst  als 
Steppen  entwickelten.  Vielleicht  dehnte  sich 
unsere  Magdeburg-llalberstädter  Steppe  nach  Süden 
über  Aschersleben  und  Halle  bis  hinauf  in  das  Thal 


der  weissen  Elster  aus;  denn  Herr  Professor  Liebe 
hat  auch  bei  Gera  die  fossilen  Ueberrcste  von 
mehreren  Exemplaren  des  grossen  Sandspringers, 
sowie  diejenigen  eines  Ziesels  gefunden,  und  zwar 
genau  von  derselben  Art,  welche  ich  bei  Wester- 
egeln entdeckt  habe.  Ebenso  sind  Beste  dieser 
grösseren  Zieselart,  Reste  von  Lagomys  pusillus, 
von  der  Saiga-Antilope  an  mehreren  westlich  vou 
uns  gelegenen  Punkten  Mitteleuropas,  Reste  von 
wilden  Pferden  an  sehr  vielen  Diluvialfundstätten 
ausgegraben , wodurch  die  oben  ausgesprochene 
Vermuthang  gestützt  wird.  Natürlich  bedarf  es 
aber  noch  umfassender  und  eingehender  Beobach- 
tungen, um  diese  Annahme  eines  einstmaligen,  weit 
ausgedehnten  Steppengebietes  in  den  ebenen  Theilen 
von  Mitteleuropa  genügend  sicher  zu  stellen,  event. 
sie  als  unhaltbar  ztirürkzuweiseu. 

Das  Resultat  der  hierauf  gerichteten  Unter- 
suchungen wird  um  so  wichtiger  sein,  als  deutliche 
Spuren  darauf  hinweisen,  dass  der  Mensch  in 
jener  Zeit  schon  den  Boden  von  Mittel- 
europa in  Besitz  genommen  hatte.  Dass  er 
auch  in  unserer  Wcsteregler  Steppe  sich  zeitweise 
aufgehalten  hat,  glaube  ich  mit  Sicherheit  naeh- 
weiscu  zu  können. 

Als  Grund  für  das  Verschwinden  der 
einstmaligen  mitteleuropäischen  Steppen 
nehme  ich  ein  allmäliges  Vorrücken  des 
Waldes  an,  welches  verinnthlich  Hand  in  Hand 
ging  mit  einer  Aendcruug  des  Klimas. 
Dieses  war  in  der  Steppcnzcit,  wo  wahrscheinlich 
England  und  Süd-Skandinavien  noch  mit  dem  Uon- 
tinente  Europas  znsammenhingen , wo  Nord-  und 
Ostsee  noch  nicht  in  der  jetzigen  Gestalt  existirton, 
wo  der  Golfstrom  vermuthlich  eine  nördlichere 
Richtung  hatte,  schroffer,  trockener,  eontinentaler 
als  das  jetzt  in  unserer  Gegend  herrschende.  M i t 
der  Milderung  des  Klimas  und  dem  Vor- 
rücken des  Waldes  von  den  bewaldeten  Ge- 
birgen und  Höhenzügen  her  zogen  sich  die 
Steppen  und  mit  ihnen  die Steppenth iere 
allmälig  nach  dem  Osten  zurück. 


Sitzungsberichte. 

Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Danzig  am  4.  Oktober  1S7G. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Dr.  Li  s sauer,  welcher 
durch  die  Neuwahl  abermals  auf  2 Jahre  mit  der 
Führung  der  Vereinsgeschäfte  betraut  wurde,  gab 
zunächst  einen  kurzen  Uebcrbliek  über  die  zahl- 
reichen Ausgrabungen  der  verschiedenen  Mitglieder 


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54 


während  des  vergangenen  Sommers,  welche  in  den 
nächsten  Sitzungen  im  Zusammenhänge  zum  Vor* 
trage  gebracht  werden  sollen,  und  legte  dann  einen 
Theil  der  neu  eingegangenen  Geschenke  vor. 

Herr  Böl ck e-Czapcln  hatte  den  Inhalt  eines 
heidnischen  Grabes  aus  Schwansee  bei  Lauenburg 
in  Pommern,  bestehend  aus  einem  sichelförmigen 
Messer,  einer  Pincctte,  einer  langen  Nadel  und 
einem  Schwertknopf  aus  Bronce;  Herr  Professor 
L a m pe  einen  Steinhammer,  welcher  von  Hm.  H c r r- 
mann  in  Srhwarzwald  bei  Pr.  Stargard  gefunden, 
Herr  Geheimrath  A begg  einen  schönen  Feuerstein- 
nucleus  aus  Bögen.  Frau  Bot  zoll  3 Bronrezelte, 
3 Nrtzsenker  und  1 Steinhammer  aus  Tempelhof 
der  Sammlung  des  Vereins  geschenkt. 

Herr  Kusmack  hatte  in  Fitsehkau  7 Stein- 
kisten untersucht,  von  deren  Urnen  nur  2 erhalten 
wurden,  darunter  eine  Gesichtsume,  welche  sich 
durch  einen  grossen  Broncering  um  den  Hals  vor 
allen  bisherigen  auszeichnet.  Hr.  I)r.  M a n n h a r d t 
batte  3 sehr  interessante  Urnen,  darunter  2 Ge- 
siehtsurnen,  für  die  Sammlung  requirirt,  über  welche 
derselbe  in  eine  späteren  Sitzung  ausführlich  sprechen 
wird;  ebenso  waren  vom  Herrn  Landrath  von 
Stumpfeld  aus  Culni  und  Herrn  Mellien  auf 
Gross  - Morin  zahlreiche  Geschenke  eingegangen, 
welche  für  die  prähistorische  Erforschung  unserer 
Provinz  von  hoher  Wichtigkeit  sind  und  daher  in 
besonderen  Vorträgen  behandelt  werden  sollen. 

Hierauf  hielt  Herr  Oberststabsar/t  llr.  Oppler 
cineu  ausführlichen  Vortrag  über  Wilhelm  Mann- 
bar dt’s  Werk  „Der  Baumkultus  der  Germanen  und 
ihrer  Nachbarstämmc“.  M a nn  h a r d t geht  bei  seinen 
mit  ausserordentlicher  Gelehrsamkeit  augestcllten 
Forschungen,  deren  Besultatc  in  diesem  Werke 
niedcrgelcgt  sind,  nach  einer  ganz  neuen  Methode 
vor,  indem  er  die  naturwissenschaftliche  Forschungs- 
weisc  mit  den  bewährten  Grundsätzen  der  philolo- 
gischen und  historischen  Kritik  verbindet,  die  crstcre 
hei  allen  unmittelbar  ans  dem  Volksmund  geschöpften, 
die  letzteren  bei  allen  literarisch  vermittelten  Ueber- 
licfcrangcn  anwendet.  So  entwickelt  er  uns  in  den 
vielen  Gebräuchen  und  Sagen,  welche  er  aus  der 
unerschöpflichen  Fundgrube  de*  lebendigen  Volks- 
glaubens oder  aus  der  Literatur  mit  unendlichem 
Fleisse  gesammelt  hat,  aus  ihnen  selbst  den  zu 
Grunde  liegenden  Gedanken  und  die  übereinstim- 
menden Züge.  Das  vorliegende  Werk  Speziell  be- 
schäftigt sieh  mit  einem  Theile  der  mythischen 
Gestalten,  Anschauungen  und  Gebräuche,  welche 
aus  der  Vorstellung  einer  „Beseelung  des  Baumes“ 
hervorgegaugen  sind,  einer  Vorstellung,  deren  ver- 
schiedene Entwickelungsstufen  im  Volksgedäehtniss 


noch  vielfach  neben  einander  erhalten  sind  und 
mannigfache  Verbindungen  untereinander  eingehen. 
Auf  der  Entwickelung  dieser  Grundansrhanungen 
beruht  ein  nicht  geringer  Theil  des  Glaubens  und 
Brauches  der  europäischen  Menschheit  und  zwar 
sowohl  der  nordeuropäischen  Stämme  als  der  Hellenen 
und  Italer.  Die  nord-europäischen  Ueberlieferungen 
von  den  Baum-  und  Waldgeistcm  sind  es,  welche 
der  erste  Band  des  umfangreichen  Werkes  in  dieser 
Weise  behandelt;  bei  der  Eigenartigkeit  und  dem 
Reichthum  des  Stoffs,  welcher  vielfach  in  das  Lehen 
eingreift  (z.  B.  Maibamn,  Weihnachtsbaum.  Schmack- 
osterruthe  u.  s.  w.)  müssen  wir  es  uns  versagen, 
hier  einzelne  Beispiele  auszuführen,  da  ein  kurzes 
Referat  nicht  im  Stande  ist,  eine  Anschauung  von 
den  scharfsinnigen  Erläuterungen  des  Verfassers  zu 
geben;  wir  stimmen  aber  dem  Redner  vollständig 
zn,  wenn  er  zum  Schluss  seines  Vortrages  sagte: 
-Wenn,  wie  Virchow  jüngst  ausgesprochen,  es  Auf- 
gabe der  Anthropologie  ist,  sich  um  die  Sitten,  Kulte, 
Gebräuche  unt  ergegangener  Völker  und  Stämme,  oder 
solcher,  die  im  Ableben  begriffen  sind,  zu  kümmern, 
ihnen  nachzuforschen,  sic  durch  Sammlungen  fest- 
zuhalten, dann  hat  Verfasser  sich  durch  dieses 
Werk  ein  bedeutendes  Verdienst  um  die  anthropo- 
logische Forschung  erworben.“ 

Der  zwuitc  Band  der  (Berlin,  Bornträger  1877): 
„Antike  Wald-  und  Feldkulte  aus  nordeuropäischer 
Ueberlieferung  erläutert“,  weist  in  ß Kapiteln  zu 
den  im  ersten  Theil  (Bnumkultus)  ausführlich  aus- 
cinandergesetzten , mythischen  Volksvorstellungen 
Nordeuropas  genau  entsprechende  Seitenstüeke  in 
dem  Glauben  und  Kultus  der  antiken  Welt  aus 
Italien,  Griechenland  und  Vorderasien  nach.  Nach- 
dem zuerst  an  Dryaden,  dem  Burgölbaum  in  Athen 
und  vielen  ähnlichen  Gegenständen  bis  in  die  Einzel- 
heiten hinein  dargethan  ist,  dass  derselbe  Kreis 
von  Vorstellungen,  welcher  in  Nordeuropa  unmittel- 
bar aus  der  Idee  einer  Beseelung  des  Baumes 
hervorgegaugen  und  zur  Ucberzeugung#  von  dem 
Dasein  ausserhalb  der  Pflanze  lebender,  aber  mit 
ihrem  Leben  an  dieselbe  geknüpfter  Baumgeister 
fortgeschritten  war,  auch  im  Altcrthuine  der  Süd- 
länder zu  reicher  Entfaltung  gelangte:  werden  in 
den  noch  auf  dem  Standpunkte  roherer  Volksvor- 
stellungen  verharrenden  Gewalten  der  Kentauren 
(Lapithcn.  Harpyien),  Kyklopen,  Faune.  Pane, 
Satyre,  Seilene,  analoge  Typen,  d.  h.  Gebilde  dar- 
gethan, welche  dieselben  organischen  Elemente  in 
ganz  ähnlichem  Lagerungsverhältniss  enthalten,  wie 
die  Waldgeister  der  deutschen,  skandinavischen, 
russischen  und  französischen  Volkstradition  (die 
Mooslcutc,  wilden  Leute,  Skogsnufvar,  IJcschje, 


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55 


Dame»  vertes).  Hierbei  ergeben  sich,  indem  die 
Schalen  dichterischer  U Überarbeitung  oder  der  Deu- 
tungsversuche  durch  pragmatische  Legende  eine 
nach  der  auderu  fallen,  vielfach  ganz  genau  die- 
selben einfachen  Volkssagen  und  Gebrauche,  welche 
nnsere  Bauern  noch  heute  erzählen  und  (Iben,  als 
Ausgangspunkte  der  antiken  Mythen  und  Kulte.  So- 
dann werden  die  mittelbar  auf  der  Idee  der  Baum- 
seele beruhenden  Gebrauche  des  Entemais  und  des 
Maibuums,  welche  eine  so  grosse  Rolle  in  der 
nordeoropAischen  Volkssitte  spielen,  Zug  für  Zug 
auch  in  der  griechischen  Eiresione,  dem  Feste  der 
thrakischcn  Kotyto  und  in  den  beim  Frühlingsfeste 
der  grossen  Göttin  zu  llierapolis  verbrannten  Mai- 
büumen  nachgewiesen.  Letzterer  Kultakt  endlich 
führt,  nachdem  von  gleichen  Gesichtspunkten  ans 
noch  die  römischen  Argeer,  der  phönikische  Adonis 
und  phrygisehe  Attis  abgchandclt  sind,  zur  Be- 
sprechung der  Sonnwendfener  (Oster-,  Maitags-, 
Johannisfeuer),  dereu  Ucbereinstimmung  mit  den 
römischen  Palilien,  dem  Feuer  der  Ilirpi  Sorani, 
mit  phöuikischen,  ägyptischen,  babylonischen,  süd- 
indischen Sonnwend feuern  hier  theils  zuerst,  thcils 
weit  eingehender  als  früher  auf  Grund  umfangreichen 
neuen  Materiales  dargelegt  wird.  Verbreitet  sich 
dieses  letzte  Kapitel  über  einen  Gegenstand,  der 
durch  Nilson  für  die  Anthropologie  ein  hervorragen- 
des Interesse  erhalten  hat.  so  liefen»  auch  die  vor- 
hergehenden Untersuchungen  mannigfachen  Stoff 
zur  weiteren  Untersuchung  der  Fragen,  inwieweit 
in  vorhistorischer  Zeit  das  „psychische  Einerlei  des 
Menschengeschlechtes“  in  verschiedenen  Ländern  zu 
gleichen  Gcistesgebilden  in  Sitte  und  Glauben  führte, 
inwieweit  eine  Wanderung  der  Ideen  schon  in  ferner 
Urzeit  die  Schranken  der  Sprachgrenzen  überschritten 
habe  und  zum  Zeugnisse  von  Völkerverkehr  in  un- 
vordenklicher Zeit  dienen  könne,  wie  weit  endlich 
Vererbung  von  einem  gemeinsamen  Stammvolk  an- 
zunchmen  sei. 


Zur  Literatur 

über  Anthropologie,  Ethnologie  und 
Urgeschichte  in  Deutschland. 

Die  Thätigkeit  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  und  ihrer  Zweigvereine  ist  in  so  er- 
freulichem Aufschwung  begriffen,  dass  die  Spalten 
des  Correspondenzblattes  schon  seit  geraumer  Zeit 
nicht  mehr  ausreichen,  um  die  Arbeiten  auch  nur 
referirend  zu  erwähnen.  So  können  selbst  die 
wichtigsten  Abhandlungen  in  dem  Hauptorgan 
unserer  deutschen  Gesellschaft,  im  Archiv  für 


Anthropologie,  das  hei  Vieweg  in  Braunsrhwcig 
in  4°  unter  der  Redaction  von  Ecker  und  Lin- 
de n sc  h m i t erscheint,  nur  übersichtlich  mitget heilt 
werden.  Zu  demselben  Verfahren  sieht  sich  die 
Redaction  bezüglich  der  Publikationen  zweier  Zweig- 
vereine veranlasst. 

Bekanntlich  besitzt  die  Berliner  anthro- 
pologische Gesellschaft  ein  eigenes  Organ , die 
Zeitschrift  für  Ethnologie,  unter  Mit- 
wirkung des  Vertreters  dcrselbeu,  R.  Virchow, 
herausgegeben  von  A.  Bastian  un<f  R.  Hart- 
mann. gr.  8°.  Berlin.  Verlag  von  Wiegandt, 
Uempel  & Parey.  In  dieser  Zeitschrift  sind  die 
interessanten  Verhandlungen  dieser  Gesell- 
schaft mitgetheilt,  und  machen  einen  bedeutenden 
Theil  der  Zeitschrift  aus.  Wir  werden  in  Zukunft, 
ähnlich  wie  für  das  Archiv  für  Anthropologie,  so 
auch  für  die  Verhandlungen  der  Berliner 
anthropologischen  Gesellschaft  einen  besonderen 
Abschnitt  offen  halten,  der  wenigstens  den  Titel 
der  Vortrüge  den  Lesern  des  Correspondenzblattes 
bringt. 

Der  zweite  Verein,  nnf  dessen  Publikationen 
von  nun  ab  in  derselben  Weise  hingewiesen  werden 
soll,  ist  der  Münchener.  Mit  dem  Jahr  1876  hat 
diese  Gesellschaft  begonnen,  regelmässig  erscheinende 
Hefte,  von  denen  4 einen  Band  ausmachen,  unter 
dem  Titelt  „Beiträge  zur  Anthropologie 
und  Urgeschichte  Bayerns“,  redigirt  von 
Job.  Ranke  und  Nie.  Rüdinger,  München. 
Literarisch- artistische  Anstalt  (Th.  Riedel),  gr.  8*, 
erscheinen  zu  lassen.  Auch  die  in  diesen  „Beiträgen“ 
puldicirtcn  Arbeiten  werden  ebenso  wie  die  Sitzungs- 
berichte, welche  getrennt  zum  Abdruck  kommen, 
in  dem  Correspondenzblatt  nur  in  Form  einer 
Uebersicht  erwähnt  werden.  Auf  solche  Weise 
bleibt  der  grösste  Theil  des  Correspondenzblattes 
für  die  Hauptaufgabe  reservirt:  zerstreutere  Sitzungs- 
berichte anderer  Zweigvereine  zu  sammeln,  und 
die  schwebenden  Fragen  in  kurzen  Artikeln  zu  be- 
sprechen. Wie  früher,  sollen  die  bei  der  Rcdaction 
eingelaufcnen  Druckschriften  und  die  eben  er- 
schienenen hervorragenden  Werke  in  einem  beson- 
deren Verzeichnis  aufgeführt  werden. 

Archiv  für  Anthropologie  Bd.  9.  1877. 

Brsunschweig.  Verlag  von  Vieweg  & Sohn. 

III.  Beobachtungen  in  den  verfallenen  Dörfern  der 
Urvölker  der*  pncifluchen  Küste  von  Nordamerika.  Von 
Paul  Schumacher  in  San  Francisco.  — XIII.  Das 
Gradmachen  der  l’feilschafte.  Von  demselben.  — 
XIV.  Die  BicuenkorbgrÄber  bei  Wröblewo.  Von  Al  bin 
Kohn. — XV.  Zur  Statistik  der  Kflrpergröaee  im  Gro*«i- 
heroogthum  Raden.  Von  A.  Kcker.  Mit  einer  Karte.  — 


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XVI.  Vou  wo  das  Zinn  *u  den  ganz  alten  Broucen  ge- 
kommen «ein  mag?  Von  C.  R.  v.  Baer.  — Kleinere 
Mitthciluuge».  1)  Erwiderung  an  Herrn  Linden* 
sch  mit,  Redacteur  de»  Archiv«  für  Anthropologie,  von 
dem  Entdecker  des  Tbayinger  Hohlenfunds,  K.  Merk.  — 
2)  Leber  die  Horizonlalebene  des  menschlichen  Schädels. 
Von  W.  Hi«.  — 3)  Die  ßcole  d Anthropologie  in  Paris.  — 
Referate.  — Zeitschriften  und  Uücherschau. 

Zeitschrift  für  Ethnologie  IX.  Jahrgang  1877. 

Heft  1.  Mit  Tafel  1—4. 

Berlin.  Verlag  von  Wiegandt,  üempcl  & Parey. 

Inhalt  der  Zeitschrift:  Körpermessungen  verschie- 
dener Menschenrassen  vou  Dr.  A.  Weissbach.  — 
Allg  Bemerkungen  ethnologischen  Inhalts  über  Xeu- 
Guinea,  die  Anachoreten- Inseln,  Neu -Hannover,  Neu- 
irland, Neu -Britannien  uud  Bougaiuville.  Von  H. 
Strauch.  — Die  Sprache  der  Tonkawa«.  Von  Alb. 
S.  G ätsche  t. 

Die  Verhaudl  uu  gen  der  Berliner  anthro- 
pologischen Gesellschaft  (ein  Separatubzug,  der 
der  Redaction  zugegaugen  ist)  enthalten  in  dem  Bericht 
über  die  Sitzung  vom  20.  Januar  1877  folgende  Mit- 
theilungen: 1)  Eine  Urne  aus  braunem  Thon,  vorgezeigt 
von  Hm.  Priedel.  — 2)  Zwei  Stoiniustrumente  der 

Gegenwart  aus  dem  Kaukasus;  briefliche  Mittheilung 
de«  Hm.  Rad  de  in  Tiflis.  — 3)  Ein  erratischer  Granit- 
block  mit  phönikischer  Inschrift,  gefunden  im  russischen 
Gouvernement  Smolensk.  Referat  von  llrn.  Wetzstein. 
— 23  Photographien  au«  Indien  von  Prof.  R loch- 
mann in  Calcutta.  — Ueber  den  Scharoanismus  der 
Australier.  Vortrag  von  Uru.  Jung  aus  Leipzig.  — 
Geräth  aus  Horn  von  Mallmitz  (Schlesien),  vorgelegt 
durch  Urn.  R.  Virchow.  — Alterthümer  aus  dem 
Mamsfelder  Seekreise.  Sendung  von  Hru.  Bergraaist  er 
Hocker  zu  Halle  a S.  — Diluviale  Funde  hei  Tau- 
bach (Weimar).  Vorlage  von  Fundstiicken  von  Hrn. 


Virchow.  — Photographien  de»  Judeuburger  Wagen». 
Geschenk  de»  Hrn.  Wattenbach. 

Beiträge  zur  Anthropologie  and  Urgeschichte 
Bayerns. 

München.  Lit. -art.  Anstalt  ;Th.  Riedel)  1876. 

Heft  1 n.  2.  Unsere  Ziele.  — Erlasse  der  k.  b. 
8taatsmini«'erien.  — Anhaltspunkte  aur  Erforschung 
nnd  Aufnahme  vorgeschichtlicher  uud  geschichtlicher 
Alterthümer.  — Die  Pfahlbauten  im  Würmsee  von  8. 
von  Schab  mit  XVI»  Tafeln.  — Auszüge  aus  den 
Sitzungsberichten.  — Statuten  der  Münchener  Gesell- 
schaft. — Mitgliederverzeichnias. 

Heft  2,  1877,  mit  Taf.  XVIII  — XXI.  üeber  die 
Völker  der  Platten-  und  Koiheugrüber  in  Bayern: 
1)  Ueber  oberbayerische  Plattengräber  von  Prof.  Dr. 
U.  Ranke.  — 2)  Ueber  die  Reihengrnber  vou  Ober- 
haching von  Prof.  Dr  Marggraff.  — 3)  Ueber  den- 
selben Gegenstand  von  A Hart  mann.  — 4)  Die 
Platten-  und  Roihengriiber  in  Bayern  von  J.  Wflr- 
dinger.  — 5)  Schädel  aus  alten  Grabstätten  Bayerns 
von  Prof.  Dr.  Kollmutin.  — Sitzungsberichte:  Ein 
Moorlcicheufund  bei  Rettenbach  vou  Prof  I)r.  Job. 
Rauke. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Auf  dem  Halbhufenberg  in  der  Pfarrei  Law  aide 
bei  Lübau,  1 Kilometer  vom  Ilocbstein  entfernt,  befindet 
«ich  ein  ähnlicher  Steinkreis  wie  jener,  den  Richard 
Andres  in  seinen  „Wendischen  Studien*  S.  llf>  ge- 
schildert und  abgebildet  hat.  Der  Steinkreis  ist  an  die 
natürliche  Granitwand  angelehnt  und  ebenso  gross  wie 
der  auf  dem  Hochstein. 

J.  Scheuffler. 


Bei  der  Redaction  eingelaufen  bis  *um  6.  Juni  1877: 

Archiv  de«  Vereins  für  siebenb  Ürgische  Landeskunde.  Neue  Folge  Bd  XUI  Heft  3.  Herausgegeben  vom 
VeieinsausschnA«.  Uermauustadt.  ln  Commission  bei  Krz.  Michaelis. 

Archiv  für  Geschieht«-  und  Alterthumsknnde  von  Oberfrauken.  Bd.  XIII  Heft  2.  Herauagegeben  vom  historischen 
Verein  von  Oberfranken  zn  Bayreuth.  1876. 

Fligicr  Dr.  Zur  prähistorischen  Anthropologie  Italiens.  Wien  1877  (Alfr.  Holder). 

KojM-ruicki  J.  On  the  «caphoid  skull  of  a Pole.  Journ.  Anthrop.  Inst.  Vol.  VI.  PI.  VI. 

Kojrf-rnickicgv  J.  Kongres  Miydzyuarodowy  w Peazde. 

Mojer  J-  «.  KojjcruicJci.  Charakterystyka  Fizyczua  Ludnosci  üalieyjskicj.  Krakowie  1876. 

Verhandlungen  der  gelehrten  esthnischen  Gesellschaft  zu  Dorpat.  Bd.  Vlli  Heft  3.  Mit  3 lithogr.  Tafeln. 
Dorpat  1876.  In  Commission  hei  Th.  llnppe  in  Dorpat. 

Wanket.  Die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  dem  Höhlenbären  in  Mähren.  Sep.-Abdr.  aus  No.  1 u.  2 de» 
7.  Bd.  der  Mitth.  d.  anthr.  Ges.  in  Wien. 

IPorwtae  J.  J.  A.  Discount  devant  la  societe  royal  de»  antiquaires  du  Nord  a l'uccassion  du  fä>'  anniversaire» 
de  sa  foudation.  1875. 


Schluss  der  Rodaction  am  20.  Juni. 


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^orrcsponbeng-^Sfatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

fttr 

Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte. 

R e d i g i r t 
von 

Professor  Ko  11  mann  in  München, 

0*<n«‘nlM>rrrtär  J*-r  Gwvllirbsft. 

Erscheint  jeden  Monat  • 

Nro.  8.  München,  Druck  vou  1J.  Olden  bomg.  Augrust  1877. 


fünfzigste  Versammlung 

Deutscher  Naturforscher  und  Amte 

in  München. 

Die  um  17.  bis  22.  Scpt.  d.  ,1.  in  München 
tagende  fünfzigste  Versammlung 

Deutucher  Naturforscher  und  Aorate 
soll  nach  den  Beschlüssen  der  Geschäftsführung 
nnd  des  vorbereitenden  (’omitö’s  ihren  festlichen 
Charakter  verwaltend  dadurch  erholten,  das  die 
wissenschaftliche  Aufgabe  in  den  Vordergrund  ge- 
stellt ond  namentlich  für  reiche  Anregung  innerhalb 
der  Sect innen  gesorgt  wird. 

Im  Einvernehmen  mit  den  Geschäftsführern 
erlaubt  sich  darum  der  Unterzeichnete  angelegent- 
lichst zum  Besuch  der  Versammlung  und  zur 
Betheiligung  an  den  Seetionsverhnndlungen  für 
Anthropologie  durch  Vorträge  oder  Demonstrationen 
ergebenst  einznladeu. 

Prof.  Kollmann, 

stellvertretender  Vorstand  der  Section 
für  Anthropologie. 

Die  Bronzezeit.*) 

Von  Prof.  Dr.  R.  Vlrchow. 

Seit  einiger  Zeit  sind  die  Bedenken,  welche 
in  Bezug  auf  die  Klassifikation  der  Metallzeiten 
aufgestellt  werden  können,  in  der  allerheftigsteu 

•)  Wir  geben  in  den  folgenden  Spalten  einen  Aus- 

zug aus  jenem  Vortrag,  den  Herr  Prof.  Virchow  in 
der  ausserordentlichen  Sitzung  der  Berliner  anthropo- 
logischen Gesellschaft  vom  2 ».  Juni  1870  gehalten  hat. 


und  weitestgehenden  Form  hervorgetreten.  Ins- 
besondere ist  mit  dem  grössten  Material  und,  ich 
kann  wohl  sagen,  mit  einem  überraschenden  Reich- 
tlmm  «juellenmässiger  Thatsachen  Hr.  Dr.  Host- 
mann  in  Celle  an  die  Frage  gegangen,  dessen 
verdienstvolle  Arbeiten  über  das  Darzauer  Gräber- 
feld die  Aufmerksamkeit  schon  seit  längerer  Zeit 
auf  ihn  gelenkt  haben.  Derselbe  bat  in  einer 
kritischen  Besprechung  der  Arbeiten  von  Dr. 
Hildebrandt  (Stockholm)  den  Anknüpfungspunkt 
gefunden,  seine  abweichenden  Ansichten  im  „Archiv 
für  Anthropologie**  vorzntragen;  er  hat  dies  in  einer 
weit  über  deu  Ausgangspunkt  hinausgehenden  und 
dem  Anschein  nach  so  siegreichen  Weise  gethan. 
dass  anser  verehrter  craniologischer  Nestor  Hr. 
Ecker  in  einem  kleinen  Aufsatze,  welchen  er 
zuerst  in  der  „Augsburger  Zeitung“,  dann  im 
„Archiv  für  Anthropologie*  veröffentlichte,  es  für 
angezeigt  erachtet  hat,  den  Vorschlag  zu  machen, 
die  Eintheilung  in  Bronze-  und  Eisenzeit  ganz  auf- 
zugehen,  und  nur  noch  von  einer  Met  all  zeit  im 
Gegensatz  zu  einer  Steinzeit  zu  sprechen. 
Es  reiht  sich  daran  eine  ganze  Reihe  verwandter 
Arbeiten,  unter  denen  ich  besonders  betonen  will 

Die  dort  vorgetragenen  Anschauungen  verdienen  im 
Zusammenhang  mit  den  Thatsachen,  auf  welche  sie  ge- 
stützt sind,  die  allgemeinste  Beachtung  der  Archäologen ; 
sie  sind  von  grosser  Bedeutung  für  die  Bcurtheiluug 
der  Frage  von  der  Existenz  einer  reinen  Bronzezeit. 
Der  Artikel  findet  sich  in  den  Verhandlungen  der 
Berliner  anthropologischen  Gesellschaft : Zeitschrift  für 
Ethnologie.  Berlin.  Verlag  von  Wiegand,  Hempel  dt 
l’arey.  Ausserordentliche  8itzting  vom  2B.  Juli 
S.  3 ti.  ff.  Annt.  d.  Hed. 


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eine  vom  mehr  philologisch  - Archäologischen  Stand- 
punkt aus  gehaltene  Arbeit  des  belgischen  Archäo- 
logen de  Mcester  de  Ravestein*),  in  der  er 
die  alten  Schriftsteller  ausführlich  durchgeht , die 
Stellen  prüft,  in  denen  von  Metallen  die  Rede  ist, 
und  daraus  nachzuweisen  sucht,  dass  von  einer 
Präexistenz  der  Bronze  vor  dem  Ki&en  nicht  die 
Rede  sein  könne.  Es  scheint  mir,  wenn  man  diese 
verschiedenen  Indikationen  durchgeht  und  die- 
jenigen Erfahrungen  zu  Hilfe  nimmt,  die  jeder,  der 
sich  mit  diesen  Sachen  praktisch  beschäftigt,  ge- 
legentlich zu  machen  Gelegenheit  hat,  dass  aller- 
dings das  Feld  der  sogenannten  reinen  Rronzefunde 
sich  immer  mehr  verkleinert.  Es  wird  immer 
schwieriger,  solche  Funde  zusammen  zu  bringen, 
in  denen  die  Bronze  in  völliger  •Isolirtheit  vor- 
kommt und  in  denen  zugleich  die  Wahrscheinlich- 
keit besteht , dass  sic  das  einzige  archäologische 
Material  war,  was  für  die  Beurtheiiung  dieser  Funde 
in  Betracht  kommt. 

Nun  muss  ich  gleich  von  vornherein  bemerken, 
dass  ich  in  einem  sehr  wesentlichen  Punkte  gegen 
«lie  Bestrebungen,  welche  uns  hier  entgegentreten, 
mich  aussprechen  möchte.  Mjr  scheint  es  nämlich, 
dass,  aucli  wenn  man  zu  der  Ueberzeugnng  kommen 
sollte,  dass  generell  die  Bronze  nicht  früher  be- 
arbeitet worden  ist,  als  das  Eisen,  ja,  wenn  man 
vielleicht , wie  llr.  llastma  n n verlangt , noch 
einen  Schritt  weiter  ginge  und  sogar  die  Präexi- 
stenz der  Eisenbearbeitung  vor  der  Bronze  an- 
nähuie.  wenn  man  sich  vorstellte,  dass  die  Menschen 
zu  allererst  das  Eisen  zu  bearbeiten  gelernt  hätten, 
und  dass  die  Bronze  erst  in  späterer  Zeit  hitizu- 
geknmmen  sei,  daraus  doch  nur  hervorgehen  würde, 
dass  wir  nicht  mehr  in  dem  Sinne,  wie  bisher,  von 
Bronze-  und  Eisenzeit  sprechen  könnten , aber  es 
würde  daraus  noch  nicht  folgeu,  dass  die  Bezeich- 
nung einer  Bronzezeit  ganz  aufzugeben  wäre  und 
dass  wir  keinen  Grund  hätten,  mit  möglichster 
Schärfe  die  Bronzezeit  in  ihren  besonderen  ein- 
zelnen Phasen  und  Entwickelungen  zu  studiren. 
Ich  meine,  es  würde  sich  vielmehr  das  kultur- 
historische Bild  so  gestalten,  dass  wir  eine  grosse 
Eisenzeit  bekämen,  welche  zw  irgend  einer  Zeit 
an  die  bisher  bloss  steinerne  Kultnrperiode  sich 
anschlösse.  Hann  würden  wir  aber  innerhalb 
dieser  Eisenzeit  Bronzezeiten  bekommen;  wir 
würden  genöthigt  sein,  bestimmte  Epochen  auszu- 
scheiden als  die  eigentlichen  Bronze- Epochen 
und  wir  würden  dann  versuchen  müssen,  wie  wir 

*)  A propos  de  certaines  Classification»  pr£hi*toriques. 
Bruxelles  1875. 


die  Bronzen  klassiticircn , um  darnach,  allerdings 
nicht  zu  einer  Bronzezeit,  sondern  zu  mehre- 
ren Bronzezeiten  zn  gelangen,  die  uns  als  bestimmte 
chronologische  Anhaltspunkte  für  das  weitere  Ur- 
theil  dienen  müssten. 

Die  Bronzen  haben  schon  seit  längerer  Zeit, 
durch  ihre  chemische  Zusammensetzung  Veran- 
lassung gegeben , den  Versuch  zu  machen , für 
bestimmte  Perioden  bestimmte  Mischungen  als 
charakteristisch  zu  bezeichnen.  In  dieser  Beziehung 
möchte  ich  zunächst  hervorheben,  dass  eine  Menge 
von  vortrefflichen  Thatsachen  vorliegt,  welche  dar- 
thun,  dass  es  eine  Zeit  gegeben  hat,  in  welcher 
reine  Zinubronzen  existirten,  und  eine  andere 
Zeit,  in  der  Zink  bronzen  üblich  wurden.  Der 
Zusatz  von  Zink  zu  der  Bronze  entspricht  überall, 
wo  wir  einigermassen  iu  der  Lage  sind , diese 
Funde  nach  anderen  Merkmalen  zu  klassiticircn, 
einer  späteren  Periode,  und  zwar  können  wir  gleich 
sagen , der  römischen  und  nadiröiiiischcn  Zeit. 
Wenn  wir  nun  dazu  nehmen,  dass  uns  durch  die 
römischen  Schriftsteller  bestimmte  Angaben  über- 
liefert sind,  dass  der  Zusatz  von  Zink  erst  im 
dritten  Jahrhundert  v.  Chr.  Gebranch  geworden 
ist,  so  stimmt  das  völlig  überein  mit  dem.  was  wir 
tinden,  und  wir  haben  allen  Grund,  an  dem  Auf- 
treten der  Zinkbronze  eine  besondere  Periode  zu 
erkennen,  welche  von  der  früheren,  in  welcher 
nicht  mit  Zink  versetzte  Bronzen  allein  vorkamen, 
unterschieden  werden  muss. 

Es  ist  besonders  zti  betonen,  dass  die  haupt- 
sächlichsten Mischungen,  w elche  wir  von  den  Bronzen 
kennen,  die  kleinen  Nuanrirungen  abgerechnet, 
überall  eine  absichtliche  Verbindung  andeuten 
und  nicht  etwa  durch  den  Zufall  eines  schon  ge- 
mischten Unnetalls  erklärt  werden  können. 

Die  Auffassung,  dass  eine  Suecesston  der  Me- 
tallmisehungeu  die  verschiedenen  Perioden  der 
Bronzezeit  charakterisire , ist  von  verschiedenen 
früheren  Gelehrten  sehr  eingehend  verfolgt  worden. 
Ich  erinnere  nur  an  den  böhmischen  Archäologen 
Woeel,  der  die  sämmtlielien  Bronzen  des  Prager 
Nationalmuseums  bestimmt  hat  nach  ihrem  Alter, 
indem  er  Fcilenstriche  an  sie  anlegte  und  diese 
Feilenstriche  verglich  mit  dem  Aussehen  verschie- 
dener. künstlich  hergestellter  Legirungcn,  welche 
den  Haupt mischungen  entsprachen.  Das  ist  etwas 
kühn  und  würde  sieh  im  Einzelnen  nicht  als  ab- 
solut sicheres  Verfahren  erweisen.  Aber  das 
schliesst  nicht  aus,  dass  während  der  Bronze- 
Periode  auch  Eisen  existirt  habe.  Nur  berechtigt 
es  uns  ebensowenig,  diese  Dinge  zusammen  zu 


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59 


werfen  und  zu  sagen:  wir  sprechen  nur  noch  von 
einer  Metallzeit. 

Dem  Bestreben,  die  Bronze  als  einen  von 
Süden  kommenden  Import  darzustellen,  sind  seit 
langem  Argumente  entgegengetreten  und  namentlich 
ist  der  Versuch  gemacht,  zu  zeigen,  dass  gewisse 
Funde  sich  wesentlich  auf  einheimisches  Material 
beziehen.  Ich  leugne  das  durchaus  nicht.  Ich  will 
namentlich  hervorheben,  dass  wir  in  neuester  Zeit 
durch  die  Bemühungen  des  Hm.  Biefel*)  in 
Breslau  einige  Untersuchungen  über  schlesische 
Bronzen  erhalten  haben,  bei  denen  sich  allerdings 
herausgestellt  hat,  dass  GerAthe  Vorkommen,  die 
im  Wesentlichen  aus  Kupfer  mit  absolutem  Mangel 
von  Zinn  oder  nur  mit  ganz,  geringer  Beimischung 
desselben  bestehen. 

Vor  nicht  langer  Zeit  würde  man  geneigt  ge- 
wesen sein,  eine  Kupferaxt  als  eine  Hinterlassen- 
schaft aus  dem  ersten  Stadium  der  Metall -Ent- 
wicklung  anzusehen:  erst  Kupfer,  dann  Bronze. 
Jetzt  hin  ich  ganz  geneigt,  zuzngestehen.  dass  es 
ein  spateres  Fabrikat  war.  Nachdem  es  sich 
herausgestellt  hat,  dass  es  Objecte  aus  schlesischem 
Kupfer  giebt.  so  könnte  man  es  vielleicht  als  ein 
Pendant  zu  dem  Stück  vom  (»ciersherg  betrachten; 
es  könnte  so  interpretirt  werden,  dass  wir  liier  ein 
inlAndisehes  Erzeugnis*  vor  uns  haben.  Nichts- 
destoweniger flösst  mir  die  Ausführung  der  gleich- 
zeitig gefundenen  Stiere  grosses  Bedenken  gegen 
eine  solche  Interpretation  ein,  und  ich  möchte 
trotz  Allem  immer  noch  glauben,  dass  es  ein  Im- 
portartikel. vielleicht  aus  Ungarn,  war. 

Allerdings  treffen  wir,  nicht  bloss  in  den  Roh- 
materialien, sondern  auch  in  guten  Mischungen 
ausgeffihrt,  eine  Reihe  von  Gegenständen,  für  die 
wir  in  unseren  Landern  auch  die  Gussformen  fin- 
den . und  kein  Mensch  bezweifelt , dass  solche 
Dinge  auch  im  Lande  fabricirt  sind.  Allein  aus 
diesen  Gussfonnen  folgt  nichts  weiter,  als  dass 
man  einmal,  wenn  auch  vielleicht  erst  spat,  dahin 
gekommen  ist.  die  Methoden  kennen  zu  lernen,  wie 
so  etwas  herzustellen  ist;  es  folgt  weiter  nichts  in 
Bezug  auf  die  lokale  Entwicklung  eines  künstleri- 
schen Sinnes  oder  einer  selbständigen  Technik. 
Denn,  wie  Hr.  Li  n <1  e lisch  m it  erst  neulich  wieder 
mit  Recht  hervorgehoben  hat , alle  inländischen 
• Gussformen,  die  wir  bis  jetzt  kennen  gelernt  haben, 
beziehen  sich  auf  relativ  einfache  und  relativ  unter- 
geordnete Gussstücke;  es  ist  nicht  eine  einzige 
Gussform  diesseits  der  Alpen  gefunden  worden, 

*)  Schlesien*  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift.  27.  Be- 
rieht.  1876.  8.  71. 


welche  eine  bedeutende  Kunstentwicklung  erkennen 
lasst.  Daher  werden  wir  uns  dem  Gedanken  nicht 
vcrschüessen  können,  dass  die  eigentlichen  Haupt* 
stücke,  die  wir  im  Norden  finden,  — und  das  sind 
diejenigen,  welche  man  gewöhnlich  der  alten  oder 
eigentlichen  Bronzeperiode , oder,  wie  nian  in 
Schweden  sagt , dem  Bronzereich  zuschreibt , — 
im  Wesentlichen  Import  sind.  Der  ausgezeichnetste 
Platz  für  diese  Funde  ist  bis  dahin  immer  das 
Gräberfeld  von  Hnllstadt  in  Ober  - Oesterreich  ge- 
wesen. von  wo  eine  ganze  Reihe  der  wichtigsten 
Kunstgegenstände  schon  früher  bekannt  geworden 
sind.  Ich  erinnere  namentlich  an  die  Bronzeeimer 
oder  Bronzecysten,  die  aus  geschlagener  Bronze 
bestehen,  die  nicht  gelöthet,  sondern  genietet  sind 
mit  grossen  Nageln  (Sitzung  vom  18.  Juni  und 
11.  Juli  1874,  Bd.  VI,  8.  141  und  1G2.  Sitzung 
vom  14.  Mai  1875.  Bd.  VH,  S.  H>7).  Solche  Eimer 
finden  sieh  gerade  in  Kallstadt,  zum  Thcil  in  sehr 
ausgezeichneten  Exemplaren.  Ich  erinnere  ferner 
an  einige  neue  Funde  desselben  Grabfeldes,  an  die 
Bronzescheide  eines  Schwertes  mit  sehr  fein  aus- 
geführten Figurenzeichnungen.  Hr.  v.  Sacken 
spricht  sich  dahin  aus.  dass  es  uns  nicht  wundern 
dürfe,  im  Hallstftdtcr  Gräberfeld  ein  fremdländi- 
sches Erzeugnis* , namentlich  ein  italienisches  an- 
zutreffen.  ln  der  Tliat,  wenn  Jemand  diese  Schwert- 
scheide nicht  für  ein  unmittelbares  Zubehör  süd- 
licher Kunstformen  anerkennen  will,  so  wird  es 
sich  wohl  kaum  verlohnen,  mit  ihm  zu  streiten. 
Wenn  man  aber  zu  der  l’eberzeugung  von  der 
südlichen  Herkunft  dieser  Gegenstände  kommt, 
wenn  man  findet,  dass  in  demselben  Gräberfeld 
unmittelbar  daneben  die  früher  von  mir  besproche- 
nen Bronzeeimer  sich  finden , welche  genau  in 
derselben  Weise  in  den  Fanden  von  Bologna  auf- 
gedeckt sind,  ja  welche  mit  diesen  so  weit  über- 
einstimmen in  der  Herstellung  der  einzelnen  Theile, 
so  sehr  in  der,  wenn  auch  kümmerlichen  Orna- 
mentik, dass  man  bestimmte  Eimer  von  Bologna 
mit  solchen  von  Hallstadt  zusammenstellen  kann, 
und  dass  man  allen  Grund  hat,  anztinehmen,  sie 
seien  aus  derselben  Fabrik  hervorgegangen,  so 
weise  ich  in  der  Thal  nicht,  wie  man  sich  noch 
ferner  dein  Skrupel  hiugeben  kann,  dass  wir  hier 
keine  Gruppe  fremder  Importartikel  vor  uns  hätten. 

Ich  weiss  allerdings,  dass  gerade  in  dieser 
Beziehung  die  ältere  Schule  am  hartnäckigsten  ist, 
indem  sie  durchaus  nicht  zugestehen  will,  dass  wir 
mit  diesen  Stücken  uns  schon  in  einem  Eisen- 
zeitalter befinden.  Indess  die  Thatsarbe  steht  fest, 
dass  in  Hallstadt  neben  diesen  Dingen  überall 
Eisen  vorkommt.  Audi  alle  Bronzeeimer,  die  wir 

«• 


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* 60 


in  Deutschland  besitzen,  hatten  eiserne  Beigabeu: 
eiserne  Deckel,  eiserne  Messer,  eisenie  Nägel. 
Zeigt  sich  nun,  dass  solche  Geräthe  zu  einer  Zeit 
gefertigt  sind,  als  man  auch  in  Italien  noch  nicht, 
die  Kunst  des  Lötliens  kannte,  als  man  auf  be- 
schädigte Stellen  noch  einen  Flicken  aufsetzte,  wie 
ein  Arbeiter  heut  zu  Tage  sein  Beinkleid  flickt, 
indem  mau  ein  Stflek  Blech  auf  die  Lücke  auf- 
nagelte; zeigt  sich  ferner,  dass  die  einfachsten 
Operationen,  die  sich  später  bei  vollkommenerer 
Kenntniss  der  Behandlung  der  Bronze  auf  flüssigem 
Wege  ausführen  Hessen,  in  mühseligster  Art  durch 
Handarbeit  und  Ausschlagen  mit  dem  Hammer  be- 
werkstelligt worden  sind,  so  gelangt  man  mit  seiner 
Rechnung  iu  eine  Zeit,  die  ziemlich  weit  vor 
Christi  Geburt  reicht,  aber  immer  noch  auf  dem 
Boden  der  Ei  senk  ult  ur  liegt. 

Innerhalb  dieser  Betrachtung  liegt,  wie  Sie 
sehen,  ein  neues  Motiv  der  Scheidung.  Die  ge- 
hämmerte und  genietete  Bronze  gegen- 
über der  gegossenen  und  gelötheten 
Bronze  ergiebt * einen  so  grossen  und  entschei- 
denden Unterschied,  dass  selbst  die  chemischen 
Analysen  ihm  gegenüber  nicht  mehr  Bedeutung 
bähen.  Denn  die  Mischung  derjenigen  Bronze, 
welche  genietet  und  gehämmert  ist,  erweist  sich 
als  identisch  mit  der  Mischung  derjenigen,  welche 
ganz  gegossen  oder  zum  Tlieil  gcldthet  ist.  Die 
Kenntniss  dieser  einzelnen  < Operationen  scheidet 
innerhalb  der  Periode  der  Zinubronzc  meiner 
Meinung  nach  zwei  scharf  gesonderte  Perioden  und 
wir  sind  vollkommen  berechtigt,  die  Fundstürke, 
au  denen  wir  diese  Merkmale  treffen,  chronologisch 
auseinander  zu  halten  und  sie  zum  Theil  einer 
älteren,  zum  Theil  einer  späteren  Zeit  der  reinen 
Ziunhronze  zuzuweisen. 

I Ir.  Hostmanu  sagt,  die  Mischung  der  Bronze 
in  den  Bronzeeimern  sei  identisch  mit  der  Mischung 
gewisser  Fibeln,  die  er  im  Darzauer  GräbeiTelde 
finde;  diese  Fibeln  hätten  wiederum  denselben 
Typus,  wie  andere,  die  aus  Zinkbronze  bestehen, 
also  seien  auch  die  Bronzeeimer  mit  den  Zinkfibeln 
chronologisch  zusammen  zu  bringen.  Dies  halte  ich 
für  absolut  falsch.  Ei»  Ideiben  uns  doch  eine  Menge 
von  Hilfsmitteln  »1er  Diagnose  übrig.  Ich  habe  heute 
nicht  die  Absicht,  alle  diese  verschiedenen  Hilfs- 
mittel vorzuführen;  es  genügt  mir,  jene  grossen  und 
augenfälligen  Unterschiede  zunächst  aufgestelit  und 
daran  meine  Thesen  erläutert  zu  haben.  Aus  diesen 
Thesen  folgere  ich,  dass  wir  immerfort  berechtigt 
sein  werden,  diejenige  Zeit,  wo  ein  Volk  in  den 
Besitz  von  Bronze  kommt,  zu  unterscheiden  als 
ein  besonderes  Ereigniss  in  seiner  Entwicklung. 


Damit  kommen  wir  auf  bestimmte  Handelsbezie- 
hungen und  mit  diesen  auf  bestimmte  Kultureinflüsse; 
von  dem  Zeitpunkt  an,  wo  wir  das  nachweisen 
können,  werden  wir  eine  Reihenfolge  von  Entwick- 
lungen verfolgen  köunen , die  vielleicht  in  dem 
Volke  selbst  sich  vollziehen,  wenngleich  die  An- 
regungen dazu  ihm  von  aussen  zugekommen  sein 
mögen.  Die  Verschiedenheit  dieser  Entwicklungs- 
Stadien  gewährt  die  Mittel,  die  Einzelfunde  zu 
klassificiren. 

Wäre  es  richtig,  dass,  wie  Ur.  Bertrand, 
der  berühmte  Pariser  Archäologe,  meint,  die  Fabri- 
kation solcher  Kunstobjecte , wie  sie  eben  bespro- 
chen worden,  eigentlich  kaukasischen  Ursprungs 
sei  und  ihre  Kenntniss  sich  von  daher  durch  die 
Kelten,  gleichsam  in  Radien,  verbreitet  habe,  so 
zwar,  dass  wir  genöthigt  wären,  die  Bronzeeimer 
von  Bologna  als  Ausläufer  eines  südlichen,  die  von 
Zaborowo  und  Pansdorf  als  Ausläufer  der  nörd- 
lichen Radien  dieser  kaukasischen  Kultur  zu  be- 
trachten, so  würde  das  eine  gewiss  wichtige  Unter- 
lage für  die  Kunde  gewisser  Völkerzüge  bieten. 
Leider  besitzen  wir  absolut  keine  Kunde  von  «Icr 
Existenz  ähnlicher  Arbeiten  au  deu  Stellen,  von 
denen  Hr.  Bertrand  ihre  Entdeckung  ableitet, 
sondern  wir  kennen  sic  nur  au  Fundstätten  des 
Südens,  und  daher  werden  wir  uns  hüten  müssen, 
seine  Hypothese  von  den  liypcrborfiischen  Bronze- 
scbniieden  uuzuerkennen. 

Ich  muss  ferner  sagen,  alle  Bemühungen,  die 
ich  mir  gegeben  habe,  an  dem  Studium  der  bei 
uns  vorgekommeneu  Bronzen  den  Weg  der  Kultur 
rückwärts  zu  verfolgen,  führen  mich  nirgends  zu- 
rück über  diejenigen  Zeiträume,  welche  im  Süden 
schon  historisch  sind.  Unsere  Prfthistorie  fällt,  so- 
weit es  sich  um  Bronze  handelt,  mit  'Icr  wirk- 
lichen Historie  oder  wenigstens  mit  der  Sagenzeit 
des  südlichen  Europa  zusammen.  Ich  wüsste  kein 
einziges  Fumlstück,  welches  mau  als  ein  solches 
bezeichnen  könnte,  dessen  Herstellung  vor  die 
Bronzezeit  Etruriens  oder  Griechenlands  zurück  zu 
versetzen  wäre.  Nun  sind  aber  die  verschiedenen 
Bemühungei],  directc  Beziehungen  mit  Griechenland 
zu  finden,  bis  jetzt  ziemlich  fruchtlos  geblieben. 

Einer  der  Huuptfällc,  auf  den  man  sich  immer 
bezogen  hat,  war  der  Fand  griechischer  Kunst- 
gegeiistände,  welcher  in  der  Gegend  von  Riga  vor 
einer  Reihe  von  Decennieu  gemacht  sein  sollte. 
In  neuester  Zeit  ist  jedoch  nachgewiesen  worden, 
dass  dieser  Fund,  wenn  auch  nicht  auf  Fälschung 
im  gewöhnlichen  Sinne,  so  doch  auf  einer  der 
anomalsten  Handlungen  beruht,  die  Jemand  be- 
gehen kann.  Dieses  vielcitirte  Argument  fällt  also 


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aus , und  auch  die  Versuche  Ähnlicher  Deutungen 
stützen  eine  solche  Annahme  nicht. 

Nach  meiner  Auffassung  erpicht  diese  Be- 
trachtung eine  sehr  bestimmte  Scheidung  von  alleb 
den  andereu  Auffassungen.  Es  ist  damit  gesagt, 
da^s  die  Bronzezeit  für  unsere  Lander  beginnt  mit 
den  ( ummunikationen,  die  sich  vom  Süden  her  er- 
öffnet haben.  Ist  dies  richtig,  so  hat  sieh  die 
Klassitikation  der  Bronzen  genau  anzuschliessen  an 
die  Geschichte  und  Entwicklung  dieser  Handels- 
beziehungen. Dazu  aber  ist  es  vor  allen  Dingen 
nothwendig,  die  bestimmten  Handelswege  oder,  um 
unsere  Gedanken  nicht  zu  eng  auf  den  Handel  zu 
richten,  die  Wege  der  Berührung  zwischen  nnsem 
Vorfahren  und  den  Völkern  des  Südens  zu  studiren. 

Ich  kann  ferner  den  Wunsch  nicht  unter- 
drücken, dass  alle  diejenigen,  welche  in  der  Lage 
sind,  Stücke  von  alter  Bronze  abzugebeu,  allerdings 
vorausgesetzt,  dass  sie  ihrem  Fundorte  nach  gut 
bestimmt  sind,  nicht  versäumen  mögen,  durch  Her- 
beiführung von  sicheren  Analysen  das  thatsäch- 
liche  Material,  was  bis  jetzt  noch  ziemlich  armselig 
ist,  zu  verstärken.  Die  neuesten  Bestrebungen 
unserer  Metalle heiuiker  sind  dahin  gerichtet,  die 
bis  dahin  sehr  unvollkommenen  und  unsicheren 
Analysen  zu  vervollständigen.  Die  besondere 
Richtung,  die  in  letzter  Zeit  hervorgetreten  ist, 
die  Nebensubstanzen,  namentlich  Arsenik,  Schwefel, 
Nickel,  Wi&muth,  Kobalt  zu  bestimmen,  hat  bis 
jetzt  so  grosse  Schwierigkeiten  geboten,  dass  Hr. 
Prof.  Hammel  sh  erg,  eine  gewiss  coinpetente 
Autorität  auf  diesem  Gebiet,  jetzt  besondere  Vor- 
arbeiten hat  machen  lassen,  um  bessere  Methoden 
für  die  Analyse  zu  finden. 

Dabei  wird  sich  denn  auch  die  weitere  Frage 
besprechen  lassen,  oh  die  Kenntnisse,  welche  uns 
das  Studium  der  heimischen  Bronzen,  ja  das  der 
antiken  Kultur  gewährt,  in  der  That  geeignet  sind, 
als  Grundlage  für  ein  generelles  Urtheil  über  den 
Entwicklungsgang  der  Menschheit  zu  dienen.  Hr. 
11  os t mann  ist  principiell  genug,  diese  Consequenz 
zu  ziehen.  Ich  möchte  davor  warnen,  vor  der  Zeit 
zu  generalisiren.  Erinnern  wir  uns  doch,  dass  in 
Afrika  und  Amerika  das  häufig  nicht  zntrifft,  was  in 
Asien  und  Europa  ganz  richtig  ist.  Amerika  besitzt 
eine  umfangreiche  Kupfer-  und  Bronze- Kultur, 
auf  deren  Grand  sich  sowohl  die  mexikanische  als 
die  peruanische  Civilisatiou  entwickelt  haben. 
Nichts  liegt  bis  jetzt  vor,  was  darauf  hinwiese, 
«lass  diese  Kultur  jemals  durch  die  Kunde  der 
Eisenbearbeitung  bestimmt  worden  sei.  Weder 
wissen  wir  etwas  von  nitamerikanischer  Eisen- 
bearbeitung vor,  noch  während,  noch  nach  der 


Bronzezeit.  Erst  die  Europäer  haben  dieses  Wissen 
verbreitet.  In  Afrika  scheint  es  stellenweise  gerade 
umgekehrt  gegangen  zu  sein;  mau  hat  das  Eisen 
bearbeitet,  ohne  auf  Kupferbearbeitung  zu  kom- 
men, und  man  hat  Kupfer  bearbeitet,  ohne  die 
Bronze  zu  entdecken.  Es  liegt  also  klar  zu  Tage, 
dass  hier  differente  Kulturgehiete  bestehen,  deren 
Berührung  unter  einander  entweder  schon  sehr 
früh  aufgehört  hat  oder  so  schwach  gewesen  ist, 
dass  ein  bestimmender  Einfluss  des  einen  auf  das 
andere  nicht  stattgeh&ht  hat.  Jedes  dieser  Gebiete 
muss  vorsichtig  für  «ich  betrachtet  werden.  Jede 
vorzeitige  Verallgemeinerung  der  auf  dem  einen 
oder  dem  anderen  gemachten  Erfahrungen  kann 
nur  schädlich  einwirken.  Erst,  wenn  wir  die  Kennt- 
nis« der  Einzelarbeit  weiter  gefördert  haben,  mögen 
wir  darüber  weiter  debattiren,  wie  der  mensch- 
liche Geist  den  Faden  gefunden  hat,  der  dnreh 
das  ganze  schwierige  Gebiet  der  Metallurgie  bis 
zu  der  Zeit  des  vollendeten  Kunstgewerbes  hin- 
durcligefflhrt  hat. 


Heidnische  Alterthümer  und  Denkmäler. 

Wie  Herr  Pastor  Wittkopf  in  Stade  mittheilt, 
befinden  sich  in  der  Nähe  von  Debstedt,  Amts  Lebe, 
namentlich  auf  der  sogen,  schwarzen  Höhe  südwest- 
lich vom  Urte  noch  reichhaltige  heidnische  Begräb- 
nissstätteu.  Die  sogen,  schwarze  nölie  ist  eine 
natürliche  Erhebung  der  Geest  zwischen  einem  Moor 
und  dem  Thal,  in  welchem  das  Dorf  liegt.  Sie  war 
augenscheinlich  in  früheren  Zeiten  mit  Eichbäumeu  ' 
bestanden,  wovon  noch  die  <la.«clbst  befindlichen 
Stümpfe  und  Eichbüsche  Zeugnis«  geben.  Auf  dem 
Terrain  werden  seit  längeren  Jahren  Kies  und  Steine 
zum  rhausseeban  gegraben,  und  da  finden  die 
Arbeiter  sehr  oft  zu  ebener  Erde  oder  unter  der 
schwarzen  Haideerde  im  gelben  Sande,  * « — 1 Fuss 
unter  der  Oberfläche,  l’men  mit  Knochen  und  auch 
wohl  kleinen  Broncegegenstündon.  Hinter  diesem 
Platze,  etwas  weiter  nach  Süden,  liegen  acht  Hünen- 
gräber ohne  bestimmte  Ordnung  neben  einander. 

Einer  dieser  Hügel  ist  vor  Zeiten  als  Richtplatz 
benutzt  und  heisst  noch  der  Galgenberg.  Alle  zeigen 
bereits  Spuren  früherer  Ausgrabungen,  indessen 
hat  doch  Hr.  Pastor  Witt  köpf,  welcher  sich  sehr 
für  unsere  vaterländischen  Alterthümer  hiteressirt, 
den  einen  dieser  Hügel  noch  gründlich  untersucht. 

Er  fand  1)  in  der  Mitte  dicht  unter  der  Oberfläche 
eine  schon  zum  Theil  zerstörte  Urne  mit  Knochen; 

2)  anderthalb  Fuss  tiefer  und  etwas  zur  Seite  eine 
andere  gros«e  Urne,  mit  Steinen  umgehen  und  mit 


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einem  platten  Deckelstein  geschützt.  Uebrigens 
stand  dies  Geffcss  schief  und  war  entzwei  ge- 
drückt, was  offenber  schon  bei  ihrer  Heisetzung 
passirte.  und  konnte  jetzt  nicht  mehr  heil  heraus- 
gehoben werden.  Es  lagen  darin,  ausser  Sand  und 
Knochen,  eine  Nadel,  eine  kleine  Pincette  und  ein 
Messer  von  IJronce:  3)  nicht  ganz  in  der  Mitte, 
etwas  nach  Norden  zu,  fand  sich  endlich  die  Haupt- 
sache. Es  war  dies  ein  aus  mittelgrossen  Steinen 
gebildeter,  etwas  kegelförmiger  Haufen  von  Steinen, 
der  mit  seiner  Spitze  bis  auf  einen  Fuss  unter  die 
Oberfläche  des  Hügels  reichte  und  hinabging  bis 
auf  den  Grund,  den  natürlichen  Boden.  Seine  Höhe 
betrug  ea.  0 Fuss  und  sein  Durchmesser  unten  ea. 
1 und  oben  ca.  3 Fuss,  das  Fundament  desselben 
bildeten  I oder  5 grosse  platte  Steine,  die  förmlich 
zu  einer  Art  von  Herd  zusammengesetzt  waren; 
auf  diesem  lagen  nun  erstlich  eine  (Quantität  Knochen, 
dann  ein  zierlicher  Broncedolch  mit  auffallend 
kurzem  Griffe,  zwischen  den  Knochen  eine  grosse, 
schöu  erhaltene  Pincette,  eine  Nadel,  der  verzierte 
Knopf  einer  Schmucknadel  und  endlich  ein  Messer 
— alle  diese  Gegenstände  gleichfalls  von  Bronee. 
Der  interessante  Fund  ist  von  Herrn  Pastor  Witt- 
kopf mit  freundlicher  Zuvorkommenheit  dem  Provin- 
zialniuscum  geschenkt.  Die  Knochenreste  stammten 
nach  Ausweis  der  Beigaben  offenbar  von  einer  weib- 
lichen Leiche,  und  der  zierliche  Dolch  ist  keine 
Waffe,  sondern  ein  weibliches  Spielzeug,  das  bei 
der  Arbeit  gelegentlich  die  Stelle  des  Messers 
übernahm. 

Nicht  weit  von  diesen  Hügelgräbern  befindet 
sich  am  Bande  des  Moores  ein  langer  Berg  von  ca. 
3 — 400  Schritt  Ausdehnung  und  von  ungefähr  der- 
selben Höhe  wie  jene;  er  erstreckt  sich  von  Norden 
nach  Süden,  Hr.  Pastor  W ittkopf  unterzog  den- 
selben einer  näheren  Untersuchung  und  fand  zu- 
nächst auf  dem  südlichen  Ende  eine  grosse  Urne 
von  Becherform,  ringsum  mit  Steinen  umgeben, 
welche  nichts  als  Sand  und  Knochen  enthielt  und 
mit  einem  Theile  einer  andern  Urne  gedeckt  war. 
d.  h.  diese  war  mit  dem  Boden  so  in  die  erstere 
hineingesetzt,  dass  sic  die  Knochen  bedeckte. 
Ausserdem  wurden  in  dein  Berge  zwei  Steinkreise 
konstatirt,  die  sich  etwa  2 — 3 Fnss  tief  unter  der 
Oberfläche  befanden.  Diese  Anlagen  mochten  wohl 
15  Fuss  im  Durchmesser  haben  und  bestanden  ans 
mannskopfgrossen  Steinen,  welche  man  aneinander 
gesetzt  hatte;  die  innere  Fläche  war  mit  einer  Lage 
gleicher  Steine  gepflastert.  Eine  Ausgrabung  in  der 
Mitte  des  Kreises  förderte  nichts  zu  Tage.  Nach 
der  Meinung  des  Hrn.  Pastors  Witt  köpf  enthält 
der  Berg  noch  viele  andere  solcher  Kreise,  alle 


neben  einander,  wie  er  sieb  tlieils  durch  Rasiren, 
theils  durch  noch  vorhandene  kreisförmige  Ver- 
tiefungen als  Spuren  früherer  Nachgrabungen  über- 
zeugt hat.  Nach  Aussage  von  Bauern  jener  Gegend 
kommen  diese  Steinkreise  dort  öfter  vor  und  sollen 
bisher  nur  Knochen.  Asche  und  schwar/gebrannte 
Steine  ergeben  haben ; es  ist  also  möglich,  dass  sie 
die  Brandstellen  der  Leichen  sind,  deren  Reste 
man  in  den  Urnen  der  benachbarten  Grabhügel 
findet.  Um  dies  genau  zu  ermitteln,  ist  dringend 
zu  wünschen,  dass  der  Berg  für  eine  sorgfältige 
Untersuchung  reservirt  wird. 

Es  »st  bekannt,  dass  in  dem  südlichen  Theile 
unseres  Landes  heidnische  Begräbnissstätten  bei 
weitem  weniger  Vorkommen  als  in  dem  nördlicheren, 
einfach  weil  dort  die  Kultur  viel  stärker  darunter 
aufgeräumt  hat.  Um  so  willkommener  ist  jede  neue 
Entdeckung  auf  diesem  Gebiete.  Eine  solche  wird 
durch  freundliche  Mittheilung  des  Herrn  Pastors 
Dr.  theol.  Kellner  in  Schlewecke  bei  Bockenem 
jetzt  bekannt  gemacht.  Westlich  von  Schlewecke 
und  nordwestlich  von  Bockenem  liegt  an  der  Nette 
die  kleine  Ortschaft  Werder.  Ein  gegen  dos  Nette- 
thal  vortretendes  Plateau,  etwa  einen  Büchsenschuss 
unterhalb  des  Dorfes  auf  dem  linken  Ufer  des  Flusses 
und  ca.  100  Fuss  erhaben  über  der  vou  Wiesen 
gebildeten  Thalsohle,  gegen  die  ca  nach  Osten  zu 
stark  allfällt,  trägt  hier  einen  heidnischen  Begräb- 
nissplatz.  von  dessen  höchstem  Punkte,  einem  Hügel* 
man  eine  herrliche  Aussicht  hat  weithin  über  das 
Nettetlial  und  den  gegenüber  liegenden  Heimberg. 
Die  höher  gelegene  Hälfte  des  Terrains,  dürr  und 
wellenförmig  und  mit  spärlichem  Graswuchse  be- 
deckt. wird  als  Seliafweide  benutzt,  während  die 
andere  Hälfte,  sich  sanft  abdnclicnd.  nach  der  Se- 
paration zu  Ackerland  umgebrochen  ist.  Herr  Dr*. 
Kellner,  welcher  1868  nach  Schlewecke  kam,  er- 
fuhr schon  damals,  dass  bei  der  Urbarmachung  des 
Landes  verschiedene  Hügel  abgetragen  und  dabei  eine 
Menge  von  Urnenscherben  zum  Vorschein  gekommen 
seien,  weniger  in  den  Hügeln  seihst,  als  uin  den  Fuss 
derselben  herum,  und  dass  beim  Pflügen  noch  immer 
solche  Geflsse  entdeckt  würden.  In  der  Regel 
gingen  sie  zu  Grunde,  da  die  Pferde  auf  die  Stein- 
umfüttcrung  der  Gcf&sse  traten,  und  so  dieselben 
zertrümmerten.  Die  Nachricht  von  diesen  Funden 
gelangte  jetzt  an  den  bekannten  Sammler  Dornpropst 
Thiele  in  Bruunschweig,  und  dieser  unternahm 
eine  Ausgrabung.  Er  griff  den  bezeiehneten  Hügel 
auf  dem  höchsten  Punkte  des  Terrains  an,  fand 
aber  weder  eine  Urne  noch  sonst  etwas  und  gab 
deshalb  die  Sache  auf.  Doch  erhielt  er  später 
eine  schon  früher  auf  dem  Platze  gefundene  Urne, 


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schlicht,  mit  starker  Ausbauchung  uml  von  roher 
Arbeit,  und  in  neuerer  Zeit  noch  drei  andere.  Als 
nämlich  im  verflossenen  Sommer  der  Eigeiithümer 
des  Landes  ein  Ackerstück  tiefer  als  bisher  pflügte, 
stiess  er  dabei  auf  3 l’rnen,  wovon  er  dem  Pr. 
Kellner  sogleich  Nachricht  gab.  Als  derselbe  an 
Ort  und  Stelle  erschien,  fand  er  2,  welche  dicht 
neben  einander  standen,  in  Trümmern  ; die  Pferde 
hatten  darauf  getreten.  Die  dritte  war  rechtzeitig 
bemerkt  und  noch  nnberührt.  „Wir  entfernten/ 
schreibt  llr.  Dr.  Kellner,  „die  Steine,  unbehauene, 
muschelförmige  Bruchstücke  von  Kalkstein,  wie  sieji 
derselbe  liier  vorflndet,  und  hoben  di$  Urne  mit 
der  Steinplatte,  auf  welcher  sie  stand,  vorsichtig 
heraus;  aber  bei  diesem  Geschäft  begannen  die 
ganz  mürben  Wandungen  der  mit  feuchter  lehmiger 
Erde  gauz  ausgefülltcn  Urne  abzubröckeln,  und 
schliesslich  verwandelte  sich  die  Urne  ganz  in 
Scherben/  Diese  setzte  Dompropst  Thiele  später 
wieder  zusammen,  desgleichen  auch  die  von  den 
beiden  andern  und  erhielt  so  drei  ziemlich  voll- 
ständige (»efässe.  Der  Inhalt  derselben  bestand  in 
einer  bedeutenden  Menge  kleiner  Knoclienreste,  au 
denen  man  die  Spuren  dor  Verbrennung  deutlich 
wahmehmen  konnte;  dagegen  war  von  Kohlen  nichts 
zu  entdecken.  — Auch  dieser  Begräbnissplatz  ver- 
dient, wie  die  sogen,  schwarze  Höhe  mit  ihrer  Um- 
gebung bei  Debstedt  noch  eine  sorgfältige  Unter- 
suchung. Es  verdient  schliesslich  eine  dankbare  An- 
erkennung, dass  die;  He  rren  Pastor  Wittkopf  und 
Pastor  Dr.  theol.  K e 1 1 n e r an  unseren  vaterländischen 
Alterthünmrn  ein  so  reges  Interesse  nehmen,  und 
wir  wünschen,  da*s  ihr  Beispiel  in  weiteren  Kreisen 
Nachahmung  finden  möge.  Für  den  Sdiutz  unel 
elie  Yerwerthung  unserer  Denkmäler  und  Alter- 
tbflmcr  würde  das  sehr  ersprießlich  sein.  M. 

(Neue  H a o uo  ver’scho  Zeitung,  15.  Nov.  1875  ) 


Kleinere  Mittheilungen. 

Birkentheer  in  den  Schüsse nrieder 
Pfahlbauten. 

ln  der  württembergischen  Jahres  heften  von  1876 
beschreibt  Ilerr  Revierförster  Frank  verschiedene  in  den 
Pfahlbauten  bei  8chus»enried  gefundene  Kunstprodukte 
and  filhrt  darunter  „Mengen  von  aufgeroilter  Birken- 
rinde' und  „einen  nierenförmigen  14  cm.  langen,  10  cm. 
breiten,  5 cm.  dicken,  890  gr.  schwereu  Klumpen  As- 
phalt1* anf;  ferner  ist  in  dem  Bericht  des  Herrn  Revier- 
fursters  von  „einem  Körper“  die  Hede,  „der  äusserlich 
dem  Graphit  vollständig  ähnelt“,  der  sich  als  feines 
Pulver,  gemengt  mit  Pulver  von  knhlensaurem  Kalk,  in 
einem  verbrochenen  Krugehen  gefunden  habe. 


Dr.  Dorn  beweist  nun  in  der  Sitzung  des  natur- 
wissenschaftlichen Vereins  in  Tübingen  vom  24.  Febr.  1877, 
dass  der  gefundene  Asphalt  eingekochter  Birkentheer 
sei,  den  sich  die  Pfahlbaubewohncr  aus  der  aufgerollteu 
Birkenrinde  selbst  durch  Schwelen  bereiten  konnten.  Die 
vollkommene  Uebereitistimmung  des  Geruchs,  den  der 
Scbusscnrieder  Asphalt  beim  Erhitzen  verbreitet,  mit  dem 
von  erhitztem,  ans  Birkentheer  (oleum  rnsci)  durch  Ein- 
kochen  gewonnenen  Asphalt  wurde  in  der  Sitzung  durch 
Versuche  nachgewiesen,  und  ebenso  gezeigt,  dass  bei 
anhaltender  Erhitzung  solchen  Asphalts  der  grapbit- 
ähnliche Körper , nämtich  Cokes  zurückbleibt,  welcher 
zerrieben  und  mit  Wiesenkalk  'als  Biuderaittelj  vermischt 
den  Pfahlbaubewohnern  in  ähnlicher  Weise  zum  Schwärzen 
ihrer  Tbonwaaren  u.  s.  w.  dienen  mochte,  wie  uns  der 
Graphit. 

So  wäre  also  der  zum  Einkitten  von  Werkzeugen 
in  Griffe  verwendete  Asphalt  ein  Produkt  uralter 
chemischer  Technik  und  ebenso  die  wie  Graphit 
benützten  Cokes.  Das  Rohmaterial,  aus  welchem  solcher 
Kitt  an  anderen  Lokalitäten  gewonnen  werden  mochte 
ist  vielleicht  nicht  überall  Birkenrinde  gewesen.  Der 
Kitt  dürfte  sich  aber  wohl  überall  von  künstlichem  oder 
natürlichem  mineralischem  Asphalt  unterscheiden, 
was  durch  Erhitzung  und  Vergleichung  des  Geruchs 
leicht  zu  ermitteln  ist. 

Schliesslich  erklärt  Dorn  die  in  Pfahlbauten  ge- 
fundenen Himbcersaraon  für  die  Reste  „getrockneter 
Himbeeren“,  die,  wie  noch  heute  in  Russland,  in  jeder 
Hütte  zu  Heilzwecken  vorräthig  gehalten  wurden. 


Die  Ring  wälle  anf  der  Wallleithen  bei 
Stadtsteinach. 

Da,  wo  die  westlichen  Ausläufer  des  Hochlandes, 
welches  den  Fichtelgebärgsstock  mit  dem  Franken-  und 
ThUringerwalde  verbindet,  gleich  einer  aus  abgerundeten 
Waldbergeu  zusammengesetzten  Mauer  das  von  N.  nach 
S.  ziehende  8teinachthal  östlich  begrenzen,  tritt  die 
hohe  Wallleitbon,  unweit  Stadtstainach  das  Thal  be- 
herrschend, bemerkbar  vor.  Die  Poststrasse  nach  Presseck 
zieht  sich  über  die  südliche  Abdachung  den  steilen 
Berg  hinauf  und  überschreitet  solchen  in  bedeutender 
Höhe.  — Von  dom  Höhepunkte  der  Strasse  aus  steigt 
link»  der  Gipfel  des  Berges  in  Form  einer  abgeplatteten 
Kuppe  empor.  Diese  wird  von  einem  Doppelgürtel 
von  Ring  wällen  umzogen.  Der  erste  befindet  sich 
etwa  300  Schritte  über  der  Strasse,  der  zweite  50 
Schritte  höher.  Beide  sind  vollständig  Überrest  und 
haben  *.V  Höhe.  Die  obere  Fläche  der  Wallleithen  be- 
trägt 100  Schritte  in  det  Länge  (v.  0.  n.  W.),  circa  30 
in  der  Breite  and  ist  vom  oberen  Walle  in  15  Schritten 
zu  erreichen.  An  den  Wällen  liegen  rothgegluhte  Steine 
poröser  Natur.  Rrandspuren  sind  bis  zu  2'  Tiefe  nach- 
gewiesen. Den  zweiten  Abhang  der  Südseite  des  Berges 
läuft  ein  ziemlich  breiter  und  tiefer  Einschnitt  eine 


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Stracke  weit  gegen  die  Steinach  zu  hinab.  Ob  der- 
selbe zu  den  Ringwallen  in  Beziehung  stand  und  viel- 
leicht als  geheimer  Ausfall-  oder  Fluchtweg  diente, 
wenn  erster©  als  Vertbeidigungswerke  zu  betrachten 
sind,  wäre  näher  zu  untersuchen. 

II üh ne  (Archiv  de»  hist.  Vereins  für  Oberfrauken 
1842)  betrachtete  die  Wallleithen  als  Kulturstätte 
und  der  Name,  der  sich  wohl  füglich  auf  den  volks- 
tümlichen Ausdruck  „wallen“  (wallfahren)  zuriickführeu 
lässt  — Berg,  zu  dem  das  Volk  wallte,  — sowie  die 
von  Hüb  ne  mitgetheilte  Sage  von  der  weinen  Frauen- 
ersclieinung  mit  dem  goldenen  Schlösse!  mochte  aller- 
dings auf  mythische  Nachkliinge  schliessen  lassen. 

Jedenfalls  bewahrt  die  Wallleithen  eines  der  be- 
deutendsten vorgeschichtlichen  Denkmäler  Oberfrankens 
und  Bayerns. 

MUnchberg,  20.  Juni  iH7ti. 

Ludwig  Zapf. 


Unweit  Poln.  Brodden  haben  Arbeiter  in  der  ver- 
gangenen Wo  ehe  wieder  ein  Hünengrab  aufgedeckt, 
welches  9 Urnen  enthielt.  Beim  Herausnahmen  der 
rothell  Sandstein plattrn,  «ns  welchen  <l«s  tlrab  gebildet 
«*r,  worden  die  Aschenkrliire  grrnsteutheils  sersldrt  ond 
wieder  verschüttet.  Nur  zwei  derselben  sind  einiger- 
messen  erb.lteu.  Unter  den  KiiüL-honttberreston  dieser 
letzteren  fanden  sieh  eusser  vielen  /.um  Thoil  zerbroeheuen, 
unregelmässig  geformten,  bl.uen  Gl.sperlen  mehrere 
Brnch.tttcke  einer  Broncekette,  ein  ganzer  Brmiceriug 
nebst  Ol.sperlc  und  verschiedene  liruchstbcke  von  Bronee- 
dr.ht,  sowie  ein  ziemlich  grosser  und  zwei  kleinere 
eiserne  Drabtringe.  Als  besondere  Seltenheit  kann  aber 
wohl  eine  über  10  cm.  lange  liier  ebenfalls  Vorgefundene 
eiserne  Nähnadel  gellen,  die  zwnr  zerbrochen  und,  wie 
die  andern  MeUllgegeustände,  atark  osydirt,  jedoch  an 
Oehr  und  Spitze  noch  deutlich  erkennbar  ist 

(Königsb.  Härtung  sehe  Ztg.  Nr.  .2.  1Bi7.) 


Archiv  für  Anthropologie.  10.  Band.  1S77. 
Organ  der  deutachen  anthrop  Gesellschuft 
Braunsehweig,  Druck  und  Verlag  von  \ ieweg  & Solui. 


Inhalt  des  1.  nnd  2.  Heftes. 

I.  Zur  Verständigung  über  ein  gemeinsames  Ver- 
fahren  bei  der  Schadelmessung.  Von  Dr.  J.  Uilde- 
meister  iu  Bremen.  - II-  Ne«««  Gesichteurnenfunde. 
Von  Albin  Kolm.  (Hierzu  Tafel  I,  Fi*.  1 a,  b u.  c 
und  Fig.  2)  — HI-  Zwei  Funde  im  Fosenschen  im 
Jahre  IS7H.  Tod  Albiu  Kuhn.  (Hierzu  Taf.  I,  Fig. 
3a  und  b,  Fig.  4a  und  b,  Fig.  5 und  0.)  — 14.  Zur 

Bronzealter  Frage.  Notizen  zu  den  Gegenbemerkungen 


der  Herren  Prof.  Gerthe,  Lin  dengelt  mit  und 
Hostmaun.  Von  Sophui  Müller.  — V.  Zur  Technik 
der  antiken  Bronzeinduatrie.  Von  Christian  Host- 
raann.  — VI.  Schlussbemerkungen  zn  den  vorstehenden 
Erörterungen  der  Bronzefrage.  Von  L.  Lindenschinit. 
— VII.  Zur  Archäologie  des  Balticum  und  Russlands. 
Zweiter  Beitrag,  l'eber  ostbaltische,  vorzugsweise  dem 
heidnischen  Todtencultus  dienende  schiffformige  und 
andersgestaltete  grosse  Steinsetznngen.  I.  VonC.üre- 
wingk  in  Dorpat  (Hierzu  Taf.  II.)  — VIII.  Zur  Kennt- 
nis» des  Körperbaues  früherer  Einwohner  der  Halbinsel 
Florida.  Von  A.  Ecker,  i, Hiertu  Tafel  1 II  u.  IV.)  — 
IX.  l'eber  den  queren  Hiuterhanptswulst  (Torus  occipi- 
talis  transversus)  am  Schädel  verschiedener  ausser- 
europäischer  Völker.  Von  A.  Ecker.  (Hierzu  Taf.  IV, 
Fig.  5,  7,  8,  9,  10  und  Taf.  V.)  — X-  Untersuchung  des 
Phallus  einer  altägyptischen  Mumie,  nebst  Bemerkungen 
zur  Frage  nach  Alter  nnd  Ursprung  der  Bescbneidung 
bei  den  .luden.  Von  Hermann  Welcher.  — XI.  Die 
Urheimath  des  europäischen  Uansrindes.  Von  Dr.  A. 
v.  Krantzius.  — Kleinere  Mittheilungen.  1)  Die  so- 
genannten feite  oder  Streitmeissei.  Von  Karl  von 
Becker,  k.  ross,  wirkl.  Staatsrath  in  Karlsruhe.  2)  A. 
R.  Wallace,  Ueber  Entstehung  und  Entwicklung  der 
modernen  Anschauungen,  betreffend  Alter  und  Ursprung 
des  Menschen.  Uitgetheilt  von  A.  Ecker.  3)  Zur 
Kennt n iss  der  Bestattungsformen.  Von  A.  Ecker.  — 
Referate. 


Beitrüge  zur  Anthropologie  nnd  Urgeschichte 
Bayerns. 

Organ  der  Münchener  anthrop.  Gesellschaft. 
München,  Lit. -art.  Anstalt  ;Th.  Riedel)  1877.  Heft  4. 

Inhalt.  1.  Die  Schädel  der  altbayerischcn  Land- 
bevölkerung. Von  Prof.  Dr.  Johaunes  Ranke.  I.  Ab- 
schnitt. Zur  Physiologie  des  Schädels  und  Gehirns. 
Mit  Taf.  XXII  u.  XXII I.  Einleitung.  Kapitel  1.  Die 
Schläfeneuge.  — II.  Vorläufige  Mittheilungeu  über  die 
Unterschiede  der  Grosshirnwindungen  nach  dem  Ge- 
schlecht beim  Foetns  und  Neugeborenen  mit  Berück- 
sichtigung der  angeborenen  Brachycephalie  und  Dolicho- 
cephalie.  Von  Prof.  Dr.  Rüdinger.  Mit  Taf.  XXIV 
bi»  XXVI.  — III.  Auszüge  au»  den  Sitzungsberichten 
der  Müncheuer  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethno- 
logie und  Urgeschichte:  1)  Entdeckung  eines  Reihen- 
gräberfeldes  bei  Oberdorf  (bei  Biessenhofen).  Referent 
Prof.  Dr.  Job.  Ranke.  2)  Discussion  über  die  Stein-, 
Bronze-  und  Eisenperiode  der  vorgeschichtlichen  Zeit, 
mit  grösseren  Vorträgen  des  Hrn.  Dr.  med.  Buddeus, 
der  Herren  Prof.  Dr.  Marggraff,  Sepp,  Ohlen- 
schlager,  Ratzel,  v.  Christ,  Zittel,  H.  Ranke, 
des  Hrn.  Herrn,  v.  8chlagintweit*8akünlünski 
und  des  Hrn.  Bergdirector  Dr.  Emil  Stöfcr. 


Schluss  der  Redaction  am  15.  Juli. 


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§orresponfceni$-'28fcitt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R e d i g i r t 
von 

Professor  Kollmann  in  München, 

GencreUpervUr  <l«r  Crc*rlUchafl. 

Erscheint  jeden  Monat. 

Nro.  9.  München,  Druck  von  R.  Oldenbourg.  September  1877. 

Bericht  über  die  VIII.  allgemeine  Versamndung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Constanz 

am  24. — 26.  September  1877. 

In  Vertretung  des  Gcneralsecretärs  nach  stenographischen  Aufzeichnungen 

rodigirt  von 

Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  Manchen. 


Tagesordnung  und  Verlauf  der  VILL  allgemeinen  Versammlung  2 

Sonntag  den  23.  September:  Anmeldung  der  Gaste;  Besichtigung  der  Sammlungen  im  Rosgarten* 
Museum.  Abends  gesellige  Zusammenkunft  im  Museum  neben  dem  Münster. 

Montag  den  24.  Sept.  I.  Sitzung.  Mittags  Besichtigung  des  Kosgarten-Museums  und  der  Samm- 
lung Oehuinger  Versteinerungen  ira  Gymnasium.  Nachmittags  Fortsetzung  der  Sitzung.  Um  5 Uhr  ge- 
meinsames Mahl  im  Inselhotcl.  Nachher  gesellige  Zusammenkunft  im  Refectorio  der  Dominikaner. 

Dienstag  den  25.  Sept.  II.  Sitzung.  Mittags  Fahrt  nach  ThayiDgen,  Besichtigung  des  Kcssler- 
lochs ; von  da  nach  Schaffhausen,  Besichtigung  des  Museums  unter  Führung  der  Mitglieder  der  natur- 
wissenschaftlichen Gesellschaft ; festliche  Bcwirthung  von  Seite  der  Cantonalregicrung  im  Casino. 
Abends  in  Constanz  nach  der  Rückkunft  gesellige  Zusammenkunft  im  Museum. 

Mittwoch  den  26.  Sept.  III.  Sitzung.  Nachmittags  Fahrt  mit  dem  eigens  dazu  gemietheten 
Dampfer  in  den  Ueberlingcr-See  , an  der  Insel  Mainau  und  den  wichtigeren  Pfahlbauten  vorbei.  Be- 
sichtigung des  Museums  in  Ueberiiugen  und  festliche  Bcwirthung  im  städtischen  Badehotel  mit  Be- 
leuchtung des  Gartens.  Abends  in  Constanz  gesellige  Zusammenkunft  im  Museum. 

Donnerstag  den  27.  Sept.  IV.  Sitzung.  Schluss  der  Verhandlungen.  Besichtigungen  der  Sehens- 
würdigkeiten in  Constanz.  Mittags  Ausflug  nach  Fraueufeld.  Begrüssung  durch  die  Cantonalregicrung 
und  die  wissenschaftlichen  Vereine.  Fahrt  nach  Niederwyl  zur  Besichtigung  der  speciell  zu  diesem 
Zwecke  von  Herrn  Messikomer  blossgclegtcn  Pfahlbauten,  dann  Besichtigung  der  Pfahlbaufunde  im 
Museum  zu  Frauenfeld.  Abends  Festessen,  von  Seite  der  Cantonalregicrung  den  Mitgliedern  des  Con- 
gresses  gegeben. 


CV»rr*»p.-BliU  Nro.  4. 


1 


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66 


I. 

Vorbericht  und  Zusammenstellung  des  geschäftlichen  Theils 
der  Verhandlungen. 


Inhalt:  BegrhstmngHrede  de«  Vorsitzenden  Hrn.  Virchow.  - Begrüssungen  durch  den  Hm.  Oberbürgermeister 
Wiuierer  und  Hrn.  Stadtrath  Apotheker  Leiner.  — Begrüssungstelegramm  Sr.  kgl.  Hoheit  des  Gross- 
herzogs  von  Baden.  — Pie  Versammlung  und  da«  ihr  gebotene  Studienmaterial.  — l'ebersicht  über 
die  ('ommiasionsberichte.  — Per  Kassenbericht  und  Vorschläge  des  Hrn.  Weismann  nnd  Pecharge.  — 
Pas  Budget  de«  neuen  Vereinsjahres  mit  Beilagen.  — Pie  Wahl  der  Vorstandschaft  und  des  Versamm- 
lungsortes für  die  IX.  allgemeine  Versammlung. — Ernennung  Schliemann's  zum  Ehrenmitgliede.  — 
Pank  und  Monument.  — Der  VIII.  Versammlung  vorgelegte  Werke. 


Montag  den  24.  September  Morgens  9 Uhr 
wurde  in  dem  reich  geschmückten  Theatersaale 
auf  dem  Münsterplatze  zu  Constanz  die  VIII.  Ge- 
neralversammlung durch  den  Vorsitzenden  Hrn. 
R.  Virchow  mit  folgenden  Worten  eröffnet: 

Hr.  Virchow:  „Meine  Herren!  Entsprechend 
dem  Beschlüsse,  welchen  die  vorjährige  Ver- 
sammlung der  deutschen  anthropolopischen  Ge- 
sellschaft in  Jena  gefasst  hat,  haben  wir  uns  hier 
vereinigt.  Ich  darf  wohl  daran  erinnern,  dass 
dieser  Beschluss  gefasst  worden  ist,  weil  wir  im 
voraus  wussten,  dass  wir  hier  in  Constanz  nicht 
nur  eine  freundliche,  eine  herzliche,  eine  voll- 
kommen landsmännische  Aufnahme  linden  würden, 
sondern  weil  wir  die  Ueberzeugnng  hatten,  dass 
die  reichen  Schätze,  welche  die  Stadt  und  nament- 
lich der  Fleiss  eines  Mannes  hier  zusainmenge- 
häuft  hat,  in  hohem  Masse  dazu  beitragen  würden, 
unsere  Studien  zu  fördern  und  die  Gesichtspunkte 
klären  zu  helfen,  von  denen  aus  wir  unsere 
weiteren  Forschungen  anznstellen  haben.  Die- 
jenigen von  Ihnen,  welche  schon  gestern  Gelegen- 
heit hatten,  im  kürzeren  Ueberblick  Kenntniss 
von  den  Schätzen  des  Rosgartens  sich  zu  ver- 
schaffen, werden  gewiss  schon  jetzt  erfahren  haben, 
dass  wir  keinen  besseren  Ort  hätten  wählen 
können.  Die  anderen,  welche  erst  nachher  ge- 
kommen sind  und  welche  heute  in  diese  Samm- 
lungen eingefübrt  werden  sollen,  werden  gewiss 
überrascht,  vielleicht  erstaunt  sein  über  die  Fülle 
von.  Gegenständen,  welche  ein  einziger  Boden  aus 
der  Vergangenheit  überliefern  kann,  wenn  man 
es  versteht,  die  Gelegenheiten  zu  benützen,  welche 
der  Zufall  herbeifährt,  und  wenn  man  plamnässig 
die  Arbeiten  fördert,  welche  die  Spur  eines  neuen 
Fundes  erkennen  lassen.  — Die  Sonne,  welche 
der  Naturforscherversammlung  in  München  so 
sehr  abgewendet  war,  ergiesst  ihr  volles  Licht 
über  die  schöne  Natur,  welche  uns  hier  umgibt 
und  ich  hoffe,  dass  sie  uns  gnädig  bleiben  werde 
während  der  ganzen  Zeit.  Wir  werden  Gelegen- 
heit haben , Ihnen  ein  etwas  erweitertes  Pro- 
gramm vorzulegen,  welches  mit  auf  die  Sonne  be- 
rechnet ist.  Somit  erkläre  ich  unter  den  günstigsten 
Auspicicn  die  neue  Generalversammlung  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  für  er- 
öffnet.“ 


Hierauf  erhielt  zuerst  Hr.  Oberbürgermeister 
Winterer  von  Constanz  das  Wort: 

„Hochzuverehrende  Versammlung!  Es  ist  mir 
die  ebenso  ehrenvolle  als  angenehme  Aufgabe  zu 
Theil  geworden,  die  VIII.  deutsche  anthropologische 
Versammlung  namens  der  Stadt  Constanz  an  dieser 
Stelle  herzlichst  zu  begrüssen.  Gereicht  es  schon 
jeder  deutschen  Stadt  überhaupt  zur  grossen  Ehre, 
wenn  die  Vertreter  dieser  noch  so  jung-aufstrebenden 
und  doch  schon  auf  so  grosse  Erfolge  zurück- 
blickenden Wissenschaft  sie  zum  Orte  ihres  jähr- 
lichen Zusammenkommens  auswählen,  so  fühlt  sich 
die  Stadt  Constanz  durch  Ihren  verehrten  Besuch 
noch  ganz  besonders  ausgezeichnet;  — bildet  sie 
doch  nicht  wie  die  übrigen  Städte,  in  welchen  bis 
jetzt  derartige  Versammlungen  abgehalten  wurden, 
den  Mittelpunkt  des  staatlichen  oder  wissenschaft- 
lichen Lebens  eines  grösseren  deutschen  Landes- 
gebietes, und  wird  überdies  durch  ihre  Lage  an 
der  südlichsten  Reichsgrenze  einem  grossen  Theile 
der  verehrten  Besucher  das  Opfer  einer  strapaziösen 
Reise  zugemnthet.  Aber  eines,  meine  Herren, 
werden  Sie  hier  finden,  wie  schon  der  verehrte 
Herr  Präsident  angedeutet  hat,  und  zu  Ihrer 
grossen  Befriedigung  wahrnehmeu:  dass  die  Stadt 
und  ihre  Umgehung  und  die  Bevölkerung  selbst 
des  regsten  Sinnes  für  ihre  Lage  in  Mitte  so  viel- 
fältiger alter  Kulturstätten  und  Denkmale  des 
Menschen  nicht  entbehrt,  und  dass  sie  diesen  Sinn 
durch  die  Thftt  schon  bewiesen  hat.  Mag  diese 
Wissenschaft  — wenn  ich  deren  Wesen  recht  ver- 
stehe — vor  allem  der  ruhigen  Facharbeit  gelehrter 
Forscher  bedürfen,  mag  ihr  auch  die  staatliche 
Unterstützung  sehr  zu  ihrem  Gedeihen  gereichen, 
— so  scheint  sie  mir  doch  am  schönsten  und  er- 
sprießlichsten ihre  Aufgabe  zn  lösen,  wenn  Alle  — 
der  ganze  intelligente  Theil  der  Bevölkerung  sich 
an  der  gemeinsamen  Arbeit  betheiligt,  wenn 
Jeder  die  Sternchen  zusammen  zu  tragen  sich 
bemüht  , welche  dann  die  kundige  Hand  der 
Meister  zum  grossen  Baue  zusammenfägt;  — und 
nur  in  diesem  Falle  scheint  mir  das  höchste 
und  edelste  Ziel  jeder  Wissenschaft  erreicht  zu 
werden , dass  sie  Gemeingut  Aller  werde.  Die 
Stadt  Constanz  hat  in  dieser  Richtung  ihr  Scherf- 
lein beizutragen  versucht,  sie  hat  schon  seit  ge- 
raumer Zeit  die  Ziele  Ihrer  Wissenschaft  zu  för- 
dern sich  bestrebt  und  aus  eigenen  Mittelu, 


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67 


aus  sich  heraus,  ohne  staatliche  Unterstützung, 
dank  der  Hochherzigkeit  und  Opferwilligkeit  einer 
Reihe  ihrer  Bürger  und  Gönner  hier  Sammlungen 
angelegt,  auf  welche  gewiss  jede  Gemeinde  von 
ihrem  Umfange  mit  Befriedigung  hin  weisen  kann. 
Sie  wird  auch  Ihre  hiesigen  Arbeiten  mit  In- 
teresse verfolgen,  und  Sie  dürfen  Überzeugt  sein, 
dass  das  Ergebnis«  Ihrer  hiesigen  Verhandlungen 
als  gute  Saat  hier  guten  Boden  finden  wird.  Aber 
auch  von  Ihnen,  hochgeehrte  Herren,  möge  ein 
Jeder  die  reichste  Anregung  von  seiner  hiesigen 
Anwesenheit  empfangen,  und  möge  die  Erinnerung, 
die  er  mituimmt,  eine  der  Stadt  Constanz  stets 
freundliche  sein!  Mit  diesem  Wunsche  und  mit 
dem  Ausdrucke  des  aufric  htigsten  Bedauerns,  dass 
die  Gesellschaft  einen  weiteren  gastlichen  Empfang 
seitens  der  Stadt  abgelehnt  hat,  heisse  ich  Sie 
namens  der  letzteren,  bevor  Sie  Ihr  Werk  be- 
ginnen, nochmals  auf  das  herzlichste  willkommen.“ 

Mit  einer  schwungvollen  poetischen  Begrüssung 
der  Versammlung  durch  unseren  hochverdienten 
Lokalgeschäftsführer  Hm.  Stadtrath  Apotheker 
L.  Leiner  zu  Constanz,  in  welcher  er  die  Vorzeit 
von  Constanz  schilderte,  schlossen  die  »fficicllcn 
Begrünungen  des  ersten  Tages.  Wir  hoffen,  die- 
selbe dem  Schlüsse  dieses  Berichtes  beifügen  zn 
können. 

In  der  zweiten  Sitzung  wurde  dem  Congresse 
die  hohe  Ehre  einer  Begrüssung  von 
Seite  seiner  köuigl.  Hoheit  des  Gross- 
herzogs von  Baden  zu  Tbeil.  Der  I.  Vor- 
sitzende, Herr  Virchow  erhielt  folgendes 
Telegramm: 

„Seine  kgl.  Hoheit  der  Grossherzog  lassen 
Euer  llochwohlgoboren  gnädigst  beauftragen, 
die  in  Constanz  zusammentretende  General- 
versammlung der  anthro]>ologischen  Gesellschaft 
in  seinem  Namen  freundlich  zn  begrüssen  und 
dabei  das  allerhöchste  Bedauern  aassprechen, 

. dass  es  Sr.  kgl.  Hoheit  dem  Grosshcrzog  leider 
nicht,  wie  cs  In  höchst  dessen  Wunsch  gelegen, 
vergönnt  ist,  den  in  Constanz  stattfindenden 
Verhandlungen  der  Gesellschaft  anwohnen  zu 
können.* 

Präsident  Stösscr. 

Auf  Vorschlag  des  Vorsitzenden  wurde  dieses 
Telegramm  in  folgender  Weise  beantwortet: 

„Die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft 
dankt  Sr.  kgl.  Hoheit  dem  Grossherzoge  für 
seinen  Grass.  Sie  wäre  glücklich  gewesen,  den 
in  allen  deutschen  Landen  gefeierten  Fürsten* 
in  ihrer  Mitte  zu  sehen.“ 

Als  sich  auf  Vorschlag  des  Hm.  Fraas  die 
VII.  allgemeine  Versammlung,  welche  in  den  Tagen 
des  August  1876  in  Jena  zu  ihren  Berathungen  ver- 
sammelt war,  einstimmig  für  Constanz  als  den  Ort 
des  nächsten  Congresscs  entschieden  hatte,  war  die 
Meinung  laut  geworden,  dass  die  dort  natürlich  sich 


ergebende  freundnachbarliche  Verbindung  mit  der 
Schweiz  und  den  schweizer  Anthropologen  eine 
(Quelle  reicher  Anregung  und  Belehrung  für  die 
Theilnehmer  werden  könne.  Diese  Erwartung  hat 
sich  in  reichem  Masse  erfüllt.  Unter  der  zahl- 
reichen Versammlung,  die  sich  zur  Eröffnung  ein- 
gefunden  hatte,  es  waren  95  Theilnehmer  einge- 
schrieben, waren  neben  den  Forschern  auf  anthro- 
pologischem Gebiete  aus  allen  Gauen  Deutschlands 
und  aus  Oesterreich  auch  die  schweizer  Anthro- 
pologen durch  hervorragende  Namen  vertreten, 
und  die  Theilnahinc , welche  die  schweizer  Ge- 
lehrten und  die  schweizer  Nachharstädte : Schaff- 
hausen und  Frauenfeld,  den  Studien  und  Be- 
strebungen unserer  Gesellschaft  entgegenbrachten, 
bildeten  Glanzpunkte  im  Verlaufe  unseres  Con- 
gresses.  Das  Hauptverdienst  aber  dafür,  dass  die 
VH1.  Versammlung  sich  eine  hervorragend  wichtige 
Stellung  unter  den  bisherigen  ("ongressen  unserer  Ge- 
sellschaft hat  sichern  können,  trägt  neben  dem  Vor- 
sitzenden derselben  unser  Lokalgeschäftsführer 
Herr  Stadtrath  Apotheker  L.  Leine r,  unterstützt 
von  der  werktätigsten  Mitwirkung  der  Constanzer 
städtischen  Behörden  und  durch  die  zahlreiche 
und  aufopfernde  Betheiligung  des  dortigen  Lokal- 
vereins und  seiner  Freunde,  unter  welchen  die 
Nachbarstadt  Ueberlingen  an  hervorragender 
Stelle  Erwähnung  beansprucht. 

Für  die  Wahl  von  Constanz  als  Versammlungs- 
ort war  das  reiche  in  der  Stadt  und  ihrer  näheren 
und  ferneren  Umgebung  vereinigte  anthropologische 
Studienmaterial  entscheidend  gewesen.  Am  Hafen 
der  Stadt  Constanz  selbst  haben  sich  Reste  eines 
Pfahlbaues  — Rauenegg  — gefunden,  an  der  nah- 
gelegenen  Insel  Mainau  und  in  fast  allen  vor 
höherem  Wellenschlag  geschützten  Uferbuchten  des 
sogenannten  Ueberlinger  Sees  fanden  sich,  nament- 
lich auch  in  näherer  Umgebung  der  Stadt  Ueberlingen 
selbst,  welche  jenem  nordwestlichen  Arm  des 
Bodensees  den  Namen  gibt,  zahlreiche  Pfahlhau- 
stationen. Wir  sind  in  der  Lage,  eine  Karte  der 
Pfahlbauten  des  Bodensees  und  der  nflchstli egenden 
prähistorischen  Fundstätten , von  dem  bekannten 
Kartographen  Herrn  Haupt  mann  a.  D.  Eugen 
F reiherr  von  T r ö 1 1 s c h entworfen  und  gezeichnet, 
unserem  Berichte  keigeben  zu  können.  Keine 
Gegend  Deutschlands  ist  geeigneter  die  Verhältnisse 
der  Pfahlbauten  zu  studiren,  um  so  mehr,  da  sich 
in  nächster  Umgehung  Gelegenheit  bietet,  auch 
die  wichtigsten  Pfahlbauten  der  Nordschweiz  und 
die  in  ihnen  gemachten  Funde  zu  besichtigen.  Die 
Pfahlbauten  des  Bodensees  reichen  bekanntlich  in 
jene  primitive  Periode  dieser  merkwürdigen  Nieder- 
lassungen zurück,  in  welcher,  wenn  auch  nicht  aus- 
schliesslich. doch  vollkommen  überwiegend  ge- 
schliffener und  geschlagener  Stein,  Knochen  und 
Horn  das  Material  zu  Waffen  und  Geräten  des 
alltäglichen  Lebens  lieferten. 

Aber  in  eine  wohl  noch  um  Jahrtausende 
weiter  von  uns  ah  liegende  uranfängliche  Kultur- 
entwickelungsperiode  des  europäischen  Menschen- 

1* 


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68 


geschlechts  werden  wir  zurückgeführt  dnrrh  die 
berflhmteu  and  vielbesprochenen  Ausgrabungen  in 
den  unfern  von  Constknz  gelegenen  Höhlen,  von 
welchen  namentlich  das  Kesslerloch  bei  Thayingen 
die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  sieh  gelenkt 
hat.  Abgesehen  von  den  hochwichtigen  Beobach- 
tungen über  die  Veränderung  der  Fauna  und 
Flora  der  Bodenseegegenden,  seitdem  diese  von 
Menschen  bewohnt  wird;  abgesehen  von  den  Be- 
weisen einer  längst  vergangenen  Kulturepoche,  in 
welcher  das  Menschengeschlecht  wie  es  scheint 
noch  nicht  einmal  zu  jener  Kunstfertigkeit  fort- 
geschritten war,  um  das  roheste  Töpfergeschirr 
verfertigen  zu  können,  — haben  diese  Ausgrabungen 
aus  der  Tiefe  des  Höhlenbodens  auch  jene  viel- 
besprochenen Gravirangen  auf  Renthierhorn  und 
einige  Schnitzereien  aus  dem  gleichen  Materiale 
zu  Tage  gefördert,  welche  eine  z.  Th.  längst 
aus  jenen  Gegenden  verschwundene  Thicrwelt 
— Renthier , Moschusochse  — mit  staunen- 
erweckender  Naturtreue  und  Kunstfertigkeit  dar- 
stellen. Wie  in  den  Höhlen  der  Dordogne  steht 
auch  in  der  Thayinger  - Höhle  diese  relativ 
hohe  künstlerische  Begabung  der  Höhlenmenschen 
vollkommen  unvermittelt  neben  den  Beweisen  son- 
stiger rohester  Unbehilflichkeit,  wie  sie  uns  kein 
in  den  letzten  Jahrhunderten  bekannt  gewor- 
denes Naturvolk  zeigte.  Schon  gegen  die  Aecht- 
heit  der  französischen  Höhlen  - Kunsterzengnisse 
waren  Stimmen  laut  geworden.  Die  Frage  nach 
der  Echtheit  der  Gravirungen  und  Abbildungen 
aus  der  Tbayinger-Hölile  war  bei  der  VTI.  Ver- 
sammlung in  Jena  zu  einer  brennenden  geworden. 
Hier  war  Hr.  Linde nsch mit  mit  der  Nachricht 
hervorgetreten,  dass  er  in  zweien  der  als  echt 
pnblicirten  Abbildungsfunde  aus  Thayingen  freche 
Fälschungen  auf  das  bestimmteste  habe  nachweisen 
können.  Sollten  diese  beiden  Zurückweisungen 
Lindensc h mit’s  die  ganze,  bisher  von  hervor- 
ragenden Forschem  als  feststehend  vertretene 
Lehre  einer  verfrühten  Kunstentwickelung  der 
Höhlenvölker  der  Schweiz  und  Frankreichs  er- 
schüttern und  vielleicht  vollständig  beseitigen? 
Die  Enthüllungen  Lindensc  hm i t’s  worden  in  der 
Folge  für  die  beiden  von  ihm  bezichtigten  Ab- 
bildungen auf  das  vollkommenste  bestätigt,  ein 
bei  jenen  Ausgrabungen  betheiligter  Arbeiter  als 
Fälscher  bestraft  — aber  für  die  Echtheit  der 
übrigen  Abbildungen  aus  der  Thayinger  - Höhle, 
auf  welche  jener  Betrug  einen  so  tiefen  Schatten 
geworfen  hatte,  trat  eine  Reihe  der  glaubwürdigsten 
Zeugen  auf!  Nur  vollkommen  vorurtheilsfreie, 
objective  Untersuchung  der  fraglichen  Gegenstände 
an  Ort  und  Stelle  konnte  Aussicht  bieten  auf  eine 
Entscheidung  dieser  für  die  gesammte  Discussion 
über  die  geistige  Entwickelung  des  Menschen- 
geschlechts so  hochwichtigen  Frage. 

Als  Gegenstände  der  Hauptstudien  der  VIII. 
Versammlung  in  Consianz  waren  den  lokalen  Ver- 
hältnissen entsprechend  vor  allem  die  Kulturreste 
der  Höhlenbewohner  und  die  Pfahlbauten  des 


Bodensees  ins  Auge  gefasst.  In  reichstem  Massd 
war  für  die  Ermöglichung  dieser  Studien  gesorgt. 

Von  dem  gebotenen  Studienmaterial  steht  an 
Wichtigkeit  das  Co n Stanzer  städtische  Museum  im 
Rosgarten  obenan.  Unter  der  für  den  Zweck 
hochbegeisterten  und  umsichtigen  Leitung  unseres 
Geschäftsführers  Hm.  Lein  er  und  durch  die 
verständnissvollc  Unterstützung  seiner  Bestrebungen 
von  Seite  der  städtischen  Behörden  und  der 
Bürgerschaft  hat  sich  hier  eine,  rein  auf  die 
lokalen  Verhältnisse  der  Stadt  und  ihrer  nächsten 
Umgebung  beschränkte,  historisch-naturkistorischc 
Sammlung  entwickelt  von  überraschendem  Reich- 
thum. Das  städtische  Museum  im  Rosgarten  ist 
eine  Sammlung,  auf  welche  jeder  Staat  stolz  sein 
dürfte.  In  dem  selbst  historisch  und  architek- 
tonisch merkwürdigen  Gebäude  des  Rosgartens, 
welches  auf  das  beste  für  den  neuen  Zweck  her- 
geriehtet  ist,  finden  wir  übersichtlich  und  schön, 
ja  mit  echt  künstlerischem  Verständnisse  geordnet 
eine  der  reichsten  Sammlungeu  lokaler  Alterthümer 
und  lokaler  Naturgeschichte,  deren  sich  irgend- 
eine Stadt  wird  rühmen  können.  In  anthro- 
pologischer Beziehung  nehmen  die  Höhlenfunde, 
namentlich  die  aus  der  Thayinger-Höhle.  und  dio 
Reste  aus  den  ('onst&nz  benachbarten  Pfahlbauten 
des  Bodensees,  von  welchen  das  Constanzer  Museum 
das  wichtigste  Material  besitzt,  die  Aufmerksam- 
keit vor  allem  in  Anspruch. 

Ausser  dem  Rosgarton-Museum  besitzt  Constanz 
noch  eine  zweite  für  die  Interessen  unserer  Wissen- 
schaft wichtige  Sammlung.  Im  Gymnasialgehäude 
findet  sich  eine  stattliche  Collection  von  Ver- 
steinerungen aus  den  Steinbrüchen  aufgestellt, 
welche  von  dem  alten  Kloster  Oehningen  ihren 
Namen  haben,  aus  jener  altberühmten  Fundstätte 
vorzüglich  erhaltener  Versteinerungen,  unter  welchen 
schon  im  Jahre  1725  der  Basler  Arzt  und  Natur- 
forscher Schcuchzer  den  Fund  gemacht  zu 
haben  glaubte,  nach  welchem  wir  noch  heute 
vergeblich  suchen:  die  Reste  des  prädiluvialen, 
„versteinerten  Menschen“.  Mehrere  Exemplare,  dar- 
unter namentlich  eines  dem  von  Schcuchzer  in 
seiner  Physica  sacra  (Bd.  I.  Tab.  XL1X.  S.  66) 
abgchildeten  Originalexemplare  fast  absolut  glei- 
chend, des  berühmten  Homo  Scheuchzeri  diluvii 
testis,  werden  hier  aufbewahrt.  Die  wohlerhaltenen 
Schädel  und  die  übrigen  froschähnlichen  Skelet- 
theile, welche  Scheuchzer  getäuscht  hatten,  und 
in  welchen  Cu  vier  den  versteinerten  Oehuinger 
Riesensalamander:  Andrias  Seheuehzeri  — Sala- 
mandra  gigantea  C.  — erkannte,  sind  auf  das  ge- 
lungenste heransgearbeitet. 

Aber  nicht  allein  die  in  Uonstanz  vereinigten 
Sammlungen  wurden  dem  Studium  geboten.  Der 
Himmel,  welcher  nach  langen  Regenwochen  mit 
ununterbrochener  Freundlichkeit  unsere  Versamm- 
lung begünstigte,  machte  für  die  Theilnchmer  drei 
grössere  höchst  interessante  Ausflüge  möglich. 

Der  erste  Ausflug  war  der  Besichtigung  der 
Thayinger-Höhle,  des  sogenannten  „Kcsslerlochs“ 


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73 


Charge  ertheilt  und  der  Dank  der  Versammlung 
durch  den  Vorsitzenden  ausgesprochen. 

In  der  III.  Sitzung  wurde  von  Ilm.  Koll- 
mann  das  Budget  für  das  Jahr  1877/78  vorge- 
Icgt ; wir  schliesscn  die  bezüglichen  Verhandlungen 
liier  an. 

Hr.  Kollmann:  Das  Budget  für  das  folgende 
Jahr  ist  nach  dem  vorliegenden  Cassastand  folgen- 
dennassen von  dein  Vorstande  entworfen  : 

Die  verfügbare  Summe  besteht  in  11,094  «4  50  ^ 
nämlich  : 


JL  & 

Jahresbeiträge  für  1877/78 4422  74 

Keruer  der  Boarvorratb  der  Kasse  . . . 4693  26 
Koch  nicht  erhobene,  aber  bereits  verfügte 

Summe 1978  60 

Gcsatniutsunmic  11094  5Ö 

Ausgaben  für  das  Geschäftsjahr  1877  78. 

^ 4 

1.  Vervraltungskosten 600  — 

2.  Druckkosten  des  Correspondenzbl altes  . 2200  — 

3.  Zu  Ilanden  des  Generalsekretärs  . . . 600  — 

4.  . „ . Schatzmeisters  ....  3tX>  — 

5.  Honorar  für  Mitarbeiter  des  Correspon- 

denzblattes IUU  — 

6.  Für  den  Druck  des  Kassenberichte«,  für 

Druckschriften  und  Copialien  ...  100  — 

7.  Für  die  Stenographen  hei  der  General- 

versammlung   200  — 

8.  Für  die  Publikation  der  statistischen  Er- 

hebungen über  die  Farbe  der  Augeu, 

der  Haare  und  der  Haut 3000  50 

9.  Für  die  erste  Publikation  der  prähisto- 

rischen Karte 1526  — 

10.  Dem  Zweigverein  zu  Weissenfcls  für  Aus- 

grabungen   3U0  — 

11.  Dem  Verein  zu  Dürkheim  für  Ausgrabungen 

auf  der  Limburg 150  — 

12.  Als  erste  Summe  für  einen  Reservefond  500  — 

13.  Für  unvorhergesehene  Aufgaben  . . . 1618  — 


1 1094  50 

Für  die  Publikation  der  statistischen  Erhebungen 
über  die  Farbe  der  Augen , der  Haare  und  der 
Haut , die  nunmehr  in  dem  gesummten  Deutsch- 
land, mit  Ausnahme  Hamburgs,  vollendet  sind,  er- 
scheinen in  unserem  Budget  3000  M.  50  Pf.  ein- 
gesetzt,. welche  durch  Vermehrung  des  im  Vorjahre 
nicht  verwendeten  Restes  von  1252  M.  50  Pf.  und 
'on  1718  M.  durch  Neubewillignng  hervorgegangen 
sind.  Es  ist  zu  hoffen,  dass  damit  die  Herstellung 
zweier  oder  dreier  Karten  in  einer  Auflage  von 
2750  Exemplaren  zn  erreichen  ist,  ähnlich  denen, 
welche  Ilr.  Vircbow  in  der  letzten  Sitzung  der 
Versammlung  vorgelegt  hat.  Wir  würden  da- 
durch in  den  Stand  gesetzt , jedem  Mitgliede  der 
deutschen  Gesellschaft  ein  F.xcmplar  dieser  Karten 
sanunt  einem  erläuternden  Texte  übergeben  zu 
können  , und  überdies  eine  entsprechende  Anzahl 
F.xemplare  für  den  bnchhändlerischen  Betrieb  zur 
Verfügung  zu  haben. 

Für  die  erste  Veröffentlichung  der  prähisto- 
rischen Karte  bittet  der  Vorstand , pro  1877  78 
die  Summe  von  800  M.  zu  genehmigen.  Die  glcirhe 

Com-*p.- Blatt  Xrn.  9. 


Summe  wurde  schon  in  dem  ahgelaufenen  Jahre 
genehmigt,  wenn  auch  nur  zn  einem  sehr  kleinen 
Theil  von  dem  llrn.  Fraas  hiefflr  in  Anspruch 
genommen.  Durch  die  Admassirung  der  vom  Vor- 
jahre nicht  verwendeten  726  M.  und  der  bean- 
tragten 800  M.  pro  1877/78  entstände  ein  Fond 
von  1526  Mm  der  die  ansehnlichen  Kosten  dieses 
ganz  Deutschland  umfassenden  Werkes  t heilweise 
decken  soll,  ohne  die  Mittel  unseres  Vereins  in  den 
folgenden  Jahren  zu  sehr  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Der  Zweigverein  in  W eissenfeis  stellt  an 
die  Versammlung  die  Bitte , ihm  für  Ausgra- 
bungen 300  M.  genehmigen  zu  wollen , und  der 
Vorstand  ist  auf  Grund  des  vorliegenden  Berichtes 
in  der  Lage , dieses  Gesuch  zur  Berücksichtigung 
ganz  besonders  empfehlen  zu  können.  Dieser 
thätige  Zweigverein  hat  in  den  letzten  Jahren 
aus  eigenen  Mitteln  über  800  M.  für  die  Auf- 
deckung interessanter  prähistorischer  Grabstätten 
verwendet . und  weitere  Nachforschungen  dürften 
zu  ebenso  werlhvollen  Ergebnissen  führen  an  der 
alten  Grenzmark  zwischen  germanischen  und  sla- 
vischen  Völkcrstämmen. 

Auf  der  Nord  Westseite  der  Limburg  in  der 
Pfalz  hat  Hr.  Dr.  Mehlis,  kpl.  Studicnlehrer  in 
Dürkheim  all.,  Grabungen  begonnen,  welche  sehr 
lohnende  Resultate  in  Aussicht  stellen.  Er  bittet 
die  Versammlung  für  Fortsetzung  der  Untersuchung 
um  100  M.  Der  Hr.  Vorsitzende  hatte  Gelegen- 
heit, sich  in  der  jüngsten  Zeit  an  Ort  und  Stelle 
von  der  Wichtigkeit  dieser  alten  Kulturstätte  zu 
fiherzeugen,  und  auf  Grund  dieser  Wahrnehmungen, 
die  eine  ausgedehntere  Untersuchung  höchst  wün- 
schenswerth  erscheinen  lassen  , glauben  wir  eine 
Erhöhung  der  geforderten  Summe  von  100  auf 
15o  M.  empfehlen  zn  dürfen. 

Der  Vorstand  hat  ferner  die  Schaffung  eines 
Reservefonds  in  Aussicht  genommen  und  beantragt 
für  das  Jahr  1877/78  die  Summe  von  500  M.  ZI 
hinterlegen. 

Den  Rest  von  1 518«  M.  bitten  wir,  für  unvor- 
hergesehene Ausgaben  dem  Vorstand  geneigtest  zur 
Verfügung  stellen  zn  wollen. 

Hr.  Virohow : Ich  kann  meinerseits  nur  be- 
stätigen , dass  die  Voranschläge  mit  möglichster 
Berücksichtigung  der  Verhältnisse  aufgestellt  sind 
und  auf  Grund  der  allmälig  ziemlich  consolidirtcu 
Erfahrungen  der  vergangenen  Jahre  wohl  die  Aus- 
sicht gewähren,  dass  sie  eingehalteii  werden  können. 
Derjenige  Punkt,  der  verhältnissmässig  am  meisten 
Unsicherheit  bietet  , ist  die  bevorstehende  defini- 
tive Publikation  der  Karten  und  der  mit  diesen 
zusammenhängenden  Tabellen;  es  werden  ziemlich 
zahlreiche  und  umfangreiche  Tabellen  not h wendig 
sein,  um  das  Einzelne  zn  erläutern.  Die  Absicht, 
jedem  Mitgliede  «ler  deutschen  anthropologischen  Ge- 
sellschaft ein  Exemplar  davon  gratis  zur  Verfügung 
zn  stellen . wird  allerdings  eine  etwa«  grössere 
Ausgabe  nach  sich  ziehen.  Wir  haben  sorgfältig 
überlegt,  oh  die*e  Freigebigkeit  gerechtfertigt  sei 

2 


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74 


oder  ob  man  es  nicht  vielmehr  jedem  einzelnen 
Mitgliede  überlassen  sollte  , sich  den  Bericht 
gegen  ermässigten  Preis  selbst  zu  kaufen.  In  dieser 
Beziehung  darf  ich  daran  erinnern,  dass  man,  als 
vor  2 Jahren  zuerst  die  Münchener  Erhebungen 
gedruckt  wurden , den  Weg  etilgeschlagen  hat, 
Exemplare  davon  den  Mitgliedern  zu  einem  er- 
mässigten  Preise  zur  Verfügung  zu  stellen,  und  ob- 
wohl damals  allgemein  der  Bericht  für  sehr  interes- 
sant gehalten  wurde,  hat  sich  das  betrübende  Er- 
gebnis* herausgestellt , dass  nicht  20  Exemplare 
verkauft  wurden.  Wir  haben  daraus  nicht  den 
Schluss  gezogen,  dass  die  Untersuchung  ohne  In- 
teresse sei , aber  wohl  den  Schluss , dass  es 
besser  wäre , jedem  einzelnen  Mitgliede  die  Mühe 
des  besonderen  Zählens  zu  benehmen  und  ihn 
in  die  Lage  zu  bringen , auf  (»rund  der  einmal 
gezahlten  Quote  seine  Lektüre  zu  vollziehen.  Da 
wir  diese  Untersuchungen  ja  nicht  abgeschlossen 
haben,  vielmehr  die  jetzige  Arbeit  nur  die  Grund- 
lage bilden  soll  für  weitergehende  Untersuchungen 
in  einzelnen  Bezirken , so  schieu  es  uns  wün- 
schenswerth,  dass  jedem  Mitgliede  durch  die  Uebcr- 
lieferung  eines  Exemplars  ein  neuer  Impnls  ge- 
geben werde  , damit  er  sichern  Interesse  der  Ge- 
sammtthätigkeit  mit  engagirc.  Das  ist  der  Ge- 
sichtspunkt , von  dem  aus  die  höhere  Forderung 
motivirt  ist. 

Der  Vorstand  wünscht , dass  Sie  mit  der 
Genehmigung  der  Summe  zugleich  die  Ermäch- 
tigung an  den  Vorstand  aussprechen,  nach  bestem 
Wissen  und  genauer  Prüfung  der  Verhältnisse 
in  der  Weise  zur  Publikation  zu  schreiten , wie 
es  ihm  an»  zweckmässigsten  erscheint.  Bis  jetzt 
kann  ich  nur  inittheilen  , dass  für  uns  die 
grösste  Wahrscheinlichkeit  besteht , dass  wir  die 
Veröffentlichung  in  Form  eines  Supplementheftes 
zum  Archiv  für  Anthropologie  veranstalten  werden. 
Es  würde  das  nur  dann  nicht  stattfinden , wenn 
etwa  die  Kosten  zu  gross  sein  sollten.  Wir 
haben  noch  eine  ganze  Reihe  von  anderen  An- 
erbietungen, namentlich  Hr.  Petermann  in  Gotha 
und  Hr.  Andrle  in  Leipzig  haben  sich  bereit 
erklärt,  die  Karten  zn  puhlicircn  nnd  uns  Ab- 
züge zu  geben , andererseits  hat  auch  das  sta- 
tistische Bureau  in  Berlin  sich  bereit,  erklärt.,  dio 
Tabellen  zu  publieiren,  falls  wir  die  Karten  geben. 
Das  ist  eine  Reihe  von  Möglichkeiten , zwischen 
denen  wir  zu  entscheiden  haben  werden;  jeden- 
falls hoffen  wir,  dass  jedes  Mitglied  ein  Exemplar 
gratis  bekommt.  Das  Heft  wird  jedenfalls  auch 
einzeln  zn  beziehen  sein. 

Hr.  Weidmann  fordert  die  Versammlung  auf, 
für  die  Gesellschaft,  recht  viele  Mitglieder  zu 
werben,  welchem  Wunsche  sich  Hr.  Mehlis  an- 
schliesst. 

Die  Versammlung  genehmigt  die  Voranschläge, 
ln  Bezug  auf  die  für  Ausgrabungen  genehmigten 
Summen  erinnert  der  Generalsekretär  an  den  Be- 


schluss einer  früheren  Generalversammlung,  der 
bestimmt,  dass  über  die  Verwendung  der  Gelder 
und  über  die  Resultate  der  Ausgrabungen  ein  ein- 
gehender Bericht  am  Schluss  des  Geschäftsjahres 
also  in  diesem  Fall  bei  der  Generalversammlung 
zu  Kiel  im  Herbst  1878  vorzulegcn  sei. 

Programmgemäss  schritt  die  Versammlung  in 
der  I.  Sitzung  Nachmittags  zur  Neuwahl  des 
Vorstandes  und  zur  Wahl  des  Ortes  für 
die  nächste  Versammlung.  Bezüglich  der 
enteren  theilte 

Hr.  Virchow  mit : Was  den  Vorstand  an- 
langt, so  befinden  wir  uns  dieses  Jahr  in  der  be- 
sonderen Situation,  dass  die  Wahlperiode  des  Hm. 
Generalsekretärs  abgelaufen  ist.  Derselbe  wird 
immer  auf  3 Jahre  gewählt  , während  die  übrigen 
Vorstandsmitglieder  jährlich  wechseln.  Wir  haben 
also  diesmal  den  Hm.  Generalsekretär  wieder  zu 
wählen.  Die  Statuten  haben  eine  dreijährige  Wald 
deshalb  vorgesehen , weil  man  der  Ucberzougung 
war,  «lass  der  Generalsekretär  eigentlich  die  Haupt- 
person in  der  Gesellschaft  sei  und  dass  es  von 
der  Continuität  seiner  Arbeit  wesentlich  abhängig 
ist,  wie  die  Geschäfte  des  Vereins  im  Grossen  und 
Ganzen  gehen  werden.  Dio  Wahlperiode,-  welche 
unser  gegenwärtiger  Generalsekretär  hinter  sich 
hat,  hat  nur  eine  betrübende  Seite,  das  ist  die, 
dass  seine  Gesundheit  im  letzten  Jahre  ernst- 
lich und  anhaltend  gelitten  hat,  und  vielleicht  — 
das  muss  ich  wohl  anerkennen  — mit  durch  unsere 
Geschäfte.  Indes*  hoffe  ich  nicht,  dass  er  nns  be- 
schuldigen wird , dass  wir  die  Hanptveranlassung 
sind.  Er  hat  in  Folge  dessen  allerlei  böse  Ge- 
danken gehabt  und  es  war  sogar  zweifelhaft  ge- 
worden , oh  wir  ihn  hier  sehen  werden.  Nun, 
meine  Herren , wir  haben  in  der  Thal  mit  un- 
seren Generalsekretären  sehr  viel  Glück  nnd,  ich 
muss  auch  sagen,  sehr  viel  Unglück  gehabt.  Was 
llr.  Kollmann  von  seinem  Vorgänger  , von 
meinem  alten  und  bewährten  Freunde  Fran- 
tzius, sagte  (cfr.  unten  S.  87),  das  theilen 
Sie  gewiss  Alle.  Der  Verein  war  schwer  ge- 
schädigt, als  Frantzius  durch  seine  Gesund- 
heit genöthigt  war , das  Generalsekretariat  ahzu- 
lehnen . und  wenn  er  nachher  in  einer  unerwar- 
teten Frische  für  die  Gesellschaft  durch  immer 
neue  Arbeiten  und  auch  privatim  durch  immer 
grössere  persönliche  Theilnahme  wirksam  war,  so 
hat  uns  sein  Tod  die  Lücke  nur  um  so  fühlbarer 
gemacht,  die  in  unseren  Kreis  gerissen  ist.  Hr. 
Kollmann  hat  die  Hoffnungen,  mit  denen  wir  ihn 
zum  Nachfolger  Frantzius’s  erwählt  haben,  in 
einer  ganz  glänzenden  Weise  erfüllt.  Wir  können 
wohl  sagen , dass  während  dieser  Zeit  die  Ge- 
schäfte in  einer  Regelmässigkeit  der  Abwickelung 
aller  nothwendigen  Dinge , mit  einer  Ordnung  un«i 
zugleich  die  reinwissenschaftlicho  Seite  der  Ge- 
sellschaft in  einer  Deutlichkeit  zu  Tage  getreten 
sind,  wie  es  selbst  unter  Frantzius  nicht  zn  er- 
reichen war. 


Digiti; 


L.CX 


75 


Ich  muss  daher  von  meinem  Erfahrungskreise 
aus  — und  ich  glaube,  dass  ich  sielleicht  in  etwas 
erhöhtem  Masse  berechtigt  bin  zu  sagen , dass 
ich  Gelegenheit  hatte , diese  Erfahrungen  zu 
machen  — auf  das  dringendste  bitten  , dass 
Sie  diese  Wahl  erneuern  möchten.  Ilr.  Koll- 
mann  ist  allerdings  durch  seine  Gesundheitsver- 
hältnisse genöthigt,  sich  zu  schonen ; er  hat  deshalb 
auch  schon  in  mancher  Beziehung,  so  namentlich  für 
die  Redaction  des  Gcneralberichtcs  über  unsere  Ver- 
sammlung, eine  Aushilfe  gesucht,  und  er  hat  sie  in 
der  bereitwilligsten  Weise  bei  Hm.  Prof.  Johannes 
Ranke  gefunden,  der  sich  bereit  erklärt  hat,  die 
Redaction  für  den  diesjährigen  Generalbericht  zu 
übernehmen  und  damit  lim.  K oll  mann  diese 
Last  abzunehraen.  Die  übrigen  laufenden  Ge- 
schäfte sind  so  regelmassig  geordnet,  dass,  wie  ich 
hoffe,  sie  nicht  zu  schwer  auf  Ilm.  Kollmann 
lasten  werden.  Meine  Herren,  ich  war  etwas  weit- 
läufig, indess  ich  glaubte.  Sie  aufmerksam  machen 
zu  müssen , dass  es  ungemein  schwer  sein  dürfte, 
mit  voller  Zuversicht  diese  Stelle  zu  besetzen  und 
ein  ähnliches  Arbeitselement  für  anseren  Kreis  zu 
gewinnen.  Da  der  Präsident  der  französischen 
Republik  seine  Candidaten  bezeichnet , so  ge- 
statten Sie  mir,  dass  ich  wenigstens  einen  nenne; 
ich  will  mich  im  Uebrigcn  ganz  unparteiisch  ver- 
halten. 

Auf  Vorschlag  Ecker’s  wird  zum  Präsidenten 
der  IX.  anthropologischen  Versammlung  Hr.  Prof.  Dr. 
Schaffhausen,  zu  den  2 stellvertretenden  Vor- 
ständen auf  Vorschlag  Krause's  die  Hin.  Prof. 
Vircliow  und  Fraas,  zum  Generalsekretär  für 
weitere  drei  Jahre  nach  dem  Vorschlag  des  Vor- 
sitzenden Ilr.  Prof.  Dr.  Kollmann  gewählt. 

Hr.  Kollmann:  Sie  erlauben  mir  wohl,  meine 
Herren,  noch  einige  Bemerkungen  zu  den  ebenso 
schmeichelhaften  als  gütigen  Worten  des  Hm.  Vor- 
sitzenden. 

Hr.  Virchow:  Ich  will  bemerken,  dass  das 
definitive  Votum  bereits  abgegeben  ist. 

Hr.  Kollmann:  Ihr  wiederholtes  Vertrauen  zu 
dem  Amte  des  Generalsekretärs  ist  ausserordentlich 
ehrend,  und  ich  erkenne  dankbar  die  grosse  Aner- 
kennung, die  in  Ihrem  Votum  liegt.  Allein  ich  darf 
doch  nicht  verhehlen,  dass  für  diese  neue  dreijährige 
Thätigkeit  sich  in  der  That  ein  bedenklicher  Mangel 
an  Kraft  bei  mir  fühlbar  macht.  Meine  Herren! 
Die  Geschäfte  des  Generalsekretärs  gehen  nicht 
immer  so  glatt  ah,  wie  man  anzunehmen  geneigt 
ist.  Es  ist  gewiss  richtig,  dass  sich  die  Arbeiten 
rascher  und  leichter  erledigen  lassen,  wenn  man 
längere  Zeit  dieses  Amt  verwaltet,  aber  abgesehen 
von  allem  dem  gibt  es  doch  eine  Seite,  die  ernst- 
haft in  Berücksichtigung  gezogen  werden  muss. 
Der  Generalsekretär  bekommt,  je  klarer  die  Vor- 
stellung von  seinen  Pflichten  wird,  auch  ein  immer 


deutlicheres  Bewusstsein  von  seinen  Rechten,  und 
ich  kann  nicht  leugnen,  dass  er  dann  bei  der  Aus- 
übung seiner  Rechte,  wenn  sie  auch  mit  der  grössten 
Vorsicht  geübt  werden,  bisweilen  in  höchst  unbe- 
queme Situationen  ger&th.  Don  Herren  ist  z.  B. 
die  Schrift  von  Dr.  Riecke  „zur  Abwehr“  mit- 
getheilt  worden.  Wenn  Sic  die  ersten  paar  Seiten 
etwas  genauer  durchseheu  wollen,  werden  Sie  finden, 
dass  dieser  Anprall,  der  hauptsächlich  gegen  mich 
gerichtet  ist,  an  Heftigkeit  nichts  zu  wünschen  übrig 
lässt.  Diese  „Abwehr“  ist  dio  Strafe  für  die  Aus- 
übung eines  Rechtes,  das  mir  zusteht,  als  dem 
Itedacteur  des  Correspondenzblattes  zusteht,  nemlicli: 
im  Interesse  der  wissenschaftlichen  Stellung  unserer 
Gesellschaft  eine  Rede  zu  unterdrücken,  oder  die 
Zumuthung  zum  Abdruck  eines  Artikels  zurück- 
zuweisen, wenn  offenkundige  Irrthümer,  die  längst 
und  gründliche  widerlegt  sind,  aufs  neue  wieder- 
holt werden  sollen.  Hr.  Riecke  ist  höchlichst 
anfgcbr&eht,  seinen  Vortrag  nicht  in  den  Verhand- 
lungen unseres  Berichtes  über  die  Generalversamm- 
lung zu  Jena  1876  zu  sehen  (siehe  die  Schrift 
„Zur  Abwehr“).  Ich  aber  bin  in  diesem  Falle  in 
der  wehrlosesten  Lage , muss  den  Anprall  er- 
gehen lassen , ohne  etwas  erwidern  zu  können ; 
denn  weder  der  Tenor,  der  hier  eingehalten  ist, 
wird  mich  veranlassen,  einem  wie  ich  höre  sonst 
achtbaren  und  als  Arzt  verdienten  älteren  Mann  in 
ähnlicher  Weise  gegenüber  zu  treten , noch  ist 
eine  wiederholte  Discussion  der  gänzlich  verkehrten 
Anschauungen  Riecke ’s  in  irgend  einer  Form  zu 
wünschen.  Es  bleibt  also  nichts  anderes  übrig  als 
zu  schweigen  und  von  der  Einsicht  der  Leser  ein  für 
mich  günstiges  Urtheil  abzuwarten.  Das  ist  nur  eines 
jener  gerade  nicht  erfreulichen  Ereignisse,  die  dem 
Generalsekretär  begegnen.  Aber  es  gibt  noch  andere, 
die  nie  in  die  Oeffentlichkeit  dringen.  Die  rasche 
Zusammenstellung  des  Berichtes  dieser  Versamm- 
lungen hängt  nicht  allein  von  dem  Generalsekretär 
ab ; es  sind  dabei  auch  die  Redner,  der  Buchhändler 
und  Buchdrucker  betheiligt.  Wenn  ich  die  Correcturen 
des  Berichtes  mit  der  Bitte  verschicke , dieselbe 
baldigst  vorzunehmen,  so  muss  ich  erwarten  dürfen, 
dass  das  auch  geschieht.  Wenn  das  nicht  der  Fall 
ist,  so  steigert  sich  der  Verlust  an  Zeit  und  Geld, 
und  es  entsteht  in  der  Redaction  eine  kaum  zu 
beherrschende  Unordnung.  Als  ein  geehrtes  Mitglied 
nahezu  über  3 Wochen  sein  Manuacript  in  Händen 
hatte,  ohne  es  zurfickzuschicken,  habe  ich  von  meinem 
Rechte  als  Redacteur  Gebrauch  machen  und  seine 
in  Jena  gehaltene  Reden  unterdrücken  müssen. 
Noch  schweben  die  Blitze  jenes  Gewitters  über  mir, 
das  ich  durch  diese  That  hcraufbeschworen.  Sio 
sehen,  meine  Herren,  ein  Generalsekretär,  der  sich 
seiner  Rechte  bewusst  wird,  wird  bisweilen  unbe- 
quem, und  es  liegt  eine  grosse  Weisheit  in  jenem 
Paragraph  unserer  Statuten,  der  nach  drei  Jahren 
die  Neuwahl  verlangt.  Nachdem  durch  den  Herrn 
Vorsitzenden  eine  Aushilfe  für  die  Herstellung  des 
Berichtes  ermittelt  worden  ist,  scheint  es  mir  in 
der  That  leicht,  die  ganze  Summe  der  Geschäfte 

2* 


Digiti 


und  «las  volle  Mas*  der  Verantwortung  auf  Hrn. 
Johannes  Hanke  zu  übertragen,  und  ich  würde 
hiefflr  zu  grossem  Danke  verpflichtet  sein. 

Hr.  Virchow : Ich  kann  wohl  erklären,  dass 
diese  Kede  ein  vaTiQov  ngor tgor  war;  wir  können 
nicht  mehr  zurück.  Die  Wahl  ist  mit  Einstimmig- 
keit erfolgt  und  ich  glaube  auch,  soweit  ich  Inter- 
pret der  Versammlung  zu  sein  annehmen  darf,  dass 
wir  die  Entschlossenheit  und  Entschiedenheit  des 
Hrn.  Generalsekretärs  mit  allein  Danke  und  vollster 
Ergebung  über  uns  ergehen  lassen  werden , und 
«lass  wir  keinen  Grund  haben,  einen  Wechsel  ein- 
treten  zu  lassen.  ( Bravo!) 

Als  Ort  für  die  nächste  Versammlung  waren 
3 Städte  vorgeschlagen : Cassel , Strassburg  und 
Kiel;  letzteres  wird  gewählt.  Hr.  Handel- 
mann von  Kiel  wird  zum  Geschäftsführer  erwählt 
und  davon  telegraphisch  benachrichtigt,  ln  der  III. 
Sitzung  läuft  die  Annahme  dieser  Wahl  von  Hm. 
Handelmann  ein.  Von  den  Hrn.  Krause 
und  Mehlis  wurde  der  Wunsch  ausgesprochen, 
den  Beginn  der  nächstjährigen  Versammlung  auf 
den  Anfang  des  Monats  August  zu  verlegen,  was 
seitens  des  Vorstandes  zugesagt  wird. 

Noch  sind  einige  Acte  zu  erwähnen  , durch 
welche  die  Versammlung  den  Gefühlen  ihrer  Ver- 
ehrung uml  Dankbarkeit  Ausdruck  gab. 

Auf  Antrag  des  Hm.  l.ucae  (Frankfurt  a M.'i 
wurde  in  der  IV.  Sitzung  unter  allgemeinem  Bei- 
fall einstimmig  Hr.  Schliemann  wegen  seiner 
hohen  Verdienste  um  die  Archäologie  zum  E h ren- 
nt itglie  de  der  deutschen  anthropologischen  Ge- 
sellschaft ernannt. 

Auf  Antrag  des  Vorsitzenden  sprach  die  Ver- 
sammlung in  derselben  Sitzung  dem  kgl.  stati- 
stischen Bureau  und  Hrn.  Dr.  Gut t Stadt  zu  Ber- 
lin ihren  Dank  aus  für  die  Leistungen  hei  Her- 
stellung der  Statistik  über  die  Farben  der  Augen, 
der  Haare  und  der  Haut  bei  der  deutschen  Schul- 
jugend. 

Derselbe  theilte  in  der  1.  Sitzung  einen  von 
einer  Anzahl  Berliner  Gelehrten  ausgegangenen 
Aufruf  mit , welcher  dazu  auftordert , dein  ver- 
storbenen Botaniker  Alexander  Braun,  der  zu- 
gleich eifriger  Anthropolog  war . und  dessen  Tod 
wir  Allo  bedauern,  auf  seinem  Grabe  ein  Denkmal 
zu  setzen.  Redner  bemerkt : «Ich  kann  annehmen, 
dass  es  gerade  in  diesem  Lande,  in  «lern  Alexander 
Braun  so  lange  gewirkt  hat.,  und  in  dem  er  so 
feste  Wurzeln  geschlagen  hatte,  nur  einer  Anregung 
bedarf,  um  die  Theilnahme  au  seinem  Verlust  und 
«len  Wunsch , an  der  Errichtung  eines  dauernden 
Denkmals  für  ihn  theilzunebmen,  lebendig  werden 
zu  lassen.“ 


Werke,  welche  der  VIII.  General v er sam  m- 
lung  vorgclcgt  wurden: 

1.  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte 
Bayerns,  I.  Bd.,  1877.  Re«iigirt  von  Johannes 
Rauke  und  N.  RQdinger  unter  Mitwirkung  von 
Kollmann,  Ohlenschlager,  Würdinger  und  Zittel. 
München  1877.  (Th.  Riedel.) 

2.  Johannes  Ranke,  Beiträge  zur  physischen 
Anthropologie  Bayerns.  München  1878.  (Th.  Riedel.) 

3.  Dr.  Heinrich  Wankel,  Der  Bronze-Stier  aus 
der  Byciskala-Höhle.  Wien  1877. 

4.  Derselbe:  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit 
dem  Höhlenbären  in  Mähren.  Separatabdr.  aus 
Nr.  1 u.  2,  VII.  Bd.  der  Mittheilungen  der  anthro- 
pol.  Gescllsch.  in  Wien  1877. 

5.  Derselbe:  Ein  prähistorischer  Schädel  mit 
einer  halbgeheilten  Wunde  auf  der  Stirne,  höchst- 
wahrscheinlich durch  Trepanation  entstanden. 
Separatabdr.  aus  Nr.  4 n.  5.  VII.  Bd.  der  Mit- 
theilungen  der  anthrop.  Gesellsch.  zu  Wien  1877. 

0.  Sitzungsberichte  «1er  Altcrthumsgesellsehaft. 
Prussia  zu  Königsberg  i.  Pr.,  31.  und  32.  Vercius- 
jahr,  1875  u.  70. 

7.  Svenska  Fornminnesföreuingeus  Tidskrift 
Nr.  7 u.  8,  1875  u.  1876. 

8.  Bullettino  di  Palet nologia  Italiana.  Strenua 
Pel  1870.  Parma  1870.  Und  2 Hefte  von  1877. 

9.  Die  Pfahlbau-Station  Schussenried  von  E. 
Frank,  kgl.  Revierförster  in  Schussenried.  Lindau 
1877. 

10.  Die  nordische  Bronzezeit  und  deren  Pe- 
riodeutheiiung  von  Sophus  Müller.  Aus  dein 
Dänischen  von  J.  Mcstorf.  Mit  47  Holzschnitten. 
Jena  1878. 

11.  Dr.  med.  C.  F.  Riecke,  Zur  Abwehr!  Im 
Selbstverläge  des  Verfassers.  Weimar  1877. 

12.  Derselbe:  Die  Bedeutungen  der  alten  Orts- 
namen am  Rheinufer.  (Gera)  Leipzig  1874. 

13.  Derselbe:  Geniestreiche  im  n«>rddeut scheu 
Eisenbahnwesen.  Leipzig  1870. 

14.  Lappi  und  Kola.  Unhistorisches  Drama  aus 
der  Lacustcrzeit.  Von  O.  v.  A.  Cannstatt  1872. 

15.  Oeffentliche  Erklärung  über  die  bei  den 
Thayinger  Höhlenfundeu  vorgekommenen  Fäl- 
schungen. (Zur  Abwehr  gegen  den  Aufsatz  von 
L.  Lindenschinit : Ueber  die  Thierzcichnungen  auf 
den  Knochen  de  r Thayingcr-Höhle  im  Archiv  für 
Anthropologie  Bd.  IX.  S.  173  tf. 

10.  Entgegnung  von  1».  Lindenschmit  auf  die 
im  Namen  der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich 
von  Herrn  Professor  J.  J.  Müller  herausgegebene 
-Oeffentliche  Erklärung“  über  die  bei  den  Thayinger 
liöhlenfunden  vorgekommenen  Fälschungen.  Aus 
dem  Archiv  für  Anthropologie  Bd.  X.  S.  323 — 325. 

17.  Durch  Herrn  Desor:  Sir  J.  Y.  Simpson. 
Archaic  Sculpturings  of  cups,  circles  etc.  Edinburgh 
1807. 


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77 

II. 

Wissenschaftliche  Verhandlungen. 

Erste  Sitzung. 


Inhalt:  Eröffnungsrede  des  Vorsitzenden  Firn.  Virchow.  — Wissenschaftlicher  Bericht  des  Generalsekretärs 
Hm.  Kollmann.  — Mittheilungen  des  Vorsitzenden.  — Berichterstattung  der  Commissionen  durch 
die  Hm.  Vorsitzenden  derselben:  Fraas,  Schaaffh ausen,  Virchow.  Daran  anschliessend  Dr. 
C.  K.  E.  Ho  ff  mann. 


I.  Vormittagssitzung. 

Hr.  Virchow:  Meine  Herren l Es  ist  ein 

Brauch,  welchen  wir  von  den  englischen  Gelehrten- 
Versammlungen  übernommen  haben,  dass  der  Vor- 
sitzende am  Beginne  einer  neuen  Versammlung  in 
Kürze  auf  die  wichtigsten  Gesichtspunkte  aufmerk- 
sam macht,  welche  sich  im  Laufe  des  Jahres  und 
anschliessend  an  die  Verhältnisse  des  Ortes  für 
die  weitere  Untersuchung  und  Debatte  darbieten. 
Wir  haben,  entsprechend  den  Eigenthflmlichkeiten 
unseres  vaterländischen  Bodens,  im  Laufe  der  Zeit 
hauptsächlich  zwei  Fragen  gehabt,  welche  uns  be- 
schäftigt. die  Gemfither  zum  Theil  in  ziemlich  leb- 
hafter Weise  erregt  und  unter  Umständen  sogar 
eine  etwas  unliebsame  Aussprache  herheigefflhrt 
haben.  Das  eine  war  die  Bronzefrage,  das  andere 
die  Frage  der  deutschen  Stämme,  welche,  als  wir  sie 
zuerst  Übernahmen,  sich  uns  iu  der  etwas  wunder- 
lichen Form  der  Keltenfrage  darstellte,  einer  Frage, 
die  sich  wie  eine  Seeschlange  durch  unsere  Ver- 
handlungen hindurchgezogen  tiud  eigentlich  erst 
im  Laufe  des  letzten  Jahres  etwas  niedrigere  Ringel 
gezogen  hat.  Beide  Fragen  sind,  wie  ich  denke, 
nicht  diejenigen,  welche  uns  hier  zunächst  und  am 
meisten  bewegen  werden.  Wenn  wir  hier  in  (’on- 
>tanz  das  Material  ins  Auge  fassen,  welches  dieser 
Hoden  bringt,  so  stossen  wir  sofort  auf  Beziehungen, 
welche  uns  in  jene  bewegte  Zeit  von  vor  20  Jahren 
zurückführen,  als  zuerst  die  Aufmerksamkeit  des 
gebildeten  Publikums  auf  das,  was  wir  jetzt  prä- 
historische Zeiten  nennen,  durch  die  grossen  Ent- 
deckungen des  Nachbarlandes  gerichtet  wurde, 
durch  jene  von  den  Pfahlbauten  ausgehenden 
Neuerungen  der  Anschauung.  Ich  freue  mich  von 
Herzen,  dass  die  Voraussetzung,  die  wir  hatten, 
als  wir  Constanz  wählten , dass  hier  neue  Be- 
ziehungen mit  der  Schweiz  sich  knüpfen  würden, 
sich  schon  bestätigt  hat , indem  wir  gleich  hei 
Beginn  der  Sitzung  eine  Reihe  der  bewährtesten 
und  geschätztesten  Forscher  der  Schweiz  unter 
uns  sehen.  Ich  begrüsse  unsere  Freunde  aus  der 
Schweiz  ganz  besonders  herzlich  und  ich  versichere, 
dass  wir  es  ausserordentlich  dankbar  empfinden, 
dass  sie  unserer  F.inladung  nachgekommen  sind. 
In  der  Tliat  kann  man  sagen,  dass  bis  zu  jenem 
Jahre,  als  bei  dem  niedrigen  Wasserstande  des 
Zürichersees  die  ersten  Pfahlbauten  zu  Tage  traten, 
fast  das  ganze  Gebiet,  mit  dem  wir  uns  in  Bezug 


auf  prähistorische  Forschung  beschäftigen,  eiu  ver- 
schlossenes war.  Die  Verbindung,  welche  gegen- 
wärtig schon  iu  so  euger  Weise  die  Urgeschichte 
mit  der  Ethnologie  und  mit  der  anatomischen 
Anthropologie  verknüpft,  würde  unmöglich  gewesen 
sein,  wenn  nicht  das  neue  Band  der  Prähistorie 
gefunden  wäre.  Wir  sind  von  den  Pfahlbauten 
sehr  bald  herübergeführt  worden  in  eine  noch  weiter 
zurückgelegeue  Zeit,  hauptsächlich  durch  das 
Studium  der  alten  Höhlen,  jene  von  Menschen  sei 
es  anhaltend  bewohnten,  sei  es  zeitweise  als  Zu- 
fluchtsstätten oder  als  blosse  Gräberorte  benutzten 
Höhlen,  die  zuerst  iu  Südfrankreich,  in  England  und 
Belgien,  später  in  Italien  und  Deutschland  selbst 
Gegenstand  der  Untersuchung  geworden  sind.  Mit 
dem  Fortschreiten  der  Untersuchung  von  den  Pfahl- 
b&uern  zu  den  Höhlenmenschen  haben  wir  einen 
so  weiten  Schritt  in  der  Erforschung  der  Entwick- 
lung der  Menschheit  zurückgethau,  «lass  wenigstens 
für  gewisse  Höhlen  gesagt  werden  kann,  dass  der 
Zeitraum,  welcher  zwischen  ihrer  Bewohnung  und 
der  Anlage  der  ältesten  bekannten  Pfahlbauten 
liegt,  ein  bis  jetzt  noch  ungeniessencr  ist  und  viel- 
leicht unmessbar  bleiben  wird.  Hier  haben  wir 
nicht  mehr  nach  Jahrhunderten,  vielleicht  nicht 
mehr  nach  Jahrtausenden,  möglicherweise  nach 
noch  längeren  Zeiträumen  zu  rechnen. 

Es  gibt  wenig  Orte  in  der  Welt,  welche  in 
Bezug  auf  diese  Frage  so  bevorzugt  sind,  wie 
( onstanz.  Der  internationale  archäologische  und  an- 
thropologische Congrcss  hat  seiner  Zeit,  als  er  die 
Frage  der  Höhlen  studireu  wollte,  sich  nach  Belgien 
begeben.  Allerdings  waren  die  Höhlen  von  Frank- 
reich schon  früher  gekannt,  aber  man  war  ge- 
nöthigt,  sich  ziemlich  weit  nördlich  zu  begehen, 
um  so  recht  iu  das  innere  Wesen  und  Leben  der 
Höhlenleute  einzudringen.  Die  Mannigfaltigkeit 
und  die  grosse  Zahl  der  Höhlen,  welche  Belgien 
besitzt,  erleichtern  es  uugemein,  die  Vergleichung 
der  einzelnen  Epochen  der  Höhlenzeit  unter 
einander  aiizustellen.  Wer  in  dieser  Richtung 
Untersuchungen  machen  will,  wird  keine  günstigere 
Gelegenheit  finden,  als  das  schöne  naturwissen- 
schaftliche Museum  von  Brüssel,  welches  Hr. 
Dupont  iu  einer,  wenn  auch  nicht  ebenso  durch- 
sichtigen, so  doch  nicht  minder  sauberen  und 
ffeissigen  Weise  eingerichtet  hat.  wie  Hr.  Deiner 
das  t on stanzer.  Allein  zwischen  dem  Lessethal 
und  den  Schweizerseen  liegt  ein  grosser  Raum. 


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1 


78 


Von  den  Pfahlbauten  bis  zu  den  Höhlen  der  Maas 
ist  cs  ziemlich  weit,  und  es  war  daher  ein  grosser 
Gewinn,  als  wir  auch  in  Deutschland  zu  Höhlen- 
funden  und  ihnen  parallel  stehenden  sonstigen  Erd- 
funden kamen,  und  zwar  gerade  in  Gegenden, 
welche  der  Schweiz  naher  liegen.  Sie  wissen,  das 
ist  zuerst  in  der  Nahe  des  Bodensees  gelungen: 
der  vortrefflich  Ausgebeutete  Fund,  dessen  Re- 
präsentanten wir  Heute  unter  uns  zahlen,  war  der 
von  Schussenried  in  Wü rttem berg.  Da 
wurden  die  merkwürdigsten  Beweise  für  das  un- 
glaubliche Alter  dieser  menschlichen  Niederlassung 
gewonnen,  indem  alle  Zweige  der  Naturwissen- 
schaften beitragen  mussten,  um  die  Zeit  derselben 
zu  bestimmen.  Die  Zoologen  stellten  das  Reu- 
thier, die  Botaniker  das  Polarmoos  fest,  welches 
damals  in  Schwaben  wuchs,  als  eben  jene  grossen 
Gletscher,  welche  die  Felsblöcke  der  Schweiz  bis 
über  den  Bodensee  hinaus  getragen  hatten,  be- 
gannen, sich  nach  Süden  zurückzuziehen  und  den 
Bodcnscc  freizugehen.  Wir  sprechen  heute  von 
dieser  Zeit  mit  grosser  Unbefangenheit.  Die  Find- 
linge, die  Sie  im  Constanzer  Museum  iu  den  vor- 
züglichsten Exemplaren  ausgestellt  sehen  werden, 
geben  so  evident  Zougniss  von  der  Richtigkeit  dieser 
anfangs  unglaublich  erscheinenden  That saehe,  dass 
Niemand  mehr  sich  bekreuzt  vor  einer  solchen  Er- 
fahrung. Allein  ich  muss  doch  sagen,  für  jeden 
tiefer  denkenden  Menschen,  der  sich  einmal  ver- 
senkt in  die  grosse  Reihe  von  Ereignissen,  welche 
notbwendig  waren , um  die  Oberfläche  dieses 
lachenden  Theils  der  Erde,  über  welchem  heute 
noch  in  den  späten  Septembertagen  eine  so  warme 
Sonne  leuchtet,  freizulegen  aus  jenem  Zustande  her, 
wo  das  alles  vergletschert  war,  wo  über  der  ganzen 
Schweiz  eine  Eisdecke  lag,  welche  sich  weithin  auf 
die  Hügel  nordwärts  vom  Bodensee  heraufschob, 
und  wo  losgerissene  Brocken  der  Alpen  sich  ab- 
lagerten bis  fast  an  die  schwäbische  Alp,  der 
wird  sich  sagen  müssen,  dass  ein  Zeitraum  von 
unglaublicher  Dauer  vergangen  sein  muss , seit- 
dem an  dem  Rande  dieses  Gletschers,  am  Rande 
dieser  Ejsmassen  die  ersten  Menschen  ihre  Wohn- 
stätten aufschlugen  , das  Renthier  jagten  und 
das  Schneehuhn  fingen  , um  damit  ihre  Existenz 
zu  sichern. 

Unser  verehrter  Freund  Fr  aas  — der  es  vor- 
gezogen hat,  auch  heute  unter  uns  zu  sein,  statt 
in  Wien  mit  den  geologischen  Collegcn  zu  tagen, 
wofür  wir  unseren  ganz  besonderen  Dank  aus- 
sprechen — hat  sodann  jene  Höhlen  der 
rauhen  Alp  erforscht,  welche  wir  seinerzeit 
in  Augenschein  nahmen,  als  wir  von  Stuttgart  aus 
die  erste  Expedition  von  Seite  der  anthropo- 
logischen Gesellschaft  auf  dieses  klassische  Ge- 
biet unternahmen.  Noch  später,  erst  vor  wenig 
Jahren,  hat  der  Eisenbahnbau  nach  Schaffhausen 
die  vielbesprochene  Höhle  von  Thayingen, 
die  Sie  selbst  sehen  werden,  erschlossen.  Im 
Fonstanzer  Museum  liegen  die  werthvollsten  Stücke 
von  da.  Um  wenigstens,  soweit  meine  Kennt- 


niss  reicht,  einen  gewissen  Anhalt  für  die  Klas- 
sitikation  zu  bieten , darf  ich  wohl  daran  er- 
innern, dass  wir  iu  der  Höhle  von  Thayingen  nicht 
bloss  den  Menschen  als  Zeitgenossen  des  Rcnthiers 
kennen  lernen,  dass  nicht  bloss  die  Gegenstände 
seiner  Nahrung , Technik  und  Kunst  wesentlich 
vom  Renthier  stammen,  sondern  dass  die  Höhle 
von  Thayingen  noch  ein  besonderes  naturwissen- 
schaftliches Merkmal  an  sich  hat,  durch  welches 
ihre  Stellung  in  der  Entwicklung  des  Menschen- 
geschlechts in  höchst  bezeichnender  Weise  aus- 
gedrückt  wird:  das  ist  der  Mangel  an  Topf- 
geschirr. Es  ist  bis  jetzt  in  der  Höhle  von 
Thayingen,  wenigstens  in  den  tieferen  Lagen,  kein 
einziges  Stück  von  irdenem  Geräth  gefunden  worden. 
Nun,  meine  Herren,  ich  habe  vor  einiger  Zeit  in 
einem  populären  Vorträge,  der  in  einer  bekannten 
Revue,  »1er  „Rundschau*,  erschienen  ist,  versucht, 
eine  kleine  Skizze  der  Vorgeschichte  des  Kochens 
zu  liefern  und  die  Bedeutung  des  Kochens  für  das 
Menschengeschlecht  nachzuweisen.  Ich  zeigte 
namentlich,  wie  sehr  Kochen  und  Ackerbau  Zu- 
sammenfällen und  wie  bestimmt  man  aus  der  Er- 
scheinung des  Kochgeschirrs  gewisse  Anhaltspunkte 
für  die  Kulturstcllung  eines  Volkes  gewinnen  kann. 
Es  ergibt  sich,  dass  eine  gewisse  Reihe  von 
Höhlenst&mmen  existirt  hat,  bei  welchen  der  Korh- 
topf  oder  der  Topf  überhaupt,  also  die  Benutzung 
des  Thons  zur  Herstellung  von  Geräth,  noch  nicht 
bekannt  war.  Mit  einer  gewissen  Sicherheit  reichten 
diese  Beobachtungen  eigentlich  nur  soweit  rückwärts, 
als  das  Vorkommen  der  Höhlenhyäne  nachgewieseu 
werden  konnte , während  gerade  in  den  Höhlen 
der  Renthicrzcit,  also  in  einer  späteren  Periode 
der  quaternären  Zeit , überall  Topfüberreste  er- 
scheinen. Gerade  aus  einer  der  am  besten  unter- 
suchten belgischen  Rcnthicrhöhlcn.  der  von  Fur- 
fooz,  befindet  sich  ein  grosses,  ziemlich  gut 
restaurirtes  Thongefäss  im  Brüsseler  Museum. 
Der  Mangel  von  Topfgerät  h in  einer  Reut  hierhöhle 
würde  also,  wie  es  mir  scheint,  ein  ungemein  werth- 
volles  Merkmal  darbieten,  um  die  Stellung  dieser 
Höhle  innerhalb  der  prähistorischen  Entwicklung 
zu  bezeichnen.  Danach  wäre  die  Thayinger-IIöhk* 
als  eine  der  älteren  Renthierzeit  ungehö- 
rige, wenigstens  im  kulturhistorischen  Sinne 
anzusprechen,  von  der  wir  mit  einiger  Wahrschein- 
lichkeit nach  der  — gegenwärtig  etwas  über- 
triebenen — Methode  in  der  prähistorischen 
Wissenschaft  sagen  können,  sie  wäre  alter  (früher 
bewohnt),  als  die  Höhle  von  Furfooz.  Man  mag 
diesen  Schluss  für  richtig  halten  oder  nicht  — 
ich  will  bemerken,  dass  auch  ich  die  absolute 
Richtigkeit  dieser  Klassifikation  nicht  behaupte, 
denn  ich  bin  vollkommen  überzeugt  und  werde 
gleich  darauf  zurückkommen,  dass  an  verschiedenen 
Orten,  zuweilen  in  nicht  zu  weit  von  einander  ent- 
fernten Landstrichen , die  Entwicklung  sich  ver- 
schieden schnell  vollziehen  kann,  so  also,  dass  in 
einem  etwas  südlicheren  Lande  ein  früherer  und  in 
einem  nördlicheren  ein  späterer  Zeitraum  derselben 


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kulturhistorischen  Entwicklung  gleichzeitig  vor- 
handen sein  können,  oder  umgekehrt,  dass  im  Norden 
man  zu  irgend  einem  Fortschritt  kommt,  wahrend 
man  im  Sfiden  noch  zurückbleibt  ; indessen  darauf 
kommt  es  für  Thayingcn  weniger  an,  da  in  jener 
uralten  Zeit,  wo  es  sich  nicht  mehr  um  Jahre  handelt, 
die  kulturhistorische  Zeitrechnung  die  wichtigere 
ist,  Insofeme  werden  wir  immer  sagen  dürfen,  dass 
dio  Männer  von  Thayingcn  einer  früheren 
Periode  angehörten,  als  die  Männer  von 
Furfooz  und  als  die  Männer  vom  Hohle* 
fels  von  Blaubeuren. 

Durch  den  Nachweis  dieser  Höhle  und  durch 
die  Gewinnung  des  Materials  derselben  ist  Con- 
stanz  in  die  ungewöhnlich  glückliche  und  ganz 
seltene  Lage  gekommen , dass  hier  in  nächster 
Nähe  neben  einander  die  zwei  Hauptseiten  der  prä- 
historischen Entwicklung  vertreten  sind:  reiche 
Pfahlbauten  und  reiche  Höhlen.  Die  Höhlenfunde 
dieser  Gegend  gehören  wesentlich  der  Nordseite 
des  Rheins  und  des  Bodensees  an:  Thayingen  selbst, 
das  auf  dem  Wege  nach  Schaffhausen  am  rechten 
Rheinufer  liegt,  dann  Schussenried  in  Württemberg, 
und  die  Höhlen  des  schwäbischen  Landes,  die  noch 
etwas  weiter  nördlich  liegen.  In  der  Schweiz 
treffen  wir  bei  Schaffhausen  noch  einzelne  ähnliche 
Anknüpfungen,  sowie  weiterhin  einige  zerstreute 
Fundstellen,  bis  an  die  Ufer  des  Genfcrsecs.  Es 
ist  daher  wohl  zu  erwarten,  dass  im  Laufe  der 
Jahre  eine  noch  grössere  Zahl  von  solchen  Wohn- 
stätten wird  aufgedeckt  werden.  Da  diese  alten 
Höhlen  meistentheils  durch  Niederstürzen  von  Fcls- 
stückcn  und  Heruntertreiben  von  Erdmassen  in 
ihren  Mündungen  oder  in  ihrem  Inneren  verschüttet 
worden  sind  und  erst  zufällig  durch  irgend  ein 
kulturhistorisches  oder  Naturercigniss  wieder  er- 
öffnet werden,  so  darf  man  wohl  darauf  rechnen, 
dass  das  nicht  dio  letzten  und  einzigen  Stellen 
dieser  Art  waren.  Indessen,  man  kann  keinen 
Bergbau  auf  Höhlen  treiben;  es  wird  meist  dem 
Zufall  überlassen  werden  müssen,  diese  Sachen 
zu  Tage  zu  fördern,  und  wir  wollen  dankbar  sein, 
dass  wir  so  weit  sind.  Das  schon  jetzt  bekannte 
geographische  Gebiet  der  Höhlen  ist  ein 
ziemlich  weites.  Gehen  wir  von  der  süddeutsch- 
schweizerischen Ilöhlenprovinz  ans,  so  treffen  wir 
im  Westen  erst  ziemlich  weit  von  uns  entfernt,  im 
südwestlichen  Frankreich  die  berühmten  Höhlen 
der  Dordogne,  die  zuerst  durch  die  Herren 
Christie  und  L artet  explorirt  wurden  und  die 
In  Bezug  auf  die  Kenntniss  der  Höhlen  eine  ähn- 
liche Stellung  einnehmen,  wie  die  schweizer  Pfahl- 
bauten in  Bezug  auf  diese  Seite  der  menschlichen 
Entwicklung.  Einen  dritten  Höhlenzweig  stellt  das 
südliche  Belgien  dar.  Dann  folgt  in  Deutschland 
eine  Reihe  von  bewohnten  Höhlen,  welche,  obwohl 
sie  oin er  ähnlichen  Periode  angchörcn,  sonderbarer 
Weise  immer  noch,  namentlich  von  unseren  west- 
lichen Nachbarn,  als  nicht  existent  betrachtet 
werden.  Ich  will  zunächst  daran  erinnern,  dass, 
als  wir  in  Wiesbaden  tagten,  ich  aus  den  Beständen 


des  dortigen  Museums  direct  nachweisen  konnte, 
dass  die  Höhle  von  Steeten  an  der  Lahn  (in 
der  Nähe  von  Ems)  in  der  Renthierzeit  von 
Menschen  benutzt  ward;  spätere  Nachgrabungen, 
welche  Hr.  v.  Cohausen  geleitet  hat,  haben 
in  vollstem  Masse  bewiesen,  dass  es  sich  in  der 
That  um  eine  bewohnte  ltenthierhöhle  handelt. 
Steeten  gehörte  aber  schon  zur  Topfzeit  der  Ren- 
thiermänner.  Dann  kommen  wir  weiter  nördlich 
an  die  westfälischen  Höhlen,  von  denen  all- 
mählich eine  immer  grössere  Zahl  untersucht  und 
festgestellt  worden  ist:  ich  selbst  habe  die  Höhle 
von  Balve  untersucht , Hr.  S c h a a f f h a u s e n ist 
wiederholt  bei  einer  Reihe  von  diesen  Höhlen  be- 
schäftigt gewesen.  Diese  Höhlen  von  Westfalen 
erstrecken  sich  schon  ziemlich  nahe  an  die  Weser; 
sie  reichen  bis  an  die  äussersten  Quellgebiete  der 
Rheinzuflüsse.  Weiter  östlich  kennen  wir  aller- 
dings keine  ganz  sicheren  Renthierhöhlcn  mehr, 
dafür  aber  einzelne  recht  bedeutungsvolle  aus 
anderen  Perioden.  Unter  diesen  ist  eine,  welche 
einer  noch  viel  älteren  Periode,  der  Hyänenzeit,  an- 
gehört: die  Lin  den  t ha  1 erhöhte  bei  Gera  im 
östlichsten  Thüringen.  Dazwischen,  namentlich  im 
Harz,  gibt  es  noch  eine  Reihe  von  Höhlen,  wo 
die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  dem  Höhlen- 
bären nicht  bezweifelt  werden  kann,  aber  bis  jetzt 
sind  sie  im  Ganzen  wenig  explorirt.  Jedenfalls  ist 
man  hier  in  Bezug  auf  die  eigentliche  Renthierzeit  bis 
jetzt  nicht  glücklich  gewesen.  Ich  will  nicht  ver- 
schweigen, dass  wir  an  verschiedenen  Stellen  Nord- 
dentschlands  ältere  Spnren  des  Monschen  haben, 
welche  zum  Tlieil  noch  über  die  Zeit  der 
Höhlen  hinansreichen.  Indess  das  hat  uns  im 
Augenblicke  nicht  so  sehr  zu  beschäftigen.  Es 
lag  mir  nur  daran,  Ihnen  zunächst  zu  zeigen,  dass 
das  Gebiet,  welches  der  Renthierperiode  angehört, 
auch  in  Deutschland  ein  recht  ausgebreitetes  ist 
und  dass  wir  es  namentlich  durch  einen  grossen 
Theil  der  gebirgigen  Abschnitte  unseres  Vaterlandes 
verfolgen  können.  Daraus  folgt  dass  schon  während 
dieser  Periode  in  einer  sehr  grossen  Ausdehnung 
eine  uralte  Bevölkerung  in  unserem  Lande  ge- 
sessen hat. 

Die  Verbreitung  des  Rcnthiers  selbst  können 
wir  viel  weiter  verfolgen.  Ausgezeichnete  Ueber- 
reste  desselben,  nicht  bloss  Geweihstflcke.  sondern 
ganze  Skelette  sind  bis  au  die  Küste  der  Ostsee 
gefunden  worden.  Wir  kennen  sehr  schöne  Funde 
aus  Meklenburg,  Pommern,  Preussen  und  es  kann 
kein  Zweifel  sein , dass  in  allen  diesen  Theilen 
der  norddeutschen  Ebene  das  Renthier  eine  lange 
nnd  weite  Verbreitung  gehabt  hat.  Bis  jetzt  ist 
es  aber  noch  wenig  möglich  gewesen , Anhalts- 
punkte dafür  zn  gewinnen , ob  in  der  nord- 
deutschen Ebene  der  Mensch  mit  dem  Renthiere 
gleichzeitig  existirt  habe.  Meines  Wissens  existirt 
nur  ein  einziges  Beweisstück  dafür  , welches  sich 
in  dem  Museum  von  Neubrandenburg  (Meklenburg- 
Strelitz)  befindet.  Ich  habe  selbst  diesen  Fall  be- 


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schrieben*)'  In  einem  Moor  wurde  ein  52  Ceutim. 
langes  Stflck  von  einem  Rcntliierliom  gefunden, 
weiches  noch  zum  Theil  mit  Haut  überzogen  ist, 
wie  sie  beim  Wachsen  des  neuen  Horns  vorhanden 
ist.  Es  muss  also  dieses  Stück  von  einem  Ren- 
thier  herstammen , welches  gerade  wahrend  der 
Zeit , wo  die  neuen  Hörner  sich  entwickeln  , gc- 
tödtet  worden  ist.  An  diesem  Stück , welches  so 
gut  erhalten  ist,  dass  in  dem  Knochengewebe  noch 
die  Gefässlinien  mit  einer  rothen  Farbe  gesehen 
werden  konnten , zeigen  sich  deutlich  Spuren  von 
Bearbeitung.  Das  ist  meines  Wissens  das  einzige 
Fundstürk,  welches  wir  bis  jetzt  ausder  norddeutschen 
Ebene , vielleicht  überhaupt  aus  der  Ebene  be- 
sitzen , welches  eben  die  Wahrscheinlichkeit  oder 
die  Thatsache  uns  nahe  bringt , dass  der  Mensch 
daselbst  das  Rcnthier  noch  gejagt  oder  vielleicht 
auch  schon  als  Heerdcuthicr  benutzt  hat.  Im 
Wesentlichen  bleibt,  die  Sache  so  liegen,  dass  die 
Renthierbc völkerung  der  Vorzeit  eine 
Bcrgbcvölkerung  und  dem  entsprechend  we- 
sentlich auf  thierischc  Nahrung  angewiesen,  also 
der  Jagd  und  vielleicht  dem  Hirtcnleben 
zugewendet  sein  musste.  Der  Ackerbau  gehört  offen- 
bar in  seineu  wesentlichen  Theilcn  einer  spateren 
Periode  an.  Wir  dürfen  immerhin  das  Leben, 
welches  noch  heutigen  Tags  die  Lappen  führen, 
in  ihren  beiden  Ilauptgruppen  als  Fischlappen  und 
als  Bcrglappen,  als  Vorbild  für  unsere  Vorstel- 
lungen über  das  Leben  jener  alten  Vordeutschen 
festhalten,  welche  zu  der  Zeit  lebten,  als  sich  hier 
die  Gletscher  zurückzogen  und  um  den  See  sich 
allmählich  fruchtbares  Land  einstellte. 

Ich  sprach  soeben  von  einem  Jflgcr-  und  Hir- 
tenvolk. Aber  ich  will  gleich  hinzufügen,  dass  wir 
uns  in  dieser  Beziehung  auch  wieder  wohl  bewusst 
bleiben  müssen,  dass  in  dieser  frühen  Periode  eine 
deutliche  Scheidung  zwischen  den  zwei  Seiten  der 
menschlichen  Entwicklung , welche  der  Zustand 
des  blossen  Jägerlebeus  und  der  Zustand  des  Hir- 
tenlcbens  darbietet,  vorhanden  ist.  Wir  haben, 
wie  das  namentlich  durch  die  Nachweise  von 
Steenstrup  an  den  belgischen  Höhlen  gelungen 
ist,  allerdings  die  Möglichkeit  kennen  gelernt,  dass 
Hausthierc  schon  in  derZeit  der  Rcnthiermenschen 
existirten.  Diese  Frage  ist  noch  weiter  zu  stu- 
iliren.  Im  Wesentlichen  aber  werden  wir  aller- 
dings festhalten  müssen,  dass,  namentlich  in  den 
deutschen  Höhlen,  die  Renthierlente  noch  nicht  in 
deu  Zustand  des  Hirtenlebens  eingetreten  waren, 
sondern  dass  sic  wesentlich  zu  denken  sind  als 
ein  Jäger-  und  vielleicht  an  Stellen,  wo  es  mög- 
lich war,  als  ein  Fischervolk.  Darauf  deutet 
manches  von  ihren  Werkzeugen  hin.  Sie  werden 
namentlich  hier  von  den  Männern  von  Thayingeu 
eine  gewisse  Zahl  von  Werkzeugen  sehen,  welche 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zum  Fischen  gedient 
haben,  Werkzeuge,  welche  die  grösste  Aehnlich- 

')  Verhandlung«  ii  der  Berliner  anthropol  Gesell- 
schaft 1872.  S.  27G.  Zeitschrift  für  Ethnologie.  Bd.  IX. 


keit  darbieten  mit  den  Gerätben , welche  hont  zu 
Tage  noch  die  Grönländer  anwenden,  und  welche 
andererseits  in  vielen  Stücken  mit  dem  flberein- 
stimmeu , was  sich  in  «len  bewohnt  gewesenen 
Höhlen  von  Belgien  und  Frankreich  findet. 

Es  ist  also  eine  sehr  weit  zurückliegende  Zeit, 
mit  der  wir  uns  da  beschäftigt  haben,  und  wenn 
man  diese  Zeit  als  eine  der  Steinzeit  angehörige 
mit  Recht  bezeichnet  hat,  so  denke  ich  doch,  dass 
meine  Auseinandersetzung,  auch  für  diejenigen, 
welche  sich  nicht  anhaltend  mit  diesen  Fragen  be- 
schäftigen, schon  nahe  gelegt  haben  wird,  eine  wie 
grosse  Kluft  zwischen  dieser  Steinzeit  und  der- 
jenigen Steinzeit  ist,  welche  die  Pfahlbauten 
charakterisiren.  Die  Pfahlbauten  gehören  zu  einem 
grossen  Theil  gleichfalls  der  Steinzeit  an,  aber  die 
Steinzeit  der  Pfahlbauten  ist  durch  einen  unend- 
lichen Zeitraum  getrennt  von  der  Steinzeit  der 
Höhlen.  Die  Männer  von  Thayingen  und  Sehussen- 
ried  lebten,  als  vielleicht  noch  ein  grosser  Theil 
dieser  Oberfläche  mit  Gletschereis  bedeckt  war. 
Dagegen  ist  unzweifelhaft  der.  Pfahlbaner  erst  in 
den  See  gezogen,  als  das  Eis  weit  gegen  die  Alpen 
zurückgegangen  war.  Während  in  der  Zeit  der 
Renthierlente  von  Ackerbau  nicht  die  Rede  sein 
kann , so  finden  wir  die  Pfahlbauem  im  vollsten 
Besitze  desselben,  reich  ansgestattet  mit  frucht- 
baren Aeckeni,  deren  Erträge  uns  in  der  mannig- 
faltigsten Gestalt  aus  den  verkohlten  Ueborresten 
des  See-  und  Meergrundes  wieder  entgegentreten. 
Während  wir  die  Wohnsitze  der  Renthierlente  haupt- 
sächlich voii  hier  aus  nördlich  verfolgen  können 
und  gerade  südwärts  gegen  die  Alpen  hin  mit 
Ausnahme  der  Westsehweiz  meines  Wissens  jede 
Kenntniss  alter  bewohnter  Höhlen  fehlt , so  ist 
das  letztere  Gebiet  der  eigentliche  Hauptsitz  der 
Pfahlbauern.  Das  lag  zur  Renthierzeit  wahr- 
scheinlich im  tiefsten  Eis  begraben.  Für  die  Pfahl- 
bauten bildete  lange  Zeit  der  Bodensee  die  nörd- 
lichste um!  östlichste  bekannte  Grenze.  Allerdings, 
mit  dem  Fortschrciten  der  Untersuchung  hat  sich 
diese  Grenze  etwas  weiter  ostwärts  und  nordwärts 
geschoben.  Unser  Freund  Dcsor  hat  schon  vor 
Jahren  den  Nachweis  geliefert,  dass  die  Roseninsel 
im  Stambergcrsee  mit  Pfahlbauten  umgehen  und 
znm  Theil  darauf  errichtet  sei.  Wir  haben  v«*r 
zwei  Jahren  in  München  reiche  Funde  von  da 
kennen  gelernt,  und  die  schöne  Abhandlung  des 
Hm.  v.  Schab  hat  uns  erst  vor  kurzem  die  ganze 
Fülle  derselben  vor  Augen  geführt.  Daran  schlossen 
sich  die  Entdeckungen  von  Pfahlbauten  in  den  öster- 
reichischen Seen.  Jetzt  hat  unser  Freund  Fr  aas, 
wie  er  uns  noch  weiter  mittheilen  wird , eine 
neue  schöne  Moorstelle  bei  Schussenried  , in 
der  ebenfalls  umfangreiche  Pfahlbauten  existiren. 
Ich  kann  im  Allgemeinen  constatiren , dass  diese 
österreichischen,  bayerischen  und  württembergisohen 
Pfahlbauten  allem  Anschein  nach  mit  den  schwei- 
zerischen eine  zusammenhängende  Gruppe  bilden, 
welche  ich  in  Kürze  die  süd liehe  nennen  will. 
Von  da  ab  nordwärts  kennen  wir  keine  Spur  von 


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Pfahlbauten  durch  das  Ranze  mittlere  Deutschland,  graphisch  fixiren.  Es  ist  ein  sehr  grosser  Gewinn 
Die  ersten  tiuden  sieh  erst  wieder  im  Norden  und  diesen  Gewinn  möchte  ich  einigermassen  für 

unsere«  Vaterlandes.  Nun  kann  iuau  freilich  sagen,  die  Erforscher  unserer  nördlichen  Pfahlbauten  in 

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Zeichenerklärung 

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« Thlcrknovhen  * Fundort  von  Sloinartofaklen 


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HE  KARTE 

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(sch,  K.W  Ilauptm-  «.  D. 


81 


Pfahlbauten  durch  das  ganze  mittlere  Deutschland. 
Die  ersten  finden  sich  erst  wieder  im  Norden 
unseres  Vaterlandes.  Nun  kann  man  freilich  sagen, 
es  sei  möglich , dass  die  mitteldeutschen  Pfahl- 
bauten noch  entdeckt  werden;  von  Zeit  zn  Zeit 
hört  man  sogar  in  den  Zeitungen  davon  sprechen. 
Indessen  man  sollte  sich  vergegenwärtigen,  dass 
wenn  eine  Methode  des  Lebens,  wie  sie  ein  Pfahl- 
dorf voraussetzt,  sich  sei  es  fortptlanzen , sei  es 
entwickeln  soll,  es  dazu  einer  gewissen  Summe  von 
günstigen  Bedingungen  bedarf.  Mau  kann  nicht 
in  jeder  Pfütze  ein  Pfahldorf  anlegen,  es  be- 
darf dazu  mindestens  eines  Sees,  wahrscheinlich 
sogar  vieler  und  günstig  gelegener  Secen  und  diese 
besitzt  Mitteldeutschland  nicht.  Es  ist  daher  leicht 
erklärlich,  dass  wir  Pfahlbauten  erst  wieder  auf- 
treten  sehen  in  ausgeprägten  und  charakteristischen 
Formen  im  Norden.  Nach  und  nach  ist  eine  grössere 
Reihe  von  sicheren  Beobachtungen  gemacht  worden, 
welche  es  gestatten , dem  schweizerisch-süd- 
deutschen Gebiet  ein  norddeutsches  gegen- 
überzustellcn.  Wie  ich  aus  ganz  frischer  Anschauung 
niitthcileu  kann,  erstreckt  sich  dasselbe  bis  nach 
Livland.  Ich  bin  eben  erst  vor  wenigen  Wochen 
von  einer  Reise  nach  Livland  zurückgekchrt, 
welche  mit  den  Zweck  hatte , die  Existenz  eines 
Pfahlbaues  in  Livland  zu  constatiren,  welcher  durch 
den  sehr  verdienten  Forscher,  Grafen  Sievers 
aufgefunden  ist,  welcher  aber  überall  in  Russland 
auf  Zweifel  und  Widersprüche  stiess.  Ich  werde 
mir  erlauben,  Ihnen  darüber  in  einer  der  folgenden 
Sitzungen  detaillirte  Mittheilungen  zu  machen. 
Thatsache  ist,  dass  bis  an  die  Ostgrenze  des  let- 
tischen, also  des  indogermanischen  Landes  un- 
zweifelhaft Pfahlbauten  existiren  und  dass  der  öst- 
lichste von  ihnen,  der  im  Arraschsee  jenseits 
Riga  sich  als  eine  vollständige  , auf  einem  Pfahl- 
bau aufgerichtete  Insel  erweist. 

Nun  liegt  cs  auf  der  Hand  und  für  alle  die- 
jenigen , welche  das  stndiren  wollen , ist  das  Ma- 
terial dazu  in  der  bequemsten  Weise  zugänglich, 
dass  innerhalb  dieser  zwei  grossen  Gruppen  wiederum 
Verschiedenheiten  existiren,  welche  grosse  zeitliche 
Differenzen  der  einzelnen  Abteilungen  darthun. 
Es  wäre  überaus  thöricht,  wenn  man  sich  heut  zu 
Tage  noch  mit  der  so  lange  festgehaltenen  Vor- 
stellung tragen  wollte , „Pfahlbau  ist  Pfahlban, 
Pfahlbauzeit  ist  Pfahlbauzeit“  und  wenn  man  glaubte, 
in  dem  Augenblicke,  wo  man  einen  Pfahlbau  constatirt 
hat,  wisse  man  auch  sofort,  wo  er  hiugehört.  Daran 
ist  nicht  zu  denken.  Wir  können  auch  nicht  mehr, 
wie  das  früher  vielfach  geschah  und  noch  geschieht, 
uns  anstellen,  als  hätte  Jemand,  der  einen  Pfahl- 
bau entdeckt,  sofort  die  volle  Berechtigung,  für 
diesen  Pfahlbau  alle  Eigenschaften  und  sonstigen 
Prämissen  in  Anspruch  zu  nehmen,  die  für  andere 
Pfahlbauten  zutreffen : im  Gegentheil . jeder  ein- 
zelne Pfahlbau  muss  für  sich  untersucht  und  ge- 
prüft, er  muss  in  seiner  zeitlichen  und  kulturhisto- 
rischen Bedeutung  tixirt  werden.  Dann  erst  dürfen 
wir  ihn  in  unsere  Klassifikation  einreihen  und  karto- 

Comwp.-B1att  Nro.  9. 


graphisch  fixiren.  Es  ist  ein  sehr  grosser  Gewinn 
und  diesen  Gewinn  möchte  ich  cinigcrmassen  für 
die  Erforscher  unserer  nördlichen  Pfahlbauten  in 
Anspruch  nehmen , dass  man  endlich  begreift, 
man  dürfe  diese  grosse  Pfahlhaukultur  nicht  etwa 
als  eine  einheitliche  betrachten.  Man  muss  sich 
daran  gewöhnen,  dass  die  Pfuhlhaukultur  Europas 
schon  in  alten  Zeiten  so  mannigfaltig  war,  wie  sie 
uoch  heut  zu  Tage  mannigfaltig  ist  in  Afrika, 
Asien,  Polynesien.  Die  Construction  eines  Neger- 
Pfahldorfes  in  Centralafrika  darf  mau  nicht  als 
massgebend  betrachten  für  ein  Negerdorf  an  der 
Küste  von  Neuguinea  oder  für  ein  Flusspfahldorf 
in  Hinterindien.  An  allen  diesen  Orten  gibt  es 
Pfahlbauten,  aber  sie  haben  unter  sich  keinen  un- 
mittelbaren Zusammenhang  und  wir  dürfen  nicht 
etwa  die  Bevölkerung,  welche  auf  dem  einen  wohnt, 
ohne  weiteres  als  Verwandte  der  Pfahlbaueru  eines 
anderen  Gebietes  ansehen.  Ganz  verschiedene 
Völker,  ethnologisch,  zeitlich  und  kulturhistorisch 
weit  aus  einander  stehende  Rassen  haben  auf  die- 
selbe Weise  ihre  Wohnungen  eingerichtet. 

Es  ist  eine  ganz  andere  Frage,  warum  man 
das  gethan  hat.  Wir,  die  wir  die  Frage  in  natur- 
wissenschaftlichem Sinne  behandeln , wir  fragen 
nicht  von  Anfang  an  nach  dem  „Warum“.  Wir 
Naturforscher  haben  gelernt,  dass  die  vorzeitig 
gestellte  Frage  des  Warum  uus  zu  leicht  auf  falsche 
Wege  führt.  Le  pourquoi  du  pourquoi,  wie  Leib- 
nitz sagte,  als  seine  Freundin,  die  Königin  von 
Preussen  ihn  immer  wieder  fragte,  dieses  pourquoi 
du  pourquoi  ist  keine  naturwissenschaftliche  Frage. 
Wir  fragen  das  Ding,  was  cs  ist,  nicht  warum 
es  ist.  Und  so  fragen  wir  auch  beim  Pfahlbau 
nicht  in  erster  Linie,  warum  haben  die  Menschen 
das  so  gemacht.  Die  Menschen  sind  sonderbare 
Kerle;  sie  machen  allerlei  Dinge,  und  wenn  man 
sie  fragt . warum  , so  wissen  sie  es  selbst  nicht 
immer.  Ob  mau  irn  Stande  gewesen  wäre,  aus 
einem  alten  Pfahlbaueru,  wenn  man  ihn  hätte  vor 
Gericht  ziehen  können,  durch  irgend  ein  Verfahren 
zu  ermitteln , weshalb  er  seinen  Pfahlbau  gemacht 
habe,  darüber  bin  ich  sehr  im  Zweifel,  ln  der  Timt, 
cs  gibt  hent  zu  Tage  nicht  wenige  wilde  Stämme, 
die  permanent  auf  Pfahlbauten  wohnen,  und  hei 
denen  es  auch  nicht  aus  ihrer  eigenen  Kenntniss 
ermittelt  werden  kann,  warum  sie  eigentlich  diese 
Methode  angenommen  haben.  Es  ist  ungewöhnlich 
selten,  dass  der  einzelne  Mensch  sich  klar  wird,  w arum 
er  gerade  gewisse  Methoden  der  äusseren  Existenz 
festhält,  die  ihm  überliefert  sind.  Man  muss  auf 
wer  weiss  welche  urülteste  Zeit  zurflekgehei» , um 
dieses  pourquoi  zu  finden,  und  wir  thun  gut,  wenn 
wir  uns  nicht  zu  sehr  damit  beunruhigen,  warum 
die  Leute  das  gethan  haben;  halten  wir  zunächst 
mir  fest,  dass  sie  es  gethan  haben,  und  stellen 
wir  fest , unter  welchen  Umständen  sie  so  gelebt 
und  so  sich  verhalten  haben.  Für  mich  wenigstens 
ist  es  ein  persönlich  sehr  grosser  Gewinu  in  meiner 
Vorstellung  von  den  Pfahlbauten  gewesen,  als  ich 
sagen  konnte,  ich  habe  vorläufig  eine  befriedigende 

3 


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Erweiterung  meiner  Kenntnis*  iler  prähistorischen 
Pfahlbauten  von  Mitteleuropa  gewonnen,  indem  ich 
die  zwei  genannten  grossen  Gebiete  sicher  fest- 
stelleu  kann.  Ich  will  gleich  hinzufügen.  dass  es 
historisch  ein  drittes  Gebiet  in  Europa  gibt,  das 
uns  leider  bis  jetzt  noch  verschlossen  ist.  Es  ist 
das  jene  alte  Stelle  in  Tbracieu,  die  vielleicht  bald 
durch  die  Kriegführung  erreicht  werdet»  wird,  von 
der  uns  Herodot  berichtet,  dass  am  prasischen  See 
die  Leute  seiner  Zeit  noch  ein  Pfahldorf  unter- 
hielten, welches,  wie  cs  scheint,  eine  ungewöhnliche 
Grösse  hatte.  Ich  habe  ferner  die  Frage  schon 
früher  angeregt , ob  nicht , abgesehen  von  den 
Pfahlbauten  der  norditalienischen  Seen  and  von 
den  Terramaren  der  Aemilia  gewisse  italienische 
StAdte  ursprünglich  auf  Pfahlbauboden  lagen.  Bei 
Venedig  ist  die  Frage  sehr  naheliegend;  wir  halten 
indessen  noch  viel  näher  liegende  Orte,  wenn  wir 
sie  historisch  betrachten.  Ravenna  und  Adria.  Von 
Ravenna  besitzen  wir  den  Bericht  von  Strabo, 
welcher  eine  Schilderung  liefert,  die  wir  eigentlich 
auf  nichts  anders  als  auf  eine  Pfahlstadt  beziehen 
können  Wir  haben  daher  noch  ein  zweites  süd- 
liches Gebiet  znzulassen.  Endlich  kommen  im 
Norden  die  Pfahlbauten  Irlands.  Indessen  für  uns 
Deutsche,  die  wir  hier  vertreten  sind,  wird  es 
wesentlich  and  wichtig  sein,  unsere  zwei  grossen  Ge- 
biete zu  fixiren;  sie  werden  auch  für  uusere  prä- 
historische Karte  ein  besonderes  Interesse  dar- 
bieten. Weiter  nördlich,  soviel  Sorge  man  darauf 
verwendet  hat,  so  genaue  Beobachter  unsere  scan- 
diuavischen  Freunde  sind , ist  bis  jetzt  noch  gar 
nichts  von  Pfahlbauten  gefunden  worden.  Schon 
auf  der  cimbrisclien  Halbinsel  fehlt  bis  jetzt  jeder 
sichere  Nachweis.  Ein  paar  zweifelhafte  Stellen 
sind  angeführt  worden,  aber  kein  sicherer  Nach- 
weis. In  ganz  Dünemark,  Schweden,  Finnland  gibt 
es  keine  Stelle,  wo  bis  jetzt  eine  ausgemachte 
Pfahlbaustelle  bezeichnet  werden  könnte. 

Ich  möchte  mich  heute  bei  dieser  Erörterung 
nicht  zu  lange  aufhalten : ich  will  nur  das  eine  noch 
constatiren,  dass  ich  nach  der  Kenntniss  der  nörd- 
lichen Pfahlbauten,  welche  ich  aus  vielfacher  eigener 
Untersuchung  und  Prüfung  der  vorhandenen  Funde, 
die  ich  noch  in  den  letzten  Wochen  erweitert,  habe, 
besitze,  jeden  Zusammenhang  zwischen 
unseren  nördlichen  Pfahl  kanten  und 
diesen  südlichen  in  Abrede  stellen  muss. 
Itf  der  ersten  Aufregung  der  Pfablbaubewcgung  ist 
es  allerdings  geschehen,  dass  von  zwei  verschiedenen 
Stellen  bei  uns  Berichte  hinausgegangen  sind,  welche 
die  Meinung  erweckten,  als  wenn  gewissennassen 
eine  Identität  «1er  Pfahlbauten  irn  Norden  und  Süden 
existire.  Zwei  unserer  verdientesten  AJterthums- 
forscher  haben  dazu  beigetragen,  dieser  Meinung 
ein«'  Art  von  Unterlage  zu  geben.  Der  verstorbene 
Hagenow,  einer  der  besten  Untersuchcr  und 
vielleicht  der  vortrefflichste  Sammler,  den  wir  in 
Pommern  gehabt  haben,  ein  Mann,  der  namentlich 
«lie  Insel  Rügen  und  Vorpommern  zun»  Gegenstände 
langjähriger  Untersuchungen  gemacht  hatte,  wurde 


noch  in  den  letzten  Tagen  seines  Lebens,  als  er 
selbst  schon  durch  den  Verlust  seines  Augenlichtes 
ausser  Stande  war,  die  Prüfung  der  Gegenstände 
mit  Sorgfalt  vorzunehmen,  durch  gewisse  Funde 
getauscht,  welche  in  «ler  Nahe  von  Greifswald,  im 
Ryk,  einem  breiten  und  trägen  Fluss,  «ler  sich  dort 
in  die  Ostsee  ergiesst,  gemacht  wurden.  Man  fand 
eine  Masse  von  Dingen,  die  allerdings  in  dem 
ftasseren  Zusammenhänge,  in  dem  sic  sich  darst eilten, 
und  einfach  durch  Tasten  Hagenow 's  verglichen, 
als  zusammengehörig  erschienen.  Man  fand  zwischen 
Balken  und  Pfählen  zahlreiche  Thierknochen  und 
gelegentlich  Sudngeräthe.  Allein  es  ist  im  höchsten 
Grade  zweifelhaft,  man  kann  wohl  sagen,  es  ist 
kaum  wahrscheinlich,  dass  diese  Dinge  wirklich 
zusaminengehörten;  alle  genauem  Prüfungen  sprechen 
dagegen.  Dann  kam  unser  sehr  verdienter  Freund 
Lisch  in  Schwerin  mit  den»  viel  besprochenen 
Pfahlbau  von  Wismar,  der  so  wichtig«*  Ergebnisse 
lieferte,  dass  es  schien,  als  sei  die  Identität  der 
meklenburgischen  und  «ler  schweizerischen  Pfahl- 
bauten unzweifelhaft.  Es  passirtc  dabei  leider  ein 
Unglück,  wie  es  so  oft  die  ersten  Wege  der  neuen 
Wissenschaft  bezeichnet.  Es  stellte  sich  heraus, 
dass  Fälschungen  der  allerschlimmsten  Art  statt- 
gefunden hatten;  es  ergab  sich,  dass  gerade  der 
Manu,  den  Hr.  Lisch  für  besonders  zuverlässig 
gehalten,  dem  er  die  Ueberwachung  der  Ausgrabungen 
übertragen  hatte,  eine  Menge  von  Gegenständen 
aus  «len  verschiedensten  Theilen  Mcklenburgs  zu- 
siinimeuschleppte  und  aus  Museum  ablieferte  unter 
der  Firma  «Wismarer  Pfahlbau-.  Dadurch  kan» 
eine  Verwirrung  in  die  Sammlung,  die  allerdings 
unser  Freund  Lisch  durch  Prüfung  der  einzelnen 
Objecte  nach  archäologischen  Kriterien  zu  lösen 
versucht  hat.  Indessen  in  einer  Zeit,  wo  es  sich 
nicht  «lamm  handelt,  auf  dem  Grunde  einer  fest- 
gestellten  Kenntniss  die  einzelnen  Dinge  zu  klassiti- 
eiren,  sondern  wo  umgekehrt  erst  «Kenntnisse  zu 
sammeln  sind,  ist  es  eine  bedenklich«;  Aufgabe, 
nachdem  Fälschungen  nicht  durch  Nachbildung, 
sonden»  Fälschungen  durch  Zusammcnschlcppen  von 
Objecten  aus  andern  Orten  stattgefunden  haben, 
diese  Dinge  wieder  aus  einander  zu  bringen.  Teil 
bedauere  es  von  ganzem  Herzen,  namentlich  gegen- 
über «len  zum  Theil  ausgezeichnet  schönen  Stücken, 
die  unter  der  Firma  „Wismarer  Pfahlbau“  sich  im 
Schweriner  Museum  betinden.  dass  diese  Fälschung 
vorgekommen  ist.  Der  Fälscher  ist  vor  Gericht 
verurtheilt  wegen  anderer  Dinge  und  ins  Zuchthaus 
gesteckt  worden,  aber  «las  Verhältnis  des  Pfahl- 
baues ist  nicht  aufgeklärt.  Obwohl  die  Existenz 
desselben  nicht  zweifelhaft  erscheint,  so  können 
wir  doch  nichts  damit  machen,  ihn  für  unsere  Be- 
trachtungen nicht  gebrauchen.  Vielleicht  tröstet 
es  Manchen,  zu  hören,  «lass  das  Fälschen  nicht  bloss 
in  Süddeutschland  vorkommt  und  dass  Schwierig- 
keiten. wie  die,  welche  sich  hier  ergeben  haben 
mul  die  uns  noch  beschäftigen  werden,  auch  im 
Norden  die  ersten  Schritte  der  neuen  Forschungen 
begleitet  haben. 


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83 


Wir  halten  nun  seit  jener  Zeit  die  Sache  ver- 
folgt und  es  lmt  sich  kein  zweiter  Pfahlbau  mehr 
im  Norden  gefunden,  der  mit  dem  Pfahlbau  von 
Wismar  verglichen  werden  könnte,  keiner,  der  in 
diesem  Sinne  etwa  als  parallele  Erscheinung  für 
die  schweizerischen  betrachtet  werden  könnte.  Im 
üegentheil,  alle  Pfahlbauten,  die  wir  nachher  ge- 
funden haben,  obwohl  sie  keineswegs  sämmtlich  nls 
identisch  bezeichnet  werden  können,  haben  sich  als 
einer  viel  spätem  Periode  angehörig  erwiesen.  Wir 
kennen  in  diesem  Augenblicke  keinen  Pfahlbau  der 
nördlichen  Oruppet  welcher  der  Steinzeit  angehört. 
A Ile  Pfahlbauten  der  nördlichen  Gruppe 
•erweisen  sich  als  jüngere  nnd  zwar  grossen- 
theils  als  so  jung,  dass  wir  sie  noch  bis  an  die.  histo- 
rische Zeit  heran  verfolgen,  ja  dass  wir  einzelne 
derselben  noch  in  Beziehung  bringen  können  zn  ein- 
zelnen Ueberlieferungen,  welche  uns  die  Schriftsteller 
des  12.  und  18.  Jahrhunderts  bringen.  Insofern 
stehen  sie  in  gewisser  Beziehung  parallel  dem.  was 
die  thrazischen  Pfahlbauten  für  Ilerodot  und  die 
italienischen  für  Strabo  waren. 

Ich  möchte  daher,  soweit  meine  Kenntnis* 
reicht,  noch  einmal  betonen,  dass  die  Groppe  der 
Pfahlbauten  in  der  Schweiz  und  in  Süddeutschland 
für  sich  zu  behandeln  ist.  Ich  trenne  sie  nicht 
von  den  Pfahlbauten  in  Norditalien  und  Savoyen, 
indess  spreche  ich  von  diesen  nicht,  so  wenig  wie  von 
den  östlichen  Beziehungen;  das  kann  ich  Hm. 
Grafen  Wurmbrand  überlassen,  der  ein  genauer 
Kenner  der  österreichischen  Seedörfer  ist.  Ich 
verfolge  in  diesem  Augenblick  nur  das  uns  hier  zu- 
nächst berührende  Gebiet,  und  ich  betone,  dass 
auch  dieses  Gebiet  zuerst  für  sich,  abgesondert, 
erörtert  werden  sollte.  Innerhalb  dieses  Gebietes 
ist  nun  bekanntlich  sehr  frühzeitig  jene  merkwür- 
dige Scheidung  hervorgetreten,  welche  die  Schweiz 
schon  in  dieser  Vorzeit  in  zwei  ganz  differente 
Hälften  zerlegt,  der  Art.  dass  schon  in  der  Stein- 
zeit die  Schweiz  unter  einem  ähnlichen  Bilde  sich 
«larstellt,  wie  heutigen  Tages  in  ihrem  mehr 
deutschen  nnd  in  ihrem  mehr  französischen  Theile. 
Die  östliche  Schweiz  ist  der  Steinzeit,  die  westliche 
mehr  der  Bronzezeit  zugewendet.  Während  wir 
in  der  Westschweiz  zahlreiche  Pfahlbauten  der 
Bronzezeit  antreffen,  und  zwar  allmählich  übergehend 
in  die  jüngere  Eisenzeit,  ja  während  wir  auf  den  Pfahl- 
bauten der  jüngeren  Eisenzeit  nach  und  nach  sich  die 
römische  Kultur  etabliren  sehen,  wenigstens  an 
einzelnen  Stellen,  so  fehlt  bis  jetzt  in  der  Ost- 
schweiz durchweg  die  Bronze  und  wir  treffen  die 
reine  Steinperiode.  Dass  in  einem  See,  der  anch 
in  späteren  Zeiten  befahren  worden  ist.  wo  nament- 
lich in  der  Nähe  des  l'fers  vielfach  gefischt  worden 
ist,  dass  da  auch  späterhin  allerlei  Dinge  in  die 
Tiefe  gelangen  können,  dass  man  gelegentlich  ein- 
mal ein  kleines  Stück,  das  einer  ganz  späten 
Zeit  angehört,  daraus  hervorholt,  liegt  sehr  nahe. 
Indessen  wenn  Sie  hente  in  den  Bosgarten  gehen 
und  sich  einmal  die  unendlich  reichen  Pfahlbnu- 
srhfltze  ansehen  werden,  welche  der  Bodensee.  der 


Zellersee  (Untersee)  und  die  nächst  anstossenden 
Gegenden  geliefert  haben , so  werden  Sie  sich 
überzeugen:  da  ist  Stein  und  wieder  Stein  und 
etwas  Bein,  aber  es  ist  keine  Bronze  und  kein 
Eisen  da.  Die  paar  Stücke,  welche  sich  gelegent- 
lich finden,  erscheinen  so  sehr  als  zufällig  Hinzu- 
gekommenes, als  Aecesssorisches,  dass  ich  nicht 
glaube,  es  wird  Jemand  daraus  irgendwelche 
Schlüsse  machen  wollen.  Im  Grossen  nnd  Ganzen 
gehört  der  Bodensee  der  Ostschwe'z  an. 

Ich  weiss  nicht,  ob  ich  unserem  Herrn  Ge- 
schäftsführer etwas  vorgreife,  der  Ihnen  wahr- 
scheinlich auch  darüber  Mittheilungen  machen 
wird.  Indess  unsere  Gesichtspunkte  sind  doch 
wohl  nicht  so  unmittelbar  zusammentreffend.  Mir, 
von  dem  Standpunkte  des  Fremden  aus,  ist  es  zu- 
nächst darum  zu  thun.  Ihnen  einige  geographische 
Verhältnisse  atiseinamlerztilegen,  welche  dem  Ein- 
heimischen gewöhnlich  ferner  liegen.  Der  Ein- 
heimische stellt  sich  unwillkürlich  vor,  als  oh  die 
anderen  Leute  auch  wüssten,  wo  die  Orte  liegen, 
von  denen  er  spricht.  Es  erwachsen  dadurch  oft 
grosse  Schwierigkeiten,  die  ein  fremder  Interpret 
etwas  bequemer  löst.  Ich  will  daher  hervorheben, 
dass  «las  Hauptfeld  für  die  (’onstanzer  Funde  nn- 
mittelhar  an  der  Stadt  war,  da  gerade,  wo  vielleicht 
ein  Theil  von  Ihnen  mit  dem  Dampfschiff  gelandet, 
ist.  In  der  Gegend,  wo  jetzt  der  Hafen  ist,  lag 
ein  alter  Vorsprung,  die  Hauenegg.  von  welcher 
aus  sich  der  Pfahlbau  südlich  nach  der  schweize- 
rischen Seite  hin  erstreckte.  Dort  ist  eine  solche 
Unmasse  von  Steinsachen,  namentlich  von  Stein- 
waffen gehoben  worden,  dass,  wenn  man  das  im 
Museum  zusammen  sieht,  es  den  Eindruck  macht, 
als  ob  man  in  ein  altes  Zeughaus  hineinkäme. 
Im  Uebrigen  ist  «ler  eigentliche  Bodensee  Im 
strengsten  Sinne  des  Wortes  nicht  reich  an  be- 
kannten Pfahlstätten : dagegen  jene  grosse  nord- 
westliche Bucht,  welche  unter  dem  Namen  des 
Ueberlinger  Sees  bekannt  ist,  trägt  eine  grosse 
Menge  von  Pfahlbauten.  Sie  ist  mehr  geschützt, 
abg«?legen  nnd  wir  werden,  wenn  uns  die  Sonne 
günstig  bleibt,  wahrscheinlich  eine  sehr  schöne 
Fahrt  in  diesen  Sec  haben.  Unser  Herr  Geschäfts- 
führer hat  gerade  zu  den  Pfahlbaustellen  des 
Ueberlinger  Sees  eine  unserer  Expeditionen  arran- 
girt.  Ungemein  reich  ist  dann  der  Zeller-  oder 
Untersee,  der  in  der  Richtung  nach  Schaffhausen 
dem  Abflüsse  des  Rheins  dient  und  in  dein  die 
Insel  Reichenau  liegt ; «lie  Insel  seihst,  sowie  «las 
badische  nnd  schweizerische  Ufer  waren  mit  Pfahl- 
stationen umsäumt.  Das  ist  unser  Gebiet,  welches 
«ler  zweite  Ilauptgcgcnstand  unserer  Forschungen 
sein  wird. 

Diese  Pfahlbauten  gehörten  wesentlich  der- 
jenigen Zeit  an.  welche  man  neuerlich  von  der 
älteren  Steinzeit  Unterschieden  hat,  indem  man  diese 
die  paläolithische,  die  andere  die  neolithische  o«ler 
neue  Steinzeit  genannt  hat.  Was  Sie  hier  fin- 
den. das  ist  die  neue  Steinzeit  und  zwar 
dieZeit  des  sogenannten  polirten  Steins. 


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84 


1 


V 


Dieser  geschliffene  Stein  bildet  die  Grandlage 
aller  hiesigen  Kunde;  fast  stimmt  liehe  Waffen  sind 
Schliffstücke. 

ln  dieser  Beziehung  möchte  ich  noch  darauf 
bitweisen,  dass  es  sich  hier  um  eine  ungemein 
interessante  Frage  handelt.  In  der  Literatur  er- 
scheint die  neollthiscbe  Zeit  in  der  Regel  als  eine 
einheitliche  Periode;  es  sieht  so  aus.  als  wäre  das 
eine  bestimmte  Zeit,  die  etwa  so  wie  das  Mittel- 
alter  nufgefasst  werden  könnte.  Indess  Jedem,  der 
eine  umfangreichere  Kenntniss  der  prähistorischen 
Alterthümer  hat,  wird  sofort,  wenn  er  die  hiesigen 
Sammlungen  oder  die  Züricher  Sammlung  besucht 
und  wenn  er  dagegen  die  Sammlungen  von  Kopen- 
hagen oder  Kiel,  von  Schwerin  oder  Berlin  in  seine 
Krinnerung  ruft,  eine  grosse  Differenz  entgegen- 
treten. Der  geschliffene  Stein  dee  Nordens,  von 
dem  aus  wir  hauptsächlich  unsere  Aufstellungen 
machen,  ist  der  Feuerst  ein,  der  Silex  poli. 
Dagegen  hier  zu  Lande  ist  der  geschliffene  Stein 
überwiegend  Serpentin,  Diorit,  Grünstein 
oder  irgend  eine  von  den  sonstigen 
festen  gemischten  Felsarten,  die  durchaus 
nichts  mit  dem  Feuerstein  und  den  ihm  analogen  Ge- 
steinen zn  thun  haben.  DerStein  der ltenthier- 
mensehen  ist  allerdings  durchweg  der 
Feuerstein,  aber  das  ist  der  silex  taill£, 
der  geschlagene  Stein,  der  noch  keine 
andere  Bearbeitung  als  die  rohere  der  unmittel- 
baren Finzelangriffe  erfahren  hat.  Er  reprftsentirt 
eine  Kulturform,  die  sich  weit  und  breit  durch  die 
Menschheit  verfolgen  lässt  und  deren  Producta 
je  nach  der  Natur  des  lokalen  Materials  an  einzelnen 
Stellen  aus  Feuerstein,  an  anderen  aus  Obsidian,  an 
anderen  aus  Hornstein  oder  Jaspis  hergestellt  werden. 
Geschlagener  Feuerstein  findet  sieh  freilich  auch 
noch  in  Pfahlbanten;  allein  das  Vorkoni m en  ein- 
zelner, n am  ent  lieh  kleiner  Stücke  hat  gar 
keine  Bedeutung  für  die  chronologische 
Klassifikation.  Einzelne  Stücke  von  ge- 
schlagenem Feuerstein  findet  man  auch  noch  in  den 
Gräbern  der  Franken;  die  sind  den  Leuten  im  S. 
und  9.  Jahrhundert  noch  ins  Grab  gelegt  worden.  Ja 
man  kann  sagen,  der  geschlagene  Feuerstein  findet 
sich  noch  viel  später.  So  lange  als  die  l.eute 
Feuer  aus  Feuerstein  schlugen  und  Feuerstein- 
gewehre gebraucht  wurden,  um  andere  Menschen 
todt  zu  srhicssen,  so  lange  ist  auch  der  Silex 
taille  vorhanden.  Ich  sehe  eben  Hm.  Dr.  M eh  Hs, 
mit  «lein  gemeinsam  ich  erst  vor  wenigen  Wochen 
iu  einem  Museum  einen  solchen  Silex  taillö  der 
Feuerst eingew eh rzeit  fand,  der  unter  Geräthen  der 
paläolitliischen  Zeit  aufgestellt  war.  und  zwar  in 
einer  Gegend,  wo  eine  grosse  Armuth  an  sonstigen 
paläolithischen  Gerätlien  existirt.  Es  kann  also 
pussiren.  dass  von  einem  ulten  Feuersteingewehr 
ein  solches  „paläolithisehes*  Stück  abgetrennt, 
weggeworfen  und  später  von  einem  eifrigen  Sammler 
aufgelesen  wird.  Man  muss  sieh  die  Sachen  schon 
etwas  genau  Ansehen.  Andrerseits  muss  mau  sich 
vergegenwärtigen,  dass  der  Feuerstein  von  jedem 


Schäfcrjnngen  noch  heutigen  Tages  geschlagen  wird 
überall  da,  wo  überhaupt  Feuersteine  auf  dem  Felde 
zerstreut  sind,  und  dass  man  daher  recht  aufpassen 
muss,  dass  man  nicht  die  Sachen  zusammen  wirft. 
Indessen  ist  darüber  kein  Zweifel,  dass  gute  ge- 
schlagene Feuersteine  noch  in  diesen  Pfahlbauten 
Vorkommen.  Allein  fast  alles,  was  Sie  hier  aus 
Feuerstein  finden,  sind  relativ  kleine  Sachen. 
Jene  grossen  Beile,  jene  zum  Theil  kolossalen 
Stücke,  die  wir  in  Skandinavien  finden  and  die 
nicht  selten  auch  noch  bei  uns  in  Rügen.  Pommern 
und  Meklonbnrg  Vorkommen . hie  and  da  noch 
etwas  südlicher,  diese  fehlen  hier  gänzlich.  Wenn 
daher  Jemand,  der  die  grossen  polirten  Feuer- 
steingeräthe  des  Nordens  kennt,  sich  vorstellt, 
dass  das  dieselbe  Periode  wäre,  wie  diejenige, 
welche  hier  in  den  jKilirten  Diuriten  und  Serpentinen 
hervortritt,  der  würde  sich  arg  täuschen.  Ich  muss 
dringend  darauf  aufmerksam  machen,  dass  in  dieser 
Beziehung  eine  vollkommene  Differenz  besteht. 

Ja,  meine  Herren,  diese  Differenz  ist  so  gross, 
dass  ich  einen  anderen  Punkt  noch  hesondes  be- 
tonen muss,  für  den  ich  durch  meine  letzte  Reise 
noch  ganz  besondere  Anhaltspunkte  gewonnen  habe. 
Die  Art  des  polirten  Steins  nämlich , welche  Sie 
hier  finden,  setzt  sich  ganz  ungemein  weit  in  eine 
späte  Periode  der  menschlichen  Entwicklung  fort. 
Die  überwiegende  Menge  der  hiesigen  Stein- 
gerftthe  ist  einfach  polirt,  aber  nicht  gebohrt. 
Allein  Sie  finden  in  allen  diesen  Pfahl  baustationeil 
auch  eine  nicht  unbeträchtliche  Zahl  von  Gerütheu, 
welche  gebohrt  sind.  Es  ist  das  jene  Bohrung, 
die  so  viel  Kopfzerbrechen  gemacht  hat,  von  der 
die  Einen  gemeint  haben,  dass  Metall  dabei  ange- 
wendet worden  sei,  während  Andere  andere  Dinge 
annahmen,  und  von  der  Graf  Wu  rm  bra  n d durch 
seine  Versuche  gezeigt  hat.  dass  sie  auch  durch 
Knochen  hergestellt  werden  kann.  Sie  werden 
hier  sehr  schöne  Stücke  finden , wo  die  Bohrung 
noch  nicht  vollendet  ist.  wo  erst  die  Ansätze , an 
denen  der  Bohrer  umhergeführt  worden  ist,  einge- 
ritzt sind,  und  wo  man  sich  überzeugen  kann,  dass 
die  Bohrung  mitten  durch  dicke  Steinstücke  hin- 
durch in  der  Weise  hergestellt  wurde,  dass  man 
den  Bohrer  kreisförmig  um  einen  Mittelpunkt  be- 
wegte und  dass  in  der  Mitte  des  Bohrloches  ein 
Zapfen  stehen  blich.  Solcher  Stücke,  wo  dieser 
centrale  Zapfen  noch  fcstsizt,  wo  das  Loch  nur 
zum  Theil  durchgebohrt  ist,  wo  rings  um  deu 
Zapfen  eine  tiefe  Rinne  eiugeschnitten  ist,  gibt  es 
sehr  zahlreiche.  Was  mich  neulich  erst  bei  einem 
Besuche  desZürichcr  Museums  besonders  frappirt  hat, 
war  das,  dass  man  in  den  Pfahlbanten  solche  ausge- 
bohrte Zapfen  seihst  trefiinden  hat,  mögen  sic  nun 
als  Spccimina  der  vollendeten  Bohrung  irgendwo 
aufbewahrt  oder  einfach  ins  Wasser  geworfen 
worden  sein.  Es  sind  das  insofern  sehr  werth- 
volle Stücke,  als  wir  nicht  bloss  die  Technik  daran 
heurtheilen  können,  sondern  als  sie  uns  auch  den 
sichersten  Beweis  dafür  liefern,  dass  die  Bohrung 
iu  loco  ausgeffthrt  wurde  uud  dass  nicht  etwa 


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85 


Importartikel  vorliegen.  Sieht  man  doch,  das«,  die 
Bohrung  durch  irgendein  Ereigniss  unterbrochen 
wurden  ist.  Wir  finden  die  Werkstücke  da,  wo  sie 
der  Werkmeister  wahrend  der  Arbeit  verlassen  hat. 

Gerade  diese  Art  von  SteingerAt.hen,  diese 
Steinbeile,  theils  undurebbohrt,  theils  durchbohrt, 
theils  angebohrt,  finden  sich  in  der  grössten  Ver- 
breitung durch  alle  möglichen  LandestheUe  und  ich 
kann  jetzt  constatiren,  dass  sie  in  continnirlicher 
Verbreitung  durch  ganz  Norddeutschland  bis  an  die 
östliche  Grenze  von  Livland  Vorkommen.  Auch  bei  uns 
in  Norddeutschland  findet  man  zahlreich  diese  un- 
vollendeten Stücke.  Es  gibt  wenig  grössere  Samm- 
lungen, in  denen  nicht  einzelne  solche  Stöcke 
existiren.  Aber  ungewöhnlich  selten  sind  die  aus- 
gebohrten Zapfen.  Als  zum  erstenmal  auf  unserer 
ersten  Versammlung  in  Schwerin  der  jetzt  ver- 
storbene Dr.  Schultheis  zwei  solche  Bohrzapfen, 
die  er  aus  niedersächsischen  Gräbern  entnommen 
hatte,  vorzeigte,  äusserte  sich  eine  allgemeine  Ueber- 
raschung.  Ich  kenne  auch  sehr  wenige  Sammlungen 
Deutschlands,  in  denen  man  überhaupt  solche  Bohr- 
zapfen besitzt.  Sie  können  daher  mein  Erstaunen 
begreifen,  als  ich  jetzt  in  das  Museum  in  Riga  kam 
und  da  eine  Anzahl  solcher  Bohrzapfen  vorfand; 
als  ich  dann  genauer  naehsah,  so  ergab  sich,  dass 
die  Bohrzapfen  und  die  mit  ihnen  zusammenhängenden 
Stcinhämmer  ans  einer  ganz  bestimmten  Gruppe 
von  Gräbern  herkamen.  Diese  Gräber  sind  ganz 
scharf  charakterisirt ; es  sind  diejenigen,  welche 
der  verstorbene  Bähr  unter  dem  Namen  Liven- 
grftber  bezeichnet  hat  und  die  schon  von  Kruse 
in  seinen  Nekroiivonica  in  ausgezeichneter  Be- 
schreibungveröffentlicht wurden.  Ich  werde  vielleicht 
noch  Gelegenheit  haben , über  diese  Inländischen 
Funde  zu  sprechen,  die  ein  ungemein  grosses 
Interesse  darbieten.  Ich  will  nur  hier  für  diesen 
Fall  hervorheben,  dass  ein  Theil  der  Gräber  in 
Livland,  welche  diese  Bohrzapfen  enthalten  und  in 
denen  die  entsprechenden  Hämmer  gefunden  worden, 
durch  Münzen  charakterisiii  sind  und  dass  diese 
Münzen  ergehen,  dass  es  Gräber  sind,  die  zum 
Theil  bis  in  das  12.  und  13.  Jahrhundert  hinein- 
reichen  und  die  einen  Zeitraum  ungefähr  vom 
8.  — 13.  Jahrhundert  nach  Christas  umfassen.  Es 
kann  meiner  Meinung  nach  kein  Zweifel  sein,  dass 
diese  Art  von  Steiugeräth,  die  man  gegenwärtig 
gewöhnlich  als  die  Producte  der  neolithischen  Zeit, 
der  Zeit  des  polirteu  Steins  beschreibt,  in  Livland 
nicht  bloss  in  regelmässigem  Gebrauche,  sondern 
in  Fabrikation  geblieben  sind  bis  um  die  Zeit,  wo 
das  Christcnthum  daselbst  einge führt  worden  ist. 
Ich  betone  dies,  meine  Herren,  weil  mir  Beispiele 
aus  neuerer  Zeit  vorliegen,  an  denen  man  sich 
überzeugen  kann,  wie  sehr  man  sich  hüten  muss, 
nach  dem  blossen  Eindruck,  ja  sogar  nach  manchen 
als  sehr  gut  bekannten  Merkmalen  sofort  chrono- 
logische Schlüsse  zu  ziehen.  Ebensosehr  möchte 
ich  aber  auch  warnen,  dass  man  die  Schlussfolgerung 
nicht  umkehrt.  Man  könnte  sagen : wenn  in  Liv- 
land diese  Dinge  im  9. — 11.  Jahrhundert  fabricirt 


wurden  und  im  Gebrauche  waren,  warum  sollen  sie 
nicht  auch  an  den  anderen  Orten,  wo  man  sie  jetzt 
findet,  bis  zu  einer  solchen  Zeit  im  Gebrauche 
gewesen  sein.  Nein,  meine  Herren,  wir  können 
dieses  Verallgemeinern  einer  Beobachtung  ebenso- 
wenig zulassen,  wie  das  Beschränken  in  der  Zeit. 
Der  menschliche  Geist  ist  eben  ein  unberechenbares 
Ding.  Gewisse  Gerüthe,  welche  scheinbar  nur  der 
Urzeit  angehören,  erhalten  sich  im  Gebrauche,  wie 
die  Sitten  der  Menschen  bis  tief  in  spätere  Perioden 
ihrer  Entwicklung  hinein,  und  umgekehrt  wieder 
sehen  wir,  dass  unter  gewissen  besonders  günstigen 
Umständen  gewisse  Fortschritte  frühzeitiger  zu 
Stande  kommen,  schneller  sieh  entwickeln,  ausge- 
dehnter sich  zeigen,  als  wir  es  sonst  erwarten  dürfen. 

Ich  hatte  eigentlich  die  Absicht,  noch  einige 
andere  Punkte  zu  berühren,  aber  ich  fühle,  dass 
ich  Ihre  Geduld  etwas  missbrauche  um!  ich  will 
mich  nur  noch  entschuldigen , dass  ich  diese  Be- 
trachtungen angeregt  habe.  Ich  dachte,  es  sei 
vielleicht  für  Sie  von  Interesse,  sich  vorzubereiten 
auf  die  Untersuchung  jener  merkwürdigen  Stücke 
der  hiesigen  Sammlung,  welche  in  dem  letzten  Jahre 
Gegenstand  einer  für  mich  so  betrübenden  Differenz 
zwischen  einein  unserer  besten  deutschen  Forscher 
und  dem  bewährtesten  schweizerischen  Forscher 
geworden  sind.  Ich  meine  jene  gravirten 
und  skulpirten  Stücke  der  Höhle  von 
Thayingen.  welche  Sie  gleich  nachher  werden 
ansehen  können.  Es  ist  Ihnen  bekannt  , dass 
schon  in  Frankreich,  später  in  Belgien  und  auch 
an  einzelnen  Orten  in  England  aus  jenen  ur- 
alten Höhlen  gewisse  Stücke  aus  Horn,  Elfenbein 
und  Knochen  gefunden  wurden,  welche  nicht  bloss 
Zeugnis»  einer  höheren  Kunstfertigkeit , sondern 
auch  eines  ganz  entwickelten  Kunstsinnes  ablegten. 
Schon  die  französischen  Funde,  welche  hauptsächlich 
aus  den  Höhlen  der  Dordogne  herstamuien,  haben 
zahlreiche  Opposition  gefunden  und  nicht  wenige  der 
besten  Forscher  haben  immer  den  Zweifel  festge- 
halten, oh  das  wirklich  Artefacte  jener  Zeit  oder  nicht 
vielmehr  Fälschungen  seien.  Dieses  Kapitel  der  Fäl- 
schungen hat  sich  nun  iu  einer  sehr  unangenehmen 
Weise  gerade  an  die  Thayiuger  Funde  und  an  das 
uns  hier  zunächst  vorliegende  Material  angeknüpft, 
und  das  hiesige  Museum  ist  nicht  wenig  an  der 
Entscheidung  dieser  Frage  interessirt,  da,  wie  Sie 
sehen  werden,  ein  ungewöhnlich  grosser  Schatz  gerade 
solcher  Objecte  hier  vereinigt  ist.  Das  Coustanzer 
Museum  ist  im  Besitze  von  Stücken,  welche  ihres 
Gleichen  in  keinem  deutschen  und  ich  glaube  auch 
in  keinem  schweizerischen  Museum  haben , und 
welche  in  der  That  als  die  allermerkwürdigsten 
Objecte  der  Disenssion  unterworfen  werden  müssen. 
Unser  Freund  Lindensehmit  hat  uns  im  vorigen 
Jahre  in  Jena  die  ersten  Nachweise  geliefert,  dass 
zw  ei  der  Gegenstände , welche  aus  der  Höhle 
von  Thayingen  publicirt  waren  , gerade  sehr  auf- 
fällige, grobe  Fälschungen  waren.  Es  ist  gegen- 
wärtig Niemand  mehr,  der  Über  diese  Gegen- 
stände einen  Zweifel  hätte;  die  Nachweise  sind  «o 


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HG 


sicher,  dass  über  diese  Vorfrage  keine  weitere 
Debatte  stattzufinden  hat.  Die  beiden  Stöcke,  welche 
sich  gegenwärtig  im  britischen  Museum  befinden  und 
welche  von  Hrn.  Franks  als  Speriminn  bewusster 
Fälschung  angekauft  worden  sind,  um  der  Nach- 
welt als  Zeugnisse,  wie  man  fälscht,  aufbewahrt  zu 
werden,  sind  preisgegeben.  Es  ist  selbstverständlich, 
dass,  nachdem  für  zwei  Stücke  ein  solcher  Beweis 
geliefert  war,  sich  auch  an  die  übrigen  ein  schwerer 
Verdacht  heftete.  Für  Jemanden,  der  weit  von 
den  Dingen  absteht,  kann  sich  ein  solcher  Ver- 
dacht leicht  in  solcher  Weise  verstärken,  dass  die 
ganze  Gruppe  dadurch  unsicher  gemacht  wird. 
Wir,  meine  Herren,  sind  mit  dazu  berufen,  uns 
ein  Urtheil  zu  bilden  über  die  Authentiritflt  oder 
Kicht-Authenticität  der  Stücke,  die  hier  vorhanden 
sind.  ITeherzeugen  wir  uns,  dass  sie  echt  sind,  dass 
sie  wirklich  A rief  acte  der  Renthiermflnner  sind, 
dann  wird  damit  der  Beweis  geliefert  für  jene 
Erscheinung,  auf  die  ich  vorhin  liinwies,  dass  nemlicb 
in  einer  gewissen  Zeit  menschlicher  Entwicklung 
eine  einzelne  Seite  der  geistigen  Fähigkeiten  sich 
so  hervorragend  entwickeln  kann,  dass  sic  eine 
Vollkommenheit  erreicht , welche  unverständlich 
erscheint  für  jeden,  der  gewohnt  ist,  die  verschiedenen 
geistigen  Fähigkeiten  sich  in  einer  gewissen  Gleich- 
förmigkeit aushildcn  zuselten.  Ist  cs  möglich  gewesen, 
dass  ein  Kentliicrmann  solche  Zeichnungen  entwarf, 
wie  Sie  sie  hier  sehen  werden,  dass  er  diese  Skulp- 
turen machte  zu  einer  Zeit,  wo  man  noch  kein 
Kochgeschirre  hatte,  wo  man  noch  nicht  im  Stande 
war,  das  gewöhnlichste  Material,  was  am  leichtesten 
zu  handhaben  ist,  den  plastischen  Thon  zum  Gegen- 
stände menschlicher  Kunstfertigkeit  zu  machen, 
konnte  man  damals  in  hartes  Horn  mit  einem  Stein 
graviron,  konnte  man  in  einer  Zeit,  wo  man  noch  kein 
Metall  hatte,  wo  man  nur  auf  scharfe  Steinsplitter  ange- 
wiesen war,  mit  diesen  Splittern  harte  Renthier- 
hörner  so  bearbeiten,  dass  man  diese  Feinheit  der 
Zeichnung,  diese,  wie  selbst  gute  Zeichner  aner- 
kennen. zum  Theil  überraschende  (’orreetheit  der 
Zeichnung  erzielte,  so,  sehen  Sie  wohl,  ist  ein 
ungemein  paradoxes  Phänomen  des  menschlichen 
Geistes  damit  dargelegt.  Es  erscheint  unerhört, 
dass  ein  Jägervolk,  welches  in  seinen  sonstigen 
Gewohnheiten  die  allerrohesten  und  wildesten  Eigen- 
schaften darhieten  musste,  das  in  seiner  häuslichen 
Ausstattung  erst  die  allergeringsten  Eroberungen  ge- 
macht hatte,  Zeit,  Müsse  und  Neigung  fand,  lieh  der 
Kunst  hinzugehen,  und  diese  Kunst  so  sehr  zu  ent- 
wickeln, dass  es  in  der  Genauigkeit  der  Zeichnung,  in 
der  Conception  der  Entwürfe,  in  der  Ausführung  des 
Details  eine  Höhe  und  Vollkommenheit  der  Befähigung 
erreichte,  welche  noch  heutigen  Tags  sehr  schwer 
anzuerziehen  ist . welche  wir  in  unseren  Schulen 
selten  erreichen,  welche  die  heutige  Jugend  nur 
ausnahmsweise  erzielt.  Das  ist  die  Sache.  Würde 
sich  dagegen  hcrausst eilen,  dass  wir  diese  Ueber- 
zeugung  nicht  gewinnen  können,  so  würde  damit 
auf  die  ganze  Frage  auch  der  französischen,  belgischen 
und  englischen  Skulptur  ein  neuer  Zweifel  sich  legen, 


und  diejenigen,  welche  schon  früher  geneigt  waren, 
diese  Dinge  nicht  anzuerkennen,  würden  unzweifel- 
haft sofort  die  ganze  Frage  aus  der  Erörterung 
der  menschlichen  Kulturgeschichte  streichen.  Wir 
stehen  ulso  hier  an  dein  interessantesten  Punkte, 
wo  eine  an  sich  rein  archäologische  Frage  sich 
zugleich  erhebt  zu  einer  Frage  von  höchstem 
psychologischem  Interesse,  eine  Frage,  die  zugleich 
die  schmerzliche  Empfindung  erregt,  dass  — wenn 
wirklich  die  Thatsache  anerkannt  werden  müsste, 
dass  ein  Volk  aus  eigener  Kraft  sich  zu  einer 
solchen  Höhe  der  Befähigung  entwickelt  hat  — eine 
solche  Errungenschaft  für  die  Menschheit  absolut 
wieder  verloreu  geht  und  dass  sie  erst  nach  einem 
Zeitraum,  der  vielleicht  10  Tausende  und  mehr  von 
Jahren  zählt , wieder  aufgefunden  wird.  Denn, 
wenn  die  Renthiermensehen  diese  Dingo  gemacht 
haben,  so  war  die  Befähigung  der  Menschen  schon 
zur  Zeit,  als  dieses  Land  noch  zum  grösseren  Theil 
vergletschert  war,  in  einer  bestimmten,  wenn  auch 
immerhin  beschränkten  Richtung  — einer  auf  das 
Ideelle  gewendeten  Richtung  — so  hoch  ausgebildet, 
«lass  wir  sehr  froh  sein  könnten,  wenn  wir  heut  zu 
Tage  auch  nur  die  Mehrzahl  unserer  Kinder  so  weit 
zu  erziehen  vermöchten,  dass  sie  Aehnliches  zu 
machen  im  Stande  wären;  dann  müssten  wir  uns 
sagen,  es  kann  Vorkommen,  dass  in  dieser  Welt 
eine  ganze  Kulturepoche  spurlos  und  fruchtlos  für 
die  Gesammt -Entwicklung  zu  Gninde  geht,  dass 
nichts  darauf  fortbaut,  nichts  daran  sich  anschliesst, 
dass  das  alles  eben  begraben  wird,  so  dass  es  dem 
Zufall  anheimgegeben  ist,  ob  hie  und  da  ein  kümmer- 
liches Ueherrestchen  davon  einer  späteren  Zeit  sich 
wieder  ersehliesst.  Ein  ungemein  schmerzlicher 
Gedanke,  denn  unsere  Hoffnung  in  dieser  Welt  ist 
auf  den  Fortschritt  in  der  Continuität  gerichtet, 
und  pin  Phänomen  dieser  Art,  welches  eine  so  lange 
und  grosse  Discontiuuität  darlegen  würde,  welches 
zeigte , dass  erst  nach  einem  unmessbar  hingen 
Zeiträume  die  Menschheit  von  neuem  anfangen 
kann,  um  das  schon  Gewonnene  wiederum  zu  er- 
reichen, — eine  solche  Erfahrung  würde  in  harter 
Weise  für  diejenigen  zu  verwerthen  nein,  welche 
nun  einmal  in  der  Geschichte  der  menschlichen 
Gesellschaft  überhaupt  nichts  weiter  als  einen  Kreis- 
lauf von  sich  wiederholenden  und  an  sich  unnützen 
Ereignissen  sehen. 

Ich  habe,  meine  Herren,  um  für  Sie  und  für 
Andere  die  Untersuchung  dieser  Gegenstände  zn 
erleichtern,  unseren  Hrn.  Geschäftsführer  ersucht, 
an  Stelle  der  sehr  unvollständigen  Abbildungen, 
welche  die  gewöhnliche  Zeichnung,  die  Lithogra- 
phie und  der  Kupferstich  darhieten,  die  Photo- 
graphie zu  setzen.  Es  sind  von  den  Thayinger 
Funden  sowohl  in  den  Verhandlungen  der  Züricher 
antiquarischen  Gesellschaft  als  auch  in  dem  be- 
sonderen Werk,  welches  Mr.  Lee  vor  einiger  Zeit 
publicirt  hat,  für  alle  Welt  zugängliche  Abbildungen 
dieser  gravirten  und  skulpirten  Stücke  geliefert 
worden;  aber  für  alle  diejenigen  von  Ihnen,  welche 
sieh  ernsthafter  mit  diesen  Gegenständen  heschäf- 


' UjOOQ 


87 


tigen  wollen,  wird  es  leicht  sein,  sich  zu  über- 
zeugen , dass  diese  Abbildungen  doch  nicht  be- 
fähigen, auf  Grund  derselben  eine  Discussiou  zu 
führen.  Das  berühmte  weidende  Renthicr , das 
sog.  Schwein,  die  verschiedenen  Pferde  siud  so  un- 
vollständig abgebildet,  der  Zeichner  bringt  so  viel 
individuelle  Auffassung  da  hinein,  dass  es  ganz  un- 
möglich ist  für  Jemanden , der  nicht  selbst  das 
Stück  in  der  Hand  hat,  auf  Grund  solcher  Abbil- 
dungen sich  ein  Urtheil  zu  bilden  oder  eine  Ent- 
scheidung zu  treffen.  Es  liegen  selion  zwei  solcher 
Blätter  von  den  Hauptobjecten  vor;  sie  sind  von 
einem  hiesigen  Photographen  in  den  letzten  Tagen 
angefertigt  worden.  Da  werden  sie  auch  verviel- 
fältigt werden  können , damit  die  sich  dafür  in- 
teressirenden  Herren  noch  hier  sich  diese  Blätter 
erwerben  können.  Wir  werden  später,  wie  ich 
denke,  unserem  diesjährigen  Berichte  diese  Blätter 
in  Lichtdruck  beigeben,  so  dass  damit  ein  urkund- 
liches Material  für  diejenigen,  welche  nicht  aus 
eigener  Anschauung  an  dieser  Untersuchung  Theil 
nehmen  können,  gewonnen  werden  wird.  Dadurch 
allein,  dass  wir  diese  Frage  ernstlich  in  Angriff 
nehmen  wollen,  erhebt  sich  diese  Versammlung  in 
Bezug  auf  ihre  Wichtigkeit  über  viele  der  vorauf- 
gegangenen, und  ich  bitte  Sie  daher,  dass  Sie  hei 
Ihren  weiteren  Betrachtungen  sich  gerade  diese 
grosse  Bedeutung , welche  unsere  diesjährige  Ver- 
sammlung für  die  gesummte  Entwicklung  unserer 
Wissenschaft  haben  kann , vergegenwärtigen  und 
dass  wir  mit  dem  ganzen  Ernst , welchen  diese 
Frage  erfordert,  uus  an  die  weitere  Erörterung 
derselben  machen. 


Hr.  Kolliuuim:  Hochverehrte  Versammlung! 

Der  Herr  Geschäftsführer  Deiner  hat  uns  mit  einer 
phantasievollen  Ansprache  begrüsst  (cfr.  S.  67) 
um!  freundliche  Bilder  vor  unseren  Geist  gerufen. 

Ich  bedauere,  heim  Beginn  meiner  Mittheilungen 
Sie  an  die  ernste  Seite  des  Lebens  erinnern  zu 
müssen.  Wir  haben  unmittelbar  vor  Schluss  des 
Sommers  unsern  früheren  Generalsekretär  Hm.  v. 
Frantzius,  der  in  der  letzten  Zeit  in  Freiburg 
lebte,  verloren.  Die  Erinnerung  an  diesen  Mann 
ist  in  dem  weiten  Kreise  der  deutschen  anthropo- 
logischen Gesellschaft  eine  ganz  besonders  warme 
und  lebendige;  bei  mir  aber  ist  sie  es  in  einem 
ganz  besonderem  Masse,  weil  ich  als  Nachfolger 
im  Amte  erfahren,  wie  sehr  er  bis  zum  Schlüsse 
seines  Lebens  sich  dem  Vereine  mit  vollem  luter- 
esse zugewendet  hatte.  Diese  Thcilnahme  war 
für  mich  um  so  wcrthvoller,  als  die  Arbeit  eines 
Sekretärs  der  Gesellschaft  oft  erhebliche  Schwie- 
rigkeiten «larbietet , und  mir  in  allen  wichtigen 
Fragen  sein  wohlwollender  Rath  zu  Theil  ward. 
Wenn  ich  seinem  Andenken  liier  ein  paar 
Worte  widme . so  geschieht  cs  im  Gefühl  der 
Dankbarkeit  für  meinen  Genossen  im  Amte  und 
meinen  älteren  Freund,  der  mir  während  dieser 
Zeit  der  Geschäftsführung  in  der  freundlichsten 


Weise  zur  Seite  stand,  und  geschieht  iu  Anerkennung 
seiner  fruchtbringenden  literarischen  Thätigkeit. 

Die  eingehende  Rede  unseres  verehrten  Hin. 
Vorsitzenden  erlaubt  es , den  Bericht  über  die 
Thätigkeit  des  Vereins  kurz  zu  fassen.  Zunächst 
sei  au  die  bemerkeuswerthe  Thatsache  erinnert, 
dass  wieder  eiu  Zweigverein  unserer  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  begonnen  hat,  selb- 
ständige Berichte  zu  veröffentlichen,  nemlich  die 
Münchener  anthropologische  Gesellschaft.  Sic 
werden  heute  Nachmittag  Gelegenheit  haben,  den 
ersten  Band,  der  unter  dem  Titel  «Beiträge  zur 
Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns*  (München, 
Lit.-art.  Anstalt)  erscheint,  und  mit  zahlreichen 
Tafeln  ausgestattet  ist,  an  sich  vorübergelien  zu 
lassen.  Regelmässige  Berichte  über  die  Sitzungen 
liegen  noch  von  mehreren  Zweigvereinen  vor  und 
Sie  kennen  wohl  alle  die  werthvollen  Berichte, 
welche  «1er  Berl i n er  Verein  veröffentlicht  und  die 
einen  wesentlichen  Theil  der  Zeitschrift  für  Ethnologie 
(Berlin,  Wiegand,  Heinpel  u.  Parey)  ausmachen. 
Erinnern  wir  uns  ferner,  dass  das  Uorrespondenzblatt 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft,  das 
monatlich  erscheint,  und  «las  Archiv  für  Anthropo- 
logie wissenschaftliche  Beiträge  veröffentlichen,  so 
lässt  sich  nicht  bestreiten,  «lass  die  Zahl  dieser 
Organe  eine  Bürgschaft  ist  für  die  stcigemle  Arbeit 
und  «las  steigende  Interesse  innerhalb  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft.  Unter  den  Materien, 
die  ich  einer  besonders  vielseitigen  Bearbeitung 
erfreuten , ist  es  vor  allem  die  Bronze  gewesen. 
Der  Hr.  Vorsitzende  hat  ferner  hervorgehoben,  wie 
die  Artefacte  aus  den  frühesten  prähistorischen 
Zeiten  nicht  minder  die  Aufmerksamkeit  auf  sich 
gezogen,  und  endlich  sind  eine  Menge  Unter- 
suchungen hervorzuheben,  welche  die  craniologischen 
Fragen  gefördert  haben.  Was  speciell  die  Bronze 
betrifft,  so  nenne  ich  den  Artikel  von  H ostmann 
zur  Tecknik  der  antiken  Bronzeindustrie,  die  Be- 
merkungen Li ndensch mi t’s  in  dem  unmittel- 
bar vorhergehenden  Jahrgänge  des  Archivs  für 
Anthro]K)logie,  ferner  in  diesem  Jahr  die  Arbeiten 
von  II ost mann  zur  Kritik  der  Kulturperioden  und 
endlich  die  Verhandlungen  der  Berliner  anthropo- 
logischen Gesellschaft  über  diesen  Gegenstand, 
worin  namentlich  der  Herr  Vorsitzende  über  die 
Klassifikation  der  Metallzeit  sieb  in  einer  Weise 
ausgesprochen  hat,  so  «lass,  wie  ich  glaube,  eine 
Grundlage  gefunden  ist,  auf  der  sich  die  wider- 
strebenden Anschauungen  zum  Theil  wenigstens 
vereinigen  können. 

Durch  die  craniologischen  Arbeiten  ist  nament- 
lich die  Untersuchung  der  deutschen  Gebiete  ge- 
fördert. worden.  Für  den  Norden  kommt  das 
Werk  des  Hin.  Virchow  in  Betracht  .die  Bei- 
träge zur  physischen  Anthropologie  der  Deutschen 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Friesen“,  und 
im  Süden  sind  die  Arbeiten  der  Münchener  anthro- 
pologischen Gesellschaft  darauf  gerichtet  gewesen, 
die  bayerische  Bevölkerung  von  einst  und  jetzt 
genauer  zu  untersuchen. 


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In  den  Auseinandersetzungen  des  Corre- 
spondenzblattes  und  des  Archivs  sind  wiederholt 
Bestrebungen  laut  geworden,  ein  gemeinsames 
rraniologisches  Verfahren  an  zu  bahnen.  Es  ist 

vielleicht  zu  hoffen,  dass  im  J.aufe  dieser  Ver- 
handlungen diese  Angelegenheit  etwas  weiter  ge- 
fördert wird.  Es  scheint  wenigstens,  als  sei  durch 
die  schriftliche  Erörterung  diese  Frage  so  weit  ge- 
diehen. um  jetzt  an  die  definitive  Feststellung  des 
betreffenden  Verfahrens  zu  gehen. 

Ich  begnflge  mich  mit  diesen  kurzen  Be- 
merkungen Ober  die  geistige  Arbeit  innerhalb  des 
V ereins. 

.lene  Herren,  welche  den  besonderen  Commis- 
sionen vorstehen,  Ober  die  statistischen  Erhebungen 
bezüglich  der  Farbe  der  Augen,  der  Haare  und  der 
Haut,  daun  über  die  Anfertigung  der  prähistorischen 
Karten  und  filier  die  Herstellung  eines  Kataloges 
des  in  Deutschland  vorhandenen  anthropologischen 
Materiales  werden  noch  weitere  Beweise  dafür 
beibringen.  dass  innerhalb  der  deutschen  anthropo- 
logischen Gesellschaft  die  wissenschaftlichen  Be- 
strebungen nicht  zurück  st  eben  hinter  denen,  die  wir 
in  den  entsprechenden  Gesellschaften  Frankreichs, 
Italiens  und  Englands  mit  so  regem  Wetteifer 
auftret en  sehen. 


II.  Nachmittagssitz.ung. 

llr.  Virchow:  Ich  habe  Ihnen  einige  Vorlagen 
zu  machen,  llr.  Medicinalrath  Dr.  Riecke  hat 
im  Anschlüsse  an  die  im  Vorjahre  zu  Jena  statt- 
gefundenen  Verhandlungen  eine  Schrift  «zur  Ab- 
wehr*" verfasst  und  hierher  geschickt,  die  später 
vcrtheilt  werden  wird.  Dann  haben  wir  eine  Reihe 
von  Zusendungen  bekommen , die  wir  spater  aus- 
legen und  circuliren  lassen  werden.  Das  eine  ist 
der  erste  Band  „Beitrüge  zur  Anthro]M»logie  und 
Urgeschichte  Bayerns“,  der  von  der  Münchener 
Anthropologischen  Gesellschaft  ausgegeben  ist,  ein 
Band,  ausgezeichnet  durch  die  Reichhaltigkeit  seiner 
Miulicilungen  und  die  Zahl  von  wichtigen  original- 
arbeiten. Hr. Prof.  Dr.  Johannes  Ranke  hat  eine 
besondere  Schrift  „Beitrüge  zur  physischen  An- 
thropologie Bayerns“  überreicht.  Sodann  sind  ein 
paar  Hefte  Sitzungsberichte  der  Alterthumsgesell- 
schaft  Prussia  in  Königsberg  in  Preussen  einge- 
gangen; einige  Hefte  von  dem  Bullcttino  di  Palct- 
nologia  italiana,  ein  sehr  empfehlenswert!) es  Werk, 
sodann  einige  Hefte  von  den : Svenska  Fonnninnes- 
foreningens  Tidskrift,  einer  Zeitschrift,  welche  von 
dem  Vorstande  der  dortigen  Alterthiunsgesellschaft 
herausgegeben  wird.  Ausserdem  ist  eine  Anzahl 
von  Exemplaren  von  der  letzten  Entgegnung  des 
Hrn.  Lindenachmit  auf  die  von  der  „ Antiqua- 
rischen Gesellschaft“  in  Zürich  herausgegebene 
öffentliche  Erklärung  von  Müller  über  die 
Tliayinger  Fülschuugen  zur  Yertheilung  eingelaufen. 


Endlich  ist  von  Posten o bl e in  Jena  das  erste 
Exemplar  des  Buchs  von  Sophus  Müller:  die 
nordische  Bronzezeit , in  einer  Uebersetzung  von 
Früulein  Mestorf  eingelaufeu.  Es  ist  das  eine 
Arbeit , welche  gerade  für  Deutschland  in  der 
schwebenden  Controverso  über  die  Bronzefrage  von 
nicht  unerheblicher  Bedeutung  sein  wird. 

Wir  gehen  zur  Tagesordnung  über:  „Bericht 
der  Commissionen“,  und  ich  ersuche  Hrn.  Fraas, 
für  die  kartographische  Commission  Bericht  er- 
statten zu  wollen. 

Hr.  Fraaa:  Ich  schicke  voraus,  dass  cs  etwas 
langweilig  werden  wird  . was  ich  Ihnen  zu  sagen 
habe;  denn  es  sind  lediglich  nur  Nachrichten  dar- 
über, aus  welchen  Gegenden  Deutschlands  für  die 
prähistorische  Karte,  welche  unsere  Gesellschaft  zu 
machen  beschlossen  hat.  Beitrüge  eingegangen  sind. 
Jedenfalls  sind  seit  der  Jenaer  Versammlung  so 
viele  Mittheilungen  gekommen , dass  wir  schon 
klarer  sehen  als  im  Vorjahre,  dass  wir  namentlich 
auch  wissen,  wie  das  Resuni6  gezogen  werden  rnnss, 
in  welcher  Art  und  Weise  die  Darstellung  der 
Karte  selbst  nach  den  eingegaugeuen  Beiträgen 
und  Aufnahmen  vor  sich  gehen  kann.  Was  die 
verschiedenen  Landesgegenden  betrifft . so  haben 
wir  jetzt  aus  folgenden  Theilen  unseres  Vater- 
landes theils  fertige,  theils  noch  in  Arbeit  begriffene 
Beiträge , welche  ich  alphabetisch  geordnet  habe. 
In  Anhalt  hat  Hr.  Sanitätsrath  Fränkel  von 
Remburg  die  Aufnahme  seiner  Provinz  vollendet 
und  eingesendet.  Ebenso  hat  Baden  durch  die 
Freundlichkeit  des  Hrn.  Hofraths  Ecker  die  Auf- 
gabe gelöst.  Bayern  hat,  wie  Sie  sich  aus  dem 
Vorjahre  erinnern  werden,  beschlossen,  selbständig 
seine  Karte  zu  machen  . d.  h.  nicht  etwa  unab- 
hängig von  der  Redaction  der  deutschen  prähisto- 
rischen Karte,  sondern  in  ähnlicher  Weise,  wie  es 
mit  den  Aufnahmen  für  die  Schulstatistik  voran- 
gegangen ist , so  auch  selbständig  vorzugehen  mit 
dem  Entwürfe  einer  Karte.  Hr.  Prof.  Ohle  li- 
sch lag  er  ist  der  bayerische  Kurtologe ; neben 
ihm  sammeln  die  Hrn.  Sand  berge r und  En- 
gelhardt Beiträge.  Im  Laufe  der  nächsten  Zeit 
werden  wir  zusainmentreten  und  gemeinsam  weiter 
operiren.  Für  Brandenburg  hat  Hr.  Ernst 
Friedei  in  Berlin  die  Aufgabe  übernommen.  Hr. 
Neb ring  aus  Wolfenbüttel  und  Hr.  Blasius 
haben  für  Brannschweig  übernommen  , Hr. 
Dr.  Gustav  Laube  für  Böhmen,  Hr.  J. 
P i n d e r in  C asscl  die  Provinz  Hessen  über- 
nommen , Frhr.  v.  U e x k ü 1 1 hat  Coburg  über- 
nommen und  ausgeffthrt.  Hr.  Dr.  Wibel  hat 
Hamburg  ausgeführt.  Hr,  Studienrath  Müller 
in  Hannover  hat  Hannover  Übernommen;  neben 
ihm  hat  Hr.  Trimpe  ans  Talge  bei  Bersen- 
brück seine  Umgebung  anfgenommen.  Für  das 
Grossherzogthnm  Hessen  exirtirt  eine  alt.c  Karte 
und  Arbeit  von  Dr.  Ph.  A.  Walther,  ebenso 
haben  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg  und 
Hr.  Dr.  Pin  der  Beiträge  zugesagt.  Für  Hol- 


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land  hat  schon  vor  drei  Jahren  Ur.  Dr.  Har- 
togh  zur  Uebernahine  sich  bereit  erklärt;  ich  habe 
aber  noch  nichts  in  Händen.  Für  Holstein  hat 
Hr.  Stabsarzt  Friedrich  Lühe  in  Plön  seine 
Provinz  in  2 Blättern  aasgearbeitet  und  einge- 
sendet. Ebenso  hat  Hr.  Dührsen,  Oberamts- 
richter in  Mölle , Lauenburg  vollendet.  Für 
Lothringen  hat  sich  der  kaiserliche  Friedens- 
richter in  Metz,  Ilr.  Grünwald,  bereit  er- 
klärt, wie  für  Mcklcnburg  Hr.  Geh.  Archivrath 
Lisch  in  Schwerin.  Für  Nassau  wollte  Hr. 
v.  Cohausen  die  Aufnahme  besorgen,  ist  aber 
bis  jetzt  noch  nicht  dazu  gekommen.  Nieder- 
österreich dagegen  ist  vonHr.Dr.  Much  in  Wien 
vollständig  ausgeführt  und  eingesendet  worden.  Be- 
dauerlich ist  dabei,  dass  die  Reymannschcn  Atlaa- 
blätter  für  Oesterreich  noch  nicht  existiren,  son- 
dern dass  Hr. Much  mit  einem  anderen  beliebigen 
Kartenblatte  von  R.  A.  Schulz  zu  arbeiten  sich 
genöthigt  sah.  Für  Oldenburg  hat  Frhr.  v. 
Alten  das  rechte  Weserufer  übernommen.  Ost- 
preussen  hat  Hr.  Tischler  in  Königsberg 
übernommen  and  ist , wie  ich  höre , mit  grosser 
Energie  daran  gegangen.  Polen  wird  llr.  Dr. 
Josef  v.  Lcpkowski  in  Krakau  behandeln. 
Pommern  hat  Hr.  Geh.  Rath  Yirchow  und  Hr. 
Dr.  Voss  in  Berlin  übernommen,  Posen  Hr.  Gym- 
nasialdircctor  W.  Schwartz  in  Posen , Rhein- 
hessen Ilr.  Dr.  C.  L i n d e n s e h m i t , die  R h e i n- 
pfalz  Hr.  Dr.  Mehlis;  wie  ich  heute  von  ihm 
persönlich  höre  , hat  er  einen  grossen  Theil 
bereits  fertig,  ebenso  hat  Hr.  E.  Ilagen  seine 
Beiträge  geliefert  und  Hr.  Prof.  Schmitz  in  Saar- 
brücken. Eben  hier  existiren  ausserdem  seit  längerer 
Zelt  selbständige  ethnographische  und  archäolo- 
gische Mittheilungen  des  historisch  - antiquarischen 
Vereins  für  die  Städte  Saarbrücken , St.  Johann 
und  Umgegend.  Kheinpreussen  mit  West- 
phalen  hatten  Hr.  Geh.  Rath  v.  Dechen  und 
Hr.  Hofrath  Essellen  in  Hamm  übernommen  and 
ausgeführt.  Der  Letztere  namentlich  hat  längst 
eine  vollständige  Arbeit  über  Westphaleu  fertig 
und  zur  Verfügung  gestellt.  Säehsen  wurde  von 
Hm.  Major  Oskar  Schuster  übernommen  und 
grösstentheils  vollendet.  Die  Provinz  Sachsen 
hat  Ilr.  Oberst  Bor  ries  von  Weissenfels  über- 
nommen. Schlesien  wurde  von  Hm.  Job  an  ne s 
Zimm ermann  aus  Striegau  in  einer  Weise  aas- 
geführt, dass  ich  noch  besonders  auf  diese  bis  jetzt 
vollendetste  und  ausgezeichnetste  Arbeit , die  wir 
in  Händen  haben,  zurückkommen  werde.  Für  die 
Schweiz  hatte  sich  Hr.  Rütimeyer  in  Basel 
bereit  erklärt,  indess  erschien,  wie  Sic  wissen,  die 
archäologische  Karte  der  Ostschweiz , bearbeitet 
von  Ferdinand  Keller  in  Zürich , wodurch 
weitere  Arbeiten  überflüssig  geworden  sind.  Für 
Thüringen  arbeitet  Hr.  Prof.  Klopfleisch  von 
Jena.  Westfalen  ist , wie  schon  bemerkt,  von 
Hm.  Hofrath  Esselen  in  Hamm  bearbeitet. 
Westpreussen  wurde  schon  vor  2 Jahren  von 
Hm.  Dr.  Li  s sauer  in  Danzig  fertig  gestellt,  so  dass 

Cum«p.-BlaU  Xrv.  9. 


die  Karte  nur  noch  etwaiger  Nachträge  bedarf. 
Endlich  ist  Württemberg  und  Zollern  theils 
durch  die  vorhandene  Karte  des  Hrn.  Finanzraths 
Paulus,  theils  dnreh  Beiträge  des  Hrn.  Regel- 
rnann  in  Stuttgart,  Hm.  Hahn  in  Reutlingen, 
Hrn.  Baron  v.  Mayen  fisch  in  Sigmaringen 
u.  A.  so  weit  vorgerückt,  dass  die  Notizen  in  dio 
Keyniann'sche  Karte  eingetragen  werden  konnten. 

Im  vorigen  Jahre  hatten  wir  in  Aussicht  ge- 
nommen , die  verschiedenen  Beiträge  in  die  carte 
blanche  von  Dechen 's  geoguostischer  Karte  von 
Deutschland  einzutragen  und  somit  der  prähisto- 
rischen Karte  den  Massstab  von  1 : 1400000  zu 
Grande  zu  legen.  Ich  habe  nun  den  Versuch  ge- 
macht und  sämmtliche  Einträge  auf  diese  Karte  ein- 
gezeichnet, allein  bald  ward  mir  klar,  dass  der  Mass- 
stab weitaus  zu  klein  und  dass  es  durchaus  un- 
möglich ist,  die  verschiedenen  Einträge  liier  über- 
sichtlich niederzulegen.  Die  Commission  für  die 
Karte  wird  sich  aus  meinen  Vorlagen  überzeugen, 
dass  es  unthunlich  ist,  eine  Karte  von  diesem  Mass- 
stab zu  Grande  zu  legen.  Wesentlich  gefördert 
wurde,  wie  schon  gesagt , dio  Arbeit  durch  Hm. 
Zimmermann  in  Striegau.  Kr  hat  ncmlich,  nach- 
dem er  sich  mit  mir  über  die  Zeichen  vereinbart 
hatte,  eine  Legende  aufgestellt,  in  welcher  alle  Er- 
scheinungen der  Prähistorie,  welche  überhaupt  zu 
Grande  gelegt  werden  sollen,  in  5 Farben  und  im 
Ganzen  in  21  Zeichen  ausgeführt  wurden.  Allein 
ein  Blick  auf  seine  Karte  zeigt  Ihnen  gleichfalls, 
dass  wir  mit  diesen  Zeichen , mögen  sie  sein  wie 
sie  wollen,  ein  ausserordentlich  unruhiges  Bild  be- 
kommen ; ich  bin  daher  in  meiner  Auschauung  über 
die  Anlage  der  Karte  dahin  gekommen  , dass  ich 
cs  überhaupt  für  unrichtig  halte,  bloss  Zeichen  zu 
benutzen.  Alle  die  Ringe , Dreiecke , Quadrate, 
Zickzacklinien  u.  s.  w.  geben  uns  schliesslich  nur 
eine  neue  Hieroglyphenschrift,  welche  die  Karte 
nichts  weniger  als  klar  und  übersichtlich  macht. 
Ich  hin  desshalb  der  Ansicht  — und  Hr.  Prof. 
O h 1 e n s c h 1 a g e r in  München  ist,  soviel  ich  höre, 
mit  mir  einverstanden  — , dass  wir  nur  mit  Dar- 
stellung von  Farbenflüchen  die  verschiedenen  Ver- 
hältnisse der  Prähistorie  bezeichnen  können.  Ist 
es  schon  eine  Schwierigkeit , auf  dor  grossen 
Reymann’schen  Sammelkartc  durch  diese  Haxcl- 
füsse  unserer  Zeichen  sich  durchzuarbeiten  und 
muss  Jeder,  der  sie  ansieht,  erst  vorher  ängstlich 
studiren,  wras  er  eigentlich  sieht , so  werden  wir, 
wenn  wir,  ähnlich  wie  bei  geologischen  und  histo- 
rischen Karten,  mit  glatten  Flächen  zu  thun  haben, 
nur  mit  Flächen  uns  eine  Uebersicht  schaffen  und 
die  Menge  der  vorhandenen  Denkmäler  nach  der 
Grösse  der  Fläche  beurtheilen  können.  Wer  die 
wirklich  vollendeten  Karten  des  Hrn.  Zi min  er- 
mann - — 23  Blätter  für  Schlesien  — in  die  Ilaud 
nimmt,  wird  mit  mir  die  Ueberzeugung  gewinnen, 
dass  man  wegen  der  vollständigen  Aufnahmen  vor  der 
Menge  der  Zeichen  gar  nicht  ins  Klare  kommt;  ein 
Zeichen  ist  z.  B.  lmal,  ein  anderes  216  mal  vorhan- 
den. Ich  hielte  daher  die  Ucbersichtlichkeit  wesent- 

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lieh  für  mehr  gefördert,  wenn  wir  die  Zahlen  mit  der 
Grösse  der  Farbenflächen  auszudrücken  im  Stande 
waren.  Das  sind  jedoch  Fragen,  welche  vor  die 
Generalversammlung  der  Gesellschaft  nicht  ge- 
hören. Dieses  technische  Detail  zu  erwägen  liegt  in 
der  Aufgabe  der  Commission,  welche  speciell  mit 
der  Bearbeitung  der  Karte  betraut  ist.  Ich  lege 
hiemit  sämmtliche  Arbeiten  der  Versammlung  vor 
und  muchc  ganz  besonders  auf  die  Arbeit  des  Hm. 
Z i m m c rm  a n n aufmerksam  , dessen  Behandlung 
Schlesiens  in  der  That  für  alle  Mitarbeiter  an 
der  prähistorischen  Karte  Deutschlands  als  mass- 
gebend angesehen  werden  kann. 

Hr.  Virchow:  Wenn  Niemand  zu  diesem  Ge- 
genstände das  Wort  wünscht,  darf  ich  wohl  dem 
Ilm.  Prof.  Dr.  Fraas  unseren  Dank  aussprechen. 
Ich  kann  aus  eigener  Erfahrung  sagen,  dass  es 
grosse  Schwierigkeiten  hat , vorwärts  zu  kommen, 
weil  die  Zeichen  sich  stellenweise  zu  sehr  häufen. 
Die  neue  Karte  von  Ilrn.  Chantre  vom  Rhone- 
thal zeigt , dass  es  manche  Vortheile  bietet,  mit 
ein  paar  Zeichen  nuszukommen.  Ich  kann  aber 
nicht  umhin , zuzugestehen , dass  die  Uebcrsicht- 
lichkeit  keine  erheblich  grössere  ist. 

Ich  bitte  nun  Hm.  Prof.  Sc haaff hausen , 
uns  über  die  „Craniologischc  Commission-  zu  be- 
richten. 

Hr.  Schaaffhanaen : Meine  Herren!  Ich  freue 
mich,  Ihnen  auch  von  den  Arbeiten  der  3.  Com- 
mission ein  Lebenszeichen  geben  zu  können,  indem 
ich  Ihnen  die  ersten  4 Bogen  des  ersten  Beitrags 
zu  dem  Gesammtkataloge  der  anthropologischen 
Sammlungen  Deutschlands  im  Drucke  vorlege. 
Es  ist  dieser  das  Verzeichniss  der  Bonner  Univer- 
sitäts-Sammlung. Ich  hoffe,  dass  mit  der  nächsten 
Lieferung  des  Archivs  dasselbe  vollständig  wird 
ansgegeben  werden  können.  Das  Material  liegt 
jetzt  so  reichlich  vor,  dass  wir  in  der  That  ein 
ganzes  Jahr  daran  fortdrnckcn  können*  und  ich 
bemerke  mit  Dank,  dass  die  Yerlagsliandlung  in 
sehr  zuvorkommender  Weise  die  Publikation  des 
Katalogs  fördern  will.  Ich  wünsche,  dass  das  Ur- 
tlieil  über  den  Gesammtkatalog  des  Sprichwortes 
eingedenk  sein  wird,  dass  das  Bessere  der  Feind 
des  Guten  ist.  Wir  haben,  da  wir  seit  Jahren 
sehr  werthvolle  und  genaue  Messungen  in  Händen 
haben,  mit  der  Veröffentlichung  derselben  nicht 
warten  können , bis  der  langwierige  Streit 
über  das  eine  oder  andere  in  der  Craniometrie 
entschieden  und  der  Werth  derselben  allgemein 
anerkannt  war.  Ich  will  hier  nur  kurz  bemerken, 
woran  man  oft  nicht  gedacht  hat,  dass  auch  die 
Zweifler  an  dem  Wcrthe  der  Craniologie  messen 
müssen ; denn  um  zu  wissen,  ob  gewisse  Masse 
eine  Bedeutung  haben,  ob  man  aus  ihnen  ein 
Bildungsgesetz  des  Schädels  ableiten  kann,  muss 
man  die  Zahlen  besitzen,  die  geprüft  werden  sollen ; 
es  muss  also  in  jedem  Falle  gemessen  worden; 
mit  einem  Worte,  die  Craniometrie  ist  unerlässlich 


für  die  Zweifler  sowohl,  wie  für  die  Verehrer  dieser 
Wissenschaft.  Wenn  ich  heute  nach  den  stürmischen 
Verhandlungen , die  über  manche  craniologischc 
Fragen  stattgefunden  haben  und  zum  Theile  ja 
noch  stattfinden,  eine  Auswahl  von  Massen  treffen 
sollte,  wie  sie  für  einen  solchen  Katalog  passen, 
so  glaube  ich  nicht,  dass  ich  andere  auswählen 
würde,  als  die,  welche  damals  in  dem  Programme 
vorgezeichnet  worden  sind  und  Ihnen  in  dem 
ersten  Beitrage  vorliegen.  Es  ist  der  Katalog 
nicht  eine  Schädelstudie,  er  ist  das  Material  dazu. 
Sehen  Sie  sich  genau  die  craniologi sehen  Arbeiten 
der  neuesten  Zeit  an  — ich  erinnere  an  das 
Werk  von  Virchow  über  den  Friesenschädel,  es 
sind  88  Masse,  die  er  von  einem  Schädel  angibt; 
in  der  Abhandlung  von  Sasse  über  denselben 
Gegenstand  sind  Messungen  nach  dem  Schema 
von  We i s h ac  h mitgetheilt ; da  kommen  wieder  viele 
Masse  vor,  die  Virchow  in  seiner  Schrift  nicht 
genommen  hat;  — in  einem  Kataloge  kann  man 
aber  doch  nicht  über  100  Masse  von  einem 
Schädel  geben!  Manche  Masse  werden  noch  heute  in 
verschiedener  Weise  genommen.  Es  wird  deshalb 
in  den  Beiträgen,  namentlich  in  den  von  jetzt  an 
ausznarbeitenden,  soweit  es  irgend  möglich  ist,  da- 
für Sorge  getragen  werden  müssen,  dass  die  eine 
und  die  andere  Methode  berücksichtigt  wird.  Wie 
sehr  es  mir  als  dem  Vorsitzenden  dieser  Com- 
mission daran  gelegen  ist,  eine  Vergleichbarkeit 
der  Masse  und  Zahlen  zu  erreichen,  mögen  Sie 
daraus  sehen,  dass  ich  mir  die  Mühe  gegeben 
habe,  die  ganze  Blumenbach'sche  Sammlung  noch 
einmal  durchzumessen,  um  der  Spengerschen 
Arbeit,  die  in  vielen  Beziehungen  nicht  vergleich- 
bar war,  zu  diesem  Zwecke  einige  Masse  hinzuzu- 
fügen, ebenso  die  fehlende  Schädelcapaeität.  Wenn 
ich  mit  wenigen  Worten  die  von  mir  gegebenen 
Masse  bezeichnen  darf,  so  sind  es:  1)  die  Schädel- 
länge, so  wie  sic  heute  von  den  meisten  Forschern 
genommen  wird  , zwischen  der  Gtabclla  und  dem 
vorspringendsten  Punkte  des  Hinterhauptes,  dann 
2)  die  grösste  Breite,  wo  sie  gefunden  wird ; 3)  «Ile 
Höhe,  durch  eine  ffuf  der  Horizontalen  des  Schä- 
dels vom  vordem  Bande  des  Hinterhauptlochs 
gegen  das  Scheitelgewölbe  gezogene  Senkrechte 
gemessen  ; dies  ist  ein  streitiger  Punkt  der 
craniologischeu  Untersuchung,  und  werde  ich  so- 
gleich etwas  Weiteres  darüber  sagen.  Es  ist  ferner 
höchst  wünschenswerth,  die  Betheiligung  der  ein- 
zelnen Schädelknochen  an  der  Bildung  des  sagit- 
taien  Schädelbogens  4),  zu  kennen,  also  die  Länge 
des  Stirnbeins,  des  Scheitelbeins  und  der  Hititer- 
hauptschnppe,  5)  6)  7).  Es  ist  8)  der  Querbogen 
des  Schädels  angegeben  und  9)  und  10)  die  zwei 
Radien  von  der  Mitte  des  Ohrlochs  zur  Stirn  und 
zum  Hinterhaupt,  die  auch  von  neueren  Forschern 
noch  gerne  genommen  werden  und  schon  von 
Car us  empfohlen  wurden.  Die  Auricularhöhe  ist 
entbehrlich  aus  dem  Grunde,  weil  wir  in  der  Höhe 
des  Schädels  schon  einen  Ersatz  dieses  Masse» 
haben,  und  weil  sie  doch  eigentlich  ein  Mass  ist. 


91 


in  dem  2 Masse  sieh  vereinigt  linden,  einmal  die 
reine  Höhe  des  Schädels  und  dann  auch  die 
Breite  des  Schädels;  denn  der  grössere  Abstand 
der  Ohröffnung  von  der  medianen  Ebene  des 
Schädels  wird  auch  die  auriculare  Höhe  ver- 
grössern.  (?)  Dann  ist  11)  der  Abstand  der  Gelenk- 
flächcn  für  den  Unterkiefer  gemessen;  an  vielen 
Schädeln  fehlt  der  Unterkiefer,  und  wir  haben 
damit  dennoeh  sein  Breitenmass,  was  für  die  Be- 
stimmung der  Bracbycephalie  nicht  unwichtig  ist. 
Wir  haben  die  beliebten  Masse  an  der  äusseru 
Schädelbasis,  das  von  dem  vorderen  Bande  des  For. 
inagn.  zur  Nasenwurzel  und  das  Mass  von  dem- 
selben Punkte  bis  zum  vorderen  Rande  des  Al- 
veolarbogens, 12)  und  11t)  ; wir  haben  14)  die  ganze 
Gesicht -länge  von  der  Nasofrontalnaht  bis  zum 
Kinn  und  15)  die  Länge  des  Oberkiefers.  Hier 
habe  ich,  weil  ich  es  zweckmässig  linde,  einmal 
die  Zähne  mitzumessen,  die  Zähne  mit  ins  Mass 
genommen;  wenn  xYndere  sie  nicht  mitmessen, 
müssen  sie  das  angeben.  Es  ist  IG)  die  Höbe  des 
Unterkiefers,  17)  die  Breite  der  Wangenbeine  von 
ihrer  Mitte  aus  gemessen,  18)  der  liorizontal- 
umfang , der  Aber  die  Glabella  und  den  vor- 
springendsten  Punkt  des  Hinterhauptes  geht,  es 
»st  19)  der  Diagonal-,  20)  der  Parietaldurrhmcsscr, 
der  wie  mir  scheint  ungemein  wichtig  ist,  ange- 
geben; es  ist  21)  der  Mastoidaldurchniesser,  an 
der  Aussenflüche  der  Basis  des  Zitzenfortsatzes 
gemessen  und  22)  der  untere  Erontaldurehmesser 
verzeichnet,  der  indessen  mehr  die  obe*re  Gesichts- 
breite als  die  Stirnbreite  angibt.  Es  ist  endlich 
die  Srliädelcapacität  gemessen.  Dann  sind  diesen 
Massen  noch  kurze  Bemerkungen  über  besondere 
Eigenthümlichkciten  jedes  Schädels,  das  Verhalten 
der  Nähte,  der  Muskelleisten,  die  pithekoiden  Merk- 
male hinzugefügt,  die  immer  werthvolle  Zugaben 
der  craniometrischeu  Beschreibung  eines  Schädels 
sind.  Der  Katalog  ist  etwas  ausführlicher  ausge- 
fallen, wie  vielleicht  Manche  erwartet  haben.  Die 
Bonner  Sammlung  ist  reich  an  merkwürdigen 
Schädeln,  was  hauptsächlich  dem  früheren  dortigen 
Anatomen  Professor  Dr.  Mayer  zu  verdanken  ist, 
der  viel  Sinn  für  anthropologische  Studien  hatte. 
Ich  habe  auch  die  deutschen  Schädel  mitgemessen. 
Es  konnte  nach  dem  Programme  scheinen,  als  oh 
es  nur  darauf  ankäme,  eine  Auswahl  von  Massen 
der  fremden  Schädel  zu  haben.  Aber  wir  haben 
mit  Unrecht  unsere  eigenen  Schädel  vernachlässigt 
über  dem  Interesse,  welches  wir  dem  fremdesten 
Volksstamme  zngewendet  haben.  Wir  müssen  auch 
einmal  von  den  verschiedenen  Provinzen  unseres 
deutschen  Landes  Reihen  von  Schädelmassen  haben, 
damit  wir  sie  mit  einander  und  mit  anderen  ver- 
gleichen können.  Es  ist  für  die  Wissenschaft  in 
der  That  ein  deutscher  Schädel  gerade  so  viel 
werth  wie  der  Schädel  eines  Neuseeländers. 
Ferner  kommen  Schädel  in  allen  anatomischen 
Sammlungen  vor,  die  gar  keine  Personalangahc. 
kein  sogenanntes  Nationale  haben.  Man  könnte 
nun  denken,  diese  seien  für  die  Wissenschaft  nichts 


werth,  weil  ihr  früherer  Besitzer  gänzlich  unbekannt 
ist.  Ich  bin  anderer  Meinung.  Wir  sind  erstlich  viel 
mehr  im  Stande  wie  früher,  dem  Schädel  manches 
anzusehen,  was  von  ihm  nicht  berichtet  ist,  und  dann 
bezeichne  ich  es  gerade  als  die  Aufgabe  der  Crauio- 
logie,  dass  sie  von  einem  unbekannten  Schädel  sagen 
lerne,  welchem  Geschlechte,  welchem  Alter,  welcher 
Rasse  er  angehört  hat,  welches  im  Allgemeinen 
die  nirnentwickelung  und  Bildung  des  Menschen 
gewesen  ist.  Deshalb  sind  auch  diese  ungenannten 
Schädel  für  die  Wissenschaft  nicht  gieichgiltig. 
Und  wissen  wir  denn  von  den  fremden  Rassen- 
schädeln unserer  Sammlungen , den  Rotokudcn, 
Peruanern  und  Eskimos,  welchen  Individuen  sie 
angehört  haben?  Die  alten  Gräber  liefern  uns 
Schädel  aber  keine  Grabinschriften!  Ich  habe 
schon  bemerkt,  dass  es  so  ausserordentlich  viele 
Zweifler  gibt,  die  eine  mühsame  craniologischc 
Arbeit  fast  für  eine  verlorene  Mühe  Ansehen,  die 
da  meinen,  dass  wir  heute  in  solchen  Dingen  noch 
nicht  weiter  gekommen  seien  wie  zur  Zeit  Blumen- 
hachs.  Ich  will  mich  auf  einige  wenige  Thatsachen 
beschränken,  mit  denen  ich  den  Beweis  führen 
möchte,  dass  wir  doch  schon  sehr  Bedeutendes 
durch  die  Crauiologie  zu  leisteu  im  Stande  sind 
und  dass  manche  noch  schwebende  Streitfrage  auf 
eine  sehr  einfache  Weise  gelöst  werden  kann. 
Das  ist  zunächst  die  Frage  über  die  Horizontale 
des  Schädels,  auf  die  ich  anspielc. 

Ich  bemühe  mich  seit  etwa  3 Jahren,  den 
Beifall  der  Fachgenossen  für  die  Ansicht  zu  ge- 
winnen, dass  man  nicht  jeden  Schädel  auf  eine 
vorher  bestimmte  Horizontale  zwingen,  sondern  die 
Natur  selbst  befragen  soll,  die  ohne  Zwang  uns 
Antwort  auf  die  Frage  gibt,  welches  die  Horizontale 
eines  jeden  einzelnen  Schädels  ist.  Ich  zweifle 
nicht,  dass  wir  daun  dahin  kommen,  anstatt  alle 
Schädel  auf  eine  nach  Ucbcrcinkunft  angenommene 
Horizontale  zu  stellen,  vielmehr  die  jedem  einzelnen 
Schädel  zukommende  als  ein  wichtiges  Merkmal 
seiuer  Bildung  zu  erkennen.  Wir  müssen  den  Schädel 
so  stellen,  wie  er  auf  der  Wirbelsäule  getragen 
wurde,  wenn  der  Mensch  aufrecht  stand  und  in 
gerader  Richtung  nach  vorn  blickte.  Die  obere 
ScliAdelwölbung,  die  Decke  und  der  Seitenrand 
der  Orbita,  auch  die  Kantinie  der  Backzähne 
müssen  dabei  unser  Urtheil  leiten.  Ich  gehöre  zu 
denen,  welche  von  den  vorgeschlagenen  Horizon- 
talen die  Göttinger  Linie  für  die  richtigste  halten. 
Es  hat  auch  Schmidt  in  Essen  durch  eine  an- 
schauliche Darstellung  gezeigt,  dass  diese  Linie  die 
wenigsten  Schwankungen  zeigt,  wenn  man  die  ver- 
schiedenen Schädel  danach  prüft.  Aber  in  jener 
Beobachtung,  die  Ecker  mitthcilte,  dass  der  obere 
Rand  des  Jochbogeus  als  Horizontale  für  die  Neger- 
srhädel  nicht  passe,  sehen  wir  die  Bestätigung 
der  Ansicht,  dass  nicht  für  alle  Schädel  die 
zwischen  zwei  bestimmten  anatomischen  Punkten 
liegende  Linie  die  Horizontale  ist.  In  der  That, 
die  Linie,  welche  für  einen  Europäerschädel  die 
Horizontale  ist,  ist  es  nicht  mehr  für  den  Neger- 


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92 


si-h&dcl.  Ich  habe  mich  im  vorigen  Jahre  in  Jena 
bemüht,  einige  ganz  allgemeine  Satze  auszusprechen, 
nach  denen  t wie  mir  scheint , die  Horizontale 
des  Schädels  gesucht  und  beurtheilt  werden  muss. 
Diese  Mittheilung  ist  leider  in  den  Bericht  über 
die  vorjährige  Versammlung  nicht  aufgenommen 
worden.  Bei  dem  Menschen  niederer  Rasse  wird 
die  vollständige  Aufrichtung  der  Körpergestalt  nicht 
erreicht,  und  erst  mit  der  edleren  Menschenbildung 
erlangt  die  Wirbelsäule  die  ihr  eigcnthflmliche 
doppelte  S-förmige  Krümmung.  Bei  mehr  vorge- 
richteter Stellung  des  Körpers  muss  der  Schädel 
mehr  nach  hinten  festgehalten  werden,  wenn  er 
nicht  nach  vorn  überfallen  soll.  Dies  ist  ja  auch 
der  wesentliche  Unterschied  in  der  Anheftung  des 
Schädels  der  Säugcthiere  von  der  beim  Menschen. 
Je  höher  die  menschliche  Organisation  sich  ent- 
wickelt hat,  um  so  mehr  balancirt  der  Schädel 
frei,  um  so  weniger  ist  cs  erforderlich,  ihn  an  der 
Wirbelsäule  festzuhalten.  Immer  aber  bleibt  die 
Neigung  nach  vorn  über  zu  fallen;  deshalb  ist  er 
hinten  befestigt.  Die  mangelhaftere  Entwickelung 
des  vorderen  Schädeltheils  bei  niederen  Rassen  be- 
dingt für  sich,  wenn  der  Schädel  balanciren  soll, 
eine  stärkere  Neigung  nach  vorn.  Die  colossale  Ent- 
wickelung der  Kiefer  aber,  die  bei  rohen  Schädeln 
häutig  ist,  ist  ein  Grund  für  das  U ebergewicht  des 
Schädels  nach  vorn.  Soll  er  balanciren,  so  muss 
er  mit  dem  Gesichte  mehr  gehoben  werden.  Das 
Sinken  des  Schädels  von  niederer  Bildung  nach 
vorn  wird  noch  vermehrt,  durch  das  weitere  Zu- 
rückliegen des  HinterhaupUochs,  wodurch  auch  der 
U nterstützuDgspnn kt  des  Schädels  mehr  nach  hinten 
gerückt  wird.  Man  muss  unterscheiden,  wie  die 
Kopfstellung  roher  Menschen  gewöhnlich  ist  und 
wie,  wenn  sie  den  Kopf  heben,  um  geradeaus  zu 
sehen.  Wenn  wir  einen  solchen  Schädel  aufrichten, 
dann  liebt  sich  das  Profil  mehr  wie  bei  dein 
Europäer  gewöhnlich  der  Fall  ist.  Wir  finden 
dann  an  den  Schädeln  niederer  Bildung,  dass  die 
Horizontale,  die  durch  das  Ohrloch  geht,  oft  den 
Nasengrund  schneidet  oder  noch  tiefer  das  Profil 
des  Gesichtes  trifft.  Ich  hofle,  dass  die  Zeit  nicht 
fern  ist,  wo  man  unter  den  verschiedenen  Merk- 
malen des  Schädel  auch  die  Horizontale  aiiführt, 
die  mehr  noch  als  die  Individuen  gleichgebildeter 
Rassen  die  niederen  und  höheren  Mcnschenstämme 
kennzeichnen  wird.  Es  ist  übrigens  in  den  meisten 
Beiträgen  zum  Kataloge  die  Göttinger  Linie  als  Hori- 
zontale gewählt,  und  die  Senkrechte,  die  auf  ihr 
von  dein  vorderen  Rande  des  Fornmen  maguum 
aus  gegen  den  Scheitel  gezogen  wird,  stellt  dann 
die  Höhe  dar,  die  als  Höhe  des  Schädcliniienrauins 
oder  als  Höhe  des  ganzen  Schädels  gemessen 
werden  kann. 

Eine  zweite  Bemerkung  mache  ich  in  Bezug 
auf  die  Fortschritte  der  cramotogischen  Wissen- 
schaft. Es  ist  wohl  von  den  meisten  Anthropo- 
logen zugestanden,  dass  wir  doch  jetzt  unsere  Be- 
trachtung der  Schädel  von  einer  Verwirrung 
reinigen  könneu,  die  früher  überall  stattfand,  als 


man  die  Geschlechter  nicht  unterschied  und  nicht 
unterscheiden  konnte.  Es  bleibt  allerdings  in 
einzelnen  Fällen  die  Entscheidung  fraglich,  ob  wir 
einen  männlichen  oder  weiblichen  Schädel  vor  uns 
haben ; aber  wer  viele  Schädel  in  der  Hand  gehabt 
hat,  erwirbt  sich  die  Kenntniss,  von  den  aller- 
meisten Schädeln  mit  grosser  Zuversicht  das  Ge- 
schlecht zu  bestimmen.  Es  ist  eine  Reihe  von 
Eigentümlichkeiten , wie  sie  von  verschiedenen 
Forschern  in  der  letzten  Zeit  beobachtet  und  be- 
zeichnet worden  sind,  die  den  weiblichen  Schädel 
kennzeichnen.  Diese  sind,  die  zarteren  Verhält- 
nisse aller  Theile  und  das  geringere  Volum  abge- 
rechnet, der  flache  Scheitei.  die  vorspringenden 
Scheitelhöcker,  die  rundliche  Ilinterhauptssrhuppo, 
der  etwas  zugespitzte  Zahnbogen,  der  herabgezogene 
untere  äussere  Winkel  der  Orbita  und  noch  anderes. 
Ich  muss  gestehen,  dass  ich  selten  in  Verlegenheit 
komme,  das  Geschlecht  unbekannter  Schädel  nicht 
mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  wenigstens  bestimmet! 
zu  können.  Das  ist  ein  grosser  Gewinn,  weil  der 
weibliche  Schädel  oft  ganz  eigentümliche  Ver- 
hältnisse ausserdem  zeigt,  die  ihn  vom  männlichen 
unterscheiden.  Ich  will  nur  die  Eskimos  anfüliren, 
bei  denen  man  kaum  glauben  sollte,  dass  der 
männliche  und  weibliche  Schädel  einer  und  der- 
selben Rasse  angehören.  Gewisse  Züge  zeigen  sich 
im  weiblichen  Schädel,  die  eine  niedere  Bildung 
desselben  darstellen,  indem  er  gleichsam  auf  der 
kindlichen  Stnfe  stehen  geblieben  ist.  Dahin  ge- 
hört auch  tlas  Vorspringen  der  Scheitelhöcker,  was 
ich  als  eines  der  charakteristischesten  Merkmale 
bezeichnen  möchte.  Es  war  gut  beobachtet  von 
Gail,  wenn  er  in  diese  Gegend  das  Organ 
der  Sorglichkeit  verlegte.  Sodann  möchte  ich  an- 
führen. dass  die  Betrachtung  des  Schädelgrundes 
wieder  ungemein  wichtig  geworden  ist,  worauf 
schon  vor  Virchow  frühere  Forscher  hinwiesen. 
Wenn  Karl  v.  Bär  von  den  verunstalteten 
Schädeln  sagt ; es  sei  ein  Glück,  dass  der  Mensch, 
wenn  er  auch  dem  Kopfe  eine  noch  so  küustiiche 
und  sonderbare  Form  zu  geben  wisse,  den  Schädel- 
grund  doch  unverändert  lassen  müsse,  so  bat  diese 
Bemerkung  eine  viel  allgemeinere  Gültigkeit.  Ich 
glaube  auch  auf  Grund  mancher  in  der  letzten 
Zeit  gemachter  Beobachtungen,  dass  der  Schädel- 
gmnd  überhaupt  das  Beständigere  und  Unver- 
änderlichere in  der  Schädelbildung  ist.  Ich  be- 
haupte. dass  wir  an  dem  Schädelgrunde  noch  die 
Brachycephalie  erkennen  hönnen,  die  dem  Schädel 
ursprünglich  eigen  war,  während  die  so  vielen  Ein- 
flüssen ausgesetzte  Schädelkapsel  in  ihren  Indices 
vielleicht  den  dolichocephalen  Typus  darstellt.  Ich 
habe  eine  Beobachtung  gemacht,  die  ich  nicht  für 
unwichtig  halte  und  kurz  hier  anführen  will.  Be- 
kannt sind  die  stark  verunstalteten  Schädel  der 
alten  Peruaner,  wahrscheinlich  der  Aymara-Raaae 
angehörend,  die  v.  Tschudi  zuerst  nach 
Deutschland  brachte,  wiewohl  sie  früher  schon 
durch  Pcntland  nach  London  und  Paris  ge- 
kommen waren.  Als  Tscbudi  im  Jahre  1843 


den  zu  Grafenegg  bei  Wien  schon  1824  gefundenen 
Sehadel  sah,  den  wir  jetzt  mit  Grund  den  Avaren, 
einem  asiatischen  Volksstamme  zuschreiben,  sagte 
er,  der  kein  Craniologe  von  Fach  war,  dieser 
Schädel  sei  ein  Peruunerschädel , es  könne  ein 
österreichischer  Reisender  zur  Zeit  wo  Peru  und 
Oesterreich  unter  einem  Scepter  vereinigt  waren, 
diesen  Schädel  bei  Wien  verloren  haben.  So  über- 
einstimmend fand  er  den  Avarenschädel  von 
Grafenegg  mit  dem  Schädel  eines  alten  Peruaners 
vom  Aymarastainme.  Wir  hatten  in  Bonn  den  Ab- 
guss eines  alten  Peruanerschädcls  ohne  jede  An- 
gabe, woher  er  in  die  Sammlung  karn.  Wir 
kauften  dann  auf  meinen  Antrag  im  Anfänge  dieses 
Jahres  einen  sehr  schönen  makrocephalen  Schädel 
aus  einem  alten  Grabe  der  Krimm.  Es  waren 
scythische  Stämme  am  Ufer  des  schwarzen  Meeres, 
die  nach  des  Hippokrates  Bericht  ganz  so,  wie 
wir  sie  heute  dort  in  Gräbern  finden,  die  Schädel 
künstlich  durch  Binden  verlängerten,  weshalb  ihnen 
Hippokrates  den  Namen  Makrocephalen  gab.  Mir 
war  die  Uebereinstimmung  dieses  Schädels  mit 
jenem  Abguss  mit  Rücksicht  auf  den  Schädelgrund 
und  die  Kieferbildung  noch  überraschender,  als 
die  der  ganz  entsprechenden  Verunstaltung  des 
oberen  Schädeltbeils.  Es  war  mir  bekannt,  dass 
jene  Ansicht  von  Tsehudi  nur  bespöttelt  worden 
war  von  den  C'raniologen  jener  Zeit,  nachdem 
Retzius  und  Fitzin  ge  r gesagt  hatten,  in  der 
künstlichen  Entstellung  sei  zwar  eine  grosse  Ueber- 
einstirnmung  vorhanden,  die  eben  zeige,  dass  ver- 
schiedene Völker  den  Schädel  in  gleicher  Weise 
entstellt  hätten,  aber  die  Avaren  seien  Kurzköpfe 
mit  geradem  Gebisse,  die  alten  Peruaner  dagegen 
prognathe  Dolichocephalcn , diese  beiden  Völker 
hätten  also  keine  Gemeinschaft  mit  einander.  Später 
freilich  äuderte  Retzius  seine  Ansicht  über  die 
Peruaner;  aber  man  sieht  hier  recht  deutlich,  wie 
ein  blosser  Schematismus  von  Urachyceplialie  und 
Dolichocephalie  von  Prognathie  und  Orthognathie 
die  Wissenschaft  nicht  weiter  bringt,  sondern  sogar 
hindert,  die  Wahrheit  zu  erkennen.  Ich  hatte,  da 
ich  die  Vermuthung  hegte,  dass  der  Abguss  des 
Peruanerschädels  in  Bonn  von  Tsehudi  herrühre, 
an  diesen  geschrieben  und  von  ihm  die  Antwort 
erhalten,  dass  er  niemals  einen  Schädelabguss  nach 
Bonn  geliefert  habe  und  von  seinem  vollständigsten 
Schädel  nur  ein  Wachsabguss  nach  Berlin  ge- 
kommen sei,  ein  Gypsabguss  aber  nicht  existire. 
ilr.  v.  Tsehudi  schickte  mir  zugleich  die  noch 
in  seinem  Besitz  befindlichen  Peruanerschädel. 
Auf  den  ersten  Blick  sah  ich,  dass  der  Bonner 
Gypsabguss  ein  Abguss  des  einen  dieser  Peruaner- 
schädel ist,  und  manche  Eigentümlichkeiten  stellten 
dies  ausser  Zweifel.  So  habe  ich  beide  Schädel 
selbst  genau  vergleichen  können  und  meine  Ueber- 
zeugung  befestigt,  dass  die  alten  Scythen  am 
schwarzen  Meere  und  die  alten  Peraanerstämine 
Amerikas  ein  uud  dasselbe  Volk  sind.  Wenn  wir 
aber  durch  craniologische  Betrachtung  im  Stande 
sind,  den  Zusammenhang  so  weit  anseinander 


liegender  Volksstämme  zu  erklären,  so  ist  das 
ein  überraschendes  Ergebniss,  womit  die  Cranio- 
logie  eine  ihrer  wichtigsten  Aufgaben  erfüllt.  Ich 
füge  noch  hinzu,  dass  die  Hunnen  und  Avaren 
demselben  Volksstamme  angehören  und  dass  man 
die  Wanderung  der  Asiaten  nach  Westeuropa  wie 
nach  dem  fernen  Osten  verfolgen  kann.  In  Frank- 
reich, der  Schweiz,  Deutschland  und  Ungarn  sind 
solche  Schädel  gefunden  worden,  sie  fehlen  auch 
nicht  in  Persien , also  zwischen  dem  schwarzen 
Meere  und  Ostasien.  Wir  haben  hier  ein  altes 
asiatisches  Volk,  welches  ein  Jahrtausend  lang  die 
eigentümliche  Sitte,  eine  auffallende  Schädel  form 
künstlich  herzustellen  auch  bei  Aenderung  seiner 
Wohnsitze  bewahrt  hat.  Ferner  freue  ich  mich 
des  Fortschritts  der  Craniologie,  dass  die  Ansicht 
immer  mehr  Verteidiger  findet,  die  Schädelform 
lehre  auch  — und  das  ist  vielleicht  die  Haupt- 
sache — den  Grad  der  intellectucllen  Entwickelung 
des  betreffenden  Menschen  oder  Volksstammes. 
Dieser  Behauptung  ist  die  Statistik  zu  Hilfe  ge- 
kommen, indem  sic  bestätigte,  dass  cs  wirklich 
pithekoide  Merkmale  an  dem  menschlichen  Schädel 
gibt,  Merkmale,  die  auf  eine  tierische  Bildung 
hiiweisen. 

Noch  ein  nicht  unwichtiges  Ergebniss  der 
oraniologischen  Betrachtung  möchte  ich  anführen. 
Man  soll  an  den  Schädeln  so  viel  zu  beobachten 
nnd  zu  erkennen  suchen  als  nur  immer  möglich 
ist.  Ich  habe  aus  einer  Reihe  zufällig  beobachteter 
einzelner  Fälle  mir  schon  lange  den  Schloss  ge- 
zogen, dass  man  am  Schädel  auch  die  Grösse  der 
KÖrpergestalt  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  er- 
kennen kann,  und  zwar  an  der  Länge  des  Gesichts 
und  am  besten  vielleicht  an  der  Länge  des  Ober- 
kiefers zwischen  der  Nasenwurzel  nrnl  dem  Ende 
der  Schneidezähne.  Ich  habe  mehrfach  diese  That- 
sache  mitgeteilt  nnd  gebeten,  dass  man  weitere 
statistische  Beobachtungen  darüber  machen  solle. 
Es  ist  in  der  That  von  Wichtigkeit,  dass  wir,  wenn 
wir  ethnographisch  Volksstämme  unterscheiden,  aus 
den  blossen  Schädeln , die  wir  oft  allein  besitzen, 
auch  etwas  über  die  Körpergrösse  der  betreffenden 
Menschen  sagen  können.  Ich  habe  noch  in  den 
letzten  Wochen  in  Coblenz  die  20  grössten  Leute 
eines  Gardegrenadierregiments  gemessen  und  von 
einem  Füsilierbataillon,  wo  die  kleinsten  Leute 
eingestellt  werden,  die  20  kleinsten  Männer.  Das 
Ergebniss  war  noch  etwas  überraschender,  als  ich 
es  erwartete.  Die  grossen  Leute  hatten  eine 
Grösse  von  195 — 182,  im  Mittel  186,2  Centimeter, 
die  mittlere  Gesichtslänge  war  200,3,  die  des  Ober- 
kiefers 82,5  Mm.  Ich  will  hier  bemerken,  dasß  die 
Gesichtslänge  an  dem  Lebenden  zu  messen,  etwas 
sehr  Unsicheres  hat,  denn  die  Höhe  des  Haar- 
wuchses ist  anatomisch  nicht  bestimmt,  uud  sehr 
verschieden  lang  ist  der  Theil  des  Stirnbeins, 
welcher  beim  Menschen  von  Haaren  nicht  bedeckt 
ist.  Ebenso  schwierig  ist  es,  das  Ende  des  Ge- 
sichts zu  finden;  es  liegen  über  dein  knöcbecpen 
Kinn  die  bedeckenden  Weichtheile  in  verschiedener 


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Starke,  so  dass  au  dem  Lebenden  dieses  Mass, 
insoweit  es  sich  auf  den  knöchernen  Schftdelbau 
bezieht,  schwer  zu  nehmen  ist,  desto  besser  aber 
an  dem  Oberkiefer,  indem  die  Einbiegung  au  der 
Nasenwurzel  der  Nasofrontalnaht.  ziemlich  genau 
entspricht  und  als  unteres  Ende  nicht  die  Lippe, 
der  Mund , sondern  das  Ende  der  oberen  Schneide- 
zähne  genommen  wird,  um  die  Oberkieferlänge  genau 
festzustellen.  Bei  den  kleinen  Leuten  war  die 
Grösse  165 — 15G.  im  Mittel  161,3  Cm.,  die  mittlere 
Gesichtslänge  182,5,  die  des  Oberkiefers  76,1  Mm.  Es 
zeigt  sich  nun,  dass  bei  den  Gesichtern  der  Grossen 
die  Gesichtslänge,  deren  Maximum  220,  deren 
Minimum  185  ist,  niemals  das  Mittel  der  Kleinen 
erreicht  und  der  Oberkiefer,  dessen  Maximum  91, 
dessen  Minimum  76,  nur  einmal.  Bei  den  kleinen 
Leuten  erreichte  die  Gesichtslänge,  deren  Maximum 
205,  das  Minimum  170  war,  nur  einmal  das 
Mittel  der  grossen  und  der  Oberkiefer,  dessen 
Maximum  87,  das  Minimum  72  war,  ebenfalls  nur 
einmal  dieses  Mass.  Ich  zweifle  nicht,  dass  weitere 
Untersuchungen  dasselbe  Ergebnis  liefern  werden. 
Das  Gesetz  bewährt  sich  nicht  in  jedem  einzelnen 
Falle,  sondern  nur  im  Allgemeinen;  die  aus  dem 
Schädelmass  gezogene  Schlussfolgerung  wird  um 
so  sicherer  sein,  je  mehr  Schädel  einer  Hasse  ge- 
messen werden  können.  Immerhin  ist  diese  Be- 
ziehung des  Schädels  zur  Körpergestalt  ein  Gewinn 
für  die  Forschung. 

Ich  erlaube  mir  noch , einige  Abzüge  des 
Bonner  Katalogs,  die  mir  die  Yerlagshandlnng  Fr. 
Vieweg  & Sohn  geschickt  hat,  vorzulegcn  mit  dem 
Vorworte,  womit  ich  die  Sammlung  einleiten  musste 
und  worin  ich  eiue  kurze  geschichtliche  Darstel- 
lung des  ganzen  Unternehmens  zu  geben  mich  ver- 
anlasst sab,  welches  die  Gesellschaft  der  gewählten 
Commission  zur  Ausführung  anvertraut  hatte.  Ich 
bitte  diejenigen  Herren,  welche  sich  ins  Besondere 
für  die  Craniologie  intercssircn , diese  Blätter  an 
sich  zu  behalten.  Ich  bemerke  ausserdem , dass 
ich  hier  auch  einen  Probebogen  des  Beitrages  von 
Hrn.  Geh.  Rath  Ecker,  die  Sammlung  von 
Freiburg  betreffend , vorlege.  Sie  werden  darin 
sehen , dass  wir  so  viel  wie  möglich  auch  die 
Freiheit  in  Bezug  auf  die  äussere  Form  der 
Beiträge  gewahrt  haben.  Der  Ecker’sche  Kata- 
log ist  nun  so  eingerichtet , dass  in  den  Zeilen 
des  Textes  die  einzelnen  Masse  folgen , wie  es 
in  dem  Kataloge  von  B.  Davis  der  Fall  ist. 
während  ich  die  tabellarische  Form  vorzog  und 
es  wirklich  ein  Zufall  war,  dass  die  im  ersten 
Programm  gewünschten  Masse  gerade  die  zwei 
Seiten  füllten,  und  es  nicht  möglich  gewesen  wäre, 
noch  eine  ('oliimne  hinzuzufügen.  Aus  diesem 
Grunde  sind  hier  keine  Indices  angegeben.  Ich 
habe  immer  vor  dem  Rechnen  mit  Indices  ge- 
warnt und  freue  mich , iu  den  neuesten  cranio- 
logischen  Schriften  die  Bemerkung  zu  finden , wie 
leicht  man  durch  Indices  irre  geführt  werden  kann 
und  dass  man  immer  wieder  gerne  auf  die  ein- 
fachen Zahlen  zurückgeht.  Hat  man  diese , so 


kann  Jeder  sich  seine  Indices  in  der  Weise  aus- 
rechuen,  wie  er  sie  gebraucht.  (Bravo!) 

(Die  5 Blätter  der  colorirten  Karte  des 
deutschen  Reiches , welche  die  Ergebnisse  der 
Schulerhebungen  über  die  Farbe  der  Haare , der 
Augen  und  der  Haut  der  Sehulkinder  darstellt, 
sind  ausgehängt.) 

Hr.  Virchow:  Die  Ergebnisse  der  Statistik, 
welche  durch  die  Schulerhebungen  gewonnen  und 
über  welche  schon  in  den  letzten  Jahren  par- 
tielle Berichte  mitgetheilt  worden  sind  , liegen 
nun  in  ziemlich  vollendeter  Gestalt  vor.  Nach 
guter  deutscher  Weise  siud  wir  auch  heute  noch 
nicht  alle  beisammen.  Es  ist  trotz  aller  Be- 
mühungen , gerade  für  den  heutigen  Tag  die 
Sache  fertig  zu  stellen,  doch  nicht  gelungen,  auch 
die  Letzten  heranzubringen.  Schwarzburg -Ru- 
dolstadt hat  versprochen,  Ende  dieses  Monats 
fertig  zu  werden , und  der  Senat  der  freien  Stadt 
Hamburg  hat  sich  noch  nicht  überzeugen  können, 
dass  es  ein  erspriessliches  Werk  ist,  was  wir  hier 
verrichten.  Alle  übrigen  Staaten  haben  die  Er- 
hebungen stattfinden  lassen , und  wenn  wir  ge- 
nötbigt  sein  sollten,  ohne  Hamburg  die  Oeffentlicli- 
keit  zu  betreten,  so  muss  ich  zugestehen,  dass 
darauf  nicht  viel  ankommen  wird.  Es  hatte  die  Vor- 
stellung einen  gewissen  Reiz,  für  heute  Alles  fertig 
zu  bringen;  indess  im  deutschen  Vaterlande  muss 
immer  etwas  zu  wünschen  übrig  bleiben. 

Die  Erhebungen,  wie  sic  jetzt  vorliegen,  haben 
2.114,553  Individuen  betroffen.  Die  Ergebnisse 
sind , wie  man  sowohl  aus  der  kartographischen 
Darstellung , wie  aus  den  Berechnungen  ersehen 
kann  , von  einer  ganz  überraschenden  Ueber- 
einstimmung.  Ich  kann  nicht  leugnen  , dass 
ich  selbst  immer  von  neuem  wieder  zweifel- 
haft geworden  war , ob  nicht  die  vielen  einzelneu 
Fehler,  welche  so  leicht  bei  der  Feststellung  be- 
gangen werden,  einen  erheblichen  Einfluss  auf  die 
Gesammtheit  der  Ergebnisse  ausüben  müssten,  und 
ob  nicht  wirkliche  Fälschungen  dadurch  eintreten 
könnten.  Die  Grösse  der  Zahlen,  um  die  es  sich 
handelt , und  das  Gute , was  die  statistische  Me- 
thode hat , dass  durch  die  Summe  der  einzelne 
Fehler  verwischt  wird , hat  es  mit  sich  gebracht, 
dass  wir  mit  einer  Gleichartigkeit  der  Resultate  her- 
vortreten können,  die  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt. 
Auf  den  Karten  ist  die  Eintragung  nach  den  kleinsten 
Grenzen  der  Verwaltungsbezirke,  die  wir  in  den  ver- 
schiedenen deutschen  Ländern  haben  und  die  leider 
nicht  ganz  gleichartig  sind,  erfolgt.  Es  würde  sich 
die  Karte  ein  wenig  anders  ausnehmen , wenn  wir 
durchweg  gleichartige  Grössen  hätten  ; indess  die 
preussischen  Kreise  sind  schwer  vergleichbar  z.  B. 
mit  den  württcmbergischen  Aemtem.  und  die 
kleinen  Staaten  haben  noch  kleinere  Verwaltungs- 
einheiten, so  dass  dadurch  an  manchen  Stellen  eiue 
gewisse  Buntheit  der  Farben  entsteht , die  gerade 
nicht  nothwendfg  wäre.  Ich  habe  darüber  nach- 


,gle 


95 


gedacht,  ob  wir  nicht  vielleicht  durch  Zusammen- 
ziehung der  kleineren  Bezirke  noch  grössere  Flachen 
Herstellen  sollten,  wie  das  Hr.  Fr  aas  auch  für 
die  prähistorische  Kartographie  als  wünsrhenswerth 
für  seinen  Zweck  ausgeführt  hat.  Es  ist  kein 
Zweifel,  dass,  wenn  wir  eine  solche  Karte  nur 
nach  preussischen  Provinzen  oder  nach  den  ein- 
zelnen kleineren  Ländern  in  toto  aufstellten , wir 
ein  viel  gledchmässigeres  und  übersichtlicheres  Bild 
gewinnen  würden ; ich  glaube  aber , dass  es  sich 
für  die  Publikation  doch  empfehlen  wird,  bei  einer 
Ausführung,  wie  die  gegenwärtige,  zu  bleiben,  weil 
der  Kreis  immerhin  eine  erheblich  grosse  Flüche 
darstellt  und  weil  für  die  weitergehenden  Untersuch- 
ungen, welche  sich  auf  die  Körpergrösse,  Schädelform 
u.  dgl.  zu  beziehen  haben,  es  ungemein  interessant 
ist,  derartige  Specialgesichtspunkte  zu  haben. 

Ich  möchte  nur  einen  dieser  Punkte  heraus- 
heben , weil  er  schon  im  Corrcspondenzblatte  zur 
Sprache  gekommen  ist.  Wenn  wir  das  ganze  Kö- 
nigreich Sachsen  zusammennähmen  , und  ganz 
Sachsen  mit  Einer  Farbe  deckten  , so  würde 
das  Bild  ein  viel  prägnantere*  werden  und  bei 
einem  Vergleiche  mit  der  preussischen  Provinz 
Sachsen  würden  wir  entschieden  eine  bequemere 
Vergleichung  haben , als  es  jetzt  der  Fall  ist. 
Nun  besitzt  aber  Sac  hsen  eine  auffällig  gemischte 
Bevölkerung.  Es  gibt  nicht  mehr  viele  Länder 
in  Deutschland , in  denen  die  Gegensätze  in  der 
Bevölkerung  so  scharf  hervortreten:  einzelne  säch- 
sische Amtsbezirke,  ncmlicb  Bauzcn  und  Zittau, 
haben  noch  heut  zu  Tage  eine  wendische  Be- 
völkerung. In  Bauzcn  ist  dies  so  ausgeprägt, 
dass  auf  dem  Lunde  noch  gegenwärtig  die  wen- 
dische Sprache  wirklich  geredet  wird , während 
dies  in  Zittau  nachgelassen  hat.  Immerhin  ist  der 
Gegensatz  dieser  Bezirke  gegen  andere  ein  erheb- 
licher, und  obwohl  in  älterer  Zeit  das  ganze  Kö- 
nigreich Sachsen  von  einer  slavischen  Bevölkerung 
eingenommen  war,  so  ist  doch  die  Germanisirung 
au  den  übrigen  Stellen  vollkommen  und  es  ist 
durch  die  starke  Einwanderung  eine  grosse  Masse 
rein  deutscher  Elemente  eingeführt  worden.  Nun 
war  ja , wie  Sie  wissen , einmal  die  Frage  aufge- 
worfen, oh  nicht  die  braune  Farbe  durch  die  Slaven 
in  das  deutsche  Wesen  hereingekommen  sein  möchte, 
ob  nicht  wenigstens  im  Norden  und  Osten  die 
brünetten  Elemente  ursprünglich  slavische  seien. 
Diese  Frage  hat  ein  sehr  grosses  Interesse.  Wie 
ist  nun  in  Sachsen,  wo  wir  noch  eine  slavisch 
sprechende  Bevölkerung  haben,  das  Verhältnis«? 
Es  ist  schon  im  (Corrcspondenzblatte  darauf  hin- 
gewiesen worden,  dass  gerade  in  Sachsen  die  Blon- 
den in  den  wendischen  Bezirken  die  Majorität 
haben.  Wenn  Sie  die  Haarfarben-Karte  betrachten, 
so  werden  Sie  sich  überzeugen,  dass  die  am  stärksten 
blonden  Punkte  auf  den  preussisch  - wendischen 
Theil  fallen.  Es  ist  der  Kreis  Spremberg , der 
hier  am  stärksten  hervortritt ; aber  auch  um  ihn 
herum  sitzt  eine  ziemlich  helle  Bevölkerung ; erst 
weiterhin  kommt  eine  dunklere.  Banzen  ist  etwas 


dunkler  als  Spremberg,  während  Zittau  wieder 
etwas  heller  ist.  Auch  die  ausgezogenen  Zahlen 
ergeben , dass  im  Königreiche  Sachsen  diejenige 
Combination,  welche  wir  voran  gestellt  haben  und 
welche  den  eigentlich  klassisch-germanischen  Typus 
ausdrttekt,  am  häutigsten  unter  den  Wenden  vor- 
kommt. Ich  habe  4 Verwaltungsbezirke  zusammen- 
gestellt: Zittau,  Buuzen  , Chemnitz  nnd  Zwickau; 
letztere  beide  liegen  am  linken  Elbeufcr.  Es  stellt 
sich  nun  merkwürdigerweise  heraus , dass  Zittau, 
welches  unmittelbar  in  Böhmen  hineingeschoben  ist, 
34V#  Blonde,  Bauzen  32%,  Chemnitz  98 V#  and 
Zwickau  nur  27®/#  (das  ganze  Königreich  30®/o) 
hat.  Das  Blonde  nimmt  also  in  dem  Masse  ah, 
als  das  deutsche  Wesen  zunimmt  Dieses  Verhält- 
nis« gilt  nicht  etwa  bloss  für  die  blonde  Gruppe, 
sondern  umgekehrt  auch  für  die  brünette.  Ich 
habe  schon  in  früheren  Jahren  hervorgehoben, 
dass  das , was  wir  blonde  und  brünette  Gruppen 
nennen,  nicht  die  Gesammtheit  der  Gezählten  um- 
fasst , sondern  dass  dazwischen  die  ganze  Gruppe 
der  Mischtypen  fällt.  Den  Mischtypus  haben  wir 
auf  den  Karten  im  Allgemeinen  ausgelassen;  wir 
haben  uns  da  nnr  mit  dem  reinen  Typus  beschäf- 
tigt. Es  kann  aber  sein , dass  in  demselben  Be- 
zirk relativ  viele  Blonde  und  aneh  relativ  viele 
Brünette  vorhanden  sind;  das  schliesst  sich  nicht 
aus.  Wir  stellen  ja  immer  nur  die  Relation  der 
verschiedenen  Bezirke  unter  einander  fest.  Es 
kann  daher  sein , dass  derselbe  Bezirk  auf  der 
blonden  Karte  hervortritt  als  stark  blond  und  auf 
der  braunen  als  stark  braun.  Zeigt  sich  nun  aber, 
dass  wir  in  demselben  Bezirk  eine  starke  blonde 
und  eine  schwache  braune  Bevölkerung  haben  oder 
umgekehrt . so  ist  dies  natürlich  ein  nm  so  auf- 
fälligeres Ergebniss.  Für  Sachsen  stellt  sich  das 
Ergebnis«  so:  Wir  treffen  auf  dem  rechten  Elbe- 
ufer die  mehr  Blonden,  auf  dem  linken  die  weniger 
Blonden;  wir  haben  aber  auch  auf  dem  rechten 
Ufer  die  weniger  Brünetten , auf  dem  linken  die 
mehr  Brünetten.  Wir  zählen  nemlieh  für  ganz 
Sachsen  13  Brünette , eben  so  viel  für  Zittau, 
14  für  Bauzen , 15  für  Chemnitz  und  Zwickau. 
Viel  auffallender  ist  es  noch , wenn  man  nnr  die 
Augen  nimmt.  Die  braunen  Augen  ergehen  in 
Sachsen  76  ®/o  der  binnen  Augen , dagegen  in 
Zittau  nur  70  V# , in  Bauzen  69  */• , in  Chemnitz 
aber  86°/o  nnd  in  Zwickau  89  %.  Die  dunklen 
Haare  betragen  gegenüber  den  blonden  im  König- 
reich Sachsen  44  V#  — die  Mischfarbe  ist  auch 
hier  ausser  Betracht  gelassen  — , dagegen  hat 
Zittau  38  •/#,  Bauzcn  47  •/•,  Chemnitz  45  •/#,  Zwickau 
437*.  Die  Haare  machen  hier  wesentliche  Schwan- 
kungen , wie  sie  überhaupt  das  inconstanterc  Ele- 
ment sind.  Die  Augen  sind  viel  constanter  nnd 
zuverlässiger. 

Es  ist  höchst  merkwürdig , wenn  man  das 
Oesammt -Ergehniss  für  das  deutsche  Reich  zu- 
sammenstellt. Ich  habe  zwei  solche  Zusammen- 
stellungen gemacht.  In  der  einen  habe  ich  den 
rein  blonden  Typus  nach  den  Provinzen  in  Preussen 


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96 


und  im  Uebrigcn  nach  den  Ländern  summirt;  in 
der  anderen  ist  ebenso  der  brünette  Typus  (die 
Kategorien  9 — 11  unseres  Schema)  summirt. 


A.  R-ein  blonder  Typus  (I). 

Feber  SS0'®  der  Gezählten: 

1.  Schleswig-Holstein 

43,s» 

(Lauenburg  45,, .i) 

2.  Oldenburg 

42,73 

3.  Pom  tuen  i 

42,  M 

4.  Meklenburg-Strelitz 

42.0» 

5.  Meklenburg-Scbwerin 

42,03 

6.  Braunschweig 

41,03 

7.  Hannover 

41,00 

8.  Pro\inz  Preussen 

39.78 

9.  Bremen 

39.« 

10.  Westfalen 

38,4® 

11.  Lübeck 

88a» 

12.  Waldock 

37,« 

13.  Provinz  Sachsen 

36,4* 

14.  Posen 

36,ts 

15.  Brandenburg 

35,7* 

16.  Lippe-Detmold 

33,* 

32,»  bis,  25  •/• : 

1.  Rouss  j.  L. 

32.frj 

2.  Schaumburg -Lippe 

32.,» 

3.  Anhalt 

82.it 

4.  Hessen -Nassau 

31,83 

5.  Königreich  Sachsen 

30.« 

6.  Rheinprovinz 

29, 04 

7.  Schlesien 

29  js 

8.  Sachsen -Meiningen 

28, a« 

9.  Grossherzogthum  Hessen 

27,«« 

10.  Sachsen  -Altenburg 

25,44 

11.  SchwaYzburg-SondenhauBea  25, s» 

12.  Reuss  &.  L. 

25,» 

. unter  25  •/» : 

1.  Württemberg 

24,m 

2.  Baden 

24,34 

3.  Sachsen -Weimar 

24,33 

4.  Sachsen  -Coburg  -Gotha 

2Ur 

5,  Bayern 

20,3« 

6.  Elsas«  - Lothringen 

18,44 

B.  Brünetter  Typus  [9  4* 

101  (II). 

Feber  15  7® : 

1.  Eisass -Lothringen 

2541 

2.  Baden 

21,i® 

3.  Bayern 

21,io 

4.  Württemberg 

19..s 

5.  Reuss  ft.  L. 

18.35 

6.  Sachsen -Altenburg 

174* 

7.  Grossborzogthum  Hessen 

16,«o 

8.  Schwarzburg-Sondershausen  16,»* 

9.  Sachsen -Meiningen 

15, »i 

10.  Schlesien 

15,». 

11.  Sachsen -Coburg -Gotha 

15,37 

12  bis  15»/,: 

1.  Reuss  j.  L. 

14,7« 

2.  Rhoinpreussen 

14,73 

3.  Sachsen -Weimar 

14,4t 

4.  Königreich  Sachsen 

14.» 

5.  Hessen -Nassau 

13, tt 

6.  Brandenburg 

124« 

Unter  12 

1 Posen 

11,17 

2.  Provinz  Sachsen 

II4? 

3.  Lübeck 

10,.. 

4.  Lippe -Detmold 

10,.. 

5.  Meklenburg-Strelitz 

10,1. 

6.  Mekleuburg -Schwerin 

9.« 

7.  Anhalt 

9,i 

8.  Waldeck 

9m 

9.  Provinz  Preuaaen 

9,„ 

10.  Westfalen 

9j. 

11.  Pommern 

9m 

12.  Schaumburg -Lippe 

13.  Hannover 

7,;. 

14.  Braunschweig 

7,r« 

15.  Bremen 

Im 

16  Oldenburg 

7.» 

17.  Sachsen -Meiningen 

0.» 

Daraus  ergibt  sich,  dass  man  bloss  nach  den 
Zahlen  der  Provinzen  und  Länder  von  vornherein 
herausfinden  kann,  wo  ungefähr  das  Land  liegt; 
einfach  nach  der  Reihenfolge  der  Zahlen  könnte 
Jeder,  der  sonst  nicht  wüsste,  wo  das  betref- 
fende Land  liegt , die  Stelle  auf  der  Karte  un- 
gefähr bezeichnen.  Norddeutschland  hat  im  All- 
gemeinen zwischen  43faa  und  33,*®  7®  Blonde;  ich 
spreche  hier  von  Procenteu  der  gesammten  Schul- 
kinder. Mitteldeutschland  hat  zwischen  32,»  und 
25  7®,  Süddcutsc bland  hat  unter  25#/‘«  und  zw'ar 
so,  dass  Elsass-Lothringen  an  der  untersten  Linie 
mit  18,«4  steht.  Wir  kommen  also  von  13.»  in 
Schleswig-Holstein  bis  18, 44  in  Eisass -Lothringen. 
Sie  werden  sehen,  dass  nur  kleine  Ausnahmen 
darunter  sind;  in  der  Hauptsache  stimmt  alles. 
Bei  dem  brünetten  Typus  stellt  sich  heraus,  dass 
Süddeutschland  durchschnittlich  zwischen  25  und 
157®  hat,  Mitteldeutschland  zwischen  15  und  12  7# 
und  Norddeutschland  unter  12  7®,  so  zwar,  dass 
hier  Elsass-Loth ringen  mit  25*/*  am  höchsten  und 
Schleswig-Holstein  mit  G,*%  am  niedrigsten  steht. 

Auch  an  der  Karte  zeigen  sich  einzelne  sehr 
bemerkenswerte  Erscheinungen.  Wir  sehen,  dass 
die  südlicheren  Verhältnisse  an  ein  paar  Stellen  in 
Thüringen  ziemlich  weit  beraofrücken  — das  ist  ganz 
constant  in  Sachsen- Weimar  und  Coburg-tiotha  der 
Fall.  Umgekehrt  schieben  sich  die  nördlichen  Strö- 
mungen mit  grosser  Constanz  in  der  Richtung  des 
schwäbischen  Stammes  herunter,  der  sich  theils  in 
Württemberg,  theils  in  Bayern,  nur  schwach  nach 
Baden  hinübergreifend , in  das  Gebiet  der  über- 
wiegend Brünetten  bineindrängt.  Im  äussersten 
Süden  ist  es  das  Lechgebiet,  welches  die  Vermit- 
telung gegen  das  Gebirge  hin  übernimmt , ge- 
rade wie  nordwärts  in  der  Richtung  der  Werra 
und  ihrer  Nebenflüsse  sich  eine  dunklere  Bevölke- 
rung in  Thüringen  hinaufschiebt.  Ein  analoges  Ver- 
hältnis erscheint  nochmals  im  Osten,  wo  eine  un- 
verkennbar dunklere  Strömung  das  eigentliche  Oder- 
gebiet charakterlsirt , so  zwar,  dass  Schlesien  sich 
ganz  von  Norddeutsch land  ablöst.  Diejenigen  Theile 
von  Posen,  Pommern  und  der  Mark,  welche  um  die 
Oder  liegen , zeigen  gleichfalls  diesen  dunkleren 
Zug  und  entsprechend  auf  der  blonden  Karte  eine 
hellere  Lücke. 

(Fortsetzung  in  Nro.  10.) 


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69 


gewidmet.  Hr.  Lehrer  Merk,  welcher  die  Höhle 
ansgebeutet  hat,  und  Hr.  Professor  Fraas,  ein 
Kenner  derselben,  waren  die  Führer  auf  der  auch 
landschaftlich  ansprechenden  Partie.  Das  Kessler- 
Loch  ist  vollständig  ausgcränmt.  Nur  an  der 
hintersten  Wand  sind  noch  geringfügige  Reste  der 
Kalksinterdecke , unter  welcher,  ausserdem  noch 
bedeckt  von  einem  etwa  1 Fuss  mächtigen  gelblichen 
Lehmlager  die  durch  ihre  grauschwarze  Farbe 
ausgezeichnete  Älteste  Kulturschichte  lag.  Einige 
Arbeiter  legten  mit  Schaufel  und  Hacke  die  spär- 
lichen Reste  der  ehemaligen  Schichtenfolge  bloss. 
Die  Ausbeute  war  nicht  nennenswerth.  Einige 
zersplitterte  Hirschkuochen,  Unterkiefer  vom  Alpen- 
basen.  einige  unbestimmte  Vogelknochen  waren 
ansser  zahlreichen  Topfscherben  die  wichtigsten 
Fundgegenstfinde.  Die  letzteren  lagen  meist  ober- 
flächlich, aber  auch  ans  dem  gelben  Lehm  unter  der 
Kalksintcrdeoke  wurden  sie  hervorgezogen.  Die 
Reste  der  Ältesten  Kulturschichte  waren  zu  spär- 
lich, um  das  von  Hrn.  Merk  angegebene  voll- 
kommene Fehlen  von  Topfscherben  in  derselben 
constatiren  zu  können. 

Von  Thayingcn  ans  wurde  der  Ausflug  nach 
Srhaflhausen  fortgesetzt  zur  Besichtigung  der  dor- 
tigen prÄhistorischen  Sammlung,  welche  ein  reiches 
Material  von  Pfahlbanfunden  und  Kulturüberresten 
ans  Höhlen,  namentlich  auch  aus  der  Thayinger- 
nnd  der  Frendenthaler-Höhlc . besitzt.  In  der 
Sehaffhausener  Sammlung  wird  eine  der  schönsten 
im  Kesslcrloch  gefundenen  Gravirungen:  das  Renn- 
pferd mit  dem  feinen,  vorgestreckten  Kopfe,  auf- 
bewahrt ; auch  ornamentale  Gravirungen  aus 
der  Freudenthaler -Höhle , mit  einem  Stücke  aus 
dem  Thayinger  Funde  vollkommen  Übereinstim- 
mend. 

Ein  zweiter  gemeinsamer  Ausflug  galt  den 
Pfahlbauten  des  Ueberlinger-Sees  und  den  im 
Museum  zu  Ucberlingen  — einem  verkleinerten 
guten  Abbild  des  Rosgarten-Museums  — anfbc- 
w ährten  Resten  derselben.  Auf  einem  zu  diesem 
Zwecke  gemiethetem  Dampfer  wurde  die  Gesell- 
schaft an  der  Insel  Mainau  und  den  übrigen  Pfahl- 
haustat innen  des  Ueberlinger-Sees,  welche  durch 
rothe  Ffthnchen  bezeichnet  waren,  vorüber  zu  der 
landschaftlich  überaus  schön  gelegenen,  alterthflm- 
lichen  Stadt  Ueberlingen  geführt.  Die  Umgebung 
bietet  auch,  abgesehen  von  den  Pfahlbauten  durch 
die  z.  Th.  noch  wohlerhaltenen  künstlichen  Höhlen- 
wohnungen, die  sogenannten  Heidenlöcher,  ein  prä- 
historisches Interesse. 

Der  dritte  in  seinem  Erfolge  für  die  Besucher 
wohl  lehrreichste  Ausflug  wurde  nach  dem  uner- 
schöpflichen Pfahlbau  in  dein  bei  der  Stadt  Frauen- 
feld zwischen  Niederwyl  und  Strass  liegenden,  nun 
trockengelegten  Torfmoore  des  Egelsees  und  zur 
Besichtigung  der  in  dieser  Station  gemachten 
Fände  in  dem  Museum  zu  Franenfeld  unter- 
nommen. Hr.  Messikomer  von  Wetzikon,  welcher 
mit  dem  historischen  Vereine  des  Kantons 
Thurgau  im  Sommer  1862  diesen  in  seiner  Con- 


strnction  von  der  Mehrzahl  der  übrigen  Pfahl- 
bauten wesentlich  abweichenden,  zuerst  von  dem 
Präsidenten  des  genannten  Vereines,  Hru.  Dekan 
Pupikofcr  zu  Frauenfeld,  beschriebenen  Bau 
näher  untersucht  und  theilweise  ausgebeutet  hatte, 
hatte  für  den  Besuch  der  Mitglieder  unserer  Ver- 
sammlung ein  etwa  25  Fuss  im  Gevierte  betra- 
gendes Stück  des  Pfahlbaues  durch  Wegnahme 
einer  ziemlich  3 Fuss  dicken  übergelagerten  Torf- 
schichte blosslegen  lassen.  Die  Station  bei  Nicder- 
wyl  ist  kein  eigentlicher  Pfahlbau,  sondern  ein 
„Knittelbau“.  Die  ehemaligen  Hütten,  deren  Reste 
man  aufgefunden  hat,  waren  anf  regelmässig  ge- 
bauten Knittelböden,  von  denen  mehrere  — 5 bis 
6 — über  einander  im  Torf  lagen,  aufgebaut.  Die 
Zwischenräume  der  Böden  sind  mit  Reisig,  Laub- 
streu (man  konnte  wolilerhaltenc  Blätter  von 
Erlen,  Weiden  und  wohl  auch  Ahorn  noch  deutlich 
erkennen),  Lehm  und  Riedgräsern,  Haselnuss- 
schalen etc.  ausgefüllt.  Die  Aufgrabung  zeigte 
uns  zuoberst  einen  wohlerhaltenen  Roden  von 
gespaltenem  Eichenholz  (rohen,  schmalen  Brettern) 
hergestellt.  Er  ruhte  auf  einer  dicht  geschlossenen 
Lage  horizontalliegender  Rundhölzer  oder  Brügel 
(meist  Erlen-  und  Buchenholz)  je  3 — 4 Zoll  dick, 
fast  alle  noch  mit  der  Rinde  bedeckt.  Die  Brttgel- 
lage  war  durch  senkrecht  eingetriebene  etwas 
dickere  Pfähle  zusammengehalten.  Unter  der 
ersten  Lage  von  Rundhölzern  folgte  ein  Gitterwerk 
aus  ähnlichen  Brügeln.  aber  in  senkrechter  Kreuzung 
zu  der  ersten  Brügelschichtc  gelegt.  Dann  kam 
die  erste  Zwischenlage  von  Streu  und  Erde,  unter 
welcher  eine  zweite  u.  s.  f.  Bodenlage  von  voll- 
kommen analoger  Construction  ausgegraben  wurde. 
Das  Holz  war  in  seinem  Ansehen  ganz  wohl  er- 
halten, so  dass  man  mit  Leichtigkeit  die  Holzart 
erkannte;  es  war  aber  so  weich,  dass  es  ohne 
Schwierigkeit  mit  dem  Spaten  gestochen  werden 
konnte.  Namentlich  an  den  senkrecht  cingeramniteti 
Pfählen  konnte  man  deutlich  die  kurzen,  etwas 
coocaven  Hiebe  der  Steinaxt  erkennen,  welche  dem 
spitzen  Pfählende  das  Aussehen  eines  schlecht  ge- 
spitzten Bleistiftes  ert heilten.  II r.  Messikomer 
hatte  an  einer  benachbarten  Stelle  des  Pfahlbaues 
schon  seit  mehreren  Tagen  arbeiten  lassen.  Die 
dabei  frisch  gemachten  Funde  waren  auf  einem 
nebenstehenden  Tische  ausgestellt  : geschüttene  Stein- 
äxte, eine  davon  noch  in  dem  z.  Thl.  wohlerhaltenen 
Holzgriff,  rohe  Steingeräthe  aus  Flussgeschieben, 
wenig  bearbeitet,  Feucrsteinsplitter  und  Messer, 
flache  Mühlsteine  -mit  dein  Reiher,  Topftrümmer 
von  grossen  mit  freier  Hand  gemachten  Geschirren, 
Reste  von  Stricken  und  Gcspinnstcn,  zu  diesem 
die  konischen  durchbohrten  Webegewichte  aus 
Thon,  verkohltes  Getreide  und  daraus  gebackenes 
Pfahlbauembrod  mit  z.  Thl.  noch  anzerriebenen 
Körnern  und  manches  Andere  war  da  zu  sehen. 
Die  Sammlung  in  Frauonfeld  vervollständigte  in 
ausgezeichneter  Weise  die  an  Ort  und  Stelle  ge- 
wonnene Uehersicht  über  die  hier  gemachten  Funde, 
welche  den  Niederwyler  Pfahlbau  der  reinen 


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70 


Steinperiode  zuweisen.  Auch  unter  unseren  Außen 
wurde  ein  Theil  der  Funde  zwischen  den  einzelnen 
im  Moore  über  einander  gelagerten  Böden  gemacht, 
so  dass  sich  daraus  ergibt,  dass  diese  nicht 
gleichzeitig  sondern  erst  nach  und  nach  über 
ciuaiider  angelegt  worden  sein  können,  wohl  immer 
ein  neuer,  wenn  der  erste  in  dem  noch  balbHüssig 
beweglichen  Moorboden  versanken  war. 

Mit  dem  Angeführten  ist  das  reiche  der  Ver- 
sammlung gebotene  Studienmaterial  noch  nicht  er- 
schöpft. In  dem  Versammlungslokale  waren  grössere 
und  kleinere  Sammlungen  ausgestellt,  von  welchen 
die  hervorragendsten  ebenfalls  sich  auf  die  Pfahl- 
bauten bezogen. 

Ur.  Dr.  V.  Gross  von  Neuvcville  (Bern) 
hatte  aus  den  Pfahlbauten  von  Auvernier  und 
Möritigen  (Neuenburger-  und  Bieler-See)  eine 
Sammlung  namentlich  von  Bronzen  und  Bronze- 
gussformen  in  dem  Versammlungslokale  aufgestellt, 
wie  eine  solche  von  ähnlicher  Pracht  und  Anzahl 
der  Fundstilcke  noch  niemals  bei  einer  allgemeinen 
Versammlung  gezeigt  werden  konnte.  Auvernier 
am  Neuenhurger-Sec  ist  jene  Station,  welche 
Ur.  Desor  als  Hnuptrcpräsentantin  des  „Bel 
agc  du  bronzc“  vorgeführt  hat.  Möringeu  am 
Bielersee  gehört  der  „ Bronze-  und  ersten  Eisenzeit“ 
an.  I)ic  Versammlung  hatte  dadurch  die  beste 
Gelegenheit,  die  Funde  aus  den  der  Bronzezeit 
angehörenden  Pfahlbauten  mit  den  um  Constanz 
gelegenen  aus  der  Steinzeit  zu  vergleichen.  Ausser 
den  Bronzen  enthielt  die  Ausstellung  des  Herrn 
Gross  eine  Sammlung  von  geschliffenen  Nephrit- 
Instrumenten  wie  sie  kein  Museum  des  Continents 
bis  jetzt  aufzuweisen  hat. 

Hr.  Revierförster  E.  Frank  in  Schussenricd 
batte  eine  Sammlung  von  Fundgegenständen  aus 
dem  von  ihm  untersuchten  Pfahlbau  bei  Schussen- 
ried  ausgestellt,  welcher  in  seinem  Bau  viele 
Achulielikeit  mit  dem  von  Niederwy!  zeigt.  Nament- 
lich interessant  waren  unter  diesen  Funden  die 
kleinen  an  Kinderspielzeug  mahnenden  Töpfchen 
und  Urnen,  z.  Thl.  noch  gefüllt  mit  Samen  von 
Beeren  und  Getraide. 

Zur  jetzt  so  lebhaft  besprochenen  alten 
Bronzefabrikation  legte  Hr.  Graf  Wurrabraud 
ein  nach  einem  alten  Bronzeschwert  ans  Uchatius- 
Bronze  in  vorzüglich  gelungener  Weise  nachge- 
gossenes Schwert  vor,  hei  dessen  Herstellung,  ein- 
schliesslich der  feinen  Strich -Ornamente  atu  Griff, 
kein  Eisen  oder  Stnhl  angewendet  worden  war. 

Durch  die  Hm.  Virchow  und  Voss  waren 
bei  den  der  Versammlung  dargebotenen  Aus- 
stellungen auch  die  von  deu  schweizer  und  süd- 
deutschen Pfahlbauten  sich  wesentlich  unterschei- 
denden norddeutschen  Pfahlbauten  vertreten,  in- 
dem sie  die  durch  die  Altcrthumsgescllschaft  Prussia 
in  Königsberg  in  Pr.  bei  der  Ausgrabung  der 
Pfahlbauten  im  Arys-See  bei  Werder  gemachten 
Funde  in  übersichtlichen  Collectionen  vorlegten. 
Diese  Ansiedlungen  von  slavo  - lettischem  Typus 
(Virchow)  gehören  einer  viel  jüngeren  Periode  an 


als  die  schweizer  Pfahlhauten.  Gerfithe  aus 
Eiseu,  Bronze  und  namentlich  aus  Horn  (Lanzen- 
spitzen  etc.).  Tbongeechirre , Knochen  von  Haus- 
tieren, vorwiegend  vom  Schwein,  bildeten  die  vor- 
gelegt eu  Fundgegenstämle. 

Aus  einer  alten  bei  dem  Bau  der  Rheinbrücke 
der  Berlin  - Metzer  Eisenbahn  entdeckten  Wohn- 
stätte legte  Ilr.  v.  Sch  aa  ff  hausen  einige  Funde 
vor.  Daun  den  schönen  ans  3 Drähten  gedrehten 
„Nibelungenring“  und  ein  mächtiges  Jadeit  (V)-Beil 
im  Gypsabguss. 

Die  Uebersicht  über  prähistorische  Wohn- 
stätten wurde  vervollständigt  durch  ein  Gypsmodell 
des  Burgwalls  bei  Radeluhn  hei  Schwedt  a.  d.  O. 
(angefertigt  durch  llnu  Lehrer  F.  Voigt  in  Kö- 
nigsberg i.  d.  Neumark,  Preis  30  Mark),  welches 
Hr.  Voss  ausgestellt  hatte. 

Von  den  weiteren  Ausstellungen  sind  noch  zu 
nennen  zahlreiche  Funde  aus  lndianergrftbern  aus 
Costariea  von  Hru.  v. Schrödter  ausgestellt.  Hr. 
Virchow  legte  Funde  aus  alten  Gräbern  in  Liev- 
land  vor,  namentlich  au>  einem  Hügel:  Rinnekalu; 
ausser  4 Menschenschädeln  Geräthe  aus  Knochen 
und  Horn,  durchbohrte  Zähne,  Gescliirrreste  und 
zahlreiche  Biberkuoehen.  Hr.  Kollmanu  stellte 
eine  Anzahl  mesocephale  Schädel  aus  alten  baye- 
rischen Grabstätten  und  2 Ungarnsrhädel  vor; 
Hr.  Krause  einen  Torfschädel.  Abgesehen  von 
dem  reichen  bisher  genannten  Materiale  wurde 
auch  die  Familie  Becker  aus  Bürgel  bei  Hanau 
mit  ihrem  mikrocephalcu  * jährigen  Mädchen 
Margarethe  der  Gesellschaft  vorgeführt.  Und 
Hr.  Krause  legte  den  Schädel  mit  Gehirn  und 
Schädel -Ausguss  eines  von  ihm  beobachteten 
Kindes  vor,  dessen  Gehirn  nach  den  Darstellungen 
des  Referenten  weniger  die  Zeichen  einer  Mikro- 
eephalie  als  die  eines  wahren  Affentypus  erkennen 
lässt.  Hr.  Orth  demonstrirte  namentlich  diluviale 
Gesteine  zu  seinem  Vortrage. 

Ausserdem  wurden  noch  in  Karten  nnd  Tafeln 
zahlreiche  Abbildungen  vorgeführt,  unter  denen  die 
durch  Hm.  Lciner  besorgten  wohliiclungenen  photo- 
graphischen Darstellungen  der  Thayinger  Gravi- 
rungen  und  Schnitzereien  den  ersten  Platz  bean- 
spruchen. Sie  sollen  in  Nachbildung  diesem  Be- 
richte beigefügt  werden.  Weiter  sind  zu  nennen 
die  statistischen  Karten  des  Hm.  Virchow,  die 
Abbildungen  norddeutscher  Bronzen  von  Hru.  Voss 
in  Lichtdruck  (in  ’a  natürl.  Grösse,  bestimmt  für 
eine  demnächst  erscheinende  Puhlieation  des  kgl. 
Museums  zu  Berlin)  und  die  einer  römischen  mit 
Silberplatten  bekleideten  Bronzetigur  von  Urn.  Julius 
Friedländer. 

Zum  geschäftlichenTheile  unserer U eber- 
sicht  übergehend  haben  wir  zunächst  den  erfreulichen 
Fortschritt  der  grossen  (Tunmissionsarbeiten  der 
Gesellschaft  zu  constatiren.  Am  weitesten  von  der 
Vollendung  unter  diesen  ist  leider  noch  immer  die 
prähistorische  Karte  Deutschlands,  doch  konnte 
Hr.  Fraas,  Vorsitzender  der  kartographischen 


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71 


Commission,  ronstatiren,  «lass  in  Folge  der  mm 
eingegangenen  Beiträge  die  Verhältnisse  schon 
klarer  liegen  als  im  Vorjahre,  so  dass  nun  die 
Frage  des  „wie“  der  Ausführung  an  die  Commission 
herantritt. 

Die  Arbeiten  der  Commission  für  die  Heraus- 
gabe des  Gesammtkatalogs  der  anthropologischen 
Sammlungen  in  Deutschland  sind  ihrem  Abschluss 
nahe.  Hr.  v.  Sc  ha  aff  hausen,  der  Vorsitzende  der 
Commission,  legte  die  ersten  fertigen  Bogen  des 
Katalogs  der  Versammlung  vor.  Fs  ist  jetzt  so 
viel  Material  eingelaufen,  dass  für  ein  ganzes  Jahr 
Druckmaterial  bereit  liegt.  Der  Anfang  des  Kata- 
logs wird  mit  dem  nächsten  Hefte  des  Archivs 
für  Anthropologie  ausgegeben  werden. 

Die  grosse  statistische  Untersuchung  der  Be- 
völkerung Deutschlands  ist,  wie  Hr.  Virchow 
mittheilen  konnte,  vollendet.  Denn  auch  die  kleine 
noch  unausgefüllte  Insel  Hamburg  wird  bis  zum 
Erscheinen  diesos  Berichtes  die  Resultate  ihrer 
Erhebungen  eingesendet  haben.  Die  Publikation 
der  statistischen  Karten  mit  Text  wird  in  der 
kürzesten  Zeit  statttinden  und  jedem  Mitglied  der 
Gesellschaft  ein  Exemplar  gratis  zugestellt  werden 
(cf.  Hr.  Virchow  zum  Budget).  Sehr  erfreulich 
sind  die  Mittheilungen,  welche  Hr.  Virchow  geben 
konnte,  dass  eine  analoge  Erhebung  für  mehrere 
besonders  wichtige  Nachbarländer  theils  in  Aus- 
sicht stehen  (Schweiz,  Böhmen.  England,  Holland, 
Galiizicn),  theils  schon  vorliegen.  Die  russische 
Militärverwaltung  hat  in  den  nördlichen  Gouverne- 
ments bei  der  Rekrutirung  des  Jahres  1875  eine 
Aufnahme  in  unserem  Sinne  gemacht  und  die  Re- 
sultate Hm.  Virchow  zur  Verfügung  gestellt,  welcher 
sic  nächstens  itn  Archiv  für  Anthropologie  pub- 
lieiren  will. 

Ebenso  erfreulich  waren  die  Berichte  unseres 
Schatzmeisters,  des  Hm.  Weismann,  welche  wir 
hier  aus  der  ersten  resp.  dritten  Sitzung  einrfleken. 

Hr.  Weiaitiann:  Hochverehrte  Versammlung! 
Am  Schlüsse  unserer  Tagesordnung  habe  ich  die 
Ehre,  Ihnen  den  rechnerischen  Theil  unserer  dies- 
jährigen Thätigkeit  vorzuführen.  Es  drängt  mich 
vor  allen  Dingen,  hei  dem  günstigen  Resultate,  mit 
dem  ich  vor  Sie  treten  kann,  denjenigen  Herren 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  meinen 
aufrichtigen  und  tiefgefühlten  Dank  zu  sagen,  die 
dieses  günstige  Rech nungsresraltat  ermöglichen  halfen. 
Ich  trete  hener  vor  Sie  mit  einer  Gesainmteinnahme 
von  10,722  M.  im  Gegenhalt  zu  der  vorigjährigen 
Einnahme  von  8989  M.  Dieses  günstige  Resultat 
ergibt  sich  einmal  aus  der  ausserordentlichen  Unter- 
stützung der  Vereinskassiere  und  «1er  Geschäftsführer 
der  einzelnen  Gruppen  und  dann  aus  dem  praktischen 
Erfolge  des  im  vorigen  Jahre  gefassten  Beschlusses, 
tlie  Beiträge  der  isolirten  Mitglieder  durch  Nach- 
nahme zu  erheben.  Es  hat  das  im  grossen  und 
ganzen  nicht  diese  Verstimmung  hervorgerufen,  die 
ich  anfänglich  befürchten  zu  müssen  glaubte;  bis 
auf  ganz  wenige  Ausnahmen  ist  dieser  Beschluss 


freudig  begrüsst  und  gulgeheissen  worden  und  ich 
kann  sagen,  dass  von  den  204  isolirten  Mitgliedern, 
die  der  Verein  gegenwärtig  zählt,  nur  noch  wenige 
im  Rückstände  sind;  es  sind  die  Beiträge  sämmtlich 
eingetrieben  worden.  Die  rückständigen  Beiträge 
vom  vorigen  Jahre  waren  299 , was  das  sehr 
respectable  Resultat  von  954  M.  ergab.  Dann 
sind  von  1440  Mitgliedern  für  dieses  Jahr  die 
laufenden  Beiträge  nebst  Portovergütungen  in  der 
Summe  von  4397  M.  eingegangen,  und  sind  dies 
die  Beitrüge  von  1251  Gruppen- Mitgliedern  und 
189  Beiträge  isolirter  Mitglieder.  Rückständig 
bleiben  demnach  von  den  c.  1040  zahlenden  Mit- 
glieder unser«  Vereines  nur  die  Beiträge  von 
2t*>  Mitgliedern,  die  jedoch  schon  in  allernächster 
Zeit  einlaufen  dürften1),  da  dieselben  fast  aus- 
schliesslich grösseren  Gruppen  angehören.  Aus  den 
einzelnen  Berichten  des  Correspondenzblattes  sind 
noch  60,25  M.  vereinnahmt  worden,  ausser  den 
27  M.  von  «lern  im  vorigen  Jahre  stattgehabten 
Verkauf  der  bayerischen  Erhebungen  über  die 
Farben  der  Augen,  Haare  und  Haut. 

Ich  lege  nun  den  Kassenbericht  vor.  Da  finden 
Sie  verzeichnet: 

Kassenbericht  1870  77. 

Einnahme. 

Kassenvorrath  von  voriger  Rechnung 

An  Zinsen  gingen  ein 

299  Rückständige  Beiträge  ans  den 
Jahren  1875  und  1870  — von 
Gruppen  und  isolirten  Mitgliedern 
— einschliesslich  einiger  Mehr- 
beträge und  Portovergütungen  für 

Nachnahmesendungen 

Jahresbeiträge  von  1440  Mitgliedern 
für  1877  einschliesslich  einiger 
Mehrbeträge*  und  Portovergütungen 

für  Nachnahmen  

Für  besonders  abgegebene  Berichte 
und  Correspondonzblätter  . . . 

Für  den  Verkauf  der  bayerischen 
Berichte  über  die  «tat,  Erhebungen 
Zusammen : 


Ausgabe. 

1.  Für  Verwaltung«- 

kosten UL  545  93 

2.  Für  Buclibinderh'ihiie  * 88  12 

3.  Druckkosten: 

a)  Druck  des  Corre- 
spoiidenzblattcB 

pro  1870  . . „ 1701  10 

b)  Druck  des  Cassa- 

berichtes  pro  1870  „ 12  20 

c)  Druckschriften 

und  Copalien  . . „ 91  JHI 

4.  Für  die  Stenographen  bei  der 

Generalversammlung  in  Jena  . 


1)  Sind  bereits  einbe  zahlt.  Am  30.  Okt.  1877. 

W. 


UL  5191  89  ^ 
92  70  „ 


„ 954  — „ 

„ 4397  7 „ 

* 60  25  „ 

• 27  - „ 

10722  91 


UL  2499  25  ^ 

. 240  - „ 

UL  2739  25  $ 


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Transport: 

5.  Zn  Händen  des  Herrn  General- 

sekretärs   

6.  Zu  Händen  des  Schatzmeisters  . 

7.  Honorar  für  Mitarbeiter  des  Corre- 

Kpimdenxldattes 

8.  An  Hm.  Prof.  Pr.  Klopf  leis  ch 

für  Ausgrabungen 

9.  An  den  Zweigverein  München  für 

Ausgrabungen  ...... 

10.  An  Hrn.  Prof.  Pr.  Fraas  für 

Herstellung  von  250  Stück 
Karten  Warttemberger  Schul- 
erhebungeu  butr.  . v . . . 

11.  An  Hrn.  Prof.  Pr.  Fraas  für  die 

erste  Publikation  der  prähistori- 
schen Karte 

bii'T«>n  ••rboh.-n  7-1  UL  I>er  cur  Z«iit  &«>cli 
unrrkulH'n«'  K«-»t  Ton  726  JL  «rachdnt 
in  uicbntjiUiriKi'r  Kcvhnun*  als  Kin- 
ikiIiiih-  für  i^l.-icbun  Ziri-ck. 

12.  Au  Hrn  Prof.  Pr.  Virchow  für 

die  statistische  Bearbeitung  der 
Tabellen  über  die  Erhebung  der 
Farbe  der  Augen,  Haare  und 
der  Haut 

bletun  erhoben  247  JL  50  l>«*r  tur 

Zeit  noch  uiierlioben*-  K<*1  vun  1252  JL 
50  ^ «•rarlifinl  in  niclialjaliri^tr  K«:h- 
h>ib|f  il"  Kinnabnio  fltr  gli  klwo  Zweck. 

13.  Guthaben  bei  Merk  Christian  & 

Cie.  in  München  . **  2233  15 

14.  Paar  in  Cassa  . . * 1600  11 

Zusammen : 

«laron  ••r*eheint  laut  Kcnurkung  bei 
Ziffer  II.  and  12.  die  Hamm«-  Ton 

1998  Jl  5»'  4 

in  lUclo-tjiihntfi'r  Kirhnona  wl»  Kio- 
tiahaii-,  wortllor  btwit*  vt- rlQ/t. 


2739  JL  25  4 

w «oo  - „ 

- 300  - „ 

„ 40  40  . 

„ 4UO  — „ 

„ 300  — „ 


n 150  - „ 


„ 800  — „ 


W 1500  - „ 


. 3893  20  , 

JL  10722  91  4 


A.  Capital- Vermögen. 

Als  „Eiserner  Bestand“  aus  Einzah- 
lungen von  15  lebenslänglichen  Mit- 
gliedern und  zwar: 

a)  4l;*®/‘*  Grosah.  Bad.  Partial- 
Ohligaticui  von  1866  Lit.  C. 


Nr.  7237  Jf.  GOO  — ^ 

b)  Pesgl  Lit  D.  Nr.  4935  . . „ 300  — „ 

c)  Pfandbrief  der  Khein.  Ilypo- 
tliekeu-Bank  Serie  XIV.  L.  P. 

Kr.  143 _*  300  — , 

Zusammen : »M.  1200  — 


II.  Bestand. 


1.  An  Wertlipapieren JL  bOO  — ^ 

2.  Guthaben  bei  Merk  Christian  . . „ 2233  15  „ 

3.  Baar  in  Kasse  .......  „ 1GG0  11  * 

Verfügbar  zusammen:  *.*-  4G93  26  ^ 

4.  Best  aus  dem  Jahr  1875/76,  worüber 

laut  Ziffer  11.  und  12.  schon  ver- 
fügt   „ 1978  50  „ 


ludern  ich  Ihnen  dieses  günstige  Resultat  mit 
dem  Wunsche  vorführe,  Sic  möchten  auch  im  laufen- 
den Jahre  Ihre  Thatigkeit  mit  der  des  Schatzmeisters 
vereinigen,  damit  wir  zu  einem  noch  günstigeren 
Resultate  gelangen,  schliesse  ich  meine  Mittheilung 
mit  der  Bitte  um  Dccharge-Ertheilung.  (Bravo!) 


In  der  dritten  Sitzung  unterbreitete  der  Herr 
Schatzmeister  der  Versammlung  noch  folgende  Vor- 
schläge : 

Hr.  Welsmann : Krmuthigt  durch  Ihre  freund- 
liche Anerkennung  der  meinerseits  dem  Verein  im 
verflossenen  Jahre  geleisteten  schwachen  Dienste, 
erlaube  ich  mir  im  Interesse  einer  festeren  Orga- 
nisation und  einer  für  alle  Mitglieder  höchst  wün- 
schenswerthen  Klarlegung  unserer  Vcrciusverhftlt- 
nisse  Sie  um  die  Geuehmigung  folgenden  Antrages 
zu  bitten.  Sie  wollen  gestatten , dass  dem  dies- 
jährigen Jahresberichte  eine  kurze  Statistik  bei- 
gegeben werde,  enthaltend : 

1)  Ein  Verzeichnis  sammtlicher  Gruppen  und 
Lokal- Vereine  mit  ihren  Vorstandsmitgliedern 
und  Geschäftsführern. 

2)  Eine  Zusammenstellung  der  eingelaufeuen  Bei- 
trage pro  „Jahr“ , der  noch  vorhandenen 
Ausstaude  und  der  bezogenen.  Exemplare  des 
Correspondcnzblattes. 

3)  Eiu  Verzeichnis»  der  isolirten  Mitglieder  mit 
genauer  Adresse. 

4)  Ein  Verzeichnis  jener  Gesellschaften , mit 
welchen  SehrifLeuaustausch  statttindet. 

5)  Ein  Verzeichniss  der  lebenslänglichen  und 
der  Ehrenmitglieder. 

Es  würde  durch  eine  solche  Statistik  Fühlung 
zwischen  den  verschiedenen  Gruppen  um!  Mit- 
gliedern herbeigeführt,  der  Verkehr  zwischen  den- 
selben würde  wesentlich  erleichtert,  viele  Mitglieder 
würden  sich  im  Bewusstsein , einem  Verein  anzu- 
gehören , der  die  ersten  Männer  des  deutschen 
Volkes  auf  allen  Gebieten  des  Wissens  in  sich 
sehüesst , sicherlich  zur  grösseren  Thatigkeit  für 
die  Vereinszwecke  veranlasst  sehen,  und  endlich 
böte  dieselbe  auch  eine  klare  Einsicht  in  den  je- 
weiligen Stand  des  Vereins,  namentlich  auch  für 
den  leitenden  Vorstand  und  die  Vorstande  der  Zweig- 
vereine. 

Der  einstimmigen  Annahme  vorstehenden  An- 
trages folgte  von  Seite  des  Schatzmeisters  noch 
die  dringende  Bitte , jedes  einzelne  Vereinsiuit- 
glied  möge  sich  doch  die  Werbung  für  den  Verein 
ja  recht  angelegen  sein  lassen  , damit  die  wissen- 
schaftlichen Bestrebungen  desselben  auch  ihre  ma- 
terielle Unterstützung  und  Ermöglichung  linden 
können. 

In  der  I.  Sitzung  waren  als  Commission  zur 
Prüfung  der  vorgelegten  Ueehuungeu  und  des 
Cassabe Standes  die  Ilrn.  C.  E.  E.  H offmann  (Ba- 
sel), W alter  (Coustanz)  und  J.  Ranke  (München) 
gewühlt  wordeu.  ln  der  111.  Sitzung  erstattete  im 
Namen  dieser  Commission  Hr.  Ho  ff  mann  Be- 
richt, indem  er  erklärt,  dass  der  Kasseücstand 
dieses  Jahr  gegen  das  Vorjahr  ein  sehr  erfreu- 
licher sei  uud  die  gauze  Rechnungsführung  sich 
als  eine  durchaus  pünktliche  und  gewissenhafte  ge- 
zeigt habe.  Dem  Hrn.  Schatzmeister  wird  De- 


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{Sorrespoitbenj-'JSfatl 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Aulliropologic,  Ethnologie  und  Ergescliiclile. 

R e d i g i r t 
von 

Professor  Kollmann  in  München, 

G»ft*nb««rrrtüi  Jer  UuwlUrtMfl. 


* Erscheint  jeden  Monat 

Nro.  10.  München,  Druck  von  R.  Oldeubourg.  Oktober  1877. 


Bericht  über  die  VIII.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Constanz 

am  24.-26.  September  1877. 

(Redigirt  von  Prof.  Johannes  Ranke  in  München.) 


(Fortsetzung  zu  Iirn.  Virchow.) 

Das  blonde  Gebiet  ist  dadurch  in  zwei  Hälften 
aus  einander  gelegt.  Die  eine,  welche  am  stärksten 
in  Altpoinnieru  (Hinterpommern)  hervortritt , die 
andere,  welche  Meklcnburg,  Holstein,  Hannover 
und  Oldenburg  umfasst , mit  ihrer  Akme  an  der 
Grenze  von  Jütland  und  in  Ostfriesland. 

Ich  will  hier  nicht  weiter  gehen  und  nur  das 
factische  Material  vorführen,  woran  sich  später 
andere  Betrachtungen  anscbliessen  lassen.  Wir 
werden  in  der  Lage  sein , wenn  wir  die  Karte 
haben,  auf  Grund  dieser  Ergebnisse  Untersuchungen 
namentlich  über  die  Körpergrösse  und  Schädelform 
auzustellen , und  ich  hoffe , dass  wir  auf  diesem 
Wege  endlich  eiu  vollkommenes  Material  bekommen 
werden*  Das , was  ich  noch  hinzufügen  wollte, 
betrifft  namentlich  die  Nachbarstaaten.  Sie  sehen 
leicht,  sowie  wir  die  Frage  der  ethnologischen  Ab- 
stammung stellen,  so  erscheint  unsere  Karte  wie  der 
erste  Band  eines  grösseren  Werkes,  dessen  zweiter 
und  dritterBaml  noch  fehlt,  so  dass  wir  noch  nicht 
recht  wissen  können,  was  aus  der  Geschichte 
werdet!  wird.  Die  dunkle  Bevölkerung  z.  B.  von 
Ober-  und  Niederbayern , die  überall  an  öster- 
reichische Lande  stösat,  macht  es  im  höchsten 
Masse  wünschenswert!] , dass  die  anstossenden 
Theile  von  Oesterreich  sich  unsern  Arbeiten  an- 
schliessen. Ich  habe  schon  in  Pest  auf  dein  inter- 
nationalen Congress  darauf  hingewiesen,  aber  es 
ist  noch  dringlicher  geworden,  seitdem  wir  die 
sächsische  Zählung  haben,  liier  bildet  Böhmen 
eine  grosse  Lücke.  Es  ist,  wie  wenn  mitten  aus 

Corrtap.-BUU  Nro.  10. 


dem  Satze  einige  Wörter  herausgenommen  waren. 
Wir  können  z.  B.  analytisch  betrachtet  nicht  er- 
sehen, ob  sich  die  Brünetten  nach  Osten  mit  der 
Donau  oder  nach  Süden  au  den  Zuflüssen  der 
Donau,  namentlich  dem  Inn,  nach  Tirol  fortsetzen, 
oder  anders  ausgedrückt,  ob  die  brüuetten  Ein- 
flüsse von  einer  südlichen  oder  von  einer  östlichen 
Einwanderung  gekommen  sind , ob  es  rhätische 
oder  altkcltischc  Elemente  sind,  welche  hier  her- 
vortret eu.  Beide  Fragen  liegen  sehr  nahe. 

Betrachten  wir,  wie  in  der  Haarkarte  die  Differenz 
von  Baden  und  Eisass  so  auffällig  hervortritt,  so  ist 
ja  schon  früher  darauf  aufmerksam  gemacht  worden, 
dass  sieh  hier  in  der  Tliat  eine  Art  von  Rhein- 
grenze  ergibt,  wie  gewisse  andere  Verhältnisse  eine 
Maingrenze  darstelleu.  Mau  hat  damals  die  Frage 
aufgeworfen,  ob  das  Resultat  nicht  künstlich  dadurch 
herbeigeführt  sei,  dass  wir  zu  wenig  Kategorien  von 
Zählungsgruppen  hätten.  Ich  habe  deshalb  auf  der 
Haar-  und  Augenkarte  noch  ueue  Kategorien  hinzu- 
fügen lassen,  indem  in  die  colorirten  Felder  noch 
Striche  eingezeichnet  sind,  die  es  gestattet  haben, 
Unterabteilungen  zu  machen.  Trotzdom  ist  das 
VerhAltuiss  unverändert  gehlieben.  Aus  der  merk- 
würdigen Gleichartigkeit  des  badischen  Landes  und 
der  dagegen  auffallenden  Ungleichartigkeit  von  Elsass- 
Lothringen  kann  man  wohl  sebttessen,  dass  westliche 
Einflüsse  sich  geltend  gemacht  haben.  Indessen 
weder  Karte,  noch  Geschichte  gestatten  uns  mit 
Sicherheit  zu  bcurtheileu,  ob  das  eine  Einwanderung 
gewesen  ist,  oder  ob  hier  Ueberreste  einer  ursprüng- 
lichen Bevölkerung  hervortreten,  die  durch  die 

1 


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98 


nördliche  oder  östliche  Einwanderung  zurückge- 
schoben  worden  ist.  Die  Existenz  des  schwäbischen 
Keiles,  der  sich  in  den  südlichen  brflnetten  Stamm 
hineinschiebt,  scheint  allgemein  darauf  hinzudeuten, 
dass  die  blonde  Kasse  in  der  That  von  Norden  her 
sich  in  eine  schon  vorher  vorhandene  braune  Rasse 
eingesenkt  hat.  Das  würde  ja  mit  den  Ueber- 
lieferungen  nicht  im  Widersprach  stehen. 

Immerhin  sind  es  sehr  interessante  Fragen, 
welche  sich  hier  heraussteilen.  Wir  werden  nach- 
her sehen  müssen,  wie  weit  sich  auf  Grund  fernerer 
Beobachtungen  feststellen  lässt,  ob  diese  Differenz, 
auch  in  anderen  Richtungen  besteht.  Durch  die 
grössere  Ausdehnung,  welche  die  nationale  Cra- 
niologie  im  Laufe  des  letzten  Jahres  erfahren  hat, 
ist  allerdings  craniologisch  der  Gegensatz  von  Nord 
und  Süd  in  noch  viel  stärkerer  Weise  hervor- 
getreten , als  man  ihn  bis  dahin  kannte.  Die 
bayerischen  Untersuchungen  (cf.  IV.  Sitzung  Jo- 
hannes Ranke),  welche  überwiegend  die  dunkle 
südöstliche  Ecke  betroffen  haben  — die  im  stärksten 
Gegensätze  steht  zu  dem  friesischen  Winkel  im 
Nordwesten  — haben  gezeigt,  dass  in  der  That 
zwischen  den  herrschenden  Schädelformen  in  Alt- 
bayern und  in  Friesland  ein  unvermittelter  Gegen- 
satz existirt.  Wir  können  schon  jetzt  übersehen, 
dass  Mitteldeutschland  eine  vermittelnde  Stellung 
einnimmt.  Die  Schädel  in  Mitteldeutschland  sind 
nicht  so  hoch,  wie  in  Süddeutschland,  und  nicht  so 
niedrig,  wie  in  Norddeutschland.  Wir  bringen  also 
allmählich  greifbare  Differenzen  heraus,  und  es  wird 
sich  bald  erkennen  lassen,  in  welchem  Masse  wir 
diese  Untersuchung  weiter  zu  verfolgen  haben. 

Ich  selbst  habe  schon  angefangen , Verbin- 
dungen mit  den  Nachbarstaaten  und  Provinzen  an- 
zubahnen;  von  anderer  Seite  ist  es  freiwillig  ge- 
schehen. Sie  werden  hören  , dass  unser  Freund 
Desor,  der  schon  auf  der  Münchener  Versamm- 
lung die  Zusage  ertheilto , in  der  Schweiz  wirken 
zu  wollen , Erfolg  gehabt  hat.  Wir  haben  das 
besondere  Vergnügen  . ein  Schreiben  von  der 
schweizerischen  Naturforschergesellschaft  erhalten 
zu  haben,  welches  Hr.  Prof.  Hagen b ach  als 
gegenwärtiger  Vorstand  unterzeichnet  hat.*)  Darin 
wird  uns  officiell  Mittheilung  gemacht , dass  in 
der  Schweiz  diese  Angelegenheit  in  Angriff  ge- 

Baiel,  15.  Sept.  1877. 
Herrn  Professor  I>r.  Ko  II  mann  in  München,  General- 
sekretär der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 

Hochgeehrter  I lerr ! 

Im  Jahre  1870  hat  der  Vorstand  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  uns  ersucht,  die  Anord- 
nungen zu  treffen,  wodurch  die  Schulvorstände  der  ge- 
summten Schweiz  angewiesen  werden,  durch  die  einzelnen 
Lehrer  eine  statistische  Zusammenstellung  Uber  die  Farbe 
der  Augen,  der  Haare  und  der  Haut  der  Schüler  zu 
machen.  — Am  19.  April  1876  habe  ich  dem  Hrn.  Prof. 
Dr.  Zittol  berichtet,  dass  die  Ausführung  dieses 
Wunsches  besondere  Schwierigkeiten  hat,  da  das  Schul- 
wesen nicht  Sache  des  Bundes,  sondern  der  einzelnen 
Cantone  ist,  dass  aber  das  Cimtraleomite  versuchen 


nommen  werden  soll.  Die  Gesellschaft  hat  An- 
ordnungen getroffen , um  die  Schulvorstände  der 
gesummten  Schweiz  anzuweisen,  durch  die  Lehrer 
statistische  Zusammenstellungen  in  unserem  Sinne 
machen  zu  lassen.  Es  ist  in  der  diesjährigen 
Versammlung  in  Bex  der  Gegenstand  besprochen 
und  eine  besondere  Commission  gebildet  worden, 
als  deren  Präsident  Hr.  Karl  Ernst  Emil  Hoff- 
mann,  der  hier  anwesend  ist,  gewählt  worden 
ist.  Ich  habe  Hrn.  Hage nb ach  in  München 
getroffen  und  von  ihm  erfahren,  dass  wir  darauf 
rechnen  können , die  Angelegenheit  ernstlich  be- 
trieben zu  sehen , wenngleich  bei  der  Eigentüm- 
lichkeit der  Schweizer  Verhältnisse  eine  so  gleich- 
massige  Einwirkung  von  irgend  einer  Centralstelle 
aus , wie  wir  sie  erzielt  haben , nicht  ausführ- 
bar ist. 

Für  Böhmen  hat  mir  Hr.  Prof.  Klebs  neuer- 
lich in  München  die  Zusage  erteilt,  einen  anthro- 
pologischen Verein  in  Prag  zu  gründen , der  als 
Zweigverein  unseres  deutschen  Vereines  auftreteu 
wird.  Als  wir  im  Jahre  1870,  noch  vor  dem 
Kriege , die  Statuten  unserer  Gesellschaft  fest- 
stellten, da  wurde  als  selbstverständlich  angenommen, 
dass  wenigstens  die  durch  deutsche  Repräsentanten 
vertretenen  österreichischen  Länder  nach  altem  Ge- 
brauche auch  von  uns  als  deutsche  angesehen 
werden  sollten.  Ich  darf  wohl  auch  jetzt  im  Namen 
der  versammelten  Gesellschaft  wiederholen , dass 
wir  uns  sehr  freuen  würden,  wenn  in  Oesterreich 
in  wirklicher  unmittelbarer  Verbindung  mit  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  vorge- 
gangen würde.  Je  mehr  dies  von  einem  wirklichen 
Zweigvereine  geschieht,  um  so  grösser  wird  unsere 
Freude  sein;  indess  auch  da.  wo  diese  Form  nicht 
gewählt  werden  sollte,  wo  inan  jedoch  sich  unseren 
Bestrebungen  anschiiessen  wollte,  werden  wir  alles 
tliun.  um  freundnachbarliche  Beziehungen  aufrecht 
zu  erhalten. 

Das  Nemliche  kann  ich  Ihnen  inittheilen  in 
Bezug  auf  Belgien  und  Holland.  Hr.  Donders 
in  Utrecht  und  llr.  Vande rkindere  in  Brüssel 
sind  schon  in  Thätigkeit,  um  dort  analoge  Unter- 
suchungen herbeizuführen.  Ebenso  ist  die  Aka- 
demie in  Krakau  für  Galizien  vorgegangen  . und 
es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  früher  als  wir 

werde,  in  irgend  einer  Weise  die  Angelegenheit  in  Gang 
zu  bringen.  — An  der  letzt  jährigen  Versammlung  in 
Basr;  wurde  der  Gegenstand  in  der  zoologischen  (zugleich 
anthropologischen)  Section  besprochen,  und  an  der  dies- 
jährigen Versammlung  in  Bex  ist  die  Angelegenheit  um 
einen  fernem  Schritt  weiter  gekommen,  insofern  die 
schweizerische  Naturforschende  Gesellschaft  eine  Special- 
commission  für  die  Besorgung  dieser  Angelegenheit  auf- 
gestellt  hat.  Präsident  derselben  ist  Herr  Professor 
C.  K.  K.  Hoffman  li  in  Basel;  er  wird  »ich  zur  Be- 
sprechung des  Notlügen  mit  Ihnen  in  Verbindung  setzen. 

Mit  ganz  ergebener  Hochachtung 

das  (entrnlcoinile  der  Schweiz.  Naturf. 
Ge&ellscli.  in  dessen  Namen  der  Präsident 
H age  n b a c h - B i a c h off. 


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selbst  mit  dieser  Aufgabe  zugleich  auch  in  Bezug 
auf  die  Körperverhältnisse  fertig  werden  wird.  Wir 
sehen  neidlos  auf  diese  Priorität ; ich  wünschte, 
es  waren  noch  viele  andere  zu  verzeichnen.  Ich 
bin  persönlich  sehr  gerne  bereit,  jede  unseren  Ar- 
beiten analoge  Richtung  zu  fördern,  und  wir  werden 
den  Herreu  in  Krakau  gern  folgen , wenn  wir  uns 
überzeugen , dass  es  möglich  ist , durch  Lokal- 
personen auch  zugleich  die  Srhädelformen  auf- 
nebmen  zu  lassen , was  ich  in  der  That  für  ein 
gewagtes  Ding  halte. 

Es  ist  mir  ferner  gelungen , seitens  der  rus- 
sischen Militärverwaltung  in  den  nördlichen , ganz 
oder  zum  Theil  finnischen  Gouvernements  bei  der 
Kekrntirung  des  Jahres  1875  eine  Aufnahme  in 
unserem  Sinne  zn  erlangen.  Ich  habe  dieselbe 
schon  bearbeitet  und  hoffe,  dieselbe  in  der  nächsten 
Zeit  im  Archive  für  Anthropologie  publiriren  zu 
können.  Sie  werden  daraus  ersehen , dass  sich 
die  Frage  nach  dieser  Richtung  hin  ausserordent- 
lich romplicirt,  indem  sich  die  Blonden  weit  nach 
Osten  in  die  finnische  Bevölkerung  fortsetzen  und 
wir  da  eine  Menge  von  blonden  Stämmen  finden, 
so  dass  erst  ganz  weit  nach  dem  Ural  zu  sich 
braune  Finnen  einstellen.  Ich  habe  auf  meiner 
letzten  Reise  in  Wenden  , einer  kleinen  Stadt  in 
Livland,  w'o  ein  Bataillon  der  sog.  inneren  Wache 
statiouirt  ist.  sämmtliche  finnisch  redende  Soldaten 
untersucht,  und  ich  war  in  der  That  sehr  über- 
rascht zu  sehen , dass  bei  einigen  dieser  Ural- 
finnen , namentlich  bei  einem  T scheremissen  fast 
negerartige  Erscheinungen  vorkamen,  während  sonst 
bei  den  meisten  ein  rein  blonder  Typus  existirt. 

Ich  hoffe , Sie  werden  zufrieden  sein , dass 
wir  mit  diesem  Werke,  soweit  wir  es  zunächst  zu 
behandeln  gehabt  haben,  am  Ende  sind.  Die  Publi- 
kation unserer  Tabellen  und  Karten  kann  in  kür- 


zester Zeit  stattfinden.  Wir  werden  zunächst 
warten,  ob  wir  auch  die  zwei  kleinen  Lücken  noch 
ausfüllen  können.  Dann  werden  wir  sowohl  die 
Hauptergebnisse  der  Zahlen , als  die  colorirten 
Karten  publiciren.  Auf  welche  Weise  das  im  Ein- 
zelnen ausgeführt  wird,  ist  noch  nicht  festgestellt. 
Es  ist  das  ein  Punkt , den  Sie  uns  überlassen 
haben;  wir  werden  auf  die  eine  oder  andere  Weise 
dafür  sorgen,  dass  die  Mitglieder  diese  Blätter  in 
die  Hand  bekommen. 

Hr.  C.  E.  E.  Hoffman»  aus  Basel:  Ich  wollte 

nur  als  Ergänzung  der  Mittheilungen,  die  Hr.  Prof. 
Virchow  über  die  Schweiz  gemacht  hat,  bemerken, 
dass  in  der  letzten  Versammlung  in  Bex  Ende 
August  beschlossen  worden  ist.  die  Aufnahme  in 
der  Schweiz  in  die  Hand  zu  nehmen.  Ich  bemerke 
aber,  dass  es  für  uns  ungleich  schwieriger  sein 
dürfte,  die  Sache  so  zu  machen,  wie  sie  in  Deutsch- 
land gemacht  worden  ist , wo  man  von  der  Be- 
hörde aus  einfach  den  Schullehrern  aufgab , die 
Sache  zu  besorgen.  Bei  uns  muss  die  ganze  An- 
gelegenheit freiwillig  bearbeitet  werden  , und  cs 
hängt  von  dem  guten  Willen  der  einzelnen  Leute 
und  Gegenden  ab , ob  sie  sich  an  der  Sache  in 
irgend  welcher  ergiebigen  Weise  beteiligen  wollen 
oder  nicht.  Trotzdem  haben  wir  aus  anderen  Auf- 
nahmen gesehen,  dass  diese  Freiwilligkeit  zu  einer 
gewissen  Vollständigkeit  geworden  ist,  und  ich  hoffe, 
dass  ich  in  der  nächstjährigen  Versammlung  in  der 
Lage  sein  werde,  Ihnen  einige  Ergebnisse  aus  der 
schweizer  Zahlung  mittheilen  zu  können;  die  Arbeit 
wird  sofort  nach  meiner  Rückkehr  nach  Basel  in 
Angriff  genommen.  Ich  glaube  aber  kaum,  dass 
wir  vor  etwa  2 Jahren  mit  der  Arbeit  fertig 
sein  werden;  wir  können  Ihnen  aber  iin  nächsten 
Jahre  schon  eine  allgemeine  Uebersicht  über  die 
Arbeit  geben. 


Zweit«  Sitzung. 


Inhalt:  v.  Sch  rot»  dt  er:  über  Indianerpräher  in  Costarica.  — Bronzen.  Nephrite  und  Schädel  aus  schweizer 
Pfahlbauten:  Gross,  Desor,  Graf  Wurm brand,  Virchow  — Vorträge  und  DiscuRsion  über 
prähistorische  Kunst:  Ecker,  Virchow,  Fraas,  Forel , Messikommer  , Graf  Wurm- 
brand , Ecker. 


Hr.  Virchow:  Die  Sitzung  ist  eröffnet. 

Ausser  der  Tagesordnung  theile  ich  Ihnen  zu- 
nächst mit,  dass  Hr.  v.  Schrödter,  der  die  Aus- 
stellung von  Sachen  von  Costarica  gemacht  hat. 
die  Sie  im  ersten  Kasten  links  sehen , Beine  Be- 
merkungen in  einem  schriftlichen  Bericht  uns  über- 
geben hat.  Derselbe  lautet; 


Diese  Gegenstände  sind  in  Indianergrähern  in 
der  Republik  Costarica  in  Uentralamerika  gefunden, 
und  ist  beobachtet,  dass  sie  immer  an  der  Stelle 
zu  finden  sind,  wo  die  rec  hte  Hand  des  Körpers 
gelegen  haben  muss;  welcher  Ort  wohl  deshalb 
gewählt  gewesen  ist  , um  es  der  wandernden  Seele 
zu  erleichtern  heim  Zugreifen  und  dem  Gebrauch 

1* 


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der  üefllsse.  In  manchen  der  Krüge  findet  man 
noch  Holzkohle , doch  ausserdem  nur  Erde,  ob- 
gleich wohl  anzunehmen  ist,  dass  man  den  Todten 
auf  ihrer  Wanderung  auch  Lebensmittel  mitgab, 
die  aber  wohl  durch  die  Zeit  zerstört  worden  sind. 
In  anderen  Gegenden,  wie  z.  B.  in  Chiriqui  in  der 
Republik  Neugranada  oder  Vereinigten  Staaten 
von  Columbien  wie  sie  jetzt  heissen,  hat  man 
öfters  in  den  Indianergräbern  Gegenstände  wie 
Fledermäuse,  Adler  etc.  aus  reinem  Golde  ge- 
funden; in  Costarica  hingegen  scheinen  sie  ihren 
Todten  keine  so  werthvollen  Geschenke  mitgegeben 
zu  haben,  wohl  aus  dem  Grunde,  dass  die  Flüsse 
in  Costarica  weniger  Gold  mit  sich  führen  als 
die  in  der  Nachbarrepnblik,  und  die  Indianer 
wohl  schwerlich  schon  die  Bearbeitung  von  Gold- 
minen kannten,  sondern  dieses  Metall  aus  den 
Flüssen  entnahmen.  Die  Gräber  selbst  findet  man 
immer  in  grösserer  Anzahl  an  einem  Ort,  wo  man 
einmal  erst  Eines  entdeckt  hat,  ein  Beweis,  dass 
man  wohl  schon  damals  gemeinschaftliche  Be- 
gräbnissplätze  hatte , und  findet  man  sie  jetzt  so 
ziemlich  an  der  Oberfläche  der  Erde,  da  wohl  mit 
der  Zeit  durch  die  heftigen  Regengüsse,  welche  in 
den  Tropen  während  der  Regenzeit  stattfinden,  das 
Erdreich  nach  und  nach  abgewaschen  sein  mag, 
um  so  mehr,  als  die  Begräbnissplätze  immer  auf 
einem  Hügel  oder  an  dessen  Abhang  zu  finden  sind. 
Was  das  Grab  selbst  betrifft,  so  ist  in  demselben 
ein  aus  flachen  Steinplatten  zusammengesetzter 
Sarg  zu  finden,  fast  ganz  in  der  Form  unserer 
hölzernen  Särge;  da  aber  die  Platten  nur  lose  an 
einander  stehen  oder  auf  einander  liegen,  so  ist 
mit  der  Zeit  die  Erde  liineiugeschwemmt  worden, 
so  dass  man  den  ganzen  inneren  Raum  mit  Erde 
angefüllt  findet,  und  nur  hie  und  da,  beim  Durch- 
stechen dieser  Erdschicht  findet  man  eine  Ader 
gelben  Pulvers,  welches  wohl  der  ganze  Rest  der 
verwitterten  Knochen  ist.  Höchst  selten,  aber 
doch  wohl  hie  und  da  hat  man  einzelne  Zähne  ge- 
funden, aber  nie  Knochen.  Wie  alt  diese  Gräber 
sind,  ist  nicht  zu  ermitteln;  jedenfalls  rühren  sie 
aus  der  Zeit  vor  der  Entdeckung  Amerikas  her, 
wo  die  Indianer  noch  ungestört  in  grösseren  Ge- 
sellschaften in  Ortschaften  zusammen  wohnten,  bis 
sie  von  den  Eindringlingen  verjagt  und  ihre  Ge- 
meinden auseinandergesprengt  wurden.  Jetzt  be- 
finden sich  nur  noch  zwei  Stämme  der  Indianer 
im  Süden  der  Republik  Costarica  und  zwar  die 
Blanco  nnd  Talamanca,  welche  jede  Einmischung 
der  Regierung  von  sich  weisen.  Die  niedere  Be- 
völkerung von  Costarica  zeigt  sehr  viel  Mischung 
der  spanischen  Rasse  mit  den  Indianern;  doch 
gibt  es  noch  einzelne  Ortschaften,  wo  die  Indianer- 
Rasse  sich  ganz  rein  erhält,  obgleich  sie  inmitten 
der  Bevölkerung  liegen,  die  spanische  Sprache  und 
die  christliche  Religion  angenommen  haben;  sie 
scheint  aber  sich  nicht  zu  vermehren , sondern 
eher  am  Aassterben  zu  sein,  da  bei  jeder  Epidemie 
eine  grosse  Anzahl  binweggerafit  wird,  wie  1850 
durch  die  Cholera,  wo  beobachtet  wurde,  dass 


kein  Indianer,  einmal  von  dieser  Krankheit  be- 
fallen , wieder  genass , während  von  den  andern 
Einwohnern  eine  grosse  Anzahl  gerettet  wurde.  — 

Vorsitzender:  Dann  hat  Hr.  Dr.  Gross  von 
Neuvcville,  der  die  ganz  besondere  Güte  gehabt  hat, 
einen  grossen  Schatz  von  Pfahlbautensachen,  haupt- 
sächlich der  Bronzezeit  angehörend,  hier  auszustellen, 
das  Wort  gewünscht.  Bevor  ich  ihm  dasselbe  gebe, 
möchte  ich  ihm  im  Namen  der  Gesellschaft  uiisern 
ganz  besonderen  Dank  aussprechen.  Es  wird  wohl 
nur  eine  Stimme  darüber  sein,  dass  eine  so  reiche 
und  zugleich  lehrreiche  Sammlung,  wie  diejenige, 
die  er  uns  überbracht  hat,  kaum  jemals  auf  einer 
solchen  Versammlung  ausgestellt  worden  ist.  Die 
Stationen,  die  er  ausgebeutet  hat,  haben  sich  so 
ungewöhnlich  ergiebig  erwiesen  nnd  bieten  so  un- 
gewöhnlich reiche  Sachen  dar,  dass  es  für  uns  in 
der  That  von  höchstem  Interesse  gewesen  ist,  die 
Sachen  hier  za  haben. 

Hr.  Grog»:  Erlauben  Sie  mir  Ihnen  einige 
Worte  über  die  Bronzegegenstände,  die  Sie  hier 
ausgestellt  sehen,  zu  sagen.  Sie  rühren  alle  von 
zwei  sehr  reichen  Pfahlbaastationen  her,  die  zu 
jener  vorhistorischen  Periode  gehören,  welche  Hr. 
Professor  Desor  mit  Recht  die  Blüthezeit  des 
Bronzealters  genannt  hat  Die  eine  Station 
Möringen  liegt  im  Bieler-,  die  andere  Auvemier 
im  Neuchätclersee.  Beide  Pfahlbauten  zeichnen 
sich  durch  Reichhaltigkeit  und  Schönheit  ihrer 
Gegenstände  aus,  und  dürften  in  diesen  Punkten 
alle  bis  jetzt  untersuchten  Pfahlbauten  der  östlichen 
Schweiz  weit  hinter  sich  zorücklassen.  Die  Aus- 
grabungen in  Möringen  wurden  in  den  letzten  Jahren 
um  Vieles  erleichtert  durch  die  Tieferlegung  des 
Bielersees,  so  dass  diese  Station,  die  früher  3 — 4 
Meter  hoch  mit  Wasser  bedeckt  war,  jetzt  voll- 
ständig trocken  liegt.  Zu  den  bedeutendsten 
Bronzegegenständen  von  Möringen  gehören:  Ein 

vollständig  gut  erhaltenes  Bronzeschwert,  welches 
mit  einem  auffallend  kurzen  massiven  Griff  versehen 
ist,  der  in  einem  Knopf  ausläuft.  Ein  anderes  Exem- 
plar mit  unvollständig  erhaltener  Klinge,  dessen  Griff 
aus  Bronze  mit  eingelegten  Eisenstreifen  besteht.  Ein 
drittes  Schwert,  dessen  Klinge,  der  chemischen 
Untersuchung  nach  zu  urtheilen.  hauptsächlich  aus 
Eisen  besteht  und  dessen  Griff  von  Bronze  mit 
eingelegtem  Eisen  ist.  Die  Form  nnd  Ornamen- 
tirnng  der  Klinge  ist  ganz  dieselbe  wie  die  der 
bronzenen  Schwerter,  nur  ist  das  eiserne  Schwert 
bedeutend  grösser.  — Was  die  Schmuckgegenstände 
betrifft,  so  zeichnen  sich  die  Armbänder  durch  die 
schöne  vollendete  Arbeit  und  die  vielen  Verzie- 
rungen aus.  Sie  sind  theils  geschlossen,  thcils 
offen  und  haben  einen  Durchmesser  von  -I  bis  zu 
15  Centiineter.  Besonders  interessant  ist  ein  ge- 
schlossenes Armband  aus  Bronze . welches  mit 
Eisenstreifen  verziert  ist.  Andere  Sch  muck  Sachen 
fanden  sich  in  Gestalt  von  Ohrgehängen  aus 
Bronze  und  Gold,  Zierbeschlägen,  auffallend  dicken 


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105 


lieh  anf  äussere  Gründe . nicht  aui  den  inneren 
Grund  des  Kunstwerkes,  d.  h.  auf  die  Lage  und 
Fundverhältnisse , die  man  also  kurzweg  als  geo- 
logische Gründe  bezeichnen  kann.  Die  Zeichnungen 
wurden  mit  Waffen  und  Werkzeugen  unter  den- 
selben Bedingungen  gefunden  und  müssen  also 
nach  diesem  Schlüsse  gleichzeitig  sein;  dabei  wird 
natürlich  auch  von  dieser  Seite  die  Möglichkeit 
einer  Fälschung  in  einzelnen  Fällen  nicht  geleugnet: 
allein  sie  handeln  nach  dem  juristischen  Grund- 
sätze: quisque  präsumitur  bonus  nisi  contrarium 
probetnr.  So  stehen  sich  also  diese  zwei  Ansichten 
scharf  gegenüber.  Ich  weiss  nicht,  ob  es  bewusst 
oder  unbewusst  geschah,  dass  der  Künstler,  welcher 
das  Blatt  .aui  unsere  Aufnahmekarte  gezeichnet 
hat,  auf  seinem  Bilde  gewissermassen  diese  beiden 
streitenden  Parteien  repräsentirt.  Wir  sehen 
nemlich  hier  in  ftusserst  ruhiger  und  verständiger 
Weise  ein  Reut  hier  Modell  stehen  und  davor  sitzt 
ein  nackter  Mann  auf  einem  steinernen  Sopha, 
mit  Schnitzen  einer  solchen  Figur  beschäftigt; 
dahinter  tritt  aus  einer  Felsenspalte  ein  theilweise 
bekleideter  Mann  hervor,  welcher  mit  entschieden 
unverkennbarer  Verwunderung  diese  Schnitzerei 
betrachtet  und,  wie  mir  scheint,  nicht  übel  geneigt 
ist,  den  ertappten  Künstler  zu  denunciren.  Wir 
finden  also  hier  diese  beiden  streitenden  Parteien 
gewissermassen  repräsentirt. 

Wir  haben  ausser  dem  artistischen  und 
im  Gegensätze  hiezu  dem  geologischen  Momente 
ferner  noch  in  Betracht  zu  ziehen  das  technische 
und  zoologische  Moment.  Erlauben  Sie  mir 
in  möglichster  Kürze  das  Gewicht  dieser  ver- 
schiedenen Momente  zu  berücksichtigen. 

Was  das  artistische  Moment  betrifft,  so 
weist  Linde  nach  mit’)  darauf  hin,  dass 

„Alles,  was  zwischen  diesen  vermeintlich  ersten 
Versuchen  von  Darstellungen  der  Thierwelt  und 
den  Leistungen  einer  um  Jahrtausende  vorge- 
schrittenen Bildung  liegt,  nur  «len  Charakter 
unbeholfenster  Barbarei  zeige;  eine  solche  gleich- 
mäßig überall  wahrnehmbare  Verwilderung,  ein 
Rückschritt  gerade  nur  in  diesem  einzigen  Punkt 
bliebe  aber  um  so  unerklärlicher,  als  die  ge- 
s&mmteu  übrigen  Bildmigszustände  dieser  späteren 
Zeiten  doch  eine  so  unermessliche  Ueberiegenheit 
zeigen  im  Vergleiche  zu  jenen  der  Troglodyten 
der  Kis-  und  Renthiereeit.“ 

ln  ähnlicher,  wenn  auch  nicht  in  der  ent- 
schiedenen Weise  soll  sich  auch  B ertra n d•) **)  aus- 
gesprochen haben.  Lindenschmit  theiltc  mir 
auch  die  Aeusserung  des  schweizerischen  Antiquars 
Hrn.  v.  Bon stetten  mit,  welcher  sagt: 

„Je  suis  du  reste  converti  depuis  loug  tems  ä 
votre  maniere  de  voir.  Le  renne  broutant  a 
£tö  mon  point  de  döpart.  Le  dessin  est  d’une 

•)  Archiv  für  Anthropologie  Bd.  III  S.  109  und 
Bd.  IX  S.  177 

*•)  Ich  fminerke  hiebei:  KtJata  refero;  ich  habe 
keiiie  Quelle  für  diese  Angabe  zu  bezeichnen. 
Corrr«p.-BUtt  ]tw.  10. 


si  parfaite  exöoution  qu'il  denot«  la  main  d'un 
artiste  muni  de  bons  outils  en  acier.  Les  sueces 
obtenus  par  un  premier  faux  ont  du  nöcessairement 
inspirer  l’idöe  d‘en  commettre  d’autres  soit  par 
cupiditö  soit  par  amour  propre.  . . . Jadis  on 
fabriquait  des  inscriptions  vonmines  fausscs, 
aujourd'hui  la  mode  est  venue  des  os  sculptes 
ou  graves.  Tout  $a  me  setnble  un  affreux 
humbug.“ 

Dies  sind  also  Aussprüche  von  zwei  Autori- 
täten. Beide  behaupten,  dass  bei  allen  Völkern 
die  Kunst  sich  gleichzeitig  mit  der  übrigen  Kultur 
entwickle,  während  von  den  Gegnern  angenommen 
wird,  dass  eine  relativ  bedeutende  Entwicklung  der 
Kunst  auch  auf  sonst  sehr  niedriger  Kulturstufe 
stattfinden  könne.  Nun,  cs  ist  klar,  dass  auf  den 
ersten  Anblick  das  erstere  wahrscheinlicher  ist, 
und  der  beste  Beweis  dafür  ist  das  allgemeine  Er- 
staunen, als  die  ersten  Höhlenzeichnungen  aus  der 
Dordogne  zu  Tage  traten;  andererseits  muss  man 
aber  doch  wohl  zugeben,  dass,  so  wie  die  Begabung 
für  Kunst  bei  Individuen  eine  verschiedene  ist,  sie 
möglicher  Weise  auch  hei  Rassen  eine  verschiedene 
sein  kann.  Der  bekannte  ungarische  Forscher 
P u 1 s z k y unterscheidet  daher  direct  zwischen 
artistischen  und  unartistischen  Rassen;  er  sagt, 
Malerei  und  Sculptur  seien  stets  das  Resultat 
einer  besonders  künstlerischen  Anlage  und  es  sei 
diese  Kunst  anderen  Rassen,  die  sie  nicht  von 
Haus  aus  besitzen,  nicht  mittheilbar  und  es  sei 
drittens  diese  Anlage  unabhängig  von  der  sonstigen 
Kultur  und  (Zivilisation.  Nehmen  wir  dies  für 
den  Augenblick  als  richtig  an,  so  ist  es  klar,  dass 
solche  Verschiedenheiten  auch  schon  auf  den 
tiefsten  Stufen  der  Kultur  möglicher  Weise  Aus- 
druck finden  können,  dass  auch  heutzutage  bei 
Naturvölkern  oder  Wilden  von  im  Uebrigen  ziem- 
lich gleicher  Kultur  Verschiedenheiten  in  dieser 
Beziehung  stattfinden  können.  Auf  ziemlich  gleicher 
Kulturstufe  stehen  z.  B.  die  Australier  des  austra- 
lischen Festlandes  und  die  Papuas  Neuguineas.  Von 
Australien  sind  meines  Wissens  keine  Kunstwerke 
bekannt ; dagegen  erzählt  der  bekannte  Reisende 
Wallace,  der  ja  die  malayische  Inselwelt 
so  ausführlich  beschrieben  hat,  dass  die  Leute  von 
Dorey  an  der  NordkAstc  von  Neuguinea  grosse 
Schnitzer  und  Maler  seien,  und  fügt  bei,  es  sei 
seltsam,  dass  ein  beginnender  Kunstsinn  mit  einer 
so  niedrigen  Stufe  der  Civilisation  zusammen 
gehen  könne,  und  meint , dass,  wenn  wir  es  nicht 
wüssten,  dass  ein  solcher  Geschmack  und  eine 
solche  Geschicklichkeit  mit  der  äußersten  Bar- 
barei vereinbar  sind,  wir  kaum  glauben  würden, 
dass  dasselbe  Volk  in  anderen  Dingen  allen  Sinn 
für  Ordnung,  Bequemlichkeit  und  Wohlstand  gänz- 
lich entbehrt. 

Ich  weiss  nicht,  wie  weit  die  Neger  solche 
Arbeiten  ausgeführt  haben;  in  dein  Werke  von 
Schweinfurth  (artes  africanae)  findet  sich  nichts 
davon,  während  die  Buschmänner  im  Süden  von 
Afrika  an  den  Wänden  ihrer  Höhlen  Zeichnungen 

2 


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106 


angeführt  haben,  die  Fritsch  in  seinem  be- 
kannten Werke  mittet  heilt  hat,  die  wenigstens  die 
Tliiere  erkennen  lassen.  Immerhin  sind  die 
Zeichnungen  der  Buschmänner  äusserst  primitiv, 
(die  Papuas  kenne  ich  nicht  aus  eigener  Anschauung) 
und  es  ist  daher  andererseits  sehr  natürlich,  dass 
Lin  de  nsch  mit  in  Bezug  auf  diese  Thierzeich- 
nungen der  Naturvölker  unserer  jetzigen  Zeit  sagt, 
dass  sie  nicht  über  die  ersten  Versuche  unserer 
Kinder  und  den  Stil  des  bekannten  „Buchs  der 
Wilden“  des  Hrn.  AbM  Domen  ec  h hinausgehen. 

Ich  glaube,  meine  Herren,  dass  eine  andere 
Parallele  vielleicht  von  noch  grösserer  Wichtigkeit 
ist.  Wir  müssen  nemlich  doch,  wenn  wir  lebende 
Kulturvölker  in  Vergleich  ziehen  wollen,  solche 
wühlen,  die  mit  den  prfl historischen  Troglodyten 
unter  den  gleichen  Bedingungen,  insbesondere 
unter  annähernd  gleichen  klimatischen  Verhältnissen 
gelebt  haben ; das  sind  aber  nicht  Völker  der  Tropen, 
sondern  die  Eskimos.  Die  Waffen  und  Werk- 
zeuge der  Eskimos  und  diejenigen  Knochenwerk- 
zeuge. die  man  in  den  Höhlen  der  Dordogne  und 
auch  in  Thayingen  ausgegraben  hat,  sind  einander 
so  ausserordentlich  ähnlich , dass  man  sie  ver- 
wechseln kann,  und  ein  Ihnen  bekannter  sehr 
genauer  Erforscher  der  Höhlen,  der  in  dieser  Be- 
ziehung wohl  eine  Autorität  genannt  werden  kann, 
der  englische  Forscher  Boyd  Dawkins  sagt 
hierüber,  die  Achnlichkeit  sei  eine  solche,  dass  die 
Berufung  auf  das  Lehen  unter  gleichen  klimatischen 
Verhältnissen  nicht  einmal  genüge,  und  er  nimmt 
daher  eine  Blut  Verwandtschaft  der  Eskimos  mit 
den  prähistorischen  Höhlenbewohnern  an.  Ich  hin 
in  der  Lage,  Ihnen  solche  Photographien  und 
Zeichnungen  zur  Vergleichung  zeigen  zu  können. 
Ich  habe  durch  die  Gefälligkeit  des  bekannten 
Nordpol  fall  rer  s Dr.  Emil  Hessels  eine  Reihe 
Photographien  von  Werkzeugen  der  Eskimos  er- 
halten, worauf  Sie  Harpunen.  Nadeln  u.  dgl.  dar- 
gestellt finden,  ferner  auch  Stücke,  die  den 
Üommandostäben  nicht  unähnlich  sind;  ich  will 
sie  hier  circuliren  lassen,  und  Sie  werden,  wenn 
Sie  z.  B.  daneben  die  Harpunentigur  in  dem 
Merk’schen  Berichte  vergleichen,  nicht  an  der 
Achnlichkeit  zweifeln  können.  Vergleichen  wir 
nun  aber  die  Zeichnungen  der  Thierfiguren  der 
beiden  Bevölkerungen,  so  finden  wir  einen  himmel- 
weiten Unterschied;  ich  kann  sie  Ihnen  in  ver- 
bessertem Massstnhe  zeigen. 

(Hr.  Ecker  zeigt  die  Photographien  von  Ren- 
thierzeiebnungen  der  Eskimos  und  die  Reuthier- 
zeichnung von  Thayingen.) 

Es  muss  uns  dies  jedenfalls  zur  grossem  Vor- 
sicht veranlassen,  und  Sie  werden  daher  wohl  be- 
greifen, dass,  wenn  man  sich  auf  den  artistischen 
Standpunkt,  stellt,  man  sehr  leicht  zu  der  Ansicht 
gelungen  kann,  dass  die  Figuren  keineswegs  einer 
so  frühen  Zeit  angehören  können.  Diesen  Zweifeln 
gegenüber  steht  auf  der  anderen  Seite  die  wesent- 


lich auf  das  geologische  Moment  gestützte  Ansicht, 
dass  die  Troglodyten  eine  höhere  künslerische  Be- 
fähigung besessen  haben.  Ich  will  Ihnen  auch  für 
diese  Ansicht  einige  Zeugen  vorführen.  So  sagt 
z.  B.  Ilr.  Mort  i 11  et.  der  bekannte  Unterdirector 
des  Museums  von  St.  Gennain,  von  diesen  Sachen : 
„Wir  haben  also  hier  vor  uns  die  Kindheit  der 
Kunst , aber  keineswegs  eine  Kuust  der  Kindheit, 
denn  die  Höhlenzeichnungen  lassen  keinen  Ver- 
gleich zu  mit  den  rohen  Skizzen  unserer  Schul- 
knaben  auf  den  Mauern  in  der  Umgehung  unserer 
Schallokale  <a  la  Domenech  lief.)“,  und  bemerkt 
dann  weiter , nur  ein  paarmal  habe  man  solche 
rohe  Figuren  gefunden , die  aber  so  verschieden 
von  den  übrigen  seien , dass  man  sie  sofort  als 
gefälscht  erkannt  habe.  Es  ist  somit  zu  con- 
statiren,  dass  auch  Hr.  Mortillet  Fälschungen 
zugibt,  nur  hält  er  die  schlechten  Zeichnungen  für 
gefälscht;  Linden  sch  mit  und  seine  Anhänger 
aber  halten  die  guten  für  gefälscht.  Es  ist  hiebei 
die  Bemerkung  wohl  nicht  zu  unterlassen,  dass  der 
französische  Forscher  die  ethnologische  Bedeutung 
der  Eigentümlichkeiten  dieser  Zeichnungen  wohl 
etwas  übertrieben  hat  und  dass  es  sehr  rath- 
sun  ist.  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  man 
sich  doch  ja  vor  übereilten  Schlüssen  hüte.  So  z.  B. 
schliesst  er  aus  dem  Umstande , dass  einige  sehr 
primitive  menschliche  P'iguren  nur  1 Finger  an 
den  Händen  zeigen  , dass  diese  alten  Höhlen- 
bewohner, wie  manche  Wilde  heut  zu  Tage,  die 
Gewohnheit  gehabt  hätten,  den  Daumen  eiuzu- 
schlngen.  Ich  möchte  glauben,  dass  ein  Finger 
aus  anderen  Gründen  weggeblieben  ist.  Dann 
findet  er  weiter,  dass  auf  dem  Rücken  einiger 
rohen  nackten  männlichen  und  weiblichen  Figuren 
sich  einige  Striche  finden . die  wahrscheinlich 
Haare  darzustellcn  bestimmt  seien . und  so  ver- 
mutete er  hieraus  eine  ungewöhnliche  Behaarung 
der  alten  Höhlenbewohner.  Wenn  das  richtig  wäre, 
so  wäre  unser  pithekoider  Urahn  wenigstens  in 
effigie  einmal  da.  Dass  diese  Höhlenbewohner 
nicht  nackt  gingen,  vermutet  Mortillet  aus  den 
zahlreichen  knöchernen  Nähnadeln,  die  man  in  den 
Höhlen  gefunden  hat , die  offenbar  den  Zweck 
hatten,  Kleider  zu  nähen,  — und  dennoch  stellten 
sie  ihre  menschlichen  Figuren  nackt  dar.  Er  er- 
klärt das  durch  die  Bemerkung:  „comme  les  ar- 
tistes  des  nos  jours  les  artistes  des  preraiero  teraps 
pröferaient  dessiner  et  sculpter  Tacademie.  C’ötait 
une  simple  affaire  de  goüt.“  Dann  stellte  er  auch 
noch  einige  Vermuthungen  über  die  wahrschein- 
liche Physiognomie  der  damaligen  Höhlenbewohner 
auf;  wozu  ihm  einige  in  der  Gironde  gefundene 
aus  Renthiergeweihen  geschnitzte  menschliche  Köpfe 
Veranlassung  gaben. 

Das  zweite  ist  das  technische  Moment, 
enthaltend  die  Frage : Womit  sind  diese  Zeich- 
nungen gemacht?  Natürlich  mit  Stein  ; wir  leben 
ja  in  der  vormetallischen  Zeit,  und  ferner  na- 
türlich mit  Kiesel.  Mortillet  vermuthet  und 
gewiss  mit  Recht  , dass  hiezu  kleine  Kiesel- 


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de 


107 


Splitter . möglicher  Weise  mit  einer  scharf  ge- 
krümmten Spitze,  verwendet  worden  seien;  da  aber 
mit  diesem  Materiale  schwer  zu  arbeiten  sei , so 
liabc  ein  Freund  von  ihm  Versuche  damit  an- 
gestellt  und  sei  zu  dem  Resultate  gekommen,  dass 
diese  Figuren  unmöglich  durch  einfache  Gravirung 
(hurinage)  gemacht  seien  und  zwar  deshalb,  weil 
das  Material  so  hart  sei,  dass  man  hei  dem  Ver- 
suche einer  Zeichnung,  wie  man  sie  etwa  mit  einem 
Bleistifte  zu  machen  pflegt,  nothwendiger  Weise 
öfter  ausgeglitten  wäre,  und  diese  Spur  des  Aus- 
reitens müsste  man  auf  der  Zeichnung  nothwen- 
diger Weise  sehen;  man  sieht  sic  aber  nicht,  und 
er  vermnthet  also,  dass  diese  Figuren  durch  einen 
auderen  Vorgang  gemacht  seien,  z.  ß.  durch  eine 
Art  von  Einfeilen.  Ist  dies  richtig,  so  muss  uusere 
Bewunderung  vor  diesen  Künstlern  nur  steigen ; 
wir  dürfen  nicht  aunetimcn  , dass  sie  die  Zeich- 
nungen vorher  auf  Pauspapier  mit  Bleistift  ent- 
worfen haben,  sondern  dass  sie  direct  an  die  Ar- 
beit des  Einfeilens  geben  mussten.  Nun  versuche 
es  einmal  einer  unserer  zahmen  Künstler , eine 
solche  Zeichnung , ohne  vorher  die  Proportionen 
entworfen  zu  haben , mit  einem  Steininstrumentc 
sofort  in  ganz  richtigen  Verhältnissen  auf  Horn 
oder  Bein  zu  zeichnen  — er  wird  nicht  dazu 
kommen.  Es  ist  zu  bedauern,  dass  das  technische 
Moment  von  »lern  Entdecker  dieser  Zeichnungen 
nicht  genauer  berücksichtigt  worden  ist,  dass  nicht 
gleich  im  Anfänge  die  Furchen  genauer  untersucht 
wurden,  um  daraus  etwa  Schlüsse  auf  die  Art  des 
angewendeten  Instrumentes  zu  ziehen. 

Ein  drittes  Moment  ist  das  geologische 
Moment,  die  Lagerung.  Ich  habe  schon  er- 
wähnt , dass  dieses  wesentlich  als  ein  Grund  der 
einen  Partei  gilt  für  die  Annahme  des  prähisto- 
rischen Ursprungs;  allein  wir  müssen  doch  auch 
dieses  Moment  mit  gleicher  Vorsicht  betrachten. 
Es  ist  ja  gewiss,  dass  in  den  älteren  geologischen 
Schichten  die  Lagerung  an  und  für  sich  ein  Haupt- 
kennzeichen ist;  man  wird  ans  der  Lagerung  ab- 
nehmen  können,  oh  2 Fundstücke  ans  der  gleichen 
Zeit  stammen  oder  nicht : allein  schon  in  jüngeren 
Formationen  wird  dies  sehr  schwer.  Ich  glaube, 
dass  alle  Herren . welche  sich  mit  der  Unter- 
suchung von  Funden  in  Löss  beschäftigt  haben, 
bestimmen  werden,  dass  man  hier  mit  der  grössten 
Vorsicht  Vorgehen  muss.  Nun  ist  nach  meiner 
Meinung  der  Boden  einer  Höhle,  die  von  Menschen 
bewohnt  war,  immer  noch  ein  diffieilercs  Object 
als  Löss,  und  eine  noch  grössere  Vorsicht  bei  der 
Untersuchung  geboten.  Lind ensohmit  sagt  dn- 
her  nicht  mit  Unrecht,  Boden  und  Fundverhältnisse 
bilden  nur  ein  Kriterium,  aber  durchaus  nicht  das 
einzige  und  hinreichende:  sie  bilden  mir 
einen  Theil  der  Kriterien,  welche  für  eine  antiqua- 
rische Forschung  die  Echtheit  eines  Fundstü*  kes 
beweisen.  Eine  weitere  Möglichkeit,  die  ganz  offen 
gesagt  nicht  recht  viel  für  sich  hat  — ich  will 
sie  nur  im  Vorbeigehen  erwähnen  — , ist  die,  dass 
die  Zeichnungen  ans  einer  späteren  Periode  stammen. 


Ein  ungenannter  Berichterstatter  in  der  deutschen 
Vierteljahresrevue  über  die  Fortschritte  der  Natur- 
wissenschaften sagt  darüber: 

„Wer  nicht  mit  einer  gewissen  Voreingenommen- 
heit an  diese  Kunstwerke  herantritt  , kann  nach 
meiner  Meinung  nicht  itn  Zweifel  sein , dass  alle, 
weit  entfernt , in  eine  nebelhafte  Vorzeit  hinauf- 
znragen,  auf  den  Einfluss  griechischer  Kultur  hin- 
deuten. Prophezeien  ist  immer  eine  missliche 
Sache;  ich  möchte  aber  trotzdem  die  Voraussagung 
wagen,  dass  in  nicht  zu  ferner  Zeit  der  Tag  kommen 
wird,  an  welchem  man  aus  einer  mit  Renthier-  und 
Bärenknochen  gefüllten  Höhle  Horn-  und  Knochen- 
stüeke  hervorziehen  wird,  auf  welchen  sich  Zeich- 
nungen mit  griechischen  Buchstaben  finden.* 

Ich  möchte  meinerseits  keineswegs  diese  Vcr- 
ninthuug  unterstützen;  wenn  aber  einmal  solche 
griechische  Buchstaben  gefunden  würden  , müssten 
wir  es  uns  auch  gefallen  lassen. 

Was  nun  das  letzte  und  vierte  Moment,  das  zoo- 
logische, betrifft,  so  ist  dieses  von  ziemlicher 
Wichtigkeit,  und  gerade  dieses  vierte  Moment  schliesst 
die  eben  erwähnte  Annahme , wie  mir  scheint, 
ziemlich  aus.  Ich  glaube , es  bleibt  kaum  etwas 
anderes  übrig,  als  dass  die  erloschenen  oder  aus- 
gewanderten  Thiere  entweder  von  Zeitgenossen 
dargestellt  sind  oder  in  ganz  neuer  Zeit  und  zwar 
deshalb , weil  ja  eine  Reihe  von  dieseu  Thicren 
erst  in  neuerer  Zeit  wieder  bekannt  geworden  ist : 
sie  müssen  also  von  Zeitgenossen,  von  mitlebeiiden, 
oder  sie  müssen  in  neuester  Zeit  gemacht  — ge- 
fälscht sein;  tertium  non  datur.  Es  darf  aber  nicht 
verschwiegen  werden  — und  ich  hoffe  , dass  Sie 
mir  das  Zeugniss  geben  werden , dass  ich  die 
Zeugen  reden  lasse  - , dass  selbst  die  Annahme  einer 
neuen  Entstehung  für  manche  Zeichnungen  ihre 
ziemlich  grosse  Schwierigkeit  hat.  Die  Pferde- 
zeichnungen aus  der  Dordogne  sind  mit  die  ältesten ; 
viel  später  sind  die  zahlreichen  Pferdereste  iu  So- 
lutre  gefunden  worden;  erst  aus  diesen  Resten  hat 
man  aber  allmählich  die  Gestalt  des  europäischen 
wilden  Pferdes  construiren  können  und  gefunden« 
dass  dieses  wilde  Pferd  allerdings  eine  auffallende 
Aehulichkeit  mit  den  in  den  Zeichnungen  aus  den 
Dordogncr  Höhlen  dargcsteiltcn  Figuren  hat. 

Wenn  wir  nl6o  die  Resultate  überblicken , so 
scheint  mir  — und  ich  hoffe,  dass  Sie  diesen  Ein- 
druck aus  meiner  wie  ich  glaube  möglichst  ob- 
jectiven  Darstellung  entnehmen  , dass  die  Sache 
nicht  spruchreif  ist.  Ich  meinerseits  möchte 
wenigstens  einen  solchen  Urtheilsspruch  nicht  fällen, 
und  ich  denke . die  anthropologische  Gesellschaft 
als  solche  wird  es  auch  nicht  tliun.  U eberlassen 
w ir  die  Lösung,  wie  gesagt,  der  inneren  organischen 
Entwicklung  der  Wissenschaft  beide  Ansichten 
haben  ja  ihre  Begründung  — , und  mögen  nur  die 
Vertreter  beider  fort  fahren , ihr  Beweismaterial 
eifrig  zu  sammeln.  Aber  für  ganz  unerlaubt  halte 
ich  es  — und  damit  kann  ich  nicht  zurückhalten  — 
dass  man  persönliche  Motive  unterschiebt,  und  das 
war  mit  ein  Grund  für  mich  , das  Wort  in  dieser 

2* 


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108 


Frage  mir  zu  erbitten , weil  ich  meinen  alten 
Freund  Lindenschmit  in  dieser  Sache  zu  ver- 
theidigeu  habe.  Kr  bat  Niemanden  beleidigt , er 
hat  Niemanden  persönlich  einer  Fälschung  be- 
schuldigt ; die  antiquarische  Gesellschaft  in  Zürich 
aber  und  insbesondere  I Ir.  Heim  haben  ilun  die 
gröbsten  Schmähungen  entgegengeworfen,  uud  doch 
haben  die  antiquarische  Gesellschaft  und  die  Ent- 
decker selbst  einen  grossen  Autlieil  an  dem  Knt- 
stehen  der  Lin  den  sc  limit’scben  Meinung.  Sagt 
doch  Hr.  Heim  selbst:  .was  icl»  noch  als  Augen- 
zeuge zu  constatiren  halte,  ist  die  ohne  alle 
Sac hkenntniss  und  Sorgfalt  ausgeführte 
Ausbeutung  der  Höhle  etc.“,  uud  ganz  Ähn- 
lich spricht  sich  der  erfahrene  Untersuchcr  Hr. 
Messjkomer.  der  auch  unter  uns  anwesend  ist, 
aus;  und  Hr.  Müller  sagt  noch  weiter  über  einen 
später  ausgegrabenen  geschnitzten  Pferdekopf,  dass 
„derselbe  trotz  etwelcheu  verdächtigen 
Ursprungs  doch  vielleicht  für  echt  zu 
halten  sei“.  Das  ist  das  Messer  ohne  Klinge, 
an  welchem  das  Heft  fehlt.  Ich  glaube  also  in 
dieser  Beziehung  meinen  Freund  Liudenschmit 
vertheidigen  zu  müssen  und  hoffe , dass  Sie  in 
dieser  Beziehung  meine  Ansicht  theilen. 

Hr.  Virchow:  Bevor  ich  die  Discussion  er- 
öffne . will  ich  besonders  constatiren , dass  es 
sich  von  selbst  versteht . dass  liier  von  einer  Ab- 
stimmung nicht  die  Rede  sein  kann , dass  die 
deutsche  anthropologische  Gesellschaft  nicht  durch 
Majoritäten  für  und  gegen  entscheiden  wird  und 
dass  das  Krgebniss , welches  etwa  von  hier  aus 
nach  aussen  getragen  wird , immer  nur  durch 
das  Gewicht  sei  es  der  Persönlichkeiten , sei 
es  »1er  Gründe  getragen  werden  kann,  ln  Be- 
zug auf  die  Debatte  möchte  ich  dringend  bitten, 
dass  wir  uns  einer  Retrospektive  auf  die  schon 
stattgefundenen  Publikationen  möglichst  enthalten. 
Die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft  als 
solche  hat  mit  dieser  Publikation  nichts  zu  thun. 
Ich  kann  cs  beklagen,  dass  ein  so  gereizter  Ton 
in  eine  Verhandlung  hineingekommen  ist,  die  recht 
wohl  in  einer  mehr  kühlen  und  objecitven  Weise 
hätte  geführt  werden  können.  Zeigen  wir,  meine 
Herren,  dass  wir  im  Stande  sind,  diesen  mehr  ob- 
jectiven  Charakter  iu  der  mündlichen  Verhandlung 
zu  erhalten.  Ich  persönlich  glaube  in  meiner  ein- 
leitenden Rede  die  Streitfrage  in  einer  ganz  un- 
parteiischen Weise  auseinaudcrgelegt  zu  haben; 
ich  habe  nachher  aus  einem  Berichte,  der  mir 
vorgelegt  wurde,  ersehen,  dass  man  eher  das  Gegen- 
tlieil  von  dem  hcrausgehört  hat,  was  ich  meinte. 

In  Bezug  auf  die  Sache  seihst  möchte  ich 
nur  ein  paar  Üemcrknngen  machen.  Es  scheint 
mir , dass  durch  Ilm.  Lindenschmit  und  viel- 
leicht auch  durch  Hrn.  Ecker  eine  Seite  der 
Erörterung  mehr  in  den  Vordergrund  getreten  ist, 
als  nach  meiner  Auffassung  berechtigt  ist,  ncmlirh 
die  Frage  der  artistischen  Gründe.  Für  Hrn. 


Lindenschmit  war,  ich  weiss  es  von  lange 
her,  in  Bezug  auf  die  französischen  Funde  die 
artistische  Betrachtung  der  Ausgangspunkt  seiner 
Scrupel,  wie  für  die  Mehrzahl  aller  Künstler  und 
Kunstverständigen.  Ich  erkenne  diese  Bedenken 
an  sich  an.  Es  ist  kein  Zweifel,  wir  haben  die 
Berechtigung,  auch  diese  artistische  Seite  zum  Ge- 
genstände der  Debatte  zu  machen,  aber,  meine 
Herren , ich  möchte  doch  urgiren , dass  wir  die 
naturwissenschaftliche  Methode  auch  hier  zunächst 
anwenden  müssen.  Die  naturwissenschaftliche 
Methode  aber  verlangt  immer  zunächst,  dass  wir 
die  Thatsachen  sprechen  lassen.  Es  ist  das  eine 
permanente  Differenz,  die  jetzt  immer  mehr  her- 
vortritt. Sehen  wir  z.  B. , wie  die  Dinge  in 
Frankreich  sich  neuerlich  gestaltet  haben.  Hr. 
Bertrand,  den  wir  alle  anerkennen  als  einen 
ausgezeichneten  Archäologen,  dessen  bedeutende 
Verdienste  Niemand  mehr  geneigt  sein  kann  zu 
rühmen,  als  ich,  hat  gegen  Hrn.  Chantre,  dessen 
ausgezeichnetes  Werk  über  die  Bronzezeit  kürz- 
lich pnhlieirt  ist , denselben  Kinwand ; das  sei 
nicht  die  Methode,  welche  in  der  Archäologie 
zum  Ziele  führe , die  naturwissenschaftliche  Me- 
thode verdürbe  die  Sache.  Hr.  Chantre  hat 
meiner  Meinung  nach  mit  unwiderleglichen  Gründen 
dargethan,  dass  eine  Reihe  von  Suppositionen, 
welche  die  französischen  Archäologen  bis  dahin 
hatten,  unhaltbar  sind.  Nun  sagt  man,  wir  er- 
kennen diese  Methode  nicht  an.  Das,  meine 
Herren,  können  wir  nicht  zugestehen.  Die  Methode 
der  Naturwissenschaften  muss  auch  auf  die  Beur- 
theilung  dieser  Dinge  angewendet  werden,  nnd  in 
den  Naturwissenschaften , das  haben  wir  fcstzu- 
haltrn.  sind  es  die  Objecte,  mit  denen  wir  es  zu- 
nächst zu  thun  haben.  Freilich  müssen  die  Ob- 
jecte zuverlässige  sein,  und  zwar  zuverlässig  inso- 
fern, als  sich  dnreh  die  Zuverlässigkeit  und  Be- 
fähigung der  Beobachter  darthun  lässt,  dass  die 
Thatsachen , welche  sie  berichten  , nicht  ge- 
fälscht oder  irrig  aufgestellt  sind.  Darum  handelt 
es  sich  in  erster  Linie , und  ich  würde  sehr 
froh  sein . wenn  die  heutige  und  die  vielleicht 
noch  fortzusetzende  Verhandlung  in  dieser  Be- 
ziehung uns  das  nöthige  Material  lieferte.  Wir 
haben  unter  uns  eine  ganze  Reihe  von  Personen, 
welche  persönlich  hei  der  Untersuchung  anwesend 
waren.  Hr.  Messikomer  ist  hier,  der  den  letzten 
Theil  der  Ausgrabungen  geleitet  hat.  Ich  kann  mit- 
theilcn,  dass  er  mir  schon,  als  ich  ihn  neulich  be- 
suchte . bestimmt  seine  Versicherung  ertheilt  hat. 
dass  die  Fundobjecte,  die  hier  sind,  echte  seien.  Wir 
haben  Hrn.  Merk  hier,  der  speciell  betheiligt  an 
der  Sache  ist,  ferner  Hrn.  Fr  aas,  der  einen 
Theil  der  Ausgrabungen  gesehen  hat , nnd  Hrn. 
Leiuer.  Wir  haben  also  eine  Reihe  von  Männern, 
die  uns  berichten  können,  unter  welchen  besonderen 
Umständen  sich  die  Sachen  gezeigt  haben,  und  ich 
muss  sagen,  diese,  lassen  Sie  mich  einmal  sagen, 
j n rist  I « r hen  Gründe,  diese  Vernehmung  der 
Zeusen,  welche  aussageu  werden,  was  sie  ge- 


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109 


sehen  haben , sind  fflr  mich  als  Naturforscher  von 
entscheidender  Bedeutung.  Ich  habe , so  oft  man 
mich  in  Deutschland  gefragt  hat , was  halten  Sic 
von  den  französischen  Artefacten,  immer  gesagt, 
ich  halte  dafür,  dass,  solange  nicht  ein  positiver 
Beweis  gegen  die  Aussage  des  Hm.  Lartet  steht, 
der  uns  mittheilt,  unter  welchen  besonderen  Um- 
standen er  persönlich  aus  einer  bestimmten  Fund- 
Schicht  ein  solches  Object  herausgenominen  hat, 
dieses  Object  als  echt  anzuschen  ist.  Gerade  so  sage 
ich  auch:  wenn  hier  glaubwürdige  Zeugen  auftreten 
und  uns  in  bestimmtester  Weise  die  Umstünde  be- 
richten. unter  denen  sie  die  Dinge  gefunden  haben, 
so  werde  ich  immer  meinen , dass  wir  kein  Recht 
haben,  ihre  Glaubwürdigkeit  zu  erschüttern,  wenn 
wir  nicht  ganz  unzweifelhafte  und  unüberwindliche 
Gründe  linden , mit  welchen  wir  ihnen  gegenüber 
treten  und  sagen  können,  ihr  habt  euch  getauscht 
oder  ihr  wollt  tauschen.  Diese  mehr  juristische 
Seite  kommt  doch  am  Ende  bei  jedem  paläonto- 
logischen  Fund  in  Frage,  wo  nicht  einfach  ans 
dem  Objecte  fojgt,  ob  es  gut  ist  oder  nicht.  Es 
lasst  sich  ohne  Zeugen  nicht  immer  beurtheilen, 
ob  ein  Object,  welches  uns  vorgelegt,  wird,  dieser 
oder  jener  Schicht  angehört.  Diese  rein  that- 
sächliche  oder  juristische  Seite  müssen  wir  an- 
erkennen; wir  werden  uns  fügen  müssen. 

Nun  hin  ich  aber  auch  nicht  ganz  einver- 
standen damit,  dass  diese  artistischen  Leistungen 
vollständig  unvermittelt  dastehen.  Wir  sind  bis 
jetzt  in  Bezug  auf  die  niedrig  stehenden  Völker- 
schaften noch  sehr  schlecht  unterrichtet.  Es  ist 
von  vielen  derselben  das  Material  nicht,  in  einer 
solchen  Vollständigkeit  in  den  europäischen  Museen, 
als  man  gerade  fflr  diese  Frage  wünschen  müsste. 
Hr.  Ecker  hat  angeführt  und  ich  erkenne  es  an. 
dass  nach  den  bisher  vorliegenden  Berichten  die 
Australier  nichts  Derartiges  gemacht  hätten.  Allein 
die  Australier  haben  trotzdem  Verwandtes  gemacht. 
Ich  bin  oben  mit  einer  Publikation  über  die 
Australier  beschäftigt  und  ich  werde  einige  Ab- 
bildungen geben  von  gravirten  Gegenständen,  aller- 
dings in  Holz,  denn  die  Australier  arbeiten  über- 
wiegend in  Holz;  ihre  Zeichnungen  zeigen,  dass 
auch  dieses  alleroiedrigstc  Volk  gewisse  künstle- 
rische Anwandlungen  hat.  Es  gibt  einzelne  Zeich- 
nungen in  Australien , über  die  man  insofern 
debattiren  kann , als  nicht  feststellt , ob  sie 
gerade  von  Australiern  herstammen.  Bekanntlich 
haben  einzelne  Reisende  Höhlenzeichnungen  in 
Westaustralien  gefunden,  die  sogar  mit  Farbe  aus- 
geschmiert  waren.  Diese  Höhlenzeichnungen  werden 
von  Einzelnen  malayischen  Einwanderern,  von  denen 
man  aunimmt,  dass  sie  eininul  die  Westküste 
Australiens  erreicht  haben,  zugeschrieben;  indessen 
das  ist  auch  nur  eine  Interpretation,  und  es  ist 
noch  zu  untersuchen,  ob  sie  nicht  vielleicht  als 
Originalzeichnungen  zu  betrachten  sind.  Ich  will 
jedoch  darauf  keinen  Werth  legen.  Ich  habe  aber 
neulich  von  einer  ganz  zuverlässigen  Seile,  durch 
Ilm.  Baron  Müller  ein  Wurfbrett  aus  Melbourne 


bekommen,  welches  zuverlässig  die  Artistik  der 
Australier  zeigt. 

Wir  haben  ferner  in  der  letzten  Zeit  reich- 
lichere Zufuhren  von  Objecten  aus  Melanesien  be- 
kommen. Namentlich  die  letzte  Expedition  unserer 
deutschen  Marine  hat  eine  ungewöhnliche  Masse 
von  derartigen  Objecten  gebracht.  Auch  durch 
andere  Erwerbungen,  namentlich  ans  Neucaledonien, 
von  den  Neuen  Hebriden,  Neubritannien,  den 
Fidschi-Inseln  ist  eine  viel  grössere  Masse  von 
gravirten  und  geschnitzten  Dingen  zugänglich  ge- 
worden, als  bisher  bekannt  war.  Wer  diese  Sachen 
studirt.  der  wird  sich  überzeugen,  dass  gerade 
in  diesen  Regionen  der  scheinbar  niedrigsten 
Kultur  eine  viel  grössere  Zahl  solcher  Objecte  zu 
finden  ist,  als  man  erwarten  konnte  und  dass  da- 
durch manche  Vermittelungen  gegeben  werden, 
die  bis  dahin  fehlten.  Ich  kann  daher,  wenn  ich 
die  nns  vorliegenden  Objecte  betrachte,  nur  sagen, 
es  scheint  mir,  dass  eine  gewisse  Reihe  derselben 
nach  dem  , was  ich  inzwischen  erfahren  habe, 
als  unzweifelhaft  echt  zugestanden  werden  muss. 
Ich  bin  dagegen  zweifelhaft,  ob  die  Gesammtheit 
aller  dieser  Funde  in  gleichem  Range  steht,  und 
ich  würde  nicht  verwundert  sein,  wenn  sich  viel- 
leicht das  eine  oder  andere  Stück  noch  als  ein 
solches  erwiese,  welches  nicht  hinreichend  bezeugt 
wäre  oder  welches  aus  anderen  Gründen  zurück- 
gewiesen werden  müsste.  Indessen  ich  meiner- 
seits würde  kein  Bedenken  tragen,  eine  gewisse 
Zahl  dieser  Objecte  anznerkennen.  Manche  der- 
selben erachte  ich  ihrem  Range  nach  gewissen 
Kunstlcistungen  niedcrstchender  Kulturrassen  pa- 
rallel. Auch  will  ich  ausdrücklich  hinzufügen, 
ich  halte  cs  durchaus  nicht  für  entschieden  dem 
Gange  menschlicher  Entwicklung  widerstrebend, 
dass  in  einzelnen  Richtungen  sich  unter  beson- 
deren Verhältnissen  eine  vollkommenere  Kultur  ge- 
staltet, als  man  nach  dem  Gesammtstande  der 
Stammesentwicklung  erwarten  sollte.  leb  habe  bei 
einer  anderen  Gelegenheit  gerade  die  Papuas  von 
Neuguinea  wegen  ihrer  ausgezeichneten  Sculptur- 
nrbeiten  gerühmt:  namentlich  die  Schiffsschnäbel 
der  Papnas  sind  mit  einer  ganz  ungewöhnlichen 
Kunst  und  mit  erstaulichem  Fleisse  ausgearbeitet. 
Wenn  man  etwas  Derartiges  sicht  und  daneben 
die  Hilflosigkeit  der  Leute  in  anderer  Richtung 
ins  Auge  fasst , so  erscheint  das  ungemein 
auffallend.  Wenn  man  aber  das  noch  näher 
liegende  Beispiel  nimmt , welches  uns  vielfach 
in  unseren  Gebirgsdistricten  eutgegentritt,  nament- 
lich früher,  wo  die  Schule  noch  weniger  ein- 
wirkte, wenn  man  sieht,  wie  der  gewöhnliche  Bauer 
mit  dem  allcrgcwöhnlic listen  Taschenmesser  im 
Stande  ist,  sofort  und  ohne  alle  Yorzeichnung  mit 
einer  fast  instinctiven  Sicherheit  und  Feinheit  loszu- 
sebneiden  und  vollkommene  thierische  oder  mensch- 
liche Nachbildungen  licrzustcllen,  so  ist  das  nicht 
minder  schwer  zu  begreifen.  Jedenfalls  lernen  wir 
daraus , dass  es  keineswegs  jener  Regelmässigkeit 
der  artistischen  Erziehung  und  Ausbildung  bedarf, 


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welche  wir  für  gewöhnlich  voranssetzeu , wo  wir 
rlerartige  Dinge  finden. 

Es  scheint  mir  ausserdem,  dass  manche  der 
Zweifel,  welche  über  diese  Gegenstände  erhoben 
worden  sind,  sieh  wesentlich  daraus  erklären,  dass 
die  Debatte  überwiegend  auf  Grund  von  Zeich- 
nungen sieh  bewegt.  Eine  Zeichnung  aber , so 
gut  sie  auch  ist . so  sorgfältig  der  Zeichner  ge- 
arbeitet hat,  bringt  doch  immer  zahlreiche  in- 
dividuelle Abweichungen,  die  der  Zeichner  macht ; 
man  ist  im  Stande , auch  durch  eine  gute  Zeich- 
nung das  Ding  so  zu  verändern,  dass,  obwohl  es 
im  Ganzen  zutreffend  ist , cs  doch  im  Einzelnen 
einen  anderen  Eindruck  macht.  Der  Zeichner 
macht  es  wie  der  Porträtmaler , der  mit  wenigen 
Strichen  im  Stande  ist,  ein  Gesicht  gänzlich  zu 
verändern.  So  ist  gerade  für  die  Bcurtheilung 
der  Thayinger  Funde  meiner  Meinung  nach  die 
erste  Abbildung,  welche  Hr.  Heim  geliefert  hat, 
die  bekannte  Abbildung  des  weidenden  Renthiera 
(Fig.  4),  deletär  gewesen.  Hr.  Heim  sagt,  das 
Stück  sei  auf  der  Rückseite  auch  gravirt  und  diese 
Gravirung  gehöre  zu  der  Zeichnung.  In  der  Tliat, 
wenn  ich  «las  Stück  nmdrehe  und  gewisseren  aasen 
aufrolle,  so  bekomme  ich  eine  Landschaft, 
Es  ist  nicht  mehr  bloss  ein  Renthier,  sondern  unten 
ist  ein  tiefer  Einschnitt  mit  allerlei  schrägen  Ein- 
rillungen daneben.  Da  ist,  sagt  Herr  Heim, 
wahrscheinlich  ein  See  dargestellt  und  eine  Weide. 
Wir  hätten  also  nicht  bloss  ein  Renthier,  sondern 
eine  Landschaft.  Ich  behaupte  aber,  das  ist 
absolut  willkürlich.  Wir  haben  gar  keinen  Grund, 
unzunchmeu,  dass  der  Künstler  eine  Zeichnung  hat 
darstellen  wollen,  welche  11m  die  Ecke  herum  geht 
und  auf  der  Rückseite  die  Fortsetzung  von  dem 
ergibt , was  wir  auf  der  Vorderseite  sehen.  Ich 
halte  den  Längseinschnitt  nicht  für  einen  See  und 
die  anderen  Striche  nicht  für  Gras,  sondern  für 
Kritzel.  die  vielleicht  ursprünglich  nicht  einmal  vor- 
handen waren. 

Dann  muss  ich  auch  sagen,  wenn  wir  das 
Original  renthier  mit  der  Zeichnung  vergleichen, 
dass  in  dieser  Zeichnung  eine  Menge  von  Unvoll- 
kommenheiten keineswegs  in  «1er  Schärfe  hervor- 
tiitt.  wie  sie  in  Wirklichkeit  sind.  Unwillkürlich 
verschönert  um!  ergänzt  der  Zeichner,  und  mit  dem 
besten  Willen  bringt  er  beirrende  Abweichungen 
hervor.  Die  Stellung  der  bewegten  Fflsse  z.  B. 
ist  im  Original  eine  wesentlich  andere  als  in  der 
Zeichnung.  Ich  meine  also,  meine  Herren,  fliese 
Zeichnungen  und  dasselbe  gilt  von  den  Zeich- 
nungen, welche  die  Züricher  Gesellschaft  pahlicirt 
und  nach  welchen  wie« le rum  llr.  Lee  (Excavntion* 
at  the  Kesslerloch.  Lond.  1870)  seine"’ Abbildungen 
gemacht  hat  — geben  wesentliche  Differenzen. 
Deshalb  habe  ich  auch,  wie  schon  gesagt,  Hrn. 
Le  in  er  gebeten,  Photographien  anfertigen  zu  lassen. 
Ich  bin  überzeugt,  wenn  die  Photographien  hinaus- 
gegeben  werden,  so  werden  auch  sic  vielleicht 
nach  einer  oder  der  anderen  Richtung  Zweifel 
erregen:  aber  sie  werden  wenigstens  das  darthnn. 


dass  manche  Vollkommenheiten  der  Zeichnung,  die 
bisher  angenommen  worden  sind,  in  der  Thai  gar 
nicht  existiren,  dass  im  Gegentheil  die  Rohheit 
der  Ausführung  in  vielen  Stöcken  rerht  auf- 
fallend ist. 

ludessen  muss  ich  andererseits  anerkennen, 
dass  namentlich  in  der  Wiedergabe  der  Proportion 
eine  ganz  ungewöhnliche  Höhe  der  technischen 
Ausbildung  hervortritt.  Wenn  man  /..  B.  die  Pferde 
(Fig.  1.  20)  ansieht,  die  wir  hier  dargestellt  rinden, 
so  zeigt  sich  eine  viel  vollkommenere  Projmrtion  der 
einzelnen  Theile,  als  auf  den  archaischen  griechischen 
Gefässen,  die  neuerlich  in  grösserer  Zahl  zu  Tage 
gekommen  sind.  Betrachtet  man  die  Abbildungen, 
welche  llr.  Hirse hfeld,  der  längere  Zeit  hin- 
durch die  Ausgrabungen  in  Athen  verfolgt  hat, 
von  den  ältesten,  auf  thönernen  Vasen  ausgeführteu 
Malereien  geliefert  bat.  und  die  Pferde,  die  darauf 
dargestellt  sind,  und  vergleicht  man  sie  mit  den 
Pferden,  welche  hier  auf  den  Uenthierknochen  ein- 
geritzt sind , so  fällt,  der  Vergleich  entschieden 
zu  Gunsten  der  Thayinger  Pferde  aus.  Das  ist 
merkwürdig  geling,  aber  trotzdem  nicht  ent- 
scheidend. — 

Hr.  Fraaa:  Es  hat  auf  mich  einen  eigenen 
Eindruck  gemacht  , als  oh  der  Wechsel  des  Lo- 
kals gewissermassen  bedeutsam  würde  für  unsere 
jetzige  Besprechung:  den  Theatersaal  haben  wir 
verlassen  und  befinden  uns  jetzt  in  dem  alten 
Gerirhtssaalc  der  Stadt  Constanz.  Ist  es  doch 
wahrlich  eine  Art  Gerichtsverhandlung,  die  hier 
gehalten  wird,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass 
wir  allerdings  keinen  Bürgermeister  brauchen  and 
keinen  Vorsitzenden,  der  ein  entscheidendes  Ur- 
theil  spricht;  das  entscheidende  Urtheil  wird  ein 
Jeder  sieh  seihst  bilden,  der  nach  Wahrheit 
sucht,  und  Wahrheit  suchen  wir  ja  alle,  und  un- 
parteiisch die  Thatsachen  zu  erwägen . ist  die 
Aufgabe,  die  wir  uns  hier  gestellt  haben  and  die 
wir  uns  heute  Nachmittag  an  Ort  und  Stelle  in 
der  Höhle  stellen  werden,  denn  spruchreif  sollte 
die  Frage  nach  der  Echtheit  heute  werden.  Das 
kann  nicht  wohl  vertagt  werden,  denn  es  sind  keine 
Dinge,  die  der  inneren  Entwicklung  überlassen 
werden  dürfen,  wie  sich  Hr.  Ecker  ausgedrückt 
hat.  Wir  haben  eine  bestimmte  Thatsache  vor  uns 
und  stellen  einfach  die  Frage:  wurden  die  Kunst* 
gegenstände  im  Rosgarten  im  alten  Höhlengrnnd  hei 
Thayingen  gefunden  oder  nicht?  Ein  Drittes  gibt 
es  nicht;  eine  innere  Entwicklung  über  die  Unter- 
suchung der  Echtheit  oder  Unechtheit  einer  be- 
stimmten Thatsache  verstehe  ich  nicht,  llr.  Ecker 
hat  sich  zwar  als  vollständig  objectiv  über  den 
Parteien  stehend  augeknndigt,  er  hat  auch  ge- 
glaubt, dass  Keiner  von  uus  etwas  merken  werde, 
auf  welche  Seite  er  sich  neige;  ich  frage  Sie 
aber,  ob  es  Ihnen  nicht,  wie  mir,  gegangen  ist, 
dass  ich  ihn  nicht  dafür  ansah.  als  ob  er  sehr 
objectiv  filier  den  Parteien  stände,  sondern  dass 
er,  wie  er  auch  später  in  seiner  Rede  offen  gc- 


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111 


«sagt  hat,  als  Anwalt  seines  Freundes  Linden- 
schmit  aufgetreten  ist.  Ein  Freund  von  Linden- 
schmit  bin  ieh  auch  und  verehre  ihn  seit 
mehr  als  20  Jahren ; es  würde  inir  am  wenigsten 
einfallen,  gegen  diesen  Altmeister  irgend  etwas  zu 
sagen  und  auf  seinem  Namen  auch  nur  irgend  einen 
Schein  von  Flecken  sitzen  zu  lassen,  dagegen 
möchte  ich.  dass  die  Wahrheit  unparteiisch  be- 
handelt wird.  Darum  möchte  ich  nur  mit  kurzen 
Worten  auf  die  verschiedenen  Funkte  antworten, 
welche  Hr.  Ecker  stipulirt  hat.  Das  erste 
Moment  , das  er  nennt , ist  das  artistische. 
Er  führte  einen  Zeugen  au.  welcher  sagte,  auf 
frischen  Knochen  und  Hirschhörnern  mit  Feuer- 
stein zu  arbeiten  sei  unmöglich.  Ich  bitte,  diesen 
Knochen  in  die  Hand  zu  nehmen;  er  ist  noch 
frisch,  denn  wir  haben  gestern  bei  dem  Diner  das 
Fleisch  von  diesem  Knochen  verspeist;  der  Künstler, 
der  einen  Feuersteinsplitter  in  die  Hand  ge- 
nommen und  dieses  äsende  Renthicr  auf  demselben 
eingezeichnet  hat  , ist  der  anwesende  Hr.  Graf 
Wurmbrand;  er  hat  es,  wie  Sie  sich  überzeugen 
mögen , tauschend  nachgemacht  und  durch  eine 
einfache  Thatsache  den  Beweis  für  die  „Unmöglich- 
keit der  Arbeit“  entkräftet.  Das  ist  eben  der  Jammer 
bei  unserer  Gelehrsamkeit,  dass  wir  oft  sagen, 
eine  Sache  sei  nicht  möglich  und  gleich  darauf 
wird  sie  doch  zur  Wirklichkeit.  Mir  fallen  da  immer 
die  Kanoniere  vom  Spichererberg  ein,  als  der 
Kaiser  sie  nach  der  Schlacht  besuchte:  „aber  ihr 
Jnngens,  das  war  ja  nicht  möglich,  dass  ihr  mit 
den  Kanonen  hinaufkamt“ ; „Majestät,  möglich  war 
es  nicht,  aber  hinaufgekommen  sind  wir  doch“. 
So  sage  ich  auch : möglich  ist  es  nicht,  dass  eine 
so  frühe  Kunstkultur  herrscht,  aber  nun  finden 
wir  sie  doch.  Sicherlich  wird  jeder  Freund  der 
Naturwissenschaften  mit  mir  einverstanden  sein, 
wenn  ich  das  gerade  als  den  grossen  Vorzug 
unserer  Wissenschaft  bezeichne,  «lass  wir  nur  mit 
Thatsachen  zu  thun  haben;  alle  Beweise  a priori 
gelten  einfach  nichts,  sobald  einmal  die  Thatsache 
gefunden  ist.  Einer  ganzen  Menge  von  Beweisen 
stellt  sieh  ein  einziges  Factum  auf  einmal  entgegen 
und  schlügt  sie  für  alle  Ewigkeit  mausetodt,  denn 
was  das  Auge  sieht,  glaubt  das  Herz.  So  ging  es 
schon  oft  in  der  Wissenschaft  und  ich  muss  sagen, 
dass  mit  dem  artistischen  Einwande  in  meinen 
Augen  sehr  wenig  gesagt  ist. 

Das  zweite  Moment  ist  das  geologische  und 
das  trifft  mich  besonders.  Das  geologische  Moment 
im  Kesslerloch  von  Thayingen  ist,  dass  unter  einer, 
ich  weiss  nicht,  wie  viel  Centimeter  dicken  Kruste 
von  Kalktuff  und  Kalksinter  eine  Bank  von  Lehm 
liegt  und  darin  sind  verschiedene  Knochensplitter 
und  Knochenpfeilspitzen.  Wenn  Hr.  Ecker  seinen 
Löss  vergleicht  und  sagt,  es  sei  schon  im  Löss 
difficii,  man  könnte  die  Sachen,  die  oben  oder 
unten  liegen,  nntereinanderhringen,  so  sei  es  noch 
viel  schwieriger  in  einer  Höhle,  wo  Jahrtausende 
hindurch  die  Menschen  herunitraten  und  mit  ihren 
Absätzen  an  den  Stiefeln  oder  buarfuss  die  in 


der  Höhle  liegenden  Gegenstände  in  den  Ilöhlen- 
lelim  hineintraten.  Das  ist  an  sich  ganz  richtig;  wo 
aber  eine  Bank  von  Kalktuff  die  eigeutliche  Kultur- 
schichte zudeckt,  dürfen  wir  ganz  sicher  sein,  dass 
unter  den  Kalktuff  Niemand  etwas  hinunter- 
praktieirt.  Man  kann  in  den  Löss  etwas  hiuein- 
schioben;  der  Beispiele  sind  genug  da  von 
Täuschungen , die  gemacht  wurden . indem  in 
den  Lössboden  verschiedene  Dinge  eingeschoben 
worden  sind,  die  nachher  wieder  uls  alt  ausge- 
graben  wurden.  Aber  den  möchte  ich  sehen,  der 
unter  eine  Kalktuffbank  etwas  unterschiebt , das 
man  , ohne  den  Schmuggel  zu  merken , beim 
Ausbrechen  der  Bank  wieder  herauszöge.  Von 
geologischem  Standpunkte  aus  sind  Täuschungen  und 
Fälschungen  geradezu  unmöglich,  es  müsste  denn  ge- 
radezu mit  raffinirter  Bosheit  zu  Werke  gegangen 
worden  sein.  Thatsache  ist  nun  aber,  dass  eine 
Reihe  ehrenwert  her  Zeugen,  die  jeder  Jurist  als 
unverdächtige  Zeugen  annehmen  würde,  dabei 
war,  wie  unter  dieser  Kalktuffdecke  heraus  aus 
dem  schwarzen  schmierigen  Lehm  die  Waffen  und 
Kunstgegenstände  herausgezogen  worden  sind.  Ich 
glaube,  Hr.  Merk  hat  im  Januar  1874  die  Höhle 
überhaupt  zum  erstenmal  aufgemacht;  im  Februar 
bin  ich,  gelegentlich  eines  Besuchs  in  t'onstanx, 
mit  Hrn.  Lein  er  und  Bauer  in  die  Höhle  ge- 
fahren. Damals  lag  in  der  Wohnung  des  Hrn. 
Merk  der  Tisch  voll  von  merkwürdigen  Fund- 
stücken  (die  Hauptsache  ist  erst  später  herausge- 
kommen).  Doch  habe  ich  mit  eigener  Hand  unter 
einer  unverritzten  Kalktuffdecke  bearbeitete  Gegen- 
stände, worunter  einer  mit  gekritzten  Zeichnungen 
— was  es  war,  weiss  ich  nicht  mehr,  ist  liier  auch 
gleichgiltig  — herausgezogen,  mit  meinem  eigenen 
Daumen  den  Schmutz  abgewischt  und  in  der  Holde 
schon  gesagt : „das  ist  auch  bekritzelt“.  Mehr 
kann  ich  nicht  sagen,  als  ich  bin  ein  Zeuge  dafür, 
und  gewiss  ein  unparteiischer,  denn  ich  habe 
leider  Gottes  kein  einziges  Stück  mit  Zeichnung 
in  meine  Hände  bekommen.  Die  Stadt  Constanx 
ist  jetzt  im  Besitz  der  Mehrzahl  derselben. 

Ick  komme  nun  auf  das  zoologische  Moment, 
das  in  meinen  Augen  ungemein  wichtig  ist.  Unter 
den  gefundenen , natürlich  jetzt  auch  als  falsch 
proklamirten  Gegenständen  befindet  sich  die  Sculp- 
tur  eines  Schädels  von  dem  merkwürdigen  Moschus- 
ochsen, welcher  in  früherer  Zeit  in  unserer  Gegend 
lebte , jetzt  aber  nach  Spitzbergen  und  Grönland 
zurückgedrängt  ist.  Ich  möchte  mir  einen  gelinden 
Zweifel  erlauben,  oh  im  Februar  vor  zwei  Jahren, 
wo  die  Fälschungen  gemacht  sein  sollen,  in  ganz 
Süddeutschland  eiu  Künstler  gewesen  wäre,  der. 
wenn  man  bei  ihm  die  Sculptur  eines  Moschus- 
ochsensch&dels  bestellt  und  ihm  weiss  Gott  wie  viel 
dafür  versprochen  hätte,  im  Stande  gewesen  wäre, 
einen  solchen  Srhädel  zu  schnitzen.  Sehen  Sie 
ihn  an  im  Museum  und  urtlieilen  Sie  nach  dem 
Anblicke  dieses  Juwels  von  Sculptur,  daran  man 
den  Ovibos  im  Augenblicke  erkennt.  Ich  frage 
Jeden,  der  den  Schädel  eines  Ovibos  kennt, 


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112 


ob  man  aus  dem  Spamer’scheii  Kinderbuch*  oder 
aus  irgend  einem  anderen  wissenschaftlichen  Bild- 
werke im  Stande  wäre,  einen  solchen  Schädel  aus 
Bein  zu  schnitzen , denn  er  ist  nicht  bloss  in  ein 
Horn  eingekritzeit,  sondern  die  edelste,  reinste 
Sculptur,  der  man  ansieht,  dass  das  Bein  zur  Zeit 
der  Arbeit  frisch  war.  Als  das  Geweihstück  in 
den  Höhleulehm  hineinkam  , war  dieser  Moschus- 
ochsenschädol  bereits  sculpirt,  und  ich  glaube  nicht, 
dass  dagegen  irgend  ein  Zweifel  aufkommen  kann. 
Ich  erwäge  sicherlich  alle  die  Vorsichtsmassregeln, 
die  llr.  Ecker  uns  anempfohlen  hat , aufs  ernst- 
lichste,  aber  ich  komme  doch  darüber  nicht  hinaus, 
dass  wir  angesichts  der  bezeugten  Thatsachen  den 
Gedanken  an  eine  Fälschung  nicht  aufkommen 
lassen  dürfen.  Ein  Drittes  ist  nicht  mehr  gegeben, 
entweder  ist  das  alles  falsch  und  liegt  dann  ein 
raffinirter,  gerichtlich  strafbarer  Betrug  vor,  oder 
es  ist  echt.  Ich  neige  mich,  eben  weil  uns 
empfohlen  worden  ist  vorsichtig  zu  sein,  auf  die 
andere  Seite,  zu  der  llr.  Ecker  nicht  gehört. 
Was  ich  denen,  die  an  die  Echtheit  der  Stücke 
nicht  glauben,  empfehlen  möchte  und  was  ich  gethan 
hätte,  ehe  ich  öffentlich  als  Gegner  aufgetreten 
wäre,  ist  sehr  einfach:  ich  hätte  mich  an  Ort  und 
Stelle  mit  eigenen  Augen  zu  überzeugen  gesucht, 
wie  weit  Zweifel  begründet  wären  oder  nicht.  Die 
Behaupter  der  Fälschung  dagegen  haben  sich  die 
Mühe  nicht  genommen,  den  kurzen  Weg  nach  dem 
Kesslerloch  zu  machen  und  seihst  zu  prüfen,  wie 
es  aussieht;  sie  hätten  sich,  ehe  sie  mit  doctri- 
nftren  Gründen  die  Unmöglichkeit  einer  kunstvollen 
Bearbeitung  des Renge weihs  aussprachen,  mit  eigenen 
Augen  überzeugen  sollen.  So  aber  haben  sie  über 
Dinge  gesprochen,  die  sie  gar  nicht  gesehen  haben. 
Hier,  wie  in  der  ganzen  Naturwissenschaft,  handelt 
es  sich  nur  um  Sehen;  hier  muss  durch  die  Augen 
die  Ueberzeugung  wach  werden. 

Das  sind  die  Bedenken,  die  sich  mir  hei  der 
Ausführung  des  Hm.  Ecker  unwillkürlich  auf- 
drängten;  was  mir  auf  dem  Herzen  lag,  konnte 
ich  nicht  verschweigen. 

Hr.  Ford:  Ich  bin  gezwungen,  baldigst  mit 
der  Eisenbahn  fortzureisen  . möchte  daher  noch 
über  die  so  heftig  angegriffenen  Zeichnungen  an 
den  Knochen  der  Reuthierzeit  einiges  kurz  mit- 
theilen  , und  glaube  dies  um  so  mehr  zu  können, 
als  ich  als  Zeuge  einer  solchen  Entdeckung  vor 
Ihnen  stehe. 

Es  war  in  der  Schweiz,  in  Veirier  hei  Genf, 
wo  von  Hrn.  T h i o 1 y ein  sogenanntes  Befehlstäbchen 
gefunden  wurde , auf  welchem  er  die  Zeichnung 
irgend  eines  Baumästchens  entdeckt  hatte.  Diese 
Zeichnung  war  einige  Wochen  in  seinen  Händen, 
während  welcher  er  sie  mehreren  Naturforschern 
zeigte,  welche  diese  Zeichnung  beobachtet  und  be- 
wundert hatten.  Ich  komme  nach  Genf,  gehe  in 
die  Sammlung  und  finde  diesen  Knochen  und  sehe 
dieses  Aestchen;  dann  drehe  ich  den  Knochen  un» 
und  sehe , dass  er  noch  theilweise  von  KalktutT 


überzogen  ist,  und  glaubte  auch,  unter  diesem  Kaik- 
tutf  noch  etwas  sehen  zu  können.  Ich  bat  Hrn. 
Thioly  um  die  Erlaubnis*,  mir  diesen  Knochen  auf 
einen  Augenblick  überlassen  zu  wollen,  nahm  das 
Federmesser  und  liess  diesen  Ueherzug  von  Kalk- 
tuff springen;  allmählich  wurden  diese  Rinnen,  die 
ich  gesehen  hatte,  zu  einer  wahrhaftigen  Zeichnung 
eines  Thieres,  einer  Art  Ziege  oder  Steinbock,  was 
sehr  deutlich  zu  erkennen  war.  Ich  kann  nach 
inneren  Gründen  beweisen,  dass  es  nicht  die  Ab- 
sicht des  Hrn.  Thioly  war,  mich  das  entdecken 
zu  lassen;  er  hätte  dazu  wahrscheinlich  andere 
Leute  gewählt  oder  er  hätte  gewiss  von  mir  ein 
Zeugniss  verlangt.  Mit  mir  hat  er  davon  nicht 
mehr  gesprochen , ich  bin  mit  ihm  seither  nicht 
mehr  im  Verkehr  gewesen  und  er  hat  von  mir 
niemals  ein  Zeugniss  verlangt.  Ich  glaube  aber 
hieniit  die  Echtheit  einer  solchen  Zeichnung  hier 
öffentlich  bescheinigen  zu  müssen. 

Hr.  Mcasikomer:  Ich  bin  am  5.  Januar  1874 
dabei  gewesen  , als  der  Rcntliierknochen,  der  ge- 
zeichnet ist,  aus  der  Umgebung  des  Lehms  gezogen 
wurde.  Ich  kann  also  garantiren  für  die  Echtheit 
dieses  Stückes.  Ich  bin  auch  vollkommen  über- 
zeugt , dass  die  Funde,  welche  Hr.  Merk  publi- 
cirt  hat,  echt  sind.  Es  wäre  ferner  ein  unverzeih- 
liches Unrecht , wenn  man  die  Funde , welche  in 
der  französischen  Schweiz  gemacht  worden , mit 
denjenigen,  die  gefälscht  w orden  sind , vergleichen 
möchte. 

Hr.  Graf  Warmbrand:  Mein  sehr  verehrter 
Freund  Fra  a s hat  meiue  Zeichnung  schon  vorgezeigt. 
Ich  möchte  nur  sagen,  wie  sie  zu  Stande  gekommen 
ist , weil  ich  nicht  zweifle , dass  gerade  das  Zu- 
standekommen dieser  Zeichnung  ein  gewisses  Licht 
auf  die  Entstehungsweise  der  anderen  wirft.  Ich 
habe  dazu  2 Knochen  gewählt , und  zwar  einen 
ganz  recenten , der  noch  nicht  gekocht  oder  ge- 
braten worden  ist,  und  einen  solchen,  der  bereits 
ausgekocht  war.  Auf  diesen  beiden  Knochen  habe 
ich  ohne  weitere  Hilfsmittel  mit  Feuerstein  aus 
Th&yingen  in  der  Zeit  von  3/«  Stunden  diese  Ein- 
ritzungen gemacht.  Ich  muss  sagen , dass  die 
Zeichnung  allerdings  insofern  nicht  leicht  war, 
weil  die  Knochen  eine  gewisse  Widerstandsfähig- 
keit haben  und  deshalb  der  Feuerstein  ziemlich 
scharf  aufgedrückt  werden  musste.  Trotzdem  zweifle 
ich  nicht,  dass  es  unseren  Voreltern  und  Renthier- 
menschen  möglich  war,  solche  Ritzungen  auf  frischen 
Knochen  darzustellen.  Ich  möchte  dabei  betonen, 
dass  es  vom  artistischen  Standpunkt  aus  irrig  ist, 
zu  glauben,  dass,  je  schwieriger  die  Zeichnung  in 
ein  Material  zu  bringen  ist,  desto  unbeholfener 
müsse  die  Zeichnung  werden;  im  Gegentheile , je 
leichter  die  Zeichnung  in  das  Material  geschieht, 
desto  leichtsinniger  und  oberflächlicher  wird  ge- 
zeichnet, und  je  schwieriger  das  Kingraben  ist, 
desto  genauer  und  vorsichtiger  wird  dabei  zu  ver- 
fahren sein.  Es  zeigt  sich  dies  ganz  naturgeinäss 


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113 


bei  der  Arbeit  selbst ; bei  einer  solchen  mühsamen 
Ritzung  überlegt  man  sich  jeden  Strich  und  jede 
Richtung  desselben  ganz  genau.  Diese  beiden 
Knochen  können  späterhin  mit  den  Originalen  von 
Th  ay  tagen  durch  die  Lupe  verglichen  werden. 
Nach  einer  solchen  Vergleichung  wird  man  positiv 
sagen  können,  ob  diese  Thayingcr  Zeichnungen  in 
frische  Knochen  oder  in  fossile  Knochen  eingeritzt 
wurden.  Sind  sie  im  recenten  Knochen  geschehen, 
so  muss  man  die  mühsam  und  unsicher  eingetieften 
Ritzer  neben  einander  sehen;  sind  sie  im  alten 
Knochen  geschehen . welche  Arbeit  natürlich  un- 
gleich leichter  ist.  so  muss  man  das  Ausspringen 
der  spröden  kuochigen  Masse  deutlich  seheu 
können,  wenn  überhaupt  Fenerstcin  zur  Anwendung 
kam.  Ich  habe  das  Stück  von  Thayingen  noch 
nicht  in  der  llaud  gehabt;  soviel  ich  aber  aus 
der  Photographie  und  durch  das  Glas  sehen  konnte, 
zweifle  ich  kauin  daran  , dass  die  Ritzungen  auf 
recenten  Knochen  geschehen  sind. 

Hr.  Vlrchow:  Wir  werden  jetzt  die  Discus- 
sion  schliesscn  und  für  morgen  die  Fortsetzung  in 
Aussicht  nehmen.  — Hr.  Ecker  hat  das  Wort  zu 
einer  persönlichen  Bemerkung. 

Hr.  Ecker:  Hr.  Fr  aas  hat  mir  den  Vorwurf 
der  Parteilichkeit  gemacht.  Ich  weiss  nicht , oh 
ich  in  Ihren  Augen  denselben  verdient  habe.  Ich 
kann  nur  soviel  versichern,  dass  ich  Hrn.  Lin- 
de n s c li  m i t , mit  dem  ich  über  diese  Sache  vielfach 
correspondirt  habe,  gesagt  habe,  wie  er  mir  zuge- 
stehen  wird,  dass  ich  nach  Constanz  gehen  werde, 
aber  nicht  im  Stande  sei , seine  Ansicht  zu  ver- 
treten und  zu  vertheidigen.  Ich  gestehe  offen, 
ich  bin  wirklich  nicht  im  Stande,  mit  Entschieden- 


heit das  Eine  oder  das  Andere  zu  behaupten,  und 
wenn  ich  gesagt  habe,  ich  werde  möglichst  objectiv 
verfahren , so  entspricht  dies  in  der  That  völlig 
meiner  Ueberzeugung.  Denn  ich  wäre  nicht  im 
Stande , mit  Bestimmtheit  zu  erklären , ich  ge- 
höre dieser  oder  jener  Partei  an.  Den  Vorwurf, 
dass  ich  mich  für  Lindenschinit  geopfert  habe, 
muss  ich  zurückweisen.  Ich  habe  für  Linde  li- 
sch mit  das  Wort  nur  ergriffen,  um  ihn  gegen  die 
Schmähungen , die  ihm  die  Herren  von  Zürich  an 
den  Kopf  geworfen  haben,  zu  vertheidigen.  Das 
war  es. 

Zweitens  hat  Hr.  Fraas  gesagt,  ich  hätte  be- 
hauptet, es  sei  unmöglich,  auf  frische  Knochen  zu 
graviren.  Das  habe  ich  gar  nicht  gesagt,  sondern 
ein  Zeuge,  Hr.  M o r t i 1 1 e t , hat  das  gesagt.  Dieser, 
ein  entschiedener  Anhänger  der  Echtheit  der  Funde, 
ist  daher  durchaus  nicht  auf  meine  Rechnung  zu 
schreiben,  sondern  gehört  auf  Rechnung  der  „Echt- 
heitspartei“. Von  frischen  Knochen  habe  ich 
übrigens  kein  Wort  gesagt. 

Drittens:  Hr.  Fraas  spricht  immer  von  That- 
sachen : es  sei  Thatsache,  die  Thatsache  der  Echt- 
heit bestehe  etc.  Ich  muss  wiederholen,  die  That- 
saclie  beweist  Ihnen  nur , es  ist  an  diesem  Tage, 
an  dieser  Stelle  dieses  Stück  gefunden  worden; 
allein  wir  wissen  ja  jetzt , dass  wirklich  einzelne 
Stücke  gefälscht  sind , ganz  sicher  die  zwei , die 
nach  England  gewandert  sind , und  für  mehrere 
Stücke , die  in  Schaffhausen  oder  Zürich  sich  be- 
finden, wird  Achnliehes  behauptet. 

Ein  weiterer  Vorwurf  ist  der,  dass  Hr.  Lin- 
de nscli mit  hätte  sofort  hinreisen  sollen.  Ich 
muss  bemerken , das*  die  Sachen  ziemlich  spät 
erst  bekannt  worden  sind.  (Rufe:  Im  Februar  und 
März  stand  es  schon  in  allen  Zeitungen.) 


Berichtigung  (auf  speciellen  Wunsch  des  Ilrn.  Ecker)  zu  S.  67  Z.  81.  Hier  muss  eingeschaltet 
worden:  Der  I.  Vorsitzende  theiltc  folgendes  an  Hrn.  Ecker  gerichtete  Telegramm  mit,  welches  dieser, 
da  er  schnell  abzureison  geuöthigt  war,  nicht  mehr  seihst  übergeben  konnte  : 


Dritte  Sitzung. 


Inhalt:  Virchow:  Mittheilungen  über  die  Pfahlbauten  bei  Niederwyl.  — Fortsetzung  der  Discassion  über 
prähistorische  Kunst:  Virchow,  Scliaatfhausen,  Mohlis,  Virchow,  Joos,  GrafWurm- 
brand.  Merk,  Kollmanu  und  Mork,  Leuinundszeugniss  des  letzteren,  Orth.  Schluss  der  Dis* 
cus&ioii  über  prähistorische  Kunst.  — Fischer,  Nephrit.  — Orth  über  Olacialerscheinungcn  bei 
Berlin.  — Ueber  Schalensteine:  I)esor,  Virchow,  Mehlis,  Schaaf Ihausen,  Deaor,  Voss.  — 
Virchow:  Geschäftliche  Mittheilungen  zur  prähistorischen  Kunst,  Krause’*  Torfschädel  und 
Abbildungen  des  Hrn.  Voss.  — Mikrocephalie : Kollmaun,  Krause,  Virchow,  SchaaffhauBen. 


Der  Vorsitzende  Hr.  Virchow  macht  Mit- 
theilungen über  die  für  den  nächsten  Tag  verab- 
redete Excursion  nachdem  Pfahlbau  von  Nieder* 

Cvrrt  xji.-BUtt  Nru.  10. 


wyl  (bei  Frauenfelden  im  Thurgau),  welchen  er  vor 
einigen  Tagen  besucht  hat: 

Der  Pfahlbau  von  Niederwyl  liegt  inmitten 
8 


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114 


eines  kleinen,  seit  einiger  Zeit  abgelassenen  See* 
bcckens  ganz  im  Trockenen.  Nur  eine  dünne  Moor- 
schiebt  bedeckt  die  oberflächlichsten  Holzlagen.  Es 
ist  jedoch  nicht  ein  Pfahlbau  der  gewöhnlichen  Art, 
wo  die  Hauser  auf  senkrechten  Pfählen  errichtet 
worden,  sondern  ein  sogen.  Packwerk,  eine  Con- 
struction,  wie  sie  in  ähnlicher  Weise  nur  an  wenigen 
Punkten  der  Schweiz,  dagegen  häutiger  in  den  irischen 
und  norddeutschen  Pfahlbauten  gefunden  wird.  Man 
hat  eine  Art  von  Floss  von  Baumstämmen  herge- 
stellt , dieses  beschwert  und  niedergesenkt  durch 
Auflegen  neuer  Balken,  und  so  allmählich  eine  Art 
von  Fundament  gewonnen,  welches  gestattet  hat, 
wie  auf  dem  Festen  zu  bauen.  Oh  die  erste  Anlage 
so  zu  denken  ist,  dass  sie  zu  einer  gewissen  Zeit 
wirklich  als  Floss  behaut  wurde,  schwimmend,  wie 
Hr.Messikoni mer  annimmt,  will  ich  dahingestellt 
sein  lassen.  Wir  haben  in  Norddeutschland  ähnliche 
Einrichtungen,  die  ganz  deutlich  von  vornherein 
mit  dem  Plaue  der  Fundumentirung  angelegt  sind. 
Zu  unterst  liegen  Steine,  grosse  erratische  Blöcke 
und  auf  diese  sind  die  Balken  gelegt.  Indes*  ist 
das  eine  untergeordnete  Frage.  Die  Hauptsache 
ist,  dass  Sie  compacte  Aufbauungen  aus  Balken 
finden  werden.  Die  Fundgegenstände  liegen  daher 
meistens  nicht  unter  den  Pfählen,  sondern  in  den 
Zwischenräumen  zwischen  den  einzelnen  Aufbau- 
ungen. Es  sind  Gegenstände  aus  der  Zeit  des 
polirten  Steines:  Steinbeile,  Thongeräth  (Töpfe, 

Gewichtsteine  u.  s.  w.),  Geweihe,  Thierknochen  u.  s.  f. 
Die  Theilnehmer  an  der  Fahrt  können  mit  voller 
Sicherheit  darauf  rechnen,  dass  sie  nicht  bloss  die 
Methode  des  Baues  genau  sehen  werden,  sondern 
dass  auch  die  Gegenstände,  welche  von  den  alten 
Bewohnern  gebraucht  wurden,  in  einer  gewissen 
Fülle  werden  zu  Tage  gefördert  werden. 

Hr.  Mcssikommcr  schickt  soeben  in  einem 
Telegramme  aus  Islikon  einen  Gross  und  ei  w artet 
Ihre  Ankunft  in  Niedcrwyl.  — 

Wir  kommen  jetzt  zu  der  gestern  unterbrochenen 
Discussion  über  die  Artistik  von  Thayingen. 
Wir  sind  ja  nun  gestern  in  der  Lage  gewesen,  noch 
weitere  Studien  darüber  in  Schaffhausen  zu  machen. 
Mit  Bedauern  habe  ich  gesehen,  dass  nicht  alle 
Herren,  welche  dort  anwesend  waren,  von  sämmt- 
lichen  einschlagenden  Gegenständen  Kenntniss  ge- 
nommen haben.  Es  ergab  sich  uemlich,  dass  es  sich 
dort  nicht  bloss,  wie  wir  bisher  angenommen  hatten, 
um  die  Kunst  von  Thayingen,  sondern  auch 
noch  um  die  Kunst  der  Freudenthal  er  R e n - 
thierleute  handelt.  Hr.  Joos  hatte  im  Neben- 
zimmer der  Stadt bibliothek  in  Schaffhausen  die  ihm 
persönlich  gehörige  Sammlung  ausgestellt,  welche 
aus  der  Freudenthaler  Höhle  gewonnen  worden  ist. 
Darunter  befand  sich  namentlich  ein  ausgezeichnetes 
Object,  eine  Art  länglichen,  am  Ende  abgerundeten 
Falzbeins  (Fig.  15),  welches  durch  die  Genauigkeit 
der  Ausführung  und  durch  das  Hautrelief,  freilich 
ohne  Thierzeichnung,  sich  der  Mehrzahl  der  anderen 
Arbeiten  gegenüber,  welche  meist  nur  durch  Ein- 


rit/ung  oder  Eingrabung  hervorgebracht  sind,  ans- 
zeirbnet.  Es  trägt  2 der  Länge  nach  verlaufende, 
parallele  Reihen  kleiner,  erhaben  herausgearbeiteter 
Rhomben,  und  hat  ein  ungemein  zierliches  Aussehen. 
Ein  ganz  ähnliches  Stück  findet  sich  merk- 
würdigerweise im  hiesige n M u s e u tu , aber 
aus  der  Höhle  von  Thayingen  (Fig.  12)*). 
Wir  haben  hier  also  den  merkwürdigen  Fall,  dass 
dasselbe  Muster  in  2,  doch  nicht  ganz  nahe  an- 
einander! iegendon  Höhlen  derselben  Periode  sich 
wiederholt.  Ich  betone  das  deshalb , weil  man, 
wenn  es  sich  um  Fälschungen  handelte,  glauben 
müsste . derselbe  Fälscher  hatte  eine  Industrie 
daraus  gemacht,  nach  allen  Richtungen  hin,  auch 
wo  er  keinen  Vortheil  davon  hatte,  die  Objecte  zu 
fälschen  und  zu  verstreuen.  Wir  haben  aber  gerade 
für  diesen  Fall  das  Zeiigniss  des  Hrn.  Joos,  der 
Ihnen  gestern  persönlich  bekannt  geworden  ist  und 
der  bis  vor  Kurzem  Regierungspräsident  des  f'antons 
Schaffliausen  war.  Er  erklärt,  dass  er  mit  eigener 
Hand  dieses  Object  aus  intacten  Fundschichteu 
herausgenorameu  hat  und  dass  er  sich  für  dieCorrect- 
heit  des  Fundes  persönlich  verbürgt. 

Nun  gehe  ich  das  Wort  Hrn.  Schaa  ff  hausen. 

Hr.  Kchaaffhansen:  Ich  werde  mich  sehr 

kurz  über  diesen  Gegenstand  fassen,  möchte  es 
aber  docli  liier  eiwähnen,  dass,  soweit  mir  bekannt 
ist,  ich  seihst  zuerst  öffentlich  im  Jahre  1*07  und 
dann  1*0*  heim  internationalen  Cougress  zu  Bonn 
meine  Bedenken  gegen  die  gewöhnliche  Erklärung 
der  Funde  bearbeiteter  Knochen  in  der  Dordogm» 
ausgesprochen  habe.  Vgl.  Verhandl.  des  naturhist. 
Vcr.  in  Bonn  1*07  und  Bericht  über  jenen  Con- 
gress 186*.  Ich  habe  dieselben  wiederholt  in 
Wiesbaden  1*73  und  im  Archiv  für  Anthrop.  VIII. 
S.  201.  Soviel  ich  weiss,  stand  ich  mit  meiner 
Ansicht  ganz  allein;  es  ist  ungefähr  dieselbe,  die 
Hr.  Ecker  als  in  einer  deutschen  Zeitschrift 
kürzlich  ausgesprochen  erwähnt  hat.  Ich  habe 
uemlich  gesagt,  dass  einige  der  Snilpturen  aus  der 
Dnrdognc  unmöglich  von  einem  wilden  Volke  her- 
rühren  können;  man  müsse  den  Einfluss  eines 
Kulturvolkes  auf  diese  Darstellungen  annehmen. 
Da  wir  eine  sehr  frühe  Kultur,  die  wahrscheinlich 
über  2tKH>  Jahre  vor  unsere  Zeitrechnung  zurüek- 
reicht,  an  den  Gestaden  des  mittelländischen  Meeren 
durch  die  Phönizier  kennen,  so  würden  diese 
Funde  in  Südfrankreich  vielleicht  nicht  so  alt 
sein , wie  man  sie  schätzt.  Auch  heute  wird  man 
den  Einfluss  europäischer  Kunstfertigkeit  auf  die 
Werkzeuge  der  Wilden  unter  Umständen  annehmen 
dürfen.  Ich  glaube,  man  muss  hei  solchen  Kunst- 
arbeiten die  Stufe  der  Kunstbildimg  sehr  wohl 
unterscheiden.  Ein  wildes  Volk  kann  in  Linien- 
Ornamentcn  sehr  Zierliches  leisten,  während  ihm 
die  Darstellung  organischer  Formen  nicht  gelingt. 
Diese  ist  entweder  kindisch  oder  phantastisch  und 

•)  In  den  Abbildungen  de*  Hrn.  Merk  Fig.  2*J 
(Translation  nf  Mr.  Lee  PI.  VH). 


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115 


grotesk.  Mir  ist  der  Ansdruck  der  Grazie,  wenn 
ich  so  sagen  darf,  das,  was  den  höchsten  Stand 
der  Knnstbildung  bei  Darstellung  thierischer  oder 
menschlicher  Gestalten  bezeichnet ; die  blosse 
Nachbildung  natürlicher  Formen  kann  man  einem 
rohen  Volke  vielleicht  Zutrauen,  aber  die  Anmuth 
der  Gestalten,  welche  der  ideale  Sinn  des  Künstlers 
hinzugibt,  ist  eine  Leistung,  die  man  einem  rohen 
Volke  nicht  wohl  zuschreiben  kann.  Es  sind  aber 
einige  Sachen  der  Dordogne,  die  eine  solche  Be- 
handlung zeigen,  wie  namentlich  ein  Dolchgriff, 
der  ein  Renthier  darstellt,  welches  den  Kopf  hebt 
und  in  graziöser  Weise  das  Geweih  auf  den  Rücken 
legt.  Das  sieht  so  aus.  wie  heute  ein  Pariser 
Künstler  ein  Elfenbeinschnitzwerk  dieser  Art 
machen  würde.  Ich  meine  aber,  dass  man  gewisse 
andere  Dinge,  so  die  Fische  auf  den  Commando- 
stäben  und  auch  manche  Thierfiguren  sehr  wohl 
einem  halbwilden  Volke  zuschreiben  kann.  Wir  haben 
Zeichnungen  von  den  heutigen  Eskimos  gesehen, 
die  doch  nicht  heranreichen  an  die  Darstellung  des 
weidenden  Rentbieres  (Fig.  4),  zumal  nicht  in  der 
Zeichnung  des  Kopfes,  und  noch  viel  weniger  an  das 
Beste,  was  ich  in  dieser  Art  gesehen  habe,  an  das 
Pferd  in  der  Sammlung  von  Schaffhausen  ( Fig.  20), 
dessen  kleiner  Kopf  mit  den  schnaubenden  Nüstern, 
mit  den  vorgestreckten  Ohrenspitzen  mich  sofort  an 
das  englische  Rennpferd  erinnert  hat.  Der  kleine 
Kopf  bezeichnet  das  moderne  kultivirte  Pferd,  er 
fehlt  dem  fossilen  wie  dem  wilden  Pferde.  Dass 
manche  dieser  Dinge  echt  sind,  dafür  spricht  der 
Umstand,  dass  Dupont.  in  den  belgischen  Höhlen 
einige  ähnliche  mit  Fischen  verzierte  Stücke  fand. 
In  Kopenhagen  ist  es  zur  Sprache  gekommen,  dass 
schon  1853  in  Frankreich  dergleichen  einfach  ver- 
zierte Stücke  gefunden  waren,  in  einer  Zeit,  wo 
man  diese  Dinge  noch  gar  nicht  kannte  und  an 
Fälschungen,  die  doch  immer  Nachahmung  ähn- 
licher echter  Dinge  sind,  nicht  denken  konnte. 
Meine  Meinung,  dass  einige  dieser  Stücke  aus 
Thayingen  auf  den  Einfluss  eines  eivilisirten  Volkes 
deuten,  halte  ich  für  die  einzig  mögliche  Erklärung, 
wenn  der  Nachweis  einer  Fälschung  sich  nicht 
führen  lässt.  Wir  haben  keinen  Grund,  an  der 
Wahrhaftigkeit  der  Herren,  die  über  diese  Funde 
uns  berichtet  haben,  zu  zweifeln : indess  werden 
Betrügereien  oft  so  fein  gemacht,  dass  auch  der 
Vorsichtigste  getäuscht  werden  kann.  Auffallend 
bleibt,  dass  die  besten  Zeichnungen  nicht  unter 
dem  Kalksinter,  sondern  im  Geröllc  vor  der  Höhle 
gefunden  worden  sind.  Ich  glaube  deshalb , wir 
können  Hrn.  Fraas  darin  nicht  beipflichten,  wenn 
er  sagt,  jetzt  muss  das  Urtheil  gesprochen  werden, 
ln  dieser  Sache,  denke  ich,  müssen  wir  vielmehr 
abwarten , ob  weitere  Funde  der  Art  gemacht  werden. 
Diese  werden  nicht  die  einzigen  bleiben,  wenn  es 
wirklich  in  der  alten  Zeit  ein  so  künstlerisch  nn- 
gelegtcs  Volk  gegeben  hat,  welches  hier  die  Höhlen 
bewohnte.  Warten  wir,  wo  und  wann  sich  einmal 
etwas  Aehnliches  findet  und  seien  wir  dann  so 
vorsichtig  wie  möglich.  Ich  wiederhole  nochmals, 


es  ist  mir  nicht  denkbar,  dass  eine  so  vortreffliche 
Kunstleistung,  wie  sie  uns  in  einzelnen  Dingen  hier, 
auch  in  dem  geschnitzten  Kopf  des  Renthiers  (Fig.  2) 
und  des  Ovibos  moschatus  (Fig.  3)  entgegentritt,  von 
einem  rohen  Volke  gemacht  worden  wäre,  welches  die 
Töpferei  nicht  einmal  kannte.  F.b  fehlt  jedes  Bei- 
spiel för  diese  Annahme.  Die  Thierzeichnungen, 
die  man  am  Cap  auf  Felswänden  findet,  sind  nicht 
schlecht  gemacht,  ob  sie  aber  sicherlich  von  Wilden 
herrühren  in  einem  Lande,  wo  stets  auch  hollän- 
dische Colonisten  gelebt  haben,  kann  nicht  be- 
hauptet werden.  Ich  habe  manche  Zeichnungen 
von  Wilden  gesammelt,  z.  B.  die,  welches  Rugendas 
mittheilt , von  den  Sclavenmärkten  in  Brasilien, 
wo  die  Negersclaven.  um  sich  die  Zeit  zu  ver- 
treiben, an  den  Wänden  ihre  Kritzeleien  machen. 
Es  sind  genau  dieselben  Bilder,  wie  unsere  Kinder 
sie  machen , wenn  sie  eine  menschliche  Gestalt, 
ein  Schiff,  ein  Pferd  zeichnen  wollen.  Auf 
dieser  Aehnlichkeit  beruht  die  Täuschung  des 
Abbö  Domenech  der  das  verlorene  Bilderbuch 
eines  deutschen  Knaben  für  die  Hieroglyphenschrift 
eines  Indianers  hielt.  Die  Bilder  der  indianischen 
Wilden  sind  von  Schoolkraft  und  Anderen  mit- 
gethcilt;  die  Zeichnungen  sind  immer  steif  und 
unbeholfen.  Ich  glaube,  die  Annahme  ist  unan- 
fechtbar, dass  auch  die  menschliche  Hand,  wie 
jedes  andere  Glied  sich  erst  zu  einer  feineren  Be- 
weglichkeit und  der  Geist  zu  einem  feinoren  Ver- 
ständnis?» der  Natur  entwickeln  muss,  ehe  eine 
Darstellung  schöner  Formen  lebender  Gestalten 
möglich  wird.  Die  Hand  eines  Wilden  kann  das 
nicht  machen.  Auch  hat  überall  Entwicklung  vom 
Rohen  und  Unvollkommenen  zum  Besseren  statt- 
gefunden,  wie  sie  noch  bei  jedem  Individuum  notb- 
wendig  ist,  das  zeichnen  lernt.  Hier  erscheint 
diese  Kunst  ebenso  plötzlich,  wie  sie  verschwindet. 
Bei  dieser  Gelegenheit  muss  ich  noch  sagen,  dass 
ich  bedauert  habe,  im  Museum  neben  den  Gegen- 
ständen nicht  die  Lupe  gesehen  zu  haben,  die 
zu  einer  genauen  Prüfung  unbedingt  notli wendig 
ist.  Ich  selbst  habe  hei  der  letzten  Weltausstellung 
in  Paris,  wo.  als  zur  Geschichte  der  menschlichen 
Arbeiten  gehörig,  auch  urgeschichtliehe  Sachen 
sich  fanden,  sofort  meinen  Pariser  Freunden  durch 
die  Betrachtung  mit  der  Lupe  die  frischen  Ritzen 
auf  dem  Stein  gezeigt  und  mehrere  Stcinzeichnungeu 
für  falsch  erklärt,  was.  soviel  ich  weiss,  nur  von 
mir  mitgetheilt  worden  ist.  So  liegt  auch  in  der 
Sammlung  in  Brüssel  ein  platter  Stein  mit  der 
Zeichnung  des  Ilintertheils  einer  Kuh . welche  mir 
sehr  verdächtig  ist.  Seit  mehreren  Jahren  habe 
ich  auch  wiederholt  meinen  Zweifel  an  der  Echt- 
heit der  bekannten  Lartet’schen  Platte  ausge- 
sprochen und  zu  begründen  gesucht.  Dieses  be- 
rühmte Bild  eines  Mammuth  soll  beweisen,  dass 
nur  der  Mensch . der  das  Mammuth  lebend  ge- 
sehen hat.  sein  Bild  mit  allen  Kigenthümlichkcitcn 
der  Schädelbildung  und  der  Behaarung  zeichnen 
konnte.  L artet  hat  mir  selbst  mit  eigener  Hand 
das  Bild  gezeigt.  Erst,  später  sind  mir  die  Um- 

3* 


116 


stände  genauer  bekannt  geworden , durch  die  es 
in  die  Hände  L artet  ’s  kam.  Hier  ist  die  Auf- 
findung selbst  durch  sichere  Zeugen  nicht  fest- 
gestellt.  L artet  Hess  den  Arbeitern  sagen,  er 
werde  am  andern  Tage  mit  einem  englischen  Ge- 
lehrten, nämlich  mitFalconer,  kommen.  Die 
Arbeiter  wussten  also,  dass  Jemand  zu  kommen 
hatte,  der  ihren  Funden  ein  besonderes  Interesse 
zuwandte;  cs  lag  nahe,  dass  sie  auf  eine  Uebcr- 
raschung,  auf  einen  recht  schönen  Fund  bedacht 
waren.  Als  die  beiden  Herren  in  die  Höhle  cin- 
traten,  brachte  ein  Arbeiter  schon  drei  Stürkc 
eines  Mammuthzahnes , welche  aber  zusammeu- 
passten.  Falconer  war  der  erste,  der  sagte,  hier 
ist  ein  Thierbild ! Diese  Umstände  sind  doch  einiger- 
massen  verdächtig.  Wenn  man  das  Mammuthbild 
betrachtet,  so  ist  der  kühne  Schwung  der  Zeichnung 
etwas  ungemein  Auffallendes.  Freilich  ist  der  Umriss 
an  einigen  Stellen  doppelt  nnd  dreifach,  als  hätte  der 
Künstler  mehrmals  versucht,  die  Zeichnung  zu  ver- 
bessern. Das  kann  aber  auch  eine  absichtliche 
Täuschung  sein.  Man  muss  nun  ferner  wissen, 
dass  unsere  Kenntniss  von  der  äussern  Beschaffen- 
heit des  Mammutlis  nach  dem  Fände  eines  ganzen 
Thieres  am  Ausfluss  der  Lena  von  Adams  herrührt, 
der  in  einer  französischen  Zeitschrift  jenen  Fund 
beschrieben  hat.  Dieser  Aufsatz  konnte  nirgend 
besser  als  in  Frankreich  bekannt  sein.  Es  ist 
darin  von  den  Eigenthümlichkeitcn  der  Schadel- 
bildung,  von  den  langen  Haaren,  den  Stosszälmen 
und  von  allen  dem  die  Rede,  was  wir  im  Bilde 
wiederfinden.  Nun  endlich  noch,  wie  stehen  die 
Mammuthe  da,  denn  es  stehen  zwei  Thicrc  neben 
einander.  Sic  sind  gezeichnet  wie  Thiere,  die 
eingespannt  sind  und  in  gleichem  Schritte  einen 
Wagen  ziehen.  Da  fiel  mir  ein,  ob  nicht  der 
Zeichner  vielleicht  den  Revers  einer  römischen 
Münze  gesehen  hat,  wo  nicht  selten  der  Triumph- 
zug  eines  Imperators  dargestellt  ist  und  der  Wagen 
von  Elephanten  gezogen  wird,  die  neben  eiuauder  in 
regelmässigem,  ruhigem  Schritte  vorwärts  gehen, 
wie  auf  diesem  Bilde.  Ich  besitze  eine  solche 
Münze  von  Lucius  Verus.  Das  sind  alles  Dinge, 
die  grosse  Bedenken  erregen,  aber  doch  nicht 
mit  vollständiger  Sicherheit  einen  Betrug  beweisen. 
Ich  will  hier  noch  anführen,  dass  eine  authentische 
photographische  Abbildung  der  Platte  selbst  nicht 
vorhanden  ist.  Ich  selbst  habe  darum  in  Paris 
gebeten.  Die  Zeichnung,  die  überall  in  den 

Büchern  verbreitet  ist , wurde  nicht  nach  dem 
Original  photographirt,  sondern  das  auf  den 
Mammuthzahn  eingeritzte  Bild  wurde  erst  abge- 
zeichnet und  diese  Zeichnung  wurde  photographirt. 
Man  kann  vermuthen,  dass  dadurch  sehr  viel 
Neues  in  das  Bild  gebracht  worden  ist.  Das  ist 
meine  Ansicht  Ober  diese  Angelegenheit. 

Hr.  Mehlis:  Wenn  gestern  von  competcntcr 
Seite  dieser  Saal  init  einem  Gerichtssaale  mul 
die  Versammlung  mit  einer  Jury  verglichen  wurde, 
so  erlauben  Sie,  von  diesem  juridisch-naturwissen- 


schaftlichen Standpunkte  ans  Ihnen  die  Kategorien 
anzugeben . nach  denen  nach  diesem  gerecht- 
fertigten Standpunkte  die  Funde  zu  beurthoilen 
sein  dürften.  Die  erste  Kategorie  betrifft  den 
Fund  selbst,  die  Objecte.  Unter  diesen  können 
wir  zwei  Arten  unterscheiden , die  plastisch  dar- 
gcstellten  und  diejenigen , welche  einfach  eine 
Zeichnung  repräsentiren.  Man  sollte  glauben,  die 
plastischen  Artefakte  wären  schwieriger  darzu- 
stellcu  . allein  dem  dürfte  gerade  das  Gegentheil 
sein.  Wenn  wir  die  Entwicklung  der  Kunst  z.  B. 
hei  den  Griechen  vorfolgen,  so  werden  wir  sehen, 
dass  die  Entwicklung  der  Plastik  der  der  Malerei 
vorangeht,  und  auch  hei  den  Kindern  können  wir 
beobachten,  dass  sie  viel  eher  aus  Lehm  oder 
Thon  eine  plastische  Figur  darzustellen  versuchen, 
als  eine  Zeichnung  zu  machen.  Eine  Zeichnung 
verlangt  einen  höheren  Grad  der  Abstraction,  und 
daraus  dürfte  sich  dieser  Umstand  erklären  lassen. 
Die  zweite  Kategorie,  die  zu  betrachten  sein  dürfte, 
sind  die  Zeugen.  Unter  den  Zeugen  haben  wir 
Autoritäten  wie  Fraas  und  Heim,  an  deren 
Glaubwürdigkeit  nicht  zu  zweifeln  ist.  Die  dritte 
Kategorie , die  berücksichtigt  werden  dürfte  t ist 
der  Ort.  Wir  waren  gestern  selbst  in  der  Lage, 
die  Lokalität  zu  besichtigen  und  uns  von  der 
Dicke  und  der  Art  der  Fundschichte  zu  über- 
zeugen und  waren  selbst  im  Stande , verschiedene 
Kunstobjecte , z.  B.  einen  durchlöcherten  Fuchs- 
zahn au  den  Tag  zu  fördern.  Ausserdem  dürfte 
in  Rücksicht  kommen  die  Zeit,  in  der  ein  Be- 
trag möglicherweise  hätte  vor  sich  gehen  können. 
Nun  ist  constatirt , dass  Hr.  Professor  Heim  ge- 
rade die  Zeichnung , die  wohl  den  höchsten  Grad 
der  Kunstfertigkeit  repräsentirt,  das  weidende  Rcn- 
thier  (Fig.  4),  aus  der  Fundschichte  genommen, 
mit  nach  Hause  gebracht,  dort  von  der  anklebenden 
Patina  gereinigt  hat  und  sofort  zur  Publikation 
geschritten  ist.  Wenn  Hr.  Heim  bis  jetzt  die 
volle  Glaubwürdigkeit  auf  seiner  Seite  hat,  können 
wir  wohl  in  diesem  Punkte  auch  keinem  Zweifel 
an  seiner  Wahrheitsliebe  und  Wahrheitstreue  Raum 
gehen.  Hr.  Fraas  hat  uns  ausserdem  versichert, 
dass  er  mit  eigener  Hand  eine  Zeichnung  hervor- 
geholt hat,  die  ebenfalls  publicirt  worden  ist. 

Der  letzte  Punkt , der  hier  iii  Rücksicht  zu 
ziehen  wäre,  ist  die  juridische  Frage  cui  bono; 
wem  hat  eigentlich  die  Veröffentlichung  respectivc 
die  Frage  der  Fabrikation  der  Funde  Vorthoil  ge- 
bracht? Niemandem.  Bloss  diejenigen  Funde,  die 
ein  ganzes  Jahr  später  nach  England  verkauf) 
wurden,  haben  pekuniären  Vortheil  eingetragen; 
die  anderen  früheren  Funde . die  uns  hier  vor- 
liegen,  haben  keinem  Arbeiter  nur  einen  Centime 
mehr  eingetragen,  als  seinen  Lohn.  Das , meine 
Herren , möchten  die  juridischen  Kategorien  sein, 
nach  denen  die  Funde  von  Thayingcn  zu  be- 
urtheilen  wären.  Was  schliesslich  die  psycho- 
logische Seite  betrifft,  so  Ist  diese  vor  dem 
Forum  gewöhnlich  die  letzte.  Nachdem  der 
Richter  sein  Verdict  gesprochen  hat , kommt  die 


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117 


Psychologie  und  snbsumirt  den  Fall  dorthin , wo- 
hin er  gehört.  Die  letzte  Aufgabe  ist  die  de» 
Geistlichen , den  erkannten  Betrüger  womöglich 
auf  den  Weg  der  Besserung  zu  führen. 

Wenn  wir.  meine  Herren,  eine  Jury  vorstellen, 
die  ihr  Verdiet  zwar  nicht  durch  Ja  oder  Nein  an 
den  Tag  legt , aber  von  der  Jeder  sein  Urtheil  in 
seinem  Herzen  mit  nach  Hause  trägt  und  dort  zu 
verbreiten  suchen  wird , daun  dürfen  uns  nicht 
solche  Rücksichten  in  den  Sinn  kommen,  die  noch 
so  streitig  sind  wie  das  Gebiet  der  Psychologie 
und  der  Kunstentwicklung , sondern  wir  müssen 
die  Frage  einfach  vom  juridisch-naturwissenschaft- 
lichen Standpunkt  aus  nach  Ort,  Zeit  und  Zeugen 
beantworten.  Die  Fragestellung  lautet:  was  wurde 
gefunden,  nicht  wie  erklärt  sich  dieser  Fund?  — 

Hr.  Yirchow:  Hr.  Deiner  hat  die  Güte  ge- 
habt, inzwischen  das  von  mir  erwähnte  ., Falzbein“ 
i Fig.  12)  aus  dem  hiesigen  Museum  hcrbeizuholcn. 
Ich  erlaube  mir,  Ihnen  dasselbe  vorzulegen.  Also 
das  ist  das  Object,  welches  genau  mit  dem  aus  der 
Freudenthalcr  Höhle  (Fig.  15)  übereinstimmt.  Ich 
kann  zugleich , da  ich  das  andere  Stück  aus  der 
Freudcnthuler  Höhle  genau  verglichen  habe,  her- 
vorheben, dass,  ähnlich  wie  hier,  die  zwischen  den 
beiden  Reihen  der  erhabenen  Rhomben  liegende 
Fläche  eine  gewisse  Anzahl  von  sehr  groben  Lüngs- 
strichcn  zeigt,  welche  ganz  den  Eindruck  machen, 
wie  wenn  sie  durch  Schaben  mit  scharfem  Feuer- 
stein entstanden  wären. 

Ich  will  bei  der  Gelegenheit  noch  einen  zweiten 
Punkt  zur  Sprache  bringen,  der  sich,  seit  wir  hier 
sind,  geklärt  hat.  Sie  erinnern  sich , «lass  ich  in 
meiner  einleitenden  Erörterung  der  Höhlen  einen 
besonderen  Werth  darauf  legte , die  Höhlen  nach 
dem  Auftreten  der  Töpfe  oder  nach  der  Einführung 
irdener  Geräthc  zu  unterscheiden.  Damals  glaubte  ich 
annchmeu  zu  müssen,  dass  cs  sieh  hier,  vielleicht  mit 
Ausnahme  einer  Hachen  Platte,  überhaupt  um  gar 
keine  irdenen  Gerftthe  bündle;  denn  Hr.  Mcssi- 
kommer,  den  ich  gefragt  hatte,  hatte  mir  ver- 
sichert , cs  sei  ihm  nie  etwas  Derartiges  zu  Ge- 
sicht gekommen , und  als  ich  hier  im  Rosgarten 
die  Sammlung  «lurchsah,  tiaf  ich  nur  die  erwähnte 
Platte , die  mir  als  eine  thönerne  verdächtig  er- 
schien. Hr.  Deiner  hatte  die  Meinung,  es  sei 
ein  Stein,  und  ich  begnügte  mich  damit.  Nachdem 
ich  über  die  Sache  gesprochen  und  «lie  Höhle  von 
Thayingen  als  eine  der  toplloscn  Zeit  ungehörige 
proklamirt  hatte,  hatte  llr.  Fraas  seine  Augen 
geschärft  und  brachte  Nachmittags  dasselbe  Stück, 
das  mich  schon  frappirt  hatte , mit  und  wies  mir 
nach , dass  es  Thon  sei.  Dieses  Stück  ist  aller- 
dings wohl  kein  Stück  von  einem  Topfe  selbst; 
weun  aber  einmal  Thon  verarbeitet  wurde,  so  lag 
es  nahe , dass  man  wohl  auch  Töpfe  machen 
konnte. 

Gestern,  in  der  Höhle  von  Thayingen  selbst, 
haben  wir  diese  Sache  weiter  verfolgt , um!  es 
hat  sich  herausgestellt , dass  allerdings  wirkliche 


Töpferstücke  darin  existiren.  Ich  habe  hier  z.  B. 
ein  deutliches  Ramistück  , und  zwar  ein  Rund- 
stück , welches  sich  in  Bezug  auf  die  Beschaf- 
fenheit des  Thons  den  bekannten  alten  Topf- 
formen vollkommen  anschlicsst.  Es  ist  ein  Ge- 
menge von  geschwärztem  Thon  mit  Bruchstücken 
von  zerstampftem  (jnarz.  Darüber,  dass  da  Töpfe 
existirt  haben,  kann  also  kein  Zweifel  sein.  Allein 
die  genauere  Untersuchung  hat  ergeben,  dass  diese 
Töpfe  nicht  in  derselben  Schichte  mit  den  Hen- 
tbiersachcn  Vorkommen,  und  Hr.  Merk,  welcher 
in  der  Höhle  anwesend  war,  hat  auf  besonderes 
Befragen  auch  für  die  Platte,  welche  bis  jetzt  allein 
in  «1er  Rosgarten-Sammlung  aufbewahrt  war,  aiir 
gegeben , «lass  sie  an  einer  bestimmten  Stelle , an 
der  Unken  Seite  des  Eingangs , soviel  ich  mich 
erinnere , in  einer  oberen  Schichte , oberhalb  der 
eigentlichen  alten  Kulturschichte,  gefunden  worden 
sei.  Ausserdem  seien  noch  mancherlei  andere 
Scherben  aus  Thon  gefunden , die  mau  jedoch 
nicht  aufgehoben  habe , weil  sie  eben  als  einer 
jüngeren  Periode  augehörig  betrachtet  worden  sind. 
Sie  mögen  daraus  ersehen . wie  vorsichtig  mau 
in  der  Erörterung  «licser  Verhältnisse  sein  muss. 
Diese  Scherben  finden  sich  immerhin  noch  in  einer 
Schichte  , die  ziemlich  schwer  aus  einander  zu 
bringen  ist  und  die  offenbar  schon  lange  Zeit  fest 
gelegen  hat;  indessen  scheint  es  nach  dem  Zeug- 
nisse Aller,  die  das  genau  geprüft  haben  und  nach 
«lern,  was  wir  seihst  gesehen  haben,  dass  sehr 
grosse  Zeiträume  zwischen  der  Bildung  dieser 
oberen  Schichte  und  der  Bildung  «1er  unteren  ver- 
gangen sind,  dass  wir  also  iliesc  Holde,  trotzdem 
dass  nun  wirklich  altes  Topfgcräthe  in  ihr  ge- 
funden worden  ist,  immer  noch  als  eine  ursprüng- 
lich topHose  bezeichnen  müssen.  Es  scheint  mir 
das  recht  wichtig  in  Bezug  auf  die  Fragen,  die  uns 
hier  beschäftigen , namentlich  in  Bezug  auf  die 
archäologische  Stellung,  welche  der  Höhle  an  sich 
gegeben  werden  muss. 

Darf  ich  die  Bitte  anjlrn.  Joos  stellen, 
über  die  Freudenthalcr  Funde  ein  paar  Worte  zu 
sagen? 

Hr.  Joos  . Ich  kann  nur  «las  constatiren,  dass  das 
fragliche  Stü«'k,  welches  hier  zur  Vergleichung  vor- 
gelegt wurde  > Fig.  15).  wirklich  in  der  Freudenthalcr 
Höhl«?  in  einer  bedeutenden  Tiefe  gefunden  worden 
ist.  Davon  kann  selbstverständlich  gar  keine  Rede 
sein,  dass  liier  ein  Falsifikat  vorliegt,  weil  es  mir 
nie  in  den  Sinn  gekommen  wäre,  irgend  etwas 
nachzumachen,  da  ich  nicht  das  geringste  finanzielle 
Interesse  an  dit>  Sache  knüpfe.  Ich  habe  die 
Frendenthaler  Höhle  mit  Hru.  Prof.  Karsten  aus- 
gegraben,  weil  wir  durch  die  interessamen  Funde 
im  Kesslerloch  angeregt  wurden.  Wir  sind  leider 
nicht  so  glücklich  gewesen  wie  die  Herren,  welche 
«las  Kesslerloch  ausgebeutet  haben  . «la  unsere 
Höhle  nach  «ler  gänzlichen  Räumung  bis  auf  den 
Letten  hin  höchstens  den  12.  Theil  desjenigen 
enthalten  hat,  was  im  Kesslerloch  gefunden  worden 


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118 


ist.  Ich  möchte  noch  beifügen.  dass  in  Bezug  anf 
die  Ornamentik  mu  h andere  Gegenstände  existiren, 
die  ich  den  Herren  gestern  leider  nicht  in  dem 
Umfange  habe  erklären  können,  wie  ich  es  wollte. 
Es  war  zu  spät.  Ich  bin  noch  im  Besitze  einer 
Pfeilspitze  , die  eine  Reihe  von  Längsstrichen 
zeigt , welche  aber  offenbar  nicht  durch  etwaige 
Unregelmässigkeiten  des  schabenden  oder  feilenden 
Instruments  hervorgebracht  sein  können.  Ich  muss 
annchmeu , dass  diese  Längsstricbc  besonders  ge- 
macht worden  sind  und  höchst  wahrscheinlich  als 
eine  Art  Verzierung  dienen  sollten.*) 

Ich  möchte  diesen  Augenblick  benutzen,  Sie  auf 
einen  anderen  Punkt  aufmerksam  zu  machen,  nem- 
lich  auf  den,  dass  in  unserer  Höhle  sich  noch  ein 
Instrument  gezeigt  hat.  was  ganz  dieselbe  Form 
hat  und  wahrscheinlich  auch  demselben  Zwecke 
diente,  wie  eines  jetzt  noch  bei  Leuten,  die  mit 
Leder  arbeiten . gebräuchliche ; es  ist  das  eine 
kleine  Pfrieme , die  eine  gekrümmte  Spitze  hat 
und  offenbar  dazu  diente,  Löcher  durch  das  Leder 
zu  machen.  F.s  ist  wohl  anzunchmen,  dass,  wenn 
die  Funde  aus  dem  Kcsslerloch  sehr  sorgfältig 
registrirt  und  alle  die  einzelnen  Partikel  sortirt 
worden  wären , auch  solche  Instrumente  sich  ge- 
funden hätten. 

Dann  möchte  ich  noch  constatircn,  dass  auch  in 
der  Frcudenthalcr  Höhle,  wie  im  Kesslerloch,  eine 
ziemliche  Anzahl  Topfscherben  von  sehr  verschie- 
denem Aussehen  gefunden  wordeu  ist.  Ich  habe  mir 
von  einer  competcnten  Persönlichkeit  sagen  lassen, 
dass  einzelne  dieser  Topfscherben  durchaus  dieselbe 
Ornamentik  zeigen,  wie  jene  in  den  Pfahlbauten 
gefundenen , nemlicb  in  der  gleichen  Distanz  ab- 
stehende viereckige  Löcher  oder  Eindrücke.  Das 
Wesentliche  hiebei  ist  nicht  sowohl  die  Gegenwart 
der  Topffsc  herben,  als  die  Lage  derselben.  Wir 
haben  bei  der  Ausgrabung  unserer  Höhle  hauptsäch- 
lich unser  Augenmerk  auf  die  Tiefe  der  Lage  der 
l'undgegcnstäiide  gerichtet,  und  wir  haben  constatirt, 
«lass  eben  diese  Tepfscherben  sehr  oberflächlich 
lagen,  dass  zwischen  der  sog.  Kulturschichte  und 
dem  Orte  resp.  der  Höhe,  in  welcher  die  Scherben 
gefunden  worden  sind,  ein  sehr  bedeutender  Abstand 
war,  stellenweise  von  zwei  bis  drei  Kuss.  Es  möchte 
also  auch  dieser  Umstand  dazu  beitragen,  dass  die 
Eiutheilung  der  Höhlen  in  solche,  welche  Töpfe 
enthalten  und  in  solche,  welche  keiue  enthalten, 
nicht  festgehaltcn  werden  darf. 

Graf  Wurmbrand:  Ich  möchte  mich  mit  ein 
paar  Worten  über  das  sehr  interessante  Stück 
aussprechen . welches  soeben  in  unsere  Hände  ge- 
laugt ist  und  welches  wir  schon  gestern  in  Scliaff- 
liausen  zu  bewundern  Gelegenheit  batten.  Ich 

*)  Die  Abbildung  dieser  Pfeilspitze  und  vieler  an- 
derer Gegenstände  findet  sich  in  den  „Mittheilungen 
der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich,  IW.  XVIII. 
Heft  tf.  Studien  der  Urgeschichte  des  Menschen  in 
einer  Höhle  des  Scbaffhanser  Jura,  von  H.  Karsten“. 


knüpfe  dabei  wieder  an  die  technische  Seite  der 
Frage  an,  die  gestern  von  mir  berührt  worden  ist. 
Wie  in  so  mancher  anderen  archäologischen  Frage, 
glaube  ich,  dass  die  Technik,  die  Möglichkeit  der 
Ausführung  besonders  hier  ein  wichtiges  Moment 
der  Untersuchung  bildet,  erstens  um  über  die 
Echtheit  oder  Unechtheit  des  Gegenstandes  selbst 
bestimmter  sich  aussprechen  zu  können,  zweitens 
aber  um  über  die  Kultur,  welche  solche  Industrie* 
produetc  hervorgebracht  hat,  ein  klareres  Bild  zu 
erhalten.  Ich  habe  gestern  gefunden,  dass  eine 
Einritzung  auf  frische  Knochen  mit  Feuersteinen 
allerdings  möglich  ist  und  dass  diejenigen  Gegen- 
stände . welche  ich  hier  im  Museum  zu  sehen  Ge- 
legenheit hatte  (ohne  dass  ich  sagen  will,  dass 
ich  sie  genau  beobachtet  habe),  im  Allgemeinen 
so  sind,  dass  sie  mit  einem  Feuerst einsplitter  ohne 
weiteres  hergestellt  werden  können.  Die  Zeich- 
nungen auf  den  in  Constanz  gesehenen  Knochen 
sind  dabei  nicht  so  vollkommen,  um  geradezu  die 
Hand  eines  Künstlers  zu  bedingen ; der  Beweis 
dafür  liegt  ja  eben  darin,  dass  die  von  mir  ver- 
suchten Zeichnungen  sehr  ähnlich  sind,  obwohl  ich 
durchaus  kein  Künstler  bin. 

Anders  verhält  es  sich  nun  mit  der  Pferde- 
zeichnung in  Scliaffhausen.  Diese  ist  so  rein  und 
scharf  eingeritzt,  dass  ich  nicht  im  Stande  wäre,  sic 
in  gleicher  Vollendung  auf  einem  frischen  Knochen 
mit  Feuersteinsplittom  cinzugraben.  Allerdings  ist 
dieses  Bild  nicht  auf  einen  Knochen , sondern 
auf  die  Stange  eines  jugendlichen  Renthieres 
skizzirt  worden.  Dies  mag  einen  wesentlichen 
Unterschied  in  Bezug  auf  die  Schwierigkeit  der 
Arbeit  machen,  denn  das  Geweih  ist  bekanntlich 
kurz  bevor  es  den  Bast  abstreift,  so  weich,  dass 
man  es  selbst  mit  dem  Nagel  ritzen  kann.  Ich 
kann  deshalb  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  diese 
Zeichnung  ist  mit  Feuerstein  unausführbar,  so 
lange  ich  nicht  in  der  Lage  gewesen  bin,  mit 
solchen  Heiithierstangen  Versuche  zu  machen,  wohl 
aber  kann  ich  ausser  der  Schwierigkeit  einer  so 
reinen  Arbeit  bei  diesem  Stück  auf  die  schöne 
Zeichnung  binweisen,  welche  künstlerisch  vollendeter 
scheint  als  die  übrigen  und  vom  archäologischen 
Standpunkte  aus  allerdings  Bedenken  erregen 
könnte. 

Hr.  Merk:  Sie  werden  mir  nicht  verübeln, 
wenn  ich  in  dieser  geehrten  Versammlung  mir  das 
Wort  zu  ergreifen  erlaube.  Ich  bin  der  Entdecker 
und  Ausbeuter  des  Kesslcrloclis,  und  als  solcher 
bin  ich  im  Stande,  Ihnen  nähere  Aufschlüsse  über 
einzelne  Fundstücke  desselben  zu  geben. 

Ueber  das  Kundstück  des  Rcnthieres  (Fig.  4) 
kann  ich  Ihnen  keine  weiteren  Aufschlüsse  geben; 
Hr.  H e i m von  Zürich  war  so  glücklich , der  Ent- 
decker und  Finder  dieses  Stückes  zu  sein.  Da- 
gegen bin  ich  der  Finder  einzelner  anderer  Stücke 
und  Augenzeuge  bei  der  Ausbeutung  sämmtliclier 
Fundstücke , die  in  Constanz  und  Scliaffhausen 
liegen. 


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119 


Als  erstes  Fundstück  habe  ich  im  Kcsslorlocl» 
jenen  Ronthierkopf  wahrgeiiommen , der  auf  einem 
«lolchartigcn  Geweihstüeke  gezeichnet  ist  (Fig.  f»)  und 
«ler  im  Rosgarten  hier  liegt.  Dieses  Fundstüek  habe 
ieli  zwar  seihst  nicht  gefunden,  ieli  weiss  auch  nicht, 
wer  von  den  betreffenden  Arbeitern  es  gefunden 
hat,  denn  der  fragliche  Knochen  wurde,  ohne  dass 
ich  die  Seulptnr  wahrgenommen  habe,  mit  den 
ßbrigen  in  meine  Wohnung  gebracht  und  in  Gegen- 
wart meiner  Frau  und  einer  meiner  Schülerinnen 
gewaschen , und  naclulcm  sie  gewaschen  waren 
und  ich  jeden  einzelnen  Knochen  natürlich  genau 
betrachtet  hatte,  nahm  ich  diese  erste  Seulptnr 
wahr,  und  zwar  bevor  ich  das  Bild  von  der 
Sculptur  des  weidenden  Renthieres  (Fig.  4)  in 
Händen  hatte,  welches  damals  noch  in  Zürich  lag. 

Der  zweite  Fund  bestand  in  dem  Pferde,  das 
llr.  v.  M and  ach  die  Güte  hatte  hieher  zu 
bringen  (Fig.  20).  leb  bin  selbst  der  Finder  dieses 
Pferdes  und  darf  mit  meiner  ganzen  Mannesehre 
für  die  Echtheit  desselben  einstehen.  Ich  habe 
dieses  Fundstüek  aus  der  schwarzen  Kulturschichte 
in  der  Nähe  des  Pfeilers  der  Höhle  herausgezogen. 
Diese  Kulturschichte  war  nicht  etwa  in  Unordnung 
gebracht  worden,  sic  zeigte  überhaupt  davon  gar 
nichts,  dass  eine  menschliche  Hand  vorher  an 
derselben  eine  Veränderung  bewirkt  hätte,  sondern 
sie  war  so  compact  wie  die  übrigen  Kulturschichten 
in  der  ganzen  Höhle,  ln  unmittelbarer  Nähe  dieses 
Pferdes,  kaum  zwei  Zoll  aus  einander,  lag  jene  Ren- 
thierstangc  mit  den  drei  Sculpturen,  von  denen 
eine  ein  Pferd  und  die  beiden  übrigen  wahrschein- 
lich Kenthierc  darstellen  (Fig.  1).  Dieses  Stück 
liegt  im  C'onstanzer  Museum;  Sie  werden  gesehen 
haben , dass  ein  grosser  Theil  dieser  Zeichnungen 
verwittert  und  undeutlich  ist.  Ich  bemerke  also, 
diese  beulen  Zeichnungen  lagen  unmittelbar  neben 
einander  und  in  unmittelbarer  Nähe  jenes  Pfeilers, 
«len  Sie  gestern  in  Thnyingcn  beobachtet  haben. 
Das  sind  die  zwei  Fundstücke,  die  ich  mit  eigener 
Hand  aus  der  Kulturschichte  herausgezogen  habe, 
im  Beisein  des  Hru.  Wepf,  Reallehrer  in 
Thayingen  und  des  lim.  Schenk  in  Eschenz,  der 
durch  Vermittelung  der  Museumsgesellschaft  in 
Schaffliausen  als  Arbeiter  in  Thayingen  angestellt 
wurde.  Er  hatte  sich  schon  seit  langer  Zeit  mit 
der  Untersuchung  von  Pfahlbauten  abgegeben.  Ein 
drittes  Stück,  den  Kopf  eines  Moschusochsen  (Fig.  2) 
darstellend,  wurde  in  meiner  Gegenwart  von  Hm. 
Schenk  gefunden.  Ich  sah,  wie  er  den  Knochen 
reinigte.  Als  er  ihn  gereinigt  hatte , übergab  er 
ihn  mir.  Ein  anderes  Fundstüek.  auf  Kohle  ge- 
zeichnet hat  llr.  Wepf  mir  seihst  in  die  Hand  ge- 
geben. Das  sind  die  Fundstücke,  für  deren  Echtheit 
ich  mit  meiner  ganzen  Mannesehre  garantiren  kann. 

Erlauben  Sie  mir,  meine  Herren,  dass  ich 
Ihnen  noch  einige  Details  über  die  Ausbeutung 
angebe.  Jedes  Fundstüek,  das  ein  Arbeiter  ent- 
deckte , wurde  von  mir  sogleich  zur  Hand  ge- 
nommen und  in  ein  Kistclien,  «las  im  Kesslerlocb 
aufgestellt  war,  sorgsam  verschlossen.  Kaum  ein 


oder  zwei  Tage,  nachdem  die  beiden  Grnuircu 
Pferd  und  Renthiere  gefunden  waren,  kam  llr.  v. 
Mandach  nach  Thayingen.  Ich  zeigte  ihm  diese 
Stücke.  Ich  kam»  mir  absolut  nicht  denken,  dass 
ein  Arbeiter  diese  Stücke  fahiicirt  hätte;  es  waren 
lauter  Männer,  «lie  jedenfalls  in  der  Zeiehnungs- 
kunst  nichts  Onlentliches  leisten  k«mneu.  I Ir. 
Schenk  von  Eschenz  ist  ebenfalls  ein  Mann, 
dessen  Re«lliclikeit  uns  dafür  bürgt,  dass  er  die 
Fundstückc  so  abgegeben  bat . wie  er  sie  aus  der 
Kulturschichte  herauszog.  Einem  Arbeiter  wurde 
rein  nichts  verabfolgt,  ob  er  etwas  fand  oder  nicht; 
er  hatte  den  bestimmten  Tagelohn. 

Bei  der  Ausgrabung  haben  wir  zuerst  «len 
Dcrkscliutt,  «1er  sich  über  die  ganze  Höhle  aus- 
breitete, weggenommen ; die  Mächtigkeit  dieser 
Dcckschichte  betrug  durchweg  1 — IV*  Meter. 
Unter  dieser  Dcckschichte  lag  «lie  compacte 
Kulturschichte , «lie  obere  Hälfte  schwarz , die 
untere  Hälfte  röt blich  gefärbt.  Ich  hielt  anfänglich 
die  beiden  Kaltnrschicliten  für  Schichten  aus  ver- 
schiedenen Epochen  stammeml  und  Hielt  strenge 
die  Knochen  aus  der  schwarzen  und  der  rotlicn 
Schicht  auseinander.  llr.  Prof.  Rütimeyer  von 
Basel  ist  zweimal  bei  mir  gewesen,  hat  die  Knochen 
näher  untersucht  und  gefunden,  dass  in  den 
Knochen  der  schwarzen  und  rothen  Kulturschichte 
kein  Unterscheid  zu  constatiren  sei,  so  dass  folg- 
lich sämmtliche  Fundstücke  einer  und  derselben 
Periode  angeboren.  Man  lmt  von  gewisser  Seite 
her  sich  erlaubt,  mir  «len  Vorwurf  ins  Gesicht  zu 
schleudern,  es  sei  die  Höhle  mit  einer  zu  grossen 
Eilfertigkeit  und  Flüchtigkeit  ausgebeutet  worden, 
und  sucht  dies  mit  der  Thatsache  zu  beweisen, 
dass  nach  der  Ausbeute  noch  verschiedene  Knochen 
und  Geräthschaften  zu  Tage  gefördert  worden 
seien.  Meine  Herren!  Ich  muss  Sie  daran 
erinuern , dass  man  in  dieser  Höhle  über  .*10 
('entner  Knoehen,  über  12000  Feuersteinsplitt«‘r 
und  nahezu  an  500  Geräthschaften,  ganz  oder 
theilweise  erhalten,  gefunden  hat.  Ich  muss  Sic 
daran  erinnern,  dass  während  7 Wochen  an  der 
Ausbeutung  des  Kcsslcrlorhes  mit  5 Mann  pro 
Tag  gearbeitet  wurde,  manchmal  sogar  mit  10  und 
12  Mann,  weil  das  Auspumpen  des  Wassers  in 
dem  vorderen  Tbcile  der  Höhle  viele  Zeit  in  An- 
spruch nahm.'  Sie  können  sich  denken,  dass  auch 
bei  der  möglichst  grossen  Sorgfalt,  die  von  den 
Arbeitern  und  mir  angewendet  wurde,  doch  dieses 
oder  jenes  uns  hat  entgehen  können,  und  ich  mache 
Sie  aufmerksam  auf  die  Worte  des  Hm.  Dr.  Fraas, 
die  er  mir  gestern  mittheilte,  nemlich  dass  er 
es  ganz  gut  begreife,  dass  einem  eben  manches 
entschlüpfen  könne,  das  erst  nachträglich  ersicht- 
lich werde , wenn  die  Sachen,  auf  Aecker  oder 
Wiesen  gebreitet,  durch  den  Regen  abgewaschen 
werden. 

Ich  darf  Sie  wohl  nochmals  versichern,  dass 
ich  mit  der  grössten  Sorgfalt  die  Sachen  im  In- 
teresse der  Wissenschaft  ansgebeutet  habe , und 
ich  glaube,  dass  diejenigen  Herren,  die  Gelegenheit 


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120 


gehabt  haben,  auch  einmal  eine  solche  Höhle  aus- 
xnheuten,  Überzeugt  sein  werden  von  der  grossen 
Arbeit,  die  einem  da  zu  Tlicil  wird. 

Auf  das  Ersuchen  des  Hm.  Fr  aas,  übet  die 
statt  gehabten  Fälschungen  nähere  Auskünfte 
zu  erthcilen,  fährt  Hr.  Merk  fort: 

Fs  war.  wenn  ich  recht  berichtet  hin,  im 
Jahre  187f>  , als  meine  Arbeit  von  der  anti- 
quarischen Gesellschaft  in  Zürich  herausgegeben 
wurde;  ich  wusste  von  diesen  Fälschungen  keine 
Silbe,  ich  hatte  auch  keine  Ahnung,  denn  sonst 
hätte  ich  allerdings  einen  genaueren  Fundbericht 
gemacht.  Während  der  erste  Druckbogen  zur 
('orreetur  in  meiner  Hand  lag,  erhielt  ich  von 
Hm.  Dr.  Ferdinand  Keller  zwei  Gypsabd rücke 
mit  einem  beiliegenden  Brief,  in  welchem  er  mich 
ersuchte,  ich  möchte  diese  Stücke  anschauen  und 
ein  allenfallsiges  Urtheil  ahgehen,  ob  ich  sie  für 
echt  halte  oder  nicht.  Ich  nahm  diese  Gypsfigur 
zur  Hand . verglich  sie  mit  den  Figuren . die  in 
meinem  Berichte  ahgezeichnet  sind  und  fand  so- 
gleich die  auffallende  Erseheinung,  dass  nerniieh 
der  Fuelis  und  der  Bär  von  vorne  gezeichnet 
waren,  während  die  übrigen  Fundstücke  alle  von 
der  Seite  gezeichnet  sind.  Ferner  konnte  ich 
nicht  glauben,  dass  bei  dieser  sorgfältigen  Unter- 
suchung der  Höhle  mir  diese  beiden  Fundstftcke 
entgangen  wären,  und  drittens  war  es  mir  kurios, 
dass  diese  Fundstückc  erst  nach  einem  vollen 
Jahre  ans  Tageslicht  gefördert  wurden.  Ich 
schrieb  deshalb  Hm.  Keller,  dass  ich  diese 
Stücke  für  unecht  halte  und  dass  ich  wünsche, 
dass  diese  beiden  Fundstücke  nicht  in  meine  Ar- 
beit aufgenommen  werden,  wie  Sic  aus  einer  Ent- 
gegnung in  der  anthropologischen  Zeitschrift  viel- 
leicht gelesen  haben.  Hr.  Keller  theilte  mir  mit. 
dass  er  die  Fundstacke  nach  langen  langen  Be- 
obachtungen doch  für  echt  halte  und  dass  bereits 
auf  einer  Tafel,  auf  welcher  schon  andere  Sachen 
gezeichnet,  diese  Gravuren  eingeritzt  seien  und 
dass  es  ein  grosser  Zeitverlust  wäre,  wenn  wir 
diese  Sachen  nochmals  zeichnen  müssten ; item 
er  schrieb  mir,  die  Sachen  seien  echt  and  er 
werde  sich  erlauben,  meinem  Berichte  einige  No- 
tizen beizufügen.  Ich  gab  nach , . und  gestehe 
Ihnen  heute . dass  ich  einen  grossen  Bock  ge- 
schossen habe;  ich  habe  mich  eben  als  einfacher 
Landschullehrer  der  Autorität  des  Hm.  Dr. 
Ferdinand  Keller  gegenüber  gefügt.  Diese 
beiden  Gypsabgüssc  schickte  ich  wieder  an  Hrn. 
Keller  zurück  und  unterdessen  suchte  ich  nach, 
wer  wohl  dieser  Fälscher  sein  könnte  und  ich 
hatte  Anhaltspunkte,  sogleich  an  Stamm  als 
Fälscher  zu  denkeu.  Während  der  Ausbeute  selbst 
kam  ich  von  meiner  Wohnung  her  ins  Kesslerloch ; 
es  war  noch  nicht  1 Uhr  Mittag,  die  Arbeiter 
waren  schon  zur  Arbeit  parat  und  kaum  hatten 
sie  diese  angefangen,  so  streckte  mir  der  berüch- 
tigte Stamm  eine  Nadel  entgegen  mit  der  Be- 
merkung: „wieder  eine  Nadel“.  Ich  nahm  diese 


Nadel  zur  Hand , ohne  weiters  zu  prüfen,  oh  sie 
echt  oder  unecht  sei.  Ich  glaubte  damals  über- 
haupt nicht,  dass  irgend  ein  Mann,  der  an  der 
Ausbeute  der  Höhle  betheiligt  war,  fälsche  und 
schloss  diese  Nadel  in  ein  Kistchen;  kaum  nach 
\«  Stunde  kam  Hr.  Schenk  von  Eschenz  zu  mir 
und  erklärte,  dass  diese  Nadel  gefälscht  sei; 
Stamm  habe  einen  Spass  machen  wollen,  um  zu 
schauen,  oh  Merk  im  Stande  wäre,  die  Echtheit 
oder  Unechtheit  dieser  Nadel  hcrauszubringen. 
Ich  nahm  den  Stamm  coram  und  er  erklärte 
mir  sogleich,  dass  er  sie  gefälscht  habe;  icli  gab 
ihm  einen  strengen  Verweis  uud  wollte  ihn  im 
ersten  Augenblicke  sogar  fort  schicken , allein  er 
war  ein  sehr  intelligenter  Arbeiter,  der  mir  bei 
der  Ausbeute  wesentliche  Dienste  leistete.  Darum 
entliess  ich  ihn  nicht.  Ich  ahnte  nicht  von  ferne, 
dass  dieser  Mann  mir  nach  einem  Jahre  einen  noch 
viel  grösseren  Spuk  spielen  werde.  Im  Herbste 
1875  ging  ich  nach  Thayingen,  Hess  diesen  Stamm 
kommen  und  fragte  ihn,  woher  er  diese  beiden  Fund- 
stücke habe ; er  erklärte  mir,  dass  er  sie  in  der  aus- 
gegrabenen  Kulturschicht  gefunden  habe,  die  neben- 
bei gesagt  beinahe  10U  Kubikmeter  betrug,  und  dass 
er  sie  dann  an  Hm.  Rütimeyer  nach  Basel  ge- 
schickt habe  und  so  fort,  was  Sie  alles  bereits  wissen. 
Ich  fragte  ihn  dann,  ob  diese  Fundstücke  wirklich 
in  der  Kulturschichte  gewesen  seien  und  er  ver- 
sicherte mich,  sie  dort  gefunden  zu  haben,  und  da 
ich  wusste,  dass  Stamm  bei  der  nachträglichen 
Untersuchung  der  Nachlässe  Geldgeschäfte  machen 
wollte . so  ging  ich  allerdings  etwas  derb  zu 
Werke,  indem  ich  ihm  ins  Gesicht  schleuderte: 
„Stamm,  diese  beiden  Figuren  habt  ihr  gefälscht.“ 
Er  antwortete  darauf:  „Wie  könnte  ich  das, 
warum  nicht  gar.“  Das  war  die  ganze  Entrüstung 
Stamm  ’s.  Diese  Erwiderung  war  der  Art , dass 
ich  um  so  eher  in  Stamm  den  Fälsrhcr  zu  finden 
glaubte.  Die  Sache  blieb  dann  auf  sich  beruhen. 
Es  war  im  Frühling  1876,  als  der  Chef  des  Polizei- 
departements in  Schaffhnusen  mich  besuchte  und 
mich  fragte,  ob  ich  von  diesen  Fälschungen  gehört 
habe;  ich  erklärte  ihm  selbstverständlich,  ja.  Er 
fragte  mich , ob  ich  vielleicht  in  irgend  einer 
Person  den  Fälscher  vermuthe  und  ich  erwiderte 
ihm,  dass  ich  in  der  Person  des  Stamm  den 
Fälscher  zu  Huden  glaube;  er  verabschiedete  sich 
und  nach  ungefähr  14  Tagen  theilte  er  mir  mit, 
dass  eine  Hansontersnchung  ergeben  habe,  das 
Stamm  wirklich  der  Fälscher  dieser  beiden  Fund- 
stfleke  sei.  Ich  habe  noch  etwas  zu  bemerken 
vergessen.  Bei  meinem  Besuche  in  Thayingen 
lmt  mich  Stamm,  nachdem  ich  ihm  keck  ins 
Gesicht  gesagt  habe,  er  sei  der  Fälscher,  cinge- 
laden,  ich  möchte  noch  die  vielen  Sachen,  die  er 
aus  dem  Nachlasse  bei  sich  in  der  Wohnung  habe, 
besichtigen;  er  habe  unter  anderen  einen  sehr 
grossen  Dolch  gefunden.  Ich  erwiderte  ihm.  dass 
ich  solche  Sachen  nicht  sehen  wolle,  da  sie  jeden- 
falls gefälscht  seien. 


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121 


Hr.  Kollmann:  Ich  möchte  mir  erlauben,  an 
Hrn.  Merk  noch  ein  paar  Fragen  zu  stellen.  Hat 
Hr.  Merk  die  Zeichnung  des  weidenden  Kenthiers 
(Fig.  4)  sofort  an  Ort  und  Stelle  erkannt? 

Hr.  Merk:  Ich  habe  das  weidende  Renthier 
nicht  gefunden;  es  ist  mir  vielleicht  erst  nach 
5 Wochen  zu  Gesicht  gekommen. 

Hr.  Kollmann:  Aber  das  Pferd  (Fig.  20}  haben 
Sie  an  Ort  und  Stelle  gefunden? 

Hr.  Merk : Ja,  das  habe  ich  gefunden. 

Hr.  Kolliiianti : Haben  Sie  sofort  die  Zeichnung, 
die  darauf  ist,  erkannt  ? 

Hr.  Merk : Ja.  ich  habe  sie  auch  verschiedenen 
Personen  gezeigt,  11m.  Wepf,  Schenk  u.  a.,  und 
ich  muss  bemerken,  dass  es  sehr  leicht  war,  diese 
Zeichnung  zu  sehen,  weil  dort,  wo  das  Pferd  lag, 
die  Kulturschichte  sehr  trocken  war,  so  dass  sich 
keine  Lehmmasse  oder  sonst  eine  weiche  Masse 
um  die  Knochen  legen  konnte. 

Hr.  Kollmann:  Die  beiden  Männer  haben  also 
sofort  erkannt,  dass  hier  die  Zeichnung  von  einem 
Thier,  von  einem  Pferd  vorliegt? 

Hr.  Merk:  Sofort. 

Hr.  Kollmann:  Wie  verhielt  sich  das  mit  dem 
Moschusochsen  i Fig.  2),  mit  der  plastischen  Darstel- 
lung. die  wir  jetzt  den  Moschusochsen  nennen? 

Hr.  Merk:  Ich  habe  sie  nicht  als  die  Zeichnung 
eines  Moschusoclisen  erkannt. 

Hr.  Kolluiauu:  Sie  sahen  aber  sofort,  dass  es 
ein  plastisches  Werk  war? 

Hr.  Merk:  Ich  erlaube  mir  beizufügen,  dass 
ich  diesen  Kopf  gar  nicht  kannte;  ich  konnte  mir 
gar  keine  Idee  machen,  was  dieser  Kopf  vorstellen 
sollte,  und  erst  heim  zweiten  Besuche  des  Herrn 
R ü t i m e y e r in  Begleitung  des  Hm.  Dr.  v.  Mandat*  h 
zeigte  ich  ihm  diesen  Kopf  und  Hr.  Prof.  KGtimey  er 
war  der  erste,  der  sagte,  das  sei  jedenfalls  ein  Moschus- 
orhsenkopf. 

Hr.  Kollmann:  Was  den  Fund  betrifft,  auf 
dem  mehrere  Zeichnungen  sind  (Fig.  1),  haben 
Sie  diesen  auch  an  Ort  und  Stelle  gemacht  ? 

Hr.  Merk : Ja,  ich  habe  sofort  daran  Zeicliuungcn 
erkannt,  aber  nicht  deutlich;  ich  habe  sofort  ge- 
sehen, dass  es  Gravuren  sind. 

Hr.  KoUmann:  Haben  Sie  es  auch  einigen 
Arbeitern  gezeigt? 

Com« Jin».  10. 


Ilr.  Merk:  Ich  habe  es  nur  dem  llrn.  Schenk 
und  keinem  Arbeiter  gezeigt.  Ich  habe  sie  sofort 
in  das  Kisteheii  eingeschlossen  und  nach  lluuse 
gebracht. 

Hr.  Kollmann:  Sie  erinnern  sich  nicht,  oh 
Schenk  diese  Zeichnungen  sofort  erkannt  hat? 

Hr.  Merk : An  das  könnte  ich  mich  nicht  mehr 
erinnern.  — 

[Hr.  Merk:  Bei  Uebersendung  des  Correctur- 
bogens  legte  mir  Hr.  Kollmann  noch  nachträg- 
lich die  Frage  vor,  ob  ich  früher  den  Beruf  eines 
Kupferstechers  oder  Dessinateurs  erlernt  und  auch 
geübt  habe.  Darauf  habe  ich  zu  erwidern,  dass 
ich  weder  Kupferstecher  noch  Dessinateur  hin 
and  von  diesen  Bernfsarteu  durchaus  nichts  ver- 
stehe*).] 

Hr.  Orth  : Mögen  sich  die  Schlussfolgerungen, 
welche  an  die  Funde  der  Thayinger  Höhle  ge- 
knüpft werden , künftig  noch  mehr  oder  weniger 
nioditiciren , darin  wird  eine  IJehercinstimmung 
vorhanden  sein , dass  dies  eine  klassische  Stelle 
ist , welche  noch  lange  Zeit  besucht  werden  wird, 
und  ich  möchte  mir  erlauben,  hier  den  Wunsch 
auszusprechen,  speciell  auch  den  Besitzern  gegen- 
über, dass  die  Verhältnisse,  wie  sie  uns  gestern 
hei  der  Besichtigung  der  Höhle  vorlugen , nicht 
durch  fortgesetztes  Aufräumen  ganz  verwischt 
werden.  Wenn  die  Aufschlussarbeiten , wie  sie 
unsererseits  gestern  in  dieser  Höhle  stattgefunden 
haben,  sich  noch  häutig  wiederholen , so  muss 
es  dahin  kommen,  dass  in  nicht  langer  Zeit  die 
Kalkschicht  und  die  unterhalb  befindliche  Lehrn- 
schicht  vollständig  Verloren  gehen,  und  man  wird 
nichts  Anderes  sehen  als  einen  hohlen  Kaum. 
Vom  geologischen  Standpunkte  aus  ist  es  von  be- 
sonderer Wichtigkeit , dass  hier  an  dieser  Stelle 
eine  feste  sekundäre  Kalkschicht  sich  Über  der 
sog.  Kulturschicht  befindet,  welche  die  Originalität 
der  Lagerung  verbargt.  Ich  möchte  mir  an  die 
Besitzer  die  Bitte  erlauben . zu  bestimmen  , dass, 
wenn  nicht  sogleich  , so  doch  von  einem  gewissen 
Zeitpunkte  ah , die  feste  Kalkschicht  nicht  mehr 
fortgenommen  werden  darf.  Es  ist  in  der  Schweiz 

*}  Auf  den  Wunsch  des  llrn.  Lehrers  Merk  wird 
Folgendes  veröffentlicht : 

Auszug  aus  dem  Protokoll  der  Sitzung  vom  20.  Juni  1877 
der  St.  Gallener  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft. 

„I)ieSt.  Gallische  naturwissenschaftliche  Gesellschaft 
sieht  sich  gegenüber  den  masslosen  Angriffen,  denen 
Ilr.  Merk  wegen  den  bei  der  Publikation  dt»  Berichtes 
Uber  die  Funde  in  der  Thayinger  Höhle  ohne  seine 
Schuld  unterlaufenen  Fälschungen  ausgeselzt  worden, 
zu  der  Erklärung  veranlasst,  dass  alle  Mitglieder,  welche 
Hrn.  Merk  genauer  kennen , ihn  einer  so  gewoiticn 
Handlungsweise,  wie  sie  ihm  ztigeschriehen  wurde,  ge- 
radezu für  unfähig  halten,  indem  sie  im  Gegeutheil  Ge- 
radheit. Rechtlichkeit  mul  Offenheit  als  Hauptzuge 
seines  durchaus  noblen  Charakters  kennen.4 

4 


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mehrfach  geschehen,  dass  interessante  Objecte  «ler 
Zerstörung  durch  die  Hand  des  Menschen  ent- 
zogen sind  , um  spater  für  alle  Zeiten  beobachtet 
werdeu  zu  können.  In  ähnlichem  Sinuc  ist  es 
auch  hier  wünschenswert!!,  dass  betreffs  der  festen 
Kalkschicht  über  der  Kultursrhicht  die  künftigen 
Besucher  der  Höhle  in  der  Lage  sind , sich 
von  «lern  ursprünglichen  Znstaudc  überzeugen  zu 
können. 

(Schluss  der  Vorträge  und  Disnusinuen  über 
prähistorische  Kunst.) 


Hr.  Fischer  (über  Nephrit):  Geehrte  Gesellschaft 
wolle  mir  erlauben,  sie  in  das  Gebiet  der  Minera- 
logie, soweit  dieselbe  für  «las  Studium  der  Ethnogra- 
pliie  und  Anthropologie  verwerthbar  ist,  einzuführen. 
Ich  will  voraus  bemerken,  dass  ich  Ihnen  nur  Winke 
und  Andeutungen  geben  kann.  Der  Gegenstand 
ist  ziemlich  neu  und  sehr  complicirt,  aber  wie  ich 
glaube  ganz  im  Interesse  der  Versammlung.  Sie 
haben  gestern  die  Schütze  gesehen,  welche  II r. 
Dr.  Gross  ausgelegt  Imt;  Hr.  Desor  hat  die  Gegen- 
stände mit  Recht  „Schütze*4  genannt,  und  Sie  werden 
iin  Verlaufe  meiner  kurzen  Mittheilungen  sehen, 
dass  wir  verschiedene  Gründe  haben,  diese  Gegen- 
stände so  zu  bezeichnen.  Sie  wissen  alle,  dass  in 
den  Pfahlbauten  reichliche  Sammlungen  von  Stein- 
werkzeugen gefunden  werden.  Diejenigen,  «lie  Ge- 
legenheit haben,  darüber  statistische  Aufstellungen 
zu  machen,  wissen  auch,  dass  auf  ca.  50 — GO  bis 
100  selbst  ziemlich  roh  bearbeitete,  wenn  auch 
cinigerinassen  polirtc  Steine  etwa  1 oder  2 feiner 
bearbeitete,  schön  glanzende,  polirte,  an  der  Schneide 
durchscheinende  Steinbeile  sich  finden,  welche  meist 
eine  grüne  oder  grünblaue  Karbe  haben.  Es  ist 
noch  Yorhültnissmüssig  wenig  darauf  hingewieseu 
worden,  dass  die  Steinwerkzeuge , welche  etwas 
roher  bearbeitet  sind,  aus  demjenigen  Fclsarten- 
matcrial  bestehen,  welches  man  in  den  betreffenden 
Gegenden  selbst  findet.  Die  Pfahlbaubewohner  haben 
zunächst  es  nicht  von  Felsen  genommen,  sondern  aus 
Büchen  und  Flüssen.  Wo  sie  das  Material  gerade  ge- 
funden haben,  nahmen  sie  es,  und  da  die  Felsarten, 
wie  ich  genau  hervorhebe,  aus  Mineralien  zusammen- 
gesetzt sind,  wovon  das  eine  körnig,  das  auderc 
blätterig  oder  faserig  ist,  war  mit  dem  Material  nichts 
anderes  zu  machen,  als  es  zu  sch  lei  fen;  da  kommt 
inan  mit  Zuschlägen  nichtzurecht.  Es  war  vollkommen 
hinreichend,  wenn  die  Leute  den  Gegenstand  so  weit 
geschliffen  hatten,  dass  sie  eine  Schürfe  bekamen, 
um  ihn  dann  in  Horn  oder  Knochen  zu  fassen. 
Wenn  Sie  erfahren,  dass  unter  60 — 10O  der  Gegend 
seihst  entstammenden  Gegenständen  ein  Steinbeil 
sich  findet,  welches  ganz  anders  aussielit.  welches, 
wie  Hr.  Desor  hervorgehoben  hat,  auf  der  einen 
Seite  etwas  convex,  auf  der  anderen  Seite  flach  ist 
und  eine  Schneide  hat,  die  ganz  unversehrt  ist.  so 
muss  dies  «lie  Aufmerksamkeit  «1er  Forscher  auf 
sich  ziehen.  Also  vermöge  dieser  relativen  Selten- 


heit der  feinen,  glatt  polirten.  sehr  häutig  mit  schiefer 
Schneide  versehenen  Heile  haben  wir  Grund,  «liese 
als  Schätze  zu  betrachten,  haben  noch  mehr  Grund, 
weil  wir  «la<  Material  für  «liese  feinpolirten  Stein- 
beile liier  in  Europa  nicht  kennen.  Die  Blicke 
aller  Forscher  haben  *i«ii  nun  zunächst  nach  den 
Alpen  gerichtet,  und  es  hat  sieh  eine  Reihe  von 
Geologen  um!  Mineralogen  der  Alpen  fieissig  bemüht, 
«las  Material  zn  finden;  es  ist  aber  bisher  nicht  ein«» 
Spur  davon  eutdcckt  worden.  Ich  bähe  mich  gefreut, 
aus  den  Ausführungen  des  Hm.  Desor  zu  ver- 
nehmen, dass  auch  er  die  feinen  Steinbeile  für  von 
aussen  importirt  hält;  also  schon  vermöge  dessen 
siml  die  feinen  polirten  Steingegeustände  Schätze 
für  uns,  weil  wir  nicht  wissen,  woher  sie  kommen, 
weil  sie  aus  weiter  Ferne  herstammen.  Sie  werden 
vielleicht  noch  etwas  inehr  staunen,  wenn  ich  Ihnen 
sage,  dass  das  Material,  wofür  ich  Ihnen  die  Namen 
sogleich  uäher  erläutern  werde,  da  wo  wir  es  zu 
Hause  wissen,  gewissennassen  ein  Edelstein  ist,  dass 
wir  in  diesen  kuriosen  grünen  Steinen  nichts  Anderes 
sehen  als  das  Acquivalent  unserer  Diamanten,  Sap- 
phire,  Smaragde  n.s.w.  Die  Aegypter  haben  die  E«lel- 
steine  verwendet  wie  wir;  an  den  Mumien  hängen 
schon  wirkliche  Edelsteine.  Unsere  Edelsteine  kenn- 
zeichnen sich  aber  durch  einen  ziemlich  hohen  Gra«l 
von  Dur«*hsichtigkeit,  durch  möglichst  schöne  Farbe» 
— mit  Ausnahme  des  Diamanten  — uml  durch  eint» 
grosse  Härte,  und  vermöge  «lieser  letzteren  wird 
beim  Schleifen  der  schöne  Glanz  erzielt,  der  die 
Augen  der  Beschauer  auf  sich  zieht.  Von  diesen 
Eigenschaften  finden  Sie  bei  dem  Nephrit,  um  den 
es  sich  hier  handelt,  beinahe  gar  nichts  als  aus- 
nahmsweis«» eine  schöne  grüne  Farbe : viel  häutiger 
ist  die  Farbe  matt,  unschön,  graugrün,  ausnahms- 
weise smaragdgrün,  also  alles  Eigenschaften,  denen 
zu  Liebe  w ir  «len  Stein  nicht  Edelstein  neunen 
würden.  Es  lässt  sich  aber,  wie  ich  mich  in  der 
Literatur  überzeugt  habe,  nachweisen,  dass  gewisser- 
masseu  ein  geheimnisvoller  Zug  von  Sympathie 
für  diese  von  uns  zu  besprechenden  Mineralien  sich 
wahrscheinlich  bis  in  die  allererste  Menschenzeit 
erstreckt  habe.  Sie  werden  vielleicht  staunen,  wenn 
ich  sage,  dass  ich  aus  der  Literatur  nachweisen 
konnte,  es  ist  der  Nephrit  ein  Stein,  welcher  z.  B. 
in  China  bis  in  die  älteste  Geschichte  zurückreicht, 
als  Turkestan  noch  zu  China  gehörte,  der  als  Tri- 
butmatcrial  benutzt  wurde  wie  auch  mn  Schulden 
auszugleichen.  Das  sind  übrigens  sehr  wenig  bekannte 
Dinge,  und  ich  muss  inir  erlauben,  diejenigen  ver- 
ehrten Mitglieder,  welche  sich  näher  dafür  interessiren . 
auf  mein  Buch  zu  verweisen,  welches  ich  im  Jahn» 
1875  über  diese  Sache  geschrieben  habe  (Nephrit 
und  Jadeit  u.  s w. , Stuttgart.  8);  ich  bin  auch 
bereit , jede  Interpellation . wenn  ich  sie  zn  er- 
ledigen vermag,  später  zu  beantworten.  Wenn  ich 
Ihnen  nun  sage,  dass  es  gewisse  Gegenden  gibt, 
wo  man  einzelne  dieser  Mineralien  notorisch  findet 
in  Blöcken  so  gross,  dass  4 Mann  sie  nicht  vom 
Platze  wegbringen  können,  so  lässt  sieh  denken, 
dass  die  Bewohner  «ler  Gegenden , wo  sieh  das 


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einstellt,  das  Material  auch  dazu  benutzt  haben, 
Steinbeile  zu  machen.  Solche  Gegenden,  wo 
Nephrit  sich  findet,  sind  z.  B.  Sibirien,  Neuseeland, 
Turkestan;  in  diesen  Landern  wurde  das  betreffende 
Miucral  sogar  im  Steinbrnrhbau  gewonnen  zu  einer 
Zeit,  da  die  Stämme  von  Turkestan  zu  China  ge- 
hörten. Ich  will  nun,  bevor  ich  weiter  gehe,  die 
Namen  etwas  erläutern , weil  vielleicht  manche 
Herren  nur  dunkle  Begriffe  davon  haben.  Sie 
hören  von  dem  Namen  „Nephrit-.  Dieser  Name 
•latirt  aus  dem  Mittelalter  und  weist  merkwürdiger- 
weise auf  Amerika  hin.  Als  die  Spanier  nach 
Mexico  kamen,  fanden  sie,  dass  die  Eingeborenen 
grüne  Steine  als  Amulette  getragen  haben,  geschnitzt 
in  Form  von  Fischen  u.  s.  w.  und  dazu  als  Hilfs- 
mittel gegen  die  Nierenkrankheiten.  I>a  man  im 
Mittelalter  lateinisch  zn  sprechen  und  zu  schreiben 
pflegte,  hat  man  diesen  Stein  nach  der  Verwendung 
in  Mexiko  lapis  nepbriticus  (von  »’Hjpng  = Niere) 
genannt.  Das  spanische  Wort  „hijada“  bezeichnet 
die  Gegend,  wo  man  die  Schmerzen  der  Nieren 
fühlt,  nnd  daraus  ist  das  Wort  „Jade“  geworden, 
dessen  sich  heutzutage  auch  die  Juweliere  und 
Antiquare  bedienen.  Sie  können  wohl  zu  einem 
Juwelenhändler  kommen  nnd  nach  einem  Nephrit 
fragen,  so  kennt  er  diesen  Namen  nicht,  wohl  aber 
Jade;  auch  der  englische  Name  ist  Jade.  Dieser 
Nephrit  ist  eigentlich  der  Substanz  nach  eine  ganz 
häufige  Sache;  es  ist  gewis'.eroiassen  Hornblende, 
die  wir  sonst  in  Europa  zum  Ueberfluss  haben, 
aber  gerade  diese  Modifikation  von  ganz  reiner, 
feinst  faseriger  Hornblende  haben  wir  nicht,  und 
ich  glaube,  wir  können  alle,  wie  wir  hier  sind,  der 
Natur  feierlichst  danken,  dass  wir  sic  in  Europa 
nicht  kennen,  denn  dadurch  vermögen  wir  gewisse 
Winke  für  die  Völkerzüge  zu  gewinnen,  die  noch 
"ehr  im  Unklaren  liegen.  Dieser  Nephrit  findet 
"ich  z.  B.  iu  Sibirien  in  losen  Blöcken  nnd  hat 
dort  die  allerschönste  grüne  Farbe  neben  dem  neu- 
seeländischen. In  «1er  Pariser  Ausstellung  im  Jahre 
1*G7  ist  ein  Block  gewesen  wenigstens  so  gross 
wie  dieser  Tisch  hier.  Der  Nephrit  wird  in 
Turkestan  auch  in  Flüssen  gewonnen,  wo  er  sich 
iu  reineren  Exemplaren  einstellt  nnd  wo  man  die 
grösste  Auswahl  hat;  in  Sibirien  findet  er  sich  in 
der  Nahe  von  Irkutsk,  nicht  ferne  von  den  Ihnen 
bekannten  prachtvollen  Graphitgrnben  des  Hrn. 
Alibert.  Ich  habe  mich  mit  ihm  in  Verbindung 
gesetzt  und  er  hat  mir  geschrieben,  dass  in  diesen 
Gegenden  der  Nephrit  von  den  Bewohnern  in  kugel- 
förmigen Stücken  angefasst  und  von  den  Mflnncrn 
au  ihren  Tabaksbeuteln,  von  den  Weibern  als 
Schmuck  getragen  wird.  Dieser  Nephrit  findet 
sich  auch  in  Neuseeland  in  grossen  Blöcken;  er 
kam  von  da  einmal  nach  Oberstein  in  die  Stein- 
schleifereien  und  von  hier  dann  in  den  Handel, 
weil  sic  dort  mit  den  grossen  Massen,  die  zur 
Bearbeitung,  zum  Schleifen  da  liingchmcht  wurden, 
nicht  gut  fertig  wurden.  Meine  Herren,  das  Nicht- 
fertig  werden  bat  seinen  guten  Grund.  Der  Nephrit 
ist  sehr  zäh.  So  z.  B.  kam  ein  Nephritblock  nach 


Europa  nnd  sollte  mit  einem  Hammer  zerkleinert 
werden,  um  ihn  in  den  Handel  zu  bringen  in  Form 
von  kleineren  Handstücken.  Das  gelang  nicht; 
man  brachte  den  Nephrit  daher  unter  einen  Dampf- 
hammer, — der  Ambos  zersprang,  der  Stein  blieb 
ganz.  Dieses  Mineral  zu  verarbeiten  hat  immer 
ein  grosses  Interesse , wenn  man  von  der  Zähig- 
keit hört.  In  der  Nahe  von  Irkutsk  wurden  früher 
notorisch  Steinbeile  hergestellt.  Ich  bähe  erst 
kürzlich  aus  der  Nahe  von  Irkutsk  7 prachtvolle 
Steinbeile  von  Nephrit  zur  Ansicht  bekommen  aus 
derselben  Sorte  von  smaragdgrüner  oder  gras- 
grüner Farbe , wie  er  eben  dort  in  Sibirien  vor- 
kommt. Es  wird  vielleicht,  solange  ich  gesprochen 
habe , manchem  der  Herren  der  Gedanke  aufge- 
taucht sein,  nun  haben  wir  ja  ein  nicht  so  überaus 
fern  liegendes  Material ; es  werden  eben  unsere 
Steinheile  ans  solchem  sibirischen  Nephrit  ge- 
arbeitet sein.  Ich  muss  dies  nach  meinen  Er- 
fahrungen vorerst  in  Zweifel  stellen ; denn  das 
Material  der  in  den  Pfahlbauten  vorbildlichen 
Nephritbeile  ist  ganz  seltsam  schieferig  und  ich 
habe,  soviele  Stücke  ich  auch  bekommen,  nichts 
gefunden  ans  den  Gegenden  von  Sibirien,  was  da- 
mit ganz  zusammenpasste.  Ich  muss  gestehen,  ich 
weiss  es  Ihnen  nicht  zu  sagen;  ebensowenig  kann 
ich  die  Nephritsteinbeile  aus  Europa  mit  den  n e n- 
sccl indischen  identificircn.  Neuseeland  hatte 
wahrscheinlich  Material  genug,  um  6 mal  so  viel 
Nephritheile  zu  liefern , als  es  in  Europa  gibt. 
Aber  es  scheint  das  wieder  eine  andere  Sorte;  ich 
habe  die  Sache  geprüft  und  gefunden , dass  es 
wieder  nicht  recht  stimmt.  Noch  viel  weniger 
passen  unsere  Nephritbeile  zn  dem  tnrkestanischen, 
wo  das  Material  früher  aus  den  Stoinhrüchen  ge- 
wonnen wurde.  Die  Hm.  v.  Sc  hl  agi  nt  weil 
haben  die  Gegenden  besucht  und  haben  berichtet, 
dass  sie  dort  gerade  gar  keine  Reste  von  Splittern, 
woraus  sie  bitten  schlossen  können , dass  Beile 
wären  gemacht  worden , und  ebensowenig  etwas 
von  fertigen  Beilen  finden  konnten.  Ich  muss 
ferner  bemerken , dass  man  in  keiner  Sammlung, 
meines  Wissens  auch  nicht  im  britischen  Museum 
nnd  im  Pariser  Museum , etwas  von  Steinbeilen 
aus  dem  grossen  Reiche  China . dem  gerade  die 
Steinbrüche  von  Turkestan  gehört  liabqn , weiss. 
Meine  Erfahrungen  über  Steininstrumente  dorther 
reichen  nur  so  weit . dass  unser  deutscher  Ge- 
sandter in  Peking,  Hr.  v.  Brandt,  mit  dom  ich 
Correspondenz  gepHogeti  bähe  nnd  der  mir  in  der 
freundlichsten  Weise  entgegenkam  , mir  iu  einem 
Briefe  , der  mich  auf  der  Reise  liieher  Betroffen 
hat,  notirte,  er  wisse  anch  noch  nichts  von  Stein- 
beilen in  China;  er  habe  sich  darum  bemüht,  aber 
nur  ermitteln  können  , dass  in  der  Heilknnde  die 
Rede  davon  sei,  diese  seien  aber  möglicherweise 
gefälscht. 

Es  gibt  noch  ein  anderes  Mineral , welches 
erst  im  Jahre  1S65  durch  Damour  in  Paris  anf- 
gestellt  wurde  nnd  welches  von  ihm  wegen  der 
Aehnlirhkeit  mit  Jade  den  Namen  Jadeit  bekommen 

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hat.  Dies  findet  sich  fast  so  häufig  als  Nephrit 
in  unseren  Pfahlbauten;  aber  auch  dieses  Mineral 
triflt  inan  roh  wieder  nicht  in  Europa;  dasselbe 
hat  eine  ganz  andere  Zusammensetzung , es  ist 
eine  Verbindung  von  Kieselerde  mit  Thonerde, 
Natron,  Kalk  u.  s.  w. , schmilzt  sehr  leicht , gibt 
Funken  so  gut  wie  der  Quarz;  schuhweit  springen 
die  Funken.  Ich  will  das  bemerken  för  Jemanden» 
der  ein  solches  Steinbeil  vielleicht  einmal  bekömmt 
und  denkt,  es  würde  deshalb  Quarz  sein. 

Fiin  drittes  Mineral,  von  dem  wir  gleich  fein 
polirte,  oft  schuhlange  Heile  in  Europa  finden,  ist 
der  Chloromelanit , der  im  Jahre  18H5  gleichfalls 
von  Damour  in  Paris  aufge stellt  wurde.  Es  hat 
so  ziemlich  dieselbe  Zusammensetzung  wie  der 
Jadeit,  nur  etwas  mehr  Eisen,  ist  schwarzgrün, 
hat  aber  auch  eine  Härte , dass  es  weit  sprin- 
gende Funken  gibt.  Das  letztere  habe  ich  er- 
wähnt, damit  man  nicht  denken  soll,  cs  wird  etwa 
dunkler  Nephrit  sein.  Meine  Herren,  mit  dem  Ver- 
muthen  allein  ist  es  nicht  gethan,  es  muss  oft 
mikroskopisch , nicht  bloss  chemisch  untersucht 
werden.  Diese  dreierlei  Mineralien,  ganz  homo- 
genes Material,  haben  wir  also  in  Deutschland 
verbreitet  in  Form  von  Steinbeilen,  die  immer 
sehr  glatt  polirt  sind.  Sie  Hessen  das  leicht  zu, 
gerade  vermöge  ihrer  Homogenität.  Es  ist  uns 
von  Wichtigkeit,  constatiren  zu  können,  dass  die 
Verfertiger  derselben  nicht  mehr  mit  bloss  roh 
bearbeiteten  Steinbeilen,  womit  mau  hantieren  kann, 
zufrieden  waren.  Diese  Beile  haben  eine  unver- 
sehrte Schneide,  auch  dann,  wenn  sie  in  Hirsch- 
horn gefasst  sind , so  z.  B.  auch  die  in  der 
Schweiz  sich  vorfindenden;  es  sieht  fast  mehr  aus, 
als  wenn  sie  Prunkgegcnstände  gewesen  wären. 
Da  wir  nicht  wissen,  wo  das  Material  her  ist 
— und  ich  , der  ich  schon  12  Jaln  e ans  allen 
Gegenden,  wo  ich  etwas  auftreiben  konnte,  ge- 
sammelt habe,  kann  es  am  allerwenigsten  sagen,  — 
so  müssen  wir  in  unseren  Schlüssen  ausserordent- 
lich vorsichtig  sein;  wenn  ich  hier  eiuen  voreiligen 
Ausspruch  darüber  thun  würde,  so  müsste  ich  ihn 
auch  verantworten.  Ich  habe  noch  nirgend  ein  so 
schiefriges  Material  von  Nephrit  gefunden  wie  die 
verarbeiteten  in  Europa.  Von  Jadeit  erhielt  ich 
mit  grosser  Mühe  aus  Tibet  Rohmaterial;  der 
Mineraloge  würde  leicht  bei  dessen  Anblick 
glauben,  es  sei  Quarz;  cs  sieht  aber  nur  so  aus; 
er  passt  aber  auch  wieder  nicht  zu  den  Jadeit- 
ßcilen,  die  wir  verarbeitet  bei  uns  fiudeu.  Ferner 
kenne  ich  einen  Jadeit  von  wunderschöner  smaragd- 
grüner Farbe,  der  eine  grosse  Bolle  in  China  als 
Edelstein  spielt;  von  dieser  Farbe  haben  wir 
dagegen  keine  Steinbeile.  Die  Sache  ist  möglichst 
< omplicirt  und  es  ist  kaum  denkbar,  dass  Sie  alles 
dieses  so  recht  aufTassen . da  ich  es  Ihneu  nur  in 
Kürze  vortragen  kann.  Um  nun  irgend  zu  er- 
mitteln, woher  diese  sonderbaren  Beile  kommen, 
habe  ich  mich  mit  Ilm.  Danionr  in  Paris  in 
Correspondenz  gesetzt,  damit  wir  zusammen  auf 
einer  geographischen  Karte  eintragen,  wo  solche 


fremde  Steinbeile  gefunden  wurden.  Auf  einer 
solchen  Karte  — könnte  mau  denken  — wird  es 
im  Osten  am  reichhaltigsten  aussehen,  dorther 
werden  die  Völker  gekommen  sein;  es  ist  aber 
dies  gerade  nicht  der  Fall.  Jch  kaun  Ihnen 
hierüber  nur  sagen,  wie  weit  unsere  Erfahrungen 
bis  jetzt  reichen.  Der  Ilauptzug  solcher  fremden 
Beile  geht,  wie  cs  scheint , von  Sfidfr&nkreich 
(Marseille)  aus  und  zieht  die  Rhone  herauf  nach 
den  schweizer  Seen  hin.  In  der  Schweiz  ändert 
sich  das  schon  wieder;  in  der  westlichen  Schweiz 
findet  sich  die  eine,  in  der  östlichen  Schweiz  die 
andere  Sorte  vorherrschend,  aber  nicht  sich  aus- 
schliessend.  Von  den  schweizer  Seen  geht  es  weiter 
rheinabwärts;  zwischen  Basel  und  Freiburg,  bei 
Blansingen  wurde  beim  Undegen  von  Brunnen- 
röhren ein  prachtvolles  Beil  10  Fuss  tief  unter 
der  Erde  unversehrt  heransgezogen ; andere  trifft 
man  in  Frankreich  bis  nach  der  Bretagne  hin  und 
bis  Paris;  dort  sollen  diese  Beile  gar  nicht  selten 
sein ; wieder  andere  finden  sieh  am  Rhein 
hinunter  bis  Bonn,  wo  verschiedene  Beile  ange- 
troffen worden  sind , über  die  vielleicht  heute 
noch  Ile.  Schaaffhausen  berichten  wird.  Nichts 
von  solchen  Beilen  ist  dagegen  weder  mir  noch 
Damour  bekannt  aus  Grnsshritanuicn  und  Irland, 
nichts  ans  Skandinavien  und  aus  Finnland.  Wir 
haben  also  gewisse  Verbreitungsbezirke,  und  wenn 
wir  noch  Deutschland  hinzu  fügen,  so  sind  es  hier 
einige  wenige  Punkte,  welche  nördlich  reichen  bis 
in  die  Gegend  von  Weimar,  was  ich  garautiren 
kann.  K»u  Stück  ist  mir  noch  notirt  aus  der  Gegend 
von  Oldenburg;  ich  habe  es  aber  noch  nicht  ge- 
sehen. Der  östlichste  angebliche  Punkt  in  Deutsch- 
land wäre  Laibach ; ich  habe  das  hetreflcmle  Stück 
aber  noch  nicht  untersucht.  Dagegen  ist  für 
Italien  von  Ilm.  Prof.  Issel  in  Genua  eine  Liste 
anfgelührt.  in  welcher  nicht  weniger  als  22  Jadeit- 
Beile  Vorkommen.  Mit.  diesen  wenigen  Worten 
haben  Sie  ungefähr  die  Verbreitungsbezirke  der 
bis  jetzt  bekannt  gewordenen  und  wohl  conservirten 
Beile  aus  fremden  Mineralien. 

Soviel  über  die  alte  Welt. 

Wenn  wir  unseren  Blick  nun  nach  der  neuen 
Welt  richten,  so  kommen  wir  auf  ein  merkwürdiges 
Yrrhältniss.  In  Mexiko  finden  sich  nicht  nur 
solche  Beile  wie  die  eben  genannten,  vielleicht 
auch  Ncphritgcgcnständc,  die  noch  nicht  unter- 
sucht sind,  sondern  noch  viele  andere  sehr  schöne, 
feine  Sculptureu  als  Reste  eines  Volkes,  dessen 
hohe  Kultur  noch  lauge  nicht  genug  bekannt  ist. 
Was  in  Europa  und  Neuseeland  nicht  vorgekommeu 
ist , sind  Beile,  welche  durchbohrt  erscheinen,  um 
sie  jedenfalls  anzuhängen;  sie  sind  glatt  polirt 
und  mit  sehr  feiugeboiuteh  Löchern  versehen. 
Die  Mexikaner  haben  in  sehr  interessanter  Weise 
an  die  Beilform  angckuüpft,  wofür  auch  sic  sich 
das  Material  aus  den  Bächen  holten  und  wobei 
sie  sic  h mehr  oder  weniger  nach  der  Geröllform 
gerichtet  haben;  sic  brachten  nämlich  auf  der 
einen  weniger  Hachen  Seite  des  Beils  eine  Sculptur 


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PBOSPiCTÜS 


BEITRÄGE 


ZUR 


i 


BAYERNS. 

Organ 

der 

Münchener  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  nnd  Urgeschichte. 

Hera  neg  egeben 
Ton 

J.  Kollmann,  F.  Ohlenschlager,  J.  Ranke,  N.  Rüdinger, 

J.  Wlirdinger,  C.  Zittel. 

Redaction: 

Johannes  Ranke  und  Nicolaus  Rüdinger. 


MÜNCHEN. 

Verlag  der  Li  terar  Uch- artisti  sehen  Anstalt  (Th.  Riedel), 

vormals  der  Cotta’  gehen  Buchhandlung. 


Die  Redaction  spricht  sich  über  die  Ziele,  welche  diese  Zeitschrift 
verfolgen  wird,  folgendermassen  aus: 

„Die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft  ist  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  mit  den  Vorarbeiten  zu  einer  Anthropologie  und  Urgeschichte 
Deutschlands  beschäftigt.  Gemeinsame  Arbeit  hat  nach  beiden  Richtungen 
schon  zu  den  erfreulichsten  Resultaten  geführt. 

Aber  das  springt  sofort  in  die  Augen,  dass  wir  nur  dann  uns  der 
Vollendung  der  grossen  Aufgabe  nähern  können,  wenn  wir  das  gesammte, 
innerhalb  seiner  Einheitlichkeit  doch  so  verschiedenartige  Gebiet  nicht 
von  vorneherein  schon  im  Ganzen  sondern  zuerst  in  seinen  einzelnen 
natürlichen  Theilen  möglichst  vollständig  zu  erforschen  suchen.  Die  Er- 
folge namentlich  der  scandinavischen  aber  auch  der  schweizerischen 
Forscher,  welche  in  so  hohem  Maasse  an  dem  Neuaufschwung  unserer 
Wissenschaft  betheiligt  sind,  wurden  vor  allem  durch  die  relative  Be- 
schränktheit und  Einheitlichkeit  ihres  Forschungsgebietes  ermöglicht  und 
bedingt.  Nur  kleinere  Verhältnisse  lassen  sich  auf  einmal  scharf  ins 
Auge  fassen , nur  für  einen  kleineren,  beschränkten  Umkreis  ist  es  zu- 
nächst möglich,  das  vorliegende  gesammte  Material  zusammenzubringen 
und  vorläufig  zu  ordnen. 

Da«  ist  der  Standpunkt,  von  welchem  aus  wir  zu  einer  Spezial- 


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Bearbeitung  der  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns  herantreten. 
Namentlich  in  seinen  alten  Provinzen  bildet  Bayern  ein  in  hohem  Grade 
einheitliches  Forschungsgebiet,  dessen  heutige  ethnologische  Verhältnisse 
nicht  weniger  zur  Arbeit  unspornen  wie  sein  Reichthum  an  vorgeschicht- 
lichen Schätzen,  welche  die  Völkerstürme,  die  auf  seinem  Boden  wie 
kaum  auf  einem  anderen  tobten,  in  diesem  aufgehäuft  haben. 

Die  Tage  des  August  1875,  als  die  deutsche  anthropologische  Ge- 
sellschaft in  München  versammelt  war,  reiften  den  Entschluss.  Ein 
staunenswerther  Reichthum  prähistorischer  Funde  aus  bayerischem  Boden 
war  in  einer  Ausstellung  vereinigt,  es  war  nur  ein  kleiner  Bruchtheil 
des  gesammten,  schon  gewonnenen  Materiales.  Eine  Anzahl  von  Forschern, 
getragen  von  rückhaltlosem  gegenseitigem  Vertrauen,  vereinigte  sich,  um 
für  Bayern  die  Aufgabe  der  anthropologischen  und  vorgeschichtlichen 
Forschung  in  ihrer  Gcsammtheit  in  Angrilf  zu  nehmen.  Damit  verband 
sich  der  Gedanke,  ein  eigenes  Orgau  für  die  Veröffentlichung  der  Resultate 
dieser  Untersuchungen  zu  begründen. 

Die  Beiträge  für  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns 
wollen  sonach  in  keiner  Weise  den  von  allgemeineren  Gesichtspunkten 
getragenen  Unternehmungen,  dem  Archiv  für  Anthropologie  und  der 
Berliner  Zeitschrift  für  Ethnographie  Concurrenz  machen.  Unsere  Ziele 
beschränken  sich  auf  einen  speziellen  engeren  Kreis,  für  welchen  wir  die 
vorliegenden  Aufgaben  möglichst  vollkommen  zu  lösen  suchen  wollen. 

Wir  beabsichtigen,  so  weit  es  die  Verhältnisse  gestatten,  gewisser- 
massen  systematisch  vorwärts  zu  schreiten,  um  sowohl  die  vorgeschicht- 
lichen Beziehungen  Bayerns  wie  seine  jetzige  Ethnologie  zur  Darstellung 
zu  bringen. 

Es  gilt,  die  Urbevölkerung  Bayerns,  soweit  sie  ihre  Reste  uns  zur 
Erforschung  zurückgelassen  hat,  zunächst  anatomisch  zu  beschreiben. 
Schon  die  bis  jetzt  vorliegenden  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  lehren, 
dass  die  anatomische  Forschung  in  Gemeinschaft  mit  der  Archäologie  im 
Stande  ist,  die  Wandlungen  und  Wanderungen  der  Völker  und  Stämme 
auf  bayerischem  Boden  uns  in  ihren  allgemeinen  Zügen  vor  Augen  zu 
führen  aus  einer  Zeit,  in  welcher  uns  die  geschriebenen  Urkunden  ver- 
lassen. Indem  wir  nach  den  verschiedenen  Perioden  der  Vorgeschichte 
die  Wohnstätten  und  Ansiedelungen,  die  Geräthe,  Waffen  und  Werkzeuge, 
den  Ackerbau,  die  Handelsprodukte , die  frühesten  Kunstbestrebungeu, 
die  Handelswege  und  Heerstrassen,  die  Grabstätten  und  die  Denkmale 
des  religiösen  Cultus  etc.  im  Einzelnen  zu  erforschen  und  darzustellen 
suchen,  wird  es  uns  gelingen,  die  ethnologischen  Verhältnisse  der  vorge- 
schichtlichen Bevölkerung  Bayerns  zu  reconstruiren.  Also  nicht  sowohl 
Einzelfunde  wollen  wir  zunächst  beschreiben,  die  wissenschaftlichen  Fragen 
sollen,  wenn  auch  für  den  kleinsten  Umkreis,  so  weit  cs  möglich  von 
einem  allgemeineren  Standpunkt  aus  gestellt  und  beantwortet  werden. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  wir  nicht  im  Stande  sind,  unsere 
Untersuchungen  in  systematischer  Folge  zur  Veröffentlichung  zu  bringen. 
Die  Publikation  der  nach  dem  Gesammtplane  ausgeführten  Arbeiten  wird 
erfolgen,  wie  sie  vollendet  werden,  aber  wir  werden  die  gestellte  Aufgabe 
nicht  aus  den  Augen  verlieren.  In  analoger  Weise  wie  mit  der  Vor- 
geschichte beabsichtigen  wir  es  mit  der  Bearbeitung  und  Veröffentlichung 
der  modernen  bayerischen  Ethnologie  zu  halten. 

Schon  liegt  uns  in  den  beiden  Richtungen  ein  reiches  Material  zur 
Veröffentlichung  fertig  vor,  anderes  geht  mit  raschen  Schritten  der  Fertig- 
stellung entgegen. 

Von  letzterem  haben  wir  zuerst  die  vollständige  Zusammenstellung 
der  bisherigen  prähistorischen  Funde  in  Bayern  zu  nennen,  welche  als 


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Basis  für  die  weiteren  Forschungen  zu  dienen  hat.  Im  Laufe  der 
kommenden  Zeit  wird  dio  Veröffentlichung  dieser  Untersuchungen  als 
prähistorische  Karte  Bayerns  erfolgen  können.  Es  harren  reiche  Ergeb- 
nisse über  Höhlenwohnungen  aus  den  verschiedenen  Perioden  der  Vor- 
geschichte der  Publikation.  Eine  umfassende  Arbeit  über  die  auf  bayeri- 
schem Boden  sich  findenden  vorchristlichen  Begräbniss weisen  ist  in  der 
Fertigstellung  schon  weit  vorgeschritten,  i lustig  wird  an  einer  bayeri- 
schen Schädellehre  gearbeitet,  zu  welcher  die  grosse  Anzahl  vorliegender 
vorgeschichtlicher  Gräberschädel,  sowie  die  nach  Tausenden  in  den  Bein- 
häusern aufgescbichteton  Schädel  unserer  jetzigen  Bevölkerung  ein  unver- 
gleichliches Material  bieten.  Daran  wird  sich  eino  vergleichende  Analyse 
der  Gehirnanatomie  anschliessen. 

Wir  beginnen  unsere  Publikationen  mit  einem  Doppelhefte,  welcher 
die  Darstellung  prähistorischer  Wohnstätten  und  zwar  dio  reichen  Funde 
in  den  Pfahlbauten  der  lioseninsel  des  Starnberger-Sees  enthält.  Das 
folgende  dritte  Heft  soll  eine  Monographie,  d.  h.  eine  Zusammenstellung 
der  neuesten  Einzelforsehungen  verschiedener  Mitglieder  der  Münchener 
anthropologischen  Gesellschaft,  über  die  Völker  der  Platten-  und  Iteihon- 
Gräber  in  Bayern  bringen.  — 

Die  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte 
Bayerns  sind  das  Organ  der  Münchener  anthropologischen 
Gesellschaft.  Wir  beabsichtigen,  in  der  Folge  regelmässige  Auszüge 
aus  den  Sitzungsberichten  zu  geben,  in  welchen  auch  die  wichtigeren 
nicht  direkt  auf  die  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns  bezüglichen 
Original-M  itheilungen  der  Mitglieder  der  Gesellschaft  im  Auszug  Ver- 
öffentlichung finden  können.  In  diesen  Sitzungsberichten  sollen  die 
Fundberichte  in  ihren  thatsächlichen  Ergebnissen  registrirt  weVden. — 

Der  Redactionsausschuss  besteht  aus  den  Herren  Professor 
Zitld  als  erstem,  Major  Würdinger  als  zweitem  Vorsitzenden,  dann  aus 
den  Professoren  J.  Kollmann,  F.  Ohlenschlaijer,  J.  Ranke  und  N.  Rüdinger. 

Die  Uedaction  haben  die  beiden  Letzteren  übernommen,  und  zwar 
Nie.  Rüdinger  die  des  anthropologisch-anatomischen,  Johannes  Ranke  die 
des  gesammten  übrigen  Theiles.“ 


SC*  V 011  den  Beiträgen  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte 
Bayerns  werden  jährlich  4 Hefte  mit  zahlreichen  Tafeln  sowie  Holz- 
schnitten in  gleichem  Formate  wie  vorliegender  Prospectus  erscheinen. 
Vier  dieser  Hefte  bilden  stets  Einen  Band  von  ca.  30  Bogen  in  4°.  Der 
Preis  beträgt  pro  Band  24  Mark.  Der  complct  vorliegende  Erste  Band 
umfasst  41  Bogen  Text  und  26  Tafeln. 


Inhalt  des  Ersten  Hu  mies: 

Unsere  Ziele,  von  Professor  Dr.  Johannes  Ranke,  im  Einvernehmen  mit  dem  Redactionsauaschusse. 
Erlasse  der  kfmigl.  bayerischen  Staats-Ministerien,  den  Schatz  vorhistorischer  Denkmäler  in 
Bayern  und  deren  topographische  und  kartographische  Aufnahme  betreffend 
Anhaltspunkte  zur  Erforschung  und  Aufnahme  vorgeschichtlicher  und  geschichtlicher  Alter- 
thflmer,  ron  Professor  Ohleneohlager. 

Die  Pfahlbauten  im  Würmaee,  von  Sigmund  von  Schab,  kgl.  Landrichter.  Mit  Tafel  I — XVII. 
Auszüge  aus  den  Sitzungsberichten  der  Münchener  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 
und  Urgeschichte,  redigirt  von  Professor  Dr.  Johannes  Ranke. 

1)  Uebersicbt  Ober  die  Thütigkeit  der  Münchener  anthropologischen  Gesellschaft 
von  ihrer  Gründung  im  April  1870  an  bis  zum  Juli  1876  von  Prof.  Dr. 

J ohan  ncs  Ranke. 

Statuten  der  Münchener  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 
Mitglieder-' Vorzoichnias  Juli  I.S7G. 

Beschreibung  der  Tafeln  I — XVII. 


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Ueber  die  Völker  der  Platten-  und  Reihengräber  in  Bayern: 

I.  lieber  oberbayerieohe  Plattengräber  und  die  nuthmaiellohe  Staramesangehörlgkelt  Ihrer 
Erbauer,  von  Professor  Dr.  Heinrich  Ranke.  Mit  Tafel  XX  u.  XXI. 

II.  Ueber  die  Reihengräber  bei  Oberhaching,  von  Professor  Dr.  Marggraff. 

QI.  Ueber  die  Reihengräber  bei  Oberhaching  von  August  Hartmann. 

IV.  Oie  Platten-  und  Reihengräber  ln  Bayern  von  J.  WQrdinger,  kgl.  baver.  Major  a.  D. 
Mit  Tafol  XIX. 

V.  Schädel  aus  alten  Grabstätten  Bayerns,  von  Prof.  Dr.  Kollmann  Mit  Tafel 
XVQI  und  XXL 

Auszüge  aus  den  Sitzungsberichten  der  Münchener  anthropologischen  Gesellschaft 

2)  Moorleichenfund  bei  Rettenbach  am  Auerberg,  kgl.  Bezirksamt  Oberndorf,  von 
Professor  Dr.  Johanne«  Ranke. 

3)  Reue  Einläufe  in  Bezug  auf  die  prähistorische  Karte.  Referent  Herr  Professor 
Ohle  nschl  ager. 

der  sltbayerlschen  Landbevölkerung,  von  Prof.  Dr.  Johannes  Ranke. 

I.  Abschnitt.  Zur  Physiologie  de»  Schädel»  und  Gehirn»,  Mit  Tafel  XXII  u.  XXIII. 
Einleitung. 

Kapitel  I.  Die  Sehläfcnenge. 

Vorläufige  Mltthellungen  über  die  Unterschiede  der  Grosshlnrnlndungeo  nach  dem  Geschleoht 
beim  Foetus  und  Neugeborenen  mit  Berücksichtigung  der  angeborenen  Brachycephalie  und 
Dolichocophalie,  von  Prof.  Dr.  Rüdinger.  Mit  Tafel  XXIV— XXVL 
Auszüge  au«  den  Sitzungsberichten  der  Münchener  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethno- 
logie und  Urgeschichte: 

4)  Kntdockung  eine«  Rcihongrüberfeldos  bei  Oberdorf  (bei  Biessenhofcn).  Referent 
Professor  Dr.  Johannes  Ranke. 

5)  Diskussion  Über  die  Stein*,  Bronze*  und  Eisenperiode  der  vorgeschichtlichen  Zeit, 
mit  grosseren  Vorträgen  de»  Herrn  Dr.  med.  Budde us,  der  Herren  Prof.  Dr. 
Marggraff,  Sopp,  Ohlenschlager,  Ratzel,  vonChrist,  Zittel,  II.  Ranke, 
des  Herrn  Hermann  von  8chlugintweit-8akünlünski  und  des  Herrn  Berg* 
director  Dr.  Emil  Stöhr. 

Das  demnächst  zur  Ausgubc  gelangende  1.  und  2.  lieft  dca  II.  Bandes 
wird  en  rhalten: 

Die  Schädel  der  altbayerliohen  Landbevölkerung,  von  Prof.  Dr.  Johanne«  Ranke. 

Kapitel  II.  und  III.  Selilussbeinerkungen. 

Die  Begräbn (starten  aas  urgeichichtlicher  Zelt  auf  bayerischem  Boden,  von  F Ohlenachlager. 

I.  Der  Grabhügelbau. 

Auszüge  au«  (len  Sitzungsberichten  der  Münchener  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 
und  Urgeschichte : 

Culturhiatorisehe  Beiträge  zur  Erforschung  der  Vorzeit  in  den  «Umsehen  Ländern,  von 
Michael  von  Z in  i g r « d z k i. 

SW  Jede  Buchhandlung  nimmt  Bestellungen  auf  diese  Zeitschrift  an.  "W8 


In  unserem  Verlage  sind  ferner  erschienen  und  durch  jede  Buchhandlung  zu  beziehen: 
Historisch-kritische  Bemerkungen  zu  den  neuesten  Mitthellangen  Uber  die  erste  Ent- 
wicklung der  SÄugethlereier.  Von  Dr.  Th.  L.  W.  Bisch  off,  Professor  der 
Anatomie  und  Physiologie  in  München.  8°.  geh.  Preis  Mk.  8.3f>  Pf. 

Führer  bei  den  Präparirübungen  für  Studiremle  der  Medicin,  zugleich  auch  bei  Anstellung 
von  Sectionen  für  praktische  und  Geriehts-Aerzte.  Von  Dr.  Th.  L.  W.  Bi  sc  hoff. 
8°.  geh.  Preis  Mk.  4. GO  Pf. 

Die  Cholera-Epidemie  in  München  in  dem  Jahre  1873/74.  Von  Dr.  M.  Frank.  Mit 

2 Tafeln.  8°.  geh.  Preis  Mk.  8. — 

Ueber  Capacität  und  Gewicht  der  Schädel  In  der  anatomischen  Anstalt  ln  München. 

Von  Dr.  med.  Ludwig  Hudler.  8°.  geh.  Preis  Mk.  2.60  Pf. 

General-Bericht  Uber  die  Cholera-Kpidemlecn  Im  Königreiche  Bayern  während  der  Jahre 
1873  und  1874.  Von  Dr.  med.  C.  F.  Majer.  Mit  4 Tabellen  und  1 graphischen 
Karte.  4°.  geh.  Preis  Mk.  5. — 

Künftige  Prophylaxis  gegen  Cholera  nach  den  Vorschlägen  in  dem  amtlichen  Berichte  des 
Königl.  bayer.  Bezirks-  und  Stadtgerichtsarztes  Dr.  Krank,  Von  Dr.  M.  v.  Petten- 
kofer.  8*.  geh.  Praia  Mk.  2.50  Pf. 

Vorläufige  Mittheilungen  Ober  die  Unterschiede  der  Grosshlrnwlndongen  nach  dem  Ge- 
schlecht beim  Foetns  und  Neugeborenen  mit  Berücksichtigung  der  angeborenen 
Brachycephalie  und  Dolichocophalie.  Von  Professor  I)r.  Rüdinger.  Mit  3 Tafeln. 
4°.  geh.  Preis  Mk.  3. — . 

Beiträge  znr  Anatomie  des  Gehörorganes,  der  renOsen  Blutbahnen  der  Schftdelhohle, 
sowie  der  überzähligen  Finger.  Von  Professor  Dr  Rüdinger.  Mit  6 Tafeln  in 
Lichtdruck  und  1 Tafel  in  Lithographie  4®.  geh.  Preis  Mk.  12. — 

München,  im  Decembcr  1877. 

Literarisch-artist.  Anstalt  (Th.  Riedel) 

vorm,  der  Cotta’schen  Buchhandlung. 


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125 


an,  indem  sie  t.  B.  eine  menschliche  Fignr  ein- 
gravirten,  anf  der  anderen  Seite  dagegen  nichts 
einschnitten,  sondern  lieber  zum  Anhängen  durch- 
führten.  Ich  kann  es  nicht  wissen,  weil  meine 
Studien  noch  nicht  so  weit  reichen,  ob  sie  diese 
Idole  sich  selbst  oder  etwa  im  Tempel  ihren 
Götzen  augehängt  haben;  ich  habe  dies  aus  der 
Literatur  bis  jetzt  nicht  ersehen  können.  Von  da 
aus  sind  die  Mexikaner  weiter  gegangen  und  haben 
ganze  vollständige  Mole  liergestellt . wie  Sie  das 
sehen  können  in  meiner  neuesten  Schrift  über 
mexikanische  Sculptur  im  Archiv  von  Ecker 
und  Lind  eil  sc  h mit  Ud.  X Heft  3 nnd  4 1877. 
Hie  Mexikaner  haben  auch  den  Chloromelanit  zu 
Beilen  verarbeitet;  den  Jadeit  dagegen  haben  sie 
noch  reichlicher  zu  Idolen  geschnitzt  ; viele  von 
den  schönsten  Sculpturen  sind  aus  Jadeit  gearbeitet. 
Im  Berliner  Museum  liegt  ein  Beil,  welches 
Alex.  v.  Humboldt  mithrachtc;  derselbe  hat  es 
in  Mexiko  selbst  von  dem  Prof,  der  Mineralogie 
l>el  Rio  geschenkt  bekommen.  Dasselbe  hat  auf 
der  einen  Seite  mexikanische  Hieroglyphen;  das 
ist  also  ganz  gewiss  aus  Mexiko  herübergebracht 
worden.  Von  diesem  durfte  ich  ein  bischen 
heruiit erschlagen,  und  ich  habe  gefunden,  dass 
dieses  Beil  von  Mexiko  aus  Jadeit  von  blaugrüuer 
Farbe  ntikroscopisch  und  chemisch  und  bis  auf 
die  feinsten  cingcsprcngten  rothgelben  Körnchen 
mit  dem  Jadeit  eines  Mcissels  aus  Löscher/  üher- 
einstiuinit.  den  ich  selbst  in  Bern  in  Kmpfang  ge- 
nommen habe.  Die  mexikanischen  Mineralogen 
wissen  aber  nichts  von  «lein  Vorkommen  eines 
Nephrit  oder  Jadeit,  wenigstens  bis  JKdd  nichts,  wo 
dort  ein  mineral.  ( 'ompendium  herauskam;  es  kann 
ihnen  fihrigens  auch  entgangen  sein.  Was  den  Ne- 
phrit betrifft  . so  bin  ich  noch  am  zweifelhaftesten 
für  Mexiko,  für  die  Antillen  und  Südamerika.  Ich 
kenne  ueinlich  nur  l Stücke,  welche  nach  Härte, 
äusseren  Merkmalen  und  specifischem  Gewichte 
mit  dem  Nephrit  übereiustimmen  dürften;  aber 
genauer  mineralogisch  konnte  ich  sic  nicht  unter- 
suchen. Diese  4 Gegenstände  sind:  ein  Frosch- 
idol  im  Genfer  Museum,  dann  2 Cylindcr,  welche 
höchst  wahrscheinlich  Alex.  v.  Humboldt  mit- 
gebracht  bat , im  Berliner  Museum  und  1 Stück 
im  Münchener  Museum , welches  von  Hm.  v. 
Marti us  stammt  und  das  er  iu  Obydos  (Provinz 
Para)  in  Brasilien  erworben  bat.  Diese  vier 
Körper  stimmen  nach  den  äusseren  Merkmalen 
so  ziemlich  mit  dem  Nephrit  überein,  haben  aber 
eine  ganz  andero,  mehr  gelb  grüne  Farbe,  wie 
sic  kein  Nephrit  aus  Turkestan,  Sibirien  und  Neu- 
seeland zeigt.  Wenn  sie  sich  dereinst  bei  der  Unter- 
suchung als  Nephrite  heraus>tcllcn , so  fragt  cs 
sich,  ist  dieser  daun  wirklich  in  Mexiko  oder  Süd- 
amerika zu  Hause?  Das  sind  Fragen , die  noch 
gelöst  werden  müssen  und  wozu  Viele  beitragen 
sollten.  Ich  darf  offen  gestehen,  dass  ich  aus 
Deutschland  viel  weniger  Unterstützung  für  diese 
meine  Studien  gefunden  habe,  als  von  auswärts 
und  ich  möchte  daher  diese  Gelegenheit  dazu  be- 


nutzen, darauf  hinzuwirken,  dass  derartige  zweifel- 
hafte Dinge  mir  zur  Untersuchung  eingeschickt 
werden;  ich  werde  Alles  pünktlich  und  unversehrt 
wieder  zurücksenden.  Wenn  vielleicht  Jemand 
Besorgnis*  hätte , ich  würde  mit  dein  Hammer 
etwas  verletzen,  so  ist  diese  Angst  unnöthig.  Ich 
habe  die  Diamantsäge  in  Aufnahme  gebracht , wo- 
mit ohne  jede  Erschütterung  feine  Scheibchen  ab- 
gesägt werden  können.  Man  kann  so  jetzt,  ohne 
Schaden  die  Beile  und  Sculpturen  untersuchen,  was 
früher  nicht  leicht  möglich  war. 

Hr.  Orth  (überGlacialcrscheinungen  bei  Berlin): 
Ich  habe  mir  erlauben  wollen,  die  Aufmerksamkeit 
der  Versammlung  auf  einige  Erscheinungen  zu 
lenken,  welche  in  der  neueren  Zeit  in  der  Nähe 
von  Berlin  entdeckt  oder  richtiger  gesagt  wieder 
beobachtet  worden  und  welche  für  die  Auffassung 
von  der  Bildung  der  norddeutschen  Ebene  von 
grosser  Bedeutung  sind. 

Die  Anthropologie  hat  bekanntlich  das  grosse 
Verdienst,  dass  durch  die  bezüglichen  Unter- 
suchungen auf  das  Studium  der  jüngeren  geolo- 
gischen Bildungen  mehr  Aufmerksamkeit  verwendet 
worden  ist,  als  dies  früher  der  Fall  war,  als  die 
Geologie  wesentlich  nur  die  alten  geologischen  Ab- 
lagerungen keunen  zu  lernen  bestrebt  war.  Es  ist 
das  Studium  der  Diluvialhilduiigen,  dessen  Be- 
deutung dadurch  mehr  in  den  Vordergrund  ge- 
treten ist,  derjenigen  Bildungen,  welche  in  sehr 
naher  Beziehung  zum  Auftreten  des  Menschen  auf 
der  Erde  stehen,  welche  in  sehr  grosser  Verbreitung 
auf  der  Erde  Vorkommen  und  eine  der  wichtigsten 
geologischen  Grundlagen  für  das  Kulturleben  der 
Menschen  abgeben.  Ich  brauche  nur  daran  zu 
erinnern,  in  wie  weiten  Distrikten  diese  Bildungen 
ftuftrcteu,  in  Südcnropa  wie  in  Nordcuropa  und 
weit  über  Russland  nach  Sibirien  hin,  und  wie 
ausserordentlich  die  Gleichartigkeit  an  vielen 
Stellen  ist,  mag  man  die  Profile  des  südlichen 
Schwedens  mit  denjenigen  iu  Nonldeutschland. 
mag  man  diejenigen , welche  ich  hei  Odessa  und 
Taganrog  aufzunehmen  Gelegenheit  hatte,  mit  den- 
jenigen von  Stassfurt  in  der  Provinz  Sachsen  ver- 
gleichen. Die  eingehende  Vergleichung  der  bezüg- 
lichen geologischen  Ablagerungen  aus  verschiedenen 
Gegenden  wird  in  nicht  langer  Zeit  eine  weit 
klarere  Uobersicht  über  diese  wichtigen  Kultur- 
grundlageii  zn  gewinnen  ermöglichen. 

Es  sind  bekanntlich  zwei  Auffassungen,  die 
augenblicklich  bezüglich  der  Diluvialbildungen  der 
norddeutschen  Ebene  einander  gegeuüberstehen. 
Die  erste,  welche  wesentlich  durch  schwedische, 
süddeutsche  und  schweizer  Geologen  vertreten 
wird,  geht  dahin,  dass  für  die  Ablagerungen  der 
norddeutschen  Ebene  Gletscher  an  Ort  und  Stelle 
von  grosser  Wichtigkeit  gewesen  sind.  Manche 
andere  Geologen  haben  nach  dem  Vorgänge  von 
Lyell  u.  A.  die  andere  Auffassung,  dass  schwim- 
mende Eisberge  über  die  früheren  Meere  südlich 
des  baltischen  Nordens  grossentheils  das  Material 


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126 


für  die  Dilmialbildnng.  namentlich  die  Geschiebe, 
geliefert  haben.  Er  sind  deshalb  alle  die  Er- 
scheinungen . die  in  dieser  Hinsicht  in  der  nord- 
deutschen Ebene  bestimmtere  Schlussfolgerungen 
gestatten , von  besonderer  Bedeutung.  An  den 
verschiedensten  Stellen  im  Diluvium  der  nord- 
deutschen Ebene  begegnet  inan  grossen  Unregel- 
mässigkeiten, die  zum  Theil  mehr  mit  der  einen, 
zum  Theil  mehr  mit  der  anderen  Erklärung  über- 
cinstimmcn ; die  beiden  Erklärungen  schliessen  sich 
überhaupt  nicht  vollständig  aus,  und  je  nach  Zeit 
und  Ort  kann  das  Eine  oder  das  Andere  mehr  oder 
weniger  wichtig  gewesen  sein. 

Es  sind  die  Glacial  - Erscheinungen  am  an- 
stehenden Muschelkalk  von  Rüdersdorf,  vier  Meilen 
östlich  von  Berlin,  worauf  ich  Ihre  Aufmerksamkeit 
lenken  möchte.  Dieselben  sind  hier  vollständig  ver- 
gleichbar mit  denjenigen,  wie  sie  in  derSchweiz,  8ttd- 
deutsrhland  und  Italien  durch  die  Verdienste  der 
betreffenden  Geologen  und  wie  sic  im  Norden, 
in  Finnland  und  Schweden  in  ausgedehntem  Grade 
gefunden  worden  sind.  Ueber  die  russischen  Ver- 
hältnisse hat  Hr.  Meimers en  vor  einiger  Zeit 
eine  vorzügliche  Arbeit  herausgegeben. 

Der  Muschelkalk  von  Rüdersdorf  ist  räumlich 
wenig  ausgedehnt  und  fast  überall  noch  von 
einer  dünnen  Diluvialschicht  bedeckt:  die  Ost- 
seite ist  für  die  Beobachtung  besonders  wichtig, 
und  die  Schichten  des  Muschelkalks  fallen  hier  nach 
Nonien  unter  einem  Winkel  von  lö  Grad  ein. 
Das  südlich  vorliegende  Terrain  hat  ein  höheres 
Niveau.  Die  Diluvialdecke  beträgt  au  dieser  Ost- 
seitc  (östlich  vom  Alvenslebenbruch)  1« — 2 Meter, 
und  unterhalb  derselben  findet  man  den  Kalkstein 
abgeschliffen  und  geglättet  und  mit  scharfen, 
deutlich  sichtbaren  Ritzen  und  Schrammen  ver- 
sehen, welche  ineist  parallel  von  Ost  uorh  West 
darüber  verlaufen.  Ich  bähe  hier  ein  paar  Hand- 
sificke  davon  mitgebrarht.  Sie  werden  daran  ein- 
mal die  vorzüglich  schöne  Glättung,  eine  Folge 
vom  Abschleifen,  zweitens  werden  Sie  hier  die 
Sticifungen,  welche  in  mehreren  Richtungen  über 
die  Kalksteine  verlaufen,  wahrzunehmen  im  Stande 
sein.  Was  das  Niveau  betrifft,  so  will  ich  auf 
die  vorliegende  colorirte  Niveaukarte  aufmerksam 
machen,  woraus  sieh  ergibt,  dass  die  Horizon- 
talen den  meist  von  Ost  nach  West  verlaufenden 
Streifungen  parallel  gehen.  Es  kann  auffallend 
erscheinen,  dass  diese  Streifungen  nicht  annähernd 
die  Nordsüdrichtung  haben.  Man  hat  aber  im 
Norden,  in  Schweden  und  Finnland,  derartige 
spezielle  Abweichungen  ebenfalls  mehrfach  kennen 
gelernt,  wobei  die  Streifungen  je  nach  dem  Terrain 
partiell  andere  Richtungen  haben,  leb  kann  diese 
Erscheinungen  nicht  anders  erklären  als  durch 
Gletschereis  an  Ort  und  Stelle,  und  dieselben  sind 
mit  den  in  der  Schweiz  seit  langer  Zeit  beobach- 
teten Tlmtsachen  vollständig  zu  parallelisiren.  Ich 
möchte  mir  erlauben , bei  dieser  Gelegenheit  zur 
Vergleichung  noch  auf  einige  andere  derartige 
Thatsachen  Ihre  Aufmerksamkeit  zu  lenken,  zum 


Beweis.  da*s  auch  in  Norddentsehland  die  geritzten 
Geschiebe  keine  vereinzelten  Erscheinungen  sind. 
Ich  habe  hier  zunächst  eine  Photographie  von 
einem  geritzten  nordischen  Geschiebe  mitgchracht, 
welches  ich  im  Jahre  1869  bei  meinen  schlesischen 
Untersuchungen  in  der  Gegend  von  Breslau  fand 
und  wodurch  sich  zeigt,  dass  die  Geschiebelchme 
resp.  Gesehiebemcrgel  bis  hart  au  den  Rand  des 
Riesengebirges  Vorkommen.  Das  Original  ist  im 
mineralogischen  Museum  der  Universität  Breslau. 
Ich  mache  ferner  auf  einige  Photographien  der- 
artiger Geschiebe  aus  dem  Untergründe  von  Berlin 
aufmerksam , wo  in  einer  Tiefe  von  über  180 
Fass  grosse  geritzte  Kalksteine  und  Gneisse  Vor- 
kommen, von  zum  Theil  bedeutendem  Durchmesser 
und  grosser  Schärfe  der  Zeichnung.  Daran  schliesst 
sich  ein  Originalstück  von  geritztem  nordischem 
Graptolithenkalk  , welches  ich  1868  im  Geschiebe- 
mergel von  Friedriehsfelde  bei  Berlin  aufgefunden, 
sowie  ein  Handstück  von  anstehendem  Kalk  von 
der  Insel  Gotland,  woraus  der  Parallelismus  dieser 
Streifungen  ausserordentlich  scharf  und  schön  her- 
vorgeht und  woran  die  Erscheinungen  man  möchte 
sagen  fast  zu  schön  auftreten.  Ich  würde  mich 
freuen,  wenn  die  Erscheinungen  von  Rüdersdorf 
von  den  hiesigen  Forschern,  welche  seit  langer 
Zeit,  derartigen  Beobachtungen  näher  gestanden 
haben,  als  die  angegebenen  anerkannt  würden. 
Es  sind  Dinge,  die  hier  viel  bekannter,  viel  mehr 
gesehen  sind  als  bei  uns  in  der  norddeutschen 
Ebene.  Sic  haben  bei  uns  mit  Bezug  auf  die 
Entstehung  des  Diluviums  eiuc  besondere  Beach- 
tung in  Anspruch  zu  nehmen. 

Hr.  Desor  (über  Schal  cnsteino) : Es  handelt 
sich  um  eine  Erscheinung  aus  der  vorhistorischen 
Zeit  , iiemlicli  um  die  sog.  Schalensteine  oder 
Opfersteine.  Sie  wissen,  was  damit  gemeint  ist. 
Vor  einem  Vierteljnlirhuudert  wurde  auf  dieselben 
zuerst  in  der  Schweiz  durch  Hrn.  Troyon,  den 
berühmten  Altertliumsforscher , aufmerksam  ge- 
macht. Er  hatte  Kenntniss  von  einigen  Steinen,  in 
denen  schalenartige  Vertiefungen  waren,  welche  im 
Durchschnitte  einen  Durchmesser  von  2 bis  6 Zoll 
haben  , so  dass  sie  wie  die  gewöhnlichen  Schalen 
aussahen.  Da  war  einer  in  der  Gegend  von  Cos- 
sonay  im  Canton  Waadt,  der  sonderbarer  Weise 
hei  der  Bevölkerung  in  einer  gewissen  Ehrfurcht 
stand.  Es  wird  mir  versichert,  dass  sie  auch  den 
herumziehenden  Zigeunern  bekannt  sind.  Irgend 
eine  dunkle  Erinnerung  an  die  Vorzeit  scheint  da- 
mit verbunden.  Er  nannte  den  Stein , nach  dem 
Vorhilde  von  Hrn.  v.  Canmont,  dein  alten  fran- 
zösischen Alterthumsforscher,  pierre  a öcuelles, 
was  man  deutsch  mit  „Schalenstcin“  übersetzte; 
die  Engländer  haben  „cup  stones-  daraus  gemacht. 
Nun  hat  man  später  au  mehreren  Orten  der 
Schweiz  solche  Steine  gefunden , welche  im  Jahre 
1870  von  Hrn.  Dr.  Feld.  Keller  zum  Gegenstand 
einer  wissenschaftlichen  Arbeit  gemacht  worden 
sind.  Einige  Jahre  vorher  waren  diejenigen  von 


127 


Savoyen  und  der  französischen  Schweiz  in  einem 
schönen  grossen  Atlas  von  einem  waadtlAndischen 
Pfarrer  photographisch  dargestellt  worden.  Aus 
dieser  Sammlung  ergibt  sich  Folgendes.  Erstens, 
linden  sich  die  Schalen  meistens  auf  erratischen 
Blöcken,  zweitens  mit  nur  einer  einzigen  Ausnahme 
auf  Granitblöcken,  drittens  werden  sie  in  der  Kegel 
auf  einzeln  stehenden  Blöcken  angetroffen.  Da. 
wo  grosse  Anhäufungen  Vorkommen . z.  B.  hei 
Monthey  im  Canton  Wallis , wo  ganze  Berge  von 
Granithlöcken  aufgehftuft  sind , findet  man  keine 
Schalen.  In  England  und  Schottland  sind  sie  von 
einem  berühmten  Arzte  und  zugleich  Altertlmnis- 
forscher,  Sir  J.  Simpson,  in  einem  ausgezeich- 
neten Werke : „Die  Zeichen  - oder  Selialensteine 
von  Grossbritunnien“  beschrieben  worden.  Das 
Buch  ist  Ihnen  vielleicht  bekannt,  es  ist  reich  aus- 
gestattet und  höchst  interessant  (cf.  diesen  Bericht 
S.  7ti.  17). 

Als  wir  vor  mehreren  Jahren  in  Stockholm 
beisammen  waren , erkundigte  ich  mich  hei  den 
dortigen  Anthropologen , wie  es  damit  in  Skandi- 
navien stehe.  Sic  sagten  mir,  sie  besüssen  eine 
Menge  Sc  halensteine,  die  Erscheinung  sei  nicht  un- 
gewöhnlich, und  Hr.  Generalsekretär  ilildcnbrand 
machte  eine  Mittheilung  über  die  Schalensteine 
von  Schweden.  Nun  ergibt  sich  aus  der  Unter- 
suchung dieser  Steine  in  der  Schweiz,  in  Skandi- 
navien nnd  in  England,  dass  sich  überall  Legenden 
und  mannigfache  Erinnerungen  an  dieselben  knüpfen. 
An  vielen  Orten  sind  sie  Gegenstand  einer  ge- 
wissen Scheu , man  vermeidet  ihre  Nahe ; an 
anderen  Orten  verehren  sie  die  Einwohner  und 
hegiessen  sie  mit  Oel:  es  würde  mich  indessen  zn 
weit  führen , wenn  ich  Ihnen  auseinandersetzeu 
wollte,  was  noch  zur  Zeit  so  oft  mit  diesen  Steinen 
geschieht.  Meine  Herren,  es  scheint  mir,  dass  man 
au  dieser  Erscheinung,  die  man  in  der  Schweiz,  in 
England,  in  Frankreich  und  Skandinavien  findet  nnd 
an  die  sich  überall  ähnliche  Erinnerungen  knüpfen, 
nicht  gleichgültig  Vorbeigehen  kann.  Im  Norden 
heissen  sie  Elfen-  oder  ßalderstcine  ; überall  mytho- 
logische Elemente.  Nun  ist  es  sonderbar,  dass  bis 
jetzt  nirgends  in  Deutschland  noch  im  östlichen 
Frankreich  noch  in  Italien  davon  etwas  vernommen 
worden  ist.  Ich  hege  aber  die  Ueberzeugung,  dass, 
wenn  mau  danach  forschte , auf  den  erratischen 
Blöcken  in  Italien , in  Bayern , namentlich  am 
Fusse  der  Alpen  , soweit  das  Gebiet  der  früheren 
Gletscher  reicht,  dieselben  sich  auch  linden  werden. 
Ich  habe  mich  bereits  an  meine  Freunde  in  Lyon 
gewendet,  die  eine  besondere  Aufmerksamkeit  auf 
diesen  Gegenstand  gewendet  haben;  ihnen  ist  bis 
jetzt  nichts  Derartiges  aufgestossen ; ich  zweifle  aber 
nicht , dass  man , wenn  man  der  Sache  genauer 
nachspürt,  auch  etwas  findet.  Wenn  Sie  vielleicht 
Gelegenheit  hahen  wollen , einen  Schalenstein  zu 
sehen,  so  schauen  Sie  sicli  in  Zürich  vor  der  Wasser- 
kirche den  Stein  an , welchen  die  Züricher  Ge- 
sellschaft hat  dahin  bringen  lassen,  und  an  dem  die 
Schalen  deutlich  sind.  Die  Berner  Gesellschaft  hat. 


einen  Ähnlichen  aus  der  Gegend  von  Biel  am  Fus  -e 
des  Jura  in  das  Berner  Museum  bringen  lassen, 
so  dass  man  also  nicht  an  Ort  und  Stelle  zu  gehen 
braucht , um  sie  zu  sehen.  Wichtiger  jedoch  und 
interessanter  ist  folgender  Umstand.  Vor  sechs 
Wochen  erhielt  ich  von  dem  Hm.  R i v e 1 1 - C a rna e 
aus  Benares , der  von  den  europäischen  Schalen- 
steinen,  namentlich  von  dem  Buche  des  Hin.  Simp- 
son Kenntnis*  erhalten  hatte,  einige  Notizen  mit 
Zeichnungen,  aus  denen  sich  ergibt,  dass  am  Kusse 
des  Himalaya  dieselben  Erscheinungen  Vorkommen 
und  zwar  zugleich  auf  anstehenden  Felsen  nnd  anf 
erratischen  Blöcken;  wenn  sie  auf  letzteren  Vor- 
kommen , ist  es  ebenfalls  Granit  oder  Porphyr. 
Die  Eingeborenen  meinen , sie  rühren  von  einem 
ehemaligen  Uicsenvolke  her.  In  neuester  Zeit 
sind  solche  aus  Nangpur  und  aus  den  Kamaou- 
Bergen  bekannt  geworden ; aber  schon  vor  un- 
gefähr 10  Jahren  war  in  den  Berichten  der  asia- 
tischen Gesellschaft  von  Bengalen  etwas  Aehnliches 
erschienen.  Einem  Dr.  Vcrcherc  war  auf  dor- 
tigen erratischen  Blöcken  , ohne  noch  zu  wissen, 
wie  es  in  Europa  damit  steht . aufgefallen , dass 
manche  Blöcke  dieselben  Schulenvertiefungcn  hahen. 
Als  eifriger  Verfechter  der  Gletschertheorie,  war 
er  geneigt  , dieselben  dem  Einfluss  der  alten 
Gletscher  zuzuschreiben.  Wie  Sie  wohl  alle  wissen 
— und  Sie  haben  es  entnehmen  können  aus  den 
interessanten  Mittheilungen  des  Hm.  Orth  — 
ist  das  Areal  der  alten  Gletscher  viel  grösser  als 
man  hätte  je  denken  können . indem  in  Berlin 
selbst  eine  MorAne  der  skandinavischen  Gletscher 
zu  liegen  scheint.  Es  ist  daher  nicht  zu  ver- 
wundern , wenn  man  sieht , wie  weit  die  norwe- 
gischen und  die  Alpengletscher  gereicht  hahen, 
dass  im  Verhältniss  die  Gletscher  des  Himalaya 
sehr  weit  nach  Süden  gegangen  sind,  so  dass  das 
ganze  hindostanische  Hügelland  am  Ende  weiter 
nichts  ist  als  eine  grosse  MorAnenlandschaft,  zum 
grossen  Theil  aus  dem  Schutt  der  Himalaya- 
Gletscher  bestehend , sowie  die  Lombardei  weiter 
nichts  ist  als  der  niedergeschlagene  Schlamm  der 
Alpengletscher.  Nun  habe  ich  genug  an  den 
Gletschern  herumstudirt . um  zu  wissen,  dass  die- 
selben keine  Löcher  iu  die  Felsen  bohren , dass 
also  die  Ansicht  des  Hrn.  Dr.  Verehr  re  jeden- 
falls unbegründet  ist , und  wenn  sie  nicht  be- 
gründet ist,  so  werden  wir  einfach  zn  der  Schluss- 
folgerung geführt,  dass  sie  von  Menschenhand  her- 
rühren, iu  Asien  sowohl  wie  in  Europa. 

Nun  erlauben  Sie  mir  einen  kleinen  Sprung 
in  das  ethnologische  Gebiet.  Es  ist  gewiss  uiclit 
ungerechtfertigt,  angesichts  des  gleichzeitigen  Vor- 
kommens dieser  merkwürdigen  Erscheinungen  in 
Skandinavien , in  England , in  der  Schweiz  und 
in  der  Bretagne , wenn  man  eine  gewisse  Zu- 
sammengehörigkeit , ein  gewisses  ethnologisches 
Band  voraussetzt . das  auf  einen  gemeinsamen 
Ursprung  liinzuweisen  scheint.  Haben  wir  es  hier 
nicht  vielleicht  mit  einem  allen  Völkern  des 
grossen  Stammes  der  Arier  eigenthümlichen  Ge- 


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12# 


brauch  zu  thun  im  Gegensätze  zu  der  Bevöl- 
kerung von  turaniseher  Kasse  V Sie  keimen  ja  die 
grosse  Kluft  zwischen  den  Höhlenbewohnern  und 
«len  Pfahlbauern  der  Steinzeit . letztere  durch 
ihre  vollkommenen  Werkzeuge  von  polirtem  Stein, 
besonders  noch  durch  Nephrite  ausgezeichnet. 
Warum  sollten  wir  nicht  annehmen , dass  diese 
Einwanderer , die  den  Nephrit  nach  Europa  ge- 
bracht haben , die  gleichen  Leute  sind , die  sich 
auf  unseren  Seen  angesieJelt  haben?  Ich  gestehe 
zwar . dass , wenn  das  der  einzige  Umstand  wäre, 
es  vielleicht  kühn  sein  würde , einen  so  weit- 
tragenden Schluss  darauf  zu  hauen ; aber  ich 
möchte  gerade  an  «las  erinnern,  was  gestern  gesagt 
worden.  Hr.  Fischer  hat  Ihnen  erklärt,  dass  die 
Nephriten  unzweifelhaft  von  dem  Oriente  gekommen 
sind  , und  zwar  zur  Steinzeit.  Nun  ist  «lies  zu- 
gleich «las  Zeitalter  der  grossen  monolithischen 
Denkmüler  in  England.  Als  Beleg  dafür  lässt  sich 
anführen , dass  in  den  grössten  dieser  Denkmäler 
nur  Steinwerkzeuge  Vorkommen . und  dass  auch 
die  prachtvollen  Jadeit-Beile , die  in  «len  Museen 
«ler  Bretagne  zu  sehen  und  in  verschiedenen  Ab- 
güssen auch  in  anderen  Museen  vorhanden  sind, 
aus  den  grossen  Dolmen  stammen,  wie  denn  über- 
haupt in  allen  jenen  Grabmälem  nichts  anderes  zu 
finden  ist  als  Steingeräthe.  Hier  scheinen  also  die 
Dolmen  mit  ihren  Schalen  und  sonstigen  Zeichen 
zur  Steinzeit  zu  gehören.  Eigentümlich  ist,  «lass 
bei  uns  die  Schalen  nur  auf  erratischen  Blöcken 
eingehaucn  sind.  Wir  haben  zwar  wenige  Dol- 
men, aber  auf  «liesen  ist  nicht«  zu  finden.  Blättern 
Sie  aber  «las  Buch  von  Simpson  durch,  so  werden 
Sie  sehen , dass  auf  alten  Denkmälern , Gräbern 
und  colossalen  Monumenten  der  Steinzeit  dieselben 
Zeichen,  dieselben  Schalen  sich  zeigen;  wir  haben 
«la  also  eine  Verbindung  zwischen  den  Schalen  und 
«len  Monumenten  aus  der  Steinzeit.  Dasselbe  finden 
wir  sonderbarer  Weise  in  Indien ; auch  dort  werden 
dieselben  Zeichen  auf  den  alten  Monumenten  an- 
getroffen. 

Wie  Sie  sehen , eröffnen  sich  da  weite  Ho- 


rizonte , aus  denen  sich  mancherlei  ergeben  wird, 
was  vielleicht  mehr  als  alles  ander«*  dazu  bei- 
tragen kann,  unseren  Ursprung  festzustellen,  nach- 
zuweisen , ob  wir  wirklich  aus  Indien  stammen 
und  ob  auf  dieser  Wanderung  die  Schalensteine 
und  «iie  übrigen  Zeichen , wie  sie  auf  den  er- 
ratischen Blöcken  und  auf  den  inegalithischen 
Denkmälern  Vorkommen  , bis  zu  uns  gelangt  sind. 
Nun , es  ist  dies  meine  persönliche  Ansicht.  Hr. 
Simpson  hingegen  glaubt,  dass  die  Schalen  nur 
Verzierungen  sind , und  er  stützt  sich  dabei  auf 
«len  Umstand , dass  anf  den  schottischen  Monn- 
menten die  genannten  Zeichen  wirklich  in  manchen 
Fällen  ah  Zusätze , als  Ornamente  von  Gräbern 
erscheinen;  datier  der  zu  weit  gehende  Schluss,  dass 
es  sich  hier  um  eine  blosse  Deooration  handelt. 
Eine  andere  Meinnng  wird  von  Hm.  Westhopp 
vertreten,  wonach  die  Schalenstein«'  gar  keine  Be- 
deutung hätten.  Zur  Steinzeit  habe  ein  Hirten- 
volk gelebt  und  Hirten  auf  der  Weide  hätten  zum 
Zeitvertreib  diese  Schalen  eingegrahen  und  zwar 
an  hervorragenden  Orten.  Damit  ist  aber  nicht 
erklärt , warum  sich  Sagen  und  allerlei  Aber- 
glauben «larau  knüpfen  ; «lamit  ist  auch  nicht  er- 
klärt , warum  sie  sich  besonders  auf  erratischen 
Blöcken  und  ganz  besonders  auf  Granithlöcken 
finden.  (Redner  zeigt  die  Gegenstämle.)  Meine  eigene 
Ansicht  stimmt  mit  derjenigen  meines  Freundes 
Ilm.  Dr.  Ferd.  Keller  in  «lern  Punkte  überein, 
dass  die  Schalen  auf  den  Steinen  an  sich  keine 
eigentliche  Bedeutung  hatten , sondern  lediglich 
«lazu  bestimmt  waren , die  Erinnerung  an  ein  Er- 
eigniss zu  bewahren,  welches  man  als  wichtig  genug 
erachtete . um  es  im  Gedächtai&s  des  Stammes 
oder  der  Familie  zu  erhalten.  Es  waren  somit 
keiue  Inschriften,  keine  Hieroglyphen.  Sie  setzten 
eine  mündliche  Tradition  voraus.  Wohl  aber  mögen 
sie  zugleich  als  Symbole  gedient  haben  , die  man 
«la  eingrub,  wo  etwas  Beachtenawerthes  geschehen 
war,  und  in  manchen  Fälleu  mochte  das  wohl  ge- 
nügen, um  sie  zum  Gegenstände  der  Verehrung  zu 
machen. 


(Kurtsetzuug  in  Nu»  11  i 


Nr  11  wird  eine  Tafel  mit  Abbildungen  der  Thayinger  Höhlenzeichnungen  beigegeben  werden. 

Anmerkung  «ler  Kedaction. 


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101 


Bernstcinperlen,  Glasperlen,  Fibeln  ctc.  — Was  die 
Pferderüstung  angeht,  so  ist  in  Möringen  ein  ans 
einem  Stück  gegossenes  Bronzepferdegebiss  ge- 
funden worden,  ausserdem  glatt  polirte,  längliche, 
paarweis  vorkommende  Hirschhornstücke,  je  in  der 
Mitte  und  an  beiden  Enden  mit  länglichen  Köchern 
versehen,  welche  wir  wohl  auch  zu  den  Pferde- 
gebissen  rechnen  können.  — Hauptsächlich  interes- 
sant und  charakteristisch  für  Möringen  ist  die 
Gussstätte,  die  man  dort  aufgefunden  hat.  In  einem 
verhältnissmässig  kleinen  Raum  fanden  sich  etwa 
zwanzig  Formen,  ein  Schmelzt iegel  und  zerbrochene 
Gegenstände,  die  wahrscheinlich  zum  Umgiessen 
bestimmt  waren.  Die  sehr  gut  erhaltenen  For- 
men bestehen  theils  aus  Sandstein,  tlieils  aus  ge- 
branntem Thon,  und  wir  fanden  Modelle  für  Sicheln, 
Messer.  Lanzenspitzen,  Hümmer,  Heile,  Armbänder, 
Meissei  und  sogar  kürzlich  die  untere  Hälfte  einer 
Schwertform,  welch  letztere  uns  den  Beweis  lieferte, 
dass  nicht  nur  die  gewöhnlicheren  Gerät  he  von  ein- 
heimischer Fabrikation  waren,  sondern  dass  unsere 
Pfahlhauern  sich  sogar  an  die  schwierigere  Arbeit  der 
Waffenfabrikation  wagten.  — Die  Station  Auvoraier 
ist  interessant  durch  die  schönen  Schwertgriffe, 
sechs  an  der  Zahl,  die  dort  gefunden  wurden.  Die 
einen  bestehen  aus  Bronze,  auf  welchem  zur  Ver- 
zierung an  beiden  Seiten  Hornplatten  mit  Bronze- 
nSgeln  befestigt  sind;  andere  bestehen  aus  Bronze 
mit  eingelegtem  kupfernem  Mittelstück;  wieder 
andere  sind  ganz  ans  Bronze  gegossen  und  ähneln 
den  in  Möringen  gefundenen.  Die  verschiedenen 
Typen  dieser  Schwertgriffe  zeigen  uns  sehr  deut- 
lich die  Reihenfolge  der  verschiedenen  Verbesse- 
rungen , die  in  der  Waffenfabrikation  gemacht 
wurden , und  gewiss  können  wir  nach  der  Voll- 
kommenheit, mit  welcher  sie  gearbeitet  sind,  auch 
ihr  relatives  Alter  bestimmen.  So  gehören,  meiner 
Ansicht  nach,  die  Schwerter  mit  einfachem,  plattem, 
zungenförmigem  Griff,  der  zur  besseren  Handhabung 
in  einem  Hirsch homheft  steckt , zu  der  ältesten 
Periode;  später  wird  der  Horngriff  durch  Metall 
ersetzt,  das  Hirschhorn  mehr  als  Verzierung  benutzt 
und  in  Form  einer  dünnen  Platte  mit  Nictnägeln 
auf  dem  Metallgriff  befestigt.  Danach  wird  die 
Horn-  durch  eine  Kupfer  platte  ersetzt  und  endlich 
finden  wir  den  vollkommenen  Typus  in  den  Schwert- 
griffen  , die?  ganz  aus  Bronze  gegossen  sind  und 
uns  an  die  früheren  Typen  nur  durch  kleine  Er- 
höhungen erinnern , die  uns  die  einstigen  Niet- 
nägel ins  Gedärhtniss  rufen.  Man  hat  ausserdem 
in  Anvernier  sehr  grosse,  schön  gearbeitete  Messer, 
mit  Bronzcbeften  ausgegraben,  dazu  Hohltueissel, 
Meissel  mit  Verzierungen,  einen  kleinen  massiven 
Bronze -Amboss , Rasirmesser.  ein  kleines  durch- 
brochenes Hronzegefäss , über  dessen  Anwendung 
ich  nicht  im  Klaren  bin,  und  nur  vormuthen  kann, 
das  es  zum  Verbrennen  von  Wohlgerücheti  gedient 
hat.  An  Töpferwaarcn  ist  Auvernicr  sehr  reich; 
es  hat  eine  grössere  Menge  von  Gefässen  aufzu- 
weisen wie  irgend  eine  andere  Station;  dabei  zeigt 
sich  die  grösste  Mannigfaltigkeit  in  der  Form  und 


in  der  Grösse.  Wir  fanden  Tassen,  Trinkbecher  mit 
konischem  Fusse,  Teller  mit  eingravirten  und  ge- 
malten Zeichnungen,  grosse  Urnen  zum  Aufbewahren 
der  Lehensmittel  und  zierliche  kleine  Töpfchen,  die 
wohl  als  Kinderspielzeug  gedient  hahen  mögen. 

Zum  Schluss  möchte  ich  Ihnen  noch  einige 
Nephrit-  und  Jadeit -Beile  vorzeigen,  die  den 
Stationen  der  Steinzeit  im  Bielersee  entnommen 
sind.  Einige  davon  sind  bemerkenswerth  durch 
ihre  Grösse  (bis  20  Cm.  Länge)  und  ihre  Durch- 
sichtigkeit. Sie  sind  fast  alle  von  Hrn.  Professor 
Fischer  in  Freiburg  untersucht  und  für  aus  dem 
Orient  stammendes  Mineral  erklärt  worden. 

Hr.  Deaor:  Ich  erlaube  mir  einige  Worte  dem 
heizufügen,  was  Hr.  Dr.  Gross  über  seine  schöne 
Sammlung  von  Artefacten  mitgethcilt  hat.  Auf  die 
Bronzesachen  werde  ich  nicht  eingehen.  das  würde 
zu  weit  führen;  ich  will  nur  ein  paar  Worte  über 
die  zum  Steinalter  gehörigen  Nephrite  sagen.  Sie 
sehen  da  an  30  Stücke;  ich  glaube,  das  ist  mehr 
als  man  in  der  ganzen  übrigen  Schweiz  besitzt. 
Wie  ich  mich  habe  überzeugen  können  , befindet 
sich  unter  den  im  Uebrigen  so  schönen , pracht- 
vollen Gegenständen  im  hiesigen  Museum  kein  ein- 
ziges Stück  Nephrit,  was  allerdings  auffallen  muss. 
Es  scheint  daher  eine  Grenze  zu  existiren , über 
die  wir  bis  jetzt  nicht  hinausgegangen  sind.  Da 
wird  sich  nun  wieder  die  Frage  aufwerfen  , die 
auch  vor  zwanzig  Jahren  aufgetaucht  ist , nemlich 
über  den  Ursprung  dieser  Steingeräthe.  Damals 
war  die  Ansicht,  dass  das  betreffende  Gestein  sich 
um  Ende  doch  noch  finden  werde , entweder  in 
den  Einschnitten  durch  die  sogenannten  grünen 
Schiefer  der  Alpen,  bei  Anlass  der  Tunnelbauten, 
oder  als  Geröll  entlang  dem  See,  wo  viel  Gletacher- 
achntt  aufgehäuft  ist.  Bis  jetzt  ist  nichts  gefunden 
worden.  Dann  kam  eine  zweite  Hypothese,  nem- 
lich, sie  seien  durch  Handel  zur  Steinzeit  aus  dem 
Orient  bis  nach  Europa,  bis  in  die  Schweiz  ge- 
kommen. Von  vornherein  erscheint  das  so  ziemlich 
natürlich,  dass  man.  wenn  etwas  Fremdes  im  Lande 
vorkommt,  fragt,  woher  und  wie  es  gekommen  »st; 
meistens  heisst  es  dann  durch  den  Handel.  Wenn 
man  aber  auf  der  anderen  Seite  annimmt,  es  habe 
ein  Handel  zwischen  unteren  Seen  und  dem  Orient 
stattgefunden,  so  ist  es  doch  etwas  seltsam,  dass 
dieser  Handel  mit  dem  Orient  nichts  anderes  als 
nur  die  grünen  Steine  gebracht  hätte.  Wenn  man 
mit  dern  Orient  handelt,  so  sind  dort  so  viele  Ge- 
genstände , die  das  Auge  bestechen  , die  viel 
schöner  und  zierlicher  sind  als  diese  Steine.  Wie 
wäre  es  möglich , dass  mau  an  allem  diesen  vor- 
flbergegangeu  wäre?  Ich  glaube,  diese  Theorie 
lässt  sich  nicht  länger  festhalten.  Nun  gibt  es 
noch  eine  dritte  Vermuthung,  die  ich  mir  auf  dem 
Kongresse  zu  Kopenhagen  natürlich  in  ganz  be- 
scheidener Weise  vorzubringen  erlaubt  habe , ob 
nemlich  die  Nephrit-Beile  nicht  Reliquien  von  der 
alten  Einwanderung  von  Asien  herüber  sind,  welche 
die  Leute  mit  sich  gebracht  haben  als  ein  An- 


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102 


denken,  als  eine  Kostbarkeit.  Meine  Herren!  dies 
scheint  mir  bis  jetzt  wenigstens  die  allerannelim- 
barste  Erklärung;  denn  fremd  sind  die  Steine,  und 
cs  ist  wenig  Aussicht  vorhanden,  trotz  der  so  viel- 
fachen Bemühungen  die  ursprüngliche  Lagerung 
des  Gesteins  im  Lande  zu  finden.  Ilr.  Hofnith 
l)r.  Fischer,  der  Meister  in  der  Mineralogie,  wird 
Ihnen  darüber  wohl  berichten  und  ich  glaube  auch, 
er  wird  darin  mit  mir  übereiustimmen , dass  es 
unbedingt  Fremdlinge  sind  und  dass  man  bis  jetzt 
noch  nicht  dazu  gekommen  ist , den  Ursprung  auf 
unserem  Continent*  zu  finden. 

Graf  Wurmbrand : Die  sehr  interessante 

Sammlung,  die  uns  Hr.  Dr.  Gross  vorgezeigt  hat, 
wird  bald  eingepackt  werden,  und  ich  möchte  deshalb 
schnell  die  Gelegenheit  ergreifen , einige  Worte 
darüber  zu  sagen.  Ich  bin  nemlich  mit  allen  An- 
sichten, die  Hr.  Dr.  Gross  eben  ausgesprochen 
hat,  nicht  ganz  einverstanden  und  möchte  im  Kurzen 
auf  einige  Differenzpunkte  hinweisen.  Ich  halte  es 
für  nicht  leicht  thunlich,  ja  für  gefährlich,  durch  das 
Nebeneinanderlegen  von  einfacheren  und  compli- 
cirteren  Formen  sofort  auf  eine  Entwickelungs- 
geschichte  der  Formen  schliessen  zu  wollen,  zumal 
wenn  wir  Gegenstände  desselben  Fundortes  und 
wahrscheinlich  derselben  Zeitperiode  vor  uns  haben. 
Wir  haben  von  diesem  Systeme  in  der  Archäologie 
zu  viel  Schaden  gehabt,  um  nicht  auf  die  Gefähr- 
lirhkeit  desselben  hinweisen  zu  sollen.  Die  Ent- 
wickelung in  den  Formen  dieser  Schwerter  kann 
in  Ähnlicher  Weise  auch  nach  rückwärts  geführt 
werden,  ebenso  wie  die  von  den  Kelten  und  Paal- 
stäben. Nachdem  wir,  wie  es  leicht  erweislich  ist, 
die  Bronze  zum  grossen  Theil  als  anderen  Ländern 
ursprünglich  angehörig  betrachten  müssen , so  ist 
es  ganz  natürlich,  dass  wir  nicht  die  Entwicklungs- 
stufen der  Formen  von  der  Steinkultur  bis  hinauf 
zu  einer  hohen  Uivilisation  in  einem  Pfahlbau  bei- 
sammen finden  können.  Am  auffälligsten  und  klarsten 
wird  die  Differenz  der  beiden  Knlturstnfen,  der  Steiu- 
und  Bronze-Kultur  wohl  dadurch,  wenn  wir  die  Imita- 
tionsversuche  beobachten.  Hier  sind  einige,  auf  welche 
ich  Sie  ganz  besonders  aufmerksam  mache.  In  fast 
allen  Pfahlbauten,  die  wir  in  Oesterreich  fanden 
und  die  der  Steinkultur  angehört  haben , werden 
Gussschalen  gefunden,  welche  noch  mit  einem  Reste 
von  Metall  versehen  waren.  Sie  deuten  neben  ganz 
rohen,  schlechtgeformten  Gegenständen  von  sehr 
kupferreichcr  Legirung  daraufhin,  dass  diese  Natur- 
völker den  Umguss  importirter  Bronze  versuchten, 
denn  neben  solchen  Erzeugnissen  heimischer  Indu- 
strie zeigen  sich  hie  und  da  auch  ganz  schöne  Bronzen, 
welche  gegenüber  dem  Gesainmthildc,  welches  der 
Pfahlbau  uns  entrollt,  offenbar  als  fremd  erschienen. 
Es  trifft  sich  manchmal,  dass  solche  Umgüsse  in  der 
Form  von  vorhandenen  Bronzen  oder  auch  in  Formen 
geschahen,  welche  nach  Steinwaffen  gemodelt  wurden. 
Gerade  in  Stationen  der  Steinkultur  finden  sich 
solche  offene  Gussschalen,  solche  Lehmformen  und 
Umgnssproducte  häutig.  Ich  glaube,  man  hat  ihnen 


bis  jetzt  zu  wenig  Beachtung  geschenkt.  So  sehen 
Sie  z.  B.  im  Museum  zu  Stuttgart  aus  Sipplingen 
eine  solche  Lehmform,  in  der  ein  kupferiges  Beil 
liegt,  welches  offenbar  nach  der  Form  eines  Stein- 
beiles gegossen  wurde.  Sie  finden  Gussschalcn  aus 
Roheiihausen  in  Zürich,  und  Hr.  Messikomer  hat 
mir  mitgetheilt,  dass  er  auch  in  Niederwyl,  einer 
Station  der  sogenannten  Steinzeit,  eine  Guss  schale 
gefunden  hat.  Auch  in  dieser  Sammlung  werden  Sie 
gerade  aus  den  Stationen  der  Steinkultur,  also  aus  Satz 
Lathringen  und  Oefeli  solche  Umgussproducte  finden. 
Hier  sehen  Sie  z.  B.  einen  dieser  Gegenstände, 
welcher  in  seiner  Ausführung  und  Form  mit  den 
schönen  Bronzen  im  offenbaren  Contraste  steht. 
Sie  sehen,  wie  roh  und  formlos  diese  Stücke  sind . 
und  wenn  ich  nicht  irre,  wird  auch  diese  Legirung 
sehr  kupferig  sein.  Dieses  sehr  knpferige  Metall  in 
den  Umgüssen  ist  deshalb  sehr  interessant,  weil 
man  auch  hier  wieder  geneigt  war,  durch  stark 
knpferige  Legirungen  auf  eine  Entwicklung  der 
Bronze  innerhalb  der  Pfahlbauten  zu  schliessen. 
Wir  haben  den  Versuch  des  Umgusses  gemacht 
und  gefunden,  dass  wenn  man  Zinnbronze  bei  offenem 
Feuer  langsam  in  offenen  Schalen  umgiesst,  ein 
eigentümlicher  Process  entsteht.  Das  Zinn  als  leichter 
schmelzbares  Metall  schmilzt  früher  aus  nnd  geht 
gewissermassen  verloren.  Ich  habe  solche  Versuche 
gemacht,  und  gesehen,  wie  weisse  Zinnkügelchen 
aus  der  Schale  in  das  Feuer  gespritzt  sind.  Das 
Factum  ist,  dass  die  Umgussproducte  mehr  Kupfer- 
gelialt  hatten.  Weitere  solche  knpferige  Umguss- 
producte , die  nachgehämmert  sind  und  mit  alten 
Bronzen  keinen  Vergleich  aashalten,  sind  diese 
zwei  Messer,  die  auch  in  den  Pfahlbauten  der  Stein- 
zeit vorkamen.  Aehnliche  Gegenstände  sind  ferner 
diese  Kupferringe  und  diese  Meissei,  welche  die 
Spuren  der  Verhämmemng  nnd  die  Spuren  eines 
recht  schlechten  Gusses  mannigfaltig  an  sich  tragen. 
Sehr  interessant  und  höchst  wichtig  in  dieser  Samm- 
lung ist  vor  allem  dieses  Schwert.  Ich  habe  gestern 
daran  gezweifclt,  dass  es  Eisen  sei  ; ich  höre  heute, 
dass  die  Untersuchung  doch  Eisen  ergeben  habe. 
Ich  behalte  mir  vor,  noch  einmal  mit  dem  Hrn. 
('»liegen  Dr.  Gross  über  dieses  Schwert  zu  ver- 
handeln, weil  ich  glaube,  dass  eine  solche  Analyse, 
wie  sie  gemacht  worden  ist,  wohl  zeigen  kann,  «lass 
Eisen  darin  ist;  ich  möchte  aber  sehr  bezweifeln, 
dass  die  Klinge  durchaus  reines  Eisen  oder  reiner 
Stahl  ist.  Wäre  cs  der  Fall , so  hätten  wir  hier 
nicht  nur  ein  archäologisches  Stück  von  grosser 
Seltenheit  vor  uns,  sondern  auch  eine  metallurgische 
und  handwerkliche  Meisterarbeit;  denn  um  diese 
Klinge  mit  diesen  Erhöhungen  zu  schmieden,  dazu 
gehört  wohl  eine  ganz  ausserordentliche  Fertig- 
keit, welche  für  die  sehr  genaue  Kenntniss  des 
Eisens  und  der  Stahlbereitung  zeugen  würde.  Einen 
weiteren  Gegenstand  der  Beachtung  möchte  ich  der 
Versammlung  vorlegen.  Das  sind  diejenigen  ge- 
gossenen Bronzegegenstände,  welche  noch  nicht 
geputzt  den  Rohguss  verrathen.  Abgesehen  von 
den  Gussformen,  die  Ihnen  zeigen,  wie  überhaupt 


103 


gegossen  worden  ist.  sehen  Sie  an  dem  Messer, 
welches  ich  Ihnen  verlege,  wie  der  Gegenstand  aus 
der  Form  kommt ; Sie  werden  dabei  sofort  erkennen, 
dass  diese  Ornamente  nicht  gravi rt,  nicht  ge- 
schlagen, sondern  gegossen  sind.  Bei  genauer 
Beobachtung  solcher  Eintiefungen,  welche  aus  dem 
Gusse  entstehen,  werden  Sie  andererseits  auch  die- 
jenigen Ornamente  unterscheiden  kennen,  welche 
eben  nicht  gegossen,  sondern  g r a v i r t sind.  Sie 
unterscheiden  sich  ziemlich  bestimmt  und  sind  von 
der  gegossenen  Ornamentik  auch  dadurch  kenntlich, 
dass  sie  ununterbrochen  rund  um  die  Bronzewaffe 
laufen,  wahrend  die  durch  den  Guss  hervorgebrachte 
Ornamentik  stets  dort  unterbrochen  sein  muss,  wo 
die  Gussn&the  laufen. 

Hr.  Virchow : Ich  will  zur  Ergänzung  dieser 
Funde  nur  kurz  erwähnen,  dass  ich  vor  einiger 
Zeit  durch  die  Güte  des  Hrn.  Dr.  Gross  Ge- 
legenheit gehabt  habe,  die  von  ihm  in  ungewöhn- 
licher Zahl  in  diesen  Seestationen  gesammelten 
Schädel  einer  genauen  Untersuchung  zu  unter- 
ziehen. Hr.  Gross  hat  das  GlQck  gehabt,  eine 
grössere  Zahl  von  Schädeln  zusammenzubringen,  als 
je  vor  ihm  aus  Pfahlbauten  entnommen  worden 
sind.  Ich  habe  in  einem  eben  erst  erschienenen 
Sitzungsbericht  der  Berliner  anthropologischen  Ge- 
sellschaft (Zeitschrift  für  Ethnologie  Bd.  IX  lieft  IV) 
darüber  eingehenden  Bericht  erstattet  und  eine 
photographisch  nach  der  geometrischen  Zeichnung 
iiergestellte  Uebersicht  der  Formen  beigefügt.  Die 
Untersuchung  hat  für  die  Gcsammtfrage  der  Pfahl- 
baukultur insofern  ein  besonderes  Interesse  dar- 
geboten , als  durch  diese  Schädel  mit  voller  Be- 
stimmtheit dargethan  worden  ist , dass  jeder  Ge- 
danke daran , als  sei  die  alte  Pfahlbaurasse  eine 
niedere  gewesen,  aufgegeben  werden  muss.  Gerade 
einer  der  Schädel  von  Auvernier , der  mit  werth- 
vollen , hier  ausgestellten  Sachen  zusammen  im 
Neuenburger  See  gefunden  ist,  gehört  zu  den 
ausgezeichnetsten  , die  überhaupt  gesehen  werden 
können.  Ich  glaube  mit  Bestimmtheit  aussagen  zu 
dürfen,  dass  in  der  Beschaffenheit  der  Menschen, 
welche  diese  Pfahlbaustationen  bewohnt  haben,  eine 
erkennbare  Differenz  der  körperlichen  Ausstattung 
gegenüber  der  heutigen  Menschheit  nicht  nach- 
gewiesen werden  kann.  Es  entspricht  das , wie 
mir  scheint , auch  der  Vorzüglichkeit  der  Gegen- 
stände, welche  hier  vorliegen.  In  einer  Zeit,  welche 
so  grosse  Schwierigkeiten  für  die  Entwicklung  des 
einzelnen  Menschen  darbieten  musste,  könute  inan 
aus  der  Production  so  vollkommener  Gegenstände 
eigentlich  ein  höheres  Masa  von  individueller  Be- 
fähigung ableiten , als  es  gegenwärtig  gewöhulich 
vorausgesetzt  wird. 

In  Bezug  auf  die  Stellung  der  Kasse  im 
Uebrigen  ist  durch  die  Schädel,  welche  Hr.  Dr. 
Gross  gesammelt  hat,  dargethan  worden,  dass 
eine  viel  grössere  Zahl  von  Dolichoeephalen  in 
dieser  alten  Zeit  vorhanden  war,  als  man  bis  da- 
bin in  der  Schweiz  zuzugestehen  geneigt  war. 


Merkwürdiger  Weise  haben  die  schweizer  Ana- 
tomen die  ihnen  vorgekonimenen  Langköpfe  durch 
ihre  Interpretation  etwas  weniger  in  den  Vorder- 
grund treten  lassen,  als  es  hätte  geschehen  können. 
Es  waren  nemlich  zufälliger  Weise  gerade  Kinder- 
schädel , welche  diese  langen  Formen  darbot eil, 
und  man  hat  sich  gewöhnlich  damit  geholfen,  dass 
man  annahm,  es  könnten  ans  4en  dolichoeephalen 
Kindern  wohl  noch  mesocephale  oder  brachycephale 
Erwachsene  geworden  sein.  Nun , das  war  iu 
früheren  Jahren ; da  konnte  man  sich  einer  solchen 
Meinung  leichter  hingeben,  als  gegenwärtig.  Nach- 
dem die  Aufmerksamkeit  sich  mehr  und  mehr  auf 
die  Schädelfonneu  der  Neugebornen  gerichtet  und 
es  sich  herausgcstellt  hat,  dass  die  Kinder  schon 
mit  sehr  ausgesprochen  dolichoeephalen,  brachyee- 
phalen  und  inesocephaleu  Köpfen  geboren  werden, 
nachdem  ferner  Hr.  Rüdingcr  gezeigt  hat,  dass 
sogar  das  Gehirn  der  Neugebornen,  je  nachdem 
sie  doliehocephal  oder  brachycephal  sind , Ver- 
schiedenheiten in  der  Anordnung  der  einzelnen 
Hirntheile  , namentlich  der  Grosshirnwindungen 
darbietet,  so  wird  man  wohl  sehr  vorsichtig  sein 
müssen  in  Bezug  auf  eine  Deutung , welche  die 
Möglichkeit  voraussetzt,  dass  eine  jugendliche  I)o- 
lichocephalie  sich  in  eine  Brachyceph&lie  der  Er- 
wachsenen umgestalten  könnte.  Nimmt  man  die 
Gesammtzabl  der  jetzt  bekannten  Pfahlbauschädel 
zusammen , so  ergibt  sich  also  nach  meiner  Mei- 
nung eine  unverkennbare,  zum  Theil  den  ältesten 
Stationen  ungehörige  Gruppe  von  Langschädelu. 
Man  gewinnt  damit  einen  gewissen  Anhalt  für  die 
Erfahrungen,  wie  sie  auch  sonst  schon  in  grösserem 
Umfange  an  fossilen  oder  Höhlenschädeln  gewonnen 
worden  sind.  Wir  wissen  ja,  dass  die  alten  Engis- 
schädel  der  langköptigen  Gruppe  angehören.  So- 
mit kann  man  gegenwärtig  mit  Bestimmtheit  aus- 
sagen , dass  Glieder  einer  uralten  langköptigen 
Kasse  lange  vor  den  Zeiten , in  welche  wir  die 
Einwanderung  der  Germanen  zu  verlegen  gewohnt 
sind,  in  der  Schweiz  gewohnt  haben.  Dass  daneben 
allerdings  auch  frühzeitig  schon  andere  Formen 
Vorkommen,  ist  gewiss  sehr  merkwürdig  und  zeugt 
dafür , dass  gewisse  Mischungsverhältnisse  bis  in 
sehr  alte  Zeiten  zurflckreichen. 


Vorträge  und  Discnssiouen  über  prähistorische 
Konst. 

Hr.  Ecker:  Meine  Herren!  Ich  will  mir  er- 
lauben, über  die  prähistorische  Kunst  zu 
sprechen.  Sie  haben  gestern  die  Sammlung  im 
Kosgarten  gesehen,  in  welcher  die  wichtigsten  Ob- 
jecte dieser  Kunst  aufbewahrt  sind.  Sie  haben 
gestern  schon  in  dein  Vortrage  unseres  Herrn 
Vorsitzenden  gehört,  dass  ein  Streit  über  die  Frage 
der  Abstammung  dieser  Kunstwerke  entstanden 
ist  und  noch  besteht.  Ich  halte  es  für  zweck- 
mässig, dass  gerade  liier,  am  hiesigen  Orte,  diese 


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10-4 


Frage  möglichst  objectiv  dargestellt  werde.  Ich 
will  mich  daher  zweierlei  befleissigen,  nemlich 
erstens  einmal  möglichster  Objectivitflt;  ich  werde 
suchen,  die  Gründe  auf  beiden  Seiten  möglichst  klar 
darzustellen  und  so.  dass,  wenn  dies  erreichbar  ist, 
Niemand  merken  soll,  nach  welcher  Seite  ich  mich 
neige.  Zweitens  werde  ich  mich  möglichster  Kürze 
hetieissigen;  ich  muss  aber  doch  bemerken,  dass 
wir  uns  eigentlich  in  einem  Proresse  befinden  und 
hier  die  Regel  gilt,  dass  man  die  Zeugen  unge- 
schmälert sprechen  lässt;  dennoch  hoffe  ich  Sie 
nicht  zu  lange  aufzuhalten. 

Als  die  ersten  trefflichen  Zeichnungen  und 
Schnitzereien  aus  den  Höhlen  der  Dordogne  be- 
kannt wurden,  war  der  allgemeine  Eindruck  keines- 
wegs übereinstimmend  der,  dass  diese  Kunstwerke 
in  der  That  prähistorischen  Händen  entsprungen 
seieu.  Die  Freude  an  diesen  Kunstwerken  wurde 
im  Gegentheil  bei  sehr  Vielen  durch  einen 
Schatten  des  Zweifels  verdüstert.  Die  wieder- 
holten Funde  jedoch,  die  über  jeden  Zweifel  er- 
habenen Namen  einzelner  Finder,  wie  z.  ü.  L a r t.  e t ’s, 
die  augenscheinliche  Sorgfalt  , mit  welcher  diese 
Ausgrabungen  gemacht  wurden  . auf  der  anderen 
Seite  doch  auch  wieder  die  Schwierigkeiten,  die 
Zweifel  an  der  Echtheit  für  jeden  einzelnen  Fall 
durch  positive  Beweise  zu  stützen,  waren  Ver- 
anlassung, dass  inan  nach  und  nach  die  Zweifel 
aufgab  und  dass  der  Glaube  an  die  Echtheit  zu 
einem  Lehrsätze  wurde,  an  dem  zu  rütteln  nicht 
mehr  erlaubt  war.  Wir  wissen  ja,  W'ie  leicht  sich 
Dogmen  in  unser  Gehirn  einschmeicheln  und  wie 
schwierig  es  ist,  dieselben  wieder  los  zu  werden. 
Wenige  sind  dieser  Bekehrung  widerstandeil  und 
hartnäckige  Ketzer  geblieben  ; vor  allen  war  dies 
L i n d e n s c h m i t und  zum  Theil  auch  der  Director 
des  Museums  in  St.  Germain  llr.  Bertrand  und 
ein  schweizerischer  Alterthumsforscher  llr.  v.  Bon - 
stetten.  Diese  theilten  die  sonst  allgemeine 
Freude  nicht,  als  in  Thayingen  solche  Zeichnungen 
zu  Tage  kamen,  und  man  also  sah,  dass  doch 
auch  die  Alemannen  etwas  von  Kunst  verstehen 
und  nicht  allein  die  Renthierfranzosen  verstanden 
haben,  etwas  Prächtiges  in  dieser  Kunst  zu  leisten. 
Nur  Linden  sch  mit  und  seine  Anhänger  theilten, 
wie  gesagt,  diese  Freude  nicht;  im  Gegentheil, 
sie  witterten  jetzt  um  so  mehr  Betrug,  und 
Li  n den  sch  mit  liess  nicht  nach,  bis  es  ihm  in 
der  That  auch  gelang,  seinen  Verdacht  beweisen 
zu  können.  Sie  wissen  ja,  dass  ihm  dies  in  Be- 
treff zweier  Zeichnungen  vollkommen  gelungen  ist, 
welche  ihr  Original  in  einem  illuBtrirten  Kinder- 
buch, das  bei  Spamer  in  Leipzig  erschienen  ist, 
besitzen.  Diese  beiden  Figuren  wurden  allerdings 
von  Anfang  an  schon  mehrfach  angezweifelt,  trotz- 
dem aber  von  den  schweizerischen  Autoritäten, 
insbesondere  von  der  Züricher  antiquarischen  Ge- 
sellschaft als  echt  erkannt,  und  es  hatte  der  Ent- 
decker der  Höhle  und  der  Beschreiber  derselben, 
der  von  Anfang  an  diesen  beiden  Figuren  nicht 
traute,  doch  die  Schwäche,  der  antiquarischen  Ge- 


sellschaft gehorsam  zu  sein  und  gegen  seine  bessere 
Ueberzeugung  und  gegen  seinen  eigenen  Willeu 
die  Zeichnungen  dieser  Figuren  in  sein  Buch  auf- 
zunehmen.  Lindenschmit  scheute  sich  nicht, 
den  verübten  Betrug  aufzudecken,  ohne  übrigens 
irgend  eine  Persönlichkeit  als  Urheber  desselben 
zu  bezeichnen,  und  begreiflicher  Weise  ergriff  er 
auch  sehr  gerne  die  Gelegenheit,  seine  Zweifel  an 
der  Echtheit  aller  der  Höhlenzeichnungen  nun 
wiederholt  auszusprechen.  Es  ist  natürlich,  dass 
der  Entdecker,  Realschullehrer  Merk,  damals  in 
Thayingen,  jetzt  in  Gossan,  sich  sehr  gekränkt 
fühlen  musste,  da  er,  obschon  kein  Verdacht  aus- 
gesprochen war,  dennoch  sich  getroffen  glaubte. 
Er  hat  eine  Erwiderung  an  Hrn.  Lindenschmit 
der  Rcdaction  des  Archivs  zugeschickt,  die  aber 
in  der  Form,  wie  sie  an  dieselbe  kam,  nicht  auf- 
genommen  werden  konnte  und  erst  nach  einem 
reinigenden  Bad  Platz  gefunden  hat.  Es  war  za 
entschuldigen,  dass  Hr.  Merk  in  dieser  Weise 
vorging;  dagegen  war  cs  nach  meiner  Meinung 
nicht  zu  entschuldigen,  dass  die  antiquarische  Ge- 
sellschaft von  Zürich,  also  eine  Corporation  von 
solchem  Ansehen , der  man  in  der  That  so  viel 
Dank  schuldig  ist,  sich  von  einer  Leidenschaft 
hinreissen  liess,  die  man  einem  Einzelnen  als  eine 
momentane  Ueberreizun«.?  verzeihen  kann,  keines- 
wegs aber  einer  Corporation,  die  ihre  Beschlüsse 
nicht  in  einem  Momente  fasst.  Lindenschmit 
hat.  es  an  einer  Antwort  nicht  fehlen  lassen.  Dies 
ist  in  Kürze  die  Geschichte  des  Thayinger  Falles, 
ln  Folge  davon  stehen  sich  zwei  Ansichten  feind- 
lich gegenüber.  Ich  habe  schon  gesagt,  dass  ich 
mich  befleissigen  werde,  die  Ansichten  möglichst 
objectiv  gegenüberzustellen;  in  wie  weit  mir  das 
gelingen  wird,  mögen  Sie  entscheiden.  Von  vorn- 
herein will  ich  bemerken . dass  ich  keineswegs 
denke,  dass  die  anthropologische  Gesellschaft  etwa 
ein  Verdict  pro  oder  contra  abgeben  wird  oder 
will.  Wissenschaftliche  Fragen  dieser  Art  können 
nicht  vou  einer  Jury,  sie  mag  zusammengesetzt 
sein  wie  sie  will,  entschieden  werden;  solche 
Fragen  werden  nur  durch  den  stillen,  inneren, 
langsamen , organischen  Entwicklungsgang  der 
Wissenschaft  entschieden.  Die  Anhänger  der 
einen  Ansicht  — Hrn.  Lindenschmit  will  ich 
einfach  als  Repräsentanten  derselben  bezeichnen  — 
halten  cs  aus  inneren  Gründen  des  Kunstwerks, 
also  aus  artistischen  Gründen  für  unmöglich,  dass 
die  vollendeten  Thierzeichnungen  von  denselben» 
Menschen  herrühren,  von  welchen  die  rohen  Stein- 
und  Knoclienwerkzeuge  gefertigt  sind,  dass  sie 
also  aus  einer  späteren  Zeit  stammen  müssen,  und 
da  man  von  den  späteren  Perioden  in  diesen 
Höhlen  keine  Reste  gefunden  hat,  so  bleibt  eben 
nichts  anderes  Übrig,  als  die  Annahme,  dass  sie 
ganz  aus  moderner  Zeit  stammen,  dass  sie  unter- 
schoben, dass  sie  gefälscht  sind.  Das  Moment 
also,  auf  welches  sich  Lindenschmit  und  seine 
Anhänger  stützen,  ist  ein  artistisches;  die  Gegner, 
die  die  Echtheit  vertheidigen,  stützen  sich  wesent- 


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^orrespoubeng-^iM'df 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R e d i g i r t 
▼on 

Professor  Ko  11  mann  in  München, 

OtnmliKnUr  d#r  Of»lkWl 


Erscheint  jeden  Monat. 

Nro.  11.  München,  Dmck  von  R.  Oldenbourg.  November  1877. 


Bericht  über  die  VIII.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Constanz 

am  24.-26.  September  1877. 

(Kedigirt  von  Prof.  Johannes  Ranke  in  München.) 


Hr.  Virchow : Ich  möchte  in  Bezug  auf 

die  Wünsche  des  Hrn.  Desor  bemerken,  dass 
wir  uns  zunächst  verständigen  müssen  — and 
dazu  wird  einige  Zeit  gehören  — . was  alles  unter 
den  Begriff  Schalensteine  zu  subsumiren  ist.  Ich 
höre,  dass  der  Stein,  der  hier  im  Rosgarten  liegt 
und  der  von  Hrn.  Keller  als  Sehaleustein  an- 
erkannt worden  ist,  von  Ilrn.  Desor  als  ein 
solcher  nicht  anerkannt  wird  , und  ich  glaube 
daher . ehe  wir  zu  einer  wirklichen  Aufstellung 
kommen,  wird  es  wohl  nothwendig  sein,  eine  viel 
genauere  Beschreibung  zu  gehen , als  sie  augen- 
blicklich vorliegt.  Schon  in  älterer  Zeit  sind  solche 
Steine  unter  dem  Namen  „Näpfchensteine“  aus 
Xorddeutsrhlaml  beschrieben  z.  B.  von  Beck- 
mann. Ein  ausgezeichnetes  Exemplar  aus 
Schwanken  in  Holstein  hat  Hr.  Jessen  in  den 
Verhandlungen  der  Berliner  anthropologischen  Ge- 
sellschaft ahgehildet.  Ausserdem  gibt  es  bei  uns  eine 
Gegend,  in  der  das  Vorkommen  von  schalenförmigen 
Höhlungen  sowohl  in  anstehendem  Gestein  als  an 
erratischen  Blöcken  seit  langer  Zeit  bekannt  ist, 
das  ist  Schlesien.  Wir  besitzen  darüber  eine  Reihe 
von  älteren  Aufzeichnungen,  wo  eine  grinse  Zahl 
solcher  Plätze  sowohl  im  Riesengebirge  als  aus  der 
I .ausitz  beschrieben  worden  sind.  In  der  Regel  geben 
diese  Steine  bei  uns  unter  dem  einfachen  Namen 
„Opferstein“;  »las  ist  der  gewöhnliche  Terminus. 
Allein  „Opferstein“  ist  eine  sehr  weitgreifemle 
Bezeichnung,  die  gelegentlich  auch  auf  vielerlei 
andere  Steine  angewendet  wird,  und  ich  fühle  mich 
im  Augenblicke  nicht  in  der  Lage,  beurtheilen  zu 

C«fT*>fp.-RUtt  Nr«.  II. 


können,  oh  irgend  einer  dieser  Steine  genau  dem 
entspricht,  um  was  es  sich  hier  handelt.  Es  gehen 
diese  Opfersteine  bis  auf  die  Insel  Rügen,  wo  ein 
seit  langer  Zeit  berühmter  Opferstein  bei  Quoltitz 
steht,  der  vielfach  abgebildet  worden  ist.  Es  ist 
ein  erratischer  Block,  der  über  mannshoch  ist  und 
einen  sehr  grossen  Umfang  hat.  Wir  werden  sehr 
gern  bereit  sein,  unsererseits  die  Frage  in  Angriff 
zu  nehmen,  sobald  ein  wenig  mehr  Sicherheit  in 
die  Terminologie  gebracht  sein  wird.  In  Schlesien 
hat  man  in  der  letzten  Zeit  angefangen , sich 
ernstlich  mit  diesen  Dingen  zu  beschäftigen;  ein 
solches  Stück  ist  sogar  aus  anstehendem  Gestein 
mit  grosser  Mühe  ansgesägt  worden  und  jetzt  im 
Breslauer  Museum  aufgestellt.  Sehr  gern  werden 
wir  eine  Revision  sämmtlicher  Fundstücke  vor- 
nehmen, die  auch  aus  anderen  Gründen  von  Inter- 
esse sein  würde. 

Hr.  Mehlia:  In  aller  Kürze  möchte  ich  zur 
Completirung  niittheilcn,  dass  auch  in  Süddeutsch- 
land  eine  Reihe  von  isoUrten  aber  anstehenden 
Steinblöcken  erhalten  sind,  die  auf  der  Oberfläche 
eiue  schalenförmige  Vertiefung  haben;  besonders 
finden  sich  diese  Schalensteiue  auf  den  Höhen  des 
Waskenw&hles,  im  Eisass  und  in  der  Rheinpfalz 
und  im  diesseitigen  Bayern  in  Franken.  Von 
religiösen  Gebräuchen,  von  ei  ner  Bespritzung 
mit  Oel  u.  s.  w.  ist  mir  allerdings  nichts  bekannt, 
wohl  aber  von  einer  gewissen  religiösen  Scheu, 
mit  der  mancher  solcher  Steine  betrachtet  wird. 
Bei  der  jüngsten  Generalversammlung  der  deutschen 

1 


- JL 


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Alterthumsvereine  waren  Hr.  Ohlensch  la  «er  and 
ich  beauftragt,  einen  solchen  Stein,  der  in  der 
Nahe  Fürths  sich  befindet,  den  Druidenstein  von 
Cadolzburg,  zu  untersuchen,  ob  es  wünschenswert!! 
wäre,  denselben  zu  erhalten.  Kr  steht  am  Rande 
eines  Steinbruchs,  und  der  Steinbruchbesitzer 
wollte  ihn  zu  baulichen  Zwecken  verwenden.  Als 
wir  nun  in  der  Nähe  in  einem  Dorfe  Stiuzendorf 
einen  kleinen  Führer  nahmen , der  uns  an  die 
Stelle  begleiten  sollte , lief  derselbe  ungefähr  200 
Schritte  vor  dem  Reiseziele  aus  Furcht  vor  dem 
Druidenstein  davon,  so  dass  wir  in  der  Lage  waren, 
den  Stein  allein  untersuchen  zu  müssen.  Es  möchte 
dieser  Umstand  in  Verbindung  mit  Namen  vielleicht 
solcher  Monolithe  wie  Teufelsstein,  Orinsfels(=Odins- 
fels),  Hexenberglein  etc.  beweisen,  dass  eine  gewisse 
religiöse  Sehen  vor  einem  solchen  Stein  im  Volke 
verbreitet  ist.  Die  Beachtung  von  Lokaltraditionen 
ist  wünschenswert^  um  solche  mythologische  Fragen 
zu  entscheiden. 

Hr.  Schaaft’hausen:  Ich  erlaube  mir  dem  Vor- 
trage des  Hm.  Dcsor  die  Bemerkung  hinzuzufügen, 
dass,  als  ich  vor  einigen  Jahren  von  Stockholm 
nach  Gothenburg  kam , ich  einen  der  schönsten 
Schalensteine  im  dortigen  Museum  gesehen  habe, 
über  den  vielleicht  bisher  nichts  veröffentlicht 
worden  ist.  Hr.  Director  Malm  lächelte,  als  ich 
den  Stein  für  einen  Opferstein  hielt,  und  war  der 
Ansicht,  die  auch  von  anderen  schwedischen  Natur- 
forschern getheilt  werde,  «lass  diese  schalenförmigen 
Höhlungen  Auswaschungen  seien,  indem  an  diesen 
Stellen  mineralische  Einschlüsse  herausgewittert 
seien.  Davon  konnte  aber  in  der  Tliat  nicht  die 
Rede  sein;  die  Regelmässigkeit  in  «1er  Zusammen- 
stellung dieser  kreisförmigen  Vertiefungen  ist  eine 
zu  grosse,  als  dass  sie  eine  natürliche  sein  könnte. 
Man  hat  noch  einen  Grund  für  die  Ansicht,  dass 
«liese  Steine  Opfersteine  gewesen  sind,  der  von 
Hrn.  Dcsor  nicht  erwähnt  wurde.  Man  glaubt 
ncmlieli,  dass,  wenn  Thiere  oder  gar  Menschen 
geopfert  wurden,  in  diesen  IIöldung«m  das  Blut 
sich  sammelte , in  das  die  Priester  ihre  Hand 
eintauchten,  um  das  Volk  damit  zu  bespritzen, 
wie  dieser  Gebrauch  ja  von  den  Opfern  der  me- 
xikanischen Priester  berichtet  ist.  Diese  An- 
nahme wäre  in  solchen  Fällen  möglich,  wo  wir 
nur  auf  der  Oberfläche  eines  solchen  Steines  die 
Höhlungen  finden ; aber  gerade  der  Stein  von 
Gothenburg,  wovon  ich  verschiedene  Photographien 
besitze,  ist  auf  verschiedenen  Seiten  mit  diesen 
Höhlungen  versehen.  Es  ist  auch  auffallend,  dass 
die  Ringe  oder  Kreise,  die  sich  in  Indien  so 
häufig  neben  den  Höhlungen  finden,  bei  uns  gar 
nicht  Vorkommen ; wohl  aber  finden  sich  solche 
Kreise  ohne  die  Höhlungen  auf  den  Felscn- 
inschriften  in  Schweden,  so  «lass  die  beiden  Symbole, 
die  ganz  gewiss  mit  religiösen  Vorstellungen  Zu- 
sammenhängen, in  Skandinavien  und  Deutschland  an 
verschiedenen  Monumenten  vertheilt  sich  vorfinden. 
K i v e 1 1 - C a r n u c fragt  indessen  nicht  mit  Unrecht, 


oh  diese  Zeichen  vielleicht  eine  Schrift  vorstellen. 
Was  übrigens  andere  Kreise  angeht,  die  von  dem 
genannten  Forscher  in  Bengalen  auf  Steinblöcken  und 
auf  Monotitheu  gefunden  und  uhgebildet  sind , so 
ist  cs  unzweifelhaft,  das  diese  Bilder  sich  auf  den 
noch  jetzt  sehr  verbreiteten  Phallus-  und  Cunnus- 
Dienst  der  indischen  Stämme  beziehen. 

Hr.  De»or:  Es  ist  ein  grosses  Gebiet,  das  wir 
hier  besprechen.  Während  hei  uns  die  archaischen 
Zeichen  sich  meist  auf  einfache  Schalen  beschränken, 
sind  es  anderwärts  complicirtere  Zeichen,  besonders 
eoncentrische  Ringe.  Indessen  fehlen  letztere  nicht 
gänzlich  in  der  Schweiz.  Bei  Meis  im  Canto» 
St.  Gallen  z.  B.  ist  auf  einem  Stein  mit  vielen 
Schalen  auch  ein  Zeichen,  das  mit  einem  Ringe 
umgeben  ist;  es  ist  bereits  im  Anzeiger  für  schwei- 
zerische Altert humskunde  (1874)  publieirt  worden. 
(Redner  zeigt  die  Abbildung.)  Ich  muss  noch  hin- 
zufügen, dass  es  in  Indien  und  vielleicht  auch  in 
England  noch  andere  Zeichen  gibt , die  vielleicht 
jünger  sind,  als  die  Schalen.  Hr.  Rivett-Carnac 
erwähnt  in  seiner  Broschüre , dass  besonders  die 
von  Ringen  umgebenen  Schalen  in  Indien  so  häufig 
sind , dass  sie  einen  gemeinschaftlichen  Namen 
führen;  sie  heissen  Muhadeos  und  gelten  als  die 
Embleme  eines  alten  Phallus-Dienstes. 

Hr.  Voss:  In  Frankreich  ist  in  Le  Mans  in 
der  Nähe  der  Kathedrale  eine  längliche  Stein- 
platte aufrecht  aufgestellt , welche  den  Namen  le 
doigt  du  Maus  führt.  Auf  derselben  finden  sich 
einige  Vertiefungen,  welche  das  Ansehen  von  Ein- 
drücken haben.  Als  ich  mich  erkutuligte , woher 
die  Bezeichnung  käme , sagte  man  mir,  der  Stein 
führe  «leshalb  «ien  Namen,  weil  auf  demselben  die 
Eimlrücke  von  Fingern  zu  sehen  wären.  Mir 
schienen  dieselben  jedoch  nicht  artificieller  Natur, 
sondern  rein  natürlichen  Ursprungs  zu  sein.  Aber 
es  ist  jedenfalls  wohl  ein  Stein  dieser  Kategorie,  weil 
die  Leute  ihn  wegen  der  erwähnten  Vertiefungen 
und  nicht  wegen  seiner  sonstigen  Form  an  einer 
so  wichtigen  Oertlichkcit  aufgestellt  haben.  — Ferner 
befindet  sich  in  der  Mark  Brandenburg  in  der 
Nähe  «1er  Stadt  Nicmcgk.  Kreis  Zauche-Belzig,  ein 
Stein , auf  dem  ebenfalls  Vertiefungen  vorhandeu 
sind , welche  denselben  als  hieber  gehörig  cha- 
rakterisiren.  Es  ist  dies  der  sogenannte  „Ili- 
schofsstcin*,  ein  grosser  erratischer  Block.  Der- 
selbe ist,  nach  einer  Mittheilung  des  Ilrn.  Stadt- 
rath Friedei,  mit  mehreren  künstlichen  Ver- 
tiefungen, sogenannten  Näpfchen,  versehen,  die  fast 
halbkugelig  sind  und  etwa  den  Durchmesser  eines 
Zweimarkstückes  haben.  Eines  dieser  Näpfchen 
ist  glatt , wie  auspolirt , während  die  übrigen  mit 
Moos  bewachsen  und  rauli  sind.  Dies  Näpfchen 
soll  noch  von  Schäfern,  alten  Frauen  etc.  gesalbt 
und  zum  „Besprechen*  gebraucht  werden.  — 

Hr.  Virchow : Ich  habe  Ihnen  nnzitzeigen, 
dass  ein  Vertreter  von  Frauenleiden  hier  anwesend 


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und  zu  Mittheilnngcu  über  die  Ausgrabungen  bei 
Niederwyl  bereit  ist. 

Sodann  ist  durch  Hrn. Merk  nachträglich  ein 
Auszug  aus  dem  Protokolle  einer  Sitzung  der  St.  Gal- 
ler  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  vorgelegt 
worden,  welche  sich  in  Bezug  auf  die  Ehrenhaftig- 
keit seines  Charakters  Anssert.  Ich  lege  dasselbe 
aus  für  diejenigen  Herren , welche  davon  Kennt- 
nis* nehmen  wollen.  (Anmerkung  zu  S.  121.) 

Ferner  hat  Hr.  I)r.  Krause  eir.en  Schädel, 
welcher  den  Eindruck  eiues  sog.  Torfschädels  macht, 
ausgestellt.  Derselbe  ist  vor  kurzer  Zeit  bei  den 
Correctionsarbeiten , welche  gegenwärtig  in  der 
Niederelbe  unterhalb  Hamburg  vorgenommen  werden 
nnd  welche  eine  frühere  Elbeinsel  durchsehneiden, 
aufgefunden  worden,  und  zwar  unter  Verhältnissen, 
die  mit  einiger  Sicherheit  voraussetzen  lassen,  dass 
über  dem  Schädel  seit  drei  Jahrhunderten  eine 
infacte  Oberfläche  gelegen  hat.  Der  Schädel  ist 
insofern  von  ganz  besonderem  Interesse , als  er, 
obwohl  sehr  zerbrochen  und  zertrümmert,  doch 
in  der  Seitenansicht  ein  sehr  gutes  Profil  eines 
exquisit  chamäcephalen  Schädels  darbietet,  jener 
Schädelfonn,  die  ich  von  der  Elbe  bis  an  die  west- 
liche Küste  von  Holland  nachgewiesen  habe.  Es  ist 
ein  ganz  musterhaftes  Exemplar ; die  Niedrigkeit 
des  Vorderkopfes , das  fast  vollständige  Febleu 
der  eigentlichen  V Orders  tim  ist  im  höchsten  Masse 
ausgedrückt. 

Endlich  bat  Hr.  Dr.  Voss  eine  Reihe  von 
photographischen  Tafeln  ausgehängt  , welche  ein 
Bild  von  den  Bronzen  von  Norddeutschland  geben. 
Daneben  ist  die  Abbildung  einer  römischen  Bronze- 
figur befestigt,  welche  der  sehr  erfahrene  Director 
unseres  Berliner  Münzkabinets,  Hr.  F ri  e d 1 ä n d e r , 
vor  kurzem  publicirt  hat  und  deren  Fundort  ge- 
nau festgestellt  ist.  Sie  stammt  aus  Hinterpom- 
mera,  einem  Lande,  wo  ein  unmittelbarer  Contact 
mit  römischer  Kultur  wenig  vorausgesetzt  wird. 
Es  ist  dies  schon  die  dritte  römische  Bronze- 
statue , welche  innerhalb  eines  kleinen  Terrains 
seit  etwa  70  Jahren  aufgefnnden  worden  ist.  Die 
zuerst  erwähnten  Tafeln  sind  Darstellungen  der 
im  Berliner  Museum  vorhandenen  Bronzeschwerter 
und  der  dazu  gehörigen  sonstigen  Funde.  Es  ist 
jedesmal  die  Gesamint heit  derjenigen  Objecte,  welche 
mit  den  Bronzeschwertern  zusammen  gefunden 
worden  sind,  abgebildet  worden.  Somit  erhält  man 
nicht  bloss  eine  Uebendcht  der  Formen  überhaupt, 
sondern  zugleich  einen  Anhalt  für  eine  vergleichende 
Feststellung  derjenigen  Periode , in  welcher  diese 
Art  der  Kultur  Norddeutschland  erreicht  hat.  — 

Hr.  Kollraann  (zur  Mikrocephalie) : Die  Fa- 
milie Becker,  die  vor  Ihnen  steht,  stammt  aus 
Bürgel  bei  Hanau.  Aus  der  Ehe  des  grossen, 
starken  blonden  Ehepaares  sind  sechs  Kinder 
horvorgegangen.  Davon  sind  drei  vollständig  nor- 
mal , drei  zeigen  eine  eigcuthümliche  Missbil- 
dung am  Schädel , die  man  als  Mikrocephalie  be- 
zeichnet hat.  Der  Ausdruck  bezeichnet  Klein- 


köpfigkeit . nnd  in  der  That , der  Kopf  dieses 
blonden  mikrocephalen  Mädchens  Margarethe,  die 
acht  Jahre  alt  ist , fällt  zunächst  auf  durch 
eine  ausserordentliche  Kleinheit  ; die  abnorme 
Kleinheit  ist  um  so  leichter  eben  jetzt  zu  be- 
urteilen , weil  die  Mutter  ein  vollständig  nor- 
males Kind  auf  dem  Arme  trägt.  Die  Hirnschale 
des  einjährigen  Bruders  ist  viel  grösser  als  der 
Schädel  der  achtjährigen  Schwester.  Eine  andere 
Eigentümlichkeit,  welche  zumeist  die  Mikrocephalie 
begleitet , ist  nicht  minder  auffällig.  Die  Stirne 
ist  sehr  stark  zurückweichend,  das  Gesicht  springt 
dadurch  ungemein  vor,  namentlich  die  Nase,  aber 
auch  der  Oberkiefer  mit  den  schiefstehenden 
Zähnen.  Man  hat  deshalb  diese  Form  des  Ge- 
sichtes mit  dem  Ausdrnrk  des  Vogelgesichtes  be- 
zeichnet. Die  weltbekannten  Azteken  besassen  es 
in  derselben  Form.  An  solche  Mikrocephale  knüpft 
sich  stets  die  Frage , wann  entsteht  der  eigen- 
tümliche Zustand  am  Schädel  und  Hirn,  wodurch 
das  Wachsthum  der  beiden  Organe  sich  verlang- 
samt und  allzufrüh  stille  hält.  Man  kann  auf 
Grund  der  bisherigen  Erfahrungen  die  bestimmte 
Antwort  geben , dass  diese  hemmenden  Einflüsse 
fast  ausnahmslos  während  der  frühesten  Entwick- 
lungsperiode wirksam  sind.  Die  Kinder  kommen 
mit  einem  in  allen  Dimensionen  schon  sehr  redu- 
cirten  Schädel  zur  Welt,  der  kleiner  ist  als  bei 
gesunden  und  normalen  neugeborenen  Kindern. 
Man  ist  in  der  Regel  im  Stande,  sofort  nach  der 
Geburt  die  Mikrocephalie  nachzuweisen , die  also 
schon  im  intra-uterinen  Leben  begonnen  hatte.  Die 
Ursachen  des  verminderten  Schädelwachsthums  sind 
noch  nicht  erkannt,  wir  wissen  nnr,  dass  krank- 
hafte Processe  im  weiblichen  Organismus  auftreteu, 
welche  im  Innern  des  kindlichen  Organismus  weiter 
wirken  oder  ausschliesslich  in  letzterem  sich  ent- 
wickeln und  hauptsächlich  den  Schädel  in  seinem 
Wachsthum  behindern.  Es  wurde  früher  die  An- 
sicht aufgestellt  und  eine  Fülle  höchst  bestechender 
Belege  erörtert,  diese  mikrocephalen  Wesen  wären 
ein  Rückschlag  der  menschlichen  Rasse  auf  einen 
längst  verschwundenen  Urahnen , ein  Rückschlag 
zum  Affen.  Diese  Ansicht  darf  heute  als  wider- 
legt angesehen  werden.  Die  mikrocephalen  Kinder 
zeigen  krankhafte  Missbildungen  oder  Bildungs- 
hemraungen , die  am  Gehirn  und  am  Schädel  auf- 
treteti.  Letztere  gehören  in  dio  Reihe  derselben 
Missbildungen  , die  auch  an  anderen  Organen  des 
menschlichen  Körpers  auftreten.  Es  können  z.  B. 
Arme  und  Beine  mangelhaft  entwickelt  sein , die 
Oberschenkel  rudimentär  nnd  die  Unterschenkel 
und  Füssc  unmittelbar  am  Rumpfe  sitzen , und 
doch  haben  wir  kein  Recht,  in  einem  solchen  Fall 
von  einem  Rückschlag  zu  dem  Gcschlcchte  der 
Saurier  zu  sprechen. 

Es  hat  sich  übrigens  auch  nachwetseu  lassen, 
dass  der  pathologische  Process  nicht  immer  die 
nämlichen  Organe  des  Hauptes  ergreift.  Bald  ist 
es  nur  die  Hirnkapsel,  welche  das  Wachsthum  ein- 
stellt,  deren  Nähte  in  der  frühesten  Zeit  so  fest  ver- 


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wachsen,  dass  die  Entwicklung  des  Gehirns  sistireu 
muss , oder  die  hemmende  Kraft  ergreift  das  Ge- 
hirn, dieses  bleibt  im  Wachsthum  zurflck,  wahrend 
die  Nfthte  eine  weitere  Volumenszunalmie  möglich 
machen  würden.  So  gibt  ©*.  Mikrocephale . deren 
Gehirngewicht  nur  Ihn ) Gramm  betrügt , wahrend 
das  eines  gesunden  Menschen  zwischen  144m  bis 
1 5tHi  Gramm  schwankt.  Wie  regellos  übrigens 
diese  krankhaften  Processe  eingreifen , ganz  im 
Gegensatz  zu  dem  typischen  Auftreten  echter  ata- 
vistischer Erscheinungen , zeigt  sich  darin , dass 
ziemlich  ansehnliche  Schwankungen  in  Schädel- 
grösse  und  Gehirngewicht  bei  «len  Mikrocephalen 
gefunden  werden.  Man  hat  Gehirne  von  3m  bis 
UH 4»  Gramm  Schwere  beobachtet  Das  Gehirn, 
das  in  der  Schfldelkapsel  der  8jährigen  Mar- 
garetha liegt,  dürfte  kaum  über  4t M ) Gramm  be- 
sitzen. 

Ich  möchte  noch  auf  den  übrigen  körperlichen 
und  geistigen  Zustand  dieses  Geschöpfes  in  Kürze 
hin  weisen,  der  nicht  minder  merkwürdig  ist.  Der 
Gang  ist  schwankend,  die  Bewegungen  des  Kopfes 
wie  der  Extremitäten  schnellend . nicht  immer 
cuordinirt,  also  unsicher,  zweckwidrig,  und  zuckend; 
der  IJlick  ist  unruhig , die  Objecte  werden  un- 
bestimmt fixirt.  Die  normalen  Functionen  des 
Geistes  stehen  weit  unter  denen  eines  4jährigen 
Kindes.  Die  Hjährige  Margarethe  spricht  nur  das 
Wort  Mama,  sonst  hat  sic  noch  keine  sprachlichen 
Laute  gelernt.  Sie  gibt  durch  Jammern , durch 
weinerliche  Laute,  bei  denen  sie  das  Gesicht  ver- 
zieht. das  Bedürfnis  nach  Speise  kund,  und  lacht 
bei  Geschenken  von  Esswaaren  oder  von  Spiel- 
zeug. Sie  ist  erst  in  den  letzten  zwei  Jahren  rein- 
lich geworden.  Ihr  Appetit  hat  sich  seit  jener 
Zeit  gebessert.  Die  Ernährung  ist  gesteigert  im 
Vergleich  zu  den  ersten  Lebensjahren,  um!  lamit 
auch  ihr  Begriffsvermögen ; sie  hilft  ihrer  Mutter 
z.  B.  den  Tisch  decken  und  bringt  Teller.  Messer 
u.  s.  w.  auf  Verlangen  herbei . die  sie  an  dem 
Aufbewahrungsort  holt.  Sie  zeigt  ferner  ein  zärt- 
liches Mitgefühl  für  ihren  mikrocephalen  Bruder, 
der  wegen  Kränklichkeit  nicht  hieher  gebracht 
werden  konnte ; sie  nimmt  z.  B.  vom  Tische  Brod, 
geht  an  das  Bett  ihres  Bruders  und  füttert  ihn. 
du  er  selbst  nicht  im  Stande  ist,  die  Nahrung  zum 
Mund  zu  führen.  Sie  zeigt  eine  sehr  deutliche 
Zuneigung  zu  ihren  Angehörigen  und  Furcht  vor 
Fremden.  Beim  llereinführen  in  «len  Saal  gab 
sie  die  entschiedensten  Beweise  von  Furcht ; auf 
den  Tisch  gestellt , verbarg  sie  den  Kopf  im 
Kock  des  Vaters  und  wurde  erst  ruhig , als  die 
Mutter  sie  auf  «len  Arm  nahm.  Dieses  Erwachen 
geistiger  Thätigkeit  zeigt , dass  trotz  der  äusserst 
geringen  Gehirnmenge  ein  gewisser  Grad  intel- 
lectueller  Entwicklung  mit  dem  fortschreitenden 
Alter  Btattündet  Mit  dem  vierten  Jahre  be- 
gannen bei  M.  selbständig«1  Bewegungen  . bis  da- 
hin lag  sie , wie  noch  heute  ihr  fijähriger  Bruder, 
mit  Ausnahme  kleiner  Beugungen  und  Streckungen 
an  Rumpf  und  Gliedern  unbeweglich;  die  Mus- 


kulatur wurde  also  erst  nach  dem  vierten  Lebens- 
jahr stark  genug,  um  das  Gehen  zu  erlernen,  und 
das  Nervensystem  gewann  allmählich  «len  notli- 
w endigen  Einfluss  auf  die  motorischen  Organe. 
Um  dieselbe  Zeit  begann  eine  regere  geistige 
Entwicklung.  Was  die  Lebensdauer  der  Mikro» 
cephalen  betrifft,  so  ist  sie  meist  keine  sehr  lange, 
doch  hängt  sic  wesentlich  von  dem  Grad  «ler  kör- 
perlichen Entwicklung  ab;  einige  werden  alt.  andere 
gehen  schon  bald  nach  der  Gehurt  zu  Grunde. 
Auch  hierin  sind  sie  verschieden  von  den  atavi- 
stischen Erscheinungen , die  in  jeder  Hinsicht  die 
Eigenschaften  voll  entwickelter  Wesen  an  sich 
tragen  und  keine  Verkümmerung  fast  sämmtlicher 
Organe  zeigen,  wie  diese  unglücklichen  Mikro- 
cephalen. sondern  stets  als  vollwerthige  Repräsen- 
tanten ihrer  Species  auftreten.  Gleichwohl  bleiben 
diese  Mikrocephalen . namentlich  wegen  der  Ver- 
kümmerung des  Gehirns  und  der  «lamit  verbundenen 
niederen  Stufe  der  geistigen  Fähigkeiten,  ein  hoch- 
interessantes Object  für  den  Naturforscher. 

Hr.  Kränge  (Hamburg);  Ich  würde  hei  der 
Kürze  der  Zeit  es  nicht  wagen , vor  Ihneu  die 
Frage  der  Mikrocephalie,  welche  ja  hinreichend 
erörtert  worden  ist.  noch  einmal  vörzubringen, 
wenn  ich  nicht  im  Stande  wäre,  neues  Material 
für  die  ßeurtheilung  «lieses  Kapitels  hinzuzufügen. 
Es  war  das  Verdienst  Virchow's  auf  dem  Stutt- 
garter Congress,  dass  er  «ler  Confusion  zwischen 
Atavismus  und  Hemmungsbildung  ein  Ziel  gesteckt 
hat,  indem  er  letztere  als  path alogischen  Process, 
enteren  aber  als  die  Manifestation  des  ursprüng- 
lichen Bildungsgesetzes  hinstellte.  In  der  That 
wird  «lie  Mikrocephalie  in  der  überwiegendsten 
Anzahl  der  Fälle  eine  rein  pathologische  Erschei- 
nung sein.  Ich  bin  aber,  wie  Sie  hier  »eben,  im 
Besitz  eines  Schädels  und  Gehirns  von  einem 
affenähnlichen  Kinde,  welches,  trotzdem  es  keine 
pathologischen  Merkmale  aufweist,  doch  in  seiner 
Bildung  affenähnlichen  Typus  zeigt. 

Schädel  und  Gehirn  gehörten  einem  Knaben 
an,  welcher  am  4.  Oktober  1869  geboren  worden 
ist  als  das  letzte  von  4 Kindern.  Die  Eltern 
lebten  in  kleinen  Verhältnissen,  »la  «ler  Vater  als 
Arbeitsmann  nicht  viel  veniientc.  Vater  und 

Mutter  sind  gesund  und  sehen  kräftig  aus;  der 
Vater  war  bei  der  Geburt  des  Kindes  54  Jahre, 
die  Mutter  43.  Der  älteste  Sohn  ist  Seemann, 
das  darauf  folgende  Mädchen  ist  an  der  Cholera 
gestorben.  Der  dritte  Sohn  ist  jetzt  9 Jahre  alt 
und  hat  vor  zwei  Jahren  an  der  Chorea  major 
gelitten.  Paul,  der  jüngste,  war  von  Jugend  auf 
skrophulös , besonders  die  Drüsen  am  Hals  waren 
stark  geschwollen.  Er  bekam  erst  Ende  des 
zweiten  Jahres  Zähne,  welche  ganz  braun  gefärbt 
waren  und  sehr  bald  ausfieleu.  nach  Angabe  der 
Mutter  hat  Paul  mehrmals  dio  Zähne  gewechselt. 
Im  fünften  Jahre  lernte  er  erst  laufen.  Bereits 
seit  dem  dritten  Jahre  war  er  reinlich ; nur  sobald 
er  Bich  krank  fühlte,  war  er  es  nicht  mehr.  Der 


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Appetit  war  immer  gut,  bis  auf  die  letzte  vier* 
wöchentliche  Krankheit.  Der  Schlaf  war  stets 
ruhig.  Sein  Gemüth  war  heiter  und  zum  Spielen 
aufgelegt;  sobald  er  Musik  hörte,  dann  tanzte  er 
und  sang  dazu  in  ziemlich  unnielodiwheu  Lauten. 
Wenn  er  geneckt  wurde,  konnte  er  sehr  heftig 
sein;  alles,  was  er  in  die  Hand  bekam,  warf  er 
dem  Uebeltliäter  an  den  Kopf.  Kr  war  gern  in 
Gesellschaft ; besonders  fühlte  er  sich  wohl  unter 
Männern.  Seit  dem  vierten  Jahre  hatte  er  gelernt 
allein  zu  essen.  Paul  war  sehr  gelenkig,  kletterte 
gern  und  besass  besonders  in  den  Armeii  und 
Händen , die  förmlich  ein  schwieliges  Aussehen 
hatten  und  so  an  die  rhimpanseuhände  erinnerten, 
viele  Kräfte.  Kr  vermochte  sich  mit  ausgespreizteu 
Deinen  auf  die  Erde  zu  setzen,  lleim  Gehen  war 
er  nicht  sicher,  fiel  leicht  hin;  er  lief  mit  nach 
vorne  gebeugten  Knieen,  geknickten  Deinen;  er 
hüpfte  gern,  wobei  er  besonders  affenähnlich  er- 
schien. Die  grosse  Zehe  beider  Füsse  stand  im 
Winkel  vom  Kuss  ab  und  machte  so  den  Ein- 
druck einer  Greifzehe;  anfangs  glaubte  ich,  diese 
Ablenkung  sei  dadurch  entstanden , dass  das 
Kind  wegen  der  Unsicherheit  beim  Gehen  sieb 
eine  breitere  Unterstützungsbasis  habe  verschaffen 
wollen.  Ich  biu  aber  später  davon  zurückge- 
kommen, weil  ich  bei  anderen  kopfkranken  Kindern 
z.  D.  bei  Uydrocephalen  eine  solche  Angewohnheit 
nicht  wieder  vorgefunden  habe.  Paul  konnte 
wenig  sprechen,  fast  nur  Papa  und  Mama  sagen, 
und  auch  das  batte  er  erst  spät  gelernt  zweisilbig 
auszusprechen,  meist  gab  er  nur  Laute  von  sich, 
die  wie  ein  Grunzen  klangen.  Das  Gebell  eines 
Hundes  ahmte  er  mit  dem  Laut:  „nn-rr“  nach. 
Oft  stampfte  er  mit  Händen  und  Füssen,  klatschte 
iu  die  llände,  stiess  einen  grunzenartigen  Ton  aus, 
ganz  wie  ich  es  beim  Chimpausen  und  Gorilla  ge- 
sehen habe. 

Paul  war  kleiner  als  die  Kinder  seines  Alters; 
auf  dem  rechten  Auge  befand  sich  von  Jngend  auf 
ein  grosses  Lenkern;  meist  waren  die  Augenlider 
katarrhalisch  afficirt  und  eiterten.  Der  Kopf  hatte 
ein  wundes  Aussehen ; die  Stirn  war  schmal.  Paul 
besass  in  hervorragender  Weise  einen  Nachahmungs- 
trieb. Sein  ganzes  Wesen,  seine  Bewegungen 
waren  in  frappanter  Weise  affenähnlkh.  Von  seinen 
Eltern  wurde  er  entschieden  vernachlässigt;  er 
war  meist  schmutzigen  Aussehens  und  ich  glaube 
auch,  dass  der  frühe  Tod  des  Kindes  durch  die 
geringe  Pflege  herbeigeführt  worden  ist.  Paul  er- 
krankte am  Anfang  December  1876  an  einem 
acuten  Bronchialkalarrh ; ärztliche  Hilfe  (der 
Armenarzt)  wurde  erst  spät  zugezogen.  Am  4. 
Januar  1877  wurde  ich  durch  die  Mutter  von  dem 
hoffnungslosen  Zustande  des  Kindes  benachrichtigt. 
Als  ich  sofort  das  Kind  besuchte1 , war  bereits 
Lungen  läbmung  vorhanden.  Die  verabreichten 
Kxcitantia  hatten  keine  Wirkung  mehr  und  so 
starb  Pani  am  5.  Januar  1877  morgens  im  Alter 
von  7'/*  Jahren.  Ich  sicherte  mir  die  Sectkm  und 
den  Besitz  des  Kopfes. 


Wenn  Sie  liier  den  Schädel  und  das  Ge- 
hiru  betrachten,  welche  diesem  eben  geschilderten 
Kinde  angebört  haben , so  fehlen  suuächst  alle 
Merkmale  der  Mikrocephalie.  Der  Schädel  besitzt 
eine  Capacität  von  1022  ccm.  und  das  Gehirn  wiegt 
1)50  gr.;  beide  weichen  daher  nicht  von  der  Norm 
ah.  Sieht  mail  jedoch  den  aufgesägten  Schädel 
von  innen  an,  so  bemerkt  man  eine  Asym- 
metrie beider  Hirnhälften;  der  Schädel  ist 
etwas  nach  vorn  und  rechts  verschoben.  Die  partes 
orbitale*  des  Stirnbeins  sind  höher  und  gewölbter 
als  in  der  Hegel,  wodurch  die  lamimt  cribrosa  des 
Siebbeins  tiefer  zu  hegeu  kommt  und  Anlass  zu 
der  bekannten  Bildung  des  Siebbeiitscbnabols  am 
Gehirn  gegeben  wird.  Die  Hirnwindungen  finden 
sich  deutlich  auf  der  inneren  Fläche  des  Schädels 
ausgeprägt.  Dei  Gesichts  Schädel  zeigt  keine  Ab- 
weichungen. Prognathie  ist  nicht  vorhanden.  Nur 
die  Zahnbildung  ist  unregelmässig;  cs  fehlt  oben 
und  unten  itn  Kiefer  ein  Pruemolarzahn,  und  zwar 
ist  auch  kein  Platz  für  ihn  vorhanden.  Die  Schneide- 
und  Prämolarzähtie  sind  im  Wechsel  begriffen. 

Was  das  Gehirn  anbetrifft,  so  will  ich  bei  der 
vorgeschrittenen  Zeit  nur  die  wesentlichsten  Ab- 
weichungen vom  Bau  des  menschlichen  Gehirns 
vorführen,  ohne  in  Einzelheiten  zu  gehen. 

Die  beiden  Hiruhälfteu  sind  asymmetrisch;  in 
der  Gegend,  wo  auf  der  linken  Hemisphäre  die 
Fissnra  parieto-occipitalis  sich  befindet,  weichen  die 
beiden  Hemisphären  aus  einander,  bilden  einen  nach 
aussen  und  hinten  convexen  Kaud,  der  Art,  dass 
das  kleine  Gehirn  nnbedeekt  bleibt.  An  der  unteren 
Fläche  der  Frontallappen  ist  ein  stark  ausgeprägter 
Siebbeinsehnabel  vorhanden.  Beide  Fossae  Sylvii 
sind  nicht  geschlossen,  links  weniger  als  rechts; 
das  Operrulum  ist  nur  gering  vorhanden,  die  Insel 
liegt  mit  ihren  Sulci  fast  vollständig  unbedeckt. 
Diese  Bildung  erinnert  durchaus  an  das  Gehirn 
der  anthropoiden  Affen.  Beide  Sulci  centrales  sive 
Fissurae  Ilowlandi  verlaufen  gestreckt,  weniger  Gef 
als  iu  der  Norm  zum  Hemisphärenraude,  ohne 
gegen  einander  einen  Winkel  zu  bilden.  Sehr  stark 
und  tief  ausgeprägte  Sulci  praecentrales  scheinen 
dafür  zu  vicariiren.  Der  Sulcus  interparietalis, 
welcher  weiter  nach  aussen  eutspringt  als  heim 
Menschen,  nimmt  den  Sulcus  parieto-occipitalis  auf, 
eine  typisch  dem  Affenliirn  zukommeude  Bildung. 
Der  Sulcus  occipitalis  transversus,  welcher  beim 
Menschen  meist  wenig  ausgeprägt  ist,  erstreckt 
sich  hier  als  Gefe  Spalte  quer  über  den  Occipital- 
lappen,  trennt  denselben  beinahe  ganz  vom  Scheitel« 
lappen  und  es  entsteht  daher  eine  sogenannte 
Affenspalte  und  der  letzte  Theil  des  Occipital- 
lappons  sieht  wie  ein  Operculnm  aus.  Die  Fissura 
calcarina  entspringt  bereits  auf  der  Oberfläche  des 
Hinterhauptlappens,  nimmt  die  Fissnra  parieto- 
occipitalis  erst  *pät  auf  and  geht  auf  der  rechten 
Seite  direct  in  die  Fissura  Hippocampi.  Auch 
diese  Abnormität  ist  typisch  für  das  Affenhirn. 

Der  Gyros  o»  cipitalis  primn*  ist  vom  obern 
Seheitellappen  durch  den  Sulcus  parieto-üccipitalis 


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134 


getrennt,  eine  Bildung,  welche  nach  Gratiolet 
bei  manchem  Affen  vorkommt.  Der  Gyras  tem- 
poralis  superior  ist  beiderseits  auffallend  reducirt 
und  besitzt  nur  eine  durchschnittliche  Breite  von 
ß Millimeter;  es  ist  das  eine  Eigentümlichkeit, 
welche  durchaus  an  das  Gehirn  des  Chimpansen 
erinnert,  welcher  stets  diese  reducirte  oberste 
Schläfen  Windung  besizt. 

Indem  ich  auf  weitere  Ausführung  verzichte, 
habe  icli  hier  hauptsächlich  die  Frage  anregen 
wollen , ob  es  nicht  doch  Gehirne  gehen  könne, 
welche,  ohne  mikroccphal  zu  sein,  typische  Affen- 
bildung besitzen  könnten.  Wir  haben  hier  eben 
ein  Gehirn  gesehen , welches  im  Volumen  kaum 
von  der  Norm  abweicht;  wir  haben  ein  Gehirn 
gesehen , welches  alle  Windungen  und  Furchen 
besitzt,  vielleicht  mehr  als  normal  windungsreich 
erscheint,  welches  in  jeder  Hinsicht  differenzirt  ist, 
trotzdem  in  seiner  ganzen  Bildung  mehr  dem  Affen- 
ais Menschentums  sich  zuneigt.  Würde  mir  das 
Gehirn  vorgelcgt  worden  sein,  ohne  dass  ich  seinen 
Ursprung  wüsste,  so  hätte  ich  das  vollständigste 
Recht  gehabt,  dieses  Hirn  einem  anthropoiden 
Affen  zuzutheilen,  welcher  dem  Menschen  um 
einige  Grade  näher  steht  als  der  Omnpanse.  Ich 
glaube  daher,  dass  dieses  Gehirn  wohl  berechtigt, 
die  Frage  über  Hcmmungsbildung  und  Atavismus 
in  ihrem  Verhältnis»  zur  Mikrocephalie  noch  ein- 
mal in  Betracht  zu  ziehen. 

Hr.  Virchow:  Ich  habe  schon  in  Berlin  die 
Familie  Becker  in  eingehender  W'eise  besprochen, 
und  Sie  werden,  wenn  Sie  sieh  dafür  interessiren, 
in  dem  Berichte  über  die  Julisitzung  nnserer  Ge- 
sellschaft das  Ausführlichere  darüber  finden.  Ich 
will  daher  hier  nur  ein  paar  Gesichtspunkte  her- 
vorheben. Es  wird , wenn  man  nicht  unmittelbar 
in  die  Häuser  kommt,  selten  Gelegenheit  gegeben 
werden,  ein  so  vollständiges  Bild  zn  haben,  wie 
hier,  wo  Vater,  Mutter  und  ein  anderes  Kind 
zur  Vergleichung  vorhanden  sind.  Wie  schon  Hr. 
Kollmann  gesagt  hat,  waren  unter  den  Kindern 
dieser  Familie  Überhaupt  4 Mikroccphalen.  Schon 
gestorben  und  von  Bi  sc  ho  ff  untersucht  ist  eine 
ältere  Schwester:  Margarethe;  dann  folgt  diese 
Tochter  hier;  dann  ist  noch  zu  Mause  ein  jüngerer 
Sohn,  der  ursprünglich  mit  hieher  kommen  sollte, 
aber  unterwegs  so  ungebärdig  wurde,  dass  er 
wieder  hat  zurflckgebracht  werden  müssen,  und 
endlich  war  noch  ein  ganz  kleines  Kind  da, 
welches  früh  gestorben  ist,  ohne  zur  weiteren 
Entwicklung  zu  kommen.  Daneben  sind  3 gesunde 
Kinder  vorhanden.  Wir  haben  also  hier  die  sehr 
merkwürdige  Thatsache,  dass  von  diesen  zwei  an- 
wesenden gesunden  Eltern , in  deren  Verwandt- 
schaft und  Abstammung  bis  dahin  durchaus  nichts 
derartiges  hervorgetreten  sein  soll,  im  Laufe  der 
Zeit  4 mikrocephale  Kinder  geboren  worden  sind 
und  zwar  nicht  etwa  hinter  einander,  sondern  ab- 
wechselnd mit  gesunden  Kindern.  Die  besondere 
Bedingung,  welche  die  Mikrocephalie  hervnrbringt. 


musste  also  hier  in  variabler  Weise  wirken.  Es 
ist  in  der  That  ungemeiu  schwer  zu  verstehen, 
wie  eine  Ursache,  die  unzweifelhaft  in  den  Eltern 
liegen  muss,  periodisch  wirksam  und  dann  wieder 
unwirksam  wird.  Es  ist  gänzlich  unmöglich,  das 
dem  Zufall  zuzuschreiben.  Da  dieselben  Eltern  4 
solche  Kinder  erzeugten , so  muss  in  ihnen  ein 
Motiv  liegen  für  diese  Störung,  und  inan  muss 
nothwendiger  Weise  annehmen , dass  sich  die- 
selben Bedingungen,  unter  denen  einmal  Mikro- 
cephalie  entstand,  in  ihnen  zu  gewissen  Zeiten  re- 
produciren. 

Nun  kann  ich  allerdings  aus  meiner  Erfahrung 
sagen,  dass  diese  Thatsache  nicht  isolirt  steht. 
Es  gibt  auch  sonst  ähnliche  Verhältnisse,  wro  im 
Laufe  der  Zeit  bei  verschiedenen  Kindern  derselben 
Eltern  sich  eine  ganz  ungewöhnliche  Abweichung 
iu  der  Entwicklung  zeigt,  und  ich  möchte  das 
namentlich  deshalb  betonen , weil  unter  diesen 
Abweichungen  solche  sind,  die  nichts  Thierähnliches 
an  sich  haben.  In  dieser  Beziehung  habe  ich  per- 
sönlich sehr  entscheidende  Beobachtungen  über 
eine  an  sich  sehr  merkwürdige  Abweichung,  nem- 
lich  über  das,  was  inan  Hydrops  renum  cystieus 
genannt  hat,  eine  Veränderung,  wobei  die  Nieren 
in  eine  Reihe  von  Blasen  umgewandelt  werden, 
nicht  dadurch,  dass  die  Kelche  sich  erweitern, 
sondern  dass  die  Harnkanälchen  innerhalb  der 
Substanz  der  Nieren  selbst  in  Blasen  übergehen, 
so  dass  die  Nieren  sich  in  ein  Convolut  von  Blasen 
verwandeln  nnd  eine  ungewöhnliche  Grösse  an- 
nelunen.  Diese  Form  von  Nierenveränderung  hat 
gar  nichts  Theromorphes;  man  kann  sie  weder 
mit  den  Nieren  von  Affen,  noch  mit  denen  anderer 
Thiere  vergleichen.  Es  ist  reine  Pathologie;  kein 
Mensch  zweifelt  daran.  Nichtsdestoweniger  gibt 
es  Familien,  in  welchen  sich  dieser  Hydrops  renum 
cystieus  genau  in  derselben  Weise  bei  einer  Reibe 
von  Kindern  einstellt  und  dazwischen  andere  ge- 
sunde Kinder  geboren  werden.  Aus  solchen  That- 
sachen  kommt  man  mit  Nothwendigkeit  auf  die 
Conseqncnz,  dass  hier  ein  Einfluss  der  Eltern  wirk- 
sam ist,  und  insofern  tritt  ein  Verhältnis»  hervor, 
welches  an  Erblichkeit  erinnert.,  welches  dem 
Verhält  n iss  der  Erblichkeit  nahe  kommt. 
Aber  meiner  Meinung  nach  muss  man  sich  eben 
hier  klar  werden,  dass,  so  ähnlich  dieses  Verhält- 
nis dem  Verhältnisse  der  Erblichkeit  ist,  es 
doch  principiell  davon  geschieden  werden  muss. 
Wir  können  daraus  keinen  Atavismus  deduciren, 
sondern  wir  können  nur  sagen:  hier  ist  offenbar 
in  den  Eltern  etwas  vorhanden,  was  eine  Summe 
von  Bedingungen  setzt,  welche  diesen  Effect  her- 
vorbringt. 

Auf  der  anderen  Seite  will  ich  anerkennen, 
dass  die  Parallele,  welche  ich  ziehe,  noch  keinen 
Beweis  für  das  pathologische  Verhältnis»  der  Mi- 
krocephalie liefert , und  ich  will  hier  wiederholen, 
was  ich  schon  in  einem  Berliner  Vortrage  ausge- 
führt habe,  dass,  obwohl  ich  überzeugt  bin,  dass 
die  Mikrocephalie  ein  pathologisches  Ding  ist,  mir 


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135 


doch  der  volle  Beweis  dafür  fehlt.  Dieser  Beweis 
würde  erst  dadurch  hergestellt  werden,  dass  wir 
den  Mittelpunkt  der  Störung,  die  hier  vorliegt,  und 
den  Mechanismus,  nach  dem  sic  sich  vollzieht, 
nachweisen  könnten.  Das  können  wir  leider  nicht, 
und  auch  der  Fall,  den  Hr.  Krause  vorlegt,  und 
der  gewiss  sehr  merkwürdig  ist,  entbehrt  noch 
dieses  Schlüssels.  Ich  will  in  diesen  Erörterungen 
nicht  weiter  gehen.  Ich  habe  anderweitig  weit- 
läufig dargelegt , worin  die  Differenz  dieses  Falles 
von  anderen  Missbildungen  liegt,  wo  wir  wirklich 
den  Schlüssel  haben,  wo  wir  nicht  bloss  die  ersten 
Anfänge  der  Störung  kennen,  sondern  wo  wir  auch 
die  ganze  Serie  der  weiteren  Störungen  verfolgen 
können.  Unsere  Erfahrungen  in  der  Mikrocephalie 
leiden  an  dem  Mangel,  dass  uns  weder  die  ersten 
Anfänge,  noch  die  genaue  Reihenfolge  der  Störungen 
und  damit  die  Einsicht  in  den  eigentlichen  Mechanis- 
mus klar  geworden  ist. 

Immerhin  ist  es  von  höchstem  Interesse,  ein- 
mal solche  Verhältnisse,  wie  diese  hier,  inmitten 
der  Gcsaramtheit  der  Familienbeziehungen  zu  sehen. 
Für  alle  diejenigen,  welche  die  Affenfrage  spe- 
ciell  interessirt,  kann  es  nichts  Interessanteres 
geben,  als  zu  fragen:  ist  die  Psychologie,  welche 
von  diesem  Gehirn  ausgeht  eine  Affenpsychologie  ? 
Ich  bin  überzeugt,  Jeder,  der  das  mikrocephale 
Kind  beobachtet,  wird  finden,  dass  es  psychologisch 
von  einem  Affen  gar  nichts  an  sich  hat.  Alle  po- 
sitiven Fähigkeiten  nnd  Eigenschaften  des  Affen 
fehlen  hier;  es  ist  nichts  von  der  Psychologie  des 
Affen  darin,  sondern  nur  von  der  Psychologie 
eines  unvollständigen,  mangelhaften,  kleinen  Kindes. 


Jeder  Zug  ist  menschlich,  jeder  einzelne  Zug.  Ich 
habe  das  Mädchen  vor  ein  paar  Monaten 
Stunden  lang  in  meinem  Zimmer  gehabt  nnd  mich 
mit  ihr  beschäftigt;  nie  habe  ich  an  ihr  etwas  be- 
merkt, was  nach  meiner  Auffassuug  auch  nur  ent- 
fernt an  die  psychologischen  Vorgänge  des  Affen 
erinnert.  Es  ist  ein  niedrig  stehendes,  menschliches 
Wesen,  was  in  keiner  Weise  von  der  Natnr  des 
Menschen  abweicht. 

Hr.  Schaaffhauaen : Gestatten  Sie  mir  ein 
Wort  zur  Vervollständigung  des  Falles,  den  ich 
genau  kenne.  Ich  habe  die  hier  vorgestellte 
Mikrocephale  und  die  verstorbene  Schwester  der- 
selben wiederholt  beobachtet.  Ich  führe  an,  wie 
der  Vater  mich  versichert  hat,  dass  die  Mutter, 
nachdem  sie  ein  solches  Kind  geboren  hatte,  bei 
den  anderen  stets  im  voraus  angeben  konnte,  dass 
sie  wieder  ein  mikrocephales  Kind  zur  Welt 
bringen  würde.  Ihr  Wohlbefinden  war  während 
diesen  Schwangerschaften  durch  Schmerzen  im 
Unterleibe  häufig  gestört.  Es  ist  also  in  diesem 
Falle  doch  sehr  wahrscheinlich,  dass  ein  schon 
von  Klebs  und  Anderen  als  Ursache  der  Mikro- 
cephalie angenommener  krankhafter  Zustand  des 
mütterlichen  Organes  bestanden  hat  und  dass 
Krämpfe  des  Uterus  die  Entwickluug  des  Hirns 
von  Anfaug  an  beeinträchtigt  haben.  Eine  in 
diesem  Sinne  und  mit  Hinweisung  auf  den  vor- 
liegenden Fall  geschriebene  Dissertation  über  die 
Ursachen  der  Mikrocephalie  hat  Dr.  H.  Gerhartz 
in  Bonn  1874  verfasst. 


Vierte  Sitzung. 


Inhalt:  Lacae:  Wachtthum  des  Schädels  nach  der  Geburt.  — Schaa  ff  hausen:  prähistorische  Funde  im 
Rheinland  und  Westfalen.  — Fischer:  hart,  tpröd  und  zäh.  — Diskussion  Uber  Schaaffhauscns 
Vortrag  namentlich  zur  Nephrit-Frage.  — K oll  manu:  Uber  nicsocephale  Schädel  aus  alten  Gräbern 
Bayerns.  — Johannes  ltauke:  craniologische  Mittheilungen  über  die  Landbevölkerung  Altbayerns. 
Virchow:  Anthropologische  Mittheilungen  aus  Livland  und  craniologische  Betrachtungen.  Diskussion. 
— Graf  Wurmbrand:  Beiträge  zur  Frage  über  die  Gewinnung  des  Eisens  und  die  Bearbeitung  der 
Bronze.  Diskussion.  — Graf  W u rmbran d : Bohmiethoden  dos  Steins  in  prähistorischer  Zeit  — 
Virchow:  Uber  die  nördlichen  Pfahlbaufunde.  — Fraas:  Uber  die  Schussenrieder  Pfahlbauten.  — 
Virchow:  Schlussansprache. 


Hr.  Lucae : Wir  haben  über  das  Wachs- 
tlium  des  Schädels  nach  der  Geburt  eigentlich 
gar  keine  genaueren  Kenntnisse,  und  Sie  werden 
noch  in  diesen  Tagen  gehört  haben,  dass  gerade 
narb  entgegengesetzten  Richtungen  die  Meinungen 
darüber  sich  bewegen.  Meines  Wissens  hat  Hr. 


Sc  ha  aff  hausen  auf  der  hannoverschen  Ver- 
sammlung Beobachtungen  mitgctheilt,  die  er  über 
die  Veränderung  der  Schädel  an  seinen  eigenen 
Kindern  in  verschiedenen  Jahren  gemacht  hat. 
Ich  sah  mich  veranlasst , dieser  Sache  etwas 
uäher  zu  treten.  Im  Hinblick  auf  die  schönen 


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Erfolge,  die  wir  durch  die  Erhebungen  der  Farben 
der  Haare.  Augen  und  Haut  durch  die  Schule  er- 
halten haben  . wendete  ich  mich  ebenfalls  aii  die 
Schullehrer  und  fand  bei  den  Lehrern  und  Di- 
rectoren  der  Volksschulen  Frankfurts  die  grösste 
Bereitwilligkeit,  mich  zu  unterstätzen.  Eine  von 
mir  in  Bomheira  gegründete  Kleinkinder bewahr- 
anstalt,  die  heute  noch  unter  meiner  Leitung  sich 
befindet,  enthält  HO  bis  100  Kinder  von  2 bis  6 
Jahren.  Von  dieser  Anstalt  ausgehend,  nahm  ich 
dann  Messungen  an  den  Kindern  der  aufsteigenden 
Klassen  der  Ortsschule  vor.  bei  welchen  mich  mein 
Collega  Hr.  Dr.  M i n or,  der  Hr.  Oberlehrer  Ank  e I , 
der  Dircctor  dieser  Anstalt  und  die  verschiedenen 
Klassenlehrer,  namentlich  aber  Ilr.  Lehrer  Ger- 
lach  aufs  eifrigste  unterstützten.  Hie  Messungen 
betrafen  die  Körpergrösse , daun  die  a)  Länge, 
b)  Breite , c)  Höhe  des  Schädels,  senkrecht  oder 
parallel  zur  Horizontale  (wie  II  öl  der)  mit  dem 
Stangenzirkel  gemessen  (b)  über  das  Äussere  Ohr 
hinter  dem  Tragus  und  c)  von  dem  Ohrloche  aus. 
Ebenso  die  Breite  des  Gesichtes  in  der  Augen- 
gegend (zwischen  den  Vereinigungsstellen  der  Stirn- 
nnd  Jochbeine) , Breite  der  Jochbogen  und  die 
Entfernung  der  Unterkieferwinkel.  Endlich  die 
Höhe  des  Gesichtes  zwischen  Nasenwurzel  und 
Kinn. 

So  bin  ich  iu  der  Lage . Ihnen  heute  die 
Masse  von  circa  600  Knaben  vom  2.  bis  14. 
Jahre  vorlegen  zu  können.  Ich  beschränkte  mich 
nur  auf  die  Knaben . da  die  Mädchen  wegen 
Zöpfen  etc.  Schwierigkeiten  machen.  Es  ist  jetzt 
festgesetzt,  dass  jedes  Jahr,  und  so  10  Jahre 
fort , immer  im  September , ehe  die  Herbstferien 
beginnen,  an  denselben  Kindern  dieselben  Mes- 
sungen vorgenommen  werden , so  dass  man  von 
den  einzelnen  Individuen  die  Veränderungen  der 
Körpergröße,  sowie  der  Durchmesser  des  Kopfes 
und  des  Gesichtes  im  Laufe  der  Jahre  eonstatiren 
kann.  — Nur  so  entstehen  Resultate , nicht  aber 
durch  Zusammenstellen  und  durch  Mittelzahlen 
einer  einmaligen  Messungsreihe.  — Wenn  ich  mm 
aber  doch  Ihnen  heute  nur  eine  einmalige  Mes- 
sung vorlege , so  ist  es  mir  nur  darum  zu  thun. 
eine  Anregung  zu  geben  , dass  au  anderen  Orten 
ebenfalls  solche  Messungen  vorgenoinmen  werden, 
und  ich  glanbe.  dass  sich  hiefflr  z.  B.  die  Schweiz 
ganz  besonders  eignet.  Auf  diese  Weise  würden 
wir  ein  recht  hübsches  Material  und  eiu  Funda- 
ment für  unsere  Sch&delmesanugen  bekommen,  die 
trotz  allem  noch  sehr  im  Argen  liegen.  Denn  man 
verlangt  und  erwartet  zu  viel  von  der  Messung 
und  weit  mehr . als  sic  zu  leisten  im  Stande  ist. 
Statt  nur  im  Grossen  und  Ganzen  die  Messung  an- 
zuwenden, um  die  Anschauung  zu  controliren  (wie 
ich  mich  schon  ira  Jahre  1861 , vor  unserer  Zu- 
sammenkunft in  Göttingen,  und  noch  ausführlicher 
in  einein  zweiten  Sendschreiben  186;$  an  E.  v. 
Bacr  ausgesprochen  habe),  versucht  man  sie  auch 
für  das  feinere  Detail,  statt  der  Anschauung  zu 
instituiren.  Hiezu  aber  ist  die  Messung  theils  zu 


roh  und  theils  zu  fein.  Daher  die  stete  Unzu- 
friedenheit und  Unsicherheit , sowie  die  Agitation 
nach  Reform.  Ich  hatte  mir  vorgenomroen . mich 
über  «len  Werth  derselben  etwas  weiter  auszu- 
gprechen , verzichte  aber  darauf  bei  der  Kürze 
der  Zeit  und  bei  den  noch  bevorstehenden  Er- 
örterungen. — • 

Hr.  Virchow:  Bevor  ich  das  Wort,  weiter 
gehe . will  ich  ein  mir  eben  vorgelegtes  Heft 
von  Schwedens  Geschichte  „Sveriges  Historia“  vor- 
legen, in  welchem  auf  Seite  2:4  eine  Thier- 
z ei  eh  n ring  steht,  welche  auf  einer  in  einem  Torf- 
moore in  Schonen  gefundenen  Hirschhornaxt  sich 
findet.  Die  Abbildung  ist  allerdings  sehr  roh.  dürfte 
aber  immerhin  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  ur- 
ältesten  Zeit  sein.  — 

Hr.  Scbaafflia nsen : Ich  habe  mir  vorge- 
nommen , über  die  wichtigsten  prähistorischen 
Funde  in  Rheinland  und  Westfalen,  die  ira  Laufe 
des  Jahres  durch  meine  Hand  gegangen  sind. 
Ihnen  einige  Mittheilungen  zu  machen . um  Ihre 
Aufmerksamkeit  darauf  hinzulenken  und  um  in 
Bezug  auf  Manches  mir  Belehrung  von  meinen 
Fachgenossen  zu  erbitten.  In  unserem  Rheinland 
und  in  Westfalen  ist  eine  Fülle  prähistorischer  Ge- 
genstände in  der  letzten  Zeit  zu  Tage  gefördert 
worden  , so  dass  ich  das  meinen  Studien  darge- 
botene Material  oft  kaum  beherrschen  kann.  Die 
Zeit  drängt  uns  hier,  wie  Sie  wissen,  und  ich  werde 
deshalb  mit  Rücksicht  auf  die  Redner , die  noch 
hinter  mir  stehen , nur  die  Hauptsache  von  dein 
sagen  , was  ich  gern  in  weiterer  Ausführung  mit- 
getheilt  hätte. 

Es  ist  zunächst  die  Höhle  von  Steeten  an  der 
Lahn,  über  die  Hr.  Virchow  bereits  einige  Be- 
merkungen gemacht  hat,  aus  der  mir  Hr.  v.  Co- 
ha usen  in  Wiesbaden  alle  menschlichen  Reste 
und  Werkzeuge  zur  genaueren  Untersuchung  zu- 
geschickt hat.  Diese  Höhle , die  vollständig  aus- 
geräumt ist  und  deren  Inhalt  in  dein  Museum  von 
Wiesbaden  sich  befindet,  bietet  einige  recht  be- 
merkenswerthe  Funde.  Zunächst  sind  es  Menschen- 
reste, die  uns  wegen  ihrer  primitiven  Bildung  auf- 
fallen müssen.  Es  ist  hier  eiu  Schädel  ausge- 
graben , der , sehr  lang  und  Bchmal , mit  hoch- 
stehenden und  vorspringenden  Scheitelhöckern  zum 
Typus  des  Engisschädels  gehört  und  darum  be- 
sonders merkwürdig  ist , weil  nicht  sehr  fern  von 
da,  bei  Höchst  vor  zwei  Jahren  im  Dilnviallehm 
ein  ganz  Ähnlicher  Schädel  mit  einem  Steinbeile 
gefunden  worden  ist.  Beide  Schädel  sind  Greisen- 
schä  lei ; der  von  Höchst  zeigt  eine  senile  Atrophie, 
wie  ich  sie  nie  gesehen  habe.  Sein  Scheitelbein 
ist  an  einer  Stelle  vollständig  durchlöchert,  während 
man  sonst  hier  nur  eine  Einsenknng  oder  eine 
Verdünnung  des  atrophischen  Knochengewebes  be- 
obachtet. Es  ist  das  ein  Beweis , dass  auch  in 
jener  Zeit  die  Menschen  ein  sehr  hohes  Alter  er- 
reichen konnten.  Ich  lege  hier  die  Photographien 


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vor.  Ich  habe  einen  Ansguss  des  Schädels  von 
Steeten  machen  lassen , der  eine  ungewöhnliche 
Verkümmerung  der  hinteren  Lappen  des  grossen 
Gehirns  zeigt,  die  so  spitz  zulaufen , wie  ich  dies 
nie  in  einer  Darstellung  niederer  Gehirne  gefunden 
habe.  Die  Photographien  geben  nur  von  dem 
Schädelumriss  ein  deutliches  Bild,  nicht  aber  von 
den  Flächen,  deren  Relief  keineswegs  treu  wieder- 
gegeben, sondern  durch  die  Wirkung  des  Lichtes 
uud  den  verschiedenen  Abstand  von  der  Linse  oft 
sehr  verändert  wird. 

Nächst  diesem  Schädel  sind  es  Werkzeuge, 
die  sehr  wichtig  sind.  Unter  verschiedenen  durch 
einfache  eingeritzte  Linien  verzierten  Knochen 
kommen  nemlich  zwei  Mammuthzahnstücke  vor,  die 
ebenfalls  eine  einfache  Zeichnung  schräg  sich  kreu- 
zender Linien  tragen.  Ein  Vogelknochen  ist  sehr 
schön  durch  mehrfache  tief  eingeschnittene  Zick- 
zacklinien gezeichnet,  ist  aber  schwer  bestimmbar. 
Es  ist  der  Radius  eines  grossen  Vogels,  vielleicht 
eines  Adlers , einer  Gans  oder  eines  Schwans. 
Ganz  ähnliche  Stücke  hat  das  Museum  in  Brüssel. 
Schwierig  ist  es . sich  hiebei  zu  denken  , wie  der 
prähistorische  Mensch  sich  solcher  Vögel  hat  be- 
mächtigen können.  Das  eine  der  gezeichneten  Elfen- 
beinstücke habe  ich  selbst  an  einer  Stelle  noch  von  dem 
die  Linien  bedeckenden  Kalksinter  befreit.  DieseZie- 
raten  sind  auch  so  einfach,  dass  au  einen  Betrug  gar 
nicht  gedacht  werden  kann.  Beide  Stücke  scheinen 
einem  sogenannten  Falzbein  anzugehöreu,  wie  wir 
es  gestern  aus  der  Thayinger  Höhle  gesehen  haben, 
dessen  Gebranch  ans  ganz  unbekannt  ist.  Ks  sind 
die  menschlichen  Reste  zwar  in  grosser  Tiefe,  aber 
am  Eingang  der  Höhle,  die  Mammuthrestc  dagegen 
in  dem  Hintergründe  der  Höhle  gefunden  worden: 
aus  der  Lagerung  lässt  sich  also  kein  Zusammen- 
hang schließen , wohl  aber  könnte  man  fragen, 
lebte  der  Mensch  nicht  mit  dem  M&mmuth , weil 
er  sein  Elfenbein  nur  bearbeiten  konnte  . als  es 
fest  und  frisch  war,  und  ist  nicht  der  primitive 
Schädel  der  eines  Mammuthjägers  ? Ich  lege  auch 
von  diesen  bearbeiteten  Knochen  die  Photogra- 
phie vor. 

Ausser  diesen  Mammuthzahnstücken  ist  ein 
merkwürdiges  Werkzeug  gefunden,  nämlich  ein  40 
( entimeter  langer  Dolch  aus  Knochen;  man  könnte 
sagen , es  ist  ein  Knochenschwert.  Es  ist  dieser 
Knochen  ganz  gerade ; er  hat  eine  convexe  Ober- 
fläche, welche  die  natürliche  Knochenoberfläche  zu 
sein  scheint;  auf  der  anderen  Seite  ist  er  gerade 
geschliffen ; er  ist  sehr  dünn  und  hat  nur  2 bis  3 
( entimeter  Dicke  in  der  Mitte.  Ich  kenne  kein 
Thier,  weiches  einen  so  langen  und  geraden  Glied- 
masscnknochen  mit  entsprechender  Krümmung  der 
Oberfläche  hat,  als  das  Manimuth.  Mail  muss  sich 
fragen,  wenn  man  an  den  heutigen  mürben  Zustand 
der  Mammuthknochen  denkt , soll  Jemand  aus 
solchen  fossilen  Mammuthknochen  sich  ein  solches 
Werkzeug  gemacht  haben , eine  stechende  und 
schneidende  Waffe,  die  doch  scharf  sein  musste? 
Mau  wird  hier  wirklich  mit  Nothwendigkcit  dahin 

Corrt«p.*UUU  Nro.  II. 


geführt,  zu  sagen,  nur  von  noch  harten  Manimuth- 
knorhen  wird  der  Mensch  sich  ein  solches  Werk- 
zeug gemacht  haben.  Ich  muss  aber  nach  Aus- 
messung verschiedener  Knochen  grossei  Thiere  bei 
der  Ansicht  bleiben,  dass  dieser  Knochendoleh  mit 
der  allergrössten  Wahrscheinlichkeit  ein  Stück 
Mammuthknochen  ist.  Heute  wird  fossiles  sibi- 
risches Elfenbein  vom  Mammuth  in  grosser  Menge 
verarbeitet , dessen  gute  Erhaltung  wir  der  Kälte 
des  nordischen  Klimas  zuschreiben.  Konnte  nun 
nicht  vor  2 bis  3000  Jahren  vielleicht  das  Elfen- 
bein unserer  Höhlen  noch  hart  sein , wiewohl  es 
damals  schon  eben  so  lange  in  der  Erde  gelegen 
und  die  kältere  Temperatur  Europas  in  der  letzt- 
vergangenen Vorzeit  auch  seine  Erhaltung  be- 
günstigt hat.  Aus  einer  Steile  des  Straho  scheint 
hervorzugehen,  dass  die  Briten  Elfenbein  bearbeitet 
haben,  und  musste  dieses  nicht  fossiles  sein,  oder 
ist  es  aus  Asien  dahingekommen? 

Unter  den  anderen  Menschenresten  der  Höhle 
von  Steeten  ist  mir  noch  ein  kleiner  Knochen  auf- 
gefalleu,  der  in  mehreren  Exemplaren  da  ist.  Es 
ist  das  der  Metatarsus  der  grossen  Zehe.  Sic 
wissen,  dass  man  zu  den  Merkmalen  niederer  Or- 
ganisation der  wilden  Rassen  auch  die  grössere 
Abstellbarkeit  und  Beweglichkeit  der  grossen  Zehe 
des  Fusses  zählt  und  darin  mit  Recht  eine  An- 
näherung an  die  Bildung  der  Anthropoiden  erkennt, 
deren  Fuss  ja  dadurch  gleichsam  eine  Hand  wird. 
Es  zeigt  nun  der  Metatarsus  dieses  prähistorischen 
Menschen  von  Steeten  eine  stärkere  Aushöhlung 
der  Gelenkfläche  zum  Os  cuboideuin  , als  sie  ge- 
wöhnlich gefunden  wird.  Wenn  man  den  Affenfuss 
mit  dem  menschlichen  vergleicht,  so  zeigt  sich  dio 
grössere  Abstellbarkeit  und  Beweglichkeit  durch 
eine  freiere  Gelenkverbindung  des  Metatarsus  mit 
dem  Os  cuboideuin  hervorgebracht.  An  dem  Go- 
rilla ist  das  Os  cuboideuin  vorne  mit  einer  fast 
kugeligen  Gelenkfläcbe  versehen.  Das  Os  cuboideuin 
ist  hier  nicht  erhalten ; aber  die  Aushöhlung  des 
Metatarsus  an  seiner  Gelenkfläche,  die  grösser  als 
bei  dem  heutigen  Europäer  ist , gestattet  die  An- 
nahme, dass  der  prähistorische  Mensch  gleich  dem 
heutigen  Wilden  eine  mehr  abstellbare  Zehe , also 
ein  bisher  noch  nicht  beobachtetes  Merkmal  nie- 
derer Organisation  besuss.  (Redner  zeigt  die  Ge- 
genstände vor). 

Ich  komme  nun  zum  Bericht  über  die  Ar- 
beiten in  der  Martinshöhle  bei  Letmathe  in  West- 
falen. Vor  einigen  Jahren  schon  hat  mir  die  Ge- 
sellschaft dazu  einen  Fond  bewilligt,  und  ich  gehe 
damit  sparsam  zu  Werke.  Die  längsten  Tage  nur 
werden  zu  den  Arbeiten  benutzt,  die  sehr  kostbar 
sind,  wie  auch  Dupont  erfuhr,  der  mir  sagte: 
„Nehmen  Sie  sich  in  Acht,  ich  habe  oft  1000  Frs. 
ausgegeben  und  nichts  gefuudeu.“  Es  ist  bekannt, 
dass  gewöhnlich  der  Zufall  die  merkwürdigsten 
Dinge  ans  Licht  bringt  und  dass  man  bei  ab- 
sichtlichem Sueben  nur  das  Gewöhnliche  iindet. 
Ich  habe  in  diesem  Sommer  7 Wochen  lang  die 
Arbeiten  fortsetzen  lassen  und  werde  später  die 

2 


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Abrechnung  mit  «len  Quittungen  dem  Hm.  General- 
sekretär übergeben.  Es  bleibt  für  «las  nächste 
Jahr  noch  ein  Rest  von  :»7ft  Mark  99  Pf  , mit  «lein 
ich  auszukominen  hoffe.  Wir  haben  «len  Seiten- 
gang der  Höhle  in  Angriff  genommen , die  ganz 
nahe  hei  «ler  berühmten  Dechenhöhlc  liegt  und 
im  Innern  jetzt  ei.i  weites  Gewölbe  zeigt  und 
ihrer  malerischen  Ansicht  wegen  auch  von  Tou- 
risten schon  besucht  wird.  Ich  lege  eine  Skizze 
«lerselben  nebst  Grundriss  und  Durchsehnitt  des 
Höhlenbodens  vor.  Der  Seitengang  zeigt  die 
Schichtung  in  ungestörter  Tage , und  Manches, 
was  sich  im  Eingang  der  Höhle , wo  Menschen 
wohnten  und  den  Hoden  aufwühlten,  nicht  ganz 
sicher  fest  stellen  Hess,  ffndet  hier  seine  Berich- 
tigung. Ich  bemerke  zunächst,  «lass  die  groben 
Töpfe,  die  man  früher  gern  als  deu  Ursprung  der 
Töpferkunst  betrachtete  und  in  die  allerälteste 
Zeit,  in  die  Quaternftr-Epoclie  zurückverlegte,  trotz 
•ler  rohesten  Masse  und  Arbeit,  welche  sie  zeigen, 
doch  nur  in  deu  oberflächlichen  Schichten,  in  der 
dunkelgefärbten  Humuslage  Vorkommen.  In  zwei  und 
ein  halb  Kuss  Tiefe  und  den  unteren  Schichten  fehlen 
sie  vollständig.  Als  wir  die  Arbeit  in  «lein  dunklen 
Seitengange  begannen,  empfahl  ich  eine  besondere 
Aufmerksamkeit  auf  etwaige  Henschenreste.  Ich 
habe  es  vorausgesagt . dass  wir  hier  wahrschein- 
lich ein  BegrAbniss  finden  würden ; denn  der 
Mensch  wohnte  am  Eingänge  der  Holde  und  be- 
stattete seine  Todton  in  den  stillen  Schlupfwinkeln 
im  Innern  «lerselben.  Und  es  war  so.  Merkwür- 
digerweise aber  lagen  die  Menschenreste  von  Kin- 
dern und  Erwachsenen  — - nur  einzelne  kleine  Reste 
haben  sich  erhalten  — unter  einer  kegelförmigen 
Stalagmitmasse  von  3 bis  4 Fuss  Höhe;  die  Basis 
war  eben  so  gross.  Darüber  befinden  sich  Spalten 
im  Gewölbe  noch  heute , so  dass  durch  die  Ab- 
tropfuug  der  Tagewasser  der  Kegel  gebildet  ward. 
Diese  Menschenreste  aber  zeigen  trotz  dieser 
merkwürdigen  Tage  unter  der  Kalksinterschicht 
nichts  von  primitiven  Eigenschaften , sie  müssen 
als  der  oberen  Humusschicht  ungehörig  betrachtet 
werden.  Ich  mache  auf  diese  neuere  Bildung 
einer  mächtigen  Kalksinternblagerung  be- 
sonders aufmerksam,  weil  ich  immer  noch  finde, 
«lass  man  diese  Kalkbildung  als  einen  Zeitmesser  be- 
trachtet und  lange  Perioden  daraus  ableitet.  Wenig 
bekannt  ist  meine  Mittheilung  aus  früheren  Jahren 
über  eine  Beobachtung  in  einem  Tunnel  der  ber- 
gisoh-märkischen  Eisenbalm,  wo  alle  Bedingungen 
zu  einer  raschen  Ablagerung  von  Kalksinter,  zumal 
ein  starker  Luftzug  gegeben  sind.  Innerhalb  *,  * Jahren 
hatten  sich  hier  Stalaktiten  von  4 Zoll  Länge  gebildet. 
Da  es  so  viele  Eisenbalmtunnels  gibt,  möchte  ich 
wünschen,  dass  man  weitere  Erfahrungen  über  die 
Schnelligkeit  der  Kalksinterbildung  unter  solchen  Um- 
ständen sammelt«\  Unter  einer  auch  den  Seitengang 
durchziehenden  Kulksinterdecke  kommt  ein  grober 
Lehm  1 bis  5 Fuss  tief  vor;  die  tieferen  Schichten 
sind  nass  und  feucht.  Hier  findet  sieh  eine  sehr 
eigentümliche  Erscheinung  , nemlich  fast  nur  ge- 


rollte Thierknochen  und  zwar  meist  kleinere  Stü«*ke, 
die  oft  nicht  mehr  bestimmbar  sind ; viele  rühren 
vom  Höhlenbären  her.  Sie  sind  an  allen  Kanten 
'un«l  Ecken  so  abgerundet  , als  hätte  «ler  Mensch 
«ic  ahgeschliffen.  Eine  zufällige  Zerschmetterung 
dieser  Knochen  durch  herabfallende  Steine  lässt 
sich  nicht  wohl  aunehuien,  man  muss  sie  \iclmehr 
für  im  frischen  Zustande  zerschlagene  Speisereste 
halten , wie  auch  in  den  oberen  Schichten  ge- 
spaltene Knochen  von  Hirschen.  Ochsen,  Pferden. 
Schweinen  diesen  Ursprung  haben.  Wir  haben 
also  liier  Knochen,  «iie  von  Menschen  aufgeschlagen 
sind  und  dann  durch  Einwirkung  des  Wassers  und 
mechanische  Reibung  in  einer  langen  Zeit  voll- 
ständige Geschiebe  geworden  sind.  Sie  kommen 
in  solcher  Menge  vor  --  ich  zeige  hier  einige  als 
Muster  — wie  icli  sie  nie  anderswo  gesehen  habe. 
Auch  die  steinigen  Gerölle  zeigen,  dass  in  diesem 
Gang  von  hinten  her  der  stärkste  Wasserzufluss  in 
die  Ilölile  statt  gefunden  hat.  Das  kann  man  «la- 
hingestellt  sein  lassen,  ob  es  not  big  ist.  eine  Fort- 
führung dieses  Knochengerölies  auf  langen  Wegen 
und  die  Wirkung  mechanischer  Reibung  auzu- 
nehmen.  oder  ob  es  genügt , dass  ein  Knochen- 
haufen  nur  vom  Wasser  durchflossen  wird,  um  die 
einzelnen  Stücke  durch  blosse  chemische  Wirkung 
des  Wassers  in  diesen  Zustand  platter  Geschiebe 
utnzuwandeln.  Auch  sind  bei  «ler  letzten  Auf- 
grabung in  den  oberen  Schichten  sehr  wenig  Feuer- 
steine vorgekommen , in  grösserer  Menge  aber  in 
Begleitung  «ler  quaternären  Thicre.  Es  ist  die  Menge 
der  Feuersteine  hier  hei  weitem  nicht  so  gross, 
wie  sie  im  Eingang  und  der  Mitte  der  Holde  sieb 
fand,  wo  die  Werkstätte  war,  welche  Licht  ver- 
langte. Einige  kleine  Steinkerne,  von  denen  die 
meisten  früher  gefunden  sind,  sprechen  für  die  Her- 
stellung der  kleinen  Feuersteinmesser , deren  Be- 
nutzung wir  nicht  kennen;  sie  mögen  alsS&gezähne 
in  Holz  eingesetzt  oder  Pfeilspitzen  gewesen  sein. 
Wie  vielerlei  die  Menschen  in  ihren  Höhlen  ge- 
macht haben , geht  daraus  hervor , dass  auch 
wieder  kleine  Haufen  plastischen  Thones , zum 
Theil  angebrannt,  und  Bronzeschlacken,  auch  zwei 
Bronzeringe  gefunden  worden  sind ; auch  andere 
zierliche  Gegenständ«» , aber  nur  in  den  höheren 
Schichten , ein  paar  recht  schöne  Quarzkrystalle, 
ein  Stück  von  einer  Harpune,  genau  so  mit  Widor- 
liackcn  versehen . wie  die  aus  den  französischen 
und  belgischen  Höhlen,  auch  ein  durchbohrter  Zahn, 
dann  ein  kleines,  ausserordentlich  schön  geglättetes 
Knochenstäbchen,  welches,  weil  es  Hach  ist,  nicht 
wohl  eine  Pfrieme  zu  sein  scheint.  Einige  Feuer- 
steiumesser  von  tiefgelber  Farbe  wie  Jaspis,  der 
in  dieser  Gegen«!  selten  ist.  deuten  auf  den  Bezug 
des  Feuersteins  von  anderen  Orten.  Bei  dem 
Fund  der  Feuersteingeräthe  ira  Thal  der  Somme 
legte  man  Werth  auf  eine  gewisse  Verwitterung 
ihrer  Oberfläche.  Der  rohe  Feuersteinknolleu  zeigt 
diese  weisse  äussere  Rinde.  Man  sicht  nun  an 
sehr  vielen  dieser  Gerätlie  aus  der  Martinshöhle, 
dass  diese  Verwitterung  nicht  nur  ein  geologisches 


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Alter  hat,  sondern  oft  erst  nach  der  Verfertieunc 
des  Gerätbes  eingetreten  ist,  dessen  vorspringende 
Kanten  diese  Metamorphose  zeigen.  Hr.  Dr.  von 
der  Mark  in  Ilanun  hat  die  Sache  chemisch 
untersucht  und  gefunden , dass  ein  Verlust  des 
Wassergehaltes  des  Feuersteins  und  die  Weg* 
tührung  der  wahrscheinlich  organischen,  färbenden 
Substanz  die  Erscheinung  hervorbringt.  Auch  ein 
bei  Coblenz  am  Oberwerth  gefundenes  Feuerstein- 
heil  zeigt  die  Patina  oder  Verwitterungsrinde  an 
der  von»  Menschen  gefertigten  Oberfläche. 

Noch  will  ich  unfQhren , dass  ein  kleines 
Farbentöpfrhcn,  ein  flacher  Stein  mit  natürlicher 
Höhlung,  gefunden  worden  ist,  die  einen  tiefgelben 
Ocker  enthält.  Ueber  die  Farbestoffe,  die  man  in 
Höhlen  und  Gräbern  findet,  meist  rother  oder  gelber 
Eisenocker,  habe  ich  früher  Mittheilungen  gemacht 
und  die  Stellen  alter  Schriftsteller  gesammelt, 
welche  uns  belehren,  dass  Britten  und  Belgier  in 
»ler  Vorzeit  sich  bemalt  haben,  wie  heute  die 
Wilden  cs  thun.  Ich  habe  von  diesem  Steine 
selbst  die  Lehmschicht  entfernt  und  kann  ver- 
sichern, dass  er  echt  ist.  Auch  einige  Knochen- 
pfriemen sind  gefunden.  Bemerkenswerth  ist  noch 
eine  Lauzenspitze  von  Feuerstein,  die  eine  breit 
ovale  Form  hat,  wie  sie  selten  abgebildct  wird. 
Dann  bemerke  ich  noch,  dass  zwischen  den  Feuer- 
steinen eine  grosse  Menge  von  schwarzen  Kiesel- 
schicfern in  solchen  Stücken  sich  findet,  dass  sie 
unseren  zum  Feuerschlagen  gebrauchten  Feuer- 
steinen gleichen  und  auch  viele  kleine  Srhlag- 
inarkcn  zeigen.  Sie  geben  eben  so  gut  mit  dem 
Stahle  Feuer  wie  die  Feuersteine.  Kaum  darf 
man  vcrmutlien , dass  alle  dazu  gedient  haben, 
doch  rühren  einige  aus  den  oberen  Schichten  her, 
und  hier  ist  auch  ein  vierkantiges  Stück  Eisen, 
wie  von  einem  römischen  Pilum,  gefunden  worden. 
Wir  haben  also  in  dem  Seitengaug  der  Höhle  die 
Wirkling  des  Wassers  auf  Knochen  des  Höhlen- 
bären beobachtet,  die  früher  vom  Menschen  zer- 
M-hlagen  waren  und  wie  Flussgeröll  erscheinen; 
wir  haben  das  Fehlen  aller  Topfscherben  in  den 
tieferen  Schichten  des  Höhlenschnttes,  aber  das 
Vorkommen  von  Steingerätlien  in  denselben  be- 
stätigen können.  Mürbe  Stücke  von  Mammuth- 
zahn  liegen  nur  in  der  Tiefe.  Vom  Ren  sind 
nur  einige  Geweihstücke  nahe  der  Oberfläche  ge- 
funden. Ich  benutze  die  Gelegenheit,  Ihnen  znm 
Vergleiche  mit  unseren  Feuersteinmessern  einen 
sehr  schönen  Obsidiandolch  aus  Neuseeland  vor- 
zuzcigen , der  im  Besitze  des  Hm.  Bädecker 
in  Düsseldorf  ist.  Die  Arbeit  ist  genau  dieselbe. 
An  dieser  neuseeländischen  Waffe  ist  auch  die 
HolzKselieide  vorhanden,  die  in  unseren  Sammlungen 
meist  fehlt  und  die  eine  nur  kurze  Höhlung  hat. 
um  den  Dolch  aufzunehtnen.  Wir  müssen  ati- 
nehmen,  dass  unsere  vorgeschichtlichen  Feucrstein- 
messer  auch  wohl  einen  rohen  Griff  von  Holz 
gehabt  haben,  der  vollständig  verschwunden  ist. 

Ich  komme  zu  den  Funden,  die  bei  dem  Bane 
eines  StrompfeUers  im  Rhein  für  die  jetzt  in  An- 


griff genommene  Berlin-Metzer  Eisenbahn  an  dem 
Oberwerth  bei  Uoblenz  gemacht  worden  sind. 
Man  hat  auf  der  Insel  eine  ganze  Reihe  mensch- 
licher Niederlassungen  entdeckt,  rohes  Steinpflaster, 
zerbrochene  Töpfe  von  ungeheurem  Umfange,  und, 
was  ich  besonders  hervorhebe,  in  jeder  Wohnung, 
die  wohl  nur  eine  Hütte  war,  einen  Mahlstein  von 
sonderbarer,  länglicher,  an  den  Eudeu  zugespitzter 
Form ; die  rheinischen  Archäologen  kennen  ihn. 
Als  ich  bei  Lindenschmit  fragte , ob  er  solche 
Funde  kenne,  wies  er  auf  mehrere  in  der  Mainzer 
Sammlung  vorhandene  hin.  Auch  in  Bonn  ist  ein 
solcher  vom  Niederrhein.  Sie  sind  Lavasteine  von 
2 */•  Fuss  Länge  und  */•  Fuss  Breite  nnd  zeigen 
deutlich  an  ihrer  Oberfläche  die  Abreibung  vom 
M&hlcn.  Ihre  Form  veranlasst  es,  dass  das 
Volk  am  Rheine  sie  Napoleonshüte  nennt.  Ich 
habe  erfahren,  dass  auf  der  vorjährigen  Archäologen- 
versammlung in  Wiesbaden  einer  der  Anwesenden 
mitgctheilt  hat,  in  den  slavischen  Donnuländern 
seien  solche  Mahlsteine  noch  im  Gebrauch,  und 
zwar  hielten  die  Frauen,  die  dort  das  Korn  mahlen, 
den  Stein  zwischen  den  Knieen  fest,  um  darauf 
das  Korn  zu  zerquetschen.  Mir  fiel  es  auf,  dass 
in  der  Rosgarten-Sammlung  hieselbst  runde  Mahl- 
steine liegen,  die  so  gebraucht  worden  sind,  dass 
nur  in  vor-  und  rückgehender  Bewegung  der  Kom- 
reiber  darübergeführt  wurde,  wodurch  lange  und 
schmale  Rinnen  auf  dem  Mahlsteine  entstanden 
sind.  ( Redner  zeigt  den  Durchschnitt  dieser  Steine.) 

Ein  Gerftth  ist  noch  recht  auffallend  und  ich 
möchte  wissen,  ob  Jemand  etwas  Aehnliches  ge- 
sehen hat.  Es  ist  ein  schön  gearbeitetes  Bruch- 
stück eines  geschliffenen  Gerätbes,  wie  es  scheint 
von  Serpentin.  Es  hat  aber  zwei  neben  einander 
stehende  schön  gebohrte  cylindrisclie  Löcher,  die 
vielleicht  zum  Aufhängen  desselben  dienten.  Die 
Kanten  sind  eckig  zugeschliffen. 

Der  Hauptfund  hei  diesem  Brückenbau,  der 
vielfach  besprochen  und  besungen  worden  ist.  ist 
der  eines  goldenen  Armringes  im  Rheine,  50  Fuss 
vom  Ufer  an  einer  Stelle,  wo  das  Rheingcrölle 
2 m.  tief  ausgebaggert  war.  Wenn  man  diesen 
Ring  betrachtet,  so  wäre  man  eben  so  gut  veran- 
lasst, der  Phantasie  freien  Lauf  zu  lassen,  wie  Ilr. 
Schliemann  es  that,  wenn  er  die  Funde  von 
Troja  dem  Priamus  zuschrieb.  Wer  denkt  dabei 
nicht  an  den  Nibclungcnschatz,  der  in  den  Rhein 
geschüttet  wurde!  Das  wollen  wir  aber  den 
Dichtern  überlassen,  von  denen  ja  S c he  f f e 1 bereits 
«las  Kleinod  besungen  hat,  welches  von  der  Eisen- 
bahndirection  Ihrer  Majestät  der  deutschen  Kaiserin 
überreicht  worden  ist  und  im  Schlosse  zu  Coblenz 
aufbewahrt.  wird.  Ich  habe  mit  Allerhöchster  Be- 
willigung einige  Abgüsse  fertigen  lassen , die  ich 
hier  vorlege.  Der  Ring  ist  durch  die  Ragger- 
maschine,  die  ihn  zu  Tage  gefördert , etwas  ver- 
bogen und  verdrückt  und,  so  primitiv  auch  die 
Arbeit  ist,  doch  ein  sehr  gefälliges  nnd  zierliches 
Sehmuekgcrätli.  Er  ist  von  feinstem  Golde.  Ich 
halte  ihn  für  eine  gallische  Arbeit,  einmal,  weil 


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wir  aus  den  Berichten  der  alten  Schriftsteller 
wissen,  dass  gerade  die  Ströme  Galliens  Goldsand 
führten,  und  die  Gallier  ganz  besonders  als  Lieb- 
haber solchen  Schmucks  geschildert  werden;  auch 
ihre  Tempel  waren  so  reich  an  goldenen  Weih- 
geschenken, dass  es  St rabo  ausdrücklich  erwähnt ; 
und  dann  ist  dieser  Armring  aus  drei  starken 
Golddrähten  zusammengedreht.  Wir  wissen  nun 
wiederum  durch  die  alten  Schriftsteller,  dass  dieser 
Torques  als  Halsring  eine  eigentümliche  Zierde 
der  Gallier  war.  Der  römische  Feldherr  Torquatus 
hatte  seinen  Namen  daher,  dass  er  im  Zweikampf 
seinen  gallischen  Gegner  niederschlug  und  ihm  als 
Siegeszeichen  den  goldenen  Halsring  abnahm. 
Wenn  wir  die  häufig  vorkommenden  Ringe  dieser 
Art  betrachten,  so  können  wir  eine  gewisse  Ent- 
wicklung der  Technik  dabei  verfolgen,  wie  sie  auch 
für  andere  Werkzeuge  sich  nachweisen  lässt.  Es 
war  Montelias,  der  die  nabe  liegende  Entwick- 
lung des  Bronzeceltes  schilderte,  indem  er  zeigte, 
dass  zuerst  der  flache  Celt  in  den  Holzschaft  nur 
eingeklemmt  war,  dass  dann  auf  demselben  zwei 
Leisten  sich  erhoben,  um  ihn  besser  zu  befestigen, 
dass  diese  Leisten  dann  zu  dem  sogenannten 
Schaftlappen  sich  ausdehnten,  immer  mehr  sich 
rundeten  und  endlich  sich  vereinigten  ; dann  schwand 
die  Mittelwand  und  die  Tülle  des  Hohlceltes  war 
gebildet.  So,  gtanbe  ich,  kann  man  auch  die  Ge- 
schichte des  Hammers  darstellen.  Die  ersten 
geschliffenen  Hämmer  waren  nur  glatte  Fluss- 
geschiebe,  die  sich  der  Hand  anpassten;  daun 
wurde  das  Flussgeschiebe  durchbohrt,  um  einen 
Stiel  hineinzustecken ; dann  wurde  die  Schneide 
etwas  nachgeschliffen  und  der  Hammer  ward  zum 
Beile;  dann  haben  wir  den  Steinhammer  in  einer 
spätem  Form,  indem  die  Umgebung  des  Loches 
breiter  und  dicker  gelassen  ist.  Erst  mussten  die 
Hämmer  an  ihrer  schwächsten  Stelle  zerbrechen, 
ehe  man  sie  hier  stärker  machte.  Für  die  ge- 
drehten Ringe  ist  die  im  Armring  vorliegende  Form 
die  primitivste.  Der  Ring  ist  wirklich  aus  drei 
Golddrähten  zusammengedreht,  die  in  der  Mitte 
etwas  dicker  sind.  Die  Enden  vereinigen  sich 
und  bilden  einen  Haken  und  eine  Oese,  womit 
der  Ring  geschlossen  ward;  vielleicht  war  er  nur 
mit  zwei  Haken  versehen,  die  in  einander  griffen, 
was  anch  vorkommt.  Bei  Verfertigung  des  Ringes 
ist  kein  Feuer  gebraucht,  er  ist  nur  gehämmert, 
was  man  deutlich  an  den  zugespitzten  Enden  sieht. 
Die  berühmte  Statue  des  sterbenden  Fechters 
trägt  am  Halse  auch  einen  Torques,  und  mit  Recht 
hält  man  ihn  deshalb  für  einen  Gallier.  Aber 
dieser  Ring  ist  nicht  wirklich  gedreht.  Später 
nahm  man  einen  festen  Stab  von  Metall  und 
schnitt  nur  von  aussen  die  Spiralzeichnung  ein. 
Diese  festeren  Ringe  mit  blosser  eingravirt er  Zeich- 
nung haben  in  der  Regel  einen  schön  verzierten 
Knopf  au  jeder  Seite  des  Verschlusses  und 
scbliessen  durch  ihre  Federkraft.  Dns  ist  eine 
spätere  Entwicklung  der  Technik.  Die  wirklich 
redrehten  Ringe  sind  meist  aus  Bronze  und  haben 


den  einfachen  Schluss  mittels  Haken  und  Oese. 
Der  Goldring  hat  eine  kleine  Hand  umspannt. 
Dass  man  in  allen  Ländern  Europas  gedrehte 
Ringe  findet , spricht  nicht  gegen  die  Herkunft 
der  meisten  aus  Gallien.  So  viel  ich  weiss, 
kommen  sie  im  alten  Aegypten  und  Asien  nicht 
vor,  so  naheliegend  auch  ihre  Erfindung  ist,  die 
eine  Nachahmung  geflochtener  Zweige  zu  sein 
scheint.  Die  Goldringe  von  Gau-Algesheim  gehören 
einer  späteren  Zeit  an. 

Ich  zeige  nun  ein  sehr  merkwürdiges  Stcin- 
geräthe , ein  35V*  cm.  langes  flaches  Steinbeil, 
dessen  stumpfes  Ende  in  eine  Spitze  ansläuft. 
Es  war  nicht  möglich,  von  dem  Besitzer,  der  das 
prachtvolle  Beil  mit  Aengstliehkeit  hütet,  das 
Original  zu  erlangen,  um  es  hier  vorzuzeigen.  Ich 
lege  nur  einen  Abguss  vor.  Das  Mineral  ist  hell- 
grün, wird  nicht  vom  Stahl  geritzt  und  nicht  von 
Säure  angegriffen;  es  besitzt  eine  merkwürdige 
Zähigkeit,  so  dass  es  mit  einem  sperifischen  Ge- 
wichte von  3,347  an  die  nephritähnlichen  Sub- 
stanzen erinnert.  Es  hat  eine  vollkommene  Politur 
und  eine  vollkommen  erhaltene  Schneide.  Dieses 
Geräth  fiel  einmal  dem  Besitzer  aus  der  Brust- 
tasche auf  das  Pflaster  der  Strasse  und  hat  durch 
diesen  Fall  nicht  die  allermindeste  Beschädigung 
erlitten.  Ich  glaube  kaum,  dass  ein  anderes  so 
grosses  und  so  dünnes  Steingcräth  eine  solche 
Zähigkeit  besitzen  würde,  die  für  die  nephritähn- 
lichen  Gesteine  charakteristisch  ist.  Dieser  Fuud 
ist  9 Fuss  tief  unter  dem  jetzigen  Bette  der  Erft 
zu  Griminlinghauscn  bei  Neuss  gemacht  worden,  in 
einer  Gegend,  wo  nach  der  Ansicht  einiger  Archäo- 
logen ein  grosses  römisches  Lager  gestanden  hat. 
Ich  habe  in  letzter  Zeit  mehrere  der  kleinen 
•ladeit-Bcile  erhalten,  von  denen  ich  eines,  bei 
Erkelenz  gefunden,  vorlege;  es  ist  mm.  lang, 
50  breit  und  19  dick,  das  specitische  Gewicht  ist 
3,357.  Sie  stammten  meistens  aus  Gegenden,  wo 
die  Römer  ansässig  waren,  freilich  auch  aus 
solchen,  die  damals  auch  eine  dichte  germanische 
Bevölkerung  hatten.  Dass  ein  solches  Prunk- 
gerätli  wie  das  von  Grimmlinghausen  keine  ge- 
wöhnliche Waffe  war.  schliessen  wir  aus  der  Selten- 
heit des  Minerals  und  der  unversehrten  Beschaffen- 
heit auch  anderer  Beile  dieser  Art.  Ich  habe 
mich  bemüht,  aus  Schriftstellern  des  Alterthums 
Belege  für  die  abergläubische  Verehrung  oder 
gottesdienstliche  Benutzung  der  Steine  zu  sammeln, 
mit  denen  geopfert  und  geschworen  wurde,  nicht 
bloss  bei  den  Hörnern,  sondern  auch  bei  deu 
(»riechen.  Es  scheinen  diese  Geräte  eine  religiöse 
Bedeutung  und  einen  Gebrauch  bei  dem  Cultus 
gehabt  zu  haben.  Sie  finden  sich  in  so  früher 
Zeit  z.  B.  in  den  ältesten  Pfahlbauten  der  Ost- 
schweiz, dass  Desor  darauf  seine  Ansicht  gründet, 
die  ersten  indogermanischen  Einwanderer  hätten 
sie  aus  Asien  mitgebracht,  woselbst  allein  sich  das 
Material  findet,  nicht  als  Ilandelswaare , sondern 
als  eine  ihnen  theure  Kostbarkeit.  Dies  ist  um 
so  mehr  möglich,  wenn  diese  Steine  damals  schon 


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141 


religiöse  Symbole  waren.  Aber  es  ist  merkwürdig, 
dass  niemals  ein  solches  Jadeit-Beil  in  einem  Hügel- 
grabe gefunden  worden  ist:  diese  Steine  liegen 
immer  im  Felde  und  in  Flussanschwemmungen. 
Vielleicht  sind  diese  Steine  zweimal  nach  West- 
europa gekommen , einmal  bei  der  ersten  indo- 
germanischen Einwanderung  und  dann  wieder  zur 
spateren  Kölnerzeit,  als  sich  in  den  religiösen  Vor- 
stellungen und  Gebrauchen  wieder  ein  asiatischer 
Einfluss  geltend  machte  in  dem  Mithrasdienst,  der 
in  Persien  seinen  Ursprung  hat,  also  in  der  neimat 
des  Nephrits,  und  in  der  römischen  Kaiserzeit 
sich  namentlich  auch  am  Rheine  weit  verbreitet 
hatte.  Damit  waren  die  Funde  in  der  Nähe 
römischer  Lager  und  Ansiedelungen  erklärt. 

Ich  komme  nnn  noch  zu  einem  andern  Gegen- 
stände. Ich  zeige  Ihnen  hier  ein  einfaches  flaches 
Bronzebeil  mit  einer  so  schönen  malachitgrünen 
Patina,  wie  ich  kein  zweites  je  gesehen  habe;  dann 
zwei  Hohlcelte,  bei  Goch  am  Niederrhein  gefunden. 
Von  diesen  ist  es  merkwürdig,  dass  sie  so  dünne 
Wände  haben,  als  seien  sic  aus  Bronzeblech  zu- 
<animengelöthet;  sie  sind  aber  gegossen.  Die 
Wände  dieser  Gelte  sind  an  der  Schneide  so 
dünn,  dass  diese  nicht  wohl  als  Beil  gebraucht 
und  nachgeschliflfen  werden  konnte.  Das  deutet 
auf  einen  andern  Gebrauch  derselben.  Die  Oese 
mag  zum  Aufhängen  au  einem  Strick  gedient  haben. 
Die  rohen  Gussnähte  sind  an  ihnen  erhalten. 
Ich  verfolge  seit  längerer  Zeit  den  Gedanken,  dass 
diese  Geräthc  und  die  Bronzecelte  Überhaupt  in 
bestimmten  Gewichten  angefertigt  worden  sind, 
um  im  Handel  und  Verkehr  wie  Barren  oder 
Geld  zu  dienen.  Zuerst  machte  Boucher  de 
Perthes  darauf  aufmerksam,  dass  es  Bronze- 
celte von  80 — 85  gr.  Gewicht  gebe  und  wieder 
andere,  die  zwei-  oder  dreimal  so  schwer  seien. 
Das  Museum  zu  St.  Germain  hat  Hohlcelte  mit 
Oese»,  in  3 verschiedenen  Grössen  mit  einem  ent- 
sprechenden Gewichtsverhältniss;  die  kleinsten  sind 
zn  klein,  um  als  Beile  gedient  zu  haben.  Ich 
selbst  habe  schon  mitgetheilt,  dass  2 Stunden 
von  einander  bei  Vlotho  an  der  Weser  zwei  Bronze- 
celte gefunden  worden  sind  von  verschiedener 
Form,  aber  von  demselben  Gewicht.  Ich  habe 
mich  hierauf  an  verschiedene  Museen  gewendet 
und  mir  eine  Reihe  solcher  Gewichtsbestimmungen 
verschafft.  Es  ist  nicht  leicht,  genau  zu  sagen, 
wie  schwer  ein  solches  Gerät h war,  als  es  neu 
gemacht  wurde.  Die  Bronze  oxydirt  sich  und 
wird  dadurch  schwerer;  aber  weil  sie  dadurch  an 
Festigkeit  verliert,  verwittert  sie  und  wird  leichter. 
Man  soll  also  nur  die  besterhaltenen  Stücke 
wiegen.  Wir  wissen  auch  aus  den  Arbeiten  von 
Boeckh,  B ran  dis  u.  A.,  dass  die  Alten  häutig 
das  Gewicht  veränderte»,  und  dass  man  es  selbst 
bei  der  Bestimmung  des  Gewichtes  der  MünzAi 
nicht  so  genau  nahm,  wie  wir  es  thun.  Wichtig 
ist  es,  dass  uns  aus  dem  Alterthum  einige  Ge- 
wichte aus  Stein  erhalten  sind , die  jedenfalls  un- 
verändert geblieben  sind.  Ich  habe,  um  bestimmte 


Gewichtsverhältnisse  bei  den  Bronzen  herauszu- 
finden,  das  Gewichtssystem  der  babylonischen 
Mine  am  tauglichsten  gefunden.  Von  den  beiden 
Gelten  wiegt  jeder  170  gr..  das  ist  *"/••  der 
kleinen  babylonischen  Mine,  die  = 505  gr.  ist. 
Das  babylonische  Gewicht  wird  in  Sechzigstel  ein- 
getheilt.  Nicht  nur  diese  beiden  Gelte  passen  in 
dieses  System , ich  habe  in  den  Gewichtszahlen 
der  Gelte  ’/m,  ,p  /«•,  •%»,  *%«,  ••/••,  "/«•  der 
kleinen  babylonischen  Mine  finden  können.  Als 
ich  einen  unserer  namhaftesten  Archäologon  des 
klassischen  Alterthums,  Ilm.  Prof.  Bergk  fragte, 
ob  ihm  solche  Stellen  in  den  Schriften  des  Altcr- 
thums  bekannt  seien,  die  über  Bronzen  als  Geld  eine 
Aufklärung  geben  könnten,  theilte  er  mir  nur  eine 
Stelle  des  Herodot  mit,  wo  ein  ScythenkOnig  eine 
Volkszählung  in  der  Art  anordnet,  dass  jeder 
Mann  einen  Pfeil  niederlegen  musste.  Mir  ist  es 
wahrscheinlich , dass  hier  der  Pfeil  als  Zählmittel 
gedient  hat.  Theilt  doch  noch  Marco  Polo  mit, 
dass  Völker  in  Mittelasien  sich  der  Pfeilspitzen 
als  Geld  bedienten ; dasselbe  hat  uns  Hr.  S c h w e i n - 
furt  von  Negerstämmen  Afrikas  berichtet.  Mit  Ver- 
gnügen theilte  mir  aber  später  Hr.  Bergk  mit,  dass 
er  unter  den  kürzlich  von  Hm.  Moritz  Schmidt  in 
Jena  herausgegebenen  cyprischen  Inschriften  eine 
gefunden,  wo  als  Belohnung  dein  Arzte  6 Beile 
gezahlt  wurden.  Bclekis  ist  der  griechische  Name 
für  dieses  Beil.  Dies  ist  gewiss  eine  merkwürdige 
Thatsache.  Auch  kann  man,  wie  Hr.  Bergk  glaubt, 
die  Stelle  in  Homer  s Ilias  XXIII,  851  hierauf  be- 
ziehen, indem  hei  einem  Taubenschiessen  der 
Uauptpreis  in  10  Doppelbeilen,  der  zweite  Preis  in 
10  kleinen  Beilen  ausgesetzt  ist.  Ich  habe  mir 
Gewichte  griechischer  Bronzebeile  aus  Athen  kommen 
lassen,  und  unter  den  verschiedenen  Zahlen,  die 
ich  noch  nicht  genau  unter  eiu  Gewichtssystem 
bringen  konnte,  sind  die  Gewichte  vier  grosser 
Beile  990,  1039,  1020  und  1015  gr.  Eine  Doppel- 
mine ist  aber  1010  gr.  Das  ist  doch  mehr  wie 
Zufall , das  ist  ein  höchst  auffallendes  Ergebnis*, 
und  ich  hoffe , dass  sich  diese  Bedeutung  der 
Bronzegeräthe  als  Verkehrsmittel  noch  weiter  be- 
stätigen wird.  Ich  wünsche,  dass  die  Inhaber  von 
Sammlungen  mich  ferner  mit  solchen  Gewichtsbe- 
stimmungen  versehen  möchten,  wobei  es  zweck- 
mässig ist,  auch  die  Form  im  Allgemeinen  anzn- 
geben. 

Ich  möchte  Ihnen  noch  einen  kleinen  Beitrag 
zur  Geschichte  der  menschlichen  Fussbekhidung 
geben.  Ich  habe  schon  angedeutet,  dass  der  vor- 
geschichtliche Mensch  andere  Füsse  gehabt  hat 
als  wir,  und  wir  müssen  sagen,  brauchbarere  und 
weniger  verstümmelte.  Es  ist  fast  unbegreiflich,  dass 
wir  es  dulden,  wenn  unser  Schuhwerk  die  Zehen  aus 
ihrer  Lage  verdrückt  und  die  ursprüngliche  Beweg- 
lichkeit derselben  mehr  oder  weniger  aufhebt.  Wir 
wissen  es  Alle,  dass,  wenn  unsere  Soldaten  längere 
Märsche  zu  machen  haben,  sie  lieber  einen  wollenen 
Lappen  uni  ihre  I'üssc  schlagen,  als  in  Strümpfen 
und  Stiefeln  zu  gehen.  Der  erste  Schuh  war  wohl 


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nur  ein  Leder,  welches  man  unter  die  Sohle  band, 
/um  Schutze  beim  Gehen  über  scharfe  Steine. 
Diese  ursprüngliche  Bekleidung  ist  die  Randale. 
Die  Sandale  wird  hauptsächlich  befestigt  durch 
einen  Kiemen,  der  zwischen  der  grossen  Zehe 
und  den  andern  Zehen  durchgebt , wie  man  ja 
solche  römische  Sandalen  mit  den  Riemen  in 
Mainz  gefunden  hat.  Das  ist,  wie  mir  scheint, 
auch  schon  ein  Beweis  dafür,  dass  an  dem  nicht 
verstümmelten  und  verkrüppelten  Fusrc  ein  Zwischen- 
raum zwischen *dcr  grossen  Zehe  und  den  übrigen 
vorhanden  ist,  der,  ohne  Unbequemlichkeit  hervor- 
zurufen, mit  dem  llauptriemen  der  Sandale  durch- 
zogen war.  Dann  finden  wir  den  Halbschuh  mit 
Sandale.  Carl  Braun  theilte  kürzlich  in  seinen 
Reisebildern  ans  Rumänien  mit,  dass  die  Fussbe- 
kleidnng  der  Montenegriner  ein  solcher  Halbschuh 
mit  Sandale  ist.  Wir  haben  mehrere  auffallende 
Funde  einer  sehr  einfachen  aber  schön  verzierten 
Fnssbekleidung.  deren  Alter  und  Ursprung  nicht 
genau  bekannt  ist.  Linden  sch  mit  bat  einige 
davon  abgebildet,  namentlich  solche,  die  in  England 
gefunden  sind.  Viele  halten  sie  für  römisch.  Im  mitt- 
leren Deutschland  finden  sie  sieh  auch.  Einige 
erinnern  in  ihren  Verzierungen  mehr  an  gothiseiie 
Ornamente.  Es  ist  bei  Stolberg  in  einer  alten  Halde 
nicht  fern  von  römischen  Alterthümem  wieder  ein 
recht  schöner  und  gut  erhaltener  Schuh  dieser  Art 
gefunden,  dessen  Photographie  ich  Ihnen  hier  zeige. 
Achuliehe  Schuhe  wurden  aueh  an  den  Moorlcicheti 
im  Norden  gefunden , wo  an  römischen  Einfluss  wohl 
nicht  zu  denken  ist.  Dieser  Schuh,  der  durch  aus- 
geschlagene  Vierecke  schön  verziert  ist,  ist  au« 
einem  Stück  Leder  geschnitten,  wie  sie  deutlich 
aus  einem  Papierschuitte  sehen,  den  ich  danach 
gefertigt  habe.  Auch  die  Riemen,  womit  er  ge- 
hutideu  wird,  sind  aus  demselben  Stücke  geschnitten. 
An  der  Ferse  und  auf  der  Reihe  ist  das  Leder  zu- 
geschnürt. Auch  hier  trifft  es  zu,  dass  sich  das,  was  wir 
aus  prähistorischer  Zeit  erfahren,  noch  heute  bei 
den  lebenden  Wilden  findet.  Ich  habe  hier  die 
Moeassin's  eines  nordamerikanisehen  Siouximliaiiers ; 
auch  dieser  ist  aus  einem  Stück  geschnitten 
und  hinten  an  der  Ferse  und  am  FussrÜcken 
zusauiniengcnäht.  — Das  ist  ein  kurzer  Abriss 
der  Geschichte  der  menschlichen  Fnssbekleidung. 


II  r.  Fraas:  Ich  möchte  der  Form  des  von  Ilro. 
Sch  aa  ff  hausen  vorgelegten  grünen  Steinbeiles 
nach  cs  doch  für  wfliisehenswerth  halten,  dass  die 
Umstünde,  unter  welchen  der  Fund  gemacht  worden 
ist,  nochmals  geprüft  worden.  Es  ist  mir  allerdings 
ein  ähnliches  Exemplar  bekannt,  welches  in  einer 
deutschen  Sammlung  auch  als  germanisch  auf- 
gcstellt  ist , nemlich  im  Privatcabinet  des  Fürsten 
zu  Rudolstadt,  aber  das  ist  auch  das  einzige  Stück, 
welches  ich  sonst  gesehen  habe  und  eine  Stein- 
sorte, die  bei  uns  in  dieser  Form  nicht  verwendet 
wird.  Ich  glaube  vielmehr,  dass  es  neuseeländisch 
ist.  (Schaaffhausen:  Ganz  unmöglich!) 


Hi.  Vlrchow:  Ich  kauu  coustatiren,  dass  ich 
einige  Ähnliche  Beile  aus  sehr  schönem  hellgrünen 
Stein , welcher  in  der  That  sehr  ähnlich  ist , im 
Museum  zu  Münster  gefunden  habe;  ich  habe  eine 
Skizze  darüber  hei  Gelegenheit  des  Vortrages  in- 
seriren  lassen,  den  Hr.  Fischer  in  einer  Sitzung 
der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  gehalten 
hat.  Die  Form  ist  ganz  ähnlich;  es  hat  sich  hei 
der  Untersuchung  herausgestellt,  dass  es  kein  Ne- 
phrit ist.  sondern  Serpentin,  also  ein  ganz  in- 
ländisches Material*).  Die  Form  des  von  Hin. 
Schaaffhausen  vorgelcgten  Beiles  muss  man 
für  die  westdeutschen  Funde  als  correct  be- 
zeichnen. 

Hr.  Desor:  Diese  Beile  erinnern  am  meisten 
an  die  schönen  Exemplare,  welche  aus  den  grossen 
Dolmen  der  Bretagne  stammen.  Es  sind  das 
merkwürdige  schöne  Stücke , grün  wie  Nephrite, 
aber  mineralogisch  verschieden . indem  die  Ma- 
gnesia durch  Aluminium  vertreten  ist.  Sie  sind 
antiquarisch  nicht  minder  interessant  als  die  Ne- 
phrite, indem  sie  ebenfalls  aus  dem  Orient  stammen. 
Man  nennt  sie  Jadeite.  Es  wäre  von  sehr  grossem 
Interesse,  zu  wissen,  ob  das  Original  aus  Ja- 
deit ist. 

Hr.  Schaaffhausen:  Ich  werde  die  Unter- 
suchung veranlassen. 

Hr.  Fischer:  Ich  erlaube  mir  zu  bemerken, 
dass  dieses  das  grösste  Exemplar  ist,  was  ich  ge- 
sehen habe  und  in  Deutschland  gcfnmlcn  worden 
ist ; es  ist  noch  ganz  erheblich  länger , als  das 
grösste  von  den  fünf  prächtigen  Beilen , die  in 
Gonsenheim  hei  Mainz  in  einem  Ledergurt  ge- 
funden worden  sind.  Dort  sind  fünf  Beile  in  der 
günstigsten  Weise  eingelegt , so  bequem,  wie  man 
sic  nur  aiircihen  kann:  alle  fünf  waren  der  Grösse 
nach  in  absteigender  Reihe  neben  einander  gefügt. 
Ich  habe  die  fünf  untersucht,  und  das  grösste  ist 
ungefähr  45  cm.  Was  die  Fibrolithe  betrifft , so 
sind  sie  in  Frankreich  zu  Hanse,  und  Da  tu  nur 
hat  mir  geschrieben , dass  sie  immer  als  Nephrite 
figurirt  haben.  Der  Fibrolith  ist  eine  Verbindung 
von  Kieselerde  mit  Tliouerde  und  durch  seine 
Zähigkeit  zur  Herstellung  von  Stciniustrumenteii 
äusserst  geeignet.  Unsere  Vorfahren  haben  mit 
einer  gewissen  mineralogischen  Exaetlieit  auf  das 
passendste  Material  gefahndet. 

Ilr.  .Mehlis:  Ich  möchte  mir  nur  einige  Be- 
merkungen zu  dein  bekannten  goldenen  Armring 
gestatten . der  bei  Koblenz  im  Kheinstronic  ge- 
funden worden  ist.  Ilr.  Schaaffhausen  hat 
ihn  als  einen  gallischen  bezeichnet.  Es  ist 


*)  Zeitschrift  für  Ktliuol.  Iö75.  Bd.  VII.  Verband! 

S.  50. 


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143 


zwar  bekannt . dass  die  Gallier  eine  grosse  Vor- 
liebe für  Goldschmack  hatten,  aber  (Iber  die  Art 
und  Weise  der  Technik  ist  in  den  alten  Schrift- 
steilem  fast  nichts  aufgczeichuet , so  dass  wir  in 
dieser  Beziehung  von  gerechtem  Zweifel  gegen  die 
Art  und  Weise  der  Bezeichnung  mit  gallisch  oder 
keltisch  erfüllt  sein  müssen.  Was  die  Techuik 
des  Armringes  betrifft . so  ist  sie  allerdings  eine 
sehr  einfache  und  steht  sogar  auf  einer  metal- 
lurgisch niedrigeren  Stufe  als  die  Artefaete  vieler 
solcher  der  Neuzeit.  Bei  dem  Besuche  des  Ba- 
lener  Museums  bähe  ich  einige  Arm-  und  Finger- 
ringe gesehen  und  davon  einige  mitgehracht  , bei 
deren  Vergleichung  Sie  wahrnehmen  können,  dass 
die  Aschantis  in  dieser  Beziehung  auf  höherer 
Stufe  stehen  als  die  Bing- Repräsentanten  der 
rheinischen  Kelten.  Vorsicht  in  solchen  ethnolo- 
gisch - archäologischen  Fragen  dürfte  deshalb  vor 
Beibringung  entscheidender  ausstehender  Kriterien 
sehr  am  Platze  sein. 

Hr.  Fischer  („hart,  spröde  und  zäh"):  Ich 
möchte  mir  erlauben , Ihnen  eine  kleine  Notiz 
über  die  in  der  Mineralogie  gütigen  Ausdrücke 
„hart,  spröde  und  zäh“  einzuschalten.  Ich  glaube, 
dass  dies  zum  Studium  der  Steinheile  mul  aller 
ähnlichen  Instrumente  nothwendig  ist.  — Die 
Härte  bezeichnet  hei  uns  Mineralogen  den  Grad 
des  Widerstandes,  den  wir  linden  , wenn  wir  mit 
einem  Mineralkörper  in  einen  andern  eittdringen ; 
dafür  haben  wir  eine  Scala.  Zwischen  spröde 
und  zäh  ist  dann  noch  ein  wesentlicher  Unter- 
schied. Wenn  Sie  mit  einem  Hammer  einen  Quarz 
zerschlugen  , so  gibt  es  Splitter,  und  der  Druck, 
den  Sie  durch  den  Schlag  ausfihen , erstreckt 
sich  weit  nach  innen.  Der  zähe  Körper  dagegen 
lässt  den  Kindruck  Ihres  Hammers  nicht  weit 
wirken.  Bei  einem  zähen  Körper  haben  Sie  meist 
eine  feinfaserige  Substanz,  deren  Fasern  entweder 
recht  dicht  neben  einander  oder  verschränkt  liegen. 
Sie  werden  sehen , dass  der  Haminerschlag  nicht 
weit  wirkt,  und  das  ist  der  Grund,  warum  jener 
Nephrit  einen  Ambos  ruinirt  hat.  Die  Körper, 
die  wir  gestern  erörtert  liabeu . Nephrit  und  Ja- 
deit sind  nicht  einmal  immer  ganz  so  hart  wie 
Quarz,  aber  sie  sind  ganz  enorm  zäh.  Die  Zähig- 
keit ist  also  besonders  scharf  von  der  Sprödigkeit 
zu  unterscheiden.  Ich  möchte  demnach  die  Herren 
darauf  aufmerksam  machen  , dass  Sie  sich  in  Zu- 
kunft strikte  an  diese  Bedeutung  der  Ausdrücke 
„hart,  spröde  und  zäh“  halten  und  dieselben  nicht 
verwechseln  wollen. 

Hr.  Kollmunn  (über  mesocepliale  Schädel  aus 
alten  Gräbern  Bayerns):  Die  Untersuchungen,  welche 
in  Deutschland  über  alte  Gräberschädel  gemacht 
wordeu  sind,  haben  zwei  Resultate  mit  Sicherheit 
craniologisch  feststellen  lassen.  In  erster  Linie 
wurden  I.angschädel,  Dolichocephalen  nachgewiesen, 
für  die  man  auch  die  Bezeichnung  „fränkisch-ale- 
mannische“ Schädel , auch  „germanische“  Schädel 


vorgeschlagen  hat , weil  überall , wo  innerhalb 
Deutschlands  Gräber  aus  der  fränkisch  - aleman- 
nischen Zeit  gefunden  werden,  die  langgestreckten 
Formen  mit  dem  stark  entwickelten  Hinterhaupt 
vorwiegen.  (Redner  demonstrirt  au  dolichocephalen 
Schädeln,  die  aus  fränkisch-alemannischer  Umgebung 
von  Constanz  stammen  und  aus  dem  Rosgarten- 
Museum  herrüliren.) 

Die  zweite  Thatsaehe  ist,  dass  die  Üolicho- 
cephalen  nicht  die  einzige  Schädelform  darstellen. 
die  man  in  den  alten  Gräbern  findet,  es  kommen 
vielmehr  gleichzeitig  auch  Brachyccphalen  von 
bedeutender  Kürze  vor.  Diese  Brachyccphalen 
sind  in  der  Minderzahl,  die  Dolichocephalen  in  der 
Mehrzahl.  Verschieden  wie  das  Crauium  war  auch 
die  Köqmrgrösse  und  die  Complexion  dieser  beiden 
Rassen.  Nach  den  an  den  Skeletten  vorgenom- 
menen Messungen  und  nach  den  Erfahrungen  in 
Süddeutschland  stellt  sieh  heraus  , dass  die  doli- 
chocephale  Rasse  von  hoher,  die  andere  von  kleiner 
Statur  war.  Man  darf  mit  Sicherheit  annehmen, 
dass  die  Nachkommen  dieser  beiden  Rassen  noch 
unter  der  heutigen  Bevölkerung  sich  befinden.  Wir 
wissen  es  aus  der  Geschichte , und  neuerdings 
zeigen  es  die  statistischen  Erhebungen  über  die 
Farbe  der  Augen,  der  Haare  uud  der  Haut,  dass 
noch  zahlreiche  Nachkommen  dieser  beiden  Rassen 
auf  dem  deutschen  Boden  leben.  Die  Erhebungen 
aus  Baden  (von  Hin.  Ecker)  und  Württemberg  (von 
Hrn.  v.  H öl  der)  bei  den  Conscribirten  haben  dar- 
gethan,  dass  in  ganz  bestimmten  Bezirken  Rekruten 
von  hoher  Statur  zahlreich  sind,  während  in  anderen 
das  Gegcntheil  der  Fall  ist.  Dieselbe  Erfahrung 
hat  man  innerhalb  weiter  Gebiete  in  Frankreich 
(Hr.  Broca)  gemacht,  wodurch  der  Gedanke  an  zu- 
fällige Gruppirung  ausgeschlossen  wird.  Im  nörd- 
lichen Frankreich  sind  bekanntlich  germanische 
Stämme  cingewundert ; dort  ist  die  Dnrchschnitts- 
grösse  der  Rekruten  viel  bedeutender  als  in  dem 
südwestlichen  Theil  des  Landes.  Ueberdies  eor- 
respondiren  die  blonden  Haare  und  die  blauen 
Augen , die  Tacitus  von  den  Germanen  erwähnt, 
mit  dem  Auftreten  der  grossen  Rasse ; dunkle 
Augen,  dunkle  Haare  und  dunkle  Haut  mit  der 
kleinen.  Diese  zwei  Typen , welche  innerhalb 
Deutschlands  jüngst  durch  die  Bearbeitung  der  sta- 
tistischen Erhebungen  über  die  Complexion  von  Hrn. 
Yirchow  nacligewiesen  wurden,  erstreckten  sich 
in  prähistorischer  Zeit  nahezu  über  ganz  Europa. 
Auf  dem  internationalen  Congress  in  Pest  lagen 
z.  B.  dolichocephale  Schädel  aus  alten  Gräbern 
Ostgalizicns  von  ganz  derselben  Form  vor  (Ko- 
pernickl),  und  Broca  betonte,  dass  beide,  lange 
und  kurze,  schon  in  den  Dolmen  Westfrankreichs 
gefunden  seien. 

Ich  habe  auf  der  Generalversammlung  in 
Jena  die  weite  Verbreitung  der  dolichocephalen 
Rasse  betont,  und  gerade  auf  Grund  ihres  Nach- 
weises von  der  Wolga  bis  au  den  grossen  Ocean 
mich  gegen  die  Deutung  ausgesprochen,  als  wären 
diese  blonden  Langschädel  gerade  ausschliesslich 


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144 


germanisch  zu  nennen;  sie  verdienten  diese  Be- 
zeichnung nur,  sofern  sie  sich  an  der  Kntwirklung 
der  germanischen  Staaten  betheiligt.  Der  Hr.  Vor- 
sitzende hat  damals  diese  „diplomatische  Wendung“ 
für  die  Deutung  der  auf  deutschem  Boden  nach- 
weisbaren Langschädel  ahgelehnt,  aber  ich  erlaube 
mir  auf  dieselbe  Anschauung  von  damals  zurück- 
zukommen , weil  diese  Funde  aus  den  Dolmen, 
welche  der  neolithischen  Periode  angehören , be- 
weisen , dass  lange  Zeit  vor  der  frünkisch-alema- 
nischen  Einwanderung  diese  Basse  in  Europa  ein- 
gedrungen  ist , schon  zu  einer  Zeit , in  der  wohl 
noch  von  germanischen  Staaten  keine  Bede  war. 

Ich  möchte  nun  Ihre  Aufmerksamkeit  von  der 
dolicho-  und  brachycephalen  Basse  der  alten  Gräber 
hinweg  auf  eine  dritte  Rasse  lenken  , die  m e s o- 
cephal  mir  zum  erstenmal  in  Südbayern  bei  der 
Untersuchung  der  Gräberfelder  von  Oberhaching  in 
grösserer  Uäntigkeit  aufsties*.  Ur.  Dr.  Heinrich 
Ranke,  der  Entdecker  dieses  Gräberfeldes,  spricht 
in  dem  Correspondenzblalte  unserer  Gesellschaft 
1870  Nro.  3 und  in  den  Beiträgen  zur  Anthropo- 
logie und  Urgeschichte  Bayerns  Bd.  I S.  122  diese 
mesocephalen  Schädel  für  die  der  bajuvarischen 
Urbevölkerung  an  , die  um  die  Zeit  des  G.  Jahr- 
hunderts nach  Bayern  gekommen  wäre  und  sich 
dort  festgesetzt  hätte.  — Ich  habe  mehrfache  Be- 
denken gegen  diese  Deutung.  Zunächst  ist  zu  be- 
tonen , dass  es  sich  hier  um  mesocephale  Schädel 
mit  einem  Längenbreitenindex  von  75.0-79,9  han- 
delt, während  die  heutige  Bevölkerung  brachycephal 
ist  und  einen  Läogenbreitenindex  zwischen  83, o 
bis  93,0  aufweist.  Dann  ist  die  Norraa  verticalis 
länglich  und  zeigt  an  Stirn  und  Hinterhaupt  ein 
nahezu  gleiches  Oval ; das  Occiput  ist  voll , die 
Scheitelcurve  mehr  flach  verlaufend . Stirn  und 
Scheitelhöcker  nur  mässig  entwickelt  hei  den  Me- 
socephalen, während  die  Brachycephalen  ein  kurzes, 
an  der  Stirn  sehr  verschmälertes  Oval  besitzen, 
und  stark  hervortretende  Stirn  und  Scheitelhöcker, 
so  dass  gute  Specimina  eine  fast  kubische  Gestalt 
von  oben  zeigen;  ihr  Hinterhaupt  fällt  aber  von 
dem  hohen  Scheitel  fast  rechtwinklig  ah.  Treten 
in  diesen  Eigenschaften  der  Ilirnkapsel  schon  man- 
nigfache und  höchst  prägnante  Charaktere  hervor, 
welche  diese  Mesocephalen  scharf  von  den  Bra- 
chycephalen trennen,  so  steigert  sich  die  Kluft  bei 
der  Betrachtung  des  Gesichtschädels.  Die  Nase 
der  Mesocephalen  ist  breit,  platt  und  kurz,  bei  den 
Brachycephalen  schmal  und  hoch.  Dort  treten  die 
Wangenbeine  stark  hervor,  und  dadurch  erscheint 
das  Gesicht  mehr  breit,  während  hier  solche  Merk- 
male fehlen. 

Nachdem  ich  ähnliche  Schädelformen  in  Mittel- 
deutschland und  in  Ungarn  gefunden,  und  durch 
die  Güte  des  Pester  Anatomen  Hrn.  v.  Lenhossek 
ein  gutes  Specimen  dieser  Art  gleichzeitig  mit  den 
alten  Oberhachingern  aus  Bayern  vorzulegen  im 
Stande  bin , glaube  ich  den  Satz  vertreten  zu 
können,  dass  hier  die  Repräsentanten  einer  dritten 
Rasse  vor  uus  stehen,  die  an  dem  Aufbau  der  Be- 


völkerung Mitteleuropas  ihren  Antheil  hat.  Die 
von  mir  angegebenen  Eigenschaften  der  nteso- 
eephalen  Schädel  machen  es  unmöglich , sie  für 
Mischlinge  zwischen  den  alten  Kurz-  und  Lang- 
schädeln  zu  erklären.  Schädel , welche  aus  einer 
solchen  Kreuzung  liervorgegangen  sind,  tragen  die 
deutlichsten  Spuren  ihrer  zwiefachen  Herkunft  an 
sich,  namentlich  darin . dass  das  Hinterhaupt  aus- 
gezogen  ist.  Das  C harakteristische  der  Langschädel, 
das  nach  hinten  ausgereckte  Hinterhaupt  ist  in 
solchen  Fällen  unverkennbar  und  es  tritt  an  jedem 
Specimen  dieser  Art  jene  Form  des  Occiput  auf, 
die  man  als  „Neigung  zur  Dolichocephalie“,  oder 
kürzer  als  dolichoid  bezeichnet  hat.  Mit  solchen 
dolichoideu  Schädeln  haben  die  eben  geschilderten 
Mesocephalen  nichts  gemein. 

Die  bayerische  Bevölkerung  entstand  demnach 
unter  dem  Kinfluss  dreier  verschiedener  Rassen, 
einer  doliohocephalen,  einer  ineso-  und  einer  bra- 
chycephaleu.  Auch  in  Norddeutschland  darf  man 
aus  verschiedenen  Gründen,  die  ich  au  einem  andern 
Orte  darlegen  werde,  eine  Entwicklung  der  heutigen 
Bevölkerung  auf  Grund  dreier  verschiedener 
Rassen  annehmen.  Ich  will  nach  dieser  Seite  hin 
nur  daran  erinnern , dass  die  statistischen  Er- 
hebungen und  zwar  mit  besonderer  Schärfe  jene 
Sachsens  hiefür  massgebende  Beweise  geliefert 
haben.  Es  hat  sieb  nemlich  herausgestellt , dass 
die  wendischen  Bezirke  ein  sehr  starkes  Contingent 
von  Individuen  mit  grauen  Augen  und  blonden 
Haaren  enthalten,  neben  solchen  mit  blauen  Augen 
und  blondem  Haar,  und  dunklen  Augen  und  dunklem 
Haar.  Die  auffallende  Menge  von  Individuen  mit. 
blonder  Complexion  in  den  wendischen  Bezirken 
zeigt  auf  das  deutlichste , dass  zwei  Rasseu  von 
blonder  Complexion  mit  einer  dritten  dunklen  ge- 
mischt sind,  ebenso  wie  im  Süden  Deutschlands. 
Allein  die  Componenten  sind , obwohl  dieselben, 
doch  in  den  verschiedenen  Gebieten  mit  verschie- 
denem Procentsatz  in  einander  übergegangen.  Im 
Süden  waren  die  Individuen  mit  dunkler  Com- 
plexiou  zahlreicher  als  die  beiden  blonden  Rassen ; 
im  Norden  ist  das  Verhältnis  umgekehrt  ; hier 
sind  die  beiden  blonden  Kategorien  im  Ueber- 
gewiclit,  wodurch  die  dunkle  weuiger  in  den  Vor- 
dergrund tritt. 

Durch  die  Publikation  der  statistischen  Er- 
hebungen wird  für  die  eben  ausgesprochene  An- 
sicht noch  zahlreiches  Bew'eismaterial  erbracht 
werden;  schon  heute  scheint  mir  jedoch  die  Drei- 
zahl  in  der  Rassen  - Grundlage  der  Bevölkerung 
Deutschlands  ausser  Frage  gestellt.  Ob  damit  die 
Zahl  erschöpft  ist , haben  weitere  Untersuchungen 
zu  entscheiden. 

Hr.  Johannes  Ranke  (craniologische  Mitthei- 
lungen über  die  Landbevölkerung  Altbayerns) : An 
die  Statistik  der  Farbe  der  Augen,  der  Haare  und  der 
Haut  der  deutschen  Schulkinder  ist  die  deutsche 
anthropologische  Forschung  mit  voller  Unbefangen- 
heit, ohne  jegliche  Voreingenommenheit  in  Beziehung 


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145 


auf  das  zu  erwartende  Resultat  herangetreten. 
Die  Ergebnisse,  welche  sie  auf  diese  Weise  ge- 
wonnen hat . erscheinen  Ton  der  höchsten  wissen- 
schaftlichen Tragweite. 

Die  nächste  Aufgabe  der  Forschung  der 
physischen  Anthropologie  für  Deutschland  ist  die 
Aufnahme  einer  Statistik  der  in  Deutsch- 
land heute  vorkommenden  Schädelfor- 
men. Aber  nur  dann  können  wir  hotten,  Resultate 
von  bleibendem  wissenschaftlichem  Wert  he  zu  er- 
halten, welche  eine  exacte  Vergleichung  zulassen, 
wenn  wir  zunächst  den  gleichen  voraussetzungs- 
losen Standpunkt  cinhaltcn.  von  welchem  bei  der 
Statistik  der  Farbe  der  Augen , der  Haare  und 
der  Haut  die  Forschung  vorwärtsschritt.  Wir 
dürfen  bei  einer  Aufnahme  der  cra- 
n i o 1 o g i s r h e n Statistik  des  deutschen 
Volkes  zunächst  nur  den  Massstab.  das 
M e s s - 1 n s t r u in  e n t sprechen  lassen.  Die 
Untersuchung  wird  sich  zunächst  nur  auf  die  ein- 
fachsten craniologischen  Fragen  zu  beziehen  haben. 
Ist  einmal  die  Statistik  der  die  Wissenschaft 
heute  noch  am  meisten  beschäftigenden  Verhält- 
nisse: Dolichocephalie  und  Brachycephalie , Cha- 
maecephalie  und  Hypsicephalie  aufgenomuien,  so 
wird  es  Zeit  sein , an  die  weitere  „zoologische** 
Klassiticirung  des  Materials  zu  gehen.  Die  Fragen, 
welche  in  diesem  Sinne  zuuächst  für  die  moderne 
deutsche  Craniologie  zu  beantworten  sind , lauten 
etwa  so: 

1.  Wie  viel  doliehocephale,  mesocephale  und 
hrachycephale  Individuen  finden  sich  im  deutschen 
Volke  — resp.  wie  viel  Schädel  treffen  auf  den 
Längeubreitenindex  von  . . . . G9,  70.  71  etc.  bis 
97  ...  . — und  wie  stellt  sich  die  Vcrtheiluug 
dieser  „Messungstypen**  in  den  verschiedenen  geo- 
graphisch und  ethnologisch  begrenzten  Bezirken. 

2.  Wie  viel  Chamae-  und  Hypsicephalen  — 
ebenfalls  auf  die  Indices  bezogen  — finden  sieb 
und  wie  sind  sie  vertheilt? 

Der  Hauptwertli  einer  solchen  craniologischen 
Betrachtung  würde  in  einer  sehr  grossen  An- 
zahl von  Messn ngen  für  lokal  und  ethno- 
graphisch scharf  begrenzte  Bevölkerungskreise  zu 
suchen  sein.  Es  werden  wohl  nur  Messungen 
an  Lebende»  diesem  Bedürfnis  vollkommen 
entsprechen  können,  vor  allem  auch  dämm,  weil 
es  dringend  wünschenswerth  erscheint,  die  Messung 
der  Sehädelfonn  mit  der  der  Körpergrösse  und 
mit  der  Bestimmung  der  Farbe  der  Augen , der 
Haare  und  der  Haut  zu  verbinden.  Solche  Mes- 
sungen au  Lebenden  stehen  noch  nicht  in  Aussicht, 
wir  müssen  uns  daher  zunächst  an  das  vorliegende 
Knochcninaterial  halten,  welches  mit  gutem  Willen 
überall  mehr  oder  weniger  reichlich  wird  be- 
schafft werden  können.  Gestatten  Sie  mir  einige 
Hauptresultate  von  Messungen  an  Schädeln  der 
altbayerischen  Landbevölkerung  zur  vor- 
läufigen Mittheilung  zu  bringen,  welche  in  dem 
dargelcgton  Sinne  angestellt  wurden.  Wenn  wir  die 
Unterschiede  in  der  Farbe  der  Augen , der  Haare 

Com»f>.-BUtt  Nro.  II. 


und  der  Haut  innerhalb  des  deutschen  Volkes 
zwischen  den  nördlichsten  und  südlichsten  Stämmen 
am  ausgesprochensten  antretfen , so  dürfen  wir 
vielleicht  vermutheu,  dass  auch  andere  somatische 
Eigenschaften  z.  B.  der  Schädelbau  analoge  Ge- 
setzmässigkeiten werden  erkennen  lassen. 

Das  neueste  anthropologische  Werk  des  Hm. 
Virchow:  „Beiträge  zur  physischen  Anthropologie 
der  Deutschen  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Friesen  * (1876)  gibt  uns  die  gewünschte  Ge- 
legenheit, die  für  den  äußersten  Süden  Deutsch- 
lands von  uns  bestimmten  Verhältnisse  des  Schädel- 
baues  mit  denen  zu  vergleichen,  welche  sich  im 
höchsten  deutschen  Norden  finden.  Die  Verschieden- 
heiten in  der  Schädelbildnng  der  modernen  deut- 
schen Stämme  werden  wir  bei  dieser  Vergleichung 
der  Friesen  und  Bayern,  wenn  die  Unterschiede 
in  der  Schädclbildung  mit  den  Unterschieden  in 
der  ( omplexion  etwa  gleichen  Schritt  halten  sollten, 
wohl  in  ihren  Extremen  zn  beobachten  Gelegen- 
heit haben. 

Nach  Messungen  an  1000  nach  dem  Ge- 
schlecht zufällig  gemischten  Schädeln  aus  der 
altbayerischen  Landbevölkerung  beträgt 
der  Längenbreitenindex  der  Schädel  im 
Mittel  83,2. 

Dieser  Iudex  ist  etwa  der  gleiche,  wie  jener, 
welchen  Hr.  Ecker  an  200  nach  dem  Geschlechte 
ebenfalls  zufällig  gemischten  Schädeln  aus  der  Be- 
völkerung des  badischen  Oberlandes  bestimmte;  er 
fand  im  Mittel  83.5.  Etwas  weniger  kurzköpfig  er- 
scheinen die  Bewohner  des  schwäbischen  Unter- 
landes, für  welche  Hr.  v.  llölder  einen  mittleren 
Längeubreitenindex  von  81,7  erhielt.  Unter  deu 
gemessenen  1000  alt  bayerischen  Schädeln  schwankte 
der  Längeubreitenindex  zwischen  deu  beiden  Ex- 
tremen: 70,3  bis  97,6.  Aber  keineswegs  erscheint 
innerhalb  dieser  weiten  Grenzen  die  Vertheilung 
der  verschiedenen  Längenbreitenindices  der  Schädel 
in  der  alt  bayerischen  Landbevölkerung  als  eine 
zufällige;  wir  erkennen  deutlich,  dass  der  Ge- 
sammttypus  der  Schädel  einer  hohen  Kurzköpfig- 
keit  zuneigt.  Unter  den  1000  gemessenen  Schädeln 
fanden  sich  8 Doliehocephale  mit  einem 
Längeubreitenindex  unter  75,0.  Die  Zahl  der 
Mesocephaleu,  mit  einem  Index  zwischen 
75,0  und  79.9,  beträgt  161.  Innerhalb  dieser  Gruppe 
zeigen  die  hart  an  der  Grenze  der  Brachycephalie 
stehenden  Formen  ein  sehr  entschiedenes  Ueber- 
gewicht.  Die  Mehrzahl  der  1UOÜ  Schädel,  nemlich 
831,  erwiesen  sich  als  brachycephal  mit  einem 
Index  zwischen  80.0  und  97,6. 

Nach  unseren  Messungen  treffen  sonach  in 
Altb  ay  ern  unter  der  Landbevölkerung  a u f j e 100 
Brachycepbalen  19  (19,3)  Mesocephaleu 
und  1 (0,96)  Doliehocephale. 

Auch  innerhalb  der  Brachycephalie  sehen  wir 
bei  unseren  Schädeln  eine  Hinneigung  sich  geltend 
machen  nach  der  Seite  der  ausgesprocheneren  Kurz- 
köpfigkeit.  Um  die  hier  obwaltenden  Verhältnisse 

3 


Digitiz 


zu  veranschaulichen , ordnen  wir  die  1000  alt- 
bayerischen  Schädel  narb  dem  Längenhreitenindex. 
imiem  wir  zu  jeder  Zahl,  welche  den  Index  angibt. 
die  Anzahl  der  Schädel  setzen,  an  welchen  der- 
selbe beobachtet  wurde.  Wir  erhalten  hiebei  fol- 
gende Gruppirung  der  Schädel: 

I.  8 doliehocephalc.  Index  70.3- -7l.it. 

La nge  n breitenin  d ex 70:  71:  72:  78:  74: 

Anzahl  der  Schädel  (unter  14 mm l)  1 I 2 2 2 

U.  161  mesocephale,  Index  75/1  70,0. 

Längenhreitenindex 75:  76:  77:  78:  79: 

Anzahl  der  Schädel  (unter  lflUO)  6 14  28  40  64 

III.  831  broehyeephale,  Index  80,0 — 07,6. 
n.  523  Index  80,0  -84,9. 

Längenbreitenindex 80:  81:  82:  83:  84: 

Anzahl  der  Schädel  (unter  inno)  84  106  99  124  110 
b.  274  Index  85.4)— 80,9. 

Lftngenbreitenindex 85:  86:  87:  88:  89: 

Anzahl  der  Schädel  (unter  lnoo)  80  94  54  26  24) 
e.  34  Index  90,0  — 97,6. 
Laugenbreitenindex  . 90:  91:  92:  93:  94:  95:  97: 
Anzahl  der  Schädel 

(unter  HX*)} ....  18  8 3 1 2 1 1 

Die  relative  Anzahl  der  Schädel  steigt  inner- 
halb der  Grenzen  der  Kurzköpfigkeit  bis  zum  In- 
dex 83  entschieden  an.  Es  spricht  für  die  grosse 
Gleichförmigkeit  der  beobachteten  Verhältnisse  der 
Schädelbihtuiig,  dass  der  oben  gefundene  mittlere 
Längenbreitenindex  von  83  (83,2)  auch  wirklich 
am  häutigsten  unter  der  altbayerischen  Land- 
bevölkerung verkommt.  Von  Iudex  81  bis  86 
sinkt  die  Anzahl  der  Schädel  langsam,  dann  etwas 
rascher  von  Index  87  bis  94 >,  doch  habet)  immer 
noch  16  Schädel  einen  Lflngeiibreitenindex  zwischen 
91  und  97.  Die  Formen  der  höchsten  Kurzköptig- 
keit  (Index  über  89,9)  (Schädelanzahl  34)  sind 
unter  unserer  Landbevölkerung  mehr  als  viermal 
häufiger  als  die  Formen  der  ausgesprochenen  Do- 
lichocephalie  (Schädelunzahl  8). 

Die  Verhältnisse  der  I*änge  des  Schädels  zur 
Schädelhöhe : L ä n g e n h ö h e ui n d e x des  Schädels 
und  der  Breite  des  Schädels  zu  seiner  Höhe: 
Breitenhöhenindex  erscheinen  nach  den  Un- 
tersuchungen des  Hm.  Virchow  für  die  Charak- 
teristik der  Schädelform  nicht  weniger  wichtig 
als  das  bisher  besprochene  Verhältnis»  der  Länge 
und  Breite. 

Für  die  speciell  alt  bayerische  Landbevölkerung 
ergeben  sich  im  Mittel  aus  800  Schädelmessungen 
folgende  Höhenindices: 

L ä n g e n h ö h e u i n d e x : B r e i I e n h Oh  e n i n d e x : 

73,01  89,17. 

Hr.  Virchow  bezeichnet  bekanntlich  die 
Schädel  mit  einem  Längenhöbeuindex  unter  70,4) 
ah  cliauiaecepliale,  Flachköpfe.  Die  Schädel  der 


Altbayern  erscheinen  nach  den  mitgctheilten  Zahlen 
im  Mittel  als  massig  hoch  jedenfalls  durchau- 
nicht  cbamaecephal.  Die  Cliamaecepbalie  ist  unter 
unserem  Landvolke  zwar  relativ  etwas  häufiger 
als  die  Dolichocephalie,  aber  immerhin  doch  vor- 
hältnissmässig  recht  selten.  Unter  800  Schädeln 
fanden  sich  85  mit  einen  Längenhöhenindex  unter 
“4Mb  dagegen  34  mit  einem  solchen  Über  79,9. 
Auf  1000  Schädel  treffen  danach  in  Althayern 
104»  Cbamaecephale,  Flacliköpfe.  dagegen  42  thurm- 
kopfähnlirhe  Schädel:  der  Best  von  852  ist  mittel- 
hochköptig  bis  wahrhaft  hochköpfig:  hypsirephal. 

Die  Chamaeeephulie  kommt  in  Althayern  vor- 
wiegend häufig  mit  Dolichocephalie  und  Meso- 
ccphalie  gepaart  vor.  doch  finden  sich  auch  flache 
Brachycephalen  und  hohe  Meso-  und  Dolicho- 
cephalen.  Im  Ganzen  ist  unser  Landvolk 
in  weit  überwiegender  Anzahl  relativ 
hochköpfig  und  zwar  etwa  in  dem  glei- 
chen Verhältnis«*,  wie  es  b rac hy cephal 
ersc  h eint. 

Vergleichen  wir  nun  zunächst  unsere  Ergeb- 
nisse mit  den  von  Hin.  Virchow  gewonnenen. 
S.  359  seines  oben  erwähnten  Werkes  entnehmen 
wir  die  folgende  auf  1004)  berechnete  Zusammen- 
stellung über  den  Längenhreitenindex  der 
von  ihm  untersuchten  »Friesen4* -Schädel,  welche 
wir  mit  unseren  Messungsergehnissen  an  modernen 
altbayerischen  Schädeln  und  denen  des  Hm.  Kol  I- 
m a n n an  Schädeln  aus  alten  Grabstätten  Bayern** 
(auf  li MM)  berechnet)  zusammenstellen: 


l.ünxenlireilen- 

prähistorische  . 
Bayern:  1-r,<,,ell: 

Alt- 

index 

hayern. 

unter  75.0 

500  177 

8 

75,0  — 79.9 

400  515 

181 

80,0  — 84.9 

80  290 

523 

85.0  — 89,9 \ 

20  lli 

2741 

90,0  — 97.8 1 

311 

Die  Unterschiede,  welche  diese  Reihen  zu- 
nächst zwischen  den  beiden  modernen  Bevölke- 
rungen ergeben,  sind  sehr  beträchtlich.  Die  frie- 
sisch-norddeutsche Bevölkerung  erscheint  nach 
Hm.  Virchow  vorwiegend  mesocephal , die  alt- 
bayerische  Landbevölkerung  dagegen  entschieden 
brachycephal*). 

Zu  dem  Resultate  eines  tiefgehenden  Unter- 
schiedes zwischen  dem  Süden  und  Norden  Deutsch- 
lands in  Beziehung  auf  den  Schädelbau  kommen 
wir  auch,  wenn  wir  die  Höhenindices  ver- 
gleichen. S.  357  gibt  Hr.  Virchow’  eine  Zu- 
sammenstellung der  Resultate  seiner  Höheuines- 


•)  Wir  dürfen  aber  dabei  nicht  vergessen  . dass 
die  von  Um.  Virchow  beschriebenen  Schädel  nicht 
alle  der  jüngeren  Zeit  augehören,  während  zu  unserer 
Statistik  für  Altbayern  nur  Schädel  von  einem  Maximal- 
alter  von  etwa  100  Jahren  seit  dem  Tode  des  ehe- 
maligen Besitzers  gedient  haben. 


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147 


«mögen  an  den  Friesenschädeln,  welche  wir  wieder 
anf  1000  berechnen  und  mit  den  für  die  prä- 
historischen und  modernen  Altbayern  gefundenen 


Werthan  zusammenstellen. 

Längenhöhen- 

index 

prähistor. 
Bayern : 

Friesen: 

Altbayern 

unter  65,0 

65.0  — 69,9 

70.0  — 74,9 
75,0—  79,9 

80.0  — 82,2 

230 | 58  * 
360 
140 
0 

SK 

375 

125 

0 

520 

321  > 
50 

Wahrend  sich  danach  im  Norden  50*/»  relativ 
niedrige  Schädel  finden,  ist  diese  Schädelform  im 
Aussersten  Süden  Deutschlands  jetzt  nur  mit  11% 
vertreten.  Die  Hypsicephalen  (Index  75,0  — 82,2) 
erscheinen  bei  uns  im  Süden  dreimal  häutiger  als 
unter  der  von  Hrn.  Virchow  beschriebenen  nord- 
deutschen Bevölkerung.  Eigentliche  Thurmkopf- 
formen.  welche  in  Altbayern  die  Zahl  von  6% 
erreichen,  fehlen  unter  den  von  Hrn.  Virchow 
beschriebenen  Friescnsrhädeln  gänzlich. 

Nach  Hrn.  Broea's  Vorgang  wird  in  der 
letzten  Zeit  ein  grösseres  Gewicht  auf  die  Bildung 
der  knöchernen  Nase  zur  Charnkterisiriing  der 
Schädel  gelegt.  Zur  allgemeinen  Orientirung  ziehen 
wir  diese  Verhältnisse  hier  mit  heran.  Die  Länge 
der  knöchernen  Nase  (Nasofrontalnaht  bis  zum 
Nasenstachel)  wird  bekanntlich  mit  der  grössten 
Breite  der  Nasenöffnung  verglichen  und  ihr  Ver- 
hältnis)» ( Länge  100) als Naaenindex  bezeichnet. 
Hr.  Broca  bezeichnet  Nasen  mit  einem  Index 
von  58  — 53  als  pl&tyrrhine  , Breitnasen ; von 
52  — 48  als  metorrhine,  Mittelnasen;  von  47  bis 
42  als  leptorrhine,  Sehmalnasen.  Die  kaukasischen 
Kossen  und  die  Eskimo  s sollen  der  letzten  Ab- 
theilung zugehören.  Hr.  Virchow  fand  die 
Friesen  und  ihre  ihnen  ähnlichen  norddeutschen 
Nachbaren  ebenfalls  überwiegend  lep torrbin, 
ebenso  Hr.  Holtmann  die  alten  Bayern;  letzterer 
fand  nur  an  einem  mesocephalen  Weibersrliädel  einen 
niesorrhinen  Index:  40,5.  Nach  142  Bestimmungen 
«les  Nasen  index  beträgt  derselbe  bei  der 
modernen  alt  bayerischen  Landbevölkerung  im  Mittel 
49,12,  ein  Verbältniss,  welches  wir  nach  Hrn. 
Broca  als  mesorrliin  zu  bezeichnen  haben. 
Die  althayerischeu  Weiher  scheincFi  mit  einem 
mittleren  Nasenindex  von  49,35  stärker  mesorrhin 
als  die  Männer,  deren  Nasenindcx  im  Mittel  48.88 
beträgt,  also  an  der  unteren  Grenze  der  Mcsorrhiuie 
gegen  die  Leptorrhinie  zu  stehen  kommt.  Uebrigens 
rind  die  Nasen  der  Altbayern  meist  lang  und  ver- 
gehend, der  Nasenrücken  breit  und  sehr  wohl 
gewölbt;  der  höhere  Nasenindex  spricht  sich  aber  in 
einer  relativ  breiten  knorpeligen  Nase  (Nasenspitze) 
der  Lebenden  aus.  Mongoloider  Typus  der  Nase 
ist  relativ  sehr  selten.  In  Beziehung  auf  den 
.Nasenindex  erläutert  folgende  kleine  Tabelle  die 
wichtigsten  beobachteten  Einzelverhältnisse. 


Nasenindex  Männer:  Weiber: 

unter  47  leptorrhin  . . 40,14  40,27 

48  — 52  mesorrhin  . . 48,43  43,07 

über  53  platyrrhin  . . 11,43  16,66 

40%  der  modernen  altbayerischen  Land- 
bevölkerung sind  sonach  leptorrhin.  46%  mesor- 
rhin und  14%  platyrrhin;  die  Weiher  scheinen 
noch  etwas  häufiger  platyrrhin  zu  sein  als  die 
Männer. 

Wenn  Hr.  Virchow  die  Schädel  der  nörd- 
lichsten Bewohner  Deutschlands  (Friesen)  als 
vorwiegend  mesocephal  und  leptorrhin  mit 
einer  entschiedenen  Neigung  zur  Chamaecephalie 
schildert,  finden  wir  dagegen  die  an  der  Südgrenze 
Deutschlands  wohnende  Bevölkerung  Alt- 
bayer n 8 vorwiegend  bra  e h ye  e ph  a 1 und 

mesorrhin  mit  einer  entschiedenen  Hin- 
neigung zur  H y p s i c e p h a I i c. 

Ganz  anders  gestaltet  sich  unser  Urtheil.  wenn 
wir  die  von  Hrn.  Virchow  beschriebenen  Friesen- 
schfldel  mit  den  Schädeln  aus  den  prähistorischen 
Grabstätten  Bayerns  (Beihengräber)  vergleichen, 
liier  tinden  wir  viel  grössere  Uebereinstimmung. 
ln  beiden  Reihen  überwiegen  die  dolichoiden  (do- 
licho-  und  mesocephalen)  Schädelformen  weit  die 
brachyccphalen.  welche  auch  hei  den  Friesen  des 
Hrn.  Virchow  sehr  weit  hinter  denen  unserer 
Altbayern  Zurückbleiben.  Dabei  ist  jedoch  unver- 
kennbar. dass  die  „friesische“  Bevölkerung  schon 
dreimal  mehr  Brachyccphalen  in  sich  schliesst  als 
die  „alten  Bayern“:  auch  sind  die  letzteren  immer 
noch  um  einen  Grad  dolichoeephaler  als  jene.  Fast 
absolut  erscheint  dagegen  die  Uebereinstitninung 
in  den  Lftngeiihöbenverbältuissen  der  Schädel  und 
im  Nasenindex  der  beiden  in  der  Zeit  so  weit  ent- 
legenen Völker. 

Es  ergibt  sich,  dass  die  Friesen  in  cranio- 
lügischer  Beziehung  viel  näher  mit  den  alten  Be- 
wohnern Bayerns  als  mit  dem  modernen  alt- 
bayerischen Volke  zusammenstimmen.  Aehnliche 
craniidogischc  Verhältnisse,  wie  sie  in  der  „Reilieii- 
gräherzeit“  bis  zum  Fasse  der  bayerischen  Alpen 
die  herrschenden  waren,  tinden  sich  noch  heute  im 
Norden  Deutschlands. 

Ilr.  Virchow:  leb  wollte  zunächst  auf  die 
Interpellation  von  Ilrn.  Kollmann  bemerken,  dass 
ich  mich  freue,  zu  sehen,  wie  seine  Untersuchungen 
daliin  führen,  diese  Fragen,  die  uns  so  vielfach 
beschäftigt  haben , eiu  wenig  über  den  Rahmen 
der  specifiach  deutschen  Bevölkerungen  hinaus  zu 
verfolgen.  Wir  sind  eben  genötbigt,  allmählich  die 
Nachbarvölker  mit  in  den  Kreis  unserer  Unter- 
suchungen hereinzuziehen : sowie  sich  das  ergeben 
bat  bei  den  Erhebungen  Über  die  Farbe  der  Augen, 
Haut  und  Haare,  so  ergibt  es  sich  eben  auch  in 
Bezog  auf  die  Schädel.  Einen  Beweis  dafür  kann 
ich  sofort  vorlegen,  da  der  Zufall  es  mit  sich  ge- 
bracht hat,  dass  ich  gerade  einige  lettische  Schädel 
hier  zur  Hand  habe.  Ich  habe  zwei  dieser  Schädel 


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148 


*o  aufgestellt,  dass  sic  den  Mesocephalen  des  Hm. 
Kollmann  in  die  Mitte  nehmen.  Ich  hoffe,  Sie 
werden  sich  überzeugen,  dass  es  unter  Umständen 
wohl  möglich  sein  dürfte,  diese  drei  in  eine  nähere 
Beziehung  zu  einander  zu  bringen. 

Ich  habe  mich  bei  meinen  neulichen  Unter- 
suchungen in  Livland.  Aber  die  ich  berichten 
wollte,  an  der  Östlichen  Grenze  zwischen  den  indo- 
germanischen und  den  sogenannten  tnranischen  Be- 
völkerungen bewegt.  Wenngleich  es  nicht  ganz 
genau  ist  , so  gilt  doch  in  der  Regel  der  Fluss 
Salis  als  die  Grenzscheide.  Bis  hieher  ungefähr 
reichen  von  Osten  her  die  finnischen  Stamme  und 
zwar  zunächst  anstossend  die  Esthen.  Westlich 
von  der  Salis  treffen  wir  eine  überwiegend  let- 
tische Bevölkerung.  Die  betreffenden  Provinzen 
tragen  freilich  andere  Namen : die  eine  heisst 
Livland  , die  andere  Kurland.  Es  sind  jedoch 
die  Liven  gegenwärtig  bis  auf  eine  Bevölkerung  von 
etwa  20t  M»,  welche  sich  noch  an  der  Nordspitze  von 
Kurland,  am  Vorgebirge  Domesnls  gehalten  haben, 
verschwunden ; da  sitzen  die  letzten  Reste  des 
alten  und  berühmten  Stammes.  Kuren  gibt  es 
eigentlich  gar  keine  mehr;  die  kurische  Sprache  ist 
verschwunden,  es  gibt  nur  noch  literarische  Ueber- 
reste  davon.  Unzweifelhaft  ist , dass  ein  grosser 
Theil  der  Bevölkerung  von  Liv  - und  Kurland 
seine  Sprache  aufgegeben  hat  . und  zwar  merk- 
würdigerweise zu  Gunsten  der  lettischen  Sprache. 
Die  Kuren  sind  sämmtlich . die  Liven  fast  ganz 
Iettisirt  worden.  Was  uns  jetzt  dort  entgegentritt, 
ist  lettische  Bevölkerung.  Sie  schlies&t  sich  an 
diejenige , schon  mehr  mit  slavisclien  Elementen 
durchsetzte  Bevölkerung,  die  etwas  weiter  südlich 
Litthauen  bewohnt  und  die  sich  auch  dialektisch 
von  ihr  unterscheidet.  Es  zeigt  sich  hier  also  eine 
in  der  historischen  Zeit,  etwa  seit  dem  13.  Jahr- 
hundert sich  vollziehende  Metamorphose , in  der 
Weise , dass  herrschende  Stamme,  die  Liven  und 
Kuren . scheinbar  gänzlich  verschwunden  oder  im 
Verschwinden  begriffen  sind , indem  die  lettische 
Sprache  in  permanenter  Ausdehnung  sich  befindet. 
Auch  an  der  Grenze  gegen  die  Esthen  findet  ein 
Ilin-  und  Hersehieben  statt : die  nördliche  Hälfte 
dessen,  was  man  Livland  nennt,  ist  in  Wirklichkeit 
esthnisch.  Die  Sprache  der  Esthen  aber  ist  so 
verschieden  von  der  Sprache  der  Letten , dass 
beide  sich  auf  keine  Weise  verständigen  können ; 
sie  haben  gar  keine  sprachlichen  Berührungen;  die 
Verschiedenheit  ist  so  gross  wie  überhaupt  zwischen 
indogermanischen  und  tuntnischen  Sprachen.  Die 
Bevölkerung  ist  auf  dem  Lande  in  diesen  Grenz- 
gebieten vielfach  gemischt.  Es  werden  auf  dem- 
selben (»utc  csthnische  und  lettische  Arbeiter  be- 
schäftigt , die  sich  in  der  Regel  gegenseitig  gar 
nicht  verstehen.  Und  doch  ist  es  mir  nicht  ge- 
lungen . obwohl  ich  mich  schon  in  Finnland  mit 
verwandten  Typen  beschäftigt  und  zu  wieder- 
holten Malen  in  Norwegen  und  anderswo  Lappen 
studirt  habe,  mit  einiger  Sicherheit  die  Finnen  und 
die  Letten  von  einander  zu  unterscheiden.  Ich 


habe  hier  eine  ausgezeichnet  aasgeführte  Photo- 
graphie , welche  ein  Inländisches  Ortsgericht  aus 
einer  so  gemischten  Gegend  darstellt.  Dieses  Orts- 
gericht enthält  Männer  beider  Stämme , aber  es 
ist  ohne  Interpretation  kaum  möglich  , sie  heraus- 
zufinden. 

Was  nun  die  Schädelform  anlangt , so  ist  die 
finnische  und  auch  die  esthoische  Form  allerdings 
die  kürzere.  Die  esthnische  kann  man  als  meso- 
cephal  mit  einer  gewissen  Neigung  zur 
Brachycephaiie  bezeichnen ; ausgemacht  bra- 
chycephale  Formen  , die  sich  in  Finnland  als 
herrschende  zeigen,  sind  in  Esthland  seltener.  Die 
Letten  dagegen  sind  mit  den  Slaven  am  nächsten 
verwandt,  so  dass  man  die  Sprachgruppe  als  slavo- 
lettische  bezeichnet ; immerhin  ist  die  lettische 
Sprache  von  der  slavisohon  unterschieden.  Sie 
wird  bekanntlich  von  unseren  Linguisten  als  der 
reinste  Ausdruck  des  Indogermanischen  bezeichnet, 
als  diejenige  Sprache , welche  dem  Sanskrit  am 
nächsten  verwandt  ist.  Die  Untersuchungen,  welche 
ich  über  die  physische  Beschaffenheit  der  Letten 
angestellt  habe,  haben  ergeben,  dass  absolut  nicht 
die  Rede  davon  sein  kann  , jene  Aufstellung  , die 
man  gemacht  hat , als  sei  das  eine  kurzköpfige 
Rasse,  irgendwie  als  zutreffend  anzuerkennen.  Die 
lettische  Bevölkerung  ist  freilich  auch  mesoce- 
phal,  aber  mit  Tendenz  zur  Dolicho- 
c e p h u 1 i e.  Es  erhellt  daraus , wie  schwierig  es 
ist,  einen  einzelnen  liv  ländischen  Schädel  auf  einen 
bestimmten  Volkstypus  znrückzuführen. 

Wenn  wir  die  Sache  in  unseren  Provinzen 
verfolgen,  so  treffen  wir  bis  an  die  Weichsel  alte 
lettische  Gebiete;  von  der  Weichsel  an  beginnen 
andere  Verhältnisse.  Nach  Dr.  Li  »sauer  finden 
sich  von  da  au  Gräberfelder,  welche  dem  Reihen- 
gräbertypus  angehören,  und  welche  er  deshalb  den 
Franken  zusebreibt.  Aus  solchen  Gräbern  erhalten 
wir  entweder  dolicboccphale  oder  höchstens  meso- 
cephale  Schädelformen.  Wir  haben  sie  in  Pomerellen 
und  Pommern,  der  Mark  und  Schlesien.  Ich  habe 
mich  stets  enthalten  , aus  den  Schädelfortneu  für 
sich  bestimmte  Schlüsse  in  Bezug  auf  die  Ab- 
stammung zu  machen , weil  wir  meiner  Meinung 
nach  noch  nicht,  so  weit  sind , um  einfach  aus 
jedem  Schädel  diagnosticiren  zu  können , welchem 
Volke  er  angehört.  Wir  müssen  noch  andere  An- 
haltspunkte suchen,  und  da  fragt  es  sich  zunächst, 
ob  die  Beigaben  entscheidend  seien.  Hr.  Sophus 
Müller  hat  in  der  letzten  Zeit  eine  umfassende 
Zusammenstellung  derartiger  Gräberfunde  gemacht, 
aus  welcher  er  deducirt,  dass  gerade  diese  Gräber- 
felder von  Westpreussen,  Pommern,  Schlesien  und  der 
Mark  slavische  seien.  Er  schliesst  dies  am  meisten 
aus  gewissen  Beigaben , welche  sich  mit  grosser 
('onstanz  in  diesen  Gräbern  finden,  namentlich  aus 
«lern  Vorkommen  eines  Schmuckstückes , welches 
wir  bisher  für  einen  blossen  Ohrenring  hielten, 
welches  sich  aber  jetzt  als  eine  Art  von  Haarring 
ergeben  hat.  Man  findet  nemlich  hei  den  Ske- 
letten regelmässig  hinter  dem  Ohr  einen  ziemlich 


149 


grossen  offenen  Bronzering,  der  an  dem  einen  Ende 
in  eine  stumpfe  Spitze , an  dem  andern  in  eine 
Schleife  ausgeht.  Man  hat  in  Schlesien  einmal 
drei  solcher  Ringe  hinter  einander  an  einem  Leder- 
riemen gefunden,  der  um  den  Kopf  gebunden  war. 
Hr.  Müller  hat  den  Beweis  anzutreten  gesucht, 
dass  dies  ein  speoifisch  slavisches  Ornament  sei. 
Ich  habe  auf  meiner  letzten  Reise  überall  nach- 
gefragt , oh  man  solche  Ringe  kenne , habe  aber 
weder  jenseits  der  Weichsel,  noch  im  Rheingebiet 
etwas  der  Art  gefunden.  Man  trifft  allerdings  an- 
nähernd ähnliche  Ringe,  aber  es  ergibt  sich,  dass 
sie  durch  einen  Haken  geschlossen  sind ; zuweilen 
ist  derselhe  abgebrochen,  was  verwirren  kann,  aber 
bei  genauerer  Betrachtung  leicht  zu  sehen  ist.  Bei 
unseren  Ringen  endigt  das  eine  Ende  einfach  in  eine 
stumpfe  Spitze.  Ich  betrachte  die  Frage  noch  nicht 
als  abgeschlossen,  sie  muss  weiter  geprüft  werden; 
aber  ich  möchte  die  Herren  darauf  aufmerksam 
machen,  weil  hier  einer  der  Fülle  hervortritt . wo 
die  Frage  von  der  Zulässigkeit  der  bloss  craniolo- 
gischen  Interpretation  gegenüber  der  archäologischen 
Kritik  sich  entscheiden  muss.  Auch  ich  habe,  z.  B. 
von  Schädeln  aus  der  Hegend  von  Münchberg,  ge- 
sagt , dass  wir  das , was  wir  da  finden . in  dem 
übrigen  Deutschland  germanisch  nennen  würden. 
Hr.  I.is sauer  ist  noch  einen  Schritt  weiter  ge- 
gangen; er  hat  von  westpreussischen  und  pomc- 
rellischen  Schädeln  gesagt,  sie  seien  fränkisch ; Hr. 
Biefel  bat  von  schlesischen  Schädeln  erklärt,  sie 
seien  germanisch.  In  der  Timt  zweifle  ich  nicht,  dass 
in  Mittel  - und  Süddeutschlaiid  Niemand  Anstand 
tragen  wird,  solche  Schädel  germanisch  zu  nennen. 
Und  doch  scheint  es  mir . »lass  die  Archäologie, 
in  Verbindung  mit  der  geographischen  Lage  der 
Gräberfelder , von  höchster  Bedeutung  ist.  Viel- 
leicht werden  wir  uns  doch  cntachliessen  müssen, 
wie  bei  den  Thicrzeichnutigcn.  das  Thatsächliclie 
anzuerkeunen  und  uns  darin  zu  finden  , dass  liier 
eine  Reihengräbcrforni  vorliegt,  die  slaviseh  ist. 

Ich  habe  schon  seit  langer  Zeit  betont , dass 
der  s 1 a v i s c li  c Typus  kein  einheitlicher 
ist.  Ich  kann  mich  darin  kaum  irren,  obwohl  ich 
bedaure . dass  die  Schwierigkeit  der  praktischen 
Yerwerthung  der  Uraniometrie  für  ethnologische 
Bestimmungen  dadurch  sehr  vermehrt  wird.  Für 
Deutschland  selbst  gerathen  wir  in  eine  recht 
schwierige  Lage.  Ich  habe  erat  im  Laufe  dieses 
Jahres  eine  gewisse  Anzahl  von  Schädeln  aus 
Thüringen  bekommen:  sie  entsprechen  mehr  der 
Mesocephalie  mit  Hinneigung  zur  Dolichoceph&lle 
und  siud  ganz  verschieden  sowohl  von  den  friesi- 
schen als  von  den  fränkischen  Formen.  Oh  wir 
jedoch  mit  Hm.  Kollmann  die  Mesocephalie  als 
einen  ausgeprägten  Typus  zulassen  sollen,  das  ist 
mir  noch  zweifelhaft.  Ich  habe  noch  keine  be- 
stimmte Meinung  in  dieser  Beziehung  und  möchte 
nnr  das  betonen,  dass  es  vielleicht  doch  möglich 
sein  wird,  innerhalb  der  Mesocephalie  gewisse 
Unterscheidungen  zu  machen,  für  deren  Fest- 
stellung andere  Methoden  der  Vergleichung  ge- 


wählt werden  müssen.  Es  ist  unschwer  zu  be- 
weisen, dass  bei  demselben  Index  ein  mcsocophaler 
Schädel  — ich  will  annehmen,  das  Verhältnis*  der 
Länge  zur  Breite  sei  100:76  — schon  für  die 
blosse  Betrachtung  das  eine  Mal  sich  mehr  der 
langen,  das  andere  Mal  sich  mehr  der  kurzen  Form 
zuwendet.  Bei  praktischen  Vergleichungen  werden 
Sie  sich  davon  überzeugen.  Ich  habe  zuerst  mehr 
iustinetiv,  später  bewusst  mich  öfters  so  ausge- 
drückt: es  ist  eine  Mesocephalie,  die  zur  Brachy- 
cephalie  tendirt , oder  umgekehrt.  In  vielen 
Fällen  kann  man  sich  dadurch  helfen,  dass  inan 
neben  dem  Index  auch  das  absolute  Längen-  oder 
Breitenmass  angibt  und  gleichzeitig  Beides  prüft. 
Ob  es  möglich  sein  wird . dies  in  einer  einzigen 
Zahl  oder  Formel  auszudrücken,  weiss  ich  nicht. 
Aber  ich  möchte  glauben,  dass  man  genöthigt  sein 
wird,  anzuerkennen,  dass  innerhalb  der  Meso- 
cephalie sich  in  der  That  zwei  ihrer  Entwicklung 
nach  verschiedene  Typen  berühren . und  dass  ein 
gewisser  Theil  der  Mesocephalen  sich  mehr  an 
die  Dolichocephalie , ein  anderer  mehr  an  die 
Brachycephalie  anschliesst.  Das  werden  wir  eben 
feststellen  müssen.  Wenn  Sie  zwei  andere  von 
den  livlftndischen  Schädeln  betrachten  wollen 
ich  habe  mehr  lange  ausgewählt,  bei  denen  trotz- 
dem dem  Ansehen  nach  die  Breite  dominirt  — , 
so  werden  Sie  mir  vielleicht  darin  Recht  geben, 
dass  ich  verlange,  die  Gruppen  etwas  grösser  zu 
nehmen. 

Ich  möchte  hei  dieser  Gelegenheit  darauf  hin- 
weisen  . dass , wenn  man  für  die  Kintheiliing  der 
Schädelformen  so  enge  Grenzen  nimmt,  wie  sie 
jetzt  in  Frankreich  gebräuchlich  sind,  man  in  die 
grössten  Schwierigkeiten  kommt.  Stellt  inan  alle 
kleineren  Variationen  als  besondere  Typen  neben 
einander,  so  wird  die  Verwirrung  immer  grösser. 
Man  muss  die  Grenze  viclmchi  weiter  ziehen.  Dabei 
verkenne  ich  keineswegs,  dass  es  gegenüber  den 
ausgemachten  Formen  der  Doticho-  und  Braehy- 
ccphalic  eine  mittlere  Gruppe  gibt,  und  ich  hin 
durchaus  nicht  abgeneigt,  Hrn.  Kollmann  in 
der  vorgeschlagenen  Richtung  seiner  Untersuchungen 
zn  folgen.  Es  ist  sehr  wohl  möglich , dass  früh- 
zeitig . noch  vor  der  Einwanderung  der  Germanen 
in  Deutschland,  unter  ihnen  neben  doiichocephaleu 
und  brachycephaleu  Stämmen  ein  mesoccphaler 
stumm  vorhanden  gewesen  ist.  Wir  werden  uiin 
nicht  verhehlen  dürfen , dass  die  Frage  des  ein- 
heitlichen germanischen  Typus  sehr  weit  zurückführt 
bis  in  Zeiten,  die  sich  der  historischen  Forschung 
entziehen.  Von  dem  Zeitpunkte  au,  wo  die  ger- 
manischen Stämme  in  die  historische  Bewegung 
eintr&ten,  mögen  sie  schon  mancherlei  individuelle 
Abweichungen  mitgchraclit  haben,  die  nachher 
stehen  geblieben  sind. 

Graf  Wurmbrand:  Hr.  Li s sauer  hat  mir 
solche  Ringe  vorgezeichnet . über  die  dann  auch 
Hr.  Müller  geschrieben  hat. 

Diese  Form  des  Ringes  findet  sich  meiner 


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150 


Erfahrung  nach  nicht  selten.  Ich  hohe  hei  einer 
Ausgrabung  in  Kroatien  solche  Ringe  an  den 
Schlafen  eines  Skelettes  gefunden ; eine  zweite 
Fundstelle  solcher  Ringe  habe  ich  in  Ungarn 
notirt,  und  eine  dritte  Fundstelle  für  solche  Ohren- 
ringe, wie  ich  sie  nennen  möchte,  habe  ich  letzt- 
hin in  dem  Münchener  historischen  Verein  nach- 
weisen  können.  Ich  mache  darauf  aufmerksam, 
dass  alle  Ringe,  die  ich  gesehen  habe,  etwas 
kleiner  sind  als  die  von  Hrn.  Yirchow  gezeich- 
neten; doch  die  Grösse  der  Ringe  variirt  wahr- 
scheinlich oft.  Ich  betone  diese  differenten  Fund- 
lokalitätcn  deshalb , weil  ich  mich  entschieden 
vom  archäologischen  Standpunkte  aus  dagegen 
aassprechen  müsste,  dass  eine  neue  Form  irgend 
eines  Ringes  zu  einem  Schlüsse  über  die  fremde 
Stylistik  Anlass  gehen  könnte.  Wir  könnten  nnr 
sagen,  dass  eine  Form  einem  bestimmten  Styl- 
charakter, einem  bestimmten  Nationaltypus  ent- 
spricht oder  auf  ihn  hinweist,  wenn  der  typische 
Charakter  derselben  mit  einer  bekannten  Stylistik 
in  irgend  einer  Verbindung  stellt.  So  sind  wir 
/.  B.  allerdings  vollkommen  berechtigt,  wenn  wir 
etwas  Aegyptisches.  also  eine  Form  timlen.  welche 
an  den  bekannten  Ägyptischen  Styl  erinnert . zu 
sagen , hier  ist  ägyptischer  EinHuss.  Wir  sind 
aber  meiner  Ansicht  nach  nie  berechtigt,  von 
irgend  einem  Schmuckgegenstande  zu  sagen,  er 
ist  slavisch  oder  deutet  auf  eine  slavisehc  Bevöl- 
kerung hin,  weil  wir  diesen  Styl  absolut  nicht 
kennen. 

Ich  glaube,  cs  würde  Niemandem  einfallcii, 
diese  Ringe  für  slavisch  zu  halten . wenn  sie  in 
den  Gräbern  Frankreichs  oder  Englands  gefunden 
worden  waren,  ebensowenig  als  man  sie  in  Ungarn 
oder  Bayern  für  slavisch  halten  wird.  Sollen  sie 
in  Westpreussen  für  slavisch  gelten,  weil  einst  dort 
Slaven  gewohnt  haben,  so  müsste  vor  allen»  zuerst 
uaefagewiesen  werden,  dass  schon  in  jener  Zeit 
dort  Slaven  waren,  und  dass  sie  auf  einer  solchen 
Kulturhölie  sich  befanden . um  überhaupt  eine 
nationale  Stylistik  hervorzubringen.  Ist  dies  ge- 
schehen und  ist  diese  Stylistik  bekannt . dann 
Hesse  sich  darüber  disentiren , ob  diese  Ringe 
slavisch  sind.  Ich  will  mit  diesem  Einwurf  nicht 
bestreiten,  «lass  «lie  in  Westpreussen  nusgegrabeuen 
Skelette,  welche  solche  Ringe  als  Beigaben  hatten, 
nicht  vielleicht  Slaven  waren,  ich  bestreite  nur. 
«lass  diese  Thatsache,  wenn  sie  auch  sonst  wie  er- 
wiesen wünle.  genügt,  um  diese  Ringe  für  slavische, 
ihre  Form  für  eine  nationale  zu  halten.  Eine  solche 
Auffassung  müsste  daliin  führen,  alle  jene,  bei 
denen  auch  in  anderen  Lindern  Ähnliche  Ringe 
gefunden  worden,  für  Slaven  zu  halten,  wozu 
kein  Grund  vorhanden  ist,  wogegen  sogar  gewich- 
tige Bedenken  sprechen. 

Hr.  Virchow:  Die  Beweisführung  des  Hrn. 

Müller  ist  eine  tlieils  archäologische,  theis  geo- 
graphische. Kr  hat  eii»p  Zusammenstellung  von  einer 
grösseren  Anzahl  von  Gräberfunden  gemacht,  in  denen 


sich  die  beschriebenen  Haarringe  finden.  Danach 
reichen  sie  von  der  thüringischen  Saale  bis  ziemlich 
weit  in  das  russische  Gebiet  hinein.  Innerhalb 
des  Gebietes,  in  dem  er  das  Vorkommen  solcher 
Ringe  aufgezeichnet  fand,  gibt  es  keine  Fundorte, 
wo  nicht  unzweifelhaft  eine  slavische  Bevölkerung 
existirt  hat.  Jede  darüber  hinausgehende  Fund- 
stelle würde  den  Beweis  erschüttern.  — 

Graf  Wurmbraud  (Beiträge  zur  Frage  über 
die  Gewinnung  des  Eisens  und  die  Bearbeitung 
von  Bronzen) : Zur  Lösung  der  in  so  vieler 

Hinsicht  schwierigen  Fragen  der  prähistorischen 
Archäologie  hat  sich  die  Ältere  Methode  der 
Klassifikation  und  Sistemisirnng  nach  der  äusseren 
Form,  nach  dem  Material  und  nach  dem  Fund- 
orte als  ungenügend  erwiesen,  da,  abgesehen  von 
«ler  disentirharen  Aehnlichkeit  der  Formen  über- 
haupt, die  Heimat  gewisser  Stilcharaktere  anerwiesen 
blieb,  und  der  Fundort  durchaus  nicht  massgebend 
war,  um  seihst  nach  dieser  Hinsicht  einen  wissen- 
schaftlichen Beweis  «ier  Zugehörigkeit  zu  erbringen. 
Wusste  man  doch  seit  langer  Zeit . dass  in  Süd- 
deutschem! und  Oesterreich  griechische  Münzen 
und  anerkannt  etruskische  Bronzen  Vorkommen. 
Diese  und  der  in  Oheritalien  so  häufige  Bernstein 
wiesen  auf  sehr  alte  Handelsbeziehungen  hin, 
welche  besonders  durch  die  sehr  verdienstvollen 
Arbeiten  des  Prof.  Gent  he  und  in  neuerer  Zeit 
des  Hrn.  Sadovsky  näher  besprochen  wurden. 
Doch  auch  das  Material  seihst  , welches  von  nor- 
dischen Archäologen  zu  einer  Systematik  in  der 
F.intlieilung  von  Zeitepochen  geführt  hat,  schien 
nach  und  nach  sich  als  nicht  sicheres  Klassifi- 
kationsmoment herauszustellen,  je  mehr  sogenannte 
gemischte  Funde  in  den  centraleuropäischen  Län- 
dern  gefunden  wurden,  welche  einerseits  eine  bis 
in  die  historische  Zeit  heraufreichende  Verwendung 
«ler  Steinwaffe,  andererseits  das  Vorkommen  von 
Metallen  mitten  in  «len  Pfahlbauten  der  Kultur- 
periode des  geschliffenen  Steines  nachweisen.  Der 
wesentliche  Unterschied  zwischen  dem  durch  sehr 
vollständige,  reiche  Funde  erschlossenen  Kultur- 
zustand jener  Pfahlbauten  der  Steinzeit  und  an- 
deren grossen  Fundplfttzeu.  wo  Gold,  Bronze  und 
Eisen  in  reicher  Fülle  Vorkommen,  lassen  trotzdem 
dort,  wo  so  differente  Kulturstätten  neben  einander 
Vorkommen,  noch  immer  mit  Bestimmtheit  einen 
Unterschied  in  «ler  Zeitlichkeit  oder  in  der 
Nationalität  der  sie  einst  bewohnenden  Völker 
erkennen.  Weit  unsicherer  haben  sich  «lie  ver- 
schiedenen Metalle,  die  Bronze  und  das  Eisen 
als  Unterscheidungsmomeute  erwiesen,  soferne  wir 
eben  unsere  Länder  vor  Augen  'haben..  Ich  kann 
sagen,  dass  je  genauer  und  vorsichtiger  die  Aus- 
grabungen durch  vorurtheilsfreie  Forscher  ge- 
schehen, je  häufiger  finden  sich  nun  mehr  Spuren 
von  Eisen  mit  Bronzen  vereint , deren  Formen, 
wie  man  sagte,  als  typisch  für  das  Bronzezeitalter 
gegolten  haben,  so  dass  wir  überhaupt  kaum  mehr 
in  der  Lage  sind,  von  Bronzetypen  zu  sprechen. 


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151 


Abgesehen  aber  von  diesen  Kunden,  welche  ich 
vor  Augen  habe  und  die  immer  doch  nur  lokale 
Bedeutung  haben,  mögen  sie  an  sich  auch  noch 
so  bedeutend  sein,  tritt  hier  um  die  Richtigkeit 
oder  Unrichtigkeit  der  Theorie  zu  beurtheilen,  die 
Aufgabe  au  die  Archäologen  heran , sich  mit  der 
technischen  Seite  dieser  Frage  mehr  zu  befassen, 
welche,  wie  es  scheint,  bei  Aufstellung  des  Lehr- 
satzes unberücksichtigt  blieb.  Gerade  diese  tech- 
nischen Untersuchungen  sind  es.  welche  meiner 
oft  ausgesprochenen  Ansicht  nach  mit  der  natur- 
wissenschaftlichen Behandlungsmethode  in  die 
Archäologie  eingeführt  werden  müssen,  um  weitere 
Anhaltspunkte  der  Unterscheidungen  zu  gewinnen. 
Ich  habe  sowohl  hei  der  Herstellung  von  Steinwuffen 
und  deren  Durchbohrung  nF  in  Bezug  auf  die 
Fabrikation  der  ThougefÄsse  gefunden,  dass  directe 
Versuche  zur  Bestätigung  oder  Widerlegung  ge- 
wisser Ansichten  sehr  geeignet  sind,  weil  sie  uns 
nicht  nur  die  Kenntniss  des  Möglichen  oder  Un- 
möglichen verschaffen . sondern  weil  sie  uns  auch 
ein  viel  klareres  Bild  der  Kulturzustände  entrollen, 
welche  diese  Industrieproducte  hervorriefen.  Aus- 
gehend von  diesen  Gesichtspunkten  haben  gerade 
in  letzter  Zeit  sehr  hervorragende  Gelehrte,  vor 
allen  wohl  llr.Dr.Hostmann,  sich  mit  technischen 
Fragen  specicll  in  Bezug  auf  die  Gewinnung  und 
Bearbeitung  der  Bronze  so  eingehend  beschäftigt, 
dass  meine  Erfahrungen  nur  in  geringem  Masse 
neue  Aufschlüsse  geben  können.  Doch  sind  sic 
vielleicht  gerade  deshalb  nicht  ohne  Interesse, 
weil  sie  von  mir  unabhängig  erworben  wurden,  und 
die  Ergebnisse  derselben  mich  zu  nicht  gauz 
gleichen  Schlüssen  geführt  lmlnm.  Die  Gesichts- 
punkte. von  welchen  aus  die  technische  Seite  der 
Bronze  und  Eiseuthcoric  zu  untersuchen  ist,  sind 
etwa  folgende: 

1.  Wenn  es  als  wahrscheinlich  anzunehmen 
ist,  dass  jede  Vervollkommnung  vom  Einfacheren 
zum  Coinplicirtereu  übergeht,  ist  die  Gewinnung 
von  Eisen  als  Metall  oder  von  Bronze  wie  sie  uns 
als  Metall  vorliegt  für  unsere  Vorfahren  einfacher 
gewesen? 

2.  Können  wir  einen  vorrömischen  berg-  und 
hüttenmässigen  Betrieb  auf  Eisen  oder  auf  Kupfer 
und  Zinn  in  unseren  Ländern  nach  weisen  V 

8.  Ist  die  technische  Bearbeitung  von  Eisen 
oder  Bronze  einfacher;  können  wir  Eisen-  und 
Bronze-Erzeugnisse  als  heimische  Industrieprodukte 
erweisen? 

4.  Sind  gerade  die  in  der  sogenannten  Bronze- 
periode eigeuthüinlichen  typischen  Geräthe  ob 
fremd  oder  heimisch  überhaupt  ohne  gestählte 
Werkzeuge  herzustellen.  Ist  mit  einem  Wort,  ab- 
gesehen von  der  Wahrscheinlichkeit,  die  Bronze- 
Periode,  wie  sie  uns  als  Theorie  hingestellt  ist. 
möglich  gewesen? 

In  Bezug  auf  die  erste  Frage  ist  viel  Gewicht 
auf  den  Umstand  gelegt  worden,  dass  sowohl 
Kupfer  als  Zinn  als  auffallende  Metalle  leicht  be- 
merkt und  leicht  gewonnen  werden  können,  während 


die  Uedncining  des  Eisensteines  zu  Gusseisen  und 
das  daraus  hcrzustellende  Schmiedeisen  und  be- 
sonders der  Stahl  einen  complicirten  Vorgang  notli- 
weudig  machen.  Um  diese  letfte  Ansicht  würdigen 
zu  können,  ergab  sich  mir  in  Hflttenberg,  dem 
alten  Erzberg  der  Noriker,  eine  sehr  günstige  Ge- 
legenheit Versuche  auzustellen,  welche  mich  mit  dem 
wahrscheinlich  von  den  Kelten  selbst  hotrieheneu 
Verfahren  bekannt  milchten.  Schon  seit  vielen  Jahren 
kennt  man  uralte  grasbewachsene  Schlackenhablen 
an  vielen  Stellen  des  Erzberges,  welche  noch  so 
eisenreich  sind,  dass  sie  wieder  zur  Einschmelzung 
hie  und  da  verwendet  wurden.  In  diesen  Halden 
fand  man  in  einer  Tiefe  von  4 Schuh  und  darüber 
römische  Urnenscherben,  römische  Münzen  und  end- 
lich auch  die  Reste  alter  kleiner  Schachtöfen, 
welche  in  den  Berg  hineingehaut  und  y bis 
Schuh  hoch,  8 bis  4 Ftiss  breit  waren  und  aussen 
aus  feuerfesten  Steinen  bestanden.  Der  Innen- 
rauni  war  mit  Lehm  bekleidet.  Am  Boden  be- 
tindet  sich  eine  Wölbung.  Sumpf  genannt,  zum  An- 
sammeln  des  Eisens,  an  einer  Seitenwand  am 
Boileu  mit  einer  Oeffnung  zum  Aufbrechen  des 
Schmclzgutes,  eigentlich  Eisenklumpens  oder  Eisen- 
dadens  (Hatum  ferri),  welche  Oeffnung  mit  Lehm 
verschmiert  war.  Als  Luftzug  diente  ursprünglich 
ein  Kanal,  der  an  uud  für  sich  vielleicht  genügte, 
um  das  Feuer  anzufachen,  nachdem  diese  Oefen  an 
hervorragenden,  den  Luftströmungen  sehr  stark 
ausgesetzten  Punkten  sich  befanden;  später  aber 
wandt  mau  wahrscheinlich  Hand-  oder  Tretbälge 
an,  deren  spitzes  Ende  in  eine  Thonform  E ragte.*) 
Solche  Thonröhrcheu  mit  angeschmolzenem  Ende 
sind  mehrfach  gefunden  worden.  Derlei  Oefen.  wo- 
von ich  eine  Skizze  nach  Bergverwalter  M ü n n ic  hs - 
dorfers  Werkeheil  über  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung der  Roheisen-Production  in  Kärnthen  an- 
gefertigt**), waren  also  schon  von  den  Römern  er- 
baut uud  haben  sich  in  ähnlicher  Weise  bis  in 
das  9.  Jahrhundert  erhalten.  So  einfach  und 
kunstlos  diese  Oefen  auch  waren,  so  zeigt  das 
System  des  künstlichen  Zuges  doch  immerhin 
schon  gewisse  Erfahrungen  in  Bezug  auf  Ventilation. 
Es  sind  aber  noch  weit  einfachere  Schmelzstätten 
in  Hüttenberg  aufgedeckt  worden,  welche  von 
jeder  Einrichtung  eines  Ofens  abschen  und  nur  aus 
Erdgruben  bestehen.  Ich  habe  diese  Stätten  be- 
sucht. Dort  fanden  sich  ausser  den  an  Eisen  über- 
aus reichen  Schlacken  uud  Holzkohlenresten  in  der 
Halde  selbst  noch  Thonscherben,  welche  als  nicht 
römisch  anzusehen  sind  und  daher  auf  vorrömische 
Arbeitsstätten  schliessen  lassen.  Diese  Gruben 
waren  schon  ziemlich  verfallen,  als  ich  sie  gesehen, 
und  ich  bringe  die  Zeichnung  und  Beschreibung 
nach  Hrn.  M üu  n ic h s d or  f e r 's  Abhandlung,  welcher 
sie  noch  vollständig  erhalten  gekannt  und  aufge- 
uomnieu  hat. 

•>  Die  Zeichnung  der  Oefen  wurde  vorgezeigt,  ofr. 
die  Abbildung  auf  Seite  1G4. 

•*)  Deui  ich  auch  iu  der  Beschreibung  der  Oefen  folge. 


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152 


Im  Schotterboden,  siehe  Tabelle  I Fig.  1,  mit 
Rollstücken  bis  i V«  Kubikfnss  ist  die  obere  Grube 
G.  1 an  der  Sohle  1 V«  Zoll  stark  mit  Kohllösche  aa. 
darüber  mit  einer  lOzölligen  Lehmschiebt  bb. 
blauer  Thon  (wie  er  in  nächster  Nähe  aussteht) 
aus  ge  Mampft:  die  Lehmschicht  zeigt  sich  auf 
3 Zoll  nach  innen  rothgebrannt.  Der  Kaum  R.  der 
Grube  Über  der  Lehmschicht  mit  2 Fuss  Höhe, 
5 Fuss  Durchmesser,  ist  von  rothgebrannter  mit 
Quarzkörnern  gemischter  Lohmmasse  ausgefüllt. 

Die  zweite,  lti  Fuss  von  der  oberen  entfernte 
Grube  G.  2 zeigt  die  6 Zoll  dicke,  vom  Feuer 
rothgebrannte  Lehmschicht  ec.,  darüber  die  mit 
Quarzkömern  gemischte,  gebrannten,  feuerfesten 
Ziegeln  ähnliche.  12  Zoll  dicke  rothe  Lehmmasse  dd.. 
welche  vom  Rande  der  Grube  auf  3 Zoll  nach 
innen  bh.  vollkommen  verkrustet  und  verschlackt 
ist.  Der  Raum  R.  2 ist  wie  hei  G.  1 mit  ge- 
brannter Lehmmasse,  überdies  noch  mit  verschlackter 
Masse  ausgefüllt , hat  3 Fuss  Höhe  und  4 Fuss 
Weite.  Diese  innere  Ausfüllung  der  beiden  Gruben 
kommt  von  den  über  den  Schotterboden  hinaus- 
ragend  gewesenen,  künstlich  hergestellten , nnn 
eingestürzten  Gruben  wänden,  so  dass  man  die  Grube 
circa  um  einen  Fuss  höher  annehnien  darf.  Unter 
der  Lehmscliieht  er.  ist  der  Schotterboden  anf  einen 
y Zoll  breiten,  conccntrischen  Ring  rothgebrannt.*) 

Nach  Ooiistatirung  dieser  einstens  wirklich  in 
Betrieb  gewesenen  vorrömischen  Schmelzgruben 
handelte  es  sich  weiter  darum,  wie  darin  die  Re- 
duciruug  statttinden  konnte  und  welches  Product 
damit  wohl  erreicht  würde.  Durch  die  Gefällig- 
keit der  Direct ion  war  ich  in  die  Lage  gesetzt, 
solche  Versuche  durchzufflhren.  Unter  Aufsicht  des 
Hrn.  Bergverwalters  Spiess  wurden  genau  nach 
diesem  Muster  2 Gruben  angefertigt.  Die  kleinere 
derselben  wurde  zuerst  nach  vollständiger  Aus- 
trocknung zum  Rösten  der  Erze  verwendet,  welche 
von  einem  Taghau  entnommen  und  sehr  eisen- 
haltig waren.  Nach  diesem  sehr  einfachen  Röst- 
process  geschah  die  Zusetziing  der  tieferen  und 
schmäleren  Grube  mit  Holzkohlen  und  gerösteten 
Erzen  ohne  irgend  welchen  Zusatz,  in  mehreren 
Schichten.  Da  die  Anlage  der  Gruben  leider  auf 
einem  vom  Winde  vollkommen  geschützten  Platz 
geschehen  musste,  erfolgte  die  Reduction  langsam, 
und  wurde  deshalb  ein  gewöhnlicher  Tretbalg 
zur  Luftzuführung  angewendet,  worauf  die  Schmel- 
zung vor  sich  ging.  Bei  Wiiidströmungeu  wäre 
auch  dieses  Hilfsmittel,  welches  übrigens  auch 
den  Naturvölkern  Afrikas  bekannt  ist  und  nicht 
zu  den  complicirteren  Maschinerien  gehört , nicht 
nöthlg  gewesen.  Ich  kann  mied  hier  nicht  über 
die  genau  aufgezeichneten  Details  dieser  Schmel- 
zungen ausbreiten.  Es  genügt  zu  sagen,  dass  wir 
nach  2ti  Stunden  löschten  und  nach  Abzug  der 
Schlacken  bei  12  Pfand  Eisen  gewonnen  hatten, 
welches,  und  dies  muss  hervorgehoben  werdeu, 

•)  Münnichsdorfer,  Geschichtliche  Entwicklung  der 
Koheisenprodoktiou  S.  6. 


nicht  die  Eigenschaften  des  Roheisens,  sondern 
die  des  guten  Schmiedeeisens  verrieth.  Ich  lies«, 
sofort  ohne  irgend  weiteren  Process  eine  Reihe  von 
Proben  aasschmieden,  worunter  Waffen.  Stangen 
u.  s.  w.  Die  Grube  hatte  so  gut  ausgehalten,  dass 
sie  sofort  wieder  hätte  zugesetzt  werden  können, 
und  es  hat  diese  einfachste  Schmelzmethode  nur  den 
einen  Nacht  heil,  dass  sie  durch  den  grossen  Kohlen- 
verbrauch  sehr  theuer  ist.  Ich  glaube,  der  Centner 
ist  über  US» Gulden  berechnet  worden,  und  nur  hei 
20%  wird  aus  den  Erzen  ausgeschmolzen.  Die 
sehr  eisenreichen  uns  gebliebenen  Schlacken  sind 
denen,  die  wir  in  der  alten  Halde  fanden,  voll- 
kommen gleich  gewesen.  Diese  durch  die  ge- 
ringe Temperatur  mangelhafte  Reduction  hatte  je- 
doch den  Vortheil,  dass  sich  das  Eisen  nicht  mit 
Kohlenstoff  in  zu  hohem  Masse  verunreinigte,  wie 
es  beim  Roheisen  der  Fall  ist,  und  erklärt  dadurch 
die  directe  Verwendbarkeit  desselben.  So  hätten 
wir  denn  in  einfachster  Weise  Eisen,  welches 
zähe  und  elastisch  alle  Eigenschaften  des  ge- 
rühmten norischen  Eisens  in  sich  vereinigt.  Soll 
daraus  Stahl  erzeugt  werden,  oder  besser  will  man 
es  stählen , so  genügen  für  kleine  Objecte  die 
jedem  Schmied  erfahrwngsgemiss  bekannten  Me- 
thoden. um  eine  Wiederaufnahme  von  Kohlenstoff 
zu  ermöglichen.  Ausser  dem  Ablöschen  bedient 
man  sich  z.  B.  auch  der  Horospähne,  die  inan  mit 
dem  erwärmten  Eisen  in  Verbindung  bringt.  So 
ungenügend  im  Grossen  diese  Hilfsmittel  sind, 
so  genügen  sie  bei  fleissiger  Bearbeitung  mit  dem 
Hammer,  um  ganz  gute  Messerklingen,  Waffen 
oder  Werkzeuge  herzustellen.  Wir  sehen  aus 
diesen  Versuche«  nicht  nur.  dass  die  Gewinnung 
von  Schmiedeeisen  besonders  dort,  wo  eisenreiche 
Erze  zu  Tage  liegen,  eine  ausserordentlich  einfache 
ist,  sondern  wir  haben  auch  darin  den  Nachweis 
gefunden,  dass  in  dieser  einfachen  Weise  in  vor- 
römischer Zeit  unsere  kultivirten  Völker  das 
norische  Eiseu  wirklich  zubereiteten ; denn  abge- 
sehen von  den  einzelnen  Topfsclierhen , die  wir 
dabei  fanden,  zeigen  Steinhammer  und  Bronze- 
kelle,  welche  am  Berge  gefunden  wurden,  die 
Anwesenheit  nicht  römischer  Völker,  und  es  zeigen 
die  späteren  römischen  Oefen  eine  Vervollkomm- 
nung, welche  dem  höheren  Kultureinfluss  entspricht. 
Trotz  dieser  im  Allgemeinen  ungleich  höheren 
Kultur,  welche  die  Römer  von  den  Kelten  unter- 
schied, scheint  es  jedoch,  dass  gerade  iu  der 
Eisen product ion  die  Kelten  praktische  Erfahrung 
besassen.  welche  jene  zu  schätzen  wussten;  denn 
die  in  der  Umgegend  von  Hüttenberg  gefundenen 
Römersteine  weisen  häutig  keltische  Namen  anf. 
Gewiss  haben  die  Kelten . wenn  sie  bei  Norvya 
Eisenhütten  hatten  und  den  Bergbau  betrieben, 
auch  in  den  Tauern  Gold-,  in  H Allstadt  Salz-  und 
wahrscheinlich  im  Enusthale  Kupferbergbau  gehabt. 
Für  die  Goldgruben  in  der  Kauris  spricht  der  Um- 
stand , dass  mindestens  der  Betrieb  zur  Zeit  der 
römischen  Ocrupation  erweislich  ist,  und  dass  diese 
wahrscheinlich  auch  hier  die  vou  den  Tauris- 


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153 


kern  begonnene  Arbeit  aufnahmen;  für  Hallstadt 
and  H&Uein  sind  directe  Beweise  des  vorrömischen 
Betriebes  bekanntlich  vorhanden.  Für  den  uralten 
Betrieb  der  Kupferwerke  bei  Mitterberg  würden 
Steinbeile  Zeugniss  ablcgen  können,  die  eben  dort 
gefunden  wurden.  Wo  aber  wurde  das  Zinn  her- 
genommen.  Das  fehlt  uns  gänzlich  und  musste 
unbedingt  eingeführt  werden.  Dieser  Import  setzt 
aber  voraus,  dass  nicht  hier,  sondern  anderswo  die 
Bronzelegirung  gefunden  oder  erfanden  wurde,  und 
zwar  wahrscheinlich  in  einem  Lande,  wo  beide 
Metalle  neben  einander  Vorkommen.  Solche  Stellen 
existiren  nun  allerdings  in  Asien,  doch  ist  der 
uralte  Betrieb  dort  uachgewieseu  ? und  wenn  auch, 
ist  dadurch  erwiesen,  dass  unsere  Völker  daher 
gekommen  sind,  und  haben  wir  irgend  Beweise, 
dass  sie  hier  das  Eisen  vernachlässigten  und  so- 
fort die  Wege  des  Zinnhandels  erkannten?  Mir 
scheint  dies  nicht  wahrscheinlich,  sondern  ich  halte 
im  Gegentheil  dafür,  dass  es  einfacher  und  natür- 
licher ist,  sich  au  das  Gegebene  zu  halten  und 
anzunehmen,  dass  jene  Völker  vorerst  die  Metalle 
verwendeten,  die  sie  fanden,  und  dass  sie  erst 
später  bei  Anbahnung  des  Verkehrs  auch  Bronze- 
arbeiten fertigten,  zu  denen  ihre  südlichen  Nach- 
barn ihnen  jedenfalls  den  Impuls  gegeben.  Wie 
konnten  diese  Bronzen  nun  gefertigt  werden? 

Bei  Untersuchung  dieser  Frage  habe  ich,  gar 
bald  die  Unzulänglichkeit  meiner  Kenntnisse  er- 
kennend, mich  an  diejenige  Autorität  gewendet, 
welche  mir  vor  Allen  massgebend  schien,  an  den 
Freiherrn  von  U c h a t i u s , welcher  jahrelang, dieses 
merkwürdige  Metall  studirt  und  im  k.  k.  Arsenal 
zu  Wien  alle  Behelfe  hat,  um  Untersuchungen  in 
grossem  Massstabe  zu  machen.  Er  hatte  sich 
schon  früher  mit  der  antiken  Bronze  befasst  und 
war  so  freundlich,  für  mich  weitere  Untersuchungen 
zu  machen,  die  theils  in  chemischen  Analysen, 
thcils  in  Nachahmungen  alter  Muster  bestehen. 
Auch  hier  muss  ich  mich  beschränken,  Ihnen  die 
Resultate  in  Kürze  mitzut heilen,  da  innerhalb  der 
Grenzen  dieses  Vortrages  nicht  der  Raum  ist,  um 
Über  die  sehr  interessanten  Einzelheiten  mich  zu 
verbreiten. 

Das  wichtigste  Ergebnis»,  welches  sich  nach 
den  ersten  Proben  schon  herausstellte,  ist,  dass 
die  untersuchten  Gegenstände  sich  als  härter  und 
elastischer  erwiesen,  als  dies  bei  gewöhnlicher 
Bronze,  als  welches  wir  das  sogenannte  Kanonen- 
metall ansehen  wollen,  der  Fall  ist.  Es  lag 
also  hier  entweder  eine  Pressung  oder  ein  Walzen 
der  Bronze  vor,  oder  es  waren  schon  vor  dem 
Guss  der  Legirung  Zusätze  gegeben  worden,  welche 
ihr  ähnliche  Eigenschaften  verliehen  wie  der  so- 
genannten Stahlbronze.  Ein  altes  Bronzeschwert 
schnitt  in  der  That  Spähue  von  dem  Kanonen- 
metall. ab  ohne  erheblichen  Schaden  zu  nehmen. 
Da  nun  ein  Walzen  oder  Pressen  der  Schwert- 
klingen an  and  für  sich  unwahischeinlich  war  und 
ungeputzte  alte  Hronzeu  diesselbeu  (Qualitäten 
zeigten,  wurde  vor  allem  eine  genaue  chemische 

CorrMp.-BUtl  Kr«.  II. 


Analyse  gemacht.  Sie  ergab  auf  100  Theile 
89,5  Kupfer,  5,9  Zinn,  2,0  Antimon,  2,1  Nickel. 

Mit  dieser  Lcgiruug  ist  nun  der  Versuch  ge- 
macht worden,  nach  dem  Muster  eines  in  Ungarn 
gefunden  Bronzescbwertes  ein  gleiches  in  Sand- 
formen zu  giessen.  Desgleichen  eine  Lanzenspitze, 
welche  den  Formcharakter  derjenigen  Bronzen  trägt, 
die  man  im  Norden  findet  und  in  die  nordische 
erste  Bronzeperiode  wie  ich  glaube  versetzt  werden 
muss.  Der  Griff  des  Bronzeschwertes  ist  reich 
verziert  und  mit  2 Nieten  an  die  Klinge  unter  der 
Faustlage  befestigt.  Auch  der  untere  Theil  der 
Lanzenspitze  zeigt  wellenförmige  Ornamente.  Um 
zu  sehen,  wie  subtil  der  Guss  ausgeführt  werden 
kann,  sind  diese  Ornamente  in  die  Form  einge- 
drückt worden.  Das  Abschlagen  der  Gussnähte 
wie  das  Abschleifen  derselben  geschah  ohne  Zu- 
hilfenahme von  Stahl.  Ich  lege  Ihnen  nun  beide 
Nachbildungen  vor.  Sie  haben  dieselbe  Härte  und 
Elasticität  wie  die  antiken  Muster.  Die  Ornamente 
auf  dem  gar  nicht  weiter  geputzten  Griff  und  auf 
der  Lanzenspitze  sind  vollkommen  schön,  und  ein 
oberflächlicher  Vergleich  wird  keinen  Unterschied 
zwischen  Original  und  Copie  zeigen.  Sehen  Sie 
aber  genauer,  so  werden  Sie  finden,  dass  einige 
der  Vertiefungen  der  Ornamente  unrein  zusammen- 
geschmolzen sind  und  dass  das  Ornament  dort 
fehlt,  wo  sich  die  Gussnaht  befand.  Die  Putzung 
und  Nachgravirung  ist  aber  nur  mit  Stahl  gut 
möglich . da  diese  Bronze  durch  Nickel  schon  die 
narte  der  Stahlbronze  hat.  Bei  der  alten  geht  die 
Gravirung  aber  ununterbrochen  und  in  weit  feinerer 
Zeichnung.  Die  Herstellung  von  ornamentirten 
Bronzewaffen  ohne  Stahlwerkzeug  durch  den  Guss 
allein  ist  also  möglich,  und  die  Alten  haben  wirk- 
lich, wie  ich  an  andern  Bronzen  ersehen,  hie  und 
da  in  der  Weise  gearbeitet;  im  vorliegenden  Fall 
und  in  vielen  anderen  aber  ist  der  Stahlgriffel 
oder  die  Stahlpunze  entschieden  zur  Anwendung 
gekommen.  Eine  weitere  Folge  dieses  vortreff- 
lichen Metalle»  ist  es  nun  auch,  dass  es  ohne 
brüchig  zu  werden,  bei  richtiger  Behandlung  sich 
warm  bearbeiten,  mit  dem  Hammer  schmieden 
lässt  und  die  feinsten  Drahtarbeiten  zu  fertigen 
gestattet,  wie  ein  ebenfalls  im  Arsenal  gearbeiteter 
gedrehter  lialsring  zeigt.  In  einem  Urnenfeld  bei 
Maria -Rast  habe  ich  Gelegenheit  gehabt,  unter 
den  vielen  Bronzen,  die  von  daher  stammen,  die 
Beobachtang  zu  machen,  dass  die  meisten  nicht 
gegossen , sondern  geschmiedet  waren.  Es  sind 
dies  nicht  nur  alle  Halsringe,  fast  alle  Armbänder 
und  Spiralen,  sondern  auch  der  überwiegend  grösste 
Theil  der  Fibeln.  Viele  zeigten  feine  Gravirungen. 
Gerade  diese  Halsringe,  diese  Spiralen  und  Draht- 
fibeln  aber  sind  in  Süd -Ungarn  sowohl  als  in 
Steiermark.  Uallstadt,  Süd-Bayern,  Mähren  und 
Golasecea,  mit  einem  Wort  in  nicht  italischen 
Ländern,  sondern  in  dem  einstigen  Wohnsitz  der 
Kolten  oder,  da  ich  liier  nicht  eine  Nationalitäts- 
frage erheben  will,  der  Kelto -Germanen  nicht 
selten  und  ergeben  die  passendsten  Vergleichs- 

4 


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154 


momento  unter  sieb.  Entgegengesetzt  der  Einfach- 
heit der  Eisengewinnung  und  Bearbeitung  haben 
wir  bei  der  Bronze  gesehen,  dass  dieses  Metall 
nicht  nur  in  vortrefflicher  und  auch  jetzt  noch 
nicht  allgemein  bekannter  Weise  hergestellt  wurde, 
sondern  dass  seine  Bearbeitung  sehr  viel  Sorgsam- 
keit und  Erfahrung  erfordert,  bei  weitem  mehr 
als  das  Eisen.  In  Bezog  auf  die  Techuik  selbst 
dürfte  wieder  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen 
dem  Guss  und  dem  Schmicdeverfahren  gemacht 
werden,  und  wenn  wir  dahin  kommen  sollten,  mit 
Bestimmtheit  unseren  Norikern  Bronzefabrikate  zu- 
2uschreibeu.  so  werden  wir  im  Hinblick  auf  die 
einfache  Technik  des  Schmiedens,  die  ihnen  ganz 
besonders  nahe  gelegen  haben  muss,  uns  eher  für 
die  mit  dem  Hammer  gearbeiteten  Bronzen  aus- 
sprechen,  da  gerade  der  Guss  ganz  neue  Erfah- 
rungen erfordert.  Wir  finden  zwar  Gussstätten 
in  Steiermark  selbst,  doch  sind  die  Gussformen 
sehr  selten  und  durchgehends  von  gewöhnlicheren 
Gegenständen.  Auch  ist  der  Beweis  nicht  geliefert, 
das  sie  vorrömisch  sind,  denn  gerade  die  grösste 
unserer  keltischen  Fundstelle,  Hallstadt,  entbehrt 
deren  gänzlich.  Hohe  Umgussversuche  in  Lehm- 
formen, wie  solche  in  den  Pfahlbauten  Oheröster- 
reichs und  neuerdings  mannigfach  im  Laibacher 
Moor  gefunden  wurden,  weisen  durchaus  nicht  auf 
eine  heimische  Bronze-Industrie  im  eigentlichen 
Sinne;  denn  hier  wie  dort  sind  neben  solchen 
kupferigon  Umgussproductcn , die  sich  zum  Theil 
direct  nach  Steinbeilen  geformt  zeigen,  ganz  vor- 
trefflich schöne  Bronzedolche  und  Nadeln  gefunden 
worden,  welche  gerade  in  der  Xebeueinander- 
stellung  ihren  fremden  Ursprung  darthun.  Das 
zfonarme  Umgussproduct  dieser  Pfahlbauer  ist  neben 
der  fremden  Bronze  so  auffallend  formlos  und 
plump,  dass  gerade  durch  diese  offenbare  Nach- 
bildung die  Unkenntniss  in  der  eigentlichen  Bronze- 
behandlung recht  klar  veranschaulicht  wird.  Merk- 
würdig ist  es  nun,  wie  nach  so  einfachen.  Jedem  zu- 
gänzlichen Erfahrungen  die  Systematiker  darauf 
bestehen,  die  höchst  fein  gegossenen  und  gerade 
die  feinst  punzirten  und  gravirten  Bronzen  in  die 
erste  Zeit  der  Bronzeperiode  zu  setzen.  Kann 
für  einfache  Gelte  oder  Sicheln,  kann  für  ge- 
schmiedete Arbeiten  die  Möglichkeit  einer  Bear- 
beitung ohne  scharfe  stählerne  Werkzeuge  und 
ohne  allzu  grosse  Kunstfertigkeit  gedacht  werden, 
wenn  das  Material,  wenn  die  gute  Bronze  nur  ein- 
mal in  irgend  einer  Weise  beschafft  ist,  so  ist  hier, 
wie  auch  Dr.  Ho  st  mann  so  trefflich  erwiesen 
und  erprobt,  gerade  in  diesen  Fällen  oft  auch  nicht 
die  Möglichkeit  eines  Festhaltens  dieser  merk- 
würdigen Theorie  mehr  vorhanden. 

Auch  Ilr.  St öhr  hat  den  directen  Nachweis 
geliefert , dass  in  der  vorrömischen  Zeit  der 
Schmelzprocess  bis  zuin  Stahl  durchgeführt  wor- 
den ist. 

Hr.  Otto  Kunze:  Das  Eisen  findet  sich  überall 
uud  gerade  au  deu  Sümpfen , wo  die  Pfahlbauer 


/.un»  Bergbau  Feuer  gebrannt  haben  können.  Ich 
bin  der  Ansicht . dass  das  Eisen  der  späteren 
Bronze  vorausgegangen  sein  muss , wie  wir  das 
auch  in  deu  Pfahlbauten  vorwiegend  tinden.  Dies 
erklärt  sich  vielleicht  dadurch,  dass  das  Eisen  in 
dem  feuchten  Boden  leichter  verschwindet ; es 
rostet  und  vergeht  mit  der  Zeit  ganz  und  gar, 
während  die  Bronze  sich  erhält.  — 


Hr.  Virchow : Ich  möchte  Ilm.  Grafen  Wurm  - 
brand  meinen  besonderen  Dank  dafür  ausdrfleken, 
dass  er  den  Weg  der  praktischen  Kxperimen- 
tation . den  er  mit  so  ausserordentlichem  Ge- 
schick verfolgt,  auch  hier  eingeschlagen  hat.  Ich 
kann  uns  und  ihm  nur  gratuliren.  Wir  werden  ge- 
wiss erwarten  dürfen  , dass  es  ihm  gelingen  wird, 
noch  manche  schwierige  Fragt*  auf  diesem  Gebiete 
zu  lösen  . und  die  Methoden  der  Alten  nicht  nur 
zu  ergründen,  sondern  auch  zu  üben.  Dafür  bürgt 
die  besondere  Befähigung,  die  er  bewiesen  hat, 
die  Technik  der  Vorfahren  nachzuahmen.  — 

Die  Frage,  welche  Hr.  Kunze  angeregt  hat, 
können  wir  unmöglich  heute  noch  eingehender 
prüfen;  ich  bedauere  recht  sehr,  dass  die  Zeit  schon 
so  vorgerückt  ist  Wir  bewegen  uns  überdies  auf 
»lern  etwas  zweifelhaften  Gebiete  der  theoretischen 
Möglichkeiten,  die  gestern  schon  einmal  erörtert 
worden  sind.  Ich  darf  wohl  daran  erinnern,  dass 
bis  zu  diesem  Augenblicke  aus  ganz  Amerika 
keine  Beobachtung  bekannt  ist,  welche  darthätc, 
dass  die  amerikanischen  Völker  zur  Zeit  der  Ent- 
deckung ihres  Landes  Eisen  beai  beitet  haben.  Es 
ist  kein  einziger  Fund  davon  bekannt.  Wie  mir 
eben  mitget heilt  wird,  beschäftigt  sich  Hr.  Host- 
m an n damit.  Thatsachen  aufzusuchen,  um  den 
(iegenbeweis  zu  führeu.  Vorläufig  stellt  aber  die 
Sache  so.  dass  wir  aus  ganz  Amerika  bis  jetzt 
keinen  einzigen  alten  Eisenfuud  und  keine  Völker 
kennen,  welche  Eisen  vor  der  Entdeckung  Amerikas 
im  Gebrauche  benutzten  oder  bearbeitetem  Nichts- 
destoweniger treffen  wir  bekanntlich  die  höchste 
Entwicklung  der  Gold-,  Silber-  uud  Bronzekultur  iu 
Amerika,  zum  Theil  in  Formen,  welche  nicht  einmal 
in  Europa  erreicht  worden  sind,  nachdem  die  volle 
Uivilisation  eiugetreten  war.  Dass  so  etwas  ohne 
Eisen  möglich  ist,  müssen  wir  so  lange  anerkennen, 
als  noch  kein  altes  eisernes  Werkzeug  aus  Amerika 
bekannt  ist  .Die  Beantwortung  der  anderen  Frage, 
in  welcher  Reihenfolge  sich  die  Metallkenntniss  bei 
uns  gemacht  hat.  ist  davon  nicht  direct  abhängig. 
Ich  möchte  aber  immer  wieder  davor  warnen,  dass 
wir  uns  nicht  zu  sehr  in  Möglichkeiten  vertiefen, 
welche  gedacht  werden  können.  Dass  Eisen  bei 
uns  bequemer  zu  lubcn  war  als  Rronze,  darüber 
kann  kein  Zweifel  seiu.  Aber  wir  wissen  auch, 
dass  der  menschliche  Geist  durch  zahlreiche 
traditionelle  Voraussetzungen  beherrscht  wird  und 
dass  es  ungemein  schwer  ist,  die  Hilfsmittel,  welche 
etwa  verwerthet  werden  konnten,  für  jedes  Volk 
der  Vorzeit  genau  zu  bezeichnen.  — 


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r 


155 


Graf  Wurrabrand  zeigt  ein  Steinbeil  vor,  das 
in  gewisser  Beziehung  einzig  ist , weil  es  die  drei 
bekannten  Bohrungsmethoden  naehweiat , nemlich 
die  des  Hrn.  Forel,  des  Hm.  Keller  und  seine 
eigene.  Er  bemerkt  dazu: 

Ich  muss  vor  allem  sagen  , dass  mein  Bohr- 
versuch nicht  darauf  hinausgeht . etwas  Imagi- 
näres darzustellen  , sondern  dass  er  nur  deshalb 
einen  Werth  hat.  weil  erwiesen  werden  kann,  dass 
die  Alten  auch  wirklich  so  gearbeitet  haben.  Ich 
habe  Bohrer  aus  Hirschhomenden  in  den  Pfahl- 
bauten gefunden  und  durch  die  genaue  Einpassung 
solcher  Bohrer  in  die  Steinhämmer  Nachweisen 
können,  dass  sie  zum  Bohren  derselben  gebraucht 
wurden.  Sie  sehen,  dass  bei  meiner  Bohrung  ein 
Kegel  in  Mitte  des  Loches  stehen  bleibt.  Dieser 
Kegel  hat  sich  in  die  poröse  Masse  des  Hirsch- 
horns eingedrängt,  während  die  sehr  harte  äussere 
Hornwand  die  scharfe  Vertiefung  rund  nin  den 
Kteinkera  mit  Quarzsand  ausgewetzt  hat.  Die  Wan- 
dung der  Bohrung  bleibt  dabei  ganz  glatt.  Ist  die 
Bohrung  bis  zur  Hälfte  geschehen,  dann  wird  auf 
der  anderen  Seite  angefangen  und  man  bohrt  gegen 
einander.  Dadurch  wird  ein  Zapfen  gebildet,  der 
so  aussieht . wie  wenn  zwei  Kegel  auf  einander 
stehen  würden.  Wenn  Sie  diese  Bohrungsarbeit 
interessirt , so  wollen  Sie  in  das  hiesige  Museum 
gehen , wo  Sie  einen  solchen  Steinzapfen  finden, 
der  ganz  genau  dieselbe  Entstehungsweise  auf- 
weist. — 

Hr.  Virchow  (über  die  nördlichen  Pfahl- 
haufunde): 

Ich  habe  schon  in  meiner  Eröffnungsrede  mit- 
getheilt , dass  die  Pfahlbauten  im  Norden  sich  in 
einer , wenn  auch  nicht  unmittelbar  zusammen- 
hängenden, so  doch  in  einem  gewissen  Zusammen- 
hänge stehenden  Reihe  ansbreiten,  etwa  von  dein 
rechten  Elbeufer  bis  hoch  nach  Livland  hinauf, 
und  dass  in  dieser  ganzen  Reihe , soweit  sich  bis 
jetzt  mit  voller  Sicherheit  übersehen  lässt,  nirgends 
ein  reines  Steinalter  nachgewiesen  ist.  Allerdings 
kann  dieser  Punkt  nicht  positiv  erledigt  werden, 
da,  wie  ich  für  Wismar  hervorhob.  die  that sächlichen 
Verhältnisse  durch  Fälschungen  getrübt  worden 
sind.  Alle  anderen  Pfahlbauten  des  Nordens  zeigen 
sehr  späte  Verhältnisse:  die  Mehrzahl  von  ihnen 
gehört  nnzweifelhaft  der  späteren  Eisenzeit  an. 
Ich  habe  über  die  Pfahlbauten  der  Mark  , Pom- 
merns und  Posen»,  welche  überwiegend  der  grossen 
Zone  der  Seen  angehören . die  sich  bekanntlich 
durch  diese  Länder  in  einer  gewissen  Entfernung 
von  der  Küste  hin  erstrecken,  wiederholt  gesprochen. 
Ich  will  daher  hier  nur  hervorheben , dass  diese 
Pfahlbauten  mit  den  ßurgwällen  . von  welchen  Sie 
hier  ein  Modell  aus  der  Neumark  vor  sich  haben, 
archäologisch  übereinstimmen  , und  dass  wir  eine 
Reihe  von  bestimmten , der  ältesten  Geschichte 
dieser  Länder  angehörenden  Thatsachen  kennen, 
aus  welchen  hervorgeht,  dass  einzelne  dieser  Pfahl- 
bauten noch  bis  in  die  Zeiten  hinein  bestanden, 


wo  das  Christenthum  in  diese  Länder  getragen 
wurde.  So  besitzen  wir  über  Julin  . daß  spätere 
Wollin,  Nachrichten,  die  sich  ungezwungen  so  deuten 
lassen,  dass  noch  im  12.  Jahrhundert  Pfahlbauten 
daselbst  vorhanden  waren.  Mit  Ausnahme  dieser 
Wolliner  und  etwa  der  Wismarer  Pfahlbauten  be- 
finden sich  unsere  Pfahlstationen  in  wirklichen 
Seen;  jedenfalls  haben  wir  keine  von  Torf  über- 
wachsenen Pfahlbauten,  welche  ein  so  hohes  Alter 
besässen,  wie  Sie  es  noch  heute  in  Niederwyl  sehen 
werden.  Fast  alle  unsere  Pfahlbauten  liegen  nahe 
den  Ufern  in  Seen  und  treten  erst  beim  Ablassen 
der  letzteren  zu  Tage;  nur  vereinzelt  sind  sie  in 
noch  bestehenden  Seen  entdeckt  worden.  Einzelne 
von  ihnen  sind  noch  bis  in  das  Mittelalter  hinein 
benutzt  worden. 

Man  kann  diese  ganze  Gruppe  als  die  slavo-  , 
lettische  bezeichnen  im  Gegensatz  zu  der  alten 
süddeutsch  - schweizerischen.  Ich  kann 
nicht  sagen,  dass  ich  irgend  etwas  von  der  ersteren 
wüsste,  was  dazu  zwänge  oder  dazu  verführte,  an- 
zunehmen.  dass  ihre  Bevölkerung  eine  andere  war 
als  diejenige,  welche  wir  im  Beginn  der  historischen 
Zeit  auflreten  sehen.  Ich  habe  ebensowenig  irgend 
welche  Anhaltspunkte , welche  etwa  für  die  ost- 
deutschen Bezirke  es  wahrscheinlich  machen,  dass 
ein  germanisches  Volk  jemals  daselbst  in  dieser 
Weise  gewohnt  hat.  Auch  will  ich  nicht  behaupten, 
das*  die  slavischen  Pfahlbauten  des  Westens  und 
die  lettischen  des  Ostens  unmittelbar  zusammen- 
gehören. Eine  speciellere  Beschreibung  der  sla- 
vischen Gruppe  übergehe  ich  , da  ich  schon  ver- 
schiedentlich darüber  berichtet  habe.  Ich  will  nur 
eine  einzige  Thctsache  hervorheben , welche  den 
Zusammenhang  gewisser  Burgwälle  mit  den  Pfahl- 
bauten beweist,  dass  nemlich  einige  unserer  Burg- 
wälle in  Sümpfen  und  Mooren  errichtet  sind,  und 
dass  wir  im  Grunde  des  ßurgwalls  auf  wirkliche 
Pfahlbauten  kommen  , bei  denen  also  die  Funda- 
mentirnng  des  Grandes  durch  Pfahlbauten  gebildet 
und  darüber  der  Bnrgwali  aufgeschüttet  ist,  ganz 
ähnlich,  wie  es  bei  den  Terramaren  in  Italien  der 
Kall  ist.  Nichtsdestoweniger  bin  ich  der  Meinung, 
dass  wir  durchaus  nicht  zwischen  diesen  Burg- 
wällen  und  den  Terramaren  einen  inneren  Zu- 
sammenhang aofstcllcn  dürfen  ; so  ähnlich  die  Con- 
structionen  unter  Umständen  sein  mögen,  so  müssen 
wir  doch  zugestehen,  dass  zwei  ganz  verschiedene 
Völkerstämme  sich  nach  einem  gleichmüssigen 
Schema  eingerichtet  haben. 

Als  ich  neulich  in  Königsberg  war  und  die 
Sammlungen  der  Prussia  durchsah,  stiess  ich  auch 
auf  die  Funde  aus  einem  ausgezeichneten  Pfahlhau 
Ostpreussens,  der  schon  seit  mehreren  Jahren  be- 
kannt ist;  er  liegt  im  Arvssee  bei  Werder.  Die 
Herren  von  der  Prnssia  haben , weil  es  sich  in 
(’onstanz  nm  die  Vergleichung  der  Pfahlbauten 
handelte  und  es  von  Wichtigkeit  schien  , hier  in 
Mitte  des  Pfahlbaulandes  das  Material  vorzulegen, 
einen  Theil  ihrer  Funde  hieher  gesendet.  Sie 
sehen  da  freilich  nur  ein  einzelnes  eisernes  Ge- 


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156 


räth , das  überdies  stark  gelitten  hat.  Es  ist  das 
einzige  Eisenstück,  was  dort  erfanden  worden  ist 
und  es  ist  schwer  zu  sagen,  was  es  ist ; man  kann 
auch  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  darthun,  dass 
es  gerade  dem  Pfahlbau  angehörte  oder  erst  später 
hineingerathou  ist.  Indes*  beweist  die  scharf- 
kantige und  glatte  Bearbeitung  der  Pfähle , dass 
eiserne  Werkzeuge  gebraucht  sein  müssen.  Es 
sind  dann  zwei  Bronzeobjecte  gefunden  worden, 
nemlich  ein  roher , deutlich  abgetrennter  Guss- 
zapfen und  eine  Art  Tutulus , ein  knopfförmiges 
Ding  mit  einem  Stiele.  Weiterhin  gibt  es  eine  Reihe 
von  geschlagenen  Feuersteinstücken  und  eine  schön 
polirte  Steinaxt.  Die  Mehrzahl  der  Fundstücke  be- 
steht aus  Scherben  von  Thongerftthen  mit  rohen 
Ornamenten  von  sehr  mannigfacher  Art,  — ein 
Reichthnm  . der  gegenüber  der  Magerkeit  der 
sonstigen  Funde  ungewöhnlich  gross  ist.  Die  Ge- 
wisse haben  Henkel  und  ihre  Verzierung  besteht 
besonder^  häutig  in  horizontalen  und  schrägen 
Reihen  von  Nageleindrücken , die  wie  Guirlanden 
angeordnet  sind.  Einzelne  stellen  Krüge  mit  aus- 
gelegtem Fusse,  andere  sehr  kleine  Näpfchen  dar. 
Unter  den  grösseren  Gefässen  befindet  sich  eine 
Zahl  mit  Löchern  am  Rande,  welche  so  anssehen, 
als  wenn  sie  mit  einer  Schnur  durchzogen  gewesen 
wären.  Sehr  zahlreich  sind  Holz-,  Bein-  und  Horn- 
ge  rät  he ; von  den  letzteren  erwähne  ich  ausge- 
zeichnete Lanzenspitzei»  aus  Hirschhornenden  mit 
offenem  Schaftloch;  eine  ist  dabei,  wo  das  Holz 
noch  in  der  Lanzenspitze  steckt.  Dieser  Pfahlbau 
von  Ans  ist,  wie  derjenige,  den  Sie  in  Niederwyl 
sehen  werden,  ein  Packwerkbau.  Es  wurden  zu- 
nächst auf  den  Seegrund  stärkere  Balken  in  vier- 
eckiger Fundamentirung  niedergelegt,  durch  senk- 
rechte Pfähle  festgestellt  und  die  Zwischenräume 
mit  kleineren  Holzstänunen  ausgefüllt  und  mit 
Steinen  beschwert. 

Als  ich  den  Arrasch-See  in  Livland  besuchte, 
frappirte  mich  die  Aehnlichkeit  des  Namens  mit  Arvs 
und  ich  erkundigte  mich  sofort  nach  dem  lettischen 
Grundworte.  Sonderbarerweise  ergab  sich,  dass  die 
altere  Schreibweise  von  Arrascb  in  der  Thal  „Aries** 
gewesen  ist,  so  dass  es  aussieht,  als  ob  in  der  That 
derselbe  Name  an  zwei  so  weit  aus  einander  ge- 
legenen Orten  hervortritt.  Ich  habe  den  Arrasch- 
See  mit  dem  Grafen  Sievers  besucht  und  einige 
Ausgrabungen  daselbst  veranstaltet.  Dabei  hat 
sich  herausgestellt,  dass  dort  gleichfalls  ein  Pack- 
werkbau ist , der  uin  so  merkwürdiger  ist,  als  er 
in  der  That  zur  Bildung  einer  kleinen  Insel  ge- 
führt hat.  Im  Arrascb  - See  sind  allerdings  bis 
jetzt  erst  wenige  Metallsacheu  zu  Tage  gekommen, 
ein  paar  bronzene  Gegenstände , nemlich  eine 
lettische  Fibel  und  eine  grosse  gegossene,  leicht 
ciselirte  Nadel  mit  einer  kleinen  Oese  an  der 
Seite  ; es  ist  aber  auch  zugleich  eine  grosse 
Gnssform  aus  schwarzem  Thon  gefunden  worden, 
eine  Form , welche  nicht  vollständig  ist , so  dass 
schwer  herauszubringen  ist , was  damit  gegossen 
worden  ist.  Die  Bearbeitung  der  Pfähle  beweist 


auch  hier,  dass  Eisen  dabei  angewendet  ist.  Das 
meiste , was  sich  vorfindet , sind  Topfscherben, 
die  meisten  ganz  roh  , einzelne  mit  Buckeln  and 
Fingereindrücken , jedoch  ohne  Henkel , ferner 
Knochen  sehr  mannigfacher  Art , die  Mehrzahl 
zerschlagen . unter  denen  ausser  dem  Biber  fast 
nur  Ilausthiere  vertreten  sind:  Schwein,  Rind  und 
Pferd. 

Ich  gehe  auf  weitere  Details  nicht  ein,  sondern 
will  bei  dieser  Gelegenheit  nur  noch  der  Art  von 
Vermut  hangen  und  Schlussfolgerungen  entgegen- 
treten, welche  immer  geneigt  ist,  eine  Erklärung, 
welche  ein  bestimmtes  Kulturgebiet  darbietet,  ohne 
weiteres  auf  andere  zu  übertragen.  Ich  denke,  wir 
werden  uns  entschlossen  müssen,  ganz  im  Gegen- 
sätze zu  den  süddeutsch  - schweizerischen  Pfahl- 
hauten, die  Einführung  der  nördlichen  Pfahlbanten 
an  die  Einwanderung  des  slavo-lettischen  Stammes 
anzuknüpfeu;  ich  wüsste  nicht,  welche  Thatsache 
angeführt  werden  könnte , die  berechtigte , eine 
frühere  Periode  für  den  Beginn  der  letzteren  an- 
zunehmen. 

An  diese  Erörterung  möchte  ich  noch  ein 
paar  Mittheilungen  über  nordöstliche  Alter- 
thümer  kurz  anreihen.  Zunächst  die  Beobach- 
tung , welche  mir  bei  der  Besichtigung  der  Mu- 
seen in  Königsberg , Mitau  und  Riga  entgegen- 
getreten ist,  dass,  je  weiter  wir  über  die 
Weichsel  hinaus  nach  Osten  kommen, 
desto  spärlicher  das  Gebiet  der  älteren 
Funde  wird  und  desto  mehr  wir  in  ein 
uns  durchaus  fremdes  Kultur  gebiet  ein- 
treten.  Es  ist  zunächst  sehr  auffallend  für  uus 
Nordländer,  - ein  Süddeutscher  würde  das  viel- 
leicht weniger  empfinden  — aber  wir,  die  wir 
gewohnt  sind , in  der  Unmasse  des  Feuerstein- 
geräthes  uns  zu  bewegen,  die  wir  mit  den  Schweden 
und  Dänen  den  Vorzug  theilen,  dass  in  Folge  der 
Reichhaltigkeit  unseres  Bodens  an  grossen  Feuer- 
steinknollen auch  die  Fabrikation  der  grossen 
Feuersteingeräthe  eine  enorme  Ausdehnung  gefunden 
hat,  wir  sehen  mit  Verwunderung  schon  jenseits 
der  Weichsel  diese  Gerftthe  spärlicher  werden  und 
bald  ganz  verschwinden.  In  dem  sehr  schön  aus- 
gestatteten Museum  in  Mitan  existiren  nur  noch 
zwei  Stücke  von  geschliffenen  Feuersteinen , ein 
etwas  grösserer  Keil  und  ein  ganz  kleiner  meissel- 
förmiger  Körper  aus  einem  sehr  schönen  achat- 
ähnlichen  Baudfeiierstein.  In  Riga  ist  davon  fast 
nichts : auch  finden  sich  fast  gar  keine  Spuren 
von  irgend  einer  solchen,  im  Lande  selbst  geübten 
Technik.  Man  kann  daher  leicht  auf  die  Ver- 
muthnug  kommen,  als  oh  hier  jede  ältere  Periode, 
welche  etwa  der  Steinzeit  der  übrigen  Welt  ent- 
spräche, austiele.  Graf  Sievers  ist  der  erste 
gewesen  . welcher  in  dieser  Beziehung  einige  po- 
sitive Fortschritte  gemacht  hat.  Die  Differenzen, 
in  welche  er  dadurch  geratheii  war,  waren  mit 
Veranlassung , weshalb  er  mein  Zeugnis»  pro* 
vocirte. 

Es  handelte  sich  dabei  hauptsächlich  um  Funde, 


iized  bv  GoO1 


157 


die  er  an  dem  grossen  Burtneck-See,  ans  welchem 
die  Salis  hervorgeht , gemacht  hatte , einem  See, 
der  eine  mehrmeilige  Lange  und  Breite  hat.  An 
dom  nördlichen  , gegen  Estbland  gerichteten  Ufer 
ist  eine  Stelle,  wo  auf  dem  jetzt  geackerten  Lande 
eine  Menge  von  kleinen  geschlagenen  Feuer- 
steinen und  Topfscherben  gefunden  wurde;  erstere 
Hessen  sich  nur  als  menschliche  Artefaete  an- 
sehen , zumal  da  sich  unter  ihnen  ausgezeichnete 
Pfeilspitzen  fanden  und  zwar  ganz  regelm&ssige, 
mit  Widerhaken  versehene  Pfeilspitzen,  aber  nicht 
polirte,  sondern  durchweg  einfach  geschlagene.  Es 
war  das  um  so  merkwürdiger,  als  bis  dahin  selbst 
das  Vorkommen  von  Feuersteinen  als  natürlicher 
Vorkommnisse  im  Lande  geleugnet  war.  Ich  habe 
jedoch  eigenhändig,  ohne  daranf  aufmerksam  ge- 
macht zu  sein , solche  Feuersteine  aufgehoben, 
namentlich  in  moränenartigen  Hügeln , wo  sie 
zwischen  anderen  Geschieben,  wie  hei  uns.  Ingen. 
Es  kann  daher  kein  Zweifel  sein , dass  auch  iti 
Livland  Feuerstein  im  Boden  vorkommt  und  dass 
einstmals  daraus  Werkzeuge  geschlagen  worden 
sind.  Wie  weit  das  für  die  Beurtlieiiung  der  ge- 
sammten  livländischen  Archäologie  Werth  hat.  will 
ich  dahingestellt  sein  lassen.  Jedenfalls  kann  ich 
die  Fundstolle  von  Sweinerk  bezeugen;  ich  war 
selbst  da,  und  ich  zweifle  nicht,  dass  dort  einmal 
eine  F eu  erst  ei  n w e rk  stä  t te  war. 

Auch  an  einer  anderen  Stelle,  unmittelbar  an 
dem  Ausflüsse  der  Salis,  gibt  es  sehr  merkwürdige 
Dinge.  Gerade  da,  wo  der  ziemlich  schnell  flics- 
sende Fluss  aus  dem  See  aastritt..  liegt  auf  jeder 
Seite  des  Flusses  ein  kleiner  Hügel.  Der  eine 
heisst  Hinnekaln , der  andere  Kaulerkaln.  Auf 
beiden  Seiten  wurden,  als  inan  anting,  diese  Hügel 
zu  Ackerbauzwecken  nbzufahreii,  Skelette  entdeckt. 
Eben  die  Schädel,  welche  Sie  dort  sehen,  sind  ans 
dein  Hinnekaln.  Dieser  auf  dem  südlichen  linken 
Ufer  der  Salis  gelegene  Hügel  besteht  der  Haupt- 
sache nach  aus  einer  Anhäufung  von  Muschel- 
schalen , namentlich  von  Unionen.  Bis  zu  einer 
Höhe  von  bis  6 Kuss  besteht  alles  aus  Musehel- 
scherben , zwischen  welchen  sich  stellenweise  eine 
schwarze  hamasartige  Masse  findet.  Die  Ausfül- 
lnngsmassc  der  Augenhöhlen  dieses  Schädels  ge- 
währt in  vollem  Masse  ein  Bild,  wie  sich  der  Boden 
au  den  Stellen  darstellt,  wo  die  Schalen  zer- 
trümmert sind.  Es  gibt  aber  Stellen,  wo  die  Schalen 
in  noch  uuzertrüminertein  Zustande  aufgehäuft  sind, 
so  dass  die  ganze  Masse,  wenn  man  hiueinstieht 
und  sie  aus  einander  wirft,  sich  in  lauter  einzelne 
Muschelschalen  auflost.  Dazwischen  Anden  sich  vie- 
lerlei Dinge  von  Menschenhand  und  auch  menschliche 
Skelette.  Es  konnte  nicht,  zweifelhaft  bleihcn.  dass 
die  Mehrzahl  der  menschlichen  Leichen  erst  später  in 
die  schon  vorhandene  Muschelmasse  bestattet  worden 
ist.  Allein  Graf  Sievers  glaubte,  sich  an  einigen 
Stellen  überzeugt  zu  haben,  dass  auch  unter  der  Mu- 
schelschicht Begräbnisse  stattgefunden  hätten.  Wir 
untersuchten  daher  hei  meiner  Anwesenheit  noch 
einmal  den  Untergrund,  fanden  aber  absolut  nichts 


von  Leichentheilen  darin.  Ich  kann  daher  über 
diesen  Punkt  aus  eigener  Wahrnehmung  nichts  Aus- 
sagen. Um  so  zahlreicher  waren  die  Funde  in  den 
Muschelachichten  selbst.  Es  hat  sich  darin  ausser- 
halb der  Gerippe  nirgends  Metall  gefunden , ob- 
wohl zwischen  den  Muschelschalen  sich  Metall  sehr 
gut  erhalten  müsste.  Es  hat  sich  ferner  mit  Aus- 
nahme einiger  Schleifsteine  und  eines  einzigen 
kleinen  polirten  Steines  kein  eigentliches  Stein- 
gerüth,  weder  geschlagenes  noch  polirtes,  gefunden, 
Graf  Sievers  schloss  daher,  dass  er  hier  auf  eine 
Stelle  gestossen  sei,  wo  eine  Urbevölkerung  gewohnt 
habeT  die  nicht  einmal  den  regelmässigen  Ge- 
brauch ausgearheiteter  Steingeräthe  gekannt  habe. 
Natürlich  kann  kein  Zweifel  darüber  sein , dass 
zur  Anfertigung  von  Horngeräth  irgend  ein  här- 
teres Instrument , also  wahrseheinUch  Stein , ange- 
wendet werden  musste , und  einzelne  Feuerstein- 
Hchcrbcn  habe  ich  in  der  Thal  gefunden:  indes* 
würde  das  t nicht  hindern , auf  eine  recht  alte 
Periode  der  Steinzeit  zurückzugehen.  Ich  möchte 
darüber  endgültig  nicht  entscheiden.  Der  grössere 
Theil  derjenigen  bearbeiteten  Gegenstände,  welche 
während  meiner  Anwesenheit  gefunden  worden, 
liegt  hier  vor.  Sie  werden  daraus  einerseits  die 
Art  des  Thongeräthes  kennen  lernen , anderseits 
eine  grosse  Menge  von  Werkzeugen  und  Zierraten 
verschiedener  Art,  aus  Eichhorn,  Zähnen,  Extremi- 
tätenkiiochen  u.  s.  w.  hergestellt.  Natürlich  darf 
nicht  jedes  einzelne  Stück  mit  voller  Sicherheit  der 
ältesten  Aufschüttung  zugerechnet  werden.  Da  die 
in  dem  Muschel  berge  bestatteten  Skelette  einer 
sehr  viel  späteren  Zeit  angebören  , so  ist  es  be- 
greiflich, dass  manche  Beiguben  aus  dieser  späteren 
Zeit  sich  mit  ciugedrängt  vorflndeu.  Dahin  gehören 
vielleicht  gewisse  gebohrte  Knochenperlen  oder 
Knöpfe,  welche  schwerlich  der  älteren  Gruppe  zu- 
zurcchnen  feind.  Unter  den  Thierknochen  sind 
manche,  die  ein  besonderes  Interesse  erregen.  Ich 
mache  besonders  auf  den  Biber . den  Elch , das 
Wildschwein,  den  Urochsen  aufmerksam ; auch  ein- 
zelne Bärentheile  Anden  sich,  dagegen  sind  Knochen 
von  Haussieren  sehr  selten.  Ich  habe  die  Ueber- 
zeugnng  gewonnen,  dass  der  Biberfang  die  eigent- 
liche Veranlassung  zu  dieser  Ansiedelung  gewesen 
ist.  Es  sind  in  dem  Hügel  schon  gegen  150  Unter- 
kiefer von  Bibern  gefunden  worden.  Auch  befindet 
sich  dicht  unterhalb  des  Hügels  eine  Furth  in  der 
Salis,  welche  wahrscheinlich  von  den  Bibern  zu 
ihren  Bauten  benutzt  worden  ist.  Gegenwärtig  gibt 
es  in  Livland  keine  Biber  mehr.  Meiner  Meinung 
nach  haben  in  alter  Zeit  die  Leute  dort  den  Biber- 
fang geübt,  haben  nebenbei  gefischt  und  haben  so- 
wohl die  Fische,  als  auch  die  Unionen,  welche  sie 
erlangten , zur  Nahrung  verwendet.  Wahrschein- 
lich haben  sie  sich  aber  nur  zu  gewissen  Zeiten 
au  dieser  Stelle  aufgeh  alten.  Dass  irgend  eine  an- 
haltende Bewohnung  derselben  stattgefunden  hätte, 
bezweifle  ich ; dafür  fehlen  alle  Anhaltspunkte.  Ich 
möchte  aber  gerade  aus  dem  Umstande , dass  cs 
sich  hier  nur  um  eine  temporäre , für  Jagd-  und 


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158 


Fischereizwecke  benutzte  Stelle  handelt , die  auf- 
fallende Thatsache  erklären,  dass  nichts  vorhanden 
ist,  was  auf  die  Herstellung  von  Steinwerkzeugen, 
sei  es  geschlagenen,  sei  es  polirteu,  hindeutet,  und 
dass  zwischen  den  Muschel-  und  Fischresten  über- 
wiegend nur  solche  Gerftthe  gefunden  werden, 
welche  zur  Jagd  und  Fischerei  benutzt  wurden. 
Dabei  ist  es  von  grossem  Interesse,  dass  hier  eines 
der  seltensten  Gerftthe  vorkommt , nemllch  die- 
selben Knochenharpunen,  wie  sie  in  der  Thayingcr 
Höhle  ausgegraben  wurden . und  wie  sie  noch 
heutigen  Tages  bei  den  Eskimos  im  Gebrauche 
sind.  Davon  sind  bis  jetzt  fünf  Exemplare  in  dem 
Rinnehügel  gefunden  worden.  Unzweifelhaft  müssen 
die  Leute  oft  an  diese  Statte  zurückgekehrt  sein. 
Wenn  man  den  ungeheuren  Musehelvorrath  sieht, 
der  hier  aufgeh&uft  ist.  und  der  an  die  Beschrei- 
bungen erinnert , die  von  den  Musrhelbcrgen  der 
Andamauen  oder  der  südatnerikanischen  Küsten- 
bewohner gegeben  werden,  wenn  man  die  Kjökken- 
möddinger von  Seeland  und  Jütland  in  Vergleich 
zieht , so  wird  man  sehr  geneigt  sein , die  Ent- 
stehung des  Rinnekain  bis  in  die  äusserste  Stein- 
zeit zurückzuverlegen.  Ich  möchte  jedoch  mein 
Urtheil  in  dieser  Beziehung  noch  reserviren , und 
zwar  gerade  deshalb,  weil  es  sich  nicht  um  dauernde 
Bewohnung , sondern  nur  um  vorübergehende  An- 
siedelung zu  Fischerei-  und  Jagd/wecken  handelt, 
lind  weil  der  Hügel  vielleicht  manches  nicht  in 
sich  aufgenommen  hat,  was  die  Leute  an  Haus- 
und Kriegsgerflth  besessen.  Dieser  Gesichtspunkt 
ist  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Wichtigkeit . auch 
für  manche  andere  analoge  Erscheinung. 

Was  die  Leichen  im  Rinnekain  anlangt , so 
ergab  schon  die  erste  Untersuchung,  dass  sie  erst 
nachträglich  in  die  Muschelschichten  bestattet  waren. 
Das  sie  umgebende  Erdreich  war  ganz  verschieden 
von  den  eigentlichen  Muschelschichten.  Sie  waren 
übrigens  ganz  vorzüglich  conservirt,  und  was  noch 
viel  wichtiger  ist,  sie  hatten  eine  Reihe  charakteri- 
stischer Beigaben . welche  sich  nirgends  als  in 
Harmonie  stehend  mit  dem , was  die  Muschel- 
schichten selbst  enthielten , erwiesen  haben.  Ab- 
gesehen von  den  schon  erwähnten . früher  vom 
Grafen  Sievers  aus  dem  Untergründe  der  Mu- 
schellagen gehobenen  Skeletten , finden  sich  die 
in  den  Muschellagen  so  häutigen  Knochengeräthe 
in  keiner  Weise  bei  den  Skeletten  ; im  Gegenteil, 
die  Skelette  zeigen  sehr  eigentümliche  Beigaben 
von  Bronze  und  Eisen,  und  zwar  Beigaben,  welche 
schon  als  solche  vollkommen  ausgereicht  haben 
würden,  um  zu  beweisen  . dass  die  Leute,  welche 
da  begraben  wurden , derselben  Zeit  angehören, 
aus  welcher  die  meisten  Gräber  von  Livland.  Cur- 
land , Estland  und  der  Insel  Oesel  stammen. 
Diese  Gräber  sind  von  vornherein  mit  einem  ge- 
wissen Präjudiz  untersucht  und  namentlich  von 
Bähr  unter  dem  Namen  von  „Livengräbem*4  be- 
schrieben wurden.  Ich  muss  dieser  Bezeichnung 
insofern  Bedenken  entgegensetzen , als  Beigaben 
derselben  Kulturepoche , wie  ich  mich  zu  meiuem 


grossen  Erstaunen  auf  meiner  Rückreise  über- 
zeugt habe , in  grösster  Ausdehnung  in  unserer 
Provinz  Prenssen  und  namentlich  in  dem  alten 
berühmten  Samland  Vorkommen.  Dahin  gehören 
vorzugsweise  die  Gräber  der  kurischeo  Nehrung, 
welche  Hr.Schiefferdecker  sehr  gut  beschrieben 
hat;  sie  liegen  an  einer  Stelle,  wohin  unzweifelhaft 
niemals  livische  Bevölkerung  gereicht  hat.  Ich 
will  Sie  nicht  mit  der  Gcsammtheit  der  Gründe 
behelligen , welche  mich  zu  der  Ueberzeugung  ge- 
führt haben,  dass  die  sogenannten  Livengrftber  zu 
einem  beträchtlichen  Theile  lettische  waren.  Das 
ist  jedoch  ein  untergeordneter  Punkt  für  die  Be- 
urteilung des  Rinnehügels;  viel  wichtiger  ist,  dass 
diese  Gräber  einer  ganz  jungen  Zeitperiode  an- 
gehören . wie  dies  durch  die  Anwesenheit  von 
Münzen  dargethan  wird.  Ich  habe  selbst  einige 
Skelette  gefunden,  bei  denen  Münzen  vorkamen; 
eine  der  letzteren  habe  ich  in  Mietau  bestimmen 
lassen  . wobei  sich  ergab , dass  sie  dem  16.  Jahr- 
hundert angehört . ungefähr  zwischen  1536  und 
1540.  Allein  solche  Münzen  kommen  an  Ske- 
letten vor , an  welchen  auch  durchbohrte  Kauri- 
Muscheln  als  Halsschmuck  und  eigentümliche 
..Hufeisenfibel!»“*  aus  Brouze  sich  finden , und  sie 
knüpfen  damit  an  eine  grössere  Kulturperiode  an. 
welche  in  einer  zusammenhängenden  Reihe  bis 
zum  K.  Jahrhundert  zurückreicht : ob  noch  weiter 
rückwärts,  kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  sagen. 

In  diese  Periode  gehört  fast  alles . was  man 
bisher  als  das  Bronzezeitalter  der  Ostseeprovinzen 
besehrieben  hat , und  dieses  ist  so  vollständig  ab- 
weichend von  unserem  Bronzealter  und  so  sehr 
sich  anschliessend  an  Typen  des  Orients , wie 
übrigens  auch  durch  die  Anwesenheit  von  kufischen 
und  arabischen  Münzen  dieser  Zeit  dargethan  wird, 
«lass  wir  mit  vollständiger  Sicherheit  sagen  können: 
es  hat  in  den  Ostseeprovinzen  in  einer  verhftlt- 
nissmässigen  Breite  ein  Strom  orientalischer  Ein- 
flüsse sich  geltend  gemacht,  der  bis  in  das  prens- 
sische  Samland  hineingereicht  hat . kurz  vor  der 
eigentlich  historischen  Zeit  und  noch  in  derselben. 
Neben  den  Kauri  - Muscheln , die  in  der  ganzen 
Periode  ungemein  häutig  sind , und  neben  den 
Münzen  finden  sich  namentlich  ungemein  reiche 
und  zusammengesetzte  Schmucksachen  von  Zink- 
bronze, insbesondere  ausserordentlich  lange  Ketten, 
mit  denen  der  ganze  Vorderkörper  behängt  war; 
dieselben  wurden  vermittelst  Fibeln  auf  den  Schul- 
tern befestigt,  deren  ganz  besondere  Form  ein  her- 
vorragendes Interesse  darbietet,  weil  dieselbe  Form 
ungemein  häutig  und  ausgebildet  in  Südschweden 
vorkommt,  wie  sich  die  Herren , welche  iti  Stock- 
holm waren , erinnern  werden.  Es  sind  das 
eigentümliche  Agraffen  mit  dreieckigen  Köpfen, 
Schnallen  in  Schildkrötenform , — höchst  cha- 
rakteristische Formen.  Dazu  gesellt  sieh  eine 
eigentümliche  Behandlung  der  Kleiderstoffe  f in- 
dem die  Gewebe  mit  Spiralen  oder  Plättchen  von 
Bronze  durchwirkt  oder  besetzt  sind,  ganz  so.  wie 
sie  im  Orient  bis  in  die  neueste  Zeit  getragen 


Die 


159 


werden.  Diese  Kultur  endigt  am  rechten  Ufer  der 
Weichsel  und  sie  erfüllt  ein  verhältnissmftssig 
grosses  Gebiet,  welches  ich  in  diesem  Augenblicke 
als  das  specifisch  lettische  zu  bezeichnen  ge- 
neigt bin. 

Vor  dieser  Bronzeperiode,  die  überwiegend 
von  dem  Oriente  aus  beeinflusst  ist . — die  Ana- 
lyse hat  nur  Zinkbronze  ergeben.  — steht  nur 
sehr  wenig  von  den  Altertbümern  in  den  Ostsee- 
provinzen. Ich  möchte  hier,  wo  das  bekannt- 
werden der  Fälschungen  von  besonderem  Interesse 
i6t,  namentlich  hervorheben,  dass  man  alle  die 
Vorstellungen  abthun  muss,  welche  lange  Zeit  in 
Bezug  auf  griechischen  Einfluss  im  Ostbaltikum 
gehegt  worden  sind.  Sie  wissen,  dass  gerade  von 
einem  Orte  am  Rigaischen  Meerbusen,  der  Peters- 
kapelle, die  von  Riga  aus  östlich  am  Ufer 
des  Meerbusens  liegt,  ein  scheinbar  sehr  zuver- 
lässiger Mann,  Graf  Mollin,  ein  Mann,  der  die 
höchsten  Verwaltungsstellen  in  Russland  einge- 
nommen hatte,  seiner  Zeit  an  das  Museum  in 
Mitau  eine  Reihe  der  seltensten  Gegenstände  mit 
einem  Fundberichte  eingeschickt  bat.  Er  erzählte, 
dass  er  eines  Tages  auf  sein  Gut  bei  der  Peters- 
kapelle gekommen  sei,  wo  seit  alter  Zeit  an  dem 
Meeresstrande  an  einer  erhöhten  Stelle  ein  altes 
Grab  lag,  was  vielfach  als  Orient i rungspunkt  be- 
nutzt war.  Aus  diesem  Grabe  h&hc  er  neben  altem 
Topfgeräth  der  allergröbsten  Form  griechische 
Münzen  und  eine  grosse  schöne  Bronzestatue  von 
beiläuflg  einer  Höhe  von  10 — 12  cm  erhalten.  Er 
habe  freilich  die  Ausgrabung  nicht  selbst  gemacht, 
vielmehr  habe  er  die  Bronzestatuette  einem  Jungen 
abgenomraen,  der  auf  der  Thürschwelle  Nüsse  damit 
aufschlug.  Immerhin  schien  kein  Zweifel  über  die 
Fundstelle  zu  bleiben.  Von  dieser  Zeit  an  datirt  die 
Annahme,  dass  schon  sehr  früh  vom  Gestade  des 
schwarzen  Meeres  her,  was  an  sich  theoretisch 
sehr  bequem  und  günstig  war,  ein  nördlicher 
Handelsweg  bestanden  habe . von  welchem  die 
Peterskapelle  gewissermassen  der  letzte  Ausgangs- 
punkt gewesen  sei.  Graf  Sievers  hat  das  Ver- 
dienst, durch  die  Bedenken,  die  ihm  dieser  Fund 
einflösste,  namentlich  seitdem  dazu  weitere  archäo- 
logische Zweifel  gekommen  waren,  welche  der 
gegenwärtige  C'ustos  des  Mitauer  Museums,  Herr 
Döring,  aufstellte,  eine  genauere  Untersuchung 
veranlasst  zu  haben.  Hr.  Stadtbibliothekar  Dr. 
Berg  holz,  der  nach  Berlin  reiste,  nahm  die 
Münzen  mit,  um  sie  dem  erfahrenen  Director 
unseres  Mflnzcabinets , Herrn  Friedländer  vor- 
zulegen. Derselbe  erkannte  auf  den  ersten  Blick, 
dass  von  den  drei  Münzen  zwei  Nachbildungen, 
Abgüsse  seien.  Er  constatirte,  dass  die  eine  einen 
vollständigen  Abguss  einer  alten  Münze  darstelle, 
die  zweite  aber  am  Avers  und  Revers  aus  zwei 
ganz  verschiedenen  alten  Münzen  zusammengesetzt 
sei.  Er  legte  sofort  die  zwei  Originalmünzen,  die 
leicht  aus  den  Beständen  des  Museums  ausgewählt 
werden  konnten,  neben  einander  und  zeigte,  wie  dar- 
aus eine  ganz  neue  Münze  hergestellt  sei.  Sie 


sehen , die  Fälschungen  gehen  weit  und  bis  in 
ziemlich  hohe  Kreise  hinein.  Ich  führe  das  hier 
nur  an  zur  Illustration  der  hier  discutirten  Dinge. 
Jedenfalls  fehlt  gegenwärtig  jeder  Anhaltspunkt 
für  die  Annahme,  dass  ein  früher  griechischer 
Einfluss  auf  die  Kultur  der  Ostseeländcr  einge- 
wirkt habe,  leb  füge  hinzu,  dass  auch  von 
römischem  Einfluss  in  Livland  ungemein  wenig  zu 
spüren  ist  und  dass  die  wesentliche  Archäologie 
dieser  Länder  eigentlich  erst  in  der  Zeit  beginnt, 
wo  die  Kunst  des  Orients,  mindestens  vom  8.  Jahr- 
hundert an,  hier  Eingang  fand  und  wo  andererseits 
skandinavische  Seefahrer  hieher  ihre  Fahrten 
richteten.  Vor  dieser  Zeit  hat  unzweifelhaft  eine 
Bevölkerung  hier  gelebt,  wie  die  Funde  vom 
Burtneck-See  beweisen;  aber  sie  scheint  nur  spärlich 
gewesen  zu  sein,  und  wir  besitzen  bis  jetzt  sehr 
wenige  Anhaltspunkte , um  ein  Bild  ihres  Lebens 
und  Wesens  zu  entwerfen.  — 

ilr.  Fraas  (über  den  Steinhäuser  Knüppelbau 
bei  SchuBsenried):  Wo  auf  der  grossen  europäischen 
Wasserscheide  Rhein  und  Donau  durch  die  Flüsse 
der  Schüssen  und  der  Riss  aus  einem  gemein- 
samen Wasserreservoir  schöpften  und  die  über 
40  qkm  grosse  Wasserfläche  des  ehemaligen  Feder- 
sees ihr  Wasser  durch  die  umliegenden  Riegel 
von  Moränenschutt  zur  Bildung  der  genannten  2 
Flüsse  abgab,  hat  die  Kultur  jetzt  alles  umge- 
staltet. Der  heutige  Federsee  ist  nur  noch  eine 
Moorlache  von  220  ha  Wasserfläche.  Seit  Jahren 
schon  ist  es  möglich,  das  wilde  Ried  während  der 
trockenen  Jahreszeit  gefahrlos  zu  begehen ; bis  zu 
10  m tiefe  Abzugsgräbeu  entwässern  seit  Jahr- 
zehenten das  Ried,  sein  Niveau  sinkt  immer  tiefer 
und  sein  Inhalt  wird  in  kunstgerechtem  Abbau 
gewonnen,  um  die  Locomotiven  der  oberschwäbischen 
Eisenbahnen  mit  Torf  zu  speisen.  In  der  Nähe 
des  Ablaufs  des  Federbachs  in  die  Riss  in  der 
südöstlichen  Ecke  des  alten  Moors  Hessen  die 
Torfstecher  seit  Jahren  eine  Strecke  liegen,  bei 
welcher  man  schon  mit  2 in  Tiefe  auf  Kies  und 
Letten  stiess.  Man  hielt  die  Strecke  lange  Zeit 
für  eine  natürliche  inselartige  Erhebung  im  See- 
gründe,  bis  sich  herausstellte,  dass  der  K i e s b o d e n 
künstlich  aufgeführt  sei,  auf  einem  Knüppel- 
damm ruhe,  der  vom  Festlande  mittelst  einer  Brücke 
zugänglich , nunmehr  inselartig  im  Moos  sich  er- 
hebt, unter  sich  aber  noch  1,5  m Torf  liegen  hat, 
bis  der  eigentliche  Seegruud  erreicht  wird.  Die 
('onstatirung  dieser  Th&tsachen  und  die  Bei- 
Schaffung  der  Fundstücke,  die  im  Laufe  der  letzten 
Jahre  uus  dieser  inselartigeil  Erhebung  hervur- 
gingen , ist  wesentlich  das  Verdienst  des  Revier- 
försters F r a n k von  Schussenried  und  seines  Wald- 
schfltzen  Aberle,  die  theils  Berufs  halber,  tlaeila 
aus  rein  wissenschaftlichem  luteresse  den  oft  sehr 
versteckten  Spuren  des  alten  Pfahlbaues  nach- 
gingen. Ausserdem  haben  im  Sommer  1875  und 
1877  von  Seiten  der  wissenschaftlichen  Samm- 
lungen des  Staates  Ausgrabungen  stattgefuudeu, 


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160 


deren  Resultate  hier  kurz  zui*ammengefasKt  werden 
mögen. 

Auf  einer  Fläche  von  mehreren  Hektaren 
wurden  jetzt  dureh  die  Ausgrabungen  gegen 
700  qm  Grundfläche  abgehaut.  d.  h.  man  nahm 
von  dieser  Flüche  den  2 m müchtigen  oberen 
Torf,  im  Ganzen  140t » cbm  weg  und  stiess  in 
dieser  Tiefe  auf  einen  Estrichtboden . der  theils 
uur  aus  Letten,  theils  aus  Kies  und  Letten  her- 
gestellt  war  und  auf  einem  Knüppeldamm  lagert. 
Der  Knüppeldamm  besteht  aus  neben  einander  ge- 
legten Rundhölzern  und  Ilalbhölzeru  von  Weiss-Erle, 
Schwarz-Erle.  Esche,  Dirke,  Eiche,  Buche  und 
Aspe,  mitunter  von  einem  Durchmesser  von  25 
bis  :iO  cm ; auch  Ahorn.  Haselnuss,  Ulme  und  Weide 
ist  vertreten*).  Sünimtliche  Hölzer  sind  auf  den 
Torf  gelegt,  so  weit  er  sich  zur  Zeit  der  An- 
siedlung überhaupt  gebildet  hatte.  Der  1,5  in 
mächtige  Torf  unterhalb  der  Kulturschicht  be- 
zeichnet die  Zeit  vom  Beginn  der  Moorhilduug  bis 
zum  Pfahlbau;  die  2 in  Torf  oberhalb  bezeichnen 
die  Zeit,  die  zwischen  der  Pfahlbauzeit  und  der 
Jetztzeit  liegt.  Die  Kulturschicht  wie  wir  den 
Knüppeldamm  und  darauf  angebrachten  Estricht. 
Kies,  Letten.  Asche.  Kohle  mit  den  auf  dem  Est- 
rich! herumliegendeu  Resten  von  Knochen,  Ge- 
schirren, Werkzeugen  und  Sämereien  nennen 
können,  ist  bald  nur  0,25  m mächtig,  bald  schwillt 
sie  auf  o,80  m,  ja  selbst  auf  1,0  in  an,  je  nach- 
dem sicli  ciu  zweiter , dritter , ja  sogar  vierter 
Knüppeldamm  mit  Estricht  und  Zngehör  auf  den 
ersten  legt. 

So  gross  auch  die  Oberfläche  ries  Dammes 
ist,  die  im  Laufe  der  letzten  2 Jahre  blossgelegt 
wurde,  so  vergeblich  erkennt  man  in  dem  Bau 
ein  System.  Die  Hölzer  sind  in  der  Regel  2 — 3 nt 
lang,  selten  kürzer,  öfter  etwas  länger:  5 m lange 
Hölzer  aber  sind  schon  ganz  selten.  Von  einer 
Regel  in  der  Länge  ist  also  keine  Rede;  ebenso- 
wenig aber  ist  in  der  Zahl  der  neben  einander  ge- 
legten Hölzer  eine  Regel  zu  beobachten:  das  eiue- 
mal  liegen  8 und  10  Hölzer  neben  einander,  ein 
andermal  20  und  30,  desgleichen  liegen  sie  nach 
verschiedenen  Richtungen  der  Windrose.  SW  zu 
NO  herrscht  allerdings  vor  und  rechtwinklig  da- 
rauf bis  zu  W nach  0 ; doch  scheint  diese  Richtung 
in  keiner  Weise  mit  der  Himmelsrichtung  im  Zu- 
sammenhang zu  stehen,  als  vielmehr  mit  der  Lage 
des  Seearmes,  innerhalb  dessen  der  Bau  statt - 
fand.  Die  horizontalen  Hölzer  sind  von  Zeit  zu 
Zeit  durch  Vertikalpflöcke  festgehalten,  die  aber 
gleichfalls  ohne  Regel  und  Plan  eingerammt  sind, 
nur  um  das  Ausweichen  der  Knüppel  zu  ver- 
hindern. Nie  bat  eines  der  Hölzer  etwas  getragen, 
keines  ist  gefügt . um  etwa  mit  einem  (Quer- 
holz verbunden  zu  werden . wie  denn  auch  die 
Länge  dieser  ganz  verschieden  ist.  Die  Mehrzahl 

*)  Von  dem  heutzutage  in  der  ganzen  Umgegend 
vorhaudeuun  Nadelholz  ist  auffallender  Weise  noch  keine 
Spar  gefunden. 


derselben  steckt  im  Torfe  50 — 80  cm  tief;  nur 
wenige  durchsetzen  den  Torf  und  stecken  im 
eigentlichen  Seegrunde.  Etliche  der  Hölzer  sind 
roh  zagespitzt,  etliche  aber  auch  nicht;  denn  im 
Torfe  hielt  es  schliesslich  nicht  schwer,  einen  auch 
nur  mangelhaft  oder  gar  nicht  gespitzten  Pfahl 
in  den  Grund  zu  treiben. 

Sieht  man  sich  unter  den  sog.  Pfahlbauten  der 
Bodenseegegend  um  . so  könnte  man  nur  an  sog. 
Packwerkhauten  denken,  bei  welchen  die  unterste 
Lage  bei  niedrigem  Wasserstande  auf  den  Seegrund 
aufgesetzt  wurde  und  hernach  durch  kreuzweises 
Aufbeugen  neuer  Holzlagen  die  obere  Lage  über  den 
höchsten  Wasserstand  zu  liegen  kam.  Die  vertikal 
eingerammten  Pfähle  dieuten  theils  zur  Befestigung 
der  Horizontallagen,  theils  zur  Befestigung  der 
Wände,  theils  als  Träger  des  Daches.  Von  dem 
Allen  ist  im  Steinhäuser -Ried  keine  Spur.  Kein 
Vertikalpfahl  trägt  etwas,  er  hat  nach  meinen  Be- 
obachtungen nie  zu  etwas  anderem  gedient  als 
zur  Verspannung  der  Horizontalhölzer;  wollte  der 
Pfahl  irgend  nicht  fest  halten,  so  wurden  neben 
ihm  Keile  eingetrieben,  vielfach  gabelförmig,  um 
ferneres  Ausweichen  der  Hölzer  zu  vermeiden. 

Bei  keiner  fiorizontallage  fehlt  dagegen  der 
zähe  graue  Letten,  welcher  in  den  Fugen  zwischen 
den  Hölzern  steckt  und  die  Hölzer  einen  bis 
einige  (’eutimeter  hoch  deckt.  Vielfach  glaubt 
man  noch  die  Pritschenstreiche  auf  dein  Letten 
zu  erkennen,  wie  denn  auch  mehrere  hölzerne 
Pritschen  mit  1 m langem  Stiel,  Stiel  und  Pritsche 
ober  an  Einem  Stück,  aufgefunden  worden  sind. 
In  den  Letten  ist  vielfach  harter  Kies  hineinge- 
gesch lagen . wie  er  am  nahen  Ufer  anstebt,  oder 
auch  auf  dem  Grunde  des  Moors  gegraben  wird. 
Auf  dem  Boden  des  Estrichs  wurde  nun  augen- 
scheinlich gefeuert  ; nicht  nur  dass  der  Thon  ge- 
brannt ist  und  Asche  und  Kohlentrümmer  finger- 
hohe lagen  bilden,  es  hat  das  Feuer  vielfach  auch 
die  Holzlage  durchgebrannt,  dass  die  Hölzer  selbst 
Feuer  fingen  und  zu  kohlen  begannen.  In  der  oberen 
Lage  von  Asche  und  Kohle,  die  dann  und  wann 
20—30  m mächtig  ist,  oder  wo  über  einander  2 und 
3 Gelege  sind , zwischen  denselben  befindet  sich 
die  Fundgrube  für  die  Artcfactc  und  Knochen- 
trümmer.  Die  Funde  liegen  aber  stets  vereinzelt; 
Haufwerke  derselben  kennt,  man  gar  nicht.  Zu- 
gleich zeigt  ein  Blick  auf  die  in  den  Museen  auf- 
bewahrten Gegenstände,  dass  die  Fuudgegenstände 
im  Vergleich  zu  der  nahe  an  7UU  qra  grossen 
Fläche  im  Allgemeinen  zu  grossen  Selten- 
heiten gehören,  so  dass  man  sich  schliesslich 
fragen  musste,  ob  denn  die  wenigen  Scherben  und 
Knochen,  die  zu  Tage  kamen,  des  nicht  unbeträcht- 
lichen Aufwandes  au  Zeit  und  Geld  wirklich  auch 
werth  wären.  Hätte  nicht  immer  und  immer  wieder 
das  Interesse  an  dem  Holzbau  selbst  zur  Fort- 
setzung der  Arbeit  aufgemuntert,  angesichts  der 
wenigen  und  seltenen  Funde  wäre  der  Eifer  bald 
erlahmt.  * 

Am  häutigsten  noch  fanden  sich  Knochen, 


161 


Kiefer  und  Zahnreste.  Weitaus  der  Mehrzahl 
nach  sind  dieselben  im  Zustande  der  Küchenabfälle, 
d.  h.  jeder  Markknochen  geöffnet  und  zerschlagen, 
dass  der  Knochensplitter  weit  mehr  ist  als  der 
vollständigen  Knochen;  ebensowenig  sind  die  Formen 
der  Schädel  erhalten,  die  ohne  Unterschied  für 
die  Zwecke  der  Gewinnung  des  Hirns  und  anderer 
essbarer  Dinge  am  Kopfe  zersplittert  wurden.  Die 
im  Pfahlban  repräsentirte  Thierfauna  weicht 
im  Wesentlichen  von  der  modernen  Fauna 
nicht  ab.  Der  einzige  Wisent  war  eine  fremde 
Erscheinung;  diese  Art  war  übrigens  nur  in  1 
Individuum  vertreten,  ebenso  auch  der  braune  Bär, 
Luchs  und  Wolf  je  nur  in  1 Individuum,  zum  Beweise, 
dass  diese  Thiere  bereits  seltenere  Erscheinungen 
waren.  Am  reichlichsten  vertreten  ist  der  Hirsch 
(C.  elaphus)  und  zwar  in  recht  stattlichen  Exem- 
plaren mit  gewaltigen  Stangen.  Und  doch  weisen 
B&ramtliche  ausgegrabenen  Beste  auf  nicht  mehr 
als  etwa  3U  Thiere  hin,  die  auf  den  Platz  kamen. 
Aus  Hirschgeweih  und  Hirschknochen  sind  denn 
auch  ausschliesslich  die  Artefacte  aus  Bein  und 
Horn  gearbeitet;  vor  allem  sind  die  Geweihe  fast 
ausnahmslos  wenigstens  abgesägt , die  meisten  zu- 
gespitzt , als  Griffe  ausgehöhlt,  durchbohrt,  um  als 
Schlegel  zu  dienen,  oder  angesägt,  um  gewissen, 
oft  schwer  zu  deutenden  Zw;ecken  zu  dienen.  Hr. 
Frank  denkt  mit  Vorliebe  an  landwirtschaftliche 
Instrumente  zur  Urbarmachung  des  Bodens.  Jeden- 
falls sind  alle  Instrumente  entweder  rund  zuge- 
spitzt oder  meisseiartig  geschärft.  Gerade  die 
kleinen  Meisselchen  gehören  zum  Zierlichsten,  was 
man  in  diesem  Genre  sehen  kann.  Nächst  dem 
Hirsche  ist  das  Wildschwein  am  zahlreichsten 
vertreten,  doch  sind  es  im  Ganzen  kaum  20  Thiere, 
die  ihre  Reste  im  Pfahlbau  gelassen  haben.  Ver- 
arbeitet finden  sich  vom  Schweine  nur  die  Hauer 
des  Ebers:  neben  den  starken  Keilern  finden  sich 
auch  ganz  junge  Frischlinge.  Hr.  Rütimcyer 
redet  auch  vom  Torfschweine,  das  ich  jedoch  nicht 
erkannt  habe.  Seltener  schon  ist  das  Rind,  das 
Schaf  und  der  II und,  von  welchen  je  nur  wenige 
Individuen  vertreten  sind.  Vereinzelt  nur  fanden 
sich  Reste  von  Biber,  Hasen,  Vögeln  und  Fischen. 
Von  menschlichen  Skelettrestcn  endlich 
fanden  sich  gleichfalls  nur  vereinzelte  Stücke,  wie 
zerschlagene  Schädelknochen  und  Röhrenknochen  mit 
an-  und  abgenagten  Epiphysen,  neben  diesen  aber 
auch  weissgebrannte  Knochentrümmer  z.  B.  Hals- 
wirbel, die  als  menschliche  nicht  verkannt  werden 
können.  Solche  angebrannten  Knochenreste  lagen 
stets  in  der  eigentlichen  Aschen-  und  Kohlen- 
schicht und  thciltcn  auch  der  ganzen  Kulturschicht 
nahezu  9*/#  Phosphorsäure  mit,  so  dass  dieselbe 
geradezu  als  Düngungsmittel  verwendet  werden 
könnte. 

Häufiger  noch  als  Knochentröminer  sind  die 
Trümmer  von  Töpfergeschirr,  das  im  Ver- 
gleich mit  den  Pfahlbauten  der  Ostschweiz  nach 
der  Ansicht  von  Hrn.  Frank  eine  Spccialität  des 
Steinhäuser  Riedes  bildet.  Da  sind  die  allerliebsten 

Corrwp,- Blakt  Nr.  II. 


Henkelkrüglein,  Näpfchen,  Sehüsselchen  , thöneme 
Ess-  und  Schöpflöffel.  Fast  keinem  der  Stücke  fehlt 
ein  Ornament,  ob  cs  anch  nnr  in  der  Combination 
von  Strichen,  Zickzacklinien  und  Punkten  besteht. 
Die  grossen  Häfen  und  Schüsseln  dagegen  sind 
ohne  Ornamentik,  einige  Urnen  ausgenommen. 
Dafür  haben  sie  in  der  Regel  4 Buckeln,  bald 
horizontal,  bald  vertikal  durchbohrt.  Sie  erreichen 
eine  Höhe  von  0,31  m bei  einem  Durchmesser  von 
0,25  m.  Dem  feingeschlemmten  Thon  sind  bei  den 
Urnen  grobes,  scharfkantiges  Quarzkoro,  Glimmer* 
blftttchen , ja  selbst  Holzkohlenstücke  beigemengt. 
Vielfach  ist  die  Geschirrmasse  durch  Kohlenstaub 
geschwärzt.  Diese  Geschirre  sind  bald  dcntlich 
nur  aus  freier  Hand  geformt,  bald  aber,  nament- 
lich die  grösseren,  mit  irgend  einer  primitiven 
Töpferscheibe  egalisirt.  Sämmtliche  Ornamente 
sind  in  den  weichen  angebrannten  Thon  einge- 
sclmitten,  kein  einziges  erst  durch  Ciselirarbeit 
nach  dem  Brande.  Hr.  Graf  Wurmbrand 
erkennt  in  den  Schussenrieder  Geschirren  den 
gleichen  Stil,  den  die  oberösterreichischen  Pfahl- 
bauten z.  B.  Attersee,  Mondsee  etc.  an  sich 
tragen. 

Die  dritte  Art  von  Artefacten  besteht  in  den 
Werkzeugen  ans  Stein,  einerseits  aus  Feuer- 
stein: geschlagene  Splitter,  Spitzen,  Sägen  und 
Messer,  andererseits  aus  zähen  Grünsteinen,  Gneisen, 
Graniten,  Schiefern,  Jadeiten  und  Serpentinen, 
meist  als  Steinmeissei  zugeschliffen,  in  seltenen 
Fällen  gebohrt  uud  zum  Schlegel  zugerichtet. 
Einzelne  Fencrsteinmcsser  sind  16  cm  lang  und 
4 cm  breit;  eines  ist  halbmondförmig  zugeklöpfelt 
und  erinnert  aufs  Haar  an  ein  dänisches  Instrument. 
Die  zierlichsten  Feuersteinarbeiten  sind  übrigens 
schwalbenschwanzähnliche  Pfeilspitzen,  andere  sehen 
wie  Spateln  aus  oder  wie  Schaber.  Woher  das 
Rohmaterial  kommt,  ist  natürlich  schwer  zu  sagen; 
in  einem  erratischen  Schattlande,  wie  Oberschwaben 
ist,  kann  man  nie  aus  dem  Umstande,  dass 
man  derartige  Steine  gegenwärtig  nicht  findet,  den 
Schluss  ziehen,  dass  sie  überhaupt  nicht  Vor- 
kommen oder  nie  vorgekommen  seien.  Wie  man 
heutzutage  in  der  Nähe  der  Glashütten  alle  Quarze 
sorgfältig  sammelt  and  in  der  Nähe  der  Kalköfen 
alle  Kalke,  so  mag  mau  in  frühester  Steinzeit  auch 
alle  Feuersteinvorkommnisse  so  sorgfältig  beachtet 
haben,  dass  man  heute  einfach  keine  mehr  findet. 
Aehnlich  mag  es  auch  dem  Steinbcilmatcrial  ergangon 
sein.  Offenbar  kannten  jene  Urmenschen  die  Steine 
genauer  als  heutzutage  unsere  Bevölkerung.  Die 
Eigenschaft  der  Zähigkeit,  welche  Jadeite,  Nephrite, 
Spilitc  and  ähnliche  Gesteine  den  Metallen  am 
nächsten  stellen,  wurde  sicherlich  aufs  gründ- 
lichste geprüft  und  die  Steine  selber  aufs  ängst- 
lichste überall  gesucht.  Dieses  Ablesen  geeigneter 
Steine  für  die  Horsteilung  der  Beile  und  Stein- 
meissel  mag  doch  vielfach  der  Grund  sein,  dass 
man  heutzutage  keine  mehr  findet  und  den  doch 
immerhin  raschen  Schluss  zieht,  sie  kommen  gar 
nicht  bei  uns  vor. 

• 5 


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1()2 


Ausser  den  ßeilsteinen,  von  welchen  etliche 
-40  Stücke  gefunden  wurden  (bestehend  aus  Granit, 
Gneis,  »Serpentin,  Sericitscbiefer,  paläozoischem 
Schiefer.  Glimmerschiefer  und  Jadeit),  linden  sich 
noch  feine  bis  gröbere  Schleifsteine,  ((teilweise 
ganz  ausgcsehliffen,  Keibschalen  aus  Granit,  mit 
den  entsprechenden  Reibsteinen , rundliche  oben 
und  unten  abgeplattete  Steine  von  der  Grösse  und 
Gestalt  eines  Apfels,  weshalb  ich  sie  kurz  Apfel- 
steine nenne.  Meist  aus  Granit,  aber  auch  ans 
Sandstein,  dienten  sie  wohl  auch  in  eine  Thierhaut 
genäht  als  handliche  Waffe , wie  sic  heute  noch 
bei  den  Indianern  üblich  ist  (Jules  Marcou). 

Auch  an  Steinen  für  die  friedlichen  Zwecke 
des  Schmuckes  fehlt  es  nicht.  So  fanden  siel»  2 
15c  rgkryst  alle,  etwas  roh  zugeschtagen , wie  unsere 
Steinschleifer  sich  einen  Stein  der  geschliffen 
werden  soll , pr&parircn , wobei  eine  Facette  der 
Pyramide  als  glänzende  Fläche  belassen  ist. 
Ferner  wurden  2 rothe  Jaspiso  gefunden,  von 
denen  der  eine,  einfach  durchbohrt,  eine  Steinperle 
darstellt,  der  andere  doppelt  durchbohrt,  den 
Schluss  einer  Halskette.  Arbeiten,  welche  ent- 
weder auf  den  Handel  mit  einem  kunstfertigen 
Volke  liindenteu.  oder  die  alten  Schussenrieder  in 
ein  viel  höheres,  günstigeres  Licht  stellen,  als  es 
die  seitherige  gewöhnliche  Anschauung  timt.  Weisen 
doch  auch  die  Arbeiten  in  Holz  auf  eine  Ge- 
wandtheit im  Schnitzeln  bin,  die  an  die  Arbeiten 
unserer  Zigeuner  und  fahrender  Künstler  unserer 
Taue  erinnern.  Löffel,  Teller  aus  Ulmenholz, 
Hefte  und  Stiele  aus  Eschenholz,  Stricke  aus  Bast, 
ein  Korhgeftccht  ans  Weizenstroh  kamen  zu  Tage; 
meint  I Ir.  Frank  sogar  eine  Schuhleiste  gefunden 
zu  haben.  Endlich  fehlt  es  nicht  an  rother  Farbe, 
demselben  Kisenroth,  das  in  den  Höhlen  schon 
gefunden  wurde,  und  an  Pech,  das  nach  Hm.  Dore’s 
Untersuchung  durch  Schwelen  der  so  vielfach  vor- 
handenen Birkenrinde  gewonnen  wurde.  Füge  ich 
noch  bei,  dass  eine  ganz  erstaunliche  Menge  von 
Weizen  überall  iu  kleinen  oder  grösseren  Haufen 
theilweisc  unter  den  Scherben  der  Thongefässe 
sich  findet,  so  haben  wir  jedenfalls  es  mit  einem 
ackerbauenden  Stamme  zu  thun,  der  die  frucht- 
baren Felder  Oberscbwabeus  kuitivirte.  Neben 
Waizcn  findet  sich  auch  noch  Leinsamen  und  die 
Früchte  wildwachsender  Bäume,  Buchein,  Eicheln, 
Haselnüsse,  Himbeeren  u.  s.  w. 

Seit  Jahren  schenke  ich  meine  Aufmerksam- 
keit der  wohl  auch  sonst  bekannten  Schwarzerde  auf 
den  Höhen  der  Berge  und  habe  in  dieser  oft  bis 
zu  1 m mächtigen  Kulturschicht  vielfache  Nach- 
grabungen veranstaltet.  Am  Goldberg  in»  Kies  be- 
ginnend. dessen  Ringwall  leider  durch  fortgesetzte 
Steinbrucharbeiten  längst  zerstört  ist,  beobachten 
wir  längs  des  Nordrandes  der  Alb  bis  zum  Lochen- 
stein und  weiterhin  bis  ins  Ilegau  eine  ganze 
Ileihc  von  Bergen,  worunter  gerade  auch  die  be- 
rühmtesten, wie  Hohenstaufen  und  Hohenzollern, 
auf  welchen  Schwarzerde  liegt  und  die  in  alter 
Zeit  Ringwälle  hatten.  Her  noch  am  besten  er- 


haltene Berg  in  dieser  Beziehung  ist  der  Nipf  oder 
Ipf,  den  Hr.  Paulus  (Wtrttb.  Altertli.-V.  I.  1*75 
pag.  *1)  näher  untersucht  und  beschrieben  hat. 
Hie  Funde  in  der  Schwarzerde  dieser 
Berne  sind  nun  ganz  genau  dieselben, 
die  auch  im  Steinenhauser  Ried  liegen,  mit  dem 
einzigen  Unterschiede,  dass  auf  den  Bergeshöhen 
auch  noch  Metallreste  sich  finden,  welche  in  dem 
Moore  noch  nicht  gefunden  worden  sind.  Ich  ver- 
weise hier  auf  unsere  Sammlungen,  in  welchen  die 
Arbeiten  in  Hirschhorn.  Feuerstein  und  ßeilstein 
so  ähnlich  sind,  dass  nur  die  genaueste  Ktikettirung 
auf  dem  Stücke  selbst  vor  Verwechslung  der  Berg- 
funde und  der  Muorfuude  schützt.  Desgleichen 
sind  die  Geschirre  in  der  Zusammensetzung  der 
Thonniusse,  in  Form  und  roher  Zeichnung  dieselben, 
Keibsteiue  aus  Granit,  die  Apfelsteine  sind  die- 
selben, so  dass  mir  die  Zusammengehörigkeit  der 
Menschen,  die  auf  den  Bergen  und  im  Moore  ihr 
Wesen  trieben,  nicht  im  geringsten  zweifelhaft  ist. 

Gewohnt  haben  sicherlich  die  Menschen  weder 
auf  den  Bergeshöhen  noch  im  Moor,  sondern  da, 
wo  sie  ihre  Felder  bauton.  und  Ackerbau  trieben 
Es  widerstreitet  mir  der  Gedanke,  dass  ein  Volk, 
das  Weizen  und  Lein  baut,  anders  als  nur  zu  ge- 
wissen Zeiten,  etwa  bei  besonderen  Festlichkeiten, 
bei  Opfern . Märkten  u.  dgl. . auf  den  Berggipfeln 
unserer  Alb  von  den  Stürmen  sich  durchblasen 
liess.  Ebensowenig  kann  ich  mir  denken,  dass 
dasselbe  Volk,  das  die  üppigen  Tertiärfel  der  Ober- 
schwabens kuitivirte  und  dessen  herrliche  Wal- 
dungen auf  Hirsche,  Sauen  und  Bären  durchstreifte, 
sich  zum  Zwecke  des  Wohnens  eine  künstliche 
Holzinsel  im  Moor  anlegte.  Von  der  zweiten  Woche 
meiner  Grabarbeiten  im  Riede  an  befestigte  sich 
mir  vielmehr  der  Gedanke,  dass  die  Ilolzdämme 
mit  ihrem  Kstricht  keinem  praktischen  Zwecke 
dienen  konnteu,  vielmehr  — und  das  gerade  macht 
sie  uns  so  unverständlich  — nur  dem  Kulte 
dienten.  Auf  der  künstlichen  Insel  im  »See.  auf 
dem  Kstricht  des  Knüppeldammes,  wurden  der  Gott- 
heit zn  Ehren  die  heiligen  Feuer  entzündet  und 
die  Opfer  dargebracht.  Die  Krüglein,  Schalen  uud 
Näpfe  enthielten  die  Wethgaben.  der  dargebrachte 
Weizen  das  Dankopfer  für  die  glücklich  einge- 
heimste Ernte.  Was  schliesslich  die  dargebrachten 
„Menschenopfer“  zu  bedeuten  hatten,  wird  Niemand 
mehr  ergründen,  denn  der  halbverhrannte  und  an- 
gekohlte Knochen  steht  Niemand  mehr  Rede,  ob 
er  dereinst  einer  „Hexe“  angehört  hat,  die  man 
hier  wider  Willen  verbrannte,  oder  einem  gefallenen 
Helden,  der  in  seinem  Testament  die  Leichen- 
verbrennuug  im  Moor  angeordnet  hatte.  — 

Hr.  Virchow:  Ich  habe  noch  die  angenehme 
Pflicht  zu  erfüllen , allen  denjenigen  den  Dank 
der  Gesellschaft  auszusprechen  . welche  dazu  bei- 
getragen haben , die  diesjährige  Versammlung  za 
einer  so  lehrreichen  uud  angenehmen  zu  machen. 
Es  würde  etwas  viel  sein , wenn  ich  mich  in 
Einzelheiten  ergehen  sollte.  Was  wir  hier  ge- 


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163 


sollen  und  genossen  haben , das  war  so  man- 
nigfaltig und  hervorragend , dass  jeder  von  uns 
es  lange  Zeit  in  frischester  Erinnerung  bewahren 
wird.  Ich  darf  im  Namen  Aller  sagen , dass  wir 
auf  das  tiefste  gerührt  sind  durch  die  vielen  von 
allen  Seiten  uns  zugehenden  Beweise  der  Theil- 
nähme  an  unseren  Bestrebungen.  Wir  hoffen, 
dass  unsere  Anwesenheit  dazu  beigetragen  haben 
wird , manche  lokale  Frage  zu  klaren  und  ihre 
verschiedenen  Seiten  mit  Schärfe  hervorzuheben, 
und  dass  wir  dadurch  am  besten  auch  die  localen 
Bestrebungen  fördern  werden,  deren  Fortdauer  in 
unser  Aller  Interesse  liegt.  Unser  Hr.  Geschäfts- 
führer, dessen  hier  in  erster  Linie  zu  erwähnen 


wäre , von  dem  ich  alter  seiner  allbekannten  Be- 
scheidenheit halber  nicht  reden  will , hat  mir  mit 
Vergnügen  mitgctheilt,  dass  die  Zahl  der  Mitglieder 
des  Constanzer  Zweigvereins  schon  während  unserer 
Anwesenheit  über  Erwarten  sich  vermehrt  hat.  Ich 
will  mich  daher  darauf  beschränken , mit  ganz 
besonderem  Banke  der  Städte  zu  gedenken,  welche 
uns  hier  so  freundlich  empfange»  haben:  Con- 
stanz , Schaffhausen . Ucberlingen  und  heute  »och 
Frauenfeld. 

Ich  srhlicsse  die  Versammlung  und  rufe 
Ihnen  ein  „fröhliches  Wiedersehen  übers  Jahr  in 
Kiel"  zu. 


Dr  Mündlich.  Schaffhausen.  10.  Jan.  1878. 

Bio  Frag»*  nach  der  Aechthcit  der  Thayinger  Ren- 
thier-  und  l'ferdezeichnungen  hat  in  letzter  Zeit  eineu 
vollgewichtigen  Beitrag  zu  ihrer  Lösung  gefunden.  Bas 
Quaterly  Journal  of  the  Geological  Society  for  August 
J *577  bringt  den  Bericht  über  die  Knochen -führenden 
Höhlen  in  den  Klippen  von  Creswell  von  J.  M.  Mello 
und  Prof.  W.  Bo  yd  Dawkins,  dem  wir  Folgendes 
entnehmen  : 

Während  des  ersten  Theiles  des  vorigen  Sommer)) 
(187B)  wurde  die  Ausgrabung  unter  der  Aufsicht  eines 
Comites  vorgeuommen,  dein  unter  Anderen  die  Herren 
J.  Lubbock,  W.  Boyd  Hawking,  Prof.  Busk.  A. 
W.  Franks  angehörten.  Wir  batten  in  Creswell  eine 
Reihe  sehr  wichtiger  Hohlen  vor  uns.  welche  durch 
ihren  Inhalt  zwei  Perioden  der  Beschlagnahme  durch 
deu  Menschen  während  der  älteren  Steinzeit  in  Eng- 
land erwiesen  , wo  dieser  iu  Berbvshire  und  den  an- 
grenzenden Distrikten  der  Zeitgenosse  der  charakteri- 
stischen pleistocenen  Fauna  war.  Neben  einem  Reich- 
thum au  Thierresten,  die  eine  grosse  Zahl  von  Speciea 
dieser  Fauna  repräsontiren.  fanden  sich  Gerätschaften 
aus  Quarzit  und  Feuerstein  in  zwei  verschiedenen  Typen. 
Der  eine,  grober  als  der  andere  und  tiefer  gelagert, 
entspricht  den  roh  gearbeiteten  Werkzeugen  aus  der 
unteren  Breccio  der  Kentshölile  und  aus  den  Fluss- 
geröllen;  die  Werkzeuge  aus  den  oberen  Schichten  ge- 
hören einem  etwas  sorgfältiger  auageaibeiteten  Typus 
an  und  stimmen  im  Allgemeinen  mit  denen  überein, 
welche  M.  Mnrtillet  zu  dem  Zeitalter  von  Solutre 
rechnet  und  welche  im  Lehm  der  Hohlen  von  Kent  und 
Wookey  gefunden  wurden. 

Ben  wichtigsten  Fund  ergab  die  Höhle  von  Rubin- 
Hood;  Hr.  Mello  fand  in  deren  Erde,  ungefähr  iu  der 
Mitte  der  Kammer  F ein  zartes  Knocheufragment  (von 
der  Rippe  irgend  eines  Thieres),  das  Spuren  einer  Zeich- 
nung darbot.  Ans  Licht  gebracht,  wurde  es  sorgfältig 
untersucht  und  Hr.  Tiddemann,  welcher  damals  mit. 
Prof.  Dawkius  zugegen  war,  entdeckte  mit  cincin- 


tnale  die  rohe  Zeichnung  des  vorderen  Theiles  eines 
Pferdes . ganz  ähnlich  den  Figuren  aus  der  älteren 
Steinzeit,  welche  in  einigen  Höhlen  des  Coutinents  ge- 
funden worden  waren ; eine  Entdeckung,  der  ersten  der 
Art  in  dieser  Gegend.  von  hohem  Werthe. 

Hr. Dawkius  äussert  sich  darüber:  .Der  wichtigste 
Fund  von  menschlicher  Handarbeit  ist  der  Kopf  und 
das  vordere  Viertheil  eines  Pferde*  eingeritzt  auf  ein 
geglättetes  und  abgerundetes  Rippeufragmcnt . das  an 
dem  einen  Eude  kurz  ahgeschuilteii  . atu  anderen  ab- 
gebrochen war.  Auf  der  Machen  Seite  ist  der  Kopf 
dargestellt,  sorgfältig  gezeichnet  mit  den  Nasenlöchern, 
dem  Maul  und  dem  Nacken.  Eine  Heilte  feiner  schiefer 
Linien  lässt  erkennen . dass  das  Thier  eine  kurze 
(borstige)  Mähne  trug.  Bas  Ende  der  Rückenbiegting 
ist  sehr  correct  gegeben.  Bas  Ganze  ist  wirklich  sehr 
gut  entworfen  und  es  ist  eine  Zeichnung  nach  dem 
Leben.  Die  Pässe  sind,  wie  gewöhnlich  in  diesen  Fällen, 
nicht  dargestellt.  Vergleicht  man  diese  mit  den  Pferde- 
zeichnungen aus  den  Höhlen  des  Perigord  und  aus  dem 
kürzlich  beschriebenen  Kesslerloch  hei  Thayingen  in 
der  Schweiz , so  erlaubt  die  Gleichheit  des  Style»  den 
ziemlich  Kicheren  Schluss . dass  die  Jäger  der  älteren 
Steinzeit . welche  die  Creswellhöhle  während  der  An- 
häufung des  oberen  Theiles  der  Höhlenerde  bewohnten, 
desselben  Stammes  waren,  wie  diejenigen,  welche  das 
Kcutliier  und  das  Pferd  iu  der  Schweiz  und  im  süd- 
lichen Frankreich  jagten."  — 

Hier  also  wird  unter  deu  Augen  erfahrener  und 
zuverlässigster  Beobachter  eine  Zeichnung  ausgegraben, 
die  nach  Alter , Fundort  und  Ausführung  sich  eng  an 
die  vielbesprochenen  Renthier-  und  Pferdozoichnunguu 
des  Kesslerloches  anachliesst.  Ein  verhält nissmässig 
nicht  geringer  Grad  von  Kunstfertigkeit  und  lebhaftem 
Natursinue  kann  diesen  paläolithischen  Jägern  nicht 
weiter  abgesprochen  werdet».  Coustatirl  ist  ferner,  dass 
nicht  die  frühesten  Bewohner  der  Hohlen,  sondern  erst 
eine  spätere  Generation  , vielleicht  neu  eiugewanderto 
Ankömmlinge,  diese  Kunst  übten. 


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III. 


firklärtmg  der  dem  Berichte  der  VXIX.  Versammlung  beigegebentm  Tafeln  r Tafel  I.  PrRbUtorlw'be  k*n-- 

de*  Rodenw«  und  «rittcr  1,'nigebunK.  Tafel  II.  Llrhtilnir'ktAfrl  nach  Oriftinalphof.iirmphiro.  Abbildungen  und  Skulpturen  aus  der  Thayinger 
lunil  Frvudeutbalnr)  A.  au*  deT  SanmiltiB|f  in  Conetunt:  Nm.  I.  Pfcrdeeeiehiuinr.  — Kr».  2.  Srulplwr  «ne*  Woerhuaocheen.  — Nru  *. 

Weidend.**  Renthier.  — Nr«.  .V  Renthicr<?)  Kopf.  — Kro  ll.  Hebweil».  — Nro.  1»  Ze-irlmojig  eine*  Hirsche*.  I All*-  an*  der  Tbajrin*wr  Hohl*.!  — 
H.  ans  d**r  Sammlung  ia  Schaff  ha u*od  : Kro.  15.  Rautenstuh  «d«T  Falzbein  *«*  d.-r  Fr**ud«»nthaler  ||i*hl«.  — Kr«.  30.  PferdaiaicnnaDg  aas  der 
Tbayluger  llAhle.  — Tafel  III.  ZinWoernpbie  nach  Origiftalwicbnangwi  A.  U«*(f«B*Unde  aas  der  Tbayiiiger  IKhle  in  der  Sam  ml  arf; 
in  Cnnstani:  Nro.  2.  Skulptur  eine*  MwclMi|i'.*ch<»-n,  wehte  Helte.  — Nro.  2a  IHtaelt«,  linke  Saite.  — Nro,  3.  Sculptur  eine«  Hirsch-  oder  Pferde 
k<>pfrfa*tM:  ton  unten  jeaehen  eracbeint  ein  Haaenkfipfcb««  mit  dem  dazu  geb-'irigeti  Ohr  in  der  Milte  der  Skulptur  oud  Abbildung  [2;  ?a:  < 
Zeichnungen  nach  den  wnhlgeluugenen  ifaKatioplaitln«  I.eii  Nachbildungen  d«r  Originale  durch  Hrn.  Prof.  0.  Fraon.I  — Nro.  4.  Tti-v  nnd  Kopf 
de*  weidenden  Kenthier*  tNro-  4 der  I. ich t druckt» Mi  nach  einem  photugTaphiKCb' u N.*g»tiv  dnrohgow  »ebnet.  — Kro.  K;  10;  II;  12;  15;  14;  1H 
17;  Ifi . W *ind  Hchnitwreinn,  thoilweiae  ornamentirt.  — Nro.  II  lluntenrtnh  oder  Falzbein  aus  der  Tbajringer  llAhlr.  dar  Krcu  15.  der  Lieft- 
drackUfel  «u*  der  Frendenthater  Hohle  *«hr  «hnlieh.  - ll.  Andeiw  eilige  Abbildungen:  Nro.  IV  link*  unten  in  der  »ko  der  Tafel:  VorrAmia.-he 
SchiueltgrolH*«  rum  Vortrage  de*  Grafen  Wurmbrand  8.  151,  152.  — Kr.  20.  Fferdereichsvng  zur  Mitthcilurg  de»  Ilrn.  ».  H andarb. 


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r 


(Souespoubeuj- jBl'dt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

R e d i g i r t 
von 

Professor  Kollmann  in  München, 

CfontTal»N'r«Ur  tl«r  Ocwllftrhaft. 


Erscheint  jeden  Monat. 

Nro.  12.  München,  Druck  von  R.  Oldenboarg.  December  1877. 


Die  Section  für  Anthropologie 

auf  der 

50.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 

in  München  vom  17.  bis  22.  September  1877. 


Die  anthropologische  Section  hielt  zwei  Sitzungen. 
Der  amtliche  Bericht  der  50.  Versammlung  der 
deutschen  Naturforscher  und  Aerzte,  herausgegeben 
vom  Redartions  - Comitl  (Druck  und  Verlag  der 
akademischen  Druckerei  von  F. Strati  b.  München 
1877.  4°).  enthalt  ein  ausführlicheres  Protokoll. 

Wir  geben  zunächst  einen  Abriss  der  gehaltenen 
Vorträge  und  Demonstrationen , und  werden  in 
einer  folgenden  Nummer  die  Ergebnisse  einer  cra- 
mometrischen  Conferenz  mittheilen,  welche  am  Frei- 
tag den  21.  September  Nachmittags  in  dem  anato- 
mischen Institut  stattfand. 

K r s t e S i t z u n g.  Der  Vorsitzende  Proi.  Koll- 
mann  betont  den  raschen  Fortschritt  der  an- 
thropologischen Stadien  in  Deutschland  seit  dem 
Jahre  1869.  Damals  wurde  nendich  in  Innsbruck 
auf  den  Antrag  des  Schuldireetors  M.  Weinhold 
zum  ersten  Male  die  Section  für  Anthropologie  und 
Urgeschichte  auf  der  Naturforseherversammlung  ein- 
geführt. und  sie  übte  eine  so  fruchtbringende  An- 
regung. dass  im  folgenden  Jahre  1870  die  deutsche 
Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Ur- 
geschichte gegründet  wurde,  and  im  Anschluss  an 
dieselbe  allmählig  über  .‘10  Zweigvereine.  Mehrere 
wissenschaftliche  Journale  zeugen  für  rastlose  Thä- 
tigkeit.  Schliesslich  theilt  derselbe  Untersuchungen 
mit  über  die  im  Süden  Deutschlands  aus 
prähistorischer  Zeit  nachweisbaren  Schä- 
delformen.  die  in  der  heutigen  Bevölkerung  zahl- 
reich aufzufinden  sind.  Zunächst  seien  zwei  Ele- 
mente der  Bevölkerung  in  Deutschland  zu  unter- 
scheiden , ein  blondes  mit  heller  Hautfarbe  und 

r<MTMp.-ftUU  Nro.  IS. 


Eines  dunkelfarbig  an  Huut , Augen  und  Haar 
Das  erste  walte  im  Norden  vor,  das  zweite  nehme 
gegen  den  Süden  zu.  Die  blonde  Rasse  zerfalle 
aber  wieder  in  zwei  Theile  , die  Reste  der  sog. 
germanischen  Rasse  und  die  slavischen  Elemente, 
die  namentlich  in  Sachsen  beobachtet  seien.  Es 
seien  also  drei  Rassen,  welche  an  der  Zusammen- 
setzung der  heutigen  Bevölkerung  Antheil  genommen 
haben : eine  dolichoeephale  blonde , eine  wahr- 
scheinlich meso-  und  brachyccphalc,  ebenfalls  blonde 
Rasse,  und  endlich  eine  brachyccphalc  mit  dunkler 
Compiexion. 

Prof.  Dr.  M.  Wilckena  (Wien)  spricht  dann 
über  die  Schädelformen  des  Rindes  mit 
Rücksicht  auf  die  Pfahlbaufnnde  des  Lai- 
bacher Moores.  Die  zahlreichen  Formen  des 
Rindes  sind  von  Rtttimeyer  auf  drei  Typen  zu- 
rückgeführt worden  , die  unter  dem  Namen  der 
Primigenius**,  der  Brach yceros-  und  der 
F ro  n t o s u s -Rasse  bekannt  sind.  Der  Vortragende 
hat  auf  Grund  seiner  Studien  au  den  Rindern  des 
östlichen  Tirols  und  des  Salzburgerlandes  noch 
einen  vierten  Typus  festgestellt:  die  Brachy- 
cep ha  1 ii s -Rasse.  In  dem  vor  etwa  zwei  Jahren 
aufgedeckten  Pfahlbau  des  Laibacher  Moores  trägt 
die  Hauptmasse  der  Rinderknochen  die  Form  des 
brachycephalen  Typus,  der  hauptsächlich  gekenn- 
zeichnet ist  durch  den  breiten  und  kurzen  Schädel. 
Die  Verschiedenheit  zwischen  den  drei  von  Rüti- 
rneyer  aufgestellten  Typen  und  dem  vom  Vor- 
tragenden erforschten  brachycephalen  Typus  sei 
so  gross , dass  unmöglich  eine  gemeinsame  Ab- 


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stainmung  der  vier  typischen  Rinderformen  äuge* 
nommen  werden  könne. 

Aus  den  verglichenen  Massen  am  Hinterhaupte, 
am  Stirnbein,  am  Gaumen  und  ain  Unterkiefer  ergebe 
sich,  dass  die  drei  von  Rütimeyer  aufgestellten 
Typen  in  ihrer  Schädelform  dem  Ur  (bos  primigenius) 
näher  ständen,  während  der  brachycephale  Typus 
mehr  Aehnlicbkeit  habe  mit  dem  Bison  (hison 
priscus).  Die  grösste  Verschiedenheit  zwischen 
dem  Rind  und  dem  Bison  besteht  in  den»  unmittel- 
baren, im  W inkel  geknickten  Uebergange  der  Stirn- 
gegend in  die  Hinterhauptgegend.  Aber  dieser 
Unterschied  bestellt  nur  bei  erwachsenen  Thieren. 
Die  Embryonen  und  Kälber  von  Rind  und  Bison 
zeigen  jene  Verschiedenheit  nicht,  und  der  er- 
wachsene Bison  behalte  die  dem  jungen  Rinde 
eigenthümliche  Schädelform  durchs  ganze  Leben, 
so  dass  die  Schädelform  des  Bison  als  eine , auf 
frflherer  Entwicklungsstufe  stehen  gebliebene  Rin- 
derform  angesehen  werden  könne.  Der  Vortragende 
behauptet  vom  morphologischen  Standpunkte  die 
Möglichkeit  der  Abstammung  des  brachyce- 
phalen  Rindes  vom  Bison;  wenn  aber  diese  Frage 
auch  noch  nicht  entschieden  werden  könne , so 
glaube  er  sich  gegen  die  Abstammung  des  letzt- 
erwähnten Rindes  vom  Ur  doch  mit  Entschieden- 
heit Aussprachen  zu  dürfen. 

Auf  die  vom  Vortragenden  gemachte  Bemer- 
kung , dass,  wie  man  ihm  gesagt  habe,  der  Name 
Pinzgau  möge  wohl  vom  Worte  Bison  lierrühreu,  be- 
merkt Dr.  Schmidt  aus  München,  dass  der  Name  von 
der  Völkerschaft  dcrAmbisonti  herstamme,  welche 
letztere  ihren  Namen  tragen  von  der  keltischen 
Präposition  Ambi  = um  (lateinisch  am  bi , grie- 
chisch althochdeutsch  unibi)  und  dem  Flusse 
Isonta. 

Zweite  Sitzung  Freitag  den  21.  Sept., 
11  Uhr  Vorm.  Nach  Eröffnung  der  Sitzung  durch 
den  Vorsitzenden  Geh.  Rath  Virchow  aus  Berlin 
sprach  Prof.  J.  Hanke  (München)  über  ober- 
bayerische  Schädelformen.  Zuerst  wurde 
eine  statistische  Vergleichung  der  Schädel  der  alt- 
bayerischen  Landbevölkerung  und  des  von  Ilm. 
Virchow  neuerdings  craniologisch  beschriebenen 
norddeutsch  - friesischen  Volksstammes  gegeben, 
welche  schon  in  ihren  Haupt resultaten  in  dem  „Fahrer 
für  die  Theilnehmer  der  50.  Versammlung  deutscher 
Naturforscher  und  Aerzte:  München  in  natur- 
wissenschaftlicher und  inedici  irischer 
Beziehung“  S.  209  — 212  zur  vorläufigen  Ver- 
öffentlichung gekommen  ist.  Sodann  folgte  eine 
Statistik  der  epactalen  Störungen  in  der  Entwick- 
lung der  Hinterhauptsschuppc  bei  der  altbaye- 
rischen Landbevölkerung,  mit  Demonstration  der 
verschiedenen  zum  Theil  neu  beobachteten  Formen 
des  Os  Incae.  Der  Vortrag  schloss  mit  Hinweisung 
auf  gewisse  Unterschiede  in  der  physiologischen 
Entwicklung  der  Schädel  der  altbayerischen  Be- 
völkerung der  Hochebene  und  des  Hochgebirgs. 

Das  Nähere  über  die  Gegenstände  der  zweiten 


Hälfte  des  Vortrags  findet  sich  in  dem  eben  er- 
schienenen W'erke  des  Vortragenden:  Beiträge  zur 
physischen  Anthropologie  Altbayerns  I.  Heft:  Zur 
Physiologie  des  Schädels  und  Gehirns. 
München  Th.  Riedel , 1878,  und:  Beiträge  zur 
Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns 
Bd.  1 und  II.  Beide  W'erke  wurden  der  Scction 
zur  Einsicht  vorgelegt. 

Graf  W umihrand  (Graz)  : U e b e r die 

Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  der 
F »tina  der  Lössbildunge n. 

Durch  Zufall  erfuhr  W.  im  Jahre  1872 , dass 
im  Löss  bei  Joslowitz  in  Mähren  seit  mehreren 
Jahren  bereits  Knochen  mit  Feuersteinen  gemengt 
in  einem  Ziegelschlage  Vorkommen.  Die  Unter- 
suchung ergab  folgendes  Verhältniss.  Eine  Löss- 
schicht, welche  geologisch  vollkommen  gut  definirt 
worden  ist , war  auf  8 Klafter  Tiefe  gegen,  das 
Thuja-Thal  zu  senkrecht  bis  auf  den  unterliegenden 
tertiären  Sand  durcliteuft.  Längs  dieser  Löss- 
wand liefen  in  nicht  ganz  horizontaler  Richtung 
mehrere  schwärzliche  Erdschichten  hin , in  denen 
sich  die  Knochen  vom  Mammuth,  vom  Renthier  (?) 
oder  Damhirsch,  dem  Bären,  Rhinoceros  tichorinus 
und  dem  Pferd  nebst  offenbar  bearbeiteten  Feuer- 
steinen und  Holzkohlen  vorfanden.  Die  Erde  dieser 
Kulturschicht  selbst  war  fettig  und  zeigte,  chemisch 
untersucht , reiche  organische  Reste.  Der  Löss 
war  ungestört,  die  Knochen  waren  nicht  gerollt 
und  die  Feuersteine , in  dieser  Gegend  nicht  vor- 
kommend, nicht  durch  Wasser  eingeschlemmt.  Der 
Mensch  nur  konnte  hei  längerem  Aufenthalt  die 
Knochen  dieser  verschiedenen  Tliicre  zusammen- 
getragen heben.  Die  Holzkohlen , die  Feuerstein- 
messer und  vor  allem  die  deutliche  Bearbeitnng 
der  Knochen  schien  dies  genügend  zu  erweisen. 

Ausser  dem  Funde  in  Joslowitz  kann  W. 
beute  schon  4 weitere  Fundstellen  im  Löss  des 
Wiener  Beckens  nennen,  wo  durch  Feuersteine, 
Holzkohlenreste  und  bearbeitete  Knochen  Analogien 
festzustcllen  sind.  Diese  Stellen  sind  bei  Holla- 
brunn, Sonnberg,  bei  Göllersdorf  und  be- 
sonders bei  Zeiselb  erg.  An  dem  letztgenannten 
Orte  wurde  ein  sehr  reiches  Knochcnlager  gefunden, 
Rhinoceros,  Mammuth,  Pferd,  Bär,  Wolf,  Cervus 
euriceros  etc.  Feuersteinsplitter  und  Feuerstein- 
messer, welche  zum  Theil  in  unzweifelhafter  Weise 
die  Bearbeitung  durch  Menschenhand  verrieten, 
lagen  mitten  unter  den  Knochen  und  in  der  Kul- 
turschicht selbst.  Die  Beweise  der  menschlichen 
Thätigkeit  lassen  sich  bei  genauem  Studium  solcher 
Knochenlager  in  vielfacher  Hinsicht  so  gut  fest- 
stellen, dass  sie  keinem  Forscher  entgehen  werden, 
welcher  vorurteilsfrei  an  die  Untersuchung  geht. 

Die  Gelegenheit  hiezu  ist  in  reichem  Masse  in 
Deutschland  selbst  geboten.  So  hat  Hr.  Neh- 
ring*)  bei  Thiele  und  Westerregeln  eine 
reiche  Knochenschicht  im  Löss  mit  Holzkohlen  und 


•)  Zeitschrift  für  Ethnologie  1875  Heft  VI.  1876 
Heft  II. 


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Jjggnjssiijij  hurt{j  heit  ^otal3«$djitflsfit{pr  T)ernt  Jreiner. 

I.  Sitzung. 


.'Seid  »ns  gegrüßt.  Ihr  Lieben, 

Die  Ihr  von  Nord  uud  Süd 
Von  einem  Sinn  getrieben 
Nach  unserm  Thüle  zieht. 

Seid  uns  gegrillt! 

In  diesem  rliciudurchttos&'uen  Thal 
Mit  Altdenk  wQrdigom  überall. 

In  dem  noch  alte  .Sagen 
Wie  Schlumiuermfirchcn  tagen, 

In  dem  des  Seen  Wellenschlag 
Sich  immer  reimet  Tag  für  Tag. 

Der  See  mit  seinen  Wellen, 

Die  schwellen  uud  zerschellen. 

Gleich  wie  ein  altes  deutsches  Lied 
Durch  uns're  heut’gen  Tage  zieht, 

So  Well*  tür  Wellt*  fluthet. 

Bald  wild,  bald  wohlgemuthet. 

Den  grünen  Ufern  treibet  zu 
Allfort  bewegt,  allimmerzu. 

Da  lauscht'  ich  oft  mit  Bangen 
End  stillem  K Ihr- Verlangen 
Den  Hathselstimnien  der  Natur; 

Doch  Ritfaiel  blieben  sie  oft  nur. 

End  Ihr.  die  Dir  gekommen. 

Zu  klären  Zweifelsinn, 

Euch  ist  es  überkommen 
Und  bleibt  es  unbenommen. 

Ein  Erthel  hier  zu  zieh’u. 

Wen»  Ihr  es  könnt; 

Doch  tausend  wo  ttersaper  ln  tt ! 

„ Anthropolog  ist  auch  kein  Gott"  1 

So  rastet,  Wegemüde! 

Hier  lässt  sich  weidlich  ruli'u; 

Von  all*  dem  Buntgetriehc 
Will  ich  Euch  Kunde  thim. 

Sn  gut  iclrs  kann. 

Wohlan ! 

Am  See,  der  woget,  ruhig  sich  wellt. 

Aus  dem  der  blaue  Felch  sich  schnellt 
l ud  glitzert  in  der  Sonnen 
In  fischgewohnten  Wonnen 
l ud  wieder  tauchet  in  die  Fluth 
End  wollustflossenscliwänzelnd  ruht 
In  dichten  Charen-Matten 
In  tiefgrQnblauen  Schatte». 

Wo  drüberhin  die  Wasser  geh’n 
So  silberml  bläulichgrün,  so  schön. 

So  ist’s  in  ruhiger  Stunde 
In  diesem  klaren  Grunde. 

Doch  kommen  Stunden  wild  und  schwer 
Sturmwinilgepeitscht  von  Alpen  her 
End  wühlen  in  den  Wogen 
Mit  Donnern  und  mit  Toben 
Eud  spritzen  hoch  die  weissc  Gischt, 
Dass  toll  es  an  den  Ufern  zischt, 
l’nd  brauset  in  den  Gründen 
l’ud  heult  von  gellen  Winde» 

End  hebet  hoch,  was  in  dem  Grund 
Sonst  nur  den  stummen  Fischen  kund. 

l>n  liegen  Topf  und  Hammer 
Aus  altersgrauer  Zeit, 

Wie  sie  in  seiner  Kammer 
Kein  Ferge  hält  mehr  heut. 

Am  Ufer  bin. 

Wo  die  Nebel  zieh*». 


Wir  schau’u  in  and're  Zeiten, 

In  altersgraue  Weiten 

l’ud  seh'u,  wie  uns’rer  Väter  Welt 

Kaum  mehr  Vergleich  mit  unserer  hält. 

Und  sieh!  — au  Ufers  Welle 

Stolzim  ein  Geselle 

Mit  langem  Schnabel,  langem  Bein. 

Das  muss  ein  wack’rcr  Forscher  seiu. 

Er  schreitet  durch  das  Schilfgerohr. 

Legt  klappernd  hiu  und  her  sein  Ohr 
Und  hat  'neu  Frosch  ertappet 
Und,  wie  er  hüpft,  geschnuppet. 

Der  ({uatschelt  aber  querfeldein 

ln  einen  Felsenspalt  hinein 

Ich  lurcbe  mit,  ich  schau*  mich  um ; 

Da  liegen  curiose  Dinge  herum. 

Was  sind  denn  das  für  Sachen 
Aus  gelbem  Feuerstein  ? 

Wer  kann  so  Dinger  machen 
Aus  Zahn  und  Hen-Gebein? 

Wer  lebte  mit  Elephanten? 

Wer  mit  dem  Erwaldstier? 

Mit  heute  unbekannten 
Thieren  in  Höhlen  hier? 

Woher  vom  Gletacherftichse, 

Woher  vom  Höhlenbär. 

Woher  (rebein  vom  Luchse 
End  Höhlenleu,  woher? 

Woher  die  Nadeln,  die  Pfeile? 

Woher  die  Fischharpun*  ? 

Woher  die  Alpenhasen. 

Woher  das  Gletscherliuhu  ? 

So  .wollen  wir  denn  heben  an, 

Wie  all’  die  Dinge  mochten  gali'u. 

Dass  Ihr  so  Land  wie  Leute 
Gleich  kennt  von  Einst  und  Heute. 

Ich  trug,  was  man  so  finde»  könnt' 

End  sich  zu  wahren  Mül»*  lohnt, 

Zusaimii’  seit  wenig  Jahren ; 

iBin  oft  durch'»  Thal  gefahren, 

Geschichten  zu  erkuiulen. 

Was  ich  da  aufgefunden. 

Stellt*  ich  im  Rosengarten  auf. 

I)eu  aeh’n  wir  in  der  Tage  Lauf. 

Sollt*»  jede  Stadt  so  mache» 

Mit  ihren  eig'uen  Sachen ! 

Denn  fortgcschleppt  aus  der  Heimat  Heerd 
Hat  alles  nur  den  halben  Werth. 

Da  findet  Ihr  Gesteine. 

Die  unsern  Boden  bau'n ; 

Iht  könnt  Ihr  die  Gebeine 
Aus  unsern  Höhlen  schau'n 
Da  find’t  Ihr  alte  Thiere 
Zum  Bodengrund  erstarrt. 

Der  Urwelt  Pflanzge wirre. 

Der  Forschung  aufgespart. 

End  seht  iu  dem  Gek lüfte 
Altüppige  Pflanzenwelt 
Durch  kohleaschwero  Lüfte 
Tiefgülden  nur  erhellt, 

End  seht  die  Echsen- Kiesen 
Des  Jura-Lands  im  Streit. 

End  seht  das  Leben  fl  »essen 
Der  Jura-Meere*-Zeit. 


Da  zieht  eine  Welt  in  liiUlern 

Vorbei  so  farlxmreieb 

Bi?'  zu  der  Zeit,  der  mildem, 

Dein  Heute  nähernd  gleich. 

E*  mag.  wo  jetzt  das  Hegau  steht. 

Vorbei  der  Rhein  zu  Thale  geht. 

Wo  sich  die  Hügel  hohen. 

Im  Thal  den  («rund  zerstoben 
l ud  millig  Wasser  drangen  ein. 

Ein  prächt'ger  See  gewesen  sein. 

Lorbeer  und  Feig’  und  Fainpherbaum 
Die  wuchsen  an  des  Wassers  Saum, 

Libellen  schwirrten  an  dem  Strand, 

Die  Krappen  hilpften  auf  dem  Sand 
1’ml  Itiesensulamander 
Die  freuten  sich  salhander 
Oh  dem  Latonieu-Geijuak 
l’nd  was  in  den  ('yprossen  stack. 

Doch,  was  so  schon  geschallen  war. 

Es  sollt*  nicht  hallen  lange  Jahr’. 

Die  0 Jets  eher  wuchsen  weiter. 

Schneefelder  wurden  breiter. 

Der  Firn  vereist  den  Blüthenduft 
Lud  Schwäne  tiogen  durch  die  Luft, 

Lud  mit  dem  Ben.  dem  llochlaudsliirsch. 
Beginnt  der  Mensch  die  erste  Birsch, 

Und  richtet  sich  den  Haushalt  ein 
Lnd  kratzt  in  Knochen  Striche  ein, 
Sprechende  Bilder  jener  Zeit. 

Der  Jagd  und  seiner  Häuslichkeit 

Wie  mancher  jung«’  Hirteubub’ 

Vereinzelt  auf  der  grünen  Weide 

ln  Binde  seine  Bilder  grub 

So  nett  — zur  eig’neu  Augenweide  — , 

Wie  **s  kein  Kriegervolk  geköuot, 

Das  die  Coltur  zu  tragen  wähnte, 

Dess*  wihhs  Waffenwerk  gedröhnt. 

Aus  dem  nur  stolze  Herrschsucht  gähnte;  * 
Wie  manche  feine  Salon-Laffeu, 

Die  sich  im  Spiegel  stolz  begaffen, 

Kein  so  gut  Bild  zuweggebracht 
l ud  doch  den  Knaben  ausgelacht. 

So  ist'*  auch  Euch.  Ihr  alten  Bangen, 

Mit  Eurer  Krstlingskunst  ergangen 
Man  glaubte  nicht,  dass  ’s  möglich  war, 

Dass  vor  so  vielen  tausend  Jahr’ 

Die.  die  in  unsern  Höhlen  wohnten, 

Schau’n,  denken  und  gar  zeichnen  konnten : 
l’nd  doch  iat’s  so. 

Vorfahren  saasen  an  dem  Firn 
Vor  ihrem  Höhleubaue. 

Sie  wärmten  an  der  Sonn’  die  Stirn* 

End  guckten  in  das  (»raue; 
l nd  ihr  Genosse  war  das  Ben, 

Da*«  Pferd,  das  Schwein  tmd  Hirsche, 

Wohin  sie  sehau’ii.  wohin  sie  geh’n 
Im  Schneefeld  und  (Jebiricbe 
Ein  Imin  erschauen  schuf  das  Bild 
So  treu,  so  plastisch-steinern. 

Dass  sie  ein  treues  Gcgenbihl 
Eingrubeu  auf  den  Beinern, 
l nd  solches  Bild  so  einfach-treu 
Seheint  Hochgebildeten  nun  neu. 

lnd  weiter  wirkten  Sonn’  und  Föhn 
Herfogend  über  Alpenhöb’n 
Fnd  schmolzen  Sehnee  zu  Thale 
ln  di*-  kleine  Wasserschale. 


Dran  lebt  es  sich  nun  netter 
Als  in  dem  Schneegewetter, 

Fnd  Alpenbliimeu  — noch  am  Strand  — 

Die  färbten  schon  das  grüne  Land. 

Dem  Ben  wurd’s  warm,  's  ging  gletscherwärts ; 
Schneehühiierschwarm  scheucht  warmer  März. 

Doch  Pelznmhüllten  that  das  gut; 

Sie  scliau’u  die  Aend'niug  wohlgemuth; 

Lud  war  das  Ben  gegangen 

Kam  der  Hirsch  mit  andern  Stangen. 

Das  Kurzhoruriml  mul  Höhleiirnes 
Fnd  Hunde  maehteu  noch  den  Tross. 

Fnd  warm  heschien  die  Sonne 
Den  Menschen  nun  zur  Wonne: 

Das  könnt*  er  gut  ertrag»»!» 

Nach  solchen  kalten  Tagen 

So  kam  der  Hirsch  zu  Thale 
Fnd  dient  zum  leckem  Mahle 
Nun  schwimmt  iin  Seelein  mancher  Kisch 
Fnd  würzt  den  kahlen  Findlings -Tisch, 

Fnd  zeigt  dein  Jäger  neue  Wege, 

Wohin  er  seine  Netze  lege. 

Die  Steinaxt  schallt  im  wilden  Wald, 

Die  Eiche  fallt  und  wicderhallt : 

Steinsägen  girren,  Schncevögel  schwirren, 

„Halloh“  sc  breit ’s  ans  den  Waldgvwirren, 

Fnd  nun  mit  ungefügen  Streichen 
Sind  eingerammet  bald  die  Eichen 
Zu  einem  rohen  Pfahlhaurost. 

’s  ging  hitzig  her,  )K»tzw»|»permo«t  1 

Drauf  wohnt*  und  tischt  dus  Völklein  nun 
Fnd  könnt*,  auch  »ich'rer  nächtens  ruh’u; 

Denn  drinnen  in  dem  Wuldcsdnnkel 
Ging  ah  und  auf  manch*  Feind -Gemunkel. 

Der  Wisent  brüllt  urkrafterfüllt, 

Bhitiiugestillt  heult  ander*  Wild. 

Ein  urwaldeigenes  Coucert 

Der  neu'steiv  Musikdichtuug  wertli. 

Fnd  wieder  schwanden  Mond  auf  Mond 
Fnd  Tag  um  Tag,  schon  altgewohnt. 

Mat»  wusste  es  zu  machen 
Mit  eingewohnten  Sachen. 

Der  Eine  dreht  die  Töpfe  rund. 

Der  Ander*  war  des  Schleifeus  kund*; 

Die  Weiher  heimsten  ein  die  Aehren 
Fnd  Hessen  Brod  und  Metli -Trank  gab  reu 
Da  ciustmal  hei  gar  warmen  Lüften 
Sehwoll  an  die  Fluth  in  Gletschergrüflcn 
Fnd  stürzt  der  Schwall  in's  Thal  herein. 

Am  Fläscherberg  brach  das  Gestein 
Mit  Donnergekruch  und  Felsenge  roll, 

Die  Fluth  drängt  die  Finthen  und  stieg  und  schwoll; 
Die  Wasser  tosten  im  Wahh-sgokrach 
Fnd  brausend  stürzten  mut  rische  nach. 

Es  barsten  die  Eichen  und  kreischt  das  Geröll 
Fnd  brüllten  die  Thier»*  wie  Teufel  und  Hüll*. 

Es  schleudert  in’s  Thal  den  dröhnenden  Fels. 

Es  schleudert  kopfüber  den  mächtigen  Wels. 

Die  Menschen  fliehen  in  starrendem  Schreck. 

Der  Pfahlbau  liegt  ticfsehlammüberdcckt, 

In  Scherben  der  Huusrath  im  grauen  Dreck. 

Do  liogsrht  — 

Fnd  nur  das  tiefwühlende  Grundgcwell 
Bringt  alljnhr  die  alten  Dinge  zur  Stell’. 

Fnd  wieder  ziehen  die  Nebel  grau 
Fm  oenerrichteten  Meuschenbau 
l ud  zielrn  um  die  Fferbucbteti 
Dem  Bach  längs  in  die  Schluchten, 


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r 


Wo  einzelne  Hütten  im  Walde  sind 
Und  am  Ufer  stehen  in  Well*  und  Wind. 

Nur  die  Hügel,  die  runden,  itn  düsteru  Hain 
Die  können  aus  der  Zeit  Zeuge  noch  sein. 

Doch  nnr  Asche  und  Urnen-Restc 
Zeugen  vom  Waldesneste. 

Und  wieder  knackt  es  in  «lern  Hol/ 

Und  brechen  die  Tannen,  hoch  und  stolz. 

Und  bauen  sich  Strassen  fest  und  gerad 
Oben  entlang  dem  Hügelgrat. 

Da  ziehen  die  strammen  Cokorten  vorbei 
Als  ob  es  ein  Wahl  von  Speeren  sei. 

Den  Adler  voran  trägt  ein  wackerer  Held. 

Es  blitzen  die  Schwerter  und  Schilde  im  Kehl. 

Die  Homer  zogen  in’*  Seeland  herein 
Und  bauen  Castelle  und  Thürme  hinein. 

Es  setzt  sieb  die  stramme  Stiernackengestalt 
SiegdQrstend  fest  and  übet  Gewalt 
Und  sammelt  sieb  Schätze  und  Sklaven  und  Geld 
Und  brennet  die  Hütten  und  Waldesgezelt, 

Doch  auch  die  Gewalt  liat  nicht  immer  Bestand. 
Der  Unterdrückte  nimmt  Mesner  zur  Hand 
Und  gürtet  den  Koller  mul  nimmt  den  Schild 
Und  legt  die  Augnnen  zur  Wehre  wild. 

Und  nimmt  den  Hammer  zum  Waffentanz 
Und  schleudert  und  fängt  ihn  im  Krühruthglanz. 
Die  Scluldbiickel  blitzen  im  Morgeusrhein. 

Die  Rache  schleicht  in  die  Kesten  ein. 

Zerstreut,  geschlagen  ist’s  Römer -Heer: 

Der  Alem&nne  ist  wieder  Herr. 

Ist  Herr  in  seinen  Thalen. 

Hoch  schreitet  der  Held,  feuerblond  das  Haar. 
Himmelblau  das  Auge  und  ««ffeu  und  klar, 

Wohl  blutend  aus  vielen  Mahlen. 

Der  See  mit  seinen  Wellen, 

Die  schwellen  und  zerschellen. 

Wogt  fort  und  fort  «lern  Kfer  zu 
Ohn'  alle  Rast,  olm*  alle  Ruh. 

Es  glitzert  drin  der  Sonne  Glanz, 

Es  spiegelt  drin  der  Alpmi  Krau/  : 

E*  schaut  der  Mond  in  die  Ruth  hinein, 

Als  müsst’  er  ihr  Vertrauter  sein, 
l ud  tief  int  «lüstern  Walde 
An  einer  Kicheu-IIahle 
Geh’u  heilige  Schauer  um  den  Baum 
(deich  wie  ein  alter  ( i ölte  rt  raum. 

Das  Brausen.  Sausen  im  dichten  Wahl, 

Das  Aeciizcn  der  Möven  an  Seeeshald, 

Das  Eulen-Hculeu  auf  mächtiger  Eich’, 

Das  Singeu  der  Aelt’sten  «lern  Sturme  gleich, 

Die  Sagen  vom  alten  Echsenwurm, 

Von  Meeresfahrten  und  Meeressturm : 

Das  krallt  sich  in  die  Gemüther, 

Als  ob  der  Wald  lins  sagen  wollt’ 

Was  jede«  Innern  zeugen  sollt’: 

Nur  die  Heimat  macht  utis’re  Lieder. 

Es  beginnt  «ich  zu  regen,  zu  lispeln  alltim. 

Es  kreist  der  Reigen  den  Eichstamm  um. 

Wie  gc-leuk  sind  die  kräftigen  Glieder! 

Wie  T rwaldstnrin  ihre  Lieder ! 

Es  Hattem  die  Haare  so  fenerblond ; 

Es  äugelt  im  Schmucke  der  Frauen  der  Mond 
l ud  freut  sich  der  schönen  Gestalten, 

Der  rriuiturgcwalteii. 

Der  See  mit  seinem  Plätschern, 

Gespeist  von  schmelzenden  Gletschern, 

Wellt  fort  den  altgewohnten  Gang, 

Kragt  nichts  nach  Tanz  und  Geistersung. 

V 


i Da  wellt  ein  eigen  Singen, 

Ein  wunderbares  Klingen 
Vom  See  her  durch  die  Thule 
Wie  Wunder  zum  ersten  Male. 

Es  war  die  erste  Glock’  am  Sw. 

Die  Möiiche  läuteten  in  der  Näh’. 

Sie  lehrten  von  neuen  Dingen ; 

Sie  brachten  ein  neues  Singen. 

Sic  brachten  das  Kreuz  in  das  Thal  herein. 
Viel  Guten  und  viel  hohlen  Schein 
Sie  lehrten  Schreiben  und  Malen 
Und  Hessen  sich’s  gut  bezahlen. 

Bei  ihnen  hat!'  manch  gelahrter  Mann 
Herberg  und  mancher  Dummeriau. 
l ud  die  Verehrung  der  Natur 
Kiinut’  zeigen  iiu  Kleid«'  der  Kutte  sich  nur. 
Vorbei  war’ r mit  dem  Urwaldslied 
Am  Waldberg  mul  im  Nebelried 

Noch  manchmal  stieg  ein  Monel»  zu  lloss, 
Ein  wilder  streitbarer  Degen, 

Und  druut’  im  Hegau  ritt  sein  Genoss, 

Solch’  Handwerk  ihm  zu  legen. 

So  ging’*  thalab,  so  ging’s  thaluuf: 

Da»  Volk  nahm  Ritter  und  Pfaffen  in  Kauf; 
Dem  Kaufmann  stahlen  die  Waaren 
Die  Ritter,  die  lobebaren. 

Sie  theilteu  dann  unter  sieb  den  Raub 
Und  waren  Naturesstimmen  taub; 

Dagegen  fromm  im  Kircbengaiig. 

Da  gab  es  prunkvolle  Züge 

Und  Kreuze  und  Kalmen  und  Möuchsgesaug 

Und  Klöster  zur  Genüge. 

So  war  bei  dem  grossen  Kirchen«  oncil 
In  Cmtstunz  ih  r Pfafflicit  überviel, 

Kiu  buntes  Prachtgepränge. 

Prorossmnen  in  Meng«*, 

Doch  auch  gar  viel«*  Lüderlichkoit 
Zwischen  Kircbengaiig  und  Ritterlichkeit. 

Uud  der  See  mit  scineii  Wellen, 

Die  schwellen  und  zerschellen, 

I Treibt  ruhig  und  stet  sein  munter*  Spiel 
Uud  schert  sich  um  solch'  Ding  nit  viel. 

So  lassen  wir’*  auch  gehen 
Und  wollen  einmal  sehen, 

Wie  nun  das  Thal  gi-stalt«t  ist, 

Durch  das  alpfrisch  der  Rhein  nun  Messt, 
Der  frühe  am  Alpstock  oben  Hn®s. 
im  Hegau  erst  sich  thalergoss. 

Da  könnt’  ich  viel  noch  singen 
Von  wundernetten  Dingöu, 

Von  Burgen,  die  da  ragen 
Au»  Wäldern  und  den  Sagen, 

Die  an  «len  grünen  Ufern  hin 
Wie  lichte  Nehelstmfen  zielt’ii. 

Doch  werdet  ihr  die  Sachen 
Viel  gründlicher  noch  ina«’lieu. 

Seeanf,  seeal»  ein  ander*  Bild 
Romantisch  bald,  bald  wunderinild. 

(Jen  Osten  Hieast  die  weite  Flutli 
Und  spiegelt  ab  der  Sonn«*  Glutli. 

IDie  grünen  Hügel  vor  «len  Bergen, 

Die  baumiiinralunt  die  Dörfer  bergen. 

Der  Al|«enkrauz  voll  Schnee  uud  Eis. 

Auf  blauem  See  «lie  Segel  weis«, 

Die  hin  mul  wieder  Hiegen. 

Die  weisse  Möv*  im  Blitz«‘sHug 
Sclih'SKt  hin  und  her  in  raschem  Bug 
Zuluft  Imbiss  zu  kriegen : 


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Und  t fcrschwalben  Hink  und  nette 
Mit  ihr  fast  um  die  Lohneswette. 

Seeauf,  seeab  geht  auch  ein  Zug 
Von  Menschenleben,  nur  im  Klug 
Durch  längst  vergangne  Zeiten! 

Weit  oben  liegt  Brigantiuui, 

Eiu'  alte  Wart  aus  Hftmerthum 
l ud  näher  hier  im  BiiUhenthau 
Die  wunderschöne  Maienau, 

Die  Insel  sondergleichen. 

Wo  lieb*  und  Obst  und  Wald  und  Gerten 
Her  Woune  ihres  Fürsten  warten, 

Ihr  Bestes  ihrer  Fünf  in  reichen 
Und  westwärts,  wenn  in  Abendgluth  m 
Das  Hegau  vor  den  Blicken  ruht 
Wie  auf  altdeutschem  Bilde, 

Auf  purem  Gold  der  Hügel  Keih’n 
Die  Bänder  all'  so  scharf  und  rein 
Die  Zeichnung  sonst  so  milde; 

Der  Wolken  langgezog’nc  Streifen, 

Die  in  die  dunklen  Berge  greifen; 

Davor  auf  Seesspiegel  klar 
Stellt  sich  die  Heichenaue  dar 
Mit  ihrem  alten  Kirclienthuin, 

Weinreben  hfigel  ringshernm 
Von  wegen  der  Klosterkellerei. 

„Wein  besser  als  Seewasser  sei“ 

So  heisst  es  allerorten. 

Wein  her!  — Der  Becher  voll  und  leer! 

Was  ist  ein  Heut  dagegen  mehr, 

Du  kreisle  er  immerforten. 

Wohl  schliefen  sie,  wenn  das  Gebet 
Nach  langer  Uebung  lallen  geht, 
l ud  mussten  liegen  bleiben. 

Nun  reisen  lässt  sicli's  besser 
Jetzt  mit  dem  Kohlenfresser, 

* Denn  liüli  r,  als  mit  Felleisen 
Man  durch  das  Thal  musst  reisen. 

Jetzt  geht's  im  Flug  mit  Dampfgezisch 
So  vogelleicht,  so  vogelfrisch. 

Lasst  mir  die  Alten  brummen! 

Und  mitten  in  dem  netten  Land 

Baut  laug  schon  Wohnung  Menschenhand; 

Zuerst  wohl  eine  l’lählboustatt, 

Die  Itheiue*  Fluth  begraben  hat. 

Darauf  wuchs  Coustanz  an  der  Stell’, 

Wo  über  die  Trümmer  plätschert  die  Well’, 
Ein  Kömeraitz,  ein  W affenort, 

Dem  Streiten  geweiht,  der  Herrschsucht  Hort 
Am  Weg’  gen  West  bei  Stein  am  ltheiu, 

Wo  ihr  Tasgetium  musste  sein. 

Daun  hat  Alemauneu  feste  Faust 
Gar  übel  drüberhiu  gehaust. 

Die  Korner  zogeu  weiter 
Ohne  höHiche  Begleiter. 

Doch  unbekümmert  wellt  der  See 
Holt  Wasser  aus  dem  Gletschersclmee 
Und  treibet  seine  Wellen, 

Die  schwellen  und  zerschellen. 

Und  Haus  und  Kirch*  und  Dom  und  Haus 
Die  machen  bald  ein  Städtlein  aus. 

Die  Weide  halt  den  Uferwuim. 

Aiu  Markte  steht  der  Lindenbauin; 

Und  baut  ging’*  zit  du  drinnen. 

Die  Zeiten,  die  Wellen  rinneu. 

Man  baute  Mauern,  mau  brach  sie  ah ; 
(«•schlechter  entstunden  und  sanken  hinab; 
Man  schlug  mit  wuchtigen  Streichen 
Hispanisch*  Volk  zu  l«eichcn, 


" — N 

Das  Cult’  und  Freiheit  nehmen  wollt*. 

Dann  hat  man  Schweden  wallabgerollt. 

Und  wieder  iu*s  Joch  sich  begehen. 

Ein  kunterbuntes  Leben! 

Die  Wellen  rinnen  und  Hiessen, 

Die  Wolken  ziehen  und  giessen 
I Die  Wasser,  entstiegen  der  Erde. 

Zurück,  dass  grün  sie  werde. 

Mit  Blum*,  mit  Frucht  und  Vogelsang 
Zieht  nun  durch  s Thal  Jahrzeitengang. 

Sich  wunderwenig  kümmernd  drum. 

Ob  die  Menschen  sieh  schlagen  die  Glieder  krumm. 

Die  Lerchen  singen  im  Lenze. 

Insecten  schwingen  die  Tänze, 

Ist  grün  geworden  das  Ufer  kaum, 

Geschmolzen  der  Schnee  im  W elleuschaum. 

Der  Alpenateinbrech  blüht  am  Strand 
Und  träumet  noch  vom  Alpeuland, 

Das  kleine  Sandvergissmeinnicht 
Strebt  zwischen  Ufergeröllen  zum  Licht, 

Es  fühlt  das  Winters ch leierfreie. 

Dass  es  erblühen  kann  auf's  Neue. 

Schneegäuse  und  Störche  erscheinen  im  ’I  hal, 

Der  Schwalben  Schwärme  ziehen  zu  Thal. 

Der  Kukuk  ruft  aus  den  Wäldern; 

Im  Hain,  in  Heck*  und  Feldern 
Singen  die  lustigen  Vöglein  all' 

, Im  grünenden  Wald  mit  Wiederhall, 

Und  das  gerufene  Blumenbeet- 

Bringt  überschwenglich  der  Sommer  her. 

Da  stehen  die  Wiesen  so  bunt  mul  voll, 

Dass  ich  nit  weiss,  wohin  langen  ich  soll. 

Ich  Dehrn*  Seerosen  aus  dem  Teich, 

Die  Blätter  sind  den  Zeichen  gleich, 

Wie  sie  Seeblätter  sich  bilden 
Die  Alten  auf  ihren  Schilden. 
l'nd  wieder  geht’s  dem  Herbste  zu; 

Die  traubenvolle  lieb’  moclit'  Kuh’ 

Und  des  Ackerfeldes  Goldäbrenprathf 

Wird  schon  in  den  Scheunen  zur  Buh’  gebracht. 

Es  ruckst  die  Kiugcltatibe 
Itn  Wahl  und  in  der  Laube. 

Der  Weih  schwebt  über  seinem  Horst. 

Das  Kothwild  streift  durch  Feld  und  Forst. 

Und  traumgleich  ziehen  souuige  Tage 
Und  fügen  sich  in  Winters  Lage. 

Die  Staaren  fallen  in  die  Beben  ; 

Der  Fink  iu  Buchclnsaat  daneben. 

Kühl  wird  die  Luft  und  nebelgrau. 

Zum  Keif  erstarrt  auf  dem  Blatt  der  Tliatt. 

Die  Belchen  kommen  in  unsere  Näh’ 

Und  lassen  sich  nieder  aut  ITitersee. 

Wildenten  Huderu;  Jäger  rudern; 

Die  Büchse  knallt;  Rohrdommel»  tudern. 

Die  Rome  an  dun  Wagen  schellen, 

Die  Kader  girren,  Geiseln  schnellen; 

Die  Nebelrabe n und  der  Schwan 
Die  kommen  auf  den  weisseu  l'lun. 

Es  kracht  vor  Kälte  die  Kind’  aui  Kaum. 

Es  krachen  Eisspalten  au  I lers  Saum, 

Um  bald  unter  Kieseln  und  Kauschen 
Das  Weiss  mit  Grün  zu  tauschen, 

Das»  in  Veilchen  wieder  erblüht  der  Haag 
Unter  Nachtigallschal]  und  Drosselschlag. 

Wir  aber  haben  das  Bild  geklärt. 

Wie  mau  iu  Coustanz  zu  Thale  fahrt, 

Unter  herzlichem  Grusse! 

f 

Jaiituuig  JtfitiBr. 




Druck  von  R.  OMutWHf  in  MöniU.n. 


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167 


Feuersteinmessera  Befanden.  Es  hat  dieLinden- 
thaler  Hyänenhöhle*)  in  tieferer  Schicht  durch- 
geschlagene Röhrenknochen,  bearbeitetes  Hirschhorn 
and  Feucrsteingeräthe  geliefert,  ähnlich  dem  Tau- 
bacher Fund. 

Geh.  Rath  Virchow  macht  auf  die  Wichtig- 
keit des  gehaltenen  Vortrags  aufmerksam , bei- 
fügend, dass  man  jedoch  sehr  vorsichtig  sein  müsse 
bei  Beurthcilung  von  anscheinenden  Einschnitten 
an  Knochen , da  dieselben  häutig  nicht  von  Men- 
schenhand gemacht  sind  , sondern  durch  Annagen 
der  Knochen  seitens  Uaubthiere  entstanden.  Gleiche 
Vorsicht  sei  nöthig  bezüglich  der  Feuersteinsplitter, 
da  namentlich  in  heissen  Ländern  dieselben  ein- 
fach durch  Absplittern  entstanden  sein  können  und 
dieselben  dann  nicht  als  Artefacte  angesehen 
werden  dürfen. 

Darauf  bemerkt  Dr.  Wankel  (Mähren):  Auf 
die  Entgegnung  des  Hm.  Virchow,  nach  welcher 
solche  Feuersteinformen  und  Splitter  nicht  der  un- 
um&tössliche  Beweis  für  die  Gleichzeitigkeit  der 
ausgestorbeneu  Thiere  mit  den  Menschen  sind,  da, 
wie  bekannt , ähnliche  Formen  auch  durch  Ab- 
splitterung in  Folge  Temperaturwechsels  z.  B.  in 
der  Wüste  entstehen  können,  erlaube  ich  mir  zu 
erwidern , dass  ich  allerdings  in  der  lybischcn 
Wüste  hei  Sakara  in  Aegypten  eine  grosse  An- 
zahl derselben  gesammelt  habe.  Bei  näherer  Unter- 
suchung und  Vergleichung  zeigte  sich  jedoch  ein 
auffallender  Unterschied.  Vorerst  sind  die  Splitter 
ungewöhnlich  breit , Hach  und  sehr  dünn , dann 
fehlt  ihnen  constant  der  durch  das  Schlagen  ent- 
standene sogenannte  Erhebungskegel.  Auch  sind 
die  dort  vorkommenden  Nucleus  ähnliche  Formen, 
während  die  durch  Menschenhände  entstandenen 
Nuclei  kemartig  rundlich  sind,  sind  jene  Hach  und 
grösstentheils  nur  auf  einer  Seite  mit  nach  allen 
Richtungen  gehenden  halbmuscheligen  Absplittc- 
rungsHächen  bedeckt.  Es  gibt  jedoch  auf  der 
Nekropole  von  Sakara  einzelne  Stellen , die  mit 
abgesplittcrten  Spänen  bedeckt  sind,  welche  keinen 
Zweifel  übrig  lassen , dass  sie  nicht  durch  Men- 
schenhände entstanden  sind. 

Was  die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit 
dem  Mammuth  und  anderen  ausgestorbenen  Thieren 
anbetrifft , so  ist  dieselbe  in  Mähren  vollkommen 
constatirt  und  zwar  durch  das  Rippenfragmeut  eines 
Mammuth,  das  mit  Reuthierknochen  in  einer  Kultur- 
schichte  aus  der  Rcnthierzeit  der  Byciskäla- 
Flohle  in  Mähren  gefunden  wurde  und  deutliche 
Spuren  zeigt , dass  dasselbe  in  frischem  Zustande 
bearbeitet  wurde.  Ferner  ist  ebenso  die  Gleich- 
zeitigkeit des  Menschen  mit  dem  Höhlenbären,  der 
früher  ausgestorben  zu  sein  scheint,  als  das  Mam- 
muth , in  der  Ewagrotte  hei  Adamettal  in 
Mähren  nachgewiesen  worden ; hier  fand  sich  unter- 
halb einer  Kulturschicht  aus  der  Rcnthierzeit  eine 
Travertinbreccie , in  welcher  Kohle , geschnitzte 
Höhlenbärenknochen  und  eine  grössere  Menge  auf- 


*) Archiv  für  Anthropologie  IX.  Bd.  1870. 


geschlagener  Röhrenknochen  des  Höhlenbären  nebst 
vielen  Feuersteinwerkzeugen  eingewachsen  sind. 
Das  Nähere  darüber  ist  in  den  Mittbeilungen 
der  anthropologischen  Gesellschaft  zu 
Wien  von  diesem  Jahre  veröffentlicht. 

Prof.  RUdlnger  berichtet  dann  über  die 
verschiedenartige  Richtung  der  Win- 
dungen und  Furchen  an  dem  Grosshirn 
je  nach  ihrer  Abstammung  aus  brachy- 
o d e r dolichoceplialen  Schädeln.  Die  Win- 
dungen und  Furchen  an  dem  Hirn  eines  Brachy- 
rephalus  haben  eine  vorwiegend  froutale,  und 
au  dem  Hirn  eines  Dolichocephalus  eine  mehr 
sagittale  d.  Ii.  schiefe  Richtung. 

Die  zweite  Mittheilung  des  Vortragenden  be- 
traf die  Unterschiede  an  den  G ross hirn Win- 
dungen bei  den  beiden  Geschlechtern. 
Diese  formellen  Unterschiede  können  schon  an  dem 
Hirn  vom  Foetus  erkannt  werden. 

Hr.  Aug.  Hartmann  (München)  legt  eine  dem 
historischen  Vereine  von  Oberbarem  gehörige  Karte 
der  „Hochäcker-  nördlich  von  München 
vor  und  skizzirt  den  Stand  der  einschlä- 
gigen Forschung.  (Ueber  den  Begriff  „ H o c h - 
äcker“  und  die  bisherige  Literatur  s. 
„Archiv  f.  Gesell,  v.  Oberfranken*  Bd.  XII 
Hfl.  2 p. 88— 96,  Bericht  d er 0.  Allgemeinen 
Versammlung  der  Deutschen  Anthropologischen 
Gesellschaft  p.GO-63;  Oherbayerisches  Ar- 
chiv Bd.  35  p.  115-157). 

Die  von  dem  Oberlieutenant  a.  D.  Hm.  Diem 
gefertigte  Karte,  24  (^uadratfuss  gross,  umfasst  die 
auf  einer  Fläche  von  mehr  als  100000  Tagwerk 
zerstreut  und  im  Zusammenhang  vortindlichen  Hoch- 
äcker zwischen  München,  Freising  und  Dachau. 
Sie  sind  cingezeichnet  auf  die  von  der  k.  Steuer- 
katastercpminission  herausgegebenen  Specialklätter 
der  bayerischen  Landesvermessung.  Jede  Parcellc, 
worauf  Hochäcker  Vorkommen , ist  nuinerirt,  und 
sind  in  beigefügter  Tabelle  unter  der  betreffenden 
Nummer  folgende  Punkte  angegeben:  Gemeinde; 
Flächeninhalt;  Form;  Beschaffenheit  der  Erdkrumc, 
des  Mittelgrundes  und  Untergrundes;  Zahl,  Länge, 
Breite,  Höhe  und  Richtung  der  Beete;  gegenwärtiger 
Kulturzustand;  Umgebung,  endlich  „besondere  Be- 
merkungen“. Bei  der  verhältnissmässig  weiten  Aus- 
dehnung des  behandelten  Gebietes  ist  mit  dieser 
ausgezeichneten  Arbeit  für  die  descriptive  Kennt- 
niss  der  oberbayerischen  Hocliäcker  eine  exacte 
Grundlage  gewonnen.  Es  handelt  sich  nun  um 
Vergleichung  mit  den  etwa  ausserhalb  Oberbayems 
vorhandenen  ähnlichen  Resten  alten  Ackerbaues. 
Man  bat  bereits  Nachrichten  über  derartige  Spuren 
in  Württemberg,  Pommern,  Hannover,  Oldenburg, 
Schleswig -Holstein , Dänemark  und  England  zu- 
sammengestellt (Oberbayer.  Archiv  Bd.  35  p.  136  ff.). 
Doch  sind  die  bisherigen  Nachrichten  noch  viel  2u 
unvollständig,  um  einen  Schluss  zu  gestatten;  na- 
mentlich fehlen  ausreichende  Massangaben.  Redner 
fordert  daher  dringend  auf,  auch  die  alten  Acker- 


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bäumte  jener  Gegenden  tiAlier  zu  untersuchen  und 
wo  möglich  kartographisch  darzustellen. 

Prof.  Ohlenschlager  (München):  I>ie  Tat- 
sache. dass  die  Ilochäeker  jetzt  zum  grossen  Theil 
von  Wäldern  bedeckt  sind , weist  offenbar  darauf 
hin.  dass  das  Ende  der  Hoehackerkultur  und  der 
Anfang  des  Waldanfluges  zeitlich  unmittelbar  auf 
einander  folgen  mussten;  es  kommt  jetzt  darauf  an. 
das  Alter  und  den  nicht  unterbrochenen  Itestand 
eines  solchen  Waldes  nachzuweisen. 

Glücklicherweise  sind  wir  in  der  Lage,  von 
einigen  Forsten,  die  über  Hochäckeru  aufwuelisen. 
auf  mehrere  hundert  Jahre  das  Alter  mit  Gewiss- 
heit und  auf  etwa  ein  Jahrtausend  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  zu  bestimmen.  Diese  Wälder 
sind  der  G rü n w a Id e r Forst  und  der  Delsen- 
hof er  Forst  am  rechten  und  der  sogenannte 
Forstkasten  am  linken  Isarufer,  beide  wenige 
Stnnden  südlich  von  München.  Diese  Wälder  sind 
in  «lein  topographischen  Atlas  von  Bayern  Blatt 
München  und  Wolfratshausen  v.  J.  1810,  in  der 
Karte  von  Michel  v.  J.  1768,  dann  in  der  Karte 
von  Fink  v.  J.  1684  deutlich  dargestellt  und  in 
der  Karte  Apians  v.  J.  1566,  wenn  auch  hier  nicht 
mit  genauer  Grenzangabe,  eingetragen. 

Der  Grfinwalder  Forst,  10732  Tagwerk,  be- 
findet sich  seit  langer  Zeit  im  Besitz  des  baye- 
rischen Herrscherhauses  und  wird  schon  1348  er- 
wähnt; der  Forstkasten  ist  seit  undenklicher  Zeit 
in  dem  Besitz  des  um  1253  gegründeten  Hospitals 
zum  heiligen  Geist  in  München.  Der  letztere  hängt 
unmittelbar  zusammen  mit  dem  ebenfalls  der  baye- 
rischen Ilcrrscherfamilic  ungehörigen  Forstenrieder 
Park,  welcher  12  500  Tagwerk  umfasst. 

Betrachten  wir  nun  eine  Karte  von  Bayern, 
welche  alle  Ortsnamen  enthält,  so  füllt  es  auf, 
dass  in  dem  Namcngewimniel,  welches  diese  Karten 
bedeckt . an  einzelnen  Stellen  sieb  Lücken  und 
Lichtungen  befinden , dicht  eingefasst  * von  den 
Namen  der  umliegenden  Ortschaften , z.  B.  am 
linken  Ufer  der  Isar  zwischen  Landshut  und  Landau; 
es  sind  dies  die  Sumpf  - und  Moosgegenden  der 
naheliegenden  Flüsse;  aber  auch  an  nicht  sumpfigen 
Stellen  treten  solche  Lücken  auf,  und  der  Grfln- 
walder  und  Forsten ried er  Park  bilden  solche  weit- 
ausgedehnte  ortschaftslose  Landstrecken. 

I)a  der  Boden  in  den  Wäldern  an  Güte  dem 
die  Wälder  umgehenden  Ackerboden  nicht  nach- 
steht , so  müssen  besondere  Verhältnisse  die  Be- 
wohner des  Landes  seiner  Zeit  verhindert  haben, 
anch  diese  Strecken  ins  Bereich  des  Feldbaues  zu 
ziehen  oder  doch  durch  eingebaute  Ortschaften  zu 
unterbrechen.  Die  Gründe  werden  sich  am  natür- 
lichsten darin  suchen  lassen , dass  diese  Plätze 
auch  zur  Zeit,  wo  die  umliegenden  Ortschaften  ge- 
gründet wurden,  mit  dichtem  Wald  bedeckt  waren 


und  frühzeitig  in  feste  Hände  kamen  (vielleicht 
schon  damals  in  den  Besitz  des  Herrscherhauses). 

Auch  eine  Reihe  von  Namen  der  angrenzenden 
Ortschaften  deuten  darauf  hiu,  dass  sie  in  oder  an 
einen  bestehenden  Wald  bingclmut  wurden , z.  R. 
Strasslach.  Kreuzbulach.  Edenbulach,  Perlach  und 
Grünwald,  ferner  Hessellohe  und  Pullach,  während 
die  Namen  Fürstenried , Forstenried  und  Martins- 
ried uns  anzeigeu,  dass  sie  auf  Waldrodungen  ge- 
gründet wurden. 

Da  nun  etwa  ein  Dutzend  der  angrenzenden 
Ortschaften  schon  im  achten  Jahrhundert  urkund- 
lich genannt  sind,  so  wird  es  kaum  zu  gewagt  er- 
scheinen , ihre  Entstehungszeit  mit  der  Einwande- 
rung der  Bajuwaren  gleichzeitig  oder  nicht  viel 
später  anzusetzen  und  anzunehmen,  dass  der  Waltl 
in  dieser  Ausdehnung  vor  dem  Einmarsch  der 
jetzigen  Bewohner  entstanden  ist. 

Dass  diese  Wälder  aber  zn  Zeiten  der  Rönier- 
herrschaft  nicht  in  ihrer  jetzigen  Ausdehnung  be- 
standen haben  können , zeigen  die  jetzt  wald- 
bedeckten Schanzen  von  Deisenhofen , deren  rö- 
mische Abstammung  bewiesen  werden  kann,  und  in 
deren  unmittelbaren  Nähe  sich  Hochäcker  finden, 
sowie  die  Schanzen  von  Laufzorn.  Kreuzbulach  und 
Grünwald . die  gewiss  nicht  an  Stellen  angelegt 
wurden , wo  der  Wald  jede  Aussicht  verdeckte, 
ferner  die  durchziehende  Römerstrasse , welche 
sicherlich  nicht  so  angelegt  war , dass  ein  allzu- 
naher Wahl  dem  Feind  ein  willkommenes  Versteck 
bieten  konnte. 

Bewährt  sich  die  mehrmals  überlieferte  Nach- 
richt , welche  aber  nochmals  genau  untersucht 
werden  muss,  «lass  die  Römerstrasse  die  Hoch- 
ackcrfluren  an  einigen  Stellen  deraqt  quer  durch- 
sehneidet,  dass  die  Furchen  rechts  der  Strasse  als 
Fortsetzung  der  Furchen  links  derselben  erscheinen, 
wie  dies  z.  B.  auf  dem  Marsfehl  einmal  deutlich 
zu  sehen  ist,  so  dürfen  wir  unbedenklich  behaupten, 
dass  die  Strasse  jünger  ist.  als  diese  Kulturen, 
und  da  die  Strasse  nach  den  Meilensteinen  von 
Valley  und  Günzlhofen  im  Jahre  201  n.  Ch.  schon 
vorhanden  war,  so  ergibt  sich,  dass  es  schon  vor 
201  an  jenen  Stellen  üochäckerbecte  gegeben  haben 
muss. 

Damit  ist  aber  noch  keineswegs  bewiesen,  ob 
die  Körner  oder  die  von  ihnen  verdrängten  kel- 
tischen Bewohner  diese  Bauart  in  unser  Land  ge- 
bracht haben , und  eben  so  wenig,  wie  lange  man 
vor  der  Römerzcit  oder  selbst  nach  derselben  sieh 
dieser  Ackerform  noch  bedient  hat.  Doch  wissen 
wir  jetzt , dass  wenigstens  an  diesem  Platze  zur 
Zeit  der  Römer  sich  Hochäcker  fanden,  die  ni«'ht 
vom  Wald  bedeckt , also  wahrscheinlich  in  Be- 
trieb waren. 


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Die 


General  Versammlung 


der 

Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft 

findet,  laut  Beschluss  des  Vorstandes  vom  6.  Juli,  am 

24.,  25.  uncL26.  September  d.  Js. 
in  Constanz 


statt. 


Der  Umstand,  dass  die  Versammlung  der  deutschen  Naturforscher  und  Aerzte  vom 
17.  bis  22.  September  d.  Js.  in  München  tagt,  hat  die  zeitliche  Annäherung  dieser 
beiden  Versammlungen  wünschenswerth  erscheinen  lassen.  Das  ausführliche  Programm 
wird  der  nächsten  Nummer  beigelegt  werden. 

München,  am  6.  Juli  1S77. 


Kollmann,  Generalsekretär. 


Akademische  Hucbdrockrrri  von  F.  Straub. 


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I N H A I»  T. 


Kr.  1.  Januar. 

Virchow:  Die  Ziele  und  Mittel  der  modernen  Anthro- 
pologie. 8.  1.  — Benfey:  Kenntnis»  de«  Salzes 
bei  den  ln dogcr manen.  S.  7.  — R.  Andree:  Die 
vorgeschichtlichen  Alterthttmer  in  der  Umgegend 
Leipzigs.  S.  8.  — Das  Urnenfeld  bei  Borgsted t.  — 
Grenzstein  mit  Runen  in  Schweden. 

Kr.  2.  Februar. 

Kollmann:  Der  VIII.  internationale  Congress  für  An- 
thropologie etc.  in  Pest.  S.  9.  — Sitzungsbericht  des 
anthropologischen  Vereins  in  Danzig  bes.  überDr. 
Mannhardt’«  Schrift:  Roggenwolf  und  Roggen- 
hund. S.  18. 

Kr.  3 u.  4.  März. 

Kollmann:  Die  statistischen  Erhebungen  über  die 
Farbe  der  Augen,  der  Haare  etc.  bei  den  Wenden. 
S.  17.  — v.  llöldcr:  Vorschlag  zur  Verständigung 
über  eine  gemeinsame  Methode«  für  Schadeimes. 
Billigen.  S.  18.  — Sitzungsbericht  der  Hamburger 
anthropologischen  Gesellschaft  (J.  W.  Spenge  1, 
Unna  jr.  R.  Krause).  S.  27.  — M.  Ausgrabungen 
iin  Lüneburgischen.  S.  28.  — C.  Mehlis:  Ar- 
chäologische« vom  Rhein.  S.  30.  — W.  Krause: 
Hügelgräber  in  der  Grafschaft  Hohn  stein.  S.  31. 
— S.  M ü 1 1 e r : Die  Schwertstäbe  des  Brouzealters. 
S.  31.  — A.  Ecker:  American  anthrojKdogieal 
asaoeiation. 

Kr.  6.  April. 

Kollmann:  Die  Statistik  über  diu  Farbe  der  Augen  etc. 
in  Saclisen-Altenburg.  S.  33.  — Sitzung  der  anthro- 
pologischen Vereins  zu  Danzig.  S.  34.  — Sitzung 
der  anthropologischen  Gesellschaft  zu  G ö tt i n ge n. 
8.  35.  — Bardeleben:  Sutura  froutalis  persistens. 
S.  36.  — Klopfleisch:  Prähistorische  Thon  - 
gef&ssscherben  aus  der  bayerischen  Oberpfalz  und 
au«  Ungarn.  S.  37.  — G. : Zusammenstellung  der  in 
'Württemberg  vorkommeudeu  Schädelformeu  (Receti- 


siou).  S.  38.  — W.  Ganz  hör«:  Antiquarische 
Funde  bei  Gundelsheira.  S.  39.  — Alterthuinsfunde 
in  Sachsen.  S.  40.  — Kollmann:  K.  v.  Baer  +. 

Kr.  6.  Juni. 

Th.  v.  Bi scho ff:  Ein  angeblicher  Fäll  von  llyhridität 
beim  Menschen.  S.  41.  — II. : Das  Urnenlager  vom 
Horgstedter  Feld.  S.  44.  — Mehlis:  Archäolo- 
gisches vom  Rhein.  S.  45.  — J.  II.  Müller:  Heid- 
nische Altert hümer.  S.  46.  — Frnas:  Der  Lud- 
wigsburger Grabfund.  S.  47. — Leincr:  Eine  ale- 
mannische Begräbnisstätte  hei  Welschiiigen.  S.  48. 
— Urnenfund  in  Delinitz  lud  Wurzen. 

Kr.  7.  Juli. 

N eh  ring:  Eine  vorgeschichtliche  Steppe  der  Provinz 
Sachsen.  S.  51.  — Sitzungsbericht  des  anthropo- 
logischen Vereins  zu  Danzig  (Mannhardt:  Baum 
kultus  der  Germanen  und  ihrer  Nachbarst&mme). 
S.  53.  — Sch euf fler.  Steinkrois  bei  Löb&u.  S.  56. 

Kr.  8.  Auguat. 

R.  Virchow:  Die  Bronzezeit.  S.  56.  — Heidnische 
Alterthümcr  und  Denkmäler.  S.61.—  Birke  ntheer 
in  Pfahlbauten.  S.  63.  — Zapf:  Ringwalle  auf  der 
Wallleithen  bei  Stad tstei nach.  S.  63.  — Hünengrab 
bei  Poln.  Broddeu.  S.  64. 

Kr.  9.  September. 

Tagesordnung  der  VIII.  allgemeinen  Versammlung  zu 
Constanz  S.  65.  Begrüssungsredeu  (Virchow, 
W inte  rer  und  Lein  er).  S.  66.  — Telegramm 
Sr.  kgl.  Hoheit  des  Grossherzogs  von  Baden. 
— Ueberaicbt  über  die  (’ouimissionsberichte.  S.  70. 
— Der  Kassenbericht  und  Vorschläge  des  Hm. 
Weismann  und  Decharge.  S.  71.  — Das  Budget 
des  neuen  Vereinsjahre«.  S.  72.  — Die  Wahl  der 
Vorstandschaft  und  des  Versammlungsortes  für  die 
IX.  allgemeine  Versammlung.  S.  76.  — Ernennung 
S c h 1 i e tu  a n n ' s zum  Ehrenmitgliede.  — Dank  und 
Monument.  — Der  VIII.  Versammlung  vorgelegte 


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IV 


Inhalt. 


Werke.  S.  76  — V i rc ho  w : Eröffnungsrede.  S.  77. 
— K o 11  in  a u ii : Wissenschaftlicher  Bericht  S.  87.  — 
Mittheilungen  des  Vorsitzenden.  — Berichterstattung 
der  Commissioneu  durch  die  Ilrn. : Fraas,Schaaff- 
hauaen,  Virchow.  8.  HH  — Daran  anschliessend 
Dr.  C.  E.  E Hoffman n.  8.  99. 

Nr.  10.  October. 

v.  Schroedter:  l'eher  Imlianergräher  in Costarica. 8.09. 
— Bronzen  , Nephrite  und  Schädel  aus  schweizer 
Pfahlhauten : Gross.  Desor.  Wurmhrand f Vir- 
chow. S.  100.  — Vorträge  und  Discussion  Ober 
prähistorische  Kunst:  Ecker,  Virchow, 
Fr  aas,  Forel,  Messiko  mm  er,  Wurmbrand, 
Ecker,  Schaaffhausen,  Juos  , Mehlis, 
K oll  mann.  Merk,  Orth.  8.  103  u.  114.  — R. 
Virchow:  Die  Pfahlhauten  hei  Nioderwyl.  S.  113. 
— Fischer:  Nephrit.  8.  122.  — Orth:  Glacial- 
Erscheinungen  bei  Berlin.  S.  125.  — l'eber  Schalen* 
steine:  Desor,  Virchow,  Mehlis,  Schaaff- 
hausen,  Vtfss.  S.  1*26. 

Nr.  11-  November. 

Mikrocephalie  (die  Familie  Becker):  Kollmann, 

Krause,  Virchow,  Schaaffhausen.  8.  131.  — 
Lucae:  Wachsthum  des  Schädels  nach  der  Ge- 
burt. S.  135.  — Schaaffhausen:  Prähistorische 
Funde  im  Rheinland  und  Westfalen.  S.  136;  I)is- 


cuasion  S.  142. — Kollmann:  Feber  raesocephale 
Schädel.  8.  143.  — Johannes  Rauke:  Cranio- 
logische  Mittheilungon  über  die  Landbevölkerung 
Althayerus.  S.  144.  — Virchow:  Anthropologische 
Mitteilungen  aus  Livland.  8.  147.  Discussion. 
Wurmhrand:  Beiträge  zur  Frage  Uber  die  Ge- 
winnung des  Eisens  und  die  Bearbeitung  der 
Bronze.  8. 150.  Discussiim.  — W u rm  b r a n d : Bohr- 
methoden  des  Steins  in  prähistorischer  Zeit.  S.  155. 
— Virchow:  Feber  die  nördlichen  Pfahlbaufunde. 
S.  155.  — Fraas:  Feber  die  Schussenrieder  Pfahl- 
hauten. S.  160. 

Nr.  12.  December. 

Die  Section  für  Anthropologie  auf  der  50.  Versammlung 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte.  S.  167  Koll  - 
mann:  Schädelformen  Deutschlands  in  prähisto- 
rischer Zeit.  — Wilckens:  Schädelformen  den 
Rindes.  — J.  Ranke:  Oberbayerische  Schädel  ~ 
formen.  — Wurmbrand:  Mensch  und  Fauna  der 
LöBBbilduugeu.  — Wank u 1 . Dasselbe.  — Uft- 
dinger:  Gehirn -Windungen  bei  Lang-  und  Kurz- 
köpfen, und  bei  den  verschiedenen  Geschlechtern. 
— Hart  mann  A.:  Hochäcker.— üh  lense  hl  ager : 
Alter  der  Uochäcker. 

Titel.  Inhalt. 


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Correspondenz  - Blatt 


der 


deutschen  Gesellschaft 


fiir 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 

ix. 

Jahrgang  1B7B. 

Redigirt  ron 

Professor  Julius  Kollitianu  in  Basel 

(Nummer  1 bi»  8) 

und 

Professor  Johannes  Ranke  in  München 

(Nummer  9 bi»  12). 


München. 

Akademische  Buchdruckerei  von  F.  Straub. 
1838. 


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INHALT. 


Nr.  1.  Januar. 

L.  Lindenscb  mit,  Sch lie in ann's  Entdeckungen  in  , 
Mykene  und  die  Kritik.  S.  1.  — Sitzungsberichte 
der  Lokalvereine.  Sitzung  des  anthropologischen 
Vereins  za  Jena  am  11.  Dezember  1876.  Karl 
Martin,  Lebensweise  and  Geräthe  der  siid-chile-  | 
niscben  Indianer.  S.  6.  — Sitzung  vom  15.  Januar 
1877.  Schwalbe.  Ober  die  menschlichen  Haare. 

S.  7.  — K.  Martin,  Behaarung  der  Wilden.  S.  8. 

— Klop fleisch.  Zwei  Skeletfunde.  8.*  — Klei- 
nere Mittheilungcn.  Uraunschweig.  S.  8. 

Nr.  2.  Februar. 

Sitzungsberichte  der  Lokalvereine.  Sitzung  des  anthro- 
pologischen Vereins  zu  Danzig  am  27.  Oktober  1876. 
Lisaauer,  die  Sammlung  des  Daniiger  Lokalver- 
eins. 8.9.  — „Symbolische“  Steinhämmer.  S.  10.  — 
Florkowski,  Bohrung  der  Stein  Instrumente.  8.11. 

— Helm  und  Mannhardt,  bearbeitete  Bematein- 
stöcke. S.  11. — Sch  ück.  Inhalt  eines  Kegelgrabes. 

S.  11.  — Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Göttingen  am  20.  Mai  1877.  Unger,  über  den 
Einfluss  de«  Klimas  auf  die  Kntwickelung  der  Konst, 
speziell  der  Architektur.  S.  11.  — Ehlers,  Schädel 
von  eingeborneu  Inselbewohnern  der  TorTPHstnuse. 

S.  12.  — Sitzung  des  anthropologischen  Vereins  in 
Jena  aui  21.  Februar  1877.  Fort. läge  über  die 
wilde  und  zahme  Völkerfamilie.  S.  12.  — Wissen-  < 
schaftliche  Mittheilungcn.  M Freu  ekel.  Aus- 
grabungen bei  Cötben.  8.  14.  — Zur  Literatur  über 
Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  in 
Deutschland.  Archiv  für  Anthropologie.  111.  Heft. 

S.  1«. 

Sr.  8.  Mürz. 

Geaellschaftsnacimchten.  Gründung  von  Zweigvereinen 
in  Kiel  und  Münster.  S.  17.  — 0.  Fr  aas,  prä- 
historische Karte.  Bitte  an  die  Mitglieder  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft.  S.  17.  — 

C.  S t r u c k m a n n , Vorkommen  von  bearbeiteten 
Steinen  im  Kieslager  von  Bobbin  auf  der  Halbinsel 
Jasmund,  Insel  Bügen.  S.  18.  — Engelhardt,  1 
Grabfunde  auf  der  Insel  Seeland.  S.  19.  — Kraul, 
von  Boxberg,  über  Niederlassungen  aus  der  Beim-  j 
thierzeit  irn  Mojeune- Departement.  S.  20.  — von 
Zmigrodzki,  prähistorische  Funde  auf  dem  Loden  ! 
des  altpoiniscben  Reiches.  S 28.  — Zur  Literatur  > 
über  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  in 
Deutschland.  Zeitschrift  für  Ethnologie,  Inhalt  des  i 


II.  Heftes.  Verhandlungen  der  Berliner  anthropo- 
logischen Gesellschaft.  S.  24. 

Nr.  4.  April. 

Voss,  über  den  Fund  einer  Hradiftte  bei  Stradonic  in 
der  Gegend  von  Bernau  in  Böhmen.  S.  25.  — 
Schaaffh&usen : Dr.Carl  Fuhlrott  Nekrolog. 
8 27.  — Eine  unechte  Raneninschrift  in  Livland. 
S.  30.  — Weis  mann,  Mitglieder-Verzeichniss  der 
deutscheu  anthropologischen  Gesellschaft  nach  dem 
Stande  Ende  1877.  S.  30.  Badischer  anthropologi- 
scher Verein.  S.  30.  — Zur  Literatur  über  An- 
thropologie, Ethnologie  and  Urgeschichte  in  Deutsch- 
land. Zeitschrift  für  Ethnologie  1877.  III.  Heft. 
Inhalt  Verhandlungen  der  Berliner  anthropologi- 
schen Gesellschaft. 

Nr.  5.  Mai. 

Weis  mann,  Mitglieder-Verzeichniss  der  deutschen  an- 
thropologischen Gesellschaft  nach  dem  Stande  Ende 
1877,  Fortsetzung  und  Schluss.  8.33.  Berliner  an- 
thropologische Gesellschaft  S.  33.  — Niederrheini- 
sche Gruppe  in  Bonn  und  Köln  S.  36.  - Koburger 
Lokalverein.  S.  37.  — Danziger  Lokalverein  S.  37. 
— Lokalvorcin  in  Elberfeld.  8 38.  — Frankfurter 
Gruppe.  S.  38.  — Groppe  in  Gotha.  8.38.  — Göt- 
tinger anthropologischer  Verein.  8.  S8.  — Groppe 
Hamburg-Altona.  8.  39.  — Anthropologischer  Ver- 
ein in  Jena.  8.  39.  — Lokalverein  in  Königsberg. 
3.  40.  — Mainzer  Gruppe.  S.  40  — Münchener 
anthropologische  Gesellschaft.  $.  40.  — Schleswig- 
Holsteinischer  Zweigverein  in  Kiel.  S.  42.  — Weis- 
senfelser Verein  filr  Natur-  und  Alterthuinskunde. 
8.  43.  — Westphälische  Gruppe  in  Münster  S.  41.  — 
Grnppe  in  Wien.  8.  45.  — Anthropologischer  Ver- 
ein in  Würzburg.  8.  45.  — Wörtern berg'wche  an- 
thropologische Gesellschaft  S.  45.  — Nachtrag: 
Gruppe  in  Basel-  S.  49.  — Gruppe  in  Stralsund. 
8.  49.  — Isolirte  Mitglieder  der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  S.  47.  — Verzeichniss  der 
lebenslänglichen  Mitglieder  der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft.  8-  50  — Ehrenmitglieder. 
S.  50  — Schriftenaustausch.  S.  50.  — Zusammen- 
stellung der  Zweigvereine  und  Gruppen.  S.  49. 

Nr  6.  Juni. 

Vereins-Nachrichten.  Die  Generalversammlung  der  deut- 
schen anthropologischen  Gesellschaft  in  Kiel.  Auf- 
ruf. S.  52.  — M.  Roth  an  er,  der  prähistorische 


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Kupferbergbau  in  Nordamerika.  S.  52.  — Sitzungs-  j 
berichte  der  Lokalvereine.  Sitzung  des  Schleswig-  | 
holstein'schen  Zweigvereins  am  15.  Man  1878. 
Handelmann  and  Pansch,  neue  Gräberfunde. 
8.54.  — Strauch,  über  die  angeblich  vergifteten  j 
Pfeile  der  Südsee-lnsulaner.  S.  55.  — J. Moatorf,  i 
Fund  bei  Ellerbeck  S.  55.  — Kleinere  Mittheil-  . 
urigen:  Victor  Gross.  Deuz  Station«  lacustres 
Mörigen  et  Auvernier-  S.  57.  — Gräber  bei  Ramsen,  j 
S.57.  — 0.  Fr  aas,  galvano  plus  tische  Naehbildnng  j 
der  Thayinger  Funde.  S.  57.  — Nachricht  für  die  ; 
Besucher  in  Lübeck.  8.  58.  — Bei  der  Redaktion 
eiugelaufene  Werke  bis  Anfang  April  1878.  S.  58.  1 

Kr.  7.  Juli. 

Roll  mann,  kraniometrische  Konferenz  im  September 
1877  zu  München.  S 59.  — Sitzungsberichte  der 
Lokalvereine.  Sitzung  des  anthropologischen  Ver-  ] 
eins  zu  Danzig  vom  7.  November  1877.  S.  60.  — ; 
Mannhardt,  Ausgrabungen  bet  Stargardt  und 
Danzig.  S.  61.  — Sitzung  desselben  Vereins  vom 
28.  Januar  1878.  S.  68.  Schück,  Ausgrabungen 
iui  tierenter  und  Kartlmuser  Kreise.  S 63.  — 
Li b sauer,  Auffindung  angeblich  phOnizischer  In- 
schriften auf  nord -europäischem  Boden.  8.  64.  — 
Mann  har  dt,  über  Sprache,  Schrift  und  Epigraphik 
der  Phönizier.  S.  65.  — Much,  Kamenebabe,  Stcin- 
miitterchen.  S.  66.  — Verhandlungen  der  Berliner 
anthropologischen  Gesellschaft.  Sitzung  vom  17.  Fe- 
bruar; 17.  März.  — 7.  April  1877.  S.  66.  — Klei- 
nere Mittheilungen.  S.  66.  cfr.  dasselbe  Nr.  6. 

Nr.  8.  August. 

Sitzungsberichte  der  Lokalvereine.  Sitzung  des  anthro- 
pologischen  Vereins  zu  Danzig  vom  12.  April  1878.  | 
Mannhardt,  Gesichtsurnen.  S 67. — Lissauer,  1 
Vorgeschichte  des  Calroer  Landes.  S.  68.  — C. 
Mehlis,  Grabhügelfeld  bei  Ramsen.  S.  72. 

Nr.  9.  September. 

Bericht  über  die  IX.  allgemeine  Versammlung  der  deut- 
schen anthropologischen  Gesellschalt  zu  Kiel  ain  j 
12.— 14.  August  1878  mit  den  Stationen  Hamburg  i 
und  Lübeck,  redigirt  von  Johannes  Ranke,  Ge-  | 
nemlnekretär. 

Tagesordnung  und  Verlauf  der  IX.  allgemeinen  Ver-  | 
Sammlung.  S.  75.  — Mitglieder  - Verzeichnis!  der  : 
IX.  allgemeinen  Versammlung.  S.  76.  — Das  den 
Mitgliedern  der  IX.  allgemeinen  Versammlung  ge- 
botene Studienmaterial.  S.  78.  - Die  der  IX.  all- 
gemeinen Versammlung  vorgelegten  Bücher  und 
Schriften.  5.  82.  — Erste  Sitzung:  Schaaff- 
hausen,  Eröffnungsrede.  S.  84.  — Lorenzen, 
Begrüßungsrede.  S.  88.  — liandelraann,  Be- 


grüßungsrede. S.S8.  — Johannes  Ranke,  wis- 
senschaftlicher Bericht  des  Generalsekretärs.  S.  90. 
Mit  Beilage  1. : Neue  unterirdische  Gänge  in  Kissing. 
— Weismann,  Kassenbericht.  S.  94.  — Zweite 
Sitzung:  Neuwahl  der  Vorstandschaft  und  des 
Ortes  der  X.  allgemeinen  Versammlung.  S.  97.  — 
Berichterstattung  der  drei  Kommissionen : 0.  Krau  s, 
prähistorische  Karte  S.  98  — R.  Virchow,  Sta- 
tistik der  Schidelfornien  in  Deutschland.  S.  100  — 

Nr.  10.  Oktober. 

Portsetzung  des  Berichtes  der  IX.  Versammlung.  Vir- 
cbo  w,  Fortsetzung  des  Kommissionsberichte*.  S.  107. 
— Schaaffhftusen,  da*  anthropologische  Material 
in  Deutschland.  8.  111.  — Scbaaffhausen,  der 
Neanderthaler  Fund.  S.  116.  — C.  Mehlis,  Aus- 
grabungen auf  der  Limburg.  S.  120.  — J.  Ranke, 
Beiträge  zur  Kraniologie  der  Bayern  und  ihrer 
Machbarst*  ru  tue.  S.  123.  — S t i e d a , über  die  Esten 
mit  Bemerkungen  über  Methode  der  Schädel tnew- 
utig.  Demonstration  einer  neuen  Konservirungs- 
Methodc  für  anatomische  Präparate.  8. 125.  — Vir- 
chow, slavische  Funde  in  den  östlichen  Theileu  von 
Deutschland.  S.  128. 

Nr.  11.  November. 

Schluss  des  Berichtes  der  IX. Versammlung  Virchow, 
Fortsetzung  aus  Nr.  10.  S.  139.  — WeiBmann, 
Voranschlag  für  das  Jahr  1878/79.  S.  141.  — Mook, 
Steinzeit  in  Aegypten.  S.  142.  — Krause,  über 
cbamäcepbale  Schädel  aus  der  Umgegend  Hamburgs. 
Ein  mikrocephales  Gehirn.  8. 145  — Pansch,  über 
Mikroccplialie.  S.  147.  — Virchow,  über  die  Ho- 
rizontale der  Schädel,  mit  Beilage  II:  Zeichnungen 
von  Affen,  „Affenmenschen“  und  Australiern.  S.  148. 
— Virchow,  Vorlage  von  Mannfakten  aus  dem 
Diluvium  von  Thiede  und  Westeregeln  (Nehring). 
8.  149.  — Schaa ffhausen,  über  altgermanische 
Denkmäler  im  Rheinlande.  S.  151.  Hilgendorf, 
Lucä'scher  Zoiclienapparut  zum  Reisegebrauch.  8. 155. 
— Virchow,  über  Schalensteine.  8.  155.  — O. 
Kraus,  Schädel  des  Oribos  nnd  Thayinger  Höhlen- 
kunst. S.  157.  — Johanne*  Ranke,  über  kera- 
mische Technik  und  keramisches  Ornament  au«  den 
bayerischen  Höhlen.  S.  158.  — Sc  haa  ff  hausen , 
Schlußrede  der  IX.  allgemeinen  Versammlung.  S.  159. 
— Rednerliste  der  IX.allgemeinenVersaimnlungS.lOO. 

Nr.  12.  Dezember. 

C.  Mehlis,  die  wissenschaftliche  Station  der  IX.  allge- 
meinen Versammlung  der  deutschen  Anthropologen  in 
Lübeck  und  Umgebung.  S.101.—  Kleine  Mittheilnngen. 
Bei  der  Redaktion  von  April  big  Ende  D^zembereinge- 
laufenenSchriften.  S.  1 64.— Inhaltsverzeichnis«  u.  Titel. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

»lentsclien  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  lirgesdiichte. 


lieiliyirt  im  Professor  Kothnann  in  München. 

GiHtrahmuhn  4rf  HtntUchafl. 


Nr.  1. 


Erscheint  jeden  Monat. 


Januar  1878. 


Schliemann’e  Entdeckungen  in 
Mykenä  und  die  Kritik.*) 

Dem  vielen  Schönen.  das  uns  der  Weihnachts- 
tisch diesmal  an  Werken  künstlerischen  und  kunst- 
historischen  Inhalts  brachte,  hat  sich  zuletzt  noch 
eine  archäologische  Gabe  von  hoher  Bedeutum? 
und  eigenthümlich  fesselndem  Interesse  angesohlos- 
sen:  der  längst  erwartete  Bericht  filier  die  Aus- 
grabungen Schliem ann’s  in  den  Trfimmerstfitten 
von  Tiryns  und  Mykenft:  „Mykenä,  Gericht  über 
meine  Forschungen  und  Entdeckungen  in  Mykenä 
und  Tiryns,  von  Dr.  Heinrich  Scliliemann.  Mit 
einer  Vorrede  von  W.  K.  Gladstone.“**) 

Das  vortrefflich  illustrirte  Huch  gewährt  uns 
endlich  eine  zuverlässige  Anschauung  jener  viel- 
besprochenen Schatze,  deren  Erhebung  wir  der  un- 
vergleichlichen Ausdauer  und  Opferwilligkeit  eines 
einzelnen  Mannes  und  seinem  begeisterten  Eifer  ffir 
die  Erkundung  der  griechischen  Heldensage  und 
ihrer  Schauplätze  zu  verdanken  haben. 

Besser  als  aus  allen  früheren  Schilderungen 
vermögen  wir  jetzt  zu  erkennen,  inwieweit  diese 
Künde,  einzig  in  ihrer  Art,  einen  Blick  eröffnen 
über  das  Gebiet  jener  Denkmale  hinaus,  welche  wir 
als  die  frühesten  Zeugnisse  der  hellenischen  Kultur- 
Entwicklung  zu  betrachten  pflegten,  and  kein  Zweifel 
kann  jetzt  mehr  darüber  walten,  dass  hier  Ueber- 
reste  jenes  dunkeln  Zeiträume»  vorliegen,  welchen 
wir  seither  bei  so  beschrankter  Kenntnis»  seiner 
monumentalen  Hinterlassenschaft  entweder  mit  den 

*)  Abgedruckt  aus  der  Beilage  zur  A.  Allg.  Zeitung 
vom  *22.  Jan.  Iö7b. 

**)  Leipzig,  bei  Brockhaus. 

Cvr/Mp  -BUtt  Nr.l. 


Nebelbildern  einer  urzeitlicheu  arischen  Kultur,  oder 
mit  dei  bestimmteren  Vorstellung  ägyptischer  und 
assyrischer  Bihlungsüherlieferuug  zu  beleben  und  zu 
gestalten  versuchten. 

Mussten  min  auch  diese  Annahmen  mit  der 
Entdeckung  jener  wunderbaren  (irabfünde  sich  ver- 
lieren oder  wesentlich  beschranken,  so  erhielten  wir 
mit  den  letzteren  doch  keineswegs  sofort  auch  »len 
Schlüssel  ihrer  unmittelbaren  Erklärung  in  allen  Ein- 
zelheiten sowohl  als  im  Allgemeinen  ihrer  so  über- 
raschenden Vereinigung  von  Denkmalen  so  verschie- 
dener Art  und  scheinbar  zeitlich  unvereinbaren 
Charakters. 

Messer  und  Pfeilspiueu  aus  Obsidian  neben 
Bronze-Schwertern  der  einfachsten  Form,  aber  mit 
reicher  Goldverzieruug  von  Griff  und  Scheide.  Ein- 
fachste. nur  mit  der  Hand  geformte  Thongeftsse 
neben  bemalten  Erzeugnissen  der  Töpferscheibe. 
Primitive  Relief-Sculpturen  neben  Gemmen  und  In- 
taglio».  deren  lebendige,  aber  rohe  Darstellungen 
mit  einer  schon  beacht  enswerthen  technischen  Fer- 
tigkeit ihrer  Ausführung  contrastireu.  (»old-  und 
Silbergcfässe  und  zahllose  Goldschruuckgerflthe. 
deren  Verzierungsweise,  neben  der  Verwendung  von 
Rosetten,  Blumen-  und  Ptiauzenblättern.  sich  doch 
vorzugsweise  nur  in  Zusammenstellung  concentri- 
scher  Kreise  uud  in  Variationen  der  Spirale  und 
des  Mäander»  bewregt,  andrerseits  aber  doch  wieder 
eine  Menge  von  Thiergestalten  bringt,  von  den  lu- 
secten  und  Mollusken  bis  zu  dou  VierfÜsslern  und 
ihren  fabelhaften  Verwandten,  dem  Greif  und  der 
geflügelten  Sphinx,  während  bei  der  Darstellung  von 
menschlichen  Figuren  in  Terracotta  oder  Metallarbeit 
die  ersten  Versuchsstufen  kaum  überschritteu  sind. 

1 


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o 


Untor  diesen  vielartigen  Gerät  hen  begegnen 
wir  nur  hie  und  da  bereits  bekannten  Formen  und 
Motiven;  die  Gesammtcrsrheiming  gewährt  vorwie- 
gend den  Eindruck  eines  hochulterthümlidicn  nur 
in  einzelnen  Zügen  auf  Späteres  hinweisenden  Stil- 
charakters, bei  aller  Verschiedenheit  der  Arbeiten 
in  Gold,  Edelstein,  Bernstein.  Bergkrystall,  Elfen- 
bein, nicht  nur  dein  Stoffe  selbst  nach,  sondern 
auch  dem  grösseren  oder  geringeren  Masse  von 
Geschmack  und  Geschicklichkeit  seiner  Behandlung. 

Bieten  demnach  diese  merkwürdigen  Grabfünde 
an  und  für  sich  schon  die  anziehendste  Aufgabe 
der  Forschung,  so  erhalten  dieselben  noch  eine  un- 
gleich höhere  und  allgemeinere  Bedeutung  durch 
den  Ort  ihrer  Entdeckung  und  die  bestimmte  Ueber- 
lieferung  der  griechischen  Herociisage.  welche  das 
tragische  Ende  Agamemnons  mit  demselben  in  nächste 
Beziehung  bringt.  Alles  vereinigt  sich  dahin,  uns 
auf  einen  lern  ahliegenden  Zeitraum  hinzuweisen, 
für  dessen  Beurtheilung  die  Wissenschaft  bis  jetzt 
nur  beschränkte  und  unvollständige  Mittel  bietet. 

Dieser  Mangel  an  Prüfung»-  und  Vergleichungs- 
material erklärt  auch  wohl  einigermassen  die  Zurück- 
haltung unserer  gelehrten  Kreise,  von  welchen  wir 
zunächst  die  gewünschten  Aufschlüsse  erwarten 
konnten»  Die  rasche  Folge  der  Entdeckungen  schien 
nur  geeignet  die  momentane  Rathlosfgkeit  zu  steigern 
und  die  Theilnahme  an  den  neugewonnenen  Schätzen 
ln  einem  Grade  zu  dämpfen,  dass  wir,  statt  einer 
eingehenden,  wenn  auch  noch  so  strengen,  Prüfung 
der  Ansichten  des  Entdeckers,  nur  Acusserungen 
vager  Bedenken  oder  schroffer  Ablehnung,  ja  sogar 
die  Verdächtigung  des  Alters  und  die  Echtheit  der 
Fflnde  zu  vernehmen  hatten. 

Kein  Wunder,  dass  sich  demnach  auch  ein 
Theil  unserer  Presse  an  der  Behandlung  der  Frage 
in  dieser  Richtung  betheiligte  und  in  der  Gering- 
schätzung eines  Unternehmens  wetteiferte,  welches 
an  energischer  Durchführung  und  an  Wichtigkeit 
der  Resultate  alle  früheren  Versuche  von  Privaten 
weit  überragt  und  sich  selbst  den  grossen  auf  Kosten 
der  Regierungen  ausgeführt  eil  Untersuchungen  wür- 
dig zur  Seite  stellt.  Der  sensationelle  Klatsch  be- 
fasste sich  sogar  mit  den  persönlichen  Verhältnissen 
Sr  hliemann’s  und  nahm  keinen  Anstand,  die  be- 
deutenden Summen,  welche  der  seltene  Mann  den 
Zwecken  der  Wissenschaft  opferte,  zu  verdächtigen. 

Kurz,  wir  sahen  einmal  wieder  jenen  verblen- 
deten Eifer  in  voller  Thätigkeit,  welcher  so  oft  bei 
uns  die  Leistungen  eines  Landsmannes,  die  man 
überall  anderswo  für  die  Ehre  der  Nation  zu  ver- 
werthen  sich  beeifern  würde,  so  schnell  und  gründ- 
lich als  möglich  lierahzusetzen  bemüht  ist. 


Allerdings  konnte  dieser  Verkehrtheit  die  ge- 
rechte Beschämung  nicht  erspart  bleiben,  dass  das 
gesummte  Ausland  Schlicma n n's  Erfolgen  die 
vollste  Würdigung  entgegenbrarhte . und  auch 
deutsche  wissenschaftliche  Vereine  und  Forscher 
ihm  ihre  Achtung  und  Anerkennung  auszudrücken 
sich  beeilten.  Ein  allgemeiner  Umschwung  der  An- 
sichten »teilt  um  so  gewisser  zu  erwarten,  als  jetzt 
die  Uebersicht  derGesammterpebnisse  seiner  Tliütig- 
keit  vorliegt,  mit  welcher  einer  Prüfung  derselben 
erst  eine  sichere  Grundlage  gegeben  ist. 

Mögen  nun  die  Erklärungen  des  Entdeckers 
sich  iin  Wesentlichen  bestätigen  oder  nicht,  je  ein- 
gehender nach  dem  Wunsche  Schliemann's  die 
Erörterung  derselben  sein  wird,  desto  umfangreicher 
und  vielseitiger  wird  der  Gewinn  sein,  welchen  die 
Forschung  aus  diesen  merkwürdigen  Künden  erheben 
wird.  Widerspruch  und  gegensätzliche  Anschauung 
sind  hei  Untersuchungen  dieser  Art  eben  so  uuab- 
weislich  als  für  die  möglichste  Klarstellung  förder- 
lich und  deshalb  willkommen,  sobald  sic  eine  un- 
befangene Auffassungsweise  nur  mit  wissenschaft- 
lichen Mitteln  geltend  zu  machen  suchen.  Aber 
selbst  Aeusserungen,  welche  diese  Ansprüche  nicht 
berücksichtigen,  bieten  oftmals  in  so  fern  eine  lehr- 
reiche Seite,  als  sie  die  falsche  Richtung  bezeichnen, 
in  welcher  eine  grundsätzlich  negirende  Opposition 
zu  Aufstellungen  und  Behauptungen  verleitet  wird, 
über  deren  Werth  und  Gewicht  sich  nur  Selbst- 
überhebung oder  Leidenschaft  zu  täuschen  vermag. 

Dies  bestätigt  wiederum  in  treffender  Weise 
die  neueste  Kundgebung  gegen  Sc hlieniaiin  von 
Seiten  des  Ilrn.  A.  S.  Murray  in  Nr.  203  vom 
15.  Dec.  der  Londoner  Zeitschrift  «The  Academy, 
a weckly  review  of  literature,  Science  and  art“. 

Wenn  wir  uns  veranlasst  sehen,  dieser  Be- 
urtheilung  einige  Bemerkungen  zu  widmen,  so  be- 
stimmt uns  hiezu  keine  andere  Bedeutung  de» 
Schriftstücks  als  die  Stellung  seiues  Verfassers  am 
Brittischen  Museum,  welche  seinen  Behauptungen 
und  Einwendungen,  wie  wir  bereits  den  Aeusserungen 
der  Presse  entnehmen,  immerhin  einiges  Gewicht 
zu  verleihen  im  Stande  ist,  zugleich  auch  der  Wunsch 
aus  der  beginnenden  Erörterung  der  vorliegenden 
Fragen  verwirrende  Anschauungen  zu  heseitigeu. 

Als  eine  solche  muss  es  aber  bezeichne?  wer- 
den, wenn  Ilr.  Murray  behauptet:  die  fraglichen 
Gräber  seieu  nicht  hellenischen,  sondern  germani- 
schen Ursprungs,  und  wenn  derselbe  in  dem  be- 
rühmten Gräberfelde  von  Hallstatt  die  Belege  za 
dieser  kühnen  Aufstellung  tindet.  Es  ist  Sache  der 
germanischen  Forschung,  gegen  so  schweres  Miss- 
verstündniss  sofort  in  die  Schranken  zu  treteu 


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3 


Sehen  wir  von  der  Vorfrage  ganz  ah.  in  welchem 
Sinne  hier  jenes  alpinische  Tndtenfeld  zu  den  ger- 
manischen gezählt  wird,  so  ergehen  sich  die  Ver- 
suche, aus  denselben  eine  erklftrende  Parnllelo  für 
die  Bestattungsweise  und  den  Inhalt  der  Gräber 
von  Mykenä  zu  gewinnen,  als  ganz  vergebliche. 

Zunächst  in  der  unregelmässigen  Lage  der 
Todten  von  Mykenä  und  der  Beisetzung  mehrerer 
Skelette  in  demselben  Grabe  findet  Hr.  Murray 
eine  Uebereinstimmung  mit  Hallstatt  und  eine  wich- 
tige Gemeinsamkeit  der  Todtenbestattnng,  ohne  zu 
wissen,  dass  gerade  diese  Kigenthümlichkeiten  weder 
fflr  germanische  Grabstätten  überhaupt,  noch  selbst 
für  jenen  alten  Friedhof  im  Snlzkammergut  im  ent- 
ferntesten als  bezeichnendes  Merkmal  gelten  können. 
Denn  hier,  in  den  nahezu  tausend  Grabstätten,  ist 
die  Beisetzung  der  Todten  so  überwiegend  eine 
regelmässige,  dass  nur  die  wenigen  Ausnahmen, 
welche  auf  Tafel  II  des  Sacken’schen  Werkes  ab- 
gebildet und  Seite  8 11  beschrieben  sind,  eine 

ungewöhnliche  Lage  zeigen,  die  in  den  einzelnen 
Fällen  aus  nulielicgemlen  und  ganz  anderen  Ver- 
anlassungen zu  erklären  ist,  als  die  Situation  der 
Körper  in  den  30  Fuss  tiefen  Gräbern  des  felsigen 
Bodens  von  Mykenä. 

Eben  so  wenig  kann  die  Vermischung  der  Be- 
stattung mit  theilweiser  Verbrennung  der  Leichen 
ausschliesslich  germanischem  Brauche  zugewiesen 
und.  wie  Hr.  Murray  glaubt,  „nach  dem  Zeugnisse 
der  bereits  zahlreichen  Ausgrabungen  auf  griechi- 
schem Boden“  als  durchaus  fremdartig  «1er  helleni- 
schen Sitte  gegenübergestellt  werden,  zumal  der 
Verfasser  selbst  an  anderer  Stelle  hervorzuheben 
veranlasst  wird:  dass  jene  Untersuchungen,  welche 
nur  an  geschichtlich  bekannten  Orten  ausgeführt 
wurden,  wenig  massgebend  sind  für  Erscheinungen 
auf  Gebieten , die  räumlich  ausserhalb  nächster 
Berührung  liegen  mit  der  Culturentwicklung  der 
grossen  Städte  späterer  Zeit. 

Einer  gleichen  Dürftigkeit  und  Haltlosigkeit 
der  Nachweise  begegnen  wir  in  der  Darlegung  «ler 
Verwandtschaft  einiger  Fundstücke  von  Mykenä 
und  Hallstadt  und  der  hieraus  hergeleiteten  Schlüsse 
zu  Gunsten  der  Behauptung  einer  Verschieden- 
heit des  Stils  und  «leshalh  späten  Zeitstellung  des 
Mykenis«  hen  Gesamnitfundes. 

Indem  Hr.  Murray  zwei  mehrmals  wie«ler- 
kehreude  Ornamente  der  Goldarbeiten  auch  auf 
zwei  Bronzen  von  Hallstatt  nachweist  und  ein  be- 
deutendes Gewicht  darauf  legt,  dass  dieselben  ausser 
aller  Beziehung  zu  der  russischen  Ornamentik 
stehen,  zeigt  er  nur  seine  Unbekanntschaft  mit  der 
Thats&che,  dass  es  für  das  Alter  mancher  Ver- 


zierungsmotive keineswegs  eine  unerlässliche  Be- 
dingung ist,  ob  sie  in  den  Kreis  der  classischen 
Ornamentformen  Aufnahme  gefunden  haben  oder 
nicht. 

Neben  der  in  dieser  Hinsicht  bevorzugten 
Spirale  und  dem  Mäander  haben  sich  andere  Or- 
namentmotive unter  sehr  unwesentlichen  Modifica- 
tionen  von  der  ältesten  Zeit  her  bis  zu  einer  sehr 
späten  im  Gebrauch  erhalten,  wenn  auch  nicht 
immer  in  der  Kunst,  so  doch  in  der  kunstgewerb- 
lichen und  handwerklichen  Sphäre.  Das  Dreieck 
und  Viereck  mit  verlängert  auslaufenden  und  auf- 
gerollten Winkelspitzen,  wie  es  weit  häufiger  als 
jene  von  Hm.  Murray  bervorgehobenen  Motive 
auf  den  Denkmalen  von  Mykenä  wiederkehrt,  reichen, 
wie  bekannt,  in  eine  sehr  hohe  Frühzeit  und  er- 
scheinen. obgleich  ausgeschlossen  von  der  eigent- 
lich classischen  Ornamentik,  auf  sehr  alten  Thon- 
gefässen  und  Metallarbeiten,  wie  auf  solchen  der 
römischen  Zeit,  and  hahen  sich  noch  in  «ler  soge- 
nannten Fischblasen- Verzierung  der  Spätgothik  recht 
auffällig  bemerkbar  gemacht. 

Dass  man  berechtigt  wäre,  einen  Fundgegen- 
stand nur  auf  Grund  der  Verwendung  dieses  Orna- 
ments ohne  weiteres  in  eine  beliebige  dieser  späteren 
Perioden  zu  versetzen,  wird  wohl  Niemandem  in  den 
Sinn  kommen.  Dies  gilt  auch  bezüglich  jener  beiden 
als  aussehlaggebeml  bezeiehneten  Muster  des  Hrn. 
Murray,  sowohl  der  Baute,  deren  Eckspitzen  um 
zwei  au  ihre  Seiten  gesetzte  Kreise  aufgerollt  sind, 
als  auch  einer  jener  zahllosen  Variationen  des  in 
schlangcnartige  Windungen  gelegten  Band  - Orna- 
i ments. 

Alle  diese  Motive  sind  nicht  etwa  schon  des- 
halb, weil  sie  in  der  classischen  Verzierungsweise 
Griechenlands  fehlen,  specifisch  germanisch  oder 
nordisch  überhaupt.  Sie  erscheinen  in  den  Gräbern 
diesseits  «ler  Alpen  and  weiter  nach  dem  Norden 
hin  nur  auf  Gefässen,  Geräthen  und  Waffen,  welche 
von  auswärts  durch  den  Völkerverkehr  als  ein 
Ueberschuss  der  Industrie-Erzeugnisse  des  Südens 
dorthin  gelangten,  und  zwar  nicht  aus  dem  fernen 
Griechenland,  sondern  ans  Italien.  In  diesen  beiden 
Ländern  begegnen  wir  in  ältester  Zeit  denselben 
Wirkungen  gleichartiger  fremder  Einflüsse,  einer 
Kreuzung  ägyptischen  und  assyrischen  Stils  neben 
cigcnthümlichcn  barbarischen  Elementen,  welche 
bis  jetzt  nicht  mit  Sicherheit  als  durchgehend  ein- 
heimische zu  bezeichnen  sind  und  sich  in  Italien 
kenntlicher  zeigen,  weil  sie  dort  in  den  Erzeug- 
nissen des  Handwerks  und  der  Industrie  länger  eine 
gewisse  Selbständigkeit  bewahrten,  selbst  über  die 
Zeit  hinaus,  in  welcher  die  Entwicklung  der  clas- 

1* 


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4 


rischen  Kunst  in  Hellas  auch  auf  jenes  Land  ihre 
Wirkungen  Ausserte. 

Ein  sorgfältigeres  Studium  des  Hallst  Atter 
Gräberfeldes  und  damit  auch  der  etruskischen  Alter- 
thflmer,  auf  welche  dasselbe  unabweislh  h hinffihrt. 
hatte,  statt  zu  der  verkehrten  Bestimmung  der 
Nationalität  der  Gräber  von  MykenA  zu  verleiten.  | 
über  eine  Heihe  von  Thatsachen  belehren  müssen, 
welche  auch  für  die  Reortheilung  der  Verhältnisse 
in  Griechenland  und  ihre  Eigcnthümlichkeiten  in 
Ältester  Zeit  die  lehrreichsten  Andeutungen  ge- 
wahren können. 

So  auch  namentlich  darüber,  dass  mau  nicht 
berechtigt  ist,  die  Menschen-  und  Thiertiguren  von 
einer  noch  primitiven  Auffassungs-  und  Darstellungs- 
weise ohne  weiteres  als  ungeschickte  Copion  besserer 
Originale  zu  betrachten,  da  sich  auch  in  ganz  Italien, 
wie  in  Kallstadt,  solche  wie  von  Kinderhand  ver- 
fertigte Thon-  und  Metnllfiguren  finden,  und  zwar 
unmittelbar  neben  Erzeugnissen  des  schon  ausge- 
bildeten  archaischen  Stils,  der  hier  nicht  etwa  nur  aus 
einer  Bekanntschaft  mit  griechischen  Arbeiten  zu  er- 
klären, vielmehr  seinem  Ursprünge  nach  aus  denselben 
fremden  Quellen  wie  in  Griechenland  herzuleiten  ist. 

Der  Contrast,  welchen  in  den  Gräbern  von 
MykenA  jene  rohen  Thiergestalten  mit  der  Auffas- 
sung und  Behandlung  des  silbernen  Kuhhauptes 
bieten,  hat  deshalb  so  wenig  Bedeutung  für  die 
Altersstellung  der  gesammten  dortigen  Grahfflndc, 
als  der  Gegensatz  der  puppeuartigeu  Menschen'  und 
Thierfiguren  in  dem  grossen  Grabe  von  Cftre  zu 
den  heigefundeneu.  besser  stilisirten  Darstellungen, 
namentlich  zu  der  lebendigen  Zeichnung  der  Reiter 
auf  den  gravirten  Schalen. 

Es  steht  ja  nicht  das  Geringste  entgegen,  eine 
solche  im  Vergleich  mit  den  übrigen  Bestandteilen 
eines  Grabfundes  so  überlegene  Arbeit  als  ein  weit- 
hergebrachtes  Erzeugnis  vorgeschrittener  Cultur- 
verhältnisse  anzuerkennen,  zumal  wenn,  wie  in  den 
Schalen  von  ("Are,  hiefür  die  un  verkenn  barsten 
Andeutungen  vorliegen. 

Aber  abgesehen  von  der  Beimischung  solcher 
offenbar  fremdartigen  Bestandteile,  scheint  weiter- 
hin auch  tflr  die  Beurteilung  Ähnlicher  Erschei- 
nungen aus  einer  so  weit  entlegenen  Vorwelt  die 
Beachtung  zweier  Möglichkeiten  empfehlenswert h 
zur  Bewahrung  vor  allzurascher  Bezeichnung  zeit- 
bestimmender  Merkmale  und  verschiedener  Stil- 
»rten.  Einmal  die  immerhin  denkbare  zeitweise 
schnellere  Entwicklung  eines  bevorzugten  Zweiges 
der  Kunst  oder  des  Kunst gewerhes,  namentlich 
unter  fremder  Einwirkung,  und  ferner  auch  die 
Verschiedenheit  der  Begabung  und  Ausbildung  der 


Künstler  und  Gewerbegenossen,  welche,  zu  der  Zeit 
der  allmählichen  Entwicklung  eines  Stils  bemerk- 
licher  hervortreten  mussten,  als  in  der  Epoche  seiner 
vollendeten  Beherrschung  aller  Kunstzweige,  die 
ohne  eine  möglichst  gleichm&ssige  Ausbildung  und 
Schulung  aller  Beteiligten  undenkbar  ist. 

Bleibt  demnac  h jenes  merkwürdige  Kuhhaupt 
mit  seinen  grossen  goldenen  Hörnern  für  den  Be- 
weis einer  späteren  Zeitstellung  der  Mykcnischen 
Gräber  in  keiner  Weise  ausschlaggebend,  so  fragt 
es  sich,  oh  und  in  welcher  Weise  es  mit  der  ver- 
meintlich germanischen  Bestattungsweise  in  Be- 
ziehung zu  bringen  wäre?  Von  dem  Kritiker  er- 
fahren wir  hierüber  nichts.  Indem  er  sich  ent- 
schieden gegen  jede  mythologische  Bedeutung  des 
Stückes  ausspricht,  weiss  er  ausser  einigen  ironi- 
schen Bemerkungen  über  Schliem  aiin's  Erklärung 
uns  nichts  weiter  mitzutheilcn,  als  die  Behauptung, 
dass  wir  hier  nicht  den  Kopf  einer  Kuh,  sondern 
eines  Ochsen  vor  uns  haben. 

Auch  über  die  goldenen  Todtenraasken,  welche 
sowohl  die  germanische  Hypothese,  als  die  Annahme 
einer  verhältuissmässig  späten  Zcitstellung  beseitigen, 
schenkt  mau  uns  keine  weitere  Aufklärung. 

Dafür  wird  zur  Stütze  einer  geringfügigen  Be- 
urtlicilung  der  Mykenischcti  Grabstein-Sculpturen 
eine  Vergleichung  mit  nordischen  SteinroetzarbeiU*n 
versucht,  die  nicht  unglücklicher  gerathen  konnte. 

In  jencu  Reliefs  von  MykenA  will  man  ganz 
entschiedene  Ausnahmen  von  der  Geschicklichkeit 
in  Behandlung  der  FlAchenverzierung  bei  allen 
übrigen  Fundstücken  erkennen,  und  weiss  für  den 
Charakter  dieser  Grabsteine  keine  bessere  Ver- 
gleichung zu  finden,  als  mit  „den  seulptirten  Steinen 
in  Schottland,  die  jetzt,  nach  Beseitigung  der  An- 
nahme eines  unberechenbaren  Alters,  iu  das  1U. 
bis  13.  Jahrhundert  verwiesen  sind  und  zu  dieser 
Zeit  von  ansässigen  Steinmetzen  ausgeführt  wurden, 
welche  beauftragt  waren,  verschiedene  Muster  aus 
illustrirten  Klostermanuscriptcn  auf  denselben  zu 
reproducireu“. 

Inwiefern  uns  mit  dieser  Vergleichung  das  Ver- 
stAndniss  des  Charakters  jener  Grabsculpturen  er- 
schlossen werden  soll,  ist  geradezu  unbegreiflich. 
Mag  man  auf  die  Spätzeitlichkeit,  oder  den  geringen 
Kunstwerth  beider  Arten  von  Seulptureu.  oder  auf 
ihre  Eigenschaft  als  Copien  fremder  Master  vor- 
zugsweise das  Gewicht  legen;  so  kann  dasselbe  nach 
der  Grand  Verschiedenheit  beider  Yergleichungs- 
objecte  niemals  ein  gültige*  Muss  für  beide  ergeben. 

Die  Leichtfertigkeit  einer  solchen  Behauptung 
aber  ist  zu  bezeichnend,  als  dass  sie  nicht  eine 
nähere  Darlegung  verdiente. 


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5 


Was  zunächst  den  Mangel  an  Originalität  jener 
Steinsculpturen  in  Schottland  betrifft,  so  müsste  die 
Behauptung:  dass  ihreVerzierungsweisc  ausschliess- 
lich nur  auf  Klostermanuseripte  zurückzuführen  sei, 
zu  der  Annahme  nöthigen,  dass  diese  eigenthüm- 
liche  Ornamentik  ursprünglich  einzig  und  allein  zur 
Verzierung  von  Büchern  erfunden  worden,  wahrend 
sonst  überall  und  zu  aller  Zeit  für  solche  Zwecke 
nur  ein  bekannter  und  geläufiger  Yerzienings- 
geschmack  verwendet  wurde.  Dies  war  auch  auf 
den  brittischen  Inseln  der  Fall,  und  wenn  dieser 
Ornamentstil  dort  auch  auf  den  Fundstücken  der 
Altesten  Zeit,  die  nnr  in  auswärts  gefertigten  Metall- 
waaren  bestehen,  nicht  narhznwciseu  ist,  so  darf 
doch  mit  aller  Sicherheit  angenommen  werden,  dass 
er  in  dem  ganzen  mittleren  Kuropa  heimisch  und 
auf  Gegenständen  vergänglichen  Stoffes,  namentlich 
in  der  Holzarbcit,  die  allgemeinste  Anwendung 
fand,  da  er  in  allen  Ländern  gleich  massig  und 
gleichzeitig  in  der  Mctallarbeit  auftritt,  sobald  die- 
selbe im  Verkehr  mit  den  Römern  eine  umfassendere 
Ausbildung  erlangt  hatte. 

Davon  kann  sich  Jedermann  aus  den  Schmuck- 
geräthen  der  angelsächsischen  Grabhügel  überzeugen, 
welchen  die  grosse  Masse  der  Grabfünde  in  den 
Ländern  der  übrigen  germanischen  Stämme  zur 
Seite  steht.  Von  diesen  iu  demselben  Geschmack 
ornamentirten  Geräthen  reicht  weitaus  die  Mehr- 
zahl über  die  Zeit  hinauf,  in  welcher  Mönche  die 
Feder  spitzten,  um  mit  Hilfe  von  Zirkel  und  Lineal 
die  wilden  Klemeutc  der  nationalen  Zierweise  ge- 
wissermassen  zu  händigen  und  jenes  schlangeuartig 
verschlungene  Bäuderwerk  mit  seinen  zoomorphi- 
schcn  Bildungen  von  Vogel-  und  drachenart igen  Ge- 
stalten in  eine  bestimmte  Art  von  rhythmisch  ge- 
regeltem kalligraphischen  Schnörkelwerk  zu  ver- 
wandeln und  für  ihre  Zwecke  ansprechend  und 
brauchbar  zu  machen.  Nur  wenn  nachzuweisen 
wäre,  dass  wir  die  Verzierungen  dieser  Manuscripte 
als  die  einzigen  und  letzten  Denkmale  jenes  älteren 
Stils,  so  zu  sagen  als  die  Ausläufer  desselben,  zu 
betrachten  hätten,  könnte  zugleich  angenommen 
werden,  dass  der  bezeichnet e Ycrziernngsgesehmack 
dem  Volk  in  Kngland,  im  Gegensatz  **t  allen  anderen 
lAndern,  schon  im  10,  Jahrhundert  so  weit  ent- 
fremdet und  in  Vergessenheit  geräthen  war.  dass 
zur  Verzierung  jener  Steinsäulen  die  Muster  aus 
alten  Büchern  herheigcholt  werden  mussten. 

Jedoch  erst  unserer  Gegenwart  ist  eine  dem  ge- 
sammten  Alterthnm  fremde  Neigung  eigenthümlich, 
Denkmale  in  dem  Geschmack  vergangener  Zeiten  oder 
in  einem  der  nationalen  Ueberlieferung  nicht  ent- 
sprechenden Stil  zu  errichten  und  auszuschmücken. 


Näher  liegt  daher  die  Annahme,  dass,  wenn 
überhaupt  jene  schottischen  Steine  dem  10.  bis 
13.  Jahrhundert  angehören,  entweder  jener  alte 
Ornamentstil  immer  noch  im  Volke  bevorzugt  ge- 
blieben war,  oder  dass  er  bei  Errichtung  jener 
Steine  die  Herstellung  von  älteren  Denkmalen  aus 
Holz  galt,  die  man  aus  irgendwelchem  besonderen 
Grund  in  dauerhafterem  Stoff  für  alle  Zeiten  zu 
erhallen  bemüht  war. 

Aber  gesetzt  selbst,  es  Hesse  sich  die  fragliche 
Behauptung  für  einen  einzelnen  Fall  sogar  urkund- 
lich nachweisen  — wo  bleibt  irgendeine  Beziehung 
zu  den  Seulpturen  in  Mykcnfl? 

Um  eine  Vergleichung  nur  einigermassen  zu- 
lässig erscheinen  zu  lassen,  müsste  erst  nachgewiesen 
werden,  dass  in  Griechenland  eine  ursprünglich 
nationale  Kunstrichtung  unberührt  und  unabhängig 
von  jedem  fremden  Einflüsse  zu  einer  höheren  Ent- 
wicklung gelaugte,  und  dass  die  Donkmale  dieser 
Periode  dann  wieder  in  rohen  Copion  reproduoirt 
worden  seien. 

Doch  genug  über  den  verfehlten  Versuch,  die 
Fünde  von  Mykeuä  mit  den  Alterthümern  des  Nor- 
dens iu  Beziehung  zu  bringen.  Wenn  solche  in 
einzelnen  Punkten  in  der  Tliat  vorliegen,  so  sind 
sie  in  gauz  anderen  Fund  stücken  diesseits  der  Alpen 
zu  suchen  und  iu  ganz  anderer  Weise  zu  erklären, 
als  mit  Voraussetzungen  und  Vergleichungen,  welche 
einen  wissenschaftlichen  Standpunkt  bezeichnen,  der 
nicht  entfernt  dazu  berechtigt,  auf  Sc  hl ic mann 
als  Autodidakten  mit  überlegener  Miene  herab- 
zusehen. 

Nicht  in  weitester  Ferne,  sondern  in  den  Nach- 
barländern und  aut  den  Inseln  des  Meeres,  welches 
die  Küsten  von  Argolis  bespült,  sind  analoge,  die 
Fünde  von  Mykcnä  erklärende  Thatsachen  aufzu- 
sucheu,  und  gerade  deshalb  glaubten  wir  zuerst 
von  dem  Brittischen  Museum  her  lichtgebende  Mit- 
theilungen erwarten  zu  können,  da  hier  die  grösste 
Fülle  von  Vergleiehttugsmalerial.  besonders  hinsicht- 
lich der  Alterthümer  der  alten  vorderasiatischen 
und  Mittclineer- Völker  vereinigt  ist. 

Wir  waren  zu  dieser  Hoffnung  um  so  mehr 
berechtigt,  als  wir  den  umfassenden  Kenntnissen 
Newton' s den  weganzcigemlen  Nachweis  zu  ver- 
danken haben,  dass  die  Gemmen  und  Thongcfässe 
von  Mykeuä  vollkommen  mit  gleichartigen  Fund- 
stücken  von  Rhodos  und  Cypem  übercinstimmcn. 

Damit  sind  vor  allem  die  Mykenisclieu  Schätze 
ihrer  scheinbaren  Isolirung  entzogen  und  einer  be- 
stimmten Reihe  von  Erscheinungen  angeschlossen. 
Ihre  Erkundung  ist  damit  nach  dem  Gebiete  hin- 
gewiesen, auf  welchem  die  ältesten  U eberliefe  rangen 


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6 


vorzugsweise  von  dem  Walten  jener  seefahrenden, 
handeltreibenden  und  kunsterfahrenen  Stftmme  zu 
erzählen  wissen,  die  von  Syrien  und  Kleinasien  aus 
die  Inseln  und  Küsten  Europa's  mit  Cotonien  be- 
setzten. Dass  wir  unter  den  zeitlieh  und  örtlich 
vorwaltenden  Namen  dieser  Stamme,  denen  der 
Karer,  Knreten,  Leleger  und  vor  allen  der  Pelasger, 
die  Phöniker  Herodot's  zu  erkennen  hatten,  ist  eine 
Ansicht,  welche  im  Kampfe  mit  der  splitterrichten- 
den Schulgt  lehrsamkeit  schon  vor  Jahren  mit  Geist 
und  Scharfsinn  zu  begründen  versucht  wurde,  be- 
sonders durch  Ludwig  Ross,  Raoul  Rochette 
und  den  wegen  einiger  Wunderlichkeiten  seiner 
genialen  und  divinatorischen  Anschauung  so  unver- 
dient verketzerten  Julius  Braun. 

Blieb  es  auch  bisher  hei  der  Unvollstandigkeit 
der  Zeugnisse  aus  den  Denkmalen  seihst  noch  un- 
entschieden. was  in  den  Elementen  dieses  an  allen 
Küsten  des  Mittclmeeres  wirksamen  Volkes  und 
dem  Charakter  seine*  Knnststils  als  kieinasiatiseh 
oder  in  eigentlichem  Sinn  als  phönikisch  zu  be- 
trachten sei,  so  bieten  «loch  immer  die  Nachweise, 
wie  sie  jene  Forscher  in  so  anregender  um!  über- 
zeugender Art  zusammengestellt  haben,  einen  licht- 
gebenden Ausblick  in  jene  Fernzeit  der  Ccber- 
sicdelung  oder  Verpflanzung  ältester  Cultur  in  die 
noch  halbbarbarischen  ZiislAnde  der  europäischen 
Völker  und  die  ersten  Ausschläge  dieser  Pflanze 
aus  ihren  dort  neugebildeten  Wurzeln. 

Nur  in  Verfolgung  desselben  Weges  einer  immer 
weiter  und  tiefer  greifenden  Umschau  nach  dieser 
Richtung  und  innerhalb  dieses  Gebietes  dürfen  wir 
hoffen  zu  einer  Lösung  alles  noch  Rütliselliaftcn 
in  den  Künden  von  Mykcnfl  zu  gelangen,  der  wir 
ohne  Zweifel  bereits  viel  naher  standen,  waren  nicht 
die  merkwürdigen  eyprisvhen  Künde  Cesnola’s  von 
dem  kunstforscheuden  Europa  an  Amerika  über- 
lassen worden. 

Es  ist  nns  mit  denselben  ein  rulturgeschichtliches 
VergleichungKinaterial  entzogen  worden,  das  nach 
der  Bedeutung  des  Fnndlandes  und  der  Möglichkeit 
seiner  annähernden  Zeitbestimmung  auch  in  Bezug 
auf  die  Heurtheilnng  der  Mykenischen  Schatze  nicht 
leicht  zn  ersetzen  ist.  Doch  auch  für  diese  bleibt 
die  Aussicht  einer  gültigen  P>kl&rung  gesichert,  al* 
eine  Ehrensache  unserer  gelehrten  Forschung  und 
als  cdn  Resultnt  der  Auffindung  weiterer  anfschluss- 
•^ebenden  Denkmale  durch  die  fortgesetzten  Aus- 
grabungen ihres  unermüdlichen  Entdeckers  selbst. 

..Die  Wissenschaft  wird  Schliem  aun  folgen,“ 
heisst  es  in  dem  Vorworte  zu  einem  neuen  Führer 
nach  Olympia.  Mit  vollster  Zustimmung  dürfen  wir 
jedoch  hinzufügen : Sie  folgt  ihm,  wohin  sie  voran- 


zugehen ausser  Stande  war,  und  darin  liegt,  kurz 
gesagt,  die  hohe  Bedeutung  von  Srhliemann*s 
Leistungen. 

Mainz,  im  Januar.  L.  Lindenschmit. 


Sitzungsberichte  der  Local  vereine. 

Sitzung  des  anthropologischen  Vereines 
zu  Jena  am  11.  December  1#76. 

Hr.  Dr.  med.  Karl  Martin  hfllt  einen  Vor- 
trag über  die  Lebensweise  und  Gerftthe  der 
süd-chilenischen  Indianer. — In  verschiedenen 
Theilcn  von  Chile  findet  man  noch  heutzutage 
Ueberreste  von  Indiern.  Wie  aus  «len  Schilderungen 
gleichzeitiger  spanischer  Schriftsteller,  besonders 
des  Dichter*  Ercillu  hervorgeht,  haben  diese  schon 
zur  Zeit  der  Entdeckung  des  Landes  eine  nicht 
unwesentliche  Cultur  besessen.  Freilich  haben  die 
Nachkommen  dieser  Indier  sich  sehr  verändert. 
Sie  sind  Viehzüchter  und  Reiter  geworden.  Aber 
noch  fügen  sie  sich  zum  Theil  nicht  den  chileni- 
schen Gesetzen  und  viele  von  ihnen  haben  ihre 
alte  Religion,  sowie  auch  noch  die  Vielweiberei 
heihehalten. 

Südlich  von  den  Araucanern  erstreckt  sich  ein 
Gebiet,  in  welchem  zwischen  deutschen  Ansiede- 
lungen noch  die  ursprünglichen  Einwohner,  die  Huil- 
liches,  den  Boden  bebauen.  Sic  haben  wohl  immer 
mit  «len  Bewohnern  der  Inseln,  welche  südlich  fol- 
gen und  von  denen  die  grösste  Chiloe  ist,  im  Ver- 
kehr gestanden.  In  dem  südöstlichen  Tlieile  diese* 
Archipels  leben  mu  h ziemlich  unvermischte  Indier, 
die  zwar  in  ihrer  insularen  Lebensweise  und  von 
den  St rnndprod urteil  abhängigen  Nahrung,  ja  in 
ihrem  kleinen  Körperbau  sich  wesentlich  von  den 
Indiern  des  Festlandes  unterscheiden,  aber  eben- 
falls die  Huillichesprache  reden.  Dieses  Inselvolk 
bildete  vielleicht  früher  den  Uebergang  zu  den 
Feuerlftndern.  mit  denen  die  Oiiloten  ohne  Zweifel 
einige  Achnlichkeit  zeigen.  Jetzt  sind  die  chiloti- 
seheu  HuilHches  und  die  Feuerlftnder  durch  einen 
so  gut  wie  unbewohnten,  unwirthliohen  Archipel 
getrennt.  Früher  wurde  derselbe  von  einem  Volke 
durchwandert,  welches  mit  den  Chiloten  verkehrte. 
Vor  mehr  als  hundert  Jahren  wurde  der  Jesuiten- 
missionftr  Garcin  zu  demselben  gerufen,  um  es  zu 
bekehren.  Er  fuhr  bis  zum  fiussersten  Winkel  des 
inneren  Meeres  von  Chiloe,  dann  wurde  sein  Boot 
von  den  indischen  Begleitern  über  die  Landenge 


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7 


ton  Ofqui  geschleppt.  Südlich  ton  derselben  wohn- 
ten diese  Leute;  er  hat  sie  nachher  nach  (’hiloc 
gebracht.  Möglicherweise  stammen  von  ihnen  die 
Üewohner  der  Südustkftste  der  Insel,  «los  Paios“ 
ueuannt,  her. 

Ans  ('hiloe  und  den  benachbarten  Inseln  und 
Festlaudsk  Osten  zeigte  l)r.  Martin  eine  Anzahl 
Gegenstände  vor: 

I.  mehrere  Steinmeissei,  gefunden  um  den  See 
von  Llanquihue  (sprich  Jankiwe),  auf  der  Infiel 
Tenglo.  sowie  auf  den  weitabliegenden  Guaitccas- 
itiseln  (sprich  WaUecas):  II.  eine  Pan« Hüte  aus  dem 
Glimmerschiefer  der  Kfisteucordillerc,  gefunden  bei 
Puerto  Montt;  111.  einen  alten  Topf,  gefunden  beim 
Ausrodeit  des  Waldes  von  Llanquihue:  IV.  einen 
grossen  Reibstein  mit  Mörser;  V.  einen  Steinfrog 
mit  unterer  Oeffnung,  beides  aus  Lava  und  von 
Ltanquiliuc. 

Fenier  legte  er  \or  das  Modell  eines  indischen 
Hauses  mit  Hinrichtung,  das  einer  Piragua  mit 
Mast,  Ruder  und  Anker,  Modelle  von  Webstühlen 
mit  angefangener  Arbeit,  Taue  und  Körbe  ans 
Schlingpflanzen,  aus  den  Fasern  einer  Rrmnelia  und 
aus  denen  von  ßamhusen,  eine  Muschel,  wie  sie 
hei  dem  Essen  in  ('hiloe  gebraucht  wird,  eine 
Silberplatte  aus  dem  Schmuck  einer  ludieriti  von 
Osorno  und  moderne  Töpferw&aren  aus  Concepcion, 
die  ebenso  wie  die  des  alten  Perti  Thierformen 
und  Gesichter  darstellen;  ferner  Ackergerät  he : 
„Lumas“  und  „Hu&l&to*,  Stangen,  welche  statt 
Pflögen  gebraucht  werden,  und  hölzerne  Hacken, 
aus  dem  harten  Holze  der  Myrtus  lunta  Mol. 

Der  Vortragende  nimmt  an,  dass  jene  Funde 
nicht  einer  prähistorischen  Steinzeit,  sondern  der 
Periode,  in  welcher  die  Spanier  Osorno  gegründet 
hatten  und  diese  Stadt  sehr  aufgebläht  war,  ange- 
hören. Dies  wrar  vor  2 — ,J(X1  Jahren  der  Fall. 
Später  zerstörten  es  die  Araucaner  wieder;  seitdem 
ist  die  Provinz  Llanquihue  wenig  bevölkert  gewesen 
und.  als  vor  25  Jahren  die  deutschen  ('olouisten 
die  Umgehung  des  Sees  von  Llanquihue  zu  behauen 
begannen,  absolut  menschenleer,  fast  unbekannt 
und  unzugänglich.  Hei  dem  Urbarmachen  des  an- 
scheinenden Urwaldes  fanden  die  Ansiedler  sehr 
viele  Gegenstände,  welche  von  den  früheren  Be- 
wohnern herrührten.  Die  vorgezeigten  sind  nur 
«ehr  wenige  von  den  vielen  gefundenen,  andere  hat 
Dr.  Fonck  in  der  ethnologischen  Gesellschaft  zu 
Berlin  1*70  erklärt,  andere  haben  Marinecapitln 
Vidal  Gorma/  und  Dr.  Juliet  in  „Keronocimiento 
de)  rio  Manlliir  Santiagio  1875  beschrieben.  — 

Sodann  berichtet  llr.  Prof.  Klopflcisch  über 
seine  mit  Hm.  Dr.  Ten  scher  gemeinsam  unternom- 


mene Recognosciruug  des  Fundgebietes  von  Thier- 
schneck. Die  neuerdiugs  aufgedeckten  Stellen 
daselbst  sind  einfache  Gruben  von  circa  1 m Tiefe 
und  Breite,  welche  mit  lirauderde  ungefüllt  sind 
und  einzelne  Kohlen  und  Tliongefössscherben  ent- 
halten ; in  einer  solchen  Grube  «oll  eine  uoldcrhal- 
tene  Urne  gefunden  worden  sein,  welche  nach  Weimar 
in  Pmathesitz  gekommen  ist.  In  nordöstlicher  Rich- 
tung von  Thierschneck  aber  fanden  sich  gegen 
G deutiii'b  erkennbare  Grabhügel  vor, 
welche  bisher  noch  nicht  berührt  wurden  zu  sein 
scheinen,  da  vorher  Wald  an  dieser  Stelle  war,  der 
erst  in  den  vierziger  Jahren  geordnet  wurde  und 
in  Ackerland  verwandelt  ist.  ohne  dass  man  dabei 
die  Hügel  aufgegraben  hätte.  Der  jetzige  Besitzer 
will  die  Aufgrahung  durch  den  Verein  gestatten, 
und  dürfte  der  nächste  August  nimmt  hiezu  ge- 
eignet «ein,  da  duun  das  Kornfeld  daselbst  abge- 
erntet sein  wird. 


Sitzung  vom  15.  Januar  1*77. 

Hr.  Prof.  Dr.  Schwalbe  hält  einen  Vortrag 
über  die  menschlichen  Haare.  Er  spricht 
nach  einem  allgemeinen  Ueberblick  über  die  anthro- 
pologische Bedeutung  der  Haare  über  die  Stellung 
und  Richtung  der  Haare  und  deren  Verwert  hu  ng 
in  der  Anthropologie.  Das  bekannte  Convergireu 
der  Haare  nach  dem  Ellbogen  zu  beim  Menschen 
kann  nicht,  wie  Darwin  meinte  ( Abstammung  des 
Menschen  Bd.  I S.  1P7)  und  II  A ekel  noch  in  der 
•L  Auflage  seiner  Anthropogenie  reprodueirt  hat, 
aus  einer  nützlichen  Gewohnheit  der  anthro|K>iden 
Urahnen,  beim  Regen  die  Arme  über  den  Kopf 
zu  halten,  abgeleitet  werden,  da  nicht  nur  hei 
den  von  Darwin  bezeichneten  Anthropoiden, 
einigen  Arten  von  Hylobates  und  einigen  wenigen 
amerikanischen  Affen  die  betreffende  Haurstellung 
vorkommt,  sondern  mehr  oder  weniger  deutlich  hei 
fast  allen  Säugethieren.  und  dass  hei  den  laufen- 
den, bei  welchen  Oberarm  und  Unterarm  einen 
nach  vorn  offenen  Winkel  bilden,  in  beidqn  die 
Haare  nach  hinten  gerichtet  sind,  was  dann  hei 
den  mit  freier  beweglichen  vorderen  Extremitäten 
ausgestatteten,  sobald  der  betreffende  Winkel  hei 
den  Bewegungen  des  Unterarms  gegen  den  Ober- 
arm sich  verkleinert,  zu  einem  Convergireu  führen 
muss.  Dem  entsprechend  findet  sich  mindestens  so 
ausgeprägt  wie  beim  Or&ng  das  Convergireu  der 
Haare  nach  dein  Ellbogen  zu  beiin  Faulthier.  Ober- 
haupt scheint  in  natürlichster  Weise  die  Richtung 
der  Hautanhäuge  in  der  Wirbellhierreihe,  Schuppen, 


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8 


Federn,  Haare,  verständlich  zu  werden,  wenn  man 
davon  ausgeht,  dass  sic  sich  im  Allgemeinen  nach 
der  der  Bewfegungsrichtung  entgegengesetzten  Weise 
entwickeln  müssen,  da  sie  hier  der  Bewegung  den 
geringsten  Widerstand  entgegenstellen.  Man  kann 
diesen  Satz  auch  noch  für  die  Erklärung  der  gegen 
den  Ellbogen  convergireuden  Richtung  der  Haart* 
verwerthen.  muss  aber  jedenfalls  für  die  durch  die 
Untersuchungen  von  Kseh  rieht  bekannt  gewor- 
denen coniplirirtcit  Richtungsverhältnisse  der  Haare 
am  Rumpfe  und  Kopfe  zunächst  nach  näher  liegen- 
den Ursachen  suchen,  die  der  Vortragende  mit 
Voigt  (Abhandlung  über  die  Richtung  der  Haare 
am  menschlichen  Körper.  Denkschriften  der  Wiener 
Akademie  Rd.  XIII.  1857)  in  VVachsthumsverhält- 
nissen  der  Hant  und  der  unterliegenden  Gewebe 
sucht.  Kr  schliesst  sich  jedoch  an  die  speciellen 
Ausführungen  Yoigt’s  nicht  an,  sondern  hält  für 
das  Wesentlichste  die  Schiefstellung  bedingende 
Moment  Differenzen  in  der  Grösse  des  Waehsthums 
zwischen  Epidermis  uud  Cutis,  sodann  Differenzen 
im  Wachsthtim  der  Haut  und  der  unterliegenden 
Theile,  wie  Muskeln  und  Knochen. 

An  Hin.  Prof.  Schwalbe’»  Vortrag  anknüpfend 
zeigte  Hr.  Dr.  K.  Martin  einige  Photographien  vor, 
darunter  solche  von  Kingebornen  von  Südaustrulieu 
(Adelaide,  durch  Dr.  Müller  an  Prof.  Peters, 
Berlin,  geschickt),  welche  fast  am  ganzen  Körper 
behaart  waren  und  auf  der  Brust  deutliche  Leisteu 
von  abwärts  convergirenUen  Maaren  zeigten;  ferner 
von  der  Hottentottiu,  welche  einst  unter  dem  Namen 
„Buschweib  Asandy“  in  Berlin  zu  sehen  war  und 
an  deren  Bildern  sieb  die  charakteristisch  ver- 
theilten  Haarbüschel  unterscheiden  liessen.  Kr  er- 
wähnte die  ganz  haarfreie  schöue  Haut  der  Extre- 
mitäten hei  den  Negern,  wie  man  sie  in  Rio  de 
Janeiro  sieht ; andrerseits  die  tief  in  die  Stirn  herab- 
reichende  Behaarung  der  Stirnen  von  chilenischen 
Indiern. 

Hr.  Prof.  Klop fleisch  berichtet  über  zwei 
Skeletfundstellen : 

1.  An  der  Wogauer  Chaussee  hinter 
Wcnigenjena,  wo  Reihengräber  mit  Beigaben  von 
eisernen  Messern,  mit  1 Silber-Ohrring  und  1 Glas- 
perle sich  zeigten ; die  aufgefundenou  Skcletrestc, 
darunter  einige  Sehädel  nahm  Klop  fl  ei  sch  an 
sich  und  instruirte  die  Arbeiter  der  dort  befind- 
lichen Kiesgrube  für  den  Fall  weiterer  Funde.  Den 
Funden  uach  gehören  diese  Reibengräber  in  die 
Zeit  vom  5.  bis  7.  Jahrhundert  n.  Chr. 

Schluss  der  Redaction  am  *5.  Februai 


2.  An  der  neuen  Chaussee  hinter  der  Rasen- 
mühle  auf  dem  Grundstück  des  Hrn.  Fabrikant 
Huiideshageu  aus  Apolda  sind  Arbeiter  hei  den 
Krdarbeiten'  daselbst  auf  menschliche  Skelete  ge- 
stossen.  die  gruppenweise  beisammen  lagen,  abci 
nicht  immer  regelmässig  aasgestreckt,  sondern  öfter' 
unregelmässig  verschoben  waren.  Zu  einer  Zeit- 
bestimmung für  diese  Skelete  Hess  sich  bisher  nicht 
gelangen,  der  mangelnden  Beigaben  wegen:  freilich 
behauptet  ein  Arbeiter  ein  kurzes  Schwert  bei  dem 
einen  Skelet  gefunden  zu  haben  — worauf  abei 
kein  Gewicht  zu  legen  ist.  da  dasselbe  nicht  auf- 
be wahrt  wurde.  In  der  Nähe  der  Fundstelle  soll 
ISO«  ein  französisches  I.azareth  gestanden  haben. 
Einige  der  geretteten  Schädel  zeigen  eine  auffallende 
Abplattung  des  Schädeldaches. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Brun n schweig  Es  stellt  sich  immer  mehr  und 
mehr  die  Wahrnehmung  heraio.,  das»  unser  Herzogthmi. 
eine  wichtige  Uulturstätte  der  ältesten  Bewohner  Nord 
deutschlands  gewes«-n  ist.  Ganz  bedeutend  sind  die  seit 
Jahren  in  unserer  Gegend  gemachten  prähistorische 
Funde,  bestehend  in  alten  heidnischen  Grabstätten,  Uro« 
Wuffeu  und  IlaiHgerätheauH  der  Stein-,  Bronze-  und  Eisen 
zeit,  welche  namentlich  bei  Anlagen  von  Chausseen  und 
Eisenbahnen,  Kellerbauten.  Graben  von  Kanälen  u s * 
gefunden,  aber  aus  Mangel  an  Vcistämlniss  sehr  oft  ver- 
nichtet oder  als  unbrauchbar.  unl**achtet  bei  Seite  p- 
worfen  sind.  Schon  zu  Ende  des  vorigen  und  Anfang 
des  jetzigen  Jahrhunderts  ».ind  namentlich  in  der  I m 
gegen«!  vou  Hohnstedt  und  im  Eime  derartige  Fund* 
gemacht,  welche  zum  Theil  dem  herzoglichen  Musern* 
einverleibt,  hier  aber  früher  nicht  immer  nach  Gebühr 
beachtet  wurden.  Zum  anderen  Theile  kamen  solche 
Gegenstände  in  Privathände  und  sind  dann  mit  der  Zeit 
ganz  verschwunden.  Ja.  selbst  die  Vorsteher  der  Alter 
thums-  und  Kunstsammlungen  hatten  nicht  immer  Sinr 
für  dergleichen  Gegenstände,  wie  denn  noch  vor  et*i 
30  Jahren  ein  solcher  das  Anerbieten  eines  Privatmamu- 
das  Ergebnisa  einer  anzuatelleudeu  Nachgrabung  d*a 
von  ihm  verwalteten  Museum  einverleiben  zu  wollen 
von  vornherein  von  der  Hand  wies,  weil  dasselbe  an 
dergleichen  Gegenständen  schon  mehr  als  zu  viel  besiu 
und  alle  Urnen,  Waffen  und  Gerätbe  doch  nur  eine  na* 
dieselbe  Form  hätten.  Es  ist  deshalb  erfreulich,  d*- 
der  Ilr.  Muaeumsdirector  Prof.  Dr.  Riegel  auch  die** 
Zweige  der  vaterländischen  Alterthumskunde  seine  Ao: 
merksamkeit  widmet. 

\ — Druck  von  Ä.  OUUnbourg  in  München. 


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Correspondenz-Blatl 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


RMigirt  von  Professor  KoUniann  in  München, 

Otmtruhtertinr  4tr  Omtlltrhafi, 


Nr.  2.  Erscheint  jeden  Monat.  Februar  1878. 


Sitzungsberichte  der  Localvereine. 

Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Danzig  am  27.  Oetober  1875. 

Der  Vorsitzende,  Dr.  Lissauer,  eröffnet  die 
Sitzung  mit  einem  Berichte  über  die  zahlreichen 
Mittheilungen  und  Geschenke.  welche  der  Verein 
erhalten. 

Herr  Dr.  Schliem  an  n,  welcher  die  hiesige 
anthropologische  Sammlung  aufgesucht  und  studirt 
hat,  schenkte  dem  Vereine  sein  kostbares  Werk 
über  die  Ausgrabungen  bei  Troja,  über  dessen  In- 
halt der  Vorsitzende  in  einer  der  nächsten  Sitzungen 
zu  referireu  gedeukt.  Hr.  Major  Kasiski  in  Neu- 
stettin fasst  in  einem  besonderen  Briefe  seine  bis- 
herigen Untersuchungen  über  die  Brandgruben  zu- 
sammen und  bestätigt  deren  vollständige  Ueber- 
einstimmung  mit  den  Rornholmer  Brandpletter,  eine 
Thatsache , deren  Ermittlung  die  vorhistorische 
Forschung  gerade  dem  hiesigen  Vereine  verdankt. 
Hr.  Ober-Medicinalrath  Kelp  in  Oldenburg  macht 
Mittheilung  über  die  Entdeckung  von  Steinsärgen 
am  Nordseestraude  und  die  Begründung  eines  anthro- 
pologischen Vereins  in  Oldenburg.  Hr.  Director 
Töppen  in  Marienwerder  berichtet  in  ausführlicher 
Weise  über  die  Untersuchung  jenes  Grabes  bei  Gul- 
bien  in  der  Nähe  von  Deutsch-Eylau , von  dessen 
Inhalt  schon  in  der  vorigen  Sitzung  eine  sehr  schön 
erhaltene  Fibula  vorgelegt  werden  konnte.  Es  war 
ihm  gelungen,  Theile  der  Urne  und  eines  interes- 
santen aus  Knochen  zusammengesetzten  Schmuckes, 
an  welchem  noch  eine  Bronzeniete  erhalten  war, 
anfznfinden.  Diese  Objecte  schenkte  er  dem  Vereine 

Coitm Nr.  i 


j und  zugleich  eine  Reibe  von  ihm  selbst  über  unsere 
Provinz  veröffentlichter  archäologischer  Arbeiten, 
von  denen  liier  besonders  diejenige  über  Steinkreise 
I bei  Hohenstein  in  Ostprcussen  erwähnt  sein  mug, 
weil  diese  den  vom  Vorsitzenden  bei  Czersk  unter- 
sachten  sehr  ähnlich  sind,  ln  Gr.  I.chseu  war  von 
den  Arbeitern  eine  Steinkiste  entdeckt  worden, 
deren  Inhalt  durch  die  rechtzeitige  Benachrichtigung 
| des  Hm.  Holtze  von  dem  Vorsitzenden  für  die 
■ Sammlung  des  Vereins  gerettet  wurde.  Es  stunden 
I darin  3 Urnen,  darunter  zwei  deutliche  Gesichts- 
urnen von  der  primitivsten  Art,  mit  Ohrringen  aus 
i Bronze  und  Perlen,  aus  Bernstein  und  farbigen  Glas- 
flüssen. Während  Ohren  und  Nase  zwar  noch  deut- 
lich geformt  erscheinen,  sind  die  Augen  nur  durch 
ganz  oberflächlich  eingeritzte  Kreise  dargestellt. 
Hr.  Richter  hatte  der  Gesellschaft  den  Atlas  ge- 
schenkt, welchen  die  Prassia  in  Königsberg  über 
ihre  Steinalterthümer  herausgegeben  bat,  dessen 
i wohlgelungene  Photographien  sich  zum  Studium 
• besonders  eignen;  mit  demselben  wurde  eine  Photo- 
graphie der  hei  Sprottau  in  Schlesien  gefundenen 
Gesichtsurne,  weche  sich  durch  besonders  schöne 
Darstellung  der  Lippen  auszeichnet,  und  die  Photo- 
graphie einer  angeblich  bei  Carthaus  gefundenen 
Bronze,  welche  einen  Isiskopf  darstellt,  in  der 
Sitzung  vorgelegt.  Hr.  Scliück  hatte  eine  Bronze- 
münze  von  Antoninus  Pins,  die  in  St.  Albreclit  ge- 
funden; Hr.  v.  Dizielski  in  Mersin  2 sehr  abge- 
griffene Münzen  aus  einem  Urnengrabe,  deren  eine 
nach  der  Vermuthung  des  Hm.  Prof.  Röper  byzan- 
tinischen Ursprungs  ist;  Hr.  Dr.  Oeklsckläger 
ferner  einen  Mammutbzahn,  der  an  der  Montaner 
Spitze  gefunden,  einige  Bronzepfeilspitzen,  welche 


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In 


aus  der  Nähe  eines  Skeletgrabes  hei  Maricuhiirg  | 
berstammen,  und  einen  eisernen  Sporn  ans  späterer 
Zeit;  Hr.  Oberstabsarzt  Dr.  Oppler  2 Bractcaten  j 
der  Sammlung  geschenkt:  alle  diese  Objecte  wur-  I 
den  vorgelegt. 

Hr.  Oberförster  Feussner  in  (‘iss  heiCzerak 
hatte  einen  sehr  sorgfältigen  Bericht  eingesandt  , 
Ober  das  Urnengräberfeld  hei  Neurnöhle,  von  dem  , 
srbou  in  einer  früheren  Sitzung  eine  Menge  bear-  I 
beiteter  Feuersteinsplitter  vorgelegt  wurden.  Die  | 
grosse  Zahl  der  mit  diesem  Beru  hte  übermal«  flber- 
schirkten  bearbeiteten  Feuerst einobjeete  betätigte 
die  schon  früher  gehegte  Vermnthung,  dass  dort 
eine  prähistorische  Feuersteinwerkstätte  exist irt 
habe.  Der  Verein  wird  sobald  als  möglich  der 
Aufforderung  des  Hm.  Feussnef,  die  Stätte  ge- 
nauer zu  untersuchen,  Folge  leisten.  Hr.  Flor- 
kowski  aus  Graudenz  äberbrachte  in  der  Sitzung 
den  Inhalt  einer  bei  Komoran  im  Kreise  Schweiz 
untersuchten  Steinkiste,  darunter  eine  sehr  schöne, 
zwar  etwas  zerbrochene,  aber  doch  deutlich  charak- 
terisirte  Ge  sicht  surne,  eine  schöne  Bronzepiucette, 
eine  grosse  Bernstein-  und  eine  Achatperlc ; der 
ganze  Fund  wird  genauer  in  den  Schrifteu  der 
naturforschenden  Gesellschaft  beschrieben  werden. 
Hr.  Florkowski  versprach  im  Interesse  des  Vereins 
seine  Untersuchungen  fortzusetzen. 

Den  grössten  Zuwachs  aber  hatte  das  Museum 
des  Vereins  erhalten  durch  die  grosse,  höchst  werth- 
volle Sammlung,  welche  der  Hr.  I.andratli  v.  S tum  p- 
fcld  in  Culrn  nach  und  nach  für  den  Verein  er- 
worben und  demselben  geschenkt  bat.  Hr  Walter 
K a u f fm  a n n , welcher  den  schwierigen  Transport 
der  Objecte  mit  bestem  Erfolge  geleitet,  berichtete 
über  dieselben  folgeudennassen : Die  Sammlung  be- 
steht im  Ganzen  aus  134  Nummern,  nämlich  36  Thon- 
gegenständen,  22  Steinwerkzeugen,  15  Bronzen,  28 
Kiscngeräthsehaften,  33  Silberschniurksaclien  und 
Münzen,  welche  alle  mit  Ausnahme  der  Steinwerk- 
zeuge und  der  Urnen  ans  der  jüngeren  Eisenzeit, 
die  Eisensachen  selbst  sogar  zum  grössten  Theil 
aus  der  Zeit  des  deutschen  Ordens  herstammen. 
Von  den  Urnen,  die  aus  ganz  verschiedenen  Theilen 
des  f’ulmer  Kreises  gesammelt  sind,  zeichnet  sich 
eine  bei  Schöusee  gefundene  durch  hübsche  punktirte 
Verzierungen  aus,  die  anderen  sind  sehr  primitiv  ge- 
arbeitet und  von  gelbbrauner  und  gelbrötb  lieber 
Farbe.  Zwei  Gefässe,  deren  eines  aus  der  Nähe  von 
Freistadt,  das  andere  von  Podwitz  herstammt,  haben 
wohl  zu  Lampen  gedient.  Namentlich  das  letztere 
ist  bemerkenswert bf  da  es  mit  Bronzeschnmck gegen- 
ständen zusammen  in  einem  aus  schwarzer,  mit 
Kohlenresten  vermischter  Erde  bestehenden  Hügel 


gefunden  und  daher  wohl  älteren  Ursprungs  ist 
Es  i«l  aus  gewöhnlichem  Thon  gebrannt,  von  rotli- 
brauuer  Farbe  und  hat  unterhalb  des  llalsringcs. 
der  spiralige  Verzierungen  zeigt,  vier  Reihen  un- 
regelmässig eingedrückter  kreisförmiger  Vertiefungen. 
Der  Henkel  tritt  in  einem  Winkel  aus  dem  Halse 
der  Urne  hervor;  sein  unterer  Arm  ist  vollständig 
durchbohrt,  so  dass  eine  Verbindung  zwischen  dem 
Innern  der  Urne  und  dem  Ende  des  Henkels  her- 
gestellt  ist.  Von  den  SteinliBnimern  zeichnen  sich 
drei  ganz  besonders  dadurch  aus,  dass  an  ihnen 
das  Stielloch  nicht  cylindrisrii  von  einer  Seite  aus, 
sondern,  wie  inan  deutlich  sieht,  von  beiden  Seiten 
nach  der  Mitte  zu  gebohrt  ist.  so  dass  schliesslich 
die  letzte  dünne  Wand  ausgestnssen  wurde,  wobei 
von  beiden  Seiten  noch  kleine  Erhebungen  stehen 
blieben.  Besonders  erhellt  dies  aus  dem  einen  Stein- 
hammer, welcher  nur  die  Anfänge  zu  den  beiden 
. Bohrungen  des  Stielloches  zeigt. 

Eiu  sehr  interessantes  Stück  ist  ferner  ein 
| nach  beiden  Enden  zugeschärfter  Doppclhammer, 
ähnlich  dem  bei  Putzig  gefundenen.  Da  in  dieser 
kleinen  Collection  von  Steinwcrkzeugeu  sich  wieder 
eine  \ erhält nissmässig  grosse  Zahl  von  Steinhämmeni 
befindet,  die  von  (juarz  und  anderen  Adern  voll- 
ständig durchzogen  sind  und  daher  zu  einem  wirk- 
lichen Gebrauch  als  Werkzeug  wohl  kaum  gedient 
haben  können,  so  drängt  sich  unwillkürlich  die  Frage 
auf,  oh  nicht  die  Mehrzahl  aller  Steinhämmer  zu 
ritualen  und  symbolischen  Handlungen  gedient  habe : 

' für  einen  wirklichen  Gebrauch  als  llandwerkzetige 
sind  sie  zu  schwach  und  die  ungeschliffenen  Seiten 
der  Aexte  und  Hämmer  zu  wenig  beschädigt. 

Von  den  Bronzesachen  zeichnet  sich  der  Pod- 
witzer  Fund  aus,  der  aus  lebe  riesten  eines  Bronze- 
gefässes  nebst  Bügel,  einer  Bronzeschnalle,  2 Fibeln 
und  einem  Brouzesporn  bestellt.  Das  Alter  dieser 
Objecte  ist  nach  dem  Brouzesporn,  welcher  genau 
die  Form  des  bei  Münstcrwaldc  in  der  Bronze-Urne 
gefunden  hat,  auf  einige  Jahrhunderte  nach  Uhritsi 
zu  schätzen.  Die  Ueberreste  des  Bronzegefässes 
zeigen  ebenfalls,  wie  auf  der  Münsterwilder  Bronze- 
urne,  auf  der  äusseren  Bodenfläche  drei  Paar  con- 
centrische  Kreise.  Ein  Fund  aus  Cymberg,  be- 
stehend aus  zwei  Stücken  eines  Armbandes  und 
einem  Ohrringe,  ist  deswegen  interessant,  weil  in 
nächster  Nähe  ein  Denar  von  de»  Kaiserin  Faustiua 
der  Jüngeren  gefunden  wurde. 

Von  den  Silber- Fundobjectou  sind  namentlich 
interessant:  6 kufische  Münzen,  die  bei  Uszcz  im 
Verein  mit  einem  für  den  arabischen  Handel  charak- 
teristischen Silberschmuck  iu  einem  Gefässe  gefun- 
den wurden;  sodann  25  Bracteaten,  welche  aus  dem 


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11 


Fribbethal  hcrstammen,  aus  der  Zeit  des  deutschen 
Ordens.  Derselben  Zeit  gehören,  mit  Ausnahme 
von  3 Lanzenspitzen,  die  dom  in  Oliva  so  häufig 
gefundenen  Typus  der  Wendcngräber  entsprechen, 
sämmtliche  Eisengegenstände  an,  bestehend  aus 
Lanzen  und  Pfeilspitzen,  Schwertern,  Messern  und 
einer  grösseren  Anzahl  von  Sporen,  die  alle  zu- 
sammen uns  ein  klares  Bild  von  den  zur  Zeit  des 
deutschen  Ordens  gebräuchlichen  Waffen  geben. 

An  die  Behauptung,  dass  das  Stielloch  einiger 
Steinhammer  von  beiden  Seiten  ausgebohrt  sei, 
knüpfte  sich  eine  lebhafte  Discussion,  aus  welcher 
wir  besonders  hervorheben,  dass  Hr.  Florkowski 
in  Grandenz  Versuche  gemacht  hat,  Steine  von 
verschiedener  Harte  auf  verschiedene  Weise  zu 
durchbohren.  Weder  mit  einem  Instrument  aus 
Holz,  noch  mit  einem  solcheu  aus  Stein  war  es  ihm 
gelungen;  dagegen  konnte  er  mit  einem  Cylindcr 
aus  Kupfer  jedes  hier  in  der  Provinz  vorkommende 
Gestein  — den  Feuerstein  ausgenommen  — durch- 
bohren.*) Der  Vorsitzende  hob  besonders  hervor, 
welche  Bedeutung  die  Geschenke  des  Hrn.  v.  Stump- 
fehl  für  die  Erforschung  der  Verkehr  «Verhältnisse 
in  prähistorischer  Zeit  haben.  Der  Bronzefund  aus 
( yniberg  mit  dem  Denar  der  Faustiua  jun.,  wie 
der  Silbcrschmuck  von  üszcz  mit  den  kufischen 
Münzen  seien  für  die  prähistorische  Chronologie 
von  hoher  Wichtigkeit.  Die  Anwesenden  erkannten 
das  grosse  Verdienst,  welches  sich  der  Hr.  Land- 
rath  v.  Stumpfeld  um  die  Sammlung  erworben, 
allgemein  an  und  gaben  ihrem  Danke  durch  Erheben 
von  den  Sitzen  noch  besonders  Ausdruck. 

Hierauf  legten  Hr.  Helm  und  Hr.  M a nu- 
ll ardt  mehrere  bearbeitete  Bernsteinstücke  vor. 
welche  zum  Theil  aus  der  Erde  ausgegraben,  zum 
Tlieil  aus  der  See  ausgefischt  sind.  Ausser  mehreren 
Perlen  von  verschiedener  Grösse  und  Farbe,  welche 
15  Fass  lief  in  der  Erde  bei  Freienhuben  auf  der 
frischen  Nehrung  gefunden  sind , befanden  sich 
darunter  eine  sehr  hübsch  gearbeitete  Fibula,  welche 

*)  Graf  W urinbrand  hatte  sowohl  auf  der  inter- 
nationalen Ausstellung  in  Wien  (1*73)  als  beim  Congrea* 
für  Anthropologie  zu  I’ost  (1876'-  eine  Vorrichtung,  durch 
die  eine  Bohrung  der  Stiel loclier  mit  Hirschgeweih- 
en den  vortrefflich  ausgeführt  worden  konnte.  Es  ist 
von  ihm  damals  ferner  mit  viel  Glück  eine  Anzahl  von 
Gründen  beigehraclit  worden,  dass  gewisse  in  Pfahl- 
bauten gefundene  llirschge weihenden  mit  henunlaufen- 
der  deutlich  durch  eine  Schnur  eingeschnittener  Rinne 
nichts  anderes  als  Bohrer  sind.  Ausführliches  hierüber: 
Mittlieiluugeu  der  authropologischeu  Gesellschaft  in  Wien 
Bd.  V Heft  1 u.  6 S.  123.  und  neuesteos  Bi  VII  Nr  4 
u.  5.  D.  R. 


nach  Form  und  Verzierung  ganz  den  Charakter  der 
ln  den  Brandgruben  gefundenen  zeigt,  und  ein  sel- 
tenes Gürtelschloss,  welches  bei  Neustadt  in  Westpr. 
aufgefischt  worden  ist. 

Hr.  Schück  berichtete  nun  über  den  Inhalt 
eines  Kegelgrabes,  welches  er  auf  Anzeige  des 
Hrn.  Kreisphysicus  Dr.  Wolff  gemeinsam  mit  dem 
1 Hrn.  Amtmann  Krause  und  Gutsbesitzer  v.  K or- 
zetkowski  bei  Wonno  im  Löbauer  Kreise  unter- 
sucht hatte.  Das  Grab  lag  auf  dem  höchsten  Punkte 
der  Gegend  und  bestand  in  einem  9 Fuss  hohen, 
künstlich  errichteten  Sandkegel,  der  an  der  Basis 
etwa  27  Fuss  im  Durchmesser  hatte  und  von  einer 
doppelten  Steinsetzung  umgeben  war.  Im  Innern 
war  aus  grossen  Stcinblöckcn  eine  Kammer  gebaut, 
welche  etwa  4 zertrümmerte  Urnen  mit  Knochenascbc 
enthielt ; als  Beigabe  fand  sich  nur  eine  sehr  ein- 
fache eiserne  Fibula  von  der  Form  einer  gezahnten 
! Scheibe.  Aehnliche  Gräber  sind  in  unserer  Provinz 
schon  wiederholt  gefunden  worden,  ohne  dass  man 
bisher  wegen  der  mangelnden  Beigaben  bestimmen 
konnte,  welcher  Zeit  dieselben  angchörten. 

An  die  Behauptung  des  Referenten,  dass  wegen 
der  Schwierigkeit,  das  Grab  zu  öffnen,  wahrschein- 
lich alle  Urnen  zu  gleicher  Zeit  beigesetzt  wurden, 
knüpfte  sich  eine  Discussion,  an  welcher  sich  be- 
sonders die  Hrn.  Kauffmann,  Helm  und  Oehl- 
schlägcr  betheiligten.  Der  Letztere  wies  darauf 
hin.  dass  es  noch  hei  den  Römern  üblich  war,  die 
Urnen  mit  der  Asche  der  Verstorbenen  längere  Zeit 
hcrumzutragen  und  schliesslich  eine  grössere  Anzahl 
auf  einmal  beizusetzen.  Hr.  Kauffmann  hob  da- 
gegen hervor,  dass  bei  dem  schlechten  Brande  der 
Gefässe  in  den  heidnischen  Gräbern  unserer  Provinz 
eine  gleiche  Sitte  hier  nicht  möglich  gewesen  sei, 
während  er  andrerseits  grosse  Steinkisten  unter- 
sucht habe,  in  welchen  nur  2 Urnen  sich  befanden, 
eine  Thatsachc,  welche  von  Hrn.  Helm  bestätigt 
wurde  und  dafür  spricht,  dass  die  Urnen  nach  und 
nach  beigesetzt  wurden. 


Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Göttingen  am  20.  Mai  1877. 

Hr.  Prof.  Unger  hält  einen  Vortrag  über 
den  Einfluss  des  Klimas  auf  die  Ent- 
wicklung der  Kunst,  spcciell  der  Archi- 
tekt u r.  Der  Vortragende  unterscheidet  drei  Zonen, 
eine  heisse,  eine  gemässigte  und  eine  kalte,  die 
jedoch  nicht  mit  den  gleichnamigen  geographi- 
schen zusammenfallen,  und  zeigt  an  ausgcwählten 
Beispielen,  wie  in  den  einzelnen  Zonen,  beeinflusst 


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von  den  klimatischen  Verhältnissen,  speciell  der 
Helenchtung.  die  Kunstentwicklung  eine  andere  Rich- 
tung einges<dilagen  habe.  Zu  den  Bewohnern  der 
heissen  Zone  rechnet  er  die  alten  Culturvölker  des 
Nil-,  Euphrat-  und  Gangesthaies,  sowie  die  alten 
Mexikaner  und  Peruaner.  Die  Lander  der  gemäs- 
sigten Zone  sind  Kleinasien,  Griechenland,  Italien. 
Die  nördliche  Zone  wird  gebildet  von  den  Landern  i 
nördlich  der  Alpen  bis  etwa  zum  50.  Grad  uördl.  1 
Breite,  jenseits  dessen  die  selbständige  Kunst - 
entwicklung  aufhört.  In  diesen  drei  Zonen  wird 
einerseits  die  künstliche  Phantasie  der  Bewohner 
durch  die  klimatischen  Einflüsse  verschiedenartig  i 
erregt,  andrerseits  treten  ihnen  die  Formen  der  • 
Bauwerke  in  verschiedener  Beleuchtung  entgegen. 
Daraus  erklären  sich  die  Kolossalhallten  der  Aegypter 
und  Peruaner  mit  ihren  schiefen  Wanden,  die  keine 
vorspringende,  schattengebende  Omamentirung  zei- 
gen ; ferner  die  formvollendeten  classischcn  Bauten, 
die  bei  der  günstigen  Beleuchtung  weder  der  schiefen 
Flflchen,  noch  des  übermässigen  Deeoratinnsanf- 
wandes  bedürfen;  endlich  die  bei  dem  meist  be- 
deckten Himmel  nöthige  reichere  Gliederung  der 
Bauten  der  nördlichen  Völker,  insbesondere  im  gothi- 
schen  Stil.  — Der  Vortragende  legt  zugleich  eine 
Reihe  einschlägiger  Abbildungen  vor.  Sodann  über- 
reicht Hr.  Prof.  Ungcr  einen  in  Frankfurt  a.  M. 
ausgegrabenen  Mammuthzalm . woran  Hr.  Prof, 
v.  See  hach  einige  Erläuterungen  anknüpft. 

Der  Vorsitzende,  Hr.  Prof.  Ehlers,  demonstrirt 
am  Schluss  eine  Anzahl  Schädel,  welche  Hr.  Dr. 
Schuetti  in  Sidney  an  das  hiesige  zoologische 
Institut  Übersandt  hat;  dieselben  sind  der  Blumcn- 
bach ‘sehen  Sammlung  eingereiht.  Sie  stammen  von 
einer  wenig  besuchten  Insel  in  der  Torresstrasse. 
Sic  sind  als  Trophäen  bearbeitet;  roh  gearbeitete 
Angen  und  durchbohrte  Nasenpttöcke  sind  ihnen 
eingesetzt.  Prof.  Ehlers  hält  sie  für  verschieden 
von  den  Schädeln  der  Neuholländer,  mehr  überein- 
stimmend mit  denen  der  Papua  s.  Auffälligenvei-e 
findet  sich  an  ihnen , ähnlich  nie  hei  manchen 
Papua-  und  Malayen-Sehftdoln,  eine  schiefe  Ver- 
drückung des  ( raniums. 


Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
in  Jena  am  21.  Februar  1877. 

II  r.  Prof.  Dr.  Fort  läge  hält  einen  Vortrag  über 
die  wilde  und  zahme  Völkcrfamilio.*1 

*)  Die  folgenden  Mittlieiliingen  enthalten  nur  ilie 
Disposition  des  iutori  ssantt  n Vortrages.  D.  R 


Wir  kennen  drei  Culturstnfen : 1.  die  fort- 
schreitende Cultur  des  Occidents,  2.  die  stagnirende 
des  Orients,  3.  die  in  den  Anfängen  stehen  ge- 
bliebene der  wilden  Völker. 

Ihnen  entsprechen  drei  Familienformen:  1.  der 
fortschreitenden  Cultur  des  Occidents  die  Mono- 
gamie, 2.  der  stillgestandenen  des  Orients  die  strenge 
Polygamie,  3.  der  unentwickelten  der  wilden  Völker 
die  laxe  Polygamie  nebst  noch  wilderen  Formen. 

Diese  verschiedenen  Formen  sind  nicht  erst 
Erzeugnisse  des  Culturlebens,  sondern  bereits  rait- 
be*timmende  Ursachen  desselben.  So  bezeugt  es 
das  Leben  der  Thierwclt,  in  welchem  alle  drei 
angelegt  sind  als  ursprüngliche  Verzweigungen  des 
Fortpflanzungstriebes. 

Derselbe  erzeugt  1.  in  seiner  Isolation  die 
wilden  Begattungen  (wie  bei  Hunden),  2.  in  seiner 
Verbindung  mit  dem  männlichen  Besitztriebe  die 
Polygamie  (wie  bei  den  Hähnen  und  Stieren),  3.  in 
seiner  Verbindung  mit  dem  persönlichen  Freund- 
scliaftstricbc  die  Monogamie  (wie  bei  inseparabeln 
Papageien  und  Kranichen). 

Weniger  als  diese  Formen  dürfen  wir  in  den 
Anfängen  des  Menschengeschlechts  nicht  wohl  vnr- 
aussetzeu.  Die  Menschheit  muss  ihre  drei  Cultur- 
stnfen  in  Uebereinstimniuug  mit  ihnen  bis  zu  den 
gegenwärtigen  Zuständen  empor  entwickelt  haben. 

Wenn  also  die  höheren  Familien  formen  nicht 
erst  Erzeugnisse,  sondern  bereits  mit  w irkende  Ur- 
sachen des  Culturlebens  waren:  welche  Förderungen 
gewann  dieses  Leben  durch  dieselben?  und  welche 
Hindernisse  stehen  ihm  noch  heute  durch  die  nie- 
deren Formen  im  Wege? 

1.  Tie  niedrigste  Form,  die  wilde  Weiber- 
gemeinsc  ha  ft , finden  wir  nirgendwo  mehr  in 
der  Gegenwart  als  allgemeine  Volkssitte.  Herodot 
kannte  sie  noch  (bei  den  Agathyrsen,  Aoseern  und 
Macbhornt. 

Wir  finden  sie  hingegen  auch  heute  noch,  in 
Vereinigung  mit  der  laxen  Polygamie,  als  zu- 
gelassenen  freien  Verkehr  beider  Geschlechter  vor 
und  zum  Theil  nach  der  Verehelichung  (auf  den 
Marquesis-Inseln,  Neu- Seeland,  in  Algier,  Japan, 
auf  den  Andamanen,  bei  den  Buschmännern,  sowie 
nach  Herodot  vorZeiten  bei  den Scythen,  Mas*ageten, 
Nasnmoncn.  Oindanem  und.  als  religiösen  Ucberrest 
einer  überlebten  Sitte,  bei  den  Babyloniern). 

Verehelichte  Weiber  wurden  zuweilen  ver- 
liehen, als  Zeichen  der  Gastfreundschaft  (z.  II. 
in  Arabien  bei  den  Wachabiten.  auf  Madagasear, 
in  Neu -Seeland;  ferner  in  Mikronesien  zwischen 
Freunden,  welche  sich  durch  Namentausch  für  ihr 
Lehen  enge  mit  einander  verbunden  hatten). 


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13 


Dass  Brüder  zusammen  ein  Weih  nahmen, 
soll  in  Indien,  auch  in  Sparta  vorgekommen  sein. 
Eine  Rürkerinnerung  an  solche  polyan dri sc h e 
Sitte  enthält  vielleicht  auch  das  Mosaische  Gebot 
iS.  Mos.  25,  5),  das  dem  Bruder  die  Pflicht  auflegte, 
die  Wittwe  des  ohne  männlichen  Erben  verstorbenen 
Bruders  zum  Weihe  zu  nehmen,  eine  Sitte,  welche 
auch  in  neuer  Zeit  mancherwftrts  (hei  Tscherkessen, 
in  Abessinien,  hei  den  Papua’s  in  Neu-Caledonicn, 
bei  brasilianischen  Völkerschaften)  ist  gefunden 
worden. 

Alle  solche  Formen  wilder  Ehe  tragen  einen 
dreifachen  Charakter,  welcher  ein  fortschreitendes 
Culturleben  unmöglich  macht: 

1.  Die  Söhne  sind  vaterlos. 

2.  Die  Weiher  sind  Sclavinnen. 

3.  Die  physische  Organisation  verkümmert. 

1.  Die  Vaterlosigkeit  der  Söhne  ist  Folge 
der  ungewissen  Vaterschaft.  Daher  bekommen  die 
Kinder  nicht  den  väterlichen,  sondern  den  mütter- 
lichen Stammnamen.  (So  in  Australien,  bei  Indiancr- 
stümmcn  Nord-Amerikas,  hei  Stämmen  in  Mittel- 
Afrika,  im  Alterthum  hei  Lyeiern,  Lokriern.  Knp- 
padociern.)  Dabei  beerben  die  Kinder  nicht  den 
Vater,  sondern  allein  die  Matter.  Das  väterliche 
Erbe  geht  auf  die  Geschwister  nebst  den  Schwester- 
kindern über.  (So  bei  Irokesen  und  anderen  In- 
dianerstämmen;  bei  Negern  Süd-  und  Mittel- Afrikas, 
im  nordwestlichen  Hintcr-Indien.)  Die  Krone  Mexicos 
vor  der  spanischen  Eroberung  ging  nicht  auf  die 
Söhne  über,  sondern  auf  die  Brüder  und  Neffen 
(Eben  so  das  Fürstentum  auf  den  Marianen-Inseln.) 
Dieses  sogenannte  Mutterrecht  oder  Neffen- 
Erbrecht  ist  zufolge  der  Forschungen  von  Bach - 
ofen  zn  verstehen  unter  Gynackratie  der  alten 
Völker,  wie  sie  in  Kreta,  Lydien,  Athen,  I.emnos, 
Orchomenos,  bei  den  Minyem,  den  epizephyrischen 
I.okriem,  in  Mantinea  und  Lesbos  geherrscht  haben 
soll. 

2.  Die  Sclaverei  der  Weiber  tritt  in  ihrer 
Verkäuflichkeit  zu  Tage  (hei  vielen  N eger- 
'•täinmen  Afrikas,  bei  den  Tscherkessen,  den  Af- 
ganen).  In  unangebauten  Gegenden  Afrikas,  wo 
der  Boden  beinahe  keinen  und  die  fahrende  Habe 
gerinnen  Werth  hat.  machen  die  Weiber  die  eigent- 
lichen Werthstücke  einer  Erbschaft  aus.  Herodnt 
loht  die  Sitte  der  Babylonier  und  Venetier,  die 
Jungfrauen  auf  öffentlichem  Markte  zu  versteigern, 
und  für  die  Summen,  welche  die  schönen  einge- 
hrarht  hatten,  die  hässlichen  an  den  Mann  zu  bringen. 
In  Dahomey  verkauft  der  König  die  Frauen.  Die 
plebejische  Ehe  unter  den  Kaufcer emonien 
der  CoAmtio  hei  den  Hörnern,  die  indischen  ähn- 


lichen Formen  der  Risehi-  und  Asnra-Ehe,  die 
ähnlichen  hei  den  Sneven  nach  Tacitus’  Bericht, 
so  wie  der  als  Strafe  bis  in  die  neuesten  Zeiten 
geübte  W ei berv erkauf  in  England  sind  Narh- 
khlngc  älterer  Sitten. 

3.  Die  Verkümmerung  der  physischen 
, Organisation  rührt  theils  her  von  dem  zn  frühen 
| Ileirathcn,  theils  von  den  Heiratbeu  innerhalb  der 
, Familie.  Verbindungen  unter  Geschwistern,  selbst 
, unter  Eltern  und  Kindern  kamen  vor  bet  Assyrern, 

! Acgyptern,  Persern,  in  Hintcr-Indicn,  bei  Drusen, 
| Mingrelieni,  anf  den  Sandwich-Inseln.  In  Califor- 
nien  heiratheten  früher  Väter  ihre  Töchter.  Die 
amerikanischen  Indianer  nahmen  oft  alle  Schwestern 
anf  einmal,  die  Irokesen  Mutter  und  Tochter  zu- 
gleich. Lykurg  und  Solon  erlaubten  Ehen  zwischen 
J Stiefgeschwistern.  Abrahams  Weib,  Sarah,  war 
seine  Stiefschwester.  Alle  diese  Verbindungen  in 
vollständiger  Aufzählung  werden  in  der  Mosaischen 
Gesetzgebung  (3.  Mos.  18,  6)  hei  Todesstrafe  ver- 
boten. 

II.  Erst  mit  der  strengen  Polygamie,  in 
welcher  der  Vater  seinen  Sohn  als  Alter- 
Ego  anerkennt,  kann  fortschreitende  Cultur  be- 
ginnen, indem  der  Sohn  vom  Vater  die  erfundene 
Kunst  lernt  und  höher  bildet.  In  einfachster  Weise 
in  der  Kasteneinrichtung  der  l’rstaaten.  So 
lange  es  noch  kein  allgemeines  Schulwesen  geben 
kann,  ist  dieses  der  einzig  mögliche  Weg  fort- 
schreitender Cultnr. 

Von  der  laxen  zur  strengen  Polygamie  ist 
kein  Febergang,  sondern  ein  Sprung.  Dieser  wird 
am  leichtesten  vollzogen  durch  Raub.  Denn  das 
geraubte  Weib  steht  ausserhalb  der  Stammesver- 
I hindung  und  ihrer  Ansprüche.  Die  Raub- Ehe 
! entspricht  heroischen  Zeitaltern  (Raub  der  Helena. 

I der  Sabinerinnen,  der  Gudrun).  Sie  besteht  als 
! Ceremonie  bei  den  Indiern  als  Rakschasa-Ehe,  bei 
den  Römern  als  die  Usu  vollzogene  plebejische  Ehe- 
form. in  Wirklichkeit  noch  bei  niederen  Cultur- 
graden  (hei  Kalmücken,  Beduinen,  auf  Sumatra,  in 
Afrika,  bei  den  Feucrländem,  in  Venezuela), 

Einer  volkstümlichen  Einschränkung  der 
laxen  Polygamie  entsprechen  Verbote  des  Hei- 
raten* innerhalb  des  eigenen  Stammes,  zum  Theil 
bei  Todesstrafe  (bei  Tscherkessen.  Irokesen,  Tinm4- 
Indianern,  Samojeden.  Neu-Caledoniern,  einigen 
indischen  Völkerschaften).  Auch  die  (bei  Hindu  s, 
Aschanti  s,  auch  in  Neu-Caledonicn)  vorkommende 
Sitte,  dass  Schwiegereltern  nnd  Schwiegerkiuder. 
Brüder  und  Schwestern  nicht  mit  einander  nmgehen 
dürfen,  gehört  hieher. 


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14 


Eine  Ceremonie  der  Anerkennung  des 
Sohnes  vom  Vater  ist  der  (bei  Völkern  Inner- 
Asiens  nnd  Indianerstümmen  Nord -Amerikas  vor- 
kommende) Gebrauch  der  Ehemänner,  sich  nach 
der  Niederkunft  der  Frauen  ins  Wochenbett  zu 
legen,  welchen  Xenophen  von  den  Tiberenern  in 
f'ilirien  und  Diodor  von  den  t’orsen  berichtet  hat. 

Von  angewandter  Strenge  bei  Durchführung 
der  strengen  Polygamie  zeugen  die  harten 
Strafen  für  den  Ehebruch  (bei  Aegyptern,  Mexikanern, 
.luden,  in  Tibet).  Mit  nicht  minderer  Strenge  ver- 
fuhren in  alter  Zeit  die  monogamischen  Völker  des 
Occidents. 

In  der  strengen  Polygamie  des  Orients 
unterscheiden  sich  legitime  Gattinnen  (gewöhnlich 
zwei,  höchstens  vier,  in  Indien  drei,  bei  Ägypti- 
schen Priestern  eine)  von  den  gekauften  Kebs- 
weibein.  ln  Beziehung  auf  legitime  Frauen  findet 
Scheidung  nicht  statt.  Dagegen  können  Kebs-Ehen 
auch  wohl  auf  gewisse  Zeit  geschlossen  werden. 
Die  Grösse  des  Harems  richtet  sich  nach  den 
Graden  der  gesellschaftlichen  Stellung  und  des 
Reichthums  fein  Stabsofticier  2 — 8,  ein  General 
I — 6,  ein  Gouverneur  15-  20  u.  s.  w.).  Wegen 
der  beliebig  grossen  Zahl  der  Kobsweiber  kann 
eine  türkische  Familie  Dienstboten  entbehren. 
Prostitution  und  uneheliche  Kinder  itn  occldentali- 
scheu  Sinuc  sind  dem  Orient  unbekannt. 

III.  Die  monogamische  Ehe  des  Occi- 
dents hat  einen  von  der  polygamischen  des  Orients 
grundverschiedenen  Charakter.  Wie  jene  auf  dem 
despotischen  Verhältnisse  des  Besitzes,  so  beruht 
diese  auf  dem  persönlichen  der  Freundschaft.  Die 
Definition  des  Corpus- Juris  fasst  sie  als  eine  ge- 
meinsame Theilnahmc  ati  allen  Aufgaben  des  Lehens 
(ronsortium  omnis  vitae)  und  an  allen  Rechten  des- 
selben (divini  atque  hnmnni  juris  communicatioj.  Der 
Besitz  ist  hier  nicht  ein  einseitiger,  sondern  ein 
rcciproker.  Das  Weil»  ist  zur  vollen  Person  erhoben, 
Eifersucht  verschieden  berechtigter  Söhne  ausge- 
schlossen. der  beschwerliche  Ballast  überflüssiger 
Familientlieile  abgeworfen,  die  Familie  auf  die 
grösste  Innigkeit  des  Vereinslebens  concentrirt.  An 
die  Stelle  der  Hörigkeit  der  Dienstleute  tritt  das 
freie  Dienen  um  bedungenen  Lohn. 

In  Rom  standen  dieser  Hanptforni  der  Mono- 
gamie (der  aristokratischen  Confarreatio)  noch  immer 
die  plebejischen  Nebenformen  des  lTsus  und  der 
( ’oömtio  zur  Seite,  nicht  minder  das  Concubinat 
und  das  Contuberninm  (die  Sclavenehe).  Nach  und 
nach  erst  ist  die  Hauptfomi  mit  völliger  Beseitigung 
aller  Nebenformen  in  Europa  durchgedrungen. 

Die  monogamische  Ehe,  als  gegründet  auf  den 


Begriff  gemeinschaftlicher  Arbeit  in  den  Werken 
der  Cnltur,  ist  ein  actives  Bflndniss  gegenseitiger 
Hilfe  und  Erleichterung  und  hat  ronsequcntorwei-c 
die  Werke  der  heutigen  Cnltur  im  Gefolge  gehabt, 
welche  ihren  Besitzern  eine  Macht  sichern,  gegen 
die  die  Werke  niederer  Culturgrade  im  Kampfe 
ums  Dasein  nicht  auf  die  Dauer  Stand  zu  halten 
vermögen.  Dieses  Uebergewicht  der  Monogamsten 
über  die  Polygamist en  muss  mit  höher  steigenden 
Graden  der  Cultur  in  wachsendem  Masse  zunehinen. 

Die  Triebe  zu  allen  drei  Familienformen  wer- 
den ohne  Zweifel  von  Anfang  an  sieh  im  Menschen* 
geschlechte  bethatigt  haben.  Doch  haben  allem 
Anscheine  nach  anfangs  die  niederen  Triebzweige 
den  höchsten  dergestalt  überwuchert,  dass  seine 
Wirkungen  nur  sporadisch  in  einzelnen  Privatkreisen 
hervortreten  konnten  als  ein  höheres  Bedürfnis- 
bevorzugter  Personen,  nicht  aber  als  herrschende 
•Sitte  ganzer  Volks« tftmme. 

Die  Eroberungen  der  Cultur  in  den  ersten 
Weltjahren  gingen  aus  vom  Herde  der  strengen 
Polygamie  in  deu  kolossalen  orientalischen  Welt- 
reichen, gegen  welche  gehalten  die  antiken  ßildungs- 
herde  monogamischer  Arbeit  in  Griechenland  nnd 
Rom  sieh  auf  der  Landkarte  schmal  genug  aus- 
nehmon.  Erst  als  mit  Unterstützung  des  Christen* 
tliums  ganz  Europa  sich  der  durch  sie  angefangenen 
Arbeit  ansehloss,  fing  das  Verhflltniss  au  sich  um- 
zukohren. 

Das  voraussichtliche  Ende  kann  kein  andere- 
sein,  als  dass  die,  welche  im  Anfänge  die  kleinsten 
waren,  zuletzt  die  grössten  sein  werden. 


Wissenschaftliche  Mittheilungen. 

Ausgrabungen  hei  Göthen. 

Die  Stadt  Göt  h eil  in  A n h alt  bietet  in  ihrer 
nftrlistcn  und  fernem  Umgehung  ein  nicht  unan- 
sehnliches Material  für  prähistorische  Forschung 
und  Ethnologie,  welches  schon  vor  2tx>  Jahren  die 
Aufmerksamkeit  seiner  Fürsten  erregt  hat  und  zum 
Theil  noch  jetzt  in  dem  herzoglichen  Schlosse  da- 
selbst vorhanden  ist. 

(Jeher  den  Ursprung  der  Stadt  weiss  man 
wie  über  die  meisten  andern  des  Landes  nichts, 
doch  ist  e*  wahrscheinlich,  dass  er  weit  über  die 
Zeit  hinausreicht,  wo  die  Kietin  genannte  Haupt- 
stadt der  Wenden  vom  Kaiser  Heinrich  I.  (i.  .1. 027» 
zerstört  worden  ist.  Dem  Namen  der  Stadt  er- 
geht cs  nicht  anders  als  dem  Oöthe’s  in  dem  be- 
kannten Herder'schen  Epigramme;  oh  er  von 
Gothen  oder  vom  Kot  he  stammt,  ist  gleich  un- 


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15 


sicher;  sogar  “eine  Schreibweise,  ob  mit  K oder  (', 
obgleich  wir  eine  grosse  gelehrte  Abhandlung  darüber 
besitzen,  ist  zweifelhaft,  und  und  nur  gewisse  eigen- 
sinnige l.eutc  halten  iu'tiiictmüssig  uoch  heut  au 
dem  C fest. 

Dass  die  1 teut ung  des  Namens  auch  ihre  kel- 
tischo  Phase  durchgemacht  hat.  ist  selbstverständ- 
lich, da  die  Dolmen  und  Hügelgräber.  deren  Reihe 
einige  Stunden  von  dort  beginnt  und  bis  zu  dem 
durch  seine  Conchilicn  berühmten  Lnttorf  sieh 
erstreckt,  uoch  unlängst  für  keltischen  Ursprungs 
gehalten  wurden.  Nicht  wenig  sprach  ferner  dafür 
der  zufällige  rinstand,  dass  bei  uuserm  Göthen 
eine  Vorstadt  Sc  ha  lau  » genannt  und  bei  der  Stadt 
Sc  ha  lau  n in  dem  bojokeltischeu  Hohmen  ein  Orts- 
name Cot  i na  sich  befindet,  Cuit,  Kot  im  Kelti- 
schen aber  eineu  bewaldeten  Berg  bedeutet  (cf.  V. 
Goehlert  in  Mittheil.  d.  geograph.  Ges.  in  Wien. 
N.  F.  3.  Nr.  4.  1870). 

Leider  besizt  nun  das  jetzige  Göthen  zwar  eine 
ulte  Dorfstätte  Hohen-Cötheii , indess  schon  seit 
Jahrhunderte!!  keinen  Wald  und  endlich  findet  sich 
eiu  Schulaun  auch  in  dem  altslawischen  Preussen. 
Dass  die  Sorben -Wenden  einst  den  ganzen  Land- 
strich bis  zur  Saale  und  tliiliweise  über  dieselbe 
hinaus  besessen  und  besiedelt  haben,  stellt  nicht 
nur  geschichtlich  fest,  sondern  wird  auch  durch  die 
unverkennbar  slawischen  Ortsnamen  und  die  zahl- 
reichen Künde  von  Urnen  mit  verbrannten  Menschen- 
knorhen in  geringster  Tiefe  unter  der  Obertläche 
des  Bodens  bestätigt.  Weit  mehr  als  dieses  scheint 
uus  die  slawische  Russe  in  Anhalt  uieht  hiuterlasseu 
zu  haben,  es  sei  denn,  dass  von  ihrem  Blute,  wie 
inan  annimmt,  ein  guter  Theil  durch  die  Adern  des 
Zerbster  Landvolkes  Hiesst.  Von  Skelettheilen, 
namentlich  von  Schädeln  der  alten  Wenden 
haben  wir  nichts  und  zwar  darum  insbesondere 
nichts  aufzuweisen,  weil  sie,  wo  sie  konnten,  die 
Feuerbestattung  übten.  Trotz  dessen  ist  es  fast 
sicher  anzunebinen,  dass  in  der  Nähe  der  Stadt 
Gothen  ein  Massen-Beerdigung  wendischer 
Leichen  stat (gefunden  haben  müsse.  Da  nämlich 
am  11.  Februar  1115,  an  demselben  Tage,  an  wel- 
chem Kaiser  Heinrich  V.  am  Welfs  holze  bei 
Hctlsladt  der  vereinigten  Macht  der  Sachsenfürsten 
unterlag,  auch  ein  ihm  verkündetes  Wemleuheer 
von  4 — 501N)  Mann  durch  Graf  Otto  d.  Reichen 
hei  Göthen  geschlagen  wurde  und  gegen  Aken  an 
die  Klbe  sich  zurückzog,  so  liegt  die  Vermut hung 
nahe,  dass  die  gefallenen  Wenden  auf  dem  Schlacht- 
fehle  begrabeu  und  uieht  verbrannt  worden 
sind.  Von  dieser  Voraussetzung  ausgehend,  habe 
ich  seit  mehreren  Jahren  mich  bemüht,  den  Ort 


der  Wahlstatt  ausfindig  zu  machen,  um  in  den  Besitz 
unzweifelhaft  alt  wendischer  Schädel  zu  gelangen. 
Davon  hing  die  Lösung  der  Frage  ah.  ob  die  alten 
Sorben  - Wenden  au  »lern  weitverbreiteten  braehy- 
cephaleu  SrliAdeltypns  der  heutigen  Slawen  tlieil- 
genoinmen  haben  oder  nicht,  oder  aber  oh  der 
Typus  sich  verändert  und  in  den  jetzt  in  Anhalt 
herrschenden  brnrliyrephalon  ühergegaugen  sei, 
gleich  dem  in  Franken,  gegenüber  dem  Typus  der 
Beiheugräber.  Leider  ist  mir  bis  jetzt  es  nicht 
gelungen,  die  Stelle  zu  ermitteln.  In  Folge  dieser 
Bemühungen  erhielt  ich  dagegen  Funde  anderer 
Art  aus  einer  Stätte,  welche  schon  seit  150  Jahren 
sehr  ergiebig  an  Urnenfüiiden  sich  gezeigt  hat.  Ls 
ist  dies  das  Terrain  hinter  dem  Judeu-Gottesacker 
bei  Göthen.  Längs  der  Südseite  der  Mauer  des 
letzteren  und  vom  Saume  der  Fasanerie  aus  er- 
streckt sich  nach  Süden  und  Westen  bis  zu  den 
sogenannten  7 Brünnen  ein  weitläufiger,  von 
schmalen  Wasserläufen  umkreister  Ackercomplex, 
auf  welchem  mehrere  Ziegeleien  sieh  etablirt  buben. 
Die  reiche  Humusschicht  ist  grösstentlieils  abge- 
tragen. uiul  der  mehr  oder  minder  weisse,  darunter 
befindliche  Lehm-  und  Thonboden  wird  ausgegraben 
und  verarbeitet.  Bei  diesen  Ausgrabungen  fanden 
sich,  insbesondere  längs  des  Weges,  welcher  von 
der  Vereinsziegelei  zur  Friedhofsmauer  führt,  grös- 
sere und  kleinere  graue  Steine,  deren  nach  oben 
gekehrte  Flüche  deutliche  Spuren  von  Feuer  trugen, 
und  unter  diesen  Steinen  lagen,  ohne  dass  eiu  aus- 
gemauertes  Grab  zu  erkennen  war,  neben  wolil- 
erhaltenen  Urnen  und  Gefässen,  menschliche  Skelete, 
der  Kopf  nach  Westen,  die  Küsse  nach  Osten  ge- 
kehrt. Hr.  Ziegelei  - Direetor  Aufrecht,  dessen 
Güte  ich  diese  Mitlheiluug  sowie  die  noch  zu  er- 
wähnenden Schädel,  Gef&ssc  und  einen  in  einem  der 
letzteren  gefundenen  Horn  kämm  verdanke,  ver- 
sichert, dass  seit  Jahren  zahlreiche  derartige  Künde 
gemacht,  deren  Inhalt  leider  von  den  Arbeitern 
meist  zertrümmert  und  wieder  verscharrt  worden 
sei,  und  dass,  wo  die  bewussten  Steine  mit  Brand- 
spuren gefunden  werden,  auch  jedesmal  eiu  Grab 
zu  erwarten  sei. 

Schon  diese  Art  der  Leichenbesfattung  lässt 
nicht  verniuthen,  dass  wir  es  hier  mit  wendischen 
Grabstätten  zu  thuu  haben,  wenigstens  uieht  mit 
solchen  aus  heidnischer  Zeit;  aber  auch  die  Form 
der  Schädel  stimmt  nicht  zu  der  landläufigen  Vor- 
stellung von  solcher  slawischer  Rasse.  Beide  sind 
laug,  schmal  und,  besonders  der  des  jüngeren  In- 
dividuums, ziemlich  hoch,  wie  aus  den  beifolgenden 
Ma-sen  ersichtlich  ist.  Beide  zeigen  eine  sHiön 
gewölbte  aber  schmale  Stirn,  lange,  hinten  nicht 


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16 


plötzlich  sich  verbreiternde  Scheitelbeine  und  t*iu  { 
nach  hinten  vorragendes  Hinterhauptsbein  mit  stark 
ausgesprochenen  Linien  für  Muskelans&tze;  die 
vordere  Ansicht  ist  mehr  ei-  als  hirnförmig;  die 
Jochkogen  springen  stark  vor.  Der  altere  Sch&del  , 
zeichnet  sich  indes»  vor  dem  andern  durch  eine 
auffällig  rohe  Gesicht sbildung  aus,  die  von  dem 
sanft  gewölbten  Schädel  in  überraschender  Weise 
absticlit.  Wahrend  nämlich  die  Stirnliöcker  ganz 
Hach  sind,  springen  die  Augenbraunenwülste  und 
der  Proc.  nasalis  des  Stirnbeins  über  der  einge- 
drückten Nasenwurzel  mächtig  hervor,  die  vertiefte 
Glubella  lauft  rinnenartig  über  dem  oberen  Augen- 
höhlenrand hinweg  und  ist  von  der  Schläfeugrvbe 
durch  die  schwach  ausgeprägte  t riste  des  Stirnbeins 
kaum  getrennt,  so  dass  das  Gesicht  wie  abgeschnürt 
von  dem  Schädel  und  wie  eine  vorgehaltene  Maske 
erscheint,  an  der  die  Stirn  fehlt.  Am  obern  Orbi- 
talrande  ist  die  Incisor  breit  ausgeschweift,  der 
Proceas.  zygomat.  des  Stirnbcius  gewulstet , der 
haniulus  des  Jochbeins  plump  und  hoch,  der  Körper 
wulstig;  die  Schlafengrube  eng,  schmal  und  wenig 
tief;  der  grosse  Keilbeintlügcl  schmal,  die  Schläfen- 
schuppc  sehr  breit  (resp.  lang). 

An  beiden  Schädeln  lauft  dicht  über  dem 
Hinterhauptshöcker  eine  tiefe,  nach  unten  convexe 
Rinne,  und  ist  unter  den  sonst  gut  erhaltenen  Nahten 
die  K ra n z n a h t sehr  feinzahnig,  in  der  Mitte 


derselben  hei  dem  altem  Schädel  sogar  nur  liuieu- 
förmig. 

Die  Masse  betragen  bei: 

Schädel  I.  Schädel  II. 

lull  Indira« 

Längs- Diu.  = 17.9)  ,,j  Längs-Dtn.  — 19,40)  „ I 

Quer- Dm.  = 12,lj  Quer-Diu.  =13,15L  * 

Hohen -l)m.  = 11,2  ) Höhen -Dm.  —12,15  ' 

Hei  einer  Ausgrabung  am  24.  Dcbr.  v.  J.  fand 
inan  auf  demselben  Tprrain  unter  einer  Humus- 
schicht von  tfO  cm  ein  Grab  von  2 m Höhe,  wel- 
ches in  die  Ziegelerde  eingesenkt,  von  gemischter 
Erde  bedeckt,  auf  einer  Sandschicht  mit  darüber 
gedecktem  Steinpflaster  rnhte.  Es  bestand  ans 
2 in  Pyramidenform  gegen  einander  gelehnten  Steinen 
von  grohkömigem  Granit,  von  denen  der  grösste 
90  cm  lang  war.  Die  dazwischen  liegende  drei- 
eckige Lücke  war  ganz  mit  einer  thonartigen  Masse 
verklebt,  die  am  Fundorte  nicht  mehr  vorkommt. 
Die  Oeffnung  ging  genau  von  Ost  nuch  West.  Auf 
der  Westseite  stand  noch  ein  kleinerer  gegen  die 
Oeffnung  gelehnter  Stein.  Ringsumher  auf  dem 
Sande  lagen  Urnenscheiben  und  Pferdekuochen, 
sonst  nichts.  Vermuthlich  ist  schon  in  früherer 
Zeit  an  derselben  Stelle  gegraben,  das  Grab  geöffnet 
und  wieder  verschüttet  worden. 

Bern  bürg.  August  1877.  Dr.  M.  Frenckol. 


Zar  Literatur  über  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  in  Deutschland. 

Archiv  für  AuthrofHtioyie,  Organ  »irr  deutschen  iintfintjHflvyv*chen  Gc*t-Il*chitft  ltedigirt  von  A.  Ecker 
und  L.  Li  ndi  nschm  it.  Brau  lisch  weig,  Vieweg  & Sülm.  1877  4°.  Inhalt  des  3.  Heftes:  XII.  Die 
Mineralogie  als  Hilfswissenschaft  Iilr  Archäologie.  Ethnographie  u.  h.  w..  mit  specieller  Berücksichtigung 
mexicanischer  Smlptureu.  Von  11.  Einehe r zu  Freiburg  i.  B.  (Hiezu  Tafel  VI,  VII,  VIII.)  — XIII  Be- 
schreibung der  Schädel,  welche  aus  dein  (irahhugel  eines  skytisehen  Königs  uusgegrahen  sind.  Von  C.  E. 
v.  Baer.  Mit  einleitenden  Bemerkungen  von  Prof.  L.  Stieda  in  Dorpat.  (Hiezu  Tafel  IX.)  — XIV.  Leber 
die  Methoden  zur  Ermittlung  der  topographischen  Beziehungen  zwischen  Ilirnohertlficlie  und  Schädel.  Von 
A.  Ecker.  — XV.  Die  tiroütdiirowinduugeu  des  Menschen  und  deren  Beziehungen  zum  Schädeldach.  Von 
Dr.  K.  Hafftier.  (Inauguraldissertation  in  russischer  Sprache,  erschienen  im  Mai  1873.)  Mitgutbeilt  von 
Prof.  Th.  Lau dzert  (St.  Petersburg)  — XVI.  Die  haarige  Familie  vou  Ambras.  Von  C.  T li.  v.  Siebold, 
— XVII.  I>ie  Gleichberge  bei  Roinhild  (Hcrzogtbuui  .Meiningen)  und  ihre  prähistorische  Bedeutung.  Von 
Dr.  G.  Jacob.  (Hiezu  Tafeln  X.  und  XI.)  — XVIII.  Zur  Archäologie  des  Balticuiu  und  Russlaudä. 
Zweiter  Beitrag.  Leber  ostbaltische,  vorzugsweise  dem  heidnischen  Todtencultus  dienende  »chiffförmige  und 
anders  gestaltete  grosse  Steinsetziiiigcn.  Von  C.  Crewiugk  in  Dorpat.  (Fortsetzung  und  Schluss  von 
Nr.  VII.)  (Hiezu  Tafel  II.)  — Kleinere  Mitteilungen  1 Entgegnung  von  L.  Li  ndenschmit  auf  die 
im  Namen  der  antiquarischen  Gesellschaft  in  Zürich  von  Hrn.  Prof.  J.  J.  Müller  herausgegebene  „Oeffunt- 
liche  Erklärung"  über  die  bei  den  Thayinger  lloblenfunden  vorgekommene  Fälschung.  2.  Ovibos  fossilis 
(Kütimeyer)  in  dem  quaternären  Knochenlager  von  Laugenbrunn.  Von  A Ecker.  — Referate:  Zeit- 
schriften — und  Bücherschau.  17.  Die  neue  Ausgabe  der  Waitz 'sehen  Anthropologie.  Von  Georg  Ger- 
laud.  18.  Beitrag  zur  Torsionstheorie  des  Humerus  und  zur  morphologischen  Stellung  der  Patella  in  der 
Reihe  der  Wirbelthiere.  Inauguraldissertation  von  P.  Al  brecht.  Kiel  1875.  Ref.  v.  W ieder  s hei  tu 
19.  Die  Priucipien  der  Biologie  von  Herbert  Spencer.  Autorisirte  deutsche  Ausgabe  nach  der  2.  engl 
Auflage  übersetzt  von  li  Vetter,  Dr.  phil.  I.  Band  Stuttgart.  E.  Schweizcrbart’&che  Verlagshandlung; 
(E.  Koch)  187U.  Ref.  von  F.  K.  — Nekrolog  Dr.  Alexander  v.  Fra  nt  zins. 

Schluss  der  Redaction  am  24.  Februar.  — Druck  von  H.  Oldenbttorg  in  München. 


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Correspondenz-Blatt 

tler 

deutschen  GesellHchaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Erge, schichte. 


HrtUgirt  vm  Prof  es  uw  KiMtnmin  in  München. 

• liititrnUf/Vfliit  lUr  tltsillir buff 


Sr.  3.  t rschtMiit  jtHileu  Monat.  März  1878. 


Geselle  chaftsnachrich  teil. 

Am  Anfang  des  Jahres  constituirte  sieh  in 
Kiel  ein  schleswig-holsteinischer  Zweig- 
verein der  deutschen  anthropologischen 
it  es  e Ilse  ha  ft,  der  bereits  ins  Mitglieder  zählt, 
her  erwählte  Vorstand  ist  foigeuderinassen  zusam- 
mengesetzt : 

Vorsitzender:  Prof.  I)r.  Pansch, 

Stellvertreter:  Prof.  Dr.  Handel  manu, 

, Prof.  I)r.  II  e n s e n . 

„ Oberstabsarzt  Dr.  M e t z n e r , 
Schriftführer:  Frl.  Me9torf, 

( a^senführer:  Herr  Rentier  P.  He  hucke. 

Kiel  ist  Universitätsstadt,  Mariuestation  uud  im 
Besitz  eines  Museums  prähistorischer  Alterthflmer. 
Es  befindet  sich  somit  in  der  günstigsten  Lage, 
dem  Vereine  für  alle  drei  Disciplinen,  die  seine 
Aufgabe  umfasst,  rüstige  Arbeiter  zuzuführen  und 
diese  mit  dem  zur  Arbeit  nöthigeu  Material  zu 
versorgen.  Du  unn  im  Vorstände  alle  drei  In- 
stitute vertreten  sind , so  ist  zu  hoffen , dass  das 
Glied  des  deutschen  Reiches,  welches  am  längsten 
zögerte,  dem  Verband  der  anthropologischen  Vereine 
beizutreten,  durch  seine  Leistungen  bald  zu  den 
ersten  derselben  zählen  werde. 

ln  Münster  in  Westfalen  hat  sich  ebenfalls 
ein  Zweigverein  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  gebildet  unter  dem  Namen  „West- 
fälische Gruppe  d.  d.  anthr.  Ges.1*  Die  Zahl  der 
Mitglieder  beträgt  y*2,  der  Vorstand  ist  aus  fol- 
genden Herren  zusammengesetzt: 

Corrwp.-Bl»tt  Nr.  3. 


Herrn  Prof.  Dr.  Hosius  als  Geschäftsführer. 

„ Gymn.-Lehrer  Dr.  Püning  in  Münster  als 
Stellvertreter, 

r Dr.  v.  d.  Mark  in  Haium,. 

- Apotheker  Schmitz  in  Letlunathe, 

„ Schierenberg  in  Meinberg  bei  Detmold, 
als  Mitglieder. 

Prähistorische  Karte. 

Bitte  an  die  Mitglieder  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft. 

Der  Unterzeichnete  hat  sämmtlirhe  ihm  bis 
jetzt  zugesaudten  Einträge  in  dem  Re  y mann  - 
sehen  Atlas  auf  die  Generalkarte  übertragen.  Hiezu 
wurde  ein  weisses  Blatt  der  geologischen  Karte 
von  Deutschland  — bearbeitet  von  Dr.  H.  v.  D ec  heu 
im  Auftrag  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft. 
Verlag  von  J.  II.  Neu  manu  in  Berlin  — benutzt. 
Es  liegt  jetzt  übersichtlich  vor  Augen,  wie  Vieles 
| noch  gesammelt  werden  muss,  um  eine  auch  nur 
einigermasseu  vollständige  Uebersicht  über  die  prä- 
i historischen  Verhältnisse  Deutschlands  zu  erlangen. 
Es  wird  daher  Seitens  des  Vorstandes  die  dringende 
Bitte  au  sämmtliche  Mitglieder  der  Gesellschaft  ge- 
richtet, alle  denselben  bekannte  prähistorische  Künde 
auf  ein  betreffendes  Blatt  des  Reymann' sehen  Atlas 
zu  verzeichnen  resp.  von  dem  Unterzeichneten  das 
betreffende  Blatt  zu  requiriren.  auf  demselben  den 
Eintrag  zu  machen  uud  dem  Unterzeichneten  cum 
i Lebert  rag  in  die  Gencralkarto  zuzustelleu. 

Jedes  Mitglied  der  Gesellschaft,  das  auf  prä- 
historische Künde  wie  Steindcnkmäler,  Erdhügel, 


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18 


Einzelgräber  oder  Reihengräber,  Urnen  und  Aschen- 
hügel,  Höhlen  mit  Knochen,  Pfahlbauten  und  Knochen- 
abfälle  aufmerksam  zu  machen  im  Stande  ist,  wird 
frenndlichst  gebeten,  sieh  der  Sache  anzunehmen 
und  in  der  oben  angedeuteten  Weise  vorzugehen. 

Stuttgart  im  Januar  1877. 

Dr.  Oscar  Fraas. 


Vorkommen  von  bearbeiteten  Steinen  im 
Kieslager  von  Bobbin  auf  der  Halbinsel 
Jasmund,  Insel  Rügen. 

Von  Auitsiuth  C.  St  ruck  mann  in  Hauuover. 

Bekanntlich  ist  keine  andere  (»egend  Deutsch-  | 
lands  so  reich  an  Alterthflmem  der  vorchristlichen  j 
Zeit  als  die  Insel  Rögen  ; obwohl  schon  seit  langen 
Jahren  den  dort  ungewöhnlich  häufig  sich  findenden  I 
theiis  ganz  rohen,  theils  sehr  künstlich  bearbeiteten  j 
Werkzeugen  aus  Feuerstein  von  Sammlern  und  Ken- 
nern auf  das  eifrigste  nachgestellt  wird,  so  scheint 
der  Vorrath  dennoch  fast  unerschöpflich  zu  sein. 
Bei  meinem  vorigjährigen  nur  dreiwöchentlichen 
Aufenthalt  im  Bade  Sassnitz  an  der  Ostküste  der 
Halbinsel  Jasmund,  hatte  ich  Gelegenheit  auf  zahl- 
reichen Ausflügen  in  das  Innere  der  Insel  diesen 
Reichthum  kennen  zu  lernen  und  hauptsächlich 
durch  Vermittlung  von  Arbeitern  eine  ansehnliche 
Sammlung  von  bearbeiteten  Feuersteinen  der  ver- 
schiedensten Art  zusammen  zu  bringen.  Nur  in 
den  seltensten  Fällen  stammen  diese  Werkzeuge  aus 
Grabhügeln,  welche  noch  in  grosser  Zahl  die  Halb- 
insel bedecken;  vielmehr  werden  die  meisten  Fand- 
stücke  beim  Bearbeiten  des  Ackerlandes  aufgelesen, 
jedoch  auch  häutig  bei  der  Gewinnung  von  Torf 
oder  bei  der  Anlage  von  Gräben  auf  dem  Grunde  [ 
der  Torfmoore  und  Sümpfe  aufgefunden.  Die  rohe-  ■ 
sten  und  wahrscheinlich  ältesten  Feuersteinwerk-  | 
zeuge  haben  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  denen,  \ 
welche  zuerst  von  Bouehesde  Port  lies  im  dilu- 
vialen Flusskiese  des  Sommethaies  bei  Abbeville  auf-  j 
gefunden  worden  sind.  Ks  liegt  daher  nahe,  auch  den  ' 
ganz  roh  bearbeiteten  Steinen  der  Insel  Rügen  ein  j 
hohes  Alter  beizumessen.  Dies  veranlagte  mich  j 
bereits  im  vorigen  Jahre,  die  bekannten  Kieslager 
von  Sagard  und  Bobbin  auf  der  Halbinsel  Jasmund  j 
nach  dieser  Richtung  hin  ins  Auge  zu  fassen;  je-  j 
doch  erlaubte  es  mir  ineiue  Zeit  nicht  mehr,  die  be- 
züglichen Untersuchungen  auszuführen.  Bei  meinem  j 
diesjährigen  kurzen  Aufenthalt  auf  Jusrnund  be- 
schloss ich  dagegen  der  Frage  näher  zu  treten,  und  ! 
sind  meine  Nachforschungen  nicht  ganz  ohne  Erfolg 


gehliehen,  wenn  auch  noch  kein  ganz  sicheres 
Resultat  erzielt  worden  ist. 

Die  Kiesgruben  von  Sagard  und  ßohbin  sind 
bereits  seit  langen  Jahren  bekannt  durch  ihren 
Reicht  hum  an  Versteinerungen,  welche  sich  als 
Geschiebe  in  denselben  finden;  namentlich  sind  es 
die  stark  abgeriebenen  Versteinerungen  der  auf 
Jasmund  selbst  anstehenden  oberen  Kreidefonnation 
(Mueronaten-Kreide)  und  vorzugsweise  kleine  Bryo- 
zoen  und  Stacheln  von  Echiniden,  Bruchstücke  von 
Belemuites  mueronatus,  Gryphaca  vesicularis  und 
Galerites  (Lobin onus)  vulgaris,  welche  am  häufigsten 
gefunden  werden:  daneben  kommen  unzweifelhaft 
sibirische  Versteinerungen  vor.  und  ausserdem  wer- 
den von  Boll  auch  tertiäre  Versteinerungen  von 
diesen  Fundstellen  aufgeführt  ($.  Boll,  Geognosie 
der  deutschen  Ostseeländer.  Neubrandenburg  1846. 
S.  158,  und  Boll.  die  Insel  Rügen,  Reise-Erinne- 
rungen. Schwerin  1858.  S.  102);  im  Uebrigcn  «ind 
abgerollte  Feuersteine  und  Granitge schiebe  der  ver- 
schiedensten Grösse  in  jenen  Kieslagern  am  häufig- 
sten. Es  dürfte  daher  kaum  einem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  diese  letzteren  der  Diluvial-Fonnatiou 
angeboren. 

Sowohl  das  Kieslager  von  Sagard,  wie  das  etwas 
nördlicher  hei  ßobhiu  belegeue  habe  ich  in  diesem 
Sommer  in  Rücksicht  auf  das  Vorkommen  von  be- 
arbeiteten Steinen  in  denselben  einer  specielleu  und 
sorgfältigen  Untersuchung  unterzogen,  ln  Sargani 
ergaben  meine  bezüglichen  Forschungen  ein  völlig 
negatives  Resultat,  indem  ich  keinen  Stein  aufge- 
funden habe,  an  welchem  auch  nur  eine  mögliche 
Spur  von  Bearbeitung  zu  entdecken  war.  ln  dem 
Kieslager  von  Bohbiu  sind  dagegen  verschiedene 
Steine  und  namentlich  Feuersteine  von  mir  ge- 
sammelt, die  ganz  unzweifelhaft  eine  küustliche 
Bearbeitung  erfahren  haben,  und  zwar  ist  es  wahr- 
scheinlich. dass  diese  Bearbeitung  bereits  vor  ihrer 
Ablagerung  au  der  jetzigen  Stelle  inmitten  der 
diluvialen  Geschiebe  stattgefuuden  hat.  leb  sage 
„wahrscheinlich“ ; denn  mit  völliger  Sicherheit  wage 
ich  nach  den  bisherigen  Vorkommnissen  ein  dilu- 
viales Alter  der  fraglichen  Werkzeuge  nicht  zu 
behaupten.  Vielmehr  werde  ich  mich  vorläufig  jeder 
weiteren  Schlussfolgerung  enthalten  und  nur  die 
einfachen  Thatsachen  inittheilen,  um  dadurch  wo- 
möglich zu  weiteren  Nachforschungen  anzuregeu. 

Das  Dorf  Bohbiu  mit  seiner  malerischen  ur- 
alten Kirche  liegt  kaum  zwei  Kilometer  von  der 
Küste  des  grossen  Jasmunder  Boddens  entfernt ; 
dasselbe  ist  ringsum  von  niedrigen  Hügeln  umgeben, 
von  welchen  die  meisten  Kieslager  enthalten  sollen. 
Eine  ältere  Kiesgrube  befindet  sich  unmittelbar 


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19 


hinter  dem  Begräbnissplatze ; jedoch  ist  dieselbe 
seit  verschiedenen  Jahren  nicht  benutzt,  and  ausser 
einer  Anzahl  von  abperiebenen  Kreideversteine- 
rangen  ergab  dieselbe  keine  bemerkcnswerthe  Aus- 
beute. Eine  zweite,  noch  gegenwärtig  in  Gebrauch 
stehende  Kiesgrube  liegt  einige  hundert.  Schritte 
südlich  des  Dorfes  auf  einer  Anhöho  unweit  des 
Fahrweges  nach  Sagard.  In  derselben  und  in  der 
etwa  !*/•  bis  2 m hohen  Kieswand  wurden,  abge- 
sehen von  einigen  stark  abgeriebenen  Kreide-Ver- 
steinerungen, folgende  Funde  gemacht: 

1.  ein  sog.  Reibstein  von  feinkörnigem  Quarzit, 
unregelmässig  kugelförmig,  etwa  100  mm  im  Durch-  i 
messer,  rund  umher  gleichsam  bandförmig  eine  etwa 
50  mm  breite  Abreibungsflache  zeigend.  Ich  selbst 
war  ursprünglich  zweifelhaft,  ob  dieser  Stein  in  der  i 
That  die  Spuren  eines  künstlichen  Gebrauchs  an  j 
sich  tragt;  der  vorzügliche  Kenner  der  rügenischen  : 
Altcrthümer,  I)r.  Rudolf  ßaier  in  Stralsund,  ver- 
sichert übrigens  nach  Augenschein,  dass  in  der  That 
ein  sog.  Reibstein  vorliegt. 

2.  eine  ganz  unverkennbare  und  zwar  sorgfältig, 
wenn  auch  ziemlich  roh  bearbeitete  Lanzenspitze 
von  stark  angcwittertein  weisslichen  Feuerstein,  ; 
70  mm  lang  und  in  der  Mitte  .‘15  mm  breit;  an 
der  Basis  abgebrochen;  der  Bruch  zeigt  eine  völlig  ' 
weisse  Verwitterungsfläche,  so  dass  derselbe  jeden-  1 
falls  bereits  ein  sehr  alter  ist.  Von  der  sehr  dünnen 
Spitze  ist  ebenfalls  ein  unbedeutender  Theil  abge-  ' 
brachen. 

3.  ein  sehr  roh  bearbeitetes  nieisselförmige*  j 
Werkzeug  von  Feuerstein,  anscheinend  unvollendet, 
88  mm  lang  und  in  der  Mitte  38  mm  breit,  mit 
einer  ziemlich  scharfen  Srhneide;  deutliche  Spuren 
von  Bearbeitung  sind  nicht  zu  verkeimen. 

4.  zwei  Fragmente  von  sehr  roh  bearbeiteten 
Feuersteinen,  stark  angewittert,  welche  möglicher-  ! 
weise  ebenfalls  als  Lanzenspitzen  gedient  haben. 

5.  das  60  mm  lange  und  35  mm  breite  Frag- 
ment eines  sog.  Feuersteinmessers,  an  den  Schärfen  ■ 
deutliche  Spuren  der  Bearbeitung  zeigend. 

ß.  endlich  eine  30  mm  lange  und  in  der  Mitte  j 
etwa  20  mm  breite  sehr  roh  bearbeitete  Pfeilspitze,  j 

Ausserdem  sind  noch  einige  sehr  stark  ver- 
witterte dünne  Feuersteinspäne  von  mir  aufge- 
nommen, welche  in  der  Regel  als  sog.  Abfallspäne 
bezeichnet  werden. 

Wenn  nun  auch  keineswegs  gezweifclt  werden 
kann,  dass  die  unter  1 bis  6 bezeichncten  Steine 
deutliche  Spuren  der  künstlichen  Bearbeitung  an 
sich  tragen,  und  wenn  es  ferner  auch  als  sicher  ! 
angenommen  werden  darf,  dass  der  versteinerungs-  1 
reiche  Kies,  in  welchem  dieselben  gefunden  sind, 


dem  diluvialen  Zeitalter  angehört,  so  bleibt  dennoch 
die  Frage  zu  beantworten,  ob  sich  dieser  Diluvial- 
kies wirklich  an  primärer  Lagerstelle  befindet,  oder 
nicht  etwa  als  eine  ältere  Dünenbildnng  an  secun- 
därer  Lagerstätte  zu  betrachten  ist.  Nur  scheint 
dieses  allerdings  nicht  wahrscheinlich  zu  sein,  weil 
der  sehr  grobkörnige  Sand  und  Kies  sich  von  dem 
in  der  Regel  feinkörnigen  Dünensande  wesentlich 
unterscheidet.  Auch  spricht  das  Vorhandensein  von 
zahlreichen  gröberen  nordischen  Geschieben  gegen 
eine  derartige  Annahme. 

Auch  scheint  mir  der  Hügel,  an  welchem  die 
fragliche  Kiesgrube  angelegt  ist,  einen  zu  erheb- 
lichen Umfang  zu  besitzen,  als  dass  an  eine  künst- 
liche Errichtung  desselben  gedacht  werden  könnte. 

Es  muss  daher  entweder  angenommen  werden, 
das«  die  bearbeiteten  Steine  mit  den  sie  begleiten- 
den Geschieben  an  Ort  und  Stelle  gelangt  sind, 
oder  dass  das  Vorkommen  an  dieser  Stelle  einem 
zufälligen  Umstande  zuzuschreiben  ist.  Dieser  letzte 
Zweifel  kann  nur  dmch  fortgesetzte  Beobachtungen 
beseitigt  werden,  und  ist  es  der  Zweck  dieser  Zeilen, 
zn  fortgesetzten  Untersuchungen  nach  dieser  Rich- 
tung hin  anzuregen. 

Hannover,  im  October  1877. 


Grabfund  auf  der  Insel  Seeland. 

Hr.  Prof.  Engelhardt  in  Kopenhagen,  der 
entschieden  zu  den  glücklichen  Findern  gehört,  hat 
kürzlich  wieder  einen  Schatz  ans  Licht  gefördert, 
desgleichen  der  Norden  bisher  nicht  hesaas,  und 
zwar  stammt  derselbe  wieder  aus  dem  Amte  Prästö, 
jener  südöstlichen  Ecke  der  Insel  Seeland,  welche, 
durch  ähnliche  Funde  ans  der  älteren  Eisenzeit 
bereits  allbekannt,  sich  in  der  That  als  der  Wohn- 
bezirk einer  opulenten  Bevölkerung  in  den  ersten 
Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung  kennzeichnet. 
In  einem  unweit  Varpelev  gelegenen  Hügel,  Thor- 
kelhöi  genannt,  einer  168'  langen  und  76'  breiten 
natürlichen  Hebung  des  Bodens,  wurde  beim  Kies- 
fahren das  Grab  entdeckt,  und  zwar  nur  100'  ent- 
fernt von  dem  im  vorigen  Jahre  dort  an fged eckten 
Grabe  derselben  Zeit.  Es  lag  9'  unter  der  Boden- 
fläche,  muss  demnach,  da  der  Hügel  bereits  be- 
deutend abgefahren,  ursprünglich  in  beträchtlicher 
Tiefe  angelegt  worden  sein.  Man  sticss  zunächst 
auf  eine  Steinsetzung,  bestehend  aus  15  grösseren 
Steinen  von  etwa  2'  Durchmesser,  welche  in  zwei 
Reihen  von  SW.  nach  NO.  gesetzt,  an  der  Südwest- 
seite zusammenstiesen,  am  entgegengesetzten  Ende 
nicht  geschlossen  waren.  Die  Länge  dieser  Stein- 


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Atzung  betrag  16,  die  Breite  2 und  4*.  Am  süd- 
westlichen Ende  lau  ein  Beckstein  von  3 — 4*  im 
Durchmesser.  Bas  eigentliche  Grab  bildete  ein 
Rechteck  mit  abgerundeten  Enden.  Am  Roden  lag 
ein  Brett,  die  Seiten  waren  mit  hlnnem  Thon  ge- 
dichtet. Heber  dem  Skelet  war  ein  Stein,  welcher 
Haupt  und  Brust  bedeckte:  ein  zweiter  Stein  schützte 
die  zu  Hänpten  gestellten  Grabgeschenke. 

Der  Leichnam,  dem  Anschein  nach  ein  weib- 
licher, war  in  vollem  Kleiderschmuck  bestattet  wor- 
den. Es  lag  ausgestreckt,  etwas  nach  rechts  geneigt, 
der  linke  Arm  Über  die  Brust  gelegt,  der  rechte 
am  Körper  herahhftngend.  Bcr  Kopf  lag  nach  Süd- 
western also  nach  Osten  schauend.  Am  Kopfende 
standen  die  nachbenannten  mehr  oder  minder  kost- 
baren Gefässc:  eine  blaue  Glasschale  in  silberner 
Fassung  von  durchbrochener  Arbeit,  Weinlaub  dar- 
stellend und  mit  der  Inschrift  ßYTYXQC  (die  erste 
griechische  Inschrift,  welche  so  hoch  nach  Norden 
gefunden!);  ferner  eine  hübsche  kleine  Schale  von 
rubinrothem  Glase  mit  eingescliliffenen  Ovalen  an 
der  Ausscnseite;  eine  grosse  Vase  von  grünlichem 
Glase  und  Fragmeute  von  noch  mehreren  anderen 
Glas-  und  verzierten  Thongeftssen,  welche  durch 
den  Stein  zerdrückt  waren,  ln  dem  hinnen  Glase 
lagen  mehrere  Rippcnknorhcn,  in  dem  rubinrothen 
Fischgräten. 

An  der  rechten  Seite  des  Kopfes,  ungefähr  am 
Ohr,  lag  eine  Goldmünze  des  Kaisers  Prohns,  mit 
einer  Schleife  zum  Durchziehen  eines  Drahtes  oder 
eines  Bandes;  vielleicht  als  Ohrring  getragen.  Fm 
den  Hals  hing  ein  prächtiger  grosser  Goldreif  mit 
hoher  Mittelrippe  und  überhaupt  von  schöner  Arbeit. 
An  der  rechten  Schulter  lag  eine  einfache  massive 
goldene  Nadel  mit  8pintlwinduiigcn,  welche  den 
Mantel  an  der  Schulter  befestigt  haben  mochte. 
Zwei  Finger  der  rechten  Hand  waren  mit  goldenen 
Ringen  geschmückt : einem  breiten  glatten  mit  ver- 
zierter Mittellinie  und  einem  spiralförmig  gewundenen. 
An  der  Hüfte  lagen  eine  silberne  Spange  und  zwei 
kleine  silberne  Gürtelbesclilflge. 

Zu  Füssen  fand  man  einige  Thierknochen.  und 
etwas  tiefer  einen  Holzeimer  mit  Rändern  und 
Henkel  von  Bronze,  und  tlieils  in  demselben,  tlicil« 
daneben  und  unter  einem  grösseren  Steine  42  Brett- 
spielsteine von  Knochen.  Noch  weiter  abwärts  stand 
ein  römischer  Bronzefuss  in  einer  dicken  Holzschale. 
und  in  derselben,  sowie  am  Roden  zwischen  der 
Schale  und  dem  Holzeimer,  fand  man  die  Leber- 
Teste  eines  Ferkels. 

Die  Münze  des  Prohns  (27t> — 282)  gibt  einen 
Anhalt  für  die  Zeitstellung  dieses  luxuriösen  Be- 


gräbnisses. Die  kostbaren  GefÄsse  sind  griechisches, 
vielleicht  römisches  Fabrikat. 

In  unmittelbarer  Nähe  dieses  Grabes  fand  man 
ein  Skelet  ohne  irgendwelche  Beigaben  und  den 
Schädel  eines  Dritten,  von  welchem  indess  keine 
weiteren  Ueberreste  zu  finden  waren.  Prof.  Engel- 
hardt stellt  die  Frage,  ob  etwa  einige  Dienerinnen 
der  vornehmen  Frau  ins  Grab  gefolgt  seien.  Die 
systematische  Untersuchung  der  Thorkelhügel  ist 
noch  nicht  abgeschlossen.  Dass  das  Grab  so  reiche 
Ausbeute  gegeben  und  von  kundiger  Hand  aufge- 
deckt worden,  ist  dem  verständigen  Landmanne  zn 
verdanken,  welcher  bei  der  Entdeckung  des  Grabes 
sofort  die  Arbeit  einstellte,  bis  anf  erfolgte  Mit- 
theilung ein  Museumsbeamter  aus  Kopenhagen  sieh 
an  Ort  and  Stelle  eingefunden  hatte. 


lieber  Niederlassungen  aus  der  Renthier- 
zeit  im  Mayenne- Departement. 

Von  Frl.  v.  Box berg.*) 

Der  Boden  des  Mayenne-Dcpartemcnts  besteht 
tlieils  aus  Granit,  tlieils  aus  kleinem  Kalksteinketten 
der  Devonformation  und  Bildungen  der  Steiukohlen- 
formation.  Nirgends  zeigen  sich  feuersteinführende 
Schichten,  und  es  dürfte  jedes  im  Departement  anf- 
gefuiidenc  Stück  Feuerstein  als  eingeführt  zu  be- 
trachten sein. 

Der  Urgrund  des  Bodens  der  Gemeinde  von 
Tliorigne-en- ('harnie,  auf  deren  Gebiet  sich 
die  Höhlen  von  Margot,  Rochcfort  und  la  cgve 
ä la  Che  vre  oder  Geis- Höhle  befinden,  ist  der 
Hauptmasse  nach  kalkig. 

An  beiden  Ufern  der  Erve,  welche  die  Com- 
mune durchschneidet,  breiten  sich  kleine  Wiesen 
aus,  die  durch  «clirotT  ansteigende  Felsketten  be- 
grenzt werden,  in  deren  höheren  T heilen  tief  aus- 
gewaschene Klüfte  eingesenkt  sind.  Bei  wenig 
Erdreich,  das  sie  bedeckt,  tragen  sic  unzähliges 
Buchsbauin-  und  Wachholdergebösch.  keine  grösse- 
ren Bäume. 

Die  schöne  Grotte  Margot,  die  auf  dem  linken 
Ufer  der  Erve  in  der  steilen  Flanke  der  Bergkette 
liegt . ist  über  30  m laug  und  zeigt  an  ihrem 
Eingänge  prächtige  Stalaktiten.  Ihr  gegenüber  au 
dem  anderen  Ufer  liegen  die  Höhen  von  Rochcfort 

*)  Sitzungsbericht  der  naturwissenschaftlichen  Ge- 
sellschaft Dis  zu  Dresden.  1*77  Nr.  1 —8 


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21 


nnd  die  Geishöhle.  Entere  ist  um  vieles  grösser 
als  Margot,  wahrend  die  etwas  höher  gelegene  Geis- 
höhle weit  kleiner  als  die  beiden  anderen  ist. 

Die  ersten  Unteruchungen  in  diesen  Grotten 
erfolgten  durch  den  Herzog  von  Chaulnes,  welcher 
die  Höhle  von  Margot  in  Pacht  nahm  und  ausgraben 
liess.  Der  Erfolg  war  ein  glanzender,  da  zahllose 
roh  bearbeitete  paläolithische  Werkzeuge  und  Zahne 
nnd  Knochen  von  Mammuth,  vom  grossen  Bär, 
Rhinoceros,  Pferd  u.  s.  w.  ausgegraben  wurden. 

Nachdem  ich  hei  meiner  Rückkehr  nach  dem 
Schlosse  Th^ralles  an  der  Erve  die  Erlaubnis«  er- 
halten hatte,  die  Höhle  von  Rochefort  und  die  Geis- 
höhle gleichfalls  untersuchen  zu  dürfen,  begann 
ich  meine  Untersuchungen  am  6.  Decbr.  1X73  mit 
Rochefort. 

Der  Zugang  zu  den  circa  30  m über  dem 
Ervespiegel  liegenden  Höhlen  wird  durch  kleine 
Abhänge  erleichtert.  In  die  Höhle  Rochefort  führt 
ein  Gang  von  12  in  Länge  und  2 — 3 m Breite  in 
Krümmungen  nach  einem  dunkeln  Hauptgewölbe 
von  40  m Länge,  10  m Breite  und  16  m Höhe. 

Bei  vorsichtiger  Untersuchung  eines  senkrechten 
Einschnittes  dicht  am  Eingänge  der  Höhle  ergaben 
sich  folgende  Schichten: 

1.  abgerundete  Fragmente  des  dortigen  Kalk- 
steins, 60  cm; 

2.  gelbe  lehmige  Schicht  mit  grossen  Saudst ein- 
geschieben und  nur  wenig  Thierresto,  35  cm ; 

3.  röthlichor  Sandstein  oder  Kies  mit  Quarz- 
oder anderen  Geschieben,  welches  die  eigent- 
liche Fundschirlit  für  Thierreste  und  Band- 
steinwerkzeuge  ist,  60  cm; 

4.  eine  schwache  Decke  von  Kalksinter.  4 cm; 

5.  Löss,  mit  wenigen  Thierrcsten,  35  cm  stark; 

6.  eine  schlammige  schwarze  Humusschicht. 
25  cm  stark. 

Nach  Abtragung  der  Lössscliieht  fiel  mir  eine 
Grube  auf.  welche,  “ich  in  2 m Breite  quer  über 
den  Gang  zu  der  Höhle  ansbreitend  und  2,5  m Tiefe 
erreichend,  nur  Asche  und  dicht  zusamniengebackem*. 
ganz  verhärtete  Holzkohlen  enthielt.  Weder  Knochen- 
abfülle,  noch  zerbrochenes  Stein-  oder  Kuochengerftth, 
was  an  einen  friedlichen  Haushalt  hätte  erinnern 
können,  wurde  entdeckt. 

Hat  das  Feuer,  worauf  diese  Aschenanhäufung 
am  Eingänge  der  Grube  hin  weist,  die  Höhlenbewohner 
vielleicht  vor  feindlichen  Ueberfällen  schützen  sollen? 

langsam  wurde  weiter  gegraben  und  mit  grosser 
Vorsicht  jeder  Spatenstich  einzeln  mit  ersucht ; bald 
ergaben  sich  unter  den  Funden 


571  mehr  oder  minder  beschädigte,  auch  ganz 
unversehrte  Messer,  Kratzer  nnd  Stecher 
von  paläolithischen  Alter, 

4 Lanzenspitzen, 

3 kleine  ans  Bergkrystall  geschlagene  Instrn- 
mentchen, 

3 Bergkrystall-Zacken,  abgerundet  und  abge- 
schliffen. und  endlich 

16  zierlich  geformte  Messerchen  aus  verschie- 
denem Material. 

Diese  Steinwerkzeuge  bestehen  zum  Thcil  aus 
krystallisirtem  Quarz,  zum  Theil  aus  gelbem, 
schwarzem,  rothem  und  granein  Kiesel  oder  aus 
| Hornstein. 

; , Unter  den  Resten  der  dabei  gesammelten  Thier- 
welt unterschied  Prof.  Gau  dry; 

5 Zähne  des  fossilen  Löwen, 

11  Zähne  von  fJrms, 

X Zähne  von  ffytietm, 
mehrere  von  Bus  Bison  und  vom  Pferd, 

5 Pferdehufkerne.  darunter  ein  krank  gewesener, 
eine  grosse  Anzahl  Knochen.  Hufe,  Gebisse  und 
Geweihstücke  des  Renthieres, 
einige  Reste  des  Hirsches, 
zahlreiche  zerbrochene  Knochen  unbestimmbarer 
Wasservögel,  ferner 

Bruchstücke  menschlicher  Schädel,  eines  Un- 
terkiefers und  eines  wohlerhaltenen  Zahns 
nnd  endlich  ein  Stück  benagten  Elfenbeins 
mit  deutlichen  Spuren  der  ßoiiagung  durch 
Hyäne. 

Unter  den  durch  Menschenhand  geschnitzten 
, Gegenständen  fanden  sich  vor; 

I Lanzenspitzen.  6 Pfeilspitzen,  10  Stecher, 
15  gespalten«*  Röhrenknochen,  deren  untere 
Enden  löffelailig  gerundet  sind,  2 durchsägte 
Stücke  Hirschgeweih.  3 Knochen  mit  ab- 
sichtlich eingeschnittenen  Narhcn  (sogen. 
Jagdmarken), 

1 grob  geschnitzte  Nadel  von  X cm  Länge. 

3 Fussgeleuke  vom  Renthier,  durchbohrt  und 
als  Pfeife  dienend.  2 ausgearbeitete  Röhren- 
knochen, welche  als  Griffe  benutzt  worden 
sind,  endlich  noch  ein  kleines,  ans  einem 
Rückenwirbel  geschnitztes  Thierköpfchen. 

SämmtliclieKnochenwcrkzeuge  haben  eine  glatt«' 
AussenHäche  und  fühlen  sich  weich  an.  während 
sie  hart  and  unverletzt  sind,  trotz  ihres  Liegen« 
unter  Wasser.  Vielleicht  waren  sie  vor  ihrem  Ge- 
brauche mit  Fett  getränkt  worden,  während  andere 
kleine  Knochensplitter  stets  \crwittert,  gebleicht 
und  sehr  zerbrechlich  erschienen.  Ganze  Karren 
zerfallener  Knochensplitter  wurden  ansgegraben. 


* 


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22 


Nach  sorgfältiger  Abtragung  der  diluvialen 
Schichten  bis  zn  der  unteren  gelben  Thonschicht 
zeigte  sich  eine  cigcnthflmliche  Färbung  des  Sandes, 
und  es  fand  sich  ein  kleines,  hart  an  der  Felswand 
liegendes  Häufchen  blutrot h gefärbter  Knochen, 
deren  Röhren  fein  geriebenen  Rothatein  enthielten, 
worin  auch  noch  zwei  kleine  Messerchen  stecken 
gebliehen  waren.  Dabei  lag  ein  grob  aus  Bein 
geschnitzter  spatelartiger  Löffel  und  eine  kleine 
Platte  von  Glimmerschiefer,  welche  mit  rother  Farbe 
bedeckt  waren.  Wohl  mag  dieser  Farbenapparat 
zum  Färben  der  Haut  jener  Höhlenbewohner  ge- 
dient haben,  ln  der  Nähe  dieses  rothen  Farbstoffes 
fanden  sich  noch: 

fr  kleine  Spatel  aus  Bergkrystall  von  2 cm* 
Länge.  0 Messerchen  ans  Chalredon.  juras- 
sischem Hornstein  nnd  Achat.  2 Stecher  aus 
Cbalcedon  uml  2 kleine  Instrumente,  deren 
Ende  ausgezackt  ist.  aus  Jaspis  und  aus 
Achat,  sowie  3 perlenartig  gerundete  Chal- 
redone,  deren  einer  znrn  Pritthei!  unge- 
bohrt  ist. 

Wirft  man  nach  diesen  Funden  einige  Blicke 
anf  die  Lebensverhältnisse  jener  vorhistorischen 
Menschen.  so  lässt  sich  wohl  sohliessen,  dass  die 
Höhle  von  Rocbefort  zuerst  längere  Zeit  von  Tro- 
glodyten  bewohnt  gewesen,  dass  sie  dann  zweimal 
durch  Hochfluten  unter  Wasser  gesetzt  worden  ist 
und  nach  dem  Schmelzen  der  grossen  diluvialen 
Gletscher  keine  vorhistorische  Bevölkerung  mehr 
geborgen  hat.  Eine  schätzende  Decke  von  Kalk- 
sinter und  Stalaktiten  hatte  die  Fundschicht  bis 
jetzt  unversehrt  erhalten  können.  Auch  die  Herren 
G a u d r j und  M o r t i 1 1 e t stimmen  mit  mir  über- 
ein, dass  man  es  hier  mit  einer  Höhle  uml  Ueber- 
schwemmnng  der  Eiszeit  zn  thun  habe. 

Zur  Untersuchung  der  Frage,  ob  nicht  auch 
gleichzeitig  mit  den  Station irenden  Troglodyten  von 
Margot  und  Rocbefort  das  obere  Flachland  der 
beiden  Felsränder  bevölkert  gewesen  sei.  sollten  bei 
vorsichtiger  Anordnung  unter  Benutzung  der  Pflug- 
schar beide  Plateau’s  der  tiefer  liegenden  Höben 
nmgeackert  werden,  und  es  wurde  mit  der  Anhöhe 
von  Margot  damit  begonnen.  Hiebei  wurden  viele 
St  ein  Werkzeuge.,  namentlich  Lanzen,  Pfeilspitzen  und 
eine  grössere  Anzahl  von  Schlendern  gewonnen. 
Da  man  hier  neben  den  Hämmern  und  anderen 
Steinwerkzengen  auch  die  sogen.  Nurlei  fand,  von 
welchen  sie  losgeschlagen  waren  und  unendlich  viel 
Fenersteinsplitter  beisammen  angelläuft  lagen,  ge- 
wann inan  den  Beweis,  dass  jene  Waffen  nnd  Ge- 
räthe  hier  an  Ort  und  Stelle  gefertigt  worden  sind 
and  man  sich  in  einer  vorhistorischen  Werkstatt 


befand.  Alle  diese  Steingeräthe  nähern  sich  am 
meisten  den  Typen  der  Mammnthzeit. 

Ich  möchte  diesen  Tbatsachen  noch  eine  geo- 
graphische Bedentung  beilegen,  denn  das  hier  wei- 
lende Völkchen  kannte  die  Gegend.  Alle  diese  von 
Menschenhand  herbeigebrachten  Feuersteine  waren 
dem  Sarthe*D£partement.  dem  Greuzlande.  entnom- 
men, wo  sich  auch  die  Brüche  des  groben  schwarzen 
Materials  noch  finden,  ans  welchem  die  Colobisten 
des  Plateau’s  das  zur  schweren  Arbeit  erforderliche 
harte  Material  gewannen. 

Nach  Kohle,  Asche  uud  Knochen resten  habe 
ich  bis  anf  den  Grundfels  des  Bodens  vergeblich 
gesucht.  Jene  Platean  - Bevölkerung  scheint  kein 
sesshaftes  Leben  geführt  zu  haben,  vielmehr  die 
Raststelle  von  Margot  bald  wieder  verlasseu  zn 
haben,  nachdem  es  sich  durch  Anfertigung  von 
Steingeräthen  in  den  Stand  gesetzt  hatte,  feind- 
lichen Angriffen  Widerstand  zu  leisten  nnd  sich 
die  erforderliche  Nahrung  auf  fremdem  Boden  zu 
erbeuten. 

Ganz  anders  gestaltete  sich  dagegen  in  Bezug 
anf  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  der  rechts 
der  Erve  liegenden  Anhöhe  von  Rocbefort.  Von 
dort  liegt  nur  die  Culturgeschichte  in  ihrer  fort- 
schreitenden Entwicklung  bis  zu  der  Zeit  des  in  die 
Geschichte  so  tief  eingreifenden  Prnidenthums  der 
Celten  mit  ihren  grossen  Opferaltären  und  Dolmen 
und  auch  später  eingefflhrten  Hausgöttern  in  ver- 
schiedenen seltenen  Exemplaren  thatsächlich  vor  mir. 

Kehren  wir  noch  zu  der  Geishöhle  zurück, 
welche  50  Schritte  abwärts  von  Rocbefort  liegt  und 
um  H n»  höher  als  diese  über  dem  Wasserspiegel 
der  Erve.  Sie  ist  in  zwei  Kammern  getheilt,  deren 
grössere  14  m.  die  kleinere  7 m lang  ist.  Beide 
Räume  sind  durch  Tageslicht  erhellt,  die  kleinere 
von  dem  Eingänge  aus,  die  grössere  von  oben. 

Bruchstücke  des  devonischen  Kalksteins,  gelber 
diluvialer  Lehm,  braunröthllcher  Sand,  Löss,  Humus- 
boden,  dann  die  fossilen  Thierreste,  namentlich 
Reut  liier,  und  zuletzt  Steingeräthe,  doch  in  ge- 
ringerer Anzahl  als  in  den  Schichten  von  Rocbefort. 

Auffallend  war  indess,  dass  säm tätliche  Stein- 
geräthe  aus  der  Geishöhle  an  ihrer  Oberfläche 
gebleicht  und  stark  verwittert  erschienen,  was  auf 
locale  Ursachen  zurückznführen  ist. 

Mit  der  Ausgrabung  der  Höhle  von  Rocbefort, 
deren  innere  Beschaffenheit  uns  auf  so  interessante 
geologische  und  klimatische  Verhältnisse  zurück - 
führt,  ist  bis  jetzt  nur  ein  Anfang  gemacht.  I)a 
der  Umfang  dieser  Höhle  ein  so  beträchtlicher  ist, 
sind  noch  jahrelange  Thätigkeit  und  andere  Kräfte 
erforderlich,  als  die  meinen  sind;  sicher  darf  tnan 


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t ' 


23 


aber  noch  eine  weit  grossere  Ausbeute  erwarten, 
namentlich  bei  tieferen  Nachgiabungen.  Es  wurde 
mir  kürzlich  mitgetheilt,  dass  Mr.  Khaplain  Duparc 
aus  Le-Mans  die  Untersuchung  der  Höhlen  des^Erve- 
Tbales  neuerdings  weiter  führt  und  schon  interes- 
sante Funde  zu  verzeichnen  hat.  In  einer  am 
linken  l'fer  der  Erve  gelegenen  Höhle  la  Bigotte, 
welche  15  m tiefer  als  Rochefort  gelegen  ist,  zeigt 
sich  eine  Wölbung  von  30  m.  Länge  und  7 nj  Höhe. 
Der  Eingang  ist  geräumig,  die  Höhle  hell,  was  das 
Ausgräbern  erleichtert.  Bis  zu  ltt  m Tiefe  hat  man 
in  der  Höhle  vier  über  einander  geschichtete  Brand- 
stätten aufgedeckt,  welche  deutlich  von  einander 
geschieden  sind.  Neben  Steingerätheu  aus  der 
paläolithischcn  Zeit  fanden  sich  Reste  des  Löwen 
und  Mammuth,  wahrend  der  Höhlenbär  dort  zu 
fehlen  scheint.  Viele  menschliche  Geheine,  ohne 
Spur  von  Beerdigung  dort  ausgegraben . haben 
Hrn.  Duparc  zu  der  Annahme  geführt,  dass  hier 
einst  Anthropophagcn  gelebt  haben.  Die  Menschen- 
rasse erschien  ihm  klein  und  mit  brachycephalem 
Schädel.  Weiteren  Mitthcilungcn  des  Genannten 
darf  man  in  Kurzem  entgegensehen. 

Ueber  Funde  auf  dem  Boden  des 
altpolnischen  Reiches. 

Von  v.  Zmlgrodzkl  (Krakau).*) 

Es  gibt  in  Krakau  zwei  prähistorische  Samm- 
lungen. Beide  verdanken  ihre  Entstehung  der  Sorge 
des  Prof.  Dr.  Josef  Lepkowski. 

Die  Sammlung  »1er  Akademie  der  Wissenschaft, 
gegründet  im  Jahre  1858,  ging  bald  in  andere  llünde 
über.  Sie  enthält  sehr  interessante  Funde,  aber 
leider  nicht  zweckentsprechend  geordnet. 

Im  Jahre  1869  fing  Prof.  Lepkowski  wieder- 
holt au,  für  das  ('abinet  der  Jagiellonischen  Uni- 
versität zu  sammeln.  Diese  zweite  Sammlung  ver- 
dankt ihre  Entstehung  dem  Wunsche,  ein  vaterländi- 
sches Museum  zu  gründen.  Von  allen  Gegenden 
des  alten  Polens  strömten  bald  immer  reicher  und 
reicher  die  Geschenke  herbei,  so  dass  im  Laufe 
der  letzten  7 Jahre  die  prähistorische  Abtheilung 
schon  über  1500  Nummern  erreichte  und  überdies 

*)  Auszug  aus  einem  Vortrag,  gehalten  in  der 
Münchener  anthropologischen  Gesellschaft. 

Die  Zeitschr.  f.  Ethnologie,  unter  Mitwirkung  von 
11.  Virchow  horausgegeben  von  Bastian  u.  Hart- 
uiaun,  Berlin  1877,  Heft  II  8.  151,  enthält  einen  Auf- 
satz von  A.  Kohu,  der  ebenfalls  die  arebäolog.  Samm- 
lung der  Jagudlouiscbeu  Universität  behandelt.  D R. 


einige  Hunderte  guter  Abbildungen-  Eine  prä- 
historische Karte  ist  bereits  angefertigt  worden, 
welche  ersehen  lässt  (sie  wird  der  Versammlung 
vorgelegt),  dass  der  grösste  Theil  der  Künde  der 
Proviuz  Posen  und  deu  Provinzen  von  Krakau, 
Kalisch  und  Warschau  angehört.  Aus  dem  Gebiet 
des  russischen  Polens  sind  die  vorliegenden  Künde 
noch  nicht  sehr  zahlreich.  Verhältnissmässig  wenig 
sind  aus  Ostgalizien  verzeichnet,  denn  diese  werden 
in  Lemberg  aufbewahrt,  ebenso  aus  Posen,  obwohl 
sich  dort  eine  reiche  prähistorische  Sammlung  be- 
findet; allein  es  war  mir  noch  nicht  xergünnt,  diese 
beiden  Sammlungen  zu  studireu.  Teil  werde  mich 
also  vorzugsweise  auf  die  Künde  der  Krakauer 
Sammlung  beschränken. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Formen  sowie  auch 
die  Spuren  der  verschiedenen  UuUuivitiflfisse  ist 
keine  gewöhliche. 

Zuerst  haben  wir  zwei  Spuren  der  ägyptischen 
Kultur:  eine  Thonperle,  die  man  immer  für  ägyp- 
tische hält,  aus  dem  Weichselgehiel,  und  zweitens 
eine  Bronzestatuette  des  Osiris  gefunden  bei  Kijew. 

Unter  den  Topfformen  und  unter  den  kera- 
mischen Ornamenten  findet  man  eine  höchst  auf- 
fallende AeJinlichkeit  mit  den  trojanischen  Künden, 
und  zwar  am  meisten  mit  diesen,  die  13 — 15  in 
tief  lagen,  d.  h.  mit  der  Keramik  <ler  Bevölkerung, 
die  noch  vor  dem  homerischen  Troja  sich  dort 
niedergelassen  hatte. 

Aus  der  Mitte  Polens  stammen  die  8 Fibulcn. 
die  ohne  Zweifel  etruskischer  Abstammung  sind 
(werden  in  Abbildungen  vorgelegt). 

Was  die  Spuren  griechischer  Kultur  anbelangt, 
so  sind  diese  im  ganzen  Polen  verbreitet.  So  die 
Gefässe  von  Nadziejöw  und  Dobieszewek,  Provinz 
Posen,  dann  die  Gefässe  von  Kalisch;  dann  der 
kleine  Topf  mit  dem  Ornament,  welcher  die  Wid- 
derhörner darstellt,  gefunden  in  der  Gegend  von 
Krakan;  endlich  bemalte  Thonscherben,  gefunden 
in  dem  südlichen  Galizien.  Woher  diese  griechische 
Kultur  zu  uns  gekommen,  darauf  wird  mein  letztes 
Heft  — betitelt  Ukraine  — Antwort  geben.  Fast 
alle  Künde  von  dort  sind  entweder  griechischer 
Import  oder  Nachahmung  griechischer  Producte, 
ebenso  wie  alle  Künde,  welche  in  der  Krym  in  den 
skytischen  Gräbern  entdeckt  worden  sind.  Von 
dort  ging  die  griechische  Kultur  über  Ukraiue  un- 
serem Norden  zu.  Ein  anderer  Weg  war  die  Donau, 
auf  welchem  die  griechischen  Einflüsse  auf  die 
Töpferei  nach  Ungarn  und  weiter  nach  Westen 
kamen. 

Es  bleiben  mir  noch  ein  paar  Worte  über  das 
Alter  der  einzelnen  Künde  zu  sprechen  übrig. 


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24 


Viele  dieser  Gegenstände  sind  hundert  Meilen 
entfernt  gefunden  worden,  und  üher  die  weitere 
Provenienz  ist  nur  sehr  wenig  bekannt.  Die 
Vergleiohungsniothode  hilft  nicht  viel.  Ich  will 
deshalb  nur  auf  die  geographische  Lage  jenes 
Landes  verweisen.  Ks  ist  eine  offene  Flache,  die 
von  jeher  der  Tummelplatz  der  von  Asien  ein- 
wandernden Vftlker  war.  Die  arische  Urbevölke- 
rung war  zweifellos  von  den  späteren  Kinw  anderem 
unterjocht  worden,  und  bis  zum  Kndc  des  Jahr- 
hunderts,  bis  zur  Gründung  des  polnischen  Reiches  , 
gab  es  dort  kaum  geordnete  Zustande,  also  auch 
keine  (’ultur.  Aber  die  unterjochte  Urbevölkerung 
behielt  einen  Theil  ihrer  Sitten  und  Gebrauche  und 
rettete  sie  vor  dem  völligen  Untergang,  selbst  dann 
als  spater  neue  Eiuwanderungeu  stattfanden.  Von 
den  fremden  Kinwanderern  gingen  einige  weiter, 
andere  blieben.  Viele  Jahre  des  Zusammenlebens 


und  die  Wirkung  der  reichen  und  schönen  Natur, 
die  in  einigeu  (»egenden,  wie  auf  der  Ukraine,  noch 
jetzt  vollständig  den  Menschen  überwältigt,  ebneten 
die  Klnft  zwischen  dem  Autochtouen  und  dem  Ein- 
wanderer. Als  spater  eine  neue  Welle  der  Volks- 
wanderung kam  und  beide  unterjocht  wurden,  ver- 
schwand der  Unterschied.  Auf  diese  Weise  er- 
klären sich  bei  uns  viele  ('ulturtraditionen. 

In  einem  Grabe  in  der  Krvm  aus  dem  IV.  Jahr- 
hundert vor  Christi  Geburt  sieht  man  ganz  archaische 
Darstellungen  der  Menschen  liehen  Figuren , die 
gewiss  der  entwickeltsten  griechischen  Kunst  ent- 
stammen. Cnd  so  findet  man  hei  uns  Silberge- 
rftthe  aus  dem  XL  Jahrhunderte,  welche  mit  den 
skythiseben  aus  dem  IV.  Jahrhundert  v.  Chr.  und 
mit  den  aus  alemannischen  Gräbern  eine  grosse 
Aehniichkeit  haben. 


Zur  Literatur  über  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  in  Deutschland. 

Zeitschrift  für  Ethnoiityie,  Organ  der  Hrriiner  tic**U*ehnft.  Unter  Mitwirkung  von  R.  Virchow  heraus- 
gegeben  von  A Bastian  und  1t.  Ilartuiauu.  Verlag  von  Wiegaudt.  llempel  k Parey.  1877.  8°.  Inhalt 
des  11.  Hefte*:  Allgemeine  Bemerkungen  ethnologischen  Inhalt*  Uber  Xeu-Guinea,  die  Auachoreten-Iiuieln. 
Neu-Hannover.  Neu-Iilaud.  Neil-Britannien  und  Bougaiuville.  iui  AnschluMi  au  die.  dort  gemachten  Samm- 
lungen ethnologischer  Gegenstände.  Von  H.  Strauch,  Capitaiu-Lieutenaut.  (Schluss.)  — Das  Land  der 
Yurakarer  und  dessen  Bewohner.  Von  Hermann  v.  Holten.  — Beitrüge  zur  Kenntnis*  des  sogenannten 
unthropouiorpheu  Affen  von  Hob.  H a r I ma  ii  n.  (Mit  2 Holzschnitten.)  — Zur  (’raniometrie.  Von  Dr.  J.  W. 
Spenge I.  Aus  der  ethnologischen  Sammlung  des  Königlichen  Museums  zu  Berlin.  Von  A.  Bastian, 
i Hiexu  Tal.  V.)  — Das  archäologische  ('abinet  der  Jagiellonischen  Universität  in  Krakau.  Von  Albiu 
Kohu.  — Miscellen  und  Büchersehau. 

VrrhamliutufcM  ilrr  Jtcriiner  Gescifachuft  für  A nthrujwiugie.  Ethnologie  mul  Urgeschichte.  Sitzung  vom 
20.  Januar  1877.  Alterthfknier  von  Milow  (Prieguitx)  und  Teplingen  (Hannover).  Friedei.  — Zwei  Stein- 
Instrumente  der  tiegeuwart  aus  dem  Kaukasus  Mit  Holzschnitt.  Radde.  — Farbe  der  Haare  und  Augen 
bei  Deutschen  in  Trunskaukasieu.  Bad  de.  — Hin  erratischer  Graiiitldock  mit  phönikischer  Inschrift  von 
Smolensk.  Wetzstein.  S.  Bug  ge.  — Photographien  aus  Indien.  Jagor.  --  Schamauismuss  der  Australier, 
Jung. — Altmodisches  Geratli  aus  Horn  vou  Mallmitx  (Schlesien).  Mit  Holzschnitt.  Ha  Intel,  Virchow. 
— Alterth Urner  aus  dem  Mansfelder  Seekreis.  Hecker.  — Diluviale  Fünde  bei  Tattlmchi  Weimar).  V irchow 
Photographie  des  Judenkurger  Bronzewagens.  Watten  hach  — Ausserordentliche  Sitzung  vom 
11-  Februar  1878.  Deutsche  anthropologische  Gesellschaft,  — Alte  Bronzeschmelzerei  in  Bologna.  Graf 
Gozzadini.  — Gräberfunde  von  Mykenae.  Schliemanu.  — Urnen  mit  Thier- und  Menscbenseiclinungen 
von  Borgsted  terfeld  (Holstein).  Mit  Holzschnitten.  Handel  mann.  — Heidnische  Grabstätten  bei  Schlieheu. 
Schlesier. 


Mit  dem  16.  April  187H  wird  die  Redaktion  des  Uorrespoudeuzblatles  nach  Hasel  (Schweiz'), 
Lefiiieustrasse  73,  verlegt.  Herr  Schatzmeister  Weisiuann  wird.  wie  bisher,  die  Zusendung 
des  Correspondeuzhlattes  au  die  verehrt.  Zweigvereiue  und  isollrteii  Mitglieder  mit  bekannter 
Sorgfalt  fortfiihren.  Reclamationen  einzelner  Xnmmeru,  Zusendung  der  Jahresbeit  rüge  bitte 
ich  also  auch  ferner  nach  München  an  Herrn  Weis  in  an  n,  Theatinerstrasse  46.  zu  richten, 
Zusendungen  an  die  Kedaction  jedoch  nach  Basel  zu  adressiren. 

Prof.  Kollmann,  z.  Z.  Generalgecretär. 


Schluss  der  Kedaction  um  » Marz  — Ihruek  tun  It  (Mdenbourg  in  München. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 


für 

Anthropologie,  Ethnologie  lind  Urgeschichte. 


Redigirt  ivn  Professor  Kofimann  in  München, 

Gtntraktcrtiar  dir  Giulhchaft. 


Nr.  4.  Erscheint  jeden  Monat.  April  1878. 


Heber  den  Fund  am  Hradiste  bei  Strado- 
nic  in  der  Gegend  von  Beraun  in 
Böhmen. 

Die  Prager  „Politik*4  vom  29.  November  1877 
enthalt  ln  ihrem  Bericht  über  die  Sitzung  der  archä- 
ologischen Section  des  böhmischen  Museums  zu 
Prag  Folgendes: 

„Hr.  Dr.  Stephan  Berger  legte  zur  Ansicht 
etwa  350  Gegenstände  vor,  die  er  aus  der  höchst 
interessanten  Fundstelle  Hradiste  nad  Strado- 
nicemi  nebst  vielen  anderen  erworben  hatte.  Der- 
selbe machte  die  Versammlung  mit  der  Lage  dieses  . 
Ortes,  mit  dem  dortigen  Terrain  und  «den  reichen 
Ansgrabungen  bekannt,  indem  er  sich  darüber  also 
äussertc:  Hradiste  nad  Stradonicemi  liegt  hoch  ain 
rechten  Ufer  der  Mies  (tiefer  Berounka  genannt), 
fallt  westlich  schroff  gegen  Nischburg  (böhm. 
„Nizbor“)  ab  und  neigt  sich  gegen  Südost  allmählich 
gegen  das  etwa  eine  halbe  Stunde  entfernte  Dorf 
Stradonic.  Der  ganze  breite  Rücken,  sowie  auch 
die  Abhänge  sind  zum  grössten  Theile  rteissig  be- 
baute Felder.  Insbesondere  an  den  Abhängen  stösst 
man  beim  Graben  oft  und  bald  auf  mächtige  Aschcn- 
lager,  sowie  auch  sonst  auf  dem  weiten  Terrain  auf  ! 
runde  Löcher  von  1 m Durchmesser  und  derselben 
Tiefe,  ferner  auf  Cisternen,  gegraben  in  den  harten 
steinigen  Boden  bis  zu  5 m Tiefe,  welche  Vertiefungen 
alle  mit  Asche  und  Erde  ansgefüllt  waren.  An  diesen 
Stellen,  aber  auch  an  anderen  nach  Beseitigung  des 
Humus,  findet  man  sehr  viele  Knochen  von  unseren 
Hausthieren  und  Hochwild,  selten  ein  oder  das  andere 

Com*p.*IU«U  Nr  4. 


I Stück  eines  Bären-  oder  Elenknochens,  wohl  aber 
mit  und  unter  diesen  thierischcn  Ueberresten  eine 
grosse  Anzahl  von  alterthümlichen  Gegenständen  aus 
Stein,  Thon,  Bein,  Eisen,  Bronze,  Silber  und  Gold. 
Auf  diese  Ausgrabungen  selbst  übergehend,  bemerkte 
der  Vortragende,  dass  auf  den  bisher  durchgegrabenen 
Stellen  sich  keine  Spur  fand  von  mehreren  Cultnr- 
schichten,  sondern  dass  in  den  oberen  Schichten 
dieselben  oder  doch  auffallend  Ähnliche  Sachen  zum 
Vorschein  kamen  wio  in  den  unteren,  ein  Beweis, 
dass  die  ehemaligen  Bewohner  dieses  Platzes  vielleicht 
durch  einige  Jahrhunderte  in  ihrer  Arbeit  ernstlich 
-nicht  unterbrochen  wurden.  Auf  die  vorgelegten 
Gegenstände  hinweisend,  machte  der  Vortragende 
die  Versammlung  aufmerksam  besonders  auf  die 
Gefässseherben  aus  Thon,  die  sehr  gut  gebrannt 
und  mit  rothen  und  weissen  Farbenstreifen  geziert 
sind,  auf  die  wenigen  Stcingcräthschaften, 
Hirschgeweihe  und  eine  starke,  breite  Platte 
vom  Elengeweih,  die  scharf  in  gerader  Linie  zuge- 
schnitten ist,  auf  eine  grosse  Anzahl  von  zugeschnit- 
tenen, zugespitzten  und  fcbgeschliffenen  Knochen 
in  Form  von  Pfriemen,  Gewand-  und  Haarnadeln, 
ringförmigen  Riemenschnallen  u.  s.  f.,  sowie  auf 
1 künstlich  gearbeitete  Kämme  mit  Ringelornament, 
Spielwürfel  mit  den  Zahlen  (Augen)  3,  4,  5,  6,  über- 
haupt Gegenstände,  wie  sie  damals  die  Mensehen 
zuin  Handwerktreiben,  in  der  Ilauswirthschaft,  als 
Schmucksachen,  ja  selbst  zur  Unterhaltung  gebraucht 
batten.  Unter  den  Glassachen  waren  ausser 
einigen  Fragmenten  von  farbigen  Schmuckringen 
recht  schöne  buntfarbig  emaillirte  Korallen  ver- 


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2G 


schiedener  Grösse,  und  von  bronzenen  Gegen- 
ständen wurde  gezeigt  ein  sehr  nett  modellirtes 
Köpfchen,  ein  Schlüssel,  etliche  Hefte,  Steck-  und 
Nahnadeln,  eine  Säge,  mehrere  Pincetten  und  aus 
Bronzedraht  einige  Wagebalken,  in  der  Mitte  und  \ 
an  beiden  Enden  mit  Ringelchen  versehen,  summt  i 
zwei  dazu  gehörigen  kleinen  Wagschalcn.  Die  Er- 
haltung dieser  Bronzesaehen  ist  eine  mittelmässige, 
ihre  Anzahl  im  Ganzen  gering,  und  da  man  dort- 
selbst  auch  steinerne  Gussformen,  ja  selbst  Bronze- 
schlacken in  Thontiegeln  gefunden  hatte,  liegt  die 
Vermuthung  nahe,  dass  dieselben  am  Hradiste  selbst 
verfertigt  wurden.  Die  grösste  Auswahl  liefern 
dagegen  Gegenstände  aus  Eisen,  das  man  zu  Werk- 
zeugen aller  Art,  Hausgerät hen,  ja  sogar  Schmuck- 
sachen verwendete.  Auf  diesen  Umstand  machte 
der  Vortragende  besonders  aufmerksam,  und  zeigte 
vor  eine  ganze  Reihe  von  Meissein,  Haken,  Messern 
verschiedener  Form  und  Grösse  (einige  mit  Heften 
aus  Knochen,  verziert  mit  dem  Ringelornamente), 
Gabeln,  Zangen,  Schccren,  Gürtelhaken,  Besatz- 
stücken, vorzüglich  viele  Heftnadeln  und  Fibeln 
von  derselben  Form  und  Grösse  wie  die  von  Bronze 
(und  wie  eine  von  Silber  im  Museum).  Von  Eisen 
waren  hier  noch  einige  Siegelringe  ohne  und  mit 
Email  oder  mit  Glas-Kameen,  worauf  bald  ein  Köpf- 
chen, bald  eine  ganze  Figur  n.  dergl.  concav 
geschnitten  oder  gegossen  zu  sehen  ist.  Allgemein 
bewundert  wurde  eine  Karneol-Kamea  in  Rhombus- 
form, worauf  ein  Hund  einen  Hasen  verfolgend 
cingravirt  ist.  Von  Gold  wurden  vorgclegt  ausser 
einem  Ringe  und  formlosen  Drahtstücken  die  be- 
kannten Zwei-Dukatenstücke  mit  dem  Bildniss  eines 
Drachen  oder  einem  Strahlenhalbkreise  (Sonne?) 
mit  Spuren  von  Bockstabcn ; dann  ganz  kleine  S i 1 b e r - 
mflnzen  von  der  Grösse  einer  Linse  mit  dem  Bild 
eines  Pferdes  und  eines  menschlichen  Hauptes,  von 
denen  beiden  jedoch  auf  den  meisten  Stücken  nur 
Bruchtheile  zu  sehen  sind.  Da  auf  dieser  Fundstelle 
auch  ganz  kleine  Silberkügelchen  häutig  gefunden 
werden,  könnten  diese  wohl  als  Material  zum  Prägen 
dieser  Münzchen  gedient  haben.  Zum  Schlüsse 
seines  interessanten  Vortrages,  dessen  Schlussfolge- 
rungen wir  weiter  unten  folgen  lassen , stattete 
Hr.  Dr.  Berger  seinen  Dank  ab  dem  Hm. 
Lochovsky,  gew.  Ortsvorstande  in  Stradonic,  und 
dem  Ilrn.  Bret.  Jelin ek  in  Lochovic,  welche  ihn 
bei  Sammeln  wirksam  unterstützt  haben.  Der  Schrift- 
führer der  Sertion  constatirte  hierauf,  dass  die  ganze 
Area  am  Hradiste  nach  der  Catastralkarte  ca.  115  ha 


(beinahe  200  Joch)  Ausmass  hat,  sowie  dass  die 
Holzasche  an  mancher  Stelle,  namentlich  am  nörd- 
lichen Abhange  auf  einer  Fläche  von  20  a bis  5 m 
tief  war.  An  dieser  Stelle  kam  man  nämlich  gleich 
unter  dem  Humus  auf  Asche,  in  einer  Tiefe  von 
etwa  2 m auf  festgebrannten  Boden,  und  nachdem 
dieser  dorchgegraben  war,  lag  unter  ihm  wieder 
Asche  bis  in  die  erwähnte  Tiefe.  Derselbe  erörterte 
des  Weiteren,  dass  man  leicht  dafürhalteu  könnte, 
dass  an  diesem  grossen  Flächenraume  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  verschiedene  Volksstämme 
ansässig  waren,  von  denen  sich  der  eine  da,  der 
andere  viel  weiter  an  einer  anderen  Stelle  nieder- 
gelassen hätte,  dass  jedoch  dieser  Meinung  die  bis- 
herigen Ausgrabungen  völlig  widersprechen,  indem 
heuer  wirklich  an  vielen  diametral  bis  auf  eine 
halbe  Stunde  von  einander  entfernten  Orten  gegraben 
wurde  und  überall  entweder  dieselben  oder  ähnliche 
Fundstücke  zum  Vorschein  kamen.  Alle  Anwesenden 
äusserten  den  lebhaften  Wunsch,  die  Section  möge 
eine  eingehende  Beschreibung  dieses  Fundortes  mit 
genügender  Anzahl  von  Illustrationen  durch  den 
Druck  veröffentlichen,  weshalb  auch  allsogleick  ein 
Comite  gewählt  wurde,  das  in  den  nächsten  Togen 
zusammentreten  und  darüber  berathen  soll,  auf 
welche  Weise  und  mit  welchen  Mitteln  die  Section 
eine  umfassende  illustrirte  Beschreibung  des  Hradiste 
nad  Stradonicemi,  dieser  für  die  heimische  Archae- 
ologie  d.  Z.  wichtigsten  Fundstelle,  herausgeben 
könnte. 

Die  aus  obigen  Befanden  gezogenen  Schluss- 
folgerungen dßs  Hrn.  Dr.  Berger  lauteten  folgender- 
massen:  1.  Die  auf  dem  Hradiste  bei  Stradonic 
gefundenen  Gegenstände  gehören  einer  und  der- 
selben Culturperiode  an.  2.  Der  Anfang  dieser 
Culturperiode  fällt  in  eine  Zeit,  wo  bei  den  damaligen 
Einwohnern  unseres  Vaterlandes  Steinwerkzeuge 
beinahe  gänzlich  ausser  Gebrauch  gesetzt  waren. 
3.  Die  Bronzeperiode  ist  im  offenbaren  Niedergange 
begriffen  und  erscheint  im  überwältigenden  Masse 
von  der  Eisencultur  verdrängt.  4.  Das  Volk,  welches 
uns  diese  Denkmäler  hinterlasBcn  hat,  war  aus  dem 
Stadium  eines  ausschliesslichen  Jäger-  oder  Nomaden- 
volkes längst  herausgetreten,  hatte  hier  feste  Wohn- 
sitze gefasst,  erscheint  als  ein  im  Gemeindeverb&nde 
stehendes,  in  Frieden  lebendes,  Ackerbau  treibendes 
Volk,  welches  mit  dem  Gebrauche  der  meisten  Werk- 
zeuge, sich  dieselben  an  Ort  und  Stelle  anfertigend. 
vertraut  ist  und  Kunstsinn  verräth,  und  welches 
schliesslich  statt  der  primitiven  Form  des  Verkehres 


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durch  Tausch  sich  die  einfachere  des  Kaufes  um 
geprägtes  Geld,  dessen  Werth  es  wohl  kennt  und 
das  es  sich  selbst  anfertigt,  angeeignet  hat.  5.  Mit 
Rücksicht  darauf,  dass  dieses  Volk  am  llradihte  bei 
Stradonic,  nach  allen  Umstanden  zu  schliessen,  viele 
Jahrhunderte  ansässig  gewesen  sein  musste,  und  mit 
Rücksicht  darauf,  dass  diese  Fundstelle  mit  vielen 
anderen  Fundorten  Böhmens  im  unbestreitbaren 
Connexe  steht,  sich  von  diesen  jedoch  durch  beinahe 
gänzlichen  Mangel  an  Steingerätheu  unterscheidet, 
ist  es  gewiss,  dass  der  Fund  dem  sog.  jüngeren 
Eisenalter  angehört.  Zum  Schlüsse  bemerkte  der 
Berichterstatter,  es  sei  wünschenswertli,  dass  die 
archäologischen  Kreise  nicht  bloss  ihr  Augenmerk 
auf  Kelten  nnd  deutsche  Markomannen,  sondern  auch 
auf  die  slavischen  Bewohner  dieses  Landes  richten.“ 
Hr.'Dr.  Berger  hatte  bei  meiner  Anwesenheit 
ini  September  vorigen  Jahres  in  Prag  die  Güte,  mir 
die  von  ihm  mit  grösster  Sorgfalt  gesammelten  Schätze 
zu  zeigen.  Bei  der  grossen  Zahl  der  Fundstücke 
(etwa  30U0  Stück),  welche  für  sich  ein  kleines 
Museum  bilden,  konnte  ich  nur  einen  allgemeinen 
• Ueberblick  gewinnen,  muss  aber  dennoch  behaupten, 
dass  diese  Funde  epochemachend  sind  nicht  nur 
für  die  Archäologie  Böhmens,  sondern  auch  Nord- 
deutschlands. Es  handelt  sich  hier  um  eine  sehr 
ausgedehnte,  durch  ihre  natürliche  Lage  gesicherte 
Wohnstätte,  die  durch  mehrere  Jahrhunderte  benutzt 
wurde.  Skelettheile  von  Menschen,  Schädel  wurden 
nur  ganz  vereinzelt  gefunden,  während  die  Menge 
der  zu  Tage  geförderten  Thierknochen  hunderte 
von  Centnern  beträgt.  Neben  hartgebrannten  schön 
glänzend  roth  und  weiss  bemalten  Gefässen  von 
ähnlichem  Typus  wie  gewisse  am  Rhein  gefundene 
(s.  Lind ensch mit,  Alterthümer  Bd.  1 Heft  VI 
Taf.  G Fig.  4 — G und  Bd.  III  Heft  VI  Taf.  4 
Fig.  4 und  6)  finden  sich  schwarze  schön  geglättete, 
aber  anch  ganz  rohe.  Eine  grosse  Zahl  von  Gegen-  , 
standen,  bronzene  und  eiserne  Schlüssel,  Metall-  j 
Spiegel,  Fibeln,  Glasperlen  u.  s.  w.,  ist  unzweifelhaft  ! 
römischen  Ursprunges.  Befremdend  ist,  dass  trotz- 
dem römische  Münzen,  von  denen  nur  die  barbarische 
Nachahmung  einer  solchen  in  Kupfer  oder  Bronze, 
mit  Biga,  gefunden  wurde,  gänzlich  fehlten,  dagegen 
aber  eine  Menge  sogenannter  Keltischer  Goldmünzen 
und  anderer  barbarischer  Silbermünzen  zu  Tage 
gefördert  wurden,  ein  Umstand,  durch  welchen  die 
Localität  auch  schon  früh  Münzsaramlem  bekannt 
geworden  war.  Für  Norddeutschland  ist  namentlich 
das  Vorkommen  so  zahlreicher  eiserner  Fibeln  und 


anderer  Gerüthe  von  Eisen,  welche  in  den  Urnen- 
feldern der  Mark  Brandenburg,  Pommerns  etc. 
häufig  gefunden  werden  und  nach  diesem  Befunde, 
sowie  nach  dem  ebenfalls  häufigen  Vorkommen  in 
der  Gegend  von  Kegeusburg,  auf  einen  direct  süd- 
lichen Importweg  zu  deuten  scheinen,  von  grosser 
Bedeutung.  Von  allgemeinerer  ist  es,  dass  auch 
Knochengeräthe  (z.  B.  Schulterblätter  einer  Vogel- 
art, an  dem  breiten  Ende  eiugekerbt),  sowie  Hirsch- 
hornkämme und  andere  Honigcräthe  gesammelt 
werden  konnten,  welche  wahrscheinlich  dazu  dienten, 
die  Oberfläche  der  Thongefässe  mit  cingeritzten 
Wellen-  und  Linienornnmenten  und  eingedrückten 
Kreisornamenten  zu  verzieren.  Dem  Anscheine 
nach  gehört  ein  grosser  Theil  der  gefundenen  Gegen- 
stände den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrech- 
nung an  und  dürfte  wohl  in  nicht  nnbeträcht lieber 
Anzahl  der  Markomanuenzeit  zu  vindiciren  sein. 

Nach  dem  in  obigem  Sitzungsberichte  mitge- 
theilten  Beschlüsse  dürfen  wir  erwarten,  von  der 
sorgsamen  Iland  des  Hrn.  Dr.  Berger  diese  Schätze 
nicht  nur  aufgehäuft,  sondern  auch  zu  grösserem 
Nutzen  der  Wissenschaft  nach  seiner  treuen  Beob- 
achtung und,  der  Wichtigkeit  dieser  Funde  ent- 
sprechend, sachgemäss  beschrieben  zu  sehen. 

Berlin.  Dr.  Voss. 

Dr.  Carl  Fuhlrott. 

Nekrolog. 

Am  17.  October  1877  starb  in  Elberfeld  ein 
Naturforscher,  dessen  Name  mit  einem  der  berühm- 
testen prähistorischen  Funde,  dem  derNeanderthaler 
Menschenreste,  so  nahe  verbunden  ist,  dass  ihm  an 
dieser  Stelle  gewiss  ein  ehrender  Nachruf  gebührt. 
Fuhlrott  war  am  1.  Januar  1804  in  Leinefelde, 
Kreis  Worbis,  Reg.-Bez.  Erfurt  geboren,  besuchte 
später  das  Gymnasium  in  Ileiligenstadt  and  bezog 
1825  die  Universität  Bonn,  um  katholische  Theologie 
zu  studiren.  Nach  einem  Jahre  aber  wandte  er 
sich  aus  Neigung  der  Mathematik  und  den  Natur- 
wissenschaften zu,  deren  Studium  er  an  der  rheini- 
schen Hochschule  vollendete.  Nachdem  er  sein 
Probejahr  an  dem  Gymnasium  in  Ueiligenstadt 
abgehalten,  kam  er  1830  als  Lehrer  an  die  Real- 
schule nach  Elberfeld,  wo  er  47  Jahre  lang  bis  zu 
seinem  Tode  seinem  Berufe  mit  ungewöhnlichem 
Eifer  oblag.  Im  Jahre  1835  hatte  er  sich  das 
Doctordiplom  an  der  Universität  Tübingen  erworben, 
1843  wurde  er  zum  Oberlehrer,  18G2  zum  Professor 
ernannt.  Er  war  von  seinen  Mitbürgern  hochge- 


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achtet  wegen  seiner  Rechtschaffenheit  und  edlen 
Gesinnung  und  innig  verehrt  von  seinen  zahlreichen 
Schülern.  Lange  hatte  ersieh  trotz  des  anstrengenden 
Berufes  eine  grosse  Rüstigkeit  und  Geistesfrische 
bewahrt,  aber  seit  einem  Jahre  empfand  er  selbst 
eine  Abnahme  seiner  Kräfte,  so  dass  er  seine  Amts- 
entlassung nachsachte.  Dass  es  dem  durch  seine 
Lehrgabc  wie  durch  seine  ausgebreiteten  Kenntnisse 
hervorragenden  Manne  nicht  glückte,  die  Director- 
stellc  an  der  Realschule  zu  erlangen,  wiewohl  er 
sic  einmal  bei  eingetretener  Vacanz  zwei  Jahre  lang 
auf  das  Beste  verw  altete,  beklagten  oft  seine  Freunde. 
Dieselbe  würde  ihm  weniger  aufreibende  Arbeit  auf- 
crlegt  und  mehr  Muse  zu  wissensrhaftichen  Arbeiten 
gelassen  haben.  Er  gründete  einen  naturwissen- 
schaftlichen Verein  in  Elberfeld,  dessen  beständiger 
Vorsitzender  er  war  und  der  seiner  Aufgabe  rühmlich 
nachstrebte,  die  Naturerzeugnisse  des  engeren 
Heimatlandes  zu  erforschen  und  zu  sammeln.  Eine 
ganze  Reihe  kleiner  Schriften  Fuhlrott's,  man 
zahlt  deren  25,  geben  Kunde  von  seinem  Eifer  für 
die  Erforschung  interessanter  Naturerscheinungen 
des  Rheinl&ndcs.  Er  schlich  über  Pflanzensysteme, 
über  die  Vogclfauna  des  Wupperthaies , über  die 
geognostische  Constitution  der  Umgebung  des 
Laacher  Sees,  über  das  Felsenmeer  im  Odenwald, 
über  die  vulkanischen  Erscheinungen  in  der  Eifel, 
über  das  Wisperthal  und  den  Wisperwind  und 
Grundzüge  der  Quellenkunde.  Von  der  Flora  und 
Fauna  seines  Wohngebietes  wurde  er  immer  mehr 
auf  die  geologische  Structur  des  Landes  geführt 
und  widmete  den  zahlreichen  Höhlen  des  tertiären 
Kalkgebirges  seine  Aufmerksamkeit.  Da  wurde  im 
August  1856  beim  Steinbrechon  in  der  kleinen 
Feldhofshöhle  des  Xeanderthales  zwischen  Elberfeld 
und  Düsseldorf  der  viel  besprochene  Fund  von 
Menschenresten  gemacht.  Die  anatomische  Deutung 
derselben  überlicss  er  gern  den  Fachmännern  und 
richtete  seine  Untersuchung  nur  auf  die  Umstände 
ihrer  Auffindung,  sowie  ihrer  ursprünglichen  Ein- 
führung in  die  Höhle.  Zuerst  sprach  F uhlrott 
über  diesen  Fund  in  der  Versammlung  des  natur- 
historischen  Vereins  zu  Bonn  am  2.  Juni  1857  und 
bezeichnete  diese  Menschenknochen  als  fossil,  vgl. 
Verb,  des  naturhist.  V.  1857  Correspzbl.  S.  50 ; dann 
gab  er  in  den  Verhandlungen  desselben  Vereins  1859, 
S.  131  eine  ausführlichere  Darstellung  desselben 
unter  der  Aufschrift:  Menschliche  Ueberreste  aus 
einer  Felsengrottc  des  Xeanderthales,  in  der  er 
sich  auf  meine  Beschreibung  und  Deutung  der 


Knochen  bezog,  die  1858  inMüller’s  Archiv  er- 
schienen war.  Sechs  Jahre  später  stellte  er  seine 
Ansichten  noch  einmal  in  einer  besonderen  Schrift: 
Der  fossile  Mensch  aus  dem  Xeanderthal  und  sein 
Verhältnis  zum  Alter  des  Menschengeschlechtes, 
Duisburg  1865,  zusammen.  Auch  seine  letzten 
Arbeiten  waren  der  Höhlenforschung  gewidmet,  es 
ist  die  Schrift : Die  Höhlen  und  Grotten  in  Rhein- 
land-Westfalen, Iserlohn  1869  und  sein  Führer 
zur  Dechenhöhle,  Iserlohn  1874.  Seine  Ansichten 
über  den  Xeanderthaler  Fund  verdienen  eine 
genauere  Darlegung,  ln  seiner  Mittheilung  vom 
Jahre  1859  liess  er  die  Fossilität  der  Knochen,  die 
er  zu  Anfang  behauptet  hatte,  auf  sich  beruhen 
und  nahm  auch  die  von  Mayer  zuerst  beachteten 
Dendriten  als  Beweise  derselben  zurück;  doch  be- 
merkte er,  dass,  wenn  unter  gleichen  Umständen 
tbierische  Knochen  gefunden  worden  seien,  Xiemand 
an  deren  fossilem  Alter  zweifeln  würde.  Auch  wies 
er  auf  die  1'/*  Stunde  vom  Fundort,  bei  Dornap  in 
demselben  Lehm  gefundenen  Mammuthreste  hin. 
Er  liess  den  Lehm  und  die  Gebeine  gleichzeitig 
durch  die  nach  dem  Thal  gerichtete  Mündung  in 
die  Höhle  gelangen  und  gab  nach  den  Aussagen 
der  Finder,  die  er  freilich  erst  1858  sammelte,  eine 
Darstellung  der  Lagerung  der  Knochen,  aus  der  er 
selbst  den  wahrscheinlichen  Schluss  zog,  dass  ein 
vollständiges  Skelett  in  der  Höhle  vorhanden  war. 
In  seiner  Schrift  vom  Jahre  1865  giebt  er  einen 
vom  ersten  abweichenden  Fundbericht  und  ändert 
seine  früheren  Aussprüche  in  mancher  Beziehung. 
Jetzt  erklärt  er  mit  Bestimmtheit  die  Knochen  für 
fossil  und  bekennt,  dass  er  1859  nur  mit  Befangen- 
heit sich  ausgesprochen  habe.  Aber  diese  Befangen- 
heit fehlt  ihm  auch  jetzt  nicht.  Sobald  man  diese 
Knochen  für  fossil  erklärt,  fällt  ihre  niedere  Bildung 
als  Stütze  der  Ansicht  von  einer  allmählich  fortschrei- 
tenden Veredlung  der  menschlichen  Form  schwer 
ins  Gewicht.  Fuhlrott  sagt  aber,  er  sei  nicht 
gesonnen,  sich  zum  Anhänger  der  Ansicht  von  der 
Abstammung  des  Menschen  vom  Affen  zu  erklären 
und  zum  Vertheidiger  derselben  aufzuwerfen.  Man 
darf  vermuthen,  dass  er  in  der  Umgebung,  in  der 
er  lebte,  keinen  Anstoss  wegen  Nichtachtung  der 
überlieferten  Schöpfungslehre  erregen  wollte.  Er 
liess  es  sich  aber  angelegen  sein,  die  Fossilität  des 
Fundes  als  ganz  zweifellos  festzustellen.  Da  die 
fossilen  Höhlenthiere  sich  gewöhnlich  nur  in  einzelnen 
Knochenstücken  und  nicht  in  ganzen  Skeletten  finden, 
so  war  er  nun  beflissen,  auch  für  die  Xeanderthaler 


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29 


Reste  es  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  nicht  ein 
ganzes  Skelett,  sondern  nur  einzelne  Knochen  in 
der  Höhle  gelegen  hatten,  welche  durch  dieselbe 
Fluth,  die  über  die  Schichtenköpfe  des  Kalkgebirges 
ging  und  ein  oft  12'  mächtiges  Lehmlager  absetzte, 
von  oben  eingeschwemmt  worden  seien.  Er  behauptet, 
dass  die  Grotte  vom  Thal  aus  unzugänglich  gewesen 
sei;  er  nennt  die  Ansicht,  dass  ein  Mensch  in  der- 
selben gelebt  habe  und  gestorben  sei,  ein  massiges 
Phantom,  ja  eine  Unmöglichkeit!  Da  Lyell  nur 
die  Möglichkeit  des  fossilen  Alters  der  Knochen 
einr&umt,  aber  es  für  unzweifelhaft  halt,  dass  ein 
ganzes  menschliches  Skelett  in  der  Höhle  gelegen 
habe,  sieht  sich  Fuhlrott  veranlasst,  zu  bemerken, 
dass  Lyell’s  Besichtigung  der  Fundstelle  ira  Jahre 
1864  nur  flüchtig  gewesen  sei  und  bei  schlechtem 
W etter  stattgefunden  habe.  Da  Fu  hl  r o 1 1 sich  nicht 
für  berechtigt  hielt,  aus  der  Bildung  dieser  Reste  auf 
ihr  Alter  zu  schliessen  und  er  das  Urtheil  der  Sachver- 
ständigen darüber  widersprechend  fand,  so  suchte  er 
wenigstens  jeden  geologischen  Einwand  gegen  die 
Fossilitat  des  Fundes  zu  entkräften  und  Hess  sich 
in  diesem  Eifer  verleiten,  wohl  beglaubigte  That- 
sachen  zu  beseitigen,  welche  die  Fossilitat  gar  nicht 
in  Frage  stellen.  Hatte  er  selbst  doch  nach  dem 
ersten  Berichte  der  Arbeiter,  der  doch  als  der 
zuverlässigste  zu  betrachten  sein  wird,  angegeben, 
dass  man  beim  Abräumen  des  Höhlenbodens  2'  tief 
unter  hartem  Lehm  in  horizontaler  Lage  erst  die 
Oberarmknochen  und  Bruchstücke  der  Rippen,  dann 
Beckentheile  und  beide  Oberschenkelknochen  ge- 
funden habe,  wahrend  der  Schädel  schon  früher  in 
die  Tiefe  gerollt  war.  Diese  Umstande  beweisen, 
dass  ein  ganzes  Skelett  in  der  Höhle  lag,  und  wider- 
legen auf  das  Bestimmteste  die  Annahme,  dass  die 
Knochen  einzeln  in  dieselbe  eingeschwemmt  worden 
seien.  Auch  ist  nicht  der  mindeste  Grund  vorhanden, 
die  Zugänglichkeit  der  Höhle  von  anssen  in  Abrede 
zu  stellen.  War  die  Mündung  jetzt  nur  2*  hoch, 
so  war  sie,  ehe  der  Lehm  den  Todten  24  hoch  be- 
deckte, 4'  hoch.  Fuhlrott  fürchtet  den  äusseren 
Zugang  zur  Höhle  nur  deshalb,  weil  dieser  es 
gestattet  haben  könnte,  dass  in  spater  Zeit  Jemand 
in  der  Höhle  gewohnt  oder  darin  begraben  worden 
sei.  Die  Knochen  selbst  sprechen  gegen  diese  An- 
nahme. Gewiss  aber  ist  der  Neanderthaler  Mann 
durch  den  Eingang  in  die  Höhle  gekommen  und 
dort  gestorben  oder  bestattet  worden.  Fuhlrott 
halt  die  Knochen  für  eingeschwemmt  und  wahr- 
scheinlicher von  oben  durch  einen  Spalt  als 


durch  die  Mündung  vom  Thale  aus,  und  Lyell 
hat  in  diesem  Sinne  eine  Zeichnung  der  Höhle  mit 
breitem,  nach  oben  ausgehendem  Spalt  gegeben. 
Diese  Zeichnung  ist  falsch,  Niemand  hat  einen 
solchen  Spalt  gesehen;  als  ich  den  Fundort  besich- 
tigte, war  nur  noch  ein  enger  Riss  im  Felsen  be- 
merkbar, der  von  der  Höhle  aufwärts  ging.  In 
dem  Umstande,  dass  diese  Höhle  keine  Thierknochen 
enthielt,  wie  cs  schon  gewöhnlich  der  Fall  ist,  liegt 
ein  Beweis  für  die  Annahme,  dass  durch  den  nach 
oben  ausgehenden  engen  Spalt  das  Wasser  wohl 
feinen  Lehm,  aber  keine  Knochen  einschwemmen 
konnte,  und  noch  viel  weniger  einen  ganzen  Körper. 

Lassen  sich  aber  auch  gegen  die  Behauptungen 
Fuhlrott’ 5 in  Betreff  des  berühmten  Fundes 
wichtige  Einwendungen  machen,  so  bleibt  ihm 
doch  das  Verdienst,  denselben  sogleich  in  seiner 
ganzen  Bedentnng  erkannt  und,  nachdem  ihm  der- 
selbe von  Herrn  W.  Pieper  zu  Hochdal  übergeben 
war,  für  die  Wissenschaft  treu  gehütet  und  uneigen- 
nützig jedem  Forscher  zugänglich  gemacht  zu  haben. 
Wenn  er  ihn  auch  gleich  za  Anfang,  auf  unzu- 
reichende Gründe  gestützt,  für  fossil  erklärt  hat, 
so  hat  er  mit  dieser  Deutung  doch  Recht  behalten, 
and  er  hat  zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  stets 
neue  Beobachtungen  gesammelt  und  in  diesem  Sinne 
verwertet.  Es  war  dies  insbesondere  der  Fall, 
als  1885  in  der  Teufelskammer,  einer  Grotte  des 
Neanderthales,  die  25'  über  dem  Düsselbach  und 
kaum  130  Schritte  von  der  kleinen  Feldhofshöhle 
entfernt  und  auf  derselben  Seite  des  Thaies  gelegen 
ist,  in  demselben  Lehm,  wie  früher  am  Dornap 
und  bei  Wülfrath,  fossile  Reste  von  Rhinoceros, 
Ursns  spelaeus  und  ffyaeua  spelaea  gefunden  wurden 
Ich  selbst  habe  diese  Knochen  bestimmt  and  konnte 
ihre  äussere  und  mikroskopische  Uebereinstiromung 
mit  den  Neanderthaler  Menschenresten  feststellen. 
Wiewohl  Fuhlrott  in  seinem  Leben  sich  oft  dahin 
ausgesprochen  hatte,  dass  der  Neanderthaler  Fund 
an  der  rheinischen  Hochschule  seine  bleibende 
Statte  finden  müsse,  so  hatte  er  doch  darüber  keine 
Bestimmung  getroffen.  Nach  seinem  Tode  wurde 
derselbe  auf  meinen  Vorschlag  und  durch  meine 
Vermittlung  für  das  rheinische  Provinzialmuse  um 
in  Bonn  erworben  für  denselben  Preis,  den  H u x 1 e y 
in  London  für  das  Kensington-Museum  darauf  ge- 
boten hatte.  Die  Familie  ehrte  damit  den  Willen 
des  Verstorbenen. 

Bonn,  am  20,  Februar  1878. 

H.  Schaaffhausen. 


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Eine  unechte  Runeninschrift  in  Livland. 

Im  Anschluss  an  dio  in  der  Januar -Xummer  des 
vorigen  Jahres  gebrachte  Aufklärung  über  die  un- 
echte Raneninschrift  im  Kirchspiel  Arbngn  (Prov.  West 
mannland)  in  Schweden,  mag  hier  eine  kurze  Mitthei- 
lnng  über  eine  unechte  Runeninschrift  in  Livland 
Platz  finden. 

Im  Jahre  1871  machte  Hr.  Baron  Kruedener  der 
Gesellschaft  für  Geschichte  und  Alterthümer  in  Riga 
die  Anzeige,  dass  auf  seinem  Gute  Ohlershof  in  Livland 
eine  Runenschrift  aufgefunden  worden  sei.  Als  im 
nächsten  Jahre  1872  auf  der  gel.  esthn.  Gesellschaft  in 
Dorpat  von  andrer  Seite  eine  Knnde  von  jenem  Runen- 
stein zuging,  wurde  sofort  energisch  zu  der  Untersuchung 
desselben  geschritten.  Die  Inschrift  wurde  wiederholt 
eopirt,  sogar  ein  Abdruck  in  Gjps  genommen  und  photo- 
graphirt.  Man  bat  von  Dorpat  aus  Hrn.  Prof.  Sophus 
Bugge  in  Chrisliania,  als  den  hervorragendsten  Runen- 
kenner, mn  näheren  Aufschluss  über  jene  »nschrift. 
Bugge  fasst  sein  Urtheil  dahin  zusammen,  dass  die 
Inschrift  in  der  ihm  vorliegenden  Form  unmöglich  eine 
echt  nordische  Runeniuschrift  sein  könne.  Es  Hesse 
sich  denken , dass  hier  eine  echte  Inschrift  unrichtig 
wiedergegeben  sei;  da  dies  jedoch  ans  mehreren  Gründen 
höchst  unwahrscheinlich  sei,  so  sehe  er  sich  gezwungen, 
eine  andere  Erklärung  zu  geben.  Es  sei  eine  echte 
altnordische  Rnneninschrift , welche  im  Laufe  der  Zeit 
tindc.;tlich  geworden,  von  unkundiger  Hand  gereinigt  | 


und  dadurch  völlig  entstellt  worden.  — Schliesslich  er- 
wies sich  die  Inschrift  dennoch  als  eine  unechte  — 
uud  als  der  Urheber  Karl  Baron  Kruedener.  — Der 
livländische  Baron  besucht  im  Jahre  1807  die  Pariser 
I Ausstellung,  und  findet  daselbst  in  der  schwedischen 
Abtheilung  eine  Runenschrift  und  nimmt  aus  unbekann- 
ten Gründen  eine  Copie.  ln  seine  Heimat  surückgekehrt, 

| beschließt  er,  seiner  Schwester,  einer  Münzfreundin  und 
| Liebhaberin  von  Alterthümern,  eine  L'cbarraachung  zu 
j machen:  auf  einen  alten hümlich  aussehenden  Granit- 
j block  lässt  er  durch  einen  esthniseben  Steinmetz  die 
Züge  der  copirten  Inschrift  einhauen.  — Nachdem  die 
! beabsichtigte  Ueberrsscbnng,  wie  es  scheint,  gut  ge- 
lungen, macht  der  Hr.  Baron  1871  in  Riga  selbst  An- 
zeige von  dem  angeblichen  Funde  einer' Rnneninschrift 
und  thut,  obwohl  das  Interesse,  welches  die  für  echt 
gehaltene  Inschrift  in  Dorpat  gefunden , ihm  bekannt 
geworden,  nichts  zur  Aufhellung  des  wahren  Sachver- 
haltes; ja  trägt  sogar  absichtlich  durch  unwahre  An- 
gabe dazu  bei,  einige  Anschauungen  über  den  Stein  zu 
verbreiten  (es  liegen  aus  dem  Jahre  18GB  eigenhändige 
Briefe  Kruedoner's  vor).  Endlich  erst  im  Herbst  1875 
fühlt  er  sich  veranlasst,  durch  Hm.  Zeger-Sivers, 
Prof,  am  Polytcchnicum  zu  Riga,  der  gel.  esthn.  Gesell- 
schaft die  Anzeige  zu  machen,  dass  er  jene  Inschrift 
habe  einmeisseln  lassen.  (Verhandlungen  der  gel.  esthn. 
Gesellschaft.  VIII.  Bd.  3.  Heft.  Dorpat  1876.  No.  85 
bis  9a)  — d — 


Mitglieder- Verzeichniss 

der 

deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

nach  dem  Stand  Ende  1877. 

llergestellt  von  dem  Schatzmeister  der  Gesellschaft. 


Badischer  Anthropologischer  Verein. 

Vorstand. 

A.  Ecker,  Professor.  Vorsitzender.  Freiburg. 

A.  Weis  manu,  Professor,  Stellvertreter,  Freiburg. 
J.  H.  Meier,  Gutsbesitzer,  Cassier,  Freiburg. 

Der  Verein  gliedert  sich  iu  folgende  Gebiete: 

1.  Seegebiet  (Constanz).  Geschäftsführer  des  Vereins 
im  Seegebiet  Herr  L ei n er,  Stadtrath  und  Apotheker 
in  CousUnz. 

2.  Ba  arge  bi  et  (Donaueschi  ngen).  Geschäftsführer 
des  Verein»  im  Baargebiet  D.  Rebmann,  fürstlich 
Fürsteubergischer  Hofrath  nnd  Leibarzt  iu  Donau- 
osetdugen. 

3.  Oberrheingebiet  (Stadt  Freiburg  und  Umkreis). 
Geschäftsführer  des  Vereins  im  Oberrhcingcbiet 
A.  Ecker,  Universitätsprofessor  in  Freiburg. 

4.  Mittelr  he  ingebiet  (Carlsruhe).  Geschäftsführer 
des  Vereins  im  Mittelrheingebiet  Herr  W.  Bram- 
bach, Professor  und  Oberbibliotliekar. 


1 5.  Unterrheingebiet  (Heidelberg  und  Mannheim). 

1 Geschäftsführer  des  Unterrheingebiets  für  Heidelbarg 
Herr  Karl  Groos,  Buchhandlung;  für  Mannheim 
Herr  Friedrich  Nteper. 

1.  Seegebiet * 

Pflegschaft  Constanz  (Rosgarten-Verein). 

aj  Hiesige  Mitglieder : 

1.  Ammon,  Otto,  Redacteur. 

2.  Bajer,  Josef,  Bezirksförster  a.  D. 

3.  Bau r,  Franz  Xaver,  Apotheker. 

4.  Bin»  wangcr,  R , Pr.,  Arzt  (junior). 

5.  Bins wan ge r,  L.,  Pr.,  Arzt  (senior). 

6.  v.  Bötnble,  Ferdinand,  Arzt. 

7.  Braun,  August,  Oberstabsarzt. 

8.  Brugg  er,  Martin,  Professor. 

9.  Flaig,  Carl  August,  Arzt. 

10.  Flaig,  Einil,  Anwalt. 

11.  Funke,  Eduard. 

12.  Haas,  Carl,  Ministerialrath. 


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31 


IS.  Ha  Ufr,  Ferdinand,  Gymnasiuma-Director. 

14.  Hon  seil,  Adolf,  Dr.’  Arzt. 

15.  Kintzingcr,  Albert,  Oberförster. 

IC.  Lein  er,  Ludwig,  Apotheker. 

17.  Maier.  Josef,  Gewerbschul-Yorstand. 

18.  Marquart,  Reinhard,  I)r.,  Stubsarzt. 

19.  Neu  mann,  Bernhard,  Kaufmann. 

20.  Os  tu  er.  Adolf,  Oberamtnuum. 

21.  Schmidt,  Gustav,  Dr.,  Mcdicin&lralh. 

22.  Schröder,  Carl  Hugo,  Dr.,  Arzt. 

23.  v.  Schröder,  Otto,  auf  dem  Pflanzberg  bei 
Jägerweilen. 

24.  v.  Seyfried,  Ernst,  Lieutenant. 

25.  Stromeyer,  Max,  Stiftungsverwalter. 

2C.  Yanotti,  Amalie,  Fräulein. 

27  Walter,  Alexander,  Domftnenvenralter. 

2S.  v.  Wänker-Dun  keusch  weil,  Adjutant. 

29.  Weiland.  Theodor,  Professor. 

b,1  Auawärtigr«  Mitglieder! 

30.  Fa as,  Carl  Friedrich,  Bezirks- Assistenzarzt  in 
Gernsbach. 

31.  Lach  mann,  Arzt  in  Ueberlingen  am  Bodensee. 

32.  Mader,  Arzt  in  Radolfzell. 

33.  Schedler,  Johann,  Arzt  in  l'eberlingen  am 
Bodensee. 

2.  B aargebiet. 

Localverein  Donaoefichitigen. 

1.  Rehmann,  Dr.,  fürstlich  Fürsten bergischer  Hof- 
rath und  Leibarzt,  Donaueschiugen. 

2.  Kirsner,  Hofapotheker,  Don  au  es  ch  in  gen. 

3.  Maier,  Strassenmeister,  Donaueschiugen. 

4.  Merz,  Constantin,  Arzt,  Yöbrenbach 

3.  Ober  rheingebiet. 

Mitglieder 

in  Freiburg  wohnhaft. 

1.  v.  Rabo,  Professor. 

2.  Bauer,  Director  der  Töchterschule. 

3.  Ruisson,  Hauptmanu  a.  D. 

4.  v.  l$ü low,  Maj<»r  a.  D. 

5.  Claus,  Professor. 

0.  Eimer,  Bezirksarzt  a.  D. 

7.  Esch bac her,  Arzt. 

8.  v.  Falkenhausen,  Generalmajor. 

9.  Fauler,  Fabrikant. 

10.  Fischer,  H.,  Professor 

11.  Fischer,  J.,  Gutsbesitzer. 

12.  Flad,  Hanptmann. 

13  Fl  in  sch,  Fabrikant. 

14.  Funke,  Professor. 

15.  Geres,  Oberstlientenant  a.  D. 

16.  Habich,  Arzt. 

17.  He  gar,  Professor. 

18.  Hel  bi ng,  Decan. 

19.  Keller,  Apotheker. 

20.  Klebe,  Rentier. 

21.  Knenzer,  Rentier. 

22.  v.  Langsdorff,  Zahnarzt. 

23.  Maier,  Professor. 

24  M a n z , Professor. 

25.  Martin,  Stabsarzt  a.  D. 

26.  v.  Rotteck,  Professor. 

27.  Sauerbeck,  Kreisgerichtsrath. 

28.  S cli a i b le,  Hauptmann. 

29.  Scheid,  Apotheker. 

30.  S e n g 1 e r , Professor. 


31.  Spörin,  Hauptmann. 

32.  Straub,  Arzt. 

33.  Tbiry,  Arzt. 

34.  v.  der  Wengen,  Rentier, 

85.  Weissgerber,  Gymnasial-Professor. 

36.  Wilhelmi,  Kreisgerichtsrath. 

37.  Ziegler,  Arzt. 

38.  v.  Glümer,  General  der  Infanterie  z.  D. 

39.  v.  Chauvin,  General. 

40.  Solms- Wildenfels,  Graf  zu,  Rentier. 

41.  W i p p g r m a n n , Ingenieur. 

42.  Wietersheim,  Professor. 

43.  C a 1 b e r 1 a , Privatdocent. 

44.  Helbiug,  Arzt. 

Mitglieder 

ausserhalb  Freiburg  wohnhaft. 

45.  Müller,  Arzt,  Efringen. 

46.  Reich,  Bezirksarzt.  Mullheim. 

47.  Weber,  Arzt,  Kippenheim. 

48.  Schmidt,  Arzt,  Lahr. 

49.  v.  Lot z bock,  Fabrikant,  Lahr. 

50.  Gageur,  Kaufmann.  Lahr. 

51.  Mainbard,  Arzt,  Bückingen. 

52.  v.  Man  dach,  Arzt,  Schaffhausen.  (Schweiz). 

53.  Schmid,  Arzt,  Munzingen. 

54.  Kühler,  Apotheker,  Munzingen. 

55.  v.  Kageneck,  Graf,  Grundherr,  Munzingen. 

56.  Durban,  Gymnasial-Professor,  Lahr. 

57.  Martini,  Pfarrer,  Anggen. 

4.  Mittelrheingebiet. 

Localverein  in  Carlsruhe  und  Umgebung. 

1.  Borei  1,  Dr.,  Illenau. 

2.  ilergt,  I)r.,  Geheimer  Ilofrath,  Illenau. 

3.  Kretz,  Dr.,  Illenau. 

4.  Roller  sen.,  Dr.,  Geheimer  Hofrath,  Illenau. 

5.  Roller  jun.,  Dr.  Illeuau. 

6.  Scliüle,  Dr.,  lileuau. 

7.  Schüler,  Dr.,  I Henau. 

8.  W i 1 s e r , Dr.,  Illenau. 

9.  Fischer,  Dr.,  Geheimer  Hofrath.  Pforzheim. 

10.  Otto,  I>r.,  Pforzheim. 

11.  Lehmann,  Dr.,  Oberkirch. 

12.  Neumann,  Dr.,  Gernsbach. 

13.  Yogel,  I)r.,  Durmersheim  bei  Rastatt. 

14.  Völlm,  Apotheker,  Durmersheim. 

15.  Maier,  0.,  Bezirksförster  Ettlingen. 

16.  Rrenzinger,  Dr,  Buchen. 

17.  Maier,  K.,  Dr.,  Carlsruhe. 

18.  Spuler,  Dr.,  Carlsruhe.  t 

19.  Beck.  Dr.,  Generalarzt,  Carlsruhe- 

20.  v.  Scheffel,  Hofrath,  Carlsruhe. 

21.  Haass,  Kanzler  a.  D.,  Carlsruhe. 

22.  Wagner,  Dr.,  Geheimer  Holrath,  Carlsruhe. 

23.  Längin,  Stadtpfarrer,  Carlsruhe. 

24.  Brambach,  Dr.,  Oberbihliothekar,  Carlsruhe. 

5.  Unterrheingebiet. 

a)  Localvereiu  Heidelberg. 

1.  Arnold,  Dr.,  Professor,  Heidelberg. 

2.  Askenasy,  Dr.,  Privatdocent,  „ 

3.  Bartsch,  Dr..  Geh.  Hofrath,  „ 

4.  Becke  r,  Dr.,  Professor,  „ 

6.  Beinhauer,  Dr.,  „ 

6 B I n n t s c I i , Dr.,  Geheimer  Rath,  „ 

7.  Buch,  Apotheker,  „ 

8.  Bimsen,  Dr.,  Geheimer  Rath,  „ 

9.  Caspari,  Dr.,  Privatdocent,  „ 


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32 


10.  Clcmm,  Dr.,  Heidelberg. 

11.  v.  Dusch,  Dr..  Professor,  „ 

12.  Ei  senlohr,Friedr,Dr.,  Professor,  „ 

13.  Erb.  Dr.,  Professor,  „ 

14.  F r i e d r e i c h , Dr.,  Geheimer  Rath,  „ 

15.  Gegen  baur,  Dr.,  Geh.  llofraih,  „ 

16.  Groos,  Carl,  Buchhändler,  „ 

17.  Hartung,  Dr.,  „ 

18.  Henkenius,  Dr.,  Stabsarzt,  „ 

ly.  Horst  mann,  Dr.,  Professor,  „ 

20.  Knauf  f,  Dr.,  Professor.  „ 

21.  Kopp,  Dr.,  Geheimer  Hofrath,  „ 

22.  Kulme,  Dr.,  Geheimer  Rath,  „ 

23.  Leonhard,  Dr.,  Professor,  „ 

24.  Mittermaier,  F.,  Dr.,  „ 

25.  Mittermaier,  C.,  Dr.,  „ 

26.  Oppenheimer,  l>r.,  Professor,  „ 

27.  Pagenstecher, A.,Dr., Professor,  „ 

28.  Sachs,  Dr.,  „ 

20.  Schweizer,  Oberstlieutenant,  „ 

30.  Stark,  Dr.,  Hofrath,  „ 

31.  Stengel,  Dr.,  Professor,  „ 

32.  Thorbecke,  Dr.,  Rector,  „ 

(Fortsetz 


b)  Localvcreiu  Mannheim. 

Vorstand. 

Herr  Director  W.  Vogel  g e sang. 

Rechner  Herr  Friedlich  Niep  er. 

Mitglieder. 

1.  Artaria,  l’h.,  Privatmann,  Manuheiro. 

2.  Berge,  Julius,  Kaufmann,  „ 

8.  Dyckerhoff,  W.,  Fabrikant,  „ 

4.  Feldbausch,  Max,  Dr.,  prokt.  Arzt,  „ 

5.  Glöcklcn,  O.,  Kaufmann,  „ 

6.  Gun/.ert,  Tb.,  Kaufmann,  „ 

7.  Henking,  Rob.,  Apotheker,  „ 

8.  H o h e n e tu  s e r , Aug.,  Dr.,  Bankier,  „ 

9.  Jörger,  C.,  Kaufmann.  „ 

10.  Nieper.  Friedrich,  Kaufmann,  „ 

11.  Oesterlin,F.,  Kaufmann,  „ 

12.  Oppenheim,  1).,  Bankier,  „ 

13.  Reiss,  Herrn.,  Fabrikant, Seckenheim b.  Mannheim. 

14.  Rösinger,  A.,  Leihhaus-Cassier,  Mannheim. 

15.  Seeger,  Ernst,  Fabrikant,  Mannheim. 

16.  Vogel  ge  sang,  W.,  Professor,  Director  des  Real- 

gymnasiums zu  Mannheim. 

17.  Seeger,  Ludwig,  Kaufmann,  Mannheim. 

ng  folgt.) 


Zur  Literatur  über  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  in  Deutschland. 

Zeit  sch  ri/'t  für  EUinologier  Organ  der  Berliner  Gesellschaft.  Unter  Mitwirkung  von  R.  Virchow  heraus- 
gegeben von  A.  Bastian  nnd  R.  Hartmann.  Verlag  von  Wiegandt,  Hempel  <fc  Perey.  1877.  8°.  Inhalt 
des  III. Heftes:  lieber  die  Kingeborneuen  von  Cbiloe.  Von  Carl  Mar t in.  — Ethnologische  Erörterungen. 
Von  A.  Bastian.  — Uebersicht  der  Literatur  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.  Zusammen* 
gestellt  von  W.  Koner.  — Miscellen  und  Bücherschau. 

Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie , Ethnologie  und  Urgeschichte.  Ausserordent- 
liche Sitzung  vom  10.  Februar  1877  (Schluss).  Heidnische  Grabstätten  von  Schlichen.  Schlesier, 
Voss.  — Eisernes  Geräth  von  der  Inwa  (Taf.  VI  Fig.  1 — 2)  Tepluchoff;  F riedel  (Taf.  VI  Fig.  3 — 5). 
— Statistische  anthropologische  Untersuchungen:  in  Russland.  Pelikan;  in  Griechland,  Orustein;  in 
Hamburg,  D ec kert,  Virchow. — Ch&maecophalcr  Schädel  aus  Nordholland.  Virchow,  — Andamaaeseu 
oder  Mincopies.  (Taf.  VII  — IX  u.  Holzschu.)  Jagor.  — Taubacber  und  Schliebener  FQnde.  Voss.  — In- 
schriften mittelalterlicher  Schwerterkliugeu  (Holzschu.).  H.  Weiss,  Friedei  (Taf.  VI  Fig.  7).  — Ur- 
mensch und  Eiszeit  in  Amerika.  Grote.  — Erwerbungen  des  märkischen  Museums  (Taf.  VI  Fig.  6). 
Fr i edel.  — Die  nationale  Stellung  der  Bulgaren.  Virchow.  — Alterthümer  aus  der  Uckermark  und 
von  Charlottenburg.  E.  Tornow,  Virchow.  — Negersch&del  aus  Afrika.  Pogge.  — Geschenke.  — 
Sitzung  am  17.  Februar  1877.  Gebräuche  bei  den  Basuthos  nebst  Vorstellung  eines  Bakopa-Mädchens. 
GrUtzner.  — Schädel  von  Gluschiu  (Posen).  Schwartz,  Virchow.  — Schwimmstein«  aus  dem  Uckersee. 
M.  Kuhn,  yirchnw.  — Fossiles  Vorkommen  des  Dingo  in  Australien.  Hart  mann,  Virchow,  Stein- 
thal.— Photographien  von  Lushais.  Waterhouse,  Jagor.  — Ausgrabungen  von  Tinnevelly.  Gladweil, 
Jagor.  — Wendische  Volkssagen  der  Niederlausitz.  Veckenstedt. 


Mit  dem  15.  April  1878  wird  die  Redaction  des  Correspondenzblattes  nach  Basel  (Schweiz) 
verlegt.  Herr  Schatzmeister  Weismann  wird,  wie  bisher,  die  Zusendung  des  Correspondenz- 
blattes  an  die  verehr!.  Zweigvereine  und  isolirten  Mitglieder  mit  bekannter  Sorgfalt  fort  führen. 
Reclamationen  einzelner  Nummern,  Zusendung  der  Jahresbeiträge  bitte  Ich  also  auch  ferner 
nach  München  an  Herrn  Weis  mann,  Theatinerstrasse  364,  zu  richten,  Zusendungen  an 
die  Redactlon  Jedoch  nach  Basel  zu  adressiren. 

Prof.  Kollmann,  z.  Z.  Generalsecretiir. 


Schluss  der  Redaction  am  1.  April.  — Druck  von  R.  Oldenbourg  in  Manchen. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

fOr 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Rediffirt  pon  Professor  Koilmann  in  Basel, 

ürntral*  tertiär  dtr  flt-uUtcMafl. 


Nr.  5. 


Erschuiut  jeden  Monat 


Mai  11178. 


Mitglieder- V erzeiehniss 

der 

deutschen  Gesellschaft  ftir  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 

nach  dem  Stand  Ende  1H77. 

Hergcstellt  von  dem  Schatzmeister  der  Gesellschaft 


(F  o r t s e t z n n g). 


Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  I 
Ethnologie  mul  Urgeschichte. 


Voratand. 

Virchow,  Rud.,  Dr.,  Professor,  Vorsitzender. 
Bastian.  Dr.,  JMC.Ia.  n . , i 

B e y r i c h , Profctssor,  | Stellvertreter  d.\  or.it*en.lo„. 

Hart  in  an  n,  Rob.,  I)r.,  Prof.,  enter  Schriftführer. 
Kuhn,  Man,  Dr.,  zweiter  Schriftführer. 

Voss,  Dr.,  dritter  Schriftführer. 

Kitter,  W.,  Banquier,  Schatzmeister. 


Ausachuss- 

K otier,  Dr.,  Professor,  Olunanu. 
Jagor,  F.,  Dr. 

Kuhn.  A.,  Dr.,  Director. 
v.  Richthofen,  Frhr.,  Dr.,  Professor. 
Wetzstein,  Dr. 

F r i e d e 1 , Stadtrath. 

De  egen , Kainmergerichtsratli. 
Fritsch,  G.,  f>r.,  Professor. 


I 


1 


Ehrenmitglieder . 

Lisch,  Dr.,  Geheimer  Archivrath,  Schwerin, 
Mecklenburg. 

Schott,  Dr.,  Professor,  Mitglied  der  Akademie,  | 
Berlin. 

d‘A  Iran  tarn,  Don  Pedro,  Kaiser  von  Brasilien.  ' 
Godcffroy,  Caesar,  Hamburg. 


CerfMtp.-BUU  Nr.  5. 


Correspondirende  Mitglieder. 

1.  Davis,  Joseph  Barnard,  M.  D.,  F.  R.  S.  Shelton, 
Staffordshire. 

2.  Beddoe,  John,  M.  P.,  F.  R. S.,  Cliftoo,  Glocester- 
shire. 

3 Desor,  Professor,  Ncuchitel. 

4.  Htixley,  Professor,  F.  R.  S.  London. 

5.  N i 1 s s o n , Sven,  Professor,  Lund. 

6.  Worsaae,  Kammerherr,  Kopenhagen. 

7.  Uw  troff,  Graf,  Prisidejit  der  archäologischen 
Gesellschaft.  Moskau. 

8.  Cape llini,  Professor,  Bologna. 

!>.  Nicolucci,  Giustiniauo,  Dr,  Isola  di  Sora,  Napoli. 

10.  Gastaldi,  Bartolomeo.  Professor,  Turin. 

11.  Mantegazza,  Paolo,  Professor,  Florenz. 

12.  Vilanova  y Piern,  Juan,  Madrid. 

13.  D upo nt,  Edouard,  Dirccteur  du  Musee  royal 
d'histoire  naturelle,  Bruxelles. 

14.  Squier,  E.  Geo.,  New -York. 

15.  Steenstrup,  Japetus,  Professor,  Kopenhagen. 

18.  L u b bo  c k , Sir  John.  Hig  Elans,  Faruborougb,  Kent. 

17.  Philippi,  Dr.,  Professor,  Santiago,  Chile. 

18.  Haast,  Julius,  Dr.,  F.  R.  S.,  Christchurrh.  New 
Zeal&nd. 

10.  Wh  iss  hach.  A.,  Dr.  med.,  Coustantinopel. 

20.  Calori,  Luigi,  Professor,  Bologna. 

21.  Luyard,  Edgar  Loopold,  Britischer  Consul,  Pari, 
Brasilien. 

1 


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34 


22.  Ra  (Ule,  Gustav,  Direktor  de«  transkaukasischen 
MuseumB,  Tiflis. 

28.  Riedel,  Holländ.  Präsident,  Billiton  bei  Bangka. 

24.  Burmeister,  Dr.,  Professor,  Buenos  Ayrea. 

25.  Pigorini,  Luigi,  Capo  Sezione  nella' direzione 
generale  dei  Musei  e degli  Scavi  del  Regno,  Rom. 

26.  da  Costa,  Pereira,  Dr.,  Lissabon. 

27.  G r e w i n g k , Dr.,  Professor,  Dorpat. 

28.  v.  Blarainberg,  Generallieutenant.  Sewastopol. 
22.  Franks,  W.  Augustus,  M.  A.,  London. 

IW.  v.  Tscbudi,  Schweizerischer  Gesandter,  Wien. 

31.  Lee  in  ans,  Dr.,  Director,  Leiden,  Holland. 

82.  Hildebrand,  Hans,  Dr.,  Stockholm. 

88.  Rau,  Carl,  Dr.,  New  York. 

34.  Gozzadini,  Conto  Giovanni,  Senator,  Bologna. 

35.  Montelius,  Oscar,  Stockholm. 

36.  v.  Düben,  Baron.  Professor,  Stockholm. 

37.  v.  M ueller,  F.,  Baron,  Melbourne,  Australien. 

38.  Berendt,  Herrn.,  Dr.,  Coban,  Guatemala. 

39.  v.  Kaufmann  L,  General,  St.  Petersburg. 

40.  v.  Heldreich,  Dr. , Director  des  botanischen 
Gartens  Athen. 

4L  Engelhardt,  Professor,  Kopenhagen. 

42.  Zwingmann,  Dr.,  Medicinalinspector  von  Ost- 
Sibirien,  Nikolajewsk  am  Amur. 

43.  Reil,  Dr.,  Leibarzt,  Cairo. 

44.  Sachs,  Dr.  med.,  Leibarzt,  Cairo. 

45.  F 1 e x , Oscar,  Missionär,  Ranchi,  Nagpore,  Ostindien. 

46.  Hartt,  Professor,  Cornell  University,  lthaca,  New 
York,  z.  Z.  in  Brasilien. 

47.  St  üb  ei,  A.,  Dr.,  z.  Z.  in  Ecuador. 

48.  II  i Lieb  ran  d,  Emil,  Bror,  Rcichsarchivar,  Stock- 
holm. 

49.  L orange,  A.  L.,  Director  des  Alterthums-Museums, 
Bergen,  Norwegen. 

50.  Aspelin,  J.  R.,  Dr.,  Helsingfors,  Finnland. 

51.  Evans,  John,  F.  R.  S.,  President  of  the  British 
gcological  Society,  Nash  Mills,  Hemel  Heuipsted. 

52.  Spiegelthal,  Schwedischer  Consul  in  Smyrna. 

53.  v.  Lichtenberg,  Freiherr,  Deutscher  Consul  in 
Ragtisa. 

f>4.  Conustabilo,  Conte,  Professor,  Perugia. 

55.  Calvert,  Frank,  Dardanellen,  Kleinasien. 

56.  Kopernicky,  I)r.,  Krakau. 

57.  v.  Miklucko-Marlay,  Dr.,  z.  Z.  in  Ostasien. 

58.  Dal  ton,  Colonel,  Nagpore,  Ostindien. 

59.  C u n n i n g b a ni , Alexander. Major-General,  Calcutta. 

60.  Lührssen,  I)r.,  Ministerresident,  Lima. 

61.  Lcpowsky,  Professor,  Director  des  Archäologi- 
schen Museums,  Krakau. 

62.  v.  Len  kos  sek,  Jos.,  Professor,  Budapest. 

63.  Wheeler,  George  M.t  Lieutenant  Corps  of  En- 
gineer«, Washington. 

64.  H a y d e n , F.  Y.,  Dr.,  U.  S.,  Geologist  - in  - Charge, 
Washington. 

65.  Po  well,  J.  W,,  Major,  Washington. 

66.  v.  Pu  1 sz  k y , Franz,  Director  des  National-Museums, 
Budapest. 

67.  Römer,  Fl.,  Dr.,  Professor,  Budapest. 

68.  Dawkins,  Boyd  W.,  Professor,  Manchester. 

69.  B es  sei  s,  I)r.,  Washington. 

70.  Darwin,  Sir  Charles,  Down  ßeckeuham,  Kent S.  E. 

71.  Gr  über,  Wenzel,  Dr.,  Professor,  St.  Petersburg. 

72.  Ornstein,  Dr.,  Chefarzt  der  griechischen  Armee 
in  Athen. 

Ordentliche  Mitglieder. 

1.  Abbot,  F.,  Dr.,  Berlin. 

2.  Abeking,  Dr.  med.,  Berlin. 


3.  Achenbach,  Dr.,  Handelsminister,  Berlin. 

4.  Adler,  Dr.  med.,  Berlin. 

5.  Al  brecht,  P.,  Dr.  med.,  Düsternbrook  bei  Kiel. 

6.  Alfieri,  L.,  Kaufmann,  Berlin. 

7.  v.  Andrian- Werberg,  Freiherr,  K.  K.  Bergrath, 

Alinea. 

8.  Appel,  C.,  Kaufmann,  Berlin. 

9.  As cherson,  Paul,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

10.  As  cherson,  F.,  Dr.,  Berlin. 

11.  Aschhoff,  Dr.  med.,  Berlin. 

12.  A water,  Dr.  med.,  Berlin. 

13.  Barch witz,  Ilauptmann  a.  D.,  z.  Z.  in  Italien. 

14.  Bardeleben,  Dr.,  Geh.  Medicinalrath,  Berlin. 

15.  Barnewitz,  Realschullehrer,  Brandenburg  a.  H. 

16.  Bartels,  Dr.  med.,  Berlin. 

17.  Bastian,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

18.  Baumann,  Kaufmann,  Berlin. 

19.  Beer,  Rittergutsbesitzer,  Berlin. 

20.  Behmer,  Fabrikant,  Berlin. 

21.  v.  Be  low,  Rittergutsbesitzer,  Berlin. 

22.  v.  Bennigsen,  Landesdirector,  Hannover. 

23.  Berendt,  Dr.,  Professor,  Landesgeologe,  Berlin. 

24.  Bergius,  Oberstlieutenant,  Berlin. 

25.  Bernhardt,  Dr.  med.,  Berlin. 

26.  Bertheim,  Stadtverordneter,  Berlin. 

| 27.  Be u ster,  Dr.  med.,  Berlin. 

I 28.  Boy  rieh,  Dr.,  Professor,  Geh.  Bergrath,  Berlin. 

29.  Biefel,  Dr.,  Oberstabsarzt,  Breslau. 

| 30.  Bodinus,  Dr,  Berlin. 

I 31.  v.  Boguslawski,  Dr.,  Berlin. 

32.  Böhr,  Dr.,  Marine-Stabsarzt,  Berlin. 

33.  du  Bo  is- Re ymond,  Dr.,  Professor,  Geh.  Medi- 
cinalrath,  Berlin. 

34.  Bbrner,  Dr.,  Oberstabsarzt  a.  D.,  Berlin. 

35.  v.  Brandt,  Ministerialresideut,  z.  Z.  in  China. 

36.  Braun,  Alex.,  Dr.,  Professor,  Geh.  Regteriings- 
rath,  Berlin. 

| 37.  Braun,  Carl,  Dr.,  Justizratk,  Berlin. 

38.  v.  Brodow,  Rittergutsbesitzer,  Leuzke  bei  Fehr- 
bellin. 

39.  Brehm,  Dr.;  Berlin. 

40.  Bretschneider,  Dr.  med.,  Berlin. 

41.  Brückner  senior,  Dr.,  Nenbrandenburg. 

42.  Buch  holz,  Beamter  am  Märkischen  Museum, 
Berlin. 

43.  Bütow,  Geheimer  Rechnungsrath,  Berlin. 

41.  v.  Cham  is  so,  H.,  l>r.  mo<L,  Medicinalrath,  Berlin. 

45.  Crainpe,  Dr.,  Proskau  in  Schlesien. 

46.  Croner,  Dr.  med.,  Berlin. 

47.  Dam  es,  Dr.,  Berlin. 

48.  David  sohn,  H.,  Dr.  med.,  Berlin. 

49.  David  sohn,  L.,  Dr.  med.,  Berlin. 

50.  De  egen,  Kammergerichtsrath,  Berlin. 

51.  Degner,  C.,  Kaufmann,  Berlin. 

52.  De  gen  er,  Kamrnergerichts- Referendar,  Berlin. 

53.  Dönitz,  Dr.,  Professor,  z.  Z.  in  Japan. 

54.  Döring,  Dr,  Stabsarzt,  Berlin, 

55.  Dü miclien,  Dr.,  Professor,  Strassburg  im  Eisass 

56.  Dünnwuld,  H.  J,  Kaufmann,  Berlin. 

57.  Dumont,  Dr.,  Berlin. 

58.  Dz icduczy cki,  Graf,  Lemberg. 

59.  Kberty,  Dr.,  Stadtgerichtsrath,  Berlin. 

60.  Eggel,  Dr.  med.,  Berlin. 

61.  Esch wege,  Kaufmann,  Berlin. 

62.  Eulenburg,  Dr.,  Geheimer  Sanit&tsrmth , Berlin. 

63.  Ewald,  Dr.,  Mitglied  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften, Berlin. 

64.  Ewald,  Historienmaler,  Berlin. 


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35 


65.  Ewald,  Dr.,  Privatdoceut,  Kerlin. 

66.  Falken  stein,  Dr.,  Stabsarzt.  Berlin. 

67.  Fälligen,  Stadtgerichtsruth,  Berlin. 

6H.  Förster,  F.,  Dr.,  Berlin. 

6D.  Fränkel,  Bernhard,  Dr.  m«d.,  Berlin. 

70.  v.  Frautsius,  Dr.,  Freiburg  im  Breisgau. 

71.  Frege,  F.,  Banquier,  Berlin. 

72.  Friede!,  Stadrath,  Berlin. 

73.  Frisch,  Photograph,  Berlin. 

74.  Fritsch,  Gust.,  Dr„  Professor,  Berlin. 

75.  Füratenheim,  Dr.  med.,  Berlin. 

76.  v.  (lagern,  Kreisrichter,  Kirchhundem,  Kr.  Olpe. 

77.  Gäde,  Marine-Ingenieur,  Berlin. 

7H.  Gärtner,  Conaul,  Berlin. 

79.  Ge  im,  M.  Banquier,  Berlin. 

80.  Gents,  Professor.  Maler,  Berlin. 

81.  Gerlach,  I)r.,  Geheimer  Mcdiciualrath.  Berlin. 

82.  Gu  senilis,  Stadtältestcr,  Berlin. 

83.  Goldschmidt,  Hermann  B.  H„  Banquier,  Berlin. 

84.  Goldschmidt,  Leo  B.  I L,  Banquier,  Paris. 

86.  Ooltdammer,  Dr.  med.,  Berlin. 

86.  Goslich,  Rentier,  Berlin. 

87.  Grawitz,  Dr.  med.,  Berlin. 

88.  Grempler,  Dr.,  Sanitätsrath,  Breslau. 

89.  Grimm,  Herrn.,  Professor,  Lichterfelde  bei  Berlin. 

90.  Güssfeldt,  Paul,  l>r.,  Berlin. 

91.  Güter  bock,  Leopold,  Maler,  Berlin. 

92.  Güter  bock,  P.f  Dr.  med.,  Berlin. 

93.  Guttstadt,  Dr  med.,  Berlin. 

94.  Haarbrücker,  Prof,  und  Dircctor,  Berlin. 

95.  Hahn,  Gut,  Dr.,  Oberstabsarzt,  Berlin. 

96.  Hahn,  Dr.  med  . Berlin. 

97.  Hanscmanu,  Fabrikant,  Berlin. 

98.  Hart  manu.  Kob.,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

99.  v.  Ha  selbe  rg,  Dr.  med. 

100.  Hauchecorne,  Geheimer  Bergrath,  Berlin. 

101.  Hei  mann,  L„  Redacteur,  Berlin. 

102.  Hermes,  U„  Dr.,  Berlin. 

103.  Herzberg,  Dr.,  Berlin. 

104.  Hertz,  William  P.,  London. 

105.  Hirsch,  Dr.,  Professor,  Geheimer Mcdicinalrath, 
Berlin. 

106.  Hitzig,  Dr.,  Professor.  Btirghölzli  bei  Zürich. 

107.  Hoff  mann,  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin. 

108.  Holl  mann.  Stadtgerichtsrath,  Berlin. 

109.  t.  Horn  v.  d.  Hork,  Stud.  med..  Berlin. 

110.  Horwitz.  Dr.,  Rechtsanwalt,  Berlin. 

111.  Hosius,  Dr.,  Professor.  Münster 

112.  H ous solle.  Dr.. Geh.  Obermedicinal-Kath,  Berlin. 

113.  H u m b e r t , Legationsrath,  Berlin. 

114.  Huppe,  Dr.  med.,  Berlin. 

115.  Jacob,  Dr.  med.,  Coburg. 

116.  Ja  gor,  Fedor,  Dr.,  Berlin. 

117.  Jahn,  Rentier,  Burg  Loschen  a.  d.  Elbe. 

118.  Jentsch,  Dr.,  Oberlehrer,  Guben. 

119.  I de ler,  Pr.  ined.,  Berlin. 

120.  Jürgens,  Dr.  med.,  Bcrliu. 

121.  Jung,  Dr.,  Leipzig. 

122.  Junker,  Dr.,  z.  Z.  in  Afrika. 

123.  Kaiser,  Kd.,  Dr.,  Berlin. 

124.  KayRer,  Em.,  Dr.,  Privauloceut,  Berlin. 

125.  Ke  rite n,  Dr.,  Berlin. 

126.  Kirchhoff,  Dr..  Professor,  Halle  a.  Saale. 

127  v.  Kloeden,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

128.  Klunzingur,  Dr.,  Berlin. 

129.  Kny,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

130.  Koch,  Dr,,  Kreisphysicns,  Sanitätsrath,  Wöllstein, 
Provinz  Posen. 


1 131,  Koeuig,  Kaufmann,  Berlin. 

132.  Koner,  l>r.,  Professor,  Berlin. 

133.  Körbin,  Dr.,  Potsdam. 

134.  Körte,  I)r..  Geheimer  Sanitätsrath.  Berlin. 

135.  Kratzenstein,  Missionsinspector,  Berlin. 

136.  Krause,  Architekt,  Berlin. 

137.  Krüger,  Dr.  phiL,  Berlin. 

138.  Krug  v.  Ni cl da,  Ohcrbergliauptmann,  Wirkl. 
Geheimer  Rath,  Berlin. 

139.  K u c h e n b u c h , Kreisgerichtsrath,  Müncheberg. 

140.  Ivünno,  Buchhändler,  Berlin. 

i 141.  Küster,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Berlin. 

142.  Kuhn,  A.,  I)r.,  Director,  Berlin, 

143.  Kuhn,  Max.  Dr.,  Berlin. 

144.  Kunz,  Stadtrath.  Berlin. 

146.  Kunze,  Rentier,  Leipzig. 

146.  Kupfer.  Dr.  med.,  Cassel. 

147.  Kurtx,  Stud.,  Berlin. 

148.  Kurtzwig,  Regierungsrath,  Berlin. 

149.  Laehr.  Dr.,  Sanitätsrath,  Schweizerhof  bei  Zch- 
lendorf. 

, 150.  Landau,  Hugo,  Banquier,  Berlin. 

1 151.  Lau d au,  Dr.  mini.,  Berlin. 

152.  Lange,  Henry,  Dr.,  Berlin. 

153.  Langer  haus  senior,  P.,  Dr.  med.,  Berlin. 

154.  Lasard.  Dr.,  Berlin. 

155.  Lazarus,  Dr.,  Professor,  Berlin 

156.  Lehnerdt,  Dr..  Sanitätsrath,  Berlin. 

157.  Leo,  Banquier,  Berlin. 

158.  v.  Le  Coq,  Kaufmann,  Darmstadt. 

159.  v.  Ledebur,  Director,  Potsdam. 

160.  Lew  in,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

161.  Liebe,  Tb.,  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin. 

162.  Liebe,  Dr.,  Professor,  Gera. 

163.  Lieber m ann,  Geheimer  Commerzienrath,  Berlin 

164.  Liebermann,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

165.  Liebreich,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

166.  Liepmann,  Rentier,  Berlin. 

167.  Li  in  au,  Dr.,  Professor,  Geheimer  Medicinalratb, 
Berlin. 

168.  Loew,  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin. 

169.  Lossen,  Dr..  Berlin. 

! 170.  Lühe,  Dr..  Oberstabsarzt,  Ploen. 

171.  Magnus.  P.,  Dr.,  Berlin. 

172.  v.  Mailäth.  Bela,  Vicegespann , Andrasfalu 
Ungarn. 

173.  v.  Maltzan,  Baron,  Federow,  Meklenbnrg. 

174.  Manthey,  Stud.,  z.  /.  in  Aegypten. 

175.  v,  Martens,  Dr..  Professor,  Berlin. 

176.  Mart  he,  Dr.,  Oberlehrer,  Berlin. 

177.  Mayer,  Louis,  Dr.,  Sanitätsrath,  Berlin. 

178.  Meitze n,  Dr.,  Geheimer  Regierungarath,  Berlin 

179.  Mendel,  Dr.  med.,  Pankow  bei  Berlin. 

180.  Meyer,  Lothar.  Dr.  med.,  Berlin 

181.  Meyer,  Geheimer  Legationsratb,  Berlin. 

182.  Michaelis,  Kd.,  Dr.  med.,  Berlin. 

183.  v.  Mohl.  Cabinets-Secretär,  Berlin. 

184.  Montefiore,  George,  Brüssel. 

185.  Mühlenbeck,  Gutsbesitzer,  Gr.-Wachlin  bei 
Stargard,  Pommern. 

186.  Müller,  O.,  Bnchhändler,  Berlin. 

187.  Müuter,  Zahnarzt,  Berlin. 

188.  Munk,  Dr.,  Professor.  Berlin. 

189.  Nachtigal,  Dr,  Berlin. 

190.  Neumeyer,  Dr-,  Professor,  Wirkl.  Admiralität»- 
rath,  Hamburg. 

i 191.  Oelsner,  Fr.,  Kaufmann,  Amsterdam. 

| 192.  Orth,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

!• 


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36 


19*1.  Orth,  Dr.  med.,  Berlin. 

194.  Partei,  Stadtverordneter,  Berlin. 

195.  Paetsch,  Joh.,  Dr.,  Berlin. 

19t».  I’arejr,  Buchhändler,  Berlin. 

197.  Pauli,  l>r.,  Denartemeuts-Thierarzt,  Berlin. 

198.  Peipers,  Dr.,  Marine-Stabsarzt,  Kiel. 

HK».  Per  OSO  y Figueras,  Jose  del,  Madrid. 

200.  La  Pierre,  Dr.,  SanitAtsrath,  Berlin. 

201.  Plessner,  Dr.  med.,  Berlin. 

202.  Ponfik,  Dr.,  Professor,  Göttingen. 

203.  Pringsheim,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

204.  v.  Prollius,  M.,  Geheimer  Legatiousrath  und 
Mekleuburgischer  Gesandter,  Berlin. 

205.  Puchsteiu,  Dr.  med..  Berlin. 

206.  Rabenau,  Oekonoro,  Vetschau. 

207.  R a h 1 • R tt  c k h a r d t,  Dr.,  Stabsarzt.  Berlin. 

208.  v.  Ratiowitz,  Freiherr,  Gesandter  in  Athen, 

Berlin. 

209.  Raschkow,  Dr.  med-,  Berlin. 

210.  Ra veue,  L.,  Geheimer  Commerzienrath,  Berlin. 

211.  Reichen  heim,  Ferd.,  Berlin. 

212.  Reichert,  Dr..  Geheimer  Medicinalralli,  Berlin. 

213.  Reinhardt,  Dr..  Berlin. 

214.  Re  iss,  Dr.,  Berlin. 

215.  Ribbentrop,  Berthold,  Esq.,  Lahore,  East  India. 
21 1».  Richter,  B,  Banquier,  Berlin. 

217.  v.  Richthofen,  Freiherr,  Dr.,  Professor,  Berlin. 
21«.  Ri  eck,  Dr.  med.,  Kbpnick  bei  Berliu. 

219.  Ritter,  Wilh.,  Banquier,  Berlin. 

220.  Robel,  Dr.,  Berlin. 

221.  Koch,  Dr.,  Senftonberg. 

222.  Roscnberg,  Stadtgerichtsrath,  Berlin. 

223.  Rosenthal,  Dr.  med.,  Berlin. 

224.  Roth,  Dr..  Generalarzt.  Dresden. 

225.  Runge  , Stadtrath,  Berlin. 

22t».  Ruttledge,  T.  E.,  Dr.  med.,  London. 

227.  Samson,  Banquier,  Berlin. 

22«.  Sander,  Dr.  med.,  Berlin. 

229.  Sattler,  Dr.  med.,  Coburg. 

230.  Schaal,  Maler,  Berlin. 

281.  Scheibler,  I>r.,  Berlin. 

232.  Sch iercnberg.  Rentier,  Meinberg  bei  Detmold. 

233.  S c h i 1 1 m a u n , l)r„  Oberlehrer,  Brandenburg  a.  H. 
23*1.  Schindler,  Generalinspector  der  Telegraphen, 

Teheran,  Persien. 

235.  Schlesinger,  Rentier,  Berlin. 

23t».  Schmidt.  Jos.,  Kaufmann.  Berlin. 

237.  Schneitier,  C„  Dr.,  Berlin. 

23«.  Schneider,  Kaufmann.  Berliu. 

239.  Sch  Öler,  Dr.,  Privatdocent,  Berliu. 

240.  Schubert,  Kaufmann,  Berlin. 

241.  Schultze,  Carl  D.,  Baumeister,  Berlin. 

242.  Schultze,  Oscar,  I>r.  ined.,  Berlin. 

243.  Schütz,  W.,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

244.  Schwartz,  Dr.,  Gymnasialdirector,  Posen. 

245.  Schweinfurth,  G.,  Dr.,  Cairo. 

246.  Schwendler,  Louis,  Esq.,  Calcutta. 

247.  Seemann,  Dr.  med.,  Berlin. 

24«.  S i c g m u n d , Jlr.  med.,  Berliu. 

249.  Siehe,  Dr.  med.,  Alt-Döbern. 

250.  Siemens,  Werner,  Dr.,  Berlin, 

251.  Sierakowski,  Graf,  Dr.  jur.,  Waplitz  bei  Alt- 
mark, Westpreusaeo. 

252.  Simon.  Kaufmann.  Körbisdorf. 

253.  Stein thal,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

254.  Stricker.  Verlagsbuchhändler,  Berlin. 

255.  Struck,  Dr.,  Director  des  K.  Gesundheitsamts, 
Berlin. 


256.  Teschendorf,  Portrmitmaler,  Berlin. 

257.  Teplouchoff,  Alex.,  Forstmeister  - Secretär, 
Iljinsk  bei  Perm. 

25«.  Thorner,  Dr.  med.,  Berlin. 

259.  Thunig.  Oberamtmann,  Kaiserhof  - Dusznick, 
Provinz  Posen. 

260.  Ti  man  n.  Dr.  med.,  Berlin. 

261.  v.  T r a u b e h e - R o s e n e c.  k , F reiberr,  Schwanen- 
burg  bei  Riga. 

262.  Trautmann,  Dr.  med,,  Oberstabsarzt.  Berlin. 

263.  Treichel,  Hoch-Palleschken , a.  Alt-Kischau, 
Westpceosson. 

! 261.  TucKerrmann,  Alf.,  Dr.,  New  York. 

265.  v.  L'nruhe-Romst,  Freiherr,  Landrath,  Woll- 
stein, Provinz  Posen. 

266.  Urban,  Dr.,  Lichterfelde  hei  Berlin. 

267.  Veckenst&dt,  Dr.,  Cottbus. 

2»»«.  Veit,  Dr.,  Sanit&tsrath,  Berlin. 

269.  Virchow,  I)r,  Professor,  Berlin. 

| 270  Vorländer,  Fabrikant,  Berlin.  . 

271.  Voss,  Dr„  Assistent  am  K.  Museum. 

272.  Wattenbach,  Dr.,  Professor.  Berlin. 

273.  Wegner,  Dr.,  Generalarzt,  Berlin. 

274.  Wegscheider,  Dr.,  Geh.  Sanitätsratb,  Berlin. 

| 275.  Weis«,  Kenn.,  Professor.  Berlin. 

276.  Weis«,  Guido,  Dr.,  Berlin. 

277.  Weissbach,  Dr.,  Stabsarzt,  Wriezen  a.  Oder. 

: 27«.  Wendt,  Dr.,  Oberstabsarzt,  Berlin. 

I 279.  Werner.  Dr..  Berlin. 

| 280.  Wern  ich,  Dr,  med.,  z.  Z.  in  Japan. 

281.  Westphal,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

282.  Wetzstein.  Dr.,  Berlin. 

283.  Wilsky,  Director,  Rummelsburg  bei  Berlin 

284.  Witt,  Gutsbesitzer,  Bogdanowo  hei  Obernik, 
Provinz  Posen. 

285.  Wittmack,  Dr.,  Berlin. 

284».  Woldt,  Schriftsteller,  Berlin. 

287.  Wolff,  Alex.,  Stadtrath,  Berlin. 

288.  Wolff.  Max,  Dr.  med.,  Berlin. 

289.  Wredow,  Professor,  Berlin. 

290.  v.  Wnlffen,  Freiherr,  Berlin. 

291.  Wutzer,  Dr.  med.,  Berlin. 

292.  Zimmermann,  Dr..  Rechtsanwalt,  Berlin. 

293.  Ztllzer,  Dr.  med.,  Berlin. 


Niederrheinische  (truppe  in  Bonn  und  Cöln. 

Schaaff hausen.  Professor  in  Bonn, 
Geschäftsführer. 

Mitglieder. 

1.  v.  Dechen.  Excellenz,  Wirkl.  Geheimer  Rath. 

2.  Becker,  Rentner. 

3.  Schaaffhausen,  Theodor,  Rentner. 

4.  Mever.  Bona,  Professor. 

6.  v.  Wittgenstein,  Jos.,  Advokat- Anwalt. 

I 6.  Binz.  Professor, 

7 Dünkelberg,  Geheimer  Rath. 

• 8.  Weyhe,  Geheimer  Rath. 

9.  Andre®,  Professor. 

10.  Floss,  Professor. 

11.  K a t z , Rentner. 

12.  Stahlknecht.  Rentner. 

13.  Busch,  Geheimer  Rath. 

14.  v.  Mirbach,  Präsident. 

15.  Wo bor.  Max, 

I 16.  Voigtei,  Dombaumeister  in  Cöln. 


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37 


17.  Richarx,  Geheimer  Rath  in  Kndenich. 

18.  De  ich  manu,  Theodor,  Cöln. 

19.  D e i c h m a n n . Frau,  Geh.  Rüthin,  Mehlem  b.  Bonn. 
21).  W o n d e 1 8 1 a d t , Commerz.  -Uath,  Godesberg  b.Bonn. 

21.  Guret,  Dr..  Bonn. 

22.  Mohnike,  Dr.,  Generalarzt 

23.  Schaaffhauseu,  Geheimer  Rath.  lebenslängliches 
Mitglied. 


Cobnrger  Lokalverein. 

Vorstand* 

Vogtei.  Dr.  med.,  Privatier,  Vorsitzender. 
Brodführer,  Bürgerschuld  inctor,  Schriftführer, 
Heyn,  Hugo,  Journalist,  Kassier. 

Kitaliedar. 

1.  Vogtei,  Dr.  med.,  Privatier,  Coburg, 

2.  Brodführer,  ßflrgenchnldireetor,  Coburg. 

3.  Heyn,  Hugo,  Journalist,  Coburg. 

4.  Flor  schütz  jr.,  Dr.  med.,  Arzt,  Coburg. 

5.  Rose,  Staatsrath,  Regierung»*  und  Ministerial- 

Chef,  Coburg. 

6.  Gei  in,  Gas&nstalhsdircctor.  Coburg. 

7.  v.  Löwenfels,  Freiherr,  Exeollcnx,  Herzoglicher 
OberhofmeiBter  a.  D.,  Coburg. 

8.  Ortloff,  Dr.,  Privatier. 

9.  Witt  ich,  Excellenz,  K.  prouss.  Generallieutenant  1 
a.  D.,  Coburg. 

1U.  Sattler,  Dr.  med.,  Privatier,  gegenwärtig  in  i 
Aegypten. 

11.  Meyer,  Moritz,  Bierhändler,  Coburg. 

12.  v.  Röppcrt,  Baron,  Hofmarschall,  Coburg. 

13.  Rose,  Otto,  Kaufmann,  Coburg. 

14.  Gonuermann,  Medicinalassessor,  Coburg. 

Danzig. 

Lissaucr,  Dr.,  Vorsitzender. 

Schück,  OberpostHeeretär,  Cantos  der  Sammlung. 

Mitglieder. 

1.  Abegg,  Dr.  med..  Geheimer  Sanitätsrath, Director 
des  Hebammen -Instituts,  Danzig. 

2.  Anger,  Dr.  phil.,  Gymnasiallehrer.  Elbing. 

3.  Apolant,  Kreisbaumeister,  Carthaus. 

4.  Bajohr,  OberpoBtcommissariuB,  Görbcrsdorf  in 
Schlesien. 

6.  Bail,  Dr.  phil.,  Professor,  Realschullehrer.  Danzig. 

3.  Raum,  Kaufmann,  Danzig. 

7.  Bertling,  Prediger,  Danzig. 

8.  Be utk,  Buchhändler,  Danzig. 

9.  Brams on,  Dr.  med.,  Arzt,  Danzig. 

10.  Bujack,  Dr.  phil.,  Gymnasiallehrer,  Königs- 
berg i.  Pr. 

11.  Burrucker,  Hauptmann,  Danzig. 

12.  C’osack,  Dr.  phil.,  Stadtschulrath,  Danzig. 

13.  Davidsohn,  Kaufmann,  Danzig. 

14.  Dieckhoff,  Gutsbesitzer.  Przewosz  bei  Carthaus. 

15.  Doering,  Waffenfabrikant.  Danzig. 

16.  Drawo,  Gutsbesitzer,  Saskoczin  bei  Danzig. 

17.  v.  F rau  tzius,  Gutsbesitzer,  Kaltenort  bei  Kiesen- 
bürg. 

18.  Froeling,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt,  Danzig. 

19.  Grentzenbcrg,  Kaufmann,  Dauzig. 

20.  v.  Grass,  Gutsbesitzer,  Klanin  bei  Neustadt  in 
Westpreussen. 

21.  Haeser,  Dr.  med.,  Oberarzt,  Danzig. 


22. 

88, 

94. 

25. 

26. 

27. 

28. 

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69. 

«0. 

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76. 

77. 

78. 

79. 

80. 
81. 
82. 
83. 


Hasse,  Kaufmann,  Danzig. 

Haussmann,  Stadtrath.  Danzig. 

Hein,  Dr.  med.,  Arzt,  Dauzig. 

Hey  er,  Gutsbesitzer,  Landschaftsrath,  S träne  hin 
bei  Danzig. 

Helm,  Adolf,  Kaufmann,  Danzig. 

Helm,  Otto,  Chemiker  und  Stadtrath,  Danzig. 

1! endewerk,  Apotheker  und  Stadtrath,  Dauzig. 
v,  Hirse hfeld,  Regierangsrath,  Marienwerder. 
Hoenc,  Gutsbesitzer.  Pcmpau  bei  Danzig. 

II  o f f m a n n , Aquarieufabrikaut,  Danzig. 

Ho  Hz,  Kaufmann,  Danzig. 

Joel,  Gatsbesitzer.  Zankenzin  bei  Danzig. 
Kafemann,  Buchdruckereibesitzer,  Danzig. 
Ka8iski,  Major  z.  D.,  Neustettin. 

Kau  ff  mann,  Kaufmann,  Dauzig. 

Kauffmann,  Oberpostsecretär,  Danzig. 

Kayser,  Astronom,  Danzig. 

Kelp,  Dr.  med.,  Obermedicinalrath,  Oldenburg, 
v.  Ketelhodt,  Freiherr,  L&ndrath,  Deutsch  Krone. 
Klotten,  Katastercontrolleur,  Carthaus. 

Klotz,  Dr.  med.,  Arzt.  Danzig. 

Kowallck,  Stadtgerichtsdirector,  Danzig, 
v.  Kries,  Gutsbesitzer,  Waczmirs  bei  Dirscbau. 
Krüger,  Maurermeister,  Danzig. 

Lampe,  Dr.  phil.,  Professor,  Gymnasiallehrer, 
Danzig. 

Lissaner,  Dr.  med.,  Arzt,  Danzig. 

Lievin,  Dr.  med..  Arzt,  Danzig. 

Lohmeyer,  Realschullehrer.  Danzig. 
Maunhardt,  Dr.  phil.,  Privatdocent,  Danzig. 
Marse  hall,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Arzt,  Marien- 
burg. 

Menge,  Professor,  Oberlehrer  a.  D.,  Danzig. 
Menke,  Kaufmann,  Danzig. 

Moeller,  Dr.  med.,  RealUchullehrer,  Danzig. 
Morwitz.  Kaufmann,  Danzig. 

Momber,  Dr.  phil.,  Gymnasiallehrer,  Danzig. 
MQller,  Ingenieur  untl  Dänischer  Consnl.  Danzig. 
Münsterlierg,  Kaufmann,  Danzig. 

Neumann,  Dr.  med.,  Sanitätsrath,  Arzt,  Neu- 
fahrwasser bei  Danzig. 

Oehlschläger,  Dr.  med.,  Arzt,  Danzig. 

Ollen dorff,  Kaufmann,  Danzig. 

Otto,  Stadtbaumeister,  Danzig. 

Penner,  Rentier,  Olira  bei  Danzig. 

Peters,  Dr.  phil*,  Lehrer,  Danzig. 

Pfeffer,  Dr.  phil.,  Realschallehrer,  Danzig 
Pianka,  Dr.  med.,  Regierung* -Medicin&lratb, 
Marionwerder. 

Plehn,  Gutsbesitzer.  Lichtenthal. 
v.  Polkowski,  Gutsbesitzer.  Labischin. 
Rickert,  Landesdirector.  Königsberg  i.  Pr. 
Roeper,  Dr.  phil.,  Professor,  Gymnasiallehrer, 
Danzig. 

Ru  beim,  Redacteur.  Marienwerder. 

Scharlock,  Rentier,  Gramlenz. 

Scheele,  Dr.  ined.,  Arzt,  Danzig. 

Scheinert,  Buchhändler.  Danzig. 

Schiffer.  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Danzig. 
Schimmelpfennig,  Postdirector,  Poesneck. 
Schmechel.  Landschafts-Socretär.  Danzig. 
Schneller,  I)r.  med.,  Arzt,  Danzig. 

Schück,  Oberpostsecretär.  Danzig. 

Semon,  Dr.  mo<L,  Arzt,  Danzig. 

Siel  aff,  Admiralitäts-Secrotär,  Ohra  bei  Danzig. 
Staber ow,  Kaufmann,  Danzig. 

Starck,  Dr.  med.,  Arzt,  Danzig. 


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38 


84.  Steimmig  gen.,  Fabrikbesitzer.  Danzig. 

86.  Steitnmig  jun.,  Ingenieur,  Danzig. 

86.  Strebitzki,  Dr.  phil.,  Gymnasiallehrer,  Neustadt 

i.  Wostpr. 

87.  Stryowski,  Maler  Danzig. 

88.  T o r u w a 1 d , Dr.  med.,  Arzt,  Danzig. 

80.  Wacker,  Gymnasiallehrer,  Marien werder. 

90.  Wallenberg,  Dr.  med.,  Arzt,  Danzig. 

01.  Wedding,  Gutsbesitzer,  Gulbicn  bei  Dutitscli- 
Kylau. 

92.  Weiulig,  Prediger,  Dauzig. 

03.  Wilke,  Kaufmann,  Danzig. 

04.  v.  Winter,  Geheimer  Kalb,  Oberbürgermeister, 
Danzig. 

06.  Witt,  Kegierungsgeomuter,  Danzig. 

96.  Ziegner,  Dr.  med.,  Arzt,  N'euteich. 

97.  Zim  meruiann,  Rentier,  Olira  bei  Danzig. 


Localvercin  in  Elberfeld. 

Ellenburgur,  Kaufmann,  Geschäftsführer. 
Mitglieder  (in  Elberfeld  wohnhaft). 

1.  Raum,  Rudolf,  Kaufmauu. 

2.  Berger,  W.t  Dr.,  Arzt. 

3.  Cohuitz,  Kug.,  Kaufmann. 

4.  Cornelius,  Dr.,  Arzt 

5.  Ellenberger,  II.,  Kaufmann. 

6.  Gebhard,  Gustav,  Kaufmann. 

7.  Gebhard,  Eduard,  Kaufmann. 

8.  Holthaus,  Wilh.,  Kaufmann. 

9.  König,  Justizrath,  Advokat- An  wall. 

10.  Levy , Dr.,  Arzt. 

11.  Marti ub,  R.,  Landgerichtsrath. 

12.  Peill,  Gustav,  Kaufmauu. 

13.  Re  m kos,  Carl,  Kaufmann. 

14.  Ringel,  Kal.,  Rentner. 

16.  v.  Sclien ui s.  Fr.,  Kaufmann. 

16.  Schöller,  F.,  Kaufmauu. 

17.  Sclilieper  jun.,  Gustav,  Kaufmann. 

18.  Siniotis,  Walther,  Kaufmann. 

19.  Simons,  Louis,  Kaufmann, 

20.  Simons,  Wilh,,  Kaufm&nnn. 

21.  Stracker,  F.  W.,  Kaufmann. 

22.  Weyermann,  August,  Kaufmann. 

23.  Wey  er  man  u,  Moritz.  Kaufmann. 

24.  Witte,  Regierungsrath,  Kiseiibahmlirector  der 
Berg.-Märk.  Hahn 

25.  zur  Hosen,  Königl.  PoBtdirector. 


Frankfurter  Gruppe. 

Lucae,  I)r.  med.,  Professor,  Geschäftsführer. 
e Mitglieder- 

1.  S^mmeri ng,  Frau,  Sophie. 

2.  Schmidt,  Max.  Dr.  vor.,  Director. 

3.  Kinkel  in,  Dr.  phil. 

4.  Rockenheimer,  Dr.  med. 

5.  Finger,  Dr.,  Oberlehrer. 

6.  G o Lisch  rn  i dt,  II  KL 

7.  v.  Heyden,  Dr.  phil.,  Hauptmanu. 

8.  Kesselmeyer,  Rentier. 

9.  Stricker,  Dr,  med. 

10.  Winter,  Ruchhändler. 

11.  Lncae,  Dr.,  Professor. 

12.  Schmidt,  H„  Dr.  med. 

13.  Pass» v aut,  Gustav,  Dr. 


14.  Walter,  Dr.,  Hofrath. 

15.  Gwinner,  Dr.  jur.,  Stadtgorichtsrath. 

16.  Krepp,  Friedr. 

17.  Moldenhauer,  F.  M..  Ingenieur. 

18.  Finger,  Eduard,  Rentier. 

19.  Gott werth,  Heinrich.  Lehrer. 

20.  Hammeran.  Dr.  phil. 

21.  Winter,  Wilh. 

Ehrenmitglieder . 

| 1.  G oldschmidt,  Renedict . N. 

2.  G o 1 d s c h in  i d t. , Marcus  M. 

3.  Gold  Schmidt,  Moritz  M. 

Gruppe  in  Gotha. 

Schuchardt,  Dr.,  Geh.  Regierangs-  und  Ober- 
medicinalrath,  Geschäftsführer. 

| 1.  Sam  wer,  Dr.,  Staatsrath,  Gotha. 

2.  Dannenberg,  Dr.  Medicinal Assessor.  Gotha. 

3.  llenneberg,  Dr.,  Rechtsanwalt,  Gotha. 

4.  Jacobs  II.,  Rechtsanwalt,  Gotha. 

5.  Becker,  Dr.,  Amtsphysikns,  Gotha. 

6.  Stäb ler,  Hotelbesitzer,  Gotha. 

7.  Thiene  mann,  Hofbuchhümller,  Gotha. 

8.  T rümpelmann,  Superintendent,  Uelleben. 

9.  Schuchardt,  Dr. , Geheimer  Regierungs-  und 
Obcrmediciiialrath,  Gotha. 

Göttinger  anthropologischer  Verein. 

Ehlers,  Dr.,  Professor,  Vorsitzender. 

Beufey,  Dr. 

v.  Brunn,  Dr.,  Schriftführer. 

Ludwig,  Dr. 

Mitglieder  lin  Göttinnen  wohnhaft). 

1.  Bau  mann,  Professor. 

2.  B e n f e y , Professor. 

3.  Beute,  I>r. 

4.  Bezzenberger,  Dr. 

5.  Boedeker,  Professor. 

6.  v.  Brunn,  Dr. 

7.  v.  Deuffer,  Dr. 

8.  Dieterichs,  Kreishauptmann. 

9.  Dove,  Professor. 

10.  Drechsler,  Professor. 

11.  Ehlers,  Professor. 

12.  En  ne  per,  Professor. 

13.  Esser,  Dr. 

14.  Faust,  Dr. 

15.  Feska,  Dr. 

16.  Fick,  Dr. 

17.  Fleischer,  Dr. 

18.  Frensdorff,  Professor. 

19.  Frerich»,  Dr. 

20.  G oe d e k e , Professor. 

21.  Hartwig,  Dr. 

22.  H unneb erg,  Professor. 

23.  11  u a e m a n u , Professor. 

24.  v.  1 he  ring,  Geheimer  Justizrath. 

25.  v.  Hierin g.  Dr. 

26.  Klinkerfues.  Professor. 

27.  Krause,  Professor. 

28.  Kr  ohne,  Major  a.  D. 

29.  Lang,  I>r. 

30.  Lange n b eck,  Sanitatsrath. 

31.  Leber,  Professor. 

32.  Listing,  Professor. 


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39 


33.  Lohtneyer,  Professor. 

34.  Lotse,  Carul.  med. 

36.  Ludwig,  Dr. 

36.  Marne,  Professor. 

37.  Mejer,  Geheimer  Justixrath. 

33.  Meyer,  Professor. 

39.  Mühry,  I)r. 

40.  Müller,  H.  D.,  Professor. 

41.  Müller,  Chr..  Professor. 

42.  Müller,  C..  Dr. 

43.  Muhlert,  Oberlehrer. 

44.  Nöldeke,  PoBtralh. 

45.  Pauli,  Professor. 

40.  Peppmüller,  Buchhändler. 

47.  Uosenbach,  Dr. 

43.  Rümelin,  Dr. 

49.  Sartorius  v.  Waltershati6en,  Professor. 
GO.  Schering,  Professor. 

61.  Schmidt,  Obergerichtspräsident. 

52.  Schreiber,  Bergrath. 

53.  Schütte,  Sanitätsrath. 

54.  r.  Seebach,  Professor. 

55.  Tittmann,  Assessor. 

56.  Thöl,  Geheimer  Justizrath. 

57.  T o 1 1 e n t , Professor. 

58.  Uh  de,  Rentier. 

59.  U n g e r , Professor. 

60.  W a p p 4 u s , Professor. 

61.  W i ese,  Dr. 

62.  W i e s e 1 e r , Professor. 

Gruppe  Hamburg-Altona. 

Wibel,  D.  F.,  Geschäftsführer. 

Lebenslängliche  Mitglieder. 

1.  Hermann,  M.  A. 

2.  Semper,  G. 

3.  Semper,  W. 

Orupponmitalioder. 

Hamburg. 

1.  Ackermann,  E.  D.  J. 

2.  Ainsinck,  J.,  Dr.  med. 

3.  Andresen,  Sanitätsrath,  Dr.,  Reinheck. 

4.  Blume,  H.  J. 

5.  Bo  lau,  II.,  Director. 

6.  Buchheister,  J.,  Dr.  med. 

7.  Cohen,  B.,  Dr. 

8.  Cohen,  Benny. 

9.  Crüger,  C.,  Dr. 

10.  Dehn,  M.,  Dr.  med. 

11.  Fixsen,  J.  H. 

12.  v.  Freeden,  W,  Director. 

13.  Frieden  ch  gen,  L. 

14.  Godeffroy,  J.  C. 

15.  Godeffroy , C.,  jnn. 

16.  Gräfen  bahn,  K.  W. 

17.  Güsse  fei  d,  Emil. 

18.  Goldsch  rn  idt,  C.,  Dr.  med. 

19.  11  aase,  G.,  Dr.  med. 

20.  Halberstadt,  J.,  Dr.  med. 

21.  Hertz,  Mart 

22.  Joop,  0.  R.  F. 

23.  Kirchen  pan  er,  Dr.,  Bürgermeister. 

24.  Karuth,  C. 

25.  Knauer,  G. 

26.  Krause,  R.,  Dr.  med. 

27.  Krieg,  E.,  Dr.  med. 


28.  Krüger,  C.  A.,  Dr.  med. 

29.  Leisrink,  H.  W.  J.,  Dr.  med. 

30.  Lipschütz,  G. 

31.  Lip&chütz,  L. 

I 32.  Lippert,  Ed. 

33  Lippert,  Ludw. 
i 34.  Lomnitx,  F.,  Dr.  med. 

35.  Linuenbr Qgge,  A. 

36.  May,  Anton. 

37.  May,  Z.  II. 

38.  M e i 8 s n e r , Otto. 

39.  Megtorf,  Harro. 

40.  Meyor,  C.  H 

I 41.  Meyer,  J.  Arth.  F. 

42.  N e s 8 in  a n n , F. 

43.  Oberdftrffer.  A. 

I 44.  Gehrens,  II.  W.,  Dr.  med. 

45.  Partz,  C.  II.  A. 

46.  Philipp,  F.,  I>r.  med. 

47.  Plage  man  n,  J.  C. 

48.  Hatjeu,  E.,  Dr.  med. 

49.  Raynal,  Ad. 

I 50.  Reineke,  J.,  Dr.  med.,  Physicus. 

51.  Reye,  I).  W.,  Dr.  med.,  Oberarzt. 

I 52.  Richter,  W.,  Apotheker. 

53.  Ruhen,  Kl.,  Dr.  med. 

54.  Schilling,  II. 

55  Sohtit,  C.  G. 

56.  Sonder,  W.,  Dr.,  Apotheker. 

57.  Steinert,  I). 

58.  Schleiden,  II.,  I)r. 

59.  Theobald,  A.,  Dr. 

60.  Todtenhaupt,  A.  G. 

61.  II lex,  G.  L.,  Dr,  Apotheker. 

62.  Warburg,  8.  R. 

63.  Weberling,  Dr.  med. 

64.  Wibel,  F.,  Dr. 

65.  Wiebel,  K.,  Professor. 

66.  Wich  mann,  Ad.,  Optiker. 

67.  Worlee,  F. 

68.  Wolff,  Rad.,  Dr.  med. 

69.  Woermann,  Ad. 

70.  Zacharias,  A.  N. 

71.  Spengel,  W.,  I)r. 

Altona. 

72.  Andresen,  C.  A.  L.,  Dr. 

73.  Gottsche.  Dr.  med. 

74.  Knauer.  W. 

75.  Kraus,  C.  F,  Dr.  Phygicus. 

76.  Reichenbach,  Dr.  med. 

77.  Reiocke,  Th. 

78.  Reineke,  Ferdin. 

79.  Semper,  J.  C. 

Isolirte  Mitglieder. 

80.  F er  her,  R-,  Dr.  med.,  Hamburg. 

81.  Meyer,  A.  B.,  Hamburg. 

82.  Mever,  Ad.,  Altona. 

83.  Meyer,  Frau,  Elise,  Altona. 

84.  Reineke,  Ed.,  Altona. 

85.  Semper,  J.  0.,  Altona. 

Anthropologischer  Verein  in  Jena. 

Vorstand. 

Schwalbe,  I)r.,  Professor,  Vorsitzender. 
Preyer,  I)r.,  Professor,  Stellvertreter. 

Klopf  leise  h,  Dr.,  Professor,  Geschäftsführer. 


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40 


Mitglieder 

1.  Abbe,  Dr.,  Professor. 

2.  Bardel t* ben , I>r. 

3.  Bode,  I)r.,  Stabsarzt. 

4.  Boethlingk,  Dr.,  Geheimer  Staatsrath. 

5.  Boethlingk,  Dr. 

6.  Cap  eil  er,  Dr.,  Professor. 

7.  Delbrück,  Dr.,  Professor. 

8.  D e t m er , Dr. 

9.  Kuck eu,  Dr.,  Professor. 

10.  Fort  läge,  Dr.,  Professor. 

11.  Fr  eye,  Dr. 

12.  Gaedechens,  Dr.,  Professor. 

13.  Genther,  Dr.,  Hofr&th. 

14.  Hertwig,  0.,  Dr. 

16.  Hertwig,  R.,  Dr. 

16.  Klette,  Dr.,  Universität« -Oberbibliothekar. 

17.  Klopf leiscb , Dr.,  Profeaaor 

18.  K Qstner,  Dr. 

19.  Langer,  Dr. 

20.  L ich  t h e i m , Dr.,  Professor. 

21.  Martin,  A.,  Dr.,  Bibliotkokssecretär. 

22.  Martin,  K.,  Dr. 

23.  Müller,  Dr.,  Hofrath. 

24.  v.  O eben  ko  w*  ki,  l)r. 

25.  Oehmichen,  Dr.,  Professor. 

26.  Preyer,  Dr.,  Professor. 

27.  Reich ardt,  Dr.,  Professor. 

28.  Ried,  Dr.,  Geheimer  llofrath. 

29.  Ritter,  Dr.,  Gymnasiallehrer. 

30.  Samann,  Eiscnbahndirector. 

31.  Sch&fer,  Dr.,  Professor. 

32.  Schi  Ubach,  Dr.,  Professor. 

33.  Schröter,  Dr.,  Schuldireetor. 

3-1.  Schuster,  Dr.,  Med icinal* Assessor. 

35.  Schwalbe,  Dr..  Professor. 

36.  Sichert,  Dr.,  Professor. 

37.  Sievers,  Dr.,  Professor. 

38.  Stechöle,  Dr. 

39.  Stoy,  H.,  Dr. 

40.  Stoy,  V.,  Dr.,  Schulrath. 

41.  Tellenbach,  Oberst. 

42.  T o u s c h e r , Dr. 

43.  Volkelt,  Dr. 

44.  Wilhelm,  Dr.,  Professor. 

Königsberg. 

Vorstand. 

Sch iefferdecker,  Dr„  Sanitätsrath,  Vorsitzender, 
Tischler,  0.,  Geschäftsführer. 

Lottermoser,  Dr.,  Stadtrath,  Secretär. 

Mitglieder. 

1.  Be  necke,  Dr.,  Professor. 

2.  Haar  brück  er,  Kaufmann. 

3.  Ilensche,  Dr.,  Stadtältestcr. 

4.  Jenzsch,  Dr.,  Geologe  der  phys.-ök.  Gesellschaft. 

5.  Loh  ui ey er,  Dr.,  Professor. 

6.  Lottermoser,  Dr.,  Stadtrath. 

7.  Schief ferdecker,  Dr.,  Sanitätsrath. 

8.  T isch  1 er  • L osgeh  neu , Gutsbesitzer. 

9.  Tischler,  Otto,  Vorstand  des  arch.  Museums. 

Mainzer  Gruppe. 

Wenzel,  Dr.  uied.,  Geschäftsführer. 

1.  Birnbaum,  Dr.  uied. 

2.  Bockenheimer,  Dr.  jur. 

3.  Brellinger,  Dr.  mcd. 


4.  Cüny,  Dr.  med. 

I 5.  Eichhorn,  Dr.  mod. 

6.  Friedberg,  Dr.  mod. 

7.  Helwig,  Dr.  med. 

| 8.  Hess,  Dr.  med. 

9.  Hocligesand,  Dr.  med. 

10.  Kirnberger,  Dr.  med. 

11.  Klee,  Dr.  med. 

12.  Klingelhöfer,  Dr.  med. 

13.  König,  Dr.  med. 

14.  Krug,  Dr.  med. 

15.  Kupferberg,  Dr.  med. 

16.  Lindenschmitt,  L.,  Dr.  phil. 

17.  Masserell,  Dr.  med. 

18.  N a u h e i m e r , Dr.  uied. 

19.  Res,  Dr.  med. 

20.  Rothschild,  Dr.  med. 

21.  Schmitt,  Dr.  med. 

22.  Schod ler,  Realschuldirector,  Dr.  phil. 

23.  Scholz,  F abrikant. 

24.  Sch  rohe,  Dr.  med. 

25.  Strecker,  Kaufmann. 

! 26.  Vierling,  Dr.  med. 

j 27.  Wenzel.  Dr.  med. 
j 28.  Wittmann.  Dr.  med. 

29.  Caprano,  Dr.  med.,  gestorben  1870. 

30.  Chary,  Kaufmann,  gestorben  1870. 

31.  C ursch  man  n,  Dr.  ined.,  weggezogen. 

32.  Hirsch,  Dr.  med.,  gestorben  1871. 

Münchener  Gesellschaft  für  Anthropo- 
logie, Ethnologie  und  Urgeschichte. 

Zittal,  Pr.,  Professor,  Vorsiteonder.  Bricnnor- 
Strasse  35/H. 

Kol  1 mann,  Dr. , Professor,  jetzt  in  Basel, 
Grcllingemrasse  86. 

Ranke,  J.,  Dr.,  Professor,  Schriftführer.  Brienner- 
Strasse  25/IU. 

Ratzel,  Dr.,  Professor,  Stellvertreter.  Barrer- 
strasse  67/1. 

Weism&nn,  Oberlehrer,  Kassier,  Thcatiner- 
strasse  36/IV. 

AuMchuu. 

Förster,  Ilauptmann 
Gümbel,  Dr.,  Prof.,  Oberbergrath. 

Lauth,  Dr.,  Professor. 

Marggraff,  Dr.,  Professor. 

O bien schlager,  Studienlehrer. 

Ranke,  II.,  Dr.,  Professor. 

Rüdinger,  Dr.,  Professor. 

Schmidt,  W.,  Dr.,  Conservator. 

Wttrdinger,  Major  a.  D. 

Mitglieder. 

1.  Prinz  Arnulf  von  Bayern,  Königliche  Hoheit. 

2.  Herzog  Carl  in  Bayern,  Königliche  Hoheit. 

3.  Ackermann,  Theodor,  Buchhändler,  München. 

4.  Arnold,  Carl,  Rechtsconcipieut,  München. 

5.  v.  Ammon,  Lud.,  Dr.,  München. 

6.  Bauer,  Dr,,  Professor,  München. 

7.  Beck  ler,  Dr.  med.,  prakt.  Arzt,  Fischen.  Sont- 
hofen. 

8.  Bczold,  F.,  Dr.,  Docent,  München. 

9.  Bino.  Dr.,  prakt.  Arzt,  München. 

10.  Bi  sch  off,  Dr.,  prakt.  Arzt,  München. 

11.  v.  Bi  sc  hoff,  Th.  L.  W.f  Professor,  München. 


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41 


12.  v.  brauen,  M.,  Freiherr,  k.  Hauptmann. 

13.  v.  Brauca,  W.,  Freiherr,  k.  llaupimami. 

14.  Brauu,  Dr.,  prakt.  und  Hospitalarzt,  München. 

15.  v,  Be* old.  Dr.,  k.  Oberstabsarzt,  Müiicheu. 

16.  Brau u war t,  L.,  k.  Rcgierungsdirector,  Augsburg.  I 

17.  Buhl,  Dr.,  Professor,  München. 

IS.  Bayeradorf  er  . Dr.,  Breslau. 

19.  v.  Bück,  l>r.  med.,  Privatdocent,  München. 

20.  Bernhard,  Th.,  k.  Hauptmann,  Augsburg. 

21.  v.  Br  an  ca,  S.,  Frbr.,  Pmnierlicutenant,  München. 

22.  Buddeus,  Aurelin,  Dr.  med.  und  phil..  München. 

23.  Bollinger,  Dr.,  k.  Professor,  München. 

24.  Becker,  l)r.  med.,  München. 

25.  Bock ler,  C.t  Ingenieur,  Dürkheitu. 

26.  Bois,  August,  k.  Forstmeister.  Douanworth. 

27.  Baeyer,  A.,  I)r.,  Professor,  München. 

Braun,  F.  H»  Dr.  und  prakt.  Arzt,  München. 

29.  Bezirkslehrer-Verein  Ansbach  Land,  Broda  winden, 

30.  Beairkslehrer*  Verein  Weisseuburg  »,8.,  Weinen* 
bürg  a,S. 

31  Beer,  Job.,  Pfarrer,  OberailsiVId  bei  Goss  Weinstein. 
32.  Büchner,  Dr.  med.,  München. 

33  Besirkslehr  er- Verein  Dürkheim  *Gi  Unstadt. 

34.  Burk  hart,  k.  Regierungsrath,  München. 

85.  Camerer,  Fr.,  Dr.  und  prakt  Arzt,  Beicheuhall. 

36.  Christ,  Dr.,  Professor,  München. 

37.  (Hessin,  k.  Gütor-Expoditor.  llegenaburg. 

38.  v.  Chi  in  ge  usp  erg,  M.,  Reichenhall. 

39.  v.  Carriere,  M.,  Professor,  München. 

40.  D itterich . J , k.  Advokat,  München. 

41.  Dahlem,  k.  Pfarrer,  Regensburg. 

42.  v.  D rech  sei,  Carl,  Graf.  München. 

43.  Dingler,  11..  Dr«  Müucheu. 

44.  v.  Kn  hu  her,  k.  Rogierungsaccesist,  Starnberg. 

45.  Kill  es,  k.  Sludtenlehrer,  München. 

46.  K agier,  Dr.,  Privatdocent,  München. 

47.  Krnsthal,  Privatier,  München. 

48.  Engelhardt,  Pfarrer,  Königsfeld. 

49.  Kser,  N.,  Oekonoui,  Buchloe. 

60.  Kickemeyer,  F.,  städt.  Baurath.  Nürnberg. 

51  E scher  ich,  F.,  k.  Accessist.  München. 

52.  Eckert,  Rechtsrath,  München. 

53.  Förster,  k.  Hauptinaiin,  München. 

54.  Feichtinger,  Dr.,  k.  Professor,  Mttncheu. 

56.  Fori n ge r,  11..  k.  Stadtgerichtsassessor,  München 

56.  Frank,  k.  Professor,  München. 

57.  Frey,  Dr.  und  Insti t utsd irector,  München. 

56.  Friedrich,  Dr.,  k.  Oberstabsarzt.  München. 

59.  K r oh  sc  h um  in  er,  I)r.,  Professor,  München. 

60.  v.  Froelicb,  Robert,  Rentier,  München. 

61.  Fuchs,  Theob.,  k.  Uochtspraktikant,  München. 

62.  Gleist,  Dr,  med.,  Ainhach-' Wolfratshauscn. 

68.  v.  (»raf,  Dr.  und  k.  Oberniedicinalrath,  München. 
t>4.  (iraf,  Dr.  prakt.  Arzt,  München. 

65.  Grell,  Oberlehrer,  München. 

66.  v,  0 ud den.  Dr.,  Professor,  Giesing. 

67.  Gümbel,  k.  Professor,  München. 

68.  Graff,  Dr.,  Professor,  Aschaffenburg 

69.  Geyer,  W-,  Bildhauer.  Bayreuth. 

70.  v. Gumppenber g-F euerbach,F rbr., Traunstein. 

71.  Gernsheim,  Privatier,  Dürkheim. 

72.  Göh ringer,  k.  Preraierlieutenant,  München 

73.  Gregorovius,  J.,  k.  Oberst  *.  D.,  München.  | 

74.  Güttler,  Dr,,  Privatgelehrter,  München. 

75.  Gross,  k.  Districts-Thinrarzt,  Neustadt  all. 

76.  Gentner,  A,  Anstaltsdirector,  München. 

77.  Glaser,  Dr.  med.,  München. 

78.  Geh  ring,  L„  Lehrer,  München. 

Corn*|i.-lSUU  Kr.  5. 


79.  Hagen,  Dr.,  Rechtsanwalt,  München. 

80.  v.  Hai  in,  Dr.,  Professor,  München. 

81.  Hoermunn,  F.,  k.  Rentbeamter,  Waischenfeld 
(Oberfranken). 

82.  v.  Hecker,  Dr.,  Professor,  München. 

83.  Hellermann,  Dr.,  prakt.  Arzt,  München. 

84.  Heule,  Fabrikant,  München. 

85.  Heyse,  Paul,  Dr.,  München. 

86.  Hilber,  k.  q Forstmeister,  München. 

87.  Halm,  Dr.  med.,  München 

88.  Heiss,  Dr.  med.,  prakt.  Ar/t  Starnberg. 

89.  llirth,  Georg,  Dr.,  Schriftsteller,  München. 

90.  v.  Hornstein,  Hob,  Freiherr,  München. 

91.  Hart  mann,  A.,  München. 

92.  Huber,  Job.,  Dr,  und  k.  Professor,  München. 

93.  v.  Hutten,  L*lr.,  Freiherr,  München. 

94.  Harz,  Dr.  und  Privatdocent.  München. 

95  Hartmann,  Fr.  S.,  k.  Gerichtsschreiher,  Fürsten* 
feldbruck. 

96.  v.  Ho  Itzendorf,  Dr.  und  Professor,  München. 

97.  Herrinann,  E.,  Dr.  med.,  München 

98.  v.  Hundt,  Fr.  H.,  (iraf,  München. 

99.  Holz  mann,  J,  k.  Lieutenant.  München. 

10t).  v.  Heuler,  M,  Kaufmann,  München. 

101.  Hi  ui  meistens,  k.  Hnchtspruktikam.  München. 

102.  Hake,  W.,  k,  Uezirksgericlitsrath,  München. 

103.  lleintz,  Dr.  med.  und  prakt.  Arzt,  München. 
UM.  Haller,  J.,  k.  Hofrath,  München. 

105.  Hubrich,  Dr.  und  Director,  Werneck. 

106.  Hagen,  B.,  Stud.  med.,  München. 

107.  llösch,  Han»,  Neumüchl-Rabensteio. 

108.  Historischer  Verein  von  Niederbayern  in  Landshut. 
101«  11  äsen  clever,  Zeichenlehrer,  München. 

110.  Haushofer,  Pari,  Dr.  und  Professor,  München. 

111.  H allerem,  P.  J.,  fand,  med.,  Budapest. 

112.  Heinlein,  A..  Lehrer,  München. 

113.  Jacubezky,  Dr.  und  prakt.  Arzt.  München. 

114.  Jäger,  J.,  k.  Oberinspector,  München. 

115.  Illing,  L.,  Lehrer,  München. 

116.  Kaiser,  k.  Verwalter,  München. 

117.  Kaufmann,  I>r.  med.,  Dürkheim. 

118.  Kau  Ibach,  H..  Maler,  München. 

119.  K ersehen steiner,  k. Kreismed.-Rath, München. 

120.  Knorr.  J.,  Verleger,  München. 

121.  Knorr,  I)r.,  prakt,  Arzt,  München. 

122.  Koch,  Dr.,  k.  Professor,  München. 

123.  K oll  in  an  n,  J.,  Dr.  und  Professor,  jetzt  in  Basel. 

124.  Kollmann,  Postiuapector,  München, 

125.  Kriobel,  k.  Major,  Gemiersheim. 

126.  Krieger,  l)r.,  Kreisarzt,  Strass  bürg. 

127.  Kaeb.  Professor,  München. 

128.  Ke  ster,  Fabrik  director,  München. 

121).  Kurz,  G„  Rentier,  München. 

130.  Künigshöfer,  Dr.  u.  k.  Oberstabsarzt,  München. 

131.  Kranz,  Dr..  prakt.  Arzt,  München. 

132.  v.  Knorr,  k.  Oberbergdirector,  München. 

133.  Kluckhohn,  k.  Professor,  München. 

LH.  Kipfmüller,  A.,  k Artillerie-LieuU,  München 
185.  K nebel,  Th.,  k.  Artillerie-Oberstlieut.,  München. 

136.  Kn  oll,  Professor,  München. 

137.  Laiith,  I)r.,  Akademiker,  München. 

138.  Lippl,  Dr.,  prakt  Arzt,  München. 

139.  Lotsbeck,  Dr.,  k.  Oberstabsarzt,  München 

140.  v.  Lutz,  J.,  Excelleuz.  München. 

141.  Lehmann,  H.,  jun.,  Kaufmann,  Hamburg. 

142.  v.  Löher,  F.,  k.  geh.  Rath,  München. 

143.  Lichtenstein,  S.,  Dr.,  Privatgelehrter.  München. 

144.  v.  Liebig,  Dr.  und  k.  llofrath,  München. 

2 


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42 


145.  LeiieviU,  Dr.  und  Professor,  Manchen. 

140.  I.oew,  Oscar,  Chemiker,  Manchen. 

147.  I.oew,  F.,  Consulent,  Manchen. 

148.  M arggraf f,  Dr.  und  k.  Professor,  Manchen. 

149.  Max,  Gabr.,  Kunstmaler,  München. 

150.  Martin,  A.,  Dr.,  Professor,  München. 

151.  Mehlis,  Dr.,  Studienlehrer,  München. 

152.  Müller,  Dr.,  München. 

153.  Mayer,  Dr.,  Privatdocent,  München. 

154.  Mayr,  Dr.,  k.  Ministerialrat!),  München. 

155.  v.  d.  Mühle,  K.,  Graf  u.  Keichsrath,  München. 
150.  v.  d.  Mühle,  11.,  Graf,  Schloss  Birkeptee. 

157.  Moser,  Dr.,  k.  Stabsarzt,  Zweibrückeu. 

158.  Mayer,  I>r.,  Geh.  Legat ionsrath,  München. 

159.  Näher,  Dr.,  pnikt.  Arzt,  München. 

160.  Neumayr,  Dr.,  Professor,  München. 

101.  v.  Nuss  ha  um,  Dr.,  k.  Generalstabsarzt,  München. 

102.  N e u in  a u n,  Oberlehrer,  München. 

163.  Noner,  k.  Director,  München. 

164.  Ohlunschlagcr,  k.  Studienlehrer,  München. 

165.  Oldeubourg,  K.  A.,  Buchhändler,  München. 

166.  Oldenbourg,  Hans,  Buchhändler,  München. 

167.  Oollacher,  J.,  Dr.  und  Professor,  Innsbruck. 

168.  Oldenbourg,  lt.,  sen.,  Buchhändler,  München. 

169.  Oebbeke,  C„  Dr.,  München. 

170.  Pachinayr,  Dr.,  k.  Stabsarzt,  München. 

171.  v.  Pettenkofer,  Dr.  und  Professor,  München. 

172.  Poppel,  Dr.,  prakt.  Arzt,  München. 

173.  Promoli,  Fabrikbesitzer,  Manchen. 

174.  Popp,  L.,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Manchen. 

175.  v.  Posch iuger,  Theresienthal. 

176.  Puschmann,  Th.,  Dr.  med.,  Manchen. 

177.  I’eetz,  H.,  k.  Kentbeamter,  Traunstein. 

178.  Pollicliia,  Wissenschaft!.  Verein,  Dürkheim  a ll. 

179.  Radlkofer,  Dr.,  Professor,  München. 

180.  Banke,  II.,  Dr..  k.  Professor,  München. 

181.  Banke,  Joh.,  I>r.,  k.  Professor,  München. 

182.  Reuling,  k.  Inspector,  München. 

183.  Becknagel,  Dr..  k.  Rector,  Kaiserslautern 

184.  Reichen  hach,  Dr.,  Chemiker,  München. 

185.  Rottach,  Postofficial,  Augsburg. 

186.  Uüdi ng er,  N.,  Dr.  und  Professor,  München. 

187.  Ruderer,  Banquier,  München. 

188.  v.  Rummel,  Freiherr,  k.  Rittmeister,  Manchen. 
189  Ratzel,  Dr.  und  Professor.  München. 

190.  v.  Roth,  I\,  k.  Professor,  München. 

PJL  Riedel,  Th.,  Buchhändler,  Manchen. 

192.  Schaeufelen,  A.,  Dr.,  Rentier,  München. 

193.  v.  Schlagin  tireit  Sak  ü ul  uns  ky,  1L,  München. 

191.  SchuBter,  Grossh&ndler,  München. 

195.  Schleis»  v.  Lovrenfeld,  Dr.  und  Obermedici- 
ualrath,  München. 

196.  Schmitt,  k.  Hauptmaim  a.  I).,  München. 

197.  Schneider,  Kaufmauu,  München. 

li*8.  Schweninger,  E.,  Dr.,  Priwaldoce&t,  München, 
199.  Seggel,  Dr.,  k.  Stabsarzt,  München. 

2t K).  v.  Siebold,  k.  Professor,  München. 

201.  Sittl,  C.,  k.  Postofficial,  München. 

202.  Solbrig,  V.t  Dr.,  k.  Stabsarzt,  München. 

203.  Stockmever,  Privatier,  München. 

2i>l.  Stieler,  Carl,  Dr.  jur.,  München 

206.  Straub,  Buchdruckereibesilzer,  Manchen. 

206.  Schnitzle  in,  Dr.,  prakt.  Arzt,  München. 

207.  Stcinle,  k.  General,  München. 

208.  v.  Schab,  k.  Landrichter.  Starnberg. 

209.  Sepp,  Ihr.,  k.  Professor,  München. 

210.  Simon!,  Ingenieur,  Botzen. 

211.  v.  Suttner,  k.  Bezirksamtmann,  München. 


212.  S cli a m b e r ge r , kGcneraldirertionsratli, München. 

213.  Sc  bmi  tt,  W.,  I)r.  phil , k.  Conservator,  München. 

214.  St öhr,  I>r.,  k.  Bergwerksdirector,  München. 

215.  v.  Seckendorf,  Freiherr,  München. 

216.  Scdulmaier,  M,  München. 

217.  Stumm,  p.  Legatkms-Secret&r,  Paris. 

218.  Steu b,  Dr.,  k.  Notar,  München 

219.  v.  Kafferling,  B.,  k.  Oberst,  München. 

220.  Sch  1 agi  nt  w e it,  J.,  abs.  Pharmazeut,  München. 

221.  8 c h lei  ff  er,  C„  Dr.,  prakt  Arzt,  Greiffenberg. 

222.  Sch  me  derer,  Dr.,  prakt.  Arzt,  München. 

223.  v.  Truchsess,  Frhr..  k.  Rittmeister,  München. 

224.  Tu  tschek,  Dr.,  k.  Hofrath u.  Stabsarzt,  München. 

225.  Tappeiner,  Dr.  med.,  München. 

226.  Thäter,  I)r.,  prakt.  Arzt,  München. 

227.  v.  Tautphoeus,  Dr,,  Freiherr,  München. 

228.  v.  Volk,  k.  Miuisterialrath.  München. 

229.  Voit,  Dr.,  k.  Professor,  München. 

230.  V o 1 z , I>r.,  Bankdirertor,  München. 

231.  Vierling,  A.,  k.  Bezirksgerichtsrath,  München. 
232  Wagner,  M.,  Dr.  und  Professor,  München. 

i 233.  Weis  manu,  J.,  Lehrer,  München. 

234.  W iedenmeyer,  Dr.  jur.,  II.  Bürgerm.,  München. 

235.  Wolff,  Ph.  C.,  Dr.  und  Privatgelehrter.  München 

236.  v,  W ulfen,  Freiherr,  k.  Oberliofmeister,  München. 

237.  Würdiuger,  k.  Major,  München. 

238.  Wagner,  A.,  Professor,  München. 

j 239.  Will  ich,  C.,  Kunstmaler.  München. 

I 240.  v.  Walderdorff,  II..  Graf,  Hauzenstem. 

I 241.  v.  Werth  er  n,  Excellenz.  München. 

242.  Wollny,  M.,  Dr.  und  Professor,  München. 

213.  Weil,  Dr.  med.,  prakt.  Arzt,  München. 

244.  Wild,  Dr.,  Banquier,  München 

245.  Wieser,  Dr,,  Innsbruck 

246.  Zechmeiftter,  Ingenieur,  München. 

247.  Zedier,  Ingenieur,  Pussau. 

248.  Zittel,  Dr.  und  Professor,  München. 

249.  Zapf.  Münchberg  (Oberfranken). 

250.  Zintgraff,  k.  Notar,  Landsberg. 

251.  v.  Ziems  ne  n,  Dr  und  Director,  München. 

252.  v.  Zmigrodsky,  München. 

Schleswig-Holsteinischer  Zweigverein 
in  Kiel. 

Pansch,  Dr.  med.,  Professor,  Vorsitzender. 

11  a n d e I tu  a n u , Dr  . Professor,  Stellvertreter. 

II en so u,  Dr.  med.,  Professor,  Stellvertreter. 
Matzner,  Dr.  med..  Stabsarzt,  Stellvertreter. 
Mestorf,  Frl.  J.,  Schriftführer. 

B e h n c k e , Rentier.  Kussier. 

Mitglieder. 

1.  Adler,  Dr.  med.,  Arzt  der  Provinzial-Irrenan* 
stu.lt  in  Schleswig. 

2.  A hl  mann,  Chr.  Fricdr.,  Dr.,  I^ehrer  an  der  höhe- 
ren Bürgerschule  in  Marne. 

8.  Behncke,  P.,  Rentier,  Kiel,  Düstenibroock  42, 

4.  Br u lins,  Baurath,  Eutin. 

5.  v.  Brockdorff- Ablefeldt,  Graf,  Ascheberg. 

6.  Banz,  Carl,  Bürgermeister,  Glückstadt. 

7.  Bocke ndahl,  Dr.  med.,  Prof.,  Medicinalrath,  Kiel. 

8.  t.  Bü  low-  Kogel,  Joli.,  Dermin  bei  Ralzoburg. 

9.  v.  Buchwald,  Gutsbee.  auf  Rögen  bei  Eckernfürdo. 

10.  Höhere  Bürgerschule  in  Marne. 

11.  Christiani,  Dr,  med.,  Brunsbüttel. 

12.  D&huhardt,  C.,  Dr.  med.,  Kiel. 

13.  Dose,  II.,  Gerichtsassessor  a.  D.,  Kiel. 

II.  Dittroaun,  IL,  Sondorbyhof  bei  Eckernförde. 


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43 


15.  Detlefsen,  D.,  I>r.,  Prof.  a.  Gymn.  in  Glürkstadt. 

16.  D i t h in  a r s i s c h es  Museum,  Moldorf  Vorsitzender 
Lore iik,  I)r„  Gymnasialdirector. 

17.  Kdlefseu,  l)r.  med.,  Professor.  Kiel. 

18.  Forclieu,  Director  der  Blindenanstalt,  Kiol. 

19.  Flemming,  I>r.  med.,  Professor,  Kiel. 

20.  Friedrichs,  Buchhändler,  Jviol. 

21.  Fricke,  Dr.  med.,  Zahnarzt,  Kiel. 

22.  Fr  icke,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  Rendsburg. 

98.  Finke,  Frau,  Eleonore,  geh.  llartmanu,  Marne. 

24.  Goedurs,  J.  11.,  Privatmann,  Kiel. 

25.  Ürossheiui,  Dr.  med.,  Oberstabsarzt,  Flensburg. 

26.  Hartman n,  E.  H.  Rud.,  Dr.  med.,  Marne. 

27.  Hesel  er,  Dr.  med.,  Lütjcuburg. 

28.  Hansen,  Dr.  med.,  Arzt  an  der  Pro*. -Irren- 
anstalt in  Schleswig. 

29.  Holstein,  Graf,  auf Walemeverstorff  bei  Lütjen- 
burg. 

30.  Henaen,  Dr.  med.,  Professor,  Kiel. 

31.  Heinrich,  C.,  Hauptlehrer,  Kiel. 

32.  II  an  de)  mann,  H,,  Dr.  phü.,  Professor,  Kiel. 

33.  Hasse,  P.,  Dr.  phil.,  Privatdoceut,  Kiel. 

34.  v.  Hoi ntze,  Baron,  Landrath,  Bordesholm. 

35.  Hansen,  C.  P.,  emeritirter  Organist  und  Lehrer, 
Keitum  auf  Sylt. 

36.  Hedde,  Heinr.,  Rechtsanwalt  und  Notar,  Marne. 

37.  Hartman n,  Fritz.  Apotlieker,  Tellingstadt. 

38.  Hausen,  Th.  H.  F.,  Probst  der  Probstei  Stadt 
Kiel.  Kiel. 

89.  Holst,  Ed.,  Müller,  Sonderburg. 

40.  Holm,  Joh.  Christ.,  Lehrer  in  Diekhuseu  bei  Marne. 

41.  Hege  wisch,  Fräulein  L.,  Kiel. 

42.  Joe  ns,  Dr.  med.,  Kreisphysicus,  Kiol. 

43.  Jossen,  Clir.,  Dr.  phil,  Professor,  Kiel. 

44.  Jessen,  P.  W.,  Dr.  med.,  Medicinalrath,  Horn- 
heim bei  Kiel. 

45.  Je usen,  Georg,  Goldarbeiter,  Sonderburg. 

46.  J oha  usen,  H.  C,  Hotelbesitzer,  Sonderburg. 

47.  Krügor,  II.,  Apotheker,  Schleswig. 

48.  Köster,  J.  II.  Carl,  Lehrer  an  der  höheren 
Bürgerschule  iu  Marne. 

49.  L i t z m a n n , Dr.  mOd.,  Professor,  Kiel. 

50.  Laders,  Dr.  jtir..  Rechtsanwalt,  Kiel. 

51.  Lehmann,  J. , Medicinalassessor  und  Senator, 
Rendsburg. 

52.  Laden  bürg,  Dr.  phil.,  Professor,  Kiel. 

53.  Lauge,  Joh.,  Neiimühleu  bei  Kiel. 

54.  Mestorf,  Frl.  J,,  Centos  am  Museum  vater- 
ländischer Alterthümer  in  Kiel. 

55.  Meisner,  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Sonderburg. 

56.  Mold  enschardt,  H.,  Architekt,  Kiel. 

57.  Müller,  H.,  Referendar  a.  D.,  Kiel. 

58.  Meyn,  L.,  Dr.  phil.,  Uetersen. 

5®.  v.  Munck,  E.,  Buchhändler,  Kiel. 

60.  Mayntzhuseu,  H.  A.,  Kaufmann,  Hamburg, 
Ober-Burgfelde  18  d. 

61.  Möbius,  L.,  Dr.  phil.,  Professor,  Kiel. 

62.  Marxsen,  Dr.  med.,  Heiligenhafen. 

63.  Möller,  Rud.,  Amtsrichter,  Marne. 

♦54.  Müller,  Rud.,  Lehrer  an  der  höheren  Bürger- 
schule in  Marne. 

65.  Müllonhoff,  Georg,  Kaufmann,  Marne. 

66.  la  Motte.  Buchhändler.  Sonderburg. 

67.  Mätzner,  Dr.  med.,  Marine-Stabsarzt,  Kiel. 

68.  Mielck,  E.,  Kirchspielvogt,  Neumünster. 

69.  Müller,  Amtsrichter,  Neustadt. 

70.  Magdeburg,  Landrath,  Sonderburg. 

71.  Niepa,  Itedacteur,  Kiel. 


I 72.  v.  Ochs,  Rittmeister,  Schleswig. 

| 73.  Pansch,  Dr.  phil.,  Gymnasialdirector,  Eutin. 

74.  Pa u Isen,  Ed.,  Dr.  med.,  Kiel. 

75.  Peipers,  Dr.  med.,  Marine-Stabsarzt.  Kiel. 

76.  Peter sen,  I>r.  med.,  Professor,  Kiel. 

77.  Pralle,  Wasserbau- Inspector,  Meloorationsbau- 
Inspector,  Kiel. 

78.  Pansch,  Ad.,  Dr.  med..  Professor,  Kiel. 

79.  Pauls,  Rentier,  Kiel. 

HO.  Pansch,  Dr.  phil.,  Gymnasiallehrer,  Sonderburg. 

81.  PI  am  heck,  Chr.,  Kirchspielvogt,  Marne. 

82.  Paus ti an,  F.,  Ilof-  und  MühlettbeK.,  Hratnstedt. 

83.  Peters,  Friedr.,  Hofbesitzer  in  Westorf  bei  Marne. 

84.  Peters,  C.  A„  Prof.,  Director  der  Sternwarte,  Kiel. 

85.  Rheder,  Chr.,  Dr,  Klostersyndicus,  Preetz. 

»6.  Rüdel,  Hofapotheker,  Kiol. 

87.  Reventlow,  Graf,  K lost  erprobst,  Preetz. 

88.  Sartori,  Consul,  Kaufmann,  Kiel. 

89.  ▼ Scbeel-Plcssen,  C.,  Baron,  Kxcell.,  Ober- 
präsident  und  U niversitätscurator,  Kiel. 

90.  S che  i bei,  C.,  Italien.  Consul.  Kiel. 

91.  Schmidekam,  Dr.  med.,  Blankenese. 

92.  Schweffel,  H.,  Kaufmann,  Kiel. 

93.  Steffen hagen,  Dr.jur., Fnivers.-Biblioth., Kiel. 

94.  Scheppig,  Kid.,  Dr.  phil.,  Realschulleh rer,  Kiel. 

95.  Schmidt,  Buchdruckereibesitzer.  Kiel. 

96.  Seelig,  Dr.  phil.,  Professor,  Kiel. 

97.  Stofen.  Nicol.,  Hofbesitzer.  Marne. 

98.  Sach.  Dr.  phil,  Gymnasiallehrer,  Schleswig. 

99.  Tlianlow,  G.,  Dr.  phil«  Professor,  Kiel. 

100.  Th oasen.  Gottl,  Dr.  med.,  Eddelack. 

101.  Völker»,  C.,  Dr.  mod.,  Professor,  Kiel. 

102.  Voll  bohr,  F.,  I>r.  phil.  Kiel. 

103.  Volquardsen.  Dr.  phil.,  Professor,  Kiel. 

104.  Wiese  mann,  Marinepfarrcr,  Kiel. 

105.  Weste  dt,  Oberamtsrichter,  Albersdorf. 

106.  v.  Willemoos-Suhm,  Kammorhcr.-,  Landrath. 
Segeberg. 

107.  v.  W i 1 1 e moe s-8 u h m,  Iran,  Segeberg. 

108.  Altm  Aller,  Buchdrucker,  Marne. 

101».  Büsch,  W,  Kattendorf,  per  Wrist  und  Kalten- 
kirchen. 

110.  Ah  1 mau u,  Dr.,  Kiel. 

111.  Stange,  Musikdirector,  Kiel. 

112.  Sch  euren,  Dr.  phil.,  Kiel 

113.  Strauch,  Kapitänlientenant,  Kiel. 

114.  Halling,  Dr.  med,  Glückstadt. 

115.  II  im  ly,  Dr , Professor,  Kiel. 

116.  Schlichting,  Dr.,  Kiel 

117.  Matthiesseii,  Landrath  a.  D.,  Kiel. 

118.  Schow,  Dr.  med.,  Kreisphyrikus,  Neustadt. 

119.  Möller,  Frau  Anna.  Preetz. 

120.  Heller,  Dr.  med.,  Professor,  Kiel. 

121.  Volkers,  Dr.  med..  Medicinalrath,  Eutin. 

122.  Gerling,  Kirchspiel vogt.  Wüster. 

123.  Stickel,  Rendant,  Kiel. 

124.  Grüne,  Hauptagent  und  Iiisnector.  Kiel. 

125.  Dülirsen,  Oberamtsrichter,  Mölln  i.  L. 

126.  II un ningsen,  Dr.  med.,  Schleswig. 

Weissenfelser  Verein  ftir  Natur-  und 
Alterthumskunde. 

Vorstand. 

v.  Bor  ries.  Oberst  a.  D. 

Stahmann,  D.,  Oberstabsarzt  a.  D. 
Grotowky,  Fabrikdirector. 

Klose,  Gymnasiallehrer. 

Starke,  Lehrer. 

2* 


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44 


Khrenmit*  Lied. 

Rothe,  Regie »rung*- Präsident  a.  I).,  Wirklicher 
Geheimer  Rath,  Halle  a.  8. 

Ordentliche  Mitglieder. 

1.  Reihe,  Hcminaidirector,  Weiraoufels. 

2.  Bischof,  Bergrath,  Weisseufels. 

:i.  v.  Rode n haus o ii , Frlir., Ritterguts!**«.,  Meineweh. 
4.  v.  Borries.  übeist  a.  1).  und  Stadtr,,  Weisseufeb 
5 Bosse,  Fabrikdirector,  Weissenfel». 

6.  Braun,  Kaufmann,  WeisaenfelB. 

7.  Brenner,  I>r.,  Professor,  Leipzig. 

8 Brom  me,  Grubenbesitzer,  Weissenfels. 

3.  Cu iio,  Dr.,  praktischer  Arzt,  Weissoufels. 

10.  K c k a r d,  Rittergutsbesitzer,  Webau. 

11  Kichapfel,  Dr.,  Sanitätsrath,  Weisseufels 

12.  Ki cli u er,  l)r.,  praktischer  Arzt,  Weisgenfels. 

13.  Fi nsterwalder,  Zirnmermeister,  Hohenmölsen. 
14  F leis c li  rn a n n , Werkführer,  Goseck. 

15.  Götze,  Zirnmermeister,  Weisseufels. 

Iii.  Graef,  Rentier,  Weisseufels. 

17.  Grotowsky,  Fabrikdirector,  Fabrik  Küpsen. 

18.  GQ n doll,  Oberstlieutonant  und  Ilezirks-Cotuinan- 
tleur,  Weisseufels. 

13.  Gürth,  Rrauereibesitzer.  Weisseufels. 

20.  II  acht  man  n,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Weisseufels. 

21.  Hagen bruch,  Kaufmann,  Weissenfels. 

22.  Hecht.  Ruchhalter,  Fabrik  Teuchem. 

23.  Heidelberg,  Kreisbau-Iuspector,  Weisseufels. 

24.  Hey  er,  Pastor,  Gurstewitz. 

25.  Ilötzel,  Rittergutsbesitzer,  Rössuln. 

2t».  Jacobi,  Chr.,  Lederfabrikaut.  Weisseufels. 

27.  Jahr,  Dr.,  Superind.  u.  Oherpfarrer,  Weisseufels. 

28.  Joachim,  Oberpoetsccrotär,  Weisseufels. 

21t  I m in  i sc  h , Siadtii Bester,  Weisseufels. 

IM).  Inner,  Maurermeister,  Weisseufels. 

31.  Keil,  Huchdruckereibesitxer,  Weisseufels. 

32.  Keller,  H.,  Amtmann,  Beutle. 

33.  Klei n icke,  C.  G..  Kaufmann,  Weisseufels. 

3-1.  K lose,  Gymnasiallehrer,  „ 

35.  Kühr  ich,  Taubstummen*  luspector,  „ 

30.  Kühler,  Amtmann,  „ 

37.  Körner,  Kaufmann,  „ 

38.  Kohlhardt,  Dr.,  piakt.  Arzt,  „ 

33.  v.  Krosigk.  Rittmeister,  „ 

40.  Kükenthal . Steuer-Inspector,  n 

41.  La u teu Schläger,  Pastor,  Prittitz. 

42.  Lehmann,  Propst,  Schköleu. 

43.  M ä inpel,  Gymnasiallehrer,  Weisseufels. 

11.  Mulertt,  kaufmännischer  Director  „ 

45.  Obst  lei  der,  Seminar*  überlebter,  „ 

46.  Oettler,  Brauereibesitzer,  „ 

47.  v.  Oh  ei  mb,  Secondelieuteuaut,  „ 

48.  Otto,  Amtmann.  „ 

43.  Prange,  Hauquier,  ,, 

50.  v.  Prczyieraski,  Kaufmann.  „ 

51.  v.  Kakowski.  K reisgerichtsratb,  „ 

52.  Rauch,  Apotheker.  ,, 

53.  Reissbach.  Posldirector,  „ 

54.  Richter.  Laudrath,  „ 

55.  R ü t h e , Maschineiibauaiistalthesilzer,  „ 

56.  I )r.  R » s a I s k y , Rector,  „ 

57  Ruck,  Maler,  „ 

58.  Sauer.  Grubenbesitzer,  „ 

53.  Schäfer,  Gymnasiallehrer,  „ 

60.  Scheibe,  Dr.,  Assistenzarzt,  Schmiedeberg. 

61.  Schmidt,  R , Kaufmann,  Weisseufels. 

62.  Schumann,  C.  W.,  Fabrikant,  Weisseufels 

63.  Sch  wan  ecke,  Rittergutsbesitzer,  Plot  ha. 


64.  Seehansen,  Kreisrichter,  Weiasenfel*. 

65.  Sigleur,  Buchhändler,  „ 

66.  Singer,  Gutsbesitzer,  „ 

67.  Souheur,  liuuptinann,  Weisseufels. 

68.  Stahmann,  Dr.,  Oberstabsarzt  a.  D.,  Kreis- 
physicus.  Weisseufels. 

, 63.  Starke,  Lehrer.  Weissenfels. 

70.  Strack,  Baumeister,  „ 

71.  Tellemaun,  Rittergutsbesitzer,  Schkölen. 

72.  Thalwitzer.  Fabrikdirector,  Webau. 

73.  Thiele,  Uilfsrichter,  Weisseufels. 

74.  Wagner,  Apotheker,  „ 

75.  War  in  an  n,  Kaufmann,  „ 

I 76.  Wolf,  Kreiskassenrendant,  „ 

Westfälische  Gruppe  in  Münster. 

Vorstand. 

II os i us,  Dr..  Professor,  Geschäftsführer. 

Püning,  Dr.,  Gymn. -Lehrer,  Münster,  Stellvertreter, 
r.  d.  Mark,  Dr..  Hainm. 

Schmitz,  Apotheker,  Letmathe. 

Schieren  b erg,  Meinberg  bei  Detmold. 

Mitglieder. 

1.  Arons,  Dr.  med. , Regierungs  - Medicinalrath, 
Münster. 

2.  Rauer,  Dr.  med.,  I*a<  r bei  Horstmar. 

3.  v.  d.  Recke,  A.,  Sundwig. 

4.  v.  d.  Recke.  <».,  Sundwig. 

j 6.  Hörender,  Apot heker,  Ascheberg. 

| 6.  v,  Borg,  Apotheker.  Hamm. 

7.  Bet  zier.  Apotheker,  Horn  hei  Detmold 

8.  Blankenburg,  Gymnasiallehrer.  Burgsteinfurt. 

3.  Bocksfeld,  Major  z.  IV,  Dülmen. 

10.  Borberg.  Dr.  med.,  llamin. 
i 11.  Borberg,  Dr.  med..  Herdecke. 

1 12.  Brügge  man  n,  Dr  med.,  Münster. 

I 13.  Brümmer,  Dr.  med.,  Stadtlohn. 

; 14.  v on  dem  Bus che-ll  addohausen, Frhr  , Münster. 
! 15.  Busch.  Gymnasiallehrer,  Münster. 

16.  Diester  weg,  Kreisgerichtsrath,  Siegen. 

17.  I) realer,  IL,  Creuzthal  bei  Siegen. 

18.  Kn  dort,  Gymnasiallehrer,  Detmold. 

13.  Fee h n er.  Justizrath.  Hamm. 

20.  Feld  ha  us,  Apotheker,  Altena. 

21.  Funcke,  Apotheker.  Witten. 

22.  Gereon.  Hauquier.  Hamm. 

23.  Göbel,  Fr..  Meinhardt  b.  Haardt  a d.  Sieg. 

21.  Grevel,  Apotheker.  Steele. 

25.  Gr oos,  Dr.  med.,  Letmathe. 

26.  Grossfeld,  Dr.,  Gymnasialdircclor,  Rheine. 

27.  Grosse,  Appellationsgerichtsrath,  Hamm. 

28.  11  a c k e b ra  m , Apotheker,  Dülmen. 

23.  11  am  elbeck,  Dr.  med.,  Wadersloh. 

30.  Le  Hanne.  Bergmeister,  Olsberg. 

31.  Hiltrop.  Oberbergamts- Assessor,  Dortmund. 

32.  llobrecker,  IL,  llainiu. 

33.  llobrecker.  St.,  Hauim. 

34 . Hölting,  Gymnasiallehrer,  Wareudorf. 

36.  Höl k er,  Dr.  med..  Kreisphysikus,  Sanitätern  th, 
Münster. 

1 216.  II  on  th ii  ui  b,  Bauiuspector.  Münster. 

217.  11  os ins,  Appellationsgerichtsrath,  Hamm. 

218.  11  os  in  »,  Dr.,  Professor,  Münster. 

213.  H ii  ii  d t , Bergrath,  Siegen. 

40.  Josten,  Dr.  med,  Sanitätsrath,  Münster. 

41.  Karsch,  Dr.,  Med.-Rath  und  Professor,  Munster. 

42.  Kemper,  Dr.  med.,  Billerbeck. 

1 43.  Klare,  Bauführer,  Bielefeld. 


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45 


44.  König,  Dr.,  Director  der  Luudw.  V ersuch  stat:on 
Münster. 

45.  Krauthauser,  f)r.  med.,  Burgsteiufurt. 

46.  v.  d.  Kuhlen,  Pfarrer.  Letmathe. 

47.  Laudois,  Dr.,  Professor,  Münster. 

46.  Lu  du  ich,  Rechtsanwalt,  Hamm. 

19.  Lieb ig,  Chemiker,  Oestrich. 

50.  Lob,  Gutsbesitzer,  Caldenhof  bei  Hamm. 

61.  v.  d.  Marek,  I)r.,  Hamm. 

52.  Mayer,  Rector,  Lüdenscheid. 

63.  Menge,  S Unterrath,  Lemgo. 

64.  Nord  hoff,  Dr.,  Professor,  Münster. 

66.  Ohm,  I>r.  med.,  Münster. 

56.  Orth,  Oberlehrer,  Burgsteinfurt. 

67.  Over  weg,  Landrath  a.  D.,  Letmathe. 

56.  Pauls,  Dr.,  Apotheker,  Bocholt. 

59.  Pauly,  I)r.,  Dsrector,  Letmathe. 

60.  Petri,  Dr.  med.,  Detmold. 

61.  Prch ii,  Director,  Dülmen. 

62.  Pr 088,  Amtmann,  Ascheberg. 

63.  Püning,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  Münster. 

64.  Quants,  Bauinspector,  Hamm. 

66.  v.  Raesfeld,  Dr.  med.,  Dorsten. 

♦56.  Hampel  in  au  n , Chemiker,  Lotmathe. 

67.  Rauschen  busc  h,  Justizrath,  Hamm. 

66.  Rive.  Guneraldirector,  Mülheim  a.  d.  Ruhr. 

69.  Sarrazin,  Baumeister,  Münster. 

70.  Schier euberg,  0.  A.,  Meinberg  b.  Detmold. 

71.  S c h 1 e u t k e r , Wegubau-lnspector,  Paderborn. 

72.  Schmidt,  Bergruth,  Hamm. 

73.  Schmitz,  Apotheker.  Letmathe. 

74.  Schräder,  Regierungsrath,  Münster. 

76.  Schütte,  Pfarrer,  Oestrich. 

76.  Sch  unk,  Krcisschuliuspector,  Warendorf. 

77.  Staude,  Bürgermeister.  Ilanim. 

76.  Staude,  Rentner,  Hamm. 

79.  Steinbrink,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  Hamm. 

60.  Storp,  Rechtsanwalt.  Hagen. 

61.  Ten  holte,  l>r.  med.,  Kreisphysicus,  Bocholt. 

62.  Turk,  Commurzieuraili,  Lüdenscheid. 

83,  Yusuiur,  Dülmen. 

6-1.  v.  Velten,  Bergrath,  Dortmund. 

65.  Wagner,  Oberförster,  Langenholzhausen  bei 
Detmold. 

66.  W edd i ge , Rechtsauwult,  Rheine. 

67.  Wecrth,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  Detmold, 

66.  Weiter,  Apotheker,  Lünen. 

89.  Westhoff,  Dr.  med..  Letmathe. 

90.  Wies  in  a n n , Dr.  med.,  Geh.  Medic.*Rath,  Duhnen. 

91.  Wies  mann,  Dr.  med.,  Dülmen. 

92.  Wilma,  Dr.,  Med. -Assessor,  Münster. 

93.  Wynen,  Dr.  med.,  Ascheberg. 

94.  Ziemer,  Gymnasiallehrer,  Hamm. 

96.  v.  d.  Becke,  Herrn.,  Heiner  bei  Iserlohn. 

90.  Reu  sc  her,  Oscar,  daselbst. 

97.  Lübbecke,  Ad.,  daselbst 
96.  Lübbecke,  Max,  daselbst 

1*9.  Albers,  Apotheker,  Lengerich. 

100.  Rieke,  Wegebau- Inspector,  Münster. 

101.  Greve,  Justizrath,  Münster. 

102.  L i e s e n h o f , Bauunternehm.,  Oestrich  b.Lctmatbe. 

103.  Wilkc,  11.,  Letmathe. 

Wien. 

Much,  M..  Dr.,  Geschäftsführer. 

Mitglieder  (in  Wien  wohnhaft.) 

1.  v.  Arneth,  Franz,  Dr.,  Ritter. 

2.  Fl  ei  sch  1,  Frust,  Dr.,  Professor. 


3.  v,  Hauer,  Franz,  Dr.,  Ritter,  k.  k.  Hofrath, 
Director  der  geologischen  Reichsanstalt. 

4.  Leidesdorf,  Dr.,  k.  k.  Prof.,  Döbling  bei  Wien. 

5.  Liehen,  Leopold,  Grosshändler.  \ 

6.  v.  Lu  sc  ha  n,  Felix. 

7.  Meyuert,  Th.,  I)r„  k.  k.  Prof.,  Regierungsrath. 

8.  Much,  M.,  Dr.,  Mitglied  der  k.  k.  Centralcom- 
misHion  für  Erforschung  und  Erhaltung  der  Kunst 
und  histor.  Denkmale.  Conservator,  Sccrctär  der 
Wiener  anthropologischen  Gesellschaft. 

9.  Obersteiner,  Heinrich,  Dr.,  l'rivatdocent  au  der 
k.  k.  Universität  in  Wien. 

10.  Sei  i gm  au n,  Franz  Romeo,  Dr.,  k.  k.  Professor. 

11.  Stör n,  Leopold,  Consul. 

12.  Unger,  Jus.,  Dr.,  k.  k.  wirklicher  geheimer  Rath, 
Minister  etc. 

13.  Wah r m a n u , Sigmund,  Dr.,  2.  Secretir  der  'Wiener 
aiithropol.  Gesellschaft. 

14.  Wold  rieh,  Joh.,  Dr.,  k.  k.  Professor. 

Anthropologische  (Sruppe  zu  Wttrzburg. 

St  über,  Buchhändler,  Geschäftsführer. 

Mitnrlladar. 

1 . A d e 1 m a ii  n , I)r.,  Fabrikbesitzer. 

2.  Dietz,  J.  B.,  Fabrikant. 

3.  Esche  rieh,  Dr.,  Medicinalrath. 

4.  Fick,  Dr..  Professor. 

6 v.  Held,  Dr.,  Hofrath,  Professor. 

6.  v.  Hirsch,  Jos.,  Rentier. 

7.  v.  Kolli  kur,  Dr.,  Gcheimrath,  Professor. 

8.  Mais,  Dr.,  praktischer  Arzt. 

9.  Morel li,  Kaufmann. 

10.  Mcdicus,  Rechtsanwalt. 

11.  v.  Rinecker,  Dr.,  Hofrath,  Professor. 

12.  v.  Sachs,  Dr.,  llofrath,  Professor. 

13.  Sand  bergt! r,  Dr  , Professor. 

14.  Schiller,  Dr.,  Olierstabsarzt. 

15.  Semper,  Dr.,  Professor. 

16.  Stüber,  Buchhändler. 

17.  Textor,  Dr.,  Professor. 

18.  v.  Tröltsch,  Frhr..  Dr.,  Hofrath,  Professor. 

19.  Vogt,  Dr..  Medicinalrath. 

20.  v.  Metz,  Dr.,  Professor. 

21.  Zeiger,  Brandversicherungs-Inspector. 

22.  Zürn,  Kaufmann. 

Würtemberg’sche  anthropologische 
Gesellschaft. 

Ausschuss. 

Fr  aas,  Oscar,  Dr..  Professor,  Vorsitzender 

v.  11  Older,  Dr.,  Obermcdicinalrath , Stellvertreter. 

Schober,  G.,  Fabrikant,  Kassier. 

Mit«Uodor. 

2.  Ahlers,  Dr.,  Professor,  Stuttgart. 

8.  Ammermüller,  Dr.,  Professor,  Stuttgart. 

5.  Bauer,  Carl,  Dr.,  Stuttgart, 

6.  v.  Beckh,  A.,  Baurath  a.  D.,  Stuttgart. 

9.  Blezinger,  Dr.,  Blaulieuren. 

11.  Brock  mann,  Obermaschinenmeister,  Stuttgart. 

12.  Burk.  l)r.,  Oberamtaarzt,  Ehingen. 

i 15.  v.  Dogen feld-8ch omb ti rg,  Kurt,  Graf,  Eybach. 

16.  Drück,  Pfarrer,  Waldbach  bei  Weinsberg. 

17.  v.  Egele,  Oberbaurath.  Stuttgart. 

, 18.  Eifert.  M.,  Pfarrer,  Euingen. 

| 20.  Engel,  Dr.,  Pfarrer,  Ettlenschiess,  Post  Lonsee. 


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46 


21.  Fraas,  Dr.,  Professor,  Stuttgart. 

22.  Fr  icke  r,  W..  Professor,  Stuttgart. 

23.  v.  Frisch OberstudieuraÜl , Beichltagaabgeord- 
neter,  Stuttgart. 

24.  v.  Gaisbe  rg  - Schöckingen,  Max  , Freiherr, 
Stuttgart. 

26.  Gantz,  Forstmeister,  Gekringen. 

27.  Ganzhorn,  Oberamtsrichter,  Neckarsulm. 

28.  H&akh,  I>r.,  Professor,  Stuttgart. 

29.  Haas,  Professor,  Stuttgart 

31.  v.  Hall  berge r,  E„  Commerzienrath.  Stuttgart. 

32.  Hart  manu,  Pfarrer,  Frommem,  OA.  Halingen. 

33.  Hartmanu,  Carl,  Kunsthändler,  Stuttgart 

85.  v.  llayn,  Frhr.,  Kammerherr,  Stuttgart. 

36.  t.  Heine,  Dr.,  Geheimer  Holrath,  Cannstatt. 

37.  Hermann.  Dr.,  Hector,  Esslingen. 

38.  v.  Hoff,  (PoiUsaistent)  Pottiuewor,  Stuttgart. 

39.  v.  11  öl  der,  Dr.,  Obennedicinalrath,  Stuttgart. 

40.  Ilopf,  Dr.,  Plochingen. 

41.  lvapff,  Dr.,  Oberkriegsrath,  Stuttgart 

42.  v.  Keller,  A.,  Dr.,  Profesaor,  Tübingen. 

43.  Kiesor,  Kcgierungsrath,  Stuttgart. 

44.  Klüpfel,  Dr.,  Uaiversitätabibliolhekar,  Tübingen. 

45.  K ö 8 1 1 i u , 0.,  Dr.,  Professor,  Stuttgart. 

46.  v.  Kr  au  ss,  l)r.,  Oberstudienrath,  Stuttgart. 

47.  Krauss,  J„  Dr.,  prakt.  Arzt,  Kirchheim  u.  Neck. 

48.  Kubier,  Oberpostmeistcr,  Ulm. 

49.  Lerch,  Hüttenamts-Assistent,  Königsbronn. 

50.  Lee  bl  er,  Dr.,  Oberamtsarzt,  Böblingen. 

52.  Lieber m ei ster,  Dr..  Professor,  Tübingen. 

54.  Luubc,  G.  jutL,  Dr.,  Ulin. 

55.  Loben hofer,  Professor,  Stuttgart. 

56.  Löffler,  Helfer,  Kirchheim  u.  Teck. 

57.  v.  Lübke,  Dr.,  Professor.  Stuttgart, 

59.  Mugrnau,  Rerierförster,  Sch  wann, OA. Neuenburg. 

61 . M a u c h , Apotheker,  Göppingen. 

62.  Muuch,  Dr.,  Göppingen. 

63.  Mayer,  Carl,  Rodauteur,  Stuttgart. 

<14.  Merkel,  R.,  Fabrikant,  Ksslingen. 

65.  Merkel,  Oscar,  Fabrikant,  Kssliugeu. 

66.  Miller.  C.,  Dr.,  Caplan,  Essendorf. 

67.  Moll,  Dr..  Oberamtsarzt,  Tettnang. 

71.  Pflaum.  Moritz.  Banquicr,  Stuttgart. 

72.  Probst.  Pfarrer,  Essendorf. 

73.  Rens,  Dr.,  Geh.  imer  Hofrath,  Wildbad. 

74.  R ö h r i c h , I firector,  Stuttgart. 

75.  Rommel,  O.,  Dr.,  Redacteur,  Stuttgart. 

77.  Rothschild,  Hermann,  Com m- Rath,  Stuttgart. 

78.  Rüdiger,  Pfarrer,  Henuaringeu. 

81.  8 alz  mann,  I>r.,  Esslingen. 

82.  Sauer,  Stadfdirections-Thierarxt,  Stuttgart. 

83.  Schock,  Prolessor,  Stuttgart. 

86.  Schiedmayer,  Julius,  Fabrikant,  Stuttgart. 

86.  Schm  oller,  Decan,  Weinsberg. 

87.  Schmied,  Stadtplai  rer,  Friedrichshafeu. 

89.  Schnitzer,  Guido,  Hai). 

90.  Schober,  G.,  Fabrikant,  Stuttgart. 

92.  Sigwart,  C.,  Dr.,  Professor,  Tübingen. 

93.  v.  Soden,  Theodor,  Professor,  Esslingen. 

94.  Stolz,  A.,  Fabrikant,  Stuttgart. 

96.  Valet,  Apotheker.  Schussenried. 

99.  Wepfer,  G„  HOttenaasistent,  Wasseralfingen. 

100.  Wieden  mann,  Heinrich,  Stuttgart. 

101.  Zech,  Dr.,  Professor,  Stuttgart, 

102.  Zink,  L.,  Oberreallehrer,  Stuttgart. 

103.  Kombeck.  Dr.,  Obennedicinalrath,  Stuttgart. 

104.  Koch,  K.,  Vf-rlitgshuchhäudler,  Stuttgart. 

105.  Weiss,  Aug.,  Fabrikant,  Esslingen. 


106.  Deffuur,  Wilhelm,  Fabrikant,  Esslingen. 

107.  Deffner,  Hermann,  Maler,  Esslingen. 

110.  v.  Rauch,  Friedrich,  Fabrikant,  Heilbronn. 

111.  v.  Rauch,  Moritz,  Fabrikant,  Heilbronn. 

112.  v.  Hufnagel,  Gerichtshofsdirector,  Rottweil. 

113.  v.  Gern  mm  gen  , M.,  Frhr.,  Obertrib.-Rath,  Heilbr. 

114.  Betz,  Dr.,  Heilbronn. 

115.  v.  Bautz,  Heinrich,  Frhr.,  Kochendorf. 

116.  v.  Holtz,  Max,  Frhr..  Alfdorf. 

118.  Schöttle.  Georg.  Architekt.  Stuttgart. 

119.  Fa  her,  Hofrath,  Friedrichshafen. 

120.  Mayer,  G,  G.,  Helfer,  Langenau,  OA.  Ulm. 

121.  Maier,  Köstlin,  Kaufmann,  Stuttgart. 

122.  Zech,  Director,  Heilbronn. 

127.  Ellinger,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Stuttgart. 

128.  Ne  eff,  Adolph.  Kaufmann.  Stuttgart. 

129.  Siegel,  Dr..  prakt.  Arzt,  Stuttgart. 

130.  Berlin,  Dr.,  prakt  Arzt,  Stuttgart. 

181.  Eberhardt,  Thierarzt,  Stuttgart. 

134.  Bührer,  Decan,  Waiblingen. 

136.  Heimsch,  C.,  Werkmeister,  Stuttgart 

137.  Frtsoni,  Dr.,  Hofzahuarzt  a.  D..  Stuttgart. 

138.  Levy,  Kirchen  Vorstand,  Stuttgart. 

139.  Siegele,  G„  Fabrikant,  Stuttgart. 

140.  Klotz,  C..  Kaufmaim.  Stuttgart. 

143.  Rommel,  Carl,  Kaufmann.  Stuttgart. 

144.  v.  Alt,  Major  a.  I)..  Stuttgart. 

145.  Schftle  juu..  R.  F.,  Fabrikant,  Kirchheim  u.  Teck. 

146.  Blessing,  Forstassistent.  Kirrheim  n. Teck. 

147.  Liiideumav  er,  Apotheker.  Kirchheim  u.  Teck. 
149.  v.  Ko n ig  - Carthausen,  Richard,  Frhr.,  Wart- 

hause  u. 

151.  Müller,  Professor,  Cannstatt. 

152.  Länderer,  Gustav,  Dr.,  Göppingen. 

153.  Munk,  Dr.,  Göppingen. 

155.  Christ  mann,  Dr.,  Oberamtsarzt,  Ludwigsburg. 

157.  H&berlin,  Professor,  Stuttgart. 

158.  Kapff,  Dr.,  Oberamtsarzt,  Esslingen. 

159.  v.  Reuss,  Dr.,  Obermedicinalrath,  Stuttgart. 

160.  Arnold.  B.,  I)r.,  prakt.  Arzt.  Stuttgart. 

162.  Stendel, Dr., Stad tdirvetions- Wundarzt, Stuttgart. 
166.  Bock,  Apotheker.  Neckarsulm. 

168.  Lautenschlager,  Carl,  Rechtsanwalt,  Stuttgart. 

169.  Wind  mit  Iler,  Conrad,  Fabrikant,  Stuttgart. 

170.  Müller,  Dr.,  Stabsarzt,  Weingarten 

174.  Fricker.  Dr.,  Oberamts-Wundarzl,  Heilbronn. 

175.  Schaufelen,  Richard,  Fabrikant,  Heilbronn 
177.  Senf  ft,  Carl,  Kaufmann,  Stuttgart. 

179.  Peters,  P.  F.,  Maler,  Stuttgart. 

180.  Yöttiner,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Untertürkheim. 

182.  Hahn,  Dr..  Rechtsanwalt,  Reutlingen. 

184.  Bose  her,  I)r..  Oberamtsarzt,  Saulgau. 

187.  Paulus,  J.,  Dr.,  Salon  b.  Ludwigsburg. 

189.  Jose uh ans,  Dr.,  Merklingen  b.  Leon  borg. 

190.  Mayer,  Fritz,  Gutsbesitzer,  Steinbeim  a.  Aalbuch 

192.  Klciuertz.  H.,  Dr.  Herrenalb. 

193.  Klaiber,  Dr..  Professor,  Stuttgart. 

194.  v.  Sick,  Exccllenz,  Minister,  Stuttgart. 

196.  Seeger,  Dr.,  k,  Medicinalratb,  Ludwigsburg. 

199.  Werner,  Gotthilf,  Dr.,  Stuttgart. 

2UÜ.  Haidien,  Julius,  Dr.,  Medicinalrath.  Stuttgart. 

201.  v.  Morlork.  Oherbaurath,  Stuttgart. 

202.  Wieland,  l)r.,  Professor,  Redacteur,  Stuttgart. 
206.  v.  Tröltzsch,  Eugen,  Frhr.,  Haiiptmann  a-  L)., 

Krvutlingen  (Schweix). 

208.  Veil  jun.,  Dr.,  Cannstatt. 

209.  Seeger,  Professor,  Stuttgart. 

211.  Steiner,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Stuttgart. 


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47 


212.  Hat e d.k tein,  Aug..  Kaufmann,  Stuttgart. 

213.  Stahl,  Professor,  Baurath,  Stuttgart. 

214.  Wale  her,  Dr.,  Rechtsauwalt,  Stuttgart. 

215.  v.  Laug,  Gustav,  Kaufmann,  Stuttgart. 

217.  Walther,  Professor,  Stuttgart. 

218.  v.  Seeger,  E.,  Fabrikant,  Stuttgart. 

220.  Tritschler,  Professor,  Baurath,  Stuttgart. 

221.  Klemm,  E.,  Eisen  bahn  inspector,  Gaislingcn. 

222.  Stendel,  Hellmuth,  I)r.,  Esslingen. 

223.  v.  Heller,  Oberbergrath,  Stuttgart. 

224.  Jäger,  Gustav,  Dr.,  Professor,  Stuttgart. 

225.  Stendel,  A.,  Diaconus,  Ravensburg. 

220.  Schreyvogel,  Apotheker,  Göppingen. 

227.  v.  Kau  11a,  Frhr.,  Gutsbesitzer,  Oberdisebingen. 

229.  Mangold,  Robert,  Kisenbaliubeamter,  Plochingen. 

230.  Rascher,  Alex.,  Dr.,  Stuttgart. 

231.  Steiner,  Dr.,  Stuttgart. 

232.  F r o r i e p , A.,  Weimar. 

233.  Kaulla,  M , Rechtsauwalt,  Stuttgart. 

238.  Pfann,  Hnfphotngraph,  Stuttgart. 

239.  v.  Peyer,  Major,  Stuttgart. 

241.  v.  Alberti,  O.,  Rechteanwalt,  Cannstatt. 

244.  Schöne,  K.,  Cannstatt. 

245.  Elsenloh r,  Bergrath,  Friedrichshall. 

248.  Minet,  I>r.,  prakt.  Arzt,  Stuttgart. 

250.  Roth,  Wilh*,  Fabrikant,  Stuttgart. 

252.  Schl 0 88 berger,  Ed nmnd , Particulier,  Stuttgart 
958.  Zeller,  M.,  Dr.,  Obermedicinalrath,  Stuttgart. 
254.  Wüst,  Moritz,  Ilofrath,  jetzt  in  Hannover. 

250.  Staub,  Arnold,  Fabrikaut,  Kuchen. 

257.  Knrtz,  Carl,  Professor,  Stuttgart 

259.  v.  Scholl,  Director,  Stuttgart. 

260.  Rettig,  Real  lehr  er,  Stuttgart 

261.  Stumpf,  Franz,  Finauzrath,  Stuttgart. 

263.  Reih  len,  Moritz.  Apotheker,  Stuttgart. 

264.  Schmidt,  Ottmar,  Dr.,  Stuttgart. 

265.  Kapff,  H.,  Dr.,  Stuttgart. 

267.  Kosenfeld,  Gustav,  Dr.,  Stuttgart. 

268.  Knüttel,  8.,  Particulier,  Stuttgart. 

269.  Ilofmann,  I>r.,  Stuttgart. 

270.  Veil  jnn.,  Theodor,  Dr.,  Cannstatt. 

275.  Aich,  Max,  Kaufmann,  Stuttgart. 

276.  v.  Fichte,  H.  E.,  Dr.,  Professor,  Stuttgart. 

277.  Schott,  Th.t  Dr.,  Prof.  a.  d.  Bibliothek,  Stuttgart. 

278.  Nachtigall,  Richard,  Dr.,  Weingarten. 

279.  Flamm,  Dr.,  Pfullingen. 

281.  v.  Zeppelin,  Eberhard,  Graf,  k.  würt.  Kammer- 
herr,  Schloss  Ebersberg  bei  Emishofeu  (Turgau). 

282.  Kn  aus  8,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Geislingen, 

283.  Ca  me  rer,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Langenau. 

284.  Hell,  Dr.,  Oberamtsarzt,  Ulm. 

285.  Palm,  Carl,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Ulm. 

286.  Palm,  Wilh.,  Dr.,  prakt.  Arzt,  Ulm. 

287.  Camorer,  Dr,  Stabsarzt,  Ulm. 

288.  Katz,  Dr.,  Stabsarzt,  Ulm. 

289.  Heller,  Dr.,  Oberstabsarzt,  Ulm. 

299.  Mayer,  Emil,  J)r.,  Arzt,  Ulm. 

293.  v.  Sonntag,  Conradin,  Oberst  a.  D.,  Stuttgart. 

294.  Notier,  Fr.,  Dr.,  Schriftsteller,  Stuttgart, 

295.  Vollmer,  Wilh.,  Dr.  phil.,  Redacteur,  Stuttgart. 

296.  Yögelen,  C.,  Apotheker,  Stuttgart. 

297.  Hauff,  Albert,  Apotheker,  Stuttgart. 

300.  K rafft,  Dr.,  Ludwigsburg. 

301.  Topographisches  Bureau,  Stuttgart. 

302.  Schmidt,  Carl,  Uhr.,  Professor,  Stuttgart. 

303.  Stoll,  I>r.,  Stuttgart. 

804.  II  a r t m a n n , Prof  a.  topograph.  Bureau,  Stuttgart. 

305.  Rapp,  Professor,  Realgymnasium,  Stuttgart. 


306.  Berner,  Bergwerksinspector,  Friedrichshat  1. 

307.  Duvernoy,  Jul.,  Dr.,  Fabrikant,  Stuttgart. 

308.  Faller,  Felix,  Maler,  Stuttgart. 

309.  Schmidt,  Herrn.,  Stuttgart. 

310.  Eis  ne  r,  Eugen,  Stuttgart. 

311.  v.  Tscherniug,  Forstrath,  Bebenhausen. 

312.  Knapp,  Otto,  Überfinanzrath,  Stuttgart 

313.  v.  Stein  bei  s,  Dr.,  Präsident,  Stuttgart. 

814.  Fehling,  Dr.,  Stuttgart 

315.  Elsässer,  Assessor,  Stuttgart. 

316.  Goss ler,  Assessor,  Stuttgart. 

317.  v.  Eh  mann,  Dr.,  Oberbaurath,  Stuttgart. 

318.  Gastpar,  Carl,  Gemeinderath,  Stuttgart. 

319.  Heller,  C.,  Prof.  a.  d.  Ob.  Realschule,  Cannstatt. 

320.  Schlosser,  G.,  Dr.,  Stuttgart. 

321.  Schuster,  Rudolph,  Stuttgart. 

322.  v.  Alberti,  Ed.,  Ingenieur,  Cannstatt. 

323.  Kahl  bau,  K.,  Privatier,  Stuttgart 

324.  Ilärlin,  Dr.,  Oberamtsarzt,  Stuttgart. 

325.  Wetze I,  Repetent,  Urach. 

326.  Frauk,  Ke vierförster,  Schüssen  ried. 

327.  Obermann,  C.  F.,  Xylograph,  Stuttgart. 

Isolirte  Mitglieder  der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft. 

1.  Ackermann,  H.,  Rentier,  Dresden. 

2.  Aoby,  Professor,  Bern. 

3.  Ar  lut,  Dr.  med.,  Dresden. 

4.  Arndt,  Professor,  Greifswald. 

6.  Asch,  Dr.  med.,  Breslau. 

6.  And  ree,  R.,  Dr.,  Leipzig. 

7.  Ahrundts,  Fr.,  Dr.  und  Arzt,  Arnstadt  i.  Th. 

8.  v.  Alvens leben,  Schollene  bei  Rathenow. 

9.  Baumeister,  Pharmazeut,  Inden. 

10.  v.  d.  Becke,  Diecken  bei  Iserlohn. 

11.  Becker,  Hüttendirector,  Grevenbrück  i.  Westf. 

12.  v.  Beck  erat  h,  H.  L.,  Crefeld. 

13.  Bernstein,  Professor,  Halle. 

14.  Beyer,  Dr.,  Archivrath,  Schwerin. 

15.  Blasius,  R,  Dr.,  Stabsarzt,  Braunschweig. 

16.  Blasius,  Dr.,  Professor,  Braunschweig. 

17.  Bley,  Carl,  Apotheker,  Dresden. 

18.  Boltz,  Aug.,  l)r.,  Professor,  Homburg  v.  d.  H. 

19.  de  Boxberg,  Mdo.  J.f  Chateau  de  Thevalles 
Dept.  de  la  Mayen  ne. 

20.  Brauns,  Dr , Halle  a.  S. 

21.  v.  Bruck,  E.,  Crefeld. 

22.  v.  Bruck,  M.,  Crefeld. 

23.  Büchner,  0.,  Dr.t  Giessen. 

24.  Büchuer,  L.,  Dr.,  Darmstadt. 

25.  Burchard,  Ministerialrath,  Schwerin. 

26.  Böddiker,  I>r.,  Iserlohn. 

27.  Bisping,  I>r.  med.,  Mühlheim  a.  d,  K. 

28.  Büuz,  Carl.  Bürgermeister,  Glückstadt. 

29.  v.  Bülow-  Kogel,  J.  G.,  Dermin-Ratzeburg. 

30.  Böcken  dah  1,  stud.  med.,  Kiel. 

31.  v.  Boi neburg-Lengsfel d,  Sig.,  Graf,  Gehaus. 

32.  v.  d.  Borue,  M.,  Berneuchen,  Mark  Brandenburg. 

33.  Canaris,  Hüttendirector,  Finnentrop,  Westfalen. 

34.  v.  Co  hausen,  Oberst.  Wiesbaden. 

35.  Crous,  C.  W.,  Crefeld. 

36.  Caro,  F.  L,  I)r.,  Hofapotheker,  Dresden. 

37.  Demmler,  Hofbaurath,  Schwerin. 

38.  Drechsler,  Kaniuierralh,  Schwerin. 

39.  Drofte,  Dr.,  Letmathe. 

40.  De  sc  hin  au  n,  Dr.,  Quito«,  Iaübneh. 

41.  D e i c h in  a u n , Th.,  Bauquicr,  Cölu. 


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48 


42.  D e i c h m a n n , Geheime  Riithin,  Metlem  bei  Bonn 

43.  Diefenbach,  L..  Dr.,  Darmstadt. 

44.  Di  tt  mann,  auf  Sonderbye-Hof,  Kckernförde. 

45.  Dohrn,  A.,  I)r.,  Neapel. 

40.  Dämmert,  Professor,  Aachen. 

47.  Eisei,  R.,  Gera. 

48.  Engel,  Fr.,  Pr.,  Röbel,  Mekl. -Schwerin. 

43.  Es  seien,  l>r.,  Hofrath,  Hamm. 

50.  Esseion,  Rechtsanwalt,  Dortmund. 

51.  Flemming,  Geheimer  Medicinalrath,  Schwerin- 

52.  v.  Frantzius,  A.,  Gutsbesitzer  in  Zawda  bei 
Graudenz. 

53.  Kränket,  M.,  Dr.,  Director,  Hornburg. 

54.  v.  Frei b erg,  Kreisdirector, Saarbarg,  Lothringen. 

55.  Forel,  Dr,  Professor,  Morges  bei  Lausanne. 

5t».  Gar  eis,  Professor,  Giessen. 

57.  Geinitz,  Hofrath,  I>r.,  Dresden. 

58.  (« er  lach,  Professor,  Erlangen. 

53.  Gerl  an  dt,  Professor  Dr.,  Stra&shurg. 
tkt.  Gysi,  Dr.,  Privatdocant,  Bern. 

61.  G Abel,  Apothek.,  Altenhuudeu,  Reg.- Bz.  Arnsberg. 
6‘2.  Götz,  Medicinalrath,  Dr.,  Neustrelitz. 

63.  Grau  d hemme,  Dr.,  Ilufheim,  Taunus. 

64.  Grenadier,  Professor,  Rostock. 

65.  Guns,  Heran,  Kudelsee  bei  Matnbernlieim. 

66.  Gildeweister.  Dr.,  Bremen. 

67.  Genthe,  H.,  Director,  Corhach. 

68.  Gross,  V.,  Dr.  med.,  Nenveville. 

63.  Ilammacher,  F.,  Dr.,  Berlin. 

70.  Ilärche,  Bergwerkwlirector,  Oberwesel. 

71.  Hartlaub,  G.,  Dr.,  Bremen. 

72.  Hasscarl,  Dr.,  Cleve. 

73.  Ileimendahl,  Gebuiuiratli,  C re  leid. 

74.  v.  Hell  wa Id,  Cannstatt. 

75.  Ilern  pol,  H..  Dr.,  Giessen. 

76.  lleusel,  l)r„  Professor,  Proskau,  Oberschlesien. 

77.  Hermes,  Pastor,  Lüssow  bei  Gitstrow. 

78.  II  oe  ring,  Oberamtsarzt.  Heilbronn. 

73.  Holländer,  I)r.,  Privatdocont,  Halb*. 

80.  Huttenheim,  W.,  Grevenbrück,  Westfalen. 

81.  Hattenheim,  Dr„  Hilchenbach  bei  Siegen. 

82.  v.  d.  Hey  de,  Braunschweig. 

83.  His,  Professor,  Leipzig. 

84.  v.  Hof  mann,  C.,  Leipzig. 

85.  Hey,  k.  Hofbaumeistir,  Chemnitz. 

86.  Ilildebrand,  Dr.  phil..  Gymnasiallehrer,  Cleve. 

87.  Henke,  Professor,  Tübingen. 

88.  Jahr,  Archiv  regist  rator,  Schwerin. 

83.  J e n tj e s , W.,  Crefeld. 

30.  Jeitteles,  Professor,  Wien. 

31.  Kahlhaum,  Dr.  der  Heilanstalt,  Görlitz 

32.  Herling,  Dr.  med,  Asseln  bei  Dortmund. 

33.  v.  Kiese wetter,  Geh.  Kegieruugsratli , Dresden. 

34.  Kreidel,  Buchhändler,  Wiesbaden. 

35.  Krieger,  Geheimer  Finanzrath,  Stettin. 

36.  Kühne,  Dr.,  Oberlehrer,  Stettin. 

37.  Kuh  nt,  Ministerialsecretär,  Schwerin. 

38.  Köpern  ick  i,  Dr.,  Professor,  Krakau. 

3*3.  K 1 a r m a n u , Arzt.  Scliievelbein. 

BW.  Kleb»,  Dr.,  Professor,  Prag. 

101.  La h man n,  C'ousul,  Costa  Rica. 

102.  Lange,  Lehrer  in  Oderberg. 

103  Laten dorf.  Dr..  Oberlehrer,  Schwerin. 

104.  I.  i 1 i e ti  d a h I , Neudietendorf,  Thüringen. 

105.  Limpes,  Dr.  med.,  Altenhuudeu,  Rt-gierunpsbez. 
Arnsberg. 

106.  Lisch,  Geheimer  Archivrath,  Schwerin. 

107.  Loreut,  K.,  Dr.,  Bremen, 


108.  Luckow,  Baumeister,  Rostock. 

103.  Leimbach,  G..  Dr. , Wattenscheid  bei  Crefeld. 

110.  Lent,  Dr..  prakt  Arzt,  Cöln. 

111.  Le ugf eld'sche  Buchhandlung,  Cöln. 

112.  Masch,  Dr.,  Archivrath,  Demmeru  bei  Rehua. 

113.  May  et.  Berlin. 

114.  Menwald,  I>r.,  Dresden. 

116.  v.  Mengershausen,  Dr.  med.,  Celle. 

116.  Menke.  Geheimer  Jostizrath,  Schwerin. 

117.  Merkel,  Professor,  Rostock. 

118.  v.  Möller,  Oberpräsident,  Strasshiirg. 

113.  M ü h 1 h ä ii  s e r , I >r.  med..  Spei  Sr. 

120.  Müller,  G„  Dr , Bremen. 

121.  Müller,  Dr.,  Stabsarzt,  Schwerin. 

122.  Müller,  R.,  Dr..  Dresden. 

123.  Maller,  N.,  Professor,  Mauden. 

124.  Müller,  C.,  Amtsrichter,  Neustadt,  Holstein. 

125.  Nippold,  Professor,  Bern. 

1 26.  N e i n h a u s , Oberlehrer,  ( olmar. 

127.  Nacken,  Dr.,  Justizrath,  Cöln. 

1 28.  N eh ri n g , A.,  Dr.,  Wolffenbüttel. 

123.  Noack,  Th.,  Dr.  phil..  Brannscbweig. 

130.  Nasse.  Dr.,  Geheimer  Rath,  Andernach  a.  Rh. 

131.  Ott mer,  Professor,  Braunschweig. 

132.  Otto,  Gymnasial-Oberlebrer,  Wiesbaden. 

133.  Obst,  Dr.  med..  Leipzig. 

134.  de  la  PoSze,  Comtesse,  Paris. 

136.  de  la  Poeze,  Comtess«,  dotiere,  Paris. 

1:16.  Poppe,  8.  A.,  Bremen. 

137.  v.  Potenz,  k.  Regierungsassessor,  Dresden. 

138.  Router,  Obermedicinairath,  Wiesbaden. 

133.  Reunion  t,  Geheimer  Sanitätsiuib,  Aachen. 

140.  Richter,  Revd.,  Principal  Goot,  Mercaca  (Coorg) 
East  Indien. 

141.  Ri  ecke,  Dr  med..  Weimar. 

142.  Röder,  W.,  Dr.,  Slrassburg. 

143.  Rot  her,  H.,  Gent. 

144.  Rudolph  i,  Medicinalrath,  Neustrelitz. 

145.  Rau,  Carl,  Washington. 

146.  Sarg,  J.  A„  Darmstadt. 

147.  Schauenburg,  Dr.,  Director,  Crefeld. 

148.  Sc  ha  Ick,  Dr.  juris,  Wiesbaden. 

143.  Sc  hl  ftn  hach,  Ohersalinen-liiHpector,  Salzgitter. 

160.  Schlutter.  F.,  Dresden. 

151.  Scbmid,  Gutsbesitzer,  Gotha. 

152.  Schmidt,  R„  Dr.,  Jena. 

153.  Schmitz,  Apotheker.  Letmathe. 

164.  Schneider,  Dr.,  Oberlehrer,  Dresden. 

155.  Schuster,  Major,  Dresden. 

156.  Seibert,  H.,  Eberbach  am  Neckar. 

157.  Semper,  Regierangsasseuor,  Hannover. 

158.  Seiffardt,  L.  F.,  Crefeld. 

159.  Stieda,  L.,  Dr.,  Professor.  Dorpat. 

ltM).  Btoffert,  Friedr.,  Bergedorf  bei  Hamburg. 

161.  v.  St  rau  witz,  Frau.  Dresden. 

162.  Sclimiett,  C.,  Eichicht  in  Thüringen.  * 

163.  Sinradts,  Architekt,  Columlms,  Nordamerika. 

164.  Struck  mann,  Amtsrath.  Hannover. 

166.  Schmidt,  K.,  Baumeister.  Haspe. 

166.  Tri  mp«,  Landwirth  in  Falge  bei  Bersenbrück, 
Hannover. 

167.  Töpfer,  II.,  Professor,  Somlershansen. 

168.  C hde,  0.  W.  F.,  I)r.,  Medieinuliath,  Brunnschweig. 
163.  U singer,  C..  Dr.  med.,  Wiesbaden. 

170.  Verein  für  Geschichte  der  1 Knitschen  in  Böhmen, 
Prag. 

171.  Volkers,  Medicinalrath,  Eutin,  Grossherxngthtim 
Oldenburg. 


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49 


172.  Voigt,  Postlialter,  Schwerin. 

173.  Wei Ihre u ii er,  Kaufmann,  Dresden. 

174.  Weisel,  L.,  Dr.,  Advokat,  Wien. 

175.  We Icker,  I>r..  Professor,  Halle. 

176.  Wernokke,  II.,  I»r.f  Doma  hei  Leipzig. 

177.  Wiborg,  C.  F„  Dr.,  Gelle,  Schweden. 

1 78.  Wjedeumeistur,  l>r.  med.,  Osnabrück 

179.  W'iesner,  Dr.,  Geh.  Regiert)  ngsrath.  Dresden. 


I ISO.  W i n ter,  J.  II..  Fabrik«inh.,Altklosterb.  Buxtehude 

181.  v.  Witticli.  Di..  Professor.  Königsberg. 

182.  W'olff,  Comincrzienrath.  Wahrode,  Hannover, 
i 183.  Weindt.  Professor,  Leipzig. 

1 184.  Weis»,  11,  Dr.,  Professor,  Graz. 

185.  v.  Werth,  E.,  Rentner,  Cöln. 

| 186.  Wank  ul,  II. . Dr.,  Rlansko,  Mähren. 

| 187.  Wesselhoefft,  Major  a.  1).,  Hannover. 


Nachtrag. 


Gcuppc  in  Hasud. 

Ko  II  ui  an  ii,  J.,  Professor,  Geschäftsführer 
(provisorisch). 

Mitglieder. 

1.  Burckhardt,  F.,  Professor. 

2.  K o 1 1 m a ii  u , J.f  Professor. 

.‘5.  Meriau,  P.,  Rathsherr. 

4.  Rütimeyer,  L.,  Professor. 

5.  Socio,  A.,  Professor. 

6.  Wille,  L.,  Professor. 


Gruppe  iu  Stralsuml. 

Bai  er,  Kud.,  Dr.,  Stadtbibliothekar,  Geschäftsführer 

Mitglieder. 

1.  Baier.  Rud.,  Dr.,  Stadtbibliothekar,  Stralsund. 

2.  v.  B o h 1 e u auf  B o h I e u d o r f , Freiherr,  Insel  Rügen. 

3.  Bremer,  S.,  Buchhändler,  Stralsund. 

4.  Francke,  Dr.,  Bürgermeister.  Stralsund. 

5.  liecht,  Dr.,  Sanitätsrath,  Stralsund. 

6.  Reishaus,  Dr.,  Oberlehrer,  Stralsund. 


Zusammenstellung  (1er  Zweigvereine  und  Gruppen. 


Nr. 

Zwcigvereiuc  und  Gruppen 

Geschäftsführer 

Zahl  der 
Mitglieder 

Bezogene 

Corresp.- 

Blätter 

1 

Basel 

K o 1 1 m a ii  ii  . Dr.,  Profi  uor 

7 

8 

2 

Bonn 

v.  Sch aaf f hausen,  Professor 

23 

23 

3 

Berlin  .... 

Ilartman  n,  Rob.  Dr.,  Professor  . ! 

350 

350 

4 

Carlsruhe  

Brambach,  Professor 

24 

27 

5 

Coburg  

Heyn,  Hugo,  Journalist  . . 

11 

15 

6 

Coustauz  ...... 

Leiner,  Stadtrath  ... 

36 

3« 

7 

Danzig 

Lissatter,  I>r..  Professor 

97 

110 

8 

Elberfeld 

Elle  ii  berge  r,  Kaufmann 

•jr. 

30 

9 

Frankfurt  a.  M. 

Lucae,  I)r.,  Professor  .... 

24 

30 

10 

Freiburg  i.  B. 

Ecker,  I)r.,  Geheimrath 

68 

70 

11 

Gotha 

v.  Schuchardt,  Dr.,  Geheimer  Reg. -Rath  . 

9 

10 

12 

Güttingen  . 

v.  Brunn,  Dr.,  Professor 

62 

K5 

13 

Hamburg 

VVibcl,  Dr.  und  Krause,  R.,  Dr 

88 

100 

H 

Heidelberg 

Groos,  Karl.  Buchhändler 

32 

42 

15 

Jena  ....... 

K 1 op f 1 e isch , Dr.,  Professor 

14 

4H 

Di 

Kiel  (Schleswig-Holsteinische  Gruppe) 

v,  Mestorf,  Frl.  ... 

126 

150 

17 

Königsberg  ... 

F i s c h 1 e r . Dr.,  Professor 

9 

10 

i» 

Mainz 

Wenzel,  Dr. 

32 

34» 

19 

Mannheim 

Vogel  saug,  Director 

ii 

20 

20 

München  .... 

W e i 8 ui  u u u , Lehrer 

252 

252 

21 

Münster  (Westfälisch«  Gruppe) 

11  os  i iis,  Dr.,  Professor 

103 

110 

2* 

Stralsund 

Baier.  Dr..  Stadtbibi iothokar 

6 

6 

23 

Stuttgart 

Schober,  Kaufmann 

235 

245 

24 

Wcissunfels  ... 

v.  Her  ries,  k.  Oberst 

77 

85 

25 

Wien  . . 

Much.  I)r..  Josephstr  6 

16 

lo 

2« 

W'flrzburg 

. 

Stüber,  Buchhändler 

22 

Currc*|i.-hliiU  Nr.  .V 

3 

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50 


Verzeichnis»  der  lebenslänglichen  Mitglieder  der  deutschen  Gesellschaft,  fiir 
Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


1.  v.  Fritsch,  Professor,  Halle. 

2.  Goldschmidt,  R.  Frankfurt  a.  M. 

3.  Goldschniidt,  M.,  Frankfurt  a.  M. 

4.  Goldxclirnidt,  M . Frankfurt  a.  M. 

5.  Herr  man  h,  Moritz,  Hamburg. 

♦>.  Huttenheim,  Martin,  Hilchenbach. 

7.  Krupp,  Fritz,  Essen. 

8.  Schaafi hausen,  Professor,  Bonn. 


fl.  Schmidt,  Emil.  Dr.,  Essen. 

10.  Semper,  Georg,  Altona. 

11.  Semper,  Willi,  llamburp. 

12.  Strousberg,  Henry,  I>r.,  London. 

13.  Vogt,  Carl,  Professur.  Genf. 

14.  Wenste,  W„  Muhlheim  a.  d.  R. 

15.  v.  W u r m b r a n d , Graf,  Ankeustein- 


Schriftenaustansch  der  deutschen  Gesellschaft  fiir  Anthropologie,  Ethnologie  und 

Urgeschichte. 


1.  Anthropologie«!  Institut  of  Great  Britain  and  lre- 
land.  Secretary  J.  Oollingwood  Esq.,  London. 

2.  Rokitansky,  k.  Professor,  Wien. 

3.  Schwedischer  Alterthums-Verein,  Stockholm. 

4.  Gib  btt,  Mr.,  Washington. 

5.  Mars ch , Mr.,  New  Häven. 

6.  Huxley,  Mr.,  London. 

7.  Spencer,  F.  Daird,  Professor,  Washington. 

S.  Al  Direttore  dolle  Publiazioni  del  Circulo  Geografien 
Ituliano,  Toriuo. 


fl.  Squier,  E.  George,  New  York. 

10.  Aiithnqiologi.schc  Gesellschaft  in  Wien,  Secretär 

Dr.  Much,  VIII.  Josefgasse  6. 

11.  Revue  des  Sciences  Kedacteur  en  chcf  Mr.  A I g 1 & v e 
Ein.,  Paris. 

12.  Socicdad  an thropologica  Espafiola.  Madrid,  de  Ve- 
lasco,  P.  G.,  Dr.,  Madrid. 


Verzeichnis»  der  Ehrenmitglieder  der  deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie, 
Ethnologie  nnd  Urgeschichte. 

1.  v.  Baer.  Karl  Ernst.  Dr.,  Professor,  kaiserl.  [ 2.  Sc  hl  io  mann,  Heinrich,  Dr.,  ernannt  27.  Sep- 

rus&ischer  SLaatsruth,  ernannt  28.  Febr.  1872,  f 1878.  | teniber  1877. 


Schluss  der  Redaction  am  10.  Mai,  — Druck  von  H.  (Mdcnbottrg  in  München. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  twt  Professor  Holtmann  in  Basel, 
6wrah«rd«r  ihr  G/ttlhtSa/t . 


Nr.  6.  Erscheint  jeden  Monat.  Juni  1878. 


Vereins  - N aehrichten. 

Die  Generalversammlung  der  deutschen 
Gesellschaft  dir  Anthropologie,  Ethno- 
logie und  Urgeschichte  in  Kiel 

findet  laut  Programm,  das  der  letzten  Nummer  des 
Correspondenz-Blattes  beigelegt  war,  vom  12.  bis 
14.  AngUBt  statt.  Die  Unterzeichneten  erlauben 
sich  mit  besonderem  Hinweis  auf  den  Besuch  in 
Hamburg,  das  reiche  Museum  vaterländischer  Alter- 
thömer  in  Kiel  und  den  Ausflug  zu  den  Dolmen  und 
Burgwällen  bei  Lübeck  zu  zahlreicher  Betheiligung 
an  der  diesjährigen  Generalversammlung  einzuladen, 
bei  der  nicht  nur  die  Mitglieder,  sondern  alle  Freunde 
anthropologischer  Forschung  in  hohem  Grade  will- 
kommen sind. 

Prof.  Handelmann,  Prof.  Kollmann, 

Geschäftsführer  Generalsekretär, 

in  Kiel. 


Der  prähistorische  Kupferbergbau 
in  Nordamerika. 

Von  Dr.  Max  Rothauer  in  Klageofnrt,*) 


Am  westlichen  Ende  des  Erie-Secs,  dem  Ufer 
des  Dctroit-river  entlang,  an  den  Ufern  des  Huron- 
Sees,  des  Verbindungsflusscs  zwischen  diesem  und 


männische  ThAtigkeit  jenes  alten  r&thselhaften  Volkes, 
welches  in  prähistorischer  Zeit  die  Ufer  der  grossen 
amerikanischen  Seen  bewohnte,  beschränken  sich  auf 


Cormp.-Blatt  Nr  ft- 


dem  Lake  superior,  dem  River  St.  Mary,  und  gaii2 
besonders  am  südlichen  Ufer  und  auf  den  Inseln 
dieses  letzteren  Sees  zeigen  sich  zahlreiche  und 
deutliche  Spuren,  dass  hier  durch  lange  Zeit  — 
durch  Jahrhunderte  — ein  Volk  lebte,  welches, 
wie  aus  der  Bildung  der  aufgefundenen  Schädel 
erhellt,  ganz  verschieden  war  von  den  diese  Gegend 
in  postcolnmbischer  Zeit  bewohnenden  Indianern, 
vielmehr  zu  dem  altbrasilianischen  Typus  zu  stellen 
ist.  Man  nennt  sic  nach  der  Form,  welche  sie 
ihren  Ansiedelungen  gaben:  „mound-builders**,  zu 
deutsch  „Wall- Bauer4*  *).  Die  reichen  Lager  von 
gediegenem  Kupfer  auf  Kewunaw-point  wurden  von 
diesem  Volke  aufgeschlossen  und,  wie  aus  allen  An- 
zeichen hervorgeht,  eifrigst  exploitirt.  Die  Gruben 
scheinen  jedoch  später  ganz  dem  Verfalle  preis- 
i gegeben  worden  zu  sein,  denn  von  den  Indianern, 
die  von  den  ersten  Europäern  dort  angetroffen 
I wurden,  wurde  Bergbau  nicht  betrieben,  wie  der 
Jesuit  La  grade,  welcher  als  Missionär  zuerst  in 
jene  Gegend  kam,  uns  erzählt  (in  einem  1636  in 
, Paris  veröffentlichten  Buche). 

La  grade  berichtet,  dass  die  Indianer  das 
Metall,  welches  ja  nicht  selten  zu  Tage  liegt,  wohl 
kannten  und  es  als  etwas  Heiliges  betrachteten, 


diu  Erzählung  dessen,  was  der  Berichterstatter  auf  dem 
verhältnihsuiässig  kleinen  Gebiete,  welches  er  besuchte, 
in  dieser  Richtung  wahrgonommeu  hat  und  was  er  aus 
der,  nur  in  geringem  MtStttebe  zugänglichen  amerika- 
nischen Literatur  entnehmen  konnte. 

•)  mouud : Wall,  Darom,  Erdhügel,  Versclmnzung. 


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als  einen  Schatz,  welcher  ihnen  vom  grossen 
(teiste“  gegeben  ward;  — sie  hatten  aber  gar  keine 
Kenntniss  vom  Vorkommen  des  Kupfers  in  den 
Tiefen  der  Erde,  so  sorgfältig  waren  die  früheren 
Arbeiten  durch  die  Zeit  bedeckt  worden.  — 1666 
wurde  die  Halbinsel  von  Pater  Clan  de  Allouez, 
ebenfalls  einem  Missionär,  1669—70  von  Pater 
P ab  Ion  besucht,  welche  alle  von  diesen  Kupfer- 
lagem  berichten  und  dazu  riethen,  dort  Colonien 
zu  gründen.  Durch  die  Berichte  des  Capitains 
Jonathan  Carvcr  (1765)  angeregt,  bildete  sich 
1771  in  England  eine  Gesellschaft,  welche  diese 
Schätze  zu  hohen  begann.  Jedoch  wieder  wurde 
dies  Unternehmen  aufgegeben,  welches  durch  die 
Stürme  der  Revolution  wohl  beeinträchtigt  worden 
war,  und  merkwürdigerweise  erst  in  neuerer  Zeit 
wird  der  Kupferbergbau  rationell  und  mit  ganz 
eminentem  Erfolge  am  Lake  snperior  betrieben. 

Wir  batten  zu  Houghton  am  Portage-lake  unser 
Hauptquartier  genommen  und  machten  von  dort  aus 
unter  Führung  liebenswürdiger  Freunde  — unter 
welchen  sich  mancher  Deutsche  fand,  der  hier 
seinem  Glücke  nachging  — geologische  (bergmän- 
nische) Kxcursionen  in  die  Umgegend.  Durch  einen 
Besuch  bei  einem  Advocaten,  welcher  Ethnologie 
zu  seinem  Lieblingsstadium  erwählt  und  sich  ein 
ganz  nettes  Museum  angelegt  hatte,  wurde  ich 
mehr  für  jene  „aucient  miners“,  wie  selbe  allgemein 
dort  heissen,  interessirt,  und  besichtigte  mit  ihm 
die  nahen  alten  Bergbauc. 

Die  Ueberrestc  der  „anrient  miners“  zerstreuen 
sich  auf  einen  District,  welcher  in  der  Länge  un- 
gefähr 150  engl.  Meilen  hat  und  eine  wechselnde 
Breite  von  4—7  Meilen  besitzt,  einschliessend : 
Kewnnaw,  Houghton  und  Ontnnagon  Counties;  — 
auch  auf  der  reichen  lsle-royal  im  Lake  superior 
zeigen  sich  reichliche  Spuren  der  „ancient  miners“ ; 
inan  fand  dort  auf  einem  Territorium  von  4 — 5 
□ Meilen  einen  Schacht  neben  dem  andern.  Die 
Halbinsel  Kewunaw-point  ist  in  ihren  ebenen  nnd 
tiefer  liegenden  Regionen  mit  einem  dichten  Cy- 
prossenwalde  bedeckt,  welcher  einem  sumpfigen, 
morastigen  Boden  entwächst;  nur  einen  geringeren 
Thcil  derselben  nehmen  Berge  von  massiger  Höhe 
ein , welche  meist  aus  eruptivem  Gestein  oder 
Couglomerat  (wie  bei  Hekla  und  Columet-mine) 
bestehen.  Auf  den  Abhängen  und  Gipfeln  jener 
Erhöhungen , wo  eine  vcrhältnissmässig  dünne 
Schicht  unproductivcn  Erdreiches  das  Gestein 
überlagert,  wurde  von  Alters  her  und  wird  auch 


j2 

jetzt  Kupferberghau  betrieben,  und  die  „ancient 
miners“  waren  so  glücklich  im  Finden  productiver 
| Lager,  dass  ihre  heutigen  Nachfolger  erfahrungs- 
gemäss  am  besten  timten,  ihren  (unterlassenen 
. Andeutungen  zu  folgen. 

Der  Bergbau  wurde  auf  zwei  Arten  betrieben, 
jo  nach  dem  Vorkommen  des  Mct&Ues.  Traten 
> Knpferlagerstätte»  zu  Tage,  so  folgte  man  den- 
selben bis  zur  Wassergrenze  und  räumte  das  sich 
ergebende  Hangende  aus  taubem  Gesteine  weg, 
so  dass  man  Tagbau  betrieb.  Ich  fand  bei  meinen 
Ausflügen  viele  solche  „Gänge“,  welche  meist 
zwischen  zwei  Einsattelungen  den  dazwischen  liegen- 
den Melaphyr-Rücken  durchschnitten  und  nun  mit 
! Himbcersträuchen  und  anderem  Gestrüppe  so  ver- 
I wachsen  sind,  dass  man  kaum  durchzudringen  ver- 
| mag.  Der  längste  derartige  -Gang“  befindet  sich 
auf  Isle  royal  und  ist  20 — 40'  weit  und  2V*  Meilen 
(englisch)  lang.  In  einem  Seitenverhaue  dieser 
Strecke  fand  man  einen  halb  losgelösten  Kupfcr- 
| block,  an  welchem  ganz  deutliche  Spuren  der  Be- 
; arbeitung  mittelst  Stein  Werkzeugen  zu  sehen  sind. 

Die  zweite  Art  Bergbau  ist  „Schacht-  und 
Stollenban“,  welcher  dann  betrieben  wurde,  wenn 
man  das  Metall  in  der  Tiefe  erwartete.  Dass  man 
mit  dem  Ausbringen  des  Wassers  auf  künstlichem 
Wege  gar  nicht  bekannt  war,  beweist  der  Umstand, 

' dass  die  Schächte  nur  so  tief  gingen,  als  das  Wasser 
durch  menschliche  Kraft  entfernt  werden  konnte, 
i Zwischen  den  einzelnen  neben  einander  befindlichen 
Verhauen,  welche,  nachdem  man  die  Wassergrenze 
erreicht  hatte , sich  allmählich  mit  Wasser  gefüllt 
haben  mochten,  liess  man  gleichsam  als  Damm 
j einen  2—3*  starken  Pfeiler  aus  nicht  wegger&uintem 
Fels  stehen,  um  dem  Wasser  den  Eintritt,  in  den 
| Nachbarban  zu  wehren.  Bemerkenswerth  ist  es, 

! wie  das  Hangende  geschützt  wurde.  An  Stelle  der 
| gewöhnlichen  Zimmerung,  welche,  jedoch  in  rohester 
Weise,  angewendet  wurde  und  nur  aus  einzelnen 
j senkrecht  stehenden  Stämmen  bestand,  bediente 
man  sich  steinerner  Stützen.  Sehr  oft,  besonders 
, auf  Isle  royal,  sind  es  grosse  herbeige  holte 
Steinblöcke,  wovon  oft  schon  einer  genügte  und 
von  denen  oft  ganz  regelrechte  Pfeiler  aufgebant 
sind,  je  nach  der  Höhe  der  einzelnen  Baue,  welche 
sehr  wechselnd  ist. 

Die  Aufbereitung  des  Kupfers  aus  dom  Gesteine 
muss,  wric  aus  den  aufgefundenen  Werkzeugen  zu 
schlicssen  ist,  sehr  einfach  gewesen  sein.  Man  fand 
nahe  den  Ausgängen  der  Baue  Vertiefungen , in 


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53 


welchen  sich  noch  Reste  von  Holzkohle  und  eine 
Menge  von  Steinwerkzeugen  befinden.  Dieser  Um- 
stand weist  darauf  hin,  dass  man  wahrscheinlich 
die  losen  metallföhrenden  Blöcke  zuerst  erhitzte 
und  durch  Aufschatten  von  Wasser  schnell  ab- 
kühlte.  So  wurde  ein  rascher  Verwitterungsprocess 
eingeleitet  und  das  Gestein  zerbröckelt;  mit  Hilfe 
ihrer  Steinhämmer  konnten  sic  dann  leicht  das 
gediegene  Kupfer  aus  dem  umgebenden  tauben 
Gesteine  auslösen,  welch  letzteres  um  jene  Werk- 
stätten in  gross6n  Mengen  hcrumlicgt. 

Die  Steinhämmer  sind  theils  an  ihrem  oberen 
Ende  eingekerbt,  um  einen  Stiel  daran  befestigen 
zu  können,  theils  sind  es  rohe  harte  Steine  (oft 
Kieselsteine),  die  nur  an  ihrem  unteren  Ende  etwas 
geschärft,  sind  und  direct  mit  den  Händen  gehalten 
wurden.  Unter  den  Funden  auf  Islc  royal  kamen 
nur  sehr  wenige  Hämmer  vor,  welche  jene  Ein- 
kerbung zur  Stielbcfestigung  zeigten,  während  dies 
in  der  Umgebung  Houghtons  bei  dem  grössten  Tlieile 
der  Steinhämmer  der  Fall  ist. 

Mit  diesen  primitiven  Hilfsmitteln  war  natürlich 
ein  sehr  langsames  Fortschreiten  der  Arbeiten  mög- 
lich; berücksichtigt  man  nun  die  vielen  hinter- 
lassencn  grossen  Baue,  so  kann  man  schliesscn, 
dass  die  „ancient  miners*  ihre  Thätigkeit  wohl 
durch  Jahrhunderte  fortgesetzt  haben  mussten.  1 
Durch  welche  Einflüsse  sie  bewogen  wurden,  sich 
andere  Wohnsitze  zu  suchen  und  den  Ort  ihrer 
Thätigkeit  zu  verlassen,  ist  unaufgeklärt.  An  der 
Mündung  des  Ontonagon-Flusscs  in  den  Lake  superior 
scheint  eine  Werkstitte  zur  Fabrikation  der  Stein- 
geräthe  existirt  zu  haben.  Es  liegen  da  grosse 
Haufen  von  theils  fertigen,  theils  unfertigen  Stein- 
werkzeugen nebst  zahllosen  Steinsplittern,  an  welchen 
es  unverkennbar  ist,  dass  cs  Abfälle  sind.  Wie  es 
.scheint,  wurde  dem  Steine  erst  die  beiläufige  Form 
des  zu  verfertigenden  Gegenstandes  gegeben  und  j 
diesem  rohen  Stücke  durch  Brechen  mittelst  eines 
härteren  Steines  und  PoUren  an  demselben  die  Form 
heigebraclit,  in  welcher  wir  die  Geräthe  finden.  — 
I)r.  Bessels  am  Smithonian  Institute  in  Washington 
erzählte  uns,  dass  ein  Indianer,  welcher  dort  ver- 
weilte, aus  einer  zerbrochenen  Uhampagnerflasche 
mit  Hilfe  eines  Schlüssels  mit  grosser  Fertigkeit 
Pfeilspitzen  fabricirte.  Von  der  Ontonagon-Mündung 
aus  wurden  nun  die  Steiugerlthe  nach  Nord  und 
Ost  in  die  kupferreicheren  Gegenden  transportirt. 

Aus  dem  gewonnenen  Kupfer  wurden  zahlreiche  | 
verschiedene  Utensilien  verfertigt,  als  Acxte,  Messer, 


Meissei,  Speerspitzen,  Pfeilspitzen,  Ahle,  Nadeln, 
Braceletten  u.  s.  f.  Bemerkenswerth  ist  die  Form 
der  Messer,  welche  ohne  den  daran  zu  befestigenden 
Stiel  eher  den  Lanzenspitzen  unserer  Steinzeit  ähneln 
und  lange  auch  für  solche  gehalten  wurden.  In 
Alasca  fand  man  nun  bei  den  Eingeborncn  diese 
vermeintlichen  Lanzenspitzen  mit  einem  kurzen 
Holzstiele  versehen  als  Messer  in  Gebrauch.  Im 
Smithonian  Institute  sah  ich  zahlreiche  Exemplare 
aus  Kupfer  und  Stein  von  den  „mound-buildors*4 
von  verschiedenen  Indianerstämmen  und  von  den 
Bewohnern  von  Alasca,  welche  merkwürdig  mit- 
einander übcrcinstimmtcn. 

In  Wisconsin,  Michigan,  West-Virginia,  Ken- 
tucky, Mississippi,  Louisiana,  meistens  aber  an  den 
Ufern  des  Mississippi,  wo  bis  nun  die  grösste  Aus- 
beute an  ethnologischen  Funden  gemacht  wurde, 
fand  man  beinahe  überall,  wenn  auch  nicht  in  sehr 
grosser  Anzahl,  derartige  Kupfergegenstände,  und 
nach  ihrem  Aussehen  und  ihrer  Beschaffenheit 
glaubt  man  vollberechtigt  zu  der  Anuahme  zu  sein, 
dass  die  aus  Kupfer  verfertigten  Gegenstände  haupt- 
sächlich zu  Schmuckgcgenstäudcn  gedient  haben 
mochten,  dass  selbst  ihre  Kupferäxte  mehr  zur  Zier 
als  zur  Waffe  gedient  haben. 

Dass  die  „ancient  miners“  mit  dem  Schmelz- 
proeesse  keineswegs  bekannt  waren,  unterliegt  wohl 
keinem  Zweifel.  Dem  leicht  zu  formenden  gedie- 
genen Kupfer  wurde  auf  kaltem  Wege  jene  oft 
sehr  hübsche  und  zierliche  Form  gegeben.  Als  ein 
sicherer  Beweis  dafür  mag  es  wohl  gelten,  dass 
man  bei  manchen  Stücken  grössere  und  kleinere 
| Körner  gediegenen  Silbers  cingcschlossen  fand  (auf 
Isle  royal  besonders,  aber  auch  in  der  Nähe  von 
Honghton  kommt  gediegen  Silber  mit  gediegen 
Kupfer  zusammen  vor),  die  sich  beim  Schmelzen 
mit  Kupfer  legirt  hätten.  In  der  Bearbeitung  des 
Kupfers  hatte  man  aber  eine  ganz  eminente  Fer- 
tigkeit erlangt.  Es  erzählt  der  florentinisclie  See- 
fahrer Giovanni  Verazzano,  welcher  auf  Befehl 
Franz  I.  von  Frankreich  der  atlantischen  Küste 
Amerikas  entlang  segelte,  dass  er  die  schönsten 
Gegenstände,  Ohrringe,  Aextc  u.  s.  w.,  sorgfältig 
polirt  und  beinahe  dem  Golde  ähnlich  fand.  Bemal 
Diaz,  welcher  Corte z auf  seiner  Expedition  nach 
Mexiko  begleitete,  erzählt,  dass  jeder  Eiugeborne 
ausser  seinen  anderen  Schmucksachen  noch  eiue 
„goldene“  Axt  bcsass,  welche  überaus  ncliön  und 
reich  verziert  war.  Die  Spanier,  davon  sehr  ent- 
zückt, tauschten  in  wenigen  Tagen  tiOD  dieser 


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„goldenen“  Aexte  für  allerlei,  den  Amerikanern 
neue  Gegenstände  als  Glasperlen  etc.  ein  und  ; 
waren , bis  die  Enttäuschung  folgte  und  die 
„goldenen*  Aexte  sich  als  schön  poürtcs  Kupfer 
erwiesen,  sehr  glflrklich  über  ihren  Handel.  Als 
Col umbus  auf  seiner  vierten  Reise  die  Guanaja- 
Inseln  besuchte,  fand  er  kleine  Streitäxte,  Glöck- 
chen und  Plättchen  aus  Kupfer.  Woher  das  Metall 
zu  diesen  letztangeführten  Sachen  genommen  wurde, 
vermag  ich  nicht  auzugeben,  merkwürdig  ist  nur 
die  Uebereinstimmung  der  Form  dieser  Utensilien 
mit  jenen  der  „mound-builders*. 

Der  Abbe  Brasseur  de  ßourbourg  schloss 
aus  den  Funden,  welche  er  in  Mexiko  machte, 
verglichen  mit  jenem  an  den  Ufern  des  Mississippi, 
dass  die  friedlichen,  ackerbautreibenden  „raound- 
buildcrsu  von  einem  aus  dem  Westen  kommenden 
kriegerischen  Volksstamme  von  ihren  Wohnsitzen 
gegen  Süden  gedrängt  wurden  und  dort  den  Grund 
legten  zu  all  den  Kunstwerken,  welche  bei  der 
Entdeckung  dieses  Landes  von  den  Europäern  an- 
getroffen  wurden.  Brasseur  legt  die  Zeit  dieser 
Auswanderung  1000  Jahre  v.  Chr. ; um  welche  Zeit 
die  Einwanderung  in  die  Thftlcr  des  Mississippi 
statlfand,  ist  wohl  nicht  zu  bestimmen.  Während 
der  ßlüthezcit  der  „mound-buildcrs“  dürfte  die  Ein- 
wohnerzahl dieser  Provinzen  keine  geringere  ge- 
wesen sein  als  heute.  *) 


Sitzungsberichte  der  Localvereine. 

Der  schleswig-holsteinische  Zweig- 
verein  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft 

hielt  am  lf».  März  in  Kiel  unter  dem  Vorsitz  des 
Hrn.  Prof.  Dr.  Pansch  seine  erste  Versammlung. 
Ur.  Pansch  sprach  über  die  Ziele  der  Anthropo- 
logie im  Allgemeinen,  über  die  speciellcn  Aufgaben 
des  neugcgrüudetcn  Zweigvereins,  der  bereits  gegen 
120  Mitglieder  zählt,  und  knüpfte  daran  einige 
geschäftliche  Mittheilungen. 

Hr.  Professor  Handel  mann  gab  dem  Verein 
Kcnntniss  von  dem  nunmehr  definitiv  bestimmten  • 
Programm  der  auf  die  Tage  vom  12.  bis  14.  August 

*)  Der  Berggeist.  Zeitung  für  Berg-,  Hütten-  1 
wesen  und  Industrie.  Köln.  XXIII.  Jahrgang  1878 
Nr.  11. 


anheranmten  Generalversammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  in  Kiel.  Alsdann 
zeigte  er  zwei  kleine  Bronzeringe  vor,  welche  bei 
Bönebüttel  unweit  Neumünster  in  einer  Urne  ge- 
funden worden,  und  sprach  ferner  über  einige  in 
den  letzten  Jahren  in  Holstein  aufgedeckte  Skelet- 
gräber aus  der  älteren  Eisenzeit.  lieber  die 
Begräbnissweise  der  Bevölkerung  des  Landes  in 
der  letzten  vorchristlichen  Culturpcriode  ist  wenig 
Sicheres  zu  sagen.  Nach  einer  Stelle  bei  Helmold 
darf  man  annehmen,  dass  die  Slaven  ihre  Todten 
verbrannten;  desgleichen  wohl  auch  die  Sachsen, 
wenn  man  das  von  Karl  dem  Grossen  erlassene 
Verbot  gegen  die  Leichcnverhrcnnnng  bei  den 
südlich  der  Elbe  wohnenden  Sachsen  auch  auf  die 
nordclbischeti  ausdelmen  darf.  Auf  Seeland  und 
in  Mecklenburg  sind  bekanntlich  reich  ausgestattete 
Skeletgräber  der  älteren  Eisenzeit  aufgedeckt  wor- 
den; die  bis  jetzt  in  Holstein  bekannten  sind  da- 
hingegen höchst  ärmlich  mit  Beigaben  ausgestattet. 
Bei  Siggeneben  (s.  Beschreibung  des  Fundes  in  der 
Nr.  10  des  Uorresp.-Bl.  v.  J.  1874)  wurde  nur  ein 
kleines  eisernes  Messer  gefunden;  bei  Prasdorf 
(Probstei)  fand  man  im  Spätherbst  des  vorigen 
Jahres  unter  einem  Bachen  Steine  mit  kleineren 
Steinen  umgehen  drei  Skelete,  neben  jedem  ein 
eisernes  Messer  und  hei  einem  ausserdem  ein  T bon- 
ge fäss  vom  Typus  der  frühen  Eisenzeit.  Neuer- 
dings sind  bei  Heringsdorf  unweit  Neustadt  fünf 
Skelete  gefunden,  wie  es  heisst  ohne  alle  Beigaben. 

Der  Schüdel  von  Siggeneben  ist  im  Corresp.-Bl. 
a.  a.  O.  nach  den  Messungen  des  Hm.  Prof.  Pansch 
beschrieben.  Derselbe  zeichnete  sich  aus  durch 
auffallende  Länge.  Von  dem  Prasdorfer  Funde  ist 
nur  ein  Schädel  in  den  Besitz  des  Kieler  Museums 
gekommen;  auch  dieser  ist  dolichocephaL  Die 
lleringsdorfcr  Skeletfunde  sind  noch  nicht  ein- 
gesandt.  Hr.  Handel  mann  erinnert  an  ein  früher 
in  dem  Kosshüc  bei  Moldcnit  gefundenes  Skelet 
(s.  Kieler  Berichte  28  und  30),  welches  er  gleich- 
falls in  die  Eisenzeit  zu  setzen  sich  veranlasst  findet 
und  welches , im  Gegensatz  zu  den  vorigen , eine 
brach)  ccphale  Kasse  repräsentirL 

Hr.  Pansch  knüpft  daran  die  Bemerkung, 
dass  man  die  Langschädel  der  Flach-  oder  Reihen- 
gräber noch  vor  kurzem  als  germanisch  auffasstc. 
dazu  jedoch  alle  Berechtigung  verloren  habe,  weil 
Schädel  desselben  Typus  bis  weit  nach  Russland 
hinein  und  in  westlicher  Richtung  nach  Frankreich 
sich  erstrecken. 


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55 


Ilr.  Capitainlieutcnant  Strauch  spricht  über 
die  angeblich  vergifteten  Pfeile  der  Südsoc- 
in su Inner.  Ilr.  Strauch  befand  sich  am  Bord 
der  „Gazelle“  auf  der  Reise  nach  den  Kerguelen- 
iuseln  (1874—76)  und  hatte  vielfach  Gelegenheit, 
mit  den  Eingeborenen  der  S&dseeinseln  zu  verkehren 
und  unter  anderem  auch  deren  Waffen  besondere 
Beachtung  zu  widmen.  Er  beschreibt  die  Pfeile 
der  Bewohner  von  Neuguinea,  unter  welchen  einige 
von  mittlerer  Grösse  eine  Spitze  hatten,  die  er 
nicht  kannte.  Der  Eingeborene  nannte  sie  lkan-fari. 
lkan  heisst  im  Malaischcn  Fisch,  der  Gattungsname 
wird  dem  ikan  nachgesetzt.  Ein  an  Bord  anwesender 
Geologe  hielt  die  Spitze  für  einen  Rochenstachel. 
Als  der  Eingeborene  ihm  eine  BQchse  mit  Rochen- 
stacheln (neff-neff)  überreichte , that  er  sehr  vor- 
sichtig damit  und  machte  durch  Pantomimen  ver- 
ständlich, dass  eine  Verwundung  mit  denselben  den 
Tod  herbeiföhrc.  Diese  Mittheilung  interessirte 
Redner  um  so  lebhafter,  als  gerade  damals  der 
Commodore  des  englischen  Geschwaders  Goode- 
nuugh  auf  den  Santa-Cruz-lnscln  nebst  zweien 
Matrosen  von  einem  vergifteten  Pfeile  meuchlings 
getroffen  und  in  Folge  der  Verwundung  gestorben 
war.  Nach  einer  Beschreibung  der  auf  anderen 
besuchten  Inseln  vorkommenden  Pfeile  widmete 
Redner  dem  tragischen  Ereigniss  an  Bord  der 
„Pearl“  weitere  Beachtung,  weil  das  Resultat  der 
dadurch  hervorgerufenen  Untersuchung  bezüglich 
der  Beschaffenheit  und  Wirkung  der  angeblich  ver- 
gifteten Pfeile  auch  für  Angehörige  des  deutschen 
Reiches,  welche,  sei  es  in  Ilandelsinteressen  oder 
mit  der  kaiserlichen  Marine  in  jene  Gewässor 
kommen,  seinen  Nutzen  haben  kann. 

Der  Melbourne  Herald  brachte  damals  eine 
ausführliche  Beschreibung  der  Pfeile,  durch  welche 
Goodenough  und  seine  Genossen  den  Tod  ge- 
funden. Dem  Häuptling  einer  benachbarten  Insel 
verdankte  der  Verfasser  des  Artikels  ausführliche 
Nachrichten  über  die  Anfertigung  derselben.  Die 
zwei  Zoll  lange  Spitze  ist  aus  dem  Schenkelkuochcn 
einer  sechs  Monate  alten  Leiche  gemacht,  aufge- 
spaltcn  und  dadurch  mit  Widerhaken  versehen. 
Diese  Spitze  wurde  in  das  verwesende  Heisch  eines 
etwa  eine  Woche  alten  menschlichen  Leichnams 
gestossen,  wo  sie  8 — 10  Tage  stecken  blieb. 
Danach  wurde  sie  in  eine  Gallerte  aus  einer  auf 
den  Sfidseeinseln  wachsenden  Giftpflanze  getaucht. 
Die  Spitzo  wurde  so  lose  an  den  Schaft  befestigt, 
dass  sie  bei  dem  Versuch,  den  Pfeil  aus  der  Wunde 


zu  ziehen,  sich  löste  und  iu  dem  Fleische  stecken 
blieb.  Nach  6 — 7 Stunden  tritt  nach  einer  Ver- 
wundung durch  einen  so  bereiteten  Pfeil  der  Tod 
ein.  Ein  Gegengift  gibt  es  nicht.  So  die  Be- 
schreibung des  Häuptlings.  Der  Arzt  am  Bord 
der  „Pearl“  glaubte  indessen  in  Folge  eigener 
Beobachtungen  nicht  an  die  giftige  Wirkung  der 
Geschosse,  und  das  Resultat  seiner  eingehenden 
Untersuchung  ergab,  dass  der  Tod  niemals  un- 
mittelbar erfolgte,  sondern  in  Folge  eines  sich  ein- 
st eilenden  Starrkrampfes.  Bei  dem  Commodore 
Goodenough  und  zweien  Seeleuten  trat  dieser 
erst  am  sechsten  Tage  ein;  die  anderen  drei  Ver- 
wundeten genasen  nach  11 — 25  Tagen.  Hunde 
und  Tauben,  die  mit  denselben  Pfeilen  verwundet 
wurden,  starben  nicht.  Der  Tod  tritt  demnach 
nicht  in  Folge  eines  pyämischen  oder  scpticämischen 
Proccsscs  ein,  sondern  unter  Erscheinungen  vou 
Starrkrampf,  welcher  thcils  durch  klimatische  Ein- 
güsse, theils  durch  Gemüthsbewcgung  befördert 
wird.  Die  Eingeborenen  überdies  sind  znm  Starr- 
krampf stark  disponirt.  Durch  reizende  Behandlung 
der  Wunden,  durch  die  reizenden  Stoffe,  in  welche 
die  Pfeile  gesenkt  waren,  kann  derselbe  allerdings 
befördert  werden.  Der  Hauptfactor  ist  indessen 
der  eingewurzelte  Glaube,  dass  nach  einer  solchen 
Pfeilverwundung  ein  Entrinnen  von  sicherem  Tode 
nicht  möglich  ist.  Gelänge  cs,  diesen  Glauben  zu 
bekämpfen,  so  wäre  nach  der  Ueberzeugung  des 
Arztes  am  Bord  der  „Pearl“  damit  das  wirksamste 
Heilmittel  für  die  Pfeilwunden  in  den  australischen 
Gewässern  gefunden. 

Nach  einer  Aufforderung  des  Vorsitzenden  über- 
nahm der  Schriftführer  des  Vereins,  Frl.  Mestorf, 
über  einen  in  Südcrdith rnarscbeu  bei  dem 
Dorfe  Eddelack  gehobenen  Fund  zu  referiren. 
Kenntniss  von  demselben  verdankt  der  Verein  dem 
Hrn.  Dr.  med.  Hart  mann  in  Marne,  welcher  eine 
Auswahl  von  Fundobjecten  zur  Ansicht  gesandt 
hatte.  Hr.  Hart  mann  erfuhr  im  November  v.  J., 
dass  in  der  Nähe  von  Eddelack  unzählige  Urnen 
gefuuden  seien.  Er  begab  sich  dorthin  and  faud 
nicht  nur  das  Gerücht  bestätigt,  vielmehr  seine 
Erwartungen  bei  weitem  übertroffen.  Der  Eigen- 
tümer einer  Marsch-Fenne  von  circa  IV*  ha.  Hess 
dieselbe  tiefgraben,  um  den  unter  l'/t  Fuss  Acker- 
krume, 3 Fuss  unfruchtbarer  Murscherde  (Dwoog), 
2 Fürs  Torf  und  1 Fuss  Bittererde  lagernden 
Mergel  zu  gewinnen.  Es  wurden  zu  dem  Zwecke, 
wie  es  dort  üblich,  lt)  Fuss  breite  Gräben  angelegt, 


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welche,  nachdem  der  nöthige  Bedarf  an  Mergel  | liehen  Interesse  unternommen  nnd  ausgeführt  wur- 
herausgcholt , mit  der  unfruchtbaren  Erde  wieder  | den,  so  konnte  auch  diese  Pfahlsetzung  nur  in  der 
gefällt  werden.  Bei  dieser  Arbeit  waren  in  der  Grabenbreite  beobachtet  werden.  Sie  bildete  eine 
unter  der  Ackerkrume  lagernden,  1 Fuss  mächtigen  Doppelreihe  mit  einem  Abstand  von  II — 12  Kuss 
oberen  (schwarzen)  Dwoogschicht  die  sog.  Urnen  und  einem  Zwischenraum  zwischen  den  einzelnen 
gefunden.  „Wo  man  den  Spaten  cinscnktc,  da  Pfählen  von  je  3 Fass.  Bemerkenswert!!  ist,  dass 
knirschte  es* , sagten  die  Arbeiter,  und  mit  der  zwischen  den  Pfahlreihen  und  noch  10  Fass  zu 
Erdscholle  wurden  irdene  Scherben  anfgeworfen.  beiden  Seiten  Aber  dieselben  hinaus  die  regel- 
Nach  ihrer  Berechnung  hätten  circa  10  Urnen  auf  raässige  Schichtung  des  Bodens  gestört  war  nnd 
dem  Kaum  von  1 Qm  gestanden (?).  Hr.  Dr.  Hart-  der  Boden  in  einer  schwärzlichen  Erde  bestand, 
mann  glaubte  einen  Urnenfriedhof  entdeckt  zu  Die  Arbeiter  glaubten,  dass  seiner  Zeit  ein  Bassin 
haben;  Referent  fand  sich  nach  den  ausführlichen  gegraben  worden  nnd  in  dieses  die  Pfähle  ein- 
Berichten  und  den  zur  Ansicht  eingesandten  Fund-  gerammt  seien.  Zwischen  dcu  Pfählen  lagen  in 
Stöcken  eher  geneigt,  in  denselben  die  Spuren  der  Moorschiebt  (also  3—4  Fuss  unter  dem 
einer  grösseren  Wohnstätte  ans  vorhistorischer  Zeit  schwarzen  Dwoog)  massenweise  dieselben  Fond- 
zu  vermuthen.  Für  Hm.  Hartmann’s  Annahme  objecto , welche  in  der  Nahe  der  Ilerdstcllon  nnd 
schieu  ein  Gefäss  mit  caleinirten  Knochen  zu  sprechen,  überhaupt  im  schwarzen  Dwoog  gefunden  waren, 
welches  etwas  tiefer  im  gelben  Dwoog  gestanden  1 Ausser  zahllosen  irdenen  Scherben,  Massen  von 
hatte,  umgebon  von  K anderen  Gefüsseo;  allein  eine  Thierknochen,  zum  Theil  zerstückt  und  gespalten, 
von  Ilm.  Professor  K.  Möbius  vollzogene  Unter-  Uebcrrcstc  der  gewöhnlichen  Hausthiero  (Rind,  Pferd 
suchung  der  Knochen  ergab,  dass  es  keine  mensch-  kleiner  Rasse,  Schaf,  Ziege,  Schwein  uud  ausserdem 
liehen  Uebcrrcstc,  sondern  Thierktiochcn  waren.  Edelhirsch);  ferner  jene  bekannten  pyramiden- 
Somit  fehlte,  was  man  auf  einer  Begräbnisstätte  | förmigen  Webstuhlgcwichtc(V)  von  gebranntem  Thon ; 
vor  allem  zu  liuden  erwarten  darf:  die  mensch-  ! Spindelsteine,  konische  und  von  der  Mitte  nach  oben 
liehen  Gebeine,  verbrannt  oder  unverbrannt.  Für  I und  unten  sich  verjüngend  und  plan  abgeschnitten ; 
die  Auffassung  der  Localität  als  Wohnstätte  spricht  Thonpcrlen,  darunter  ciuc  gekerbt,  wie  die  be- 
folgendes. Bei  dem  senkrechten  Abstich  der  Graben-  kannten  römischen  Perlen  von  hellblauer,  oft  ins 
wände  bemerkte  mau  wiederholt  in  der  (’ultursehicht  Grünliche  spielender  Glasfritte  und  offenbar  eine 
wagerechte  oder  gewellte  ziegelrotbc  Linien.  Eine  Nachbildung  solcher;  eine  Bernsteinperle,  eine  zarte 
Untersuchung  liess  bei  der  Abräumung  derselben  beinerne  Nadel,  ein  eiserner  Nagel  und  zwei  un- 
erkennen,  dass  es  durch  die  Gluth  des  Feuers  kenntliche  Eisenfragmente.  Am  reichsten  vertreten 
rothgebrannte  Lehmplatteu  waren  , und  in  der  waren  die  Thongebildc.  Zwischen  der  Pfahlreihe  fand 
Nähe  dieser  Lehmplatten  wurden  die  meisten  der  i man  z.  B.  über  20  mehr  oder  minder  vollständige 
weiter  unten  benannten  Artefacte  gefunden.  Diese  I Webstuhlgewichte.  — Die  zahllosen  Scherben  zeigen 
Estriche  als  Herdstätten  aufzufassen,  fühlt  man  sich  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Formen  «ml  Oma- 
umsomehr  berechtigt,  als  unter  den  Fundstücken  mente.  Kleine  zierliche  Näpfe  von  5 — 7 cm  neben 
sich  auch  jene  formlosen  gebrannten  Lchmstücke  I Fragmenten  von  Gefässen,  die  einen  Durchmesser 
befinden,  die  man  auch  anderwärts  gefunden  und  von  2 Fuss  gehabt  haben  dürften.  Die  Ornamente, 
als  Fragmente  von  dem  Wandbewurf  der  zerstörten  j die  technische  Behandlung,  die  Formen  zeigen  alle 
Häuser  aufgefasst  hat.  in  die  frühe  Eisenzeit,  etwa  ins  3.,  4.  Jahrhundert. 

Die  Herdstatten  fand  man  hauptsächlich  auf  Besonders  interessant  sind  ein  Thonsieb  und  ein 
dem  Nordende  des  Ackers,  nach  der  Mitte  hin  Fragment,  wo  der  Henkel  mit  zwei  Zapfen  in  zwei 
wurden  sic  kleiner  und  spärlicher.  Nach  Südosten  kreisrunde,  in  den  frischen  Thon  gebohrte  Löcher 
aber  sticssen  die  Arbeiter  bei  Austiefung  des  einfasst.  Als  Henkel  leistete  er  keinen  Nutzen. 
10  Fuss  breiten  Grabens  in  der  Tiefe  von  3 Fuss  Kann  derselbe  etwa  als  Hähnchen  gedient  haben? 
auf  Pfähle,  welche  hei  8 Fass  Länge  bis  tief  iu  lieber  den  Zusammenhang  zwischen  der  Pfahl- 

den  Mergel  hinabreirhten.  Sie  waren  1 * — 3«  Fuss  Setzung  und  den  Herdplätzen  weiss  man  zur  Zeit 
stark,  nach  unten  mit  einem  scharfen  Instrument  nichts.  Einzelne  Pfähle  sind  auch  an  anderen 
abgespitzt.  Da  die  kostspieligen  Krdarbeiten  nicht  Stellen  vorgekommen.  Standen  sie  vielleicht  in 
im  archäologischen,  soudcni  im  lundwirthschaft-  einem  die  Ansiedlung  umgehenden  Abzugsgraben? 


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Es  sind  im  Hinblick  auf  die  Terrainverhältnisse 
noch  manche  Räthscl  zu  lösen.  Es  heisst  gemeinig- 
lich, die  Marsch  wurde  erst  besiedelt  nach  der 
Eindeichung.  Wie  weit  diese  zurückreiclit , weiss 
man  nicht.  Es  wird  das  12.  Jahrhundert  genannt. 
Man  hat  zwar  die  Beschreibung  von  den  Wohnungen 
der  ('hauken,  welche  Plinius  in  seiner  Natur- 
geschichte gibt,  auch  auf  die  Bevölkerung  unserer 
Westküste  bezogen;  allein  diese  auf  Wurth en  be- 
legcncn  Behausungen  kommen  hier  nicht  in  Betracht. 
Hier  standen  die  Wohnungen  in  Gruppen  in  der 
flachen  Marsch,  auf  dem  regelmässig  geschichteten 
Alluvialhoden.  Urkundlich  wird  Eddelack  (Ethclckes- 
wisch)  1140  zum  ersten  Mal  genannt,  und  zwar  wird 
als  ausserordentlich  hervorgehoben,  dass  die  Be- 
wohner Ackerbau  zu  treiben  begonnen,  während 
in  der  Umgegend  das  Land  nur  als  Viehweide  aus- 
genutzt wurde.  Dass  der  Ort  um  viele  Jahrhunderte 
älter  sei,  hatte  man  bisher  nicht  geahnt;  noch 
weniger  hatte  man  Beweise  dafür,  welche  jetzt  in 
den  aus  der  Tiefe  gehobenen  Fundstücken  vor  Augen 
liegen.  — Die  Arbeiten  werden  nach  14  Tagen 
beendigt  sein,  und  schwerlich  dürfte  sobald  wieder 
sich  eine  Gelegenheit  bieten , in  die  Geheimnisse, 
die  dieser  Acker  birgt,  einzublicken. 

Ilr.  Pansch  ist  einverstanden,  dass  eine 
Localbesichtiguug  unerlässlich,  und  thcilt  mit,  dass 
einige  Vorstandsmitglieder  beschlossen,  den  Ort  in 
allernächster  Zeit  zu  besuchen. 

Kleinere  Mittheilungen. 

Dcux  sinlions  Jacustres  Muer i gen  et  Aurernier.  : 
Rpoque  du  bronze.  Douze  planches  photographiques 
figurant  environ  400  objects  denii-grandeur  avec  notes  | 
et  explications  en  regard  par  le  Dr.  Victor  Gross. 
Neuveville  imprimerie  de  A.  Godet  1878.  in  Folio. 

Wer  die  herrliche  Sammlung  von  Pfahlbau- 
funden aus  der  Bronzeperiode  des  Hm.  Dr.  Gross 
in  Neuveville  kennt  oder  Gelegenheit  hatte,  die 
auf  die  VIII.  Hauptversammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  in  Constanz  im  Sep- 
tember 1877  mitgebrachten  und  gütigst  zur  Schau 
gelegten  Fundstflcke  zu  bewundern,  wird  darüber 
erfreut  sein  zu  erfahren,  dass  Ilr.  Dr.  Gross  die- 
selben auf  12  prachtvoll  erstellten  photographischen 
Blattern  mit  erklärendem  Text  in  einer  Mappe  heraus- 
gegeben hat.  Er  hat  noch  eine  Anzahl  dieser  Exem- 
plare zur  Abgabe  zur  Hand,  und  es  mag  manchseits 
erwünscht  sein,  davon  Kunde  zu  haben. 

Lndwig  Deiner. 


Ramsen,  13.  Mai  1877.  Hünengräber  finden 
sich  in  vielen  Gegenden  Europas,  so  auch  ins- 
besondere Deutschlands.  Auch  die  Rheinpfalz  kann 
deren  an  mehreren  Orten  aufweisen.  Ohne  Zweifel 
das  bedeutendste  und  umfangreichste  Gräberfeld 
dieser  Art  in  der  Pfalz  findet  sich  in  dem  Stumpf- 
waldc,  wo  auf  einer  Fläche  von  etwa  '/•  Quadrat- 
meile gewiss  einige  hundert  Grabhügel  zu  sehen 
sind.  Gestern  wurden  durch  die  Pollichia  und  den 
historischen  Verein  der  Pfalz  die  Ausgrabungen 
an  dieser  Stelle  begonnen,  und  gleich  am  ersten 
Tage  hatte  man  sich  bedeutender  Funde  zu  er- 
freuen. Bekanntlich  zerfallen  die  Hünengräber  in 
sog.  Sandgräber  und  Steingräber.  Beide  Arten  sind 
im  Stnmpfwaldo  vertreten;  doch  scheinen  letztere 
die  zahlreicheren  zu  sein.  E3  wurde  bis  jetzt  ein 
Hügel  durchgestochen  und  ein  anderer  umgegraben. 
Der  erstere  ist  ein  Sandgrab,  d.  h.  er  ist  ganz  aus 
Sand  und  Rasen  gebildet;  in  ihm  fand  man  ein 
Eiscnschwcrt  von  50  cm  Länge.  Der  andere  ist 
ein  Steingrab  von  50  m Umfang;  er  bestand  ans 
zwei  Schichten  gewaltiger,  zusammengefügter  Steine, 
zwischen  denen  die  Uebcrreste  der  Leiche  gefunden 
worden,  die  von  Westen  nach  Osten  lag,  das  Antlitz 
gegen  Osten  gekehrt.  Dies  Grab  wurde  IV«  m tief 
umgegraben,  bis  *}*  m unter  das  bewachsene  Bodcn- 
nivean.  Die  Funde  aus  demselben  sind:  1)  ein 
Halsring  (torques)  aus  Bronze  mit  eigentümlicher 
Schlicsse ; 2)  eine  weitere  solche  Schlicsse ; 3)  zwei 
Armringe  (Fingerringe  ?)  aus  Bronze,  in  jedem  der- 
selben staken  einige  durch  das  Metall  erhaltene 
Fingerknochen ; 4)  Reste  eines  Gürtels  oder  Panzers 
aus  Bronze,  der  inwendig,  wie  Fragmente  erkennen 
Hessen,  mit  Leder  bedeckt  war ; 5)  Reste  einer  roh 
gefertigten  Urne  und  einige  WTirbelknochen  in  fast 
gallertartigem  Zustande.  Sämmtliche  Funde  deuten 
auf  ein  sehr  hohes  Alter  und  rühren  jedenfalls  aus  der 
Zeit  vor  der  Berührung  mit  der  römischen  Cultur  her. 

Den  Besuchern  der  Constanzer  Versammlung, 
sowie  Allen,  welche  sich  für  die  Frage  nach  der 
Aechtheit  der  Thayinger  Funde  interessiren, 
diene  zur  Nachricht,  dass  ich  in  dem  renomrairten 
Geschäft  von  A.  Stotz  hier  die  beiden  werth- 
vollsten Stücke  der  Museen  von  Constanz  und 
Schaffhausen  (den  Moschusochsen  und  das  Doppel- 
köpfchen) in  galvanoplastischem  Silbcrnicdersrhlag 
fertigen  Hess.  Das  Stück  kostet  2 Mk.  50  Pfg. 
Aufträge  vermittle  ich  geme. 

Stuttgart  im  Januar  1878. 

Dr.  Oscar  Fraas. 


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Nachricht  für  die  Besncher  von  Lübeck. 

Infolge  eingegangener  Mittheilung  des  Vereins  für  Lflbeckisrhe  Geschichte  und  Altcrthumsknnde 
unterbleibt  die  für  den  10.  August  beabsichtigte  Ausgrabung  im  Kitxer&uer  Gehege  (siehe  Programm  der 
IX.  Generalversammlung),  da  sich  der  Aufdeckung  des  in  Aussicht  genommenen  grossen  Grabhügels 
wesentliche  Schwierigkeiten  entgegenstellen. 

Heinrich  Handelznann,  Kollmann, 

Geschäftsführer  für  Kiel.  Generalsekretär  zu  Hasel. 


Bei  der  Bedactiou  eingelaofen  bis  Anfangs  April  1878: 

Archäologische  Mittludlungen.  Sep.-Abdr.,  enthaltend  Miltheiliingen  von  Handolmann,  J.  Mostorf  it.  A 
Bulletin  of  the  U.  S.  Geol.  and  (Jeogr.  Survey  nf  the  territorie*  Vol.  III.  Nurah.  4.  Washington  Aug.  1877. 

Dali  W.  H. : Tribes  of  the  extreme  Northwest.  Part  I.  U.  8.  Geographical  and  Geologiral  Survey  of  the  Kock) 
Mountain  Region.  1877.  4®.  Mit  1 Karte  mul  zahlreichen  Holzschnitten. 

Gcnthe  II.  Pr. : Alterthüiner  aus  dem  FürstontkUni  Waldeck  und  Pyrmont.  Mengeringhausen,  Prack  der  Weigel- 
selten  llofbuchdruckerei.  1877.  4“ 

Sehring  Alfr.  Dr. : Pie  quaternären  Faunen  von  Thiede  und  Westeregeln  liebst  Spuren  des  vorgeschichtliche» 
Menschen.  Arch.  f.  Anthropologie  Bd.  X u.  XI.  Sep.-Abdr. 

Pigortni  L.:  Le  Abitazioui  lacustri  di  Peschiera.  Reale  Accademia  dei  Liucei  1876—77.  Roma.  4* 

Kuh  Charles:  The  Arcbaeological  Collection  of  the  U.  S.  National  Museum  in  Charge  of  the  Smithsonian  Institution 
Washington  City.  1876.  4®.  Mit  zahlreichen  Holzschnitten. 

Mosrlnj  II.  N.,  late  Naturalist  on  board  H.  M.  S.  „Challenger* : On  the  inhabitants  of  the  Adrniraliiy  Islands  etc. 
Mit  4 Taf.  Journ.  of  the  Anthr.  Inst.  (London.) 

irwrmhrawd  Gundaker:  l'eber  die  achte  Jahresversammlung  der  deutschen  anthr.  Ges.  Sep.-Abdr.  a.  d.  Mittb 
d.  anthr.  Ges.  in  Wien.  1877. 

Derselbe:  Bericht  über  den  VIII.  internationalen  CongTess  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  in  Pest. 

Ebenda  No.  1 tt.  2 und : In  Betreff  thönerner  Lampen  und  Löffel  No.  4 u.  f>. 

Derselbe:  Bohrung  von  Steingeräthen  mittels  Horn  und  Knochen.  Ebenda. 

Compte-rendu  de  la  huitieme  Session  du  Congres  international  et  d'Areheologie  prihistorique.  Budapest  1870. 

I.  Bd.  Budapest  1877. 

FUgiee  Pr.:  Zur  Ethnographie  Noricums.  Sep.-Abdr.  aus  den  Mittheilungeu  der  anthr.  Ges.  in  Wien.  Bd.  VII, 
1877,  No.  10. 

Derselbe:  Zur  Scythenfrage.  Ebenda  No.  11  u.  12. 

Ilamy  E.  T. : Etüde  sur  la  gendae  de  la  Scaphocephalie.  Kxtrait  des  Bulletins  d.  1.  Soc.  d' Anthr.  de  Paris. 
17  Dec.  1874. 

Derselbe:  Los  Alfurous  de  Gilolo  d’aprto  de  nouveanx  renseignements.  Extrait  du  Bulletin  de  la  Socidtd  de 
Geographie.  Mai  1877. 

Jiatnud  of  the  Anthropological  Institute  of  Groat  Britain  and  Ireland.  Vol.  VII.  No.  1. 

Kopemicki  D.  J. : Nowy  Przyczynok  etc.  Neue  Beiträge  zur  urgeschichtlichen  Anthropologie  des  polnischen 
Landes.  Krakau  1877. 

1.  Von  einem  Leichenbe&tattungsgrabe  auf  dem  Drnonfolde  von  Kwacsata. 

2.  Ueber  die  menschlichen  Knochen  und  Schädel  aus  den  Grabhügeln  von  Radzimiu  in  Volhynieu 
Exquisite  Dolichocephalie. 

3.  Ueber  die  menschlichen  Knochen  und  Schädel  aus  den  neuen  Ausgrabungen  im  galiziscben  Podolien 
(Dolichocephalie.) 

fanJutssek  Jos.  de:  Description  d’un  eräne  macrooophale  deforme  et  d’un  eräne  de  Pdpoqne  barbare  trouvfa  en 
Hongrie.  Avec  deux  Planches.  Budapest  1877, 

Luschnn  F.  v.:  Mittheilungeu  aus  dem  Museum  der  Wiener  anthropologischen  Gesellschaft.  A.  d.  VI.  1kl.  der 
„Mittb.  der  anthr.  Ges.  in  Wien“  bes.  abgedrnckt.  Wien  1877. 

Much  M.:  Ueber  prähistorische  Bauart  und  Ornamentirung  der  menschlichen  Wohnungen.  Ebenda  No.  11  u.  12. 
Mestorf  J.:  Die  vaterländischen  Alterthüraer  Schleswig-Holsteins.  Hamburg  1877. 
liehmann  n.  Ecker:  Zur  quaternären  Fauna  des  Donauthaies.  Arch.  f.  Anthr.  Bd.  X. 

Sadowski  J.  N.  t*.  Die  Handelsstrassen  der  Griechen  und  Römer.  Aus  dem  Polnischen  von  Alb  in  Koltn 
Jena  1877. 

Schluss  der  Redaction  am  20.  Juni.  — Druck  ron  II.  OUlcnhovrg  in  München . 


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Die  deutsche  Gesellschaft  für  Anthropologie, 
Ethnologie  und  Urgeschichte 


hat  sich  seit  ihrer  Gründung  im  Jahre  1870  durch  ihre 
Fhätigkeit  auf  dem  ganzen  Gebiete  der  anthropolo- 
gischen Forschung  bereits  die  Anerkennung  der  Ver- 
treter der  Wissenschaft  in  Deutschland  wie  im  Auslande 
erworben.  Sie  darf  für  ihre  Forschungen  auf  das 
Interesse  und  die  Theilnahme  aller  gebildeten  Kreise 
des  deutschen  Volkes  rechnen.  Das  Archiv  für  An- 
thropologie sowie  das  Correspondenzblatt  der  Ge- 
sellschaft und  die  Berichte  über  die  allgemeinen  Ver- 
sammlungen derselben  geben  Rechenschaft  von  den 
Arbeiten,  welche  dieselbe  bereits  geleistet,  und  von 
solchen,  mit  deren  Ausführung  sie  noch  beschäftigt  ist. 
Ihren  Untersuchungen  stehen  öffentliche  Mittel  nicht 
zu  Gebote.  Je  mehr  sie  aber  durch  die  wachsende 
Zahl  ihrer  Mitglieder  über  Mittel  verfügen  kann  zu 
ihren  Publikationen,  zu  statistischen  Erhebungen,  zur 
Herstellung  von  Karten,  zu  Ausgrabungen  u.  dgl., 
um  so  reicher  und  fruchtbringender  wird  sich  ihre 
Thätigkeit  gestalten. 


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60 


kUrlieh  Angenommenen.  Ueberdies  lässt  sich  der 
Längsdurchmesser  so  ganz  in  Uebereinstimnmng 
mit  der  Horizontalen  nur  mit  Hilfe  des  Spengel- 
schen  Craniometers  abnehmen.  Nachdem  aber 
dieses  Instrument  nur  für  das  craniologische 
Material  der  Sammlungen  nicht  für  die  Unter- 
suchung an  Lobenden  verwendbar , überdies  auf 
Reisen  wogen  seines  Umfangs  nicht  überall  zur 
Stelle  zu  schallen  ist,  so  wurde  anerkannt,  dass 
auch  der  Virchow’sche  Craniometer  verwendet 
werden  könne  für  die  Abnahme  des  Längsdurch- 
messers mit  spezieller  Rücksicht  auf  die  Horizontale. 

Selbst  von  jenen  Craniologen,  welche  für 
die  ganze  Schärfe  mathematischer  Grundsätze  bei 
den  craniometrischen  Untersuchungen  eingetreten 
waren,  wurde  anerkannt,  dass  man  mit  dem 
Virchow  'sehen  Craniometer  hinreichend  scharf 
und  präzis  den  geraden  Längsdurchmesser  des 
Schädels  abnehmen  könne.  Die  Construction 
des  Instrumentes,  und  die  gute  Fixirung  der 
gleich  anzugebenden  Ausgangspunkte  des  „ge- 
raden Längsdurehmessers“  schliessen  den  Ge- 
danken aus,  als  sei  dieses  Maass  identisch  mit 
der  früheren  sog.  „grössten  Länge“.  Es  wird 
in  vielen  Fällen  der  gerade  Durchmesser  und 
der  der  grössten  Länge  gleiche  Zahlen  ergeben, 
aber  dennoch  existirt  ein  bemorkenswerther  Un- 
terschied sowohl  in  der  Methode  wie  in  der 
Gleichförmigkeit  des  dadurch  erzielten  Resultates. 

Die  craniometrische  Conferenz  in  München 
hat  sich  nun  für  folgenden  Längsdurchmesser 
geeinigt: 

Gerader  Längsdurchmesser  des 
Schädels:  von  dem  Nasenwulst  bis 

zum  vorr agendsten  Punkt  des  Hinter- 
hauptes, gemessen  mit  dem  Virchow’schen 
Craniometer  oder  einem  ähnlichen  Instrument, 
das  aber,  einem  Schustermaass  ähnlich  , einen 
horizontal  und  vertikal  verschiebbaren  Arm 
besitzt.  Der  verschiebbare  Arm  wird  vertikal 
nach  der  Höhe  des  Stirnbeins  gestellt , seine 
Spitzo  berührt  den  Nasenwulst,  während  der  fest- 
stehende Arm  den  hervorragendsten  Punkt  des 
Hinterhauptes  tangirt. 

Der  auf  diese  Art  gefundene  gerade  Längs- 
durchmesser des  Schädels  wird  bei  gerader 
Stirn  parallel  sein  mit  der  Horizontallinie  des 
Schädels.  Bei  fliehender  Stirn  und  geringem 
Nosenwulst  darf  man  jedoch  nicht  übersehen, 
nur  die  Spitze  der  verschiebbaren  Stange  über 
dem  Nasen wulst  anzusetzen.  Geschieht  dies  nicht, 
legt,  sich  der  Schenkel  an  die  Stirnfläche,  so  wird 
das  Maass  nicht  mehr  jenem  entsprechen,  das 
die  craniometrische  Conferenz  mit  dom  „geraden 
Längsdurchmesser“  im  Auge  hatte. 


Auf  den  Antrag  Prof.  Welcker's  hat  die 
Conferenz  sich  noch  für  die  Aufnahme  eines  zweiten 
1 Längsdurchmessers  entschieden,  der  in  die  Maass- 
tabelle aufzunehmen  ist.  Dieser  II.  Längsdurch- 
| messer  geht  von  der  Int ert uberalmitte 
zum  vorragendsten  Punkt  des  Hinter- 
, hauptes  und  ist  unabhängig  von  der  erwähnten 
Horizontalen. 

Die  Begründung  betonte , dass  eine  sehr 
, grosse  Anzahl  von  Messungen  vorliege,  welche 
j die  Länge  des  Schädels  nach  der  beantragten 
Art  festgestellt  hätte.  Man  dürfe  aber  den  Zu- 
sammenhang mit  den  früheren  Arbeiten  nicht 
ausser  Acht  lassen.  Ohne  eine  solche  Rücksicht 
würden  Resultate  werthlos,  deren  Gewinn  viele 
Zeit  und  Mühe  gekostet  , und  die  au  einem  oft 
geradezu  nicht  mehr  erreichbaren  Material  fest- 
gestellt worden  seien.  Dieser  Gesichtspunkt  ist 
gewiss  vollkommen  gerechtfertigt,  und  fand  denn 
auch  in  der  Weise  Berücksichtigung , dass  sich 
sämmtliche  Anwesenden  verpflichteten,  auch  diesen 
zweiten  Längsdurchmesser  in  das  Messschema  auf- 
zunehmen. Fassen  wir  die  gefassten  Beschlüsse 
nochmals  zusammen,  so  lauten  sie: 

1)  Für  die  Messung  der  Länge  des  Crani- 
ums  wie  für  die  Darstellung  durch  geometrische 
Zeichnungen,  Photographien  etc.,  hat  man  sich 
nach  einer  Horizontallinie  zu  richten. 

2)  Als  Horizontalliuie  gilt  jene  Gerade,  wel- 
che die  tiefste  Stelle  der  unteren  Kante  des  Au- 
genhöhlonrandes  verbindet  mit  dem  senkrecht  Über 
der  Mitte  der  Ohrütfming  gelegenen  Punkt  des 
Meutus  auditorius  externus. 

3)  Mit  Bezug  auf  diese  Horizontale  wird 
eine  Länge  gemessen,  welche  von  der  Mitte  des 
Nasenwulstes  bis  zum  vorragendsten  Punkt  des 
Hinterhauptes  reicht.  Die  Abnahme  dieses  Moasses 
kann  abgesehen  von  dem  Spengel’schen  Cranio- 
meter noch  mit  dem  Stangenzirkel  eorrect  abge- 
nommen werden. 

3)  Es  wird , um  einen  Vergleich  mit  den 
früheren  Längsmaassen  fortzuerhalten,  noch  eine 
zweite  Länge  gemessen,  unabhängig  von  der  Ho- 
rizontalen. Sie  reicht  von  der  Intert uberalmitte 
bis  zum  vorragendsten  Punkt  des  Hinterhauptes. 

Hiermit  schloss  die  Conferenz  in  der  Hoff- 
nung, dass  bald  weitere  Verhandlungen  das  be- 
gonnene Werk  zu  Endo  führen  möchten. 

Kollmann. 

Sitzungsberichte  der  Localvereine. 

Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Dauzig  vom  7.  November  1877. 

1.  Der  Vorsitzende  legte  zuerst  die  einge- 
gangeneu  Geschenke  vor.  Herr  Suter  hatte  aus 


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CI 


Loebcz  eine  sorgfältige  Beschreibung  zweier  Stein- 
kistengräber und  zweier  darin  gefundener  Gesichts* 
urnen  übersandt,  Hr.  Pfeffer  eine  sch5n  erhal- 
tene broncene  Pincette  aus  einem  Urnengrabe 
bei  Mewe,  Hr.  Lampe  mehrere  sehr  schön  ge- 
arbeitete indianische  Pfeilspitzen  aus  verschiedenen 
Theilen  der  W.  St.  Nordamerikas  t Hr.  Sachs 
aus  Cairo  vier  Mumienschädel  und  eine  Menge 
in  der  Wüste  gefundene  Feuersteinwaffen , Herr 
Boy  aus  Katzke 'endlich  den  Inhalt  eines  Uraen- 
grabes  mit  interessanten  Bronzebeigaben. 

2.  Herr  Dr.  Mannhardt  sprach  über 
mehrere  von  ihm  geleitete  Ausgrabungen  in  den 
Kreisen  Pr.  Stargardt  und  Danzig.  In  der  Pfingst- 
woche  dieses  Jahres  wurde  in  Gesellschaft  des 
Hm.  Gutsbesitzer  Gramms  auf  Rathsdorf  der 
auf  dessen  Grund  und  Buden  zwischen  Rathsdorf 
und  Miradow  belegene,  seit  Alters  so  genannte 
„Schlossberg“  untersucht.  Derselbe  bildet 
ein  9 tu  hohes  Doppelplateau  auf  einer  Halb- 
insel des  Pathensees  , welche  durch  eine  tiefe 
Schlucht  und  einen  zur  natürlichen  Schutzwehr 
dienenden  Hügel  auch  auf  der  Landseite  von 
dem  dahinterliegenden  Terrain  isolirt  und  von 
diesem  aus  nur  durch  einen  schmalen  Erdrücken 
zugänglich  ist.  Ausserdem  wird  diese  Seite  der 
Halbinsel  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  (70  m) 
auch  noch  durch  einen  15  in  über  dem  oberen 
Plateau  ansteigenden , künstlich  aufgeschütteten 
Wall  abgeschlossen  und  vertheidigt,  in  welchem 
der  Spaten  unter  der  oberen  Humuslage  eine 
Culturschicht  von  70  cm  Mächtigkeit  blosslegte. 
Dieselbe  enthält  eine  spärliche  Beimischung  von 
Holzkohlen  und  viele  zerbrochene  Urnenscherben 
grobkörnigen  Materials,  häufig  sehr  roth  gebrannt, 
oft  mit  Vorzierungen  versehen,  die  aus  eingeritz- 
ten wellenförmigen  oder  horizontalen , parallelen 
Linien  bestanden.  Keine  Thier-  oder  Menschen- 
knochen, keine  Metallgerätke  kamen  zum  Vor- 
schein. Die  ganze  Situation  entspricht  genau 
den  als  Wohnsitz  lettischer  Edeln  in  den  letz- 
ten Jahrhunderten  des  Heidenthums  historisch 
beglaubigten  Burgbergen  in  Kurland  und 
ähnlichen  Anlagen  in  Littauen  und  Ostpreussen. 
Die  Aufschüttung  zerbrochener  Scherben  von 
Hausgeräth  und  die  denselben  eingeritzten  eigen- 
thümlichen  Verzierungen  stimmen  dagegen  mit 
dem  Typus  der  Funde  in  den  slavischen 
Burgwällen , Pfahlbauten  und  Stadtanlagen  aus 
der  Zeit  des  8.  bis  12.  Jahrhunderts  Uberein. 
Es  war  somit  der  Ratlisdorfer  Schlossberg  ein 
Burgberg,  d.  h.  eine  nach  lettischer  Bau- 
weise hergestellte  Burganlage,  aber  dereinst  be- 
wohnt und  benutzt  von  Leuten , welche  nach 
slavischer  Sitte  lebten.  Diese  Mischung  eth- 


nographischer Charakterzüge  entspricht  genau 
der  geographischen  Lage  des  Fundortes  auf  dem 
Boden  eines  slavischen  Volksstainmes , hart  an 
der  Grenze  eines  lettischen  Volkes,  der  Pome- 
ranier.  Ein  Situationsplan  und  Zeichnungen  der 
gefundenen  Töpferei  erläuterten  diesen  Nachweis. 

Einige  Tage  vorher  fand  die  Untersuchung 
mehrerer  Steinkreise  am  Schwarzwasserfiuss  süd- 
lich von  Bordzichow  gegenüber  den  Ausbauten 
von  Ossowo  statt.  Dieselben  erwiesen  sich  ganz 
analog  den  von  Dr.  L i s s a u e r bei  Krissan  und 
von  Sanitätsrath  Dr.  Bohrend  bei  Meist erwalde 
untersuchten  Steinsetzungen.  Nur  einen  einzigen 
Steinring  jedoch  erwies  die  Nachgrabung  als  im 
Innern  noch  einiger massen  intact  erhalten. 

In  einer  Tiefe  von  1 xJt  m lagen  auf  dem 
gewachsenen  Boden  mit  den  Füssen  nach  Westen 
gekehrt  zwei  Skelette  mit  dolicbocephalen  Schä- 
deln, deren  Maasse,  soweit  eine  Feststellung 
möglich  war,  mit.  den  Verhältnissen  der  Krissauer 
Schädel  und  dem  Typus  der  germanischen  Reihen- 
gräberschädel Ubereinstimmten.  An  der  Seite 
des  einen  Körpers  lag  das  auch  aus  den  genann- 
ten Fundorten  bekannte  Eisenmesser.  Ob  ein 
etwas  oberhalb  gefundenes  Fragment  einer  Bronze- 
scheide  mit  darin  steckender  eiserner  Dolchspitze 
zu  den  Skeletten  oder  zu  den  Begräbnissen  der 
oboren  Lage  gehörte , war  nicht  mehr  auszu- 
machen. Ueber  den  Skeletgräbern  hatte  nämlich 
eine  jüngere  Zeit  mehrere  Urnen  mit  den  Ge- 
beinen ihrer  Todten  beigesetzt,  deren  durch  eine 
spätere  Umwühlung  des  Bodens  ausein anderge- 
rissene Trümmer  (Scherben,  Knochen,  Holzkohlen \ 
bis  zu  1 m Tiefe  sich  vorfanden.  Die  Töpferei 
war  diejenige  der  Burgwftlle  und  genau  Überein- 
stimmend mit  den  auf  dom  Rathsdorfer  Schloss- 
berg gefundenen  Stücken.  Das  sichere  Ergebnis* 
dieser  Untersuchung  in  Verbindung  mit  den 
Thatsacben  der  beiden  anderen,  genau  entsprech- 
enden Fundorte  war  mithin  dies,  dass  eine  Be- 
völkerung mit  slavischer  Cultur  es  war, 
welche  hier  mit  einer  gewissen  Regelmässigkeit 
ältere  (vermuthlich  germanische,  vor  saec. 
VI  angelegte)  Begräbnisstätten  aufs  neue  als 
Friedhöfe  benutzte. 

In  der  Kurve,  welche  das  Radaunenthal  süd- 
lich von  Bölkau  macht,  erheben  sich  (bei  Bölkau- 
Ziegelscheune)  drei  Hügel  von  beträchtlicher  Höhe 
und  bedeutendem  Umfange.  Der  eine  derselben, 
welcher  ein  Areal  von  mehreren  Morgen  Umfang 
umfasst,  ist  die  Stätte  eines  grossen  Heidenkirch- 
hofes. In  Folge  einer  an  den  anthropologischen 
Verein  gelangten  gütigen  Nachricht  übernahm 
Dr.  Mannhardt  im  Aufträge  desselben  die 
Untersuchung  des  Platzes,  wobei  ihn  das  Hebens- 


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62 


würdige  Entgegenkommen  des  Besitzers  Herrn 
Th  au  mann  fördernd  unterstütze.  Bei  mehr- 
maligen Excursionen,  an  deren  einer  die  Herren 
Walter  Kauffmann  und  Dr.  Kestner  sich 
l)etheiligten , wurden  mit  Hilfe  angenommener 
Arbeiter  Ausgrabungen  vorgenommen,  aus  denen 
hervorgeht , dass  der  ganze  Hügel  auf  seinem 
oberen  Abhange  von  einem  doppelten , zuweilen 
dreifachen  Kranze  von  Steinkistengräbern  um- 
geben war,  von  denen  der  grössere  Theil  durch 
den  Pflug  bereits  völlig  zerstört,  ein  anderer  so 
stark  besch&digt  war,  dass  eine  genauere  Fest- 
stellung des  Inhalts  nicht  mehr  erfolgen  konnte. 
Doch  gaben  selbst  an  der  Stelle  der  ersteren  die 
ausser  einzelnen  Decksteinen  zahlreich  vorhandenen 
Scherben  Gelegenheit  zu  einer  interessanten 
Sammlung  durch  Ornamente  ausgezeichneter 
Stücke,  welche  zu  einer  vergleichenden  Gegen- 
überstellung mit  den  Formen  der  Burgwalltöpferei 
verwerthet  werden  wird.  Es  wurden  circa  20 
GiUber  noch  unversehrt  vorgefunden , doch  ge- 
stattete die  Feuchtigkeit  des  Bodens,  nur  wenige 
Urnen  unterbrochen  ans  Tageslicht  zu  fördern. 
Die  Begräbnisse  gewährten  durchwegs  Bestätig- 
ungen für  den  bekannten  Charakter  der  Stein- 
kisten. Mehrere  derselben  pflegten  an  einander  ! 
zu  stossen,  dann  folgten  andere  in  1 — 2 tu  Ent-  ‘ 
fernung.  Ihre  Langseite  hielt  die  Richtung  von 
Nordwesten  nach  Nordosten  und  umgekehrt  ein. 

In  jedem  Grabe  standen  mehrere  Urnen,  meisten- 
theils  2 bis  5.  Die  Mehrzahl  war  aus  grobem 
Material  in  randbauchiger  Gestalt  geformt  und 
ohne  Verzierungen ; statt  des  mützenförmigen 
Deckels  war  vielfach  eine  zu  wirtschaftlichem 
Gebrauch  bestimmte  Schale  über  den  Obertheil 
des  Gefässes  gestülpt.  Zwischen  den  grösseren 
Urnen  standen  zuweilen  einzelne  kleine  (Kinder- 
urnen) mit  Knochen  und  Asche  gefüllt.  Kunst- 
reichere Gefilsse  (darunter  Gesiehtsurnen)  von 
feinerem  Thon , besserem  Brande , eleganterer 
Form , mit  Verzierungen  und  Schmuck  von 
Bronzeringen , Glas-  und  Bernsteinperlen  fanden 
sich  vereinzelt  neben  den  einfacheren  Urnen  und 
zwar  in  denselben  Gräbern  wie  diese  vor ; son- 
stige Beigaben  fehlten.  Ein  besonderes  Interesse 
nehmen  drei  Urnen  in  Anspruch.  a)  Die  eine 
derselben,  aus  feinem  Thon , mit  schön  geglät- 
teter. ins  Schwärzliche  spielender  Oberfläche.  40 
cm  hoch,  zeichnet  sich  durch  ihre  ausserordent- 
lich geföllige  Form  und  das  Ebenmaass  ihrer 
Verhältnisse  aus.  Sie  erreicht  8 cm  über  dem 
Boden  ihren  grössten  Umfang  (88  cm),  der  zwei 
und  ein  halb  mal  so  gross  als  derjenige  des 
Bodens  ist.  Von  da  steigt  sie,  allmählich  sich 
verjüngend,  mit  zierlichem  Halse  empor , dessen 


| obere  Oeffnung  um  ein  Sechstel  hinter  der  Peri- 
pherie des  Bodens  zurückbleibt.  Wiederum  8 cm 
unterhalb  des  oberen  Randes  beginnt  um  die 
Brust  der  Urne  eine  Zeichnung  von  fünf  paral- 
lelen Strähnen , welche  aus  je  drei  parallelen 
Linien  bestehen , die  durch  Querstriche  fein  ge- 
fiedert sind.  Die  Zwischenräume  werden  von 
zwei  zickzackförmigen  Doppellinien  ausgefüllt, 
welche  in  der  obersten  Reihe  und  unterhalb  der- 
selben ebenfalls  die  federartigen  Seitenstriche 
zeigen.  — Die  beiden  anderen  Urnen  gehören 
zur  Qasse  der  Gesichtsurnen , deren  mehrere 
weniger  bemerkenswerthe  zum  Vorschein  kamen, 
b)  Das  erste  dieser  Gefässe,  28  cm  hoch , trägt 
an  Stelle  der  Nase  einen  einfachen  Knauf;  die 
Augen  werden  durch  zwei  Kreise , die  Ohren 
durch  platte  Erhöhungen  mit  je  zwei  Löchern 
dargestellt , in  denen  die  Ohrringe  fehlen.  Der 
Mund  ist  nicht  angedeutet.  Von  der  Stelle  unter- 
halb der  Nase , welche  er  einnehmen  müsste, 
laufen  drei  aus  eingeritzten  Punkten  bestehende 
Linien  bis  auf  den  Bauch  der  Urne  hinab  , die 
am  untersten  Ende  durch  drei  kürzere  punktirte 
Linien  gekreuzt  sind.  Wir  haben  es  hier 
augenscheinlich  abermals  mit  der 
Darstellung  eines  lang  hinabfallen- 
den, im  Untertheil  d u rc  h fl  och  t en  en 
Bartes  zu  thun;  ein  solcher  muss,  wie  der 
Vortragende  schon  früher  an  der  Brücker  Ge- 
sichtsurne  nachgewiesen  hot , in  dem  Zeitalter 
der  Steinkistenbegräbnisse  zur  Tracht  der  hiesigen 
Landeseinwohncr  gehört  haben.  Der  Bart  legt 
sich  deutlich  über  eine  andere  Zeichnung  in  er- 
habener Arbeit , welche  aus  kleinen , dos  Ober- 
theil der  Urne  umziehenden  Strichelchen  bestehend, 
den  Eindruck  mehrerer  auf  die  Brust  herab- 
hängender Halsketten  gewährt.  Auf  dem  Hinter- 
kopfe bemerkt  man  zwischen  einem  eigentüm- 
lichen, offenbar  einen  Hnlskragen  abbildenden 
Ornament  die  deutliche  Darstellung  eines  Zopfes, 
ein  neuer  Beweis  dafür , dass  auch  dieser  zur 
Männertracbt  gehörte,  c)  Die  zweite  Gesichts- 
urne, 33  cm  hoch,  ist  einfacher;  sie  zeigt  keine 
Augen,  an  Stelle  der  Nase  einen  Knauf,  in  den 
Ohren  je  drei  Löcher  für  Ohrringe;  aber  sie  ist 
bemerkenswert  durch  die  Zeichnung  von  Hals- 
ringen in  Gestalt  von  sechs  von  Ohr  zu  Ohr  tief 
ein  geritzten  Linien. 

3.  Der  Vorsitzende  teilte  ferner  die  Resul- 
i täte  seiner  Untersuchungen  über  die  etnologi- 
I sehen  Charaktere  der  Kassubenschädel  und  über 
die  Skeletgräber  aus  der  jüngeren  Steinzeit  bei 
Gross-Morin  in  Cujavien  mit,  Untersuchungen, 
welche  ausführlich  in  der  Zeitschrift  für  Ethno- 
logie veröffentlicht  werden  sollen. 


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63 


Sitzung  des  anthropologischen  Vereins 
zu  Danzig  vom  23.  Januar  1878. 

1)  Zuerst  berichtete  Herr  Oberpostsecretär 
Schück  Ober  seine  Ausgrabungen  im  Berenter 
und  Carthäuser  Kreise.  Herr  Gutsbesitzer  und 
Postverwalter  Kauenhoven  in  Neukrug,  welcher 
seit  Jahren  bemüht  ist,  die  culturgeschichtlichen 
üeberreste  längst  vergangener  Zeiten  im  Interesse 
der  Wissenschaft  zu  heben  und  zu  verwertlien, 
unterstützte  ihn  dabei  in  sehr  dankenswerther 
Weise.  In  der  Gegend  von  Neukrug  selbst  be- 
finden sich  eine  grosse  Reihe  jener  15 — 20  Pass 
hohen  aus  Steinhaufen  bestehenden  Hügel,  welche 
meistens  nur  einen  reinen  Steinbau  im  Innern 
zeigen  und  wiederholt  in  den  früheren  Sitzungen 
des  Vereins  als  Malhügel  angesprochen  wurden. 
Im  Walde  von  Hornikau  stehen  dieselben  so  dicht 
beisammen,  dass  sie  den  Anblick  einer  Damman- 
lage gewähren.  Nur  in  einigen  Hügeln  Östlich 
von  Neu-Hornikau  hatten  sich  früher  Skelette 
gefunden,  unter  deren  nach  Osten  gerichteten 
Schädeln  kleine,  pfeilförmige  Eisonstückchen  lagen. 

Nordöstlich  von  Neukrug,  zwischen  Schön- 
fliess  und  Strippau,  befinden  sich  noch  Reste  von 
megalithischen  Steinsetzungen,  welche  an  die  von 
Herrn  Dr.  Lissauer  bei  Odri  entdeckten  erinnern 
und  ausserdem  eine  Menge  von  Steinkistengräbern 
von  der  gewöhnlichen  Beschaffenheit.  Eine  Urne, 
welche  aus  einem  Steinkistengrabe  dicht  bei  dem 
Dorfe  Glndou  gehoben  wurde,  enthielt  nach  der 
bestimmten  Versicherung  des  Finders  die  vorge- 
legte römische  Broncemünze  aus  dem  zweiten 
Jahrhundert  nach  Chr. 

Von  ganz  besonderem  Interesse  ist  ein  Bronce- 
eimer,  welchen  Herr  Schück  für  die  Sammlung 
des  Vereins  erworben  hat.  Dieses  merkwürdige 
GofÜss  ist  vor  2 l[t  Jahren  von  einem  Arbeiter 
aus  Alt-Grabau  beim  Ausbessern  eines  Weges, 
15  Kilometer  nordöstlich  von  Berent,  nahe  dem 
Vorwerk  Carlahöhe,  in  einem  Steinhaufen  in  ge- 
ringer Tiefe  gefunden  worden.  Es  enthielt  nur 
verbrannte  Knochen  und  Asche,  ohne  sonstige  > 
Beigaben,  hatte  keinen  Deckel,  befand  sich  über-  ] 
haupt  damals  wesentlich  in  demselben  Zustande 
wie  heute.  Diese  Angaben  hat  der  Finder  Herrn  i 
Schück  seihst  gemacht. 

Der  Eimer  geht  nach  unten  konisch  zu,  ist  t 
aus  zwei  Stücken  dickem  geschlagenem  Bronce-  j 
blech  gearbeitet  nnd  an  zwei  Stellen  der  ganzen  1 
Länge  nach  durch  je  10  Broncenägel  genietet,  j 
Diese  Nägel  haben  von  aussen  sehr  breite,  ganz  j 
abgeplattete,  dicht  anliegende  Köpfe  von  runder 
Form,  während  sie  nach  innen  viel  stärker  her- 
vortreten und  kleinere  Köpfe  haben,  so  dass  sie 
offenbar  von  anssen  eingetrieben  und  durch  Häm- 


mern platt  geschlagen  sind.  Am  obern  Rande 
beträgt  der  Durchmesser  24  Centimeter,  2 1/t 
Centimeter  darunter  30  Centimeter,  am  Boden 
151/*  Centimeter:  die  Höhe  des  Eimers  beträgt 
33  Centimeter.  Der  Boden  ist  mittelst  zweier 
Klammern  fest  gehalten  und  durch  aufgegossene 
Bronce  geflickt , oben  befinden  sich  Reste  von 
oxydirtem  Eisendraht,  um  welchen  der  obere  Rand 
des  Gefftsses  um  gelegt  und  an  welchem  wahr- 
scheinlich eiserne  Tragbänder  befestigt  waren. 
Die  Patina  ist  ungleichmäßig  schön  hellgrün  nnd 
graugrün,  letzteres  besonders  dort,  wo  der  Finder 
die  Edelrostlage  entfernt  hatte.  Am  obern  Rande 
befinden  sich  mehrere  Löcher,  in  denen  früher 
Nägel  ihren  Platz  hatten. 

Seiner  ganzen  Form  und  Arbeit  nach  gleicht 
der  Eimer,  wie  aus  einer  herum  gereichten  Ab- 
bildung hervorgeht,  einem  solchen,  welcher  in 
den  Hallstädter  Gräbern  gefunden  worden  und 
gegenwärtig  in  Wien  aufbewahrt  wird.  Der 
Hallstädter  Eimer  ist  mit  2 Tragreifen  und  einem 
Deckel  versehen,  auf  welchem  letzterem  2 Thier- 
gestalten stehen ; aus  der  obigen  Beschreibung 
ist  zu  vermuthen,  dass  auch  der  Eimer  aus  Alt- 
Grabau  ursprünglich  solche  Tragreifen  gehabt  habe. 

Ueber  die  Bedeutung  dieser  HalLstädter 
Eimer  hat  sich  in  der  neuen  Zeit  besonders  Herr 
Professor  Vir chow  wiederholt  ausgesprochen.  „Der 
ausgezeichnetste  Platz  für  diese  Funde,“  sngt  der 
berühmte  Anthropologe,  „ist  bis  dahin  immer 
das  Gräberfeld  von  Hallstadt  in  Ober-Oesterreich 
gewesen,  von  wo  eine  ganze  Reihe  der  wichtigsten 
Kunstgegenstände  schon  früher  bekannt  geworden 
sind.  Ich  erinnere  namentlich  an  die  Bronceeimer 
oder  Broncecysten,  die  aus  geschlagener  Bronce 
bestehen,  die  nicht  gelöthet,  sondern  genietet  sind 
mit  grossen  Nägeln.  Solche  Eimer  finden  sich 
gerade  in  Hallstadt,  zum  Theil  in  sehr  ausge- 
zeichneten Exemplaren.“  „Zeigt  sich  nun,  dass 
solche  Geräthe  in  einer  Zeit  gefertigt  sind,  als 
man  auch  in  Italien  (von  wo  diese  Eimer  in  die 
Länder  diesseits  der  Alpen  importirt  worden  sind) 
noch  nicht  die  Knust  des  Löthens  kannte,  als 
man  auf  beschädigte  Stellen  noch  einen  Flicken 
aufsetzte,  wie  ein  Arbeiter  heut  zu  Tage  sein 
Beinkleid  flickt,  indem  man  ein  Stück  Blech  auf 
die  Lücke  aufnagelte,  zeigt  sich  ferner,  dass  die 
einfachsten  Operationen,  die  sich  später  bei  voll- 
kommener Kenntniss  der  Behandlung  der  Bronce 
auf  flüssigem  Wege  ausführen  liessen,  in  müh- 
seligster Art  durch  Handarbeit  und  Anschlägen 
mit  dem  Hammer  bewerkstelligt  worden  sind,  so 
gelangt  man  mit  seiner  Rechnung  in  eine  Zeit, 
die  ziemlich  weit  vor  Christi  Geburt  reicht,  aber 
immer  noch  auf  dem  Boden  der  Eisenkultur  liegt.“ 


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64 


Ausser  in  Hallstadt  sind  solche  Bronceeimer 
wiederholt  in  Deutschland  gefunden  worden,  öst- 
lich von  der  Elbe  aber  nur  2 Mal.  Die  Meisten 
derselben  sind  gerippt , indessen  stimmt  ihre 
sonstige  Technik  so  vollständig  mit  der  an  den 
glatten  Bronceeimorn  von  Hallstadt  und  Alt- 
Grabau  beobachteten  überein,  dass  man  ihre  Fa- 
brikation unbedingt  in  dieselbe  Zeit  setzen  muss. 

An  diesen  Vortrag  knüpfte  sich  eine  leb- 
hafte Discussion,  an  welcher  die  Herren  Fröling, 
Mannhardt,  Hein,  Ahrens,  Holz,  Helm  und  Lissauer 
Tbeil  nahmen.  Von  der  einen  Seite  wurde  dar- 
auf hingewiesen , dass  der  Fundbericht  selbst 
nicht  von  einem  Sachverständigen  herrühre,  da- 
her nicht  allen  Zweifel  an  seiner  Wahrheit  be- 
seitige, während  die  Technik  allein  für  das  hohe 
Alter  nicht  genug  beweise,  zumal  eine  chemische 
Analyse  der  Bronce  bisher  fehle.  Dagegen  wurde 
wiederholt  und  besonders  von  den  Sachverständigen, 
welche  zu  dieser  Sitzung  besonders  eingeladen 
worden,  hervorgehoben,  dass  gerade  die  eigen- 
tümliche Art  des  Nietens  und  Ausbesserns  für 
die  uralte  Fabrikation  dieses  Eimers  spreche,  und 
dass  die  vollständige  Aehnlichkeit  desselben  mit 
den  zahlreich  in  HaUstadt  gefundenen  in  Form 
und  Technik  es  fast  gew  iss  erscheinen  lassen,  dass 
der  bei  Alt-Grabau  gefundene  Eimer  derselben 
Zeit  entstamme,  wie  jene  Hallstädter  Bronce- 
cysten.  Uebrigens  versprach  Herr  Stadtrath  Helm 
die  Bronce  und  das  zum  Ausbessern  verwendete 
Metall  chemisch  zu  untersuchen  und  das  Resul- 
tat der  Analyse  in  einer  der  nächsten  Sitzungen 
mitzutheilen.  Schliesslich  ergab  sich  als  Resul- 
tat der  Debatte,  dass  der  Bronce-Eimer  von  Alt- 
Grabau  einer  sehr  frühen  Periode  der  Bronce- 
technik  im  Süden  entstamme,  dass  er  aber  erst 
in  eitler  späteren  Zeit  am  Boden  ausgebessert 
worden  sei. 

Bei  Neu-Grabau  untersuchte  Herr  Schück 
wieder  einen  Burgwall,  welcher  am  Gr.  Kaminer 
See  gelegen  ist,  eine  Höhe  von  23  Fuss  hat  und 
einen  Kessel  umsckliesst,  der  die  Ueberreste  alter 
Culturschicbt , wie  Kohlen , Gefässscherben  und 
Brandschutt  enthält.  Die  Kohlen  waren  so  massen- 
haft darin  vorhanden,  dass  der  Schmied  des  Orts 
davon  ganze  Säcke  voll  zum  Gebrauch  mitnahm. 

Am  südlichen  Tbeil  des  Sees,  an  welchem 
das  Dorf  Mariensee  liegt,  hatte  der  Redner  ferner 
den  etwa  150  Fuss  hohen  Schlossberg  zum  Gegen- 
stand seiner  Untersuchungen  gemacht.  Schon  in 
der  Höhe  von  80  Fuss  stösst  man  auf  einen 
Vorwall,  der  beiuohe  einen  Halbkreis  abschliesst. 
Der  Gipfel  des  Berges  selbst  ist  von  einem  mäch- 
tigen Wall  von  etwa  50  Fuss  Höhe  und  250 
Fuss  Umfang  umgeben,  welcher  eine  kesselförmige 


f Vertiefung  einschliesst : auf  der  östlichen  Seit« 
! des  Berges  ist  eine  zweite  wallartige  Aufschütt- 
ung von  geringem  Umfange  in  Höhe  von  30 
! Fuss  vorhanden.  Der  Hauptwall  ist  vielfach  mit 
Steinen  durchsetzt,  offenbar,  um  ihm  grössere 
Haltbarkeit  zu  verleihen.  Von  der  Um  Wallung 
führt  ein  augenscheinlich  alter  Weg,  von  Steinen 
umgrenzt,  in  südöstlicher  Richtung  zum  See  hinab. 
Die  Abfälle  des  Walles  und  des  Berges  nach  dem 
See  und  noch  der  Landseite  zu  sind  sehr  steil. 
Der  vom  Walle  eingeschlossene  Kessel  enthält 
die  Ueberreste  zweier  alter  Anlagen.  Am  Rande 
und  in  der  Mitte  fanden  sieb  ausser  Holzkohle 
zerstreut  eine  Menge  Gefässscherben,  welche  zum 
I Theil  die  charakteristischen  Ornamente  des  Burg- 
wall-Typus  zeigen,  während  alte  Mauerreste  von 
Ziegelsteinen  auf  spätere  Festungswerke  hinweisen. 
i Die  Geschichte  berichtet  uns  über  jene  Aulagen 
auf  dein  romantischen  Schlossberg  bei  Mariensee 
nichts,  dagegen  haben  sich  eine  Reihe  von  Sagen 
über  dieselbe  im  Volksmunde  erhalten , welche 
[ Herr  Dr.  Mannliardt  bereits  in  der  „Altpr.  Mo- 
natsschrift “ 1866  publicirt  hat. 

Auch  eine  Menge  für  die  Geschichte  der 
Stadt  Danzig  höchst  interessanter  Alterthümer, 
welche  bei  dem  Bau  der  neuen  Trockendock- 
Bassins  der  hiesigen  kaiscrl.  Werft  ausgegraben 
worden  sind,  demonstrirte  Hr.  Schück;  indes* 
gehen  wir  hier  nicht  näher  darauf  ein,  weil  die- 
! selben  kein  prähistorisches  Interesse  haben. 

2)  Der  Vorsitzende  Dr.  Lissauer  machte  so- 
j dann  Mitheilung  von  der  Auffindung  zweier  an- 
geblich phünizischer  Inschriften  auf  nordeuropäi- 
schem Boden.  Vom  slavischen  Archäologen-Con- 
gress  in  Kiew  1874  brachte  Dr.  H.  Wankel  in 
Wien  die  genaue  Copie  eines  dem  Fürsten  M.  A. 
Korsakow  in  Smolensk  gehörigen  pyramidalen 
Granitblockes  mit,  welcher  die  Spitze  eines  im 
Jahre  1873  in  einem  Walde  bei  Pneysche,  Gou- 
vernement Mohilew,  entdeckten  Steinhügels  ge- 
bildet hat  und  an  zweien  Flächen  mit  Schrift- 
zügen unbekannter  Art  bedeckt  ist.  Dr.  Aloys 
Müller,  Bibliothekar  in  Olmütz,  erkannte  in  diesen 
Charakteren,  nachdem  von  sachkundiger  Seite 
festgestellt  war,  dass  sie  keine  Runenzeichen  seien, 
altphöüizische  Buchstaben  und  versuchte  eine 
Lesung  der  einen  Inschrift , welche  den  Sinn : 
„Denkstein  des  Baal.  Hier  haben  wir ’s  einge- 
meisselt*  ergeben  soll.  Die  zweite  längere  In- 
schrift vermochte  er  nicht  zu  entziffern.  Die  Ver- 
öffentlichung dieser  Entdeckung  des  Dr.  Wankel 
in  den  Mittheilungen  der  anthropologischen  Ge- 
sellschaft zu  Wien  1877  veranlasste  den  Vorstand 
der  nordisch -germanischen  Altert  humssammlung 
in  Oldenburg  das  Photogramin  eines  auf  einer 


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Römerstrasse  bei  Lohne  im  südlichen  Theile  des 
Grossherzogthums  Oldenburg  gefundenen  durch- 
löcherten Bernsteinstückes , welches  am  Rande 
eine  räthselhafte  Inschrift  zeigte,  ebenfalls  Herrn 
Dr.  Al.  Müller  zur  Untersuchung  zu  Übersenden. 
Demselben  gelang  es  zwar  nicht  olle  Theile  der 
Inschrift  zu  entziffern,  doch  erkennt  er  sie  für 
phönizisch  und  will  den  lesbaren  Lautgrnppen 
den  Sinn  beimessen  „Jatcha  (Eigenname)  bot  es 
gebohrt  in  Tyrus.“  Dr.  Much  publicirte  diese 
Entzifferung  Müllers  ebenfalls  in  den  Mittheilungen 
der  Wiener  anthropologischen  Gesellschaft  1877. 
Wäre  die  palUographische  und  sprachliche  Er- 
klärung des  Olmfttzer  Gelehrten  gesichert , so 
würde  der  Smolensker  Fund  von  grosser  Wichtig- 
keit sein,  und  zur  Lösung  der  Streitfrage,  ob  Phö- 
nizier bis  in  unsere  Gegend  kamen , einen  be- 
deutsamen Beitrag  gewähren , da  er  in  einer 
Gegend  gemacht  ist,  wo  das  Flussgebiet  des 
Dnjeper  und  der  zur  benhsteinreichen  Ostsee  ab- 
fliessenden  Düna  sich  berühren. 

Von  dem  Vorsitzenden  dazu  aufgefordert, 
liess  Dr.  Mannhardt  diesen  Mittheilungen  zur 
ErlHuterung  eine  kurze  Auseinandersetzung  Über 
Sprache,  Schrift  und  Epigraphik  der  Phönizier 
folgen.  Die  Sprache  dieses  grossen  Handelsvolkes, 
die  Schwester  des  Hebräischen,  Arabischen,  Syri- 
schen und  der  von  den  herrschenden  Völkern  in 
Assyrien  und  Babylon  gesprochenen  Idiome,  ist 
in  ihrer  Heimnth  schon  unter  der  Herrschaft  der 
Seleuciden  durch  die  hellenische  Weltsprache  ver- 
drängt ; in  Karthago  und  dessen  Colonien  erhielt 
sie  sich  als  lebende  Volkssprache,  auf  der  ganzen 
Nordwestküste  Afrikas  als  eine  internationale  Ver- 
kehrssprache neben  dem  Lateinischen  bis  ins  fünfte 
Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung.  Die  reiche 
Literatur  dieser  Sprache  ging  verloren,  aber  die 
letztere  lebt  in  zahlreichen  Inschriften  fort,  welche 
mit  eigentümlichen  Schriftzügen  in  Steine  ein- 
geritzt sind.  Diese  phönizischen  Schriftxeichen 
waren  bekanntlich  die  Ahnen  der  heutigen  lateini-  ' 
sehen , deutschen  und  russischen  Schreib  - und 
Druckschrift,  wie  in  früherer  Zeit  schon  das  alt- 
indische, hebräische,  griechische  und  altitalische 
Alphabet  sarnrat  den  altgermanischen  Runen  theils 
unmittelbar,  theils  vermittelt  aus  ihnen  hervor- 
gingen. Das  älteste  und  zugleich  umfangreichste 
Denkmal  altphönizischer  Schrift  und  Sprache  ge- 
währt die  Siegessäule  eines  Königs  Mesa  von  | 
Moab  aus  dem  10.  Jahrhundert  v.  Ohr.,  ein  vor 
einem  Jahrzehnt  bei  Diban  im  Ostjordanlande  J 
entdeckter  Granitblock.  Dieser  unberechenbar  , 
wichtige  Fund  von  unzweifelhafter  Echtheit  hat  1 
den  Anlass  zu  den  neuerdings  so  viel  Aufsehen 
erregenden  Fälschungen  moabitisclier  Alterthümer 


gegeben.  Ebenfalls  alt  ist  die  Inschrift  auf  dem 
Sarkophage  des  sidonischen  Königs  Eschmunazar, 
entdeckt  im  Jahre  1856-  Ans  dem  4.  Jabrh.  v. 
Chr.  besitzen  wir  ein  das  Opferritual  eines  phö- 
nizischen Tempels  in  Marseille  enthaltendes  Epi- 
graph. Derbei  weitem  grösste Theil  aller  sonstigen 
in  Kanaan  selbst,  in  Cypern,  Cilicien,  der  Sinai- 
halbinsel Malta,  Athen,  Sieilien,  Sardinien,  auf 
der  nordafrikanischen  Küste  von  Cyrene  bis  Nn- 
midien  und  in  Spanien , vereinzelt  sogar  auf 
ägyptischen  Kolossen  in  Nubien  aufgefundenen 
Inscriptionen  der  Phönizier  ist  viel  jüngeren  Da- 
tums und  reicht  bis  in  die  römische  Kaiserzeit 
herab.  Darunter  befinden  sich  einzelne  drei- 
sprachige, in  phönizischer,  griechischer  und  lateini- 
scher Fassung.  In  einer  solchen,  die  1860  ge- 
funden wurde,  bezeugt  u.  A.  der  Aufseher  der 
Salzwerke  in  einer  noch  unter  der  Römerherr- 
schaft  in  Sardinien  bestehenden  und  von  eigenen 
Obrigkeiten  (Richtern,  Suffeten)  verwalteten  phö- 
nizischen Ansiedelung,  ein  Grieche  von  Nationali- 
tät, Kleon,  dass  er  dem  Heilgotte  Esmnn  (Aes- 
kulap)  einen  Altar  von  100  Pfund  Kupfer  ge- 
weiht habe.  Dem  längeren  Fortleben  der  phö- 
nizischen Sprache  in  Karthago  nnd  dessen  Colo- 
nien entsprechend  ist  der  Boden  von  Tunis  und 
Algier  weit  ausgiebiger  an  Alterthumsdenkmälern 
der  in  Rede  stehenden  Art,  als  das  asiatische 
Mutterland.  Während  Mowert  1848  erst  15  kar- 
thagische Inschriften  kannte,  konnte  Baron  von 
Malzan  18G8  deren  59  allein  aus  tonischen  Samm- 
lungen veröffentlichen.  Ihrem  Inhalte  nach  be- 
steht die  überwiegende  Mehrzahl  aller  phönizischen 
Inschriftsteine  aus  Grabstelen  und  Votivsteinen, 
auf  welchen  ein  mit.  Namen  und  Würde  genannter 
Gläubiger  den  Gottheiten  Tanit  (Juno) , Baal- 
Haamon  (Herakles)  oder  Esmun  (Aeskulap)  Dank 
darbringt.  Hiezu  kommen  phönizische  und  pu- 
nische  Münzlegenden  und  einige  kleinere  Auf- 
schriften auf  geschnittenen  Steinen  und  Gefttssen 
an  verschiedenen  Orten  der  Welt,  gefunden.  Aus 
diesen  Thatsachen  erhellt,  dass  an  und  für  sich 
ein  Stein  und  eine  Inschrift  von  der  Art  de« 
Sinolensker  Fundes  nicht,  beispiellos  wäre,  und 
dass  genügende  Hilfsmittel  vorhanden  sind,  um 
zu  entscheiden,  ob  eine  Inschrift  die  charakteri- 
stischen Merkmale  der  phönizischen  Schrift  besitze. 
WTonngleich  nun  die  Aehnlichkeit  einiger  weniger 
Zeichen  der  Smolensker  Inschrift  mit  phönizischen 
Buchstaben  auf  der  Hand  liegt,  so  ist  damit  noch 
keineswegs  der  Beweis  geliefert,  dass  die  Schrift- 
art wirklich  phönizisch  sei.  Mann  har  dt  ist  viel- 
mehr der  Ansicht,  dass  die  Zeichen  der  Smolensker 
Inscription,  seien  sie  nun  Buchstaben,  H aasmarken 
oder  Steinmetzzeichen,  in  irgend  welchem  histori- 


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sehen  Zusammenhänge  mit  einer  älteren  Spross- 
form  des  altphönizischen  Alphabets  stehen,  dass 
aber  über  ihre  Bedeutung,  die  Zeit  ihrer  Ent- 
stehung und  das  Volk,  welches  sie  einritzte,  vor- 
läufig nichts  festzustellen  sei.  Am  nächsten  verglei- 
chen sich  die  Zeichen  auf  einer  in  Käbelich  (Meck- 
lenburg) gefundenen  Urne , die  ihnen  noch  viel 
ähnlicher  sind  als  den  Einritzungen  auf  der  soge- 
nannten Danziger  Runenurne.  Uebrigens  hat  sich 
der  berühmte  Orientalist  Dr.  Wetzstein  in  Berlin 
bereits  mit  Entschiedenheit  gegen  die  Deutung 
A.  Müllers  als  eine  paläographisch  wie  sprach- 
lich unmögliche  ausgesprochen. 

3)  Der  Vorsitzende  liest  ferner  eine  Abhand- 
lung des  Dr.  Much  in  Wien  über  die  Kainene 
babe  (Steinmutterchen)  im  südlichen  Russland 
vor.  Es  sind  das  Steinfiguren  auf  den  zahlreichen 
vorgeschichtlichen  Grabhügeln  (Kurganen)  in  dem 
Gebiete  zwischen  den  Flüssen  Dnjepr  und  Don, 
zwischen  Charkow  und  der  Krim,  Porträtstatuen, 
welche  mit  den  Händen  in  der  Höhe  des  Gürtels 
ein  becherartiges  Geföss  halten.  Dieselbe  charak- 
teristische Handlung  zeigen  einige  neuerdings 
(1871)  in  Spanien  ausgegrabene  Gräberstatuen, 
sowie  die  Mittelfigur  der  von  einem  spätgriechi- 
schen Künstler  gearbeiteten  goldenen  Trinkschale 
des  zu  Petreosa  in  Rumänien  gefundenen  Schatzes, 
der  nach  Ausweis  eines  mit  gothischen  Runen 
beschriebenen  Goldringas  einst  gothisches  Besitz- 
thum gewesen  zu  sein  scheint.  Du  nun  Süd- 
russland im  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  eine  Zeit 
lang  von  Gothen  bewohnt  war,  von  denen  ein 
Rest  mit  eigener  Sprache,  über  welche  Dr.  Mann- 
hardt eine  Untersuchung  veröffentlicht  hat,  sich 
bis  in  die  Zeit  des  dreißigjährigen  Krieges  er- 
hielt, da  in  Spanien  und  Rumänien  ebenfalls 
zeitweise  Gothen  hausten,  so  stellt  Dr.  Much  die 
Hypothese  auf,  dass  jene  Steinfiguren  ein  Gräber- 
schmuck dieses  Volkes  gewesen  dein  mögen.  Die 
Sache  hat  für  uns  ein  Interesse,  weil  auch  unsere 
Gegend  einmal  ein  GothensiU  gewesen  ist. 

4)  Endlich  besprach  Herr  Oberstabsarzt  Dr. 
Fröling  nach  einer  von  ihm  ausgeführten  Zeich- 
nung ein  bei  St.  Goar  am  Rheine  gefundenes 
Denkmal  aus  rothem  Sandstein  von  circa  6 Fass 
Hüh<-,  welches  ein  roll  gearbeitetes  Gesicht,  eine 
Art  Kopfbedeckung  und  ganz  eigentümliche  Ver- 
zierungen zeigt,  dessen  Ursprung  indess  bisher 
nicht  sicher  festgestellt  werden  konnte. 

Verhandlungen  der  Berliner  Gesell- 
schaft für  Anthropologie,  Ethnologie 
und  Urgeschichte. 

Sitzung  vom  17.  Februar  1877  (Schluss). 
Wendische  Volkswagen  der  Niedorlausitz.  Vecken- 
Schluss  der  Redaction  am  26.  Juli.  — Druck  d 


stedt  (Schluss).  — Peruanischer  Mumienkopf 
mit  silberner  Maske  und  Thontopf,  mit  Maiskolben 
verziert.  Bastian,  S.  112. 

Sitzung  vom  17.  März  1877.  Neue  Mitglie- 
der S.  113.  — Erste  Idee  der  Gründung  einer 
amerikanischen  anthropologischen  Gesellschaft. 
Matile,  S.  113.  — Cerarn  und  seine  Bewohuer. 
Schulze,  S.  113.  Yirchow,  v.  Martens,  S. 
122.  — Alte  Gräber  auf  der  Kosse  bei  Gera. 
(Hierzu  Taf.  X.)  Liebe,  S.  122-  Virchow,  S. 
126.  — Eingeborene  Süd-Chiles.  Martin,  S.  126. 
— Schädel  und  Geräthe  aus  den  Pfahlbauten  von 
Au  vernier,  Sütz  und  Möringen  ( Neuen  burgor  und 
Bieler  See),  namentlich  eine  Trinkschale  aus  einem 
menschlichen  Schädeldach.  (Hierzu  Taf.  XI.)  Y i r- 
chow,  S.  126.  — Geschenko  S.  142. 

Ausserordentliche  Sitzung  vom  7.  April  1877. 
Feier  der  Anwesenheit  des  Kaisers  von  Brasilien, 
S.  143.  — Anthropologie  Amerika’s.  Virchow, 
S.  144. 


Kleinere  Mittheilungen. 

Delix  Station#  lacustres  Moerigtn  ct  Au- 
vernier.  Ejhxjuc  du  bronec.  Douze  pianches  Pho- 
tographin ueä  figurnnt  envirun  400  objecto  dorai- 
grandeur  avec  notes  et  explications  en  regard  par 
lo  Dr.  Victor  Gross.  Neuveville  imprimerie  de 
A.  Godet.  1878.  in  Folio. 

Wer  die  herrliche  Sammlung  von  Pfahlbaufunden 
aus  der  Bronzeperiode  des  Hrn.  Dr.  Gross  in  Neuveville 
kennt  oder  Gelegenheit  hatte,  die  auf  die  VIII.  Haupt- 
versammlung der  deutschen  anthropologischen  Gesell- 
schaft in  Constanz  im  September  1877  mitgebrachten 
l und  gütige!  zur  Schau  gelegten  Fundstücke  zu  bewun- 
dern, wird  darüber  erfreut  sein  zu  erfahren,  dass  Hr. 
Dr.  Gross  dieselben  auf  12  prachtvollerstellten  photo- 
tographischen  Blättern  mit  erklärendem  Text  in  einer 
Mappe  herausgegeben  hat.  Er  hat  noch  eine  Anzahl 
dieser  Exemplare  zur  Abgabe  zur  Hand,  und  sind  dieselben 
von  der  obenerwähnten  Buchhandlung  zu  dem  Preis  von 
33  Mk.  zu  beziehen. 

Ludwig  Reiner. 


Den  Besuchern  der  Constanzer  Versammlung, 
I sowie  Allen,  welche  sich  für  die  Frage  nach  der 
| Aechthoit  der  Thayinger  Funde  interessiren, 
diene  zur  Nachrioht,  dass  ich  in  dem  renommirten 
I Geschäft  von  A.  Stotz  hier  die  beiden  werth- 
■ vollsten  Stücke  der  Museen  von  Constanz  und 
I Schaffhausen  (den  Moschusochsen  und  das  Doppel- 
köpfchen) in  galvanoplastischem  Silberniederschlag 
fertigen  liess.  Das  Stück  kostet  2 Mk.  50  Pfg. 
Auftträge  vermittle  ich  gerne. 

Stuttgart  im  Januar  1878. 

Hr.  0*t«r  l'nuls.  _ 

- Akademischen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Jiedigirt  von  Professor  Kollnutnn  in  Basel, 

OiMtraUterttür  dtr  Qtutiaeka/L 


Nr.  8. 


Erscheint  jeden  Monat 


August  1878. 


Sitzungsberichte  der  Localvereine. 

Sitzung  des  anthropologischen  Ver- 
eins zu  Danzig  vom  12.  April  1878. 

1.  Für  die  Sammlung  gingen  folgende  Ge- 
schenke ein.  Herr  Bölke  in  Bamewitz  über- 
sandte durch  Herrn  Kauffmann  eine  Speerspitze 
aus  Knochen,  welche  er  4 Fuss  unter  der  Erd- 
oberfläche neben  einem  verkohlten  Holzschaft  und 
Knochen  von  Hirsch  und  Fuchs  gefunden  hatte ; 
Herr  Apotheker  Roh  leg  er  aus  Putzig  ferner 
durch  Herrn  Helm  eine  dort  gefundene  grössere 
Fischangel  von  Bronze;  Herr  Jungfer  endlich 
eine  Silbermünze  aus  der  Zeit  des  Königs  Ethelred 
von  England.  Herr  Helm  machte  ferner  Mit- 
theilung über  einen  grösseren  Münzfund  in  Polchau 
bei  Putzig,  der  ausser  andern  alten  Münzen  auch 
einen  byzantinischen  Solidus  enthielt. 

2.  Der  Vorsitzende  referirte  über  die  neu 
eingegangenen  Schriften  von  Engelhardt  in  Ko- 
penhagen (Skelotgrave  paa  Sjaeland  og  i det 
ostlige  D anmark),  von  Grube  in  Dorpat  (Anthro- 
pologische Untersuchungen  an  Esten)  und  von 
Virchow  (Zur  Craniologie  Illyriens). 

3)  Herr  Dr.  Voss,  Gustos  der  nordischen 
und  ethnographischen  Abtheilung  des  Berliner  kgl.  | 
Museums,  hat  neuerdings  sehr  scharfsinnige  und 
fruchtbare  Untersuchungen  angestellt,  welche  ein 
neues  und  unerwartetes  Licht  über  mehrere  bis 
dahin  räthselhafte  Darstellungen  an  vielen  Ge- 
sichtsurnen verbreiten.  Dr.  Mannhardt  er- 
stattete darüber  Bericht  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  in  unserer  hiesigen  Sammlung  be- 
findlichen GefÄsse ; die  Güte  des  genannten  Herrn 
batte  ihn  ausserdem  in  Stand  gesetzt , seinen 


! Vortrag  durch  die  noch  unveröffentlichten  Zeich- 
| nungen  mehrerer  ausserpreussischen  FundstUcke 
; zu  erläutern. 

Zwei  neue  Erwerbungen  des  k.  Museums 
l aus  dem  Regierungsbezirk  Bromberg  gewährten 
| nämlich  im  Verein  mit  der  mehrfach  beschriebenen 
von  Herrn  W.  Kauffmann  in  Schäferei,  Kr. 
Danzig,  gefundenen  Urne  die  Mittelglieder,  durch 
| welche  die  auf  Anderen  Exemplaren  wiederholten, 

; aber  undeutlicher  gezeichneten,  in  ihrer  Lage  ver- 
schobenen oder  durch  Verkürzung  oder  Vermisch- 
ung entstellten  Figuren  als  das,  was  sie  sein 
sollen,  klar  erkennen  lassen.  Es  sind  das  eine 
Gesichturne  aus  Tlukom , ehemals  im  Besitz  des 
Bauraths  Crüger  zu  Schneidemühl,  und  ein  eben 
solches  Gefäss  aus  dem  Kreise  Czarnikau.  In  der 
Tlukomer  Urne  fand  man  zwei  eiserne  Nadeln 
mit  rundem  Knopfe  und  wellenförmig  gekrümmtem 
Halse , auf  der  Brust  der  Urne  selbst  gewahrt 
man  eine  getreue  Abbildung  derselben.  Daraus 
erklären  sich  die  an  vielen  anderen  Gesichts- 
urnen unterhalb  des  Gesichtes  eingeritzten  hori- 
zontalen Striche,  welche  in  kleine  Kreise  aus- 
laufen  . ebenfalls  als  Andeutung  der  zur  Tracht 
des  Verewigten  gehörigen  Brustnadel.  Auch  das 
Czarnikauer  Gef&ss  hat  diesen  Zierrath,  ausser- 
dem aber  unter  den  Ohrzipfeln  je  eine  senkrechte 
Linie  abwärts , welche  in  je  drei  kurze  diver- 
girende  Striche  ausläuft , die  auf  der  rechten 
Seite  der  Urne  noch  von  zwei  parallelen  horizon- 
talen Strichen  gekreuzt  werden.  Dies  ist  nach 
Ausweis  der  Urne  von  Schäferei  eine  abkürzende 
Darstellung  der  beiden  Hände,  deren  rechte  zwei 
Speere  oder  Jagdspiesse  hält.  Auch  diese  Figur 
wiederholt  sich  auf  mehreren  Exemplaren,  so  je- 


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dock,  dass  die  Stellung  der  speertragenden  Hand 
verändert  ist.  Mehrere  Male  führte  sie  auch 
noch  einen  Jagdhund  an  der  Leine. 

Für  diese  neuen  Erkenntnisse  bietet  die  an 
Gesiebt surnen  reichhaltigste  Sammlung , unsere 
Danziger,  reichliche  Bestätigungen.  Nachdem 
auf  diese  Weise  mit  Evidenz  festgestellt  ist,  dass 
auch  die  scheinbar  accidentiellen  Ornamente  der 
Gesichtsurnen  in  typischer  Weise  Zubehör  der 
jedesmaligen  Tracht  oder  des  Habitus  des  Be- 
statteten vergegenwärtigen , gewinnt  auch  die 
Deutung  der  bisher  für  Sonne,  Hausthür,  raupen- 
artiges Thier  angesehenen  Zeichnungen  auf  Gegen- 
stände der  Kleidung  oder  des  Schmuckes  (franzen- 
besetzte  Halsöffnung  eines  Dolmans . Tasche,  mit 
Troddeln  behängte  Fibula)  hohe  Wahrscheinlich- 
keit. Besonders  interessant  ist  der  Nachweis, 
dass  der  auf  den  Gesichtsurnen  abgebildete  Hals- 
schmuck verschiedenen  Vorbildern  in  der  Wirk- 
lichkeit und  zwar  sowohl  mehreren  von  W o r s aa  e 
und  M o nt e 1 i u 8 veröffentlichten  schwedischen 
und  dänischen , besonders  aber  einigen  in  der 
Neumark , Westpreussen  und  Posen  gefundenen 
Bronzecolliers  entspricht,  welche  das  Gemeinsame 
haben , dass  sie  aus  mehreren  hinten  in  eine 
Spitze  zusammenlaufenden  oder  in  ein  breites  als 
Schloss  dienendes  Rückenstück  endigenden  Reifen 
bestehen.  Namentlich  die  letztere  Art,  von  wel- 
cher Exemplare  in  Gluckau  bei  Danzig  und 
Przustkowo  bei  Posen  gefunden  wurden,  ist  sehr 
deutlich  auf  Geffcsen  unserer  Sammlung  erkenn- 
bar. Es  ist  die  Anwendung  der  in  der  klassischen 
Archäologie  ausgebildeten  Methode  der  Denkmäler- 
vergleichuug,  auf  die  Gegenstände  des  prähistori- 
schen Kunsthandwerks  im  Norden , welche  diese 
schönen  und  wichtigen  Ergebnisse  bereits  geliefert 
hat  und  noch  weitere  verspricht. 

4.  Hierauf  hielt  der  Vorsitzende  Dr.  L i s s a u e r 
folgenden  Vortrag  über  die  Vorgeschichte  des 
Culmer  Landes. 

M.  H. ! Gestatten  Sie  mir  zunächst  im  Na- 
men des  Vereins  den  Herrn  Provinziallandtags- 
Abgeordneten  f Landrath  v.  Sturnpfeld  aus 
Culm  als  unsern  Gast  zu  begrüssen  , den  Maun, 
der  seit  dein  Bestehen  unseres  Vereins  so  viel 
luteresse  fiir  unsere  Bestrebungen  gezeigt  und 
unsere  Sammlung  so  reich  beschenkt  hat,  dass 
wir  in  derselben  eine  eigene  Abtheilung  für  das 
Culmer  Gebiet  schaffen  konnten.  Es  gereicht  mir 
daher  zu  einer  ganz  besonderen  Freude,  heute  in 
seiner  Gegenwart  vor  Ihnen  die  Schätze,  die  er 
für  uns  gesammelt,  in  ihrer  Gesommtheit  auszu- 
breiten, und  so  ein  wenig  deu  Schleier  zu  lüften, 
der  uns  bisher  die  vorgeschichtliche  Zeit  des 
Culmer  Landes  verdeckt  hat.  Mohr  allerdings, 


wie  eine  Skizze  zu  geben  von  den  vorchristlichen 
Einwohnern  dieses  Gebiets,  ihren  Sitten  und  ethno- 
logischen Beziehungen  überhaupt,  ist  trotz  des 
verhältnissmässig  reichen  Materials  nicht  möglich, 
da  ich  Ihnen  nur  Thatsächliches  anführen  will  und 
was  sich  aus  diesen  Thabsachen  von  selbst  ergiebt. 

Nach  der  allgemeinen  Annahme  aller  For- 
scher macht  die  Kenntniss  und  Verwendung  des 
Metalls  für  die  menschlichen  Culturbeziehungen 
eine  so  scharfe,  natürliche  Grenze,  dass  man  mit 
Recht  diejenige  Zeit  eines  Volkes , in  welcher 
dasselbe  nur  Steine  zu  seinen  Waffen  und  Werk- 
zeugen zu  verwenden  weiss,  die  Steinzeit,  als 
seine  älteste  Culturepoche  von  der  Metallzeit 
scharf  trennt.  Zum  Nachweis  einer  solchen  Epoche 
1 in  einem  Bezirke  genügen  aber  nicht  einzelne. 

wenige  Funde  von  Artefacten  aus  Stein.  Es  ist 
i dazu  erforderlich , dass  eine  verhältnissmässig 
grosse  Zahl  von  solchen  Funden  in  dem  betreffen- 
den Bezirk  bekannt  geworden  ist,  besonders  auch 
von  solchen,  welche  die  Zeichen  ihrer  mühsamen 
Fabrikation  und  wirklichen  Benutzung  an  sich 
tragen.  Und  diesen  Beweis  hat  das  alte  Culmer 
Land  geliefert.  In  dem  Gebiete,  welches  von 
der  Weichsel,  der  Drewenz , der  Ossa  und  jenem 
Waldrevier,  welches  von  den  Quellen  der  Ossa 
zur  Drewenz  hinzieht,  eingeschlossen  wird , sind 
in  der  That  auffallend  viele  Steinwaffen  und  In- 
strumente gefunden  worden : auf  unserer  prähi- 
storischen Karte  dieses  Gebiets  sind  allein  über 
50  verzeichnet.  Erwägt  inan  nun , dass  minde- 
stens ebensoviele  Funde  in  den  verschiedenen 
Sammlungen  der  Provinz  zerstreut  sind , weiche 
ich  noch  nicht  habe  eiutragen  können , so  weist 
dies  auf  einen  einst  sehr  verbreiteten  Gebrauch 
dieser  Werkzeuge  hin.  Und  diese  grosso  Zahl 
stammt  nicht  etwa  von  einer  einzigen,  sondern, 
wie  Sie  auf  der  Karte  sehen,  von  verschiedenen 
durch  das  ganze  Gebiet  zerstreuten  Fundstätten 
her,  wenngleich  dieselben  an  einzelnen  Stellen 
wie  Kulm,  Graudenz,  Wangerau,  Ramuttken,  be- 
sonders aber  Briesen,  besonders  häufig  sind.  Da- 
runter finden  sich,  wie  Sie  sehen,  mehrere  recht 
tüchtig  abgenutzte,  mehrere  mit  wiederholter  Bohr- 
ung, einige  mit  begonnener  unvollendeter  Bohrung. 
Für  die  Art  der  Bohrung  sind  einige  Exemplare 
besonders  lehrreich. 

Bekanntlich  hat  man  lange  gezweifelt,  ob 
es  überhaupt  möglich  ist,  ohne  Benutzung  des 
Metalls  so  harte  Steine  zu  durchbohren  : allein 
heutzutage  ist  dies  Uber  alle  Zweifel  erhoben. 
Wallace,  der  bekannte  Reisende,  sah,  wie  die 
Eingeborenen  Südamerikas  harte  Nephrite  und 
Quarze  bis  zu  8 Zoll  Länge  mit  Hilfe  eines 
Bananenschösslings,  der  quirlförmig  gedreht  wurde 


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69 


und  mit  Hilfe  von  Sand  und  Wasser  durch- 
bohrten oder  vielmehr  durchschliffen.  Freilich 
brauchten  sie  zur  Durchbohrung  eines  Steines 
oft  viele  Jahre.  Dr.  Rau  in  Newyork  durch- 
liohrte  mit  einem  von  den  Indianern  benutzten 
Geräth  ein  Steinbeil  in  ungefähr  2 Jahren  oder 
mit  Abrechnung  der  Unterbrechungen  in  etwa 
vior  Monaten  bei  zehnstündiger  Tagesarbeit.  Allein 
Graf  Wurmbrand  hat  auch  in  den  Funden  der 
Pfahlbauten  die  einzelnen  Stücke  eines  primitiven 
Steinbohrapparats  gefunden  und  denselben  daraus 
so  vollständig  zusammengesetzt , dass  er  einen 
Serpentin  damit  durchbohren  konnte,  auch  durch 
Vergleichung  des  Bohrers  mit  den  Bohrlöchern 
wirklich  bewiesen,  dass  die  Pfahlbauer  einen  solchen 
Apparat  benutzt  haben,  durch  welchen  Übrigens 
das  Loch  nicht  aus  geschliffen,  sondern  ein  ganzer 
Cylinder  gleichsam  herausgeschnitten  wurde. 

Sie  sehen  in  unserer  Sammlung  beide  Arten 
der  Bohrung  in  schöneu  Exemplaren  vertreten. 
Wenn  man  hiernach  erwögt , wie  viel  Zeit  und 
Arbeit  die  Bohrung  eines  solchen  Steininstruments 
erforderte , so  wird  man  ermessen  , wie  kostbar 
der  Besitz  eines  solchen  Stückes  für  den  Menschen 
der  Steinzeit  sein  musste. 

Der  Form  nach  haben  wir  Aexte,  Meissei 
und  Hämmer  vertreten , dem  Material  nach 
Feuerstein,  Diorit  oder  andere  Gesteine,  welche 
in  den  Geschieben  der  Gegend  Vorkommen.  Ein 
Gestein  , welches  dort  nicht  vorkommt,  also  auf 
etwaigen  Verkehr  mit  fernen  Gegenden  hinwiese,  ist 
in  den  uns  bekannten  Funden  nicht  vertreten. 

Ueber  die  Menschen  selbst,  welche  sich  mit 
diesen  primitiven  Geräthen  behelfen  mussten, 
wUsen  wir  bisher  nur  wenig.  Während  bei 
Graudenz  ein  Urnengrab , welches  als  Beigabe 
ein  Feuersteinmesser  und  einen  Meissei  aus 
Gneis  enthielt,  aufgedeckt  wurde , enthielt  ein 
Grab  bei  Briesen,  welches  bei  dem  Eisenbahnbau 
geöffnet  wurde , zwei  Skelette  und  einen  Feuer- 
steindolch : der  Letztere  und  ein  Schädel  kamen 
in  die  Sammlung  der  physik.  ökonomischen  Ge- 
sellschaft nach  Königsberg.  Dieser  Schädel  ist 
nun  ein  stark  brachycephaler  und  hat  nach  der 
Untersuchung  von  Wittich’s  in  seinen  Ver- 
hältnissen viel  Aehnlichkeit  mit  Schädeln  der 
dänischen  Steinzeit.  Indess  sind  diese  Materialien 
zu  spärlich,  als  dass  wir  darauf  irgend  einen 
sichern  Schluss  bauen  könnten. 

In  Deutschland  gewinnt  die  Ansicht  immer 
weitere  Verbreitung,  dass  die  nordeuropäischen 
Völker  die  ersten  Geräthe  aus  Metall  von  den 
Völkern  des  Mittelmeeres  in  den  letzten  Jahr- 
hunderten vor  Christi  Geburt  erhielten  und  zwar 
merkwürdiger  Weise  zuerst  vorherrschend  Waffen 


aus  Bronze,  Schwerter,  Gelte,  Palstäbe,  und  das 
in  so  grosser  Menge,  dass  in  einzelnen  Gegenden 
eine  wirklich  erstaunliche  Zahl  dieser  Zeugen  des 
ältesten  Verkehrs  gesammelt  worden  sind.  Von 
solchen  Bronzewaffen  ist  bisher  im  Culmcr  Lande, 
soviel  uns  bekannt  ist , nichts  gefunden  worden. 
Auch  die  Zahl  der  Gräber , welche  wir  in  den 
benachbarten  Gebieten  Westpreussens  in  die 
Uebergangszeit  der  Bronze-  und  Eisenzeit  setzen, 
dor  Steinkistengräber , ist  in  diesem  Gebiet  ver- 
hältnissmässig  gering;  uns  sind  Steinkistengräber 
nur  bekannt  geworden  in  Lunau , Wroclawken, 
Alienrode  und  Blandau , welche  sich  in  ihrem 
Bau  und  ganzen  Verhalten  von  den  ähnlichen 
westpreussischen  nieht  unterscheiden.  Dem  ent- 
sprechend sind  Gesichtsurnen  im  Culmer  Lande 
auch  nur  selten  gefunden  worden. 

Dagegen  mehren  sich  schon  die  Zeugen  des 
Verkehrs  in  den  ersten  Jahrhunderten  nach  Christi 
Geburt  und  es  scheint,  als  ob  für  das  Culmer 
Land  dasselbe  gilt,  was  Grewingk  für  die 
russischen  Ostseeprovinzen  angibt , dass  nämlich 
hier  die  Steinzeit  bis  in  das  sogenannte  Eisen- 
alter,  d.  i.  bis  in  die  erste  Zeit  nach  Christi 
! Geburt  hinreichte. 

Einer  der  interessantesten  Funde  aus  dieser 
Zeit  ist  nun  die  Bronzeschüssel  von  Steinwage. 
Vor  längerer  Zeit  fand  nämlich  Herr  Krahn 
bei  Feldmark  Ruda  in  einem  Hügel  verschiedene 
Gläser,  kleine  Thongefässe,  einen  Eimer  mit  Bü- 
geln und  die  vorliegende  grosse  Schüssel  aus 
Bronze  mit  2 Henkeln.  „Die  Technik  dieses 
I Gefässes**,  schreibt  das  deutsche  Gewerbe-Museum 
! in  Berlin , „ist  merkwürdig  und  kommt  ähnlich 
auf  einem  Eimer  im  Antiquarium  des  konigl. 

' Museums  vor.  Es  war  zuerst  versilbert  und 
| dann  waren  die  Figuren  und  Ornamente  wieder 
| vom  Silber  blossgelegt,  so  dass  der  Bronzegrund 
! wieder  herauskam.  Jetzt  ist  bis  auf  wenige 
| Stellen  dies  Silber  horuntergesebeuert.  Die  Dar- 
| Stellung  auf  dem  Grunde  der  Schüssel  zeigt  im 
j äusseren  Rande  Gladiatoron , welche  von  einem 
| Priester  (?)  zu  einem  bekränzten  herrnenartigen 
Götterbild  geführt  werden.  Die  Tracht  des  Prie- 
1 sters  und  die  phrygische  Mütze  des  Bildwerks 
deuten  auf  einen  der  asiatischen  Culte,  welche 
in  spätrömischer  Zeit  sehr  verbreitet  wareu.  Das 
Mittelbild  zeigt  den  Raub  einer  Frau  in  einer 
ähnlichen  Darstellung,  wie  es  für  den  Raub  der 
| Proserpina  durch  Pluto  üblich  ist.  Hier  aber 
| ist  durch  Körperorscheinuug  und  die  Keule  Her- 
! kules  als  der  Raubende  gemeint.  Das  Geftlss 
gehört  augenscheinlich  der  spätesten  römischen 
Zeit,  wohl  dem  3.  bis  4.  Jahrh.  n.  Chr.  an. 

Nicht  viel  jünger  ist  das  Gräberfeld  von 


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Fodwitz.  Hier  fand  vor  etwa  5 Jahren  Herr 
Schulze-Stelter  beim  Abtragen  der  Uneben- 
heiten seines  Feldes  einen  alten  Begräbnisspl&tz, 
der  durch  Steine  begrenzt  und  etwa  14  Schritte 
breit  und  20  Schritte  lang  war.  An  dem  nord- 
östlichen Winkel  dieser  Fläche  befand  sich  eine 
Steinlage,  auf  welcher  Asche  und  Kohle  beson- 
ders dicht  angehäuft  waren , während  in  der 
Mitte  gegon  30  Urnen , etwa  1 */*  Futt  unter 
der  Oberfläche,  in  der  Erde  standen,  ohne  jede 
Steinumsetzung,  also  weder  mit  Steinplatten  noch 
mit  gewöhnlichen  Kopfsteinen  umstellt  waren, 
ln  diesen  Urnen  befanden  sich  2 Fibeln,  2 Bronze- 
schnallen, der  Ueberrest  eines  Bronzegefässes,  an 
dessen  Boden  3 concen  tri  sehe  Kreise,  welche  für 
römische  Arbeit  charakteristisch  sind , sich  be- 
finden, wie  wir  dieselbe  an  der  schön  erhaltenen 
Münsterwalder  Bronzeurne  genau  kennen  gelernt 
haben  und  endlich  ein  Bronzesporn,  genau  von 
derselben  Form  wie  der  Sporn  in  der  Münster- 
walder Urne.  Wir  haben  daher  hier  ein  zweites 
Zeugniss  von  dem  römischen  Handelsverkehr  mit 
dem  C'ulmer  Lande  aus  dem  älteren  Eisen  alter. 
Auch  in  Grubno  sind  Urnengrüber  mit  Eisen 
und  Bronze  gefunden  worden,  ebenso  in  Cymberg 
Armbänder  und  Ohrringe  aus  Bronze  nebst  einem 
Denar  der  Faustina  junior,  Beigaben,  welche  auf 
einen  weiteren  Verkehr  mit  den  südlichen  Län- 
dern hin  weisen. 

In  der  neueren  Zeit  Ist  bei  Briesen  in  einer 
Sandgrube  ein  heidnisches  Grab  aufgedeckt  wor- 
den, welches  Skelette  und  Thongeffcsse  enthielt 
nebst  schönön  Perlen  und  Fibeln  aus  Bronze, 
welche  die  Charaktere  des  älteren  Eisenalters 
zeigen.  Herr  von  Stumpfeld  hat  durch  pro- 
tokollarische Vernehmung  der  Finder  die  Fund- 
geschichte constatirt  und  die  Beigaben  und  Schädel 
gerettet.  Die  letzteren , welche  ich  noch  nicht 
untersucht  habe , versprechen  uns  einigen  Auf- 
schluss über  die  Bewohner  des  Culmer  Landes 
in  den  ersten  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung, 
während  wir  durch  die  Ausgrabungen  bei  Kaldus 
Weits  über  die  anthropologischen  Beziehungen 
derselben  am  Ende  des  vorigen  Jahrtausends 
einigermassen  aufgeklärt  sind.  Bevor  wir  aber 
zu  dieser  grossen  Fundstätte  selbst  übergehen, 
gestatten  Sie  mir  eine  Keibe  von  alten  Befestig-  ! 
ungen  zu  erwähnen,  welche  sich  längs  der  Gren- 
zen des  Culmer  Landes  hinziehen. 

Zuerst  finden  wir  nach  Norden  hin  an  der 
Grenze  gegen  die  alten  Pruzzen , längs  der  Ossa 
eine  Reihe  von  Burgbergen,  welche  offenbar  ein 
zusammenhängendes  System  von  Vertheidigungs- 
werken  bilden.  Da  haben  wir  nicht  weit  von 
der  Quelle  dieses  Flusses  den  Wall  von  Thimau, 


dann  den  Wall  am  See  von  Plowen,  dann 
den  Wall  von  Leistenau , von  Schwetz  und  die 
2 Wälle  von  der  Slup'schen  Mühle  zu  beiden 
Seiten  der  Osaa,  Wälle,  deren  Kenntniss  wir  den 
Untersuchungen  de«  Herrn  Director  Töppen 
verdanken.  Wir  haben  allen  Grund  anzunehmen, 
dass  dieses  Vertheid igungssy stein  gegen  die  Ein- 
fälle der  Pruzzen  in  da«  Culmer  Land  geschaffen 
wurde,  wenigstens  haben  wir  nach  der  südlichen, 
polnischen  Grenze  zu  kein  solches  System  von 
Wällen  , uns  ist  nur  der  Burgwall  bei  Gajewo 
bekannt  geworden.  Auch  an  der  westlichen 
Grenze  an  der  Weichsel  selbst  haben  wir  nur  in 
dem  Lorenzberg  bei  Kaldus  einen  gut  unter- 
suchten Wall  kennen  gelernt,  wenngleich  deren 
höchst  wahrscheinlich  eiue  grössere  Zahl  existirt. 

Der  Lorenzberg  springt  schon  von  Natur 
zwischen  Culm  und  Althausen  plattform artig  vor 
und  ist  mittelst  künstlicher  Auftragung  noch 
durch  einen  sehr  hohen  Wall  geschützt.  Er  ge- 
hört zu  der  Klasse  der  Burgberge,  wie  wir  sie 
bei  Deutsch  Eylau  im  Geserichsee  schon  kennen 
gelernt.  In  ihm  fanden  sich  nur  wenige  Scher- 
ben vom  Burgwalltypus,  keine  Knochen,  keine 
Kohlen ; er  hat  offenbar  auf  dem  Plateau , wie 
alle  Burgberge,  früher  die  Burg  eines  Häupt- 
lings getragen,  dessen  Volk  im  Hakelwerk  ringsherum 
wohnte,  später  aber  wohl  eine  christliche  Kapelle, 
wie  die  Sage  erzählt,  worauf  auch  einzelne  dort 
gefundene  Gegenstände,  wie  ein  silberner  Schmuck 
mit  2 Herzen  und  Kreuzen,  hin  weisen. 

Dicht  neben  diesem  Burgberg,  welcher  zur 
Feldmark  Kaldus  gehört,  liegt  nördlich  das  Dorf 
Uszcz,  auf  dessen  Gemarkung  6 knfische  Münzen 
und  Silberschmuck  gefunden  worden  sind,  während 
südlich  davon  ein  Hügel  sich  befindet,  auf  wel- 
chem wir  eines  der  wichtigsten  Gräberfelder  unserer 
Provinz  entdeckt  haben.  Da  dieser  Friedhof  uns 
über  Land  und  Leute  sehr  viel  erzählt,  so  gestatten 
Sie  mir  etwas  ausführlicher  darüber  zu  berichten. 

Es  lagen  liier  im  Ganzen  gegen  100  Ske- 
lette reihenweise  nebon  einander  begraben  jeg- 
lichen Altere  und  Geschlechts,  sowohl  Kinder 
unter  1 Jahr  als  Greise  über  60  Jahre:  70  da- 
von haben  wir  selbst  ausgegraben.  Diese  Skelette 
lagen  horizontal  auf  dom  Rücken , die  Hände 
längs  des  Rumpfes  ausgestreckt,  den  Kopf  noch 
Westen,  die  Füsse  nach  Osten  gerichtet.  Zur 
Seite  des  Schädels  fanden  sich  sehr  häufig  als 
Beigaben  ganz  eigenthümliche  Ringe  ans  dickem 
Bronzedraht , zuweilen  schwach  versilbert , mit 
einem  stumpfen  Ende,  während  das  andere  Ende 
hakenförmig  umgebogen  Ist.  Ich  nenne  diese 
Ringe  daher  Hakenringe.  Ausserdem  hatten 
viele  Skelette  eine  Perlenschnur  aus  edlen  Steinen 


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nm  den  Hals,  bronzene  Fingerringe,  eiserne 
Messer  in  der  linken  Hüftgegend  nebst  bronzenen 
Gürtelbeschlägen  und  anderen  kleinen  Beigaben. 
Alle  diese  Gegenst&nde,  wie  der  ganze  Fund 
überhaupt,  sind  genau  beschrieben  und  abgebildet 
in  einer  grösseren  Abhandlung , welche  in  dem 
6.  Heft  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  1878  er- 
schienen ist.  Hier  sollen  nur  die  wichtigsten  Resul- 
tate jener  Untersuchung  mitgetheilt  werden.  Von 
allen  Beigaben  sind  jene  Hackenringe  für  die 
Bestimmung  der  Zeit  und  der  Nationalität  dieser 
Reihengräber  am  wichtigsten.  Es  steht  nach  den 
Untersuchungen  von  Sophus  Müller  und  mei- 
nen eigenen  fest,  dass  das  Fundgebiet  dieser 
Ringe  in  Deutschland  westlich  von  der  Weser 
und  ihren  Quellfiüssen , östlich  von  der  untern 
Weichsel  und  der  Ossa  begrenzt  wird,  während 
es  ausserhalb  Deutschlands  noch  Böhmen,  Mähren, 
Nieder-Oesterreicb,  Ungarn,  Polen  und  Russland 
umfasst,  also  genau  mit  dem  Gebiet  zusammen- 
fällt, welches  einst,  von  den  Slaven  besetzt  war; 
es  steht  ferner  fest,  dass  diese  Ringe  in  Polen 
noch  mit  Münzen  vom  Jahre  1054  n.  Chr.  zu- 
sammen gefunden  worden  sind , während  wir 
einen  solchen  Hakenring,  den  Sie  hier  sehen,  in 
den  Brandgruben  von  Oliva,  welche  sicher  dem 
älteren  Eisenalter  angehören , gefunden  haben, 
d.  h.  also , dass  diese  für  die  slavische  Sitte 
charakteristischen  Ringe  vom  3*  bis  in  das  11. 
Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  Vorkommen; 
es  steht  endlich  fest,  dass  dieselben  nicht  wie 
Sophus  Müller  angiebt,  als  Schläfenringe  be- 
nutzt wurden  ähnlich  den  Ringen  der  Merier, 
welche  Graf  Ouvaroff  beschreibt,  sondern  dass 
sie  theils  als  wirkliche  Ohrringe , theils  als 
Klapperzierrath  an  einem  etwas  zusammenge- 
setzten Kupfputz  gedient  haben.  WTir  müssen 
wegen  der  Begründung  dieser  Ansicht  auf  die 
oben  citirte  Arbeit  Über  dos  ganze  Gräberfeld 
verweisen,  in  welcher  auch  die  einschlägige  Li- 
teratur vollständig  angeführt  ist. 

Einer  Sitte  müssen  wir  noch  gedenken, 
welche  durchweg  in  allen  Gräbern  beobachtet 
W’urde.  Es  lag  nämlich  unter  jedem  Schädel 
und  in  jeder  Hand  des  Skeletts  ein  Scherben 
von  einem  zerbrochenen  Gefäss ; eine  ganz  gleiche 
Sitte  ist  bisher  nirgends , eine  ähnliche  aber  in 
Gräbern  Schlesiens  und  der  kurischen  Nehrung 
beschrieben  worden.  Wir  sehen  darin  nur  den 
letzten  Rest  jener  auch  in  den  klassischen  Län- 
dern bekannten  Sitte,  den  Todten  ganze  Geflisse 
mit  ins  Jenseits  zu  geben.  Diese  Scherben  nun 
tragen,  wie  Sie  sehen,  den  bestimmten  Charakter 
der  Burgwalltöpferei , weisen  diese  Gräber  also 
gegen  das  Ende  des  vorigen  Jahrtausends  hin. 


Nachdem  wir  nun  mit  einiger  Wahrschein- 
lichkeit aus  den  bisherigen  archäologischen  Unter- 
suchungen folgern  mussten,  dass  die  Reihengräber 
von  Kaldus  aus  einer  Zeit  herstammen,  in  wel- 
cher hier  bereits  spezifisch  slavische  Sitte  herrschte, 
so  müssen  wir  weiter  noch  die  anatomischen 
Charaktere  der  gefundenen  Schädel  in  Erwägung 
ziehen,  in  wiefern  dieselben  mit  jenem  Ereigniss 
übe  rein. stimmen. 

Von  den  70  Skeletten,  welche  wir  unter- 
sucht haben,  sind  30  Schädel  mehr  oder  weniger 
erhalten.  Von  diesen  sind  1 1 äusserst  dolicho- 
cepbal,  15  mesocephal  und  4 schwach  braehy- 
cephal,  im  Durchschnitt  ist  der  Index  74,79. 
— Nach  den  Untersuchungen  von  K o p e r n i ck  i 
sind  von  30  Ruthenen  keiner  dolichocephal, 
6 mesocephal  und  24  brachycephal , im  Durch- 
schnitt ist  der  Index  82,3:  ähnlich  sind  nach 
Weissbach  von  40  Polenschädeln  keiner  dolicho- 
cephal, 9 mesocephal  und  31  brachycephal,  im 
Durchschnitt  der  Index  82,9.  Und  ähnlich  ist 
es  mit  allen  Slaven.  Es  geht  daraus  hervor, 
dass  diese  Schädel,  welche  wir  bei  Kaldus  aus- 
gegraben haben,  entschieden  nicht  die  Form  der 
Slaven schädel  haben.  Dagegen  stimmen  dieselben 
fast  vollständig  mit  den  Schädeln  der  reinen 
Littauer,  welche  in  den  Königsberger  Sammlungen 
sind.  Beide  Formen  sind  mesocephal,  ihre  absolute 
Länge,  Höhe  und  Capacität  stimmt  fast  genau, 
nur  die  Breite  ist  bei  den  Littauern  etwas  grösser, 
indess  nicht  so,  dass  sie  die  änsserste  Grenze  der 
Mesocephalie  erreichte.  Wir  müssen  auch  hier 
wieder  auf  die  speziellen  Untersuchungen  in  der 
oben  citirten  Abhandlung  verweisen  und  ziehen 
hier  nur  den  Schluss,  dass  in  den  Reihengräbern 
von  Kaldus  eine  Bevölkerung  vertreten  ist,  welche 
ihrer  körperlichen  Beschaffenheit  nach  mit  der 
lettischen  Völkerfamilie  verwandt  war,  während 
sie  zur  Zeit,  aus  welcher  der  Friedhof  herstammt, 
also  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrtausends  bereits 
vollständig  slavisirt  war. 

Nördlich  von  der  Ossa  kommen  jene  speci- 
fisch  slavischen  Hakenringe  nicht  vor.  Sind  also 
die  Bewohner  des  Culmer  Landes  im  vorigen 
Jahrtausend  ursprünglich  Pruzzen  gewesen , wie 
dies  nach  der  craniologischen  Analyse  der  Kal- 
duser  Gräber  wahrscheinlich  ist , so  setzt  die 
Slavisirung  dieses  Gebiets  bei  der  bekannten 
Zähigkeit  der  alten  Pruzzen  eine  lange  Reihe 
von  Kämpfen  voraus , in  welchen  die  Polen 
schliesslich  den  Sieg  davon  trugen , lange  bevor 
das  Christenthum  und  damit  die  Geschichte  hier 
auftritt.  M.  H. ! Lückenhaft  freilich  ist  dieses 
Bild,  welches  ich  Ihnen  von  der  prähistorischen 
Kultur  im  Culmer  Lande  entwickeln  konnte, 


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allein  verglichen  mit  andern  Gebieten  unserer  I 
Provinz  ist  es  ausserordentlich  reich.  Wir  sahen 
vor  lins  die  ältesten  Bewohner  des  Landes  sich 
mühsam  mit  der  Herstellung  von  Steingeräthen 
der  primitivsten  Art  abquälen ; wir  sahen  dann 
eine  neuere  Zeit  anbrechen  mit  vorgeschrittener 
Kultur  durch  Anknüpfung  von  Handelsbeziehungen  i 
mit  den  Völkern  des  Mittelmeeres,  wahrscheinlich 
von  Seiten  neuer  Einwanderer,  der  Pruzzen ; wir 
sahen  dieses  Volk  mit  den  benachbarten  Polen 
lange  hartnäckig  kämpfen,  wir  sahen  es  schliess- 
lich unterliegen  und  vollständig  polonisirt  in  die 
Geschichte  treten. 

Das  Grabhügelfeld  bei  Ramsen. 

Von  Dr.  C.  Mehlis. 

Das  Correspondenzblatt  Nr.  6 bringt  S.  57 
einige  Notizen  über  die  von  dem  Verfasser  dieser 
Zeilen  geleiteten  Ausgrabungen,  wozu  Folgendes 
in  ausführlicher  Weise  zu  bemerken  ist. 

Das  GrabhUgelfeld  liegt  auf  einem  stark 
bewaldeten  Höhenzug  auf  dem  südlichen  Ufer 
des  Flüsschens  Isa  oder  Eis,  welches  sich  bei 
Worms  in  den  Rhein  ergiesst.  Nordöstlich  vom  Grab- 
hügelfeld liegt  der  Ort  Ramsen.  lieber  den  Schor- 
lenberg westlich  von  Ramsen  zog  sich  au  Kaisers-  I 
lautern,  dem  Brennpunkte  der  Strassen  im  Hart-  i 
gebirge  eine  Römerstrasse,  welche  sich  am  genann-  | 
ten  Berge  theilte  und  mit  dem  einen  Zweig 
längs  der  Eis  Uber  Ramsen  und  Eisenberg  nach  Worms, 
mit  dem  andern  über  Neuleinigen  und  längs  dem  | 
Eckbache  (vgl.  „die  Pfalz  unter  den  Römern“  ! 
8.  59  und  Karte)  dasselbe  Ziel  erreichte.  Längs 
dieses  nördlichem  Strassenzuges  befinden  sich  nun 
südwestlich  von  Ramsen , eingeschlossen  von 
zwei  Quellbächon  der  Eis , die  sich  bei  Ramsen 
einen . die  Grabhügel , bedeckt  mit  theilweise 
mächtigen  Buchenstäm men.  Durch  eine  aus  Wat- 
tenheim noch  Ramsen  laufende  alte  Strasse,  jetzt 
Vieinalweg,  werden  sie  in  zwei  natürliche  Ab- 
theilungen zerlegt.  Aber  diese  natürliche  Ab- 
theilung der  Hügelgrube  deckt  sich,  wie  Schürf- 
ungen und  Nachgrabungen  deutlich  bewiesen,  mit 
der  Art  und  Weise  der  Hügelconstruktion.  Die 
Hügel  westlich  der  Strasse,  also  mehr  im  Innern 
des  Stumpfwald  genannten  Forstes  haben  einen 
Umfang  von  50 — 100m.  Die  grössten  derselben 
befinden  sich  am  weitesten  nach  Westen.  Sie 
haben  eine  Höhe  von  1 */»  — 3 m und  sind  ge- 
bildet ans  mächtigen  centnerscbweren  (der  Sand- 
stein ist  stark  eisenhaltig),  in  einander  gekeilten 
und  desshalb  schwer  zu  entfernenden  Blöcken. 
Die  Bäume  dazu  erschweren  die  Ausgrabungen 
wesentlich.  Die  Hügel  11111x160  mit  breiten  kreuz- 


förmigen Einschnitten  geöffnet.  Es  liess  sich 
noch  eine  schwache  Wölbung  naehweisen , unter 
welcher  in  dieser  S t ein  gräl)  er  gruppe  die 
Leichen  unverbrannt  lagen.  Soweit  die  Reste  der 
Skelette  zu  erkennen  waren , lagen  die  Skelette 
und  zwar  in  jedem  der  zwei  vollständig  unter- 
suchten Tumuli  mehrere  mit  dem  Gesichte  nach 
Osten.  Von  Metallfunden  ergab  sich  nur  Bronze; 
doch  mögen  immerhin  auch  eiserne  Ge- 
genstände darin  enthalten  gewesen  sein,  welche 
sich  aber,  stark  der  Oxydation  ausgesetzt,  aufge- 
löst und  mit  den  stark  eisenhaltigen  Decksteinen 
verbunden  haben  mochten.  Die  Hauptobjekte 
bestanden  in  Bronzeringen  und  zwar  in  solchen 
für  den  Hals  (nz  torques),  die  Arme  (es  landen 
sich  noch  Ringe  mit  den  von  Bronze  inficirten 
Ellenbogengelenken),  und  nach  den  Dimensionen 
zu  schliessen  auch  für  die  Füsse.  Die  zwei  ge- 
fundenen Halsringe  hatten  eigentümliche  horn- 
artige Schliessen,  welche  vielleicht  für  den  Kahl- 
kropfknopf berechnet  waren.  Aehnliche  sind  d.  V. 
am  deutschen  Boden  nicht  bekannt.  Die  Bronze 
ist  gegossen  und  trägt  zum  Theil  Verzierungen 
von  doppelten,  niedrigen  Wülsten,  welche  band- 
artig die  Peripherie  der  Ringe  umgeben.  Die 
Bronzeobjekte  zeigen  zum  Theil  schlechten  Guss, 
wie  mehrere  knopfartige  Gussaustritte  beweisen. 
Die  Bronze  selbst  ist  schlecht  patinirt.  Verglei- 
chen wir  die*«»  Bronzefunde  in  Form  und  Her- 
stellung mit  andern  aus  der  Umgebung,  so  haben 
sie  mit  den  Bronzeringen  von  Battenberg,  der 
Dürkhoimev  Ringmauer,  der  Limburg,  St.  Gre- 
then etc.  (vgl.  das  geordnete  Material  in  des 
Verfassers  „ Studien u III.  Abth.  S.  20  — 48)  ge- 
meinsam die  geringe  Ornamentation  der 
Objekte  (Im  Gegensatz  zu  vollendet  schönen  Bronzen 
i von  derselben  Gegend,  so  von  Eppstein)  oder  noch 
häufiger  dos  vollständige  Fehlen  derselben,  den 
schlechten  Guss  der  Bronze,  die  sich  in  Un- 
regelmässigkeit der  peripherischen  Gestaltung  und 
Gussaustritton  zeigt,  endlich  die  schlechtere  Com- 
position  des  Metalles,  welche  man  an  der  un- 
edlen Patinabildung  bemerkt.  Da  nun  zudem, 

] zwar  nicht  in  Ramsen  selbst  bis  jetzt,  wohl  aber 
j am  ganzen  Hange  des  Hartgebirges  von  Grün- 
stadt  bis  Neustadt  mehrere  Gussformen,  eine 
sogar  mit  Gusstiegel,  sich  gefunden  haben,  so  wird 
I man  nicht  anstehen  können , nach  Berücksichtig- 
I ung  der  gegebenen  Momente,  der  Aelmlichkeit 
des  meist  mitgefnndenen  Töpfergeschirres , der 
I Leitmuschel  der  Archäologen , sowie  der  Fund- 
orte dieser  Objekte,  am  Hange  des  Hartgebirges 
und  auf  dem  Massive  desselben  diese  Bronze- 
funde in  die  gleiche  Periode  zu  versetzen  und 
ihren  Guss  einer  einheimischen , unentwickelten 


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73 


Bronzeindnstrie  zuzuschreiben.  Dies  sind  für  den 
Verfasser  strenge  Folgerungen  der  Fund  umstünde. 

Die  Grabhügel  der  östlichen  Gruppe  ha- 
ben nur  einen  Umfaug  von  30 — 42  m,  dagegen 
eine  Höhe  bis  zu  3 1 * m und  erscheinen  bei  diesen 
Dimensionen  bedeutend  höher  dem  Auge  als  die  der 
westlichen  Abtheilung.  Construirt  sind  diese 
Hügel,  wie  schon  der  Anblick  lehrt,  sehr  einfach 
aus  Sand  t den  eine  Rasendecke  zusammenhält. 
In  dem  einen  dieser  Hügel  lag  ziemlich  in  der 
Mitte  nur  ein  zusammen  gebogenes  eisernes  Schwert 
von  llf  cm  Länge.  Das  Metall  ist  verhältniss- 
mässig  gut  erhalten.  Daneben  lag  ein  rundes, 
durchlöchertes,  an  der  Peripliarie  aufgebogenes 
Metallplättchen  von  2,2  cm  Durchmesser,  welches 
offenbar  das  Kopfstück  des  das  Schwertende  um- 
fassenden Holzgriffes  bildete.  Im  zweiten  Tu- 
mulus  dieser  Hügelgruppe  befanden  sich  nach 
Westen  zwei  aus  Sandsteinplatten  bestehende  ca. 
ljt  m hohe  Steinkisten,  Die  Platten  waren 
unbehauen,  aber  sorgfältig  zu  diesem  Zwecke  heraus- 
gewählt. In  der  ersten  Steinkiste  stand  eine 
1 8 cm  hohe,  schwach  ausgebauchte,  im  obern  Theil 
doppelt  ausgekragte  Urne.  Dieselbe  sorgfältig 
gerundet  und  mit  Graphit  geschwärzt  trägt  vier 
längs  dem  Bauche  mit  Formen  in  regelmässigem 
Abstande  eingesetzte  Reihen  von  Kreisen  mit 
je  einem  Punkte  in  der  Mitte.  Daneben  lag  eine 
Bronzefibel , welche  unterhalb  der  Falze  für  den 
Nadeldorn  in  einem  Fortsatz  ausläuft,  der  einen 
Knopf  trägt.  Dieser  Knopf  besteht  hier  aus 
einer  Koralle,  in  welche  eine  echte  Perle  ein- 
gelassen ist.  Letztere  erscheint  natürlich  verkalkt. 
Diese  charakteristische  Fibel  schliesst  sich  eng 
an  an  solche  aus  der  Schweiz  und  ans  Grab- 
hügeln in  Württemberg,  welche  nach  Linden- 
schmit  keiner  einheimischen  Industrie,  sondern 
der  etrurischen  Fabrikation  den  Ursprung  ver- 
danken. Der  Handel  brachte  sie  in  die  Schweiz, 
nach  Württemberg  und  hieber  an  den  Mittel- 
rhein (vgl.  Lindenschmit:  Alterth.  uns.  heidn. 
Vorzeit.  II.  B.  VI.  H.  3.  Tafel  N.  1-4,  7, 
10-11;  VII.  H.  3.  Taf.  N.  5,  8-10,  11—12, 
15  und  Beilage  zu  II,  VIII,  3).  In  der  zweiten 
daneben  befindlichen  Steinkiste  lag  neben  einer 
roheren  Urne  ein  io  der  Mitte  parabolisch  zu- 
sanmieugebogener  dünner  Bronzering , der  nach 
der  gewöhnlichen  Ansicht  als  Schmuck  des  Fuss- 
knöchels  diente.  Im  südlichen  und  östlichen 
Tbeile  dieses  grössten  der  Sandhügel  (42  m Durch- 
messer) lagen  zerstreut  zerbrochene  Topfscherben, 
die  wohl  einer  symbolischen  Handlung  am  Grabe 
ihre  Anwesenheit  danken.  Reste  in  den  Grab- 
Umen  deuteten  auf  Beisetzung  der  Asche,  also 
liier  auf  L e ic h en b rand. 


Unmittelbar  hinter  und  zwischen  der  westlichen 
1 Tumulusgruppe  in  den  W aldabtheilungen  Langen- 
thal und  Langendelle  bis  zum  Kleehofe  an  der 
, Landstrasse  nach  Enkenbach-Kaiserslautern  liegt 
i im  Walde  meist  an  den  Abhängen  der  Thal- 
mulden eine  andere  Art  von  gewaltigen  Hügeln. 
Unter  fussdickem  Moos  liegen  hier  umfangreiche, 
tumulusartige  Schlackenhaufen.  Diese  bestehen 
aus  schlecht  ausgehütteten  Eisenerzen , welche 
die  geologische  Fonnation  der  Vogesias  als  Thon- 
eisenstein (=  Eisenoxyd  mit  Thon  verbunden) 
einst  reichlicher  als  jetzt  enthielt.  Auch  andere 
1 Gegenden  des  Hartgebirges  lieferten  und  liefern 
I bauwürdige  Eisenerze,  so  der  Petronell  bei  Berg- 
zabern und  der  Gegend  von  Schlettonbnch  und 
; Nothweiler  (vgl.  Bavaria:  Pfalz  S.  50  — 51). 

j Während  wir  es  aber  dort  mit  Erzen  zu  thun 
l haben , die  noch  heute  verhüttet  werden , steht 
I man  hier  an  Schlackenhaufen,  von  deren  Ab- 
i lagerung  nicht  einmal  die  Sage  meldet.  Die 
I Schlackenhaufen,  deren  Bestandteile  mit  Nutzen 
| noch  jetzt  auszuschmelzen  wären , sind  so  um- 
1 fangreich,  dass  einer  davon,  jüngst  zur  Strassen  - 
besehotterung  verwandt,  400  Wagenladungen  dem 
Forstreviere  Ramsen  lieferte.  Haben  wir  es  vielleicht 
mit  den  Resten  römischer  Eisengewinn- 
ung zu  thun?  Ganz  in  der  Nähe  liegt  allerdings 
der  Ort  Eisenberg  mit  zahlreichen  Resten  aus 
der  Römerzeit.  Auch  dort  wurde,  wie  im  Orte 
haushohe  Lager  von  Eisenschlacken  neben  und 
mit  römischen  Gefässscherben  längs  der  Ufer  der 
Eis  gethürmt  beweisen , in  der  Vorzeit  das 
Eisenerz  der  Gegend  geschmolzen.  Allein  hier 
auf  dem  abgelegenen  Bergrücken  werden  die 
Römer  kaum  ihre  Schmelzöfen  angelegt  haben,  da 
sie  es  im  Thal  leichter  thun  konnten  und  wirklich 
thaten.  Es  bleibt  nur  übrig,  da  in  historischer 
! Zeit  die  Gegend  keinen  Hochöfen  kannte  und 
das  Eisenwerk  des  H.  vonGienanth  zu  Eisen- 
berg nachweislich  dem  vorigen  Jahrhundert  die 
Entstehung  daDkt , den  Schlackenhaufen  wie  den 
Hügelgräbern  neben  ihnen  vorhistorischen 
Charakter  zu  vindiciren.  Und  für  eine  rohe 
Eisenbereitung,  welche  mit  einem  Ueberflusse 
von  Holz  in  mit  Thon  ausgelegten  Schmelzgruben 
den  Rohstoff  schuf,  haben  wir  aus  der  vorhisto- 
rischen Zeit  Analogien  aus  andern  Gegenden, 
i Bekannt  sind  solche  prähistorische  Schlacken- 
haufen aus  der  Schweiz  und  dem  Jura  (vgl.  z.  B. 
Henne-am-Rhyn : allgem.  Kulturgeschichte  I.  B. 
S.  38) , neuestens  hat  solche  in  Steiermark  in 
der  Nähe  von  Hüttenberg  Graf  Wurmbrand  ent- 
deckt und  dort  sogar  die  römischen  und  vor- 
römischen  einfachen , aber  dem  Zwock  entspre- 
j ebenden  Schmelzöfen  aufgefundeo  (vgl.  Bericht 


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74 


über  die  VIII.  Versammlung  d.  deutschen  anthropolo- 
gischen Geeellsch.,  München  1877  S.  151  — 15*2  u. 
Taf.III.  Fig.  19).  Die  Schlacken  von  Hüttenberg  und 
Ramsen  haben  dasselbe  Aussehen  und  dasselbe 
Gewicht,  ein  Beweis  dafür,  dass  auch  in  Ramsen 
das  Eisen  mit  einem  ähnlichen  Prozesse  gewonnen 
wurde.  Leider  hat  der  Waldbetrieb  noch 
nicht  die  Gelegenheit  gegeben , einen  dieser 
Schlackenhaufen , welche  einen  Umfang  von  90 
bis  100  Schritten  und  eine  Höhe  von  3 — 4 m 
haben,  in  geeigneter  Weise  umzugraben. 

Fragt  man  weiter,  welcher  V olksstamm  in 
vorrümischer  Zeit  hier  den  Eisengewinn  aus  dem 
Brauneisenerz  und  dem  Thoneisenstein  betrieb  (vgl. 
die  Namen : Eis,  Eisenberg,  in  der  Nähe  Isenach 
= Eisenach) , der  welcher  in  den  Steingräbern 
oder  der , welcher  unter  den  Rasen-  und  Sand- 
hügeln begraben  liegt,  so  wird  man  nach  den 
bisherigen  Funden  und  Analogien  nicht  anders  ant- 
worten können,  als  der  Stamm  der  Männer,  welche 
das  Eisenschwert  mit  in  das  Grab  erhielten. 

Suchen  wir  endlich  noch  Anhaltspunkten 
der  diplomatischen  Geschichte,  um  ein  Licht  auf 
die  Ethnologie  dieser  Stämme  an  der  Eis  werfen 
zu  können,  so  haben  wir  bei  Cäsar  und  Strabo 
(vgl.  „Studien“  d.  V’s.  I.  Abth.  8.  33-  -51) 
strikte  Angaben  darüber,  dass  diesen  Gau  an  der 
Eis,  Pfrimm  und  Isenach , den  mittelalterlichen 
Wonnegau  mit  Worms  als  Hauptstadt  anfänglich 
die  gallischen  Mediomatriker  im  Besitze  hatten, 
bis  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr  und 
noch  früher  der  germanische  Stamm  der  Van- 
gionen  (daher V angiones  — Borbetomagus  = W orms) 
über  den  Rhein  drängte  und  bis  zur  Wasser- 
scheide das  Land  besiedelte.  Rufiana  = Eisen- 
berg nennt  Ptolemaeos  als  eine  der  zwei  Städte 
in  ihrem  Gau  (vgl.  „Studien“  III.  Abth.  S.  29 
bis  30  und  CorrespondenzbL  d.  Gesammtver.  d. 
d.  Geseb.-  und  Altert  h.- Vereine  1878.  Juli 
S.  49  — 53:  der  Grenzfluss  Obringa).  Dies  aber 
soll  uns  hier  weniger  interessiren. 

Die  Hauptsache  ist  der  Nachweis,  dass  am  j 
Ostrande  des  Hartgebirges,  au  der  Stelle  des  | 
günstigsten  Uebergangspunktes  von  der  Mosel  und 
der  Saar,  von  Divodurum  (Metz)  und  Treviris  l 
(Trier)  in  das  Mittelrheinthal  nach  Borbetomagus  j 
(Worms)  und  Neinetes  (Speyer)  sich  Lokalitäten 
befinden,  wo  in  vorgeschichtlicher  (=  vorrömi- 
scher Periode  sowohl  Eisen  als  Bronze  hergestellt 
und  technisch  verwandt  wurden.  Noch  mehr  Be- 
deutung hat  diese  Thatsache  durch  den  analogen 
Beweis  tür  die  Vorzeit  von  Steiermark,  das  Land 
der  keltischen  Noriker.  Hier  wie  dort  folgte 
den  Anfängen  der  Metallurgie , ausgeübt  von 
vorgeschichtlichen  Stämmen  die  höhere  Cultur  | 


der  Römer,  welche  aber  diese  Priraordia  nicht 
ausser  Acht  Hess , sondern  benützte  und  weiter 
ausbildete.  Sagt  W'urmbrand  doch,  dass  sich  die 
Schmelzöfen  der  Römer  in  Steiermark  bis  zum 
9.  Jahrhundert  in  ähnlicher  Weise  erhielten 
(a.  a.  0.  S.  151). 

Darf  man  eine  allgemeine  Folgerung  ftlr  die 
Entstehungder  Bronzeindustrie  und  der 
Eisenfabrikation  in  Mitteleuropa  aus 
diesen  Funden  und  Thatsachen  entnehmen,  so  ist  es 
die:  die  Entstehung  der  Metallurgie  in  Mitteleuropa 
ist  nicht  nach  allgemeinen,  entweder  technologi- 
schen oder  culturellen  Gesichtspunkten  zu  suchen 
und  festzusetzen,  sondern  wie  in  jeder  Wissen- 
schaft, so  ist  auch  auf  diesem  Gebiete  die  Lehre 
vom  kleinsten  Centrum  als  mitentscheidender 
Faktor  horanzuziehen.  Die  Gunst  der  Lage, 
das  Lockmittel  des  Verkehrs,  wie  0.  Peschei  sich 
genial  ausdrückt , hat  vielfach  dieselbe , wenn 
nicht  grössere  Bedeutung  für  die  Entstehung  der 
Metallurgie  und  ihre  Fortentwicklung , als  die 
Annahme  von  durchreisenden  Metallgießern  und 
die  Thatsache  gewinnlustiger  Handelskarawanen. 
Die  Stämme,  welche  vor  dem  Eindringen  der 
Römer  die  Gegenden  am  Hartgebirg,  am  Jura 
in  Steiermark  an  der  Enns  bewohnten  und  deren 
Culturgrad,  heissen  wir  sie  nun  Ligurer,  Kelten 
oder  Gallier,  nicht  niedriger  gesetzt  werden  darf,  als 
der  der  Peruaner  und  der  Mexikaner  vor  der 
spanischen  Invasion,  benützten  wie  jene  am  Hange 
der  Anden,  so  hier  im  Jura  und  in  den  Alpen 
die  aufliegenden  Gaben  des  Bodens.  Es  gehörte 
kein  besonderes  G«nie  dazu  , zu  Tage  liegendes 
Eisenerz  mit  dem  Vorrath  des  Waldes  zum 
Schmelzen  zu  bringen,  und  keine  besondere  Kunst 
war  nöthig,  die  Kupfer-  und  Zinnbarren,  welche 
die  Kaufleute  der  Handelskarawanen  von  Norden 
und  Süden  gegen  Lebensmittel,  Unterkunft  und 
Wegcschutz  den  Ureinwohnern  lieferten,  in  rohen 
Formen  zu  einfachen  Artefakten  zu  gestalten. 
Und  dann  gilt  das  Dichterwort: 

quo  semel  est.  imbuta  rocens  servabit  odorem 

tost»  diu. 

Man  muss  sich  das  Ingenium  der  Vorfahren 
der  Römer  nur  nicht  allzu  gering  denken,  zu 
welcher  Supposition  die  Kraniologie  bis  jetzt  durch- 
aus keinen  Anhalt  gibt,  man  muss  den  Nach- 
ahmungstrieb und  die  Lernbegierde  frischer,  be- 
gabter Naturvölker  in  Befracht  ziehen,  man  muss 
die  Lockmittel  des  Verkehre , die  natürlichen 
Passagen  und  Handelsstrassen  mit  in  Rechnung 
ziehen  — und  alle  diese  zu  berechnenden  Faktoren 
werden  die  ersten  Anfänge  der  Metallurgie  und  deren 
Fortentwicklung  in  naturgemäßer  Entstehung  und 
mit  gegebenen  Poten/.irung  sich  entwickeln  lassen. 


Schluss  der  Redaction  am  26.  Juli.  — Jfruck  der  Akademischen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Rcdigirt  von  Professor  Dr.  , fohunnett  Ranke  in  München, 

OtunaUtatUir  der  (ItuiUckafL 


Nr.  9. 


Erscheint  jeden  Monat. 


September  1878. 


Bericht  über  die  IX.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Kiel 

am  12.  — 14.  August  1878 

mit  den  Stationen  Hamburg  und  Lübeck. 

Nach  stenographischen  Aufzeichnungen 
redigirt  von 

Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München 
Generalsekretär  der  Gesellschaft. 


I. 

Tagesordnung  und  Verlauf  der  IX.  allgemeinen  Versammlung. 

Station  in  Hamburg. 

Sonnabend  den  10.  August:  Abends  gesellige  Zusammenkunft  in  den  Räumen  des  Vereins 
für  Kunst  und  Wissenschaft  im  Patriotischen  Hause  auf  der  Börsenbrücke. 

Sonntag  den  11.  August  Morgens  9 Uhr:  Festsitzung  des  Hamburger  anthropologischen 
Zweigvereins  in  der  Aula  der  Gewerbschule.  Begrüssung  der  Gäste  durch  den  I.  Vorstand  des 
Zweigvereins  Herrn  Wibel.  Ansprache  des  Vorsitzenden  der  IX.  allgemeinen  Versammlung  Herrn 
Sch  aaf  f hausen.  Unter  Führung  der  Herren  Wibel  und  Krause  Besichtigung  der  im  Erd- 
geschoss der  Gewerbeschule  neu  aufgestellten  Sammlung  prähistorischer  Altorthümer  aus  dem 
Hamburg-Altonaer  Laude  sowie  der  staatlichen  ethnographischen  Sammlungen.  Besichtigung  des 
Muse  um ’s  Godeffroy,  Begrüssung  durch  Herrn  Caesar  Godeffroy  und  Führung  durch 
Herrn  Schineltz.  Um  2 Uhr  festliche  Bewirt hung  der  Gäste  im  zoologischen  Garten.  Um  5 Uhr 
gemeinsame  Abfahrt  nach  Kiel. 

IX.  Versammlung  in  Kiel. 

8onutag  den  11.  August  Abends:  Anmeldung  der  Mitglieder  im  Bureau  der  Geschäftsfüh- 
rung in  der  Harmonie  und  gesellige  Zusammenkunft  daselbst. 

Montag  den  12.  August.  Morgens  9 — 11  Chr:  I.  Sitzung  in  dem  Pestsäule  der  Harmonie. 
Besichtigung  des  wiedereröffneten  Schleswig -holsteinischen  Museums  vaterländischer  Alterthüiner 


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unter  Führung  des  Herrn  H.  Handel  mann  und  Fräulein  J.  Mestorf.  Nachmittags  2 — 4 Uhr 
II.  Sitzung.  Um  5 Uhr  gemeinsames  Mahl  im  Hotel  Bellevue,  Düsternbrook.  Abends  Gartenfest 
bei  Herrn  Dr.  A.  Meyer  auf  seiner  Villa  Forsteck. 

Dienstag  den  13.  August.  Von  8 — 10  Uhr  Besichtigung  des  Museums  vaterländischer  Alter- 
thttmer  und  der  sonstigen  Sammlungen  und  Institute:  des  zoologischen,  mineralogischen  und  physio- 
logischen Instituts  der  Universität,  der  Gemüldegallerie,  des  Kunstmuseums  auf  dem  Schloss,  des 
neueröffneten  Thaulow-Museuras,  des  Botanischen  Gartens,  der  akademischen  Lehrballe  etc.  unter 
Führung  der  betreffenden  Herren  Vorstände.  Von  10  2 Uhr  III  Sitzung.  Von  4 '/* — 6 Uhr 

Besichtigung  der  Kaiserlichen  Marinc-Etablissement-S  bei  Ellerbeck  unter  Führung  des  Hrn.  Cnpitaiu- 
Lieutenant  Strauch.  Um  G Uhr  Fahrt  in  See  durch  die  Kieler  Bucht  auf  zwei  auf  Kosten  der 
Stadt  Kiel  gestellten  Dampfschiffen. 

Mittwoch  den  14.  August.  Morgens  9 Uhr:  IV.  Sitzung.  Um  1 Uhr  Schluss  der  IX.  all- 
gemeinen Versammlung.  Nachmittags  4 Uhr  Abfahrt  nach  Lübeck. 

Station  in  Lübeck. 

Mittwoch  den  14.  August.  Abends  gesellige  Zusammenkunft,  im  Uathskeller. 

Donnerstag  den  15.  August.  Morgens  9 Uhr  Festver&ammlung  im  Hause  der  Gesellschaft 
zur  Beförderung  gemeinnütziger  Thfitigkeit  und  Begrünung  im  Namen  des  Vereins  für  Lü  heck ische 
Geschichte  und  Alterthumskunde  durch  Herrn  Senator  Dr.  Br e linier.  Dankrede  des  Vorsitzenden 
der  IX.  allgemeinen  Versammlung  Herrn  Sehn  aff  hausen.  Hierauf  Besichtigung  der  daselbst,  auf- 
gestellten eulturhistorisoben  Sammlung  und  des  naturwissenschaftlichen  Museums.  Um  2 Uhr  Aus- 
fahrt mit  Dampfschiff  und  Wagen  nach  Alt-Lübeck,  Schwartau  (Mittagsrastl  Pöppendorf. 
Waldhusen  zur  Besichtigung  der  dortigen  Dolmen,  Burgwiille  und  eines  geöffneten  Hühnengrabes. 

Freitag  den  16.  August.  Ausflug  und  Ausgrabungen  im  Kitze  rauer  Gehege  unter  Füh- 
rung des  Vereines  für  Lübeck  ische  Geschichte  und  Altorthnmskunde  und  der  Vorstände  des  na- 
turhistorisehen  Museums  spec.  des  Herrn  Senator  Dr.  Br  eh  in  er  und  de»  Herrn  Förster  H of  f mann. 
Eröffnung  mehrerer  grösserer  Grabhügel.  Besichtigung  anderer  grösserer  und  kleinerer  Hügelgräber, 
Trichtergrube,  Hochäcker  etc.  Gemeinsames  Abschiedsmahl  in  Kitzen  au.  Abfahrt  der  Gäste. 


Mitglieder -Verzeichn  Iss 

Acland,  Dr.,  Prof.  med.,  Oxford. 

Adler,  Dr.  med.,  Arzt,  Schleswig. 

Ahlm&nn,  Dr.,  Banqnier,  Kiel. 

A hl  mann,  Kaufmann,  Kiel. 

von  Al  vensleben,  Gutsbesitzer,  Scholl  ine 

Becker,  Dr.,  Basel. 

Behla,  Dr.,  Lockao. 

Behnckc,  Rentier,  Kiel. 

Bertheau,  cand.  med.,  Kiel. 

Betz,  Fr.,  Dr.,  Heilbronn. 

Bockcndahl,  Dr.  med.,  Professor,  Reg.  - Medicinal- 
rath,  Kiel. 

Bocken  da  hl,  cand.  med.,  Kiel. 

Brandt,  Rechtsanwalt,  Kiel. 

Brinkmann,  Dr.  phil..  Direktor  d.  Museums  für  Kunst 
und  Gewerbe,  Hamburg 
Brix,  Dr.  med.,  Kreisphysikue,  Flensburg. 

Classen,  Dr.  Hamburg. 

Däbnhnrdt,  Dr  med.,  Arzt,  Kiel. 

Dose,  Assessor  a.  I).,  Kiel 
Dose,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Drost,  Dr  med.  Arzt,  Kiel. 

Eckboff,  Archivar,  Leeuwarden  (Holland). 

Edlefsen,  Dr.  med.,  Professor,  Kiel. 

Eich ler,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Erd  mann,  Dr  phil.,  Altona- 
Flemming,  Dr  med.,  Professor,  Kiel. 


der  IX.  Versammlung. 

Fraas,  Dr.,  Prof.,  Viccpräsid.  d.  deutschen  an throp.  Ge- 
sellschaft, Stuttgart. 

Fr  icke,  Dr  med.,  Zahnarzt,  Kiel. 

Friedrichs,  Buchhändler,  Kiel. 

Forchha  mm  er , Dr  phil.,  Professor,  Kiel. 

Fuchs,  Referendar,  München. 

Gaffky,  Dr  med.,  Assistenzarzt,  Kiel. 

Grempler,  Dr,  Sanitäterath,  Breslau. 

Goeders,  Rentier,  Kiel. 

Goetz,  Dr.,  Oberinedicinalratb,  Neu-Strelitx. 

von  der  Goltz,  Capitain  z.  S.,  Obor-Werft-Dir. , Kiel. 

Grewe,  Dr  med.,  Arzt,  Altona. 

Grüner,  Dr,  Hambnrg. 

Haeberlin,  Professor.  Stuttgart. 

Handelmann,  Dr  phil.,  Prof.,  Direktor  des  schlesw,- 
holst.  Museums,  Kiel. 

Hansen,  Dr.  med.,  Arzt,  Schleswig. 

Hansel  mann,  I)r.  med.,  Kreisphyoikus,  Hadersleben. 
Hart  mann,  Dr.  med.,  Arzt,  Marne. 

Hart  mann,  Apotheker,  Tellingstedt. 
v.  Hcintze,  Frhr,  Baudrate,  liordesholni. 

Heller,  Dr.  med.,  Professor,  Kiel. 

Hennen,  Dr.  med.,  Professor,  Kiel. 

Herschel,  Dr  med..  Arzt,  Kiel. 

Hilgendorf,  Dr,  Berlin. 

Hinily,  I>r.  phil.,  Professor,  Kiel. 

Jessen,  Dr  med.,  Medicinalrath,  Hornheim, 


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77 


Jesseo,  Dr.  phil.,  Conrector  a.  I).,  Prof,  Kiel. 

I wersen,  Dr.  phil.,  Ant,  Cismar. 

Kahl  bau  in,  Dr.,  Görlitz. 

K&femann,  stud  , Görlitz. 

Keller,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Kinderling,  Contre- Admiral,  Kiel. 

Kirchhoff,  Dr.  mod.,  Ant,  Kiel. 

Kirchhoffer,  Dr.  med,  Arzt,  Altona. 

Klouf  fleisch,  Dr.,  Professor,  Jena. 

Kör  bin,  G.,  Dr.,  Berlin. 

Körbin,  Dr.,  Berlin. 

Kraus,  Kegiernngsrath  a.  I).,  Kiel. 

Krause,  Dr-,  Hamburg. 

Krebs,  Dr.  med.,  Harine-Ass.-Arzt,  Kiel. 

Kruse,  Conaul,  Stadtverordneten- Vorsteher,  Kiel. 

Lad eu bürg,  Dr.  phil.,  Prof.,  Kiel. 

Lange,  Dr.  med.,  Arzt,  Uetersen, 
von  Leveling,  Rentier,  München, 
von  Leveling,  Hauptmann,  Mönchen. 

Lissauer,  Dr.,  Danzig. 

Lorenzen,  Stadtrath,  Kiel. 

Lüder»,  Dr.  jur.,  Rechtsanwalt,  Kiel. 

LQdern,  Dr  med.,  Arzt,  Eckernförde. 

Maack,  Dr.  med.,  Arzt,  Barmstedt, 
v.  Maack,  E.,  Buchhändler,  Kiel. 

Markwort,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Marxsen,  Dr.  med.,  Kreisphysikus,  Heiligenhafen. 
Mattbiessen,  Landrath  a.  D.,  Kiel. 

Meblis,  Dr.,  Dürkheim. 

Moyn,  Dr.  phil.,  Uetersen. 

Meissner,  Dr.  med.,  Stabsarzt,  Sonderburg. 
Mestorf,  Früul.,  Custos  des  schl.- holst.  Museums, 
Kiel. 

Metzen  er,  Marine-Oberstubaarzt,  Kiel. 

Meyer,  Dr.  phil.,  Forsteck  bei  Kiel. 

Meyer,  jun„  Forsteck  bei  Kiel. 

Montelias,  Dr.,  Stockholm. 

Mook,  Dr.,  Cairo. 

Möbius,  Dr.  phH.,  Prof.,  Kiel. 

Müller,  Amtsrichter,  Neustadt 
Müller,  Referendar  a.  D.,  Kiel. 

Niepa,  Chef-Redakteur  der  Kieler  Zeitung,  Kiel. 
Niese,  Dr.  med.,  Arzt,  Altona. 

Pansch,  l)r„  med.,  Professor,  Kiel. 

Paulsen,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Pauls,  Stadtverordneter,  Kiel. 

Peters,  Dr.  phil.,  Prof.,  Director  der  Sternwarte,  Kiel. 
Peters,  Dr.  phil,  Observator  der  Sternwarte,  Kiel. 
Peters  en,  Dr.,  frofessor,  Kiel. 

Pctersen,  Hardesvogt,  Augustenburg. 

Poe  sehe,  Prof.,  Washington. 

Poppe,  Privatier,  Bremen. 

von  Prollins,  Geh.  Legat ionsrath,  Berlin. 

Ramm,  Dr.  med  , Arzt,  Kiel. 

Ranke  J. , Dr.  Prof.,  München,  Generalsekretär  der 
deutschen  anthropol.  Gesellschaft. 

Rü  d el , Apotheker,  Kiel. 

Reh  der,  Dr.  med.,  Arzt,  Itzehoe. 


Rheder,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Keventlow,  Graf,  Klosterprobst,  Preetz. 

Sartori,  Consul,  Kiel. 

Schaaffh aasen,  Dr.  Prof,  Bonn,  Präsident  der 
deutschen  anthropol.  Gesellschaft, 
von  Scheel  -PI  essen,  Freih.,  Dr.  jur.,  Oberpräsident, 
Exc.,  Kiel. 

Scheppig,  Dr.  phil.,  Realschullehrer,  Kiel. 
Schieronberg,  Rentier,  Meinberg. 

Schirren,  Dr.  phil.,  Prof.  z.  Z.  Uuiv.-Rector,  Kiel. 
Schlichting,  Dr.  phil.,  Kiel. 

Schmeltz.  Custos  am  Museum  GodefFroy,  Hamburg. 
Schmidt,  Gymnasiast,  Eutin. 

Schmitz,  Apotheker,  Letmatc. 

Schneider,  Dr.  med.,  Marine-Ass.-Arzt,  Kiel. 
Schorer,  Dr.  med.,  Arzt,  Lübeck. 

Schow,  Dr.  med.,  Kreisphysikus,  Neustadt. 

Sch  weder,  Dr.  phil,  Realschullehrer,  Kiel. 

Seelig,  Dr.  phil.,  Prof,  Kiel. 

Siehe,  Dr.,  Altdöbeln. 

Simmonds,  cand.  ined.,  Kiel. 

Stange,  Univers.-Musik-Direktor,  Kiel. 

Stickel,  Rendant,  Kiel. 

Stieda,  Staatsrath,  Prof.,  Dorpat. 

Stilling,  Dr.  med.,  Kiel. 

Strauch,  Capitain-Lieutenant,  Kiel. 

Thaulow,  Dr.  phil.,  Prof.  Geh.-Rath,  Kiel. 
Theobald,  Dr.  Hamburg. 

Thorasen,  Dr.  med.,  Kreisphysikus,  Kappeln. 
Tiemann,  Dr.,  Berlin. 

Timpe,  Landwirth,  Dalje,  Hannover. 

Tischler,  Dr.,  Königsberg. 

Tolmatsche,  Dr.,  Kasan. 

Undset,  Dr,  Cbristiania. 

Vabldieck,  Maler,  Eutin 

Virchow,  Dr.,  Prof.,  Goh.  Med.-Ratb,  Berlin.  Vice- 
Pras.  d.  deutschen  anthropol.  Gesellschaft. 
Virchow,  stud.,  Berlin. 

Volbehr,  Dr.  phil.,  Kiel. 

Volbehr,  cand.  med.,  Kiel. 

Völckers,  Dr.  med.,  Prof.,  Kiel. 

Volckmar,  Stadtratb.  Kiel. 

Vo  Ick  mar,  Rentier,  Kiel. 

Voss,  Dr.  Berlin. 

WallichB,  Dr.  med.,  Sanitätsrath , Kreisphysikus, 
Altona. 

Wankel,  Dr.,  Blansko  bei  Brünn, 
von  W asm  er,  Dr.  med.,  Arzt,  Kiel. 

Wattenbach,  Dr.,  Professor,  Berlin. 

W c i a h in  a n n , Lehrer,  Schatzmeister  d.  anthropol.  Ge- 
sellschaft, München. 

Wich  mann,  Stodtv.-  Vorsteher,  Kiel. 

Wiesemann,  Marine-Pfarrer,  Kiel. 

Wilckcns,  Dr.  med.,  Marine- Assist -Arzt,  Kiel, 
von  Wille mo es -Suhm,  Landrath,  Segeberg. 

Witt,  Dr.  med.,  Arzt,  Schleswig. 

Woldt,  Schriftsteller,  Berlin. 

Zintgraf,  Notar,  Landsberg  a./W.  Bayern. 


Aus  Kiel  ........  77 

dem  Übrigen  Schleswig-Holstein  . . . .27 

dem  übrigen  Deutschland  .....  44 

ttusserdeutsche  Theilnehmer  . . . . .10 


(davon  2 aus  Russland,  je  1 aus  Oesterreich, 

»Schweiz,  Niederlande,  Schweden,  Norwegen, 

England,  Aegypten,  Nord-Amerika.) 

Summe : 1 58 


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78 


Die  Physiognomie  der  IX.  allgemeinen  Ver- 
sammlung wurde  vor  Allem  durch  den  Reichthum 
de«  den  Mitgliedern  p r o g r 11  m m m ä s s i g ge- 
botenen Studienmaterials  7.u  einer  besonderen,  in- 
dividuellen. Neben  dem  Vororte  der  Versamm- 
lung: Kiel  hatten  di«  beiden  grossen  Emporien 
des  deutschen  Nordens:  Hamburg  und  Lübeck 
die  Deutsche  anthropologische  Gesellschaft  zu  wis- 
senschaftlichen .Stationen  eingeladen.  Den  von 
Fern  und  Nah  zuströmenden  Theilnehmern  der 
Versammlung  war  es  dadurch  ermöglicht.,  einen 
weiteren  Umblick  zu  gewinnen  über  die  reichen, 
eigenartigen  Reste  prähistorischen  Lebens  im  ger- 
manischen Norden,  sowie  Uber  das  hier  von  allen 
Meeren  zuströmende  vergleichend-anthropologische 
und  ethnologische  Studienmaterial. 

Der  Zweck  der  allgemeinen  Versammlungen 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  ist 
es  ja  nicht  allein . die  Berichte  Uber  die  Fort- 
schritte der  Arbeiten  ihrer  wissenschaftlichen  Com- 
missionen entgegenzunehmen  und  in  regem  Geistes- 
austausch  zwischen  gleichstrebenden  Forschern 
neugewonnene  Resultate  der  Specialuntersuchung 
durch  wissenschaftliche  Diskussion  festzustellen 
und  gleichsam  zu  legalisiren.  Nicht  in  geringerem 
Masse  müssen  wir  ihre  Aufgabe  darin  erkennen, 
in  den  zur  Vereinigung  gewählten  Orten  durch 
Konntnissnahme  von  den  Ergebnissen  der  Lokal- 
forschung , durch  Studien  in  den  LokaLsamm- 
lungen,  durch  Besichtigung  der  nachbarlichen  vor- 
geschichtlichen Stationen  etc.  den  wissenschaftlichen 
Gesichtskreis  der  Theilnehmer  zu  erweitern.  Da- 
bei sollen  die  Versammlungen  das  für  eine  frucht- 
bringende gemeinsame  Thätigkeit  unentbehrliche 
Bewusstsein  der  innigen  Zusammengehörigkeit  der 
einzelnen  Mitglieder  und  Zweigvereine  zu  dem 
grossen  Ganzen  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  stärken  und  erhalten  und  neue  An- 
regung geben  zur  aktiven  Tbeilnahme  an  ihren 
wesentlich  patriotischen  Bestrebungen.  Gerade  nach 
der  letzteren  Seite  haben  die  allgemeinen  Versamm- 
lungen bisher  schon  reiche  Früchte  getragen.  Auch 
die  IX.  allgemeine  V ersammlung  hat , wie  wir 
hoffen,  dauernde  Spuren  den  Orten,  in  denen  sie 
weilte,  aufgedrückt. 

Als  im  September  verflossenen  Jahres  die 
VIII.  Versammlung  in  Constanz  beschloss,  dass 
die  IX.  allgemeine  Zusammenkunft  in  Kiel  statt- 
enden sollte,  bestand  dort  noch  kein  Zweigverein 
unserer  Gesellschaft.  Wir  dürfen  es  aussprechen : 
durch  die  von  Constanz  ausgehende  Anregung 
kam  es  zur  Bildung  des  Kieler  Zweigvereins,  der 
□ach  den  in  so  kurzer  Zeit  gewonnenen  Resultaten  1 
berufen  erscheint,  eine  der  Hauptstützen  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  zu  wer- 


den. Schon  jetzt  nimmt  der  neugegrtindete  Kieler- 
Zweigverein  unter  der  Leitung  seines  auch  in 
weiten  Kreisen  durch  seine  opferwillige  Begleitung 
des  Schiffes  „Germania“  auf  der  zweiten  deutschen 
Nordpolexpedition  rühmlich  bekannten  Vorstandes, 
des  Naturforschers  und  Anatomen  Professor  Dr. 
Pansch,  durch  Zahl  seiner  Mitglieder  und  ernstes 
I wissenschaftliches  Streben  unter  den  Zweigver- 
einen unserer  Gesellschaft  eine  hervorragende  Stel- 
lung ein,  welche  er  unter  der  besonderen  Gunst 
der  lokal  gegebenen  Verhältnisse  steigend  zu  be- 
haupten wissen  wird.  Denn  hier  gilt  es  ja  zu- 
nächst. nur,  die  so  reich  vorhandenen  Kräfte  und 
Materialien  zu  vereinigen  und  den  Zwecken  der 
anthropologischen  Forschung  dienstbar  zu  machen  : 
der  rege  Sinn,  die  oft  beth&tigte  Opferwilligkeit 
; der  Bevölkerung  für  die  Zwecke  der  vaterlündi- 
j sehen  Altertumsforschung ; die  Universität  mit 
I ihren  hervorragenden  Lehrern  und  ausgezeichneten 
| Sammlungen  und  Instituten  ; die  Verbindung  mit. 

! der  in  allen  Weltteilen  auch  für  die  Förderung 
unserer  Wissenschaft  unermüdlich  tätigen  kai- 
serlichen Marine;  vor  Allem  aber  das  Schleswig- 
Holsteinische  Museum  vaterländischer  Altertümer. 
Unstreitig  nimmt  das  Letztere  unter  den  der  Vor- 
i geschiehte  unseres  Vaterlandes  dienenden  archft- 
! ologiscben  Sammlungen  eine  der  ersten  Stellen 
ein  und  zwar  nicht  nur  durch  den  Reichthum  des 
hier  zusaimn engebrachten  Materials  allein,  sondern 
wesentlich  auch  durch  die  den  Ziechen  des  Stu- 
diums in  vollkommener  Weise  dienende  Anord- 
j nung  und  Aufstellung. 

Hier  ist.  der  Ort  , wo  zwei  Namen  mit  be- 
sonderem Danke  genannt,  werden  müssen,  welchen 
| unsere  Wissenschaft  die  Benützbarkeit  dieser  Samm- 
lungen, sowie  auch  die  Zusammenbringung  eines 
Theiles  ihrer  werthvollsten  Schätze  verdankt..  Zu- 
: erst  der  Conservator,  Herr  Professor  Dr.  H.  Han- 
delmann, der  um  das  Gelingen  der  IX.  allge- 
meinen Versammlung  hochverdiente  Lokul gesell äfts- 
führer  der  deutschen  anthropologischen  Gescll- 
| schaft  in  Kiel,  dann  die  ebenfalls  weit  Uber  die 
Grenzen  unseres  Vaterlandes  hinaus  namentlich  als 
! Dolmetscherin  zwischen  der  Alterthumsforschung  im 
skandinavischen  Norden  und  Deutschland  bekannte, 
für  die  Sammlung  und  die  Wissenschaft  unermüd- 
lich thätige  Custodia,  Fräulein  J.  Mestorf. 

Wenn  wir  von  den  lokalen  Verhältnissen 
sprechen , welche  den  Zweigverein  in  Kiel  be- 
günstigen und  seine  Stellung  sichern , so  dürfen 
wir  auch  nicht  der  verständnissvollen  und  warmen 
Unterstützung  vergessen , welche  demselben  die 
lokale  Tagespresse  und  zwar  ein  in  jeder  Richtung 
so  hervorragendes  Blatt  wie  die  Kieler  Zeitung 
zu  Theil  werden  lässt. 


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83 


Holstein Ischen  Museums  vaterländischer  Alterthümer  in  Kiel  im  Museumsgebttude  (Kattenstrasse  2). 
Zugleich  als  Begrüssung  der  am  12.  bis  14.  August  tagenden  IX.  allgemeinen  Versammlung  der  deut- 
schen Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.  Kiel  1878. 

6.  Kol lm  nun  J.  Die  craniometrische  Conferonz  im  September  1877  in  München.  Correspon- 
donzblatt  der  deutschen  anthropol.  Gesellschaft  Nro.  7.  1878. 

7.  Mestorf,  J.  Die  Vorgeschichte  des  Nordens  nach  gleichzeitigen  Denkmälern  von  J.  J.  A. 
Wo  ranne.  Ins  Deutsche  übertragen  von  J.  Mestorf.  Hamburg.  Otto  Meissner.  1878. 

8.  Mehlis,  Ausgrabungen  auf  der  Limburg  in  der  Pfalz.  Kölnische  Zeitung  6.  Juli  1878  I.  Blatt. 

9.  Len  hosseck  von,  Joseph.  Die  künstlichen  SchUdelverbildungen  im  Allgemeinen  und  zwei 
künstlich  verbildete  makrocephale  Schädel  aus  Ungarn,  sowie  ein  Schädel  aus  der  Barbarenzeit  Ungarns 
von  Joseph  von  Lenhossock,  kgl.  Rath,  Dr.  med.  und  o 8.  Prof,  der  Anatomie  zu  Budapest  etc.  etc. 
Mit  1 1 photographischen  Figuren  auf  3 Tafeln,  ferner  1 1 xylograpbischen  und  5 zinkographischon  Fi- 
guren im  Texte.  Budapest.  Gedruckt  in  der  kgl.  Ungarischen  Universitäts-Buchdruckerei,  1878- 

10.  Nebring,  A.  Lebten  zu  Cäsars  Zeiten  Kenthiere  im  hereynischen  Walde?  — Ulustrirte 
Zeitschrift,  ftlr  Länder-  und  Völkerkunde.  Bd  34  Nro.  6 und  Nro.  7.  1878. 

11.  Physikalisch-ökonomische  Gesellschaft  zu  Königsberg,  Schriften.  Achtzehnter  Jahrgang 
1877.  II.  Abtheilung.  Königsberg  1878,  in  Commission  bei  W.  Koch. 

12.  Programme  du  congres  international  des  Sciences  antliropologiques  (durch  Herrn  Broca). 

13.  Prussia.  Sitzungsberichte  der  Alterthunisgesellschaft  Prussia  zu  Königsberg  in  Pr.  im 
33-  Vereinsjahre  November  1876  — 77. 

14.  Ra  b 1 -Rück  bar d.  Zur  Ethnologie  und  Anthropologie  der  Tiroler  von  Rabl  - Rückbard, 
Oberstabsarzt,  Custos  am  anatomischen  Museum  zu  Berlin.  Separatabdruck  aus  der  Zeitschrift  für  Eth- 
nologie 1878.  Berlin,  Verlag  von  Wiegand,  Hempel  und  Parey  (Paul  Parey)  1878- 

15.  Ranke,  J.  Beitrüge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns.  Organ  der  Münchener 
Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.  Herausgegeben  von  J.  Kollmann,  F.  Ohlen- 
schlager,  J.  Ranke,  N.  Rüdinger,  J.  Würdinger,  0.  Zittol.  Redaktion:  Johannes  Ranke  und  Nikolaus 
Rüdinger.  Zweiter  Band  1.  und  2.  Heft.  Mit  in  den  Text  eingedruckten  Holzschnitten  und  6 Tafeln. 
München,  Literarisch-artistische  Anstalt  (Th.  Riedel),  vormals  der  Cotta'schen  Buchhandlung.  1878. 

16.  Sch  aaff hausen,  H.  Die  anthropologischen  Sammlungen  Deutschlands,  ein  Verzeichniss 
des  in  Deutschland  vorhandenen  anthropologischen  Materials  nach  Beschluss  der  deutschen  anthropo- 
logischen Gesellschaft  zusammengestellt  unter  Leitung  des  Vorsitzenden  der  zu  diesem  Zwecke  er- 
nannten Commission,  H.  Sebaaffhausen.  Braunschweig,  Druck  und  Verlag  von  Friedrich  Vieweg  und 
Sohn.  1877.  Heft  I.  Bonn.  Heft  II.  Göttingen. 

17.  Museum  Schlesischer  Alterthümer.  Programm.  Breslau  1876. 

18.  Stieda,  L.  Anthropologische  Untorsuchungen  an  Esten.  Medicinische  Doctor-Disscrtation 
von  Oscar  Grube.  Dorpat.  Druck  von  Schuackenburg’s  lith.  u.  typogr.  Anstalt.  1878. 

19.  Topinard,  P.  Essai  de  Classification  des  races  humaincs  actuelles.  Revue  d'antbro- 
pologie  de  M.  Paul  Broca.  Deuxieme  sörie.  Paris. 

20.  VirchowR.:  1.  Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie , Ethnologie 

und  Urgeschichte.  Redigirt  von  Rud.  Virchow.  Jahrgang  1878.  Berlin.  Wiegand, 
Hempel  und  Parey  (Paul  Parey).  1878.  Heft  I.  u II. 

21.  2.  Anthropologie  und  Anthropogenie.  Von  Prof.  Dr.  Rud.  Virchow.  Vorgetragen  am 

13.  März  1878  in  Leipzig. 

22.  3 Politische  Zeitfragen.  Nro.  8.  Sozialismus  und  Reaktion.  Vortrag  des  Abgeordneten 

Prof.  Dr.  Virchow.  Gehalten  am  24.  Juni  1878  in  der  Versammlung  des  Wahl  Vereins 
der  Fortschrittspartei  im  6.  Berliner  Reichstags-Wahlkreis.  (Broschürenfonds  der  deutschen 
Fortschrittspartei).  Druck  und  Verlag  von  Troitzseh  und  Ostertag  in  Berlin.  Berlin  1878. 
Zu  beziehen  durch  die  Buchhandlung  von  C.  Barthel  in  Berlin.  S.  Alexandrinenstrasse  32. 

23.  H.  Handelmann:  Wegweiser  durch  das Sddeswig-Holstein'sche  Museum  vaterländischer  Alter- 
thüraer:  Abiheilung„Eisenalter.“  Mit  Titelvignette  und  12  Holzschnitten  (Kiel  1878).  Abtlieilung  „Christ- 
liche Zeit.“  Mit  Titelvignette  (Kiel  1878)-  Abtheilung  „Stein-  und  Br onzealtcr.“  In  Vorbereitung. 

2 


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84 


II. 

Verhandlungen  der  IX.  allgemeinen  Versammlung. 

Erste  Sitzung. 


Inhalt:  Eröffn  angwede  des  Vorsitzenden  Herrn  S ch  aaffbausen.  — Begrftnanirarede  des  Herrn  Stadtrath 
Loren  len.  — Begrlissungsrede  des  Herrn  Handelmann,  Localgeschüftiifübrcr  der  IX.  allgem. 
Vera,  in  Kiel.  — Wissenschaftlicher  Bericht  de»  Generalsekretär«  Herrn  J.  Banke.  — Kassebericht  des 
Schatzmeisters  Herrn  W e i s m a n n. 


Der  Präsident,  Prof.  Dr.  SchaafThauscn  er- 
öffnet die  Sitzung  tun  lJ  Uhr  mit  folgendem  Vortrage  : 
Hochgeehrte  Versammlung! 

W enn  ich  einen  so  ansehnlichen  Kreis  von 
Männern  und  Frauen  erblicke,  die  an  unseren 
anthropologischen  Untersuchungen  Theil  nehmen 
wollen,  dann  fUllt  mir  das  Wort  des  englischen 
Dichters  Pope  ein:  „Das  letzte  Studium  des 

Menschen  ist  der  Mensch!“  Er  ist  auch  das  erste 
und  nttchste , vom  Menschen  geht  unser  Forschen 
und  Denken  aus  und  zu  ihm  kehrt  es  zurück. 
Der  Mensch  bietet  als  ein  Gegenstand  wissen- 
schaftlicher Beobachtung  besondere  Schwierig-  I 
keiten  dar ; er  ist  einmal  ein  organischer  Körper, 
den  wir,  wenn  das  Leben  ihn  verlassen,  durch 
kein  kirchliches  Verbot  mehr  gehindert,  dem 
Messer , der  chemischen  und  mikroskopischen 
Untersuchung  bis  in  die  feinste  Faser  seiner  Ge- 
webe unterwerfen  können , aber  er  ist  auch  ein 
beseelter  Körper  und  diese  Vereinigung  einor  be- 
wussten Seele  mit  gewissen  körperlichen  Vor- 
gängen ist  das  grosse  Rttthsel  der  Schöpfung. 
Die  Denker  aller  Zeiten  und  Völker  haben  dies 
Käthsel  zu  lösen  gesucht,  und  ihre  Systeme  ha- 
ben daher  ihren  Namen,  ob  sie  die  Materie  oder 
die  Seele  für  das  Wesentliche  halten , od4?r  ob 
sie  eine  vorausbestimmte  Harmonie  der  körper- 
lichen und  geistigen  Vorgänge  annehmen. 

Wir  dürfen  fragen,  ob  der  Fortschritt  des 
Wissens  auf  ollen  Gebieten  uns  heute  einen  tie- 
feren Blick  in  die  Natur  des  Menschen  gestattet. 

Das  menschliche  Wissen  hat  einen  solchen 
Umfung  angenommen,  dass  auch  der  begabteste 
Kopf  es  nicht  mehr  bewältigen  kann.  — Aus  diesem 
Umstande  ist,  wie  ich  glaube,  das  Bestreben  her- 
vorgegangen , wenigstens  die  Forschungen  zu 
sammeln , welche  auf  den  Menschen  selbst  sich 
beziehen  und  ihn  über  sein  Wesen  aufzuklären  im 
Staude  sind.  Die  heutige  Wissenschaft  pflegt 
aber  nicht  mehr  auf  den  Wolkengebilden  der 
Phantasie  dahin  zu  schweben,  sondern  sie  wurzelt 
uuf  dem  Boden  der  Erfahrung,  darum  ist  unsere 
Anthropologie  ein  Theil  der  Naturforschung  ge- 
worden, deren  einzig  sichere  Grundlage  die  Be- 
obachtung ist.  Nie  hat  sich  auf  dem  Gebiete 


j der  anthropologischen  Forschung  eine  so  lebhafte 
; Thätigkeit  entfaltet  als  in  der  Gegenwart.  Der 
| Grund  dieser  Erscheinung  ist  aber  nicht  der,  dass 
mau  mit  neuer  Geistesschärfe  die  alten  Probleme 
erörtert  hätte,  sondern  der  alle  Länder  und  Meere 
erforschende  Menschengeist  hat  die  Spur  des  Men- 
schen bis  in  die  entlegenste  Zeit  verfolgt  und 
das  Bild  der  Thier-  und  Pflanzenwelt  vom  ersten 
Anfänge  der  Dinge  bis  heute  in  einer  Vollstän- 
digkeit vor  unseren  Augen  entrollt  , wie  es  vor- 
her nicht  möglich  war.  Daraus  ergaben  sich 
nach  allen  Seiten  bin  neue  Beziehungen  des  Men- 
schen zur  Natur. 

Wie  ein  Spiegel,  der  alles  vertheilte  Licht 
I in  seinem  Brennpunkte  sammelt,  steht  die  An- 
thropologie in  der  Mitte  aller  übrigen  Wissen- 
schaften. Es  gibt  keine,  die  ihr  nicht  einen  Bei- 
trag lieferte.  Welches  ist  die  Stellung  des  Men- 
schen in  der  Natur,  woher  kommt  er,  wohiu 
gebt  er?  pflegt  inan  zu  fragen,  und  ich  wüsste 
nicht,  welche  andere  Wissenschaft  auf  diese  Fra- 
gen Antwort  geben  könnte,  als  die,  welche  vom 
Menschen  Alles  in  Erfahrung  gebracht  hat , was 
man  überhaupt  von  ihm  wissen  kann. 

Schiller  erzählt  uns,  dass,  als  die  Güter  der 
Erde  vertheilt  wurden,  der  Dichter  zu  spät  kam. 
aber  das  war  sein  Schaden  nicht,  er  lernte  nach 
etwas  Besserem  streben  und  die  Welt  verachten. 
Achnlich  erging  es  der  Anthropologie;  als  die 
Wissenschaften  an  die  Fakultäten  vertheilt  wur- 
den und  einen  Bong  erhielten , ging  sie  leer 
aus.  Die  Anthropologie  ist  keine  Fakultäts- 
wissenschuft, aber  die  Jünger  aller  Fakultäten 
sitzen  vor  ihrem  Lehrstuhl.  Das  allgemein  Mensch- 
liche ist  ihr  Inhalt;  auch  von  ihren  Studien  gilt 
der  Spruch,  den  mau  gerne  auf  das  Leben  an- 
wendet : Homo  sum  et  nil  liumanum  a me  olicnum 
puto.  „Ich  bin  ein  Mensch  und  nichts  Mensch- 
liches ist  mir  fremd.“  Sie  ist  eine  neue  Wissen- 
schaft, durum  hat  sie  nichts  von  dem  Zopfe,  der 
noch  mancher  anderen  anhängt,  von  der  man 
mit  Ch&misso  sagen  kanu,  „sie  dreht  sich  links, 
sie  dreht  sich  rechts,  sie  thut  nichts  Guts,  sie  thut 
nichts  Schlechte,  der  Zopf  der  hängt  ihr  hinten  l“ 
Es  gibt  Wissenschalten , die  seit  Jahrhunderten 


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ihren  8toff  fast  unverändert  überliefern , es  gibt.  | 
solche , die  nur  damit  sieh  beschäftigen , immer 
wieder  zu  untersuchen,  was  vor  2000  Jahren  ein 
kluger  Maon  gesagt  hat  und  wo  in  seinen  Schrif- 
ten das  Komma  und  wo  der  Punkt  stehen  muss. 

In  unseren  Forschungen  ist  Alles  neu.  nicht  immer 
der  Gegenstand,  aber  Heine  Deutung,  seine  Er- 
klärung, sein  Verstilndniss.  Was  die  Alten  für 
einen  Donnerkeil  hielten,  erkennen  wir  als  ein 
Werkzeug  der  Menschenhand ; an  einem  gebroch- 
enen Thierknochen  entdecken  wir,  dass  vor  un- 
denklicher Zeit  der  Mensch  mit  Wohlgefallen  das 
Mark  daraus  verzehrt  hat,  ein  menschlicher  Scbädel- 
rest  verrUth  uns  die  Abkunft  oder  die  älteste  Wan- 
derung eines  Volkes  vor  jeder  geschichtlichen  Nach- 
richt. Für  unsere  Forschungen  gibt  es  keine  wissen- 
schaftliche Ueberlieferung,  hier  müssen  wir  selbst 
denken  and  prüfen,  hier  kann  kein  Plato  and  kein 
Aristoteles  unser  Lehrer  sein! 

Wenn  ich  die  Gründe  naher  bezeichnen  soll, 
die  es  veranlagten,  dass  die  Anthropologie  in  den 
Vordergrund  der  wissenschaftlichen  Denkarbeit 
getreten  ist,  so  muss  ich  auf  die  bedeutsamen 
Funde  hinweisen,  welche  ein  neues  Licht  auf 
unsere  Ulteste  Geschichte  und  auf  unsere  Bezieh  - 
ungen  zur  Übrigen  lebenden  Schöpfung  warfen. 
Die  Wissenschaft,  war  aber  auch  vorbereitet  für 
das  VerstUndniss  dieser  Funde. 

Mit  der  fortschreitenden  Kenntniss  der  Pflan- 
zen und  Thiere  erkannte  man,  dass  die  Abgrenz- 
ung derselben  in  unveränderliche  Arten  nicht 
mehr  länger  haltbar  war,  und  als  von  Hoff 
und  Lyell  die  Veränderungen  der  Erdrinde  nicht 
durch  plötzliche  und  gewaltige  Ereignisse,  sondern 
durch  das  Wirken  der  noch  thätigen  Kräfte  zu 
erklären  suchten,  lag  der  Gedanke  nahe,  auch 
die  Thiere  und  Pflanzen  durch  eine  allmählige 
Fortentwicklung  aus  einander  entstehen  zu  lassen. 
Lange  vor  Darwin  lehrte  man  , dass  der  Mensch 
vom  Affen  stamme. 

Auch  zeigte  sich,  dass  er  nicht  erst,  wie  Cu  vier 
wollte,  mit  der  letzten  Schöpfung  in’s  Dasein  getreten 
war,  sondern  dass  er  bereits  der  Vorwelt  angehörte. 

Wie  nahe  das  Thier  dem  Menschen  kommt, 
erfahr  man  erst  im  Jahre  1847  durch  die  Wieder- 
anfflndung  des  Gorilla,  den  die  alten  karthagischen 
Seefahrer  für  einen  wilden  Menschen  gehalten 
hatten.  In  demselben  Jahre  veröffentlichte  B o u - 
eher  de  Perthes  die  Fundevon  Kieselgeräthen 
in  den  Anschwemmungen  der  Somme  bei  Amiens 
und  Abbeville.  Nun  erinnerte  man  sich , dass 
Schmerling  schon  1833  in  den  Höhlen  bei 
Lüttich  Menschenreste  neben  den  Knochen  aus- 
gestorbener  Thiere  gefunden  hatte , und  in  den 
Höhlen  aller  Länder  grub  man  bald  fossile  Men- 


schenknochen aus.  Die  Pfahlbauten  wurden  1853 
und  54  entdeckt,  der  merkwürdige  Fund  der 
Neanderthaler-Menschenrestc  wurde  1856  gemacht. 
In  Skandinavien  deutete  man  1850  bis  56  die  me- 
galithischen  Monumente,  man  öffnete  die  ältesten 
Grabhügel  und  entdeckte  dio  Speiseabfall  häufen 
des  Menschen  der  Vorzeit,  seine  Gerät, lu»  fand 
man  wieder  bei  den  Wilden  der  Gegenwart. 
Seit  dem  Jahre  1863  lieferten  dio  Pyrennäen 
in  Südfrankreich  dio  massenhaften  Funde  der 
Rennt  liier/, eit,  1865  grub  man  einen  rohen  Men- 
sehenscbädel  aus  dem  Löss  bei  Eguisheim,  1865 
und  66  wurden  dio  belgischen  Höhlen  ausge- 
räumt und  der  Unterkiefer  von  la  Naulette  ge- 
funden. Nie  sind  in  einer  so  kurzen  Zeit  von 
kaum  20  Jahren  so  viele  für  die  Geschichte  des 
Menschengaschlechts  wichtige  Funde  gemacht  wor- 
den! Was  aber  dieser  Zeit  und  ihren  Unter- 
suchungen ganz  besonders  zu  Gute  kam,  das  war 
die  endlich  errungene  Freiheit,  der  Forschung. 
Ob  in  uusern  Tagen  noch  einmal  der  Berliner 
Prediger  Knack  die  Erde  still  stehen  liess,  und 
ob  man  es  noch  einmal  in  Frankreich  gerat hen 
fand . die  Werke  des  Boucher  de  Perthes 
zusammenzustampfen , weil  sie  der  Bibel  wider- 
sprachen, das  hält  den  Siegeslauf  der  fortschrei- 
tenden Wissenschaft  nicht  auf! 

Ich  lasse  der  kurzen  Aufzählung  der  neu  be- 
obachteten Thatsachen  mit  wenigen  Worten  die 
Darstellung  der  Ergebnisse  folgen , zu  denen  die 
Untersuchung  derselben  geführt  hat. 

Wir  erkennen  : 1 . dass  der  beute  lobende  Mensch 
nicht  in  einer  ursprünglichen  Vollkommenheit  ge- 
schaffen worden  ist,  die  er  verloren  hat,  sondern 
er  erscheint  uns  immer  roher  und  thierfthnlicher, 
je  weiter  zurück  wir  sein  Bild  verfolgen.  Wir 
erfahren  noch  aus  den  Berichten  der  alten  Schrift- 
steller, die  in  die  älteste  Vorzeit  gar  nicht  zurück- 
reichen,  dass  die  heute  gebildeten  Völker  Europas 
einst  Wilde  waren. 

2.  Es  ist  sicher  , dass  der  Mensch  mit  jetzt 
versch wundenen  Thieren  zusammengelebt  bat,  zu 
einer  Zeit,  wo  die  Pflanzenwelt  und  das  Klima 
eine  andere  Beschaffenheit  hatten  als  heute. 

3.  Wir  sind  im  Stande,  die  ganzo  Entwick- 
lung des  Menschen  in  seinen  Werkzeugen  und 
Wohnungen,  in  Kleidung,  Schmuck  und  Waffen, 
aber  auch  in  Sprache,  Sitten,  religiösen  Begriffen 
und  socialen  Einrichtungen  nachzuweisen  und 
können  zcigon , dass  die  heutigen  Wilden  noch 
auf  den  verschiedenen  Stufen  dieser  Entwicklung 
sich  befinden,  und  gleichsam  die  prähistorischen 
Reste  unseres  Geschlechtes  sind.  Nur  für  die 
ersten  Stufen  der  Mcnschenbildung  gibt  es  keine 
lebenden  Zeugen  mehr. 

2* 


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4.  Wir  verfolgen  endlich  die  ältesten  Stämme 
in  ihren  Wanderungen,  deren  Wegweiser  die  Denk- 
male, die  Geräthe , die  Schädel  und  die  Sprachen 
sind,  und  wir  erforschen  die  Herkunft  der  Kultur- 
pflanzen und  Hausthiere,  deren  Geschichte  mit 
unserer  Bildung  unzertrennlich  verbunden  ist. 

Nichts  kann  aber  stärker  die  menschliche 
Thatkraft  zu  unermüdlicher  Arbeit  anspoinen, 
als  die  Ueberzougung,  dass  der  Mensch  die  Cultur, 
die  er  heute  erreicht  bat , durch  sich  selbst  er- 
langte, und  dass  er  die  Befähigung  in  sich  trägt, 
seinen  Zustand  auch  in  Zukunft  stetig  zu  ver- 
bessern. 

Es  ist  ungemein  lehrreich,  den  Menschen  in 
der  Entwicklung  seiner  Fähigkeiten  zu  belauschen, 
die  nicht  deutlicher  erkannt  werden  kann,  als  in 
der  allmähligen  Vervollkommnung  aller  seiner  Vor- 
richtungen und  Geräthe , von  denen  jedes  seine 
Geschichte  hat,  das  Beil  und  der  Hammer , das 
Messer  und  die  Nadel,  der  geflochtene  Korb  uud 
der  irdene  Kochtopf,  die  Hütte  und  der  Mahl- 
stein, der  Schuh  und  das  Gewebe,  der  Kahn  uud 
der  Todtensarg ; die  prähistorische  Forschung  lehrt 
uns  das  Verständnis»  aller  dieser  Dinge,  nur  sie 
sagt  uns,  wie  das  Alles  geworden  ist.  Wer 
hätte  bisher  daran  gedacht,  dass  das  Musik-In- 
strument aus  der  schwirrenden  Saite  entstanden 
ist,  diu  den  Pfeil  abschoss  und  dass  ein  durch- 
bohrter Röhrenknochen  die  erste  Flöte  war ! Und 
diese  herrliche  Wissenschaft , die  uns  das  Auge 
für  so  Vieles  geöffnet  hat,  was  in  undurchdring- 
lichem Dunkel  lag,  sollte  man  es  glauben , dass 
man  sie,  und  gerade  ihre  glänzendste  Leistung, 
den  Nachweis,  dass  auch  das  höchste  Gebilde  der 
Schöpfung,  der  Mensch  selbst,  einen  kleinen  An- 
fang gehabt  hat,  und  dass  dem  Menschen  das 
Thier  vorausgegangen  ist,  verlästert  und  ihr  Schuld 
gibt,  die  Würde  des  Menschen  in  den  Staub  zu 
ziehen ! Die  Lehre  von  der  fortschreitenden  Ent- 
wicklung ist  aber  durchaus  keiue  materialisti- 
sche Ansicht,  denn  jede  Vervollkommnung  unserer 
Natur  wird  nur  durch  eine  vom  Willen  abhängige 
Verbesserung  des  organischen  Werkzeugs  erreicht. 
Alles  Lernen , sei  es  das  Sprechen  oder  eine 
Fertigkeit  der  Hand,  beruht  darauf,  dass  wir  das, 
was  wir  erst  ungeschickt  und  mit  Mühe  fertig 
bringen , durch  Uebung  besser  machen  lernen. 
Diese  Uebung  ist  aber  nur  der  wiederholte  Ein- 
fluss des  Willens  auf  den  Muskel,  also  des  Geistes 
auf  den  Körper  und  Alles,  was  wir  in  der  Cultur 
erreicht  haben,  erscheint  als  eine  höhere  Beseelung 
oder  Vergeistigung  des  Körpers!  — So  setzt  diese 
Lehre  mit.  Noth Wendigkeit  den  bildenden  Einfluss 
des  Geistes  auf  die  Materie  voraus,  und  das  ist 
das  gerade Gegent heil  einer  materialistischen  Natur- 


anschauung. Wie  im  Laufe  der  Zeit  der  Geist 
den  Köper  verbessert  hat,  sehen  wir  an  der  nach- 
weisbaren Entwicklung  unserer  sinnlichen  Wahr- 
nehmung der  Farben  und  Töne,  und  ein  glän- 
zendes Beispiel  anderer  Art  liefert  die  Gegenwart 
mit  ihren  Erfindungen,  nicht  unsere  Organe  selbst, 
aber  ihre  Leistungen  in  ungeahnter  Weise  zu  ver- 
vollkommnen, unseru  Gehörsinn  in  die  Ferne  zu 
tragen  und  dem  gesprochenen  Worte  unbegrenzte 
Dauer  zu  verleihen. 

Das  Alles  sollten  Diejenigen  sich  doch  klar 
machen,  welche  sich  nicht  scheuen,  dio  neue  natur- 
wissenschaftliche Lehre  als  eine  Gefahr  für  das 
Volk  zu  bezeichnen,  ja  die  sie  gar  beschuldigen, 
wie  ein  deutscher  Philosoph  gethan  hat,  jenen 
Banquerott  an  allen  sittlichen  und  geistigen  Gütern, 
den  gewisse  Auslassungen  socialdemokratischer 
Schwärmer  offen  bekennen,  veranlasst  zu  haben. 
Wenn  man  sagt,  da»s  der  Mensch  durch  Ver- 
edlung aus  dem  Tbiero  entstanden  ist,  lehrt  man 
dann,  dass  er  wieder  ein  Thier  werden  soll?  Es 
kann  im  Gegentheil  aus  unserer  Wissenschaft  nur 
das  sittliche  Gebot  abgeleitet  werden,  auch  den 
letzten  Rest  des  Thieres  von  uns  abzustreifen. 
Sprechen  nicht  dio  Sittenlohrer  aller  Zeiten  vou 
thierischen  Begierden  im  Menschen , und  schaut 
nicht  oft  aus  den  Narrheiten  und  Lächerlichkeiten, 
aus  der  Lüsternheit  und  Nachahmungssucht  vieler 
Menschen  noch  der  alte  Affe  heraus? 

Gerade  der  Prähistoriker  ist  im  Stande , so 
manche  Rohheiten  im  menschlichen  Thun  und 
Denken  und  so  manche  schwer  auszurottenden 
Vorurtheile  als  vorgeschichtliche  Ucberbleibsel  oder 
sogenannte  Ueberlebsel  zu  bezeichnen,  von  denen 
wir  uns  freimachen  sollen.  Der  Fortschritt  des 
Menschen  liegt  zunächst  immer  nur  im  Wissen, 
und  es  ist  leider  der  Fall , dass  unsere  Gesetze 
und  unsere  Dogmen  stets  hinter  der  Wissenschaft 
eine  gute  Strecke  Weges  Zurückbleiben.  Das  Ur- 
theil  der  Gebildeten  hat  längst  den  Zweikampf 
gerichtet,  der  die  ursprüngliche  Selbsthilfe  ist  und 
in  der  geordneten  Gesellschaft  doch  nur  als  ein 
durch  das  Vorurtheil  privilegirter  Mord  bezeichnet 
werden  kann,  aber  die  Gesetze  haben  den  Muth 
noch  nicht,  dagegen  schonungslos  einzuschreiten, 
bis  die  Öffentliche  Meinung  dies  dringender  fordern 
wird.  Der  Geist  der  confessionellen  Duldung  macht 
sich  im  menschlichen  Verkehre  längst  überall 
geltend,  aber  die  kirchlichen  Glaubenssätze  stehen 
schroff  und  unversöhnlich  einander  gegenüber. 
Die  Trinkgelage  deutscher  Männer , denen  auch 
der  deutsche  Student  noch  huldigt,  sind  ebenso 
prähistorisch,  wie  der  goldene  Ohrring,  mit  dem 
sich  die  Frauen  zieren,  er  hat  denselben  Ursprung, 
wie  der  Backenknopf  der  Indianer  oder  das  Holz- 


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klotz  in  der  Unterlippe  des  Botokuden ! Wer 
denkt  daran,  wenn  er  einen  Knoten  in ’s  Taschen- 
tuch macht,  dass  dies  die  alte  Knotenschrift  ist., 
oder  wenn  er  den  Rosenkranz  betet , dass  man, 
wie  noch  in  China,  mit  aufgereihten  Kügelchen 
sich  das  Kechuen  erleichterte , wozu  die  Römer 
Sternchen  gebrauchten,  daher  das  Wort  calculare. 
lu  der  Küche  wie  in  der  Sprache  und  Religion 
gibt  es  unzählige  vorgeschichtliche  AlterthUmer. 
Die  runde  Form  der  Brode,  die  schon  in  den 
Pfahlbauten  vorkommt  und  sich  in  Deutschland 
und  Schweden,  als  Mazza  bei  den  Juden,  als 
Tortilla  bei  den  Mexikanern  erhalten  hat , er- 
innert an  den  alten  Sonnendienst,  auch  das  Symbol 
des  Mondes  ist  noch  erhalten  im  Gebäck,  im  so- 
genannten Hörnchen.  Selbst  obscöne  Namen  des 
Backwerks  deuten  auf  uralte  Sitten.  Das  Buch 
bestand  ursprünglich  aus  mit  Wachs  überzogenen 
Tatein  von  Buchenholz  und  der  Engländer  sagt 
noch  tcrttc  für  schreiben , weil  die  erste  Schrift 
in  Holz  eingeritzt  war.  Die  ewige  Lampe  der 
christlichen  Kirche  hat , wie  das  einst  von  den 
Vestalinneu  gehegto  Feuer,  in  jener  Zeit  ihren 
Ursprung,  als  es  noch  eine  Kunst  war,  das  Feuer 
zu  erzeugen  und  man  es  sorglich  hütete.  Die 
in  kirchlichen  Satzungen  noch  heute  gelehrte 
Auferstehung  des  Leibes,  wie  die  Leibhaftigkeit 
des  Teufels  und  dio  Vorstellung,  dass  der  er- 
zürnte Gott  durch  den  SUhnungstod  eines  Menschen 
versöhnt  werde,  sind  Anschauungen,  die  ein  hohes 
Alter  für  sich  haben,  aber  bei  einer  fortge- 
schrittenen Geistesbildung  nicht  aufrecht  erhalten 
werden  können  , wenigstens  nicht  in  dem  Sinne, 
in  welchem  sie  ursprünglich  gefasst  worden  sind. 

Meine  Absicht  war,  Ihnen  durch  meine  Dar- 
stellung den  Aufschwung  der  anthropologischen 
Forschung  zu  erklären.  Ich  führe  noch  einige 
Tbatsachen  an,  die  ihn  beweisen. 

Seit  der  Gründung  der  anthropologischen  Ge- 
sellschaft in  Paris  im  Jahre  1860  hat  jedes  Land 
in  Europa  eine  solche  entstehen  sehen.  Es  ist 
ein  Zeichen  der  Zeit,  dass  man  bei  der  in  diesem 
Jahre  in  Paris  so  glänzend  veranstalteten  Welt- 
ausstellung, welche  die  Arbeit  des  Menschen  zur 
Anschauung  bringt,  nur  eine  Wissenschaft  ein- 
geladen hat , an  diesem  Schauspiele  sich  zu  be- 
theiligen und  diese  ist  die  Anthropologie,  welche 
neben  dem  Palais  Trocodero  ihre  eigene  Aus- 
stellung besitzt.  Wissenschaftliche  Verhandlungen 
werden  am  16.  August  daselbst  eröffnet.  Auch  hat 
Paris  eine  besondere  Schule  und  ein  Laboratorium 
für  den  anthropologischen  Unterricht  eingerichtet. 
Zugleich  erfahren  wir , dass  eine  polnische  Ge- 
sellschaft für  Anthropologie  sich  daselbst  gebildet 
hat.  In  England  wird  Flow  er  im  Hunter ‘sehen 


Museum  einen  Cursus  anthropologischer  Vorles- 
ungen halten,  Bogdanoff  bereitet  in  Moskau 
für  1879  eine  anthropologische  Ausstellung  vor, 
1880  soll  eine  solche  in  Tiflis  stattfinden.  Die 
internationalen  anthropologischen  Congresse  haben 
fast  in  allen  Hauptstädten  Europas  getagt,  nur 
noch  nicht  in  Deutschland! 

Die  deutsche  Anthropologie  kann  aber  mit.  Ge- 
nugtuung darauf  blicken,  was  sie  im  Wetteifer  der 
Völker  für  die  Wissenschaft  geleistet  hat  und  noch 
leistet.  Im  ersten  Bande  der  Memoiren  der  anthro- 
pologischen Gesellschaft  von  London  befindet  sich 
eine  Abhandlung  von  Bendyshe  Uber  die  Ge- 
schichte der  Anthropologie ; da  rind  vorzugsweise 
deutsche  Werke  genannt,  welche  dieses  Studium 
begründet  haben,  ja  die  Bezeichnung  „Anthro- 
pologeion“ wurde  zuorst  von  Hundt  soinein  in 
Leipzig  1501  erschienenen  Werke  gegeben.  Was 
später  Blumenbach  geleistet  hat , ist  zu  be- 
kannt , als  dass  ich  davon  reden  sollte.  Heute 
weise  ich  auf  den  reichen  Inhalt  der  deutschen 
anthropologischen  Literatur,  auf  das  Archiv,  auf 
die  Berliner  ethnologische  Zeitschrift , auf  die 
Münchener  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Ur- 
geschichte , auf  die  Verhandlungen  der  Wiener 
Gesellschaft  hin.  Aber  es  darf  nicht  verschwiegen 
werden,  in  der  WerthschUtzung  unserer  Wissen- 
schaft sind  wir  in  Deutschland  zurückgeblieben 
gegen  andere  Länder , wo  sie  in  grossartigster 
Weise  gefördert  wird.  Der  kleine  belgische  Staat 
bewilligte  40,000  Fr.  für  Höhlenforschungen,  im 
Jahre  1874  stiftete  ein  Bürger  in  Kiew  für  ein 
anthropologisches  Museum  30,000  Rubel,  in  Eng- 
land schenkte  kürzlich  zu  Salisbury  Herr  Steeven 
für  ein  prähistorisches  Museum  15,000  Pfund 
Sterling.  Solche  Beispiele  von  Opferwilligkeit  ver- 
mögen wir  nicht  aufzuweisen.  Möchten  sie  bei 
uns  Nachahmung  finden ! 

An  Eifer  und  an  Erfolgen  aber  steht  dio 
deutsche  anthropologische  Forschung  keiner  an- 
deren nach.  Auch  düifen  wir  behaupten,  dass 
in  keinem  Lande  in  den  Massen  des  Volkes 
die  Bildung  und  der  wissenschaftliche  Sinn  so 
verbreitet  ist,  als  in  Deutschland.  Dieses  ehr- 
ende Zeugniss  hat  uns  schon  C u v i e r aus- 
gestellt. «Als  Jemand  ihn  fragte,  warum  man 
in  Deutschland  so  viel  häufiger  als  anderwärts 
Mamuthknocben  und  andere  Reste  vorweltlicher 
Thiere  finde,  gab  er  zur  Antwort:  dies  komme 
daher , weil  mau  im  kleinsten  deutschen  Orte 
immer  einen  unterrichteten  und  gebildeten  Mann 
finde,  der  solche  Funde  zu  würdigen  verstehe 
und  sie  zur  Anzeige  bringe.  Das  gereicht  auch 
den  Arbeiten  unsorer  Gesellschaft  zum  Vortheil, 
dio  wieder  selbst  die  Aufgabe  hat,  die  anthropo- 


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logische  Bildung  in  stets  weiteren  Kreisen  zu  | 
verbreiten. 

Hoffen  wir,  dass  auch  diese  Versammlung  der 
Forschung  neue  Bahnen  eröffnen  und  unserer  I 
Wissenschaft  neue  Freunde  erwerben  wird! 

Hierauf  erhielt  Herr  Lorenzen  , Stadtrath 
von  Kiel,  das  Wort: 

Meine  Herren!  Ehe  Sie  in  Ihren  wissen- 
schaftlichen Verhandlungen  fortfahren,  gestatten 
Sie  mir  als  Vertreter  des  Ober  - Bürgermeisters 
die  auswärtigen  Mitglieder  der  Deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  in  unserer  Stadt  Kiel 
willkommen  zu  heissen. 

Wenn  Sie  für  die  Generalversammlung  unsere  ( 
Stadt  gewählt  hoben,  so  wird  der  Grund  jeden-  i 
falls  nicht  in  ihrer  Grösse  oder  historischen  Be-  I 
deutung  zu  finden  sein.  Diejenigen  unter  Ihnen, 
die  im  vorigen  Jahre  in  der  alten  Stadt  Gonstanz 
an  der  Versammlung  Theil  genommen  haben,  , 
werden  sich  hier  vergebens  nach  Denkmälern  ver- 
gangener Zeiten  umschaucn ; Kiel  trägt  ein  we- 
sentlich modernes  Gepräge.  Allerdings  ist  unsere 
Stadt  ein  Mitglied  des  Hansabundes  gewesen,  aber 
sie  hat  nicht  ein  einziges  Bauwerk  aus  jener 
Periode  aufzu weisen , wie  Lübeck  deren  so  viele 
zeigt;  sie  kann  auch  nicht  solche  Anregungen 
bieten , wio  manche  grössere  Stadt.  Viele  von 
Ihnen  werden  den  schönen  Rhein  und  den  herr- 
lichen Bodensee  mit  seiner  Fernsicht  auf  die 
Schweizerberge  vermissen.  Aber,  meine  Herren, 
ich  glaube,  was  Sie  hierher  gezogen  hat,  ist 
unsere  blaue  See,  ist  unser  schöner  Hafen  mit 
seinen  bewaldeten  Ufern  und  seinen  stolzen  Schiffen. 
Unserseits  haben  wir  nur  zu  wünschen , dass  es 
Ihnen  bei  uns  gefallen  und  die  hier  verlebten 
Tage  noch  lange  in  angenehmer  Erinnerung  bleiben 
mögen. 

Noch  einmal  heisse  ich  Sie  im  Namen  der 
Stadt  Kiel  willkommen ! 

Herr  Prof.  Hundei  mann  (Lokal-Geschäfts- 
führer der  IX.  allg.  Vers.): 

Hochgeehrte  Anwesende!  Indem  ich 
nunmehr  als  Geschäftsführer  die  angenehme  Pflicht 
zu  erfüllen  habe,  diese  neunte  Generalversamm- 
lung zu  begründen  und  willkommen  zu  heissen, 
kann  ich  die  persönliche  Erinnerung  nicht  zu- 
rückdr&ngen , dass  schon  vor  fünf  Jahren  diese 
Ehre  unserer  Stadt  zugedaeht  ward.  — Es  war 
im  Jahre  1873,  als  ich  die  Anthropologische  Ge- 
neralversammlung zu  Wiesbaden  besuchte,  dass 
unser  hochverehrter  Herr  Präsident, , der  auch 
damals  den  Vorsitz  führte,  mir  zunächst  privatim 
den  Wunsch  aussprach,  die  nächste  Generalver- 


sammlung auf  Kiel  anzusetzen , namentlich  mit 
Rücksicht  auf  den  im  Jahre  1874  zu  Stockholm 
abzuhaltenden  internationalen  Congress  für  An- 
thropologie und  Archäologie.  Leider  sah  ich  da- 
mals mich  ausser  Stande , auf  diesen  Vorschlag 
einzutreten,  da  die  Verhältnisse  des  hiesigen  Mu- 
seums, auf  welches  der  Herr  Präsident  das  Haupt- 
gewicht legte,  noch  unbefriedigend  waren.  Aller- 
dings war  eben  damals , Dank  dem  fördernden 
Interesse,  das  der  Herr  Cultusministor  unsern 
Wissenschaften  zuwendet,  nicht  minder  in  Folge 
der  warmeu  Befürwortung  des  Herrn  überpräsi- 
donten  und  Universitäts-rCurators , erreicht , was 
ich  und  meine  Collegcn  im  Vorstande  der  vor- 
maligon  8chleswig-Holstein-Lauenburgischen  Alter- 
thumsgesellschaft seit  langen  Jahren  anstrebten ; 
das  Museum  war  ah  Staatsanstalt  dotirt  und  in 
die  Reiho  der  Universitäts-Institute  förmlich  auf- 
genommen. Aber  es  fehlte  noch  ein  genügendes 
Lokal,  von  dem  gerade  bei  einem  solchen  In- 
stitute jede  gedeihliche  Entwicklung  abhängt.  Ich 
wollte,  ich  könnte  Ihnen  die  höhlenartige  Räum- 
lichkeit zeigen,  wo  die  kostbare  Kieler-Sammlung 
vierzig  Jahro  lang  sich  hat  behelfen  müssen  ; aber 
es  hiesse  bei  Vielen,  welche  die  beklagenswcrtheo 
Zustände  deutscher  Vcreinssammlungen  kennen  und 
ertrugen  müssen,  „den  unaussprechlichen  Schmerz 
erneuern.“  Daneben  war  für  die  zufolge  des  Wiener- 
Friedens  zurück  gegebene  Flensburger  - Sammlung 
ein  zweites  Lokal' gemiethet . das  aber  zu  einer 
vollständigen  Verschmelzung  und  systematischen 
Aufstellung  beider  Sammlungen  nicht  ausreichte. 
Es  vergingen  dann  noch  mehrere  Jahre,  bis  das 
Museum  in  dem  vormaligen  üollegiengehäudc  der 
Universität  Kiel  eine  eigene  Heimstätte  erhielt, 
die  nicht  allein  für  den  gegenwärtigen  Bedarf 
genügt,  sondern  auch  auf  einen  ansehnlichen  Zu- 
wachs berechnet  ist. 

Als  gerade  der  Umzug  im  Gange  war,  als 
die  ganze  Sammlung  in  Kisten  und  Kasten  ver- 
packt stand,  da  kam  im  vorigen  Herbste  von  den 
Ufern  des  Bodensees  die  Nachricht,  dass  die  an- 
thropologische Gesellschaft  abermals  Kiel  in  Aussicht 
genommen  habe.  Es  gehörte  allerdings  einiger 
Muth  dazu,  trotz  alledem  die  Anfrage  mit  einem 
freudigen  „Ja“  zu  beantworten  und  die  mir  über- 
tragene Geschäftsführung  zu  übernehmen.  Bei  der 
angestrengtesten  Arbeit  ist  es  gelungen,  die  Auf- 
stellung durchzuführen,  und  in  der  nächsten  Stunde 
weiden  Sie  einen  Ueberbliek  Über  unsere  ange- 
sammelten Schätze  gewinnen.  Und  doch  sind  wir 
mit  unserer  Aufgabe  nicht  ganz  fertig.  Es  sind 
nämlich  nicht  unsere  sämmtlichen  Steinsachen  auf- 
gestellt; denn  als  die  aufgespeicherten  Vorrithe 
zusammenkamen , ergab  es  sich,  dass  die  verau- 


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schlagt en  Schränke  dafür  nicht  ausroichten,  und 
e.s  waren  weder  Zeit  noch  Mittel , um  deren 
augenblicklich  mehr  zu  beschaffen.  Jedoch  auch 
ohne  das  werden  Sie  sich  überzeugen  von  dem 
Reicht!) u me  des  Museums  gerade  auf  diesem  Ge- 
biete. Noch  weniger  Wird  es  die  Prähistoriker  | 
iuteressiron,  dass  die  Einraugirung  unserer  Münzen- 
sammlung kaum  begonnen  bat. 

Was  ich  bei  weitem  mehr  beklage,  ist,  dass  ' 
die  Vorarbeiten  zu  der  prähistorischen  Karte 
Schleswig-Holsteins,  die  ich  im  Aufträge  der  be-  1 
treffenden  Kommission  unserer  Gesellschaft  Über- 
nommen habe,  nicht  bis  zu  dieser  Versammlung 
zu  Ende  geführt  werden  konnten.  Als  Grundlage 
für  die  prähistorische  Karte  wird  bei  dem  Museum 
eine  archäologische,  nach  den  Kirchspielen  geord- 
nete Statistik  der  Provinz  Schleswig-Holstein  und 
ihrer  Enclaven  geführt,  worin  ausser  unseren 
eigenen  Katalogen  diejenigen  der  Privatsammlcr 
und  benachbarten  Museen  sowie  auch  das  ge- 
druckte Material  zu  verarbeiten  sind.  Diese  Arbeit 
kann  auch  in  gewöhnlichen  Zeiten  nur  langsam 
gefördert  werden ; es  ist  nal  (Irlich,  dass  sie  unter 
den  obwaltenden  Umständen  vor  dringlicheren  Ge- 
schäften ganz  zurücktreten  musste.  Ich  mochto 
vorläufig  zur  Sache  nur  bemerken , dass  unser 
Land,  das  heisst  die  sogenannte  Geest  an  Stein- 
sachen  ganz  unerschöpflich  ist.  Man  wird  kaum 
eine  Koppel  neu  aufbrechen , ohne  etwas  Der- 
artigem zu  finden , und  danach  könnte  die  Karte 
auf  gut  Glück  mit  der  betreffenden  Deckfarbe  be- 
strichen  werden,  ohne  dass  man  wesentlich  irre 
ginge.  Daneben  möchte  ich  nach  den  hiesigen 
Erfahrungen  auf  eine  grosse  Gefahr  für  die  prU-  { 
historische  Statistik  und  Kartographie  hindeuten,  i 
Sie  werden  im  Museum  sehen , dass  gerade  bei  j 
den  Steinsachen  die  Zahl  der  verbürgten  Sehles- 
wig’schen  Fundstücke  diejenige  der  Holsteinischen 
weit  übertrifft.  Es  wäre  aber  der  allergrösste 
Irrthum,  wenn  man  darum  glauben  wollte,  daiss 
in  Schleswig  mehr  gefunden  werde,  als  in  Holstein. 

Es  geht  nichts  daraus  hervor,  als  dass  für  unser 
Museum  mehr  Sehles  wig’scho  Privatsammlungen 
zusammengekauft  wurden,  als  Holsteinische,  und 
dass  unser  erfolgreichster  Holsteinischer  Privat- 
sammler  seine  Sachen  weniger  sorgsam  mit  An- 
gabe der  Fundstellen  signirte,  als  seine  Schles- 
wig’schen  Coneurrenten.  Von  solchen  Zufällig- 
keiten hängt  schon  sehr  viel  ab;  aber  die  Haupt-  | 
sache  bleibt  doch  , dass  man  überhaupt  erst  seit  | 
verhältnissmässig  kurzer  Zeit  zu  sammeln  ange-  ■ 
fangen  hat  und  dass  auch  seitdem  immer  noch  ■ 
ein  grösserer  Theil  der  Funde  unbeachtet  ge-  i 
blieben  oder  verschleudert  worden  ist.  Jeder  Sta-  i 
tistiker  für  prähistorische  Funde  mag  sich  darum 


hüten , bei  etwaigen  Berechnungen  und  Schluss- 
folgerungen seine  Irrthumsgränzon  allzu  enge  zu 
ziehen. 

Wenn  ich  also  der  Versammlung  keine  Karte 
vorlegen  kann,  so  bin  ich  dafür,  glaube  ich,  der  erste 
Geschäftsführer,  der  Ihnen  eine  kleine  Begrüssungs- 
schrifi  (cf.  S.  82.  5.)  zu  widmen  gewagt  hat.  Sie 
werden  darin  ausser  Nachrichten  über  einige  der 
grösseren  und  wichtigeren  Erwerbungen  der  letzten 
Jahre,  insbesondere  eine  kurze  Orientirung  über 
die  Aufstellung  des  Museums  und  den  Inhalt  der 
einzelnen  Schränke  finden,  die  dazu  bestimmt  ist, 
Ihnen  die  bei  solchen  Gelegenheiten  stets  unzu- 
reichende persönliche  Führung  oinigermassen  zu  er- 
setzen (cf.  S.  83. 23.).  Es  liegt  mir  fern,  an  diese  ein- 
fachen Notizen  liier  culturhisto rische  Darstellungen 
anzuknüpfen  oder  in  den  Streit  einzutreten,  der  in 
den  letzten  Jahren  Uber  die  Dreiperiodentheilung 
entbrannt  ist.  Die  rein  akademische  Frage,  ob 
die  prachtvollen  Bronzewaffen,  welche  ich  insbe- 
sondere aus  den  Gräbern  auf  Sylt  neben  uuver- 
hrannt.en  Leicben  erhoben  habe,  mit  oder  ohne 
eiserne  Werkzeuge  gearbeitet  sind,  lässt  sich  hier 
nicht  entscheiden,  und  unser  Museum  bietet  nur 
ein  paar  Gussfunde  dar.  welche  unwiderleglich 
beweisen,  dass  Bronzesaehon,  wenn  auch  ziemlich 
einfacher  Natur,  namentlich  Schaft-  und  Hohl- 
celte,  hier  zu  Lande  gegossen  sind.  Aber  ich 
mochte  aus  meiner  eigenen  Erfahrung  einen  inter- 
essanten Nebenumstand  erwähnen.  Im  Sommer 
1873  öffnete  ich  einen  Hügel  auf  Sylt,  wo  zwischen 
dem  Steinkegel  keine  erkennbaren  Spuren  der 
Verwesung  vorkamen  und  den  ich  daher  als  einen 
Malhügel  (Konotaph)  klassifizirte ; ich  bin  aller- 
dings nach  neueren  Beobacht ungen  nicht  mehr 
sicher,  ob  diese  Benennung  richtig  war,  ob  nicht 
vielmohr  eine  zwischen  den  Steinen  verpackte 
Leiche  vollständig  vergangen  ist.  Unter  dem 
Steinkegel  auf  dem  Urboden  zeigte  sich  eine  aus 
flachon  Steinen  gelegte  Feuerstelle,  die  Holzkohlen- 
glutli  war  offenbar  mit  Sand  ausgeschüttet  und 
dann  mit  einem  Thierfelle  zugedeckt.  Hier  auf 
der  Brandstelle  fand  ich  neben  Bronzesaehon,  Gold- 
sclnnuck  und  einom  Flintspahn  zu  meiner  grossen 
Verwunderungauch  einen  unverkennbaren  Klumpen 
Eisen rost.  Als  ich  denselben  aber  genauer  prüfte, 
stellte  sich  heraus,  dass  hier  kein  Kunstprodukt 
vorlag,  sondern  ein  natürliches  Gebilde  aus  Li- 
monit, einer  Schüssel  ähnlich  gestaltet,  wie  man 
solche  auf  der  Haide , insbesondere  aber  am 
Morsum  - Kliff  auf  Sylt  finden  kann.  Im  Volks- 
munde heissen  diese  Naturgcbilde  „traaldaskar“ 
d.  h.  Hexenschüsseln,  und  der  Aberglaube  erklärt 
sie  für  Arbeiten  der  kunstfertigen  Unterirdischen 
oder  Zwerge.  Es  konnte  in  diesem  Fall  durch- 


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aus  kein  Zweifel  sein,  dass  die  Hexenschüssel  den 
anderen  Todtengeschenken  absichtlich  hinzugefügt, 
war,  und  so  drängte  sich  mir  die  Erklärung  auf, 
dass  schon  das  Urvolk  auf  diese  interessanten 
Eisengebilde  aufmerksam  geworden  ist  und  ihnen 
ebenso  wie  die  Gegenwart  eine  abergläubische 
oder  gar  religiöse  Bedeutung  beigelegt  haben 
mag.  Es  sind  auch  in  anderen  Gräbern  solche 
Hexenschügseln  gefunden ; aber  bisher  deutet  nichts 
darauf,  dass  die  Ureinwohner  bereits  damals  ange- 
fangen hätten,  unsem  einheimischen  Raseneisen- 
stein zu  verarbeiten.  Das  älteste  Kunstprodukt 
von  Eisen , das  Sie  in  unserem  Museum  sehen, 
ein  Messer,  ist  aus  einem  Grabhügel  neben  einer 
Bronzekanne  vom  Halls t&tter-Typus  erhoben  und 
höchst  wahrscheinlich  gleich  dieser  importirte  Waare. 

Doch  lassen  Sie  uns  zur  Gegenwart  zurück- 
kehren ! — 

Wie  das  Schleswig-Holsteinische  Museum 
vaterländischer  AlterthUrner  sich  der  Ehre  Ihres 
Besuches  erfreuen  wird,  so  lassen  Sie  sich  auch 
die  anthropologisch-archäologische  Ausstellung  em- 
pfohlen sein,  welche  der  hiesige  Zweigverein  im 
Nebensaale  veranstaltet  hat.  Desgleichen  haben 
die  Vorsteher  der  Sammlungen  hiesiger  Universität, 
die  Direktion  des  Schleswig-Holsteinischen  Kunst- 
vereines und  der  Herr  Geh.  Rath  T h a u 1 o w 
meinen  Bitten  mit  dankenswertester  Bereitwillig- 
keit entsprochen.  Ich  benutze  diese  Gelegenheit, 
um  ausdrücklich  bekannt  zu  machen,  dass  in  den 
dazu  roservirten  Stunden,  also  heute  von  11  bis  2 
Uhr  und  morgen  Dienstag  von  8 bis  11  Uhr 
das  Mineralogische  Museum,  das  Anatomische  In- 
stitut und  das  Zoologische  Museum,  dio  Gemälde- 
galerie der  Kunsthalle,  das  Kunstmuseum  von 
Abgüssen  antiker  Seulpturen,  sowie  auch  das 
Thaulow  - Museum  schleswig-holsteinischer  Holz-  I 
schnitzwerke  Ihrem  Besuche  geöffnet  sind.  Der  I 
Botanische  Garten  steht  von  7 Uhr  Morgens  bis  ; 
7 Uhr  Abends  offen ; die  daselbst  veranstaltete  i 
Ausstellung  interessanter  botanischer  Gegenstände  j 
kann  Vormittags  besichtigt  werden.  Dio  Akade- 
mische Lesehalle  steht  den  Theilnehtnem  gleich- 
falls zur  Benützung  frei.  Ich  muss  endlich  noch 
in  Erinnerung  bringen,  dass  die  Gesellschaft: 
„Harmonie“,  in  deren  Räumen  wir  hier  tagen, 
alle  auswärtigen  Theilnebmer  als  ihre  Gäste  ein- 
geführt hat.  So  hat  sich  Alles  in  unserer  Stadt 
vereinigt,  um  Ihnen  darzubieten,  was  in  unsern 
schwachen  Kräften  steht.  Und  indem  ich  nun 
als  Geschäftsführer  Sie  nochmals  willkommen  j 
heisse,  erlauben  Sie  mir  zugleich  den  Wunsch 
auszusprechen,  dass  die  Tage  dieser  neunten  Ge- 
neralversammlung für  die  Wissenschaft,  der  unsere 
Gesellschaft  dient,  fruchtbringend  verlaufen  möge!  j 


Ich  kann  nicht  sch  Hessen,  ohne  mit  gebühren- 
dem Danke  des  freundlichen  Entgegenkommens  zn 
gedenken,  das  Ihr  Geschäftsführer  in  den  benach- 
barten Hansestädten  Hamburg  und  Lübeck  ge- 
funden hat,  und  wodurch  dem  Programm  der  dies- 
jährigen Generalversammlung  eine  so  erfreuliche 
Erweiterung  zu  Theil  geworden  ist.  Die  anregen- 
den Stunden  der  hainburgischen  Station  liegen 
hinter  Ihnen  , und  Sie  werden  danach  eine  er- 
wünschte Abspannunggefunden  haben  in  der  Eisen- 
hahnfahrt bieher,  die  weder  in  landschaftlicher  noch 
wissenschaftlicher  Hinsicht  dem  Reisenden  etwas 
bietet.  Auch  die  unmittelbare  Umgegend  von  Kiel, 
so  schön  sie  ist,  hat  eben  nicht  dasjenige  auf- 
zuweisen, was  ich  Ihnen  neben  den  Sammlungen 
so  gerno  gezeigt  hätte;  vor  reichlich  hundert 
Jahren  wird  zwar  noch  eine  Steinkiste  am  Wege 
von  hier  nach  Cronshagen  erwähnt,  aber  sie  ist 
jetzt  spurlos  verschwunden.  Was  in  unserer 

Provinz  an  vorgeschichtlichen  Steindenkraälern, 
Grabhügeln  und  Todtenfeldern,  an  Werk-  und 
Wohnstätten,  an  sog.  antiquarischen  Mooren,  an 
Burg-,  Ring-  und  Gränzwällen,  an  Runen-  und 
Siegfriedsteinen  u.  dgl.  mehr  bemerk  entwert  h ist, 
das  liegt  weit  zerstreut  und  ist  von  hier  aus 
nicht  so  bald  zu  erreichen.  Um  diese  Lücke 

unsers  Programms  auszufüllen,  ist  Lübeck  einge- 
treten, das  ausser  reichen  Museen  auch  dicht  vor 
seinen  Thoren  eine  Auswahl  von  interessanten 
Alterthumsdenkmälern  besitzt.  Seit  der  Veröffent- 
lichung des  Programms  der  Generalversammlung 
und  den  betreffenden  Bekanntmachungen  in  No.  6 
des  Correspondenzblattes  hat  der  Verein  für 
Lübeckische  Geschichte  und  Alterthumskunde  ein 
mit  grösster  Liberalität  vervollständigtes  Pro- 
gramm der  Lüheckischen  Station  eingereicht,  was 
ich  hiedurch  kundzugeben  nicht  ermangle. 

Herr  Johannes  Hanke  (für  den  General- 
sekretär) : 

Mein  Auftreten  an  dieser  Stelle  bedeutet  für 
die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft  mehr 
als  einen  herhon  Verlust.  Als  in  den  Tagen  vom 
24.  bis  26.  Septb.  v.  Js.  die  8.  allgemeine  Ver- 
i Sammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesell- 
schaft in  Constanz  tagte,  betheiligte  sich  noch  mit 
| jugendlicher  Frische  an  derselben  der  bekannte 
Anatom  Karl  Ernst  Emil  H offmann  aus 
Basel.  Er  hatte  von  der  Gründung  uuserer  Ge- 
sellschaft an  sich  wesentlich  für  die  anthropologi- 
sche Sache  interessirt.,  war  ein  fleissiger  Besucher  der 
allgemeinen  Versammlungen  und  hatte  zuletzt  die 
Aufnahme  der  Statistik  der  Farbe  der  Augen, 
der  Haare  und  der  Haut  für  die  Schweiz  übernom- 
men. Er  war  zum  Präsidenten  einer  zu  diesem 


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Zweck  gewtthlten  Commission  ernannt  und  hatto 
uns  noch  bei  seinem  Scheiden  in  Constanz  ver- 
sprochen, hier  in  Kiel  den  ersten  Bericht  über 
seine  diesbezügliche  Thätigkeit  zu  geben.  We- 
nige Wochen  nachher  war  dieser  Mund,  der 
heute  zu  uns  sprechen  wollte , für  immer  ge- 
schlossen ! So  herb  für  uns  dioscrVerlust  eines  treuen 
Freundes  und  Mitarbeiters  ist,  so  ist  durch  diesen 
einen  Verlust  doch  noch  ein  zweiter  bedingt,  nein- 
lieh  der,  dass  unser  verehrter  Generalsekretär 
Herr  Kollmann  hier  nicht  bei  uns  sein  kann. 
Gr  folgte  dein  ehrenvollen  Rufe  nach  Basel  an 
die  Stelle  von  K a r 1 Ernst  Emil  Hofmann. 
Gr  ist  für  jenen  in  die  Vorstandschaft  der  Com- 
mission für  die  eben  erwähnten  anthropologischen 
Aufnahmen  in  der  Schweiz  getreten,  und  gerade 
in  diesen  Tagen  ist  auch  dort  eine  Versammlung, 
die  sich  mit  diesen  Dingen  beschäftigt , so  dass 
er  nicht  in  der  Lage  ist , hior  in  Kiel  Bericht 
zu  erstatten,  ln  Folge  davon  wurde  mir  die 
Stellvertretung  seinos  Amtes  übertragen.  — Wenn 
es  mir  schmerzlich  war,  diese  Verluste  zu  er- 
wähnen, so  kann  mein  Bericht  nun  zu  freudigen 
Dingen  Ubergehen. 

Wir  sehen  uns  hier  in  Kiel  von  einer  grossen 
Anzahl  neu  gewonnener  Freunde  umgeben.  Als 
im  vorigen  Herbste  der  Beschluss  gefasst  wurde, 
die  9.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  An- 
thropologen nach  Kiel  zu  verlegen,  bestand  hier 
noch  kein  anthropologischer  Zweigverein.  Unter- 
dessen hat  sich  dieser  so  glänzend  konstituirt, 
and  wir  werden  empfangen,  als  wäre  unsere  Sache 
schon  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  von  reichen 
Händen  geptiegt  und  gehegt  worden.  Wir  haben 
noch  einen  zweiten  nenen  Verein  zu  erwähnen : 
auch  in  Münster  ist  ein  solcher,  die  westphälieche 
Gruppe , mit  zahlreicher  Betheiligung  entstanden. 
Wir  dürfen  sagen , unsere  Gesellschaft  wächst, 
ihre  Bestrebungen  finden  immer  weitere  Ver- 
breitung und  Anerkennung.  Zum  grossen  Theil 
wird  das  bedingt  durch  unsere  allgemeinen  Ver- 
sammlungen selbst.  Wie  hier  so  wurde  seiner 
Zeit  auch  in  Jena  ein  Zweigverein  auf  Anregung 
der  dortigen  allgemeinen  Versammlung  gegründet. 
Wir  sahen  den  Zweigverein  in  Constanz  in  Folge 
der  gleichen  Anregung  erwachsen  und  zunehmen. 
Gs  sind  Missionsreisen , die  unsere  Gesellschaft 
mit  diesen  allgemeinen  Versammlungen  für  die 
anthropologische  Sache  unternimmt.  Aber  os 
werden  nicht  blos  neue  Vereine  gegründet,  es 
werden  durch  die  allgemeinen  Versammlungen  die 
schon  bestehenden  Vereine  zu  kräftigerer,  con- 
eentrirterer  Thätigkeit  angeregt.  Die  Fragen,  die 
auf  den  allgemeinen  Versammlungen  besprochen 
wurden,  bilden  dann  vielfach  für  die  Loculvereine 


die  Signatur  für  die  Arbeiten,  die  während  des 
Jahres  vorgenommen  werden.  So  war  irn  vorigen 
Jahre  in  Constanz  die  Frage  über  die  praehi- 
storische  Kunst  zunächst  in  Beziehung  auf  dio 
Thayinger  Funde  angeregt  worden  und  diese 
Frage  hat  nun  im  Laufe  des  verflossenen  Jahres 
in  fast  allen  Localvereinen  gespiolt,  freilich  nicht 
überall  mit  dem  grossen  Erfolge,  die  Frage  einer 
wissenschaftlichen  Lösung  wesentlich  näher  zn 
bringen,  wie  im  Berliner  Zweig  vereine. 

Es  wäre  vollkommen  unnötliig,  ich  glaube, 
es  hiesse  Eulen  nach  Athen  tragen,  wenn  ich  hier 
die  Publikationen , welche  in  den  verschiedenen 
Zeitschriften  der  anthropologischen  Gesellschaft 
gemacht  worden  sind,  ausdrücklich  erwähnen 
wollte.  Es  ist  das  Correspondenz  - Blatt , das 
Archiv,  die  Berliner  Zeitschrift  für  Ethnologie 
in  Jedermanns  Händen.  In  einer  der  neuesten 
Nummern  des  ersteron  gab  Herr  Kollmann  die 
wichtigen  Resultate  der  craniologischen  Konferenz 
zu  München  1877. 

Ich  möchte  nur  pro  domo  noch  ein  paar  Worte 
sprechen.  Seit  dem  vorigen  Jahre  geben  wir  auch 
in  München  eine  anthropologische  Zeitschrift:  Bei- 
träge zur  Anthropologie  und  Urgoschicbte 
Bayerns  heraus.  Unser  Bestreben  ist  es,  die  lo- 
kalen anthropologischen  Fragen  für  Bayern  mög- 
lichst aufzuarbeiten.  Ich  erlaube  mir,  der  hochge- 
ehrten Gesellschaft  auch  heuer  im  Aufträge  der 
Münchener  anthropologischen  Gesellschaft  und  ihrer 
Vorstandschaft  einen  Band  und  zwar  den  II.,  1.  und 
2- Heft  vorzulegen.  Unsere  Publikation  hat  noch  wenig 
Beachtung  gefunden,  vielleicht  mit  Unrecht.  Ich 
glaube,  dass  z.  B.  die  Arbeit  unsers  hochverehrten 
Mitgliedes  Herrn  Staatsrath  Professor  Dr.  Stieda 
aus  Dorpat  über  Schädelanomalien  im  letztem 
Heft  des  Archivs  wohl  in  etwas  anndorer  Weise 
publizirt  worden  wäre,  wenn  er  unsere  Arbeiten 
gekannt  hätte.  Ich  glaube,  er  würde  wohl  zu 
etwas  anderen  Schlussfolgerungen  gekommen  sein, 
wenn  ihm  unsere  darauf  bezüglichen , grosseren 
statistischen  Aufnahmen  zunächst  wenigstens  für 
einen  deutschen  Volksst&mm  bekannt  geworden 
wären,  welche  dio  allgemeinen  Angaben  des  Herrn 
Virchow  für  dos  deutsche  Volk  in  so  hohem 
Masse  bestätigen.  — 

Ich  habe  noch  Uber  dio  Verwendung  der  von 
der  Gesellschaft  für  Förderung  ihrer  Zwecke 
einzelnen  Zweig  vereinen  bewilligten  Geldunter- 
stützungen  zu  berichten. 

In  der  allgemeinen  Versammlung  in  Constanz 
1877  wurden  Geld  Unterstützungen  gewährt : dem 
Zweigvereine  zu  Weissenfels  für  Ausgrabungen  und 
dem  zu  Dürkheim  speciell  für  Ausgrabungen  auf 

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der  Limburg.  Von  beiden  Vereinen  sind  Nach-  1 
richten  über  die  Resultate  dieser  Ausgrabungen  ; 
eingelaufen.  Leider  ist  mir  der  ausführliche  Be- 
richt des  Weissenfelser  - Vereines  erst  in  diesem 
Augenblicke  zugekommen , so  dass  ich  Näheres 
durUl>er  noch  nicht  berichten  kann.  Schon  früher 
wurde  mir  von  dort  mitgetheilt,  dass  von  den 
bewilligten  300  *.&■  nur  59,55  ./£  bisher  für 
die  Ausgrabungen  eines  grossen  Hügelgrabes  ver- 
braucht worden  seien , dass  aber  die  Verwend- 
ung der  übrigen  Gelder  für  Ausgrabungen  in 
nächster  Zeit  in  Aussicht  genommen  sei,  wor- 
über dann  bei  der  nächsten  allgemeinen  Ver- 
sammlung Bericht  zu  erstatten  sein  wird.  Ueber 
die  Verwendung  des  Zuschusses,  welchen  der 
Zweigverein  zu  Dürkheim  für  Ausgrabungen  auf 
der  Limburg  erbalten  hat,  habe  ich  einen  in- 
teressanten Bericht  des  Herrn  Mehlis  erhalten. 
Auch  in  der  Kölner-Zeitung  hat  derselbe  Schon 
eine  Notiz  gegeben , die  das  Ergebnis*  der  Un- 
tersuchung in  grossen  Zügen  vorlegt.  Herr 
Mehlis  wird  morgen  in  der  Sitzung  Gelegen- 
heit haben,  uns  seine  Resultate  ausführlich  vor- 
zu  tragen. 

Schon  in  Jena  1870  wurde  auch  dem  Zweig- 
vereiu  Müucheu  eine  Summe  für  Ausgrabungen 
und  zwar  speziell  für  Höhlenausgrabungen  be- 
willigt , die  inzwischen  Verwendung  fand.  Wir 
haben  in  unseren  Gegenden  sowol  natürliche  als 
künstliche  Höhlen.  Eine  reichhaltige  natür- 
liche Höhle  zu  Breitenwienin  der  Nähe  von  Regens- 
burg wurde  von  Herrn  Clessin  ausgebeutet. 
Seine  sehr  interessanten  Resultate  werden  in  Bälde 
in  unseren  Münchener  Beitrügen  ausführlich  ver- 
öffentlicht werden.  Uebrigens  sind  in  unseren 
neuereu  Untersuchungen  die  Merkmale,  dass  der 
Mensch  mit  Diluvialthicren  zusammengelebt  hat, 
ausserordentlich  sparsam , ich  könnte  beinahe 
sagen , sie  fehlen  mit  absoluter  Sicherheit  fast 
ganz.  — Der  Münchener  Zweigverein  hat  auch 
Ausgrabungen  in  einigen  kleineren  Höhlen  in 
Oberfranken  gemacht  und  zwar  in  der  Nähe  von 
Pottenstein,  namentlich  im  Zworgloch  und  Hasen- 
locb.  Die  Dinge , dio  gefunden  wurden , lagen 
Ihnen  zum  Theil  schon  bei  einer  frühereu  Ver- 
sammlung vor,  sind  aber  erst  jetzt  von  mir  voll- 
ständig untersucht  worden.  Auch  in  den  Potten- 
steiner  Höhlen  lassen  die  Beweise,  dass  der  Mensch 
gleichzeitig  mit  dem  Höhlenbären  und  dem  Kenn- 
thier# gelebt  hat,  obwoi  die  Spuren  keineswegs 
fehlen,  doch  immerhin  au  Deutlichkeit  zu  wünschen 
übrig.  In  Beziehung  auf  die  Höhlenfauna  habe 
ich  zu  kunbtatireu , dass  neben  den  Knochen  der 
bekannten  11  Ohlenthiere : vom  Höhlenbär,  Hühltm- 
byiiue,  Fuchs,  Pferd,  Hirsch,  Reh  und  Rind  etc. 


in  ziemlicher  Anzahl  Knochen  des  bisher  in  Hohlen 
selteuer  gefundenen  irischen  R i esen  hirsches, 
des  Megaceroa  hibernicus  Ow. , gefunden  wur- 
den. Von  grösserem  Interesso  sind  die  Knochen 
von  grossen  Nagethiereu.  Sie  stammen  zum 
Theile  vom  Biber , aber  zu  meinem  Erstaunen 
fand  ich  auch  solche  vom  Stachelschwein. 
Ich  würde  meiner  eigenen  Autorität  hier  nicht 
vollkommen  trauen , wenn  ich  nicht  diese  An- 
gabe stützen  dürfte  auf  die  Uehereinstimmung 
meiner  beiden  Kollegen  der  Herren  von  Siebold 
und  Zittel  in  München.  Schon  in  Jena  haben 
wir  Kuochen  vom  Kicsenhirscb  und  Pferd  aus  diesen 
Höhlen  vorgelegt , welche  eine  ganz  eigentüm- 
liche Bearbeitung  zeigten.  Man  glaubte  zuerst 
eine  Bearbeitung  von  Menschenhand  vor  sich  zu 
sehen.  Später,  nachdem  ich  unter  den  übrigen 
Knochen  auch  die  der  Höhlenhyäuo  konstatirt 
hatte,  erinnerte  ich  mich  daran,  dass  die  Hyänen 
mit  ihren  ausserordentlich  schürfen  Zähnen  und 
starkem  Gebiss  ganze  Stücke  aus  dem  festen 
Knochengewebe  gleichsam  herausschneiden  sollen. 
Die  Abbildungen  in  den  Höhlenjagden  W.  Boyd 
Dawkins’  S.  225  (deutsche  Uebersetzung  von 
Spengel)  zeigen  uns  ähnlich  bearbeitete  Knochen 
wie  die  unseren  als  von  Hyänen  benagt.  Ich 
hatte  Gelegenheit , mir  frische  Knochen  zu  ver- 
schaffen , welche  Hyänen  benagt  hatten , dabei 
fiel  mir  auf,  dass  sich  diese  Benagung  doch  ganz 
anders  als  jene  an  unseren  Knochen  ausnimint. 
Bei  letzteren  sind  dio  einzelnen  bearbeiteten  Stcllon 
gleichsam  ausgefeilt  oder  die  Kuochen  zeigen  die 
Z&hnspuren  etwa  wie  ein  iiutterbrod , von  dem 
mau  ein  Stück  abgebissen.  Man  musste  hier  also 
an  Nagethiere,  zunächst  an  Biber  oder  Murmelthier 
denken.  Nachdem  ich  nun  aber  die  Knochen  von 
Stachelschweinen  gefunden  und  die  Zahubreite 
dieser  Thiere  mit  den  Zahnspuren  auf  den  Knochen 
verglichen  habe,  stehe  ich  nicht  an,  zu  behaupten, 
dass  diese  eigentümlichen  Bearbeitungen  der 
Knochen , die  ich  bisher  für  Hyänenspuren  ge- 
halten hatte,  von  diesen  Nagethiereu  herstamraen 
und  ich  glaube,  dass  sich  unsere  Hystrix  wohl 
auch  in  anderen  Gegenden  an  der  Bearbeitung 
der  Huhlenknochen  betheiligte.  Unser  Stachel- 
schwein ist,  wie  es  scheint,  nicht  identisch  mit 
dem  nordafrikanischen,  es  gleicht  mehr  dem  asia- 
tischen uud  zwar  einer  Spezies,  welche  in  un^eror 
Münchener  zoologischen  Sammlung  als  Hystrix 
hirsutirostris  aus  Kasan  benannt  wird.  Vielleicht 
stimmt  die  Höhlen-Spezies  nicht  mehr  ganz  über- 
ein mit  einer  jetzt  lebenden,  so  dass  wir  sie  wohl  zu- 
nächst arn  besten  als  Hystrix  spelaea  bezeichnon 
werden.  Diese  Funde,  die  neu  in  Deutschland  sind, 
glaubte  ich  erwähnen  zu  müssen.  Bekanntlich 


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93 


wurden  in  belgischen  Höhlen  von  Schmerling 
ebenfalls  die  Reste  grosser  fremdartiger  Nagethiere 
beobachtet.  Boyd  Da  wkins  sagt  (deutsche  Ueber- 
setzung  S.  3 1 3*),  Schmerling  hätte  unter  den 
Höhlenthieren  auch  das  südouropäisehe  Stachel- 
schwein gefunden.  Ich  weiss  nicht,  worauf  er  sich 
stützt.  Sch  m erlin g selbst  erklärt  die  Reste  der 
grossen  Nagethiero  für  die  von  Aguti,  Cavia  acuti  L. 
(Ossemens  fossiles  Vol.  II.  S.  1 1 5).  — Ich  denke, 
nachdem  man  einmal  diese  Thiere  gefunden  hat, 
wird  man  sie  neben  Arctomys  marmota  (Ecker) 
auch  in  anderen  Höhlen  finden.  — 

Von  weiterem  Interesse  scheinen  mir  auch  un- 
sere künstlichen  Höhlen  7.u  sein,  welche  wir 
ebenfalls  mit  Hilfe  der  unserem  Zweigverein  ge- 
währten Unterstützung  ausgegraben  haben.  Schon 
seit  den  Dreissiger  Jahren  dieses  Jahrhunderts  ist 
man  aufmerksam  geworden , dass  namentlich  in 
sandigen  Abhängen  und  Hügeln  in  der  Nähe  von 
Augsburg  und  München  solche  Höhlen  sich  finden. 
Der  Sand,  in  welchem  sie  eingeschnitten  sind,  ist 
zum  Theile  ziemlich  lose , so  dass  man  ihn  mit 
der  Schaufel  bearbeiten  kann ; es  ziehen  sich 
aber  auch  festere  Schichten  durch , theils  Con-  j 
glomerat , theils  nur  durch  Einlagerung  von 
Thon  in  die  Sandmasso  zu  einer  grosseren  Kon- 
sistenz erhärtet.  Solche  festere  Schichten  bilden 
die  Decken  unserer  künstlichen  Höhlen.  Man 
fand  diese  Höhlungen  zufällig,  indem  man  die  Ge- 
hänge abgrub,  um  Sand  zu  gewinnen.  Ich  weiss 
nicht,  ob  vielleicht  in  Deutschland  auch  sonst  der- 
artige Dinge  schon  bekannt  sind.  Mir  und  meinen 
Münchener  wissenschaftlichen  Freunden  scheinen 
sie  von  höchstem  Alterthum  zu  sein. 

In  neuester  Zeit  wurden  zwoi  solche  Gänge 
neu  entdeckt,  die  ich  mit  Unterstützung  des  Pro- 
fessors der  Architektur  und  Architekturgeschichte, 
Herrn  A.  Thiersch  in  München,  wissenschaft- 
lich aufgenommen  habe,  es  sind  die  Höhle  in 
ünterbachern  bei  Dachau  und  eine  neue  Höhle 
in  Kissing  bei  Augsburg. 

Bachem  gehört  zu  den  ältesten  Orten  Obor- 
bayerns , Kissing  ist  ein  sagenumwebter  Platz. 
An  einigen  Orten  knüpft  sich  an  solche  unter- 
irdische Gänge  eine  8age  von  drei  Jungfrauen, 
zwei  weissen  und  einer  schwarzen  oder  schwarz- 
weissen,  dio  in  diesen  Höhlen  wohnen  sollen,  wo 
sie  ihren  Schatz  hüten,  den  sie  unredlich  getheilt 
haben.  Es  ist  die  alte  Geschichte:  die  eine 
Schwester  war  blind , die  anderen  sehend , die 
blinde  wurde  bei  der  Theilung  der  Schätze  betrogen. 

In  Kissing  wird  für  sagenhafte  „3  Jungfrauen 
von  Mergentan“,  ein  Schloss  in  der  Nähe,  jeden 
ersten  Sonntag  im  Monat  von  der  Kanzel  gebetet.  1 

Gestatten  Sie  mir  zu  beschreiben,  wie  man  in  ( 


einen  solchen  Gang  gelangt,  und  zwar  in  den  von 
Kissing.  Ich  lmbe  die  durch  Herrn  Thiersch 
gefertigte  Abbildung  der  beiden  Gänge  hier  auf- 
gebängt.  In  einem  Keller,  der  neuerdings  in 
den  Sand  hiuein  gebaut  ist,  befindet  sich  eine 
nach  abwärts  gehende  balbraannslioho  enge  Ver- 
tiefung, eben  so  weit,  um  hineinsteigen  zu  können. 
Nun  muss  man  sich  niederlegen  und  nicht  blos 
auf  den  Knien  und  Ellenbogen,  sondern  wirklich 
auf  dem  Leibe , rückwärts  gewendet , die  FUsse 
voran,  durch  eineu  engen  horizontalen  Schlupf- 
kanal schlüpfen.  Nuchdem  man  sich  so  ein  Stückchen 
vorwärts  bewegt  hat,  kann  man  sich  aufrichten 
und  befindet  sich  nun  in  einem  spitzbogig  ge- 
wölbten Gange , der , wie  die  weiteren  Partieen 
der  Höhle  sämmtlich,  eben  so  weit  und  hoch  ist, 
um  darin  gehen  und  stehen  zu  können.  Hier 
ist  die  platt  abschneidende  Endwand , hier  die 
enge  rundliche  Oefinung  an  dem  Boden  der- 
selben, durch  welche  man  hereingekonunen  ist.  An 
den  Seitenwänden  befinden  sich  am  Eingang  zwei 
hohe  Nischen,  welche  vielleicht  zur  Aufstellung  von 
Urnen  haben  dienen  können,  zum  Sitzen  aber  zu 
| eng  sind ; diese  Nischen  sind  spitzbogig  gewölbt. 
Nach  der  Ansicht  des  Herrn  Prof.  Thiersch 
haben  diese  Spitzbogen  mit  der  Gothik  nichts  zu 
schaffen ; es  ist  die  Bauart  desswegen  gewählt 
und  nothwendig,  damit  das  ziemlich  lose  Material, 
in  welches  die  Gänge  gegraben  sind , nicht  zu- 
sammenstürzt. Diese  Gänge  sind  ausserordentlich 
geschickt  bearbeitet,  offenbar,  den  Spuren  nach, 
mit  einer  auf  die  Flächo  gebogenen  Haue , wie 
sie  z.  B.  die  Fossoren  dor  römischen  Katakomben 
benützten , und  mit  einer  kurzen  etwas  auf  die 
Fläche  gerundeten  Stichschaufel.  Die  Arbeit  ist 
so  gut  und  korrekt,  dass  sie  eine  grosse  Uebung 
voraussetzt,  offenbar  sind  solche  Gänge  viele  ge- 
macht worden.  Geht  man  in  diesem  Gange,  der 
den  Eingang  bildet,  eine  Strecko  weiter,  so  ge- 
langt man  in  den  längeren  Hauptgang,  der  eben- 
falls spitzbogig  gewölbt  ist.  An  verschiedenen 
Stellen  finden  sich  kleinere  Nischen  zur  Ein- 
stellung von  Lampen ; diese  Nischen  sind  zum 
Theile  von  Russ  geschwärzt.  Am  Boden  der 
Schlusswand  des  Hauptganges  ist  wieder  eine 
solche  enge  Oeffnung,  wie  jene,  durch  welche  wir 
in  das  unterirdische  Bauwerk  hereingekommen 
sind ; man  kriecht  horizontal  in  diese  hinein, 
muss  sich  dann  senkrecht  in  die  Höhe  wenden, 
was  ziemlich  beschwerlich  ist,  und  kommt  dann 
in  eine  Art  von  Karninloch  zu  stehen.  Von  hier 
aus  blickt  man  in  eine  höhere  Etage  des  Ganges, 
wo  zunächst  wieder , wie  am  ersten  Eingang, 

1 grössere  Nischen  angebracht  sind,  welche  eben- 
( falls  oben  mit  ihren  Spitzen  zusaromenlaufend, 

3* 


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94 


ein  Kreuzgewölbe  bilden.  Ein  etwas  anderes  Bau- 
princip  spricht  sich  in  dem  Gang  in  Unter- 
bachern aus. 

Beide  Gänge  waren,  obwohl  erst  kürzlich  ent- 
deckt, doch  schon  vor  uns  von  verschiedenen 
Leuten  bekrochen  oder,  wie  der  Alt- Bayer  sich 
ausdrückt,  „beschloffen“  worden.  Man  fand  Scherben 
von  unglasirten  Topfgefilssen,  zum  Theil  nur  mit 
der  freien  Hand  gemacht,  einige  gebrannte  Knochen- 
stückcheu,  vielleicht  Menschenknochen,  aber  sicher 
auch  Knochen  von  Hausthiercn.  In  all  diesen 
künstlichen  Höhlen,  man  kennt  bis  jetzt  schon  bei- 
nahe zwei  Dutzend  vollkommen  Hhnliche,  wurde 
nichts  anderes  gefunden  und  doch  berichtet  fast 
überall  die  Sage  von  unterirdischen  Schätzen,  die 
sie  bergen  sollen.  In  Unterbachern  erinnern  sich 
alte  Leute,  dass  vor  circa  90  Jahren  Schatzgräber 
in  nächster  Nähe  der  Gänge  gegraben  haben ; 
vielleicht  erklärt  sich  daraus  unsero  geringe  Aus- 
beute. 

Ich  möchte  die  Frage  vorlegen , wie  weit  in 
Mittel-  und  Norddeutschland  derartige  unterirdisch« 
Bauwerke  bekannt  sind.  Unter  meinen  wissenschaft- 
lichen Freunden  in  München  glaubt  HerrThiersch, 
diese  Höhlen  in  Verbindung  bringen  zu  müssen  mit 
der  bekannten  Hypothese,  die  sich  zum  Theil  auf 
Steub’s  Forschungen  in  den  Alpen  beruft,  dass 
auch  über  unsere  Alpen  heraus  im  flachen  Lande 
einst  noch  eine  rhü tisch  -et irakische  Bevölkerung 
wohnte;  wir  glauben,  dass  wir  es  liier  mit  Grab- 
bauten zu  thun  haben,  welche  in  gewissem  Sinne 
an  die  etruskischen  Gräber  erinnern  oder  an 
die  Grliberanlagen  noch  älterer  Zeit.  Die  engen 
Eingänge , die  Erschwerung  des  Hineingelangens 
zum  Orte  des  Begräbnisses  selbst  sind  auch  für 
die  Pyramidengänge,  die  Gräber  in  Aegypten, 
charakteristisch.  Das  Nähere  hierüber  werden 
unsere  „Beiträge“  bringen.  — (Hiezu  Beilage  I). 

Herr  Wclsmann  (Schatzmeister):  Wenn  ich 
voriges  Jahr  bei  meinem  Rechenschaftsberichte  in 
Konstanz  den  Wunsch  aussprneh,  es  möchten  die 
verehrlichen  Mitglieder  der  deutschen  anthropo- 
logischen Gesellschaft  auch  in  der  Folgo  ihre 
Thätigkeit.  mit.  der  ihres  Schatzmeisters  zur  Er- 
zielung möglichst  günstiger  Rechnungsresultate 
vereinigen,  so  muss  ich  Ihnen  heute  bekennen, 
dass  ich  meinen  Wuusch  nicht  nur  vollständig 
erfüllt,  sondern  meine  Hoffnung  weitaus  über- 
troffen sehe , und  haben  wir  daher  alle  Ursache, 
sowohl  den  einzelnen  Vereinsmitgliedern,  als  auch 
insbesondere  den  betreffenden  Vereiuskassieren  und 
Geschäftsführern  der  Lokalvereino  und  Gruppen 
unsern  ganz  ergebensten  Dank  dafür  nuszuspre- 
chen , dass  sie  auch  dieser  Seite  unseres  V er- 


einslebcns  die  so  nötliige  Unterstützung  ango- 
deihen  Hessen.  — 

Ein  Blick  auf  unsern  Gesamml-Einnahmeposten 
von  12,306  bff.  69  $ lässt  Sie  erkennen,  dass  es 
fleissiger  Arbeit  und  kräftigen  Zusammenwirkens 
bedurfte , um  solche  Summen  aus  den  kleinen 
Mitgliederbeiträgen  zu  3 , ich  möchte  sagen, 

fast  aus  aller  Herren  Länder  zusammenzutragen. 

Diese  Anerkennung  muss  sich  noch  steigern, 
wenn  wir  bedenken , wio  kitzlich  der  Geldpunkt 
an  und  für  sich  schon  ist,  wie  vorsichtig  und 
zart  man  auftreten  muss,  — namentlich  in  jetziger 
Zeit , wo  Viele  dem  so  ungemein  ausgedehnten 
Vereinsleben  mit  seinen  unvermeidlichen  Ausgaben 
den  Rücken  kcliren,  — um  im  Uebereifer  nicht 
atu  Ende  g&r  mehr  zu  schaden  als  zu  nützen, 
und  wie  sehr  die  Kassiere  der  Gruppen  und 
Lokalvereine  den  örtlichen  Verhältnissen  Rech- 
nung tragen  müssen.  — 

Alles  dies , meine  Herren , sind  Dinge , die 
inan  freilich  dem  auf  ein  OctavbläUchen  zu- 
sammengedrängten Kassenberichte  äusserlich  nicht 
ansieht,  die  aber  nichts  desto  weniger  vorhanden 
sind,  lind  die  wir  Rechner  am  besten  zu  würdigen 
wissen. 

Ich  weiss  aus  nabe  liegender  Erfahrung,  dass 
es  oft  geradezu  eine  Unmöglichkeit  ist,  die  Bei- 
träge zu  rechter  Zeit  hereinzubringen,  und  finde 
desshalb  auch  gar  nichts  darin , dass  es  auch 
heuer  wieder  7 Gruppen  sind , denen  es  unmög- 
lich war,  ihre  Beiträge  bis  zum  1.  August  cin- 
zuschicken,  wodurch  wir  allerdings  circa  850  tJi 
weniger  in  Einnahme  linhen. 

Dessenungeachtet  ist  unser  Resultat  ein  äusserst 
günstiges,  und  danke  ich  Namens  der  Vorstand- 
schaft allen  Denen,  deren  freundlicher  Mitwirkung 
wir  unser  geordnet««  Kassawesen  verdanken. 

Eingezahlt  haben  von  unseren  26  Lokalver- 
einen und  Gruppen:  Basel  für  5,  Berlin  für  331  * 
Carlsruhe  für  8,  Constanz  für  35»  Danzig  für  97, 
Elberfeld  für  28,  Frankfurt  a.  M.  für  21,  Frei- 
burg i.  Br.  für  68,  Gotha  für  9,  Hamburg  für  72, 
Heidelberg  für  32,  Jena  für  44,  Königsberg  für  10, 
Mannheim  für  17,  München  für  220,  Münster 
für  110,  Stuttgart  für  235,  Weissenfels  für  77 
und  Wien  für  15  Mitglieder  ä 3 Von  den 
isolirten  Mitgliedern  wurden  von  125  Mitgliedern 
die  Beiträge  durch  Nachnahme  erhoben,  43  batten 
dieselben  schon  vorher  eingesendet.  (Die  Herren 
der  Wiener  Gruppe  treten  in  Zukunft  als  isolirto 
Mitglieder  auf,  da  Herr  Dr.  Much  wegen  langer 
Abwesenheit  von  Wien  die  Geschäftsführung  nie- 
derlegen musste). 

Im  Rückstände  waren  zur  Zeit  der  Abrech- 
nung für  das  laufende  Jahr  (1.  August)  noch: 


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Bonn,  Coburg,  Göttingen,  Mainz,  Stralsund,  Würz- 
burg  und  Kiel,  Carlsruhe  nur  tbeilweise,  ebenso 
München  mit  circa  30  Mitgliedern. 

Es  haben  also,  wie  Sie  dem  Kassenberichte 
entnehmen,  in  diesem  Jahre,  trotz  der  grossen 
Rückstände  aus  7 Gruppen,  1602  Mitglieder  zur 
Hauptkasse  einbezahlt  und  zwar  1434  Mitglieder 
ans  19  Gruppen  und  168  isolirte.  Rechnen  wir 
hiezu  noch  circa  300  Rückständige,  so  ergibt  sich 
eine  zahlende  Mitgliederzahl  von  1900.  — Diese 
Beiträge  entsprechen  nun  allerdings  den  von  den 
Mitgliedern  bezogenen  Exemplaren  des  Korrespon- 
denzblattes nicht,  da  für  allenfallsige  Neuein- 
tretende stets  mehrere  überzählige  Exemplare  ge- 
sendet werden.  8o  beziehen  im  laufenden  Jahre 
die  26  Gruppen  1983  Exemplare,  die  Isolirten  168; 
hiezu  die  Tausch  ex emplare  und  die  von  lebens- 
länglichen Mitgliedern  bezogenen  gibt  die  Summe 
von  circa  2183  Exemplaren,  so  dass  bei  einer 
Auflage  von  2500  Exemplaren  für  Nachliefer- 
ungen und  besonders  abzugebende  Nummern  oder 
Jahrgänge  kein  übermässig  grosser  Vorrath  ver- 
bleibt. — 

So  viel  über  die  Jahresbeiträge  der  Mit- 
glieder. 

Für  besonders  abgegebeno  Berichte  und  Kor- 
respondenzblätter wurden  82  cÄ  50  $ verein- 
nahmt, wobei  ich  bemerken  muss , dass  ich  es 
für  recht  und  billig  halte,  den  Vereinsmitgliedern 
allenfalls  fehlende  Nummern  gratis  nachzuliefern 
und  fllr  ganze  Jahrgänge,  wenn  Neueintretende 
dieselben  naehgeliefert  wünschen,  3 t/Ä  zu  ver- 
rechnen , während  wir  bei  Nichtmitgliedern  und 
durch  Bucfahnndlungen  bezogene  Jahrgänge  ä 6 t4L 
und  dem  entsprechend  für  jede  einzelne  Nummer 
50  ^ berechnen.  Ich  glaube  hiebei  von  dem 
Grundsätze  ausgehen  zu  dürfen,  dass  das  Interesse 
an  unserem  Vereinsblatte  dadurch  nur  gowinncn 
kann , um  so  mehr , als  man  ja  das  Ganze  als 
Mitglied  des  Vereins  für  3 cM  jährlich  portofrei 
beziehen  kann.  Es  sind  hiedurch  schon  mehrfach 
neue  Zugänge  erzielt  worden.  — 

Was  die  Ausgaben  betrifft,  so  bewegen  sich 
dieselben  vollständig  innerhalb  des  Rahmens  des 
von  der  Generalversammlung  im  vorigen  Jahre 
fest  gestellten  Budgets,  mit  Ausnahme  des  Postens 
für  Druckkosten,  der  in  Folge  der  Beigaben  zum 
Berichte  der  Konstauzer  Generalversammlung  etwas 
überschritten  werden  musste,  was  sich  jedoch  da- 
durch wieder  ausglich,  dass  das  Localkomite  zu 
Konstanz  in  der  anerkenn ensworthesten  Weise  die 
namhaften  Kosten  für  die  Stenographen  der  Haupt- 
kasse wieder  ersetzte,  wofür  ich  an  dieser  Stelle 
Namens  der  Vorstaudschaft  noch  ganz  besoudern 
Dank  auszusprechen  habe.  — 


Ausser  dem  Kassen vorrathe  von  voriger  Rech- 
nung zu  4693,26  e.4£  finden  Sie  unter  Nro.  6 der 
Einnahmen  noch  einen  Rest  von  1978,50  vKt  aus 
dem  Jahre  1876/77,  worüber  jedoch  bereits  ver- 
fügt ist.  Es  ist  dies  die  Herrn  Professor  Dr. 
Virchow  für  die  statistischen  Erhebungen  pro 
1876/77  bewilligte,  von  demselben  jedoch  noch 
nicht  erhobene  Restsumme  von  1252,50  ifk  und 
die  Herrn  Professor  Dr.  F r a a s zur  Herstellung 
der  prähistorischen  Karte  ausgesetzte,  von  ihm 
aber  zur  Zeit  gleichfalls  noch  nicht  erhobene 
Summe  von  726  tAH,  also  zusammen  1 978,50 e 4?  — 
Diese  Restsummen  wurden  nach  Beschluss  der 
vorjährigen  Generalversammlung  durch  weitere  Zu- 
schüsse des  heurigen  Rechnungsjahres  noch  weiter 
ergänzt  , und  zwar  erstere  durch  1748  v4L  auf 
rund  3000,50*4  und  letztere  durch  800  <.&  auf 
1526  .4,  wie  Sie  dies  unter  Nro.  8 und  9 der 
Ausgaben  vorgetragen  finden.  — Ausserdem  wur- 
den 500  *4  zu  einem  Reservefond  angelegt  (Nro.  1 
der  Ausgaben),  wodurch  wir  mit  unserem  „Eiser- 
nen Bestand“  ein  Kapitalvermögen  von  1700  *4 
verzinslich  angelegt  haben. 

Die  Abgleichung  der  Einnahmen  zu  1 2306,69  *4 
und  der  Ausgaben  xu  10618,66  *4  ergibt  also, 
wie  Sie  sehen,  ausser  den  schon  verfügten  4526,50*4 
für  die  statistischen  Erhebungen  und  die  prä- 
historische Karte  einen  Bestand  von  1688,03  *4, 
welche  in  Kassa  verblieben,  und  zwar  800  * 4 in 
Wert h papieren , von  denen  ich  wünsche,  sie  nie 
angreifen  zu  müssen,  und  888,03  *4  in  baarem 
Gelde.  — Dieser  Kassabestand  und  die  Jahres- 
einnahme von  circa  1936  Mitgliedern  ä 3 *4  er- 
gibt für  das  nächste  Jahr  eine  verfügbare  Summe 

von  7496,03  *4  — 

Ich  glaube  hiebei  um  so  weniger  zu  hoch 
gegriffen  zu  haben,  als  unsere  deutsche  anthro- 
pologische Gesellschaft  zu  unserer  Freude  in  stetem 
Wachsen  begriffen  ist  und  durch  die  Gründung 
von  zwei  sehr  namhaften  Lokalvereinen,  dem  hie- 
sigen Schleswig- Holsteinischen,  der  gegenwärtig 
gegen  140  Mitglieder  zählt,  und  der  Westphäli- 
schen  Gruppe  zu  Münster  mit  120  Mitgliedern, 
eine  sehr  erfreuliche  Mehrung  erhalten  hat,  so 
dass  ich  nicht  umhin  kann,  den  Gründern  dieser 
Zweigvereine , speziell  den  Herren  Professoren 
Dr.  Handelmann  und  Dr.  Pansch,  Fräulein 
Mestorf  und  anderen  hochverehrten  Gönnern 
hier  in  Kiel,  sowie  Herrn  Professor  Dr.  nosius 
in  Münster  den  tiefgefühltesten  Dank  Namens 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  aus- 
zusprechen. Möge  dioser  löbliche  Eifer  für  un- 
sere Bestrebungen  auch  anderwärts  Nachahmung 
finden ! 

Indem  ich  diesen  rechnerischen  Theil  unserer 


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OG 


diesjährigen  Voreiosthfttigkeit  Ihrer  freundlichen 
Prüfung  unterbreite,  erlaube  ich  mir,  Ihnen  die 
Versicherung  zu  geben,  dass  ich  während  meiner 
nun  dreijährigen  Thätigkeifc  unausgesetzt  bestrebt 
war,  durch  weise  und  gewissenhafte  Sparsamkeit 
die  Vereinsmittel  zu  mehren,  was  auch  durch  die 
mir  gewordene  erfolgreiche  Unterstützung  sUmmt- 
licher  Vereinsmitglieder  nicht  misslungen  sein 
dürfte.  — Wesentlich  trug  hiezu  das  durch  den 
Generalsekretär  Herrn  Professor  Dr.  K o 1 1 m a n n 
getroffene  Arrangement  bei , neben  der  Kas&a- 


führung  auch  noch  einen  namhaften  Theil  der 
geschäftlichen  Arbeiten  in  die  Hand  des  Schatz- 
meisters zu  legen,  wodurch  ein  für  die  Mitglieder 
und  die  Geschäftsführung  gleich  vorteilhafter 
direkter  Verkehr  mit  den  Vereinsmitgliedern  er- 
möglicht. wurde.  — 

Ich  bitte  Sie  nun,  den  statutengemässen  Rech- 
nungs-Ausschuss zur  Prüfung  der  Rechnung  zu 
ernennen  und  dem  Schatzmeister  Decharge  zu  er- 
teilen. 


Kassen  - Bericht  pro  1877  78. 


Einnahme. 


1.  Kassenvorrath  von  voriger  Rech- 
nung   ,4!  4698  26  $ 

2.  An  Zinsen  gingen  ein  ....  98  50  . 

3.  An  rückständigen  Hei  trägen  aus 

dem  Vorjahre 686  00  . 

4.  Jahresbeiträge  von  1602  Mit- 
gliedern für  1878  einschliesslich 

einiger  Mehrbeträge  (16*40  - 4822  93  „ 

5.  Für  besonders  abgegebene  Be- 
richte und  Correspondeniblätter  „ 82  50  . 

6.  Rest  aus  dem  Jähre  1876/77 

worüber  bereit«  verfügt  . . . . 1978  50  „ 

Zusammen:  ,41  12806  69  r\ 


Ausgabe. 

1 . Für  den  Ankauf  eines  4°/*  Pfand- 
briefes der  bayer.  Hjrpotheken- 
und  Wechselbank  ä 500  ,41  als 
ersteSumme  zu  ei ncmUeservcfond  %£  485  08  c). 


2.  Verwaliungakostcu 559  40  „ 

3.  Druck  des  Correspondenzblattes 

pro  1877  3170  98  . 

4.  Für  das  Schliemann'sche  Ehren- 
diplom  125  00  * 

5.  Druck  des  Kassenberichtes,  di- 
verse Circulare,  Buchbinderlöbne  . 61  75  . 

6.  Zu  Händen  des  Herrn  General- 
sekretärs   600  00  „ 

7.  Zu  Händen  des  Schatzmeisters  . 300  00  . 

8.  Für  die  Publikation  der  Statist. 

Erhebungen  über  die  Karbe  der 

Augen,  Haare  und  der  Haut  . . 3000  50  „ 

9.  Für  die  Publikation  der  prä- 
historischen Karte 1526  00  „ 

10.  Dem  Zweigverein  zu  Weissenfels 

für  Ausgrabungen 300  00  . 

11.  Dem  Verein  zu  Dürkheim  zu 

Händen  des  Herrn  Dr.  Mehlis  für 
Ausgrabungen  auf  der  Liraburg  , 150  00  . 

12.  Dem  Schriftsteller  Herrn  Woldt 

aus  Berlin „ 200  00  „ 

13.  Herrn  Georg  Becker,  dem  Vater 

der  Mikrocephalen 140  00  , 

Hiezu : 

14.  Baar  in  Kasse 1688  03  . 


Zusammen:  ,41  12300  69 


A.  K.pitel- V,rm8g,n. 

Als  .Eiserner Bestand”  aus  Einzahlungen 
länglichen  Mitgliedern  und  zwar: 

von  15  leben s- 

a)  4'/»°  o Grosah.  Bad.  Partial- 
obligation von  1866  Llt.C. 

Nr.  7287  . ,4! 

600 

- 4 

t)  Ile.gl.  Llt.  I).  Nr.  4935  . . 

800 

— , 

c)  Pfandbrief  der  Rhein  Hypo- 
theken - Bank  , Serie  XIV. 

Lit  D,  Nr.  143  ....  , 

300 

d)  Reservefond 

500 

- . 

Zusammen : ,4L 

1700 

- 

n.  Bestand. 

a)  An  Wertpapieren  . . . *4J 

800 

- 6 

b)  Baar  in  Kasse 

888 

03  . 

Zusammen:  «4! 

1688 

03 

c)  Hiezu  die  für  die  statist  ischen 
Erhebungen  und  die  prähi- 
storische Karte  deponirten  . . 

worüber  bereits  verfügt. 

4526 

50  . 

Zusammen : •£ 

6214 

58  cj 

Verfügbare  Summe  für  1878/79. 

1.  Jahresbeiträge  von  1936  Mitglie- 
dern a 3 ,41 ,41 

5808 

2.  Baar  in  Kasse « 

1688 

03  . 

Zusammen:  i4! 

7496 

03 

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97 


Zweite  Sitzung. 


Inhalt:  Neuwahl  der  VoreUmischafi  und  des  Ortes  der  X.  allgemeinen  Versammlung.  — Berichterstattung  der 
Kommissionen  durch  die  Vorsitzenden  derselben:  die  Herren  Frans,  Virchow  und  Scliaaffhausen. 


II.  Sitzung. 

Der  Vorsitzende  Herr  Schaaffiiauseil  eröffnet 
die  Sitzung  Nachmittags  2 Uhr. 

Zu  Revisoren  der  vou  Herrn  Weis  manu 
vorgelegten  Rechnungen  und  des  Kassen  bestände« 
werden  die  Herren  Krause  (Hamburg),  Pansch 
(Kiel)  und  Behncke  (Kiel)  gewählt.  Es  folgt 
die  Vorstands  wähl. 

Auf  Vorschlag  des  Herrn  Krause  wird  zum 
ersten  Vorsitzenden  der  deutschen  anthropologi- 
sehen  Gesellschaft  Herr  Fr  aas  (Stuttgart),  zu 
dessen  Stellvertretern  auf  Vorschlag  Watten- 
bachs (Berlin)  die  Herren  R.  Virchow  (Berlin) 
und  Schaaffhausen  (Bonn)  gewählt. 

Herr  SckaaffhauHea  legt  hierauf  ein  Schrei- 
ben des  Generalsekretärs  Herrn  K oll  mann  vor, 
worin  er  sein  lebhaftes  Bedauern  au&spricht,  hier 
nicht  anwesend  sein  zu  können,  und  den  Vorsitzen- 
den bittet,  ihn  tu  entschuldigen.  Dieser  bemerkt: 

K oll  mann  ist  von  München  noch  Basel  versetzt  und 
hat  geglaubt,  gerade  die  Interessen  unserer  Gesell- 
schaft besser  zu  vertreten,  wenn  er  dieselben  bei 
der  schweizerischen  Naturforschergesellschaft,  die 
mit  der  unsel  igen  zusammenfällt,  geltend  macht,  zu- 
mal da  es  sich  um  Fortsetzung  der  statistischen  Er- 
hebungen Uber  Farbe  der  Augen  und  der  Hauro 
in  der  Schweiz  handelt.  Er  war  schon  so  freund-  i 
lieh,  für  seine  Stellvertretung  zu  sorgen  und  Herrn  1 
Johannes  Ranke  für  dieselbe  zu  gewinnen,  dem  I 
ich  den  Dank  der  Versammlung  dafür  ausspreche,  j 
dass  er  die  Güte  gehabt  hat , die  Geschäfte  des 
Generalsekretärs  für  dieselbe  zu  übernehmen.  So-  ( 
dann  ist  aber  noch  ein  zweites  Schreiben  des 
Herrn  Generalsekretärs  K o 1 1 m a n n eingegangen, 
in  welchem  er  bittet,  ihn  von  seiner  Stellung  als 
Generalsekretär  für  die  Folge  zu  entbinden,  weil 
er  schon  durch  seine  Entfernung  aus  Deutsch-  , 
land  nicht  mehr  in  der  Lage  sei,  für  die  Zwecke 
der  Gesellschaft  so  thätig  sein  zu  können,  wie  es 
früher  der  Fall  war.  Ich  erinnere  hierbei,  dass 
er  wiederholt  bei  seiner  Wiederwahl  immer  nur 
eine  kurze  Frist  zugestanden  hat,  innerhalb  wel- 
cher er  das  Amt  eines  Generalsekretärs  noch  fort- 
führen wolle.  Ich  glaube , wir  dürfen  seinen 
triftigen  Gründen  die  Annahme  nicht  versagen, 
wir  müssen  seinem  Wunsche  willfahren  und  ihn 
von  dem  Amte,  in  dem  er  so  erfolgreich  gewirkt, 
entbinden.  Ich  melde  aber  zugleich  mit  Freude, 


dass  es  gelungen  ist,  Herrn  Johannes  Ranke 
zur  Uebernahme  desselben  für  die  nächsten  drei 
Jahre  zu  gewinnen.  Ich  erlaube  mir  noch , so- 
wohl dein  abtretendeo  Generalsekretär  Herrn 
K o 1 1 m a n n , als  Herrn  Ranke  für  seine  Be- 
reitwilligkeit, in  dos  mühevolle  Geschäft  einzu- 
treten, den  Dank  der  Gesellschaft  auszusprechen. 

Herr  Prof.  Dr.  Johannes  Ranke  (Mün- 
chen) wird  hierauf  von  der  Versammlung  auf  die 
Dauer  von  drei  Juhren  zum  Generalsekretär  und 

Herr  Weismann  (München)  wieder  zum 
Schatzmeister  der  deutschen  anthropologischen  Ge- 
sellschaft gewählt. 

Als  Ort  für  die  nächste  (X.)  Versammlung 
wird  Strassburg  gewählt,  wohin  der  commia- 
sarische  Bürgermeister  der  Stadt , Herr  Back, 
die  Gesellschaft  durch  folgendes  Schreiben  einge- 
laden hatte: 

„Strass  bürg,  den  $.  August  1878. 

An  den  Vorstand  des  deutschen  anthropologischen 
Kongresses  in  Kiel. 

Es  ist  zur  diesseitigen  Kenntnis«  gelangt, 
dass  bei  der  am  künftigen  Montag  deu  12.  ds. 
Mts.  statt  findenden  Wahl  des  Ortes  für  die 
nächstjährige  Versammlung  des  anthropologi- 
schen Congresses  auch  Strassburg  in  Frage 
kommen  wird.  Es  gibt  mir  dies  willkommenen 
Anlass,  den  verchrlichen  Vorstand  zu  bitten, 
bei  der  Generalversammlung  Strassburg  in 
Vorschlag  zu  bringen  und  demselben  mitzu- 
theilen,  dass  die  anthropologische  Gesellschaft, 
sich  hier  des  freundlichsten  und  entgegenkom- 
mendsten Empfanges  versichert  halten  dürfte. 
Insbesondere  würde  es  sich  auch  die  städtischo 
Verwaltung  angelegen  sein  lassen,  den  Mit- 
gliedern der  Gesellschaft  den  Aufenthalt  in 
Strassburg  zu  einem  möglichst  angenehmen 
uud  interessanten  zu  machen. 

Einer  gefälligen  günstigen  Bescheidung  ent- 
gegensehend , verbleibe  ich  mit  vorzüglicher 
Hochachtung  des  verehrlichen  Vorstandes  er- 
gebenster 

Back,  com.  Bürgermeister.“ 

Zum  Lokal-Geschäftsführer  wird  Herr  Prof.  Dr. 
Ger  land  daselbst  gowählt  und  davon  telegra- 
phisch benachrichtigt. 


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Berichterstattung  der  Commissionen. 

Herr  Fraas : Waren  seit  dem  Jahre  1873 
meine  jährlichen  Berichte  vor  dieser  hochansehn- 
lichen Versammlung,  beim  Lichte  betrachtet,  nur 
eine  Darlegung  der  grossen  Schwierigkeiten,  mit 
denen  die  Erstellung  der  Karte  zu  kämpfen  hat, 
und  begründete  Klagen  Uber  den  Mangel  an  Unter- 
stützung Seitens  vieler  Mitglieder,  die  theils  in 
der  Lage  wären , Beiträge  zu  geben , denen  es 
aber  am  freudigen  Willen  hiezu  fehlt,  die  theils 
aber  in  einer  gewissen  Selbsttäuschung  lebten, 
als  ob  sie  Einzeichnungen  in  die  Karte  zu  machen 
in  der  Lage  wären,  vor  der  wirklichen  Arbeit 
aber  zurückschreckten,  als  ihnen  dieselbe  faktisch 
nahe  trat,  — so  nimmt  meine  heutige  Darstel-  | 
lung  der  Sachlage  eine  neue  Gestalt  an. 

Ich  beschränke  mich  heute  auf  sachliche 
Schwierigkeiten  in  Darstellung  der  Karte 
selbst,  ohne  damit  sagen  zu  wollen,  dass  die 
früher  erwähnten  formellen  Schwierigkeiten  aus 
dem  Wege  geräumt  seien.  Diese  beütehen  viel- 
mehr nach  wie  vor.  Die  Antworten  auf  unsere 
Recherchen  gehen  nur  spärlich  ein,  Karten,  die 
Jahre  lang  in  den  Händen  eines  vermeintlichen 
Mitarbeiters  gelegen,  kommen  in  demselben  Zu- 
stand wieder  zurück  wie  sie  vor  Jahren  abge- 
gangen waren  oder  enthalten  nur  wenige  farbige 
Striche  und  Punkte  ohne  nähere  Angabe  dessen, 
was  diese  bedeuten  sollen.  — Um  so  dankbarer  i 
erkennt  dafür  die  Kartenkommission  den  Ein-  ! 
lauf  der  woklausgefiihrteu,  durch  beigefügte  Vor-  j 
zeichnisse  der  Fundstellen  erläuterten  Karten-  | 
boiträge  an,  welcho  ich  für  das  Vereinsjahr  1877<78  \ 
zu  verzeichnen  habe.  Anknüpfend  an  meinen  * 
Vortrag  in  Konstanz  ging  in  diesem  Jahre  ein:  f 

Böhmen.  Dr.  G.  C.  Laube  in  Prag.  Auf  j 
10  Blättern  siud  gegen  150  Fund-Orte  einge- 
tragen und  ein  Fundverzeichniss  beigegeben.  An- 
knüpfend an  die  werthvollen  Mittheilungen  des 
Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen 
ist  ein  klares  Bild  der  böhmischen  Vorgeschichte 
ermöglicht , welche  sich  von  der  angrenzenden 
süddeutschen  Präbistorie  nur  durch  das  Fehlen 
der  eigentlichen  Steinzeit  unterscheidet,  wenn 
nicht  — wie  das  zum  Oefteren  schon  der  Fall 
war  — über  kurz  oder  lang  die  Entdeckung 
einer  paläolithischen  Station  diese  Anschauung 
ergänzt.  — 

Brandenburg.  E.  Friedei  hatte  im  vori- 
gen Jahre  schon  9 Blätter  Reg.-Bez.  Potsdam 
mit  312  Einzeichnungen  zur  Verfügung  gestellt, 
das  Verzeichniss  der  Fundorte  steht  noch  aus. 

— Iu  3 Blättern  des  Reg.-Bez.  Frankfurt  wur- 
den von  Dr.  Saalborn  in  Sorau  122  Einträge 


gemacht  und  ein  Verzeichnis*  von  301  Fund- 
stellen übergeben.  Friedeis  archäol.  Excursionen 
in  der  Mark  sowie  die  Mittheilungen  von  Kuchen- 
bueb  und  Jentsch  (Zeitsehr.  für  Ethnologie 
1875/26.)  lassen  bereits  in  allgemeinen  Zügen 
das  alte  Bild  der  Mark  erstehen.  — Beckmann’ s 
Beschreibung  der  Mark  1875  und  v.  Ledebur 
die  heidnisch.  Alterth.  des  Reg.-Bez.  Potsdam 
1852  bilden  bereits  dio  werthvollsten  Vorarbeiten. 
Dazu  kommt  Schillmann 's  Geschichte  der  Stadt 
Brandenburg  1874.  Den  Mittelpunkt  bilden  in 
der  Mark  die  megalithischen  Bauten.  Schon 
mehrt  sich  aber  mit  jedem  Tag  die  Zahl  der 
Fundstellen , da  Urnenscherben  und  Feuerstein- 
splitter zusammen  zu  finden  sind.  — 

Braunschweig.  Dr.  Blasius  hat  auf 
4 Blättern  gegen  200  Einträge  gemacht  und  ein 
vollständiges  druckfertiges  Verzeichnis  der  Fund- 
stellen geliefert.  Weitaus  die  grössere  Zahl  der 
Fuudorte  ist  der  jüngeren  Steinzeit  zuzu weisen. 
Nur  der  Eine  Platz : Thiede  und  Westeregeln  von 
Dr.  A.  N eh  ring  in  Wolfenbüttel  gehört  in  dio 
eigentliche  durch  nordische  Thierfanna  gekenn- 
zeichnete Steinzeit. 

Cassel.  4 Blätter  wurden  vom  Museums- 
direktor  Dr.  Pinder  in  Cassel,  1 Blatt  von  Dr. 
O.  Büchner  in  Giessen  ausgefüllt,  im  Uebrigen 
auf  die  1869  erschienene  Zusammenstellung  der 
Alterthllmer  heidnischer  Vorzeit  von  Dr.  Ph.  A. 
F.  Walther  sich  bezogen. 

Franken.  Pfarrer  J.  Engelhardt  in  Kö- 
nigshofen machte  auf  2 Blättern  des  fränkischen 
Jura  Einträge  Uber  Stationen  ältester  Steinzeit. 

Hannover.  Auf  13  Blättern  hat  Studien- 
rath Dr.  Müller  gegen  600  Einträge  gemacht. 
Das  Verzeielmiss  der  Fundstellen  wird  bis  zur 
Bearbeitung  Hannovers  folgen. 

Hessen.  Oberhessen  und  ein  Tbeil  von 
| Starkenburg  in  4 Blättern  wurde  von  dem  Sekre- 
| tar  des  historischen  Vereins  für  das  Grossherzog- 
thum  Hessen  Herrn  Dr.  Schenk  zu  Schweins- 
berg bearbeitet  und  ein  vollständiges  Fundver- 
zeichuiss  von  138  Stellen  beigegeben.  — Wie  in 
der  Mark  das  Megulithische  so  beherrscht  hier 
die  Bronze  alles  Andere,  theilweiso  gemengt  mit 
der  jüngeren  Steinzeit. 

Oesterreich  betreffend,  Hefen  von  dem  un- 
ermüdlichen Vertreter  anthropologischer  Interessen 
| Dr.  Much  zu  den  bereits  gelieferten  Beiträgen 
für  Niederösterreich  Nachträge  zn  Tirol  ein. 

Polen.  Die  Höhle  von  Görenice  durch  Di- 
rektor Klai  b er  untersucht  steht  als  werthvoller 
Platz  für  die  älteste  Steinzeit  bis  jetzt  einzig  da 
■ in  Polen. 


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Pommern.  Beiträge  für  die  Karte  (ohne 
Verzeichnis»)  lieferten  für  den  Schivelbeiner  Kreis 
(1  Blatt)  — Dr.  Kl  a mann  und  Pastor  Krü- 
ger für  den  Kreis  Saalzig  Dr.  Kl a mann. 

Auf  12  weiteren  Blättern  Pommern  wurden 
die  Einträge  im  Auszug  aus  den  baltischen  Stu- 
dien von  Baron  v.  Tröltsch  hier  gemacht.  Er 
unterzog  sich  dieser  mühsamen  Arbeit,  um  in 
seinem  Versuch  der  graphischen  Darstellung  des 
nordöstlichen  Karten- Quadranten  nicht  läoger 
aufgehalten  zu  sein.  Die  Einträgo  beziehen  sich 
auf  259  Fundorte.  146  Steiuartefakten.  (5G°/o,81 
Bronze  3 1 °/o,32  Eisen  1 2 °/o . 

Posen.  Auch  für  Posen  blieb  keine  andere 
Wahl,  als  die  von  Direktor  Dr.  W.  Sch  war tz 
gef.  mitgetheilten  „Materialien  zur  prähistorischen 
Kartographie  der  Provinz  Posen u den  Einträgen 
in  die  14  Blätter  der  Provinz  zu  Grunde  zu 
legen  bezw.  152  Fundplätze  einzutragen;  nämlich 
40  Stein-  (26,"/«)  81  Bronze  (53*7*»)  31  Eisen- 
Artefacte  (20°/o),  wobei  auf  den  Wechsel  des 
Prozent  - Satzes  zwischen  Posen  und  Pommern 
hingewiesen  wird. 

Auch  dieser  mühevollen  Arbeit  hatte  sich 
Baron  v.  Tröltsch  aus  Lust  und  Liebe  zu  der 
Sache  freiwillig  unterzogen. 

Rheinpfalz,  Dr.  Mehlis  von  Dürkheim  hat 
4 Blätter,  B.  Hagen  von  München  2 Blätter 
bearbeitet.  Der  Einträge  sind  es  über  200. 

Rheinpreussen.  Zu  dom  bereits  vorliegen- 
den Material  von  Schaaffh aus en  und  Esselen 
hat  R.  Wagener  von  Langenholzhausen  auf 
l Blatt  einige  neuo  Fundorte  eingetragen. 

Sachsen.  Provinz.  Beiträge  für  Weissen- 
fels  lieferten  Obrist  v.  Borries,  Vorstand  des 
Weissenfelser  Vereines  für  Natur-  und  Alter- 
thumskunde und  für  Pösneck,  Postdirektor  Sch  im- 
melpfennig  von  dort. 

Thüringen.  16  Beiträge  auf  Blatt  Erfurt 
mit  Verzeichniss  gab  Dr.  Schuchardt,  geh. 
Keg.-  u.  Obermediz.-Rath  in  Gotha. 

Die  Gesammtsumme  der  im  verflossenen  Jahre 
eingelaufenen  Blätter  beträgt  RI.  Die  Gesammt- 
zahl  der  Einzeichnungen  von  Fundstellen  2409. 

Zugleich  bin  ich  in  der  Lage,  der  verehrten 
Gesellschaft  das  I.  Blatt  der  prähistorischen  Karte, 
das  nordöstliche  Viertheil,  umfassend:  Pommern, 
Westpreusscn,  Posen,  Kr.  Sachsen,  Schlesien  und  J 
Böhmen  vorzulegen.  Dem  Blatte  fehlen  noch 
wegen  Quellenmangels:  beide  Mecklenburg,  ein- 
zelne Gegenden  von  Pommern,  Ostproussen,  Polen 
und  österr.  Schlesien. 

Der  Arbeit  dieses  erstmaligen  Entwurfs  bat 
sich  mit  grossen  Opfern  an  Mühe  and  Zeit  un- 


ser Mitglied  E.  v.  Tröltsch,  K.  W.  Haupt- 
mann a.  D.  unterzogen,  längst  als  Kartograph 
rühmlich  bekannt.  — Er  fing  damit  an,  die  ver- 
schiedenen Einträge  im  Raymann'schen  Sammel- 
atlas mit  verschiedenfarbigen  Punkten  auf  die 
Dechen’sche  Karte  zu  übertragen  und  zwar  wurde 
gewählt:  Zinnober  für  die  paläolithischen  Fund- 

stätten , gelb  für  die  Fundstellen  von  Bronze, 
blau  für  die  von  Eisen,  grün  für  die  Mischung 
von  Bronze  und  Eisen,  schwarz  schraffirt  für 
Fundstellen  ohne  bestimmte  Angabe.  Sämmtliche 
gleichfarbigen  Punkte  wurden , sobald  sie  nicht 
weiter  als  eine  deutsche  Meile  von  einander  ent- 
| femt  lagen,  zur  Erstellung  eines  übersichtlichen 
. Bildes  zu  einer  farbigen  Fläche  vereinigt.  Ver- 
I einzelte  innerhalb  derselben  vorkommende  anders- 
I farbige  Funde  wurden  als  Enelaven  in  die  Fläche 
aufgenommen.  Charakteristische , bedeutungs- 
volle Erscheinungen,  wie  die  pommerischen  Burg- 
wälle, die  Langwälle  der  Lausitz,  die  Flachgräber 
Schlesiens,  die  Gesichtsurnonfunde  u.  A.  sind  mit 
fetter  schwarzer  Schrift  über  die  betreffende  Ge- 
gend eingeschrieben.  — Wir  haben  die  Absicht, 
i sämmtliche  graphische  Zeichen  schwarz  auf 
den  Stein  übertragen  zu  lassen , wobei  sich  auf 
wenige  Zeichen  beschränkt  würde,  z.  B.  das 
Zeichen  für  Höhlenfunde , Denksteine , Opfer- 
stätten, Hügelgräber,  Flachgräber  und  Urnen- 
felder, ltundwälle,  Langwälle,  Pfahlbauten.  Welche 
Aenderungen  an  dieser  Darstell ungs weise  sich 
noch  ergeben  werden,  lässt  sich  mit  Bastimmtheit 
erst  dann  angeben,  wenn  man  die  Uebersicht  Uber 
ganz  Deutschland  vor  sich  hat.  — Herr  von 
Tröltsch  ist  namentlich  für  den  Gedanken  ein- 
genommen, das  procentuale  Verhältniss  der  Stein-, 

I Bronze-  und  Eisonfunde  in  schratfirten  Flächen 
I zu  verzeichnen , also  dass  eine  mehr  gelbliche 
I oder  mehr  rötliliche  Nüancirung  der  Fläche  dem 
J Prozentsätze  der  Fundstollen  entspräche. 

Die  Ilauptschwierigkeit  der  Darstellung  wird 
nun  aber  darin  rahen,  dass  sich  das  Alter 
i einer  Fundstelle  in  vielen  Fällen  gar 
I nicht  präzisiren  lässt.  — Ist  es  an  sich 
| schon  eine  schlimme  Geschichte  um  die  Unter- 
scheidung der  megalithisehon  Zeit  von  der  Bronze- 
zeit und  ist  es  ferner  eine  Sache  der  Unmöglich- 
keit Bronze-  und  Eisenzeit  aus  einander  zu  halten, 
so  komplizirt  sich  die  Sache,  wenn  (was  öfters 
der  Fall  ist)  verschiedene  Funde  an  einer  Stelle 
verzeichnet  sind.  Solche  Verhältnisse  können 
dann  eben  einfach  nicht  mehr  graphisch  darge- 
stellt werden,  sondern  müssen  dem  geschriebenen 
Worte  überlassen  bleiben.  — Verschiedene  der 
geehrten  Mitarbeiter,  z.  B.  Herr  Blasius,  haben 
daher  zum  Voraus  auf  die  Unterscheidung  der 

4 


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100 


3 Zeitalter  verzichtet  und  ihre  Einträge  in  der 
Karte  ohne  Farbenunterschiede  gemacht. 

Von  topographischer  Genauigkeit  ist  schon  im 
R ey mann' sehen  Sammelatlas  von  359  Blättern 
(Massstab  1 : 200000)  keine  Rede.  Oft  bedeckt 
Ein  Ortsname  eine  Viertelmeile  Kaum,  auf  welchem 
möglicher  Weise  2 und  3 FundplUtze  und  noch 
mehr  zu  verzeichnen  wären.  — Es  hat  daher 
Herr  Obrist  v.  Borries  es  vorgezogen,  zum 
Zwecke  der  topographischen  genauen  Fixirung  der 
Fundstellen  in  der  Umgebung  von  Weisscnfels 
die  grosse  Preußische  Generalstabskarte  von  1 : 
25,000  zu  benützen.  — Selbstverständlich  kann 
hier  jedes  Grabhügelfeld  und  jeder  Wall  mit 
Sicherheit  an  seinem  richtigen  Platze  eingetragen 
werden.  So  wenig  diese  Art  der  Aufnahme  all- 
gemein durchführbar  ist,  so  kann  doch  der  Vor- 
gang des  W eissenfelser-  Vereins  den  einzelnen, 
namentlich  engeren  Vereinen  nicht  genug  em- 
pfohlen werden,  indem  so  allein  sichere  Grund- 
lagen gewonnen  werden  und  Fundstellen  genau 
verzeichnet  bleiben , Uber  welche  vielleicht  in 
Jahr  und  Tag  der  Pflug  wieder  weggeht. 

ln  Betreff  der  Weiterführung  der  Arbeit 
möchte  ich  di^  Vorstände  der  26  Gruppen  der 
deutschon  anthropologischen  Gesellschaft  um  die 
Gefälligkeit  geziemend  ersucht  haben,  die  Auf- 
nahme des  Q u e 1 1 m a t e ri als  innerhalb 
ihres  Landes  oder  ihrer  Provinz  zu  lei- 
ten. Die  Herren  mögen  mir  erlauben,  mich 
direkt  an  sie  zu  wenden,  dass  sie  die  Einzeich- 
nung in  die  Reym.  Karte  durch  geeignete  Mit- 
glieder ihrer  Gruppe  vornehmen  lassen,  ebenso 
die  Anfertigung  der  Verzeichnisse  veranlassen  und 
die  Einsendung  der  gefertigten  Arbeiten  an  die 
kartographische  Kommission  (Dr.  Fraas,  Stutt- 
gart.) Übermitteln. 

Ich  würde  wie  seither  die  Aufnahme-Blätter 
den  betreffenden  Gruppenvorständen  mit  dem  Zei- 
chenschema zustellen,  dos  sich  seither  als  praktisch 
erwiesen  hat.  In  voller  Ausdehnung  wurde  die  Zei- 
chenschrift unseres  Schemas  von  Herrn  Z i m m e r- 
m an  n in  Striegau  auf  der  schlesischen  Karte  ver- 
wendet, welche  der  „Verein  für  das  Museum  schlesi- 
scher Alterthümeru  soeben  herausgegeben  hat.*)  Das 
Zeichen  wird  in  seiner  betreffenden  Farbe  dicht 
Über  den  Ortsnamen  auf  die  Karte  gesetzt,  dieser 
selbst  aber  zur  Vermeidung  von  Verwechslungen 
in  der  Farbe  des  Zeichens  unterstrichen.  Der- 
gleichen wird  für  das  Verzeichniss  der  Fundorte 
ein  Formular  gedruckt  und  den  Karten  beigege- 

*)  Ein  Exemplar  der  Karte  auf  Leinwand  aufge- 
zogen wurde  von  dem  Vorstand  de*  Vereins  der  deut- 
schen anthropol.  Gesellschaft  zum  Geschenk  gemacht 
und  zur  allgemeinen  Ansicht  an  der  Wand  angebracht. 


ben  werden.  Als  Anhang  zu  dem  Verzeichnisse 
wäre  ein  Verzeichniss  über  die  die  Gegend  be- 
tretenden literarischen  Arbeiten.  Karten,  Bücher, 
Zeitungsartikel , Abbildungen  a.  s.  w.  beizu- 
: fttgeu. 

Was  schließlich  die  An  läge  der  prähisto- 
rischen U eb  er  sic  ht  s k a rt  e betrifft,  'so  be- 
fürworte ich  entschieden  bei  dem  Massstab  der 
Dechen 'sehen  Karte  zu  bleiben. 

Einmal  hat  sich  diese  geologische  Karte,  welche 
die  deutsche  geologische  Gesellschaft  1870  pu- 
blizirt  hat,  des  ungeteilten  Beifalls  im  In-  und 
Auslande  zu  erfreuen,  obgleich  bei  ihrem  Mass- 
stab von  einem  geologischen  Detail  keine  Rede 
mehr  sein  kann , und  auch  einzelne  topogra- 
phische Ungenauigkeiten  können  nachgewiesen 
werden.  Das  deutsche  Publikum  ist  an  diesen 
Massstab  und  die  korrekte  Darstellung  in  dem- 
selben gewöhnt.  — Sie  enthält  auch  in  der  That 
als  U ebersich tsk arte  Alles,  was  eine  solche  über- 
haupt zu  bieten  vermag.  — Aehnlich  wird  es 
mit  der  Karte  unserer  Gesellschaft  geben , als 
dor  Schwestergesellschaft  der  geologischen , die 
durch  viele  an  beideu  Gesellschaften  sich  bethei- 
ligende Mitglieder  mit  jeuer  verbunden  ist.  Auf 
topographische  Genauigkeit  und  präzises  Detail 
konnte  nur  die  Generalstabskarte  1 : 25000  An- 
spruch machen.  In  unserer  Reym.  Sammel- 
1 karte  von  1 : 200,000  ist  diess  schon  nicht  mehr 
möglich;  geschweige  bei  einem  Massstabo  von 
1 : 1,400000.  Kann  es  sich  hiebei  doch  nur  um 
allgemeine  Züge  handeln,  in  welchen  die  prä- 
historischen Zeiten  vor  Augen  geführt  werden ; 
dass  diess  bestmöglich  geschieht , 'dafür  wird  die 
neugewonnene  Kraft  des  Herrn  von  Tröltsch 
dos  Ihrige  thun. 

Wollen  wir  uns  mit  frischer  Kraft  auch  in 
diesem  Jahre  der  Arbeit  unterziehen,  so  hoffe  ich, 
das  Däcbstemal  der  Gesellschaft  ein  weit  grösseres 
Farbenbild  vor  Augen  stellen  zu  können,  als  heute 
der  Fall  war. 

Prof.  VirellOW : Hochverehrte  Anwesende!  feie 
erinnern  sich  vielleicht,  — und  die  neuen  Mit- 
glieder und  Freunde , die  wir  unter  uns  sehen, 

I werden  vielleicht  entschuldigen , wenn  ich  diesen 
Rückblick  mache,  — dass  unmittelbar  nach  dem 
deutsch-französischen  Kriege  eine  anthropologische 
Streitfrage  zwischen  Frankreich  und  Deutschland, 
bezw.  Preussen , aufgoworfen  wurde , indem  der 
berufene  Vertreter  der  Anthropologie  in  Paris, 
Herr  deQuatrefages  in  dem  berühinton  Buche 
„la  race  Prussienne“  die  Diskussion  darüber  er- 
öffnete,  in  wie  weit  das , was  jetzt  Deutschland 
heisse  und  was  sich  deutsch  nenne , Einer  Ab- 


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101 


stammung  sei , in  wie  weit  möglicherweise  ein 
völlig  fremdes  Element  hineingekommen  sei  und 
wo  eigentlich  der  Schwerpunkt  deutschen  Lebens 
ruhe.  Die  Frage  war  Dicht  ganz  unvorbereitet 
gekommen ; schon  Dezennien  früher  waren  man- 
cherlei Beobachtungen  gemacht  worden  in  Bezug 
auf  die  Verschiedenheit  der  physischen  Eigen- 
tümlichkeiten der  verschiedenen  einzelnen  Stämme 
Deutschlands.  Fremde  namentlich , deren  Blick 
gewöhnlich  etwas  mehr  geschärft  ist  für  Besonder- 
heiten der  Erscheinungen,  besonders  englische  Be- 
obachter hatten  schon  wiedorholt  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  was  auch  uns  nicht  entgangen  war, 
was  wir  nur  nicht  rocht  zu  schätzen  wussten, 
dass  gegenüber  den  Schilderungen , welche  die 
Alten  uns  von  dem  leiblichen  Charakter  der  Ger- 
manen überliefert  haben,  das  brünette  Element 
in  Deutschland  immer  mehr  aufkomme,  ein  Ele- 
ment, welches  in  breiten  Zügen  seine  Schatten 
durch  das  Land  wirft,  dessen  Herkunft  aber  nicht 
recht  erkennbar  war.  Woher  kamen  diese  Braunen? 
Herr  de  Quatrefages  sagte  einfach,  das  sind 
Finnen,  — Finnen,  die  ursprünglich , in  uralter 
Zeit,  im  Lande  gesessen  haben,  in  jener  Zeit,  als 
noch  die  letzten  Ueberbleibsel  der  Eisperiode  im 
Lande  vorhanden  waren , und  als  eben  erst  die 
Lebensformen  derjenigen  „Scböpfungszeit“  sich  hei 
uns  ansiedelten,  in  der  wir  jetzt  leben.  Damals, 
sagt  man,  waren  die  Finnen,  wer  weiss  wie  weit, 
über  ganz  Europa  verbreitet ; und  als  weit  später 
die  arischen  Einwanderer  kamen , sind  sie  nicht 
vernichtet  worden,  sondern  sitzen  geblieben  und 
haben  eben  das  brünette  Element  geliefert,  welches 
durch  sie  allerdings  lauge  Zeit  unterdrückt  war, 
endlich  aber  durch  die  Germanen  hindurch  wieder 
hervorwucherte.  Daher  glaubte  unser  französischer 
Herr  Kollega , dass  das  eigentlich  deutsche  Ele- 
ment nur  in  Süddeutschland  zu  suchen  sei,  wäh- 
rend der  Norden  ganz  von  dem  finnischen  Ele- 
mente durchsetzt  wäre , welches  namentlich  diese 
barbarische,  entsetzliche  race  Prussicnne  geliefert 
habe. 

Wir  konnten  uns  der  Aufgabe  nicht  entziehen, 
einer  Frage,  welche,  abgesehen  von  dem  momen- 
tanen politischen  Interesse,  ein  sehr  grosses  all- 
gemeines Interesso  hatte,  näher  zu  treten.  Schon 
in  der  Generalversammlung  vom  Jahre  1871,  der 
ersten  von  denen,  welche  8ie  auf  unseren  Ruhmes- 
Säulen  hier  im  Saale  verzeiehnet  sehen,  fasste  die 
Gesellschaft  den  Beschluss,  eine  besondere  Kom- 
mission niederzusetzen,  welche  die  Frage  ßtudiren  i 
sollte,  in  wie  weit  aus  der  physischen  Beschaffen- 
heit der  einzelnen  Theile  der  Bevölkerung , mit 
spezieller  Berücksichtigung  der  Schädel,  sich  ge- 
wisse Rückschlüsse  auf  die  Vorgeschichte  unseres 


Volkes  gewinnen  lassen.  Damals  waren  wir  noch 
der  Meinung,  es  würde  am  leichtesten  der  Sache 
beizukommen  sein  durch  direkte  Untersuchung  der 
Schädel,  insofern  als  der  Schädel,  der  am  meisten 
hervorragende  Theil  des  Körpers , die  Aufmerk- 
samkeit zunächst,  fesselt  und  an  ihm  das  Gesicht 
sitzt,  welches  die  Physiognomie  beherrscht,  unser 
Urtheil  gewisserniaassen  gefangen  nimmt  und  uns 
von  vorneherein  mit  bestimmten  Meinungen  über 
die  Menschen,  die  wir  ansehen,  erfüllt.  In  der 
That  hatten  wir  auch  allen  Grund,  die  Schftdel- 
frage  in  den  Vordergrund  zu  schieben , weil  da- 
mals schon  eine  Reihe  von  Arbeiten  vorlag,  welche 
in  hervorragendem  Sinne  die  Aufmerksamkeit  ge- 
rade auf  gewisse  locale  Differenzen  im  Scbädelban 
hingelenkt  hatten,  die,  wie  es  schien,  mit  der  all- 
gemeinen Frage  im  Zusammenhänge  standen. 

Es  war  zuerst  Herr  Ecker,  unser  leidor 
dieses  Jahr  abwesender  Freund,  gewesen,  der  die 
Bahn  dieser  Untersuchungen  mit  Forschungen  er- 
öffnet hatte,  welche  vorzugsweise  das  Gebiet  des  ober- 
und rechtsrheinischen  Landes  betrafen.  Er  hatte 
Gräberfunde  aus  Rheinhessen,  Baden,  Würtemberg 
und  Bayern  in  den  Kreis  seiner  Untersuchungen  ge- 
zogen und  dabei  gefunden , dass  sich  darunter 
zwei  verschiedene  SchHdelformcn  unterscheiden 
Hessen.  Von  diesen  sah  er  die  eine  als  die  ältere 
an  und  zwar  die  mehr  kurzköpfige  (brachycephale), 
während  sich  langköpfige  (dolichocephale)  Schädel 
in  einer  Reihe  von  Gräbern  fanden,  welche  durch 
die  Besonderheit  ihrer  Beigaben , durch  Waffen, 
Schmuck  und  eine  Menge  von  Einzelheiten  bis 
zu  wirklichen  Münzfun  den  sich  bestimmt  als  Gräber 
einer  Bevölkerung  darstellten,  die  kurz  vor  und  bald 
nach  der  Völkerwanderung  diese  Gegenden  bewohnt 
hatte,  welche  also  entweder  mehr  alemannischen 
oder  mehr  fränkischen  Ursprungs  sein  musste.  Da 
die  Ueberreste  der  alemannisch  - fränkischen  Be- 
völkerung am  Rhein  in  grösseren  Gräberfeldern 
sich  vorfanden , während  die  kurzköpfige  Be- 
völkerung in  mehr  vereinzelten  Hügelgräbern 
vertreten  war,  so  konnte  Ecker  auch  cranio- 
logisch  einen  Hügelgräbertypus  und  einen  Reihen- 
gräbertypus unterscheiden.  Wenn  man  nun  in 
Erwägung  zog,  dass  die  Untersuchung  der  alten 
Schriftsteller,  welche  die  Germanen  als  eine  hoch- 
blonde, hell-  und  blauäugige  Rasse  schildern,  ganz 
wesentlich  auf  rheinische  Stämme  sich  bezog,  die 
zunächst  mit  Römern  und  Südländern  in  Bezieh- 
ung getreten  waren , wenn  man  ferner  die  be- 
stimmte Prnemisse  machen  durfte,  dass  die  Reihen- 
gräber diesen  Stämmen  angehörten , so  konnte 
man  ja  meinen,  dass  umgekehrt  die  kurzköpfige 
Bevölkerung,  die  der  Hügelgräber,  eine  braune 
gewesen  sei.  Dieses  schien  überdiess  mit  dem  zu 

4* 


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102 


hnrmoniren  , was  man  in  Bezug  auf  die  lateini- 
schen Völker  annahm.  Herr  de  Quatrefages 
ging  noch  einen  Schritt  weiter,  indem  er  an- 
nahm, dass  die  Kurzköpfigen  nicht  nur  zu  den 
Braunen  gehört,  sondern  dass  sie  auch  einen  re- 
lativ niedrigen  und  wenig  kräftigen  Körper  be- 
sessen hätten.  Er  war  geneigt,  ihnen  nur  mas- 
sigen Geist  zuzusprechen , dagegen  ihnen  wilde 
Eigenschaften  beizulegen,  die  gelegentlich  zu  allerlei 
ruptiven  Ereignissen  führen. 

Dieser  Betrachtung  war  nun  allerdings  eine 
mit  grossem  Scharfsinne  geführte  parallele  Unter- 
suchung entgegen  gesetzt  worden , deron  Fleiss 
und  Sorgfalt  nicht  minder  gross  war,  eine  Unter- 
suchung , die  in  den  Händen  von  zwei  Männern 
gelegen  hatte,  die  iu  der  Wissenschaft  sich  auch 
sonst  als  hervorragend  scharfsinnig  erwiesen  haben. 
Die  Herren  H.  Bütimeyer  und  Hifi,  welche 
die  Untersuchung  der  Schädel  in  dor  Schweiz  in 
Angriff  genommen  hatten,  waren  auch  zu  einem 
Gegensatz  zwischen  langen  und  kurzen  Formen 
gekommen ; sic  hatten  denselben  noch  ein  Paar 
Nebenformen  zugesellt,  so  dass  sie  4 verschiedene 
Typen  erhielten,  von  denen  aber  doch  drei  mehr 
der  kürzeren  Rasse  angehörten  und  eigentlich  nur 
einer  der  langen  Form  im  engeren  Sinne  zuzugehören 
schien.  Sie  waren  so  zu  dem  merkwürdigen  Schlüsse 
gekommen,  dass  die  Langschädel  überall  da  sich 
fänden,  wo  die  Römer  gewesen  seien , die  Kurz- 
schädel da,  wo  Alemannen,  Burgunder,  kurz  wo 
Deutsche  gewesen  seien.  Während  Ecker  die 
Alemannen  als  Langschädel  ansah , nahmen  die 
Herren  Kütimeyer  und  His  dieselben  als  Kurz- 
schädel, und  während  jener  schloss,  dass  die  Lang- 
schädel  den  Franken  angehört  hätten , folgerten 
diese  Unter-sucher,  dass  sie  römische  seien. 

An  diese  Untersuchungen  hat  sieb  sehr  bald 
eine  Reiho  von  umfassenden  Beobachtungen  ali- 
geschlossen,  von  denen  wir  im  Jahre  1872  in 
Stuttgart  unmittelbare  Kenntniss  nahmen,  Beob- 
achtungen , welche  Herr  v.  Hölder  über  die 
würtembergischen  Schädel  aus  verschiedenen  Zeiten 
angestellt  hat.  Dieser  Forscher  hat  das  grosse 
Verdienst,  durch  eine  Reihe  von  Jahrhunderten 
hindurch  alte  Kirchhöfe  von  den  Römern  und 
Franken  her  bis  in  die  moderne  Zeit  verfolgt  und 
den  Nachweis  geliefert  zu  haben,  dass  im  Grossen 
und  Ganzen  sich  ein  allmäliger  Wechsel  in  der 
physischen  Beschaffenheit  der  Bevölkerung  ergab, 
indem  mit  jedem  Jahrhundert  weiter  die  Kurz- 
köpfigen reichlicher  wurden.  Analoge  Erschein- 
ungen zeigten  sich  auch  anderswo. 

Dieses  Alles  war  schon  geschehen,  ehe  die 
race  Prussienne  in  ihrer  schroffen  Form  uns  ent- 
gegentrat und  uns  zwang . gewissennassen  den 


Stier  bei  den  Hörnern  zu  packen.  Als  wir  nun 
an  die  weitere  Untersuchung  gingen , stellte  es 
sich  heraus,  dass  es  doch  recht  grosser  Umstände 
bedarf,  und  dass  ein  hohes  Maass  von  persön- 
licher Aufopferung  und  eine  grosse  Hingabe  an 
die  Sache  dazu  gehört,  um  eine  solche  Menge 
von  gut  bestimmten  Lok  alschädel  fanden  zusammen- 
zubringen  , dass  man  derartige  Untersuchungen, 
wie  sie  Ecker  und  die  anderen  genannten 
Herren  gemacht  haben,  überhaupt  anstellen  kann. 
Eis  ist  dies  eine  Aufgabe,  die  man  nicht  so  ein- 
fach hinauswerfen  kann , und  die , selbst  wenn 
man  sie  noch  so  intensiv  empfohlen  hat,  schliess- 
lich doch  an  den  meisten  Orten  unerledigt  bleibt. 
W'ährcnd  wir  fortgefahron  haben , nicht  bloss 
durch  unser  Beispiel  vorwärts  zu  drängen  in  der 
Spezialuntersuch uug  der  Territorial  - Schädel  und 
nach  allen  Richtungen,  so  viel  wir  konnten , auf 
schnelle  Förderung  hinzuwirken , so  kamen  wir 
doch  sehr  bald  zu  der  Ueber/.eugung , dass  wir 
noch  andere  Wege  der  Untersuchung  mitbetreten 
müssten.  So  ist  aus  unserer  Kommission  der 
Antrag  hervorgegaugen , auch  Spezial  Untersuch- 
ungen anzuordnen  bezüglich  der  Farbe  der  Augen, 
der  Haut,  und  der  Haare.  Die  Gesellschaft  stimmte 
zu,  und  es  folgte,  wie  den  Anwesenden  bekannt  ist, 
jene  grosse  Untersuchung  über  das  Colorit,  die 
Complexion  der  Schulkindor  durch  gan*  Deutsch- 
land, welcher  sich  kein  deutscher  Staat  entzogen 
hat , als  der  Hamburgische , weil  man  dort  der 
Meinung  war,  dass  dies  ein  Eingriff  in  die  per- 
sönliche Freiheit  sei , welcher  sich  nicht  mit  den 
herkömmlichen  Traditionen  des  Staates  vertrage; 
diese  Aufgabe  könne  nur  im  Wege  der  Privat- 
thätigkeit  gelöst  werden.  Wir  sind  noch  heutigen 
Tages  ohne  Hamburgs  Liste.  Für  jeden,  auch  den 
kleinsten  und  grössten  deutschen  Staat  sonst  be- 
sitzen wir  die  Karten,  und  es  wird  für  den  künf- 
tigen Geschichtschreiber  eine  Erinnerung  mehr 
sein , wie  in  Mitte  einer  solchen  Arbeit  die  Ka- 
price eines  Staatsmannes  genügt , um  die  besten 
Absichten  auf  Vollständigkeit  zu  kreuzen.  Diese 
Untersuchungen  sind  also  eigentlich  nicht  abge- 
schlossen und  ich  kann  den  anwesenden  Herren  von 
Hamburg  sagen,  dass  wir  jeden  Augenblick  dank- 
bar entgegennehmen  werden , was  Sie  uns  an 
Material  liefern.  Aber  auch,  wenn  nichts  weiter 
geschieht , so  wissen  wir  doch  im  Wesentlichen, 
wie  es  in  Deutschland  in  derjenigen  Zeit  des 
Lebens,  wo  man  in  die  Schule  geht,  aussieht. 
Ich  bedauere,  dass  ich  kein  IOxeinplar  der  Karten 
mehr  zur  Verfügung  habe ; das  eine  ist  gegen- 
wärtig in  der  Pariser  Ausstellung,  ein  anderes  ist 
dem  bisherigen  Generalsekretär  Herrn  Ko  11  mann 
j gegeben  worden,  um  als  Muster  für  die  Schweizer 


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103 


Erhebungen  zu  dienen;  die  Publikation  wild  erst 
im  Laufe  der  nächsten  Monate  möglich  sein.  Das 
Ergebnis  unserer  Erhebungen  war , dass  wir 
durch  ProzentverhältDisae  der  Blonden  und  der 
Braunen  mit  eben  so  viol  Bestimmtheit  foststellen 
können,  wohin  ein  gewisses  Land  auf  der  Karte 
von  Deutschland  gehört , wie  wir  es  sonst  auf 
anderen  Wegen  der  Politik  oder  des  Gewohnheits- 
rechtes nur  feststellen  können.  Faktisch  ist  der 
Norden  der  hervorragende  Träger  der  blonden 
Eigenschaften ; jo  weiter  wir  gegen  Süden  kom- 
men, um  so  mehr  nimmt  die  brünette  Basse  zu. 
Darüber  ist  keinen  Augenblick  ein  Zweifel.  Das 
geht  ganz  regelmässig,  schrittweise  vorwärts.  Die 
einzigen  Differenzen  sind  die,  dass  wir  an  gewisse 
Höhenpunkte  der  Blonden  und  der  Brünetten 
kommen , die  nicht  im  Voraus  sich  übersehen 
lassen.  Hier  in  Kiel  befinden  wir  uns  nahe  dem 
einen  Höhenpunkte  der  Blonden,  der  etwas  nörd- 
licher auf  der  cimbrischen  Halbinsel  liegt,  un- 
gefähr da,  wo  die  schleswig’schen  Kreise  und  die 
Inseln  Sylt,  Föhr  u.  s.  w.  liegen.  Der  andere 
Höhepunkt  liegt  jenseits  der  Oder  in  Hinter- 
pominern,  in  meinem  speziellen  Vaterlande.  Die 
Höhenpunkte  der  brünetten  Bevölkerung  dagegen 
finden  sich  anf  der  einen  Seite  im  Eisass  auf  dem 
linken  Rheinufer } andererseits  in  der  grossen 
dunklen  Zone  von  Oberbayern  und  zum  Theile 
von  Niederbayern. 

Das  sind  die  Verhältnisse,  die  so  scharf  gegen  ein- 
ander stehen,  dass  sich  daran  durch  weitere  Unter- 
suchungen nichts  ändern  lässt.  Was  uns  ira 
Augenblicke  fehlt,  das  ist  die  Verfolgung  dieser 
Resultate  in  das  erwachsene  Leben  hinein  und 
ihre  Verbindung  mit  der  Ermittlung  der  übrigen 
physischen  Eigenschaften.  Es  ist  Ihnen  Allen 
bekannt,  dass  viele  Menschen,  wenn  sie  auch  mit 
fast  ganz  weissen  Haaren  geboren  werden  und 
wenn  ihre  Haut  auch  noch  so  zart  ist,  im  Laufe 
der  Jahre  nachdunkeln,  so  sehr,  dass  an  manchen 
Orten,  wo  die  Flachsköpfe  in  der  höchsten  Schul- 
klasse noch  hervorragend  vortreten  sind , eine 
scheinbar  braune  Bevölkerung  sicli  findet,  also 
ein  allmäliger  Uebergang  in  andere  Verhältnisse 
statthat.  Wir  haben  über  das  Moass  dieser  Um- 
wandlung vorläufig  nur  soweit  Kenntniss , als 
in  einzelnen  Ländern  — in  Preussen  ist  es  durch- 
weg geschehen  — auch  die  Zöglinge  der  höheren 
8chulen  untersucht  sind  und  als  wir  demnach 
einigermassen  berechnen  können,  in  welchem  Maasse 
das  Nachdunkeln  eintritt.  Wir  sind  jedoch  nicht 
in  der  Lage  gewesen,  bis  jetzt  über  die  Schule 
hinaus  in  das  weitere  Leben  hinein  zu  dringen. 
Ich  hatte  noch  in  diesem  Jahre  nach  einer  per- 
sönlichen, sehr  liebenswürdigen  Aufnahme  Seitens 


! unseres  Herrn  Kriegsministers  oine  Zeit  lang  di- 
Hoffnung,  es  werde  gelingen,  wenigstens  die  Er- 
laubnis zu  erhalten , in  unserer  Armee  durch 
freiwillige  Leistungen  von  Aerztcn  und  Offizieren 
die  Möglichkeit  zu  erlangen,  die  aktuelle,  kriegs- 
fähige  Mannschaft  soweit  durchzugehen,  um  fest- 
zuatdlen,  wie  eis  sich  damit  verhalte.  Indeas  ist 
mir  leider  der  offizielle  Bescheid  geworden,  dass 
bei  der  grossen  Zahl  von  konkurrirenden  An- 
sprüchen an  dio  Statistik  der  Armoe  es  nicht  mög- 
lich sei,  diesen  Eingriff  zu  gestatten.  Wir  müssen 
uns  also  auch  für  dieses  Jahr  wieder  begnügen, 
andere  Wege  aufzusuchen.  Ich  hoffe  immer  noch, 
dass,  wenn  einmal  jeno  anderen  Elemente,  welche 
auch  Statistik  treiben  wollen , ihre  Berücksichti- 
gung gefunden  haben  werden , auch  wir  daran 
kommen  werden,  diese  so  bequeme  Quölle  eröffnen 
zu  können.  Allein  jetzt  wird  nichts  anderes  übrig 
bleiben,  als  hinauszugehen  in  die  Kreise  der  Civil- 
bevölkemng  mit  der  Hülfe  von  Freiwilligen,  und 
ich  hoffe,  dass  es  mir  gelingt,  auch  unter  Ihnen 
solche  Freiwillige  zu  werben. 

In  dieser  Beziehung  möchte  ich  nur  darauf 
aufmerksam  machen,  dass  unsere  Schulerhobungen 
sehr  werthvolle  Unterlagen  für  die  weiteren  Unter- 
suchungen bilden.  Wir  wissen  nicht  nur  genau, 
wolche  Kreise  in  der  Gesammthoit  der  Schulkinder 
mehr  blond,  welche  mehr  dunkel  sind  u.  8.  w., 
sondern  wir  besitzen  auch  das  Urmateri&l.  Die 
Gesellschaft  ist  im  Besitze  der  Zahlen  für  jede 
Schule;  wir  haben  so  viel  Papier , dass  es 
besondere  Verhandlungen  erfordert  hat,  um  unser 
statistisches  Bureau  dahin  zu  bestimmen , dieses 
Papier  noch  für  eine  gewisse  Zeit  zu  bewahren. 
Wenn  also  Jemand  sich  solchen  Untersuchungen 
für  bestimmte  Kreise,  Regierungsbezirke  n.  s.  w. 
unterziehen  will,  so  bin  ich  in  der  Lage,  für 
den  grösseren  Theil  von  Deutschland  das  Urmaterial 
übergeben  zu  können.  Bayern  und  Würtemberg 
haben  unabhängig  gearbeitet;  nach  Baden  habe 
ich  Alles  schon  zurückgegeben.  Es  würde  vom 
höchsten  Interesse  sein , wenn  alle  hervorragend 
charakterisirten  Kreise  zum  Gegenstand  weiterer 
Untersuchungen  gemacht  würden. 

Wir  haben  allerdings  seit  der  Zeit  grosse  Fort- 
schritte gemacht,  namentlich  in  Bezug  auf  die  eigent- 
liche Schädelkunde.  Herr  Prof.  Ranke  hat  sich 
mit  Recht  darüber  beschwert,  dass  die  Münchener 
Beiträge  in  ihrer  Bedeutung  bis  jetzt  nicht  voll- 
kommen gewürdigt  worden  sind.  leb  muss  in 
der  Tbat  sagen,  wenn  es  uns  möglich  wäre,  solche 
Arbeiten,  wie  sie  Herr  Ranke  und  Herr  Ko  11- 
mann  für  Bayern  geliefert  haben,  von  überall  her 
zu  erhalten,  so  würden  wir  ungemein  schnell  vor- 
wärts kommen.  Nun  wird  allerdings  das  Ver- 


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dienst  dieser  Herren  in  so  ferne  ein  klein  wenig  j 
geschmälert , als  besondere  kirchliche  Gebrauche 
es  in  Bayern  möglich  machen  , diese  Untersuch- 
ungen leichter  nuszuftthren , als  irgendwo  sonst. 
Die  Existenz  von  Beinhausern,  in  denen  man  die 
Schädel , auch  httufig  noch  andere  Knochen  der 
Personen,  w eiche  man  wieder  ausgrübt,  aufstapelt, 
bietet  die  Vorzüge  einer  grossen  anthropologischen 
Sammlung  und  eines  bereiten  Materials,  wie 
es  in  anderen  Theilen  Deutschlands  sich  sehr 
schwer  beschaffen  lasst.  Wir  Anderen  kämpfen 
mit  den  allergrössten  Schwierigkeiten , solches 
Material  zu  gewinnen.  In  Norddeutschland  haben 
Herr  Lissauer  und  ich  uns  die  Aufgabe  ge- 
stellt , in  etwas  grösserem  Style  diese  Aufgabe 
anzugreifen.  Herr  Lissauer  hat  für  die  Pro- 
vinz Preussen  ein  bemerkenswert h cs  Material  zu- 
sammengebracht. Ich  habe  mich  seit  längerer 
Zeit  bemüht , für  Nordwestdeutschland  einiger- 
maßen das  zu  ergänzen,  was  die  Herren  in  Stid- 
deutschland  gemacht  haben , und  ich  bin  dabei 
auch  etwas  nach  Mitteldeutschland  hinein  ge- 
kommen. Da  ich  vermöge  meiner  Beziehungen 
zu  den  Aerzten  in  einer  ungleich  günstigeren 
Lage  bin,  wie  mancher  Andere,  und  ich  eine 
Menge  von  Helfern  finde,  die  mir  mit  der  grössten 
Zuvorkommenheit  behülfiieh  sind , so  hat  sich  in 
meinen  Händen  allmälig  ein  so  grosses  Material 
für  dieses  Gebiet  gesammelt  , dass  ich  mit  einer 
gewissen  Ruhe  mich  Uber  dasselbe  aussprechen 
kann.  Nichts  desto  weniger  muss  ich  sagen,  ist 
Alles  unzureichend,  was  vorliegt.  Diese  Seite  der 
Untersuchungen  wird  auch,  wie  ich  glaube,  erst 
dann  ihre  volle  Erledigung  finden , wenn  man 
aus  dem  todten  Material  heraus  in  die  leben- 
dige Welt  kommt. 

Unser  Herr  Vorsitzender , der  während  der 
Zeit  seiner  Regierung  mit  landes väterlichem  Blicke 
über  alle  Provinzen  seines  Reiches  hingeschaut 
hat,  hat  sich  die  dankenswerthe  Aufgabe  gestellt, 
einen  besonderen  Entwurf  auszuarheiten,  in  welchem 
er  auf  die  lobende  Bevölkerung  überzugehen  vor- 
schlägt. Ich  kann  diesen  Gedanken  nur  in  vollem 
Umfange  unterstützen.  Im  Augenblicke  geht  er  mir 
jedoch  mit  seinen  Forderungen  zu  weit.  Ich  habe 
allmälig  gelernt  wie  schonungsvoll  man  seine  For- 
derungen stellen  muss,  wenn  es  sich  um  eine  so 
langweilige  Beschäftigung,  wie  hier,  um  das  Messen 
am  lebenden  Menschen  handelt.  Es  ist  nichts  schwie- 
riger und  mehr  erschöpfend,  als  am  lebenden  Men- 
schen zu  messen : es  hält  schwer,  den  Einzelnen 
zu  bowegen , sich  so  lange  stille  zu  halten  , bis  man 
gemessen  bat,  und  dann  hat  man  erst  aus  der 
Vergleichung  der  Zahlen  zu  ersehen,  ob  man 
sich  doch  nicht  getäuscht  hat,  ob  das  Instrument 


nicht  ausgeglitten  ist  u.  s.  f.  Genug,  das  Messen 
an  Lebenden  ist  eine  ziemlich  schwere  Aufgabe  und 
man  muss  in  dieser  Beziehung  ein  mittleres  Muss 
von  Forderungen  anfstellen.  Ich  kann  in  dieser 
Hinsicht  aus  Erfahrung  sprechen.  Ich  habe  selbst 
; schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  die  Messung 
! an  Lebenden  eingeführt.,  aber  ich  habe  mich  all- 
mälig auf  ein  kleineres  Mass  reduzirt , als  ich 
| ursprünglich  in  Aussicht  genommen  hatte.  Ich 
| habe  dabei  jedoch  eine  andere  und  sehr  trost volle 
I Erfahrung  gemacht , an  die  ich  selbst  nicht  ge- 
glaubt habe,  dass  man  neinlich  durch  die  Messung 
i am  Lebenden  durchaus  sichere  Resultate  gewinnen 
| kann.  Schon  damals,  als  mein  Streit  mit  Herrn 
de  Quatrcfages  spielte,  als  ich  ihm  zuerst  ent- 
, gegentreten  musste,  machte  ich  diese  Erfahrung, 
i Durch  allerlei  Ermittelungen  war  ich  zu  der  Ueber- 
zeugung  gelangt,  dass  in  der  Auffassung  der  braunen 
Rasse  als  einer  finnischen  ein  Grund-Irrthum  liege, 
insofern  als  die  finnische  Rasse  gar  nicht  braun 
sei,  wie  Herr  d e Quatrefages  annahm.  Ich  bin 
in  Folge  dessen  von  Stockholm,  vom  internatio- 
nalen Kongress,  nach  Finnland  gefahren , habe  das 
Land  in  grosser  Ausdehnung  durchreist  und  habe 
gar  keinen  braunen  Finnen  gefunden , sondern  nur 
hellblonde.  Ich  bin  neuerlich  in  den  Ostsee- 
provinzen gewesen , und  wenngleich  dort  die 
Blondheit  nicht  eben  so  intensiv  ist,  so  ist  es 
doch  nicht  weniger  richtig,  dass  es  sich  bei  den 
Esten  um  keine  brünette  Rasse  handelt.  Bei 
diesen  Gelegenheiten  habe  ich , so  viel  ich 
konnte , auch  lebende  Personen  gemessen.  Ich 
habe  dann , so  viel  ich  erreichen  konnte , gut 
bestimmte  Schädel  von  da  gemessen , um  mir 
ein  eigenes  Urtheil  zu  bilden.  Es  ist  sehr 
merkwürdig ; ich  habe  in  der  Timt  durch  die 
Berechnung  der  Zahlen , welche  ich  durch  die 
Messung  an  den  Lebenden  bekam , nahezu  die- 
selben Indexzahlen  erhalten , welche  ich  aus  den 
Messungen  von  Schädeln  berechnen  konnte.  Bei 
der  grossen  Mannigfaltigkeit  in  den  Formen  der 
einzelnen  Menschen,  bei  den  grossen  individuellen 
Schwankungen  können  wir  uns  bei  solchen  Mess- 
ungen nicht  auf  die  Vergleichung  der  einzelnen 
Zahlen  beschränken;  wir  nehmen  gewisse  Ver- 
hältnisse, z.  B.  dos  Verhältnis  zwischen  Länge 
und  Breite.  Setzen  wir  z.  B.  die  Länge  = 100, 
so  berechnen  wir,  wie  vielmal  geht  auf  dieses 
Hundert  die  Zahl  des  Breitend urchmessers.  Oder 
umgekehrt , wir  bestimmen  die  Höhe  und  be- 
rechnen daraus  das  Verhältnis  der  Höhe,  sei  es 
zur  Länge  sei  es  zur  Breite.  Dadurch  gewinnen 
wir  vergleichbare  Verhältniszahlen , und  es  ist 
ziemlich  gleichgiltig,  ob  ich  am  lebenden  Menschen 
messe,  wo  natürlich  durch  das  Fleisch  die  Maasse 


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105 


länger  werden,  oder  ob  ich  an  dem  Schädel  messe, 
wo  das  Fleisch  verschwunden  ist.  Die  Verhält- 
nisse bleiben  faktisch  nahezu  dieselben,  wenn  die 
Messung  mit  einer  gewissen  Klüftigkeit  der  Pression 
am  Lebenden  ausgeführt  wird , was  ohne  erheb- 
lichen Schmerz  und  ohne  Schadeu  ausgeführt  wer- 
den kann.  Noch  in  den  letzten  Tagen  habe  ich 
eine  Kontrole  gemacht , indem  ich  alle  meine 
Estcnsch&dol  zus&mmengenommen  habe;  als  ich 
den  mittleren  Breiten  - Index  constatirte , war  es  I 
fast  genau  dieselbe  Zahl  (78,1),  welche  ich  bei 
lebenden  Esten  gewonnen  hatte  (78,6)*).  In  den 
jüngsten  Tagen  ist  mir  dieselbe  Erfahrung  entgegen- 
getreten bei  Schädeln  aus  einer  ganz  anderen  Welt. 
Herr  v.  Michlucho-Maclay,  der  kürzlich  von 
Neu-Guinea  nach  Singapore  zurückgekehrt  ist,  hat 
mir  ge<schrieben  *+),  dass  er , nachdem  er  meine 
Notiz  Uber  dio  Finnen  golesen  ebenfalls  ver- 
gleichende Messungen  angestellt  habe , und  dass 
er  zu  demselben  Resultate  gelangt  sei,  indem 
die  an  lebenden  Individuen  verschiedener  mikro- 
nesischer  und  inelanesischer  Stämme  gefundenen 
Zahlen  dieselben  Indiens  ergaben , wie  die  Mess- 
ungen an  Schädeln.  Diese  Erfahrung  ist  ungemein 
werthvoll  und  ich  bin  sehr  glücklich,  sie  als  Em- 
pfehluug  dafUr  mittb eilen  zu  können , dass  man 
sich  auch  an  Lobenden  dos  nächste  ja  das  haupt- 
sächliche Material  für  das  Urtheil  verschaffen  kann. 

Nun  möchte  ich  mir  erlauben,  im  Anschlüsse 
an  diese  Sache  noch  ein  paar  Bemerkungen  in 
Bezug  auf  die  Schädelformen  zu  machen.  Sie 
haben  schon  gehört , dass  das  Problem , wie  es 
bei  unsern  Nachbarn  jenseits  dos  Rheins  ziem- 
lich allgemein  und  auch  bei  uns  vielfach  aner- 
kannt wird,  dahin  geht,  dass  zwei  Schichten  von 
Bevölkerungen  existiren , eine  untere  und  eine 
obere , eine,  die  früher  schon  da  war,  und  eine 
zweite,  welche  6ich  über  dieselbe  geschoben  hat, 
welche  aber  nachher  gelegentlich  wieder  von  der 
ersteren  überwuchert  wird.  Das  ist  eiu  Gedanke, 
der  sich  mit  einer  gewissen  Natürlichkeit  ergibt 
und  der  an  sich  in  hohem  Müsse  empfehlens- 
werth  erscheint.  Für  denselben  spricht  namentlich 
die  Erfahrung , dass  die  Langschädel  form  der 
Reihengräber,  wie  sie  von  Ecker  zuerst  aufge- 
stellt wurde,  sich  durchaus  bewahrheitet  hat  für 
das  gesammto  rheinische  Gebiet  bis  gegen  den 
Niederrhein  und  bis  tief  nach  Mitteldeutschland. 
Fast  Alles , was  von  Reihengräbern  auf  beiden 
Rheinufern,  in  Baden,  in  der  Pfalz,  in  Rhein- 
hessen , in  Nassau  und  iu  einzelnen  Theilen  der 
Rheinprovinz  bekannt  ist,  hat  sich  in  sehr  cha- 

•) Zeitschrift  für  Ethnologie  1878.  Band  X-  Ver- 
handlungen der  Berliner  anthropolog.  Gesellschaft.  S.  144. 

**.i  Ebendaselbst.  Verhandlungen  8. 101. 


rakteristischer  Weise  als  dolichocephal  erwiesen. 
Ich  kann  das  von  Neuem  bestätigen , nachdem 
ich  im  vorigen  Jahre  eiu  solches  Roihengräber- 
feld  in  der  Nähe  von  Alsheim,  nördlich  von  Worms, 
ausgekauft  habe,  wo  wir  auf  einmal  14  solche 
Schädel  bekamen : der  Typus  war  durch  die  ganze 
Reihe  konstant  *).  Insofern  muss  ich  mich  vollkom- 
men der  Ansicht  des  Herrn  Ecker  anschliessen. 

Nun  fragt  es  sich  aber:  ist  es  richtig,  ist  es 
noth wendig,  desshalb,  weil  die  alten  Franken,  als 
sie  ihre  grossen  Eroberungszüge  unternahmen, 
dolichocephal  waren,  alle  Deutschen  der  damaligen 
Zeit  für  dolichocephal  zu  halten?  Sie  wissen  ja, 
die  Franken  waren  ein  gemischtes  Volk,  sie  waren 
mehr  ein  wanderndes  Staalswesen  als  eine  eth- 
nische Gruppe ; es  war  Vielerlei  in  ihuen  zusam- 
mengerafft ; ja , wenn  man  den  Forschungen 
Uber  ihre  Zusammensetzung  folgt,  so  muss  man 
sich  eher  wundern,  dass  dio  Einzel-Typen  so  sehr 
übereinstimmen.  Es  fragt  sich  also,  war  dieser 
fränkische  Typus  der  allgemein  germanische  Ty- 
pus? Und  wenn  er  es  war,  woher  kam  diese 
dolichocephalo  Rasse?  Auf  der  einen  Seite  muss 
man  sich  erinnern,  dass  lange  Zeit  hindurch, 
Juhrhunderte  lang,  immer  neue  germanische  Ein- 
wanderungen in  den  Westen  erfolgten.  Die  Stämme, 
welche  Cäsar  traf,  wurden  durch  neue  Völker- 
züge , welche  von  Osten  kamen , ersetzt.  Der 
Westen  frass  ei  non  grossen  Tbeil  dieser  Massen, 
er  vernichtete  sie  in  grossen  Schlachten,  er  brachte 
sie  in  seine  Culturverhältnisse,  er  kolonisirte  sie  zum 
Thoil ; inzwischen  brachen  neue  Massen  von  Osten 
herein  unter  verschiedenen  Namen  und  wir  haben 
keinen  Grund,  als  selbstverständlich  anzunehmen, 
dass  dio  Alemannen,  die  Franken  und  die  Sachsen 
eine  in  sich  geschlossene  ethnische  Gruppe  waren. 
Wenn  es  richtig  ist,  dass  ein  grosser  Haufe  von 
verschiedenen  Stämmen  sich  in  diesen  nachwan- 
dernden Heereskörpern,  gewissermasaen  wie  in 
Bienenschwärmen,  sammelte  und  so  an  den  Gren- 
zen der  Cultur  erschien , so  trägt  es  sich , wo 
kamen  diese  Völkerschaften  her?  Diese  Frage 
führt  uns  bis  nach  Schleswig  oder  bis  uach 
Hinterpommern  oder  in  dio  Nachbarschaft  dieser 
Provinzen ; das  ist  unzweifelhaft.  Ich  will  nicht 
gerade  sagen,  bis  zur  Weichsel,  und  einen  ge- 
nauen Punkt  bezeichnen,  wo  sie  zuerst  erschienen 
seien ; aber  von  den  Cimbern  bis  zu  den  Longo- 
barden  und  Burgundern  erstreckt  sich  eine  re- 
gelmässige contwmirlk.hu  Gliederung.  Die  nach 
Westen  gewanderten  Stämme  sind  nicht  südlich 
vom  Erzgebirge  gezogen ; wir  haben  bis  zu  den 
Bajuvaren  keine  Kenntnis*  von  einer  Wanderung 

*)  Zeitschrift  för  Ethnologie  1877.  Band  IX.  Ver- 
handlungen der  Berliner  anthropolog.  Gesellschaft.  8.498. 


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106 


germanischer  Stämme , die  durch  Böhmen  in 
Deutschland  eingedrungen  wären;  Alles  ist  nörd- 
lich vom  Erzgebirge  gegangen  und  hat  sich  dann 
fächerförmig  über  den  ganzen  Süd  westen  von 
Deutschland  ergossen. 

Es  geht  daraus  aber  nicht  hervor,  dass  alle 
diese  Stämme  auf  eine  einzige,  in  Ostdeutschland 
sesshafte  Quelle  zurückgeflihrt  werden  müssen. 
Wenn  man  heutzutage  eine  Frage  aufwirft,  80 
wird  man  sofort  darauf  festgenagelt,  man  habe 
einen  Hintergedanken  und  wolle  nicht  glauben, 
was  ein  anderer  glaubwürdiger  Mann  für  richtig 
hält.  Vor  dieser  Schlussfolgerung  muss  ich  mich 
verwahren.  Wenn  ich  eine  Frage  aufwerfe,  so 
geschieht  es  nur,  weil  ich  wünsche,  dass  man 
jede  Seite  des  Gegenstandes  in  ganzer  Breite  dis- 
kutire.  Nur  so  habe  ich  die  Frage  aufgeworfen, 
ob  die  Succession  der  grossen , aufeinander  fol- 
genden deutschen  Heereskörper  ganz  gleichgütig 
sei,  und  ob  die  darin  vereinigten  Stämme  in  der- 
selben Art,  wie  dio  Reihengräber  sie  darbieten,  aus 
lauter  Dolichocepbalen  ersten  Ranges  bestanden 
haben,  aus  Menschen,  die  mit  der  Dolichocephalie  die 
hoheStatur,  den  kräftigen  Bau,  das  leuchtendo blaue 
Auge,  die  blonde  Locke  und  die  helle  Farbe  der  Haut 
verbanden,  jene  candiditos,  wie  das  alte  fränkische 
Gesetz  sie  fordert?  Es  wird  doch  mindestens  er- 
laubt sein,  zu  fragen : waren  nicht  vielleicht  die 
Träger  jener  verschiedenen  Einbrüche  der  Gor- 
manen  etwas  von  einander  verschieden?  Nun 
habe  ich  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren  das 
ganze  Gebiet  der  Küstenbevolkerung  zum  Ge- 
stände meiner  Untersuchung  gemacht,  von  der 
Elbe  bis  nach  Flandern.  Ich  habe  dabei  eine 
Reihe  von  abgelegenen  Gegenden  und  Inseln 
explorirt,  die  alten  Baumstämme  und  Wohnhügel 
(Terpen,  Warpen)  in  Friesland,  den  Untergrund 
der  alten  Kirchen  u.  8.  w.,  — überall  habe  ich  das 
Glück  gehabt,  Schädel  zu  bekommen.  Dio  verein- 
zelten Inseln  der  Zuyderaee,  welche  bei  den  gros- 
sen Ueberschwemmungen  im  12.  Jahrh.  übrig 
geblieben  sind,  liefern  theils  Schädel,  theils  auch 
noch  eine  lebende  Bevölkerung,  welche  sich  ver- 
gleichen lässt.  Sie  alle  hüben  gewisse  gleichmäs- 
sige  Typen  ergeben , aber  durchaus  verschieden 
von  dem  Typus  der  Reihengräber.  Ich  muss 
dabei  bleiben,  nachdem  ich  wieder  neues 
Material  gesammelt  habe.  Die  Differenz  ist 
eino  durchgreifende:  friesisch  ist 

nicht  fränkisch.  Nun  ist  kein  Zweifel,  dass  i 
die  Friesen  älter  sind  als  die  Franken,  welche  j 
erst  lange  nach  der  Zeit  erschienen  sind,  wo  die 
Friesen  schon  in  der  Geschichte  Vorkommen;  die  j 
ältesten  Stämme,  welche  überhaupt  gegen  Norden 
kamen , haben  die  Friesen  schon  an  der  Stelle  | 


sitzend  gefunden , wo  sie  noch  heutigen  Tages 
sitzen,  zu  einer  Zeit,  als  Franken  noch  gar  nicht 
existirten.  Wir  wissen,  zu  welcher  Zeit  die  Franken 
zuerst  erschienen.  Historisch  sind  unzweifelhaft 
die  Friesen  früher  dagewesen.  Wollten  wir  nach 
der  Geschichte  gehen , so  müssten  wir  voraus- 
setzen , der  friesische  Typus  müsse  mehr  ger- 
manisch sein  als  der  fränkische.  Ich  kann  daher 
nicht  anerkennen,  dass  das  Fränkische  noth wendiger- 
weise das  eigentlich  Germanische  darstellen  muss. 

Wir  können  jedoch  auch  fragen  — und  die  Be- 
rechtigung dieser  Frnge  erkenne  ich  an  — , haben 
nicht  möglicherweise  die  Friesen , als  sie  in  ihr 
Land  einwnnderten , eine  Urbevölkerung  vorgo- 
funden,  mit  der  sie  sich  mischten,  mit.  der  sie  in 
friedliche  Verhältnisse  getreten  sind?  Wie  diese 
Frage  zu  beantworten  ist,  weiss  ich  freilich  augen- 
blicklich nicht , aber  das  weiss  ich  bestimmt, 
dass  friesisch  nicht  fränkisch  ist, 
und  dass  wir  auch  jetzt  noch  nicht  sagen  können, 
welcher  Typus  der  urgermanische  ist.  Wenn  wir 
nachweisen  können , dass  die  Franken  erst  ein 
später  nachgekommener  Stamm  sind,  der  nicht  ein- 
mal in  seiner  historischen  Erscheinung  eine  Ein- 
heit repräsentirt,  so  können  wir  unmöglich  sagen, 
seiu  Typus  müsse  nothwendigerweise  der  urgormani- 
sche  sein.  Wäre  es  nicht  auch  möglich,  dass  er 
ein  Mischtypas  wäre? 

Die  wesentlichste  Differenz  zwischen  den  frie- 
sischen, Überhaupt  den  nordischen  Stämmen,  die 
sich  an  die  sächsische  Sippe  anschliessen,  und  den 
fränkischen  beruht  in  der  Höhe  der  Schädel.  Alle 
diese  Schädel  sind  niedriger,  die  Schädelkurve  ist 
bei  ihnen  länger,  flacher, dehnt  sich  Uber  eine  grössere 
Strecke  aus  und  ergibt  also  in  der  Seitenansicht 
verhilltnissraässig  lange  Formen.  Ich  habe  mir  er- 
laubt, aus  der  hiesigen  Sammlung,  welche  Herr  Dr. 
Pansch  auszustellen  die  Güte  hatte,  einen  Schä- 
del auszusuchen , der  annähernd  diesen  Typus 
ausdrückt.  Wenn  man  ihn  nicht  so  hinstellt, 
wie  es  gewöhnlich  geschieht,  auf  den  Tisch,  son- 
dern wenn  inan  ihn  in  eine  einigermassen  erträg- 
liche Horizontale  bringt , so  sehen  Sie  deutlich 
jene  Form,  die,  je  weiter  westlich  wir  ins  Frie- 
sische kommen,  immer  flacher  wird  und  sich  da- 
durch charakteristisch  unterscheidet;  diese  Form 
habe  ich  e h am  ä ce ph a 1 genannt.  Eine  ge- 
streckte Kurve,  ein  weit  herausgehendes  Hinter- 
haupt, eine  häufig  etwas  zurückliegende  Stirn 
mit  kräftigen  Orbitarändern  und  mächtigen  Wül- 
sten, ein  kräftiges  hohes  Gesicht,  eine  stark  ent- 
wickelte, aber  schmale  Nase,  hohe  Augenhöhlen, 
vortretondes  Kinn. 

( Fortsetzung  in  Nro.  10.) 


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79 


Möge  das.  was  in  Kiel  so  wohl  gelungen  ist,  I 
ein  gutes  Omen  sein  für  die  Erfolge  der  X.  all-  I 
gemeinen  Versammlung  in  Strassburg! 

Auch  für  Hamburg  ging  der  Besuch  der 
Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  nicht  spur- 
los vorüber.  Dort  wurde  durch  die  rege  Thtttig- 
keit  der  beiden  Herren  Dr.  Wibel  und  Dr.  R. 
Krause,  unseren  langjährigen , vielbewährten 
Mitarbeitern  auf  dem  anthropologischen  Gebiete, 
in  dem  letzten  Jahre  eine  neue  werthvolle  ver- 
einigte Sammlung  prähistorischer  AlterthU- 
mer  aus  dem  Hamburg- Altonacr  Gebiete  geschaffen 
und  am  Tage  der  anthropologischen  Festversamm- 
lung  eröffnet.  Wir  dürfen  hoffen,  dass  in  Rück- 
wirkung der  schönen  Tage  in  Lübeck  der 
Mahnung  des  Herrn  Vircbow  an  die  dortigen 
Freunde , einen  selbständigen  Zweigverein  der 
Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  auch  in 
Lül>eck  zu  gründen , bald  die  That  folgen  wird. 

Im  Vorstehenden  haben  wir  schon  vorüber- 
gehend eines  TheiLs  de«  reichen  Studienma- 
terials Erwähnung  getban,  welches  die  IX.  all- 
gemeine Versammlung  ihren  Theilnehmern  darbot. 
In  Hamburg,  Lübeck  und  Kiel  waren  es 
vor  Allem  die  prähistorisch  - archäolog- 
ischen Sammlungen. 

Schon  die  Sammlungen  der  beiden  erstge- 
nannten Städte  führen  uns  in  den  Reichthum  der 
Funde  ein,  welche  die  nord  - germanischen  . prä- 
historischen Perioden  so  wesentlich  vor  den  süd- 
germanischen  begünstigen.  Wie  noch  heute  der 
in  allen  Lebensverhftltnissen  sich  geltend  machende 
Reichthum  dos  handeltreibenden  Korden«  den  deut- 
schen Südländer  in  Erstaunen  setzt,  so  war  auch 
schon  in  den  vorhistorischen  Perioden  der  Norden 
durch  seine  überall  gesuchten  Bornsteinschätze 
dem  vorwiegend  nur  Felle  und  Schinuckpelze  aus- 
führenden deutschen  Binnenlande  an  Reichthum  und 
dadurch  an  Cultur  - Möglichkeit  ülierlegon.  Am 
mächtigsten  aber  tritt  uns  dieses  Verhältnis«  in 
den  Schätzen  des  Schleswig-  Holstein’ - 
sehen  Museums  vaterländischerAlter- 
th  ümer  entgegen:  welcher  Reichthum  an  wohl- 
geschliffenem  Stein,  Bronze  und  Edelmetall  1 Aber 
diese  Reste  der  ältesten  Uultur  werden  fast  noch 
an  Fülle  und  Interesse  übertroffen  durch  die 
jüngeren  Gräber-  und  namentlich  die  Moorfunde, 
welche  wesentlich  Eisen  geliefert  haben.  Nament- 
lich zieht  der  berühmte  Fund  aus  dein  Ny- 
dnmer  Moor  die  Augen  auf  sich.  Das  122,67  m 
lange  wohlerhaltene  Boot  aus  Eichenholz,  welches 
einst  gefüllt  war  mit  den  Trophäen  eines  Sieges, 
über  welchen  uns  keine  Tradition  mehr  berichtet. 
Die  hier  gefundenen  Waffen  erscheinen  als  ein 
wahres  Arsenal:  die  zahlreichen  eisernen  Lanzen- 


Pfeilspitzen  und  Schwerter,  letztere  zum  Theil 
fein  damascirt , Schwert.griffe,  Scheiden  mit  Be- 
schlag, Aexte,  Messer,  Pfriemen,  die  runden 
Schildbretter  mit  ihren  gewölbten  Buckeln  und 
Griffen,  die  Lanzenstäbe,  Bogen  und  Pfeile,  letz- 
tere zum  Theil  mit  knöchernen  Spitzen , Pfeil- 
köcher , von  denen  einer  nach  dem  originalen 
i Metallbeschlag  rekonstruirt  ist , Pferdegebisse, 
i Sporen , hölzerne  und  ThongefHsse  u.  v.  A. 
Die  Jmit gefundenen  römischen  Kaisermünzen  ge- 
statten den  Fund  zu  datiren ; die  jüngste  der 
Münzen  stammt  von  Macrinus  217  p.  Ohr.  — Im 
! Ganzen  zählt  die  Sammlung  weit  über  4000  Num- 
| mern.  Gleichsam  eine  Ergänzung  dieser  Samm- 
lung bildet  in  gewissem  Sinne  das  Thaulow- 
Museum  (cf.  S.  90.). 

Ebenso  reichhaltig  war  auch  das  gebotene 
Studienmaterial  für  vergleichende  Anthropologie 
und  Ethnologie.  Das  Hamburger  ethnogra- 
phische Museum  in  den  Nachbarräumen  neben 
der  eben  erwähnten  prähistorischen  Sammlung 
stehend,  bietet  wohlgeordnet  und  schön  aufge- 
stellt reiche  Schätze  dar  aus  allen  Weltgegenden, 
mit  denen  Hamburgs  Schiffe  verkehren.  Na- 
mentlich vollständig  erscheinen  die  für  die  Ver- 
gleichung mit  den  prähistorischen  Zeiten  Europas 
wichtigen  arktischen  und  hochnordischen  Gegen- 
den vertreten.  — Vorwiegend  in  die  Inselwelt  der 
Südsee,  sowio  auf  das  australische  Festland  ver- 
setzte uns  in  Hamburg  unstreitig  dos  reichste 
den  gleichen  Zwecken  dienende  Privatnmseum  der 
Welt:  dos  wissenschaftlich  berühmte  Museum 
Godeffroy.  Die  Herren  Ca  es  ar  Godeffroy 
und  Sohn,  deren  Schiffe  sich  auf  allen  Meeren 
wiegen,  senden  mit  fürstlicher  Munificenz  Spezial- 
forscher  in  jene  entlegenen  Gegenden , um  Ori- 
ginalgerätlic  und  sonstige  ethnographisch  wichtige 
Gegenstände  von  den  mehr  und  mehr  hinsterben- 
den Naturvölkern,  sowio  alle  Objecte  allgemein- 
naturwissenschaftlichen  Interesses  zu  sammeln.  Auch 
die  Kapitäne  ihrer  Schiffe  betheiligen  sich  rüstig 
an  diesen  Sammlungen.  So  gelang  es , einen 
Reichthum  ethnographischer,  anthropologischer  und 
allgemein -naturwissenschaftlicher  Objecte  zusam- 
men zu  bringen,  wie  or  für  die  genannten  Länder 
sonst  kaum  irgendwo  zu  finden  ist.  Auch  das 
craniologische  und  osteologiscbe  Material  der  Samm- 
lung ist  hochbedeutsam.  Unter  Anderem  birgt 
die  Sammlung  8 vollkommene  Australier  Skelette. 
Herr  Godeffroy  gibt  auf  eigene  Kosten  ein 
vou  den  besten  Gelehrten  unterstütztes  Pracbt- 
werk:  Journal  dos  Museums  Godeffroy 
' heraus.  Herr  R.  Vircbow  bearbeitet  die  Publi- 
kation der  speciell  - anthropologischen  (craniologi- 
sehen  und  osteologischen)  Abtheilung.  Zwanzig 


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80 


Tafeln  Abbildungen  in  Grossfolio , zu  letzterer 
Arbeit  gehörig,  waren  bei  dein  Beuche  der  Ge- 
sellschaft ausgestellt. 

In  den  zoologischen  Sammlungen  in 
Kiel  und  Lübeck  fesselten  die  Augen  der 
Gäste  namentlich  die  Anthropoiden  t in  Lübeck 
die  berühmten  Gorillas.  Hamburg  hatte  die 
Festbewirthung  der  Gesellschaft  in  die  Restau- 
ration des  zoologischen  Gartens  verlegt,  so  dass 
sich  die  Theilnehmer  vor  und  nach  dem  Mahle  an 
der  Beobachtung  der  Sammlung  lebender  Anthro- 
poiden, sowie  an  seinen  übrigen  interessanten  Be- 
wohnern aus  alleu  Zonen  erfreuen  konnten. 

In  Kiel  war  durch  die  Lokalgeschäftsführung 
und  die  Vorstandschaft  des  Zweigveroius  durch 
reichhaltige  Ausstellungen  ein  grosser  Nebenraum 
des  Sitzungssaales  der  Versammlung  zu  einem 
temporären  anthropologischen  Museum  umgestaltet, 
in  welchem  die  Hauptgebiete  der  imthropologischen 
Forschung  würdig  vertreten  waren. 

Hier  fand  sich  eine  ganze  Anzahl  kleinerer 
prähistorisch  - archäologischer  Pri vat- 
Sumnilungen  : 

1.  Von  Herrn  P.  Behacke,  Düsternbrook, 
charakteristische  Fund objekte  aus  Schleswig- Hol- 
stein : Steingeräthe,  Bronzen,  namentlich  Kelte, 
und  eine  grosse  flache  Keule  mit  Hackenansatz 
von  Bronze. 

2-  Von  Herrn  Dr.  Hartman u in  Marne 
ebenfalls  eine  schöne  Uebersichtssaiumlung  lokaler 
prähistorischer  Funde : Stein,  Bronze,  Eisen.  Von 
hervorragendem  Interesse  waren  die  gesammelten 
lteste  der  prähistorischen  Wohnstätte 
in  Eddclack  in  Süderdithmarschen  : Töpferei wnaren , 
Holzgegenstände , Knochen  von  Hausthieren  etc. 

3.  Auch  Herr  Dr.  H u r t m a n n , Tellingstädt, 
hatte  eine  Sammlung  Schleswig  - Holsteinischer 
Funde:  Stein,  Bronze,  Geld, 

4.  Herr  Studiosus  Musen,  Marne,  nament- 
lich Bronzen  hier  zur  Ausstellung  gebracht. 

5.  Das  Gymnasium  von  Eutin  hatte 
Bronzen, 

6-  das  Gymnasium  von  Rendsburg 
St  eininst  rument-e  beigesteuert. 

7.  Die  Ausstellung  der  Al  tert  hu  ms  -Ge- 
sell sc  ha  ft  „Prussia“  in  Königsberg  in 
Ostpreussen  enthielt  f>  lehrreiche  und  anschau- 
liche Modelle  von  Burgwällen  und  die  schonen 
Bronzefunde  aus  Sarnland,  der  Bernsteininsel,  uus 
„ prähistorischen  Stationen  der  Bronze-  und  jün- 
geren Eisenzeit 

8.  Von  Herrn  Dr.  Nehring  aus  Wolfon- 
bfittel  lagen  Feuersteinactefocte  vor  (cfr.  den 
Vortrag  des  Herrn  Vir o h o w IV.  Sitzung) 


9.  Eine  Sammlung  prähistorischer  Alterthüiuer 
aus  Aegypten  (cfr.  IV.  Sitzung),  welche  Herr 
Dr.  Mook  aus  Kairo  ausgestellt  hatte,  vor  allem 
(i  )ü  Stück  zierlichster  Fouersteininstrumente  aus 
Unter-  und  Oberägypten  und  Nubien : kleinste 
Messer,  Schaber,  Sägon,  Pfeilspitzen,  Nadeln  ote. 
Ausserdem  Werkzeuge  aus  den  Pyramiden-Stein- 
brüchen,  ELseninstrumente,  ein  einzelnes  Stückchen 
Bronze , Riedgras  als  Leuchte  und  ein  ebenso 
werthvoller  wie  zierlicher  und  schöner  „Hathor- 
kopf“,  aus  Glimmerschiefer  (!)  geschnitten. 

10.  Herr  Dr.  C.  Mehlis,  Funde  auf  der 
Limburg:  Bronzen  (King,  Messer),  Topfscherben, 
Thierknochen  (cfr.  III.  Sitzung). 

11.  Zur  Ethnographie  hatte  Herr  Capi- 
tain  - Lieutenant  Strauch  selbstgesammelte  Ge- 
räthe  und  Schmucksachen  aus  Melanesien  — Neu- 
Hanuover  und  Neu  - Irland  — nebst  zahlreichen 
Photographien  von  dortigen  Eingeborenen  vor- 
gelegt 

Zur  s p ec i eilen  Anthropologie 

1 2.  hatte  die  K i e 1 e r a n a t o m i s c h e Sam  in  - 
luug  150  Hassen-Schädel,  dann  eine  Anzahl  vor- 
historischer und  moderner  Graberschädel  aus 
Schleswig-Holstein  ausgestellt ; 

13.  Herr  Dr  Pansch  einen  Mikrocephalen- 
Sch&del  und  28  SchftdelausgÜsse ; 

1 4 . Herr  G ehe  im  rat  h Schuaff hausen  die 
Knochen  des  berühmten  Neanderthaler-Fuudes; 

15.  Herr  Geheimrath  Virc ho  w : Schädel  von 
Liven,  Thüringern  und  Albanesen. 

16.  Herr  Dr.  R.  Krause:  einen  Moorschädel 
und  Schädel  und  Gehirnnachbildung  eines  Mikro- 
cepbalen. 

17.  Herr  Staatsrath  8 1 i e d a : anatomische 
Präparate  zur  Demonstration  seiner  ueuen  Con- 
ser  vi  rungsmethodo. 

Zur  Craniometrie  wurden  folgende  In- 
strument«} ausgestellt  und  deiuonstrirt : 

18.  Von  Herrn  Dr.  Hilgendorf  ein  Lueä’- 
scher  Zeichnungs-Apparat  zu  Reisezwecken. 

19.  Von  Herrn  Dr.  Koerbiu:  ein  neues 
Craniometer. 

20.  Herr  Obermedicinalrath  von  H ö 1 d e r 
(Stuttgart)  hatte  sein  durch  Leichtigkeit  und 
Sicherheit  der  Handhabung  sich  auszeichnendes 
Caliber-  Messinstrument  zur  Sclmdelniessung  ein- 
gesendet. 

21.  Ein  ganz  besonders  werthvoller  Beitrag 
zu  dieser  den  Mitgliedern  der  allgemeinen  Ver- 
sammlung im  Sitzungslokale  selbst  gebotenen  Aus- 
stellung war  die  Samm Inn g zur  prä  hUtori - 
sehen  Zoologie  Schleswig  - Holsteins , welche 
das  Zoologische  Institut  der  Universität  beige- 
bracht hatte.  Wir  erwähnen  hier  nur:  Nashorn, 


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fil 


Biber , Boa  primigenius , Elonthier , Renthier, 
vor  allem  aber  das  Prachtexemplar  eines  Schädels 
mit  wohlerhaltenen  Hörnern  vom  Moschusochsen. 

22.  Auch  einer  Anzahl  in  grösserem  Maasstahe 
gehaltener  Abbildungen  prähistorischer  Objekte 
und  Karten,  welche  der  Versammlung  vorgelegt 
wurden,  muss  hier  noch  Erwähnung  geschehen. 
Wir  nennen  die  prähistorische  Karte  von  Schle- 
sien von  Herrn  Zimmermann  in  Striegau ; 
die  prähistorischen  Kartenskizzen  von  Herrn  Prof. 
Fraas  und  Herrn  Hauptmann  E.  v.  Tr  ölt  sch 
(Stuttgart) ; die  Abbildungen  über  die  Ausgrab- 
ungen auf  der  Limburg  von  Herrn  Dr.  Mehlis; 
die  Darstellungen  der  ,, künstlichen  Höhlen“  in 
Kissing  bei  Augsburg  und  Unterpachern  bei 
Dachau  durch  die  Herren  Prof.  A.  Thier  sch 
(München)  und  Prof.  J.  Ranke. 

Die  der  Versammlung  vorgelegten  zahl- 
reichen Bücher  und  Schriften  sollen  am  Schlüsse 
dieser  allgemeinen  Besprechung  zusammengestellt 
werden. 

Unter  dem  der  Versammlung  dargebotenen 
Studienmateriale  waren  die  archäologischen 
Ausflüge  und  Ausgrabungen  von  her- 
vorragender Bedeutung.  Hamburg  und  Kiel 
hatten  auf  den  gemeinsamen  Besuch  vorhistori- 
scher Stationen  verzichtet.  In  Kiel  hatten  die 
interessante  Besichtigung  des  Kaiserlichen  Marine- 
Etablissement»*;  in  Ellerbeck  und  die  vom  heiter- 
sten Geiste  belebte  „ Ausfahrt  im  See“  nur  tlieils 
allgemein  belehrenden  theils  geselligen  Zwecken 
dienen  wollen.  Dagegen  gaben  die  beiden  vom 
besten  Wetter  begünstigten  Tage  in  dem  schönen 
Lübeck  reiche  Gelegenheit,  die  Reste  der  ältesten 
Culturperioden  des  deutschen  Nordens  an  Ort  und 
Stelle  zu  besichtigen  und  zu  bewundern.  Don- 
nerstag den  15.  Nachmittags  2 Uhr  brachte  ein 
Dampfer  die  Gesellschaft  nach  den  Mauer-Ruinen 
des  alten  im  Mittelalter  zerstörten  Lübeck. 
Dann  wurde  von  Schwartau  aus  zu  Wagen  durch 
die  schöne  Gegend  ein  Ausflug  nach  einem  schon 
seit  längerer  Zeit  blossgolegten  mächtigen  „Hünen- 
grab“ gemacht,  dessen  aus  gewaltigen  erratischen 
Blöcken  erbaute  Grabkammer  sich  als  gross  ge- 
nug erwies,  um  einer  kleineren  Anzahl  der  Gäste 
gleichzeitig  Raum  zu  bieten.  Von  dort  ging  es 
weiter  nach  dem  bedeutenden  Kingwail  von 
Waldhusen,  wo,  soweit  es  die  Tageszeit  noch 
gestattete,  Ausgrabungen  vorgenommen  wurden. 
— Freitag  der  1 G-  war  bei  wundervollem  Wetter 
dem  Besuch  der  Alterthümer  und  den  Ausgrab- 
ungen in  dem  nralteu  Bueben-Forst  des  Ritzer- 
auer Geheges  gewidmet,  der  in  seinem  In- 
nern eine  Fülle  von  prähistorischen  Denkmälern 
enthält  und  dem  kulturhistorischen  Museum  in 


Lübeck  schon  zahlreiche  wichtige  Funde  geliefert 
1 hat.  Zunächst,  wurde  die  Gesellschaft  zu  einem 
| bei  Appenrade  gelegenen  noch  unerofl’neten  „ H ü- 
| nengrab“,  ein  Hügel  von  etwa  30  Meter  im 
i Durchmesser  und  5 Meter  Höhe  geführt.  Hie- 
i rauf  wurde  eine  tiefe  „Trichtergrube“  be- 
sichtigt. Der  Weg  durchschnitt  dann  weit  aus- 
gedehnte sogenannte  „Hochäcker“,  welche  bis- 
her nur  aus  Süddeutschland  (allgemeine  Ver- 
sammlung zu  München  1875)  bekannt,  nun  auch 
j im  Norden  aufgefunden  wurden , wo  sie  zahl- 
reichen gewichtigen  Widerspruch  gegen  ihre  „prä- 
historische“ Stellung  erfahren.  Es  sind  bei  dem 
GeneralsokretAriate  der  Gesellschaft,  angeregt  durch 
den  Ausflug  nach  dem  Ritzenauer  Gehege,  einige 
werthvolle  Beitrüge  über  das  Alter  der  Hochäcker 
in  Norddeutschland  eingelaufen,  welche  im  An- 
schluss an  den  Bericht  der  IX.  allgemeinen  Ver- 
sammlung möglichst  bald  im  Correspondenzblatt 
Veröffentlichung  finden  sollen.  Die  Hauptauf- 
gabe des  Ausflugs  bestand  aber  in  der  Ausbeut- 
ung eines  grossen  Kegel-  oder  Hünengrabes,  eines 
sanft  ansteigenden  Hügels  von  etwa  5 Meter 
Höhe,  an  welchem  vorbereitend  unter  sorgsamer 
Aufsicht  ein  4 Meter  breiter  Durchstich  ange- 
legt worden  war.  Hiebei  waren  schon  eine 
schöne  Lanzenspitze  aus  Feuerstein , ein  Feuer- 
steinmesser und  ein  Bronzedolch  gefunden  wor- 
den. Die  Mitglieder  der  Gesellschaft  betheiligten 
sich  selbst  an  der  weiteren  Blosslegung  des  Grab- 
inhalts. Man  fand  zwei  0,5  Meter  über  einander 
liegende  länglich  ovale  Steinsetzungen,  unter  dem 
zweiten  waren  Reste  eines  Bronzerings  und  Bronze- 
blechs, abseits  eine  Urne  mit  verbrannten  Knochen; 
letztere  auch  ohne  Urnenreste  an  einer  anderen 
Stelle  des  Hügels.  Ein  anderer  Theil  der  Ge- 
sellschaft untersuchte  einen  etwa  10  Minuten  von 
diesem  „Hünengrabe“  in  romantischem  Wald- 
schatten gelegenen  .sogenannten  „Wendenkirch- 
hof“. Es  findeu  sich  hier  etwa  80  Kegelgräber 
von  1 Meter  Höhe  und  etwa  6 Meter  Durch- 
messer. Mitton  aus  den  Steinringen  und  flache- 
ren Hügeln  des  Gräberfeldes  erheben  sich  2 
mächtige  Grabhügel  von  mindestens  10  Meter 
Höhe  und  40  — 50  Meter  Durcbine-sser  beide  mit 
Steinringen  gekrönt.  Zwei  der  kleineren  Hügel 
waren  für  die  Theilnehmer  des  Ausflugs  vorbe- 
reitend blossgelegt,  worden.  Die  Gräber  zeigten  wie 
die  dort  schon  früher  ausgegrabenen  einen  einfachen 
oder  doppelten  Ring  von  granitisehen  Findlings- 
steinen. In  der  Mitte  des  Rings  umschlossen  und 
bedeckten  scholenartig  zerschlagene  Steine  1 — 3 
Graburnen,  welche  neben  Knochenasche  und  ver- 
brannten menschlichen  Gebeinen  Bronzemesser  und 
die  Reste  bronzener  Ringe  und  Spangen  enthiel- 


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8*2 


teil.  Eine  der  die  Knochenroste  enthaltenden  ! 
Urnen  steckte  in  einer  „Ueberarne“.  Zum  Schlüsse 
worden  noch  einige  andere  nachbarliche  prahisto-  ; 
rische  Stationen  namentlich  Begrübnissplätze  im 
Vorübergehen  besichtigt.  Damit  schloss  der  nach  j 
allen  Beziehungen  wohl  gelungene  Kongress. 

Noch  ein  besonderes  Dank  wort  gebührt  den 
uusserdeutschen  wissenschaftlichen  Freunden, 
•welche  durch  ihre  Theilnabme  an  der  Versamm- 
lung die  Bedeutsamkeit  derselben  erhöhten.  Als 
Kiel,  die  „schönste  Stadt  im  Lande“,  wie  sie  das 
schleswig-holsteinische  Sprichwort  mit  Recht  rühmt, 
an  der  nordischen  Meeresgrenze  unseres  Vater- 
landes zum  Versammlungsort  gewählt  wurde, 
hatten  wir  auf  die  Betheiligung  ausserdeutscher 
nordischer  Gelehrten  gehofft.  Die  Liste  der  Theil- 
nehnter  an  unserer  Versammlung  und  die  folgen- 
den Verhandlungen  dersell»en  ergeben,  in  wie 
schöner  Weise  diese  Hoffnung  in  Erfüllung  ging. 
Wie  bei  der  Versammlung  in  Konstanz  die  innige 
Verbindung  unserer  Gesellschaft  mit  den  gleich- 
strebenden  Forschern  der  Schweiz  zum  lebhaften 
Ausdruck  kam,  so  dürfen  wir  als  ein  Resultat 
der  Versammlung  in  Kiel  eine  Erneuerung  und 
Festigung  der  für  die  Fortschritte  unserer  Wissen- 
schaft unentbehrlichen  Beziehungen  zwischen  den 
deutschen  und  nordischen  Forschern  bezeichnen. 

Eine  grössere  Anzahl  der  Theilnehmer  an 
der  Versammlung  in  Kiel  ging  nach  Schluss  der- 
selben zum  Studium  der  klassischen  anthropolo- 
gischen Sammlungen  nach  Kopenhagen,  einzelne 
zu  dem  gleichen  Zweck  weiter  nach  Stockholm  und 
Christi  an  ia.  Bewunderung  der  Leistungen  der  skan- 
dinavischen Forschung  in  prähistorischer  Archä- 
ologie, Ethnologie  und  specieller  Anthropologie 
warme  Anerkennung  der  collegialen  Aufnahme  der 
Besucher  bringen  sie  zurück. 

Auch  den  Freunden  in  Schwerin  und  Stralsund 
sei  schliesslich  noch  ein  herzlicher  Dunk  zugerufeu  ! 


Die  von  uns  hier  versuchte  Darstellung  ist 
kaum  im  Stande , einen  Schattenriss  von  der 
lebensvollen  freudigen  Erscheinung  unser*»«  Con- 
gresses  zu  geben.  War  doch  alles  getragen  von 
dem  Hochgefühle  fortschreitender  wissenschaftlicher 
Leistungen,  durchleuchtet  und  erwärmt  von  dem 
Bewusstsein  neidloser  wissenschaftlicher  und  per- 
sönlicher Freundschaft,  welche  die  Mitglieder  des 
Kongresses  unter  einander  wie  mit  der  gastlichen 
Bevölkerung  der  Festorte  verband.  Die  herzliche 
Aufnahme  in  den  besuchten  Städten;  die  frohen 
zwischen  die  ernsten  Arbeitsstunden  eingeachobe- 
uen  Feste,  in  deren  Veranstaltung  städtische  Be- 
hörden, wissenschaftliche  Vereine  und  Privaten 
wetteiferten,  die  gemeinsamen,  sangreichen  Aus- 
flüge hinaus  ins  blaue  Meer  und  in  den  Schatten 
der  Buchenwälder,  welcho  diese  glückliche  Küste 
schmücken;  die  Ueherfülle  der  in  Hebt  deutscher 
Herzlichkeit  gebotenen  Gastfreundschaft,  — sie 
werden  in  allen  Herzen  unvergessen  bleiben. 

Wir  schliessen  diese  Einleitung  mit  einem 
Worte  des  Vorsitzenden  der  IX.  allgemeinen  Ver- 
sammlung, indem  wir  das,  was  Herr  Schaaff- 
hausen  speciell  für  Lübeck  sagte,  allen  unseren 
i Freunden  an  den  germanischen  Küsten  zurufen, 
an  welche  uns  der  Kongress  geführt,  hat: 

„Wir  haben  bei  unserem  schönen  Umzug  durch 
i diese  herrlischen  Gegenden  der  nordischen  Küste 
^ mit  besonderer  Befriedigung  dom  starken  muthi- 
gen  Mannesstamm  die  Hand  gedrückt.  Diese 
Gegend  ist  von  uralter  Zeit  berühmt  als  der 
Ursprung  und  die  Heimath  sehr  vieler  deutscher 
j Stämme , und  weun  wir  uns  fragen,  was  wohl 
i die  Kraft  und  die  Macht  jeuen  Altvordern  ge- 
geben haben  mag,  so  gibt  uns  die  Antwort  da- 
rauf das  Thucydides  Wort : Gross  ist  die  Macht 

des  Meeres!  auch  sie  hat  die  Menschen  gestählt 
| und  ihren  Mutli  herausgefordert.“ 


Die  der  IX.  allgemeinen  Versammlung  vorgelegten  Büoher  und  Schriften: 

1.  Anoutcbine,  D.  Exposition  universelle  de  1878,  a Paris.  — Exposition  dos  Sciences 
untropologiques.  — Societe  Imperiale  des  amis  des  Sciences  naturelles  d’Antropologie  et  d' Ethnographie 
de  Moscou  par  Dr.  Anoutchine.  Paris.  Imprimeric  Arnous  de  Ri  viere  Rue  Racine  26.  1878. 

2.  Derselbe:  die  anthropologische  Ausstellung  in  Moskau  1879.  Programm. 

3.  Clessin,  S.  Die  Höhle  bei  Breitenwien  in  der  Oberpfalz.  Ausland  1878.  Nro.  15.  S.  290. 

4.  Gross  Victor.  Deux  stations  lacustres  Mocringen  et  Auvernier  dpoque  du  bronze.  Do  uze 
planches  photograph  iques  tigurant  euviron  400  objccts  demi  grandeur  avec  not  es  et  explications  eu 
regard  par  le  Dr.  Victor  Gross.  Neuveville.  Imprimeric  de  A Godet  1878. 

5.  U andelmann,  Heinrich.  Fünfunddreissigster  Bericht  zur  Alterthumsknndc  Schleswig-Hol- 
steins von  Heinrich  Handtdnianu.  Mit  15  Holzschnitten.  Einladung  zur  Wiedereröffnung  des  Schleswig- 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

fQr 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  ion  Professor  I)r.  Johanne*  Hanke  in  München, 

Qfneralsfcrttar  drr  UttAUehafl. 


Nr.  10.  Erscheint  jeden  Monat.  Octubül'  1878. 


Bericht  über  die  IX.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Kiel 

am  12.  — 14.  August  1878. 

Kedigirt  von  Professor  Dr.  Johannes  Hanke  in  München , 

General»?  kretär  der  Gctrlltrhaft 


(Fortsetzung  zu  Herrn  Virchow.) 

Diese  Chamäeephalcn  von  Friesland  und  die 
Dolichocephalen  der  fränkischen  Reibengräber 
geben  uns  immerhin  zwei  grosse  Anhaltspunkte. 
Ich  habe  neulich  noch  eine  dritte  Form  gefunden, 
und  bin  darin  mit  Herrn  Ranke  zusammon- 
getrotfen:  eine  mehr  mittlere  Form,  die  meso- 
cephalc.  Das  ist  die  altthüringische  ]£orm,  von 
der  ich  Ihnen  hier  ein  Spezimeu  vorlege;  es  ist 
aus  einer  alten  Kirche  in  dem  abgelegenen  Dorfe 
Leubingen  im  nördlichen  Thüringen , und  zwar 
aus  der  tiefsten  Lage  der  Schädel . welche  in 
grossen  Haufen  in  der  Krypte  uufgestapelt.  waren. 
Ich  besitze  davon  durch  die  Güte  des  Herrn 
K 1 o p fl  e i s e h 9 Stück.  Ihr  Breitenindox  betrögt 
75,6.  Diese  Form  nähert  sich  den  beiden  anderen, 
allein  das  Hinterhaupt  ist  nicht  so  lang.  Wenn 
inan  den  Schädel  von  der  Basis  aus  betrachtet, 
so  tritt  die  Differenz  sehr  auffällig  hervor.  Auch 
ist  die  Form  des  Gesichts,  namentlich  der  Nase 
recht  verschieden  von  der  “friesischen  *).  Ich  will 
diese  Form  nicht  in  allen  Einzeloheiten  verfolgen, 
sondern  nur  erwähnen , dass  sie  sich  bis  nach 

•)  Zeitschrift  für  Ethnologie  1877.  Band  IX.  Ver- 
handlungen der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft. 
S.  327. 


Bayern  hinein  verfolgen  lässt.  Sicherlich  ist  es 
nicht  die  Reihengräberform , sondern  eine  Form, 
welche  /.wischen  der  der  Reihengräher  und  der 
friesischen  in  der  Mitte  liegt. 

Herr  Prof.  K oll  mann  hat  schon  auf  der  vorigen 
Versammlung  in  Konstanz  die  Frage  aufgeworfen, 
ob  nicht  die  Mesoeophalie  als  eine  ganz  beson- 
dere, typische  Form  zu  betrachten  sei.  Soviel 
müssen  wir  anerkennen,  dass  wir  hier  3 verschie- 
dene Richtungen  der  Entwicklung  vor  uns  haben : 
eine,  welche  immer  schmäler  und  länger,  eine, 
welche  kürzer  und  breiter  wird,  und  endlich  eine 
dritte,  die  friesische,  welche  noch  mehr  in  die 
Breite  geht,  zugleich  aber  niedriger  wird. 

Beiläufig  möchte  ich  bemerken,  dass  es  in- 
nerhalb dieser  Groppen  sonderbarer  Weise  ge- 
wisse Spezialdispositionen  gibt , die  freilich  viel- 
leicht vor  der  Strenge  der  Kritik,  welche  jetzt 
an  statistische  Schädelbetrachtungen  angeknüpft 
wird , nicht  ganz  Stich  halten , die  aber  auszu- 
sprechen ich  trotzdem  kein  Bedenken  trage.  Das  eine 
ist  der  Einfluss  einer  absonderlichen  Naht- 
bildung  an  den  Schädeln.  Von  solchen  Naht- 
bildungen will  ich  nur  eine  erwähnen.  Dos  ist 
die  persistento  Stirnnaht,  wodurch  die  etwas  un- 
gewöhnliche Erscheinung  entsteht , dass  der 

5 


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108 


Schftdel.  von  oben  und  vorn  betrachtet,  ein  Kreuz- 
kopf wird , mit  dem  mim  dem  Teufel  entgegen 
gehen  kann,  ohne  ihn  fürchten  zn  müssen,  und  der 
desshalb  seit  alter  Zeit  immer  als  eine  hohe  Eigen- 
schaft gegolten  hat.  Die  Thatsnche  ist  noch  meiner 
Auffassung  unzweifelhaft,  dass,  wenu  nicht  eben 
anderweitige  Bedingungen  vorhanden  sind,  welche 
die  Gunst  dieser  Naht  beeinträchtigen,  der  Schä- 
del in  der  Gegend  einer  persistenten  Stirnnaht 
mehr  wächst  als  sonst.  Die  Naht  ist  eine  Art 
von  Ventil,  wohin  das  Wachsthum  des  Schädels 
und  des  Gehirns  leichter  wirken  kann,  als  hei 
frühzeitigem  Verschluss  der  Naht.  Daher  entfaltet 
sich  dio  Stirn  grösser , vollständiger.  Dieser 
Schädel  hier  ist  aus  der  ausgestellten  Sammlung; 
ich  kann  natürlich  nicht  dafür  stehen,  ob  er  wirk- 
lich zu  demselben  Stamme  gehört,  aber  es  ist 
mindestens  sehr  wahrscheinlich.  Ich  würde  das 
nicht  so  sehr  betonen , wenn  nicht  gerade  bei 
meinen  Untersuchungen  von  Reihengräberschäddn 
sich  mir  zu  wiederholten  Malen  die  extreme  Be- 
deutung dieses  Verhältnisses  dargestellt  hätte. 
Ich  habe  erst  neulich  die  Schädel  von  Alsheim 
zusammengestellt;  da  ergab  sich,  dass  ich  plötz- 
lich unter  der  ganzen  Reihe  von  Langköpfen 
(Breitenindex  73,5)  einen  Kurzkopf,  einen  Brachy- 
eephalus  (Breitenindex  80,3)  vor  mir  sab,  und 
als  ich  ihn  genauer  betrachtete , so  war  es  ein 
Kreuzkopf.  Dabei  erinnerte  ich  mich , dass  ich 
über  dioselbe  Sache  schon  in  Wiesbaden  (1874)  ge- 
sprochen batte,  als  ich  die  Schädel  der  Reihen- 
gräber von  Wiesbaden  (Index  74,  9)  der  Gesell- 
schaft vorführte ; unter  diesen  fanden  sich  auch 
zwei  Kurzköpfe  (Index  82,7  u.  79,8),  und  beide 
waren  Kreuzköpfe.  Wenn  in  Mitte  einer  sonst 
ganz  homogenen  langköpfigen  Bevölkerung  solche 
kurze  Schädel  sich  finden,  bei  denen  die  Stirn- 
naht persistirt,  so  kann  man  die  Coincidenz  der 
Stirnnaht  mit  der  Brnchycephatic  nicht  für  einen 
Zufall  erklären.  Man  begreift  ja,  dass  ein  solcher 
Schädel  nicht  so  viel  Platz  nach  den  anderen 
Richtungen  hin  gebraucht;  wenn  dasGehiru  sich 
stärker  nach  vorn  entwickelt,  so  kann  der  Kopf 
kürzer  bleiben  und  doch  gerade  soviel  Hirn  ent- 
falten, wie  ein  anderer,  der  es  mehr  in  dio 
Länge  wachsen  lässt. 

Ich  denke,  es  ist  keine  Voreingenommenheit, 
eine  solche  Erklärung  aufzustellen,  wenn  solche 
Besonderheiten  immer  wieder  von  Neuem  Vor- 
kommen. Im  Gegentheil,  ich  meine,  dass  es 
irrationell  wäre,  wenn  ich  diese  Erklärung  aus- 
schliessen  wollte.  Wenn  Jemand  dagegen  sagt, 
das  kannst  du  statistisch  nicht  beweisen,  es  sind 
zu  wenige  Fälle,  so  betrachte  ich  dies  in  der 
That  nicht  als  einen  Vorwurf.  Die  Existenz 


einer  Naht  ist  auch  nach  meiner  Auffassung 
noch  kein  ausreichendes  Motiv  für  die  Grösse 
des  Wachsthums,  aber  wohl  ein  Motiv  für 
dio  Möglichkeit  desselben.  Ob  diese  Mög- 
lichkeit benützt  wird  oder  nicht , das  hängt 
von  einer  Reihe  von  weiteren  Umständen  ab. 
Die  Persistenz  einer  Naht  ist  keine  Garantie  für 
die  Grösse  des  Waehsthums,  sondern  eine  blosse 
Möglichkeit,  aber  eine  Möglichkeit  mehr.  Es  ist 
ganz  unzweifelhaft , dass , wenn  die  Möglichkeit 
wirklich  benutzt  wird , der  Schädel  in  diesen 
Richtungen  sich  ganz  anders  entwickeln  kann  als 
wenn  die  Naht,  nicht  offen  wäre.  Der  Mensch 
wird  eine  solche  Stirne  nicht  bekommen,  wenn 
er  nicht  ein  Kreuzkopf  ist,  und  man  kann  sich 
allerdings,  da  man  in  das  Vorderhirn  die  grössten 
psychischen  Eigenschaften  verlegt,  vorstellen,  dass 
das  ein  ganz  besonders  gesegnetes  Individuum 
sei , in  welchem  sich  so  etwas  vollzieht.  Auf 
diese  Weise  kann  ein  Mitglied  eines  Dolichoce- 
phalen-Stammes  nach  meiner  Meinung  ein  Bracby- 
eephnlus  werden,  und  wenn  sich  in  einer  gewissen 
Reihe  von  Generationen  derartige  Dispositionen 
mehr  iixiren , wenn  sie  sich  local  weiter  aus- 
bilden, so  ist  es  an  sich  sehr  leicht  denkbar,  dass 
auch  in  dem  Falle  wo  die  Persistenz  nicht  eine 
vollständige  ist,  sich  doch  analoge  Abweichungen 
des  Schädlbaues  erhalten  können.  Wieweit  das 
gehen  kann,  wage  ich  nicht  zu  sagen ; ich  kon- 
statire  hier  nur  die  Thatsache. 

Ich  will  Ihnen  noch  eine  andere  Thatsache  vor- 
ftthren,  dio  ich  bei  den  Fliesen  gefunden  habe. 
Sie  sehen  hier  unter  den  von  Herrn  Pansch 
ausgestellten  Schädeln  wieder  einen  Bracliycephalu* 
und  zwar  einen  exquisit  niedrigen,  aber  wie  breit 
und  grosj!  Diese  Form  ist  ganz  hervorragend 
friesisch.  Wenn  mir  Jemand  aus  einem  friesischen 
Kirchhofe  ein  Dutzend  Schädel  schickt,  so  kann 
ich  mit  Sicherheit  erwarten , dass  ein  oder  zwei 
solcher  grossen  Schädel  darunter  sind ; niemal* 
habe  ich  aus  fränkischen  Gräbern  einen  ähnlichen 
bekommen.  Solche  Schädel  liegen  in  den  be- 
rühmten Steiusärgen  des  Oldenbur gischen  Museums, 
zum  Theile  noch  viel  grösser  wie  diese.  Es 
vereinigt  sich  liier  eine  ungewöhnliche  Grösse  des 
Schädelraumes  (Kcpbalonie,  Makrocephalie)  mit 
Breite,  Platthoit  und  Kürze  des  Schädels.  Es 
kommt  zuweilen  noch  ein  anderes  hinzu,  neu- 
lich ein  Eindruck  der  Basis  des  Schädels,  eine 
Abflachung  oder  Impression  der  Gegend  de» 
grossen  Hinterhauptsloches , dio  ein  Zurück- 
weichen des  Gesichtes  und  eine  eigenthümlich 
gequetschte  Stellung  der  Gesichtsknocheu  mit 
sich  bringt.  Es  gibt  eine  gewisse  Reihe  von 
Uebergängen  von  dem  gewöhnlichen  friesischen 


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109 


Typus  bis  zu  den  makrocephalen  und  den  ein- 
gedrückten Formen  hin , die  ich  sonst  nicht  in 
gleicher  Stärke  vorfinde. 

Ich  habe  also  in  der  fränkischen  Gruppe 
häufigere  Abweichungen  zu  der  brachycephalrn 
Form  mit  persistirender  Stirnnoht,  in  der  friesi- 
schen Gruppe  häufige  Abweichungen  zu  einer 
grossköpfigen  Form  und  zu  einer  Form  mit  ein- 
gedrückter Grundfläche  gefunden,  also  zwei  ganz 
verschiedene  Formen  der  Abweichung.  Ich  habe 
mich  nebenbei  bemüht  durch  das  Studium  der 
Bilder  der  alten  niederländischen  Schule  Boweise 
für  das  letztere  Verbültnias  zu  finden.  Als  ich 
zuerst  über  die  Friesen  sprechen  wollte , waren 
wir  in  Dresden.  Während  ich  mit  dem  Gedanken 
umging,  besuchte  ich  die  Gemäldegallerie,  und 
wie  staunte  ich,  diese  flachen  grossen  Kopfe  von 
den  alten  niederländischen  Malern  in  den  treff- 
lichsten Exemplaren  abgebildet  zu  sehen  1 

Mit  ollen  diesen  Erfahrungen  aber  kommen 
wir  noch  nicht  zu  einer  Erklärung  für  die 
Brachycephalie  des  Südens.  Was  machen  wir 
mit  den  Kurzköpfen,  die  Sie  an  dem  Vorstands- 
tische so  reichlich  vertreten  sehen?  Sie  brauchen 
hier  gar  keinen  Import  von  Schädeln.  Unser  schwäb- 
isches Mitglied  (Dr.  Fr  aas)  ist  ein  wahres  Muster 
der  gesuchten  race  Prussicnne,  und  die  Herren 
von  München  nicht  minder,  wenn  auch  etwas 
heller  gefärbt.  Ich  fühle  mich  nicht  berufen, 
irgend  eine  Lösung  zu  proponiren ; ich  kann  nur 
sagen  , diese  Frage  der  Kurzköpfe  des  Südens 
schiebt  sich  soweit  hinaus,  dass  wir  im  Augen- 
blicke noch  gar  nicht  sagen  können,  ob  sie  über- 
baupt  eine  deutsche  Frage  ist.  In  ganz  Europa 
gibt  es  eine  gewisse  Linie,  jenseits  welcher  nach 
Süden  die  Kurzköpfe  vorherrschen.  Im  Wesentlichen 
ist  es  die  Alpenlinie.  Zu  beiden  Seiten  der 
Alpen  und  bis  in  die  verschiedenen  Verzweig- 
ungen der  sich  anschliessenden  Gebirgsketten 
hinein,  welchen  Stumm  wir  auch  nehmen,  wir 
kommen  immer  Auf  Brachycephalen.  Ich  hübe 
neulich  das  besondere  Glück  gehabt,  die  vielleicht 
südlichste  Grenze  dieser  Kurzköpfe  zu  erreichen 
und  zugleich  damit  eines  der  pia  desideria  unserer 
Anthropologie  zu  streifen.  Der  Kriegskorrespon- 
dent der  Times,  ein  Amerikaner,  der  die  monte- 
negrinische Armee  begleitete,  schickte  mir  einen 
albanesichen  Schädel  zu  als  ein  ganz  hervor- 
ragendes Spezimen  mit  der  Bemerkung , es  sei 
der  Schädel  eines  Fahnenträgers  der  Mirditen, 
der  einem  uralten  Geschlecht  angejbürte.  Der  Mann 
war  bei  dem  Durchmärsche  der  Armee  von  8u- 
lciman  Pascha,  wobei  eine  furchtbare  Niedermetzel- 
ung  stattgefunden  hatte , gefallen , nachdem  er 
zuvor  5 Montenegriner  umgebracht  hatte.  Der 


Schädel , welcher  inzwischen  durch  die  Luft  und 
vielleicht  durch  die  Raubvögel  gereinigt  war, 
kam  endlich  in  die  Hände  eines  deutschen  An- 
thropologen. Er  ist  so  abweichend  von  Allem, 
was  wir  bis  jetzt  sahen , dass  ich  kein  Be- 
1 denken  getragon  habe,  ihn,  obwohl  er  nur  ein 
einziges  Individuum  repräsendirt,  als  wahrschein- 
lich typisch  zu  beschreiben.  *)  Man  wusste  bis- 
her fast  nichts  von  den  Albanesen.  Ich  habe 
mich  freilich  sehr  reservirt  ausgedrückt,  aber 
ich  hatte  von  vorneherein  die  Vorstellung , es 
müsste  wol  etwas  besonderes  sein.  Als  nun  dor 
Sanität szug , welchen  das  Berliner  Hülfscomite 
nach  Kumänien  geschickt  hatte,  zurückkam  aus 
Bukarest,  wurde  mir  auch  ein  kleiner  Theil  der 
Kriegsbeute  zugesendet,  allerlei  anthropologische 
Dinge,  darunter  auch  der  Schädel  eines  Mannes 
von  Janina , der  mit  dem  Mirditenschädel  bis 
auf  jede  einzelne  Faser  analog  ist.  Der  eine 
ist  von  Westen  gekommen,  der  andere  von  Osten; 
sie  sind  aus  ganz  verschiedenen  Gegenden  Albaniens, 
und  doch  sind  sie  so  vollständig  übereinstimmend, 
dass  ich  nicht  anders  sagen  kann,  als  dass,  wenn 
die  Albanesen  nicht  so  beschaffen  sein  sollten, 
innerhalb  dieses  Volkes  noch  eine  ganz  abson- 
derliche Strömung  sein  muss.  Vorläufig  kann 
man  jedoch  wohl  anuehmon,  dass  dort  eine  Bra- 
chycephalie ersten  Ranges  vorhanden  ist,  denn 
der  Schädol  bat  einen  Index  von  90*  Wenn 
Sie  ihn  vergleichen  mit  den  Schädeln  hier,  so 
könnte  vielleicht  Jemand  auf  den  Gedanken  ver- 
fallen, dass  die  Albanesen  einen  Einfall  in  Fries- 
land gemacht  hätten.  Indess , wenn  man  die 
Formen  ins  Einzelne  verfolgt,  so  ergebeu  sich 
nicht  unbeträchtliche  Differenzen. 

Die  Albanesen  stammen  aus  demjenigen  Theile 
des  alten  Illyrikum  , von  dem  man  mit  einiger 
Sicherheit  anninmit,  dass  die  älteste  Einwanderung 
der  Arier,  die  sich  überhaupt  in  Europa  voll- 
zogen hat,  dort  in  den  Gebirgen  sitzen  geblieben 
| ist.  Von  alter  Zeit  her  hat  man  die  Illyrier 
i als  das  älteste  Volk  betrachtet , welches  vorhan- 
den sei,  mit  welchem  jedoch  alle  übrigen  Nachbar 
Völker  in  gewisser  Verwandtschaft  ständen.  Auch 
ich  will  in  meiner  Betrachtung  nicht  weitergehen; 
ich  wollte  an  diesem  Beispiele  nur  zeigen,  wie 
bedenklich  es  ist,  jene  Reihe  von  Erörterungen 
fortzusetzen , wobei  man  aus  den  Indogermanen 
oder  Ariern  exquisite  Langköpfe  macht  und  ab- 
solut verlangt , auch  die  eigentlichen  Germanen 
müssten  Langschädel  sein.  Ist  das  ein  typischer 
Schädel  von  Illy  rien,  dann  muss  man  sagen,  dort  sitzt 


*)  Monats  • berichte  der  Berliner  Akademie  vom 
17  Juli  1877. 

5* 


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110 


eine  Bevölkerung , bei  welcher  sich  gegenwärtig 
die  wahrscheinlich  stärkste  Brachycephalie  findet, 
die  überhaupt , abgesehen  von  den  Lappen  , in 
Europa  vorkommt.  Aber  diese  Brachycephalie 
setzt  sich  weiter  fort.  Wir  kommen  von  Ulyrien 
auf  Serbien,  sodann  auf  Kroatien  und  auf  die  ver- 
schiedenen anderen  österreichischen  Slaven-  und 
Wendonstäinme.  Wir  verfolgen  sie  weiter  nach 
Tirol,  worüber  Herr  Rabl-Rückhart  kürzlich 
Beobachtungen  publizirt  hat , nach  Bayern  , wo 
Herr  Ranke  als  klassischer  Zeuge  auflritt,  nach 
Würtemberg  und  Baden.  Dann  kommen  wir  an 
die  Brachycephalie  der  Schweiz,  die  sich  nach 
Süd-Frankreich  hin  fortsetzt,  zu  den  brachycephalen 
Stämmen  der  Gallier.  Diesen  Zusammenhang  j 
müssen  wir  anerkennen , unbekümmert  um  die  , 
Sprache , ob  illyrisch  oder  slavisch  oder  deutsch  i 
oder  französisch.  Ja,  die  alte  Bevölkerung  von 
Sardinien,  die  Ligurer,  die  Bewohner  der  Po- 
Ebene  , der  Emilia  , alles  dieses  sind  rein 
brachycephale  Stämme.  Herr  von  Hölder  hat 
versucht , diese  Schwierigkeit  dadurch  zu  lösen, 
dass  er  einen  grossen  Theil  dieser  Formen  ein- 
fach mit  dem  Namen  „sarmatisch“  bezeichnet.©. 
Es  ist  damit  nichts  gethan,  denn  wir  haben 
gar  keine  Grenze  für  den  Namen  „Sarmaten“. 
Er  gibt  gar  keine  wirkliche  ethnographische 
Grundlage.  Was  sollen  wir  mit  den  Sarmaten 
machen?  Wenn  die  Illyrier,  die  Serben,  die 
Veneter,  die  Ligurer,  der  grösste  Theil  der  Be- 
wohner der  ganzen  Alpenkette  von  einem  Ende 
bis  zum  anderen  , ja  die  Kelten  in  dasselbe  Gebiet 
hineingehören,  so  können  wir  nicht  einfach  sagen, 
das  sind  Sarmaten.  Wie  sollen  denn  Sarmaten 
in  dieses  Verhältnis«  hineingekonimen  sein?  Auf 
der  anderen  Seite  kann  man  sich  der  Betracht- 
ung nicht  entziehen,  dass  es  einen  gewissen  Zu- 
sammenhang haben  muss,  dass  diese  verschie- 
denen Völker  sich  so  Übereinstimmend  entwickelt 
haben. 

Dem  steht  gegenüber  eine  weit  über  die 
germanischen  Stämme  hinaus  greifende 
Dolichocephalie.  Ich  habe  ein  vorzügliches 
Exemplar  mitgebracht,  welches  ich  erst,  vor  nicht 
langer  Zeit  durch  Graf  Sie vers  erhalten  habe, 
und  welches  mit  mehreren  anderen  — ich  besitze 
fünf  davon  — aus  derjenigen  Gegend  von  Liv- 
land herstamnit,  wo  noch  bis  tief  in  dieses  Jahr- 
hundert hinein  die  letzten  Reste  der  alten  Liven 
sassen,  an  der  Mündung  des  Salisflusses.  Diese 
Gegend  galt  allgemein  als  die  reinste  Liven- 
gegend.  Die  Liven  selbst  waren  ein  finnischer 
Stamm,  wenigstens  der  Sprache  nach.  Nun  sehen 
Sie  hier  diesen  Schädel.  Er  ist,  wie  die  anderen, 
ausgemacht  dolichocephal.  Der  Breitenindex  dieser 


Schädel  beträgt  73,6*).  Geradeso,  wie  in  einer 
grossen  Zahl  von  Nachbargrabstätten  in  den  Ostsee- 
provinzen,  zeigt  sich  hier  ein  dolichocephaler  Schädel- 
bnu.  Derselbe  lässt  sich  nachweisen,  einerseits  an 
alten  Gräbersehädeln  der  Letten , anderseits  in 
Gegenden,  wo  man  kaum  umhin  kann , amu- 
nehmen , dass  dort  Liven  sassen.  Ich  weiss  es 
nicht,  ob  der  vorliegende  ein  Livenschädel  war; 
jedenfalls  stammt  er  aus  dem  Gebiete,  wo  die 
livische  Sprache  am  längsten  erhalten  war. 

Positiv  jedoch  kann  ich  also  nachweisen,  dass  es 
ebenso  grosse  geographische  Zonen  der  öchftdelfor- 
men  gibt,  wie  wir  Zonen  der  Haarfarbe  finden.  Wie 
nicht  alle  blonden  Völker  germanisch  sind,  wie  wir 
vielmehr  die  ganze  Reihe  der  nördlichen  Slaven, 
den  grösseren  Theil  der  finnischen  Stämme  zu  den 
Blonden  rechnen  müssen , also  Völker  ganz  var- 
schieden ihrer  Abstammung  und  Sprache  nach, 
so  finden  wir  auch  Zonen  der  Schädel  formen, 
welche  sich  nicht  an  die  Völkergrenzen  binden. 
Ob  es  uns  möglich  sein  wird,  sie  bis  zu  einer 
solchen  Schärfe  des  Nachweises  zu  bringen,  dass 
wir  Karten  aufstellen  können , welch©  uns  mit 
analoger  Sicherheit , wie  es  für  die  Angen  und 
Haare  geschehen  ist,  die  Schädel-Provinzen  angeben, 
muss  dahin  gestellt  bleiben.  Aber  das  kann  man 
doch  schon  sagen,  dass  dieselben  Verschieden- 
heiten, wie  in  Deutschland,  auch  in  Frankreich 
verkommen.  Der  Norden  von  Frankreich  ist 
lang-,  der  Süden  kurzköpfig.  Ebengo  ist  es  bei 
den  slavischeu  Völkern.  Ja,  selbst  bei  den  finni- 
schen Stämmen  ergibt  sich  eine  ähnliche  Differenz; 
die  Lappen  sind  ganz  kurküpfig,  die  Esten  wer- 
den immer  inehr  inesocephal.  Dieses  Räthsel  za 
lösen,  wird  uns  nicht  dadurch  gelingen,  dass  wir 
uns  an  bestimmte,  seien  es  linguistische,  seien  es 
historische  Ueherlieferungen  halten.  Meiner  Ueber- 
zeugung  nach  bieten  weder  die  sprachlichen  noch 
die  historischen  Untersuchungen  für  diese  Diügf 
einen  ausreichenden  Untergrund.  Wir  müssen 
1 uns  ganz  und  gar  auf  unsere  eigene  Methode 
und  Forschung  stellen ; dann  werden  wir  endlich 
die  Frage  erörtern  können,  ob  lokale  Verhältnisse. 
Klima  und  Boden,  Nahrung  und  Beschäftigung, 
oder  nur  Einflüsse  der  Völker- Mischung  die 
Ursache  darstellen. 

Damit  gehe  ich  diese  Frage  in  Ihre  Hände. 
Ich  habe  die  Materialien  soweit  übersichtlich 
darstellen  wollen,  als  sie  sich  in  meinem  Geist* 
augenblicklich  gesammelt  haben.  Es  ist  der 
Augenblick  gekommen,  wo  wir  wirklich  einmal 
mit  verstärkter  Gewalt  auf  dieses  Gebiet  ein- 


*)  Zeitschrift  für  Ethnologie  1878.  Band  X.  Verband- 
| langen  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  S-  I5Ä 


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115 


sten  Vertretern  unserer  Wissenschaft  für  diesen  ; 
Zweck  in  Paris  ein  Comite  gebildet  hatte,  diesen 
Herren  einen  Plan  vorgelegt  , der  dein  Studium 
der  Menschenrassen  so  nahe  liegt,  aber  bisher  noch  j 
nicht  zur  Ausführung  gekommen  ist.  Bei  der  j 
Weltausstellung  in  Wien  hatte  ich  schon , auf  1 
die  Mitwirkung  der  Mitglieder  der  Wiener  An-  ! 
thropologischen  Gesellschaft  rechnend,  der  Direk-  J 
tion  der  Ausstellung  den  Vorschlag  gemacht,  man  , 
sollte  doch  die  Anwesenheit  so  vieler  Personen  \ 
fremder  Nationalität  und  Rasse  bei  einer  solchen 
Ausstellung  benutzen,  und  die  Eingebornen  der 
verschiedensten  Länder,  Perser.  Siamesen,  Chi- 
nesen, Japanesen,  Malajen,  Neger,  Mulatten  u.  s.  w. 
in  einer  Ausstellung  für  Gelehrt«,  nicht  für  das 
grosse  Publikum , vereinigen , um  diese  Typen 
nebeneinander  sehen  und  wissenschaftlich 
scharf  unterscheiden  zu  können , auch  um  Mess- 
ungen an  ihnen  anzustellen.  Der  Weltreisende 
sieht  allerdings  auch  die  Völker  des  Erdballs, 
aber  nacheinander  in  Zwischenräumen  der  Län- 
der und  Zeiten , ein  Bild  ist  ihm  verschwunden, 
wenu  er  ein  neues  vor  den  Augen  hat.  Die  Vor- 
theile einer  gleichzeitigen  Beobachtung  und  i 
Vergleichung  würden  ungemein  wichtig  sein,  man  : 
würde  die  feinsten  Unterschiede  wahrnehmen  kön- 
nen, die  uns  sonst  entgehen.  Es  hatte  der  Di- 
rektor der  Wiener- Ausstellung  Herr  v.  Schwarz 
aber  wohl  nicht  die  Zeit , sich  um  solche  Dinge 
za  kümmern ; die  Wiener  Anthropologen  timten 
auch  nichts  dafür  und  die. Sache  unterblieb.  Aller- 
dings wurde  aber  eine  kleine  anthropologische 
Ausstellung  veranstaltet.  Bei  Beginn  der  Pari- 
ser Ausstellung  habe  ich  Herrn  von  Q u a tr  e f ag  es 
denselben  Gedanken  wieder  mitgetheilt  und  bekam 
die  Antwort,  dass  er  selbst  schon  bei  der  früheren 
Pariser  Ausstellung  mit  Dr.  Pruner-bey  die  Ab- 
sicht gehabt  habe,  lebende  Menschenrassen  auszu- 
stellen,  und  zwar  in  einem  weitergehenden  Plane;  sie 
wollten  schon  nach  Anmeldung  der  Waarensend-  , 
ungen  aus  fremden  Ländern  den  Wunsch  aus- 
sprechen, dieselben  durch  Eingeborne  aus  den  ent- 
sprechenden Gegenden  begleiten  zu  lassen,  wobei  : 
besonders  charakteristische  Typen  ausgewählt  wer-  j 
den  sollten.  Das  Vorhaben  stiess  aber,  wie  man  , 
ihnen  mittheilte,  auf  grossen  Widerspruch  zumal 
in  den  gebildeten  Kreisen  von  Paris,  so  dass  sie  . 
den  Gedanken  Aufgaben.  Man  lehnte  sich  da- 
gegen auf  mit  dem  Bemerken  , es  dürften  Men-  I 
sehen  nicht  wie  Bestien  ausgestellt  werden.  Mein 
Plan  war  ein  sehr  eingeschränkter:  man  sollte 
nicht  Rassen  kommen  lassen,  sondern  die  Anwesen- 
heit der  Personen  fremder  Rasse  in  Paris  nur 
benutzen  zu  einer  wissenschaftlichen  Untersuchung. 
Sie  sind  gewiss  so  zahlreich,  dass  eine  ganz  an-  | 


sehnliche  Reihe  verschiedener  Typen  des  Menschen- 
geschlechtes sich  aufstellen  Hesse.  Quatrefages 
wollte  in  den  Sitzungen  der  Commission  die  Sache 
zur  Sprache  bringen.  Auch  Broca  nahm  sich 
derselben  an.  Er  schrieb  mir,  dass  bei  der  vor- 
handenen Stimmung  gegen  eine  solche  Schaustellung 
eine  offizielle  Anordnung  derselben  nicht  möglich 
sei,  dass  er  aber  auch  Veranlassung  nehmen  werde, 
in  den  anthropologischen  Sitzungen,  die  am  16. 
ds.  M.  beginnen,  von  der  Sache  zu  reden.  Jeden- 
falls glaubt  er,  dass  auf  privat«  Weise  eine  Unter- 
suchung der  Personen  fremder  Rasse,  insoweit  sie 
dazu  bereit  seien,  sich  werde  einrichten  lassen  und 
hielt  die  Zeit,  des  anthropologischen  Congresses  in 
Paris  für  die  dazu  passende.  Vielleicht  wird  also 
eine  Untersuchung  der  bei  der  Ausstellung  vor- 
handenen lebenden  fremden  Rassen  stattfinden 
können. 

Ausserdem  hahe  ich  auch  geglaubt,  bei  der 
vielfach  besprochenen  Angelegenheit  einer  überein- 
stimmenden Methode  für  Schädelmessnngen  diese 
Sache  bei  Gelegenheit  der  anthropologischen  Aus- 
stellung in  Paris  anregen  zu  sollen.  Es  muss 
jedenfalls  der  Versuch  gemacht  werden,  ob  wir 
uns  nicht  mit  den  anderen  Nationen  einigen  können, 
in  gleicher  Weise  die  Hauptmuasso  an  dem 
menschlichen  Schädel  zu  nehmen.  Was  würde 
es  helfen , wenn  wir  in  Deutschland  eine  solche 
Methode  hätten,  England,  Amerika,  Italien  und 
Frankreich  aber  eine  andere?  Ich  habe  Herrn 
Topinard,  der  diesen  Theilder  anthropologischen 
Forschung  in  Paris  vertritt,  den  Vorschlag  gemacht, 
die  französischen  Anthropologen  möchten  sich  in 
ihren  (Jommissionssitzungen  mit  der  Aufstellung 
einer  internationalen  Messmethode  befassen ; in 
Deutschland  könnte  dasselbe  geschehen  und  dann 
müsse  man  sich  zu  einigen  suchen.  Dies  ist 
nun  meiner  Ansicht  nach  eine  Angelegenheit  für 
die  Commission,  welche  Sie  gewählt  haben , zur 
Untersuchung  der  Schädelformen  in  Deutschland 
nach  einer  von  ihr  zu  bestimmenden  übereinstim- 
menden Messmethode,  wie  das  in  jenem  in  Schwe- 
rin gestellten  Anträge  ausgesprochen  ist.  Es 
wird  also  Sache  dor  Commission  sein , auf  die 
Sache  einzugehen  und  ich  hoffe,  dass  in  dieser 
Richtung  etwas  geschehen  kann.  Die  von  mir 
gegebene  Anregung  ist,  ich  kann  sagen  mit  einer 
ausserordentlichen  Begeisterung  von  Topinard 
aufgeuommen  worden,  der  mir  dankt,  den  Ge- 
danken ausgesprochen  zu  haben , da  namentlich 
jetzt  bei  den  internationalen  Beratungen,  die  in 
Paris  beginnen  sollen,  eine  Besprechung  zu  diesem 
Zwecke  stattfinden  könne.  Er  schreibt  am  Schlüsse 
seines  Briefes,  was  ich  hier  in  Uebersetzung  mittheile : 
„Das  wird  eine  Gelegenheit  sein,  die  beiden  Na- 

6 


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tionen  miteinander  xu  versöhnen,  und  wir  wollen  I 
uns  diese  Gelegenheit  nicht  entgehen  lassen. 

. Während  wir  einer  neben  dem  andern  vorwärts  | 
schreiten,  werden  wir  stark  seiu ; getrennt  schaden 
wir  der  Wissenschaft,  die  wir  bearbeiten.“  Das 
sind  ganz  gewiss  Ueberzeugungen  die  wir  theilen, 
und  ich  zweifle  mit  Broca  nicht,  dass,  wenn 
französische  und  deutsche  Gelehrte  die  Haupt* 
maasse  feststellen , diese  auch  von  den  übrigen  1 
Nationen  werden  angenommen  werden.  Die  gAnze 
Angelegenheit  wird  innerhalb  der  Commission  un- 
serer Gesellschaft  näher  besprochen  werden  müssen. 

Zu  den  in  Paris  vom  16.  bis  21-  August  statt- 
findenden Seances  anthropologiques , die  in  den 
Verhandlungen  der  französischen  Association,  die 
sich  daran  anschliessen , bis  Anfang  September 
fortgesetzt  werden  sollen,  sind  Einladungen  an  die 
Mitglieder  unserer  Versammlung  cingegangen,  die 
ich  auf  den  Wunsch  des  Herrn  T o p i n a r d , 
der  mit  zur  Commission  der  anthropologischen 
Ausstellung  gehört,  an  Sie  vertheile.  Er  hat  zu- 
gleich mehrere  Exemplare  seiner  letzton  Schrift  über 
Eintheilung  der  Menschenrassen  hi  eher  als  Be- 
grünung der  Gesellschaft  eingesendet,  die  ich  hier 
niederlege. 

Noch  will  ich  einige  geschäftliche  Mittheilungen 
machen.  Auf  meinen  Antrag  hat  der  Vorstand 
beschlossen,  durch  Verkeilung  von  Einladungs- 
schreiben zu  versuchen,  neue  Mitglieder  für  unsere 
Gesellschaft  zu  gewinnen.  Es  fallen  durch  Tod 
und  andere  Ereignisse  ohnehin  manche  Mitglieder 
aus  und  der  Zugang  ist  nicht  in  dem  Maasse  vor- 
handen, wie  es  wünschcns werth  wäre.  Wir  haben 
nahe  2000  Zuschriften  verth eilt,  zunächst  an  die 
Zweigvereine  zur  Weiterbeförderung  und  an  solche 
Personen,  bei  denen  wir  ein  Interesse  für  un- 
sere Wissenschaft  voraussetzen  konnten.  Ich 
habe  den  letzten  Rest  dieser  Einladungsschreiben, 
der  noch  in  meinen  Händen  ist,  mitgebracht  und 
bitte  jeden  dor  geehrten  Anwesenden  davon  einige 
Exemplare  an  sich  zu  nehmen,  um  neue  Mit- 
glieder zu  werben.  Hierbei  will  ich  nicht  uner- 
wähnt lassen , dass  das  von  Ihnen  für  Herrn 
H.  Schliem  an  n bestimmte  Diplom  eines  Ehren- 
mitgliedes , in  künstlerischer  Ausstattung  nach 
den  Angaben  des  Herrn  Kollmann  in  München 
gefertigt,  am  27.  Dezember  1877  an  denselben 
mit  einem  Begleitschreiben  meiner  Hand  ab- 
geSandt  worden  und  von  ihm  mit  grossem  Danke 
entgegengenommen  worden  ist.  Dasselbe  lautet: 

„Henricum  Schliemannum 

Virum  et  ingenii  sollertia  et  animi  fervoro  prae- 

cessentem,  qui  sedibus 


Priami  et  Agamemnonis 
post  longam  multorum  saeculorum  oblivionem 
in  darum  lucem  protractis  de  antiquitatibus 
gentis  graecao  et  carminibus  Homeri  ree  t ins 
cognoscendis  opthne  meruit,  Societas  anthropo- 
logica  Germanorum  Constantii  die  VIII  ca).  Oct. 
A.  MDCCCLXXVII 

sociutn  honoris  causa 

nuncupavit,  cujus  rei  in  testimonium  hoc  di- 
ploraa  nominibus  praesidum  subscribi  jussit. 

Bonnae,  Berolini,  Stuttgarti,  Monacbii 
Idibus  Nov.  A.  MDCCCLXXVII 

Scbaaflliausen,  Vircbow,  Fraas, 
Kollmann,  Weuunum.“ 

Ich  hatte  in  meinem  Schreiben  bemerkt : 
„Ihre  großartigen  Entdeckungen  haben  der 
archäologischen  Forschung  für  lange  Zeit  einen 
überaus  reichen  Stoff  geliefert,  dessen  Bedeutung 
darin  gefunden  werden  muss,  dass  wir  dadurch 
mit  Kunstbestrebuugen  bekannt  wurden,  die  der 
Blüthe  der  griechischen  Kunst  vorausgegangen 
sind  und  auf  eiue  Cultur  hinweisen,  die  einst 
viele  später  getrennte  Völker  gemeinsam  um- 
schloss. Für  die  Kenntniss  des  Alterthums  ist 
eine  ganz  neue  Periode  gewonnen,  die  mit  jener 
Zeit  Fühlung  hat,  welche  wir  die  prähistorische 
nennen.  Darum  ist  unsere  Gesellschaft  Ihrer 
Schatzgräberarbeit  mit  so  grosser  Aufmerksam- 
keit gefolgt  und  wünscht  Ihren  fortgesetzten 
Arbeiten  stets  neues  Gelingen.“ 

Schliemann  sagte  in  seiner  Antwort : 

„ Es  freut  mich  ungemein , dass  meine 
Arbeiten  in  Troja  und  Mykenae  mir  diese 
hohe  Ehre  verschafft  haben  und  werde  ich 
bemüht  sein,  mich  auch  in  meinen  ferneren 
Explorationen  derselben  würdig  zu  zeigen.  Un- 
möglich hätte  meine  Liebe  für  Forschungen 
einen  stärkeren  Anreiz  erhalten  können  , als 
durch  die  mir  von  der  deutschen  anthropo- 
logischen Gesellschaft  durch  Ertheilung  eines 
solchen  Ehrendiploms  gezeigte  hohe  Anerken- 
nung.“ 

Herr  Schaatf hausen.  (Der  Neauderthaler 
Fund.)  Nun  erlaube  ich  mir  Ihnen  noch  den  kleinen 
wissenschaftlichen  Vortrag  zu  halten  über  den 
Neandertlialcr  Fund,  den  ich  bereits  angemeldet 
habe.  Da  ich  schon  so  lange  das  Wort  habe,  so 
versichere  ich  im  voraus,  dass  ich  Ihre  Aufmerk- 
samkeit nicht  allzulang  in  Anspruch  nehmen  will. 
Ich  habe  geglaubt,  den  Wunsch  sehr  vieler  hier 


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117 


anwesender  Anthropologen  zu  erfüllen,  wenn  ich 
Ihnen  den  merkwürdigsten  prähistorischen  Fund, 
den  nach  meiner  Ansicht  unsere  Wissenschaft 
nufznweisen  hat,  in  natura  hier  vorzeigte.  Es 
sind  die  Neanderthaler  Men  sehen  roste,  die  bereits 
vor  20  Jahren  in  einer  Höhle  des  Dtisselthales 
bei  Elberfeld  gefunden  sind.  Der  Fund  ist  so 
viel  beschrieben  und  besprochen , dass  eine  ganze 
Literatur  darüber  vorhanden  ist.  Ich  batte  im  ersten 
Jahre  nach  der  Auffindung  eine  kurze  Beschreib- 
ung der  Knochen  in  Müllers  Archiv  1858  gege- 
ben; dadurch  wurde  die  Bache  bekannt.  Fuhlrott 
hatte  mir  den  Fund  fast  ein  Jahr  Inng  anver- 
trant. Ich  sprach  bei  verschiedenen  Anlässen 
darüber.  Charles  Lyell,  Rctzius,  Lucae, 
v.  Baer  und  viole  der  angesehensten  Fachgenossen 
sahen  ihn  bei  mir  in  Bonn.  Es  hat  fast  jeder 
prähistorische  Forscher  jetzt  seine  Ansicht  da- 
rüber geäussert  und  ich  kann  eine  monographische 
Arbeit,  die  ich  seit  Jahren  begonnen,  nun  um  so 
leichter  zum  Abschluss  bringen , da  nach  dem 
Tode  des  Besitzers  auf  meine  Veranlassung  diese 
merkwürdigen  im  Rheinlande  gefundenen  Reste 
für  das  Provinzial- Museum  in  Bonn  angekauft 
worden  sind.  Es  war  höchste  Zeit  diesen  Kauf 
schnell  zu  vollziehen,  weil  durch  Huxley  schon 
ein  hohes  Gebot  darauf  gemacht  war;  so  ist  der 
Fund  uns  erhalten  geblieben.  Ich  werde  nicht 
in’s  Detail  eingehen,  aber  einige  Punkte  berühren, 
die  bisher  weniger  zur  Sprache  gekommen 
sind.  Sie  sehen  hier  die  flache  Hirnschale  mit 
ihren  vorgeschobenen  Stirnwulsten ; wir  müssen 
bedauern,  dass  von  dem  Schädel  kein  Gesichts- 
theil  vorhanden  ist,  aber  die  Schfldeldecko  ist  so 
eigenthümlich,  die  Bildung  im  vorderen  Theile 
der  Stirngegend  durch  den  wie  ein  Dach  vortre- 
tenden obern  AugenhÖhleurnnd  so  affenartig,  wie 
sie  niemals  bei  einem  anderen  lebenden  oder  fos- 
silen Menschen  gesehen  worden  ist.  Sie  können 
sich  denken , dass  man  sich  bemüht  hat , in 
20  Jahren  etwas  Gleiches  diesem  Funde  an  die  Seite 
stellen  zu  können.  Man  hat  wohl  in  der  Richt- 
ung dieser  Bildung  Aehnliehes  an  Schädeln  roher 
Wilden  oder  an  prähistorischen  Resten  gesehen; 
aber  ein  so  kolossal  entwickelter  Stirn  wulst,  den 
man  unzweifelhaft  als  eine  anthropoide  Bildung 
bezeichnen  darf,  ist  nirgend  sonst  geseheu  wor- 
den. Ich  habe  einen  weiblichen  Gorillaschädel, 
der  keine  Gräte  hat,  der  aber  sofort  durch  seine 
Kleinheit  im  Vergleiche  zu  dem  menschlichen 
Schädel  als  Affe  sich  kund  gibt,  in  der  Höhe 
abschneiden  lassen,  in  welcher  die  Neanderthaler 
Hirnschale  erkalten  ist,  um  die  Aehnlichkeit  des 
Typus  recht  augenscheinlich  zu  machen.  Der 
Unterschied  ist  in  Bezug  auf  den  Vorsprung  der 


Stirngegend  und  in  Bezug  auf  die  allgemeine 
Form  hauptsächlich  nur  einer  der  Grösse.  Ge- 
wöhnlich hat  man  eingeworfen , dass  der  obere 
Augenhöhlenrand  bei  den  Anthropoiden  eine  so- 
lide Knochenmasse  sei,  während  er  beim  Nean- 
derthaler  durch  die  gewaltigen  Stirnhöhlen  ver- 
grössert  ist,  aber  das  ist  durchaus  falsch.  Ich 
habe  noch  vor  Kurzem  einen  Gorillaschädel  in 
Leipzig  gosehen,  der  zufällig  an  dieser  Stelle 
verletzt  war,  und  viel  grössere  Stirnhöhlen  zeigte, 
als  jener  sie  hat.  Bei  diesem  Gorilla  ist  nach 
Leuckart’s  Messung  der  kubische  Inhalt  beider 
~ 50  Cubikcentim.,  beim  Neanderthaler  nur  16. 
Es  ist  also  sicher,  dass  die  Bildung  des  Stirn- 
wulstes bei  den  Affen  auch  mit  den  Stirnhöhlen 
zusammenhängt,  welche  im  Alter  grösser  werden. 
Dass  der  Neanderthaler  Mann  alt  war,  geht  auch 
aus  underen  Beobachtungen  hervor.  Es  ist  also 
darin  keinesfalls  eine  typische  Verschiedenheit  der 
Bildung  dieses  Menschen  von  der  des  Affen  vor- 
handen. Man  könnte  wohl  fragen,  ob  der  Schädel 
vielleicht  ein  weiblicher  sei.  Der  weibliche  An- 
thropoiden - Schädel  ist  dem  Menschen  ähnlicher, 
weil  er  oben  glatt  ist,  während  der  männliche 
einen  hohen  Knochenkamm  auf  dem  Scheitel  be- 
sitzt , der  die  Fläche  zur  Anheftung  der  gewal- 
tigen Kaumuskeln  vergrössert.  Der  Mangel  des 
Kammes  beim  Affen weibe  erklärt  sich  aus  der 
geringeren  Muskelentwicklung.  Der  weibliche  Go- 
rilla hat  aber  doch  hinten  eine  starke  Querleiste 
zur  Anheftung  der  Nnckenmuskeln , und  das  ist 
eine  Bildung,  die  man  bei  den  Schädeln  der  Wil- 
den nicht  selten  findet.  Diese  Leiste  ist  auch  am 
Neanderthaler  als  ein  rundlicher  Wulst  vorhanden. 
Doch  gibt  es  Schädel  wilder  Rassen,  die  am  Hinter- 
haupte durch  eine  Schnippe  oder  einen  Knochen- 
stachel scheinbar  noch  thierischer  gebildet  sind,  als 
dies  bei  dem  Neanderthaler  der  Fall  ist.  Am 
Affenschädel  ist  aber  eine  solche  spina  nie  vorhan- 
den. Der  Neanderthaler  Schädel  kann  aber  nicht 
weiblich  sein,  einmal  weil  eine  solche  Entwick- 
lung der  Stirnhöhlen  schon  gegen  das  weibliche 
Geschlecht  spricht  und  dann  weil  die  übrigen 
Knochen  einen  männlichen  Typus  haben.  Vom 
Becken  ist  nur  eiu  Stück  vorhanden  nnd  wir 
können  den  Winkel , den  die  ossa  pubis  bilden, 
nicht  zur  Bestimmung  des  Geschlechts  benutzen; 
aber,  worauf  Lenhossek  mich  aufmerksam  machte, 
es  gibt  einen  kleinen  Knochen  am  menschlichen 
Skelet,  der  einen  sehr  entschiedenen  Geschlechts- 
Unterschied  zeigt.  Zwar  gibt  es,  wie  in  allen 
diesen  Dingen  einzelne  Ausnahmen,  im  Allgemeinen 
ist  aber  der  Satz  richtig,  dass  das  Schlüsselbein 
beim  Manne  weit  stärker  gekrümmt  ist,  als  beim 
Weibe,  was  mit  der  eigenthümlichen  Form  des 

6* 


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118 


Thorax  beider  Geschlechter,  mit  dem  im  oberen 
Theile  mehr  vorgewölbten  Brustkörbe  des  Mannes 
Zusammenhang! ; hier  gebt  das  Schlüsselbein  von 
der  Schulter  mit  einer  stärkeren  Krümmung  nach 
dem  Brustbeine.  Das  Schlüsselbein  des  Neon- 
derthalers  ist  stark  gekrümmt.  Das  Fehlen  eines 
Scbeitelkammes  an  der  Neanderthaler  Hirnschale 
ist  eben  ein  Beweis,  dass  wir  einen  Menschen 
vor  uns  haben,  uud  besonders  erkennen  wir  auch 
das  Menschliche  an  der  Capacitilt  derselben,  an 
der  Grösse  des  Gehirnes.  Hier  an  diesem  Schä- 
delausguss  erkennen  Sie  das  Hirn  eines  Wilden. 
Man  sieht  hier  und  da  die  stark  vorspringenden 
einzelnen  Windungen  der  Hemisphären , was  auf 
eine  geringere  Zahl  derselben  deutet ; bekannt- 
lich ist  aber  der  höhere  Grad  der  Faltung  des 
Gehirnes,  der  sich  in  zahlreicheren  Windungen 
ausspriebt,  neben  der  Grösse  des  Organs  das  cha- 
rakteristische Merkmal  des  Menschen  und  der 
wichtigste  Unterschied  zwischen  Mensch  und  Thier. 
Ecker,  der  ein  so  genauer  Kenner  der  Hirn- 
windungen ist,  hat  mir  versprochen,  den  Nean- 
dertbaler  Schttdelausguss  einer  genauen  Unter- 
suchung zu  unterwerfen  und  die  sichtbaren  ein- 
zelneu Windungen  zu  bezeichnen ; er  ist  aber  mit 
dieser  Arbeit  noch  nicht  fertig  geworden,  so  dass 
ich  Ihnen  seine  Ansicht  nicht  mittheilen  kaum 
Ich  habe  auch  Herrn  Prof.  Pansch  um  sein 
Urtheil  über  dieses  Hirn  gebeten.  Eine  Eigeu- 
thüuilichkeit , die  ich  bei  verschiedenen  Gehirnen 
niederer  Rasse  wie  bei  denen  des  Australiers  uud 
Negers  zuweilen  gefunden  habe,  ist  eine  Einschuß  rung 
des  Gehirns  vor  der  Kranznaht;  sie  kommt  auch 
bei  den  Anthropoiden  vor.  Diese  hat.  der  Ncan- 
derthaler  Schfidelausguss.  Ich  will  nun  noch 
einige  Bemerkungen  über  die  Knochen  des  Skelots 
machen.  An  diesen  kräftigen  Oberschenkelbeinen 
ist  es  auffallend,  dass  die  linea  aspera , die  dem 
Ansätze  der  Hauptmuskeln  dient,,  die  bei  der 
aufrechten  Stellung  des  Körpers  thätig  sind,  sehr 
schwach  entwickelt  ist.  Betrachten  Sie  ein  An- 
thropoidenfemur,  so  fehlt  ihm  auch  die  linea 
aspera  fast  vollständig.  Dann  steht  bei  dem 
Neandertbaler  Femur  der  Kopf  ausserordentlich 
tief,  nicht  viel  höher,  wie  der  grosse  Trochanter. 
Das  ist  eine  Eigenschaft,  die  freilich  auch  an 
Knochen  vorkommt,  welche  weich  sind,  wie  die 
rhachitischen,  welche  dem  Drucke  des  Körpers  nach- 
geben.  Nach  den  Beobachtungen,  die  Virchow 
an  diesen  Kesten  gemacht  hat,  sollen  Merkmale 
dieser  Krankheit  sowohl  am  Schädel  als  an  den 
Knochen  vorhanden  sein.  Ich  nehme  sie  aber 
nicht  in  dem  Maasse  an,  wie  Virchow  es  gotban 
hat.  Die  tiefe  Stellung  des  Caput  femoris  kommt 
auch  bei  niederen  Rassen  vor,  so  z.  B.  beim  Bo- 


tolruden  des  Berliner  anatomischen  Museums; 
sie  ist  ganz  charakteristisch  für  das  Femur 
der  Anthropoiden.  Weil  die  Femora  ungemein 
kräftig  sind,  darum  ist  die  schwache  Entwick- 
lung der  linea  aspera,  also  die  Bildung  in  der 
Richtung  des  Anthropoidenskelets  um  so  bezeich- 
nender. Diese  Knochen  sind  auch  stark  gekrümmt. 
Es  hat  manche  Forscher  gegeben,  welche  für  alle 
niederem  Rassen  zumal  den  Neger  stark  gekrümmte 
Femora  angenommen  haben  ; das  ist  nicht  richtig, 
namentlich  am  Negerskelet  ist  der  Oberschenkel 
oft  so  gerado  wie  bei  dem  Europäer,  aber  stark 
gekrümmt  ist  allerdings  das  Oberschenkelbein  der 
höhere  Affe«,  des  Gorilla  wie  des  Orang-Utan.  Diese 
Krümmung  der  Femora  war  es,  welche  dem  Prof. 
Mayer,  dem  früheren  Anatomen  von  Bon u,  den 
sonderbaren  Gedanken  eingab,  — er  hatte  vor- 
her den  SchüdelabgU8S  des  Neanderthalers  mit 
der  Aufschrift:  „Palaeauder“  versehen  — ein 
Mensch  mit  so  krummen  Beinen  müsse  einem 
Reiter volke  angehört  haben,  und  er  liess  es  wirk- 
lich drucken,  dass  wahrscheinlich  1814  ein  Kosak 
im  letzten  Kriege  der  Alliirten  gegen  Frankreich 
mit  den  russischen  Reitern  unter  T Sehern  it  sch  eff 
an  den  Rhein  gekommen  und  in  dieser  Gegend 
zu  Grunde  gegangen  sei ! Eine  höchst  spassbafte 
Ansicht,  die  einer  Zurechtweisung  durch  Huxley 
kaum  werth  war. 

Gegen  das  hoho  Alter  dieser  Reste  könnte 
man  geltend  machen , dass  zugleich  mit  diesen 
Knochen  keine  fossilen  Thierknochen  gefunden  wor- 
den seien;  dieses  war  aber  desshalb  nicht  der  Fall, 
weil  in  der  Höhle  eine  so  hroite  Spalte,  die  diese 
Knochen  von  oben  hätte  hcrahführen  können,  gar 
nicht  vorhanden  war.  Die  Beschreibung  und  Ab- 
bildung Lyells  von  dieser  Höhle  ist  durchaus 
falsch;  nie  hat  ein  anderer  Ausgang  der  Spalte 
noch  oben  dort  bestanden,  als  einzelne  Risse  im 
Gesteine,  durch  die  wohl  Schlamm,  aber  keine 
Thierknochen  herabkommen  konnten. 

Wie  das  erste  Verhör  der  Arbeiter  ergab, 
lagen  alle  Knochen  im  Boden  der  Höhle  so  ge- 
ordnet, als  wenn  hier  ein  Todter  begraben  wor- 
den , oder  ein  Mensch  einsam  gestorben  wäre. 
Zuerst  fand  man  die  Armknochen,  dann  die 
Sehenkolknochen  in  der  Richtung  dieser  Theile 
am  Skelet.  Wo  ist  der  Kopf,  fragte  man ; der 
musste  zuförderst  gelegen  haben,  man  suchte  und 
es  zeigte  sich  in  der  That,  dass  er  bereits  mit  dem 
Schutte  in's  Thal  hinabgefallen  war,  wo  nnui  noch 
die  Hirnschale  fand.  Die  Lage  des  Menschen  im 
Boden  der  Hohle  mit  dem  Kopfe  nach  dem  Aus* 
gang  der  Höhle  ist  ganz  unzweifelhaft.  Er  kann 
von  aussen  in  die  Höhle  gelangt  sein,  und  ist 
entweder  darin  gestorben  oder  bestattet  worden; 


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119 


letzteres  ist  unwahrscheinlich,  weil  sich  in  der  ! 
Erde,  die  das  Skelet  umgab , keine  Spur  davon 
fand,  dass  der  Boden  schon  einmal  aufgeräumt 
gewesen  wäre.  Ich  habe  schon  einmal  bemerkt, 
dass  das  Fehlen  fossiler  Reste  solcher  Thiero,  i 
die  mit  diesem  Menschen  der  Vorzeit  doch  sicher-  | 
.lieh  gelebt  haben,  sich  wohl  erklären  lässt.  Man  j 
hat  nun  aber  später  in  ganz  ähnlichen  Spalten  des 
Gesteins  in  geringer  Entfernung  im  Thale  Kno-  I 
chen  des  Höhlenbären  und  der  Hyäne  gefunden, 
die  nicht  nur  äusserlich  ebenso  gefärbt  und  mit  j 
denselben  moosartigen  sch  war/.en  Dendriten  versehen  ! 
sind,  wie  die  Neanderthaler  Reste,  sondern  auch 
nach  ihrer  chemischen  Zusammensetzung  und  in  1 
ihrem  mikroskopischen  Verhalten  sich  ebenso  ver-  \ 
hielten.  Knochen  derselben  Lagerstätte,  die  in  | 
ihrer  inneren  wie  äusseren  Beschaffenheit  üher- 
einstimmen,  dürfen  aber  für  gleichalterig  gehalten  i 
werden. 

Es  haben  die  Knochen  des  Arms  einer  Seite 
eine  eigentümliche  Verletzung;  das  obere  Gelenk- 
ende des  Ellenbogenbeins  ist  wie  das  entsprechende 
am  unteren  Theile  des  Oberarms  durch  Exostosen 
verändert,  der.  Ellenhogenknorren  weicht  in  seiner 
Richtung  nach  unten  ab.  Man  erkennt,  dass  eine 
Hinderung  der  vollständigen  Beugung  des  Arms  im 
Ellenbogengelenk  stattgefunden  hat;  derselbe  konnte 
nur  bis  zum  rechten  Winkel  gegen  den  Vorder- 
arm gebeugt  werden ; eine  Folge  der  grösseren 
Unbeweglichkeit  dieser  Gliedmasse  ist  die  gerin-  1 
gere  Grösse  dieser  Knochen,  wie  sich  das  sehr  j 
häufig  in  ähnlichen  Fällen  beobachten  lässt,  i 
Diese  Missbildung  kann  Folge  einer  traumatischen  1 
Gelenkentzündung  sein.  Das  Verhältnis»  des  Hu- 
merus zum  Radius  = 100  : 76,6  ist  das  des 
Negers  ; in  der  Länge  des  Femur  im  Verhältniss 
zum  Humerus  ist  die  Echt  menschliche  Bildung 
erkennbar.  Auch  ist  das  Ohorarmbein  nicht 
durchbohrt. 

Was  das  Becken  angeht , so  lässt  sich  von 
dem  Beckenstück  nicht  viel  sagen ; ich  habe  es 
verglichen  mit  dem  Beckeu  niederer  Rassen.  Es 
sind  manche  Merkmale  vorhanden,  die  es  der 
niedere  Bildung  annähern , so  die  ausserordent- 
lich gerade  Richtung  der  linea  arcuata,  woraus 
man  auf  ein  enges  Becken  schliessen  kann,  und 
gerade  die  Enge  der  oberen  Beckenöffnung  ist 
bezeichnend  für  das  Becken  tief  stehender  Rassen, 
dessen  Thierähnlichkeit  zuerst.  Vrolik  hervorge- 
hoben hat  und  neuere  Forscher  wie  Fritsch, 
Hennig  u.  A.  bestätigten.  Auch  ist  der  untere 
Theil  eigentümlich  gebildet,  er  ist  schmäler  und 
länger,  als  es  bei  einem  normalen,  gut  gebildeten 
Becken  der  Fall  ist.  Auch  die  Fläche,  die  zum 
Ansätze  des  os  sacrum  dient,  lässt  erkennen, 


dass  dieses  weniger  zurückwich  als  beim  Euro- 
päer, was  Zaaijer  auch  an  dom  Becken  der 
Javanerin  abbildet.  Ich  gehe  zu,  dass  die  Bil- 
dung das  Darmbeins  an  manchen  niederen  Ras- 
senbecken kleiner  und  affenähnlicher  ist  wie  an 
diesem.  Es  fehlt  diesem  Becken  aber  doch  wie- 
der eine  Eigentümlichkeit,  nicht,  die  von  den 
Anatomen,  die  dos  Becken  niederer  Rassen  be- 
schrieben. hervorgehoben  wird,  es  ist  der  Mangel 
der  durchscheinenden  Stelle  in  der  Mitte  des 
Darmbeins.  Sie  ist  auch  hier  nicht  vorhanden, 
der  Knochen  ist  durchaus  dick.  Unzweifelhaft 
also  gibt,  es  eine  Reihe  von  solchen  Merkmalen, 
die  eine  tiefere  Organisation  bezeichnen,  und  die 
am  Skelet  die  Deutung  dieses  prähistorischen 
Men8cbenrestes  bestätigen,  welche  man  aus  der 
Betrachtung  der  Hirnschale  allein  schon  folgern 
musste. 

Ich  habe  bei  Gelegenheit  der  Naturforscher 
Versammlung  in  Giessen  im  Jahre  1864  schon 
die  meisten  der  jetzt  besprochenen  Verhältnisse 
der  Gliedmassenknochen  geschildert,  worüber  aber 
nur  ein  kurzer  Bericht  in  den  Verhandlungen 
mitgetbeilt  worden  ist. 

Eines  will  ich  noch  erwähnen,  weil  ich  es  nicht 
für  unwichtig  halte.  Wenn  man  den  menschlichen 
Oberschenkelknochen  von  vorn  betrachtet,  so  sieht 
man  an  dem  Knorpelrand  der  Kugel  des  Caput 
femoris,  dass  bei  einem  wohlgebildeten  Skelet  der 
Schenkelkopf  gleichsam  unter  die  Pfanne  gestellt 
ist  und  der  Knorpelrand  mit  der  Horizontalebene 
einen  Winkel  von  20  - 30'*  bildet.  Bei  den  An- 
thropoiden ist  der  Kopf  nicht  so  vollständig  unter 
die  Pfanne  gestellt , sondern  mehr  von  aussen 
eingelenkt ; seine  Axe  ist  weniger  aufgerichtet, 
sondern  mehr  liegend.  Bei  dem  Affen  bleiben 
beim  Geben  die  Beine  auch  mehr  auseinander- 
gestellt. Die  Linie  des  Knorpelrandes  bildet  mit 
der  Horizontalebene  einen  Winkel  von  etwa  65°. 
Dies»  ist  ein  charakteristischer  Unterschied  in 
der  Befestigung  der  unteren  Gliedmasse  am 
Rumpfe  bei  Mensch  und  Thier.  Es  ist  an  dem 
Neanderthaler  Menschen  in  dieser  Beziehung  ganz 
entschieden  eine  von  der  normalen  abweichende 
Bildung  vorhanden,  welche  sich  der  des  Tbieres 
nähert.  Es  beträgt  an  demselben  jener  Winkel  bei 
senkrecht  gestelltem  Femur  60°.  Auch  weicht 
die  Axe  des  Caput  femoris  hier  viel  weniger  von 
der  Queraxe  des  unteren  Gelenkstückes  nach  vorne 
ab  als  beim  Europäer,  nur  etwas  mehr  als  beim 
Gorilla.  Beim  Europäer  ist  der  Winkel  35 ft,  beim 
Neanderthaler  15°,  beim  Gorilla  10°. 

Ich  habe  vielleicht  Manches  nicht  gesagt,  was 
ich  noch  habe  sagen  wollen,  aber  genug,  um 
meine  Deutung  dieser  Menschenreste  klar  zu  stellen 


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120 


auf  Grund  vorhandener  Thatsachen.  Diejenigen 
Herren,  welche  die  Sachen  iu  der  Nähe  sich 
nnsehen  wollen,  bitte  ich,  sich  hierher  zu  bemühen. 

(Die  ausgelegten  Fundstttcke  wurden  von  den 
Anwesenden  mit  grossem  Interesse  betrachtet.) 

Herr  Mohlis:  (Ausgrabungen  auf 

der  Limburg.)  Wenn  ich  mir  erlaube,  das  ! 
Wort  zu  ergreifen,  so  geschieht  es  nicht  nur  dess-  j 
halb,  weil  ich  glaube,  einige  neue  Beiträge  zur  ! 
Archäologie  herbeizubringen,  sondern  vor  Allem 
deshalb,  weil  ich  in  der  Lage  bin,  Ihnen  einen 
kurzen  Bericht  zu  geben  über  die  Verwendung 
der  Gelder,  welche  der  Ausschuss  die  Güte  ge-  ! 
habt  hat,  dem  Vereine  in  Dürkheim  zur  Verfügung 
zu  stellen. 

Was  zuerst  die  Oertliclikeit  betrifft,  wo  die 
Ausgrabungen  stattfunden,  welche  im  vorigen  Jahre 
begannen,  so  war  Limburg  an  der  Isenach 
bis  jetzt  in  historischer  Beziehung  bereits  wohl 
bekannt.  Es  ist  der  Punkt,  der  in  Verbindung  I 
mit  pfälzischen  Gauen  in  der  nachkarolingischen 
Zeit  unter  der  Herrschaft  der  salischeo  Grafen  1 
stand,  welche  Aufungs  des  11,  Jahrhunderts  als 
Salier  den  Thron  der  deutschen  Könige  bestiegen. 
Es  ist  die  Stelle,  von  der  die  Kaiser  Konrad  II., 
Heinrich  III.  und  IV.  abstammen.  Mitte  des 
11.  und  12.  Jahrhunderts  wandelte  Konrad  II.  die 
frtthero  Burg  „Lymperg“  in  eine  Abtei  um,  welches 
den  Namen  erhielt  „zum  hl.  Kreuz.“  Die  Reste 
dieses  Klosters  sehen  Sie  hier  (mit  Hinweis  auf 
einen  angefertigten  Plan)  an  dieser  Stelle  noch 
erhalten.  Unmittelbar  nun  unterhalb  dieser  hi- 
storischen Stätte  wurde  in  jüngster  Zeit  eine 
prähistorische  Stelle  entdeckt.  Im  Laufe  der 
letzten  Jahre  fand  man  auf  einem  Abhänge,  der 
nach  Nordwosten  sich  bis  zum  Isenach  erstreckt, 
eine  Reihe  keramischer  Reste,  die  entschieden 
durch  ihre  Zusammensetzung  und  ihre  ganze 
Technik  beweisen,  dass  sie  der  prähistorischen 
Zeit  angehören.  Ausserdem  fanden  sich  auf 
diesem  Abhänge  die  sog.  Kornquetscher,  halb- 
mondförmige Werkzeuge  aus  verschlacktem  Ba- 
salt, welche  nach  der  gewöhnlichen  Annahme  als 
Intrumente  zum  Zerquetschen  des  Getreides  in 
prähistorischer  Zeit  und  herein  bis  in  die  römische 
Periode  dienten  ; ausserdem  wurden  an  verschiede- 
nen Stellen  dieses  Abhanges  Bronzen  von  rohem 
Gusse  gefunden,  von  denen  einige  Ihnen  zur  An- 
sicht hier  vorliegen.  Nachdem  die  Aufmerksam- 
keit der  pfälzischen  Anthropologen  auf  diese  Stelle 
gerichtet  war,  brachten  im  Verlaufe  des  vorigen 
Jahres  Ackerleute  den  Mitgliedern  des  Dürkheirtfer 
Vereines  die  Nachricht,  das3  sie  auf  einen  in  den 
Boden  getriebenen  ziemlich  tiefen  und  wie  es  schien 


künstlich  hergestellten  Schacht  gestossen  wären, 
der  durch  diese  schwarze  Linie  hier  angedeutet 
ist.  Wio  die  nähere  Untersuchung  zeigte,  war 
es  nicht  nur  ein  Schacht,  sondern  deren  zwei, 
welcho  in  einer  Entfernung  von  5 Metern  in 
ziemlich  vertikaler  Richtung  in  den  Boden  hinab- 
gingen.  Jeder  Schacht  mass  im  Quadrat  circa . 

Meter.  Zur  Untersuchung  dieser  auffallenden 
Thntsache,  dass  ziemlich  weit  ausserhalb  der 
Ruinen  diese  Schachte  unbekannten  Zweckes  hinab- 
gingon,  beschlossen  wir  zu  Dürkheim  einen  zweiten 
künstlichen  Schacht  von  2 Metern  im  Geviert 
in  den  Boden  einzutreiben.  Dieser  künstliche 
Schacht  — er  ist  hier  angedeutet  — wurde  bis 
in  eine  Tiefe  von  8 Meiern  auf  dem  Natur- 
boden verfolgt,  und  es  ergaben  sich  an  4 Stellen 
deutlicho  Spuren  von  Brandstellen  und  Cultur- 
schichten. 

Die  erste  Brandstelle  fand  sich  in  einer  Tiefe 
von  3,20  Meter,  die  zweite  in  einer  solchen  von 
3,50  Meter,  die  dritte  in  einer  von  5,60  Meter 
die  vierte  in  einer  von  6,50  Meter.  Die  Brand- 
stellen ergaben  ausser  der  zahlreich  eingestreuten 
Asche  eine  Reihe  von  ganzen  und  zerschlagenen 
Thierknochen,  die  vorzugsweise  den  Hausthieren 
angehören.  Sie  lagen  in  Verbindung  mit  verschieden 
Ornament irten  feineren  und  schönen  Topfstücken  und 
verzierten  Thon  wirt  ein,  welche  diese  beiden  Tafeln 
in  der  Hauptsache  angeben  und  von  denen  Pro- 
ben hier  vorliegen.  An  der  unteren  Stelle  er- 
gab sich  die  Thatsache , dass  ein  senkrecht  ab- 
gehender 8tollen  in  das  Innere  des  Berges  sich 
fortzog.  In  diesem  etwa  40  Centimeter  hohen 
Stollen  wurden  innerhalb  */s  Meter  hoher  soge- 
nannter Steinkisten  Reste  roher  Urnen  gefunden, 
wio  sie  diese  Tafel  hier  darstellt.  Was  überhaupt 
die  keramischen  Reste  in  dieser  ersten  Schichte  der 
Neuzeit  betrifft,  so  wurden  solche  in  der  oberen 
Schichte  an  das  Tageslicht  gezogen,  welche  offenbar 
die  Auwendung  der  Drehscheibe  zeigen;  je  weiter 
der  Schacht  in  den  Boden  gebaut  wurde,  um  so 
tiefer  der  Spaten  eindrang,  um  so  schlechter  waren 
auch  die  Gcfllsse , welche  sich  zeigten ; in  einer 
Tiefe  von  5 — 6 Meter  nahmen  die  GefÜsse  deutlich 
den  Charakter  der  Riugwallscherben  an,  welche  sich 
gegenüber  auf  der  Dürkheiiner  Ringmauer  und 
an  anderen  rheinischen  Stellen  beim  Natfhgraben 
vorgefunden  haben.  Um  nun  nachzuspüren,  wio 
weit  sich  dieser  horizontale  Gang  in  den  Boden 
erstrecke,  wurde,  nachdem  der  Stollen  zusammen- 
gefallen war,  woran  nachrutschende  Steine  Schuld 
trugen,  in  südöstlicher  Lage  — hier  auf  dem 
Plane  — ein  zweiter  künstlicher  Schacht  von 
ebenfalls  2 Meter  im  Geviert  eingetrieben,  dessen 
Herstellung  die  Mittel  verschlang,  welche  die 


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121 


deutsche  anthropologische  Gesellschaft  zu  be- 
willigen die  Güte  hatte.  Dieser  Schacht  konnte 
nur  bis  eine  Tiefe  von  6 Meter  auf  den  Urboden 
getrieben  werden , so  dass  2 Meter  Differenz 
zwischen  dem  ersten  künstlichen  Schachte  und 
diesem  zweiten  auf  den  Abfall  des  Gesteins  kom- 
men. Ganz  oben  fandeu  sich  einige  Reste  aus 
dem  Mittelalter,  ein  sogenannter  kleiner  Kreuzer, 
eiue  Platte,  welche  offenbar  ihre  mittelalterliche 
Herkunft,  an  der  Stirne  trug;  allein  schon  in 
einer  Tiefe  von  1 Meter  trafen  wir  wieder  auf 
Seherbeu  der  Vorzeit,  und  zwar  trugen  sie  wie  bei 
dem  1 Schachte  in  den  oberen  Schichten  den  künst- 
lich gerundeten  Charakter,  ohne  Anwendung  von  Or- 
namentik, in  der  Tiefe  jedoch  wurden  sie  immer 
primitiver  der  Technik  nach,  aber  reicher  in  der  Or- 
namentik. In  diesem  zweiten  Schachte  aber  trafen 
wir  nur  auf  zwei  grössere  Brandstellen  und  zwar 
jede  eingefasst  oben  und  unten  von  einer  Mörtel- 
schichte ; die  erste  Brand  schichte  3 m bis  3,50  m 
Tiefe,  die  zweite  4,80 — 5,20  m Tiefe.  Die 
chemische  Untersuchung  dieser  Mörtelschichte  er- 
gab die  Zusammensetzung  aus  tertiärem  Kalke  in 
Verbindung  mit  kleinen  Kieselchen  und  mit  Thon. 
Wenn  man  nun  bis  jetzt  die  Ansicht  verfolgt 
hat,  die  Kümer  hätten  bei  den  Germanen  die 
Bereitung  des  Mörtels  eingeführt,  so  scheinen 
diese  4 Mörtellagen  entschieden  dafür  zu  sprechen, 
dass  bereits  in  vorhistorischer  Zeit 
die  rohe  Bereitung  des  Mörtels  am 
Rheine  bekannt  gewesen  sein  muss. 
Wras  nun  dio  Bedeutung  dieser  Brandstellen  be- 
trifft, 80  könnte  man  ohne  das  Auffinden  des 
Mörtels  der  Ansicht  sein , wir  hätten  einfache 
rheinische  Kjökkenmöddinger  vor  uns,  allein  die 
Auffindung  einer  im  Viereck  gestellten  Stein- 
kiste in  einer  Tiefe  von  5 Meter,  deren  Inhalt 
eine  Urne  mit  beiliegenden  Knochen  eines  Vo- 
gels aufwies , beweist , dass  ursprünglich  wahr- 
scheinlich am  ganzen  Bergabhang,  die  ganze 
Schichtung  aus  solchen  aufgestellten  Steinkisten 
bestand,  welche  in  Aschenkrügon  die  Asche  ver- 
brannter ehemaliger  Bewohner  des  Limburgerthals 
in  sich  hatte.  Dies  eine  mofivirte  Vermuthung! 

Verfolgen  wir  nun  dio  ganze  Schichtung , so 
ergibt  sich  bis  jetzt  eine  Ausdehnung  von  1 4 Metern 
Länge  und  eine  Höhe  der  einzelnen  Schichten 
von  40 — 50  Ceutimeter.  Die  Details  der  Schichten 
in  den  beiden  durch  die  Untersuchung  neu  ein- 
getriebenen Schachten  lauten : 

Ausgrabungen  auf  der  Limburg  nach  X.  W.  Im 

Juni  1877. 

I.Schacht,  2m  iraGeviert  haltend. 

2 im  Geviert  l/»m  haltende,  durch  gesetzte  Steine 
gebildete  Schachte  am  nord-westl.  Abhänge  der  Limburg, 


dessen  Plateau  schon  Unmassen  graphitgeeebwärater  Ur- 
nenreste, Wirtel  und  Keibsteine  aus  Basalt  geliefert 
batte,  gaben  Anlass,  neben  dem  nördlicheren  dieser 
Schachte  einen  künstlichen,  2 m im  □ haltenden  Schacht 
mit  Anwendung  von  Verschalung  einzutreiben.  Das  Ganze 
wurde  bergmännisch  betrieben. 

Bis  xu  7 m T i e f e fand  man  vier  durch  Steine- 
und  Sandlagen  getrennte  Brand  schichten,  welche 
nach  Schürfungen  in  3,20  m,  3,50  m,  5, GO  m Tiefeck 
alltnählig  am  Plateaurande  Auslaufen.  Die  Scherben  ent- 
sprechen oben  den  graphitgeschwärzten,  woblgeglätteten, 
dünnen  vom  Plateau,  weiter  unten  in  Masse,  Form  und 
Ornamentirung  denen  von  der  nach  N.-O.  gegenüber- 
liegenden Ringmauer.  Die  Brandachichtcn  bestehen  aus 
geäschtcr  Erde  und  zerbrochenen  Scherben,  sowie  ange- 
schwärzteu  Steinen,  jedoch  weniger  aus  Knochen.  Dia 
Schichten  scheinen , wie  ans  den  Brandstellen  des  11. 
Schachtes  hervorgeht,  nach  N.-W.  auszulaufen.  Auch 
an  anderen  Rändern  des  Plateaus,  so  im  S.-O.  liegen 
Schichten  von  veraschter  Erde,  Scherben  und  grossen 
Knochen. 

Daneben  gefunden  nach  Osten  ein  kopfabwärts  lie- 
gendes Skelett,  zerfallen;  dann  ein  Schwein  oder  Eber; 
weiter  in  der  Nabe  ein  abgebrochenes  rohes  Bronze- 
messcrclien  und  ein  Dronzering  von  rohem  Gusse. 

Aehnlichkeit  mit  den  Ringmauer fun den : 
(vgl.  darüber  Mehlis:  Studien  zur  ältesten  Geschichte 
der  Rheinlande,  2.  Abth.  1876.) 

1.  Fand  der  Reibsteine  aus  verschlacktem  Nioder- 
mendigem  Basalte. 

2.  Schichten  der  keramischen  Reste: 

a.  oben,  besser  gerundete,  grapbitgeschwärztc 
Scherben. 

b.  unten,  schlecht  gerundete;  aus  rothem  Thon 
bestehende  Scherben. 

3.  Identität  der  Ornamentation  an  den  Gcfässen, 
die  aus  Eindrücken  am  Rande,  Kreuz*  und  Quer- 
strichen, Längsstricben,  Wellenlinien  am  Rande 
besteht  und  mehr  plastischen  als  linearen 
Charakter  aufweist. 

4.  Aehnlichkeit  der  Topfform:  bauchige,  grosse, 
offene  Gefässe,  keine  geschlossenen  Urnen. 

26.  Juni  bis  8.  Juli  1878. 

II.  Schacht,  2m  im  Geviert  haltend. 

In  2 m Tiefe:  viereckiges  Loch  nach  W.-S.  mit 
graphitgeschwärzten  Scherben  and  Knochen  von  Schwein, 
Rind  etc.,  geschwärzte  Urnenreste  mit  umgebogenem 
Rande,  ein  Stück  von  einem  Rcibstcin  (Getreidequetscher) 
aus  verschlacktem  Basalte,  9 cm  hoch,  16  cm  breit,  14  cm 
lang,  dann  regelrecht,  kantig  aufg^chlagene  Knochen. 
Die  Sandsteine  künstlich  geschichtet. 

In  2.50  in  Tiefe:  eine  Mö rtel schieb t aus  Ter- 
tiärkalk und  kleinen  Kieseln.  Scherben,  2 Stücksteine 
von  Reibsteinen  und  ein  kegelförmiger,  aus  feinem, 
weissein  Sandsteine  bestehender  Quetscher  voo  14cm 
Dicke  und  8 cm  Höhe,  unten  abgerieben.  Harter  Basalt 
Unterlage,  weicher  Sandstein  Reiber. 

In  3 m Tiefe:  eine  Braudschicht,  welche  aus 
Kohle,  veraschtem  Sande,  Knochen,  Scherben,  Steinen 
mit  Brandspuren  besteht.  Nach  Norden  Dicke  der  Schicht 
25—80  cm,  nach  Süden  45—60  cm.  Die  Knochen  voo 
Eber  and  Hirsch  nach  Zähnen  und  Kinnlade  zu  schließen. 

In  3,50  m.  Tiefe:  Neue  Mörtel  schiebt,  be- 
stehend aus  Tertiärkalk  und  Sand,  so  dass  die' Brand- 
stelle von  zwei  Mörtelschichten  ein  geschlossen  ist.  Unter 


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der  Mörtelschicht  wied»?r  gelagert  Steine,  Knochen  und  I 
Scherben,  darunter  wieder  2 Stücke  ton  Reibsteineri  aus 
Basalt  (Niedermendig).  Dicke  der  MÖrteUchichte 
4,5  — 5 cm. 

In  4,30  m Tiefe:  grosse  Steine,  wenig  Sand,  in 
fünf  40  — 50  cm  im  Gevierte  gestellt«  Steine  einge- 
schlossen eine  Urne,  welche  mit  Strichen  gewebenrtig 
ornamentirt  ist,  mit  Knochen  ron  einem  Vogel,  am 
Boden  schwarze  Erde.  (Aehnlichkeit  mit  den  Gräbern 
von  Eisenberg  - Ramsen.  Steinsetxung!)  Solche  Stein- 
setzungen sind  wahrscheinlich  ursprünglich  häutiger  ge- 
wesen und,  wie  die  grossen  Steinbrocken,  Asche,  Knochen 
und  Scherben  beweisen,  zusammengefallen. 

In  4,50  m Tiefe:  Scherben,  dicke  aufgehauene 
Knochen,  Reibsteine,  Sand,  Steine  lagerhaft;  geht  so 
fort  bis  4, HO  m. 

In  4,80  tn  bis  5,20  in  Tiefe:  zweite  Brand- 
sehicht;  30— 40  cm  Dicke  enthält  mehr  Scherben  als 
Knochen ; Kohle,  veraschte  Erde,  ein  grosser  Thon- 
wirtel. 

In  5,20  m bis  Gm  Tiefe:  Steinlager  mit  Scherben 
und  Knochen,  die  zum  Tbeil  angebrannt  sind.  5,60  m 
bis  5,80  m rother  Sand  mit  Steinen.  Scherben  und 
Knochen  dazwischen. 

In  Gm  Tiefe:  natürlicher  Fe lae ugrun d. 

Es  wäre  interessant,  nach  Südosten  weiter 
gehende  Spuren  der  Schichten  nachweisen  zu 
können  und  zu  verfolgen , um  zugleich  zu  be- 
weisen. wie  weit  sich  der  Stollen  in  die  Länge 
ausgedehnt  hat. 

Was  nun  den  Charakter  der  Scherben 
betrifft,  so  weist  derselbe  in  Beziehung  gebracht  zu 
anderen  keramischen  Kesten  vom  Rhein  und  dem 
westlichen  Deutschland  entschieden  auf  einen  Typus, 
der  bedeutend  abweicht  von  dem  von  Herrn 
Virchow  sogenannten  Burgwall-Typus  des  öst- 
lichen Deutschland.  Während  dieser  in  geome- 
trischen Zeichnungen  besteht,  welche  in  horizontaler 
Richtung  das  Gefäss  umgeben  und  abwechselnd 
Wellenlinien  und  Maeander,  Wolfszuhn Ornament  und 
Puuktreiben  (Stempeleindrücke)  aufweist,  trägt  jener 
einen  mehr  plastischen  Charakter.  Es  sind,  wie  sio 
hier  an  den  Tafeln  am  besten  wahrn ohmen  kön- 
nen, eine  Reihe  von  vertieften  Ornamenten  vor- 
zugsweise am  Rande  eingeprägt,  so  dass,  wenn 
man  die  verschiedenen  Reste  der  keramischen  Or- 
namentntion  aus  dem  westlichen  Deutschland  ver- 
gleicht mit  der  aus  den  Burgwällcn  des  Ostens,  dicaer 
Unterschied  sofort  iu  die  Augen  fällt.  Die  Scher- 
ben sind  ferner  zumeist  ohne  Drehscheibe  gemacht, 
während  die  von  den  Burgwällen  des  Ostens  zu 
wenigst  ohne  dieselbe  entstanden  sind.  Die 
Identität  des  Scherben , der  Quetscher  und  der 
wenigen  Bronzereste  beweist  zwingend,  dass  die  Be- 
wohner der  Limburg,  welche  hier  ihre  Todten 
verbrannten  oder  ihre  Mahlzeiten  abhielten  oder 
auch  Opfer  darbrachten,  sowie  die  Bewohner  der 
gegenüberliegenden  Ringmauer  dem  nämlichen 
Stamme  zuzuschreiben  sind. 


Wenn  nun,  um  auf  die  Ethnologie  mit  einigen 
Worten  zu  kommen,  vielfach  von  den  Kelten  oder 
Galliern  in  den  Rheinlandcn  die  Rede  ist,  so 
sind  wir  allerdings  durch  die  klassischen  Autoren 
in  die  Lage  versetzt , ihre  Anwesenheit  in  den 
Rheinlanden  auf  dem  historischen  Wege  als  be- 
wiesen erachten  zu  müssen. 

Allein  was  die  Keramik  und  Ornamentik 
der  Gefässe  betrifft,  so  zeigen  die  entschieden 
gallischen  Hügelgräber  im  inneren  Frankreich 
eine  ganz  andere  Konstruktion  der  Urnen  und 
einen  Mangel  an  Verzierungen  der  Gefässe,  welche 
sie  genau  unterscheidet  von  der  ornamentirten 
Keramik,  welche  wir  hier  längs  des  Rheins  vor- 
finden. Sowohl  mit  Rücksicht  anf  die  Nachricht 
der  Autoren , welche  vom  Cäsar  angefangen  bis 
in  das  3.  Jahrhundert  nach  Christus  die  Aukunft 
germanischer  Stämme  bereits  in  vorrömischer 
Zeit  am  Rhein  verbürgen  und  deren  Anfänge 
mindestens  in  das  1.  Jahrhundert  vor  Christus 
setzen  (vgl.  darüber  Mehlis:  Studien  zur  ältesten 
Geschichte  der  RLeinlande,  I.  Abth.  1875),  als 
[ auch  mit  Rücksicht  auf  die  Ornamcntationsweise, 
welche  sich  im  ganzon  südwestlichen  Deutschland 
besonders  in  den  Hügelgräben  verfolgen  lässt, 
dürften  wir  in  der  Lage  sein,  dieser  ausgesprochenen 
Ornamentik  den  germanischen  Typus  zu  vin- 
diziren.  Vielleicht  ist.  Herr  Sch  aa ffh  a us  e n in 
der  Lago,  später  auch  vom  Niederrhein  eine  ähn- 
liche Probe  germanischer  Ornamentation  beixu- 
bringen. 

Wie  ferner  die  Scbichtenlager  in  den  Schach- 
ten beweisen,  wie  die  gleichförmige  Konstruktion 
der  Gefässe  von  8 m Tiefe  bis  1 m Tiefe  an 
den  Tag  legt,  kann  ausserdem  nicht  wolil  die 
Rede  sein,  dass  hier  an  diesem  Punkte  eine  Ein- 
wanderung verschiedener  Stämme  statt  gefunden 
hat,  sondern  die  gleichmässige  Entwicklung  der 
Keramik  und  die  Lagerung  der  sonstigen  archäo- 
logischen Funde  beweisen , dass  die  hiesige  prä- 
historische Bevölkerung  entweder  Jahrhunderte 
lang  an  demselben  Platze  gehaust,  hat,  oder  dass 
dieselbe  sehr  bedeutend  an  Zahl  war.  Nur  so 
lässt  sich  das  Fehlen  einer  Reaktion  in  der  Keramik 
und  die  Aufeinanderfolge  von  Reihen  der  primi- 
tivsten Scherben  auf  solche , welche  deutlich  die 
Anwendung  der  Drehscheibe  beweisen,  ohne  dass 
die  übrigen  Kulturverhältnisse  sich  ändern , ge- 
nügend erklären. 

Noch  möchte  ich  die  geehrte  Versammlung 
aufmerksam  machen  aul  die  Technik  der  Bronze- 
actefakte, welche  hier  vorliegen  und  eine  sehr 
geringe  Kunstfertigkeit  in  der  Giessung  verrathen. 
Dieser  Ring  ist  auf  der  einen  Seite  vollständig 
gerundet , auf  der  andern  Seite  muss , wie  die 


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mangelhafte  Randung  beweist  , das  Metall  aus-  : 
gegangen  sein,  ausserdem  ist.  vom  technologischen 
Standpunkte  noch  interessant  dieses  bronzene 
Messer , welches  eine  Reihe  von  scharfrandigen 
Einschnitten  am  Griffe  zeigt.  Sollten  diese  mit 
Stahlinstrumenten  eingehunzt  worden  sein?  — Die 
Fundgegenstände  worden  vorgezeigt.  — 

M o n t e 1 i u s und  Tischler  sprechen  sich  für  I 
die  bunzung  mit  Stahl  bei  dem  Bronzemesser  aus.  I 

Herr  J.  Ranke.  (Beitrüge  zur  Kranio- 
logie  der  Bayern  und  ihrer  Nnchbnr- 
s t tt  ni  m e.  Die  Ausstrahlung»  - Centreu  der  Bra- 
chyeephalie  und  Dolichocephalie  für  Bayern.)  Bei 
der  VIII.  Versammlung  in  Konstanz  im  vorigen 
Jahre  hatte  ich  Gelegenheit,  einige  Bemerkungen 
über  die  Schädel bild ungen  der  altbayerischen  Land- 
bevölkerung zu  machen.  Es  lag  mir  damals  be- 
sonders daran,  zu  zeigen,  dass  wir  es  bei  der  un- 
gemischten alt  bayerischen  Landbevölkerung  mit 
einer  allgemeinen  sehr  hohen  Braebyeephalie  zu 
thuu  haben.  Ich  habe  mich  seit  der  Zeit  mit  i 
der  Frage  beschäftigt,  von  wo  aus  sich  diese  Bra-  I 
chycephalie  in  Bayern  vielleicht  entwickelt  haben  I 
möchte  und  zwar  stelle  ich,  ohne  auf  die  letzte  Ent-  ! 
stehungsuraache  der  verschiedenen  Schädelformen  i 
hier  eingehen  zu  wollen,  diese  Frage  iu  dem  Sinne,  j 
in  welchem  wir  gestern  von  Herrn  Virchowvon 
den  Zerstreuungscentren  der  dunkelhäutigen  und 
dunkeläugigen  Bevölkerung  und  denen  der  blonden  , 
Bevölkerung  Deutschlands  hörten : die  letztere  habe  i 
ihre  Zerstreungscentren  im  Norden,  die  ersteren  na- 
mentlich im  Stiden  in  der  Nähe  des  Gebirges. 

Die  Untersuchungen , von  denen  ich  hier 
spreche,  beziehen  sich  immer  auf  je  100  Schädel 
aus  der  Bevölkerung  eines  bestimmten  Ortes,  aus 
einem  Kirchhofe.  Ich  habe  für  diese  Statistik  als 
Maasseinheit  gerade  die  Zahl  |0()  darum  gewühlt, 
weil  diese  mathematisch  gesprochen  für  die  Berech- 
nung der  Indices  bereits  als  eine  grosseZahl  erscheint. 

Wenn  wir  die  so  gewonnenen  mittleren  In- 
dices der  Länge  und  Breite  der  Schädel  der  ver- 
schiedenen Ortschaften  vergleichen , kommen  wir 
schon  innerhalb  der  eigentlichen  altbayerischen 
Bevölkerung  zu  einer  merkwürdigen  Reihe.  Es  er- 
gibt sich,  dass  sich  die  Schädel  aus  ungemischt 
altbayerischeu  Flachlandorten,  aus  Orten  des  Vor- 
gebirge und  des  Gebirgs  in  dem  mittleren  Längen- 
Breiten-Index,  wenn  auch  nicht  viel,  doch  immer- 
hin deutlich  unterscheiden.  Gestatten  Sie  mir, 
einige  Beispiele  anzuführen.  Chammünster  und 
Altötting  sind  altbayerische  Flachlandorte;  ihre 
Schädel  haben  einen  mittleren  Index  von  82,3 
und  82,7 ; ersteres  liegt  nördlicher.  Ein  Vorge- 
birgsort.  in  der  Nähe  von  München  heisst  Auf- 


kirchen, ein  anderer  Beuerberg,  der  letztere 
näher  am  Gebirge,  sie  haben  einen  mittleren  Index 
von  83,2  und  83,3.  Ein  Ort,  der  schon  im  Schatten 
der  Hochberge  liegt,  ist  Prien  mit  einem  mitt- 
leren Index  seiner  Schädel  von  83,6.  Wir  sehen 
von  Norden  . nach  Süden  , vom  Flachland  durch 
das  Vorgebirg  zum  Fuss  des  Gebirgs  eine  stetige 
Zunahme  des  mittleren  Längenbreitenindex  von 
82,3  bis  83,6 , also  eine  stetige  Zunahme  der 
Brachycephalie. 

Dieses  Verhältnis  wird  aber  noch  weit  an- 
schaulicher, wenn  wir  nicht  die  Mittelzablen  der 
Indices  vergleichen,  sondern  wenn  wir  zählen,  wie 
viel  Schädel  innerhalb  einer  Ortsbevölkerung  je 
auf  die  verschiedenen  Längenbreitenindices  treffen. 
Der  Index  über  84,9  bildet  die  Grenze  zwischen 
den  höheren  und  mittleren  Forineu  der  Brachy- 
cephalie in  Altbayern.  Zählen  wir  an  den  ver- 
schiedenen Orten  alle  jene  Schädel  zusammen, 
welche  oinen  Längenbreiten-Index  über  84,9  be- 
sitzen, sich  also  einer  kugeligen  Form  annäbern, 
so  sehen  wir,  dass  die  Zahl  dieser  Schädel 
mit  ausgesprochenster  Brachycephalie 
vom  Flachland  gegen  das  Gebirge  zu- 
nimmt. Von  den  200  Flachlandschädeln  haben 
21  unter  100  einen  Index  von  85  und  darüber; 
von  der  Vorgebirgsbevölkerung  30,  von  der  Be- 
völkerung in  Prien  37  ! In  ähnlicher  Weise  kann 
man  auch  die  nicht  brachycephalen  Schädel  zu- 
sammonfassen.  Wahre  Dolichocephalen  finden  sich 
unter  unserer  brachycephalen  altbayerischen  Land- 
bevölkerung, wie  die  in  Konstanz  gegebene  Zu- 
sammenstellung ausweist,  sehr  selten,  häufiger 
kommen  mcsocephale  Formen  (mit  einem  Index 
unten  80)  vor.  Bei  der  Vergleichung  ergibt  sich, 
dass  die  nicht  brachycephalen  Formen 
(dolichocephijle  und  mesocephalo  zu- 
sammen) zunehmeu,  je  weiter  wir  uns 
vom  Gebirge  entfernen,  d.  h.  also  in 
umgekehrter  Richtung,  wie  wir  die 
Brachycephalie  znnehmen  sahen.  Wir 
haben  in  den  altbayerischen  Flachlandsorten  unter 
100  im  Durchschnitt  21  dolichocephale  und  meso- 
cephale  Schädel ; in  den  Vorgebirgsorten  mit  Prien 
etwa  17  und  im  Gebirg  (Tirol)  nur  10.  Danach  er- 
scheint dos  Gebirge  als  ein  „Ausstrahlungs- 
eentrum  der  ausgesprochensten  Brachy- 
cephalie“ für  A ltbay  ern.  Diese  scheint  aus 
den  inneren  Alpen,  aus  den  Tirolerbergen  zu  uns 
herabzusteigen.  Wenn  das  so  ist,  so  müssen  wir,  je 
höherwir  im  Gebirge  kommen,  die  ausgesprochen- 
sten Formen  der  Brachycephalie  um  so  häufiger 
finden.  Ich  hatte  Gelegenheit,  einige  Kirchhöfe  in 
1 Tirol  zu  untersuchen.  Schon  der  mittlere  Index  der 
mit  der  altbayerischen  stammverwandten  Tiroler 


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124 


Hochgebirgsbevölkerung  (Unterinn  auf  dem  Ritten 
bei  Botzen)  ist.  viel  höher,  ihre  Brachycephalie 
also  ausgesprochener  als  bei  der  Landbevölker- 
ung im  eigentlichen  Altbayern.  Der  mittlere 
Längenbreitenindex  ist  85,8.  Und  während  die 
hyperbracbycephalen  Formen  unter  je  100  Schä- 
deln im  altbayerischen  Flachlande  nur  mit  21, 
im  Vorgebirge  mit  30,  in  Prien  mit  37  vertreteu 
sind , sehen  wir  hier  in  Tirol  ihre  Anzahl  auf 
5*2!  steigen.  Die  Tiroler  Innthalbevölkerung  (bei 
Innsbruck)  ist  mit  der  Bayerischen  Innthalbe- 
völkerung kraniologisch  fast  identisch. 

Ein  Ausstrahlungscentrum  der  ausgesprochen- 
sten Brachycephalie  liegt  für  die  altbayerische  Land- 
bevölkerung im  Hochgebirge  Tirols.  Damit  will  ich 
aber  nicht  ausgesprochen  haben,  dass  nicht  auch 
noch  von  anderen  Seiten,  und  zwar  speciell  von 
Osten  her,  sich  nach  Bayern  brachycephale  Ele- 
mente hereiiigeschoben  haben.  Ich  besitze  bestimmte 
Andeutungen  (Michelfcld,  auf  altslavischem  Boden), 
dass  es  sich  wirklich  .'0  verhält. 

Wir  wollen  nun  auch  umgekehrt  fragen,  wo 
ist  das  Ausstrahlungscentrum  der  Dolichoeephalio 
für  Altbayern?  Ich  habe  eine  schöne  Samm- 
lung von  Schädeln  aas  Franken  erhalten,  aus 
Ebrach.  Es  sind  hundert  meist  wohl  erhaltene  Kirch- 
hof-Schädel aus  der  Krypta  einer  Kirche.  Die 
Messungen  ergaben,  dass  die  Schädel  dieser  fränk- 
ischen Bevölkerung  über  die  Hälfte  aus  dolicho- 
cephalen  und  mesocephalen  neben  sehr  ausgespro- 
chenen brachycephalen  Formen  bestehen,  während, 
wie  wir  eben  hörten , in  Altbayern  die  Dolicho- 
cephalie  so  gut  wie  ganz  fehlt,  und  auch  die 
Mesocephaiie  relativ  rocht  selten  erscheint.  Am 
deutlichsten  sprechen  die  Zahlen  selbst;  wir  haben 
54 ! nicht  brachycephale  .Schädel  für  Franken 
(Ebrach),  dagegen  nur  21  für  die  Flachland- 
bevölkerung  Altbayerns.  17  für  die  Bevölkerung  des 
Vorgebirgs  mit  Prien  uud  1 0 für  jene  des  Hoehgebirgs 
in  Tirol.  So  scheint  es,  als  wäre  in  Altbayern 
von  Norden  her  die  Dolichocephalen  zusammen 
mit  den  Mesocephalen  gegen  das  Gebirge  vorge- 
rückt, umgekehrt  von  Süden  aus  dem  Gebirge 
in  das  Flachlaud  die  Brachycephalen.  Die  fränkische 
Bevölkerung  in  Bayern  erscheint  als  eine  ziem- 
lich gleichmäßige  Mischung  beider  Hauptformen. 

Ich  habe  versucht,  diese  Verhältnisse  durch  Dar- 
stellung der  Resultate  in  Kurvenform  anschaulicher 
zu  machen.  Auf  der  hier  ausgestellten  Karte  enthält 
jede  Kurve  das  Resultat,  der  Untersuchung  von  hun- 
dert Schädeln  je  aus  einem  Kirchhofe.  Als  Ahscissen 
sind  die  Lüngenbreit.en-Indices  fortschreitend  von 
60  bis  hundert  aufgezeichnet.  Als  Ordinaten  sind 
über  die  betreffenden  Indices  die  Zahlen  der  Schädel 
eingetragen  worden,  an  welchen  die*c*r  Index  be- 


1 obachtet  wurde.  Durch  die  Kurven  habe  ich 
! einige  Trennungsstriche  bindurchgezogen . welche 
' die  Abtheilungen  bezeichnen,  die  von  den  Kranio- 
! logen  bei  Beschreibung  der  Schädel  konventionell 
gemacht  werden.  Der  eine  Strich  fällt  zwischen 
! Index  74  und  75,  um  die  dolichocephalen  Schädel 
zunächst  von  den  mesocephalen  Schädeln  zu  trennen. 

1 Ein  weiterer  Strich  zwischen  79  und  80  trennt  die 
Mesocephalen  von  den  Brachycephalen.  Schliesslich 
habe  ich  noch,  um  die  höheren  Formen  der  Bra- 
chycephalie von  den  mittleren  zu  trennen,  einen 
dritten  Strich  gezogen  zwischen  84  und  85. 

Die  Kurven  zeigen  in  ihrer  Form  wesent- 
liche Verschiedenheiten.  Wenn  wir  auf  unserer 
Karte  von  Oben  nach  Unten  d.  h.  von  Norden 
nach  Süden  gehen,  so  bemerken  wir  zunächst, 
dass  die  wahren  dolichocephalen  Schädel  in  Franken 
häutig  Vorkommen;  hier  bei  den  Kurven  der  alt- 
bayerischen  Flachlandorte  veranlasst  die  Dolichoee- 
phalie  nur  noch  je  eine  kleine  Spitze  am  Anfang 
unserer  Kurven;  die  Kurven  von  Beuerberg  und 
Prien  zeigen  keinen  einzigen  wahren  Dolichocephalen 
I mehr,  auch  in  Tirol  (Unterinn)  fehlem  sie  vollkommen. 
Aehnlich  ist  es  mit  jenem  Theile  der  Kurven, 
welcher  die  Mesocephalen  darstellt.  In  Franken 
haben  wir  eine  grosse  Anzahl  von  Mesocephalen. 
die  sich  der  Dolicliocephalie  direkt  annähern , hier 
ist  eine  geschlossene  Gruppe  rnesoce- 
p linier  Schäde  1 vorhanden.  Nach  Süden  bleibt 
schliesslich  von  dem  mesocephalen  Theil  der  Kurve 
nur  noch  jener  Theil  bestehen,  welcher  sich  stark 
zur  Brachycephalie  hinneigt.  Gegen  das  Gebirg 
nimmt  gleichzeitig  aber  auch  die  Zahl  der  zur 
Brachycephalie  neigenden  mesocephalen 
Schädel  ah , und  in  der  Hoehgehirgsbevöikerung 
haben  wir  so  gut  w*ie  gar  keine  mesocephalen 
mehr.  Auch  die  unteren  und  mittleren  Formen 
der  Brachycephalie  (im  Mittelt-beil  der  Kurven) 
sind  interessant  genug;  die  Kurven  zeigen  uns. 
dass  in  allen  untersuchten  Orten  die  grösste  An- 
zahl von  Schädeln  eiueo  Index  von  82  bis  83  be- 
sitzen , dos  geht  ganz  durch , so  dass  wir  hier 
eine  für  unsere  Bevölkerung  typische  Schädelform 
vor  uns  haben. 

Sehr  belehrend  sind  unsere  Kurven  auch  in 
Beziehung  auf  die  Formen  der  höchsten  Knrz- 
köptigkeit,  die  im  Gebirgf  besonders  ausgesprochen 
ist.  Auffallender  Weise  zeigen  unsere  Kurven 
alle  an  Stello  der  höchsten  Kurzküptigkeit  noeh 
ein  letztes  Maximum.  Schon  hei  der  fränkischen 
Bevölkerung  sehen  wir  die  Kurve  bei  der  höheren 
Brachycephalie  »ich  nochmals  heben ; eine  analoge 
Erhöhung  der  Kurve  finden  wrir  auch,  wenn  wir 
in  der  Flnchlandbevölkerung  Altbayerns  uns  die 
: Sache  ansehen ; die  Erhebung  der  Kurve  wird 


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125 


immer  höher  gegen  das  Gebirge  zu  und  in  der  I 
Kurve  von  Prien  sehen  Sie  diese  Schädelgruppe 
mächtig  entwickelt.  Gerade  das  gibt  uns  einen 
Anhalt  dafür,  was  ich  sagen  möchte.  Diese  Kurven 
sprechen  gleichsam  eine  Sprache,  sie  sind  Hiero- 
glyphen , die  uns  Uber  die  Entwickelung  und 
Bildung  unserer  Staminesnationnlitüt  Aufschluss 
geben.  Bei  der  Tiroler  Hocligebirgsbevölkerung 
(Untenan)  zeigt  eine  Mehrzahl  von  Schädeln  einen 
Index  um  86;  in  der  Gebirgsbevttlkerung  in  Alt- 
bayern finden  sich  Schädel  mit  diesem  Index 
noch  sehr  häufig  und  sie  ziehen  sich  als  eine  ge- 
schlossene Gruppe  durch  die  ganze  bayerische  Be- 
völkerung. Ich  denke,  wir  dürfen  daraus  schließen, 
dass  sich  die  Bevölkerung  des  Hochgebirgs  wirk- 
lich in  abnehmender  Zahl  mischt  mit  der  Be- 
völkerung der  Vorberge , de»  Flachlandes , bis 
nördlich  nach  Franken.  Umgekehrt  srheint  es  ! 
mit  der  Doliehocephalie.  Diese  scheint  von  Franken 
nach  dem  Süden  zu  kommen,  bis  gegen  das  Vor-  j 
gebirge  heran,  um  schon  in  den  Vorbergen  ganz 
und  gar  zu  verschwinden. 

In  ähnlicherWeise  habe  ich  auch  die  Längen- 
Höhenve rhältnisse  der  Schädel  hier  auf  der-  i 
selben  Tafel  dargestellt.  Die  Verhältnisse  sind  j 
ganz  ähnlich  den  vorher  erwähnten.  Im  Nonien  ! 
haben  wir  zahlreichere  Schädel , welche  zu  einer  I 
mä&sigen  Chamäcephaüe  (oder  besser:  Niedrig- 
keit) hinneigen.  Die  s.  v.  v.  Chamäcephalie 
nimmt  aber  gegen  dos  Gebirge  zu  mehr  und 
mehr  ah,  um  im  Gebirge  selbst  so  gut  wie  voll- 
kommen zu  verschwinden.  Die  eigentlich  hohen 
Schädelformen  sind  in  Franken  so  gut  wie  gar  nicht 
vertreten  , sie  nehmen  an  Zahl  mit  der  An- 
näherung gegen  das  Gebirge  z u und  in  der 
eigentlichen  GebirgsbevÖlkerung  überwuchern  sie 
alle  anderen.  Etwa  dasselbe,  was  wir  aus  dem 
Verhältnis«  der  Länge  und  Breite  der  Schädel  in 
Beziehung  auf  die  Mischung  der  Bevölkerung  ge- 
lernt haben,  können  wir  auch  aus  diesen  letzteren  1 
Kurven  ablesen. 

Herr  Htiedn  (Dorpat).  (Ueber  die  Esten 
mit  Bemerkungen  über  Methode  der 
Schädel messang.  Demonstration  einer 
neuen  Conservirungsmethode  für  ana- 
tomische Präparate.  Congress  in  Moskau.) 
Ehe  ich  zum  eigentlichen  Gegenstände  übergehe, 
einen  kurzen  Bericht  Uber  die  anthropologischen 
Untersuchungen  in  den  Ostseeprovinzen  zu  geben, 
erlauben  Sie  mir,  dass  ich  mit  wenigen  Worten  eine 
Methode  der  Schädeluntersuchungen  berühre,  die 
vielleicht  weitere  Erörterungen  veranlassen  könnte. 
Es  wird  Allen,  die  sich  mit  Schfldeluntersnchungen 
beschäftigt  haben,  bekannt  sein,  dass  es  mancherlei 


Unbequemlichkeiten  hat,  die  Schädelmasse  in  grosse 
Tabellen  einzutragen.  Man  hat,  wenn  man  eine 
grosse  Reihe  von  Schädeln  untersucht,  später  die 
Unbequemlichkeit,  die  einzelnen  Schädel  mit  ihren 
einzelnen  Massen  aus  der  grossen  Summe  heraus- 
zunehmen, um  die  Schädel  nach  bestimmten  Prin- 
zipien zu  ordnen  oder  je  nach  Bedürfnis«  ver- 
schiedene Kategorien  herauszuwählen.  Ich  habe 
geglaubt,  diese  Methode  in  gewisser  Beziehung  zu 
verbessern,  indem  ich  — gleich  wie  die  Statistiker 
Zählkarten  benützen  — Karten  (cfr.  S.  127)  habe 
anfertigen  lassen , auf  welche  ich  die  einzelnen 
Masse  für  jeden  einzelnen  Schädel  verzeichne ; 
man  kann  die  Schödelmasse  dazu  recht  gut  brau- 
chen, wie  sie  von  V i r c ho  w und  1 h e r i n g ge- 
meinschaftlich festgestellt  worden  sind.  Diese 
kleinen  Blättchen,  auf  denen  jeder  einzelne  Schädel 
durch  eine  Nummer  bezeichnet  ist.  können  hinter- 
her beliebig  geordnet  werden.  Man  kann  die 
männlichen  von  den  weiblichen  Schädeln  trennen 
und  hat  dabei  die  Möglichkeit,  beliebig  die  Blätter 
so  zusammen  zu  legen , dass  sie  ohne  Weiteres 
Reihen  darstellen.  Man  kann  diese  Sehädelkarten 
gewiss  auch  noch  erweitern  und  kann  sie  zu  an- 
thropologischen Untersuchungen  benützen , indem 
man  für  jedes  einzelne  Individuum  in  gleicher 
Weise  ein  einzelnes  Blatt  gebraucht.  Man  kann 
dann  hinterher  die  einzelnen  Karten  nach  Belieben 
ordnen,  um  die  Mittelzahlen  daraus  zu  ziehen.  — 

Wenn  ich  es  nun  wage,  in  aller  Kürze  Einiges 
über  die  anthropologischen  Untersuchungen  der 
Bevölkerung  der  Ostseeprovinzen  zu  sagen , so 
geschieht  es  nur,  um  eine  vorläufige  Mittheilung 
in  die  Welt  zu  schicken.  Die  Untersuchungen 
sind  erst  vor  Kurzem  begonnen,  sie  sollen  erst 
allmälig  weiter  fortgeführt  werden. 

Die  Bevölkerung  von  Cur-Liv-  und  Estland,  oder 
wie  mau  sagt,  der  deutsch -russischen 
Ostseeprovinzen  ist  eine  ziemlich  gemischte,  in- 
sofern gerade  diejenigen  Nationen,  die  den  Ost- 
seeprovinzen ihren  Namen  gegeben  haben,  die 
Deutschen  und  die  Russen,  in  sehr  geringer  An- 
zahl vorhanden  sind.  Wenn  man  für  die  Be- 
völkerung eine  abgerundete  Zahl  annimmt , so 
spricht  man  von  2 Millionen  im  Allgemeinen, 
nach  einer  genaueren  Angabe  sind  es  nur  1800000. 
Bleiben  wir  bei  den  2 Millionen  stehen,  so  kann 
inan  die  deutsche  Bevölkerung  rechnen  auf  200,000, 
also  nur  IO11/*»,  und  das  ist  schon  sehr  hoch  ge- 
griffen. Nach  den  Bestimmungen  des  russischen 
Ethnographen  und  Statistikers  Kitt  ich  wird  die 
deutsche  Bevölkerung  nur  angegeben  auf  circa  6 nh. 
Die  russische  Bevölkerung  ist  noch  viel  geringer, 
als  die  deutsche,  sie  wird  höchstens  100,000  um- 
fassen, also  5°,o  betragen.  Das  Übrige  Gros  der 


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12G 


Bevölkerung  sind  nun  Esten,  Letten  und  zum  ge- 
ringen Theile  Liven. 

Die  Esten  sind  in  der  Starke  von  700,000 
vorhanden,  die  Lotten  mehr  etwa  8 — 900,000,  es 
sind  die  Zahlen  mehr  oder  weniger  schwankend, 
die  Liven  sind  2000. 

Was  die  Esten  betrifft,  so  sind  an  den- 
selben zuerst  anthropologische  Untersuchungen  vor- 
genommen  worden,  weil  diese  von  Dorpat  aus- 
gegangen sind  und  dieses  in  epischem  (Jebiete 
liegt.  Ich  will  nicht  in’s  Detail  dieser  Unter- 
suchungen jetzt  eingehen ; das  Wesentliche  davon 
ist  schon  durch  die  Dissertation  de«  Dr.  Grube  ver- 
öffentlicht worden.  Es  mag  hier  nur  auf  ein 
paar  Punkte  hingewiosen  werden,  die  von  Interesse 
sein  dürften.  Es  wurden  damals  nur  Männer 
untersucht,  weil  die  Untersuchung  der  Frauen 
und  Kinder  grosse  Schwierigkeit  darbot.  Es 
wurden  100  Männer  ausgewählt , die  zufällig  als 
Arbeiter  auf  einigen  in  der  Nähe  von  Dorpat 
liegenden  Gütern  anwesend  waren.  Man  ist  ge- 
wöhnlich der  Ansicht,  dass  die  Esten  wie  andere 
zum  finnischen  Volksstamm  gehörige  Völkerschaften 
in  ihrer  Haarfarbe  meist  hell  sind , und  es  gilt 
wol  hier  und  da  die  Redensart:  blonde  Finnen 
und  blonde  Esten,  und  von  Reisenden  sind  solche 
Redensarten  kultivirt  worden , daher  nur  von 
einer  blonden  Bevölkerung  gesprochen  wird.  Die 
Kenner  wissen  schon  längst , dass  es  mit  der 
blonden  Farbe  nicht  so  weit  her  ist,  und  die 
Untersuchungen  haben  mit  Recht  bewiesen,  dass 
von  100  Männern  nur  *,#  wirklich  blonde  Haare 
hat  , dagegen  */s  dunkle  oder  hellbraune  haben, 
und  es  stimmt  das  mit  den  Untersuchungen,  wie 
sie  jetzt  von  russischen  Forschern  gemacht  wor- 
den sind,  bei  denen  auch  sich  erwiesen  hat,  dass 
das  blonde  Haar  bei  den  Finnen  keineswegs  vorwiegt. 
Was  die  Untersuchungen  des  Kopfes  anlangt, 
so  haben  diese  nachgewiesen , dass  der  Schädel- 
index  das  Verhältnis«  der  Läng«*  zur  Breite  bei 
Lebenden  etwa  auf  79  zu  setzen  ist,  so  dass 
die  Esten  zu  denjenigen  finnischen  Stämmen  ge- 
hören, bei  denen  der  Schädel  an  der  Grenze  der 
Mittel-  und  Kurzköpfigkeit  steht.  Ich  habe  ver- 
sucht , die  anthropologischen  Untersuchungen  an 
den  Lebenden  in  Bezug  auf  die  Schädel  etwas 
auszudehnen  und  habe  eine  Reihe  von  Schädeln 
gemessen , so  weit  sie  uns  zu  Gebote  standen. 
Es  ist  auch  bei  uns  nicht  ganz  leicht , von  den 
Nationalen  sich  Schädel  zu  verschaffen ; die  Schwie- 
rigkeiten will  ich  Ihnen  nicht  näher  vorführen,  son- 
dern begnüge  mich  hier  mit  der  Konstatirung  der 
Thatsache.  Ich  habe  nur  10  männliche  und 
9 weibliche  Schädel  zu  untersuchen  gehabt  , von 
denen  ich  sagen  konnte,  dass  sie  wirklich  den 


Esten  der  jetzigen  Generation  entstammten  ; über- 
dies 22  Gräberschädel  Ans  allen  diesen  zu- 
sammen (41)  habe  ich  nach  verschiedenen  Mes- 
sungen den  Index  berechnet  und  bin  darauf  ge- 
kommen , dass  zwischen  den  Gr&berschädeln  und 
den  Schädeln  der  jetzigen  Esten  kaum  ein  Unter- 
schied zu  finden  ist.  Es  sind  hier  wie  dort  die 
Mittelzahlen  fast  ganz  gleich:  77  — 78.  Was  die 
weiblichen  und  männlichen  Schädel  betrifft , so 
ist  der  Letztere  um  ein  geringes  grösser  in  den 
einzelnen  Dimensionen.  Der  Längenindex  der 
Gräberschädel  einerseits  und  der  Schädel  von  Esten 
jetziger  Generation  ist  aber  etwas  geringer , als 
er  durch  die  anthropologischen  Untersuchungen 
an  den  Lebenden  sich  herausgestellt  hat ; der 
Längenindex  der  Schädel,  die  ich  gemessen  habe, 
ist  77,4,  dagegen  fand  Grube  79.  Es  ist  auf- 
fallend. das4:  gewisse  andere  Schädeluntersuchungen 
einen  Index  ergeben  haben,  wie  er  mit  den  Unter- 
suchungen an  den  Lebenden  stimmt,  so  dass  es 
' scheint , dass  nach  den  verschiedenen  Distrikten 
gewisse  Unterschiede  sich  zeigen.  Die  Unter- 
suchungen Moyer’s  an  estnischen  Gräberschadein 
ergaben  einen  Index  von  79,  der  genau  so  gross 
ist,  wie  der  Index  an  den  Lebenden  nach  Be- 
rechnung von  Dr.  Grube, 

Was  die  Esten  betrifft,  so  will  ich  hier  auf 
eine  Schilderung  nicht  eingehen , sondern  nur 
einige  Photographien  derselben  circuliren  lassen. 
(Die  Photographien  werden  vorgelegt.) 

Was  die  Liven  betrifft,  so  sind  diese  noch 
niemals  anthropologisch  untersucht  worden ; es  ist 
in  Aussicht  genommen , im  Laufe  des  Winters 
eine  kleine  Exkursion  nach  Kurland  zu  machen, 
um  Untersuchungen  vorzunehmen.  In  Livland 
existiren  keine  Liven  mehr;  man  findet  noch  hier  und 
da  die  Angabe,  dass  die  Reste  von  Liven  bei  uns 
existirten.  Im  .Jahre  1847  bat  ein  finnischer  Forscher 
Sjögren  eine  sehr  genaue  Aufzeichnung  aller 
Personen  gemacht , welche  noch  livisch  sprechen 
konnten ; er  fand  damals  22  Individuen , von 
welchen  nun  alle  bis  auf  eine  einzige  noch  jetzt 
lebende  hochbetagte  Frau  dahingegangen  sind. 
Diese  letzte  Livin , die  den  Namen  Anna  Mi- 
chelson  führt,  ist  die  einzige  in  Livland  lebende 
Person,  welche  noch  der  livischen  Sprache  mächtig 
ist.  Es  existiren  wohl  noch  2 leibliche  Geschwister 
dieser  Frau,  die  aber  nicht  ab  Liven  angesehen 
werden  können,  weil  sie  nicht  livisch  verstehen. 
Im  älterlichen  Hause  dieser  Livin  hat  man  noch 
livisch  gesprochen ; die  Eltern  waren  reine  Liven ; 
sie  als  ältestes  Kind  hat  die  Sprache  noch  er- 
lernt. Jene  Geschwister , die  nach  dem  frühen 
Tode  der  Eltern  später  bei  den  Letten  in  Er- 
ziehung gegeben  waren,  haben  die  Sprache  vergessen. 


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127 


Es  ist  daher  der  livische  Stamm  als  in  Liv-  | 
land  verschwunden  anxiwehen.  Es  sind  die  Liven 
allmälig  mit  den  Letten  verschmolzen,  so  dass  in  1 
Livland  jetzt  an  vielen  Orten  eine  Bevölkerung 
sitzt,  die  aus  einer  Vermischung  der  Letten  und 
Liven  hervorgegangen  ist. 

Was  schliesslich  die  Letten  betrifft,  so  ist 
es  bis  jetzt  noch  nicht  möglich  gewesen , die- 
selben genau  anthropologisch  zu  untersuchen,  aber 
augenblicklich  ist  einer  meiner  Schüler  damit  be- 
schäftigt, die  Letten  in  Kurland  zn  messen,  und 
ich  werde  hoffentlich  bald  Gelegenheit  haben,  das 
Resultat  vorzulegen.  Was  die  Letten  Schädel 
betrifft,  so  sind  dieselben  noch  viol  schwieriger 
zu  beschaffen  als  Estenschädel.  Es  ist  mir  daher 
bis  jetzt  nur  möglich  gewesen,  die  geringe  Zahl 
von  6 wirklichen  Lettenschlideln  und  dazu  noch 
den  Schädel  eines  lithauischen  Mädchens  zu  er- 
werben. — Ich  habe  an  diesen  Schädeln  Mess- 
ungen vorgenommen  und  bin  erbötig , Fach- 
kollegen, die  sich  für  die  Zahlen  geuauer  inter- 
essiren , dieselben  vorzulegen.  Hier  mag  nur 
angegeben  werden,  dass  — da  aus  dieser  geringen 
Zahl  sich  keineswegs  weittragende  Schlüsse  zieheu 
lassen,  — der  Längenindex  die  Zahl  SO  erreicht. 
Es  muss  erst  weiteren  Untersuchungen  über- 
lassen werden , ob  dieses  Resultat  sich  verallge- 
meinern Lässt.  — 

Ich  werde  mir  nun  erlauben,  Ihre  Aufmerk- 
samkeit auf  einige  Präparate  zu  lenken,  die  von 
menschlichen  Th  eilen  hergenommen  und  so  zu- 


bereitet sind , dass  sie  längere  Zeit  sich  konser- 
vireu  lassen.  Es  haben  diese  Präparate  für  den 
anatomischen  Unterricht  mehr  Interesse  als  für 
die  Anthropologie,  aber  immerhin  lassen  sich  die- 
selben auch  für  anthropologische  Zwecke  ver- 
werthen.  Es  besteht  die  Methode  darin,  dass 
man  einzelue  Theile,  z.  B.  Herzen,  einen  Arm 
oder  einen  Fuss  in  eine  Mischung  von  Glyzerin, 
Salpeter  und  Zucker  bringt.  Es  ist  die  Methode 
ursprünglich  von  einem  belgischen  - Anatomen, 
Van  Vetter,  angegeben  worden,  der  sie  aber, 
so  viel  mir  bekannt  ist , nur  für  Bänder  und 
Muskeln  empfohlen  hat;  für  die  Weiclitheilo  ist 
sie  noch  nicht  angewendet  worden.  Ich  habe 
zuerst  den  V ersuch  gemacht,  nach  dieser  Methode 
Herzen  zu  konserviren  und  kann  das  Experiment 
als  gelungen  bezeichnen.  — 

Schliesslich  ergreife  ich  die  Gelegenheit,  um 
im  Namen  der  Moskauer  anthropologischen  Ge- 
sellschaft die  Deutsche  anthropologische  Gesell- 
l Schaft  und  alle  Diejenigen,  die  sich  für  Anthro- 
pologie interessiren , zur  Theilnahme  an  der  im 
nächsten  Jahre  zu  Moskau  stattfindenden  anthro- 
pologischen Ausstellung  einzuladen.  Die  Aus- 
stellung hat  den  Zweck,  alles  was  die  vorge- 
schichtlichen Alterthümer  und  die  An- 
thropologie im  Allgemeinen  und  Russ- 
lands im  Besonderen  betrifft,  zu  sammeln.  Es 
ist  daher  Jeder  eingeladen,  sich  entweder  durch  Aus- 
| Stellung  von  Gegenständen  oder  sonst  zu  betheiligen. 
Eine  Anzahl  von  Programmen  liegt  hier  auf.  — 


Schädel  Nr. 

Missten  Geschlecht  Alter 


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128 


Herr  Dr.  Yirchow:  Ich  möchte  zunächst  ein  I 
paar  Worte  in  Bezug  auf  die  Klassifikation  der 
„Komplexion“  sagen.  Ich  fürchte , dass  hei  der  ' 
Schwierigkeit,  die  es  uns  meist  macht , mit  den 
llerreu  Kollegen  in  Dorpat  uns  zu  verstund i gen, 
wir  auf  ein  neues  Gebiet  der  Kontroversen  kom- 
men , was  möglicherweise  durch  bloss  äussere 
Missverständnisse  herbeigoführt  werden  könnte. 
Wenn  wir  von  „Blonden“  sprechen,  so  meinen 
wir  nicht  Mos  blonde  Haare.  Die  grosse  Unter- 
suchung über  die  „Blonden”,  die  wir  in  Deutsch- 
land veranstaltet  haben , und  die  ich  ausgedehnt 
habe  auf  Finnland , wobei  ich  meine  Autorität 
der  der  Hussen  entgegenstelle,  bezieht  sich  auf 
die  Gesaumitheit  der  äusseren  Farben  - Erschein- 
ungen. Wenn  wir  kurzweg  von  blonder  Kom- 
plexion reden , so  sch  Hessen  wir  immer  blaue 
Augen  und  helle  Hautfarbe  mit  ein.  Wenn  also 
z.  B.  einer  blonde  Haare  und  braune  Augen  bat, 
so  setzen  wir  ihn  in  eine  besondere  Kategorie, 
die  des  gemischten  Typus.  Wir  haben  3 grosse 
Abtheilungen : eine  rein  blonde,  eine  rein  brünette 
und  eine  gemischte;  also  für  alle  Fälle,  wo  blonde 
Haare  und  braune  Augen,  oder  blaue  Augen  mit 
schwarzem  Haar , oder  dunkle  Haut  mit  hellem 
Haar  zusaminenfallen , haben  wir  geratschte  Ka- 
tegorien. Der  Haupttheil  unserer  Untersuchung 
ist  auf  reine  Typen  gestellt  und  diese  haben  wir 
so  berechnet,  dass  wir  den  blonden  und  den  brü- 
netten Typus  nicht  etwa  als  comp  lernen  täre  Er- 
scheinungen betrachten , sondern  dass  wir  jeden 
derselben  für  jeden  Bezirk  selbständig  ermitteln. 
Es  kann  dahor  Vorkommen,  dass  in  ein  und  dem- 
selben Bezirk  vielo  Braune  und  viele  Blonde  neben 
einander  existiren ; es  schliosst  sich  dos  an  sich 
nicht  aus. 

Sodann  lege  ich  allerdings  von  meinem  Stand- 
punkte aus  einen  höheren  Werth  auf  diejenige 
Klassifikation , wie  wir  sie  jetzt  haben , die  sich 
auf  die  Jugend  stützt.  Ich  habe  gestern  schon 
erwähnt,  dass  das  Nachdunkeln  auch  bei  uns  sehr 
stark  stattfindet ; es  ist  also  selbstverständlich, 
dass  wir,  je  weiter  wir  in  der  Skala  des  Alters 
heraufkommen . immer  mehr  braune  Haare  und 
dunkle  Haut  finden,  während  sich  mit  den  Augen 
später  bekanntlich  nichts  wesentlich  ändert.  Meiner 
Auflassung  nach  aber  hat  gerade  die  jugendliche 
Färbung  für  die  Frage,  die  uns  beschäftigt,  das 
wesentlichste  Interesse,  denn  wenn  ein  Kind  mit 
blonden  oder  weissen  Haaren  geboren  wird,  so 
haben  wir  allen  Grund , anzunehmen , dass  es 
einer  anderen  ethnographischen  Gruppe  angehört, 
als  dasjenige,  welches  mit  dunklen  Haaren  ge- 
boren wird. 

Auf  alle  Fälle  mochte  ich  bitten,  dass  wir, 


wenn  wir  diese  Untersuchungen  fortsetzen , uns 
darüber  verständigen,  dass  wir  nicht  einfach  aus 
der  ganzen  Bevölkerung  herausrechnen,  wie  viele 
Braune  oder  Weisse  vorhanden  sind,  sondern  dass 
die  Herren  sich  dareinfinden,  die  Misehtypon  aus- 
zuscheiden und  gesondert  darzustellen.  Wenn  wir 
dieselben  von  vorneherein  mit  in  die  statistischen 
Zusammenstellungen  hineinbringen,  so  glaube  ich, 
kommen  wir  zu  gar  keinem  Resultate. 

Was  dio  ostbaltischen  Schädel  anlangt,  so  weiss 
Herr  Stieda,  diiss  ich  mich  damit  schon  einige- 
mnle  beschäftigt  habe.  Ich  will  mich  hier  dar- 
auf beschränken,  mitzutheilen,  dass  ich  eine  An- 
zahl von  Schädeln  aus  Kurland  und  zwar  aus 
semgailischen  Gräbern  habe,  welche  allerdings 
darthun,  dass  an  Stellen,  wo  niemals  Liren  ge- 
sessen haben , w'o  vielmehr  immer  eine  lettische 
Bevölkerung  wrar,  ein  der  Dolichocephalie  zu- 
stiebender  mesocephaler  Typus  sich  vorfindet.  Es 
wird  eich  später  hernussteilen,  wie  weit  das  richtig 
ist.  Die  Tendenz , aus  den  Esten  wo  möglich 
Dolichocophalen  und  aus  den  Letten  Brachycephalen 
zu  machen,  wird  sich  auf  die  Dauer  schwerlich 
halten  lassen. 

Herr  Dr.  Sttadft  (Dorpat):  Ich  kann  nicht 
unterlassen,  Herrn  Virchow  den  Dank  auszu- 
sprechen  für  die  Theilnahine,  die  er  unseren  Na- 
tionalen durch  seine  Untersuchungen  zugewendet 
hat,  und  hoffe,  dass,  wenn  Differenzen  in  Bezug 
auf  die  Untersuchungsresultate  sich  ergeben,  die- 
selben im  Laufe  der  Zeit  durch  weitere  Forsch- 
ungen werden  ausgeglichen  und  zu  einem  gemein- 
samen , von  Allen  anerkannten  Resultate  i Ohren 
werden.  — 

Herr  Virchow : Ich  habe  um  das  Wort  ge- 
beten, um  eine  kleine  Auseinandersetzung  in  Be- 
zug auf  die  slavischen  Funde  in  den  öst- 
lichen Theilon  von  Deutschland  zu  geben, 
nicht  deshalb,  weil  ich  eigentlich  viel  Neues  vor- 
zutragen hätte,  — vielleicht  gerade  n diesem 
Kreise  am  wenigsten  Neues,  — sondern  weil  ich  ge- 
sehen habe,  wie  schwierig  das  Verständnis  dieser 
Verhältnisse  für  unsere  Freunde  im  Übrigen  Deutsch- 
land ist.  Ich  kann  mich  dabei  auf  unseren  kom- 
menden Herrn  Präsidenten  beziehen , der  mit 
seiner  Karte  auf  diese  Schwierigkeiten  stösst. 
Vielleicht  wird  es  zur  Verständigung  beitragen, 
wenn  ich  in  grosseren  Zügen  mittheile,  was  nach 
meiner  Vorstellung  etwa  darüber  in  der  Haupt- 
sache zu  sagen  ist. 

Ich  darf  zunächst  wohl  hervorheben,  dass  die 
Verbreitung  der  Slaven  an  sich  oine  rein  histori- 
sche Angelegenheit  ist.  Wir  wissen  aus  der  Ge- 


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schichte  ziemlich  genau , wo  die  Grenzen  waren. 

So  ist  der  östliche  Theil  von  Holstein  altslavisches 
Gebiet,  namentlich  der  Theil  des  Landes,  den  wir 
morgen  durchfahren  werden.  Unter  dem , was 
wir  in  Hamburg  in  der  (jortigeu  Altert  hums- 
Sammlung  gesehen  haben , was  wir  hier  sehen 
und  was  wir  in  Lübeck  wieder  sehen  werden, 
befindet  sich  eine  grosse  Reihe  von  Dingen  von 
alten,  bekannten  historischen  Slavenplätzen.  Na- 
mentlich der  Name  Oldenburg,  slavisch  »Stargard,  I 
findet  sich  in  jeder  dieser  Sammlungen  vertreten. 

Es  war  der  Hauptplatz  des  alten  W» grien. 
Daran  schliesst.  sich  das  Land  der  P o 1 a b e r 
an,  dio  im  alten  Lauenburg  sassen,  wo  Sie  mög- 
licherweise durch  die  in  Aussicht  gestellten  Aus- 
grabungen sich  weiter  orientiren  können.  Dann 
folgen  die  Ohotriten  in  Meklenburg  und  dann 
eine  grosse  Zahl  kleinerer  Völkerschaften,  welche 
Rügen , Vorpommern  und  den  nördlichen  Theil  j 
der  Mark  einnahmen,  Rjanen,  Circipanier, 
Tollenser,  Khedarier,  Ukrer,  Heveller, 
Spreeraner  u.  s.  w.  Dabei  möchte  ich  be- 
merken, dass  der  Name  Pommern  bis  in  die 
spätere  Geschichte  hinein  immer  erst,  von  der 
Oder  angefangen  hat ; bis  dahin  sassen  die  Ukrer 
und  das  alte  Pommern  entspricht  zum  grossen 
Theil  dem  heutigen  Hinterpommern.  Daran  schliesst 
sich  weiterhin  Pom  ereilen,  welches  den  öst- 
lichsten Theil  des  jetzigen  Pommern  und  ein 
Stück  von  Weetpreussen  bis  an  die  Weichsel  ein- 
n&htn. 

Ueberdie  untere  Weichsel  hinaus  wissen  wir  bis 
jetzt  nichts  von  Slaven  und  auch  die  neuere  Unter- 
suchung hat  bi«  jetzt  nichts  Sicheres  ergeben,  ob  hier 
jemals  Slaven  in  grösserer  Ausdehnung  sassen.  Hier 
scheint  ein  alter  Pflock,  den  die  lettisch-preussische 
Bevölkerung  eingeschlagen  hat,  den  slavischen  An- 
sturm gehindert  zu  haben.  Auch  archäologisch  und 
ethnographisch  besteht  hier  eine  scharfe  Grenzmarke ; ' 
meines  Wissens  können  keine  nähoren  Beziehungen  j 
naebgewiesen  werden  zwischen  den  lettischen  und  den 
slavischen  Stämmen  der  späteren  Zeit.  Ich  hoffe,  dass 
wir  Localforscher  uns  in  dieser  Beziehung  im  Ein- 
verständnisse befinden ; ich  habe  mit  möglichster 
Sorgfalt  jenseits  der  Weichsel  bis  nach  Riga  hin 
die  Sammlungen  durchmustert,  und  absolut  gar 
keine  Analogie  entdeckt , welche  archäologisch 
einen  Zusammenhang  zwischen  lettischen  und  west- 
slavischen  Stämmen  ergäbe.  Sie  wissen,  dass  das 
Lettische  als  Sprache  dem  Slavischen  näher  ver- 
wandt ist,  als  einem  anderen  Gliede  der  Jetzigen 
europäischen  Sprachfamilie ; allein  so  steht  es 
nicht,  dass  man  deshalb  einfach  die  beiden  iden- 
tificiren  könnte.  Das  Lettische,  nach  dom  Ur- 
theile  der  besten  Kenner,  — ich  verstehe  es 


129 

nicht,  — zeigt,  ebenso  grosse  Verschiedenheiten 
von  dem  Slavischen . wie  sie  zwischen  verschie- 
denen anderen,  nahe  verwandten  europäischen 
Sprachen  bestehen.  So  wenig  .Jemand  au«  dem 
Umstande,  dass  die  Wurzeln  Zusammenfällen,  den 
Schluss  ziehen  darf,  das«  Keltisch  und  Germanisch 
identisch  seien,  so  wenig  kann  man  das  von  dem 
Lettischen  und  Slavischen  behaupten.  Archäologisch 
ist  die  Differenz  eine  absolute. 

Die  alten  Slaven  reichten  also  im  Norden  von 
der  Elbe,  die  hier  eine  scharfe  Grenze  bildet,  bis 
an  die  Weichsel,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass 
diejenigen  Inseln,  welche  sich  unmittelbar  der 
Küste  ansehliessen , wie  Rügen,  Fehmarn,  noch 
in’«  slavische  Gebiet  hineinfalien.  Insofern«  konnten 
also  nicht  nur  die  Herrscher  von  Pommern,  Bran- 
denburg und  Meklenburg,  sondern  auch  die  hol- 
steinischen und  dänischen  Regenten  sich  Herzöge 
der  Wenden  nennen. 

Weiter  südlich  überschritt  die  westliche  Grenze 
der  Slaven  die  mittlere  Elbe,  schon  in  demjenigen 
Gebiet,  welches  den  südöstlichen  Theil  der  jetzigen 
Provinz,  des  früheren  Königreichs  Hannover  bildet. 
Da  sassen,  noch  Ober  dio  Elbe  herübergreifend, 
slavische  Stämme,  deren  Sprache  sich  bis  in  dieses 
Jahrhundert  erhalten  hat.  Noch  weiter  im  Süden 
schiebt  sich  die  Grenze  allmälig  immer  weiter  west- 
lich herüber.  Die  Altmark,  ein  grosser  Theil  der 
Provinz  Sachsen,  das  Königreich  Sachsen  waren  einst 
slavisch.  Südlich  vom  Harz  war  der  Andrang 
der  Slaven  noch  in  der  ersten  Zeit,  als  die  rück- 
wirkende Gewalt  des  fränkischen  Reiches  wieder 
die  Inkorporirung  des  altgermanischen  Landes  an- 
strebte, so  erheblich,  dass  noch  zur  Zeit,  als 
Bonifacius  im  Fuldaischen  das  Uhrist  ent  hum  pre- 
digte, slavische  Pioniere  bis  auf  die  westliche 
Seite  der  Rhön  vorgedrungen  waren.  Die  Unter- 
suchungen, welche  Dr.  Pin  der  in  den  letzten 
Jahren  im  Fuldathal  angestellt,  hat , haben  bi« 
jetzt  freilich  keine  bestimmte  Anknüpfung  an 
das  ergeben , was  wir  hier  finden.  Wenn  man 
die  ganze  Situation  nach  der  Ueberlieferung  der 
alten  Historiograph eo  in’s  Auge  fasst,  so  erscheint 
es  mir  auch  immer  noch  zweifelhaft,  ob  eine 
eigentlich  sesshafte  und  organisirte  Bevölkerung 
bis  in  das  alte  Buchomen  hin  vorhanden  war. 
Wahrscheinlich  w’aren  es  blosse  Jagdplätze , die 
in  dem  grossen  Waldlande  besucht  wurden,  und 
es  mag  dahin  gestellt  bleiben,  ob  man  die  Grenze 
der  Slaven  bis  dicht  an  Fulda  heranrücken  darf. 
Dagegen  lässt  sich  allerdings  nachweisen , dass 
weit  bis  ins  Saalthal  aufwärts  dieselbe  Kultur 
reicht,  die  wir  als  spezifisch  slavisch  beanspruchen. 
Unser  Zweigvereiu  in  Weissenfels  reprftsentirt  nach 
meiner  Vorstellung  ungefähr  das  letzte  Glied, 


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130 


welche»  sich  noch  innerhalb  früher  slavisehen 
Landes  befindet.  Oberhalb  Naumburg  dürfte  bis 
jetzt  wohl  kaum  irgend  eine  wohl  konstatirfce 
Fundstelle  vorhanden  sein,  an  der  man  die  Existenz 
slav  isolier  Ausiedluog  nach  weisen  könnte.  Indess 
oberhalb  Weißsenfeis  bin  ich  selbst  noch  auf  Stellen 
gewesen  und  habe  die  Plätze  untersucht  und  kann 
dafUr  einstehen,  dass  sie  archäologisch  mit  den 
unscrigen  übereinstimmen.  Dann  darf  ich  wohl 
daran  erinnern , dass  das  ganze  Altenburgerland, 
ein  grosses  Stück  der  Reussischen  Länder,  Ober- 
fronken , ferner  das  ganze  Mainthal  bis  nahe  an 
Wtirzburg  hin,  namentlich  die  Gegend  von  Bam- 
berg, ein  grosser  Theil  von  Mittelfranken  von 
slavisehen  Stämmen  besetzt  war , die , wie  es 
scheint,  im  Zusammenhänge  mit  den  ('zechen 
in  Böhmen  standen  Es  ist  diess  eine  weitaus- 
reichende Zunge  slaviscber  Hinterlassenschaft,  wie  ; 
ein  Besuch  der  Bamberger  Sammlungen  mit  Leiehtig*  | 
keil  erkennet»  lässt.  Die  östlichen  Theile  des  j 
später  sächsischen  Landes , die  Lausitz  einge- 
schlossen,  gehörten  den  Sorben,  an  welche  sich 
die  Schlesier  und  östlich  an  der  Oder  die 
Polen  anschlossen. 

Wir  kommen  alsdann  auf  das  besser  futidirte 
Grenzgebiet  zwischen  dem  eigentlichen  Bayern  und 
den  Slaven  in  Oesterreich.  Es  ist  Ihnon  bekannt, 
das«  die  Slaven  bis  in  das  heutige  Tirol  in  die 
rechten  Nebenthäler  des  Inn  hinein  ihre  Vorstösse 
gemacht,  hatten  und  dass  die  östlichen  Tiroler 
Thftler  noch  eine  slavische  Bevölkerung  belassen. 
So  erstreckt  sich  die  Grenze  durch  das  Gebirg  bis 
nach  Italion  und  Dalmatien,  wo  noch  heute  slavische 
Bevölkerung  durch  das  östliche  Venetien  und  die 
Küstenländer  des  adriatischen  Meeres  bis  an  die 
Sudgrenze  von  Montenegro  sitzt.  Es  ist  aller- 
dings eine  sehr  breite  Zone  und  es  hat  eine  barte 
Kulturarbeit  gekostet,  um  wieder  eine  germanische 
Bevölkerung  in  Ländern,  die  sie  früher  innt*  hatten, 
sesshaft  zu  machen. 

Innerhalb  dieses  grossen  Gebietes  lässt  sich 
merkwürdigerweise  — und  ich  muss  sagen,  zu 
meiner  eigenen  Ueberraschung  in  immer  neuer 
Bestätigung  — eine  gewisse  Reihe  von  auffallend 
monotonen  Formen  wiederfinden,  welche  mit  grosser 
Bequemlichkeit  Anhaltspunkte  für  das  archäologi- 
sche Urtheil  gewinnen  lassen.  Diejenige  Einrichtung, 
welche  äusserlich  am  meisten  hervortritt  , und 
welche  auf  unseren  Karten  späterhin  in  besonderer 
Stärke  sich  kenntlich  machen  wird,  sind  die  ver- 
schiedenen Arten  von  Wällen.  Wir  können 
unter  ihnen  in  erster  Linie  zwei  Hauptgruppen 
unterscheiden,  die  E r d w ä 1 1 e und  die  Stein- 
wälle.  Letztere  sind  zugleich  an  sehr  vielen 
Puuktcn  Sc  hl  ack  e n w h!  le,  Brand  wälle»  in 


solcher  Vollständigkeit , dass  sie  den  berühmten 
schottischen  Glasburgen , den  Vitrißed  Forts  der 
britischen  Archäologie  gleichkommen.  Wir  haben 
Stellen,  wo  das  Schmelzen  der  in  Wallförm  auf- 
gehäuften  Gesteine  in  solcher  Ausdehnung  statt- 
gefunden hat,  dass  zuweilen  wirkliche  Ströme  des 
achmelzendes  Gesteins  über  den  Abhang  geflossen 
und  selbst  die  härtesten  Massen,  wie  Basalt,  ver- 
flüssigt worden  sind.  Als  man  zuerst  auf  die 
Dinge  aufmerksam  wurde , glaubte  man  darin 
Ueberreste  der  letzten  eruptiven  Thätigkeit  zu 
sehen , aber  es  sind  oberflächlich  zusammenge- 
tragene  Mauern,  die  freilich  oft  in  zusammen- 
hängenden Massen  eine  ofenartige  Glasur  ange- 
nommen haben. 

Auf  den  ersten  Blick  liegt  nichts  näher,  als 
die  Gesammtheit  der  verschiedenen  Wälle  in 
einen  gewissen  näheren  Zusammenhang  zu  bringen. 
Das  ist  auch  zu  wiederholten  Malen  in  den  ver- 
schiedenen Landestheilcn  geschehen.  Ich  möchte 
in  dieser  Beziehung  als  warnendes  Beispiel  zwei 
übrigens  höchst  verdienstvolle  Arbeiten  anführen. 
welche  zeigen,  wohin  ein  etwas  beschränkter  Ge- 
sichtspunkt leicht  führt.  Die  eine  Arbeit  ist  von 
dem  kürzlich  verstorbenen  Giese brecht  ge- 
macht worden  und  findet  sich  in  der  Zeitschrift 
der  pommerischen  alt erthumsforscb enden  Gesell- 
schaft. Er  hat  zuerst  das  Verthoidigungssy  stein 
der  alten  Pommern  dargestellt ; später  ist  er  über 
die  Oder  herüber  gegangen  zu  anderen  Stämmen 
und  schliesslich  glaubte  er  gefunden  zu  haben, 
dass  jeder  dieser  Stämme  ein  besonderes  System 
von  Vertheidigungen  gehabt  habe,  und  dass  bei 
jedem  derselben  gewisse  Centralpunkte  vorhanden 
gewesen  seien,  auf  welche  man  sich  zurtickzog. 
Leider  war  diese  Arbeit  eine  rein  literarische; 
obwohl  er  es  sehr  bequem  gehabt  hätte,  sich 
selbständig  an  die  Untersuchung  zu  machen , so 
beschränkte  Giescbrecht  sich  doch  als  guter 
Historiker  darauf,  die  Angaben  Anderer  zusammen 
zu  tragen.  Nur  an  einer  einzigen  Stelle  hat  er 
einen  kleinen  Schürfversuch  gemacht.  So  ist  es 
gekommen,  dass  er  eine  Reihe  von  sehr  unsicheren 
Angaben  verwerthet  hat , deren  Werth  er  nicht 
beurtlieilen  konnte,  und  dass  er  in  seinem  Geiste 
allerlei  zusammenfügte,  was  in  dieser  Art  sofort 
verschwindet,  wenn  man  die  einzelnen  Verhältnisse 
des  Landes  direkt  untersucht. 

Der  andere  Versuch  ist  von  unserem  Mit- 
glieder dem  jetzigen  Major  Schuster  in  Dresden 
gemacht  worden , der  darüber  auf  der  Dresdener 
Versammlung  Einiges  mittheilte.  Er  hat  dasVer- 
theidigungssystera  der  Lausitz  zum  Gegenstaude 
seiner  Untersuchungen  gemacht  und  ist  zu  diesem 
Zwecke  von  dem  Lausitzer  Gebirge  aus  bis  an 


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die  Warthe  bei  Schriinm,  nahezu  an  der  Grenze 
de«  heutigen  Königreichs  Polen,  gegangen.  Wenn 
man  seine  Karte  betrachtet,  so  sieht  man  aller- 
dings ein  „System“,  nach  welchem  das  Lausitzer 
Gebirge  als  Vertheidigungsbasis  erscheint ; dann 
folgt  eine  Reihe  von  Steinwallen,  weiterhin,  mehr 
zerstreut,  eine  Reihe  von  Rund-  und  Langwallen. 
Es  macht  einen  imponirenden  Eindruck,  wie  sich 
gegen  das  Centrum  des  Gebirges  hin  die  Walle 
Haufen  und  von  da  weithin  auseinander  gehen. 
Aber  dieses  Auseinandergehen  ist  dadurch  ent- 
standen , dass  Schuster  nicht  genügende  Ma- 
terialien über  dio  entfernteren  Gebiete  fand  : je 
weiter  er  von  der  Lausitz  sich  entfernte,  und  je 
mehr  er  angewiesen  war  auf  zerstreute  Mitteil- 
ungen in  Gesellschaftsschriften,  um  so  loser  wur- 
den seine  Aufzeichnungen.  Wenn  wir  jetzt  mit 
neuen  Kenntnissen  an  die  Sache  gehen,  so  sind 
wir  in  der  Lage,  die  Peripherie  ebenso  dicht  zu 
machen  wie  das  Centrum ; es  gibt  eine  ganz  an- 
dere Karte.  Wenn  man  sich  an  eine  bestimmte 
Stelle  macht  und  alles  Vorhandene  fixirt,  wahrend 
man  von  den  Dingen  umher  nicht  viel  weiss,  so 
ist  es  selbstverständlich,  dass  man  ein  Verhältnis!» 
bekommt , wo  man  in  der  Mitte  dichte  Flecke 
und  in  der  Peripherie  wenig  oder  nichts  findet. 
Wenn  ich  jetzt  ein  Bild  über  dio  Burgwälle 
Poggtis  entwerfen  würde , so  würde  ich  auch 
solche  Bilder  erhalten.  Ich  bin  aber  überzeugt, 
dass,  wenn  wir  weiterforschen,  ein  ganz  anderes 
Bild  hcruuskommen  wird. 

Ich  will  jedoch  nicht  leugnen,  dass  in  kleineren 
Kreisen  sich  gewisse  nähere  Beziehungen  einzelner 
Gruppen  von  Wällen  feststellen  lassen.  Wir  haben 
gerade  in  der  Mark  Brandenburg  sehr  eigentüm- 
liche Verhältnisse,  welche  durch  alte,  geologische 
Verhältnisse  des  Landes  bedingt  sind.  Der  Theil 
des  Landes,  welcher  nördlich  von  der  Havel  liegt, 
ist  offeubar  bis  in  die  historische  Zeit  herein  eine 
Art  von  Archipelagus  gewesen;  er  bestand  aus 
einer  Reihe  von  Inseln , welche  durch  seichte 
Wasserztige,  die  mit  der  Elbe  und  Oder  kom-  I 
munizirten , getrennt  waren.  So  ergab  es  sich  j 
mit  Notwendigkeit , dass  diese  Inseln  zunächst 
besiedelt  wurden,  während  die  dazwischen  liegen-  [ 
den  nassen  Strecken,  das,  was  man  slavisch  Luch 
nennt,  erst,  nach  und  nach  gangbar  wurde ; jeden- 
falls waren  die  Luche  nicht  wesentlich  bewohnt. 
Mau  findet  auf  diesen  ungeheuren  Moorflüchen, 
welche  für  den  Torfstich  verwert het  wurden,  bei- 
nahe gar  nichts,  obwohl  die  Moore  ungemein 
dankbare  Berger  des  werthvollsten  Gutes,  nament- 
lich der  Bronzen,  sind.  Anders  ist  es  auf  den 
Inseln,  welche  in  historischer  Zeit  als  besondere 
Länder  erscheinen,  z.  B.  der  terra  Ruppin,  welche 


| die  reichsten  Funde  ergeben.  Hier  findet  man 
I an  verschiedenen  Stellen  die  Zugänge  mit  Burg- 
I wällen  besetzt,  die  offenbar  als  Vertheidigungs- 
mittel  hingestellt  waren;  das  machte  sich  gewiss 
ganz  natürlich , da  inan  im  Umfange  der  Inseln 
die  Burgwälle  vertheilen  musste.  Im  Uebrigen 
aber  muss  ich  sagen , dass  ich  nichts  aufweisen 
kanu,  was  dem  Godankon  Raum  gäbe,  dass  in  eiuem 
der  grösseren  altslavischen  Länder  einmal  ein  „Sy- 
stem“ befestigter  Plätze  im  Sinne  moderner  Kriegs- 
führung existirt  habe.  Was  Herr  Schuster  be- 
schreibt, das  setzt  voraus,  dass  einstmals  ein  ein- 
heitliches, grösseres,  consolidirtes  Reich  existirtc, 
ein  Stamm,  der  so  weit  in  sich  geschlossen  war, 
dass  er  ganz  bestimmte  Gebiete  für  sich  in  An- 
! sprncb  nahm  und  dass  er  sich  auf  diesem  Gebiete 
mit  systematischer  Sorgfalt  einrichtete.  Ein  Ver- 
theidiguugssystem  könnte  man  sich  vorstellen, 
wenn  zu  irgend  einer  Zeit  ein  bestimmtes  Reich 
existirt  hätte,  welches  ähnliche  Dimensionen  ge- 
habt hätte.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall.  Es  hat 
niemals  ein  solches  Lausitzisches  Reich  gegeben, 
niemals  einen  Herrscher , der  etwa  vom  Gebirge 
aus  weithin  Alles  beherrscht  hätte.  Alle  diese 
Slaven Völker  bildeten  ein  sehr  loses  Gemisch  klei- 
nerer Stämme,  die  uns  ja  eben  desshalb  in  die 
höchste  Verlegenheit  setzen,  weil  auf  wenige 
Meilen  Entfernung  immer  wieder  ein  neuer  Stamm 
erscheint,  nicht  blos  gelegentlich  bei  Kriegen  mit 
deutschen  Kaisern,  sondern  immer  wieder  an  den- 
i selben  Stellen.  Aber  diese  Stellen  sind  oft  nicht 
so  gross,  wie  heutzutage  die  landrttthlichen  Kreise 
in  Prcussen.  Dieser  Zersplitterung  gegenüber  ist 
es  selbstverständlich , dass  die  Zahl  der  Namen, 
welche  wir  von  diesen  Landschaften  kennen,  immer 
grösser  wird,  je  näher  wir  an  die  westliche  Grenze 
kommen ; da  sitzen  die  Stämme  ganz  dicht.  Je 
nachdem  die  Kriegszüge  Heinrich  des  Löwen  oder 
noch  früher  die  Feldzüge  der  sächsischen  Kaiser 
in's  bolstein’sehe  Land  oder  gegen  Polen  oder 
gegen  die  Elb-  und  Havelstämme  gerichtet,  waren, 
erscheinen  immer  neue  Völkernamen,  treten  immer 
neue  Landschaften  auf,  deren  Bezeichnungen  sieh 
zum  Theil  noch  erhalten  haben.  Je  weiter  wir 
dagegen  nach  Osten  zurückgehen , um  so  mehr 
breiten  sich  die  Stämme  über  immer  grössere 
Flächen  aus;  je  grösser,  je  weiter  östlich.  Dar- 
aus kann  mau  schliessen,  dass  es  lauter  getrennte 
Herrschaften  waren,  die  verhttltnissmttssig  kleine 
Gebiete  umfassten.  Wir  wissen  genau,  dass  das 
alte  Pommern,  als  es  christ ianisirt  wurde,  nicht 
i weiter  reichte,  als  von  der  Oder  bis  in  die  Gegend 
I vom  heutigen  Varzin ; darüber  hinaus  war  die 
Herrschaft  des  Herzogs  zu  Ende. 

leb  habe  einen  zweiten  Irrthum  hervorzu- 

8 


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132 


heben,  der  dieße  Art  der  Betrachtung  wesent- 
lich alterirt  hat,  nemlich  die  verschiedene  Chro- 
nologie, die  wir  nothwendigerweise  diesen  Be- 
festigungswerken beilegen  müssen.  Alle  Betracht- 
ungen über  Vertheidigungs-  Systeme  stützen  sich 
auf  die  Annahme  des  Synchronismus  der  verschie- 
denen Walle.  Ich  kann  vielleicht  für  mich  die 
etwas  arbeitsame  Leistung  in  Anspruch  nehmen, 
für  einen  grossen  Theil  dieser  Plätze  durch  per- 
sönliche Untersuchungen  und  immer  wiederholte 
lokale  Recherchen  den  speciellen  Nachweis  ge- 
führt zu  haben,  da»s  man  absolut  ausser  Stande 
ist,  ira  Voraus  zu  berechnen,  in  welche  Zeit 
dieser  oder  jener  Wall  gehören  mag.  Man  kann 
nicht  sagen,  dieses  Gebiet  enthalt  eine  bestimmte 
Art  von  Wallen , sondern  sie  schieben  sich  ver- 
schiedentlich durcheinander.  Auch  kommt  es  oft 
vof,  dass  in  demselben  Walle  sich  Schichten  ver- 
schiedenen Alters  unterscheiden  lassen.  Ich  fand 
nun.  dass  wir  ira  Wesentlichen  zwei  sichere  Kate- 
gorien von  ErdwUllen  haben.  Die  eine  fasse  ich 
als  slavisch  auf,  wobei  ich  mich  im  Einklänge 
befinde  mit  den  früheren  Untersuchungen  von 
Herrn  Lisch,  der  speciell  für  Meklenburg  dei) 
historischen  Nachweis  geliefert  hat , dass  eine 
Reihe  von  grossen  Burgwallen  mit  den  historisch 
bekannten  festen  Plätzen,  welche  in  den  Kriegen 
der  Deutschen  genannt  werden,  zusammenfallt. 
Ich  werde  darauf  zurüekkonunen.  Dieser  Species 
gegenüber  aber  haben  wir  eine  andere  Kategorie, 
welche  nach  dem  Habitus  ihrer  Einschlüsse  — 
und  in  dieser  Beziehung  muss  ich  mich  in  erster 
Linie  immer  auf  das  Thongeschirr  beziehen  — 
davon  gßnzlich  verschieden  ist.  Der  Berliner 
Verein  hat  erst  in  der  letzten  Zeit  oine  nach 
dieser  Richtung  hin  sehr  interessante  Arbeit  ver- 
öffentlicht , die  mir  von  einem  eifrigen  Alter- 
thumsforscher in  Böhmen,  Herrn  L.  Schneider, 
zugegangen  war  „ über  böhmische  BurgwUlle a 
(Sitzungsbericht  vom  22.  Februar  1878.  Taf.  VI). 
Dieselbe  bestätigt  auch  für  Böhmen  die  volle 
Richtigkeit  der  bei  uns  gewonnenen  Resultate. 
Wir  kennen , um  nur  ein  Beispiel  anzul’ühren, 
keinen  altslavischen  Burgwall,  in  dem  ein  Thon- 
GefÜss  mit  einem  Henkel  vorkam;  alle  diese  Ge- 
fUsse  sind  henkellos , und  wenn  wir  also  einen 
einzigen  Henkel  finden,  so  haben  wir,  wenn  auch 
nicht  die  Sicherheit,  so  doch  wenigstens  den  Ver- 
dacht , dass  dieses  kein  slavischer  Burgwall  sei. 
Natürlich  können  auch  auf  slavische  Burgwälle 
nachträglich  Henkeltöpfe  gelangen.  Es  gibt  eine 
modernere  Sorte , meist  glassirt  und  gut  ge- 
brannt , welche  die  Hirtenjungen  und  andere 
Besucher  liegen  lassen  ; auch  trifft  man  nicht 
selten  mittelalterliche  Scherben,  von  -.ehr  fester, 


klingender  Irdenwaare  und  stark  gebrannt.  Wir 
haben  sie  allmälig  unterscheiden  gelernt.  Ist 
doch  an  manchen  Orten  derselbe  Burgwall  bis  in 
das  eigentliche  Mittealter  hinein  als  fester  Punkt 
benutzt  worden , so  dass  sich  historische  An- 
knüpfungen gewinnen  lassen.  Die  Mehrzahl  der 
gehenkelten  Töpfe  gehört  aber  einer  wesentlich  an- 
deren Gruppe  an ; sie  stimmen  mehr  oder 
weniger  überein  mit  Gräberfunden , die  wir  einer 
vorslavischen  Zeit  zuschreiben.  Da  ,,vorslavisch‘‘ 
für  uns  in  erster  Linie  ,, germanisch“  bedeutet, 
so  sind  wir  meist  geneigt , sie  sofort  als  ger- 
manisch zu  bezeichnen , obwol  ich  anerkenne, 
dass  es  schwierig  ist,  nach  dieser  Richtung  hin 
eine  Grenze  zu  ziehen  und  etwa  die  Möglichkeit 
auszuscheiden,  dass  eine  noch  ältere  Bevölkerung 
in  Frage  kommt.  Unter  diesen  vorslavischen 
Burg  wällen  befinden  sich  einige  unserer  grössten 
und  ausgezeichnetsten.  Ich  will  nur  einen  nennen, 
der  am  leichtesten  erreichbar  ist.  Mitten  im 
Spreewalde  liegt  in  einer  weiten  Sumpfgegend 
ein  sehr  umfänglicher  Burgwall , an  den  sich 
eine  Reihe  von  Sagen  knüpft,  welche  ihn  mit  der 
slavischen  Geschichte  verknüpfen  wollen.  Allein 
die  Untersuchung  desselben  ergab,  dass  seine 
Einschlüsse  von  denen  der  slavischen  BurgwUlle 
ganz  verschieden  sind.  Eher  könnte  inan  ihn 
in  Beziehung  zu  den  Stein  wällen  setzen. 

Die  Steinwälle  sind  eine  sehr  merkwürdige 
Erscheinung.  Sie  finden  sich  fast  ausschliesslich  auf 
den  basaltiseUeu  und  doleritischen  Kegeln,  welche 
nördlich  vor  dem  Lausitzergebirge  die  Ebene 
durchbrochen  haben.  Aber  sie  stimmen  ganz 
überein  mit  den  Steinwällen , welche  in  grosser 
Zahl  in  Böhmen  Vorkommen.  Es  ist  das  an  sich 
nicht  zu  verwundern,  da  das  Gebirge  keine  schwie- 
rigen Durchgänge  besitzt.  Wenn  wir  aber  zu  beiden 
Seiten  des  Gebirgos  (auch  in  Schlesien)  analoge  Ein- 
richtungen troffen,  so  ist  es  meiner  Meinung  nach 
ganz  unmöglich,  sie  blos  auf  einer  Seite  zu  be- 
trachten. Unter  diesen  Stein  wällen  sind  aller- 
dings einzelne,  in  denen  wir  slavische  Sachen 
finden;  in  anderen  dagegen  wurde  bis  jetzt  da- 
von nichts  gefunden , in  anderen  endlich  über- 
lagerten die  slavischen  Sachen  die  vorslavischen, 
so  dass  ich  geneigt  bin  anzunehmon,  dass  viel- 
leicht die  grössere  Zahl  der  eigentlichen  Stein- 
wälle der  früheren  Zeit  angehören.  In  Böhmen 
liebt  man  es , sie  als  coltisch  anzusehen  Es 
liegt  das  in  Böhmen  einigermassen  nahe,  da  hier 
eine  celtisohe  Vorbevölkerung  bezeugt  wird. 
Könnte  ein  bestimmter  Anhalt  für  eine  cel- 
tische  Invasion  Über  das  Lausitzer  Gebirge  in 
unsere  Gegenden  gewonnen  werden , so  wären 
in  der  That  die  Steinwiille  dasjenige  , was 


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133 


am  hegten  Bich  für  eine  solche  Deutung  dar- 
böte. 

Auf  der  anderen  Beite  gibt  es  eine  ungemein 
wichtige  Beziehung  der  Burgwälle  zu  den  Pfahl- 
bauten. Alle  Pfahlbauten  unseres  Gebietes, 
welche  mir  spezieller  bekannt  geworden  sind, 
halte  ich  für  slavisch.  Die  einzigen,  für  welche 
ich  keine  Garantie  übernehmen  kann , sind  die 
meklenburgischen , namentlich  der  von  Wismar. 
Was  sich  sonst  in  Pommern,  Posen  und  der 
Mark  findet , das  sind  lauter  Einrichtungen, 
welche  der  slavischen  Periode  angehören ; sie 
stimmen  archäologisch  vollständig  überein  mit 
den  slavischen  Burgwällen.  Diese  Uebereinstim- 
nmng  gibt  sich  schon  darin  zu  erkennen  , dass 
manche  unserer  Burgwälle  in  unmittelbarem  An- 
schlüsse an  Pfahlbauten  angelegt  sind  , so  z.  B. 
dass  auf  der  Halbinsel , welche  sich  in  den  8ee 
erstreckt,  ein  Burgwall  liegt  und  an  deu  Rändern 
der  Halbinsel  die  Pfahlbauten  stehen.  Zuweilen, 
wie  in  Daher,  bilden  die  Pfablwerke  gemeinsame, 
dem  Walle  sich  anschliessende  Linien,  und  der 
Burgwall  steckt  mitten  in  dem  Vertheidigungs- 
werke  oder  der  Ansiedlung  drin.  Nachdem  ich 
diese  Beobachtung  zuerst  am  Dabersee  gemacht 
hatte,  gelang  es  mir  später  auch  solche  Burg- 
wälle aufzufinden , welche  auf  Pfahlbauten  er- 
richtet worden  sind.  Nicht  allzuweit  von  der 
Gegend , wo  nach  der  Schilderung  der  mittel- 
alterlichen Schriftsteller  die  grosse  Tempelburg 
Rothru  gestanden  haben  soll,  habe  ich  in  einem 
See  der  Uckermark  einen  Burgwall  untersucht, 
bei  dessen  Abräumung  im  Grunde  ein  grosser 
geschichteter  Pfahlbau  zu  Tage  kam.  Es  is  das 
ein  Verhältnis:*,  von  dem  ich  ausdrücklich  kon- 
statiren  will,  dass  es  mehrfach  missverstanden 
wird.  Es  gibt  nemlich  einzelne  Burgwälle,  bei 
denen  weiter  nichts  vorhanden  ist,  als  dass  man 
auf  dem  Moorboden  erst  eine  Art  von  Rost  bar- 
gestellt  bat , auf  welchen  man  die  Erde  auf- 
schichtete ; das  nennen  manche  auch  einen  Pfahl- 
bau. Was  ich  meine,  ist  aber  etwas  ganz  anders. 
Ich  unterscheide  die  Burgwälle,  welche  auf  Rosten 
in  Sümpfe . auf  einem  Packwerk  von  Holz  in 
ein  Moor  hineingebaut  sind , und  solche,  welche 
auf  wirklich  bewohnt  gewesenen  Pfahl- 
bauten stehen.  Es  gibt  also  3 ganz  verschie- 
dene Kategorien  von  Burgwällen : die  unmittel- 
bar geschütteten,  die  auf  Pack-  und  Fasehinen- 
werken  erbauten  und  die  über  wirklichen  älteren 
Pfahlbauten  errichteten.  Alle  drei  Arten  können 
slavisch  sein ; man  kann  es  im  Voraus  nicht 
unterscheiden.  Indess  mit  einem  Fragezeichen 
für  die  meklenburgischen  Stellen,  kann  ich  doch 
sagen,  dass  wrir  keineu  wohl  konstruirten  Pfahlbau 


in  diesen  Landen  kennen,  der  nicht  der  slavischen 
Periode  angehört.  Natürlich  schliesse  ich  dabei 
Alles  aus , was , wenn  ich  mich  so  ausdrücken 
darf,  bloss  pfahlbauähnlich  ist. 

Ausser  Wällen  und  Pfahlbauten  gibt  es  noch 
ein  Drittes,  das  sind  die  einfachen  Ansiedel- 
ungen (Wohnplätze).  Sie  finden  sich  an  ver- 
schiedenen Stellen , auf  kleinen  Inseln  in  Seen, 
auf  Abhängen  am  Ufer  von  Seen , auch  im  An- 
schlüsse an  die  Wälle.  Man  trifft  dort  Kohlen- 
stellen und  verschüttete  Löcher  in  grosser  Zahl, 
die  mit  allerlei  Ueberresten  von  Hausgeräth  und 
und  Nahrungsmitteln  gefüllt  rind.  Nach  und 
nach  ist  eine  ziemlich  grosse  Zahl  von  Wohn- 
stelien ermittelt  worden,  welche  wfir  dieser  Periode 
zuschreiben  können. 

Nun  hatte  man  zu  der  Zeit,  als  wir  in  die 
Untersuchung  eintraten , sehr  weitgehende  Vor- 
stellungen über  die  alten  Begräbnissstellen. 
Der  Name  der  Wenden-Kirchböfe  war  verbreitet 
Uber  alle  unsere  Länderstriche ; ja,  die  Mehrzahl 
aller  der  verschiedenen  und  ungemein  urnenreichen 
Felder  mit  Brandgräbern  wurde  beinahe  ohne 
alle  Reserve  der  - slavischen  Bevölkerung  zuge- 
schrieben. Je  weiter  wir  jedoch  in  das  eigent- 
liche Studium  der  slavischen  Archäologie  ge- 
kommen sind,  umsomehr  verschwand  das  System 
der  Wendonkirchhöfe  uns  unter  den  Händen, 
einer  nach  dem  anderen  , weil  die  Fundgegen- 
stände nicht  blos  im  Grossen  und  Ganzen,  sondern 
auch  im  Detail  absolut  verschieden  von  all  dem 
sind,  was  wir  in  den  slavischen  Burgw’ällen  ge- 
funden hatten. 

Es  ist  sei  bst  verständlich , dass , wenn  man 
z.  B.  zwei  wenig  auseinanderliegende  Burgwälle 
hat  und  zwischen  beiden  ein  Gräberfeld  liegt,  wo 
vielleicht  tausende  von  Urnen  beigesetzt  sind, 
man  sich  leicht  vorstellt,  dieses  Urnenfeld  müsse 
der  Kirchhof  sein,  den  die  Leute  der  Burgwälle 
benützt  haben.  Wenn  man  dann  Tage  lnng  gräbt 
und  auch  nicht  einen  einzigen  Scherben  in  den 
Burgwällen  erhält,  der  eine  wenn  auch  nur  ge- 
ringe Aehnlichkeit  mit  einem  Scherben  aus  einem 
der  Gräber  hat,  was  dann?  Denken  Sie  z.  B. 
an  die  ausgezeichneten  Henkelbildungen,  die  man 
in  den  Gräbern  findet , und  von  denen  man  in 
den  Burgw'Ulleu  nicht  eine  einzige  ftntrifft.  Ein 
Topf,  den  man  in  der  Küche  braucht,  ist  mit 
einem  Henkel  annehmlicher,  als  ein  Topf,  den 
man  in’s  Grab  stellt.  Man  sollte  meinon,  die 
Leute,  die  in’s  Grab  gehenkelte  Gefässe  stellten, 
hätten  sie  auch  in  der  Küche  gebrauchen  können. 
Und  doch  besitzen  wir  kein  einziges  Stück  davon. 
Zahlreiche  andere  Beweise  der  Verschiedenheit 
übergehe  ich  liier.  So  sind  wir  dahin  gekommen, 

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diese  sogenannten  Wenden-Kirchhöfe  aufzulösen 
und  sie  für  vorslavische  zu  erklären.  Aber  wir  sind 
damit  in  eine  andere  Verlegenheit  gekomineu, 
insoferne  als  wir,  nachdem  diese  Form  der  Be- 
gräbnisse sich  der  bisherigen  Betrachtung  entzog, 
nichts  Hechtes  an  die  Stelle  zu  setzen  hatten. 
Und  doch  ist  es  eine  alte  Tradition,  welche  sich 
namentlich  durch  die  Historiographen  fortgesetzt 
hat,  dass  die  Leichen  Verbrennung  bis  zur  Christi- 
anisirung  dieser  Länder  bei  den  Slaven  überall 
gangbar  gewesen  sei.  Die  natürliche  Voraus- 
setzung war,  dass  man  Stellen  finden  werde,  wo 
die  slavischcn  ßr&ndgräher  etablirt  und  die  ßrand- 
kuochen  beigesetzt  waren. 

Jetzt  erst,  im  Laufe  der  letzten  Jahre , hat 
sich  die  Aufmerksamkeit  auf  das  entgegengesetzte 
Verhältnis»  gerichtet.  Wir  sind  allmülig  dahin- 
gekommen, eine  Reihe  von  S k eiet  gr  übern  in 
Frage  zu  ziehen,  ob  sie  vielleicht  der  slavischen 
Periode  angehören  möchten.  Es  ist  freilich  hiß 
jetzt  nicht  möglich  gewesen , gerade  nach  dieser 
Richtung  hin  ausgiebiges  Material  für  das  ganze 
Gebiet  za  sammeln  , von  dem  ich  hier  spreche. 
Jeder,  der  sich  einigermassen  um  den  Gang  uuserer 
Untersuchungen  bekümmerte,  weiss,  dass  erst  im 
Laufe  der  letzten  10  Jahre  die  Skeletgräber  mehr 
und  mehr  zum  Gegenstand  der  allgemeinen  Auf- 
merksamkeit geworden  sind.  Manche  Dinge  ent- 
ziehen sich  lange  der  Kenntnis®  der  Wissenschaft ; 
das  liegt  einmal  im  menschlichen  Entwicklungs- 
gänge. Auch  begreift  sich  das  Einmal  hat  man  vor 
menschlichen  Leichen  einen  gewissen  Respekt ; 
der  Bauer  namentlich  , der  einen  Schädel  findet, 
möchte  ihn  wo  möglich  recht  bald  wieder  unter 
die  Erde  bringen.  Anderen  Menschen  war  ein 
Schädel  ein  Gegenstand  der  Gleichgiltigkeit,  sie 
suchten  nach  Gold , Silber , Erz  und  anderen 
schönen  Dingen ; eine  Urne  machte  einen  ange- 
nehmen Eindruck  auf  ihr  Herz,  aber  das  Skelet 
zerklopften  oder  verwarfen  sic.  Auch  das  Eisen, 
das  vielleicht  dabei  war.  bot  in  seiner  verrosteten 
Form  wenig  Interesse,  sie  warfen  es  bei  Seite; 
die  Bronzen  wurden  verkauft  und  eingeschmolzen. 
Auf  diese  Weise  wissen  wir  von  der  Mehrzahl 
der  älteren  Funde  fast  gar  nichts.  Wenn  man 
jetzt  die  Sammlungen  durchgeht,  so  sieht  man 
freilich,  dass  doch  allerlei  Wichtiges  auf  diesem 
Wege  zusammengekommen  ist,  aber  man  wurde 
nicht  eher  aufmerksam  darauf,  als  bis  die  wahre 
Bedeutung  dieser  Dinge  an’s  Licht  gebracht  war. 
Ein  wirklich  grosser  Fortschritt  war  nicht  möglich, 
ehe  man  nicht  auch  die  Schädel  „Schätze“  ge- 
nannt hat. 

Ich  will  es  ollen  sagen,  wir  nehmen  das  mit 
als  einen  Gewinn  unserer  Thätigkeit  in  Anspruch, 


! dass  von  dem  Augenblicke  an,  wo  die  Menschen 
wissen,  dass  es  ein  Interesse  hat,  alte  Schädel 
aufzubewahren,  sie  auch  andere  unscheinbare  Dinge 
aufbewahren,  die  dabei  gefunden  werden.  Unter 
diesen  unscheinbaren  Dingen  ist  es  ein  Gegen- 
stand gewesen,  der  neuerlich  die  Aufmerksamkeit 
der  Gelehrten  auf  sich  gelenkt  hat,  hauptsäch- 
lich seit  der  Arbeit  des  Herrn  Sophus  Müller, 
nemlich  eine  besondere  Art  von  Schläfen- 
oder Ohrringen;  ich  habe  in  Konstanz  darüber 
I berichtet  uud  seither  weitere  Untersuchungen  an- 
gestellt. In  der  Regel  findet  mau  diesen  Ring, 
aus  Bronze  gefertigt , in  der  Ohrgegend  der 
Skelette.  Es  ist  ein  eigenthümlicher , offener, 
grosser  Ring  mit  einem  stumpfen  und  einem  ein- 
gerollten Ende,  übrigens  ganz  einfach.  Wie  es 
scheint,  kann  er  als  ein  ganz  konstantes  Zeichen 
slavischer  Herkunft  angesehen  werden.  So  hat  man 
ihn  von  Thüringen  bis  Uber  die  Weichsel  hinaus 
angetroffeu,  überall  da,  wo  einst  Slaven  gesessen 
haben.  *) 

Ich  hoffe,  dass  wir  in  Beziehung  auf  die 
Slavengräber  im  Laufe  der  nächsten  Jahre  erheb- 
lich weiter  kommen  werden,  und  ich  kann  auch 
hier  speziell  für  das  wagrische  Land  nur  den 
dringenden  Wunsch  aussprechen,  dass  mit  mög- 
lichster Sorgfalt  gerade  die  Skeletgräber  erforscht 
werden  möchten.  Es  ist  das  das  grösste  Desi- 
derat ; wir  bedürfen  solche  Erfahrungen  zur  Ver- 
vollständigung der  Archäologie  der  slavischen 
Periode  dringend.  Bis  jetzt  sind  wir  noch  so 
arm  an  Schädeln  aus  den  verschiedenen  Gegen- 
den des  alten  Slavenlandes , dass  es  vermessen 
sein  würde , ein  abschliessendes  Urtbeil  darüber 
ausspreebeu  zu  wollen.  Besondere  Schwierigkeiten 
sind  von  vornherein  hervorgetreten.  Während 
man  bis  dahin  nach  ltetzius  alle  Slaven  als 
Brachyccphulen  angenommen  hatte , fanden  sich 
in  diesen  Gräbern  Dolichocephale  oder  zur  Doli- 
choceplialie  hinneigende  Mesoccphale,  aber  keine 
Brachycephalen.  Wir  Allo  haben  daher  Anfangs 
geglaubt,  das  müssten  erst,  recht  vorslavische  d.  h. 
germanische  Gräber  sein.  Allmälig  kehrt  sich 
die  Betrachtung  um.  Was  früher  als  germanisches 
Gräberfeld  erschien  , das  erscheint  jetzt  als  sla- 
vische  Begräbuissstelle  und  umgekehrt.  Sie  wissen, 
welche  Schwierigkeiten  es  hat,  aus  einein  solchen 
Gewirrc  herauszukowmen  und  welche  Sorgfalt 
uoth wendig  ist,  um  eine  feste  Grundlage  zu  ge- 
winnen , auf  der  weiter  gebaut  werden  kann. 
Aber  endlich  sind  wir  so  weit,  dass  wir  sagen 

*)  Erst  im  Laufe  dieses  .Sommers  bin  ich  darauf 
aufmeiks.'im  geworden,  dass  kleinere  silbern?  Hinge 
dieser  Art  einen  häufigen  Best nndt heil  der  arabischen 
SillH-rfuiide  in  andren  Gegenden  ausmachen. 


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135 


können,  wir  haben  Anhaltspunkte  gefunden,  um 
auch  die  Grabstätten  der  Bevölkerung,  welche  die 
Burgwttlle  benutzte , die  Pfahlbauten  errichtete, 
grosse  Ansiedelungen  gründete,  nachzuweisen. 

Nun  werden  Sie  mich  vielleicht  fragen,  mit 
welcher  Sicherheit  kann  man  das  schließen?  ln 
dieser  Beziehung  habe  ich  zwei  unzweifelhafte 
That&achen  anzuführen.  Einmal  den  Nachweis, 
dass  eine  gewisse  Zahl  dieser  Burgwälle  positiv, 
historisch  slavisch  war.  Also  z.  B.  um  hier  an- 
zufangen  : Oldenburg  oder  Stargard  in  Wagrien 
war  eine  slavische  Burg , die  in  den  uns  genau 
überlieferten  Kämpfen  der  Deutschen  mit  den 
Slaven  genannt  wird  ; wir  wissen  auch,  dass,  als 
die  Slaven  zurtickgeworfen  wurden,  gerade  hier 
die  Einwanderung  der  Völkerschaften  stattfand, 
welche  Graf  Adolf  von  Holstein  von  Holland, 
Flandern  und  dem  Rheine  hierher  rief.  Sysel, 
ebenfalls  eine  solche  alte  Burg,  an  deren  Ueber- 
resten  Sie  vorüberfahren  werden,  war  der  einzige 
Platz  , wo  nach  dem  Zeugnisse  von  H e 1 m o 1 d 
eine  friesische  Kolonie  angesiedelt  wurde;  bald 
nachher  spielte  es  in  weiteren  Kämpfen  mit  den 
Slaven  eine  Rolle.  Das  sind  also  spezielle  Orte, 
Uber  deren  Authentizität  kein  Zweifel  sein  kann. 
Die  meklenburgischen  Burgwällc  sind  fast  alle 
aus  der  älteren  Geschichte  bekannt ; man  weiss 
genau , wie  sie  bieesen.  Die  Burgwällc  von 
Rügen  sind  alle  bekannt,  da  sie  in  den  schweren 
Kämpfen  der  Slaven  mit  den  Dänen  einzeln  her- 
vortreten,  von  der  grossen  Tempelburg  Arkona 
an  bis  zu  den  kleineren,  die  im  Lande  zerstreut 
sind.  Das  sind  Plätze,  die  im  12.  und  18.  Jahr- 
hundert in  der  bestimmtesten  Welse  als  solche 
Stellen  bezeichnet  werden,  wo  nicht  blos  ein  Fort 
oder  eine  Stadt  existirte,  sondern  an  welche  zum 
Theil  die  höchsten  hierarchischen  Institutionen  des 
Landes  anknUpften.  So  Bicher  als  man  Olympia 
konstatirt  hat,  so  sicher  kann  innn  auch  Arkona, 
Meklenburg,  Altlübek,  Oldenburg  etc.  konstatiren. 
So  habe  ich  mit  gleicher  Sicherheit  den  Platz 
fllr  Julin  in  Pommern  festgestellt.  Wenn  wir 
also  auch  zunächst  alles  Unsichere  ausscheiden 
und  nur  dasjenige,  was  urkundlich  feststeht,  Platz 
greifen  lassen,  so  gewinnen  wir  doch  ein  ganz 
sicheres  Fundament  für  unsere  Urzeit. 

An  allen  diesen  Orten  finden  wir  eine  gewisse 
Reihe,  von  Dingen,  die  wir,  wie  die  Leitmuschel 
des  Geologen,  bei  der  Feststellung  weiterer  Gruppen 
benutzen  können.  Darunter  ist  namentlich  die 
Verzierung  des  Thongeschirres  zu  erwähnen.  Eine 
der  am  häufigsten  vorkommenden  und  am  meisten 
charakteristischen  ist  diejenige,  welcho  ich  das 
Wellenornament  genannt  habe.  Man  sieht 
sie  überall  an  den  Scheiben  eingeritzt,  gewöhnlich 


so,  dass  mehrfache,  mit  einer  mehrzinkigen  Gabel 
über  den  Thon  gezogene  Wellenlinien  horizontale 
Gurten  bilden.  Dieses  Ornament  ist  ganz  kon- 
stant in  der  ganzen  Ausdehnung  der  westslavi- 
schen  Länder,  in  Deutschland,  Polen,  Böhmen  und 
Mähren.  Herr  Schneider,  der  vor  einigen 
Monaten  eine  Reise  durch  Galizien  bis  an  die 
Grenzen  von  Bessarabien  machte , fand  in  der 
Nähe  von  Chotyin  am  Dnioster  einen  Burgwall 
mit  Scherben  mit  denselben  Ornamenten.  Es  ist 
aber  nicht  bloss  dos  eine  Ornament  charakteristisch, 
sondern  es  gibt  eine  ganze  Reihe  von  anderen, 
z.  B.  Reihen  von  kleinen  Punkten , die  hinter 
einander  in  schiefen  Linien  der  Oberfläche  ein- 
gedrückt sind.  Zu  diesen,  zum  Theil  sehr  schönen, 
feinen  Ornamenten  tritt  als  diagnostisches  Merk- 
mal eine  Reihe  von  negativen  Umständen : das 
Fehlen  der  senkrechten  Anordnung  der  Wellen- 
linien, das  Fehlen  der  mehr  geometrischen , der 
ausgedaebten  Stilformen,  wie  sie  sich  an  den  vor- 
slavischen  Dingen  fiuden.  Dazu  kommt  der  Mangel 
aller  der  besonderen  Ausstattungen , nicht  bloss 
der  Henkel , sondern  namentlich  der  Buckel  und 
Vorsprünge  verschiedenster  Art,  wie  sie  gerade 
an  Graburnön  so  häufig  sind.  Und  endlich  — und 
das  ist.  nicht  das  geringste  — die  ganz  auffällige 
Prävalenz,  mit  der  das  Geschirr  auf  der  Töpfer- 
scheibe gearbeitet  ist , während  in  der  älteren 
Periode  trotz  grösserer  Eleganz  und  Feinheit  die 
freie  Handarbeit,  dominirt.  Herr  Schneider 
geht  so  weit,  dass  er  behauptet. , jedes  gedrehte 
Stück  sei  slavisch , jedes  aus  freier  Hand  ge- 
formte germanisch  oder  keltisch,  was  meiner  Er- 
fahrung nach  nicht  zutrifft 

Das  andere,  was  ich  als  ein  bestimmtes  chro- 
nologisches Kennzeichen  anführen  muss,  sind  die 
Münzfundc.  Wir  kennen  eine  grössere  Reihe  von 
Funden,  wo  in  Töpfen  , welche  ganz  genau  dem 
Styl  dieser  Periode  angehören,  Münzen,  zuweilen 
in  grosser  Menge,  aufgefunden  sind.  Wir  haben 
jetzt  schon  ein  Halbdutzend  von  Stellen,  wo  die 
bestimmte  Topfform  mit  wohl  konstatirten  Münzen 
zusammentraf.  Ein  grosser  Theil  dieser  Münzen 
gehört,  abgesehen  von  den  sogenannten  Wenden- 
pfennigen und  den  mehr  barbarischen  Nachbild- 
ungen deutscher  oder  fremder  Münzen , der  Zeit 
der  sächsischen  Kaiser  an.  An  diese  schliesst 
sich  eine  zweite  sehr  wichtige  Gruppe  an,  welche 
fü^  die  archäologische  Betrachtung  von  höchster 
Dignität  ist.  Das  sind  aus  dem  Orient  stammende 
Münzen,  arabische  und  kufische.  Es  ist 
seit  langer  Zeit  bekannt , dass  ein  arabischer 
Hundeiszug  sich  nach  weisen  lässt,  der  wahrschein- 
lich im  lü./ll.  Jahrhundert  seino  grösste  Stärke 
hatte,  und  der  während  dieser  Periode  eine  Reihe 


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136 


von  Produkten  des  Orients  und  darunter  nament- 
lich Münzen  in  grosser  Zahl  und  von  sehr  si- 
cherem Gepräge  in  unsere  Lander  gehracht  hat. 

Es  ist  sehr  merkwürdig . dass , während  dieser  I 
arabische  Handel  über  die  Ostsee  hinaus  nach  l 
Dänemark , Schweden , ja  sogar  noch  an  einige  i 
Stellen  der  englischen  Küste  reicht,  es  his  jetzt  1 
keinen  Ort  jenseits  der  Elbe  gibt,  an  dem  jemals 
etwas  Erhebliches  der  Art  gefunden  worden  wäre. 
Bei  uns  sind  Tausende  von  Silbersachen  zu  Tage 
gekommen,  die  man,  auch  wo  Münzen  fehlen,  auf 
orientalische  Typen  zurüekfUhren  kann ; aber  die 
westliche  Grenze  liegt  an  der  Elbe.  Sie  werden 
im  Kieler  Museum  einige  recht  interessante,  wenn 
auch  nicht  gerade  reiche  Funde  dieser  Art  sehen ; 
diese  Provinz  ist  ein  etwas  armes  Gebiet , viel- 
leicht auch  ein  etwas  verwahrlostes.  Die  reichsten 
Sachen  finden  sich  in  Stockholm.  Indessen,  was 
Sie  hier  sehen , genügt , um  mit  voller  Evidenz 
zu  sagen , es  ist  ein  und  derselbe  Handelszug. 
Noch  etwas  Anderes  ist  sehr  merkwürdig:  wah- 
rend dieser  Handel  an  der  Elbe  abschneidet , also 
seit  der  Zeit  der  Karolinger  mit  der  Grenze  der  j 
Deutschen , so  schneidet  er  auch  im  Lande  der  j 
Slaven  quer  durch.  Wir  haben  z.  B.  noch  nie 
in  dem  Gebiete  südlich  von  der  Havel  und  Spree 
gegen  das  Gebirge , namentlich  in  der  Lausitz, 
bis  jetzt  solche  Dinge  gefunden;  die  Grenzlinie 
geht  gegen  Osten  schräg  herüber  bi»  in  die 
Gegend  von  Frankfurt  a.  d.  Oder.  Dann  erst 
kommen  wir  auf  südlichere  Funde,  die  in  neuerer  I 
Zeit  vermehrt  worden  sind,  in  der  Provinz  Posen.  I 
Dort  beginnt  ein  östlich  fortlaufender  Zug , der  i 
nach  Russland  geht  und  der  sich  bis  zur  Wolga 
hin  verfolgen  lässt.  Er  führt  nicht , wie  es 
scheint,  zum  Dniester  oder  Dnieper,  sondern  auf 
die  Wolga  hin.  Da  erreichte  er  den  aus  den 
arabischen  Schriftstellern  bekannten  grossen  Han- 
delsplatz Bulgar,  die  Hauptstadt  der  Bulgaren  j 
An  der  Wolga;  von  da  ging  er  nach  dem  alten 
Astrachan  und  über  das  kaspisehe  Meer  in  die  1 
orientalischen  Länder. 

In  dieser  Zeit  haben  wir  also  eine  chrono- 
logisch gut  Charakter iairte  Ornamentik  und  einen 
bestimmten  Handelsverkehr,  der  jedoch  mit  Aus- 
schluss des  eigentlich  deutschen  Landes  und  einer 
Zahl  slavischer  Länder  geführt  ist.  Mir  ist  nicht 
bekannt,  dass  in  Böhmen  etwas  gefunden  worden  i 
ist,  was  diesen  Sachen  gliche.  Dieser  Handel. s^ug  I 
bezieht  sich  auf  kein  bestimmtes  Volk,  ebenso  j 
wie  jetzt  der  Handel  in  Afrika,  der  sich  in  ge-  | 
wisse  Radien  von  der  Küste  aus  zu  den  ver*  [ 
schiedensten  Stämmen  erstreckt.  Es  wird  die  I 
Aufgabe  der  nächsten  Zukunft  sein,  zu  ermitteln, 
wie  dos  zusammenhängt.  Ich  habe  eine  ganz  . 


ausreichende  Erklärung  nicht  finden  können,  warum 
die  Küstenländer  der  Ostsee  bevorzugt  und  die 
Binnenlandschaften  ausgeschlossen  worden  sind. 
Ich  halte  es  für  keinen  Zufall,  dass  Über  eine 
gewisse  südliche  Linie  hinaus  von  diesen  Dingen 
nichts  gefunden  worden  ist. 

Dabei  möchte  ich,  um  etwaigen  Missverständ- 
nissen nach  dieser  Richtung  hin  vorzubeugen,  be- 
sonders hervorheben , dass  um  dieselbe  Zeit  in 
Süd-  und  Westdeutschland  selbst,  zum  Theil  schon 
früher , sich  gleichfalls  orientalische  Beziehungen 
finden,  aber  vorzugsweise  mit  Byzanz.  Es  kom- 
men Beziehungen  zwischen  den  fränkischen  und 
den  späteren  sächsischen  Häusern  und  den  by- 
zantinischen Kaisern;  es  kommen  Vermählungen 
von  byzantinischen  Prinzessinen  mit  deutschen 
Fürsten,  Gesandtschaften  von  da,  es  kommt  der 
Import  von  allerlei  Schmucksachen , und  es  ist 
daher  selbstverständlich,  dass  wir  auch  auf  diesem 
Wege  parallele  Einwirkungen  erkennen.  Ich  unter- 
scheide also  U Ströme : der  eine  Strom , soweit 
wir  beurtheilen  können,  ist.  wesentlich  die  Donau 
herauf,  zum  Theile  vielleicht  über  Venedig  und 
Aquileja  gegangen  ; derselbe  hat  aber  direkt  durch- 
aus nichts  zu  thun  mit  dem  Strome,  der  Byzanz 
links  liegen  Hess  und  vom  fernen  Osten  ausging 
Nichtsdestoweniger  gibt  es  gewisse  Parallelen  in 
beiden  Richtungen,  und  ich  bin  überzeugt,  dass, 
wenn  man  die  Geschichte  der  Ornamentik  spe- 
zieller studireo  wird,  es  sich  herausstellen  dürfte, 
dass  man  gewisse  Erzeugnisse,  die  sich  auf  beiden 
Wegen  unabhängig  verbreitet  haben,  auf  gemein- 
same Quellen  im  Osten  zurück  verfolgen  kann. 
Das  W ellenornament  ist  nach  meiner  Meinung 
wahrscheinlich  keine  ursprünglich  slavische  Er- 
findung ; ich  kann  dasselbe  die  Donau  hinauf 
bis  an  den  Rhein  in  einer  ganzen  Reibe  von 
Funden  verfolgen.  Schon  in  der  früheren  fränki- 
schen Periode  finden  sich  solche  Thongeräthe. 
Nichtsdestoweniger  trage  ich  durchaus  kein  Be- 
denken, für  unsere  Gegend  das  Ornament  für 
spezifisch  slavisch  zu  nehmen.  Ich  halte  es  aber  für 
ein  orientalisches  Ornament,  erstlich  weil  heutzutage 
noch  Töpfe  mit  solcher  Ornamentik  in  Aegypten 
im  Gebrauche  sind,  weil  ferner  so  verzierte  Scherben 
aus  dem  Snmallandc  in  Ostafrika  durch  den  Reisen- 
den Hildebrandt  mitgebracht  sind,  und  end- 
lich, weil  es  nach  den  von  Herrn  Jagor  ge- 
sammelten Scherben  in  grosser  Zahl  in  den 
Küchenabtallen  auf  den  Andamanen-Inseln  und  in 
Vorderindien  vorkommt. 

Ein  anderes  Merkmal , worauf  ich  bei  Ge- 
legenheit meiner  iivläudischen  Reise  besonders  auf- 
merksam geworden  bin,  und  welches  ich  Sie  bitten 
möchte,  auf  den  hiesigen  orientalischen  Sachen  an- 


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137 


zuseben,  ist  die  eigenthümliche  weitere  Ausbildung 
der  Form,  die  aus  dem  sogenannten  Wolfszahn- 
Ornament  hervorgeht.  Am  häufigsten  auf  sil- 
bernen Sehmucksachen  sieht  man  nemlich  längs 
des  Randes  Linien,  auf  welchen,  wie  beim  Wolfs- 
gebisB,  zahnartige,  spitze  Dreiecke  sitzen.  Werden 
diese  Dreiecke  grösser,  so  ist  häufig  im  Innern 
desselben  ein  runder  Kreis  oder  ein  Korn  ein- 
geschlagen , werden  sie  noch  grösser,  so  kommen 
drei  und  noch  mehr  Körner  hinzu.  Schliesslich 
löst  sich  das  Dreieck  ganz  ab  von  der  Wolfs- 
zohnlinie  und  erscheint  als  ein  selbständiges  Ge- 
bilde. 

Solche  Einzelnheiten  möchte  ich  hervorheben, 
um  darauf  aufmerksam  zu  machen , dass , wenn 
wir  etwas  A eh  n lieh  es  jenseits  der  südlichen  Grenze 
finden , dieses  durchaus  nicht  einen  Gegenbeweis 
liefert.  Es  bleiben  hinreichend  grosse  Unterschiede 
übrig,  um  darzuthun,  dass  dieser  auch  historisch 
konstatirte  Handel  mit  dem  Orient  für  uns  die 
Grenze  des  alten  Slaventhiuns  bezeichnet,  und  dar- 
über nicht  binausgeht.  Ich  darf  jedoch,  weil  wir 
die  Ehre  haben,  Herrn  Montelius  (Stockholm) 
in  unserer  Mitte  zu  sehen,  hervorheben,  dass  bis 
jetzt  ausserhalb  der  Grenzen  unseres  Gebietes  kein 
zweiter  Punkt  weiter  bekannt  ist,  w'o  in  einer 
gewissen  Fülle  die  Gesammtheit  dieser  Dinge, 
einschliesslich  des  eigentümlichen  Thongescbirres, 
sich  vereinigte , als  in  Björkö , einem  Platze  in 
Schweden , der  in  derselben  Zeit  ein  blühender 
Handelsort  (Birca)  war,  wo  Wollin,  Stargard  in 
Wagrien  etc.  ihre  höchste  Entwicklung  erreichten. 
Bei  Gelegenheit  des  internationalen  Kongresses  in 
Stockholm  fand  ich  zu  meiner  höchsten  Ueber- 
r&schung  die  unverkennbaren  Anklänge  an  diese 
Kultur.  Ich  weiss  nicht,  ob  seitdem  in  Skandi- 
navien noch  etwas  Aehnliches  gefunden  worden 
ist;  so  viel  wissen  wir  aber,  dass  der  Handels- 
verkehr auf  der  Ostsee  in  dieser  Zeit  hinreichend 
entwickelt  war,  um  eine  solche  Vermittlung  her- 
beiznfÜhren.  Vielleicht  erklärt  es  sich  so,  dass 
auf  einem  isolirten  Punkte,  wie  auf  einer  Insel 
des  Mäler-Sees,  plötzlich  die  Gesammtheit  der  uns 
bekannten  Erscheinungen  uns  entgegentritt.  — 

Herr  Prof.  HchaafThauHgn  theilt  mit,  dass 
der  zum  Geschäftsführer  fllr  die  nächste  Ver- 
sammlung in  Straasburg  erwählte  Herr  Professor 
Gerl  and  die  Wahl  dankend  angenommen  habe. 

Herr  I*Ö8<*he  (Washington):  Ich  fühle 
mich  zunächst  veranlasst,  Herrn  Prof.  V i r c h o w 
für  seinen  in  so  hohem  Grade  instruktiven  Vortrag 
zu  danken,  und  weiss , dass  ich  damit  auch  die 
Ansicht  der  Versammlung  aussprechen  werde, 


! will  aber  diese  Gelegenheit  nicht  vorübergehen 
! lassen,  ohne  an  Etwas  anzuknüpfen. 

Herr  Professor  Virchow  hat  durch  einige 
1 Ausdrücke,  die  er  gebrauchte,  deutlich  dargethan, 

; dass  er  die  gewöhnliche  Ansicht  der  deutschen 
j Gelehrten  vollständig  theilt,  dass  alles  Vorslav- 
I ische  im  östlichen  Thcil  des  jetzigen  Deutschland, 
j germanisch  sei.  Mehrere  Ausdrücke  haben  darauf 
| hingedeutet.  Ich  will  also  hier  Protest  einlegen 
I gegen  diese  Ansicht,  welche  allgemein  herrscht. 

I Um  es  kurz  zu  sagen:  wer  die  Germania  des 
! Tacitus  zur  Haud  nimmt,  sollte  statt  Suevi  Slavi 
| lesen.  Diese  Ansicht  stammt  nicht,  von  mir,  son- 
dern von  einem  hochverdienten  Herrn,  der  vor 
50  Jahren  eine  ganze  Reihe  von  Werken  ver- 
öffentlich hat,  einem  alten  70jährigeu  Greis  in 
Hannover,  von  Herrn  von  W ersehe.  Wenn  man 
etwas  Biographisches  wissen  will,  was  sonst,  nicht 
| leicht  zugänglich  ist,  so  greifen  wir  alle  zu  Pie- 
rers  Lexikon.  Die  neueste  Auflage , die  mir  zu 
Gebote  stand,  hatte  wunderbarer  Weise  nicht  den 
Namen  des  Herrn  von  Wersebe,  welcher  5 — 6 
Bände  über  älteste  deutsche  Geschichte  veröffent- 
licht hat.  Ich  will  der  Sache  etwas  näher  treten. 
In  der  Geschichte  der  deutschen  Sprache,  erwähnt 
Jakob  Grimm  mit  Abscheu  der  Ansicht,  dass 
die  Slaven  schon  zu  den  Zeiten  des  Tacitus,  also 
am  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  unserer  Zeit- 
rechnung dort  gesessen  hätten,  wo  wir  sie  später 
linden.  Derselbe  hochgelehrte  Jakob  Grimm 
bringt  aber  einen  neuen  Beweis  für  die  Richtig- 
keit dieser  Ansicht,  indem  er  darthut,  dass  Suevi 
und  Slavi  nur  dialektisch  verschieden  sind , da 
noch  heute  die  Freiheit  in  einigen  slaviscben 
Dialekten  sloboda  in  andern  aber  swobodä  heisst. 
Die  er*te  Stelle,  wo  Herr  von  Wersebe 
seine  Ansicht  ausspricht , ist  in  seinem  Buche 
über  die  Gaue  zwischen  der  Weser  und  Saale. 
Nun  ist  aber  noch  etwas  Anderes,  und  Herr  Pro- 
fessor Virchow  erwähnte  die  Sache  schon,  wie 
mir  scheint,  ein  neuer  thatsltchlicher  Beweis  für 
die  Richtigkeit,  dieser  Ansicht.  Das  sind  die 
Schläfenringe,  die  wir  bloss  bei  den  Slaven  Anden. 
Diese  bringe  ich  in  Verbindung  mit  der  Anführ- 
ung des  Tacitus,  welcher  auf  eine  gewisse  eigen  - 
thümliche  Haartracht  der  Sueven  hindeutet, 
welche  das  Huar  in  der  Mitte  des  Kopfs  auf  den 
Wirbel  zusam mengebunden  in  einem  Knoten  tra- 
gen. Ich  glaube,  die  Schläfenringe  werden  dazu 
gedient  haben  die  Haare  in  einen  Knoten  fest- 
zusammengeliunden  zu  halten.  Ich  will  die  Ver- 
sammlung nicht  weiter  aufhalten.  Ich  will  damit 
schliessen,  dass  ich  bereit  bin,  die  von  Herrn  von 
Wersobe  vor  50  Jahren  ausgesprochene  An- 
sicht, dass  die  Suoych  Slaven  wraren  und  schon 


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138 


am  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  unserer  Zeit- 
rechnung dort  wohnten,  wo  wir  sie  später  finden, 
also  auch  hier  bis  nach  dem  östlichen  Holstein 
hin,  gewohnt  haben , in  vollstem  Masse  zu  ver- 
treten, soweit  meine  Kräfte  ausrciehen.  Ich  wünsche 
damit  zugleich  eine  Ehrenschuld  abzutragen  gegen 
den  Mann,  welcher  vor  50  Jahren  die  für  unsere 
älteste  Geschichte  so  unendlich  wichtige  Wahrheit 
verkündet  hat,  und  bis  jetzt  todtgesch  wiegen  ist. 

Herr  C.  Tischler  (Königsberg).  Ich  will 
an  Herrn  Professor  V i r c h o w s Hede  anschliessend 
einige  Thatsaeheu  erwähnen  , welche  die  Zeit- 
stellung der  Burg wallgeftisse  vollständig  bestätigen. 

Herr  Professor  Virchow  bemerkt,  dass  die 
Grenze  der  Slaven  (gegen  Preussen  zu)  an  der 
Weichsel  lag.  Dies  bestätigen  die  archäologischen 
Funde  Ostpreussens,  indem  die  Metallgeräthe  der 
späteren  Zeit  von  denen  der  westlichen  slavischen 
Stämme  wesentlich  abweichen  und  sich  mehr 
denen  aus  den  benachbarten  Östlichen  Ländern  an- 
sch Hessen.  Wohl  aber  kommen  in  den  jttngern Gräbern 
Ostpreussens,  sowie  in  anderweitigen  Ueberresten 
dieser  Periode  ganz  dieselben  Scherben  vor  als 
in  den  slavischen  Niederlassungen.  Es  finden 
sich  die  Burgwallinien,  allerlei  Stempelei ndrücke 
Quadratreihen  etc.,  so  dass  man  glauben  könnte 
Scherben  aus  Meklenburg  oder  aus  der  Lausitz 
vor  sich  zu  haben.  Einige  dieser  Gräber  ge- 
hören einer  sehr  späten  Zeit  an,  als  das  Christen- 
thum schon  Eingang  gefunden  hatte,  und  be- 
herbergen Ordensbracteaten  aus  dem  14.  Jahr- 
hunderte. Andere , welche  keine  Münzen  ent- 
halten, .zeigen  durch  die  Identität  der  Schinuck- 
sacheu,  zu  denen  die  hufeisenförmige  Fibula  um 
meisten  charakteristisch  ist,  dass  sie  zeitlich  nicht 
allzuweit  entfernt  sind. 

Es  folgt  hieraus,  dass  die  besprochenen  Ge- 
wisse noch  recht  spät  im  Gebrauche  waren,  und 
dass  ihr  Verbreitungsbezirk  sich  nicht  auf  die 
westslavisohen  Länder  beschränkt , sondern  sich 
auch  über  das  preussische  und  auch  lettische  Ge- 
biet erstreckt. 

Herr  Motilolius  (Stockholm):  Ich  habe 
um  das  Wort  gebeten , um  einige  Bemerkungen 
zu  machen  über  die  hier  ausgesprochene  Ansicht, 
dass  diejenigen  Völker,  die  in  dein  östlichen 
Deutschland  und  in  den  angrenzenden  Ländern 
schon  im  ersten  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
gewohnt,  haben,  Slaven  waren.  Ich  bin  nemlich 
der  festen  Ueberzcugung,  dass  die  bis  jetzt  be- 
kannten archäologischen  Thatsachen  vollständig 
für  eine  andere  Ansicht  sprechen.  Ich  habe  in 


den  letzten  Jahren  und  speziell  im  Jahre  1876 
Gelegenheit  gehabt,  die  archäologischen  Samm- 
lungen in  den  Odseeprovinzen  und  in  diesem 
Jahre  in  den  preussisch-pominer* sehen  Provinzen 
zu  studiren.  und  schon  in  dem  Kongress  zu  Buda- 
pest habe  ich  sehr  kurz  die  Ansicht  ausgesprochen, 
die  auch  von  anderer  Seite  philologisch  ausge- 
sprochen wurde,  dass  in  den  Ostseeprovinzen  in 
preussischen  und  pommerischen  Gegenden  und 
überhaupt  in  all  den  Gegenden  des  jetzigen 
Deutschlands , wo  jetzt  Slaven  wohnen , früher 
Germanen  gewohnt  haben  und  dass  diese  viel- 
leicht erst  3 bi9  4 Jahrhunderte  nach  Christus 
von  diesen  Gegenden  verdrängt  wurden.  Ich 
kann  die  Gründe  hieftlr  nicht  alle  anführen,  ich 
will  nur  ganz  kurz  bemerken,  dass  alle  die  Alter- 
thüiner,  die  man  in  den  genannten  Ländern  ge- 
funden hat  und  die  aus  dem  1.  und  2.  Jahr- 
hundert nach  Christus  stammen,  ohne  Ausnahme 
die  allergrösste  Aehnlichkeit  mit  denjenigen  zeigen, 
die  wir  in  Skandinavien  und  in  ganz  bestimmt  ger- 
manischen Theilen  Deutschlands  finden;  dagegen 
hat  man  in  den  östlicheren  Gegenden,  wo  doch 
die  Hauptmasse  der  Slaven  längere  Zeit  gewohnt 
hat,  keine  Spur  von  solchen  Sachen  gefunden. 
Die  Alterthümer  jener  Jahrhunderte,  die  mau  in 
den  jetzt  slavischen,  preussisch-pomra  ersehen  und 
angrenzenden  Ländern  findot,  sind  ähnlich  mit 
den  germanischen ; aber  man  findet  keine  ähn- 
lichen in  den  Östlichen  slavischen  Gegenden.  Das 
ist  für  mich  eine  Andeutung  und  ich  glaube, 
dass  es  als  Beweis  angesehen  werden  darf,  dass 
in  jener  Zeit  die  Germanen  da  wohnten , und 
diese  Thatsache  wird  von  um  so  grösser  Be- 
deutung , wenn  man  bedenkt , dass  in  den  ge- 
nannten Gegenden  die  germanischen  Alterthümer 
zu  der  Zeit  aufhören,  als  die  Slaven  dorthin 
gekommen  sind.  Aus  dem  3.  und  4.  Jahrhundert 
vor  Christus  hat  man  in  diesen  Gegenden  eine 
Menge  germanischer  Sachen  gefunden  . aber  aus 
dem  5.  bis  7.  Jahrhundert,  findet  man  fast  keine 
Spur  von  solchen  Sachen,  die  mit  den  germani- 
schen Alterth Ürnern  Aehnlichkeit  haben.  Wenn 
man  diese  Verhältnisse  näher  studirt , kann  man 
vielleicht  noch  genau  die  Zeit  der  slavischen  Ein- 
wanderung bestimmen.  Bis  jetzt  kann  man  nur 
als  eine  Art  geologischer  Thatsache  betrachten, 
dass  die  Alterthümer  aus  jenen  Gegenden  für  die 
Anwesenheit  der  Germanen  im  1.  Jahrhundert 
sprechen. 

Ich  war  ganz  unvorbereitet  für  diese  Frage 
und  kann  daher  keine  speziellen  Thatsachen  an- 
f Uhren. 

(Fortsetzung  in  Nro.  11.) 


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111 


gehen  müssen,  und  ich  bin  überzeugt , wenn  ob 
uns  gelingt , eine  grössere  Anzahl  von  Mit- 
arbeitern für  die  Untersuchung  der  lebenden  Be- 
völkerung zu  gewinnen , so  werden  wir  nach 
kurzer  Zeit  eine  andere  Sicherheit  der  Probleme, 
eine  grössere  Klarheit  in  der  Richtung  unserer 
Forschung  gewonnen  haben , als  es  bisher  der 
Fall  war. 

Herr  Schaaffhftusen : Ich  will  mir  wegen 
der  vorgerückten  Zeit  nur  noch  gestatten,  Ihnen 
einen  Theil  meines  Cominissionsberichtea  zu  geben  ; 
die  Erläuterungen  dazu  verspare  ich  mir  auf 
die  nächste  Sitzung.  Ich  lege  hier  die  Arbeiten 
vor,  die  für  den  Gesammtkatalog  der  anthropo- 
logischen Sammlungen  bis  jetzt  fertig  gestellt 
und  gedruckt  sind.  Es  ist  die  anthropologische 
Sammlung  des  anatomischen  Instituts  zu  Bonn 
von  mir,  die  berühmte  Blumcnbach’sche  Samm- 
lung in  Göttingen  von  Spoogel  und  mir  und 
die  Freiburger  Sammlung  von  Ecker  aufgestellt, 
der,  wie  es  das  Programm  gewünscht,  auch  die 


! ethnologischen  Gegenstände  aufgenommen  hat. 

| Ich  selbst  habe  im  Laufe  dieses  Jahres  die  Samm* 

, lungen  von  Stuttgart,  Darmstadt  und  Leipzig 
i durchgemessen,  diese  Arbeiten  liegen  zum  Drucke 
bereit;  für  Frankfurt  aM.  hat  Lucae  das  Ver- 
zeichnis« angefertigt,  dem  ich  noch  einige  Maasse 
der  Vergleichbarkeit  wegen  liinzuzufügen  die  Ab- 
sicht habe.  Herr  Prof.  Rüdinger  hat  den 
Münchener  Katalog,  der  von  Bi  sch  off  eingelie- 
fert war,  zu  ergänzen  übernommen.  Welcker 
hat  schon  früher  zugesagt,  für  die  Halle’sche 
Universitäts-Sammlung,  die  jetzt  durch  seine  eigen« 
vermehrt  worden  ist,  Messungen  zu  liefern.  Dio 
Sammlungen  von  Königsberg  liegen  fertig  vor 
und  sind  von  Prof.  Dr.  Kupfer  und  Dr.  Langen 
verfasst;  die  umfängliche  Arbeit  wird  etwas  ab- 
gekürzt werden  müssen.  Es  hat  sich  heraus- 
gestellt, dass,  wenn  das  Werk  nicht  zu  umfang- 
reich werden  soll,  die  Verfasser  sieb  auf  kurze 
Bemerkungen  und  auf  die  nothwendigsten  Maasse 
beschränken  müssen.  Ich  verspreche  rasche  För- 
derung des  Unternehmens. 


Dritte  Sitzung. 


Inhalt:  Herr  Schaa  ffh  a apen,  Fortsetzung  des  Commissions-Berichts. — Geschäftliches.  — Ueber  den  Neander- 
t Haler  Fund.  — HerrMchlis,  bericht  über  die  Ausgrabungen  auf  der  Limburg.  — Herr  J.  R an  k c,  Bei- 
träge zur  Craniologie  der  Bayern  und  ihrer  Nachbarstämme.  — Herr  Stieda,  Ober  die  Esten  mit  Be- 
merkungen über  Methode  der  Schädel messung.  — Demonstration  einer  neuen  Conserrirnngs- Methode  für 
anatomische  Präparate.  — Congrna  in  Moskau.  — Discassion:  Herr  Virehow,  Herr  Stieda.  — Horr 
Virehow,  die  altslavischen  Itcste  in  Ostdeutschland.  — Discn-sion;  Herr  Poesche,  Herr  Tischler, 
Herr  Montelius,  Herr  Virehow,  Herr  Mehlis.  — Herr  Theobald,  über  den  friesischen  Typus 
in  Anlehnung  an  die  Untersuchungen  des  Herrn  Geheimraths  Virehow. 


Der  Vorsitzende  Herr  Schaalf hausen  eröffnet  I 
die  Sitzuög  Vormittags  9 Uhr  mit  der  Fort- 
setzung des  Commissi  on  s - Berichtes:  ' 
Ich  will,  ohne  weitläufig  zu  sein,  da  die  Cra- 
niologie  noch  immer  lebhaft  die  Forscher  be- 
schäftigt und  zu  einer  internationalen  wissen- 
schaftlichen Angelegenheit  geworden  ist,  meinen 
Grundsatz  in  Bezug  auf  die  Horizontale  des  Schä- 
dels noch  einmal  aussprechen.  Ich  habe  mich 
stets  dagegen  gewehrt,  eine  bestimmte  zwischen 
zwei  anatomischen  Punkten  gezogene  Linie  als 
Horizontale  für  allo  Schädel  anzunehmen,  und 
habe  darauf  hingewiesen,  was  bisher  nicht  geschehen 
war,  dass  die  Horizontale  des  Schädels  ein  cha- 
rakteristisches Merkmal  ist , worin  die  Schädel 
sich  von  einander  unterscheiden.  Ich  will,  um 
nicht  viele  zu  nennen,  zunächst  eine  viel  gebrauchte 
Horizontale  anführen,  die  Göttingor  Linie,  die 


der  Richtung  des  Jochbogens  entspricht,  oder 
auch  vom  Ansätze  desselben  über  dem  Ohrloch 
zum  unteren  Augenhöhlenrand  gezogen  wird, 
oder  die  von  dem  oberen  Rande  des  Ohrloches 
bis  zur  tiefsten  Stelle  des  unteren  Augonhöhlen- 
randes  gehende  Ihering’sche*)  Linie.  Es  ist  un- 
möglich, alle  Schädel  auf  jene  oder  diese  Linie  zu 
stellen;  die  letzteren  schanen  mehr  oder  weniger 
abwärts.  Wenn  man  die  Schädel  auf  ihre  rich- 
tige horizontale  Ebene  stellt,  so  muss  das  Gesicht 
gerade  nach  vorn  gerichtet  sein.  Man  kann  frei- 
lich irgend  eine  andere  Linie  als  Basis  betrachten, 
von  der  aus  man  Messungen  macht  und  die  Ent- 
fernung verschiedener  Punkte  von  dieser  Basis  be- 
stimmt, dann  ist  aber  diese  Bairis  nicht  dio  Hori- 
zontale, unter  der  man  nur  die  Linie  oder  Ebene 


•)  rrspective:  Virchow’sche  Linie.  D.  Reil. 


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112 


verstehen  kann,  auf  welcher  der  Kopf  mit  der  j 
Richtung  des  Gesichts  nach  vorn  gorade  aufrecht 
steht.  Stellt  inan  so  die  Schädel,  so  zeigt  sich, 
dass  sie  ganz  verschiedene  anatomische  Horizon- 
talen haben.  Ich  lege  hier  aus  einer  grösseren 
Sammlung  einige  gute  Schädel-Photographien  vor; 
es  sind  die  eines  Batta,  eines  Negers  aus  Brasi- 
lien, die  von  Fr.  8chiller  und  von  einem  Griechen 
aus  einem  Grabe  der  Krim,  die  von  einem  ßjfth- 
rigon  Kinde  und  von  einer  100 jährigen  Greisin; 
die  Horizontale  der  Wilden  ist  eine  andere  wie 
die  der  beiden  andern  edel  geformten  Schädel ; die 
des  Kindes  und  der  Greisin  erklären  sich  aus 
der  verschiedenen  Gleichgewichtslage  des  Schädels 
auf  der  Wirbelsäule,  die  von  seiner  Form  abhängig 
ist.  Die  gewöhnlichen  Abbildungen  von  Schä- 
deln sind  zu  einer  ßcurtheilung  der  Horizontale 
oft  nicht  brauchbar ; die  meisten  Bilder  des  be- 
kannten Caru  »'schon  Atlas  der  Craniologie  sind 
zwar  richtig  gezeichnet,  nicht  aber  der  von  Schiller, 
dessen  Zahnlinie  schief  gestellt  ist.  Wir  müssen 
genaue  Profil-Bilder  haben,  wie  die  Photographie 
sie  liefert.  Sie  sehen  hier,  wie  verschieden  die 
vom  Ohrloch  gezogene  Horizontale  das  Gesichts- 
profil  schneidet.  Ich  halte  es  für  ein  wichtiges 
Ergebnis«,  dass  die  Linie,  welche  man  am  Leben-  . 
den  als  horizontale  gefunden  hat  und  für  welche 
sich  namentlich  C.  von  Baer  in  dem  Berichte  der 
Anthropologen  - Versammlung  zu  Göttingen  aus-  ; 
spricht,  dass  nämlich  die  von  der  Mitte  des  Ohr- 
lochs gegen  das  untere  Dritttheil  der  Nase  ge- 
zogene Linie  in  dor  That  auch  die  Horizontale 
für  die  Schädel  der  gebildeten  Rassen  ist  • doch 
gibt  es  einzelne  Ausnahmen.  Aber  für  niedere 
Schädel  gilt  diese  Horizontale  nicht.  Schon  Ed. 
Schwarz  bemerkt  in  seinem  für  die  Expedition 
der  Novara  entworfenen  Messungssystem  von  186*2  l 
ganz  richtig,  der  Neger  hält  den  Kopf  zurück, 
um  den»  Gewicht  der  schweren  Kiefer  das  Gleich- 
gewicht zu  halten.  Wenn  man  die  niedersten 
Schädel , die  mit  den  menschlichen  verglichen 
werden  dürfen,  die  der  Anthropoiden,  betrachtet, 
so  sinkt  wegen  der  Schwere  ihrer  massiven  Kiefer 
ihr  Kopf  noch  stärker  nach  vorn  und  ihre  Ho- 
rizontale geht  vom  Ohrloch  zum  unteren  Augen- 
höblenrande.  Den  Kopf  zu  heben,  haben  sie  nicht 
das  Bestreben,  die  Aufrichtung  desselben  und  die 
des  ganzen  Körpers  ist  gerade  die  Eigentümlich- 
keit des  Menschen , den  der  Grieche  dosshalb 
Anthropos  nannte  von  owi  und  oder  von 
ovaiQtmj.  Auch  bei  den  Wilden  findet  sich  oft 
der  nach  vorn  gebeugte  Kopf,  mit  welcher  Haltung 
sie  sich  dem  Affen  nähern,  er  ist  charakteristisch 
an  2 Photographien  von  Nubiern,  die  ich  hier  vor- 
zeige. Eine  Frage,  welche  die  Forscher  mehrmals 


| beschäftigt  hat,  war  die,  ob  es  Köpfe  gebe,  bei 
denen  die  Ohren  höher  stehen.  Man  hat  es  von 
den  ägyptischen  Mumien  behauptet ; an  ägyptischen 
Bildwerken  ist  es  tatsächlich  der  Fall.  Topinard 
kain  zu  dem  Ergebnis«,  dass  wirklich  bei  einigen 
Schädeln  das  Ohrloch  höher  stehe.  Das  hängt  dann 
von  ihrer  Neigung  nach  vorne  ab ; wenn  das  Ge- 
sichtsprofil sinkt,  steigt  natürlich  das  Ohr  in  die 
Höhe,  was  sich  am  Lebenden  wie  am  Schädel  zeigt. 
Die  Betrachtung  woblgebildeter  europäischer  Schädel 
bestätigt-  das.  was  v.  Baer  am  Lebenden  fand, 
indem  bei  den  meisten  eine  Liuie,  die  inan  bei  der 
Geradastellung  des  Schädels  von  der  Mitte  des 
Obrloches  nach  vorne  gegen  (las  Gesichtsprofil 
zieht , die  Hälfte  oder  das  untere  Dritttheil  der 
Nasenöffnung  schneidet.  Es  ist  mir  häufig  vor- 
gekommen, dass  ich  sofort  die  höhere  oder  niedere 
Bildung  eines  Schädels  daran  erkennen  konnte. 
Ausnahmen  gibt  es  freilich  immer.  Am  Schädel 
von  Schiller,  von  dem  wir  einen  vorzüglichen  Ab- 
guss besitzen,  der  von  den  Nachkommen  Göthe's 
zu  erhalten  ist,  ist  die  genannte  Linie  wie  bei 
dem  alten  Griechen  aus  einem  Grabe  der  Krim 
die  Horizontale.  Beim  Batta  schneidet  die  Ho- 
ff rizontale  das  Gesichtsprofil  unter  dem  Nasengrund ; 
wenn  ich  diesen  auf  die  Horizontale  Schillers  stellen 
wollte,  so  würde  er  nach  unten  sehen  und  nicht 
mehr  gerade  gestellt  sein.  Fast  ebenso  wie  der 
Batta  verhält  sich  der  Neger.  Wenn  inan  in  den 
besseren  craniologischen  Werken  wie  in  denen 
v.  Baer’s  die  Abbildungen  wilder  Racen  betrach- 
tet, so  sieht  man,  dass  sie  meist  richtig  gestellt 
sind  und  die  Horizontale  vom  Ohrloch  den  Na- 
sengrtind  schneidet.  Das  ist  auch  die  Basis,  die 
Camper  für  seinen  Gesichtswinkel  angenommen 
hatte.  Aber  auch  dieser  kann  nicht  bei  allen 
Schädeln  auf  derselben  Linie  gemessen  werden. 
Ich  will  noch  bemerken,  dass  das  Urtheil  über  die 
Horizontale  der  Wilden  nicht  so  einfach  ist,  wie 
es  scheint.  Von  den  wilden  Rassen  wissen  wir 
auch  aus  anderen  Beobachtungen,  dass  sie  den 
Körper  nicht  so  vollkommen  aufgerichtet  haben,  wie 
die  höhern.  Was  Reisende  uns  über  ihren  Gang  er- 
zählen, stimmt  damit  überein ; ihr  Körper  und  ihr 
Kopf  hängen  vor.  Die  gewöhnliche  Haltung  bei 
ihnen  ist  also  nicht  die  ganz  aufrechte ; aber  wenn 
sie  den  Schädel  heben  und  ihn  in  die  Balance 
bringen,  so  wird  die  Sache  ganz  anders ; dann 
schneidet,  wie  ich  eben  gesagt  habe,  die  Horizon- 
tale einen  tieferen  Punkt  des  Profils  wie  an  dem 
Schädel  des  Europäers  Dies  ist  die  Lösung  des 
scheinbaren  Widerspruchs,  der  darin  liegt,  dass  sich 
die  Wilden  von  der  Horizontalen  des  Affen  noch 
mehr  entfernen  als  der  Europäer!  Bei  der  nach 
vorn  gebeugten  Stellung  des  Wilden  ist  dies  nicht 


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113 


dar  Fall.  Ecker  sprach  es  zuerst  aus,  dass  die 
Baer’scbe  Linie  nicht  die  Horizontalo  des  Negers 
sei,  weil  sein  Kopf  nach  vorno  gesenkt  sei,  und 
betrachtet  mit  Recht  diese  Eigenthünilichkeit-  so- 
wie die  geringere  Hebung  der  Ebene  des  Foramun 
magnum  als  Annäherungen  an  den  thierischen 
Typus.  Hie  Altersverhält  uisse  sind  auch  zu  be- 
rücksichtigen. Wir  wissen  aus  der  Stellung  der 
Greise,  dass  ihnen  der  Kopf  nach  vorne  fällt,  wie 
es  immer  der  Fall  ist,  wenn  die  Nackenmuskeln 
erschlaffen  z.  B.  beim  Schlafen  in  sitzender  Stellung. 
Es  ist  auch  eine  Verkümmerung  ihrer  Kiefer  ein- 
getreten  und  in  Folge  dosson  die  Hebolbelastung 
des  Schädels  auf  der  Wirbelsäule  eine  andere 
geworden.  Der  Schädel  wird  vorne  leichter  und 
der  Mensch  senkt  den  Kopf  mehr  nach  vorne,  j 
um  das  Gleichgewicht  auf  der  Unterstützungsstelle 
zu  finden.  Bei  den  Kindern  ist  die  Horizontale 
wieder  eine  andere,  weil  hier  die  Entwickelung 
der  Gesichtstheile  noch  schwach  ist  und  das  Ge- 
wicht und  die  Grösse  der  Gesicht-sknochen  nicht 
in  dem  Maasse  in  Rechnung  kommen  wie  hei  dem 
Erwachsenen. 

Ich  bitte,  die  verschiedenen  Schädelbilder,  die 
auf  verschiedenen  Horizontalen  gezeichnet  sind, 
zu  vergleichen.  Diese  Schädel  sind  alle  gerade 
gestellt,  aber  die  anatomische  Horizontale  derselben 
ist  nach  dein  Alter  und  dem  Grade  der  Intelligenz 
verschieden.  Der  rothe  Strich  deutet  die  wirk- 
liche Horizontalo  derselben  an ; Sie  sehen , wie 
verschieden  dieser  Strich  im  anatomischen  Sinne 
verläuft.  Es  ist  nicht  schwierig , einen  Schädel 
so  zu  stellen,  dass  er  im  Profile  gerade  nach  vorne 
sieht;  dabei  darf  man  sich  nicht  allein  von  der 
Angenhöhlenaxe  leiten  lassen,  die  Broca  empfohlen 
hat,  sondern  auch  von  der  Zahnlinie,  die  bei  dem 
Menschen,  wenn  er  aufrecht  steht,  meist  horizontal 
liegt,  zumal  zwischen  den  Mahlzähnen.  Die  Schneide- 
zähne liegen  hei  den  niedern  Rassen  wie  bei  den 
Anthropoiden  höher  wie  die  hinteren  Mahlzähne. 
Auch  ist  der  Umriss  des  Scheitelgewölbes  zu  berück- 
sichtigen. Die«  zum  Beweise,  dass  die  bisher  an- 
genommenen Horizontalen  mit  der  aufrechten 
Stellung  aller  Schädel  nicht  stimmen. 

Ich  wünsche  deshalb,  dass  man  die  Ansicht 
aufgeben  möge,  alle  Schädel  auf  einer  und  der- 
selben zwischen  zwei  anatomischen  Punkten  gezo- 
genen Horizontalen  aufzustellen,  ohne  Rücksicht 
auf  die  Rassen,  sondern  dass  man  die  Schädel  erst 
gerade  stelle  und  dann  sage,  welche  Theile  des 
Profils  die  Linie,  die  vom  Ohrloch  horizontal  ge- 
zogen wird,  trifft  oder  schneidet.  — 

Geschäftliches.  Ich  will  nun  dazu  übergehen, 
Ihnen  die  zahlreichen  Zusendungen  namhaft  zu 


machen,  die  an  unsere  Versammlung  gerichtet  wor- 
den sind.  Vorher  erledige  ich  noch  eine  andere  An- 
gelegenheit. Wir  haben  gestern  Strassburg  als  Ort 
für  die  X.  Versammlung  gewählt,  ohne  von  folgendem 
Schreiben  zu  wissen,  welches  von  dem  Herrn  Oberprä- 
sidenten v.  M5 11er,  der  Mitglied  unserer  Gesellschaft 
I ist,  an  Herrn  Dr.  Kürbiu  in  Berlin  gelangt  ist. 

Strassburg  den  7.  August  1878. 

Auf  Ihr  gefälliges  Schreiben  ohne  Datum, 
hier  eingegangen  am  fi.  v.  Mts.,  erwidere  ich 
ergebenst,  dass  nichts  entgegensteht,  den  nächst- 
jährigen Deutschen  Anthropologen- Kongress  in 
Strassburg  abzuhalten,  nachdem  der  Herr  Bürger- 
meisterei verwalt  er  Back  sich  in  freundlichster 
Weise  bereit  erklärt  hat,  eine  Einladung  dazu 
an  den  Vorstand  abgehen  zu  lassen. 

Der  Oberpräsident  von  Elsass-Lothringen 
von  Möller. 

Wir  dürfen  also  in  jeder  Beziehung  einer  guten 
Aufnahme  in'  Strassburg  versichert  sein.  Nach- 
dem die  Waffen  des  Krieges  das  alte  deutsche  Land 
uns  wieder  erobert  haben,  wird  unsere  friedliche 
Mission  gewiss  dazu  beitragen,  dasselbe  auch  mit 
der  deutschen  Wissenschaft  wieder  enger  zu  ver- 
binden. 

Ich  lege  Ihnen  nun  zunächst  die  Einladung 
zur  Wiedereröffnung  des  schlesw. -holst.  Museums 
vaterländischer  Alterthümer  vor,  die  Herr  Prof. 
Handelmann  als  Begrüssungsschrift  für  unsere 
Versammlung  verfasste  und  Ihnen  wahrscheinlich 
schon  eingehändigt  hat. 

Dann  lege  ich  vor  eine  Schrift  des  Fräulein 
Mestorf,  eine  Uebersetzung  der  Abhandlung 
von  Worsaae,  über  die  Vorgeschichte  des  Nor- 
dens nach  gleichzeitigen  Denkmälern,  die  eben 
erschienen  ist.  Von  den  Herren  C a p e 1 1 i n i , 
St  eenstrup  und  Graf  Wurmbrand  sind  Be- 
grüssungsschreiben  eingelaufen,  die  das  Bedauern 
aussprechen , der  Versammlung  nicht  beiwohnen 
zu  können. 

Wir  haben  ferner  durch  Herrn  Dr.  Bryac 
von  der  Gesellschaft  „Prussia“  in  Königsberg 
verschiedene  Zusendungen  erhalten , zunächst  die 
Sitzungsberichte  ihrer  Gesellschaft  und  noch  einiges 
andere:  6 Modelle  von  preussischen  Burgwällen, 
eine  Fnndkarte  von  Samland,  sowie  statistische 
Fnndtableaux.  Diese  Sachen  sind  zum  Theil  in  den 
Ausstellungsräumen  aufgestellt.  Auch  ist  Nr.  6 
des  34-  Bandes  der  illustrirten  Zeitschrift  für 
Länder-  und  Völkerkunde,  des  „Globus“  mit  einem 
Aufsatz  von  Dr.  Nehring  eingesendet;  dann  die 
2.  Abtheilung  vom  18.  Juhrgung  der  Schrift  der 
physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  in  Königs- 
berg, welche  in  letzter  Zeit  auch  die  prähistorische 


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114 


Forschung  als  eine  ihrer  Aufgaben  betrachtet,  so- 
wie das  letzte  Heft  der  Schriften  des  Vereins  für 
schlesische  Altertumsforschung  in  Breslau.  Ein- 
gereicht ist  der  vollständige  Bericht  mit  Abbild- 
ungen von  den  Ausgrabungen  in  Weissenfels, 
wofür  die  Gesellschaft  einen  Fond  bewilligt  hat. 
Ferner  sind  hier  die  neuesten  Hefte  der  Verhand- 
lungen der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropo- 
logie, Ethnologie  und  Urgeschichte  von  Professor 
Dr.  Virchow  übergeben  worden;  dann  anthropo- 
logische Untersuchungen  au  den  Esthen  von  Oscar 
Grube;  ein  neues  Werk  von  v.  Lenhossek, 
dem  Anatomen  von  Budapest : „ Die  künstlichen 
Schädelverbildungen  im  Allgemeinen  und  zwei 
makrocepbale  Schädel  aus  Ungarn  u.  s.  w.  Pesth 
1878“.  Der  Verfasser  hat  mit  grösstem  Fleisse 
alle  Nachrichten  von  künstlicher  Verbildung  des 
Schädels  bei  alten  und  neueren  Völkern  zusammen- 
gestellt  und  die  Folgen  der  Zusarninenpressung 
des  kindlichen  Schädels  durch  Versuche  an  Leichen 
Neugeborner  dar/ustellen  gesucht.  Die  in  Ungarn 
gefundenen  zwei  Makroceplialen,  die  er  sehr  sorg- 
fältig beschreibt  und  mit  Rücksicht  auf  die  neuesten 
Methoden  der  Cranioinetrie  gemessen  hat,  hält  er 
zwar  für  Brachycephalen,  aber  nicht  für  Mongolen. 
Die  Merkmale  der  Mongolen  rosse,  die  er  von  Baer 
entlehnt,  sind  aber  solche  nicht,  sondern  kommen 
bei  allen  niedern  Kassen  vor,  sie  verschwinden 
auch  bei  den  Völkern  mongolischer  Abstammung 
mit  der  Cultur.  Höchst  auffallend  ist  die  An- 
sicht, dass  die  asiatischen  Völker  den  Gebrauch, 
dem  Schädel  eine  künstliche  Form  zu  gehen,  von 
den  Amerikanern  gelernt  haben  sollen ! 

Ich  bemerke  hierzu,  dass  ich  in  Bezug  auf  die 
künstlich  entstellten  sogenannten  Makrocephaleu 
zu  dem  Ergebnisse  gekommen  bin,  dass  die  Mukro- 
cephalen,  welche  Hippokrates  im  5.  Jahrhundert 
vor  unserer  Zeitrechnung  am  schwarzen  Meere  be- 
schreibt, dasselbe  Volk  sind,  welches  8 Jahrhunderte 
später  unter  dem  Namen  der  Hunnen  nach  West- 
europa zog;  auf  dom  ganzen  Wege  von  Ungarn 
bis  zur  Schweiz  und  zum  westlichen  Deutschland 
kommen  hier  und  da  diese  Schädel  vor ; sie  liegen 
iu  den  fränkischon  Reihengräbern.  Einen  von 
Niederolm  hat  Herr  Ecker  beschrieben;  er  ist  in 
Mainz,  ich  selbst  habe  in  der  grossherzoglichen* 
Sammlung  zu  Darmstadt  einen  solchen,  der  wahr- 
scheinlich ein  Grabschädel  derselben  Herkunft  ist, 
gefunden.  Es  ist  sehr  merkwürdig,  dass  die  alten 
Peruaner-Schädel  nicht  nur  in  dieser  eigenthüm- 
licken  Entstellung,  sondern  auch  in  anatomischen 
Einzelheiten  des  Schädelbaues  mit  den  Mukroce- 
phalen  der  Krim  übereinstimmen.  so  dass  man 
veranlasst  ist,  die  älteste  Einwanderung  aus  Asien 
nach  Amerika  in  eine  sehr  frühe  Zeit  zurück  zu 


versetzen.  Es  sprechen  noch  viele  andere  Um- 
stände, dafür  dass  die  Stämme,  welche  West- Ame- 
rika bevölkerten,  asiatischen  Ursprungs  waren, 
vgl.  Archiv  für  Anthrop.  XI.,  1878,  S.  152. 
Es  ging  also  wohl  ein  Zug  mongolischer  Stämme 
sowohl  nach  Westen,  wie  im  fernen  Alter- 
thum schon  auch  nach  Osten  und  bis  zu  dem 
Welttheile  hin,  der  nur  iu  Bezug  auf  eine  späte 
Wiederentdeckung  von  Europa  aus  der  neue  ge- 
nannt wird.  Auch  bei  Tiflis  sind  neuerdings 
solche  Schädel  gefunden  worden,  die  der  Zeit  der 
pontischen  Könige  angehören. 

Dann  ist  hier  vom  II.  Band  das  1.  und  2.  Heft 
der  „Beiträge  zur  Urgeschichte  Bayerns“  von  Herrn 
Prof.  Ranke  vorgelegt  worden.  Herr  Prof.  V i r c h o w 
hat  schon  Uber  das  Verdienstliche  dieser  Arbeit  be- 
richtet. Herr  Keck  hoff  hat  die  1.  uud  2 Lie- 
ferung der  Nederlandsche  Oudheden  von  Dr.  W. 
Pleyte,  Leyden  1877  und  1878,  zur  Ansicht 
aufgelegt. 

Wer  iu  Konstanz  war,  erinnert  sich,  dass  Herr 
Dr.  Victor  Gross  aus  Neitveville  uns  ausgezeich- 
net schöne  Fundsachen  aus  den  Pfahlbauten  von 
Moerigen  und  Auvernier  vorgelegt  hat;  er  hat 
dieselben  in  einem  Prachtwerke  publicirt  und  mich 
beauftragt,  das  Werk  vorzulegen  mit  dem  Be- 
merken, dass  dasselbe  um  den  Preis  von  33 
bei  ihm  selbst  käuflich  zu  haben  ist.  Für  das 
unserer  Gesellschaft  als  Geschenk  überreichte  Exem- 
plar werde  ich  ihm  den  verbindlichsten  Dank 
derselben  aussprechen. 

Ich  erwähne  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  mir 
schon  vor  längerer  Zeit  von  der  Wittwe  des  um 
unsere  Forschungen  sehr  verdienten  Herrn  Dr.  P. 
H.  K.  von  Maack  aus  Kiel  das  Manuscript 
des  zweiten  Tbeils  seiner  Schrift:  Urgeschichte 
des  Schleswig  - Holsteinischen  Landes  übergeben 
worden  ist,  welcher  den  Titel  führt:  „Die  nor- 
dischen Iren  im  Steinalter  und  ihre  Vorgänger.  - 
Ich  sollte  dazu  behülflich  sein,  einen  Verleger  ftlr 
dieses  Werk  ausfindig  zu  machen.  Dies  gelang 
indessen  nicht,  und  es  gab  dann  die  Wittwe  des 
Verstorbenen  auf  meinen  Vorschlag  dazu  ihre 
Einwilligung,  dass  das  Manuscript  in  der  Kieler 
Universitäts-Bibliothek  niedergelegt  werden  soll. 
Ueber  den  Inhalt  des  Werkes  behalte  ich  mir 
eine  Berichterstattung  vor. 

Ich  komme  zur  Mittheilung  eiuiger  interna- 
tionaler Beziehungen,  die  zwischen  unseren  Forsch- 
ungen und  dem  Auslande  angeknüpft  worden  sind. 
Ich  habe,  nachdem  ich  vor  Beginn  der  Pariser 
Welt- Ausstellung  erfahren  hatte,  dass  mit  der- 
selben, wie  ich  schon  in  meiner  Eröffnungsrede  er- 
wähnte, eine  anthropologische  Ausstellung  verbunden 
werden  sollte,  und  dass  sich  aus  den  angesehen- 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


JUdiyirt  ton  Professor  I)r.  Johannen  Hemke  in  München, 

üiHtmUfct  ttür  Jrr  GitdUtka/t. 


Nr.  11. 


Erschtint  jeJen  Monat.  November  1878. 


Bericht  über  die  IX.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Kiel 

am  12.  — 14.  August  1878 

Redigirt  von  Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München , 

Generalsekretär  der  Gesellschaft 

(ForUetiung  za  Nro.  10). 


Herr  Vlrchow:  Ich  möchte  zunächst  be-  ] 
merken , dass  die  Undankbarkeit  gegen  Herrn 
v.  Wemebe  nicht  ganz  allgemein  ist.  Man 
muss  nur  unterscheiden  z wisch  on  seinen  sehr 
verschiedenen  Arbeiten.  Ich  persönlich  bin  ihm  j 
sehr  dankbar  in  Bezug  auf  seine  Arbeit  über  die  1 
Kolonisation  in  Norddeutschland  und  habe  sie  j 
vielfach  eitirt.  Anders  liegt  die  Frage,  ob  eine  j 
Stelle  des  Tacitus  durch  einfache  Umschreibung 
eines  Wortes  in  ihr  Gegeiltheil  verwandelt  wer- 
den soll.  FiS  ist  das  keine  bloss  philosophische 
Frage.  In  dieser  Beziehung  kann  ich  darauf  Hin- 
weisen, dass  alle  die  Völkerschaften,  welche  Ta- 
citus für  unsere  Gegenden  anfübrt,  nicht  an  dieser 
Stelle  sitzen  geblieben  sind ; sie  erscheinen  nach  I 
und  nach  im  Laufe  weiter  Wanderungen  in  mehr  j 
westlichen  und  südlichen  Gegenden,  aber  überall,  I 
wo  sie  erscheinen , erweisen  sie  sich  nicht  als 
Slaven,  sondern  als  Germanen.  Keiner  jener  Stämme,  | 
die  wir  als  unsere  Vordersassen,  als  ursprünglich  [ 
bei  uns  einheimische  Stämme  bezeichnen  müssen, 
ist  jemals  in  alten  Werken  von  den  Germanen 
unterschieden  worden.  U eberall,  wo  sie  uns  vor- 
geführt werden,  werden  sie  uns  als  germanische 
Völkerschaften  vorgeführt. 


Je  genauer  mau  sich  in  das  Einzelne  vertieft, 
um  so  mehr  kommt  man  zu  der  Ueberzeugung, 
dass  Alles,  was  uns  aus  alter  Zeit  über  sie  er- 
halten ist,  ein  gewisses  homogenes  Bild  darbietet, 
in  welchem  sich  diese  Stämme  mit  den  übrigen 
Deutschen  vereinigen.  Wenn  Sie  die  alten  Sitze 
der  Longobarden , der  Vandalen  , der  Senuionen 
und  Burgundionen  aufsuchen,  wohin  kommen  Sie? 
Sie  kommen  schliesslich  bis  an  die  Wertha,  nach 
Schlesien,  in  die  Mark,  Brandenburg,  an  das 
Elbufer  — allerdings  durchweg  uu  Stellen,  wo 
wir  nachher  unzweifelhaft  Slaven  Hoden.  Aber 
folgt  daraus,  dass  die  Longobarden  und  Burguu- 
dionen  selbst  Slaven  waren  ? Gewiss  nicht.  Die 
Lupgobarden  haben  im  Bardengau  am  rechten 
Elbufer  gesessen , der  später  auch  slavisch  war. 
Ich  denke , der  Herr  Redner  wird  die  Longo- 
barden desshalb  doch  nicht  zu  Slaven  machen 
wollen. 

Herr  PÖHChe  (Washington) : Meine  Herren  ! 
Zunächst  muss  ich  sogen,  dass  ich  vou  Undank- 
barkeit nur  gesprochen  hatte  in  Bezug  auf  diese 
eine  Schrift  von  Herrn  v.  W ersehe,  nicht  im 
Allgemeinen.  Gegen  Herrn  Dr.  Montelius  muss 

y 


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140 

ich  sagen,  dass  ich  mich  möglichst  kurz  zu  fassen 
bestrebt  habe  und  vergessen  hatte,  zu  sagen  : ich 
halte  die  Longobarden  und  alle  vandalischen  Völ- 
kerschaften in  ihrer  Mehrzahl  für  Slaven.  Ich 
acceptire  die  Ansicht  von  Schafarick.  Dieser 
hat  es  ausgesprochen , dass  die  Vandalen  ger- 
nmnisirte  Slaven  sind , dass  die  germanischen 
Elemente  in  all  diese  Völkerschaften  eingedrungen 
sind , als  Germanen  in  diese  slavisclien  Länder 
einbrachen,  dass  alle  longobardischen  und  vanda-  1 
lischen  Völker  — die  grosse  Masse  der  Bevöl- 
kerung — von  Haus  aus  Slaven  sind.  Aber  den  | 
Adel  bei  ihnen  halte  ich  für  germanisch.  Nach  i 
und  nach  hat  die  grosse  Masse  der  Bevölkerung  I 
die  germanische  Sprache  angenommen.  Ich  will  j 
aber  dabei  doch  nicht  vergessen,  anzuführen,  dass 
wir  bei  Paulus  Diaconus  eine  Beschreibung  der  I 
Porträts  der  alten  longobardischen  Könige  haben, 
und  da  iUllt  mir  ein , dass  die  Könige  Locken 
an  der  Seite  trugen , die  wohl  durch  Schläfen- 
ringe  festgehalten  wurden.  Ich  bitte,  noch  Einiges 
zum  Tacitus  anführen  zu  dürfen.  Herr  Professor 
V i r c h o w und  Herr  Dr.  M o n t e 1 i u a werden 
mir  zustimmen:  Die  Veneti  des  Tacitus  werden 
doch  wohl  die  Wenden  sein  ! Nun  aber  sagt  Ta- 
citus: Ich  bin  zweifelhaft,  ob  ich  die  Veneti  zu 
den  Germanen  rechnen  soll  oder  nicht.  Schliesslich 
entscheidet  er  sich  doch  dafür,  sie  zu  den  Ger- 
manen zu  rechnen,  „weil  sie  zu  Fuss  kämpfen 
und  weil  sie  feste  Wohnsitze  haben.“  Nun,  meine 
Herren,  die  Slaven  hatten  auch  feste  Wohnsitze 
und  kämpften  auch  zu  Fuss.  Hier  haben  wir 
das  Prineip,  nach  welchem  Tacitus  entscheidet. 
er  bezweifelt  aber  seihst  den  Entscheidungsgrund. 

Sie  müssen  das  zugeben , so  sehr  Sie  auch  von 
mir  differiren,  dass  diese  Gründe  nicht  stichhaltig 
sind.  Desshalb  weil  sio  zu  Fuss  kämpften  und 
feste  Wohnsitze  hatten , werden  sie  nimmermehr 
Germanen  sein.  Die  Veneti  halten  Sie  eingestan- 
denermassen  für  die  Wenden , wenn  Sie  nun 
aber  die  Suovi  des  Tacitus  für  Deutsche  halten, 
dann  meine  Herren,  werden  Sie  ja  genöthigt,  auch 
die  Wenden  zu  den  Germanen  zu  rechnen! 

Herr  Mehlis:  Ich  möchte  speciell  was  die 
Namen  betrifft,  einige  Worte  Uussern  gegen  die 
Ansicht  von  Herrn  Pösche. 

Mit  Namen  lässt  sich  trefflich  streiten, 

Mit  Namen  ein  System  bereiten. 

Aber  ich  glaube,  dass  die  Anthropologie  nicht 
mit  Namen  zu  rechnen  hat,  sondern  mitThat- 
sachen.  Ich  glaube,  dass  in  dieser  Beziehung 
die  Autorität  der  Herren  Virchow  und  Mon- 
telius,  welche  den  germanischen  Charakter 
einer  Reihe  von  Funden  beweisen,  welche  sich  weit 


im  Osten  bis  an  die  Oder  und  Weichsel  in  den 
Sitzen  erstrecken , welche  thatsächlich  von 
den  klassischen  Autoren  als  Wohnsitze  der 
Germanen  bezeichnet  werden,  hinreichen  wird, 
um  uns  auf  das  t hat  sächliche  Gebiet  zurüek- 
zuführen. 

Einige  Worte  noch  Über  die  bekannte  Be- 
hauptung Grimms  in  der  deutschen  Grammatik, 
dass  das  Wort  Suevi  gleich  Slavi  wäro*).  Bis 
jetzt  ist  der  Autorität  Grimms  Niemand  ent- 
gegeugetreten.  Es  erklärt  sich  die  Richtigkeit 
dieser  Behauptung  dadurch  ganz  gut,  dass  eben 
die  Suevi  Slavi  genaunt  wurden  von  ihren  Nach- 
barn; und  es  erklärt  sich  diese  Namengebung  noch 
besser,  wenn  wir  die  Analogie  beobachten,  mit 
der  die  Kelteu  ihre  östlichen  Nachbarn  „Ger- 
inanen“  nannten.  Auch  der  Name  „Germanen“ 
wird  von  einer  Reihe  von  Autoritäten,  die  an- 
zuführen  zu  weit  führen  würde,  aus  den  keltischen 
Wurzeln  ger,  guer  und  man  ==:  Rufer  oder  von 
I gais  und  man  = Speer-Mann  Gör-Mann,  ab- 
j geleitet , und  wenn  wir  im  Osten  Deutschlands 
diese  Namengebung  von  Seiten  der  Slaven  finden, 
j wird  analog  im  Westen  dieselbe  Namengebung 
von  Seiten  der  Kelten  dafür  angeführt.  Ich  glaube, 
dass  diese  Analogie  der  Namengebung  am  ge- 
eignetsten sein  möchte,  diesen  Namenstreit  zur 
Entscheidung  zu  bringen**)« 

Herr  PÖ8Cll6  (Washington):  Ich  muss  ge- 
stehen, dass  es  mir  nicht  klarer  zu  sein  scheint. 
Ich  habe  Worte  des  Tacitus  angeführt.  Es  wird 
inir  nun  vorgeworfen , dass  Worte  und  Namen 
Nichts  bedeuten.  So  steht  die  Sache  nicht.  Wenn 
ein  zuverlässiger  Schriftsteller  Namen  nennt , ao 
ist  das  von  Bedeutung  und  nicht  bloss  leerer 
Schall.  In  Bezug  auf  die  germanischen  Alter- 
thUmerim  Osten,  welche  Herr  Professor  Virchow 
erwähnt,  habe  ich  heute  in  seinem  Vortrag  Nichts 
vernommen ; ich  möchte  doch  wissen , ob  ger- 
manische Alterthümer  dort  einmal  gefunden  sind. 
Das  wäre  hier  von  Wichtigkeit.  Sie  suchen  da 
eine  Parallele  zu  ziehen  zwischen  der  Namengeb- 
ung im  Westen  und  Osten  Deutschlands,  und  da 

•)  Vgl.  über  die  sprachliche  Identität  von  Slavi 
=:  Sucbi  (wegen  des  Verhältnisses  in  den  germanischen 
und  klassischen  Sprachen  von  L:V)  J.  Grimm:  Ge- 
»chichte  der  deutschen  Sprache  3.  Aufl.  S.  224—227  n. 
' S.  711. 

**)  Diese  Art  der  Namengebung  nimmt  wirklich  J. 
Grimm  schon  an,  vgl.  a.  0.  8.  546:  ,.am  richtigsten 
scheint  mir  die  Benennung  — Ger  man  i — von  den 
gallischen  Nachbarn  der  Deutschen  ausgeben  zu 
lassen,  wie  auf  entgegengesetzter  Seite  die  der  S u eve n 
von  den  sklavischen.“  Nirgends  spricht  aber  Grimm 
ein  Wort  von  der  ethnologischen  Identität  der 
Sueven  und  Slaven! 


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141 


behaupten  Sie,  dass  es  die  Germanen  seien,  welche,  ; 
wenn  ich  recht  verstanden  habe,  denSlaven  einen 
eigenen  Namen  gegeben  haben.  Slaven  ist  aber 
nashweisbar  ein  Name,  mit  dem  sie  sich  selber 
genannt  haben.  So  lange  Sie  nicht  Beweise  er- 
bracht haben,  muss  ich  doch  Anstand  nehmen,  an 
die  Richtigkeit  zu  glauben. 


Herr  TheobRld  (über  den  friesischen 
pus.*) 


*)  Die  Korrektur  de*  Stenogramms  dieses  Vor- 
träge* ist  von  Seite  des  Herrn  Redners  bis  heute 
den  18.  Dezember  noch  nicht  eingelaufen. 

Anmerk,  der  Redakt. 


Vierte  Sitzung. 


Inhalt:  Horr  Schaaffhausen,  geschäftliche  Mittheilungen.  — Herr  Behncke,  Dccharge  des  Kassenberichts. 

— Herr  Weis inann,  Etat  für  das  Geschäftsjahr  1878/79.  — Herr  Mook,  über  ägyptische  Steinzeit. 
Discussion:  Herr  Virchow,  Herr  Mook.  — Herr  Krause,  über  chamäcephale  Schädel  aus  der 
Nähe  Hamburgs  und  über  ein  affenähnliches  Gehirn.  — Herr  Pansch,  über  Mikrocephalio.  — Herr 
Virchow,  über  die  Horizontale  der  Schädel.  Disscussion : Herr  Schaaffhausen.  — Herr  Virchow, 
Vorlage  der  von  Herrn  I)r.  N eh  ring  (Wolfenbüttel)  ringesendeten  Manufacte  aus  dem  Diluvium  von 
Thiede  {Westeregeln).  Discusaion:  Herr  Sch aaff hausen.  — Herr  Schaaffha usen , Geschäftliche» 
Ueber  altgermaniache  Alterthünier  im  Rheinland.  Discussion:  HerT  Virchow,  Herr  Pöscho,  Herr 
Mehlis,  Herr  Schaaff  1)  ausen.  — Herr  Körbin,  neue  anthropologische  Messapparate.  — Herr 
Hilgendorf,  Luci'scher  Zeichenapparat  zum  Reisegebrauch.  — Herr  Virchow,  über Schaler.steine.  — 
Herr  Klopffloisch , über  Ausgrabungen  in  Thüringen.  — Herr  Schaaffhausen,  Geschäftliches  — 
Herr  Fr  aas,  über  Ovibos  und  Thayinger  Höh  lenk  unst.  Discussion:  Herr  Ranke.  — Herr  Ranke, 
über  keramische  Technik  und  keramisches  Ornament  aus  den  fränkischen  Höhlen.  Disscussion:  Herr 
Schaaffhausen,  Herr  Ranke.  — Herr  Schaaffhansen , Schlussrede. 


Der  Vorsitzende  Herr  Schaaffhausen  eröffnet  ! 
die  Sitzung. 

Herr  Behncko  berichtet,  dass  die  Rechnung 
1877/78  in  bester  Ordnung  befunden  ist.  Es 
wird  hierauf  dem  Itecbnungsführer  Herrn  Weis- 
raann  Decharge  ertheilt  und  der  Dank  der  Vor-  , 
Sammlung  ausgesprochen. 

Herr  Weismuntl  theilt  hierauf  den  Voran- 
schlag für  das  Rechnungsjahr  1878/79  mit,  wel- 
ches in  Einnahme  und  Ausgabe  mit  749G  ./<(  03  Cj. 
abschliesst. 

Der  Vorsitzende  empfiehlt  die  unten  verzeich- 
neten  Anträge  um  Geldbewilligungen  zur  Annahme. 
Sämmtliche  Positionen  und  das  ganze  Budget  wer- 
den bewilligt. 


Ausgaben  für  das  Geschäftsjahr  1878  79. 

Verfügbare  Summe:  7496  03 

Ausgaben: 

1.  Verwaltungskosteu  . . . 

2.  Druck  des  Correspondenz- 

Blattes 

3.  Zu  Händen  des  General- 

sekretärs   

4.  Zu  Händen  des  Schatz- 

meisters   


800 

3000  „ — „ ; 

600  „ - „ I 

300  , - „ 


5. 

Redaktion  des  Correspon- 

denz-Blattes  .... 

300  „ - „ 

G. 

Druck  des  Kassenberichtes 

100  , - „ 

7. 

Stenographen  .... 

20Ö  „ — . 

8. 

Herrn  Schriftsteller  Woldt 

150  „ - „ 

9. 

Herrn  Pfarrer  Dahlem 

150  „ - . 

10. 

Herrn  Pfarrer  Engelhardt 

150  „ - „ 

11. 

Dem  Zweigverein  in  Dürk- 

heim  ftlr  Ausgrabungen  . 

100  „ - , 

12. 

Dem  Zweigverein  in  Jena 

für  Ausgrabungen  . . 

200  . - „ 

13. 

Für  den  Reservefond  . . 

500  „ - „ 

14. 

Für  die  statistischen  Er- 

hebungen  der  Farbe  der 
Augen,  der  Haare  und  der 
Haut 

500  „ — . 

15. 

Für  die  prähistorische  Karte 

200  „ - „ 

16. 

Für  unvorhergesehene  Aus- 

gaben  

24ti  . 03  „ 

Summa : 

7496  Jt  03  & 

Herr  SchaaffliBUSen  legt  dann  Rechnung  ab 
über  die  Verwendung  des  ihm  für  Höhlenunter- 
suchungen bewilligten  Fonds.  Die  Grabungen  in 
der  Martinshöhle  sind  im  September  und  Oktober 
unter  Aufsicht  des  Herrn  Schmitz  in  Letmathe 
noch  fortgesetzt,  worden  und  haben  gleiche  Er- 
gebnisse wie  die  früheren  geliefert;  ein  Fund- 
bericht wird  im  Archive  veröffentlicht  werden. 

9* 


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142 


Die  Quittungen  über  verausgabte  1 50.  25  sind  j 
dem  SchaUm  ei  st  er  übergeben  worden.  Der  Kassen- 
bestand war  nach  der  in  Konstanz,  überreichten 
Abrechnung  %4k  378.  00 , und  ist  also  jetzt  | 
Ji  228.  74. 

Der  Vorsitzende  fährt  fort:  Ich  habe  gestern 
mit  einer  gewissen  Befriedigung  den  Brief  des 
Herrn  Topinard  mitget heilt,  w'orin  er  wünscht,  I 
das«  unsere  Gesellschaft  drei  Mitglieder  der  inter-  1 
nationalen  Kommission  für  kraniologische  Mess- 
ungen ernennen  möge.  Sie  haben  einmal  schon,  j 
nämlich  in  der  Versammlung  zu  Schwerin  im  | 
Jahre  1871  , eine  Kommission  erwählt  für  die  . 
Feststellung  der  Schldelformen  in  Deutschland  | 
nach  einer  von  derselben  vereinbarten  überein- 
stimmenden Methode  der  Sehädelmessung.  Es 
handelt,  sieh  nun  freilich  hier  um  eine  weiter 
gehende  Aufgabe.  Ich  glaube  aber  doch , dass 
es  am  zweckroässigsten  ist.,  wenn  Sie  drei  Männer  | 
dieser  Kommission  erwählen  für  die  internationalen 
Verhandlungen  in  Paris , und  ich  schlage  Ihnen 
als  solche  zun  flehst  vor:  Herrn  Professor  Vir- 
chow  und  Herrn  Professor  Ecker,  so  dass  von 
Ihnen  noch  der  Dritte  zu  bestimmen  ist.  Die 
kraniometrische  Kommission  besteht  aus  den  Herren 
Ecker,  His,  Krause,  Virchow,  Kölliker, 
Lucä,  Welcker  und  mir.  Ich  frage  zunächst,  * 
ob  Sie  mit  der  Wahl  der  Herren  Virchow  und 
Ecker  einverstanden  sind? 

(Die  Versammlung  erklärt  sich  hiermit  ein-  1 
verstanden  ) 

Herr  Krause : Es  ist  vom  Vorstand  noch 
für  eine  dritte  Persönlichkeit  Kaum  gegeben.  Ich 
wollte  in  Vorschlag  bringen,  Herrn  Professor 
Schuaffli ausen  zu  wählen. 

(Die  Versammlung  stimmt  zu  und  Herr  Pro- 
fessor Schaaffhausen  nimmt  die  Wahl  dan-  ! 
kend  an.) 

Dr.  Mook  (Kairo):  (Steinzeit  in  Aegypten.)  \ 
Fürchten  Sie  nicht,  dass  ich  Ihre  Zeit  und  Auf-  I 
merksamkeit  in  zu  ausgedehntem  Maasse  iu  An-  I 
sprach  nehmen  werde,  wenn  ich  Sie  einlade,  mit 
mir  eine  Excursion  in  die  libysche  und  arabische 
Wüste  und  noch  in  die  Steinzeit,  vielleicht 
sogar  in  die  ägyptische  Steinzeit  zu  unter-  ; 
nehmen.  Ich  glaube  auch  nicht,  um  Ihre  Nach- 
sicht bitten  zu  müssen,  wenn  ich  mit  einem  ausser-  | 
nationalen  Thema  vor  Sie  trete:  im  Gegentheil. 
ich  glaube  einer  nationalen  Pflicht  Genüge  zu 
leisten,  wenn  ich  gerade  dieses  Thema  vor  Ihr 
Forum  bringe.  Sie  wissen , dass  seit  1 «860  ge- 
rade die  deutschen  Gelehrten  und  speciell  die 
deutschen  Aegyptologen  in  Opposition  getreten 


sind  zu  jenen  Männern , welche  sich  von  8eiten 
Frankreichs,  Englands  und  Amerikas  mit  dieser 
Frage  beschäftigt  haben , in  eine  derartige  Op- 
position , dass  geradezu  geleugnet  wurde , Ae- 
gypten habe  eine  Steinzeit.  Diese  Behauptung, 
ausgesprochen  von  Männern  wie  Lepsius  und 
Ebers,  warf  ihre  traurigen  Schlagschatten  auch 
nach  dem  Ausland  hin.  Die  neuesten  Bearbeiter 
dieser  Frage  wären  gewiss  nicht  zu  den  von  ihnen 
aufgestellten  Behauptungen  gelangt,  wenn  sie  sich 
nicht,  speciell  von  Lepsius  und  Ebers  hätten 
beeinflussen  lassen.  Ich  möchte  auf  diese  Frage 
nicht  näher  eingehen  ; ich  führe  nur  das  Eine  an, 
dass  behauptet  wurde,  diese  Steininstrumente,  die 
Sie  hier  in  grossen  Massen  sehen , seien  durch 
klimatischen  Einfluss  und  Temperaturwechsel  ent- 
standen. Bei  Nacht  ist  es  kalt,  es  regnet  hin  und 
wieder  et  was,  bei  Tag  wird  es  warm,  dann  springen 
die  Steine,  und  schliesslich  bilden  sich  die  Menschen 
ein,  das  seien  Lanzenspitzen  und  Schaber  und  an- 
dere solche  Sachen.  Als  ich  vor  zwei  Jahren 
nach  Aegypten  kam,  da  stand  die  Sache  so,  dass 
wer  sich  mit  dieser  Frage  überhaupt  beschäftigte, 
unter  den  Ambern  nicht  bloss,  sondern  auch  unter 
den  Europäern,  als  halb  verrückt  bezeichnet  wurde, 
und  nun  sind  die  Leute  schon  so  weit  davon 
zurückgekmnmen , dass  sie  sagen , die  Steinzeit 
könne  wohl  20,000  Jahre  nlt  sein.  Es  ist  mir 
in  diesen  Tagen  eine  Arbeit  zur  Hnnd  gekommen 
von  Jukes  Browne  in  dem  Maiheft  der  An- 
thropologischen Gesellschaft  Englands  (Anthropo- 
logical  Institute  of  England:  on  some  flint  im- 
plements  from  Egypt) , worin  derselbe  speciell 
die  Feuersteinfunde  in  Aegypten  beschreibt.  Ich 
werde  das  Werkchen  für  die  Personen , denen 
es  nicht  bekannt  ist.,  hier  circuliren  lassen.  Sie 
finden  darin  einige  Abbildungen  von  Feuerstein- 
Instrumenten,  die  leider  nicht  sehr  glücklich  ge- 
wählt. sind,  und  eine  Orient i rungskarte.  Er  führt 
darin  die  Fundorte  an,  und  was  wirklich  richtig 
in  der  Arbeit  ist:  er  sagt,  die  Instrumente  einer 
Art  fänden  sich  nicht  leicht  am  andern  Platz. 
Es  gibt  gewisse  Verbreitungsbezirke.  Unter  diesen 
fand  er  auch  einen  Platz,  wo  kleine  Messer  und 
grob  gearbeitete  Splitter  beisammen  lagen  und 
Knochenreste.  Diese  waren  meistens  Zähne.  Und 
nun  sagte  er  sich,  beide  könnten  in  Beziehung  zu 
einander  stehen.  Die  Zähne  sind  wohl  zu  hart 
gewesen . als  dass  man  sie  hätte  spalten  können 
mit  diesen  kleinen  Messerchen.  Wahrscheinlich 
rühren  diese  Knochensplitter  daher,  dass  man  diese 
kleinen  Messerchen  damit  bearbeitet  hat.  Er  be- 
stimmt diese  Zähne  als  Pferdezähne.  Er  suchte 
sich  Rath  bei  Aegyptologen  und  fand  , dass  das 
Pferd  nicht  auf  hieroglyphischen  Darstellungen 


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147 


dieses  Gehirn  bekanntlich  einem  Knaben  aus 
meiner  Praxis  an,  welcher  wahrend  seines  Lebens 
affenähnlicbe  geistige  Eigenschaften  zeigte.  Der 
Kopf  das  Knaben  war  nur  in  sehr  geringem  Grade 
mikrocephal  zu  nennen.  Die  Sektion  ergab  nun 
auch,  dass  das  Gehirn  in  keiner  Beziehung  ein 
mikrocephales  ist,  dass  es  an  Gewicht  und  Um» 
fang  dem  ein&s  normalen  Kindes  entspricht,  dass 
aber  die  ganze  Ausprägung , die  Differenziruog 
des  Gehirn’»  einen  vollständig  aflfenfthnlichen  Typus 
hat.  Die  Windungen,  das  ganze  Verhältnis*  der 
einzelnen  Lappen  2u  einander , das  Offenbleiben 
der  Insel  besonders  die  Reduction  der  ersten 
Schläfen  wind  ungen  sind  in  hohem  Grade  Affen  - 
ähnlichkeiten  zumal  mit  dem  Gehirn  der  Chim- 
pansen  verglichen.  Ich  stehe  daher  nicht  an,  zwei 
besondere  Formen  in  dieser  Hinsicht  zu  unter- 
scheiden, erstens  die  Mikrocephalie,  welche  ledig- 
lich eine  pathologische  Erscheinigung  ist , wie 
Herr  Professor  Virchow  stets  mit  grossem  Recht 
betont  hat ; zweitens  nicht  pathologische  Gehirne 
mit  affenähnlichem  Typus , die  dann  allerdings 
atavistisch  aufzufassen  wären. 

Dieses  hier  vorliegende  Gehirn  ist  nun  meiner 
Ansicht  nach  recht  schön  von  Herrn  Ramme  in 
Hamburg  modellirt  worden  und  kann  von  diesem 
Herrn  oder  durch  mich  bezogen  werden.  Es  kostet 
in  Stearin  in  asse  12  «4L  in  Wachs  15 

Herr  Pansch  (über  Mikrocephalie):  Ich 
bin  aufgefordert  worden,  einige  Worte  über  einen 
Fall  von  Mikrocephalie  mitzutheilen , welcher  in 
letzter  Zeit  in  hiesigem  Lande  vorgekommen  ist. 
Ich  würde  es  nicht  gewagt  haben , bei  einer  so 
grossen  Anzahl  der  angemeldeten  Vorträge  auch 
noch  das  Wort  zu  ergreifen.  Indess  ist  diess  ein 
Fall , welcher  ein  ganz  besonderes  anatomisches 
Interesse  bietet.  Die  Mikrocephalie  ist  Gegen- 
stand von  Verhandlungen  in  den  letzten  anthro- 
pologischen Generalversammlungen  gewesen,  und 
wir  sind  glücklicherweise  so  weit  gekommen,  dass 
voriges  Jahr  in  Konstanz  Herr  Professor  Virchow 
mit  den  Worten  schliessen  konnte , dass  wir  in 
der  Mikrocephalie  entschieden  eine  pathologische 
Erscheinung  vor  uns  haben,  dass  von  einem  Rück- 
schlag nicht  die  Rede  sein  kann , dass  uns  aber, 
genau  genommen,  der  strikte  Beweis  noch  fehle, 
indem  vor  allon  Dingen  der  Nachweis  noch  mangelt, 
wo  das  Centrum  ist,  von  dem  diese  Bildnngs- 
hemmungen  ausgegangen  sind.  Es  ist  gerade 
dieser  Punkt,  den  man  genauer  verfolgen  müsste, 
und  zu  diesem  Zweck  wird  ein  erwachsener  Mensch, 
wie  dieser  Mikrocephale  von  42  Jahren,  natürlich 
weit  besser  Aufschluss  geben  — zumal  wenn  das 


Gehirn  so  besonders  gut  erhalten  ist,  — als  wenn 
wir  ein  Kind  vor  uns  haben. 

In  der  Ausstellung  sind  Schädel,  Schädelaus- 
guss und  Hirn  Ihnen  vor  Augen  geführt  und 
will  ich  mich  auf  eine  Beschreibung  hier  nicht 
weiter  einlassen.  Es  ist  das  Gehirn  vornehmlich 
gewesen,  welchem  ich  in  letzter  Zeit  (bei  Menschen 
und  Thieren)  meine  Aufmerksamkeit  zugewandt 
habe.  Und  ich  habe  hier  auch  deshalb  zunächst 
das  Hirn  untersucht,  da  immer  mehr  die  Meinung 
durchbricht,  dass  das  Gehirn  in  der  Mikrocephalie 
das  primär  Pathologische  ist,  und  dass  sich  der 
Schädel  nach  dem  Gehirn  richtet. 

Wenn  man  dies  Gehirn  betrachtet,  so  zeichnet 
es  sich  sogleich  aus  durch  eine  gewisse  Annäher- 
ung an  früher  bekannte  Gehirne,  namentlich  an 
das  eines  50jährigen  Mikrocephalüs,  welches  Ge- 
hirn uns  in  Abbildungen  in  den  Schriften  der 
Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  vor  einigen 
Jahren  vorgeführt  wurde.  Man  ist  der  Ansicht, 
dass  mikrocephale  Hirne  (ebenso  wie  die  Schädel) 
wenig  oder  gar  keine  Aehnlichkeit  unter  einander 
haben.  Ich  glaube  aber  entschieden,  dass  wir  uns 
an  mehr  oder  weniger  wichtigen  Theilen  doch  ein 
gewisses  einheitliches  Bild  machen  können , und 
dass  wir,  wenn  wir  dies  verfolgen,  auch  mehr  auf 
die  Ursachen  kommen  werden,  auf  das  Centrum, 
von  welchem  die  Missbildung  ausgeht. 

Auf  das  Gehirn  — es  ist  hier  vorgelegt  — 
genauer  einzugehen,  ist  keine  Sache  für  die  Ge- 
sellschaft : es  gehört  eine  gewisse  Kenntniss  der 
Hirnfaltungen  dazu,  um  Alles  zu  verstehen.  Es 
sind  in  der  Tbat  einige  affenühnliehe  Formen  da. 
Wenn  hier  aber  einige  Hemmungen  in  der  Ent- 
wicklung überhaupt  existiren,  als  Rückschlag  be- 
zeichnen dürfen  wir  es  ohne  Weiteres  nicht. 
Es  sind  mehrere  Furchen , die  eine  gewisse  ein- 
heitliche Bildung  zeigen,  es  sind  gewisse  Ver- 
hältnisse am  Schläfenlappen , welche  neben  der 
Verkürzung  und  der  eigen thümlichen  Ausbildung 
des  Hinterhauptes  uns  dahin  bringen  werden,  eine 
niedrige  Entwicklung,  eine  einheitliche  Hemmung 
zu  vermuthon.  Vor  allen  Dingen  wird  es  wichtig 
sein , um  in  der  Lösung  dieser  wichtigen  Frage 
weiter  zu  kommen , dass  wir  in  der  Weise,  wie 
Herr  Dr.  Krause  es  gethan  hat,  auffallende  Ge- 
hirne sammeln  und  genauer  untersuchen,  und  es 
würde  die  Aufgabe  aller  Anatomen,  Pathologen 
und  Psychiater  sein , abweichende  Gehirne  zu 
sammeln,  gut  zu  konserviren,  zu  vergleichen  und 
die  Ergebnisse  möglichst  schnell  zur  Kenntniss 
zu  bringen.  Namentlich  möchte  ich  den  Weg 
mit  Freuden  begrüssen , den  Herr  Dr.  Krause 
eingeschlagen  hat,  dass  nämlich  Abgüsse  ge- 
macht werden  und  durch  die  Verbreitung  der- 

10 


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148 


selben  eine  direkte  Vergleichung  einem  Jeden  er-  I 
möglieht  wird. 

Herr  YirchOW  (Affe  und  Mensch,  Hori- 
zontale der  Schädel  mit  Beilage  II):  Im  An- 
schluss an  diese  Mitteilungen  möchte  ich  mir  er- 
lauben, einige  in  grossem  Styl  ausgeführte  Zeich- 
nungen von  Affen,  „Affenmenschen**  und 
Australiern  zu  zeigen,  welche  ich  vor  einigen 
Monaten  in  Leipzig  in  der  geographischen  Gesell- 
schaft bei  einem  kleinen  V ortrag  Uber  Anthropologie  i 
und  Anthropogenie  gebraucht  habe,  den  ich  vor-  I 
zulegen  mir  erlaube.  Diese  Zeichnungen  sind  in  j 
der  That  Originale  nach  Schädeln  der  Berliner 
Museen , nicht  bloss  neue  Abklatsche.  Es  hat 
sich  im  Lauf  der  letzten  Jahre  bei  der  Diskussion 
der  Affen  frage  eine  fortlaufende  Reproduktion 
derselben , nur  immer  zweifelhafter  werdenden 
Bilder  in  der  Literatur  geltend  gemacht.  Es 
schien  mir  daher  zweckmässig  zu  sein , wieder 
einmal  eine  Reihe  von  Originaltypeu  herzustellen. 
Sämmtliche  Zeichnungen*)  sind  in  gleichem  Maass- 
stabe  nach  der  Methode  des  Herrn  Lucne  geo- 
metrisch ausgeführt  und  zwar  in  der  in  Deutsch- 
land mehr  oder  minder  angenommenen  Horizon- 
talen (vom  oberen  Rande  des  äusseren  Ohrweges 
zum  unteren  Rande  der  Augenhöhle). 

Auf  diese  Weise  kann  man  sehr  schnell  das 
Maass  von  Aehnlichkeit  oder  Unähnlichkeit  er- 
kennen, welches  sich  vorfindet.  Ich  möchte  dabei 
darauf  aufmerksam  machen,  dass  der  Australier- 
schädel ein  weiblicher  ist,  der  allerdings  viel 
mildere  Formen  hat,  als  die  Mehrzahl  der  männ- 
lichen Australierschädel , der  aber  doch  in  der 
Bildung  des  Gesichts,  wie  das  bei  australischen 
Frauen  durchgängig  der  Fall  zu  sein  scheint, 
deu  Formen  der  Affen  näher  steht,  als  die  meisten 
Männerschädel  derselben  Rasse.  Insbesondere  ist 
die  Gesichtsbildung  bei  den  australischen  Frauen 
viel  mehr  prognath  als  bei  den  Männern.  In  Bezug 
auf  die  Bildung  der  Kiefer,  zum  Theil  auch  der 
Nase  nähert  sich  der  Schädel  viel  mehr  der  Affen- 
form, als  es  jemals  bei  einem  männlichen  Austra- 
lierschädel der  Fall  ist.  Ich  habe  darum  gerade 
einen  Weiberscbädel  gewählt  , wo  es  sich  darum 
handelt,  das  Gesicht  in  Parallele  zu  stellen.  Auf 
der  anderen  Seite  werden  Sie  aber  daraus  ersehen, 
wie  gross  der  Abstand  ist,  der  zwischen  dem 
höchsten  Affen  und  dem  niedrigsten  Menschen 
existirt,  und  wie  absolut  verschieden  namentlich 

Du  böig«; fügte  Blatt  stellt  sämmtliche  Schädel  in 
V*  der  natürlichen  Grösse  dar,  and  zwar  von  der 
Australierin  (1—2),  dem  Gorilla  (4  — 5),  dem  Orang- 
Utan  (6—7)  und  dem  Schimpanse  (d--9j,  jedesmal  die 
Nornu  temporal»  und  den  Sagittal-Durchschnitt. 


die  eigentlichen  Schädeltheile  sind,  welche  in  Bezug 
auf  Grösse  des  Schädelraumes  und  Ausbildung 
der  Schädelkapsel  in  Betracht  kommen. 

Betrachten  Sie  dagegen  deu  Gorilla-Durch- 
schnitt, so  zeigt  sich  sofort  oben  am  Schädel 
die  mächtige  Crista  sagittalis,  deren  Grösse  die 
Kleinheit  des  eigentlichen  Schädelraums  maskirt. 
Verglichen  mit  dem  Schädelraum  dos  weiblichen 
Australiers  erscheint  der  Gorillaschädel  so  eng, 
dass  der  Schädelraum  wie  eomprimirt  aussieht, 
und  doch  ist  dieser  Australierschädel,  im  Ver- 
gleich zu  Menschenschädeln,  ungemein  klein ; er 
hat  nur  1 1 50  Kubik-Centimeter  Inhalt.  Bei  dem 
Gorillasehädel  wirken  ferner  dio  ungeheuere  Grösse 
der  Stirnhöhlen  und  der  sie  bedeckenden  Stirn- 
nasen wülsto , sowie  die  mächtige  Entfaltung  des 
Gebisses  zusammen,  um  den  Eindruck  der  GrÖBse 
zu  verstärken.  Alles,  was  den  Schädel 
grossmacht,  istbestial,  nichtmensch- 
lich. Ziemlich  ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem 
Orang-Utan.  Nur  bei  dem  Schimpanse  tritt  der 
Schädelraum  in  ein  etwas  günstigeres  Verhältnis«. 
Dadurch  nähert  er  sich  dem  Schädel  des  mensch- 
lichen Mikrocephalus , eines  gebomen  Rhein - 
pfälzers,  welcher  allerdings  um  ein  ganz  erheb- 
liches Stück  unter  die  australische  Form  her- 
untergeht, und  dem  Affen  um  ein  ganzes  Stück 
näher  kommt.  Wesshalb  wir  die  Mikrocephalen 
nicht  als  typische , sondern  als  pathologische 
Formen  anzusehen  haben , ist  früher  von  mir 
wiederholt  dargelegt  worden  und  ich  will  darauf 
nicht  zurückkommen. 

Ich  möchte  nur  einen  einzigen  Gesichtspunkt 
bei  dieser  Gelegenheit  betonen , welcher  durch 
den  Brief  des  Herrn  Broca  mir  in  Erinnerung 
gebracht  worden  ist.  Unter  den  verschiedenen 
Differenzpunkten  in  Bezug  auf  die  anthropo- 
logischen Methoden  zwischen  Frankreich  und 
Deutschland  ist  gerade  die  Horizontale  ein 
Hauptpunkt;  ja,  Herr  Broca  schreibt  uns,  dass 
dies  der  Punkt  sein  würde , auf  welchem  die 
Franzosen  als  auf  einem  fundamentalen  bestehen 
bleiben  und  in  Bezug  auf  welchen  sie  verlangen 
müssten , dass  wir  unsere  Horizontale  aufgeben 
und  die  französische  adoptiren. 

Wenn  Jemand  sich  auf  den  Standpunkt  der 
vergleichenden  Schädel  betrachtnng  stellt  und 
solche  Affenbilder  mit  menschlichen  zusammen- 
bringt, so  wird  er,  glaube  ich,  mit  Leichtigkeit 
sich  überzeugen,  zu  welchen  Unmöglichkeiten  das 
führt,  wenn  man  die  französische  Horizontale 
acceptiren  wollte.  Die  französische  Horizontale 
geht  nämlich  durch  dio  Coodylen  des  Hinter- 
hauptes und  durch  den  Punkt  des  Oberkiefers, 
der  vorn  in  der  Mitte  des  Alvcolarrandes  liegt. 


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149 


Unsere  Horizontale  aber  geht  vom  Ohrloch  aus 
und  verläuft,  ungefähr  parallel  dem  Jochbogen, 
gegen  deu  untern  Augenhöhlenrand.  Die  Schwank- 
ungen der  einzelnen  deutschen  Ansichten  basiren 
hauptsächlich  darauf,  dass  die  Horizontale  bald  ein 
klein  wenig  höher,  bald  ein  klein  wenig  niedriger 
gelegt  wird.  Im  Grossen  und  Ganzen  benützen 
wir  jedoch  dieselbe  Ebene,  während  die  Franzosen 
so  viel  niedriger  gehen,  dass  der  in  ihre  Horizon- 
tale gestellte  Schädel  vorn  beträchtlich  gehoben, 
hinten  dagegen  stark  gesenkt  wird.  Wollte  man 
diese  Horizontale  auf  einen  Affenscbädel  anwenden, 
so  kämen  wir  zu  einer  Horizontale , welche  den 
Schädel  ganz  rückwärts  schiebt;  das  Gesicht 
wird  stark  in  die  Höhe  gerichtet.  Wir  wür- 
den somit  eine  solche  Abnormität  der  Stellung 
erzielen  , dass , wenn  wir  das  wirklich  noch  eine 
Horizontale  nennen  wollen,  jedennann  uns  einer 
Uebertreibung  zeihen  würde.  Nun  verlangen  die 
französischen  Anthropologen  allerdings  für  die 
Thiere  diese  Horizontale  nicht.  Aber  gerade  darin 
weiche  ich  von  ihnen  ab.  Mir  scheint  die  Mög- 
lichkeit einer  Vergleichung  von  unschätzbarem 
W ert  he.  W ill  man  überhaupt  eine  solche  V ergleichung 
anstellen,  so  kann  mau  sie  nur  anstellen,  wenn  man 
eine  Horizontale  nimmt,  welche  sich  der  deutschen 
nähert.  Unsere  Horizontale  hat  den  Vorzug,  wie 
das  aus  der  Betrachtung  der  Zeichnungen  hervor- 
geht, dass  sie  beim  Affen  nahezu  mit  der  eigent- 
lichen Scbädolgrundfläche  zusammenfällt , und 
dass  sowohl  die  Entfaltung  des  eigentlichen  Schä- 
dels, wie  die  Entwickelung  des  Gesichts  sich  der 
Horizontalen  viel  mehr  anschliesst.  Beim  Menschen, 
selbst  beim  Australier  t macht  die  Horizontale 
mit  der  Schädelgrundfläche  immer  noch  einen  ziem- 
lich grossen  Winkel,  wenigstens  am  Clivus.  Aber 
wir  kommen  auch  hier  für  den  vorderen  Ab- 
schnitt des  Schädels,  das  Planum  ethmoideale, 
zu  einer  Horizontalen. 

Ich  muss  daher  sagen,  dass  ich  nicht  glaube, 
dass  wir,  auch  bei  dem  besten  Willen  zu  einer 
Verständigung,  dem  französischen  Ultimatum  gegen- 
über uns  einfach  fügen  können.  Wir  müssten  in  der 
That  eine  gute  Grundlage  der  deutschen  Anschau- 
ung aufgeben,  wenn  wir  das  Ultimatum  acceptiren 
wollten.  Ich  habe  daher  eine  kleine  Sorge,  ob 
wir  den  Friedenstraktat  von  Paris  auf  den  ge- 
botenen Grundlagen  werden  abschliessen  können. 
Wollten  wir  auch  in  allen  andern  Punkten  nach- 
geben, so  wird  es  doch  noth wendig  sein,  in  diesem 
Punkte  die  sorgfältigsten  Erwägungen  eintreten  zu 
lassen.  Wir  werden  dabei  nicht  umhin  können, 
die  ophthalmologisch  so  wichtige  Frage  von  der 
Primärstellung  des  Auges  mit  in  die 
Betrachtung  zu  ziehen,  und  ich  denke,  dass,  wie 


Auch  die  Entscheidung  dieser  Frage  ausfallen 
sollte,  nicht  nationale,  sondern  nur  wissenschaft- 
liche Gründe  uns  bestimmen  werden. 

Herr  Schaaffhausen : Ich  bin  vollständig 
einverstanden  mit  dem,  was  Herr  Kollege  Vir- 
chow  gesagt  hat.  Sie  sehen  aber  in  diesen 
Bildern  die  Bestätigung  meiner  Ansicht,  dass  eine 
Horizontale  nicht  für  alle  Schädel  passt.  Die 
Horizontale , die  vom  Ohrloch  bis  zum  unteren 
Augenböhlenrande  geht,  ist  die  der  Affen  und 
der  Mikrocephalen.  Dieser  Mikrocephale  sieht 
gerade  nach  vorn,  ist  also  richtig  gestellt.  Seine 
Horizontale  schneidet  wie  die  des  Affen  den  un- 
teren Augenhöhlenrand.  Niemand  wird  leugnen, 
dass  auch  dieser  Orangutanscbädel  richtig  gestellt 
ist.  Sie  sehen  an  ihm , dass  das  Gesicht  gerade 
nach  vom  gerichtet  ist.  Für  den  Wilden  passt 
diese  Horizontale  aber  schlechterdings  nicht;  der 
schaut  nach  unten,  was  er  thun  mag,  wenn  er 
den  Kopf  nicht  aufrichtet.  Das  wird  Jeder  zu- 
geben , welcher  das  Bild  dieses  Australiers  be- 
trachtet. Wenn  Sie  aber  ihm  den  Kopf  auf- 
richten und  dann  die  Horizontale  bestimmen 
wollen,  so  werden  Sie  finden,  dass,  wie  bei  den 
meisten  Wilden , die  Horizontale  von  der  Mitte 
des  Obrlochs  zum  Nasengrunde  geht.  Das  ist 
freilich  so  zu  verstehen,  dass  diese  Linie  die  all- 
gemeine Richtung  angibt,  in  der  die  einzelnen 
Schädel  mit  ihrer  Horizontale  etwas  auf-  oder 
abwärts  schwanken.  Ich  hoffe,  dass  ich  für  meine 
Ueberzeugung,  dass  man  überhaupt  nicht  auf 
einer  und  derselben  Horizontale  alle  Schädel  messen 
darf,  Verständnis«  und  Zustimmung  finden  werde. 

Herr  Vlrchow  (Vorlage  der  von  Herrn 
Dr.  Nebring  (Wolfenbüttel)  eingesendeten 
Manufakte  aus  dem  Diluvium  von  Thiede 
und  Westeregeln);  Ich  habe  noch  einen  Auftrag 
zu  erfüllen,  werde  aber  ganz  kurz  sein.  Derselbe 
bezieht  sich  auf  eine  Angelegenheit , welche  für 
uns  in  Deutschland  nicht  minderes  Interesse  hat. 
als  die  Frage,  welche  Herr  Dr.  Mook  für 
Aegypten  angeregt  hat.  Der  Auftrag  stammt  von 
Herrn  Dr.  Nehring  in  Wolfenbüttel,  welcher 
sich  seit  einer  Reihe  von  Jahren  mit  unermüd- 
lichem Eifer  und  mit  subtilster  Genauigkeit  mit 
der  Untersuchung  zweier  paläontologischer  Fund- 
stellen , einer  bei  Thiede  in  der  Nähe  von 
Wolfenbüttel,  und  einer  bei  Westeregeln,  etwas 
weiter  östlich,  im  Magdeburgischen,  beschäftigt. 
Beide  sind  diluviale  Fundstätten,  wo  Gypsbrüche 
aufgeschlossen  sind,  über  denen  sich  reiche  Schichten 
mit  Thierresten  vorfinden.  Diese  Untersuchungen 
sind  an  sich  schon  von  sehr  grossem  Interesse  in 

10* 


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150 


Bezug  auf  die  rein  paläontologischc  Frage,  inso- 
fern als  durch  Herrn  Dr.  N e h r i n g neben  oder 
vielmehr  unter  dem  schon  früher  bekannten  Lager 
mit  Knochen  grosser  Säuger,  des  Mammut  h,  Rhi- 
nozeros u.  s.  w.,  eine  grosse  Menge  von  Resten 
kleiner  Thiere  nachgewiesen  worden  ist,  auf  die  sich 
bis  dahin  die  Aufmerksamkeit  der  Paläontologen 
wenig  gerichtet  hatte,  so  dass  durch  seine  ersten 
Mittheilungen  einiger  Zweifel  angeregt  wurde.  Er 
wies  nämlich  zahlreiche  Steppenthiere  nach,  ent- 
sprechend denjenigen,  welche  in  den  russischen 
Steppen  von  Nordasien  bis  zum  Theil  nach  Ungarn 
hinein  Vorkommen.  In  den  Diluvialschichten  von 
Thiede  und  Westeregeln  findet  sich  eine  Menge 
von  Ueberresten  kleiner  Wühl-  und  Springmäuse, 
Ziesel  und  anderer  Thiere  von  ungemeiner  Zier- 
lichkeit und  Feinheit.  Herr  N eh  ring  schliesst 
aus  ihrem  Vorkommen , dass  in  jener  Urzeit  die 
Ebene  vor  dem  Harz  im  engeren  Sinne  eine  Steppe 
dargestellt  hat.  Bei  dieser  Gelegenheit  hat  er 
auch  eine  Reihe  von  Feuersteinen  gefunden,  welche 
allem  Anschein  nach  künstlich  geschlagen  sind. 
Ich  war  vor  einigen  Monaten  persönlich  bei  ihm, 
weil  ich  mich  für  diese  Frage  im  höchsten  Maasse 
interessirte ; schon  längst  hatte  ich  mir  vorge- 
nommen, die  Fundstelle  in  Augenschein  zu  nehmen, 
um  mir  ein  Urthcil  zu  bilden  über  die  Evidenz 
der  Funde.  Ich  habe  damals  Gelegenheit  gehabt, 
selbst  einige  solcher  Stücke  aus  ihren  originalen 
Fundstellen  herauszunelimen,  und  ich  trage  nicht  dos 
mindeste  Bedenken  in  Bezug  auf  die  absolute  Zuver- 
lässigkeit der  Beobachtung  des  Herrn  N eh  ring 
über  die  tiefe  Lage  dieser  Stellen.  Es  handelt 
sich  aber  nunmehr  darum,  in  wie  weit  man  diese 
Fundstücke  als  wirklich  von  Menschen  her- 
gestellte Objekte  anerkennen  will.  Erkennt  man 
sie  als  solche  an,  so  gewinnen  wir  damit  für  die 
Existenz  des  Menschen  auf  der  norddeutschen 
Ebene  das  am  weitesten  zurückliegende  Factum; 
denn  es  gibt  Nichts,  was  sich  dem  auf  der  Nord- 
seite des  Harzes  auch  nur  entfernt  an  die  Seite 
stellen  liesse.  Insofeme,  hoffe  ich,  wird  auch  das 
Interesse  der  Gesellschaft  daran  ein  grosses  sein. 

Ich  will  in  Bezug  auf  die  Situation  be- 
merken, dass  es  sich  um  einen  niedrigen  Hügel  - 
zug  handelt,  der  quer  durch  das  Öckerthal  geht, 
also  ungefähr  parallel  dem  Nordrandc  des  Harzes, 
nordwestlich  von  Wolfenbüttel;  mitten  in  diesem 
Hügel  ist  ein  grosser  Gypsbruch  aufgeschlossen, 
dessen  Bildung  in  der  Weise  sich  darstellt,  dass 
ähnlich,  wie  wir  das  an  unsern  Kreideformationen 
sehen,  spitze,  zackige  Vorsprünge  in  die  Höhe 
ragen , die  von  tiefen  Klüften  durchsetzt  sind. 
Diese  Klüfte  sind  mit  diluvialen  Schichten  aus- 
gefüllt, und  zwar  unten  mit  überaus  feiner  Schicht- 


ung. Die  einzelnen  Lagen  sind  ungemein  dünn, 
aber  sehr  scharf  von  einander  abgesetzt.  Dann 
kommt  in  einer  gewissen  Höhe  darüber  eine 
mehr  zusammenhängende  Lössschicht  und  nachher 
noch  eine  dritte  oberste,  ganz  gleichmässige  Schicht. 
Diese  letztere  enthält  verhältnissmäsaig  wenig ; 
; indess,  abgesehen  von  gewissen  Oberflächen- Fun- 
den, die  hier  nicht  in  Betracht  kommen  können,  zeigt 
sieh  doch,  dass  in  den  tieferen  Lagen,  ungefähr 
in  1 Meter  Tiefe,  zahlreich  Kohlenstückchen  bei- 
gemengt sind.  In  der  nächst  tieferen,  recht  um- 
I fangreichen  Schicht  liegen  hauptsächlich  die  Reste 
I der  grossen  diluvialen  Säugethiere,  auch  Ren- 
j thierreste.  in  besonders  grosser  Zahl  und  in  sehr 
1 ausgezeichneten  Exemplaren  aber  Zähne  und  Kno- 
chen des  Mammuth.  Erst  unter  der  Mammuth- 
sehicht  kommt  die  Ausfüllung  der  Kluft,  welche 
; voll  ist  von  den  Ueberresten  der  kleinen  Steppen- 
i thiere,  und  noch  in  dieser  tiefsten  Schicht,  also  noch 
! unter  der  eigentlichen  Mammuthschicht , finden 
| sich  geschlagene  Feuersteine.  Erkennt  man 
| sie  als  geschlagene  an,  so  kommt  man  damit  in 
eine  Periode,  welche,  scheinbar  wenigstens,  vor 
die  Zeit  reicht,  in  welcher  unsere  norddeutsche 
t Ebene  von  den  grossen  diluvialen  Säugethieren 
durchwandert  wurde. 

Nun  sehen  Sie  hier  auf  unserem  Tische  eine 
von  Herrn  Ne hr in  g eingesandte  Kollektion  von 
Feuersteinen  aus  dem  Bruch  von  Thiede.  Ich 
habe  sie  jetzt  so  geordnet , wie  sie  ihrer  Tiefe 
nach  sich  gefunden  haben,  und  ich  möchte  bitten, 
dass  diejenigen , welche  sie  ansehen  wollen , sie 
auch  in  dieser  Reihenfolge  würdigen.  Die  oberste 
Schicht,  aus  welcher  Stücke  vorliegen,  findet  sich 
in  einer  Tiefe  von  IS  Fuss  unter  der  Oberfläche; 
dann  kommt  eine  zweite  Gruppe  aus  20  Fuss 
Tiefe,  eine  dritte  aus  23  Fuss  und  ein  Stück  aus 
28  Fuss  Tiefe.  Dieses  tiefste  Stück  ist  zugleich 
dasjenige,  welches  das  grösste  Interesse  darbietet. 
Es  ist  dasselbe , welches  Dr.  N e h r i n g in  dem 
„Archiv  für  Anthropologie“  in  seiner  ausführ- 
lichen Abhandlung  abgebildet  hat.  Man  muss  es 
selbst  gesehen  haben : die  weisse  Patina  der  Ober- 
fläche, die  lange,  gleichmässige  Splitterung  der 
Seiten,  am  Rande  entlang  die  kleinen  Abbrüche, 
um  die  volle  Evidenz  zu  haben.  Ich  bekenne 
offen,  dass  ich  keinen  Zweifel  hege,  dass  es  sich 
um  menschliches  Manufakt  handelt.  Auf  weitere* 
Detail  will  ich  nicht  eingehen.  Es  handelt  sich 
ja  wesentlich  um  die  persönliche  Prüfung  dieser 
Stücke. 

Das  einzige  Stück  der  vorgelegten  Sammlung, 
das  von  Westeregeln  herstammt,  ist  in  einer 
Tiefe  von  16  Fass  gefunden  worden.  Ausserdem 
| ist  noch  ein  Stück  aus  der  Oberfläche  vorhanden, 


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151 


welches  beweist,  dass  in  der  Gegend  auch  polirter 
Stein  vorkommt. 

Es  würde  von  Interesse  sein,  wenn  die  Herren 
sich  darüber  ttussern  wollten,  inwieweit  sie  Zweifel 
an  der  Evidenz  dieses  Fundes  hegen. 


Ttrxeichniss  der  übersandten  Feuerstein  • Artefakte. 

a.  Ein  Schaber  (Original  zu  Antbropolog  Archiv  X., 
Fig.  27). 

b.  Eine  mesaer  förmige  Lamelle.  \ 

c.  Schaber  ? oder  breite  Lanzm-  | 
spitze  ? 

d.  Pfriemförmige  Lamelle. 

e.  Schaber?  oder  breite  Lanzen- 
spitze? 

f.  Abgebrochene  Lanzenspitze  j 

g.  Abgenutzte  Pfeilspitze. 

b.  Misslungene  Pfeilspitze?  J 

i.  Messerförmige  Lamelle  (Original  za  Anthropolog. 

Archiv  XI.,  Fig.  2)  Diluvium  des  südlichen  Gyps- 
bruches  von  Westeregeln,  neben  Ziesel*  und 
Springniaas-Kest^n. 

k.  Ein  geschliffener  Feuerstein,  welchen  ich  auf  dem 
Wege  von  Wolfcnbüttel  nach  Salzdahlum  im  frisch 
aufgesebütteten  Grande  gefunden  habe,  wahrschein- 
lich wesentlich  jünger,  als  die  obigen  Feuerstein- 
Sachen. 

Dr.  Alfred  Nchring. 


Diluvium  des  Gyps- 
bruchet  von  Thiede, 
tbcils  aus  den  mittleren 
Mammuth  - Schichten, 
theils  aus  den  oberen 
Lemmings  - Schichten. 


Herr  Sch&afThunsen : Wenn  ich  mein  Ur-  | 
theil  darüber  abgeben  darf,  so  ist  dies  Stück  aus 
der  grünsten  Tiefe  unzweifelhaft  ein  menschliches 
Produkt.  — Hier  liegt  ein  anderes , das  sehr 
wohl  ein  Absprung  sein  kann.  Der  hohe  Rücken 
muss  immer  da  sein,  der  auf  den  Kern  zurück- 
weist. 

(Pause  von  20  Minuten.) 


Herr  Schaaffhausen  (Geschäftliches):  j 
Es  sind  mir  Karten  des  Ritzerauer  Geheges,  wo- 
hin wir  einen  Ausflug  machen  und  wo  Ausgrab- 
ungen vorgenommen  werden  sollen,  zur  Vertheil- 
ung  übergeben  worden. 

Dann  bringe  ich  die  von  Herrn  Dr.  Theobald 
gemachte  Bemerkung  in  empfehlende  Erinnerung, 
dass  überall,  wo  Ausgrabungen  im  Aufträge  der 
Gesellschaft  stattfinden,  beim  Bürgermeister  oder 
Schöffen  des  Orts  eine  kleine  Situationskarte  hinter- 
legt werden  möge,  damit  Jeder  von  uns,  der  da- 
hin kommt , sich  das  Untersuchungsfeld  ansehen 
könne.  Ich  glaube  in  der  That , dass  wir  die- 
jenigen Herren,  welche  Gelder  von  uns  für  solche 
Arbeiten  erhalten,  uni  diese  Gefälligkeit  bitten  J 
dürfen. 


Herr  Nrhaaft bansen  (über  alt  germani- 
sche Denkmäler  im  Rheinland):  Monu- 
mente unserer  ältesten  Vorzeit  sind  doch  auch  im 
Rheinland  häufiger,  als  man  bisher  gewusst  hat.  | 


Es  ist  die  Menge  römischer  Alterthümer,  welche 
hier  die  Forscher  von  jeher  am  meisten  beschäftigt 
hat,  und  die  rohen  und  oft  unscheinbaren  Stein- 
bauten unserer  Vorfahren  aus  mangelnder  Kennt- 
nis» derselben  übersehen  Hess.  Nachdem  man 
diese  Untersuchungen  in  Deutschland  nach  allen 
Richtungen  bin  in  die  Hand  genommen  hat,  liess 
ich  es  mir  angelegen  sein,  im  Rheinland  bei  den 
mit  den  Oertlichkeiten  ihrer  Gegend  vertrautesten 
Forschern  Nachrichten  über  solche  noch  vorhandene 
Alterthümer  zu  sammeln,  was  insbesondere  vrün- 
schenswertb  war  für  die  Herstellung  der  prähi- 
storischen Karte.  Namentlich  haben  mir  Herr 
v.  Cohausen,  welcher  als  früherer  Oberst  im 
preussischen  Ingenieur  - Corps  ein  besonders  ge- 
übtes Ange  für  solche  alten  Erd  wälle  nnd  Be- 
festigungswerke hat,  dann  auch  Herr  Linden- 
schmit  schon  früher  Nachrichten  solcher  Art. 
zugehen  lassen.  Ich  nahm  mir  vor,  nach  und 
nach  diese  Denkmäler  im  lihoinland,  nnd  nament- 
lich die  Ringwälle,  selbst  zu  erforschen  und  dar- 
über zu  berichten.  Am  Oberrhein  ist  eine  ganze 
Reihe  von  Monolithen  bekannt  geworden,  die  häufig 
den  Namen  Hinkelstein  tragen.  E.  Wörner  hat 
mehrere  derselben  in  der  Beilage  zu  Nro.  6 des 
Korrespondenzblattes  der  historischen  Vereine  von 
1878  abgebildet.  Herr  Bergmeister  Th.  Hundt 
in  Siegen  hat  mir  einen  Bericht  Uber  einen  in 
dortiger  Gegend  bei  Daaden  noch  erhaltenen  merk- 
würdigen Steinring  zugehen  lassen,  Über  den  ich 
in  der  Sitzung  der  niederrbeinischen  Gesellschaft 
vom  18.  Februar  1878  eine  Mittheilung  gemacht 
habe.  Ich  bedaure,  die  von  ihm  eingereichte  sehr 
anschauliche  Zeichnung  nicht  vorlegen  zu  können. 

Es  ist  der  Gipfel  des  1704  Fuss  hohen  Hohen- 
seelbachkopfes  mit  einem  Steinring  umgeben,  wel- 
cher aus  Über  einander  liegenden  ßasaltsäulen  ohne 
Mörtel  gebildet  ist.  Diese  mit  5 Kanten  ver- 
sehenen Säulen  von  3 bis  4 Fuss  Länge  schli essen 
so  genau  zusammen , dass  eine  ausserordentlich 
feste  Mauer  entstanden  ist.  Leider  ist  bereits 
durch  einen  Steinbruch  dies  alte  Denkmal  stark 
beschädigt,  so  dass  ich  mit  Herrn  Geh.  Rath  von 
Dechen  bei  der  Behörde  den  Antrag  gestellt, 
M assregeln  zur  Erhaltung  desselben  treffen  zu 
wollen , um  fernere  Zerstörungen  zu  verhüten. 
Der  Steinring  schließt  eine  Fläche  ein,  die  einige 
Morgen  gross  ist,  auch  ein  Wasserbrunnen  findet 
sich  darin , und  dieser  erinnert  daran , dass  bei 
den  Kämpfen  unserer  Vorfabron  dieso  Steinringe 
nicht  nur  zur  Zuflucht  der  Menschen  dienten, 
sondern  dass  man  auch  die  Heerden  da  hinbrachte, 
und  zu  diesem  Zweck  eine  Grube  anlegto,  in  der 
sieb  das  Tagewasser  sammelte.  Auch  finden  sich 
in  der  Mitte  einige  ßasaltsäulen  aufgerichtet  und 


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152 


man  darf  nach  anderen  Anlagen  dieser  Art  hier  [ 
wohl  eine  Opferst&tte  innerhalb  de«  Stein  ring« 
vennut.hen.  Mir  war  es  recht  auffallend,  in  Fries- 
land  zu  sehen,  dass  die  neueste  Baukunst  sich,  um 
die  holländische  Küste  gegen  den  Andrang  des 
Meeres  zu  schützen , derselben  Methode  be- 
dient, wie  die  prähistorische  Zeit.  Der  hier  an- 
wesende Herr  Eeekhoff  wird  mir  bestimmen. 
Bei  Harlingen  habe  ich  die  neuen  Deichbauten 
gesehen ; es  ist  dort  ein  Steinwall  aus  rheinischen  r 
Basaltsäulen  in  derselben  Weise  errichtet,  der 
gegen  den  Wogendrang  des  Meeres  besser  Stand 
hält,  als  die  bisherigen  Cementbauten.  Hundt 
hat  in  dem  Regierungsbezirke  Arnsberg  nicht 
weniger  als  19  alte  Stein  rin  ge  verzeichnet,  Höl- 
zermann hat  1877  die  an  der  Lippe  beschrieben, 

P i e 1 e r führte  solche  an  der  Ruhr  an.  Zwei 
andere  Denkmäler  ältester  Vorzeit  habe  ich  in 
diesem  Sommer  selbst  besucht.  Das  eine  liegt 
nicht  fern  vom  schönen  Ahrthale,  auf  der  Höhe 
über  Altenahr,  bei  Krählingen.  In  den  älteren 
Beschreibungen  der  Gegend  findet  man  nur  kurze  und 
irrige  Angaben  darüber.  Auf  dem  Gipfel  des 
Hochthürmen  findet  sich  ein  noch  wohl  erkenn- 
barer Steinring,  von  dem  Kinkel  meint,  er  sei 
nur  das  zerbröckelte  Gestein  der  eingestürzten 
Bergspitze.  Dieser  Berg  ist  1561  Fuss  hoch, 
und  in  einer  geringen  Entfernung  von  ihm  liegt 
ein  ähnlicher  Kegel,  der  1491  Fuss  hohe  Hasen- 
berg. Zwischen  beiden  Bergkuppen  am  Fusse  des 
Hochthürmen  liegt  der  Rest  eines  viereckigen, 
aus  grossen  eckigen  Steinen  errichteten  12  Fuss 
breiten  Stein walles,  der  den  Namen  Heidengarten 
führt  und  einen  Raum  von  120  Fuss  Länge  und 
110  Fuss  Breite  einschliesst.  Ich  lege  eine  ge- 
malte Skizze  der  Gegend  mit  dem  Grundriss  beider 
Denkmale  vor.  Am  Steinring  ist  noch  ein  Ein- 
gang erkennbar;  der  viel  grössere  Heidengarten, 
der  unten  am  Bergkegel  liegt.,  ist  an  einer  Seite 
ganz  offen,  und  zwar  an  der,  die  nach  dem  Stein- 
ring gelegen  ist.  Auch  hier  findet  sich  iin  Innern 
der  Umwallung  eine  Quelle,  die  wohl  eine  ähn- 
liche Bestimmung  hatte,  wie  der  Brunnen  auf 
dem  Hohenseelbachkopfe.  In  der  Nähe  dieser  Alter- 
tb ümer  liegen  im  Walde  der  Gemeinde  Berg,  wie 
es  gewöhnlich  der  Fall  ist,  Hügelgräber. 

Das  merkwürdigste  Denkmal  dieser  Art  — ich 
behaupte,  dass  in  Deutschland  kein  zweites  damit 
zu  vergleichen  ist,  — scheint  jetzt  wenig  bekannt 
zu  sein,  wiewohl  es  in  älteren  Schriften  erwähnt 
wird.  Es  ist  der  Steinring  von  Otzeahausen, 
auch  Hunnenring  oder  Dreiring  genannt ; er  liegt 
bei  Türkismühl,  einer  Station  der  Nahebahn,  rechts  ; 
von  der  Trierer  Chaussee.  Wyttenbach  hielt 
ihn  für  ein  befestigtes  Lager  der  Trevirer  aus 


vorrömischer  Zeit.  Man  bringt  den  Namen  des 
Berges,  Dollberg,  mit  dem  Dolmen  in  Verbindung, 
der  im  Jahre  1812,  etwa  5 Meter  hoch  und  ebenso 
breit,  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Steinwall 
noch  vorhanden  war.  G.  Bärsch  Nachrichten 
über  diesen  Ring  hat  Schriever  1839  ver- 
öffentlicht. Als  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  im 
Jahre  1836  als  Kronprinz  das  Rheinland  bereiste, 
sollte  der  kunstsinnige  Monarch  auch  dieses  äl- 
teste Denkmal  des  Landes  sehen,  und  man  wollte 
ihm  den  Berg  durch  Kunststrassen  und  Treppen 
•zugänglicher  machen , was  er  seihst  aber  ver- 
hinderte. Es  ist  der  Steinring  noch  ziemlich  un- 
versehrt erhalten.  Auch  hier  ist  es  wieder  die 
Gipfelspitze  des  Dollberges , auf  der  eine  Fläche 
von  50  bis  60  Morgen  durch  einen  und  nach 
einer  Seite  durch  drei  Steinwälle  eingefriedigt  ist. 
Der  Hauptring  hat  drei  Eingänge , welche , wie 
bei  unsern  Festungsbauten,  nur  in  schiefer  Richt- 
ung den  Eingang  gestatten , was  zur  bessereu 
Verteidigung  diente.  Hoch  oben  hat  man  einen 
sehr  schönen  Blick  Uber  das  ganze  Land  hin , und 
hier  soll  jener  Dolmen,  der  wohl  eine  Opferstätte 
war,  gestanden  haben.  An  dieser  Stelle,  wo  sich 
der  Steinring  nach  abwärts  neigt,  liegen  vor  ihm 
noch  zwei  halbe  Ringe , die  an  den  Seiten  mit 
ihm  verschmelzen.  Durch  die  ersten  beiden  steigt 
man  gewöhnlich  empor,  um  in  die  Mitte  zu 
kommen.  Der  Steinring  ist  so  gewaltig,  dass  an 
vielen  Stellen,  zumal  gegen  Norden , seine  Höhe 
120  bis  130  Fuss  beträgt.  Er  ist  im  Durch- 
schnitt ein  pyramidal  aufgeworfener  Steinwall  mit 
zwei  schiefen  Flächen , dessen  Grundfläche  etwa 
60  Fuss  breit  ist.  Die  grauen  Quarzitblöcke  sind 
von  ziemlich  gleicher  Grösse,  die  meisten  messen 
zwei,  drei  Fuss,  und  werden  in  der  Nähe  wie 
am  Berge  selbst  gebrochen.  Gegen  Süden  sieht  man 
noch  festgewachsene  Felsblöcke  in  dem  Walle  stehen. 
Man  kann  sich  kaum  vorstellen,  wie  die  Menschen 
ohne  schweren  Steinharamer  sich  diese  Blöcke  von 
gleicher  Grösse  und  eckiger  Gestalt  verschafft 
haben.  Als  ich  das  großartige  Werk  mir  an- 
sah , fragte  ich  sofort , ob  nicht , wie  ich  es  so 
oft  gesehen  hatte,  in  der  Nähe  sich  germanische 
Gräber  befänden.  Ich  wurde  zunächst  auf  zahl- 
reiche römische  Gräber  in  dieser  Gegend  auf- 
merksam gemacht , die  so  reich  ist  an  kostbaren 
Funden , wie  kaum  eine  andere.  Drei  kostbare 
Vasen  und  eine  vergoldete  Krone,  ln  Stunde  von 
hier,  in  Schwarzenbach  gefunden,  sind  in  das  Ber- 
liner Museum  gekommen.  Die  Gegend  muss  in 
römischer  Zeit  dicht  bevölkert  gewesen  sein,  da- 
her haben  Manche  auch  die  Anlage  des  Stein- 
ringes für  römisch  gehalten.  Wohl  aber  ist  es 
denkbar,  dass  die  Römer  gerade  da  ihre  Ansied- 


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153 


lungen  machten,  wo  vordem  die  Germanen  schon 
feste  Platze  gehabt,  hatten.  Wenn  ein  alter  Schrift- 
steller diese  Befestigung  den  alten  Trevirern  zu- 
schreibt , die  stolz  auf  ihre  germanische  Abkunft 
waren , später  aber  selbst  fast  Körner  wurden, 
so  möchte  er  wohl  Recht  haben.  Wiewohl  in  den 
alteren  »Schriften  nirgends  eine  Bemerkung  über 
öermanengraber  vorkornmt . so  wurden  mir , als 
ich  noch  einmal  nach  Hügelgräbern  im  Walde 
fragte,  sofort  ganz  in  der  Nähe  ausserhalb  des 
Ringes  dieselben  gezeigt.  Es  ist  die  Absicht  des 
Dr.  Hettner,  des  Direktors  des  Provinzial- 
museums in  Trier,  demnächst  Ausgrabungen  hier 
vornehmen  zu  lassen. 

Ich  habe  in  diesem  Bilde  den  Dollberg  so 
dargestellt,  als  wenn  er  keinen  Hochwald  trüge, 
um  an  einer  schematischen  Zeichnung  die  3 über 
einander  liegenden  Ringe  anschaulich  zu  machen. 
Ein«  genaue  Aufnahme  dieses  grossartigen  alt- 
germanischen  Bauwerkes  muss  noch  gemacht  wer- 
den. Auffallend  ist  das  frische  Aussehen  des  Stein- 
gerölles, zumal  in  seinen  oberen  Theilen,  Die  Ab- 
wesenheit aller  Vegetation,  einige  Flechten  abge- 
rechnet . erklärt  sich  aber  aus  der  vollständigen 
Trockenheit  der  quarzhaltigen  Steinblöcke. 

Noch  möchte  ich  Ihre  Aufmerksamkeit  in  An- 
spruch nehmen  in  Bezug  auf  alte  Bildwerke  un- 
serer Vorzeit,  die  ausserordentlich  selten  sind.  Die 
Schriftsteller  berichten  uns,  dass  die  Germanen 
weder  Tempel  noch  Götterbilder  gehabt  hätten. 
Wir  haben  freilich  Nachrichten  von  einer  Irmensul, 
wissen  aber  nicht  recht,  wie  dieselbe  beschaffen 
war.  ob  sie  nur  ein  Baumstumpf  war,  als  Gegen- 
stand der  Verehrung  aufgerichtet,  oder  ob  sie  ein 
Holztempel  oder  ein  geschnitztes  Götterbild  war, 
es  ist  darüber  Nichts  bekannt.  Als  ein  seltener 
Fund  werden  die  3 alten  Steinbilder  aus  einer 
diluvialen  Ablagerung  bei  Bamberg  angesehen, 
die  Lindenschmit  abgebildet  hat  und  ich  hier 
vorzeige.  Bamberg  selbst  steht  auf  einem  be- 
grabenen Walde.  Aus  der  Rednitz  werden  ge- 
waltige Baumstämme  gefischt  und  zwischen  den- 
selben sind  jene  Steine,  auch  ein  menschlicher 
Schädel  rhachitischen  Baues  und  aus  einem  Eich- 
baum geschnitzte  Kähne  gefunden  worden.  Haupt 
in  Bamberg  hat  diesen  Fund , der  in  Bamberg 
auf  bewahrt  wird,  schon  vor  25  Jahren  beschrieben. 
Die  Steinbilder  sind  Hermen , welche  oben  die 
Andeutung  der  Arme  haben.  Die  eigentümlichen 
Gesichter  mit  dem  spitzen  Bart  erinnern  indessen 
an  altchristliche  Darstellungen ; man  wird  den 
Steinen  gewiss  nicht  ein  diluviales  Alter  zuschreiben 
wollen,  sie  können  auf  irgend  eine  Weise  in  die 
diluviale  Ablagerung  gekommen  sein.  Auch  sind 
sie  jenen  Steinbildern  auf  den  russischen  Kurganen 


ähnlich,  die  zum  Theil  einen  mongolischen  Typus 
haben.  Doch  scheint  es  nicht,  dass  sie,  wie  jene, 
in  den  Händen  den  Becher  der  pferdemelkenden 
Seytben  halten,  aber  ihre  Hände  sind  allerdings 
so  gestellt , als  wenn  sie  etwas  damit  halten 
sollten.  Linden schmitt  sagt  noch,  sie  seien 
nicht  mit  einem  metallenen  Werkzeug  gearbeitet, 
sondern  nur  mit  einem  harten  Steine  ausgerieben. 
Aber  kann  nicht  der  Zustand  der  Verwitterung 
diesen  Anschein  geben? 

Ich  zeige  Ihnen  sodann  hier  die  Photographie 
, eines  Götzenbildes  aus  versteinertem  Holz,  welches 
( ich  schon  mehrmals,  auch  bei  der  internationalen 
Versammlung  in  Stockholm  vorgezeigt  habe,  um 
die  Ansicht  der  Sachverständigen  darüber  zu  hören. 
Es  ist  bei  Ny mw egen  im  Sandboden  vor  der  Stadt 
gefunden,  wo  auch  römische  Alterthümer  häufig 
sind.  Es  ist  ein  Holz  von  etwa  einem  Fuss 
Länge , und  zwar  ein  versteinertes  Holz , dessen 
dickeres  Ende  zu  einem  menschlichen  Gesichte  zu- 
geschnitzt ist.  Ich  habe  es  mikroskopisch  unter- 
sucht und  Professor  Göppert  hat  meine  Unter- 
suchung bestätigt.  Es  ist  ein  Pinites,  wie  er  in 
diluvialen  Ablagerungen  des  Rheinthals  und  in 
Holland  vorkommt.  Keiner  der  Archäologen,  die 
das  Ding  gesehen , konnte  mir  eine  Angabe 
machen,  wo  etwas  Aehnliches  sich  befinde.  Nur 
in  der  Bildergallerie  zur  allgemeinen  deutschen 
Real  - EncyklopUdie  , die  keinen  Verfasser  nennt, 
sind  in  der  4.  Abtheilung  Tafel  7 jenem  Holzbild 
ähnliche , in  Holz  geschnitzte  Götzenbilder  der 
Lappen  und  Wenden  abgebildet.  Auch  finden 
sich  solche  Figuren  in  einer  Abhandlung  von 
' Masch  vom  Jahre  1771,  welcher  ähnliche,  aber 
in  Bronze  gegosseno,  bei  Prillwitz  angeblich  ge- 
! fnndene  Götzenbilder  beschreibt  und  abbildet.  Diese 
| sind  aber,  wie  mir  Lisch  schreibt , als  Fälsch - 
| ungen  berüchtigt.  Sie  werden  in  der  Alterthümer- 
Sammlung  zu  Neu-Strelitz  aufbewahrt.. 

Es  sind  ferner  vor  mehreren  Jahren  in  einem 
alten  Bleibergwerk  bei  Roggendorf  in  der  Eifel, 
wo  in  der  Nähe  die  berühmten  Bleibergwerke  von 
Gommern  und  Mechernich  sich  befinden , merk- 
würdige Steinbilder  gefunden  worden;  sie  stellen 
menschliche  Köpfe  dar  und  sind  aus  Eisenstein- 
Sphäroiden  gearbeitet.  Ich  erinnere  mich  noch 
; der  Zuschrift,  als  man  mir  mittheilte,  ich  möchte 
da  hinkommen,  man  habe  ganz  in  Stein  verwan- 
; delte  Menschen  gefunden.  Die  Steinkugeln  haben 
wirklich  ungefähr  die  Grösse  eines  menschlichen 
Kopfes.  Es  sind,  wie  Sie  aus  dieser  Photographie 
ersehen,  3 Steinbilder  roher  Art  und  komischer 
Darstellung,  Fratzen,  einer  mehr  als  der  andere. 
Der  mit  der  langen  Nase  ist  in  der  That  hoch- 
gelungen und  sehr  spassliaft.  Nie  ist  etwas  der- 


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artiges  gefunden  worden , doch  kommen  in  der 
mittelalterlichen  Kunst  auch  fratzenhafte  Menschen- 
gesichter an  Haus-  und  Kirchenbauten  vor.  Ich  habe 
damals  schon  — weil  wir  sicher  wissen,  dass  die 
Römer,  wie  die  grossen  Kupferbergwerke  am  Rhein, 
so  auch  bereits  diese  Bleibergwerke  betrieben 
haben,  — diese  Steinköpfe  dem  römischen  Alter- 
thum zugeschrieben , ebenso  möglich  ist  es  aber 
auch,  wenn  wir  an  die  früho  Keuntniss  der  Metall- 
arbeit bei  den  Galliern  und  Kelten  denken  , dass 
das  Blei,  welches  in  gediegenen  Körnern  hier  im 
Sande  liegt , schon  von  den  keltischen  Stämmen 
gewonnen  wurde.  Auch  der  Bildhauer  Afinger 
gab  mir  zu,  dass  ein  rohes  kunstloses  Volk  so 
vorzügliche  komische  Fratzen  nicht  gemacht  haben 
könne ; zumal  das  Ohr  ist  an  einem  Kopfe  so 
richtig  und  schön  gezeichnet,  dass  man  sagen  muss : 
es  ist  ein  Künstler  gewesen,  der  das  gemacht  hat  I 
Ich  glaube  aber,  dass  diese  meiue  schon  früher 
in  der  niederrheinischen  Gesellschaft  geäusserte 
Ansicht  jetzt  um  so  mehr  Wahrscheinlichkeit  hat, 
als  ganz  in  der  Nähe  alte  zusammengefallene 
Stollen  entdeckt  worden  sind  , in  denen  sich  rö- 
mische Sachen , z.  B.  eine  Kiste  mit  römischen 
Münzen,  fanden.  Bekannt  ist  es,  dass  Bergleute 
in  den  dunklen  unterirdischen  Räumen  gern  ihre 
Phantasie  beschäftigen.  Ich  erinnere  Sie  an  die 
in  den  Salzbergwerken  gewöhnlichen  Skulpturen, 
wo  man  Christusbilder  oder  die  der  Heiligen  dar- 
gestellt, ich  erinnere  ferner  daran,  dass  die  Ver- 
breitung des  Mithrasdienstes  unter  den  späteren 
römischen  Kaisern  am  Rhein  eine  sehr  grosse  war 
und  derselbe  vielfach  in  unterirdischen  Räumen 
geübt  wurde.  Einige  solcher  komischen  Gesichter 
kommen  an  Köpfen  des  bekannten  Mitkrasbildes 
von  Heddernheim  vor , das  sich  im  Museum  zu 
Wiesbaden  befindet.  Auch  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  in  römischer  Zeit  der  deutsche  Aber- 
glaube durch  solche  Dinge  eine  Darstellung  fand. 
Die  Unholde,  Berggeister  und  Kobolde  der  alten 
Volkssage  wurden  in  diesen  Steinkugeln  wieder- 
gegeben, und  man  kam  um  so  eher  auf  diesen 
Einfall,  weil  diese  im  Bleisand  vorkommenden 
Knollen  von  Brauneisenstein  schon  an  und  für 
sich  zuweilen  wie  Menschenköpfe  aussehen.  Man 
hat  passende  Knollen  mit  Austvüchsen  benutzt, 
um  solche  Bilder  hervorzubringen.  Einige  glaubten 
an  Ort  und  Stelle,  als  ich  mich  dahin  aussprach, 
dass  die  Sachen  gewiss  sehr  alt  wären,  der  an- 
gebliche Fund  wäre  ein  Betrug  und  ein  Berg- 
meister liess  durch  seine  Leute  ähnliche  Köpfe 
machen.  Aber  der  Versuch  bewies  augenschein- 
lich , dass  man  so  etwas  nicht  machen  konnte. 
Noch  ein  Umstand  ist  es,  der  das  Alter  dieser 
Dinge  beweist : All  diese  Köpfe  sind  nämlich  mit 


einer  Kruste  von  Eisenoxydhydrat  überzogen.  Sie 
haben  alle  auf  ihrer  bearbeiteten  Fläche  diese 
mineralogische  Abänderung  erfahren,  für  die  man 
ganz  gewiss  eine  lange  Zeit  voraussetzen  darf. 

Ich  möchte  nun  zum  Schlüsse  noch  ein  Bild 
ganz  anderer  Art  zeigen.  Es  ist  nicht  ein  roher 
Versuch,  menschliche  Züge  nachzubilden,  sondern 
eine  vortreffliche  Darstellung  menschlicher  Typen, 
welche  wir  für  die  älteste  halten  dürfen,  welche 
wir  besitzen,  sie  rührt  von  einem  hochgebildeten 
Kultur  Volke,  von  den  Aegyptern  her.  Das  Bild, 
welches  ich  hier  vorlege,  ist  eines  der  Wand- 
gemälde, welche  Rosellini  in  seinem  Werke 
,, Monumente  Aegyptens  und  Nubiens“  bekannt 
gemacht  hat.  Es  findet  sich  in  dein  grossen 
Höhlen tempel  von  Ibsatnbul  in  Nubien  und  ist 
a.  a.O.  T.  III  Nr.  LXXIX  abgebildet.  Es  sind  in 
diesem  Bilde , welches  die  von  Kamses  III  be- 
siegten Völker  darstellt,  die  Neger  sehr  deutlich 
gezeichnet,  auch  der  Mongole  ist  zu  erkennen, 
eine  rothhüutige  Völkerschaft  ist  schwer  bestimm- 
bar. Das  Merkwürdigste  für  uns,  zumal  jetzt, 
wo  wir  Untersuchungen  über  die  Herkunft  der 
blonden  blauäugigen  Menschenstämme  anstellen, 
sind  5 Köpfe  von  Menschen  mit  röthlichem  Haar, 
und  heller  Gesichtsfarbe  und  mit  sehr  schön  ge- 
malten blauen  Augen.  Ramses  III,  der  bekannte 
äosostris,  hält  den  Bogen  in  der  Hand  und  zu- 
gleich die  besiegten  Völkerschaften  mit  der  Hand 
beim  Schopfe  fest  als  Sieger.  Wir  sehen  hier 
also  helle  blauäugige  Menschen  aus  der  Zeit  um 
1500  vor  unserer  Zeitrechnung.  Ich  will  nicht 
weiter  in  die  schwierige  Frage  eingehen,  welches 
Volk  hier  dargestellt  ist,  aber  es  ist  möglich, 
dass  dasselbe  deiu  später  in  Europa  verbreiteten 
Keltenstamm  verwandt  ist.  Vielleicht  sind  die 
blonden  blauäugigen  Volksatäramc  im  Atlas,  die 
man  gern  von  den  Vandalen  ableitete,  und  Uber 
die  kürzlich  Faid  herbe  noch  berichtet  hat,  2000 
Jahre  älter,  als  man  bisher  angenommen  hat. 
Die  ausserordentlich  langen  Gesichter  dieser  Köpfe 
lassen  auf  eine  hohe  Körpergestalt  schließen,  da 
ich  seihst  durch  Messungen  ein  Verhältnis»  der 
Gesichtslänge  zur  Körperlünge  gefunden  habe.  Sie 
haben  straffes,  lang  herabhängendos  Haar,  was 
ja  auch  später  noch  als  Merkmal  edler  fränkischer 
Abstammung  angesehen  wurde.  Die  gebogenen 
Nasen  müssen  einem  Knlturvolke  zu  geschrieben 
werden.  Sollen  wir  an  die  atlantischen  Völker 
denken,  von  denen  die  älteste  Sago  berichtet  oder 
an  die  Gallier , die  später  in  der  ägyptischen 
Geschichte  als  HülfsvÖlker  erscheinen?  Ich  will 
hier  nicht  verschweigen , dass  ich  hei  Unter- 
suchung der  ägyptischen  Schädel  der  Blumen- 
b ach’ sehen  Sammlung  in  Göttingen  zwei  ge- 


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fanden  habe , von  denen  der  eine  mit  Asphalt 
ausgegossen,  also  sicher  ein  Mumienschädel  ist, 
von  denen  ich  mit  einer  gewissen  Sicherheit  gesagt 
habe:  das  sind  alte  Kelten-  oder  Germanenschädel 
von  der  rohen  Form  der  Reihengräber ! 

Herr  Ylrchow  : Was  das  Buch  von  Masch 
betrifft,  so  hoffe  ich,  dass  Herr  Götz  mich  nicht 
korrigiren  wird,  wenn  ich  sage,  dass  die  An- 
gaben desselben  sich  wesentlich  auf  Bronzefiguren 
beziehen , auf  die  sogenannten  Prillwitzer  Idole. 
Es  sind  aber  keine  Bilder  darauf. 

Eine  Bemerkung  in  Bezug  auf  die  Steine  der 
Finnen  und  Lappen.  In  dem  Museum  von  Hel- 
singfors  ist  eine  Sammlung  solcher  Steine  zu  sehen. 
Die  Mehrzahl  davon  stellt  Nichts  weiter  vor,  als 
natürliche  Bildungen.  Es  sind  meistens  schieferige 
Steine,  namentlich  Glimmerschiefer,  wo  entweder 
härtere  und  weichere  Gesteinlagen  mit  einander 
wechseln,  oder  Steine,  wo  Quarzgänge  die  Schiefer- 
raossen  unterbrechen,  und  wo  dann  bei  der  Verwitter- 
ung allerlei  sonderbare  Figuren  entstehen,  die  im 
Profil  auch  menschlichen  Gestalten  ähnlich  sind. 
Diese  stellen  die  Lappen  auf  und  beten  sie  als 
Götter  an.  Ich  bin  im  Besitze  eines  solchen 
Steins,  freilich  keines  lappländischen.  Diese  Art 
von  Verwitterungsbildern  sieht  man  ja  im  Grossen 
oft  genug  in  Gebirgen.  Ich  erinnere  nur  an  die 
Felskantcn  z.  B.  der  sächsischen  Schweiz,  welche 
Napoleonsküpfe  und  andere  Vergleiche  darbieten. 
Künstliche  Einwirkung  ist  auch  an  den  Steinen 
der  Lappen  nicht  zu  sehen. 

Herr  Pösche  (Washington) : Ich  wollte  in 
Bezug  auf  die  blonden , blauäugigen  Menschen, 
die  wir  in  so  alter  Zeit  auf  ägyptischen  Denk- 
mälern finden , mir  eine  Bemerkung  erlauben : 
Wir  finden  heute  unter  der  alten  Bevölkerung 
Nordafrikas  eine  ganze  Anzahl  blonder  und  blau- 
äugiger Menschen,  zumal  unter  den  Berbern.  In 
Marocco  haben  französische  Gelehrte  in  manchen 
Stämmen  bis  zehn  Prozent  Blonde  und  Blau- 
äugige vorgefunden.  Ebenso  hat  der  Botaniker 
Asherson,  als  er  in  den  Oasen  Aegyptens  war, 
auch  blonde,  blauäugige  Menschen  vorgefunden. 
Es  gibt  eine  Hypothese , welche  das  auf  sehr 
natürliche  Weise  erklärt:  die  des  französischen 
Generals  Faid  herbes.  Im  Sallust  haben  wir 
mehrfache  Angaben  von  einem  Eroberungszug  aus 
Spanien  nach  der  Nordküste  Afrikas.  Wir  wissen, 
dass  dort  in  sehr  alter  Zeit  Kelten  waren.  Ich 
glaube , dass  diese  Nordafrikaner  Kelten  sind, 
Nachkommen  wenigstens  derjenigen,  die  von  Spanien 
nach  Nordafrika  hinüber  gegangen  und  östlich 
bis  nach  Aegypten  gewandert  sind. 


Herr  Mehlis:  Ich  möchte  mir  erlauben,  zur 
Sache  über  Ringwälle  am  Petersberg  zu  sprechen. 

Herr  Schaaffhausen : Ich  kann  versichern, 
dass  der  Besitzer  des  Petersberges  diese  Wälle 
hat  selbst  aufwerfen  lassen,  dass  das  eine  ganz 
moderne  neue  Mauer  ist. 

Herr  Mehlis  : Ich  behalte  mir  vor,  an  einem 
anderen  Ort  darüber  Mittheilung  zu  machen. 

Herr  KÖrbin  demonstrirte  in  Kürze  einige 
neue  anthropologische  Messapparate 
für  Messungen  an  Schädeln  und  Lebenden,  wor- 
über ausführliche  Mittheilungen  im  Korrespondenz- 
blatt gebracht  werden  sollen. 

Herr  Hilgendorf  (Lucä’scher  Zeichen- 
Apparat  zum  Reisegebrauch).  Ich  habe 
eine  neue  Modifikation  des  Lucä* sehen  Zeichen- 
Apparates  vorzu fahren.  An  dem  Diopter  ist  das 
Eigentümliche  ein  Paar  Korrektionsschrauben, 
welche,  in  den  Fuss  eingelassen,  gleichzeitig  als 
Stutzpunkte  dienen.  Zufällig  entstandene  Ver- 
biegungen sind  sofort  unschädlich  zu  machen  durch 
eine  Korrektion,  die  vielleicht  2 — 3 Minuten  in 
Anspruch  nimmt.  Auch  bedarf  es  bei  der  ur- 
sprünglichen Anfertigung  des  Apparates  nunmehr 
keiner  besonders  accuraten  und  darum  kostspieligen 
Arbeit.  — Den  Holzrahmen  habe  ich,  zumal  für 
Reisezwecke,  ebenfalls  verworfen  und  ihn  durch 
3 Eisenfüsse , welche  an  der  Glasplatte  festge- 
schraubt werden,  ersetzt.  Diese  Einrichtung  er- 
möglicht eine  solide  Aufstellung  der  Platte  und 
ist  von  erprobter  Dauerhaftigkeit.  — In  den  Ring 
für  das  untere  Fadenkreuz  endlich  Hess  ich  eine 
Lücke  einschneiden , um  bei  Vergrösserung  und 
Verkleinerung  von  Zeichnungen  die  auf  der  Glas- 
platte durch  den  Ring  unsichtbar  gemachte  Stelle 
zu  elirainiren.  — Die  Firma  Warmbrunn,  Quilitz 
fc  Comp,  in  Berlin  liefert  Diopter  und  3 Füsse 
zusammen  für  20  Mark. 

Herr  Virchow  (über  Schalensteine): 
Ich  habe  noch  eine  Mittheilung  des  Herrn  Desor 
vorzulegen,  welcher  ursprünglich  beabsichtigte, 
hier  zu  erscheinen,  aber  leider  durch  Krankheit 
und  Amtsgeschäfte  gehindert  ist.  Er  zeigt  an, 
dass  er  eine  Schrift  von  Herrn  Falsa n (De  la 
presenCe  de  quelques  pierres  ä ecuelles  dans  la 
region  moyenne  du  bassin  du  Rhone)  hierher 
adressirt  habe , aber  bis  jetzt  ist  sie  nicht  zu 
ermitteln  gewesen.  Herr  Desor  hat  sich  in 
den  letzten  Jahren  vielfach  beschäftigt  mit  ge- 
wissen 8teinen , die  in  der  Schweiz  unter  dem 

11 


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156 


Namen  w Schalensteine“  , pierres  h dcuel les , be- 
kannt sind,  die  man  in  Schweden  seit  langer 
Zeit  als  Elfensteine  bezeichnet , die  in  der  Mark 
Brandenburg  und  der  Lausitz  unter  dem  Namen 
„Näpfchensteine“  bekannt  sind,  und  deren  Her- 
kunft er  aus  allerlei  indischen  Gebräuchen  her-  ! 
leiten  zu  können  denkt , da  in  neuester  Zeit  an 
verschiedenen  Orten  Indiens  grosse  Massen  von  sol- 
chen Näpfchen  an  Felsen  gefunden  worden  sind.  Ich 
darf  wohl  daran  erinnern,  dass  hier  im  Museum 
ein  grösserer  Nftpfchenstein  aus  Schleswig  liegt; 
derselbe  hat  eine  Reihe  von  Grübchen,  die  unter- 
einander verbunden  sind;  ausserdem  ist  noch  ein 
ganz  kleiner  Stein  unter  Glas  vorhanden,  welcher 
eine  Art  Modell  eines  grösseren  zu  sein  scheint. 
Leider  habe  ich  erfahren,  dass  der  von  Fräulein 
Mestorf  in  ihrer  Schrift  abgebildete  Stein  nicht 
mehr  existirt , sondern  verloren  gegangen  ist ; 
derselbe  hatte  auf  der  einen  Seite  Näpfchen,  auf 
der  andern  eine  Runeninscbrift. 

Es  hat  allerdings  sein  grosses  Interesse  zu 
erfahren , wesshalb  man  das  gemacht  hat.  In 
dieser  Beziehung  macht  Herr  Desor  in  seinem 
Briefe  einige  Mittheilungen , die  mir  ungemein 
interessant  gewesen  sind,  weil  dadurch  allerdings 
der  Gedanke , dass  dio  Näpfchen  auf  gewisse 
Gebräuche  zurückzuführen  sind,  sehr  nahe  gelegt  I 
wird.  Er  theilt  mit , dass  die  Angaben  des 
Herrn  Falsan  sich  beziehen  auf  den  Glauben 
an  die  Wunderkraft  gewisser  Steine  im  Depar- 
tement de  l'Ain  und  in  der  Bresse,  in  welche 
man  Schalen  und  Näpfchen  noch  zur  Stunde  ein- 
gräbt. So  z.  B.  bewahrt  man  zu  Voanas  un- 
weit Bourg  in  der  Dorfkirche  einen  grossen  Stein 
genannt  la  pierre  de  St.  Loup.  Die  Kranken 
und  Impotenten  gruben  Löcher  in  den  Stein  und 
trinken  den  gewonnenen  Staub,  welcher  das  Fieber 
heilt  und  die  Lebenskraft  erneuert . Desgleichen  findet  j 
sich  im  Dorf  Nanney  (Ain)  ein  Stein,  genannt 
la  pierre  de  St.  Clement,  den  man  aushöhlt;  der 
Staub  wird  verschluckt  wegen  seiner  Heilkraft. 
Herr  Desor  hat  von  ähnlichen  Gebräuchen  auch 
in  der  Schweiz,  namentlich  in  Wallis  gehört. 
Auch  dort  werden  die  Steine  der  Kapelle  St. 
Valerie  von  den  Landleuten  angebobrt  und  der  j 
Staub  genossen.  Aber  das  sind  keine  erratischen 
Blöcke,  sondern  einfacher  Sandstein. 

Ferner  berichtet  Herr  Falsan  von  anderen 
Einflüssen , welche  man  in  dem  Departement  de  , 
TArdeche  gewissen  Steinen  zuschreibt;  da  gebe 
es  Schafsteine  (pierres  de  brebis),  dio  man  dem 
Widder  anhänge,  um  die  Heerde  vor  Krankheit 
zu  bewahren ; pierres  de  serpents,  gegen  Schlangen- 
biss zu  schützen,  pierres  de  salamandres  etc.  Die 
drciSteine,  welche  Herr  Falsan  gesehen,  waren 


grüne  Variolithe  aus  der  Durance , folglich 
erratische  Geschiebe,  gleich  wie  anderwärts  die 
Scbalensteine. 

„Auch  hierüber,  sagt  Herr  Desor,  dürfte 
man  vielleicht  in  der  Kieler  Versammlung  etwas 
Aehnliches  vernehmen.“  Es  würde  in  der  That 
recht  wünsch enswerth  sein , wenn  nach  dieser 
| Richtung  hin  in  Deutschland  eine  grössere  Zahl 
| directer  Beobachtungen  angestellt  würden.  Ich 
will  bemerken,  dass  in  der  Berliner  Gesellschaft 
i ein  Verhältnis«  wiederholt  sar  Sprache  gekommen 
I ist,  welches  durch  die  Mittheilung  des  Herrn 
] Desor  mir  allerdings  verständlicher  gemacht  wor- 
den ist,  als  ich  es  bisher  ansuh.  Während  näm- 
lich die  eigentlichen  Elfensteine,  Näpfchensteine, 
Scbalensteine  isolirte  erratische  Blöcke  zu  sein 
pflegen , in  welche  eine  Reihe  von  Löchern, 
Gruben  und  Dillen  eingehöhlt  waren,  und  ausser- 
J dem  nur  noch  Aushöhlungen  oder  Gruben  an 
| anstehendem  Gestein  im  Gebirge  sich  finden,  so 
wurde  bei  uns  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  auf 
gewisse  Erscheinungen  an  Kirchen , wie  sie  zu- 
erst von  Herrn  Dr.  Veckenstedt  iu  der 
Lausitz  constatirt  worden  sind.  Er  machte  auf 
eigentümliche  kleine  runde  Vertiefungen,  Grüb- 
chen und  Rillen  aufmerksam,  welche  sich  an  den 
Kirchen  vorfänden , und  zwar  bei  uns  an  der 
Mehrzahl  aller  älteren  Kirchen  in  einer  durch- 
aus typischen  Weise,  nämlich  immer  an  der 
Südseite  derselben.  Unsere  Kirchen  haben  fast 
immer  eine  Seitentkür  an  der  Südseite , durch 
welche  man  hauptsächlich  passirt;  neben  dieser 
Thür  befindet  sich  links  und  rechts  an  der 
Aussenwand  in  den  Steinen  derselben  eine  ganze 
Anzahl  von  runden  Löchern , manchmal  auch 
scharfe  und  geradlinige  Einrit/.ungen.  Herr  Dr. 
Veckenstedt  hat  diese  Erscheinungen  nach 
verschiedenen  Richtungen,  z.  B.  bis  in  das  Braun- 
schweigische verfolgt.  Später  hat  Herr  Friedei 
sie  an  pommer'schen  Kirchen  nachgewiesen , so- 
wie in  Schweden  in  verschiedenen  Städten.  Weiter 
kann  ich  mittheilen , dass  auf  der  letzten  Ex- 
cursion , welche  die  Berliner  Anthropologische 
Gesellschaft  in  die  Lausitz  machte,  an  der  Kirche 
zu  Luckau  ein  Novum  insofern  gefunden  ward, 
als  man  bisher  glaubte,  dass  alle  diese  Näpfchen 
und  Rillen  an  den  Kirchen  nur  im  Backstein 
vorkämen.  In  Luckau  aber  haben  wir  sie  in  einem 
grobkörnigen  Konglomerat  gefunden,  aus  welchem 
der  untere  Theil  der  Kirche  bis  in  Manneshöhe 
erbaut  ist;  in  diesem  sehr  harten  Stein  be- 
fanden sich  die  Grübchen  zum  Theil  in  ganz 
regelmässiger  Anordnung. 

Wenn  sich  nun  nach  weisen  lässt,  dass  man 
solche  Grübchen  noch  heutigen  Tages  bohrt,  um 


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den  Staub  zu  trinken  gegen  gewisse  Krankheiten, 
so  würde  das  ein  wesentlicher  Fortschritt  für  die 
Erklärung  dieser  Erscheinung  sein.  Bisher,  wo 

man  immer  nur  davon  gesprochen  hat,  dass 

man  die  Näpfchen  mit  Mel  salbe  oder  dass 

man  ein  Geldstückchen  hineinlege  oder  etwas 
Anderes , um  Krankheit  abzuwenden , war  es 
etwas  schwer  zu  erklären,  woher  die  grosse  Zahl 
von  Löchern  kam.  An  manchen  von  unsern 
Kirchen  ist  die  ganze  Wand  in  erreichbarer  Höhe 
damit  bedeckt,  so  dass  Stein  für  Stein  Grübchen 
oder  Killen  zeigt.  Es  würde  dnnn  allerdings  auch 
möglich  sein,  eine  weitergehende  Verbindung  mit 
den  Schalen  der  freiliegenden  Steine  zu  gewinnen. 
Ich  kann  daher  nur  diese  Mittheilungen  der  Ge- 
sellschaft übergeben  mit  der  Bitte«  dass  man 

weiter  in  unseren  Territorien  Umschau  halte, 
um  zu  konstatiren , was  thatsächlich  vorhanden 
ist  und  in  wie  weit  noch  solcher  Aberglaube 
fortbesteht.  Durch  Herrn  Desor  erfahren  wir, 
dass  man  das  Fiebervertreiben  damit  in  Ver- 
bindung bringt.  Mir  ist  in  der  That  dieser  Ge- 
brauch ganz  neu ; ihn  zu  kennen,  ist  um  so  in- 
teressanter, als  dadurch  zugleich  eine  noch  jetzt 
fortwährende  Neubildung  von  Näpfchensteinen 
konstatirt  worden  ist.  — 

Fräulein  J.  Mestorf,  welche  leider  durch 
Unwohlsein  verhindert  war , an  der  Diskussion 
tli eilzunehmen,  sandte  an  die  Redaktion  einen  Auf- 
satz über  Schalen  steine  ein,  welcher  im  Kor- 
respondenzblatt gedruckt,  resp.  diesem  Bericht  als 
Anhang  beigegeben  werden  soll.  D.  Red. 

Hierauf  berichtete  Herr  Klopfleiscli  kur- 
sorisch Uber  Ausgrabungen  bei  Jena,  deren  Re- 
sultate ebenfalls  später  ausführlich  im  Korrespon- 
denzblatt veröffentlicht  werden  sollen, 

Herr  SrhanfThausen  (Geschäftliches): 
Es  ist  mir  eben  eine  Zusendung  von  Breslau 
überreicht  worden ; es  schickt  der  Vorstand  des 
Vereins  für  schlesische  Alterthümer,  mit  einem 
Gruss  nn  die  Versammlung,  die  Karte  von  Schlesien 
und  ein  kleines  Programm  über  das  Museum. 

Herr  Fraas  (Prähistorische  Karte. 
Ovibos  und  Thayinger  Höhlenkunst): 
Es  bleibt  mir  noch  die  angenehme  Pflicht,  auf 
ein  soeben  eingelaufenes  Geschenk  binzuweisen, 
auf  die  hier  vorliegende  „Vorgeschichtliche 
Karte  von  Schlesien,  nach  alten  und  neuen 
Forschungen,  insbesondere  nach  den  Akten  des 
Vereins  für  das  Museum  schlesischer  Alterthümer 
und  im  Auftrag  desselben  bearbeitet  von  J. 


Zimmermann,  Lehrer  in  Striegau.*  Wir  ver- 
danken das  Geschenk  der  Freundlichkeit  des  ge- 
nannten Vereins,  ebenso  wie  wir  Herrn  Zi mm  er- 
mann die  Beiträge  für  die  prähistorische  Ueber- 
sichtskarte  von  Deutschland  verdanken , welche 
hier  gleichfalls  an  der  Wand  angebracht  ist. 

Ausserdem  gibt  mir  ein  hier  aufgestellter 
Schädel  von  Ovibos  mosch  atus  aus  dem 
, hiesigen  zoologischen  Museum  den  Anlass,  auf 
j Wunsch  des  Herrn  Geheimrath  Virchow  an  die 
| vorjährige  Versammlung  in  Konstanz  zu  erinnern, 
i wo  wir  gerne  einen  Ovibos-Schädel  bei  der  Hand 
gehabt  hätten,  um  denselben  mit  der  bekannten, 

; vielbesprochenen  Schnitzerei  aus  Thayingon  zu  ver- 
j gleichen.  Bekanntlich  wurden  in  die  Aecbtbeit 
! gerade  dieser  Schnitzerei  ähnliche  Zweifel  gesetzt, 
wie  mit  Recht  in  die  Schnitzwerke  des  Fuchses 
und  des  Bären.  Namentlich  gab  Herr  Hofrath 
Ecker  der  Vermuthung  Raum,  es  habe  kein 
lebender  Ovibos , sondern  ein  macerirter  Schädel 
j (wie  etwa  dieser  vor  Ihnen  liegende  Museums- 
schUdel)  dem  Verfertiger  der  Schnitzerei  zum 
Vorbild  gedient.  Wenn  Sie  den  Kieler  Schädel  und 
, diese  galvanoplastische  Nachbildung  der  Thayinger 
Schnitzerei  mit  einander  vergleichen,  so  wird  Herrn 
Ecker’s  Vermuthung  von  selbst  hinfällig.  Ein 
ganz  kurzer  Knochenzapfen  trägt  das  lange  nach 
vorne  und  dann  wieder  nach  hinten  gekrümmte 
Horn , aber  diese  doppelte  Krümmung  wiederzu- 
geben, war  dem  Künstler  bei  der  Reliefnatur 
seiner  Schnitzerei  nicht  möglich.  Die  vorwärts 
laufende  Kurve  des  Horns  und  die  rückwärts 
laufende  decken  sich  in  der  Projektion,  wesshalb 
i der  Künstler  das  Horn  am  vorderen  Ende  der 
i Kurve  nufhören  liess.  Sieht  man  den  Schädel 
] von  der  Seite  an  oder  etwa  die  von  Herrn  Pro- 
fessor Möbius  freundlichst  mitgetheilte  Zeich- 
nung, so  sind  die  Verhältnisse,  in  welchen  die 
Schnauze,  das  Auge  und  namentlich  das  gelungene 
I Ohr  zum  Horn  liegen , vollständig  naturgetreu, 
j Ich  bin  daher  der  Ansicht , dass  der  einfache, 
j ruhige  Blick  auf  beide  Objekte  genügen  wird,  die 
oben  ausgesprochenen  Gedanken  zu  verscheuchen. 

Herr  J.  Ranke:  Gestatten  Sie  mir  einige 
Worte  an  das  soeben  Gehörte  anzuknüpfen.  Durch 
die  Arbeiten  der  Lokalvereine  bat  sich  im  letzten 
Jahre  die  Frage  nach  der  Echtheit  oder  Fälsch- 
; ung  der  Thayinger  Funde  wesentlich  geklärt.  Wir 
, scheinen  an  der  Echtheit  der  wichtigsten  der 
' fraglichen  Objekte  nicht  zweifeln  zu  dürfen.  In 
Beziehung  auf  die  Zeitstellung  der  Funde,  so- 
wie auf  die  Erklärung  der  einzelnen  Darstell- 
ungen gestatte  ich  mir  jedoch  noch  einige  be- 
scheidene Zweifel.  Müssen  wir  z.  B,  wirklich  in  der 

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bekannten  Schnitzerei  das  Köpfchen  eines  Oviboa,  ' 
eines  Mosch usochsen  erkennen  ? Ich  glaube,  dass 
das  Herabbiegen  der  Hörner  an  die  Seite  des 
Köpfchens  sich  einfach  aus  dein  zur  Verfügung 
stehenden  Material  in  Verbindung  mit  dem  Zweck 
dieser  zu  einem  Griff  bestimmten  Schnitzerei  er- 
klärt. Auf  alten  Schaumünzen  findet  sich  z.  B.  die 
Abbildung  der  Jungfrau  mit  dem  Einhorn.  Wäh- 
rend aber  sonst  dieses  Fabelwesen  stets  mit  ge- 
radem Hörne  dargestellt  wird , sehen  wir  sein 
Horn  hier  nicht  selten  der  Form  der  Münze  an- 
gepas.st  nach  abwärts  gesenkt  und  gebogen.  Aebn- 
licbe  Anpassung  der  dargestellten  Körpergestalten 
an  die  Form  des  Materials  finden  wir  sehr  häufig, 
z.  B.  auch  unter  den  Schliemaun'schen  Funden 
in  Mvkenä.  Mir  scheinen  als  genügende  Gründe 
für  diese  Abwärtsbiegung  der  Hörner  zunächst 
die  nothw'endige  Anpassung  an  die  Form  des  ge- 
wählten Geweihstückes  und  dann  der  Zweck,  einen 
handlichen  Griff  zu  bilden,  an  welchem  vorsteh- 
ende spitze  Theile  der  Zerbrechlichkeit  und  Un- 
bequemlichkeit wegen  zu  vermeiden  waren.  Ich 
kann  in  dem  primitiven  Kunstwerk  nur  eine  frei- 
stylisirte  Nachbildung  eines  Stierkopfes  er- 
kennen, weniger  formgeschickt,  aber  iin  Prinzipe 
der  Nachbildung  des  vielbewunderten  Hirsches 
mit  dem  zurückgelegten  Geweih  auf  dem  Horn- 
dolch aus  den  Höhlenfunden  der  Dordogne  ver- 
wandt. 

Herr  4.  Ranke  (über  keramische  Technik 
und  keramisches  Ornament  aus  den 
bayrischen  Höhlen):  In  den  Höhlen , die 
wir  bei  Pottenstein  und  Kegensburg  ausgegraben 
haben,  fanden  wir  eine  grosse  Anzahl  sehr  alter 
roher  Topfscherben.  Einige  zeigen  eine  Ornamen- 
tation  aus  eingeritzten  parallelen  Linien,  entw'eder 
senkrecht  oder  horizontal  über  den  üefässbauch  hin- 
laufend oder  sich  unter  spitzem  oder  rechtem  Winkel 
kreuzend.  Es  sind  Linienkombinationen,  wie  wir 
sie  auch  heute  noch  auf  modernen  Töpfen , die 
in  der  Küche  gebraucht  werden,  finden,  und  welche 
gewissermassen  an  ein  das  GefUss  umgebende« 
Flechtwerk  erinnern.  Bei  der  Durchsicht  der  Scherben 
fiel  eine  Anzahl  derselben  auf,  welche  offenbar 
nach  dem  gleichen  Prinzipe,  aber,  wie  es  schien, 
zufällig  ornamentirt  waren.  Auch  sie  zeigen 
eingetiefte  ParalleUStriche  und  Linien,  welche  das 
Geiäss  in  senkrechter  oder  horizontaler  Richtung 
umkreisen,  sich  schief-  oder  rechtwinklig  kreuzen 
und  durchflechten.  Bei  näherer  Vergleichung  kam 
ich  endlich  zur  Gewissheit , was  ich  vor  mir 
hatte.  Dieses  Höhlenornament  der  Topf- 
scherben, die  w'ir  in  den  Höhlen  bei  Regensburg 
und  Pottenstein  (und  an  anderen  Orten  z.  B.  in 


Magyaradin  Ungarn)  gefunden  haben,  ist  zufällig 
und  zwar  durch  Abdruck  eines  wirk« 
liehen  Flechtwerkes  entstanden.  Diese 
Töpfe  sind  ohne  Töpferscheibe  gebildet , aber 
j nicht  aus  freier  Hand,  sondern  man  hat  zunächst 
ein  dichtes  Flechtwerk  aus  Gras,  Binsen  etc.  her- 
gestellt und  dasselbe  innen  ziemlich  dick  mit 
Lehm  ausgestricheu.  So  entstand  ein  mit  einem 
Flechtwerk  überzogener  Lehmtopf,  der  nach  der 
Erhärtung  in  der  Flechtform  gebrannt  wurde. 
Auf  diese  Weise  blieben  nach  dem  Brennen  die 
Eindrücke  der  Flechtform  auf  der  Aussenseite  des 
Topfes  zurück.  Ich  kann  mich  hier  auf  weitere 
technische  Fragen , wie  z.  B.  der  Hals  und  der 
Henkel  eingesetzt  wurdo , nicht  näher  einlassen ; 
mir  kommt  es  im  Augenblick  nur  darauf  an,  zu 
konstatiren , dass  wir  in  unseren  Höhlen  Topf- 
scherben finden,  welche  in  der  Weise  bergest  eilt 
sind,  dass  die  Flechtform  eines  Topfes  innen  mit 
Lehm  ausgestrichen  wurde.  Diese  Scherben  sind 
alle  inwendig  durch  den  Rauchbrand  geschwärzt, 
äUBserlich  roth , da  die  Aussenseite  durch  den 
Ueberzug  des  Flecht Werks  geschützt  war.  Die 
Abdrücke  der  Gräser.  Binsen  otc.  sind  oft  so  scharf, 
dass  man  noch  die  einzelnen  Species  der  Pflanzen, 
die  für  die  Flechtform  gedient  haben,  bestimmen 
zu  können  glaubt. 

Ich  möchte  noch  einige  Worte  daran  knüpfen 
über  die  Entwicklung  des  keramischen 
Ornaments.  Wir  sehen,  dass  in  der  urältesten 
keramischen  Technik,  die  wir  in  Bayern  nachweisen 
können,  ein  feines  Flechtwerk  auf  der  Aussenfläche 
derGeffcsse  seine  zufälligen  Abdrücke  lässt.  Bei  später 
weiter  fortgeschrittener  Technik  wurde  ein  ähn- 
liches Flechtwerk  durch  feine  Striche , die  man 
künstlich  auf  den  Gefässen  zog,  als  Topfomament 
benützt,  zunächst  ganz  ähnlich,  wie  es  jene  älteste 
technische  Methode  der  Töpferei  ohne  weitere  Ab- 
sicht hervorgebracht  hatte.  Hierin  scheint  mir 
ein  Prinzip  versteckt,  das  wir  auch  bei  anderen 
Ornamentirungen,  bei  ganz  anderen  Künsten  wie- 
derfinden. Nicht  selten  mahnt  das  Ornament  an 
eine  uralte  technische  Uebung.  Von  dem  häu- 
figsten stylgerechten  keramischen  Or- 
nament können  wir  direkt  sagen:  es 
ist  der  in  den  Linien  veredelte  Aus- 
druck der  primitiven  Fabrikations- 
Technik.  Obwohl  die  letztere  nun  schon  längst  ver- 
gessen ist,  ist  das  Menschengeschlecht  doch  so  konser- 
vativ, dass  die  Töpfe,  mit  denen  heute  in  unseren 
Küchen  gekocht  wird,  zumeist  noch  die  gleichen 
oder  wenigstens  ausserordentlich  ähnliche  Orna- 
mente tragen,  wie  jene  Töpfe,  welche  die  Höhlen- 
bewohner vor  Jahrtausenden  auf  primitive  Weise 
augefertigt  haben. 


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Herr  Schaaffhauflen : Zu  diesem  Vortrag 
will  icb  mir  die  Bemerkung  erlauben,  dass  es 
über  den  Ursprung  der  Töpferkunst  verschiedene 
Ansichten  in  unserer  Wissenschaft  giebt,  die  zum 
Theil,  wieLubboek  zeigt,  aus  der  Beobachtung 
wilder  Völker  genommen  sind.  Es  scheint  aber 
in  der  That  der  irdene  Topf  das  Nachbild  des 
geflochtenen  Korbes  zu  sein.  Wahrscheinlich  hat 
man  den  Korb,  der  über  dem  Feuer  keine  Dauer 
hatte , mit  Thon  bestrichen , wie  noch  heutigen 
Tags  die  Wilden  thun , dieser  Thon  wurde  hart 
und  fest ; nun  knetete  man  die  Gefässe  allein  aus 
Thon  und  härtete  sie  am  Feuer.  Mau  gab  ihnen 
aber  schräg  sich  kreuzende  Linien  als  Zierrath, 
welcher  an  die  durcheinander  geflochtenen  Weiden 
erinnerte.  Man  kann  aber  auch  den  Korb  von 
innen  mit  Thon  bestrichen  haben.  Ob  Wilde  das 
thun,  weis  ich  nicht.  Man  kann  als  thatsächlich 
annehmen,  dass  das  Ornament  an  eine  Altere  Form 
des  Gerftthes  erinnert.  Spätere  Ornamente  der  Thon- 
gerilthe  sind  dem  Fadenstrich  farbiger  Gewebe  ent- 
nommen, deren  Kunst  also  früher  entwickelt  war. 

Herr  Ranke:  Ich  habe  in  den  süddeutschen 
Höhlen  Topfscherben  gefunden,  welche  die  von  mir 
angegebene  Herstellungsart  beweisen,  indem 
die  Töpfe  den  Abdruck  des  Flechtwerks,  in  wel- 
chem sie  geformt  wurden,  noch  an  sich  tragen. 

Herr  SchaafFhaunen  (Schlussrede):  Meine 
Herren  ! Die  letzte  Stunde  unserer  Verhandlungen 
ist  abgelaufen.  Ich  glaube  auf  Ihre  Einstimmung 
rechnen  zu  dürfen,  wenn  ich  sage,  dass  wir  alle 
mit  hoher  Befriedigung  diese  Versammlung  und 
das  schöne  Kiel  verlassen.  Eine  ganze  Reihe  der 
interessantesten  Mittheilungen  sind  hier  zu  Ge- 
hör gebracht  worden  und  wir  danken  dafür  den 
Herren  Rednern  aufrichtig.  Dann  war  es  dieser 
Versammlung  eigentümlich  und  sie  war  ausge- 
zeichnet dadurch , dass  eine  grosse  Zahl  her- 
vorragender ausländischer  Forscher  diesmal  uns 


| ihre  Theilnahme  geschenkt  hat.  Neu  und  er- 
I wünscht  Ist  auch  die  Anknüpfung  internationaler 
Beziehungen , die  sich  hier  für  unsere  künftige 
{ Arbeit  ergeben  haben.  Mir  liegt  es  in  diesem 
| Augenblicke  nur  noch  ob,  allen  denen  den  auf- 
, richtigsten,  tiefgefühlten  Dank  zu  sagen,  welche 
zu  dem  schönen  Gelingen  dieser  Versammlung 
durch  ihre  Mitwirkung  beigetragen  haben,  zu- 
nächst der  Stadt  Kiel  und  ihren  Behörden,  dann 
aber  auch  dem  trefflichen  Manne,  der  die  ganze 
Last  der  Vorbereitungen  für  diese  Versammlung 
auf  sich  genommen , die  Sammlungen  geordnet, 
sie  uns  erklärt,  und  in  diesen  Tagen  in  jeder 
WeisQ  für  unsere  Arbeit  und  Erholung  in  der 
besten  Weise  gesorgt  hat,  unserm  Geschäfts- 
führer, Herrn  Professor  Handelmann.  Wir 
dürfen  aber  Kiel  nicht  verlassen,  ohne  auch  des 
hoben  Verdienstes  zu  gedenken,  welches  für  die 
archäologische  Forschung  in  diesem  Lande  eine 
hoch  ausgezeichnete  Vertreterin  unserer  Wissen- 
schaft, Fräulein  Mestorf,  sich  erworben  hat, 
die  auch  seit  einer  langen  Zeit  die  geschickte 
Dolmetscherin  der  skandinavischen  Wissenschaft 
, in  Deutschland  ist  und  es  verstanden  hat , in 
1 Schleswig  - Holstein  die  Begeisterung  für  diese 
Studien  zu  wecken.  Ich  muss  auch  den  anthro- 
pologischen Verein  in  Kiel  nennen,  der  unter  der 
Leitung  des  Herrn  Professor  Pansch  für  unsere 
j Zwecke  so  eifrig  gesorgt  hat , dem  wir  die 
schöne  Ausstellung  von  prähistorischen  Gegen- 
i ständen  in  dem  Nebensaal  verdanken,  und  ich 
mache  die  Herren  namhaft , welche  dazu  mitge- 
1 wirkt  haben : Herrn  Dr.  Hart  mann  in  Marne, 
Herrn  Kapitän  - Lieutenant  Strauch,  Herrn 
I Behncke  in  Düsternbrook,  auch  die  Direktionen 
' der  Gymnasien  zu  Rendsburg  und  Eutin  und 
l Herrn  Kandidat  Maassen  in  Marne;  sie  haben 
! sich  alle  um  unsere  Wissenschaft  verdient  gemacht, 
und  mit  dieser  herzlich  gemeinten,  aufrichtigen 
Danksagung  schliesse  ich  die  neunte  Versammlung 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 


Schluss  des  IX.  Berichtes. 


Anmerkung  zu  Seite  80  diese«  Berichts: 

Gypsabgüsse  der  einzelnen  Skelettheile  der  Anthropoiden  des  Lübecker  Museums  werden  auf 
Wunsch  angefertigt  und  sind  durch  Herrn  Dr.  H.  Lenz  daselbst  zu  beziehen. 

Schaaffhaoseu. 


Nachträgliche  Berichtigung. 

Im  Berichte  über  die  vorjährige  VIII.  allgemeine  Versammlung  der  anthropelogischen  Ge- 
sellschaft zu  Konstanz  muss  es  auf  Seite  137,  Spalte  2,  Zeile  23,  24,  25  und  30  von  unten  statt 
os  cuboideum  heissen:  os  cuneiforme  primum.  Schaaffbaugen 


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Redner-Liste 

der  IX.  allgemeinen  Versammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft 

in  Kiel  1878.*) 


Seit* 

Herr  Behacke,  Geschäftliches  zum  Kassenbericht 141 

Herr  0.  Frans,  Berichterstattung  über  die  Fortschritte  der  deutschen  prähistorischen  Kart« 98,  157 

Oribo«  und  Thayinger  Höhlen  kunst 157 

Herr  Handelmann,  Begrüssungsrede,  Sehleswig-Holstein’sche  Altert  hü  wer 88 

Herr  Hilgendorf,  Lucä’scher  Zeichenappar&t  zum  Reisegebrauch  155 

Herr  Koerbln,  Neue  anthropologische  Mcssapparate 155 

Herr  Klopflelaeh,  Neue  Ausgrabungen  bei  Jena 150 

Herr  R.  Krause,  Geschäftliches 142 

über  chamäcephaie  Schädel  aus  der  Umgegend  Hamburgs 145 

ein  mikrocephales  Gehirn 14*1 

Herr  Lorenzen,  Begrüssungsrede  ...» 88 

Herr  Mehlis,  Ausgrabungen  auf  der  Limburg 120 

Diskussion  zu  Virchow,  slavische  Funde  140 

Diskussion  zu  Schaaffhanaen,  altgermanische  Denkmäler 155 

Fräulein  J.  Mestorf,  Diskussion  zu  Virchow,  über  Schalensteine  (cfr,  Anhang  tum  Bericht) 157 

Herr  Xonteliua,  Diskussion  zu  Virchow,  slavische  Funde 138 

Herr  Xook,  Steinzeit  in  Aegypten 142,  145 

Herr  Pansch,  über  Mikrocephalie 147 

Herr  Posch«,  Diskussion  zu  Virchow,  slavische  Funde 107,  139,  140 

Diskussion  zu  Sch aa ff h ausen,  altgermanische  Denkmäler  155 

Herr  Johannes  Rank«,  wissenschaftlicher  Bericht  des  Generalsekretärs 90 

Natürliche  and  künstliche  Höhlen  in  Bayern  (mit  Beilage  I.)  92 

Beiträge  zur  Kraniologie  der  Bayern  und  ihrer  Nachbarstämmc 122 

Diskussion  zu  0.  Fr  aas,  Ovibos  und  Thayinger  Höhlenkunst  157 

Ueber  keramische  Technik  und  keramisches  Ornament  aus  den  bayerischen  Höhlen 158 

Herr  Schaaflfhausen,  Eröffnungsrede  des  Vorsitzenden 84 

Geschäftliches 97,  113,  137,  141,  151,  157 

Berichterstattang  über  die  Arbeiten  zur  Aufnahme  des  anthropologischen  Materials  in  Deutschland  111 

Der  Neanderthaler  Fund 1](> 

Diskussion  zu  Virchow,  die  Horizontale  der  Schädel  149 

Diskussion  zu  Virchow,  die  Funde  des  Herrn  Nehring 151 

Ueber  altgennaniRche  Denkmäler  im  Rheinland 151,  155 

Diskussion  zu  J.  Ranke  über  keramische  Technik 102 

Schlussrede  des  Vorsitzenden 102 

Herr  Stleda,  über  Katen  mit  Bemerkungen  über  Methode  der  Schädelmessung 125,  128 

Demonstration  einer  neuen  Konservjrungsmethode  für  anatomische  Präparate 127 

Einladung  zur  anthropologischen  Ausstellung  in  Moskau  1879  127 

Hprr  Tischler,  Diskussion  zu  Virchow,  slavische  Funde 138 

Herr  R.  Yircbovr,  Bericht  über  die  Fortschritte  der  kraniologischen  Forschung  in  Deutschland 100 

Diskussion  zu  ätieda  über  Esten 128 

Slavische  Funde  in  den  östlichen  Theilcn  von  Deutschland 128,  139 

Diskussion  zu  Mook,  Steinzeit  Aegyptens 144 

Ueber  die  Horizontale  der  Schädel  (mit  Beilage  II.) 148 

Vorlage  der  von  Herrn  Dr.  Nehring  eingesandten  Manufacte  aus  dein  Diluvium  von  Thiede 

und  Westeregeln  149 

Diskussion  zu  Scbaaff  hausen,  altgermanische  Denkmäler 155 

Ueber  Schalensteine  im  Anschluss  an  ein  Schreiben  des  Herrn  Desor 155 

Herr  Welsmann,  Kassenbericht  des  Schatzmeisters  für  1877/78  94 

Voranschlag  für  das  Jahr  1878/79  141 

*)  Die  Liste  der  Theilnehiner  an  der  IX.  allgemeinen  Versammlung  cfr.  8.  70. 


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Die  IX.  allgemeine  Versammlung 

der 


deutschen  Gesellschaft 

ffir 

Anthropologie.  Ethnologie  und  Urgeschichte 

zu  Kiel 

am  12.  bis  14.  Anglist  1878 


mit  den  wissenschaftlichen  Stationen  in  Homburg  und  Lübeck. 


Nach  stenographischen  Aufzeichnungen 
redigirt  von 

Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München 

Generalsekretär  der  Gesellschaft. 


( 'er resjkonden** Blatt  Nr.  9,  10  und  11.  1878. 
(Mit  2 Tafeln  In  qnart.) 


München. 

Akademische  Buchdruckerei  von  F.  Straub. 

1S7N. 


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143 


vor  der  18-  Dynastie  vorkommt.  Folglich  sind 
die  Messerchen,  die  mit,  diesen  Pferdezähnen  be- 
arbeitet sind,  auch  nicht  älter  als  die  18.  Dy- 
nastie, also  ungefähr  3500  Jahre,  falls  man  die 
18.  Dynastie  1500  vor  Christo  setzt.  Das  wäre 
für  Aegypten  eine  sehr  junge  Zeit  gewesen.  — 
Ich  kam  nach  Heluan  zur  selben  Zeit  und, 
ohne  von  diesen  Hypothesen  Jukes  Browne’a 
etwas  zu  wissen  , einige  Zeit  später  an  dieselbe 
Stelle  und  sah  nun  sofort,  dass  diese  Zahnlamellen 
durchaus  nicht  künstlich , sondern  durch  klima- 
tische Einflüsse  entstanden  sind.  Ich  hätte  das  viel- 
leicht auch  selbst  nicht  beachtet,  hatte  aber  zwei 
Jahre  vorher  ungefähr  */*  Stunde  von  da  eben- 
solche muschelige  Zahnbrüche  gefunden.  Dies 
führte  mich  zur  Beobachtung  eines  Skeletts,  das 
offen  zu  Tage  lag;  ich  nahm  ein  Kieferstück  mit 
drei  Zähnen  mit  und  wollte  am  andern  Tag  den 
Platz  wieder  aufsuchen.  Als  ich  wieder  hinkam, 
konnte  ich  den  Platz  aber  nicht,  mehr  finden  - 
ich  habe  dann  später,  trotzdem  ich  die  Richtung 
wusste,  nachgesucht,  aber  den  Platz  in  der  Wüste 
nicht  mehr  gefunden  ; wenn  man  die  Stelle  nicht 
genau  bezeichnet,  ist  Nichts  wiederzufinden.  Diese 
Zähne  kamen  dann  in  die  Hand  von  Professor 
Sandberger.  Dieser  erklärte  sie  für  Hippotherium 
und  schickte  sie  zu  Professor  R ü t i m e i e r.  Der- 
selbe erklärte  sie  auch  dafür.  Ich  glaubte  nun 
Anfangs,  die  Zahnlnmellen  würden  dem  Hippo- 
therium  angeboren,  und  fing  an  zu  graben.  Ich 
fand  drei  Culturscbichten  über  einander  gelagert.  In 
der  obersten  Lage  fanden  sich  lauter  gespaltene 
Röhrenknochen,  Zähne,  Kieferreste,  Holzkohlen, 
Feuerstein-Instrumente,  welche  Sie  mit  der  Be- 
zeichnung als  bei  der  Eselsquello  ausgegraben  hier 
sehen.  In  der  zweiten  Schicht  wiederholte  sich 
das.  Zwischen  beiden  Schichten  war  ein  fuss- 
lioher  Raum  von  ganz  reinem  Sand  und  zwischen 
der  zweiten  und  dritten  Schicht  war  dasselbe  Ver- 
hältnis*: in  allen  Schichten  immer  Holzkohlen, 
Steininstrumente  und  Knochenreste.  Diese  nahm 
ich  dann  mit  nach  Freiburg  und  Professor  Bü ti- 
meier bestimmte  die  Zähne  in  den  obern  Schich- 
ten als  nicht  einer  der  bekannten  Pferdearten  an- 
gehörig , weder  dem  Esel  noch  dem  hippus  ea- 
ballus,  sondern  als  Zebra  und  Karneol.  Die 
Zähne  rühren  zusammen  von  ungefähr  vier  In- 
dividuen her.  In  der  zweiten  Schicht  fanden 
sich  fast  ausschliesslich  Kameel,  Hyäne  und  eine 
grössere  Antilopenart,  welche  nicht  mehr  bestimm- 
bar ist,  ausserdem  noch  verschiedene  Vogelknoehen- 
reste,  die  wahrscheinlich  vom  Strauss  herrühren. 
Was  am  auffallendsten  bei  der  ganzen  Sache  war, 
ist  der  Umstand,  dass  nirgends  Topfscherben  sich 
fanden.  Dieser  Mangel  ist  in  Aegypten  fast  eine 


I Seltenheit.  Die  Gegend  liegt,  auf  dem  rechten 
| Nilufer,  längs  dem  früheren  Nilbett,  in  der 
* Umgebung  von  Quellen,  die  Schwefelgehalt  haben, 
der  wahrscheinlich  durch  Zersetzung  von  organi- 
schen Resten  herrührt.  Die  Feuerstein  - Instru- 
mente sind  elegant  gearbeitet,  kleine  Messerchen, 
Nadeln , niemals  grosse  Stücke.  Die  grössten 
Stücke  aus  der  Umgegend  von  Heluan  sind  immer 
noch  sehr  klein.  Nun  würde  sich  die  Frage  für 
Unterägypten  ganz  anders  stellen,  als  Jukes 
Browne  glaubt.  Die  Zeit  1500  vor  Christo  wird 
in  eine  ganz  andere  Zahl  sich  verwandeln.  Halten 
wir  für  diese  Gegend  in  ünterügypten  den  Um- 
stand fest , dass  dort  die  Bewohner , die  auf 
diesen  Culturschichten  wrohnten,  gar  keine  Topf- 
scherben besessen , dass  sie  in  Gemeinschaft  lebten 
mit  dem  Zebra,  das  in  Nordafrika  nicht  vorkommt, 
so  fällt  diese  Zeit  weit  zurück  hinter  das  Ende 
I des  Pyramidenbaues.  Wären  diese  Instrumente 
verfertigt  worden  , vielleicht  zu  Kunstproducten, 
Herstellung  von  Ornamenten,  zur  Gravirung  der 
Hieroglyphen,  so  hätten  die  Menschen  wohl  auch 
Topfscherben  besessen.  Ausserdem  ist  die  Anzahl 
der  dortigen  Funde  eine  so  kolossale , dass  auf 
einer  kleinen  Strecke,  etwa  so  gross,  wie  dieser 
Saal,  sich  Tausende  von  kleinen  Messern  fanden. 
Gegraben  w'urdc  an  diesen  Stelle  nie,  aber  wenn 
der  Südwind  kommt,  wreht  er  die  Schicht  weg 
und  immer  kommen  neue  Fundstellen  zu  Tage, 
i Weiter  oben  am  äussersten  Quellenterrain  finden 
I sich  rund  gearbeitete  Steine,  die  sonst  sich  nir- 
I gends  finden,  höchstens  im  alten  Nilbett,  das 
jetzt  trocken  liegt , finden  sich  auch  solche  ein- 
zelne verlorene  Instrumente.  — Ganz  anders  ver- 
hält e«  sich  mit  den  Funden  weiter  oben  hei 
Theben,  wieder  anders  mit  denen  an  dem  Aus- 
gang dos  Karavanenweges  von  Koroska  und  am 
zweiten  Katarakt.  Ich  begreife  recht  gut , wie 
die  Herren  Aegyptologen  zu  ihren  Zweifeln  kom- 
! men  konnten:  diese  kolossale  Masse  von  Stein- 
1 Werkzeugen , die  theilweise  Rohheit  ihrer  Be- 
1 arbeitung  muss  Überraschen ; trotzdem  müssen  wir 
! sie  aber  als  menschliches  Fabrikat  anerkennen,  weil 
I sie  die  charakteristischen  Buckeln  zeigen  an  jenen 
I Stellen,  wo  die  Schläge  geführt  werden. 

Ich  war  im  letzten  Februar  mit  Professor 
, Hayn  es  aus  Boston  in  Theben  und  wir  fuhren, 

1 um  einmal  zu  sehen , wie  gross  die  Ausdehn- 
ung dieser  Silexfelder  sei , einige  Stunden  nil- 
abwärts.  Wir  sind  da  über  Strecken  gekommen, 
die  meilenweit  kein  Ende  nahmen  und  wo  überall 
noch  bearbeitete  Steine  sich  vorfanden.  Knochen- 
reste haben  wir  dort  nirgends  gefunden,  so  das* 
ich  auch  nicht  wage , nur  annähernd  eine  Zeit 
festzustellen  für  die  Fabrikation  dieser  Instrumente. 


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146 


Nur  für  einige  anthropologisch«)  Kleinigkeiten 
will  ich  mir  erlauben , beute  Ihre  Zeit  iu  An- 
spruch zu  nehmen.  Es  wird  gewiss  manchem 
Anthropologen  gegangen  sein,  wie  es  mir  bei 
der  Besichtigung  der  verschiedenen  Sehädolfor- 
men  gegangen  ist,  dass  man  ein  quälendes 
Gefühl  dabei  empfindet,  weil  wir  noch  so  wenig 
im  Stunde  sind,  aus  dem  Gewirre  von  Können 
gewisse  Typen  herauszuheben,  welche  es  uns 
ermöglichen,  die  Schädel  anthropologisch  mit  Si- 
cherheit zu  verwerthen  and  sie  mit  bestimmten 
Stammvölkern  oder  bestimmten  Oertlichkeiten  in 
Verbindung  zu  setzen.  Es  war  daher  etwas  Er- 
quickendes, als  durch  die  Arbeit  des  Herrn  Pro- 
fessor Virchow  mit  einem  Mal  eine  neue  ty- 
pische Schädel  form,  die  cbamaecephale,  aufgestellt 
wurde,  welche  sich  hauptsächlich  an  den  nieder- 
ländischen und  friesländ Ischen  Küsten  der  Nord- 
see vorfindet.  Nun  hatte  man  doch  wieder  eine 
Komi,  an  die  man  sich  halten  und  die  man  nach 
einem  bestimmten  Ort  verweisen  durfte.  Leider 
ist  mir  in  letzter  Stunde  diese  Freude  wieder 
zerstört  worden , besonders  durch  den  gestrigen 
Vortrag  des  Herrn  Professor  Hanke,  welcher 
uns  zeigte,  wie  mit  der  Bodenerhebung  Uber  den 
Meeresspiegel  sich  fortwährend  die  Schädelform 
ändert,  wie  allmählich  die  Hache  niedrige  Form 
in  einen  brachycephale  schliesslich  hypsibraehy- 
cephale  überging  und  zwar  geschieht  dieser  Ueber- 
gang  aus  der  Hachen  in  eine  höhere  Form  mit 
einer  wunderbaren  Regelmässigkeit  und  so  bei- 
spiellosen Gesetzmässigkeit,  dass  man  unwillkür- 
lich sich  des  Gedankens  nicht  erwehren  kann,  ob 
nicht  die  Erhebung  des  Bodens  über  die  Meeres- 
fläche selbst  einen  sehr  wesentlichen  Einfluss  auf 
die  Körperconstitutiou,  möglicherweise  auch  be- 
stimmenden Einfluss  auf  die  Schädelgeetaltuug 
haben  kann.  Dies  sind  jedoch  nur  Vermuthungen, 
für  welche  später  nur  das  immer  mehr  sich  häu- 
fende Material  eine  Unterlage  geben  kann. 

Nachdem  also  durch  Virchow  für  die 
chamäcephale  Schädelform  ein  Mittelpunkt , ein 
Ausgangspunkt  gefunden  war,  handelt  es  sich 
nun  darum,  diese  typische  Form  iu  Bezug  auf 
ihre  Verbreitung  möglichst  genau  zu  verfolgen 
um  besonders  ihr  Ausstrahluugsgebiet  nach  dem 
Innern  des  Lundes  hin  festzustellen.  Ich  .gestatte 
mir  nun,  hier  Ihnen  zwei  solche  exquisit  cha- 
mäcepbale  Schädel  aus  der  Nähe  von  Hamburg  in 
einer  Moorschicht  gefunden  vorzulegen.  Es  findet 
nämlich  dort  eine  Correction  des  Elblaufes  statt  und 
wird  zu  dem  Zweck  mitten  durch  die  Insel  Wil- 
helmsburg ein  noues  Flussbett  gegraben.  Auf 
dieser  Stelle  wurde  nun  vor  zwei  Jahren  dieser 
eine  Schädel  gefunden,  den  ich  bereits  voriges 


Jahr  in  Konstanz  mit  hatte  und  dessen  Vorzeig- 
ung Herr  Professor  Virchow  die  Güte  hatte, 
mit  einigen  Worten  zu  begleiten.  Dieser  Schädel 
ist  eminent  dolichocephal,  sehr  stark  chamäcephal 
und  leider  von  der  linken  Seite  her  der  Art  zu- 
sammengedr Uckt,  dass  sich  Masse  nicht  mehr  neh- 
men lassen.  Diese  Zusammendrückung  des  Schä- 
dels muss  nun  geschehen  sein  als  die  Knochen 
schon  sehr  weich  waren  und  ich  glaube,  dass 
dies  zu  der  Zeit  bewirkt  worden  ist,  als  über 
der  Fundstelle  eine  Aufschüttung  des  Elbteiches 
erfolgte,  was  vor  circa  250 — 300  Jahren  sich 
ereignet  hat.  Der  Schädel  trägt  ausserdem  die 
entschiedenen  Merkmale  des  weiblichen  Typus. 

Nun  ist  fernerhin  vor  3 Wochen  ungetühr 
*200  Schritt  von  der  ersten  Fundstellen  in  der 
Tiefe  von  3 Meter  dieses  zweite  eclatunt  cha- 
mäcephale und  zugleich  makrocephale  Schädel- 
dach ausgebaggert  worden , welches  in  hervor- 
ragendem Grade  alle  die  Eigenschuften  besitzt, 
die  uns  für  diese  Schädelform  angegeben  worden 
sind.  Sie  sehen  diese  ganz  eminente  Entwicklung 
des  Hinterhauptes , den  weiten  Abstand  der 
Scheitelbeinhöcker,  die  lange  nach  hinten  Hache 
Stirn,  diese  starke  Vorwölbung  der  Augenwülste, 
welche  uns  deutlich  erklären,  warum  Spengel 
dieser  Schädelform  den  Namen  neanderthaloid 
gegeben  hat.  In  dem  Moment,  wo  wir  nun  an 
einer  Stelle  zwei  so  ausgeprägte  Formen  finden, 
glaube  ich,  kann  inan  es  rechtfertigen,  wenn  ich 
sage,  dass  diese  chamäcephale  friesische  Bevölker- 
ung sich  bis  an  das  linke  Elbufer  hin  erstreckt  hat. 

Zum  Schluss  aber  möchte  ich  diese  Schädel- 
formen noch  zu  einigen  persönlichen  Bemerk- 
ungen für  mich  verwerthen.  Herr  Professor 
Virchow  hat , als  er  die  chamäccphule  Form 
zuerst  in  Dresden  besprach , gewisse  psychi- 
sche Eigen  thüm  lieh  Weiten  der  Friesen  mit  dieser 
Schädelform  in  eine  mögliche  Verbindung  ge- 
bracht. Er  sagte,  die  Friesen  besäßen  einen  ge- 
wissen störrischen  Eigensinn,  einen  gewissen  par- 
ticulariatischen  Freiheitarinn.  Nun  hat  vorgestern 
Herr  Professor  Virchow  in  etwas  zürnenden 
Worten  meiner  Vaterstadt  dieselben  Eigentüm- 
lichkeiten vorgeworfeu.  Ich  bin  überzeugt,  dass 
Herr  Professor  Virchow  jetzt  gewiss  viel  milder 
urteilen  wird  nach  der  Vorlegung  dieser  beiden 
von  mir  eben  demonstrirten  Schädel,  weil  ja  nun 
diese  Eigenschaften  nicht  Fehler  der  Erziehung, 
sondern  Fehler  der  Schädelconfiguration  sind. 

Sodann,  meine  Herren,  möchte  ich  eine  kurze 
Bemerkung  machen  über  jenes  Gehirn,  welches 
ich  bereits  in  Konstanz  die  Ehre  hatte  vorzu- 
zeigen und  worüber  ich  noch  eine  ausführliche 
Arbeit  zu  veröffentlichen  gedenke.  Es  gehörte 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  von  foofessor  Dr.  Johannen  Hanke  in  München, 

Ofntralsfrtflür  dtr  Gtu&arkafl. 


Nr.  12. 


Erscheint  jeden  Monat. 


Dezember  1878. 


Die  wissenschaftliche  Station  der  IX.  allgemeinen  Versammlung  der  deutschen 
Anthropologen  in  Lübeck  und  Umgebung*) 

am  14.  — 18.  August  1878. 

Von  Dr.  C.  Mehlis. 


Als  die  Anthropologen  gegen  l Uhr  am 
14.  August  das  gastliche  Kiel  verliefen,  gab 
Jupiter  pluviu8,  der  wahrend  unserer  ganzen  An- 
wesenheit an  dem  Ostseestrande  regiert  hatte, 
seine  morose  Herrschaft  auf  und  heiter  blickte 
der  Himmel  über  die  fetten  Auen  und  die  grünen 
Wasserflächen  von  Wagrien,  als  wir  an  den  Seeen  von 
Plön  in  Kutin  vorüber  mit  ihren  lieblichen  Land- 
** ) schaftsbildem  dampfend  gezogen  kamen.  Gleiche 
Schönheit  gewährte  der  Blick  auf  das  Olden- 
burger Ländchen,  das  wir  der  Länge  nach  durch- 
tnassen.  bis  endlich  am  Horizonte  die  hohen 
Thürme  der  Frauenkirche  zu  Lübeck  au  hauchten. 
Noch  am  Abend  ward  den  Gästen  im  gothischen 
Rathhauskeller  mit  edlem  Rheinwein  der  Gross 
dargebracht  von  dem  Vorstande  der  gemeinnützigen 
Gesellschaft  Herrn  Senator  Brehmer  und  beim 
duftenden  Römer  lauschten  die  Einheimischen 
und  die  Gäste  noch  lange  trauten  Gegenreden,  bis 
sie  endlich  das  romantische  Licht,  des  Mondes 
durch  die  stillen,  boebzinnigen  Strassen  der  freien 
Stadt,  nach  Hause  geleitete. 

Am  15.  August  Morgens  war  Ver- 
sammlung in  den  stattlichen  Räumen  der  ge- 
meinnützigen Gesellschaft.  Herr  Senator  Brehmer 


j freute  sich  die  anthropologische  Gesellschaft  be- 
! grüssen  zu  können.  Geheimrath  Sc  ha  aff  h au  sen 
I dankte  mit  beredten  Worten  für  den  warmen 
Empfang  am  Strande  der  kulturbringenden  Ost- 
see: fitya  to  v.Qatog  x &aXaoortg  müsse  man 
mit  Thucydides  von  der  Geschichte  der  Stadt 
sprechen , die  einst  ihre  Kraft  der  Politik  ge- 
widmet, die  sie  jetzt  der  Wissenschaft  weiht. 
Ein  Gong  hierauf  durch  die  Sammlungen  der 
Gesellschaft  gab  ein  Zeugnis*  ab  von  dem  wissen- 
schaftlichen Geiste,  der  diese  wirklich  gemeinnützig 
wirkenden  Kräfte  beseelt.  Die  Aufmerksamkeit  in 
der  archäologischen  Abtheilung  fesselten  beson- 
ders die  verschiedenen  Urnen,  so  die  von  Pöterau 
I mit  dem  Typus  der  Lausitzer  Gefässe,  bestehend 
in  Zickzackstrichen , gestrichelten  Vertikalbän- 
dern Knöpfen  und  Doppelhenkeln , ferner  die 
keramischen  Reste  von  Alt -Lübeck,  welche  den 
Burgwalltypus  ganz  energisch  repräsentirten  mit 
Wellen  - und  Horizont.allinien  eingestempelten 
Punkten  und  Kreisen  u.  s.  w. 

Von  Steinartefakten  waren  bemerkens- 
werte eine  Reihe  von  gelochten  Steinhammem 
mit  Ausheugung  am  Lochtheile  und  starker  Ver- 
jüngung nach  der  Spitze  zu.  Von  Bronzen 


•)  Da  der  Redakteur  de«  Berichte«  über  die  IX.  Versammlung  leider  nicht  als  Augenzeuge  über  die 
Station  ln  Lübeck  berichten  konnte , glaubte  er  diese  ausführliche  Darstellung  den  Lesern  de«  Correspondenz- 
Blattes  nicht  vorenthalten  zu  sollen. 


5 4 


t »Act if-rpol 


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162 


waren  auffällig  Fibeln  mit  dem  Typus  von  la 
T£ne;  eine  Ciste  (vergl.  Linden  sc hmit : Alterth. 
aus  heidn.  Vorzeit  II.  B.  III.  H.  5.  T.  N.  8)  j 
mit  einem  Eisenmesser;  ein  an  nordische  Vorbilder 
erinnerndes  Messer  mit  rückwärts  gehobenem 
Hacken  aus  dem  Dolmen  von  Waldhausen ; ein  j 
Kopfschmuck  aus  vier  Reifen  bestehend  (vergl. 
Lindenschmit  : u.  0.  I,  B.  XI.  H.  3«  T.  Nr.  4) ; j 
endlich  ein  eigentümlich  geformtes  Messer  mit  | 
Dreieckornaroenten  auf  der  Klinge  und  Ringen  am  , 
Rücken  von  Ritzerau.  Auch  das  Mittelalter  hat 
mit  zahlreichen  Rüstungen  und  Bildern,  Elphen-  | 
beinschnitzereien  und  Trachten,  Waffenstücken  j 
und  Haushaltungsgegenständen  ein  hübsches  Kon- 
tingent zu  dieser  Sammlung  gestellt,  über  welche 
als  Custos  der  freundliche  Führer  des  nächsten 
Tages,  Zollinspektor  G ro  ss,  mit  Sorgfalt  waltet. 

Auch  in  der  Abtheilung  der  Sammlungen  für  , 
Naturbeschreibung  konnte  man  den  segensreichen 
Einfluss  der  „Kraft  des  Meeres“  bewundern  an  ; 
dem  Reichthum  an  Konchylien  , Tangarten,  See-  I 
fischen  u.  s.  w.  Das  Auge  der  Anthropologen  zog  ! 
besonders  au  die  von  Herrn  Lenz  zusamraen- 
gestellte  Gruppe  von  Gorilla’s,  welche  einen  be- 
lehrenden Einblick  in  die  Familienangelegenheiten  1 
dieses  vielumstrittenen  Authropoiden  gewährt.  Nach  | 
dom  Frühmahle  in  der  „ Schifferstube “ , einem  origi- 
nellen Lokale  der  freien  Stadt  mit  alten  W andgemäl- 
den  und  Schiffsmodellen  aus  Hansazeiten,  ging  es  auf 
einem  niedlichen  Dampfer  die  breitfliessendo  Trave 
hinab,  um  manche  Biegung  herum,  welche  die  stolzen  ! 
Zinnen  von  Lübeck  im  Sonnenlichte  bewundern 
liess,  an  der  Stelle  wo  einst  vor  sieben  Jahr- 
hunderten die  Vorläuferin  von  Lübeck , Alt- 
Lübeck  gestanden  hat.  Im  Flusswinkel  zwischen 
Trave  in  der  hier  vom  Norden  einmündenden 
Schwartau  liegt  noch  ein  Burgwall  von  vier-  , 
eckiger,  an  den  Ecken  abgestumpfter  Form.  Der-  [ 
selbe  hat  eine  grösste  Länge  von  340  F. ; eine 
grösste  Breite  von  245  F. ; die  viereckige  Ein-  ' 
friedigung  scheint  neueren  Ursprungs  zu  sein ; 
das  Innere  des  alten  Burgwalles  mit  ellipsoi-  , 
discher  Form  hat  einen  grössten  Durchmesser  von  j 
240  F.  Der  Erdwall  ist  nur  noch  von  geringer  ! 
Höhe;  die  Besucher  fanden  in  ihm  noch  einzelne 
bearbeitete  Feuersteine.  Im  Innern  liegt  ein  aus  j 
Feldsteinen  hergestelltes  Fundament,  welches  mit  i 
deutlicher  Chorapsis  einer  ehemaligen  und  ur- 
kundlich Ende  des  12.  Jahrhunderts  genannten 
Kirche  angehört. 

Ueber  die  Geschichte  dieses  Platzes,  der  Ende 
des  8.  Jahrhunderts  von  dem  Wilzenfürsten 
Liubi  gegründet  und  1138  von  dem  Rugier- 
fürsten  Race  zerstört  wurde,  worauf  das  jetzige  ; 
Lübeck  1143  am  jetzigen  Platze  von  Adolf  II.  j 


von  Holstein  erbaut  wurde,  sowie  über  die  manig- 
fachen  Funde  von  dieser  Stelle,  bestehend  in 
Thonscherbon  mit  dem  ausgesprochenen  Burgwall- 
typus, Geräthen  aus  Knochen,  Kupfer,  Bronze, 
Eisen,  Gold,  eigenthümlichen  Mühlsteinen  u.  s.  w. 
hat  ausführlich  berichtet  Kluge  in  der  „Zeit- 
schrift des  Vereines  für  Lübeck’sche  Geschichte 
uud  Alterthumskunde“  2-  Heft  S.  221—248  u. 
Taf.  I—  IV.  Besonders  interessant  unter  diesen 
Funden  war  der  eines  Skelettes  in  der  Kirche 
mit  einem  massiven  neunockigen  Fingerringe,  dek 
die  räthselbafte  Umschrift  trägt: 

-fThEBAL  GV  TTANI 
Aehnliche  Fingerreifen  finden  sich  in  den 
nordischen  Museen , einer  ist  in  England  und 
einer  in  der  Wallachei  gefunden  worden.  Hat 
Petersen  Recht,  so  wären  diese  Ringe  Amulette  mit 
Abschwörungsformeln,  von  denen  die  vorliegende : 
„Wodan  (longobardisch  und  gothisch  (?)  ~ 
Godan)  ist  Teufel“ 

bedeutete.  Auch  dieser  Ring  liegt  wie  die  übrigen 
Funde  von  Alt-Lübeck  im  Museum  der  freien  Stadt. 

Von  dieser  historisch  merkwürdigen  Stelle 
ging  man  zu  Fuss  über  das  Forsthaus  von  Gört» 
mit  dem  dabei  liegenden , interessanten  errati- 
schen Blocke  durch  hübschen  Buchenwald  zum 
nahen  Schwartau,  und  von  hier  weiter  zum 
Hünengrab  von  Waldhausen,  einem  Oertchen 
nördlich  der  Trave  - Erweiterung.  Von  gewalt- 
igen Buchen  umrauscht,  erhebt  sich  rechts  vom 
Wege  zwischen  Waldhausen  und  Päppendorf, 
nicht  fern  von  der  meerartig  erweiterten  Trave, 
ein  künstlicher  Steinbau , bestehend  aus  acht 
grösseren  und  vier  kleineren , den  Eingang  bil- 
denden Blöcken,  sowie  drei  Deckstemen.  Als 
diese  Grabkammer  noch  der  Erdhügel  bedeckte,  als 
eine  schlanke  Buche  sich  noch  Uber  dessen  Rücken 
wölbte,  betrug  der  Umkreis  des  ehemaligen  Stein- 
kreises  161  Fuss,  die  Höhe  des  Hügels  13  Fuss. 
Als  die  ganze  Steinmasse , an  der  jetzt  die  An- 
thropologen bewundernd  standen,  blasgelegt  war, 
betrug  der  Umfang  desselben  61V*  Fuss,  die 
grösste  Länge  von  Westen  nach  Osten  22  Fuss, 
die  grösste  Breite  von  Nord  nach  Süd  14\*  Fuss. 
Die  Höhe  des  ganzen  Steinbaues  beträgt  10  Fuss. 
Der  Eingang  zu  dem  ein  Oval  bildenden  inneren 
Raume  wird  von  den  vier  kleineren  Blöcken  ge- 
bildet ; er  führt  von  Süd  nach  Nord.  Die  Höhe 
der  einzelnen  Blöcke  beträgt  im  Durchschnitte 
5 Fuss.  Oberhalb  des  Steinbaues  fanden  sich 
nach  einer  eingehenden  Beschreibung  in  den  „Bei- 
trägen zur  nordischen  Alterthnmskunde“  1.  Heft 
mit  7 Tafeln  (Lübeck  1844)  unter  den  Wurzeln 
der  Buche  ein  menschlicher  Schädel  mit  einigen 
Halswirbelknochen.  Weiter  unten  lagen  Holz- 


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kohlen,  Urnenseberben,  ealeinirte  Feuersteine  und  | 
andere  Spuren  einer  Brandstätte,  die  ja  nach  Er-  ; 
richtung  und  Gebrauch  des  Grabhügels  hier  auf 
der  Höhe  desselben  sehr  günstig  lag.  An  dem 
südostsüdlichen  Blocke  fanden  sich  drei  kleine 
Steinkisten  aus  gespaltenen  Granitstücken , rohe 
Urnen,  Knochenreste  und  Bronzen : ein  Halsring, 
mehrere  Nadeln , eine  Pinzette , ein  Messer , 
welche  mit  edlem  Roste  (aerugo  nobilia)  theil- 
wcise  überzogen  waren.  Ausserhalb  der  zweiten 
Steinkiste  lag  ein  als  Schleifstein  gebrauchter 
Kieselschiefer.  In  der  dritten  Steinkiste  lagen 
Knochenreste  und  ein  künstlich  gespitzter  Feuer- 
stein. Die  Bronze  besteht  aus  Kupfer  und  Zinn, 
ähnlich  wie  die  alte  der  Römer;  der  Zinngehalt 
wechselt  von  2—15  °/o.  Im  Innern  des  Baues  | 
fanden  sich  in  lockerer , von  Aussen  eingedrun- 
gener  Erde  folgende  Artefakte:  1)  Drei  fast  voll- 
ständige Graburnen,  die  erste  von  einfacher  Form 
ohne  Verzierungen,  die  zweite  von  kugeliger  Form 
mit  zwei  (?)  Henkeln ; in  dieser  lag  ein  herz- 
förmiger Feuerstein  ; die  dritte  von  schüsselförm- 
iger Gestalt  mit  regelmässigen,  eingedrückten  Ver- 
zierungen von  spitzwinkligen  Linienguirlanden, 
Dreiecken  in  der  Horizontale,  zusammengrüppirten 
Vertikallinien.  Die  Verzierungen  tragen  den  lau- 
sitzisch  - germanischen  Typus.  Ausserdem  noch  ; 
mehrere  mit  Blätterornament  verzierte  Scherben 
und  Henkel.  2)  Vier  in  eisselartige  Steinkeile  aus  | 
Feuerstein.  3)  Neun  messerartige  Feuersteinsplitter. 
Der  Boden  des  Raumes  zeigte  Spuren  von  Brand  , 
und  ein  Pflaster , aus  zerbrochenen  Feuersteinen  j 
bestehend.  Dazwischen  lag  Kohle  und  Asche.  Offen-  I 
bar  haben  wir  in  diesem  Hünengrab  Reste  ver-  1 
schiedener  Beerdigungen.  Der  Steinbau  erinnert  ' 
auffallend  an  die  schwedischen  „Riesensiubcn“, 
wie  der  anwesende  Herr  Dr.  Montelius  be- 
stätigend mittheilte. 

Von  hier  hatte  man  bald  den  in  der  Nähe  bei  | 
Pöppendorf  liegenden  Burgwall  erreicht.  Zwi- 
schen sumpfigen  Wiesen  erhebt  sich  in  einer  Höhe 
von  circa  30  Fuss  dieser  Erd  wall  mit  einem  Ein- 
gänge nach  Osten  dem  Dorfe  zu.  Er  schliesst  i 
eine  elliptische  Fläche  ein,  deren  grösster  Durch-  ' 
messer  circa  90,  deren  kleinster  circa  75  Schritte  j 
beträgt.  Das  umschlossene  Terrain  mag  nach 
Augenscliätzung  3 Magdeburger  Morgen  sein.  In 
dem  Humusboden  des  Ackers,  welcher  das  Innere 
des  WT alles  erfüllt,  fand  man  in  einer  Tiefe  von 
l — 2 Fuss  beim  sofortigen  Nochgrabcn  mehrere 
Scherben.  Dieselben  wiesen  ein  kammartiges  Or- 
nament, daun  eingedrückle  viereckige  Stempel  \ 
und  spitzwinklige  Zickzacklinien  auf.  Die  ge- 
fundenen Ornamente  schiiesscn  sich  dem  slavischen 
Burgwalltypus  an.  In  der  Nähe  bei  Dassow  u. 


a.  0.  sind  ähnliche  Burgwälle.  Man  schreibt  sie  den 
Rugiern  zu , welche  mehrmals  zum  Angriffe  auf 
Alt  - Lübeck  im  12.  Jahrhundert  an  der  Trave 
landeten.  Schon  von  Ruhmor  (vgl.  Schlesw.- 
Holst.-Lauenburgische  Gesellschaft  für  Erhaltung 
und  Sammlung  nordischer  Altert  Immer , IV.  H. 
S.  44)  schreibt  diesen  Burg  wall  den  Sin  Yen  zu 
und  setzt  dessen  Benützung  in  die  Zeit  vor  der 
Christian isirung  dieser  Gegend,  nach  der  Periode 
der  germanischen  Bevölkerung. 

Am  nächsten  Morgen,  den  16.  August, 
fuhr  die  Gesellschaft  zu  Eisenbahn  und  Wagen 
an  dem  glatten  Spiogel  des  Uatzeburger-Secs  und 
an  Mölln,  wo  Till  Eulenspiegel  begraben  liegt, 
vorüber  nach  Ritze  rau,  und  von  hier  gegen 
10  Uhr  auf  dem  Ritzerauer  - Dunenseeer  Ver- 
bindungswege zu  den  archäologischen  Objekten  des 
Tages  im  Ritzerauer  Gehäge. 

Selten  wird  auf  kleinem  Raume  eine  solche 
Vielseitigkeit  archäologischer  Fundstellen  geboten 
werden  können.  Rechts  am  Wege  nach  dem 
Duven-See  liegt  ein  mächtiger,  5 in  hoher,  30  m 
im  Durchmesser  haltender  Hügel,  bedeckt  mit  ge- 
waltigen Buchen,  aus  denen  das  ganze  Ritzerauer 
Gehege  besteht.  In  der  Nähe  findet  sich  eine 
Trichtergrube.  Sie  misst  8 m Durchmesser  oben, 
4 m am  Boden.  Man  fand  in  2 m Tiefe  Knochen 
von  Pferd  und  Schaf,  Scherben  und  Kohlen,  so- 
wie ein  Stück  von  einem  Mahlstein  mit  deut- 
licher Reibfläche.  Hier  wohnten  sicher  einst 
Menschen.  Dazu  stimmen  auch  die  Spuren 
der  nachbarlichen  Hochäcker,  die  zwar  Manche 
anzweifelten , deren  Realität  aber  denen  ein- 
leuchtete, welche  schon  deren  mehr  gesehen  haben. 
Im  Forstort  „Gördelin“  im  Moskowiten  - Horste 
fand  sich  im  Jahre  1S55  bei  Entwässerangs- Ar- 
beiten ein  prächtiges  Bronzeschwert,  senkrecht  im 
Torf  steekend,  wie  andere  Bronzeschwerter  in 
Hinterpommern,  der  Ukermark,  der  Altmark  (vgl. 
die  Berichte  von  Fried el  über  diese  Schwert- 
und  Dolchfunde  in  der  „Zeitschrift  für  Ethno- 
logie“ 1876  — 1877  im  „Anhang“).  Nach  der 
Angabe  des  Herrn  Gross  wurden  noch  mehr 
Artefakte  auf  den  sumpfigen  Brüchen  bei  Rit/.erau 
und  der  Umgebung  an  das  Tageslicht  gezogen  : so  ein 
Diadem  von  Bronze,  Schalen  aus  Bronze,  ein  kupfer- 
ner Kessel,  ein  geschliffener  Feuerstein  keil  u.  s,  w. 

Nun  folgte  die  Ausgrabung  der  Hügelgräber, 
über  welche  bereits  im  Berichte  über  die  IX.  all- 
gemeine Versammlung  (cfr.  oben  S.  81  und  82) 
ausführlicher  gehandelt  wurde,  deren  Resultate 
wir  daher  hier  übergehen. 

In  der  Nähe  des  oben  S.  81  erwähnten  „ Wen- 
denkirchhofes * bei  den  sogenannten  Reigersbergen 
liegen  noch  mehrere  auffällige  Horste,  d.  h.  aus 


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dem  Moorboden  auftauehende  Erhebungen.  Allein 
we«ler  diese  in  Untersuchung  zu  nehmen , noch 
einige  weitere  Trichtergruben,  einen  »Uten  Damm 
und  einen  Hünenfriedhof  zu  besichtigen,  erlaubte 
die  schon  sinkende  Sonne. 

Dem  Mühlenteich  entlang  ward  zur  Stelle  ge- 
schritten , wo  man  der  letzten , schönverlebten 
Tage  beim  schäumenden  Humpen  und  beim  glän- 
zenden Römer  froh  gedachte.  Die  Tage  von  Ham- 
burg, Kiel,  Lübeck  nannte  ein  Redner  das  schöne 
Dreigestirn  am  Himmel  der  Erinnerung  an  die 
IX.  Versammlung  der  deutschen  Anthropologen. 
Zu  Mölln  im  Angesichte  des  zischenden  Dampf- 
rosses, das  die  Theilnehmer  an  dem  Ausfluge  nach 
allen  Seiten  der  Windrose  entführen  sollte,  ward  Ab- 
schied genommen,  und  auf  Wiedersehen ! gerufen. 
Wohl  Manchem  erging  es  hiebei  wie  dem  Meister  Till 
von  hier:  man  freute  sich,  dass  man  scheiden 
musste,  weil  man  baldiges  Wiedersehen  erhoffte. 

Kleine  Mittheilungen. 

Anth roj tuj ischc  (iv. seil. schaff  der  Insel  Cuba . 
Auf  der  Insel  Cubu  hat  sich  eine  anthropologi- 
sche Gesellschaft,  konstituirt  mit  dem  Sitze  in 
Habana.  Die  konstituirende  Sitzung  fand  am  , 
16-  Dezember  1877  statt  und  besteht  der  Vor- 
stand aus  folgenden  Herren:  Felipe  Poey, 
Präsident ; Dr.  Jose  de  Argumosa,  Vize- 
präsident; Dr.  Antonio  Mostre,  General-Se- 
kretär; Dr.  Luis  Mont  and,  Stellvertreter; 
Dr.  Fernando  Frey  re  de  Andrade,  Schatz- 
meister; Dr. Gualberto Willis,  Bibliothekar.  Die 
Gesellschaft,  wird  Mittheilungen  herausgeben  unter 
dem  Titel  „Boletin  de  la  Sociedad  Antropologiea  de  la 
Isla  de  Cuba.“  Die  Redaction  ist  den  Herren  Dr. 

A mhrosio  Gonzalez  del  Val le,  Antonio  Go vin 
y T o r r e s und  Julian  G a s s i e Übertragen. 

Del  der  Redaktion  von  April  bis  Ende  Dezember 
1878  eingelaufene  Schriften. 

(Cfr  Nro.  il  Juni  1878.  S.  59.1 

Friedei  E.:  die  Stein-,  Bronze-  und  Eisen- 
zeit in  der  Mark  Brandenburg.  Berlin,  Nicolai- 
»che  Verlagsbuchhandlung  (R.  Stricker)  1878. 

M o h n i k e Dr. : Üeber  die  gewundenen,  so- 
genannten keltischen  Ringe  oder  Torques.  Sep.- 


Abdr.  a.  d.  Jahrb.  des  Vereins  von  Altert  hu  tnsfr. 
im  Ilheinlande.  Heft  62. 

L i 8 8 a u e r D.:  Crania  Prussica.  Zweite  Serie. 
Ein  weiterer  Beitrag  zur  Ethnologie  der  preußi- 
schen Ostseeprovinzen.  Mit  4 Tafeln.  Sep.-Abdr. 
aus  „Zeitschrift  f.  Ethnologie.  Jahrgang  1878. 

P i n d e r Ed.  Dr. : Bericht  über  die  heidni- 
schen Alterthflmer  der  ehemals  kurhessischen  Pro- 
vinzen. Mit  3 Taf.  Abbildungen.  Supplement  VI 
der  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  hessische  Geschichte 
und  Landeskunde.  Cassel  1878. 

Heglamento  de  la  Sociedad  anthropologica 
de  la  isla  de  Cuba  Habana.  Imp.  de  C.  Montiel 
y Comp.  1878. 

Homer  Fr.  Flor.  Dr.:  Resultats  Generaux 
du  mouvement  archeologiqne  en  Hongrie  avant 
la  VIII«  Session  du  Congres  international  d’An- 
thropologie  et  d'Archeologie  prehistorique  ii  Buda- 
pest 1876.  Avec  une  carte,  deux  planches  et 
119Figures.  Budapest  (Impr.  de  la  soc  Franklin) 
1878.  (1.  Abtb.  des  2.  Bandes  des  Berichtes  über 
den  Kongress.) 

Spengel  J.  W.  Dr. : Die  von  ßlumenbacb 
gegründete  anthropologische  Sammlung  der  Uni- 
versität Göttingen,  aufgonommen  im  Jahre  1878. 
Sep.  - Abdr.  aus  dem  Archiv  für  Anthrojiologie, 
redig.  von  A.  Ecker  und  L.  Lindenschmit.  1877. 
Braunschweig,  Druck  u. Verlag  v.  Fr. Vieweg  u.Sohn. 

Dali  W.  H.  Ön  the  remains  of  later  pre- 
historic  man  obtained  from  caves  in  the  Catherina 
Archipelago,  Alaska  Territory  and  especially  from 
the  eaves  of  the  Alcation  islands.  Washington 
City:  Piiblished  by  the  Smithsoniiui  institution. 
1878.  Mit  10  Tafeln  in  Lichtdruck. 

Ad.  Pansch.  Einige  Bemerkungen  über 
den  Gorilla  und  sein  Hirn.  Sep.-Abdr.  aus  dem 
Archiv  für  Anatomie  und  Physiologie,  herausge- 
geben von  His  und  Braune  und  K.  du  Bois 
Reymond.  1878.  S.  127  ff. 

F.  J,  Fi  n ois.  Esquis.se  de  l’univers  et  de 
dos  lois.  Manhatan.  U.  S 1872. 

H.  Handel  mann.  Schleswig-Holsteinisches 
Museum  vaterländischer  Altert hümer.  Ablheilung 
Eisenalter  mit  Titelvignette  und  zwölf  Holzschnitten. 
Kiel,  Schwers’scho  Buchhandlung.  1878- 

E.  D.  Essai  sur  le  nez  au  point  de  vue  anthro- 
pologique  et  esthötique.  Avec  une  planche.  Locle, 
imprirnerie-librairie  Eugene  Courvoigier.  1878. 


Seit  Septenil>er  1878  lat  die  Redaktion  de«  Correspondenzblattes  nach  nAnchen,  Brlenner- 
Strasse  25,  zurück  verlegt.  — Herr  Schatzmeister  Welsmann  wird,  wie  bisher,  die  Zusendung  des  Cor- 
respondenzblattes  an  die  verehrl.  Zwelgverelne  und  Isolirten  Mitglieder  mit  bekannter  Sorgfalt  fort  führen. 
Reklamationen  einzelner  Nummern,  Zusendungen  der  Jahresbeiträge  bitte  Ich  also  wie  bisher  an  Herrn 
Wtismann,  München,  Theatinerstrasse  36,  dagegen  Zusendungen  an  die  Redaktion  au  die  oben 
angegebene  Adresse  za  richten. 

Prof.  Dr.  Johanues  Ranke,  Generalsekretär. 


Ifruck  der  Abutemixcheu  Buehdrutkerri  F.  Strand  in  Manchen. 


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Correspondenz-Blatt 


der 


deutschen  Gesellschaft 


«r 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


x. 

Jahrgang-  1S7Q. 


Uediglrt  von 

Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München 

GeneralnekretAr  der  Gesellschaft. 


München. 

Akademische  Buchdruckerei  von  F.  Straub. 
18JV. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Itediffirt  ton  Professor  Ihr.  .Johannes  Ranke  in  München, 

Gtntrahtcrtiär  der  (ItMÜtchnfl. 


Nr.  1. 


Erscheint  jeden  Monat. 


Januar  1879. 


Zum  Neujahr  1879. 


Die  Einheit  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  und  ihrer  wissenschaftlichen  Bestreb- 
ungen kommt  vor  Allem  zum  Ausdruck  in  ihren 
jährlichen  allgemeinen  Versammlungen.  Hier 
pulsirt  der  Lebenspunkt  der  Gesellschaft.  In  den 
stenographischen  Berichten  Uber  die  allgemeinen  | 
Versammlungen  findet  sich  ein  reiches  — viel- 
leicht das  reichste  und  glänzendste  Stück  natio- 
naler Geistesarbeit  auf  dem  Felde  der  Anthropologie 
niedergelegt. 

Das  Correspondenzblatt  ist  berufen,  auch 
um  alle  jene  Glieder  unserer  Gesellschaft,  welche  die 
allgemeinen  Versammlungen  nicht  besuchen  können, 
ein  Band  der  Gemeinsamkeit  zu  schlingen.  Es 
hat  den  Sprechsaal  zu  bilden  l'ür  alle  gemein- 
samen Angelegenheiten  der  Gesellschaft.  Es  hat 
die  kleineren  anthropologischen  Einzelarbciten  der 
Zwoigvereine  wie  der  isolirten  Mitglieder  als  wis- 
senschaftlicher Brennpunkt  zu  sammeln.  Es  hat 
zu  diesem  Zwecke  regelmässige  Berichte  zu  er- 
statten über  die  wissenschaftlichen  Sitzungen  der 
Zweigvereine.  Anzeigen,  kleine  Mittheiluugen  aller  i 
Art  gehören  in  sein  Gebiet. 

Eine  der  Hauptaufgaben  des  Correspondenz- 
blattes  erkennen  wir  aber  in  der  Uebermittelung 
der  ausführlichen  Berichte  über  den  Verlauf  und 
die  wissenschaftlichen  Bestrebungen  der  allge-  i 
meinen  Versammlungen  an  dio  Mitglieder  der  Ge- 
sellschaft, um  jeden  Einzelnen  anzuregen,  sich  an 
der  Lösung  der  von  der  Gemeinsamkeit  gerade 
vorzugsweise  in  Angriff  genommenen  Arbeiten  mit 
zu  betheiligen. 

Corrap.'Blalt  Nro.  1. 


Noch  handelt  es  sich  in  vielen  Beziehungen 
für  den  Fortschritt  der  Anthropologie  vor  Allem 
I um  Sammlung  des  wissenschaftlichen  Materials. 
An  Stelle  glänzender  geistvoller  Behauptungen 
und  Hypothesen  wollen  wir  sicher  begründete 
Thatsachen,  deren  breites  Fundament  nur  durch 
gemeinsame  Arbeit  gelegt  worden  kann. 

Ist  einmal  der  anthropologischen  Forschung 
1 eine  neue  wissenschaftliche  Fragestellung  gelun- 
| gen,  so  bietet  sich  bei  der  Beischaffung  des  Ma- 
terials für  eine  exakte  Antwort  vielen  Händen 
Arbeit  dar. 

Hiebei  handelt  es  sich  zunächst  nicht  um 
umfassende  geschlossene  literarische  Abhandlungen, 
welche  ihren  Platz  haben  in  den  grossen  wissen- 
schaftlichen Organen  unserer  Gesellschaft:  dem 
Archiv  für  Anthropologie,  der  Zeitschrift  für  Eth- 
nologie, den  Beiträgen  zur  Anthropologie  und  Ur- 
geschichte Bayerns.  Als  Neujahrsgabe  bringt  uns 
der  vielversprechende  Kieler  Zweigverein  die 
erfreuliche  Mitthoilung,  dass  sich  an  die  genannten 
eine  neue  von  ihm  im  Verein  mit  den 
Forschern  in  Lübeck,  Hamburg,  Altona 
herausgegebene  selbständige  anthro- 
pologische Zeitschrift  anschliessen  soll. 

Jede  einzelne  gut  beobachtete  Thatsache  bildet, 
wenn  sie  sich  an  andere  gleichartige  anschliesst, 
einen  Fortschritt.  Der  Raum  einer  Correspondenz- 
karte,  eines  Zeitungsausschnittes  etc.,  ist  oft  gross 
genug  für  einen  im  Zusammenhang  einer  gemein- 
samen Untersuchung  werthvollen  wissenschaftlichen 
Beitrag.  Das  Correspondenzblatt  ist  der  Ort  für 

1 


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Sammlung  und  Veröffentlichung  derartiger  Bei- 
trüge. 

Bei  der  IX.  allgemeinen  Versammlung  in  Kiel 
wurde  eine  Anzahl  zum  Theil  neuer  wichtiger 
anthropologischer  Aufgaben  und  Fragen  gestellt. 
Je  nach  Neigung  und  örtlicher  Gelegenheit  wird 
kaum  Jemand  Anregung  zur  Betheiligung  an  der 
Lösung  solcher  Aufgaben  vermissen,  verbreitete 
sich  doch  die  Diskussion  über  fast  alle  Gebiete 
der  verschiedenen  anthropologischen  Disciplinen. 

Wenigstens  die  wichtigsten  der  angeregten 
Fragen  sollten  das  Jahr  hindurch  nicht  aus  der 
Diskussion  in  den  Zweigvereinen  und  aus  den 
Mittheilungen  des  Korrespondenzblattes  verschwin- 
den. Es  sei  gestattet,  hier  einige  dieser  Fragen 
zu  formuliren : 

1.  Welche  Anhaltspunkte  bieten  sich 
dar,  um  in  den  einzelnen  Gegenden  Deutsch- 
lands die  etwa  vorhandenen  slavischen  von 
den  germanischen  vorgeschichtlichen  Al- 
tertkümern  zu  trennen?  (IX.  Bericht  S.  1*28.) 

(Verbreitung  der  slavischen  Burgwalle  ? — 
Beschreibung  ihres  Baues?  — Was  liefern  die 
Ausgrabungen  in  denselben  ? — Knüpfen  sich 
historische  Ueberlieferungen  an  solche  Oert- 
lichkoiten?  — Germanische  und  slavische  Be- 
gräbnisstätten ? — Der  slavische  Schlftfen- 
ring  ? etc.) 

2.  Ueber  Schalensteine  und  heilige 
Steine?  (IX. Bericht  S.  155,  VIII. Bericht  S.  126). 

(Beschreibung  noch  nicht  wissenschaftlich 
aufgenommener?  — Die  sich  mit  ihnen  ver- 
knüpfenden Gebrauche  und  Aberglauben?  etc. 

3.  Ueber  Hochäcker  in  Norddeutsch- 
land? (IX.  Bericht  S.  öl.) 

(Wo  finden  sich  solche?  — Welche  historische 
oder  prähistorische  Stellung  beanspruchen  die- 
selben? etc.) 

4.  Ueber  künstliche  Höhlen?  (IX.  Be- 
richt S.  93.) 

(Wo  finden  sich  solche?  — Ihr  Bau?  — 
Hinterkeller  ? — Erdställe?  etc. 


5.  Ueber  prähistorische  keramische 
Technik?  (IX.  Bericht  S.  158.) 

(Wie  weit  ist  die  Methode,  irdene  Geschirre 

in  einor  Flechtform  zu  bilden  und  zu  brennen, 

in  Europa  verbreitet  ? etc. 

6.  Ueber  anthropologische  Messung  le- 
bonder  Menschen  und  die  dazu  nöthigen 
Apparate?  (IX.  Bericht  S.  104.  105.) 

7.  Einfluss  der  Stirnnath  auf  dolicho- 
cephale  Schadelformen?  (IX. Bericht  S.  107.) 

8.  Das  Wesen  der  Mikroceph alie  (IX. 
Bericht  S 146,  147)  etc.  etc. 

Die  Anregungen,  welche  die  allgemeinen  Ver- 
sammlungen auf  die  Arbeitsrichtung  der  Zweig- 
vereine auszuttben  pflegen,  haben  schon  von  jeher 
zu  schönen  wissenschaftlichen  Resultaten  geführt. 
Unser  Wunsch  und  unsere  Hoffnung  ist  es,  dass 
sich  dieses  Verhältnis  steigere  zu  dem  sicheren 
Bewusstsein  gemeinsamer  Arbeit  bei  allen  un- 
seren Mitgliedern. 

So  ergeht  denn  an  jedes  einzelno  Mitglied  un- 
seres Gesainmtvereins  die  Aufforderung  zu  wissen- 
schaftlichen Mittbeiluugon.  Auch  di^s  Kleine  und 
an  sich  Unscheinbare  muss  gesammelt  werden. 
Nichts,  was  sich  auf  unsere  Wissenschaft  bezieht, 
sollte  verloren  gehen,  da  wir  keineswegs  heute 
schon  befUhigt  sind,  definitiv  über  den  grösseren 
oder  geringeren  Werth  einer  Thatsnche  abzuur- 
theil en , welche  erst  durch  Verbindung  mit  an- 
deren ihre  wahre  Bedeutung  erkält.  Namentlich 
bitten  wir  die  Vorstände  der  Zweigvereine  um 
regelmässige  Mittheilungen  ihrer  Sitzungsberichte 
ebenso  im  Interesse  der  Gesammtgesellschaft  als 
zur  Belebung  der  wissenschaftlichen  Bestrebungen 
in  den  Zweigvereinen. 

W'ir  blicken  mit  Freude  und  Genugtliuang 
auf  den  Weg  zurück,  welchen  die  deutsche  an- 
thropologische Gesellschaft  in  den  9 Jahren  ihres 
Bestehens  zurückgelegt  hat,  wir  blicken  mit  Hoff- 
nung und  froher  Zuversicht  in  die  kommenden 
Jahre  hinein! 

München,  den  1.  Januar  1879. 

Prof.  Dr.  Johannes  Ranke, 
Generalsekretär. 


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3 


Ueber  Schalensteine.  !•) 

Za  Herrn  Virchow’s  Vortrag  über  denselben  Gegen- 
stand bei  der  IX.  allgemeinen  Versanimlnng  in  Kiel 
1878.  (Cfr.  bericht  8. 155  u.  177.) 

Aus  Schleswig-Holstein. 

Von  J.  Mestorf. 

Ich  habe  seit  einer  Reihe  von  Jahren  den 
Schalen-  oder  Näpfchensteinen  nachgespürt  und 
in  unseren  schleswig-holsteinischen  Tagesblättern 
wiederholt  dazu  aufgefordert,  nach  solchen  Steinen 
zu  spähen,  und  wo  man  deren  fände,  mich  davon 
zu  benachrichtigen.  Diese  Aufforderungen  haben 
wenig  genützt,  dahingegen  ist  es  mir  gelungen, 
aus  der  Literatur,  namentlich  aus  älteren  hand- 
schriftlichen Aufzeichnungen,  von  sechszehn 
Näpfchensteinen  Kenntnis.*  zu  erlangen,  von  wel- 
chen 13  auf  Schleswig,  3 auf  Holstein  kommen. 
Aus  diesem  numerischen  Missverhältniss  darf  man 
indessen  nicht  etwa  folgern,  dass  diese  Steine  in 
Holstein  so  viel  seltener  Vorkommen.  Die  Er- 
scheinung erklärt  sich  durch  die  bereits  von  Herrn 
Professor  Handclinan n bezüglich  der  Stein-  j 
geräthe  erwähnte  Tbatsache,  dass  die  schleswig- 
schen  Sammler  nicht  nur  fleissiger  beobachtet 
und  bewahrt,  sondern  auch  sorgfältiger  signirt 
haben,  als  die  holsteinischen.  Jedenfalls  ist  durch 
diese  sechs/ eh  n Exemplare  angezeigt,  dass  Schles- 
wig-Holstein berufen  ist,  sich  an  der  „Nilpfehen- 
stein-Frnge“  zu  betheiligen.  In  der  Zeitschrift 
für  schlesw.-hoLstein.-lauenburg.  Geschichte  Bd.  V 
u.  VI  habe  ich  die  mir  damals  bekannten  Exem- 
plare näher  beschrieben.  So  viel  ich  weiss,  existiren 
von  den  jetzt  bekannten  sechszehn  Steinen 
noch  fünf:  1)  der  Poppostein  bei  Hilligbek, 

Ksp.  Sieverstedt , von  dem  die  Tradition  be- 
richtet , dass  Poppo  an  demselben  getauft  habe, 
uud  sonach  auch  die  Taufe  des  Königs  Harald 
ßlauzahn  dort  vollzogen  sei;  2)  der  Stein  von 
Risby  (im  Kopenbagener  Museum  und  beschrie- 
ben und  abgebildet  von  Dr.  Henry  Pctersen 
in  den  Aarbüger  für  1875,  8.  416,  Fig.  4); 
3)  ein  im  Kieler  Museum  bewahrter  Stein  aus 
einer  Gartenmauer  in  Schleswig,  auf  welchem  vier 
der  nusgescbliflenen  Näpfchen  durch  eine  breite 
Rinne  zu  einem  Kreuze  verbunden  sind ; 4)  der 
wiederholt  von  mir  beschriebene  nur  7,5  cm  grosse 
Näpfchenstein  von  weissem  Mannor , gefunden 
bei  Dockenbuden  unweit  Altona,  der  als  Amulet 
zu  betrachten  sein  dürfte  (ebenfalls  im  Kieler 
Museum),  und  5)  der  Bunsoher  Figurenstein,  von 
welchem  Sie  eine  Zeichnung,  und  von  einem  Ende 
desselben  einen  Gipsabguss,  im  Museum  gesehen 

*1  Die  Redaktion  beabsichtigt  zunächst  mehrere 
kleinere  Abhandlungen  über  diesen  Gegenstand  za  bringen. 


haben,  und  der  noch  an  dem  Platze  liegt,  wo  er 
gefunden  worden,  d.  i.  bei  Bunsoh  unweit  Albers- 
dorf in  Süderdithmarschen.  Der  Arrilder  Stein, 
welcher  ausser  den  Schälchen  das  Wort  Fatur  in 
Runenschrift  trug , (abgebildet  bei  Thorsson: 
De  danske  Runeinindesmaerker  S.  3 1 ff.  und  von 
Engelhardt  nach  einer  Zeichnung  des  ver- 
storbenen Lioutenant  Timm  in  den  Aarböger 
für  1876,  S.  127,  Fig.  11,  und  danach  von 
J.  Meatorf  in:  die  vaterländischen  Altorthü- 
mer  Schleswig  - Holsteins , Taf.  XII,  Fig.  6), 
ist  von  dem  Nachfolger  des  früheren  Besitzers, 
des  Justizraths  Jaspersen,  bei  dem  Bau  einer 
Scheune  als  Grundstein  verwandt  worden  (Tbors- 
sen  a.  a.  0.).  Von  den  sechszehn  schleswig- 
holsteinischen Schalensteinen  sind  ferner  fünf 
nachweislich  und  einer  wahrscheinlich  aus  Grä- 
bern gehoben  worden.  Der  Poppostein  bildete  den 
Deekstoin  einer  Grabkammer;  der  Risbyer  Stein 
wurde  in  einem  Grabhügel  gefunden ; der  Stein 
von  Wester  - Ohrstodt , Kreis  Husum,  lag,  neben 
anderen  Steinen  ohne  Zeichen,  in  einem  Grab- 
hügel „an  einer  Grabkammer.“  In  der  Kammer 
fand  man  Steingeräthe , zwischen  den  Steinen 
neben  der  Kammer  Bronzesachen , z.  B.  einen 
Schaftcelt.  In  dem  merkwürdigen  von  Engel- 
hardt geöffneten  und  beschriebenen  Grabhügel 
bei  Süderbrarup  in  Angeln  (s.  Kieler  Bericht  XXIII, 
S.  18  ff.,  Taf.  2)  stand  zwischen  dem  äusseren  und 
inneren  Steinkreise  ein  hoher  Stein , an  welchem 
mehrere  Näpfchen  wahrgenommen  wurden ; der 
als  Amulet  betrachtete  Näpfehonstein  lag  in  einer 
Urne  aus  dein  Doekenhudener  Urnenfriedhofe  und 
der  Bunsoher  Figuronstein  bildete  nebst  zweien 
anderen  Steinen  den  Verschluss  einer  mit  8 bis 
10  Fuss  Erde  bedeckten  Steinkammer*).  Ueber 
den  Arrilder  Stein  berichtet  Thorssen  a.  a.  0., 
dass  er  in  einem  natürlichen  Erdhügel  gefunden 
worden , in  welchem  man  10  Fuss  tief  auf  eine 
Doppelreihe  von  Steinen  gestosaen  sei , die  an 
einem  Ende  offen , an  dem  anderen  geschlossen 
war,  und  worin  nichts  anderes  gefunden  wurde, 
als  einige  Kohlen. 


•>  Herr  Obommtsrichter  Westedt,  welcher  das 
Grab  öffnete  uud  eine  genaue  Beschreibung  desselben 
eingeaandt  hat,  welche  leider  nicht  in  der  Versammlung 
vorgelesen  wurde,  erzählt.  da*s  auf  dem  mittleren  der 
drei  Beckstein«*,  welche  den  Verschluss  der  Kammer  bil- 
deten, eine  Flüche  von  2 .Meter  Durchmesser  mit  ge- 
spaltenen Granitfliesen  dicht  bedeckt  war,  die  von  einem 
20—25  cm  hoben  Rand  von  Geröll  eingeschlossen  wurde. 
Das  Ganze  glich  einem  Trog.  An  diesem  lag  nach  Osten 
ein  Häuflein  Holzkohlen  und  in  der  Nähe  derselben  ein 
roh  behauenes  Flintgeräth.  Die  Kammern  fand  man  mit 
Erde  gefüllt  und  darin  eine  defekte  Lanzenspitxö  von 
Flint. 

1* 


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4 


Von  den  vorerwähnten  Steinen  steht  also  fest, 
dass  die  Schälchen  in  vorgeschichtlicher  Zeit  ein- 
geschliffon  sind.  Werden  solche,  wie  wir  eben 
von  Herrn  Professor  Virchow  gehört  , noch 
heutigen  Tages  eiugegraben,  so  glaube  ich  doch  | 
kaum,  dass  die  Zahl  der  modernen  Näpfchensteine  ] 
so  bedeutend  ist , dass  sie  neben  den  vorhistori-  j 
sehen  schwer  auf  die  Wage  fällt.  Es  wird  uns 
jedoch  dadurch  die  Aufgabe,  nachzuforschen,  ob  ! 
und  wodurch  die  älteren  sich  von  den  mo-  i 
dernen  unterscheiden.  Jedenfalls  werden  diese  • 
merkwürdigen  Denkmäler  der  Vorzeit  dadurch 
noch  interessanter,  weil  sie  mit  einer  religiösen 
Handlung  Zusammenhängen,  die  aus  fernster  Ver- 
gangenheit in  die  Gegenwart  hineinreicht.  Ausser 
den  von  Herrn  Professor  Virchow  citirten  Bei- 
spielen aus  Frankreich  und  den  Höhlungen  in 
den  Backsteinen  christlicher  Gotteshäuser  (vgl. 
Friedei  in  der  Zeitschr.  „Der  Bär“,  Jahrg.  III, 
Nro.  22,  23,  und  im  Archiv  für  christliche  Kunst, 
Jahrg.  II,  Heft  IV  j ist  hier  noch  eines  anderen 
zu  gedenken.  Über  welches  Dr.  H i Id  ebr  a n d in 
einer  Sitzung  des  archäologischen  Kongresses  in 
Stockholm  Mittheilung  machte , dass  nämlich , 
nach  Maurer,  auf  Island  gleichfalls  ein  Näpf- 
chenstein existire.  In  diesem  hätten  wir  einen 
Beweis,  dass  Leute,  welche  in  der  früheren  Hei- 
math  den  alten  Brauch , in  den  Näpfchen  zu  ; 
opfern,  beobachtet  hatten,  an  dem  neuen  Wohn-  1 
orte,  wo  sie  keine  solche  fanden,  die  Höhlungen 
selbst  in  den  Stein  einschliffen.  Auch  die  von 
Nilsson  (Bronzealter , Nachtrag  I,  S.  48,  49) 
beschriebenen  und  abgebildeten  ältesten  katholischen 
Weihwassersteine  in  einigen  Kirchen  in  Schonen  sind 
offenbar  heidnischen  Näpfchensteinen  nachgebildet. 

Ueber  die  Art  und  Weise  und  den  Zweck  der 
Näpfchenopfer  erfahren  wir  näheres  in  Skandi- 
navien. In  Schweden  nennt  das  Volk  die  damit 
bezeichnten  Steine  Elbensteine  oder  Elben- 
mtihlen.  Die  Elben  sind  die  Seelen  der  Ver- 
storbenen , sie  wohnen  wie  diese  nicht  selten  in  t 
oder  unter  einem  Steine  und  unterhalten  mit  den 
Lebenden  mancherlei  Beziehungen.  Stört  man 
ihre  Hube,  entheiligt  man  ihre  Wohnstätte  oder  j 
versäumt  auf  andere  Weise , ihnen  ziemende  ’ 
Pietät  zu  beweison,  da  rächen  sie  sich,  indem  sie 
Krankheit  und  anderes  Missgeschick  über  die  Le-  I 
benden  verhängen.  Deshalb  ist  das  Volk  be- 
flissen, sich  die  Gunst  der  Kleinen  durch  Opfer 
zu  erhalten  oder  ihren  Zorn  zu  beschwichtigen. 
Ihre  Ansprüche  sind  bescheiden : etwas  Butter 
oder  Schmalz,  eine  Kupfermünze,  eine  Blume, 
ein  Bändchen  befriedigt  sie.  Haben  sie  mit 

Krankheit  gestraft,  so  sühnt  ein  Gegenstand,  den 
der  Kranke  getragen,  z.  B.  eine  Stecknadel,  ein 


Knopf  Ein  schwedischer  Gutsbesitzer  (in  Upp- 
land),  der  einen  Elbenstein  in  seinen  Park  hatte 
traosportiren  lassen , fand  nach  einigen  Tagen 
Opfergaben  in  den  Näpfchen  liegen.  Im  Stock- 
holmer Museum  findet  man  aus  leinenen  Läppchen 
gedrehte  Puppen , welche  auf  einem  Elbensteine 
gefunden  wurden  (vgl.  Hyltcn  Cavallius: 
Wärend  och  Wirdarne  I,  S.  140,  und  Hilde- 
brand im  Mütiadsblad  1873,  Nr.  30)  Aelter 
dürfte  der  Brauch  sein,  die  Näpfcliou  mit  Fett 
auszustreichen.  Man  betete  auch  an  den  Steinen, 
man  „pustete“  dio  Krankheit  in  die  Näpfchen 
(F  r i e d e l a.  a.  0.)  oder  man  verschlackte,  wie 
wir  soeben  gehört , den  ausgeriebenen  Staub, 
woraus  man  schliessen  muss , dass  dem  Steint* 
selbst  Heilkraft  zugeschrieben  wurde.  Das  Salben 
der  Steine  war  allbekannte  Sitte  der  Hebräer. 
Fr i edel  ist  der  Ansicht,  dass  die  „Augensteine“ 
der  Israeliten , welche  bestimmt  waren , das  ge- 
weihte Oel  aufzunehmen,  Näpfchensteine  waren. 
Ob  und  wann  arische  Völker  diese  Sitte  von  den 
Semiten  adoptirt,  wäre  zu  erforschen.  Die  zer- 
lassene Butter  (Ghoo)  spielte  zwar  in  der  vedischen 
Zeit  bei  den  Indern  eine  grosse  Holle,  doch  hatten 
sie  (ich  verdanke  diese  Auskunft  Herrn  Professor 
Pischel)  keino  Opfersteine,  salbten  folglich  bei 
ihren  Opferceremouien  keine  Steine  mit  dem  ge- 
schmolzenen Fett.  Welches  Alter  den  von  Pro- 
fessor Pesor  beschriebenen  und  abgebildcte» 
indischen  Näpfchensteinen  zuzuschreiben  ist,  ob  und 
wo  deren  mehrere  in  Indien  Vorkommen,  ist  des- 
halb weiter  zu  verfolgen. 

Die  Schälchen  sind  nicht  selten  von  anderen 
Figuren  begleitet,  z.  B.  von  concentriachen  Hingen 
und  vierspeickigen  Bädern  (Kreuz  in  einem  Ringe). 
Sie  hatten  Gelegenheit,  beide  auf  dem  Bunsoker 
Figurensteine  zu  sehen  nebst  vier  Händen  von 
welchen  eine  an  zweien  Fingerspitzen  ein  Näpf- 
chen trägt.  Der  Stein  zeigt  ausserdem  noch  zwei 
Figuren,  welche  man  als  Fusssohlcn  anspreeheu 
möchte,  wenn  nicht  von  der  einen  seitlich  Strahlen 
ausliefen.  Auch  sind  mehrere  Schälchen  durch 
schmale  Rinnen  mit  einander  verbunden.  Auf 
dem  Bunsoker  Stein  stehen  das  vierspeichige  Rad 
und  der  Kreis  mit  einem  Punkt,  oder  richtiger 
das  Schälchen  in  einem  Ringe,  als  religiöses  Sym- 
bol. Es  ist  dieselbe  Figur,  welche  als  Ornament 
auf  den  Goldblechschalen  und  gewissen  Brnnzon 
vorkommt.  Wurde  es  mit  Punze  und  Hammer 
ausgetrieben,  so  musste  das  Schälchon  die  Gestalt 
einer  knopffOrmigen  Erhöhung  in  einem  Ringe 
annehinen.  Dieselben  Zeichen  finden  wir  in  Be- 
gleitung der  Näpfchen  in  Schottland  und  in  Skan- 
dinavien. In  Skandinavien  sieht  man  Schälchen 
auf  den  Felsenbildern  und  auf  Runensteinen,  selbst. 


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5 


auf  den  jüngeren ; in  letzterem  Fall  erkennt  man 
jedoch,  dass  ein  ehemals  mit  Schälchen  bezeich- 
neter  Stein  zum  Inschrift-  und  Gedenkstein  ge- 
wählt worden.  Dr.  Henry  Peteraen  wirft 
a.  a.  0.  die  Frage  auf  oh  die  sogen.  Behausteine 
mit  den  konkaven  Ausschliffen  „fllr  die  Finger4* 
etwa  als  Amulete  oder  Näpfchensteine  zu  be- 
trachten seien.  Man  hat  deren  nie  auf  den  zahl- 
reich aufgedeckten  Arbeitsstätten  der  Steinzeit 
gefunden,  statt  ihrer  gewöhnliche  Rollsteine  welche 
Schlagmarken  zeigen.  Der  Dockenhudener  Stein 
mit  seinen  erbsengrossen  Näpfchen  stützt  diese 
Frage.  Es  eröffnen  sich  fllr  die  Untersuchung 
immer  neue  Gesichtspunkte ; vor  allem  wird  auch 
den  an  den  Steinen  haftenden  Sagen  Beachtung 
zu  schenken  »ein. 


Anthropologisches  von  Amerika. 

Von  Dr.  0.  Löw*). 

Nachdem  wir  vor  etwa  einem  Jahre  von  der 
Gründung  einer  amerikanischen  anthropologischen 
Gesellschaft  Nachricht  erhalten,  können  wir  einen 
weiteren  Fortschritt  in  dieser  Richtung  verzeich- 
nen — die  Gründung  der  ersten  ethnologisch -an- 
thropologischen Zeitschrift  durch  Rov.  Stephen 
D.  Peet,  von  Ash tabula , Ohio,  betitelt:  „The 
American  Antiquarian-,  welche  in  vierteljährigen 
Heften  erscheint,  und  eine  fühlbare  Lücke  auszu- 
füllen verspricht.  Wir  geben  in  Folgendem  die 
Titel  der  in  den  ersten  beiden  Nummern  ent- 
haltenen Artikel,  nebst  den  wichtigeren  der  er- 
wähnten Thatsachen  und  Folgerungen. 

„Ueber  alte  Hocbäcker  in  Michigan-  von  Bela 
Hubbard.  Vor  der  dichteren  Besiedelung  Mi- 
chigans waren  diese  Spuren  einer  alten  Kultur 
sehr  zahlreich  und  wurden  von  manchen  Reisen- 
den mehr  oder  weniger  ausführlich  beschrieben. 
Seit  den  letzten  30  Jahren  sind  sie  bis  auf  kleine 
Reste  von  der  Hand  der  Kultur  verschwunden. 
Diese  Hochäcker  b esassen  eine  Länge  von  22  bis 
100  Fuss,  eine  Breite  von  5—12  Fuss  und 
eine  Höhe  von  6 — 18  Zoll,  Nach  einigen  Bäumen, 
welche  man  darauf  wachsend  gefunden  hat,  er- 
gab sich , dass  die  Periode  der  Entstehung  we- 
nigstens vor  das  Jahr  1502  zu  setzen  ist,  also 
vor  die  Entdeckung  jener  Landestheile  durch  die 
Franzoson. 

„lieber  palaeoliihische  Werkzeuge44  von  F. 
Berlin;  höchst  unvollkommene  bei  Reading,  Pa. 
gefundene  Steinwerkzeuge,  welche  der  Verfasser 
den  Eskimos  zuschreibt,  die  in  früheren  Perioden 

*)  Hoi  der  Reilaktion  eingelaufen  de»  21.  Nov.  1878. 


wahrscheinlich  sich  weit  nach  Südon  ausgebreitet 
hatten  — werden  ausführlich  beschrieben. 

„Ueber  Hügelgräber  in  Missouri  und  Indiana. - 
In  diesen  fand  man  kugelförmige  Urnen , die 
etwa  eine  Gallone  hielten  %und  an  der  Aussenseite 
Spuren  von  Feuer  erkennen  Hessen ; Knochen 
waren  zersetzt  und  nur  spärlich  zu  finden , da- 
gegen fand  man  viele  Zähne.  Auch  2 — 3 Zoll 
tiefe  und  6—8  Zoll  weite,  roh  ornamentirte 
Schüsseln  fanden  sich  vor.  Ein  solches  Hügel- 
grab bei  Corning,  Missouri,  war  bis  8 Fuss  hoch 
und  hatte  100—110  Fuss  Durchmesser. 

„Ueber  alte  Indianerwege  (traila)  in  Ohio“; 
„Ueber  jetzt  in  der  Nähe  der  Ruinen  Utahs  le- 
bende Indian ersUinme  (Utes  und  Navajos)“  von 
E.  A.  Barber. 

„Die  Entdeckung  des  Ohio-  von  Stephan 
1).  Peet.  Der  Verfasser  kommt  nach  eingehen- 
der Kritik  zum  Schluss,  dass  die  Frage  immer 
noch  eine  offene  sei. 

„Das  Alter  der  Menschheit  in  Amerika-  von 
W\  Kinney.  Es  wird  aus  neueren  Funden 
nachgewiesen , dass  der  Mensch  zur  Zeit  de» 
Mastodon  bereits  in  Amerika  heimisch  war. 

„Bemerkungen  über  die  Inschrift  des  Felsens 
von  Dighton“  (Mass.)  von  Karl  Rau.  Verfasser 
bekämpft  die  versuchte  Auslegung  einer  wahr- 
scheinlichen Indianer- Inschrift  als  eine  runischc 
von  den  Normanen  herrührende. 

„Ein  Vergleich  der  Thonwaaren  der  Pueblos 
in  Neu -Mexiko  mit  denen  der  alten  Aegypter 
und  Griechen“  von  Prof.  E.  A.  Barber.  Ver- 
fasser sucht  eine  auffallende  Ähnlichkeit  zwischen 
den  Formen  und  Verzierungen  der  Thonwaaren 
nachzu  weisen. 

„Sagen  von  einer  grossen  Wasserflut  bei  den 
Stämmen  des  Nordwestens-  von  M.  Eells. 

„Ueber  prähistorische  Ruinen  in  Missouri. “ 

Man  sieht,  dass  das  so  weite  und  bis  in  dio 
neueste  Zeit  stark  vernachlässigte  Feld  der  ameri- 
kanischen Anthropologie  und  Ethnologie  rasch 
zahlreiche  Bearbeiter  gefunden  hat.  Besondere 
Erwähnung  verdienen  Major  Po  well,  KarlRnu, 
A.  S.  Gatschet  und  E.  A.  Barber. 

Die  Expeditionen  unter  Lieutenant  Wheeler 
und  Major  Powoll  haben  viele  neue  und  wich- 
tige Aufschlüsse  über  die  Indianerstämme  des 
Westens  gebracht  und  ist  die  Publikation  grosser 
Bände , die  Resultate  jener  ethnologischen , lin- 
guistischen und  «anthropologischen  Forschungen 
enthaltend,  iin  Gange.  Wir  beabsichtigen  in  einer 
späteren  Mittheilung  uns  eingehender  damit  zu 
• beschäftigen.  Was  Indianersprachen  betrifft , so 


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6 


ist  die  höchst  interessante  Entdeckung  eines  deut- 
schen Geistlichen,  des  Herrn  W.  Herzog  aus 
Oppau  in  der  Kheinpfalz,  mitzutheilen,  dass  näm- 
lich die  Sprachen  der  Yuma-Stämme  im  südlichen 
Kalifornien  aufs  engste  mit  derjenigen  der  Aleuten 
verwandt  sind,  wodurch  ein  neuer  Anhaltspunkt 
für  die  Einwanderung  der  amerikanischen  Völker 
aus  Asien  gegeben  ist.  Derselbe  kam  ferner 
durch  seine  eingehenden  Studien  zum  Schluss,  I 
dass  dem  Iroquesischen  Sprachst&mme  eine  ausser-  , 
ordentliche  Verbreitung  zuzuschreiben  sei. 

Nicht  unbedeutendes  Aufsehen  hat  eine  neuer-  , 
dings  in  Washington  von  Lieutenant  - Colonel 
Mall  er  y verfasste  Schrift:  „Ueber  die  frühere 
und  gegenwärtige  Zahl  der  Indianer“  erregt.  Er 
sucht  nachzuweisen , dass  die  frühere  Dichtigkeit 
der  Indianerbevölkerung  sowohl , als  die  jetzige 
Abnahme  derselben  Überschätzt  wird.  Nur  in 
einzelnen  Staaten  und  Territorien  ist  eine  erheb- 
liche Abnahme  zu  konstatireu.  Wo  die  weissc  ; 
Itage  nicht  stets  Konflikte  provozirt,  ist  eine  Zu-  j 
nähme  der  rothen  Rage,  und  zwar  von  2 Prozent  1 
per  Jahr  zu  bemerken.  Mallery  führt,  als 
eclatantes  Beispiel  die  Sioux , dann  die  acker- 
bauenden Iroquois  und  Cherokces  an,  und  sucht 
darzuthun , dass  der  Indianer  bei  richtiger  Be- 
handlung leicht  der  Zivilisation  zugänglich  sei, 
und  dass  an  den  vielen  Misserfolgen  die  Weissen, 
denen  es  nicht  Ernst  gewesen  sei,  schuld  seien. 

Als  ein  für  die  Vereinigten  Staaten  erfreu- 
liches Zeichen  ist  das  Erscheinen  eines  monat- 
lichen Blattes,  welches  speziell  den  Interessen  des 
rothen  Mannes  dient , zu  verzeichnen.  Dasselbe 
trägt  den  Titel : The  „Council  fire“  (Berathungs- 
feuer)  und  wird  von  Colonel  Meacham  in  Wa- 
shington heraus  gegeben.  Es  verdient  dieser  Mann 
umsomehr  unsere  Anerkennung,  als  er  im  Modoc- 
kriege  1873  von  7 feindlichen  Kugeln  getroffen 
wurde , während  er  sich  anschickte , Friedens- 
unterhandlungen einzuleiten. 

Zum  Schluss  sei  noch  auf  einen  ausführlichen 
Bericht  über  Indianer-Schädel  hingewiesen,  welchor 
im  „Eleventh  Annual  Report  of  the  Trustees  of 
the  Peabody  Museum  of  American  Archaeology 
and  Et hnology,  at  Cambridge,  Mass,  1878“  publi- 
zirt  wurde. 

Sitzungsberichte  der  Localvereine. 

Sitzung  des  anthropologischen  Ver- 
eins für  Schleswig-Holstein,  zu  Kiel 
den  20.  Deceraber  1878. 

Referent : Prof.  Dr.  Handelmann. 

Der  Vorsitzende  Herr  Prof.  Pansch  eroffhete 
die  Sitzung  mit  einem  Rückblick  auf  das  ver- 


! gangene  erste  Vereinsjahr.  Zunächst  folgten  ge- 
schäftliche Mittheilungen.  Der  Vorstand  wurde 
ermächtigt,  Namens  des  Vereins  und  wenn 
möglich  unter  Betheiligung  anderer  nord- 
deutscher Gruppen,  namentlich  der  zu 
Hamburg-Altona  und  Lübeck,  eine  eigene 
Zeitschrift,  die  zunächst  in  mindestens 
500  Exemplaren  gedruckt  werden  soll, 
herauszugeben.  Nachdem  der  Vorstand  durch 
Aeclamation  wiedergewählt  worden , wurde  von 
Herrn  Stadtverordneten  Behncke,  der  neben 
seinem  Amt  als  Kassirer  auch  das  des  Schrift- 
führers für  die  Dauer  der  Abwesenheit  des  FrftuL 
Mestorf  übernommen  hat,  die  Jahresrechnung 
für  1878  abgelegt.  Die  Einnahme  betrug  810 
die  Ausgabe  587  6 so  dass  am  Schluss 

ein  Kassenbehalt  von  222  e Jt  94  blieb.  Der 
Verein  zählt  augenblicklich  134  Mitglieder.  Zu 
Revisoren  der  Jahresrechnung  wurden  die  Herren 
Dr.  Volbehr  uud  Hauptlehrer  Heinrich  ge- 
wählt.. 

Herr  Prof.  Handelmann  sprach  sodann  über 
zwei,  im  Fehrar  1878  von  Privatleuten  angestellt c 
Ausgrabungen , zu  denen  er  Seitens  der  Unter- 
nehmer eingeladen  worden  war.  An  Alterthümem 
haben  dieselben  fast  gar  keine  Ausbeute  geliefert ; 
indess  ergab  die  Bauart  der  Gräber  interessante 
Beobachtungen.  Das  am  1.  Februar  eröffnete 
Riesenbett  auf  der  Holzkoppel  Kämpekisten  bei 
Haberslund  (Kirchspiel  Ostcrlügum  im  Kreis 
Apenrade)  war  von  Ost  nach  West  gerichtet  und 
enthielt  zwei  gewaltige  Steinkammern.  Die  west- 
liche Kammer  mit  einem  einzigen , ca.  250  cm 
langen,  210  cm  breiten  uud  90  cm  dicken  Deck- 
stein war  aus  vier  Trägern  au  der  Nordost-, 
Nord-,  West-  und  Südseite  erbaut;  aber  der 
nordöstliche,  der  ohne  Zweifel  nicht  tief  genug 
eingegraben  war,  scheint  sogleich  ausgewichen  und 
einwärts  in  die  Kammer  gestürzt  zu  sein.  Auf 
diesen  uingefallcnen  und  einen  kleineren  fünften 
Träger,  der  die  .südöstliche  Ecke  verschloss,  hatte 
man  einen  grossen  flachen  Stein  gelegt  und  mit 
Haudsteinen,  Fliesen  etc.  den  Aufbau  so  erhöht, 
dass  man  der  Höhe  der  übrigen  vier  Träger  fast 
| gleich  kam  und  der  Deckel  genügende  Stütze 
| hatte.  Doch  behielt  derselbe  seine  Neigung  nach 
| Osten,  wohin  wir  ihn  auch  abgleiten  Hessen.  Es 
| war  anfangs  sehr  überraschend,  dass  nunmehr  statt 
j eines  offenen  ßegrftbnissrautnes  wieder  ein  flacher 
* Stein  und  dann  noch  ein  dritter  zu  Tage  kam. 
i bis  endlich  der  wahre  Sachverhalt,  wie  oben  ge- 
schildert, sich  herausstellte.  Auf  dem  Urboden 
der  Steinkammer  fand  sich  eine  Schicht  von  zer- 
schlagenen Flintsteinen , mit  Holzkohlen  unter- 
mischt, aber  sonst  durchaus  keine  Todtengeschenke. 


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7 


Der  etwa  darin  gebettete  Leichnam  muss  sogleich 
durch  den  Einsturz  des  nordöstlichen  Trägers  völlig 
zerquetscht  sein,  und  Referent  erinnerte  an  eine 
ähnliche  Beobachtung  im  zweiten  Turndälhoog 
auf  Sylt,  wo  bei  der  Aufwälzung  des  grossen 
Becksteins  zwei  Träger  der  südlichen  Wand  aus- 
gewichen und  in  das  Grab  hineingestürzt  waren  *). 
So  sehr  wir  also  auch  die  megalithischen  Grab- 
bauten bewundern,  zeigen  solche  Beispiele  doch, 
dass  deren  Baumeister  die  Steinmassen  keineswegs 
mit  voller  Sicherheit  zu  handhaben,  noch  weniger 
aber  vorkommende  Unfälle  wieder  gut  zu  machen 
im  Stande  waren!  Die  zweite  Steinkammer  des 
Riesenbetts  bestand  aus  fünf  Trägern  und  zwei 
Decksteinen , zwischen  denen  ein  Eichbaum  sieh 
herausgedrängt  und  das  Innere  mit  seinem  Wurzel- 
geflecht erfüllt  hatte.  Hier  fand  sich  ebenfalls 
jene  Schicht  von  Flintsteinen  und  Holzkohlen; 
ausserdem  durch  die  Kammer  zerstreute  Scherben, 
die  aber  keinen  vollständigen  Topf  ergeben , so 
dass  man  vermutben  muss , es  seien  nur  tbeil- 
weise  die  Ueberreste  eines  schon  zertrümmerten 
Thongefässes  mit  in  das  Grab  geworfen,  und  end- 
lich ein  schön  gerundeter  Naturstein,  der  aber 
auf  einer  Seite  eine  unverkennbare  Abschleifung 
durch  Menschenhand  aufweiset. 

Der  am  7.  und  12.  Februar  geöffnete  Grabhügel 
liegt  südlich  von  der  Gehl-  oder  Geil- Au  auf  dar 
„Pferdekoppe)“  (HestelÖkke)  beim  J)orf  Kit- 
schelund (Kirchspiel  Bau  im  Kreis  Flens- 
burg) und  war  ursprünglich  mit  einem  Stein- 
kranz eingefasst,  der  aber  bereits  im  Jahre  1840 
beim  Ühausseobuu  abgenommen  ist.  Nachdem  am 
7.  am  Abhange  des  Hügels  einige  Urnen  mit  ver- 
branntem Gebein,  aber  ohne  Beigaben  gefunden 
waren,  ward  am  12.  die  Ausgrabung  fortgesetzt. 
Wir  gingen  von  Osten  nach  der  Mitte  hinein. 
Wenige  Schritte  vom  äusseren  Rande  lag  eine 
Reihe  Steine,  die  wohl  als  ein  Abschnitt  eines 
zweiten  inneren  Steinkranzes  anzusehen  ist.  Etwas 
weiter  einwärts  stiessen  wir  auf  ein  mit  Holz- 
kohlen bedecktes  Steinpflaster,  wahrscheinlich  die 
Brandstätte,  wo  der  Scheiterhaufen  für  den  Leich- 
nam errichtet  war.  Die  von  hier  aus  vorgeoom- 
menen  Bohrungen  führten  zur  Entdeckung  eines 
ungefähr  in  der  Mitte  des  Hügels  belegenen  Stein- 
baues,  den  wir  anfänglich  für  einen  der  gewöhn- 
lichen backofenförmigen  und  kompakten  Stein- 
haufen ansahen.  Als  aber  einer  der  Arbeiter  einen 
Stein  ausbrach , zeigte  sich  ein  gewölbter  hohler 
Raum , in  dem  wir  verbrannte  menschliche  Ge- 
beine liegen  sahen.  Da  mehrere  Steine  nnch- 


•)  Handel  rnatin:  „Die  amtlichen  Ausgrabungen 
auf  Sylt“  S.  52. 


stürzten  und  der  Abend  schnell  hereinbrach,  konnto 
der  Bau  nicht  von  allen  Seiten  freigelegt  wer- 
den , sondern  wir  begnügten  uns , denselben  an 
der  Ostseite  zu  öffnen.  Das  ovale  Grabgewölbe, 
das  von  Nord  nach  Süd  circa  135  cm,  von  West 
nach  Ost  circa  115  cm  mass  und  inwendig  bis 
60  cm  hoch  war,  war  mit  grosser  Sorgfalt  und 
Geschicklichkeit  aus  gewöhnlichen  Handsteinen  auf- 
gesetzt; von  einer  Ausfugung  mit  Lehm  oder  dgl. 
ist  nicht«  bemerkt.  Obwohl  keinerlei  Todtengo- 
schenko  gefunden  sind,  setzt  Referent  diesen  Grab- 
hügel in  das  sogenannte  jüngere  Bronzealter  und 
fügt  hinzu , dass  er  allerdings  schon  in  anderen 
Hügeln  der  Bronzezeit  neben  einander  die  Be- 
gräbnis« und  die  mit  Steinen  gepflasterte  Brand- 
stätte beobachtet  habe ; aber  ein  solches  aus 
kleineren  Steinen  aufgesetztes  Hohlgewölbe  sei 
ihm  bei  seinen  Ausgrabungen  bisher  nicht  vor- 
gekommen. 

Herr  Behncke,  welcher  der  Ausgrabung  in 
Haberslund  gleichfalls  beigewohnt  hat,  be- 
merkt, dass  ähnliche  megalithische  Gräber  hier 
allerdings  öfter  sich  finden,  wie  z.  B.  eine  grosse 
wohlerhaltene  Grabkammer  auf  dem  Gute  Birken - 
m o o r (Kirchspiel  Dänischenhagen  im  Kreis 
Eckernforde)  fünfzig  Schritt  vom  Hofo  liegt.  Aber 
er  habe  auch , zusammen  mit  Herrn  Professor 
Pansch,  im  Mai  1877  auf  der  Feldmark  Sön- 
derbvhof  (Kirchspiel  Riesebye  im  Kreise 
Eckernförde)  ein  Ähnliches  Hohlgewölbe  aus 
Handsteinen  wie  das  von  Kitschelund  geöffnet 
und  darin  einen  Bronzedolch  gefunden  , wodurch 
also  die  obige  Altersbestimmung  weiter  bestätigt 
werde.  Herr  Professor  Pansch  hat  auf  Grön- 
land ähnliche  Rundgräber  über  der  Erde  beob- 
achtet, die  aus  Kopf-  und  Handsteinen  concentriaeh 
gewölbt  sind  und  oben  durch  einen  Schlussstein 
zusammengehalten  werden. 

Aus  dem  in  Budapest  gehaltenen  Vortrage 
des  französischen  Anthropologen  Broca  über  ver- 
mutbete „prähistorische  Trepanation  *)“  berichtete 
schliesslich  Herr  Professor  Pansch.  Wahrschein- 
lich wurde  die  Trepanation  meistens  an  Kindern 
vollzogen  zur  Heilung  von  Epilepsie,  und  die  aus- 
geschnittenen Stücke  scheint  man  als  Amulette 
getragen  zu  haben.  Noch  in  diesem  Jahr  ver- 
öffentlichte din  „Danziger  Zeitung“  ein  Rezept 
gegen  Fallsucht,  enthaltend  Menschenhirnschaale, 
Hirschhorn,  Elensklaue,  Pfauenkoth  u.  s.  w., 
welches  iin  Danziger  Landkreise  vielfach  verbreitet 
sein  soll  und  früher  in  einer  dortigen  Apotheke 

Compte-rcndu  du  Congrte  international  d'anthro- 
pologiu  et  «l’archeologie  prehistoriques  & Budapest  (1876) 
S.  101  — 192;  vgl.  Worsaae:  „Vorgeschichte  des  Nor- 
dens" 3.  42 — 43. 


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8 


ohne  Anstand  hergestellt  wurde.  Auch  Herr 
Apotheker  Hartmann  in  Tellingstedt  hat  brief- 
lich mitgetheilt,  dass  in  alter  Zeit  Menscbeu- 
•sr.hädel,  mit  pulverisirten  Kiensklauen  u.  8.  w. 
vermischt , als  beliebtes  Mittel  gegen  Epilepsie 
galten , und  dass  in  alten  Apotheken  Schädel, 
Mumien  u.  dgL  zu  offizineilen  Zwecken  vorräthig 
gehalten  wurden.  Demselben  hat  einmal  eine 
Frau  in  einem  Dorfe  bei  Eutin  erzählt:  es  sei 
ihr  angerathen,  ihrer  epileptischen  Tochter  „ge- 
flossenen Donnerkeil“  einzugeben;  sie  habe  des- 
halb einen  Flintkeil  zerschlagen  und  zerstossen. 

L eber  ähnliche  Steinpulverchen  gegen  Epilepsie 
berichtet  aus  der  Provinz  Sachsen  Herr  Professor 
K.  Möbius.  Wie  Wo r sa ne  (a.  a.  0.  S.  49) 
schreibt , werden  in  China  auch  antike , in  der 
Erde  gefundene  Bronzesachen  zu  Pulver  gestoben 
und  bei  gefährlichen  Krankheiten  als  Heilmittel 
verabreicht.  Mit  obrigkeitlicher  Erlaubniss  tranken 
Epileptische  sogar  das  warme  Blut  hingerichteter 
Verbrecher.  Was  die  Stelle  der  vorgeschicht- 
lichen Trepanation  anlungt,  so  hält  Herr  Professor 
Völckers  dieselbe  für  höchst  ungeeignet,  da  die  j 
Trepanation  in  der  Richtung  auf  den  grossen 
Blutleiter  zu  furchtbaren  Blutungen  führen  könne.  I 
Dass  die  Trepanation  den  alten  Griechen  nicht, 
ganz  unbekannt  war,  darauf  scheint,  wie  ein  Mit-  , 
glied  nicht  ohne  Humor  bemerkte,  auch  der  Mythus  i 
von  der  Geburt  der  Athene  aus  dem  Haupte  des 
Zeus,  das  von  Hephästos  goöffnet  ward,  hinzu- 
deuten. 

Correspondenzen. 

1)  Aus  Aegypten. 

Seitdem  14. November  befindet  sich  Dr.  Mook 
und  Lieutenant  M o e r i e k e wieder  im  Zelte  auf 
den  Silexfeldern  zwischen  Kairo  und  Heluan. 

Die  Funde  von  Feuerstein-Instrumenten  sind 
hier  von  grösster  Wichtigkeit,  insofern  dieselben 
genau  den  Charakter  der  nordischen  zeigen  (rund 
bearbeitet,  nicht  bloss  gespalten).  Die  Knochen- 
fande , 1 V*  Meter  unter  der  Wüstensanddecke 
und  einer  Fuss  hohen  Schichte  von  jungem  Sand- 
stein , mehren  sich  in  überraschendem  Maasse. 
Bis  jetzt  sind  dio  Ausgrabungen  nur  auf  1 V*  Meter 
Tiefe  ausgedehnt  , Bollen  aber  demnächst  weiter 
fortgesetzt  werden,  da  eine  Grenze  der  Knochen- 
schichte sich  noch  nicht  ergeben  hat.  Seit  dem 
1 9.  Nov,  wurden  gefunden : die  Knochenreste 


von  circa  G Thieren  einer  Kameelart,  Zebra  und 
eine  Gazellenart,  Holzkohlen  und  Feuersteinmesser. 
Die  Kulturschichte  (schwarze  Erde  im  wei&sen 
Sande)  ist  in  der  Tiefe  vollständig  verschwanden, 
so  dass  es  den  Anschein  gewinnt  , als  sei  die 
Formation  nicht  viel  jüngeren  Datums,  als  der 
an  den  Mokketarn  angrenzende  kalkhaltige  Sand- 
stein. Ueber  weitere  Funde  werden  wir  seiner  Zeit 
Nachricht  geben. 

2)  Aus  Neumühle  bei  Waischenield,  bayr. 

Oberfranken. 

Neuere  Ausgrabungen  habe  ich  gemacht:  bei 
Saugendorf  rechts  der  Wiesest,  in  einem  Grab- 
hügel. Der  Fund  besteht  aus  einer  gelben  Glas- 
perle mit  blauen  Augen , einem  zangenartigen 
Gegenstand  und  einem  kleinen  King  aus  Bronze. 
In  einem  Grabhügel  bei  Mogast  fand  ich  meh- 
rere Armspangen  von  verschiedener  Stärke,  Fibeln 
und  Nadeln  von  Bronze.  Bei  Biberbach  habe  ich 
einige  Hügel  geöffnet  und  fand  in  dem  ersten  an 
einem  Arm  7 verzierte  Armringe , 2 Habringe, 
2 Fibeln,  3 lange  Nadeln  und  12  ganz  kleine 
Hinge,  alles  von  Bronze.  In  dem  zweiten  fand 
ich  einen  eisernen  Halsring , ein  langes  eisernes 
Messer  und  einen  rohen  unverzierten  Armring  au» 
Bronze.  Der  dritte  Hügel  war  leer.  Ich  werde 
dort  in  einigen  Tagen  noch  einigo  Hügel  öffnen 
und  dos  Resultat  mittheilen.  Auch  eine  kleine 
Höhle  habe  ich  im  Püttlachthal  ausgegraben  und 
hübsche  Funde  gemacht.  H.  Hösch. 

Anzeigen. 

Bei  F.  Ramme,  Kanütangtalt  plastischer  Werke 
in  Hamban?,  Karolinen  st  raste  29.  ist  za  haben: 
Modell  tlett  menschliehen  Grosshims , vou  Ad. 
Pansch  in  KieL  Preis  6.00. 

Diese«  vom  Verfasser  selbst  auagearbeitete  Modell 
soll  die  Kenntnis«  der  «og.  Hirnwindungen  verbreiten 
und  das  Stadium  derselben  erleichtern  heben.  Es  ruht 
frei  auf  einem  Stativ  und  es  lassen  sich  beide  Hirn- 
hälften  gesondert  abheben.  Erklärung  in  Wort  und 
Tafeln  ist  beigegeben. 

Sügesch nitt modelte  des  menschlichen  Körpers, 
von  Ad  Danach.  1)  Bein.  2)  Arm.  Preis  mit 
Text  und  Tafeln  ä (iQJ£  Prospekte  gratis  und  franko. 

In  Arbeit  befinden  «ich: 

1)  Modelle  vom  Grosshirn  des  Fötus  und  Neugeborenen. 

2)  Modelle  vom  Grosshirn  der  Affen:  Gorilla,  Chim- 
panse,  Orang,  Gibbon,  Cercopithecus,  Cynocephalns. 
Hapale,  Lemur. 

Atl.  Pansch:  Die  Forchen  und  Wülste  am  Gros*him 
de«  Menschen.  Zugleich  als  Erläuterung  zu  dem 
Hirmnodell.  3 Tafeln.  R.  Oppenheim.  Berlin. 


Seit  Septeui»M?r  1S7S  ist  die  Redaktion  des  Correspondenzblatte«  nach  Jlünelteia,  Brlonuer- 
Strasse  25,  zu  rU<k  verlegt.  — Herr  Schatzmeister  Weisniaim  wird,  wie  bisher,  die  Zusendung  des  Cor- 
respondenxlilattes  an  die  verehr!.  Zwoigvereiue  und  bolirteu  Mitglieder  mit  bekannter  Sorgfalt  fort  führen. 
Reklamationen  einzelner  Nummern,  Zusendungen  der  Jahresbeiträge  bitte  ich  also  wie  bisher  an  Herrn 
Welsmann,  München,  Theatinerstrasse  86,  dagegen  Zusendungen  an  die  Redaktiou  an  die  oben 
«unebene  Adresse  zu  richten.  prof  I)r  Johannes  Banke,  Generalsekretär. 


Schluss  der  Bedaklion  am  1.  Januar  187U.  — Druck  der  Akademischen  Buchdrucker  ei  F.  Straub  in  München 


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-i 


Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Bedigiri  von  Pro/cssor  I)r.  Johannen  Ranke  in  München, 

QtntraUfcrftär  i irr  Gt**Ü*chi ift. 


Nr.  2.  Erscheint  jeden  Monat.  Februar  1879. 


Br  ie-f 

des  Hern»  Dr.  H.  Schliem unn,  Ehrenmitglied 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 

Troia,  27.  November  1876. 

Hochgeehrter  Herr  Geheimrath  Virchow! 

Es  freut  mich,  Ihnen  melden  zu  können,  dass  ! 
ich  während  meiner  diesjährigen  Arbeiten  hier, 
in  dem  grossen  Hause,  westlich  und  nordwestlich 
vom  Stadtthor  einen,  gerade  wie  Nro.  262  und 
264  in  „Troy  and  its  Romains“,  geformten,  mit  | 
dicker  Patina  bedeckten,  aber  durchaus  von  Rost 
freien,  eisernen  Dolch  gefunden  habe,  der  noch 
jetat  sehr  scharf  ist,  und  überall,  wo  das  Metall 
durch  die  Patina  schimmert,  eine  stahlweisse  Farbe 
hat,  in  Folge  dessen  er  mir  Meteoreisen  zu  sein 
scheint  Auch  fand  ich  dort  ein  Werkzeug  von 
Elfenbein  in  Form  eines  Schweines,  sowie  drei 
kleinere  und  einen  grösseren  Schatz  von  goldenen 
Schmucksachen,  wovon  die  meisten  vollkommen 
mykenische  Kunst  zeigen;  besonders  viel  kommt 
das  unter  Nro.  297,  299,  295  und  296  in  mei- 
nem „Mykenae“  abgebildete  Ornament  vor;  dann 
aber  auch  alle  auf  Tafel  XX  in  meinem  „Troy 
and  its  Romains“  abgebildeten  Ohrringe;  sowie 
alle  auf  Seite  339  dargestellten  Perlen.  Von  den 
Schätzen  wurden  2 der  kleineren  unmittelbar  neben 
der  westlichen  Hausmauer,  in  zertrümmerten  ir- 
denen G eflUs.se n , der  grosse  auf  der  Hausmauer 
selbst  (nur  1 Meter  von  den  beiden  kleinen),  in 
einem  halbzerscblagenen  irdenen  dfrvag  aiufrKV- 
■: relXov  und  in  einer  zertrümmerten  bronzenen 
Schale  gefunden ; in  dem  d/srag  steckten  1 6 gol- 
dene Stäbe,  jeder  mit  56  Einschnitten  und  unter- 
halb derselben  war  eine  grosse  Masse  Ohrringe; 

Corr«tp.-B3»tl  Nro.  I. 


neben  dem  Becher  mehrere  bronzene  Streitäxte, 
Lanzen  u.  s.  w , auch  ein  ganzes  Paquet  in  dem 
grossen  Feuer  zusammengeschmolzener  Bronze- 
waffen. In  den  beiden  kleinen  Schätzen,  sowie 
in  einem  andern  kleinen  Schatz,  in  einem  Zimmer 
desselben  Hauses,  eine  grosse  Menge  im  Feuer 
zusammengeschmolzener  silberner  Ohrringe  und 
Ringe  von  Halsketten,  die  auf  gebogene  Stäbchen 
von  Elfenbein  gezogen  zu  sein  scheinen,  und  an 
welchen  viele  Goldporlen  hängen.  Auch  Ohrringe 
von  Electron  kommen  vor. 

Auch  einon  Stock-  oder  Scepterknopf  von 
Glas  und  einen  ähnlichen  Gegenstand  von  ägyp- 
tischem Porcellan  fand  ich. 

Ich  hoffe,  noch  den  Winter  nach  London  zn 
reisen  und  werde  einen  dritten  Theil  der  Schätze 
meiner  troianischen  Sammlung  im  South-Kensing- 
ton  Museum  beifugen. 

Noch  wollte  ich  Sie  darauf  aufmerksam  ma- 
chen , dass  fast  alle  troianischen  Fussböden  aus 
einer  asphaltartigen  Masse  bestehen,  die  überall 
da,  wo  sie  auf  eine  blosse  Schuttfläche  hin  aus- 
gedehnt war,  in  der  Feuersbrunst  in  eine  grün- 
liche Glasmasse  Ubergegangen,  dagegen  wenn  auf 
platten  Steinen  ruhend , unversehrt  erhalten  ist. 
Proben  der  Glasmasse  stehen  Ihnen  zu  Diensten. 

Am  l.März  hoffe  ich  hier  die  Arbeiten  fort- 
zusetzen. — Denken  Sie  sich,  unterhalb  des  grossen 
Hauses,  welches  das  des  Stadthauptes  oder  Königs 
sein  muss , sieht  man  noch  viel  ältere  Haus- 
mauern ; so  auch  unter  dem  alten  Thor  ein  noch 
viel  älteres  aus  viel  grösseren  Steinen, 

Dr.  H.  Schliem  ann. 


2 


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10 


Schliemanns  Ausgrabungen 
in  Mykenä. 

Vortrag  in  der  Sitzung  der  Münchener  anthro- 
pologischen Gesellschaft  Freitag  d.  26-  April  1878 
von  Herrn  Professor  Dr.  ron  Christ. 

Wer  von  griechischen  Verhältnissen  eich  einen 
richtigen  Begriff  machen  will,  der  muss  von  dem 
Massetab  absehen,  den  wir  in  Deutschland  an  die 
Grösse  eines  Flusses  oder  die  Ausdehnung  einer 
Fläche  ru  legen  gewöhnt  sind.  Hellas,  ohnehin 
klein  an  Umfang,  wird  nach  allen  Richtungen  von 
hoben  Gebirgen  durchzogen  und  von  einer  reich* 
gegliederten,  hafen-  und  buchtenreichen  Küste 
umsUumt,  wie  kaum  ein  zweites  Land  des  Erd- 
rundes. In  kurzem  Lauf  eilen  daher  die  wasser- 
armen Flüsse,  welche  nach  unserer  Anschauung 
eher  den  Namen  von  Bachen  verdienen,  rasch 
dem  Meere  zu,  und  nie  dehnt  sich  die  Fläche 
an  dem  Fusse  der  Berge  und  am  Meeresstrand 
zu  so  ausgedehnten  Ebenen,  wie  wir  sie  in  un- 
serem Bayern  und  im  Tieflande  Deutschlands  zu 
sehen  pflegen.  Geht  man  aber  von  griechischen 
Verhältnissen  aus,  so  gehört  die  vom  Inachos 
durchströmte  Ebene  von  Argos,  die  sich  von  Nau- 
plia  in  einer  Breite  von  3 Stunden  4 bis  5 
8tunden  landeinwärts  bis  zu  dem  Fusse  des  Tretos- 
gebirges  erstreckt,  zu  den  grossen  Ebenen  dos 
Landes , welche  vormöge  ihrer  Ausdehnung 
und  ihrer  geschützten  Lage  an  dem  herrlichen 
Golfe  von  Nauplia  eine  grosse  Rolle  in  der  Ge- 
schichte des  Landes  zu  spielen  berufen  war.  In 
der  historischen  Zeit  freilich  trat  das  argivische 
Reich  vor  den  neuaufblühenden  Städten  von 
Athen  und  Sparta  zurück , aber  in  der  Zeit 
vor  der  Einwanderung  der  Dorer , in  dem  Zeit- 
alter der  Mythe  und  Sage,  erfreute  sich  kein 
Bezirk  Griechenlands  eines  grösseren  Glanzes.  Fünf 
mächtige  Städte  mit  gewaltigen  Burgmauern  er- 
hoben  sich  auf  einem  kleinen  Fleck  Landes  und 
jede  derselben  barg  die  Erinnerung  an  gefeierte 
Helden  und  mächtige  Könige.  Am  Eingang  der 
Ebene,  fast  im  Meere  selbst , lag  Nauplia , der 
Haupthafen  des  Landes,  die  Heimath  dos  Pala- 
medes,  kaum  eine  halbe  Stunde  von  der  Küste 
weg,  erhob  sich  auf  niederem  Hügel  Tiryns,  die 
8tadt  des  Perseus,  mit  seiuen  aus  gewaltigen  Fels- 
blöcken aufgethflrraten  kyklopischen  Mauern,  die 
heut  zu  Tage  noch  uns  mit  Staunen  und  heiligem 
Schauer  erfüllen;  weiter  innen  im  Land  auf  der 
rechten  8eite  des  Inachos,  an  den  Fuss  des  süd- 
lichen Grenzgebirges  gelehnt,  lag  Argos  mit  der 
steilen  Burg  Larissa ; ihm  gegenüber  sind  heut 
noch  die  Ruinen  der  mit  einem  Mauerwall  um- 
gürteten Stadt  Midea,  der  Heimath  der  Alkmene, 
erhalten ; endlich  im  Winkel  der  Ebene  {iv 


’ldQyovg)  erhob  sich  auf  einem  über  die  Ebene 
und  das  Meer  binausblickenden  Hügel  das  gold- 
reiche Mykene.  Hellas  ist  nicht  gross  geworden 
durch  die  zusammen  fassende  Organisation  eine« 
Einheitsstaates,  sondern  durch  den  Wetteifer  und 
den  Wettstreit  kleiner  Einzelstaaten ; und  was 
sich  im  grossen  Ges  am  mtl  eben  des  Volkes  vollzog,  das 
spielte  sich  in  gleicher  Weise  in  der  Geschichte 
jedes  einzelnen  Landes  ab.  So  erzählt  uns  auch 
Mythe  und  Geschichte  tausend  Züge  der  Fehden 
und  Wettkämpfe  der  genannten  Städte  der  Inachos- 
ebene.  Den  Sieg  behauptete  schliesslich  Argos, 
das  nach  und  nach  die  übrigen  Burgen  der  Ebene 
bezwang  und  bekanntlich  heut  zu  Tag  noch  die 
Hauptstadt  des  Landes  bildet.  Aber  in  der 
Zeit,  die  mit  ihrem  Sagenreichthum  die  epische 
Poesie  befruchtete,  spielte  Mykenä  als  Herrscher- 
sitz des  Agamemnon  die  Hauptrolle;  zu  dieser 
hervorragenden  Stellung  war  Mykenä  nicht  sowohl 
durch  sein  Verhältniss  zu  der  nrgivischen  Ebene, 
als  vielmehr  durch  * seine  Lage  in  der  Mitte 
eines  grossen  Argos,  Kleonä  und  Korinth  um- 
spannenden Reiches  (II.  B.  509  ff.)  empor- 
gestiegen. Die  BlUthe  der  Stadt  und  des  Reiches 
Mykenä  ist  geknüpft  an  das  Herrscherhaus  der 
Tantaliden,  zumeist  an  die  letzten  grossen  Könige 
jenes  Geschlechts,  Atreus  und  Agamomnon;  die 
Sage  vom  trojanischen  Kriege  und  an  sie  an- 
knüpfend Homer  macht  den  Agamemnon  sogar 
zum  Oberkönig  von  ganz  Hellas,  dessen  Scepter 
sich  ganz  Argos,  d.  i.  das  ganze  Festland  Griechen- 
lands und  viele  Inseln  beugten  (II.  B 107).  Der 
Glanz  der  Stadt  erlosch  mit  der  Rückkehr  der 
Herakliden  und  der  Ausdehnung  der  Herrschaft 
der  Dorer  über  den  Peloponnes.  Von  da  an  trat 
die  Bedeutung  der  Inachosebene  überhaupt  zurück 
und  erhob  sich  in  derselben  selbst  wieder  Argos 
zur  grösseren  Macht.  Es  lag  ja  auch  die  Stadt 
Mykenä  bei  ihrer  grossen  Entfernung  vom  Meer 
und  ihrer  steinernen  unfruchtbaren  Umgebung  so 
ausserordentlich  ungünstig , dass  sie , wenn  auf 
sich  angewiesen,  rasch  zur  Unbedeutendheit  herab- 
sinken musste  Zur  Schlacht  bei  Plateä  stellte  Mykenä 
nur  noch  200  und  zur  Heldenschaar  von  Thermo- 
pylä  gar  nur  tfO  Mann,  und  doch  sollte  diese  Be- 
theiligung an  dem  Kampfe  gegen  den  National- 
feind den  völligen  Untergang  der  Heroenstadt 
nach  sich  ziehen.  Argos , das  in  dem  grossen 
nationalen  Kampfe  eine  eifersüchtige  Neutralität 
beobachtet  hatte,  zog  bald,  nachdem  die  Barbaren 
von  dem  heiligen  Boden  Hellas  zurückgewi esen 
worden  waren,  mit  gewaltiger  Heeresmacht  gegen 
die  alte  Rivalin,  nahm  i.  J.  4GS  die  riesigen 
Mauern  ein  und  vertilgte  die  Heimathstadt  des 
Agamemnon  vom  Erdboden.  Dass  später  eine 


*y 


3d  by  Goi 


11 


neue  Ansiedelung  auf  dem  Boden  der  alten  zerstörten 
Stadt  erstand,  ist  uns  nicht  Oberliefert,  wird  aber 
durch  Funde  junger  Töpferwaaren  zu  einiger  Wahr- 
scheinlichkeit erhoben.  Der  Geograph  8trabo,  der 
bald  nach  Christi  Geburt  sein  berühmtes  geo- 
graphisches Werk  schrieb,  spricht  so,  als  ob  jede 
Spur  der  alten  Königsstadt  vom  Erdboden  ver- 
schwunden sei.  (Buch  VIII  S.  372  Mvxrjvai 
xorcoxa^ijocrv  vn%  toure  vur  ftrjö'  fyvog 

ftt Qtaxea^ai  rrjg  Mvxrprabiüv  rrokecog.)  Das  ist 
übertrieben  und  wahrheitsgetreuer  ist  der  Bericht 
des  Periegeten  Pausanias,  der  150  Jahre  später 
in  jene  Gegenden  kam  und  uns  die  Ruinen  My- 
kenäs  so  genau  beschreibt,  dass  später  niemand 
über  den  Sitz  der  alten  Königsstadt  in  Zweifel 
sein  konnte.  Sein  Bericht  ist  die  Hauptquelle 
unserer  Kenntnis»  und  der  Ausgangspunkt  aller 
neueren  Untersuchungen  geworden,  so  dass  es 
sich  verlohnt,  denselben  vollständig  kennen  zu 
lernen.  Im  2.  Buch  seiner  Periegese  also  8.  146 
berichtet  Pausanias  folgendes : „Mykenä  zerstörten 
die  Argiver  aus  Eifersucht;  denn  während  die 
Argiver  im  Kriege  des  Meders  unthätig  blieben, 
sandten  die  Mykenäer  80  Mann  nach  Thermopylä, 
dio  mit  den  Lakedämoniern  an  dem  Kampfe  theil- 
nahmen.  Diese  ruhmreiche  That  brachte  ihnen 
den  Untergang,  indem  sie  den  Argivern  Aerger 
bereitete.  Gleichwohl  ist  noch  anders  von  der 
Ringmauer  und  insbesondere  das  Thor  erhalten; 
Löwen  stehen  über  ihm ; es  sollen  aber  auch 
diese  Werke  von  den  Kyklopen  herrühren,  welche 
dem  Proitos  die  Mauern  von  Tiryns  gebaut  hatten. 
In  dem  Trümmerfeld  von  Mykenä  aber  befindet 
sich  eine  von  Perseus  benannte  Quelle  und  die 
unterirdischen  Gebäude  des  Atreus  und  seiner 
Söhne , wo  ihnen  ihre  Schätze  aufgehäuft  lagen ; 
man  findet  ferner  dort  das  Grab  de«  Atreus  und 
die  Gräber  aller  derjenigen , welche  mit  Aga- 
memnon von  Ilion  heimgekehrt  waren  und  welche 
Aegistbos  nach  der  Heimkehr  beim  Mahle  ermordet 
hatte;  zunächst  das  Grab  der  Kassandra,  — 
doch  erheben  auch  die  Umwohner  von  Amyklä  den 
Anspruch,  dos  Grab  der  Kassandra  zu  besitzen,  — 
sodann  das  Grab  des  Agamemnon,  drittens  das 
seines  Wagenlenkers  Eurymedon,  viertens  das  ge- 
meinsame Grab  der  ZwillingsbrUder  Teledamos 
und  Pelops,  welche  Kassandra  geboren  haben  soll, 
und  die  als  kleine  Kinder  mit  ihren  Eltern  Aegisthos 
geschlachtet  batte  . . . Klytemnestra  aber  und 
Aegisthos  wurden  ein  wenig  von  der  Mauer  ent- 
fernt begraben,  da  man  sie  des  Grabes  innerhalb 
der  Mauer,  wo  Agamemnon  selbst  und  die  mit 
ihm  Gemordeten  lagen,  für  unwürdig  hielt.“ 

Die  von  Pausanias  beschriebenen  Trümmer 
Mykenäs  haben  sich,  soweit  sie  aus  der  Erdo  em- 


porragen, bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  und 
bilden,  seit  Hellas  wieder  der  gebildeten  Welt 
eröffnet  ist,  das  Reiseziel  der  Fremden  und  Ein- 
heimischen. Vor  allen  ziehen  die  riesigen  Fels- 
blöcke der  kyklopischen  Mauern,  speciell  der  unter 
dem  Namen  dss  Löwenthores  bekannte  Haupt- 
eingong  die  staunenden  Blicke  der  Reisenden  auf 
sich ; aber  mit  fast  nicht  weniger  Staunen  und 
Verwunderung  bleibt  man  bei  den  wie  Bienen- 
körbe sich  wölbenden  Schatzhäusern  stehen,  deren 
5 ausserhalb  der  Burgmauern  in  dem  Abhange 
des  Hügels  auf  dem  Wege  nach  dem  Dorf  Char- 
vati  sichtbar  sind  und  von  denen  das  eine  unter 
dem  Namen  Schatzhaus  des  Atreus  weltbekannt 
ist.  Aber  nach  ßpuren  von  den  5 Gräbern,  welche 
Pausanias  erwähnt  und  die  doch  in  seiner  Zeit 
irgendwie  auch  äusserlich  gekennzeichnet  gewesen 
sein  mussten,  hat  man  bis  in  die  letzten  Jahre 
vergeblich  gesucht ; zwar  hat  man  auf  der  aus- 
gedehnten unebenen  Burgfläche  an  vielen  Stellen 
Schachte  eingeschlagen , deren  ich  selbst  vor  3 
Jahren  noch  mehrere  sah,  aber  nirgends  wollten 
sich  Anzeichen  von  Gräbern  zeigen.  Die  Gelehrten 
hatten  eben  keine  Ahnung  von  der  Mächtigkeit 
des  Schuttes,  der  den  alten  Felsboden  im  Laufe 
der  Zeiten  überdeckt  hatte,  und  ermangelten  der 
zur  Gewinnung  lohnender  Resultate  nöthigen  Ge- 
duld. Da  nahm  im  Sommer  des  Jahres  1876 
unser  berühmter  Landsmann  H.  Sch  1 i em  a n n das 
Werk  in  die  Hand , nachdem  seinem  Enthu- 
siasmus und  seinem  praktischen  Blick  bereit«  die 
Aufdeckung  der  alten  Veste  des  Priamus  gelungen 
war.  Schon  2 Jahre  vorher  hatte  er,  von  der 
richtigen  Interpretation  der  Stelle  des  Pausanias 
ausgehend , innerhalb  der  kyklopischen  Mauern 
den  Burgraum  an  37  Stellen  untersucht  und  da- 
bei an  der  südwestlichen  Terrasse  unweit  von 
dem  Haupteingang,  dem  Löwenthore,  ermuthi- 
gende  Resultate  gewonnen.  An  dieser  Stelle  also 
setzte  er  im  August  des  Jahres  1876  mit  genü- 
genden Arbeitskräften  wieder  ein  und  kam  bald 
zur  Entdecknng  eines  kreisrunden  von  steinernen 
Sitzbänken  umringten  Raumes  von  ungefähr  80 
Fuss  Durchmesser,  in  dem  er  mit  Recht,  wie  ich 
glaube  (vgl.  Eur.  Orest.  919,  Hom.  H.  XVIII 
504),  die  Agora  der  Mykenäer  erkannte.  Nun 
war  aus  Zeugnissen  alter  Schriftsteller  bekannt, 
dass  Gründern  und  Heroen  der  Stadt  öfters  die 
Ehre  des  Begräbnisses  innerhalb  der  Mauern  auf 
dem  Marktplatze  erwiesen  worden  war,  wie  dem 
Battos  in  Kyrene  (Pind.  Pyth.  V 93)  und  dem 
Danaos  in  Argos  (Strabo  VIII  p.  371),  und  dass 
sogar  die  Megarenser  auf  einen  Orakelspruch  der 
Priesterin  in  Delphi  hin  das  Rathhaus  (ßovXtvrrjqtov) 

\ so  angelegt  hatten,  dass  es  die  Gräber  der  Heroen 

2* 


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12 


der  Stadt  in  sieb  umschloss  (Pausanias  I 23); 
es  leuchtete  daher  Schliemanu  die  Hoffnung 
auf,  dass  auch  die  5 Heroengräber  des  Pausanias 
in  jenem  kreisförmigen  Raume  der  Akropolis  von 
Mykenä  sich  befunden  hätten.  Mit  frischem  Muth 
und  gesteigerter  Energie  setzte  daher  Schlie- 
maon  die  Ausgrabungen  auf  der  Agora  fort  und 
fand  bald  seine  unverdrossene  Ausdauer  von  glän- 
zenden Erfolgen  gekrönt.  Nachdem  er  einen 
grossen  Einschnitt  bis  zu  einer  Tiefe  von  10 
Fuss  gemacht,  hatte,  stiess  er  auf  einige  Stelen, 
welche  Wagenkämpfer  in  Relief  und  aherthüm- 
liche  schneckenförmige  Omamentirung  aufwiesen. 
Fehlten  auf  denselben  auch  Anzeichen  des  Todten- 
cultus,  so  erinnerten  sie  doch  durch  ihro  Gestalt 
so  lebhaft  au  die  ägyptischen  Grabstelen , dass 
an  ihrer  Bestimmung  kein  Zweifel  auf  kommen 
konnte.  W östlich  davon  in  einer  Tiefe  von  20 
Fuss  stiess  er  sodann  auf  einen  äusserst  merk- 
würdigen Todtenaltar,  der  aus  kyklopischem  Mauer- 
werk bestund  und  die  grösste  Aehnlichkeit  mit 
einem  Cisternenbrunnen  oder  dem  Puteal  auf  dem 
römischen  Forum  hatte.  Weitere  Ausgrabungen 
führten  alsdann  zu  den  5 grossen  in  den  Fels 
oingeschnittencn  Gräbern.  Iu  denselben  waren 
aber  nicht  blos  jene  0 von  Pausanias  genannten 
Heroen  eingebettet,  sondern  lagen  im  Ganzen  17 
Personen,  Männer  und  Frauen,  je  3 oder  5 Per- 
sonen nebeneinander  iu  einem  Grabe.  Die  Leichen 
waren  blos  halbverbrannt,  oder  richtiger  blos  an- 
gebrannt (ambusti)  und  schauten  sämmtlich  mit 
dem  Gesicht  nach  Abend  (tf £<>;,*  ±6<fvv);  in  beiden 
Beziehungen  stimmte  die  Bestattungsweise  der 
Mykenäer  mit  der  altattischen  überein ; denn  auch 
in  den  neuerdings  aufgedeckten  Gräbern  beim 
attischen  Dorfe  Spata , welche , wie  namentlich 
Dr.  Milchhöfer,  Mittheil.  d.  deutschen  archäol.  j 
Institus  in  Athen  I S.  308  ff.,  näher  nachgo-  ] 
wiesen  hat,  eine  so  merkwürdige  Aehnlichkeit  mit 
den  Gräbern  von  Mykenä  hnben,  waren  die  Leich- 
nahme  blos  angebrannt,  und  seit  Alters  gebot  ein 
Gesetz  in  Attika  (Aelian  V 14,  Plut.  Sol.  10) 
die  Todteu  gegen  Sonnenuntergang  zu  richten. 
Es  waren  aber  die  Todten  nach  einem  alten, 
wahrscheinlich  aus  Babylon  und  Aegypten  stam- 
menden und  Uber  alle  Länder  des  Mittelmeeres 
ausgebreiteten  Brauche  mit  sammt  ihren  Schätzen 
und  Waffen  beerdigt  worden.  Die  Schätze  und 
Kostbarkeiten  Stauden  und  lagen  tkeils,  soweit 
sie  in  Bechern,  Kannen,  Eimern,  Idolen  und  ähn- 
lichen Dingen  bestunden,  neben  den  Todten  in 
der  Gruft,  theils  waren  sie  an  den  prachtvollen 
mit  goldenem  Schmuck  überladenen  Gewändern 
angeheftet,  wie  man  dieses  besonders  hübsch  an 
der  Nachbildung  einer  bekleideten  Frau  im  3-  Grab 


Nr.  273  bei  Schliemann  beobachten  kann. 
Ausserdem  waren  die  Gesichter  einiger  (7)  Männer 
mit  einer  Maske  aus  Gold  bedeckt,  was  mich 
lebhaft  an  die  Mumie  der  Amonspriesterin  Hertu- 
brecht  im  k.  Antiquarium  erinnerte,  deren  Ge- 
sichtsmaske mit  Gold  übermalt  ist. 

Auf  solche  Weise  forderte  Schliemann  aus 
den  5 Gräbern  einen  solchen  lieichthum  von  gol- 
denen Schmuckgegenständen,  bronzenen  Waffen, 
Töpferwaarcn,  Gefössen  und  Ornamenten  von  Silber, 
Glas,  Bernstein  zu  Tag,  wie  ihn  die  kühnste  Phan- 
tasie nicht  von  dem  goldreichen  (irolCxQWog) 
Mykene  Homers  vorausgesetzt  hatte,  und  wie  er 
nur  bei  einem  Volke  erklärlich  ist,  das  einerseits 
ein  grosses,  mächtiges  Reich  bildete  und  anderer- 
seits auf  den  Gräborschmuck  und  den  Todteneult 
ein  uns  schwer  verständliches,  geradezu  wider- 
sinniges Gewicht  legte.  *)  Die  Schätze  sind  als 
Nationaleigenthum  von  Griechenland  nach  Athen 
verbracht  worden . Schliemann  aber  ermög- 
1 ichte  auch  ferner  Stehenden  einen  Einblick  in  die 
wichtigen  Resultate  seiner  Ausgrabungen  in  dem 
grossen  in  englischer  und  deutscher  Sprache  ge- 
schriebenen Werke,  Mykenä  oder  Bericht  über 
Schliemanns  Forschungen  und  Entdeckungen 
in  Mykenä  und  Tiryns.  Der  Verfasser  zeigt  in 
diesem  Werke  gegenüber  seinem  früheren  Bucho 
über  die  trojanischen  Altorth  Ürner  einen  grossen 
Fortschritt,  zwar  fehlt  es  auch  hier  nicht  an  ge- 
wagten Hypothesen  und  an  Vergewaltigungen  ho- 
merischer Stellen , aber  immerhin  ist  die  ganze 
Methode  Schliemanns  besonnener  und  wissen- 
schaftlicher geworden ; dem  Texte  sind  zahl- 
reiche Pläne  und  mehr  als  700  Abbildungen  bei- 
gegeben , die  grössten  theils  nach  Photographien 
angefertigt  sind  und  desshalb  als  durchaus  ver- 
lässig angesehen  werden  können.  Wir  wollen 
im  Folgenden  unsere  Besprechungen  der  Funde 
Schliemanns  so  anordnen,  dass  wir  zuorst  von 
den  Namen  der  Gräber,  dann  von  dem  Charakter 
der  in  denselben  gefundenen  Kunstwerke,  endlich 
von  der  muthmasslichen  Zeit  derselben  handeln. 

Schliemann  also  hat  die  von  ihm  aufge- 
deekton  5 Gräber  auf  der  Agora  mit  den  von 
Pausanias  erwähnten  Gräbern  identificirt  und  sie 
demnach  dem  Agamemnon  und  seinem  von  Troja 
heimkehrendeü  Gefolge  zugeschrieben.  Den  ersten 
Punkt . die  Identität  der  aufgedeckten  Gräber 

I)  Gegenüber  solcher  das  Leben  über  dem  Tode 
vernachlässigenden  Anschauung  darf  es  ans  nicht  be- 
fremden, wenn  die  weisesten  Gesetzgeber  des  Alterthaius, 
Soloa  und  Lykurg,  eine  Beschränkung  des  Todtencnltus 
einfubrten.  Der  entere  verbot,  damit  dem  Ackerbau 
nicht  zu  viel  Land  entzogen  werde,  die  Anfhäofong 
grosser  Grabhügel,  der  letztere  untersagte  den  Luxus 
der  Beigaben  (Plntarch  Lyk.  27). 


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13 


mit  den  Gräbern  des  Pausanias  gebe  ich  unbe- 
denklich %u,  obwohl  es  bis  jetzt  noch  unaufge- 
klärt ist-,  durch  welche  äussere  Kennzeichen  die 
Stelle  der  Gräber  in  der  Zeit  des  Pausanias  an- 
gezeigt war;  denn  die  von  Schliemann  aus- 
gegrabenen Grabstolen  waren  sicher  damals  schon 
nicht  mohr  sichtbar,  sondern  von  hohem  Schutte 
bedeckt.  Aber  die  Uebereinstimmung  in  der  Zahl*) 
und  in  der  Lage  innerhalb  der  Mauorn  , sowie 
der  grosse  Reichthum  in  den  Beigaben  sprechen 
für  die  Identität.  Aber  dass  die  Gräber  Königs- 
gräber und  speciell  die  Gräber  des  Agamemnon, 
der  Kassandra  und  der  mit  denselben  von  Ao- 
gisthos  gemordeten  Beiden  seien,  muss  ich  ent- 
schieden bestreiten.  Zuerst  muss  schon  Jedem 
auffallen,  dass  die  Zahl  der  in  den  Gräbern  von 
Schlicmann  aufgefundeneu  Leichen  mit  den 
Angaben  des  Pausaniaa , der  nur  von  6 Todten 
spricht- , nicht  stimmt ; doch  darin  konnte  man 
leicht  einen  nur  nebensächlichen  Irrthum  der  Tra- 
dition erkennen , der  die  Hauptsache  unberührt 
lasse.  Wichtiger  ist  der  andere  Umstand , dass 
ausserhalb  des  Itinges  der  Agora  ein  sechstes 
Grab  mit  gleich  reichen,  ja  fast  noch  reicheren 
Beigaben  aufgedeckt  worden  ist,  woraus  man 
also  deutlich  sieht,  dass  es  ursprünglich  mehr  als 
5 Heroengräber  gab,  und  dass  man  später,  wahr- 
scheinlich aus  constructiven  Rücksichten , bloss 
5 Gräber  in  die  Anlage  der  Agora  herein7x>g. 
Die  Tradition  von  5 Gräbern  und  von  6 Todten 
war  also  jedenfalls  eine  mangelhafte  und  falsche. 
Aber  verdient  die  Tradition , welche  Pausanias 
aus  dem  Mundo  von  Priestern  und  Eingebornen 
vernahm,  überhaupt  Glauben,  bewahrte  sie  in 
der  That  eine  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  fort- 
geerbte alte  Erinncruug  oder  war  sie  erst  in 
späterer  Zeit  in  dem  Kopfe  eines  phantasievollen 
Exegeten  entstanden?  Wer,  wie  ich  zu  thun 
liebe,  mit  nüchternem  Skepticismus  an  die  Volks-  j 
traditioucn  und  insbesondere  an  die  frommgläubi- 
gen Angaben  des  Pausanias  herantritt,  wird  ohne- 
hin zur  letzten  Annahme  geneigt  sein.  Aber  wir 
können  es  auch  noch  durch  ganz  bestimmte  Zeug- 
nisse wahrscheinlich  machen , dass  jene  Tradition 
erst  in  jüngerer  Zeit,  speciell  erst  nach  der  Zeit 
der  grossen  griechischen  Tragiker  entstanden  ist. 
Alle  droi  Tragiker,  Aeschylus , Sophokles  und 
Euripides  hatten  eine  ganz  andere  Vorstellung 
von  dem  Grabe  des  Agamemnon.  Aeschylus  und 
Sophokles  glaubten  nicht,  dass  der  grosse  König 
in  einem  in  den  Felsen  geschnittenen,  für  mehrere 

*)  Der  Beweis  aas  der  Uebereinstimmang  der  Zahl 
der  Gräber  ist  nachträglich  hinfällig  geworden , nach* 
dem  später  ein  6.  Grab  in  dem  Knnd  der  Agora  aaf- 
gedeckt  wurde. 


Personen  bestimmten  Grabe  gebettet  sei,  sondern 
dass  über  seiner  Asche  ein  mächtiger  Hügel  ähn- 
lich wie  über  die  vor  Troja  gefallenen  Helden 
Patroklos  und  Achilles  aufgeschüttet  war.  Denn 
nur  auf  ein  solches  Grab  können  sich  die  Aus- 
drücke xoäüjvij  bei  Sophokles  Eieetra  694  und 
ivfißov  ox&og,  Vquu  yäg  bei  Aeach.  Choeph.  4 und 
147  beziehen.  Euripides  spricht  ausserdem  in 
der  Electra  94  (vgl.  v.  U , Orest.  114,  Soph. 
El  51)  ganz  deutlich  aus,  dass  er  sich  das  Grab 
des  Agamemnon  vor  der  Stadt  ausserhalb  der 
Mauern  dachte,  wobei  er  offenbar  von  der  Sitte 
seiner  Zeit  ausging,  da  die  Gesetzgeber  frühzeitig 
aus  Gesundheitsrücksichten  die  Verlegung  der 
Gräber  vor  die  Thore  der  Stadt  anordneten.  Die 
Tragiker  also  wichen  bezüglich  des  Grabes  des 
Agamemnou  offenbar  von  Pausanias  ab;  darf  man 
daraus  schließen,  dass  jene  durch  Pausanias  uns 
überlieferte  Tradition  erst  in  der  Zeit  nach  Euri- 
pides aufkam?  Vielleicht,  doch  nicht  mit  aller 
Zuversicht;  denn  die  Tragiker  hatten  überhaupt 
eine  so  ungenaue  Kenntniss  des  damals  schon  zer- 
störtet! Mykenä,  dass  es  mir  wenigstens  äusserst 
zweifelhaft  ist , ob  irgend  einer  von  ihnen  den 
Boden  der  alten  Stadt  selbst  besucht  hat.  Mög- 
lich also  ist  es  immerhin,  wenn  auch  wenig  wahr- 
scheinlich , dass  damals  schon  die  Eingeweihten 
von  den  Heroengräbern  auf  dem  Marktplatz  er- 
zählten, von  jenen  Erzählungen  aber  keine  Kunde 
zu  dom  Ohr  der  Tragiker  gedrungen  war. 

Aber  noch  ein  anderes  Verhältnis»  führt  uns 
auf  verschiedene  Wege.  Ich  habe  schon  oben 
als  die  zweite  Sehenswürdigkeit  Mykenäs  die  gross- 
artigen, Bienenkörben  ähnlichen  Gebäude  vor  den 
Mauern  der  Stadt  bezeichnet ; eines  derselben,  das 
sogenannte  Scbat-zhaus  des  Atreus,  war  mitsammt 
dem  langen , flankirton  Zugang  (dgo/iag)  längst 
zugänglich  gemacht  worden.  Frau  Schliemann 
hat  die  Ausgrabung  eines  zweiten  Rundgebäudes 
näher  bei  dem  Thor  begonnen , leider  ohne  mit 
demselben  wegen  der  sich  häufenden  Schwierig- 
keiten zum  Abschluss  zu  kommen.  Es  gab  aber 
derartige  unterirdische  Gebäude  aus  der  heroischen 
Zeit  noch  mehrere  in  Hellas;  so  erwähnt  Pau- 
sauias  noch  einen  unterirdischen  Rundbau  des 
Königs  Akrisios  von  Argos  (II,  231  und  zwei  ge- 
wölbte Schatzhäuser  im  Lande  der  alten  Minyer, 
eines  in  Orchomenos  und  ein  zweites  in  Lebadea 
(IX,  37  u.  38),  und  erzählt  der  ägyptische  Priester 
Charax  (Schob  zu  Aristopb.  Nub.  508)  von  einem 
goldenen , das  heisst  wohl  mit  Goldplatten  be- 
legten Schatzhaus  ( cauuioy ) des  Königs  Augeas 
in  Elis , an  das  er  die  gleiche  Mythe  wie  Pau- 
sanias an  das  Schatzhaua  in  Lebadea  anknüpft 
und  in  dem  wir  desshalb  auch  den  gleichen  Rund- 


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14 


bau  vermuthen  dürfen.  Jene  unterirdischen  Häuser 
von  Mykenä  nun  hat  Pausanias  für  Schatzhäuser 
ausgegeben  und  Schliemann  ist  der  Meinung 
des  Periegeten  einfach  beigetreten.  Aber  schon 
längst  haben  sich  andere  Gelehrte,  wie  Mure  und 
Dursian  gegen  jene  Annahme  ausgesprochen  und 
die  fraglichen  Gebäude  vielmehr  für  KönigsgrUber 
in  Anspruch  genommen.  Dass  dieses  auch  im 
Alterthum  die  ältere  Tradition  gewesen  war,  das 
beweist  unzweideutig  Sophokles  in  der  Antigone, 
indem  er  die  thebanische  Königstochter  zum 
Tode  in  ein  unterirdisches  Haus  (xcrraaxaqpjys 
oixt.öig  v.  891)  abführeu  lässt  und  ihr  Loos  mit 
dem  der  Danao  vergleicht , die  lebend  in  ein 
ehernes  Grabgemach  (v.  945)  ein  geschlossen  wurde. 
Directen  Aufschluss  aber  boten  die  im  Jahre  1808 
von  Veli  Pascha  veranstalteten  Ausgrabungen 
im  Schatzhause  des  Atreus,  über  die  uns  Schlie- 
mann nähere  Details  mitgetheilt  hat.  Danach 
wurden  damals  auf  dem  Boden  des  Schatzhauses 
mit  goldenen  Schmuck  gegenständen  bedeckte  Kno- 
chen gefunden,  ganz  ähnlich  wie  sie  Schliemann 
in  seinen  Gräbern  auf  der  Agora  gefunden  hat. 
Die  angeblichen  Schatzhäuser  waren  also  Gräber 
und  wurden  vielleicht  eben  desshalb , weil  man 
bei  ihrer  Durchwühlung  reiche  Beigaben  in  Gold 
und  anderem  Material  fand,  zu  Schatzhäusern  im 
Munde  des  Volkes  umgetauft ; wer  hätte  auch 
ein  Haus , in  dem  er  seine  Schätze  niederlegen 
wollte , so  ganz  widersinnig  ausserhalb  der  von 
festen  Mauern  umschlossenen  Akropolis  an  ganz 
ungeschütztem  Orte  erbaut  ? Waren  aber  auch 
jene  unterirdischen  Kundgebäude  Gräber,  so  wird 
man  in  ihnen  weit  eher  die  Begräbnisstätten  der 
weitgebietenden  Könige  erkennen,  als  in  den  ver- 
hältnismässig einfachen  Felseinschnitten  im  Innern 
der  Mauern ; diese  mögen  vielmehr  den  älteren 
Heroen  und  fürstlichen  Geschlechtern  der  Stadt 
an  gehört  haben  und  aus  einer  Zeit  stammen,  wo 
man  die  Todten  noch  innerhalb  der  Mauern  zu 
beerdigen  pflegte.  Ein  grosser  Zeitraum  braucht 
desshalb  nicht  die  Mausoleen  ausserhalb  der  Stadt 
von  den  Gräbern  auf  der  Agora  getrennt  zu  haben  ; 
doch  wird  man  näheren  Aufschluss  über  das  Ver- 
hältnis jener  zwei  Arten  von  Gräbern  erst  von 
näherer  Untersuchung  der  übrigen  jetzt  noch  ver- 
schütteten Rundgobäude  erwarten  dürfen. 

Ich  gehe  zum  zweiten  Punkte,  zur  Besprech- 
ung dos  Kunstcharakters  der  von  Schliemann 
aufgedeckten  Skulpturen  und  Geräthe  über.  In 
dieser  Beziehung  drängt  sich  Jedem  sofort  die 
Idee  grosser  Verschiedenheit  der  einzelnen  Gegen- 
stände auf.  Die  Verschiedenheit  lässt  sich  offen- 
bar nicht  auf  verschiedene  Epochen  in  der  Ent- 
wicklung der  argivischen  Kunst  zurückführen ; 


denn  im  Allgemeinen  haben  alle  6 Gräber  den 
gleichen  Charakter  und  Anden  sich  in  ein  und 
demselben  Grab  neben  Gegenständen  roher  pri- 
mitiver Technik  Arbeiten  von  feinem  Geschmack 
und  sicherer  Hand.  Man  hat  es  daher,  wie  alle 
erkannt  haben,  hier  vielmehr  mit  dem  Unterschied 
einheimischer  Fabrikation  und  fremder  importirter 
Waare  zu  thun.  Zu  den  importirten  Gegenständen 
rechne  ich  aber  insbesondere  die  kostbaren  Diademe 
von  Gold , die  Siegelringe  mit  ihren  vollendeten 
Gravirungen , die  goldene  Brustnadel  Nro.  292 
mit  dem  hübschen  Brustbild  eines  Assyriers,  ausser- 
dem das  Straussenei  und  sämmtliche  Gegenstände 
von  Glas,  Elfenbein  und  Bernstein.  Schwerer  ist 
ob  7 u bestimmen,  woher  diese  importirten  Waaren 
im  Einzelnen  stammen , und  müssen  wir  noch 
näheren  Aufschluss  von  erfahrenen  Kennern  der  ori- 
entalischen Kunst  und  der  Gesichtstypen  erwarten  ; 
im  Allgemeinen  dient  mir  zur  besten  Dlustration 
dieser  fremden  Stücke  die  bekannte  Stelle  des 
Herodot  im  Eingänge  seines  Geschichtswerkes: 
„ Indem  die  Phönizier  ägyptische  und  assyrische 
Waaren  ausführten,  gelangten  sie  in  andere  Län- 
der und  auch  nach  Argos,  das  in  joner  Zeit  vor 
allen  anderen  Gebieten  des  jetzt  Hellas  genannten 
Landes  den  Vorzug  hatte.“ 

Aber  so  sicher  sich  unter  den  Beigaben  der 
mykenischen  Gräber  fremde,  assyrische  und  ägyp- 
tische Waaren  befinden  , so  muss  man  doch  die 
Mehrzahl  der  Schmuckgegenstände  und  bronzenen 
Geräthe,  sowie  sämmtliche  Töpferwaaren  und  Stein- 
skulpturen auf  einheimische  in  Mykenä  ansässige 
Künstler  und  Handwerker  zurückfuhren,  die  frei- 
lich nur  zum  Theil  nach  eigenen  Conceptionen 
arbeiteten , zum  grösseren  Theil  aber  importirte 
Formsteine,  deren  Schliemann  2 (Nro.  162 
u.  163)  entdeckt  hat,  benützten.  Jene  einheimi- 
sche Technik  ist  besonders  charakterisirt  durch 
die  ausgosprochensto  Vorliebe  zur  Spirale  in  allen 
Ornamentirungen,  neben  der  die  lineare  Ornamentik 
nur  eine  untergeordnete , einzig  in  den  Thon- 
scherben hervortrotende  Rolle  spielt.  Von  Thieren 
ist  besonders  der  Löwe,  der  Tintenfisch,  der 
Schmetterling,  der  Kranich,  auch  der  Hirsch  und 
dos  Pferd  nachgebildet,  auch  phantastische  Thier- 
gestalten wie  die  Sphinx  (Nro.  277)  und  der  Greif 
finden  sich  auf  goldenen  Schrauckgegenstllnden ; 
mit  dem  religiösen  Cultus  hängt  die  häufige 
Wiederkehr  von  Darstellungen  des  Kuhkopfes  mit 
und  ohne  Opferbeil  zusammen  ; mythologische  Ge- 
stalten selbst  sucht  man  vergebens,  da  das  Idol 
auf  dem  Siegelring  Nro.  530  mit  dem  Ring  selbst 
fremder  Cultur  anzugehören  scheint ; vielleicht 
aber  lassen  sich  die  3 Modelle  eines  Holzbaues 
im  vierten  Grab  Nro.  423  auf  einheimische  Tempel 


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der  Aphrodite  (Astoroth)  beziehen.  Auch  an 
der  Nachahmung  der  menschlichen  Gestalt  ver- 
suchten sich  die  mykeneischen  Künstler  auf  den 
Sculpturen  der  Grabstelen  und  in  mehreren  Or- 
namentstücken  von  Gold,  ohne  es  weiter  zu  brin- 
gen, als  zu  einer  rohen  Wiedergabe  der  Haupt- 
linien  des  Körpers  und  der  Gewandung.  Fasst 
man  den  Gesammteindruck  dieser  Kunsttechnik 
in's  Auge,  so  muss  man  sagen,  dass  die  Argiver 
jener  Zeit  auf  der  einen  Seite  auf  eine  höhere  Stufe 
der  Cultur  und  Technik  emporgestiegen  waren,  als 
die  ärmeren  Hier,  deren  Gerttthe  von  Gold  und  Thon 
Schliemann  aus  den  rohen  Gebftuderesten  von 
Hiss&rlik  an’s  Licht  gezogen  hat , dass  sie  aber 
auf  der  anderen  Seite  noch  kaum  die  Anfänge 
jener  Kunst,  die  wir  als  die  specifisch  hellenische 
bezeichnen,  entwickelt  hatten.  Zwar  finden  sich 
unter  den  Ornamenten  einige  Formen,  die  bald 
nach  dem  Beginne  der  Olympiadenrechnung  als 
Münztypen  uns  begegnen , wie  das  Triquetrum 
auf  lykischen  Münzen,  der  Löwe  auf  lydischen, 
das  säugende  Kalb  auf  korkyreischen  (Nro.  315),  die 
Doppelaxt  auf  tenedischen  Münzen ; aber  derartige 
Uebereinstimm ungen  sind  doch  untergeordneter 
Natur  gegenüber  der  grossen  Verschiedenheit  im 
architektonischen  Bau  und  in  der  Auffassung  der 
mythologischen  Gestalten. 

ln  unserer  Zeit  hat  bekanntlich  Conze  Sitz.- 
Ber.  d.  Wiener  Ak.  1870  S.  505  ff.  u.  1873 
8.  221  ff.  in  den  Strich-  und  Spiralornamenten 
das  charakteristische  Merkmal  einer  altarischen 
Kunst  nachweisen  wollen , welche  die  verschied- 
enen Zweige  des  arischen  Völkerstammes  gerade 
so  wie  die  Sprache  als  gemeinsames  Erbgut  nach 
ihren  späteren  Niederlassungen  mitgenommen  hät- 
ten, woraus  es  sich  am  einfachsten  erkläre,  dass 
dieselben  Ornamente  auf  Scherben  Altgriechen- 
Jands,  Italiens.  Nordgermaniens  wiederkehren.  Ich 
gehe  auf  diese  Idee  nicht  näher  ein , indem  ich 
nur  bemerke,  dass  sich  jene  Aehnlichkeiten  auch 
auf  andere  Weise,  durch  den  Einfluss  des  Han- 
dels und  der  Importirung  der  gleichen  Waare  er- 
klären lassen.  Sicher  aber  steht  jene  mykeneische 
Kunst  im  Einklang  mit  der  in  der  vorhistorischen 
Zeit  über  das  südliche  Kleinasien , Karien  und 
Lydien,  die  Inseln,  Attika,  Böotien  und  Argos 
verbreiteten  Kunst.  Nach  einer  durch  S t r a b o 
VIII  p.  372  bezeugten  Tradition  haben  lykische 
Techniker  die  kyklopischen  Mauern  Mykenes  er- 
baut. Lykien  war  die  Heimat h der  kyklopischen 
Mauern  und  hatte  frühzeitig  die  ägyptische  Sphinx 
in  seine  Kunstschöpfungen  aufgenommen ; aus 
Lykien  war  der  Cult  des  Anoüoiy  Xixeiog  in 
alter  Zeit  nach  Argos  verpflanzt  worden  und  die 
alten  V erbindungen  argivischer  und  lydischer  Könige 


wird  uns  durch  die  Sage  von  Bellerophon  bei  Homer 
im  6.  Buche  der  Hias  bezeugt.  Auf  Karien  weist 
sodann  die  Doppelaxt,  welche  ein  Symbol  des 
k arischen  Zeus  war  und  uns  so  oft  mit  dem 
Kuhkopf  in  mykenischen  Darstellungen  (Nro  329, 
330,  541)  begegnet,  und  ebenso  führt  die  Spirale 
mykenischer  Skulpturen  auf  karische  Technik, 
wie  sie  uns  in  einem  merkwürdigen  aus  Topfstein 
geschnittenen  Grabgeföss  von  Melos  des  hiesigen 
Antiquariums  bezeugt  ist ; denn  die  Karer  sasseo 
einst  auf  den  nach  Homer  von  Agamemnon  be- 
herrschten Inseln  des  ägäischen  Meeres  und  hin- 
terliessen  in  ihren  Gräbern  noch  mannigfache, 
den  Griechen  des  Thukydides  (I,  8)  noch  leicht 
erkennbare  Zeichen  ihrer  alten  Cultur.  Ferner 
stellen  sich  der  dreihenkligen  Vase  von  Mykenä 
Nro.  25  mehrere  fast  ganz  identische  Vasen  aus 
den  Gräbern  von  Ialyssos  auf  Rhodos  zur  Seite. 
Vollends  stimmen  mit  den  Funden  von  Mykenä 
in  auffälligster  Weise  die  Thonscherben,  Glas- 
cylinder,  Goldornamente  der  jüngst  aufgedeckten 
alten  Gräber  bei  dem  attischen  Dorfe  Spata  über- 
ein. Nimmt  man  dazu,  dass  nach  alter  Ueber- 
lieferung  die  Karer  und  Lykier  von  Kreta  aus- 
gegangen waren  und  dass  uns  in  der  aus  Kreta 
stammenden  Mutter  des  mykenischen  Königs  Atreus 
auch  ein  Hinweis  auf  eine  alte  Verbindung  von 
Mykenä  und  Kreta  gegeben  ist,  so  darf  man 
wohl , wie  Professor  Köhler  in  einer  mir  nur 
durch  die  Allgemeine  Zeitung  bekannt  gewordenen 
Vortrag  geth&n  zu  haben  scheint,  in  den  myke- 
nischen Fabrikaten  die  charakteristischen  Merk- 
male der  an  den  Namen  Dädalus  geknüpften 
Kunstübung  im  mythischen  Reiche  des  Königs 
Minos  wiedererkennen 

Ich  komme  schliesslich  zu  dem  heikelsten 
Punkte  meines  Vortrags  zu  der  chronologischen 
Bestimmung  der  Gräber  von  Mykenä.  Leider 
hat  sich  in  Mykenä  kein  Denkmal  gefunden, welches 
uns  auf  die  Frage  nach  dem  „Wann“  eine  be- 
stimmte klare  Antwort  gäbe.  In  Mykenäs  Gräbern 
spricht  keine  Inschrift  von  den  Todten,  die  in  ihnen 
beigesetzt  waren , vom  Gebrauch  der  Schrift 
findet  sich  überhaupt  keine  Spur;  in  Mykenä 
war  man  aber  auch  bis  jetzt  nicht  so  glücklich, 
wie  in  Rhodos  und  Palestrina,  eine  importirte 
Waare  mit  einem  ägyptischen  Königsschild  oder 
einer  assyrischen  Keilschrift  zu  finden,  wenn  auch 
die  Ornamentik  des  grossen  Siegelrings  so  beschaffen 
ist,  dass  man  vermuthen  kann,  der  Künstler  habe 
eine  Zeichnung  mit  einer  Inschrift  darüber  und 
daneben  vor  Augen  gehabt.  In  Ermangelung 
jedes  inschriftlichen  Zeugnisses  müssen  wir  uns 
also  nach  anderen  Anzeichen  der  Zeit  umsehen. 
Da  gibt  uns  nun  zunächst  die  Geschichte  des 


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Landes  einen  Fingerzeig,  wie  weit  wir  höchstens 
in  der  Zeitbestimmung  herabgehen  dürfen.  My- 
kenä  verlor,  wie  wir  sahen , mit  der  Einwande- 
rung der  Dorer , welche  die  alten  Chronologen 
auf  1104  festsetzten,  seinen  alten  Glanz  und  sank 
nach  dem  Falle  seines  Königshauses  zu  einem 
ohnmächtigen  armen  Burgflecken  herab.  Die 
Gräber  und  Schatzh&user  weisen  uns  aber  durch 
ihre  grossartige  Anlage  und  ihren  fabelhaften 
Reichthum  unzweideutig  auf  eine  Zeit,  wo  das 
Königthum  noch  in  seinem  alten  Glanze  dastund 
und  Mykenä  der  Mittelpunkt  eines  grossen  und 
mächtigen  Reiches  war;  die  Geschichte  also  sagt 
uns,  dass  wir  mit  jenen  Herrlichkeiten  Mykenäs 
nicht  leicht  unter  die  Zeit  von  1100—1000  v. 
Chr.  herabgehen  dürfen.  Zu  einem  ähnlichen 
Schluss  führt  uns  aber  auch  der  Kunst-  und 
Culturcharakter,  wie  er  sich  in  den  Beigaben  der 
Todten  widerspiegelt..  Zwar  erinnern  einzelne 
Schmu ckgegenst&nde , wie  die  hölzernen  mit 
Gold  belegten  Knöpfe  des  4.  Grabes  in  merk- 
würdiger Weise  an  den  byzantinisch  - merowin- 
gischen  Stil  der  Fibeln  von  Nordendorf,  80  dass 
sogar  ein  englischer  Schriftsteller  den  ganzen 
Gräberfund  in  das  Mittelalter  herabrücken  wollte. 
Aber  von  solchen  vereinzelten  Stilähnlichkeiten 
darf  man  nicht  ausgehen,  man  muss  den  Totalein- 
druck und  den  Gesammtcharakter  seinen  Schlüssen 
zu  Grunde  legen,  und  da  kann  es  nicht  zweifel- 
haft sein,  dass  die  Mykenfter,  zur  Zeit  wo  sie 
ihre  Heroen  in  die  Gräber  der  Agora  legten,  auf 
einer  etwas  niederen  Stufo  der  Cultur  stunden, 
als  die  Zeitgenossen  Homers.  Insbesondere  kennt 
Homer  bereits  das  Eisen , das  sich  damals  schon 
mit  der  Bronzo  in  die  Herrschaft  zu  theilen  an- 
fing; in  Mykenä  findet  man  noch  kein  Eisen, 
die  zahlreichen  Waffen  und  Messer  sind  alle,  wenn 
nicht  von  Stein,  wie  die  Pfeilspitzen  eines  der 
Gräber,  von  Bronze.  Dazu  kommt,  dass  Homer 
seine  Helden  mit  Panzer,  Helmen,  Beinschienen 
und  Schilden  mit  ehernem  Buckel  ausrüstet , den 
Heroen  Mykenäs  aber  nur  Schwerter  mit  ins 
Grab  gegeben  wurden,  ein  untrügliches  Zeichen, 
dass  damals  jene  kunstvolleren  Tlieile  der  Rüstung 
noch  nicht  bekannt  waren.  Zwar  will  Schlie- 
mann  in  einem  Bande  No.  519  einen  Bein- 
schienhalter erkennen ; dn  dasselbe  aber  auch  zu 


anderem  Gebrauche  gedient  haben  kann  und  ab- 
solut keine  Spuren  von  Beinschienen  selbst  ge- 
funden wurden , so  werden  wir  eben  noch  vor 
jene  Zeit  versetzt,  in  der  Homer  dem  Agamemnon 
von  dem  kyprischen  Gastfreunde  einen  Helm  ge- 
schenkt werden  lässt.  Auf  der  anderen  Seite 
mahnen  uns  die  Gegenstände  von  Glas  und  Bern- 
stein, nicht  allzusehr  in  der  Zeit  hinaufzugehen. 
Zwar  Uber  die  Chronologie  des  Glases  scheint  man 
sich  noch  wenig  geeinigt  zu  haben,  aber  so  massen- 
hafte Fabrikate  von  Bernstein  — an  400  Kugeln 
fand  Schliemann  (s.  8.  283)  in  einem  Grab  — 
waren  doch  nicht  vor  der  Zeit  zu  erwarten  , wo 
die  Phönikier  mit  den  Bewohnern  des  Samlandes, 
sei  es  durch  die  Nordsee,  sei  es  durch  die  Hadria 
in  Verbindung  getreten  waren  ; diese  kann  aber 
nicht  wohl  vor  die  Zeit  der  Anlage  der  phöni- 
kischen  Colonien  in  Hesperien  um  das  Jahr  1200 
angesetzt  werden.  So  dürften  denn  die  Gräber 
Mykenäs  annähernd  in  die  Zeit  zwischen  1200 
bis  1000  gesetzt  werden  müssen.  Für  diese  ältere 
Zeit  haben  die  Entdeckungen  Schliem  anns  uns 
ganz  neue  Gesichtspunkte  eröffnet  ; durch  sie  ist 
die  Stellung  des  goldreichen  Mykenäs  uns  klar 
geworden,  durch  sie  tritt  Homer  in  neuem,  hellen 
Lichte  uns  entgegen.  Zwar  bleiben  noch  manche 
dunkle  Punkte  in  unsrer  Ken  nt n iss  der  Vorge- 
schichte von  Hellas  und  lässt  sich  von  weiteren 
Ausgrabungen  noch  die  Aufhellung  verbindender 
Brücken  erwarten ; aber  dankbar  geziemt  es  uns 
schon  jetzt  auf  unser  berühmtes  Ehrenmitglied 
Herrn  Sch lie mann  zurückzublicken,  dessen  En- 
thusiasmus und  dessen  aufopferungsvoller  Forscher- 
Sinn  die  Wissenschaften  der  Philologie  und  Ethno- 
graphie in  so  hervorragender  Weise  gefördert  hat. 

Farbe  der  Haare  und  der  Hant  bei  den  Alt« 
Griechen. 

Adamantius  (5.  Jahrh.  n.  Ohr.)  physign.  II,  24 
ei  di  riai  to  'KAXyviitdv  xai  *lwvix6v  yivog 
iqtvXdx&i}  xaikaQojg,  ovtoi  eiaiv  avraqiuog  ye- 
ydÄoi  ardpeg,  evQuteQOi,  dgiktoi,  ei’/iayetg,  Itv* 
xotegoi  T ij v ypoav,  £av\koi.  Zu  deutsch: 
wenn  welche  die  hellenische  und  jonische  Abstam- 
mung rein  bewahrt  haben,  so  sind  diese  gewiss 
grosse  Männer,  breite,  gradgewachsene,  starktuus- 
kelige,  von  weisslicher  Hautfarbe  und  blondom  Haar. 


Seit  September  1878  Ist  die  Redaktlou  des  Correspondenzblattes  nach  TlüneBieii,  Brlenner- 
Strasse  25,  znrUckTerlegt.  — Herr  Schatzmeister  lYeisniann  wird,  wie  bisher,  die  Zusendung  des  Cor- 
respondenzblattes  au  die  verehrt.  Zweigvereine  und  Uollrten  Mitglieder  mit  bekannter  Sorgfalt  fortführen. 
Reklamationen  einzelner  Nummern,  Zusendungen  der  Jahresbeiträge  bitte  ich  also  wie  bisher  an  Herrn 
Weidmann,  MQ neben,  Theatinerstrasse  36,  dagegen  Zusendungen  an  die  Redaktion  an  die  oben 

Adr*»»  tu  richten.  prof.  Dr  Johannes  Ranke,  Generalsekretär. 


Schluss  der  Redaktion  am  15.  Januar  1879.  — Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München. 


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Beilage  zu  Nr.  2 des  Corrcspondenz-Blattes  der  deutschen  Gesellschaft  für  Anthro- 
pologie, Ethnologie  und  Urgeschichte. 

Februar  1879. 


Die  anthropologische  Ausstellung  in  Moskau. 


In  Moskau  wird  auf  Anregung  der  dortigen 
Kaiserlichen  Gesellschaft  der  Liebhaber  der  Natur- 
kunde , der  Anthropologie  und  Ethnographie  im 
Sommer  des  Jahres  1879  mit  Allerhöchster  Ge- 
nehmigung unter  dom  Ehrenpräsidium  Seiner 
Kaiserlichen  Hoheit  des  Grossfürsten  Konstan- 
tin Nikolajewitsch  eine  anthropologische  Aus- 
stellung stattlinden.  Die  Moskauer  Gesellschaft 
der  Naturkunde  hat  zur  Organisation  der  Aus- 
stellung ein  Comite  unter  dem  Vorsitz  des  Herrn 
A.  Bogdanow,  Professor  der  Zoologie  an  der 
Universität  zu  Moskau,  ernannt.  Ausserdem  hat 
das  Comite  der  Ausstellung  in  verschiedenen 
Städten  des  russischen  Reiches  und  im  Auslande 
Bevollmächtigte  ernannt , welche  die  Interessen 
der  Ausstellung  wahrnehmen  sollen.  Bevollmäch- 
tigter des  Cornites  für  die  baltischen  Gouverne- 
ments ist  Dr.  Ludwig  Stieda,  ordentlicher 
Professor  der  Anatomie  an  der  Universität  zu 
Dorpat.  Auch  die  deutschen  Forscher, 
speciell  die  deutsche  anthropologische 
Gesellschaft,  sind  durch  ein  Schreiben 
des  Herrn  Professors  A.  Bogdanow  vom 
10.  Januar  1879  eingolndon,  sich  durch 
passende  Zusendungen  an  der  Ausstel- 
lung zu  betbeiligen.  Als  Endtermin 
für  die  Einsendungen  ist  für  die  Aus- 
steller aus  Deutschland  Mitte  April  1879 
festgesetzt  worden. 

Regeln 

für  die  von  der  Kaiserlichen  Moskauer 
Gesellschaft  der  Liebhaber  der  Natur- 
kunde, Anthropologie  und  Ethnogra- 
phie im  Jahre  1879  in  Moskau  zu  ver- 
anstaltende anthropologische  Aus- 
stellung. 

1.  Um  das  Publikum  mit.  den  Aufgaben 
der  Anthropologie  im  Allgemeinen , sowie  mit 
den  Aufgaben  der  Anthropologie  Russlands  im 
Spociellen  bekannt  zu  machen  und  um  in  Mos- 
kau ein  möglichst  vollständiges  anthropologisches 
Museum  zu  errichten,  findet  im  Sommer  des 
Jahres  1879  in  Moskau  eine  anthropologische 
Ausstellung  statt. 


2.  Zur  Ausstellung  werden  zugelassen: 

1)  Gegenstände,  welehe  sich  auf  die  Anthro- 
pologie der  jetzigen  Volksstämme  Russ- 
lands beziehen.  (Anthropologie  Russ- 
land s.) 

2)  Gegenstände,  welche  sich  auf  die  vorge- 
schichtlichen Volksstämme  Russlands  be- 
ziehen. (Prähistorische  Anthropo- 
logia.) 

3)  Gegenstände,  welche  sich  auf  dio  allgemeine 
Anthropologie  und  auf  dio  Systematik  der 
Volksstämme  beziehen.  (Allgemeine  An- 
thropologie). 

3.  Die  zur  Ansstellung  zugelassenen  Gegen- 
, stände  sind  in  folgende  Gruppen  zu  ordnen : 

1)  Abhandlungen  zur  Anthropologie , Ethno- 
graphie und  prähistorischen  Archäologie 
Russlands. 

2)  Karten  über  die  Verbreitung  der  Volks- 
Stämme  und  der  vorgeschichtlichen  Denk- 
mäler. 

3)  Photographien  einzelner  Rassen;  Ansichten 
von  LocalitUten,  welche  für  das  Lehen  der 
einzelnen  Völker  charakteristisch  sind ; Pho- 
tographien und  Zeichnungen  von  Kostümen, 
Hausgeräth , Wohnungen , wie  Sccnen  aus 
dem  Leben  früherer  und  noch  jetzt  leben- 
der Yolksstämme. 

4)  Büsten  und  plastischo  Nachahmungen  der 
verschiedenen  V olksstämme. 

! 5)  Modelle  von  Wohnungen  und  Kostümen 

von  Völkern  der  Vorzeit. 

6)  Gegenstände  des  häuslichen  Lebens , des 
Cultus  und  des  Gewerbes  von  Völkern  der 
Vorzeit. 

7)  Statistische  Tafeln  über  Geburten,  Sterblich- 
keit etc. 

8)  Modelle  von  Kurganen  und  Gräbern. 

9)  Gegenstände,  welche  in  alten  Gräbern  ge- 
funden sind  oder  welche  der  vorgeschicht- 
lichen Zeit  angehüren. 

; 10)  Geologische  Profile  und  Karten  solcher  Lo- 
caliäten,  welche  auf  die  vorgeschichtlichen 
Menschen  Bezug  haben.  Pläne,  Modelle  und 
Zeichnungen  von  Höhlen. 


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11)  Probestücke  derjenigen  Minerale,  aus  welchen 
der  vorgeschichtliche  Mensch  und  die  Ur- 
völker  ihre  Werkzeuge  anfertigten , und 
Karten  der  Verbreitung  jener. 

12)  Proben  von  solchen  Gewächsen  und  Pflanzen, 
welche  für  das  Leben  der  vorgeschichtlichen 
Völker  wichtig  waren. 

13)  Reste  derjenigen  Thiere,  welche  für  die 
Lebensweise  der  vorgeschichtlichen  VolkB- 
stämme  charakteristisch  sind.  Skelette  und 
Präparate  jetzt  lebender  Thiere,  welche  zum 
Vergleich  mit  den  ausgegrabenen  nöthig  sind. 

14)  Apparate  zu  anthropologischen  Untersuch- 
ungen. 

1 5)  Anatomische  Präparate  zum  vergleichenden 
Studium  der  Rassen;  anatomische  Präparate 
zum  Unterricht  und  zum  Studium  der  all- 
gemeinen Anthropologie. 

16)  Resultate  chemisch  - technischer  Untersuch- 
ungen von  Gegenständen  der  vorgeschicht- 
lichen Archäologie. 

17)  Lehrhilfsmittel,  um  beim  Vorträge  der  Geo- 
graphie und  Geschichte  in  den  mittleren 
und  niederen  Schulen  die  allgemeinen  Kennt- 
nisse von  den  Rassen  zu  erläutern. 

4.  Ein  besonderes  Comitd  überwacht  im 
Namen  der  Gesellschaft  die  Organisation  der 
Ausstellung. 

5.  Exponenten  können  sowohl  Russen  als 
auch  Ausländer  sein. 

6.  (Ueber  Anmeldung  und  Zusendung  der 
Ausstellungsobjecte  von  Seite  deutscher  Aus- 
steller cf.  vorne.) 

7.  Bei  der  Anmeldung  ist  anzugeben:  Vor- 
und  Familienname,  Beruf  und  Adresse  des  Ex- 
ponenten ; die  Zahl  der  zu  sendenden  Gegenstände 
mit  Bezeichnung  und  wo  möglich  auch  mit  einer 
Beschreibung  der  einzelnen  Gegenstände,  einer- 
lei ob  dio  Gegenstände  nur  zur  Ausstellung 
kommen  oder  dem  Museum  der  Gesellschaft  ge- 
schenkt werden. 

Ö.  Das  Comitö  hat  das  Recht,  die  einem 
Exponenten  gehörigen  Gegenstände  unter  die  ver- 
schiedenen Gruppen  der  Ausstellung  zu  vertheilen 
— zum  Zweck  der  Systematisirnng  und  Ueber- 
sichtlichkeit. 

9.  Nach  Schluss  der  Ausstellung  stellt  das 
Comitö  den  Exponenten  frei,  innerhalb  6 Woeben 
ihre  Gegenstände  zurückzunehmen ; nach  Ablauf 
dieser  Frist  werden  die  Gegenstände  Eigenthum 
der  Gesellschaft,  da  die  Dopots  des  Comitds  ge- 
schlossen werden  und  die  Thätigkeit  des  Comites 
aufhört. 

10.  Das  Comitö  ergreift  alle  Mittel  zum 


Schutz  der  Gegenstände,  aber  verantwortet  nur 
ftlr  den  Verlust  derjenigen,  welche  er  mit  be- 
sonderer Zustimmung  unter  seine  eigene  Ver- 
antwortung genommen  hat. 

1 1 . Die  Exponenten  haben  während  der 
ganzen  Dauer  der  Ausstellung  freien  Zutritt  in 
dieselbe. 

12.  Für  ausgezeichnete  Gegenstände  werden 
nach  dem  Urtheil  der  Experten  - Commission  be- 
sondere Preise  zuertheilt. 

13.  Die  Preise  bestehen  in  einem  Anerken- 
nungsschreiben, oder  in  Zeugnissen  zur  Erwerb- 
ung goldener,  silberner  und  bronzener  Medaillen. 

14.  Die  Exporten  - Commission  besteht  aus 
den  Gliedern  der  Gesellschaft  der  Liebhaber  der 
Naturkunde  und  der  Deputirten  anderer  gelehr- 
ten Gesellschaften.  — Das  Resultat  der  Exper- 
tise wird  gedruckt. 

15.  Das  Comitä  hat  in  Vollmacht  der  Ge- 
sellschaft das  Recht , für  Darbringungen  zum 
Besten  des  Museums  besondere  Zeugnisse  zu  Er- 
werbungen von  Medaillen  auszustellen ; doch  ist 
dabei  zu  bemerken , dass  die  Medaille  für  dar- 
gebrachte Geschenke  zuerkannt  worden  ist. 

16.  Da  die  Depots  des  Comitäs  erst  am 
1.  August  1878  geöffnet  werden  , so  wird  die 
frühere  Zusendung  von  Gegenständen,  welche  für 
die  Ausstellung  bestimmt  sind,  nicht  anders  als  mit 
besonderer  Zustimmung  des  Comitös  zugelassen. 

17.  Diejenigen  Exponenten,  welche  gesonnen 
sind,  die  von  ihnen  ausgestellten  Gegenstände  zu 
verkaufen , werden  ersucht , den  Preis  an  den 
Gegenständen  selbst  zu  vermerkon.  Im  Fall  des 
Verkaufes  übergibt  das  Comite  dem  Käufer 
einen  Schein  zum  Empfange  der  gekauften  Gegen- 
stände nach  Schluss  der  Ausstellung,  ebenso  dem 
Verkäufer  einen  Schein  zum  Empfang  der  Gelder, 
gleichfalls  nach  Schluss  der  Ausstellung. 

18.  Die  zur  Ausstellung  bestimmten  Gegen- 
stände sind  an  dio  Moskauer  Universität  an  die 
Adresso  des  Coraitös  der  anthropologischen 
Ausstellung  der  Gesellschaft  der  Lieb- 
haber der  Naturkunde  zu  schicken. 

19.  Nach  Schluss  der  Ausstellung  werden 
die  Gegenstände  entweder  den  Herren  Exponenten 
persönlich  oder  den  von  ihm  Bevollmächtigten 
in  Moskau  ausgeliefert,  wobei  der  vom  Comito 
ausgestellte  Empfangsschein  vorzuzeigen  ist. 

20.  Das  Comite  übernimmt  nicht  die  Rück- 
sendung der  ausgestellten  Gegenstände  nach 
Schluss  der  Ausstellung. 

2 1 . Das  Comite  behält  sich  das  Recht  vor, 
Modelle,  Photographien  oder  Copien  von  den 
ausgestellten  Gegenständen  anfertigen  zu  lassen. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Rtdigirt  t an  Professor  Dr.  Johanne*  Ranke  in  Mi Indien, 

Grneralucreiär  irr  GnM*eKafl. 


Nr.  8. 


Erscheint  jeden  Monat. 


März  1879. 


Ueber  Verbreitung  der  Steinbeile  aus 
Nephrit,  Jadeit  und  Chloromelanit, 
besonders  in  Europa. 

Von  Prof.  Dr.  H.  Fischer  in  Freiburg  (Baden). 

Die  exacte  mineralogische  Untersuchung  ar- 
chäologischer Objecto  gehört  bekanntlich  erst  der 
neuesten  Zeit  an.  Durch  meine  Studien  über 
Nephrit  war  ich  in  nähere  Correspondenz  mit 
Herrn  A.  Dämon  r,  Mitglied  der  Akademie  in 
Paris,  gekommen , dem  wir  die  correcte  Unter- 
scheidung der  Mineralien  Jadeit  und  Chlorome- 
lanit vom  Nephrit  verdanken  und  ich  hatte  von 
ihm  Mittheilnng  über  die  grosse  Verbreitung  der  j 
Jadeit-  und  Chloromelanit  - Beile  in  Frankreich 
erhalten.  Andererseits  waren  mir  selbst  auf  mein 
Ansuchen  von  nahezu  allen  deutschen,  österreichi- 
schen und  schweizerischen  mineralogischen  und  j 
archäologischen  Museen,  ebenso  von  verschiedenen  ( 
französischen  und  italienischen  Sammlungen  die  , 
polirten  Heile  gleichfalls  zur  Prüfung  zugegangen.  • 

Nach  der  Gewinnung  so  vieler  Erfahrungen 
schien  es  mir  nachgerade  an  der  Zeit,  in  Ge- 
meinschaft mit  Herrn  Da mour  dieses  Untersuch- 
ungsmaterial in  einer  geographischen  Zusammen- 
stellung zu  veröffentlichen,  um  daraus  einmal  die 
Verbreitungshezirke  dieser  aus  außereuropäischen  1 
Mineralien  — wie  es  bis  jetzt  scheint  — her-  \ 
gestellten  Beile  kennen  zu  lernen , und  ich  muss  1 
gestehen,  dass  ich  selbst  auf  das  Lebhafteste  dar- 
auf gespannt  war,  wie  sich  das  Resultat  dieser 
Zusammenstellung  einer  Reihe  ganz  unabhängiger 
Beobachtungen  durch  Aufträgen  auf  einer  Land- 
karte, wie  ich  mir  dies  privatim  herstellte,  ge- 
stalten würde. 

Corrnp.-BUtt  Nro.  S. 


Herr  Danton r ging  mit  grösster  Bereitwil- 
ligkeit auf  meinen  Vorschlag  ein,  seine  reichhal- 
tigen Beobachtungen  in  Verbindung  mit  den  »ei- 
nigen in  einem  Aufsatz  in  der  Revue  archeoio- 
gique  •)  zu  publiciren  und  er  hatte  auch  die  Ge- 
fälligkeit , die  schliesslich#  Redaction  und  Ver- 
schmelzung unserer  beiderseitigen  Erfahrungen  zu 
übernehmen , was  ihm  in  sehr  zweckdienlicher 
Weise  gelungen  ist.  — Von  der  Beigabe  einer 
Karte,  welche  die  Kosten  der  Publication  erheb- 
lich vermehrt  hätte,  wurde  abgesehen  und  es  je- 
dem einzelnen  Leser  überlassen,  sich  die  Einträge 
auf  einer  entsprechenden  Karte  selbst  zu  be- 
sorgen. 

In  dieser  Zeitschrift  nun  möchte  ich  vorerst 
die  Hauptresultate  jener  unserer  Abhandlung  zu- 
sammenfassen  und  dabei  einige  Fragen  erörtern, 
welche  sich  für  jeden  Tieferdenkenden  an  jene  Er- 
gebnisse anschliessend*). 

Vor  Allem  müssen  wir  uns  natürlich  vor 
Augen  halten , dass  in  dieser  oder  jener  Samm- 
lung noch  irgendwelche  uns  unbekannt  gebliebene 


*)  Notice  sar  la  distribution  geographiqae  des  haches 
et  autres  objeta  prdhistoriquee  en  Jade  Nephrite  et  es 
Jadeite.  R*»vae  arcbtologique.  Nouvelle  terie.  19«  annee. 
VII.  Joillet  1878.  pag.  12—82.  (SeparatabzQge  pag. 

1—28). 

**)  Nachdem  ich  mir  aber  doch  einmal  die  Mühe 
genommen  habe,  alle  im  französischen  Text  genannten, 
sowie  dio  nach  .der  Pablication  der  Abhandlang  noch 
hintugekommenen  Fundorte  aufzusuchen  und  auf  meiner 
Karte  aufzutragen,  so  bin  ich  auf  Verlangen  erbötig, 
für  die  zu  fertigende  prähistorische -Karte  Deutschlands 
etc.  auf  einem  mir  zu  Gebote  zu  stellenden  Exemplar  einer 
grossen  Karte  dieselben  selbst  einzutragen  und  der  an- 
thropologischen Gesellschaft  dieselbe  wieder  zu  ihren 
Acten  zurückzustellen. 

3 


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18 


Heile  aas  den  genannten  Mineralien  vorliegen 
mögen.  Allein  da  ich,  abgesehen  von  den  oben- 
genannten Museen , auch  noch  aus  einer  Reihe 
fürstlicher  und  Privatsommlungen,  ferner  aus  dem 
märkischen  Museum  zu  Berlin , welches  gewisse 
Gegenden  Norddeutschlands  zu  ropräsentiren  ver- 
mag , grosse  Sendungen  von  Beilen  zur  Unter- 
suchung erhalten  habe,  so  möchte  es  doch  zu 
bezweifeln  sein,  ob  weitere  Zusendungen,  die  eben 
durch  diesen  Aufsatz  gerade  noch  hervorgerufen 
werden  könnten , und  zu  deren  Erledigung  ich 
— soferne  die  Besitzer  Hin-  und  Rückfracht  tragen 
und  sich  dabei  auf  polirte  Beile  beschränken  — 
bereit  wäre,  ein  wesentlich  anderes  Resultat  her- 
beizuführen vermöchten. 

Abgesehen  von  jener  unvermeidlichen  Unvoll- 
kommenheit unserer  Zusammenstellung  wird  es 
also  gestattet  sein , gewisse  vorsichtige  Schlüsse 
aus  den  letzteren  zu  ziehen.  Vor  Allem  musste 
es  sich  herausstellen,  ob  gewisse  Länder  Europas 
bei  der  Ausstreuung  solcher  exotischer*)  Beile 
ganz  leer  ausgingen  und  dies  scheint,  soweit  un- 
sere Erfahrungen  reichen , mit  England , Schott- 
land, Irland,  Schweden,  Norwegen,  mit  dem  nord- 
östlichen und  östlichen  Deutschland  und  Oester- 
reich (ausgenommen  Illyrien  und  vielleicht  Mähren) 
der  Fall  zu  sein** ***)). 

Fenier  musste  es  sich  aus  weisen,  ob  die  Beile 
aus  Nephrit  einerseits  und  die  Beile  aus  Ja- 
deit und  Chloromelanit  andererseits  (welch’ 
letztere  beide  in  der  Substanz  unter  sich  fast 
genau  übercinstimmen  und  vielleicht  irgendwo  auf 
der  Erde  auch  mit  einander  Vorkommen  *•*)  eine 
gleichmütige  Verbreitung  in  Europa  zeigen  oder 
nicht  und  da  hat  sich  nun  das  höchst  über- 
raschende Resultat  herausgestellt , dass  mir  Ne- 

*)  Man  erlaube  mir  diesen  kurzen,  wenn  auch  noch 
nicht  bis  aufs  Acusserate  verbürgten  Ausdruck. 

•*)  Von  Spanien  habe  ich  ent  unverbürgte  Nach- 
richten, aus  Portugal,  wohin  sich  meine  Cor  respondenz 
überhaupt  noch  nicht  erstreckt,  noch  gar  keine;  aus 
Dänemark  konnte  ich  auf  zwei  Anfragen  an  Fachleute 
nicht  einmal  eine  Antwort  erlangen.  Aus  Polen  wer- 
den viele  Nephritbeile  verzeichnet,  es  kann  jedoch  ohne 
Autopsie  nicht  auf  sichere  Diagnose  gerechnet  werden. 
Dasselbe  gilt  bezüglich  Grossbritanniens,  daEvans 
in  seinen  Angaben  über  etwaige  Jadeit-  und  Nephrit- 
Beile  immer  nur  die  Ausdrücke  „ähnlich,  vielleicht  über- 
einstimmend mit  Jade“  u.  s.  w.  braucht  und  jede  Ge- 
währ für  eine  correcte  Diagnose  fehlt. 

***)  Dafür,  dass  das  Letztere  möglich  wäre,  spricht 
specicll  der  Umstand,  dass  ich  in  dem  Jadeit  eines 
schönen  mexicanischcn  Beils  (aus  der  Sammlung  des 
Herrn  Hermann  Strebei  in  Hamburg)  und  in  dem 
Chloromelanit  einer  mexicaniscben  Figur  (Nr.  268; 
sp.  G.  8.  8-5)  aus  dem  Wiener  Museum  dieselben 
schwarzen,  feinen,  stängeligen  Gebilde  (Turmalin?)  ein- 
gewachsen fand. 


' phrit-Beile  nur  aus  folgenden  Gegenden  bekannt 
wurden : aus  Südit  alien  (Calabrien , von  wo 
| sie  mir  durch  den  unermüdlich  eifrigen  Forscher, 
Herrn  Professor  Dr.  Lovisato  in  Catanzaro 
I zur  Ansicht  gesandt  wurden*),  aus  den  Pfahl- 
j bauten  der  Schweiz  und  des  Bodensees,  des 
Starnberger  Sees  nächst  München  und  aus 
j dem  Erdreich  von  Blansingen  (zwischen  Frei- 
burg und  Basel,  also  fern  von  Pfahlbauten)**), 
i Es  ist  hiemit  die  nördliche  Grenze  für  die  Nephrit- 
. Beile  in  Europa  zufolge  der  bisherigen  Ermitte- 
lungen schon  mit  dem  48-  bis  49.  Grade  n.  Br. 

; erreicht ; die  östlichen,  westlichen  und  südlichen 
| Grenzen  ergeben  sich  aus  dem  oben  Gesagten  von 
I selbst.  Dagegen  ist  Herrn  D a m o u r aus  ganz 
Frankreich , dessen  Bearbeitung  er  Übernommen 
hatte  und  welches  an  Jadeit-  und  Chloromelanit- 
Beilen  überaus  reich  ist,  erst  ein  einziges  Nephrit(?)- 
Beil,  von  Farbe  grün  und  Bchwnrz,  (aus  der  Gegend 
von  Reims)  und  zwar  in  allerjüngster  Zeit  be- 
kannt geworden,  bezüglich  dessen  er  die  Gefällig- 
keit hatte,  mir  folgende  Resultate  seiner  speziellen 
Erkundigungen  und  Untersuchungen  zugehen  zu 
lassen. 

Der  Besitzer  dieses  Beiles , Herr  Auguste 
Nicaise  in  Chalons  sur  Marne,  hat  dasselbe 
I zwar  nicht  selbst  gefunden , sondern  von  einem 

*)  Freih.  Ferd.  v.  Andrian  (präbist.  Stadien  aas 
Sicilien.  Berlin  1878,  pag.  78;  Zeitscbr.  d.  ethnogr. 
Gesellscb.  zu  Berlin)  führt  auch  aus  dem  genannten 
Lande  verschiedene  Nephritbeile  (theils  seiner  eigenen 
Sammlung,  theils  jener  des  Baron  Mandralisca  in 
Cefala  and  der  Universität  Palermo  angehörig)  an,  über 
welche  ich  jedoch  nicht  aas  Autopsie  berichten  kann 
Da  ich  jedoch  solche  aus  Calabrien  selbst  sah , so  liegt 
es  nahe,  dass  auch  in  Sicilien  etliche  gefunden  wurden ; 
doch  wäre  ihre  nähere  mineralogische  Bestimmung,  oh 
sich  darunter  etwa  auch  Jadeite  fänden,  natürlich  recht 
erwünscht. 

**)  Gerade  beim  Abschluss  des  Manuscripts  erhalte 
ich  durch  die  Gefälligkeit  unseres  Herrn  Generalsecretärs 
Prof.  Job.  Ranke  ein  angeblich  in  der  Gegend  von 
Nördlingen  gefundenes  Meisselchen  zur  Ansicht  ein- 
gesandt,  welches  in  der  Substanz  und  Form  genau  mit 
einer  gewissen  Schaar  von  Meissein  übereinstimmt,  wie 
| sie  mir  sonst  aus  der  Gegend  der  Schweizerseen  and 
vom  Bodensee  bekannt  sind.  Es  ist  deren  Masse  schmutzig 
grau-grün  bis  rostbraun  (vgl.  mein  Nephritwerk  Cbro- 
molith.  Tafel  I,  Fig.  7.  8),  mehr  oder  weniger  deutlich 
j blätterig,  an  der  Schneidekante  (welche  bei  diesen  Meissein 
j allerdings  niemals  dünn  zugeschärft  ist)  nicht  wie  bei 
anderen  Nephriten  schon  bei  Tageslicht,  sondern  nur  bei 
Lampenlicht  und  selbst  hier  oft  nur  noch  kaum  merklich 
durchscheinend.  Man  könnte  bei  dem  Anblick  dieses 
Minerals  zunächst  mehr  an  ein  Nebengestein  des  Nephrits 
denken,  allein  es  ist  im  Dünnschliff  homogen  wie  dieser, 
stimmt  mit  ihm  sowohl  im  speciüschen  Gewicht  (ge- 
wöhnlich 8,0—  8,1)  überein,  als  auch  im  Analysen  - Re- 
sultat, worüber  die  Angaben  von  dem  nunmehr  ver- 
storbenen L.  R.  v.  Fellen  b erg  - Ri  vier  (vgl.  mein 
Nephritwerk  pag.  24-5)  nachzusehen  sind. 


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19 


Antiquitätenhändler  in  Keims  gekauft , jedoch, 
auch  nach  Ansicht  des  hierin  sehr  vorsichtigen 
Besitzers,  unter  Angaben  des  Verkäufers,  welche 
nicht  bloss  für  die  Wahrheitsliebe  des  letzteren 
sprechen,  sondern  hier  sogar  ausdrückliche  Er- 
wähnung verdienen.  Das  fragliche  Beil  sei  näm- 
lich zusammen  mit  vier  anderen  (worunter  ein 
Petro-Silex-Instrument*)  durch  einen  Arbeiter  im 
Boden  in  einem  Topf  aus  grober  Erde  aufgefun- 
den worden,  welch’  letzteren  derselbe  zerschlagen 
hatte,  weil  er  ihm  weder  Interesse  noch  Werth 
zu  haben  schien. 

Vermöge  der  Liberalität  des  Besitzers  war  e« 
Herrn  Damoar  vergönnt,  ausser  der  Bestimm- 
ung des  specifischen  Gewichts,  welches  3,01  er- 
gab, des  Löthrohrverhaltens  und  der  Feststellung 
der  äusseren  Aehnlichkeit  mit  Nephrit  (speciell 
mit  den  in  der  Schweiz  gefundenen  Nephritbeilen 
von  fettigem  Atlasglanz)  auch  ein  Fragment  für 
eine  qualitative  Analyse  abzulösen,  welche  gleich- 
falls für  Nephrit  und  zwar  für  eine  verhält- 
nissmässig  magnesiareiche  Varietät  zu  sprechen  j 
schien. 

Es  kann  in  uns  nun  der  Gedanke  wachge-  | 
rufen  werden,  ob  die  Nephrit -Beile  etwa  durch  | 
ganz  andere  Völkerzüge  nach  Europa  gekommen  j 
seien , als  die  Jadeit-  und  Chloromelanit  - Beile, 
oder  ob  für  ihre  geringere  Verbreitung  irgend  j 
ein  anderer  Grund  vprliege.  Ferner  fragt  es  j 
sich  auch,  ob  das  Material  für  die  Nephrit-  i 
Beile  aus  anderen  aussereuropäischen  Gegen- 
den stamme,  als  jenes  der  Jadeit-  und  Chloro- 
melanit-Beile.  Es  sind  dies  Alles  Fragen,  welche 
früher  gar  nie  hatten  auftaueben  können,  bevor  j 
eine  derartige  Zusammenstellung  über  die  Ver-  j 
breitung  dieser  Beile  existirte  und  bevor  über-  | 
haupt  die  Mineralogie  angefangen  hatte,  bei  dem  | 
Capitol  über  vorgeschichtliche  Völkerwanderungen  ' 
gleichfalls  mitzusprechen. 

Ich  bemerke  hiebei,  dass  ich  mich  trotz  meiner 
eingehenden  vergleichenden  Untersuchungen  einer- 
seits aller  bekannten  rohen  Nephrit  Vorkomm- 
nisse (wofür  ich  unter  Anderom  eigene  Sendungen 
direct  aus  China  bezog)  und  andererseits  der  in 
Europa  gefundenen  Nephritbeile  noch  nicht  ganz  : 
fest  entscheiden  konnte,  von  welcher  Gegend  ich  | 
letztere  ableiten  soll.  Wenn  ich  mich  früher**)  dahin  j 
aus8prnch,  dass  man  sich  Angesichts  dieser  Beile  j 
mehrfach  an  neuseeländischen  Nephrit  erinnert  | 
fühle,  so  konnte  es  mir  desshalb  doch  nicht  ein- 


•) Ein  grosse*  beiderseits  zogespitztes  Hammer- 
beil  (?)  mit  gesägten  Rändern,  welche  Form  Herr  v.  M or- 
tillet  der  Epoche  der  „pierre  polle“  zuzähle. 

•*)  Nephritwerk  pag.  391. 


fallen,  diese  Beile  als  in  vorhistorischer  Zeit  aus 
Neuseeland  zu  uns  gerathene  Objecte  zu  be- 
trachten. 

Den  ganz  vereinzelt  in  Schwemsal  (bei  Düben 
unweit  Leipzig)  schon  am  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts in  der  Erde  gefundenen  losen  Nephrit- 
block habe  ich  schon  in  meinem  Nephritwerk 
pag.  253  als  am  meisten  mit  Nephrit  von  Batugol 
bei  Irkutsk  in  Sibirien  übereinstimmend  bezeich- 
net ; wie  er  dahin  gekommen  sein  mag , Ist  bis 
heute  noch  nicht  aufgeklärt.  Es  sind  mir  nun 
in  neuerer  Zeit  durch  die  gütige  Vermittlung  des 
Herrn  Prof.  v.  Beck,  Director  des  mineralogi- 
schen Museums  an  der  kais.  Bergschule  in  Peters- 
burg immer  noch  mehr  sibirische  rohe  Nephrite 
zur  Untersuchung  eingesandt  worden,  angesichts 
deren  ich  es  allmälig  für  möglich  (mehr  will 
ich  noch  nicht  sagen)  erachten  kann , dass  das 
Material  für  die  in  Europa  Vorgefundenen  Nephrit- 
Beile  aus  Sibirien  stamme,  ähnlich  wie  auch 
Beile  und  bohrerähnliche  längliche  Stäbe  aus 
(höchst  wahrscheinlich)  sibirischem  Nephrit  bis 
nach  den  Aleuten  - Inseln  zwischen  Asien  und 
Amerika  und  biB  zura  Mackenzie-Fluss  in  Nord- 
amerika selbst  verschleppt  wurden.  (An  einzelnen 
Nephritbeilchen  der  schweizerischen  Pfahlbauten 
entdeckte  ich  bei  Betrachtung  mit  scharfer  Lupe 
eine  Überaus  feine,  gleichsam  wellenförmige 
Kräuselung  der  Oberflächo,  die  nur  da  fehlt, 
wo  die  Politur,  deren  Resultate  sich  gleichfalls 
unter  der  Lupe  in  den  nach  verschiedenen  Richt- 
ungen gehenden  Streiten  verrathen , diese  ge- 
kräuselte Beschaffenheit  beseitigen  musste.  Es 
weist  dieser  Fund  darauf  hin,  dass  die  betreffen- 
den zu  Beilehen  verarbeiteten  Nephrite  als  Ge- 
rölle  aufgelesen  wurden  und  ich  beobachtete  die- 
selbe Oberflächen  - Beschaffenheit  kürzlich  genau 
ebenso  an  zwei  einer  Sendung  des  Herrn  Apo- 
theker Lein  er  in  Konstanz  angehörigen  Belieben 
aus  einem  ganz  andern  (nämlich  fibrolithähnlichen) 
Mineral.  Das  Zustandekommen  dieser  Kräuselung 
(ob  wohl  primär?)  kann  ich  mir  übrigens  noch 
nicht  recht  erklären. 

Bezüglich  der  in  Europa  ungemein  viel  weiter 
verbreiteten  und  auch  in  viel  grösserem  Caliber 
auftretenden  Jadeit-  und  Cliloromelanit- 
Beile  ist  es  nuu  nicht  weniger  überraschend,  dass 
sie  sich  von  Süditalien  (üalabrien)  aus  nörd- 
lich weiter  hinauf  bis  Piemont  und  quer 
durch  Italien  und  angrenzende  Länder  in 
vereinzelten  Exemplaren  von  M e n i o n e Uber 
Pavia,  Roveredo  (Sudtirol),  Cividale,  Laib- 
ach bis  Spa  lato  (Dalmatien)  verfolgen  lassen; 
dann  finden  wir  sie  ferner  in  der  Schweiz  vom 

3* 


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20 


Bieler-  und  N euc  h ateler-  bis  zum  Bo- 
de nsee*)  und  bis  Basel  (?). 

Wohl  meist  ohne  Beziehung  zu  Torfmooren 
oder  dgl.  finden  wir  dann  diese  Beile  in  Deutsch- 
lnnd  vom  Eisass,  Baden,  Würtemberg, 
Rheinbaiern,  Rheinhessen,  Rheinprcussen, 
Hessen -Darm stadt,  Nassau,  Westplialen 
bis  nach  Oldenburg,  Höxter  und  Erfurt; 
(weiter  in  Nord  - und  Ostdeutschland , Baiern, 
Oesterreich  ist  mir  nichts  bekannt  geworden  **). 
Andererseits  sind  als  Fundstätten  zu  nennen : in 
Frankreich  44  Departements  mit  über  100 
Localitäten  und  einige  Stellen  in  Belgien.  Aus 
Holland  konnte  ich  noch  nichts  erfahren. 

Es  ist  nun  gewiss  eine  ganz  überraschende 
Erscheinung,  die  meines  Wissens  in  dem  ganzen 
mineralogischen  Bereiche  gar  kein  Seitenstüek 
hat,  dass  wir  in  Europa  Beile  aus  Jadeit  und 
Chloromelanit  bis  zu  25  und  29  cm  Länge 
und  von  337  , ja  von  1007  gr.  Gewicht  nebst 
einer  ungemein  bedeutenden  Anzahl  kleinerer  Ja- 
deit- und  einer  massigen  Anzahl  kleinerer  Chlo- 
romelanit-Beile  aufzuweisen  haben,  während  man 
vom  rohen  Jadeit  bis  jetzt  nur  Fundorte  im 
fernen  Asien  (südwestliche  Provinz  Yunnan  in 
China  und  Tliibet)  kennt,  deren  Material  aber 
mit  demjenigen  der  genannten  Jadeit  - Beile  im 
Aeussern  nicht  ühemnstimint,  vom  rohen  Chlo- 
romelanit aber  ist  absolut  auf  der  ganzen 
Erde  noch  gar  kein  Fundort  bekannt. 

Da  Jadeit  und  Chloromelanit  wohlverstanden 
keine  Minerulgemenge , sondern  einfache  Mi- 
ner allen  sind,  so  weisen  die  oben  angegebenen 
Maosse  und  Gewichte  von  Beilen  auf  so  gross- 
artige Vorkommnisse  derselben  in  ihrer  (uns  vor- 
erst noch  unbekannten)  Heimat  hin.  wie  wir  solche 
unter  den  übrigen  kieselhaltigen  Mineralien  des 
sog.  kristallinischen  Gebirgs  (denn  in  diesem 
müssen  nach  aller  Analogie  dieselben  zu  Hause 
sein)  sonst  nur  etwa  z.  B.  für  Quarz.  Feldspath 
und  seihst  für  diese  nur  von  einzelnen  Fundorten 
kennen. 

Wenn  einige  Forscher  noch  bis  in  die  neu- 
este Zeit  geneigt  sind,  anzunehmon,  es  müsste  der 
Fundort  für  diese  Nephrite  u.  s.  w.  zuletzt  doch 
noch  in  Europa,  vor  Allem  in  den  Alpen  zu  er- 


*)  För  die  Schweiz  hat  schon  der  nunmehr  ver- 
storbene Prof.  v.  Fel lenberg-Ri vier  in  Bern  her- 
vorgehoben, dass  in  der  Westschweiz  die  Jadeit-  und 
Chloromelanit -Beile,  in  der  Ostschweiz  einschliesslich 
Bodensee  dagegen  die  Nepbritbeile  vorherrschen  und  ich 
kann  dies  aus  meinen  Erfahrungen  bestätigen. 

**)  Ein  in  Langendorf  (Mähren)  gefundene«  Beil 
ging  leider  verloren,  ohne  mineralogisch  bestimmt  tu 
sein  und  vou  Ungarn  u.  s.  w.  iat  nichts  Sicheres  be- 
kannt. 


! gründen  sein,  so  kann  ich  meinerseits  dieser  Idee 
nicht  beipfliehten  *). 

Ich  frage  einfach:  .Sollten  die  prähistorischen 
Bewohner  Europas  in  dem  noch  mit  Urwald  be- 
deckten Alpengobirge  das  mineralogische  Material 
einerseits  für  Beile  von  1 — 2 Schuh  Länge  und 
andererseits  für  die  vielen  hundert  kleineren  in 
den  oben  angeführten  Ländern  entdeckten  Beile, 
Meissei  u.  s.  w.  zu  ergründen  gewusst  und  dies© 
grossartigen  Vorkommnisse  zugleich  so  voll- 
ständig ausgebeutet  haben,  dass  die  heu- 
tigen Mineralogen  in  den  gleichen  Gegenden  trotz 
eifrigsten  Nachsuchens  nicht  mehr  ein  einziges, 
auch  nur  nagolgrosses  Stück  auch  nur  eines 
dieser  drei  bewussten  Mineralien  aufzufinden  ver- 
möchten? Und  ich  frage  weiter:  Sollten  die  bis 
i nach  S ü d i t a 1 i e n hinunter  gefundenen  ent- 
sprechenden Beile,  ferner  vollends  die  in  unserer 
I Zusammenstellung  aufgeführten  höchst  wuchtigen 
und  wohl  constat  irten  Chloromelanit  - Beile  aus 
i Mexiko  und  Atacama  (Chile),  endlich  die 
Ägyptischen  Chloromelanit .-Scarabäen  des  Wie- 
I ner-  und  Wiesbadener  Museums  ihr  Material  etwa 
I gleichfalls  den  Alpen  verdanken  können? 

Nach  allen  Erfahrungen , die  sich  mir  jetzt 
in  diesem  Betreif  an  die  Durchforschung  so  vieler 
europäischer  Museen  knüpfen , will  es  mir  am 
allerehesten  scheinen , als  ob  das  Material  für 
; diese  Jadeit-  und  Chloromelanit  - Beile  und  Sca- 
rabäen aus  mineralogisch  noch  gar  nicht  oder 
ganz  wenig  durchforschten  Ländern,  z.  B.  ge- 
wissen Theilen  Afrikas,  Asiens  herstamme,  und 
| wenn  man  auch  nach  Jahrzehnte  lang  fortgesetzten 
Forschungen  nichts  davon  finden  sollte,  so  möchte 
I ich  fast  noch  lieber  meine  Zuflucht  zu  jetzt  men- 
schenleeren Erdstrecken  oder  dergleichen  nehmen, 
i als  zu  den  Alpen. 

Ich  muss  offen  gestehen,  dass  mir  die  Lösung 
j dieses  Räthsels,  die  jetzt  wohl  auf  einem  ganz 
I zufälligen  Funde  in  fernen  Erdtheilen  beruhen 
könnte,  bald  nicht  weniger  wichtig  erscheint,  als 
I manche  Capitol  im  Bereiche  der  Sprachen  Verwandt- 
schaft oder  der  Abstammung  der  domesticirten 
Tliiere  aus  dieser  oder  jener  Urheimat. 

Dieses  Itäthsel  complicirt  sich  aber  — we- 
nigstens für  unsere  heutigen  Kenntnisse  — durch 
anderweitige  Beobachtungen  immer  noch  mehr, 
j Die  Auffindung  von  Jadeit-  und  Chlorome- 
: lanit -Beilen  knüpft  sich  nämlich,  wie  z.  B.  Lin- 


*)  Auch  noch  nicht  Angesichts  der  von  Herrn  Apo- 
theker Leine  r in  Konstanz  mit  grösster  Sorgfalt  aus- 
gebeateten  Fundstätte  reichlicher  kleiner  hübscher  Ne- 
phritbeile and  zugehöriger  Splitter  nebst  vereinzelten 
: Jadeit-  und  Chlororaelanit  - lieilchen  in  der  Station 
| 31  au  rach  bei  Uebcrlingcn  am  Bodensee. 


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21 


denscbmit  und  Schaaffhausen  längst  ge- 
zeigt haben,  vielfach  an  römische  Niederlassungen, 
an  Funde  römischer  Alterthttmer,  so  z.  B.  in  den 
Rheingegenden  (Gonsenheim  bei  Mainz,  Wesse- 
lingen bei  Bonn)  u.  s.  w.  Der  Ledergurt,  in 
welchem  die  fünf  Gnnseuheimer  Beile  noch  in 
ihrer  ursprünglichen  Anordnung  (vgl.  mein  Ne- 
phritwerk pag.  285,  370)  lagen,  wird  wohl  schwer- 
lich in  Jahrtausende  zurückreichen. 

Wenn  man  aber  annehmen  will,  es  seien  diese 
Beile  als  heilige  Steine  (vgl.  mein  Nephrit- 
werk pag.  28*1  tT.)  für  Cultuszwecke  durch  die 
Römer  verbreitet  worden , so  sollten  sich  deren 
doch  z.  B.  in  England  gleichfalls  finden. 

Es  könnte  allerdings  die  vorherrschende  Ver- 
breitung dieser  Beile  in  Frankreich,  dann  in  den 
Rheingegenden,  der  Schweiz  und  Italien  für  Ver- 
breitung durch  die  Römer  zu  sprechen  scheinen, 
dann  sollten  sie  aber  auch  in  Italien  wohl  heu- 
tiger sein,  als  es  nach  jetziger  Kenntnis«  der  Fall 
ist,  und  vor  Allem  häufiger,  als  in  Frankreich ; 
in  letzterem  Lande  sind  die  Einträge  auf  meiner 
Karte  nach  Daxnour’s  Angaben  auf  dem  öst- 
lichen Theile  bei  weitem  reichlicher,  als  im  west- 
lichen, wobei  möglicherweise  freilich  auch  das  re- 
lative Interesse  der  Bevölkerung  für  diese  Alter- 
thumsreste mit  im  Spiele  sein  könnte. 

Die  weitere  Frage  wäre  aber  dann : Lesen 
wir  etwas  bei  den  römischen  Autoren  von  der 
H er  k u n ft  solcher  fremder  heiliger  Steine  (po- 
lirter  Beile)  und  welches  war  für  sie  die  Bezugs- 
quelle ? 

Welches  war  ferner  der  Ausgangspunkt  ftlr 
die  Chioromelanit  - Scarabäen  Aegyptens  und  fllr 
die  Chioromelanit  - Beile  von  Mexiko  und  Chili  ? 
Haben  wir  hiebei  etwa  wenigstens  für  Europa 
an  die  Etrusker  zu  denken  ? 

Mit  diesen  Fragen  will  ich  meine  heutigen 
Erörterungen  ach li essen , indem  ich  zugleich  den 
Wunsch  auadrücke , es  möchten  die  von  uns  im 
Obigen  uiedergelegten  statistischen  Angaben  An- 
lass zu  weiteren  Forschungen  in  diesem  Bereiche 
geben. 

Nachtrag. 

Nach  Absendung  des  Munuscriptes  konnte  ich 
noch  folgende  Ermittlungen  machen. 

Erstlich  wurde  mir  das  Werk  von  John  Evans: 
Aneient.  Stone  iinplements  etc.  of  Great  Britain. 
London  1872.  with  476  Woodcut-illust  unter- 
dessen zugänglich  und  daraus  entnehme  ich,  dass 
sich  vielleicht  doch  in  England  und  Schottland 
solche  exotische  Beile  finden. 

Tag.  96.  a.  a.  0.  ist  ein  ausgezeichnet  glatt 
polirtes  Beil  beschrieben  und  in  Fig.  52  pag.  98 


abgebildet,  von  fleckiger  blassgrüner  Farbe,  an- 
geblich aus  sehr  hartem  „Diorit“  bestehend. 
Die  an  der  Basis  ganz  spitze  Form , die  feine 
Politur,  die  besonders  hervorgehobene  Härte  wie 
auch  die  Farbe  könnten  auf  Jadeit  hinweisen; 
leider  fehlen  hei  Evans  überall  Angaben  des 
spezifischen  Gewichts.  Das  betreffende  Beil  stammt 
I aus  Bur  well  Fon,  Cambridge-shire, 
England. 

Pag.  97  wird  aus  der  Sammlung  von  Mr. 
Flower  ein  von  Daviot,  Inverness,  Ost- 
: Schottland  (circa  2U  30'  W.  B.,  N.  W.  Aber- 
1 deen)  stammendes  noch  etwas  grösseres  Beil  von 
I gleichem  Charakter  und  ähnlicher,  „mit  Jadeit 
übereinstimmender-  Substanz  angeführt,  was  spe- 
| ciell  darauf  hinweisen  könnte,  dass  auch  das  eret- 
i erwähnte  eben  keinDiorit  (wofür  auch  die  blass- 
I grüne  Farbe  gar  nicht  spräche),  sondern  Jadeit  sei. 

Im  Truro-Museum  soll  sich  ein  drittes  aus 
der  Gegend  von  Falmouth,  Cornwall  stam- 
mendes Beil  ähnlicher  Art  befinden. 

Pag.  98  ist  ein  der  Sammlung  des  Mr.  Lncas 
angehöriges  Beil  von  Brierlow  Buxton, 
Derbys  hire  besprochen,  welches  bei  etwas  un- 
symmetrischem Umriss  ein  grünliches  „Jade  ähn- 
liches“ Aussehen  besitze,  jedoch  so  faserig  er- 
scheine, dass  man  an  Fibrolith  denken  könne. 

Aus  Fibrolith  gearbeitete  Beile  kennt  man 
zwar  von  Italien,  Spanien  und  Frankreich,  allein 
; erstlich  pflegt  meines  Erinnern«  derselbe  kaum 
i grünlich  aufzutreten,  zweitens  macht  sich  bei  ge- 
wissen Jadeit  Varietäten  die  Fasertextur  auch  durch 
den  Schliff  hindurch  (vollends  unter  der  Lupe 
und  bei  Befeuchtung)  noch  viel  entschiedener 
geltend , als  bei  Fibrolith , aber  immerhin  in 
anderer  Weise;  bei  Jadeit  erkennt  man  deutlich 
die  einzelnen,  glänzenden,  nach  den  verschie- 
densten Richtungen  sich  kreuzenden  Fasern  von 
einiger  Breite,  während  die  letztem  beim  Fibro- 
lith weit  feiner  und  in  eigenthümlieh  sanfter 
Weise  glänzend  und  geschwungen  erscheinen.  Die 
Angabe  des  spezifischen  Gewicht«,  welches  hei 
Fibrolith  zwischen  3,134  und  3,186,  bei  Jadeit 
zwischen  [3,2];  3,32  und  3,35  schwankt,  würde 
wohl  Aufschluss  geben,  welcher  jedenfalls  (gleich- 
viel ob  für  Fibrolith  oder  für  Jadeit  sprechend) 
von  archäologischem  Interesse  wäre. 

Pag. 98  ist  ein  in  Cornwall  gefundenes,  jetzt 
im  antiquar.  Museum  zu  Edinburg  befindliches 
11S;4  Zoll  langes.  4 Zoll  breites  Beil  aus  „Jadeit 
ähnlicher“  Substanz  aufgeführt  und  pag.  99  berührt 
Evans  ein  aus  „Jade  ähnlichem-  Material  ge- 
arbeitetes Beil  von  3 */*  Zoll  Länge  von  Burwell 
Fen,  Cambridge -shiro,  also  gerade  wieder  aus 
derselben  Gegend,  woher  das  oben  schon  be- 


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22 


sprochene  als  möglicherweise  aus  Chlorömelanit 
bestehend  erachtete  Beil  stammt;  pag.  118  end- 
lich ist  ein  aus  lichtgrünem,  Nephrit -ähnlichem 
Stein  hergestelltes  Beil  aus  Caithness,  Nordschott- 
land, (jet/t  im  Edinburger  Museum)  genannt  und 
Fig.  75  abgebildet. 

Alle  diese  Suppositionen  als  richtig  ange- 
nommen, würden  sich  solche  exotische  Beile  dem- 
nach in  Grossbritannien  vom  50 • bis  über 
den  58  u n.  B.  (d.  h.  von  Cornwall,  Derbyshire, 
Cambridgeshire  bis  Caithness)  erstrecken.  Ich  habe 
mich  übrigens  bezüglich  näherer  Informationen 
wenigstens  über  das  spezifische  Gewicht  an  Herrn 
Evans  selbst  gewandt  und  harre  der  Antwort. 

Interessant  erschien  mir,  nebenbei  bemerkt, 
ferner  in  dem  Evans1  sehen  Werke  eino  Notiz 
pag.  103,  wonach  einige  3 — 4 Zoll  lange  Beile 
aus  „Jade“,  welche  Major  S laden  aus  Yunnan 
(südöstliche  Provinz  China's)  mitgebracht  habe, 
im  Christy-Museum  in  London  und  ein  weiteres 
aus  der  gleichen  Gegend  und  Quelle  stammendes 
solches  Beil  in  Evans'  Sammlung  selbst  liege. 
Ich  selbst  sah  weder  in  einem  Museum , noch 
in  einer  der  unzähligen  aus  fast  ganz  Europa  an 
mich  gelangten  Zusendungen  je  überhaupt  ein 
chinesisches  Steinbeil.  Hier  lügen  nun  mehrere 
aus  Yunnan  kommende  Beile  vor , welche  leicht 
aus  Jadeit  gearbeitet  sein  könnten,  da  ich  durch 
die  besondere  Güte  des  deutschen  ausserordent- 
lichen Gesandten  und  bevollmächtigten  Ministers 
für  China,  H.  v.  Brandt  in  Pecking  in  einer 
directen  Sendung  chinesischer  Mineralien,  welche 
mit  interessanten  Bemerkungen  des  Herrn  Dr.  von 
Müllendorf  in  Peking*)  begleitet  war,  auch 
rohen  weissliehen  Jadeit  aus  Yunnan  erhielt. 

Nach  Angabe  des  Herrn  von  Brandt  spielen 
in  China  die  Steinbeile  eine  Rolle  in  der  materia 
medica;  er  habe  bis  jetzt  noch  keine  selbst 
gesehen  und  man  möchte  annehmen , dass  wo 
solche  in  Apotheken  gekauft  werden , man  etwa 
mit  Fälschungen  zu  tbun  haben  könnte.  Uebrigens 
seien  in  chinesischen  Werken  zahlreiche  Notizen 
über  Steinwaffen  wie  auch  über  Jade  (chinesisch 
Yü)  zu  linden  und  der  Dolmetsch  der  deutschen 
Gesandtschaft,  Herr  Arendt,  einer  der  besten 
Sinologen,  sei  von  ihm  gebeten  worden,  die  inter- 
essantesten Stellen  für  mich  zusammenzutragen. 

Bezüglich  Hollands  (vgl.  oben  pag.  20),  von 
wo  nach  meinen  Kenntnissen  noch  olle  sicheren 
Notizen  wegen  Nephrit-,  Jadeit-  und  C’hlorome- 
lanit-Beilen  ausstehen , wandte  ich  mich  noch  an 
Herrn  Dr.  Le  ein  ans,  Director  des  kön.  niederl. 
Reichsmuseums  der  Altertliümer  etc.  in  Leiden, 


•)  Jetzt  Generalc^nsul  in  Tien-t»in  bei  Peking. 


welcher  mir  auch  seinerseits  erklärte,  bis  jetzt 
gleichfalls  keine  solche  Funde  zu  kennen,  wohl 
möchten  aber  ia  diesem  oder  jenem  Museum  noch 
solche  verborgen  liegen. 

Bezüglich  Dänemarks  (vgl.  oben  pag.  18) 
habe  ich  Folgendes  nachzutragen.  Nachdem  ich 
durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr.  Voss  in 
Berlin  auf  zwei,  angeblich  von  der  dänischen  Insel 
Seeland  stammende,  jetzt  im  Museum  zu  Cassel 
liegende  polirte  grünliche  Beile  aufmerksam  ge- 
worden (Verhdlg.  d.  Berlin,  anthropologischen  Ge- 
sellschaft 1878  pag.  244),  ersuchte  ich  Herrn 
Director  Dr.  P i n d e r in  Cassel , mir  dieselben 
unter  Angabe  etwaiger  näherer  Umstände  des 
Fundes  zur  Ansicht  leiben  zu  wollen.  Ich  freute 
mich,  darin  zwei  prächtige  Jadeit  heile  zu  er- 
kennen, wovon  das  eine  (mit  absolutem  Gewicht 
von  788.  35  gr  und  spezifischem  Gewicht  3,300) 
von  grau-  und  gelblichgrüner  Farbe  eine  Länge 
von  36  cm  (also  noch  1 cm.  mehr  als  das  Grimm- 
linghauser  Beil  des  Prof.  Schaaffhauseu), 
das  andere  (mit  absolutem  Gewicht  von  770.  30  gr. 
und  spezifischem  Gewicht  3,269)  eine  mehr  gras- 
grüne Farbe  zeigt. 

Dieselben  seien  — nach  gefälliger  Mittheilung 
des  Dr.  Pinder  — von  Landgrafen  Carl,  dänischem 
Feldmarschall,  nicht  regierendem  Sohn  des  regie- 
renden Landgrafon  Friedrich  II  von  Hessen  vor  etwa 
100  Jahren  nach  Cassel  gebracht  worden. 

Da  ich  so  grosse  Jadeitbeile  schon  früher 
bis  in  das  oldenburgische  Gebiet  verfolgen  konnte, 
so  wäre  ihr  Vorkomraniss  auch  bis  nach  Däne- 
mark nicht  gerade  unwahrscheinlich  und  — wenn 
constatirt  — von  hohem  Interesse. 

Durch  die  Gnade  Seiner  Durchlaucht  des 
Fürsten  von  Schwarzburg-Rudolstadt  er- 
hielt ich  aus  dessen  Museum  zwei  prähistorische 
Gegenstände  zur  Ansicht,  worunter  ein  prächtiges 
Jadeitbeil  von  29  cm  Länge,  11  cm  Breite  und 
spezifischem  Gewicht  3,32,  welches  aus  der  Ge- 
gend von  Frankenhauson  in  Thüringen 
(Schwarzburg-Rudolstadt)  stammt. 

Bezüglich  des  Elsasses  habe  ich  beizufügen, 
dass  es  zufolge  einer  Besprechung  mit  meinem 
leider  vor  Kurzem  verstorbenen  Freunde  Dr. 
Rehmann  in  Donauöschingen  sich  herausstellte, 
es  seien  aus  der  ehemals  Eckel’  sehen  Privat- 
sammlung  in  Strassburg  zwei  aus  dem  Eisass 
stammende  Beile  durch  Herrn  Eckel  selbst 
seiner  Zeit  an  das  fürstlich  fürstenbergische  Mu- 
seum verkauft  worden.  Das  eine  davon  (Nr.  79) 
bestimmte  icli  als  Jadeit  mit  spezifischem  Ge- 
wicht 3,348,  das  andere  (Nr.  79a)  als  Eklogit 
mit  spezifischem  Gewicht  3,41-  Diese  Beile  sind 
in  der  sehr  verdienstlichen  Schrift  der  Herren 


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23 


Dr.  Bleicher  und  Dr.  Faudel:  Matcriaux  pourune  ! 
etude  prehistoriqne  de  l'Alaace.  Colmar  1878 
avec  16  pl.  8.  pag.  55  als  schon  in  Graffen- 
auer’s  Mineralogie  alsacienno  Strassb.  1800  pag. 
>81  besprochen  erwähnt,  ohne  dass  den  Autoren 
deren  Verbleib  bekannt  geworden  wäre. 

Von  den  in  den  eben  erwähnten  „Materiaux“ 
pag.  21  u.  22  sub  Nr.  44  — 47  aufgeführten  ' 
Beilen  aus  Jade  und  Saussurite  bekam  ich  bis  i 
jetzt  durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr.  Riehe 
in  Colmar  das  schöne  früher  als  Jade  betrachtete 
Beil  (Nr.  44)  von  Westhofen  (Eisass)  zur  An-  | 
sicht , das  ich  als  schon  grasgrünen  Jadeit  mit  . 
spezifischem  Gewicht  3,340  erkannte  (Länge  14 
bis  15  cm,  Breite  5,5)*  — Einige  der  anderen 
sind  mir  für  später  zur  Untersuchung  in  Aus- 
sicht gestellt. 

Ueber  Schalenateine. 

II.  Aus  der  Oberpfalz. 

Die  bayerische  Oberpfalz  mit  ihren  vielen 
Bergkuppen , an  denen  das  Urgebirge  theils  in  j 
grossen  Blöcken,  theils  in  länglichen  Schichten  zu  I 
Tage  tritt , dürfte  besonders  in  der  Nähe  des  ' 
Fichtelgebirges  in  Bezug  auf  die  gegenwärtig 
mehr  in*s  Auge  gefassten  „Schalensteine“  einer 
sorgfältigen  Beobachtung  werth  sein,  weil  man 
im  Anschlüsse  an  die  Schalen  auf  den  Koppen 
des  Fichtelgebirges*)  wahrscheinlicher  Weise  eine  1 
Gesammtgruppe  erzielen  könnte.  Und  dies  um- 
somehr als  viele  der  Steinblöcke  auf  den  Hohen 
der  Oberpfalz  gegenwärtig  noch  weniger  den  in- 
dustriosen  Händen  der  Steinmetzen  ausgesetzt  sind 
denn  im  Fichtelgebirge.  Schon  werth  hebt 
(Band  II,  S.  243  ff.)  den  Himmelstein  bei  Voiten- 
rhann,  den  Drudenstein  bei  Kirchenrohrbach , den 
Fels  auf  der  Schneiderhöhe  bei  Unterzell  hervor. 
Hieher  gehören  aber  ganz  sicher  auch  die  noch 
da  und  dort  sich  findenden  „Teufelsteine“  mit 
Eindrücken  und  die  sogenannten  Teufels -Butter- 
fässer. Letztere  sind  wohl  selbstverständlich  nicht 
blosse  scherzweise  Bezeichnungen  von  Felsgebilden, 
gegen  eine  solche  Annahme  spricht  schon  die  zu  i 
häufige  Vorkommnis«  derselben.  Ich  allein  kenne 
aus  eigener  Anschauung  drei:  das  auf  der  Höhe 
des  Leuchtenbergs,  das  au  der  Floss  bei  Wilchen- 
reuth  und  jenes  in  dem  äusserst  stillen  und  wil- 
den Waldnabthnle  bei  Falkenberg.  Das  erstere 
ist  mittlerweile  grossen  theils  abgehauen , unver- 
sehrt sind  noch  die  beiden  Letzteren.  Bei  dem 
im  Waldnabthnle  fiol  mir  vor  wenigen  Monaten 
die  schalenartige  Mulde  im  Granitstein  auf;  von 
dem  an  der  Floss  berichtet  schon  Schönwerth, 


•)  Beitrage  %.  Anthr.  tj.  ürg.  Bayerns  Bd.  II.  189. 


dass  dort  eine  Mulde  in  Stein,  das  „Buttermölterl“ 
genannt,  sich  finde,  aber  auch  dass  die  Sage  gehe, 
hier  habe  ein  heidnischer  Priester  dein  Teufel  zur 
Verhinderung  des  Christenglaubens  geopfert.  Diese 
Sage  scheint  mir  auch  auf  die  richtige  Spur  zur 
Erklärung  dieser  abgelegenen , schwer  zugäng- 
lichen Plätze  zu  führen : sie  waren  wohl  Orte, 
un  welchen  auch  beim  Eindringen  des  Christen- 
thums heimlicher  Weise  den  alten  Göttern  noch 
geofert  wurde,  und  welche  nach  und  nach  in 
Orte  des  Satans,  die  man  meiden  müsse,  verwan- 
delt wurden.  Eine  Beschreibung  und  Zusammen- 
stellung aller  dieser  Schalenateine  dürfte  daher 
auch  für  die  Oberpfalz  sehr  zu  empfehlen  sein. 

A.  Vierling. 

ILI.  Aus  Amerika. 

In  Amerika  scheinen  Schalensteine  zu  profanen 
Zwecken  gedient  zu  haben.  Charles  Rau  be- 
richtet in  einer  zu  den  „Smithsoni&n  Contribu- 
tions  to  Knomledge“  gehörigen  Schrift,  betitelt : 
„The  Archaeological  Collection  of  the  United 
States  National  Museum  bei  dem  Capitel  „Mörser“ 
pag.  40  Folgendes*).  „Zu  ähnlichen  Zwecken 
mögen  auch  jene  Steine  mit  schalenartigen 
Vertiefungen  (eupshaped  depressions)  gedient 
haben,  welche  mau  in  Georgia,  Pennsylvanien, 
Ohio  und  Kentucky  gefundon  hat.  ln  Georgia 
haben  sio  vielleicht  zum  Auf  klopfen  von  Nüssen 
gedionl;  denn  Wallnussbäume  sind  dort  weit  ver- 
breitet und  ihre  Früchte  bildeten  nicht  nur  ein 
beliebtes  Nahrungsmittel  der  Eingebornen , son- 
dern lieferten  ihnen  auch  ein  vielfach  verwen- 
detes Oel. 

Die  in  Ohio  und  Kentucky  aufgefundenen 
sind  jedoch  so  glatt , dass  sie  wohl  zu  andern 
Zwecken  gedient  haben  müssen,  vielleicht  zu  einem 
Spiel  oder  auch  zum  Aureiben  von  Farbe  behufs 
Körperbomalung.  Bei  einigen  Exemplaren  be- 
merkt man  wenigstens  noch  deutliche  Spuren  von 
festgeklebtem  Farbmaterial. 

Als  der  Referent  im  Sommer  1875  als  Mit- 
glied der  Wbeeler  Expedition  das  südliche  Cali- 
fornieu  durchreiste,  fielen  ihm  im  Mohave  Cannon 
des  Coloradoflusses , etwa  4U  Kilometer  südlich 
von  Fort  Mohave  schalenartige,  pünctlich  ausge- 
rundete  Vertiefungen  von  etwa  25  cm  Durch- 
messer und  mehreren  cm  Tiefe  in  Felsen  auf, 
welche  meinem  Dafürhalten  nach  zum  Zerreiben 
der  Bohnen  eines  dort  häufigen  akazienartigen 
Baumes  (Algarolia  glandulosa)  gedient  haben 
mögen.  Aus  dcu  zerriebenen  Bohnen  stellen  die 
Mohave-  und  Paynte-Indianer  eine  Art  Brod  her. 
0.  Löw. 

*)  Der  Beschreibung  sind  einige  Abbildungen  bei- 
gegeben, welche  denen  der  indischen  und  europäischen 
einfachen  Schalensteine  ganz  ähnlich  sehen. 


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24 


Ueber  Hochäcker  in  Norddeutsch- 
land. 

Im  Anschluss  an  den  Bericht  über  die  IX.  allge- 
meine Versammlung  in  Kiel  S.  81  t heilen  wir  mit: 

Die  Spuren  eines  uralten  „vorgeschichtlichen“ 
Ackerbaues  haben  in  Ober-Bayern  zuerst  am 
Kode  des  18.  Jahrhunderts  die  Aufmerksamkeit 
der  Forscher  auf  sich  gezogen.  Der  ausgezeich- 
nete Naturforscher  Franz  von  Pnula  Schrank 
beschreibt  sie  in  seiner  „Reise  nach  den  .südlichen 
Gebirgen  von  Baieru  . . . auf  Befehl  der  kur- 
fürstlichen Akademie  der  Wissenschaften  unter- 
nommen im  Jahre  1788“  zuerst.  Lorenz  Westen- 
rieder  bezeichnet«  sie  1792  nach  einem  dem 
Volke  entnommenen  nun  aber  verschollenen  Aus- 
drucke als  H o c h & c k e r.  Die  erste  ausführliche 
Untersuchung  stammt,  von  Dr.  Lorenz  Zierl 
Professor  an  der  Universität  München  aus  dem 
Jahre  1829,  er  erklärt  sie  für  „keltischen“  Ur- 
sprungs. Seit  dieser  Zeit  haben  verschiedene 
Forscher  sich  mit  den  Hochäekern  beschäftigt 
und  die  Frage  wurde  auch  ausserhalb  Bayerns 
Gegenstand  der  Beachtung  zuerst  bei  der  General- 
versammlung des  deutschen  Gescbichts-  und  Alter- 
thumsverein  in  Dannstadt  1872.  Die  Gesammt- 
literatur  des  Gegenstandes  hat  mit  eigenen  zahl- 
reichen Beobachtungen  bereichert  Herr  August 
U artmann,  kgl.  Bibliothek-Secretür  in  München 
bis  zum  Jahre  1870  gegeben  unter  dem  Titel: 
Zur  Hoch  Ucker  frage  (Oberbayerisches  Ar- 
chiv Bd.  XXXV.  1876.  Auch  als  Separatabdruck 
erschienen).  In  dieser  Untersuchung  geht  Herr 
A.  Hart  mann  weit  über  die  Grenzen  Ober- 
bayems  hinaus.  Er  bringt  Nachrichten  bei  über 
analoge  Spuren  alten  Ackerbaues  aus  Württem- 
berg, Franken,  Sachsen- Meiningen, 
Pommern,  Hannover,  Oldenburg,  Schles- 
wig-Holstein, Ostfriesland,  Dänemark, 
England  und  Ober-Ungarn.  Wir  können 
Allen , welche  sich  für  diesen  Gegenstand  inttjfr 
essiren  diese  gründliche  Arbeit  nicht  genug  em- 
pfehlen. Auf  dieselbe  bezieht  sich  Professbr  Dr. 
H.  H a n d e 1 in  a n n in  der  Zeitschrift  der  Ge- 
sellschaft für  Sehleswig-Holstein-Lauenburgische 
Geschichte  Bd.  VII.  1877  in  einem  Aufsatz: 
Zur  Hochäckerfrage,  worin  sich  für  jene  Gegen- 
genden  einige  Bemerkungen  finden,  nebst  der  auf 
die  Hoehilcker  bezüglichen  Fragestellung  des 
Oberbay  erisclien  historischen  Vereins, 
welche  als  Orient irung  für  bezügliche  Forschungen 
dienen  kann.  In  der  Berliner  anthropologischen 
Gesellschaft  wurde  der  Gegenstand  verhandelt 
am  16-  October  1875. 


In  Folge  des  Besuchs  der  „Hothäcker“  im 
Ritzerauer-Gehäge  bei  Lübeck  und  des  Berichtes 
darüber  in  der  Vossischeu  Zeitung  (A.  Woldt) 

1 liefen  drei  Briefe  bei  der  Rcdaction  ein,  aus  welchen 
wir  folgende  Mittheilungen  entnehmen: 

I.  Zwischen  Elsdorf  und  Potendorf  fiel  mir 
eine  Reihe  Erhebungen  und  .Senkungen  in  der 
Haide  auf,  die  ich  später  mir  so  erklärte,  als  oh 
es  Ländereien  gewesen  wären , die  in  Folge  der 
Verwüstungen  des  30jährigen  Krieges  vielleicht 
verlassen  wären.  Jetzt , wo  ich  der  Erklärung 
der  „Hochäeker“  (?)  hei  Kitzerau  beiwohnte,  däm- 
mert die  V ermuthung  auf,  dass  auch  jene  Gegend 
solche  aufweisen  möchte.  Lübeck,  den  29.  Aug. 
1878.  Dr.  A.  Meier. 

II.  In  dem  Berichte  des  diesjährigen  Anthro- 
i pologeu  - Congressos  sind  die  sogenannten  Hoch- 
äcker als  eine  prähistorische  Eigentümlichkeit 
einzelner  Gegenden  Deutschlands  bezeichnet;  dies 
ist  ein  Irrthum,  denn  sie  finden  sich  Überall,  wo 
die  klimatischen  Verhältnisse  den  Landmanu  dazu 
milbigen  und  lassen  sich  heim  Pflügen  sehr  leicht 

j bilden.  Soll  der  Acker  nach  der  Mitte  zu  von 
beiden  Seiten  ansteigen,  so  wird  mit  dem  Pflügen 
in  der  Mitte  nach  entgegengesetzten  Richtungen 
! begonnen  und  die  umbrochenen  Rasenflächen  wer- 
den von  beiden  Seiten  nach  der  Mitte  zu  gegen 
einander  geworfen , wodurch  die  Erhöhung  ent- 
steht. In  gleicher  Weise  wird  die  Ackerfläche 
I nach  einer  Seite  erhöht  oder  vertieft.  Ueber- 
schreitet.  in  ersterem  Falle  das  Ackerstück  einen 
; Fahrweg,  so  entstehen  auch  hier  Erhöhungen  und 
Vertiefungen,  die  verschiedenen  Stücke  bilden 
Beete.  Potsdam,  den  30.  Aug.  1888.  A.  Stein. 

III.  Die  sogenannten  „ Hochäcker4*  sind  nach 
dem  Gutachten  bewährter  Oekonouien  dadurch 
en Island en,  dass  Jahrhunderte  lang,  ehe  die  Se- 
parationen gesetzlich  eingeführt  wurden,  die  Acker- 
flächen stets  in  einer  Richtung  gepflügt  werden 
mussten,  da  auf  den  Antheil  jedes  Einzelnen  nur 
immer  ein  langes  schmales  Stück  Land  fiel.  Un- 
vertilgbar bleiben  aber  die  Spuren  der  schmalen 
Pur/.elleu-Bestellung  des  Ackers  Jahrhunderte  lang. 

I selbst  wenn  auf  demselben  später  wieder  Laub- 
und  Nadelholz  gesäet  und  gepflanzt  wird.  Berlin 
I den  31.  August  1878.  Steurich. 

f Nehring,  Alfred,  Die  quaternären  Faunen 
von  Thiede  und  Westeregeln  nebst 
Spuren  des  vorgeschichtlichen  Men- 
schen. Separat  - Abdruck  aus  dem  Archiv 
ftlr  Anthropologie,  1877/77.  3 Zu  be- 

I ziehen  durch  Jul.  Zwissler  in  Wolfenbüttel. 


Druck  der  Akademiichen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München.  — Schl  um  der  Redaktion  am  15.  Januar  1079. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  ron  I’rofessor  Dr.  Johanne»  Hanke  in  München, 

fttiteralf  tertiär  der  Otselheha/1. 


Nr.  4.  Erscheint  jeden  Monat.  April  1879. 


Aufruf  an  die  Mitglieder  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 

Geehrter  Herr  Kollege! 

Es  ist  an  eine  Anzahl  von  Fachgenossen  in  Deutschland  und  so  auch  an  die  Unterzeichneten 
von  Dorpat  aus  die  Einladung  ergangen,  als  auswärtige  Mitglieder  in  ein  Comite  einzutreten,  das 
sich  die  Errichtung  eines  in  Dorpat  aufzustellenden  Bronze-Denkmals  zum  Andenken  an 

Karl  Ernst  von  Baer 

zur  Aufgabe  stellt. 

Der  Gedanke,  das  Andenken  an  Baer  in  besonderer  Weise  zu  ehren,  wird  sicherlich  auch 
in  Deutschland  allgemein  begrtlsst.  Ist  es  doch  Deutschland  gewesen,  das  dem  grossen  Forscher  die 
Stätte  seiner  eigentlichen  Entwickelung  und  seiner  höchsten  wissenschaftlichen  BlUthe  gewährt  hat. 
Und  wie  dieser  Zeitlebens  in  geistiger  Gemeinschaft  Deutschland  treu  geblieben  ist,  so  haben  auch 
die  deutschen  Gelehrten  nie  aufgehört,  mit  Stolz  auf  Karl  Ernst  von  Baer  hinzublicken  und  in 
ihm  eine  ihrer  höchsten  Zierden  zu  verehren. 

Aus  diesem  Grunde  nehmen  denn  auch  wir  mit  Freuden  Theil  an  dpn  Grundgedanken, 
welche  dem  Vorschläge  der  Dorpater  Universität  zu  Grunde  liegt.  In  Bezog  indess  auf  dessen  Aus- 
führung sind  wir  abweichender  Ansicht.  Es  gibt  Denkmäler  aere  perennius  — und  dies  sind  die 
Werke  eines  grossen  Mannes.  Au  Stelle  der  Betheiligung  an  einer  Bronzestatue,  glauben  wir  Unter- 
zeichnete, den  Fachgenossen  die  Veranstaltung  einer  würdigen  Gesammtausgabe  von  von 
Baer’s  Werken  empfehlen  zu  sollen,  deren  manche,  weil  in  russischer  Sprache  geschrieben,  oder 
in  schwer  zugänglich  periodischen  Schriften  veröffentlicht,  der  Wissenschaft  nahezu  verloren  sind. 

Indem  wir  glauben,  dass  alles  Detail  späterer  Vereinbarung  vorzubehalten  sei,  erlauben  wir 
uns  für  jetzt,  Sie  aufzufordern,  unserem  Vorschläge  beizutreten  und  diese  Zustimmung  möglichst  bald 
an  einen  der  Unterzeichneten  gelangen  zu  lassen. 

Freiburg  — Leipzig,  den  5.  Februar  1879. 

Alexander  Ecker.  Wilhelm  His.  Rudolf  Lcucknrt. 


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26 


Neue  anthropologische  MesBapparate 
und  Messmethoden. 

Anthropologische  Messungen  an  lebenden 
Menschen. 

Von  I>r.  Kö  rb  i n (Berlin) •). 

Es  ist  die  Rede  davon  gewesen , eine  inter- 
nationale Ausgleichung  zwischen  den  verschiedenen 
Messmethoden  herbeizuführen  ; und  in  der  That 
ist  dies  Bedürfnis»  so  dringend , wie  kaum  ein 
anderes  für  die  Anthropologie,  deren  Schwerpunkt, 
wir  können  es  uns  nicht  verhehlen,  noch  für  ge- 
raume Zeit  in  der  Anthropometrie  wird  ruhen 
mUssen.  Nun  bin  ich  am  wenigsten  blind  für 
die  vielfachen  Mängel  unserer,  ich  will  nicht  sagen 
Methode,  das  kann  ich  eben  nicht,  sondern  Me- 
thoden ; denn  meine  Spezialbranchc,  die  Messung 
der  Lebenden,  führt  mich  naturgemäss  auf  Punkte, 
welche  nicht  einfach  durch  anatomische  Benenn- 
ung cliarakterisirt  werden  können ; da  ist  es  in 
der  That  für  Jeden,  der  pflichtgemäss  sich  hier- 
mit beschäftigt,  ein  drückendes  Gefühl,  dass  wir 
so  manche  bedeutsame  Punkte  nicht  genau  de- 
finiren,  also  auch  nicht  wieder  finden  können  — 
und  doch  ist  es  von  eminenter  Wichtigkeit,  dass 
man  am  Skelet  gewisse  Punkte  feststellt,  die  man 
auch  arn  lebenden  Menschen  wieder  auffinden  kann. 
Es  fragt  sich  also  praktisch,  wie  kann  man  ana- 
tomisch nicht  nachweisbare  Punkte  so  fixiren,  dass 
sie  später  von  Jedem  wieder  gefunden  werden  — 
und  das  wäre , abgesehen  von  Allem  Anderen, 
schon  für  die  Breitenbestimmung  des  Schädels  von 
nicht  geringer  Bedeutung.  Da  hin  ich  nun  wieder 
zurück  gegangen  auf  die  axiale  Punktirmethode. 

Ich  meine , man  kann  sich  bei  Anwendung 
dieser  für  den  Augenblick  zufrieden  geben,  welche 
Horizontal-Ebene  die  richtigste  wäre;  jeder  For- 
scher sage  einfach , ich  habe  die  und  die  ge- 
nommen Gewöhnlich  wird  sie  bestimmt  durch 
4 Punkte,  das  heisst  je  zwei  auf  jeder  Seite, 
z.  B.  unterer  Augenhöhlenrand  und  oberer  Rand 
des  Ohrlochs.  Ich  muss  nun  gestehen,  dass  für 
die  Exaktheit  dieser  Bestimmung  durch  4 dazu 
gegebene  Punkte  der  Umstand  ein  grosses  Hin- 
dernis» ist,  dass  gerade  bilaterale  Asymmetrien 
sich  so  zahlreich  vorfinden.  Mir  ist  dieses  Be- 
denken schon  im  Beginne  meiner  anthropologi- 
schen Studien  in  Strassburg  aufgefallen  bei  Be- 
stimmung des  Gesichtswinkels , wenn  ich  nicht 
irre,  besonders  ägyptischer  Schädel.  Es  fanden 
sich  deren  allerdings  nur  6 Exemplare,  aber  ihro 

Weitere  Ausführung  eines  kurzen  demonstrativen 
Vortrags  über  die  gleichen  Gegenstände  in  der  IX.  all- 
gemeinen Versammlung  in  Kiel  1878.  (Ofr.  bericht 
S.  155.) 


auffallend  grossen  Augenhöhlen  liessen  mich  au 
der  Brauchbarkeit  des  tiefsten  Punktes  vom  un- 
teren Augenhöhlenr&nd  ganz  irre  werden  — so 
gross  war  der  Unterschied  im  Herabsteigen  gegen 
andere  Schädel.  Meiner  reiflich  erwogenen  An- 
sicht nach  muss  die  Horizontal-Ebene  auf  3 Be- 
stimrnungspunkte  zurückgeführt  werden,  für  die 
ich  vorschlage  rechts  und  linkä  die  tiefst  einge- 
zogene  Stelle  des  Jochbogens , am  Schädel  cha- 
rakterisirt  durch  den  Uebergang  in  die  Jochbogen- 
Wurzcl,  jenem  immer  auflU  lügen  Umgrenzungs- 
contour  des  Schläfen muskels  an  der  oberen  Grenze 
des  Warzenfortsatzes , und  auch  beim  Lebenden 
am  oberen  Rande  des  Tragus  vom  Ohr  leicht  zu 
fühlen;  der  dritte  Punkt  liegt  in  der  Median- 
Ebene,  es  ist  dor  vorderste  oberste  Xahtpunkt 
zwischen  Nasenknorpel  und  Nasenknochen , viel- 
leicht zweckmässig  für  den  Fall  des  Defekts  von 
vornherein  zu  ergänzen  durch  den  mittleren  Höhen- 
abstand zwischen  Nasenwurzel  und  vorderem  Nasen- 
stachel. Ueber  die  Vorzüge  meines  Verfahrens 
werde  ich  an  anderer  Stelle  Rechenschaft  abzu- 
legeu  haben,  — hier  will  »ich  nur  die  Grundzüge 
der  axialen  Punktirmethode  fixiren.  Nehme  man 
irgend  eine  Horizontalebene  au,  so  wird  sie  natur- 
gemäss  senkrecht  geschnitten  von  der  Längen- 
achse des  Menschen  im  Medianschnitt ; als  dritte 
lege  ich  senkrecht  durch  beide  vorhergenannten 
eine  Transversal-Ebene,  für  deren  Stützpunkte  als 
die  einzig  konstanten  in  dieser  Region  ich  eben 
die  beiderseits  tiefst  eingezogene  Stelle  im  Ver- 
laufe des  Jochbogens,  kurzweg  „Jocbtiefe“,  Vor- 
schlägen möchte.  Nach  dieser  sehr  einfachen  Aus- 
einandersetzung wird  man  mir  zugeben,  dass  ein 
Jeder,  einmal  sich  des  Besitzes  von  drei  der- 
artigen axialen  Ebenen  bewusst,  auf  die  leichteste 
Weise  bestimmen  kann,  ob  ein  Punkt  rechts  oder 
links  liegt,  und  wie  weit  im  senkrechten  Abstande 
von  dem  Sapittelsehnitt,  d.  i.  bei  Allen  derselbe 
Medianschnitt , ferner  wie  weit  nach  vorne  und 
hinten  vom  Transversalschnitt,  wie  weil  nach  oben 
und  unten  von  der  Horizontalebene,  welche  letz- 
teren Beiden,  wie  ich  soeben  skizzirt,  man  einfach 
durch  3 Punkte  genau  lokalisiren  kann.  Für  die 
praktische  Ausführung  kommt  es  nun  darauf  an, 
die  gewünschten  Punkte  schnell  und  bequem  zu 
fixiren.  Mein  Messapparat  besteht,  wie  Sie  hier 
sehen,  sehr  einfach  aus  einem  schweren  glattge- 
schliffcnon  Fuss  und  einer  in  diesen  senkrecht  ein- 
goschrobenen  dreieckigen  Stahlstange,  die  ihrerseits 
zwei,  noch  besser  drei,  mittelst  geeigneter  Hülsen 
genau  wagerecht  geführte  Messarme  trägt.  In- 
dem ich  die  zweckentsprechend  zugespitzten  Vor- 
derpunkte meiner  Horizontalebene  an  den  Schädel 
oder  den  Kopf  des  Lebenden  heranbringe , habe 


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27 


ich  oan  nichts  weiter  za  thun,  als  abzulesen,  und 
zwar  das  Höhenniveau  — über  oder  unter  der 
angenommenen  Horizontalebene  — an  der  in  Milli* 
meter  get  heilten  senkrechten  Stahls  tan  ge  , indem 
ich  von  den  beiden  senkrecht  unter  einander  steh- 
enden Horizontalarmen  den  einen  auf  das  Niveau 
der  Normalebene,  den  anderen  eben  auf  die  Höhe 
des  zu  bestimmenden  Punktes  bringe.  Die  beiden 
anderen  Dimensionen  lese  ich  sehr  bequem  auf 
einem  jener  voa  Künstlern  viel  gebrauchten  Bogen 
ab,  die,  für  20  Pfennig  überall  käuflich , genau 
in  Millimetern  quadrirt  und  durch  eingedruckte 
bunte  Linien  von  10:10  oder  sogar  auch  von 
5 : 5 Millimeter  sehr  übersichtlich  eingetheilt  sind. 
Setze  ich  den  Fass  meines  Achsensystems  auf 
einen  solchen  Bogen , so  drückt  mein  unterster 
Most  arm , der  grösseren  Sicherheit  halber  unbe- 
weglich gemacht , mittolst  einer  zweckgerechten 
Stahlspitze  genau  senkrecht  unter  den  zu  be- 
stimmenden Punkten  eine  seichte , aber  unver- 
löschliche  Marke  in  das  Papier.  Ist  der  Schädel 
beispielsweise  in  meine  Horizontalebene  gebracht, 
so  drücke  ich  mir  zunächst  die  Lagepunkte  meiner 
„Jochtiefen“  und  meiner  „Nasenmitte“  ein;  die 
Verbindungslinie  der  erstgenannten  ist  meine Grund- 
axe ; der  Medianschnitt  eines  bilateral-symmetri- 
schen Schädels  muss  genau  senkrecht  ihre  Mitte 
treffen ; bei  Asymmetrie  gibt  die  seitliche  Ab- 
weichung meiner  Nasenmitte  und  eventuell  nach 
der  Längsaxe  des  grossen  Hinterhauptsloches  ohne 
Weiteres  die  nöthige  Orientirung  so  genau,  dass 
ich  den  Winkelgrad  der  Abweichung  unmittelbar 
messen  kann.  Nun  stelle  ich  moinen  mittleren 
Arm  in  die  Höhe  der  drei  Normpunkte,  lese  die 
entsprechende  Millimeterzahl  auf  dem  senkrechten 
Messarm  ab,  verschiebe  das  ganze  Instrument  so 
weit,  bis  mein  oberster  Horizontalnrm  genau  die 
grösste  Schädelbreite  — erst  rechts,  dann  links  — 
gefunden  bat,  markire  die  Lage  des  Berührungs- 
punktes durch  einen  Druck  auf  dio  Feder  des 
untersten  Horizontalarmes  und  lese  gleichzeitig  den 
Höhenstand  ab.  Das  ist  hier  noch  schneller  ge- 
than  als  gesagt , und  ich  weiss  nun  auch  ganz 
genau,  wie  viel  die  eine  Schädelhälfte  stärker  i 
ausgewölbt  ist,  als  die  andere,  und  wie  viel  der 
Punkt  grösster  Breite  auf  der  einen  Seite  mehr 
nach  hinten  oder  oben  gegenüber  der  anderen 
Seite  gefunden  ist.  Sie  sehen , die  Exaktheit 
meiner  Methode  ist  so  prägnant  und  zugleich  ihre 
Einfachheit,  so  bestechend , dass  ich  wohl  hoffen 
darf,  dafür  Propaganda  zu  machen.  Und  ich  muss 
dies  um  so  dringender  wünschen,  als  die  Technik 
der  Ausführung  mir  viel  mehr  Schwierigkeiten 
gemacht  hat,  als  ich  mir  anfangs  vorstellen  konnte. 
Zwei  Punkto  mathematisch  genau  senkrecht  unter 


einander  zu  markiren,  ist  nicht  so  leicht,  wie  es 
aussieht,  für  Hilfsmittel , wie  sie  ausserhalb  der 
physikalischen  Kabinote  zur  Verfügung  stehen,  zu- 
mal auf  der  Reise.  Man  kann  die  horizontale 
Stellung  der  Unterlage  für  den  Messbogen  z.  B. 
durch  die  Wasserwaage  hinreichend  gorantiren, 
aber  das  Material  für  diese  Unterlage , also  am 
Bequemsten  doch  ein  Holzbrett,  bleibt  nicht  gleich- 
mässig  eben  unter  den  wechselnden  Einflüssen  von 
Temperatur  und  Feuchtigkeit.  Will  man  dio  Probe 
machen,  so  verschiebe  man  zwei  derartige  Bretter 
langsam  gegen  einander,  und  es  wird  in  Erstaunen 
setzen,  wie  uneben  in  Wahrheit  die  anscheinend 
ganz  glatten  Niveaus  sind.  Hier  sehen  Sie  zwei 
Normalbretter,  welche  in  den  technischen  Werk- 
stätten der  unter  Leitung  der  Herren  DuBois- 
Keymond  und  Helmholtz  stehenden  Anstalt 
gefertigt  sind;  um* dem  Ideal  möglichst  nahe  zu 
kommen,  ist  eine  ausgewählte  Platte,  ähnlich  wie 
bei  der  Fournierbereitung , der  Fläche  nach  ge- 
spalten und  eine  andere  Holzart  dazwischen  ge- 
leimt. wodurch  das  „Verziehen“  des  Holzes  an- 
nähernd kompensirt  wird. 

Doch  nun  zur  Aufstellung  des  Schädels. 

Um  ihn  zu  fixiren,  haben  wir  bisher  eigent- 
lich nur  die  Vorrichtung  für  den  Lu cae’ sehen 
Apparat,  sie  ist  aber  mehr  mühsam  als  befrie- 
digend , wenn  man  nicht  lediglich  im  Groben 
arbeiten  will.  Für  meine  Methode  würde  mir 
einfach  der  Platz  für  die  Anfstellung  fehlen. 
Demgemäss  habe  ich  mir  eine  eigentümliche 
Vorrichtung  combinirt , welche  ich  Dach  müh- 
samen Vorversuchen  glaube  nunmehr  hinreichend 
correct  Ihrem  Urtheil  unterbreiten  zu  können. 

In  derselben  einfachen  Weise  wie  ein  Näh-  • 
kissen  an  dem  Nähtisch  wird  mein  Apparat  neben 
der  Messplatte  mit  ihrem  Messständer  an  einen 
Tischrand  angeschroben.  Er  gleitet  an  einer 
senkrechten  Stange  zu  beliebiger  Höhe  auf  und 
ab  und  lässt  sich  an  jedem  gewünschten  Punkte 
des  Umkreises  mittelst  einer  Schraube  feststellen, 
so  dass  er  den  Schädel  von  der  Seite  her  be- 
quem zugänglich  macht.  Dieser  dreht  sich  nun 
I mittelst  einer  einfachen  Technik  in  zwei  senk- 
recht zu  einander  stehenden  Kreisbogen  so,  dass 
ich  jode  Aendenmg  einer  anfangs  beliebten  Nor- 
malstellung nach  Winkelgraden  ahlesen  kann. 

Um  die  ganze  Oberfläche  des  Schädels  frei  zu- 
gängig zu  lassen , ist  dieselbe  für  gewöhnlich 
nur,  so  zu  sagen,  von  innen  her  befestigt,  indem 
zwei  Schraubenflügel  zusammen  gelegt  in  das 
Hinterhauptsloch  eingeführt  werden,  dann  aus- 
einandergehend mit  ihrer  gezähnelten  Unterfläche 
über  dem  Kamme  des  Felsenbeins  sich  fest  hacken 
und  von  aussen  mittelst  einer  Schraubenmutter 

4* 


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unbeweglich  eingeklammert  werden  , indem  ein 
Dreizack  die  nöthige  Widerlage  an  der  Schädel- 
basis aufsucht.  Wo  letztere  nicht  hinreichend 
fest  ist,  wird  eine  Hilfssttitze  jederseits  in  das 
Ohrloch  geschraubt,  wo  man  bekanntlich  auch 
hei  sonst  brüchigen  Exemplaren  stets  genügende 
Konsistenz  findet.  Auf  diese  Weise  kann  ich  mir 
die  Horizontalebene  jedes  Forschers  bequem  ein- 
stellen und  ablesen,  und  wie  viel  Winkelgrode  f 
sie  von  der  eines  Anderen  abweicht. 

Für  brüchige  Gräberschädel  mit  grossen  De- 
fekten ist  die  Lu cae' sehe  Vorrichtung  gar  nicht 
zu  brauchen.  Wo  an  meinem  Apparat  auch  die 
Schrauben  in  das  Ohrloch  nicht  eingefllhrt  wer- 
den dürfen,  weil  der  Schädel  in  sich  zusammen- 
gedrückt werden  könnte,  da  helfe  ich  mir  auf 
folgende  Weise,  die  mir  auch  unter  so  ersehwe-  i 
renden  Umständen  das  Festhalten  an  der  einmal 
gewählten  Normalhorizont  aleu  gestattet.  Ich 
habe  mir  Nadeln  konstruiren  lassen  aus  Stahl 
in  der  Art,  dass  die  Spitze  unten  ganz  hart  ist, 
also  sich  nicht  biegt,  die  Mitte  dagegen  bequem 
in  jeder  gewünschten  Weise  gebogen  werden 
kann.  Diese  Nadeln  sind  von  dem  Techniker  des 
Herrn  Helmholtz  sehr  gut  hergestellt.  Ihre 
Spitze  trägt  ein  Tellerchen  zur  Aufnahme*  einer 
eigens  kombinirten  Mischung  von  Klebwachs, 
aus  dem  das  ganz  feine  oberste  Ende  der  Nadel 
nach  oben  hervorsieht.  Auf  diesen  Nadeln  natür- 
lich in  ein  Sortiment  verschiedener  Grössen  ge- 
bracht, ruht  der  zerbrechlichste  Schädel  ganz  un- 
gefährdet, und  man  hat  durch  die  Verbindung 
von  Klebwachs  und  Stahlspitze  den  doppelten 
Vortheil,  brüchige  Stellen  nicht  nur  nicht  zu 
verletzen,  sondern  sogar  noch  haltbarer  zu  machen, 
während  andererseits  die  Feststellung  so  sicher 
gemacht  wird , wie  nur  möglich.  Selbstredend 
werden  die  Nadeln  mit  ihren  unteren  Spitzen 
auf  einer  Platte  am  besten  von  weichem  — 
Linden  — Holze  befestigt,  da  sie  sonst  bei  ihrer 
vermehrten  Sprödigkeit  leicht  abbrt*chen. 

Soweit  über  Schädelmessung 

Einer  meiner  Lieblingspläne  ist  die  M aasen  - 
messung  Lebender.  Im  Einklang  mit  Herrn 
V i r c h o w ’ s , meines  hochverehrten  Protektors 
eigenen  Wünschen  konnte  ich  Dank  seiner  Em- 
pfehlungen das  vorliegende  Material  für  Rekru- 
tirungsstatretik  auf  dein  Königlich  Preussischen 
Statistischen  Amte,  sowie  später  auf  dem  Reichs- 
gesundheitsamte  einseben  und  begegnete  der  theil- 
nehmendsten  Förderung  Seitens  des  Herrn  Ge- 
heim-Rath  Engel  und  Finkelnburg.  Die 
verschiedenen  Versuche  die  Originalquelle,  die  so- 
genannte .alphabetische  Liste“1,  uns  zunächst  für 
die  statistische  Verwerthung  zugängig  zu  machen,  . 


sind  bisher  gescheitert  an  dem  Bedenken  des 
Kriegsministeriums.  Principiis  obsta,  hiess  es 
auch  hier,  man  fürchtet,  anthropologische  An- 
forderungen an  die  Bezirks-Commando’s  gelegent- 
lich der  Aushebungen  würden  zu  viel  Zeit  in 
Anspruch  nehmen  und  vor  allen  Dingen  — für 
spezifisch  militärische  Zweck  unnütz  Geld  kosten. 
Es  handelt  sich  nun  für  uns  darum  diese  Be- 
denken dadurch  einzuschrUnkon , dass  mittelst 
eines  geeigneten  Apparates  und  auf  eine  auch 
für  geschulte  Unteroffiziere  leicht  verständliche 
Weise  die  erwünschte  Messung  ganzer  Massen 
von  Menschen  schnell  und  bequem  ausführbar 
gemacht  werde.  Das  wird  noch  viel  Versuche 
erfordern.  Ich  verfiel  nun  darauf,  die  Methode 
meiner  Schädelmessung  in  der  Weise  anwendbar 
zu  machen,  dass  ich  einen  viereckigen  Holzrahmen 
konstruirte,  gross  genug,  um  einen  erwachsenen 
Manu  in  ihn  hineinzustellen.  Vier  Stative  mit 
gezähnelten  Leisten  — nach  dem  System  unserer 
Wäschespinde  — gestatten,  ilm  in  beliebiger  Höhe 
wagerecht  zu  befestigen.  Auf  diesem  Rahmen 
rutscht  ein  sogenannter  „Führungsklotz“  entlang, 
der  selbstverständlich  genau  rechtwinklig  gear- 
beitet sich  an  Fläche  und  Rand  des  Rahmens 
eng  anschmiegen  muss.  Dieser  Klotz  ist  vier- 
kantig durchbohrt,  einmal  wagerecht  und  zum 
Andern  senkrecht.  In  wagerechter  Richtung 
schiebe  ich  einen  geeigneten  Messstock  bis  an 
den  gewünschten  Punkt  des  nackten  Körpers, 
z.  B,  für  die  Schulterbreite  jederseits,  und  lese 
d**n  Abstand  vom  inneren  Rande  des  Rahmens 
ab.  Dieser  ist  natürlich  aach  ringsum  mit  einer 
Skala  versehen.  Es  ist  ohne  andere  Schwierigkeit, 
als  vier  ganz  gleich  gearbeitete  Führungsklötze 
herzustellen  , auf  diese  Weise  thunlicb  die  bila- 
terale Symmetrie  des  Rumpfes  ebenfalls  zu  un- 
tersuchen , indem  ich  den  gleichen  Niveaupunkt 
an  der  Wirbelsäule  resp.  dem  Brustbein  von 
vorn  und  hinten  her  mit  einem  horizontalen 
Messstocke  berühre  und  die  Distanz  der  seitlichen 
Punkte  von  der  so  markirteu  Körjieracbse  ab- 
lese; dass  gleichzeitig  auch  jede  Tiefendimeusion 
des  Körpers  (von  vorn  nach  hinten  gerechnet) 
nbgelesen  werden  kann,  braucht  nur  erwähnt  zu 
werden.  Ich  zeige  Ihnen  hier  zunächst  als  Mo- 
dell Einen  derartigen  FObrungsklotz,  Er  trägt, 
genau  entsprechend  dem  schon  erklärten  Horizon- 
talarm einen  zweiten  senkrechten  Arm,  eben  so 
leicht  und  doch  sicher  nach  unten  und  oben  ver- 
schiebbar, Ein  kleinerer  Führungsklotz,  nur  un- 
bedeutend modificirt,  gleitet  bequem  auf  ihm  und 
trügt  »einerseits  ebenfalls  einen  Horizontalarm, 
den  ich  genau  wie  den  unteren  verschieben  oder 
zurückziehen  kann.  Hiernach  kann  ich  den  ge- 


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nau  senkrechten  Abstand  zweier  Körperschnitte, 
die  ich  mir  mittelst  meines  Kähmens  in  beliebiger 
Höhe  genau  wagerecht  herstelle , ebenso  korrekt 
messen  wie  am  Sk  eiet  Schädel.  Ohne  Rücksicht  i 
auf  die  geforderten  nicht  unbeträchtlichen  Geld- 
opfer bemühte  ich  mich  ein  direkt  anwendbares 
Modell  noch  für  diesen  V er*ammlungt-z  weck  zu  I 
beschaffen.  Um  der  nöthigen  technischen  Bei-  1 
hilfe  sicher  sein  zu  können,  wandte  ich  mich  an 
die  grosse  Anstalt  des  verstorbenen  Herrn  Borsig ; j 
bei  aller  interessirten  Theilnahrae  für  diese  Auf- 
gabe  leimten  die  derzeigen  Leiter  die  Ausführung  ! 
ab,  bis  ich  eine  im  Einzelnen  dctaillirte  Zeichnung 
brächte,  weil  sie  für  die  gestellte  kurze  Frist 
sonst  nicht  eine  zweckentsprechende  Ausführung 
garantiren  könnten.  So  sehr  mich  dieses  Be- 
denken Anfangs  verwunderte , musste  ich  seine 
Begründung  bald  einsehen.  Denn  da  Seitens  der 
Bor sig’ sehen  Anstalt  wegen  der  Pariser  Welt- 
ausstellung und  einer  gleichzeitigen  auswärtigen 
Unternehmung  kein  jüngerer  Arehitokt  für  die 
Zeichnungen  verfügbar  war,  wurde  ich  an  den 
Direktor  der  Gewerbeakademie,  Herrn  Kculaax 
empfohlen,  welcher  mir  einen  verheißungsvollen 
schon  erfahrenen  Schüler  zuwies.  Dieser  bedang 
sich  aus,  seinen  eigenen  Ideen  folgen  zu  dürfen, 
liess  mich  vorher  gar  nichts  schon,  und  hat  mir 
nun  ein  Monstrum  horgeschiekt,  was  ich  drausson 
aufgestellt  habe.  Ich  rufe  die  Theilnahmo  der 
Gesellschaft  an  und  erwähne  die  Gründe  meines 
Misslingens , damit  die  Herren  vorn  Vorstande 
sich  dieser  so  wichtigen  Aufgabe  behufs  deren 
zweckdienlichen  Durchführung  annehmen.  Es 
scheint  mir  dies  um  so  dringlicher,  als  auch  diu 
französische  Methode  der  Plancho  gradueo  und 
double  equerre  wie  ich  mich  bei  Bearbeitung 
der  kraniometrischen  Resultate  von  Herrn  J a- 
g 0 r ’ s indischer  Reise  überzeugen  musste,  kaum 
für  die  gröbsten  Verhältnisse  der  Höhenabstände 
zuverlässig  genannt  werden  kann. 


Bericht  über  nordische  anthropologi- 
sche Literatur. 

Von  Jugvald  Undset. 
Fortidsminder  og  Oldsagcr  fra  Egnen  om  Broliolm 
af  F.  Sehested  de  Broholm.  Med  3 Kort,  1 Grnnd- 
plan,  46  h'übbertavler  og  7 Tontryk.  Avec  hm  de- 
scriptioq  abregee  cn  fran^ais.  Kjöbenbavn  1878.  4. 
Bei  C.  A.  Keitzel;  Leipzig  bei  F.  A.  Brockbaus, 
Sortiment. 

Es  ist  ein  Pracht  werk  ersten  Ranges,  das  der 
Stammgutbesitzer  Kammerherr  F.  de  Sehested, 
zu  Broholm,  unter  obenstehendem  Titel  der  Wis- 
senschaft seines  Vaterlandes  geschenkt  hat.  In 


dom  klar  abgefassten  Texte  hat  er  ein  reiches 
Material  beschrieben,  durch  scharfe  Beobachtungen 
von  allen  Seiten  beleuchtet  und  in  prachtvollen 
Abbildungen  dargestellt:  das  Werk  bietet  eine 
Fülle  von  Kupfertafeln , Lithographien , Karten 
und  Grundplänen , — alles  von  den  ersten  ar- 
chäologischen Künstlern  Dänemarks  nusgeführt. 

Das  ganze  in  diesem  Werke  medergelegte  Ma- 
terial stammt  aus  den  Gütern  des  Verfassers  und 
den  nächst  angrenzenden  Landcsstreeken,  — aus 
einem  Gebiete  von  etwa  einer  Quadratmeile,  mit 
Broholm  als  Mittelpunkt.  Das  Schloss  Broholm 
liegt  im  südöstlichen  Fünen , eine  halbe  Stunde 
von  Store -Belt,  in  einer  schönen  und  reichen 
Natur ; dass  diese  Gegend  auch  in  den  vorge- 
schichtlichen Zeiten  reich  bewohnt  war,  beweisen 
; uns  die  zahlreichen  hier  entdeckten  Altertbümer. 

I Seit  einigen  Jahren  hat  der  Verfasser  Untersuch- 
ungen and  Ausgrabungen  unternommen  ; tausende 
von  Steingerätheu  sind  eingesammelt,  Steingräber, 
Grabhügel,  Unienfelder,  prähistorische  Wohnsitze 
und  Ueberreste  anderer  Arten  sind  untersucht 
worden;  von  diesen  Sachen  hat  er  ein  Museum  ge- 
bildet, das  schon  viel  mehr  als  10,000  Nummern 
zählt.  Dies  alles  hat  er  nun  im  vorliegenden 
Buche  der  Wissenschaft  zugänglich  gemacht. 

In  der  Vorrede  äussert  der  Verfasser,  dass 
er,  der  die  prähistorische  Archäologie  nicht  als 
Studium  betrieben  hat,  als  Fachmann  nicht  Auf- 
treten will;  er  wird  sich  darauf  beschränken,  das 
Material  darzulegen  und  zu  beschreiben.  In  einer 
Wissenschaft  wie  die  unsrige,  wo  wir  so  oftmals 
sehen,  dass  unwissende  oder  halbstudirte  Leute 
mit  neuen  Erklärungen  und  wilden  Hypothesen 
ohne  Scheu  Auftreten,  muss  eine  solche  wahr- 
haft wissenschaftliche  Bescheidenheit  doppelt 
hochgeschätzt  werden.  Dilettanten  können  der 
prähistorischen  Wissenschaft  die  grössten  Dienste 


deckung  und  Ansammlung  des  Materials  alle  ge- 
bildeten Menschen  , ja  jeden  Bauer , der  in  der 
Erde  gräbt,  als  Mitarbeiter.  Aber  nicht  Jeder, 
der  einige  Urnen  aus  der  Erde  gehoben  hat,  ist 
dadurch  Archäolog  geworden  und  darf  als  dor 
vollgerüstete  Fachmann  auflreten : Der  Dilettan- 
tismus kann  oftmals , weun  er  als  die  wahre 
Wissenschaft  zu  gelten  beansprucht , der  ärgste 
Feind  der  Wissenschaft  werden.  — Beseelt  von 
dem  wärmsten  wissenschaftlichen  Interesse  ist 
unser  Verfasser  so  sorgsam  gewesen,  damit  bei 
den  Untersuchungen  keine  Beobachtung  unter- 
lassen, kein  Detail  der  Wissenschaft  entzogen  wer- 
den sollte,  dass  fast  alle  Ausgrabungen  von  einem 

I Fachmann,  Dr.  Henry  Petersen  vom  Museum 
in  Kopenhagen,  geleitet  worden  sind.  Noch  weiter: 


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damit  die  Grabhügel,  die  Urnenfelder  u.  s.  w.  der 
Wissenschaft  möglichst  ergiebig  werden  sollen, 
hat  der  Vorfasser  nicht  alles  auf  einmal  aus- 
beuten  lassen : nachdem  eine  bedeutende  Menge 
ausgegraben  ist,  wird  noch  der  grösste  Theil  ge- 
spart; die  Wissenschaft  kann  nun,  meint  der 
Verfasser,  erst  das  bereits  ausgegrabene  und  mit 
grösster  Sorgfalt  veröffentlichte  Material  sich  zu 
Nutze  machen;  dann  könnon  nach  und  nach  weitere 
Ausgrabungen  mit  geschürftem  Auge  und  reicheren 
Resultaten  unternommen  werden.  Wie  selten  wird 
man  nicht  solch  eine  fast  ängstliche  Wahrnehmung 
der  Interessen  der  Wissenschaft  nicht  nur  bei 
Dilettanten  aber  auch  selbst  bei  Fachmännern 
finden ! 

Das  Werk  gibt  nun  nicht  allein  die  genau- 
esten Fundberichte  und  die  sorgfältigsten  Be- 
schreibungen der  gefundenen  Alterthümer  nach 
den  gewöhnlich  aufgestellten  Formen  und  Typen; 
der  Verfasser  ist  ein  praktischer  Mann  und  sieht 
die  alten  Geräthe  an  mit  dem  praktischen  Sinne, 
der  die  Spuren  des  Gebrauches,  die  sie  an  sich 
tragen,  genau  studirt,  der  durch  technische  Ver- 
suche über  ihre  Bestimmung  und  Zweckmässigkeit 
Erleuchtung  sucht.  An  den  Steinsachen  findet  er 
Spuren  des  Abnutzens  durch  den  Stiel,  sieht  er, 
wie  die  abgenützte  Schneide  durch  neue  Be- 
hauung oder  Schleifen  erneuert  ist;  um  den 
vollen  Eindruck  dos  Gerüthes  zu  erhalten,  denkt 
er  sich  es  immer  in  dem  Stande,  in  welchem  es 
im  Gebrauch  war,  — mit  dem  Schaft  versehen. 
Der  Verfasser  hat  auch  nach  der  Publikation  des 
vorliegenden  Werkes  technische  Versuche  mit  den 
Steingoräthen  fortdauernd  betrieben ; er  hat  seine 
Tischler  und  Zimmorleuto  mit  Feuerstein -Werk- 
zeugen ausrüsten  lassen;  Büume  sind  gefällt,  die 
SUlmme  gespalten  und  zukleinerenHolzgegenst&ndon 
verarbeitet  u.  s.  w.  Die  Feuerstein-Geräthe  sind  da-  , 
bei  über  Erwarten  brauchbar  befunden  werden;  so 
wurde  z.  B.  mit  einer  geschliffenen  Feuersteinaxt  ein 
Holzstamm  von  8 Zoll  Durchmesser  in  13  Minuten 
umgehauen,  ohne  dass  die  Schneide  des  Gerüthes 
dabei  das  Geringste  gelitten  hätte  Der  Verfasser 
setzt  noch  diese  interessanten  Versuche  fort  und 
bereitet  darüber  eino  besondere  Publication  vor. 
In  der  Gegend  von  Warde  im  westlichen  Jüt- 
land leben  noch  die  letzten  Spuren  einer  uralten 
keramischen  Industrie,  deron  Producte,  die  schwarz- 
gefärbten  „Jydepotter“  (jütlttndiscbe  Töpfe)  bis 
vor  Kurzem  über  ganz  Dänemark  und  auch  in 
Norddeutschland  verbreitet  wurden.  Bei  der  Un- 
tersuchung einiger  prähistorischer  Ueberrcsto  in 
der  Gegend  von  Broholm  — mit  Kohlen,  Asche 
und  verbrannten  Steinen  gefüllte  Vertiefungen  in 
der  Erde  — wurde  der  Verfasser  erinnert  an 


gleichartige  Brandgruben,  ül>er  welche  diese  jüt- 
ländlschen  ThongefUsse  getrocknet  oder  gebranct 
werden.  Er  ging  darum  nach  Jütland,  um  diese 
Industrie  an  Ort  und  Stelle  zu  studiren ; die 
Aehnlichkeit  dieser  modernen  Gefässe  mit  den 
Urnen  aus  dem  Eisenalter  war  ihm  eine  weitere 
Aufforderung.  In  seinem  Werke  hat  er  nun  einen 
sehr  interessanten  Bericht  über  diese  Fabrikation 
gegeben,  deren  primitive  Technik  von  ihrem  hohen 
Alter  Zeugnis#  ablegt.  Die  Gefässe  werden  aus 
freier  Hand  gemacht,  auf  ein  Gerüst  über  kleine 
Gruben , worin  Torffeuerung , getrocknet  und 
endlich  auf  offenem  Felde  in  kleinen  Haufen  zu- 
sammengestellt, mit  Heidetorf  bedeckt  und  durch 
dessen  Anzündung  gebrannt.  Bei  dieser  Art  des 
Brennens,  wo  flammendes  Feuer  vermieden  wird, 
werden  die  Gefässe  geschwärzt;  wenn  sie  vorher 
mit  dem  „Glasurstoin“  geglättet  sind , erhalten 
sie  eine  glänzende  schwarze  Oberfläche.  Der  Ver- 
fasser findet  es  wahrscheinlich,  dass  die  schwarze 
und  wie  glasirte  Oberfläche  der  Urnen  aus  dem 
Eisenalter  wenigstens  zum  Theil  eben  auf  diese 
Weise  hergestellt  ist. 

Auch  andere  bisher  im  Norden  unbekannte 
Arten  prähistorischer  Uoberreste  hat  der  Verfasser 
entdeckt  und  beschrieben;  so  z.  B.  Wohnsitze  mit 
grossen  Anhäufungen  von  KüchenabfÜllon,  wahr- 
scheinlich aus  dem  Eisenalter,  gepflasterte  Brand- 
stellen u.  in.  Bemerkenswerth  ist  das  Auffinden 
von  Brandstellen , wo  Roheisen  — Eisennieren 
und  wahrscheinlich  um  Pflanzenwurzeln  gebildete 
Eisenröhrchen  — in  bedeutender  Menge  gesammelt 
wurden;  femero  Untersuchungen  werden  hoffentlich 
Aufschlüsse  geben,  ob,  wie  es  scheint,  die  Spuren 
prähistorischer  Eisenschmelzerei  hier  wirklich  ge- 
funden worden. 

Keine  Gruppe  unter  den  Funden  von  Broholm 
; ist  vielleicht  so  merkwürdig,  wie  die  der  Gold- 
funde. In  dieser  Gegend  sind  im  letzten  Jahr- 
hundert 26  oder  28  Goldfunde  entdeckt,  Schmuck- 
sachcn,  Bracteaten  und  römische  Solidi  enthaltend; 
der  grösste  Fund,  von  1833»  bestand  aus  52  Stücken 
von  einem  Gesamratge wicht  von  mehr  als  4 Kilogr. 
Diese  Anhäufung  von  Goldschätzen,  aus  dem  5. 
bis  7-  Jahrhundert  n.  Chr.  stammend,  beweist, 
wie  ungemein  reich  die  Bewohner  dieses  Landes- 
theils  in  jener  Zeit  gewesen  sind.  Klar  und 
beweisend  wird  hier  auch  der  wahre  Zusammen- 
hang mit  dem  sogenannten  „Goldhängschmuck 
aus  Schonen“  auseinandergesetzt.  Dieser  berühmte 
Hängschmuck,  im  Museum  in  Kopenhagen  be- 
findlich, der  aus  einer  reich  ornaraentirten  Gold- 
platte , Goldperlen  und  7 mit  Oehr  versehenen 
byzantinischen  Goldmünzen  besteht,  wurde  dem 
Museum  verkauft  als  in  Schonen  gefunden ; er 


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ist  abgebildet  bei  Worsaae,  Nordiske  Oldsager,  1 
Nr.  397,  und  bei  Montelias,  Antiquitöes  Sue-  j 
doiseö , Nr.  455.  Durch  die  örtliche  Tradition  I 
und  durch  Supplementfunde  ist  es  nun  dargethan, 
dass  der  Fund  in  der  Gegend  von  Broholm  ge- 
macht ist,  dass  die  Goldplatte  das  oberste  Bruch- 
stück einer  überaus  prachtvollen  Fibula  ist,  deren 
Unterplatten  von  Bronze  im  Museum  in  Kopen- 
hagen auch  verwahrt  waren,  ohne  dass  man  bis- 
her die  Zusammengehörigkeit  dieser  Stücke  be- 
merkt hatte.  Der  Jude,  der  Goldsachen  bei  den  j 
Bauern  gekauft  und  nach  Kopenhagen  gebracht  ; 
hatte,  gab  eine  ausländische  Fundstelle  an,  um  j 
den  Antheil,  den  an  allen  in  der  Erde  gefundenen  ; 
Schätzen  ein  Gesetz  der  Krone  zugesagt  hat,  nicht  , 
zu  verlieren. 

Dies  stattliche  Werk  ist  ein  rodendes  Zeugniss 
von  dem  warmen  Interesse,  womit  in  Dänemark 
die  Wissenschaft  auch  von  dem  Landesadel  um- 
fasst wird : es  liegt  vor  uns  zunächst  als  eine  wis- 
senschaftliche und  patriotische  Tliat  des  Ver- 
fasser, zugleich  als  eine  Ehro  seiner  Nation  und 
als  eine  Zierde  seines  Standes.  Möchten  nun  auch 
andere  Edelleute  und  Gutsbesitzer , sowohl  im 
Norden  wie  anderswo,  dem  schonen  Beispiel  des 
Herrn  Kammerherrn  de  Sehested  folgen,  die 
prähistorischen  Ueberreste  auf  ihren  Besitzungen 
zu  untersuchen  und  zu  verwahren  und  das  Material 
mit  so  glänzender  Treue  und  Liberalität  der  Wis- 
senschaft zur  Benützung  darzulegen! 

Christiania,  Februar  1Ö79. 


Ringwälle  bei  Rothenburg  ob  der 
Tauber.*) 

I.  Der  Stadt  Rothenburg  gegenüber,  nur 
durch  das  Tauberthal  getrennt,  ist  die  sogenannte 
Engelsburg,  ein  schmaler,  über  200'  hoher  Berg- 
vorsprung, welcher  auf  zwei  Seiten  durch  eine 
nahehiu  rechtwinkelige  Windung  dieses  Thaies 
und  auf  der  dritten  Seite  durch  das  unter- 
halb einmündende,  wildromantische  Vorbachthal 
gebildet  wird.  Nach  rückwärts  ist  auf  der 
Höhe  des  Vorsprunges  ein  gegen  20'  hoher 
Steinwall  in  Form  eines  Bogens  von  Thalrand 
zu  Thalrand  aufgeworfen , dessen  Sehne  1 50 
Schritte  misst  und  dessen  Oeffnung  genau  nach 
Osten  gerichtet  ist.  Durch  den  Wall  wird 
ein  sturmfreies  Plateau  von  ungefähr  8 Morgen 
abgegrenzt.  Ohne  Zweifel  wurde  derselbe  in 
urvordenklichen  Zeiten  zu  Zwecken  des  Schutzes 


•)  Aua  dem  „ Korrespondent  von  und  für  Deutsch- 
land“, Nürnberg,  Nr.  239,  Abendblatt  10.  Mai  1876. 


und  der  Vertheidigung  aufgeworfen,  wozu  ausser 
Erde  vorzugsweise  Brocken  des  an  Ort  und 
Stelle  vorhandenen  Muschelkalk  - Dolomit’s  ge- 
nommen wurden.  Dass  zu  Zeiten  starke  Feuer 
auf  dem  Walle  loderten,  beweisen  die  vielen, 
theils  an  dor  Oberfläche  herumliegenden,  theils 
unter  dem  Rasen  verborgenen , roth  gebrann- 
ten Kalksteine;  ja  stellenweise  ist  der  gar  ge- 
brannte Kalk  durch  Regon-  oder  Schneewasser 
gelöscht  und  zu  Kalkbrei  geworden,  welcher  jetzt 
in  Gestalt  formloser  Mörtelbrocken  unter  dem 
Rasen  liegt.  Längst  fiel  es  auf,  dass  unter  den 
umherliegenden  Kalksteinen  auch  viele  Sandstein- 
brocken sich  befinden,  welche  zumeist  ebenfalls 
roth  gebrannt  sind.  Nun  bricht  aber  der  von 
I Natur  graugelbe  Letten  kohlen-Sandstein,  welchem 
diese  Trümmer  angehören , nicht  in  der  Nähe 
, des  Walles , sondern  es  mussten  die  Sandsteine 
1 aas  mindestens  halbstündiger  Entfernung  herbei- 
: geschafft  worden  sein.  Noch  auffallender  aber 
, ist  es,  dass  unter  diesen  heimischen  Gesteinen 
auch  Trümmer  von  Gebirgsarten  Vorkommen, 

1 welche,  der  Rothenburger  Gegend  ganz  fremd, 
aus  weiter  Ferne  hergebracht  worden  sein  mussten. 
Schon  vor  langen  Jahren  wurden  nämlich  unter 
den  Kalk-  und  Sandsteintrümmern  des  Walles  einige 
wenige  Stücke  von  Granit  und  Gneiss  gefunden, 
eines  der  letzteren  sogar  in  konischer  Form  — 
offonbar  mittelst  eines  Steinwerkzeugos  — durch- 
bohrt. Die  Funde  erregten  damals  einiges  Auf- 
sehen, konnten  aber  nicht  onträthselt  werden, 
und  die  Sache  kam  in  Vergessenheit.  Erst  in 
neuester  Zeit  wurden  von  den  unten  Genannten 
gründlichere  Untersuchungen  des  Walles  ange- 
stellt, welche  durch  reiche  Funde  belohnt  worden 
sind.  Es  kam  hiebei  der  Umstand  wesentlich 
zu  Statten,  dass  der  Wall  Behufs  einer  beab- 
sichtigten Waldkultur  mit  vielen  Saatriefen 
durchfurcht  wurde,  so  dass  noch  zahlreiche  in- 
teressante Steine  an  die  Oberfläche  kamen,  die 
früher  unter  Rasch  und  Moos  verborgen  lagen. 
Es  wurde  namentlich  eine  grössere  Anzahl  von 
Trümmern  fromder  Gebirgsarten  gefunden,  wel- 
i che  je  eine  eben  geschliffene  Reibflächo  zeigen, 
so  dass  mit  Ausschluss  jeder  Täuschung  klar 
wurdo , dass  die  fremden  Steine , ganz  ent- 
sprechend den  an  der  Hoidenmauer  bei  Dürk- 
heim gefundenen,  zuin  Zerreiben,  d.  h.  Mahlen 
von  Getreide  aus  freier  Hand  benützt  wurden, 
wie  Dieses  bekanntlich  bei  den  alten  Germanen 
Gebrauch  war  und  bei  manchen  rohen  Völker- 
schaften noch  Gebrauch  ist.  Es  können  selbst 
bei  oberflächlicher  Betrachtung  sehr  leicht  die 
sogenannten  Bodensteine  von  den  mit  den  Händen 
zu  bewegenden  Läufern  unterschieden  werden, 


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32 


da  erstere  plnttcnförmig  zugerichtet  sind,  während 
letztere  an  den  oberen  Kanten  eine  handliche  Zu- 
rundung  zeigen.  Besonders  überraschend  ist  die 
grosse  Manchfaltigkeit  dieser  Steine,  von  denen 
bis  jetzt  schon  gegen  25  Arten  und  Varietäten 
gefunden  wurden,  nämlich  an  Korn,  Farbe  und 
Mischung  verschiedene  Gneisse  und  Granite,  Dio- 
rit  Kieselschiefer,  poröse  Basalt-Lava,  Qnarzkon- 
glomerate,  verschiedene,  noch  nicht  näher  be- 
stimmte Silikatgesteine  und  verhältnissmässig 
viele  Trümmer  von  buntem  Sandstein;  lauter 
harte  Steine  mit  reichem  Gehalt  an  Quarz  und 
Feldspath.  Die  erwähnten  Steine  sind  alle  zer- 
schlagen, doch  wurden  Trümmer  bis  zu  20  Pfd. 
Schwere  und  Reibflächen  bis  zur  Grösse  eines 
Quadrat fusses  gefunden.  Die  Basalt-Lava  dürfte 
den  Brüchen  von  Andernach  entstammen,  welche 
bekanntlich  auch  von  den  Römern  benützt  worden 
sind,  die  bunten  Sandsteine  mögen  vom  unteren 
Tauber-  oder  Mainthal  herbeigeschafft  worden 
sein,  die  Heimath  aller  übrigen  Fremdlinge  ist 
zur  Zeit  noch  nicht  näher  festgestellt,  doch  ist 
es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  den  Gebirgen 
Westdeutschlands  entnommen  sind.  Die  interes- 
santen Steine  wurden  von  den  beiden  Entdeckern 
tbunlichst  gesammelt  und  Hegen  Alterthums- 
freunden zur  Ansicht  bereit.  Nach  Lösung  des 
Rüths  eis,  welches  die  fremden  Steine  darboten, 
Ist  es  mehr  als  warscheinlicb,  dass  die  durch  und 
durch  rothgebrannteu  heimischen  Sandsteine,  welche 
meistens  roh  in  Platten  form,  Backsteinen  ähnlich 
zugerichtet,  umherliegen,  als  Herdsteine  verwen- 
det und  stark  erhitzt  wurden,  um  darauf  Brod 
zu  backen  oder  Fleisch  zu  braten.  Es  liegt  die 
Vermuthung  nabe,  dass  der  Wall  einstmals  von 
einer  feindlichen  Schaar  erstürmt  wurde,  dass 
die  Angegriffenen  niedergemacht  wurden  oder 
flohen  und  dass  der  siegreiche  Feind  die,  wenn 
auch  an  sich  werth vollen,  doch  schwer  zu  trans- 
portirenden  Wirthschaftsutensilien , welche  er 
vorfand,  zertrümmerte  und  umherstreute.  Wahr- 
scheinlich war  der  Wall  damals  noch  mit  einem 
starken  Verhaue  versehen,  welcher  von  einer  der 
streitenden  Parteien  angeztludet  wurde  und  nieder- 
braunte,  denn  nur  durch  einen  solchen  Vorgang 
lässt  sich  die  Unzahl  rothgebrannter  Steine  auf 
dem  ganzen  Walle  erklären.  Die  fremden  Steine 
scheinen  nicht  mit  metallenen  Instrumenten, 
sondern  mittelst  anderer  harter  Steine  bearbeitet 
worden  zu  sein,  wie  sich  denn  überhaupt  auf 
dem  Walle  noch  keine  Spur  von  Bronze  oder 
Eisen  vorfand.  Ausser  den  geschilderten  fremden 
Steinen  wurden  noch  mehrere  Scherben  von  ir- 


denem, unglosirten  Geschirr  gefunden.  Der  Thon, 
welcher  liiezu  verwandt  wurde,  ist  im  gebrannten 
Zustande  tief  sebwarzgrau  und  stammt  keinen 
Falles  aus  der  Rothenburger  Gegend.  Von  mehr- 
eren dieser  Scherben  lässt  sich  mit  Sicherheit 
annobmen,  dass  die  treffendem  Gefässe  aus  freier 
Hnnd  geformt  waren.  Nach  Allem  gehört  der 
beschriebene  Wall  mit  zu  den  interessantesten 
Ueberresten  einer  längst  vergangenen,  wahrschein- 
lich der  sogenannten  Stein-Zeit. 

Dr.  Ptirkhauer.  A.  Merz,  Subrektor. 

II.  Ein  zweiter  noch  grösserer  Ring- 
wall liegt  auf  derselben  Taulwraeito  zwei  Stunden 
weiter  abwärts.  Der  Raum,  den  der  nahezu 
12  Minuten  lange  Ringwall  einschliesst,  beträgt 
etwa  das  10— 12  fache  des  Rothenburger  Plateaus. 
Mehrere  Bauernhöfe  — Tauberburgstall  genannt 
— liegen  auf  demselben  und  nimmt  theils 
Ackerland,  theils  Wald  die  übrige  Fläche  ein. 
Nachgegraben  wurde  hier  noch  nicht,  doch  soll 
eine  Stelle  im  Walde  mit  den  Namen  die  „Kirche“ 
bezeichnet  sein.  Ausser  dem  gegen  20'  hohen 
Hauptwall  erstreckt  sich  aber  in  mäßiger  Ent- 
fernung noch  ein  zweiter,  niedrigerer ; zwischen 
beiden  liegt  nur  Feld.  Im  Munde  der  Leute 
heisst  der  Platz  das  lluDnenlager. 

Dr.  Schiller,  Oberstabsarzt. 


Heilige  Steine. 

1.  Aus  Südbayern. 

Den  111-  Februar  1879.  Hon*  Landrath  Fr. 
Mittermaier  aus  Inzkofen  bei  Moosburg,  einem 
der  reichsten  Fundorte  prähistorischer  geschliffener 
St  ein  Waffen  in  Südbayern,  erzählt,  dass  ein  aussen 
an  der  Kirche  zu  Frauenberg  bei  Landshut  lehn- 
ender Stein  eine  grosse  Verehrung  von  Seite  des 
dortigen  Landvolkes  erfährt.  Er  lehnt  am  Portal 
und  der  Eintretende  berührt  denselben.  Es  be- 
steht die  Sage,  der  heilige  Erhard,  der  bekannte 
Viehpatron  dieser  Gegend,  sei  auf  diesem  Stein  von 
Altheim  nach  Frauenberg  über  die  Isar  gefahren, 
als  dort  eine  Viehseuche  geherrscht,  welche  auf 
Fürbitte  des  Heiligen  aufgehört  habe.  Der  Stein 
ist  viereckig,  „eine  Elle  lang  und  breit  und  einen 
Schub  dick“.  Er  hat  in  der  Mitte  ein  Loch  wie 
ein  Mühlstein,  aber  keine  Schale. 


Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  F.  St  rn  uh  in  München.  — Schi  uns  der  Bednklinn  am  ln.  M>ir:  JS79. 


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Correspondenz-Blatt 

der 


deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Rcdigirt  von  Professor  Pr.  Johanne«  Ranke  in  München, 

(Imeraistcretnr  der  Quetüchafl. 


Nr.  5. 


Erscheint  jeden  Monat. 


Mai  1871». 


Einladung  zur  X.  allgemeinen  Versammlung 

der 

Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  zu  Strassburg. 

Die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft  hat  Strassburg  als  Ort  der  diesjährigen  allge- 
meinen Versammlung  erwählt  und  Hm.  Professor  Gerl  and  um  Ueberaahmo  der  lokalen  Geschäfts- 
führung ersucht. 

Die  Unterzeichneten  erlauben  sich  im  Namen  des  Vorstandes  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  die  deutschen  Anthropologen  und  aUe  Freunde  anthropologischer  Forschung  zu  der  am 

11.,  12.  und  13.  August  d.  Js.  in  Strassburg 

im  Saale  des  Stadthauses  (Mairie) 

Btattfindenden  allgemeinen  Versammlung  ergebenst  einzuladen. 

Die  Tagesordnung  der  Versammlung  wird  in  der  nächsten  Nummer  des  Korrespondenzblattes 
mitgetheilt  werden. 

Prof.  Georg  Gerl&nd,  Prof.  Johannes  Ranke, 

Geechäftsföhrer  für  Strassburg,  Generalsekretär. 

Steinstras8e  57.  München,  Briennerstrasse  25. 


„Künstliche  Höhlen“  in  Nieder- 
Oesterreich. 

Von  Dr.  M Much. 

(Mit  4 Abbildungen.) 

[Einleitende  Bemerkungen  der  Re- 
daction. Herr  Dr.  M.  Much  hat  zur  Auf- 
klärung über  die  Frage  der  Verbreitung  der 
„künstlichen  Höhlen“  (cf.  Bericht  der 
IX.  Allgemeinen  Versammlung  in  Kiel  S.  93 
und  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urge- 
schichte Bayerns  Bd.  II.  8.  146  ff.)  wichtige 


Untersuchungen  beigobracht.  Schon  in  seiner  in- 
teressanten Abhandlung : über  prähistorische  Bau- 
art und  Ornamontirung  der  menschlichen  Wohn- 
ungen (Mittheil.  d.  Wioner  anthrop.  G.  Bd.  VII. 
8.  318  ff.)  hatte  dieser  vortreffliche  Forscher  er- 
wähnt, dass  noch  heute  in  Niederösterreich  künst- 
liche Höhlenwohnungen  existiren  und  hiebei  auf 
die  sogenannten  Erd  Ställe  hingedeutet.  Diese 
Erdställe,  meist  von  Kellern  aus  durch  engen  Ein- 
gang zugängige  grössere  viereckige  Kammern,  sind 
von  den  bayerischen  „künstlichen  Höhlen“  wesent- 
lich verschieden , stimmen  aber  wahrscheinlich 


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34 


mit  den  namentlich  in  der  bayerischen  Ober- 
pfalz als  „Hinterkeller0  (Gümbel)  bezeicb- 
neten  Schlupfwinkeln  für  Feindesgefahr  überein. 

In  einer  neuen  Abhandlung : Künstliche 

Hü lilen  in  Niederösterreich  (Mittheil- 
ungen  der  Wiener  anthr.  G.  Bd.  IX,  No  1 — 3) 
weist  nun  aber  Herr  Much  im  Anschluss  an  die 
bayerischen  Untersuchungen  nach,  daßs  sich  unter 
den  künstlichen  Höhlen  in  Niederösterreich  unter- 
irdische Bauwerke  finden , welche  wie  die 
bayerischen  einst  vorwiegend  Grabstatten  ge- 
wesen zu  sein  scheinen.  In  zwei  Fallen  wird 
diese  Annahme  wie  es  scheint  durch  die  Funde  [ 
zur  Gewissheit  erhoben  namentlich  für  jene  „back-  ] 
ofenförmigen“  Hohlräumo,  welche  auch  die  bayer- 
ischen Berichte  erwähnen.  Das  ist  übrigens  ge- 
wiss, dass,  wie  Herr  Much  bemerkt,  „künst- 
liche Höhlen“  zu  sehr  verschiedenen  Zwecken 
angelegt  wurden  in  alter  wie  neuer  Zeit  und 
dass  wir  jene  bayerischen  Erdlabyrinthe 
nicht  zusammenwerfen  dürfen  mit  den  überall  vor- 
kommenden  unterirdischen  Gängen  alter  Schlösser, 
Klöster  und  Kirchen  oder  mit  alten  Brunnen- 
schächten etc.  — In  den  letzten  Tagen  lief  bei  der 
Redaction  ein  neuer  Bericht  von  Herrn  Dr.  Much 
über  diesen  Gegenstand  ein]: 

„Ich  habe  mir  erlaubt,  Ihnen  eine  kleine 
Notiz  über  das  Vorkommen  künstlicher  Höhlen 
in  NiederÖBterreicb  (cf.  oben)  zuzusenden.  Mit 
der  Veröffentlichung  derselben  konnte  ich  aller- 
dings keine  weiteren  Aufschlüsse  über  das  Wesen 
dieser  merkwürdigen  Erscheinung  geben ; indess 
genügt  ja  vorläufig  der  Nachweis  der  Thatsache, 
dass  auch  in  Niederösterreich  derartige  künstliche 
Höhlen  Vorkommen.  Man  könnte  freilich  ein- 
wenden , dass  die  nieder-österreichischen  Höhlen 
von  den  bayerischen  abweichen  und  mit  ihnen 

Fiff  I 


nicht  verglichen  werden  können.  Schon  die  Form 
der  Wölbung  ist  eine  verschiedene;  bier  der  Rund- 
bogen, in  Bayern  der  Spitzbogen.  Ich  habe  je- 
doch schon  in  meiner  Notiz  angedeutet,  dass  dio 
verschiedene  Form  der  Wölbung  durch  das  Mittel 
bedingt  sein  möchte,  in  dem  die  Höhlungen  an- 
gelegt sind.  Der  Löss  gestattete  den  Rundbogen 
und  erleichtert«  dadurch  die  Arbeit;  die  feste 
Sandmasse  aber  verlangte  vielleicht  der  Sicherheit 
wegen  den  Spitzbogen. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Monats  März  war 
ich  nun  so  glücklich,  auch  in  feste  Sandmasse 
gegrabene  Höhlen  aufzufinden , und  diese  sind 
genau  so  spitzbogig  wie  die  bayerischen.  Natür- 
lich war  meine  Freude  darüber  gross.  Diese  zu- 
letzt aufgefundenen  Höhlen  dürften  überhaupt  zu 
den  interessantesten  ihrer  Art  gehören.  Sie  befinden 
sich  in  Ober-Stinkenbrunn  — erschrecken 
Sie  nicht  über  den  Namen , so  stinkend  das 
Wasser  des  Orte«  zum  Theile  sein  mag,  so  duftig 
ist  das  Nass  seiner  Reben  — nördlich  von  Wien, 
unweit  Hollabrunn,  und  bestehen  aus  einer  langen 
Reihe  von  Kammern , die  durch  einen  niedrigen 
Gang,  perlschnurartig  verbunden  sind.  Die  Kam- 
mern sind  etwa  3 Meter  lang,  2 Meter  breit  und 
so  hoch , dass  ein  Mann  darin  aufrecht  stehen 
kann ; die  sie  verbindenden  Gänge  sind  aber  nur 
etwa  f»0  Ctm.  hoch,  so  dass  man  sie  zum  Theile 
nur  auf  dem  Bauche  kriechend  passiren  kann  — 
allerdings  keine  sehr  behagliche  Lokomotion,  wenn 
man  zuvor  wahrgenommeu  hat , dass  einzelne 
Kammern,  darunter  eine  erst  im  vorigen  Jahre, 
verstürzt  sind.  Diese  Gänge  (lucus  a non  lu- 
cendo)  sind  2 bis  3 Meter  lang.  Ein  Längs- 
durchschnitt der  Höhlen  würde  darnach  beiläufig 
wie  Fig.  I.  aussehen: 


Bei  a zweigt  sich  der  Gang  zu  einer  seitwärts,  also  nicht  in  der  Reihe  gelegenen  Höhle  ab.  Der 
Querdurchschnitt  einer  Kammer  (bei  a)  zeigt  sich  in  nachstehender  Art  Fig.  II. : 


a — b abzweigender  Gang;  c seitwärts  gelegene  Kammer; 
d in  der  Reihe  gelegene  Kammer;  e Hauptgang,  der  alle 
Kammern  in  der  Reihe  verbindet. 


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35 


Der  Grundriss  der  Kammern  in  kleineremMassstabe  ist  nachstehender  Fig.  III.: 


a — b ist  der  vorstehend  erwähnte  abzweigende  Gang ; d die  vorstehend  im  Querschnitt  ge- 
zeichnete Reihenkammer ; c die  seitwärts  gelegene  Kammer;  h bezeichnet  eine  starke  Krümmung 
des  Ganges  nach  seitwärts  und  abwärts,  der  Gestaltung  der  Bodenoberfläche  entsprechend. 


Bei  f und  g setzen  sich  die  Kammern  noch 
fort,  und  es  können  von  f weg  der  Bodengestalt- 
ung nach  etwa  vier  bis  fünf  Kammern  sein,  wo- 
von eine  verstürzt  ist  und  die  weitere  Unter- 
suchung unmöglich  macht.  Von  g an  sind  noch 
weitere  vier  Kammern  betreten  worden;  es  ist 
damit  nicht  gesagt,  dass  sie  dann  ihr  Ende  finden, 
ja  es  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  es  nicht  der 
Fall  ist,  da  sich  weiterhin  noch  eine  Bodensenk- 
ung befindet,  die  ganz  augenscheinlich  durch  den 
Einsturz  einer  Kammer  entstanden  ist. 

Diese  lango  Kette  unterirdischer  Kammern, 
die  so  lebhaft  an  Keihengräber  er- 
innert, befindet  sich  auf  dem  Hügel,  auf  wel- 
chem die  Ortskirche  steht , und  unterteuft  in 
ihrem  Verlaufe  den  an  die  Kirche  anstossenden 
Friedhof,  was  aus  der  schon  erwähnten  Boden- 
senkung ersichtlich  ist. 

Alle  von  mir  betretenen  Kammern  sind  leer 
und  ich  habe  nichts  von  Funden  in  denselben  in 
Erfahrung  gebracht 

Besonders  wichtig  sind  die  künstlichen  Höhlen 
von  Stinkenbrunn  dadurch,  dass  sie  ganz  deutlich 
zeigen,  dass  sie  nicht  etwa  Seitenkammern  von 
Kellern  sind,  denn  sie  wurden  erst  durch  den 
Bau  von  Kellern  aufgeschlossen  und  zugänglich 
gemacht,  und  zwar  in  einer  für  die  Kellerbeeitzer 
nicht  angenehmen  Weise,  weil  damit  zugleich 
eine  jedenfalls  nicht  erwünschte  Communikation 
zwischen  den  verschiedenen  Kellern,  welche  die 
Karamerreihe  senkrocht  durchschneiden , gegeben 
war.  Der  in  der  dritten  Zeichnung  ersichtliche 
Durchschnitt  i — i deutet  einen  solchen  Keller- 
eingang an , von  dem  aus  die  ganze  Reihe  der 
Kammern  am  leichtesten  zugänglich  ist. 

Noch  muss  ich  bemerken,  dass  von  der  Docke 
jeder  einzelnen  Kammer  eine  etwa  5 cm.  weite 
Röhre  an  die  Oberfläche  führt,  wo  sie  natürlich 
verfallen  ist. 


Aehnlicher  Art  wio  die  künstlichen  Höhlen 
von  Stinkenbrunn  scheinen  jene  von  Ruppera- 
th al  zu  sein,  die  ich  schon  in  meiner  kleinen 
Notiz  anführte. 

Ich  möchte  mir  noch  die  Bemerkung  erlauben, 
dass  mir  die  künstlichen  Höhlen,  wie  sie  hier 
besprochen  sind,  nicht  an  einzelne  Häuser  oder 
Vorrathsgebäude,  wol  aber  an  die  jetzt  bestehen- 
den Wohnorte  geknüpft  zu  sein  scheinen.  Ob  sie 
als  Vorratskammern  oder  zu  Cultusz wecken  ge- 
dient haben,  lässt  auch  die  merkwürdige  Höhle 
von  Stinkenbrunn  unentschieden.  Ersteres  ist 
jedoch  nicht  sehr  wahrscheinlich,  da  eine  so  grosse 
Reihe  von  Kammern  für  einen  Besitzer  zu  aus- 
gedehnt, für  viele  Besitzer  zu  unzweckmässig  ist, 
weil  jeder  Einzelne,  um  in  Beine  Vorratskammern 
zu  gelangen,  alle  früheren  durchschlüpfen  müsste, 
ein  gegenseitiger  Abschluss  also  unmöglich  wäre. 
Zudem  Hessen  sich  bei  den  engen  Zugängen 
grössere  Gegenstände,  wie  Fässer,  Bottiche  u.  dgl. 
gar  nicht  in  dieselben  bringen.  Letzterer  Um- 
stand schliesst  auch  den  Gedankon  an  Viebställu 
absolut  aus.  Bei  dem  Anblick  des  Grundrisses 
dieser  Kammern  wäre  man  aber  beinahe  verführt, 
an  vorbereitete  und  nicht  zur  wirklichen  Benütz- 
ung gelangte  Grabstätten  zu  denken.  Die  Gänge 
sind  weit  genug,  um  eine  Leiche  und  ihre  Bei- 
gaben hindurchzubringen ; die  Kammer  wäre  nach 
dieser  Idee  das  eigentliche  Grab,  ihre  Dimensionen 
entsprechen  so  ziemlich  jenen  einer  gewissen  Art 
von  Gräbern  und  selbst  die  Form  der  Kammern 
könnte  in  den  trapezförmigen  Gräbern  wiedergo- 
funden  werden , dio  sich  in  nachstehender  Form 
bei  uns  nicht  selten  zeigen  : (Fig.  IV) 


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36 


Bei  den  Querdurchsehnitten  fehlt  allerdings  die 
Spitze  des  Bogens,  aber  es  ist  möglich,  dass  sie 
da  war  und  blos  der  Beobachtung  entgangen  ist. 
Dafür  würde  auch  sprechen , dass  in  unmittel- 
barer Nähe  von  „Erdställon“  wirklich  mensch- 
liche Skelete  ausgegraben  worden  sind.  Dessholb 
ist  auch  der  Zugang  ein  so  enger,  der  wenn  die 
Bestattung  vollzogen  war , leicht  verschlossen 
werden  konnte  und  wirklich  verschlossen  wurde. 

Das  was  ich  hier  über  die  Bestimmung  der 
„ künstlichen  Höhlen “ bemerkte,  stelle  ich  keines- 
wegs als  eine  Behauptung,  nicht  einmal  als  eine 
Vermuthung  bin,  sondern  als  einen  Gedanken,  der 
es  vielleicht  verdient,  besprochen  und  bei  weiteren 
Forschungen  beachtet  zu  werden. 


Ueber  den  neuesten  Bronzefand  in  Bologna, 
und  Uber  das  Vorkommen  des  Bernsteins 
in  der  Emilia  in  prähistorischer  Zeit.*) 

Von  Emil  Stöbr,  Bergwerksdirector. 

Gestatten  Sie  mir  heute,  meine  Herren,  einige 
Mittheilungen  über  einon  Fund  prähistorischer 
Bronzegegenstände,  den  man  im  vorigen  Jahre 
in  Bologna  machte.  Jeder  Bronzefund  ist  von 
Wichtigkeit  und  Bedeutung  für  die  Kulturge- 
schichte, dieser  Fund  aber  ist  so  ausserordentlich 
reich,  wie  bis  jetzt  kein  anderer. 

Ehe  ich  des  Nähern  auf  den  Fund  selbst 
eingehe,  möchte  ich  einige  allgemeine  einleitende 
Bemerkungen  vorrausschicken.  Sie  wissen,  dass 
von  Seandinavien  die  Ansicht  der  Dreitheilung 
der  Kulturepochen  ausging,  nämlich  als  älteste 
die  Steinzeit  anzusehen,  als  darauffolgende 
die  Bronzezeit  und  als  jüngste  die  Eisenzeit. 
Sie  wissen  ebenfalls,  dass  in  den  letzten  Jahren 
diese  Dreitheilung  stark  erschüttert  wurde,  und 
dasB  namentlich  durch  Hostmann's  und  Lin- 
denschmit’s  Begründungen  es  immer  wahr- 
scheinlicher geworden  ist,  eine  für  sich  bestehende 
eigne  Bronzezeit,  scharf  geschieden  von  der  Eisen- 
zeit dürfe  nicht  mehr  angenommen  werden,  da  die 
Kenntniss  des  Eisens  mindestens  ebenso  alt  sei, 
als  die  der  Bronze.  Ans  innern  Gründen,  nem- 
lich  wegen  dos  weitaus  leichtern  metallurgischen 
Prozesses  um  Schmiedeeisen  und  Stahl  darzustellon, 
gegenüber  der  Darstellung  der  Bronze , wird 
diess  fast  zur  Gewissheit ; desshalb  hat  man  nun 
auch  begonnen  nur  mehr  zwei  grosse  Epochen  zu 
unterscheiden  : die  Steinzeit  und  die  M o t a 1 1- 
zeit,  wo  cs  dann  ganz  von  localen  Verhältnissen 

*)  Vortrag  in  der  8itznog  der  Münchener  anthropo- 
logischen Gesellschaft  am  26.  Mai  1878. 


abhängt,  welches  Metall  in  einem  Lande  das  zur 
erst  bekannt  gewordeno  ist.  A priori  ist  de- 
Satz  gowiss  richtig,  dass  der  Mensch  zuerst  die 
in  gediegener  Form  vorkommenden  Metalle  be- 
nutzte, und  erst  viel  später  aus  den  Erzen  die 
Metalle  mittelst  eigener  metallurgischer  Opera- 
tionen darstellte.  Diese  metallurgischen  Opera- 
tionen waren  natürlich  anfänglich  sehr  primitiv, 
wie  sie  es  heute  noch  bei  manchen  wilden  Völ- 
kern Bind,  und  bereits  voriges  Jahr  habe  ich  an 
dieser  Stelle  ein  paar  Notizen  mitgetheilt  bezüg- 
lich solcher  primitiven  Operationen  um  Schmiede- 
eisen darzustellen.  Bezüglich  des  Standpunktes 
den  ich  in  dieser  Frage  einnehme,  theile  ich  ganz 
die,  namentlich  von  Hostmann  und  Linde n- 
schmit  und  neuerdings  von  Graf  Wurm br and 
vertretene  Ansicht,  dass  ncmlich  von  einer  Prä- 
existenz der  Bronze  vor  dem  Eisen 
nicht  die  Rede  sein  könne,  sondern  dass 
im  Gegentheile  die  Präenistenz  des 
Schmiedeeisens  vor  der  Bronze  ange- 
nommen werden  müsse.  Hier  ist  jedoch 
beizufügen,  dass  (ganz  abgesehen  von  dem  Ge- 
brauche der  gediegen  vorkommenden  Metalle)  filr 
manche  Länder  dieser  Satz  scheinbar  sich  ins 
Gegentheil  umkehrt.  Wo  nemlich  Erze,  die 
metallurgisch  leicht  auf  Metalle  zu  verarbeiten 
sind,  fehlen  oder  doch  nicht  bekannt  sind,  da 
muss  die  Kenntniss  der  Metalle  von  aussen 
kommen , und  hier  ist  ee  dann  rein  zufällig, 
welches  Metall  zuerst  importirt  wurde;  so  kann 
Eisen  unmittelbar  auf  die  Steinzeit  folgen  mit 
Ausschluss  der  Bronze , oder  aber  Bronze  mit 
Ausschluss  des  Eisens.  Auch  V i r c h o w hat 

neuerdings  dieser  Ansicht  sich  angeschlossen,  in 
sofern,  dass  er  die  Coexistenz  des  Eisens  mit  der 
Bronzo  zugiebt,  ohne  jedoch  die  Präexistenz  des 
Eisens  noch  vollständig  anzunehmen. 

Ich  möchte  hier  nur  kurz  noch  die  von 
Hostmann  zuerst  behauptete,  und  neuerdings 
von  Graf  Wurmbrand  durch  directe  Versuche 
bestätigte  Thatsache  erwähnen,  wonach  dos  Cise- 
liren  und  Punziren  der  Bronzegegenstände  nicht 
mit  Bronze  Werkzeugen,  sondern  nur  mit  solchen 
von  Stahl  gemacht  werden  kann.  Bei  der  Ver- 
sammlung in  Constanz  hat  Graf  Wurmbrand 
seine  Versuche  mitgetheilt,  und  nachgowiesen 
dass  manche  alte  Bronzen  durch  einen  kleinen 
Nickelgehalt  so  hart  werden,  wie  die  bekannte 
Uchatius’scho  Stahlbronze;  Werkzeuge,  aus  solcher 
Bronze  gefertigt,  könnten  nun  allerdings  zum  Be- 
arbeiten weniger  harten  Bronzen  dienen , aber 
solche  nickelhaltigen  harten  Bronzen  können  nur 
mit  Stahlwerkzeugen  bearbeitet  worden,  und  doch 
\ finden  wir  gar  manches  Geräthe  aus  solcher  Hart- 


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bronze,  z.  B.  Schwerter,  deren  Klingen  mit  den 
zierlichsten  Ciselirungen  versehen  sind. 

Es  ist  auch  gesagt  worden,  die  Verzierungen 
der  alten  Bronzegeräthe  seien  immer  gegossene ; das 
ist  aber  technisch  unmöglich.  Erhabene  Ver- 
zierungen kann  man  allerdings  bei  genügender 
metallurgischer  Kenntnis«  sehr  schön  giessen,  aber 
gewisse  vertiefte  können  nur  gravirt  oder  punzirt 
werden.  Ausserdem  muss  bei  gegossenen  Geräthen 
immer  nachträglich  die  Gussnaht  entfernt  werden. 
Ich  erlaube  mir  in  dieser  Hinsicht  Ihnen  ein 
interessantes  Gusstück  vorzuzeigen  aus  Zink- 
bronze; es  ist  kein  prähistorisches  Stück,  sondern 
der  Jetztzeit  angohörig,  schlieret  sich  aber  doch 
gewissermassen  an  die  prähistorischen  Funde  an. 
Es  stammt  nemlich  aus  Ostindien  und  zwar  ge- 
rade aus  jener  Gegend  (Singhbhum)  wo  die  pri- 
mitive Schmiedeeisenerzeugung  im  Gebrauche  ist, 
von  der  ich  Ihnen  voriges  Jahr  Mittheilung  machte. 
Die  dortigen  auf  niedrer  Kulturstufe  stehenden 
Aborigines  verfahren  bei  der  Bronzegiesserei  eben- 
falls primitiv  genug,  erzielen  aber  dennoch  durch 
Giessen  über  ein  Wachsmodell  die  zierlichsten 
Formen.  Sehen  Sie  da«  Stück  aber  etwas  ge- 
nauer an,  so  finden  Sie  bald,  dass  die  Gussnäthe 
an  den  Kanten  mit  eisernen  Werkzeugen  ent- 
fernt wurden. 

Will  nun  auch  die  Prttexistenz  des  Eisens 
vor  der  Bronze  noch  angezweifelt  werden , so 
kann  doch  kaum  ein  Zweifel  mehr  bestehen,  be- 
züglich der  Coexistenz  der  beiden  Me- 
talle, und  in  Wirklichkeit  schwinden  die  Loca- 
litäten  mit  ausschliesslichen  Bronzefunden  immer 
mehr,  je  genauer  man  untersucht.  Die  Bronze 
hat  aber  nicht  allein  in  der  sogenannten  Bronze- 
zeit das  Material  zu  den  Geräthen  abgegeben, 
sondern  selbst  da,  wo  man  schon  von  einer  Eisen- 
zeit spricht,  ist  sie  noch  in  ausserordentlichen 
Mengen  verarbeitet  worden.  Woher  nun  diese 
Vorliebe  für  Bronzcgerftthe,  nachdem  das  Eisen 
doch  allgemein  bekannt  geworden  war,  und  dass 
man  in  der  ersten  Eisenperiode  verhält nissmässig 
noch  so  wenige  Eisengeräthe  und  so  viele  von 
Bronze  findet?  Der  Grund,  meine  Herren,  scheint 
mir  abgesehen  von  der  Gewohnheit  zunächst  darin  zu 
liegen,  dass  damals  das  Eisen  ein  ungemein  theures 
Metall  war,  während  Bronzegerätbe  relativ  weit 
billiger  hergestellt  werden  konnten.  Die  Darstel- 
lung schon  der  Schmiodeisenluppen  in  den  Ronn- 
öfchen  musste  des  Abbrands  wegen  sehr  theuer 
kommen,  wie  denn  derselbe  nach  meinen  Versuchen 
so  wie  denen  des  Grafen  Wurmbrand  zwischen 
70  und  80  Prozent  beträgt;  letztrer  berechnet 
den  Zentner  so  dargestelltes  Schmied  eisen  auf 
ungefähr  100  Gulden  Selbstkosten.  Damit  hat 


man  aber  nur  erst  einen  Schmiedeisenklumpen 
erzeugt,  der  noch  mit  vieler  Mühe  zu  Geräthen 
umgeschmiedet  werden  muss,  ohne  dass  man  je 
die  zierlichen  Formen  der  gegossenen  Bronzege- 
räthe  erreichen  könnte.  Dazu  kommt  noch  die 
weitaus  grössere  Dauerhaftigkeit  der  Bronzege- 
genstände gegenüber  den  eisernen,  da  sie  nicht 
so  leicht  rosten  und  wenig  durch  den  Gebrauch 
abgenützt  werden,  auch  viel  leichter  rein  und 
blank  zu  erhalten  sind.  Das  ist  auch  der  Grund, 
dass  heute  noch  alle  Orientalen  eine  so  grosse 
Vorliebe  für  Bronzegeräthe  zum  täglichen  Ge- 
brauche dienend,  haben,  und  in  Ostindien  beispiels- 
weise bestehen  die  Hausgeräthe  fast  alle  aus 
•Bronze , trotzdem  dass  man  heute  dort  leicht 
billiges  Eisen  sich  verschaffen  kann. 

Die  Formen  und  Verzierungen  der  prähistor- 
ischen Bronzegeräthe  sind  so  schön  und  stylvoll, 
dass  nur  ein  mit  der  Bearbeitung  der  Bronze 
sehr  vertrautes  Volk  dessgleicben  fertigen  konnte. 
Die  rohen  Urbewohner  der  nordischen  Länder,  in 
denen  sie  sich  finden,  ■ können  sie  unmöglich  ge- 
macht haben,  da  für  die  eigne  niedre  Kultur- 
stufe dieser  Länder  die  neben  den  Bronzegeräthen 
gefundenen  Werkzeuge  von  Stein  und  Knochen 
zeugen.  Die  Bronzegeräthe  müssen  also  impor- 
tirt  sein,  und  steht  es  heute  wohl  fest,  dass  sie  als 
fertige  Geräthe  importirt  wurden,  wenn  auch  in 
Scandinavien  noch  behauptet  werden  will,  es  seien 
die  scandinavischen  Bronzefunde  im  eignen  Lande 
gefertigt  worden,  aus  importirten  Bronzebarren. 
Aber  selbst  diess  zugegeben  so  müssten  die  Bron- 
zestücko  immer  durch  den  Handel  dorthin  ge- 
kommen sein.  Es  wirft  sich  somit  von  selbst  die 
Frage  auf,  woher  stammen  denn  Bronzen  und  Bron- 
zegeräthe? Manche  suchen  nun  die  Heimath  der 
Bronzeerzeugung  im  Orient  und  dem  Kaukasus, 
andre  schreiben  sie  phönizischem  oder  griechisch- 
phönizischem  Ursprung  zu,  während  neuerdings 
die  Ansicht  am  meisten  vertreten  ist,  die  Bronze- 
geräthe die  in  der  Schweiz,  Frankreich,  Deutsch- 
land, ÜGst.reich , Scandinavien  etc.  sich  finden, 
seien  italienischen  und  zwar  etruskischen 
Ursprungs. 

Nach  diesen  einleitenden  Vorbemerkungen  gebe 
ich  Ihnen  nun  die  nähern  Daten  über  die  Bo- 
logneser Funde,  wie  ich  sie  mir  hier  ver- 
schaffen konnte.  Ausser  wenigen  kurzen  Notizen 
des  Finders , des  Ingenieur  Zannoni,  haben 
vorläufige  Berichte  erstattet : C b i e r i c i (Bulle- 
tino  di  Paletnologia  italiana.  1877.  p.  18-)»  Dösor 
(Sockte  des  Sciences  naturelles  de  Neuchatel,  Mai 
1877),  Gozzadini  (Materiaux  pour  l’histoire  de 
Thomme.  6 Hvr,  p.  449.  Juni  1877.)  und  Bellucoi 
(Archivio  per  l’Antropologia  e l'Etnologia.  anno 


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VII  fase.  VII.  Der  letzterwähnte  von  Bellucci  ist 
mir  leider  bis  jetzt  nicht  zugänglich  geworden, 
so  dass  ich  im  Ganzen  den  Bericht  des  Grafen 
Gozzadini,  der  in  Bologna  wohnt,  dem  Fol- 
genden zu  Grunde  lege,  daran  verschiedene  weitre 
Daten  aus  den  andern  Berichten  anreihend. 

Im  Anfänge  des  Jahres  1877  stiess  der  städt- 
ische Ingenieur  Zannoni  (dem  man  vor  7 Jahren 
auch  die  Aufdeckung  der  Gräber  an  der  Certosa 
zu  verdanken  hat),  beim  Aushoben  eines  Grabens 
auf  der  Wiese  von  8.  Francesco  in  2 Fuss  Tiefe, 
unter  einem  alten  römischen  Pflaster,  auf  eine 
grosse  Thonvase;  als  man  sie  blos  legte,  brach 
ein  Stück  ab,  und  fielen  eine  Menge  Bronzege- 
räthe  heraus.  Die  Vase,  eine  Amphora  von  1 Met.* 
25  Höhe,  1.20  grösste  Weite  im  Durchmesser, 
und  mit  einer  Oeffnung  oben  von  85  Centimeter, 
wurde  nun  genau  untersucht,  und  fand  man  sie 
vollgefüllt  mit  Bronzegeräthen,  alle  sorgfältig  auf 
einander  gepackt,  so  dass  kein  leerer  Kaum  übrig 
geblieben  war.  Die  grossen  Stücke  lagen  zu  unterst, 
die  kleinen  um  sie  und  über  ihnen.  * Nicht  we- 
niger wie  30  Centner  Bronzen  enthielt  die  Am- 
phora, und  in  runder  Summe  vierzehntauseud 
Stücke.  Um  die  Wichtigkeit  dieses  Fundes  mit 
andern  derartigen  vergleichen  zu  können,  bemerke 
ich,  dass  die  bis  jetzt  bedeutendste  bekannte  prä- 
historische Bronzeechmelzwerkstatte,  die  von  Lar- 
naud  nur  66  Kilograrames  Bronzen  mit  1800 
Stücken  lieferte ; alle  bis  jetzt  bekannt  gewordenen 
8chmelzstätten  in  der  Schweiz  (6  an  Zahl)  und 
Frankreich  (61)  zusammen  67,  haben  nicht  mehr 
wie  3061  Stück  geliefert.  Dio  Gegenstände  sind 
zum  grossen  Theile  gut  erhalten  und  vollständig, 
viele  sind  aber  auch  zerbrochen;  es  sind  Schmuck- 
gegenstände,  Workzougo  und  Waffen, 
oftmals  prächtig  verziert,  ausserdem  eine  Menge 
von  Gussstücken.  Alles  ist  mit  der  charac- 
teristischen  antiken  Patina  bedeckt.  Bezüglich 
der  Lokalität  ist  zu  bemerken,  dass  8.  Fran- 
cesco zwar  heute  mitten  in  der  Stadt  liegt,  im 
13.  Jahrhundert  jedoch  noch  in  der  Vorstadt  lag; 
es  hat  somit  weder  das  alte  römische  Bononia, 
noch  das  Felsin  a der  Etrusker  bis  dorthin 
gereicht.  Ich  höre,  dass  Zannoni  die  wich- 
tigsten Stücke  photographiren  lässt,  und  ist  zu 
hoffen,  dass  recht  bald  diese  Arbeit  dem  Publikum 
zugänglich  werde,  und  auch  die  nöthigen  chemi- 
schen Analysen  enthalte.  Nach  den  verschiednen 
Angaben  wurden  gefunden : 

An  Beilen  (Ceiten)  1341  Stück,  von  denen 
1086  ganz,  255  zerbrochen  sind.  Sie  haben  die 
verschiedenste^  Formen  vom  einfachen  Keil  an 
bis  zu  den  zierlichsten  Beilmessem.  Alle  sind 


gut  gehärtet,  einige  noch  nicht  ganz  vollendet, 
da  sie  noch  die  Gussnäthe  tragen , andre  sind 
bereits  zugehftmmort  und  geschärft , aber  noch 
ungebraucht,  wieder  andere  bereits  schartig  und 
an  den  Ecken  abgestossen  und  endlich  andere  nur 
in  Bruchstücken  vorhanden.  Bei  einigen  ist  das 
Blatt  kürzer  als  gewöhnlich,  indem  man,  nachdem 
dio  Schneide  abgebrochen,  aus  dem  gebliebenen 
Reste  eine  neue  bildete. 

Vier  Typen  sind  zu  unterscheiden  nemlich 

1 . solche  mit  umgebogenen  Schaftlappen, 
Palstäbe.  Sie  sind  in  vielen  Varietäten 
vorhanden,  und  entsprechen  ganz  den  in  den 
Gräbern  der  sogenannten  ersten  Eisenperiode 
und  in  den  verschiedenen  Pfahlbauten  ge- 
fundenen, 

2.  solche  mit  langem  viereckigen  Schaft- 
rohre und  mit Oefaren  an  den  Seiten;  es  sind 
das  dieselben  die  im  Rhonethale  gefunden 
wurden,  dort  aber  sehr  selten  sind,  und 

3.  solche  mit  rundem  oder  ovalem  Schaft- 
rohr, manchmal  mit  einer  Oehre;  dos  Blatt 
ist  sehr  kurz  und  breit  an  der  Basis.  Diese 
sind  die  seltensten  und  scheinen  sie  mir  der 
Beschreibung  nach,  ganz  den  in  Morsee  ge- 
fundenen zu  entsprechen, 

4.  solche  mit  transversaler,  runder  Dülle; 
sie  sind  plump,  gleichen  aber  ganz  unseren 
kurzen  eisernen  Beilen.  Von  dieser  Form,  die 
bis  jetzt  in  den  übrigen  alten  ßronzcschmelz- 
stätten  fehlen , fand  man , neben  einzelnen 
Bruchstücken  18,  vollständige  Exemplare. 

Merkwürdig  ist  hier  das  Zusammen  verkommen 

von  Beilen  mit  Schaftlappen,  mit  solchen  mit 
Schaftrohren,  und  muss  somit  die  Ansicht  fallen, 
diese  beiden  Formen  der  Befestigung  des  Schafts 
gehörten  versebiednen  Zeitepochen  an.  Einige 
Beile  tragen  das  Zeichen  eines  klauenförmigen 
Kreuzes,  wie  man  solches  auch  auf  archäischen 
Thonwaaren  findet;  doch  haben  nur  die  Palstäbe 
diese  Zeichen,  die  andern  nicht. 

(Schluss  folgt.) 


Materialien  zur  Vorgeschichte  des 
Menschen  im  östlichen  Europa. 

Nach  polnischen  und  rassischen  Quellen  bearbeitet  und 
herausgegeben 

▼on  Al  bin  Kohn  und  Dr.  C.  Mehlis. 

Erster  Hnad.  Mit  162  HoUschnittrn,  t»  lithographirten  and  4 Fnrbea- 
dracktafrln.  Jena,  Her  man  Co*toooblc  1879. 

Die  praehistorischen  Forschungen  des  süd- 
lichen , westlichen  und  nördlichen  Europa  haben 
sehr  zahlreiche  Bearbeiter  gefunden  und  zu  in- 


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teressanten  und  sicheren  Resultaten  geführt.  Nur 
scheinbar  ist  der  Osten  Europa’s,  wie  He.  A 1 b i n 
Kohn  sehr  richtig  bemerkt,  zurückgeblieben; 
denn  das,  was  er  gesammelt,  und  was  er  über 
das  Gesammelte  veröffentlicht  hat,  ist  den  For- 
schern des  westlichen  Europa,  welche  selten  der 
polnischen  und  russischen  Sprache  mächtig  sind, 
unbekannt.  Gerade  in  der  archaeologischen  Wissen- 
schaft ist  von  polnischen  und  russischen  Gelehrten 
viel  geleistet  worden,  worüber  nur  selten  in 
deutschen  Zeitschriften  referirt  worden  ist;  aus 
diesem  Grunde  muss  das  Unternehmen  der  Herrn 
Verfasser  diese  Forschungen,  sei  es  im  Auszuge, 
sei  es  in  Uebersetzung  den  deutschen  Fach  genossen 
näher  bekannt  zu  machen,  ganz  besonders  freudig 
begrüsst  werden. 

Die  Funde  aus  der  M&mmutbhöhle  von 
Ojcow  (aus  dem  Sandomirer-Gebirge)  hat  Herr 
von  Zawisza  bereits  auf  den  internationalen 
Anthropologen -Versammlungen  zu  Stockholm  und 
Budapest  vorgelegt.  In  der  Mammnthhöhle  von 
Ojcow  fand  Herr  von  Zawisza  einen  Heerd, 
welcher  sich  durch  Kohlen , gebrannte  Erde,  ge- 
spaltene Knochen,  Werkzeuge  aus  Feuerstein  aus- 
zeichnet. Unstreitig  hat  man  os  hier  mit  einer 
menschlichen  Wohnstätte  von  praehistorischen 
Höhlenbewohnern  in  Polen  zu  thun.  Ausserdem 
fanden  sich  Werkzeuge  aus  Feuerstein,  welche 
zwar  klein,  aber  niedlich  und  sauber  bearbeitet 
waren. 

Von  nicht  geringerem  Interesse  sind  die  von 
Dr.  Libelt  im  Czeszewer  See  |Kr.  Wongrowitz, 
Provinz  Posen)  entdeckten  Pfahlbauten. 
Den  Boweis , dass  die  Pfahlbauten  im  Czos- 
zewer  See  auch  von  Menschen  bewohnt  gewesen 
sind,  bietet  eine  sehr  grosse  Auswahl  dort  ge- 
fundener Gegenstände,  unter  denen  sich  kein  ein- 
ziger Gegenstand  aus  Bronze  oder  Eisen  vorfand. 
Von  thönernen  Geschirren  ist  nur  eins  erhalten. 
Es  ist  dies  ein  niedriges,  kleines,  bauchiges 
Töpfchen , aus  schwarzem  , ungebranntem  Thon. 
Unter  den  animalischen  Ueberresten  sind  be-  I 
merkenswerth  die  Zähne  einer  Wildschwein- 
Art  , welche  sich  in  fast  all  *n  Pfahlbauten 
vorfindet.  Der  unermüdete  Archaeologe  Herr 
K i r k o v hat  einen  zweiten  Pfahlbau  in  Kwac- 
zata  in  Galizien  entdeckt.  Auch  in  diesem  Pfahl- 
bau wurde  kein  Gegenstand  gefunden,  welcher 
die  Merkmale  der  Bronzezeit  an  sich  trägt. 

Die  Steingräber  stammen  ans  verschie- 
denen Epochen.  Zu  den  ältesten  gehören  dieje- 
nigen, in  denen  nur  Werkzeuge  und  Geräthe  aus 
Stein , Lehm , Bernstein  u.  s.  w.  sich  vorfinden. 
Einer  späteren  Epoche  gehören  andere  Gräber  an, 
wie  z.  B.  das  Grab  von  Bt^dowo  zwischen  Culm 


und  Graudenz,  in  dem  eine  Münze  aus  der  Zeit 
des  Kaisers  Theodosius  gefunden  worden  ist.  Die 
Grabstätten  in  Westpreussen  und  im  Posenscben 
zeichnen  sich  durch  einen  ungewöhnlichen  Reich- 
thum an  Urnen  und  Bronzegegenst&nden  aus. 

| In  den  erwähnten  Gräbern  fanden  sich  nicht  bloss 
Skelette , sondern  auch  Urnen.  Der  polnische 
Archaeologe  A.  Kirkov  zieht  daraus  den  Schluss, 
dass  in  der  Periode  des  polirten  Steines  — 
neben  einander  die  Leichenverbrennung  und  die 
Leichenbeerdigung  im  Gebrauche  gewogen  ist. 
In  ganz  Klein-,  Weiss-,  Schwarz-  und  Rothruss- 
land  (die  ruthenischen  Gebiete  des  südöstlichen 
Lithauens,  Volhynien,  Ostgalizien)  existirte  nach 
Kirkov  in  vorhistorischen  Zeiten  die  Sitte  der 
Bestattung  der  Leichen  in  der  Erde,  während  in 
ganz  Lithauen,  Polen,  Schlesien,  Mähren,  Böhmen 
die  Leichen  verbrannt  und  die  Asche  in  den  Urnen 
beigesetzt  wurde;  wobei  freilich  Ausnahmen,  wenn 
auch  selten,  verkamen. 

Ob  dieser  Umstand  nicht  auf  eine  verschiedene 
Bevölkerung  schliessen  lässt  ? Dafür  sprechen  sonst 
noch  andere  Gründe.  Dass  die  frühere  Bevölker- 
ung der  ruthenischen  Gebiete  Lithauens  von  der 
jetzigen  verschieden  gewesen  ist,  geht  daraus 
hervor,  dass  die  mittlere  Grösse  der  636  von 
Kirkov  gemessenen  vorhistorischen  Skelette 
171  Ccntimeter  beträgt,  während  der  mittlere 
Wuchs  ,der  heutigen  Bevölkerung  im  Gouverne- 
ment Wilna  sich  auf  169  Centiraeter  beläuft.  Es 
kommt  noch  dazu,  dass  von  12,841  Rekruten  aus 
dem  Gouvernement  Wilna  kaum  1 1 eine  Höhe 
von  187  Cantimeter  erreichen,  während  von  636 
vorhistorischen  Skeletten  89  eine  Höhe  von  188 
Cantimeter , 121  eine  Höhe  von  187  und  102 
eine  Höhe  von  186  Centimeter  erreicht  haben. 
Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  die  vor- 
historische Bevölkerung  dieser  Gebiete  von  grösserer 
Statur  gewesen  ist  als  die  jetzige  slavische. 

Hr.  Kopernicki*)  hat  unlängst  in  Horod - 
nica  am  Dniestr  in  der  Nähe  einer  vorhistorischen 
Befestigung  eine  Reihe  Steingräber  öffnen  lassen, 
in  denen  er  23  Schädel  und  Skelete  vorfand. 
Sowohl  Männer  wie  Weiber  waren  auch  dort  von 
hoher  Statur  und  starkem  Körperbau.  Zwei  Skelete 
haben  nahezu  Athleten  angehört.  Achtzehn  Schädel 
zeigenden  bekannten  dolichokephalen  Tfypus, 
der  von  den  meisten  Forschern  den  Germanen 
der  Völkerwanderungszeit  und  der  darauf  folgenden 
fränkischen  Epoche  zugeschrieben  wird.  Während 
der  Regierung  des  Kaisers  Caracalla  setzten  sich  die 


*)  Köper n icki.  Poezokiwania  archeologiczne  Ho- 
rodnicjr  nad  Dmentrem  id.  h.  Archaeologiscbe  Unter- 
suchungen in  Horodnica  am  Dnieetr)  Krakau  1878. 


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Gothen  gerade  am  Dniestr,  in  der  Nähe  Daciens 
fest.  Die  Befestigung  in  Horodnica  am  Dniestr 
kann  daher  mit  gutem  Grunde  den  Gothen  zu- 
geschrieben werden.  Merkwürdig  ist  ferner,  dass 
die  Keramik  am  zahlreichsten  durch  die  soge- 
nannten BuckelgefUsso  vertreten  ist,  die  Linden- 
schmit  (Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit 
Bd.  I Taf.  IV  Fig.  7,  Bd.  II  Taf.  I Fig.  3.  5. 
7.  9.)  für  germanisch  hält. 

Dolichokephale  Schädel  von  demselben  Typus 
hat  schon  früher  Herr  Kopernicki  in  den 
Kurganen  Volhyniens,  Podoliena  und  in  der 
Ukräne  gefunden.  Aehnliches  ergaben  die  von 
Prof.  Bogdanow  gemessenen  Schädel  aus  den 
Kurhanen  Moskaus.  Von  Niemen  bis  zur  Moskwa, 
vom  Dniestr  bis  zum  Dniepr  ist  somit  die  Ver- 
breitung eines  dolichokephalen  und  von  der  jetzigen 
brachykephalen  (slavischen)  Bevölkerung  dieses 
Gebietes  gänzlich  verschiedenen  Stammes  er- 
wiesen. Beim  Einfälle  der  Hunnen  nach  Europa 
finden  wir  dort  die  Gothen,  denen  wahrscheinlich 
die  in  den  Kurganen  gefundenen  athletischen 
Skelete  angehört  haben.  Dass  die  Gothen 
zwischen  dem  Niemen  und  der  Moskwa  längere 
Zeit  gewohnt  haben  müssen,  geht  auch  aus  den 
Forschungen  hervor,  welche  Thomson*)  über  die 
germanischen  Elemente  angestcllt  hat. 

Aus  diesen  Beispielen  allein  kann  man  schon 
die  Wichtigkeit  dieser  Forschungen  sowohl  für 
die  Urgeschichte,  wie  anch  für  die  Anthro- 
pologie Europas  zu  erkennen.  Es  ist  ferner  von 
Interesse , dass  ein  auf  diesem  Gebiete  so  be- 
wanderter Forscher,  wie  Hr.  Dr.  Mehlis,  auf 
Analogien  mit  der  rheinischen  Archaeologie  hin- 
gewiesen  hat.  Dr.  FHgier 

Nachtrag  zu  den  Materialien  znr  praehistor Ischen 
Kartographie  der  Provinz  Posen. 

(Zusammenstellung  der  Funde  und  Fundorte  seit 
Ostern  1875) 

nebst  einer  Tafel  mit  Abbildungen  von  Direktor  Dr.  Schwärt*. 
Beilage  vom  Programm  des  k.  Friedrich- Wilbelmt-Gjrennatiumi 
in  Poeen.  I «tf». 

Im  Allgemeinen  tritt  im  Posenscben  das  Ver- 
brennen dor  Leichen  und  Beisetzen  der  Ueber- 
reste  in  Urnen  unter  Hinzufügung  von  allerhand 
thönernen  Geschirren  und  von  anderen  Beigaben, 
welche  den  Leichenbrand  überdauert  haben , als 
Regel  hervor;  nur  vereinzelt  sind  bis  jetzt  Ge- 
rippe aufgefunden  worden,  welche  nach  den  Bei- 


•) Thomson.  Uebcr  den  Einfluss  der  germanischen 
Sprachen  auf  die  finnisch-lappischen.  Aus  dem  Dänischen 
von  Sievert.  Halle  1870. 


gaben  aus  heidnischer  Zeit  stammen  dürfen.  Es 
treten  im  Ganzen  drei  Arten  von  Gräbern  her- 
vor: 1)  grosse  Urnenfelder,  welche  offenbar  als 
eine  Art  Gemeindegräber  anzusehen  sind  und 
eine  lange  Continuität  zu  repr&sentiren  scheinen; 
2)  kleinere  Gruppen  von  einigen  Gräbern,  welche 
den  Eindruck  von  Familiengräbern  machen  und 
endlich  3)  isolirt  liegende  einzelne  Gräber.  Die 
archaeologischen  Beigaben , welche  man  in  den 
Gräbern  gefunden  hat , weisen  anf  weitgreifende 
internationale  Handelsbeziehungen  hin.  Die  bron- 
zenen Zangen  und  Rasirmasser  sind  entschieden 
Importartikel  aus  dem  Süden.  Die  bunten  Perlen 
finden  sich  in  den  Kurganen  des  südlichen  Russ- 
land wieder.  Die  ThongeftUse  hingegen  deuten 
auf  specielle  Verkehrsbeziehungen,  namentlich  mit 
Schlesien  hin.  Zahlreich  wurden  in  der  Pro- 
vinz Posen  R i n g w ä 1 1 e (vom  Volke  Schweden- 
Schanzen  genannt)  untersucht.  In  denselben 
werden  gewöhnlich  Topfscherben  mit  wellenför- 
miger Verzierung  gefunden,  welche  Hr.  V irc h o w 
für  slavisch  hält.  Das  Wollenomament  fand  sich 
aber  auch  in  germanischen  Gräbern  in  Schier- 
stein bei  Wiesbaden,  Kirchheim  a.  d.  Eck  (Rhein- 
pfalz), in  Verbindung  mit  römischen  Gulturreeten 
bei  Salzburg,  bei  Hallstadt  u.  s.  w.  (vgl.  da- 
rüber Dr.  Mohlis.  Das  Wellenomament  bei  sla- 
vischen und  germanischen  Stämmen.  Kosmos 
(II.  Jahrg.  p.  492  ff.) 

Wien,  April  1879.  Dr.  Fl i gier. 


Praehistorische  Würfel.  — Unter  den  prae- 
historischen  Gegenstände , die  auf  dem  Hra- 
disti  bei  Bercum  in  Böhmen  gefunden  wurden, 
befinden  sich  (cfr.  die  Beschreibung  dieses  der 
jüngeren  Eisenzeit  angehürigen  Fundes  No  4, 
1878,  diesos  Blatte«)  „Würfel“  aus  Bein.  Die- 
selben sind  alle  ohne  Ausnahme  von  länglich- 
viereckiger Form;  die  vier  langen  Flächen  tragen 
Zahlen  (Augen)  3,  4,  5 und  6,  die  zwei  kleinen 
J Endflächen  sind  unbezeichnet,  die  Zahlen  1 u.  2 
I fehlen.  Die  Grösso  resp.  Länge  der  Würfel  ist 
sehr  verschieden  von  l‘/t  — 5 cm.  Die  Anzahl 
dieser  auf  dem  Hradistö  gefundenen  Stangen- 
würfel  beträgt  mehrere  hundert  Stück.  Dieser 
Umstand  ist  jedenfalls  auffallend,  und  wäre  es 
zur  Bestimmung  der  Periode  und  des  Volkes  von 
Interesse  zu  erfahren,  ob  auch  an  anderen  Orten 
gleiche  oder  ähnlicho  Würfel  gefunden  wurden. 

Wilhelm  Osborn.  Dresden. 


Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Redaktion  am  30.  April  1879. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  von  Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München, 

G**4r<%U*cr*ttir  dir 


Nr.  6. 

Erscheint  jeden  Monat. 

Juni  1879. 

Dieser  Kummer  liegt  das  Programm  für  die  X.  allgemeine 
anthropologischen  Gesellschaft  in  Strassburg  bei. 

Versammlung  der  deutschen 

Gemauerte  Gräber  innerhalb  der 
Stadt  Stuttgart. 

Von  Prof.  0.  Fr  aas. 

Die  schwäbischen  Archäologen  sind  mit  dem 
jungen  Datum. des  Entstehens  ihrer  schwäbischen 
Hauptstadt  Stuttgart  nie  recht  zufrieden.  Die 
ganze  Geschichte  vor  1229  da  der  Name  zum 
ersten  Mal  urkundlich  auftritt,  ist  in  tiefes  Dunkel 
gehüllt,  in  welches  die  altgermnnischen  Gräber 
und  die  römischen  Denkmale  des  nahen  Badeortes 
Cannstadt,  der  Sitz  der  22.  Legion  erst  recht 
kein  Licht  werfen.  Sowohl  in  der  nächsten  Nähe 
um  die  Stadt  als  in  der  Stadt  selbst  ward  noch 
nie  eine  Spur  älterer  Geschichte  gefunden,  die 
über  das  Mittelalter  hinausgeragt  hätte. 

Um  so  erfreulicher  ist  der  zufällige  Fund 
von  gemauerten,  mit  rohen  schweren  Steinplatten 
zugedeckten  Gräbern,  der  im  letzten  Herbst  in 
der  Gaisburg-Strasse  Nro  2 beim  Fundiren  eines 
Maschinenhauses  für  das  Wirth’sche  Etablissement 
gemacht  worden  ist.  In  dem  2,5  m tiefen  und 
3,40  m breiten  Fundationsplatz  wurden  3 Gräber 
die  in  Einer  Reihe  und  in  gleicher  Entfernung 
von  einander  lagen , angefahren.  Das  erste  in 
der  Mitte  und  das  zweite  südlich  gelegene  Grab 
wurde  ahnungslos  von  den  Erdarbeitern  zerstört, 
sie  hielten  die  Grabdeckel  für  die  Deckel  eines 
alten  Canals  und  auf  die  unter  dem  Deckel  liegen- 
den Skelettreste  wurde  man  erst  aufmerksam,  als 
die  Knochen  des  ersten  Grabes  bereits  im  Schutt 


abgeführt  waren  und  vom  zweiten  Grab  die 
Hälfte  noch  in  die  Seiten  wand  hineinragte,  ln 
diesem  lagen  zwei  Ftisse  von  dem  Becken  ab  und 
ein  Kinderskelett.  Um  so  glücklicher  trafen  die 
Erdarbeiten  das  3.  Grab  an  der  Nordwand  der 
Grübe,  das  von  den  Arbeitern  vollständig  unbe- 
i rührt  von  mir  eigenhändig  ausgenommen  werden 
konnte.  Nachdem  einige  Steine  aus  der  Seiten- 
i mauer  ausgebrochen  waren  und  man  durch  die 
Lücke  den  Kopf  in  das  Grab  stecken  um  Um- 
schau halten  konnte,  Überzeugte  ich  mich  vom 
vollständigen  Unberührtsein  des  Grabes,  das  genau 
| 2 m lang,  0,60  m hoch  und  breit  war,  und  ein 
j Skelett  enthielt,  eingewickelt  in  Schlamm,  der 
< im  Lauf  der  Zeit  durch  die  Tagwasser  aus  dem 
darüber  liegenden  Lehmen  ins  Grab  eingewaschen 
i war. 

ln  aller  Müsse  und  mit  grosser  Sorgfalt 
| wurde  das  Skelett  ausgegraben  , das  einem  sehr 
alten  weiblichen  Individuum  von  rein  germani- 
| sehen  Typus  angehörte.  Das  Hinterhaupt  zeigte 
| bereits  die  Atrophien  des  Alters,  die  Zähne  fehl- 
ten bis  auf  3 Stümmel  der  Schneidezähne  voll- 
ständig und  waren  die  Zabngruben  absorbirt. 
Eine  grüne  Färbung  der  Halswirbel  und  des 
Schlüsselbeins  wies  auf  Bronzeschmuck  bin , der 
auch  bald  in  Gestalt  zweier  Ohrringe  von  3 cm 
Durchmesser  gefunden  wurde.  Sie  sind  aus 
Bronze-  und  Silberdraht  zur  Schnur  gewunden. 
Ausser  dieser  Bronzebeigabe  fand  sich  im  Schoos 
des  Skeletts  ein  kunstvoll  gearbeiteter  Frisirkamm 


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42 


aus  Bein.  Derselbe  ist  12  cm  lang  und  3 cm 
breit,  das  Material  bezieht  aus  einer  Hirschhorn- 
platte, in  welche  die  Zähne  des  Kammes  einge- 
sägt  sind.  Der  Kücken  des  Kammes  ist  durch 
2 Hornleisten  abgerundet , welche  mit  7 Eisen- 
stiften gar  zierlich  an  die  Hornplatte  befestigt 
sind.  Lineäre  Ornamente  und  kleine  Kreisorna- 
mente sind  deutlich  zu  beobachten. 

Aehnliche  Ohrringe  sowohl  als  ähnliche  Bein- 
k&mme.  die  anderwärts  im  Lande  gefunden  wur- 
den, stempeln  das  Grab  zu  einem  der  Alemannen- 
zeit  angehörigen , dagegen  mag  man  seltener  die 
weitere  Beigabe  unseres  Grabes  treffen : einen 
isolirten  Schädel  und  zwar  den  eines  kräftigen 
jungen  Mannes  vom  reinsten  germanischen  Typus, 
der  zu  den  Füssen  des  weiblichen  Skelettes  lag. 
Ueber  die  Ursache  des  Todes  konnte  bei  diesem 
Schädel  kein  Zweifel  sein,  ein  furchtbarer  Hieb 
in  dos  Hinterhaupt  batte  ein  handbreites  Stück 
des  Aciput  weggeschlagen.  Zugleich  fehlte  dem 
Schädel  der  Unterkiefer.  War  es  der  Mann,  um 
den  die  Wittwe,  oder  war  es  der  Sohn,  um  den 
die  Mutter  also  trauerte , dass  sie  den  Schädel 
bis  zu  ihrem  eigenen  Lebensende  aufbewahrte, 
um  ihn  im  eigenen  Grabe  bei  sich  zu  haben. 
Aehnliche  Beigaben  eines  Schädels  in  altgermani- 
schen  Gräbern  sind  zwar  auch  sonst  bekannt, 
diese  Sitte  aber  in  der  Zeit  der  Alemannen  in 
gemauerten  Reihengräbern  noch  zu  treffen  war 
seither  wenigstens  in  Schwaben  nicht  bekannt. 


Ueber  den  neuesten  Bronzefond  in  Bologna, 
und  über  das  Vorkommen  des  Bernsteins 
in  der  Emilia  in  prähistorischer  Zeit.') 

Von  Emil  Stöhr,  Bergwerksdirector. 

(Schluss.) 

Dann  25  beilartige  Geräthe,  mit  Scbaftrobr 
und  grossem  halbkreisförmigen  Blatt ; sie  sind 
sehr  dünn,  so  dass  sie  nur  als  Paradestttcke  dienen 
konnten.  Es  sind  Paradeäxte  ähnlich  wie 
man  sie  in  Scandinavien  findet,  sowie  in  den 
Gräbern  der  ersten  Eisenperiode. 

Ferner  viele  Messer  von  allen  Formen  und 
Grössen,  einige  mit  schön  gravider  Klinge;  da- 
runter 15  mit  sehr  langer  Klinge  und  runder 
Dülle. 

98  Meisel,  in  Stücke  zerbrochen;  theils  mit 
viereckiger  Dülle,  theils  mit  Dorn  zum  Einstecken 
in  den  Griff. 


*)  Vortrag  in  der  Sitzung  der  MGnchener  anthropo- 
logischen Gesellschaft  am  26.  Mai  1878. 


20  Hohl  ineitel , alle  zerbrochen,  einige  zuge- 
spitzt, fast  alle  mit  Dorn  für  den  Griff. 

22  Sägen  mehr  oder  wenig  fein  gezähnelt. 

17  Stüoke  von  Feilen;  dünnes  Blatt  nur  auf 
einer  Seite  mit  feinen  Querkerben  versehen. 

Mindestens  89  Sicheln  vorunter  einige  sehr 
grosse.  Hier  sind  3 Typen  zu  unterscheiden: 

1 . solche  mit  Schaftlappen  gleich  den  Beilen ; 
sie  sind  fast  rechtwinckelig  gebogen,  und  tragen 
auf  dem  Rücken  ein  kleines  Messer, 

2.  solche  mit  Schaftrohr,  die  Klinge  wenig 
gebogen ; sie  haben  auch  das  Messerchen  auf 
dem  Rücken, 

3.  solche  mit  Dorn  zum  Einstecken  in  den  Griff; 
stark  gebogen  und  sehr  lang,  sie  haben  auf 
dem  Rücken  einen  Knopf  anstatt  des  Messers. 

Ungefähr  40  sogenannte  Raairmesser;  sie  sind 
alle  von  halbmondförmiger  Form  und  mit  Griffen 
versehen ; ganz  gleich  denen  von  Scandinavien 
und  der  italienischen  Terremare.  Sogenannte  d:p- 
pelte  sind  keine  darunter. 

170  Armbänder  meist  massiv,  und  mit  Thier- 
köpfen verziert;  darunter  aber  auch  solche  von 
Bronzedraht, 

2397  Fibeln,  von  denen  244  nicht  vollständig 
sind ; den  meisten  fehlt  ausserdem  die  Nadel,  und 
nur  12  sind  ganz  intact.  Einige  sind  reparirt,  und 
zwar  meist  ist  eine  neue  Nadel  eingesetzt,  ent- 
weder durch  Einlegen  eines  Bronzestreifens  in 
| einen  gemachten  Einschnitt,  oder  durch  Vernieten 
i mittelst  eines  eisernen  Stifts.  Sie  sind  von  ver- 
schiedenen Formen  und  D&or  zählte  deren  25 
I Typen. 

Die  Waffen  sind  nicht  sehr  häufig,  doch 
zählte  man  110  Lanzenspitzen,  alle  mit  runder 
Dülle  und  langer  Spitze  von  11  40  cm  Länge, 

sowie  verschiedene  Pfeilspitzen , und  einige 
Schwerter  und  Dolche.  Ein  Schwert  ist  bezüg- 
lich seines  Griffes  zuin  Verwechseln  ähnlich  dem 
bekannten  im  Museum  von  Neuchatel  befind- 
lichen. 

Pferdegebiase  sind  ziemlich  häufig,  bald  gut 
erhalten , bald  nur  in  Stücken ; cs  mögen  im 
Ganzen  an  60  sein.  Sie  deuten  alle  auf  grosse 
Pferde , nicht  wie  die  so  seltenen  Funde  der 
Schweizer  Seestationen  auf  kleine  Pony.  Zum 
Pferdeschmuck  dienten  wohl  auch  verschiedene 
einfache  oder  Doppelkegel,  sowie  grosse 
1 Ringe. 

Ausserdem  fand  man  viele  Stücko  von  Bronze- 
blech, bald  mit  getriebenen,  bald  mit  gravirten 
Verzierungen,  die  ganz  den  Verzierungen  auf  den 
Urnen  von  Villanova  gleichen.  Sie  gehören 
Gürteln  und  Brustschmuck  an , und  sind  dazu 


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43 


wohl  auch  6 spiralförmig  gewundene  Bronze- 
b ander  zu  ziehen , Ähnlich  wie  man  sie  in  den 
archäischen  Gräbern  findet. 

Ich  habe  nur  die  häufigsten  der  gefundenen 
Geräthe  aufgezählt,  von  Gozzadini  und  Dösor  wer- 
den noch  genannt : Knöpfe,  Nägel,  Häm- 
mer, Zangen,  Stücke  von  Kesseln,  ein 
grosser  Ambos,  Fischangeln,  eine  Har- 
pune oder  ein  Bootshacken,  ein  Kamm 
und  eine  sehr  roh  und  primitiv  gearbeitete  phal- 
lusartige menschliche  Figur,  Auch  er- 
wähnt Desor  noch  Bruchstücke  von  A r in  - 
schienen  von  Draht,  wie  solche  in  Ungarn 
häufig  sind. 

An  Metallbrocken  waren  an  500  Kilogr. 
vorhanden,  von  verschiedener  Grösse,  der  schwerste 
6,512  Kilogr.  wiegend.  Alle  sind  konische  Guss- 
könige , wie  sie  am  Boden  des  Tiegels  sich 
finden ; einige  sind  ein  geschnitten  behufs  der  Zer- 
kleinerung und  andere  auseinandergebrochen. 
Desor  erwähnt  auch  noch  Giess  formen  (Goz- 
zadini  nicht)  von  Thon  und  von  Hartbronze. 

Nach  den  gegebenen  Daten  deutet  somit 
dieser  Fund  nicht  allein  auf  ein  Handels- 
magazin, sondern  zugleich  auf  eine  Repara- 
turwerkstätte mit  Giesserei,  in  der  man 
die  zerbrochenen  Stücke  umgoss.  Bei  einem 
drohenden  feindlichen  üeberfalle  mag  alles  in  die 
Amphora  gepackt  und  vergraben  worden  Bein  und 
konnte  nicht  mehr  geholt  werden.  (Ufr.  unten 
nachträgliche  Bemerkung.) 

Dass  diese  Bronzegegenstände  nicht  blos  für 
den  Lokalbedarf  dienten , sondern  zur  weiteren 
Versendung,  wozu  die  Lage  von  Bologna  sich 
so  gut  eignete,  ist  einleuchtend ; der  Handel  gieng 
dann  über  die  Alpen  nach  Gallien,  der  Schweiz, 
Deutschland , Oesterreich  und  dem  Norden.  Eis 
entsprechen  die  gefundenen  Bronzen  den  verschie- 
denen Geschmacksrichtungen  der  verschiedenen 
Länder.  Manche  Funde  sind  identisch  mit  den 
unsernund  denen  der  Schweizer  Pfahlbauten,  andere 
mit  solchen  in  Ungarn,  ja  in  Scandinavien.  Die 
Gegenstände  selbst  kamen  wohl  aus  den  südlich 
des  Apennin  gelegenen  grossen  Werkstätten. 
Sophus  Müller,  der  Hauptvertreter  der  spe- 
zifisch scandinavischen  Bronzezeit , fragt , ob  Je- 
mand im  Ernste  annehmen  könne , dass  man  in 
Etrurien  Gegenstände  besonders  für  Norddeutsch- 
land, Schwaben  etc.  fertigte;  der  Fund  von  Bo- 
logna beantwortet  diess  mit  einem  entschiede- 
nen Ja. 

In  welche  Zeit  ist  aber  der  Fund  von  Bo- 
logna zu  setzen  ? Die  E m i 1 i a (die  früheren 
Herzogthümer  Parma  und  Modena,  sowie  die 


! Romagna  umfassend)  ist  ein  an  prähistorischen 
Funden  reiches  Land.  Stazionen  der  Stein-  und 
der  Metallzeit  sind  vielfach  vorhanden,  und  gehen 
oft  an  einer  und  derselben  Lokalität  fast  unmerk- 
lich in  einander  über ; das  ist  vor  allem  bei  den 
Stazionen  der  Bronze-  und  der  ersten  Eisenzeit 
der  Fall.  Die  Pfahlbauten  reichen  bis  in  die 
Steinzeit  hinab,  sind  dann  wieder  bedeckt  von 
den  jüngeren  Terremare,  nach  den  italienischen 
Archäologen  der  Bronzezeit  angehörend,  die  ihrer 
Seits  wieder  in  die  erste  Eisenzeit  heraufreichen; 
daneben  finden  sich  alte  grossartige  Begräbnis- 
stätten, wahre  Neer o polen.  Die  Bronzegeräthe 
sind  reichlich  vorhanden,  nicht  allein  in  den  der 
sogenannten  eigentlichen  Bronzezeit  angehörigen 
Lokalitäten , sondern  namentlich  auch  in  denen 
der  ersten  Eisenzeit.  Am  besten  zur  Festsetzung 
der  Altersperiodt  eignen  sich  die  Grabstätten. 
Von  diesen  sind  die  jüngsten  die  von  Marzo- 
botto  und  der  Certosa  bei  Bologna;  dort  ist 
keine  Leichenbestattung  mehr,  sondern  die  ver- 
brannten Reste  sind  in  Graburnen  beigesetzt.  Sie 
fallen  in  die  Blüthezeit  der  Etrusker,  und  sind 
somit  nicht  später  zu  setzen  als  Tarquinius  su- 
perbus,  ungefähr  600  Jahre  v.  Chr.  Aelter  ist 
der  Gräberfund  bei  Villanova,  wo  Beisetzung 
in  Gräbern  statt  fand , wenn  auch  damals  zum 
Theil  schon  Leichenbrand  herrschte.  In  Villanova 
wurden  193  Gräber  aufgedeckt,  von  denen  aber 
nur  14  unverbrannte  Leichen  enthielten.  Man 
hat  Villanova  für  so  charakteristisch  gehalten, 
daSB  man  es  als  eignen  Typus  betrachtete  und 
als  Epoche  von  Villanova  bezeichnete.  In 
den  Fundstätten  dieser  Epoche  finden  sich  neben 
vielen  Bronzen  auch  Eisengeräthe , Bernstein, 
Glasflüsse  etc.  Den  italienischen  Gelehrten  nach 
gehört  sie  der  prima  <5 1 a di  ferro  an,  und 
halten  diese  (namentlich  Pigorini  und  Chierici) 
daran  fest,  dass  unter  ihr  erst  die  eigentliche 
Bronzeperiode  folge,  der  namentlich  die  Terre- 
mare angehören.  Dieser  Epoche  ist  auch  der 
Bologneser  Fund  zuzutheilen,  und  macht  Goz- 
zadini  darauf  aufmerksam,  dass  die  halbmond- 
förmigen Kasirmesser,  die  menschliche  Figur,  auf 
die  Uebergangsepoche  zwischen  der  eigentlichen 
Bronze-  und  der  eigentlichen  Eisenzeit  hinweisen; 
das  ist  aber  gerade  die  Epoca  di  Villanova, 
die  1000  bis  1100  Jahre  v.  Chr.  zu  setzen  ist. 
Damals  war  somit  Industrie  und  Handel , wie 
wir  sehen,  schon  sehr  entwickelt.  Es  füllt  diese 
Zeit  so  ziemlich  zusammen  mit  der  Eroberung 
Troja’s , und  wären  somit  diese  Funde  ziemlich 
als  gleichzeitig  mit  denen  in  Mykenä  anzusehen, 
die  Herr  Professor  von  Christ  in  seinem  neulichen 
Vortrage  so  anschaulich  beschrieben  hat. 


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44 


Die  italienischen  Archäologen  sind  nicht  einig 
Uber  das  Volk , dem  man  in  Oberitalien  diese 
Kultur  zuzuschreiben  habe.  Einige  erblicken  darin 
die  Vorläufer  der  Etrusker,  ein  eignes  Volk  der 
U mb  rer  oder  Ligurer,  andere  betrachten  sie 
als  die  Etrusker  selbst  vor  ihrer  vollkommnen  Ent- 
wicklung, und  nennen  sie  die  Proto -Etrusker. 

Bezüglich  der  prähistorischen  Stazionen  in 
den  Ländern  nördlich  von  Italien  mag  es  am 
Platze  sein  auf  Virchow’s  Aeusserung  hinzu- 
weisen  (Correspondenzblatt  1877.  No  8),  dass 
nämlich  „die  Bronzezeit  in  unsern  Ländern  be- 
ginnt mit  den  Ctynmunikationsverbindungen  vom 
Süden  her,  und  dass  je  ferner  die  Lokalität  von 
den  alten  Kulturländern  liege , desto  mehr  die 
Zeit  sich  verlängern  musste , bis  die  südliche 
Kultur  sie  erreichte,“  und  dass  er  dann  ferner 
constatirte  (Dresdner  Versammlung  1874) , dass 
alle  nördlichen  Pfahlbauten  gar  nicht  so  ausser- 
ordentlich alt  sind,  und  theilweise  sehr  weit  in 
unsere  Zeitrechnung  hineinreichen , während  die 
Pfahlbauten  der  Schweiz,  Suddeutschlands,  Oester- 
reichs, Nord-Italiens  weitaus  älter  sind , und  in 
die  richtige  Steinzeit  hinabreichen. 

Woher  stammen  aber  die  Metalle,  aus  denen 
man  in  Etrurien  die  Bronze  darstellte  ? Dass  in 
Toscana  uralte  von  den  Etruskern  oder  ihren  Vor- 
gängern betriel>ene  Kupfergruben  sich  befinden 
ist  bekannt,  und  weise  ich  nur  auf  die  Umgeb- 
ungen von  Campiglia  und  Mas sa  maritima 
hin.  Das  Kupfer  war  also  vorhanden,  und  be- 
durfte es  nur  noch  Zinn  oder  Zink , um  Zinn- 
oder Zinkbronze  darzustellen.  Wenn  es  nun  auch 
anzunehmen  ist,  dass  der  grösste  Th  eil  des  nöthi- 
gen  Zinns  von  Spanien  und  Britannien  gekommen 
ist,  so  fehlten  doch  im  eigenen  Land  die  zur 
Bronzebereitung  nöthigen  Zinn-  und  Zinkerze 
nicht  ganz.  Ich  habe  schon  früher  auf  das  in 
den  sogenannten  Cento  Camerelle  bei  Cam- 
piglia von  Blanchard  und  C h a r 1 o n wieder- 
gefundene Zinnerz,  den  Cassiterit  hingewiesen. 
Ich  muss  hier  meine  damals  gegebenen  kurzen 
Notizen  genauer  fassen.  In  den  Cento  camerelle 
findet  sich  das  Zinnerz,  aber  dort  sind  nicht  die 
enorm  grossen  alten  Bauten  auf  Kupfer,  sondern 
diese  Hauptgruben  befinden  sich  etwa  ein  Stünd- 
chen nördlicher  am  Monte  Calvi  und  Tem- 
perin o.  Am  Monte  Calvi  kommen  aber  auch 
noch  andere  Erze  vor.  Bleierze  und  Zinkerze,  so 
namentlich  am  Monte  Rambolo  und  der  Cava 
d e 1 p i o m b o.  Dadurch , dass  die  Alten  die 
Zinkerze  mit  den  Kupfererzen  mengten  und  ver- 
schmolzen, haben  sie  denn  direkt  eine  Zink- 
bronze  hergestellt,  und  durch  Vermengung  mit 
den  Erzen  der  Cento  camerelle  eine  Zinnbronze. 


Ich  gehe  nun  über  anf  den  zweiten  Theil 
meines  Vortrags,  das  Ber  ns  t ein  Vorkommen 
in  den  alten  prähistorischen  Stazionen 
der  Emilia.  Namentlich  die  Gräber  haben 
dort  ausserordentlich  vielen  Bernstein  geliefert, 
meist  Perlen  zu  Halsschmuck,  aber  auch  grössere 
bearbeitete  Stücke.  Gerade  die  der  Villanova- 
Periode  angehörigen  Stazionen  sind  reich  daran 
und  ist  es  bei  einem  Theil  der  italienischen  Ge- 
lehrten Axiom,  dass  in  älteren  Perioden  wie  der 
Villanova-Epoche , in  Oberitalien  kein  Bernstein 
sich  finde , und  die  der  eigentlichen  Bronzezeit 
angehörigen  Terremare  ihn  nicht  enthielten , so 
dass  er  erst  mit  der  Entwicklung  des  phönizischen 
Seehandels , oder  des  etruskischen  Landhandels 
vom  baltischen  Meere  her  nach  Italien  gekom- 
men sei. 

Bekanntlich  befindet  sich  das  Hau pt Vor- 
kommen des  Bernsteins  an  der  Ostsee  und 
namentlich  im  preussischen  Samlande;  von 
dort  sollen  schon  1800  Jahre  v.  Chr.  sidonisch-’ 
phönizische  Schiffer  ihn  geholt  und  nach  Egypten 
gebracht  haben , und  400  Jahre  v.  Chr.  thaten 
massilianische  und  syracusanische  Schiffer  das 
jedenfalls.  Ausser  diesem  Vorkommen  an  der 
eigentlichen  Bernstein  - Küste  giebt  es  aber  noch 
manche  Gegenden  , in  denen  der  Bernstein  sich 
in  Tertiär-  oder  Diluvialgebilden  findet.  Ich 
nenne  hier  nur  von  europäischen  Fundorten : 
Polen,  Galizien,  Walachei,  Ungarn, 
Mähren,  Frankreich,  Sizilien  and  den 
italienischen  Apennin  und  ist  diese  Liste 
weit  davon  entfernt  selbst  nur  für  Europa  er- 
schöpfend zu  sein.  An  manchen  Orten  mag  je- 
doch kein  wirklicher  Bernstein  Vorkommen,  sondern 
ein  ähnliches  fossiles  Harz,  das  leicht  mit  ihm 
verwechselt  werden  kann. 

Nicht  selten  sind  die  Bernsteine  der  verschie- 
denen Fundorte  auch  mineralogisch  zu  unterschei- 
den, vor  allem  hinsichtlich  ihrer  Reinheit  und  ihrer 
Farbe.  Im  Ganzen  hellgelb,  seltner  honiggelb 
oder  noch  dunkler  ist  der  Samländische 
Bernstein ; andere,  so  der  des  Apennin  sind 
röthlich,  hyacinthroth  bis  braun,  und 
am  schönsten  an  Farbe  ist  der  Sizilianische 
wie  ihn  der  Simeto  nach  Catania  herabbringt ; 
f luorescir  end  zeigt  er  im  durchfallenden 
Lichte  honiggelbe,  im  auffallenden  him- 
melblaue Farbe  und  kein  anderer  Bernstein 
kommt  ihm  gleich  an  Feuer  und  Farbenpracht, 
so  dass  mit  ihm  verglichen,  man  den  baltischen 
als  den  blonden  Bernstein  bezeichnen  könnte.  Im 
Bologneser  Apennin  findet  sich  auch  Bernstein, 
röthlich  bis  braun  an  Farbe,  und  führt  der  be- 
kannte Mineraloge  Bombicci  in  Bologna  als 


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Fundort  auf  aus  der  Emilia:  Scann  ello, 
Castel  8.  Pietro,  Rioio  e Savignano, 
Castelveccbio,  letzteres  im  Modenesischen, 
die  ersteren  Fundorte  im  Bolognesischen.  Ich  selbst 
habe  das  Glück  gehabt  gemeinschaftlich  bei  einer 
Excursion  mit  Prof.  Canestrini  von  Padua,  im 
Modenesischen , an  einem  östlichen  Zuflüsse  der 
Seccbia , in  miocener  Molasse  ihn  ebenfalls  auf- 
zufiriden,  wo  er  in  erbsen-  bis  haselnussgrossen 
Stücken  vorkommt.  In  dem  schönen  mineralogi- 
schen Museum  von  Bologna  befindet  sich  eine 
reiche  Sammlung  apenninischer  Bernsteine , wo- 
runter Stücke  von  ansehnlicher  Grösse. 

Dass  die  alten  Griechen  den  Bernstein  schon 
früh  gekannt  haben,  hat  uns  Herr  Prof.  v.  Christ 
in  seinem  Vortrage  über  Mykenä  des  näheren 
auseinandergesetzt,  wenn  auch  manche  Angaben 
der  alten  Schriftsteller  sich  auf  die  Gold-  und 
Silber-Legirung  beziehen  mögen , die  man  mit 
demselben  Namen  belegte , wie  den  Bernstein, 
Elektron.  W ann  der  italienische  Bernstein  be- 
kannt geworden  ist , darüber  fehlen  alle  Daten ; 
1639  erwähnt  Carrera  den  sizilianischen,  und 
1666  Masini  den  bolognesischen.  Sollte  die 
von  Hesiod  und  Ovid  erzählte  Mythe,  dass  die 
Thränen  der  ihren  Bruder  Phaöton  beweinenden, 
in  Schwarzpappeln  verwandelten  Heliaden  in  den 
Eridanus  (Po)  fallend,  zu  Bernstein,  erstarren, 
nicht  auf  die  Kenntnis*  des  apenninischen  Bern- 
steins binweisen  können? 

Ein  grosser  Theil  der  in  den  prähistorischen 
Stazionen  der  Emilia  gefundenen  Bernsteine  gleicht 
an  Farbe  ganz  dem  aus  dem  Apennin  stammen- 
den ; B o m b i c c i hat  diesen  prähistorischen  Bern- 
stein bezeichnet  als  „röthlichgelb  von  Farbe,  i 
manchmal  Colophonium  ähnlich  und  als  am 
nächsten  stehend  der  Varietät  aus  dem  Apennin, 
nicht  aber  dem  sizilianiächen , noch  weniger  dem 
preussischen  gleichend  “ (Descrizione  della  mi- 
neralogia  generale  dello  provincia  di  Bologna). 
Darauf  fussend  hat  C a p e 1 1 i n i ebenfalls  be- 
hauptet, ein  Theil  der  in  der  Emilia  gefundenen 
Bernsteine  stamme  ans  dem  Apennin  und  nicht 
aus  dem  Norden.  Ich  weiss  nun  recht  wohl, 
dass  durch  das  viele  Jahrhunderte  lange  Liegen 
in  der  Erde,  der  Bernstein  sich  verändern  kann, 
so  zwar  dass  er  zorreiblich  wird  und  von  aussen 
herein  eine  dunklere  Farbe  annimmt,  doch  glaube 
ich  mich  auch  der  Ansicht  anschliessen  zu  müssen, 
dass  ein  Theil  der  in  der  Emilia  gefundenen 
Bernsteine  aus  dem  Apennin  stamme  und  nicht 
vom  Norden  her  impotrirt  sei;  der  andere  hellere 
ist  aber  gewiss  dnrch  nordischen  Handelsverkehr 
nach  Italien  gekommen.  Meestre  de  Rave- 
stein in  seinem  bekannten  Buche  (A  propos  des  j 


certains  classifications  prehistoriques)  ist  der  An- 
sicht, dass  die  südlichen  Völker  des  Alterthums 
den  gelben  nordischen  Bernstein  orst  später  ge- 
holt und  anfangs  den  im  Lande  selbst  verkom- 
menden verarbeitet  hätten.  Auf  dem  Congresse 
in  Pesth  hat  Franks  eine  Uebersicht  der  im 
britischen  Museum  befindlichen,  aus  Italien  stam- 
menden , geschnitzten  Bernsteine  gegeben , und 
bemerkt , sie  beständen  fast  alle  aus  dunkeim 
rothbraunem  Bernstein,  der  allenfalls  dem  sizilia- 
nischen noch  ähneln  könne,  aber  ganz  verschieden 
sei  vom  hellgelben  des  Nordens;  daraus  schliesst 
er,  das  könne  kein  baltischer  sein,  und  vermuthet 
er  möge  vom  Libanon  herrühren.  von  wo  Gütz- 
laff  und  Fr  aas  ähnlichen  mitbrachten.  (Es  hat 
sich  seitdem  ergeben,  dass  der  vom  Libanon  kein 
eigentlicher  Bernstein  sei , sondern  ein ' andres 
fossiles  Harz.) 

Ob  nun  der  gelbe  baltische  Bernstein  erst 
später  importirt  wurde,  als  man  den  röthlichen 
des  Apennin  bereits  gebrauchte,  oder  ob  im  Gegen- 
thoile  man  erst  auf  den  einheimischen  Bernstein 
aufmerksam  wurde  durch  den  importirten  balti- 
schen, mag  heute  dahin  gestellt  bleiben ; das  aber 
scheint  sicher  zu  sein , dass  mau  in  der  Emilia 
'nicht  allein  in  der  Etruskerzeit , sondern  schon 
weit  früher,  mindestens  in  der  Villano  va- 
i Epoche,  den  röthlichen  Bernstein  aus  dem 
Apennin  kannte,  also  um’s  Jahr  1000  v.  Chr. 

Die  Bernsteinfunde  der  Emilia  haben  in  den 
letzten  Jahren  Anlass  zn  heftigen  Discussionen 
zwischen  den  italienischen  Gelehrten  gegeben,  in- 
dem von  Parma  und  Modena  aus  behauptet 
| wurde,  es  finden  sich  Bernsteine  nicht  nur  in 
i den  mit  Villanova  gleichaltrigen  Stazionen,  sondern 
auch  in  den  typischen  der  eigentlichen  Bronze- 
zeit angehörenden  Terremare.  Auf  dem  Stock- 
holmer Congresse  hatte  Bellucci  das  bezüglich 
Terni  in  Toscana  behauptet,  und  Ca  pell  in  i be- 
züglich des  Terremare  der  Emilia.  Diess  wurde 
von  Pigorini  und  namentlich  Chierici  ener- 
gisch bekämpft,  und  an  der  Ansicht  fcsthaltend, 
dass  Bernstein  nie  in  den  Terremare,  die  ja  der 
Bronzezeit  einzureihen  seien,  Vorkommen  könne, 
behauptete  letzterer,  es  müsse  hier  ein  Irrthum 
vor  walten,  und  an  den  Lokalitäten,  an  denen  an- 
geblich Bernstein  in  den  Terremare  gefunden 
worden  sei,  diese  Funde  aus  einer  überlagernden 
jüngeren  Culturschicht  stammen.  Auf  diese  Be- 
merkungen hin  wurde  die  Sache  näher  unter- 
sucht, und  in  der  That  hat  ein  Theil  der  Finder 
dieser  Bernsteine  zugegeben,  dass  es  wohl  mög- 
lich sein  könne , der  Bernstein  habe  dort  in 
jüngerer  Kulturschicht  gelegen , und  sei  beim 
| Nach  graben  mit  den  Funden  der  älteren  ver- 


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46 


mengt  worden.  Eß  waren  im  Ganzen  9 solcher  Funde 
vorhanden,  und  nach  diesen  Erklärungen  bleiben 
nur  mehr  4,  alle  von  Gorzano,  bei  denen  die 
Sache  noch  nicht  entschieden  ist.  Ich  möchte 
aber  hier  doch  darauf  hinweisen , dass  es  wohl 
kaum  möglich  ist,  eine  so  scharfe  Grenze  zwischen 
den  Stazionen  der  Bronze  und  denen  der  ersten 
Eisenzeit  zu  ziehen,  dass  man  die  Terremare  als 
nur  der  Bronzezeit  angehörig  ansieht  , wie  ich 
denn  auch  von  den  Hauptvertretern  dieser  An- 
sicht, der  Professoren  Pi  gor  in  i und  Chierici 
verschiedene  Terremare  aufgeführt  finde,  die  in 
die  spätere  Zeit  hineinreichen  ; so  Castellazzo 
im  Parmesanischen  , das  bezeichnet  wird  als  der 
Bronzezeit  und  der  ersten  Eisenzeit  angehörend, 
und  S.  Polod’Enza  als  der  ersten  Eisenzeit 
angehörend.  Dass  in  der  älteren  Terremare 
keine  Bernsteine  sich  finden,  also  zu  einer  Zeit, 
die  vor  die  Villanova-Epoche  fällt,  und  mindestens 
1500  Jahre  v.  Cbr.  zu  setzen  ist,  scheint  aber 
nun  erwiesen  zu  sein,  während  in  der  Villanova- 
Epoche  man  bereits  den  einheimischen  Bernstein 
kannte. 


Nachträgliche  Bemerkung. 

In  einer  sehr  lesenswerthen  Abhandlung  (Os- 
servazioni  al  Belucei  intorno  alla  sua  opinione 
della  fonderia-officina  di  Bologna.  Bull,  di  Paletn 
Italiana  1878  fase.  11.  12),  spricht  sich  neuer- 
dings G.  E r o 1 i , gegenüber  der  Ansicht » der 
bologneser  Fund  sei  ein  in  Zeiten  der  Gefahr 
geborgenes  Giesserei-Magazin , dahin  aus , dieser 
wie  andere  ähnlichen  italienischen  Funde  seien 
vielmehr  Votiv-Geschenke,  einer  unter- 
irdischen Gottheit  geweiht  und  vergraben.  Seine 
Gründe,  dass  man  es  nicht  mit  einem  geborgenen 
Magazine  zu  thun  habe,  fassen  sich  folgender- 
massen  zusammen:  ln  Zeiten  drohender  Gefahr 
hat  man  nicht  Zeit  den  Gegenstand  so  sorgsam 
in  ein  grosses  Gefäss  zu  verpacken , wie  das  in 
Bologna  der  Fall  ißt,  und  wird  man  zum  Bergen 
überhaupt  nie  ein  so  grosses  Geffcss  wählen,  wie 
das  gefundene  von  125  cm  Höhe  und  ent- 
sprechendem Umfange,  da  man  ein  solches  nicht 
schnell  und  heimlich  vergraben  kann ; wären  die 
Gegenstände  ein  geborgenes  Magazin  , so  ist  es 
ganz  undenkbar,  warum  man  mit  den  so  werth- 
vollen  Bronzen  auch  sorgsam  ganz  werthlose 
Thongeräthe  barg,  und  andererseits  müssten  sich 
unter  den  vielen  Bronzegerftthen  auch  die  dem 
Hausgebräuche  und  der  Werkstätte  dienenden, 
in  grosser  Menge  gefunden  haben,  während  unter 
den  vielen  Tausenden  von  Fibeln,  Armspangen  etc. 
nur  ein  Kamm,  nur  ein  Amboss  sich  finden. 


— Die  Wichtigkeit  des  ganzen  Fundes  von  Bo- 
logna wird  durch  diese  Bemerkungen  E r o 1 i ’ s in 
noch  helleres  Licht  gesetzt,  und  wäre  es  sehr  zu 
wünschen,  dass  die  von  Zannoni  in  Aussicht 
gestellte  Publikation  der  Abbildungen  der  ge- 
fundenen Gegenstände  bald  erfolgen  könnte.  Die 
Verzögerung  scheint  bis  jetzt  einfach  im  Kosten- 
punkte zu  liegen. 


Zur  Statistik  der  Farbe  der  Augen 
und  der  Haare  in  der  Schweiz. 


Angeregt  dnreh  einen  Bericht  Über  die  all- 
gemeine Versammlung  der  deutschen  anthropolo- 
gischen Gesellschaft  veröffentlicht  Herr  Dr.  Guil- 
laume  zu  Neuenburg  im  14.  Jahrgange  der 
Zeitschrift  für  Schweizerische  Statistik  (1878-  2> 
u.  3.  Quartalsheft,  S.  158)  einige  Beobachtungen, 
welche  er  bei  verschiedenen  amtlichen  Gelegen- 
heiten über  die  Farbe  der  Haare  und  Augen  von 
Schulkindern  und  Recraten  aufzeiebnete.  Die 
Zahl  dieser  Beobachtungen  ist  eine  beschränkte, 
und  Herr  Dr.  Guillaume  gestattet  sich  auf  Grund 
seines  statistischen  Materiales  keinerlei  Schluss- 
folgerungen zu  ziehen;  er  wünscht  vielmehr  nur 
die  Aufmerksamkeit  der  Schulräthe  und  Militär- 
ersatzbehörden auf  diesen  Punkt  zu  lenken , und 
zu  gleichartigen  Constatirungen  zu  veranlassen. 

Die  Untorsuch ungen  über  die  Farbe  der  Augen 
und  Haare  von  Schulkindern  wurden  in  den 
Jahren  1858  und  1859  gemacht  , und  bezogen 
sich  ausschliesslich  auf  Angehörige  des  Neuen- 
burger Distriktes;  genauere  Angaben  über  das 
Alter  der  Schulkinder  fehlen.  Bei  einer  Gesammt- 
ziffer  der  Beobachtungen  von  1205  constatirte 
Hr.  Dr.  Guillaume 


grauäugige  39,5°/o; 
dunkeläugige  37,5°/o ; 
blauäugige  23,0  Ä/p. 


braunhaarig  72*5%; 
blond  . . 23,2°/o ; 

schwarz  . 2,7°,« ; 

roth  . . 


An  Corabinationen  von  Farbe  der  Haare  und 
Augen  finden  sich  folgende  constatirt,  welche  mit 
den  Virchow'schen  Zahlen  für  Deutschland  ver- 
gleichbar rind  (Bericht  d.  VIII.  alig.  Vers,  in  Con- 
stanz.  1877.  S.  96): 


I.  blonder  Typus: 
blaue  Augen,  blonde  Haare  1 2,On/o 


blaue 

graue 

graue 


rothe 

blonde 

rothe 


l,0°o 

9,U°/o 

0,5*o 


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47 


II.  dunkler  Typus: 

schwarze  Augen  schwarze  Haare  0,3  1 ^ 

dunkelbraune  Augen  schwarze  Haare  2,0  5 
„ „ braune  „ 32,1  I ” 

In  Deutschland  schwankt  die  Anzahl  des  rein 
blonden  Typus  (blaue  Augeu  und  blonde  Haare) 
von  43";o  (Schleswig-Holstein)  bis  18°/o  (Eisass- 
Lothringen),  der  braune  Typus  von  25%  (Eisass- 
Lothringen)  bis  6,9%  (Sachsen-Meiningen);  unter 
der  hier  gezählten  Schweizer  Jugend  blonder  Ty- 
pus 12%,  brauner  34%. 

Unter  736  in  den  Jahren  1 863  und  1866 
dem  conseil  de  reforme  von  Locle  und  von  Chaux- 
de -Fonds  vorgestellten  Recruten  etc.  waren 


14,5%  blond-haarig 
71,4  % braun  „ 

13,8%  schwarz-haarig 
0,3  % roth  „ 

Nach  den  beiden  Haupt-Typen  ordnen  sich 
die  Ergebnisse : 


32  % dunkel-äugig 
48  % grau  „ 

20  % blau  w 


I.  blonder  Typus: 
blaue  Augen  blonde  Haare  6,7% 

blaugraue 

...  1.3*/*  | 

graue 

. » . 5,8“/« 

© 

CO 

graue 

„ rothe  „ 0,2°.«  ] 

<- 

schwarze 

XI.  dunkler  Typus: 

Augen  schwarze  Haare  2,0  i 

braune 

. - . 8,5 

graubraune 

, » . 0,8  ! 

schwarze 

r braune  „ 1,3  ( 

braune 

„ , . 20,2  \ 

graubraune 

. r . 9,3  / 

I ■” 


Dr.  Rp. 


Ein  slavischer  Burgwall  bei 
Rathenow. 

Auf  einer  durch  die  Havel  und  deren  Neben- 
gewässer gebildeten  Insel , welche  dem  Dorfe 
8chollene  gegenüber,  nordöstlich  von  Rathenow 
und  in  der  Provinz  Sachsen  liegt,  befanden  sich 
noch  vor  50  Jahren  die  Ueberreste  eines  ursprüng- 
lich slavischen  Burgwalles  und  einer  auf  derselben 
8telle  von  der  Mitte  des  12.  bis  Mitte  des  14. 
Jahrhunders  gestandenen  Burg  der  christlichen 
Zeit.  Diese  seitdem  abgetragenen  Ueberreste 
stellten  sich  nach  mündlicher  Ueberlieferung  und 
vorhandenen  Karten  dar , als  eine  kleinere  und 
eine  grössere  künstliche  Bodenerhöhung,  letztere 
etwa  6 m hoch  und  60  m breit,  concentrisch  von 
doppelten  Ringgräben  und  zwischen  diesen  von 


| einem  Ringwalle  umgeben.  Der  äussere  Graben 
| umschrieb  einen  Durchmesser  von  etwa  120  m. 

Am  Wasser,  der  Dorflage  gegenüber,  wurden 
dem  Burgwall  zunächst  neuerlich  Schwellen  und 
schlank  mit  kleinen  Hiebflächen  behauene  Pfähle 
von  Eichenholz  ausgegraben.  Das  Holz  erschien 
in  Folge  der  Lagerung  im  Wasser  durchgehend* 
schwarz. 

Bei  neuerlichem  Rajolen  der  Fläche,  welche 
die  Burgstelle  früher  eingenommen  hatte,  fanden 
sich  ausser  kunstreichen  und  mit  Kalk  gemauer- 
ten Fundamenten  aus  christlicher  Zeit  ein  solches 
von  kreisrunder  Form,  4 % m stark,  ringförmig 
einen  lichten  Raum  von  4 m Durchmesser  um- 
sch  liessend.  Dieses  Fundament  war  aus  grossen 
Steinblöcken  gesetzt  mit  Rollsteinen  und  zer- 
stampftem Raseneisensteine  verfallt. 

Kleinere  Bauresto , durchbrochen  von  denen 
aus  christlicher  Zeit,  erwiesen  sich  aus  Rollsteinen 
und  gebrannten  Steinen  mit  Lehm  hergestellt. 
Diese  gebrannten  Steine  sind  abweichend  von  den 
kantig  geformten  Backsteinen  aus  der  christlichen 
Zeit,  durch  Brennen  grosser  rundlicher  Lehm- 
ballen und  demnächstiges  Zerschlagen  derselben 
hergestellt ; die  eckigen  und  hakigen  Bruchflächen 
ermöglichen  die  Herstellung  eines  Verbandes  beim 
Vermauern. 

Ferner  fanden  sich  in  grosser  Zahl : Knochen 
und  Hirschgeweihe  als  Waffen  oder  Werkzeuge 
bearbeitet  und  als  KüchenabfUlle,  Scherben  unge- 
i henkelter,  auf  der  Drehscheibe  geformter  Gefässe 
und  Spinn wirtel,  — Steinartefakte  wurden  nicht 
gefunden  , dagegen  ein  Schmelzrückstand  von 
Bronze,  nicht  unmittelbar  an  dem  Borgwalle. 

Die  8cherben  zeigen  eine  grobkörnige  mit 
glänzenden  Körnern  des  Glimmerschiefers  — der 
nur  hier  in  vielen  Stücken  noch  sich  vorfindend 
zu  d e m Zwecke  importirt  erscheint  — gemengte, 
äusserlich  und  innerlich  geschwärzte  Masse  gut 
gebrannt.  Die  Ornamente  sind  ziemlich  geschickt 
und  vielseitig  durch  mehrzinkiges  Werkzeug  ein- 
gerLsen  und  gepresst  Sie  bestehen  bei  einigen 
aus  einfachen , auch  doppelt  umlaufenden , auch 
I fransenartig  angeordneten  Wülsten,  die  in  sich 
i durch  Einpressung  verziert,  Felder  mit  eingeritz- 
ten Kreisen  und  Tapfen  umschliessen.  Die  Wellen- 
und  Zickzacklinie  ist  vorherrschend. 

Die  Havel  bildet  um  die  Insel  des  Burg- 
walls eine  plötzliche  knieförmige  Beugung.  Sko- 
lena  soll  im  Wendischen  soviel  bedeuten  als  „aus 
dem  Knie.“  In  alten  Urkunden  kommt  die 
Schreibart  „Skolena“  für  die  Burg  und  Ortschaft 
Schollene  vor. 

von  Alvemleben,  Rittergutsbesitzer. 


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48 


sich  die  Geweihe  befanden.  Uebrigens  ist  auch  die  Er- 
haltungsart  der  letiteren  ganz  mit  derjenigen  überein- 
stimmend, welche  diluviale  Wirbelthierknochen  zeigen. 
Es  liegt  in  diesen  bearbeiteten  Geweihstücken  ein  be- 
roerkenawerther  Beweis  für  die  Existenz  des  Menschen 
in  Schlesien  lar  Zeit  der  Ablagerang  des  Diluviums  der 
norddeutschen  Ebene  vor,  während  sonst  der  Beweis  für 
das  höhere  Alter  de«  Menschen  auf  den  in  Knochen- 
höhlen gemachten  Funden  beruht  (Nr.  178  d.  Scbleaiscb. 
Zeitg.  v.  1.  J.)  von  der  Wengen,  Freibarg  i/B. 


Herr  Major  von  Hum  bert  auf  Hohenk  ränig  bei 
Schwedt  an  der  Oder  bat  auf  seiner  Gutsfeldmark  auf 
der  Höhe  des  steilen  linken  Oder-Ufers  einen  heidni- 
schen B egräbnisspla tz  aufgedeckt.  Etwa  einen 
halben  Meter  unter  der  Erde  befinden  sich  in  regel- 
mässigen Reiben  bei  ungefähr  einem  Meter  Ab.tand  von 
einander  kleine  etwa  einen  Meter  hohe  Packungen  von 
unregelmässigen  Feldsteinen  der  verschiedensten  Form, 
jedoch  nicht  über  einen  Quadratfass  gross.  Etwa  12 
derartige  Stellen  wurden  aufgedeckt.  Im  Innern  be- 
fanden sich  grosse  Urnen  mit  Stülpen  darüber  und 
mehrere  kleinere  Gefässe,  umstellt  mit  leeren  Cere- 
moniengefassen,  darunter  solche  von  ca.  I1/?  bis  2 Liter 
Inhalt.  Nur  in  den  grössten  Urnen  befanden  sich  Reste 
des  Leicbenbrandes , aber  sehr  vermorscht  und  auf  be- 
sonders hohes  Alter  deutend.  Neben  einem  solchen 
grossen  Gefäss  lag  frei  in  der  Erde  ein  uoverbrannter 
Menschenschädel,  von  dem  jedoch  nur  ein  Theil,  der 
Zähne  gerettet  werden  konnte.  Beigaben  aus  Stein  oder 
Metall  sind  nicht  gefunden  worden.  Man  gewann  wohl- 
erbalten  ca.  zwölf  grosse  und  kleinere  thönerne  Gefässe, 
donkelbraun  und  von  primitivem  Typus.  Zweifellos 
handelt  es  sich  um  vorwendische  Objekte.  Herr  v.  Hum- 
bcrt  hat  die  Fundstücke  den  städtischen  Behörden  von 
Berlin  für  das  Märkische  Provinzial- Museum  zum  Ge- 
schenk gemacht.  Dr.  M.  Bartels,  Berlin. 

Nachdem  vor  einigen  Wochen  von  Dorpat  aus  die  Errichtung  einer  Bronzestatuo  für 

Karl  Ernst  von  Baer 

betrieben  worden  war,  haben  wir  Unterzeichnete  uns  erlaubt,  an  deren  Stelle  den  deutschen  Fach- 
Genossen  eine  Gesammtausgabe  der  Werke  des  grossen  Forschers  vorzuschlagen. 

Von  den  Collegen,  die  durch  Circular  von  unserem  Vorschläge  in  Kenntnis«  gesetzt  worden 
sind,  bat  sich  ein  überwiegend  grosser  Theil  unbedingt  zu  unseru  Gunsten  ausgesprochen.  Ein  Theil 
der  Herren  hatte  sich  Dorpat  gegenüber  bereits  gebunden , allein  auch  diese  haben  uns  durchweg 
ihre  Sympathie  und  soweit  die  bereits  eingegangenen  Verpflichtungen  dies  erlaubten,  ihre  werkthätige 
Theilnahme  zugesicbert.  Von  Dorpat  aus  und  zwar  von  Seiten  des  Comites,  wie  von  Einzelnen,  ist 
unser  Vorschlag  als  berechtigt  zwar  anerkannt,  aber  jede  Theilnahme  an  demselben  abgelehnt  worden. 

Unter  den  gegebenen  Verhältnissen  glauben  wir  im  Sinn  einer  grossen  Zahl  deutscher  Col- 
legen zu  handeln,  wenn  wir  unserm  Plane  bestimmte  Gestalt  zu  geben  suchen.  Zunächst  handelt  es 
sich  um  die  Zusammenstellung,  bez.  um  die  Auswahl  der  herauszugebenden  Schriften.  Absolute 
Vollständigkeit  anzustreben  wird  vielleicht  kaum  möglich  sein,  wohl  aber  eine  Herausgabe  aller  der 
8chriften,  welche  für  die  Entwickelung  der  Wissenschaft  und  für  die  Beurtheilung  der  Persönlichkeit 
von  Baer’s  bedeutsam  sind.  Wie  es  sich  mit  dem  Erwerb  anfälliger  Publicat ionsrechte  verhält  und 
in  welcher  Form  die  Herbeischaflung  der  Mittel  und  die  Herausgabe  selbst  geschehen  sollen,  das 
kann  selbstverständlich  erst  nach  weiteren  Verhandlungen  festgestellt  werden. 

Es  ist  uns  nun  als  das  Passendste  erschienen,  zunächst  eine  Commission  zusammen  zu  bitten,  die 
die  Auswahl  der  Schriften  und  die  Verlagsfrage  in  die  Hand  nehmen  soll  und  es  haben  die  Herren 
R.  And  ree,  V.  Carus,  C.  Kupffer  und  J.  Ranke  die  Freundlichkeit  gehabt  sich  uns  anzuschliessen. 

Wir  werden  uns  erlauben,  den  deutschen  Fachgenossen  über  die  Ergebnisse  unserer  Bemüh- 
ungen später  wieder  Bericht  zu  erstatten  und  wir  bitten  dieselben  vorerst,  der  von  uns  vertretenen 
Sache  ihr  Wohlwollen  zu  bewahren  und  in  ihren  Kreisen  Interesse  dafür  zu  erwecken. 

Freiburg  — Leipzig,  den  25-  März  1879. 

A.  Ecker.  W.  His.  R Leuck&rt. 

Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Deduktion  am  JO.  Mai  1879. 


Kleine  Mittheilungen. 

(Fund  von  drei  durch  Menschenhand  bearbeiteten  Hirsch- 
geweihstücken  aus  dem  Diluvium  In  Schlesien  ) In  der  am 

26  März  d.  Ja.  stattgefundenen  Sitzung  der  naturwissen- 
schaftlichen Section  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vater- 
ländische Cultur  legte  der  Geh.  Bergrath  Professor  Dr. 
Römer  drei  durch  Menschenhand  bearbeitete  Hirscbgeweih- 
stückevor,  welche  durch  Baron  v.  Köck  ritz  im  Diluvium 
einer  Kiesgrube  bei  Mondschütx,  unweit  Wohlau,  au  ge- 
funden wurden.  Die  Bearbeitung  der  Stücke  durch  Men- 
schenhand ist  ebenso  unzweifelhaft,  wie  die  Fundstätte  der- 
selben im  ächten  Diluvium.  Die  Spuren  der  Bearbeitung 
bestehen  in  glatten  Schnittflächen,  welche  augenschein- 
lich mit  einem  scharfen  Instrumente  bewirkt  wurden. 
Das  grosse  der  8 Stücke  ist  eine  88  Centimeter  lange 
und  unmittelbar  über  der  Augensprosse  ö Centimeter 
dicke  Hauptstange  des  Edelhirsches  (Cervas  elapbusl. 
An  derselben  sind  nicht  blos  die  beiden  Enden  durch 
schief  verlaufende  Schnittflächen  zugestutzt,  sondern  ist 
auch  die  ganze  Mittelsprosse  vollständig  entfernt , so 
dass  an  deren  Stelle  nur  zahlreiche  glatte  Schnittflächen 
vorhanden  sind  und  die  Hauptstange  auf  diese  Weise 
einen  fast  geraden,  einfachen  Stab  darstellt.  Die  beiden 
anderen  Stücke  sind,  wie  ans  dem  erhaltenen  unteren 
Ende  ersichtlich,  abgeworfene  Geweihe  jüngerer  Indivi- 
duen. Auch  bei  diesen  lassen  glatte  Schnittflächen  am 
Ende  der  Stange  und  an  den  Sprossen  die  Bearbeitung 
durch  Menschenhand  deutlich  erkennen.  Die  Lagerstätte 
der  Stücke  betreffend,  so  wurden  dieselben  in  einer 
Kiesgrube  9 Fass  tief  unter  der  Oberfläche  gefunden. 
Die  besonderen  Lagerung« Verhältnisse  sind  durch  Baron 
v.  Köckritz  genau  beobachtet  worden.  Unter  einer  1 i 
Fass  dicken  Dammerde-Schicht  folgt  in  der  Kiesgrube 
zunächst  eine  Schicht  von  lehmigem  Kies  (4  Kuss), 
dann  reiner  Kies  (1  Fuss),  nach  ihm  lehmiger  Letten  mit 
nordischen  Geschieben  (3  Fuss)  und  endlich  Sand  mit 
nordischen  Geschieben  ln  dieser  letzteren  Schicht  haben 


I by  LiOOQle 


Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  von  Professor  Pr.  Johanne n Sänke  in  München, 

Genmleeeeet&r  der  GeeeUacka/l. 


Nr.  7.  Erscheint  jeden  Monat.  Juli  1879. 


Die  Bronzefunde  in  Bologna,*) 

Von  J.  Hestorf,  Kiel. 

Der  in  den  letztausgegebenen  Nummern  des 
Correspondenz-Blattes  veröffentlichte  Vortrag  des 
Herrn  Bergwerkdirektor  Emil  Stöhr  über  den 
Bronzefund  bei  S.  Francesco  in  Bologna  veran- 
lasst mich  zu  nachfolgenden  Bemerkungen  über 
denselben  Gegenstand.  Ich  verweilte  im  April 
d.  J.  acht  Tage  in  genannter  Stadt  um  die  be- 
kannten Sammlungen  in  Augenschein  zu  nehmen. 
Die  Zeit  genügte  zu  einer  flüchtigen  Ueborsicht, 
nicht  aber  zu  einem  tieferen  Studium  des  reichen 
Materials.  Herr  Stöhr  stützt  seine  Bemerkungen 
hauptsächlich  auf  die  Mittheilung  des  Grafen 
Gozzadini  in  den  Materiaux  pour  l'histoire  de 
l'homme.  Sie  zeigen  wie  gewagt  es  ist,  nach 
einer  Fundbeschreibung  ohne  Abbildungen  sich 
ein  Urtheil  über  den  Charakter  der  zu  Tage  ge- 
forderten Gegenstände  zu  bilden.  W äre  es  Herrn 
Stöhr  wie  mir  vergönnt  gewesen  den  Inhalt  des 
dolio  von  San  Francesco  **) , so  wie  derselbe 
gegenwärtig  im  Museo  civico  ausgestellt  ist,  mit 
eigenen  Augen  zu  prüfen , da  würde  er  schwer- 
lich „ einleuchtend u finden,  dass  er  uns  die  Quelle 
zeigt,  welche  einst  einen  Theil  von  Europa  mit 
Bronzegerftth  versorgte ; er  würde  nicht  sagen, 

•)  Wir  sind  erfreut,  über  die««  für  die  Urgeschichte 
so  wichtige  Frage  auch  eine  Mittheilung  vom  Stand- 
punkte der  nordischen  Archäologie  bringen  zu  können. 

Die  Redaction. 

*•)  Der  Fund  wurde  nicht  bei  Anlage  eines  Grabens 
auf  einer  Wiese  gemacht,  sondern  bei  einer  Sielanlage 
an  einer  Strasse,  die  noch  jetzt  il  prate  genannt  wird* 
und  ehemals  Wiesengrund  gewesen  sein  mag.  J.  M. 


dass  dort  »alle  Formen  vertreten  sind“,  dass 
„die  dort  gefundenen  Bronzen  allen  Geschmacks- 
richtungen der  verschiedenen  Länder  entsprechen 
noch  dass  „dieser  Fund  die  Frage  von  Sophus 
Müller,  ob  man  etwa  im  Ernst  annehme,  dass 
man  in  Etrurien  Gegenstände  für  Norddeutschland, 
Schwaben  (?)  etc.  etc.  verfertigt,  mit  einem  ent- 
schiedenen ja ! beantworte.** 

Was  man  dort  sieht,  weckt  in  keiner  Weise 
die  Vorstellung  von  der  Habe  eines  Bronze- 
giessers,  der  für  den  Export  arbeitete.  Man  findet 
unter  dem  Geräth  von  localem  Character  keine 
Formen , die  als  fremd  (norddeutsch,  ungarisch, 
westeuropäisch  u.  8.  w.)  auffallen.  Unter  den 
Messern  sind  keineswegs  „alle  Formen  vertreten“, 
die  nordischen  jedenfalls  gar  nicht.  Unter  den 
2377  Fibeln  ist  kein  einziges  Exemplar  .der  nor- 
dischen Bronzezeit-Fibula.  Schwerter  und  Dolche 
sind  nur  einige  wenige  vorhanden  und  unter 
diesen  keines , welches , der  Geschmacksrichtung 
der  nordischen  Völker  entsprechend,  speciell  für 
den  Export  nach  nordischen  Ländergebieten  ge- 
gossen worden.  Fehlen  nun  einerseits  jene  For- 
men, welche  dem  Norden  eigenthümlich  sind,  so 
finden  wir  dahingegen  manche,  die  uns  aus  mittel- 
und  nordeuropäischen  Sammlungen  wohl  bekannt 
sind,  aber  dort  durch  ihren  fremdartigen  Typus 
sofort  auffallen.  Im  übrigen  bedarf  es  kaum  der 
Erwähnung , dass  dieser  Massenfund  für  das 
Studium  nach  allen  Richtungen  ausserordentlich 
lehrreich  ist.  Von  besonderem  Interesse  sind 
unter  anderen  die  verschiedenen  Werkzeuge  z.  B. 
die  grosse  Mannigfaltigkeit  der  Meisseiformen, 
namentlich  der  Schmal meissel  und  Hohlmeissel; 


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50 


ferner  die  Punzen  (einige  mit  stumpf  gerun- 
detem Ende,  andere  flach  und  gezahnt);  die 
Sägen,  Feilen  u.  8.  w.  Unter  letzteren  findet  man 
etliche  mit  breiten,  flachen  und  weiter  aus  ein- 
ander liegenden  Kippen,  die  ich  eher  für  Stempel 
als  für  Feilen  halten  möchte.  Die  Mannigfaltig- 
keit der  Fibeln , die  hier  neben  einander  liegen 
und  sich  somit  als  gleichzeitig  aus  weisen,  ist  in 
hohem  Grade  Überraschend  und  bedeutungsvoll 
für  die  Auffassung  und  Altersbestimmung  mancher 
anderen  Funde  und  dürfte  namentlich  einigen 
französischen  und  italienischen  Forschern  bezüg- 
lich ihrer  Periodentheilung  zu  denken  geben. 

Ob  aber  der  Fund  von  San  Francesco  Über- 
haupt als  die  Habe  eines  Bronzefabrikanten  an- 
zusehen ist,  bleibt  wohl  bis  weiter  unentschieden. 
Die  formlosen  Metallstücke,  völlig  neue  und  be- 
reits gebrauchte,  unfertige  und  zerbrochene  oder 
gar  zerhackte  Gegenstände  sprechen  freilich  dafür, 
allein  Beachtung  verdient  jedenfalls,  dass  auch 
die  Werkzeuge  beschädigt  sind  und  dass  die  Guss- 
formen fehlen.  Die  Formen  sind  für  den  Fabri- 
kanten oft  ebenso  werthvoll  wie  das  Rohmaterial, 
wenn  er  deshalb  bei  nahender  Gefahr  Müsse 
hatte  letzteres  und  zwar  mit  wohlberechneter 
Ausnützung  des  Raumes  sorgfältig  zu  verpacken, 
da  hatte  er  auch  Zeit  die  Formen  mit  in  die 
Grabe  zu  legen,  welche  zur  Aufnahme  des  grossen 
irdenen  Gofttases  gegraben  werden  musste. 

Herr  Stöhr  schenkt  seine  Aufmerksamkeit 
auch  den  Gräberfunden  , welche  in  Bologna  be- 
wahrt werden  und  die  Stadt  zu  einem  Walfahrts- 
ort  für  Archäologen  machen.  Die  Funde  von 
Villanova  und  Marzabotto  befinden  sich  in  den 
Privatwohnungen  der  resp.  Besitzer . erstere  in 
dem  Palazzo  Gozzadini,  via  Stefano , letztere  in 
dem  Schlosse  des  Grafen  Aria  zu  Marzabotto, 
einer  Eisenbahnstation  auf  dem  Wege  nach  Flo- 
renz, die  von  Bologna  aus  in  20  Minuten  er- 
reicht wird. 

Die  Funde  von  der  Certose,  von  Arnvaldi, 
San  Stefano,  Benacei  und  De  Lncca  (sämmtlich 
im  Weichbilde  der  Stadt)  befinden  sich,  wie  auch 
der  oben  besprochene  Fund  von  San  Francesco, 
im  Museo  civico.  Die  Funde  Benacci  und  De 
Lucca  sind  noch  nicht  ausgestellt;  sie  lagern  bis 
weiter  in  dem  Zustande,  wie  sie  ausgehoben 
wurden  in  zwei  grossen  Sälen  und  sind  folglich 
bis  jetzt  nicht  zugänglich.  Dass  es  nun  trotzdem 
gestattet  wurde  sie  zu  besichtigen , danke  ich 
der  Güte  des  Grafen  Gozzadini.  Theils  in  Papieren, 
Kästchen  und  Körben  bewahrt,  und  zum  Theil  in 
Trümmern  und  Sehftrbei»,  sind  sie  freilich  schwer 
zu  übersehen,  aber  vor  den  ausgestellten  Funden 
gewähren  sie  den  grossen  Vorzug , dass  hier 


der  Inhalt  der  einzelnen  Gräber  zusammen  ge- 
halten ist. 

Herr  Stöhr  hält  die  Gräber  von  Villanova 
mit  Unrecht  für  älter  als  diejenigen  von  der 
Certosa  und  Marzabotto,  weil  dort  noch  Leichen- 
bestattung vorkomme,  während  in  letzteren  nur 
verbrannte  Gebeine  gefunden  seien.  In  Villa- 
nova,  Marzabotto  und  in  der  Gruppe  Arnvaldi 
kam  die  Bestattung  der  verbrannten  Leichen 
allerdings  seltener  vor  als  die  verbrannten  Ge- 
beine, auf  der  Certosa  aber  enthielten  von  365 
Gräbern  250  unverbrannte  Skelette,  115  ver- 
brannte Gebeine  und  auch  zu  San  Stefano  war, 
so  weit  mir  bekannt , Leichenbestattung  vor- 
herrschend. 

Die  Skeletgräber  sind  es  gerade,  welche  jene 
Eisenschwerter  bergen , die  schon  auf  dem  archäo- 
logischen (Kongresse  in  Bologna  eine  Discussion 
veranlasst cn  und  noch  jetzt  Gegenstand  weit  und 
tiefgreifender  Forschung  sind,  zumal  sie  häufig 
in  Begleitung  anderen  Geräthes  Vorkommen,  welches 
den  rein  etruskischen  Charakter  der  hier  genannten 
norditalischen  Nekropolen  in  Zweifel  stellt..  Es 
sind  jene  eisernen  Schwerter,  wie  deren  in  der 
Schweiz  (la  Tone  und  Tiefenau)  und  in  Frank- 
reich (Alesia)  in  grösserer  Anzahl  beisammen  ge- 
funden wurden  und  ausserdem  in  England,  Mittel- 
Deutschland,  Ungarn,  ja  nunmehr  bis  nach  Jüt- 
land hinauf  und  südlich  der  Alpen  bis  nach 
Arezzo  hinunter  nachgewiesen  sind.  Man  hat  sie 
für  keltisch  erklärt , zumal  sie  von  mancherlei 
anderem  Geräth  von  unbestritten  keltischem  Typus 
begleitet  zu  sein  pflegen.  Nachdem  deutsche, 
scandinavische,  französische  und  englische  Archäo- 
logen sich  mit  der  L'ulturgruppe,  der  diese  Dinge 
angehören,  seit  Jahren  beschäftigt,  hat  neuerdings 
Herr  von  Pulsky  einen  in  der  ungarischen 
Akademie  der  Wissenschaften  gelesenen  Vortrag 
über  denselben  Gegenstand  veröffentlicht*)  und 
fast  zur  selben  Zeit  erschien  die  Beschreibung 
eines  neuen  Grabfundes  (bei  Ceretolo)  unweit 
Bologna  vom  Grafen  Gozzadini  **),  welcher  die 
fraglichen  Eisenschwerter  mit  derselben  festen 
Ueberzeugung  ftlr  etruskisch  erklärt , mit  der 
Herr  v.  Pulsky  ihren  keltischen  Ursprung  nach- 
gewiesen. Das  Grab  bei  Ceretolo  enthielt  ausser 
einem  Schwerte  von  dem  hier  besprochenen  Typus, 
eine  eiserne  Kette , deren  Beschreibung  völlig 
passt  zu  der  v.  Pulsky  a.  a.  ü.  S.  25  abge- 

*)  Die  Denkmäler  der  Keltonherrechaft  in  Ungarn. 
Bndapest,  Druck  des  Prankli wehen  Verein*  1879-  44  S. 
in  8°  mit  32  Fig.  in  Hohachnitt. 

••)  Di  un  antico  sepolcro  a Ceretolo  nel  Bolognese. 
Modena,  Vincenzi  e Nipoli  1879.  .33  S.  in  8°  mit  einer 
Doppeltafel  in  Chromolithographie. 


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51 


bildeten  Kette  von  SzendrÖ ; ferner  Lanze,  Scbeere, 
Armband,  Fibeln,  verschiedene  andere  Gegenstände 
und  eine  schöne  bronzene  Oenochoe  mit  einer 
Figur  am  Griff  (nach  Gozzadini  eine  Bachusfigur), 
die  jedenfalls  nicht  keltisch  ist.  Von  den  Fibeln 
sagt  der  Verf.  nur,  dass  etliche  mit  einseitlicher, 
etliche  mit  doppelter  Spirale  Vorkommen,  nichts  j 
aber  Uber  die  sonstigen  Eigenthfimlichkeiten,  welche  ' 
als  characteristisch  für  die  keltische  Fibula  gelten. 
Dahingegen  giebt  er  Nachricht  von  anderen  1 
Funden  gleichartiger  Schwerter  in  Italien ; ausser 
denjenigen  von  Marzabotto  und  Ceretolo  bei  Caere 
und  Friano  (zwischen  Chiusi  und  Arezzo)  und  in 
der  Gruppe  Benacci  in  Bologna.  Eines  von  den  I 
Schwertern  ans  den  Gräbern  Benacci  war  begleitet  ! 
von  drei  BronzegefÄssen,  einem  Bronzehelm,  einer 
strigillis  mit  griechischem  Stempel,  einem  CAnde- 
laber,  einer  eisernen  Scheere  u.  8.  w.  Das  Haupt, 
des  Todten  zierte  ein  goldener  Lorbeerkranz  (von  f 
dünnem  Goldblech).  — Das  Schwert  von  Marza-  | 
botto  ruht  noch  jetzt  wie  bei  der  Aufdeckung  ; 
des  Grabes  im  rechten  Arme  des  einstmaligen 
Besitzers;  daneben  die  Lanze  mit  blattförmigem  1 
Eisen  und  eiserner  Zwinge  am  untern  Ende  des 
Schaftes.  Die  Länge  der  Lanze  betrug  (soweit 
ich  über  den  verschlossenen  Glasdeckel  messen 
konnte)  circa  180  cm. 

Eiserne  Schwerter  von  sogen,  la  Tene  Typus 
finden  sich  sonach  in  Gräbern  auf  italienischem  i 
Boden ; in  weit  grösserer  Anzahl  aber  fand  man 
sie  bisher  nördlich  der  Alpen  und  zwar  nicht  nur 
in  Begleitung  von  anderem  derselben  Culturgruppe 
an  gehörenden  Gerftth,  sondern  bisweilen  mit  Orna-  | 
menten  in  jenem  Stiel,  welchen  Franks  late-eeltic  ; 
genannt  hat.  Herr  v.  P u 1 s k y ist  in  Betreff  1 
der  keltischen  Bügelfibula  der  Ansicht , dass  sie 
sich  aus  der  etruskischen  entwickelt  habe.  Wird 
er  dieselbe  Erklärung  auf  daäf  keltische  Schwert 
anwenden?  Nachdem  sich  die  Schwerter  und 
Sehmuckgegonstände  vom  sogen,  la  Tene  Typus 
in  den  letzten  Jahren  in  viel  weiterer  örtlicher 
Ausdehnung  vorgefunden  , als  man  bisher  ver- 
mnthet , ist  es  unsere  Aufgabe  ihrer  räumlichen 
Verbreitung  nachzuforschen,  unter  Berücksichtig- 
ung zunächst  der  einfachsten  ursprünglichen  Formen,  i 
und  zweitens  der  sie  begleitenden  fremdartigen, 
d.  h.  einer  anderen  Culturgruppe  angehörenden 
Gegenstände.  Einer  mündlichen  Mittheilung  zu- 
folge hat  man  in  Böhmen  Beweise,  dass  die  ein- 
fachen rückwärts  gebogenen  eisernen  Drahtfibeln 
dort  angefertigt  sind.  Wie  weit  findet  man  die- 
selben nach  Süden  ? * 

Herr  St  Öhr  hält  die  Gräber  von  Villanova 
für  circa  gleichalterig  mit  den  von  ßchliemann 
aufgedeckten  in  Mykenae.  Aus  letzteren  tritt 


uns  eine  Bronzecultur  entgegen  in  höchster  Ent- 
wicklung; eiserne  Geräthe  fehlen.  In  Villa- 
nova und  der  mit  Villano vu  io  gleiche  Zeit  zu 
stellenden  Gruppe  Arnvaldi  kommt  dahingegen 
eisernes  Geräth  vor,  wenngleich  keine  Schwerter. 

In  sämmtlichen  Nekropolen  in  und  bei  Bo- 
logna ist  Bernstein  gefunden , als  Perlen  t als 
Incrustution  in  Bronze  oder  Knochen , oder  ge- 
schnitzt. Herr  S t ö h r verfolgt  das  Vorkommen 
desselben  auch  in  den  älteren  Perioden  und  be- 
ruft sich  auf  Chierici  und  Pigorini  in  dem  Aus- 
spruch , dass  in  den  Terromaren  der  Bronzezeit 
kein  Bernstein  bis  jetzt  nachgewiesen  sei.  Pro- 
fessor Pigorini  bestätigte  mir  mündlich,  was  er 
schon  in  dem  Bullettino  (Octoher-Novemberheft 
1877)  mitgetheilt  hatte,  dass  er  in  der  temunara 
zu  Cnstione  in  der  That  mit  eigener  Hand  zwei 
Stücke  bearbeiteten  Bernsteins  gefunden  habe. 
So  weit  mir  bekannt,  sind  dies  bis  jetzt  die  ein- 
zigen Stücke  Bernstein , deren  Provenienz  aus 
einer  Terramarenschicht  der  Bronzezeit  ver- 
bürgt ist. 

Das  Museo  eivico  ist  ein  städtisches  Institut, 
die  Stadt  Bologna  hat  grosse  Opfer  gebracht, 
theils  um  die  Ausgrabungen  von  kundiger  Hand 
vollziehen  zu  lassen,  theils  um  bereits  ans  Licht- 
geförderte Schätze  zu  erwerben.  Sie  sichert«  sich 
dadurch  die  dankbare  Anerkennung  nicht  nur 
der  italienischen  Forscher,  sondern  der  Archäo- 
logen aller  Länder  und  besondere  Anerkennung 
verdient,  dass  sie  darauf  bedacht  war  die  Funde 
in  ihrer  Gesammtheit  zu  erwerben  und  dadurch 
eine  Zersplitterung  des  Materials  zu  verhüten. 
Die  Ansichten  Über  die  Nothwendigkeit  des  Zu- 
sammenhaltens sämintlicher  Gegenstände  auch  bei 
grösseren  Funden  sind  allerdings  getheilt.  Man 
sagt,  nicht  jeder  könne  im  Interesse  seiner  Studien 
weite  Reisen  unternehmen,  es  sei  deshalb  Aufgabe 
der  Centralmuseen  die  verschiedenen  Culturgruppen 
in  ihrer  Entwicklung  zu  veranschaulichen.  Kann 
man  aber  den  Character  einer  Fundgruppe  in 
zufällig  erworbenen  Probestücken  studieren?  Ge- 
setzt — um  bei  den  Bologneser  Funden  zu  bleiben 
— es  wäre  ein  Stück  der  alten  Nekropole  auf 
der  Certosa  auf  Kosten  der  Stadt  Bologna  auf- 
gedeckt, ein  zweites  für  ein  Londoner  Museum, 
ein  drittens  für  Berlin  — da  müsste  man,  um 
die  Funde  der  Certosa  zu  studiren,  nicht  allein 
nach  Bologna,  sondern  auch  nach  Berlin  und 
London  reisen,  da  ein  so  grosses  Gräberfeld  schwer- 
lich von  einem  Ende  bis  zum  anderen  dieselben 
Erscheinungen  darbietet.  Unter  den  Gräbern  Be- 
nacci z.  B.  hatte  bisher  kein  zweites  Grab  gleichen 
Inhalt  wie  das  oben  beschriebene.  Für  die  Studien 
und  somit  für  die  Wissenschaft  förderlich  wäre 


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es,  wenn  überall  HÜmmtliche  Funde  vorhistorischer 
AlterthUmer  dem  Localmuseum  des  betr.  Bezirkes 
überliefert  würden , um  dieses  in  den  Stand  zu 
setzen  an  auswärtige  Museen  so  wie  an  Lehrinstitute 
systematisch  wohlgeordnete  Sammlungen  ubzu- 
geben,  welche  eine  Culturperiode  der  einen  Fund- 
gruppe veranschaulichen.  Daraus  erwüchse  ein 
dreifacher  V ortheil : Die  Vorstände  der  Local- 

museen würden  eine  gründlichere  Kenntnis*  des 
von  ihnen  verwaltenden  Bezirkes  erwerben ; die  j 
Centrnlumseen  würden  ein  correcteres  Bild  der 
verschiedenen  Culturgruppen  zur  Anschauung 
bringen  können,  als  dies  durch  zufällige  Erwerb- 
ungen möglich  und  die  Preise  würden  nicht  ferner 
so  unnatürlich  hoch  gescbroben  werden,  wie  dies 
jetzt  der  Fall  ist,  zumTheil  wohl,  weil  Museums- 
Vorstände  und  Privat« animier  auf  fremdem  Gebiete  l 
ihre  Sammlungen  zu  bereichern  suchen.  Selbst 
Privatsammler , welche  anlänglich  aus  Liebe  iur 
Sache,  aus  Patriotismus  Sammelten  , wurden  da- 
durch mehr  oder  minder  zu  Händlern,  die  Ueber-  I 
reste  der  Vorzeit,  die  Landesgut  sind  und  bleiben  j 
sollten,  wurden  zur  Hundelswaare,  die  dem  Meist-  \ 
bietenden  zugeschlagen  wird.  Dem  Uebel  würde 
Abhülfe  werden,  wenn  sämmt  liehe  Museums  Vor- 
stände sich  dahin  einigten . keine  Erwerbungen 
auf  fremdem  Gebiete  zu  machen  ohne  zuvor  die 
Verwaltung  des  Local museums  des  betr.  Bezirks 
davon  in  Kenntnis«  gesetzt  zu  haben.  Man  sage 
nicht,  dass  dies  ideale  Wünsche  und  Vorschläge 
sind.  Vorausgesetzt  dass  das  Princip  als  richtig 
anerkannt  wird,  lässt  sich,  wer  es  anstrebt,  bei 
ehrlichem  guten  Willen  sehr  wohl  erreichen.  Die 
Museums  Vorstände,  welche  nicht  in  der  glück- 
lichen Lage  sind  über  ein  grosses  Budget  zu  ver- 
fügen, dürften  mit  mir  einverstanden  sein,  dass 
es  wünschenswert!!  und  jetzt  an  der  Zeit  wäre, 
eine  Vereinigung  der  Museumsverwaltungen  in 
dieser  Hinsicht  anzubahnen. 


Arier  und  Semiten. 

Von  Dr.  Fritz  Hommel,  München. 

Bei  der  Erforschung  der  Vor  goschichte  des 
Menschen,  die  ja  ein  Hanptgebiet  der  anthropo-  j 
logischen  Wissenschaft  ist,  schien  man  bis  vor 
Kurzem,  zumal  für  Europa,  nur  auf  Ausgrabun- 
gen und  die  ans  ihnen  in  Bezug  auf  Schädel, 
Werkzeuge,  Schmucksachen  u.  a.  sich  ergebenden 
Resultate  beschränkt.  So  fand  man  allmählich 
nach  der  Classiticirung  der  Schädel  verschiedene 
R as  s en  ty  pen.  Man  gelangte  nach  dem  ver- 
schiedenen Material  der  aufgefundenen  Gerät- 
schaften zur  Annahme  verschiedener  aufeinander- 


folgender Culturepochen  dieser  Vorgeschichte,  einer 
Steinzeit , Bronzezeit  und  Eisenzeit.  Man  fand 
die  Pfahlbauten,  fand  bei  solchen  |und  anderen 
Niederlassungen  von  Menschen  Knochen  von  Thieren, 
zumal  Haustieren,  die  für  die  nähere  Bestimmung 
ihrer  Zeit  und  ihres  Kult  Urzustands  wichtig  waren, 
und  allmählich  erstand  so  ein  Bild,  in  nebelgraue 
halb  verschleierte  Ferne  gerückt , aber  darum 
natürlich  desto  anziehender  und  immerhin  klar 
genng , um  einzelnes  sichere  daran  zn  erkennen, 

— ein  Bild  der  Geschichte  Mittel-  und  Nord- 
Europas  in  vorhistorischen  Zeiten. 

Da  kam  immer  bestimmter  ihre  Aufstellungen 
formulirend  eine  andere  Wissenschaft,  welche  ohne 
Schädel  und  Steinwaffen  zu  befragen,  nun  plötz- 
lich der  ganzen  Frage  nach  der  ethnologischen 
Stellung  der  europäischen  Völker  eine  neue  Wen- 
dung gab;  sie  grub  auch  aus,  aber  aus  anderem 
Erdreich,  sie  holte  uralte  Dokumente  aus  dem 
fernen  Orient  hervor  und  grub  und  forschte  da- 
rin, aber  mehr  in  dem,  womit  sie  zu  uns  redeten, 
als  was  sie  redeten,  d.  h.  sie  secirte  die  Sprache 
selbst,  stellte  Vergleichungen  um  Vergleichungen 
an  — und  der  Zusammenhang  der  europäischen 
Cult  Ursprachen  mit  denen  Persiens  und  Indiens 
war  erwiesen  und  ist  es  noch  und  für  alle  Zeiten. 

Nun  ist  wohl  zu  beachten,  dass,  wenn  auch 
alsbald  weitergefolgert  wurde , die  Ursitze  der 
gesummten  indogermanischen  Völker  seien  im  mitt- 
leren Asien  zu  suchen  (so  die  meisten  indog. 
Sprachvergleicher),  dass  das  feststehende  Resultat 

— was  auch  kein  Anthropologe  von  seinem  Stand- 
punkt aus  bestreiten  kann  — doch  nur  das  vom 
Zusammenhang  der  europäischen  und  asiatischen 
Arier  ist,  dass  aber  die  Frage,  ob  die  Völkerbe- 
wegung von  Osten  nach  Westen  oder  umgekehrt 
gieng,  als  eine  ganz  andere  und  mit  obigem  noch 
lange  nicht  gelöste,  betrachtet  werden  muss. 

Wo  nun  nach  der  physischen  und  geistigen 
Seite  hin  für  die  Vorgeschichte  Europas  soviel 
Material  aufgehäuft  war,  das  sich  täglich  mehrte, 
da  — sollte  man  denken  — hätte  nun  das 
schönste  Miteinander-  und  Zusammenarbeiten  der 
Anthropologen  und  Sprach-  und  Alterthumsforscher 
beginnen  sollen,  und  dadurch  solche  und  andere 
Fragen  in  Bälde  und  schön  und  bündig  gelöst 
werden  müssen. 

Dem  war  aber  nicht  so ; im  Gegentheil,  die 
Resultate,  welche  beide  Wissenschaften  bei  immer 
weiterem  Forschen  fanden,  schienen  sich  so  zu 
widersprechen , die  Grundprincipien , von  denen 
man  ansgieng,  so  total  von  einander  abzuweichen, 
dass  allmählich  — und  davon  ist  keine  von  bei- 
den freizusprechen  — eine  vornehme  gegenseitige 
Ignorirung  und  Ablehnung  Platz  griff , die  alles 


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gedeihliche  Zusammenarbeiten  und  jede  erspriess- 
liclie  Verständigung  fUr  immer  zu  verbannen 
schien.  Man  kümmerte  sich  einfach  nicht  mehr 
um  einander,  und  es  soll  dies  keineswegs  ein 
Vorwurf  gegen  die  Anthropologie,  zu  deren  Ver- 
tretern mir  heute  zu  sprechen  vergönnt  ist,  sein, 
denn  meine  Fachgenossen  haben  es  derselben  ge- 
genüber geradeso,  wenn  nicht  noch  ärger  gemacht 
Es  ist  kaum  glaublich,  welche  Unkenntniss  in 
anthropologischen  Fragen  bei  der  Mehrzahl  der 
Sprachforscher  angetroffen  wird. 

Als  dann  weiter  die  ältesten  Denkmäler  des 
Morgenlandes,  vor  allem  Aegyptens  und  der 
babylonisch-assyrischen  Länder  immer  mehr  auf- 
gedeckt wurden,  und  die  Vertreter  dieser  neuen 
Wissenschaften,  allerdings  mit  manchem  Hecht, 
geringschätzig  auf  die  Materialien  der  Anthropo- 
logie für  die  Erforschung  der  ältesten  Völker- 
und  Rassen  Verhältnisse  des  Orients  herabblickten, 
diese  dagegen  durch  die  neuen  Reisen  und  Ent- 
deckungen in  Afrika  wiederum  neue  Waffen  ge- 
gen unsere  Wissenschaft  in  den  Händen  zu  haben 
glaubten,  da  ging  der  alte  Streit  oder  vielmehr 
die  alte  gegenseitige  Gelingschätzung  und  Nicht- 
beachtung auch  auf  dieses  Gebiet  hinüber  — ich 
erinnere  beispielsweise  nur  an  Robert  Hartmann 
und  die  Aegyptologen  — , und  eine  Einigung  ist 
auch  hier  noch  nicht  erzielt,  geschweige  denn  nur 
angebahnt  worden.  Um  Aegypten  streiten  sich 
die  die  Anfänge  aller  Kultur  jetzt  gern  nach 
Afrika  verlegenden  Ethnologen  einer- , und  die 
von  der  allerdings  entfernten  aber  doch  besteh- 
enden Verwandtschaft  des  altägyptischen  und  ur- 
semitischen  ausgehenden  Orientalisten  andrerseits  ; 
und  wo  die  Ursitze  der  Semiten  zu  suchen  sind, 
darüber  haben  die  semitischen  Sprachgelehrten, 
da  diese  Frage  von  der  Anthropologie  noch  nicht 
angeregt  wurde,  bis  vor  kurzem  beinahe  ganz 
geschwiegen;  erst  Sprenger  und  Schräder 
berührten  die  Sacho , freilich  ohne  Erfolg  und 
ganz  falsche  Wege  dabei  cinschlagend , die  nur 
wieder  ein  Beweis  von  dem  einseitigen  Zunftgeist 
waren,  der  fast  immer  unter  den  Sprachgelehrten 
herrschte,  bis  im  Jahre  1875  der  geistvolle  und 
gelehrt«  Oestreicher  A.  von  Kremer  hier  die 
richtigen  Bahnen  zeigte. 

Ebenso  fremd  wie  diese  Frage  blieb  bisher  für 
die  Anthropologie,  so  interessant  sie  sonst  für  die- 
selbe gewesen  wäre,  die  sog.  sumerische.  Die 
alten  Sumerier,  ein  neu  ftlr  uns  in  der  ältesten 
orientalischen  Geschichte  auftauchendes  Kultur- 
volk, sind  — soviel  steht  fest  - weder  semit- 
ischen noch  indogermanischen  Stammes , noch 
haben  sie  mit  der  sog.  hamitischen  (berberisch- 
ägyptischen)  Sprachfamilie  trotz  Nimrod  in  Gen.  10 


etwas  zu  thun ; einige  Berührungen  mit  dem 
Bau  der  ugro-finnischon  Sprachen  ausgenommen, 
steht  ihre  Sprache  ziemlich  eigenartig  da.  Sie 
sind  das  Volk,  welches  vor  den  Semiten  die  Nie- 
derungen Babyloniens  inne  hatte  und  dort  die 
erste  Civilisation  hintrug.  Schädelmessungen  kön- 
nen hier  keine  mehr  vorgenommen  werden  , wie 
etwa  im  alten  Aegypten  an  den  Mumien,  auch 
waren  die  Sumerier  schon  vor  Ende  des  2.  Jahr- 
tausends vor  Chr.  ganz  in  die  nachfolgende  se- 
mitische Bevölkerung  aufgegangen,  so  dass,  wenn 
man  in  den  Ruinen  der  altbaby Ionischen  Städte 
ja  noch  Schädel  finden  würde,  diese  für  die  Frage 
nach  der  Rasse  der  Sumerier  kein  bestimmtes 
Kriterium  mehr  abgeben  könnten ; nur  literarische 
Ueberreste  haben  wir  noch  von  ihnen,  und  hier 
wäre  für  die  anthropologische  Forschung  schon 
etwas  zu  machen  — ich  meine  die  Untersuchung 
der  Külturwörter  des  sumerischen  — , wenn  die 
Gelehrten,  die  dieses  Material  allein  heben  könn- 
ten, die  Assyriologen,  vorsichtiger  zu  Werk  gien- 
gen  und  vor  allein  mehr  Sinn  und  mehr  Blick 
für  solche  Untersuchungen  hätten,  als  es  leider 
der  Fall  ist. 

Ich  erwähnte  vorhin  das  Wort  Rasse  im 
Gegensatz  zu  Spr  ac  h familie,  und  damit  komme 
ich  zum  eigentlichen  Zweck  meiner  ganzen  Ein- 
j leitung , nemlich  zu  zeigen , dass  man  sich  wol 
verständigen  und  aufs  schönst«  in  die  Hände  ar- 
beiten könnte,  wenn  man  diese  zwei  Begriffe  be- 
sonders in  ihrer  historischen  Entwicklung  besser 
scheiden  würde.  Ursprünglich  fiel  ja  wohl  Rasse 
und  Sprachfamilie  zasammon,  so  dass  man  viel- 
leicht, wenn  von  dem  indogermanischen  Urvolk 
die  Rede  ist  (ganz  abgesehen  nun  von  seinen 
ursprünglichen  Wohnsitzen)  zugleich  von  einer 
damit  einst  existirt  habenden  indogermanischen 
oder  arischen  Rasse  (einer  Unterabth.  der  grossen 
mittelländischen  Rasse)  reden  dürfte.  Als  aber  solche 
Urvölker  zu  wandern  anfiengen,  da  wurde  die 
Sache  anders ; ein  Theil  wanderte  in  dieses  Land, 
ein  anderer  in  ein  anderes,  und  jeder  fand  in 
den  neuen  Wohnsitzen  andre  dort  vielleicht  schon 
seit  lange  ansässige  Urvölker  von  anderer  oder 
wenn  verwandter  Rosse , so  doch  einer  anderen  Ras- 
senunterabtheilung oder  Nüance,  mit  denen  er  sich 
dann  entweder  ganz  vermischte,  so  dass  eine  neue 
Mischrasse  entstand,  oder  die  er  ausrottete,  wobei 
es  aber  ohne  jede  Vermischung  in  der  Regel 
nicht  hergegangen  sein  mochte,  so  dass  in  jedem 
Fall  wenigstens  ein  Theil  des  Blutes  jener  früh- 
eren Urvölker  in  sein  Blut  überging. 

Gerade  so  haben  wir  es  uns  auch  bei  der 
Wanderung  der  Indogermanen  zu  denken ; das 
hindert  aber  nicht,  dass  die  verschiedenen  Ab- 


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theilungen  der  indogermanischen  Urrasse,  wenn 
sie  auch  so  allmählich,  je  mehr  und  je  weiter 
sie  wanderten , ihre  ursprüngliche  Rasseneigen - 
thümlichkeit  verloren , ja  zum  Theil  zu  neuen 
Rassen  wurden,  doch  in  Sprache  und  Kultur 
bei  ihren  Berührungen  mit  andern  Völkern  über- 
all als  die  überlegenen  hervorgiengen. 

Denn  wo  ein  schon  auf  gewisser  Kulturhöhe 
stehendes  Volk  sieh  mit  einem  unkultivirten  Volk 
fremden  Stammes  und  anderer  Sprache  vermischt, 
da  pflegt  gewöhnlich  dies  andre  Volk,  sogar  an- 
genommen, es  hätte  die  neuen  Eindringlinge  unter- 
worfen und  dienstbar  gemacht,  nicht  lange  diesem 
Kultureinfluss  widerstehen  zu  können,  und  dies 
äussert  sich  dann  auch  hauptsächlich  im  Anneh- 
raen  seiner  Sprache.  So  ist  also,  und  das  ist 
wohl  zu  beachten,  eine  Geschichte  der  indogerm. 
Rasse  nichts  weiter  als  die  Geschichte  der  Aus- 
breitung der  indogerm.  Sprachen  und  der  indog. 
Kulturentwicklung,  die  aber  wieder  durch  fremde 
Einflüsse  und  Berührungen  bedingt  ist,  und  zu- 
gleich eine  Geschichte  der  Modilication  der  ur- 
sprünglichen Eigenart  , welche  die  verschiedenen 
Zweige  des  indogerm.  Stammes  mit  auf  die  Wan- 
derung genommen  haben.  *) 

Um  gleich  ein  Resultat  der  folgenden  Unter- 
suchung vorauszunehmen,  so  mögen  z.  B.  die  Ur- 
semiten  und  Urindogermanen  zwei  grosse  Unter- 
abtheilungen ein  und  derselben  Rasse , die  etwa 
die  mittelländische  zu  nennen  wäre,  gewesen  sein ; 
dass  desshalb  ihre  Sprachen  verwandt  waren  und 
einst  aus  einer  einzigen  hervorgegangen . soll 
übrigens  damit  noch  nicht  behauptet  sein.  Eine 
andere  weit  ausgebreitete  Rasse  war  etwa  die 
sog.  turanisch-iuongolische , und  ein  uralter  Ab- 
leger der  semitischen  Abtheilung  jener  mittellän- 
dischen Rasse  vielleicht  die  Aegypter.  Für  die 
x Rassenbestimmung  der  Suinerier  haben  wir  bis 
jetzt  zu  wenig  Anhaltspuncte , denn  gegen  eine 
Zugehörigkeit  zu  der  sog.  turanischen  Rasse  im 
engern  Sinn  sprechen  vorderhand  zu  viele  Gründe. 
Vom  reinen  Standpuuct  des  Sprach-  und  Kultur- 
forschers aus  hätten  wir  nun  nach  Europa  gar 
nicht  mehr  nöthig,  unsere  Blicke  zu  wenden,  da 
ja  fast  alle  Völker  desselben  Ableger  der  ur- 
sprünglich aus  Asien  kommenden  arischen  Rasse 
sind.  Jedoch  die  verschiedenen  Typen  von  Rassen- 
gruppen, die  daselbst  von  den  bedeutendsten  Anthro- 
pologen nach  mühsamen  Untersuchungen  gefun- 
den und  festgestellt  wurden,  gestalten  die  Sache 
doch  anders. 

1)  VgL  Chr.  M [e  hlis]  „Zur  (Jescb.  der  Arier*4  (Rec. 
toq  Poeache's  ArierJ  Ausl.  Iö78  Nr.  47  (p.  924 — 92S), 
S.  927,  col.  a. 


Es  sind  dies  die  Produkte  von  Verbindungen, 
welche  die  verschiedenen  Zweige  des  einen  Indo- 
germanenvolkes mit  früher  vor  ihnen  in  Europa 
herrschend  gewesenen  Rassen  oder  Rassennnter- 
abtheilungen  eingegangen  hatten , und  nur  auf 
diesem  Wege,  dem  der  anthropologischen  Forsch- 
ung nerolich,  lässt  sich  noch  die  wichtige  Frage 
beantworten,  was  für  Leute  denn  die  sicher  vor 
den  Indogermanen  in  Europa  ansässige  Urbevöl- 
kerung (oder  auch  Urbevölkerungen)  waren;  denn 
dass  solche,  und  zwar  in  ziemlicher  Ausdehnung, 
vorher  dagewesen  sein  müssen,  lehrte  doch  schon, 
ganz  abgesehen  von  den  Forschungen  der  Anthro- 
pologen, das  Vorhandensein  der  so  fremdsprachigen 
Etrurier  und  Basken. 

Nicht  hieher  gehören  die  verschiedenen  tu- 
ranischen Eindringlinge  im  Osten  Europa’» , bei 
denen  der  Connex  mit  ihrer  früheren  Heimat 
leicht  aufzufinden  war,  wie  denn  auch  die  Finnen, 
Esthen,  Liven,  JUngarn  und  vollends  die  Türken 
nachweislich  einen  viel  späteren  erst  in  historische 
Zeiten  fallenden  Nachschub  reprttsentiren. 

Ist  denn  hier  nun  nicht  das  schönste  Zu- 
sammenwirken wie  ganz  von  selber  gegeben?  — 
Oder  lassen  Sie  mich , nm  auf  mir  vertrauteren 
Gebieten  die  Sache  zu  illustriren  und  als  weiteren 
Beleg  die  «og.  ägyptische  Frage  in  der  Anthro- 
pologie an  führen. 

Auf  der  einen  Seite  das  von  den  Anthropo- 
logen angezweifelte  Resultat,  der  Sprachforschung, 
dass  die  ägyptische  Sprache  und  (zum  grössten 
Theil  dann  wohl  auch)  Kultur  von  Asien  komme, 
auf  der  andern  das  Resultat  der  Anthropologen 
von  dem  innigen  Zusammenhang  des  Rassencha- 
rakters der  alten  Aegypter  mit  vielen  anderen 
weiter  ins  Innere  Afrika’«  hinein  wohnenden  Völ- 
kern , woraus  natürlich  sofort  schon  von  vorn- 
herein das  erste  Resultat  als  hinfällig  verdammt 
wurde.  Lässt  sich  denn  aber  beides  nicht  ganz 
gut  vereinigen  ? Kann  nicht  ein  mit  andern  Völ- 
kern Afrika’»  verwandtes  Volk  vor  den  asiati- 
schen Aegyptern  das  Nilland  bewohnt  haben, 
dort  den  Boden  zu  einer  höheren  Kultur  einst- 
weilen vorbereitend,  bis  jene  Asiaten  kamen,  sich 
mit  ihrem  Blut  und  ihrer  Rasse  vermischten,  in 
Sprache  und  Kultur  sie  aber  ganzy  zu  ihren  ei- 
genen machten  ? 

In  diesem  Licht  betrachtet  dürfte  denn  auch 
der  Satz , dass  Rasse  (oder  wenigstens  Rassen- 
unterubtheilung)  und  Sprachfamilie  ursprünglich 
identisch  seien,  nicht  mehr  so  ganz  unbegründet 
klingen  (vgl.  Ausl.  1370.  S.  350,  Anm.  2). 

Wenn  ich  annehmen  darf,  durch  diese  allge- 
meinen Bemerkungen  über  die  richtige  Stellung, 
welche  beide  Wissenschaften  zu  einander  einneh- 


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men  müssen , und  über  die  richtige  Abgrenzung 
der  jederseitigen  Gebiete  in  etwas  das  Vorurtheil 
zerstreut  zu  haben  t das , sowie  die  Dinge  bisher 
lagen,  jeder  Anthropologe  von  seinem  Standpunct 
aus  gegen  die  gegenwärtige  meist  streng  gegen 
alle  anthropologischen,  leider  auch  allzuoft  gegen 
alle  culturgeschiehtlichen  Forschungen  abgeschlos- 
sene Zunft  der  orientalischen  Philologen  haben 
musste , dann  kann  ich  nun  meinem  eigentlichen 
Thema  näher  kommen , nemlich  der  Frage  nach 
dem  ethnologischen  Verhältnis«  zweier  der  geistig 
bedeutendsten  Völkerstämme  der  alten  Welt,  ja 
der  ältesten  Geschichte  der  Menschheit,  nemlich 
der  Indogerrnanen  oder  Arier  und  der  S e- 
miten,  wie  der  Frage  nach  dem  ürsitz  der  er- 
steren,  welch  zweite  Frage  das  Hauptziel  meiner 
heutigen  Untersuchung  bilden  soll. 

Da  die  Ursitze  der  Semiten  sich  aus  den 
Kulturwörtern  (hauptsächlich  Thieraainen)  der 
semitischen  Sprachen  allein  ganz  gut  bestimmen 
lassen  (siehe  unten)  und  von  der  sprachlichen 
Verwandtschaft  der  Indogermanen  und  Semiten 
schon  so  viel  gehandelt  wurde,  ja  eine  ganze  Lite- 
ratur darüber  existirt,  so  ist  für  uns  natürlich 
die  wichtigste  Vorfrage  die : Sind  Arier  und 
Semiten  wirklich  sprachlich  verwandt? 
Denn  wenn  diese  Frage  bejaht  werden  kann,  so 
wäre  die  Frage  nach  den  Ursitzen  der  Indoger-  j 
manen  schon  halbgelöst.  Denn  die  Ursitze  der  ( 
Indogermanen  könnten  dann  doch  auf  keinen  Fall 
in  einem  ganz  anderen  Theil  der  Erde  gelegen 
haben  als  die  der  ihnen  nach  dieser  Annahme  | 
sprach-  und  stammverwandten  Semiten,  für  deren 
Ursitze  wir  einen  bestimmten  Theil  Asiens  ganz 
sicher  feststellen  können. 

Bis  zum  Jahr  1873  war  Rudolf  von 
Raumer  der  begeistertste  Verfechter  der  Ver- 
wandtschaft beider  Völkerstämme  *),  dass  aber 
der  von  ihm  hiebei  eingeschlagene  Weg  nicht  j 
der  richtige  sei,  hat  im  Jahre  1873  Friedrich  I 
Delitzsch  in  der  eben  in  der  Anm.  angeführten 
damals  geradezu  epochemachenden  Schrift  darge-  ! 
than;  der  grosse  Fortschritt,  der  in  dem  posi-  j 
tiven  Theil  seiner  Aufstellungen  zu  verzeichnen 
ist , war  die  von  ihm  darin  zum  erstenmal  me- 
thodisch durchgeführte  Forderung , auf  die  zu 
restituirende  Ursprache  beider  Stämme  zurückzu- 
gehen , und  zwar  in  diejenige  ältere  Periode  der 
beiderseitigen  Ursprache,  in  der  noch  die  nackten 


2)  Was  vor  and  neben  ihm  zur  Vertretung  dieser 

Ansicht  geschrieben  wurde,  findet  sich  am  besten  und 
ausführlichsten  zusammengestellt  inFrdr.  Delitzsch's 
Studien  über  indog.-semit.  Wurzelverwandtacbaft  (Lpz. 

1873j  I.  Geschieht!-  Rückblick  (S.  3—21);  die  eingehende 
Kritik  gegen  R.  t.  Raumer  daselbst  8.  14  ff. 


Wurzeln,  noch  nicht  zu  eigentlichen  Wortstämmen, 
wie  sie  später  erscheinen  (so  im  semitischen  in 
den  sogenannten  triliteralen  Stämmen  *) , weiter- 
gebildet, zu  Tage  treten.  Auf  diese  Weise  ge- 
langte Delitzsch  zu  etwa  100  im  ursemitischen 
wie  urindogerm.  gleichen  Wurzeln  mit  gleicher 
oder  ähnlicher  Bedeutung.  Das  seither  (1876) 
erschienene  Sendschreiben  R.  v.  Räumers  an 
Whitney  leidet  an  dem  gleichen  schon  von  De- 
litzsch getadelten  Fehler  der  Methode , und  so 
stünden  wir  immer  noch  bei  Delitzsch's  Resul- 
taten. Aber  auch  dessen  Methode  führt  nicht 
zu  sicheren  Zielen,  sondern  hat  nur  den  richtigen 
Weg  angebahnt;  denn  solche  Wurzeln,  wie  er 
sie  aufstellte,  mit  ziemlich  vagen  Bedeutungen, 
wie  .»leuchten“,  „streichen“,  „rund  sein“,  „rol- 
len“, „tönen“  etc.,  können  für  sich  allein  immer 
noch  zufällig  in  beiden  Sprachstämmen  zusammen- 
klingen  und  nur  dann  etwas  beweisen,  wenn  die 
Uebereinstimmung  einer  grösseren  Zahl  von  Kul- 
turwörtern (Thier-,  Pflanzen-,  Geräthnamen  und 
Aehnliches)  oder  Worten  mit  concreter  Bedeutung 
(wie  Blut,  Kopf,  trinken , schlafen  u.  s.  w.)  wie 
der  Haupterscheinungen  des  grammatischen 
Aufbaus  der  Sprache  erwiesen  wäre.  Für  eine 
solche  Uebereinstimmung  oder  auch  nur  Aehnlich- 
keit  hat  aber  noch  niemand  auch  nur  den  kleinsten 
Beweis  erbringen  können;  im  Gegentheil,  hier 
zeigen  beide  Sprachstämme  eine  Kluft,  die  grösser 
kaum  sich  denken  lässt.  Dies  hat  Delitzsch 
später  auch  eingesehen  und  seine  frühere  An- 
sicht in  einem  Vortrag  im  sprach wissensch.  Ver- 
ein in  Leipzig  im  Jahre  1877  sogar  öffentlich 
als  hinfällig  bezeichnet. 

Da  wir  also  sahen , dass  wir  mit  Hilfe  der 
Semiten,  wenigstens  auf  dem  Weg  sprachl.  Ver- 
wandtschaft, nicht  zum  Ziele  kommen,  so  müssen 
wir  für  die  Bestimmung  der  Ursitze  der  Indo- 
germanen nach  andern  Beweisen  uns  umsehen. 
Eine  ähnliche  Methode,  wie  ich  sie  in  meinem 
Vortrag  auf  dem  Florenzer  Orientalistenkongress 
für  die  Bestimmung  der  Ursitze  der  Semiten  ein- 
geschlagen 2 * 4),  wurde  schon  von  den  verschiedenen 
Indogermanisten,  die  sich  mit  der  Lösung  dieser 
Frage  befassten,  befolgt.  Die  meisten , so  auch 
1875  Benfey*),  der  1868  noch  (in  der  Vor- 
rede zur  1.  Aufl.  von  Fick’s  iudog.  Wörterb.) 
auf  demselben  Weg  Europa  als  Ursitz  annehmen 


3)  Hier  ist  za  bemerken,  dass  Delitzsch  auch 
für  diese  ältere  Periode  des  ursemitischen  schon  neben 
billteralen  einige  triliterale  Wurzeln  annahm,  über  welche 
Annahme  sich  streiten  lässt. 

4)  Siehe  ausführlich  in  der  Beil,  der  Allg.  Zeit  1878, 
Nr.  263  und  264  (20.  und  21.  SepU 

5)  Beil,  zur  Allg.  Zeit.  1875,  Nr.  208  (Juli). 


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za  müssen  glaubte,  kamen  hiebei  auf  Asien,  an- 
dere auf  anderem  mehr  oder  minder  verfehltem 
Weg,  so  in  der  jüngsten  Zeit  Poe  sc  he,  auf 
Europa.  Man  sieht,  diese  Methode  (vom  gemein- 
samen Besitz  oder  gemeinsamen  Mangel  von  Pflan- 
zen- und  Thiernamen  auszugehen),  so  gut  sie  bei 
der  Frage  nach  dem  Ursitz  der  Semiten  sich  an- 
wenden lässt,  wie  ich  in  jenem  Aufsatz  gezeigt, 
führt  hier  schon  deswegen  nicht  zum  Ziel,  da  ja, 
wenn  die  Arier  aus  Asien  nach  Europa  kamen, 
die  Namen  von  Thieren  oder  Pflanzen,  die  in  der 
wärmeren  Zone  ihrer  asiat.  Heimat  vorkamen, 
bei  so  weiten  Wanderungen,  wio  sie  die  Indo- 
germanen machten,  und  in  so  viel  kältere  Striche 
noth wendig  sich  verlieren  mussten  oder  auf  andere 
Thiere  übertragen  wurden  - und,  wenn  die  Arier 
in  Europa  urspr.  ihre  Heimat  hatten,  dann  um- 
gekehrt. Es  ist  zwar  zu  beachten,  dass  mit  den  bis- 
herigen Beweisen  die  meisten  Indogermanisten 
und  die  bedeutendsten  — so  vor  allem  Benfey 
— zur  Annahme  von  Asien  und  nicht  Europa 
gelangt  sind ; zwingende  Kraft  aber  können,  wie 
ungegeben , diesen  Beweisen  nicht  zuerkannt 
werden. 

(Schluss  folgt-) 


l 

I 


I 


Kleine  Mittheilungen. 


Hochicker  in  Norddeuttchland.  — In  der  Ueber- 
Setzung  des  Tacitu«  durch  Friedrich  Karl  von  Strombeck, 
Bmunscliweig  1*416,  findet  «ich  zu  Cap.  26  der  Germania 
folgende  Anmerkung,  in  Beziehung  auf  Spuren  uralten 
Ackerbaues : .Ich  glaube  hiervon  noch  hin  und  wieder 
die  Spuren  in  Deutschland  zu  erblicken.  So  sieht  man 
zwischen  den  Braunschweigischen  Dörfern  Gross-  und 
Klein-Sisbeck  und  dem  Hannoverischen  Rode  (in  der 
Nähe  von  Königslutter!  grosse  Strecken  ehemaliger 
Saatfelder,  an  den  Erhöhungen  und  Furchen  sehr 
kenntlich;  und  mitten  auf  den  Feldemicken  tausend-  ' 
jährige  Eichen.  In  der  Nähe  von  Klein-Sisbeck  steht  : 
noch  jetzt  eine  solche  Eiche,  in  deren  Höhle  zwölf 
Menschen  Platz  haben,  die  ich  auf  zweitausend  Jahre 
schätze;  und  dieser  Baum  steht  mitten  auf  der  Er- 
höhung eines  ehemaligen  Ackerfeldes.  Wer  diese 
merkwürdige  Gegend  Hohen  will,  reise  von  Rode  über 
Bischof  nach  meinem  Fainiliengnte  Grow-Sisbeck, 
einem  ehemaligen  Kigenthume  Hermann  Conring*.  Da  1 
dieser  so  oft  jene  Gegend,  wenn  er  von  Helmstadt  j 
aus  nein  Gut  besuchte,  durchreisete  (denn  sie  erstreckt  1 
sich  auch  Marienthal  zu,  worüber  er  alsdann  kommen 
musste),  s°  bewundereich,  dass  er  in  seinem  Commentar 
über  die  Germania  des  Tacitu«  nichts  bei  gegenwärtiger 
Stelle  bemerkte.* 

Neustrelitz.  G.  Götz. 


Ethnographisches  Universitäts-Museum  in  Freiburg  i/B.  — 

Die  Sammlung  ethnographischer  Gegenstände  aus  den 
Aequatorialgegenden  Afrika 's,  welche  von  dem  unter- 
dessen leider  verstorbenen  Civilgeneralgouvemeur  von 


Darfur,  Friedrich  Rosset  herstammt,  ist  endlich 
hier  eingetroffen  und  zwar  mit  Ausnahme  einiger 
Thierfelle  in  ziemlich  wohl  erhaltenem  Zustande.  Da 
zufolge  Bestimmung  de*  Geschenkgebers  der  Univer- 
sität die  erste  Auswahl  aus  dem  Ganzen  gestattet  ist. 
so  wird  durch  diese  Liberalität  eines  jungen  Freiburger 
Bürgers  das  schon  ziemlich  reichhaltige  ethnographi- 
sche academische  Museum  einen  sehr  anschlichen 
Zuwachs  erhalten. 

Die  durch  diese  Sendung  vertretenen  Negerstämme 
wohnen  von  Chartum  (etwa  15°  nördl.  Br.)  im  Süden 
Nubiens  bis  an  den  Aequator  und  es  sind  in  derselben 
vertreten : 

K riegsgeräthschaften,  als  Lanzen  aller  Art, 
zum  Theil  von  enormer  Länge,  viele  Köcher  mit  ver- 
gifteten Pfeilen,  Streitschiluer  aus  Holz,  Geflechten, 
Nilpferdhaut.  Keulen  verschiedenster  Form,  darunter 
etliche  aus  Ebenholz,  Schwerter,  Dolche,  ganz  phan- 
tastisch gestaltete  Messer,  originelle  Combinationen 
von  Dolch  und  Signalhorn,  Signalhörner  au«  Elfenbein 
und  Leder. 

Hausgeräthe:  Bettstellen laog.  Angarvp),  Stühle, 
Konfnchemrael,  Ets-  und  Trinkgeschirre  aus  Phon  und 
Holz,  Trinkgefässe  au«  Früchten,  welche  zum  Theil 
in  überraschend  hübscher  Weise  durch  eingeschnittene 
Zieraten,  ja  sogar  durch  Thier-  und  Menschengestalten, 
wennanch  in  höchst  primitiver  Darstellung  geschmückt 
erscheinen;  schön  geflochtene,  buntfarbige,  breitconische 
SpeiieschÜssel-Decken,  Schaufeln,  die  als  Münze  dienen, 
Phantasiestöcke,  Kuchen  aus  Frucht,  Honig,  Tabak, 
gesottene  Kaffel>ohnen,  Decken  aus  Geflechten.  Ge- 
weben, Baumrinden;  ein  Steinbeil. 

Kleidungsstücke  und  Sch  muckgegen- 
stände,  als  Leibgürtel  aus  Geflecht,  zum  Theil 
mit  Schellen  behängt,  eiserne  Stirnbänder,  Kopfbe- 
deckungen aus  Geflecht,  zierlich  mit  Caurisschnecken 
und  Glasperlen  geschmückt,  Colliers  aus  solchen  Cauris, 
die  zugleich  als  Münze  (Cjrpraea  moneta)  grosse  Ver- 
breitung haben,  Colliers  aus  ttaehgeschnittenen  Mu- 
«chelschälchen,  Hundszähnen,  Antilopen!) örchen,  ferner 
aus  Früchten , zum  Theil  zugleich  mit  kleinen  Metall- 
schellen besetzt;  Pfeifenköpfe,  theil«  gewöhnlicher  Art. 
theil*  mit  eigentümlich  gestalteten  Röhrenmnnd- 
«tücken. 

Musikinstrumente,  zum  Theil  höchst  merk- 
würdige Formen,  z.  B.  Harfen  aus  Leder  mit  Schnüren 
statt  Saiten.  Guitarren  au»  Leder  mit  langem  Hals 
als  Holz,  an  dauern  oberem  Ende  ein  Kopf  ausge- 
schnitzt  ist,  ganz  eigentümliche  Paucken  an«  ausg'e- 
höhltem  Holz,  eine  Trommel  — einigennas«en  ähnlich 
der  früher  l*et  unserer  Militänuusik  in  Gebrauch  ge- 
standenen langen  spanischen  Trommel. 

Von  Mense  hen  resten  lag  eine  Anzahl  Schädel 
verschiedener  Negerstämme  bei. 

Au«  diesem  Ueberblick  ist  wohl  ersichtlich,  dass 
e«  durch  die  von  der  Universität  zu  treffende  Auswahl 
möglich  sein  wird,  die  Lebensverhältnisse  der  be- 
treffenden Neger* tarn mc  nach  den  verschiedensten 
Richtungen  vertreten  zu  sehen , nachdem  au«  eben- 
denselben Gegenden  schon  früher  auch  durch  Herrn 
Carl  W.  Rosset  hier  eine  Anzahl  ähnlicher  schöner 
Gegenstände  dahin  geschenkt  wurde,  während  die 
ultegyptisehc  Zeit  durch  die  grossen  Ankäufe  au*  den 
Vorrüthen  de«  Herrn  Dr.  Mook  u.  ».  w.  vielseitig  re- 
präsentirt  erscheint.  (Freiburger  Zeitung  5.  Juni  1*479.) 

Prof.  Dr.  Fischer. 


Druck  der  Akademischen  Bmhdruckrrei  ¥.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Redaktion  am  20.  Juni  1879 . 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  von  Professor  Dr.  Johanne»  Ranke  in  München, 

OtneraUeerriär  der  (1  tt*ü*ckaft. 


Nr.  8. 


Erscheint  jeden  Monat. 


August  1879. 


Die  Raubvögel  und  die  prähistori- 
schen Knochenlager. 

Von  Dr.  A.  Nehring,  Wolfenbüttel. 

Eine  Sendung  recenter  Uhugowölle,  welche 
ich  vor  Kurzem  von  meinem  Bruder,  einem  jungen 
Forstmanne , aus  Blankenburg  am  Harz  erhielt, 
hat  mich  von  Neuem  veranlasst , die  Frage  zu 
erwägen , wie  weit  die  Raubvögel , und  speciell 
der  Uhu  f bei  der  Bildung  von  prähistorischen 
Knochenlagern  in  Felsen-Höhlen  und  -Spalten 
mitgewirkt  haben.  Nachdem  schon  früher  bie 
und  da  von  Geologen  und  Anthropologen  auf 
diesen  Punkt  hingewiesen  ist,  habo  ich  in  meiner 
Arbeit  übor  die  quaternären  Faunen  von 
Thiede  und  Westeregeln1)  die  reichlichen 
Ansammlungen  kleinerer  Wirbelthierreste,  welche 
sich  nesterweise  in  den  quaternären  SpaltausfUll- 
ungen  der  Gypsbrüche  von  Westeregeln  finden, 
wesentlich  auf  die  Tbätigkeit  der  Raubvögel 
zurück  geführt. 

Diese  ErklUrungsart,  wolche  für  viele  ähnliche 
Ansammlungen  von  Resten  kleinerer  Wirbeltbiero 
die  einzig  naturgemässe  mir  zu  sein  scheint  , ist 
noch  nicht  genügend  beachtet;  sie  hilft  uns  in 
vielen  Fällen  Uber  Räthsel  hinweg , welche  ohne 
sie  kaum  zu  lösen  sind , sie  macht  in  anderen 
Fällen  die  aufgestellten  Hypothesen  über  bedeu- 
tende Niveauveränderungen  von  Flüssen , Über 


1)  Archiv  f.  Anthrop.  XI,  8.  12  f.  Vergl.  auch 
Zeitschr.  f.  d.  «■.  Naturw.  1876,  Bd.  48,  S.  187.  — 
Die  Kowilroste  d.  Mikrofauna  aas  d.  oberfränk.  Höhlen, 
G.  A.  p.  9 io  Beitr.  t.  Anthrop.  n.  Urgesch.  Bayerns, 
II.  Bd.  Vergl.  femeT  K.  Th.  Liebe,  D.  Lindenthaler 
Hyänenhöhle,  2.  Stück.  S.  A.  p.  13. 


! colossale  Ueberschwommungen , über  Einschlepp- 
| ungen  durch  den  Menschon  u.  dergl.  überflüssig. 

1 Wenn  Dupont  bei  Untersuchung  der  Sch  ne  e- 
I huhn-Reste  aus  dem  Trou  duSureau*) 
die  mir  vorliegenden  Rebhuhn-Reste  aus  Uhuge- 
wöllen zum  Vergleich  gehabt  hätte,  so  würde  er 
schwerlich  sich  für  die  Meinung  entschieden 
haben , dass  der  M o n s c h sie  an  den  Fundort 
gebracht  hätte,  zumal  da,  wie  Dupont  selbst 
hervorhebt , sonst  keine  Spur  auf  den  Menschen 
hindeutet.  Man  hat,  wie  es  mir  scheint,  die 
Rolle,  welche  die  Raubvögel  bei  Bildung  fossiler 
Knochenansaminlungen  gespielt  haben,  bisher  von 
Seiten  der  Anthropologen  nicht  genügend  gewür- 
digt, und  es  mag  mir  daher  erlaubt  sein,  an 
dieser  Stelle  noch  einige  Beobachtungen  darüber 
mitzutheilen  und  dadurch  zu  weiteren  Beobacht- 
ungen in  dieser  Hinsicht  anzuregen. 

Die  mir  vorliegenden  Uhugewölle  sind 
von  meinem  Bruder  in  den  Spalten  und  grotten- 
artigen Hoblräumen  des  Regensteins  bei 
Blankenburg  gesammelt  worden.  Die  wild 
zerklüfteten  Felsen  dieses  romantischen , durch 
seine  Burgruine  weithin  bekannten  Sandsteinge- 
birges bieten  in  ihren  unzugänglicheren , wenig 
betretenen  Partion  (z.  B.  an  der  sog.  kleinen 
Rosstrappe)  zahlreichen  Raubvögeln , darunter 
auch  einem  Uhupaare,  einen  verhältnissmässig 
ruhigen  und  sichern  Aufenthalt.  Es  ist  natürlich, 
dass  es  hier  nicht  an  Gewöllen  fehlt,  wie  sie  die 
Raubvögel  nach  stattgehabter  Verdauung  in  Form 
von  länglichrunden  Ballen  ausspeien.  Die  vor- 


2)  Dapont,  L'homme  pendant  les  ages  de  1ä  pierre, 
2.  edit.  p.  190  ff. 


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züglichsten  Fundstellen  derselben  sind  am  Regen- 
stein  die  Sockel  der  hohen  steilen  Wände,  die  Gassen 
und  Nischen  zwischen  den  hervorragendsten  Felsen, 
und  ähnliche  Punkte.  Hier  fanden  sich  die  Ge- 
wölle nesterweise  zusammen , theils  noch  ganz 
frisch , theils  schon  mehr  oder  weniger  durch 
Regen  zerwaschen  und  verwittert , oft  mit  einer 
Lage  von  Staub  und  Sand  bedeckt. 

Mein  Bruder , welcher  die  fossilen  Knochen- 
lager von  Thiede  und  von  West  «'regeln 
aus  eigner  Anschauung  kennt , schreibt  mir , die 
Aebnlichkeit  zwischen  den  quaternären  Ablager- 
ungen kleinerer  Thierknochen  an  gewissen  Punkten 
jener  Fundstätten  und  denjenigen  Knoehenan- 
sammlungen,  welche  noch  heutzutage  in  den 
Klüften  des  Regensteins  vom  Uhu  und  anderen 
Raubvögeln  erzeugt  würden , sei  geradezu  über- 
raschend , und  es  würden  aus  den  Gewöllhaufen 
des  Kegenstcins  dereinst  fossile  Knochenlagor  her- 
vorgehen, wenn  die  Decke  von  Staub  und  Sand, 
welche  sich  an  geschützten  Stellen  über  ihnen 
ablagern,  hinreichend  angewachsen  sei,  um  die 
ein  geschlossenen  Knochen  vor  Verwitterung  zu  , 
schützen. 

Die  Thierarten,  welche  in  den  vorliegen- 
den Gewöllen  durch  Knochenreste  repräsentirt 
werden,  sind  denjenigen  Arten  analog,  welche  man 
in  den  oben  bezeichneten  quaternären  Knochen- 
ansammlungen gewisser  Hohlen  und  Spalten  vor- 
zufinden pflegt.  Die  herrschende  Art  ist  das 
Rebhuhn,  von  welchem  Hunderte  von  Knochen 
in  den  Gewöllen  erhalten  sind ; sehr  zahlreich 
finden  sich  auch  Reste  vom  Hamster  und  vom 
wilden  Kaninchen,  seltener  die  vom  Hasen, 
von  der  Wanderratte,  der  Schermaus,  von  Feld- 
mäusen , von  Drosseln  und  ähnlichen  kleinen 
Vögeln.  Durch  einige  wenige  Skeletttheile  reprä- 
sentirt ist  eine  grosse  Fledennausart,  ein  grösserer 
Tagraubvogel,  eine  mittelgrosse  Eule,  eine  Krähe 
und  eine  Taube.  Ich  bemerke  jedoch , dass  ich 
einen  grossen  Theil  der  Gewölle  noch  nicht  zer- 
legt habe,  dass  also  noch  einige  andere  Thierarten 
darin  vertreten  sein  mögen ; doch  kann  ich  schon 
von  Aussen  erkennen , dass  auch  in  ihnen  die 
Rebhuhn-,  Hamster-  und  Kaninchen-Resto  vor- 
herrschen. 

Vergleicht  inan  obige  Thierarten  mit  den- 
jenigen, welche  gewisse  Knochenansamm- 
lungen  in  den  belgischen  und  ober- 
fränkischen Höhlen  oder  in  den  Kluftaus- 
füllungen der  Gypsbrücho  von  Thiede  und 
von  Westeregeln  und  ähnliche  geliefert  haben, 
so  wird  man  leicht  erkennen,  dass  theils  dieselben, 
theils  analoge  Arten  dabei  sind.  Das  Rebhuhn 
entspricht  den  quaternären  Schnee-  und  Birk-  j 


j hühnern,  der  Hamster  und  das  Kaninchen  den 
quaternären  Hamstern,  Zieseln,  Pfeifhasen,  etc. 
etc.  Es  sind  durchweg  solche  Arten,  Welche  den 
grösseren  und  kleineren  Raubvögeln  zur  Beute 
zu  dienen  pflegen. 

Knocbenreste  der  Raubvögel  selbst 
sind  selten  oder  fehlen  gänzlich.  Ebensowenig 
wie  man  heutzutage  erwarten  darf,  auf  den 
ausgespieenen  Gewöllen  eines  Uhu  das  Skelet  des 
| letzteren  zu  finden,  ebensowenig  darf  man  darauf 
rechnen,  in  quaternären  Gewöll- Ansammlungen  die 
Knochen  der  betreffenden  Raubvögel  regelmässig 
j vorzufinden.  Nach  der  Beobachtung  meine« 
j Bruders  finden  sich  die  Gewölle  regelmässig  etwas 
entfernt  von  dem  eigentlichen  Wohnsitze  des  Uhu. 
Man  darf  deshalb  aus  dem  Fehlen  von  Ruubvogel- 
Knochen  in  einer  quaternären  Knochenansammlung 
! keineswegs  schliessen , dass  dieselbe  nicht  von 
Raubvögeln  herrühren  könne,  wie  dios  D u p o n t 
hinsichtlich  der  schon  oben  erwähnten  Schneehuhn- 
Knochen  des  Trou  du  Sureau  geschlossen  bat.5) 

Besonders  interessant  ist  es  aber  zu  beobachten, 
wie  gleichartig  der  Erhaltungszustand  der 
fossilen  und  der  recenten  Gewöllknoehen  ist. 
Dupont  hat  a.  a.  0.  Seite  1UU  f.  mit  grosser 
Gründlichkeit  die  Skelettbeile  der  im  Trou  du 
Sureau  gefundenen  Schneehühner  aufgczäblt,  und 
genau  angegeben , welche  von  ihnen  zerbrochen 
sind,  welche  nicht.  Die  Ilebhuhn-Reste  meiner 
recenten  Uhugewülle  zeigen  fast  genau  dasselbe 
Verhältniss,  nur  die  Zahl  der  vollständigen  Ulnae 
I und  Radii  ist  verhältnissmässig  grösser.  Dies 
erklärt,  sich  aber  wohl  zur  Genüge  daraus,  dass 
dieselben  beim  Rebhuhn  kürzer  und  etwas  ge- 
drungener gebaut  sind , als  beim  Schneehuhn. 
Im  Uebrigen  zeigt  sich  genau  dasselbe  Verhält- 
niss in  den  Zahlen  der  Skelettheile  und  in 
ihrem  Erhaltungszustände.  Ich  werde  dieses  an 
einem  andern  Orte  genauer  besprechen. 

Sehr  bemerkenswerth  sind  auch  gewisse 
Corrosionserscheinungen,  welche  nicht 
selten  durch  die  Schärfe  des  Magensaftes  der 
Raubvögel  an  den  Knochen  erzeugt  werden. 
Jap.  Steens trup  hat  bekanntlich  auf  diesen 
Punkt  nachdrücklich  hingewiesen  4)  und  die  An- 
sicht aufgestellt,  dass  man  fossile  Knochenlager 
nur  dann  mit  Sicherheit  auf  Raubvogel-Gewölle 
zurückführen  dürfe , wenn  ein  grosser  Theil  der 

3)  Vergl.  Dapont,  a a.  0.  S.  193.  Dnpont  selbst 
führt  aus  anderen  Höhlen  neben  zahlreichen  Nagern, 
neben  Schneehühnern,  Reh*  and  Birkhühnern  auch  den 
Chn,  sowie  andere  Raubvögel  an.  Vergl.  S.  169.  170. 
‘200.  Die  zahlreichen  Lemmingsreste  lassen  auch  auf 
die  Schneeeule  schliessen. 

4)  Vergl.  Videnskabelige  Meddelelaer  fra  den  natur- 
hist.  Forening  i Kjöbenb&vn,  Nr.  13—14.  1872. 


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betreffenden  Fossilreste  die  von  ihm  bezeichnoten 
Corrosionen  an  sich  trügen.  Mach  meinen  Beob- 
achtungen , welche  ich  an  Hunderten  von  Ge- 
wöllen gemacht  habe,  sind  die  betreffenden  Cor- 
rosionserscheinungen  verhältnissmttssig  selten. 
Sobald  die  Knöchelchen  vollständig  von  Haaren 
oder  Federn  umhüllt  sind,  wie  dieses  in  sehr 
vielen  Gewöllen  der  Fall  ist , kann  man  nichts 
oder  so  gut  wie  nichts  von  Corrosionen  beob- 
achten 5).  Wenn  aber  gewisse  Skelettheile  aus 
dem  Filz  des  Gewölles  bervorrugen,  oder  dieser 
Filz  nur  schwach  ist  oder  ganz  fehlt,  dann  zeigen 
die  exponirten  Tbeile  der  Knochen  meistens  dio 
von  Steenstrup  beschriebenen  Corrosionser- 
scheinungen.  So  habe  ich  dieselben  ziemlich 
zahlreich  an  den  längeren  Rebhuhn -Knochen 
meiner  Uhugewölle  beobachtet,  und  nachdem  ich 
meine  Sammlung  fossiler  Knochen  nochmals  genau 
durchmustert  habe,  sind  mir  jene  Corrosionser- 
scheinungen  auch  an  diesen  nicht  verborgen  ge- 
blieben. Mit  voller  Sicherheit  habe  ich  sie  erkannt 
an  mehreren  Ulnae  vom  Moorschneehuhn®), 
welche  mir  Herr  Hoesch  aus  einer  oberfränk- 
ischen  Höhle  gütigst  hat  zukommen  lassen , an 
mehreren  Birkhuhn- Knochen  von  demselben  Fund- 
orte, ebenso  an  mehreren  Fossilresten  von  Thiede 
und  von  Westeregeln. 

Ich  betone  jedoch,  dass  diese  Corrosionser- 
scheinungen  an  den  recenten  Gewöllknochen  ver- 
hältnissmässig  selten  sind,  und  man  darf  sich 
deshalb  nicht  wundern,  wenn  sie  auch  an  den 
fossilen  Gewöllknochen  nicht  häufig  Vorkommen. 
Man  braucht  daher  kein  Bedenken  zu  tragen, 
fossile  Knochenansammlungen,  welche  aus  sonstigen 
Gründen  auf  Raubvögel  zurückgeführt  werden 
dütfen,  diesen  zuzuschreiben,  auch  wenn  man  jene 
Corrosionserscheinungen  nur  an  wenigen  Stücken 
oder  gar  nicht  beobachten  kann. 

Schliesslich  bemerke  ich  noch , dass  mein 
Bruder  in  den  Klüften  des  Regensteins  mitten 
zwischen  den  Gewölihaufan  die  Spuren  vierfüssiger 
Raubthiere  beobachtet  hat.  Besonders  scheinen 
Füchse  die  Uhugewölle  zu  revidiren, 


5}  Nach  meinem  Urtheil  kann  deshalb  die  Ansicht 
Lund’s  Über  die  Bildung  der  Knoehenlagor  in 
br aailianischen  Höhlen  durch  Knien,  sowie 
die  darauf  begründete  Altcrsberccbnong  sehr  wohl  richtig 
sein,  da  nach  Steenstrup  a a.  0.  einzelne  Knöchelchen 
aus  den  brasilianischen  Höhlen  dio  oben  genannten  Cor- 
rosionserscheinungen aufweisen. 

6)  Dass  das  Moorschneehuhn,  dessen  fossiles 
Vorkommen  in  oberfrinkischen  Höhlen  ich  in  dem  oben 
citirten  Aufsatz  (Fossilreste  der  Mikrofauna  etc.)  noch 
mit  einiger  Reserve  constatirt  habe,  in  der  Tbat  durch 
zahlreiche  Reste  in  Oberfranken  vertreten  ist,  kann  ich 
jetzt  mit  Sicherheit  behaupten. 


manche  der  grösseren  Knochen  heruuszukratzen 
und  zu  zerkauen.  Die  Rebhuhnreste  der  Uhuge- 
wölle hangen  zum  Theil  noch  durch  Sehnen  zu- 
sammen , die  Zehen  sind  regelmässig  noch  mit 
Haut  bedeckt,  ja,  ich  habe  sogar  beim  Aufwei- 
chen eines  Gewölles  noch  die  zähe  Magen  haut 
eines  Vogels  unverdaut  zwischen  den  Knöchelchen 
gefunden.  Man  kann  sich  also  denken,  dass  jene 
Uhugewölle  für  einen  hungrigen  Fuchs  immerhin 
noch  einige  Anziehungskraft  besitzen.  Ein  zer- 
brochener Metatarsus  vom  Reh,  welchen  mein 
Bruder  zwischen  den  Gewöllen  fand,  scheint  direct 
auf  Einschleppung  durch  Füchse  hinzu  weisen. 

Denken  wir  uns  neben  den  Füchsen  noch 
grössere  Raubthiere,  wie  Löwen.  Hyänen  und 
Baren , denken  wir  uns  das  Leben  und  Treiben 
einer  menschlichen  Troglod yten-Bevölkerung  hinzu, 
und  vergegenwärtigen  wir  uns  die  Wirkung  von 
Wolkenbrüchon  nebst  U Überschwemmungen  , so 
können  wir  uns  eine  lebendige  Vorstellung  davon 
machen,  in  welcher  Weise  die  prähistorischen 
Knochenlager  in  Felsen-Höhlen  und  -Spalten  ent- 
standen sind.  Dass  dabei  die  Raubvögel  in 
vielen  Fällen  eine  wesentliche  Rolle  mit- 
gespielt haben,  erscheint  mir  ganz  unzweifel- 
haft; vielleicht  ist  es  mir  gelungen,  diese  Ansicht 
auch  manchem  der  Leser  durch  obige  Beobacht- 
ungen plausibel  zu  machen.  Es  wäre  aber  sehr 
wttnschenswerth  , dass  recht  viele  Beobachtungen 
in  dieser  Richtung  angestellt  würden,  zumal  in 
Gegenden,  wo  Adler  und  Geier  hausen , um  zu 
constatiren , in  welchem  Erhaltungszustände  sich 
die  von  diesen  gewaltigen  Raubvögeln  zusammen- 
geführten Thierreste  befinden. 

Wolfenbüttel,  20.  Mai  1879. 


Arier  und  Semiten. 

Von  Dr.  Fritz  Hommel,  Mönchen. 

(Schloss.) 

Ein  anderer  Beweis  dafür,  dass  die  Ursitze 
der  Indogermanen  nicht  in  Europa  sind,  der  aber 
für  sich  allein  nicht  zwingend  erscheinen  kann, 
sondern  höchstens  wahrscheinliche  Hypothese  bleibt, 
wäre  etwa  folgender: 

Stellt  inan  die  von  den  Anthropologen,  ge- 
wonnenen Resultate  von  verschiedenen  Rassen- 
typen in  der  vorhistorischen  Bevölkerung  West- 
europa^ mit  dom  andern  der  Sprachvergleichung 
von  der  urspr.  ethnologischen  Einhoit  der  Indo- 
germanen neben  die  Thatsache,  dass  wir  heut  zu 
Tage  als  einzigen  Rest  nicht  arischer  Bevölkerung 
im  Westen  unseres  Erdtheils  (und  zwar  im  äus- 
sersten  Süd-W.  desselben)  noch  die  Basken 


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haben , und  dass  in  der  vorchristl.  Zeit  in  einer 
Periode,  wo  jedenfalls  neben  den  Griechen  und 
Römern  schon  die  Kelten  und  Germanen  im  weetl. 
Europa  waren,  in  den  Etruskern  uns  wiederum 
deutlich  ein  Rest  alter , nicht  arischer  Bevölke- 
rung entgegentritt  — vgl.  nur  die  etrusk.  Zahl- 
wörter ! — , so  ist  doch  die  am  natürlichsten 
sich  uns  dabei  aufdrängende  Anschauung  von  der 
Aufeinanderfolge  dieser  verschiedenen  Völkerschich- 
ten die,  dass  jene  Etrusker  und  Basken  nur  die 
letzten  Ueberreste  einer  einst  ganz  Westeuropa 
bedeckenden  den  Indogermanen  fremden  Völker- 
familie  gewesen  sind,  und  dass  letztere  zeitlich 
erst  auf  dieselbe  folgten,  sie  theils  verdrängend, 
theils  sich  mit  ihnen  vermischend.  Dass  sie  in 
diesem  Fall  von  aussen  her  gekommen  sein  müssen, 
und  nicht  schon  in  Europa  selbst  ihre  Hoimat 
gehabt  haben  konnten,  ist  klar;  über  das  woher 
aber  bleiben  nicht  viel  Vermuthungen  übrig,  denn 
wie  die  dritte  nachrückende  Völkerschicht,  die 
Turanier  (Finnen,  Ungarn  und  Türken)  von  Osten 
kam , so  auch  früher  die  Indogermanen , deren 
eine  Gruppe  ja  heut  noch  in  Asien  sitzt.  Ob 
jene  erste  Völkerschicht  auch  zugleich  einen  ein- 
zigen Sprachstamm  oder  deren  mehrere  verschie- 
dene repräsentirt,  ist  in  diesem  Fall  ganz  gleich- 
gültig. 

Gibt  es  denn  aber  keine  sichern  und  zwin- 
genden Beweisgründe  für  die  asiatische  Urheimat 
der  Indogermanen  ? Ich  glaube  diese  Frage  unter 
Hinweisung  auf  folgende  ursemitische  und  urindo- 
germanischen  nach  strengen  lautgesetzlichen  Ke- 
geln erschlossene  Wörter*),  mit  ja  beantworten 
zu  dürfen : 

urindogerm.  ursemitisch  Bedeutung 
1 u.  2 staura,  thauru6 7 8 *)  Stier 

karna  karnu  die  Waffe  des 

Stiers,  das 
Horn 


3  laiwan,  liw  labi’atu  Löwe 
lib’atu  *) 


6)  Die  sich  nur  für  Fachmänner  eignenden  Beweise 
hiefür  siebe  in  meinen  „Säugethiernamen  der  südsemit. 
Völker"  Leipzig  1879. 

7)  Mit  dem  dem  ursemitischen  eigenen  zwischen  t 
und  sch  stehenden  Laut,  der  im  arabischen  zu  engl,  th, 
im  aram.  za  t,  und  im  äth.  zu  s und  im  hebräischen 
und  assyrischen  zu  sch  wurde. 

8)  Dns  t ist  die  Bezeichnung  de*  Feminin* , -u  ist 
die  ursemitische  Nominativendung,  -tu  also  fern,  nomin. 

— Dazu  kommt  noch  aasyr.  lü  Löwe,  was  auf  ursem. 

1 a i w u (also  dem  indog.  noch  ähnlicher)  sich  ganz  gut 
zurückführen  lässt,  nur  dass,  weil  d&s  Wort  in  den  an- 
dern sentit.  Sprachen  verloren  gieng,  die  stricten  Be- 

weise für  seine  Zugehörigkeit  zum  ursemit.  Wortschatz 
fehlen. 


4 gharata  charü^u1)  Gold 

5 8 i r p a r a 10)  ^’arpu11)  Silber 

6 waina1*)  wainu  Wein(stock) 

Da  diese  Uebereinstimmungen  doch  kein  Zu- 
fall sein  können , so  ist  bei  der  sprachl.  Nicht- 
verwandtschaft von  Semiten  und  Indogermanen 
die  einzige  Folge  die,  dass  die  Ursitze  beider  so 
nab  an  einander  lagen , dass  irgend  ein  Verkehr 
(und  damit  die  Möglichkeit  solcher  Entlehnungen) 
zwischen  beiden  stattfand.  Da  wir  aber  die  Ur- 
sitze der  Semiten  ziemlich  genau  bestimmen  kön- 
nen (siehe  schon  oben) , so  ergiebt  sich  daraus 
mit  Nothwendigkeit , dass  die  Ursitze  derln- 
dogermanen  in  Asien  zu  suchen  sind. 

Mit  dem  so  gewonnenen  Resultat  bin  ich  nun 
beim  Schluss  meiner  heutigen  Untersuchung  an- 
gelangt. Noch  eine  Reihe  hieher  gehöriger  in- 


9)  Mit  demjenigen  den  semitischen  Sprachen  eigen- 
tümlichen Hauchlaut  vom,  welchem  im  arabischen  das 
sog.  starke  oder  härtere  Chet  entspricht  und  welches 
zum  Beisp.  im  sumerischen  durch  gh  — so  sind  die  be- 
treffenden Zeichen  der  sumer.-assyr.  Keilschrift  urspr. 
gesprochen  worden  — transscribirt  wird.  Das  i)  »her 
ist  der  im  arab.  durch  Dad  vertretene  Laut,  der  im 
ar&m.  in  Ajin,  im  hebr.  und  assyrischen  in  Sade  Über- 
gang. 

10)  Zufällig  nur  ira  germanisch  - letto  - slavischen 
Sprachenkreis  erhalten. 

11)  Dies  V ist  ein  Zischlaut,  der  im  arabischen  z 
transscribirt  wird,  im  aramäischen  in  ein  hartes  em- 
phatisch gesprochenes  t (das  sog.  tet)  übergieng,  hebr. 
und  assyrisch  aber  mit  Sade  (wie  jenes  dad,  siebe  Anm.  9 
zusammenfiel. 

12)  Bisher  hielt  man  die  indogermanischen  Wörter 
oL-of  und  ▼ i n u m für  ein«  Entlehnung  in  frfthhisto- 
riseber  Zeit  ans  dem  semitischen;  unser  Wort  Wein  ist 
ohne  Frage  lateinisches  Lehnwort  und  kommt  hier  also 
überhaupt  nicht  in  Betracht.  Doch  jener  Annahme 
steht  erstens  die  historische  und  sprachgeschicbtliche 
Unmöglichkeit  entgegen;  die  Araber  haben  ein  an- 
deres Wort  für  Wein,  ncmlich  chainr  (wa in  „schwarze 
Weinbeeren“  haben  nur  die  Lexikographen  als  seltenes 
Dichterwort  überliefert),  die  semitischen  A e th  i opi  er 
in  Afrika  mit  ihrem  wain  „Weinstock“  können,  wenn 
man  geographisch  und  geschichtlich  die  verschiedenen 
Wege  einer  Entlehnung,  welche  überhaupt  möglich  sind, 
ins  Auge  nimmt,  gar  nicht  in  Betracht  kommen,  und 
die  noch  übrigen  Nordsemiten , bei  denen  ja  eine  Ent- 
lehnung solcher  Kulturwörter  nach  dem  Abendland  Ana- 
logien bat,  haben  das  Wort  in  der  Form,  in  der  es  ent- 
lehnt worden  sein  müsste , gar  nicht,  sondern  j a j i n 
heisst  hebräisch  (nach  nordsemit  Lautgesetzen  für  ur- 
semitisches  wain)  der  Wein,  und  von  j ajin  konnte 
nie  foirot  oder  vinum  kommen,  welche  vielmehr 
auf  ein  urindogerm.  waina  (vgl.  auch  Cur t ins 
Grundzügel  zurückzufübren  sind,  wofür  (und  damit  na- 
türlich gegen  eine  Entlehnung  von  einem  der  semitischen 
Völker)  noch  zweitens  das  bisher  von  niemand  herbei  ge- 
zogene armenische  gini  „Wein“  spricht;  das  g in  die- 
sem Wort  geht  nach  neupersischen  und  armenischen 
Lautgesetzen  auf  altes  w zurück  (vgl.  ncupers.  gul  Rose, 
altpers.  ward,  griech.  Pq66ov). 


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01 


teressanter  Fragen  gibt  est  die  ich  leider  heut 
nicht  mehr  behandeln,  kaum  andeuten  kann.  Wir 
haben  zwar  gesehen , dass  die  Indogermanen  aus 
Asien  kommen  mtlssen,  da  ihrö  urspr.  Wohnsitze 
nicht  allzufern  denen  der  Semiten  gelegen  haben 
können.  Ob  aber  nun  eine  genauere  Bestimmung 
derselben  möglich  ist,  und  wie  diese  mit  den  zwei- 
erlei Stationen , die  wir  bei  der  Wanderung  der 
Semiten  anzunehmen  haben,  sich  in  Einklangbringen 
lässt,  nemlich  der  ältesten,  die  erschlossen  werden 
kann,  der  Gegend  südwestlich  vom  Hindukusch, 
und  der  letzten  vor  der  semitischen  Sprachtren- 
nung,  dem  Theil  der  Euphrat-  und  Tigrisebene 
westlich  von  Holwän , das  erfordert  neue  und 
schwierige  Detailforschungen,  die  aber,  das  kann 
ich  schon  jetzt  getrost  sagen , von  der  Wissen- 
schaft noch  gelöst  werden  können  und  müssen. 

Mir  steht  es  zunächst  fest,  dass  ein  Punkt, 
wo  die  Indogernianen  noch  als  vereinigtes  Volk 
Bassen , der  Südrand  des  kaspischen  Meeres  und 
der  Strich,  der  sich  von  da  bis  gegen  das  schwarze 
hinzieht , gewesen  sein  muss  — denn  dort  ist 
das  Land , von  wo  Semiten  und  Indogermanen 
jenes  uralte  Lehnwort  für  die  Weinrebe  her  ha- 
ben, dass  sie  aber  in  einer  früheren  Periode  gleich 
den  Semiten  weiter  östlich  gesessen  habeu,  und  zwar 
wiederum  nördlicher  und  in  einem  etwas  kälteren 
Klima  als  diese,  also  etwa  in  Baktrien,  und  dass 
die  grosse  Wanderung  vom  Westen  des  Hinduknsh 
nach  dem  kaspischen  Meer  in  ziemlich  anfeinander- 
folgender Ordnung  zuerst  von  Semiten  und  später 
von  Indogermanen,  vielleicht  beidemal  weil  tura- 
nische  Völker  nachdrängten,  unternommen  wurde. 

Einen  Seitenblick  auf  die  ethnologische  Stel- 
lung der  Sumerier  zu  werfen,  die  im  Gegen- 
satz zu  den  Semiten  wie  Indogennanen  weder  den 
Löwen  noch  die  Weinrebe,  in  weiterem  Gegen- 
satz zu  beiden  wie  ferner  besonders  zu  den  tu- 
ranischen  Völkern  auch  das  Pferd  nicht  kannten 
— wohl  aber  das  Rindvieh , den  Esel  und  son- 
stige Haust hiere,  — dies  zu  thun,  muss  ich  mir 
jetzt  versagen , ebenso  wie  ich  die  ethnologische 
Stellung  der  Semiten  zu  den  alten  Aegyp- 
tern  nicht  mehr  berühren  kann. 

Doch  auch  ohne  das  angefaogene  Gemälde 
der  ältesten  Völkerverhftltnisse  in  den  Kulturlän- 
dern des  Orients  für  jetzt  weiter  auszufllhren, 
schliesse  ich  einmal  mit  dem  Hinweis  auf  eine 
bald  erscheinende  Arbeit  Vambery's  Über  die 
Kulturwörter  der  turko  - tatarischen  Sprachen,1*) 


13)  lat  jetzt  erschienen.  (Leipz.  1879,  276  S.)  Ich 
benütze  dieso  Gelegenheit,  um  auf  ein  aber  erst  (Juni 
1879»  anB  der  Presse  gekommenes  auch  für  die  Anthro- 
pologie ungemein  wichtiges  Werk  aufmerksam  zu  ma- 
chen, das  anf  den  gründlichsten  sprachlichen  Forschun- 


welche  diesen  Untersuchungen  neues  interessanten 
Material  zuzuführen  verspricht  und  dann  mit  der 
Bitte,  meine  obigen  Mittheilungen,  trotzdem  die 
darin  aufgestellten  Resultate  zum  Theil  negativer 
Natur  waren,  dennoch  mild  beurtheilon  und  das 
mangelhafte  daran  mit  der  Neuheit  des  Stoffs 
und  dem  Fehlen  fast  jeglicher  brauchbarer  Vor- 
arbeiten auf  diesem  Gebiet  entschuldigen  zu  wollen. 

München,  24.  Januar  1879* 


Kurzer  Bericht  über  die  prähistorischen 
Funde  und  die  einschlägige  Litteratnr  in 
Italien  im  Jahre  1878. 

Von  Dr.  Emil  Stöhr,  Bergwcrks-Dircctor. 

In  Italien  hat  sich  in  den  letzten  Jahren  ein 
reges  wissenschaftliches  Leben  in  paläoethno- 
gra  phischer  Beziehung  entwickelt.  Nicht  allein 
reiche  Funde  wurden  gemacht,  sondern  dieselben 
auch  in  der  wissenschaftlichsten  Art  eingehend 
beschrieben  und  behandelt.  Das  Interesse  dafür 
ist  in  stetem  Wachsen,  wie  die  vielfach  neu  ent- 
standenen prähistorischen  Museen  beweisen.  Zwei 
Zeitschriften  sind  es  namentlich,  welche  unter 
bewährter  Leitung  erscheinend  das  Material 
wissenschaftlich  verarbeiten  , das  A r c h i v i o 
per  l’Antropol ogia  e Etnologia,  redi- 
girt  von  Professor  Mantegazza  in  Florenz, 
und  das  Bulletino  di  Paletnologia  itn- 
liana,  unter  der  Leitung  von  Chierici,  Pi- 
gorini  und  Strobel  in  Reggio  in  der  Emi- 
lin erscheinend.  Gegenwärtiger  kurzer  Bericht 
beschäftigt  sich  zunächst  mit  den  im  Jahre  1878 
gemachten  prähistorischen  Funden,  und  ist  dabei 
zumeist  auf  dio  Publikationen  des  Bulletino 
Rücksicht  genommen.  Hiebei  ist  bezüglich  des 
prähistorischen  Zeitalters  die  in  Italien  allgemein 
angenommene  Eintheilung  beibehalten:  Stein- 
zeit, Bronzezeit  und  Eis  enzeit,  wenn  auch 
der  Referent  persönlich  der  Ansicht  ist,  die  Bronze- 
und  Eiseuzeit  würden  besser  zusammengefasst  als 
M e t a 1 1 z e i t.  Der  Bericht  ist  so  geordnet,  dass 
zunächst  in  Sizilien  begonnen  wird , dann  nach 
Süd-Italien  übergegangen  und  von  dort  herauf 
bis  nach  Oberitalien. 

Was  zunächst  Sizilien  betrifft,  so  ist  das- 
selbe noch  in  vieler  Beziehung  eine  terra  incog- 
nita,  und  muss  desshalb  jeder  neue  dortige  Fund 
doppelt  willkommen  sein.  Die  Funde  im  Jahre 
1878  verdankt  man  meist  den  mit  der  Aufnahme 
des  Landes  beschäftigten  Geologen  und  den  Ar- 


gen fassende  „Altindisches  Leben.  Die  Cultur  der  ve- 
aischen  Arier  nach  den  Samhita(- Vehlen)  dargestellt“ 
von  Heinr.  Zimmer  (Berl.  1879)  460  Seiten  82. 


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62 


beiten  der  im  Bau  begriffenen  Eisenbahnen.  Be- 
kanntlich kennt  man  nicht  allein  in  Sizilien,  son- 
dern im  ganzen  Süden  Italiens  bis  jetzt  fast  nur 
prähistorische  Funde  aus  der  Steinzeit  ; auch 
die  1878  gemachten  gehören  dahin.  Zu  erwähnen 
sind  hier: 

Ippoiiti  (’afici:  Da  Vizzini  a Licodia, 
note  geologiche.  Siracusa  1878,  worin 
von  vielen  Feuersteingerüthen  und  Busalthämmern 
berichtet  wird,  die  zu  S.  Cono  in  der  Provinz 
Catania  gefunden  wurden,  so  dass  dorthin  eine 
Station  der  Steinzeit  gesetzt  werden  muss.  Der- 
selbe Verfasser  lppolitl  Ualici  giebt  im  Bull, 
di  Paletnologia  italiana  1878  pag.  39, 
Nachricht  über  ein  Grab , in  dem  ein  brachyce- 
phales  Scelet  lag,  und  in  dessen  Nähe  Feuerstein- 
und  Obsidiangerütho  gefunden  wurden.  Die  Ab- 
handlung führt  deii  Titet : Grotta  sepole- 
ale  preistorica  di  Calaforno,  Provin- 
cia  Siracusa. 

Luigl  Pappulardo  erwähnt,  wie  das  Bull, 
di  Palotn.  italiano  1878,  p.  63  mittheiit, 
in  der  Zeitung  A r e t u s a eine  zwischen  C a m- 
pobello  und  Licata  durch  die  Eisenbahuar- 
beiten  blosgelegte  Grotte,  in  der  sich  Asche  und 
Kohlenreste  fanden , eingebettet  in  eine  schwärz- 
liche fettige  Erdschicht,  mit  Besten  von  Knochen, 
Thonscherben  von  rohester  Arbeit  und  nicht  we- 
nigen Feuersteinme&sern  und  Geräthcn. 

Für  jeden  Forscher,  der  sich  über  sizilianisclie 
prähistorische  Funde  zu  unterrichten  sucht,  muss 
hier  vor  Allem  auf  das  wichtige  Werk  von  Ba- 
ron Andrlan  - Werburg:  Prähistorische 
Studien  aus  Sicilien  — Berlin  1 878,  hin- 
gewiesen werden,  das  für  die  sizilianische  Paläo- 
ethnographie  das  bis  jetzt  existirende  aus- 
führlichste ist. 

Uebergehend zum  italienischen  Festland,  so 
ist  von  Süditalien  fast  dasselbe  zu  sagen,  wie 
von  Sizilien,  auch  diess  ist  eine  terra  incognita 
zum  grossen  Theile.  lieber  Funde  in  C a 1 a b r ien 
berichten  die  Geologen: 

PIo  Mantovani : Notiz  io  paletnologiche 
di  Calabria  Ultra  I.  — Bull,  di  Palet,  italiana 
p.  33  und 

Lovisato:  Strumen  ti  litici  e brevicenni 
geologici  sulla  Provincia  di  Catan- 
zaro.  Atti  dellaB.  Acadomia  deiLincei 
1878,  Giugno. 

Es  sind  diese  beiden  Abhandlungen  mehr  geo- 
logischen Inhalts , enthalten  jedoch  vieles  Wich- 
tige für  die  Paläoethnographie.  Mantovani 
berichtet  von  Feuerstein  geräthcn,  vielen  Obsidian- 
messern , Besten  von  roh  gearbeiteten  Töpfergo- 


schirren und  auch  Knoche«,  die  er  im  Löss  in 
der  Umgegend  von  Reggio  in  Calabrien  fand, 
und  aus  demselben  auf  eine  dortige  Station 
der  Steinzeit  schliesst,  wo  Feuersteine  und  von 
den  äolischen  Inseln  herbeigebrachte  Obsidiane 
verarbeitet  wurden. 

Lovisato  berichtet  von  ähnlichen  Funden 
aus  den  Provinzen  von  Catanzaro  und  Co- 
senza.  Die  dort  gefundenen  Steingeräthe  be- 
stehen zum  grössten  Theil  aus  einheimischen  Ge- 
steinen, zumeist  aus  Diorit,  zum  Theil  aber  auch 
aus  fremdem  Gestein  wie  namentlich  Eklogit, 
Nephrit,  C h lorom  el  anit , die  somit  auf 
eine  Verbindung  mit  Südasien  hinweisen. 

Kuggero:  Oggetti  preistorici  cala- 
bresi.  Att.  dell.  R.  Acad.  dei  Lincei  und  der- 
selbe: Arnesi  lapidei  del  Cal  ab r es e. 

Bull.  Palet,  ital.  1878  p.  68,  giebt  Notizen  über 
eine  ganze  Reihe  in  Calabrien  gefundener  Stein- 
geräthe. 

Prähistorische  Funde  aus  der  Eisenzeit, 
waren  bis  jetzt  im  Süden  Italiens  nicht  bekannt. 
Einen  solchen,  somit  sehr  wichtigen  Fund,  hat 
Baron  Spinettl  bei  Suessnla  unweit  der  Eisen- 
bahnstation Ca n cello  bei  Caserta  gemacht. 
Es  ist  eine  an  Gegenständen  sehr  reichhaltige 
Necropolo  aus  der  ersten  Eisenzeit.  Vorläufige 
Bemerkungen  darüber  finden  sich  zunächst  von 
Minervini:  Breve  relazione  di  una  ve- 
tusta  necropoli  scoperta  nel  terri- 
torio  di  Suessula.  (Vergleiche  auch  den 
kurzen  Bericht  mit  Abbildungen  in  der  Zeitschrift 
Ueber  Land  und  Meer  Nr.  21  von  1879 
von  Wold  ein  ar  Kaden.) 

Aus  Mi ttel italien  stammende,  vonNobili 
in  einer  alluvialen  Kiesablagerung  bei  Chieti  ge- 
fundene, z.  Th.  sehr  grosse  Steingeräthe  werden 
besprochen  von  Chierlci : Selci  lavorati 
in  uno  strato  alluviale  presso  Chieti 
Bull.  Pal.  ital.  1878  p.  129.  Diese  Funde  sind 
dreierlei  Art.,  durcheinander  gemengt : nemlich 
sehr  grosse,  megalithische,  so  roh  gearbeitet,  dass 
man  zweifeln  muss,  ob  sie  wirklich  von  Menschen 
bearbeitet  wurden,  dann  kleinere  von  Feuerstein,  die 
besser  gearbeitet  sind , und  endlich  grosse,  die 
noch  besser  gearbeitet  sind.  Desshalb  ist  N o b i 1 i 
der  Ansicht,  sie  seien  vom  Wasser  zusaminenge- 
schwemmt  worden. 

G.  Belucci : Selci  lavorati  dal  1’  uomo 
in  alcuni  depositi  quaternarii  del  Pe- 
rugino.  Archivio  per  l’Antropol.  e la 
Etnologia.  1878.  p.  41.  An  zwei  Orten  sind 
unweit  Perugia  in  quaternärem  Geschiebe 
einige  Steingeräthe  gefunden  worden.  So  bei  S. 


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63 


Egidio  in  dem  Thale  des  Flusses  Chiascio,  | 
wo  in  dem  sandigen  Gerolle  einige  angeschlagene 
Kieselknauer,  Kieselsplitter  und  eine  scharfkantige  ! 
Lanzenspitze  sich  fanden.  Da  das  Material , aus 
dem  diese  Gegenstände  bestehen,  Theile  des  Ge- 
rölles ausmacht,  so  schliesst  der  Verfasser,  dort, 
am  alten  Ufer  des  Flusses,  habe  eino  Werkstatt© 
der  ältesten  Steinzeit  sich  befunden.  — Der  an- 
dere Fund  bei  S.  Angelo  di  Celle  liegt  im 
alten  Tiberbette , und  befindet  sich  dort  unter 
dem  losen  Gerolle  solches  das  mit  Kalk  cümen- 
tirt  ist.  Die  hier  gefundenen  Kieselgeräthe  sind 
mit  wenigen  Ausnahmen  nicht  scharfkantig,  son- 
dern abgerollt,  so  dass  dort  wohl  keine  Werk- 
statt© sich  befand , sondern  dieselben  von  dem 
angeschwollenen  Tiberflus.se  mit  den  andern  Ge- 
schieben angeschwemmt  wurden. 

Megalithische  Stcingeräthe  waren  bis 
jetzt  aus  Umbrien  kaum  bekannt;  AgOtft. 
Monti  hat  nun  solche  bei  Nid a störe  im  An-  | 
conitanischen  gefunden  und  beschrieben  in  der  Alt- 
handlung Stazione  doll*  eta  della  pietra  1 
presso  Nidastore  nell*  Anconitano  Bull. 
Palet.  1878.  p.  17.  Sie  finden  sich  dort  zu  Tau- 
senden und  zwar  meist  als  megalithische  Formen.  I 
Aus  Toscana  liegen  sehr  interessante  Notizen  j 
vor  von : 

Blanchard : Sülle  miniere  di  Stagno 
di  Campiglia  marittima.  Atti  dell  R. 
Academia  de»  Lincei  1878,  Giugno  — und 
Bullet,  geologico  1878.  Fas.  9.  10.  Bekannt 
ist,  dass  vor  einigen  Jahren  in  den  alten  etrus- 
kischen Gruben  bei  Campiglia,  den  sogenannten 
Cento  Camerelle  ein  Zinnerz,  C assiterit,  gefunden 
wurde.  Man  hatte  anfangs  geglaubt,  der  Cassi- 
terit  komme  nur  ganz  vereinzelt  vor  und  sei  nur 
zufällig  von  den  Etruskern  mitgenommen  worden. 
Eine  englische  Gesellschaft  betreibt  jetzt  die  alten 
Gruben  und  ergab  es  sich,  dass  die  Etrusker 
wirklich  auf  Cassiterit  bauten.  Bei  dem  jetzigen 
Abbau  gewinnt  man  Zinnerze  von  46 — 58°/o  Ge-  1 
halt.  Auch  ganz  unverritzte  Zinnerzgänge  hat  j 
man  in  der  Nähe  gefunden  und  baut  sie  nun 
ebenfalls  ab.  So  ist  nachgewiesen , dass  die 
Etrusker  in  der  Umgegend  von  Campiglia  auf 
Kupfer,  Zinn,  Blei  und  Zinkerze  Bergbau  trieben, 
und  durch  die  Verschmelzung  der  gemengten 
Erze  direkt  Zinnbronze,  wie  Zinkbronze 
(Messing)  darstellten. 

Oberitalien  betreffend,  liegt  eine  ganze 
Reihe  wichtiger  Funde  und  Abhandlungen  vor: 

Chierici:  Sepolcro  del  periodo  di 

transiziono  dell’  eta  delle  piotre  alle 
terremari.  Bull.  Pal.  ital.  1878  p.  41.  Be- 


handelt ein  bei  Santilario  d’  Enz  a (Paruia) 
gefundenes  Grab  in  dem  ein  kleines  wohl  einem 
Kinde  ungehöriges  Skelet  lag,  mit  bemerkens- 
werthem  Halsband;  darüber  fanden  sieb  einige  roh- 
gearbeitete Scherben.  Die  Perlen  des  Halsbandes 
bestehen  aus  weissem  Marmor  und  sind  ziemlich 
gut  gearbeitet;  sie  gleichen  ganz  den  in  den  Dol- 
men gefundenen.  Es  wird  daraus  geschlossen,  dass 
das  Grab  einer  Uebergangsperiode  von  der  Stein- 
zeit zu  den  Terremare  angehöre,  ein  Fund  der  hier 
zum  ersten  male  beobachtet  wurde. 

Strobel : Oggetti  di  legno  della  Ma- 
riera  di  Castiono  (Parma)  Bull.  Pal.  ital. 
1878.  p.  22.  — Unter  den  früher  schon  von 
Pigorini  dort  gefundenen  Gegenständen  aus 
der  Steinzeit,  befinden  sich  bekanntlich  viele  in- 
teressante Gegenstände  von  Holz,  wie  denn  diese 
Fundstätte  wohl  die  au  Holzgeräthen  reichste  ist. 
Strobel  beschreibt  in  obiger  Monographie  24  Ge- 
räthe  und  . bildet  sie  ab. 

Pigorini : Ricerche  Paletnologiche  a 
Cavriana  (Provincia  di  Mantova).  Bull. 
Paletn.  ital.  1878.  p.  2.  beschreibt  die  von 
B i g n o 1 1 i gefundenen  Steingerätho,  Knochen  und 
Reste  von  Thongefässcn ; im  Boden  dort  fanden 
sich  auch  2 Skelette.  Keine  Metallgegenstände 
wurden  gefunden;  trotzdem  setzt  Pigorini  den 
Fund  in  die  Bronzezeit,  zu  den  Terremare,  be- 
merkend, dass  der  Mangel  der  damals  so  seltenen 
Bronzegeräthe  nicht  unbedingt  dafür  sprechen 
könne,  dass  man  einen  Fund  in  die  Steinzeit 
setzen  müsse.  Wo,  wie  hier,  die  anderen  Ge- 
genstände ganz  dieselben  sind,  wie  die  der  Terre- 
mare, namentlich  die  Scherben  von  Töpferge- 
sch irren,  müsse  man  dieselben  den  Terremare,  der 
Bronzezeit,  zutheilon. 

Chierici:  Stratificazioni  coordinate 
delle  tre  etä  preistori che.  Bull.  Pulet,  ital. 
1877  p.  1G7 - 

Chierici:  Una  visita  al  Museo  archeo- 
logico  di  Este.  Bull.  Pal.  ital.  1878.  p.  75. 

Pigorini:  Oggetti  della  prima  eta  di 
ferro,  scoperti  inOppiano  nel  Veronese. 
Bull.  Pal.  ital.  1878.  p.  105. 

Es  sind  das  3 Abhandlungen,  die,  obwohl 
von  Fanden  an  verschiedenen  Lokalitäten  han- 
delnd , doch  in  inniger  Verbindung  mit  einander 
stehen. 

Die  erste  bereits  1877  erschienene  sehr  wich- 
tige Abhandlung  beschreibt  aus  der  Provinz 
Roggio  in  der  Emilia  sehr  eingehend  nicht 
weniger  wie  12  Fundstätten,  deren  genaue  Le- 
gungsverhältnisse und  Schichtenfolge  zum  Theil  ab- 
bildend. Der  Verfasser  kommt  zum  Schlüsse, 


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64 


dass  in  den  Pogegenden  die  Reihenfolge  der  ver-  j 
schiedenen  Perioden  folgende  sei,  von  unten  an : 

I.  Steinzeit,  die  sich  theilt  in  1.  untere 
Periode,  2.  obere,  (z.  Th.  Uebergangs- 
periode.) 

II.  Bronzezeit:  Terremare  und  See- 

stationen. 

III.  Eisenzeit:  1.  untere,  in  zwei  gleich- 
zeitigen lokalen  Gruppen  ausgebildet : die 
der  Eugnneen  links  des  Po,  und  die 
von  F e 1 s i n a (Villanova)  rechts  des  Po. 

2.  obere  repräsentirt  durch  den  Fund  von 
Certosa. 

Die  zweite  Abhandlung  knüpft  an  den  Be- 
such des  neuen  Museums  von  Este  Betrachtun- 
gen über  die  Völker,  die  in  den  verschiedenen 
Perioden  die  Pogegenden  bewohnten,  und  deren 
Herkommen.  Der  Verfasser  folgert  aus  den  Fun- 
den, dass  in  den  Pogegenden  keinesfalls  eine  un- 
unterbrochene Entwicklung  der  Civilisation  statt- 
hatte, sondern  dass  von  Zeit  zu  Zeit  neue  Ele- 
mente der  Kunstfertigkeit  und  der  Gewohnheiten 
nuftreten,  die  auf  neu  einwandernde  Völker  hin- 
weisen.  Er  nimmt  an,  dass  die  ersten  Bewohner, 
die  Menschen  der  Steinzeit,  über  die  Alpen  herab- 
gekommen seien  ; ebenso  hätten  später  die  Leute 
der  Bronzezeit , ein  ganz  neu  eindringendes  Volk, 
den  nemlichen  Weg  genommen.  Mit  der  Eisen- 
zeit sei  dann  wieder  eine  ganz  neue  Kultur  er- 
schienen, und  ein  neues  sie  bringendes  Volk.  In 
der  ersten,  ältesten  Eisenzeit  seien  diese  Leute 
vom  Meere  her  den  Po  hernufgekommen,  und 
haben  sich  gleichzeitig  zwei  Gruppen  entwickelt,  1 
eine  nördliche,  die  der  Eugnneen  links 
vom  Po  bis  zu  den  Alpen,  und  eine  südliche, 
die  von  Felsina  (Bologna)  oder  Villanova  j 
rechts  des  Po.  In  der  zweiten  Eisenperiode  hätte  , 
sich  dann  hauptsächlich  etruskischer  Einfluss  gel- 
tend gemacht. 

(Schluss  folgt.) 


Aus  der  Sitzung  des  Zweigvereins  Kiel, 

27.  März  1879. 

I.  Schalensteine  in  Schleswig- Hol  stein.  Herr 
Prof.  H and  elma n n sieht  sich  durch  die  Aufforderung 
der  Redaktion  des  Correspondenzblattes  veranlagt,  zu 
der  eingeleiteten  Diacussion  über  Schau  lonsteine 
mitzutboilen , dass  da»  hiesige  Museum  ausser  dem  I 
schon  bei  der  Eröffnung  ausgestellten  Exemplar  im 
verflossenen  Winter  ein  zweites  durch  die  gütige  Ver-  j 
mittlung  des  Herrn Dr.  S plindt  in  Kappeln  erhalten  1 
hat.  Wenn  der  ältere  Schalenstein  mit  sechzehn  etwa  . 
gleich  grossen  Schälchen  von  5—6  cm.  Durchmesser,  ; 
von  denen  vier  nachträglich  zu  einem  Kreuz  verbun-  j 


den  sind,  auf  Darbringung  von  Opfergaben  schliessen 
lässt,  so  Hesse  sich  bei  Ansicht  des  zweiten  und  klei- 
neren Steins  eher  an  den  von  den  Herren  Deaor  und 
Falsan  mitgetheilten  Brauch  denken,  dass  man  den 
Stein  anzubohren  pflegte,  um  den  Bohrstaub  als  Heil- 
mittel gegen  Krankheiten  zu  verschlucken.  Die  ganze 
circa  55  cm.  lange  und  30  cm.  breite  Oberfläche  ist 
nämlich  mit  circa  4 t dicht  nebeneinander,  Rand  an 
Rand  stehender  Schälchen  von  der  verschiedensten 
Grösse  wie  bedeckt;  die  grössten  davon  halten  circa 
6 cm.  im  Durchmesser,  während  man  die  kleinsten 
mit  dem  Daumen  oder  einer  Fingerspitze  ausfüllen 
kann.  Die  Anwendung  von  SteinpOlverchen  aus  Schaa- 
lensteinen  ist  in  der  Schleswig-Holstein’ftchen  Volks- 
tnediein  allerdings  bisher  nicht  nachweisbar ; dagegen 
wurde  in  der  Sitzung  am  20.  Deeembcr  1878  constatlrt, 
dass  man  „gestossenen  Donnerkeil”  gegen  Epilepsie 
einzugelien  pflegte. 

Ref.  kann  weiter  mittheilen,  dass  der  Figurenstein 
von  Hiinsch . von  dem  ein  theilweiser  Gvpflabgnas  im 
hiesigen  Museum  vorliegt  nebst  der  Steuikammer,  zu 
welcher  derselbe  gehört,  von  Herrn  Oberamtsrichter 
Westedt  in  Albersdorf  käuflich  erworben  ist  und 
für  die  Zukunft  sichergestellt  werden  soll.  Schon 
früher  waren  hier  zu  Lande  verschiedene  andere  Fi- 
guren steine  bekannt,  welche  insbesondere  Fusa- 
spuren  von  Menschen  und  allerlei  Thieren  aufzuweisen 
hatten.  Die  Sagen,  welche  sich  daran  knüpften,  sind 
in  Möllenhoff’«  Sagen.  Märchen  und  Liedern  der 
Herzngthümer  Schleswig-Holstein  und  Lauenburg  un- 
ter Nr.  16,  190—95  und  543—45  susammengestellt. 

Der  verstorbene  Hamburger  Professor  Ohr.  Pe- 
tersen  hat  die  mit  Hufeisen  und  Rosstrappen  be- 
zeichneten  Steine  hier  und  auswärts  im  XXV.  Bericht 
der  vormaligen  Schlesw.-Holst.-Lbg.  Alterthuma-Gwcll- 
srhaft  ausführlich  behandelt  und  deren  mythologische 
Bedeutung  zu  enträthseln  versucht.  Dort  ist  auch 
der  Stein  bei  Hattlund  in  Angeln,  wo  neben  einem 
Pferdehuf  Hasenspuren  vorkamen,  unter  Fig.  2 abge- 
bildet. Eine  rohe  Zeic  hnung  des  Stein*  bei  Dingholz 
in  Angeln,  auf  dein  eine  menschliche  Flugfigur  einge- 
hauen  int,  befindet  sich  im  Archiv  de*  Museums. 
Schliesslich  bittet  Ref.  dringend  um  Einsendung  von 
Zeichnungen  und  Beschreibungen  anderweitiger  t>chaa- 
len-  und  Figurensteine  Schleswig-Holsteins. 

2.  Menschenschädel  als  Trinksdiale.  Ueber  die  vor- 
malige Benützung  von  Menschenschädeln  als 
Trink  schalen  berichtet  Herr  Prof.  Pansch,  mit 
Bezug  auf  den  neuesten  von  Dr.  Gross  (Neuveville) 
beschriebenen  derartigen  Fund.  Ein  uns  dem  Kieler 
Museum  vorgelegtes  Sehädelstüek , welche*  zusammen 
mit  Flintgeräthen  und  Topfscherben  in  einem  Gang- 
bau bei  li inkeim  gefunden  ist  (Bericht  10  der  Schleew.- 
Holst.-Lbg.  Alterthunu-GeselUchaft  S.  4 und  40),  sieht 
auf  den  ersten  Blick  allerdings  darnach  aus,  als  ob 
es  zu  einer  Trinkschale  hätte  dienen  können.  Es 
spricht  aller  dagegen,  dass  das  Stück  nicht  da«  eigent- 
liche Schädeldach,  sondern  ein  Bruchstück  von  der 
Seite  de*  Schädels  ist  und  auch  keine  deutlichen 
Schlagmarken  aufweist. 

Herr  Prof.  Chr.  .lassen  möchte  bezweifeln,  das* 
der  Gebrauch  von  Schädeln  als  TrinkgefÜsse  irgend- 
wie als  allgemeine  Sitte  hei  den  germanischen  Völ- 
kern anzusehen  sei,  und  erinnert  an  den  Aufsatz  von 
Rafu:  „Ueber  Trink  ge  fasse  in  Walhalla“  (Deutsche 
Uebersetxung  in  Falck’a  Neuem  Staatsbürgerlichen 
Magazin.  Bd.  I.  S.  840  u,  7,)  Prof.  Handelmunn. 


Druck  der  Akademiichen  Buchdruckerei  F.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Redaktion  am  6.  Juli  1879. 


Digiti; 


byC: 


jogle 


Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft  J 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Jintiyhl  roti  Professor  Dr.  Johanne»  Ranke  im  München, 

OtHfralurrtiür  der  lituüxfkiifl. 


Nr.  9.  Erscheint  jeden  Monat.  September  1879. 


Bericht  über  die  X.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Strassburg 

am  II.,  12.  und  13.  August  1879. 

Narb  tenogruph isehen  Aufzeichnungen 
redigirt  v«n 

Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  Manchen 

Generalsekretär  der  Gesellschaft. 


I. 

Tagesordnung  und  Verlauf  der  X.  allgemeinen  Versammlung. 

Sonntag  den  10.  August.,  Nachmittags  4 Uhr:  Bcgrflssung  der  nnkummenden  Gäste  durch 
den  Herrn  Lokalgeschäftsführer  Professor  Dr.  Gerl  and  am  Bahnhof,  sodann  Anmeldung  der  Tbeil- 
nehmer  in»  Haupt  Bureau  der  Lokalgeschäft. sfiihrung  im  Stadthaus?.  Abends  zwanglose  gesellige  Zu- 
sammenkunft im  Garten  des  Civilcasino,  Blauwolkengasse  2. 

Montag  den  11.  August,  von  0—12  Uhr:  1.  Sitzung  im  grossen  Saale  des  Stadthauses. 
Dann  Besichtigung  des  Münsters  und  der  städtischen  baulichen  Alterthflmer.  Von  2 — 4 Uhr  II.  Sitzung. 
Darauf  Besuch  der  Sammlungen  und  Museen  der  Stadt  und  Universität  unter  der  Führung  der 
Direktoren  und  Vorstände  derselben.  Uni  6V*  Uhr  gemeinsames  Festmahl  iin  Hotel  de  Paris. 
Abend*  Zusammenkunft  im  Garten  des  Civilcasino. 

Dienstag  den  12.  August,  von  9-  1*4  Uhr:  IN.  Sitzung.  Nach  einer  Unterbrechung 
von  einer  Viertelstunde  von  2—4  Uhr  IV.  Sitzung.  4 V*  — 7 Uhr  Besichtigung  von  12  neuge- 
öffneten Gräbern  der  apit  römischen  Nekropole  am  WeUstburmthor  und  Eröffnung  eines  Sarkophag'* 
unter  Leitung  des  Herrn  Domkapitular  Straub.  Um  8 Uhr  Abends  Fest  von  der  Stadt  Strass- 
burg  den  Anthropologen  gegeben  in  den  Fest  räumen  des  Stadthauses. 

Mittwoch  den  13.  August:  Ausflug  nach  dem  Odilienberge.  Morgens  8 Uhr  Extrazug 
nach  ( Mierehnheiui , wo  Wagen  für  einen  Theil  der  Festgäste  nach  dem  Odilienberg  bereit  standen, 
und  dann  weiter  nach  Barr,  von  wo  aus  Jene  die  Wanderung  an  traten,  welche  es  vorzogen,  aus  der 
Sommerhitze  des  Thaies  unter  Führung  der  Mitglieder  des  Vogcsenelubs  namentlich  des  Präsidenten 
des  letzteren,  Herrn  Bibliothekar  Dr.  Euting.  den  landschaftlich  schönen,  waldigen  Fussweg  zu  dem 

1 


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66 


Kloster  auf  der  Berghöhe  cmporzusteigen.  Mittagessen  (200  Gedecke)  im  Schatten  der  Linden  des 
Klosterhofes.  Nachmittags  Besichtigung  der  Altert  hü  in  er  des  Odilienberges  unter  Führung  des  Vo- 
gesenclubs: Heidemnauer,  ltömerstrasse,  Gröber ; Eröffnung  eines  Hügelgrabes  mit  Steinkiste.  Besuch 
der  Aussichtspunkte  namentlich  des  Mennelstein  mit  Erfrischungen  im  Kiosk  des  Vogesenclubs.  Ab- 
stieg Uber  die  Ruine  Landsberg  nach  Barr,  wo  mit  einer  geselligen  Vereinigung  im  Garten  des  Bühl- 
Hotels  die  Versammlung  schloss.  Abends  10  Uhr  Rückfahrt  mit  Kxtnung  nach  Strassburg. 


Mitgl  Jeder-  Verzeichn  iss 

1 von  Albert,  Bergmeixter.  Strassburg. 

Albrecht,  Oonrektor,  Strassburg. 

Barber,  Alfred.  Hamburg. 

Barthel  me**.  Professor,  Stuttgart. 

Burtholdi,  l>r.,  Oberlehrer.  Strass  bürg, 
de  Bory.  Professor,  Strassburg. 

Üuumgurten,  Otto,  Stud.  theol.,  Strassburg. 
Benecke,  Dr.,  Professor,  Stnuudiuig. 

Bergmann,  Friedrich.  Dr.,  Professor,  Strassburg. 
10  Biedert,  Dr.,  Oberarzt,  Hagenau. 

Bracht.  Eugen,  Maler,  Ca rb ruhe. 

Brodfuhrer,  Schuldirektor,  Coburg. 

Bruch.  Dr.,  Profeaaör,  Algier. 

Brückner,  Dr.,  Medicintilmth,  N eubrandenburg. 
Bruhn,  Oscar,  Kaufmann,  Insterburg. 

Buchholz.  Reg.-  und  Bauruth,  Altena. 

Bull,  Friedrich.  Buchhändler,  Strassburg. 

Bürger,  Dr..  Oberlehrer.  Strassburg. 

Chauffour,  Ignaz,  ehern.  Advokat,  Colmar. 

20  Christo  fiel,  Professor,  Strassburg. 

Cohen,  Dr.,  Professor,  Strassburg. 

Courtmult.  Carl,  Conservutor  des  Museums,  Nancy, 
t roiuiu,  OberregierungMrath,  Strassburg. 

I »recke,  I >r..  Dir.  dos  Kyceums,  Stroasburg. 
Diesterweg.  Kreisgeriehtsrutli.  Siegen. 

Dietz.  Pfarrer,  Rotlmu. 

Diederlein,  Dr.,  Lehrer,  Bayreuth. 

Dcehle,  Dr.,  Oberlehrer,  Strassburg. 

Dütnichen.  Dr.,  Professor,  Strassburg. 

30  Dürcklieini-Montnmrtin.  Graf,  FroBack  weiter. 
Ebrard,  Friedrich,  Dr.,  Univ.  Kustos,  Strassburg. 
Ecker,  Dr.,  tielieinimth.  Professor,  Frey  bürg. 
EelthauK,  Carl,  Apotheker.  Altena. 

Eggert,  Baumeister,  St  rasshurg. 

Enrenreich  ('and.  mal.,  Berlin. 

Eitel  v.  Muyeniisch-Rnppenxtein,  Baron,  Rentner. 
Consta  nz. 

Engesner,  H.,  Dr.,  Freyburg, 
von  Etzel.  Forstmeister,  Colmar. 

Euting,  Julius,  Dr.,  Bibliothekar  Strassburg. 

40  Fahrenbruch,  Friedr.,  Reakchullehrer,  Strassburg. 
Fischer.  Dr.,  Dir.  d.  st.  höh.  Töchtersch.,  Strassburg. 
Fischer,  Dr.,  Hofrath,  Profeasor.  Freyburg. 

Fischer,  I>r.,  Privatdozent,  Strassburg. 
von  Fischer-Treuenfeli  l,  Major,  Strassburg. 

Flaig.  Rechtsanwalt,  Constanz. 

Klein  bauer,  Kdni.,  Ibindelxgcriehtspräsid.,  ( Vduiur. 
Flüekiger,  Dr.,  Professor.  Strassburg. 

Flüekiger,  Max.,  Stud.  ined..  Strassburg. 

Fairster,  lluuptumnn,  Strassburg. 
üO  Ki erster.  Professor,  Breslau. 

Fraas.  O..  Dr.,  Profesaor.  I.  Vorsitzender  der  X.  all- 
gein.  Vor»,  d.  deutschen  anthr.  Ges.,  Stuttgart. 
FiUnkel,  Dr..  Sunitütsrath,  Bernburg. 

Krank,  Eugen.  Oberfttnster,  Srhuaaenried. 

Kranke,  Heinrich.  Dr.,  Referendar,  Strassburg. 

•|  Nach  den  von  der  l.okulgi'sc  hilft  *ffdmmg  in 


der  X.  Versammlung.*) 

Freund,  Dr.,  Professor,  Strasaburg. 

Freund,  Stud.  med.,  Straaaburg. 

Fritach,  Gustav,  Ihr.,  Professor.  Berlin. 

Fritsch,  Eduard,  Stud.  phil.,  Strassburg. 

Gunzhorn,  Wilhelm,  Oueramtsriehter,  CannatAtt. 
t!ü  Gerland,  Georg,  Dr.,  Profemor,  Kokalgtwhilftx- 
fuhrer  der  X.  ul  lg.  Vers.  d.  d.  iu  G„  Strassburg. 
Gmelin.  Eduard.  Oberanitarichter,  Kirchbeim. 
Gmelin,  Wilhelm.  OberamUrichter,  Neckaraulm. 
Gcehring,  Oberlehrer.  Strassburg. 

O fette.  Dr..  Profeasor.  Strassburg. 

Gietz,  Dr.,  Obennedicinalrath,  Neustrelitz, 
i ioguel.  Eduard,  Professor,  Strassburg. 

(ireinpler,  Dr.,  Sanitätsrath,  Breslau. 

Gros*,  VM  I)r.,  Arzt,  Neuveville. 

OroasM,  Karl,  Buehhändler,  Heidelberg. 

70  Grotli,  Dr..  Professor,  Strassburg. 

von  Guentrd.  Obcrregierungsr.it h.  Strassburg. 
Guthniunn,  Meinrad,  Rentner,  ehemal.  IMarrer. 
Strass  bürg. 

Hack.  lieg. -Assessor,  Strassburg 
Hiulra,  S.,  Dr..  Arzt,  Strassburg. 

Hierein*,  Rudolf.  Bergwerks-Direktor.  Creuznacli. 
Ibuideliimnn.  Professor,  Kiel, 
llarseim,  Justizruth,  Strassburg. 

IKirtiijunn,  August.  Sekretär  a.  d.  Staatsbibliothek, 
München. 

Hasse,  Kreisdirektor,  Strassburg, 

SO  Hellwald,  Friedrich,  Stuttgart. 

Helm,  St4ultrath,  Danzig. 

Hering,  Eduard,  Rentner,  Barr. 

Hille.  Dr.,  Assistenzarzt,  Strassburg. 

Himmel stern,  Friedrich,  Stud.  phil , Strassburg. 
Hirsch,  Premierlieutenant,  Strassburg. 

Hetlinger,  I)r„  Univ.-Custos,  Strassburg, 

Hübbe,  Walter,  Lehrer  a.  prob  Gyiunaa..  Strassburg. 
Hü  huch  mann,  Dr.,  Professor,  Strassburg. 

Jieger,  August,  Pfarrer,  Mietesbeim. 

Oft  Jnnke,  Hamitmonn.  Metz. 

Johns  ton,  Theodor,  Dr.,  Milwaukee. 

Kahlbaum.  Dr.,  Direktor  der  Heilanstalt,  Görlitz, 
Kaufmann,  Dr.,  Oberlehrer,  Strassburg. 

Khuen,  liwtit,- Vorsteher,  Strassburg. 

Kleeb,  Bürgermeister-Sekretär,  Hagenau. 

Klein.  Julius,  Ajiot  heiter.  Strassburg. 

Klopfleiseh,  Dr.,  Professor,  Jena. 

Kluge,  Friedrich,  Dr.  phil.,  Cftln. 

Kodil,  Dr..  Arzt,  Pfeddersheim . 

100  Kiehler,  Canonicus,  Strassburg. 

Kraus*.  Dr..  Arzt,  Kirchheim. 

Krause,  Rudolph,  Dr..  Arzt,  Hamburg- 
Krieger,  Joseph.  Dr.,  Kreisarzt,  Strassburg. 

Knill,  Hermiunn,  Kaufmann.  N eubrandenburg. 
Kulm,  Dr.,  Privatdozent,  Strasburg. 

Kussiuaul.  Dr..  Oeheimmth,  Professor,  Strassburg. 
Kut he,  Dr.,  Obeistahnarzt,  Hagenau. 

Strassburg  ausgegebenen  ofticiellen  Kisten. 


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<57 


Liengin.  Georg,  Pfarrer.  Karlsruhe. 

Landauer,  Samnel.  Pr..  Privatdozent,  Straasburg. 
10  von  Lamlwürf,  Premierlieutenant.  Struasburg. 
von  Le  Coq,  August.  Kaufmann,  Damixtadt. 
Lehmann,  Dr.,  Arzt,  Oberkircb, 

Leiber,  Pr.,  Adv.  Anwalt,  8tnwbaig. 

Levy.  Pr..  Arzt.  Hu  genau. 

Lobenhofifer.  Professor.  Stuttgart, 
von  Loehr.  Joseph,  Stud.  jur..  Bonn, 
von  licehr.  Max,  Stud.  jur..  Bonn. 

Lücke,  Pr.,  Professor.  Rektor  der  Universität 
Strus-sbiirg. 

Ludwig,  Friedrich,  Pr.,  Pirektor  der  Realschule 
bei  St.  Johann.  Strassburg. 

20  Martin.  Pr..  Professor,  Strassburg. 

Martini.  Pfarrer.  Auggen. 

Mehlis.  Dr.,  Professor,  Düri-klieim  (Pfalz). 

Meisner.  Pr.,  Arzt.  Sonderbar#. 

Metzenthien.  Pr.,  Arzt.  Stnussburg. 

Meyer.  Han«,  Pr..  Ar/t.  St  ms*  bürg. 

Meyer,  Oskar.  Pr..  rniversitäts-CuHtOH.StniSMbnrg. 
Mit*cher,  LundgcrichUruth,  Strassburg. 

Mook.  I>r.,  Cairo. 

von  Möller,  Kdui*rd,  Pr.,  Oberpribddont.  Straraburg. 
30  Much,  M.,  Pr.  jur.,  Sekretär  der  anthrop.  (Gesell- 
schaft in  Wien. 

Much,  Rudolf,  Stud.,  Wien. 

Mühl,  Gustav,  Pr.,  I'niv.-Bibliothekar.  Strassburg. 
von  Müllenhoim,  Baron.  Huuptmann.  Strassburg. 
Müller,  Emil,  Arzt.  Nancy. 

Müller.  Dr..  Bibliothekar,  Strandburg, 

Xachtigal,  Pr.,  Berlin. 

Nessel.  Bürgermeister.  Hagenau. 

Ohlensehlager,  (iyinnasialprofessor,  München. 
Osawa,  fand.  med.,  Straasburg. 

40  Pauli.  Stud.  jur.,  Strassburg. 

Pavelt.  Pr.,  negierungsruth,  Strasburg. 
Pfannenschmidt,  fleino,  Pr.,  Archivdirekt.,  Colmar. 
Popp.  Pr.,  Arzt,  München. 

Pnnzinger.  August.  Pr..  Sulzburg. 

Ranke,  J..  Pr..  Professor,  Generalsekretär  der 
deutschen  anthrop.  Gesellschaft.  München. 
Rebmann,  Oberförster.  Barr, 
von  Recklinghausen.  Pr..  Professor.  Strass  bürg, 
von  Reichlin.  Friedrich.  Reg.-Assessor  u.  Vertreter 
des  com.  Bürgermeisters.  Strusshurg. 

Richter,  Dr.,  Stabsarzt,  Struexburg. 

ISO  Rattler,  Pr.,  Augenarzt.  Strandburg. 

Roller.  Arzt,  Strusshurg. 

Rose.  Pr.,  Professor.  Strasshuiy. 

Sach«.  Burney,  Pr..  New-York. 

von  Saldern.  Ernst.  Poiizeidirektor,  Strandburg. 

Sarnnw,  Pr.,  Assistenzarzt,  Strandburg. 

Sauter.  Dr..  Professor.  StruHsburg.  , 

Schaaffhausen.  Pr.,  Professor,  Geheimrath,  stellver- 
tretender Vorsitzender  der  X.  allg.  Vers,  der 
deutschen  anthrop.  Gesellschaft.  Bonn. 

Schiedel,  Ludwig.  Pr.  phil..  Realschullehrer, 
Stmubarg. 


Scharlach.  Wilhelm.  Pr.,  Referendar,  Strassburg. 
60  Scheffer.  Alfred,  ('and.  med.  Strasdiurg. 
Schickert,  Pr..  OlierataliKarzt,  Strandburg. 
•Sohierenberg.  G.  A.  B.,  Privatier,  Weinberg. 
•Schimpur.  Pr.  Proiessor,  Stra«sburg. 

•Schiiuper,  Wilhelm,  Pr..  Assist,  am  naturhist. 
Museum,  Strusshurg. 

Schmidt,  Oscar,  Ihr..  Professor.  Strassburg. 
Schmidt.  Karl,  Pr.,  Landgerichtsrath.  Colmar. 
Schmiedeberg.  Pr.,  Professor.  Strusshurg. 
Schmittner.  Buchhändler,  Straxsburg. 

Schmitz.  Carl,  Apotheker,  Letmathe. 

70  Sehmoller.  Professor,  Strusshurg. 

Schneegaiw.  August.  Reichstags  - Abgeordneter, 
Strassburg. 

Scholz.  Pr..  Generulurzt.  Strusshurg. 

Schrickcr.  Pr.,  Senats-Sekretär,  Strassbiirg. 
Schflle.  Pr..  Medicinalrutli,  Illenau. 

Schwab.  Auditor,  Strassburg, 
von  Seidlitz,  Baron.  Mitglied  des  Herrenhauae«. 
Stmssburg. 

Sepp.  Pr.,  Professor,  München. 

Stehle,  Bruno,  Dr.  phiK.  Iteulwdiullebrer.  Strusshurg. 
Steinmann,  Assistent  u.  geogn.  Institut.  St  raus  bürg. 
80  Stilling.  Pr.,  Arzt.  .Strusshurg. 

Straub.  Cunonicus.  Strusshurg. 

Tischler.  Pr.  phil..  Königsberg. 

Toussaint.  Culturingcnieur.  Strassburg. 

von  Trceltsch,  Freiherr,  Hauptmann,  Stuttgart. 

l’hl.  Pr.,  Stabsarzt.  Str,i*aburg. 

Vaihinger.  Hans,  Pr..  Privatdozent.  Strass  bürg, 
van  den  Velden.  Pr.,  Arzt.  Strassburg, 
von  Verdy  du  Vernois,  Generalmajor.  Strassbiirg. 
Virchow.  R„  Pr..  Professor,  Geheimrath,  stellver- 
tretender  Vorsitzeinler  der  X.  allg.  Ves.  der 
deutschen  anthrop.  Gesellschaft,  Berlin. 

90  Vogel.  Vikar,  Strassburg. 

Voigtei.  Pr.,  Rentner,  Cobarg. 

Voss.  Pr..  Assist,  am  Museum,  Berlin. 

Wagner.  Geh.  Hofrath,  Karlsruhe. 

Waideyer.  Pr..  Professor.  Strusshurg. 

Wasserfuhr.  Pr..  Kegierung*rath.  Strassbiirg. 
Wejgond.  Bruno.  Pr.  phil..  Realschullehrer, 
Strassburg. 

Weisser,  Pr..  Arzt,  Strassburg. 

Weisiuaun,  Johann,  Professor.  Schatzmeister  der 
deutKchen  anthrop.  Gesellschaft.  München. 
Wentzel.  Pr.  phil.,  Mainz. 

200  Wieger.  Leo,  Pr.,  Arzt,  Stramlmrg. 

Williams.  Pr.,  Arzt,  Strusshurg. 

Witkowski.  Pr..  Privatdozent,  Strassbiirg. 

Woldt,  Schriftsteller.  Berlin. 

Woll,  Inspektor.  Strandburg, 
von  Wroblewski.  Sigmund.  Pr.,  Privatdozent, 
Strusshurg. 

Zeis*,  Pr.,  Assistent,  an  der  gebnrtshilfl.  Klinik. 
StruKsburg. 

von  Ziemiedsky,  Gen.-Lieutenont,  Strassburg. 
Zintgraf.  Notar,  Landaber#. 


Aus  Strassburg 113 

dem  übrigen  Elsaas-Lothringen 21 

dem  übrigen  Deutschland  63  (bei  der  IX.  allg.  Ver.  44| 

ausserdem  sehe  Theilnehmer 10 

(davon  3 aus  Oesterreich,  je  2 au«  Frankreich 
(Nancy)  und  Nordamerika,  je  1 aus  Egypten, 

Algier,  Schwei*).  “Summ«:  158 


1 


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68 


Allgemeine 

Tn  Strassburg  vereinigten  sich  in  der  2ten 
Augustwoche  1.  Js.  die  Vertreter  und  Freunde  der 
anthropologischen  Wissenschaft  zu  der  X.  allge- 
meinen Versammlung,  welche  wie  die  erste  ( Mainz) 
und  die  IV.  (Wiesbaden)  in  dem  sonnigen  wein- 
umkränzten  Rheingau , welchem  die  Geschichte 
aller  Zeiten  einen  Reichthum  unvergänglicher 
Reste  eingegraben  hat , tagen  sollte.  Die  Zahl 
der  Theilnehmer  war  eine  sehr  bedeutende  und 
wenn  auch  mancher  Name  treuer  wissenschaft- 
licher Genossen , die  wir  schwer  vermissten  , bei 
unserer  diesjährigen  Versammlung  fehlte , so 
wurden  wir  durch  eine  grosse  Zahl  neugewonnener 
Freunde  entschädigt  , welche  sich  hier , eine 
glänzende  Gesellschaft,  um  die  wandernde  Lehr- 
kanzel unserer  Wissenschaft  schaarten, 

Werfen  wir  zunächst  einen  orientirenden 
Blick  auf  das  durch  Strassburg  selbst  darge- 
botene anthropologische  Studienmaterial. 

Die  IX.  allgemeine  Versammlung  in  Kiel 
hatte  an  den  BernsteinkQsten  der  deutschen 
Meere  getagt , dort  wo  in  grauer  Vorzeit  sich 
eine  primitive  Kultur  entwickelt  hatte,  getragen 
in  den  frühesten  Perioden  der  menschlichen  Be- 
siedelung durch  den  Reichthum  an  dem  mit  den 
Metallen  in  technischer  Verwendbarkeit  wetteifern- 
den K u 1 1 u r in  i n e ra  1 des  nordischen  Feuersteins. 
Auf  Grund  dieser  frühzeitigen , im  Verhältnis« 
zum  Hinterlande  höheren  Kulturentwickelung  un- 
serer NordkUsten  und  mit  Benutzung  des  vielbe- 
gehrten brennbaren  Goldes , des  Bernsteins  , den 
das  Meer  damals  noch  in  Centneriasten  mühelos 
lieferte,  konnte  sich  dort  durch  Handelsverbind- 
ungen zu  Land  und  Meer  jene  Metall-  namentlich 
Gold-  und  Bronzekultur  entwickeln  , der  wir  in 
ähnlichem  Reicht  hum  erst  wieder  an  den  Mittel- 
meerküsten, in  den  Sitzen  der  klassischen  Kultur- 
völker begegnen.  Nirgends  in  Deutschland  sind 
die  vorgeschichtlichen  Kulturperioden  des  Feuer- 
steins und  der  Metalle  in  den  überreich  sich 
findenden  Resten  so  klar  präcisirt.  wie  in  den 
dortigen  Sammlungen  und  das  Interesse  der 
Theilnehmer  unserer  IX.  Versammlung  war  da- 
durch vorwiegend  auf  die  ältesten  prähistorischen 
Zeiten  gewendet. 

Aber  das  Ist  ja  klar,  dass  sich  erst  dann  eine  rich- 
tige Schätzung  dieser  entlegenen  vorgeschichtlichen 
Epochen  unseres  Vaterlandes  in  anthropologischer, 
ethnologischer  und  kulturgeschichtlicher  Richtung 
ergeben  kann  , wenn  wir  ihre  zeitlichen  und 
materiellen  Beziehungen  zu  den  Kulturen  der 
klassischen  alten  Welt  erkannt  haben  werden. 


Uebersicht. 

Was  ist  Kulturbegitz  der  ältesten  Bewohner  Deutsch- 
lands? Welche  Kulturerinnerungen  und  -Halft- 
mittel  brachten  die  arischen  Einwanderer,  nament- 
lich Germanen  und  Slaven,  aus  der  asiatischen  Ur- 
heimath  und  ihren  Zwischensitzen  mit  und  wie 
haben  sie  dieselben  entwickelt  ? Was  trugen  ihnen 
die  Verbindungen  mit  den  höher  gebildeten  Völkern 
der  Mittelmeerländer  zu  ? 

Für  das  deutsche  Binnenland  wenigstens  ist  die 
Linie,  von  welcher  aus  die  urgeschichtliche  archäo- 
logische Forschung  vorwärts  und  rückwärts  zu 
schreiten  hat,  die  Periode  der  innigen  Verbindung 
mit  dem  mächtigsten  antiken  Kulturvolk  Europas, 

1 mit  den  Römern.  Sie  rückten  unsere  Gegenden 
in  das  Licht  der  Geschichte ; nach  ihrer  Besieg- 
ung und  Vertreibung  lagert  sich  wieder  zum 
Theil  für  Jahrhunderte  vorgeschichtliche  Nacht 
über  die  einst  von  ihnen  beherrschten  oder  wenig- 
stens beeinflussten  Gauen.  In  Beziehung  auf  die 
Römerzeit  namentlich  kann  sieb  das  Rheinland 
den  norddeutschen  Küsten  in  urgeschicht  lieb- 
archäologischer Bedeutung  kühn  au  die  Seite 
i stellen , und  es  ist  nicht  zufällig , dass  Herrn 
Lindenschmit's  bahnbrechende  Forschungen 
; und  Entdeckungen,  die  das  nordisch-archäologische 
System  fllr  Deutschland  ungestalteten , gerade 
| hier  eingesetzt  haben.  Vor  allem  nach  dieser 
| Richtung  war  der  X.  allgemeinen  Versammlung 
| in  Strassburg  und  Umgegend  reiches  Studien- 
I material  geboten,  welches  den  Blick,  der  an  den 
Küsten  der  Nord- Meere  sich  in  weite  Zeit  fernen 
verloren  hatte  , auf  näher  liegende , zuerst  zur 
j Entscheidung  zu  bringende  Aufgaben  der  deutschen 
| anthropologischen  Archäologie  coneentrirte. 

Noch  eine  zweite  für  die  deutsche  anthropolo- 
gische Forschung  vorzüglich  wichtige  Frage  bietet 
sich  vor  allem  in  den  Rheinlanden  zur  Lösung 
dar:  die  Stellung  der  in  unseren  Gegenden  der  Vor- 
geschichte zuzurechnenden  und  sie  abschliessenden 
fränkisch- alemanischen  Periode  der  Reihengräber 
einerseits  zu  der  niedergeworfenen  Röraerherrschaft. 
andererseits  zu  der  auf  den  Trümmern  der  letz- 
teren liier  und  auf  gallischem  Boden  neu  auf- 
blühenden geschichtlichen  Kultur  der  Merovinger 
und  Carolinger.  Auch  hietlir  hat  unser  Li  nden- 
| sch  m i t im  Rheinland  die  grundlegenden  Ar- 
beiten geliefert  und  wir  dürfen  mit  den  grössten 
Erwartungen  der  nahen  Vollendung  seines  Werkes 
über  die  Merovingerzeit  entgegensehen.  Der  X. 
allgemeinen  Versammlung  bot  sich  auch  in  dieser 
Beziehung  reiches  Belehrungsmaterial  dar. 

An  die  in  Strassburg  befindlichen  der  vor- 


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73 


sionen  nähern  sich  in  wichtigen  Punkten  ihrer 
Vollendung.  Die  Commission  zur  statistischen  Auf- 
nahme der  somatischen  Verhältnisse  der  moder- 
nen Bewohner  Deutschlands,  Vorsitzender  Herr 
Virchow,  konnte  schon  bei  der  VII.  Versamm- 
lung in  Jena  (1876)  mit  der  im  Wesentlichen  vollen- 
deten Statistik , und  deren  kartographischer  Dar- 
stellung, über  die  Farbe  der  Augen,  Haare  und 
Haut  der  deutschen  Schuljugend  hervortreten. 
Die  Hauptresultate  sind  in  dem  Berichte!  jener 
Versammlung  publicirt,  die  definitive  Publikation 
hat  sich  aus  lasseren  und  inneren  Ursachen  ver- 
zögert. Herr  Virchow  legte  nun  der  X.  Ver- 
sammlung im  Aufträge  unseres  hochverehrten 
früheren  Generalsekretärs  des  Herrn  Professor 
Dr.  Ko  lim  an n (Basel)  eine  analoge  Statistik  in 
kartographischer  Ausführung  zunächst  für  21 
Cantonc  der  Schweiz  vollendet,  vor,  bei  welcher 
nach  den  für  Deutschland  befolgten  Grundsätzen 
vorgegangen  war.  *)  Die  V ergleichung  der  Ergeb- 
nisse in  dienern  Nach  barlande  mit  den  in  Deutsch- 
land selbstgewonnenen  gibt  Veranlassung  zur 
Aufstellung  neuer  allgemeiner  Gesichtspunkte 
flir  die  Methode  der  statistischen  Berechnung 
und  deren  Darstellung  in  Kartenform  zunächst 
für  den  braunen  Typus  unserer  Bevölker- 
ung. Eine  hoffentlich  nicht  zu  lange  ver- 
zögerte Statistik  der  österreichischen  Alpenländer 
namentlich  Tyrols  wird  den  schweizerischen  ganz 
analoge  Verhältnisse  ergeben.  Der  braune  Ty- 
pus nimmt  in  der  Richtung  gegen  das  Alpenland 
und  in  diesem  selbst  so  wesentlich  überhand,  dass 
nur  eine  weit  engere  Grenzen  wählende  Classifi- 
cirung,  als  die  für  Deutsehland  bisher  verwendete 
die  hier  obwaltenden  Unterschiede  noch  zum  Aus- 
druck bringen  kann.  Die  Statistik  der  skandi- 
navischen und  unserer  anderen  nördlichen  Nach- 
barländer wird  umgekehrt,  sicher  wenigstens  für 
den  blonden  Typus  , eine  analoge  Erfahrung 
machen  lassen.  Wenn  wir  also  auch  dringend 
die  Vollendung  dieser  wichtigen  Arbeit  für  un- 
ser Vaterland  herbei  wünschen , so  begrüssen  wir 
es  doch  mit  Genugtuung,  dass  für  die  definitive 
Publikation  noch  die  genannten  Erfahrungen  be- 
nützt. werden  können. 

Eine  ausreichende  Statistik  der  Schädelformen 
der  heutigen  Bewohner  Deutschlands  scheint  da- 
gegen noch  für  längere  Zeit  ein  frommer  Wunsch 
bleiben  zu  sollen.  Ueber  den  Stand  der  kranio- 
metrischen  Verhandlungen  mit  den  französischen 
Kollegen  haben  sowohl  Herr  Schaaffhausen 
wie  Herr  Virchow  Berichte  erstattet.  Eine 


•)  Uelsjr  die  Vorgeschichte  dieser  *tutistixch»’n 
Aufnahme  in  der  Schweiz  eff.  in  den  Berichten  der 
VIII,  (S.  und  IX.  (S.  9ÜJ  Versammlung. 


Einigung  Über  die  wesentlichste  Frage:  der  ftlr 
Messungen  zu  verwendenden  Schädel  horizon- 
tale hat  sich  leider  noch  nicht  herbeiführen 
lassen , und  es  ist  zunächst  wenig  Aussicht  zu 
einer  Verständigung  vorhanden:  doch  bleibt  für 
Herstellung  vergleichbarer  Resultate  immer  der 
Comproiniäsweg  offen,  die  Messungen  an  jedem 
Schädel  sowohl  nach  der  deutschen,  als  nach  der 
französischen  Horizontale  auszuführen.  Für  Deutsch- 
land kann  die  Angelegenheit  einer  statistischen 
Aufnahme  der  modernen  Schädelformen  aber  erst 
dann  in  ein  richtiges  Fahrwasser  kommen,  wenn 
die  Verbesserungen  resp.  Vereinfachungen  der 
kraniomet rischen  Methoden  so  weit  vorgeschritten 
sein  werden  , dass  wissenschaftlich  brauchbare 
Messungsresultate  an  Lebenden  auch  von  on- 
thropometrisch  weniger  geübten  Beobachtern  ge- 
wonnnen  werden  können.  Dazu  fehlt  es  noch  an 
einem  ausreichenden  Messinstrument,  welches  die 
Beobachtung  von  der  Geschicklichkeit  des  Beob- 
achters möglichst  unabhängig  und  dabei  rasch 
ausführbar  macht.  Der  bis  jetzt  verwendete 
Stangenzirkel  entspricht  diflNO  Erfordernissen  nicht 
vollkommen,  da  die  richtige  Winkelstellung  des- 
selben sogar  bei  Messungen  an  knöchernen  »Schädeln 
schwierig,  die  Messungen  mit  demselben  daher  mit 
ziemlich  weiten  individuellen  Fehlergrenzen  be- 
haftet sind. 

Herr  Geheiinrath  Professor  Dr.  Ecker, 
welcher  schon  im  Jahre  1870  im  IX.  Band  des 
Archiv’«  eine  Statistik  Über  die  Körpergrösse  der 
Rekruten  in  Baden  geliefert  hat,  brachte  die 
Fortsetzung  dieser  Arbeit  zunächst  für  Bayern 
und  Württemberg  in  Vorschlag;  ein  weitergehender 
Antrag  tür  statistische  Messungen  an  Lebenden 
wurde  auch  von  Herrn  S ch  a aff  h a us  en  ein- 
gebracht (cf.  III.  Sitzung). 

Die  statistischen  Messungen  an  skelettisirten 
deutschen  Schädeln  nehmen  wenn  auch  langsam  doch 
stetigen  Fortgang.  Herr  J.  Ranke  hat  seine  dies- 
bezüglichen Untersuchungen  in  den  Beinhäusern 
in  Bayern  in  neuerer  Zeit  von  dein  altbayeri- 
scheo  Volk  stamm  auch  auf  den  „fränkischen“ 
und  schwäbischen  sowie  auf  die  Bevölkerung  der 
einst  slavischen  Gegenden  Bayerns  ausgedehnt.  Im 
Nachbarlande  Tyrol  arbeitet  in  derselben  Richt- 
ung Herr  Stabsarzt  Dr.  Ra  bel-Rü  ckh  ard  und 
sehr  wichtiges  Material  wurde  für  verschiedene 
deutsche  Gauen  durch  Herrn  Schaaff hausen 
veröffentlicht. 

Herr  Schaaffhausen,  der  Vorsitzende  der 
Commission  zu  Herstellung  eines  Gesammtkata- 
logs  der  kraniologischen  (anthropologischen) 
Sammlungen  Deutschlands , hat  den  bereits  im 
letz  vergangenen  Jahre  im  Archiv  publicirten 

2 


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74 


Messungs-Katalogen  der  Sammlungen  in  Bonn 
und  Göttingen,  die  von  Königsberg  und 
D a rm  Stadt  hinzugefügt  und  weiter  die  Sammlun- 
gen in  G i e s s e n und  Frankfurt  a.  M.  bearbeitet. 
Diese  Sammlungen  enthalten  mehr  oder  weniger 
zahlreich  auch  sogenannte  „deutsche  Schädel“ 
und  zwar  der  Natur  der  Sache  nach  vorwiegend 
aus  der  Umgegend  der  Sanimlungsorte  selbst 
stammend.  Die  Sammlungen  liefen»  sonach  auch 
Material  für  die  deutsche  vergleichende  Schä- 
delstatistik. Doch  darf  man,  worauf  besonders 
Herr  Scbaaffhausen  wiederholt  aufmerksam 
gemacht  hat,  nicht  vergessen,  dass  diese  Schädel 
meist,  von  dem  Secirtische  herstammen,  d.  h.  von 
Leichen  der  ärmsten  körperlich  vernachlässigsten 
Bevölkerungsklassen  sowie  der  in  Gefängnissen 
und  Arbeitshäusern  Gestorbenen,  welche  keines- 
wegs als  wahrhaft  typische  Können  der  Gesammt- 
bevölkerung  gelten  können. 

Die  Commission  für  Herstellung  einer  prähisto- 
rischen Gesummt  kart  e Deutschlands,  Vorsitzender 
HerrF  ra  as,  hatte  zum  ersten  Mal  der  IX.  allgemei- 
nen Versammlung  einen  Karten  entwarf  und  zwar 
den  des  nordöstlichen  Deutschlands  vorgelegt ; die 
X.  Versammlung  sah  einen  Theil  der  Aufgabe 
vollendet  in  jener  schon  erwähnten  prächtigen 
Kartenskizze  von  Süd  Westdeutschland.  Diese  wich- 
tige Leistung  wäre  unmöglich  gewesen , wenn 
nicht  Herr  Fr  aas  in  dem  bekannten  verdienst- 
vollen Kartographen  Herrn  Haupt  mann  Baron 
von  Tröltsch  (Stuttgart)  einen  ebenso  befähig- 
ten wie  aufopferungsf.-oudigen  Mitarbeiter  gefunden 
hätte.  Wir  sind  in  der  Lage , den  Mit- 
gliedern der  Gesellschaft  eine  verkleinerte  Nach- 
bildung der  Karte  in  diesem  Berichte  vorlegen 
zu  können.  Für  Bayern  brachte  Herr  Oh  Um- 
schlag er  (München)  die  drei  schon  erwähnten 
ausgeführten  Blätter  zu  einer  prähistorischen 
Karte  von  Oberbayern. 

Bezüglich  der  sonstigen  wissenschaftlichen  Ar- 
beiten innerhalb  der  Versammlung  verweiseu  wir 
auf  die  folgenden  Verhandlungen. 

Die  äusseren  Verhältnisse  unserer 
Gesellschaft  sind  fortdauernd  höchst  erfreuliche. 

D i e Z a h 1 d e r M i t gl  i ed  er  hatte  schon 
von  der  X.  allgemeinen  Versammlung 
die  Ziffer  2000  überschritten.  In  Folge 
der  Anregung  in  Strassburg  hat  sich  nun  eine 
neue:  die  Elsässisclie  Gruppe  unserer  Ge- 
sellschaft angegliedert,  welche  schon  heute  zwi- 
schen 30 — 40  Mitglieder  zählt.  In  ganz  Deutsch- 
land zeigt  dieGesellschaft  eine  fortdauerndeZunahme. 

Unsere  finanzi  eilen  Arbeitsbedingungen  sind 
in  vortrefflicher  Ordnung,  ebenso  die  regelmässi- 


gen Verbindungen  der  Mitglieder  mit  der  Ge- 
schäftsführung, Dank  der  Sach  kenn  tniss  und  un- 
ablässigen aufopfernden  Sorgfalt  unseres  Herrn 
Schatzmeisters  und  seiner  schönen  Gehülfin.  Die 
verfügbare  Summe  für  das  folgende  Jahr  beträgt 
7740,50  Jf  y wozu  noch  die  Summe  von  5074  JL 
kommt,  welche  für  die  Zwecke  der  statistischen 
Erhebungen  (Virchow)  und  die  prähistorische 
I Karte  (Fr aas)  aus  den  Vorjahren  reservirt  ist. 

Auf  Vorschlag  des  Herrn  Medieinalrath  Dr. 
Brückner  wurde  in  der  IV.  Sitzung  die  V or- 
; stand  schuft  für  das  Jahr  1879;o0  durch  Ak- 
I klamation  wie  folgt  zusammengesetzt: 

I.  Vorsitzender  Herr  R.  Virchow, 

I.  Stellvertretender  Vorsitzender  Herr  A.  Eck  er, 
II.  Stellvertretender  Vorsitzender  Herr  0.  Fr  aas. 

Für  die  Stellen  des  Generalsekretärs  (J.  Hanke) 
und  des  Schatzmeisters  (J.  Weismann)  hatte 
Statuten mässig  in  diesem  Jahre  eine  Neuwahl 
nicht  stattzufinden. 

Von  Seite  des  I.  Vorsitzenden  der  X.  all- 
gemeinen Versammlung  Herr  0.  Fraas  wurde 
als  Versammlungsort  der  XI.  allgemeinen  Ver- 
i Sammlung  für  das  Jahr  1880  die  Reichshaupt- 
1 stadt  Berlin  vorgeschlagen  und  mit  Zeichen  des 
allgemeinen  Beifalls  von  Seite  der  Versammlung 
. acceptirt. 

Durch  Herrn  0.  Fraas  zur  Bezeichnung 
eines  Lokalgeschäfts  ftlhrers  für  die  XI.  all- 
| gemeine  Versammlung  in  Berlin  aufgefordert, 
wurde  von  Herrn  Virchow  mit  Rücksicht 
auf  dio  besonderen  Verhältnisse  und  die  für  die 
XI.  Versammlung  in  Aussicht  stehende  grössere 
Arbeitslast  der  Vorschlag  gemacht,  aus«  ahm s- 
weise  zwei  Lokal  geschäftsführ  er  zu 
wählen,  und  zwar  Herrn  Stadtrath  Fri  ed  el  und 
Herrn  Dr.  Voss  als  die  Vertreter  der  beiden 
Berliner  prähistorisch-archäologischen  Sammlungen. 
Herr  Dr.  Voss,  welcher  der  Versammlung  an- 
wohnte, sprach  sein«  Bereitwilligkeit  zur  Ueber- 
oabtne  der  Geschäftsführung  persönlich  aus ; Herr 
Stadtrath  Fri  edel,  schriftlich  von  der  auf  ihn 
gefallenen  Wahl  in  Kenntniss  gesetzt,  erklärte  eben- 
falls in  der  bereitwilligsten  Weise  seine  Annahme. 

Und  nun  bleibt  uns  schliesslich  noch  die  Auf- 
gabe, allen  Jenen  den  Dauk  der  Gesellschaft  im 
Allgemeinen  und  persönlich  auszusprechen,  welche 
sich  um  das  erfreuliche  Gelingen  unserer  X.  all- 
gemeinen Versammlung  Verdienste  erworben  haben. 

Da  haben  wir  zuerst  unseren  hochverdienten 
LokalgeecbftfUfÜhrer  für  Strassburg  Herrn  Profes- 
sor Dr.  Georg  Gorlund,  den  berühmten 
Ethnologen  zu  nennen,  dessen  liebenswürdige  Für- 
sorge und  Umsicht,  Aufopferung  und  Sachkennt- 


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75 


niss  den  Verlauf  der  Versammlung  getragen  und 
sie  auch  üusorlieh  zu  einer  der  wohlgelungen- 
sten gemacht  hat;  noch  niemals  wurde  der  ge- 
gesehäft  liehe  Theil  glatter  und  befriedigender 
abgewickelt  als  unter  seiner  Leitung.  Liese 
Resultate  waren  aber  nicht  zu  erreichen  gewesen 
ohne  die  hochherzige  Unterstützung,  welche  das 
Unternehmen  in  allen  betheiligten  Kreisen  fand. 
Wir  haben  da  zunächst  Herrn  Domkapitular 
A.  Straub  und  Herrn  Professor  Wald ey er 
sowie  die  Präsidenten  des  Vogesenklubs  Herrn 
Bibi.  Dr.  Eutin  g (Strassburg)  und  Herrn 
E.  Hering  (Barr)  zu  nennen. 

Die  Leser  des  Berichts  werden  sich  erinnern, 
dass  freundliche  Einladungen  au  die  IX.  allge- 
meine Versammlung  von  Seite  der  kaiserlichen 
Regierung  von  Elsoss-Lotb ringen  durch  Herrn 
Oberprftsidenten  von  Möller  sowie  von  Seite 
der  Strassburger  Stadtbehörde  durch  Herrn 
Back,  com.  Bürgermeister  ergangen  waren.  Die 
Worte  des  Letzteren ; „Dass  die  anthropologische 
Gesellschaft  sich  in  Strassburg  des  freundlichsten 
und  entgegenkommendsten  Empfanges  versichert 
halten  dürfte  — insbesondere  würde  es  sich  auch  1 
die  städtische  Verwaltung  angelegen  sein  lassen, 
den  Mitgliedern  der  Gesellschaft  den  Aufenthalt 
in  Strasslmrg  zu  einem  möglichst  angenehmen  i 
und  interessanten  zu  machen“  wurden  in  schön- 
ster Weise  gerechtfertigt.  Die  kaiserliche  Re- 
gierung hatte  eine  namhafte  Summe  dem  Lokal- 
GeschUftsführungsausM-huss  bewilligt  zur  Bestrei- 
tung der  nothwendigen  Hauptausgaben,  wozu 
die  Einnahmen  der  allgemeinen  Versammlungen 
selbst  nicht  ausreichen.  Aus  dieser  Summe  konn- 
ten auch  die  Ausgrabungs-  und  Ausstelluugskosten 
des  Herrn  Domkapitular  A.  Straub  (Weiss- 
thurmthor-Nekropole),  der  Extrazug  nach  Barr 
u.  m.  A.  bestritten  werden.  Von  Seite  der  Stadt- 
verwaltung, welche  hei  Abwesenheit  des  Herrn 
com.  Bürgermeisters  durch  den  Beigeordneten 
Herrn  Buron  von  K eie  hl  in  mit  ausgezeich-  ^ 
neter  Zuvorkommenheit  und  Liebenswürdigkeit  j 
vertreten  wurde , war  das  Sitzungslokal  und  das  i 
Bureau  gegeben  worden,  sowie  das  gliinzendc 
Abendfest  in  dem  Stadthau.se  am  zweiten  Sitz- 
ungstage. Die  Ausgrabungen  auf  dem  Ödilien-  , 
berg  wurden  auf  Kosten  des  Vogesenclubs  be-  I 
werkst elligt.  Die  Universität  war  durch  zahl- 
reiche persönliche  Betheiligung  an  der  Versamm-  j 
lung  sowie  durch  OefTnung  ihrer  Museen  in  her-  i 
vorrugender  Weise  vertreten.  Aus  den  höchsten  I 
Schichten  der  Bevölkerung  wurde  lebhafte  Theil- 
nähme  durch  Besuch  der  Sitzungen  und  Anschluss 
an  die  Ausflüge  bewiesen. 

Alles  vereinigt  sich,  um  die  Tage  von  Strass-  I 


bürg  den  Versammelten  in  bestem  Andenken  zu 
erhalten.  Ernste  energische  Arbeit  wurde  durch 
erhebende  festliche  Standen  unterbrochen.  Die 
Nasskalte  des  vorausgehenden  Sommers  v^ar  war- 
mem Sonnenschein  gewichen,  welcher  ununterbrochen 
wahrend  der  Versammlungstage  glänzte.  Wie 
hell  und  farbig  sind  die  Bilder  , welche  jetzt 
aus  den  Tagen  jenes  rasch  verrauschten  schönen 
Zusammenseins  vor  den  Augen  unserer  Erinnerung 
stehen : dort  sehen  wir  zuerst  das  Denkmal  Erwin 
von  Steinbach's  sich  über  das  niedrigere  Häuser- 
meer erheben ; der  Zug  braust  in  die  Halle ; fröhlichen 
Gruss  tauschen  die  aus  allen  deutschen  Gauen 
zuströmenden  Anthropologen  untereinander  und 
mit  dem  liebenswürdigen  LokalgeschäftsfÜhrer  und 
begrüssen  freudig  die  alte  wiedergewonnene  Reichs- 
stadt. Dann  der  Sitzungssaal  des  Stadthauses  dicht 
besetzt  von  einer  reichen  glänzenden  von  liebens- 
würdigen Damen  geschmückten  Versammlung  voran 
die  höchsten  civilen  und  militärischen  Spitzen  des 
Reichslandes,  die  Vertreter  der  Stadt  und  der  Uni- 
versität. Das  Festmal  mit  seinen  von  Ernst  und 
Laune  getragenen  Trinksprüchen.  Es  klingen  wie- 
der halbverhallend  die  Töne  der  Musikkapelle  in’.s 
Ohr  mit  dem  Rauschen  und  Wogen  der  hoch- 
gestimmten Gesellschaft,  welche  sich  in  den  glän- 
zend erleuchteten  festlich  geschmückten  Pracht- 
sälen des  Stadthauses  bewegt.  Im  raschen 
Wechsel  des  Bildes  stehen  wir  dann  um  den 
aus  dor  Tiefe  befreiten  Sarkopbag  aus  dem  die 
kundige  Hand  der  Forscher  Zeugnisse  einer  alt  ver- 
klungenen Zeit  hervorheben.  Und  wer  erinnnerte 
sich  nicht  mit  freudigem  Behagen  an  jeue  langen 
wohlbesetzten  Tafeln  im  Schatten  der  uralten 
Linden  im  Klosterhofe  auf  dem  Berge  der  heili- 
gen Odilie , wo  wir  so  dankbar  und  froh  nach 
den  heissen  Mühen  des  Bergwegs  uns  von  den 
freundlichen  Klosterschwestern  in  der  Ordenstracht 
des  heiligen  Franziscus  bedienen  Hessen.  Der  Weg 
an  don  geöffneten  Hügeln  vorbei,  der  bemoosten 
Mauer  entlang,  der  Blick  von  der  steilen  Hoch- 
warte  des  Mennelsteinos  weit  über  die  sanften 
waldgrünen  Borgwellen  der  Vogesen,  hinab  in 
das  reizeud  von  glänzendem  Sonnennebel  halbver- 
hüllte Rheinthal  begrenzt  von  den  blauen  Linien 
der  Schwarzwaldborge.  Dann  der  Abstieg.  Noch 
einmal  ein  letztes  tthermüthiges  Aufspru- 
deln der  Laune  bei  dem  schäumenden  kühlen 
Trunk  in  der  Waldhütte;  nun  durch  Waldes- 
schatten zur  Ruine,  — dann  beginnt  es  zu 
dunkeln.  Barr  ist  erreicht  — es  kommt  der 
Abschied  von  den  alten  und  den  neu  gewonnenen 
Freunden : 

Auf  frohes  glückliches  Wiedersehen! 

o* 


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Die  der  X.  allgemeinen  Versammlung  vorgelegten  Bücher  und  Schriften: 

L Herr  Pr ofesaor  Dr.  Friedrieh  Bergmann  (Strassburg)  hatte  die  X.  allgemeine 
Versammlung  durch  die  Widmung  einer  Festschrift  geehrt:  Thesen  zur  Er- 
klärung der  natürlichen  Entstehung  der  Ursprachen.  Der  geehrten  Generalversamm- 
lung der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  in  Strassburg  vorgelegt  von  Professor  Dr.  Fried  rieh 
Bergmann.  Strassburg.  Buchdruckerei  von  G.  Fischbach  1879. 

Weiter  wurde  der  Versammlung  vorgelegt: 

2.  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns.  Organ  der  Mün- 

chener Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte.  Herausgegeben  von  W.  Gümpcl, 
J.  Kollmann,  F.  Ohlenschlager,  J.  Hanke,  N.  Rlldinger,  J.  Würdinger,  C.  Zittel.  Redaktion  Johannes 
Ran  ko  und  N.  Rlldinger.  München.  Literarisch-artistische  Anstalt  (Th.  Riedel),  vormals  Cotta’ - 
sehe  Buchhandlung.  II.  Bd.  Heft  3 und  4.  1878/79. 

3.  Congr^s  international  des  Am^ricanistes.  Troisieme  session.  — Bruxelles  du  23  au  26 
Septembre  1879.  Programm. 

4.  Cypern.  Seine  alten  Städte,  Gräber  und  Tempel.  Bericht  über  zehnjährige  Forschungen 
und  Ausgrabungen  auf  der  Insel  von  Louis  Palma  di  Cesnola.  Autorisirte  deutsche  Bear- 
beitung von  Ludwig  Stern.  Mit  einem  Vorwort  von  Georg  Ebers.  Mit  mehr  als  500  in 
den  Text  und  auf  96  Tafeln  gedruckten  Holzschnitt-Illustrationen,  12  litbographirten  Schrift-Tafeln 
und  2 Karten.  Erster  und  zweiter  Thcil.  Jona.  Herrmann  Costenoble  1879. 

5.  Handelmann  H. : Sechsunddroissigster  Bericht  zur  Alterthumskunde  Schleswig-Holsteins: 
Mit  Holzschnitten.  Kiel  1879.  Druckerei  C.  F.  Mohr. 

G.  Derselbe:  Schleswig-Holsteinisches  Museum  vaterländischer  Altertbümer.  Abtheilung  Stein- 
und  Bronze-Alter.  Mit  Titelvignette  und  43  Holzschnitten.  Kiel.  Schwere* »che  Buchhandlung. 

7.  Materialien  zur  Vorgeschichte  des  Menschen  im  östlichen  Europa.  Nach 
polnischen  und  russischen  Quellen  bearbeitet  und  herausgegeben  von  All» in  Koh  n und  Dr.  0.  Mehlis. 
Erster  und  zweiter  Band.  Mit  32  Holzschnitten , 6 lithographirten  Tafeln  und  einer  archäolog- 
ischen Fundkarte.  Jena.  Hermann  Costenoble.  1879. 

8.  Mehlis,  C.,  Dr. : Das  Grabhügelfeld  bei  Hagenau  und  seine  Bedeutung  für  die  Kulturge- 
schichte. — Aus  Kosmos,  III.  Jahrgang,  Heft  5. 

9.  Noetling,  F.,  z.  Z.  in  Berliu:  Ueber  das  Vorkommen  von  Ricseukesscln  im  Muschel- 
kalk von  Rüdersdorf  Mit  2 Tafeln.  — Aus  der  Zeitschrift  der  deutschen  geolog.  Gesellschaft. 
Jahrgang  1879. 

10.  Pansch,  Ad.:  Einige  Bemerkungen  über  den  Gorilla  und  sein  Hirn.  Separatabdruck. 

11.  Pollichia.  XXX VT.  Jahresbericht.  Herausgegeben  vom  Ausschüsse  des  Vereins. 
Dürkheim  a.  d.  Hart.  Buchdruckerei  von  J.  Rheinberger.  1879. 

12.  Schaaffbausen:  Zehn  Lappländer  in  Deutschland.  Aus  dem  Archiv  für  Anthropologie. 
Band  XII. 

13.  Derselbe:  Die  Post.  Essai  sur  le  nez,  par  E.  D.  (Desor).  Loile  1879.  Referat.  Am 
angegebenen  Ort. 

14.  Derselbe:  Referate  über  die  Verhandlungen  gelehrter  Gesellschaften  und  Versammlungen. 
Ara  angegebenen  Ort. 

15.  Tischler,  0.:  Ostpreussische  Gräberfelder,  III.  Mit  5 zum  Thcil  chromolithogiaphirten 
Tafeln.  Königsberg  1879.  In  Kommission  bei  W.  Kocl». 

IG.  Virchow,  R. : Verhandlungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie 
und  Urgeschichte  1878/79. 


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77 


II. 

Verhandlungen  der  X.  allgemeinen  Versammlung. 

Erste  Sitzung. 

I nhalt  : Eröffnungsrede  des  L Vorsitzenden  Herrn 0. Fraa*.—  BegrüssungsmlevonSeito  de*  städtischen  Magistrats 
dnrch  den  Herrn  Beigeordneten  Haron  von  Keichlin.  — Begrn**ung»rede  de*  Herrn  G.  (I  er  1 and, 
Lokalgeschäftsfllhrer  der  X.  allgemeinen  Versammlung.  — Wissenschaftlicher  Bericht  über  die 
Leistungen  der  deutschen  anthropologischen  Forschung  in»  letzt  verflossenen  Vereinsjabro  durch  den  General- 
sekretär Herrn  J.  Ranke.  — Kassenbericht  des  .Schatzmeister*  Herrn  W e i u ra a nn.  — Geschäftliches 
dnrch  den  I.  Vorsitzenden  Herrn  O.Frua«.  — Berichterstattun  g der  Commissionen  .durch  die 
Vorsitzenden  derselben,  diellerren  O.  Fr  aas  und  Schaaff  hausen.  — LComnimissionsbericht. 
Aber  die  Fortschritte  der  Herstellung  einer  prähistorischen  Fundkarte  ffir 
Deutschland  durch  Herrn  0.  Fraa«.  Daran  anschliessend : 1.  Herr  Baron  von  Troeltsch: 

1»riihi.storische  Fundkurte  von  Sfldwest- Deutschland.  2.  Herr  Oh  len  Schlager:  prühi«toriselio 
’undkarte  von  Olierbayern.  3,  Herr  Wagner:  (Karlsruhe)  ül>er  präli  »torische  Funde  in  Boden.  — 
11.  CommisHionsbericht  ttbpr  die  Fortschritte  der  Herstellung  eines  Gesamuit- 
kutalogs  der  kraniologischen  Sau»  m lungen  in  Deutschland  durch  Herrn  Sehaaff- 
hausen. 

Per  Präsident  Herr  ö.  Fraas  eröffnet©  di©  I herigen  Wege , und  in  ähnlicher  Weise  die  Na- 
Sitzung  Montag,  den  11.  August,  Vonnittags  j turgeschichte  des  Menschengeschlechtes  zu  schrei  - 
9 Uhr  mit  folgendem  Vortrag: 

H o c h (i  n s e h n 1 i c h e Versammlung! 

Wenn  es  jetzt  meines  Amtes  ist,  als  diesjähriger 
I.  Vorstand  der  deutschen  anthropologischen  Gesell- 
schaft die  zehnte  Generalversammlung  hier  in  Strass-  Zeiten  wo  Geschichtliches  und  Sprachliches  auf- 

burg  zu  eröffnen,  so  gestatten  Sie  mir  wohl  einen  hört,  und  nichts  mehr  uns  Zeugnis»  giebt.  von  der 

kurzen  Rückblick  auf  das  vergangene  Jahrzehnt,  in  | Existenz  des  Menschen , als  die  oft  ärmlichen 
welchem  das  Kindlein  unserer  Gesellschaft  gross  ] von  Knochen  und  Werkzeugen,  die  aus 

geworden  ist,  um  heute  als  zehnjähriger  kräftiger  | dem  Boden  ausgegraben  werden. 

Junge  Ihnen  vor  Augen  zu  treten.  Sie  wissen  I So  trat  die  Anthropologie  seit  etwa  10  Jäh- 
es Alle  recht  wohl,  namentlich  die  Aelteren  unter  I ren  in  ein  verändertes  Stadium  ein.  Der  erste 
uns,  was  man  früher  unter  „Anthropologie“  ver-  | Anstoss.  das  Prineip  der  Association,  welches  auf 
standen  hat,  und  wie  uns  noch  in  unserer  Jugend  wirtschaftlichem  Gebiete  eine  so  grosse  Rollo 

auf  den  gelehrten  Schulen  Anthropologie  gelehrt  spielt , auch  auf  das  der  Wissenschaft  zu  über- 
wurde. Man  sprach  da  von  einer  Körperlehre,  j tragen,  ging  von  der  Pariser  Weltausstellung  im 

um  Uber  die  Funktionen  des  menschlichen  Kör-  | Jahre  1867  aus,  dann  folgten  London  und  Mn- 

pers,  anfreehten  Gang,  Bildung  der  Hand,  Stell-  drid,  endlich  traten  auch  im  Mär/  1869  Vertre- 

ung  des  Daumens  u.  s.  w.  sprechen  zu  können : I ter  der  deutschen  Wissenschaft  in  Mainz  zusam- 
ferner  von  Seelenlehre,  um  über  die  Eigenschaften  men.  Somit  ist  Mainz  die  Geburtsstättc  unserer 

der  Seele,  das  Erkennen,  Fühlen  und  Wollen  im  Gesellschaft,  wo  am  1.  April  1869  eine  Anzahl 

Sinne  aristotelischer  Philosophie  sich  ergehen  zu  Vertreter  lokaler  Vereine,  die  miteinander  523 

können.  Immer  dachte  man  sich  dabei  die  | Mitglieder  zählten,  zur  Constituirung  eines  deut- 
Menscbbeit  als  fertiges  Ganzes,  das  man  erst  zu  sehen  Verbandes  zusammentraten.  Die  isolirten 

zergliedern  hatte , um  auf  die  einzelnen  Theile  Vereine  sollten  innerhalb  dieses  Verbandes  unter 

zu  sprechen  zu  kommen.  Seit  aber  die  Zoologie  sich  Fühlung  bekommen  unter  Anschluss  an  das 

und  Paläontologie  angefangen  haben,  die  organische  von  Ecker  und  Lindenschniit  gegründete  Archiv 

Welt  nicht  als  eine  abgeschlossen  fertige  anzu-  für  Anthropologie.  Damit  fing  ein  neues  Loben 

schauen,  sondern  als  eine  in  steter  Entwicklung  in  der  anthropologischen  Wissenschaft  an.  Wenn 

und  Entfaltung  begriffene  zu  erblicken,  seit  diese  auch  von  843  Mitgliedern,  welche  die  Gesellschaft 

Disciplinen  rückwärts  greifen  und  der  Pa-  im  2ten  Jahre  zählte,  nur  eine  mässige  Anzahl  Ver- 

lüontologe  aus  d£n  ausgegrabenen  Resten  treter  zu  der  I.  General-Versammlung  in  Sc  h wc- 

im  Boden  eine  Stufenleiter  des  Lebens  er-  rin  erschien,  um  an  dem  Ort  der  alten  nordischen 

stellt,  die  in  der  Jotztwelt  gipfelnd  in  der  Vor-  Steindenkmäler,  im  Anschluss  an  die  weiter  fort- 

zeit  fusst,  seitdem  dachte  sich  auch  der  Antliro-  geschrittene  skandinavische  Alterthumskunde  ihre 

pologe,  dass  er  umkehren  müsse  auf  dem  seit-  Studien  zu  machen  so  wurde  doch  die  Schweri- 


ben  habe.  Konnte  es  sich  doch  nicht  mehr  darum 
handeln,  das  Menschengeschlecht  als  geschaffenes 
fertiges  Ganze  anzusohen  und  in  seine  Theile  zu  zer- 
gliedern , soudern  rückwärts  zu  greifen  in  dio 


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78 


ner  Versammlung  dadurch  bedeutungsvoll , dass  | 
die  Gesellschaft  hier  Normen  aufstellte,  wodurch  I 
sie  ihrer  eigentlichen  Aufgabe  sieh  bewusst  wurde. 
Zu  diesem  Zwecke  setzte  sie  3 Kommissionen  nie-  , 
der , deren  erste  die  bemerkenswerthesten  prähi-  I 
storischen  Ansiedlungen,  Befestigungen,  Pfahlbau-  I 
ten , Höhlenwohnungen,  Gräber  und  Grabfelder  i 
topographisch  und  kartographisch  feststellen  sollte,  ■ 
während  die  zweite  eine  Statistik  der  Sehüdelfor-  , 
men  in  ganz  Deutschland  nach  einer  übereinstim- 
menden Methode  der  Schädelmessung  aufzustellen 
hätte.  Sie  sollte  die  Aufgabe  haben  durch  Unter- 
suchung der  Gräberfunde  die  vergangenenGoschleeh- 
ter  und  durch  eine  Statistik  der  lebenden  Formen 
den  deutschen  Rassenschädel  zu  eonstruiren.  Die 
dritte  Kommission  endlich  sollte  alles  anthropolo- 
gische Material  zusaramenstellcn,  das  in  den  öffent- 
lichen und  privaten  Sammlungen  unseres  Vater- 
lands vorhanden  liegt.  Zugleich  wurden  sKtnmt- 
liche  deutsche  Regierungen  um  wirksame  Maß- 
regeln zum  Schutz  hervorragender  prähistorischer 
AlterthOmer  behufs  wissenschaftlicher  Erforschung 
und  jeweiliger  oder  beständiger  Erhaltung  an- 
gegangen. So  waren  die  Aufgaben  präcisirt,  als 
die  dritte  Versammlung  nach  Stuttgart  kam. 
Die  Mitgliederzahl  war  bereits  auf  1358  gestie- 
gen. Die  Organisation  der  Gesellschaft  in  einer 
Reihe  von  Zweigvereinen  ohne  einen  festen  Vor- 
ort Hess  die  einzelnen  Provinzen  dos  neuen  deut- 
schen Reichs  in  ihrer  vollen  eigenartigen  Beroch-  I 
tigung.  Das  Absehen  von  einem  beantragten 
Central  in  useum  der  Gesellschaft,  die  Verfügung 
über  flüssige  Geldmittel  zu  Zwecken  der  Ausgra- 
bung in  allen  Theilen  Deutschlands,  die  objective 
Behandlung  schwebender  Fragen  der  Wissenschaft 
fern  von  extremen  Richtungen  Hessen  ganz  ent- 
schieden auf  die  Lebensfähigkeit  des  jungen  Ver- 
eins schließen,  Man  merkte  daher  schon  bei  der 
4t**n  Versammlung  in  Wiesbaden  (1472  Mit- 
glieder), dass  das  Kindlein  unserer  Gesellschaft 
nicht  an  der  Kindersterblichkeit  zu  Grunde  gehen 
werde.  Zwar  wurden  verschiedene  principielle 
Fragen  hier  nicht  ohne  Animosität  besprochen, 
die  Geister  rieben  sich  in  C’ontroversen,  aber  wir 
können  sagen,  es  trug  die  Gesellschaft  wie  immer 
so  auch  hier  eine  Frucht  der  Versammlung 
mit  nach  Hause.  Bereits  neigte  sich  der  Schwer-  I 
punkt  des  gesellschaftlichen  Ströhens  nach  der  , 
Urgeschichte  hin.  Befassten  sich  doch  die  mei-  ! 
sten  kraniologischen  Arbeiten  mit  den  Gräberschä-  I 
dein  aus  alter  Zeit  und  drängte  sich  die  Frage 
nach  dem  germanischen  Urschftdel  und  der  deut- 
schen Urrasse  in  den  Vordergrund.  Am  eingeh- 
endsten kam  diese  Frage  auf  der  Sten  Dresde-  | 
ner  Versammlung  zum  Ausdruck.  Hier  trat 


denn  auch  die  Unvollständigkeit  des  zur  Vergleich- 
ung vorliegenden  Materials  erst  recht  ans  Licht, 
namentlich  die  Unkenntnis»  des  lebenden  deut- 
schen Schädels  und  der  innerhalb  Deutschlands 
vorhandenen  deutschen  Rasse.  In  Folge  dessen 
erkannto  man  die  Nothwendigkeit  einer  statisti- 
schen Erhebung  über  die  Farbe  der  Augen,  Haare 
und  Haut  zunächst  bei  der  deutschen  Schuljugend. 
Um  dieso  Frage  drehte  sich  vorzugsweise  die 
Diskussion  in  Dresden  und  auch  noch  bei  dor 
sechsten  Versammlung  zu  München,  auf  wel- 
cher dio  kraniologische  Frage , ob  man  sich  bei 
der  Schädelbestimmung  auf  rein  zoologischen 
oder  zugleich  auf  ethnographischen  Standpunkt 
stellen  solle , oben  an  stund ; glücklicherweise 
trat,  eine  kritisch  objective  Methode  der  spekuli- 
renden  Neigung  zu  subjektiver  Auflassung  erfolg- 
reich gegenüber.  Hatte  man  sich  doch  hier  spe- 
ziell die  Aufgabe  gestellt,  alles  Unsichere  möglichst 
auszuscheiden  und  nur  das  aufzunehmen , was 
durch  eine  hinlängliche  Fälle  von  Beweisen  als 
festgestellt  angesehen  werden  kann.  Dio  7.  Ver- 
sammlung tagte  bei  einer  Mitgliederzahl  von  1632 
in  J e n a.  Angesichts  des  reichen  wissenschaftlichen 
Materials  , das  die  thüringischen  Staaten  in  dem 
neu  gegründeten  germanischen  Museum  bieten, 
klangen  wohl  auch  die  in  München  angeschlage- 
nen Saiten  noch  nach,  und  trat  sich  in  dor  Schä- 
delfrage der  rein  zoologische  und  ethnologische 
Standpunkt  gegenüber ; einzelne  Fragon  wie  die 
Keltenfrage  wurden  selbst  nicht  ohne  Missklang 
debattirt.  In  Betreff  der  skandinavischen  prähi- 
storischen Drcithcilung  aber  einigte  sieb  die  grosse 
Mehrheit  dahin,  dass  die  nordische  Trilogie  auf 
Deutschland  keineswegs  in  vollem  Maose  angewendet 
werden  dürfe.  Auf  dor  8ten  Versammlung  in  C o n - 
stanz  bewegten  sich  dio  Verhandlungen  fast  aus- 
schliesslich um  die  Steinzeit,  von  der  urältesten 
Höhlenzeit  herab  bis  zu  der  jüngoron  Steinzeit  der 
süddeutschen  Pfahlbauten  ; in  den  Höhlen  des  nahen 
Jura  wurden  Fingen  nach  uräl  fester  Kunst  und 
Industrie  zum  Austrag  gebracht,  die  zu  den  wich- 
tigsten gehören  und  an  die  Forschungen  in 
Frankreich  und  Belgien  anschlossen.  Aecbtes  und 
Falsches  wurde  hiebei  auseinander  gehalten  und 
eine  merkwürdig  entwickelte  Kunstfertigkeit  im 
Schnitzelu  von  Renngeweih  und  schwarzem  Bern- 
stein erkannt.  Endlich  tagte  im  vorigen  Jahre  die 
9te  Versammlung  in  dem  meerumschlungenen  Lande, 
in  Kiel  und  in  den  beiden  grossen  Handelsempo- 
rien  des  Nordens,  Hamburg  und  Lübeck.  Hier 
wurde  die  Gesellschaft  neben  dem  deutschen  anthro- 
pologischen Material  mit  einer  solchen  Fülle  Materials 
aus  der  ganzen  Welt  beglückt,  dass  diese  Ver- 
sammlung einen  weit  über  Deutschland  hinaus- 


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79 


greifenden  Charakter  angenommen  hat,  ohne  sieh 
speziell  mit  einem  Thema  besonders  abzugeben. 
In  der  Frage  der  deutschen  Hasse  wurde  bedeu- 
tungsvoll auf  das  Hereinragen  «lavischer  Elemente  l 
hingewiesen.  Und  so  kommen  wir  denn  heute, 
nachdem  die  Zahl  der  Mitglieder  auf  mehr  als 
2000  angewachsen  ist,  vertrauensvoll  in  das 
alt  deutsche  nach  200 jährigen  Abfall  wieder  neu 
gewonnene  Eisass,  hierher  in  das  freundliche 
Strassburg,  den  alten  Völkersteg  wo  östliche  j 
und  westliche  Männer  des  arischen  Stammes  ! 
wechselten,  um  einen  Stamm  im  Eisass  zu  grün-  I 
den,  der  an  sich  urdeutsch,  jedenfalls  nach  allen  | 
seinen  Verhältnissen  des  Hodens,  der  Kultur,  der 
Gewohnheiten  und  Bedürfnisse  des  Leben«  sich 
an  die  südwestliche  Ecke  des  deutschen  Reichs 
auf  natürlich-organische  Weise  anschliesst.  Ein 
Blick  auf  die  ausgestellte  Karte,  über  welche  im 
Laufe  der  Verhandlung  noch  besonders  gesprochen 
werden  wird,  zeigt  Ihnen  , was  Sie  im  Eisass  zu 
erwarten  haben.  Es  ist  ein  Land,  das  seit  lange  Zeit 
schon  durch  treffliche  für  ihre  Heimat  begeisterte 
Männer  bebaut  ist.  Haben  doch  erst  im  letzten 
Jahre  die  Herren  Bleicher  und  Faudel  die 
»chätzenswerthesteu  Mittheilungen  (materiaux  pour 
une  etude  prehistorique  d’Alsase)  veröffentlicht, 
so  dass  uns  in  der  Karte  bereits  ein  Ueberblick 
über  das  Land  geboten  ist,  dessen  vt?rschiedene 
Theile  sich  von  selbst  in  das  prähistorische  Sy- 
stem Deutschlands  einreihen.  Der  Schwerpunkt 
der  elsässer  Prähistorie  d h.  die  Fülle  alter  Denk-  ; 
male  fällt  in  das  fruchtbare , reich  bewässerte 
Hügelland,  das  südlich  durch  den  Lauf  der  Brensch 
begrenzt  ist,  östlich  durch  die  Linie  Strassburg, 
Hagenau , Niederbronn  und  westlich  durch  die 
Vogesen.  Dort  treffen  wir  die  wichtigsten  Reste  | 
aus  den  ältesten  Gräbern  der  Bronze-  und  Eisen- 
zeit und  der  jüngeren  Steinzeit,  während  die  äl- 
tere Steinzeit  in  das  südliche  Sundgau  fällt.  Hier 
haben  die  Herren  Tb  i essin  g und  Stoffel  vor- 
gearbeitet, welche  in  den  Grotten  von  Oberlarg 
und  in  der  Liesbergbohle  an  der  Birs  eine  voll- 
ständig arktische  Fauna  vergesellschaftet  mit  äl- 
testen Resten  von  Menschen  fanden.  Am  Oberlauf 
der  Moder  haben  die  Herrn  Schnöringer,  Dr. 
Rauch  und  Jäger  eine  Reihe  ähnlicher  Reste  aus 
der  Steinzeit  gefunden  und  was  die  Herrn  J acobi 
in  der  Nähe  von  Strassburg,  Herr  Stoffel  in  Gal- 
fingen, Herr  K übler  in  Franken  und  Jettingen 
bei  Hflningen  und  Mühlhausen  fanden,  davon  be- 
kommen wir  vielleicht  im  Laufe  dieser  Tage  et- 
was zu  hören.  Aermer  an  Prähistorie  ist  das 
Hügelland  in  der  grossen  Ebene  zwischen  Hünin- 
gen  und  Strassburg,  zwischen  Rhein  und  Vogesen  j 
mit  alten  und  modernen  Rheinalluvionen,  welches  j 


als  altes  Ueberschwemmungsgobiet  anzusehen  ist, 
floss  doch  noch  zu  Cäsar's  Zeiten  der  Rhein  bei 
Mühlhausen.  Noch  ärmer  über  ist  das  Hochge- 
birge der  Vogesen  selbst,  die  Gegend  der  grossen 
Forste  bis  zum  Kamme  des  Gebirges,  eine  Gegend, 
welche  noch  im  1'2.  Jahrhundert  als  unheimliches 
Labyrinth , als  düstere  unzugängliche  Wildniss 
verschrieen  war , deren  nächtliches  Dunkel  wohl 
das  Heim  wilder  Thiere,  aber  keinen  Wohnsitz 
für  Menschen  bildete.  Sonst  wurden  im  Eisass 
die  meisten  fler  jüngeren  Steinzeit  entstammenden 
Funde  in  der  Ackererde  von  den  Bauern  gemacht, 
daher  die  Steinbeile  als  Strahlsteine,  Donnersteine 
und  Donnerkeile  etc. , sich  in  den  Glauben  des 
Volkes  verwoben  haben.  Was  sonst  noch  für 
Funde  aus  früher  Zeit  gemacht  wurden,  darüber 
werden  unsere  hiesigen  Freunde  heute  und  mor- 
gen noch  Mittheilung  machen. 

Ich  kann  diesen  kurzen  Ueberblick  nicht 
schliessen,  ohne  den  ältesten  Referenten  über  el- 
sässische  Verhältnisse  zu  citiren,  den  alten  Seba- 
stian Münster  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts, 
.der  seine  Beschreibung  des  Elsasses  mit  folgenden 
Worten  schliesst  „dass  ich  es  im  kurtzem  sage, 
es  ist  in  dem  gatitzeu  deutschen  luud  kein  ge- 
genlieit,  die  diesem  Eisass  mag  verglichen  werden. 
Im  Sundgau  wächst,  ein  gross  gut  von  körn,  an 
den  bergen  kocht  sich  der  gut  wein  und  uf  der 
Ebene  viel  fruchtbare  olistbäum,  man  findt  auch 
ganze  wäld  mit  käatenbänmen  uf  den  bergen.  Eben 
da  findt  man  köstlich  silber  im  Leberthal  do  nit  min- 
der denn  30  Silbergruben  sind  und  was  köstlich 
waid,  das  zeigen  die  guten  Münsterkäs,  so  man 
draus  bringt.“  Weniger  schmeichelhaft  ist,  was  der 
alte  Kosmograph  über  die  Elsässer  sagt : „Das  volck 
aber,  so  da  drinnen  wohnt,  verzecht  gemeiniglich  all 
sein  Gut,  spart  nichts  in  Zukunft  und  wenn  ein- 
mal durch  kälte,  reif  oder  krieg  Unfall  kommt, 
leiden  sie  mangel.  Man  findet  nicht  einerlei,  son- 
dern mancherlei  volck  in  diesem  lande.  Aus 
Schwaben,  Bayern,  Lothringen  und  Burgund  kom- 
men sie  daher  gelaufen  und  kommen  selten  wieder 
daraus.  Die  Schwaben  aber  werden  am  meisten 
da  funden.  Auch  sind  trefflich  viele  kör  per  der 
heiligen  im  Eisass  genug  zu  sehen , wie  auf 
Hohenburg  zu  St.  Ottilien  u.  s.  w.“ 

An  den  letzten  Ort  wollen  auch  wir  in  den 
nächsten  Tagen  pilgern,  um  die  Körper  der  hei- 
ligen Wissenschaft  uns  dort  näher  anzusehen  und 
von  der  Höhen  herabzublicken  auf  dies  schöne 
Land  und  mit  dem  Dichter  zu  sprechen : 

„Des  Eisass  unser  Lände) , des  isch  meineidi 
sch  een, 

Mer  hebe’s  fest  am  Bändel  und  lan’s  by  Gott 
net  gehn.“ 


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80 


Freiherr  von  Iteirhlin  Meldegg: 

Hochverehrte  Versammlung! 

Gestatten  Sie  mir,  dass  ich  Sie,  ehe  Sie  Ihre 
Verhandlungen  beginnen,  im  Namen  der  Stadt 
Strassburg  und  in  Vertretung  des  leider  am  Er- 
scheinen verhinderten  Herrn  Bürgermeistereiver- 
wnlters  in  diesen  Räumen  mit  wenigen  Worten 
willkommen  heisse.  Ihr  Beschluss  unserer  Ein- 
ladung, Ihre  X.  Versammlung  hier  abzuhalten, 
Folge  zu  leisten,  hat  uns  hoch  erfreut.  Seien 
Sie  überzeugt , dass  wir  Ihnen  herzlichstes 
Willkomm  entgegenbringen  und  Ihren  Verhand- 
lungen mit  reger  Theilnahme  folgen  werden.  Mö- 
gen diese  Tage,  die  Sie  hier  verleben  werden,  nicht 
nur  dazu  dienen,  Ihre  bewährten  Erfahrungen 
auf  edlem,  wissenschaftlichem  Gebiet  zu  fördern, 
mögen  dieselben  auch  dazu  dienen , Ihnen  noch 
nach  langer  Zeit  eine  freundliche  Rückerinnerung 
an  unser  schönes  Strassburg,  an  unser  herrliches,  1 
blühendes  Eisass , und  an  die  Sympathien  zu 
bieten , die  wir  Ihnen  so  warm  entgegentragen. 

In  diesem  Sinne  rufe  ich  der  beginnenden  X.  General- 
versammlung nochmals  ein  freudiges  Willkommen 
in  Strassburg  zu. 

Herr  Gotland  (LokalgeschäftsfÜhrer) : 

Hochverehrte  Anwesende! 

Indem  ich  als  Geschäftsführer  der  X.  General- 
versammlung der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  hier  auftrete,  um  Sie  in  unserer 
Stadt  Strass  bürg  herzlich  willkommen  zu 
heissen,  so  thue  ich  das  mit  hoher,  ja  ich  glaube 
sagen  zu  dürfen,  mit  ganz  besonders  berechtigter 
Freude.  Mir  ist  es  vergönnt  als  eingesessenem 
Strassburger,  die  erste  allgemeine  Versammlung 
deutscher  Gelehrter  zu  begrüssen,  welche  auf 
dem  gerade  für  uns  Anthropologen  und  Prä- 
historiker so  besonders  klassischen  Boden  des 
Elsasses  und  seiner  ruhmvollen  und  herrlichen 
Hauptstadt  Strassbur  g tagt.  Dass  ich  mich 
dieser  Begrüssung  als  eines  der  schönsten  und 
unverhofftesten  LeWnsereignisses  freue,  das,  meine  1 
Herren , werden  Sie  begreifen : denn  Sie  fühlen 
ja  so  gut , wie  ich , welch  ein  historisch  unge- 
heurer Inhalt  in  dem  kurzen  Wort  liegt:  wir 
deutsche  Anthropologen  tagen  in  Strassburg. 

Und  soll  es  uns  Strassburger  nicht  erfreuen, 
eine  solche  und  so  zahlreiche  Versammlung  will- 
kommen heissen  zu  können,  die  aus  allen  Theilen 
Deutschlands,  aus  Oesterreich,  der  Schweiz,  trotz 
der  mit  uns  gleichzeitig  tagenden  Schweizer 
Natu rforsch er v ersa m m 1 ung , hierher  zusammenge- 
strömt ist?  Und  nicht  blos  das;  auch  fernere 
I>änder  nehmen  Theil  an  unseren  Bestrebungen. 
Zwar  scheint  uns  leider  die  Stadt  des  Priamos, 


scheint  uns  Troja  seinen  verheissenon  Vertreter 
dennoch  vorenthaltcn  zu  wollen  : dafür  aber  sendet 
uns  Centralafrika,  senden  uns  die  Staaten  Bornu, 
Wadai , Bagirmi  ihren  ruhmreichen  Erforscher, 
dessen  belehrenden  Worten  wir  hoffentlich  lauschen 
dürfen. 

So  werden  Sie  uns  viel  des  Interessantesten 
bieten.  Was  aber  — und  diese  Frage,  lassen  Sie 
mich  es  gestehen,  thue  ich  nicht  ohne  eine  gewisse 
Bangigkeit  — was  bieten  wir  Ihnen?  Zwar 
kommt  Ihnen  die  Bevölkerung  mit  lebhafter 
Theilnahme  entgegen,  ja  ich  glaube  es  aussprechen 
zu  dürfen  , dass  diese  Theilnahme  sich  über  be- 
sonders weite  Kreise  erstreckt,  Uber  Kreise  auch, 
welche  sonst  der  theoretischen  Wissenschaft  ferner 
stehen.  Denn  das  ist  einer  der  schönsten  und 
altbewährtesten  Züge  im  Charakter  des  elsässisehen 
Volkes,  dass  der  Elsässer  mit  treuster  Liebe  an 
seiner  Heimat,  mit  lebendigstem  Interesse  an  der 
Geschichte,  dem  Ruhme  seines  Landes  hängt. 
Wer  sich  dafür  interessirt,  dafür  etwas  bringt, 
darf  sicher  auf  Theilnahme  in  allen  Kreisen  rechnen. 
1 Wio  freundlich  unserer  Gesellschaft  die  Stadt 
und  ihre  Verwaltung  ent  gegen  kommt,  das,  meine 
Herren , beweisen  schon  diese  Räume , in  denen 
wir  tagen  und  werden  wir  auch  sonst  noch  viel- 
fach Gelegenheit  zu  bemerken  haben.  Und  ebenso 
sind  wir  der  hiesigen  Regierung  den  lebhaftesten 
* Dank  schuldig.  Se.  Excellenz  der  Oberpräsident 
1 von  Elsass-Lothringen , Herr  Dr.  von  Möller, 
selber  Mitglied  unserer  Gesellschaft,  hat  mit  jenem 
j lebhaften  Interesse  für  Kunst,  und  Wissenschaft, 
wofür  wir  ihm  in  Elaass  nicht  dankbar  genug 
sein  können , aufs  bereitwilligste  auch  dafür  ge- 
sorgt , dass  die  Tage  unseres  Beisammenseins 
möglichst  genussreich  sein  sollten.  Aber  auch, 
und  das  ist  mir  eine  hohe  Freude , von  einein 
Privatgrass,  einer  Privatfestgabe  darf  ich  reden. 
Mein  College,  Herr  Professor  Bergmann  von  hier, 
hat  seine  „Thesen  zur  Erklärung  der  natürlichen 
Entstehung  der  Ursprachen“  der  Versammlung 
als  wissenschaftliche  Gabe  und  Begrüssung , zu- 
gleich aller  auch  als  ernstes  wissenschaftliches 
Problem  vorgelogt:  und  wenn  wir  vielleicht  dem 
W unsche , den  er  sicher  hegt , diese  Thesen  hier 
zu  besprechen,  bei  der  hohen  Schwierigkeit  des 
Gegenstandes  und  der  Kürze  der  Zeit  nicht  nach- 
kommen  können,  so  wird  jedenfalls  die  private 
Unterhaltung  vielfach  an  die  von  ihm  angeregten 
wichtigen  Fragen  anknüpfen , welche  ja  für  uns 
Anthropologen  einen  so  besonderen  Wert  haben. 

Aber  trotz  alledem  — wir  dürfen  es  uns 
nicht  verhehlen  , dass  wir  auch  mit  manchen 
Schwierigkeiten  hier  zu  kämpfen  haben.  — Es 
sind  ernste  Stürme  über  das  schöne  Land , in 


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81 


welchem  wir  tagen,  dahin  gezogen.  Beim  Brand 
der  Bibliothek  im  Jahre  1870  ist  di»*  Strassburger 
Sammlung  elsässiscber  Alterthümer  zu  Grunde 
gegangen  bis  auf  wenige  Reste,  welche  Sie  unter 
den  Schlitzen  der  Socilte  pour  la  Conservation 
des  tnonumenU  historiques  d'Alsace  sehen  werden. 
Diese  Sammlung,  deren  Grundstock  von  dem 
berühmten  Illustrator  Alsatine,  von  Sebüpflin 
zusammen  gebracht  war,  enthielt  allerdings  weniger 
prähistorische , als  namentlich  römische  Alter- 
thümer.  Eine  eigentlich  centralisirte  elsttssische 
Landessammlung  war  sie  nicht.  Eine  solche  fehlte. 
Ganz  naturgemäss  ging  Vieles  von  dem  Gefun- 
denen nach  Frankreich;  und  da  ja,  wie  unser 
verehrter  Herr  Präsident  uns  eben  auseinander- 
gesetzt hat,  das  eigentlich  wissenschaftliche  Inter- 
esse für  diese  Alterthümer , namentlich  für  die 
prähistorischen  , sich  erst  sehr  spät , erst  in  der 
2.  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  über  weitere  Kreise 
ausgebreitet  bat,  so  kann  man  sich  nicht  wundern, 
wenn  sich  die  Landesregierungen  bis  jetzt  nicht 
allzusehr  für  diese  Gegenstände  interessirten. 
Höchst  rühmenswerth  aber  ist  es,  wie  viel  im 
Eisass  auf  diesem  Forschungsgebiet  Von  Privateu, 
von  ganzen  Gemeinden  sowohl  wie  von  einzelnen 
Männern  gearbeitet,  geleistet,  gesammelt  und  gft- 
rettet  worden  ist.  Wir  haben  eine  ganze  Reihe 
wertvoller  Museen , von  denen  ich  nur  einige 
der  bedeutendsten  nenne.  In  erster  Linie  steht, 
ausser  der  schon  genannten  Sammlung  der  Societö 
pour  la  Conservation  des  monument.s  historiques 
d'Alsace  das  Museum  der  Stadt  Colmar  im  Kloster 
Unter-Linden  , das  Museum  Engel-Dollfuss  in 
Dörnach , die  reichhaltig»*  Sammlung  Nessel  in 
Hagenau , ausserdem  die  Sammlungen  Rauch  in 
Oberbronn , Jäger  in  Mietesheim  , Dietsch  in 
Leberau,  Senck  in  Ruffacb,  die  städtischen  Samm- 
lungen von  Weissenburg  (die  allerdings  vor- 
wiegend römisch  ist),  von  Niederbronn,  von  Zubern 
u.  s.  w.  Sie  sehen,  ejj  fehlt  uns  nicht  an  Reich- 
thümern;  Alles,  was  aus  der  sog.  Steinzeit  vor- 
handen ist,  das  finden  Sie  verzeichnet  in  den 
reichhaltigen  Abhandlungen  der  Herren  Dr.  Faudel 
(Colmar)  und  Professor  Bleicher  (Nancy):  materiaux 
pour  une  etude  prehistorique  de  l’Alsace,  im 
Bulletin  de  la  Soctetd  d'histoire  naturelle  de 
Colmar  von  1877  u.  78.  — Ob  wir  in  nächster 
Zeit  ein  Centralinuseuin  hier  in  '■Strassburg  be- 
kommen werden,  steht  dahin.  Doch  hoff*  ich  zu- 
versichtlich. dass  die  Aufsicht,  welche  jetzt  da 
ist,  sich  Uber  kurz  oder  lang  erfüllt  und  dass 
auch  dafür  Ihr  Besuch , meine  Herren , nicht 
ohne  bedeutende  Anregung  und  wichtige  Folgen 
sein  wird. 

Da  nun  die  Verhältnisse  hier  so  liegen , wie 


1 ich  sie  geschildert  habe,  da  die  Museen  fast  alle 
in  Privatbesitz  sind,  so  wird  es  Sie  nicht  wundern, 
wenn  Ihr  Geschäftsführer,  wenn  das  hiesige  Lokal- 
coinite  ganz  davon  abgesehen  haben,  hier  eine  Aus- 
stellung von  solchen  Gegenständen,  die  für  uns  Inter- 
1 esse  haben,  ins  Werk  zu  setzen.  Es  war  dies 
eben  nicht  möglich : und  das,  was  in  Strassburg 
zu  sehen  ist,  das  werden  Sie  besser  an  Ort  und 
| Stelle  sehen,  als  hier  in  fremdartiger  Umgebung 
zusammengehäuft.  Von  der  Sammlung  der  Sociötc 
pour  la  Conservation  des  mon.  hist.,  welche  unter 
| der  vortrefflichen  Leitung  des  Herrn  Canon icun 
! Straub  steht,  sprach  ich  schon;  Sit*  finden  dieselbe 
| in  den  Räumen  des  kleinen  Seminars  aufgestellt, 
i Ebenso  habe  ich  Sie  aufmerksam  zu  machen  auf 
eine  ganz  vorzügliche  Sammlung , welche  aller- 
dings modernere,  unter  diesen  aber  auch  sehr 
| alte  Schätze  enthält,  auf  die  äusserst  reichhaltige 
Landesmünzsnmmlung.  Sie  ist  in  der  Bibliothek 
| des  Schlosses  aufgestellt,  und  ist  Herr  Bibliothekar 
Dr.  Müller  bereit,  sie  denjenigen  von  Ihnen, 
welche  sie  zu  sehen  verlangen,  zu  den  Stunden, 
, die  Ihre  Mitgliedskarten  an  geben,  oder  aber,  nach 
persönlicher  Verabredung,  auch  später  vorzuzeigen. 
Das  Kupferstich- Kabi net  der  Stadt  Strassburg, 

I welches  obwohl  eben  erst  im  Entstehen , doch 
schon  sehr  viel  des  Schönen  enthält,  finden  Sie, 
wenn  auch  uns  der  Gegenstand  etwas  ferner  liegt, 
, in  den  oberen  Sälen  dieses  Hauses  zu  jeder 
I Tageszeit  zugänglich  ausgestellt. 

Aber,  meine  Herren,  uns  interessiren  nicht 
nur  die  Produkte  des  Menschen  und  seine  histor- 
ischen oder  prähistorischen  Schicksale  — uns 
interessirt  zunächst  der  Mensch  als  solcher  und 
seine  Produkte  und  Schicksale  nur  als  Ausflüsse 
seines  Wesens,  als  Umwandlungs-  und  Krziebungs- 
mittelderso  ganz  eigenartigen  Glosse  unter  den  tellur- 
ischen  Organismen,  welche  wir  Menschheit  nennen. 
Auch  für  das  Studium  der  Anthropologie  hat 
Strassburg  manches  Wertvolle  und  Bedeutend«  auf- 
zuweisen So  bin  ich  von  dreien  meiner  Collegen, 
den  Herren  Professoren  Waldeyer,  v.  Reckling- 
j hausen  und  Freund  beauftragt , Sie  zur  Be- 
i sichtigung  ihrer  Sammlungen  einzuladen.  Die 
anatomisch-anthropologische  Sammlung  des  Herrn 
Waldeyer,  die  Sie  im  neuen  AnafttmiegehUude 
vor  dem  Spitalthore  finden  werden,  enthält  ausser 
einer  werthvolleu  Reihe  von  Rassenscbädelu  auch 
die  merkwürdigen  Schädel  uud  Skelette  der  hie- 
sigen Ausgrabungen ; die  pathologisch-anatomische 
Sammlung  des  Herrn  von  Recklinghausen,  gleich- 
falls in  der  neuen  Anatomie,  umfasst  eine  Anzahl 
| pathologisch  umgebildeter  Schädel.  Herr  Freund 
| hat  im  hiesigen  Gynäkologischen  Institut  eine 
Reihe  von  mehr  als  100  Schädeln  Neugeborener 

3 


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82 


ausgestellt,  die  er  alle  in  Schlesien  selbst  ge-  j 
sammmelt  und  jetzt,  dem  hiesigen  Institut  geschenkt 
hat.  — Ich  mache  darauf  aufmerksam , dass, 
wenn  diese  Sammlungen  auch  an  verschiedenen 
Orten  aufgestellt  sind,  der  Besuch  derselben  doch  , 
keine  Schwierigkeiten  hat , da  es  in  Strasaburg,  j 
bei  der  jetzigen  Ausdehnung  der  Stadt,  eigent- 
liche Entfernungen  nicht  gibt.  Wo  aber  weit« 
Entfernungen  zu  überwinden  sind  , wie  bei  dem 
Besuch  der  Nekropole,  da  worden  Sie  Droschken 
bereit  finden,  um  Sie  hinaus  zu  führen. 

Was  aber  sind  alle  die«*  Sammlungen  gegen 
die  grosse  Sammlung  von  prähistorischen  und 
anthropologischen  »Schützen,  welche  die  Geschichte 
selbst  im  Eisass  aufgehäuft  hat , im  Lande , auf  ; 
den  Bergen!  Einen  dieser  Berge  — das  Elsatt 
hat  viele  der  Art  — einen  freilich,  der  ganz 
besonders  ausgezeichnet  ist,  möchten  wir  Ihnen 
zeigen,  den  Berg,  welchen  die  fromme  Sage  der 
heiligen  Odilie  geweiht  hat.  Der  hiesige  VogeBen- 
Clubb  hat  sich  die  Freude  ausgebeten , Sie  zur 
Höhe  hinaufzugeleiten , wo  uns  neben  dem 
wissenschaftlich  Lehrreichen  die  höchste  Schönheit 
der  Natur  erfreuen  wird.  Erlauben  Sie  mir 
hierzu  noch  einige  Worte.  Diejenigen  Herren, 
welche  den  Berg  nicht  zu  Fuss  besteigen,  sondern 
hinauffahren  wollen,  werden  Wagen  am  Buhnhof 
zu  Obereh n heim  finden , wo  der  Eisenbahnzug 
anbalten  wird.  Wir  anderen  Fussgünger  fahren  j 
mit  der  Bahn  bis  Barr,  um  von  dort  aus  zum 
Kloster  emporzusteigen.  Unter  den  Linden  des 
Klosterhofes  vereinigen  wir  uns  alle  wieder  bei 
der  Frau  Oberin  za  einem  einfachen  Mittagsmahl. 
Dann  erst , nach  diesem  Mahl , beginnt  die  ge- 
meinschaftliche wissenschaftliche  Betrachtung  der 
Alterthümer  des  Berges  und  bleibt  es  der  Wander- 
lust jedes  Einzelnen  unbenommen,  sich  weitere 
oder  kürzere  Wege  für  »ein  Studium  zu  erwählen: 
an  Führern  wird  es  für  keinen  dieser  Wege  fehlen. 
Wir  treffen  uns  dann  wieder  an  dem  archäologisch 
gleichfalls  merkwürdigen  Männelstein , um  später 
von  da  entweder  über  die  Ruine  Lundsherg,  oder 
wer  den  Berg  hcrubfahren  will , über  Oberehn- 
heim  nach  Barr  zu  gelangen. 

Gern  möchten  wir  Alles  thun,  um  Ihnen  die 
Tage  hier  Äi  erfreulichen  zu  machen;  und  so 
komme  ich  wieder  zu  dem  zurück , was  den 
Lebensnerv,  die  treibende  Kruft  meiner  Worte 
bildet  — das  ist  die  Freude,  die  deutsche  anthro- 
pologische Gesellschaft  in  so  reicher  Versammlung 
hier  bei  uns  zu  sehen.  Und  so  nehmen  Sie 
freundlich  auf,  was  wir  bieten:  wo  wir  vielleicht 
nicht  ganz  so  sein  sollten,  wie  wir  Dinen  gegenüber 
so  gerne  sein  möchten,  da  drücken  Sie  milde 
ein  Auge  zu:  lassen  Sie  den  wannen,  glänzenden, 


fröhlichen  Hauch , welcher  die  elsässische  Luft 
durchweht,  auch  Ihr  Herz  erwärmen  und  erheben, 
und  seien  Sie  in  Strassburg  herzlich  begrüsst 
und  willkommen! 

Herr  J.  Ranke  (Generalsekretär): 

An  die  festlichen  Begrüssungsworte , welche 
wir  soeben  vernommen , lassen  Sie  mich  den 
I Bericht  anschliessen  Uber  die  wissenschaft- 
■ liehen  Leistungen  der  Anthropologie 
in  Deutschland  und  zwar  namentlich  innerhalb 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  selbst 
während  des  seit  der  IX.  allgemeinen 
Versammlung  verflossenen  Jahres 

Mein  Stofl  ist  so  reich,  dass  ich  auf  Vollstän- 
digkeit von  vorne  herein  verzichten  muss,  um 
nur  einiges  besonders  Bedeutsame  hervorheben  zu 
können.  Ich  habe  mich  um  so  kürzer  zu  fassen, 
da  unserer  Sitte  gemäss  über  wichtige  Theile 
der  anthropologischen  Arbeiten,  namentlich  über 
Kraniologie,  über  anthropologische  Statistik  und 
| anthropologisch- archäologische  Lokalforschung  d. 
h.  die  sogenannte  prähistorische  Karte  durch  die 
drei  Vorstände  der  betreffenden  Commissionen 
Bericht  erstattet  werden  soll.  Von  unserem  ge- 
lehrten Herrn  Geschäftsführer  dürfen  wir  über- 
dies eine  Darlegung  def  neuesten  Leistungen  auf 
dom  Gebiete  der  Ethnologie  erwarten. 

In  allen  Einzeldisciplinen  unserer  weitverzweig- 
ten Wissenschaft  sehen  wir  diese  in  energischem 
Fortschreiten  und  das  Bewusstsein  der  Zusammen- 
gehörigkeit der  Disciplinen  , die  concentrische 
Richtung  der  Beobachtungen  kommt  trotz  der  in 
der  Verschiedenheit  der  llntersuchungsobjecte  be- 
gründeten Differenz  der  Methoden  zu  immer  ent- 
i schiedenerer  Geltung. 

Unerl ässlich  für  den  Fortschritt  der  Anthro- 
pologie ist  der  Ausbau  der  Grenzgebiete  zwischen 
ihr  uud  den  verwandten  wissenschaftlichen  Dis- 
ciplinen und  zwar  durch  die  Vertreter  dieser 
Nachbarwisseuschaften  selbst.  Paläontologie,  Zoo- 
logie, menschliche  Anatomie  wuren  die  ersten, 
welche  sich  den  anthropologischen  Bestrebungen 
angeschlossen  haben.  Die  wissenschaftliche  Ar- 
chäologie, einst  fast  nur  auf  die  Erforschung  der 
Blüthenzeit  der  antiken  Culturen  gerichtet , hat 
jetzt  mit  dem  entschiedensten  Erfolge  aueh  für 
ihre  eigenen  Spezialaufgaben  sich  jenen  geschicht- 
lichen Perioden  zugewendet,  welche  uns  Aufschluss 
ertheileu  Uber  die  Anfänge,  die  Wanderungen  und 
Wandlungen  der  Cultur  an  den  alten  Stätten 
höherer  Geistesbildung  Mehr  und  mehr  werden 
dadurch  die  Lücken  ausgefüllt , die  Zusammen- 
hänge klargelegt  zwischen  der  klassischen  antiken 
Welt  und  einem  der  wichtigsten  Forschung*#«»- 


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83 


biete  der  Anthropologie , der  Untersuchung  der 
primitiven  UulturäusserungHn  der  noch  rohen  Ur- 
vülkcr  Europa’« , der  Ur-  und  Naturvölker  der 
gesummten  Erde. 

Hier  beansprucht  unsere  Wissenschaft  die 
Unterstützung  durch  mineralogische,  geognostische, 
metallurgische,  überhaupt  technische  Untersuch- 
ungen. Fachmänner  zum  Tbeil  ernten  Ranges 
sahen  wir  sich  an  der  Beantwortung  der  von  der 
Anthropologie  gestellten  Fragen  betheiligon.  So 
hat  im  laufenden  Jahre  Herr  Fischer  (Freiburg), 
welcher  mit  mineralogischer  Forschung  der  An- 
thropologie seit  lange  auf  dos  Erfolgreichste  zur 
Seite  steht,  im  Corr. -Blatt  unserer  Gesellschaft 
eine  zunächst  abschliessende  Untersuchung  über 
die  geographische  Verbreitung  der  Steinbeile  aus 
Nephrit,  im  letzten  Heft  des  Archivs  Uber  Ama- 
zonensteine, Jadeit  und  Cliloromelanit  besonders 
in  Europa  geliefert;  — eine  Frage,  welche  mit 
Rücksicht  auf  den  supponirten  asiatischen  Ur- 
sprung dieser  Mineralien  für  die  Urgeschichte  und 
Wanderungen  der  Europäischen  Völker  al»  von 
grosser  Wichtigkeit  erscheint. 

ln  erfreulicher  Weise  haben  Linguistik 
und  ve r gl  e ich« nd e Sprac  h forsc hu  n g ihr 
Augonmerk  anthropologischen  Aufgaben  zugowen- 
dot,  vor  allem  den  Resten  ursprünglicher  Kultur- 
entwicklung, welche  sich  in  den  ältesten  sprach- 
lichen Ueberlieferungeu  der  Völker  erhalten  haben. 

Vier  Publikationen  sind  es,  auf  welche  ich  hier 
vorzüglich  hinzuweisen  habe.  — Zuerst  die  beiden 
Untersuchungen  des  Herrn  Fr.  H o rn  ni  e 1 (Mün- 
chen) (Corr. «Blatt  1879)  über  Arier  uud  Semiten. 
An  Hand  der  Kulturwörter  namentlich  der  Thier- 
namen werden  die  Ursitze  der  Semiten  und  Arier 
als  einst  nachbarlich  und  zwar  beide  in  Asien 
gelegen  bestimmt.  Es  werden  die  Ursemiten  und 
Urindogermanen  vom  linguistischen  Standpunkt 
aus  als  zwei  grosse  Unterabteilungen  einer  und 
derselben  Urrasse  (der  mittelländischen)  erklärt. 
Hierbei  fallen  bedeutsame  Streiflichter  auf  dio 
Stellung  der  semitischen  Stämme  und  Völker  in 
Afrika  und  ihr  Verhältnis«  zu  den  afrikanischen 
Grund  he  völkerungen.  Diese  Untersuchung  basirt 

zum  grossen  Th  eil  auf  dem  eben  erst  erschienenen 
Werke  desselben  Verfassers  : Die  Namen  der  Säuge- 
tiere bei  den  sUdseruitischen  Völkern  (Leipzig, 

J.  C.  Heinrichs).  Dieselbe  frachtbare  Methode 
teilweise  in  noch  umfassenderer  Ausführung  fin- 
den wir  verwendet  in  dem  neuen  WerkeVämb^ry  ’s 
Über  die  primitive  Kultur  des  turkotartarischen 
Volkes  (Leipzig,  Brockhaus).  Der  gelehrte  Verfasser  j 
entrollt  uns  ein  anschauliches  Bild  der  Culturent-  1 
wicklung  dieser  Stämme,  welche  mit  den  wichtig-  \ 
sten  Fragen  der  Anthropologie  Asiens,  Europa'«  | 


sowie  auch  Amerika’«  in  Beziehung  stehen.  Mit  Ge- 
nugtuung erwähne  ich  hier  eines  analogen  dop- 
pelt gekrönten  Werkes  aus  den  Kreisen  der  Uni- 
versität dieser  Stadt , von  der  wir  uns  hier  so 
gastlich  empfangen  sehen:  Heinr.  Zimmer’« 
Altindisches  Lebens.  Die  Cultur  der  vedischen 
Arier  nach  den  SamhitA(- Veden)  dargestellt  (Ber- 
lin, Weidmann).  Es  dringen  auch  aus  diesen 
Liedern  heimatliche  verwandte  Klänge  aus  dem 
fernen  Indien  aus  grauer  Vorzeit  an  das  Öhr. 

Es  siud  für  die  wissenschaftliche  Antbropolo- 
gie  der  drei  alten  Continente  grundlegende  Fra- 
gen, welche  die  genannten  Untersuchungen  be- 
handeln. Einen  wichtigen  Beitrag  zur  Anthropo- 
logie der  neuen  Welt  und  zwar  zu  dem  Zusam- 
menhang seiner  Bevölkerung  mit  Asien  brachte 
eine  linguistische  Untersuchung  des  Hm.  Wilh. 
Herzog:  Ueber  die  Verwandschaft  der  Yuma- 
Sprache  mit  der  Sprache  der  Aleuten  und  Eski- 
mostämme. Herr  Herzog  (Z.  E.  X.  VI.)  sneht, 
vorzüglich  gestützt  auf  die  linguistischen  Unter- 
suchungen des  Amerikaners  H.  S.  Gatschet  und 
unseres  0.  Löw,  den  Nachweis  zu  liefern,  dass  dio 
Sprache  der  im  Inneren  Amerikas  (in  Arizona)  sitzen- 
den Stämme  mit  der  Sprache  der  Tschuktschen  an  der 
Asiatischen  Küste  nahe  verwandt  sei.  Dadurch  wird 
für  die  oft  behauptete  Besiedelung  Amerikas  von 
Asien  und  zwar  vom  Norden  zum  Süden  neues 
Bewcismaterial  beigebracht..  Mit  diesem  Nachweis 
wären  wohl  auch  für  Wanderungen  aus  centraleren 
Gebieten  Asiens  der  Weg  gezeigt.  Herr  Al  bin 
Kohn  weist  in  seinen  neuen  Mittbeilungen  über 
Stein  Instrument  o aus  dem  nördlichen  und  östlichen 
Sibirien  (Z.  E.  X,  VI.)  auf  die  schon  von  Wrangel 
gesammelten  Beweise  hin,  dass  Völker  im  Hoch- 
norden Asiens  und  zwar  speziell  die  Jakuten 
aus  einer  civilisirteren  Gegend  etwa  vom  Baikal- 
see oder  sogar  aus  Centralasien  nach  den  eisigen 
Regionen  des  nördlichen  Sibiriens  gekommen  seien. 
Nach  Wrangel  erscheint  der  Stamm  der  Jakuten 
als  Träger  einer  höheren  Cultur , er  hat  Vieh- 
zucht und  manche  andere  ländliche  Industrie, 
er  bewahrt  Erinnerungen  an  eine  eigene  Schrift- 
sprache, seine  Märchen  erzählen  in  den  eisumstarr- 
ten  Hütten  Nordsibiriens  von  Gold  und  Edelsteinen, 
Löwen  undTiegern  einer  warmen  glücklichen  Urhei- 
tnath.  H.  Vämberg  nennt  sie  einen  Türkenstamm. 

V on  beschränkterem  Intoresse , aber  für  die 
Ethnographie  des  modernen  Deutschlands  hoch- 
bedeutsame ist  das  Stadium  der  Orts-  und  Fluhr- 
namen  und  ihrer  linguistischen  Stellung.  Sie 
bilden  eines  der  besten  in  manchen  Fällen  zu- 
nächst das  einzige  zu  Gebote  stehende  liülfsmittel, 
um  die  verschiedenen,  wie  geologische  Schichtun- 
gen über  und  durch  einander  liegenden  ethnogra- 

3* 


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84 


pbiscben  Schichten,  aus  denen  die  modernen  Cul- 
turvölker  zusammengeschmolzen  sind,  auseinander 
zu  losen  und  zu  bestimmen,  ln  Deutschland  hat 
sich  in  neuerer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  nament- 
lich den  alten  Sitzen  slavischer  nun  germanisirter  Be- 
völkerung zugewendet.  Herr  Clemens  Cernnik 
brachte  (Z.  E.  X.  VI.)  eine  Untersuchung  über  sla- 
visehe  (namentlich  böhmische)  Alterthümer  und 
Ortsnamen.  Er  findet  , worauf  theilweise  schon 
von  anderer  Seite  aufmerksam  gemacht  war,  dass 
durch  die  Ortsnamen  vielfach  auf  vorgeschicht- 
liche Objecte,  namentlich  auf  Gräberfelder  hinge- 
deutet wurde.  Er  findet  z.  B.  in  den  Ortsnamen 
die  Wortstämme : heilig,  Opfer,  Leid,  Betrübniss, 
Urne,  Grabhügel,  Liebe,  aber  auch  Wache,  Gra- 
ben, Burg  etc.  Die  Untersuchung  verspricht  auch 
für  Deutschlands  altslavische  Gebiete  werthvoll 
zu  werden.  Herr  C.  Mehlis  versucht  in  diesem 
Sinne  die  Vergleichung  der  Orts-  und  Fluhrnamcn 
zur  Bestimmung  der  historischen  Stellung  der 
Houbirg,  zu  benützen,  eines,  wie  dieser  Forscher 
annimmt,  germanischen  Ringwalles  im  Pngnitzthal 
in  oder  an  der  Grenz«*  alt-slavischer  Gegend  in 
Bayern  (Archiv  XI.  III). 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  anthropologisch 
gewendeten  historisch-archäologischen  Stu- 
dien auf  alten  Culturstätten.  Hier  tritt 
vor  allem  der  Name  eines  Mannes  hervor,  den  wir 
zu  unserer  Betrübuiss  hier  nicht  unter  uns  sehen: 
S c h 1 i e rn  a n n.  Herr  Schliemann  hat  in  diesem 
Jahre  mit  Herr  Virchow  seine  Untersuchungen 
auf  der  Centralstätte  der  alten  Cultur  des  Troischen 
Landes  fortgesetzt.  Wir  werden  darüber  von  dem 
einen  der  Forscher  selbst  Bericht  erhalten  (III.  und 
VI.  Sitzung).  — Unter  der  Leitung  von  Georg 
Eber1  s hat  soeben  Herr  Ludwig  Stern  das 
berühmte  Buch  L.  Palma  di  Cesnola:  Cy- 
p e r n.  Seine  alten  Städte,  Gräber  und  Tempel 
in  deutscher  Sprache  erscheinen  lassen.  Das  Werk 
im  Verlage  Costenobles,  schön  ja  reich  ausgestat- 
tet mit  zahlreichen  Tafeln  wohlgelungener  Abbil- 
dungen , Holzschnitten  und  Karten  geschmückt 
wird  nun  in  der  Hand  keines  deutschen  Forschers 
mehr  fehlen , welcher  sein  Interesse  zugewendet 
dem  Zusammenhang  inner-asiatischen , phönizi- 
schen,  ägyptischen  und  alt- helenischen  Wesens, 
aus  deren  Durchdringung  die  antike  Culturblüthe 
der  Mittelmeerlftnder  entsprungen  ist. 

Ein  Bindeglied  zur  Lokalforschung  bilden  die 
in  demselben  Verlage  erschienenen  Materialien  zur 
Vorgeschichte  des  Menschen  im  östlichen  Europa 
nach  polnischen  und  russischen  Quellen  bear- 
breitet von  A 1 b i n K o h n und  M e b 1 i s.  Das 
wohlausgestattete  Werk  füllt  eine  Lücke  der 
archäologisch-prähistorischen  Forschung  aus  und 


zwar  für  ein  uns  Deutschen  besonders  wichti- 
ges Gebiet , dessen  Literatur  der  sprachlichen 
Verschlossenheit  wegen  bisher  in  der  Hauptsache 
so  gut  wie  unbekannt  und  unbenutzt  geblieben 
war.  Der  II.  soeben  erschienene  Band  bringt 
neben  archäologischem  auch  kraniologisches  Ma- 
terial namentlich  aus  prähistorischen  Fundstätten. 

Herr  Gundacker  Graf  Wurmbrand  ver- 
öffentlichte im  Archiv  (XI.  III.)  ausführlich  seine 
Untersuchungen  über  das  reiche  Urnenfeld  von 
Mariarast.  in  Steiermark,  dessen  Fuudobjekte  in 
Graz  und  Pest  den  Anthropologen  theilweise 
schon  Vorgelegen  haben.  Die  Untersuchung  der 
hier  gefundenen  Bronzen  und  der  Keramik  der 
Urnen  erscheint  von  weit  mehr  als  lokalem 
Interesse,  da  das  Begräbnissfeld  nachweislich  bis 
an  oder  in  (?)  die  Zeit  der  römischen  Oecu- 
pation  jener  Gegend  heranreicht.  Auffallend  ist 
es,  dass  sich  neben  Urnen  Acht  römischer  Technik 
hier  auch  rohere  und  rohe  Waare  findet,  welche 
sich  zum  Theil  an  die  Pfahlbau-Funde  anschliesst. 
Die  Urnenfelder  sind  in  Süddeutschland  selten, 
in  Norddeutschland  bekanntlich  sehr  häufig,  leider 
noch  nicht.  sUmmt.lich  ihrer  Wichtigkeit  entsprech- 
end puhlizirt.  Von  besonderer  Bedeutung  möch- 
ten die  schleswig-holsteinischen  Felder 
sein,  deren  erste  Anlage  ungefähr  mit  der  Schluss- 
zeit des  Mariaraster-Feldes  zusammentrifft..  Ich 
möchte  an  Fräulein  Mestorf,  die  leider  heute 
unter  uns  fehlt,  die  Aufforderung  richten,  die 
wichtige  Angelegenheit  in  die  Hand  zu  nehmen. 

Unter  den  Objecten  der  vorgeschichtlichen  Ar- 
chäologie und  Lokalforsehung  fesselten  überhaupt 
die  Ueberbleitoel  der  Keramik  die  Aufmerksamkeit 
in  erhöhtem  Maussc.  Diese  gebrannten  Thonscherben, 
so  gut  wie  unzerstörbare  Reste  der  menschlichen  Thä- 
tigkeit  und  Beweise  seiner  An  Wesenheit,  geben  uns  ein 
weit  treueres  Bild  der  jeweiligen  Kulturhöhe  fer- 
ner Zeiten  als  die  oft  aus  entlegenen  Gegenden 
zu  den  Fundstellen  eingeführten,  durch  Genera- 
tionen bewahrten  Objecte  aus  Bronze , Gold  und 
Eisen.  Frl.  Mestorf  hat  uns  (Archiv)  über  die 
moderne  Herstellung  der  jütischen  Tattertöpfe 
berichtet,  welche  in  gewissem  Sinne  an  die  prä- 
historische Keramik  mahnt.  Durch  die  Unter- 
suchungen (Z.  E.)  von  Voss,  Veckenstedt, 
M.  Schneider  wurde  die  Aufmerksamkeit 
auf  gewisse  enge  kreisrunde  Durchbohrungen 
gelenkt , welche  man  an  Urnenscherben  be- 
obachtete. Die  beiden  Erstgenannten  bringen  sie 
in  Zusammenhang  mit  supponirten  Vorstellungen 
des  vorgeschichtlichen  Alterthums.  Sie  erklären 
diese  Löcher  als  „Weg  für  die  Seele“.  Vecken- 
stedt beruft  sich  hierbei  auf  die  Meinung  Brok  a’s, 
dass  die  in  neuerer  Zeit  mehrfach  besprochene: 


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85 


Trepanation  der  Schädel  in  der 
„neolithischen  Periode  bei  Epileptischem 
der  zweiten  krankhaften  Seele  einen  Ausweg  ver- 
schaffen sollte.  Ich  habe  an  Gefässtrflmmern  aus 
bayerischen  Hohlen,  bei  welchen  an  Begräbnisse 
nicht  gedacht  werden  kann , Durchbohrungen 
mehrfach  beobachtet.  Diese  Löcher  sind  aber 
nichts  Anderes  als  Reste  einer  alten  Eisen- 
bindung der  Töpfe.  Das  Eisen  umgreift  von 
einem  den  Hals  des  GcfÜsses  umgreifenden  Ei- 
senband ausgehend  in  ziemlich  breiteren  Streifen 
den  Gefässbauch  und  durchbohrt  mit  den  unte- 
ren nagelartig  spitz  zugehenden  Enden  den  Topf- 
boden, wo  es  auf  der  inneren  Seite  uuigebo- 
gen  wurde. 

Die  Paläontologie  ist  mit  Erfolg  bestrebt, 
ihre  alten  Versäumnisse,  ihre  Bänden  gegen  das 
Studium  vom  Menschen  zu  sühnen,  sie  die  einst, 
auf  das  bekannte  Dogma  Cuviers  bauend, 
dass  der  Mensch  erst  nach  dem  Aussterben  der 
grossen  diluvialen  Dickhäuter  in  Europa  nufge- 
treten  sei,  unschätzbares  wissenschaftliches  Material 
als  werthlos  bei  Seite  zu  werfen  beliebte  und 
zerstörte.  Dieses  Jahr  hat  unsere  Kenntnisse 
auch  in  dieser  Beziehung  wesentlich  erweitert. 
Herr  Virchow  berichtete  in  der  IX.  Ver- 
sammlung über  die  paläontologischen  Untersuch- 
ungen Nehring’s  namentlich  an  der  diluvialon 
Kleinsäugetbier-  und  Vogelfauna  in  Thiede  und 
Westeregeln.  Herr  Nehring  hatte  aus  den  Thier- 
resten in  den  Spalten  jener  Steinbrüche  bewiesen, 
dass,  zur  Zeit  des  ersten  Auftretens  des  Menschen, 
in  Thüringen  ein  Steppenklinm  geherrscht  haben 
müsse,  welches  diese  Gegend  in  der  Diluvialzeit 
in  Beziehung  auf  Mikro-Fauna  und  Flora  als 
ganz  analog  den  heutigen  Steppen  Westsibiriens  er- 
scheinen lässt.  Freilich  fehlen  jetzt  auch  dort  Ma- 
muth  und  Khinocoros,  der  Riesenhirsch  und  die  ge- 
waltigen reissenden  Höhlenthiere,  mit  denen  der 
Mensch  damals  die  Steppen  Mitteleuropas  be- 
wohnte. Herr  Nehring  selbst  hat  diese  Studien 
zum  Theil  an  den  Funden  aus  den  fränkisch- 
bayerischen Höhlen  fortgesetzt,  Uber  deren  Unter- 
suchung ich  schon  in  der  letzten  allgemeinen 
Versammlung  in  Kiel  vorläufig  Bericht  erstattete, 
und  welche  nun  in  vier  Aufsätzen  von  den  Herren 
Zittel,  Gümbel.  Nehring  und  dem  Berieht- 
erstatter  im  III.  Heft  der  Beiträge  zur  Anthro- 
pologie Bayerns  ausführlich  veröffentlicht  sind. 
Herr  R.  Richter  (Saalfeld)  hat  an  einer  an- 
deren reichen  paläontologischen  Fundstätte  des 
Thüringer  Diluviums  (am  rothon  Berge  an  der 
Saale)  die  Beobachtungen  Nehring ’s  bestätigt. 
(Zeitscb.  d.  deutsch,  geolog.  G.  1879),  so  dass  nun 
die  einstige  mitteldeutsche  Steppe  durch  Thüringen 


und  das  bayerische  Franken  constatirt  erscheint; 
da  die  Herren  Zittel  und  Fr  aas  in  der  Räuber- 
höhle bei  Regensburg  die  Reste  der  asiatischen 
Steppenantilope  — Ant.  Saiga  — gefunden, 
scheinen  die  analogen  klimatischen  Verhältnisse 
bis  tief  in  den  Süden  Deutschlands  herabgereicht 
zu  haben.  Ans  dieser  Zeit  haben  sich  Reste  des 
Menschen  in  Mittel-  und  Süddeutschland  erhalten, 
geborgen  unter  der  Kalkdecke  und  im  Lehme 
der  Höhlen  und  Felsnischen.  Das  Bild  der  ani- 
malen Umgebung  des  Menschen  in  jener  Zeit 
wurde  neuerdings  durch  den  Nachweis  einiger 
bisher  selten  oder  noch  gar  nicht  beobachteter 
Tbiere  vervollständigt.  Herr  Nehring  hat  unter 
den  Resten  der  Fauna  aus  der  Hyänenhöhle  bei 
Gera  den  Wildesel  erkannt  (Z.  E.  XI.  II.), 
welchen  die  Herren  Ecker  und  Rütimeyer  für 
die  quaternäre  Fauna  von  Langeuhrunn  constatirt 
hatten.  Herr  H.  Richter  und  Herr  Professor 
Giebel  (Halle)  bestimmten  in  der  erwähnten  Fund- 
stelle fossil  Kaninchen  und  auch  das  Stachel- 
schwein, welches  letztere  der  Referent  in 
den  fränkischen  Höhlen  (1.  c.)  aufgefunden  hatte. 

In  dem  Unkeler  Steinbruch  am  linken  Ufer 
des  Rheines,  welchen  Alexander  v.  Humboldt 
für  „eine  der  grössten  Merkwürdigkeiten  unseres 
deutschen  Vaterlandes“  erklärt-  hatte,  w’urde  von 
Horrn  G.  Schwarze  in  Remagen  eine  im  Löss 
bisher  durch  ihren  Reichthuin  einzig  dastehende 
paläontologische  Fundstelle  aus  der  Diluvialzeit 
dos  Rheinthaies  eröffnet  (Verhandl.  des  natur- 
historischen Vereins  der  preuss.  Rheinlande  und 
Westphalens.  Bd.  36).  Neben  Mamuth  und 
Rhinoceros  tichorrhinus  fand  er  die  Reste  vom 
Renthier  (Cervus  tarandus  priscus)  und  vom 
Moschusochsen,  von  letzterem  den  bis  jetzt  best- 
erhaltenen  Schädel  mit  Zähnen  Damit  ist  der 
wichtige  Nachweis  erhärtet,  dass  alle  die.se  Thiere 
gleichzeitig  unser  Vaterland  bewohnten. 

Während  am  Unkelstein  bis  jetzt  keine  Reste 
des  diluvialen  M enschen  aufgedeckt  wurden, 
hat  in  dor  vorhin  erwähnten  Fundstelle  Herr 
R.  Richter  geschnitzte  und  künstlich  vom  Men- 
schen durchbohrte  Knochen  gefunden,  sowie  zwei 
Zähne,  welche  er  für  menschliche  Schneidezähne  er- 
kannt. Noch  für  eine  andere  wichtige  diluviale  Fund- 
stelle Mitteldeutschlands  sehen  wir  den  Nachweis 
der  alten  Anwesenheit  des  Menschen  erbracht. 
Unter  dor  Leitung  des  Herrn  Zittel  hat  Herr 
A.  Portis  ( Paläontogruphica  XV.  4.)  die  be- 
rühmten Taubacher  Funde  untersucht,  welche  zum 
Theil  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Jena 
Vorlagen.  Er  konnte  mit  aller  Entschiedenheit 
die  Annahme  der  Herren  Klopffleisch  und 
Virchow  bestätigen,  dass  auch  hier  der  Mensch 


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mit  dein  Ursiier  , mit  Maiuuth  und  Rhinozeros 
Merckii  zusammengelebt  und  diese  Thiore  erlegt 
habe.  So  sehen  wir  denn  auch  für  Mittel- 
deutschland die  Anwesenheit  des  Menschen  in 
die  Mamuthzeit  zurückgerUckt. 

Aber  gleichzeitig  hat  uns  Herr  Al  bin  K o hn 
gezeigt , mit  welcher  Vorsicht  wir  an  die  Be- 
urtheilung  dieser  Funde  horantreten  müssen. 
Herr  Albin  Kohn  hat  uns  in  der  schon  erwähn- 
ten Darstellung  der  neuesten  archäologisch-anthro- 
pologischen Forschung  (Steininstrument«  Z.  E.  X. 
VX)  im  nördlichen  und  östlichen  Sibirien  belehrt, 
dass  die  Bewohner  jener  eisigen  Hegenden  noch  heute 
gewissermassen  in  der  Mamuthperiode  leben.  Die 
Russen  haben  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
diese  entlegenen  VolksstUmme  zum  Th  eil  noch 
in  der  Steinzeit  üborrascht,  wobei  namentlich  der 
häufige  Besitz  von  N ephrit-Instrumenten  uns  inter- 
essirt.  Man  findet  aber  bei  ihnen  auch  Knochen- 
geräthe  aus  Mamuthzahu.  Bekanntlich 
ist  ein  beträchtlicher  Theil  von  allem  bei  uns 
zu  Kunst-  und  Industriezweigen  verarbeiteten 
Elfenbeins  ebenfalls  fossil,  Matuuth,  aus  dem  Eis- 
boden Sibiriens  entnommen.  Wenn  wir  finden, 
dass  nach  der  Eiszeit  die  Urbewohner  Europas, 
welches  klimatisch  sich  damals  von  dem  heutigen 
Nordsibirien  nicht  unterschied,  wie  die  modernen 
uncivilisirten  Nordsibirier  Mamuthzahu  zu  techni- 
schen und  Kunstzwecken  verwendeten,  so  haben 
wir  doch  gewiss  zunächst  an  ausgegrabene  Reste 
vielleicht  einer  mehrtausendjährigen  Vergangen- 
heit zu  denken , welche  der  noch  eisige  Boden 
wie  frisch  conservirt  hatte.  Das  Gesagte  gilt 
ebenso  namentlich  für  Kunstarbeiten  in  Rennthier- 
horn. 

Werfen  wir  auch  einen  Blick  auf  die  neuesten 
an  a t o tu  i sc  h - a nt  h r o pol  o gi sc  h en  Fo  r sch- 
u n gen.  Herr  Virchow  hat  bei  der  letzten  allge- 
meinen Versammlung  die  Parole  der  anthropolog- 
ischen Messung  am  Lebenden  ausgegeben. 
Unter  seiner  Leitung  hat  Herr  K oerbin  (Z.  E. 
X.  I.)  die  höchst  anerkennenswert hen  mühevollen 
Messungen  veröffentlicht  und  kritisch  bearbeitet, 
welche  Herr  Ja  gor  an  265  lebenden  Indiern 
beiderlei  Geschlechts  und  verschiedener  Rasse  An- 
gestellt hat.  Herr  Virchow  (Z.  E.  X.  VI.) 
selbst  hat  an  den  von  Herrn  Hagenbeck  nach 
Europa  gebrachten  ,, Nubiern“  sehr  interessante 
Messungen  angestellt.  So  daokenswerth  diese 
Untersuchungen  fremder  Völker  sind,  so  müssen 
wir  uns  doch  stets  daran  erinnern,  dass  un- 
sere wichtigsten  Aufgaben,  welche  zu  aller- 
erst eine  Lösung  erfordern , als  Grundlage  zu 
allen  vergleichenden  Studien  viel  näher  liegen. 
Die  erste  und  Hauptaufgabe  der 


I deutschen  Anthropologie  ist  die  an- 
thropologisch-ethnologische Erfor- 
! schung  der  Deutschen.  Ein  glänzender  An- 
fang ist  in  der  allgemeinen  Statistik  der  Farbe 

0 der  Augen,  Haare  und  Haut  gemacht.  Eine  analoge 
Untersuchung  erfordern  zunächst  die  Körper- 
grössc  und  vor  allem  die  deutsche  moderne 
Kraniologie  und  Gehirnlehre.  Hier  liegt  eine 

j gewaltige  Aufgabe  vor  uns , welche  nur  durch 
• gemeinsame  Theilnnhme  bewältigt  werden  kann. 

1 Was  will  es  heissen  im  Verhältnis  zu  den  Milli- 
onen , auf  welche  die  anthropologische  Farben- 
statistik Deutschlands  sich  grttndet,  wenn  die 

' Zahl  der  Schädel,  welche  ich  von  der  modernen 
bayerischen  Bevölkerung  bis  jetzt  kraniometrisoh 
aufgenommen , Uber  deren  Meesungsresultate  ich 
; verfüge,  die  Zahl  von  2000  erreicht  hat.  Ich 
hoffe,  die  Publikation  der  Ergebnisse  dieser  Unter- 
suchung in  den  nächsten  Monaten  zu  vollenden. 

Herr  Ecker  wird  uns  wohl  selbst  die  Resultate 
seiner  neuesten  anthropologischen  Untersuchungen 
namentlich  über  die  Ursachen  jener  eigentüm- 
liche» von  ihm  in  ihrem  embryonalen  Wesen  erkann- 
i ten  Missbildung  der  abnormen  Behaarung 
bei  dem  Menschen  vortragen.  Bekanntlich  ver- 
danken wir  Herrn  Bartel**  (Berlin  Z.  E.  1876) 
die  Anregung  dieser  Frage.  Er  hat  im  laufenden 
Jahre  (Z.  E.  XI.  II.)  jener  ersten  eine  zweite  Abhand- 
lung folgen  lassen,  welche  neben  vielem  Neuen  eine 
kritische  U ebersicht  über  das  bisher  Geleistete  bringt, 
i Herr  Ecker  hat  im  verflossenen  Jahre  darauf 
hinge  wiesen,  dass  er  in  der  abnormen  Behaarung 
des  Gesichte*  und  anderer  Körperteilen  bei  den 
| sogenannten  Haar-  oder  Hundemenseben  nichts 
1 anderes  sehen  könne,  als  eine  Rildungsheinmung, 

: d.  h.  eine  Persistenz  und  Fortbildung  des  om- 
I bryonalen  Haarkleides,  welches  bekanntlich  den 
sich  entwickelnden  Menschen  als  eine  ziemlich 
dichte  Flaumdecke  bekleidet.  In  neuester  Zeit 
! bat  Herr  Ecke  r (Archiv  XI.  II.)  in  einem  Aufsätze 
über  gewisse  Ueberbleibsel  embryonaler  Formen  in 
der  Stoissbeingegend  diese  Anschauung  nicht  nur 
im  Allgemeinen  sondern  auch  für  die  Einzelfälle 
der  theilweisen  Uoberbehaaruug  auch  für  scheinbar 
I pathologische  Fälle  erwiesen.  Wir  haben  nun 
die  üeberbehaarung  unter  die  Fälle  der  Miss- 
bildungen zu  rechnen,  welche  auf  einem  anorma- 
len Fortbestehen  und  Fortentwicklung  embryo- 
naler Verhältnisse  beruhen. 

Mit  Gehirnanatomie  fremder  Rassen  hat 
sich  in  diesem  Jahre  Herr  Mi  klucho-Makley  be- 
schäftigt (Z.  E.  X.  VI.).  Herr  Benedikt  in  Wien 
hat  die  früher  zum  Theil  im  Berliner  medicioischen 
Centralblatt  vorläufig  publicirten  Gehirnunter- 
| suchungen  in  einem  prächtig  ausges  tat  toten  Werke 


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Uber  Verbreebergehirne  publicirt,  welche«  wir  uns 
aber,  da  wir  hier  von  den  Österreichischen  Unter- 
suchungen abzuseben  haben,  füglich  nicht  zueig- 
nen dürfen.  Herr  Pansch  hat  neuerdings  die 
Gehirnfurchen  des  Gorilla  noch  weiter  studirt. 

Am  Geringsten  unter  allen  Httlfewissensc  haften 
der  Anthropologie  hat  sich  bisher  an  unseren  Be- 
strebungen die  Physiologie?  des  Menschen 
betheiligt.  Es  mag  das  zum  Theil  daher  rühren, 
dass  unter  allen  zur  Hand  liegenden  animalen 
Wesen  der  Mensch  am  seltensten  das  Object  der 
modernen  menschlichen  Physiologie  zu  werden 
pflegt.  Aber  auch  in  physiologischer  Anthropo- 
logie bringt  unser  heuriges  Jahr  erfreuliche  An- 
läufe. Herr  Ja  gor  hat  bei  seinen  erwähnten 
Untersuchungen  lebender  Indier  (1.  c.)  auch  phy- 
siologische Verhältnisse  beachtet,  wie  die  Zahl  der 
Herzschläge  und  Athemzüge,  Entwickelung  der 
Muskulatur  der  versch i edenen  Kasten , sowie  des 
Körpergewichtes  bei  verschiedenen  Ernährungs- 
weisen. Herrn  Virchow’s  Untersuchung  (Z.  E. 
X.  VI.)  der  schon  erwähnten  Nubier  ergab  neue 
entscheidende  Gesichtspunkte  über  eine  physio- 
logische Erage,  welche  die  Anthropologie  seit 
Jahren  beschäftigt:  über  die  Farbenem- 
pfindung  der  Naturvölker.  Lingu- 
istische Studien  hatten  ergeben  , dass  die 
F&rbenbezeichming  bei  den  Naturvölkern  eine 
sehr  mangelhafte  sei,  besonders  häutig  fehlen  be- 
kanntlich unterscheidende  Benennungen  für  grün 
und  blau.  Man  hielt  daraus  den  * Schluss  für 
berechtigt , dass  da , wo  die  sprachliche  Unter- 
scheidung der  Farben  nicht  vorhanden  ist,  auch 
die  physiologische  Unterscheidung  derselben  fehlen 
müsse.  Bei  jenen  „Nubiern“  sind  nun  die  unter- 
scheidenden Farbenbezeichnungen  äusserst  mangel- 
haft. Abgesehen  von  einer  allgemeinen  nament- 
lich für  gesättigte  dunkle  Farben  verwendeten 
Bezeichnung,  besitzt  nach  Munzinger’s  Vocabu- 
larium  die  Badanie-Sprache  nur  die  Unterscheid- 
ungen von  schwarz  und  weiss , sowie  von  rotb 
(braun).  Die  exacte  Untersuchung  mittelst  Farben- 
tafeln und  Fäden  farbiger  Wolle  ergab  nun  aber, 
dass  trotz  der  unläugbar  mangelnden  und  un- 
sichern  Farben  - Benennung  bei  den  Vertretern 
dieser  StUmme  eine  feine,  in  mancher  Beziehung 
die  unsere  sogar  übertreffende  unterscheidende 
Farbenemptindung  vorhanden  ist : was  ihnen  ab- 
gebt, sagt  Virchow,  ist  also  nur  die  sprachliche 
Unterscheidung  der  Farben  nicht  ihre  physio- 
logische Empfindung.  Die  Farbeuunterscheidnng 
ist  bei  diesen  Leuten  nicht  Gegenstand  des  Ge- 
spräches, nur  darum  mangelt  für  sie  der  sprach- 
liche Ausdruck!  Alle  Hypothesen,  welche  auf 
die  behauptete  mangelnde  Farbenemptindung  der 


1 Naturvölker  begründet,  wurden , werden  damit 
^ hinfällig. 

Die  Frage  nach  der  Farbenempfindung  spielt  in 
das  Gebiet  der  verglei  eben  den  Psychologie 
hinüber.  Aus  diesem  wollen  wir  nur  eiue  Publi- 
kation des  Herrn  v.  Bi  sch  off  erwähnen,  welcher 
nach  brieflichen  Mittheilungen  des  Herrn  Dr.  med. 

| H.  Tiedemann  in  Philadelphia  ..Beobachtungen 
i an  zwei  lebenden  Chimpansc  (mase.  et  fein.)“ 
i veröffentlichte.  Aus  dem  anziehenden  Bilde, 

: welches  v.  Bischof!'  von  den  Lebeusgewohnheiten 
und  dem  Charakter  dipser  in  einem  Käfig  tu* 

, summenlebendcn , beinahe  gleichalt erigen  jungen 
j Thiere  „Adam  und  Eva“  entwirft,  heben  wir 
das  Schlussergebniss  hervor,  v.  Bi s c h of f schreibt 
diesen  Anthropoiden : Bewusstsein,  Denken,  Vor- 
stellungen, Gefühle,  Empfindungen,  Willen,  Ab- 
I sichten,  Gedäcbtniss  zu.  Dagegen  mangele  ihnen 
das  Wissen  um  ihr  Wissen,  das  Bewusstsein  von 
1 ihrem  Bewusstsein,  das  Selbstbewusstsein,  die 
I Erkcnntniss  und  das  Nachdenken  über  das  eigne 
Ich.  Darin  erkennt  er  das  Eigentümliche  der 
! Mensdiennatur , daraus  entwickele  sich  auf  der 
I einen  Seite  die  Sprache  andererseits  das  Gewissen, 
worin  die  Befähigung  zur  (Jultur  begründet  sei. 

Nun  schiiesseo  wir  mit  einem  flüchtigen  Blick 
auf  einige  ethnologische  Publikationen  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft.  Trotz 
de«  Mangels  an  überseeischen  Colouien  hat  sich 
deutsche  Gelehrsamkeit  und  Unternehmungslust 
stets  mit  ebensoviel  Hingebung  als  Erfolg  den 
i ethnographisch  - anthropologischen  Studien  ge- 
widmet. Die  Verhandlungen  des  Berliner  Zweig- 
vereins legten  auch  in  diesem  Jahre  Zeugnis*  ab 
von  dem  Keichthum  des  wissenschaftlichen  Materials, 
welches  auch  in  dieser  Richtung  der  Reichshaupt- 
stadt zuströmt.  Aber  nur  selten  finden  die  wissen- 
schaftlichen Reisenden  Gelegenheit  zu  so  exacteu 
1 anthropologischen  Einzeluntersuchungen , wie  wir 
sie  der  eisernen  (Konsequenz  des  Herrn  Jagor  (cf. 
oben)  verdanken.  Noch  immer  liegt  der  Haupt» 
' Schwerpunkt  der  anthropologischen  Thütigkeit  der 
j Reisenden  in  der  Sammlung  anthropologischen 
i Untersuchungsmaterials  (Godef  Froy),  welches  erst 
im  Vaterlande  wissenschaftlich  zu  bearbeiten  ist. 
Aber  in  kraniologischer  und  in  vielen  anderen 
anthropologischen  Beziehungen  werden  wir  doch 
erst  dann  wirkliche  definitive  Aufschlüsse  er- 
halten, wenn  au  Ort  und  Stelle  die  Bearbeitung 
des  wissenschaftlichen  Materials  vorgenommen 
werden  kann.  In  dieser  Beziehung  begrtissen 
wir  es  mit  Freude,  dass  auch  einige  uetiausge- 
sendete  Reisende  in  Afrika,  z.  B.  Dr.  Büchner 
(München)  sich  für  Schädelmessungen  interessiren. 
j Aber  noch  wichtiger  erscheint  der  von  Herrn 


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Miklucho-Maklay,  dem  eifrigen  Correspondenten 
unserer  Gesellschaft,  neuerdings  angeregte  (1.  c.) 
und  schon  zum  Theil  mit  eigenen  Mitteln  ausge- 
führte Gedanke,  da  wo  sich  europäische  Cultur 
und  Halbcivilisation  oder  Barbarei  direkt  berühren, 
analog  den  zoologischen , anthro pologische 
Stationen  zu  gründen,  Untersuchuugsstationen 
zum  Zwecke  der  anatomischen  Erforschung  frem- 
der Stämme  ausgerüstet  mit  allem  Zubehör  ana- 
tom ische-anthropologischer  Beobachtung.  Nament- 
lich in  Beziehung  auf  eines  unserer  höchsten  De- 
siderate: eine  vergleichende  Gehirnlehre, 
erscheinen  solche  Beobachtungsstationen  unerläss- 
lich. Doch  dürfen  wir  auch  hier  das  vorhin  Ge- 
sagte nicht  vergessen.  Wir  können  von  dem  ver- 
gleichenden Studium  des  menschlichen  Gehirns 
erst  dann  den  wahren  Nutzen  erwarten , wenn 
wir  durch  Untersuchungen  im  eigenen  Lunde 
die  wissenschaftlichen  Fragen  präcisirt  und  die 
Verhältnisse  statistisch  aufgenommen  haben. 

Noch  wttnschenswerther  wäre  es  freilich,  wenn 
den  anthropologischen  Forschern  die  Unter- 
suchung von  Vertretern  fremderNatio- 
n c n in  genügender  Anzahl  zu  Hause,  wo  alle 
Hilfsmittel  der  Untersuchung  zu  Gebote  stehen, 
möglich  gemacht  würde.  Auch  in  dieser  Richtung 
ist  ein  werthvoller  Anfang  gemacht.  Herr  Hagen- 
beck  hat  eine  Caravanengeseilseh  aft  sogenannter 
Nubier  (32  Köpfe),  nach  Deutschland  gebracht. 
Die  Untersuchung  (1.  e.).  welche  diese  Fremden 
namentlich  in  Berlin  gefunden,  an  welcher  sich 
unter  der  Führung  Virchow’s  N amen  wie  L e p - 
sius,  Dillmann,  Praetorius,  Nachti- 
gall, Hildebrandt,  Hart  mann,  Wetz- 
stein, Steinthal  u.  A.  betheiligten,  hat  sich 
zu  einem  wahren  Paradigma  einer  anthropologisch- 
ethnologischen  Untersuchung  gestaltet.  Wir  kom- 
men hier  zu  einem  Ausgangspunkt  unserer  Be- 
sprechung zurück.  Handelte  es  sich  doch  auch  i 
hier  bei  der  Untersuchung  der  Vertreter  der  I 
dunklen  semitischen  oder  hulbsemitischen  Stämme, 
welche  das  Gebiet  bewohnen,  das  sich  von  den  Gren- 
zen des  eigentlichen  Aegyptens  an  der  Küste  horab 
bis  zu  den  Grenzen  von  Abessynien  und  vom 
rothen  Meere  bis  an  den  Nil  (im  Süden  zum  ; 
blauen  Nil)  erstreckt,  um  die  Frage  über  die  Ur-  | 
sitze  der  Hamito  - Semiten.  Mit  dieser  erledigt  i 
sich  dann  die  andere  Frage,  ob  diese  Stämme  als 
eingewandert  oder  als  autochton  afrikanisch  zu 
betrachten  seien.  Nach  Virchow  spricht  an- 
thropologisch Alles  für  einen  asiatischen  Ur- 
sprung, Alles  gegen  einen  solchen  aus  Afrika, 
„Wie  verschieden  von  der  Negerwolle  ist  ihr 
glänzendes  langes  Haupthaar!  — ganz  und  gar 
abweichend  aber  ist  die  Gesichts-  und  Korper- 


bildung,  welche  der  arischen  vielfach  nahe  kommt 
und  mit  der  semitischen  die  grösste  Verwandt- 
schaft zeigt.  Dieses  hohe  und  schmale  Gesicht, 
diese  schmale  und  lange , stark  hervortretende 
und  häufig  Uberhängende  Nase,  diese  sanften, 
einander  genäherten  Augen,  mit  den  zarten,  langen 
Lidern,  der  vollkommen  ortbognathe  Kieferbau, 
die  schmalen  und  feinen  Lippen,  die  wenig  vor- 
tretenden Wangenbeine,  der  lange  und  stolz  auf- 
gerichtete Hals , die  Schlanke  und  hohe  Gestalt 
mit  schönem  Ebenmass  und  guter  Bildung  der 
Glieder,  die  Zierlichkeit  von  Hand  und  Fuss  — 
alles  das  sind  Merkmale , welche  wir  bei  keiner 
wahrhaft  nigritischen  Bevölkerung  finden.  Alles 
ist  bei  ihnen  von  den  Negern  verschieden  bis 
auf  die  dunkle,  fast  schwarze  Haut,  von  der  wir 
aber  wissen,  dass  sie  sich  ohne  alle  Beziehungen 
zu  Negerblut  in  analoger  Dunkelheit  über  Süd- 
arubien  bis  nach  Indien  verbreitet.  Virchow 
spricht  gestützt  auf  die  anthropologische  Unter- 
suchung die  von  der  Linguistik  nach  ihren  Me- 
thoden festgestellte  Ansicht  aus,  dass  die  semi- 
tischen mit  den  arischen  Stämmen,  wenn  auch 
nur  in  sehr  weiter  zeitlicher  Entfernung  näher 
zusammen  hängen.  Er  hält  die  besprochenen 
Stämme  für  nahe  verwandt  mit  den  semitischen, 
ihre  zum  Theil  schon  vor  Jahrtausenden  — vor 
der  Blüthe  Aegyptens  — verlassene  Urheimath  für 
Asien.  Feste  Zielpunkte  für  die  weitere  Forschung 
sind  damit  gewonnen.  — 

So  schließen  wir  diese  lückenhafte  Umschau, 
welche  aber , wie  ich  hoffen  darf,  in  Ihnen  den 
Eindruck  erweckt  hat , dass  die  Anthropo- 
logie sich  anschickt,  die  führende  Rolle,  welche 
sie  einst  unbestritten  unter  den  Natur-  und 
Geistes  Wissenschaften  behauptete,  wieder  zu  er- 
langen. 

Herr  Weisni&llfl  (Kassaführer): 

Es  gereicht  mir  zu  grosser  Befriedigung  auch  am 
Ende  des  diesjährigen  Geschäftsjahres  nicht  nur  mit 
geordneten,  sondern  sogar  mit  recht  günstigen 
Kassa -Verhältnissen  vor  Sie  traten  zu  können. 
Das  Rechnungsjahr  hat  sich  ohne  jegliche  Störung 
und  ganz  normal  abgewickelt,  und  bin  ich  in 
der  angenehmen  Lage,  den  getreuen  Mitarbeitern, 
den  Herren  Geschäftsführern  und  Kassieren  der 
25  Zweigvereine  und  Gruppen  Namens  der  Vor- 
standschaft meine  vollste  Anerkennung  ob  der 
geleisteten  Enterst  Atzung  nusdrücken  zu  können. 
Es  ist  nur  eine  kleine  Gruppe  für  das  laufende 
Jahr  im  Rückstände  geblieben,  während  es  im 
vorigen  Jahre  deren  8 waren,  woraus  sich  dann 
auch  die  bedeutende  Summe  von  Rückständen 
mit  1005  Mark  erklärt. 


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89 


Wir  sind  im  heurigen  Jahre  unserm  Voran- 
schläge bis  auf  8 Mitgliederbeiträge  nahe  ge- 
kommen, indem  von  den  1936  Mitglieder-Be*- 
trägen,  die  wir  in  den  Etat  einsetzten,  1928  auch 
wirklich  eingegangen  sind.  Die  eingezahlten  Bei- 


träge 

vertheilen  sich 

in 

folgender 

Art. 

Es 

zahlten  ein: 

aus 

Basel 

7 Mitglieder 

21 

4 

Bonn 

26 

n 

78 

B 

n 

Berlin 

375 

n 

1125 

B 

„ 

Carlsrahe 

10 

30 

„ 

Constanz 

33 

99 

n 

„ 

Danzig 

99 

297 

ji 

„ 

Elberfeld 

23 

„ 

09 

4 

„ 

Frankfurt  a.  M. 

20 

a 

60 

(mit  14,14  cA  U ob  er  schoss) 

„ 

Freiburg  i.  B. 

68  Mitglieder 

204 

„ 

„ 

Gotha 

9 

a 

27 

„ 

„ 

Göttingen 

3 

24 

JI 

„ 

Hamburg 

57 

171 

4 

„ 

Heidelberg 

29 

n 

87 

4 

„ 

Jena 

53 

w 

159 

4 

a 

Kiel 

121 

_ 

363 

1» 

n 

Königsberg 

13 

ü 

39 

n 

„ 

Mainz 

30 

a 

90 

ji 

Mannheim 

14 

» 

42 

Sl 

München 

246 

n 

738 

n 

Münster 

122 

ji 

366 

n 

a 

Stralsund 

6 

18 

fi 

Stuttgart. 

233 

a 

699 

B 

n 

Weissenfels 

79 

»i 

237 

a 

n 

Würzburg 

14 

42 

t» 

demtiocb  in  Summa  1 695  Mitglieder  mit  5085  Mark 
Beiträgen;  ein  Resultat,  das  gewiss  allo  Anerken- 
nung verdient,  insbesondere,  wenn  man  die  vielfachen 
Schwierigkeiten  und  die  nicht  geringe  Mühe  der 
• Erhebungen  würdigen  will , namentlich  in  den 
Gruppen  und  Vereinen,  die  ihre  Mitglieder  we- 
niger concentrirt  haben.  Kleine  Rückstände  sind 
bei  der  der  maligen  Organisation  unserer  Gesell- 
schaft. geradezu  unvermeidlich ; — und  so  sehr 
ich  auch  ein  geordnetes  Kassawesen , als  eine 
Grundbedingung  des  Bestandes  der  Gesellschaft 
anstrebe,  ebenso  sehr  muss  ich  mich  gegen  einen 
Zwang  erklären,  der  Verstimmung  gegen  den 
Verein  erzeugen  würde.  — Denn,  meine  hoch- 
geehrte Versammlung,  würden  wir  wohl  unsere 
Vereins-Interessen  fördern,  wenn  wir,  wie  in  man- 
chem Vereine  geschieht,  sagen  wollten:  Wer 
seinen  Jahresbeitrag  bis  zu  diesem  oder  jenem 
Tage  nicht  eingesendet  hat,  wird  als  ausgetreten 
betrachtet?  — Ein  derartiges  Vorgehen  würde 
uns  schwer  schädigen.  Es  ist  lediglich  das  Inter- 
esse an  dem  Vereine,  d.  h.  an  seinen  wissen- 
schaftlichen Bestrebungen,  welches  ihm  seine 


Mitglieder  treu  bleiben  lässt.  Die  Förderung 
dieses  Interesses  aber  müssen  wir  uns  ganz  be- 
sonders angelegen  sein  bissen,  Jeder  nach  der 
ihm  geeignet  scheinenden  Weise.  Können  auch 
nicht  alle  durch  wissenschaftliche  Arbeiten  sich 
nützlich  machen , so  gibt  es  doch  für  Jeden  Ge- 
legenheit zur  moralischen  Unterstützung.  In 
keinem  Falle  aber  lassen  wir  die  Phrase  gelten: 
„Ich  kann  für  den  Verein  nichts  tbun !“  die 
anthropologische  Gesellschaft  weiss  jedes  einzelne 
Mitglied  zu  schätzen,  nach  welcher  Seite  hin  das- 
selbe auch  thätig  sein  mag. 

Grossen  Werth  legen  wir  daher  auf  unsere 
isolirten  Mitglieder,  die  nach  allen  Richtungen 
bin  wirksamen  Pionire  der  Anthropologie;  da  es 
bei  ihnen  lediglich  das  wissenschaftliche  Inter- 
esse ist,  welches  sie  an  den  Verein  kettet,  trotz 
des  Maugels  au  specieller  Anregung  durch 
regelmässige  wissenschaftliche  Vorträge,  wie  solche 
von  den  meisten  Ix>kalvereinen  ihren  Mitgliedern 
geboten  werden. 

Von  diesen  unser«  233  isolirten  Mitgliedern 
wurden  durch  Nachnahme  orhoben  die  Beiträge 
von  167  Mitgliedern,  während  66  Mitglieder  ihre 
Jahresbeiträge  schon  früher  eingesendet  hatten. 
Die  Zahl  der  Isolirten  hat  gegen  das  Vorjahr 
eine  sehr  namhafte  Mehrung  erfahren  (233  gegen 
168  des  Vorjahres),  was  wir  hauptsächlich  den 
unausgesetzten  Bemühungen  des  Herrn  Geheim- 
rathes  Sch  aaffh  au  sen  zu  verdanken  haben.  — 

Die  Beiträge  von  233  Isolirten  mit  699  Mark 
zu  den  obigen  Beiträgen  von  1695  Mitgliedern 
der  Lokalvereine  und  Gruppen  mit  5985  Mark 
ergeben  nun  die  in  Rechnung  gesetzten  1928 
Mitglieder  mit  5784  Mark  Einzahlungen  für  das 
Geschäftsjahr  1878/79. 

Sie  sehen  also,  hochverehrte  Herren,  dass  wir 
der  so  heiss  ersehnten  Mitgliederzahl  von  2000 
i nicht  nur  sehr  nahe  sind , sondern  dieselbe  nach 
Einrechnung  unserer  Restanten  bereits  über« 
1 schritten  haben.  Lassen  wir  es  aber  dessenunge- 
achtet an  neuer  Werbung  nicht  fehlen,  und 
machen  wir  recht  ausgiebigen  Gebrauch  von  den 
hier  aufliegenden  Formularien  zu  Beitrittser- 
klärungen. 

Sicherlich  dürfen  wir  uns  der  Hoffnung  hin- 
geben, beim  nächsten  Congresse  auch  die  hiesige 
Stadt  als  Sitz  und  Mittelpunkt  eines  neugegrün- 
deten Vereins  für  die  Reicbslande  bezeichnen  zu 
können,  eine  Sache,  die  unsern  so  hochverdienten 
Geschäftsführer  Herrn  Prof.  Gerl  and  gewiss 
i nicht  mehr  ruhig  schlafen  lassen  wird , bis  sie 
1 sich  verwirklicht  hat. 

Zu  den  Einnahmeposten  des  Kassenberichtes 
I ist  erklärend  beizufügen , dass  bei  den  unter 

4 


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90 


Nr.  2 mit  201tf»  Mark  eingesetzten  Zinsen  sieh 
auch  die  erzielten  Contocorrent-Zinsen  befinden, 
und  dass  sich  das  Kieler  Geschäfts-Comite  durch 
den  eingesendeten  Ueberschuss  von  215*85  Mark 
(Nr.  G des  Berichtes)  wiederholt  unsere  dank- 
bare Anerkennung  erworben  hat.  — 

Natürlich  füllt  dieser  Einnahmeposten  für  das 
nächste  Jahr  weg,  da  das  hiesige  Comite  Druck- 
kosten, Stenographen  etc.  selbstständig  deckt  und 
keinerlei  Ansprüche  an  die  Vereinskasse  macht, 
also  auch  keinerlei  Rückvergütung  oder  soge- 
nannte Abrechnung  statt  zu  finden  braucht,  wie 
dies  im  vorigen  Jahre  der  Full  war. 

Bei  Nr.  7 der  Einnahmen  muss  ich  Ihnen 
den  Sachverhalt  kur/,  an  geben,  wie  ihn  Herr  Prof. 
Dr.  Kol  1 mann  brieflich  raittheilte,  und  erlaube 
ich  mir  daher,  das  Betreffende  vorzuleseu. 

..Der  Generalsekretär  der  deutschen  anthro-  | 
pologischen  Gesellschaft,  erhielt,  bis  zum  Jahre 
187(5  ein  Freiexemplar  des  A rch  i v s für  Anthro- 
pologie — Verlag  von  Vieweg  und  Sohn  in 
Braun  schweig. 

Bei  der  Uebernahme  des  General-Sekretariats 
durch  den  Unterzeichneten  blieb  auf  den  Wunsch 
des  verstorbenen  Herrn  v.  Frantzius  das  Exem- 
plar in  dessen  Bibliothek  zu  Freiburg.  Sein 
Testament  setzte  die  Stadt  Freiburg  i.  13r.  zum 
Universalerben  ein,  und  diese  erhielt  auch  ftLlsch- 
licher  Weise  mit  der  Bibliothek  die  10  Bände 
des  Archivs.  — Die  Bibliothek  wurde  nach  Göt- 
tingen verkauft,  und  ich  erfuhr  erst  spät  von  ; 
dem  Testamente  des  Herrn  v.  Frantzius. 

Das  Werk  von  10  Bänden  war  nicht  mehr 
zu  erhalten,  ich  habe  es  aber  mit  Hilfe  des  Hm. 
Prof.  Fischer  in  Freiburg  dahin  gebracht,  dass 
mir  die  Stadt kasse  Freiburg  den  vollen  Buch- 
händlerpreis  der  10  Bände  mit  286Mark  ausbezahlte. 

Indem  ich  Ihnen  diese  286  Mark  — d.  h. 
nach  Abzug  von  1 Mark  Frankatur  noch  285 
Mark  — übersende,  bitte  ich  gefälligst  seiner 
Zeit  um  Empfangsbestätigung.“ 

In  einem  weiteren  Schreiben  rflth  Herr  Prof. 
Ko  11  mann  das  Geld  zum  „eisernen  Fond“  zu 
legen  und  die  Zinsen  zu  ad  massieren , da  das 
Buch  jeden  Augenblick  um  ein  Drittel  des  Laden- 
preises angeschaflt  werden  kann,  wenn  es  der  be- 
treffende General-Sekretär  benöthigen  sollte.  — 
Jedenfalls  ist  es  Sache  der  Vorstandschaft  hier- 
über zu  bcsschliossen.  — 

Bezüglich  der  Ausgaben  sind  wir  den  von  i 
der  vorjährigen  Generalversammlung  gehissten  Be- 
schlüssen vollkommen  gerecht  geworden  und  wurde 
der  Etat  gewissenhaft  eingehalten. 

Es  sind  dem  Reservefond  neuerdings  500  Mark 
hinzugefügt  worden  und  beträgt  derselbe,  wie  Sie 


beim  Kapitalvermögen  sehen  wollon,  nunmehr 
1000  Mark. 

Wir  haben  2tens  unseren  Jahresbericht  mit 
seinen  3 Beilagen,  der  so  viel  Anerkennung  ge- 
funden hat . mit  den  vorgesehenen  Mitteln  voll- 
ständig hergestellt  und  unsere  Position  für  Druck- 
k osten  zu  überschreiten  nicht  nöthig  gehabt. 

Die  an  einzelne  Vereine  und  Personen  ge- 
währten Unterstützungen  sind  erhoben  worden, 
und  werden  sicher  auch  gute  Früchte  tragen. 
Vielleicht  erstatten  uns  Herr  Prof.  Dr.  Klop- 
fte isch  und  Herr  Dr.  Mehlis  gütigen  Bericht 
über  die  Resultate  ihrer  Bemühungen?  — 

Endlich  konnte  auch  der  bereits  angelegte 
Fond  von  4526,50  Mark  für  die  stat.  Erhebungen 
und  die  präh.  Karte,  ersterer  um  500  Mark  und 
letzterer  uni  200  Mark  vermehrt  werden,  und  da 
von  Herrn  Qebeimratb  Virchow  im  Laufe 
dieses  Jahres  52,50  Mark  und  von  unserm  Herrn 
Vorsitzenden  für  die  präh.  Karte  1UÜ  Mark  er- 
hoben wurden , so  stellt  sich  deren  Guthaben  an 
die  Kasse  anstatt  auf  5226,50  Mark  nur  noch 
auf  5074  Mark,  welche  verzinslich  angelegt  sind. 

Die  Abgleicbung  der  Einnahmen  zu  13748,16 
Mark  mit  den  Ausgaben  zu  11827,61  Mark  er- 
gibt also  einen  Kassarest  von  1920,55  Mark,  wo- 
von 800  Mark  in  Werthpapieren  und  1120,55 
Mark  in  ßuarem  vorhanden  sind. 

Nehmen  wir  für  das  nächste  Jahr  die  Bei- 
träge von  1940  Mitgliedern  ä 3 Mk.  zu  5820  Mk. 
an  und  hiezu  den  diesjährigen  Kassarest  init 

1920,55  Mk  , so  verfügoii  wir  über  7740,55  Mark. 

Ich  bitte  nun  die  hoho  Generalversammlung 
den  statutengemässen  Rechnungs-Ausschuss  zu  er- 
nennen und  dem  Schatzmeister  Decharge  zu  er- 
theilen. 

Kassenbericht  pro  1878/79. 

Einnahme. 

1 . Kassen  vnrrath  von  vorig.  Rech- 
nung   JL  1688  03  $ 

2.  An  Zinsen  gingen  ein  . . . , 201  64  r 

3.  An  rückständigen  Beiträgen 

aus  dem  Vorjahre  . . . . „ 1005  — » 

4.  Jahresbeiträge  von  1928  Mit- 
gliedern für  1879  einfuthlietttt- 
lieh  einiger  Mehrbeträge  (21  JL 

64  £) 5805  64  , 

5.  Für  besonders*  ausgegebene  Be- 
richte u.  Correapondenzbl&tter  * 20  50  . 

6.  Ueberachuaa  de*  Geschäftsau*- 
achmuea  in  Kiel,  resp.  Beitrag 

desselben  für  die  Stenographen  „ 215  85  „ 

7.  Vergütung  der  10  ernten  Bünde 
des  „Archiv*  f.  Anthropologie“ 
seitens  der  Stadt  Freiburg  im 


Breisgau  mit 285  — . 

8.  Rest  aus  dem  Jahre  1877/78, 

worüber  bereits  verfügt  . . , 4526  50  . 


Zusammen:  Ji  13748  16  d 


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91 


Ausgabe. 

. Kür  den  Ankauf  eine»  4°/e 
Pfandbriefe«  der  bayerischen 
Hypotheken-  u.  Wechsel  bank 
a 500  -ft.  zum  Rewrvpfond 
Verwalt  ung*ko»ten  .... 
Druck  d.  Correspondenzblatte« 

pro  1878  

Druck  des  Kassenberichten, 
diverser  Circulare  etc.  . . . 
Für  die  Stenographen  )«»i  der 
Generalversammlung  in  Kiel 
Zu  Händen  des  Herrn  General- 
sekretär»   

Zu  Händen  de«  Schatzmeisters 
Für  die  Redaction  de»  Corre- 
spondenzbluttes  ..... 
Dem  Zweigverein  in  Jena  für 

Ausgrabungen 

Dem  Zweigverein  in  Dürkheim 

fTlr  Ausgrabungen 

Herrn  Pfarrer  Dahlem  in  Re- 


gensburg  . 

Herrn  Pfarrer  Engelhard  in 

Königsfeld 

Kür  Berichterstattung  . . . 
Für  die  Publikation  der  sta- 
tistischen Erhebungen  über  die 
Farbe  der  Augen , Haare  und 

der  Haut 

Für  den  gleichen  Zweck  . . 
Für  die  Publikation  der  prä- 
historischen Karte  .... 
Für  den  gleichen  Zweck  . . 
Haar  in  BMW  ....  . , 
Zusammen : 


496 

74« 

1« 

03 

4 

2855 

67 

. j 

17« 

45 

374 

80 

600 

300 

— 

: 

800 

- 

. 

200 

- 

. 

100 

- 

150 

- 

150 

150 

I 

; | 

344#  — . 

52  50  . 


historischen  Karte 1626  — . 

17.  Für  den  gleichen  Zweck  . . „ 100  — . 

18.  Baar  in  Kasse 1920  55  . 

Zusammen : »45  18748  16  r}. 

A.  Kapital- Vermögen, 

Als  „Eiserner  Bestand“  aus  Einzahlungen  von 
15  lebenslänglichen  Mitgliedern  und  zwar: 

a)  4’  *°/o  GroHsh.  Bad.  Partial- 
obligationen von  1866  Lit.C. 

Kr.  7387 K 600  -4 

bl  De« gl.  Ui  I».  Nr.  41185  . , 800  — . 

c)  Pfandbrief  der  Khein.  Hypo- 
theken-Hank,  Serie  XIV. 

Lit.  D.  Nr.  143 , 800  - . 

d)  Ke*ervefond 1000  — . 

Zusammen:  -ff.  2200  — 


a)  An  Werth  papieren 

b)  Haar  in  fasse  . . 


ft.  800 
. H20 
Jt  1920 


Zusammen:  -.ff,  1020 

c)  Hiezu  die  für  die  »tutistisch. 

Erhebungen  und  die  prä- 
historische Karte  bei  Merk. 

Fink  k Co.  deponirten  . . . 5074 

worüber  bereits  verfügt. 

Zusammen : CA.  6904 
Verfügbare  Summe  für  1870/80. 

1.  Jahresbeiträge  von  1940  Mit- 
gliedern k 3 JC JK  5820 

2.  Baar  in  Kasse 1920 

Zusammen : • 41  7740 


Herr  I)r.  Frans  (Vorsitzender.) 

Sie  werden  sich  mit  mir  überzeugt  haben,  dass 
wir  auf  unsern  Schatzmeister  stolz  sein  können,  wie 
auf  ein  Juwel.  In  dieser  Zeit,  wo  es  fast  zum 
guten  Ton  gehört.  Defizit  zu  haben,  eine  Gesell- 
schaft zu  finden  , die  solche  glänzende  Resultate 
aufzuweisen  hat,  wie  wir  sie  soeben  vernommen 
haben,  gebührt  nnserra  Kassier  unsere  volle  Hoch- 
achtung und  unser  aufrichtiger  Dank.  Ordnungs- 
gemäss muss  ihm  aber  doch  eine  Control«  gesetzt 
und  ein  Ausschuss  zur  Prüfung  der  Abrechnung 
ernannt  werden , daher  ersuche  ich  die  Herrn, 
die  voriges  Jahr  dies  Geschäft  besorgt  haben, 
Herrn  Kraus  und  Härchen  sich  wiederum  die- 
sem Geschäft  zu  unterziehen  und  Herrn  Ger- 
land,  sich  diesen  beiden  Herrn  anzuschliessen. 

In  der  IV  Sitzung  wurde  von  Herrn  Weis- 
ninnn  der  von  der  Vorstandschaft  aufgestellte  Etat 
vorstehenden  Kassen  Verhältnissen  entsprechend  mit- 
get  heilt: 


Etat  für  das  Geschäftsjahr  1879  80. 

Verfügbare  Somme 

.ff 

7740  SA 

Aufgaben. 

1. 

V erwalfcungnkosten  . 

,A 

800  — 

2. 

3. 

Druck  de»  Correspondensblattes 

3000  — 

Zu  Händen  de«  Generalsekretäre 

60«  — 

4. 

Zu  Händen  des  Schatzmeister» 

.80«  — 

5. 

Redaction  de»  Correspondenz- 
blatte» 

800  — 

i 

I>ruck  de»  Kassenberichte«  . . 

100  - 

7. 

Stenographen  

400  — 

: 8. 

Herrn  Haron  Trültsch  für  die 
prähistorische  Karte  .... 

4 0 — 

9. 

Für  Berichterstattung . . 

150  — 

10. 

Für  den  Rewervefond  .... 

500  — 

11. 

Für  die  «tatist.  Erhebungen 

500  — 

1 12. 

Für  die  prähistorische  Kurte 

500  — 

! 13. 

Für  unvorhergesehene  Aufgalten 

190  65 

Zusammen:  ,A  7740  55  ry 

In  der  gleichen  (IV.)  Sitzung  wurde  durch 
Herrn  Härchen,  den  Sprecher  der  Keclmuugs- 
Commifision , der  Abrechnung  pro  1878,79  De- 
charge  ertbeilt. 

Berichterstattung  der  Commissionen. 

1.  Die  prähistorische  Karte. 

Herr  0.  Frans  (als  Vorsitzender  der  Com- 
mission) : 

Als  Berichterstatter  für  die  prähistorische 
Karten kommission  hala?  ich  Ihnen  mitzutheilen, 
dass  sieb  der  Schwerpunkt  der  Kartenarbeit  nach 
der  Südw'est-Ecko  Deutschlands  legte,  sowie  im 
vorigen  Jahr  die  Nordost-Ecke  den  Angriffspunkt 
bildete.  Ueber  diese  Arbeit  wird  Ihnen  der  Ver- 
fertiger unserer  Karte,  Herr  Baron  v.  TrÖltsch, 
ausführlicherer  mittheilen.  Mir  bleibt  nur  die 

4* 


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Aufgabe,  den  Förderern  derselben  , den  Herren 
Örünewald  in  Metz , Nessel  in  Hagenau, 
der  kaiserl.  Universitäts-Landesbibliothek  in  Strass- 
burg. Herrn  Wagner  in  Carlsruhe  und  Herrn 
Frank  in  Schussenried  den  Dank  der  Gesell- 
schaft auszusprechen.  Ausserdem  sind  schätzens- 
werthe  Beiträge  zur  Karte  eingegangen  von  Rit- 
tergutsl>esitzer  Udo  von  Alvensleben  zu 
Schollene,  Kreis  Jerichow,  Robert  Eisei  zu 
Gera,  Dr.  A.  Richter  zu  Saalfeld,  Professor 
Klopfleisch  zu  Jena,  von  dem  Vorstand  dee 
kulturhistorischen  Museums  zu  Lübeck,  die  Ar- 
beiten des  Herrn  Zollinspektors  J.  Gross,  Dr. 
R.  B 1 a s i u s in  Braunschweig  und  von  dem  Mu- 
seumsdirektor in  Kiel  Prof.  Handelmann. 

Herr  Baron  von  Tröltach : 

Von  der  deutschen  Gesellschaft  für  Anthro- 
pologie mit  der  ehrenden  Aufgabe  betraut,  die  prä- 
historische Karte  von  Deutschland  zu  entwerfen, 
erlaube  ich  mir  Ihnen  Uber  meiae  Arbeiten  in 
den  letzten  10  Monaten  zu  referiren. 

Das  Resultat  derselben  erblicken  Sie  in  vor- 
liegendem skizzirten  Tableau.*)  Dasselbe  umfasst 
Süd  Westdeutschland  und  die  Schweiz;  von  dem 
angrenzenden  Bayern  und  Frankreich  aber  nur 
soviel , um  die  ungefähre  Fortsetzung  der  prähi- 
storischen Verhältnisse  nach  Osten  und  Westen 
ersehen  zu  können. 

Einzeichnungen  in  die  Reymann’sche 
Karte,  weleho  dieser  Arbeit  vorangegangen  sind, 
erhielt  ich  nur  von  Herrn  Dr.  Mehlis  über  die 
Pfalz,  von  Herrn  Bürgermeister  Nessel  über  die 
Grabhügel  des  Bezirkes  Hagenau  i.  E. ; weniges 
über  Baden  von  Herrn  Hofrath  Ecker  und 
Uber  Württemberg  von  Herrn  Professor  Fr  aas. 
Das  gesammte  vollständigere  Material  musste  ich 
daher  erst  nach  längeren  Vorstudien  aus  über  50, 
zum  Theil  sehr  umfangreichen  Werken  sammeln. 

Ich  will  Sie  mit  deren  Aufzählung  nicht  er- 
müden , möchte  aber  erwähnen , dass  ich  hiebei 
nur  die  zuverlässigste  Literatur  benützte,  so  z.  B. 
für  K lsass  die  15  Bände  Bulletins  de  la  socitHe 
pour  U Conservation  de  monuments  liistoriques 
d’Alsace.  — Bleicher  und  Faudel:  MattSri- 
aux  pour  une  ötude  prthistorique  d’Alsace  u.  s.  w. 

Die  Darstellungsweise  auf  dieser  Karte,  welche 
von  mir  in  Vorschlag  gebracht  und  von  der 
Generalversammlung  in  Kiel  angenommen  wurde, 
besteht  in  folgendem  .System : 6 Farben  bezeich- 
nen die  vorgeschichtlichen  Perioden  und  Fund- 
stoffe: dunkelroth  die  ältere,  hellroth  die  neuere 
Steinzeit,  gelb  die  der  Bronze,  blau  jene  des  Ei- 

*) Daiwelbe  folgt  in  reduzirtem  Maas^tabe  dem 
Jahre« berichte  ul«  Beilage, 


sens,  grün  gemischte  Funde  aus  Bronze  und  Ei- 
sen, Neutralfarbe  Fundstätten  ohne  obige  Stoffe. 
Mit  diesen  Farben  werden  nun  die  einzelnen  prä- 
historischen Zeichen , die  hier  unten  angegeben 
sind,  möglichst  genau  in  die  lteyrn  an  n ’sch  e 
Karte  eingetragen  und  sodann  diejenigen  von 
gleicher  Farbe  und  deren  Entfernung  etwa  1 
Meile  beträgt,  in  grössere  oder  kleinere  von  Cur- 
ven  begrenzte  Flächen  vereinigt , wie  Sie  auf 
vorliegendem  Tableau  erblicken.  An  denselben 
erkennen  Sie  sogleich  das  in  prähistorischer  Zeit 
bewohnte  und  eben  damit  das  erforschte  prähi- 
storische Terrain 

Hiebei  treten  Ihnen  zunächst  3 grosse  farbige 
Hauptzüge  vor  Augen:  der  eine  läuft  von  SW. 
nach  NO.,  von  Genf  bis  Nördlingen,  von  diesem 
zweigen  sich  die  beiden  andern  nach  Norden  ab, 
der  eine  bei  Biel  bis  Worms,  der  andere  bei  Sig- 
maringen bis  Neckarsulm.  Diese  3 Hauptstreifen 
folgen  dem  Laufeder  Hauptgewässer : dem  Rhein, 
dem  Neckar,  der  Donau,  sowie  der  Aar  und  den 
Seen  der  Westschweiz.  Die  kleineren  farbigen 
Streifen  dagegen  entsprechen  meist  der  Richtung 
der  Nebenflüsse. 

Die  Hauptgewässer  bildeten  somit  die  Haupt- 
verkehrsstrassen, ihre  Zuflüsse  die  Verbindungs- 
wege in  vorgeschichtlicher  Zeit.  Neckar  und 
Donau  geben  uns  hiefür  die  unzweideutigsten  Be- 
lege, indem  wir  diese  Hauptvorkehrsstrassen  durch 
die  Nebenflüsse  Lautor  und  Erms  einerseits,  die 
Lauchert  und  Schmiech  mit  der  Eyach  ander- 
i seits  verbunden  sehen.  Die  beiden  ersten  bilden 
sogar  eine  reine  Bronzeverbindungsstrasse. 

Ausser  diesen  Strassen  sind  aber  an  den  ein- 
zelnen farbigen  Punkten  auch  die  kleinen  Ver- 
kehrswege zu  erkennen ; so  z.  B.  an  diesen  4 
rotben  Punkten  ein  solcher  zur  Steinzeit  zwischen 
Chflteau  Salins  und  Luneville. 

Wie  die  farbigen  Flächen,  so  haben  aber  auch 
die  weisseü  ihre  Bedeutung.  Wir  erkennen  an 
ihnen  das  in  prähistorischer  Zeit  unbewohnte,  wie 
das  Doch  nicht  durchforschte  Terrain.  Zu  erste- 
rein  zählen  wir  den  Kamm  der  Vogesen  und  des 
Schwarzwaldes,  den  Murrhardter  und  Mainhardter 
Wald  u.  a.,  sowie  das  schweizerische  Hochgebirge. 
Zu  letzterem  aber  gehören  bedauerlicher  Weise 
fast  die  ganze  badische  Rheinobene  und  der 
grössere  Theil  von  Deutsch-Lothringen.  Trotzdem 
sind  aber  auch  diese  grösseren  oder  kleineren 
weissen  Flächen  von  grossem  Werth ; denn  sie 
1 dienen  uns  mehr  oder  weniger  als  zuverlässige 
j Wegweiser  bei  weiteren  Forschungen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  ferner  eiue  ver- 
I gleichende  Betrachtung  der  einzelnen  farbigen 
Flächen.  Wir  Anden  dieselben  zwar  in  allen 


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Gependen  unserer  Karte,  aber  in  ungleicher  Ver- 
theilang und  Starke.  Am  schwächsten  sind  die 
beiden  Steinzeiten  , namentlich  die  ältere , am 
stärksten  die  Metallzeit  vertreten.  Höchst  wich- 
tig hiebei  ist  aber  deren  geographische  Verkeil- 
ung. Beide  Steinperioden  überwiegen  nämlich  im 
Westen,  die  Metallperiode  dagegen  im  Osten. 
Diese  Beobachtung  fuhrt  uns  daher  unwillkürlich 
zu  der  Annahme,  dass  die  früheste  menschliche 
Einwanderung  von  Westen , die  zur  Bronzezeit 
dagegen  aus  Osten  ; vielleicht  auch  theU weise  von 
Süden  erfolgte  Für  unsere  erste  Hypothese  ha- 
ben wir  die  beste  Begründung  durch  die  beiden 
prähistorischen  Karten  von  Frankreich : l . Carte 
de  la  Gaule,  öpoque  antehistorique  (Age  de  la 
pierre)  gisements  quaternaircs  et  cavernes.  Pub- 
lice pur  la  commission  de  la  topographie  des 
Gaules.  2.  Carte  de  ln  Gaule  depuis  les 

temps  les  plus  reculös  jusqu’  a la  conquOte 
romaine;  dressee  etc.  par  la  Commission  sptfciale 
d’aprcs  les  ordres  de  8.  M.  Pempereur  1869. 
Auf  diesen  Karten  finden  wir  beide  Steinzeiten, 
namentlich  die  ältere,  in  grösseren  massigen  Grup- 
pen westlich  der  Rhöne  und  Saöne  über  ganz 
Frankreich  vertheilt ; während  mir  schwache  Aus- 
läufer gegen  die  Schweiz  und  Deutschland  Vor- 
dringen und  in  dessen  westlichen  Grenzgebieten 
sich  allmühlig  in  vereinzelten  Punkten  verlieren. 

Nach  diesen  allgemeinen  Betrachtungen  wen- 
den wir  uns  zu  den  speziellen  der  einzelnen  Fund- 
stätten. 

Wir  beginnen  zu  diesem  Zwecke  mit  der  äl- 
testen Steinzeit,  deren  Repräsentanten  dieHöb- 
len  mit  geschlageneu  .Steinartefakten  und  Ueber- 
reslen  von  verschiedenen  Thieren  der  arktischen 
Periode  sind.  Hiebet*  gehören  die  Höhlen  des  Mt.  8a- 
U*ve  bei  Genf,  die  bei  Villeneuve,  St.  Hippolyte, 
Liesberg  und  Ober-Larg,  Pierre  la  Treiche  bei 
Toul , die  Höhlengruppe  bei  Schaffhausen  , die 
Höhlen  bei  Friedingen  an  der  Donau,  der  „hohle 
Fels“  hei  Schelklingen  , der  „hohle  Stein“  bei 
Ober-Stotzingen  und  die  „Ofnet“  bei  Nördlingen. 
ln  diese  Periode  rechnen  wir  ferner  dio  Renn- 
thierstationen  von  Egisheim,  Munzingen  und 
jene  berühmte  an  der  Quelle  der  Schüssen. 

Reicher  finden  wir  die  Steinzeit  jüngeren 
Alters  ausgeprägt ; zwar  nur  in  einzelnen  H ö h 1 e n 
am  Mt.  Salfcve,  im  schweizerischen  Jur»  bei  Oels- 
berg, in  der  Höhle  von  Cravanebes  bei  Beifort, 
in  denen  bei  Toul,  Erpfingen  auf  der  schwäbischen 
Alp  und  Herbrantz  bei  Lindau.  Dagegen  sind 
höchst  zahlreich  die  Pf  n h 1 b a u t e n an  fast  allen 
schweizerischen  Seen  und  an  vielen  Mooren ; na- 
mentlich am  Genfer-,  Nouchateler-,  Bieler-,  Mur- 
tener-  , Sempacher-  , Züricher-  , PfHftikoner-  und 


Boden-See , sowie  bei  Dürrheim  unweit  Donau- 
eschingen.  Zu  diesen  Pfahl  Wohnungen  gehören 
ferner  die  Packwerkbauten  von  Nioderwyl  bei 
Frauenfeld  und  jene  im  Steinhäuser  Ried,  ganz  in  der 
Nähe  der  an  der  Schussenquelle  gelegenen  ltenn- 
thierstation.  Ueberreste  von  Wohn  un  g eu  auf  dem 
Lande  zur  Steinzeit  wurden  in  dar  Schweiz  in  der  Ge- 
gend von  Biilach,  Baden  und  Meis  gefunden.  Ausser- 
dem aber  geben  sich  auch  die  Übrigen  grossen 
rothen  Flächen  bei  Metz,  Toul,  Landstuhl,  Dürk- 
heim, Strassburg.  Colmar,  Oelsberg  u.  s.  w.  un- 
zweifelhaft als  Niederlassnngsplätze  aus  noolythi- 
scher  Zeit  zu  erkennen. 

Weit  mehr  Altorthtimer  aber  finden  wir  in  der 
nun  beginnenden  Bronzezeit.  Sind  es  zwar  nur 
die  wenigen  Höhlen  auf  dem  Mt.  Saleve,  bei 
Delsberg,  Toul,  Beuron  bei  Sigmaringen  und  Er- 
ptingon,  in  welchen  neben  polirten  Steinwerkzeu- 
gen auch  solche  von  Bronze  gefunden  wurden,  ko 
sind  an  solcher  um  so  reicher  die  Pfahlbauten 
an  den  westschweizerischen  Seen,  besonders  an  dem 
Bieler-  und  Neuenburger-See  mit  ihren  kostbaren 
Waffen  und  Scbmuekgeräthen.  Nach  Osten  ver- 
mindert 6ich  die  Zahl  der  Bronze- Pfahlbauten, 
so  besitzt  der  Bodensee  nur  5.  darunter  eine 
am  kleinen  Mindli-See,  zwischen  dein  Radoltzeller- 
und  Ueberlinger-See. 

Als  weitere  Altertbümer  der  Bronzezeit  sind 
zu  erwähnen : Die  Dolmen,  theilweise  noch  der 
Steinzeit  angehörond.  Da  solche  ihren  Hauptsitz 
in  Frankreich  haben,  finden  wir  sie  hier  auf  un- 
serem Gebiete  nur  in  wenigen  vereinzelten  Exem- 
plaren z.  B.  südlich  Genf,  bei  Oelsberg,  auf  dem 
Odilienberg  (?),  Gross  - Limmersberg  und  Metz. 
Die  östlichsten  liegen  bei  Schopfheim  in  Baden 
und  Hermetswyl,  C an  ton  Aargau. 

Grössere  Verbreitung  haben  die  Menhire. 
Obgleich  von  den  mehr  als  100,  die  Spocklin 
einstens  auf  dem  Vogesen  kämm  zählte,  der  grössere 
Theil  zu  Grunde  gegangen  ist,  finden  wir  die- 
selben doch  noch  in  einer  fortlaufenden  Linie  von 
Diedenhofen  über  Metz,  Saarbrücken,  den  Kücken 
der  Vogesen  und  des  schweizerischen  Juras  in 
das  nördliche  Savoyen  ziehend.  Ihre  östlichste 
Verbreitung  hal>en  sie  im  oben  Rhonethal  und 
nördlich  des  Pfäffikoner  Sees.  Auf  dein  rechten 
Rheinufer,  in  Baden , Württemberg  und  Hohen- 
zollern  fehlen  dieselben  gänzlich. 

Von  Crom  lech  8 finden  wir  5.  je  einen  bei 
Bitseh,  Mackweiler  und  auf  dem  Pnrpurschloss, 
2 bei  Thann. 

Die  sogenannten  Wagsteino,Spillateine, 
Spindelsteine  oder  pierres  branlantes 
will  ich  hier  ebenso  wenig  weiterer  Besprechung 
unterziehen,  als  die,,  roch  es  ve  nt1  re  es“  u.  a., 


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deren  prähistorischer  Werth  and  Bedeutung  noch 
nicht  genügend  ergründet  ist.  Dagegen  verdienen 
Erwähnung: 

Die  Schalensteine.  Sie  sind  bis  jetzt  nur 
in  der  Schweiz  nachgewiesen,  wo  sie  hauptsächlich 
in  der  Umgebung  des  Genfer-,  Neuchüteler-  und 
Bieler-Sees  liegen  und  von  letzterem  sich  östlich 
ziehend , bis  an  den  PfUffikoner  - See  und  Meis 
reichen. 

Dos  Gebiet  der  Opferstätten  ist  bis  jetzt 
noch  mangelhaft  erforscht ; jedoch  dürfen  wir  im 
Elsnss  mit  fast  voller  Bestimmtheit  den  Odilienberg, 
den  Katzenberg,  den  Jardin  des  fees  und  den 
Ziegenberg  bei  Niederbronn  als  solche  betrachten, 
in  Schwaben  die  vulkanischen  Kegel  des  Hegaus, 
namentlich  den  Hohentwiel  und  Hohenkräben  mit 
Funden  gleich  denen  der  Constanzer  Pfahlbaute. 
Auch  ein  grosser  Theil  der  in  das  Neckar-  und 
Kerns-Thal  vorspringenden  Berge,  wie  die  Lochen  | 
bei  Balingen  und  auf  dem  Härdtfelde  der  Ipf, 
Goldberg  und  Hesselberg  lieferten  ähnliche  Funde 
in  kohliger  Erde. 

Befestigun  gen  treffen  wir  auf  den  Höhen 
des  Hardtgcbirgs,  der  Vogesen  (8t.  Odilien,  Schloss 
Landsberg,  Frankenburg,  Tännichei.  Kingeistein 
u.  s.  w.),  des  schweizerischen  und  schwäbischen  Ju- 
ras, wenige  auf  dem  Schwarzwald.  Am  Rheine 
zieht  sich  von  Mummern  an  eine  fortlaufende 
Linie  von  Befestigungen  bis  Woldahut,  von  wo 
dieselbe , dem  Laufe  der  Aar  folgend , sich  bis 
gegen  den  Genfer-Soe  erstreckt.  Auch  auf  den 
Höhen  zwischen  der  Glatt  und  Limmat  und  ent- 
lang des  linken  Illerufers  sind  Verschanzungen 
aus  keltischer  Zeit  vorhanden.  Ihre  Form  ent- 
spricht derjenigen  der  zu  befestigenden  Bergkuppe 
und  ist  daher  bald  drei-,  bald  viereckig,  bald 
oval,  am  häufigsten  aber  rund:  daher  ihr  Name 
Rund-  oder  Ring-Wall  (in  der  Schweiz : R e f u - 
gien).  Ausserdem  kommen  in  der  Pfalz  noch  üalb- 
Ilingwälle  — Ab  s a t z w ä 1 1 e genannt  — vor.  Sei-  | 
tener  sind  in  unserem  Gebiete  die  L a n g w ä 1 1 o 
Kurze  Strecken  solcher  finden  wir  bei  Saarbrücken, 
auf  der  „rauhen  Alp“  im  Oberamt  Urach  (der 


u.  s.  w.  Während  die  Befestigungen  der  Vo- 
gesen, „Heidenmauern“  genannt,  meist  aus  trocke- 
nen Mauern  bestehen,  wie  die  auf  dem  Odilien-  , 
berge  ca.  3 Stunden  im  Umfange  messende,  sind 
die  in  den  andern  Gegenden  grossentheils  nur 
Erdwälle. 

Mardellen,  bald  als  Befestigungs-,  bald  als 
Wohnanlage  betrachtet,  wurden  bei  Dürkheim  ! 
a.  d.  H.,  Uh&teau  Sulins,  am  Rheine  im  Canton 
Aargau  und  an  der  Iller  bei  Memmingen  u.  a.  , 
0.  beobachtet. 


Wohnstätten,  oder  wenigstens  unzweifel- 
hafte Ueberreste  solcher,  wurden  in  der  Schweiz 
bei  Baden,  bei  Bülach,  bei  Winterthur  und  Meis 
konstatirt. 

Giesseroien  mit  Formen  fanden  sich  bei  Eli 
im  Eisass,  bei  Echallens  nördlich  des  Genfor- 
Sees,  am  Neuchäteler-,  Bieler-  und  Thuner-See, 
nordwestlich  von  Bern  und  bei  Oberwinterthur. 

In  grösserer  Zahl  al>cr  als  die  bisher  er- 
wähnten prähistorischen  Denkmäler,  treffen  wir  die 
Begräbnisstätten  aus  der  Bronzezeit: 

Die  ältesten  derselben,  vielleicht  noch  theil- 
weise  der  Steinzeit  angehörend,  sind  die  kurzen 
Flach grä bei*  von  nur  70 bis  135  cm  Länge  mit 
Skeletten  in  hockender  Stellung,  wie  solche  z.  B. 
unter  dem  Namen  lesCachettes  in  der  Gemeinde 
Morville  les  Vic  Vorkommen,  ferner  die  von  Pierre 
Portay  (bei  Lausanne),  die  bei  Lutry  und  jene 
von  Merzhausen  bei  Freiburg  i.  Br. 

Oefter  aber  kommen  die  längeren  Flach- 
gräber vor.  Wenn  auch  vereinzelt,  findet  man 
dieselben  doch  auf  diesem  ganzen  Gebiete,  Württem- 
berg ausgenommen,  wo  sie  fast  ganz  fohlen. 

Weit  bedeutender  jedoch  ist  die  Verbreitung 
der  Grabhügel,  welche  ausserdem  in  grösseren 
oder  kleineren  Gebieten  und  in  diesen  wieder  in 
Gruppen  von  verschiedener  Grösse  auftreten.  Die 
grösseren  Gebiete  liegen  namentlich 

in  der  Pfalz:  zwischen  Worms  und  Zweybrückeu; 
im  Elsass : itn  Hagenauer  Forste  und  bei  Ober- 
Ehnheim; 

in  Baden : bei  Sinsheim ; 

in  Württemberg  am  mittleren  Neckar,  an  der 
oberen  Donau  uud  in  Hohenzollern,  auf  dem 
Härdtfelde  bei  Aalen  und  an  der  mittleren 
Jagst  bei  Kirchherg; 

in  der  Schweiz:  in  den  Cantonen  Zürich  und 
Bern ; 

im  bayerischen  Grenzgebiete:  zwischen  der 
(«ünz  und  Iller; 

das  grösste  Grabhügelgebiet  aber  befindet  sich 
in  dem  anstossonden  Frankreich : l>ei  Aloise, 
südlich  von  Besamen,  welches  mehrere  1000 
Hügel  umfasst. 

Die  Grabhügel  haben  fast  alle  die  Form  eines 
Kugelsegments  von  2 bis  0 und  mehr  Meter 
Höhe  und  einen  Durchmesser  von  5 bis  50  m. 
Eine  Ausnahme  hievon  bilden  einige  wenige  mit 
ovaler  Basis,  sowie  die  langen  wallartigen  Tumuli 
bei  Blaubeuren  und  jener  halbmondförmige  auf 
dem  Mt.  Vaudois  bei  Beifort.  Derselbe  enthielt 
ausser  Menschen-  und  Thier-Knochen  nur  Steinarte- 
fakte; seine  Länge  betrug  400  m,  seine  Höhe 
Über  3 V*  m* 

In  allen  Tumuli-Gebieten  wechseln  Bestattung 


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und  Leichenbrnnd  ziemlich  gleichmässig.  Die 
nicht  verbrannten  Leichname,  wie  die  Urnen  mit 
der  Asche  der  verbrannten,  sind  bald  mit  blosser  j 
Erde  bedeckt,  bald  ruhen  dieselben  in  einer  von  i 
grossen  Steinplatten  errichteten  Kammer.  Nicht  i 
selten  trifft  man  in  der  Mitte  des  Hügels  einen 
einzelnen  grossen  Stein  oder  einen  aus  grösseren  , 
Steinen  gebildeten,  meist  ringförmigen  Steinsatz, 
unter  welchem  in  der  Regel  die  Raste  des  Leich- 
nams und  die  Kohlenplatte,  auf  der  der  Todte 
verbrannt  wurde,  sich  vortinden.  Weit  mannig- 
faltiger, als  die  Anlage  der  Tumuli,  sind  die  in 
denselben  vorkommenden  Inlagen  (Beigaben).  Die- 
selben sind  bald  reicher,  bald  ärmer.  Je  nach 
dem  Alter  bestehen  Waffen  und  Schmuck  aus 
Bronze , Eisen , oder  heidem  zugleich , aus  Glas, 
Gold,  Bernstein  u.  s.  w.  und  selbst  das  be- 
scheidene Steinartefakt  zeigt  sich  in  manchen. 
Eine  fast  beständige  Beigabe  aber  bilden  die 
Urnen.  Von  den  Tumuli  unseres  Gebietes  ver- 
dienen besondere  Erwähnung  die  sehr  armen  auf 
dem  Härdtfelde  bei  Aalen,  welche  fast  nur  Urnen 
enthalten ; die  mit  Cromlech  im  Innern  auf  dem 
Todtenbergo  bei  Mackweiler;  jene  bei  Hagenau  i.  E. 
und  Sigraaringen,  wegen  der  grossen  Aehnlichkeit 
ihrer  Beigaben,  indem  die  an  beiden  Orten  ge- 
fundenen Brustbleche  in  Ornamentation  so  über- 
einstimmen,  als  ob  dieselben  aus  gleicher  Stanze 
geschlagen  wären;  die  seltensten  und  kostbarsten 
Funde  aber  enthalten  die  Tumuli  von  Grächwyl 
bei  Bern  und  Klein  - Asperg  bei  Ludwigsburg. 
Beide  ergaben  Funde  von  etruskischen  Gefitssen, 
der  letztere  sogar  griechische  Trinkschalen  von 
Terra  cotta  mit  Figuren  und  Ornamenten  geziert, 
wie  wir  sie  an  griechischen  Vasen  so  vielfältig 
finden.  Ueber  diesen  wohl  einzig  in  seiner  Art 
bestehenden  Fund  werden  Sie  im  Laufe  unserer 
Verhandlungen  ausführlicheren  Bericht  von  Herrn 
Professor  Fr  aas  erhalten. 

Mit  den  neueren  Tumuli  haben  wir  uns  aber 
schon  in  die  Periode  des  Eisens  begeben  und 
aus  derselben  nachträglich  folgende  Denkmäler  zu 
nennen  : 

Die  Pf  ah  Iba  ute  von  La  Tene  am  NeuchAteler- 
See  mit  ihren  Eisenwaffen  von  besonderer  typischer 
Form,  sowie  jene  von  Sipplingen  am  Ueberlinger- 
See.  Auch  einige  mit  Bronze  gemischte  Eisen- 
Pfahlbaustationen  sind  noch  am  Neuch&teler,- 
Bieler-  und  Boden-See  zu  erwähnen. 

Bergwerke  zu  Ausbeute  des  Eisens  wurden 
auf  dem  Schweizer- Jura  bei  Delsberg  entdeckt. ; 
ebendaselbst  Giess-  und  Schmiede  - W erk- 
Stätten,  dergleichen  im  Stümpfwalde  westlich 
Grünstadt  in  der  Pfalz  und  bei  Meis.  Spuren 


von  solchen  fand  man  im  Walde  südlich  von 
Nürtingen. 

An  die  späteren  Grabhügel  reihen  sich  wohl  zu- 
nächst die  wenigen  Urnenfolder  der  Pfalz,  sowie 
die  gallisch en  Grä b er  mit  Grubsteinen  von  ogi- 
valer  Form,  wie  deren  auf  der  Grenze  von  Eisass 
und  Lothringen  im  Walde  von  Gross -Limmers- 
berg  und  Zobern  auftreten.  Mehr  noch  als  diese 
dürften  die  in  der  Pfalz  und  bei  Strassburg  ge- 
fundenen Steinsärge  der  römischen  Zeit  ange- 
hören. Nach  diesen  folgen  wohl  die  jüngsten,  soge- 
nannten al  lern  a n n iseheo  Tumuli,  so  benannt 
wegen  der  in  denselben  enthaltenen  Waffen  und  des 
silbertauschirton  Schmucks,  wie  wir  solchen  nur 
zur  alleinannischen  Zeit  finden.  Diesen  streng 
ausgeprägten  Typus  zeigten  besonders  die  Tumuli 
von  Neueneck,  Canton  Bern,  und  Altenklingen, 
Cantos  Thurgau , welche  den  Uebergang  zu  den 

Reihongräbern  bilden.  Dieselben  verbreiten 
sich  hauptsächlich  im  Gebiet  zwischen  Neckar  und 
Schwarzwald  und  ziehen  von  da,  Neckar,  Donau 
und  Rhein  überschreitend,  in  südwestlicher  Rich- 
tung, der  Aar  folgend,  bis  nach  Lausanne  am 
Genfer  See.  Ausserdem  finden  wir  sie  fast  in 
allen  anderen  Gegenden,  aber  seltener  und  ver- 
einzelt. Die  Anlage  der  Gräberfelder  ist  fast 
Überall  die  gleiche:  parallele  Lage  der  einzelnen  Grä- 
ber unter  sich.  Ausnahmen  bilden  die  Gräberfelder 
von  Fronstetten  in  Hohenzollern  und  von  Beiair, 
bei  Chesaux  sur  Lausanne,  mit  zwei  Reihen  Grä- 
bern übereinander,  unten  die  Männer,  oben  die 
Frauen,  das  von  Balingen  in  Württemberg  mit 
radialer  Stellung  der  Gräber,  wie  bei  dem  Gräber- 
felde von  Kleczewo  in  der  Provinz  Posen  und 
jenes  von  Li verdun  bei  Nancy,  bei  welchem  im 
Westen  die  Gräber  der  Männer,  Östlich  von  diesen 
die  der  Frauen  und  dann  jene  der  Kinder  sich 
befinden.  Ebenso  ist  der  Bau  der  Gräber  fast 
überall  derselbe,  deren  Wände  sind  bald  ohne, 
bald  mit  Stein  Verkleidung,  selten  aber  gemauert 
oder  der  Boden  mit  einer  Lehralage  versehen. 
Der  Inhalt  der  Gräber  wechselt  zwischen  ärmeren 
und  reicheren  Beilagen.  Besonders  reiche  Funde 
enthalten  die  Gräberfelder  von  Beiair,  Ulm,  Pful- 
lingen, Fronstetten,  Langenenslingen  u.  a Als 
Charakteristikum  der  Reihengräberfunde  figuriren 
die  eisernen  Waffen  : die  Spathae  (lange  Schwerter) 
und  Scramaaaxe  (kurze  8ch werter),  die  Angonon 
(Speere  mit  Widerhaken),  die  Umboa  (Schild- 
buckeln I,  sowie  die  eisernen,  silbertausch irten 
Scbmnckwaaren.  Die  beigegobenen  Thongefässe 
sind  meist  auf  der  Drehscheibe  geformt,  wodurch 
sie  sich  streng  von  jenen  der  Grabhügel  unter- 
scheiden. Nicht  selten  findet  man  in  den  Reihen- 
gräbern  römische  Münzen  und  selbst  christliche 


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Embleme,  wie  Kreuze  und  dergleichen  fehlen  ! 
nicht.  Hiomit  aber  schon  in  die  historische  Zeit 
geführt,  schliesse  ich  meinen  Ueberblirk  über  die 
prähistorischen  Verhältnisse  von  Süd  Westdeutsch- 
land und  der  Schweiz. 

Ich  erlaube  mir  demselben  beixufügen , dass 
nur  bei  so  grossem  Masstabe,  wie  diesem,  es 
möglich  ist,  so  reichhaltigen  Stoff  auf  einer  und 
derselben  Karte  deutlich  einxuzeichnen.  Hei  Her- 
stellung der  Karte  aber  für  unseren  Verein  wird  es 
unumgänglich  nüthig  sein,  all  dieses  Material  auf 
einige  Kartenblftttcr  zu  vertheilen,  welche  etwa 
folgenden  Inhalts  wären  : 

Nr.  \.  eine  Karte  der  prähistorischen  Stoffe, 
angegeben  in  farbigen  Flächen  und 
Punkten, 

Nr.  2-  Karte  der  beiden  Steinperioden, 

Nr.  3.  Karte  der  Metallzeit  mit  Weglassung 
der  Reihengräber, 

Nr.  4.  spezielle  Karte  der  Grabhügel  und 
eventuell 

Nr.  5.  eine  Reihengr&ber-Karte. 

Mein  Bestreben  ist,  Ihnen  schon  an  einer  der 
nächsten  Generalversammlungen  eine  Bearbeitung 
den  ganzen  deutschen  prähistorischen  Gebietes  vor- 
zulegen. l>iess  wird  mir  aber  nur  möglich  sein, 
wenn  ich  auf  Ihre  regste  Unterstützung  rechnen  j 
kann,  um  die  ich  Sie  Alle  recht  dringend  ge-  I 
beten  haben  möchte. 

Herr  Professor  Ohlenschlager: 

Ich  habe  hier  einige  Versuch  sblfttter  der 
prähistorischen  Karte  von  Bayern  mit  gebracht 
und  angeheftet,  ich  nenne  sie  Probeblätter,  weil 
hei  der  Anfertigung  der  Platten  noch  verschiedene 
Versuche  gemacht  wurden,  um  einzelne  Fehler 
und  Unebenheiten  daraus  zu  entfernen.  l)a  nun  , 
die  Anfertigung  dieser  Karte  mit  dem  grossen 
Kart  eu  unternehmen  der  deutschen  Gesellschaft 
für  Anthropologie  zusammcnhlingt,  so  möchte  ich 
mir  erlauben . einiges  über  die  Art  und  Weine 
der  Kartenbestellung  und  die  abweichenden 
Zeichen  zu  sprechen.  Die  Vorarbeiten  waren, 
wie  Sie  leicht  begreifen  werden , nicht  ohne 
Schwierigkeit,  da  jede  Provinz  ihre  eigenthüm- 
lichen  Vorkommnisse  hat,  und  die  aus  früherer 
Zeit  vorliegenden  Arbeiten  nicht  alle  gleich  gut 
verwendbar  waren.  Am  meisten  vorgearbeitet 
war  in  Schwaben,  Oberbayern,  Pfalz  und  Mittel- 
franken, wo  Spuren  der  Thätigkeit  von  Stich- 
auer,  von  Kaiser  u.  A.  Vorlagen.  Alle  diose 
Vorarbeiten  waren  aber  in  hunderten  von  Jahres- 
berichten und  Publikationen  der  bayerischen 
Vereine  vertheilt  und  mussten  erst  zusammenge- 


sucht werden.  Die  den  Drucken  zu  Grund  lie- 
genden handschriftlichen  Berichte  waren  tbeii- 
weise  verschollen , und  war  es  meine  Aufgabe, 
der  ich  mich  in  den  letzten  fünf  Jahren  in 
meiner  Ferienzeit  vollständig  widmete , dieses 
Material,  dessen  frühere«  Vorhandensein  ich  kannte, 
an  den  einzelnen  Orten  aufzusuchen.  Die  Be- 
mühungen waren  nicht  erfolglos,  denn  es  gelang, 
dio  handlich riftlichen  Berichte  bis  auf  ganz  wenige 
aufzufiuden  und  für  unsere  Zwecke  dienstbar  zu 
machen.  Namentlich  wichtig  waren  diese  da- 
durch , dass  sie  eine  Anzahl  von  nicht  veröffent- 
lichten Zeichnungen  enthielten  , zum  Theil  von 
Gegenständen  , welche  jetzt  verschwanden  sind, 
und  die  nun  auch  oftmals  die  einzige  Möglich- 
keit bieten,  den  Funden  in  den  Sammlungen  ihre 
richtige  Stellung  anzuweisen.  Der  vorhandene  mög- 
lichst vollständig  zusammengebrachte  Stoff  wurde  mit 
Hülfe  genauer  topographischer  Aufnahmen  auch  an 
die  richtige  Stelle  gesetzt  und  so  war  es  möglich,  in 
diesem  Jahre  die  drei  ersten  Blätter  herzustellen. 
Sie  umfassen  einen  Theil  des  schwäbischen  und 
oberbayerischen  Gebiets.  Ueber  die  Schlüsse,  die 
sieh  aus  dem  Studium  dieser  Blätter  etwa  ziehen 
lassen  . will  ich  noch  nicht  reden , da  es  erst 
geschehen  kanu,  wenn  die  ganze  Karte  vollendet 
ist.  Nur  das  möchte  ich  bemerken , dass  die 
römischen  Fundstellen  und  Schanzen  nicht  mit 
aufgenornmen  wurden,  denn  dieselben  sind  viel- 
fach an  den  nämlichen  Plätzen,  wo  sich  auch  die 
prähistorischen  Fundstellen  linden  und  es  wären 
somit  die  Zeichen  über-  oder  ineinander  zu  liegen 
gekommen.  Nur  die  Hauptstrassen  aus  römischer 
Zeit  wurden , soweit  sie  festgestellt  sind , auf 
vielfachen  W unsch  noch  eingetragen , während 
die  Gesanimtdarstellung  der  römischen  Funde 
eine  besondere  Arbeit  erfordert , und  für  diesen 
Zweck  eine  besondere  Karte  entworfen  wurde. 
Es  ist  nun  mein  inniger  Wunsch,  dass  diejenigen 
Herren , welche  sich  mit  der  Knrtirung  ihrer 
Landestheile  befassen , die  Karten  ansehen  und 
mir  Mittheilung  machen  wollen  , welche  Fehler 
sie  entdeckten.  Ich  glaube,  dass  durch  privaten 
Meinungsaustauch  mehr  gewonnen  wird,  als  durch 
öffentliche  Diskussion  und  bitte,  mich  ducrh 
Mittheilungen  etwaiger  Anstände  und  Aufstell- 
ungen möglichst  zu  unterstützen. 

Herr  Wagner  (Karlsruhe): 

Angesichts  dieser  Karte  habe  ich  als  gr. 
badischer  Conservator  der  Alterthümer  etwas  die 
Empfindung  de«  Angeklagten.  Es  ist  nicht  za 
verkennen , dass  auf  ihr  ein  bedeutender  Theil 
der  süddeutschen  Ecke  weiss  gelassen  werden 
musste , und  dass  dieses  gerade  auf  dem  badi- 


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07 


sehen  Gebiet  nm  meisten  der  Fall  ist,  während 
die  übrigen  Länder  mehr  oder  weniger  mit  farb- 
igen Flecken  bedeckt  erscheinen,  mit  anderen 
Worten,  dass  die  südwestdeutscho  Ecke,  bezüg- 
lich das  badische  Gebiet,  von  der  Forschung 
noch  nicht  gehörig  bearbeitet  worden  ist.  Es  ist 
dies  allerdings  zu  bedauern , denn  gerade  jene 
Ecke  ist  für  die  prähistorische  Forschung,  wie 
für  den  Anfang  der  historischen  Zeit  sehr  wichtig. 
Die  Funde,  die  hier  schon  gemacht  worden  sind 
und  die  Angaben  der  alten  Schriftsteller  geben 
Beweise  dafür.  Wir  wissen  Genaueres  über  die 
Volkszüge,  die  hier  herüber  und  hinüber  statt- 
gefunden haben,  wir  wissen  z.  B.,  was  der  grosse 
römische  Historiker  von  allerlei  Lumpengesindel 
meldet , das  sich  damals  im  Zehntlande  berum- 
trieb, und  das  unzweifelhaft  Spuren  seines 
Daseins  bei  uns  zurückgeln&en  hat.  Indessen, 
wenn  in  Baden  seither  die  prähistorische 
Forschung  den  Nachbarländern  gegenüber  zu- 
rückgeblieben ist , so  darf  ich  immerhin  auf 
das  Recht  des  Angeklagten  Anspruch  machen, 
mildernde  Umstände  zu  plädiren:  Fürs  Erste  sind 
ja  doch  auf  dem  badischen  Theile  der  Karte 
auch  einige  kräftige  farbige  Flecken  vorhanden, 
welche  in  willkommener  Weise  erinnern  an  die 
zu  ihrer  Zeit  sehr  bedeutenden  und  mit  grosser 
Sorgfalt  und  Umsicht  ausgeführten  und  beschrie- 
benen Ausgrabungen  in  der  Umgegend  von  Sins- 
heim durch  die  Bemühungen  des  verdienstvollen 
dortigen  Dekans  W i lhe  1 mi,  an  die  seiner  Zeit 
durch  Schreiber,  und  jetzt  durch  das  verehrte 
Haupt  unseres  badischen  Zweigvereins  unter- 
nommenen Forschungen  in  der  Gegend  von  Frei- 
burg , an  die  Thätigkeit  des  Herrn  Mayer  in 
Donnneschingen,  des  Herrn  Lein  er  in  t'onstnnz 
u.  a.  m.  Weiter  wäre  anzutführen,  dass  seither  das 
archäologische  Interesse  in  Baden  sich  mehr  «als 
sonstwo  ganz  besonders  der  Untersuchung  der 
reichlich  vorhandenen  römischen  Reste  zugewendet 
hat,  so  dass,  wenn  es  sich  um  die  graphische 
'Darstellung  der  letzteren  handelte,  das  badische 
Gebiet  stark,  vielleicht  nur  zu  stark,  mit  farbigen 
Linien  und  Funkten  gefüllt  erscheinen  würde. 

Dies  legt  mir  beiläufig  die  Frage  nahe.  ob. 
wenn  doch,  bei  den  Schwierigkeiten,  die  Grenzen 
des  Prähistorischen  festzustellen,  unsere  Unter- 
suchungen selbst  die  fränkische  und  alemannische 
Zeit  mit  herelnzuziehen  haben,  es  sich  nicht  em- 
pfehlen würde,  das  Römische  nicht  so  prin- 
cipiell  von  denselben  auszuschliessen. 

Mit  der  Bitte , um  Anerkennung  solcher 
mildernder  Umstände,  gluube  ich  nun  aber,  wie 
es  sich  für  den  Angeklagten  immerhin  geziemen 
mag,  auch  Besserung  versprechen  zu  können, 


umsomehr , als  niuncho  Anzeichen  auf  wirkliche 
Besserung  hinzudeuten  scheinen.  Einer  der  wich- 
tigsten Faktoren,  auf  welche  unsere  Bestrebungen 
allenthalben  rechnen  müssen,  ist,  wie  Sie  alle 
wissen , das  aufmunternde  und  unterstützende 
Interesse  der  öffentlichen  Meinung  im  Lande 
selbst.  In  dieser  Beziehung  begrüsse  ich  es  be- 
sonders dankbar,  dass  diese  Versammlung  so  nahe 
an  unsern  Grenzen  zusainmengekomnien  ist , und 
ich  glaube,  dass  die  Kunde  von  den  interessanten 
Verhandlungen,  welche  hier  gepflogen  werden, 
wenn  sie  zu  uns  hinüberdringt , das  allgemeine 
Interesse  aufs  Nene  für  die  Bestrebungen  der 
anthropologischen  Gesellschaft  wach  rufen  und 
nachhaltig  mahnen  wird , was  etwa  bisher  ver- 
1 säumt  ist,  noch  Kräften  nachzuholen. 

2.  Die  kraniologiachen  Sammlungen  Deutschlands. 

Herr  Scliaaffhausen : 

i Ich  kann  für  den  Uesammtkatalog  der  anthro- 
j pologischen  Sammlungen  Deutschlands  Ihnen  zwei 
I weitere  Beiträgo  gedruckt  vorlegen : 1 . die  kra- 
niologischen  Sammlungen  von  Königsberg  und  zwar 
die  der  k.  Universität  daselbst , sowie  die  der 
Gesellschaft  Prussio,  von  dem  Herrn  Professor 
Kupffer  und  Herrn  Bessel- Hagen  aufge- 
nommen , und  2.  die  kraniologische  Sammlung 
des  grossherzoglichen  Naturalien-Cabinets  im 
Schlosse  zu  Dann  Stadt,  von  mir  selbst  bearbeitet. 
Ich  habe  der  Darmstädter  Sammlung  schon  die 
I Nr.  9 gegeben,  weil  die  Kataloge  der  andern 
grösseren  Sammlungen  schon  druckfertig  vorlie- 
gen, nämlich  die  vou  Leipzig,  von  Stuttgart  und 
die  der  von  mir  in  diesem  Jahre  aufgenomnienen 
Sammlungen  von  Giessen  und  von  Frankfurt  aM. 

I Die  Veröffentlichung  der  grossen  Kataloge  von 
Leipzig,  Stuttgart  und  Frankfurt  a;M.  ist  nur 
dadurch  hinausgeschoben  worden , weil  ich  nach 
| dem  Vorgang  von  Ecker  im  Freiburger  Katalog 
I es  für  sehr  zweckmässig  und  dem  ursprüngln-heti 
| Plane  entsprechend  halte,  für  alle  Orte  auch  eiu 
Verzeichnis*  der  etwa  vorhandenen  prähistorischen 
oder  ethnologischen  Sammlungen  hinzuzufllgen. 
Ich  hübe  auch  bereits  von  den  oben  genannten 
Orten  das  Material  für  ein  solches  Verzeichnis* 
in  Händen , dessen  zweckmässige  Zusammenstell- 
ung mir  selbst  obliegen  wird.  Ich  gestehe,  dass 
die  Herbeischaffung  des  prähistorischen  und  ethno- 
logischen Materials  fast  noch  mehr  Schwierigkei- 
ten macht,  als  die  Zusammenstellung  des  kraoioine- 
t rischen  Theiles  unseres  Gesummt kataloges.  Ich 
will  bei  diesem  Anlass  es  nicht  unterlassen,  den 
1 Vorstehern  aller  der  von  mir  bisher  bearbeiteten 
, Sammlungen,  Herrn  Prof.  Baron  v.  Lavalette 
St.  George  iu  Bonn,  Geh. -Rath  Prof.  H e n I e iu 


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OB 


Göttingel),  Geh.-Rath  Prof.  Leuck  a rt  in  Leipzig, 
Prof.  K r a u $ 8 in  Stuttgart , Prof.  E c k b a r d in 
Giessen,  Prof.  Lucae  in  Frankfurt  aM  sowie 
Herrn  Prof.  R.  Hof  mann  in  Darmstadt  für 
die  zuvorkommende  Weise,  mit  der  sie  mir  ihre 
Sammlungen  zur  Verfügung  gestellt  haben,  mei- 
nen aufrichtigen  Dank  auszusprechen.  Als  Bei- 
gabe zu  dem  kraniologischen  Katalog  von  Königs- 
berg ist  von  Herrn  Otto  Tischler  auch  eiu 
Verzeichnis»  der  Sammlung  der  physikalisch-öko- 
nomischen Gesellschaft  daselbst  angefertigt  worden, 
das  zum  Theil  hier  bereits  gedruckt  vorliegt.  Von 
der  Sammlung  der  Gesellschaft  Prussia  in  Königs- 
berg hat  der  zeitige  Vorsitzende  der  Gesellschaft 
Herr  Dr.  Bujack  mir  auf  meinen  Wunsch  ein 
Vorzeichniss  aufgestellt.  Das  Munuscript  befindet 
sich  im  Druck.  In  Bezug  auf  München  , dessen 
kraniologischer  Katalog  vor  einigen  Jahren  bereits 
abgefasst  ist,  hat  Professor  R üd  i n ger  es  über- 
nommen, denselben  zu  ergänzen  und  reicher  aus- 
zustatten. Er  würde  diese  Arbeit  bereits  ausge- 
itlhrt  haben,  wenn  nicht  unterdessen  die  Münchener 
Sammlung  ein  Geschenk  von  200  ägyptischen 
Grabscbüdeln  durch  Herrn  Dr.  Mook  aus  Cairu 
erhalten  hätte.  Auch  diese  höchst  werth vollen 
Schädel  will  Herr  Prof.  1<  ü d i n g e r für  den  Ka- 
talog bearbeiten.  Wir  sind  nun  mit  unserer  Ar- 
beit schon  fast  über  die  Hälfte  der  grösseren 
Sammlungen  hinaus,  da  nur  noch  die  von  Ber- 
lin und  Hallo,  sowie  von  Würzburg , Dresden. 
Heidelberg,  Jena  und  Tübingen  übrig  bleiben,  die 
ich  zum  Theil  selbst  in  Jahresfrist  noch  zu  bear- 
beiten gedenke.  Dann  erst  werden  die  Privat- 
Sammlungen  folgen,  unter  denen  die  bedeutendste 
die  des  Herrn  Dr.  Emil  Schmidt  in  Essen  ist, 
der  die  vanderllouve n’scbe  Sammlung  besitzt, 
die  er  indessen  bedeutend  vermehrt  hat,  nament- 
lich durch  ägyptische  Schädel.  Er  ist  mit  der 
Aufstellung  dos  Katalogs  beschäftigt.  Sie  sehen, 
dass  die  Arbeit  im  vollen  Gange  ist,  und  ich 
hoffe,  dass  wir  in  zwei  Jahren  ein  Werk  besitzen, 
welches  das  in  Deutschland  vorhandene  anthropo- 
logische Material  für  unsere  Wissenschaft  in  so 
vollständiger  Weise  vor  Augen  stellt,  wie  das  für 
kein  anderes  Land  bisher  geschehen  ist. 

Ich  berichte  auch  über  die  Verhandlungen  in 
Bezug  auf  Herstellung  einer  internationalen  Me- 
thode der  Schädelmessung.  In  Kiel  wurden  Ecker, 
Vircbow  und  ich  als  Mitglieder  einor  Commis- 
sion erwählt , die  mit  drei  von  der  Pariser  an- 
thropologischen Gesellschaft  zu  wählenden  Gelehr- 
ten zu  diesem  Zwecke  in  Verhandlung  treten  sollte. 
Es  fanden  vorbereitende  Besprechungen  sowohl 
von  Seiten  Virchow’s  als  von  mir  mit  den 
Herren  Broca  und  Topinard  in  Paris  statt. 


Die  Sache  stellt  sich  schwieriger  dar,  als  vielleicht 
Manche  dachten.  Ich  habe  bei  meiner  Anwesen- 
heit in  Paris  während  der  Ausstellung  mich  mit 
den  Herren  Broca  und  Topinard  eingehend 
Über  die  Frage , wie  eine  Uebereinkunft  in  dem 
Messverfahren  zu  erzielen  sei , unterhalten  und 
Broca  hat  mir  seine  Einrichtung,  die  Schädel 
auf  der  Oborkieferrand-Condylus-Linie  horizontal 
zu  stellen  lind  die  Orbitaluchse  zu  bestimmen, 
vordemonstrirt , auch  hüben  wir  zusammen  nach 
seiner  Methode  die  C&pacität  des  Schädels  mit 
Schrot  ausgemessen.  Ich  habe  dann  in  der  Sitzung 
der  Pariser  anthropologischen  Gesellschaft  vom 
10.  Oktober  1878  meine  Ansicht  über  die  Hori- 
| zontale  des  Schädels  dargelegt,  und  Broca  hat 
darauf  erwidert.  Es  ist  zunächst  nicht  unwich- 
tig zu  wissen,  dass  in  Bezug  auf  die  meisten  bei 
uns  üblichen  SchädcUuaasse  mit  den  Franzosen 
leicht  eine  Vereinbarung  getroffen  werden  kann; 
doch  wünschen  sie,  dass  man  auch  die  Broca'scbe 
Horizontale  als  die  zweckmäßigste  anerkenne  und 
nach  Broca’s  Methode  die  CapacitHt  bestimme. 
Man  erwartet  von  der  deutschen  Commission  Vor- 
schläge, die  den  französischen  Mitgliedern  derselben 
vorgelegt  werden  sollen.  Aber  soweit  Ist  die 
Sache  in  der  Thal  noch  nicht  gediehen,  da  wir 
ja  in  Deutschland  über  die  Horizontale  lins  noch 
nicht  geeinigt  haben.  Es  handelt  sich  zunächst 
um  eine  Prüfnug  der  nicht  nur  in  Frankreich, 
sondern  auch  anderwärt«  z B.  bei  den  Russen 
anerkannten  B r oca’scben  Linie  und  ebenso  um 
die  Frage, ob  Broca1»  Methode,  die  Capacit&t  zu 
bestimmen,  in  der  Timt  zuverlässiger  sei,  als  die 
von  andern  Forschern  geübte.  Es  ist  bekannt, 
dass  Broca  jene  Linie,  welche  er  als  die  für  die 
meisten  Schädel  richtigste  Horizontale  empfiehlt, 
die  nämlich , welche  die  untere  Fläche  der  Con- 
dylen  dos  Hinterhauptes  mit  der  Mitte  des  Al- 
veolarrandes vom  Oberkiefer  verbindet,  ursprüng- 
lich nach  dem  gewiss  richtigen  Grundsatz  aus- 
wählte* dass  der  Kopf  gerade  steht,  dessen  Blick 
gerade  nach  vorwärts  gerichtet  ist,  oder  dessen* 
Sehachse  horizontal  verläuft.  Er  hat  zu  die- 
sem Zweck  einen  einfachen  Apparat  konstruirt, 
den  Orbitostat.  Auch  B ro ca  sagt,  der  Kopf  ist  in 
seiner  natürlichen  Stellung,  wenn  der  aufrecht 
stehende  Mensch  gerade  aus  gegen  den  Horizont 
sieht  Die  Horzontalebene  des  Schädels  ist  be- 
stimmt durch  die  beiden  Sehachsen.  Aber  diese 
Ebene  ist  eine  physiologische,  sie  ist  nicht  durch 
anatomische  Puukte  bezeichnet  , sondern  durch 
virtuelle.  Man  findet  sie  leicht  am  Lebenden ; 
wie  findet  man  sie  am  Schädel?  Er  führt  jeder- 
seits  in  das  Sebloch  der  Orbita  eine  Nadel,  die 
durch  eine  Vorrichtung  durch  die  Mitte  der  Or- 


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99 


bitaiötfnung  geht , iu  gleicher  Entfernung  vom 
obern  wie  vom  untern  Kunde  der  Orbita.  Der 
von  diesen  Nadeln  eingeschlossene  Orbitalpinn 
entspricht,  horizontal  gestellt,  der  natürlichen  ho- 
rizontalen Stellung  des  Kopfes.  Br  och  sagt 
ferner : Die  Orbitalachsen  sind  sehr  wenig  ver- 
schieden von  den  Sehachsen,  die  Papille  des  ner- 
vus  opticus  steht  ohngefähr  gleichhoch  mit  dem 
Sehloch  und  die  Mitte  der  Cornea  ist  bei  hori- 
zontal gerichtetem  Blick  gleichweit  entfernt  vom 
oberen  wie  vom  unteren  Rande  der  Orbita.  — 
Die  Orbitalachse  ist  keine  anatomisch  bestimmte 
Linie , sie  kann  nicht  zur  Stutze  dienen , auf 
welcher  der  Schädel  ruht,  man  muss  also  eine 
anatomische  Linie  aufsuchen , die  mit  dieser 
Sehlinie  so  nahe  wie  möglich  übereinstimmt. 
Diese  ist  die  Alveolen-Condyluslinie,  die  zwischen 
3 Punkten  zugleich  eine  horizontale  Ebene  dar- 
stellt.  Schon  1873  verglich  Broca  (Bullet, 
p.  551.1  die  gebräuchlichsten  Horizontallinien 
oder  Ebenen  mit  dem  Orbitalplan  und  mus  den 
Abweichungswinkel , der,  wenn  eine  jener  Linien 
gegen  diesen  sich  nach  vorne  senkt,  -f-,  wenn 
sie  sich  hebt,  — ist.  Dieser  Coorbitalwinkel  ist 
für  die  Alveolen  - Condyluslinie  nur  -j-  0,88, 
für  die  Cauiper’sche  Linie  4.68,  für  die 

Baer’sche  — 6,51  , für  die  .1  bering' sehe,  die 
Broca  immer  irrthümlich  die  Merkel'sche  nennt, 
— 7,96.  Diese  entfernt  sich  also  mehr  von 
dem  Orbitalplan  als  die  Baer'sche. 

Die  Breite  der  Schwankungen*  oder  die  Ver- 
änderlichkeit beträgt  bei  der  ersten  Linie  nur 
12°.  65,  bei  den  anderen  19rt.  68,  17°.  32  und 
17*.  49.  Ein  Vorzug  der  Broca’schen  Methode 
ist  jedenfalls,  dass  der  Schädel  auf  den  beiden 
Condylen  und  dem  Alveolarrande  sehr  leicht 
und  schnell  und  sicher  aufgestellt  ist.  Broca 
gibt  zu  , dass  es  keine  Linie  zwischen  anatomi- 
schen Punkten  gibt,  die  für  alle  Schädel  passt, 
sondern  dass  es  ethnische  und  individuelle  Unter- 
schiede gibt,  die  mehr  oder  weniger  ändernd 
auf  alle  Ebenen  des  Schädels  wirken,  die  Median- 
ebene ausgenommen.  Aber  er  hält  es  für  un- 
umgänglich uüthig,  sich  über  eine  anatomische 
Horizoutalebene  zu  einigen,  damit  die  Messungen 
verschiedener  Beobachter  vergleichbar  seien.  Man 
müsse  die  Ebene  suchen , die  am  unveränder- 
lichsten sei  und  die  sich  von  der  horizontalen 
Richtung  des  Schädels  am  wenigsten  entferne, 
beide  Vorzüge  habe,  wie  aus  seinen  vergleichen- 
den Untersuchungen  hervorgehe,  seine  Alveolar- 
Condyluslinie  oder  die  ihr  entsprechende  Ebene. 

Gegen  die  Darstellung  Broca ’s  bemerke  ich 
das  Folgende:  1)  So  richtig  es  auch  ist,  die 

Horizontalstellung  des  Schädels  mit  Hilfe  dos 


gerade  nach  vorne  gerichteten  Blicks  zu  bestimmen, 
so  kann  doch  die  Orbitalachse  nicht  bei  allen 
Schädeln  als  mit  der  gerade  nach  vorne  gerich- 
teten Sehachse  übereinstimmend  angesehen  werden. 
Bei  den  von  mir  Angestellten  Versuchen  mit  dem 
Orbitostat , den  ich  der  Güte  B roca’s  verdanke, 
zeigte  es  sich,  dass  viele  Schädel  nach  abwärts 
blickten , wenn  die  Nadeln  des  Orbitost ats  hori- 
zontal gerichtet  waren;  brachte  man  diese  Schädel 
aber  in  ihre  wahre  Horizontale,  so  waren  die 
Nadeln  nach  aufwärts  gerichtet.  Die  Richtung 
der  Orhit&lachse  ist  bestimmt  durch  die  Form 
; der  Ürbitalöffnung  und  es  ist  namentlich  die 
Richtung  der  oberen  Orbital  wand  grossen  Ver- 
änderungen unterworfen. 

2)  Könnte  die  Orbitalachse  der  Sehachse  ent- 
sprechend gehalten  werden , so  würde  sic  eine 

| vortreffliche  Linie  für  die  Horizontalstellung  des 
! Schädels  abgeben,  und  man  kann  nicht  bebaup- 
, ten  , dass  sie  nur  virtuell  sei , indem  ihre  Loge 
im  Sebloch  und  in  der  Mitte  zwischen  dem 
oberen  und  unteren  Orbitalrand  eine  anatomisch 
bestimmte  ist. 

3)  Broca ’s  Alveolen-Cnodyluslinie  ist  an 
sehr  veränderliche  Th  eile  des  Schädels  angelegt ; 
der  Zuhnfortsatz  des  Oberkiefers  ist  bald  kurz 
bald  lang  und  richtet  sich  sogar  nach  der  Körpor- 

) grosse  und  die  Condylen  springen  bald  stark 
Aber  die  Schädelbasis  vor . bald  erscheinen  sie 
wie  in  dieselbe  eingesenkt.  Es  ist  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  so  veränderliche  Theile  eine  gesetz- 
mässige  Horizontallinie  f(lr  den  Schädel  geben 
sollen.  Wenn  Broca  diese  Linie  weniger  von 
der  Orbitalebene  abweichend  findet , als  die 
anderen  empfohlenen  Horizontalen , so  wird  man 
vielleicht  zu  einem  anderen  Ergebnis  kommen, 
wenn  man  alle  diese  Linien  mit  der  nach  der 
wirklichen  Sehachse  jedes  Schädels  bestimmten 
Horizontalen  vergleicht.  Auch  ist  die  Zahl  von 
12  Schädeln,  die  Broca  für  jede  Gruppe  wählte, 
wohl  zu  gering,  wie  er  selbst  zugesteht,  um  zu 
sicheren  Mittelzahlen  zu  gelangen. 

4)  ln  Broca ’s  Darstellung  ist  das  Ent- 
wicklungsgesetz nicht  berücksichtigt,  welches  die 
Befestigung  de*  Schädels  auf  der  Wirbelsäule  und 
die  Haltung  des  Kopfes  gegen  den  Horizont  be- 
herrscht, wovon  auch  die  Richtung  der  Ebene  des 
Hinterhauptloches  abhängt.  Broca  spricht  zwar  von 
ethnischen  Unterschieden  in  Bezug  auf  die  Hori- 
zontale, ohne  sie  näher  zu  kennzeichnen  und  doch 
ist  die  Thatsache  nicht  gleichgiltig,  dass  bei  den 
rohen  Schädeln  eine  dureli  das  Ohrloeli  gelegte 
Horizontale  das  Gesichtsprofil  an  einer  tiefem 
Stelle  schneidet,  als  cr  bei  denen  einer  Cultur- 


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rasse  der  Fall  ist.  Wenn  man  durchaus  eine 
anatomische  Linie  als  Horizontale  annehmen 
mUsste,  so  würde  sic  für  die  rohen  Schädel  Etwa 
die  vom  Ohrloch  zum  Nasengrund,  für  die  andem 
die  vom  Ohrloch  zum  untern  Drittheil  der  Nasen- 
öffnung  sein. 

5)  Ein  unlüugbarer  Vorzug  von  Broca's 
Horizontale  ist  der.  dass  sie  nicht  nur  eine  Linie, 
sondern  eine  durch  drei  Punkte  bestimmte  Ebene 
ist,  aber  ein  Nachtheil  ist,  dass  sie.  wie  mit  Recht 
Virchow  hervorgeboben  lmt,  nur  am  SchHdel  und 
nicht  am  Lebenden  aufgefunden  weiden  kann. 

6)  Hie  Aufstellung  eines  Schädels  auf  der 
B r o c a ’ sehen  Horizontale  ist  ausserordentlich 
leicht , aber  dieser  Umstand  füllt  doch  weniger 
in  Betracht , als  der , ob  die  Aufstellung  der 
wahren  Horizontale  entspricht.  Um  diese  zu 
finden , genügt,  eine  bewegliche  Unterlage  , die 
eine  Dtehung  des  Schädels  um  seine  Querachse 
gestattet.  Die  Horizontale  ist  für  viele  Schädel- 
müsse  glcichgiltig,  sie  ist  nöthig  für  die  Be- 
stimmung der  Höhe  des  Schädels  und  die  des 
Gesichtswinkels. 

Wenn  man  für  die  Nothwendigkeit  einer 
anatomischen  Horizontale  mit  Broea  behauptet, 
dass  ohne  dieselbe  die  Bestimmung  der  Horizontal- 
stcllung  nach  der  Sehachse  in  das  Belieben  der 
Beobachter  gestellt  sei , so  er  wieder«*  ich , dass, 
wer  einen  SchHdel  nicht  gerade  zu  stellen  im 
Stande  ist,  sich  mit  SchHdel messungen  überhaupt 
nicht  Insassen  soll.  Ich  habe  bei  Broea  mehr- 
mals einen  Schädel  gerade  gestellt,  er  konstatirte 
durch  Messung,  dass  die  Stellung  jedesmal  die- 
selbe war. 

Was  nun  die  Bestimmung  der  Kapucität  des 
Schüdels  betrifft , so  zeichnet  sich  das  Verfahren 
B r o c a 's  durch  die  grösste  Genauigkeit  aller 
liei  der  Füllung  des  SchHdcls  mit  Schrot  (jau- 
geage) , sowie  l>ei  der  Voluiubestimiuung  des 
letztem  (cubage)  nöthigen  Verrichtungen  aus. 
Nicht  nur  die  Form  aller  GefUsse  ist  genau  vor- 
ge$**hrioben,  auch  die  Oeffnung  des  Trichters  und 
die  Schnelligkeit  des  Einschtittens,  sowie  die 
Gestalt  des  zum  Eiustampfen  des  Schrots  be- 
-timmten  Stabes.  Man  hat  einen  Gehülfen  nöthig 
und  15  verschiedene  Gcf&sse  und  Vorrichtungen, 
doch  soll  man  trotz/ des  umständlichen  Verfahrens 
bei  einiger  Uebung  20  SchHdel  in  einer  Stunde 
ausmessen  können;  vergl.  P.  Broea,  Instruct. 
crnniol.  in  den  Mcmoires  de  la  Soe.  d’Anthr.  T. 
II,  2 S.  1875.  Die  Zuverlässigkeit  der  Methode 
hat  er  durch  eine  vergleichende  Volumbestimm- 
ung mittelst  Quecksilber  geprüft.  Als  Grund- 
lage einer  sichern  Ausmessung  betrachtet  er  die 
Vorschrift,  das  Maximum  der  Füllung  des  SchH- 


■ dein  mit  Schrot  anzustreben , welches  er  durch 
' möglichst  starkes  Zusammendrücken  des  Schrotes 
1 mittelst  eines  Stabes  von  cigenthüinlieher  Ge- 
stalt (fuseau)  erreicht.  Der  ungleiche  Grad  der 
: Füllung  des  Schädels  ist  gewiss  die  Ursache, 
dass  wiederholte  Messungen  desselben  Schädels 
oft  demselben  Beobachter  verschiedene  Volumina 
ergeben.  Weil  aber  die  Pflanzenkörner  der  Hirse, 
des  Senfes  u.  n.  einen  solchen  Druck  nicht  aus- 
I halten , sondern  zu  Mehl  gestampft  werden , sei 
| die  Anwendung  des  8chrot.s  unerlässlich , er 
: wendet  die  Grösse  Nr.  8 an. 

Ich  tadle  an  diesem  Verfahren , dass  die 
Hauptbedingung  einer  richtigen  Messung  dabei 
nicht  hinreichend  gewürdigt  ist.  die  nemlich, 
dass  der  Schrot  im  messenden  GefHss  gerade 
so  dicht  gelagert  sein  muss , wie  im  SchHdel. 
Hier  wird  er  mit  grösster  Gewalt  zusammenge- 
presst,  dort  nur  mit  einer  gewissen  Schnelligkeit 
cingesehüttet  und  dann  abgestriehen,  wie  man  das 
Korn  im  Scheffel  misst.  Im  Messgeftsse  liegen 
die  Schrotkörner  weniger  dicht  als  im  Schädel, 
die  Volumangabe  muss  also  zu  gross  ausfullen. 
Ich  habe  mit  Broea  in  Paris  einen  Schädel 
au-sgemesäen.  ich  erhielt  ein  um  mehr  als  30  cm. 
abweichendes  Maas»,  als  er  vorher  bestimmt  hatte. 
Er  glaubte,  es  liege  in  der  verschiedenen  Schnellig- 
keit des  Einschtittens  und  zeigte , dass  daidureh 
Unterschiede  von  35  ccm.  sich  ergeben  können. 
Um  wie  viel  mehr  wird  es  also  nöthig  sein,  im 
| Messglase  den* Schrot  gerade  so  fest  zusammen- 
I zudrtleken,  als  es  im  Schädel  geschieht. 

Würde  man  alle  Schädel  nmdi  Broca's 
Methode  messen , so  würden  die  Maasse  freilich 
unter  einander  vergleichbar  bleiben,  weil  sie  alle 
mit  demselben  Fehler  behaftet  wären,  aber  voraus- 
gesetzt , dass  meine  Yermuthung  richtig  ist, 
dass  die  nach  Broea  gefundenen  Volumina  zu 
gross  ausfallen,  würden  sie  doch  nicht  der  Wahr- 
heit entsprechen.  Auf  der  Pariser  Weltausstell- 
ung befunden  sich  FinnenschUdel  des  anatomischen 
Museums  von  Helsingfors  mit  Maassangaben  von 
HUllstcn  in  dem  begleitenden  Kataloge.  Diese 
wegen  ihrer  Grösse  auffallenden  Schädel  wurden 
in  Paris  nach  Broca’s  Methode  nach  gern  essen, 
man  fand  noch  grössere  Zahlen  und  Unterschiede 
von  jenen  Augaben  bis  zu  125  ccm. 

Es  muss  erreicht  werden,  dass  die  nach  ver- 
schiedenen Methoden,  d.  h.  mit.  verschiedenen 
Füllstoffen,  sei  es  Schrot,  Hirse  oder  Sand  ge- 
machten Bestimmungen  ein  nahezu  gleiches  Er- 
gebnis» liefern. 

Misst  man  denselben  Schädel  nach  derselben 
Methode  zehnmal , so  erhält  man  immer  kleine 
Unterschiede  von  5 — 10  Cubik-Centiraeter.  Dies 


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ist  aber  für  die  Betrachtung  der  Schiidol-Kapaei- 
tät  gar  nicht  von  Belang  und  wird  nie  verhütet, 
werden  können.  Ich  habe  geglaubt , eine  prak- 
tische Probe  würde  zum  Vergleiche  zweier  Metho- 
den von  grossem  Interesse  sein.  Ich  habe  dess- 
hnlb  in  diesem  Sinne  an  ßroca  nach  Paris 
einen  Schädel  eines  Brasilianers  eingesendet,  den 
ich  mehrmals  gemessen  hatte,  so  dass  ich  als 
Mnass  für  seine  Kapacitttt  1280  ccm.  feststen en 
konnte.  Diese  Maassangabe  war  dem  Briefe  in 
einem  verschlossenen  Zettel  beigefügt  mit  der 
Bitte , den  Zettel  erst  zu  öffnen . nachdem  der 
Schiidel  von  Broca  nachgemessen  sei.  Ich  bin 
begierig,  da*  Ergebnis*  zu  erfahren.*) 

Wenn  man  dies  Verfahren  mit  mehreren 
Schädeln  wiederholt  hat,  so  wird  man  bald  linden, 
welche  Methode  die  zuverlässigere  ist,  und  worin 
der  Beobachtungsfehler  der  einen  oder  anderen 
begründet  ist.  Auch  empfiehlt  es  sich,  dass  der- 
selbe Beobachter  einen  Schädel  mit  Schrot,  Hirse 
und  Sand  nacheinander  ausmesse  unter  strenger 
Beobachtung  der  Rücksicht,  dass  im  Schädel  wie 
im  Messglase  die  Körner  gleich  dicht  gelagert  sind. 

Ich  halte  immer  noch  die  Ausmessung  mit 
Hirse  für  eine  sehr  zuverlässige,  die  sich  auch 
bei  zerbrechlichen  Grabschüdeln  anwenden  lässt. 
Durch  Schütteln  des  Schädels  wie  des  Mess- 
glases hat  man  bald  ein  Maximum  der  Füllung 
erreicht.  Ich  schüttle  das  Glas,  wenn  es  halb 
gefüllt  ist,  4 bis  5 mal  und  ebenso  oft,  wenn 
es  bis  ;»00  ccm.  gefüllt  ist , man  verdichtet 
dann  die  Hirse  um  cn.  30  ccm.  Es  würde 
zweckmässig  sein,  dem  Messglasc  annähernd  die- 
selbe Form  zu  geben,  die  der  Schiidel  hat,  man 
würde  aber  bei  solcher  Woite  des  Messglases 
5 cc.ro.  nicht  au  der  Skaln  ablesen  können. 

Hier  will  ich  bemerken,  dass  ein  französischer 
Forscher,  Dr.  le  Bon,  aus  meinen  im  Bonner 
Schädel-Katalog  mitgetheilten  Messungen  Schlüsse 
gezogen  hat,  denen  ich  entgegentreten  muss. 
Er  hat  nämlich  aus  den  dort,  aufgeftlhrten 
deutschen  Schädeln,  nachdem  er  die  sehr  grossen 
Ausgeschieden , eine  mittlere  KapacitUt  von  nur 
1422  ccm.  herausgerechnet,  was  zu  wenig  sei 
für  den  mittleren  deutschen  Schädel.  Er  ver- 
muthet  deshalb  einen  Fehler  in  dem  Messver- 
fahren , welches  zu  kleine  Volumina  ergehe.  Er 
selbst  aber  beging  den  Fehler,  ohne  Weiteres  aus 
hundert  drei  und  fünfzig  Schädeln  eines  anatomischen 
Museums  den  mittleren  Schädel  der  Bevölkerung 
des  Landes  zu  berechnen , ohne  nach  deren 

*)  Broca  theilt  mir  unter  «lern  11.  September 
mit,  da*w  er  als  Mittel  aus  zwei  Messungen  «lie  Ca- 
pacit.lt  des  Schädel«  zu  1356  ccm  bestimmt  habe,  das 
ist  76  ccm  mehr,  als  ich  gefunden  hatte. 


! Herkunft  zu  fragen.  Diese  Schädel  stammen 
zum  grössten  Theil  von  dem  Sccirtiwche  und 
werden  aus  Arbeitshäusern  und  Gefängnissen, 
überhaupt  aus  Anstalten,  in  denen  die  niedersten 
Klassen  der  Bevölkerung  sich  befinden , an  das 
anatomische  Institut  zu  Bonn  geliefert.  Wenn 
man  bei  solchen  Schädeln  ein  kleineres  Volumen 
findet,  als  sonst  der  Bevölkerung  des  Landes  zu- 
kommt,  so  ist  dies  nicht  im  Mindesten  auffallend, 
sondern  ganz  entsprechend  dem  geringen  Bildungs- 
grade der  Personen , von  denen  diese  Schädel 
j herkommen. 

Ich  will  noch  anführen,  dass  ich  in  diesem 
l Jahre  die  Schädel  des  Senk enberguohen  Instituts 
in  Frankfurt  a.  M.  auch  in  Bezug  auf  ihre  Ca- 
pacittt  untersuchte.  Darunter  waren  einige,  die 
Lucae  schon  früher  mit  Hirse  ausgem essen 
hatte.  Ich  war  überrascht,  dass  die  von  mir  ge- 
fundenen Zahlen  in  den  meisten  Fällen  mit  den 
von  ihm  angegebenen  nahe  übereinstimmten.  — 

Ich  nehme  zum  Schlüsse  Ihre  Aufmerksamkeit 
noch  für  eine  Mittheilung  in  Anspruch , die  sich 
auf  einen  Besch luss  unserer  Gesellschaft  in  der 
Generalversammlung  zu  Schwerin  im  Jahre  1871 
besieht,  dessen  Ausführung  nicht  länger  verscho- 
ben werden  sollte.  Es  handelte  sich  damals  nur 
um  eine  Statistik  der  Schädelforraen  in  ganz  Deutsch- 
; land.  Ich  glaube,  man  erkennt  jetzt  das  Bedürfnis#  an, 
in  einem  viel  weiteren  Sinne  die  Bevölkerung 
Deutschlands  zum  Gegenstände  einer  anthropoln- 
, gischen  Untersuchung  zu  macheu  und  dem  ent- 
sprechend wird  jener  ursprüngliche  Beschluss  zu 
ändern  und  die  Aufgabe  der  damals  gewählten 
Commission  aufs  Neue  festzustellen  sein. 

Um  eine  Grundlage  zu  Verhandlungen  zu  ge- 
winnen, habe  ich  mir  erlaubt,  bereits  im  vorigen 
Jahre  meine  Ansichten  Aber  die  Methode  und  den 
Umfang  einer  solchen  Untersuchung  niederzu- 
schreiben und  habe  dieselben  dem  Vorsitzenden 
der  Commission,  Herrn  Geh. -Rath  Virchow  im 
Juli  1878  zur  Prüfung  vorgelegt.  Ich  erlaube 
mir  das  kürze  Programm  auch  zu  Ihrer  Kennt- 
nis# zu  bringen  und  Ihrer  Beurtheilung  zu  unter- 
breiten. 

Entwurf 

zu  statistischen  Erhebungen  über  die 
körperliche  Beschaffenheit  der  deut- 
schen Bevölkerung. 

Am  22.  September  1871  beschloss  die  allge- 
* meine  Versammlung  der  deutschen  anthropologi- 
schen Gesellschaft  in  Schwerin  auf  den  Antrag 
des  Vorstandes: 

„Die  Versammlung  möge  eine  Kommission 
wählen  behufs  Feststellung  einer  Statistik  der 


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Schädelfnrinen  in  ganz  Deutschland  nach  einer 
von  der  letzteren  vereinbarten  übereinstimmenden 
Methode  der  Schftdelmessung.  Vgl.  Amtl.  Her.  8.  53. 

Als  Mitglieder  dieser  zweiten  der  damals  ge- 
wählten Commissionen  wurden  ernannt:  Ecker 
in  Freiburg.  His  in  Dasei.  Krause  in  Döttin- 
gen, Virchow  in  Berlin,  8 ch  a a ff h au  se  n in 
Bonn,  K öllik er  in  Würzburg,  Lucae  in 
Frankfurt  und  W elcker  in  Halle. 

ln  der  Generalversammlung  zu  Stuttgart  im 
Jahre  1872  empfahl  Virchow,  dem  der  Vor- 
sitz dieser  Kommission  vom  Vorstande  Übertragen 
worden  war,  als  die  wichtigsten  Maasse  für  diese 
allgemeine  Statistik  folgende  7 Maasse: 

1)  grösste  Lünge  des  Schädels, 

2)  grösste  Breite, 

3)  grösste  senkrechte  Höhe, 

4)  grösster  Horizontalumfang. 

5)  Querumfang  vom  äussern  Gehörgang  über  I 
die  vordere  Fontanelle  gemessen, 

6)  Diagonaldurchmesser, 

7)  Capacitüt  des  Schild  eis. 

Ecker  brachte  einen  Zusatzantrag  ein,  näm- 
lich zugleich  Erhebungen  über  die  Körpergrösse, 
über  die  Farbe  der  Haare  und  Augen  anzustel- 
len,  wie  er  damals  schon  für  Baden  Beobachtun- 
gen über  die  Körpergröße  nach  den  Kekrutenlisten 
aus  einem  Zeiträume  von  ca.  25  Jahren  zusam- 
mengestellt  hatte.  Dieser  Antrag  wurde  angc-  . 
noinmen,  vgl.  Amtl.  Bericht  8.  29. 

Virchow  wies  bei  dieser  Gelegenheit  auf 
Verhandlungen  über  denselben  Gegenstand  hin,  die 
bei  dem  in  den  nächsten  Tagen  bevorstehenden 
internationalen  statistischen  Congresse  in  8t.  Pe- 
tersburg zu  erwarten  seien.  Er  betonte  mit  1 
Recht,  dass  eino  internationale  Verständigung  für 
solche  Untersuchungen  vom  höchsten  Werthe  sei 
Die  unter  seiner  Leitung  nun  zum  Abschluss  ge- 
brachten statistischen  Erhebungen  über  Farbe  i 
der  Augen  und  Haare  in  den  Schulen  müssen  | 
als  ein  ungemein  wichtiger  Beitrag  znr  Kennt nLss 
der  Bevölkerung  Deutschlands  betrachtet  werden, 
sie  bedürfen  aber  der  Ergänzung  durch  Untersuch- 
ungen an  Erwachsenen , die  auch  auf  die  Kopf- 
form und  andere  Merkmale  der  Körpergestalt  aus- 
zudehnen sind. 

Es  würde  sehr  schwierig  sein,  dem  ursprüngli- 
chen Antrag  gemäss,  in  den  verschiedenen  Tbei- 
len  Deutschlands  sich  Schädel  wohl  verbürgter 
Abkunft  in  gehöriger  Menge  zu  verschaffen,  auch 
wird  einigermaßen  der  anthropologische  Katalog#  | 
das  Material  für  die  Kenntnis«  der  Schädelformen 
der  heutigen  Deutschen  liefern.  Es  erscheint 
desshalb  viel  rathsanier,  die  Kopfform  der  Leben- 
den zu  untersuchen,  was  jetzt  um  so  mehr  ge- 


rechtfertigt ist , als  die  Untersuchungen  über 
Farbe  der  Haare , der  Haut  und  der  Augen  in 
den  Schulen  bereits  vorausgegangen  sind.  Ich 
halte  es  für  zweckmässig,  die  Untersuchung  auf 
wenige  Merkmale  zu  beschränken,  denn  nicht  die 
Menge  der  gemachten  Beobachtungen , sondern 
nur  die  Genauigkeit  und  Zuverlässigkeit  derselben 
führt  zu  sicheren  Ergebnissen.  Manche  Beobach- 
tungen, die  beim  Vergleiche  verschiedener  Hassen 
wichtig  sind,  wie  die  über  die  Hautfarbe,  Rich- 
tung der  Augenspalten,  Grad  des  Prognuthismus, 
Gesichtswinkel , Horizontale  des  Schädels  können 
hier  vernachlässigt  werden  • oder  sind  als  Eigen- 
thümlichkeiten  nur  in  besonderen  Fällen  unzuge- 
ben , andere  Maasse , wie  das  des  horizontalen 
Umfangs  und  des  Querumfangs  dos  Kopfes,  geben 
des  behaarten  Kopfes  wegen,  nur  ungenaue  Zah- 
len. Wieder  andere  giebt  es.  die  für  eine  ge- 
naue Untersuchung  unüberwindliche  Schwierig- 
keiten bieten,  wie  die  Bestimmung  der  Länge  der 
einzelnen  Theile  der  Gliedmassen , die  zum  The&l 
von  der  wechselnden  Dicke  der  die  Knochen  be- 
deckenden Weich  theile  abhängt.  Wo  es  sein  kann, 
soll  man  auch  am  Lebenden  die  Maasse  an  ana- 
tomischen Punkten  des  Knochengerüstes  nehmen, 
weil  diese  die  sichersten  sind  und  den  Vergleich 
mit  Skelet  maassen  zulassen.  Auch  empfiehlt  es 
sich,  im  Allgemeinen  nur  solche  Maasse  zu  wäh- 
len. die  an  dem  bekleideten  Körper  zu  nehmeu 
sind.  Man  wird  bei  Sammlung  des  Materials 
nach  vorgelegten  Fragebogen  vorzüglich  auf  die 
Mitwirkung  der  Aorzte  rechnen  dürfen.  Es  sollen 
nur  erwachsene  Deutsche  und  nur  wohlgebildete 
Personen,  im  Alter  von  20 — 50  Jahren  gemessen 
werden,  und  nur  solche,  welche  nachweislich  nicht 
von  fremder  Abkunft  sind,  also  keine  Juden,  die 
einer  besondern  Untersuchung  zu  unterwerfen 
wären.  Uin  dem  Vergleiche  der  verschiedenen 
Volksstämme  mit  einander  eine  gleichmäßige 
Grundlage  zu  geben,  müsste  in  allen  Tlieilen  des 
Landes  ein  annähernd  gleicher  Procenttheil  der 
Bevölkerung  gemessen  werden.  Hierbei  empfiehlt 
es  sich,  die  Landbevölkerung  zn  bevorzugen,  weil 
auf  dem  Lande  der  Typus  reiner  sich  erhält  als 
in  den  Städten  und  der  Mensch  dort  auch  den 
klimatischen  Einflüssen  und  andern  natürlichen 
Bedingungen  seines  Daseins  mehr  ausgesetzt  ist 
als  da,  wo  er  vielfach  geschützt  gegen  solche  in 
dichter  Menge  zusammen  lebt. 

Es  Hesse  sich  die  Sache  vielleicht  so  einrich- 
ten, dass  in  Orten  bis  zu  1000  Einwohnern  2Ü°/0 
zu  messen  sind,  also  von  1000:  200,  die  Hälfte 
Männer,  die  Hälfte  Frauen,  und  von  diesen  die 
Hälfte  verheirathete , die  Hälfte  unverheiratete. 
In  Orten  von  1000  bis  10,000  Einwohnern  sind 


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10%  zu  messen , also  von  10,000:  1000,  in 
Orten  von  10,000  bis  100,000  und  darüber  sind 
5%  zu  messen  , also  von  100,000:  5000.  Auf 
diese  Weise  würde  die  Landbevölkerung  in  den» 
Gesammtbilde  starker  vertreten  sein , als  die  der 
Städte,  und  diese  würden  zurücktreten  im  Ver- 
hältnis* ihrer  Grösse. 

Durch  diese  Untersuchungen  würde  ein  Ver- 
gleich der  deutschen  Volksstämme  nach  der  Stufe 
ihrer  organischen  Entwicklung  und  nach  ursprüng- 
lichen Stammesunterschieden  möglich  sein , und 
die  Ergebnisse  der  Untersuchung  der  Farbe  der 
Augen  und  Haare  beim  Erwachsenen  würden 
als  eine  Ergänzung  der  bei  der  Schuljugend  ge- 
wonnenen vielleicht  neue  Beziehungen  oder  auch 
Berichtigungen  erkennen  lassen. 

Auch  würde  inan  ein  Urtheil  darüber  gewinnen, 
ob  die  dolichocephale  und  die  brachyceph alt» Kopfform 
tnit  der  Körpergröss«  und  mit  der  Complexiou  der 
blonden  und  der  dunkeln  Abart  in  einem  Ver- 
hältnis» steht.  Man  würde  ferner  erfahren,  ob 
es  einen  Einfluss  der  Berufsarten  auf  die  Körper- 
grösse, auf  die  Gestalt  der  Gliedmassen,  auf  die 
Breite  des  Kopfes,  auf  die  Gesichtsbildung  giebt. 
Endlich  würden  die  Unterschiede , die  im  Ue- 
schlechte  begründet  sind  , bei  einem  so  grossen 
Materiale  mit  Bestimmtheit  hervortreten. 

Die  Merkmale  und  Bestimmungen , auf  die 
sich  die  Untersuchung,  um  leicht  ausführbar  zu 
sein,  zu  beschränken  hätte,  sind  nach  meinem  Vor- 
schläge die  folgenden: 

1)  Name  und  Confession,  Alter  und  Geschlecht. 
Im  französischen  Namen  des  Vaters  oder  der 
Mutter  kann  die  Erklärung  der  schwarzen  Haare 
und  der  braunen  Iris  liegen. 

2)  Farbe  des  Haars : blond , hellbraun  oder 
dunkel.  Es  ist  zweckmässig,  so  wenig  Kategorieen 
aufzust  eilen  als  möglich.  Neben  den  beiden  Ge- 
gensätzen ist  eine  Mittelfarbe  unentbehrlich , in 
der  sich  jene  Elemente  in  verschiedenem  Verhält- 
nisse gemischt  haben.  — Farbe  der  Augen : blau 
oder  blaugrau,  grünlich  gelb,  dunkel. 

3)  Grösse  des  Körpers. 

4)  Schulterbreite,  sie  giebt  schon  allein  ein 
Bild  des  mehr  robusten  oder  schlanken  Körperbaues. 

5)  Spannweite  der  horizontal  ausgestreckten 
Arme,  sie  giebt  ein  Verhältnis®  der  obern  Extre- 
mitäten zu  der  untern,  welches  sich  mit  der  Ent- 
wicklung des  Individuums  ändert  und  mit  der 
des  menschlichen  Geschlechtes  in  einer  Bezieh- 
ung steht. 

6)  Länge  des  Rumpfes,  im  Sitzen  gemessen, 
vom  Stuhl  bis  zur  Nackenfalte.  Diese  giebt  beiin 
Lebenden  annähernd  die  Länge  der  Wirbelsäule, 


deren  Verhältnis  zur  üesainmt  länge  des  Körpers 
wieder  Ausdruck  eines  Entwicklungsgesetzes  ist. 

7)  Länge  des  Kopfes,  von  der  Glabella  bis 
zum  vorspringendsten  Funkte  des  Hinterhauptes 

8)  Grösste  Breite  desselben. 

0)  Senkrechte  Höhe  desselben,  von  der  Mitte 
(des  obereu  Randes  d.  R.)  des  Ohrlochs  zur 
, Scheitelhöhe.  Hierbei  ist  der  Kopf  mit  gerade 
nach  vorn  gerichteter  Sehachse  in  die  Horizontal- 
: Stellung  zu  bringen. 

10)  Geaichtslänge,  vom  Haarwuchs  zum  un- 
tern Rande  des  Kinn’s. 

11)  Oberkieferlänge,  von  der  Nasenwurzel 
zum  Ende  der  obern  Schneidezähne.  Dieselbe  steht 
mit  der  Körpergrösse  im  Verhältnis«. 

12)  Grösste  Breite  des  Gesichtes  zwischen  den 
Wangenbogen.  Diese  ist  mit  Sicherheit  nicht 
wohl  anders  zn  messen. 

13)  Form  der  Nase,  ob  sie  gerade  ist,  oder 
i Habichtsnase  oder  Stutznase. 

14)  Armlänge,  von  der  Schultet  höhe  zum 
Ende  des  Mittelfingers.  Die  des  Skelettes  lässt 
sich  am  Lebenden  nicht  genau  messen. 

15)  Vorderarmlänge,  vom  Ellenbogen  bis  zum 
Ende  des  Condylus  der  Ulna ; sie  giebt  annähernd 
die  Länge  dieses  Knochens. 

16)  Länge  der  Hand  , von  der  ersten  , der 
Hand  nächsten  Falte  der  Handwurzel  zum  Ende 
des  Mittelfingers. 

17)  Beinlänge,  von  der  Höhe  des  grossen  Tro- 
chanter zur  Fusssohle. 

18)  Länge  des  Fasses,  von  der  Ferse  zum 
Ende  der  grossen  Zehe  gemessen. 

Ich  hege  die  Hoffnung , dass  im  Laufe  des 
Jahres  zum  Wenigsten  Vorbereitungen  getroffen 
werden  können,  dieser  Aufgabe  der  II.  Commis- 
sion näher  zu  treten  und  habe  durch  Mittheilung 
j meines  Entwurfs  nur  Ihre  Aufmerksamkeit  und 
■ Ihr  Interesse  auf  diese  wichtige  Untersuchung 
! hinlenken  wollen. 

Die  bisherigen  Vorschläge  zur  Messung  der 
| menschlichen  Körpergestalt,  und  viele  dahin  ein- 
schlagenden Arbeiten  leiden  an  dem  Fehler  des 
Ueberflusses.  Es  ist  als  ob  mnn  alle  Maasse  am 
Körper  habe  nehmen  wollen,  die  man  überhaupt 
nehmen  kaun,  ohne  sich  die  Frage  zu  stellen,  ob 
bei  so  mühevoller  Arbeit  für  die  Wissenschaft 
etwas  herauskommt.  Man  weiss  aber  in  der 
That  mit  den  gehäuften  Zahlentabellen,  in  denen 
jede  individuelle  Abweichung  des  kleinsten  und 
unwichtigsten  Körpertheiles  eingetragen  ist,  nichts 
anzufangen , während  aus  dem  Studium  der  all- 
gemeinen Körperverbältnisse  «ich  die  wichtigsten 
l Naturgesetze  ergeben. 


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104 


Zweite  Sitzung. 


Inhalt:  Herr  Dr.  Much:  über  Kapferbergbau  in  Noricum  in  prähistorischer  Zeit. — Discuiraion : Herr  Kl op- 
fleisch.  Herr  Much.  — Herr  Klopfleisch:  Ausgrabungen  bei  Jena,  zwischen  Naumbnrg  und 
Osterfeld.  — Herr  O.  Fr  aas:  Heroengräber  in  Württemberg:  Bellereim*«.*  und  kleiner  A«perg.  — 
Herr  Fischer:  über  geschlagene  and  geschliffene  prähistorwcne  Steinwerkzeuge.  — HerrJ.  Ranke: 
Steinzeit  in  Bayern.  — DmcusmioU:  Herr  Fischer,  Herr  Fr  aas.  Herr  J.  Hanke. 


Herr  Mlldl  (Wien): 

Die  Resultate  meiner  Untersuchungen  Über 
prähistorischen  Kupferbergbau  in  Norikurn  sind 
soweit  gediehen , dass  sie  es  ermöglichen , alle 
Erscheinungen  daselbst  in  Zusammenhang  zu 
bringen , und  insbesondere  an  der  Hand  der 
Funde  den  gesammien  Bergbaubetrieb  zu  ver- 
folgen , so  dass  sich  kaum  mehr  eine  Lücke 
findet. 

Ich  habe  über  dieselben  in  neuester  Zeit  wohl 
schon  schriftlichen  Bericht  erstattet  und  erlaube 
mir  über  diesen  Gegenstand  desshalb  hier  noch 
zu  sprechen , einestbeils  weil  ich  seither  durch 
Fortsetzung  meiner  Untersuchungen  weitere  Re- 
sultate erzielt  habe , anderntheils , weil  ich  die 
Sache  für  so  wichtig  halte , dass  ich  glaubte, 
die  Funde  Ihnen  selbst  vorzeigen  zu  sollen , da- 
mit Sie  sieb  von  der  Korrektheit  meiner  Beob- 
achtungen selbst  überzeugen  könnten. 

Zunächst  nenne  ich  als  eine  solche  Stelle,  wo 
in  der  prähistorischen  Zeit  Kupferbergbau  be- 
trieben worden  ist , Mitterberg  bei  Salzburg. 
Vor  allem  ftillt  an  seiner  Lage  die  vollständige 
Abschliessung  auf,  einerseits  begrenzt  durch  un- 
geheure bis  nahezu  10000  Fuss  aufsteigende 
Felssehrofen,  andererseits  durch  ein  grosses,  pfad- 
loses  Waldgebirge,  das  sich  bis  nahezu  6000  Fuss 
erhebt. 

Ein  zweites  solches  prähistorisches  Kupfer- 
bergwerk befindet  sich  auf  der  Kelch  alpe,  süd- 
lich von  dem  Orte  KitzbUchcl  in  Tirol  gegen  das 
Salzachthal  zu.  Diese  Fundstelle  ist  nicht  direkt 
durch  Felsschroten  abgeschlossen , aber  es  be- 
findet sich  noch  tun  1000  Fuss  höher , als  d«is 
Mitterberger  Kupferbergwerk,  welches  an  höchster 
Stelle  eine  Höhe  von  4700  Fuss  übersteigt, 
während  das  Kupferbergwerk  auf  der  Kelchalpe 
5700  Fuss  hoch  gelegen  ist.  ln  prähistorischer 
Zeit  war  es  ringsum  durch  eiu  weit  ausgedehntes 
Waldgebiet  umschlossen,  welches  die  ganze  Thon- 
schief  erzone  bedeckte,  die  sich  nördlich  von  der 
Tanernkette  in  westöstlicher  Richtung  hinzieht.  Die 
dritte  Stelle  prähistorischen  Bergbaues  in  Norikurn 
befindet  sich  auf  den»  Schutt  borg  in  unmittel- 
barer Nilbe  von  Kitzbüchel.  Eine  nähere  Unter- 
suchung ist  aber  au  dieser  dritten  Stelle  kaum 


mehr  möglich , weil  noch  heute  Bergbau  dort 
betrieben  wird,  welcher  die  Spuren  des  alten  fast, 
vollständig  verwischt  hat 

Die  Erinnerung  an  einstigen  Kupferbergbau 
in  den  norischen  Alpen , ist  gänzlich  verschwun- 
den, kein  Name,  keine  Urkunde,  keine  Sage  meldet 
von  dessen  einstigem  Dasein.  Dagegen  ist  aus 
einigen  alten  Urkunden  ersichtlich , dass  das 
Terrain  des  Kupferwerkes  auf  dem  Mitterberg 
durch  lange  Jahrhunderte  hindurch  als  Alpe  be- 
nutzt wurde.  Es  existirt  darüber  ein  Schenkbrief, 
mittelst  dessen  durch  die  damalige  Erzbischöfliche 
' Regierung  den  Besitzern  gestattet  wurde,  den 
Wald  abzutreiben.  Dieser  Schenkbrief  ist  datirt 
von  1559  und  bezeichnet  das  Terrain  des  prä- 
historischen Bergwerk«?«  als  alte  Alpenweide. 

Eine  m>eh  ältere  Urkunde  weiss  ebenfalls 
nichts  von  Bergbau  daselbst,  sondern  nur  von 
' einer  alten  Alpe. 

Eine  dritte  schriftliche  Urkunde , allerdings 
anderer  Art,  als  jene  beiden,  ist  eine  Steininschrift, 
welche  in  der  oberen  Zeile  vier  Zeichen  enthält, 
zuerst  ein  R,  worauf  das  Stollenzeichen  (7\)  folgt, 
sodann  ein  H und  ein  A;  in  der  zweiten  Zeile 
darunter  befindet  sich  ein  Buchstabe , der  für 
ein  C oder  G gedeutet  werden  kann , dann  ein 
liegendes  X tud  nebenbei  zwei  schwache  neben- 
einander befindliche  Striche.  Di«*  Buchstaben 

sind  lateinisch  und  mit  Rücksicht  auf  die  vor- 
liegenden Urkunden  kommen  wir  mit  diesen 
Buchstaben  weit  über  die  Zeit  der  Gothik 
hinaus. 

Eine  fernere  Urkunde  ist  eine  Münze  von 
Kaiser  Marcus  Didius  Severus  Julianus  von  193, 
welche  auf  dem  Terrain  «les  prähistorischen  Berg- 
werkes gefunden  wurde. 

Ich  gehe  nun  über  auf  einige  Fundstücke 
und  bedau«*re , dass  sie  zum  Tbeil  durch  den 
Transport  gelitten  haben  und  in  noch  weitere 
i Stücke  zerbrochen  wurden,  als  sie  es  schon  waren. 

Die  Spuren  des  alten  Bergbaues  auf  dem 
Mitterberg  und  auf  der  Kelchalpe  kennzeichnen 
sich  zunächst  durch  ausgedehnte  Gruben,  wahr- 
scheinlich zum  Theil  Orte,  wo  der  Bergbau  Uber 
Tag  betrieben  wurde,  zum  Theil  von  Einseuk- 
ungen  der  unterirdischen  Gänge  herrtthreud. 

(Fortsetzung  in  Nr*».  10. 1 


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69 


römischen , römischen , keltisch-gallischen  Periode 
sowie  derZeit  der  fränkisch  - alemaoischen  Reihen- 
gräber zugehtti  enden  archäologischen  Alterthtlmer, 
welche  in  derSam  ml  u d g der  Ges  eil  sch  aft  für 
Erhaltung  der  geschichtlichen  Denk- 
mäler des  Eisass  (im  kleinen  Seminar)  auf- 
gestellt sind , sch  Hessen  sich  in  Beziehung  auf 
ihre  Wichtigkeit  aus  dem  Strassburger  anthropo- 
logischen Materiale  zunächst  die  normal-  und 
pathologisch  -anatomischen  Sammlungen 
im  Anatomiegebäude  an,  von  welchen  die  erstere 
eine  Anzahl  vortrefflich  und  vollkommen  erhal- 
tene Skelette  und  Schädel  aus  alten  Gräbern  na- 
mentlich von  der  spätrömischen  Nekro|M>leam  Weiss- 
thurmthore  sowie  Rassenschlidel  besitzt ; aus  dem 
reichen  wissenschaftlichen  Material  der  patho- 
logisch-anatomischen Sammlung  sind  vor  allem 
die  in  der  Form  verbildeten  und  sonst  krankhaft 
veränderten  Schädel  zum  Vergleich  mit  den 
künstlich,  absichtlich  umgeforinten  von  hervor- 
ragender anthropologischer  Bedeutung,  Das  Gy- 
näkologische Institut  (in  der  Blauwolkongasse  21) 
liesitzt  durch  Herrn  Prof.  Freund  eine  anthro- 
pologisch i n teressante  Sammlung  von  Uber 
100  8c  hä  dein  Neugeborener.  H err  Dom- 
kapitular A.  Straub,  Präsident  der  Gesellschaft 
für  Erhaltung  der  geschichtlichen  Denkmäler  des 
F.lsass  sowie  der  hochverdiente  LokalgeechäfU- 
führer  der  X.  allgemeinen  Versammlung  Herr 
Professor  Dr.  G.  Gerland  Übernahmen  die  Füh- 
rung der  Mitglieder  in  dem  erstgenannten  Museum  ; 
die  Direktoren  der  anatomischen  Sammlungen, 
Professor  Dr.  W aide y er  und  Professor  Dr.  von 
Recklinghausen,  in  den  Sammlungen  des 
neuen  AnatomiegebäudeB  der  Universität,  Herr 
Professor  Dr.  Freund  im  gynäkologischen  In- 
stitut. Herr  Professor  Dr.  Schiinper  führte 
zu  dem  unter  seiner  Direktion  stehenden  natur- 
historischen  Museum.  Ausserdem  waren 
noch  das  Landes-  Münzk  ab  inet  im  Schloss, 
erklärt  durch  Herrn  Bibliothekar  Dr  Müller, 
und  die  Kup  ferst  ich  santm  lung  im  Stadt- 
haus dem  Besuch  der  Anthropologen  geöffnet. 
Herr  Bibliothekar  Dr.  E u t ing  , Präsident  des  Vo- 
gesenclubs, geleitete  die  Gäste  zur  Pintform  des 
Münsters,  Herr  Universitütskustos  Dr.  E b r a r d 
leitete  die  Besichtigung  seiner  inneren  Hallen. 

Die  Lokalgescbäftsi’übrung  hatte  von  der 
Aufstellung  anthropologischer  Sammlungen  in 
dem  Sitzungssäle  selbst  Umgang  genommen, 
dagegen  wurden  von  einer  Anzahl  von  Rednern 
zum  Theil  geradezu  grossartige  .Sammlungen  zum 
Zweck  der  Demonstration  vorgestellt. 

1)  Der  I.  Vorsitzende  der  X.  allgemeinen 
\ ersammlung  Herr  Professor  Dr.  O F r a a s legte 


einige  der  reichen  Fundobjekte  vor  aus  seinen 
Ausgrabungen  der  beiden  württembergischen 
„Heoengräber“ : „Belle -Remise 11  und  „Kleiner 

Asperg“.  Ans  dein  erst  genannten  Grabe  die 
: galvano-plastische  Nachbildung  eines  prächtig  or- 
1 naraentirten  Bron/.edolchs ; aus  dem  Frauengrabe 
des  zweiten  goldene  Blecbstreifchen  und  kleinere 
getriebene  Goldblechornamente,  wahrscheinlich  der 
Besatz  eines  Gewebes,  mit  welchem  die  Asche  der 
Todten  bedeckt  war.  Dann  eine  klassisch-gefornite 
Terracottaschale  glänzend  schwarz  mit  rother  atti- 
scher Figurenzeichnung  und  Ornamenten,  auf  derUn- 
terseite  mit  aufgenieteten  ornamentirten  Gold- 
blechstreifen geschmückt.  Das  werthvollste  Stück 
war  ein  zierliches  fein  geschwungenes  und  oma- 
mentirtea  Goldbora,  an  der  Spitze  einen  an  der 
Schnauze  geehrten  Widderkopf  tragend,  vielleicht 
einst  der  Handgriff  einer  Libations-  oder  Trink- 
scbale  oder  selbständig  zu  diesem  Zwecke  be- 
stimmt. 

21  Herr  Dr.  V.  Gross  aus  Neuveville 
(Bern) , welcher  schon  bei  der  VIII.  allgemeinen 
Versammlung  eine  so  glänzende  Ausstellungseiner 
Pfahlbaufunde  gemacht  hatte,  hatte  auch  nach 
| Strassburg  ebenso  zahlreiche  wie  werthvolle  Ob- 
jekte gebracht  aus  seinen  neuesten  Ausgrabungen 
der  Pfahlbaustationen  in  Locras,  Lüscherz  am  Bieler- 
I und  Estavayer,  Stftffis  am  NeuchiUeler-See.  Wäh- 
I rend  die  erste  Station  ausser  einigen  Kupfer-  und 
Bronzegegenständen  vorwiegend  geschliffene  und 
feiner  behauene  Stein-Objekte  geliefert  hatte,  — 
von  welchen  Feuersteinlanzenspitzen  bis  zu  24  cm 
Länge,  Feuersteingerätlie  in  Holzfassungen  und 
Horn,  grosse  Serpentinäxte  zum  Theil  in  Horn- 
fassnng,  durchbohrte  streithfimmer , ein  Dutzend 
| Nephrit-  und  Jadeitbeile , Lanzen , Harpune  und 
Hämmer  aus  Hirschhorn  und  Knochen  Vorlagen, 
— entstammte  der  zweiten  Station  ausser  mehre- 
ren Thonvasen  und  6 Schädeln  eine  Fülle  der 
werth vollsten  Bronzegegenstände , von  denen  na- 
mentlich eine  schön  ornamentirte  Schale,  15 
grosse  Armbänder,  ein  Schm uckgeräthe  mit  13 
] angeöhrten  Pendeloques,  eine  Gussform  aus  Bronze 
für  Bronzebeile,  Bronzebeile,  Lanzen,  12  Messer 
alle  omamentirt , Seheereo  , Bronzegewandnadeln 
bis  zu  70  cm  lang,  Pferdegebisae,  ein  Schmuck- 
stück eines  bronzernen  Streitwagens  etruskischer 
Arbeit  etc.  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zogen. 

; In  hohem  Maasse  war  letzteres  auch  der  Fall  mit 
i einem  Gypsausgusa  eines  rohen  Pfahl  bau-Thon- 
I scherbens,  dessen  Vertiefungen  sich  als  5 tiefe 
! Fingereindrücke  einer  zarten  weiblichen  prähisto- 
i rischen  Hand  mit  woblgebildeten  gut  geschnittenen 
' Fingernägeln  erwiesen. 

;})  Herr  Dr.  Mook  (Kairo)  legte  eine  nach 


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hunderten  zählenden  Sammlung  namentlich  von 
geschlagenen  Feuerstein-Instrumenten  aus  Aegyp- 
ten vor.  welche  er  theils  bei  Heluan  ausgegraben, 
theils  bei  Derr  in  Oberägypten  auf  dem  rechten 
Nilufer  in  der  Nähe  von  Luxor,  wo  sie  zu  Tau- 
senden sich  finden  und  wohl  zum  Theil  bis  in 
die  historische  Zeit  hereinragen  mögen.  (Schaaff- 
liausen)  gesammelt  hatte.  Einige  von  den  Ob- 
jekten z.  B.  Lanzenspitzen  sind  mit  ziemlicher 
Sorgfalt  geschlagen  und  erinnern  an  die  roheren 
Formen  der  bekannten  nordischen  Objekte  der 
sog.  jüngeren  Steinzeit.  Ein  Feuersteinsplitterchen 
in  Holzstiflfassung  aus  einem  Grabe  bei  Theben 
war  vielleicht  ein  chirurgisches  Instrument. 

4)  Herr  Pr.  jur.  Much,  der  um  die  anthro- 
pologische Forschung  so  hochverdiente  Sekretär 
der  anthropologischen  Gesellschaft  in  Wien, 
Mitglied  unserer  Gesellschaft  , demonstrirte  eine 
vollständige  vielbewunderte  Sammlung  von  Ge- 
genständen zu  seinem  Vortrag  über  den  prä- 
historischen Kupferbergbau  in  Noricum  , von 
denen  wir  erwähnen : ein  grosses  Stück  Kupfer- 
schraelze  und  Schlacken  , welche  noch  dos 
Loch  von  der  Stange  erkennen  lässt , mit  deren 
Hülfe  inan  sie  aus  dem  Schmelzofen  gezogen  hat, 
kupferne  und  bronzene  innen  hohle  Pickel,  Eimer 
und  Schöpfkelle  aus  Holz,  auch  zahlreiche  Leucht- 
»pähne , grosse  Steinschlfigel  aus  Stein  mit  einer 
ringförmigen  Kinne  zur  Befestigung  der  wohl  aus 
Weidengefiecht  bestehenden  Handhabe,  Klopfsteine, 
Reibsteine  mit  eingetiefton  Rinuen  zur  Zerkleiner- 
ung des  Gesteins , rohe  Töpferwaaren  zum  Theil 
.Schlackenstückchen  eingemengt  enthaltend  u.  v.  A. 

5)  Herr  Geheimrath  Prof.  Pr.  ßchaaff- 
hausen,  stellvertretender  Vorsitzender  der  X. 
allgemeinen  Versammlung , brachte  nicht  nur 
Photographien  anthropologisch  wichtiger  Objekte 
namentlich  aus  dem  Rheinland  (z.  B.  eines  Lava- 
blockes mit  eingeschlossenem  eisernen  Nagel  aus 
der  Gegend  von  Andernach,  des  Wildsteines  eines 
Sagenreichen  megalithischen  Penkmals  im  Mosel- 
thale  bei  Trarbnch)  zur  Vorlage,  sondern  auch 
zahlreiche  schone  Fundstücke  aus  fränkischen 
Reihengräbera  bei  Meckenheim  in  der  Nähe  von 
Bonn : goldene  und  silberne  runde  Fibeln,  Ohr- 
ringe, bronzene  Zierscheiben,  eine  davon  mit  einem 
Rahmen  von  Elfenbein,  Mosaik-  und  Bernstein- 
perlen, Feuerstein  und  Feuerstahl  am  Gürtel  der 
Todten  etc.  Auch  einer  der  dort  ausgegrabenen  Schä- 
del. ein  künstlich  verbildeter  Mnkro- 
c e p h n 1 u s wurde  vorgestellt,  nach  Herrn  Schaafl- 
hausens  Deutung  ein  Hunnenschädel.  Pas  für 
die  Geschichte  der  Menschheit  wichtigste  Objekt 
dieser  Ausstellung  war  aber  der  wohlerhaltene 
fossile  Schädel  eines  Moschusochsen 


l aus  der  Tiefo  eines  lehmigen  Abhangs  des 
alten  Moselthales  bei  Moselweins  in  der  Nähe  von 
Koblenz  stammend.  Er  zeigt  am  Stirnbein  nnd 
am  Hinterhaupt  scharfe  unverkennbar  von  Men- 
schenhand herrührende  alte  Hiebspuren  oder  Ein- 
schnitte, ähnliche  auch  an  der  Basis  des  Horn- 
knochenzapfens. Per  Schädel  war  mit  einer  Art 
Kalksinter  bedeckt , erst  nach  der  eigenhändigen 
Entfernung  desselben  durch  Herrn  Schaaff- 
h au sen  fand  letzterer  die  erwähnten  Spuren  der 
Menschenhand , welche  nun  Uber  allen  Zweifel 
erhaben  die  einstige  gleichzeitige  Bewohnung  des 
Rlieinthals durch  Mensch  undMoschusochse  erweisen. 

G)  Herr  Domkapitular  Straub  schmückte 
seinen  interessanten  Vortrag  über  die  Ergebnisse 
der  Ausgrabungen  der  spätrömischen  Nekropole 
am  Weissthnrinthore  durch  Vorlage  zahlreicher, 
grossentheils  photographischer  Abbildungen  der 
wichtigsten  Fundobjekte  und  deren  Lagerungs- 
weise in  don  Gräbern. 

7)  Herr  Hauptmann  von  Tröltsch  (Stutt- 
gart) und  Herr  Gymnasialprofessor  Oh  len  Schla- 
ger (München)  brachten  selbstgefertigte  Ent- 
würfe prähistorischer  Karten,  der  erstere  eine 
drei  Meter  hohe  prähistorische  Uebersichtskarte 
Südwestdeutschlnnds  und  der  Schweiz  (verklei- 
nert dem  Bericht  beigegeben),  der  zweite  drei 
für  den  Druck  in  don  Beitrügen  zur  Anthro- 
pologie und  Urgeschichte  Bayerns  ausgeführte 
Blätter  einer  prähistorischen  Karte  Oberbaverns. 
Daran  schlossen  sich  die  von  Herrn  Gelieim- 
rath  Professor  Pr.  R.  Virehow,  stellvertreten- 
der Vorsitzender  der  X.  allgemeinen  Versammlung, 
der  Gesellschaft  im  Aufträge  des  Herrn  Prof.  Pr. 

j J.  Ko  11  mann  (Basel)  vorgelegten  Kartenskizzen 
| der  Resultate  der  statistischen  Aufnahme  der 
: Farbe  der  Augen,  Haare  und  der  Haut  der  Schul- 
kinder der  Schweiz  an. 

8)  Herr  Professor  Pr.  J.  Ranke,  General- 
1 Sekretär  der  deutschen  anthropologischen  Gesell- 
! Schaft,  legte  zwei  Doppelblätter  vor  mit  Abbild- 
| ungen  aller  bisher  in  Bayern  gefundenen,  in  den 
I dortigen  Sammlungen  aufbewahrten  gesehlitfe- 
! nen  oder  durch  Schlagen  feiner  bearbeiteten  prä- 
historischen Stein  Waffen  und  Steininstrumente. 
Ausserdem  im  Aufträge  von  Fräulein  M est  orf, 
Kustos  des  schleswig-holsteinischen  Museums  va- 
terländischer Alterthümer  in  Kiel,  zwei  farbige 
Nachbildungen  in  Gyps : eine  Glasperle  und  ein 
Gürtelfragment  aus  alten  schleswig-holsteinischen 
Gräbern  darstellend. 

9)  Herr  Geheimrath  R.  Virehow  legte  weiter 
I eine  Anzahl  vorallem  für  die  Vergleichung  mit  den 

auf  deutschem  Boden  gemachten  Funden  sehr  wich- 
tiger Fundobjekte  vor,  von  denen  namentlich  die 


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geschliffenen  den  unseren  ähnlichen  Steinbeile  /um 
Tlieil  auf  Nephrit , sowie  die  Ornament irung  der 
Thonscherben  (aut’  der  Innenfläche  der  Gefltssc  mit 
eingetieften  weiss  eingefüllten  Ornamenten)  das 
Interesse  fesselten. 

Wir  haben  bisher  vorwiegend  der  archäolog- 
ischenAusstellungen  gedacht  unter  den 
von  Herrn  Sc haaff hausen  vorgelegten, jedoch 
auch  schon  Objecte  erwähnt,  welche  theils  der  an- 
th  ropologischen  Halft  ontologie  theils 
der  Kraniologie  zugehörten. 

10)  Kraniologische  Ausstellun- 
gen wurden  weiter  gemacht  (cf.  oben)  von  Hm. 
V.  0 ross  6 Pfahlbau-Sehftdel , darunter  einer 
trepanirt.  Einer  der  Schädelfragmcmte  wnrde  t 
für  einen  Trinkbecher  erklärt,  gegen  welche  Deu- 
tung jedoch  die  nicht  abgenutzten  meist  noch 
ziemlich  scharfen  ßruchründer  zu  sprechen  schei- 
nen. Herr  Dr.  K.  Krause  (Hamburg)  stellte 
zwei  künstlich  deformirto  makrocephale  Schädel 
von  den  Neu-Hebriden  vor,  Herr  Waldeyer  5 ' 
prächtig  erhaltene  Scbftdel  ans  der  mehrerwfthnten 
sjiftt römischen  Nekropole  am  Weissthurnitbor  in 
Straesburg , darunter  ein  künstlich  verbildeter 
Makrocephalus;  dann  zahlreiche  Scbftdel,  theils 
normal , theils  mit  mehr  oder  weniger  ausge- 
sprochenem Torus  occipitalis,  Hinterhanptswuist, 
ausserdem  Präparate  Über  das  Vorkommen  eitles 
Trochanter  tertius  am  Femur  des  Menschen. 

12)  Zur  Kranioinetrie  und  Abbildung 
der  Schädel  brachten  die  Herren  Krause  und 
Itanko  neue  Instrumente.  Erstem*  ein  künstlerisch 
vollendet  ausgeführtes  Instrument  um  durch  Nach- 
fahren der  äusseren  und  aller  auf  der  Fliehe  be- 
findlichen Conturen  mit  einem  berührenden, 
verschiebbaren  Stifte  die  Einrisse  des  Schädels 
sowohl  als  alles  Flftchendetail  dieselben  direkt 
in  Originalgrösso  auf  Papier  zu  übertragen. 

J.  Hanke’s  Pantograph  ist  ein  storch- 
sch n abelfthnliches  Instrument  aus  Messing ; an 
Stelle  eines  Stifts  zum  Nachfahren  der  Conturen 
ist  es  mit  einem  rührenförmigen  Diopter  versehen. 
Mit  Hülfe  dieses  einfachen  Intruinentes  können 
alle  Linien  und  Einzelheiten  irgend  eines  unter 
einer  Glasplatte  aufgestellten  Objektes:  Schädel, 
Line,  Fibel  etc.  durch  einfaches  Nachgehen  der 
Linien  mit  dem  Diopter  nach  Ln  c ft 'scher  Methode 
mit  grösster  Raschheit  und  Genauigkeit  in  ganzer, 
halber  oder  viertel»  Grösse  direkt  auf  Pupier  zur 
bildlichen  Fi xirung  und  Messung  aufgezeichnet 
werden. 

Die  der  N.  Vci*sainnilung  vorgelegten  grösseren 
wissenschaftlichen  Werke  und  Abhand- 
lungen werden  unten  zosammengdstellt  werden. 

Das  reiche  hisher  anfgeführte  ebenso  werth- 


volle  wie  hochinteressante  Studienmaterial  wurde 
aber  au  eindringender  Wirksamkeit  noch  weit 
übertroffen  durch  die  auf  das  Sorgfältigste  vor- 
bereiteten, vom  schönsten  Wetter  Itegünstigten, 
vollkommen  gelungenen  Ausgrabungen  und 
Besichtigungen  urgeschichtlicher  Ob- 
jekte am  Weissthurin  thor  und  auf  dem 
O d i 1 i e n b e r g •*)  ^ 

Bei  den  Neubauten  am  Weissthurint  hoi*  war 
man  im  vorigen  Herbst  in  der  Nähe  desselben 
auf  eine  reichhaltige  Nekropole  gestossen,  theils 
Gräber  nach  Art  der  modernen  Kirchhöfe  nur  in 
den  Sand  ei  »geschnitten  enthalt  end , theils  zahl- 
reiche schwere  unornamentirie  Stein  - Sarkophage 
und  nach  römischer  Weise  mit  Steinplatten  um- 
schlossene Grabstellen.  Di«'  Ausgrabungen  dieser 
Todtenstadt  wurden  durch  Herrn  A.  Straub 
goleitet  und  lieferten  ausser  mehreren  spät- 
römischen Münzen  zahlreiche  archäologische  Funde, 
uamenliclt  Glas-  und  Thonwaaren  aus  denen  sich 
der  spfttrönnsche  Charakter  der  Fundstelle  mit 
Sicherheit  ergab  und  welche  jetzt  in  der  oben 
erwähnten  Altertliuius-Sanimlung  im  kleinen  Se- 
minar aufliewahrt  werden.  In  den  Sarkophagen, 
welche  sich  bis  etwa  zur  Hälfte  mH  feinein  ein- 
geschwenitnteu , lehmigen  Sand  erfüllt  zeigten, 
waren  die  Skelettreste  der  Begrabenen  meist  ganz 
verwest,  dagegen  zeigten  sieh  die  Skelette  der 
einfachen  Sandgrftber  so  vollkommen  wohlerhalten 
und  Hessen  sich  aus  dein  lockeren  Boden  so  vortrefl- 
; lieh  ausheben,  dass  diese  ulten  anatomischen  Funde 
zu  den  basten  zu  rechneu  sind,  welche  überhaupt 
irgendwo  gemacht  wurden.  Von  mehreren  Ske- 
letten fehlt  kein  Knöchelchen  der  Hand  oder  des 
Fusses,  sodass  Herr  Waldeyer,  dessen  ana- 
tomischer Sammlung  die  Knocheniünde  zugetheilt 
wurden,  beabsichtigt,  einige  derselben  nach  Art 
der  anatomischen  Skelette  montiren  und  aufstellen 
zu  lassen,  eine  Absicht,  welche  überall  Nachahmung 
verdient.  — In  der  IV.  Sitzung  hatten  die  Herren 
Straub  und  Waldeyer  eingehende  V or träge  über 
die  Funde  der  Nekropole  gehalten.  Im  unmittel- 
baren Anschluss  daran  wurden  die  Mitglieder  der 
Gesellschaft  zu  Wagen  an  eine  etwa  1 4 Stunde 
vor  dem  Weissthurmtlior  gelegene  Stelle  gebracht, 
wo  ein  Dutzend  Gräber  aufgedeckt  war,  in  wel- 
chen die  woblerhaltenen  Skelette  frei  lagen.  In 
einer  tieferen  Grube,  von  allen  Seiten  freigear- 


•)  Nach  Schluss  der  Versammlung  uuiehte  eine 
grössere  Anzahl  der  Theilnehmer  noch  einen  Ausflug 
nach  llagenan  zur  Besichtigung  der  eben*»  werth- 
vollen wie  geschmackvoll  nnu  für  das  Studium  be- 
nützbar iiufgostollten  Sammlung  urgeschichtlicher  Alter- 
tküiuer  des  bekannten  elsättsi sehen  Alterthunisforscher» 
Herrn  Bürgermeisters  l)r.  Nessel  in  Hagenau. 


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72 


beitet,  zeigte  sich  ein  vollkommener  noch  mit 
dem  schweren  Deckstein  verschlossener  Sandstein- 
Sarkophag,  der  vor  den  Augen  der  in  mehr- 
fachem Kreis  das  Grab  umstehenden  Gesellschaft 
zum  ersten  Mal  unter  Leitung  des  Herrn  Straub 
durch  die  Hebel  der  Pioniere,  welche  die  Militär- 
verwaltung zu  diesem  Zwecke  unentgeltlich  ge- 
stellt hatte,  geöffnet  wurden.  In  den»  feuchten 
Sande,  welcher  den  Sarkophag  etwa  zur  Hälfte 
erfüllte,  fanden  sich  mehrere  vollkommen  erhal- 
tene Glasgefiis.se  römischer  Form,  ein  Tbongefitss, 
eine  auf  die  Urbs  Koma  unter  Constantin  ge- 
prägt* Münze  und  gelinge  Spuren  von  Knochen. 

Der  zwei  t e w i ssensch  a f 1 1 i c h e Au  s fl  u g,  wel- 
chem der  dritte  Tag  der' Versammlung  ganz  gewidmet 
war,  galt  den  Alterthüineni  des  durch  diese  nicht 
weniger  als  durch  seine  landschaftlichen  Schön- 
heiten berühmten  Odilienberges,  eines  vorgescho- 
benen Ausläufers  der  Vogesen  bei  Harr.  Das 
ganze  ziemlich  unebene  zum  Theil  in  steilen 
Sandsteinwänden  abfallende  Plateau  des  Odilien- 
herges  wird  von  einem  mächtigen  uralten  Uber- 
mannshohen  Stein  wall  mit  Benützung  der  natür- 
lichen Befestigungsinomente  umschlossen,  welchem 
der  Volksmund  den  Namen  H e i d e n m a u e r ge- 
geben hat.  Die  Mauer  ist  aus  gewaltigen  Qua- 
der-Steinen, welche  eine  regelmässige  Bearbeit- 
ung zeigen , und  zwischen  deren  Vagen  kleinere 
Steine  zur  Ausfüllung  eingesetzt  sind,  ohne  Mör- 
tel erbaut.  Die  Art  der  Erbauung  unterscheidet 
diesen  Stein-Wall  sofort  von  den  aus  anderen 
Gegenden  bekannten  Kingwällen  der  Slaven  und 
Germanen  und  weist  wie  es  scheint  mit  Sicher- 
heit auf  einen  gewissen  Zusammenhang  mit  rö- 
mischer Baukunst  hin.  Darauf  deuten  auch  die 
an  den  Berührung- -stellen  je  zweier  grösseren 
Steine  ziemlich  bäniig  auftretenden  einander  ent- 
sprechenden rinnenartigen  scharfgeuieisselten  Ein- 
tiefungen, in  welchen  mau  hie  und  da  noch  jetzt 
halbvermorschte  Eicbenholzstücken  sog.  doppelte 
„Schwalbenschwänze“  finden  kann , welche  einst 
zur  stärkeren  Befestigung  der  die  Mauer  bilden- 
den Haupt-Steine  gedient  haben.  Die  Heiden- 
mnuer  umwallt  einen  unregelmässig  ovalen  Raum 
von  ca.  250  Morgen.  Die  Lokalforscher  haben 
sich  über  die  Zeitstellung  der  Mauer  noch  nicht 
geeinigt , am  verbroiteaten  scheint  die  Arnahme, 
•lass  sie  römisch  «ei  etwa  aus  dem  4ten  christ- 
lichen Jahrhundert  stammend.  Trotz  der  nam- 
haft gemachten  Anklänge  und  obwohl  sie  an  einer 
gegen  das  Oertchen  Otrott  zu  gelegenen  Stelle 
von  einem  mit  Steinplatten  gepflasterten  „Koiikt- 
weg“  durchschnitten  werden  soll,  können  wir  in 
der  lleideumauer  jedoch  keim-  normale  römische 
Befestigung  erkennen.  Ein  Zusammenhang  mit 


eingesessener  Bevölkerung  aus  spätrömiseher 
Zeit  scheint  aus  Grabhügeln  hervorzugehen , die 
in  ihrer  unmittelbaren  Nähe  gefunden  worden  und 
von  denen  der  die  Gesellschaft  auf  das  zuvor- 
kommendste führende  Vogesenelub  (die  Sektionen 
Strassburg  und  Barr.  Präsident  der  letzteren  Herr 
E.  Hering)  eines  — du«  Grab  eines  Kindes  — 
zur  Ansgrabung  an  diesem  Tage  hatte  vorberei- 
ten lassen.  Es  fanden  sich  in  dem  Hügel  in 
einer  Steinkiste  zwei  schönornnmentirte  holilge- 
triebene  bimförmige  silberne  Ohrgehänge  mit  Ohr- 
ringeu,  Theile  einer  Fibula  und  der  sandige  Lehm 
des  Gralie«  war  durchsetzt  mit  feinen , flachen, 
gewirkten  Goldfäden,  welche  als  Reste  eines  gold- 
durchwebten  Stoffes  erschienen.  Die  fl  von  Hrn. 
E.  Hering  im  Jahre  1874  an  derselben  Stelle 
eröffneten  Grabhügel  hatten  ähnliche  Ergebnisse 
geliefert.  In  der  Anmerkung  tbeilen  wir  die 
uns  von  dem  genannten  Herrn  freundliehst  ein- 
gesendeten Fundberichte  mit*)  — 

Abgesehen  von  diesen  werthvollen,  die  Phy- 
siognomie der  Versammlung  für  den  Tkeiluehmer 
wesentlieli  bestimmenden  äusseren  Anregungen  pul- 
sirte  auch  aus  dem  Innern  unserer  Gemeinschaft 
das  regste  wissenschaftliche  Leben. 

Die  Arbeiten  unsorer  akademischen  Commis- 

•)  Anfangs  October  1*74.  Geöffnet  9 Gräber, 
6 mit  oblongen  Särgen,  1 mit  fl  eubischen  Särgen 
und  2 ohne  Särge,  doch  mit  Kohlen  und  Knochen. 

Grali  1.  Tuiuulns  von  6 m hiamet.  Sarcophag 

2.50  cm  unter  dem  Hodennireau.  fl  der  aufrecht 
stehenden  Steinplatten  zeigten  jede  1 Einschnitt  zu 
Schwalbenschwänzen.  Fnndobjelcte:  1 kl.  Ojiferuiemer, 
1 kl.  Axt.  beide  von  Porphyr.  Keine  Knochen  mehr, 
aber  Kohlenfragment*. 

Grab  2.  Tumnlus  von  5 m Oiumet.  Sarkophag 

2.50  cm  unter  dem  Hodenniveau,  gebildet  au«  be- 
hauenen Steinplatten  mit  < "emon t verbunden,  mit  Ver- 
engerung vom  Kopfe  nach  den  Kassen  zu.  Skelett 
lang  1,68  cui;  Schädel  dünn,  länglich.  Fundohjekte : 
1)  ein  Paar  silberne  Ohrringe;  2)  Halsband  von  viel- 
farbigen Kügelchen  aus  gebrannter  Erde,  Glas, 
Agat  und  Ambra  (Bernstein)  gebildet;  fl)  eine  Glas- 
urne aus  grünlichem  Glas;  4)  ein  kleines  Opfermesser 
von  Eisen,  jedoch  absichtlich  zerbrochen ; 5)  eine  kleine 
symbolische  Steinaxt;  6)  ein  Paar  silberne  Mantel- 
Agraffen;  7)  ein  maariver  goldener  Ring,  an  der  linken 
Ibind . mit  symbolischen  auf  den  Sonnencultns  sich 
beziehenden  Zeichen.  Ellipse  (Car,  Omega  I Triangle 
crayon  solaire,  Menhir,  Alpha)  and  2 Mal  die  Trias 
ab  erhöhte  Punkte;  keine  Bronze.  Auf  dem  Hing 
waren  symbolisirt : a)  der  Sonnenstrahl,  pur  tin  cöne; 
b)  die  Klipse,  double  conrbe;  c)  die  4 Jahreszeiten 
und  die  4 |>ointx  caidinaux,  2 rhomlies;  dl  la  Triade, 
jiar  fl  clous  plact-s  de  chaquo  efttd  du  diiujue. 

Grab  fl.  Enthielt.  3 cubische  Sarkophage,  durch 
Sehwalliensehwänze  lefr.  oben)  verbunden  und  mit  ver- 
kitteten Steinplatten  bedeckt.  Ohne  Skelette«  nur 
einige  Sehüdeltragment*  und  1 Zahn. 

Gräber  4 und  5.  Sarkophage  aus  Steinplatten, 
mit  KniM-henfragiuenten  und  K • di  leitst  Cu  ke  heu. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  ton  Professor  Dr.  Johannes  Hanke  in  München, 

Gtntntlucrtlär  der  Giteliiirhaß. 

Nr.  10.  Krudlciut  jeden  Monat.  OctobtT  1879. 

Bericht  über  die  X.  allgemeine  Versammlung-  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Strassburg 

am  ll.t  12.  und  13.  August  1879. 

Nach  stenographischen  Aufzeichnungen 
radigirt  von 

Professor  Dr.  Johannes  Ranko  in  München 
Generalsekretär  der  Gesellschaft. 

(Fortsetzung  der  Rede  des  Herrn  Much.  II.  Sifctg.)  1 mitgebrncht,  damit  Sie  sie  in  Augenschein  nehmen 
Auf  dem  Mitterbergc  sind  noch  solche  unter-  können.  Neben  den  Leuch  tsp&nen  von  Mittcr- 
irdische  Stollen  zum  grossen  Theil  erhalten,  ja  sie  berg  sehen  Sie  dann  ein  Stück  eines  Salzsteins 
sind  heute  noch,  nachdem  der  Mensch  sio  seit  einer  aus  dem  Heidengebirge  im  Salzbergwerke  hei 
ungemessen  langen  Zeit  nicht  mehr  berQlirt  hat,  Hallein  an  der  Salzach,  welches  ebenfalls  in  prä- 
in  dem  Zustande  erhalten , in  dem  sie  sich  he-  historische  Zeit  füllt.  In  diesem  SalzstÜckc, 
fanden,  als  sie  plötzlich  aufgegeben  werden  muss-  deren  auch  zu  Hallstatt  eine  grosse  Zahl  gc- 
ten.  Man  merkt  an  diesen  Stollen  nirgends  1 fanden  wurde,  sind  derartige  Leuchtspäne  einge- 
Spuren  der  Arbeit  von  Metallgerütlien ; einzelne  ; wachsen.  Ausserdem  lagen  noch  Balken  hemm 
Vertiefungen  im  Gestein  konnten  mit  Werkzeugen  von  den  Bühuen;  Wasserrinneu,  Blockleitern,  die 
aus  dem  verschiedensten  Materiale  auch  mittels  wahrscheinlich  durch  Feuer  hergestellt  wurden, 
Steingerttthen  hergestellt  sein.  Die  Wllnde  sind  endlich  kupferne  und  bronzene  Pickel.  Diese  letz- 
uneben,  theilweise  ausserordentlich  hoch,  weit  teren  haben  ohne  Zweifel  dazu  gedient,  das  durch 
die  Höhe  dieses  Saales  überragend.  Das  Los-  Feuersetzung  theilweise  schon  zerklüftete  Gestein 
brechen  des  Gesteins  und  das  Eindringen  in  den  vollends  zu  lösen  und  herauszubrechen.  Man 
Berg  mittels  Stollen  geschah  durch  Feuersetzung.  findet  auch  hölzerne  Eimer  und  SehüpfgefUsse 
Man  findet  noch  eine  grosse  Menge  halbver-  und  sogenannte  Setztröge , d.  i.  kleine  Troge  im 
brannten  und  verkohlten  Holzes,  daneben  auch  I Ganzen  aus  einem  Baumstamm  verfertiget,  mittels 
Binnen , in  welchen  Wasser  auf  die  oberen  deren  Erze  aus  den  Gruben  geschafft  wurden. 
Bühnen  geleitet  wurde,  um  das  Feuer  zu  dampfen.  Ich  bemerke,  dass  das  Holz  sich  gut,  ähnlich  wie 
Andere  Fundstücke  waren  Leuchtspäne  in  uner-  \ in  den  Pfahlbauten  erhalten  konnte,  denn  sAmmt- 
messlichor  Anzahl , deren  Zweck  nicht  naher  be-  liehe  Gruben  waren  vollständig  ersliuft , das 
schrieben  zu  werden  braucht;  — ich  habe  einige  | Wasser  ging  bis  an  das  Mundloch  der  Gruben, 

6 


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lor» 


so  da«  diese  vor  der  Einwirkung  von  Luft,  ! 
Lieht  und  Würine  ganz  und  gar  abgeschlossen  ! 
waren. 

Unter  den  zu  Tage  gemachten  Funden  sind 
zuerst  die  grossen  Schlägel  zu  erwlihnen , die 
dazu  dienten , um  die  grösseren  aus  den  Stollen 
gesell n Uten  Gesteins-  und  Erzbrocken  zu  zer- 
trümmern ; sie  haben  entweder  Einkerbungen  an 
den  Kanten  oder  horumlaufende  Rinnen  zur  Auf- 
nahme des  Strickes  oder  der  Wiede,  mit  denen 
sie  an  dem  Stiel  befestigt  wurden.  Zn  solchen 
Schlägeln  wurden  in  Mitterberg  Serpentinge- 
schiebe verwendet,  welche  sich  die  Leute  von 
den  SchuttbUnken  der  Salzach  heraufgoholt  haben. 
Auf  der  Kelchalpe  dienten  dazu  die  Gneis-  und  I 
Granitfindlinge,  welche  zur  Eiszeit  die  grossen 
Gletscher,  die  von  den  Tauern  herüberflossen,  \ 
auf  der  Höbe  der  Alpe  und  der  Umgebung  abge- 
lagert haben. 

Waren  die  Erze  soweit  zertrümmert,  dass 
das  derbe  Erz  ansgeschieden  werden  konnte, 
so  kamen  die  kleinen,  mit  tuuhem  Gestein  durch- 
setzten Erzstücke  auf  die  Scheideplatten , wo  sie 
mittelst  der  Klopfsteine  weiter  verkleinert  wurden. 

(Die  Gegenstände  vorzeigend.)  Sie  sehen  hier 
einen  dieser  Klopfsteine  und  eine  Platte,  die  als 
Unterlage  diente.  Letztere  erweisen  sich  als 
grössere,  plattenfönuige  Stücke  von  Grauwacke, 
wie  sie  in  den  Stollen  eben  herausgobrochen 
wurden ; sie  zeigen  alle  einen  eigenthümlichen 
Charakter,  wir  sehen  nämlich  bei  allen  tiefere 
oder  flachere  Grübchen,  die  durch  den  häufigen 
Gebrauch  allmählig  entstanden  sind.  An  dieser 
Platte  hier  sind  mehrere  solche  Grübchen  sicht- 
bar. Wenn  der  Stein  auf  der  einen  Seite  abge- 
nutzt war,  dann  kehrte  man  ihn  auf  die  andere 
Seite , um  nun  auf  diesen  weiter  dnrauf  zu 
pochen . 

War  diese  Arbeit  geschehen,  dann  wurde  die 
Verkleinerung  der  Erze  noch  weitergeführt,  und 
zwar  auf  anderen  Steinplatten  mit  einer  nur 
wenig  konkaven  Fläche,  auf  welcher  mittels 
eines  anderen , konvexen  Steines  die  Erze  zu 
Schlich  zerrieben  wurden. 

Sie  sehen  hier  derartige  Reibsteine  aus  sehr  | 
hartem  Gestein.  Hält  man  diese  gegen  das  ! 
Licht,  so  sieht  man , dass  sie  auf  der  konkaven, 
beziehungsweise  konvexen  Fläche  feine,  parallele  ' 
Kiefung  zeigen.  Diese  Kieefn  sind  offenbar  aus  ' 
dem  Grunde  gemacht,  damit  die  Steine,  wenn  sie 
in  Bewegung  gesetzt  werden,  nicht  an  einander 
schleifen , sondern  aufeinander  rumpeln  und  so 
die  Erzstücke  zermalmen.  Hervorgebracht  wurden 
diese  Ricfeu  nur  zum  Theile  mit  MetallgerÜthen,  | 


zum  anderen  Theile  aber  gewiss  durch  Aus- 
schleifen mittels  eines  noch  härteren  Steines. 

Die  konkave  Platte  diente  offenbar  als  Unter- 
lage, wie  bei  den  Mühlsteinen  der  Pfahlbauten, 
die  konvexe  Platte  wurde  in  Bewegung  gesetzt, 
und  vertritt  gewissen« nssen  die  Steile  des  Läufers, 
wie  denn  überhaupt  diese  Geräthe  mit  den  Mühl- 
steinen der  Pfahlbauten  die  grösste  Aehnlichkeit 
zeigen , nur  dass  der  Läufer  sorgfältiger  kon- 
struirt  wurde , indem  er , wie  Sio  an  diesem 
Stücke  sehen , obenauf  eine  mehr  oder  weniger 
tiefe  Furche  erhielt,  um  darin  eine  zu  beiden 
Seiten  vorstehende  und  fassbare  Handhabe  auf- 
zunehmen, welche  mittels  eines  Strickes  befestigt 
werden  konnte,  wozu  wieder  eine  um  den  Stein 
herumlaufende  Rinne  diente,  in  welche  der  Strick 
gelegt  wurde. 

War  nun  das  Erz  so  verkleinert  bis  zum  fein- 
sten Schlich,  dann  wurde  es,  um  die  Reinigung 
vorn  tauben  Gestein  vollständig  durchzuführen, 
gewaschen ; man  fand  in  den  Gruben  auch  noch 
einen  Waschtrog,  der  sich  von  denen,  die  heute 
noch  bei  den  Goldwäschern  der  Zigeuner  in  Sie- 
benbürgen üblich  sind , in  Nichts  unterscheidet. 
Die  grösseren  Stücke  derben  Erzes  kamen  auf 
den  Röstplatz  — es  gelang  mir  im  vorigen 
Jahre  einen  solchen  Röstplatz  auszugraben  , der 
sorgfältig  von  aufgestellten  Steinen  tiraschlich- 
tet,  5 m lang  und  1 m breit  war.  Hier  wurde 
das  Erz  aufgehäuft  und  angezündet  und  dann 
der  eigenen  Verbrennung  überlassen. 

Endlich  kam  das  Erz  in  die  Schmelzöfen  und  es 
musste  der  Betrieb  ein  sehr  intensiver  gewesen  sein, 
denn  es  fanden  sich  sehr  viele  solcher  Plätze,  wo 
Schmelzöfen  gestanden  sind. 

Es  war  mir  gelungen , einen  dersellwn  voll- 
ständig nuszugraben.  Er  hatte  nur  50  etn. 
Breite  und  Tiefe,  bestand  auf  drei  Seiten  aus 
einer  boiläufig  ebenso  hohen , aus  rohen  Steinen 
aufgeführten  Mauer,  deren  Fugen  mit  Lehni  ver- 
strichen waren.  Die  vierte,  nämlich  die  vordere 
Seite  wurde  nicht  vermauert. , sondern  mit  Erde 
und  Lehm  ausgestampft.  Die  Lage  der  Schmelz- 
öfen ist  gekennzeichnet  durch  ungeheuere  Mengen 
von  Schlacken,  — an  einigen  Stellen  glückte  es  uns, 
vollständige  Scblackenstücke,  die  die  ganze  auf  ein- 
mal aus  dem  Ofen  abgeflossene  Schlackenm&sse  dar- 
stellen, zu  erlangen.  Sie  geben  das  ungefähre  Maass, 
wie  viel  Erz  in  dem  Ofen  gegeben  wurde,  und 
wie  viel  Kupfer  bei  einem  Sihmelzgange  gewon- 
nen werden  konnte.  Eine  solche  vollständige 
Schlacke  sehen  Sie  hier;  es  befindet  sich  hier 
vorn  ein  Loch,  das  davon  herrührt,  dass  der  Ar- 
beiter, ehe  sie  noch  erstarrte,  sie  mit  einer  Stange 
anstiess  und  weiter  zog.  Die  Neigung  des 


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Loches,  das  sich  bald  auf  der  einen  bald  auf 
der  andern  Seite  befindet , entspricht  genau  der 
Stellung  des  Arbeiters  neben  dein  Ofen  und  der 
Neigung  der  Stange,  die  er  in  Hiindcn  hielt. 

Die  Zahl  der  Schmelzplatze  ist  eine  ungemein 
grosse.  Sie  finden  sich  in  unmittelbarster  Nähe 
des  Bergwerkes  sowohl  als  auch  zum  Theil  über 
das  ganze  Waldgebirge  verbreitet;  ja  man  hat 
noch  auf  der  andern  Seite  des  Thaies  2-2  */* 
Stunden  entfernt  solche  Schlackenplätze  gefunden. 

Nach  dem  was  wir  in  kurzer  Zeit  davon  auf- 
decken konnten,  sind  wir  zu  dem  Schlüsse  be- 
rechtigt, dass  es  solcher  Plätze  an  hundert  oder 
noch  mehr  dort  geben  mag. 

Auf  der  Kelchalpe  in  Tirol  ist  bei  der  grös- 
seren Schwierigkeit  der  dortigen  Verhältnisse  die 
Untersuchung  in  dieser  Richtung  noch  nicht  so- 
weitgediehen, dass  man  eine  ebenso  grosse  Zahl  von 
Schmelzplätzen  nachweisen  könnte;  sie  finden 
übrigens  durch  die  Funde  auf  dem  Mitterberg 
vollständige  Erklärung. 

Ich  komme  endlich  zu  Funden,  die  mit  dem 
Bergbaubetriebe  nicht  unmittelbar  Zusammenhän- 
gen, u.  z.  zu  den  Thongefässen.  Diese  finden  sich 
zumeist  auf  den  alten  Röstplätzon  und  Schmelz- 
plätzen , also  auf  den  Stellen , wo  gearbeitet 
wurde.  Sie  sind  jedenfalls  zur  Zeit  des  Betriebs 
des  Bergwerks  und  ohne  Anwendung  der  Töpfer- 
scheibe gemacht  und  enthalten  als  Beimischung 
sehr  häufig  verkleinerte  Schlacken.  Der  Schluss, 
den  ich  zunächst  daraus  machen  will,  ist  der,  dass 
der  Betrieb  des  Bergwerks  iu  den  Händen  der  ein- 
heimischen Bevölkerung  war ; denn  die  römische 
Münze  zeigt  uns  nur,  dass  die  Römer,  wie  überall  so 
auch  hier,  sich  wahrscheinlich  desselben  bemächtigt 
hatten,  die  Eingeliornen  aber  gegen  hohe  Abgaben 
oder  unter  Pächtern  der  Erträgnisse  weiter  arbeiten 
Hessen.  Die  Römer  al>er  hatten  schon  gedrehte 
Gefüsse,  denn  da  wo  Römer  wohnten,  finden  wir 
überall  gedrehte  GeßUse,  so  beispielsweise  im  be- 
nachbarten Salzburg  und  in  Hallstatt.  Die  Scher- 
ben ungedrehter  GefUsse  deuten  also  darauf  hin,  I 
dass  der  Betrieb  des  Bergwerkes  selbst  zur  Zeit  I 
der  RömerherTsehaft  in  den  Händen  der  einheimi-  I 
sehen  Bevölkerung  gelogen  haben  mochte;  wenn  I 
ilir  auch  nicht  die  Erträgnisse  des  Bergbaues  zu-  I 
flössen,  so  gingen  doch  die  Borgarbeiter  aus  ihr 
hervor. 

Ferner  deutet  auch  der  Umstand , dass  die 
Schraelzplätze  so  ungeheuer  weit  zerstreut  sind, 
darauf  hin,  dass  der  Betrieb  des  Bergwerks  wahr- 
scheinlich nicht  im  Grossen  geschah,  sondern  in 
den  Händen  sehr  vieler  Einzelner  gewesen  ist, 
etwa  wie  heute  noch  die  schwedischen  Bauern 


I oder  die  Leute  am  Balkan  im  Kleinen  den  Berg- 
bau betreiben,  so  dass  auch  damals  jeder  Einzelne, 
der  in  der  Nähe  der  Erzlager  wohnte,  neben 
seinem  Gehöft  einen  Schmelzplatz  hatte. 

Was  das  Alter  anbelangt,  ho  ergeben  wohl  die 
beiden  kupfernen  Pickel  sehr  bedeutungsvolle  Finger- 
zeige ; sie  scheinen  jedenfalls  weit  Uber  die  Periode 
des  Hallstätter  Grabfeldes  hinauszuführen  t denn 
damals  wurden  die  Werkzeuge  schon  fast  durch- 
gängig aus  Eisen  gemacht;  auch  kann  ich  nicht 
denken , dass  bloss  auf  dem  Mitterberge  Eisen 
gefehlt  oder  dass  man  nur  im  Nothfalle  zum 
Kupfer  gegriffen  habe ; das  lässt  sich  in  dem 
nahen  Bereiche  des  berühmten  norischen  Eisens 
I nicht  nnnehmen.  Wenn  man  schon  zugeben 
I wollte,  dass  man  wegen  augenblicklichen  Mangels 
an  Eisen  zum  Kupfer  gegriffen  habe,  um  daraus 
Werkzeuge  zu  machen  , weil  es  eben  zur  Hand 
war ; wie  kamen  dann  die  Pickel  aus  Bronze  da- 
hiu,  welche  Bedeutung  haben  dann  diese? 

Im  Bezug  auf  die  Nationalität  der  Bergbau- 
leute möchte  ich  noch  eine  historische  Nachricht  bei- 
fügen. Sie  wissen,  dass  schon  ca.  150  Jahren  vor 
Christus  auf  den  Tauern  bei  Gastein  und  Rauris 
Gotdbau  betrieben  wurde  u.  z.  von  der  einheimi- 
schen Bevölkerung;  eine  Zeit  lang  nahmen  auch 
Italer  daran  Theil,  sie  wurden  aber  von  der  ein- 
heimischen Bevölkerung  wieder  vertrieben.  Der 
Schluss  ist  also  durchaus  kein  ungerechtfertigter, 
dass  auch  der  Kupferbau  in  Norikuin  von  Ein- 
heimischen betrieben  worden  ist. 

Nun  kann  ich  noch  zur  Unterstützung  dieser 
Ansicht  die  Beifügung  machen  , dass  wir  jüngst 
in  der  Nähe  des  Bergwerkes  auf  dem  Mitterberg 
ein  Bauwerk  aufgefunden  haben  , welches  als 
ein  durchaus  barbarisches  zu  bezeichnen  ist.  Es 
besteht  aus  einem  tumulusformigen  Felskegel,  der 
einerseits  von  einem  steilen  Abgründe,  anderer- 
seits von  einem  doppelten  Ringwallsegment  um- 
schlossen ist.  In  Niederösterreich  haben  wir  solche 
Bauwerke  in  grosser  Zahl ; sie  fehlen  auch  in 
•Steiermark,  Ungarn,  Böhmen,  in  der  Lausitz  und 
in  anderen  barbarischen  Ländern  nicht,  und  wenn 
wir  auch  dieses  Bauwerk  nicht  in  dem  Beginn 
des  Mitterberger  Bergbaues  setzen  dürfen , so 
steht  es  zu  ihm  doch  in  zweifelloser  Beziehung, 
sei  es  als  Oultutstfitte , sei  es  als  Festungswerk, 
um  die  aus  dem  Salzaehthale  zu  den  Erzlagern 
führenden  Thal-  und  Bergpfade  zu  sperren. 

Als  gesichertes  Resultat  meiner  Untersuchun- 
gen darf  wohl  betrachtet  werden  , dass  sebou 
lange  vor  der  Ankunft  der  Römer  in  den  nori- 
schen Bergen  Kupfererze  gegraben  und  Kupfer 
ausgeschmolzen  wurde  unter  Anwendung  von  Ge- 
riithen  und  Werkzeugen,  aus  Stein,  Holz  und 

G* 


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Kupfer  und  dass  insbesondere  auf  dein  Mitterberg, 
auf  der  Kelchalpe,  auf  dem  Schattberg  bei  Kitz- 
büche), wahrscheinlich  auch  iui  Leogangthale  und 
in  den  Schladminger  Thälern  sich  prähistorische 
Kupferwerke  befunden  haben,  deren  Bestand  zum 
Theile  vielleicht  bis  in  die  Zeit  der  Öberöster- 
reichischen Pfahlbauten,  ntm  Theile  gewiss  bis  in 
die  Zeit  des  Hallstätter  Grabfeldes  zurückreicht. 

Nehmen  Sie  dazu  den  Betrieb  der  Salzwerke 
in  Hallstatt  und  Halleiii , an  welch'  letzterem 
Orte  ebenfalls  Reste  aus  der  Hallstätter  Periode 
vorhanden  sind;  nehmen  Sie  dazu  die  historisch- 
nachweisbaren Goldbergwerke  und  Goldwäschen  in 
Norikum.  so  kommen  Sie  zur  Ueberzeugung,  dass 
in  diesem  Theile  der  Alpen  vor  Beginn  der  Römer- 
herrschaft eine  fleissige,  Bergbau  verschiedenster 
Art  betreibende  Bevölkerung  sesshaft  gewesen  ist, 
und  auf  Grund  dieses  Resultates  werden  wir  wohl 
auch  die  prähistorischen  Verhältnisse  der  Nachbar- 
länder beurthoilen  müssen. 

Auf  einige  Bemerkungen  des  Herrn  Klop- 
ileisch  auf  deren  Mittheilung  der  Redner  ver- 
zichtete, entgegnet©  Herr  Mllfll: 

Ich  möchte  nur  noch , um  meiue  Ansicht  zu 
rechtfertigen,  hinzu  setzen,  dass  die  Kunst,  Kupfer 
zu  giessen,  bei  uns  schon  in  aller  frühester  Zeit 
betrieben  worden  ist  und  zwar  weit  früher,  ehe 
wir  an  etruskischen  Einfluss  denken  küuueu. 
Schon  zur  Zeit  unserer  Pfahlbauten,  wo  vorwie- 
gend nur  Stein-  uud  Knochengcräthe  verwendet 
wurden,  wurde  Kupfer  gegossen.  Sie  sehen  dort 
zwei  Stücke,  zwei  kleine  kupferne  Aexte,  die  von 
dem  Pfahlbau  im  Mondsee  stammen.  Sie  geben 
aber  den  unwiderleglichen  Beweis , dass  in  einer 
Zeit,  wo  sonst  nur  Steine  und  Knochen  zu  Werk- 
zeugen benutzt  wurden , man  nicht  nur  Kupfer 
hatte,  sondern  es  auch  schon  zu  giessen  und  zu 
formen  verstand. 

Herr  Klopflcisch  brachte  einen  Bericht  über 
Ausgrabung  von  Hügelgräbern  in  der  Umgebung 
Jena’s,  welcher  später  etwas  erweitert  im  Corre- 
spondeuzblatt  gedruckt  werden  soll. 

Herr  Frans  (Vorsitzender) : 

Ln  Anschluss  an  das  Gehörte  gestatten  Sie  mir 
auch  eine  Berichterstattung  über  meine  diesjährige 
Ausgrabung,  zu  welcher  mir  das  hohe  Kultus- 
ministerium vonWürttemberg  in  dankenswerthester 
Weise  die  Mittel  bewilligt  hat.  Die  Ausgrabung 
geschah  in  einem  unserer  hervorragendsten  Todten- 
litigel , der  im  vollsten  Masse  den  Namen  eines 
Heroengrabes  verdient.  Die  württembergischen 
Jahrbücher  verzeichnen  ungefähr  2200  turnuli, 
wenn  man  alle  die  kleinen,  nur  lm  hohen 


HUgeln  mit  den  grossen  bis  zu  20  m hohen  zu- 
sammenzählt. 

Die  kleinen  Hügel  übergehe  ich  hier  mit 
i Stillschweigen , da  dieselben  trotz  mnnniclifacher 
1 Untersuchungen,  die  wir  namentlich  dem  kürzlich 
! verstorbenen  Finanzratli  v.  Paulus  verdanken, 
nichts  weniger  als  sicher  erforscht  und  gekannt 
sind.  So  viel  dieser  Hügelgräber  auch  schon  ge- 
öft'net  wurden  und  so  vielerlei  Reste  an  Waffen, 
Schmuck  und  Gerät hen  in  denselben  gefunden 
worden  sind,  so  Vieles  wurde  dabei  unbeachtet  ge- 
lassen, zerstört  und  verschleudert. 

Ich  beschränke  mich  daher  auf  die  Mittheil- 
ung meiner  Kunde  bei  der  Ausgrabung  des  sog. 
Kleinaspergle , eines  Todtenhügels  von  58  m 
Durchmesser  und  6 m Höhe.  Derselbe  liegt  1 km 
von  der  Statiou  Asperg  und  2 km  vou  dem 
in  April  1877  abgegrabenen  Todtenhügel  Bei- 
remise bei  der  Stadt  Ludwigsburg,  üeber  die 
Funde  in  letzterem  bube  ich  früher  »chon  (Kor- 
resp.-Bl.  1S77  Nr.  (>)  einen  kurzen  Bericht  ge- 
geben und  luge  jetzt  nur  noch  bei,  dass  Beiremise 
und  Kleinaspergle  als  ein  nach  Grösse,  Gestalt 
und  Inhalt  sich  gleichendes  Zwillingspaar  anzu- 
sehen sind,  die  beide  Einer  Zeit  angeboren. 

Ich  nenne  die  grossen  Hügel  Fürstengräber,  oder 
nach  dem  Vorbilde  der  Hügel  in  Kleinasien,  welche 
Schliemann  untersucht  hat,  Hcroenhügel  und  be- 
daure  nur,  dass  der  grosse  Hü  gelforscher  selbst, 
den  alle  hier  erwartet  haben,  nicht  unter  uns  ist, 
um  seine  Hügel  mit  unseren  süddeutschen  Hügeln 
zu  vergleichen.  Auf  mich  wenigstens  haben  die 
Hügel  an  der  Besikabai  und  bei  Iiissarlik , die 
ich  mit  eigenen  Augen  von  den  Dardanellen  aus 
gesehen  habe,  ganz  denselben  Eindruck  gemacht, 
wie  etwa  unsere  schwäbischen  Fürstengräber. 

Der  Hügel  „ Kleinaspergle u heisst  auch 
Franzoseuhügel  und  geht  von  ihm  die  Sago,  die 
Franzosen  hätten  iliu  in  ihren  Tschakos  zu- 
sammengetragen , um  von  ihm  aus  die  Feste 
Hoben asperg  mit  Erfolg  zu  beschießen.  Der 
Volkssage  liegt  augenscheinlich  der  richtige  In- 
stinkt zu  Grunde,  dass  der  fragliche  Hügel  kein 
natürlicher  Hügel  ist,  sondern  von  Menschenhand 
aufgeworfen.  Mit  Vorliebe  knüpft  dann  das  Volk 
I an  die  letzte  Invasion  fremder  Völker  an.  So 
wussten  die  Leute,  dass  das  Hügelpaar  durch 
menschliche  H finde  hergestellt  worden  sei;  dass 
wir  aber  iu  beiden  uralte  Todtenhügel  vor  uns 
haben,  davon  hatte  Niemand  eine  Ahnung.  Selbst 
Männer  vom  Fach  sprachen  bis  zur  Zeit  der  Inan- 
griffnahme von  römischen  Wachhügeln  und  der- 
gleichen. 

In  der  Mitte  des  Todtenhügels  „Belremiseu 
lag  noch  die  Leiche  des  Fürsten  mit  goldner 


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-*^p**-  ■ 


1 

Gcstoinsfragmente  befinden,  welche  die  Hand  des 
Menschen  niemals  irgendwie  bearbeitete  oder  be- 
nützte , liess  es  wünschenswert!)  erscheinen,  eine 
kritischo  Untersuchung  der  gesummten  in  baye- 
rischen Sammlungen  enthaltenen  Steinwaffen 
durch  Autopsie  vorzunehmen.  Ich  habe  mit 
Dank  die  llereitwilligkeit  zu  con.statiren  , mit 
welcher  mir  von  Seite  der  Vorstände  der  ge- 
nannten Sammlungen  dieses  wichtige  wissen- 
schaftliche Material  eingesendet  wurde.  Die 
Steine  wurden  von  mir  mit  aufopfernder  Unter- 
stützung des  besten  Kenners  der  geognostiseben 
und  petrographischen  Verhältnisse  Bayerns  des 
Herrn  Oberbergdirektors  Professor  Dr.  Güinbel 
und  der  unseres  vortrefflichen  Mineralogen  Pro- 
fessor Dr.  Haushofer  untersucht , welche  die 
petrographischen  Bestimmungen  einführten. 

Es  stellte  sich  zunächst  heraus,  dass  sich  unter 
den  als  prähistorische  Steinwaffen  in  den  Samm- 
lungen Bayern’s  figurirenden  Objekten  noch  zahl- 
reich natürliche  Gesteine  der  vorhin  bezoieh- 
neten  Art  vorfindeu. 

Sehen  wir  zunächst  von  den  besser  bear- 
beiteten Waffen  und  Instrumenten  aus  Fcuer- 
resp.  Hornstein  , welche  wir  der  sog.  , Jüngeren 
Steinzeit“  zurechnen  müssen  , ab  , und  scheiden 
wir  alle  jene  erwähnten  Naturspiele  aus , so 
bleiben  für  das  ganze  rechtsrheinische  Bayern 
bis  jetzt  nur  135  Stücke  übrig. 

Da  Bayern  ohne  die  Pfalz  ca.  1300  |~1  Meilen 
besitzt,  so  kommen  auf 

10  0 Meilen  je  1 Stück. 

Diese  Zustammenstellung  ergibt  zunächst  die 
ausserordentliche  Seltenheit  der  betreffenden  prä- 
historischen Objekte  in  unserem  Lande.  Eine  Ver- 
gleichung mit  nordischen  Verhältnissen  macht  dieses 
erste  Resultat  noch  deutlicher.  Worsaae  (Vor- 
geschichte des  Nordens,  deutsche  Ausgabe  von  J. 
Mestorf,  S.  35)  berichtet,  dass  in  der  Landschaft 
Schonen  laut  dem  Ergebnis«  seit  kurzer  Zeit  be- 
triebener Nachforschungen  ca.  35000  Steingeräthe 
im  Erdboden  gefunden  wurden,  welche  in  der  Mehr- 
zahl der  jüngeren  Steinzeit  angehören.  Die  Land- 
schaft Schonen  hat  (Daniel  Bd.  II  S.  850) 
118  Q Meilen,  es  treffen  sonach  dort  3220 
Stück  auf  je  10  0 Meilen.  Das  Häufigkeits- 
Verhältniss  zu  Bayern  ist  also  1 : 3220.  Analog 
ist  es  im  ganzen  Feuersteinbiete  des  germanisch- 
skandinavischen  Nordens.  An  diesem  Verhältuiss 
ändert  es  so  gut  wie  Nichts,  dass  sich  einzelne 
bayerische  Steininstrumente  uns  entzogen,  indem 
sie  sich  in  ausserbayerische  Sammlungen  (z.  B. 
nach  Berlin)  verirrt  haben. 

Wenn  wir  diese  Seltenheit  in  Bayern  mit 
der  Häufigkeit  der  feingesehlagenen  und  gc- 


13 

| schliffenen  Steininstrumente  im  Norden  ver- 
gleichen , so  ergibt  sich  von  vorn  herein  , dass 
eine  Periode  der  Benützung  des  geschliffenen 
Steines  in  Bayern  niemals  nur  annähernd  die 
Bedeutung  gehabt  haben  könne  wie  im  Norden. 

Dabei  ftllt  sofort  der  fast  absolute  Unter- 
schied des  Materials  auf.  Im  Feuersteingebiet 
des  Nordens  verschwinden  beinahe  die  anderen 
Gesteinsarten  gegen  den  Feuerstein,  welcher  fast 
ausschliesslich  zur  Herstellung  von  Waffen  und 
Geräthen  Verwendung  fand.  Dagegen  wurde  im 
ganzen  diesseitigen  Bayern , wie  unsere  Autopsie 
lehrte,  bis  jetzt  niemals  ein  Instrument  aus  ge- 
schliffenem Feuerstein  oder  einem  analogen  Ma- 
l terial  (Hornstein  etc.)  gefunden,  wenigstens  besitzt 
keine  mir  zugänglich  gewesene  bayerische  Samm- 
lung ein  derartiges  Stück.  Von  relativ  gutgeschla- 
genen künstlicher  geformten  (aber  nicht  geschliffe- 
nen) Feuerstein-  resp.Hornsteininstrumenten  werden 
in  bayerischen  Sammlungen  im  Ganzen  nur  10 
Stück  aufbewahrt , wahrhaft  fein  bearbeitete 
1 Waffen  z.  B.  Dolche  aus  Feuerstein,  wie  sie  sich 
im  Norden  so  vielfach  finden,  fehlen  hier  gänz- 
lich. 

Das  Material  der  Steininstrumente  besteht  in 
Bayern  vorwiegend  aus  mehr  oder  weniger 
I schiefrigem  hornhlendehaltigcm  Gestein.  Nach 
I den  Bestimmungen  des  Herrn  Gümbel  finden 
i sich  folgende  Mineralien  benützt: 

Stückzahl. 


Nephrit 3 

I Kklogit  .......  j 2 

Grani tischen  Gestein  (ein  Reiber) 1 

Amphibolitachiefer  (32 -f-  7)  and  dichte«  Am- 
phibolgestein  (4),  und  Homblendegnei*  (2)  45 

Chloritischer  Schiefer 19 

Diorit  und  Dioritwhiefer 20 

Diaba«  und  Diabamchiefer 7 

Serpentingestein 15 

Topfsteiniihnlichcs  Gestein 2 

Dichter  Thonschiefer 1 

Quarzit  und  quarzitische  /.um  Theil  schwarze 

Schiefer  (31  Ithoniger  Lydit  (2)|  ....  5 

Wctzsteinnehiefer 5 

Basalt 7 

Sandci»unBtcin  aus  dem  braunen  Jura  ...  1 

Bunter  Sandstein  1 

Thonige*  Gestein _ . . 1 


135 

Trotz  dieses  Unterschieds  im  Material  sind 
die  Formen  der  bayerischen  Steinwaffen  und 
• -Instrumente  im  allgemeinen  die  gleichen, 
welche  sich  im  Norden  finden : durchbohrte 

Hämmer  und  flache  Hauen,  undurch bohrte  Aexte, 
Koile  und  Meissei ; letztere,  auf  der  einen  Lang- 
seite flach  auf  der  anderen  gerundet,  stellen  wie 
es  scheint  technische  Instrumente  vor  wahrschein- 
lich zur  Holzbearbeitung. 

(Die  Abbildungen  aller  in  Öffentlichen  bayer- 
7 


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114 


ischen  Sammlungen  befindlichen  geschliffenen 
Steingerlithe  wurden  herumgereicht). 

Das  schiefrige  ampbibolhaltige  Gestein , aus 
welchem  die  Mehrzahl  der  bayerischen  geschliffenen 
Steingerlithe  besteht,  besitzt  zwar  eine  gewisse 
Zähigkeit , welche  meist  durch  das  Schleifen  der 
Schneiden  in  der  Richtung  der  Schieferung  mög- 
lichst ausgenützt  wird,  seine  Härte  ist  aber  nur 
die  des  Peldspaths , sodass  die  daraus  herge- 
stellten Instrumente  zu  einer  praktischen  tecli- 
niehen  Verwendung  sehr  wenig  tauglich  er- 
scheinen. 

Das  ist  gewiss  dass  wir  unsere  Stcininstru- 
mente  nicht  als  Reste  einer  wahren  prähistorischen 
Stein  k u 1 1 u r in  Bayern  auffassen  dürfen. 

Der  Feuerstein  ist  ein  Kultur  min  oral 
analog  den  K u 1 1 u r m e tu  1 1 e n : Kupfer,  Bronze, 
Eisen , das  gilt  aber  von  der  Mehrzahl  der  ge- 
nannten in  Bayern  in  Steingerütben  verarbeiteten 
Mineralien  nicht. 

Wo  wie  in  Bayern  Feuersteine  fehlten,  oder 
nur  ausnahmsweise  einzeln  zur  Verwendung 
kamen  , war  ein  Fortschritt  zu  einer  höheren 
Kulturstufe  gegründet  auf  die  alleinige  Benützung 
der  Steininstrumente,  wie  sie  z.  B.  im  Norden 
statthatte,  unmöglich,  und  der  Mensch  war  mit 
zwingender  Nothwendigkeit  schon  früh  auf  die 
Benützung  der  Metalle  hingewiesen , welche  der 
Feuerstein  in  weiter  Ausdehnung  ersetzen  kann. 
Herr  von  Sehested  auf  Brüholm  (Nor- 
wegen) bnt , wie  uns  Herr  Ingvald  Undset 
berichtet  *),  die  überraschende  technische  Benütz- 
barkeit des  Feuersteins  und  der  daraus  ge- 
fertigten Instrumente  der  nordischen  »jüngeren 
Steinzeit“  durch  praktische  Versuche  nachge- 
wiesen. Er  hat,  ohne  dass  die  Schneiden  seiner 
Feuersteinäxte,  Keile,  Hobel,  Sägen  etc.  wesent- 
lich litten  , in  kurzer  Zeit  durch  seine  Arbeiter 
Bäume  fällen  , die  Stämme  zum  Hausbau  her- 
riehten  , zu  Latten  und  Brettern  spalten  und 
daraus  mannigfaches  auch  feineres  Hausgeräth 
und  andere  Dinge  des  täglichen  Gebrauchs  her- 
steilen lassen.  Es  ist  dadurch  der  Beweis  ge- 
liefert , dass  unter  ausschliesslicher  Benützung 
des  nordischen  Feuersteins  ohne  Metalle  die  Ent- 
wickelung einer  höheren  Kulturstufe,  die  auf  der 
Möglichkeit  der  Erreichung  eines  höheren  Lobeus- 
Comiorts  bosirt  d.  h.  eine  wahre  Steinkultur, 
wie  sie  uns  der  germanische  Norden  erkenuen 
lässt , möglich  war.  Das  können  wir  unseren 
in  Bayern  gefundenen  Steininstrumenten  nicht 
nachrühmen.  Ihre  besten  Schneiden  lassen  — 

*)  Correap.-Blatt  1879  S.  30. 


! 


wenn  wir  von  den  einzelnen  kleinen  Feuer-, 
Hornstein-  Und  Nephrit-Instrumenten  abseh en  — 
kaum  die  roheste  Bearbeitung  auch  weichen 
Holzes  zu  , nur  unter  Zuhilfenahme  von  Feuer 
(Ankohlung)  können  grössere  Holzarbeiten  mit 
ihnen  ausgeführt  werden.  Die  ausserordentliche 
Seltenheit  der  geschliffenen  Steininstrumente  in 
Bayern  scheint  aber  auch  mit  aller  Sicherheit 
darauf  hinzudeuten , dass  das  zur  Verfügung 
stehende  rohe  technisch  geringwerthige  Stein- 
material  nur  selten  und  ausnahmsweise  zu  Zwecken 
Verwendung  fand  , zu  denen  der  Feuerstein  im 
Norden  noch  benützt  wurde , als  schon  Metall- 
werkzeuge in  Gebrauch  kamen. 

In  deu  Höhlen,  welche  uns  den  Beweis  er- 
bringen, dass  der  Mensch  auch  auf  bayerischem 
Boden  gleichzeitig  mit  dein  Rennthier  und  Höhlen- 
bären lebte,  finden  sich  in  ziemlicher  Zahl  jene 
rohen  Steininstrumente:  Splitter,  Messer,  Schaber 
u.  a.  aus  Feuerstein  resp.  Hornstein,  welche  wir 
aus  analogen  Fundorten  aus  ganz  Europa  kennen, 
eine  paläolithiscbe  Zeit  haben  wir  daher 
auch  für  unsere  Gegenden  anzuerkennen.  Nur 
das  ist  sofort  ersichtlich,  dass  wegen  der  relativen 
Seltenheit  und  geringeren  Grösse  des  in  der 
Gegend  vorhandenen  verwendbaren  Materials  der 
Urmensch  in  Bayern  ein  noch  viel  hülfloseres 
Geschöpf,  ein  noch  weit  roherer  Wilder  gewesen 
sein  und  geblieben  sein  muss,  als  z.  B.  an  jenen 
Kreideküsten  , welche  den  ächten  Feuerstein  in 
beliebiger  Grösse  reichlich  lieferten. 

Wenn  wir  aber  auch  eine  palfiolithische 
Periode  anerkennen  müssen,  so  bat  dagegen  eine 
wahre  neolit bische  Periode,  eine  „jüngere 
Steinzeit“,  wie  wir  sie  für  den  Norden  anerkennon 
müssen,  auf  bayerischem  Boden  nach  dem  jetzigen 
Stand  unserer  Beobachtungen  ebensowenig  wie  eine 
wahre  Steinkultur  jemals  bestanden. 

Das  bildet  bis  jetzt  einen  wesentlichen  Unter- 
schied der  bayerischen  prähistorischen  Verhält- 
nisse auch  gegen  jene  des  Bodensees  und  der 
Schweiz.  Wenn  wir  dort  auch  nicht  von  einer 
eigentlichen  Steinkultur  in  der  vorhin  ange- 
deuteten Definition  sprechen  können  , so  geben 
die  dortigen  Pfuhlbaufuude  u.  a.  doch  den  Beweis 
einer  vorgeschichtlichen  Periode,  in  welcher  vor- 
wiegend oder  wenigstens  vielfach  Steinmaterial 
zur  Herstellung  von  Waffen  und  Instrumenten 
zur  Verwendung  kam.  Es  ist  ja  möglich , dass 
in  unseren  bayerischen  Mooren  einst  noch  Pfahl- 
bauten der  Steinzeit  aufgefunden  werden , bis 
jetzt  ist  das  nicht  der  Fall  gewesen.  In  Bayern 
wurde  bekanntlich  nur  e i n reicher  Pfahlbau  an 
der  Roseninsel  im  Wünnsee  durch  Herrn  Land- 
richter von  Schab  in  Starnberg  ausgebeutet 


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115 


und  wissenschaftlich  beschrieben.  *)  Steininst ru- 
mente  fanden  sich  hier  erstaunlich  selten.  Herr 
von  Schab  fand  (abgesehen  von  Handmühlen, 
Quetschern  und  Schleifsteinen)  nur  folgende  Stcinin- 
strumente:  ein  zerbrochenes  und  ein  ganzes  Ne- 
phritbeilchen ; aus  Feuerstein,  ausser  einigen 
Splittern , ein  Messer,  eine  kleine  Söge  und  ein 
Bruchstück  einer  solchen . eine  Pfeil-  und  eine 
Lnnzenspitzc , dann  9 kleine  un durch- 
bohrte Steinbeile  oder  Keile,  theils  aus 
Hornblendegestem  theils  aus  Wotzsteinschiofer, 
deren  durchschnittliche  Lange  nur  7 cm  betragt. 
Es  fanden  sich  also  unter  den  Resten  der 
zahlreichen  Menge  anderer  Objekte  eigentliche 
SteingcrUthe  in  verschwindender  Minderheit. 

Noch  ein  wichtiges  Moment  zur  Begründung 
unserer  eben  entwickelten  negativen  Ansicht 
bezüglich  einer  wahren  neolit  bischen  Periode 
Baycrn’s  liefert  die  Fundgeschichte  der  aus 
Bayern  bisher  bekannt  gewordenen  geschliffenen 
Steingerathe.  Sie  wurden  bei  uns  vorwiegend  in  Grä- 
bern als  Grabbeigaben  gefunden  und  zwar  der 
grössten  Anzahl  nach  in  den  einst  von  S l a v e n 
bewohnten  Gegenden.  Herr  V i r c h o w u. 
A.  haben  durch  die  mitgefundenen  Münzen  deu 
Beweis  geliefert , dass  im  slavischen  Nordosten 
z.  B.  in  Lievland)  dieselben  geschliffenen  und 
durchbohrten  SteingerUthe  wie  wir  sie  in  Bayern 
finden,  als  Grabbeigaben  bis  in  das  12.  ja  13. 
Jahrhundert  herein  reichen,  dass  sie  dort  in  Gebrauch  j 
geblieben  sind  bis  zur  Einführung  des  Christenthums.  | 
Auch  in  den  Frankengräbern  aus  dem  8 — 9.  Jahr-  j 
hundert  finden  sich  als  Grabbeigaben  noch  Stein-  | 
gerüthe.**)  Speciell  in  Bayern  hat  man  z.  B.  nach  dem  | 
Zeugniss  unseres  vortrefflichen  Archäologen  und  ( 
Geschichtsforschers  Major  Würdinger,  ordent-  ( 
liebes  Mitglied  der  kgl.  bayerischen  Akademie  der  ■ 
Wissenschaften,  in  den  Reihengräbern  bei  Köfering  | 
einen  geschliffenen  Steinmeisscl  neben  vortrefflich 
geschmiedeten  langen  zweischneidigen  Schwertern 
gefunden.  In  den  Reibengräbern  bei  Gauding 
fanden  sich  sogenannte  „Schleifsteine“ , in  den 
Reihen gräbern  an  der  Salzach  finden  sich  öfter 
„durchlöcherte  Steine“,  welche  als  Amulette  ge- 
dient haben  mögen.  Bezüglich  des  Gebrauches 
der  bearbeiteten  Steine  zur  ReihengrUberzeit  ver- 
rnuthet  der  letztgenannte  gelehrte  Forscher,  dass 
sie  als  Wurfgeschosse  benützt  wurden.  Auch  die 
bei  uns  öfter  in  Reihengräbern  vorkommenden  unge- 
schliffenen aber  durch  natürliche  Abschleifung 

*)  Beiträge  zur  Anthroi«ilr>gie  nnd  rrgeKohichtc 
Bayern*.  Bd.  I.  Heft  1 und  2. 

**)  11.  Virchow,  Bericht  der  VIII.  allgemeinen 
Anthropologen-Versaminlung  in  Conntanz  1877.  S.  84 
und  85. 


kugoliggerundeten  Kiesel  hält  derselbe  für  Wurf- 
waffen. Sicher  haben  die  geschliffenen  Steingerätbe 
• als  Grabbeigaben  aber  ausserdem  — wie  das  auch 
Herr  Würdinger  andeutet  — eine  gewisse 
reRgiöse  Bedeutung,  z.  B.  als  Amulette  oder  für 
gewisse  Begräbnissceremonien,  und  eine  bet  räch  t- 
i liehe  Anzahl  der  in  Bayern  gefundenen  gesclilif- 
: fenen  Steininstrumente  haben  wohl  niemals  zu 
| anderen  als  zu  Kultuszwecken  dienen  sollen.  Schon 
i das  leicht  brüchige  Material  spricht  zum  Theil 
wenigstens  gegen  jede  technische  Verwendung  im 
engeren  Sinne : thoniges  Gestein , Sandsteine, 
Basalt ! 

Abgesehen  von  den  bisher  beigebrachten  Wahr- 
scheinlichkeiten für  das  relativ  junge  an  und  in 
die  historische  Zeit  reichende  Alter  eines  grossen 
Theils  der  besprochenen  geschliffenen  Steinobjekte, 
scheinen  sich  solche  auch  aus  der  Form  und 
Bearbeitung  einzelner  derselben  zu  ergeben. 
Ein  bis  zwei  Stücke,  von  denen  das  ausge- 
zeichnetste der  historische  Verein  in  München 
besitzt,  erscheinen  wie  das  bekanntlich  im  Norden 
nicht  selten  ist,  nach  verzierten  Bronzemodellen 
gearbeitet ; andere  zeigen  was,  soviel  ich  weiss,  bis- 
her nicht  beschrieben  wurde : eine  N a c li a h m uug 
eisengeschmiedeter  Formen.  Es  siud 
das  zwei  wohlgearbeitetc  durchbohrte  Stein-Aexte 
aus  schwarzem,  auch  in  der  Farbe  eisenähnlichem 
Material  mit  nach  hinten  ausladender  Schneide, 
wodurch  sie  gewissermassen  an  modernere  eiserno 
Beilformen  erinnern.  Ihre  Oberfläche  ist  nicht 
einfach  glatt , sondern  wie  bei  geschmiedeten 
Eise ub eilen  mit  schmalen  zum  Theil  spitzzugehen- 
den faeettenähnlichen,  etwas  unregelmässigen  aber 
sorgfältig  geschliffenen  Flächen  versehen , was 
selbstverständlich  weit  schwieriger  herzustellen 
war  als  die  sonst  gebräuchliche  einfuch  glatt« 
SchliflflUche. 

Bei  der  für  unsere  (Jegendon  ausnahmsweise 
reichen  durch  Herrn  Landrath  Mittermaier 
Ausgebeuteten  Fundstelle  geschliffener  Steinge- 
rät ho  in  der  weitern  Umgebung  Münchens  bei 
Inzkofen  (Moosburg),  wo  soviel  wir  wissen, 
niemals  slavische  Bevölkerung  sesshaft  war,  liegen 
I die  Verhältnisse  etwas  anders , worauf  wir  an 
einem  andern  Ort  eingehend  zurückkommen 
werden;  wir  werden  aber  auch  hier  auf  Kultus- 
zweck»’ (Begräbnissceremonien  und  QueUenkultus) 
hingewiosen,  denen  die  SteingerUthe  einst  dienten. 

Zum  Schluss  wollen  wir  noch  die  Fruge  auf- 
werfen , ob  uns  das  zu  den  in  Bayern  bis  jetzt 
gefundenen  Steinwaffeu  und  -Instrumenten  ver- 
wendete Gesteinsmaterial  Etwas  berichtet  über 
die  Wanderungen  oder  Handelsverbindungen  ihrer 
i ehemaligen  Besitzer. 

7* 


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116 


Die  drei  Nephrite,  welche  aus  Bayern  be- 
kannt sind , verhüllen  ihren  primären  örtlichen 
Ursprung  bis  jetzt  ebenso  wie  die  in  Europa 
gefundenen  Nephritobjekte  überhaupt.  Dem  An- 
sehen nach  ähneln  sie  den  namentlich  von  Hrn. 
Dr.  V.  Gross  zahlreich  in  den  Schweizer  Pfahl- 
bauten gefundenen  Nephritbeilen  (Herr  Hofrath 
Fischer  Freiburg)  und  mögen  vielleicht  sekundär 
von  dort  über  den  Hodensee  also  vom  Süden 
und  Westen  her  eingeführt  sein. 

Zwei  im  Gindinger  Moos  bei  Dachau  gefun- 
denen grössere  Steinkeile  aus  einem  in  Bayern 
fremden  Gestein  der  Diubasgruppe  sind  nach  der 
Angabe  des  Herrn  Oberbergdirektor  Professor  Dr. 
tiQiubel  böhmischen  Gesteinsvorkommnissen 
ähnlich,  was  auf  eine  Einführung  oder  Wander- 
ung von  Osten  nach  Westen  deuten  würde.  Aus 
dieser  Richtung  kam  bekanntlich  der  bayerische 
Volksstamm  in  der  Völkerwanderung  in  seine 
nunmehrigen  Sitze  und  von  eben  daher  konnten 
sich  später  am  leichtesten  slavische  Einflüsse  bis  i 
in  die  Umgebung  Münchens  verbreiten. 

Bezüglich  des  Materials  der  bayerischen  ge-  , 
schlugenen  Feuersteinsplitter,  Messer,  Schaber  etc.  | 
der '„palaeolithischcn“  Zeit  stimmen  die  Forscher: 

0.  Fraas*)  und  Zittel**),  darin  überein,  dass 
das  Gestein  wahrscheinlich  nus  der  weiteren  oder 
näheren  Nachbarschaft  der  Höhlen  stamme,  in 
denen  man  sie  gefunden  hat,  sodass  ihre  Her- 
stellung an  Ort  und  Stelle  mehr  als  wahrschein- 
lich wird. 

Dasselbe  scheint  von  der  Mehrzahl  der  wenigen 
bessergearbeiteten  „neolithischen“  Feuersteinin- 
strumente  zu  gelten,  was  schon  Herr  v.  Schab 
für  die  obenerwähnten  Fundstücke  der  Rosen- 
insel speciell  hervorhebt.  ***)  Ausser  der  von 

*)  O.  Fr  aas,  „die  Ofnet  bei  Utzmemniingen  im 
(bayerischen)  flies“,  Correnp.-Blatt  der  deutsch,  nnthr, 
Ges.  1876  Nro.  8,  nagt  von  den  dort  gefundenen  ge- 
schlagenen Feuersteinen : das  Material  ist  ursprünglich 
jurassischer  Feuerstein,  welcher  sich  aber  in  der 
Nahe  auf  sekundärer Lagerstätte,  namentlich  in  Botin- 
erzt  honen  lim  lei. 

**)  Zittel  (und  O.  Fr  aas),  „die  Ifihiborhöhle 
am  Schelmengraben  “ il»ei  Ktter/.lmusen  bayerische 
Oberpfalz  l,  Archiv  lkl.  V,  S.  025,  sagt  vou  den  zahl- 
reichen dort  gefundenen  geschlagenen  Feuersteinen: 
der  verarbeitete  Feuerstein  ist  grau,  zuweilen  gebän- 
dert wie  er  in  den  oberen  Joraschichten  der  wei- 
teren Nachbarschaft  (*.  B.  Kelilheiiu)  häutig  vor- 
kommt-. Theilweise  wurde  auch  Feuerstein  aus  den 
be  n a »•  h ba  r t e n mittleren  Kreideschichten  und  Quurz- 
gerölle  aus  der  vorüberfli essenden  Nab  ver- 
urbeitet. 

***)  v.  Schab,  ..die  1'fuhlhuuten  im  Würmsee“, 
Beiträge  zur  Antropolngie  und  Urgeschichte  Bayerns, 
1kl.  I,  S.  *14:  aueh  die  Feuersteine  scheinen  bloe  aus 
alpinem  Gebiet  zu  stammen;  die  Flintinasse  besitzt 


diesem  Forscher  erwähnten  „honiggelben“  Lanzen- 
spitze, die  auf  der  Roseninsel  gefunden  wurde, 
fand  sich  bei  Asclmffenburg  ein  eigentümliches 
sägeförmiges  Instrument,  ein  HirschgeweihstUck, 
welches  in  einer  Rinne  mehrere  sägeforinig  steh- 
ende honiggelbe  spitze  Feuersteinfraginente  ein- 
gekittet enthält.  Dem  Ansehen  nach  ähnelt  dieser 
honiggelbe  Feuerstein  dem  nordischen. 

Die  Herkunft  des  Materials  der  übrigen  baye- 
rischen Steinwaffen  und  -Instrumente  giebt  keine 
Anhaltspunkte  für  die  Annahme  einer  Einführ- 
ung aus  entfernteren  Gegenden.  Mehrfach  ergeben 
sich  die  deutlichsten  Spuren  davon,  dass  man  zu  den 
zu  schleifenden  Steingeräthen  Gerölle  auswählte, 
welche  schon  durch  die  natürliche  Abschleifung 
annähernd  die  gewünschte  Form  beeassen ; mehrfach 
sind  die  natürlichen  Schliffflächen  des  Gerölls  an 
dem  Steininstrument  noch  theilweise  erhalten. 

Gesteine,  denen  ganz  entsprechend,  aus  welchen 
sich  die  bayerischen  Steininstrumente  (abgesehen 
von  denen  aus  Feuerstein  und  Nephrit)  geschliffen 
zeigen , stehen  entweder  in  der  Nähe  der  Fund- 
stellen direkt  an , oder  sie  finden  sich  in  den 
Central- Alpen,  dem  Fichtelgebirg  und  den  auderen 
bei  der  Bildung  der  diluvialen  Gebiete  Bayern  be- 
t heiligten  Gebirgsstöcken  anstehend,  woher  sie  in 
die  Gletscher-  und  Flussgerülle  der  Fundgegen- 
den  gelangen  konnten.  Die  grösste  Wahrschein- 
lichkeit spricht  sonach  dafür,  dass  die  Mehr- 
zahl der  bayerischen  Steingor  Uthe  an 
Ort  undStelle  theils  aus  anstehendem 
Gestein,  vorwiegend  aber  aus  an  Ort 
und  Stelle  gefundenen  Gerollen  gefer- 
tigt wurden;  jedenfalls  geben  sie  über  Wander- 
ungen und  Handelsverbindungen  ihrer  einstmaligen 
Besitzer  so  gut  wie  keine  brauchbaren  Aufschlüsse. 

Herr  Fischer: 

Den  sehr  interessanten  Beobachtungen  des 
Herrn  Vorredners  möchte  ich  nur  einige  Worte 
entgegenhalten.*)  Es  ist  oft  auch  dem  geübten 
Mineralogen  und  Petrographen  schwer,  zu  be- 
stimmen, ob  das  Material  für  Stein  Werkzeuge  aus 
derjenigen  Gegend  selbst  stamme,  wo  letztere  ge- 
funden wurden,  schon  weil  durch  das  Abschleifen 
der  Oberfläche  gewisse  Merkmale  des  frischen 
Gesteins  verwischt  werden.  Bei  Dioriten,  Horn- 
blendeseh iefern,  Diabasen  z.  B.  möchte  wenigstens 

keine  Utfbereinstinimnng  mit  den  französischen  Feuer- 
st einen  ; welcher  Formation  sie  eingelagert  sind,  kann 
nicht  mit  Bestimmtheit  angegeben  werden. 

*)  Diese  Entgegnung  nimmt  z.  B.  hei  Eklogit  u. 
a.  0.  sclmn  Beziehung  auf  flanke  S.  118;  sie 
wurde  nämlich  für  »len  Bericht  wegen  der  Wichtigkeit 
der  berührten  Fragen  auf  Veranlassung  der  Aciluktion 
etwas  weiter  «angeführt.  (Anmerk.  d.  Red.) 


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117 


ich,  gerade  vermöge  der  eingehendsten  Studien 
und  Erfahrungen,  mich  nicht  so  leicht  herbei- 
lassen, ohne  Vergleichung  eines  Dünnschliffs  vom 
zu  bestimmenden  Beil  und  eines  Dünnschliff*  vom 
rohen  Gestein,  woher  erstatt  abstammen  soll, 
mich  für  Identität  auszusprechen,  denn  es  können 
Gesteinsstücke  im  Aeussern  einander  überaus 
ähnlich  sehen  und  gleichwohl  erkennt  man  erst 
im  Dünnschliff  Unterschiede  sowohl  in  der  feineren 
Struktur  wie  auch  im  Vorhandensein  von  Mineral- 
best and theilen , die  mit  freiem  Auge  oder  auch 
mit  der  Lupe  gar  nicht  zu  ahnen  waren. 

Bei  den  in  weniger  grossem  Massstab  über  die 
Erde  verbreiteten  Felsarten,  wie  z.  B.  beim  Eklo- 
git  kann  es  wohl  möglich  werden,  vermöge  ausser- 
gewülmlicher  Bestandtheile , z.  B eingemengter 
Gliinmerblätteheu,  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
oder  sogar  fast  mit  Sicherheit  zu  behaupten,  es 
sei  das  Material  für  ein  irgendwo  gefundenes 
Eklogitbcil  aus  einer  gewissen  Gegend,  z.  B.  aus 
dem  Fichtelgebirge,  insoweit  der  Eklogit  anderer 
Gebirgszüge  glimmerfrei  zu  sein  pflegt.  — Bei 
ganz  glnttpolirten , sehr  feinkörnigen,  glimmer- 
freien Eklogiten  würde  ich  mich  aber  hüten, 
eine  Bestimmung  der  Heimat  ohne  Abnahme  eines 
Splitters  und  eventuelle  Herstellung  eines  Dünn- 
schliffs zu  wagen. 

Solche  Entscheidungen  werden  dem  Minera- 
logen mitunter  schwer  sogar  bei  Beilen,  welche 
nicht  aus  Mineral  ge  m engen  (Felsarten),  son- 
dern aus  ein  fachen  M ineralien  hergestellt  sind; 
z.  B.  ist  es  oft  sehr  misslich,  die  grasgrünen 
Nephrite  von  Sibirien  und  jene  aus  Neuseeland 
von  einander  zu  unterscheiden,  schon  deswegon, 
weil  etwa  10,  20  oder  gar  100  rohe  Stücke  von 
einem  und  demselben  Fundorte  auch  unter  sich 
in  Farbe,  feinerer  oder  gröberer  Textur,  spez. 
Gewicht  u.  s.  w.  gewisse  Schwankungen  zeigen 
können. 

Machen  wir  uns  klar,  dass  für  das  Zustande- 
kommen eines  und  desselben  Minerals  an 
verschiedenen  Orten  der  Erde  bestimmte 
Gesetze  gewaltet,  haben,  so  müssen  es  gewisse 
mehr  weniger  zufällige  Verhältnisse  der  Gestalt, 
der  Nebenbostandtheilo,  des  Nelnmgesteins  u.  s.  w. 
sein,  welcbo  uns  das  eine  Vorkommnis«  vom  an- 
dern unterscheiden  lassen  und  da  ist  es  gewiss 
notli wendig,  in  seinen  Aeusserungcn  sehr  vorsichtig 
zu  sein,  wenn  auf  die  Aussprüche  eines  Minera- 
logen oder  Petrographeu  hin  eine  andere  Wissen- 
schaft, die  Archäologie,  vertrauensvoll  weitgehende 
Schlüsse  wie  z.  B.  bezüglich  der  prähistorischen 
Völkerzüge  soll  w'agen  können. 

Das  Gleiche  gilt,  aber  in  noch  viel  höherem 
Grade  für  die  Beile  aus  Mineral  ge  m en  geu  , 


j Felsarten . denn  hier  summiren  sich  die  Unter- 
scheidungsmerkmale je  nach  der  Ausbildung  und 
dem  Vorherrschen  des  einen  oder  anderen  normalen 
Bestandtheils , dann  je  nach  dem  Auftreten  von 
accessorischen  Bestandmassen  und  diese  Merkmale 
machen  sich  eben  unter  dem  Mikroskop  im  Dünn- 
schliff viel  klarer  geltend,  als  bei  dem  blossen 
I Anblick  des  frischen  Bruchs. 

Bei  Beilen  aus  solchem  Kieselmaterial  endlich, 
das  neptunischen  Formationen  angehört , z.  B. 
Hornstein,  Jaspis,  Feuerstein  habe  ich  ausser  den 
feinen  Nebcnbestandtheilen  (Thon,  anorganischen 
und  organischen  Pigmenten),  die  sich  als  der 
Quarzmaterie  meist  in  staubartig  feinen  Partikel- 
chen emgemengt  unter  dem  Mikroskop  erkennen 
lassen,  auch  noch  die  mikroskopischen  Petrefncten 
zur  Diagnose  zu  verwert  hen  gesucht  und  werde 
hierüber  bei  anderer  Gelegenheit  berichten. 

Solcherlei  »Studien  werden  jedenfalls  da  noch 
das  Gefühl  der  Sicherheit  erhöhen,  wo  man 
etwa  durch  Vergleichung  einer  Summe  von  Stein- 
beilen mit  den  in  der  Nähe  ihrer  Fundpunkte 
anstehenden  Gesteinen  einen  Anhaltspunkt  für  die 
Abkunft,  der  ersteren  gefunden  zu  haben  glaubt. 

Herr  0.  Fr  aas  (Vorsitzender): 

Es  wäre  im  höchsten  Grade  auffällig , wenn 
die  Verhältnisse  in  Bayern  so  ganz  anderer  Art 
wären,  als  die  des  benachbarten  Schwabens.  1 n 
ganz  Oberschwaben  sind  keine  Stein- 
beile gefunden  worden,  welche  aus 
dem  Material  der  oberschwäbischen 
Geschiebe  wären  gefertigt  w’orden.  Herr 
Oberförster  Frank  wird  dies  bezeugen,  der  eine 
ausgedehnte  Sammluug  oberschwäbischer  Stein- 
beile besitzt.  Ich  wüsste  von  keinem  einzigen 
Steinbeil  mit  Bestimmtheit  zu  behaupten,  es 
stamme  aus  dieser  oder  jener  Lokalität,  oder  ein 
Geschiebe  au f/.u weisen,  das  dem  Steinbeilmaterial 
identisch  wäre.  Wir  müssen  vielmehr  einfach 
sagen,  wir  kennen  die  Heimath  dieser  Steine  mit 
Sicherheit  nicht.  Ich  bin  hier  ganz  einverstanden 
mit  Hofrath  Fischer,  welcher  die  eingehendste 
mikroskopische  Untersuchung  des  Dünnschliffs  für 
unerlässlich  hält  um  sich  mit  Sicherheit  Uber 
die  Natur  und  Heimath  eines  Steinbeils  oder 
eines  Geschiebes  auszusprechen.  Und  dazu  fehlen 
heute  noch  dio  zeitraubenden , mühevollen  Vor- 
arbeiten. Es  genügt  sicher  nicht  die  Geschiebe 
nur  so  en  bloc  zu  beurtheilen  und  kann  ich  kaum 
glauben,  dass  es  in  Bayern  dem  Studium  der 
Steine  leichter  gemacht  wäre , als  in  Schwaben. 

Ich  möchte  die  Schwierigkeit,  die  Heimath  eines 
Steius  am  verarbeiteten  Steinbeil  zu  erkennen  fast 
mit  der  Schwierigkeit  vergleichen  an  einem  mo- 


118 


dornen  Messerheft  die  Art  und  Heimath  des 
Hirsch  zu  erkennen , aus  dessen  Geweih  das 
Heft  bereitet  ist.  Was  einmal  verarbeitet  ist, 
hat  schon  eine  veränderte  Natur  angenommen  und 
ist  sehr  schwer  wieder  zu  erkennen. 

Hiermit  möchte  ich  nur  einem  Bedenken 
Ausdruck  gehen,  und  glaube  vielmehr,  dass  wir* 
nicht  vorsichtig  genug  sein  können,  wenn  wir 
uns  positiv  über  das  Wesen  und  den  Ursprung 
der  Steinbeile  auszusprechen  haben. 

Herr  Banke: 

Zunächst  erlaube  ich  mir  zu  entgegnen,  dass 
die  ohne  Einschränkung  ausgesprochene  negative 
Ansicht  des  Herrn  Vorsitzenden  bezüglich  der 
oberschwäbischen  Steinbeile  doch  nicht  weniger 
wie  eine  positive  für  ihro  Begründung  jene  „zeit- 
raubenden und  mühevollen  Vorarbeiten44  voraus- 
setzen möchte,  welche,  wenn  auch  für  andere 
Gegenden  noch  nicht , für  die  Gebirge  Bayern’« 
durch  Herrn  Gümbel  in  vollständigster  Aus- 
führung vorliegen. 

Die  von  mir  angeführten  Schlüsse  der  Herren 
G ü m b e 1 und  Haushofer  über  das  Herkommen 
der  Mehrzahl  jener  Gesteine , welche  zu  den  in 


Bayern  gefundenen  geschliffenen  Steinwaffen  und 
Steininstrumenten  dienten,  beruhen  auf  möglichst 
.sorgfältiger  womöglich  frischen  Bruch  und  Dünn- 
schliff benützender  Untersuchung.  Die  pet.ro- 
graphischen  Kenntnisse  meiner  Gewährsmänner 
namentlich  des  erstereu  im  Gebiete  der  bayer- 
ischen Gebirge  und  jener  Gebirge , welche  bei 
der  Bildung  der  bayerischen  Diluvialgerölle 
concurrirt  haben,  sind  so  ins  Einzelne  gehend 
und  speziell,  dass  in  hervorragenden  Fällen  z.  B. 
bei  Eklogit  selbst  der  Gebirgszug  angegeben 
werden  konnte , wo  sich  in  der  Nähe  der  Fund- 
stelle des  Steininstrumentes  analoge  Gesteinsvor- 
I kommnissc  finden , welche  seine  Anfertigung  an 
Ort  und  Stelle  wahrscheinlich  erscheinen  lassen. 

(Wenn  wir  in  den  hirschreichen  Gebirgsgegen- 
i den  Bayerns  ein  Messer  von  landesüblicher  Form 
1 mit  Hirschhorn  griff  finden,  so  sind  wir  gewiss 
nicht  berechtigt  oder  nur  veranlasst,  auf  die  Ab- 
kunft des  Hirschhorns  von  einem  ausländischen 
etwa  von  einem  amerikanischen  Hirsch  zu  schliessen, 
wir  werden  ebensowenig  a priori  annehmen  dürfen, 
dass  z.  B.  das  Material  zu  den  Grünsteinäxten, 
welche  im  grünsteinreichen  Fichtelgebirge  und 
dessen  Flussgebieten  gefunden  wurden , von  der 
Fremde  eingeführt  worden  sei.) 


Dritte  Sitzung. 


Inhalt:  Der  1.  Vorsitzende  Herr  O.  Kraus:  Geschäftliches.  — Herr  Dr.  V.üroa«:  Neue  l’fahlbaiwtationcn  im 
Hieler-  und  Neuenhurger-See.  — Diskussion:  Herr  Tischler,  Herr  Ö.  Kraus.  — Herr  R.  Krause: 
Ueber  Schädel  der  Südseebewohner  aus  der  Sammlung  Godefroy  in  Huuiburg. — Herr  R.  Krause: 
Neuer  Zeichen-  und  Messapimrat  für  Schädel.  — Herr  .1.  Rank  e : Zeirhenapparat  für  Schädel.  — 
Herr  Sch aaff h a u#e n:  Neue  prähistorische  Forschungen  im  Rheinlande.  — Herr  J.  Ranke: 
Schriftliche  Mitt  Heilungen  von  Irl.  Me  stör  f in  Kiel.  — Diskussion:  Herr  Tischler.  — Herr 
Mohlis:  Ausgrabungen  bei  Dürkheim.  — Herr  Mnok:  Steinzeit  in  Aegypten.  — Diskussion: 
Herr  0.  Fraas,  und  Geschäft  liehen.  — Herr  Ecker:  Ueber  die  Herstellung  einer  Statistik  der  Körper- 
größe zunächst  fTir  Süddeutschland.  — Diskussion:  Herr  J.  Ranke,  Herr  Much,  Herr  Sch a Uff- 
hausen. — Herr  Much:  Neue  Station  von  M.iinuthjägern.  — Herr  R.  Virchow:  Ueber  klein- 
asiatische  Steinzeit  um!  die  trojanischen  Heroengräber. 


Der  Vorsitzende  Herr  0.  Knuts  eröffnet  uin 
U Uhr  morgens  die  Sitzung. 

Er  neunt  die  S.  12  aufgeftthrten  Titel  der 
bei  der  N.  Versammlung  eingelaufenen  Bücher 
und  Abhandlungen,  indem  er  sich  nur  verbreitet 
Uber  0.  Tischler,  ostpreussische  Gräber- 
felder: „Eino  Arbeit , welche  mit  viel  Sorgfalt 
und  Mühe  hergestellt  ist;  die  Fibelbear- 

heitung  ist  vou  der  ältesten  bis  zur  rö- 
mischen Zeit , namentlich  in  technischer  Bezieh- 
ung meisterhaft  durebgeführt ; ebenso  meister- 
haft ist  die  Technik  der  Glasperlen  behandelt.“ 

Herr  V.  Gross: 

Diejenigen  unter  Ihnen,  welche  vor  zwei  Jahren 
auf  dem  Congress  zu  Constanz  waren , werden 
sich  wohl  der  Sammlung  von  Bronze-  und  Stoin- 


gerüthen  erinnern,  die  ich  dort  vorgezeigt  habe. 
Seitdem  habe  ich  mit  meinen  Ausgrabungen  fort- 
gefabren  und  habe  am  Bielersee  hauptsächlich  die 
neue  Steinalterstation  Lüseherz  (Locras)  und  am 
NeuclnUelersee  die  Brouzcstationen  Stäffis  (Esta- 
vayer)  und  Auvernicr  ausgebeutet.  Die  neue 
Station  Locras,  nordöstlich  von  der  schon  länger 
bekannten  Hauptstation  gelegen,  ist  ungefähr  10 
Meter  von  derselben  entfernt  und  von  der  Grösse 
eines  .Tucharten.  Die  PtUhle  sind  dick  und  gut 
erhalten  und  erinnern  dadurch  an  die  Pfähle  der 
Bronzezeit.  Die  Kulturschicht  hat  eine  Höhe  von  10 
bis  80  Uentimeter  und  ist  theilweise  nur  mit  einer 
dünnen  Sandlage  bedeckt,  *o  dass  man  die  Aus- 
grabungen ziemlich  leicht  bewerkstelligen  konnte. 
Einige  Arbeiter  förderten  in  wenigen  Wochen 
viele  Artefacten  zu  Tage,  aus  denen  ich  die 


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- * 


. 119 


schönsten  Stücke  gewühlt  habe,  uni  sie  Ihnen  [ 
vorzuzeigen. 

Die  Steinbeile  sind  zahlreich,  klein  aber 
hübsch  gearbeitet.  Sie  sind  moist  aus 
inländischem  Material  mit  Ausnahme 
eines  Dutzends  von  Exemplaren , welche  so- 
eben von  Herrn  Professor  Fischer  unter-  | 
sucht  worden  sind  und,  seiner  Aussage  nach,  zu 
der  Zahl  der  Nephrit-  und  Jadeitbeile  gehören. 

• — Vierzig  Stück  der  gewöhnlichen  Steinbeilchen 

waren  noch  im  Hirschhornheft  befestigt,  welches 
ebenfalls  klein  ist  und  an  seinem,  dem  Beil  ent- 
gegengesetzten Ende . einen  Einschnitt  in  Form 
eines  V zeigt.  Dieser  Einschnitt  hat , wie  ich 
mich  durch  eigene  Ansicht  überzeugen  konnte, 
dazu  gedient , den  keilartigen  Vorsprung  einer 
Holzhandhabe  in  dem  Ilirschhornheft  zu  befestigen. 
Eine  andere  in  unserem  Pfahlbau  ziemlich  häufig 
vorkomtnenden  Art  von  Hirschhorn  hefte  ist  fol- 
gende: das  cylindrischo  Hirschhornheft  ist  aus- 
gehöhlt und  bildet  eine  Art  Dulle,  in  welche  das 
konische  Ende  der  Holzhandhnbe  eindringt, 
welches  oft  mit  etwas  Birkenrinde  umwickelt  ist, 
um  das  Instrument  dauerhafter  zu  machen.  — 
Wahrend  die  näher  am  Ufer  gelegene  Station 
Locras  kein  durchbohrtes  Steinbeil  aufzuweisen  i 
hat,  fand  ich  deren  mehrere  in  der  Station,  die 
uns  beschäftigt.  Das  eine  derselben,  vou  schwar- 
zem Serpentin  und  auf  all  seinen  Flächen  polirt, 
ist  bemerkenswerth  durch  die  Schönheit  und 
Vollendung  seiner  Arbeit  und  erinnert  uns  an  die 
Stücko  dieser  Art,  die  man  in  Dänemark  gefunden 
hat.  Die  sehr  schön  geschliffene  und  abgerundete 
Schneide  ist  breit  und  zwar  an  der  inneren  Seite 
zwei  Centimeter  breiter,  als  die  innere  Flüche  des 
Beiles , während  die  äussere  Fläche  mit  zwei 
parallelen  eingeschnittenen  Linien  geziert  ist.  Das 
ganze  13  Centim.  lange  Stück  ist  schön  genrlveitet 
und  vollständig  symmetrisch.  Das  Loch,  bestimmt 
das  Holzheft  autzunehmen,  hat  einen  Durchmesser 
von  nur  12  Millimeter ; es  ist  d esshalb  nicht  an- 
zunehmen, dass  dies  Instrument  mit  einem  solch 
gebrechlichen  Holzheft  versehen , irgend  einem 
praktischen  Zweck  gedient  hätte,  sondern  viel-  , 
mehr  als  Luxuswaffe  oder  Commandostab  gebraucht 
wurde.  — Die  Gegenstände  von  Silex  sind  weniger 
zahlreich  als  anderswo,  aber  sie  sind  sehr  schön 
gearbeitet  und  von  nicht  gewöhnlicher  Grösse. 
Einige  Splitter,  die  als  Sägen  oder  Messer  be- 
nutzt wurden , waren  noch  mit  ihrem  Holzgriff 
versehen,  in  welchem  sie  mit  Asphalt  eingeklebt  I 
waren.  Ein  anderes  Stück  mit  ausgezacktem  t 
Rand  steckt  in  einem  Hirschhornheft.  Die  Pfeil-  ! 
spitzen  sind  fein  gearbeitet  und  die  Lanzenspitzen 
von  ungewöhnlicher  Grösse.  Die  bedeutendste  j 


dieser  letzteren  ist  von  weissem  Silex  und  mit 
einer  bewunderungswürdigen  Geschicklichkeit  ge- 
ar  beit  et.  Sie  ist  24  cm  lang  und  an  ihrer 
breitesten  Stelle  4 cm  breit. 

Die  Instrumente  von  Knochen  und  Hirschhorn 
sind  zahlreich.  Ich  habe  mehrere  umgebogene 
Nadeln  gefunden  , die  mit  einer  seitlichen  Oehre 
versehen  sind ; verschiedenartige  Pfriemen,  Pfeil- 
spitzen von  denen  einige  noch  vermittelst  Bind- 
faden und  Asphalt  an  das  Holz  befestigt  waren. 
Ein  sehr  merkwürdiges  Stück,  bis  jetzt  einzig  in 
seiner  Art,  ist  aus  dem  Bruchstück  eines  platten 
Knochens  (Schulterblatt)?  gearbeitet.  Man  hat 
denselben  sorgfältig  auf  einer  Seite  geschärft,  und 
sehr  geschickt  in  einem  Hirschhornheft  befestigt. 
Wäre  nicht  die  Differenz  in  dom  angewandten 
Material,  so  würde  mau  glauben  ein  sogenanntes 
Ras i rin css er  aus  dem  Bronzealter  vor  Augen  zu 
haben.  — Man  hat  schon  früher  in  den  Pfahl- 
bauten der  Steinzeit  gespitzte  Hirschhorneuden 
gefunden , die  an  der  stumpfen  Seite  mit  einem 
Loch  versehen  waren  und  über  deren  Anwendung 
inan  im  Unklaren  war.  Ich  habe  das  Glück  ge- 
habt ein  solches  Stück  in  einer  Holzhaudhabe  zu 
linden  und  somit  zu  sehen,  dass  es  eine  Waffe 
oder  ein  Ackerbaugeräthc  war.  — Ich  fand 
ausserdem  etwa  30  Stück  Hämmer  aus  Hirschhorn, 
wovon  einige  noch  mit  ihrer  runden  oder  vier- 
eckigen Holzhandlmbe  versehen  waren.  Einer 
derselben  zeigte  an  beiden  Seiten  eingeritzto 
Linien  als  Ornamente.  — Was  die  Holzartefakten 
betrifft  , so  darf  ich  ausser  den  oben  erwähnten 
verschiedenartigen  Holzhandbaben  ein  kleines  halb- 
kreisförmiges Brett  mit  Handhabe  nicht  unbe- 
sprochen lassen.  Es  war  durch  und  durch  mit 
kleinen  Löchern  versehen , welche  wieder  mit 
Holzstäbchen  ausgefüllt  waren.  Dazu  kommen 
noch  einige  Schalen  aus  Holz  und  mehrere  vier- 
eckige durchbohrte  Stücke  Holz,  die  wahrschein- 
lich als  Netzhalter  gebraucht  worden  sind.  — 

Von  Thonwaaren  habe  ich  nur  zwei  vollständige 
Töpfe  gefunden,  dabei  einige  Fragmente,  ornamon- 
tirt  durch  FingereindrUcke. 

Von  Metallgegenständen  fanden  sieb  in  der 
Kulturschicht  vor:  ein  kleines  Stechwerkzeug 
von  reinem  Kupfer,  ein  kleiner  10  cm  langer 
Dolch  aus  domaeiben  Metall , ein  kleiner  Dolch 
und  eine  Haarnadel  aus  Bronze  und  endlich  erst 
vor  einigen  Wochen  ein  prächtiges  Bronzeschwert 
von  68  cm  Länge,  welches  sich  durch  seine 
primitiv  schöne  Form  auszeichnet,  die  nur  in  den 
Pfahlbauten  des  späteren  Stein-  oder  Anfang  des 
Bronzealters  vorkommt.  Der  Griff  ist  zungen- 
förmig  abgeplattet  und  mit  vier  Löchern  für 
NiotnUgel  versehen. 


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120 


Die  Kultursohieht  hat  uns  ausserdem  noch  r 
zwei  menschliche  Schädel  geliefert , welche 
beide  von  grossem  Interesse  sind.  Der  eine 
derselben , einem  jungen  Individuum  enge- 
hörend,  ist  allem  Anschein  nach  als  Trinkschale  j 
benutzt  worden  und  bietet  dieselben  Merkmale 
dar,  wie  der  seiner  Zeit  in  Sutz  Vorgefundene,  den  | 
Herr  Prof.  V i r c h o w für  eine  künstlich  zuge-  | 
richtete  Trinkschale  halt.  Die  Pfeilnaht  ist  voll-  | 
ständig  und  misst  ungefähr  132  Millimeter;  das  i 
Stirnbein  ist  in  der  Kranznaht  abgetrennt.  Die  j 
unteren  Abschnitte  der  Parietalia  und  des  Occi- 
pitalis  fehlen  und  scheinen  künstlich  abgebrochen 
zn  sein.  Die  allgemeine  Form  der  Schale  ist  ein 
Oval  von  14  cm  Länge  und  13  cm  Breite.  Der  j 
zweite  Schädel,  in  meiner  Anwesenheit  der  Kul- 
turschicht, einer  aus  Tiefe  von  150  cm  entnommen,  j 
ist  auch  defekt,  aber  höchst  interessant.  Er  be-  i 
steht  aus  den  beiden  parietalia , dem  linken  | 
Schläfenbein , der  äusseren  Seite  des  Stirnbeins  | 
und  der  oberen  Hinterhnuptschuppe.  Die  Form 
ist  deutlich  dolichocephal ; die  Scheitelbeinhöcker 
sind  ziemlich  hervorragend  , die  Näthe  sind  sehr 
zackig  und  zeigen  keine  Spur  von  Verknöcherung, 
so  dass  wir  es  wahrscheinlich  ebenfalls  mit  dein 
Schädel  eines  jungeD  Individuums  zu  thun  haben. 
Das  linke  Scheitelbein  ist  theilweise  zerbrochen.  I 
In  der  Hinterhauptsschuppe  zeigt  sich  ein  Sub- 
stanzverlust von  runder  Form  und  30  Millimeter  j 
Durchmesser.  Die  Ränder  des  Loches  sind  schief 
von  voruen  nach  hinten  geschnitten  und  zeigen 
keine  Spuren  von  Knochenneubildung.  Man  kann 
aus  Vorliegendem  schliessen,  dass  diese  Oeffnung  . 
durch  Menschenhand  , entweder  an  einem  Leich- 
nam oder  an  einem  Lebenden  gemacht  worden 
sei,  der  dann  aber  gleich  nach  der  Operation 
gestorben  wäre.  Dieser  trepanirte  Schädel  ist 
bis  jetzt  der  einzige  in  den  Pfahlbauten  gefundene, 
es  sind  solche  aber  in  Frankreich  in  den  Dolmen 
der  Lozere  häutiger  angetroffen  worden ; ich  hatte 
letztes  Jahr  in  der  anthropologischen  Abtheilung 
der  Pariser  Ausstellung  Gelegenheit,  deren  etwa 
fünfzehn  zu  sehen. 

Was  das  Alter  unserer  Station  betrifft,  so  ge- 
hört  sie  jedenfalls  einer  späteren  Periode  an,  als  I 
der  dem  Ufer  näher  gelegene  alte  Pfahlbau.  Sie 
bestand  zu  einer  Zeit,  wo  die  Steinwerkzeuge  auf 
der  höchsten  Stufe  der  Vollkommenheit  ungelangt 
waren  und  wo  aus  dem  Ausland  durch  den  Tausch- 
handel die  ersten  Kupfer-  und  Bronzegerftthe  zu 
den  Pfahlbauten  kamen. 

Bevor  ich  schliesse , möchte  ich  noch  einige 
Worte  Über  die  Bronzestation  Estavayer  im 
Neuchätelersee  sagen. 


Durch  die  Tieferlegung  des  Sees  wurden  die 
Pfähle,  die  früher  10  Schuh  unter  Wasser  stan- 
den, trocken  gelegt,  so  dass  die  Arbeiter  ohne  zu 
grosser  Mühe  letzten  Winter  die  Ausgrabungen 
machen  konnten.  Obgleich  dieser  Pfahlbau  nicht 
sehr  gross  ist,  hat  er  doch , wie  Sie  sehen, 
sehr  ergiebige  Resultate  geliefert : schön  ver- 
zierte Messer  mit  geschweifter  Klinge,  Hohl- 
meise! und  andre  Meisel  von  schöner  Form, 
viele  Armbänder,  worunter  ein  grosses  Armband  * 
mit  Kreisornamenten  sehr  interessant  ist,  weil  cs 
uns  zeigt,  wie  die  damaligen  Bronzekünstler  ihre 
Bronzesachen  reparirten.  Das  Armband  ist  ge- 
gossen und  hat  zwei  Gussfehler,  die  wieder  gut 
gemacht  wurden  durch  Eingiessen  eines  Bronze- 
klümpchens  und  nachheriger  Gravirung  auf  der 
misslungenen  Stelle.  — Ich  fand  da  ausserdem 
eine  zweitheilige  Gussform  aus  Bronze  für  Bronze- 
beile, ganz  ähnlich  der  vor  einigen  Jahren  von 
Herrn  Professor  Forel  in  Morges  gefundenen. 
Ein  besonders  schönes  Stück  ist  ein  Zierrath,  aus 
einem  kleinem  Rad  gebildet,  (ähnelt  den  in  Hall- 
stadt gefundenen  Anhängstücken)  an  welchem 
dreizehn  kleine  Klapperbleche  hängen.  Ausserdem 
fand  man  eine  aus  einem  Stück  vortrefflich  ge- 
triebene Bronzeschale  von  13  cm  Durchmesser 
und  6 cm  Höhe,  an  deren  Aussenseite  ausser- 
ordentlich schöne  Verzierungen  eingravirt  sind. 
Einige  an  der  einen  Seite  verzierte  halbrund  ge- 
bogene Röhren,  wovon  eine  mit  Handhabe  ver- 
sehen , haben  nach  der  Ansicht  des  Herrn  Dr. 

F.  Keller  zur  Garnitur  eines  Etruskischen 
Streitwagens  gedient.  Zum  Schluss  noch  einige 
grosso  60  cm  lange  Haar-  oder  besser  gesagt 
Gewandnadeln  mit  grossen  Köpfen,  einige  Fibeln, 
Stücke  von  Pferdgebissen,  Hinderen  etc.  etc, 

Herr  Tischler: 

Anknüpfend  an  die  Bemerkungen  des  Herrn 
Vorredners  will  icli  nur  einiges  hinzufügen.  Der 
Herr  Vorredner  sagte , dass  diese  Bronzestücke 
theils  gegossen,  theils  mit  Grabstichel  bearbeitet 
worden  seien.  Eine  genaue  Untersuchung  ergibt 
aber,  dass  die  Sachen  nicht  gravirt,  sondern  ge- 
schlagen sind.  Alle  derartigen  Stücke,  die  ich 
gesehen  habe,  sind  geschlagen,  man  sieht  deutlich 
jeden  einzelnen  Hammerschlag. 

Der  Vorsitzende  Herr  0.  Frnas  bemerkt  hiezu, 
dass  ihm  der  sogenannte  Asphalt  Birkentheer  zu 
sein  scheine,  wie  er  im  Pfahlbau  von  Steinenhausen 
durch  Oberförster  Frank  in  zahlreichen  Stücken 
Bowohl  als  in  Töpfen  gefunden  wurde.  Auf  die 
Industrie  der  Theergewinnung  aus  Birkenrinde 
weist  auch  die  grosse  Menge  dieses  Stoffes  hin, 
der  in  vielen  Pfahlbauten  liegt. 


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121 


Herr  R.  Krause: 

Gestatten  8ie  mir  ans  dem  bisher  verfolgten 
interessanten  und  mehr  unterhaltendem  Gebiet 
der  Anthropologie  8ie  in  ein  spezielleres  und  etwas 
trockneres  Gebiet  hinüber  zu  führen.  Das  be- 
kannte Museum  Godeffroy  in  Hamburg,  jene  un- 
erschöpfliche Fundgrube  für  die  anthropologischen 
und  ethnographischen  Verhältnisse  der  Südsee  be- 
sitzt von  der  Insel  Malicollo,  der  zweitgrössten 
im  Archipel  der  Neu  - Hebriden , 16  Schädel, 
welche  alle  gut  erhalten  sind,  bei  denen  aber 
leider  die  Unterkiefer  fehlen,  was  sich  daraus  er- 
klärt, dass  letztere  von  der  dortigen  Völkerschaft 
heilig  verehrt , als  Amulete  benutzt  und  selten 
fortgegeben  werden.  Diese  genannten  16  Schädel, 
von  denen  Sie  hier  zwei  Exemplare  vor  mir  sehen, 
welche  ich  der  Liberalität  des  Besitzers  verdanke, 
sind  sämmtlich  künstlich  deformirt  und  zwar  in 
jener  oft  beschriebenen  Weise,  die  unter  dem 
Namen  Makrokephalie  bekannt  ist,  ein  Namen, 
der  mehr  die  äussere  Erscheinung,  als  das  Wesen 
der  Deformation  betrifft.  Trotz  dieser  Verunstal- 
tung zeigen  dennoch  diese  Schädel  den  rein  pa- 
puanischen  Typus,  eine  Bemerkung,  welche  schon 
Professor  Busk  in  London  betont  hat  bei  Ge- 
legenheit der  von  ihm  im  Journal  of  the  Anthro- 
pological  Institut  of  great  Britain  and  Irland  1877 
veröffentlichten  allgemeinen  Maasse  von  8 Malicollo- 
«chädeln.  Ich  habe  zur  Vergleichung  den  hier 
nebenstehenden  normalen  Papuaschädel  mitgebracht. 
Um  nun  die  geschehene  Veränderung  an  den  de- 
formirtcn  Schädeln  mit  normalen  vergleichen  zu 
können,  so  steht  mir  das  verhältnissmässig  reiche 
Material  von  195  Papuaschädeln  zu  Gebote:  näm- 
lich 60  von  mir  gemessen  und  135,  deren  Maasse 
Dr.  A.  B.  Meyer  in  Dresden  veröffentlicht  hat. 

[•Bevor  ich  nun  in  eine  genauere  Beschreibung 
dieser  Malicolloschädel  eingehe,  muss  ich  Etwas 
vorausschicken  Uber  die  angewandte  Schädolmess- 
methode,  weil  wir  ja  leider  in  Deutschland  noch 
keine  allgemein  acceptirte  besitzen.  Was  die 
Horizontale  anbetrifft,  so  habe  ich  die  von  Hie- 
rin g angegebene  benutzt,  weil  l»ereits  Dr.  Meyer 
auch  in  derselben  Horizontale  seine  135  Schädel 
gemessen  hat ; ebenso  wurde  der  Profilwinkel  nach 
von  I h e r i n g bestimmt.  Die  Schädelkapazität  ist 
mit  Hirse  gemessen,  wobei  anhaltendes  und  ener- 
gisches Schütteln  nicht  versäumt  wurde.  Die 
allgemeinen  Maasse  der  Höhe,  Breite  und  Länge 
sind  mit  dem  Spengel  'sehen  Apparat  ermittelt. 
Der  grösste  Horizontalnmfang  wurde  von  der 
Olabella  aus  unmittelbar  über  dem  arcu9  super- 
ciliares und  dem  entferntesten  Punkt  des  Hinter- 
hauptes gemessen,  nicht  also  wie  Virchow  an- 
giebt  inclusive  der  Höhe  der  Augenwülste.  Ich 


glaubte  davon  abweichen  zu  dürfen  ira  Hinblick 
auf  die  von  Welcker  und  Ranke  eingeführte 
Berechnung,  wobei  sie  den  Schädelinhalt  in  ein 
bestimmtes  konstantes  Verhältnis^  zum  8cbädel- 
umfang  gebracht  haben.  Wenn  nun  dieser 
Schädel  um  fang  als  ein  treuer  Ausdruck  des  Ge- 
hirns verwerthet  werdet)  soll , dann  muss  man 
alle  Zufälligkeiten  der  Knocbenbildung,  alle  nicht 
wesentlichen  Erhöhungen,  Exostosen  etc.  davon 
fernhalten.  In  allen  übrigen  Dingen  habe  ich 
mich  streng  an  das  von  Virchow  gegebene 
Schema  gehalten. 

Nachdem  wir  seit  längerer  Zeit  in  den  ver- 
schiedensten Theilen  der  Welt  in  historischer  und 
prähistorischer  Zeit  eine  Reihe  von  Völkern  kennen 
gelernt  haben,  welche  durch  gewisse  Manipulatio- 
nen den  Schädeln  ihrer  Neugeborenen  eine  be- 
stimmte Gestalt  zu  geben  bestrebt  sind,  hatte  es 
ein  gewisses  Interesse  diese.  Sitte  auch  in  der 
melanesischen  Bevölkerung  zu  konstatiren,  wo  sie 
bisher  noch  nicht  beobachtet  war;  denn  weder 
auf  den  benachbarten  Inseln  noch  in  Neuseeland 
finden  wir  den  Gebrauch  der  Deformation  wieder. 
Da  wir  nun  wissen,  dass  zu  verschiedenen  Zeiten 
polynesische  Einwanderungen  nach  der  Insel  Mali- 
collo stattgefunden  haben,  welche  aber  immer  wieder 
veijagt  worden  und  verschwunden  sind , indem 
das  melaneeische  Element  die  Oberhand  gewann ; 
so  ist  der  Schluss  einigermassen  berechtigt,  dass 
die  Sitte  des  Schädeldeformirens  nach  Malicollo 
von  den  Polynesiern  gebracht  worden  ist,  von 
welchen  längst  bekannt  ist,  dass  sie  dieser  Sitte 
stark  huldigen. 

Wir  können  nun  an  diesen  hier  mitgebrachten 
Schädeln  sehen,  dass  die  Deformation  nach  zweier- 
lei Richtungen  hin  erfolgt  ist.  Zuerst  wurde  ein 
viereckiger  oder  runder  harter  Gegenstand  auf 
das  Vorderhaupt  gepresst,  um  die  Niederdrückung 
der  Stirn  Wölbung  zu  besorgen.  Dazu  benutzte 
man  eine  gewalkte  Rinde  von  Morus  papyriferus 
„tappa“  genannt.  Die  zweite  Einschnürung  er- 
folgt in  querer  Richtung  und  hatte  die  Bestim- 
mung die  Scheidelböhe  niederzudrücken  und  sie 
macht  sich  besonders  bemerkbar  als  eine  breite, 
quer  über  den  Schädel  verlaufende  Rinne,  die  oft 
bis  ins  planum  temporale  tief  hinein  reicht.  Am 
stärksten  ist  stets  die  Niederdrückung  des  Stirn- 
beins geschehen  und  Sie  sehen , meine  Herren, 
hier  an  diesem  Schädel,  wie  flach  und  allmählich 
das  Stirnbein  emporsteigt.  Der  obere  Theil  des 
Stirnbeines , welcher  stets  ein  ausgesprochenes 
Manubrium  bildet  , ist.  zu  einem  Hügel  in  die 
Höhe  gewölbt;  es  entsteht  eine  Art  Querwulst, 
bewirkt  durch  die  beiden  Einschnürungen,  welche 
hier  gewissermassen  gegeneinander  arbeiten  , der 

8 


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Art,  dass  der  freigelassene  Theil  den  Schädels  j 
dadurch  in  die  Höhe  getrieben  wird. 

Das  Wesentliche  in  dieser  Schädeldeformation  j 
besteht  nun  darin,  dass  die  Scheitelhöhe,  welche  j 
bei  normalen  Papuaschädeln  40  — 50  mm  hinter  j 
der  Kranznaht  zu  liegen  pflegt , hier  bedeutend 
weiter  nach  hinten  gerückt  ist,  sodass  sie  meist 
mit  der  hinteren  Höhe  (Virchowj  zusammen- 
fällt oder  gar  noch  dahinter  sich  befindet.  Der 
obere  Theil  des  Hinterhauptes  wird  dabei  kugel- 
förmig nach  hinten  hervorgef lieben.  Natürlicher- 
weise wird  die  Zugwirkung , welche  das  Stirn- 
bein abplatten  soll,  ihren  festen  Punkt  am  Hinter- 
haupt haben  müssen  und  so  hat  auch  schon 
v.  Baer  an  Kbnhlichen  Schädeln  anderer  Völker 
oberhalb  der  linea  semieireularis  superior  eine 
Depressiunsfurche  beschrieben;  indessen  weder 
B u s k noch  ich  haben  eine  Spur  davon  an  den 
Malicolloschädeln  finden  können.  Es  versteht  sich 
ausserdem  von  selbst,  dass  auch  die  Hinterhaupts- 
Wölbung  gelitten  hat.  ln  Folge  nun  des  auf 
das  Gehirn  ausgeübten  Druckes  entsteht  am 
Scbädelgrund  in  der  Schlftfengegend  eine  ©om- 
pensatorische  Erweiterung  und  es  wird  sich  daher 
die  Wirkung  der  Einschnürung  besonders  fühlbar 
machen  im  Querdurehinesser,  welcher  ganz  be- 
deutend verkleinert  erscheint.  Stellt  man  sämmt- 
liche  an  den  defonnirten  Schädeln  genommene 
Ma&sse  mit  den  normalen  behufs  Vergleichung 
zusammen , so  ergiebt  sich  als  Gesamintrosultat, 
dass  die  Längeninaase  sich  nicht  verändert,  haben, 
dass  aber  sämmtliche  Breitendurchmesser  ver- 
kleinert  sind , während  alle  Höhenmaasse  zuge- 
nommen haben  zumal  diejenigen,  welche  die  Be- 
ziehungen des  Mittelhauptes  zum  Hinterhaupt 
ausdrücken.  Nur  eine  Ausnahme  findet  statt, 
das  ist  die  Entfernung  des  Bregma  vom  vorderen 
Rande  des  forumcn  inagnum  oss,  occipitis,  welch« 
in  Folge  des  oben  geschilderten  Hervortretens 
des  Stirnl>e»ns  sich  nicht  verändert  hat. 

Fassen  wir  nun  zunächst  die  allgemeinen  Ver- 
hältnisse des  Schädels,  die  3 Hauptdimensionen 
ins  Auge,  so  ergeben  sich  folgende  Mittel werthe: 


für  die  Länge 181,8 

Höhe  .....  138,1 
,,  Breite  .....  127 
und  die  dazu  gehörigen  Indices  lauten: 
der  Längenhöhenindex  7G 


,,  Längenbreitenindex  63,8 
„ Hohenbreitenindex  106,8 
Somit  gehören  die  Malicolloschädel  zu  den  Hypsi- 
stenocephalen  mit  extremer  Dolichocephalie,  welche 
letztere  zum  Theil  auf  die  Deformation  zurück- 
zuführen ist,  weil  der  Längenbreitenindex  bei 


normalen  Papuas  72,5  beträgt.  Die  Sehädel- 
kapazität  ist  ebenfalls  verringert  und  beträgt  bei 
deuMalicolloschädeln  im  Durchschnitt  nur  1274,2  «c 
und  bleibt  somit  weit  hinter  dem  der  meisten 
andern  Völker  zurück.  Weissbach  hat  für  die 
österreichischen  Schädel  1423  cc,  Ranke  für  die 
altbayerische  Bevölkerung  1 4 13  cc,  Welcher  für 
Deutsche  sächsischen  Stammes  1374  cc  gefunden. 
Die  Angaben,  welche  der  berühmte  Kraniolnge 
B.  Davis  macht  für  die  Schädel kapazität  der 
Bewohner  der  grossen  Kontinent«,  sind  entschieden 
zu  hoch  gegriffen.  Wenn  mau  nun  aus  dem 
! Hirnraum  auf  die  Constitution  der  Bewohner  von 
Malicollo  einen  Schluss  machen  darf,  so  muss 
man  sie  sich  als  Menschen  von  mittlerer  Statur 
und  nicht  besonders  kräftigem  Körperbau  vor- 
stellen und  ist  mir  solches  auch  von  Kapitänen, 
welche  Malicollo  besucht  hatten,  bestätigt  worden. 

Der  Schädelumfang  beträgt  492  mm ; ver- 
gleicht man  Hirnrauin  und  Schädelumfang  mit 
pinandpr,  so  ergiebt  sich,  dass  dieselben  in  geradem 
Verhältnis«  zu  einander  steheo,  indem  der  Schädel- 
umfang mit  jeder  Zunahme  des  Hirnraums  um 
100  cc  um  circa  16  mm  steigt  Eine  analoge 
Aufstellung  ist  von  Ranke  für  bayerische  Schädel 
gemacht  worden,  wodurch  er  eine  Steigerung  von 
10  mm  des  Schädelumfangs  bei  je  100  cc  Zu- 
nahme des  Hirnraums  constatirte. 

Vergleichen  wir  ferner  die  Beseitigung  der 
verschiedenen  Knochen,  welche  don  Sagittalumfang 
bilden,  so  stellt  sich  heraus,  dass  das  Stirnbein 
mit  34,0  pCt.,  die  Pfeilnaht  mit  36,3  pCt.,  das 
Hinterhauptsbein  mit  29,6  pCt.  participirt.  Aus 
diesen  Zahlen  ersieht  mau  eine  überwiegende 
Entwicklung  des  Mittelhirns  und  dies  ist  über- 
haupt bei  den  Papua*  s normal.  Nachdem  nun  in 
neuerer  Zeit  (Hitzig)  das  Mittelhirn  als  Centruiu 
für  den  Bewegungsapparat  des  Körpers  erkannt 
worden  ist,  so  lag  es  nahe,  bei  der  that  sächlich 
überwiegenden  Benutzung  der  Muskulatur  bei 
diesen  uneivilisirten  Völkern  gegenüber  den  höhe- 
ren geistigen  Funktionen  hierin  den  Grund  für 
das  Zurückbleiben  des  frontalen  Gebirntheiles  an- 
i zunehmen.  Indess  wäre  dieser  Schluss  ein  falscher, 
j weil  wir  andere  Völker,  z B.  die  Botokuden  ken- 
nen, die  vielleicht  geistig  noch  niedriger  als  die 
Papua’s  stehen  und  trotz  dessen  eine  grosse  fron- 
| tale  Entwicklung  des  Schädels  zeigen. 

Das  Hinterhaupt  ist  durch  don  erfahrenen 
Druck  in  seiner  Entwicklung  gehindert  und  zwar 
besonders  der  untere  Theil  das  Receptaeuluui 
eerebelli,  welches  nur  eine  durchschnittliche  Länge 
I von  44,8  nun  erreicht,  während  das  Receptaeuluui 
| cerebri  etwas  in  die  Höhe  getrieben  ist.  Das 


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1*23 


Stirnbein  ist  im  Allgemeinen  schmäler  sowohl 
vorn  als  auch  oben  im  Coronaldurchmesser.  Die 
tuhern  frontalia  sind  wenig  zu  erkennen  und 
konnte  ihre  Distance  nur  bei  4 von  den  Malicollo- 
schädeln  gemessen  werden.  Hierbei  zeigt«  es 
sich,  dass  dieselben  6,1  mm  weiter  auseinander 
standen  als  bei  normalen  Papua’s.  Die  arcus 
superciliares  sind  sehr  verschieden  ausgebildet, 
stossen  aln?r  in  der  Mitte  der  Glahella  zu  einem 
hohen  Wulst  zusammen,  wodurch  der  meist  tiefe 
Nasensattel  entsteht.  An  2 Exemplaren,  von 
denen  Sie  das  eine  vor  sich  sehen , zeigten  sich 
eomplete  persistirende  Stirnnfthte.  Es  ist  dies 
ein  Verhältnis«  von  1 : 8 und  entspricht  merk- 
würdiger Weise  den  von  Virchow  für  die  deut- 
schen Schädel  angegebenen.  Für  normale  Papua’s 
ist  dies  Verhältnis«  jedoch  nicht  zutreffend , weil 
sonst  von  den  195  Schädeln,  welche  Dr.  A 
li.  Meyer  und  ich  gemessen  haben,  kein  ein- 
ziger eine  sutura  frontis  aufweist.  W'enn  men 
diftte  anomalen  Nähte  als  compeusatorische  Er- 
weiterung für  anderweitig  auftretende  partielle 
Microceplialien  des  Gehirns  auffasst , so  wird  es 
schwer  dies«  Ansicht  grade  hier  zu  vertreten, 
weil  ja  die  auf  das  Stirnbein  ausgeübt«  Com- 
pression  eigentlich  solche  Erweiterungsgelüste 
nicht  gestattet,  haben  wird.  Die  beiden  Scheidel- 
beine sind,  wie  Sie  sehen,  länger  und  nach  hinten 
kugelförmig  herausgehaucht , sodass  das  Hinter- 
haupt schnell  und  schräg  nach  hinten  und  unten 
ahföllt.  Die  Hinterhauptsschuppe  ist  schmäler 
und  kürzer  als  gewöhnlich ; Unregelmässigkeiten 
in  ihrer  Bildung  zeigten  sich  selten , und  nur 
einmal  wurde  ein  linkess  laterales  Schaltstück, 
welches  dem  dritten  Knochenkern  Meckels  ent- 
spricht, beobachtet,  ln  der  hinteren  Fontanelle 
wurde  zweimal  ein  os  apicis  squamae  oecipitis 
gefunden.  Die  Lambdanaht  ist  der  Sitz  zahl- 
reicher ossa  Wortnianna;  im  fonticulus  Casserii 
fanden  sich  zweimal  Schalt  knochen. 

Indem  ich  diese  Einzelheiten  verlasse,  möchte 
ich  nun  ein  Thema  berühren,  welches  seit  einiger 
Zeit  sehr  in  den  Vordergrund  getreten  ist,  näm- 
lich das  anatomische  Verhalten  der  Schläfengegend. 
Die  Malicolloschädel  zeigen  auch  nach  dieser 
Richtung  hin,  dass  sie  einer  inferioren  Rasse  an- 
gehören. Bekanntlich  ist-  die  Verbindung  der 
Schläfenschuppe  mit  dem  Stirnbein  typisch  für 
die  anthropoiden  Affen.  Es  wurde  nun  diese 
Eigentümlichkeit  an  6 dieser  Schädel  aufgefunden 
und  zwar  viermal  doppelseitiger,  zweimal  rechts- 
seitiger processus  front -alis  oss.  temp.  completus; 
also  entsprechend  einem  Verhältnis*  von  1 : 2,3- 
Wenn  wir  nun  bedenken,  dass  für  arische  Völker 
dies  Verhältnis«  nuf  1 : 50,3,  ferner  für  normale 


Papua  auf  1 : 11,5  sich  berechnet,  so  lässt  sich 
schwer  von  der  Hand  weisen,  dass  auf  die  Häufig- 
keit dieser  pithecoiden  Bildung  die  Deformation 
einen  bestimmenden  Einfluss  ausgeübt  hat.  In 
der  Schläfenfontanellu  wurden  Schaltknoehen  fünf- 
mal gefunden,  zweimal  doppelseitig,  dreimal  nur 
, auf  einer  Seite;  dies  beträgt  34  pCt. 

Grössere  Schwierigkeiten  bietet  die  Schätzung 
der  sogenannten  einfachen  Schläfenenge.  Steno- 
crotaphie  (Virchow),  ohne  anatomische  Un- 
regelmässigkeiten, denn  die  mehr  odor  weniger 
geringere  Breite  der  Keilbeinflügel  ist  kein  dafür 
brauchbares  Maas*,  weil  sich  die  compensatorische 
> Leistung  der  Schläfenschuppe  und  des  Stirnbeins 
nicht  dahei  taxiren  lässt.  Um  diesem  U ebelstand 
abzuhelfen,  hat  Herr  Professor  Ranke  ein  neues 
Maass  aufgestellt,  indem  er  die  Entfernung  der 
Mitte  der  Ohröffhung  von  der  Mitte  des  untern 
Augenhöhlenrandes  moss  und  dafür  als  Mittel- 
werthe  rechts  80,3  mm,  links  80,6  mm  fand. 
Ich  muss  indessen  gestehen,  dass  ich  diesem  Maasse 
keinen  grossen  Werth  zuert heile,  weil  eben  auch 
hierin  das  compensatorische  Moment  der  einzelnen 
Knochen  keinen  Anhaltspunkt  erhält.  Statt  dessen 
habe  ich  nun  einen  andern  Weg  aufgesucht  und 
schlage  vor,  den  Abstand  des  vorderen  Randes 
^ des  Schläfenschuppe  am  angelus  parietalis  vom 
vorderen  Rande  der  sutura  fronte  zygomatica 
als  Maoss  für  die  Schläfenenge  zu  benutzen.  Als 
Mittel werth  hat  sich  dafür  31  mn»  ergeben  und 
es  zeigt  sich  nün,  dass  alle  diejenigen  Schädel, 

' hei  denen  dieser  Abstand  unter  das  Mittel  lierab- 
| ging,  auch  die  deutlichen  Zeichen  der  Steno- 
crotaphie  trugen. 

Die  Verbindung  des  Scheitelbeins  mit  dem 
Keilbein,  die  sutura  sphenoparietalis  hat  hei  den 
; deform irten  8chädeln  dieselbe  Länge  wie  bei  den 
normalen  Papua’s,  8,35  mm  im  Mittel.  Diese 

Naht  ist  bei  den  verschiedenen  Völkern  sehr  ver- 
schieden ausgebildet,  z.  B.  Ranke  fand  hei  den 
Bayern  15  mm  Durchschnitt,  während  sie  bei 
Australnegern,  Philippinen  und  Celebesbewohnern 
nach  Virchow’s  Angaben  kleiner  ist.  Die 

Breite  des  grossen  Keilbeinflügels  beträgt  im 
Durchschnitt  18  mm,  bleibt  also  wesentlich  zurück 
hinter  don  meisten  anderen  Völkern;  für  deutsche 
beträgt  er  25,2  mm,  für  Uelebesschädol  25,8  etc. 
Die  Länge  der  Schläfenschuppe  beträgt  im  Mittel 
• 71,5  und  Ubortrifft  die  Regel  uni  circa  7 mm; 

! dies  zeigt  ebenfalls  die  Erweiterung  des  Schädels 

in  der  Schläfengegend.  Statt  dessen  ist  die 
Schläfensehuppe  aber  niedriger  ab  gewöhnlich 
und  erreicht  nur  eine  Höhe  von  40  mm  im 
Durchschnitt. 

Der  Gesichtmhädel  wird  von  der  Deformation 

8* 


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124 


gar  nicht  betroffen.  Die  Nasenbeine  sind  meistens 
lang,  stark  nach  oben  gebogen,  woraus  es  sich 
erklärt,  dass  die  Reisenden  übereinstimmend  von 
den  Adlernasen  der  Papua' s mit  semitischem  Ty- 
pus berichten.  Der  Nasenindex  beträgt  47,6  mm 
und  befindet  sich  also  an  der  Grenze  der  Leptor- 
rhinie  zur  Mesorrhinie.  Eine  besondere  Ab- 
normität zeigte  der  Oberkiefer,  indem  bei  der 
Hälfte  die  Alveolen  der  ersten  beiden  Schneide- 
zähne fehlten  und  an  deren  Stelle  war  eine  dünne 
Knochenplatte  getreten.  Dies  erklärt  sich  daraus, 
dass  es  auf  Malicollo  Sitte  ist , den  Kindern, 
wenn  sie  das  mannbare  Alter  erreichen,  die  beiden 
Vorderzähne  auszuschlagen,  ln  Folge  dessen  tritt 
eine  Atrophie  der  betreffenden  Knochenparthie 
ein.  Bei  einem  andern  männlichen  Schädel  fanden 
sich  6 Backzähne,  3 Molaren  und  3 Praemolaren, 
e.in  Vorkommen,  welches  auch  bei  anthropoiden 
Affen  beobachtet  ist. 

Dies,  meine  Herren  ist  im  Allgemeinen  das, 
was  ich  Uber  diese  Malicolloschädel  mittheilen 
wollte  und  ich  möchte  jetzt  zum  Schluss  noch 
einige  Worte  Uber  einen  neuen  Schädel- 
in  e s s a p p a r a t , welchen  mir  mein  Freund, 
der  Ingenieur  K ä m p in  Hamburg  construirt  hat, 
anschliesseu.  K»  ist  dabei  das  Prinzip  des  Storch- 
schnabels angewendet,  was  schon  früher  in  ver- 
änderter Weise  Broca  gethan  hat.  Es  wird 
nun  der  zu  messende  Schädel  in  der  Mitte  der 
Grundfläche  befestigt  aufgestellt,  dann  der  Zeichen- 
apparat in  die  bestimmte  Entfernung  gerückt. 
Indem  ich  nun , wie  Sie  hier  sehen , den  einen 
Schenkel  um  die  Schädeloberflftcbe  herumfflhre, 
zeichnet  mir  ein  am  andern  Schenkel  angebrachter 
Stift  diese  Linie  auf  das  nebenbefindlicbe  Blatt 
Papier.  Ferner  befindet  sich  ira  ersten  Schenkel 
eine  verschiebbare  Nadel,  durch  welche  ich  im 
Stande  hin  alle  auf  der  Oberfläche  des  Schädels 
befindlichen  Unebenheiten  sofort  auf  das  Papier 
zu  projiciren  und  auch  die  Nähte  in  die  Fläche 
einzuzeichnen.  Es  wird  dadurch  Zeit  erspart, 
auch  habe  ich  nicht  für  Aufstellung  in  einer  be- 
stimmten Horizontale  Sorge  zu  tragen,  weil  ich 
mir  nachher  die  Zeichnung  in  jede  beliebige 
Horizontale  legen  kann.  Es  bedarf  selbstver- 
ständlich auch  dieser  Apparat  zum  Gebrauch  einer 
gewissen  Uebang,  ist  aber  entschieden  nicht  so 
zeitraubend  und  anstrengend  wie  der  Lucae'sche 
Zeichenapparat. 

Herr  J.  Ranke: 

Es  kommt  gewöhnlich  vor,  dass  zwei  Men- 
schen gleichzeitig  auf  eine  Idee  kommen.  Ich 
habe  Ihrer  Begutachtung  hier  auch  einen  Ap- 
parat zur  Schädelzeichnung  vorzulegen, 


welcher  sich  aber  auch  für  Abbildung  anderer 
Objekte  eignet.  Das  Instrument  ist  im  Wesent- 
lichen ein  fest  in  Messing  ausgeführter  Storch- 
schnabel, welcher  an  Stelle  des  Zeichenstiftes  zum 
Nachfahren  der  Contouren  ein  entsprechend  ver- 
ändertes Luca e’schea  Diopter  trägt.  Bei  der 
Benützung  wird  wie  bei  dem  bekannten  Lucae’- 
schen  Verfahren  der  abzubildende  Gegenstand  unter 
eine  Glasplatte  gelegt  und  seine  Grenzlinien  wie 
sein  lineares  Flftchendetail  mit  dem  Diopter  nach- 
gefahren.  Der  Bleistift  des  Storchschnabels  zeich- 
net hiebei  ohne  Weiteres  diese  Linien  in  ganzer, 
halber  oder  viertel  Grösse  auf  Papier  Ausser 
für  Schädel  und  Knochen  ist  der  Apparat 
auch  besonders  für  die  Abbildung  von  Urnen 
mit  reicher  Ornamentik  verwendbar.  Beson- 
ders hübsch  ist  es  mil  diesem  Instrument 
Nähte  des  Schädels  zu  zeichnen,  hier  kommt  die 
Natur  zu  vollkommener  Geltung.  Der  Apparat 
ist  vom  Mechaniker  Stölln  reu  ther  in  München 
sorgfältig  ausgeführt  und  käuflich  für  68  Mark. 

Herr  Sch&affhausen: 

Ich  führe  Sie  zunächst  in  eine  Zeit  zurück, 
welche  weit  hinter  denen  liegt,  von  welchen  bis  jetzt 
hier  die  Rede  war.  Sie  sehen  vor  mir  den  fossilen 
Schädel  eines  Moschusochsen  (Abbildg.  S.  125)  auf- 
gestellt.  Derselbe  ist  1878  in  der  Nähe  von  Koblenz 
bei  Moselweiss  22'  tief  im  diluvialen  Lehm*gefunden 
worden,  der  hier  auf  der  rechten  Seite  des  Flus- 
ses den  Thalabhang  bedeckt.  Ich  habe  Uber  den 
merkwürdigen  Fund  bereits  eine  Mittheilung  in 
der  Sitzung  der  Niederrhein.  Gesellschaft  vom  9. 
Juni  dieses  Jahres  gemacht.  Bisher  sind  sechs 
Funde  von  Kesten  dieses  Thieres  im  Diluvium  von 
Deutschland  gemacht  worden.  Zu  den  5 Funden, 
die  Roemer  zusammengestellt,  kam  noch  einer  in 
Mecklenburg,  vgl.  Zeitschr.  der  deutschen  geolog. 
G.  XXX.  1878,  S.  563  und  dieses  ist  jetzt  der 
siebente,  welcher  den  vollständigsten  Schädel  ge- 
liefert hat,  den  wir  von  diesem  Tbiere  der  Vor- 
zeit besitzen.  Ich  war  nicht  bei  der  Auffindung 
zugegen,  sondern  fand  ihn  ganz  zufällig  in  einer 
Sammlung  von  Alterthümem  bei  Koblenz.  Ich 
begab  mich  bald  an  Ort  und  Stelle  und  konnte 
noch  von  dem  Finder  die  genauesten  Angaben 
über  die  Auffindung  des  Schädels  entgegennehmen. 
An  den  Abhängen  des  alten  Moselthales  über  dem 
Orte  Moselweiss  wird  eine  20  bis  30'  mächtige 
Lehmschiebt  für  eine  in  der  Nähe  befindliche 
Ziegelsteinfabrik  abgegraben , bei  welcher  Arbeit 
der  Schädel  des  Moschusochsen  biosgelegt  wurde, 
in  kurzer  Entfernung  davon  lag  der  fast  voll- 
ständige Epistropheus  des  Thieres.  Leider  fiel  der 
auf  einen  Baumstamm  gelegte  Schädel,  der  ganz 


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125 


vollständig  war,  zu  Roden,  ho  das«  der  Oberkiefer 
abbrach.  Andere  Theile  fanden  sich  nicht , wie- 
wohl ich  danach  suchen  lies».  Wichtig  ist,  wegen 
des  Vergleichs  mit  dem  in  der  Höhle  von  Thayin- 
gen  in  der  Schweiz  gefundenen  aus  liennthier- 
knochen  geschnitzten  Kopfe  eines  Moschusochsen, 
dass  an  diesem  Schädel  von  Moselweins  der  eine 
Knochenzapfen  für  das  Horn  ganz  erhalten  ist. 


9 Die  grösste  sagittale  Länge  der  Basis  der 
Zapfen  misst  1 6 1 mm , die  grinste  Breite  des 
Kopfes  mit  den  Zapfen  gemessen  2 SO.  Bei  dem 
von  Roemer  entdeckten  Schädel  vom  Unkelstein 
misst  jene  180,  diese  264.  Das  Thier  von  Mosel« 
wei88  ist  also  etwas  kleiner,  aber  es  ist  älter, 
wie  die  geschlossene  Nath  der  Hinterhauptsschuppe 
und  die  stärker  abgeschliffenen  Zähne  zeigen,  deren 
Kauflächen  desshalb  grösser  sind.  Dnwkins 

stimmt  Bl  ai  n v i 1 1 e darin  bei , dass  das  Thier 
zwischen  Rind  und  Schaaf  stehe  und  weist 
Owens  Ansicht  zurück,  dass  es  dem  ßubalus 
caffer  nahe  verwandt  sei.  Der  vorliegende  Schä- 
del hat  die  Form  des  Oberkiefers  von  Ovis,  aber 
der  letzte  linke  Backzahn  hat  zwischen  den  beiden 
Lappen  den  Schmelzpfeiler , der  für  die  Boiden 
charakteristisch  ist. 

Der  Moschusochs  ist  dus  heute  am  meisten 
nördlich  gewanderte  Thier  der  Vorzeit , er  findet 
sich  bis  Uber  den  81.°  nördl.  B.  und  wir  können 
schliessen,  dass,  als  er  im  Moselth&le  lebte,  in 
diesen  Gegenden  noch  die  Gletscherzeit  herrschte. 

Am  Unkelstein  fanden  sich  die  Reste  dieses 
Thierea  im  Löss  des  Rheinthals  gemischt  mit 
denen  der  übrigen  Säugethiere  der  Diluvialzeit. 
Der  Fund  von  Moselweins  hat  aber  desshalb  einen 
ganz  besonderen  Werth,  weil  er  die  in  letzter 
Zeit  mit  lebhaftem  Interesse  aufgeworfene  Frage, 
ob  der  Mensch  mit  diesem  Thiere  schon  gelebt, 
in  der  sichersten  Weise  löst.  Es  finden  an  ihm 
sieh  unzweifelhaft  Spuren  der  Menschenhand,  auf  dem 
Stirnbein  und  am  Hinterhaupt.  Es  sind  16  bis 
18  gerade  und  scharfe  Einschnitte  in  den  Knochen. 


die  genau  so  aussehen,  als  seien  sie  durch  ein 
Feuersteinmesser  oder  ein  Steinbeil  gemacht. 

Oh  r 18  ty  hatte  schon  aus  den  in  Südfrankreioh 
gefundenen  gespaltenen  Röhrenknochen  und  aus 
den  in  der  Nähe  gefundenen  Steingeräthen  den 
Schluss  gezogen , dass  der  Mensch  auch  dieses 
Thier  gejagt  habe.  Hior  tragen  seine  Reste  den 
unmittelbaren  Beweis  dafür  an  sich.  Der  Schädel 
war , als  ich  ihn  erhielt , noch  von  einem  fest 
haftenden  Lehm  bedeckt , und  hatte  an  vielen 
Stellen  eine  Kruste  von  kohlensaurein  Kalk.  Ich 
habe  den  Knochen , der  mürbe  ist , mit  grosser 
Vorsicht  gereinigt  und  fand  erst  nach  der  Reinig- 
ung diese  scharfen  Einschnitte.  Es  befinden  sich 
einige  an  der  Basis  des  Hornzapfens  ; die  Menschen, 
welche  dos  Thier  abhäuteten , haben  also  wohl 
diese  Schnitte  gemacht , um  die  Haut  zu  lösen ; 
die  Schläge  auf  dem  Vorderkopfe  sind  vielleicht 
diejenigen,  durch  welche  das  Thier  getödtet  wor- 
den ist.  An  der  Basis  des  rechten  Hornzapfens 
nach  hinten  ist  ein  *,«  Zoll  langer  Schnitt  , auf 
der  Hinterhauptsfläche  rechts  ein  ebenso  langer 
und  2 kleine  Querschnitte.  Vor  dem  rechten 
Hornzapfen  an  der  Basis  sind  4 Schnitte  bemerk- 
bar, der  grösste  ist  1 Zoll  lang,  die  andern  sind 
kleiner  aber  tiefer.  Vor  dem  linken  Zapfen  sind 
2 Schnitte.  Auf  der  Stirne  zählt  man  8,  einer 
ist  1 */•  Zoll,  zwei  sind  1 Zoll  lang. 

Bekanntlich  hat  Uapellini  eigentümliche 
scharfe  halbmondförmige  Einschnitte  in  Knochen 
eines  tertiären  Walltisches  dem  Menschen  zuge- 
schrieben ; man  ist  wohl  jetzt  darüber  einig,  dass  die 
Schneide  eines  Stein  Werkzeuges  solche  Schnitte  nicht 
hervorbringen  kann,  wohl  kann  man  sich  dieselben 
durch  den  abgebrochenen  Stosszahn  des  Narwals 
hervorgebracht  denken,  wenn  das  Thier  hei  seinem 
Stosse  sich  zugleich  ein  wenig  um  seine  Längen- 
achse drehte.  Die  Einschnitte  an  dem  Schädel 
des  Moschusochsen  entsprechen  dem  Schnitte  eines 
Steinmessers  oder  Beils  und  nicht  dem  eines 
eisernen  Werkzeuges.  Die  eiserne  Hacke  mit  2 
Zinken  und  einer  breiten  8eite,  die  beim  Graben 
des  Lehms  gebraucht  wurde,  konnte  die  Schnitte 
1 nicht  gemacht  haben ; deren  Flächen  sehen  nicht 
frisch  aus,  sondern  gleichen  der  übrigen  Oberfläche 
des  Knochens  und  kein  Theil  der  Hacke,  die  ich 
darauf  untersuchte,  konnte  so  scharf  einschneiden. 
Der  Halswirbel  dagegen  trägt  eine  Verletzung  durch 
die  Hacke  an  sich,  die  sich  sofort  als  solche  kennt- 
lich macht  und  das  innere  weisae  Gefüge  des 
Knochens  hlos  gelegt  hat. 

Diese  Beobachtung  lehrt  uns  also,  dass  auch 
der  Mensch  zur  Gletscherzeit  in  dieser  Gegend 
gewohnt  und  sich,  wie  wir  schliessen  dürfen,  vom 
j Fleische  des  Thiereft  genährt  hat.  Der  gehrech- 


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liehe  Schädel  war  zu  wohl  erhalten,  als  das*  er 
weither  geflötet-  sein  konnte.  Diese  Schlussfolge- 
rung sollte  in  ganz  unerwarteter  Weise  noch  eine 
Bestätigung  erfahren.  Ich  forschte  in  der  Ge- 
gend dieses  Fundes  weiter,  sah  mir  die  alte 
Lehmablagcrung  des  Thulgeliäuges  au , welches 
muldenförmige  Einschnitte  hat.  Als  ich  fragte, 
ob  früher  hier  beim  Lehmgraben  nie  etwas  ge- 
funden worden  sei , führte  man  mich  in  einer 
Enternung  von  einigen  100  Fuss  an  eine  Mulde 
desselben  Thalabhanges  und  ein  zuverlässiger 
Mann  erzählte  mir,  dass  er  hier  vor  einigen 
Jahren  beim  Lehmgraben  unter  0 Fuss  Lehm, 
unter  deiu  eine  4 Fuss  hohe  Bimssteinschicht  ab- 
gelagert war.  eine  Kohlenschicht  von  einigen  Zoll 
Dicke  und  6 Fuss  Durchmesser  gefunden  habe,  die 
wohl  eine  menschliche  Feuerstätte  gewesen  sein 
müsse.  Die  Erscheinung  ist  in  dieser  Gegend  ge- 
wöhnlich , dass  die  Hügelkuppen  von  Bimstein 
frei  sind,  während  er  in  den  Mulden  und  Ein- 
schnitten sich  abgelagert  findet.  Nachdem  er  vom 
Vulkan  ausgeworfen  war,  wurde  er  vom  Hegen 
in  die  Thäler  und  Mulden  hinabgeflötzt.  Wenn 
uun  unter  einem  solchen  Bimssteinlager  sich  eine 
Kohlenschicht  befindet,  die  nach  ihrer  Beschaffen- 
heit und  Ausdehnung  schon  von  ununterrich- 
teten Leuten  als  ein  Feuerheerd  des  Menschen 
bezeichnet  wurde,  so  folgt  daraus,  dass  Menschen 
hier  gelebt  und  Feuer  angezündet  haben,  ehe  die 
Gegend  durch  einen  nahen  Vulkan  mit  Bimsstein 
überschüttet  wurde.  Man  kann  sich  nicht  wohl 
denken,  dass  hier  der  Blitz  einen  dürren  Baum 
entzündet  haben  könnte,  der  nicht  ganz  verbrannt, 
sondern  zum  Theil  verkohlt  sei.  Ein  solches  Er- 
eigniss ist  in  jener  Zeit  nicht  wahrscheinlich  und 
die  ganz  gleichmäßige  Kohlenschicht  spricht  da- 
gegen ; es  bleibt  gar  keine  andere  Deutung  mög- 
lich, als  dass  sie  von  Menschen  zurückgelassen 
war.  Wiewohl  an  der  Stelle  des  Schädelfundes 
eine  Bimsteinschicht  fehlt , kann  man  doch  aus 
der  Höhe  der  Lehmablagerung  an  beiden  Fund- 
stellen folgern,  dass  der  Moscliusochse  einer  viel 
früheren  Zeit  angehört,  als  die  ist,  in  der  jenes 
vulkanische  Ereigniss  statt  fand. 

Ich  sammle  seit  längerer  Zeit  solche  Beob- 
achtungen, die  sich  uuf  die  letzten  vulkanischen 
Ausbrüche  in  unserm  Rheinland  beziehen  und  den 
Beweis  liefern,  dass  der  Mensch  schon  ein  Zeuge 
derselben  gewesen  ist.  Ich  bewahre  den  Luva- 
block  von  Playdt  bei  Andernach,  der,  als  er  aus- 
einander geschlagen  wurde , in  der  Mitte  ein 
geschmiedetes  Eisen  von  der  Form  eines  grossen 
Hufnagels  enthielt , welcher  genau  in  das  Loch 
hineinpasst.  Die  Behauptung,  dass  es  sich  hier 
um  eine  Fälschung  handle,  ist  ganz  unbegründet. 


Dannv  sind  am  südlichen  Ufer  des  Lanchcr 
See's  Pfahlbaureste  unter  zwei  Bimssteinschichten 
gefunden  worden  und  in  Koblenz  wurde  bei 
einem  Hausbau  unter  einer  festen  Briteschichl 
ein  Haufe  monsch lieber  Knochen  und  dabei  ein 
Schädel  gefunden,  der  durch  mehrere  Merkmale 
primitiver  Bilduug,  die  ich  1873  besprochen  habe, 
ausgezeichnet  ist.  Zu  diesen  Thatsachen  kommt 
nun  für  die  Rheingegend  die  Spur  des  Menschen 
schon  in  der  Gletscherzeit,  und  eine  Fettenteile 
unter  dem  Bimsstein,  so  dass  wir  für  die  Zeitbe- 
stimmung der  letzten  vulkanischen  Erscheinun- 
gen am  Rhein  ganz  andere  Ansc  hauungen  gewinnen, 
nls  bis  dahin  von  den  meisten  Forschern  getheilt 
wurden  und  gerechtfertigt  schienen.  Ich  möchte 
bei  diesem  Anlass  noch  eine  andere  Bemerkung 
hier  anknüpfen , die  sieh  auf  eine  Aeusserung 
des  Herrn  Professor  Ranke  bezieht,  die  er 
gestern  machte  Ich  halte  manche  der  Beweise 
für  das  Zusammenleben  von  Mammut  h und 
Menschen  nicht  für  so  zweifellos,  wie  man  es 
gewöhnlich  darstellt.  Ich  habe  schon  vor  zwei 
Jahren  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die  Auf- 
findung von  Mnmmuthknochen , die  der  Mensch 
bearbeitet  hat,  noch  nicht  ein  Beweis  dafür  sei, 
dass  beide  auch  zusammen  gelebt  haben.  Es 
haben  die  Menschen  der  Vorzeit  Europa*»  ganz 
gewiss  das  fossile  Elfenbein  gefunden  und  es  ist 
vielleicht  damals  noch  so  fest  gewesen , dass  es 
bearbeitet  werden  konnte,  was  ja  heute  noch  für 
i das  sihiiischc  fossile  Elfenbein  gilt.  Duss  der 
eben  besprochene  Schädel  aber  Spuren  der  mensch- 
lichen Werkzeuge  an  sich  trägt,  die  auf  die 
Tödtung  des  Thieres  bezogen  werden  können,  ist 
ein  ungemein  sicherer  Beweis  für  das  hohe  Alter 
des  menschlichen  Geschlechtes.  Auch  ist  der 
Moschusochse  ein  Zeitgenosse  des  Mammuth. 

Ich  spreche  jetzt  von  einem  grossart  igen,  fast  ver- 
schollenen megalithischen  Denkmale  ini  Moselthal. 
(Abbildg.  S.  1 20.)  Bei  der  vorigen  Versammlung  in 


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127 


Kiel  schilderte  ich  Ihnen  einen  der  schönsten  Stein* 
ringe  des  Rheinlundes,  den  von  Otzenhausen  und  be- 
merkte, dass  derselbe  wie  eine  grosse  Menge  anderer 
altgermanischer  Denkmale  vor  der  Fülle  römischer 
Funde  bei  uns  gleichsam  nie  recht  zur  Geltung 
gekommen  und  dass  viele  derselben  in  Vergessenheit  1 
geralhen  seien,  sie  werden  erst  jetzt  wieder  auf- 
gesucht und  gleichsam  wieder  entdeckt.  Mit  einem 
solchen  Denkmale  unserer  ältesten  Vorzeit  möchte 
ich  Sie  bekannt  machen. 

An  der  Mosel  bei  Trarbach  befindet  sich  * 4 
Stunden  von  diesem  Ort  in  einein  Seitentlmle  des 
Kaudenbachth&les  auf  einem  Bergrücken  ein  wenig 
bekanntes,  aber  schon  vor  200  Jahren  genau  be- 
schriebenes altes  Stein-Denkmal,  von  dem  ich  zwei 
Photograpbieen  hier  vorlege. 

Es  gelang  mir  nicht,  nachdem  mir  vor  mehreren 
«fahren  die  Nachricht  vom  Vorhandensein  eines 
solchen  zugogiingen  war,  Jemanden  zu  finden,  der 
dasselbe  gesehen  hatte;  selbst  in  Trier  fand  ich 
keinen  Archäologen  oder  Alterthumsfreund,  der 
mir  eine  sichere  Mittheilung  darüber  hätte  machen 
können.  Da  fiel  mir  das  Buch  von  Fr.  Mcnk, 
de«  Moselthales  Sagen  u.  e.  w.  Koblenz  1840  in 
die  Hund,  in  welchem  „der  Wellst  ein“  beschrieben, 
als  ein  gallischer  Opferaltar,  bei  dem  inan  ge- 
fallen«: Krieger  bestattet  habe,  gedeutet,  eine 
darauf  bezügliche  Sage  erzählt  und  auf  Mitteil- 
ungen von  A.  S t o r c k , Darstellungen  aus  dem 
Preuss.  Rhein-  und  Mosellande,  Essen  und  Duis- 
burg 1818  hingewiesen  wird.  Hier  findet  «ich 
ein  Bild  des  Wellsteins  , worin  er  mehr  wie  ein 
Felagebilde  der  Natur  als  wie  ein  Werk  von 
Menschenhand  aussieht.  Kr  giebt  die  Höbe  zu 
18  Fuss  an  , glaubt  abor,  dass  Wind  und 
Wetter  daran  Zerstörungen  angerichtet  hätten, 
wie  das  ringsum  zerstreute  Gestein  vermuten 
lasse.  Steine,  die  3 Fuss  breit,  (j  Fuss  dick  und 
1 2 Fuss  lang  sind,  liegen  durcheiuamh'r  auf  einem 
Haufen,  wohl  8 grosse  und  eine  Menge  kleiner. 
Zwei  Tbäler  führen  in  die  Nähe  des  Berges,  auf 
«lern  es  steht,  und  „tausend  Menschen  konnten 
umher  in  der  amphitheatrulLschen  Schweifung  des 
Gebirges  stehen  und  das  Heilige  schauen  und 
verehren,  was  der  Priester  hier  beging.4*  Der 
Wellst*» in  trug  aber  ehemals  auf  seiner  Spitze 
einen  Wackelstehl , wie  dieselben  als  Naturbild- 
ungen bekannt  sind.  Gabriel  Forry  beschrieb 
einen  solchen  in  der  Revue  de  deux  mondes,  der 
sich  aut  kalifornischen  Meerbusen  in  Mexico  be- 
findet und  klingt.  Vom  Wellstein  erzählt  man, 
dass  mau  in  Trarbach  das  Getöse  hören  konnte, 
wenn  er  sich  bewegte.  Diese  Angabe  ist  für 
«•ine  Fabel  zu  halten,  denn  die  gerade  Entfernung 
von  diesem  Orte  ist  l,t  Stunde.  Im  Jahre  1730 


warf  ein  Trarhucher  Gymnasiast  mit  Hülfe  eines 
Hebels  den  beweglichen  Kopf  des  Wellsteins  hin- 
unter. Es  gibt  eine  sehr  alte,  inehr  als  zwei- 
hundertjährige  genaue  Schilderung  dieses  Denk- 
mals in  einem  s«*lten  gewordenen  Buche.  Ein 
Rektor  der  Stadt  Trarbach,  Johann  Hofmann 
hat  die  „Trorbnchische  Ehrensäul“  geschrieben, 
die  1669  in  Stuttgart  gedruckt  ist.  Er  sagt,  es  sei 
unmöglich  zu  glauben,  dass  der  Will-  oder  Wild- 
stein von  der  Natur  selber  also  dahin  gesetzt  sei 
und  das«  keine  Kunsthand  dazu  kommen  sein 
sollte.  Auch  er  giebt  8 grosse  Steine  an  nebst 
vielen  andern  kleinen,  die  zwischen  jenen  liegen. 
Drei  ganz  gleiche  längliche  Steine , die  unten 
dick  und  breit  sind,  sind  schräg  aufgerichtet  und 
mit  den  Spitzen  so  gegeneinander  gestellt,  dass 
man  darunter  hinein  und  wohl  hindurch  sehen 
kann;  darüber  liegen  von  einerlei  Grösse  wage- 
recht 4 schwere  Steine  ganz  genau  aufeinander. 
Zu  aller  oberst  liegt  auf  dieser  viereckigen  Säule 
ein  mächtig  grosser  und  ungeheurer  Stein,  Über- 
zwerg, wie  nach  der  Waag,  doch  also,  dass  man 
zwischen  demselben  und  dem  darunter  liegenden 
hin  und  her  kunn  durchsehen  und  sollte  wohl 
Jemand  meinen  , es  würde  solcher  Stein  alle 
Augenblick  herunterfallen,  welcher  gleichwohl  so 
lange  Zeit,  auch  bei  den  heftigsten  Stürmen  allda 
fest  und  un verrückt  geblieben.  Der  Verfasser 
setzt  noch  in  naiver  Weise  hinzu:  „Zu  wünschen 
wäre  es,  dass  eine  Schrift  darau  stünde,  wodurch 
man  eigentlich  erlernen  möchte , wurum  solcher 
seltsam  zusammengefügte  Stein  den  Namen  ., Wild- 
stem“ anfänglich  überkommen  oder  durch  welche 
Gelegenheit  er  eigentlich  dahin  gesetzet  wrordon.“ 
Die  Sage  gel>e  an , daß«  diese  Steiufüguag  eines 
wilden  Königs,  der  alldort  seine  Ruhstell  habe, 
aufgerichtetes  Grabmal  sei.  In  der  Nähe  des 
Steines  habe  man  gegraben  und  solche  «Sachen  ge- 
funden , welche  dieser  Meinung  günstig  seien. 
Ihm  ist  ee  wahrscheinlich,  dass  bei  dein  Rückzug 
der  Hunnen  aus  den  Katalaunischen  Feldern,  der 
durch  diese  Gegend  ging,  einer  der  Könige,  die 
Attila  gleichsam  schoarenweiae  um  sich  hatte,  das 
Leben  allda  eingebüsst  habe  und  ihm  das  Grab- 
mal aufgerichtet  worden. 

Es  ist  auffallend,  wie  oft  in  den  Rheingegen- 
den germanische  Alterthümer  don  Hunnen  zuge- 
schrieben  werden,  wozu  gewiss  die  ulten  Namen: 
Hünengrab,  Hünenstoin  Veranlassung  gaben. 

Leider  habe  ich  bis  jetzt  den  Wildstein  von 
Trarbach  nicht  gestdieu , denn  bei  meiner  vor 
einigen  Tagen  versuchten  Reise  dahin  war  die 
Mosel  so  an  geschwollen , dass  man  bei  Reil  mit 
dem  Wagen  nicht  hinübersetzen  konnte  und  der 
Posthalter  in  Alf  inir  die  Pferde  verweigerte. 


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128 


Ich  werde  aber  Dach  Schluss  der  Versammlung 
von  hier  dahin  reisen,  weil  ich  glaube,  dass  eine 
genaue  Untersuchung  des  Wildsteins  zunächst 
darüber  Aufschluss  geben  wird  , ob  man  es  hier 
vielleicht  nur  mit  einem  über  der  verwitterten 
Grauwacke  stehen  gebliebenen  Quarzitriflfe  zu  thun 
hat,  welches  wie  ein  rohes  Bauwerk  von  Menschen- 
hand auRsieht,  oder  ob  wirklich  die  Menschenhand 
hier  megalithische  Blöcke  Uber  einem  Grabe  zu- 
sammengewälzt hat.  Sodann  wird  vielleicht  durch 
Nachgrabungen  Näheres  über  die  Bedeutung  des 
Denkmales  zu  erfahren  sein  , zumal  es  in  dem 
alten  Berichte  heisst,  dass  man  in  der  Umgebung 
des  Steins  Gegenstände  gefunden  , welche  denen 
bei  Götzengebäuden  oder  heidnischen  Kapellen 
gefundenen  sehr  ähnlich  geschienen.  *) 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  nun  noch  einen 
kurzen  Bericht  Uber  die  wiederaufgenommenen 
Aufgrabungen  auf  dem  fränkischen  Grabfelde  in 
Meckenheim  bei  Bonn  geben,  die  für  das  Rheinische 
Provinzial-Museum  gemacht  worden  sind  Schon 
in  den  Jahren  1855  bis  1858  wurden  in  einigen 
Gärten  an  der  Westseite  des  Ortes,  die  nahe  der 
alten  Umwallung  desselben  zu  liegen  scheinen, 
Gräber  geöffnet.  Ueber  die  damals  gemachten  Grab- 
funde, die  sich  im  Museum  des  Vereins  von  Alter- 
thumsfreunden in  Bonn  befinden,  habe  ich  in  den 

*)  Am  14.  August  begab  ich  mich  nach  Trar- 
bach und  unter  gefälliger  Führung  des  Herrn  Gym- 
nasiallehrers Biind ge  ns  zum  WildltoÜL  Es  ist  in 
der  That  ein  Felsenriff,  ein  Quarzitgang,  der  die  Grau- 
wacke durchsetzt  und  auf  einem  Berge  der  andern 
Seite  des  Kaudenbnehthale«  über  der  dort  hervor- 
sprudelnden mächtigen  warmen  Quelle  findet  sich 
eine  ähnliche  Bildung,  die  den  Namen  „Bischofs- 
hut*  trägt.  Nach  der  Thalseite  ist  die  Quarzit- 
wand stark  verwittert  und  in  horizontaler  Richtung 
zerklüftet,  so  dass  e*  den  Anschein  hat,  als  seien  hier 
genau  aufeinander  passende  Steinblöcke  aufeinander 
legt.  Wenn  nun  auch  die  aufstehende  Wand  des 
ilusteins  eine  Naturbildung  ist,  so  sind  doch  un- 
zweifelhaft die  Steinblöcke,  die  auf  der  Bergseitc  an 
jene  Wand  angelehnt  und  zum  Theil  übereinander 
gewälzt  sind , von  Menschenhand  in  diese  Lage  ge- 
bracht. Da«  Ganze  sieht  einem  aus  erratischen  Blöcken 
errichteten  megalithischen  Grabmale,  wie  man  sie  in 
Skandinavien  und  Norddeutschland  sieht,  so  ähnlich, 
dass  inan  an  einem  gleichen  Ursprung  nicht  wohl 
zweifeln  kann.  Die  früher  angegebenen  Maasse  sind 
annähernd  richtig  und  man  kann  unter  die  8 schräg 
gestellten  Blöcke  hinabsteigen . wo  man  bereit«,  wie 
es  scheint,  Nachforschungen  im  Boden  gemacht  hat. 
Ich  habe  Herrn  Bündgens  ersucht,  versuchsweise 
eine  Grabung  vorzunehmen.  Die  schweren  tafelförmigen 
Blöcke  sind  sicherlich  demselben  Quarzitriff  entnom- 
men. wie  die  noch  in  ursprünglicher  Lage  aufrecht- 
stehende  Wand,  es  ist  dasselbe  Gestein  und  sie  haben 
dieselbe  Breite  wie  der  Quurzitgang.  Einige  kleinere 
stark  abgerundete  Stücke  mögen  aus  dem  Thule  hinauf- 
geschleppt sein,  wo  sich  solche  in  den  alten  Wasser- 
läufen finden. 


Jahrbüchern  dieses  Vereins  Heft  XLIV.  u.  XLV.  1868 
eine  ausführliche  Mittheilung  gemacht.  Ich  lege 
zwei  Kupfertafeln  zu  diesem  Aufsatze  mit  Ab- 
bildungen von  Grabfunden  vor,  damit  Sie  dieselben 
mit  den  jetzt  gefundenen  Gegenständen,  von  denen 
ich  eine  Auswahl  auf  dem  Tische  hier  ausgelegt 
habe,  vergleichen  können.  Die  damaligen  Funde 
Hessen  diese  Gräber  schon  als  fränkische  oder 
alemannische  erkennen,  aus  dem  5*  bis  6-  Jahrh. 
unserer  Zeitrechnung.  Die  Untersuchung  hatte 
ein  besonderes  Interesse,  weil  sich  Grabgeräthe 
fanden,  die  theils  auf  das  Heidenthum  theils  auf 
das  Christenthum  Bezug  haben  , eine  Zierscheibe 
aus  Bronze  mit  dem  Schlangenidol , eine  Kapsel 
mit  dem  Hackenkreuz,  ein  Gehänge  mit  mehreren 
an  Kettchen  befestigten  Kreuzen,  ln  jene  Zeit 
fällt  die  Verbreitung  des  Christenthums  in  den 
Rheinlauden,  die  im  4.  Jahrhundert  l>eginnt.  Um 
die  Mitte  des  6.  sind  die  Franken  Christen,  die 
Alemannen  noch  Heiden.  Auf  diesem  Grabfeld 
spricht  die  Bestattung  statt  des  Leichenbrandes 
für  die  christliche  Zeit,  aber  die  Arme  der  Tod- 
ten  sind  noch  an  der  Seite  des  Körpers  herabge- 
streckt . das  Gesicht  mehr  oder  weniger  nach 
Osten  gerichtet.  Bei  der  letzten  Grabung  fanden 
sich  auch  noch  einige  Aschenurnen.  Ein  Todter 
hatte  zwischen  den  Zähnen  als  Obolus  eine  kleine 
raerowingische  Gold-Triens  aus  dem  6.  Jahrhun- 
dert im  Munde.  In  den  Jahrbüchern  des  Vereins, 
XV,  1 850  bildet  S e n c k 1 e r auf  Taf.  V,  Fig.  10  u. 
14  aus  Combrouse,  MomHaires  des  rois  Mörow. 
Paris  1873,  ganz  ähnliche  Merowingermünzen 
mit  der  Aufschrift  der  Münzorte  Antonnaco  und 
Stradiburg  ab.  Auf  uuserer  Münze  ist  die  In- 
schrift nicht  zu  entziffern  und  die  Zeichnung  des 
Kopfes  barbarisch , auf  dem  Revers  befindet  sich 
ein  kleines  f.  Es  ist  bekannt,  dass  die  heidnische 
Sitte  des  Obolus  bis  in  die  christliche  Zeit  ge- 
dauert hat. 

Die  frühere  Annahme,  dass  bei  Zülpich  im 
Jahre  496  die  grosse  Alemannenschlocht  stattge- 
funden  habe,  nach  welcher  Clodwig  sich  taufen 
licss,  ist  allerdings  nach  neueren  Forschungen  nicht 
mehr  haltbar,  sie  soll  am  Oberrhein,  vielleicht  bei 
Strassburg  geschlagen  worden  sein.  Dieselbe 
hatte  mir  den  Gedanken  eingegeben,  ob  vielleicht 
die  fliehenden  Alemannen  hier  bei  Meckenheim, 
welches  nur  3 Stunden  von  Zülpich  liegt,  ihre 
Todten  begraben  hätten.  Hat  nun  auch  der  Sieg 
Clodwigstlber  die  Alemannen  nicht  bei  Zülpich, 
dem  alten  Tolbiacum,  stattgofunden , so  zweifelt 
man  doch  nicht,  dass  hier  eine  andere  und  zwar 
frühere  Schlacht  geliefert  worden  ist,  in  welcher 
die  Franken  von  den  Alemannen  besiegt  wurden. 
Die  Art  der  Bestattung,  wie  sie  damals  gefunden 


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129 


wurde,  indem  die  Todten  über  einander  geschichtet 
in  einem  Grabe  lagen,  und  die  grosse  Menge  der 
Waffen  deutete  auf  ein  Begräbniss  nach  der 
Schlacht,  ln  diesem  Jahre  sind  diese  Gräber  in 
grosserer  Zahl  aufgedeckt  worden , etwa  50  an 
Zahl  und,  was  bis  dahin  fehlte,  es  sind  etwa  30 
ziemlich  vollständige  Schädel  gewonnen  worden. 
Es  sind  darunter  solche  von  Greisen , Weibern 
und  Kindern , was  nicht  ausschliosst , dass  hier 
aut  dem  gewöhnlichen  Todtenfelde  auch  einmal 
gefallene  Krieger  bestattet  worden  sind.  Unter 
30  von  mir  näher  untersuchten  Schädeln  sind  5 
weiblich,  5 sind  Stirnnathschädel,  4 ächte  Brachy- 
ceplialen,  1 ist  charnaecephal,  1 ein  Makrocephalus, 
die  übrigen  sind  mesocephal  oder  dolichocephal, 
sehr  rohe  Formen  sind  selten  darunter. 

Unter  den  von  mir  ausgestellten  Sachen  auf 
dem  Tische  bemerken  Sie  runde  goldene  Fibeln 
mit  blauem  und  rothem  Glasfluss,  der  in  hochge- 
stellten Goldkapsuln  gefasst  ist,  eine  der  fränki- 
schen Zeit  eigenthUmliche  Form,  auch  eine  silberne 
und  zwei  grössere  schöne  goldene  Ohrringe  mit 
blauen  Steinen,  die  an  römische  Technik  erinnern, 
ferner  mehrere  durchbrochene  bronzene  Zierschei- 
ben, die  bei  den  meisten  Todten  in  der  Nähe  des 
Gürtels  gefunden  wurden.  Lindenschmit  hat 
neuerdings  behauptet,  dass  diese  Zierscheiben  nur 
zum  Pferdeschmuck  gehörten,  wie  heute  noch  der 
deutsche  Fuhrmann  mit  ähnlichen  klappernden 
Messingscheiben  das  Kummet  seiner  Pferde  ver- 
ziert. liier  liegt  nur  der  Fall  vor , dass  ein 
Zierrath , der  sonst  vom  Menschen  getragen 
wurde,  sich  als  ein  Schmuck  der  Pferde  erhalten 
hat.  Derselbe  ist  ächt  germanisch , in  Ungarn 
unterscheidet  man  daran  das  deutsche  Fuhrwerk 
vom  ungarischen  oder  slavischen. 

Hier  ist  noch  ein  Beweis,  dass  diese  Scheiben 
nicht  zum  Pferdeschmuck  bestimmt  und  auf  das 
Leder  aufgenäht  waren , sondern  vom  Menschen 
getragen  wurden,  denn  eine  derselben  war  in  einen 
zierlichen  Elfenbeinrahmen  gefasst,  von  dem  die 
Stücke  erhalten  sind.  Von  Interesse  sind  die 
Feuerstahle  von  aasgeschweifter  ovaler  Form,  wie 
sie  schon  L i n d en  schm  i.t  in  Reihengräbern  ge- 
funden und  abgebildet  hat.  Auch  unter  diesen 
Todten  hat  fast  jeder  Mann  seinen  Feuerstahl  und 
Feuerstein  am  Gürtel  Es  hatte  Ermann  im 
Jahre  1872  behauptet,  dass  das  Feuermacheu  mit 
Stahl  und  Stein  nicht  alt  sei,  sondern  durch  die 
Araber  aus  Asien  nach  Spanien  und  von  da  nach 
Westeuropa  gekommen  sei.  Er  wies  auf  den 
gleichen  Zündstoff  aus  einer  Cirsiumart  hin,  der 
bei  den  Andalusiern  wie  bei  den  J acuten  in  Ge- 
brauch sei.  Das  Vorkommen  von  Stahl  und 
Feuerstein  in  Gräbern  aus  dem  6.  Jahrhundert  be- 


weist , dass  diese  Annahme  irrig  ist.  Auch  er- 
wähnt schon  Plinius  das  Feuerschlagen  mit  dem 
Clavus,  worunter  man  das  Eisen  verstehen  muss. 
Unter  den  Eisenwaffen  kommt  das  lange  zwei- 
schneidige und  das  kurze  einschneidige,  der  Scra- 
masax,  vor.  Bemerkens werth  ist  eine  Pfeilspitze 
aus  Feuerstein  unter  den  zahlreichen  Eisengeräthen. 
Den  meisten  Todten  ist  ein  Kamm  und  ein  Topf 
oder  Trinkbecher  beigegeben.  Noch  heute  herrscht, 
die  Sitte  in  vielen  Gegenden,  auch  in  Meckenheim, 
den  Todten  den  Kamm  mit  in  den  Sarg  zu  geben,  wo- 
mit man  ihnen  das  Haar  ausgekäinmt  hat.  DieThon- 
gefässe  haben  als  das  häufigste  Ornament  Reihen 
eingedrückter  drei  oder  viereckiger  Tupfe.  Dann 
ist  auf  die  aus  Thon  gebrannten  vielfarbigen  Mosaik- 
perlen hinzuweisen,  die  man  kaum  irgendwo  so  schön 
und  zierlich  findet  wie  in  den  Reihengräbern  am 
Rhein,  ich  möchte  desshalb  glauben,  dass  diese 
Technik  damals  irgend  in  Deutschland  geübt 
worden  ist,  wenn  sie  sich  auch  schon  im  alten 
Aegypten  findet.  Heute  werden  in  Venedig  nach 
den  alten  Mustern  noch  solche  Perlen  zur  Aus- 
fuhr nach  Afrika  angefertigt.  Ich  habe  bei  einer 
früheren  Gelegenheit  eine  ganze  Schnur  dieses 
schönen  Schmuckes  vorgezeigt.  Recht  itferk- 
würdig  ist  es  für  den  Ethnologen  und  Kraniolo- 
gen,  dass  unter  den  Germanen,  die  hier  bestattet 
liegen,  ein  ächter Makrocephalus  sich  findet  von 
jener  ausserordentlichen  Form  , die  durch  künst- 
lichen Druck  hervorgebracht  ist,  mit  allen  Eigen- 
thümlichkeiten,  die  wir  an  diesen  Schädeln  kennen, 
die  nach  dem  Berichte  des  Hippocrat.es  schon  von 
den  scythischen  Anwohnern  des  Schwarzen  Meeres 
künstlich  hervorgebracht  wurden  und  die  in 
Gräbern  der  Krim  auch  gefunden  worden  sind. 
Dieser  Schädel  zeigt  deutlich  den  Eindruck  zweier 
Touren  der  Binde , er  ist  ungemein  leicht  und 
dünn  und  da  sich  dies  häufig  findet,  ist  zu  ver- 
muthen,  dass  die  Zusammenpressung  des  Schädels 
auf  die  Verkleinerung  der  ernährenden  Gefässe 
einen  Einfluss  übt.  Hior  mag  die  Verdünnung 
der  Knochen  auch  durch  das  Alter  des  Schädels 
zum  Theil  hervorgebracht  sein,  denn  an  verschie- 
denen Stellen  ist  die  Schädelwand  durchscheinend 
oder  gar  durchbrochen.  (Abbildung  Seite  130.) 

Ich  halte  diese  Schädel,  die  in  unsern  rheini- 
schen Reihengr&bern  Vorkommen,  für  Hunnen,  ln 
Köln  habe  ich  schon  1860  unter  den  in  der  Ursula- 
kirche aufbewahrten  Gebeinen  einen  solchen 
Schädel  gefunden.  Die  Kirche  steht  auf  derselben 
Stelle,  wo  der  frommen  Sage  nach  1 1 ,000  christ- 
liche Jungfrauen  (!)  von  den  Hunnen  niedergemetzelt 
worden  sind. 

Ich  habe  in  diesem  Sommer  einige  l(M)  der 
daselbst  befindlichen  Schädel  durchgesehen  und 

9 


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130 


etwa  eia  Dutzend  unter  denselben  von  auffallend 
runder  Form  gefunden,  die  sich  von  den  deutschen 
Schädeln  sofort  unterscheiden,  einige  haben  ein 
hochgestelltes  und  eingedrücktes  Stirnbein.  Die 


genaue  Untersuchung  hat  noch  nicht  stattgefun- 
den , weil  diese  Schädel  mit  Sammtbinden  zum 
Theil  verhüllt  sind.  Die  Anwesenheit  solcher 
Schädel,  welche  eine  fremde  Bildung  oder  gar  die 
der  Makrocephalen  an  sich  tragen,  kann  zur 
Bestätigung  jener  Sage  dienen.  Man  wird  im 
12.  Jahrhundert  an  einer  Stelle,  die  ein  alter 
Begräbnissplatz  war,  die  Schädel  ohne  Auswahl 
aufgerafft  haben  und  so  sind  die  von  Deut- 
schen uiid  Hunnen , weibliche  und  männliche, 
Greisen-  und  Kinderschädel  durcheinander  in  die 
Kirche  gekommen  und  dort  aufbewahrt  worden. 
Es  lmt  Ecker  den  im  Museum  zu  Mainz  be- 
findlichen Makrocepbalus  aus  den  Reihengräbern 
von  Niederolm  beschrieben.  Ich  selbst  habe  vor 
2 Jahren  in  Darmstadt  einen  ganz  entsprechenden 
gefunden,  der  sicherlich  ein  alter  Grabschädel  ist, 
über  die  Herkunft  weist»  man  nichts.  Der  von 
Meckenheim  war  der  dritte  aus  alten  Reihen- 
gräborn.  Als  ich  gestern  in  der  hiesigen  Ana- 
tomie mir  die  Schädel  ansah,  die  von  der  römischen 
Begräbnisstätte  vor  dem  Weissthurm thor  beim 
Centralbahnhof  herrühren , war  ich  überrascht, 
darunter  einen  ächten  Makrocephalus  zu  finden. 

Ich  zweifle  nicht , wenn  man  aufmerksam 
suchen  wird,  so  wird  man  in  den  Reihengräbern 


des  5.  und  6.  Jahrhunderts  noch  mehrere  solcher 
Schädel  finden , denn  gerade  im  5.  Jahrhundert 
machen  die  Hunnen  ihre  Einfälle  in  Deutschland 
und  die  Schweiz  und  bis  über  den  Rhein  hin. 
Auch  in  der  Schweiz  sind  wiederholt  solche 
Schädel  gefunden  worden.  Es  hat  sich  ferner 
gezeigt,  dass  die  Makrocephalen  der  Krim 
und  die  in  Deutschland  gefundenen  Hunnen- 
und  Avarenschädel  nicht  nur  in  der  ganz 
übereinstimmenden  Entstellung  des  Schädels, 
sondern  auch  in  andern  anatomischen  Merk- 
malen übereinstimmen  und  demselben  Volke 
zugeschrieben  werden  müssen.  Dasselbe 
zeigt  sich,  wenn  man  die  Makrocephalen  der 
Krim  mit  den  alten  Peruanerschädeln  vom 
Titicaca-See  vergleicht. 

Es  häufen  sich  überall  die  Beweise  für 
den  asiatischen  Ursprung  der  mittel-ameri- 
kanischen Kulturvölker  und  wenn  ein  kranio- 
logischer  Beweis  hinzukommt,  ist  dieser  von 
grösstem  Werth.  Sogar  der  Weg,  den  dies 
scythiBche  Volk  seit  dem  5.  Jahrhundert  vor 
unserer  Zeitrechnung  wie  nach  Westen  so 
nach  Osten  gemacht  bis  zum  neuen  Welt- 
theil,  ist  durch  Schädelfunde  in  Asien  be- 
zeichnet. Wenn  wir  hier  so  entstellte 
Schädel  von  den  Neuhebrideu  geseheu 
haben,  so  können  ja  Völker,  die  in 
gar  keiner  Beziehung  zu  einander  stehen, 
eine  gleiche  Sitte  üben , aber  wahrschein- 
licher ist , dass  Einwanderer  vom  Festlande 
Asiens  dieselbe  auf  die  Inseln  der  Südsee  gebracht 
haben.  Das  Grabfeld  vor  dem  Weissthurmthor 
wird  nach  den  dort  gemachten  Münzfunden  und 
der  Beschaffenheit  der  Grabgefässe  dem  4.  Jahr- 
hundert zugewiesen  und  damals  hatten  die  Hunnen 
noch  keine  Einfälle  in  das  Rheingebiet  gemacht. 
Es  bietet  sich  uns  aber  für  den  hier  gefunden en 
Makrocephalus  eine  andere  Erklärung  dar.  Der 
Kaiser  Gratianus,  der  von  375  bis  388 
herrschte , verpflanzte  nämlich  um  diese  Zeit 
Avaren,  die  die  östlichen  Grenzen  des  römischen 
Reiches  fortwährend  beunruhigten,  Uber  den  Rhein 
nach  Gallien.  Avaren  und  Hunnen  sind  aber  auf 
das  Nächste  verwandt , vielleicht  dasselbe  Volk. 

Es  ist  gewiss  ein  grosser  Gewinn , wenn  wir 
aus  den  Ueberresten  der  alten  Völker  selbst  und 
zwar  aus  Schädeln,  die  sich  in  den  entferntesten 
Ländern  finden,  ihren  ursprünglichen  Zusammen- 
hang erkennen  und  die  Richtung  ihrer  Wander- 
ungen vor  2000  Jahren  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit bestimmen  können. 

Herr  J.  Ranke: 

Ich  habe  mich  eines  Auftrags  von  Fräulein 


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Mestorf,  Kustos  des  Museums  vaterländischer 
Alterthümer  in  Kiel,  zu  entledigen.  Sie  hat  mir 
Gypeabgüss«  zweier  archäologisch  bedeutsamer 
Gegenstände  geschickt,  auf  welche  ich  Ihre  Auf- 
merksamkeit lenken  soll.  Fräulein  Mestorf 
schreibt  darüber: 

1.  In  den  Smithonian  Reports  f.  1877  S.  302 
und  303  widmet  Herr  Professor  8.  8.  Halde  inan 
seine  Aufmerksamkeit  einer  Perle  von  eigenthüm- 
licher  Form  und  Technik,  die,  wenn  die  von  ihm 
angeführten  ähnlichen  Exemplare  wirklich  gleicher 
Art  sind,  in  Amerika,  Afrika  und  Europa  Vor- 
kommen. Der  verstorbene  Morlot,  welcher  sich 
bereits  mit  diesen  Perlen  beschäftigte , hielt  sie 
für  phönicisch ; Franks  dahingegen  erklärt  sie 
für  venetianisches  Fabrikat  aus  dem  ] 5.  oder 
16.  Jahrhundert.  Eine  solche  Perle,  leider  nur 
in  einer  Hälfte  erhalten , besitzt  das  Kieler  Mu- 
seum vaterländischer  Altertbümer  aus  einem  Urnen- 
friedhofe bei  Oetjendorf  im  südöstlichen  Holstein. 
Hinsichtlich  der  Form  und  Grösse  stimmen  sie 
mit  der  in  den  Smithonian  Reports  a.  a.  0.  als 
Fig.  2 abgebildeten  Perle  von  Beverley  (Canada) 
überein ; in  der  Farbe  ist , wie  weiter  unten  er- 
wähnt, eine  kleine  Abweichung.  Die  Farbenfolge 
ist  nach  Angabe  des  Verf.  bei  allen  diesen  Perlen 
von  aussen  nach  innen:  blau,  weiss,  roth, 
weis s,  mit  einem  dunklen  Kern,  bei  einigen  du nkel- 
blau;  bei  den  modernen  venetianischen  Perlen: 
blau,  grün,  roth.  Die  Beverley  - Perle 
unterscheidet  sich  dadurch,  dass  der  äussero  blaue 
Ueberfang  mit  gelb  gesprenkelt  ist ; bei  den 
übrigen  ziehen  der  Länge  nach  hellere 
8 1 r e i f e n , welche  dadurch  hervorgebracht  wer- 
den, dass  die  unterlagernde  wei&se  Schicht  der 
Länge  nach  gekerbt  ist,  folglich  die  hochliegenden 
Rippen  durch  den  blauen  GUsfluss  hindurch- 
schimmern und  denselben  heller  erscheinen  lassen. 
Die  Oetjendorfer  Perle  zeigt,  wie  der  beifolgende 
Gypsabguss  veranschaulicht,  nachbenannte  Farben. 
Ueber  einen  der  Länge  nach  gerippten  Cylinder 
von  schwärzlichgrünem  Glase  lagern  übereinander 
sechs  Schichten  verschieden  gefärbter  Glasfluss: 
*/s  mm  weiss,  */*  grün,  V* — 1 m,n  weis«, 

4 mm  roth,  1 mm  weiss,  1 — 3 mm  blau; 
mit  Ausnahme  des  äusseren  blauen  Ueberfanges 
alle  der  Länge  nach  gerippt.  Die  farbigen  Schichten 
treten  dadurch  zu  Tage,  dass  die  Perle  in  Facetteu- 
schnitt  nach  beiden  Enden  abschrägt  und  über 
das  gebohrte  Loch  plan  abgeschnitten  ist , wo- 
durch das  Sternmuster  entsteht,  nach  welchem 
diese  Perlen  benannt  sind. 

Die  projektirte  Untersuchung  des  Oetjendorfer 
Urnenfriedhofes  hat  noch  nicht  stattgefunden. 
Ausser  der  Perle  besitzt  das  Kieler  Museum  von 


dorther  zwei  zertrümmerte  Thongefässe 
mit  verbrannten  Gebeinen.  Diese  Gefässe  gleichen 
hinsichtlich  der  Form,  des  Kornes  und  der  Färbung 
des  Thons  (das  eine  sogar  in  don  Ornamenten), 
den  Urnen  aus  einem  Gräberfelde  in  Lauenburg 
(Sterley),  von  wo  das  Kieler  Museum  ausser  den 
Urnen  eiserne  Gürtel  haken  besitzt  und  wo 
auch  eine  eiserne  Nadel  gefunden  wurde,  mit  Aus- 
biegung unterhalb  des  halbkugelförmigen  bronzenen 
Knopfes.  Hierdurch  ist  ein  Anhalt  für  die  Alters- 
bestimmung des  Oetjendorfer  Begräbnissplatzes  ge- 
wonnen. Nun  ist  indessen  zu  bemerken,  dass  die 
Perle  nicht  ans  einer  wohlerhaltenen  Urne  ge- 
hoben, sondern  beim  pflügen,  mit  Urnenscherben 
aufgeworfen  worden.  Ist  es  nun  zwar  wahr- 
scheinlich, dass  die  Perle  in  der  Urne  lag,  welche 
von  dem  Pflugeisen  zertrümmert  und  in  Scherben 
aufgeworfen  wurde,  so  ist  es  doch  nicht  beweg- 
lich und  folglich  kann  sie  nicht  für  ein  höheres 
Alter  zeugen,  als  Herr  Franks  es  diesen  Perlen 
zuspricht.  Um  so  wünschenswerter  wäre  es, 
zu  erfahren,  ob  und  wo  und  unter  welchen  Um- 
ständen ähnliche  Perlen  in  Deutschland  gefunden 
sind.  Herr  Dr.  Voss  (Berlin)  wird  vielleicht 
nähere  Auskunft  darüber  geben  können. 

2.  Eine  Frage , deren  Erörterung  ich  schon 
in  der  vorjährigen  Generalversammlung  in  Kiel 
anzuregen  beabsichtigte , betrifft  die  technische 
Herstellung  eines  bronzenen  Gürtels,  der 
vor  Jahren  nebst  anderen  Schmucksachen,  zwei 
Metern  und  einem  kurzen  Bronzeschwerte  bei 
Wennbüttel  Ksp.  Albersdorf  in  Dithmarschen  in 
einer  Urne*)  mit  verbrannten  Gebeinen  gefunden 
worden  und  sich  jetzt  im  Kieler  Museum  vater- 
ländischer Altertümer  befindet.  Ich  habe  ver- 
sucht einige  Glieder  der  in  viele  8tücke  zerrissenen 
Kette  in  Gips  abzufonnen.  Die  Frage,  die  ich 
daran  zu  knüpfen  mir  erlaube,  lautet:  Wie  sind 
die  einzelnen  Glieder  an  einander  gefügt?  Kein 
Archäologe,  kein  Techniker,  den  ich  gefragt,  hat 
bis  jetzt  die  Antwort  gefunden.  Dass  die  Kette 
gegossen  ist,  leidet  keinen  Zweifel,  aber  selbst 
mit  der  Lupe  lässt  sich  keine  Spur  von  Löthung 
entdecken,  noch  von  einem  8palt,  der  mechanisch 
zusammengetrieben  wäre.  Die  Glieder  sind,  wie 
die  Zeichnung  zeigt,  geschlossen,  das  dünne,  glatte 
Stück  dreht  sich  frei  und  lose  in  dem  cylinder- 
förmigen  hohlen  Theile  des  nächsten  Gliedes. 
Bei  vielen  ist  das  dünne  Stück  dnrchgescblissen, 
wodurch  zwei  kurze  Zapfen  gebildet  werden , die 
in  den  hohlen  Cylinder  einfassen ; allein  diese 
Verbindung  wäre  für  den  Gebrauch  nicht  solide 

*)  Die  Urne,  .ein  runder  Krug*,  stand  angeblich  in 
einem  .2  Ftwn  langen,  */*  Fuhr  hohen  irdenen  GefÄse 
mit  „erhabenem“  Deckel.*  — 

9* 


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132 


genug  gewesen  und  ausserdem  hat  eine  genaue  j 
Untersuchung  ergeben,  dass  die  unbeschädigten 
Glieder  ringförmig  geschlossen  sind.  Der  Charakter 
dieses  Grabfundes  weist  auf  eine  spät«  Periode 
der  Bronzezeit.  Dies  wird  bestätigt  durch  das 
eine  der  beiden  oben  erwähnten  Messer,  von  dem  | 
nur  der  bronzene  Griff  erhalten , während  die 
Klinge,  die,  wie  der  Stumpf  zeigt,  von  Eisen  war,  ; 
zerstört  und  verloren  ist.  Ein  zweiter  Gürtel  j 
gleicher  Art  liegt,  wenn  mein  Gedächtnis»  sich 
nicht  täuscht,  iin  altnordischen  Museum  in  Kopen- 
hagen , der  einzige , von  dem  ich  bis  jetzt 
Kunde  habe. 

Herr  J.  Ranke  schliesst : Ich  bitte  die 

Kenner  um  gefällige  Mitteilungen  über  die  an- 
geregten Fragen. 

Herr  0.  Tischler: 

Zn  dem  prsten  Gegenstände  erlaube  ich  mir 
zu  bemerken : Es  kommen  in  den  Grabhügeln  ; 
und  Urnenfeld eru  aller  Länder  dieselben  Perlen 
vor.  In  Süddeutsch iand  lassen  sich  in  den  Hügeln 
mit  metallischem  Inhalt,  welche  der  römischen 
Kaiserzeit  vorangehen,  deutlich  3 Perioden  unter- 
scheiden. Die  Produkte  der  letzten  beiden  dürften 
zum  Theil  aus  Etrurien  und  Gallien  stammen. 
Die  Glasperlen  sind  wahrscheinlich  nicht  römischen 
oder  italienischen,  sondern  ägyptischen  Ursprungs, 
da  Gluswaaren  in  Rom  erst  um  die  Mitte  des 
1.  Jahrhunderts  p.  Chr,  fabrizirt  sein  sollen.  Es 
kann  daher  diese  Gattung  von  Perlen , die  auch 
mehrfach  in  Italien  gefunden  ist,  von  den  Ufern 
des  Nils  hergekommen  sein,  zumal  die  Farben 
Aehnlichkeit  mit  denen  ägyptischer  Glasgefasse 
zeigen.  Doch  ist  die  Bache  aus  Mangel  an  genau 
beglaubigtem  Material  noch  nicht  als  abgemacht 
zu  betrachten.  — 

Der  zweite  Gegenstand  der  Vorlage,  die  Her- 
stellung jenes  Bronzegürtels,  ist  mir  oben  so 
räthselhaft  wie  Fräulein  Mestorf. 

Herr  Mehlis: 

Bevor  ich  zu  meinem  Gegenstände  ülK»rgehe, 
möchte  ich  mir  einige  Bemerkungen  erlauben 
zum  Vortrag  des  Herrn  8chaaff hausen:  Die 
Prämissen  seines  Schlusses  aus  den  zu  Mecken- 
heim gefundenen  Zierscheiben  werden  durch 
verschiedene  Zierscheiben,  welche  ich  weiter  süd- 
lich in  den  fränkischen  Kheingräbern  von  Wies- 
Oppenheim  bei  Worms  gleichfalls  in  sehr  hübscher  j 
Form  fand , vervollständigt , so  dass  wir  hier  I 
die  schönsten  Artefakte  vor  uns  haben.  Diese 
Zierscheiben  fanden  sich  , wie  mir  der  Ent- 
decker Dr  Köhl  versicherte , nur  iu  Frauen- 
gräbern,  und  da  wird  es  wohl  gewagt  erscheinen, 


diese  Zierscheiben  mit  Pferdeschmuck  in  Ver- 
bindung zu  bringen  und  ich  sch  Hesse  mich  der 
Meinung  des  Herrn  Schaaffhausen  an.  dass 
diese  Zierscheiben  am  Frauen  - Gürtel  angebracht 
worden  sind. 

Um  nun  zu  meinem  Gegenstand  überzugehen, 
so  will  ich  daran  erinnern  . dass  die  deutsche 
anthropologische  Gesellschaft  die  Güte  hatte,  die 
Ausgrabungen  bei  Dürkheim  mit  zweimal  ge- 
währten Geldmitteln  zu  unterstützen.  Im  ver- 
gangenen Jahre  wurden  an  der  nordwestlichen 
Seite  der  Limburg  zwei  viereckige  Schächte  ge- 
graben , jeder  Schacht  , der  künstlich  eingelassen 
wurde , hat  einen  seitlichen  Durchmesser  von 
2 m.  ln  dem  nördlichem  Schachte  trafen  wir 
bis  in  7 m Tiefe  vier  Brandschichten  an  . in 
denen  Kohlen,  Knochen  und  Scherben  mit  Spuren 
der  Drehscheibe  sich  befanden.  In  dem  obern 
Schacht  trafen  wir  dagegen  drei  Brundschickten 
an  , die  bereits  iu  Hm  Tiefe  auttiefen.  Schon 
aus  der  Differenz  zwischen  7 und  6 m in  beiden 
Schächten,  konnte  man  schliessen , dass  «in  Ab- 
fall des  Grundbodens  Ursache  dieser  Differenz 
sein  könnte.  Um  nun  die  horizontale  Ausdehn- 
ung der  Kulturlagen  zu  exploriren,  schlugen  wir 
auf  V i r c h o w ’s  Rath  in  südwestlicher  Richt- 
ung des  zweiten  Schachtes  einen  ] ] ui  langen, 
4 n»  breiten  und  bis  jetzt  in  einer  Tiefe  von 
2 m geführten  Graben  , ein,  mit  einer  Böschung 
von  45—  50  Grad,  so  dass  eine  Ausschachtung 
mit  Holzborten  nicht  nöthig  war.  Bis  zu  einer 
Tiefe  von  60  cm  trafen  wir  nun  rein  mittel- 
alterliche Scherben  an  . sowie  einige  Messing- 
gegenstände  und  einzelne  eiserne  Artefakte.  Bei 
den  Scherben  iBt  das  Mittelalter  genau  zu  er- 
kennen an  den  aussen  angebrachten  Riefen. 
Unter  dieser  mittelalterlichen  Schicht,  trafen  wir 
auf  eine  weitere  Lage  , welche  sich  durch  die 
auf  der  Drehscheibe  gefertigten  G «fasse,  besonders 
auch  durch  eine  römische  Münze  kennzeichnen, 

I als  aus  der  späteren  römischen  Periode  stammend. 

Was  diese  römischen  Münzen  betrifft,  so  ist  die»« 

| ein  Klein-Erz  und  stammt  aus  der  späteren 
Periode.  Die  Legende  ist  schwer  zu  entrttthseln ; 

. bei  der  Bestimmung  der  Münze  kann  man  sich 
' nur  nach  dem  Kopf  richten ; sie  scheint  darnach 
nach  Christus  geschlagen  zu  sein  , nac  h der 
Strahlenkrone  etwa  im  3-  oder  4-  Jahrhundert. 

Wir  sind  nicht  nur  in  den  Stand  gesetzt 
nach  diesen  Scherben  zu  behaupten  , dass  die 
Limburg  bereit«  in  der  römischen  Zeit  bewohnt 
sein  musste , sondern  dafür  sprechen  auch  noch 
andere  Indizien.  Es  fand  sich  nicht  nur  eine, 
sondern  eine  ganze  Serie  von  späteren  Münzen, 
| von  Mitte  des  3.  bis  Ausgang  des  4.  Jahr- 


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133 


hundert*  , bis  Valentiniun , einem  der  letzten 
Imperatoren,  am  Fusse  der  Limburg  nördlich 
vom  sogenannten  Herzogweiher.  Ausserdem 
fanden  wir  die  Itekannten  Formen  von  Hingen, 
Messern  und  andern  Bronzen,  welche  entschieden 
römischen  Ursprungs  sind,  und  mit  Berücksichti- 
gung auf  die  der  Limburg  gegenüber  liegenden 
Ringmauer  , welche  in  der  obere  Schicht  zahl- 
reiche Funde  aus  derselben  Zeit,  zu  Ende  des  3- 
oder  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  liefert,  kann 
man  wohl  die  gerechtfertigte  Behauptung  aus- 
sprechen , dass  wenigstens  diese  beiden  Stellen, 
der  Ringwall  auf  Limburg  nnd  die  gegenüber 
liegende  Ringmauer  noch  in  römischer  Zeit  oc- 
cupirt  waren.  Auch  von  den  elsässer  Ringwällen 
stimmt  dies ; auf  dem  Odilienherg  hat  man  bereits 
im  1 7.  Jahrhundert  eine  Reihe  römischer  Münzen 
angetroffen  , welche  Schöpflin  in  Erwähnung 
bringt.  Auch  diese  Römer-Münzen  gehören  einer 
spätere  Periode  an  und  sind  in  die  Zeit  des 
Maximian us  Herculeus  zu  Ende  des  3-  Jahr- 
hunderts zu  setzen.  Es  wird  also  nach  der  Ver- 
gleichung dieses  Römerfundes  keinem  Zweifel 
unterliegen  , dass  wir  hier  eine  römische  Schicht 
constatiren  können , d.  h.  eine  Kulturwchicht, 
welche  aus  der  römischen  Periode  herrührt.. 

Nachdem  diese  2.  Schicht  ungefähr  bis  ein 
Meter  aufgedeckt  worden  , trafen  wir  in  den 
beideu  hier  eingehauenen  Schächten  auf  eine 
Mörtelschicht , welche  sich  von  Südwesten  nach 
Nordost  regelmässig  gegen  die  Horizontale  ab- 
neigt. Die  erste  Schicht  war  2,50  m tief,  die 
/.weite  3,50  m,  die  dritte  hatte  eine  Tiefe  von 
5,50  in.*)  Kombiniren  wir  nun  am  Ende  des 
Einschnitts  die  Tiefe  mit  2,80  n»,  so  erhalten 
wir  eine  Mörtelschicht , welche  sich  in  einem 
Winkel  von  SO  Grad  abschrägt.  Unter  dieser 
Mörtelschicht,  welche  die  römische  Schicht  ab- 
schliesst,  trafen  wir  unmittelbar  Scherben  an,  die 
keine  Spur  des  Hömereintlusses  mehr  zeigen.  Ich 
habe  hier  einige  typische  Stücke  dargelegt.  Sie 
erinnern  durch  ihre  Technik , ihren  Typus  und 
ihre  Verzierungen  an  den  Rändern  an  diejenigen, 
welche  Dr.  Much  in  seinem  Vortrag  von  M itter- 
berg erwähnt  und  zugleich  an  die  vom  Bielersce, 
sowie  an  die  rohen  Gefilsse  aus  der  untersten 
Pfahlbautenscbicht  im  Züricher  Museum.  Die 
Aussenseite , welche  häufig  mit  einer  graphit- 
ähnlichen Masse  Überzogen  ist,  leistet  ganz  be- 
deutenden Widerstand  gegen  mechanische  Ein- 
drücke nnd  ist  jede  Scherbe  steinhart  zu  nennen. 
Allein  nicht  nur  auf  prähistorische,  keine  Spur 

*)  Vgl.  d.  Verf«.:  „Studien“,  IV.  Abth.  8.  111  bi« 
114  mit-  Zeichnung  der  Situation. 


1 der  Drehscheibe  verrathende  Scherben , Wirtel 
und  Senkkegel  geriet  hen  wir,  sondern  auch  auf 
Knochen , welche  in  Massen  aufgeschichtet  sind. 
Herr  Professor  Fraas  hat  sich  mit  grosser 
Liebenswürdigkeit  der  Untersuchung  der  Knochen 
unterzogen. 

In  Kürze  will  ich  nun  die  Thierspezies  au- 
geben , die  wir  vorfanden:  In  grösserer  Masse 
findet  man  sus  screfa  ferus,  Wildschwein , viel- 
leicht auch  von  sus  domesticus,  zweitens  ganze 
und  aufgeschlagene  Knochen  von  cervua  elaphus, 
Edelhirsch,  der  bereits  seit  dem  13.  bis  14.  Jahr- 
hundert im  Waskenwald  ausgestorben  ist,  drittens 
verschiedene  Knochen  von  bos  bracbyceros.  Nach 
Mittheilung  des  Herrn  Professor  Fraas  könnte 
dies  kleinhornige  Rind  zu  gegenwärtiger  Zeit  im 
Norden  nur  in  Nordschweden  Vorkommen,  im  Süd- 
osten trifft  man  nach  Beobachtungen  von  Graf 
W u rmbrao d nur  im  südöstlichen  Slavonien 
dieses  sonst  verschollene  Thier.  Andere  Skelett- 
| theile  weisen  auf  die  Anwesenheit  von  capra  und 
| ovis  hin , deren  Art  nicht  näher  zu  bestimmen 
| war,  und  verschiedene  andere  Fragmente  zeigen 
I uns  die  Anwesenheit  des  treuen  Haushundes  an, 
der  ehemals  die  Hütten  bewacht  hat.  Auch 
.Spuren  von  Elenthier  glaubt  Fraas  zu  erkennen. 

Wenn  auch  diese  Kjökkenmöddinger- 
Funde  an  und  für  sich  keinen  grossen  archäolog- 
ischen Werth  haben,  so  sind  doch  besonders  die  Scher- 
j ben  wichtig  für  die  Bestimmung  der  verschiedenen 
Schichten,  die  wir  nicht  nur  hier,  sondern  auch 
anderwärts  im  Rheinthal,  westlich  und  östlich  an- 
treffen. Allein  auch  die  Metallindustrie  ist  nicht  selten 
vertreten.  Ich  hatte  schon  im  vorigen  Jahre  die 
Ehre,  Bronzemesser  und  Bronzeringe  vorzuweisen 
und  die  neuesten  Ausgrabungen  bringen  eine 
weitere  Anzahl  Bronzeringe  und  Fibelfragmonte 
zu  Tage.  Hier  ist  ein  Bronzering  von  der  rö- 
mischen Schicht,  der  sich  unterscheidet  durch  eine 
knopfartige  Schliessenform  von  den  einfachen 
Armringen  der  prähistorischen  Schicht,  die  wir 
auf  der  Höhe  der  Limburg  angetroffen  haben. 
Die  Reste  von  Bronzefibeln  deuten  auf  den  so- 
genannten la  Tine -Typus  hin.  Fernerhin  trifft 
man  auch  die  bekannten  Wirtel  in  verschiedener 
Struktur  zum  grossen  Theil  konisch  gebaut  auf 
horizontaler  Oberfläche;  andere  bestehen  aus 
einem  abgestutzten  Doppelkonus,  der  auf  beiden 
Endflächen  abgeplattet  ist.  Auf  denselben  trifft 
man  sehr  häufig  Verzierungen,  einfache  Kreis- 
Ornamente  an  und,  merkwürdig,  dass  sowohl  in 
Mykenae,  als  auch  in  Troja  ganz  ähnliches  vor- 
kommt. In  der  Prähistoric  befolgte  man  eben  natur- 
gemäß* an  verschiedenen  Orten  dieselbe  Technik  und 
Ornamentationsart,  ohne  dass  desshalb  sofort  auf 


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einen  ethnologischen  Zusammenhang  zu  schließen 
wäre.  Die  Kjök  kenm  Ödding  er  in  den  Pfahl- 
bauten, am  Osteeestrande,  an  den  Dardanellen  und 
am  Rheinufer  zeigen  ganz  ähnliche  Artefakte  auf; 
Verschieden  sind  nur  die  Produkte  der  Einfuhr. 

Nachdem  man  die  Mörtelschiclit  blosgelegt 
hat,  wird  es  Aufgabe  unseres  Zweigvereins  sein, 
auch  die  tiefer  liegenden  Brandschichten  aufzu- 
decken und  es  wird  sich  zeigen,  ob  die  verschie- 
denen Brandschichten  correspondiren  mit  den 
weiter  nach  Südwesten  liegenden  Kulturlagen. 

Es  ist  auffallend,  wie  jede  Kulturschicht  sich 
in  Verbindung  findet  mit  zwei  Mörtelschichten ; 
die  Mörtelschicht  schließt,  nach  oben  und  unten 
die  veraschte  Erde , die  Kohlenstücke , Scherben 
und  Knochen  vollständig  ein. 

Mit  diesen  Bemerkungen  begnüge  ich  mich 
für  diesmal. 

Herr  Mook  (Kairo) : 

Gestatten  Sie  mir,  dass  ich  Ihnen  Bericht 
gebe  über  die  Resultate  der  Ausgrabungen,  die 
ich  im  Laufe  des  letzten  Winters  in  Aegypten 
vorgenommen  habe.  Ich  möchte  gerne  die  Frage 
der  ägyptischen  Steinzeit  nochmals  vor  ihr  Forum 
bringen,  weil  in  nächster  Zeit  von  deutscher  Seite 
wohl  nicht  mehr  viel  auf  diesem  Felde  geschehen 
wird,  da  diejenigen,  die  sich  seither  für  diese  Frage 
besonders  interessirten,  theils  gestorben,  theils  in 
die  Heimath  zurückgekehrt  sind.  Bevor  ich  je- 
doch auf  diese  Sache  selbst  eingehe,  möchte  ich 
noch  einige  Punkte  erörtern , die  mir  von  Herrn 

V i r c h o w bei  der  vorjährigen  V ersawmlung  in 
Kiel  entgegengehalten  wurden.  Ich  ging  desshalb 
damals  auf  eine  nähere  Erörterung  nicht  ein, 
weil  ich  selbst  fühlte,  dass  ich  noch  nicht  ent- 
gttltig  die  Frage  entscheiden  könne,  so  lange  mein 
Material  nicht  ein  grösseres  wäre. 

Der  erste  Punkt  der  mir  von  Herrn  Vir  chow 
entgegengehatten  wurde,  war  der,  dass  „die 
blosse  Existenz  geschlagener  Steine 
noch  keinßeweisdafür  sei,  dass  sie  der 
Steinzeit  angehören.“ 

Dieser  Satz  versteht  sich  eigentlich  von  selbst. 
Wenn  man  Gewehrsteine  oder  Feuersteine  findet, 
so  braucht  man  dabei  nicht  sofort  an  Steinzeit 
zu  denken.  — Der  zwoite  Punkt  war  „die 
natürliche  Entstehung“,  und  mit  Bezug 
auf  meine  Sammlung  sprach  Herr  Vir  chow  die 
Ansicht  aus,  „dass  noch  heutigen  Tags  die  Bruch- 
stücke sicherer  Artefakte  immer  Gegenstand  von 
mehr  oder  minder  wohlwollender  Beurtheilung 
sein  können.“  Ich  glaube,  dass  wenn  Herr 

V i r c h o w meine  und  die  Haimann’  sehe  Samm- 


lung jetzt  sähe,  er  diesen  Satz  nicht  mehr  auf- 
recht erhalten  würde. 

Ich  habe  vom  Novbr.  bis  Mitt«  Detbr.  v.  In. 
wiederum  bei  Heluan mitM  öricke  undH  er twig, 
die  leider  beide  inzwischen  gestorben  sind,  Aus- 
grabungen vorgenommen : das  Resultat  war  über- 
raschend. Auf  einem  Raum  von  ca.  4 qm  fanden 
sich  bis  zu  einer  Tiefe  von  2 m 13  — 14  ziemlich 
wohlerhaltene  Kameelsehädel.  Kieferreste  von 
Hyäne,  Zebra,  Esel  und  ein  Schädel  von  Anti- 
lope bubalis  fand  sich  nur  in  der  obersten  Schichte. 
Je  weiter  wir  nach  unten  kamen,  desto  ausachiess- 
licher  fanden  sich  Kameelsehädel.  Diese  Funde, 
die  ich  den  Münchener  Staats  - Sammlungen  zum 
Geschenk  gemacht  habe,  befinden  sich  noh  in  den 
Händen  des  Herrn  Prof.  Rütimeyer  zur  nä- 
heren Bestimmung.  Zu  erwähnen  bleibt,  dass 
bis  in  die  untersten  Schichten  Holzkohlen  und 
Feuersteininstrumente  sich  vorfanden.  Der  Ver- 
lauf der  Kulturschichte  schwarzer  Erde  im  gelben 
Sande  war  immer  ein  muldenförmiger.  Jedenfalls 
haben  wir  es  dabei  mit  der  ältesten  Steinzeit  zu 
thun,  und  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  dieselbe 
immer  älter  wird,  je  weiter  wir  nach  unten  gelangen. 
Mann  kann  vielleicht  darüber  in  Zweifel  sein,  ob 
schon  Menschen  in  diesen  Mulden  gewohnt  haben 
oder  ob  diese  Mulden  durch  Anschwemmung  und 
Verschwenunung  sich  gebildet  haben,  aber  für 
die  eigentliche  Frage  macht  dies  sehr  wenig  aus ; 
der  Kernpunkt  der  Frage  wird  der  sein  müssen  : 
aus  welcher  Zeit  stammen  die  Instrumente,  in 
welcher  Zeit  haben  Menschen  da  gewohnt?  An- 
haltspunkte geben  uns  die  Knochenfunde  und  die 
Form  der  Feuersteininstrumente.  Will  man  nicht 
annehnien,  dass  dieselben  an  Ort  und  8telle  ent- 
standen , aus  der  Zeit  stammen , wo  die  Wüst« 
noch  nicht  als  Ebene  existirte,  gut:  so  muss 
man  wobl  annehmen,  dass  sie  aus  einer  noch  viel 
früheren  Zeit  datiren,  wo  das,  was  jetzt  Wüst« 
ist,  erst  angeschwemmt  wurde.  Die  Formen  der 
Feuersteininstrumente  selbst  sind  überall  die  ein- 
fachsten , gespaltene  und  gespitzte  Steinsplitter. 
Ganz  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  auf 
der  Oberfläche;  die  Wüste  ebnete  sich  allmählig 
durch  Regengüsse  und  Flugsand,  die  Menschen 
wohnen  auf  glatter  Fläche.  Hier  finden  wir 
ausser  dem  gespaltenen  Stein  auch  den  rund  be- 
arbeiteten. Die  einzelnen  Perioden  sind  sehr 
leicht  zu  unterscheiden;  zunächst  begegnen  wir 
einzelnen  Messern,  deren  Rücken  bearbeitet  ist. 
Die  Messer  waren  noch  nicht  in  Holzstiele  ein- 
gesetzt und  um  den  Zeigefinger  gegen  den 
scharfen  Rand  zu  schützen,  bearbeitet  man  den 
Rücken.  Nachdem  man  das  gelernt,  spaltet  man 
den  Stein  nicht  mehr  bloss,  sondern  bearbeitet 


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135 


ihn  ganz  rund ; dieses  ist  den  alten  Steinzeit-  ! 
Aegyptern  derart  geglückt,  dass  man  die  Lupe  j 
nehmen  muss,  um  die  einzelnen  Schlagflächen  zu 
erkennen.  Das  ist  die  letzte  Periode.  Zum 
Poliren  und  Durchbohren  des  Steins,  wenigstens 
nach  den  seitherigen  Funden  zu  schliessen , ist 
man  nicht  gekommen.  Auch  in  der  schönen 
H a i m a n n ’ sehen  Sammlung  , deren  seltenste 
Stücke  ich  ihnen  vorgelegt  habe , findet  sich 
nichts  Derartiges.  Dos  Volk,  welches  sich  in 
Unterägypten  dieser  Steinmesser  bediente , war, 
wenn  man  aus  den  winzigen  Messern  einen  Schluss 
ziehen  darf,  ein  sehr  kleines.  Nirgends  fanden 
wir  kräftige  Instrumente,  sondern  meist  so  kleine, 
dass  ich  mir  die  Frage  vorlegen  musste:  was 
wollte  und  konnte  damit  gemacht  werden?  Ganz 
anders  ist  es  in  Oberägypten  auf  dem  linken 
Nilufer  bei  Theben.  Da  sind  die  Steine  schon 
so  gross,  wie  wir  sie  ungefähr  im  Norden  finden, 
Messer,  Meisel  und  Lanzenspitzen  mit  denen  sich 
schon  etwas  ausrichten  lässt. 

Wir  begegnen  auch  bei  Theben  wieder  zwei 
Perioden  an  der  OberHäche,  wir  finden  rund  be- 
arbeitete Steine  ganz  so  wie  im  Norden,  neben 
einfach  gespaltenen  und  gespitzten  Steinen.  Ich 
habe  im  Laufe  des  vorigen  Winters  Gelegenheit 
gehabt,  auch  das  rechte  Nilufer  in  der  Nähe 
von  Luxor  zu  durchforschen  und  ich  fand  drei 
Stunden  nordöstlich  von  Luxor  bei  dem  Dorfe 
Derr  auf  einem  Raume  von  einer  Stunde  im 
Umkreis  tausende  von  Messern  mit  bearbeitetem 
Rücken.  Ich  getraue  mir  aber  keinen  Schluss 
daraus  zu  ziehen;  die  ganze  Wüste  war  mit 
Messern  Ubersäet,  als  ob  es,  so  zu  sagen,  Messer 
geregnet  hätte.  Unter  denselben  fand  ich  das 
halbmondförmige  Messerchen , ganz  so  wie  in 
Unterägypten.  Das  lässt  darauf  schliessen,  dass 
wir  es  hier  mit  einer  und  derselben  Periode 
der  Steinzeit  zu  thun  haben,  und  zwar  müssen 
wohl  auf  dem  rechten  Ufer  des  Nils  bei  Luxor 
dieselben  Menschen  gewohnt  haben,  wie  bei  He- 
luon.  Es  wäre  sonst  nicht  denkbar,  wie  da  ganz 
genau  dieselben  Formen  wieder  auftreten.  Es 
scheint,  dass  rechts  und  links  vom  Nil  bei  Luxor 
mehrere  verschiedene  Völker  gewohnt  haben,  denn 
das  Volk,  das  diese  schweren  Instrumente  auf 
dem  linken  Ufer  geschlagen  hat,  ist  jedenfalls 
ein  ganz  anderes  als  das,  welches  sich  der  kleinen 
Messerchen  bediente.  Auf  dem  ganzen  rechten 
Ufer  bei  Derr  gibt  es  fast  keinen  Stein  ausser 
offenbaren  Splittern , welchen  man  nicht  für  ein 
fertiges  Instrnment  halten  muss  und  man  wird 
nicht  behaupten  können,  dass  man  es  mit  den 
Bruchstücken  eines  Fabrikortes  zu  thun  hat, 
schon  aus  dem  Grunde , weil  nicht  nur  einzelne, 


sondern  viele  tausende  genau  dieselbe  Form 
haben. 

Was  die  Zeit  der  Entstehung  dieser  Instru- 
mente auf  dem  linken  Nilufer  bei  Luxor  (Theben) 
betrifft , so  wäre  es  immerhin  möglich,  dass  ein 
Theil,  über  den  man  streiten  kann,  noch  in  die 
historische  Zeit  hineinreicht.  Die  alten  Aegypter 
mögen  immerhin  mit  einzelnen  Feuer  geschlagen 
haben,  während  bei  den  rundgearbeiteten  Stücken 
wohl  Niemand  behaupten  wird , dass  die  alten 
Aegypter  sich  derselben  als  Feuersteine  bedient 
hätten.  Für  die  Verwendung  des  Feuerstoins 
in  historischer  Zeit  kann  ich  selbt  Beweise  vor- 
legen. Ich  habe  hier  ein  kleines  Instrument  aus 
einem  Grabe  in  Theben.  Es  besteht  aus  einem 
Holzstäbchen , oben  ist  in  ein  Harzgemenge  ein 
Feuersteinsplitter  eingesetzt.  Es  scheint  ein 
chirurgisches  Instrument  oder  das  eines  Künstlers, 
vielleicht  zur  Herstellung  von  Hieroglyphen  be- 
stimmt, gewesen  zu  sein.  Ferner  kann  ich  noch 
einen  Pfeil  aus  historischer  Zeit  vorlegen , bei 
welchem  aus  Emailmasse  eine  Pfeilspitze  in  ein 
Rohrstäbchen  eingesetzt  ist,  die  wohl  schwerlich 
dazu  diente,  um  irgend  etwas  damit  zu  tödten. 
Die  Steinzeit  selbst  scheint  vom  ersten  Katarakt 
an  vollständig  abgeschlossen  zu  sein.  Ich  war 
wieder  bis  zum  zweiten  Katarakt.  Ich  durch- 
stöberte die  Wüste  rechts  und  links  des  Nils 
und  fand  nirgends  geschlagene  Steininstrumente; 
dagegen  ziemlich  viele  von  diesen  runden  Steinen, 
die  vielleicht  als  MehlqueUcher  oder  Schleifstein»1 
gedient  haben  könnten.  Einige  davon  sind  so  un- 
verkennbar gleichmäßig  geschliffen,  dass  sie  offen- 
bar einem  bestimmten  Zwecke  dienten ; immerhin 
können  sie  noch  in  historische  Zeit  hineinragen, 
wenigstens  habe  ich  in  Nubien  gesehen,  dass  die 
Leute  das  Getreide  mit  Steinen  zermahlen,  nur 
sind  dieselben  viel  grösser,  von  Pyramidenform, 
so  dass  sie  leicht  oben  mit  zwei  Händen  gehalten 
werden  können. 

Ich  wäre  sehr  dankbar  dafür,  wenn  diejenigen 
Herren,  die  sich  spezieller  mit  dieser  Art  von 
Steininstrumenten  zu  befassen  Gelegenheit  hatten, 
über  den  Zweck  derselben  ihre  Ansicht  aus- 
sprechen wollten,  ebenso  in  Betreff  der  rund- 
gearbeiteten Stücke  vom  linken  Ufer  bei  Luxor 
und  der  kleinen  halbmondförmigen  Messerchen 
aus  der  Gegend  von  Heluan  und  Derr. 

Herr  0.  Fr  aas  (Vorsitzender): 

Herr  Dr.  Mook  hat  sich  auf  eine  Verhand- 
lung vom  vorigen  Jahre  in  Kiel  berufen,  wo  Herr 
Virchow  noch  einige  Zweifel  an  der  ägyptischen 
Steinzeit  gehegt  hat.  Ich  bedauere  nur  mit  Herrn 
Mook,  dass  Herr  Virchow  noch  nicht  anwesend 


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136 


ist , denn  ich  bin  überzeugt,  dass  er  die  Zweifel 
nunmehr  ebenso  würde  fallen  lassen,  wie  auch  die 
Herrn  Lepsius  und  Schweinfurth.  Gs  ist 
mit  der  Wandlung  unserer  Ansichten  eine  eigene 
Sache.  Man  hält  gerne  eine  Ansicht  so  lange 
fest,  bis  Thatsachen  als  Beweise  für  eine  verän- 
derte Anschauung  ins  Feld  rücken,  denen  gegen- 
über man  nicht  mehr  zweifeln  kann.  Man  mag 
logische  Argumente  bringen , welche  man  will, 
eine  einzige  Thatsache  wirft  die  Logik  über  den 
Haufen,  denn  was  man  sieht,  wirkt  durchschla- 
gend. Die  Thatsache  von  der  Existenz  der  egyp- 
tischen  Steinzeit  ist  bedeutungsvoll  für  unsere 
ganze  Weltanschauung  und  wir  dürfen  uns  gegen 
die  Thatsachen  nicht  versch  Hessen,  dass  alle  die  vor 
uns  liegenden  egyptischen  Steinartefakte  mit  den 
europäischen  die  grösste  Uebereinstimmung  zeigen. 
Auf  dem  Tische  hier  liegen  dieselben  Konnjuetscher, 
wie  sie  aus  den  Tiefen  des  Boden see’s  oder  den 
Schweizer  Pfahlbauten  hervorgazogen  werden,  die- 
selben Messer,  Sägen  und  Schaber  aus  Feuerstein, 
die  man  ohne  Etikettiruug  geradezu  verwechseln 
würde.  Das  deutet  auf  eine  Uniformität  der 
Bevölkerung  , welche  in  Europa  wie  in  Afrika 
gleichmässig  sich  ihre  Gerätbe  bearbeitete.  Die 
nächste  Consequenz  aber,  die  aus  dem  Vorhanden- 
sein der  tausend  und  abertausend  Steinmesser  in 
der  heutigen  Wüste  sich  ergiebt,  ist  die  Annahme, 
dass  zu  jener  Zeit  der  Bereitung  der  Feuerstein- 
geräthe  die  Wüste  in  ihrem  heutigen  Umfang 
noch  nicht  existirte.  Es  ist  uns  damit  die  Wand- 
lung der  Wüste  in  Aussicht  gestellt,  die  sicherlich 
tun  Anfang  der  afrikanischen  OberflUchebildung 
noch  nicht  existirt  hat.  Es  muss  vielmehr  einst 
cino  Zeit  gegel>en  haben,  in  welcher  die  trockenen 
Winde  noch  nicht  ül»er  Zentralafrika  wehten,  wo 
vielmehr  die  heutige  Wüste  ein  befeuchtetes  üppig 
sprossendes  Land  war.  Für  mich  ist  das  kein 
Zweifel  mehr,  dass  die  heisse  Wüste,  durch  welche 
jetzt  unsere  Freunde  ziohen,  in  der  Zeit,  in  welcher 
die  Feuersteine  zugeschlagen  wurden,  noch  grünes 
Land  wur  und  erst  nach  der  Steinzeit  die  Wüste 
entstund.  Die  Menschen  aber  die  dort  wohnten, 
waren  in  Sitten  und  Gebräuchen  den  Menschen 
der  europäischen  Steinzeit  gleich.  Die  Wandlung 
ihrer  Heimat  in  Wüste  gab  dann  den  Anstoss 
zur  Auswanderung  der  Bevölkerung,  die  sich  nach 
dem  Süden  Europa'«  zog.  Dieselbe  Ursache  aber, 
welche  die  Bildung  der  heutigen  Wüste  ver- 
anlasste,  hatte  auch  eine  Wandlung  der  Eiszeit 
in  Europa  zur  Folge.  Die  ersten  Einwanderer 
in  Europa  brachten  aus  ihren  Stammsitzen  in 
Afrika  dieselben  Sitten  und  Gebräuche  mit,  deren 
Gleichartigkeit  in  Europa  und  der  heutigen  Wüste 
in  Afrika  uns  so  Überzeugend  vor  Augen  gerückt  ist. 


Herr  Ecker: 

Die  meisten  der  geehrten  Mitglieder  werden 
sich  erinnern,  dass  schon  auf  der  Stuttgarter 
Versammlung  der  Antrag  auf  Aufstellung  einer 
Statistik  der  Körperbeschaffonheit  der  Bewohner 
Deutschlands  gestellt  wurde  und  zwar  sollte  diese 
Körpergrösse,  Schädelform,  Farbe  der  Haare  und 
Augen  umfassen.  Sie  wissen,  dass  bezüglich  der 
letzteren  die  Aufstellung  der  SrhulstatUtik  zu 
Eude  geführt  ist  und  jeden  Tag  deren  Publikation 
erwartet  wird.  Auch  bezüglich  der  Körpergrösse 
habe  ich  schon  in  Stuttgart  der  Versammlung 
mitgethcilt,  dass  ich  begonnen  habe  eine  statistische 
Erhebung , zunächst  auf  das  (Irossherzogthum 
Baden  beschränkt,  vorzunehmen.  Man  hat  auch 
versucht,  in  Preussen , durch  eine  Untersuchung 
bei  der  Armee,  diesem  Wunsche  nachzukommen  ; 
es  stellten  sich  aber  diesen  Untersuchungen  an 
einer  im  Dienste  befindlichen  Bevölkerung  unüber- 
windliche Hindernisse  entgegen.  Für  mein  engeres 
Vaterland  Baden  habe  ich  diese  Untersuchung  voll- 
endet (Archiv  f.  Anthrop.  Bd.  IX  ) und  habe  aus  25- 
jälirigcm  Durchschnitt,  von  den  Jahren  1840  bis 
1865  die  betreffenden  Daten  entnommen;  die  Resul- 
tate habe  ich  auf  einer  Karte  graphisch  dargestellt 
und  dabei  dreierlei  Kategorien  gemacht:  1)  Gegen- 
den und  Ortschaften  in  welchen  unter  1000  Unter- 
suchten 0 bis  10  Prozent,  wegen  Untermaass  Un- 
taugliche sich  finden.  2)  Solche  mit  10-20 
Prozent.  3)  Solche  mit  über  20  Prozent.  Die 
erste  Kategorie  ist  auf  der  Karte  hell  schraffirt, 
die  2te  dunkel,  die  3te  am  dunkelsten.  Die  Karte 
hnf  auf  den  ersten  Anblick  allerdings  ein  etwas 
buntes  Ausehen,  bei  näherer  Betrachtung  ergeben 
sich  jedoch  ganz  deutlich  gewisse  bestimmte  Ver- 
hältnisse. Nun  ist  allerdings  bekannt  , daas 
die  Körpergrösse  der  Bevölkerung  von  sehr  ver- 
schiedenen Umständen  abhöngt,  von  der  Beschaf- 
fenheit des  Bodens , ob  in  Thälern , oder  auf 
Höhen,  von  der  Beschäftigung,  ob  Ackerbau  oder 
Industrie  u.  s.  w.  Allein  im  grossen  Ganzen  kann 
man  doch  sagen,  dass  das  Etnographische  durch- 
schlägt. 

Mein  Antrag  geht  nun  dahin,  dass  in  derselben 
Weise  zunächst  in  Bayern  und  Württemberg  vor- 
gegangen werden  möchte,  dass  man  einen  2öjäh- 
rigen  Durchschnitt  von  1840—1865,  welcher 
Zeitraum  ziemlich  friedliche  Jahre  umfasst,  auch 
für  W ürttemberg  und  Bayern  annehmen  möchte.  Das 
wäre  wieder  ein  Fortschritt  für  unsere  Unter- 
suchungen, an  welche  dann  weiter  aiigeknüfyft 
werden  kann. 

(Fortsetzung  in  Nro.  11.) 


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1 09 


Krone , Goldspangc , Bronzedolch  u.  s.  w.  neben 
einem  vierräderigen  Streitwagen  t dessen  Achsen 
und  Radnaben  kunstvoll  mit  Kupfer  beschlagen 
waren.  Das  Grab  war  von  3,5  m langen  Holz- 
dielen umrahmt  auf  der  früheren  Erdfläohe  auf- 
gesetzt , zunächst  mit  grossen  , rohen  Felssteinen 
zugedeckt  und  dann  6 m hoch  mit  Erde  über- 
schüttet. Ein  2tes  seitliches  Grab  innerhalb  des 
Hügels  war  1,20  m in  den  natürlichen  Boden  ein- 
gelassen und  enthielt  gleich  dem  Hauptgrab  die 
Reste  von  Waffen  und  Sch  muck  Sachen, 

A eheliche  Verhältnisse  auch  im  Kleinaspergle 
erwartend , beschloss  ich  diesen  Hügel  in  regel- 
rechtem Stollenbau  zu  bearbeiten,  um  die  über- 
mässigen Kosten  der  Abtragung  desselben  zu  er- 
sparen und  bemerke  zum  Voraus , dass  ich 
namentlich  der  sonst  so  vortrefflichen  Instruk- 
tion des  Herrn  v.  Co  hausen  gegenüber  (Beilage 
zun»  Correspondenzblatt  des  Gesommtrereins  der 
Deutsch.  Gesch.-  u.  Alterth.-Ver.  Decbr.  1878)  dem 
Stolleobetrieb  den  Vorzug  gebe  und  ihn  ebenso 
wegen  seiner  Billigkeit  empfehle,  als  wegen  der 
Sicherung  der  Funde,  denen  man  in  ihrer  natür- 
lichen Lage  mit  aller  Behutsamkeit  nachgehen 
kann.  Das  Auge  schärft  sich  sehr  bald  auch 
beim  Grubenlicht  und  gewöhnt  sich  durch  das 
Dunkel  hindurchzusehen,  man  arbeitet  viel  ruhi- 
ger und  aufmerksamer  durch  vorsichtiges  Unter- 
graben, während  beim  Tagebau  der  Arbeiter  von 
oben  her  in  den  Boden  hackt  und  somit  der  Fund 
mehr  der  Zerstörung  ausgesetzt  ist,  als  beim 
Grubenbau. 

Ich  legte  den  Stollen  genau  von  West  nach 
Ost,  den  Hügel  auf  der  Westseite  in  Angriff  neh- 
mend. In  Beiremise  war  die  Lage  der  Skelette 
von  Süd  nach  Nord  und  hoffte  ich  im  Stollen 
diese  sicherer  anzuschneiden,  als  bei  einem  Angriff 
auf  der  Süd-  oder  Nordseite.  Ich  hatte  auch 
wirklich  das  Glück  mit  18  m Stollenlänge  auf 
ein  Grab  zu  stossen.  Dasselbe  war  sorgfältig  ab- 
gegrenzt, von  hölzernen  Rahmen  von  25  und  26 
Ceoiimenter  Durchmesser  umgeben  und  maas  in 
der  Breite  2 n»,  in  der  Länge  3 m.  Das  Grab 
lag  auf  der  natürlichen  ErdflUche  und  wurde  auf 
der  Sohle  des  Stollens  angefahren.  Dasselbe 
zeigte  sich  sorgfältig  zugedeckt  mit  einem  Zelt- 
teppich. Zeltstangen  , welche  das  Tuch  trugen, 
waren  noch  in  den  Seitenwänden  sichtbar , das 
Zelttuch  selbst  war  natürlich  längst  vergangen, 
aber  der  weicho  Lelun  hatte  das  Gewebe  abge- 
drückt. An  der  ganzen  Behandlung  des  Grabs 
und  der  Anordnung  der  Grabgegenstände  unter 
dem  Zeltdach  war  eine  wahrhaft  rührende  Sorg- 
falt zu  erkennen,  mit  welcher  das  Grab  behandelt 
war.  An  der  Ostwand  der  Grabkammer  stunden 


nebeneinander  vier  prachtvolle  grosse  Bronze-  und 
Kupfergefilsse , beziehungsweise  eine  aus  Kupfer 
getriebene  Wanne  (labrum),  1 m im  Durch- 
messer haltend.  Es  war  das  Mischgeftiss  für  den 
Wein , in  welchem  noch  ein  hölzerner  Sehapfen 
lag,  leider  sehr  vergangen,  wie  mir  scheint  aus 
Birnbnumholz.  Das  zweite  Gefäss  ist  ein  aus 
Kupferringen  aufgebauter  Schöpfeimer,  eine  soge- 
nannte Ciste.  Neben  dem  Eimer  stand  ein  zwei- 
henkliges Bronzegefäss  mit  massiven  Henkeln, 
verziert  mit  rein  etrurischen  Ornamenten.  Das 
vierte  Geftlss  war  ein  rein  etrurisches  einhenkeli- 
ges Gefäss  (sog.  nasiterna)  die  Schnauze  der 
Kanne,  sowie  der  Untertheil  des  Henkels  ist  mit 
phantastischen  Thierköpfen  verziert , wie  wir  sie 
sonst  nur  an  etrurischen  Arbeiten  kennen.  Während 
dies  alles  an  der  Ostseite  des  Grabe*  war,  lagen 
an  der  Westseite  die  eigentlichen  Reste  der  Leiche, 
d.  h.  ein  Häufchen  Asche  und  weisse  gebrannte 
Knochen , mit  einem  goldverbrämten  Tuch  einst 
sorgfältig  zugedeckt;  die  runden  Goldplättchen 
und  die  länglichen  Besatzstreifen  lagen  auf  dem 
Häufchen  Knochen  und  Asche.  Abseits  von  den- 
selben in  der  eigentlichen  Mitte  des  Grabes  lagen 
die  Kostbarkeiten  beigesetzt ; zwei  Schalen  von 
I vollendeter  attischer  Form , aus  lemnischer  Erde 
gearbeitet.  Die  Malerei  in  einer  derselben  stellt 
l roth  auf  schwarz  eine  Priesterin  dar,  die  mit  einem 
brennenden  Holzscheit  den  Opferbrand  entzündet. 
Der  Rand  der  Schale  i3t  mit  einem  Epheukranz 
; bemalt  und  was  bisher  noch  nie  gefunden  wurde, 
j die  Unterseite  war  mit  goldener  Draperie  versehen. 
Ebenso  mit  Goldblech  auf  der  Unterseite  drapirt 
war  auch  die  2to  Schale  , in  welcher  mit  gelb- 
grüner  Farbe  ein  Kranz  aus  Mohn  und  Binsen  auf- 
gemalt  Ist.  Zwischen  den  Knochenhäufchen  und  den 
Schalen  lag  ein  Holzring  aus  Ebenholz  mit  golde- 
nem Knopf  verziert,  der  nach  seiner  Stärke  zu 
urtheilen,  an  einen  Frauenarm  passte.  Auch  der 
weitere  Schmuck  neben  den  Schalen,  bestehend  in 
einem  goldenen  Annschmuck  und  silberner  Kette, 
deutet  auf  eine  Frau  als  einstige  Trägerin  hin.  Kei- 
nerlei Waffen,  kein  Dolch,  kein  Schwert  oder  Schild, 
die  den  Männergräben»  nicht  fehlen,  sondern  nur 
Schnmekgegenstünde,  aufs  sorgfältigste  geai*beitet, 
von  ausserordentlicher  Schönheit.  Das  merkwür- 
digste aber , das  noch  weiter  in  des  Grabes  Mitte 
lag,  sind  zwei  goldeno  Hörner,  nennen  Sie  es 
Füllhorn  oder  wie  Sie  wollen.  Das  Horn  ist  von 
der  Gestalt  eines  Stierhorns,  an  dem  untern  Ende 
ist.  ein  Widderkopf  angebracht.  Das  Horn  selbst 
ist  wie  das  Horn  der  Kuh  oder  des  Stiers  dop- 
pelt gekrümmt , ein  eiserner  Dorn  in  dem  Horn 
bildet  das  Gerüste , um  welches  Holz  gelegt  ist, 
das  Holz  »iber  ist  mit  Goldblech  belegt , dos  auf 


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110 


Kupferblech  aufgelegt,  war.  Die  Ornamente  auf 
dem  Gold  sind  von  grosser  Schönheit.  Welchem 
Zweck  mochte  das  Horn  gedient  haben?  Ich 
stelle  mir  immer  vor,  dass  es  der  Griff  zu  einer 
Lilmtionsschale  gewesen  sei,  welche  oben  aufsass, 
oder  war  es  ein  Instrument  um  Weihrauch  aus 
dem  G eftiss  zu  nehmen  und  auf  das  Opferfeuer 
aufzustreuen.  Waren  doch  die  boiden  GefUsse 
aus  Bronze  bis  an  den  Rand  mit  einer  mehligen 
Masse  gefüllt,  welche  Dorow  z.  B.  in  Wies- 
baden ebenfalls  gefunden  hat,  aber  eine  unver- 
ständliche korkartige  Masse  nennt.  Anfangs  itn 
Zweifel , was  ich  daraus  machen  sollte , fand  ich 
beim  Erhitzen  derselben  auf  dem  Platinablecb  an 
dem  Weihrauchduft,  der  sich  entwickelte,  dass  sie 
mit  wohlriechenden  Harzen  gefüllt  waren.  Ob 
Myrrhen  ob  Olibanon,  war  freilich  nicht  mehr 
zu  ergründen.  So  viel  aber  steht  fest,  dass  die- 
ses wohlriechende  Harz  im  Schwabenlande  nicht 
gewachsen,  sondern  ebenso  sicher  importirt  war, 
wie  die  Schalen  von  Athen. 

Sie  können  sich  wohl  die  Aufregung  denken, 
in  die  man  unwillkürlich  gertttb,  wenn  man  der- 
artige Funde  aus  der  Graberde  hervorzieht.  Nicht 
minder  gross  war  die  Spannung,  von  dem  Seiten- 
grab in  das  Centralgrab  in  der  Mitte  des  Hügels 
zu  gelangen.  Enthielt  das  Nebengrab  schon 
solchen  Schmuck , was  durfte  man  erst  vom 
Hauptgrab  erwarten.  In  der  That  fuhr  der 
Stollen  genau  in  der  Mitte  des  Hügels  bei  28  m 
Stollenlttnge  eine  Grabkammer  an.  Das  Grab 
lag  aber  nicht  auf  der  Erdflttche,  bestund  viel- 
mehr in  einem  2,3  m tiefen  Kessel,  in  welchem 
unsere  Grubenpfeiler  versanken  und  dem  Abbau 
die  grössten  Schwierigkeiten  bereitoten.  Mit  der 
grössten  Anstrengung  sicherte  man  endlich  das 
Dach  und  stieg  in  die  Tiefe.  Aber  leider  fand 
sich  das  Grab  — geleert.  Beim  Ausgraben  des 
Kessels  schon  waren  die  Menge  von  Menschen- 
und  Pferdeknochen,  die  zerstreut  zwischen  GetUss- 
scherben,  Eisentheilen,  Schneckenschalen  und  Stein- 
stücken lagen,  unverständlich.  Bald  aber  stellte 
sich  heraus , dass  man  von  oben  her  in  einem 
Schacht  zum  Grab  niedergegangen  war.  Vor  mir 
schon  hatte  Jemand  den  Schatz  ausgenommen,  der 
sicher  in  den  3 und  4 m haltenden  gleichfalls  von 
Holzrahmen  umgebenen  Grabkessel  gelegen  hatte. 

Herr  Fischer: 

Ich  möchte  mir  erlauben  , mich  vom  Stand- 
punkte des  Mineralogen  berichtigend  über  die 
Ansichten  zu  Uusseru,  welche  Seitens  der  Archäo- 
logen meines  Wissens  bis  jetzt  durchweg  bezüg- 
lich der  bloss  geschlagenen  Steinwerk- 
zeuge gegenüber  den  polirten  geltend  ge- 


1 macht  wurden.  Man  sagt:  ein  polirtes  Werk- 
zeug steht  höher,  reprüsenlirt  eine  höhere  Cul- 
turstufe , gegebenenfalls  also  auch  eine  spätere 
Zeitperiode,  als  ein  blos  geschlagenes  Man  ging 
dabei  wohl  von  der  Idee  aus,  jedes  polirte  Beil, 
l gleichviel  aus  welchem  Material,  sei  vorher  zu- 
: recht  geschlagen  worden  und  wer  es  nun  beim 
. blossen  Schlagen  bewenden  Hess , ohne  es  auch 
* noch  zu  poliren , sei  auf  einer  tieferen  Cultur- 
: stufe  gestanden. 

Bei  dieser  Rechnung  hatte  man  aber  ein- 
fach versäumt,  die  Natur  der  zu  Beilen,  Messern, 
l Pfeil-  und  Lanzenspitzen  verarbeiteten  Mineralien 
und  Felsarten,  ferner  auch  die  natürlichen  Vor- 
kommnisse der  letzteren  in  nähere  Betracht- 
ung zu  ziehen. 

Die  bloss  geschlagenen  Stein-Instrumente 
bestehen  meiner  Erfahrung  zufolge  auf  der 
1 ganzen  Erde  (sowohl  bei  den  prähistorischen 
Völkern  Europas  , als  bei  denjenigen  „Wilden“, 
welche  jetzt  noch  ihre  Werkzeuge  aus  Stein 
fertigen  z.  B.  Australiern,  Indianern  Anierika's)  fast 
uusnahmlos  entweder  aus  Q unrz- Varietäten  oder 
aus  Obsidian,  d.  h.  aus  — der  Hauptsache  nach 
] — in  ihrer  Masse  gleichartigen  (homogenen) 
i Mineralsubstanzen , welche  die  Eigenschaft  be- 
i sitzen,  beim  Daraufschlagen  mit  anderen  Steinen 
(oder  mit  dem  Hammer)  für  gewöhnlich  einen 
muschligen  Bruch  und  scharfe  Ränder 
(Kanten)  zu  bekommen,  so  scharf,  wie  sie  nie- 
mals durch  die  gleiche  Manipulation  bei  Mi- 
, neralgemengen  (Felsarten)  zu  erzielen  sind. 

Sobald  diese  Eigenschaften  der  oben  go- 
i nannten  Mineralien  (von  donen  der  Obsidian  eine 
( ungemein  viel  geringere  Verbreitung  hat  als  der 
l Quarz)  von  den  prähistorischen  Menschen  einmal 
| auf  irgend  einem  Wege  (durch  Zufall  oder  Ver- 
such) erkannt  waren,  wurden  sie  auch  verwerthet 
nnd  es  wurden  mit  mehr  oder  weniger  Geschick 
aus  diesen  Mineralien  Beile,  Messer  (Schab- 
inntrumente) , Pfeil-  und  Lanzenspitzen 
u.  8.  w.  bergcstellt.  Die  Anfertigung  der  beiden 
letzteren  — nur  mit  Stein  gegen  Stein,  ohne 
Hammer  — setzt  aber  eine  Kunstfertigkeit 
voraus , die  nur  derjenige  zu  ermessen  vermag, 
welcher  nicht  bloss  theoretisch  Uber  solche  Sachen 
abspricht,  sondern  selbst  mit  Steinen  umzugehen 
pflegt  und  es  selbst  versucht  hat. 

Ja  schon  zur  Herstellung  nur  eines  eleganten 
nordeuropäischen  Feuerstein b ei  ls  mittelst  Zu- 
schlagens (wohlgemerkt  immer  wieder  nur  mit 
Stein)  gehörte  eine  Gewandtheit,  die  wahrlich 
gelernt  sein  wollte  und  wenn  es  sich  dann,  nach 
' dieser  ersten  schwierigsten  Arbeit , noch 
i darum  handelte , ein  solches»  Feuersteinbeil  — 


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111 


etwa  der  Eleganz  wegen  oder  am  gewisse  Zwecke 
besser  damit  zu  erreichen  — auch  noch  zu  po- 
liren  , so  gehörte  dazu  nur  Zeit,  Geduld  , ein 
passendes  Gestein  als  Schleifstein  und  meinethalb 
etwas  Sinn  für  Symmetrie  in  der  Herstellung 
gleichinässig  gewölbter  BreitHttchen;  aber  eine 
Kunst  erforderte  das  Schleifen  keineswegs  mehr; 
inan  möchte  fast  sagen , das  konnten  dann  ge- 
schickte Kinder  besorgen. 

Die  polirten  Beilo  aus  krystallinischen 
Fels  arten  dagegen  (z.  B.  aus  Diorit , Hora- 
blendeschiefer, Eklogit  u.  s.  w),  welche  sowohl 
in  ganz  Europa  bei  den  Pfahlbauten  und  sonst 
da  und  dort  in  der  Erde  zerstreut  reichlich  ge- 
funden werden,  als  auch  aus  Amerika  (Vereinigte 
Staaten , Venezuela,  Brasilien,  Peru),  Neuseeland 
u.  8.  w.  mir  bekannt,  wurden,  sind  meinen  viel- 
fältigen Erfahrungen  zufolge  vorherrschend  aus 
Gerollen  hergestellu  Die  Völker  sind  wohl 
bei  ihren  Wanderungen  so  gut  wie  die  jetzt 
noch  bei  uns  nomadisirenden  Zigeuner  den  Flössen 
nachgezogen  und  halten  »ich  da,  wenn  ihre  Zttge 
durch  Gegenden  mit  krystallinischem  Ge- 
birge gingen,  ans  dem  Bache  ihr  Material  für 
die  Beile,  Hämmer  u.  s.  w.  ausgesucht. 
(Auch  an  fast  allen  von  mir  untersuchten  un- 
zähligen Stein- A muleten,  - Idolen  aus  Amerika, 
Asien , Neuseeland  u.  s.  w.  konnte  ich  den  G e- 
r ö 1 1 charakter  der  dazu  verwendeten  Uesteinxstücke 
constatiren.) 

Aus  einem  d e r F o r m nach  schou  passenden 
Geröll  nun  ein  Beil  mit  einer  Schneide  durch 
Schleifen  herzustellen,  ist  uach  meinen  Begriffen 
von  Arbeit  mit  Stein , worüber  ein  Mineraloge 
vom  Fach  sich  wohl  ein  Urtheil  zutruuen  darf, 
kein  so  besonderes  Kunststück  ; auch  das  könnte 
schliesslich  ein  beliebiger  Junge  fertig  bringen, 
wenn  er  hinreichend  lang  auf  einer  harten  Unter- 
lage mit  Wasser  und  Sand  daran  arbeitete. 

Die  aus  k ry st  all ini sehen  Felsarten 
hergestellten  polirten  Beilo  waren  eben  wohl  der 
allergrössten  Mehrzahl  nach  gar  nicht,  wie  die 
Archäologen  bisher  geglaubt  zu  haben  scheinen, 
zuerst  zurecht  geschlagen  , sondern  wurden 
wie  gesagt , vermöge  sorgfältiger  Auswahl  der 
Gerölle  möglichst  sogleich  dureh  Reiben  auf 
anderen  Steinen  in  die  Beilform  gebracht  und 
dann  nachher  je  nach  Belieben , je  nach  der 
Härte  und  PoliturfÜhigkeit  der  betr.  Gesteine 
auch  noch  glattpolirt,  in  späteren  Perioden  sogar 
noch  mit  einem  Loch  für  einen  Schaft  versehen, 
d.  h.  zuin  Sehaftbeil  u.  s.  w.  unigewandelt.  — 
Versuche  cs  doch  jemand  einmal,  ohncllammer 
ein  beliebiges  Stück  Diorit , llornblendoschiofcr, 
Eklogit  u.  a.  w.  durch  blosses  ZurechtsohUgen 


1 in  Beilform  zu  bringen  , es  wird  ihm  bald  ent- 
leiden!  (Die  Peruaner,  die  Neuseeländer  so  gut 
wie  die  prähistorischen  Bewohner  Europa’s  haben 
i mit  ganz  erstaunlicher  Gewandtheit  gerade  die 
zähesten  krv  st  all  ini. sehen  Felsarten  auszulesen 
gewusst  und  vorgezogen;  diese  erforderten  bei 
der  Bearbeitung  die  meiste  Zeit  und  Geduld, 
lohnten  dieselbe  aber  nachher  durch  ihre  Dauer- 
haftigkeit beim  Gebrauch  reichlich  wieder.) 

Um  nun  meine  Privatanschauungen  in  dieser 
Streitfrage  auf  eine  möglichst  objektive  Probe  zu 
i stellen , consuitirte  ich  in  meinem  Wohnorte 
i (Freiburg)  verschiedene  Techniker,  erstlich  Bild- 
hauer, dann  die  Leute,  welche  das  Strassenpflaster 
und  die  Trottoirs  herzustellen  haben.  Ich  fragte 
sie  (ohne  sie  ahnen  zu  lassen,  welche  Ansicht 
ich  seihst  vertrete,  dafür  nahm  ich  einen  Zeugen 
mit) , ob  sie  ein  durch  blosses  Schlagen  berge- 
stclltcs  Beil , eine  Lanzen-  oder  Pfeilspitze  aus 
Feuerstein  oder  aber  ein  aus  Diorit  u.  dgl. 
durch  Schleifen  hergestclltes  polirte»  Beil  als  die 
; schwierigere  und  kunstreichere  Arbeit  erachten. 
Ganz  entschieden  und  vollkommen  un- 
abhängig von  einander  sprachen  sie  sich 
dahin  aus,  dass  jene  geschlagenen  Werk- 
zeuge viel  mehr  Uebung  und  Kunstfertigkeit  er- 
fordern. . 

Ich  bemerke  hiebei  noch,  dass  sich  zur  Her- 
stellung von  scharfen  Messern,  von  Lanzen-  und 
Pfeilspitzen  überhaupt  nur  der  Quarz  und  Ob- 
i sidian,  nicht  aber  die  krystallin Ischen  Gesteine 
i eignen. 

Nun  kommt  aber  für  unsere  archäologischen 
Erörterungen  noch  ein  anderes  hochwichtiges 
1 Moment  in  Betracht , das  meines  Wissens  bisher 
gleichfalls  ganz  unberücksichtigt  geblieben  war, 
i nämlich  das  natürliche  Vorkommen  der 
| kryxtallinischen  Gesteine  einerseits  und 
: dasjenige  gewisser  neptunischer  Formationen 
nämlich  Jura  und  Kreide  andererseits , worin 
j Jaspis  und  Feuerstein  zu  Hause  sind,  wobei  für 
beide  das  Auftreten  am  anstehenden  Fels  und 
1 im  Schwemmland  in  Betracht  kommen  kann.  Um 
1 das  Verhältnis  der  anstehenden  Gesteine  wenigstens 
für  Europa  anschaulich  zu  machen,  lege  ich  der 
! hochansehnlichen  Versammlung  eine  Karte  vor, 
worauf  mit  blauer  uud  grüner  Farbe  die  Vor- 
kommnisse der  Jura-  beziehungsweise  Kreidefor- 
i mation  bezeichnet  wurden.  In  den  weiss  ge- 
lassenen Strecken  fehlen  also  dio  Feuersteine  etc., 
soweit  sie  nicht  auf  sekundärer  Lagerstätte  auf- 
tret en. 

Die  Völker  mussten  auf  ihren  Wanderungen 
j ohne  Zweifel  bald  inne  werden,  dass  auf  gewissen 
| Strecken  vorherrschend  nur  krystallinischo  Ge- 


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steine  Vorkommen  und  in  diesem  Fall  waren  sie 
darauf  angewiesen , siel»  aus  solchen  ihre  Werk- 
zeuge zu  fertigen;  dann  kamen  sie  wieder  in 
Gegenden,  wo  ihnen  Feuerstein  und  Jaspis  zu 
Gebot  stand  , deren  Material  für  sie  zur  Her- 
stellung s c h a r f s c h n e i d e n d e r W erkzeuge 
und  Waffen  von  höchster  Bedeutung  war  und 
nachweislich  gegebenen  Falls  bis  auf's  Aeusserste 
ausgenutzt  wurde;  ja  sobald  es  einmal  zur  Ge- 
winnung fester  Wohnsitze  gekommen  war,  konnten 
solche  Kieselwerkzeuge  sogar  leicht  zu  Tauseh- 
und  Handelsverbindungen  Anlass  geben. 

Meiu  Bestreben  , hochgeehrte  Versammlung, 
war  es  also  , durch  diesen  meinen  Vortrag  vom 
mineralogischen  Standpunkt  aus  gewisse  theo- 
retische Anschauungen  der  Archäologen  zu  be- 
richtigen , welche  mir  Angesichts  der  oben  ent- 
wickelten, in  der  Natur  begründeten  Verhältnisse 
nicht  gerechtfertigt  erscheinen  und  welche  dahin 
gingen,  dass  erstlich  die  Herstellung  geschlagener 
und  geschliffener  Stein  Werkzeuge  bei  den  Völker- 
familien zeitlich  auseinanderzuhalten  sei  und 
zweitens,  dass  die  blos  geschlagenen  Steinwerk- 
zeuge als  Erzeugnisse  einer  tieferstehenden  Cul- 
tur  gelten  müssten  gegenüber  den  polirten.  Ich 
ersuche  nun  die  Fachmänner , die  Sache  vorur- 
teilsfrei zu  prüfen  und  gelegentlich  etwa  ihre 
widerstrebenden  Ansichten  den  meinigen  gegen- 
überzus  teilen. 

(Für  den  gegenwärtigen  Vortrag  konnten 
die  feinpolirtcn  Beile  aus  den  nichteuropäischen 
Mineralien:  Nephrit,  Jadeit  und  Chloromelanit, 
welche  sich  gleichfalls  durch  ganz  immense  Zähig- 
keit wie  auch  durch  bedeutende  Härte  aus- 
zeichnen, füglich  ganz  ausser  Betracht  bleiben.) 

Herr  4.  Hanke: 

Erlauben  Sie  mir  zuerst  zu  dem  Vortrag  dos 
Herrn  Vorredner  einige  Bemerkungen.  In  Be- 
ziehung auf  Benützung  von  schon  durch  die 
Natur  passend  geformten  Gerollen  zur  Herstell- 
ung nicht  aus  Feuerstein  gefertigter  geschliffener 
Sieingeräthe  stimme  ich  dem  Herrn  Vorredner 
vollkommen  bei.  In  Beziehung  auf  Feuerstein, 
aut  das  für  uns  wichtigste  Stein  material  zur  Her- 
stellung von  Steininstrumenten  und  Waffen,  liegt 
die  Sache  etwas  anders  als  bei  den  übrigen  Ge- 
steinen. Man  hat  im  germanisch-skandinavischen 
Norden  nicht  selten , ich  möchte  sagen , voll- 
ständige Schmieden,  Werkstätten  mit  allem  Zu- 
behör zur  Herstellung  von  Feuerst  ein- Waffen  und 
Instrumenten  aufgefunden,  wo  Rohmaterial,  Stein- 
kerne und  anderer  Abfall  mit  in  der  Bearbeit- 
ung begonnenen,  fortgeschrittenen,  vollendeten 
und  misslungenen  Objekten  daun  mit  Schlag-  und 


I Schleifsteinen  u.  v.  n.  noch  vereinigt  zusammon- 
I Ingen,  so  dass  wir  die  ganze  betreffende  Technik 
I Überblicken  Da  zeigt  es  sich,  dass  die  Formen, 
i die  später  geschliffen  worden  sollten  , zuerst  im 
I Rohen  dann  fein  zugebauen  wurden , dass  man 
ihnen  zuerst  die  gewünschte  Form  durch  Zu- 
! schlagen  gab  , um  die  immerhin  sehr  mühsame 
Arbeit  des  Feuergteinschleifens  abzukllrzen.  Das 
Museum  in  Kopenhagen  z.  B.  besitzt  mehrere 
vollständige  derartige  Suiten  von  Steinen  je  aus 
einem  Fundplatz  in  jeglichem  Stadium  der  Be- 
arbeitung: gröbere,  feinere,  feinste  Bearbeitung 
durch  Schlag,  dann  durch  beginnenden,  fortgeschrit- 
tenen und  vollendeten  Schliff.  Auch  darin  stimme 
ich  vollständig  mit  Herrn  Fischer  Überein,  dass 
die  oft  erstaunlich  feine  Bearbeitung  durch 
Schlag , vieler  nordischer  jüngerer  Feuerst  ein  - 
1 geräthe  z.  B.  Dolche , Lanzenspitzen  etc., 
welche  manchmal  Nachahmungen  wohlgeformter 
Waffen  aus  Bronze  zu  seih  scheinen,  weit  mehr 
Kunstfertigkeit  erforderte  , als  das  Schleifen  der 
Steine,  was  schliesslich  von  jedem  geduldigen 
| Kinde  ausgeführt  werden  kann.  — 

Im  Anschluss  an  das  Ebengehörte  erbitte 
ich  mir  noch  für  einige  weitere  Minuten 
| Ihre  Aufmerksamkeit  um  Ihnen  in  Kürze  die 
i Resultate  einer  grösseren  Untersuchung  mitzu- 
I theilen  über  die  bis  jetzt  im  rechts- 
rheinischen Bayern*)  gefundenen  ge- 
schliffenen prähistorischen  Stein- 
waffen und  Steininstrumente. 

Bei  der  Durchsicht  der  Jahrbücher  unserer  seit 
dem  Ende  des  2.  Dezenniums  dieses  Jahrhunderts 
j unter  dem  Protektorate  der  bayerischen  Regierung 
I in  allen  Regierungsbezirken  Bayerns  gegründeten 
J historischen  Vereino  finden  sich  nicht  selten  Er- 
wähnungen von  Steinwuffen  und  Steininstrumenten, 
welche  theils  als  Einzolfundc  theils  als  Grab- 
beigaben verzeichnet  sind  und  meist  den  Samm- 
lungen der  historischen  Vereine  zum  Theil  auch 
der  ethnographischen  Sammlung  und  dein  baye- 
rischen Nationalmuseum  in  München , dem  Gcr- 
| manischen  Museum  in  Nürnberg,  sowie  städtischen 
| Sammlungen  (Nördlingen)  einverleibt  wurden 

Die  Bemerkung  des  Vortragenden,  dass  unter 
I den  aus  Oberfranken  durch  Hrn.  Pfarrer  Engel- 
hart von  Seite  des  ethnographischen  Museums 
in  München  unter  der  Bezeichnnng  Stein- 
waffen erworbenen  Objekten  sich  in  beträcht- 
licher Anzahl  unbearbeitete  Gerolle  und  natür- 
liche mehr  oder  weuiger  auffällig  gestaltete 

Bie  IjÄyerische  Rheinpfttlz  unterscheidet  sich 
| in  den  zu  besprechenden  Verhältnissen  von  dem  ly- 
rischen llauptinn<lc  nicht  unbedeutend. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

f0r. 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


lietligirt  ron  Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München, 

d turralttcr  tiur  dt r UittUtckafl. 


Nr.  11.  Erscheint  jeden  Monat.  November  1879. 


Bericht  über  die  X.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Strassburg 

am  II.,  12.  und  13.  August  1879. 


Nach  stenographischen  Aufzeichnungen 
redigirt  von 

Professor  Dr.  Joh&nn68  Rank0  in  München 
Generalsekretär  der  Gesellschaft. 


(Fortsetzung  zu  Nro.  10.) 

Herr  Ranke: 

Auf  die  von  Herrn  Ecker  angeregte  Frage 
erlaube  ich  mir  zu  bemerken,  dass  wir  mit  der 
Aufnahme  der  Statistik  der  Körpergrösse  der  Re- 
kruten in  Bayern  zunächst  in  Oberbayern  schon 
begonnen  haben.  Ich  glaube  versichern  zu  können, 
dass  die  betreffenden  Behörden,  von  deren  Unter- 
stützung wir  hiebei  abhängig  sind,  unserem  Be- 
streben keine  Schwierigkeiten  in  den  Weg  legen 
werdeD.  Ich  stimme  den  Ausführungen  des  Herrn 
Ecker  im  Prinzipe  vollkommen  zu , doch  habe 
ich  mich  bis  jetzt  nur  auf  das  Ergebnis*  eines 
Jahres  (1875)  beschränkt. 

Herr  Much  (Wien): 

Ich  möchte  einige  Mittheilungen  machen.  Es 
ist  schon  längst  der  Wunsch  ausgesprochen  wor- 
den , dass  eine  Erhebung  der  Farbe  der  Augen, 
Haut  und  Haare  der  Bevölkerung  in  Oesterreich 
vorgenonunen  werde  und  man  hat  dem  Gegenstand 
die  vollste 


bieten  sich  ziemlich  viele  Schwierigkeiten , die 
Sache  durchzuführen.  Vor  allem  treten  unsere 
nationalen  Verhältnisse  hindernd  in  den  Weg. 
Wir  haben  das  bei  der  Versammlung  österreichi- 
scher Anthropologen  in  Lailiach  gesehen,  wo  sich 
uns  die  nationale  Partei  mit  Ostentation  ferne 
gehalten  hat.  Ich  kann  Ihnen  aber  jetzt  die  er- 
freuliche Mittheiluug  machen,  dass  die  Erhebung 
der  Farbe  der  Haut,  der  Haare  und  Augen  im 
nächsten  Jahre  bei  uns  zugleich  mit  der  allge- 
meinen Volkszählung  vor  sich  gehen  wird  und 
wir  erhalten  damit  ein  reiches  Bild , wie  es  in 
Deutschland  längst  sicher  gestellt  ist.  Die  anthro- 
pologische Gesellschaft  in  Wien  wird  dadurch 
wesentlich  entlastet  und  kann  nun  ihre  Aufgabe 
nach  anderen  Richtungen  entwickeln  und  weiter 
verfolgen.  Es  besteht  die  Absicht,  diese  Erheb- 
ungen in  den  Mittelschulen  fortzufttbren  und 
durch  Erhebungen  nach  anderen  Richtungen  zu 
kompletiren,  was  um  so  leichter  durchführbar  sein 
dürfte,  als  wir  in  den  Lehr^^^M^Uej^^p^g 

«»«  .Mw« 

10 


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138 


gewiss  werden  wir  auch  den  anthropologisch  l»e- 
deutsamen  Erscheinungen  hei  der  Rekrut  irung 
unsere  vollste  Aufmerksamkeit  widmen. 

Herr  Sch  u aff  hausen : 

Ich  erlaube  mir  hierbei  zu  bemerken , dass 
ich  wünsche,  dass  solche  Arbeiten',  die  im  Auf-  1 
trage  der  Gesellschaft  oder  für  dieselbe  unter- 
nommen werden,  nicht  ohne  Kenntnis«  der  Kom- 
mission, welche  für  diese  Untersuchungen  gewählt 
ist,  geschehen  möchten,  damit  wir  ein  nach  über- 
einstimmendem Schema  gesammeltes  Material  er- 
halten. Der  Vorsitzende  dieser  Kommission  ist 
Virchow  und  ich  wünsche,  dass  die  Kommis- 
sion, wfozu  Herr  Ecker  und  ich  selbst  gehören, 
davon  in  Kenntniss  gesetzt  wird,  um  ein  Schema 
für  ganz  Deutschland  festzustellen.  Ich  glaube, 
dass  die  Untersuchung  weiter  greifen  muss  und 
nach  einem  umfassenderen  Plane  anzulegen  ist, 
als  sich  die  treffliche  Ecker’sche  Arbeit  zur 
Aufgabe  gestellt  hat. 

Herr  Much  (Wien  [Mensch  und  M amutbj): 

Ich  werde  ihre  Aufmerksamkeit  nur  kurz  in  | 
Anspruch  nehmen.  Hatte  ich  gestern  Gelegenheit 
Uber  eine  etwas  vorgeschrittene  Zeit  zu  sprechen, 
so  will  ich  heute  anknüpfen  an  jene  Mittheilungen, 
welche  wir  bereits  Uber  die  ältesten  Bewohner 
von  Europa  vernommen  haben.  Die  Beweise 
für  die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  dem 
Mamuth  sind  noch  selten,  namentlich  wenn  wir 
uns  beschränken  nur  direkte  Beweise  im  Auge  ] 
zu  behalten.  Wir  in  Niederösterreich  waren 
etwas  glücklicher  in  der  Auffindung  solcher  Be- 
lege. Wir  fanden  zuerst  einen  Lagerplatz  von 
Mamuthjägern  an  der  Thaya  bei  Joslowitz,  wo 
Knochen  ausgestorbener  Dickhäuter  zugleich  mit 
Artefakten,  Asche  und  Kohle  gefunden  wurden.  Graf 
Wurmbrand  hat  sodaun  einen  ähnlichen  Lager-  i 
platz  bei  Gobelsburg  aufgedeckt  und  früher  schon  ; 
hatte  ich  Mamutliknochen  mit  anhaftenden  Kohlen 
im  Löss  bei  Göfing,  und  eben  solche  Knochen  mit  : 
Feuersteinsplittern  auf  einem  Felde  bei  Stetten- 
hof gefunden.  Späterhin  — — 

| Herr  Geheimrath  V irchow  tritt  ein  und  wird 
mit  allgemeinem  Bravorufen  begrüsst.J 

Der  Vorsitzende:  Entschuldigen  Sie  die 
Unterbrechung;  wir  haben  Herrn  Virchow,  der 
soeben  angekommen  ist,  begrüsst. 

Redner  fährt  fort:  Neuesten«  ist  es  mir 
abermals  gelungen,  bei  Stillfried  einen  Lagerplatz 
von  Mamuthjägern  aufzuschliessen.  Ich  hatte  diese 
Stelle , welche  sich  durch  Funde  von  Mamuth- 
knochen  charakterisirte,  lange  schon  im  Auge. 
Der  Besitzer  erhob  jedoch  Einsprache  gegen  die 


Aufgrabung,  weil  er  einen  Hinsturz  der  Lösswand, 
in  welche  er  zwei  kellerartige  Nischen  zum  Auf- 
bewahren von  Ackergeräth  ausgeholt  hatte,  be- 
fürchtete. Wir  sahen  das  Begründete  dieses  Ein- 
spruchs ein  und  hatten  vorerst  nur  die  Aufgabe, 
diese  Stelle  im  Auge  zu  behalten.  Nun  w'ar  es 
ein  glücklicher  Zufall,  dass  in  Stillfried  ein  neuer 
Bahnhof  gebaut  wurde,  wobei  das  Terrain  be- 
deutend erhöht  werden  musste.  Zu  diesem  Zwecke 
w'urde  die  erwähnte  Lösswand  abgegraben  und  da- 
durch in  einer  Höhe  von  beiläufig  20  Metern  bloss- 
gelegt; zu  unterst  zeigte  sich  eine  2 Meter  mächtige 
Schicht,  in  welcher  «ich  die  zerstreuten  Reste  von 
Lagerplätzen  der  Mamuthjäger  befanden.  Dieselben 
sind  gekennzeichnet  durch  eine  nicht  unbedeutende 
Menge  von  Knochen  des  Mamuth,  darunter  Mahl- 
zähnen, insbesondere  auch  ganzen  Unterkiefern, 
Stosszähnen,  deren  Zerfall  an  der  Luft  leider  un- 
aufhaltbar war,  und  von  Knochen  der  Gliedmassen, 
dann  von  Hirschgeweihstücken  und  Rückgrats- 
wirbeln einer  noch  anbestimmten  Thierart,  welche 
zugleich  mit  Kohlen  , Asche  und  mit  Artefakten 
aus  einer  braunrothon  Hornsteinart,  den  bekannten 
prismatischen  Messern,  Schabern,  unbestimmbaren 
Splittern  und  Steinkernen  zum  Vorschein  kamen. 

Bearbeitete  Knochen  von  der  Art,  wie  sie  die 
französischen  und  schweizerischen  Lagerplätze  von 
Mamuth-  und  Renthierjägern  gewährten , habe 
ich  nicht  gefunden,  noch  viel  weniger  konnte 
ich  Zeichnungen  an  den  Knochen  entdecken.  Da- 
gegen zeigt  das  Bruchstück  eines  Stosszahues 
deutlich,  dass  es  schon  in  alter  Zeit  abgespalten 
worden  ist  und  der  Stosszahn  eines  jüngeren 
Thieres  ist  an  seiner  Spitze  mit  den  Kerben  zahl- 
reicher Hiebe  überdeckt,  welche  unzweifelhaft  von 
Steingeräthen  herrühren.  Einige  dieser  Hieb- 
fiächen  lassen  die  feinen  Furchen  deutlich  erkennen, 
welche  die  Zähne  der  Steinaxt  nach  sich  gezogen 
haben.  Der  Zweck  dieser  Kerben  war  offenbar 
der,  den  Zahn  an  der  Spitze  rauh  zu  machen, 
damit  ihn  die  Hand  sicherer  f enthalten  könne. 

Die  Mamuthzähne  rühren  vorwiegend  von 
jüngeren  Thieron  her  und  es  scheint,  dass  haupt- 
sächlich diese  gejagt  worden  sind. 

Die  Fundverhällnisse  sind  ganz  räthselhaft; 
denn  die  Fundgegenstände  sind  nicht  in  einer 
bestimmten,  halbwegs  erkennbaren  Ordnung  ge- 
lagert , sondern  wirr  in  die  ganze , wie  oben 
schon  erwähnt,  etwa  zwei  Meter  mächtige  Schicht 
zerstreut  gewesen. 

Die  Knochen  des  Mamuth,  die  Steinartefakte 
und  die  Kohlen  lagen  weder  in  gleicher  Höhe 
noch  überhaupt  dicht  beisammen,  namentlich  ist 
die  meist,  sehr  zerkrümelte  und  selten  die  Grösse 
einer  Haselnuss  (Ibert  reffende  Kohle  durch  die 


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ganze  Masse  verth eilt  gewesen,  so  dass  es  etwa 
so  aussieht,  als  ob  Alles  in  einen  weichen  Brei 
von  Löss  eingerührt  worden  wäre.  Nnr  hie  und 
da  vereinigte  sich  zerkrümelte  Kohle  und  Asche 
zu  fingerbreiten  und  horizontal  laufenden  Streifen, 
die  nach  unten  hin  allmählich  in  den  reinen  Löss 
übergingen,  nach  oben  hin  zuweilen  ganz  scharf 
abgeschnitten  waren.  Auch  sonst  zeigten  sich  im 
Löss  dunkler  gefärbte  Bftnder.  welche  meistens 
horizontal  verliefen,  mitunter  aber  doch  auch  sich 
neigten , so  dass  es  den  Anschein  hatte , als  ob 
fließendes  Wasser  an  der  Gestaltung  der  Kultur- 
schichte init  gewirkt  hatte.  Die  Schwierigkeit 
der  Erklärung  der  Fundverhaltnisse  wird  dadurch 
noch  vermehrt  , dass  gleichzeitig  mit  der  Ab- 
deckung der  Kulturschicht  künstliche  Höhlen 
aufgeschlossen  wurden,  welche  in  unmittelbarer 
Nahe  der  Lagerplätze,  ja  sie  sogar  berührend  und 
dnrchschneidend  in  den  Löss  eingetrieben  sind. 
Diese  Höhlen  halten  eine  Lange  von  2 — 3 Metern, 
eine  Breite  von  2 Metern  und  eine  Höhe  von 
1,60  Metern,  so  dass  ein  Mann  aufrecht  darin 
stehen  kann , und  sind  stets  in  grösserer  Anzahl 
durch  etwa  60  Ccntimeter  hohe  und  im  Durch- 
schnitte vier  Meter  lange  Röhren,  die  man  natürlich 
nur  schliefend  possiren  kann  mit  einander  verbunden. 
Solche  Höhlen  finden  sich  inNiederösterreich  in  Über- 
aus grosser  Menge  und  bilden  bei  oder  unter  manchen 
Ortschaften  förmliche  Höhlenlabyrinthe.  Auf  die 
Existenz  derartiger  Höhlen  in  Bayern  haben  unsere 
Freunde  in  Müuchen  schon  vor  mehr  als  einem 
Jahre  aufmerksam  gemacht. 

Man  ist  nun  in  hohem  Maosse  versucht , die 
in  unmittelbarer  Nahe  des  Lagerplatzes  unserer 
Mamuthjäger  befindlichen  Höhlen  mit  diesen 
letzteren  in  Verbindung  zu  bringen.  Inden  ist 
es  schon  von  Anfang  klar,  dass  die  Höhlen  in 
die  Lössmasse  erst  gegraben  werden  konnten,  als 
diese  bereits  erhärtet  und  so  fest  geworden  war, 
dass  sie  sich  selbst  als  Gewölbe  tragen  konnte, 
während  die  Reste  von  den  Malzeiten  der  Mamuth- 
jäger,  wenigstens  hier  auf  ihrer  Lagerstätte  in 
Stillfried,  in  den  Löss  während  der  Bildung  des- 
selben eingebettet  worden  zu  sein  scheinen. 

[Während  der  Rede  der  Herrn  Much  ist  von 
lebhaftem  Zuruf  der  Versammlung  auf  das 
Freudigste  begrüsst  Herr  V i r c h o w eingetreten, 
den  ernste  Krankheit  in  der  Familie  abgehalten 
hatte,  früher  zu  erscheinen.  Da  für  die  Nach- 
mittagssitzung die  Vorträge  schon  festgesetzt 
sind , wird  auf  Antrag  des  Generalsekretärs 
die  Sitzung  verlängert , um  für  den  mit  Span-  * 
nung  erwarteten  Vortrug  des  Herrn  Virchow 
über  seine  mit  Herrn  Schliemann  an  der  tro- 


janischen Küste  vorgenotmnenen  Ausgrabungen 
und  Untersuchungen  Raum  zu  gewinnen.  | 

Herr  Virchow  (über  die  kloinasiat iseb e 
Steinzeit  und  die  trojanischen  Heroen- 
g r U b e r)  : 

Herr  Schliemann  batte  ursprünglich  die 
Absicht,  hieher  zu  kommen,  er  hat  sich  alter  — un- 
nöthiger  Weise  — durch  die  Erfahrung  abschrecken 
lassen,  die  er  bei  seinem  Aufenthalt  in  Kissingen 
machte,  dass  durch  seine  längere  Abwesenheit  aus 
dem  Vaterland  seine  oratorischen  Fähigkeiten 
etwas  gelitten  hätten.  Es  war  zum  ersten  Male 
seit  vielen  Jahren  bei  der  Expedition , die  wir 
zusammen  in  den  Ida  machten , dass  die  Con- 
versation  überwiegend  in  deutscher  Sprache  vor 
sich  ging;  sonst  ist  Herr  Schliemann,  der 
überdies  amerikanischer  Bürger  geworden  ist,  seit 
Jahren  der  deutschen  Sprache  so  sehr  entwöhnt, 
da«?  er  glaubte,  sich  nicht  ohne  Noth  in  freier 
Rede  öffentlich  bewegen  zu  sollen.  Dazu  kommt, 
dass  er  sehr  beschäftigt  ist,  du  er  im  Begriff 
steht  , ein  grösseres  Buch  über  die  trojanische 
Angelegenheit  zu  schreiben. 

Bei  der  Kürze  der  uns  noch  bleibendon  Zeit 
möchte  ich  meine  Bemerkungen  über  Troja  darauf 
beschränken , dem  Appel  des  Herrn  Vorsitzenden 
in  Beziehung  auf  die  Untersuchung  der  Kegel- 
gräber zu  genügen,  und  einige  allgemeine  Eindrücke 
wiederzugeben , die  mir  bei  genauer  Betrachtung 
der  trojanischen  AlterthUmer  gekommen  Rind.  Ich 
wei»>  wohl,  dass  wir  Naturforscher  nicht  berufen 
sind,  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  das,  was  auf 
Hissarlik  aufgedeckt  ist,  dem  alten  Troja  ent- 
spricht. Diese  Frage  liegt,  nicht  auf  dem  Ge- 
biete der  Naturforschung  und  auch  nicht  auf  dem 
der  hier  vertretenen  Wissenschaft.  Niemund 
wird  aus  dem  Material,  das  in  so  reicher  Fülle 
in  Hissarlik  zu  Tage  getreten  ist,  ohne  eine  Reihe 
weiterer  Vorarbeiten , die  erst  zu  machen  sind, 
mit  Genauigkeit  den  Nachweis  führen,  in  welches 
Jahrhundert  die  Sachen  gehören.  Man  stellt 
sich,  wie  es  scheint,  hie  und  da  die  archäolog- 
ische Chronologie  zu  leicht  vor.  Man  hat  mich 
oft  gefragt:  aus  welchem  Jahrhundert  sind  denn 
die  trojanischen  Sachen?  Man  vergisst  dabei,  dass 
wir  mit  der  chronologischen  Untersuchung  eigent- 
lich erst  begonnen  haben.  Nun  ist  ja  kein  Zweifel, 
dass  an  sich  diejenigen  Länder,  welche  Sitze  ur- 
ulter  Kultur  waren,  gegenüber  den  unsrigen  in 
einem  wesentlichen  Vorsprung  sich  befinden.  Wir 
müssen  die  Periode,  innerhalb  deren  geschriebene 
Zeugnisse  vorliegen , soweit  verlängern , dass  bei 
uns  Vieles  prähistorisch  ist,  was  in  Griechenland 
und  Kleinasien  schon  tief  iu  die  Geschichte  fällt. 

IO* 


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140 


Auf  der  andern  Seite  dürfen  wir  aber  auch  nicht 
übersehen , dass  gerade  in  diesen  Lindern  erst 
jetzt  die  prähistorische  Forschung  begonnen  hat 
und  dass  es  sich  dort  zunächst  dämm  handelt, 
sich  erst  auseinander  zu  setzen  mit  den  ver- 
wandten Wissenschaften. 

So  findet  sich,  um  ein  Beispiel  zu  erwähnen, 
in  dem  grossen  Werke  des  langjährigen  geolog- 
ischen Forschers  Tschihatcheff  eine  Ueihe 
von  Beweisen  zusammengestellt,  aus  welchen  dieser 
Gelehrte  abzuleiten  sich  bemühte,  dass  die  Küste 
von  Kleinasien  noch  in  jüngerer  Zeit  ins  Meer 
untergetaucht  und  wieder  emporgestiegeu  sei,  wo- 
bei Ablagerungen  aus  dem  Meere  mit  empor- 
gehoben  seien  Wenn  man  aber  diese  Stellen 
genau  prüft,  so  ergiebt  sieb,  dass  diese  Ablager- 
ungen nichts  weiter  sind  als  sogenannte  Kjö  kken- 
M öd  d i n g e r,  d.  h.  Stellen  , wo  Ueberreste  von 
allerlei,  von  Menschen  benutzten  Seethieren,  ver- 
mischt mit  Produkten  menschlicher  Industrie 
sich  angosammelt  haben.  Tschihatcheff  selbst 
ist  so  genau  in  seinen  Angaben,  dass  er  anführt, 
auf  den  Bergen  um  Smyrna  Muschelsehaalen  nnd 
sonstige  Seethierreste,  vermischt  mit  alter 
Töpferwaare  und  scharfen  Steinstücken, 
gefunden  zu  h»hen.  Keiner  von  uns  würde  darnach 
Bedenken  tragen,  anzunehmen,  dass  dies  Küchen  - 
nbfUlle  sind.  Nun  hat  Herr  H y d e C 1 a r k e die  be- 
treffende Stelle  am  Berg  Pagus  untersucht  und  die 
Natur  der  Küchenabfälle  als  solcher  constatirt.  Sie 
sehen  daraus,  wie  Itehutsam  inan  an  solche  Fragen 
herangehen  muss.  Wenn  aber  auch  die  Vor- 
frage entschieden  und  die  Küchenabfälle  in  ihrer 
wahren  Natur  erkannt  sind,  so  weiss  inan  immer 
noch  sehr  wenig.  Die  Frage  der  Chronologie  ist 
dann  für  diese  Gegend  erst  zu  machen. 

Von  den  noch  sehr  vereinzelten  „Kfichenabfällen“ 
abgesehen,  gehören  die  ältesten  Sachen,  die  wir 
bis  jetzt  aus  Vorderasien,  namentlich  aus  Gräbern 
und  Stadtplätzen  kennen , der  Zeit  des  polirten 
Steines  an.  Wenn  ich  z.  B.  das  Material  des 
Herrn  Gross,  das  uns  hier  noch  vor  Augen  liegt, 
betrachte,  so  könnte  nicht  ganz  Weniges  davon 
aus  Vorderasien  stammen.  Ich  werde  Ihnen 
noch  heute  einige  Stücke  von  polirtem  Stein  aus 
Kleinasien  zeigen , welche  dem  Typus  nach  ge- 
wissen Funden  aus  Pfahlbauten  der  Schweiz  voll- 
kommen entsprechen.  Der  reichste  Boden  dafür 
ist  die  Gegend  von  Sardes.  Solche  Stücke  finden 
sich  sowohl  an  der  Oberfläche  als  auch  in 
Gräbern. 

Polirter  Stein  ist  das  Material , welches  vor 
der  Hand  in  KJeinasien  als  das  älteste  erscheint. 
Allerdings  hat  es  gar  keine  Schwierigkeit,  ge- 
schlagene Steine,  die  wir  bei  der  ersten  Be- 


trachtung als  Feuersteine  bezeichnen  würden  . in 
allen  möglichen  Lokalitäten  zu  finden,  und  wenn 
Jemand  sich  daran  machte,  nach  derartigen 
Stücken  die  ,, Städte“  anf  Hissarlik  zu  klassifiziren, 
so  würde  nichts  leichter  sein,  als  bis  in  die  Zeit 
des  geschlagenen  Steins  (palaeolithische  Zeit)  zurück- 
zukommen.  Solche  Steine  finden  sich  in  allen 
Schichten  von  Hissarlik,  sowohl  in  den  obersten, 
wie  in  allen  anderen  bis  auf  den  Urboden,  ln 
kurzer  Zeit  kann  man  daselbst  eine  Sammlung 
von  geschlagenen  Steinen  machen.  Es  ist  aber 
dabei  nicht  zu  übersehen , dass  gerade  der 
Orient  für  die  Interpretation  solcher  Steine  eine 
für  uns  zwar  ungewöhnliche,  aber  sonst  sehr 
nahe  liegende  Deutung  giebt : das  ist  der  Ge- 
brauch, der  noch  heutigen  Tages  im  Orient  statt- 
findet,  scharfe  Scherben  und  Bruchstücke  von  kiesel- 
haltigen Steinen  zu  verwenden , um  damit  jene 
eigentümlichen  Dreschmaschinen  herzustellen,  die 
auch  in  ganz  Vorderasien  noch  heute  im  Ge- 
brauch sind.  Ich  habe  selbst  in  der  Troas  diese 
Geräthe  noch  in  recentem  Gebrauche  gefunden, 
und  wir  können  hoffen,  dass  in  einigen  Woeben 
im  Berliner  Museum  eine  neue  trojanische  Dresch- 
maschine, eine  sogonannte  doxor»;,  eintreffen  wird, 
die,  so  wie  sie  vom  Felde  gekommen  ist,  mir 
geschenkt  wurde.  Es  sind  dies  grosse  schlitten- 
artige Gestelle  aus  Holz,  etwa  1 — 1 */*  tu  lang, 
nach  vorn  etwas  aufgebogen , deren  ganze  un- 
tere Fläche  mit  scharfen,  schneidenden  geschlage- 
nen Steinen  besetzt  ist.  Diese  führt  man  über  das 
Korn  herüber,  so  dass  dasselbe  nach  allen  Rich- 
tungen zerschnitten  wird.  Daher  giebt  es  Stroh 
im  Orient  nicht,  wenigtens  nicht  in  unserem  Sinne, 
Bondern  nur  Häcksel.  Dies  wird  sofort  auf  dem 
Felde  geschnitten  und  das  Korn  daraus  gewonnen. 
Diese  Geräthe  sind  noch  heutigen  Tages  im 
ganzen  Orient  in  vollem  Gebrauch.  Wenn  wir 
daher  geschlagene  Steine  durch  alle  Schichten 
von  Hissarlik  und  auch  an  der  Oberfläche  von 
Ilion  novum  finden,  so  ist  das  für  die  Chronologie 
ganz  gleichgültig;  daraus  kann  Niemand  etwas 
definiren.  Am  wenigsten  ist  zu  schliessen,  dass 
die  geschlagenen  Steine  aus  dem  ersten  Steinzeit- 
alter stammen. 

Allerdings  kann  man  Ausnahmen  machen,  wenn 
es  sich  um  ganz  besondere  Steine  handelt,  deren 
Import  wahrscheinlich  ist.  Dahin  gehören  vielleicht 
die  Obsidiansplittor.  Ich  habe  selbst  einen  solchen 
in  der  tiefsten  Schicht  von  Hissarlik  »nfgchoWn. 
ein  grosses  prächtiges  Stück.  Nun  ist,  soweit 
ich  weiss,  bis  jetzt  kein  Fundort  in  der  vordem 
Troas  bekannt,  wo  Obsidian  vorkommt.  Es  ist 
bei  der  grossen  Ausdehnung  der  vulkanischen 
Erscheinungen  daselbst  jedoch  möglich,  dass  noch 


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brios  der  Alten  gehalten  wird.  Die  Lage  einiger 
Tempel  roste,  welche  in  der  Nähe  von  Bntak  auf- 
gefunden sind,  scheinen  ungefähr  der  Stelle  des 
Tempels  des  thymbrischen  Apoll  7,u  entsprechen, 
wo  nach  der  späteren  IJeberlieferung  Achilleus 
seine  tödt  liehe  Verwundung  erhielt,  als  er  die 
geplante  Zusammenkunft  mit  Polyxene , der 
Tochter  des  Priamos , abhalten  wollte.  An 
diesem  Flusse  giebt  es  ein  paar  Tepe’s,  von  denen 
sich  einer,  der  H anai  Tepe,  durch  seine  roman- 
tische Lage  auszeichnet.  Auf  dem  letzten  Vor- 
sprunge eines  Hügelzuges  am  rechten  Ufer  des 
Flusses  erhebt  sich  der  gewaltige  Kegel,  weniger 
hoch  als  breit,  mit  einer  Basis  von  erstaunlicher 
Ausdehnung,  so  gross,  dass  seihst  einer  der  sorg- 
fältigsten Beobachter  der  Neuzeit,  Herr  Forch- 
hammor,  der  sehr  geschickt  den  Charakter  der 
einzelnen  Hügel  unterschieden  hat , ihn  aus  der 
Reihe  der  lirabhügel  ausschied.  Gerade  dieser 
Hügel  hat  sich  als  die  ergiebigste  und  reichste 
Fundstelle  erwiesen. 

Es  stellte  sich  bei  den , noch  zu  meiner  Zeit 
fortgesetzten  Ausgrabungen  heraus,  dass  er  ganz 
und  gar  aus  Erde  aufgeschüttet  ist,  dass  er  aber 
aus  zwei  Haupttheilen  besteht:  aus  einem  klei- 
neren , oberen  und  jüngeren , griechischen , und 
einem  grosseren,  unteren,  prähistorischen.  Auch 
hier  fand  sich  zunächst  unter  der  Spitze  eine  Art 
von  Mauer  aus  grossen  Steinen,  welche  den  Zweck 
gehabt  zu  haben  scheint,  das  Innere,  welches 
ganz  mit  Aschenmasse  angefüllt  war,  zu  schliessen, 
also  wahrscheinlich  ein  Opferplutz.  Im  Anfänge 
stiess  mau,  schon  in  einer  Tiefe  von  2 — 3 Fuss, 
auf  menschliche  Gebeine,  welche  von  der  Be- 
stattung einer  Mehrzahl  von  Personen  her  rühren, 
mit  Beigaben,  welche  der  griechischen  Zeit  ent- 
sprechen. Damit  stimmt  die  Beobachtung , dass 
in  der  Nähe  zahlreiche  Ueberreste  einer  grie- 
chischen Stadt  mit  einer  Nekropole  vorhanden  sind. 

Unter  dieser  verhältnismässig  oberflächlichen 
Schicht,  von  derselben  durch  ausgedehnte  Aschen- 
sehichten  getrennt , folgte  die  eigentliche  Haupt- 
masse des  Hügels , bestehend  aus  sehr  dichtem 
Thon,  in  welchem  dicht,  unter  der  Oberfläche  ein 
Kranz  grosser  Steinblöcke  eingeschlosseu  ist.  Das 
Innere  dieses  Theils  ist  erfüllt  von  einzelnen  Be- 
gräbnissen. Da  sind  in  verschiedenen  Höhen  und 
in  geringen  Entfernungen  von  einander  ungebrannte 
Leichen  beigesetzt.  Wir  haben  hier  also  ein 
Massengrab.  Obwohl  zur  Zeit , als  ich  dort 
war,  nur  ein  einziger  Sektor,  höchstens  der 
zwölfte  Theil  des  Hügels  ausgeschnitten  war,  so 
waren  doch  schon  aus  diesem  Theil  sechs  Skelette 
zu  Tage  gefördert.  Daneben  finden  sich  zahl- 
reiche Gegenstände  des  Hausgebrauches,  welche 


! nahezu  denselben  Formen  angehören,  die  ich  vor- 
hin bei  Besprechung  der  ältesten  Schichten  von 
Hissarlik  charakterisirto,  überwiegend  polirte 
Hämmer  und  Beile , Sägen  von  Obsidian  und 
Chaleedon,  bearbeitetes  Hirschhorn  und  Knochen, 
von  Bronze  nur  zwei  Stücke,  dagegen  eine  Masse 
von  Beigaben,  die  auf  Opferfestlichkeiten  hin- 
weisen,  namentlich  Knochen  von  wilden  und  ge- 
zähmten Thieren , grosse  Massen  von  Austern- 
nud  anderen  Muschelschalen , Haufen  von  Topf- 
geräth,  welches  Übereinstimnit  mit  den  Thonsachen 
aus  den  alten  Schichten  von  Hissarlik.  Ich  kann 
nicht  dafür  stehen , ob  nicht  bei  der  weiteren 
j Ausgrabung  vielleicht  noch  andere  Gegenstände 
entdeckt  worden  sind,  welche  noch  mehr  Auf- 
klärung gewähren.  Ich  behalte  mir  daher  ein  ab- 
schliessendes Urtheil  vor,  bis  die  Sendung  bei 
! uns  angelangt  sein  wird.  Schon  jetzt  scheint 
alier  kein  Zweifel  darüber  zu  bleihen,  dass  der 
Hanai  Tepe  in  seinem  Gr  und  theil  ein 
Zeitgenosse  der  ältesten  Städte  von  His- 
sarli  k ist  und  dass  er  daher  für  die  Beurtheilung 
derselben  von  hoher  Bedeutung  ist. 

Sie  sehen  aus  diesem  Berichte,  dass  die  Unter- 
suchung der  trojanischen  Tumuli,  wenn  man  von 
dem  Hanai  Tepe  absieht,  viel  weniger  dankbar 
gewesen  ist,  als  man  selbst  bei  bescheidenen  Er- 
wartungen voraussetzen  durfte.  Ich  würde  meine 
Reise  fast  ergebnislos  betrachten  müssen,  wenn 
ihr  Gegenstand  nur  die  Heroengräber  gewesen 
! wären.  Aber  ich  fühle  mich  mehr  als  ent- 
schädigt durch  die  Anschauung  des  Lundes  und 
die  genauere  Erforschung  seiner  Verhältnisse, 

1 gnnz  besonders  aber  durch  die  Theilnahme  an 
den  letzten  Ausgrabungen  auf  Hissarlik  selbst. 
Gewiss  wird  Niemand  eine  solche  Reise  bedauern, 
wenn  er  die  Grossartigkeit  der  Ueberreste  sieht, 
i welche  dort  zusammengehäuft  sind.  Ich  beab- 
j sichtige  nicht,  hier  in  das  Einzelne  dieser  Ergeb- 
I nisse  einzugehen.  Es  wird  jedoch  vielleicht  einigen 
! Werth  für  Sie  haben,  wenn  ich  kurz  das  Gosainmt- 
| res  ul  tat  meiner  Beobachtungen  in  Bezug  auf  die 
' Chronologie  der  Funde  mittheile: 

Weder  in  Hissarlik,  noch  in  einem  der  Tumuli, 
noch  an  irgend  einem  andern  Punkte  der  Troas 
haben  wir  irgend  ein  Anzeichen  von  der  An- 
wesenheit des  Menschen  vor  der  Zeit  des 
I polirten  Steins  angetroffen;  ja,  es  ist  im 
höchsten  Grade  wahrscheinlich , dass  auch  diese 
I Bestimmung  noch  zu  weit  zurückgeht  und  dass 
auch  die  ältesten  Funde  schon  der  Metallzeit 
i angehören.  Wenn  wir  nun  erwägen,  dass  die 
] Troas  ganz  nahe  an  dem  Punkte  des  Hellespont 
liegt, welcher  von  jeher  die  Völkerbrücke  zwischen 
Asien  und  Europa  dargestellt  hat , dass  sie  hart 

11 


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14« 


an  die  Strasse  stösst,  auf  welcher  sich  in  der 
Vorzeit  die  Strömung  der  Einwanderungen  von 
Osten  nach  Westen  bewegt  haben  muss,  wenn 
wir  in  Betracht  ziehen,  wie  jede  grosse  kriegerische 
Operation  im  Alterthum  immer  wieder  diese  Stelle 
hat  benutzen  müssen,  so  ist  es  gewiss  erstaunlich, 
dass  hier  nicht  mehr  Anhaltspunkte  vorhanden 
sind  , welche  sich  mit  jenen  prähistorischen  Be« 
wegungen  in  Beziehung  stellen  lassen.  Somit 
ist  leider  zu  sagen,  dass  das,  was  meines  Wissens 
die  kleinasiatische  Forschung  bis  jetzt  zu  Tage 
gefördert  hat,  zur  Feststellung  unserer  Chrono- 
logie wenig  beiträgt.  Wollte  man  sich  an  Einzel- 
heiten halten,  so  würde  man  sogar  zu  den  selt- 
samsten Schlussfolgerungen  kommen.  So  habe 
ich  seit  Jahren  bei  unseren  Lokalforschungen  die 
Bedeutung  eines  Thon-Ornaments  geltend  gemacht, 
welches  ich  von  jeher  als  spezifisch  slavisch  an- 
gesprochen habe,  so  spezifisch,  dass  ich  zum 
Voraus  da,  wo  ich  es  in  unseren  Provinzen  finde, 
annehme , hier  waren  Slaven.  Dieses  Wellen- 
Ornamcnt  findet  sich  auch  in  Hissarlik.  Ich 
habe  in  höheren  und  tiefereD  Schichten  Scherben 
gesammelt,  die  in  dieser  Beziehung  Ubereinstimmen 
mit  dem , was  ich  bei  uns  slavisch  nenne. 
Daraus  ist  chronologisch  nichts  zu  schliessen,  denn 
dasselbe  Ornament  ist  heute  noch  in  Aegyten 
im  Gebrauch.  Es  zeigt  sich  hier  nur  die  grosse 
Zähigkeit  der  Uebcrlieferung ; der  Mensch  ist 
weit  weniger  schöpferisch,  als  nachahmend. 

Unzweifelhaft  entspricht  „die  zweite 
Stadt'4,  diejenige,  in  welcher  sämmt- 
licheFunnde  gemacht  sind,  und  welche 
durch  einen  gewaltigen  Brand  zerstört 
ist,  dem  Ilion  der  Sage.  Wie  viel  von  der 
Sage  selbst  historisch  ist,  kümmert  uns  zunächst 
wenig;  die  gebrannte  Stadt,  die  Goldstadt,  aber 
ist  eine  Thatsoche,  und  sie  wird  ein  wichtiges 
chronologisches  Glied  bleiben  in  der  Reihe  der 
Merkmale  vorhomerischer  Dinge.  Die  dort 
gefundenen  Ueberreste  gewinnen  somit  eine  kapi- 
tale Bedeutung. 

Andererseits  darf  man  nicht  übersehen , dass 
es  sich  bei  vielen  Gegenständen , die  in  der 
Trümmerstätt«  von  Hissarlik  zu  Tage  kamen, 
um  Import  handelt,  indem  die  Gegenstände 
nicht  in  Troja  selbst  gearbeitet,  sondern  vielleicht 
von  weit  her  eingeführt  worden  sind.  Wie  das 
Elfenbein  wahrscheinlich  von  Aegypten  importirt 
ist,  so  sind  unzweifelhaft  die  Goldschätze  von 
Osten  her  eingefUhrt  worden.  Ich  kann  in  dieser 


Beziehung  nur  bestätigen , dass  auch  die  Gold« 
funde,  die  wir  gemacht  haben,  dem 
assyrisch-babylonischen  Typus  ent- 
sprechen und  dass  Einiges  darin  ganz 
Ubereinstimmt  mit  Fundstücken  von  Mykenae, 
die  Herr  Schliemann  publizirt  hat.  Wenn 
aber  im  Allgemeinen  für  Mykenae  anerkannt 
wird,  dass  die  werthvollsten  Sachen,  welche  dort 
ausgegraben  wurden,  Importartikel  sind,  so  muss 
man  dies  auch  für  Hissarlik  zugestehen,  und  wir 
werden  ein  Zeugniss  für  die  Kunstfertigkeit  oder 
auch  nur  fllr  den  Kulturzustand  der  Bewohner 
daraus  nicht  ableiten  können , ebensowenig  wie 
wir  aus  römischen  oder  byzantinischen  Funden 
in  Skandinavien  direkt  etwas  ableiten  können  für 
die  Kunstleistung  der  Bewohner.  Für  die  chrono- 
logische Klassifikation  gewinnen  wir  so  eine  ge- 
wisse Basis,  jedoch  haben  wir  erst  weitere  An- 
knüpfungen zu  suchen , die  im  Orient  weiter 
rückwärts  liegen  müssen ; die  Forschungen  in 
Assyrien  u.  s,  w.  werden  das  Material  liefern 
für  die  Zeitbestimmung  des  vorderasiatischen 
Alterthums.  Was  in  Babylon  vielleicht 
schon  historisch  ist,  das  kann  in  Ilion 
prähistorisch  sein. 

WTie  weit  wir  dann  diese  Ergebnisse  für  die 
abendländische  Chronologie  werden  verwerthen 
können , darüber  erlaube  ich  mir  kein  Uriheil. 
Im  Augenblick  kann  ich  nur  sagen,  dass  das 
Erreichte,  wenn  nmn  seine  Bedeutung  für  die 
Urgeschichte  der  Völker  überhaupt  nüchtern  prüft, 
unser  Wissen  nur  wenig  gefördert  hat,  und  dass 
namentlich  irgend  ein  Anhalt  für  die  Beurtheilung 
der  ältesten  Völkerbewegungen  dadurch  nicht  ge- 
wonnen ist.  Vielleicht  waren  unsere  Erwartungen 
nach  dieser  Richtung  in  der  That  überschwängliche; 
jedenfalls  ist  es  gut,  dass  die  Tbatsachen  jetzt  in 
einer  solchen  Ausdehnung  festgestellt  sind,  dass  die 
rein  phantastische  Behandlung,  welche  die  tro- 
janischen Dinge  so  häufig  erfahren  haben , auf- 
hören muss.  Für  die  Spezialgeschichte  sind  die 
Entdeckungen  des  Herrn  Schliemann  von  un- 
schätzbarem Werthe. 

Ich  werde  mir  erlauben,  Ihnen  heute  Nach- 
mittag noch  einige  von  den  Steinsachen  vorzulegen, 
welche  ich  aus  Hissarlik  und  von  anderen  Punkten 
Vorderasiens  mitgebracht  habe;  Sie  werden  daran 
sehen,  dass  manche  Stücke  sich  den  vollendetsten 
Steinarbeiten  anreihen,  die  wir  aus  dem  Abend- 
londe  kennen.  Es  ist  prächtiges  Steingerät h,  aber 
keines  aus  der  eigentlichen  Urzeit. 


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147 


Vierte  Sitzung. 


Inhalt:  Herr  Straub:  Die  Ausgrabung  auf  dem  ap&trttmtHchen  Todtenfeid  beim  Weiasthnnnthor  in  Strass- 
burg.  — Herr  Waldeyer:  Die  Schädel  der  Straasburger  Nekropole;  toma  occinitali«;  trochanter 
tertiue.  — Diskussion : Herr  K.  Krause,  Herr  Schaaffhauscn.  — Herr  R.  Virehow:  Klein- 
asiatische,  namentlich  trojanische  Alterthftmer.  — Diskussion:  Herr  Sepp.  — ■ Geschäftliches : Vor* 
Stands  wähl,  K tat  Vorlage.  Programm  des  3.  Versamralungiitageadurch  Herrn  G.  Gerl  and  (cfr.  Ein- 
leitung S.  20).  — Schluss  der  Verhandlungen  der  X.  allgemeinen  Versammlung  durch  den  I.  Vor- 
sitzenden Herrn  0.  Frans. 


Herr  HtrAub: 

Ich  habe  mit  Dank  die  mir  willkommene 
Tßinladung  angenommen , Ihnen  über  die  Auf- 
deckung eines  grossen  Theils  der  römischen  Be- 
gräbnisstätte vor  dem  Weissthurmthor  Bericht  zu 
erstatten,  in  der  wohlgegründeten  üeberzeugung, 
dass  das  Zusammentreffen  so  vieler  Gelehrten  in 
unsern  Mauern  auch  meinen  Forschungen  Nutzen 
zufiihren  wird. 

Ueber  die  Lage  und  Ausdehnung  des  alten 
römischen  Todtenfeldes  unserer  Stadt,  längs  der 
grossen  Heerstrasse  von  Argen toratum  nach  Tres 
Tabernae,  hatten  wir  längst  schon  sichere  An- 
gaben. Als  ich  im  Laufe  des  verflossenen  Som- 
mers, nach  einer  eingehenden  Studie  Aber  die 
gallo  - römischen  Denkmäler  des  neuerstandenen 
Königshofen  und  Umgegend,*)  meine  Uebersichts- 
karte  der  Fundstellen  entwarf  und  die  rauthmass- 
liche  Stelle  darauf  verxeichnete,  wo  der  bekannte 
Stadtbaumeister  Speckel  vor  3 1 1 Jahren  20  stei- 
nerne Särge  und  über  100  Aschenurnen  aus- 
graben sah,**)  da  tauchte  in  mir  die  Hoffnung 
auf,  den  gewiss  noch  unberührt  gebliebenen,  zu 
Glacis  umgewandelten  nördlichen  Theil  des  Cö- 
meteriums  bei  Gelegenheit  der  Neulmuten  unter- 
suchen zu  dürfen . 

Die  gehegte  Hoffnung  sollte  schon  zu  Ende 
des  Monats  September  in  ErfUUnng  gehen.  Man 
denke  sich  meine  Ueberraschung , als  ich  am 
Tage  der  Rückkehr  von  einer  Forienreise  nach 
Westfrankreich  erfuhr,  dass  auf  der  von  mir  ins 
Auge  gefassten  Stelle  soeben  einige  Steinsärge 
seien  gefunden  worden  — zugleich  aber  auch 
meine  Entrüstung,  als  ich  den  Platz  betrat  und 
die  ehrwürdigen  Denkmäler  des  Altertbums  zum 
Theil  bereits  in  Stücke  zerschlagen  sah. 

Mein  Entschluss  war  schnell  gefasst.  Als  Präsi- 
dent des  els&ssischen  Vereins  für  Erhaltung  der 
geschichtlichen  Denkmäler  hatte  ich  ohne  Auf- 
schub eine  Pflicht  zu  erfüllen.***)  Das  Vorhandene 

•)  Leu  Antbiuit.es  gallo -romaines  de  Königshofen 
(bonlieue  de  Strasbourg),  avec  3 photographies  et  5 
gravurea  intercal&s  dans  le  texte.  Strasbourg,  1878. 

•*)  S.  Silbermann.  Lokal-Geschichte  der  Stadt 
Straasburg,  p.  39. 

••*)  Sämmtliche  Kosten  der  Ausgrabungen  wurden 
von  der  Getiellschaft  für  Erhaltung  der  geschichtlichen 
Denkmäler  des  Elsas«  getragen. 


musste  gerettet  und  sicher  gestellt,  das  noch  im 
Schoosse  der  Erde  Verborgene,  wenn  immer  mög- 
lich, aufgesucht  und  für  die  Wissenschaft  ver- 
wertet werden.  8o  that  ich  denn  an  demselben 
Tage  die  nötigen  Schritte  und  keiner  blieb  er- 
folglos. Nicht  nur  wurde  ich  von  der  Ver- 
waltung der  k.  Eisenbahnen  in  Elsass-Lothringen 
sofort  in  der  zuvorkommendsten  Weise  ermächtigt, 
die  gefundenen  Särge  einstweilen  im  Universitäts- 
gebäude aufzustellen  und  Nachgrabungen  auf  der 
Fundstätte  zu  unternehmen,  auch  die  Militär- 
behörde, deren  Terrain  ich  teilweise  bei  den 
neuen  Wällen  zu  betreten  hatte,  kam  meinen 
Wünschen  auf  das  Bereitwilligste  entgegen  und 
stellte  mir  sogar  Pioniere  zur  Verfügung,  ge- 
wandte und  zuverlässige  Leute,  wie  ich  sie  bei 
ähnlichen  Unternehmen  jedem  Altert humsforscher 
wünsche.  Möge  die  hohe  Verwaltung  der  Eisen- 
bahnen sowohl , als  die  hiesige  Militärbehörde 
hier  meinen  verbindlichsten  Dank  für  ihre  kräf- 
tige Unterstützung  genehmigen.  Denselben  Dank 
spreche  ich  dem  aus  unserer  Mitte  scheidenden 
Herrn  Oberprttsidenten  vou  Elsas*  - Lothringen, 
Excel  lenz  Dr.  von  Möller,  aus,  der  jedem 
wissenschaftlichen  Bestreben  für  Kunst  und  Alter- 
tbum  ein  so  warmes  Interesse  entgegeobringt 
und  mehrmals  die  Gewogenheit  hatte,  den  Aus- 
grabungen persönlich  beizuwohnen. 

Es  kann  hier  meine  Aufgabe  nicht  sein, 
meine  Herren,  Uber  den  Lauf  der  Nachgrabungen 
zu  berichten,  noch  mich  in  Erörterungen  einzu- 
lassen Uber  die  einzelnen  Vorgänge,  worunter 
auch  unerquickliche,  denn  es  fehlte  nicht  an  ge- 
täuschten Hoffnungen , namentlich  während  der 
29  Tage,  die  ich  mit  kurzer  Unterbrechung  bis 
Ende  November  bei  Wind  und  Wetter  auf  dem 
Todtenfelde  ausharrte.  Meine  Tag  für  Tag  bei 
jedem  Funde  sorgfältig  eingetragenen  Aufzeich- 
nungen sollen  demnächst  erscheinen,  und  in  ein- 
facher Erzählung  ein  nicht  unerhebliches  Material 
für  alte  Gräberkunde  zur  Kenntniss  bringen. 

Heute  werde  ich  mich  darauf  be>chränkeD, 
Ihnen  einen  Ueberblick  Uber  das  Ganze  zu  er- 
öffnen , die  wahrgenommenen  Bestattungsweisen 
zu  kennzeichnen , meine  Beobachtungen  über  die 
Leichen  mitzutheilen , schliesslich  die  vorgekom- 
menen Mitgaben  aufzuzählen  und  so  gut  als  hier 

ir 


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148 


möglich  durch  treue  Lichtdruckbilder  zu  ver- 
anschaulichen. Manche^,  das  ich  liier  übergehen  1 
muss,  bin  ich  bereit  Ihnen  heute  Abend  auf  der 
Ausgrabungsstätte  .selbst  auf  Wunsch  nach- 
zuholen. 

Zusammen  genommen  wurden  untersucht  un- 
gefähr 2.000  m,  d.  h.  die  zwei  Drittel  des  noch 
bestehenden  nördlichen  Th  eiles  des  Cometeriums. 
Da  das  Terrain  durch  die  im  September  vorge- 
nommenen PI nuirungs&r beiten  bereits  um  ein  Merk- 
liches war  niederer  gelegt  worden,  so  kamen  die 
Skelette  schon  in  einer  Tiefe  von  50  bis  90  cm 
zum  Vorschein,  was  das  Graben  in  dem  festen  | 
Lehmboden  bedeutend  erleichterte  Nur  an  einigen  j 
Stellen  liess  ich  den  Hoden  tiefer  untersuchen, 
namentlich  in  letzter  Zeit,  wo  wir  bis  auf  2,50 
bis  3,70  resp.  4 m unter  die  ursprüngliche  Höhe 
stiegen,  um  die  Ueberzeugung  zu  gewinnen,  dass 
keine  zweite,  tiefer  liegende  Reihe  von  Gräbern 
vorhanden  sei. 

Geöffnet  wurden  bisher  116  Gräber,  wovon 
13  auf  dem  kleinen,  noch  unberührt  gebliebenen  , 
Streifen  am  Walle  nach  Westen,  die  übrigen  103  1 
auf  der  Strecke  zwischen  der  neuen  Wallstrasse  i 
und  den  früheren , jetzt  zugeworfenen  Festungs- 
gräben nach  Osten.*) 

Sämmt  liehe  Gräber  sind  flache  Grabstätten 
und  weisen  auf  zwei  Bestattungsarten  : nach  der 
ersten  wurden  die  Körper  der  Todton  einge- 
äschert und  ihre  verbrannten  Gebeine  in  Ascben- 
urnen  beigesetzt,  nach  der  zweiten,  die  Leich- 
name in  Särge  eingesenkt.  Nur  bei  4 oder  5 
Gerippen  fanden  sieb  keine  Spuren  von  Be- 
sargung  vor. 

Grab  urnen  mit  Asche  und  verbrannten 
Knochenresten  oder  wenigstens  die  mit  Bestimmt- 
heit erkannten  Stellen  und  Ueberbleibscl  derselben 
fand  ich  bei  den  Wällen  in  blosser  Erde,  aut 
einem  sehr  beschränkten  Raum  von  höchstens 
90  qm,  15  und  nur  3 Särge,  auf  dem  grossen 
Todtenfelde  hingegen  nur  eine  U rn  e mit  Knochen- 
resten. auf  103  Grabstätten.  Es  ist  das  in  letzten 
Tagen  erst  entdeckte  Prachtstück  und  war  ur- 
sprünglich in  einer  hölzernen  Kiste  verschlossen, 
wie  die  Lage  der  noch  vorhandenen  Nägel  klar 
aufwies.  Den  Aussagen  früherer  Arbeiter  zufolge 
wurden  vor  meiner  Ankunft  bei  den  Wällen  zahl- 
reiche Aschengeftlsse , hier  aber  keine,  gefunden. 
Der  westliche,  Königshofen  zugewandte  Theil,  wo 
das  Incinerationssystem  vorherrschend  »st,  scheint 

*►  Redner  gab  hier  die  nöthigen  Erklärungen  an 
der  Hand  eines  iui  MuibiSKtuh  von  1 : 2000  entworfenen 
SituationKplaueä,  und  wie«  zugleich  auf  die  noch  nicht 
untersuchten  zum  großen  Theil  erst  sjjäter  zugäng- 
lichen Stellen  des  Tndtenfeldes. 


also  älter  zu  sein  oder  einem  anderen  Volks- 
stainme  augehört  zu  haben,  wenn  nicht  religiös»1! 
Anschauungen,  wenigstens  bei  einem  Theile  der 
Bewohner  Einfluss  ausgeübt  haben  - 

Die  Särge  gehören  verschiedenen  Kategorien 
an.  Die  einfacheren  waren  blos  aus  Holz  ge- 
fertigt, und  zwar  nach  der  Grösserer  Nägel  zu 
urtheilen  die  noch  vorhanden  sind,  während  das 
Holz  im  Lehm  spurlos  verschwunden  ist , aus 
dicken  Bohlen  zusammengesetzt,  wenn  wir  nicht 
in  einigen  wahre  Todtenhäume  erkennen  müssen. 
Die  meisten  sind  gegen  das  Fussende  auffallend 
zugespitzt. 

In  einem  derselben  befand  sich  ein  zweiter 
Sarg  aus  Blei  ohne  Deckel,  woraus  abzunehmen 
ist,  dass  ausnah m weise  auch  Vornehmere  in  höl- 
zernen Särgen  eingesenkt  wurden. 

In  diese  Klasse  gehören  die  zwei  aus  ge- 
brannten Thonplatten  zusammengesetzten  Todten- 
kisten,  die,  wie  die  noch  vorhandenen  Kl&mmer- 
nägel  beweisen,  von  einem  Holzsarge  umschlossen 
waren. 

Ein  gut  erhaltenes  Skelett  lag  auf  einer  Reihe 
aus  rother  Ziegelerde  gebrannter  Platten , ver- 
sehen mit  dem  Stempel  der  VIII.  Legion.  Ringsuni 
waren  rohe  Bruchsteine  angelegt.  Da  das  Grab 
noch  ununtersucht  war,  ho  darf  man  annehmen, 
dass  ein  hölzerner,  vielleicht  spitzwinkliger  Deckel 
sich  über  der  Leiche  erhob. 

Grosse  quadratische  Steinkisten,  aus  röth- 
lichem  im  Weilerthal  gebrochenen  Sandstein  kamen 
bisher  14  vor.  Der  15.,  von  mir  am  letzten 
Freitag  entdeckte,  wird  heute  Abend  vor  ihren 
Augen  geöffnet  werden.  Sie  verjüngen  sich  nur 
wenig  gegen  das  Fussende  und  zeigen  fast  säinmt- 
lich  den  eigentümlichen  Behau  in  roh  bearbei- 
teten eoncentrischen  oder  geradlinig  laufenden  ins 
Dreieck  spielenden  Linien.  Die  Deckel  sind  zum 
Theil  oben  abgerundet , zum  Theil  dachartig  ge- 
formt und  an  den  Ecken  mit  würfelförmigen 
Aeroterien  verziert.  Von  Inschriften  oder  Zeichen 
irgend  welcher  Art  konnte  bisher  daran  nichts 
bemerkt  werden.  Auffallend  ist  ihre  ganze  überein- 
stimmende Aehnlichkeit  mit  vielen  längs  am  Rhein 
gefundenen  und  für  römisch  gehaltenen  Stein- 
särgen.  In  dem  grössten  unter  ihnen  befand 
sich  noch  ein  bleiener  Barg  mit  dachförmigem 
Deckel  und  zwei  Griffen. 

Während  die  in  Steinsärgen  bestatteten  Leich- 
name nur  wenig  Reste  inehr  erkennen  Hessen, 
kamen  die  Gerippe  der  in  hölzernen  Särgen  Hin- 
gesenkten vollständig  erhalten  zu  Tage.  Durch 
das  schnelle  Verwesen  des  Holzes  war  der  Lehm 
nachgedrungen,  hatte  die  Leichen  vollständig  um- 
flossen und  vor  dem  Einwirken  der  Luft  geschützt, 


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149 


was  in  den  leeren  Räumen  der  weder  luft-  noch 
wasserdichten  Steinkisten  nicht  geschehen  konnte. 

Alle  lagen  dos  Gesicht  noch  oben,  die  meisten 
mit  die  Seiten  entlang  gestreckten  Armen,  bei 
einigen  jedoch  waren  die  Vorderarme  über  dem 
Unterleib  gekreuzt,  eine  Leiche  wurde  mit  über 
der  Brust  gefalteten  Händen  gefunden.  Bei  meh- 
reren war  dos  Haupt  etwas  seitwärts  gegen  die 
rechte  Schulter  geneigt. 

In  von  Norden  nach  Süden  streichenden 
Reihen  lug  nur  die  Mehrzahl  der  Steinsärge, 
wenn  den  etwas  schwankenden  Angaben  der  Ar- 
beiter, die  über  die  sechs  vor  meiner  Ankunft 
aus  dem  Boden  gehobenen  Steinkisten  berichtet 
haben,  Gewicht  beizulegen  ist.  Die  in  Holzsärgen 
Bestatteten  reihen  sich  nur  in  kleinen  Gruppen 
von  drei  oder  vier  in  derselben  Richtung  neben- 
einander, ohne  erkennbares  System,  ohne  Unter- 
schied des  Alters  oder  Geschlechtes. 

Auf  1 0(i  hatten  50  dos  Angesicht  nach  Mittag, 
35  dasselbe  nach  Sonnenaufgang  gewendet,  6 
sahen  nach  Norden,  2 nach  Westen,  die  übrigen 
4 nach  Zwischenrichtungen. 

Bemerkenswert!!  ist,  dass  die  zwei  einzigen 
nach  Osten  gerichteten  Steinkoffer  und  zwei  eben- 
falls orientirte  mit  Steinplatten  ausgelegte  Holz- 
särge, die  gewiss  einen  höheren  Stand  verrathen, 
weibliche  Gerippe  umschlossen. 

Im  Allgemeinen  verratheu  die  Knochenregte 
der  Erwachsenen  einen  starken,  grossen  Menschen- 
schlag, einen  Volksstamm,  in  dem  Frauen  von 
1 ui  85  cm  Vorkommen , aber  nur  wenige  ein 
hohes  Alter  mögen  erreicht  haben.  Nach  dem 
Zustand  der  herrlich  erhaltenen,  gländend  weissen, 
fast  durchgängig  lückenlosen  Zähnereihen,  wo- 
durch sich  die  Kiefer  der  Beerdigten  au  ^zeichnen, 
wollen  Sachkundige  erkennen,  dass  die  Aeltesten 
unter  ihnen,  einen  einzigen  zahnlosen  Greisen  aus- 
genommen, kaum  das  vierzigste  Lebensjahr  er- 
reicht haben.  Kranke  oder  verwachsene  Zähne 
ist  noch  nicht  einer  vorgekommen.  Gut  erhaltene 
Kinderleichen  werden  nur  zwei,  fast  ganz  ver- 
weste mehrere  aufgedeckt. 

Dass  die  unter  meiner  Leitung  blosgelegten 
Ueberreste  der  Entschlafenen  stets  mit  der  dom 
Grube  gebührenden  Ehrfurcht  umgeben  blieben, 
bedarf  wohl  keiner  weiteren  Bestätigung.  Die- 
selben wurden  nach  vollzogener  Untersuchung 
sofort  wieder  zugedeekt  und  den  Augen  unberech- 
tigter Neugierde  entzogen.  Doch  sind  einige 
Gerippe  der  Wissenschaft  zum  Opfer  gebracht 
und  eine  Zahl  vortrefflich  erhaltener  Schädel  zum 
Zweck  ethnographischer  Studien  dem  anato- 
mischen Museum  überwiesen  worden ; mehrere 
davon  sind  hier  im  Sitzungssaal!*  ausgestellt. 


Es  Hegt  ausser  Zweifel,  dass  die  auf  unserm 
Todtenfelde  der  Erde  übergebenen  Leichname  be- 
kleidet waren,  wenn  gleich  von  den  Kleiderstoffen 
gar  nichts  mehr  auf  uns  gekommen  ist.  Den 
Beweis  liefern  mehrere  dazu  gehörende  Gegen- 
stände und  Schinucksaclien. 

Einige  wenige  trugen  noch  Ohren-  und 
Fingerringe  aus  dünnem  Draht ; zahlreicher 
fanden  sich  die  Armbänder  vor,  meist  aus 
.spiralförmig  gewundenen  Erzdrähten,  nur  einer 
aus  Holz  oder  Bein.  Theile  eines  schönen  Stirn- 
bandes, aus  hübschen  aufgenähten  Goldplättchen 
bestehend , zierten  noch  den  Schädel  einer  Jung- 
frau. Unter  den  Haarnadeln  zählen  wir  eine 
goldene  und  8 aus  Silber,  die  anderen  aus  Erz. 

Von  der  Kleidung  einiger  männlichen  Leichen 
hatten  sich  die  Gurt-  und  Schuhschnallen 
sammt  den  zahlreich  aufgefundenen  Schuh- 
nägeln  vorgefuuden. 

Auffallender  Weise  wurde  nicht  eine  einzige 
der  in  römischen  Gräbern  so  oft.  vorkommenden 
Heftnadeln  entdeckt  und  nur  9 römische 
Münzen  gefunden,  wovon  8 aus  Constantiniscber 
Zeit,*)  die  9.  dem  Kaiser  Muximiunus  angohörend. 
Zwei  der  Münzen  waren  durchlöchert  uud  wurden 
mit  den  entsprechenden  Armbändern  am  Hand- 
gelenk gefunden.  Die  weit  überwiegend  dem 
IV.  Jahrhundert  angehörenden  Geldstücke  haben 
mich  in  der  Meinung  bestärkt,  dass  dieser  Leichen- 
hof grossentheils  dieser  Zeit,  der  westliche,  an 
den  Wällen  durchsuchte  Theil  aber  dem  II.  und 
III.  Jahrhundert  angehört. 

Trotz  sorgfältiger  Untersuchung  fand  man  im 
Munde  keines  der  Beerdigten  den  heidnischen 
Fährgroschen ; eben  so  wenig  konnte  bisher  auch 
nur  ein  einziges  positiv  christliches  Merkzeichen 
wahrgenom inen  werden , obgleich  in  jener  Zeit 
das  Christenthum  im  Eisass  zahlreiche  Anhänger 
zählte.**)  Von  Waffen  und  G erät h schaff  en 
kamen  nur  zwei  kleine  eiserne  Aexte  und  ein 
sehr  kurzes,  fast  messerartiges  Schwert  zum  Vor- 
schein. 

*)  In  dem  an  demselben  Abend  geöffneten  Stein- 
aarg lagen  ebenfalls  eine  kleine  Kupfermünze  an*  Con- 
stuntiniftcher  Zeit,  mit  der  Umschrift  VRBS  (ROMA) 
und  Angabe  de«  Prägeorte»  CON8(TANTINOPOLIS). 

Kaum  «ine  Stunde,  nachdem  dieser  Vortrag 
gehalten  war,  wurde  ein  Grab  aufgedeckt,  in  dem 
sich  nebst  Gefämen,  Ringen  und  einem  Verschluss 
von  Hein,  ein  Beschlag  aus  Bronze  vorfand,  auf  dem 
zwei  sogenannte  versteckte  Kreuze,  cruces  disaimulaUe, 
und  zwei  gewöhnliche  Kreuze  in  punktirten  Linien 
♦ungeschlagen  nach  sorgfältiger  Säuberung  der  Metall- 
platte zum  Vorschein  kamen.  Somit  wäre  du*  letzi- 
geöffnete Grab  die  erst«  Ruhestätte,  die  einem  Christen 
mit  Sicherheit  kann  zug «schrieben  werden. 


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Um  so  reichlicher  war  die  Ausbeute  an  Grab- 
gefässen,  wovon  einige,  wohl  Liehlingsgegenstände, 
ursprünglich  in  leicht  erkennbaren  hölzernen  Kitt- 
chen eingesenkt,  während  die  Libationsgeschirre 
umgestUrzt  im  Sarge  lagen.  Die  meisten  wurden 
zu  H Hupten  über  den  Achseln  oder  hei  den  Füssen 
gefunden. 

Die  tliönernen  Gefässe  sind  Schaalen  und 
Krüge  mit  und  ohne  Henkel , meistens  aus  hell- 
gelber, einige  aus  schwarzer  oder  röthlicher  Erde 
gebrannt.  Eine  rothe  Sehaale  trägt  kleine  geo- 
metrische Verzierungen,  nur  zwei  können  den 
GefHssen  aus  terra  sigillata  beigezählt  werden, 
entbehren  aber  noch  des  hellen,  unverwüstlichen 
Glanzes,  der  die  samische  Erde  auch  nach  Jahr- 
hunderten noch  auszeicbnet. 

Gefässe  aus  Thon  wurden  auf  der  Wallseite 
14  gefunden  und  nur  3 aus  Glas,  die  Aschen- 
Urnen  mit  gezählt. 

Auf  dem  grossen  Todtenfelde  hingegen  trafen 
wir  22  irdene  Geschirre  und  00  gläserne  GefÄsse 
der  mann  ich  fach  sten  Formen,  in  denen  wir  un- 
streitig Erzeugnisse  römischen  Kunstfleisses  er- 
kennen müssen. 

Die  Reihe  eröffnet  ein  Canthams,  ganz  in  der  j 
Form  und  Grösse,  mit  denselben  ausgescbliffenen 
Ornamenten  versehen,  wie  der  unlängst  bei  Trier 
in  einem  christlichen  Grab  aufgefundene  doppel- 
henklicbe  Glaskelch.*)  Vielleicht  noch  wichtiger 
als  dieses  Stück  ist  eine  Schaale  mit  eiuer  aus- 
geschliffenen  Jagdscene,  deren  Technik  in  ver- 
schiedenen Einzel nheiten  dieselbe  Hand  verräth, 
aus  der  eine  Überaus  werthvolle  Schaale  des 
Wu  1 1 r a ff ' scheu  Museums  zu  Cöln  gekommen. 
Weiter  sehen  wir  hohe  gehenkelte  Kannen, 
worunter  ein  Frachtstück . dessen  schlanker  Hals 
mit  einem  aus  blauem  Glas  eingesetzten  und 
zweischen  einem  hervorstebenden  doppelten  Wulst 
hinschlängelnden  Band  geziert  ist;  Flaschen  aller 
Art,  Bechor  und  Schaalen , unter  diesen  letztem 
eine  mit  abwechselnd  blauen  und  karminrothen 
Glaspasten  besetzt , eine  andere  aus  feinstem 
Perlmutterglas  in  Muschelfomi ; Kannen  aus  der 
bekannten  Fattform , wovon  eine  am  Boden  die 
Inschrift  V G'ARANOA  trägt;  sogenannte  Lacry- 
matorien  oder  Balsam-  und  Kiechfiaschen  der  ver- 
schiedensten Art  u.  8.  w. 

Doch  statt  mich  in  eine  weitere  Aufzählung 
dieser  interessanten  Fundstücke  einzulassen , er- 
laube ich  mir,  meine  verehrten  Herren , Ihnen 
eine  Abbildung  derselben  in  Lichtdruck  vor  Augen 

*)  Siehe  Jahrbücher  de«  Vereins  von  Alterthums- 

freunden im  Rheinland*.  Heft  LXIV,  S.  126. 


zu  legen.*)  Sie  am  allerwenigsten  werden  ea  mir 
verübeln,  wenn  ich  diese  äusserat  zerbrechlichen 
Fundstücke  der  Gefahr  des  Zerbrechen»  nicht  aus- 
setzen wollte,  und  vorxog  dieselben  in  den  Schaa- 
schränken  unserer  Sammlung  stehen  zu  lassen, 
woselbst  sie  zur  Besichtigung  ausgestellt  bleiben. 
Wer  die  grossartigen  Sammlungen  unserer  rhein- 
ländischen , an  römischen  Grabfunden  so  reichen 
Museen  zu  Mainz,  Wiesbaden,  Bonn,  Trier  und 
Cöln  gesehen,  wird  die  Analogen  leicht  erkannt 
haben.  Erklärung  über  den  theilweisen  Goss 
der  Gläser,  über  das  Aufspinnen  der  zierlichen 
schlangenförmig  gewundenen  Fäden,  übor  das 
Umlegen  von  unten  nach  oben  der  feinen  Ränder 
an  der  Oeffnung,  Uber  die  Kunstfertigkeit , mit 
welcher  man  es  verstand  die  Henkel  mit  staunen- 
erregender  8chärfe  anzusetzen  und  anderes  mehr, 
muss  ich  einem  Techniker  überlassen. 

So  hat  es  sich  denn  wieder  bewährt,  dass 
ein  schönes  8tück  unserer  früheren  Kultur- 
geschichte im  Boden  vergraben  liegt , dem  Ein- 
geweihten, wenn  es  am  Tageslicht  erscheint,  wahr 
und  treu  Bericht  erstattend  über  längst  ver- 
schwundene Zeiten,  als  ein  ernster,  glaubwürdiger 
Zeuge,  unbestechlich  wie  der  Tod,  der  die  vielen 
Hingeschiedenen  in  die  Erde  gebettet  hat.  Glücklich 
wer  ein  auch  halbzerrissene*  Blatt  dieser  Kultur- 
geschichte findet,  noch  glücklicher  aber  und  gemein- 
nütziger, wer  die  geheimnisvolle  Schrift  zu  lesen 
und  vollständig  zu  deuten  vermag.  Ich  habe  dies 
Blatt  gefunden . aber  vieles  ist  mir  ein  Rätbsel 
geblieben.  Welchem  Völkerstamm  gehören  wohl 
die  aufgedeckten  Skelette  an , die  nach  1 5 oder 
16  Jahrhunderten  wieder  ans  Licht  treten  und 
meist  so  wunderbar  erhalten  sind , als  wären  sie 
erst  vor  kurzer  Zeit  beerdigt  worden?  Sollen  wir 
in  denselben  celtischen  oder  römischen  Ursprung 
erkennen?  Gehören  sie  eiuem  gemischten  Volke 
an?  Weist  irgend  etwas  auf  germanische  auf 
römischem  Boden  einheimisch  gewordene  Ele- 
mente hin. 

Lauter  Fragen,  Uber  welche  die  mir  ferner 
liegenden  ethnographischen  Studien  wohl  Bescheid 
geben  können.  Mit  Dank  werde  ich  jede  Be- 
lehrung hierüber  entgegennehmen  und  für  meine 
dem  Druck  bereits  übergebene  Schrift  über  diese 
Grabfunde  zu  verwert hen  suchen.**) 

Hier  wurden  neunzig  Abdrücke  der  verschiedenen 
Lichtdnickbilder  unter  die  Anwesenden  vertheilt.  A li- 
drücke der  nach  Zeichnungen  de»  Verfassen*  herge- 
stellten Holzschnitte,  betreffend  die  am  Weiwrthumi- 
thor  aufgedeckten  Gräber  und  Särge  waren  kurz  zuvor 
auagegptten  worden. 

*•)  Erscheint  nächsten»  unter  dem  Titel : Decou- 
verte  d'une  partie  de  Tancien  cimetihre  gallo- romain 
d'Argentoratum,  ou  Rapport«  nur  le»  fouille«  *xecut-£es 


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151 


Herr  Wildeyer : 

Die  Mittheilungen , welche  ich  über  die  von 
dein  Herrn  Vorredner  ausgegrabenen  Schädel  zu  1 
machen  habe,  sind  nur  sehr  fragmentarisch  und 
ktanen  es  auch  nur  sein,  da  die  Ausgrabungen 
noch  fortgesetzt  werden  und  zu  einer  umfassenden 
Untersuchung  Ergänzungen  noch  wünschenswert  h 
sind.  Ich  habe  eine  Anzahl  der  Schädel , den 
Hauptmaassen  nach  gemessen  — und  lege  Ihnen 
einige  derselben  hier  vor.  Ausser  den  Schädeln 
haben  wir  noch  manche  ziemlich  vollständig  er- 
haltene Skellete  bekommen.  Schon  bei  oberfläch- 
licher Betrachtung  zeigt  sich,  dass  die  Schädel 
recht  gut  erhalten  sind  und  es  zeigt  sich  auch 
eine  gewisse  Uebereinstimmung  in  der  Form 

Die  Messungen , die  ich  vorgenommen  habe, 
ergeben,  dass  die  Schädel  der  mesoccphalen 
Form  angeboren,  bei  der  das  Yerbältniss  des  so-  j 
genannten  Längen -Breiten-Index  75  — 79  beträgt. 

Wenn  in  neuerer  Zeit  durch  die  Herren  H.  Ranke 
und  K o 1 1 m a n n daranf  aufmerksam  gemacht  wor- 
den ist,  dass  man  unter  süddeutschen  Reihengräber- 
Schideln  ausser  den  dolichocephulen  auch 
in  esocephal  e findet,  so  scheint  dies  auch  der 
Grnndtypus  dieser  Schädel  zu  sein.  Was  die 
Höhen  Verhältnisse  anbelangt,  so  sind  sie  ortho- 
cephale ; eigentliche  Höhenschädel  oder  hypsi- 
cephale,  niedrige,  flache  Schädel  oder  chamae- 
cepbale  Anden  sich  bei  ihnen  nicht.  Sonst,  zeigen 
sich  die  Schädel  im  Ganzen  wohl  gebildet  und 
keine  ins  Auge  fallenden  Eigenthümlichkeiten, 
keine  abweichenden  Bildungen  lassen  sich  erkennen. 
Auch  bei  den  übrigen  Knochen  kann  man  keine 
auffallenden  Unterschiede  von  den  sonst  bekannten 
süddeutschen  Skelleten  nach  weisen.  Im  Ganzen 
und  Grossen  finden  sich  sehr  kräftig  ausgebildete 
Formen ; die  Arm-  und  Schenkelknochen  zeigen 
storko  Muskel vorsprünge.  so  dass  wir  auf  einen 
stark  entwickelten  Stamm  zu  schliessen  haben. 

Ich  will  mich  auf  diese  wenigen  Bemerkungen  | 
beschränken,  zumal  ich  noch  über  einige  andere  [ 
Gegenstände  zu  sprechen  habe.  Nur  auf  einen 
Schädel  möchte  ich  ihre  Aufmerksamkeit  noch 
besonders  lenken,  das  ist  dieser  makrocephale; 
er  wurde  zwar  unter  den  andern,  als  in  gleicher 
Weise  beigesetzt,  aufgefunden,  es  ist  indessen  sehr 
wahrscheinlich,  dass  er  einem  ganz  andern  Volks- 
stamm  angehört.  Es  hat  durchaus  den  Anschein, 

prfcs  de  la  porte  Blanche,  a Strasbourg,  sous  le» 
auMpice«  de  la  Societe  pour  la  Conservation  des  monu- 
ment« historiques  d'Alsace,  par  le  chanoine  A.  Straub. 
President  de  ladite  Societe,  avec  2 carte»,  1 nlanche  j 
lithographiee,  12  planchee  photoglyptique«  et  ne  nom- 
hreuee»  gravuree  Intervalle»  dann  le  texte. 


als  oh  durch  eine  künstliche  Einwirkung  diese 
Fonn  des  Schädels  entstand. 

Dies  ist  das,  was  ich  über  die  bis  jetzt  aus 
unserer  Nekropole  gewonnenen  Schädel  sagen 
wollte. 

Erluulien  Sie  mir  nun  noch  über  einige  uudere 
Untersuchungen  Ihnen  Mittheilung  zu  machen. 
Es  handelt  sich  zunächst  um  eine  eigentümliche 
Bildung  an  der  Hinter  ha  uptsschuppe  des 
menschlichen  Schädels , welche  Ecker  als  Torus 
occipitalis  transversus  bezeichnet  und 
welche  Fr.  Merkel  vor  etwa  10  Jahren  zuerst 
bi*schrieben  hat.  Die  bisherige  Beschreibung  der 
Hinterhauptsschuppe  ist  nicht  ganz  zutreffend. 
Man  unterschied  bisher  zwei  quere  Nackenlinien, 
die  obere  und  die  untere.  Merkel  zeigte  zu- 
erst , dass  drei  solcher  Linieu  vorhanden  sind 
(Redner  zeichnet  die  typische  Form  der  drei 
Nackenlinien  an  die  Tafel  und  demonstrirt  eine 
Anzahl  Schädel . an  welchen  dieselben  sehr  deut- 
lich zu  sehen  waren).  Es  kommen  nun  allerlei 
kleine  Abweichungen  an  diesen  Linien  vor;  sie 
können  bald  stärker,  bald  schwächer  sein ; an 
diesem  Schädel  liegen  sie  näher  beisammen , an 
diesem  anderen  Schädel  sind  sie  sehr  stark  aus- 
geprägt und  jede  Linie  hat  noch  einen  kleinen 
Stachel , doch  ist  auf  diese  kleinen  Differenzen 
kein  besonderer  Werth  zu  legen. 

Zunächst  möchte  ich  Sie  nun  darauf  auf- 
merksam machen,  dass  diese  Linien  sich  auch  an 
Kinderschädeln  vorfinden,  also  sich  nicht  erst  im 
spätem  Alter  entwickeln.  Merkel  erwähnt  schon, 
dass  sie  bei  Kindern  von  5 — 8 Jahren  zu  sehen 
seien.  Doch  kann  man  noch  weiter  zurückgeben : 
Hier  zeige  ich  Ihnen  zwei  Schädel  von  mensch- 
lieben  5- — (-»monatlichen  Foetus,  an  welchen  sie 
bereits  deutlich  zu  sehen  sind.  Auch  an  diesem 
hier  vorliegenden  Schädel  eines  Neugeborenen 
kann  man  die  Spur  der  Linien  schon  erkennen  — 
mehr  ausgeprägt  erscheinen  sie  natürlich  in 
höherem  Alter. 

Das  musste  ich  vorausschicken,  um  nun  zum 
eigentlichen  Gegenstand  meiner  Betrachtungen 
übergehen  zu  können.  Wiedemm  Merkel  hat 
schon  darauf  aufmerksam  gemacht , dass  hei 
manchen  Schädeln  diese  drei  Linien  nicht  zu 
unterscheiden  seien,  an  Stelle  der  beiden  obern 
Linien  treten  nämlich  ein  querer,  starker  Wulst, 
der  sich  Uber  das  Hinterhaupt  herüber  zieht ; 
er  fand  ferner,  dass  dieser  Querwulst  vorzugs- 
weise hei  Schädeln  niederer  Hassen  vorkäme, 
während  er  bei  den  Europäern,  von  Merkel 
wenigstens , nur  sehr  selten  gefunden  wurde. 
Merkel  hat  nur  ganz  kurz  diese  anthropologische 
Seite  des  Gegenstandes  hervorgehoben,  genauer 


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152 


darauf  eingegungon  ist  neuerdings  Ecker.  Letz- 
terer faud  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Schädeln 
aus  Florida  diesen  Wulst,  den  er  Torus  occi- 
pitalis nennt,  so  stark  ausgeprägt,  dass  es  ihm 
sehr  auffallend  erschien,  und  er  am  Schlüsse  seiner 
Arbeit  dem  Gedanken  Raum  giebt , dass  hierin 
vielleicht  für  gewisse  Menschenrassen  ein  charakter- 
istisches Merkmal  gegeben  sei.  Bei  Europäern 
kommt  auch  nach  Ecker  der  Tonis  nur  ver- 
einzelt vor,  bei  Negern  ebenso. 

Ich  habe  nun  gerade  darauf  hin  aus  Anhuts 
eines  Schädelfundes,  der  am  badischen  Rheinufer 
heim  Bau  des  Forts  Auenheim  gemacht  wurde 
und  den  ich  von  meinem  Schwager,  Herrn  In- 
genieur - Haupt  inann  Dillen  hurger,  erhielt, 
Untersuchungen  angestellt.  Der  liier  vorliegende 
Schädel  wurde  etwa  zwei  Meter  tief  unter  dem 
Boden  gefunden ; derselbe  zeigte  einen  auffallend 
stark  ausgeprägten  Torus.  Ich  untersuchte  dann 
die  in  den  hiesigen  anatomischen  Instituten  vor- 
handenen Schädel  und  fand  auch  bei  vielen  von 
diesen,  wie  Sie  sich  an  den  mitgebrachten  Exem- 
plaren Überzeugen  können,  eine  Anlage  derselben 
Bildung  und  oft  sehr  stark  entwickelt.  Ich 
möchte  daher  den  Satz  aufstellen,  dass  wenn  auch 
der  Torus  occipitalis  bei  gewissen  Völkerschaften 
eine  charakteristische  Bildung  vorstellen  mag,  der- 
selbe den  Europäern  doch  keineswegs  fehlt  und 
häufiger  angetroffen  wird,  als  man  bisher  ange- 
nommen bat.  (Redner  demonstrirt  eine  Anzahl 
eUäosischer  Schädel  mit  deutlich  markirtem  Torus). 

Gestatten  sie  mir  nun  noch  eine  zweite  kurze 
Mittheilung,  von  der  ich  glaube,  dass  dieselbe 
unter  Umständen  auch  von  anthropologischem 
Werthe  sein  dürfte.  Es  betrifft  dies  einen  Be- 
fund am  menschlichen  Oberschenkel. 
Man  hat  am  menschlichen  Oberschenkel  schon 
vor  längerer  Zeit  einen  Knochenvorsprung  be- 
sprochen, der  an  der  untern  Hälfte  liegen  sollte, 
und  den  W i 1 1 b r n n d und  Barkow  mit  dem 
dritten  RollliÜgel  bei  thierischen  Oberschenkeln 
verglichen  haben  (Trochanter  tertius  der  Equidae 
und  Rhinocerotidae).  Aus  der  Lage  des  von 
W i 1 1 b r a n d und  Barkow  beschriebenen  Vor- 
sprungs geht  nun  aber  hervor,  dass  er  unmög- 
lich mit  den  Trochanter  tertius  der  Thiere  ver- 
glichen werden  kann,  worauf  schon  W.  0 ruber 
mit  Recht  aufmerksam  gemacht  hat.  Ich  möchte 
Ihnen  aber  einen  wahren  Trochanter  tertius  auch 
bei  Menschen  zeigen.  Er  findet  sich  ziemlich 
häufig.  Ich  habe  nicht  weniger  als  sieben 
Exemplare  in  unserer  anatomischen  Sammlung 
aufbewahrt , bei  denen  eine  deutliche  Spur  des 
Trochanter  tertius  zu  bemerken  ist.  Der  ächte 
Trochanter  tertius  ist  durch  den  Ansatz  einer 


Portion  des  Mnseulus  glutaeus  maximus  gekenn- 
zeichnet. wie  es  auch  in  den  von  mir  beobachteten 
Fällen  beim  Menschen  ersichtlich  war,  und  liegt 
am  oberen  Ende  der  Rauhigkeit.,  die  dem  grossen 
Gcsässmuskel  zu  Ansätze  dient.  (Redner  demon- 
strirt  an  Zeichnungen  und  an  Präparaten  das 
Vorgetragene.)  — Da  wir  es  hier  also  mit  einer 
Tberomorphie  zu  tlmu  haben,  scheint  mir  die 
Sache  nicht  nur  im  rein  morphologischen,  sondern 
auch  anthropologischen  Interesse  werthvoll  genug, 
um  sie  hier  vorzubringen. 

Herr  Krause: 

Ich  wollte  nur  bemerken , dass  dieser  Torus 
occipitalis  auch  auf  den  Schädeln  bei  den  Papuas 
ganz  enorm  häufig  vorkommt,  und  dass  derselbe 
mindestens  bei  einem  Drittel  immer  aufgefunden 
wird.  Ich  habe  gerade  in  Folge  dieses  häutigen 
Vorkommens  nicht  die  Ueberzeugung  gewonnen, 
dass  dies  als  ein  besonderes  typisches  Merkmal 
einey  Menschenrasse  anzunehmen  sei,  da  er  bei 
den  einen  sehr  ausgeprägt,  bei  den  andern  sehr 
wenig  und  bei  einem  dritten  mit  gar  keiner  Spur 
vorhanden  ist ; diese  Beobachtung  hat  mich 
bedenklich  gemacht,  anzunehmen,  dass  beim  To- 
rus occipitalis  eiu  eigentlich  typischer  Charakter 
vorliegt. 

Herr  NclliiaffllHUNcn  bemerkt , dass  ei  auf 
den  sogenannten  Torus  als  ein  gewöhnliches  Merk- 
mal einer»  niederen  Schädelbildung  schon  früher 
hingewiesen  habe  und  dass  mau  ihn  als  die  An- 
deutung des  Querkammes  am  Schädel  der  Anthro- 
poiden betrachten  könne,  der  beim  weiblichen 
Gorilla  allein  vorhanden  sei,  während  das  Männ- 
chen auch  den  hohen  Scheitelkamm  besitze.  Meh- 
rere prilhistorische  Schädel  seiner  Sammlung  haben 
ihn  stark  entwickelt,  ebenso  ein  Battaschädel. 
Die  Annäherung  des  Querwulstes  zu  der  Laml>du- 
nabt,  also  die  Kürze  des  Obern  platten  Th eils  der 
Hinterhauptsschuppe  ist  für  den  rohen  primitiven 
Schädel  besonders  bezeichnend  und  wieder  der 
pithekoiden  Bildung  entsprechend , wo  die  linca 
nuchae  fast  mit  der  Lambdanaht  zusaiuinenfällt. 

Herr  Yirchow  (kleinasiatische,  na- 
mentlich trojanische  Alterthümer): 

Zunächst  möchte  ich  einige  Vorlagen  zu 
dem,  was  ich  heute  Mittag  erörtert  habe,  nach- 
tragen. Hier  ist  eine  kleine  Auswahl  des 
Seltensten,  was  im  Augenblicke  Kleinasien  an  ge- 
schliffenen Stei  ngeräthen  bietet.  Ein 
Theil  derselben  ist  mir  in  freundlichster  Weise 
von  dom  Consul  Herrn  Spiegelthal  in  Smyrna 
übergeben  worden,  meist  Sachen  von  der  Ruinen- 
stätte  des  a 1 1 e n S a r d e s.  Darunter  befindet 


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153 


sich  wohl  das  grösste  polirte  Steingeräth , da« 
aus  Kleinasien  bekannt  ist : ein  schönes  Serpentin- 
beil,  15  cm  lang,  in  der  Nahe  der  Schneide 
6 cm  breit,  nach  hinten  fast  zugespitzt,  und  kurz 
ror  dem  Ende  3 cm  dick,  nicht  durchbohrt  — 
eiues  der  schönsten  Stücke  aus  dieser  Periode.  — 
Ein  zweites  Stück,  weiches  der  Form  nach  am 
meisten  ungewöhnlich  ist,  stammt  von  einem  jener 
berühmten  Gräber  am  Sipylos,  wo  nach  der  alten 
Tradition  das  Grab  des  Tantalos  war.  Herr 
Spiegelthal  hat  es  selbst  aus  einem  der 
Gräber  genommen.  Es  ist  ein  durchweg  polirter, 
unregelmässig  dreieckiger  Stein,  an  welchem  zwei 
Seiten  schräg  abgeschliffen  sind,  so  jedoch,  dass 
die  Flächen  einander  parallel  laufen.  Die  dritte 
Seit«  ist  etwas  verjüngt , aber  abgerundet  und 
stumpf.  Die  obere  und  untere  Fläche  sind  eben. 
Es  scheint  ein  zum  Glätten  benutzter  Stein  ge- 
wesen zu  sein. 

Ferner  ist  hier  eine  Reihe  von  kleineren  Stein- 
keilen, darunter  mehrere  sehr  grüne  und  an  den 
Kanten  durchscheinende  von  nephritischem  Aus- 
sehen*), einzelne  von  den  sonderbarsten  Formen, 
wie  sie  Herr  Dr.  Gross  heute  Morgen  aus  den 
Pfalbauten  des  Bieler  Sees  ausgestellt  hatte.  Am 
meisten  eigenthüinlich  ist  ein  ganz  kleiner  Stein- 
meissel  von  bräunlich  grauer  Farbe,  der  eine 
grosse  Feinheit  und  Eleganz  der  Arbeit  erkennen 
lässt.  Er  ist  nur  3 cm  lang,  vorn  an  der  sehr 
scharfen  Schneide  1 cm,  hinten  nur  4 miu  breit 
und  bis  7 mm  dick. 

Dann  habe  ich  hier  eine  Reihe  von  tro- 
janischen Steinsachen.  Zunächst  einige 
geschliffene  Beile  und  Aexte.  Dasjenige  Stück, 
welches  ich  unter  den  von  mir  eigenhändig 
erhobenen  für  das  am  meisten  bemerkenswerthe 
halte,  ist  leider  nur  Bruchstück.  Es  ist  eine,  mit 
einem  grossen  und  sauberen  Bohrloch  versehene 
Steinaxt  von  jener  zierlichen,  etwas  gebogenen  Form, 
welche  an  Vorbilder  von  Bronze  erinnert.  Fast 
jeder,  der  sie  gesehen  hat,  war  überrascht  davon, 
eine  solche  „nordische“  Form  zu  erblicken.  Ge- 
bohrte Stücke  sind  auch  sonst  nicht  selten.  Das 
Sauberste  unter  dem,  was  ich  mitgebracbt  habe, 
ist  eine  kleine,  ganz  genau  gearbeitete  Steinkugel, 
auf  welcher  eine  Anzahl  von  Kreisen  eingescbliffen 
ist , die  durch  Einschmierung  von  Kreide  auf 
dem  schwärzlichen  Grande  ein  besonders  zierliches 


*)  Ich  legte  dieselben  in  Strasburg  Herrn  Prof. 
Fischer  vor,  der  2 davon  ihrer  Härte  und  ihrem 
Aussehen  noch  als  möglicherweise  nephritiseh  aner- 
kannte. Herr  Prof.  Groth  hatte  die  Güte,  ihr  spe- 
zifisches Gewicht  zu  bestimmen : der  eine  ergab  2,800, 
der  andere  8,3:15.  Nur  der  letztere  ist  nach  dem  Ur- 
theile  des  Herrn  Fischer  als  Jadeit  anzuzehen. 


Ansehen  erhalten  haben.  Indess  fehlt  es  auch 
nicht  an  roheren,  undurchbohrten  Aexten,  die 
nur  an  der  Schneide  zugeschlitfen  sind.  Eine 
derselben  fanden  wir  im  Grunde  der  ältesten 
Stadt;  sie  gleicht  zum  Verwechseln  einer  andern, 
j die  ich  von  Sardes  besitze. 

Daran  schließe  ich  die  Vorlage  einiger  anderer 
Proben  vonFundstücken,  welche  derältesten , .Stadt4* 
von  Hissarlik  angehören.  Wenn  wir  die  Inter- 
i pretation  Annehmen,  dass  die  ,, gebrannte“  Stadt, 
i wo  die  vielen  Goldsachen  gefunden  sind,  die  tro- 
janische war,  so  würden  wir  diese  viel  tiefere 
,, Stadt*4  als  eine  vortrojanisebe  bezeichnen  müssen. 
In  den  drei  bis  vier  Schichten,  welche  sich  inner- 
j halb  dieser  ältesten  Periode  von  Hissarlik  unter- 
scheiden lassen , zeigt  sich  eine  Art  von  Thon- 
gerät b,  welches  durchaus  den  Eindruck  der  Be- 
sonderheitmacht. Eis  sind  Scherben  von  geglätteten, 
i zum  grossen  Theil  schalenförmigen  Gefässen,  der 
Mehrzahl  nach  von  glänzend  schwarzer  Farbe, 
die  das  Besondere  haben,  dass  sie  eingeritzte  Orna- 
mente auf  der  inner nFläche  tragen.  Gewöhn- 
lich sind  es  sehr  tiefe  und  breite  Einschnitte,  die 
{ mit  Kreide  oder  einer  weissen  Erde  ausgefüllt  sind, 
meist  geradlinig , jedoch  auch  kreisförmig.  Auf 
• alle  Fälle  sind  es  ganz  charakteristische  Formen 
- der  ältesten  Periode ; in  der  höheren  und  mitt- 
> leren  Lage  fehlen  sie  mit  Ausnahme  der  Wirtel 
ganz.  Gelegentlich  kommen  auch  schön  rothe, 
geglättete  Scherben  in  derselben  Tiefe  vor,  welche 
bei  uns  vielleicht  als  Zeugnisse  römischer  Ein- 
wirkung angesehen  werden  würden.  Aus  der- 
selben Tiefe  stammen  diese  eigentümlichen,  sehr 
starken  Henkel. 

Endlich  habe  ich  noch  oin  Paar  jener  sonderbaren 
glatten  und  seitlich  ausgeschnittenen  Steine  mitge- 
bracht, welche  für  Troja  ganz  spezifisch  sind.  Leider 
besitze  ich  davon  kein  weiter  ausgeführtes  Exemplar. 
Herr  Schliemann  hat  in  seinem  Buch  über 
I Troja  auf  einer  Tafel  eine  grössere  Zahl  davon  in 
derjenigen  Reihenfolge  von  höherer  zu  niederer 
| Form  abbilden  lassen,  in  der  diese  Steine  sich  ohne 
| Zwang  ordnen  lassen.  Alle  diese  Steine  bestehen 
aus  sehr  weichem  Quarz  oder  Marmor,  sind 
platt  oder  scheibenförmig,  an  dem  einen  Ende 
verbreitert,  an  dem  andern  verschmälert,  beider- 
seits etwas  abgerundet  und  mit  einer  Art  von 
eingeschnittenem  Hals  versehen.  Die  schönsten 
unter  ihnen  tragen  eine  Art  roher  eingekratzter 
Zeichnung  auf  der  einen  Breitseite;  sie  zeigen 
hier  alle  Uebergänge  von  einer  unverkennbar 
menschlichen  Zeichnung  bis  zu  ganz  rudimentären 
Einritzungen.  Die  vollkommneren  haben  auf  dem 
obern,  kleinern  Absatz  Ohren  und  Nase,  Augen 
and  Mund,  gelegentlich  auch  noch  weitere  Zeich- 

12 


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154 


nungen.  Dann  verschwindet  einer  dieser  Theile 
nach  dem  andern,  ähnlich,  wie  bei  den  Gesichts- 
urnen im  Nordosten  Deutschlands,  bis  schliess- 
lich nichts  mehr  übrig  bleibt , als  die  äussere 
grobe  Figur  mit  ganz  glatten  Flächen.  Von 
diesen  Gebilden  finden  sich  Hunderte  vor.  Herr 
Schliemann  hat  sie  mit  dem  Palladion  in 
Verbindung  gebracht.  Bekanntlich  sollte  das 
Bild  der  Pallas  als  Stein  vom  Himmel  gefallen 
und  als  Idol  in  Ilion  verehrt  wordon  sein.  Es 
ist  allerdings  nicht  sicher,  ob  diese  kleinen  Stücke 
auch  Palladien  in  Miniatur  waren,  jedenfalls  haben 
sie  etwas  sehr  Sonderbares,  und  wenn  mun  die 
Uebergänge  von  den  vollkommneren  zu  den 
roheren  durchgeht,  so  liegt,  der  Gedanke  nahe, 
sie  für  Idole  zu  nehmen.  So  viel  ist  uuzwcifel- 
haft,  dass  sie  für  uns  das  am  meisten  ungewöhn- 
liche und  überraschende  Stück  unter  den  tro- 
janischen Steinsachen  darstellen.  — 

Herr  V i r c h o w berichtet  weiterhin  über  die 
Schulkartcn:  Ich  habe  mich  eines  Auftrags 
zu  entledigen,  mit  dem  mich  unser  alter  General- 
sekretär, Herr  Kol  1 mann  in  Basel  betraut  hat. 
Derselbe  batte  die  Aufgabe  übernommen,  unsere 
Schulerhebungen  in  Bezug  auf  die 
Farbe  der  Haut,  Haare  und  Augen  der 
Schulkinder  in  der  Schweiz  fortzusetzen.  Er 
hat  diese  Untersuchung  im  Laufe  des  letzten 
Jahres  soweit  gefördert,  dass  aus  21  schweizer- 
ischen Kantonen  Berichte  vorliegen.  Es  fehlen 
nur  noch  4 Kantone:  Bern,  Genf,  Tessin  und 
Uri,  so  dass  diese  Lücke  sich  bald  wird  ergänzen 
lassen.  Es  sind  nun  von  unseren  Berliner  Karto- 
graphen nach  den  Zahlen,  welche  sich  bis  jetzt 
in  der  Schweiz  ergeben  haben,  neue  Karten  herge- 
stellt worden.  Ich  zeige  hier  die  Schweizer  Karten 
und  zugleich  die  unsrigen.  Bei  der  Vergleichung 
ergiebt  sich  — was  übrigens  ein  besonderer 
Glücksfall  ist , der  mir  zur  Entschuldigung  für 
meine  Zögerung  in  der  Publikation  unserer  Karten 
dienen  kann  — dass  die  Farben  auf  unseren 
deutschen  Karten  für  den  Anschluss  nicht  aus- 
reichen.  Die  Zahl  der  braunen  Elemente  in  der 
Schweiz  ist  so  gross , die  der  rein  blonden  so 
klein,  dass  wir  mit  unseren  deutschen  Gruppen, 
die  von  ganz  anderen  Vertheilungs- Verhältnissen 
ausgehen,  keinen  Anschluss  finden.  Nach  unserem 
früheren  Schema  hatten  wir  als  Maximal-Gruppe 
für  die  braunen  Schulkinder  26 — 29,  als  Minimal- 
zahl für  die  rein  blonden  9 — 20  pCt,  angenom- 
men. Es  hat  sich  jetzt  aber  gezeigt , dass 
wir  für  die  braunen  noch  mehr  herauf,  für  die 
blonden  noch  weiter  herunter  gehen  müssen,  um 
einen  Anschluss  an  die  Schweiz  zu  finden.  Un- 
sere Farben  genügen  nicht,  für  die  Znsammen- 


I Stellung.  Wenn  wir  z.  B.  die  braunen  darstellen, 
1 so  setzt  die  Schweiz  gleich  mit  so  viel  braunen 
ein , dass  für  die  höheren  Kategorien  eine  so 
dunkle,  fast  schwarze  Farbe  genommen  werden 
muss,  dass  man  gar  nichts  mehr  von  der  eigent- 
lichen Kartenzeichnung  unterscheiden  kann.  Es 
[ sind  daher  neue  Vorsuche  gemacht  worden,  um 
; auch  für  Deutschland  die  maximalen  Kategorien 
des  Braun  und  die  minimalen  des  Blond  zu 
| thcilen ; dieselben  genügen  aber  in  der  Weise, 
wie  sie  vorliegen,  noch  nicht.  Dadurch  ist  die 
Notbwcndigkeit  gegeben,  die  ganze  Anlage  zu 
verändern. 

| In  Bezug  auf  die  Sache  selber  bat  Herr  Kol  1- 
m a n n einen  eingehenden  schriftlichen  Bericht  er- 
i stattet,  aus  welchem  hervorgeht,  dass  die  Schweiz 
am  meisten  Anschluss  findet  an  die  Verhältnisse 
Badens,  bei  denen  unsere  früheren  Karten  auch 
immer  die  Schwierigkeiten  geboten  hatten,  dass  sie 
uns  das  ganze  Land  als  einen  fast  homogenen 
Körper  darstellten.  (Die  Abhandlung  des  Herrn 
Kol  1 mann  wird  für  das  Archiv  diesem  Berichte 
; als  Beilage  zugegeben , alle  Mitglieder  erhalten 
dieselbe  in  einer  der  ersten  Nummern  des  Oorre- 
spondenzblattes  1880  gedruckt.  D.  Red.) 

Wir  werden  ja  nun  abwarten  müssen,  was 
I diese  Erhebungen  in  der  Schweiz  weiter  ergeben 
werden.  Für  diesmal  habe  ich  unser»  besonderen 
Dank  unserm  ehemaligen  General  - Sekretär  aus- 
} zudrüeken  für  die  Sorgfalt  und  Schnelligkeit,  mit 
! der  er  sich  seiner  Aufgabe  gewidmet  hat.  — 

• Herr  Virchow  überreicht  ferner  in  Ma- 
1 nuscript  eine  von  Herrn  Stabsarzt  Dr.  Rabl- 

Rückhardt  in  Berlin  ausgeftthrte  Bearbeitung 
von  Messungen,  welche  Herr  Dr.  Tapp  ei  ne  r sen. 
in  Meran  Uber  die  tyroler  Bevölkerung  in  der 
Nähe  von  Meran  angestellt  hat.  (Erscheint  wie 
die  obige  im  Correspond enzblatt  und  als  Beilage 
dos  Berichts  für  das  Archiv.  D.  Red.) 

Herr  Virchow  legt  weiterhin  eine  gedruckte 
Abhandlung  des  Herrn  Nöth  1 i n g in  Berlin  vor,  in 
' welcher  derselbe  Uber  das  Vorkommen  von  Kiesen- 
: töplen  in  dem  Muschelkalk  von  Rüders- 
dorf bei  Berlin  berichtet.  Der  Vortragende 
erinnert  an  das  Wort  des  Herrn  de  Mortillet: 

| la  Prasse  veut  avoir  aussi  ms  palafittes,  und 
| befürchtet,  dass  es  noch  weniger  Beifall  finden 
werde,  wenn  man  dicht  bei  Berlin  auch  Gletscher- 
spuren haben  wolle.  Es  handle  sich  übrigens 

• um  dieselbe  Stelle,  an  welcher  schon  vor  Jahren, 
j namentlich  auch  durch  Herrn  Torei  1 , Gletscher- 
schliffe nachgewiesen  sind,  Über  welche  Herr  Orth 
auf  der  Generalversammlung  in  Constanz  berichtet 
bat,  — 

Endlich  macht  Herr  Virchow  noch  Bcmer- 


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155 


klingen  über  die  Schädel-Horizontale:  ln  der 
vorigen  Generalversammlung  in  Kiel  wurden  die 
Herren  Sc  h a a ff b a usen  , Ecker  und  ich  be- 
auftragt, uns  mit  den  Vertretern  der  anthro- 
pologischen Gesellschaft  in  Paris  in  persönliche 
Beziehung  zu  setzen,  uiu  womöglich  eine  gemein- 
same Methode  für  die  Aufhellung  der  Schädel  in 
der  Horizontalen  festzustellen.  Leider  war  ich 
damals  der  einzige,  der  nach  Paris  katn.  Ich 
habe  mich  bemüht . eine  Verständigung  anzu- 
bahnen, habe  über  gerade  bei  dieser  Gelegenheit 
gefunden,  worin  die  Hauptschwierigkeit  besteht, 
und  diese  scheint  mir  unüberst eiglich.  Die  Frage 
der  Schädelhorizontale  ist  für  uns  in  Deutschland 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  entschieden,  seitdem 
auf  unserer  Generalversammlung  in  München  als 
Horizontale  eine  Linie  angenommen  wurde,  welche 
' vom  obern  Hand  des  Obrloches  zum  untern 
Hand  der  Augenhöhle  geht.  Ich  erkenne  jedoch 
vollständig  an,  dass  es  fraglich  ist,  ob  es  über- 
haupt im  strengen  Sinne  wissenschaftlich  ist,  eine 
konstante  Horizontale  anzunebmen.  Die  Frage, 
ob  es  überhaupt  eine  natürliche  Horizontale 
giebt , ist  noch  nicht  gelöst  und  darauf  beziehen 
sich  alle  Schwierigkeiten.  Schliesslich  wird  man 
doch  eine  Linie  wählen  müssen,  welche  für 
lebende  Menschen  und  für  Schädel  im 
gleich  en  Maa. ss e acceptabel  ist.  Ich  bin  Uber 
unsere  Linie  noch  nicht  einmal  ganz  im  Ein- 
verständnisse mit  Herrn  Sch  a aff  hausen,  viel 
weniger  mit  unseren  französischen  Collegen.  Ich 
möchte  nun  sagen,  warum  ich  das  Problem  nicht 
im  Sinne  der  Franzosen  für  lösbar  halte. 

Die  französische  Horizontale  ist  auf  lebende 
Köpfe  nur  mit  der  grössten  Vorsicht  übertragbar, 
obgleich  sie  eigentlich  von  der  Betrachtung  der 
Lebenden  ausgeht.  Sie  basirt  nehmlich  auf  der 
Annahme,  dass  die  Horizontale  des  Schädels 
der  Kopfstellung  entspreche , welche  Jemand  an- 
nimnit,  der  auf  eine  gewisse  Entfernung  gerade- 
aus sieht,  am  besten  ho,  dass  er  dabei  einen 
fernen  Gegenstand  fixirt.  Das  war  der  Ausgang 
für  die  Erwägungen  des  Herrn  Broca:  er  suchte 
die  optische  Horizontale. 

An  sich  ist  das  selbtverstöndlich  eine  rein 
augenphysiologische  Frage.  Ich  habe  daher  nicht 
verfehlt,  mich  mit  hervorragenden  Augenphysio- 
logen ins  Vernehmen  zu  setzen  und  ich  habe 
namentlich  von  Herrn  Donders  die  Zusicherung 
erhalten,  dass  er  sich  des  Gegenstandes  praktisch 
annehmen  werde,  ln  Berlin  hat  Herr  Sehöler 
die  Güte  gehabt,  eine  Reihe  von  Menschen  auf 
die  Stellung  des  Kopfes  beim  horizontalen  Sehen 
zu  prüfen.  Dabei  hat  sich  ergeben,  was  ich  schon 
vorher  nach  der  einfachen  Betrachtung  der  Kopf- 


stollung  lebender  Menschen  behauptet  hatte,  dass 
wenn  man  eine  Anzahl  von  erwachsenen  Menschen 
untersucht,  sich  eine  Reihe  von  Abweichungen  er- 
giebt,  indem  bald  eine  Erhebung  Uber,  bald  eine 
Senkung  desKopfes  unter  die  Schädel-Horizontale  er- 
folgt,  gleich  viel,  ob  man  di  efranzösi  sehe  oder 
die  deu  t sch  e H or  i zon  t a 1 1 in  i e an  nimmt. 
Es  ist  also  schon  durch  diese  Untersuchungen 
dargethan , dass  es  ganz  unmöglich  ist , eine 
Horizontale  am  Schädel  zu  finden , welche  der 
Horizontalstellung  des  Auges  ganau  entspricht. 
In  wie  weit  die  gewöhnliche  Horizontalstellung 
des  Auges  bei  Erwachsenen  übrigens  mit  der 
Primärstellung  des  Auges  übereinstimmt,  »st 
eine  weitere  Frage;  mir  scheint,  dass  Beschäf- 
tigung. Mode,  Gewohnheit  die  erstere  in  hohem 
Maasse  beeinflussen  und  Abweichungen  an  der 
j Primärstellung  herbeiführen.  Man  wird  daher 
wahrscheinlich  darauf  ve»”zichten  müssen,  eine 
! Schädel  - Horizontale  zu  finden,  welche  für  alle 
| Menschen  der  natürlichen  Sehebene  entspricht. 

I Nach  meiner  Auffassung  handelt  es  sich  jetzt  zu- 
| nächst  darum , unter  den  ver>*chiedeuen  künst- 
i liehen  Horizontalen  die  beste  zu  suchen,  und  da 
5 meine  ich , dass  unsere  deutsche  Horizontale  in 
I der  Thai  die  beste  ist.  Ich  habe  von  europäischen 
i und  von  aussereuropäisehen  Völkern  eine  Reibe 
I von  photographischen  Aufnahmen  genau  in  der 
1 von  uns  angenommenen  Horizontale  anferligen 
lassen,  und  ich  finde,  dass  sie  allen  Ansprüchen 
genügen , dass  sie  namentlich  fern  davon  sind, 
den  Eindruck  einer  gewaltsamen  Stellung  des 
Kopfes  zu  machen.  Wahrscheinlich  werden  wir 
daher  auf  unserm  Standpunkt  bleiben  müssen ; 
jedenfalls  kann  ich  sagen , dass  die  französische 
Horizontale,  wie  sie  jetzt  definirt  wird,  mir  un- 
annehmbar scheint.  Die  Annahme  dieser  Hori- 
zontale war  aber  die  conditio  sine  qua  non  für 
die  kraniometrischen  Frieden.  Können  wir  sie, 
was  ich  sehr  bedaure,  nicht  annehmen,  so  wird 
nichts  übrig  bleiben,  als  dass  wir  noch  eine  Zeit 
lang  warten  müssen , elie  sieb  die  Sache  voll- 
ständig ausgleicheil  wird.  — 

Herr  Vi rcho  w übergiebt  Einladungen  zu  dem 
internationalen  (Kongress  der  Ameri- 
kanisten, welcher  am  23  — 26.  September  in 
Brüssel  stattfindet , sowie  Exemplare  des  Jahres- 
berichts der  Berliner  anthropologischen 
Gesellschaft. 

Herr  Sepp: 

Herr  V i r c h o w hat  soeben  Sehaalen  vor- 
gelegt, welche  die  Zeichnungen  nach  Innen  ent- 
halten. Diese  Zierrathe  mit  solilunären  Charak- 
teren bilden  wohl  symbolische  Inschriften.  Ich 


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15 


mache  dabei  nur  darauf  aufmerksam,  dass  das  Alter- 
thum zwischen  Segensbechern  und  Fluchbechern 
unterschieden  hat,  dass  diese  Ornamentschaalen  sich 
häufig  zum  rituellen  Gebrauche  in  priester liehen 
Händen  befanden  und  daraus  Segenswasser  ge- 
spendet, aber  auch  das  Eifarsuchtswasser  einge- 
tränkt ward,  wie  es  namentlich,  aber  nicht  allein, 
bei  den  Hebräern  vorkftmmt.  Auch  bei  Halb- 
wilden stossen  wir  auf  solche  Schaalen  mit  Segens- 
sprüchen und  beim  Gottesurtheil  mit  Flüchen. 
Das  Ordale  des  Bitterwassers  vollzog  sich  im 
Jehovatempel,  indem  der  Priester,  nachdem  er 
die  Verwünschung  des  Ehebruchs  auf  Pergament 
geschrieben,  vom  Staub  des  Tempelpflasters  in 
ein  irdenes  Gefltea  that,  Wasser  aus  einem  hei- 
ligen Becken  darein  goss,  und  der  Beschuldigten 
zu  trinken  gab,  ihr  zuredend : „Thue  dem  grossen 
Namen  Gottes  die  Ehre,  der  in  Heiligkeit  ge- 
schrieben, durch  kein  Wasser  ausgelöscht  wird. 
So  Du  schuldig,  gehe  das  fiuchbringende  Wasser  in 
Deinen  Leib,  dass  Dein  Bauch  schwelle  und 
Deine  Hüften  schwinden.“  Das  Weib  sprach  Amen 
zum  Fluch  wie  zum  Schwur,  und  trank,  was  im 
Falle  der  Schuld  die  fürchterliche  Folge  nach 
sich  ziehen  sollte.  Christus  schrieb  bekanntlich 
im  Frauenvorhof,  wo  das  geschah,  bei  Vorführung  ' 
der  Ehebrecherin  in  den  Sand.  Ich  besitze  als 
Reiseandenken  mehrere  zierliche  Schaalen  aus 
schwarzem  Hadachr  Musa  oder  Mosesstein  vom 
Sodomsee,  dem  Meer  des  Fluches,  mit  arabischen 
Inschriften  auf  der  Innenseite.  Layard  fand 
ähnliche  Näpfe  von  Terracotta  mit  äusserst  merk- 
würdigen hebräischen  Inscriptionen  unter  Baby- 
lons Ruinen  aus  der  Seleucidenzeit  und  schreibt  j 
sie  wohl  mit  Recht  den  alten  Juden  zu.  Der  j 
Brauch  galt  aber  ebenso  bei  anderen  Völkern. 
Ich  erinnere  auch  an  den  Orakelbecher  Putipbars, 
welchen  Joseph  in  Aegypten  seinem  Bruder  Ben- 
jamin in  den  Sack  spielte.  Er  enthielt  gewiss 
astrologische  Zeichen,  wie  die  Araber  noch  zwölf 

Schluss  des 


Figuren,  offenbar  Nachbilder  der  Himmelszeichen, 
in  den  ^Wüstensand  zeichnen , um  daraus  Sand- 
orakel zu  gewinnen,  wie  man  aus  den  Linien  der 
hohlen  Hand  die  Nativität  stellt.  Vielleicht  lohnt 
es  sich  der  Mühe,  diese  meine  Bemerkungen  mit 
der  Zeit  zu  verwerthen ; ich  habe  gelegentlich 
in  dem  einen  oder  andern  meiner  Bücher  Notizen 
niedergelegt.*) 

Herr  0.  Fraas  (Vorsitzender): 

Ich  erkläro  nunmehr  die  Versammlung  für 
; geschlossen.  — 

Dieselbe  hat  im  Ganzen  10  Stunden  45  Minuten 
getagt  und  es  haben  während  derselben  35  Redner 
gesprochen.  Die  kürzeste  Zeit  eines  Vortrags  be- 
trägt 4 Minuten,  die  längste  58  Minuten.  Die 

! Temperatur  in  diesem  Saal  stieg  in  der  I.  Sitzung 
von  15,5°  R auf  18°,  in  der  II.  Sitzung  von 

i 17,5  auf  20®,  in  der  III.  Sitzung  von  15  auf 

20°  und  in  der  IV.  Sitzung  von  18  auf  20 u. 

Morgen  früh  8 Uhr  also  auf  zum  Odilienberg! 

*)Pbilo«tratus  meldet  im  Leben  des Apollonias 
I 6.  Ill  14:  Nahe  bei  Tyana  ist  eine  dem  Schützer 
des  Eides.  Zeus,  geweihte  Quelle,  genannt  Aabamäon. 
Redlichen  ist  das  Wasser  hold,  den  Meineidigen  folgt 
da«  Gericht  auf  dem  Fusse  nach,  wirft  «ich  auf  Augen. 
Hände,  Küsse,  Wassersucht  und  Abzehrung  befällt  sie 
u.  s.  w.  Eines  ähnlichen  Brunnens  der  Prüfung  ge- 
denkt er  in  Indien.  Vgl.  mein  „Heidenthum“  Bd.  I 
181,  III  233.  Die  Hindu'«  geben  das  Wuner  von  ab- 
gewaschenen Götterbildern,  die  Ashentec*  in  Afrika 
das  von  blutigen  Fetischen  zu  trinken.  Bei  den  Die- 
nern Mosis  beruhte  der  Brunch  auf  Numeri  V 17.  Mein 
„Leben  Jean“,  I.  Aufl.  III  62,  II.  AuH.  V 179.  Lay- 
ard schreibt  (Ninive  und  Babylon  890  f.  426):  ..In 
manchen  Gegenden  de»  Orients  herrscht  bis  zum  heu- 
tigen Tage  die  Sitte,  wenn  Jemand  krank  ist  und  der 
gewöhnliche  Arzt  nicht  zu  helfen  weis«,  einen  Zauberer 
kommen  zu  lassen,  der  dann  einen  Spruch  in  ein  Oe- 
rath, Napf.  Schüssel  oder  Becken  schreibt.  Wasser 
darein  giesst  und  es  dem  Kranken  zu  trinken  giebt 
Die  babylonischen  Näpfe  im  brittischen  Museum  haben 
wohl  zu  ähnlichem  Zwecke  gedient/  Vgl.  mein  „Je- 
rusalem und  das  hl.  Land*.  I.  Aufl.  I 680,  II,  AuH.  I 8.18. 

X.  Berichtes. 


Rednerliste. 

1)  Ecker:  8.  136;  2)  Fischer:  S.  110,  116;  3)  Fraas:  8.  77.  91,  108,  117.  118.  120,  135,  156 
4)  Gerl  and:  8.  80;  5)  Gros«:  S.  118;  6)  Klopfleisch:  S.  108;  7)  Krause:  S.  121,  152:  81  Mehlis 
S.  132;  9)  Mook:  S.  134;  10)  Much:  S.  104,  108,  137,  138;  11)  Ohl  enschlager:  S.  96.  12)  Ranke 
S.  82,  112,  118,  124,  181,  137;  13)  Schaaffhausen:  8.  97,  124,  138,  152;  14)  v.  Reichlin-Meldegg 
S.  80;  15)  Sepp:  S.  155;  16)  Straub:  S.  147;  17)  Tischler:  S.  120,  132;  18)  v.  Tröl  tsch:  S.  92 
19)  Virchow:  S.  139.  152;  20)  Wagner:  S.  96;  21)  Waldeyer:  S.  151;  22)  Weismann:  S.  83. 


Oraddshler:  Seite  76,  Zeile  13  ist  zu  lesen:  Derselbe:  die  Na*e.  Der  Druekort:  Locle. 


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141 


solche  Fundstellen  entdeckt  werden,  und  ich  darf 
schon  desshalb  keinen  entscheidenden  Werth  darauf 
legen,  weil  sich  auch  in  Griechenland  Obsidian 
als  Bestandtheil  späterer  Funde  erwiesen  hat. 
Seitdem  ich  bei  meiner  Anwesenheit  in  Athen  in 
Erfahrung  gebracht  habe,  dass  auch  auf  dem  ! 
griechischen  Continent , namentlich  im  östlichen 
Peloponnes  vulkanische  Punkte  existiren,  wo  Ob- 
sidian vorkommt  , z.  B.  in  Methuna,  so  scheint 
mir  auch  für  Griechenland  der  Gedanke,  dass 
alle  Obsidiane  auf  dem  Continent  von  Melos  und 
anderen  Inseln  importirt  seien,  in  den  Hinter- 
grund treten  zu  müssen.  Vorläufig  kann  ich 
daher  nur  sagen,  dass  ich  keinen  Punkt  in  Vorder- 
asien kenne,  wo  geschlagene  Steine  in  der  Weise 
Vorkommen,  dass  wir  sie  gleichstellen  könnten  den- 
jenigen Fluiden,  welche  der  ältesten  westeuro- 
päischen Steinzeit  angehören. 

Ich  darf  noch  hinzufügen,  dass  die  sogenann- 
ten Feuersteine  der  Troas,  wenigstens  das  Meiste, 
was  Feuerstein  zu  sein  scheint,  meist  vulkanische 
Sachen  sind,  wie  sie  in  dor  Nähe  im  Ge- 
birge Vorkommen.  Namentlich  sind  abge- 
schlagene Scherben  von  (’halcedon  in  allen  Schichten 
von  Hissarlik  ziemlich  häufig. 

Ich  enthalte  mich  durchaus,  irgend  ein  Urtheil 
darüber  ahzugeben,  ob  nicht  eine  alte  Steinzeit  in 
Kleinasien  noch  zu  finden  ist.  Ich  sage  nur,  dass 
sie  im  Augenblick  noch  nicht  gefunden  ist.  Offenbar 
hat  auch  die  älteste  der  trojanischen  Städte  nicht« 
an  sich,  was  den  ältesten  Funden  der  westeuropäi- 
schen Kultur  entspricht. 

Da  der  Herr  Vorsitzende,  wie  ich  höre,  in  seinem 
Vortrage  von  heute  morgens  den  Wunsch  ausge- 
sprochen hat,  dass  ich  etwas  über  die  Kegel- 
gräber der  Troas  mittheile,  so  will  ich  mich 
jetzt  vorwiegend  diesem  Schema  zuwenden.  Es  ent- 
spricht dies  auch  sicherlich  der  Aufgabe,  welche 
mich  nach  Vorderasien  zog.  Nachdem  nämlich 
Herr  Schliem  an  n von  der  Pforte  die  Geneh- 
migung erhalten  hatte,  wollte  er  sich  an  die  so- 
genannten Heroen-Gräber  machen,  und  da  er 
es  als  möglich  betrachtete,  dass  dabei  materielle 
Ueberreste  dieser  Heroen  zu  beben  sein  könnten,  so 
rief  er  mich  zu  seiner  Unterstützung.  Da  er  in 
Mykenae,  wohin  zu  kommen  ich  ihm  aus  äusseren 
Gründen  hatte  versagen  müssen , recht  böse  Er- 
fahrungen gemacht  hatte,  so  konnte  ich  es  ihm 
nicht  wohl  versagen,  dabei  zu  sein.  Das  Resul- 
tat war  leider  ein  unerwartet,  geringes.  Zunächst 
zeigte  es  sich , das«  viele  der  Hügel , welche 
man  bisher  für  Grabhügel  hielt  , entweder  gar 
keine  Bind,  oder  dass  sie  doch  nur  sehr  bedingt 
in  dieac  Reihe  gestellt  weiden  dürfen.  Die  Hügel, 
welche  man  als  Gräber  der  Heroen  bezeichnet e,  ! 


heissen  in  der  türkischen  Sprache  Tepe’s.  Tepe 
bedeutet  eigentlich  einen  hervorragenden  Hügel 
überhaupt.  Dieser  generelle  Name  hat  aber 
in  der  Troas  in  der  Vorstellung  des  Men- 
schen die  Nebenbedeutung  bekommen  , wie  im 
Abendlande  da';  Wort  Tumulus,  dass  es  ein  Hü- 
gel sei,  unter  dem  Jemand  begraben  ist.  Eine 
nicht  unbeträchtliche  Zahl  dieser  Hügel  hat  in 
der  Tradition  eine  ganze  lawondere  historische  Be- 
deutung erhalten  und  an  einzelne  knüpft  in  der 
That  die  allerälteste  Tradition.  Da  ist  ein  Grab 
unter  dem  Namen  de«  Aias,  ein  andere«  unter 
dem  des  Achilleus,  ein  drittes  unter  dem  des  Patroklos. 
Sie  alle  kennen  ja  die  Beschreibung  des  23. 
Gesanges  der  Ilinde,  wo  die  Errichtung  des  Grab- 
hügels des  Patroklos  geschildert  wird.  Daran 
schliessen  sich  Stellen  aus  der  Odyssee  und  den 
folgenden  Dichtern,  welche  darüber  keinen  Zweifel 
lassen,  dass  schon  zur  homerischen  Zeit  diese  und  an- 
dere Grabhügel  vorhanden  waren.  Daraus  folgt,  das« 
sie  auch  vor  homerisch  sein  müssen,  aber 
allerdings  noch  nicht,  dass  da«  eine  oder  andere 
auch  vor  trojanisch  war.  Denn  nichts  be- 
rechtigt. uns,  die  Ilias  geradezu  als  eine  Geschieh  ts- 
quelle  zu  benützen. 

Ich  möchte  nun  zunächst  eine  kurze  Ueber- 
sicht  der  Tepe’s  in  der  unteren  Troas  geben : 

Am  Eingang  zum  Hellespont  macht  die  West- 
küste, welche  das  steil  zum  ägäischen  Meere  ab- 
fallende Sigeion  trägt,  einen  durch  iSaiidanspülung 
verstärkten  Vorsprung.  Unmittelbar  hinter  dem- 
selben folgt  am  Hellespont  die  grosse  Bucht,  welche 
seit  alter  Zeit,  als  die  Bucht  der  Archäer  bezeichnet 
worden  ist.  Dann  kommt  wieder  ein  kleines 
Vorgebirge,  der  Rhoiteion  und  von  da  zieht  sich 
die  Küste  des  Hellespont  eine  lange  Strecke  in 
wechselnder  Höhe,  jedoch  meist  in  einer  gegen 
das  Meer  steil  abfallenden  Hohe  fort.  In  dieser 
ganzen  Ausdehnung  giebt  es  „Grabhügel“,  jedoch 
die  meisten  liegen  in  nächster  Nähe  der  ,, Bucht 
der  Achäer“. 

Auf  dem  Nordende  des  Sigeion  steht  der  ur- 
alte Hügel,  der  als  Hügel  des  Achilles  be- 
zeichnet wird.  Nicht  weit  davon , etwas  tiefer 
und  mehr  landeinwärts , indes«  immerhin  noch 
auf  einem  weit  sichtbaren  Punkte  liegt  der  des 
Patroklos.  Dem  gegenüber  von  Rhoiteion 
zeigt  sich  ein  dritter  hervorragender  Hügel,  der 
des  Aias.  Darüber  waren  seit  alter  Zeit  die 
Nachrichten  so  sehr  oonsolidirt , dass  es  de« 
ganzen  Enthusiasmus  moderner  Philologen  be- 
durft hat , die  Sache  auf  den  Kopf  zu  stellen. 
Der  Graf  0 h o i s e u 1 - G o u f f i o r , französischer 
Botschafter  in  Konstantinopel,  veranlasst«;  in  dor 
letzten  Zeit  de«  vorigen  Jahrhunderts  Grabungen 


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142 


in  der  Troas  und  zwar  zunächst  in  dem  Hügel 
des  Achilles.  Unglücklicherweise  geschah  dies 
aber  nicht  unter  Leitung  eines  Sachverständigen 
oder  einer  zuverlässigen  Person  überhaupt.  Viel- 
leicht war  man  zu  bequem,  die  Sache  direkt  an- 
zugreifen , oder  man  glaubte  sich  sicher  auf  | 
Unterhändler  verlassen  zu  können.  Man  wandte 
sich  an  ein  zweifelhaftes  Genie  jener  Gegend, 
einen  Juden,  der  die  Ausgrabungen  veranstaltete. 
Kein  Zeuge  war  anwesend.  Es  kam  eine  Reihe 
von  Dingnn  sehr  merkwürdiger  Art  zu  Tage : 
Glasgefltsse  von  grosser  Schönheit,  Metallarbeiten 
von  sehr  zusammengesetzter  Art  und  zwar  die  i 
letzteren  von  einer  künstlerischen  Ausführung, 
dass  gar  nicht  daran  zu  denken  war,  dieselben  auf 
die  Zeit  von  Achilleus  zurückzuführen.  Man  kam 
also  auf  dem  Gedanken,  es  müsse  wohl  ein  späteres 
Grab  sein  und  knüpfte  an  eine  viel  erzählte  Ge- 
schichte aus  der  römischen  Kaiserzeit  an.  Es 
war  schon  lange  in  Rom  Mode  geworden,  eine 
Reise  in  diese  Gegend  zu  machen,  um  das 
alte  Heimatland,  das  Land  der  Uralmen,  aufzu- 
suchen, wo  Aeneas  aus  einer  bekannten  göttlichen 
Verbindung  hervorgegangen  sein  sollte.  So  kam 
auch  C’aracalla  in  die  Troas.  Er  veranstaltete Feste 
ähnlich  denen,  die  Homer  bei  der  Bestattung  des 
Patroklos  Ivesch  rieben  hat.  Schliesslich  fehlte  dem 
Kaiser  nur  ein  todter  Patroklos.  ln  dieser  Verlegen- 
heit starb  plötzlich  der  Liebling  des  Kaisers,  Festus, 
so  plötzlich,  dass  der  Verdacht  entstand,  er  habe 
ihn  vergiften  lassen.  .Jedenfalls  veranstaltete  der 
Kaiser  ein  grosses  Todtenfest,  hielt  Wettspiele  ab, 
wie  Achilleus  und  Hess  schliesslich  einen  grossen 
Grabhügel  aufüchütten.  Diese  Nachricht  gab  den  An- 
halt, dass  Graf  C h o i s e u 1 und  sein  Sachverständiger 
Lechevalierzu  der  Meinung  kamen,  der  unter- 
suchte Hügel  sei  gar  nicht  der  des  Achill,  sie 
hätten  vielmehr  den  Grabhügel  des  Festus  ge- 
funden. Damit  wurde  diesem  schönsten  Punkte 
der  Küste  in  der  Meinung  vieler  Gelehrten  seine 
alte  klassische  Unterlage  entzogen.  Es  blieb  nun 
nichts  weiter  übrig,  als  einen  neuen  Grabhügel 
des  Achilleus  zu  suchen  und  da  der  des  Patroklos 
soweit  zurück  liegt,  dass  er  vom  Meer  aus  nicht  gut 
zu  sehen  ist,  so  entschlossen  sich  GrafChoiseul 
und  Lechevalier,  einen  dritten  Hügel  dafür  zu 
nehmen,  der  noch  etwas  tiefer  liegt,  jedoch  von 
der  Küste  her  weniger  verdeckt  ist.  Der- 
selbe wird  noch  jetzt , wie  damals , zu  einem 
türkischen  Kirchhof  benützt.  Das  sollte  der 
eigentliche  Grabhügel  des  Achilleus  sein,  nur  dass 
er  im  Laufe  der  Zeit  von  seiner  ursprünglichen 
Höhe  verloren  habe.  So  ist  jene  Confusion  ent- 
standen,  bei  der  zuletzt  keiu  Mensch  wusste,  wo 
eigentlich  der  Grabhügel  des  Achilleus  sei.  Wir 


i selbst  bedurften  erst  einer  genaueren  Prüfung, 
um  heruuszubringen,  dass  der  auf  einer  ganz  na- 
türlichen Bodenwelle  gelegene  t ürkische  Kirchhof  der 
von  den  französischen  Herren  gemeinte  Grabhügel 
des  Achilleus  sei.  Von  einer  Untersuchung  des- 
selben konnte  aus  äusseren  Gründen  keine  Rede 
sein,  indes«  bedurfte  es  derselben  auch  nicht,  um 
die  ganz  willkürliche  Interpretation  zurückzu- 
weisen. 

Auf  dem  Higeion  giebt  es  noch  zwei  andere 
hervorragende  Kegel.  Der  eine,  ziemlich  in  der 
Mitte  des  Küstenrückens,  ist  soweit  sichtbar,  dass 
es  keinen  Punkt  in  einer  Entfernung  von  2 — 3 
Meilen  giebt,  wo  er  nicht  zu  sehen  wäre.  Von 
der  Sec  aus  macht  er  einen  majestätischen  Ein- 
druck und  viele  der  gewöhnlichen  Reisenden  halten 
ihn  für  den  Acliilleus-HUgel  Er  trägt  deu  Namen 
des  Dimitri-Tepe.  Ganz  am  Ende  des  Sigeion 
nach  Süden  ragt  ein  vierter  Hügel  hervor, 
von  dem  die  Besika-Bay  ihren  Namen  bat , der 
Besik-Tepe.  Er  liegt  gerade  vor  dem  Vorgebirge 
Palaeocastro , welches  am  Nordende  der  Besika- 
Bucht  weit  in  die  See  hineinragt  und  ziemlich 
dem  Punkte  zu  entsprechen  scheint,  wo  nach  der 
alten  Sage  Herakles  die  Hesione  von  den  Nach- 
stellungen des  Meerungeheuers  befreite. 

Noch  weiter  südlich,  durch  einen  tiefen  Einschnitt 
vom  Sigeion  getrennt,  folgt  eine  vielfach  zerschnit- 
tene Gruppe  tertiärer  llöhenzüge,  in  deren  Mitte  sich 
nochmals  ein  ganz  gewaltiger  Hügel  erhebt,  der 
mehr  als  SO  Fuas  hoch  und  mit  einer  enorm 
weiten  Basis  angelegt  ist.  Das  ist  der  Ud sehe k- 
Tepv,  von  dein  man  vielfach  angenommen  hat, 
cs  sei  der  in  der  Ilias  erwähnte  Hügel  des  Aisyetes, 
von  dein  aus  Poiites  die  strategischen  Bewegun- 
gen der  Achäer  beobachten  sollte.  Ich  will  die  viel 
untersuchte  Stelle,  wo  Iris  in  der  Gestalt  des  Po- 
iites nach  Troja  kommt,  um  Nachricht  zu  geben 
über  bedenkliche  Bewegungen  des  Feindes  — eine 
Stelle,  die  vielfach  erörtert  worden  ist  in  Bezug 
auf  die  Frage  der  Entfernungen  der  einzelnen 
Punkte  von  einander . nicht  besprechen  ; es  mag 
genügen,  daran  zu  erinnern. 

Auf  der  anderen  Seite  der  Ebene,  du,  wo  sich 
von  Osten  her  aus  den  tertiären  Höhenzügen  ein 
niedriger  Rücken  ziemlich  weit  gegen  die  Ebene 
| vorschiebt,  liegt  noch  ein  kleiner  Tepe,  der 
P a s c h a - T e pe , besonders  desshalb  viel  bespro- 
I eben,  weil  neuere  Forscher , namentlich  Herr 
! Sch  li  ernenn  selbst,  annabmen , dass  es  der 
Hügel  derßatieia  oder  nach  der  Sprechweise 
der  Götter,  der  Myrine  sei , einer  Amazone , die 
in  der  Nähe  von  Troja  begraben  sein  sollte.  Ich 
könnte  noch  eine  ganze  Reihe  von  Hügeln  auf- 
| führen  , theils  benannte,  theils  namenlose.  Das 


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143 


Mitgetheilte  genügt , um  zu  zeigen  , dass  die 
Tepö’s  in  der  Troas  ungemein  zahlreich  sind.  Auf 
die  Tep4’s  vom  Bali  Dagh  werde  ich  noch  zurück  - 
kornmen. 

Nun  muss  ich  leider  sagen,  dass  eine  gewisse 
Zahl  dieser  Hügel  ganz  und  gar  Naturbildung 
sind.  Wir  waren  auf  dieses  Ergebnis«  nur  zum 
Theil  gefasst.  Denn  die  vulkanischen  Erhebungen 
liegen  weiter  südlich,  der  vordere  Theil  des  Lan- 
des ist  ganz  frei  davon.  Wir  hatten  also  auch 
keinen  Grund , an  vulkanische  Erhebungen  zu 
denken,  obwohl  manche  der  Kegel  sehr  an  ba- 
saltische Eruptionen  erinnern.  In  der  That  ist 
auch  keiner  der  Kegel  eruptiver  Natur.  Sie  sind 
vielmehr  aus  horizontalen  Lagen  tertiären  Kalks 
aufgeschichtet , also  Ueberreste  ausgedehnterer 
Bergmassen,  von  denen  nur  einzelne  Theile  übrig 
geblieben  sind,  welche  der  Verwitterung  und  Ab- 
spülung Widerstand  geleistet  haben.  So  verhält 
es  sich  auch  mit  dem  mächtigen  Hügel  des  heiligen 
Demetrius ; zwar  fanden  sich  ganz  oben  einige 
griechische  Scherben  vor , aber  in  ganz  geringer 
Tiefe  folgte  schon  der  natürliche  Felsboden. 

Von  einer  zweiten  Gruppe  von  Tepc’a  ist  es 
mindestens  zweifelhaft.,  ob  es  jemals  Gräber  waren 
oder  nicht. 

Wenn  man  von  den  Ergebnissen  der  Nach- 
grabungen von  Ch o i s e u 1 und  L e c h e v a 1 ie r ab- 
sieht , so  wissen  wir  von  keinem  einzigen  der 
aufgeztthlten  Hügel  ganz  sicher,  ob  er  ein  eigent- 
licher GrabhUgel  war. 

Die  beiden  Haupthtlgel , welche  Gegenstand 
der  Untersuchung  während  meiner  Anwesenheit 
waren,  der  Besik-Tepc  und  der  Udschek- 
Tepe,  scheinen,  weil  sie  weit  entlegen,  und  von 
riesigen  Dimensionen  sind , sich  den  Nachforsch- 
ungen bisher  entzogen  zu  haben.  In  der  That, 
nur  ein  Mann  von  grossem  Enthusiasmus  und  von 
so  grossen  Mitteln,  wie  Herrn  Schliem  an  n, 
konnte  sich  an  diese  Sache  machen.  Bei 
den  Untersuchungen  hat  sich  heruusgesteUt,  dass 
der  Udschek-Tepd  ein  künstlicher  nügel 
ist , der  aufgeschüttet  ist  und  zwar  sonder- 
barer Weise , wenn  auch  nicht  nach  dor  Me- 
thode , so  doch  im  Sinne  einer  ägyptischen 
Pyramide.  Schon  2 Fuss  unter  der  Oberfläche 
stiessen  wir  auf  eine  Mauer  aus  grossen  Steinblöcken, 
welche  regelmässig  zusammengesetzt  waren.  Bei 
der  weiteren  Grabung  hat  sich  herausgestellt, 
dass  von  der  Spitze  bis  fast  zum  Boden,  88  — 39 
Fuss  hoch,  ein  mächtiger  viereckiger,  etwas  ex- 
centriscb  gestellter  Stock  aus  Mauerwerk  durch- 
geht., welcher  offenbar  den  Zweck  hatte,  dem  Ganzen 
als  Halt  zu  dienen.  Man  muss  dabei  bedenken, 
dass  die  Stürme  in  dieser  Gegend  ungemein  heftig 


sind.  Wir  hatten  mehrmals  so  heftigen  Sturm, 
dass  wir,  obwohl  Hissarlik  tiefer  im  Lande  liegt 
und  weit  weniger  exponirt  ist,  Furcht  bekamen, 
davon  zu  fliegen  mit  unseren  Holzhäusern.  In 
der  Nähe  der  Küste  und  auf  einer  so  grossen  Höhe 
hätten  lose  Aufschüttungen  von  Erde  allein  den  Win- 
den und  dem  Wetter  kaum  Widerstand  leisten  kön- 
nen. Thatsarhe  ist,  dass  ein  künstlich  aufgebauter 
und  regelmässig  hergestellter  Grundstock  in  dem 
aufgeschütteten  Hügel  von  der  Spitze  bis  beinahe 
auf  den  Mutterboden  führte,  welcher  im  Cen- 
trum um  37  Fuss  höher  angetroffen  wurde , als 
im  Umfange.  Daraus  folgt,  dass  der  künstliche 
Hügel  über  einem  schon  vorher  vorhandenen  na- 
türlichen Kegel  errichtet  worden  ist. 

Ich  habe  die  letzte  Phase  dieser  Unter- 
suchung nicht  mehr  mit  erlebt,  da  ich  vor  ihrer 
Vollendung  abreisen  musste ; ich  habe  aber  wieder- 
holt Bericht  darüber  von  Herrn  Schliemann 
erhalten.  Ueber  die  Methode  der  Untersuchung 
hatten  wir  uns  vorher  verständigt.  Bei  der  un- 
geheuren Grösse  des  Hügels  und  bei  der  Noth- 
wendigkeit,  ihn  auch  künftig  als  ein  weithin 
sichtbares  Merkzeichen  für  die  Schifffahrt  zu  er- 
halten, kamen  wir  auf  dieselbe  Anordnung  der  Auf- 
grabungen , auf  welche  nach  seinem  heutigen 
Vortrage  der  Herr  Vorsitzende  verfallen  ist.  Es 
wurde  einerseits  ein  senkrechter  Schacht,  angelegt, 
der  von  der  Spitze  bis  auf  die  Erde  geführt 
wurde;  andererseits  wurde  an  der  Basis  ein 
horizontaler  Stollen  eingetrieben,  welcher  sich  im 
Centrum  mit  dem  Schacht  vereinigte.  Endlich 
ist  noch  von  der  Mitte  aus  eine  Reihe  von  seit- 
lichen Gallerien  eröffnet  worden.  Es  zeigte  sich 
so  in  dem  Grunde  des  gemauerten  Thurm  es 
I eine  viereckige  Höhlung  von  4 — 5 Q Fass  Fläche 
I und  einigen  Fuss  Höhe , die  jedoch  nichts  ent- 
: hielt  und  unter  dem  Thurm,  nur  zum  Theil 
I von  ihm  bedeckt,  ein  nus  Polygonsteinen  kunstvoll 
! errichteter  Kreis  von  15—18  m Radius.  Nörd- 
lich von  demselben  wurde  noch  eine  zweite 
[ kreisförmige  Mauer  von  etwa  18  m Radius 
aufgedeckt.  Es  hat  sich  aber  nichts  gefunden, 
was  direkt  bewiese,  dass  die  Anlage  im  Sinne 
eines  Grabes  gemacht  ist.  Man  fand  keine 
Leichenreste  und  keine  wesentlichen  Beigaben, 
ausser  einigen  Scherben  und  unbedeutenden 
Eisensachen  nichts.  Hier  steht  es  also  ganz 

dahin,  was  man  aus  dem  Dinge  machen  will.  In 
dieser  Beziehung  möchte  ich  daran  erinnern,  dass 
schon  in  der  Odyssee  (IV.  584)  eine  Stelle  vor- 
kommt , welche  vielleicht  zur  Deutung  herange- 
zogen  werden  könnte.  Es  ist  dies  die  Erzählung, 
die  Menelaos  dem  Telemachos  macht,  wie  er  bei 
der  Nachricht  von  dem  Tode  seines  Bruders  Aga- 


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144 


tncmnon  demselben  an  der  Küste  von  Aegypten 
einen  Grabhügel  (tvfäiog)  aufgeschüttet  habe. 
Vielleicht  bietet  uns  der  IT  dsc  h e k-Tepe  ein 
analoges  Beispiel  dar.  Wann  er  errichtet  worden 
ist,  dafür  gewährt  ausser  den  Scherben  nur  noch 
die  Art  der  Behauung  der  Steine  in  dem  Mauer- 
kreise einen  gewissen  Anhalt.  Nach  der  Mittheil- 
ung des  Herrn  Sch  1 io  mann  zeigt  dieselbe  eine 
jüngere  Periode  an.  Er  ist  geneigt , ihn  für 
den  Featus  in  Anspruch  zu  nehmen.  Ein  grosser 
Theil  der  im  Grunde  gefundenen  «Scherben  ist 
nach  seiner  Auffassung  römisch.  Jedenfalls 
entspricht  die  Art  der  Zurichtung  der  Steine 
einer  viel  späteren  Zeit,  als  die  Schichten,  welche 
man  im  Grunde  von  Hissarlik  antritlt.  Es  dürfte 
daher  etwas  schwer  sein,  auf  die  Deutung  zurück- 
zukonunen , dass  dies  der  schon  vortrojanische 
Hügel  des  Aisyetes  gewesen  sei. 

Der  gleichfalls  über  60  Fusg  hohe  B e s i k - 
T e p e hat  sich  uls  ein  auf  einem  Felskegel  errichtetes 
künstliches  Geschtttt  ergeben,  aber  auch  in  ihm  ist 
kein  eigentlicher  Grabfund  gemacht  worden.  Die  auf- 
geschüttete Erde  enthielt  freilich  zertreute  Scherben 
vonTopfgeräth ; auch  erhielt  ich  ein  zumTheil polirtes 
Stein  Werkzeug,  das  vielleicht  zum  Glätten  der  Töpfe 
benutzt  sein  mag.  Die  Topfscherben  stimmen  in 
vielen  Stücken  mit  denen  aus  den  alten  Schichten 
von  Hissarlik  Uberein  und  man  wird  also  an  nehmen 
müssen,  dass  man  es  hier  mit  Resten  einer  sehr 
alten  Zeit  zu  thun  habe.  Ob  es  sich  aber  um  ein 
wahres  Grab  oder  einen  blossen  Gedenkhügel  han- 
delt, kann  ich  nicht  sagen. 

Auch  von  den  anderen  Tepe’a  der  vordem 
Troas  ist  wenig  zu  sagen,  obgleich  die  Mehrzahl 
derselben  untersucht  worden  ist.  Der  Hügel  des 
Aias  ist  schon  im  voriger»  Jahrhundert  durch  die 
Türken  durch  wühlt  worden  ; die  Hügel  des  Pa- 
troklos  und  der  Batieia  sind,  jener  durch  Herrn 
Calvert,  dieser  durch  Frau  Scbliemann 
vor  einigen  Jahren  ohne  alles  Ergebnis«  aufge- 
graben worden.  Auch  wir  haben  noch  zwei  namen- 
lose Hügel  erfolglos  untersucht. 

Ein  wenig  mehr  hat  die  Untersuchung  der 
Tepe’s  auf  dem  llali-Dagh  über  Bu  mir  bösch  i er- 
geben. Es  ist  dies  der  Platz,  wohin  nach  der  Hypo- 
these von  Lechevalier  die  Stätte  des  alten 
Troja  verlegt  wurde.  An  der  letzten  Windung  der 
Skain ander- Schlucht  erhebt  sich  der  jähe  Fels,  auf 
welchem  iu  der  That  Reste  einer  Akropolis,  je- 
doch ungleich  jünger  als  Hissarlik,  erhalten  sind. 
Auf  demselben  Felsrücken,  etwas  weiter  nördlich, 
gegen  die  Ebene  zu , in  herrlicher  Lage  trifft 
man,  indem  man  zu  dem  Dorfe  Bumirbaschi  zu- 
rückkchrt,  3 Tepe’s  von  inässiger  Grösse,  einen 
hinter  dem  andern.  Ein  vierter  ist  mehr  west- 


lich davon  angegeben.  Der  eine  von  ihnen  ist 
seit  längerer  Zeit,  jedoch  nicht  im  Alterthume, 
als  Hügel  des  Priamos  bezeichnet  worden ; 
dazu  hat  man  dann  neuerlich  noch  den  des  H c k- 
tor  hinzugefügt  — kurz  die  ganze  Sagengeschichte 
i ist  dort  untergebracht  worden.  Da  diese  Hügel 
nicht  aus  Erde,  sondern  wie  viele  in  unserm  Vater- 
land, mehr  oder  weniger  aus  roher  Uebereinander- 
, häufung  von  Steinen  bestehen,  so  suchte  Leclie- 
valier  in  diesem  Gegensätze  einen  speziellen  Grund, 
sie  den  Trojanern  und  nicht  den  Achäern  zuzu- 
schreiben. Auch  von  diesen  Hügeln  sind  zwei  in  der 
neueren  Zeit  untersucht  worden  und  zwar  der  des 
Priamos  durch  Herrn  Frank  Calvert.  Sonder- 
barerweise ergab  sich  dabei,  freilich  im  Kleinen, 
eine  ganz  analoge  Konstruktion,  wie  die  vorhin 
vom  Udschek-Tepe  beschriebene.  Der  13  Fuss 
hohe  Hügel  war  in  der  Art  aufgeführt,  dass  in 
der  Mitte  einer  grossen  Steinschüttung , gleich 
unter  der  Oberfläche,  eine  viereckige,  bis  auf  den 
Boden  niedergehende  Suhstruktion  aus  gehauenen, 
jedoch  nicht  gemauerten  Steinen  errichtet  war, 
deren  Inneres  mit  losem  Stoingerölle  gefüllt  war. 
Der  Bau  hat  also,  abgesehen  von  den  Einzelheiten, 
viel  Aehnlichkeit  mit  dem  des  Udschek-Tepe. 
Herr  Calvert,  der  auch  nichts  anderes  fand, 
als  einige  Topfscherben,  kam  auf  den  Gedanken, 
es  sei  die  Unterlage  eines  grossen  Monumentes 
I gewesen,  auf  der  eine  Statue  oder  ein  Altar  ge- 
| standen  habe.  In  Bezug  auf  das  Alter  der  Anlage 
| machte  er  den  Schluss,  den  ich  für  sicher  halte, 

[ dass  es  sich  um  eine  spätere  Anlage  handele. 

Ein  anderer  dieser  Hügel,  der  neuerdings  auf 
1 Veranlassung  von  Sir  John  Lubbock  aulge- 
graben worden  ist,  enthielt  nur  Steine,  welche  so  roh 
übereinander  geschüttet  waren,  dass  man  anfangs 
glaubte , es  sei  ein  zufällig  entstandener  Stein- 
haufon, aber  im  Grunde  fand  sich  eine  kleine, 
jedoch  leere  Steinkammer. 

Sie  sehen,  dass  die  Ausgrabung  der  „Heroen- 
gräber“ im  Ganzen  ein  sehr  undankbares  Ge- 
schäft gewesen  ist.  Der  einzige  grosse  und  er- 
giebige Fund  ist  von  Herrn  Calvert,  dem  Herr 
Scbliemann  die  Mittel  zu  der  Ausgrabung 
zur  Verfügung  gestellt  hatte,  auf  seinem  Gute 
Batak  (bei  Atchi  Köi),  an  einem  weiter  östlich  ge- 
legenen Punkte  der  vorderen  Troas  gemacht  worden. 
Er  hat  für  uns  ein  besonderes  Interesse,  weil 
dieser  Fund  als  ein  Geschenk  der  beiden  Herren 
ganz  in  deutschen  Besitz  übergehen  wird.  Die 
! Lage  des  Platzes  ist  folgende:  Da,  wo  der  Mende- 
reh,  nachdem  er  den  Bali-Dagh  umflossen  hat,  in 
die  Ebene  einströmt,  mündet  in  ihn  von  Osten 
j her  ein  kleiner  Seitenfluss , der  Kimar  Su , der 
j in  der  letzten  Zeit  in  der  Regel  füi*  den  Tliym- 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


licdigirt  von  Professor  Dr.  Johl  tunen  JianJce  in  München, 

Genrrai—creiär  der  G ifiUchaft. 


Nr.  12.  Erscheint  jeden  Monat.  Dezember  1879. 


Debor  einige  bemerknngsnerthe  Grabfunde 
in  der  Umgegend  von  Hannover. 

Von  E.  Struck  mann.  Amtsrat  h. 

I.  Das  Urnenlager  in  den  Stehlinger  Bergen. 

Etwa  1 0 bis  1 1 km  nordwestlich  der  Stadt 
Hannover  und  etwa  2 km  östlich  der  nach  Nienburg 
führenden  Chaussee  beginnt  beim  Dorfe  Behren* 
bostol  eine  Kette  dtlnenartiger  Sandhügel,  welche 
im  Volk  sniumle  mit  dem  Namen  der  Stehlinger 
Berge  bezeichnet  werden  und  sich  in  der  Richtung 
von  Südwest  nach  Nordost  durch  die  Feldmarken 
Behrenbostel  und  Steblingen  bis  zum  Dorfe  Engel- 
bostel erstrecken  Ein  Theil  dieser  Sandhügel 
wurde  im  Verlaufe  des  Jahres  1878  abgetragen 
»nd  das  Material  zur  Schüttung  des  bei  der  Höher- 
legung des  Hannoverschen  Bahnhofs  erforderlich 
gewordenen  Bahndammes  benutzt.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit wurden  verschiedene  Urnen  mit  ver- 
brannten Knochenreston  zu  Tage  gefördert,  und 
hatte  der  Eigenthümer  des  Terrains  der  Eisen- 
bahn-Bauunternehmer Herr  Vering  in  Hannover 
die  Güte , mich  von  den  gemachten  Funden  zu 
benachrichtigen,  die  ich  am  23.  Juli  1878  an 
Ort  und  Stelle  besichtigte. 

Das  Urnenlager  beschränkt  «ich  nach  den 
bisherigen  Beobachtungen  auf  einen  der  höchsten 
Hügel  in  den  sog.  Stehlinger  Sandbergen  östlich 
vom  Dorfe  Behrenbostel  und  hart  an  der  Grenze 
der  Feldmark  Stehlin  gen ; dieser  Hügel  erhebt 
sich  etwa  30  m Uber  die  benachbarte  Ebene,  und 
wird  derselbe  von  verschiedenen  kleineren  Sand- 
dfinen  umgeben.  Der  von  jeder  Vegetation  ent- 
blößte Gipfel  besteht  aus  einem  weißlichen, 
feinkörnigen,  leicht  beweglichen  Flugsande,  »hn-  l 


lieh  wie  derselbe  an  den  Dünen  der  ostfriesischen 
Nordsee  - Inseln  beobachtet  wird.  Unter  diesem 
feinen  Sande  folgt  eine  0,40  m mächtige,  sehr 
grobkörnige  und  stark  eisenschüssige,  zu  einer 
harten  steinartigen  Masse  fest  verkittete  Sand- 
schicht ; in  den  oberen  Lagen  ist  dieselbe  stark 
humos  und  schwarz  gefärbt,  wahrend  die  unteren 
sehr  grobkörnigen  und  kiesigen  Lagen  eine  rost- 
rot he  Färbung  haben.  Am  Gipfel  des  Hügels 
findet  sich  diese  eisenschüssige  Schicht  untor  dem 
Flugsande  erst  in  einer  Tiefe  von  5 — G m;  an 
den  Abhängen  dagegen  verflacht  sich  der  fein- 
körnige Sand  allmttlig,  und  an  der  Basis  des 
Hügels  liegt  die  eisenschüssige  Sandschicht  un- 
mittelbar unter  der  Oberfläche.  Unter  dem  eisen- 
schüssigen Sande  folgen  zunächst  regelmässig 
geschichtete , abwechselnd  feinere  und  gröbere, 
gelblich  gotärbte  Sand-  und  Kiesschichten  mit 
violen  gröberen  Quarz-  und  Granitgeschieben  in 
einer  Mächtigkeit  von  5 — 6 m;  darunter  lagern 
feinere  geschichtete  Sande,  welche  von  einzelnen 
lehmigen  Schichten  unterbrochen  werden,  in  einer 
Gesarointmächtigkeit  von  etwa  5 in.  Dann  folgen 
blaue  zähe  Thone  der  unteren  Kreideformatiou. 

Beim  Abtragen  dieses  Hügels  sind  zahlreiche 
Urnen  zu  Tage  gefördert,  die  meisten  freilich 
zerbrochen , jedoch  ein  Theil , namentlich  der 
kleineren,  sehr  wohl  erhalten.  Dieselben  sind  im 
Allgemeinen  roh,  wahrscheinlich  mit  freier  Hand 
gearbeitet,  ganz  ohne  Verzierungen  ; jedoch  zeigon 
dieselben  sehr  verschiedene,  zum  Theil  geschmack- 
volle Formen ; es  sind  theils  flachere  Schalen, 
theils  tiefere  Töpfe,  theils  in  der  Mitte  ausge- 
bauchte  Urnen,  einige  mit  Henkeln  versehen.  In 
verschiedenen  diescrGeftls.se.  namentlich  in  einigen 


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158 


grösseren,  welche  leider  zerbrochen  sind,  wurden 
verbrannte  menschliche  Gebeine  und  Asche  vorge- 
funden. Weitere  Beigaben  sind  nicht  vorge- 
kommen : die  sorgfältigsten  von  mir  dieserhalb 
angestellten  Nachfragen  haben  zu  keinem  Resul- 
tate geführt.  Die  Mehrzahl  der  Urnen  fand  sich 
in  der  Mitte  des  Hügels  und  zwar  in  der  un- 
gewöhnlichen Tiefe  von  5 — 6 m unter  der 
Oberfläche,  einige  andere  am  Fusse  des  Hügels  nur 
0,5  m unter  der  Oberfläche.  Die  Untersuchung  an 
Ort  und  Stelle  gab  mir  den  Schlüssel  zu  dieser 
ungewöhnlichen  Erscheinung.  Die  säinmtlicheu 
Urnen  sind  entweder  in  oder  unmittelbar  unter  der 
eisenschüssigen  Sandschicht  vorgekommen ; da  wo 
dieser  Eisensand  in  der  Mitte  des  Hügels  tief  unter 
der  Oberfläche  ruht,  haben  auch  die  Urnen  eine  tiefe 
Lage;  da  wo  derselbe  die  Oberfläche  fast  berührt, 
finden  sich  auch  die  Urnen  nur  wenige  Fuss  unter 
dem  Boden.  Da  man  nun  nicht  unnehmen  kann,  dass 
die  Urbewohner  dieses  Landes  die  Ueberreste  ihrer 
Todten  ursprünglich  in  der  ungewöhnlichen  Tiefe 
von  5 — 6 m unter  der  Oberfläche  beigesetzt 
haben  werden,  bei  der  grossen  Ausdehnung  der  j 
Sanddünen  und  bei  der  ganz  gleich massigen,  fein- 
körnigen* Beschaffenheit  des  Sandes , welcher  von 
jeder  sonstigen  Beimengung  frei  ist,  auch  nicht 
daran  zu  denken  ist,  dass  der  Hügel  künstlich 
aufgebracht  wurde,  so  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  erst  in  späterer  Zeit  nach  der  Bei- 
setzung Veränderungen  in  der  Oberflttchenbildung 
vor  sich  gegangen  sind.  Diese  Annahme  wird  1 
durch  die  geologischen  Verhältnisse  der  Oertlichkeit 
sehr  wahrscheinlich  gemacht.  Die  schwarze,  von 
Heidehumus  durchdrungene,  eisenschüssige  Sand- 
schicht, welche  auf  den  regelmässig  geschichteten 
diluvialen  Sandschichten  ruht,  wird  ursprünglich, 
als  die  heidnischen  Bewohner  dieser  Gegend  sich 
die  Stehlinger  Berge  zum  Begräbnissplatz  aus- 
erkoren, die  Oberfläche  des  mit  Heidekraut  be- 
standenen Terrains  gebildet  haben,  wie  dieses  am 
Fusse  des  erwähnten  Hügels  noch  jetzt  der  Fall 
ist;  eist  in  späterer  Zeit  wurde  ein  Theil  des 
Terrains  durch  die  Wirkungen  des  Windes  durch 
den  leichten  Flugsand  überdeckt,  welcher  sich 
dünenartig  zusammenhäufte,  während  das  Urnen- 
lager in  der  Tiefe  begraben  wurde.  Diese  An- 
nahme wird  um  so  wahrscheinlicher,  da  ein  Theil 
der  Urnen  atn  Fusse  des  Hügels  hart  unter  der 
Oberfläche  gefunden  ist.  Die  geschilderten  Ver- 
hältnisse dürften  jedenfalls  auf  ein  hohes  Alter  des 
Urnenlagers  schli essen  lassen,  da  aus  historischer 
Zeit  die  Anhäufung  der  Sanddünen  nicht  bekannt  ist. 

2.  Kegelförmige  Gräber  bei  Bethen  an  der  Leine. 

Das  Thal  der  Leine  zwischen  Göttingen  und 
Hannover  enthält  an  vielen  Stellen  bedeutende 


Ansammlungen  eines  groben  diluvialen  Fluss- 
kieses, in  welchem  Reste  von  Elephns  primigonius, 
Rhinoceros  tichorhinus  und  anderon  grösseren  Säuge- 
thieren  der  Diluvialzeit  nicht  selten  gefunden 
werden.  Ein  derartiges  Kieslager  wurde  im  Jahre 
1872  unweit  des  Dorfes  Bethen  an  der  Eisen- 
bahn von  Hannover  nach  Cassel,  etwa  11,25  km 
südlich  der  Stadt  Hannover  in  der  Art  aus- 
gebeutet, dass  sich  dadurch  eine  senkrechte 
Kieswand  bildete.  Es  war  bei  dieser  Gelegenheit 
den  Arbeitern  schon  längere  Zeit  aufgefallen, 
dass  in  der  weisslichen  Kieswand  kegelförmige 
oder  trichterförmige,  sehr  regelmässige  Stellen  zu 
Tage  traten,  welche  von  einer  schwärzlichen  hu- 
mosen  Erde  ausgefüllt  waren  ; anfangs  blieb  diese 
Erscheinung  unbeachtet,  bis  einer  der  Vorgesetzten 
Beamten  gelegentlich  erfuhr,  dass  in  der  schwarzen 
Erde  nicht  selten  auch  Topfscherben  gefunden 
wurden.  Dieses  gab  Veranlassung,  die  Sache 
näher  zu  untersuchen  und  stellte  sich  dubei  heraus, 
dass  jede  der  etwa  1,5  m tiefen  kegelförmigen 
Ausfüllungen  auf  dem  Boden  einige  mit  ver- 
brannten Knochenresten  angefüllte  Todtenurnen 
enthielt  , welche  jedoch  grösstentheils  schon  zer- 
fallen waren  oder  beim  Herausheben  auseinander 
fielen.  Man  hatte  also  alte  Grabstätten,  einen 
alten  Urnen-Friedhof  vor  sich.  Dabei  führte  die 
Untersuchung  eines  einzelnen  Grabes  zu  besonders 
interessanten  Resultaten.  Auf  dem  Boden  der 
kegelförmigen  Grube  standen  vior  kleine  Urnen 
neben  einunder,  dieselben  waren  bedeckt  von 
einer  Steinplatte,  und  auf  dieser  lagen  die  Reste 
eines  grossen  Hirschgeweihes ; das  Ganze  war  bis 
zur  Oberfläche  mit  einer  schwärzlichen  humosen 
Erde  ausgefüllt ; die  Urnen  enthielten  Asche  und 
verbrannte  Knochen.  Bei  meiner  persönlichen 
Anwesenheit  waren  die  Verhältnisse  in  der  in- 
zwischen verlassenen  Kiesgrube  leider  nicht  mehr 
zu  erkennen.  3 der  kleinen  Urnen  sind  beim 
Horausheben  zerfallen,  die  vierte  dagegen  ist  sehr 
wohl  erhalten  und  mit  der  Steinplatte  und  den 
Resten  des  Hirschgeweihes  später  in  meinen  Be- 
sitz gelangt. 

Die  noch  vorhandenen  Urne  ist  sehr  roh  aus 
einem  feinkörnigen , mil  einzelnen  groben  Sand- 
körnern vermengten  Lehme  gearbeitet,  ohne  jeg- 
liche Verzierung,  nur  mit  schwach  nach  auswärts 
gebogenem  Oberrande,  unten  verjüngt  und  mit 
flachem  Boden,  aussen  schwach  rötblich,  inwendig 
schwarz  gefärbt.  Die  Höhe  beträgt  nur  9 cm. 
der  obere  lichte  Durchmesser  9,5  cm,  die  Wände 
sind  List  1 cm  dick.  Die  Deckplatte  ist  aus 
einem  gelblichen  Kalkstein  gefertigt,  kreisrund, 
in  der  Mitte  reichlich  doppelt  so  dick,  als  an 
den  Rändern,  und  in  der  Mitte  mit  einem  runden, 


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159 


sehr  sorgfältig  gearbeiteten  Loche  versehen,  dessen  ; 
Zweck  mir  unverständlich  ist.  Der  Durchmesser 
der  Platte  lwdrägt  37  cm,  so  dass  dieselbe  eben  ( 
ausreichte,  die  vier  kleinen  Urnen  zu  bedecken ; ; 
die  Dicke  an  den  Rändern  beträgt  2.00  cm,  in  ■ 
der  Mitte  an  der  durchbohrten  Stelle  4,50  cm; 
der  Durchmesser  des  erwähnten  kreisrunden 
Loches  in  der  Mitte  beträgt  3,00  cm.  Das  in  ' 
verschiedene  Theile  zerfallene  Geweih  gehört  dom  J 
gewöhnlichen  Edelhirsch  an.  Bemerken  will  ich 
noch,  dass  eine  ähnliche  von  Tuffkalk  gearbeitete 
Platte,  jedoch  mit  weit  grösserer  mittlerer  Oeff-  1 
nung  mit  einigen  Urnenresten  zusammen  beim 
Bau  der  Löhne- Nienburger  Eisenbahn  in  der 
Gegend  von  Rinteln,  beim  Dorfe  Feldheim  a.  d. 
Weser,  gefunden  worden  ist. 

Kurzer  Bericht  über  die  prähistorischen 
Funde  and  die  einschlägige  Literatur  in 
Italien  im  Jahre  1878. 

Von  Ihr.  Emil  Stflhr,  Bergwerks-Direktor. 

(.Schluss  zu  Nr.  8.) 

Pigorini  in  seiner  schönen  Abhandlung  j 
behandelt  nur  Gegenstände  aus  der  ersten  Eisen- 
zeit , veranlasst  durch  die  reichen  Funde  von 
Oppeano.  Er  schliesst  sich  im  Ganzen  den  ! 
Ansichten  Cbieriei’s  an,  und  auch  er  unterscheidet 
die  beiden  lokalen  Gruppen  derKuganeen  und 
von  Fel  sinn.  Auch  er  ist  dos  Weiteren  der  1 
Ansicht,  dass  die  Terramare-Leuto  von  den  Alpen 
herabgekommen  seien , nachdem  sie  von  Asien 
kommend  die  Donau  aufwärts  gezogen  waren. 
Dagegen  theilt  er  nicht  die  Ansicht  Chierici’s,  die 
Leute  der  ersten  Eisenzeit  seien  vom  Meere  her 
den  Po  heraufgezogen , sondern  es  weise  im  Ge- 
gentheil  alles  dahin,  dass  sie  von  Mittelitalien 
über  den  Apennin  gekommen  seien,  und  etrus- 
kische Bildung  mit  gebracht  hätten. 

Pompeo  Gaste)  franco:  Fibule  a grandi 
coste  e ad  arco  semplice.  Bollet.  Paletnol.  1 
Ital  1878  p.  50-  — Bei  nebbio  unweit  Como  ! 
hat  man  schon  früher  reiche  Gräberfunde  aus  ! 
der  ersten  Eisenzeit  gemacht.  Davon  werden  : 
zwei  ungemein  grosse  Fibeln  beschrieben,  die  sehr  j 
starke  Rippen  auf  der  Spange  haben  und  von  i 
der  viele  lange,  zierliche  Kettchen  herabh&ngen.  j 
Diese  zwei  Fibeln  sind  bis  jetzt  die  einzigen  in  , 
ihrer  Art.  Nimmt  man  die  Kettchen  weg , so  , 
gleichen  sie  den  so  seltenen,  stark  gerippten  Fi- 
beln , die  fast  ausschliesslich  bis  jetzt  nur  in 
Oberitalien  gefundon  wurdan ; von  den  45  be-  ! 
kannten  gehören  nemlich  38  Oberitalien  an,  5 ! 
der  Schweiz  und  2 befinden  sich  im  Mnseurn  von  ! 
Pesth.  Daraus  wird  geschlossen,  sie  seien  eine  i 


Eigentümlichkeit  des  damals  Oberitalien  bewoh- 
nenden Volksstammes,  möge  man  diesen  nun  um- 
brisch  oder  liguriseh  benennen.  — An  diese  Mit- 
theilung knüpft  der  Verfasser  Studien  über  das 
relative  Alter  der  verschiedenen,  in  Oberitalien  ge- 
fundenen Fibeln.  Die  ältesten  sind  die  mit  glatter, 
einfach  gebogener  Spange;  diese  werden  später 
mit  gravirten  Verzierungen  versehen.  Noch  später 
siud  die  mit  kleinen  Rippen  auf  der  Spange,  denen 
dann  die  mit  starken  Rippen  folgen.  Zuletzt 
bat  etruskischer  Einfluss  von  jenseits  des  Apen- 
nin die  gewundenen  Fibeln  gebracht.  Schliess- 
lich verspricht  der  Verfasser  eine  Karte  anzu- 
fertigen, auf  der  alle  Necropole  der  ersten  Periode 
der  Eisenzeit  eingetragen  sind.  Möge  er  sie  bald 
vorlegen  können. 

G.  Kroll:  Osservazioni  al  Belucei  in- 
torno  all»  sua  opinione  della  fonderia- 
officina  di  Bologna.  Boll.  Palet.  Ital.  1878 
p.  180-  Bezüglich  das  grossen  Bronzefundes  in 
Bologna  (vide  dieses  Blatt  Nr.  5 und  6)  hatte 
Belucci  der  allgemeinen  Ansicht  Worte  gegeben, 
man  habe  darin  die  Produkte  einer  Giessorei- 
Werkstätte  zu  sehen,  die  bei  drohender  Gefahr 
geborgen  wurden.  Dem  tritt  Eroli  entgegen 
und  sieht  aus  den  bereits  S.  46  ds.  Bl.  erwähn- 
ten Gründen  diesen,  wie  ähnliche  Funde  als  Vo- 
tivgeschenke an,  irgend  einer  unterirdischen  Gott- 
heit geweiht.  — Unter  den  Bronzegerät  hen  fin- 
den sich  viele  zerschlagen,  und  zwar  immer  in 
gleicher  Weise ; auch  diess  hält  der  Verfasser  für 
religiösen  Gebrauch,  was  ihm  am  wahrschein- 
lichsten scheint,  oder  aber  zu  dem  Zwecke  geschehen, 
damit  die  zerschlagenen  Stücke  als  Geld  dienen 
konnten.  Es  sind  diess  Ansichten , die  jedenfalls 
noch  sehr  der  Begründung  bedürfen,  und  es  ist 
wohl  am  einfachsten  mit  Belucci  und  Anderen 
anzunehmen , es  sei  das  einfach  der  Umgiessung 
wegen  geschehen. 

0 Cliieriei:  La  Pa  let  nologia  Itali- 
unu  nel  Congresso  di  Budapest.  Boll. 
Paletnol.  Ital.  1878  p 166.  — Ist  zum  grossen  Theil 
Referat,  über  den  1876  in  Pesth  abgehaltanen 
Congress.  In  einigen  Italien  betreffenden  Streit- 
fragen nimmt  jedoch  der  Verfasser  entschieden 
Position,  so  bezüglich  des  von  Capellini  sup- 
ponirten  plioeänen  Menschen,  der  die,  an  den 
fossilen  Knochen  des  in  Monte  Aperto  gefundenen 
Balaeonotus,  beobachteten  Einschnitte  gemacht 
haben  soll.  Er  stellt  sich  hiebei  ganz  auf  den 
Standpunkt  derjenigen,  die  bis  jetzt  den  tertiären 
Menschen  überhaupt,  als  noch  nicht  nachgewiesen 
ansehen.  — Was  ferner  di«  Frage  anbetrifft,  ob 
in  Europa  eine  allgemeine  Bronzezeit  bestan- 
den habe,  hält  er  bezüglich  Italiens  das  für  un- 


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160 


zweifelhaft  , beschränkt  jedoch  diese  Bronzezeit 
einzig  auf  die  Terramare.  Nach  den  Terre- 
maro  komme  dort  sofort  die  Eisenzeit,  und 
zwar  zuerst  durch  einzelne  Gräber  vertreten,  die 
Zannoui,  der  bekaunte  Entdecker  so  vieler 
Funde  im  Bolognesichen , noch  zur  Bronzezeit 
rechnet  ; Chi erici  dagegen  meint,  dass  man  sie, 
trotzdem,  dass  die  meisten  nur  Bronzegerätlie  und 
keine  Beste  von  Eisen  enthalten,  schon  zur  ältesten 
Eisenzeit  ziehen  müsse,  und  sieht  sie  als  U e ber- 
gan gs  periode  zu  derselben  an.  Die  grossen 
drei  Kulturperioden : Steinzeit , Bronzezeit  und 
Eisenzeit  im  Ganzen  festhaltend,  glaubt  der  Ver- 
fasser aber  nicht , dass  dies*  überall  so  schema- 
tisch sich  gestaltet  habe,  indem  wohl  bei  keinem 
Volke,  aus  sich  selbst  heraus,  die  Kultur  unun- 
terbrochen sich  entwickelte,  sondern  die  Kultur- 
entwicklung durch  die  Berührung  mit  auf  anderer 
Kulturstufe  stehenden  Völkern,  namentlich  durch 
den  Handel,  vielfach  beeinflusst  werden  musste. 

1*.  Strobel : Alcune  osservazioni  in- 
tornu  all*  uomo  fossile.  Boll.  Paletnol. 
Itnl.  1877.  p.  148. 

Strneyer  eNella:  Sopra  unu  memoria 
d e 1 Prof.  C.  do  Stefani  intitolato: 
Sülle  tracce  attribuito  all'  uomo  plio- 
cenico  nel  Sen  es e.  Trassunti  degli  Atti 
della  R.  Academia  dei  Lincei  1878-  p.  31.  — 
Bezüglich  der  noch  controversen  Frage,  ob  Reste 
von  tertiären  Menschen  überhaupt  schon  ge- 
funden worden  seien . sind  vor  allem  die  als 
solch  • aufgeführten  Funde  in  Italien  interessant. 
Noch  neuerdings  in  seinen  Vorträgen  hat  de 
Mor  titlet  in  Paris  als  solche  angeführt:  Ein 

Skelet,  gefunden  in  plioeäner  Süss  wasserschicht 
hei  Sa  von  u (Issel);  Schnitte  an  Baluenotus- 
Knochen  aus  Mergel  und  gelhern  Sande  vom 
Monte  Aperto  bei  Siena  (Capcllini);  ge- 
ritzte Knochen  von  S.  Giovanni  im  Arnothale 
(Ratnorino);  Knochen  aus  der  Knocbenbreccie 
des  Val  d’Arno  (Desnoy  er»);  bearbeitete 
Knochen  von  S.  Valentino  (Feretti);  wozu 
noch  von  einigen  gezählt  wird  der  von  Cocchi 
an  den  Hügeln  dei  1'0  Im  o bei  Arezzo  in  blauem 
Süss  wassert  hone  gefundene  Menschenschädel  (For- 
syth  Major). — Was  die  verschiedenen  Funde 
im  Val  D'Arno  betrifft,  so  ist  schon  früher 
nachgewiesen  worden,  dass  es  sehr  unwahrschein- 
lich ist,  sie  seien  plioeäner  Natur;  von  dem  bei 
Savonu  gefundenen  Skelet  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich geworden,  dass  es  dort  später  begraben 
wurde.  Strobel  in  seiner  schon  1877  erschie* 
nenen  Abhandlung  behandelt  den  Fund  all*  Oluio 
bei  Arezzo,  und  die  Balaenotusknochen  mit  den 


Einschnitten  vom  Monte  Aperto,  die  Capeilini 
beschrieb.  Was  den  Schädel  von  Arezzo  be- 
trifft, so  hat  bereits  Cocchi  1 867 , der  zuerst 
über  den  Fund  berichtete,  denselben  als  post- 
p 1 i oc  U n,  oder  «{Uaternär  ungesehen,  während 
später  Forsyth  Major  ihn  als  plioeän  betrach- 
tete. Strobel  berichtet  nun,  dass  Cocchi 
seine  Ansicht  auf  einer  zu  dem  Zwecke  zusammen- 
berufenen  Versammlung  der  S o c i e t a a n t r o p o- 
logicu  1876,  festhielt  und  begründete,  so  dass 
dieser  Schädel  nicht  als  plioeän  angesehen  werden 
darf.  — Bezüglich  der  Balaenotusknochen  vom 
Monte  Aperto  mit  den  Einschnitten,  die 
C a p e 1 1 i n i beschrieb  und  diese  als  von 
coexistirenden  Menschen  gemacht  ansah , bemerkt 
St  robel,  daiss  zweifellos  solche  Schnitte  nur  mit 
schneidenden  Werkzeugen  gemacht  werden  konnten, 
und  dass  die  Ansicht  , als  rühren  sie  von  Säge- 
fischen etc.  her,  ausgeschlossen  bleiben  müsse. 
Er  giebt  dann  die  Resultate  von  Versuchen,  die 
er  im  Museum  von  Parma  mit  verschiedenen 
schneidenden  Werkzeugen  an  Knochen  von  le- 
benden wie  fossilen  Thieren  gemacht  hat,  und 
kommt  zu  dem  Resultate,  dass  mit  Kieselmessern 
man  solche  Schnitte  nicht  hervorbringen  könne, 
dagegen  mit  unseren  schneidenden  Werkzeugen, 
aber  nicht  an  frischen  Knochen,  sondern  nur  an 
fossilen.  Desshalb  könnten  die  Schnitte  nicht  von 
plioeänen  Menschen  herrühren.  Ausserdem  seien 
die  Knochen  mit  den  Einschnitten  in  einer  Schicht 
gefunden,  die  nur  in  tiefer  See  sich  habe  ab- 
lagern können;  von  Menschen  bearbeitete  Kiesel- 
geräthe  seien  allerdings  dort  in  der  Nahe  eben- 
falls gefunden  worden,  aber  niemals  in  der  Schicht 
selbst,  in  der  die  fraglichen  Knochen  sich  fanden, 
sondern  gleich  an  der  Oberfläche  in  weitaus 
1 jüngerer  Bildung. 

Eine  so  wichtige  Frage  zur  Sprache  gebracht, 
von  einem  so  bedeutenden  Geologen  wie  Capel- 
lini  es  ist,  hat  dann  weitere  Untersuchungen 
hervorgerufen.  Die  Accademia  dei  Lincei 
; in  Rom,  veranlasst  du*%h  eine  Arbeit  von  C.  de 
Stefani,  welche  derselbe  der  Akademia  vorlegte 
und  in  der  er  aus  geologischen  Gründen  die  Co- 
existenz  des  Ralaenotus  mit  dem  Menschen  leug- 
nete, bat  eine  Commission,  bestehend  aus  Sella 
und  St  rüver  eingesetzt,  um  darüber  zu  be- 
richten. Diese  kommen  zum  Schlüsse  in  ihrem 
Bericht,  dass  das  fragliche  Fossil  in  tiefem  Meere, 
in  einer  Tiefe  von  mindestens  1 50  Metern  sich  ab- 
gesetzt habe,  also  in  einer  Tiefe,  die  gänzlich  dem 
Menschen  unzugänglich  war ; es  könnten  somit 
die  Einschnitte  nicht  von  con temporären  Menschen 
gemacht  worden  seiu. 


Druck  der  Akademischen  Buchdrvckerei  /•’.  Straub  in  München.  — Schlau#  der  Deduktion  am  8.  Januar  1880. 


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Inhalt 


Nr.  1.  Januar 

Zum  Neujahr  187«.  8.  1.  — Feber  Schalcnsteine, 
I.  uns  Schleswig-Holstein.  Von  J.  Mestorf.  8.  8. 
— Anthropologische*  von  Amerika.  Von  I>r. 

0.  Löw.  8.  <ri,  — Sitxungaljerichte  «ler  LokuWereine. 
Sitzung  de«  ant-hro|>ol<»gii*cln*n  Verein)«  für  Sehlen* 
wig-Holstein  zu  Kiel  den  20.  D«*zembor  1878.  Re- 
ferent I>r.  Handelmann.  8.  6.  — Forrexjton- 
dcnzen.  1»  An«  Aegypten.  2)  Au*  Neuuiühle  bei 
Wuixchenfebl  . bny.  < >herfrunk«*n.  8.  8.  Lite- 
rarische  Anzeigen.  8.  8. 

Nr.  2.  Februar. 

Brief  de*  Herrn  Dr.  H.  Schliemann , EhrenmitgliiNl 
der  «leut-ehen  unthroi>ologi*ehpn  Gesellschaft.  8.  9. 

S e h 1 i e ui  a n n ’s  A usgrubungen  in  M vkcnä. 
Von  l*rof.  Dr.  von  Christ.  S.  10.  — Farbe  der 
Haare  und  «1er  Haut  bei  den  Alt-C «riechen.  S.  16. 

Beilage:  Hie  ai»thro|  alogische  Ausstellung 

in  Moskau. 

Nr.  3.  Mir*. 

Heber  Verbreitung  «1er  SteinlMÜl«*  uux  Nephrit,  Jadeit, 
Chloroiiielanit.  hexomterN  in  Euro|»a.  Von  liofrath 
Prof.  Dr.  H.  Fi rc her  in  Freiburg  l Baden I.  S.  17.  — 
Feber  Schalennteine.  II.  Ana  der  Oberpfalx.  III.  An« 
Amerika.  8.  26.  — LVlier  Hochiteker  an«  Nor«l- 
deutsrhluml.  8.  24.  - Li terarisch«*  Anzeige  8.24. 

Nr.  4.  April. 

Aufrufan<lieMitgli«'<ler<ler«leut«clien  anthropologischem 
Gesellschaft  lw?trefl*  der  Herstellung  einer  Gexniumt- 
auHgabe  von  K.  E.  v.Baer '«Werken.  8. 2 j.  — Neue 
anthropologische  Memapparate  und  Messmethoden. 
Anthropologische  Messungen  an  lebenden  Menschen. 
Von  Dr.  'Körbin.  S.  26.  — Bericht  über  «lie 
nordische  anthropologisch«;  Literatur.  Von  fng- 
vahl  U mixet.  S.  29.  — Kingwälle  Ihm  Rothen- 
burg an  «1er  Tauber.  8.  61.  — Heilige  Steine. 

1.  Aus  Sfidltaycrn.  S.  62. 

Nr.  5.  Mai. 

Einladung  zur  X.  allgemeinen  Versammlung  der  deut- 
schen anthropologisch«*n  Gesellschaft  zu  Strass- 
burg. 8.  63.  — Künstliche  Höhlen  in  Nmder- 
«"»sterreich.  Von  Dr.  M.  Much.  S.  33.  — l’eber 
«l«*n  neuesten  Bronzefnml  in  Bologna,  und  ftl»er 
«bis  Vorkomnnm  de«  Bernsteins  in  der  Kiuilia  in 
prähistorischer  Zeit.  Von  Dr.  Emil  Stöhr.  Horg- 
werksdirektor.  8.  66.  — Materialien  zur  Vor- 
geschichte des  Menschen  im  östlichen  Europa. 
V’on  Albin  Kohn  und  C.  Mehlis.  S.  88.  — 
Zur  prähistorischen  Kartographie  der  Provinz 
Posen.  8.  40.  — Prähistorische  Würfel.  Von  W. 
Osborn.  S.  40. 

Nr.  6.  Jnni. 

Gemauerte  Gräber  innerhalb  der  Stadt  Stuttgart. 
V’on  Prof.  Dr.  O.  Fr  aas.  S.  41.  — Ueber  «len 


neuesten  Bronzefund  in  Bologna,  und  ül»er  das 
Vorkommen  «lex  Bernsteins  in  der  Emilia  in  prä- 
historischer Zeit.  Von  Dr.  Emil  Stöhr,  Berg- 
werkstlirektor.  < Schluss.!  S.  42.  — Zur  Statistik 
«ler  Farbe  der  Augen  un«l  «1er  Haare  in  der  Schweiz. 
8.  46.  — Ein  slaviscber  Burgwall  bei  Rathenow. 
Von  v.  Al  vensleben.  Rittergutsbesitzer.  8.  47. 

- Kleine  Mittheilungen.  1)  Fund  von  drei  durch 
Menschenhand  bearbeiteten  Hirschgeweihstücken 
aus  dem  Diluvium  in  Schlesien.  2)  Hei«tnischer  B«w 
gräbn  iss  platz  bei  ScIiw«mU  an  «ler  Oder.  8.  48. 
Zweiter  Aufruf  betreff*  «*iner  Oesaiunitausgjibe  der 
Werke  von  llaer.  S.  48. 

Sr.  7.  Juli. 

Di«'  Bronzefunde  in  Bologna.  Von  .1.  Mestorf,  Kiel. 
S.  49.  — Arier  un«l  Semiten.  V’on  Dr.  Fritz 
Bommel,  München.  S.  52.  — Kleine  Mit- 
theilungen. I)  Hochäcker  in  Norddeutsch  lan«l. 
2)  Ethnographisches  Univerntftt*-Mu«eum  in  Frei- 
bnrg  in  Boden.  8.  56. 

Nr.  8.  Angast. 

Dielt aubvögel  und  die  prähistori«ch«*n  Knochenlager.Von 
Dr.  A.  N eh  ring.  Wolfenbüitel.  8.  57.  — Ari»*r 
und  Semiten.  Von  Dr.  Fritz  Bommel . München. 
(Schluss.!  S.  59.  — Kurzer  Bericht  über  «lie  prft- 
historischen  Fnnde  mul  die  einschlägige  Literatur 
in  Italien  im  Jahn*  1878.  Von  Dr.  Emil  Stöhr, 
Bergwerksdirektor.  S.  61.  — Ans  der  Sitzung  des 
Zweigvereins  Kiel,  27.  März  1879.  S.  64. 

Nr.  9.  September. 

Bericht  über  die  X.  allgemeine  Versammlung  der 
deutschen  anthro|silogischen  Gesellschaft  zu  Straxs- 
burg  am  11.,  12.  und  16.  August  1879,  L Tages- 
ontnung  un«l  Verauf  der  X.  allg«*meinen  Ä’er- 
suminlung.  S.  65.  — Die  der  X.  allgemeinen  Ver- 
sammlung vorg«degten  Bücher  un«l  Schriften.  8.  76. 
— II.  Verhandlungen  «ler  X.  allgemeinen  Ver- 
sammlung. KrsteSitxiing.  8.  77.  — Eröffnungx- 
reile  «les  I.  Vorsitzenden  0.  Fr  aas.  8.  77.  — 
Begrüßungsrede  von  Seite  des  städtischen  Ma- 
gistrats durch  «len  Herrn  Beigeordneten  Baron 
von  Reichlin- Meldegg.  8.80.  - Begrüssungs- 
red«>  des  Herrn  G.  Gerl  and,  Isikulgesehäftsfilhrer 
«ler  X.  ullgi'ineinen  Versammlung.  S.  80.  - Wissen- 
schaftlicher Bericht  über  die  Isuxtungen  der  deut- 
schen anthropologischen  Forschung  iiu  letztver- 
flossenen Vereimyahre  durch  den  Generalsekretär 
Herrn  J.  R a n k e.  S.  82.  — Kassenbericht  des  Schatz- 
meisters HermWei  «man n.  8.8^.  - Ueber  die  Fort- 
schritte der  Herstellung  einer  prähistorischen  Fund- 
karte für  Deutschland  «Iure  h Herrn  0.  Fr  aas.  S.  91. 
— PrähistorischeFundkarte  vonSüdweetdeutschland, 
mit  Karte  als  Beilage.  V’on  Hrn.  Baron  v.  Tröl  t sch. 
S.  92.  — Prähistorische  Fundkarte  von  Ober- 
bayern.  Von  Herrn  Ohlenschlnger.  8.  96.  — 
Feber  prähistorische  Funde  in  Baden.  Von  Herrn 
Wagner.  S.  96.  — Der  Oexawmtkatalog  der 


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,9 


kruniol  »gischen  Sammlungen  Deutschland*.  Von 
Herrn  Schaaff  hausen.  »S.  fl".  — Entwurf  zur 
Erhebung  über  die  körperliche  Beschaffenheit  der 
deutschen  Bevölkerung.  Von  Herrn  S c hauff- 
hau sen.  S.  101.  — Zweite  Sitzung.  S.  104.  i 
— l'eber  Kupferbergbau  in  Noricum  in  prähisto-  | 
rischer  Zeit.  Von  Herrn  Much  (Wien!.  S.  104.  t 

Nr.  10.  Oktober. 

l'eber  Kupferbergbau  in  Noricmu  in  prähistorischer 
Zeit.  Von  Herrn  Much!  Wien».  (Schluss. ) S.  105. 
— Heroengräber  in  Württemberg:  Belleremise  und 
kleiner Aeperg.  Von  Herrn  O. Fra as.  S.  108.—  l'eber 
geschlagene  und  geschliffene  prähistorische  Stein- 
werkzeuge.  Von  Herrn  Fischer.  S.  1 10.  — .Steinzeit  in 
Bayern.  Von  Herrn  J.  Hanke.  S.  112.  — Dritte 
Sitzung.  S.  1 18.  — Neue  Pfahlbaustutionen  iiu 
Hieler-u. Neuenburger-See.  Von  Hrn.  Dr.V.d ros«. 

S.  118.  — l'eber  Schädel  der  Sfidseebewohner 
aus  der  Sammlung  Godefroy  in  Hamburg.  Von 
Herrn  R.  Krause.  S.  121.  — Neuer  Zeichen-  und 
HwMppont  für  Schädel.  Von  Herrn  K.  Krause. 

S.  124.  - Zeichenapparat  für  Schädel.  Von 

Herrn  .1.  Ranke.  S.  124.  — Neue  prähistorische 
Forschungen  im  Rheinlande.  Von  Herrn  Schaaff- 
hausen.  S.  124.  — Mittheilungen  von  J.  Me  8- 
torf.  S.  130.  — Ausgrabungen  bei  Dürkheim  a.  H. 
Von  Herrn  Mehlis.  S.  132.  — Steinzeit  in 
Aegypten.  Von  Herrn  Mook.  S.  134.  — Ueber 
die  Herstellung  einer  Statistik  der  Köpergrüsse, 


zunächst  für  Süddeutschland.  Von  Herrn  Ecker. 

a isa 

Nr.  11.  November. 

Neue  Station  der  Mainuthjiiger.  Von  Herrn  Mach. 
S.  138.  — l'eber  kleinariatiache  Steinzeit  und  die 
trojanischen  Heroengräber.  Von  Herrn  R.  Vi  r c h o w. 
S.  189.  — Vierte  Sitzung.  S.  147.  — Die  Aus- 
grabungen auf  dem  sj>ätrömi*chen  Todtenfeld  beim 
Weiwthurmthor  in  Strassburg.  Von  Herrn  Straub. 
S.  147.  — Die  Schädel  der  Strassburger  Nekro- 
pole; ton»  occipitalis;  trochanter  tertius.  S.  151. 
- Kleinasiatische,  namentlich  trojanische  Alter- 
thümer.  Von  Herrn  R.  Virchow.  S.  152.  — 
l'eber  Schwurechaalen.  Von  Herrn  Sepp.  8.155. 
— Schlusswort  der  X.  allgemeinen  Versammlung 
durch  den  1. Vorsitzenden  derselben  Herrn  O.Fraau. 
S.  156.  — Rednerliste  der  X.  allgemeinen  Ver- 
sammlung. S.  156. 

Nr.  12.  Dezember. 

Ceber  einige  bomerkungswerthe  Grabfunde  in  der  Um- 
gegend von  Hannover.  1»  Das  l'rn«  nlager  in  den 
Stehlinger  Bergen.  2)  Kegelförmige  Gräber  bei 
Bethen  an  der  Leine.  Von  Herrn  Amtsrath 
E.  St  ruck  mann.  S.  157.  — Kurzer  Bericht 
über  die  prähistorischen  Funde  und  die  ein- 
schlägige Literatur  in  Italien  im  Jahre  1878. 
Von  Herrn  Bergwerks-Direktor  Dr.  Emil  St ö h r. 
f Schluss  zu  Nr.  B.)  S.  15®. 


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r 


Correspondenz-Blatt 


der 


deutschen  Gesellschaft 

\ 

fnr 

Anthropologie.  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


x?. 

Jahrgang  10SO. 


Kedigirt  von 


Professor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München 

General  iekretär  der  Gesellschaft. 


München. 

Akademische  B uohd r uok erei  von  F.  Straub, 
im 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


ltaligirt  von  Professor  Pr.  Johanne«  Hanke  in  München, 

QmtraUtntiiir  der  G**«£Uctu\f\. 


XI.  Jahrgang.  Nr.  1.  Erwbeint  jeden  Monat.  JaüUür  1880. 


Zum  Neujahr  1880. 


Wir  sind  in  der  angenehmen  Lage,  unsere  Mittheilungen  an  die  Gesellschaft  mit  einer  er* 
fraulichen  Nachricht  beginnen  zu  können. 

Nach  dem  in  Strassburg  gefassten  Beschluss  soll  der  Congress  der  deutschen  Anthropologen 
im  Jahre  1880,  in  welchem  unsero  Gesellschaft  das  U.  Jahrzehnt  ihrer  Thätigkeit  beginnt,  zum 
ersten  Male  in  der  Roichshauptstadt  und  zwar  vom  5.— 12.  August  tagen.  Vorstandschaft 
und  Lokalcomite  sind  bemüht,  dieser  Zusammenkunft,  dem  Orte  der  Vereinigung  entsprechend,  eine 
erhöhte  Bedeutung  zu  verleihen;  namentlich  wurde  in  Aussicht  genommen,  mit  dieser,  der  XI.  Ver- 
sammlung eine  allgemeine  deutsche  anthropologisch -urgeschichtliche  Ausstellung 
in  Berlin  zu  verbinden. 

Auf  Veranlassung  des  derzeitigen  I.  Vorsitzenden  unserer  Gesellschaft,  des  Herrn  Geheimrath 
Professor  Dr.  R.  Virchow,  machte  die  Vorstandschaft  nach  Gesammtbeschluss  die  einleitenden  Schritte 
zur  Verwirklichung  dieses  Planes  zunächst  bei  der  königlich  Preussischen  Staatsregierung. 

Mit  freudiger  Genugthuung  können  wir  die  Mittheilung  von  der  entgegenkommenden 
Aufnahme  machen,  welche  an  dieser  Stelle  unser  Gesuch  gefunden  hat.  Nach  Gesammtbeschluss  der 
Vorstandschaft  wird  nun  die  gleiche  Bitte  um  Unterstützung  de9  Unternehmens  an  die  übrigen 
deutschen  Staatsregierungen,  wie  wir  hoffen  dürfen  mit  dem  gleichen  günstigen  Erfolg,  gerichtet  werden. 

Im  Nachstehenden  theilon  wir  die  beiden  Eingaben  und  den  auf  die  erste  an  uns  gelangten 
Erlass  des  Königlich  Preussischen  Ministeriums  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal&ngelegen- 
heiten  mit: 

München,  den  11.  November  1879. 

An  Seine  Excellenz  den  Königlich  Preussischen  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts 
und  Medicinal- Angelegenheiten  Herrn  von  Puttkam  in  er. 

Euer  Excellenz 

wollen  hochgeneigtest  dem  ergebenst  Unterzeichneten  gestatten,  im  Namen  und  Auftrag  der 
deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  Nachstehendes  vorzutragen. 

Die  X.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  Anthropologen,  welche  in  der  zweiten  August- 
woche dieses  Jahres  in  Strassburg  tagte,  wählte  durch  einstimmigen,  freudigst  aufgenommenen  Be- 
schluss für  das  Jahr  1880  Berlin  als  Versammlungsort,  als  Zeitpunkt  der  Zusammenkunft  wurde 
vorläufig  die  zweite  Woche  des  August  in  Aussicht  genommen. 

Die  Gesellschaft,  1870  zu  Mainz  von  einer  Anzahl  hervorragender  Gelehrter  gegründet,  zählt 
heute,  über  ganz  Deutschland  in  Zweigvereinen  verbreitet,  über  2000  Mitglieder.  Ihre  Vorstandschaft 

I 


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bilden  für  das  laufende  Vereinsjahr  1879,80  Herr  Geheimer -Medicinalrath  Professor  Dr.  R.  Virchow 
(Berlin)  als  I.  Vorsitzender,  Herr  Gehei rarath  Professor  Dr.  A.  Ecker  (Freiburg  in  Baden)  und 
Herr  Professor  Dr.  0.  Fr  a as  (Stuttgart)  als  stellvertretende  Vorsitzende,  ausserdem  unseren  Statuten 
gemäss  noch  als  Schatzmeister  Herr  Lehrer  Weismann  in  München  und  ebenda  der  ergebenst 
Unterzeichnete  uls  Generalsekretär.  Die  Lokalgeschäftsftibrung  für  Berlin  haben  die  Herren  Stadtrath 
Fr i edel,  Direktor  des  märkischen  Provinzialinuseums  und  Dr.  Voss,  Drektorial-Assistent  am  könig- 
lichen Museum,  beide  in  Berlin,  Übernommen. 

Erlauben  nur  Euere  Excel  lenz  einige  Worte  über  die  Ziele  der  Gesellschaft.  Die  eine 
unserer  Hauptaufgaben  ist  die  wissenschaftliche  Erforschung  der  Denkmäler  Deutschlands  aus  'der 
ältesten  vorrömischen  Zeit,  sowie  aus  jenen  nachrömischen  Perioden,  in  welchen  noch  eine  durch 
ausreichende  schriftliche  Urkunden  beglaubigte  Geschichte  fehlt,  um  aus  diesen  Resten  der  Vorzeit 
die  Wanderungen  und  Wandlungen  der  Stämme  auf  deutschem  Boden , die  Geschichte  der  Bildung 
unserer  Nation  zu  reconstruiren.  Die  zweite,  nicht  weniger  wichtige  Aufgabe  ist  die  wissenschaft- 
liche Feststellung  der  heute  in  unserem  grossen  Vaterlande  bestehenden  ethnologischen  Ver- 
hältnisse durch  fachmännische  Untersuchungen  fassend  auf  einer  möglichst  ausgedehnten  somatolog- 
ischen  Statistik.  In  beiden  Richtungen  ist  Dank  der  huldvollen  Förderung  und  Unterstützung 
unserer  insbesondere  hei  den  alljährlichen  Hauptversammlungen  sich  betätigenden  Bestrebungen  durch 
die  deutschen  Regierungen  vor  allem  jener  Preussens  schon  Manches  erreicht  aber  doch  das  Meiste 
noch  zu  erreichen. 

Auch  für  die  beabsichtigte  XI.  allgemeine  Versammlung  unserer  Gesellschaft  in  Berlin 
wagen  wir  es,  Euer  Excellenz  Wohlwollen  und  geneigte  Unterstützung  zu  erbitten. 

Die  Gesellschaft  tagte  bisher  womöglich  in  solchen  Städten,  wo  durch  wohlgeordnete  und 
hervorragende  urgesebichtliehe  Sammlungen  den  Theilnehmern  Gelegenheit  zu  Fachstudien  geboten 
war.  Für  die  VI.  Versammlung  in  München  1875  war  mit  Unterstützung  der  Königlich  Bayerischen 
Staatsregierung  aus  allen  öffentlichen  und  Privat-Sanunlungen  Bayerns  eine  bayerische  anthropologisch- 
urgesc  hiebt  liehe  Ausstellung  zusnmmengebracht , deren  wissenschaftliche  Bedeutung  allseitige  Aner- 
kennung fand. 

Unsere  Gesellschaft  wird  im  kommenden  Jahre  zum  ersten  Male  in  der  Reichshauptstadt 
tagen.  Um  diese  Zusammenkunft  dem  Versammlungsort  entsprechend  vor  allen  bisherigen  würdig 
auszuzeichnen  und  gleichsam  Rechenschaft  von  unseren  bisherigen  Leistungen  zu  gehen,  ist  der  Ge- 
danke angeregt  worden,  im  Anschluss  an  diese  Versammlung  eine 

allgemeine  deutsche  anthropologisch-urgeschichtliche  Ausstellung  in  Berlin  1880 

zu  veranstalten,  wozu,  nach  einem  im  Einzelnen  festzustellenden  Programm,  Beiträge  aus  den  Museen 
aller  deutschen  Staaten  erbeten  werden  sollten.  Es  hat  sich  zur  Verwirklichung  dieses  Ge- 
dankens unter  dem  Vorsitze  des  Präsidenten  unserer  Gesellschaft,  des  Herrn  Geheimrath  Virchow, 
ein  Comitd  constituirt,  zu  welchem  die  beiden  Lokalgeschäftsführer  für  Berlin,  Herr  Stadtrath  Friedei 
und  Herr  Dr.  Voss  gehören. 

Ein  solches  Unternehmen  kann  aber  erst  dann  ernsthaft  ins  Auge  gefasst  werden,  wenn  es  des 
freundlichen  Entgegenkommens  der  deutschen  Staatsregierungea  gewiss  ist.  Wir  fühlen  uns  daher,  ehe 
wir  der  Ausarbeitung  des  Gedankens  näher  treten,  vor  allem  verpflichtet,  Euerer  Excellenz  die  ganz 
ergebenste  Anfrage  vorzulegen,  ob  Hochdieselben  geneigt  sind,  unserem  Unternehmen  Ihren  wohl- 
wollenden Beistand  zuzuwenden.  Wenn  wir  uns  desselben  für  versichert  halten  dürfen,  so  würden 
wir  Euerer  Excellenz  demnächst  spezielle  Anträge  ehrerbietigst  unterbreiten. 

Indem  wir  einem  gütigen  Bescheid  vertrauensvoll  entgegensehen,  verharren  wir  ehrerbietigst 

Gcneralsckretariat  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft 
Professor  Dr.  Johannes  Ranke. 

München,  Brienner-Strosse  25. 

Hierauf  erfolgte  der  nachstehende  Erlass,  auf  welchen,  nachdem  am  29.  Dezember  1879 
Gesummt  beseht  uss  der  Vorstandschaft  erreicht  war,  das  augeschlosseue  Dankschreiben,  in  Verbindung 
mit  neueil  Anträgeu  eingeseudet  wurde: 


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3 


Ministerium  Berlin,  den  2.  Dezember  1879. 

der  geistlichen,  Unterrichte-  und  Medicinal-Angelegenheiten. 

J.  No.  U 1.  8009. 


Ew,  Hoch  wohlgeboren  erwidere  ich  ergebenst  Auf  die  gefUllige  Zu- 
schrift vom  11.  November  d.  J.,  dass  ich  von  dem  Entschluss  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft,  ihre  nächstjährige  Versammlung  in  Berlin 
abzuhalten  und  mit  derselben  eine  allgemeine  deutsche  anthropologisck- 
urgeschichtlicheAusstellung  zu  verbinden,  mit  lebhaftem  Interesse  Kennt- 
niss  genommen  habe  und  gern  bereit  sein  werde,  sowohl  der  Versammlung, 
als  der  Ausstellung  meine  fordernde  Theilnahme  zuz  uw  enden. 

Ich  stelle  daher  Ew.  Hochwohlgeboren  anheim,  mir  baldigst  die  in 
Aussicht  gestellten  speziellen  Anträge  hinsichtlich  der  Punkte  zukoramen 
zu  lassen,  hinsichtlich  deren  dem  Gesellschafts  vor  stände  meine  Beihfllfe 
wünschenswert)!  sein  möchte. 

Der  Königlich  Preussische  Minister 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal-Angelegenheiten 

Puttkammer. 


An 

den  Generalsekretär  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft, 
Herr  Professor  Dr.  Ranke 

Hoch  wohlgeboren  zu  München. 


Euer  Exeellenz 


München,  den  3.  Januar  1880. 


haben  durch  hohen  Erlass  vom  2.  Dezember  verfl.  Jrs.  mit  Beziehung  auf  das  ehrerbietigste 
Anschreiben  des  Unterzeichneten,  in  welchem  für  die  im  Laufe  dieses  Jahres  in  Berlin  abzuhaltende 
Versammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  sowie  für  eine  mit  dieser  Versammlung 
zu  verbindende  allgemeine  deutsche  anthropologiseh-ursgeschichtliche  Ausstellung  Euer  Exeellenz  wohl- 
wollender Beistand  erbeten  wurde,  nach  beiden  Richtungen  lebhaftes  Interesse  sowie  fördernde  Theil- 
nahme hochgeneigt est  zugesichert. 

Euer  Exeellenz  wollen  mir  gestatten,  für  diese  hoch  erfreulichen  Zusicherungen  im  Namen 
und  Auftrag  des  Vorstandes  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  freudigsten  Dank  auszusprechen. 

Im  Anschluss  an  den  Ausdruck  des  Dankes  erlaube  ich  inir  noch  dos  Folgende  vorzutragen. 
Der  Vorstand  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  hat  das  in  dem  Anschreiben  vom  11.  Nov. 
verfl.  Jrs.  bezeichnete  Lokalcomite  für  die  Abhaltung  der  Versammlung  und  Ausstellung  in  Berlin, 
bestehend  aus  dem  derzeitigen  I.  Vorsitzenden  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft , Herr 
Geheim-Medicin&lrath  Professor  Dr.  R.  Virchow  und  den  beiden  Herren  Stadtrath  Fr i edel  und 
Dr.  Voss  mit  der  Führung  aller  betreffenden  Geschäfte  beauftragt.  Von  dieser  Seite  aus  werden  so- 
nach auch  die  speziellen  Anträge  unterbreitet  werden,  bezüglich  doren  dio  deutsche  anthropologische 
Gesellschaft  Euer  Exeellenz  hochgeneigte  Unterstützung  erbitten  möchte.  Vor  allem  wird  sich  diese 
Bitte  dahin  richten,  dass,  zum  Zweck  der  genannten  Ausstellung,  die  betreffenden  Vorstände  der 
einem  hohen  Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinal-Angelegenheiten  unterstehenden 
historisch-archäologischen,  anthropologisch-urgeschichtliehon  sowie  palttont.ologischen  Landes-,  Provinzial-, 
Universität«-  und  Schul-Samml ungen  u.  a.  von  Euerer  Exeellenz  ermächtigt  werden,  speziell  zu  be- 
zeichnende Gegenstände  für  die  Zeit  dor  Ausstellung  leihweise  dem  Comitü  zu  überlassen. 

Als  Termin  für  die  Versammlung  sind  nun  definitiv  die  acht  Tage  vom  5.  — 12.  August 
1.  Jrs.  festgesetzt  worden ; im  Hinblick  auf  die  hohe  wissenschaftliche  Bedeutung  der  ersten  allge- 
meinen deutschen  anthropologisch-urgescbichUichen  Ausstellung  würden  wir  wünschen,  dieselbe  nach 
Beendigung  der  Versammlung  auf  8 — 14  Tage  dem  allgemeinen  Besucht*  zugänglich  zu  machen. 
Als  Lokal  für  Abhaltung  der  Sitzungen  der  Versammlung  sowie  für  die  Ausstellung  hat  das  Lokal- 
Comitc  mit  vorläufiger  Zustimmung  des  Präsidiums  des  Abgeordnetenhauses  Räume  des  letzteren  in 
Aussicht  genommen. 

Indem  wir  einer  wohlwollenden  Aufnahme  der  vorgelegten  Bitte  entgogensehen , verharren 
wir  ebrerbietigst  Generalsekrotariat  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 


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4 


Die  Schweizer  Jagend  nach  der  Farbe  der 
Augen,  der  Haare  acd  der  Haat. 

Von  Profeiwor  K oll  mann  (Berlin).*! 

Die  Erhebungen  liegen  aus  21  Kantonen  voll- 
endet vor:  Baselstadt,  Baselland,  Zürich,  Luzern, 
Glarus,  Thurgau,  Appenzell  i.  R.,  Appenzell  a.  R.t 
St.  Gallen , Graubllndten , Unterwalden  ob  dem 
Wald,  Unterwalden  nid  dem  Wald,  Schaffhausen, 
Zug,  Solothurn,  Wallis,  Aargau,  Neuchatel,  Frei- 
burg, Waadt  und  Schwyz.  Nach  fehlen  4 Cantone: 
der  umfangreiche  Kanton  Bern,  dann  Genf,  Tessin 
und  Uri.**)  Es  ist  gegründete  Hoffnung,  dass  noch 
in  diesem  Jahr  die  Erhöhung  auch  dort  stattfindet. 
Erhebungs-Formular. 

Kanton 

Bezirk 

Gemeinde  ......  Schulort 

Namen  und  Charakter  der  Schule 

(Primat-,  Sekundär.,  Hcrirkt-,  Kantonal-,  Privatechule  etc.) 

Kla**e  (in  eingetheilten  Schulen) 

Schulsprache - J 


" 

Zahl  der 

unter 
l|  Jahren 

Schüler 

von 

ll-'6  Jahr. 

1.  Blaue  Angen  , blonde  Haare, 

helle  Haut 

2.  Blaue  Augen,  robhe  Haare, 

' 

8.  Blaue  Augen . braune  Haare, 

helle  Haut. 

4.  Blaue  Augen,  braune  Haare, 
branne  Haut 



5.  Graue  Augen,  blonde  Haare, 

helle  Haut 

6.  Graue  Augen,  rothe  Haare, 

helle  Haut 

7.  Graue  Augen , braune  Haare, 

helle  Haut 

8.  Graue  Augen . braune  Haare, 

braune  Haut 

9.  Graue  Augen,  schwarze  Haare, 

braune  Haut 

10.  Braune  oder  schwarze  Augen, 
blonde  Haare,  helle  Haut . . 

11.  Braune  oder  weh warze  Augen, 
rothe  Haare,  helle  Haut  . . 

12.  Braune  oder  »ehwarze  Augen, 
braune  Haare,  helle  Haut . . 

13.  Braune  oder  schwarze  Augen, 
braune  Haare,  braune  Haut  . 

14.  Braune  oder  »ehwarze  Augen, 
schwarze  Haare,  braune  Haut 

’ 

. 



15.  Andere  Farbencombinat innen 

Zusammen 

den  ....  1878.  ~ 

Name  de«  Lehrers  oder  Lehrerin 


*)  Der  X.  all  gern.  Vers,  vorgelegt  v.  Hm.  Virehow. 

**)  Bi»  zum  Tag  der  Correctur  18./I.  80.  war  die 
Erhebung  au»  den  Kantonen  Genf  und  Uri  eingelaufen ; 
im  Kanton  Bern  ist  die  Erhebung  im  Gange.  K. 


Die  stattliche  Zahl  der  Kantone,  welche  den 
Wünschen  der  schweizerischen  naturforschenden 
Gesellschaft  so  bereitwillig  entgegen  gekommen, 
ergibt  schon  heute  der  Ueberblick  auf  eine 
hbchst  respektable  Summe  von  Individuen.  Mehr 
als  Million  ist  untersucht,  genau  275,289. 
Durch  den  Ausfall  der  obenerwähnten  Kantone 
wird  leider  das  bis  jetzt  untersuchte  Gebiet  in 
zwei  Gauen  getrennt,  die  ungleich  an  Grösse  im 
Osten  und  Westen  liegen.  Immerhin  scheinen 
mir  die  Ergebnisse  für  die  Generalversammlung 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  in 
mancher  Hinsicht  der  Beachtung  werth. 

In  der  Schweiz  wurde  das  Formular  für  diese 
Statistik  dem  deutschen  nachgebildet , die  Com- 
mission hatte  eine  im  Ganzen  unwesentliche  Aen- 
derung  vorgenommen,  die  aus  dem  nebenstehenden 
Formular  horvorgebt. 

Die  statistische  Berechnung  ist  unter  der  Leitung 
des  Hrn.  Dr.  Alb.  Guttstadt  ausgeführt,  der  schon 
das  Riesenmaterial  der  preussischen  statistischen  Er- 
hebung bearbeitet  hat,  so  dass  nach  dieser  Seit«  hin 
die  volle  Zuversicht  in  die  vorliegenden  Zahlen  zu 
setzen  ist.  Unter  seiner  Leitung  wurden  ferner  die 
vorliegenden  Karten  angefertigt,  nemlich  Karte  I, 
welche  zeigt,  wie  viele  von  hundert  untersuchten 
Schulkindern  den  blonden  Typus  besassen  (Kate- 
gorie 1 des  Schweizer  Formulares  i.  e.  blaue  Augen, 

I blonde  Haare,  helle  Haut. 

Die  Karte  II  stellt  dar,  wie  viel  von  100 
I untersuchten  Scbulkindern  den  brünetten  Typus  be- 
j sassen  (Kateg,  12 — 14  des  Schweizer  Formulares). 

Karte  III  veranschaulicht  die  Häufigkeit  der 
braunen  Augen  (Kategorien  der  Schweiz  10  bis 
14)  auf  je  100  Kinder  mit  blauen  Augen  (Kate- 
gorie 1 — 4 des  Schweizer  Formulares). 

Karte  IV  gibt  endlich  die  Menge  der  grauen 
Augen  (Kategorie  5 — 9 des  Schweizer  For- 
mulares) unter  100  Kindern  mit  hellen  Augen 
(Kategorie  1—9.)*) 

Im  Norden , wo  die  Schweiz  an  deutsche 
Staaten  angrenzt,  ist  das  Resultat  der  deutschen 
statistischen  Erhebungen  eingetragen.  Es  ergibt 
sich  dadurch  sofort  : dass  bei  der  notorischen 
Identität  der  drei  verschied enenTypen, 
der  beiden  blonden  und  des  brünetten,  die  Schweiz 
dennoch  manche  Unterschiede  gegenüber  dem 
angrenzenden  deutschen  Gebiet  erkennen  lässt. 
Dio  Hänfigkeit  der  einzelnen  Typen  ist  ver- 
schieden und  dadurch  ist  ein  zwar  mässiger  aber 
doch  schon  unverkennbarer  Unterschied  gegeben. 

Ara  schwächsten  ist  der  rein  blonde  Typu* 
mit  blauen  Augen  vertreten  (Kategorie  1,  Karte  1), 

*)  Die  erwähnten  Kurten  wuren  im  Sitzungssaul 
ausgestellt. 


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ö 


während  der  zweite  blonde  Typus  (Kategorie  5) 
und  der  brünette  (Kategorie  12 — 14)  ungefähr 
gleich  an  der  Stärke  sind,  der  brUnette  ist  laut 
Karte  111  und  Tabelle  1 immerhin  beträchtlicher. 

Auf  Einzelheiten  übergehend  bemerke  ich  zu- 
nächst bezüglich  des  blonden  Typus  Kategorie  1 
die  relative  Armuth  gegenüber  Deutschland. 

Von  100  untersuchten  Kindern  hatten  blon- 
den Typus: 

SctiwtU  Anprcnceiidra  D.ut»chl»nd 

2—8  pCt.  1^—20  pCt. 

0—10  . 21—30  , 

11—14  , 

Im  Kanton  Baselland  und  Aargau  sind  z.  13. 

13  pCt.  blond-  und  blauäugig,  im  Kanton  Zürich 

14  pCt.,  im  gegenüberliegenden  Baden  21  bis 

30  pCt.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  dom  Canton 
Thurgau.  Weniger  ausgeprägt  ist  in  dieser  Hin- 
sicht Basclstadt  und  die  Grenzgebiete  von  Solo- 
thurn gegenüber  dem  Elsa&s;  die  Differenz  ist 

nicht  so  gross  und  liegt  vielleicht  dieselbe  noch 
innerhalb  der  Fehlergrenze  in  der  Beobachtung. 


Baaelstadt  (Kategorie  1)  hatte  ....  14 pCt 

Solothurn  , 1 * 12  , 


Das  angrenzende  Elsas»  (Kategorie  1)  hatte  15 — 20  , 
Der  nicht  unbedeutende  numerische  Gegensatz, 
der  namentlich  in  den  Kantonen  B a se  1 1 a n d , 
Aargau,  und  Zürich  in  die  Augen  springt, 
bringt  auf  die  naheliegende  Vermuthung,  dass 
der  Rheinstrom  seit  alter  Zeit  einen  trennenden 
Einfluss  geübt  habe,  so  dass  die  Typen  der  beiden 
Ufer  sich  eben  in  einer  bestimmten  Menge  er- 
hielten. Aber  die  Voraussetzung  bedarf  doch 
noch  eingehender  Prüfung.  Das  auf  deutscher 
Stromseite  liegende  Gebiet  des  Kantons  Schaff- 
hausen verhält  sich  nemlich  trotz  der  nahezu 
völligen  Umgrenzung  durch  das  badische  Ober- 
land somatologisch  dennoch  wie  ein  Schweizer 
Kanton. 

Blonde  Bevölkerung  in  Baden  (Kat.  1)  21—30  pCt. 
. . im  Canton  Schaff- 

liansen  (Kat.  1)  nur 9 — 11  * 

Wenn  nicht  irgend  welche  z.  Z.  noch  un- 
bekannte Ursachen  das  Ergebniss  der  Statistik 
beeinflusst  haben , so  stehen  wir  vor  einer  im 
höchsten  Grade  interessanten  Erscheinung.  Denn 
unter  den  ungünstigsten  Umständen  wird  hier  die 
typische  Beschaffenheit  einer  Bevölkerung  fost- 
gehalteu.  Ich  Unterlasse  es,  auf  die  Tragweite 
dieser  Erscheinung  hinzuweisen , falls  keinerlei 
störende  Einflüsse  die  Erhebung  hier  getrübt, 
obwohl  schon  jetzt  darauf  hingewiesen  werden 
kann,  dass  der  Kanton  Schaffhauscn  seine  anthro- 
pologische Eigenart  nicht  allein  in  Bezug  nuf 
Kategorie  1 oder  5 festhält , sondern  dass  selbst 
der  brünette  Typus  sie  durch  sein  numerisches 
Verhältnis  deutlich  ausdrückt 


Schon  zur  Zeit  der  alemannischen  Einwan- 
derung soll  bei  Schaffbausen  ein  enger  Verkehr 
zwischen  beiden  Ufern  bestanden  haben.  Der 
Handelsverkehr  soll  hier,  oberhalb  des  Wasser- 
falls vermittelt  worden  sein.  Schon  um  das  Jahr 
1000  existirt  ein  befestigter  Flecken  mit  regem 
Handel.  1501  schliesst  sich  Schaffhausen  mit 
seinem  Gebiet  an  die  8 Kantono  der  Schweiz  an. 

Hierher  noch  einige  genauere  Zahlenangaben 
betreffend  die  Erhebung  im  Kanton  Schaff- 
| hausen: 


Zahl  der  Kinder  6506. 

nionde 

Brünette 

Kulpgori.«  1 j ,,g  4 ( 

1 10.1 
! 29,3 

27,5  °/° 

Baden  .... 

. 24,3 

21,1  . 

Bayern  .... 

. 20,3 

21,1  . 

Württemberg  . . 

Elsit&K-Lothrmgen 

. 24,4 

13,25  , 

. 18.4 

25,2  „ 

Ein  kurzer  Blick  auf  die  Zahlen  lehrt  die 
Zunahme  der  Blonden,  wenn  man  sie  wie  bei 
der  deutschen  Erhebung  gemeinsam  berechnet, 
ohne  graue  und  blaue  Augen  auszuscheiden. 
Werden  beide  Kategorien  getrennt  berechnet,  so 
ergiebt  sich  ein  sehr  bedeutender  Zuwachs  an 
grauäugigon  Elementen.  Der  Kanton  Schaffhausen 
untorscheidet  sich  also  sowohl  was  die  relative 
Zahl  der  Blonden  überhaupt,  als  was  diejenige 
der  Brünetten  betrifft  von  dem  angrenzenden 
Deutschland. 

Aus  der  Erhebung  bezüglich  des  blonden  Ty- 
pus (Kategorie  1 des  Schweizer  Formulares)  hebe 
ich  ferner  die  Abnahme  desselben  hervor  vom 
Norden  der  Schweiz  nach  dem  Süden.  Sehr  stark 
ist  der  Gegensatz  zwischen  den  einzelnen  Kantonen 
nicht , was  auch  bei  der  geringen  Zahl  der  cha- 
rakteristischen Vertreter  kaum  möglich,  immerhin 
1 zeigt  sich  eine  Abnahme  imKanton  Luzern  und  Glarus. 

In  der  Westschweiz  herrscht  io  dieser 
Hinsicht  eine  sehr  nahe  Uebereinstimmung  mit 
der  Ostschweiz.  Die  Kantone  Neuchatel,  Waadt 
und  Wallis  verhalten  sich  sehr  übereinstimmend 
11  — 14  pCt.  während  im  Kanton  Freiburg  die 
Zahl  etwas  geringer  ist  10  pCt. 

Die  Menge  des  zweiten  blonden  Typus 
mit  grauen  Augen  (Kategorie  5 — 9 des 
Schweizer  Formulares),  Karte  III,  ist  bedeutender 
als  die  des  blonden,  ist  grösser  als  in  Deutsch- 
land überhaupt  und  viel  grösser  als  in  den  an- 
grenzenden Gebieten  Süddeutschlauds  (siehe  Ta- 
belle 1);  dieser  zweite  Typus  nimmt  überdies  in 
weiterem  Gegensatz  zu  dem  vorhergehenden  gegen 
den  Süden  der  Schweiz  zu.  Allein , soweit  die 
Untersuchungen  jetzt  vorliegen , verhält  sich  die 
Ostschweiz  anders  als  die  Westschweiz.  In  der 
letzteren  sind  wieder  die  drei  Kantone  Neuchatel, 


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6 


Waadt  und  Wallis  gleich,  d.  h.  von  101  Kindern 
mit  hellen  Augen  (Kategorie  1 — 9)  haben  graue 
Augen  (Kategorie  fi — fl)  07 — 70  pCt.  Im  Kauton 
Freiburg  zeigt  sieh  eine  massige  Zunahme  von 
75  — 80  pCt.  In  der  Ostschweiz  liegen  dagegen 
die  Verhältnisse  etwa«  anders: 

Znrich,  Schwyz.  Thurgau  und  die  hehlen 

Ruse!  zeigen t»7  70  pCt. 

Solothurn.  Aarguu.  Zug  u.  Appenzell  zeigen  71—74  , 
Schaffhatisen,  St.  Gallen  und Gmuhündten 

zeigen  75 — 80  p(’t. 

daran  reihen  sich  die  übrigen  Kantone,  in  denen 
die  Kategorie  5 — 9 noch  mehr  zunimmt  : Glarus, 
die  beiden  Unterwalden  und  Luzern,  Was  die 
letzteren  betrifft,  so  kann  eine  Deutung  erst  nach 
Vollendung  der  ganzen  Statistik  versucht  werden. 

Für  die  übrigen  Kantone  verweise  ich  zu- 
nächst auf  das  schon  erwähnte  Verhalten  des 
Kantons  Scbaffhausen,  der  wie  eine  Insel  sich  in 
in  dieser  Beziehung  selbst  gegen  die  Schweiz  ab- 
hebt, und  daneben  das  Verhalten  von  Baselstadt, 
Baselland  und  Appenzell,  die  sich  hell  von  dunklem 
oder  besser  mehr  grauiiugigen  Gebieten  trennen. 

Die  Verth  eil  ung  und  die  Häufigkeit  des  brü- 
netten Typus,  Kategorie  12—14  ist  nicht 
minder  charakteristisch  als  das  Verhalten  des 
Idond-  und  grauäugigen.  In  der  Karte  II  ist 
ausgedrückt,  wie  viel  von  100  untersuchten  Schul- 
kindern braunen  Typus  (Kategorie  12— 14)  hatten. 
Es  stellt  sich  heraus,  dass  das  LT ebergewicht  ein 
sehr  beträchtliches.  Und  es  bleibt  sich  völlig 
gleich,  selbst  dann,  wann  sämmtliche  Kategorien 
des  blonden  Typus  1 — 5 mit  denen  des  brünetten 
Typus  (Kategorie  10 — 14)  verglichen  werden. 
(Siehe  Karte  ITI.)  Im  Osten  der  Schweiz  kommt 
dazu  noch  die  scharf  ausgeprägte  Erscheinung, 
dass  der  braune  Typus  bis  nach  Grauhündten 
hin  immer  mehr  zunimmt. 

Von  100  untersuchten  Schulkindern  hatten  brau- 
nen Typus  : Scbwcii  Atigrrnf.  J ►iMiiscUnn A 

Solothurn, Argau,  Schwyz  21 — 25  pCt.  10 — 15  pt*t. 

Sc  ha  tf  hausen.  Zürich. 

Thurgau  u.  BL  Gallen  26—20  . IG— 20  - 

Grauhündten I50-H4  . 21—25  . 

Dieses  Verhalten  des  brünetten  Typus  in  der 
Ostschweiz  bestätigt  die  Vermuthung  Vi r chow’s, 
dass  ein  Theil  der  dunkeln  Bevölkerung  aus  dem 
Süden  gekommen  sei.  Die  Ergebnisse  der  Sta- 
tistik in  Deutschland  legten  diese  Vermuthung 
nahe,  dass  nach  dieser  Richtung  hin  sich  die  Inteu- 
sitUt  steigern  werde,  und  die  Voraussetzung 
hat  die  Schweizer  Statistik  glänzend  begütigt. 
Bis  tief  nach  Mitteldeutschland  hinein  zeigt  sich 
das  Verbreitungsgebiet,  und  auf  dem  Wege  dort- 
hin trifft  dieser  brünette  Typus  mit  einem  gleich- 
falls brünetten  zusammen , der  einst  der  Donau 
gefolgt  ist. 


Was  die  Ausdehnung  dieses  brünetten  Typus 
in  der  Schweiz  betrifft  , so  dürfen  wir  von  dem 
Abschluss  der  Statistik  noch  werthvolle  Ergeb- 
nisse envarten.  Schliesst  sich  der  Kanton  Tessin 
an  Grauhündten  an,  oder  »n  das  Wallis?  deutet 
die  stärkere  Zunahme  der  Braunen  in  den  Kan- 
tonen Neuchatel,  Waadt  und  Freiburg  auf  einen 
zweiten  Strom,  der  das  Rhonethal  heraufkarn,  um 
den  Rhein  zu  gewinnen,  wie  schon  Virchow  auf 
Grund  der  deutschen  Erhebungen  und  der  Nach- 
richten über  alte  Handelswege  vermuthet  hat? 
Schon  jetzt  scheint  es , als  ob  zwei  gesonderte 
Ströme  von  Braunen  nordwärts  vorgedrungen 
wären:  der  eine  von  der  Ostschweiz,  der  andere 
von  der  West  Schweiz  aus.  Die  frühere  Trennung 
ist  heute  noch  angedeutet  durch  die  geringere 
Häufigkeit  des  brünetten  Typus  in  den  Kantonen 
Aargnu,  Schwyz  und  Solothurn.  Innerhalb  dieser 
helleren , nicht  unbeträchtlichen  Zone  herrscht 
ferner,  und  das  ist  wie  mir  scheint  sehr  beaebtens- 
westh  eine  vollkommene  Uebereinstim- 
mung  mit  dem  naheliegenden  Gross- 
herzogthum Baden  (Karte  II). 

Angesichts  der  U n Vollständigkeit,  des  Fehlens 
gerade  höchst  wichtiger  Gebiete  ist  die  grösste 
Zurückhaltung  geboten  bezüglich  eines  Versuches 
die  vorliegenden  Ergebnisse  mit  denen  der  histo- 
rischen Forschung  zu  vergleichen.  Doch  soll 
eine  frappirende  Erscheinung  nicht  unerwähnt 
bleiben. 

Nach  dem  Zeugniss  der  Alten  lebten  in  dem 
südöstlichen  Theil  der  Schweiz  die  Rhätier,  eine 
Völkerschaft,  die  mit  den  Helvetiern  nichts  gemein 
gehabt  haben  soll.  Von  den  Rbätiorn  nehmen 
seit  Niebuhr  neuere  Geschicbts-  und  Sprachforscher 
an,  dass  sie  das  Stammvolk  der  Etrusker  gewesen 
seien,  während  sie  nach  einer  anderen  von  Plinius 
gemachten  Angabe  umgekehrt  aus  nordwärts  ge- 
flüchteten Horden  etruskischen  Stammes  sich  ent- 
wickelt haben  solleu.  Nach  Tiberius  wurde  später 
diese  alte  r hätisehe  Bevölkerung  der  römischen  Herr- 
schaft unterworfen , und  dass  es  bei  dieser  Ge- 
legenheit an  dem  Eindringen  fremder  Elemente 
nicht  fehlte,  dass  später  wohl  noch  die  Völker- 
wogen der  Alemannen  bis  in  jene  Bergthäler  sich 
fortbewogt,  liegt  auf  der  Hand.  Allein  dennoch 
hebt  sich  heute  das  alte  rhätische  Gebiet,  jetzt 
Glarus,  Appenzell,  der  südliche  Theil  von  St,  Gallen 
und  das  Graubüudtner  Land,  in  sehr  bemerkens- 
wert her  Weise  von  den  übrigen  Gebieten  der 
Schweiz  ab. 

Würde  sich  durch  die  Vollendung  der  stati- 
stischen Erhebung  diese  ethnologische  Gruppe  des 
Weiteren  bestätigen,  dann  wäre  der  Schluss  be- 
rechtigt , dass  der  alte  Volksstamm , der  vor 


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2000  Jahren  in  jenen  Thälern  gehaust,  noch  I 
nicht  gänzlich  verschwunden  ist,  es  würde  ferner 
ein  Hinweis  dafür  sein,  dass  mit  dem  Eindringen 
neuer  siegreicher  Völker  nicht  immer  auch  die  ( 
Vernichtung  des  Besiegten  Hand  in  Hand  geht. 
Unter  den  Vertretern  des  rein  brünetten  Typus  1 
hätte  man  dann  nach  den  Nachkommen  der  alten 
Rhätier  zu  forschen.  Allein  auch  trotz  dieses 
Fingerzeiges  werden  die  Untersuchungen  auf  grosse 
Schwierigkeiten  stossen.  Es  existiren  dort  roma- 
nische Gebiete , deutsche  und  italienische.  Das 
Engadin  ist  romanisch , und  das  sog.  Oberland, 
durch  das  der  Vorderrbein  sich  seinen  Weg  bahnt. 
Dort  nahe  dem  Schluss  des  Thaies  haben  für 
Herren  H i s und  Kütimeyer  den  Namen  die 
ihre  Dissen tisform  gewählt,  für  Schädel  von  einer 
oft  beinahe  cubischen  Gestalt  mit  einem  Längen- 
breiteniudex  von  SG, 5 im  Mittel. 

Zum  Schluss  noch  3 Tabellen , uni  1)  die 
Vertheilung  der  drei  Typen  in  Deutschland  und 
der  Schweiz  zu  erläutern.  Die  Zahlen  der  Tabelle  3 
waren  in  beiden  Ländern  entscheidend  für  die 
Aufstellung  der  Farbenskala. 

2)  Eine  Tabelle,  welche  die  einzelnen  Cantone 
nach  der  Häufigkeit  der  einzelnen  Typen  in  auf- 
steigender Reihe  aufzählt. 

3)  Die  Prozentzahlen  für  die  einzelnen  Cantone 
und  für  die  Kinder  unter  und  über  1 1 Jahren. 

Tabelle  1 . 

Vergleichung  der  FurbenskMa  zwischen 
Deutschland  und  der  Schweiz. 

Von  W.  Buttstädt. 

Von  100  untersuchten  Schulkindern  hatten  blon- 
den Typus: 

Kategorie  1. 

FariMMkila. 


Ueutichlind 

Schweix 

9 - 20 

2 -s 

21—80 

9-10 

81  -4o 

11-14 

41—50 

15-801 

AngrnuMSilc» 

51—54 

21— :toi 

IVul.chUniJ 

Von  100  untersuchten  Schulkindern  hatten  b rau- 
nen Typus; 

Kategorien  9,  10,  11. 

ft -10  11 — 15 

11 — 15  16—20 

16  —20  21  -25 

21—25  26  -29 

26—29  «SO  - 34 

Auf  100  Kinder  mit.  blauen  Augen  kommen  mit 
braunen  Augen: 

Kategorie  1 + 2 + 3 + 12  — 1 00 

mithin  8 + 9 + 10  + 11+ 141= 

20-40  101-1201  4 

41-60  121-140}  teSÄ 

61—80  141 — 1681 


Firtmktk 

I tont*:  li  Und  Sch  w «ix 

Hl  — 100  190—250 
101—120  251—350 

121-140  351—460 

141—168  461-1900 

Von  100  Kindern  init  hellen  Angen  halten  graue 
Augen: 

Kategorien  1+2  + 3+4  + 5+6  + 7+12 
+ 13=  100 

mithin  4+5+-6  + 7-j-I8=r 

30  40  41 — 50 1 An|[renieailn 

41  -50  51  - ßo  j l><*ut,cUlaml 

51  60  67-70 

61—70  71  -74 

71-74  75—80 

81—85 
86—97 

Tabelle  2. 

Auf  100  der  untersuchten  Kinder  kommen: 

Kategorie  1. 

Blaue  lagen,  blonde  Haare,  helle  Haut. 

Unterwalden  o.  W.  2 pt't.  [Waadt  ....  11  pCt. 
Glarus  ....  7 
Luzern  ....  7 
Unterwalden  n.  W.  8 
) Graubfindten  . . 8 
I St.  Gallen  ...  9 
Appenzell  ...  9 
Sehatfliauseii  . .10 

Zug 10 

Freibnrg  ....  10 
Appenzell  i.  Khod.  11 

Kategorie  5. 

Graue  Augen,  blonde  Haare,  helle  Hant. 


Graubfindten  . 

. 21,1  pCt. 

Baselstadt  . . 

26,0  pL't. 

Waadt  . . . 

. 21,3 

IhtHclhind  . . 

26,2 

Wallis 

. 22,2 

Frei  bürg  . . 

28,3 

Zürich  . . . 

. 23,1 

.Appenzell  a.  M. 

27,3 

Ziijf  .... 

. 23,4 

Appenzell  i.  K. 

27,3 

Glarus  . . . 

. 23.8 

Aurgau  . . . 

28 

Thurgau 
Neue  hüte  1 . . 

. 24.0 

Sc  hu  tf  hausen  . 

29 

. 24,6 

Luzern  . . . 

3« 

Schwyz  . . . 

. 25,5 

Untenrahlen  o.W 

34,5 

Solothurn  . . 
St.  Gallen  . . 

. 25,9 
. 26.0 

: 

Unterwalden  n.W 

47.7 

Kategorie  12,  14. 

H raune  Augen,  braune  Haare,  braune  Haut. 


Unterwalden  n.  W.  IC  pCt. 

Haselland 

. . 26  pCt. 

Unterwalden  o.  W.  20 

Frei  bürg  . . 

. . 2« 

Aargau  ....  23 

Xeuchatol 

. . 27 

Watiis  ....  23 

St.  Gallen  . 

. . 27 

Zu« 83 

Schatfbauaen 

. . 27 

Appen /Hl  i.  Khod.  21 

Thurgau  . . 

. . 27 

Baselstadt  . . . 24 

Zürich  . . 

. . 27 

Solothurn  . . . 24 

Walli»  . , 

. . 29 

Appenzell  a.  Khod.  25 

Glarus  . . 

. . 31 

Luzern  ....  25 

Graubündten 

. . :*4 

Schwyz  ....  25 

Ill-lS 

Angrenzendes  Deutschland  . . 

16  20 

21—25 

IAngrcniMd*» 
DruiKband 


Wallis  . . . 

. 11 

NeiichutH  . . 

. 12 

Solothurn  . . 

. 12 

Thurgau  . . . 

. 12 

Baaelland  . . 

. 13 

Aargau  . . . 

. 13 

Schwyz  . . . 

. 13 

Baselstadt  . . 

. 14 

Zürich  . . . 

. 14 

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8 


Tabelle  3- 

Berechnung  der  Karten  nach  den  Procent  zahlen . 


Kanton 

Von  100  untersuchten  Schulkindern 
einen  Typus: 

uttten 

III. 

Von  100 
(Kateg.  1 
Augen 

unte 
11  Jahr 

IV. 

I.  II. 

bloaden  (Kategorie  1)  braun  an  iKateg. 

unter  j über  j au*  murr  1 Ober 

11  Jahr  II  Jahr  »aoun.r»  1 1 Jahr  j 1 1 Jahr 

12  121 
CU* 

umnirp 

(Katog.  1—4)  kommen  mit 
braunen  Augen  {Kat  10  Mi 

unter  1 über  ! xu- 
11 yahrl  11  Jahr  lummm 

■ 9i  Habe«  graue 
Kategorie  6 9) 

über  xu- 

11  Jahr  luramrn 

1.  Aargau 

14 

12 

1 

13  21  24 

23 

200 

244 

229 

i 

69 

73 

72 

2.  Appenzell  a.  Rhod. 

10 

8 

9 II  24  27 

25 

253 

264 

271 

75 

77 

77 

•1.  Appenzell  i.  Rhod. 

12 

10 

11  1 21  27 

24 

238 

267 

244 

73 

74 

73 

4.  BaaeUtadt  .... 

16 

12 

14  . 20  26 

24 

152 

235 

200 

67 

71 

69 

5.  Ranelland  .... 

14 

11 

13  ! 25  27 

26 

247 

241 

247 

70 

70 

70 

6.  Bern 

— 

— 

— | — - 

— 

- 

— 

— 

— 

— 

7.  Freiburg  .... 

11 

8 

10  24  27 

26 

250 

315 

267 

73 

78 

75 

8.  Genf 

— 

— 

II  | 

— 

— 

— 

— 

9.  Glarus 

7 

7 

7 00  32 

31 

436 

450 

460 

78 

81  . 

81 

10.  Gmnbttndten  . . 

10 

7 

8 3 t 36 

34 

336 

375 

362 

73 

77 

75 

11.  Luzern 

8 

7 24  25 

25 

400 

317 

355 

83 

81 

82 

12.  Neuchatel  .... 

13 

11 

12  25  28 

27 

253 

256 

247 

68 

72 

70 

13.  St.  Gallen  .... 

10 

8 

9 26  28 

27 

300 

315 

293 

75 

78 

76 

14.  Schaffhausen  . . 

10 

10 

10  25  29 

27 

1367 

314 

338 

78 

75 

76 

15.  Schwvz 

15 

12 

13  j 25  23 

25 

181 

206 

190 

66 

72 

69 

16.  Solothurn  .... 

12 

11 

12  22  27 

24 

229 

235 

229 

72 

72 

72 

17.  Tewin 

— 

— 

— — — 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

18.  Thurgau  .... 

13 

10 

12  25  29 

27 

216 

263 

247 

67 

72 

70 

19.  Unterwalden  n.  W. 

9 

7 

8 i 14  18 

16 

340 

400 

340 

85 

8« 

85 

20.  Unterwalden  o.  W. 

1 

2 

2 21  19 

20 

1850 

1267 

1900 

97 

95 

87 

22.  Waadt 

13 

10 

11  26  31 

29 

216 

263 

247 

66 

57 

70 

23.  Wallis 

12 

10 

11  23  1 24 

23 

195 

211 

206 

69 

71 

70 

24.  Zürich 

15 

12 

14  26  i 28 

27 

195 

222 

211 

64  1 

69 

67 

25.  Zog 

n 

9 

10  1 24  1 22 

23 

189 

206 

206 

70 

75 

73 

Daß  Salben  der  Steine.  gemeiner,  weit  über  die  Erde  bei  ethnisch  sehr 

Von  R.  And  ree.  verschiedenartigen  Völkern  verbreitet.  Die  Tschuk- 

In  dem  Aufsatze  über  die  Scbalensteinc  (Cor-  tuchen  an  der  St.  Lorenzbei,  also  an  der  Russersten 

respondenzblatt  1879  Nr.  1)  erwähnt  J.  Mes-  Ostspitzo  Asiens,  errichten  Steinpfeiler  auf  den 

torf  auch  das  Salben  und  Einölen  der  Steine  Gräbern  und  salben  dieselben  mit  dem  Marke  und 

bei  den  Skandinaviern  und  alten  Juden,  woran  Fctto  der  Kenthiere  (Sauer,  Reise  nach  den 

sie  dann  die  Frage  knüpft  : ob  etwa  diese  Sitte  nördlichen  Gegenden  von  Russ.  Asien.  Weimar 

von  den  Semiten  auf  die  Arier  übergegaugen  sei?  1803.  236).  Die  Wakamba  Afrika's  salben  an 

Ich  möchte  diese  Frage  im  verneinenden  Sinne  einer  schwierig  zu  passirenden  Stelle  des  Ndungu- 

beantworten.  Wo  wir  Uebereinstimmungen  in  Hügelzugs,  Made  genannt,  einen  bestimmten  Fels- 

den  Sitten  und  Anschauungen  weit  von  einander  block  mit  Butter  und  Fett  (Hildebrandt, 

getrennter  Völker  finden,  da  ist  in  erster  Linie  Ztschft.  f.  Ethnologio,  X.  384).  Edrisi  erzählt 

die  unabhängige  Entstehung  derselben  anzunehmen  von  der  Stadt  Barba  am  indischen  Meere  „sie 

und  dann  erst  die  Frage  nach  einer  Entlehnung  sei  die  letzte  unter  den  Ungläubigen,  die  an  nichts 

aufzuworfcn,  denn  je  weiter  und  eingehender  wir  glauben,  sondern  Steine  aufstellen  und  zur  Ver- 
eine solche  gleichartige  Sitte  oder  Anschauung  ehrung  mit  Oel  begiessen“  (Bastian,  Mensch 

über  die  Erde  verfolgen,  desto  häufiger  zeigt  sich  in  der  Geschichte,  III.  192). 

uns  das  unabhängige  Entstehen  derselben,  womit  Die  Sache  ist  aber  noch  weit  häufiger,  als 

natürlich  vielfache  Entlehnungen  von  Volk  zu  durch  diese  Beispiele,  zu  denen  also  noch  die 

Volk  nicht  ausgeschlossen  sind.  Keinesfalls  darf  \ alten  Juden  und  Skandinavier  kommen,  sich  dar- 
aber  in  dom  vorliegenden  Falle  ein  Borgen  des  thun  lässt;  doch  habe  ich  mir  eine  Notiz 

Salbens  der  Steine  von  den  Semiten  angenommen  darüber  gemacht  und  greife  diese  Exeuipel  nur 

werden,  denn  dieser  Brauch  ist  ein  ziemlich  all-  aus  dem  Gedächtniss  heraus. 

Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  F.  Straub  iw  München.  — Schluss  der  Redaktion  am  15.  Januar  1SUO. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Raligirt  von  Professor  I)r.  Johannen  /tanke  in  München, 

(lfMtaUtcrttur  der 


XI.  Jahrgang.  Nr.  2.  Erscheint  jalen  Monat. 


Februar  1880. 


Einladung' 

*ur  Beschickung  der 

Ausstellung  anthropologischer  und  vorgeschichtlicher  Funde  Deutschlands 

welche  in  Verbindung  mit  der  allgemeinen  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  Im  August  1880  in  Berlin  statt  finden  wird. 


An  die  Vorstände  und  Besitzer  von  anthropologischen  nnd  vorgeschichtlichen  Sammlungen 

in  Deutschland. 

Durch  die  Generalversammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft , welche  iin 
■ August  vorigen  Jahres  in  Strassburg  statt  gefunden  hat,  ist  lierlin  für  das  Jahr  1880  als  Ver- 
sammlungsort gewühlt  worden. 

Seitens  des  Vorstandes  der  Gesellschaft  ist  demnächst  beschlossen,  gleichzeitig  mit  der  all- 
gemeinen Versammlung  eine  Ausstellung  der  wichtigsten  anthropologischen  nnd 
vorgeschichtlichen  Funde  nach  Art  der  1875  in  München  stattgehabten , welche  diesmal 
das  ganze  deutsche  He  ich  umfassen  soll,  zu  veranstalten.  Fremdes  Material  ist  von  dem  Plane 
ausgeschlossen.  Zugleich  einigte  man  sich  dahin , dass  hierbei  nicht  bloss  eine  Ausstellung  des 
Schönsten  und  Seltensten  ins  Auge  gefasst , sondern  namentlich  eine  instruktive,  übersichtliche  Dar- 
stellung der  für  die  einzelnen  Gegenden  eigentümlichen  und  für  den  Gang  ihrer  Cult urent Wickelung 
wichtigen  Funde  geboten  werden  sollte,  um,  wenn  auch  in  engem  Rahmen,  doch  ein  vollständiges 
Bild  von  dem  vorgeschichtlichen  Entwickelungsgange  und  den  sehr  mannichfaltigen,  für  die  Cultur- 
geschichte  entscheidenden  Beziehungen  der  einzelnen  Theile  unseres  Vaterlandes  zu  gewähren. 

Wir  wenden  uns  desshalb  an  Sie  mit  der  ergebensten  Bitte,  uns  bei  diesem  gemeinnützigen 
und  patriotischen  Werke  mit  Rath  und  That  gütigst  unterstützen,  namentlich  einschlägige  Funde  ans 
Ihrer  Sammlung  zu  diesem  Zwecke  unter  den  weiterhin  aufgefUhrtcn  Bedingungen  einsenden  zu  wollen. 

Andere  Länder,  Italien,  Frankreich,  Schweden , Ungarn  sind  uns  mit  Ausstellungen  dieser 
Art  vorangegangen ; unsere  Ausstellung  wird  die  erste  allgemeine  sein,  welche  in  Deutschland  statt« 
findet.  Im  Hinblick  darauf  glauben  wir  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  wir  uns  der  Hoffnung  hingeben, 
dass  die  Betheiligung  au  der  Beschickung  eine  recht  allgemeine  sein  werde.  Die  Preussische  Staats- 
regierung hat  ihre  Unterstützung  bereits  zugesagt,  und  wir  rechnen  darauf,  dass  auch  die  übrigen 
Regierungen  dein  gemeinsamen  Werk  ihre  Hülfe  nicht  versagen  werden. 


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10 


Die  General- Versammlung  wird  vom  5.  — 12.  August  stattfinden.  Für  die  Ausstellung  ist 
eine  etwas  längere  Dauer  in  Aussicht  genommen , welche  sich  nicht  über  den  August  hinaus  er- 
strecken, mindestens  aber  14  Tage  betragen  soll.  Da  imlexs  die  Aufstellung  und  Ordnung  des 
Mnterials  mancherlei  Schwierigkeiten  darbieten  wird , so  bitten  wir  die  Zusendung  schon  Anfangs 
Juli  eintreten  zu  lassen. 

Die  Ausstellung  soll  in  den  Räumen  des  Prcussischen  Abgeordnetenhauses,  wo  auch  die 
Sitzungen  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  stattlinden  werden , ihren  Platz  finden.  Das 
Gebäude  ist  Staatseigentum  und  mit  genügenden  Vorkehrungen  gegen  Diebstahl  oder  Beschädigung 
durch  Feuersgefahr  versehen.  Zur  grösseren  Sicherheit  wird  ein  besonderes,  als  zuverlässig  be- 
kanntes Aufsicht»-  und  Bewachungspersonal  angenommen  und  dem  ebenso  erfahrenen  als  umsichtigen 
Bureau-Vorsteher  des  Abgeordnetenhauses,  Geh.  Kecbnungsrnth  Kleinschmidt  unterstellt  werden. 
Für  die  richtige  und  prompte  Zurücksendung  der  Gegenstände,  sowie  für  gute  Verpackung  derselben 
wird  Sorge  getragen  werden  Die  Zurücksendung  erfolgt  in  der  Regel  in  derselben  Verpackung,  in 
welcher  die  Gegenstände  eingesandt  wurden;  es  ist  deshalb  auf  gute  Emballage  (am  besten  nicht  zu 
schwache  Holzkisten)  und  gutes  Packmaterial  besondere  Rücksicht  zu  nehmen.  Die  Kosten  des  Rück- 
transportes trügt  die  lokale  Geschäftsführung.  Auf  Verlangen  werden  auch  die  Kosten  des  Her- 
transportes übernommen  werden.  Dringend  wird  gewünscht  , dass  eine  genaue  Adresse  für  den 
Rücktransport  mitgeschickt  wird. 

Um  rechtzeitig  für  die  Anschaffung  der  erforderlichen  Sehrfinke  und  sonstigen  Ausstellungs- 
Utensilien  sorgen  zu  können  , ersuchen  wir  um  möglich  umgehende  MittheiluDg  Uber  die  Zahl  und 
Art  der  Gegenstände,  welche  Sie  die  Güte  haben  werden,  für  die  Aufstellung  zur  Verfügung  zu 
stellen,  sowie  um  Bezeichnung  des  Flächenraums  (bei  Gewissen  und  anderen  voluminösen  Gegenständen 
auch  der  Höhe  derselben),  welcher  henöthigt  werden  wird.  Wenn  es  thunlich  ist,  eine  ungefähre 
Angabe  über  das  Gewicht  der  Sendung  zu  machen,  so  würde  dies  sehr  erwünscht  sein.  Um  Ver- 
wechslungen vorzubeugen  und  zur  sicheren  und  leichten  Orientirung  ist  es  dringend  wünseheuswerth, 
dass  jedes  Stück  mit  einer  Etiquette  versehen  sei,  auf  welcher  der  Namen  der  Sammlung,  der  es 
angehört,  näher  bezeichnet  ist.  (Vgl.  d.  Schema  8.  15.) 

Da  wir  gleich  mit  der  Eröffnung  den  Besuchern  einen  zuverlässigen  Katalog  darbieteu 
möchten,  so  bitten  wir,  uns  baldigst,  spätestens  bis  zum  15.  April,  ein  genaues  Verzeichnis»  der  von 
Ihnen  zu  stellenden  Gegenstände  mit  recht  genauer  Angabe  des  Fundortes  und  einer  Notiz  (eventuell 
unter  Beigabe  von  Zeichnungen , Plänen , Modellen  u.  dgl.)  Uber  den  Charakter  der  Fundlokalität 
(Bnrgwall,  Hügelgrab,  Urnenfriedliof  etc.),  sowie  über  etwaige  literarische  Besprechung  des  Fundes 
einzusenden. 

Die  Aussteller  sind  berechtigt,  die  Ausstellung  unentgeltlich  zu  besuchen,  haben  jedoch, 
wi«  alle  Mitglieder  der  deutschen  Gesellschaft  seihst,  falls  sie  an  den  Sitzungen  theilnehmen  wollen, 
ein«  Mitgliedskarte  für  3 Mark  zu  lösen.  Das  Programm  der  Versammlung  selbst  wird  Ihnen 
rechtzeitig  zu  gestellt  werden. 

Die  Berliner  Sammlungen,  namentlich  die  Königlichen  Museen  und  das  Mfirkische  Museum 
der  Stadt  Berlin  werden , um  den  Raum  nicht  unnüthig  zu  schmälern , an  der  Ausstellung  nicht 
direkt  botheiligt  werden.  Dagegen  wird  Sorge  getragen  worden  , dass  sie  den  Mitgliedern  der  Ver- 
sammlung in  reichlichem  Maasse  zugänglich  sind , und  dass  die  Aufstellung  ihrer  Schätze  möglichst 
übersichtlich  geordnet  wird. 


Im  Nachfolgenden  gestalten  wir  uns , Ihnen  eine  kurze  Uebersicbt  dessen  zu  geben , was 
nach  unserer  Auffassung  für  die  Zwecke  der  Ausstellung  vorzugsweise  wünsebens werth  und  geeignet 
sein  dürfte.  Wir  stellen  jedoch  ihrem  Ermessen  anheim,  uns  auch  andere  Gegenstände  zu  bezeichnen, 
welche  nach  Ihrer  Meinung  dazu  angethan  sind,  dos  Gesammtbild  der  deutschen  Vorzeit  zu  vervoll- 
ständigen. 

Von  der  Einsendung  leicht  zerbrechlicher  Thongeftlsse  dürfte  im  Allgemeinen  abzusehen  sein, 
wenn  dieselben  nicht  von  ganz  besonderer  Bedeutung  für  die  Charakteristik  gewisser  Perioden  sind. 


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11 


TJ  ebersicht 

über  die  Arten  der  einzusendenden  Gegenstände. 


I.  Fände  der  Mammuth-  und  Renntliierzett,  sowie  der  paläAlltliisclien  Periode,  um  Tu  tötend  die  ersten 
Sparen  vom  Auftreten  de*  Menschen  bis  xur  Zeit  des  geschliffenen  Steines. 

Ein  beträchtlicher  Theil  der  Funde , welche  dieser  Periode  angehörcn , ist  in  naturwissen- 
schaftlichen (mineralogischen  , paläon  tologischen , anatomischen  t naturhistorischen)  Sammlungen  attf- 
bewahrt.  Wir  würden  daher  denjenigen  Herren,  an  welche  wir  uns  hier  zunächst  wenden,  sehr  ver- 
bunden sein,  wenn  sie  uns  diejenigen,  nicht  der  Alterthumsforschung  im  engeren  Sinne  bestimmten 
Sammlungen  Ihres  Gebietes  bezeichnen  wollten,  in  welchen  Funde  der  Diluvial-  und  Eiszeit  aufbe- 
wahrt sind. 

Für  die  vollständige  Darstellung  dieser  ältesten  Zeit  wären  zunächst  dio  L&ssfunde  von 
Bedeutung,  wie  sie  aus  den  verschiedensten  Thcilen  unseres  Vaterlandes,  namentlich  aus  Mittel-  und 
Sttddeutschland  bekannt  sind.  An  sie  schliessen  sich  die  H üblen  i'unde,  die  von  den  Grenzen 
der  Schweiz  bis  nach  Westfalen  und  dem  Harz  reichen.  Natürlich  würden  hier  zunächst  die  mensch- 
lichen Manufakte  und  solche  Stücke , welche  die  Wirkung  des  Feuers  oder  der  menschlichen  Ein- 
wirkung Oberhaupt  erkennen  lassen,  von  Bodeutuog  sein.  Nächstdom  würde  es  jedoch  das  Interesse 
der  Ausstellung  wesentlich  erhöhen  und  dieselbe  dem  Publikum  lehrreicher  machen,  wenn  charak- 
teristische oder  gut  erhaltene  Stücke  der  alten  Thierwelt,  sowohl  der  grossen,  als  der  kleinen,  sowie 
arktische  Pflanzen,  beigegeben  würden.  Gegenstände  der  eigentlichen  Kunsttechnik,  sei  es  auch 
nur  in  guten  Modellen , werden  natürlich  den  Hauptgegenstand  der  Aufmerksamkeit  bilden.  Wir 
begreifen,  dass  es  eine  schwere  Zumuthung  ist,  die  Originale  selbst  für  die  Ausstellung  herzu- 
leihen ; indess  müssen  wir  doch  darauf  aufmerksam  machen , dass  gerade  die  Anschauung  der 
Originale  bei  einer  solchen  Gelegenheit  von  höchster  Bedeutung  wäre.  Indem  wir  daher  recht 
dringend  die  Bitte  aussprechen,  auch  solche  Hauptstücke  der  Ausstellung  nicht  entziehen  zu  wollen, 
sagen  wir  die  ätisserste  Sorgfalt  in  der  Aufstellung  und  die  strengste  Schonung  bestimmt  zu.  Wo 
Schädel  oder  andere  Reste  des  menschlichen  Skelets  aus  dieser  Zeit  vorhanden  sind, 
da  bitten  wir  darum,  sie  für  die  Ausstellung  gewähren  zu  wollen.  Je  spärlicher  bis  jetzt  in 
Deutschland  solche  Funde  im  LOss  und  in  Höhlen  gemacht  sind,  um  so  wichtiger  wird  es  sein, 
sie  einmal  vereinigt  zu  sehen. 

In  Bezug  auf  die  Moorfun  do  gilt , soweit  sie  noch  der  glacialen  und  nächst  post- 
glacialen  Zeit  angehören , das  Nämliche.  Hier  ist  auch  für  Norddcutschland  vielleicht  Gelegenheit, 
einige  Raritäten  zu  zeigen.  Wir  möchten  bei  dieser  Gelegenheit  sogleich  bemerken , dass  auch 
Moorleichen  späterer  Zeiten  ein  sehr  lehrreiches  Objekt  für  das  vergleichende  Studium 
bieten  würden  und  dass  wir  wenigstens  um  einige  charakteristische  Exemplare  bitten  möchten. 

Obwohl  uns  nicht  bekannt  ist,  dass  irgendwo  in  Deutschland  prähistorische  Funde 
der  Tertiärzeit  gemacht  oder  angegeben  sind,  so  möchten  wir  doch  nicht  verfehlen,  diejenigen, 
welche  im  Besitz  solcher  Funde  zu  sein  glauben,  um  die  Einsendung  derselben  zu  ersuchen. 

Ausdrücklich  machen  wir  darauf  aufmerksam,  dass  das  Verständnis»  der  Funde  sehr  er- 
leichtert werden  würde , wenn  geographische  oder  goologische  Karten  der  Gegend , oder  auch  blosse 
Skizzen,  Ansichten  und  Durchschnitte,  oder  Modelle  der  Fundstellen  beigefügt  würden.  Je  grösser 
der  Maasstab , um  so  anschaulicher  wird  der  Fall  werden.  Namentlich  wäre  die  Beigabe  etwaiger, 
mit  Abbildungen  versehener  Publikationen  sehr  erwünscht.  % 

Die  Zeit  des  geschlagenen  Steins,  die  sogenannte  p a 1 U o 1 i t h i s c h e Periode 
erstreckt  sich  namentlich  im  Norden  Deutschlands  weit  über  die  QuaternUr/eit  hinaus.  Freilich  hat 
die  Erfahrung  gelehrt,  dass  man  an  vielen  Stellen  aus  dem  blossen  Vorkommen  geschlagener  Steine 
sofort  auf  das  höchste  Alter  der  Funde  geschlossen  hat,  während  andere  Merkmale  darthaten , dass 
es  sich  zum  Theil  um  sehr  junge  Verhältnisse  handle.  Es  wird  daher  besonderer  Aufmerksamkeit 
bedürfen,  um  nur  ganz  zuverlässige  Funde  zur  Ausstellung  gelangen  zu  lassen. 


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1*2 


Hierher  gehören  namentlich  die  Kjökkenmöddinger  in  Schleswig  und  die  Feuerstein- 
werkstätten auf  Rügen,  denen  sich  hoffentlich  Funde  aus  dem  Binnenlande  anscbliessen  werden. 
Von  den  Werkstätten  erbitten  wir  namentlich  zusammenhängende  Reihen  von  Gerät hen , um  sowohl 
die  Methode  der  Technik , als  die  Fortschritte  in  der  Kunstfertigkeit  und  in  der  Entwickelung  der 
Formen  darzulegen.  Auch  wäre  es  besonders  wichtig,  die  U oberg finge  von  dem  bloss  ge- 
schlagenen zu  dem  theilweise  geschliffenen  Stein  an  guten  Stücken  zu  zeigen. 

Für  die  Darlegung  des  Lebens  der  Menschen  in  dieser  Zeit  wird  ferner  eine  übersichtliche 
Zusammenstellung  der  Nahrungsreste  (Muschelschalen,  Fischknochen,  Vogel-  und  Säugethier- 
Gebeine) , sowie  der  sonstigen  Manufakte,  namentlich  der  Reste  der  Töpferei,  der  Weberei 
und  der  Bearbeitung  von  Bein,  Holz  u.  s.  w.,  nothwendig  sein. 

In  beschränktem  Maasse  halten  wir  cs  für  zulässig,  die  Produkte  des  natürlichen 
Zerspringens  von  Feuersteinen  und  ähnlichen  Mineralien  zu  vergleichender  Anschauung  zu  bringen. 


II.  Funde  aus  der  Zeit  des  geschliffenen  Steines  (neolltlilschen  /eil),  unter  Einschluss  der  Steingerfttbe 
nml  Stein  werk  zeuge  der  späteren  /eit. 

Ausser  einzelnen  durch  Schönheit  und  Seltenheit  ausgezeichneten  Exemplaren,  die  in  der 
betreffenden  Gegend  am  häufigsten  vorkommenden  Typen  von  bearbeiteten  Feuerstein-  und  anderen 
Steinger&then. 

Alle  Stein  werk  zeuge  aus  grünen  oder  grünlichen  Gesteinsarten  (Jadeit.  Nephrit,  Chloro- 
melanit.  Kklogit,  grünem  Quarz,  grünem  Schiefer  etc.). 

Alle  (namentlich  ausserhalb  Thüringens  und  Sachsens)  gefundenen  Geräthe  von  Kiesel- 
schiefer, Basalt  und  anderen,  durch  ihre  tiefschwarze  Farbe  und  betleutende  Härte  ausgezeich- 
neten Gesteinen. 

Aus  Mittel-  und  Süddeutschland,  namentlich  aus  denjenigen  Gegenden,  wo  bisher  eine  neolithisebe 
Periode  nicht  sicher  nachgewiesen  ist,  wie  im  diesseitigen  Bayern,  wären  am  besten  Kämmt  liehe 
Feuers teingerätlie,  beziehentlich  SteingerUthe  überhaupt,  einzusenden.  Ebenso  würden  in  dem,  wie  es 
scheint,  an  Steingeräthen  sehr  armen  Schlesien  gefundene  Exemplare  sehr  willkommen  sein. 

Von  besonderem  Interesse  sind  ferner  angefangeue  und  unvollendete  Exemplare, 
W erkfitättenfonde  mit  Repräsentation  der  verschiedenen  Formen  und  Stadien  der  Herstellung,  nament- 
lich angefangene  Bohrungen  von  Stiellöeliern,  Bohrzapfen  und  andere  in  technischer  Be- 
ziehung wichtige  Stücke.  Vor  Allem  sind  Stei  n Werkzeuge  mit  Handhaben,  Äxte  mit 
erhaltener  Schäftung  in  möglicher  Vollzähligkeit  erwünscht. 

Sicher  constatirte  gemischte  Funde,  in  denen  Steinwerkzeuge  mit  Metallge- 
rät li  e n zusammen  gefunden  wurden,  werden  besonders  erbeten. 

Es  sind  liier  auch  die  der  Steinzeit  Angehörigen  SchmuckgegenstHnde,  durchbohrte 
Zähne  und  Knochen,  Muscheln,  Bernsteinperlen  etc.,  sowie  die  Geräthe  aus  Hirschhorn  (Hirschhorn- 
Hxte)  und  Bein  anzureihen,  welche  aus  Ansiedelungen  (Pfahlbauten)  oder  Gräben»  der  Steinzeit  .stammen, 
namentlich  solche,  welche  mit  Stein  splittern  avmirt  sind. 

Von  grösstem  Werthe  wird  es  sein,  wenn  zusammengehörige  Funde  von  mehr  zusammen- 
gesetzter Natur,  wie  sie  in  Ansiedelungen  und  Gräbern  der  neolit bischen  Zeit  gemacht  sind, 
aus  deu  verschiedene«  Gegenden  Deutschlands  eingesendet  würden , um  unter  einander  verglichen 
werden  zu  können.  Wir  erinnern  in  dieser  Beziehung  namentlich  an  die  Pfahlbauten  in  Süd- 
deutschland, welche  ein  so  reiches  Material  zur  Darstellung  des  ganzen  socialen  Zustandes  jener 
Zeit  darbieten.  So  gross  auch  der  Anspruch  erscheinen  mag , den  wir  hier  erheben , so  bitten  wir 
doch  die  Sammlungen  von  Bayern,  Württemberg  und  Baden  ganz  besonders,  ihre  Schätze  unserer 
Ausstellung  iu  freisinniger  Weise  erschliesseu  zu  wollen.  Die  ältesten  An  Siedlungen  nnd 
Wohn plätze  in  Mittel-  uud  Norddeutschland  bieten  bis  jetzt  freilich  nur  spärlichen  Stoff,  indess 
wird#  er  sich  ergänzen  lassen  durch  die  Ausstellung  von  Gräberfunden,  bei  denen  wir  die  be- 
sondere Bitte  aussprechen,  auch  die  Schädel  nicht  zurückzuhalten. 

Neben  eiuer  Vergleichung  des  Steingeräthcs  wird  es  namentlich  die  Töpferei  jener  Periode 
sein,  welche  die  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nimmt.  Bis  jetzt  ist  die  Kennt« iss  der  typischen 
Methoden  der  Thonbereituug,  der  Formung  der  GetUsse,  der  Ornanientrauster  dieser  Periode  noch 
keineswegs  so  gesichert,  dass  wir  für  Deutschland  eine  ähnliche  Festigkeit  in  der  Unterscheidung  der 
einzelnen  Katogorieu  gewonnen  haben,  wie  es  anderswo  der  Fall  ist. 


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13 


III.  Fand*  der  Metallzeit  (Gegenstände  oas  Metall  and  verschiedenen  anderen  Stoffen),  umfassend  die 
Periode  von  den  ersten  Sparen  des  Metallgebranelies  bis  zur  rollen  geschichtlichen  Zelt. 

Wir  unterlassen  es.  um  nicht  unerwünschte  Differenzen  hervorzurufen , hier  eine  weitere 
Unterscheidung  in  eine  reine  Bronze-Periode  und  in  verschiedene  Eisen-Perioden  aufzustellen.  Indes* 
geben  wir  den  einzelnen  Ausstellern  gern  anheim,  ihre  Einsendungen  je  nach  ihrer  Auffassung  mit 
besonderer  Klassifikation  (z.  B.  altere,  mittlere,  jüngere  Eisenzeit)  zu  versehen;  ja,  es  wird  uns  er- 
wünscht sein,  wenn  auch  auf  der  Ausstellung  Gelegenheit  geboten  wird,  durch  solche  Specialbezoieh- 
nungen  den  Werth  der  Klassifikation  zu  prüfen. 

Diejenigen  Gegenden,  welche  eine  besondere  neolithische  Zeit,  soweit  es  bis  jetzt  scheint, 
nicht  gehabt  haben,  würden  eine  vollständige  Ausstellung  aller  Waffen  und  Werkzeuge  aus  alter 
Bronze  (neben  einer  Auswahl  der  charakteristischen  Schmuckgegenstltnde)  zu  stellen  haben. 

Im  Uebrigen  erbitten  wir  von  alteren  Bronzen  die  in  der  Gegend  am  häufigsten  vor- 
kommenden Typen  in  gnten  Exemplaren,  namentlich  Schwerter,  Dolche,  Aexte,  Halsschmuck  und 
Halsringe,  Gelte  (Hohl-  und  Schaftcelte) , Hün gebecken  und  Fibeln.  Grosses  Gewicht  dürfte  auf 
Werkzeuge  zum  technischen  Gebrauch  (Meissei,  Sagen,  Pfriemen  etc.),  zu  legen  sein,  ebenso 
auf  Gussformen,  Stücke  von  Rohmetall,  unfertige  Exemplare  (Gegenstände  mit  Guss- 
naht und  Gusskern)  und  Giessereifunde. 

Gegenstände  aus  reinem  (gediegenem)  Kupfer  würden  besonders  wünschenswert  sein. 

Von  Fundstücken,  welche  den  Typen  der  Hallstatter  Gruppe  angeboren  (v.  S a c k e n : 

D.  Grabfeld  v.  Hallstatt,  Wien  1868),  oder  welche  altitalische  oder  rein  etruskische 
Formen  (L i nd en sch m i t : I).  Altertbümer  u.  heidn.  Vorzeit,  Bd.  I H.  3 u.  7»  Bd.  II  H.  2,  3, 

5,  8,  11,  12;  Bd.  III  ».  m.  0.)  zeigen,  würden,  ausser  guten  Einzelexemplaren  (namentlich  Bronfce- 
gef&ssen , Eisenschwertern  mit  Bronze-  und  Elfenheingriffen  oder  Bronzeortbündern , eisernen  Schuft- 
und  Hohlcelten),  vorzugsweise  solche  Funde  interessiren , in  denen  neben  grosseren  Gegenständen 
Fibeln,  Glas-  und  Bernstein  perlen  vertreten  sind. 

Um  über  Zcitstellung,  Herkunft  und  Verbreitung  der  vorrö mischen,  init  Schm  elz- 
ein lagen  verzierten  Gegenstände,  welche  theils  der  obengenannten,  theils  der  nächstfolgenden 
Periode  angehttren , weitere  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  wird  die  Einsendung  derartiger,  sowie  der 
Form  und  Zeit  nach  ihnen  nahestehender  Funde  (Hals-  und  Kopfringe , Zierplatten , Fibeln  und 
Gürtelhaken,  namentlich  aber  zubehörige  Schwerter,  Theile  von  Schilden,  vor  Allem 
solche  von  bronzenen)  von  höchster  Bedeutung  sein  (L  in  de  nach  m id  t a„  a.  0. ; Bd.  I.  H.  4 
Tf.  3;  H.  6 Tf.  3 Fg.  4 bis  6 ; H.  9 Tf.  1;  Bd.  II  H.  4 Tf.  2;  Hf.  5 Tf.  1 ; H.  6 Tf.  1 u.  2; 

H.  8 Tf.  3;  H.  10  Tf.  3;  Bd.  III  a.  m.  0.). 

Die  Periode  des  sogenannten  La  Tfene-Typus  (Late  Geltic,  Celtischer,  Gallischer  Typus), 
hauptsächlich  charakterisirt  durch  eiserne  Schwerter  mit  Eiseuscheiden , bronzene  und  eiserne  Fibeln 
mit  rUcklaufender , meist  als  Knopf  gestalteter  Endigung,  gläserne  Armringe  (Lindenschmit 
a.  a.  0.:  Bd.  I H.  1 Tf.  5 Fg.  2-5;  Bd.  II  H.  6 Tf.  3 u.  6 ; H.  7 Tf.  3 ; H.  8 Tf.  4;  H.  9 
Tf.  3;  u.  Bd.  III  a.  m.  0.)  würde  ausser  den  genannten  Gegenständen  vorzüglich  solche  Funde  aus- 
zustellen haben,  bei  denen  ßronzegefikne,  bronzene  Gürtelhaken  (sogenannte  Hakenfibeln)  (v.  Estorff: 
Alterth.  d.  Gegend  v.  Uelzen,  Hannover  1846,  Tf.  II  Fig.  11),  Glasperlen,  Scheeren,  Kettengehftnge, 
Bronzesschmucksachen  und  Bronzegerftthe  anscheinend  älteren  Styles  (bronzene  Pincetten , Messer, 
Nadeln,  Hals-  und  Armringe)  vertreten  sind. 

Für  die  östlichen  Theile  Deutschlands  wird  es  besonders  lehrreich  sein,  wenn  für  diese 
Perioden  diejenigen  Funde  vorgetübrt  werden , welche  auf  Beziehungen  zum  Süden  und  Südosten 
(Böhmen,  Mähren,  Ungarn  u.  s.  w.)  hinweisen  (Hampel:  Antiquitös  prehistoriques  de  la  Hongrie, 
1876  u.  77). 

Die  Römische  Periode  würde  nach  verschiedenen  Gesichtspunkten  zu  repräseutiren  sein. 

Die  dem  ehemaligen  Römischen  Imperium  nicht  unterworfen  gewesenen  Theile 
Deutschlands  hätten  in  möglicher  Vollständigkeit  alle  irgend  wie  hervorragenden  Funde  zu  zeigen,  , 
namentlich  Bronzen  mit  Fabrik-Stempel,  Figuren  aus  Bronze  und  Thon,  geschnittene  Steine, 
Fibeln  in  Gold,  Silber,  Bronzo  und  Eisen,  sowie  andere  Sehmucksachen , Gefässe  aus  Edelmetallen, 
Bronze,  Glas  und  Terra  sigillata,  Bronzemesser  und  Scheeren,  Perlen  aus  Edelstein,  Glas  und  Bern- 
stein, sowie  solche  Funde,  welche  durch  Münzen  speciell  bezeichnet  sind. 


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14 


Sehr  nützlich  würde  es  übrigen«  sein,  wenn  bei  dieser  Gelegenheit  eine  vollständige  Samm- 
lung der  Fundorte  römischer  Münzen  ausserhalb  des  Limes  hergestellt  werden  könnt«. 
Wir  bitten  recht  dringend  um  die  Einsendung  von  Lokal -Verzeichnissen , wo  möglich  unter  Bei- 
fügung einer  Landkarte  mit  Einzeichnung  der  Fundstellen.  Wir  würden  dann  versuchen,  daraus  eine 
Generalkarte  zusammenstellen  zu  lassen. 

Die  ehemaligen  Provinzen  des  Römischen  Reiches  hätten  wesentlich  eine  Sammlung 
von  Gegenständen,  welche  zur  direkten  Vergleichung  mit  den  oben  angeführten  dienen  könnten,  vor- 
zufilhren.  (Die  hauptsächlichsten  hierbei  in  Betracht  kommenden  Gegenstände  sind  abgebildet  bei 
Lisch:  ,,Romorgräber“,  Jahrb.  d.  Ver.  f.  Meklenb.  Gesch.  u.  Alterth.,  Jahrgang  XXXV.  und  Host- 
manu:  Urnenfriedhof  v.  Darzan,  Braunschweig  1873). 

Ausserdem  würde  eine  recht  vollständige  Sammlung  der  verschiedenen  Typen  römischer, 
auf  deutschem  Boden  gefundener  Waffen,  Schmucksachen  und  Geräthe,  namentlich  von  Schwertern, 
Aexten,  Beilen,  Messern,  ein-  und  zweihenkligen  Bronzeeimern , Bronzebecken,  Casserolen  (mit  und 
ohne  eingepasste  Seihgefitsse)  auszustellen  sein. 

ln  ähnlicher  Weise  würde  die  fränkisch -alemannische  und  merowingische 
Zeit  ihre  Vertretung  zu  finden  haben.  Wahrend  die  ehemals  dem  fränkischen  Machtgebiete  an- 
gehörigen  Landestheile  ausser  einzelnen  durch  «Schönheit  und  Seltenheit  bemerkenswert hen  Gegen- 
ständen eine  möglich  vollständige  Typensammlung  zu  bilden  hätten,  müssten  alle  hervorragenden 
Funde  fränkischen  Styles  aus  den  übrigen  Gegenden  Deutschlands  vertreten  sein.  Ganz  besonders 
wichtig  wären  Ueberreste  der  Kunstindustrie  der  Carolingischen  Zeit  zum  Vergleich  mit 
den  Fuuden  der  Reihengräber.  Die  Friesischen  und  Sächsischen  Länder  werden  ihre  Be- 
sonderheiten , zu  denen  ausser  Motallgcgenständen  merowitigischeo  Charakters  namentlich  Thongefösse 
und  Holzgerätho  gehören,  zu  zeigen  hüben.  Wir  erinnern  speciell  an  die  Brunnengräber  und 
Steinsärge  der  Nordseeküste. 

Aus  dem  östlichen  Deutschland , würden  complette  Sammlungen  von  Metall-,  Thon-  und 
Knochengeräthen  aus  rein  Slavischen  und  Lettischen  Ansiedelungen  (Burgwällen, 
Pfahlbauten  etc.)  und  Gräbern,  sowie  die  hervorragendsten  Fundstücke  orientalischen 
(arabischen)  Charakters  (Silbermünzen,  Schmucksachen,  Kaurimuscheln),  vornehmlich  solche 
aus  dem  Elbgebiete  von  Werth  sein. 

Auch  würden  die  Eisenschwerter  mit  dreieckigen  oder  mehrtheiligen , oftmals  mit  Silber 
tauschirten  Griffknäufen  (altnordischen  Charakters)  und  verwandte  gleichzeitige  Gegenstände  in 
möglichster  Vollständigkeit  vorzuführen  sein,  um  von  der  Verbreitung  dieser  Formen  eiu  Bild  zu  ge- 
währen. (Worsaae:  Nordiske  Oldsager  1859,  Jernalder  II.  S.  95  bis  122).  Hervorragenden  Werth 
würden  speciell  für  Norddeutschland  alle  Funde  besitzen,  welche  einen  direkten  Einfluss  der  skan- 
dinavischen Kultur  d&rthun  (Schmucksachen,  Bracteaten  etc.). 

Wir  enthalten  uns  in  Beziehung  auf  die  Einzelheiten  einer  weiteren  Ausführung,  möchten 
aber  namentlich  den  Vertretern  der  Sammlungen  in  den  baltischen  Küstenländern  be- 
sonders an  das  Herz  legen,  bei  dieser  Gelegenheit  die  Besonderheiten  ihrer  Gegenden  in  voller  Aus- 
führlichkeit vorzuftlhren. 


IV.  Vergleichende  Schädclansste  llung. 

Im  Anschlüsse  an  die  prähistorische  Ausstellung  scheint  es  geboten , eine , wenn  auch  be- 
grenzte, so  doch  möglich  ausgewählte  Sammlung  von  Schädeln,  welche  in  Deutschland  gefunden 
oder  von  Deutschen  hergenommen  sind,  namentlich  von  eigentlich  römischen,  germani- 
schen und  slavischen  Schädeln  zu  veranstalten.  Wir  denken  dazu  einen  besonderen  Raum  zur 
Verfügung  zu  stellen.  Da  es  sich  hier  vorzugsweise  um  die  anatomischen  Museen  handelt , so 
bitten  wir  die  Vorstände  derselben , uns  aus  ihren  Beständen  kleine  Reihen  gut  bestimmter  Schädel 
senden  zu  wollen,  welche  den  Localtypus  der  Gegend  oder  des  Stammes  wiedergeben.  Es  ist  dabei 
natürlich  sehr  erwünscht,  auch  ältere  Schädel  aus  Perioden , wo  die  Bevölkerung  weniger  gemischt 
war , heranzuziehen , um  die  Frage  von  dem  Einflüsse  der  späteren  Mischung  möglich  sicher  lösen 
zu  können.  — 

Bei  dieser  Gelegenheit  können  auch  Instrumente  zur  Messung  und  sonstigen  Unter- 
suchung anthropologischer  Gegenstände  mit  zur  Ausstellung  gelangen. 


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15 


In  allen  Fällen,  wo  über  die  Auswahl  von  Gegenständen  Zweifel  bestehen,  bitten  wir  um 
baldigste  Mittheilung;  wir  werden  gern  bereit  sein,  nach  bestem  Wissen  Rath  zu  ertheilen.  Da  die 
Funde  aus  den  einzelnen  Theilen  des  Deutschen  Reiches  im  Allgemeinen  in  besonderen  Abtheilungen 
zusammengehalten  werden  Bollen,  so  dürfte  es  von  Nutzen  sein,  wenn  die  Vorstände  von  Vereins- 
und anderen  öffentlichen  Sammlungen  in  gewissen  Landestheilcn  sich  unter  einander  und  mit  be- 
nachbarten Privatsammlern  in  Verbindung  setzen  wollten,  um  namentlich  bei  Herstellung  der  Typon- 
aammlungen  möglich  schöne  und  vollständige  Collectionen  zusammenzubringen.  Ob  zu  diesem  Zwecke 
besondere  Lokal-Comites  zu  bilden  wären,  geben  wir  der  gefälligen  Erwägung  anheim.  Für  das  nord- 
östliche und  Östliche  Deutschland  wären  namentlich  Typensammlungen  von  kleineren  Schmuckgegen- 
ständen (Fibeln,  Perlen  etc.)  behufs  chronologischer  Bestimmungen  von  Uusserster  Wichtigkeit  und 
ersuchen  wir  desshalb  auch  die  Sammler  und  Sammlungsvorutände  West-  und  Suddeutschlands,  der 
Herstellung  von  Zusammenstellungen  dieser  Art  eine  ganz  besondere  Sorgfalt  gütigst  widmen  zu  wollen. 

Wir  sind  übrigens  gern  bereit,  soweit  unsere  Kenntnis«  der  deutschen  Sammlungen  reicht, 
unsererseits  Vorschläge  in  Bezug  auf  das,  was  unserer  Auffassung  nach  für  die  Ausstellung  von  be- 
sonderer Wichtigkeit  sein  würde,  zu  machen. 

Ihrer  recht  baldigen  Antwort  (Adresse:  Dr.  A.  Voss,  Direktorial  - Assistent  am  König- 
lichen Museum,  Berlin  S.  W.  Alte  Jakobstrasse  167.  Für  die  Ausstellungs-Commission.)  sehen  wir 
demnächst  entgegen. 

Oie  Commission  für  die  Ausstellung  vorgeschichtlicher  AlterthQmer  Deutschlands. 

RuS.  Vlrthow,  Joh.  Ranke. 

Vorsitzender  Generalsekretär 

der  deutschen  Gesellschaft  fflr  Anthropologie,  Ethnologie  und 
Urgeschichte. 

A.  Von«,  E.  Frlcdel, 

Geschäftsführer  des  Lokal- Ausschusses  für  die  deutsche  anthropologische 
Generalversammlung  zu  Berlin. 


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16 


Zur  Anthropologie  Tirols. 

Von  Dr.  Rabl-It  ückhard.  (Berlin.)  •) 

In  einem  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie 
Jahrgang  1878  abgedruckten  Vortrage  hatte  ich 
die  Ergebnisse  der  Messungen  von  14  Schädeln 
aus  dem  Beinhause  der  alten  Kirche  St.  Peter 
bei  Meran  mitgetheilt.  Nach  demselben  ent- 
stammten die  Schädel  in  überwiegender  Mehr- 
zahl (10)  einer  ausnehmend  broehykcphalen  Be- 
völkerung mit  einem  durchschnittlichen  LUngen- 
breitcn index  von  86,12,  Hühenbreitenindex  84,63, 
Lüngenhühenindex  von  72,81.  (Vircbow’s  Maass- 
verfahren), während  nur  die  Minderzahl  (4)  einen 
der  Brachykephalie  nahe  stehenden  mesokepbalen 
Typus  zeigte  (L  : Br  — 78,7 , H : Br  = 811,0, 
LiH  = 70,2). 

Erstore  Gruppe  schloss  sich  zwanglos  an  die 
graubündtner  Schädel  von  Baer’s,  an  den  Di>eotis- 
typus  von  His,  an  die  Schädel  der  heutigen 
Bewohner  des  Sckwarzwaldes  nach  Ecker  und 
näherten  sich  denen  der  heutigen  Bewohner 
Bayerns  nach  K o 1 1 m a n n und  J.  Hanke.  Ihre 
geringe  Höhe  aber  gestattete  es  vorläufig  nicht, 
sie  mit  einer  dieser  Gruppen  zusammenzuwerfen . 
— Aus  der  hohen  Brachykephalie  schloss  ich, 
dass  diese  Schädel  dem  ursprünglich  nicht  ger- 
manischen Grundstock  der  süddeutschen  Bevölker- 
ung angehörten,  zu  dem  auch  die  His’ sehen, 
Ecker’schen  und  K ol  lm  an  n*  schon  Brachy- 
kephalcn  zu  rechnen  sind.  — 

lieber  die  zweite  Gruppe  hatte  ich  mich  mit 
Rücksicht  auf  ihre  geringe  Zahl  nur  soweit,  aus- 
gesprochen , dass  ich  sie  dem  von  H i 3 als  alt- 
helvetisch  bezeiehneten  Siontypus  nahe  stellte.  — 

Meine  Hoffnung,  dass  mir  bald  ein  grösseres 
Material  zufliessen  würde,  bat  sich  nun  erfüllt. 
Herr  Dr.  Tappeincr  aus  Meran  hat  seine 
Sommerfrische  iin  vorjährigen  Herbst  zu  zahl- 
reichen Messungen  an  Schädeln  aus  ßeinhäusern 
im  Vetz-  und  Schnalserthal  benutzt,  und,  was 
sehr  dankenswerth , diese  Untersuchungen  auch 
auf  eine  grosse  Anzahl  lebender  Bewohner  jener 
Tbäler  ausgedehnt. 

Er  wird  über  seine  ethnologischen  und  sprach- 
lichen Beobachtungen  an  anderer  Stelle  eingehend 
berichten ; mir  hat  er  das  kraniologische  Material 
zur  Bearbeitung  anvertraut,  und  ich  möchte  die 
Gelegenheit  wahrnehmen,  die  vorläufig  gewonnenen 
Ergebnisse  derselben  hier  mitzutheilen , weil  ich 
voraussetze , dass  die  Frage  der  süddeutschen 

*)  Der  X.  allgem.  Vers,  vorgelegt  v.  Hrn.Virchow. 


Brachykephalen , der  Hanke  in  so  dankens- 
| werther  Weise  näher  getreten  ist,  auf  der  dies- 
jährigen allgemeinen  Versammlung  der  deutschen 
i anthropologischen  Gesellschaft  zu  Strassburg  wieder 
I auf  die  Tagesordnung  kommen  wird.  — Da  ich 
erst  vor  wenigen  Tagen  an  die  Arbeit  gehen 
konnte,  muss  ich  mich  auf  die  augenfälligsten  vor- 
läufig sicher  gestellten  Ergebnisse  beschränken.  — 

Herr  Tappeiner  hat  im  Ganzen  71  Schädel 
aus  Beinhäusern  u.  3.  w.  gemessen.  Von  diesen 
kommen  30  auf  das  Dorf  Oetz,  12  auf  Sölden, 

1 auf  Vent  im  Oetzthal,  6 auf  Unsere  liebe  Frau, 
4 auf  Karthaus,  18  auf  St  . Catharina  im  Schnalser- 
thal. — Ehe  ich  auf  die  Messung  eingehe,  möchte 
ich  mir  einige  zu  recht  weisende  geographische  Be- 
merkungen erlauben.  Es  handelt  sich  um  ein 
Gebiet , welches  zwei  Hauptströmen  an  gehört : 
im  Norden  dem  Inn,  im  Süden  der  Etsch.  Die 
riesigen,  z.  Theil  übergletseherten  Gebirgsmassen, 
welche  diese  beiden  Flussgebiete  von  einander 
scheiden,  werden  nun  von  den  beiden  uns  inter- 
essirenden  Seiteuthälern  in  der  Weise  durch-, 
schnitten,  dass  das  Oetzthal  ungefähr  in  südlicher 
Richtung  vom  rechten  Innufer  sich  abzweigt  und 
mit  seinen  beiden  Endthälcrn,  dem  Venter-  und 
Gurgierthal,  bis  zur  übergletseherten  Oetztlialer 
Centralgebirgsmassc  emporsteigt,  während  auf  der 
andern  Seite  der  letztem,  durch  mächtige  Ferner 
und  mehr  als  11000'  hohe  Berghäupter  vom 
Stromgebiet  des  Inn  geschieden , das  Schnalser- 
thal in  südöstlicher  Richtung  hinabführt , um 
bei  Staben  in  das  Etschgebiet  , das  Vintscbgau- 
thal,  cinzumündcn.  — Zwei  Jochübergänge,  das 
9311'  hohe  Hochjoch,  und  das  9493'  hohe  Nieder- 
joch vermitteln  die  Verbindung  zwischen  Oetz- 
und  Schnalserthal,  also  zwischen  Inn-  und  Etsch- 
gebiet. — Dieses  eigentümliche  geographische 
Verhalten  ist  nun  jedenfalls  von  nicht  unter- 
schätzbarer  Bedeutung  für  die  ethnologische  Ver- 
teilung der  Bevölkerung.  — 

Das  Unterinnthal  ist  von  germanischen  Stäm- 
men, in  Sonderheit  von  den  Bajuvaren,  in  Besitz 
genommen  worden.  Dieses  Element  schwindet, 
je  weiter  man  in  das  Oberinnthal  vordringt, 
immer  mehr  in  einer  jetzt  freilich  sprachlich 
gernmnisirten  rhätoromanischen  Bevölkerung,  die 
wiederum  mit  den  auch  sprachlich  nicht  deutschen 
Bewohnern  Graubündtens  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhang steht.  Das  Oetzthal  nun  gehört  dem 
Uebergangsgebiet  des  bis  Innsbruck  reichenden 
| Unter-  und  Oberinnthal  nn. 

(Fortsetzung  in  Nr.  8.) 


Druck  der  Akademischen  liuclidruckcrei  von  F.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Deduktion  «im  23.  Febr.  ltitiO. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  ron  Professor  Dr.  Johannen  Ranke  in  München, 

0*ntral**frdör  der  OtttUechafl. 


XI.  Jahrgang.  Nr.  3.  . Erscheint  jedon  Monat.  März  1880. 


Zur  Anthropologie  Tirols. 

Von  Dr.  Rabl-Rückhard.  (Berlin.) 

( Fortsetzung.) 

Nach  B.  Weber  sind  die  Oetzthaler,  wie 
«ine  alt«  Ueberlieferung  sagt,  schwäbischen 
Ursprungs,  und  sollen  viel  mit  den  Bewohnern 
von  Schnals-,  Samthai  und  Ulten  in  Sprache, 
Charakter  und  Denkweise  gemein  haben.  Ja 
der  hinterste  Theil  vom  Oetzthal,  das  Venter- 
thal, gehörte  bis  vor  wenigen  Jahrzehnten  zürn 
Landgericht  Castelbell  und  zur  Pfarre  Unserer 
lieben  Frau  im  Schnalserthal  „ungeachtet  grauen- 
volle Ferner  Gebirge  dazwischen  liegen“  sagt 
Weber.  Vent  selbst  erscheint  in  einer  Urkunde 
vom  Jahre  1261  als  Vendo  Besitzthum  des  Grafen 
von  Ulten.  „So  steht,  nach  Weber“  die  Yer- 
muthung  auf  ziemlich  festem  Grunde,  dass  die 
ersten  Bewohner  vom  Oetzthal  über  Schnals  und 
Passeyer  eingewandort  seien  und  zu  jenen  grossen  I 
allem annischen  Volksbruchstücken  gehörten , die 
nach  Schnals , Deutschhofen  u.  s.  w.  zerstreut 
sind. 

Wir  können  diese  Hypothese  Weber’s,  so- 
weit sie  die  Besiedelung  des  Oetzthals  vom  Vintsch- 
gauthal  her  anninunt,  gelten  lassen,  ohne  darum 
die  Bewohner  als  Allomannen  auzusehen.  — Im 
Vintschgau  nämlich  sass  zur  Zeit  der  römischen 
Eroberung  der  rhätischo  Volksstamm  der  Vonosten. 
Später  entwickelte  sich  hier,  wie  ich  bereits  in 
meinem  oben  erwähnten  Vortrage  auseinander- 
setzte, ein  reiches  römisches  Provinzialleben,  eine 
viel  befahrene  Hümerstrasse  führte  vom  Etschthal 
über  Meran  durch  das  Vintschgau  ins  Innthal 
hinauf,  und  wir  stossen  nicht  nur  in  Ortsnamen 


noch  heut  Überall  auf  römische  Erinnerungen. 
Kurz , wir  greifen  gewiss  nicht  fehl , wenn  wir 
i im  Vintschgau  eine  ursprünglich  dichte  rhätoro- 
manische  Bevölkerung  voraussetzen,  im  Gegensatz 
zu  der  germanischen  des  Innthals  unter-  und 
dicht  oberhalb  Innsbrucks.  — So  sind  beide 
Thäler  auch  ethnologisch  völlig  verschiedenen 
Stromgebieten  zugehörig,  dem  mächtig  anschwel- 
lenden Germanenstamm  einerseits,  der  sich,  Alles 
zurückdrängend  und  Überfluthend , von  Norden 
her  ins  Innthal  ergoss  und  erst  im  Oberinnthal 
allmälig  verrinnt , und  dem  zähen  sesshaften, 

1 rhätoromani sehen  Stamme  andererseits , der  im 
hochkultivirten  Etsch-  und  Vintschgauthal  um 
die  alte  Teriolis  und  Maja  Feige  und  Rebe 
pflegte.  — 

Ist  diese  Voraussetzung  richtig,  so  müssen 
gerade  die  beiden  Seitenthäler,  um  die  es  sich 
hier  handelt,  den  Uebergang  zwischen  germa- 
nischem und  rhätoromanischem  Volksstamm  auch 
in  seinen  Bewohnern  orkennen  lassen : es  ist  wahr- 
scheinlich, dass  der  nördliche  Ausgang  des  Oetz- 
thales  noch  von  vorwiegend  germanischen  Ein- 
dringlingen, seien  es  Allemannen,  oder  Bajuvaren, 
in  Besitz  genommen  wurde , während  die  Be- 
wohner des  thaleinwärts  gelegenen  Gebietes  vom 
Süden  her  aus  dom  rbätoromanischen  Stromthal 
Uber  die  Ferner  allmälig  eingewandert  sind.  — 
Vielleicht  begegneten  sich  auch  in  den  Hoch- 
thälern  die  flüchtigen  Reste  der  rhätoromanlsclien 
Urbevölkerung  des  Inn-  und  Vintschgauthales, 
oder  die  darin  zur  Zeit  dor  germanischen  Er- 
oberung ansässigen  Rhätoromanen  wurden  von 
den  Eroberern  in  ihren  unwirklichen  Schlupf- 
winkeln lange  Zeit  unbehelligt  gelassen  und  erst 

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18 


allmälig  mit  germanischen  Elementen  durchsetzt. 

— Nur  durch  die  Annahme  einer  anfangs  auch 
sprachlich  fort  bestehenden  rhätoromanischen  Be- 
völkerung im  oberen  Oetz-  und  Schnalserthal  er- 
klären sich  die  vielen,  nur  aus  dem  Lateinischen 
ableitbaren  Bergnamen  jener  Thftler.  Uebrigens 
ist  es  eine  auch  underorts  gemachte  Erfahrung, 
dass  man  in  einem  von  fremden  Eroberern  in 
Besitz  genommenen  Gebirgslande  die  Reste  der 
alten  Bevölkerung  in  den  unzugänglichen  Seiten- 
thälern  aufsuchen  muss,  während  die  fruchtbaren 
Hauptthäler,  als  leichte  Beute  in  die  Hände  der 
Sieger  fallend,  hauptsächlich  von  diesen  besiedelt 
wurden.  — 

Hatte  nun  mein  erster  Vorstoss  iii  dieses 
streitige  Gebiet  den  vorwiegend  nicht  germanischen 
Charakter  der  alten  Bewohner  des  zu  St.  Peter 
gehörigen  Sprengel« , soweit  die  Dolichokephalie 
das  Kennzeichen  der  alten  Germanenschädel  ist,  j 
in  ihrer  enormen  Brachykephalie  erwiesen,  so  be-  1 
rechtigon  die  Messungen  des  Herrn  Ta  pp  einer 
zu  einem  Schluss,  der  den  oben  angcstellten  Be- 
trachtungen eine  gewisse  t hat  sächliche  Grundlage 
verschafft.  — Herr  Tapp  einer  hat  auf  seinen 
Wanderungen  vom  Innthal  durch  das  Oetzthal 
und  Schnalserthal  ins  Vintschgau  von  Ort  zu 
Ort  eine  Anzahl  Schädel  und  Lebender  gemessen, 
und  es  lässt  sich  nunmehr  übersehen,  dass  ein 
zahlreiches  in e s o k e p h a 1 e s K I e m e n t am 
nördlichen  Ausgange  des  Oetzthal es 
vorhanden  ist,  welches,  jo  weiter  man 
in  d ie  H öh  e s teigt,  i tnmor  mehr  zurück- 
tritt und  im  Schnalserthal  auf  einen 
üuKserst  geringen  Prozentsatz  herab- 
sinkt.  — 

Der  erste  Ort  im  Oetzthal,  wo  Herr  Tap- 
peiner Messungen  anstellte,  ist  Oetz,  ein  in 
ziemlich  breiter  Thalsohle  gelegenes  grosses  Dorf, 
das  zweite  vom  Thalausgaug  nach  dem  Innthal. 

Von  den  80  Schädeln  der  Beingruft  des  dortigen 
Friedhofes,  die  gemessen  sind,  haben  10  einen 
Längenbreitenindex*)  von  unter  80,0.  (Indiees 
75,5  - 89, 2.)  Das  Verhältnis«  der  Schädel  unter 
80  zu  dem  über  80  stellt  sich  somit  für  Oetz 
auf  50:100  oder  auf  33  Vs  °o.  — Im  Dorfe 
Sölden , das  etwa  7 Wegsstunden  weiter  thal- 
abwärts  liegt,  fanden  sich  uuter  12  Schädeln  nur 
3 raesokephaie,  darunter  einmal  der  Index  73,6, 
mithin  25°/o.  — In  Vent  stand  der  einzige  auf- 
gefundeno  Schädel  an  der  Grenze  der  Mesokephalie 
zur  Brachykephalie.  Somit  fanden  sich  im  Oetz- 

•)  Länge:  Sntura  misofrontalis  bis  hervorragendster 
Thcil  de«  Ueciput.  Breite:  grössere  Breite. 


thal  überhaupt  auf  100  brachykephale  etwa  48 
mesokephale  Schädel,  d.  h.  32,66  °/e.  Die  im 
Schnalserthal,  und  zwar  in  Unserer  lieben  Frau,  Kar- 
thaus und  St  Katharina  an  28  Schädeln  angestellten 
Messungen  ergaben  im  schroffsten  Gegensatz  dazu 
nur  2 raesokephaie  darunter,  d.  h.  auf  100 
Schädel  über  80  kommen  nur  7,3  unter  80, 
d.  h.  7,14  •;».  — Im  Ganzen  fanden  sich  somit 
unter  71  Schädeln  16  mesokephale,  d.  h.  22, 53°/», 
aber  für  das  Oetathal  32,66,  für  das  Schnalser- 
thal  7,14  °/o.  — In  St.  Katharina,  dem  südlichst 
gelegenen  Punkt  des  Sehnalserthals,  fand  sich  so- 
gar nur  1 mesokephaler  Schädel  auf  17  hrachy- 
kephnle , also  5,5  °/o  ! (cfr.  die  beigegebene  Ta- 
belle). — 

Ei  wird  nun  darauf  ankommen,  zu  erforschen, 
in  wie  weit  die  Mesokephalie  in»  Innthale  ver- 
breitet ist.  Ich  möchte  daher  namentlich  an  die 
Facbgenossen  in  der  Universitätsstadt  Innsbruck 
die  Bitte  richten,  dieser  Frage  näher  zu  treten. 
Vorerst  weist  das  Ergehn  iss  der  Oetzer  Seh&del- 
messungen  auf  die  Möglichkeit  einer  grössem 
Verbreitung  der  Mesokeplmlen  im  Tiroler  Hoch- 
gebirge hin,  als  wir  theils  auf  Grund  der  in  der 
vorigen  allgemeinen  Versammlung  von  Herrn 
J.  Ranke  gemachten  Mittheilungen,  theils  in 
Folge  meiner  eignen  Beobachtungen  in  8t.  Peter 
erwarten  sollten.  — Bestätig  wird  aber  die  von 
mir  bereits  auf  einem  beschränkten  benachbarten 
Gebiet  aufgefundene  Brachykephalie  für  die  Be- 
wohner des  zu  demselben  Thalgebiet  gehörigen 
Sehnalserthals.  — 

Was  die  von  Herrn  Tappeiner  »ngest eilten 
Messungen  an  Lebenden  betrifft,  so  belaufen  sich 
dieselben  auf  45  im  Oetz-,  48  im  Schnalserthal. 
Das  Dorf  Oetz,  also  gerade  die  Hauptfundstätte 
der  mesokcphalen  Schädel , ist  dabei  nicht  be- 
theiligt, wohl  aber  Sölden,  Längenfeld,  Heilig- 
kreuz. Vent,  Gurg!  im  Oetzthal,  Kurzras,  Unsere 
liebe  Frau.  Karthaus  im  Schnalserthal.  - Unter 
; all  diesen  Messungen  findet  sich  nur  ein  ein- 
ziger mesokephaler  Mann  in  Vent  (7  79,8). 

Alle  Andern  sind  mehr  weniger  hohe  Brachy- 
kephalen.  — Zum  Tbeil  hat  Herr  Tapp  einer 
auch  die  Haar-  und  Augenfarbe  vermerkt . und 
1 so  lässt  sich  nach  weisen,  dass  sehr  hohe  Grade 
von  Brachykephalie  (94,1)  mit  blondem  Haar  und 
grauen  Augen  vereint  Vorkommen.  — 

leb  muss  iu  Betreff  der  weiteren  Ausführungen 
auf  unsere  beabsichtigte  gemeinschaftliche  Be- 
arbeitung verweisen,  und  w'ollte  nur  auf  das  auf- 
fälligste Ergebnis«  derselben  hier  im  Voraus  auf- 
merksam machen.  — 


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19 


Tabelle  des  Sch  ttd  e 1 »ml  ice». 


Berlin,  den  8.  August  1879. 


Mineralogisch -archäologische 
Beobachtungen. 

Von  H.  Fi  «eher  (Freibur^). 

I.  U eben  teilt  Uber  die  in  öffentlichen  und  PrUlt* 
Museen  Deutschlands,  Oesterreichs,  der  Schweiz  und 
Oberltallens  vorflnd  lieben  grösseren  Belle  aus  Ne- 
phrit, Jadeit  und  Chlorouielanlt. 

Nachdem  meine  desfallaigen  Untersuchungen 
soweit  gediehen  sind,  dass  ich  nicht  mehr  viel 
Neues  von  solchen  Beilen  zur  Einsicht  uud 
Prüfung  zu  erwarten  habe,  finde  ich  es  passend, 
eine  Zusammenstellung  zu  veröffentlichen,  welche 
von  den  nicht  gar  zu  kleinen  Beilen  ausgehend  bis 
zu  dcu  Riesenexemplaren  aulsteigt  und  den  früher 
wohl  nicht  geahnten  Reichthum  solcher  Boten 
aus  dem  hohen  Alterthum  in  unseren  Gegenden 
den  Lesern  kundgibt. 

Zugleich  ist  es  mir  eine  angenehme  Pflicht, 
bei  diesem  Anlass  den  Museumsdirektoren  und 
und  Privaten , welche  mich  durch  Zusendung 
ihrer  Fundobjekte  mit  ihrem  Vertrauen  beehrten 
oder  — soweit  Statuten  dies  verwehrten  — doch 


' mir  sachdienliche  Mitteilungen  zügelten  Hessen,  „ 
eine  kleine  Aufmerksamkeit  zu  erweisen.*) 

Wie  aus  diesen  Listen  ersichtlich  wird,  be- 
trugt die  Zahl  der  Beile  aus  Jadeit  und  Chloro- 
; meluuit  zusuinmen  etwa  120  und  wir  können  sie 
— gegenüber  den  Nephritbeilen  — füglich  zu- 
sammen betrachten,  da  jeno  beiden  Substanzen 
einander  überaus  nah«!  stehen  lind  deren  bis  jetzt 
noch  unbekannte  Fundstätte  möglicherweise  eiue 
gemeinschaftliche  ist. 

Es  ist  hiebei  zu  bemerken , dass  die  Jadeit  - 
' uud  Ckloromolunitlteile  sümmtlich  einer  langst 
| verklungenen  Zeit  unzugehüren  scheinen,  demnach 
| ausschliesslich  als  prähistorisch  zu  betrachten  sein 
| werden,  während  Nephritbeile  wenigstens  in  Neu- 
seeland noch  bis  in  die  Neuzeit  hineinreichen, 
i Von  den  aufgeführten  Nephritboilen  sind  die 
10  neuseeländischen  Exemplare  von  der  Zeit  der 
Cook  - Förster  'schon  Expeditionen  an,  also  erst 
etwa  seit  deu  letzten  100  Jahren  zu  uns  ge- 
kommen , ebenso  die  3 von  Otaheiti , die  7 
von  Neucaledonien  und  die  2 von  Neu-Guinea ; 
dasselbe  gilt  für  die  13  sibirischen,  also  wurden 
zusammen  41  solcher  Beile  von  ihren  uns  gut 
bekannten  Fundstätten  erst  in  ganz  später 
Zeit  in  unsere  Hände  gofUhrt  und  es  blieben 
demnach,  da  wir  für  das  Exemplar  aus  NNW- 
Amerika  gleichfalls  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
die  Abkunft  aus  Sibirien  annehiuen  dürfen,  nur 
noch  das  eine  aus  Mexico,  danu  die  in  der  Schweiz 
und  in  Deutschland  gefundenen  wenigen  Nephrit- 
beile von  irgend  nennenswerther  Grösse,  end- 
lich eines  aus  dem  Peloponnes  übrig;  von  den 
durch  Dr.  Schliemann  in  Troja  ausgegrabenen 
angeblichen  Nephritbeilen  kenne  ich  die  Umrisse 
noch  nicht,  glaube  aber  aus  dem  mir  angegebenen 
absoluten  Gewichte  von  6 derselben  vorläufig  den 
Schluss  ziehen  zu  können , dass  keines  dieser 
letzteren  die  Länge  von  10  cm  weit  übersteigen 
dürfte.  Das  im  Freiburger  Museum  uufbewahrte 
Nephritbeil  von  Blansingen  (zwischen  Basel  und 
Freiburg)  mit  11,0  cm  Länge  bei  4,5  cm 
grösster  Breite  ist  meines  Wissens  in  Europa  das 
grösste  der  bekannten  prähistorischen  Ne- 
phritbeile und  auch  von  ganz  anderer  Form  als 
die  historischen. 

Diese  Erscheinung  stimmt  sehr  gut  mit  der 
schon  früher  von  mir  mitgetheilten  statistischen 

*)  Da  es  von  Interesse  ist,  möglichst  viele  der 
grössten  Beile,  deren  Originale  in  den  verschiedensten 
Sammlungen  zerstreut  sind,  in  Imitationen  in  einem 
und  demselben  Museum  nebeneinander  zu  Neben,  w» 
wurde  hietilr  u.  a.  in  Mainz,  Berlin,  Freiburg,  Lyon  etc. 
Vorkehrung  getroffen. 

1* 


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20 


Beobachtung,  dass  die  Fundstätten  prähistorischer 
Nephritbeile  vorerst  nicht  weiter  nörd lieh 
als  bis  zum  48.  und  49. n n.  B.  (Blansingen, 
Starenberg-See,  Nördlingen)  reichen ; daneben  ist 
bemerkenswerth . dass  die  meisten  prähisto- 
rischen Nephritbeile  auch  nicht  einmal  nur  die 
Grösse  eines  mittelgrossen  sibirischen  oder  neu- 
seeländischen erreichen. 

Da  nun  diese  drei  Mineralien : Nephrit,  Jadeit 
und  Chloromelaoit  sehr  hart  sind  und  zugleich 
zu  den  zähesten  Substanzen  gehören,  welche  die 
Mineralogie  kennt,*)  so  würde  sich,  da  die  prä- 
historischen Menschen  keine  Sprengarbeiten  an 
Felsen  vorzunehmen  in  der  Lage  waren , eigent- 
lich schon  ganz  von  selbst  verstehen , dass  sie 
etwa  grössere,  freiwillig  von  der  Natur  abgelöste 
Blöcke  durch  Erhitzen  (sofern  sie  Feuer  zu 
machen  verstanden)  und  unmittelbar  darauf  folgen- 
des rasches  Ab  k ü h 1 en  zerkleinern  mussten,  um 
aus  den  Fragmenten  Instrumente  herzustellen, 
widrigenfalls  sie  darauf  angewiesen  waren,  klei- 
nere von  der  Natur  selbst  gelieferte  Bruch- 
stücke hiezu  zu  verwenden , wie  man  sie  als 
Gerolle  in  Bächen  und  Flüssen  findet.  Dass 
aber  letztere  auch  bei  anderen  Mineralien  wirk- 
lich auf  der  ganzen  Erde  hiezu  verwendet 
wurden,  habe  ich  zufolge  meiner  vielfältigen  Er- 
fahrungen an  Beilen,  Anmieten  und  Idolen  ver- 
schiedcnemalc  in 'meinen  Publikationen  betont  und 
ganz  neulich  wieder  an  einer  ansehnlichen  Zahl 
babylonischer  Cylinder  nndTalismane 
aus  verschiedenen  Quarz  Varietäten,  Serpentin  u.  s.w, 
aus  dem  Gratzer  Museum  bewährt  gefunden.  Wir 
werden  demnach  zu  erwarten  haben,  dass  auch 
heute  noch  an  irgend  einer  Stelle  der  Erde  sich 
Geröll«  der  genannten  Mineralien,  soweit  uns  ihre 
Heimat  noch  unbekannt  ist,  in  Bächen  und  Flüssen 
finden  und  uns  die  so  wichtigen  Winke  für  die 
prähistorischen  Völkerzüge  liefern  könnten. 

*1  In  wie  hohem  Grade  dies  der  Fall  sei.  möge 
man  daraus  entnehmen,  das»  man  besonder»  bei  den 
beiden  letztem  selbst  mit  den  besten  Hämmern  kaum 
Splitter  Icwzuachlagen  vermag;  ja  noch  mehr.  Als 
ich  vor  Kurzem  in  einer  der  weitbekannten  Stein- 
schleifereien zu  Waldkirch  bei  Freiburg  dem  Ar- 
beiter, der  da»  Geschäft  des  Stcinsrhneidens  mittelst 
der  Diamant  säge  besorgt,  eine  Anzahl  Steinbeile 
vorlegte,  von  denen  er  mir  Splitter  für  die  Unter- 
suchung absiigen  sollte  und  worunter  auch  ein  Jadeit- 
beil war.  so  erklärte  er.  die  Arbeit  sofort,  bei  allen 
vornehmen  zu  wollen,  für  das  Jadeitbeil  bedürfe  es 
aber  einer  neu  mit  Diamant  armirten  Sägeplatte! 
Ich  wunderte  mich  nicht  wenig,  dass  der  schlichte 
Arbeiter,  dem  ich  auch  nicht  mit  einer  Silbe  ange- 
deutet hatte,  welcherlei  Steine  es  seien,  dem  Jadeit 
sogleich  beim  ersten  Anblick  seine  Härte  und  Zähig- 
keit anmerkte. 


Von  welcher  Stelle  der  Erde  das  Material  für 
I dio  prähistorischen  Beile  au«  Nephrit 
stamme,  von  welchem  doch  in  Sibirien,  Turkestan 
| und  Neuseeland  Fundstätten  bekannt  sind,  ist  bis 
! heut«*  noch  nicht  sicher  festgestellt.  Aus  Turke- 
I stan  sind  Blöcke  bis  zu  100  Zentnern  bekannt 
! (vgl.  Fischer,  Nephrit  u s.w.  pg.  207,  407)» 

| angeblich  vom  Amur  liegen  (vgl.  a.  a.  0.  pg.  325) 
im  British  Museum  Blocke  von  3 — 4 Centnern 
(diese  Sorte  bekam  ich  noch  nie  selbst  zu  sehen), 
von  dem  Nephrit  von  Batugol  bei  Irkutsk  besitzt 
das  Petersburger  Museum  einen  Block  bis  zu 
456  kg,  die  Ecole  des  Minos  zu  Paris  einen  von 
500  kg ; aus  Neuseeland  wurde  für  das  Wiener 
Museum  ein  Block  von  123,32  kg  erworben 
(vgl.  8itzgsber.  d.  Wiener  Akad.  1879  XVII. 
[17.  Juli]  pg.  193). 

Mit  solch“  grossart  igen  Vorkommnissen  ist 
auch  das  Kaliber  der  oben  angeführten  Nephrit  - 
beile  aus  Sibirien,  Neuseeland,  Neu- 
caledonien,  welche  seit  dem  letzten  Jahr- 
hundert zu  uns  gebracht  wurden,  ganz  im  Ein- 
klang, während,  wie  oben  erwähnt,  das  grösste 
mir  bekannt  gewordene  prähistorische  Nephrit- 
beil (Blansingen)  nicht  die  Länge  von  11  — 12  cm 
übersteigt.  8ollten  diese  letzteren  demnach  von 
einem  anderen , weniger  ausgiebigen  Fundorte 
! stammen  ? F.  v.  H o c h s t e 1 1 e r,  Berwerth  u.  A. 

' denken  hiefür  an  die  Alpen,  wofür  auch  die 
I erstaunlich  grosse  Anzahl  ganz  kleiner  Nepbrit- 
i meswr  u.  s.  w.  aus  den  neuesten  Ausgrabungen 
von  Mauruch  bei  Ueberlingen  am  Bodensee  (Mu- 
seen von  Konstanz  und  Stuttgart)  zu  sprechen 
scheinen  könnte.  Höchst  seltsam  bliebe  es  dann 
übrigens  immer,  dass  auch  noch  nicht  ein  einziges 
Stück  rohen  Nephrits  in  den  Alpen  gefunden 
wurde,  während  die  prähistorischen  Völker  bei 
etwaigen  Zügen  über  die  Alpen  doch  kaum  irgend 
welche  Wege  eingeschlagen  hüben  dürften,  die 
von  den  so  fleissigen  alpinen  Geologen  und  Mine- 
ralogen nicht,  ebenfalls  schon  betreten  wären. 

Merkwürdig  erscheint  mir  ferner,  das»  mit 
Ausnahme  eines  einzigen . mir  noch  nicht  aus 
I Autopsie  bekannt  gewordenen  weissen  angeb- 
lichen Nephritbeilchens,  welches  Herr  Dr.  Sehlie- 
mann  in  Troja  ausgrub,  mir  noch  keine  weissen 
prähistorischen  Nephritbeile  bekannt  wurden.  Dem- 
nach scheinen  die  grossartigen,  schon  im  histo- 
rischen Alterthum  und  bis  in  die  neuere  Zeit  zum 
Theil  durch  Steinbruchsbau  ausgebeutet  en  Vor- 
kommnisse von  Nephrit  im  Kuen-lun-Gebirge  bei 
Khotan  in  Turkestan,  wo  gerade  farblose,  gelblich- 
weisse,  molkenfarbige  Sorten  mehr  vorherrschend 
als  grüne  sein  dürften,  entweder  den  prähistorischen 


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Völkern  noch  nicht  bekannt  gewesen  oder  we-  J 
nigstens  von  ihnen  nicht  zu  diesem  Zwecke  aus- 
gebentet  worden  zu  sein  oder  diese  Völkerzüge 
haben  ihre  Richtung  überhaupt  gar  nicht  über 
jene  Gegenden  (Khotan.  Yarkand  etc.)  genommen, 
wo  der  Nephrit  in  Lagen  von  20  bis  30  Fuss 
Mächtigkeit  auftritt  (vgl.  über  diesen  letzteren 
Punkt  Fischer,  Nephrit  pg.  269  sub  1868  v. 
Follenberg,  pg.  200  ff-,  294  sub  Hermann 
von  Schlagintweit-Sakünlünski,  desgl. 
pg.  «301,  302  sub  von  Richthofen  und 
Stol  iz  k a). 

Wie  grossartig  muss  nun  im  Vergleich 
mit  all*  diesen  oben  für  den  Nephrit  erörterten 
Verhältnissen  das  Vorkommen  von  Jadeit  und 
Chloromelanit  an  den  uns  noch  unbekannten  Fund- 
orten sein,  wenn  die  prähistorischen  Völker  zu 
uns  nach  Europa  eine  so  erhebliche  Menge  Heile, 
wie  ich  sie  nur  schon  in  der  Liste  auffUhre,  , 
darunter  solche  bis  zu  einer  Lange  von  36  cm 
mitbrachten ! Sollte  es  möglich  sein  — so  muss 
ich  Angesichts  obiger  Aufzählung  immer  wieder 
fragen  — , dass  ein  so  bedeutendes  Auftreten 
von  Mineralien  in  Europa  selbst  bis  auf  den 
heutigen  Tag  den  europäischen  Mineralogen,  vol- 
lends bei  der  Härte  und  der  Elegauz  jener  Körper 
entgangen  wäre  und  wenn  es  auch  dem  hin-  ' 
tarnten  Winkel  der  Alpenwelt  angehörte? 

Und  sollte  das  Material  für  die  urächten,  mit  | 
eingravirten  Hieroglyphen  versehenen  ägypti- 
schen Scarabäen  aus  Chloromelanit  (Museen  J 
von  Wien  und  Wiesbaden)  gleichfalls  aus  den 
Alpen  stammen,  ferner  jenes  für  die  verschiedenen  | 
mir  bekannt  gewordenen  mexicanischen  Ja-  , 
deitbeile  von  der  Grösse  von  3 bis  7,  10,  18  und 
22  cm,  zum  Theil  mit  mexicanischen  Hieroglyphen 
bedeckt  (Museen  von  Hasel,  Wien,  Darms  tadt 
[Herr  Ph.  J.  Hecker],  Hamburg,  [II.  Hermann, 
Strebei]),  für  dos  Jadeitbeil  aus  der  argentini- 
schen Republik  (Mailänder  Museum),  endlich  für 
die  24  cm  hohe  prächtige  mexicanische  Chloro- 
melanitfigur  im  Besitz  des  Herrn  Dr.  JuriÖ  in 
Wien! 

Neben  alledem  ist  nun  noch  die  grosse  An-  ! 
zahl  von  Jadeit-  und  Cbloromelanitbeilen  in  He- 
tracht  zu  ziehen,  welche  über  Frankreich  aus- 
gestreut gefunden  und  von  meinem  hochverehrten 
Freunde  A.  Damour  in  Paris  in  der  von  uns 
gemeinschaftlich  publieirten  Uebersicht  (Revue 
archöologique  1878  Juillet)  aufgezählt  wurde, 
nachdem  alle  von  ihm  persönlich  geprüft  waren. 

Jene  französischen  Beilo,  mit  den  von  mir 
aufgeführten  zusammen  genommen,  ergeben  doch 


schon  ein  ganz  erhebliches  absolutes  Gesummt- 
gewicht von  diesen  Mineralien  (für  dessen  an- 
nähernde Bourtheilung  habe  ich  bei  einigen  von 
unserer  Liste  das  absolute  Gewicht  angegeben), 
welches  auf  ein  wirklich  ganz  grossartiges  Vor- 
kommnis« an  irgend  einem  erst  noch  zu  ergründen- 
den Orte  der  Erde  schliessen  lässt,  ebenso  gross- 
artig , wo  nicht  noch  bedeutender,  als  die  oben 
angeführten  Nephritmassen  von  Sibirien , Neu- 
seeland etc.*) 

Aus  dem  Umstande  schon,  dass  ich  noch  nie- 
mals, auch  nicht  an  den  grössten  Jadeit-  und 
und  Cbloromelanitbeilen,  eine  Spur  von  Neben- 
gestein entdecken  konnte,  was  in  gleicher  Weise 
fast  ausnahmlos  für  die  exotischen  Nephritbeile 
gilt,  lässt  sich  nach  mineralogischen  Grundsätzen 
auf  ein  Vorkommen  grosser  homogener  Massen 
schliessen.  wie  sie  ja  für  die  sibirischen,  turkestu- 
nischen  und  neuseeländischen  Nephrite  auch  von 
don  betreffenden  Fundstätten  selbst  in  der  That 
bekannt  sind.  Wenn  wir  uns  nach  den  dem 
Jadeit  qualitativ,  aber  bloss  scheinbar  nächst - 
verwandten  Silicaten  Umsehen , so  ist  das  Vor- 
kommen von  Skapolith,  Prelinitoid  unvergleichlich 
spärlicher  und  höchstens  der  Possauit  (aus  dessen 
Verwitterung  die  Porzellanerde  hervorgeht)  ist  in 
so  grossem  Maasstab  bekannt,  dass  ein  Vergleich 
zulässig  wäre.  Berechnen  wir  jedoch  die  Formel 
des  Jadeit,  so  darf  er  nicht,  wie  der  Skapolith, 
zu  den  Singulosilicaten  gestellt  werden,  sondern 
reiht  sich  den  Bisilicaten  an  und  zwar  zeigt  sich 
nach  meinen  Berechnungen  der  verschiedenen  Ana- 
lysen, welch’  erstere  mir  auch  A.  Damour  aus 
seinen  Erfahrungen  bestätigt,  das  Sauerstoff- 
verhältniss  von  R 0,  Ri  0*  und  Si  O*  oft  wie 
1:2:6,  aber  auch  wie  1:2*5,  1:2:7,  1:3:8; 
dasselbe  gilt  für  den  Chloromelanit.  Diese  Unbe- 
ständigkeit der  genannten  Verhältnisse  kann  um  so 
mehr  auffallen , da  einerseits  die  qualitative  Zu- 
sammensetzung niebtsosehr  variirt  und  andererseits 
meine  mikroskopischen  Untersuchungen  an  Dünn- 
schliffen beider  Körper  im  Allgemeinen  grosse 
Homogenität  CHchweisen  konnten,  nur  ist  beim 
Chloromelanit  oft  Magneteiseu  ziemlich  reichlich 
eingessprengt,  ausnahmsweise  auch  Granat.  — 

Leider  ist  es  mir  selbst  bis  jetzt  noch  nicht 
gelungen,  auch  nur  an  einem  einzigen  Beil  oder 
rohen  Stück  dieser  Mineralien  aus  Thibet,  China 


•)  Nur  mir  allein  gingen  schon  nach  einer  an- 
nähernden Zn nammen zäh  1 ung  der  für  die  Bestimmung 
des  apez.  Gewichts  zuerst  ermittelten  absoluten  Ge- 
wichte Uftw  in  den  letzten  2 Jahren  an  Nephritbeilen 
etwa  600  g.  an  Jadeitbeilen  etwa  15700  g.  an  Chloro- 
inelanitbeilen  2062  g durch  die  Hand. 


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00 


und  Hinnah  etwas  von  Nebengestein  zu  entdecken, 
um  daraus  irgend  welche  Winke  für  das  Vor- 
kommen derselben  in  dieser  oder  jener  Felsart  zu 
gewinnen.  Kürzlich  erhielt  ich  jedoch  von  Herrn 
A.  Damour  die  Mittheilung,  dass  vor  einer 
Keihe  von  Jahren  ein  Juwelier  in  Paris  aus  In- 
dien (?  Hinte  rindien)  eine  wahre  Schiffsladung  von 
Jadeit  bezogen  habe,  in  Form  von  grossen  ab- 
gerundeten Geröllblöcken.  Es  waren  im  Ganzen 
wohl  10UO  kg.  Unter  dieser  kolossalen  Masse 
wur  jedoch  ein  einziger  nicht  gar  grosser  Block 
von  der  schön  apfelgrUnen  lind  smaragdgrünen 
Farbe , welche  in  der  Bi  jouterie  gesucht  ist. 
Jener  Juwelier  liess  daraus  einige  Stücke  in  Form 
von  Kreuzen,  Bracelets,  Ohrgehilngeu  schneiden, 
den  Rest  der  Ladung  verkaufte  er  an  verschiedene 
Steinschneider.  Diese  Blöcke  seien  nun  zufolge 
Damour’s  Bericht  wesentlich  aus  Jadeit  ge- 
bildet, innigst  gemengt  mit  verschiedenen  andern 
Mineralien,  als:  Hornblende,  Augit,  Quarz,  Eisen- 
kies, Chlorit  etc.  Dasselbe  möchte  nun,  wie 
Damour  glaubt,  bei  den  Jadeiten  der  daraus 
gefertigten  prähistorischen  Steinbeile  der  Fall  sein. 
Ich  habe  jedoch  bis  jetzt  in  den  gerade  von  mir 
im  Dünnschliff  untersuchten  Jadeiten  solcherlei 
Beimenguugeu  noch  nicht  wahrgenommen. 

Es  gibt  aber  nun  noch  einen  anderen  Punkt, 
der  bei  dieser  Mittheilung  vou  Damour  uns 
interessiren  muss.  Es  ist  dies  die  Gross- 
artigkeit des  Vorkommens,  die  durch  die  An- 
gabe von  diesen  Riesenblöcken  von  Jadeit  er- 
sichtlich wird  und  so  muss  nach  meinen  Begriffen 
auch  dasjenige  Vorkommen  gewesen  sein,  welchem 
die  Menge  der  in  Europa  ausgest reuten  Beile 
entstammt,  worunter  sich  ja  Riesenexemplare  von 
mehr  als  36  cm  Länge  befinden.  Unter  der 
Menge  von  prähistorischen  Jadeitobjekten, 
die  mir  schon  durch  die  Hände  gingen,  waren 
auch  hellgrüne,  u.  A.  ein  Exemplar  (aus  der 
Sammlung  der  Herrn  Dr.  Riehe  in  Colmar,  vgl. 
Corresp.  - Bl.  1879  Nr.  3,  p g.  23)  von  schön 
grasgrüner  Farbe,  vermöge  welches  Umstandes 
wir  doch  vielleicht  an  jenen  (hinter-)  indischen 
Fundort  als  Quelle  für  diese  Beile  denken  dürfen. 

Fenier  war  unter  den  aus  China  an  mich 
gekommenen  rohen  Jadeitstücken  auch  eines 
von  der  schön  durchscheinenden,  blan- 
grünen  Varietät,  wie  solche  das  Material  für 
verschiedene  aus  Mexico  und  auch  aus  Europa 
stammende  prähistorische  Beile  geliefert  hat.  Unter 
den  vielen  Blöcken  zu  Paris  könnte  möglicher- 
weise, ohne  dass  man  dies  aus  der  sehr  unschön 
gefärbten  äusseren  Gerüllobertläche  gerade  zu 
atmen  vermöchte,  diese  Varietät  sich  gleichwohl 


linden.  Ein  Jadeitblock,  den  ich  für  unser  Mu- 
seum erwarb,  war  auf  dem  frischeu  Bruch 
bläulich  grün,  grob-  und  verworren  faserig  und 
liess  mich  sowohl  im  Schliff  von  Splittern  als 
auch  an  einzelnen  zertrümmerten  Bröckelehen, 
die  zu  Fasern  zerfielen,  unter  dem  Polarisations- 
mikroskop erkennen,  dass  dies  Mineral,  von  welchem 
noch  nie  Krvstalle  entdeckt  wurden,  dem  mono- 
klinen oder  triklinen  System  angehörou  muss. 

Ob  unter  der  Schaar  der  in  Frankreich  aus- 
gestreuten  Jadeitbeile,  welche  ich  natürlich  nicht 
aus  Autopsie  kenne,  einzelne  mit  smaragd-  oder 
npfelgrüncr  Farbe  oder  wenigstens  mit  solchen 
Flecken  sich  befinden,  ist  mir  nicht,  bekannt. 

Um  endlich  dieses  archäologische  Rüthsei  seiner 
Lösung  näher  zu  führen,  schien  es  mir  vor  Allem 
nötliig,  die  von  mir  aus  eigener  Anschauung  ge- 
wonnenen Erfahrungen  einmal  so,  wie  es  nun  im 
Obigen  geschah , zusammenzustellen  und  es  wird 
nun  wohl  einem  glücklichen  Zufall  anheim  ge- 
geben sein,  ob  wir  in  irgend  einem  mineralogischen 
Museum  oder  durch  Einsendungen  von  aussen  ein- 
mal rohe  Exemplare  von  Jadeit  und  Cbloromelunit 
mit  exakter  Fundortsangabe  erhalten , welche 
genau  mit  den  zu  Beilen  verarbeiteten  Varietäten 
obiger  Mineralien  übereinstimmon. 

Es  ist  hier  am  Platz,  dass  ich  den  deutschen 
Diplomaten  in  China,  Herrn  v.  Brandt,  ausser- 
ordentlichen Gesandten  und  bevollmächtigten  Mi- 
nister für  China  in  Peking,  Herrn  Dr.  v.  Möllen- 
dorf,  General-Consul  in  Tien-tsin  (bei  Peking), 
Herrn  Bismark,  Consul  in  Amoy,  endlich  Herrn 
v.  8 öden,  bis  vor  Kurzem  Consul  in  Hongkong, 
welche  mit  grösster  und  anerkennenswerthester  Be- 
reitwilligkeit mich  durch  Zusendungen  von  Mine- 
ralien aus  China  und  Mittheilung  einscblagendur 
Erfahrungen  in  diesen  schwierigen  Studien  unter- 
stützen, meinen  verbindlichsten  Dank  ausspreche.*) 

Möchte  ihnen  ein  glückliches  Geschick  einmal 
dasjenige  Material  in  die  Hände  führen,  dessen 
wir  hier  in  Europa  zur  Lösung  der  oben  ven- 
tilirten  Fragen  dringend  bedürfen.  Interessant 
wird  sich  diese  Lösung  jedenfalls  gestalten ; 
sollten  sich  nämlich  diejenigen  Gegenden,  woher 
ich  bis  jetzt  rohen  Jadeit  bezog,  China,  Hinter- 
indien , später  auch  als  die  Heimat  derjenigen 
Varietäten  herausstellen , woraus  die  in  Europa 
ausgestreuten  Jadeitbeile  und  -Meisel  bestehen, 

•|  Durch  Herrn  v.  Soden  erhielt  ich  kürzlich 
aus  Hongkong  faxt  farblose  und  dann  smaragdgrün«- 
Jadeite,  die  höchst  wahrscheinlich  aus  Hinterimlien 
iBirtuah)  stammen. 


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23 


was  würden  die  Archäologen  hiezu  sagen?  und 
wie  erfreulich  wäre  die  Beantwortung  der  Frage, 
auf  welchem  Wege  die  ganz  identische  Sorte  von 
grünlichem  Jadeit  mit  eingesprengten,  allerwinzig- 
sten, honiggelben  Körnchen  als  Meissei  nach  Ltt- 
scherz  am  Bielersee  (Schweiz)  und  als  Prunkbeil 
nach  Mexico  verschlagen  wurde ! — Vergessen 
dürfen  wir  bei  Alledem  nicht,  dass  die  krypto- 
krystallinischen  Mineralien,  wie  Nephrit,,  Jadeit, 
Chlororaelanit.  heutzutage  begreiflicherweise  mehr 
als  jo  die  Stiefkinder  in  der  Mineralogie  sind  und 
also  eine  besondere  Aufmerksamkeit  Seitens  der 
roisenden  Forscher  oder  andererseits  der  Direktoren 
grosser  Museen  unmöglich  beanspruchen  können. 
Um  so  glücklicher  muss  dereinst  der  Zufall  sein, 
der  Licht  in  das  bis  jetzt  noch  waltende  Dunkel 
der  Abkunft  jener  Prunkbeile  zu  bringen  ver- 
möchte, wobei  zu  bemerken  ist,  dass  letztere  in 
ihren  Fundstätten  sich  seltsamer  Weise  Öfter  an 
römische  Niederlassungen  ansch Hessen , während 
irgend  welcher  nähere  Aufschluss  ülier  solche 
blanke  Steinbeile  meines  Wiesens  in  der  römischen 
Literatur  nicht  zu  finden  ist.*) 

Zum  Schluss  möchte  ich  mir,  sofern  etwa  in 
obiger  Uebersicht  irgend  etwas  von  den  mir  zu- 
gegangenen, einschlagenden  Objekten  nicht  mit 
aufgenommen  sein  sollte,  hiefür  Indemnität  er- 
bitten. Wer  je  eine  ähnliche  Arbeit  unternommen 
haben  sollte,  wird  cs  ermessen,  mit  welchen 
Schwierigkeiten  es  verbunden  ist , aus  ganzen 
Bergen  von  Notizen  und  von  Correspond enzen 
aus  allen  Himmelsgegenden  das  Nöthige  auszu- 
ziehen und  zu  ordnen. 

Nephrit-Beile  und  -Meissei. 

Estavayer  (Neuenburg  See):  Privatsammlung  des 

Herrn  Kd.  Jenner,  Ilern,  40  min  lang.  30  mm 
breit. 

Pfahl  bauten  am  Bielersee  — 1 1 Stücke : Privatsamm- 
lung des  Herrn  Br.  Gross.  Ncuvcville,  40—40  mm 
lang. 

Maurach  bei  Cebcrlingen  — 63  Stücke:  Hosgarten- 
Muweuni  Conntanz,  40— 49  mm  lang.**) 


*>  Da  der  Kklogit,  wenngleich  nicht  exotisch  zn 
nennen,  vielmehr  in  Kuropi«  mehrfach  einheimisch,  doch 
zu  den  Ncltenern  Felsarten  mit  geringem  Verbreitungs- 
bezirk  gehört,  so  habe  ich  für  die  aus  demselben  her- 
gestellten grösseren  Beile  gleichfalls  eine  Liste  1m»*- 
gegeben,  da  das  gröbere  oder  feinere  Korn,  ferner  das 
Vorhandensein  oder  Fehlen  eingemengter  weisser 
rilimnierbliLttchen  für  Abkunft  aus  gewissen  (legenden 
Winke  geben  könnten.  Er  gehört  gleichfalls  zu  den 
zähesten  Gesteinen. 

Hiezu  kommen  iiu  C'nnstanzer  Museum  noch 
etliche  20  Meissel  von  40  mm  Länge  bei  18  mm 
Breite  bis  zu  71  mm  Länge  bei  20  mm  Breite.  — 


j Pfahlbauten  am  Bielersee  — 5 Stücke:  l’rivutsainm- 
lung  de«  Hrn.  Dr.  Gross,  Ncuveville.  50—  59  mm 
1 lang. 

Pfahlbauten  am  Bodeniiee  - IW  Stücke:  Kosgarten- 
Museum  Conntanz,  50 — 59  mm  lang.  30-34  mm 
breit. 

Schafft*  IChavannel  Bielersee:  Privatsammlung  de* 
Herrn  Ed.  Jenner,  Bern.  50  mm  lang,  30  mm 
breit 

Admiralitätsinseln  Neu-Guinea  ( Fragment  einer  Lungen- 
spitze): British  Museum,  min.  Abthlg.  (London), 
50  mm  lang,  37  nun  lang. 

Ueberlingen  am  Bodensee : PrivuUatninlung  de«  Herrn 
Ullersberger.  Ueberlingen, 5 1 mm  lang, 35 mm  br. 

Hauenegg  bei  C'onstanz:  Rosgarten-Museum  Conatanz, 
53  mm  lang.  17  mm  breit. 

Neuveville:  Ethnograph.  Museum  Freibnrg,  55  miu 
lang.  30  mm  breit. 

An  dein  Werchelensker  Berge  bei  detn  Dorfe  Kultuk. 
unweit  Irkutsk  (Sibirien) : Museum  Petersburg,  00  mm 
lang,  26  mm  breit. 

Nördlmgen:  Städtische  Sammlung  Nördlingen,  60  mm 
lang,  27  mm  breit,  35.15  g schwer. 

Maurach  — 4 Stücke:  Rosgurten- Museum  Constanz. 
60 — 66  mm  lang.  30—40  mm  breiL^ 

Neuseeland:  Naturhist.  Hofmusemn  Wien,  60  mm 
| lang,  35  nun  breit. 

Neuseeland:  Minern  log.  Museum  Göttingen,  60  nun 
lang,  40  mm  breit, 

| Pfahlbauten  am  Zürichseo:  Archäolog.  Museum  Zürich, 
60  rom  lang.  40  mm  breit. 

Pfahlbauten  am  Bielersee  — 2 Stücke:  Privatsamui- 
lung  des  Herrn  l)r.  Gross,  Neuveville,  60  mm  lang. 
I 35—48  mm  breit. 

Maurach:  Kosgurten-Museum  Conntanz,  62  mm  lang, 
37  mm  breit. 

Pfahlhanton  in  der  Schweiz:  Privutsummlung  de*  Hrn. 
I>r.  Gross,  Neuveville,  63  mm  lang,  47  mm  breit. 

Pfahlbauten  bei  Meilen  am  Zürichs«*»:  Archäolog.  Mu- 
seum Zürich,  66  mm  lang,  64  nun  breit. 

Maurach:  Rosgarten-Museum  Conntanz,  66  mm  lang, 
42  nun  breit. 

Mexico  — (V  Nephrit):  Kthnolog.  Museum  Basel,  67  mm 
i hing,  45  miu  breit. 

Schweiz:  Privatsammlnng  des  Hm.  Dr. Gross,  Neuve- 
ville, 69  mm  lang.  51  mm  breit. 

Pfahlbauten  Issi  Meilen  am  Zürichsee:  Antiq.  Museum 
Zürich,  70  mm  lang,  32  mm  breit. 

Aduiirulitätsin*eln  Neu-Guinea  ( Fragment  einer  Lanzen- 
spitze): British  Museum.  70  mm  lang,  32  mm  breit, 

Peloponnes  — (V  Nephrite  Museum  Lyon,  70  mm  lang. 
40  mm  breit. 

Neuseeland:  British  Museum.  70  nun  lang,  40  mm  breit. 

Pfahlbauten  am  Bielersee:  Privat  Kamm  lung  des  Hm. 
I>r.  Gross,  Neuveville,  71  nun  lang,  19inm  breit; 
desgl.  71  nun  lang,  36  mm  breit. 

Maurach  bei  Ueberlingen:  Rosgarten-Museum  Conatanz, 
73  mm  lang.  20  mm  breit. 

Pfahlbauten  am  Bielersee:  Privatsammlung  des  Herrn 
I)r.  Gross.  Neuveville.  74  mm  lang.  13  mm  breit; 
desgl.  75  min  lang,  21  mm  breit. 

Meilen  um  Zürichsee:  Antiq.  Museum  Zürich,  76  mm 
lang.  38  mm  breit. 

| Schweiz:  Privat  Hamm  lung  des  Hm.  Dr.  Gross,  Neuve- 
ville, 76  mm  lang,  44  mm  breit. 

! Dorf  Pasc  hat  inskoje  bei  Krasnojarsk  (Sibirien)  :*Privat- 
saiiunlung  de»  Herrn  L o p a t » n , K rasnojarek.  77  mm 
I lang,  50  mm  breit. 


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24 


Meilen  am  Zürieh&eo:  Antiq.  Museum  Zürich,  80  mm 
lang.  40  mm  breit. 

Maurach  am  Bodensee:  Ro«garten-M useum  ( 'onstanz. 
80  mm  lang.  41  min  breit. 

Neuseeland:  British  Museum,  min.  Abth.,  80  mm  lang. 
50  mm  breit. 

Locrazl  Lti*eherz)am  Bielersee:  PrivatKammhing  des  Hrn. 
I>r.  Gross,  Neuveville,  83  mm  lang.  27  mm  breit. 

Wal  Ihausen  bei  Constans : Kosgurl  en-Mtweum  Constanz : 
85  mm  lang.  48  mm  breit. 

Gugend  von  Krasnojarsk  (Sibirien):  Privatsammlung 
ues  Hm.  Desor,  Neuehatel:  85  mm  lang,  60  mm 
breit. 

Wailhuusen  bei  Constanz ; Rosgarten-Muwum  Count anz, 
88  mm  lang,  42  mm  breit. 

Pfahlbauten  am  Zürichsee:  Antiq.  Museum  Zürich, 
00  mm  lang,  30  inm  breit. 

Otaheiti:  Mineralog.  Museum  Königsberg,  00  mm  lang, 
45  mm  breit. 

Fluss  Linunat  bei  Zürich:  Antiq.  Museum  Zürich, 
03  mm  lang.  30  mm  breit. 

Neuseeland:  British  Museum,  min.  Abth..  93  mm  lang, 
65  mm  breit. 

Nouealedonion : PrivaUaiiimlnng  des  Herrn  Schilling. 
Hamburg,  95  mm  lang.  50  mm  breit. 

Otaheiti:  Natisnalmuseum  Budapest,  95  mm  lang, 
65  mm  breit : desgl.  97  mm  lang.  50  mm  breit. 

Neuseeland:  Ethnograph.  Museum  Güttingen,  100mm 
lang,  40  mm  breit. 

Neucaledonien : Privatsainmliing  des  lb>rm  Schilling. 
Hamburg,  100  mm  lang.  55  mm  breit. 

Neuseeland:  Museum  Wiesbaden,  100  mm  lang, 
62  mm  breit. 

Oefoliplütze  l«ei  Gerlafingen  am  Hielcrsee:  Privat- 
sammlnng  des  Hrn.  Dr.  Gross,  Nouveville,  101  miu 
lang.  28  mm  breit. 

Pfahlbauten  in  der  Schweiz:  Antiq.  Museum  Zürich, 
104  mm  lang,  30  mm  breit. 

Neuseeland  : Mineralog.  Museum  Basel,  107  mm  lang, 
43  mm  lang. 

Blunsingen  in  Baden  (nürill.  von  Basel I 10  Fu»  tief 
in  der  Erde,  fern  von  PfahRwinten  gefunden:  Mu- 
seum Kreiburg  i.  B.,  110  mm  lang.  45  mm  breit, 
210,60  g schwer. 

Neucaledonien : Privutsaiumlung  des  Herrn  Schilling, 
Hamburg.  110  mm  lang,  50  mm  breit. 

N.  N.  W.  Amerika  (?  ursprünglich  Sibirien):  Kthnogr. 
Museum  Güttingen,  110  mm  lang,  56  mm  breit. 

Neucaledonien : Museum  Brannaehweig,  110  mm  lang, 
5W)  mm  breit. 

Karealnojc,  Kreis  Minusinsk  (Sibirien):  Privatsammlung 
des  Herrn  Lopa  t in,  Krasnojarsk.  115  mm  lang, 
40  mm  breit. 

Fluss  Raktukasch.  Gouv.  Jenisseisk  (Sibirien):  Privat- 
sammlung  des  Herrn  hn  pH  t i n , Krasnojarsk,  120  mm 
lang.  55  mm  breit. 

I >orf  Saledejewo  am  Tsehadobetz.  Neln-nfluss  der  Angara 
(Sibirien):  Privatsammlung  des  Herrn  Lo patin, 
Krasnojarsk.  125  miu  lang.  60  mm  breit. 

Neuseeland:  Ethnograph.  Museum  Güttingen,  125  mm 
lang,  60  nun  breit. 

Neuseeland  : Museum  Freiburg,  125  min  lang,  (50  nun  br. 

Neuseeland:  British  Museum,  min.  Abth..  130  mm 
lang.  67  mm  breit. 

In  der  Stadt  Krasnojarsk  (Sibirien):  Privut-sammlung 
des  Herrn  Lopatin,  Krasnojarsk,  133  mm  lang, 
40  mm  breit. 

Neuseeland:  Museum  Freibnrg.  135  mm  lung,  40  mm 
breit,  308,50  g schwer. 


Neuseeland:  British  Museum,  min.  Abth.,  140  mm 
lang,  50  nun  hreit. 

Knwnojur.sk  (Sibirien):  Museum  Freiburg.  140  mm 
lung.  67  mm  breit, 

Dorf  Saledejewo  um  Tschadobetz.  Nebenfluss  der  Angara 
(Sibirien):  PrivaUammlung  de*  Herrn  Lopatin, 
Knwnojarsk,  140  mm  lang,  70  breit. 

Neucaledonien : British  Museum,  min.  Abth.,  140  mm 
lang  90  mm  breit. 

Neucaledonien:  Museum  Graz,  160  mm  lang.  105  mm  br. 

Admiralitfitainseln  Neu-Guinea (Fragment  einer  Lanzen- 
spitze): British  Museum,  165  mm  lang,  35  tum  hreit. 

Dorf  Pintschatschi  bei  Krasnojarsk  (Sibirien):  I'rivat- 
Kammlung  des  Herrn  Lopatin,  Krasnojarsk,  1 70  mm 
lang,  50  mm  breit. 

Neuseeland : British  Museum,  180  mm  lang.  45mm  hreit. 

Neuseeland:  Mineralog.  Museum  Halle.  180  mm  lang. 
85  m tu  breit,  575,36  g schwer. 

Neucaledonien:  British  Museum,  195 mm  lang.l  10mm  br. 

Neuseeland  — (V  Nephrit) : Museum  Danustadt,  213  mm 
lang,  83  mm  breit 

Neuseeland:  Museum  Montpellier,  215  mm  lang, 
107  mm  breit 

An  dem  Wen-helensker  Berg  beim  Dorfe  Kultuk.  un- 
weit Irkutsk  (Sibirien):  Museum  Petersburg,  300  mm 
lang,  50  iuui  breit*) 


Jadeit-Beile  und  -Meissel. 

Spalato  (Dalmatien):  Museum  Agram,  38  mm  lang, 
32  mm  breit. 

Sani«**.  Lydien  (Kleinasien):  Privatsammlung  de*  Hrn. 
Prof.  Virchow,  Berlin,  40  mm  lang.  20  mm  breit, 
17.29  g.  schwer. 

Final««  liei  Genua  (Höhle):  Mineral.  Museum  Genua. 

40  mm  lang,  25  mm  breit. 

Straussfuri  hei  Weisscnsec  ( Thüringen  I:  Privutsauuu- 
lung  des  Hrn.  Dr.  Herbst,  Weimar,  40  mm  lang. 
27  mm  hreit. 

Ueberlingen  am  Bodensee:  Privatsammlung  «les  Herrn 
U 1 1 er* berge r,  L’elierlingen,  43uim  lang.  34  mm 
breit. 

Mexico : Ethnograph.  Museum  Basel , 45  mm  lang. 
34  mm  hreit. 

Pfahlbauten  «1er  Sehw«>iz : Antiq.  Museum  Zürich, 
47  mm  lang.  31  mm  breit 
Laibach  (Pfahlbau):  Museum  Laibach.  50  mm  lang. 
•'13  mm  hreit. 


*)  Anmerkung  Ich  danke  «lern  Schicksal,  dass 
es  meine  durch  so  viele  Zusendungen  au*  dem  Aus- 
land wesentlich  geförderten  mineralogisch-archäo- 
logischen Studien  soweit  schon  gedeihen  lies«,  bevor 
die  deutsche  Zollverwaltung  die  neue  Massregel  ein- 
fÜhrte,  wonach  der  Versender  «*iner  Kiste  oder  «Igl. 
in'*  Au*lun«l  das  Hob-  und  Reingewicht  eine*  jeden 
Packet*,  das  Reingewicht  der  einzelnen  Waaren  selbst 
bestimmen,  also  wägen  muss.  Da  mir  meine  Zeit 
zu  derlei  Geschäften,  welche  ich  bei  der  Verantwort- 
lichkeit für  fremde*  mir  an  vertraute«  Gut  selbst  be- 
sorgen müsst«*,  zu  koätiiar  ist,  so  erkläre  ich  hiemit 
da**  ich  solange  obige  Maßregel  in  Geltung  bleibt, 
tos  dem  Ausland  keine  Sendungen  mehr  annehme, 
welche  in  dasselbe  znrDckkehren  müssten , ausser 
insoweit  schon  vom  Einsender  alle  obige  Erforder- 
nisse erfüllt  sind  und  Im.m  der  Rücksendung  alle  Zahlen 
die  gleichen  zu  bleihen  haben. 


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25 


Oefeliplfttze  liei  Gerlafingen  (Pfahlbauten)  atu  Bieter- 
see : Privatsaiiunlung  den  Hin.  Dr.  Gross,  Neuve- 
ville.  60  min  lang,  36  mm  breit. 

Pfahlbauten  am  Bielersee : Privatsamtnlung  des  Hm. 
Dr.  Gross,  Neuveville,  51  mm  lang,  HO  mm  breit; 
51  mm  lang.  34  nun  breit;  52  mm  lang.  32  mm 
breit ; 53  mm  lang,  30  mm  breit. 

Deutschland  Y : Ethnograph.  Museum  Freiburg.  58  mm 
lang.  88  mm  breit. 

Unteruhldingen  am  Bodensee : Kong.  Museum  Con- 
stanz.  54  mm  lang,  88  mm  breit;  Schweiz:  Privat  - 
Sammlung  de«  Hm.  Dr.  Gross,  Neuveville.  54  mm 
lang,  >tK  mm  breit. 

Rappertsberg  l»ei  Saarbrücken:  Sammlung  de«  naturli. 

verein«  Bonn,  57  mm  lang,  37  mm  breit. 
Pfahlbauten  am  Bielenee:  Privatsammlung  de«  Hm. 
Dr.  Gross,  Neuveville.  5h  mnt  lang,  23  mm  breit; 
58  mm  lang.  31  mm  breit;  60  mm  lang.  20  mm 
breit ; 00  mm  lang.  27  nun  breit. 

? : von»  Centr.  Museum  Mainz.  60  nun  lang.  35  mm  br. 
Count  an  x : Kong.  Museum  Cnnxtunz.  60  nun  lang. 

40  mm  breit. 

Y Dalmatien:  Museum  Triest,  60  mm  lang,  45  mm 
breit. 

Mauruch  bei  Ueberlingen : Ko*g.  Museum  Constanz. 

61  nun  lang.  40  uuu  breit. 

Cnteruhldingen  am  Bodenaee : Rang.  Museum  Con- 
ütanx.  62  uuu  lang.  39  mm  breit. 

Pfahlbauten  um  Bielenee:  Privatavmmlung  de*  Hrn. 
Dr.  Gross.  63  mm  lang,  35  mm  breit;  63  ran» 
lang,  38  mm  breit. 

Maurach  bei  Ueberlingen:  Konstunz.  63  mm  lang. 
42  nun  breit. 

Hannover:  Muneuiu  Hannover,  65  nun  lang,  40  mm 
breit. 

Pfahlbauten  der  Schweiz:  Privatsammlung  de«  Hrn. 
Dr.  Dor,  Bern,  67  mm  lang.  35  mm  breit. 
Privatsuimnlung  des  Hrn.  Dr.  Gros«,  Neuveville. 
68  tiuu  lang,  27  mm  breit;  68  mm  lang,  38  nun 
breit;  70  mm  lang,  39  nun  breit. 

V:  vom  Centr.  Museum  Mainz,  70  mm  lang,  40  min 
breit. 

Kastell  Orlen  bei  Wiesbaden:  Museum  Wiesbaden, 
70  uuu  lang,  43  mm  breit. 

Olenhusen,  Amt  Göttingen : Museum  Hannover,  70  nun 
lang,  50  mm  breit. 

Baal  bei  Erkelenz  (Rbeinpreuwten):  Privatsammlung 
de«  Hrn.  Prof.  Sch  aa  ff  hausen,  Bonn.  72  mm 
lang,  46  nun  breit. 

Schweiz  (Pfahlbauten):  Museum  Bern,  75  mm  lang, 
23  um  breit. 

Mexico:  Privutsununlung  de«  Hrn.  Becker.  Darm* 
stadt,  75  mm  lang,  35  mm  breit. 

Schweiz  (Pfahlbauten):  Museum  Bern.  75  mm  lang. 
37  mm  breit. 

Nienburg  (Hannover);  Museum  Hannover,  77  mm  lang, 
50  miu  breit. 

Schweiz:  Privatsaiiunlung  des  Hn».  Dr.  Gros«,  Neuve- 
ville. 78  nun  lang.  18  mm  breit. 

Apenninen  bei  Parnm : Museum  Triest , 80  mm  lang, 
40  mm  breit. 

Pfahlbauten  der  Schweiz : Museum  Zürich . 80  mm 
lang.  40  mm  breit. 

— Privatsammlung  de«  Hrn.  Dr.  Gros«,  Neuvevlile. 

82  nin»  lang,  30  mm  breit. 

Unteruhldingen  am  Bodenaoe:  Rosg.  Museum  Coustanz. 

83  mm  lang.  45  mm  breit. 

Hannover:  Museum  Hannover,  83  mui  lang.  50  mm 
breit.  1*0,06  g schwer. 


Schwetzingen  bei  Mannheim : Museum  Jena . 87  mm 
lang.  40  mm  breit,  132,59  g schwer. 

Unbekannt : Museum  Dresden , 87  mtn  lang , 45  mm 
breit. 

Pampas  der  urgent.  Republik:  Museum  Mailand.  90 
nun  lang,  40  mm  breit. 

Y Deutschland  : Museum  Wiesbaden , 90  mm  lang. 
43  min  breit. 

Basel : PrivaUaimnlung  des  Hrn.  Albert  Möller.  Bern, 
90  mm  lang.  50  mm  breit. 

Wennigsen  l Hannover):  Museum  Hannover,  90  mm  lg., 
50  mm  breit,  149,17  g schwer. 

Lfischerz  am  Bielenee : Privatwumnlung  de«  Herrn 
Dr.  Gros«,  Neuveville,  100  mm  lang,  45  mm  breit. 

Mexico:  Hofmuseum  Wien.  100  miu  lang.  45  mtn  breit. 

? Kheinbuiem:  Museum  Dilrvklieiiu  a.  <L  H.,  100  mm 
lang,  47  mm  breit. 

Heelden  bei  Millingen  zwischen  Wesel  und  Emmerich 
I Kheinpreussen) : Museum  natur.  Verein  Bonn,  100 tnm 
lang,  50  mm  breit 

Braunschweig:  Museum  Braunschweig.  100  mm  lang 
50  mm  breit. 

buttrigen  < Bielersee  l:  Privatsaiiunlung  des  Hrn.  Dr. 
Gross, ‘Neuveville.  105  mm  lang,  15  mm  breit. 

Leistadt  bei  Dflrkheim  a.  d.  H.:  Museum  Dürkheim, 
110  mm  lang,  45  mm  breit. 

Ecully  (Khönedepartement):  Museum  Lyon,  110  nun 
lang.  47  mm  breit. 

Unteruhldingen  am  Bodensee ; Museum  Constanz. 
110  mm  lang,  50  nun  breit. 

Gonsenheim  bei  Mainz:  Museum  Mainz,  110  mm  lang, 
55  mm  breit. 

Mersheim  (Würtemberg):  Museum  Stuttgart,  110  mm 
lang.  60  mm  breit. 

Göttingen  : Museum  Hannover.  120  tnm  lang,  48  min 
breit.  215,82  g schwer. 

Grossher/ogth.  Oldenburg : Museum  Oldenburg.  125  nun 
lang.  60  nun  breit,  284,91  g schwer. 

Mexico:  Privatsaminlung  des  Herrn  Strebei,  Ham- 
burg, 127  mm  lang,  70  mm  breit. 

Bohlten  (Amt  Bodenteich  I:  Museum  Hannover.  130  mm 
lang.  45  mm  breit.  Y Jadeit. 

Cormons  bei  Triest:  Museum  Triest.  130  min  lang, 
50  mm  breit. 

Elsa«»  : Privatsammlung  des  Herrn  Dr.  R i c h e , Col- 
mar, 137  mm  lang,  53  mm  breit. 

? Italien:  Museum  Pavia,  140  mm  lang,  50  inm  breit. 

liAngelage  bei  Oimahrack:  Museum  Hannover.  140  mm 
lang.  05  mm  breit,  376,80  g schwer. 

Pfahlbauten  am  Bielenee:  Privatsaiiunlung  des  Hm. 
Dr.  Gross.  Neuveville,  142  nun  lang.  59  mm  breit. 

Löse  herz,  Bielenee:  Privataumnlongf  de«  Herrn  Dr. 
Gross,  148  mm  lang,  60  nun  breit. 

Alsenzthal  (Rheinbuiern):  Museum  Dürkheim.  160  mm 
lang,  60  mm  breit. 

? Deutschland  (Moselthal I:  Ethnograph.  Museum  Ber- 
lin. 160  mm  lang,  60  mm  breit. 

Burkhardsfelde  (Hessen):  Museum  Wiesbaden.  160mm 
lang,  85  min  breit.  Fragment. 

Pfahl  hauten  am  Bielenee:  Privatsaminlung  de«  Hm. 
Dr.  Groas,  Neuveville,  161  mm  lang,  60  mm  breit. 

Maffles  bei  Ath.  Prov.  Hainaut,  Belgien  (Y  Jadeit): 
Museum  Brüssel.  163  mm  lang.  *0  mm  breit,  396.35  g 
schwer. 

Gonsenheim  bei  Mainz:  Centr.  Museum  Mainz,  170 nun 
lang,  70  mm  breit. 

Cividale  bei  Udine:  Museum  Udine,  170  mm  lang. 
74  min  breit. 

2 


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26 


Elsas«:  PrivaUuunulung  de«  Hrn.  Dollfuss.  Dörnach, 
173  mm  lang.  59  mm  breit,  507,69  g schwer. 

Mexico:  Privatsammlung  des  Hm.  Strebei,  Ham- 
burg, 1*0  mm  lang,  63  nun  breit. 

Gonsenheim  : Museum  Mainz,  1*0  mm  lang,  80  mm 
breit. 

? Deutschland  (Moselthal):  Ethnograph.  Museum  Berlin. 
210  mm  lang,  61  mm  breit. 

Mexico  (v.  Humboldts  Beil):  Ethnograph.  Mime  um 
Berlin,  220  mm  lang,  80  mm  breit. 

Gonsenheim  bei  Mainz:  Centr.  Museum  Mainz,  230  mm 
lang.  80  mn»  breit;  230  mm  lang,  100  mm  breit. 

Angebl.  Seeland  (Dänemark),  vielleicht  eher  aus  Frank- 
reich : Museum  Cassel,  235  mm  lang,  67  mm  breit. 

Frankreich:  Museum  Hannover,  250  mm  lang,  70  mm 
breit,  707,20  g schwer. 

Höxter,  Weetphalen : Museum  Münster,  250  mm  lang. 
80  mm  breit. 

Frankenhausen  (SO  Nordhausen):  Museum  S.  D.  deR 
Fürsten  v.  Schwarzburg-Hudolstadt  in  Rudolstadt. 
200  nun  lang.  110  mm  breit. 

(«rimmlinghausen:  PrivaUammlung  de«  Herrn  Gun- 
trura,  Düsseldorf,  353  mm  lang,  131  mm  breit, 
1340  g schwer. 

Angeblich  Seeland  I Dänemark!  eher  Frankreich : Mu- 
seum Cassel;  360  nun  lang,  84  mm  breit. 

? Europa:  Ethnograph.  Museum  Dresden.  375  mm  laug, 
100  mm  breit.*) 


Chloromelanit  - Beile. 

(Schmale  Meisse]  aus  diesem  Minerale  kamen  mir 
noch  keine  vor.) 

Gent  (Belgien):  Museum  Brüssel,  40  mm  lang,  40  mm 
breit. 

Schweiz  (Pfahlbauten):  Museum  Bern,  44  mm  lang, 
26  mm  breit;  47  mm  lang.  30  mm  breit. 

? Elsass:  Museum  Freiburg,  50  nun  lang,  30  mm  breit. 
? Mexico  (der  beigeschriebene  Fundort  Neuseeland  ist 
gewiss  irrig):  Museum  Graz,  55  mm  lang,  35  mm 
breit. 

V Elsass:  Museum  Freiburg,  57  mm  lang,  37  mm  breit. 
Bodensee:  Rofg.  - Museum  Constanz.  60  mm  lang, 
35  mm  breit. 

Oaxaca  (Mexico) : Museum  Mailand . 60  mm  lang, 
85  mm  breit,  105,05  g schwer. 

Mexico : Museum  Freiburg,  60  mm  lang,  40  mm  breit. 
Bodensee  (Pfahlbauten):  Museum  Constanz,  60  mm 
lang,  42  mm  breit 

Grünberg  (Hessen I:  Museum  Wiesbaden,  65  mm  lang, 
40  mm  breit. 

*)  lm  Museum  S.  D.  des  Fürsten  von  Fürsten- 
berg in  Üonaueschingen  liegt  noch  ein  mittelgrossee 
.ladeitbeil  aus  dein  Elsas«,  dessen  Langen  Verhältnisse 
ich  im  Augenblick  nicht  angeben  kann.  Schlanke 
Meisscl  aus  Jadeit  z.  B.  von  105  mm  Länge  bei  15  mm 
Breite  von  Luttrigen  (Bielersee)  finden  sich  in  der 
Sammlung  de<  Herrn  Dr.  V,  Gtosh  in  Neuveville : 
ebendaselbst  liegt  noch  eine  Reihe  hier  nicht  aufge- 
ffthrter  Beile,  bezüglich  deren  die  Diagnose  ohne  Ab- 
nahme von  Splittern  zwischen  Jadeit  und  Saussurit 
noch  schwankend  blieb.  — Von  Herrn  Prof.  Dr.  Lo- 
visato  an  der  Universität  Sassari  (Sardinien)  wunlen 
&n  seinem  früheren  Aufenthaltsort  Calabrien  (Unter- 
Italien)  eine  Reihe  kleiner  Jadeit-,  Chloromelanit-  und 
Nephrit-Beile  entdeckt,  welche  nur  das  oben  als  Aus- 
gangspunkt angenommene  Maas«  nicht  erreichen. 


Hodensee:  Museum  Freiburg,  67  inin  lang,  35  mm  breit. 
Italien:  Museum  Triest,  70  mm  lang.  30  mm  breit. 
Constanz:  Museum  Constanz.  70  miu  lang,  40  ituu  hr. 
Gronau  (Heesen):  Museum  Wiesbaden,  i0  mm  lang. 
45  mm  breit. 

Constanz:  Museum  Constanz.  75  mm  lang,  39  mm  br. 
Wehen  bei  Wiesbaden : Museum  Freiburg , 85  mm 
lang.  45  mm  breit. 

Pfahlbauten  (Bielersee):  Privatsammlung  dea  Herrn 
Dr.  Gross,  Neuveville.  88  mn»  lang.  45  mm  breit. 
Celle  bei  Hannover:  Museum  Lüneburg,  90  min  lang, 
47  mm  breit. 

China  (?  angeblich):  Hofmuscuni  Wien.  90  mm  lang. 
50  mm  breit. 

Schwetzingen  bei  Mannheim:  Museum  Freiburg,  93uim 
lang,  60  mm  breit. 

Unbekannt:  Natiotialinuseum  Budapest.  95  min  lang. 
45  mm  breit. 

Pfahlbauten  (Bielersee! : Privatsammlung  des  Herrn 
Dr.  Gross,  Neuveville,  106  nun  lang  59  nun  breit 
Heilbronn:  Museum  Heilbronn,  117  mm  lang.  57  mm 
breit. 

Rovcredo:  Museum  Koveredo,  120  mm  lang,  50  mm 
breit;  130  mnt  lang.  53  mm  breit. 

Cremifere  (Isfere-Deportenient) : Museum  Lyon,  I40ium 
lang.  50  mm  breit. 

Dalmatien:  Museum  Triest,  140  mm  lang,  60  mm  br. 
Belm  bei  Osnabrück:  Museum  Hannover,  145  mm  lang, 
50  mm  breit,  374.58  g schwer. 

Atacama  (Chile):  Hofmuseum  Wien,  160  mm  lang. 
55  mm  breit. 

Niederried  bei  Aarberg  (Canton  Hern):  Privutsamui- 
lung  des  Herrn  Bürki  in  Bern.  160  mm  lang,  65  mm 
breit. 

Wesselingen  bei  Bonn:  Museum  d.  nat.  Ver.  Bonn. 

200  mm  lang.  73  mm  breit. 

Loo  bei  Brüssel : Museum  Brüssel . 200  mm  lang. 

103  mm  breit.  406.79  g schwer. 

Pfalzkiill  bei  Trier:  Museum  Trier,  255  mm  lang. 
63  mm  breit. 

Kloppenburg  (Oldenburg) : Museum  Münster,  290  mm 
lang.  95  nun  breit. 

E k I ogit- Beile. 

Edingen  bei  Heidelberg : Museum  Freiburg,  103  mm 
lang,  55  mm  breit. 

Deutachlund:  Museum  Freiburg,  111  miu  lang,  50  mm 
breit. 

Röcke  bei  Pützen  (Oldenburg):  Museum  Oldenburg, 
120  mm  lang,  50  mm  breit. 

CormOEM  bei  Triest : Privatsuiumlung  des  Herrn  Dr. 

Peru wi ni  in  Cormons,  130  mm  lang.  50  mm  breit. 
Loiw  le  Saulnier  (Departement  de  Jura):  Privateamra- 
lung  des  Herrn  St.  Aiuour  in  Charpy  (Dep.  de 
Jura),  140  mm  lang,  50  mm  breit. 

Oberitalien  V:  Museum  Paria  145  mm  lang,  50  mm 
breit. 

? Deutschland:  Museum  Wiesbaden,  155  mm  lang. 
65  mm  breit. 

Atzenhain  (Hessen):  Museum  Wiesbaden,  195  mm 
lang,  60  mm  breit. 

Elsass : Museum  Freiburg,  200  mm  lang.  50  mm  breit. 
Argent.  Republik:  Museum  Mailand,  240  mm  lang. 
65  mm  breit,  685,90  g schwer. 

Kleinere  Beilchen  bis  herunter  zu  2 cm  Länge 
liegen  in  den  verschiedensten  Museen. 


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Nachtrag. 

Noch  während  des  Druckes  obiger  Liste  liefen 
durch  die  Güte  des  H.  Edmund  von  Fel  len - 
berg-Bonstetten,  Ingenieurgeologen  in  Bern, 
Beiträge  über  das  Berner  und  Züricher 
Museum  bei  mir  ein,  welche  mir  mit  Rücksicht 
auf  die  so  hochwichtigen  Pfahlbauten  zu  erheb- 
lich erschienen , um  sie  nicht  noch  dem  obigen 
Aufsatze  beizufügen. 

Nephrit  - Beile  und  -Meissei. 

? Lüsche»  (Bieleraee):  miner.  Museum  Bern,  40  mm 
lang.  38  mm  breit. 

— Antiquarium  Bern,  44  mm  lang,  28  mm  breit; 
44  mm  lang.  30  mm  breit. 

Lattrigen  (Bieleraee):  min.  Museum  Bern,  45  mm 
lang,  18  mm  breit. 

? Schaffis  (Chavanne)  (Bieleraee):  Privatsammlung  des 
Herrn  Berchthold  Haller  in  Bern,  45  mm  lang, 
IW  mm  breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  46  mm  lang,  20  mm 
breit. 

Lattrigen:  min.  Museum  Bern,  47  mm  lang.  35  mm 
breit. 

— Antiquarium  Ben»,  47  mm  lang.  38  mm  breit. 
Xenenbnrger  See:  min.  Museum  Bern,  48  mm  lang, 

31  mm  breit. 

Schaffis : Privatsamrolnng  des  Herrn  B (1  r k i , Bern, 
49  mm  lang,  135  mm  breit. 

— Privatxammlung  des  Hrn.  B.  Hai  1er,  Bern,  50  mm 
lang,  26  mm  breit, 

Lüscherz:  min.  Museum  Bern,  50  nun  lang,  37  mm 
breit. 

Bielerxee:  min.  Museum  Bern,  51  mm  lang,  35  mm 
breit 

Schnffix:  Privataammlung  »lex  Herrn  B.  Haller.  Bern, 
52  mm  lang,  29  mm  breit. 

Ueberlingen  (Bodensee):  Antiq.  Museum  Zürich.  55  mm 
lang,  34  min  breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  55  mm  lang,  136  nun 
breit 

Bieleraee:  Privatsammlung  des  Herrn  B.  Haller, 
Bern,  55  mm  lang,  43  mm  breit. 

Oefeliplätze  bei  Gerlafingen  (Bieleraee):  Privataamm- 
lung »lex  Herrn  Pr.  G ross,  Neuveville,  58  mm  lang, 
29  mm  breit. 

Kstavuyer  ? : Antiquarium  Bern,  59  mm  lang,  32  mm 
breit 

Meilen  I Zürichsee):  antiq.  Museum  Zürich.  59  mm 
lang,  37  nun  breit. 

Neuenburg  See:  min.  Museum  Bern,  60  mm  lang, 
35  mm  breit, 

Meilen:  antiq.  Museum  Zürich,  65  mm  lang.  37  mm 
breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  65  mm  lang,  42  mm 
breit;  68  mm  lung,  39  mm  breit. 

Mürigen,  BielerHce  (in  e.  Bronzestation):  Antiquarium 
Bern,  69  mm  lang.  40  mm  breit. 

Meilen:  antiq.  Museum  Zürich,  72  mm  lang,  35  mm 
breit. 

Schaffix:  Privatsanunlung  »lex  Herrn  Bürki,  Bern, 
73  mm  lang,  26  nun  breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  74  mm  lang,  45  mm 
breit. 


I Meilen,  antiq.  Museum  Zürich,  80  mm  lang.  42  mm 
breit;  85  mm  lang,  29  mm  hreit. 

I Lüscherz:  Privatxammlung  des  Herrn  Desor,  Nen- 
ohatel,  85  mm  lang.  43  nun  breit. 

— Antiquarium  Bern,  90  mm  lang,  33  mm  breit. 

, Estavayer  (Neuenbg.  See):  min.  Museum  Bern.  94  mm 
lang,  42  mm  breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  94  mm  lang,  47  mm 
breit. 

Limmatfluss  bei  Zürich : antiq.  Museum  Zürich,  95  mm 
lang,  32  mm  breit. 

I Meilen:  antiq.  Museum  Zürich,  104  min  lang.  33  mm 

I breit. 

I Estavayer  (brauner  Nephrit?):  Antiquarium  Bern, 

119  nun  lang,  35  mm  breit. 


Jadeit. 

Schaffix  (Bieleraee):  Privatsammlung  de«  llrn.  Berch- 
i thold  Haller,  Bern,  40  mm  lang,  32  mm  breit. 

— antiq.  Museum  Zürich,  40  mm  lang.  34  nun  breit. 

! - • Privatsammlung  des  Hrn.  Berchth.  Haller,  Bern 
I 40  mm  lang.  39  mm  breit. 

I Lattrigen  (gras  grün):  Antiquarium  Bern.  41  mm  lang, 

133  mm  breit;  45  mm  lang,  35  mm  breit. 

' Lüscherz  (Locras):  Antiquarium  Bern,  51  mm  lang, 
32  mm  breit. 

Gerlafingen  (Oefeliplätze):  Privatsammlung  des  Herrn 
Berchth.  Haller,  Bern.  52  mm  lang,  25  mm  breit. 
I — miner.  Museum  Bern,  52  mm  lang,  37  nun  breit; 
55  mm  lang,  27  mm  breit. 

Schaffis  (Bieleraee):  Privatsammlung  de»  Hm.  Berchth. 
Haller,  Bern,  56  mm  lang,  13  mm  breit. 

Neuenburger  See:  Antiquarium  Bern.  56  mm  lang, 
31  mn»  breit. 

Lattrigen  (Bieleraee):  Antiquarium  Bern,  60  mm  lang 
25  mm  breit. 

Gerlafingen  (Oefeliplätze):  Antiquarium  Bern.  60  mm 
lang,  35  mm  lang. 

Estavayer  (Neuenb.  See):  Antiquarium  Bern.  60  tum 
lang,  39  mm  breit. 

? Kxfcuvaver  (Neuenb.  See):  Antiquarium  Bern,  64  mm 
lang.  33  mm  breit. 

Estavayer  (Neuenb.  See):  Antiquarium  Bern,  70  mm 
lang.  35  mm  breit;  70  mm  lang,  40  mm  breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  71  mm  lang,  15  mm 
breit. 

miner.  Museum  Bern.  73  mm  lang,  40  mm  breit. 

— Privatxaimnlung  des  Hrn.  Berchth.  Haller,  Bern, 
75  mm  lang,  44  mm  breit. 

Zürichsee : antiq.  Museum  Zürich.  79  mm  lang,  45  mm 
breit. 

Gerlafingen  (Oefeliplätze) : min.  Museum  Zürich,  80  mm 
lang,  43  mm  breit. 

Lüscherz:  Antiquarium  Bern,  97  mm  lang,  55  mm 
breit. 

Estavayer:  Antiquarium  Bern,  98  mm  lang,  39  mm 
breit. 

Gerlafingen  (Oefeliplätze):  112  mm  lang.  44  inm  breit; 

134  mm  lang,  07  mm  breit. 

Lattrigen:  Antiquarium  Bern,  149  mm  lang,  59  mm 
breit. 

Lüflcherz : Privataammlung  de«  Herrn  Dr.  Gross, 
Neuveville,  149  mm  lang,  61  mm  breit. 

— Antiq.  Bern,  Geschenk  von  Herrn  Dr.  Gross, 
214  mm  lang,  68  (?)  mm  breit. 

2* 


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28 


Chloromelanlt. 

Zflrichsee:  antiq.  Museum  Zflrich.  44  mm  lang.  20  nun 
breit. 

Meilen  iZfirichseel : antiq.  Museum  Zflrich,  44  mm  lang, 
85  mm  breit;  46  mm  lang,  39  mm  breit. 

I?  Chi.)  Bieleraee:  Antiquarium  Bern,  4?  mm  lang. 
31  mm  breit. 

Schafft*:  Antiquarium  Hem,  48  mm  lang,  29  mm  br. 

flattrigen:  Antiquarium  Bern.  51  mm  lang,  30  mm 
breit. 

Zürichaee:  antiq.  Museum  Zflrich,  51  mm  lang.  37  mm 
breit. 

buttrigen ; Antiquarium  Bern . 52  mm  lang . 30  nun 
breit. 

Zürichsee:  antiq.  Museum  Zürich,  53  nun  lang.  35  mm 
breit. 

Wangen  I Bodensee):  antiq.  Museum  Zflrich.  65  mm 
lang,  40  mm  breit. 

Bieleraee:  Antiquarium  Bern,  68  nun  lang.  33  nuu 
breit;  95  mm  lang.  41  mm  breit. 


Schließlich  gingen  mir  noch  folgende  Notizen 
zu,  welche  »ich  auf  bisher  nicht  genannte 
Pfahlbaustationen  der  Schweiz  beziehen  und  deren 
Objecte  im  Berner  Antiquarium  liegen: 

Jadeit-Heil  von  der  Station  Fondanc  (Neuenburg  See); 

78  mm  lang.  49  nun  breit. 

Jadeit-Meiiwel.  ebendaher,  68  mm  lang.  16  mm  breit. 
Chloromelnnit-Beil  von  der  Station  Gaevautt  (Murten- 
See)  110  mm  lang,  43  mm  breit. 

ln  der  Privats&mmlnng  den  Hm.  Dr.  Uhl  mann 
in  Münchenbuchsee  bei  Bern , welcher  meinen 
Wüu*enn  das  Verdienst  hat.  die  ernte  Sammlung  von 
l’fahlbaugegenritilnden,  wenigstens  der  Schweiz,  ange- 
legt zu  haben,  befinden  sich  endlich  noch  folgende  ' 
Beile  sänmitlich  von  Moosseedorf  bei  Bern:  Nephrit.  I 
52  nun  lang.  86  mm  breit;  Jadeit  von  50,  21;  53,33; 
56,  13;  56,  31;  70,  34  und  von  109,  40  mm  Iätnge 
beziehungsweise  Breiten. 


Literaturberichte. 

I.  AnthropoIoglM-he  Sotlie«  lon  Amerika. 

Von  0.  Loew. 

Der  „ American  Antiquariun“  Vol.  I.  Nr.  3. 
bringt,  folgende  Mittheilungen ; 

1)  Ueber  die  Bauart  bei  den  nordainerika- 
nischen  Eingebomen  von  K.  A.  Barbor. 

Der  Verfasser  kommt  von  den  primitivsten 
Zufluchtstätten  auf  die  Pfahlbauten  zu  sprechen. 
Wie  Cooper  berichtet,  existirto  früher  am  Ontario- 
8oe  ein  Pfahlbautendorf.  Nach  Cortez  hatte  der 
See  Tezcuco  zur  Zeit  der  Eroberung  Mexicos 
grosse  Ansiedlungen  auf  Pfählen  aufzuweisen. 
Verfasser  glaubt,  dass  man  in  den  nordainerika-  I 
nischen  Seen  noch  zahlreiche  Pfahlbautenreste 
entdecken  wird  ; er  bespricht  weiter  die  Bauart 
bei  den  „MoundbuilderH*,  hierauf  die  der  neu- 


mexicanischen  Pueblos*)  und  verweilt  zuletzt  beim 
Gewölbe-  und  Bogenbau,  welcher  in  Amerika  nur 
den  Eskimos  (Schneeh&usor)  und  Peruanern  be- 
kannt gewesen  zu  sein  scheint. 

2)  Ueber  phonetische  Elemente  in  den 
amerikanischen  Sprachen  von  R.  J.  Far- 
quharaon. 

Es  werden  die  Versuche  von  Aubin , Jules 
Pinart  und  Manuel  Orozo  y Berra  besprochen, 
welche  einen  phonetischen  Charakter  altmexica- 
niseber  Inschriften  behaupteten,  den  die  ersten 
Autoritäten  auf  diesem  Gebiet  entschieden  ab- 
sprechen. Für  überzeugend  können  die  neuen 
Versuche  nicht  gelten. 

3)  Ein  beschriebener  Stein  von  Grave  Creeck 
Monnd  von  C.  Reid. 

Es  wird  eine  angeblich  aus  einem  Hügelgrab 
stammende , an  hebräische , runische  und  phöni- 
zische  Zeichen  erinnernde  Inschrift  kritisch  be- 
leuchtet und  am  Schluss  gerechter  Zweifel  über 
die  Autenticität  ausgedrückt.  Wahrscheinlich 
liegt  hier  ein  modernes  Machwerk  vor. 

4)  Biblische  Geschichte  und  heidnische 
U Überlieferungen , von  Rev.  Stephen  D. 
Peet. 

5)  Ein  mythologischer  Text  in  der  Kla- 
mathsprache  im  .südlichen  Oregon , von 
Albert  Gatsehet. 

Es  wird  hier  eine  gründliche  grammatikalische 
Analyse  der  Einleitung  einer  mythologischen  Er- 
zählung vorgenommen.  Der  Verfasser  ist  seit 
mehreren  Jahren  als  Sprachforscher  der  Erforsch- 
ungs-Expedition des  Major  Powell  zugetheilt  und 
hat  mehrere  Indianersprachen  an  Ort  und  Stelle 
gründlich  studirt.  In  Bälde  ist  von  ihm  ein 
ausführliches  Werk  Uber  die  Klamathsprache  zu 
erwarten,  und  zwar  als  Bd  II  der  PowelF  sehen 
„ Contributions  to  North- American  Ethnology“. 

Von  den  neueren  Publicationen  der  „Smith- 
sonian  Institution“  haben  zwei  ein  anthropolo- 
gisches Interesse,  nämlich : 

1)  „Ueberreste  des  späteren  pniehistori, sehen 
Menschen  aus  Höhlen  des  Katharina- 
Archipels  bei  Alaska  und  speciell  der 
Aleutischen  Inseln“  von  W.  Dali. 

Der  Verfasser  beschreibt  ausführlich  die  auf- 
gefundenen Mumien,  Gewebsstücke , Waffen  und 
Geräthe  und  vertheidigt  seine  Lieblingstheorie, 
dass  die  Bewohner  der  Aleulen-Inseln  nicht  von 

*)  Ueber  die  in  Neu-Mexico  vorhandenen  Hainen 
hat.  Referent  in  Petermann’n  Geographische  Mittheil- 
ungen 1875  p.  *209  ausführlich  berichtet. 


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29 


Asien  sondern  von  Amerika  her  einwanderten, 
für  welche  Annahme  aber  die  ins  Feld  geführten 
Gründe  kaum  ausreichen  dürften. 

2)  Die  8culpturen  von  Santa  Lucia  Cofium- 
alhuapa  in  Guatemala,  von  Dr.  S.  Habel. 

Der  Verfasser  beschreibt  hier  seine  Reisen 
und  anthropologischen  Studien , die  er  während 
seines  7 jährigen  Aufenthalts  im  Staate  Guatemala 
machte  und  gibt  zahlreiche  Abbildungen  der  auf- 
gefundenen Sculpturwerke , welche  in  mancher 
Beziehung  an  aegyptische  Arbeit  eriunern , und 
theils  Menschen-  und  Thiergestalten  theils  kunst- 
volle Ornamentirungen , theils  allegorische  Vor- 
stellungen wiedergeben.  Aus  mehreren  Werken 
geht  unstreitig  hervor,  dass  die  betreßenden 
Völker  Menschenopfer  darbrachten.  Der  Fundort 
Santa  Lucia  ist  ein  kleines  Dorf  am  Fuss  des 
Vulkans  Del  Fuego;  es  war  Anfangs  der  sech- 
ziger Jahre,  dass  ein  Mann  beim  Bearbeiten  seines 
Feldes  den  Fund  machte.  — 

Nach  den  ausführlichen  Mittbeilungen  im 
„Annual  Report  of  the  Smithsooian  Institution  in 
Washington,  for  1878“  wurden  zahlreiche  Hügel- 
gräber in  Wisconsin,  Tennessee,  Kentucky,  Ohio, 
Florida  und  Georgia  geöffnet  und  Skelette,  Urnen, 
Gerfithe,  Waffen  und  Ornamente  zu  Tag«  gefördert. 

Der  lü.  Jahresbericht  des  „Peabody  Museum 
of  American  Archaeology  and  Ethnology“  ent- 
hält einen  mit  zahlreichen  Abbildungen  ausge- 
statteten Bericht  über  bei  Trenton  in  New- Jersey 
aufgefundene  Steinwerkzeuge  aus  den  Ablager- 
ungen der  Eiszeit.  (Fortsetzung  des  Artikels  im 
1 1.  Jahresbericht).  Ferner  Mittheilungen  Über 
Höhlenfunde  in  Ohio  und  über  die  Kriegskunst 
der  alten  Mexicaner. 

Der  11.  Jahresbericht  dieses  Museums  ent- 
hält: „Herstellung  von  Töpfen  aus  Speckstein 
bei  den  Indianern  Neu-Englands“ ; „Ueber  Erb- 
schiiflsgebrftuche  bei  den  alten  Mcxicanern“  ferner 
»•ine  Beschreibung  einer  Sammlung  von  Schädeln 
aus  Steingräbern  in  Tennessee ; diese  Sammlung 
enthielt:  5 Dolichocepbalen , 18  Ort.hocephalen, 

29  Brachycephalen , 15  Flachsrhädel  (mach 

flattened  i. 


II.  Zar  l’rgMchlehte  Cjperas. 

Die  grossartigen  Entdeckungen  Cesnolas*) 
auf  Cypern,  welche  sich  würdig  denjenigen 
Schliem  an  ns  in  Ilion  und  Mykenae  an  die  Seite 


I stellen , werden  wohl  in  einer  Reihe  von  Fach- 
zeitschriften gehörig  gewürdigt,  werden.  Ich  will 
nur  auf  den  ethnographischen  Gewinn  hinweisen, 
welcher  aus  diesem  Werke  resultirt.  Es  ist  be- 
kannt, dass  die  Insel  Cypern  zuerst  von  phoeni- 
zi .sehen  und  dann  von  griechischen  Colonien  be- 
setzt war  und  aus  Cos  nolas  Werke  ersehen 
wir , welch  grossartigen  Einfluss  diese  beiden 
| Völker  auf  die  Entwickelung  der  kyprischen 
Kunst  ausgeübt  haben.  Itn  südlichen  Theile  der 
j Insel  herrschten  die  phoenizisch  - kaunanitischen 
Ansiedlungen  vor.  A m a t h u s , P a p h o s , 
C i t i u m waren  semitische  Städte  ; Soli  und 
Salamis  hatten  dagegen  griechisches  Gepräge, 
j I d a 1 i o n war  gemischt ; Golgi,  Cbytri, 
i Curiuin,  Lapithus,  Carpasia  gehörten 
dor  eigentlichen  kyprischen  Bevölkerung  an. 
Welcher  Abstammung  mag  nun  diese  kyprische 
Urbevölkerung  gewesen  sein.  Ich  glaube  eine 
Reihe  Anhaltspunkte  zu  haben , dass  die  Urbe- 
völkerung Cyperns  kleinasiatischer,  d.  h.  wahr- 
scheinlich arischer  Abstammung*)  gewesen  ist. 
Schon  Ewald  hatte  die  Ansicht  ausgesprochen, 
dass  die  Pboenizier  nicht  die  ersten  Bewohuer 
Cyperns  seien,  sondern  dass  ein  den  Phrygern 
verwandtes  Volk  aus  Kleinasien  die  Insel  zuerst 
! betreten  habe. 

Für  diese  Ansicht  spricht  eine  Reihe  Orts-, 
Fluss-  und  Gehirgsnamen.  Ein  Fluss  Lykus 
kam  sowohl  auf  Cypern  wie  im  nördlichen  Kleiu- 
asien  vor.  Die  Städte  Thymbrion;  P a 1 a e a 
kehren  in  Mysien , Hyle  in  Kurien,  Pedasus 
in  Lycien  wieder.  Auf  Cypern  werden  von 
Strabo  XIV,  (i,  3 Te  u k rer  genannt,  dieT eukrer 
waren  aber  auch  ein  Volk  in  Troas.  Stadt  und 
Fluss  Lapithus  (oder  Lapethus)  erinnern  an 
die  vorhellenischen  Lapithen , die  thrako-phrygi- 
scher  Abstammung  gewesen  sind.  An  die  Th  rako- 
Phryger  erinnert  ferner  der  Berg  Olympus 
auf  Cypern,  auch  die  Stadt  Carpasia  erinnert 
an  die  thrakischen  Karponticr,  Karpeu,  Karpo- 
dneier  und  die  Insel  Karpathos,  welche  ursprüng- 
lich gleich  den  meisten  Sporaden  von  einer  klein- 
asiatischen  Bevölkerung  bewohnt  gewesen  war. 
— Ein  reger  Verkehr  muss  einst  zwischen  der 
kyprischen  Urbevölkerung  und  den  Staraingenossen 
in  Troas  und  Mykenae  stattgefunden  haben.  An 
Schliem  an  ns  Funde  in  Troja  erinnern  Vasen 
mit  Masken,  ferner  die  Vasen  mit  eingeritzter 
geometrischer  Ornamentik,  oft  mit  einem  Eulen - 


*)  Cypern,  seine  alten  Städte,  Gräber  und 
Tempel.  Bericht  über  zehnjährige  Forschungen  und 
Ausgrabungen  auf  der  Insel  von  Louis  Palma  di 
C'esnola,  deutsch  von  Ludwig  Stern,  mit  Vor- 
wort von  Ebers.  2 Theile.  Jena  1*79.  Costenoble. 


*)  Wenigstens  der  Sprache  nach,  da  die  au«  dem 
Alterthum  erhaltenen  Sprachreste  der  Phryger  und 
anderer  Kleinasiatcn  von  Fick,  Lagnrde  und  Fr.  Müller 
aus  dem  arUclien  Spiuchkreise  gedeutet  werden. 


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30 


köpf  im  Bauch.  Ein  weit  verbreitetes  Symbol, 
welches  Schliemuon  mit  dem  Sanskrit  - Namen 
Su-asti  (ec  tan)  bezeichnet,  findet  sich  gleich- 
falls auf  einzelnen  Vasen  Cyperns,  Statuetten  mit 
Kuhkopf,  wie  z.  B.  eine  solche  in  Curium  ge- 
funden wurde , erinnern  an  Ähnliche  zahlreiche 
Funde  Schliemanns  in  Mykenae.  ebenso  roh  ge- 
arbeitete Terraeotta-Figuren  , welche  gewöhnlich 
dio  kyprische  Liebesgöttin  darstellen  Auffallend 
ist  ferner,  dass  die  kyprische  Schrift,  die  durch 
George  Smith,  Birch  und  Brandis  ent- 
ziffert worden  ist,  mit  der  lykischen  in  Verbind-  | 
ung  gebracht  werden  kann.  — Der  Engländer 
Hamilton  Lang  hat  13  kyprische  Charaktere 
im  lykischen  Alphabet  wiedergefunden.  Nicht 
nur  die  Schrift,  selbst  Sculpturen  erinnern  an 
Lykien.  Bei  den  archäologischen  Untersuch- 
ungen hat  mau  gewöhnlich  nur  die  bekannten 
Kulturvölker  des  Alterthums  in  Betracht  gezogen, 
ohne  zu  berücksichtigen,  dass  gerade  das  klassische 
Alterthum  eine  Reihe  kulturhistorischer  Entdeck- 
ungen auf  bereits  verschwundene  oder  richtiger 
später  entnationalisirte  Völker  zurUekgeführt  hat. 
Die  Völker  Kleinasiens  wie  z B.  die  Phryger, 
Lyder,  Karer,  Lycier  haben  noch  in 
historischer  Zeit  eine  nicht  unbedeutende  Kultur 
anfweisen  können , die  in  praebistoriseber  Zeit 
viel  bedeutender  gewesen  sein  muss. 

Die  verschwundenen  uralten  Städte  Kleinasieus, 
wie  Gordium,  Sardes,  von  deren  Rcich- 
thümern  und  einstiger  Pracht  die  hellenischen 
Sagen  so  viel  zu  berichten  wissen,  müssen  in 
ihren  Ruinen  Schätze  beherbergen , welche  zur 
Aufklärung  eontroverser  Fragen  der  prähistori- 
schen Arcbaeologie  der  Mittelmeerlünder  ein  Be- 
deutendes beitragen  können. 

Mögen  auch  diese  ihren  Cesnola  oder 
Schliemann  finden! 

Dr.  Ffigicr. 

III.  Materialien  zur  Vorgeschichte  des  Menschen  In 

Osten  ropn. 

Nach  polnischen  und  niH-siKchen  Quellen  von  AI  hin 
Kohn  und  Dr.  C.  Mehlis.  II.  Band.  Jena  1879. 

Costenoble. 

Der  zweite  Band  der  Materialien  beginnt  mit 
den  Ausgrabungen  auf  dor  tamanischen  Halb- 
insel und  in  den  Kurganen  Südrusslands.  Aus 
den  archaeologischen  Beigaben  ist  ersichtlich, 
dass  die  einstigen  Bewohner  der  tamanischen 
Halbinsel  und  diejenigen,  deren  Reste  in  den 
Kurganen  Ostgaliziens,  Podoliens.  Lithauens  u.  s.  w. 
enthalten  sind , ganz  verschiedener  Abstammung 
gewesen  sind.  — Hierauf  wird  eine  kraniologische 
Arbeit  Kopernickis  in  deutscher  Uebersetzung 


gebracht,  die  für  die  Lösung  dor  Frage  nach 
der  Herkunft  und  einstiger  Verbreitung  der 
Dolichocephalen  vom  Reihengräbertypus  von  be- 
sonderer Wichtigkeit  ist.  — Am  ausführlichsten 
werden  die  slavischen  Burgwälle  besprochen,  von 
denen  einige  wie  derjenige  von  Lednagöra  im 
Posenschen  bereits  in  die  historische  Zeit  hinüber- 
füll ren.  Die  deutschen  Forscher  sind  in  der 
Thut  den  Herausgebern  für  dieses  interessante 
Werk  zum  Danke  verpflichtet.  Möge  Hr.  Albin 
Kohn  baldigst  den  dritten  Baud , in  dem  er  die 
Literatur  Über  die  praehistorisebe  Ethnologie 
Russlands  bringen  will,  baldigst  vollenden ! Der 
vierte  archäologische  Congress,  welcher  im  August 
d.  J.  in  Kasan  stattfand,  hat  gerade,  wie  ich 
aus  dem  Berichte  des  Prof.  Reinbaud*)  ersehe, 
die  praehistorische  Arcbaeologie  und  Ethnologie 
Russlands  nicht  unbedeutend  gefördert. 

Dr.  Fligier. 

IV.  Ersuchen 

Von  der  Verlagshandlung  der  „neuen  Encyklo- 
pädie  der  Naturwissenschaften“  Trewendt  zu 
Breslau  zum  Bearbeiter  der  PrÄbistorie 
und  Archäologie  ernannt,  ersuche  ich  alle 
Collegen  und  Freunde  mir  durch  gütige  Ueber- 
sendung  gedruckten  Materiales  Gelegenheit 
zur  möglichst  vollständigen  Darstellung  dieser 
Disciplin  zu  geben,  Dr.  C.  Mehlis. 

Dürkheim,  Februar  1880. 

Mittheilungen  aus  den  Zweig- 
Vereinen. 

Der  Anthropologische  Verein  rn  Leipzig. 

Nachdem  bereits  im  Dezember  1879  eine 
constituirende  Vorversaminlung  stattgefunden. 
wurde  am  30.  Januar  d.  J.  die  erste  Sitzung 
abgebiilten.  Als  Vorstand  des  Vereines  fungiren 
folgende  Herren : 

Herr  Prof.  His  als  Vorsitzender, 

„ I)r.  B.  Andre e als  Stellvertreter  des- 
selben, 

„ Dr.  v.  I h e r i n g als  Schriftführer, 

„ Buchhändler  Credner  als  Cassirer. 

Der  Vorsitzende  eröffnete  die  Versammlung 
mit  einer  Ansprache,  in  welcher  er  die  Ziele  des 
Vereins  erörterte,  und  betonte:  es  werde  das 
Bestreben  des  Vereines  sein,  nicht  sowohl  in 
seinem  eigenen  Interesse  zu  wirken,  als  nuch  im 
Anschlüsse  an  die  deutsche  anthropologische  Ge- 
sellschaft sich  die  Erforschung  der  anthropologi- 
schen Verhältnisse  der  sächsischen  Lande  ange- 

*)  In  der  Revue  Kcientithjue  Nr.  42  und  44. 


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31 


legen  Hein  zu  lassen.  Wenn  ein  früher  die  1 
gleichen  Ziele  verfolgender  Verein  nicht  den  ge- 
wünschten Erfolg  gehabt  und  schliesslich  einge- 
gangen sei , so  habe  der  Grund  davon  nur  in 
einer  höchst  ungeeigneten  Verbindung  desselben 
mit  dem  Vereine  für  Erdkunde  gelegen  und 
sei  daher  nunmehr  dem  selbständig  gemachten 
neuen  Vereine  eine  gedeihliche  Entwicklung  zu 
wünschen  und  vorauszusagen . 

Herr  Dr.  v.  I bering  hielt  einen  Vortrag 
Uber  die  Zähne  und  ihre  künstliche  ; 
Behandlung  bei  den  verschiedenen  1 
M e n sehen rii«,- en.  Heu  Ausgang  bildeten  dabei 
eine  Vergleichung  der  Zähne  des  Menschen  und 
der  höherstehenden  Affen.  Die  Uebereinstimmung 
ist  bekanntlich  eine  sehr  weitgehende,  so  dass 
sich  die  Unterschiede  auf  gewisse  Variationen 
in  den  Form-  und  Grössen -Verhältnissen  redu- 
cireu.  Bei  den  Affen  sind  die  Eckzähne  beträcht- 
lich grösser  als  die  übrigen  Zähne  und  sie  ver- 
ursachen dadurch  in  der  gegenüberstehenden  Zabn- 
reihe  eine  Lücke , das  Diastemma , welches  dem 
Menschen  fehlt.  Während  bei  uns  von  den  drei 
grossen  hinteren  Backzähnen  der  vorderste  der 
grösste  ist  und  die  hinteren  an  Grösse  abnehmen, 
so  ist  umgekehrt,  bei  den  Alfen  die  Grössenzu- 
nabine  eine  in  der  Richtung  von  vorne  nach 
hinten  fortschreitende.  Prüft  mau  auf  diese  Ver- 
hältnisse hin  die  verschiedenen  Menschenraven,  so 
ergibt  sich , dass  die  angeführten  Unterschiede 
keineswegs  allgemeine  und  durchgreifende  sind. 
Bei  den  Negern  und  Papua's  ist  die  Grössenzu- 
nahme der  Backzähne  die  gleiche  wie  bei  den 
anthropoiden  Affen , und  wie  bei  letzteren  finden 
sich  auf  der  Kauflächo  des  Backzahnes  in  der 
Regel  5 Höcker  oder  Tuberkel,  gegen  4 bei 
unserer  Rave.  Nur  der  Eckzahn  ist  beim 
Menschen  immer  beträchtlich  verschieden  von 
jenem  der  Affen,  doch  sind  nach  Lambert  die 
Eckzähne  bei  den  Melanesiern  beträchtlich  grösser 
als  bei  uns,  und  bedingen  da  ein,  wenn  auch 
nur  ganz  unbedeutendes,  Diastemma.  Anderer- 
seits nähert  sieb  der  menschenähnlichste  Affe 
den  wir  kennen,  der  fossile  Dryopithecus  Fontani 
auch  in  dieser  Hinsicht  inehr  dem  Menschen,  da 
bei  ihm  die  Eckzähne  kleiner  und  steil  gestellt 
waren.  Es  sind  mitbin  in  dieser  Beziehung  die 
Unterschiede  zwischen  Mensch  und  Affe  nur  gering, 
weit  geringer  als  die  innerhalb  der  Ordnung  der 
Affen  zu  beobachtenden.  Andererseits  aber  lehrt 
uns  die  Vergleichung,  dass  wegen  der  grösseren 
Affenähnlichkeit  im  Gebisse  die  genannten  schwar- 
zen Manschenden  als  „niedere  Ra^en“  bezeichnet 
werden  dürfen,  welche  Bezeichnung» weise  ja  im 
allgemeinen  mehr  auf  die  vergleichende  Kultur- 


geschichte sich  bezieht  als  auf  die  vergleichende 
Anatomie. 

Sehr  mannichfaltig  ist  die  Art  wie  bei  den 
verschiedensten  Raven  die  Zähne  künstlich  be- 
handelt weiden.  Besonders  gebräuchlich  sind 
künstliche  Entstellungen  des  Gebisses  einerseits 
itn  malaischen  Archipel , andererseits  bei  den 
Negern.  Bei  ersteren  wird  die  Vorderfläche  der 
Schneidezähne  des  Oberkiefers  glatt  gefeilt,  oder 
es  wird  uur  seitlich  das  Email  abgefeilt,  so  dass 
der  Mitteltheil  desselben  reliefartig  erhaben  stehen 
bleibt.  Bei  letzterer  nur  auf  den  Sundamseln 
üblichen  Deformirung  wird  das  untere  Ende  des 
Zahnes  entweder  spitz  gefeilt,  oder  gerade  ge- 
schliffen. Andere  Behandlungsweisen  sind  in 
Afrika  üblich,  wo  die  Zähne  bald  durch  Be- 
hauen mit  Klingen  gespitzt  werden,  bald  so  be- 
arbeitet werden,  dass  nur  die  Seitenzacken  stehen 
bleiben , oder  endlich  ein  oder  mehrere  Zähne 
ausgerissen  werden.  Diese  verschiedenen  Deforiuir- 
ungs  weisen  vertheilen  sich  in  ganz  charakteristischer 
Weise  auf  bestimmte  geographische  Regionen 
von  Afrika.  Die  Beachtung  derselben  ist  nament- 
lich desshalb  geboten , weil  sie  dem  Anthropolo- 
gen ein  Hilfsmittel  an  die  Hand  gibt,  um  die 
Richtigkeit  der  Augaben  Uber  die  Herkunft  von 
Ravenschädeln  zu  controliren.  Nähere«  wird  eine 
in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  erscheinende 
Abhandlung  des  Redners  bringen. 

Im  Verlaufe  einer  längeren  Debatte  machte 
Herr  Leuckart  auf  die  kosmetische  Bedeutung 
der  Sitte  aufmerksam  und  wies  auf  diu  Verwend- 
ung von  Gold  hin,  wie  sie  früher  auf  den  Phi- 
lippinen dabei  vorkam.  Herr  Andree  erinnerte 
daran,  dass  schon  bei  den  alten  Aegjptern  Gold 
(zu  Plomben)  für  die  Zähne  benutzt  worden  sei, 
Herr  Pechuel- Lösch  e theilt  mit,  dass  die 
Sitte  der  Zahndeformirung  an  der  Loangoküste 
im  Aussterben  sei.  Herr  Hesse  theilte  mit, 
dass  seinen  Erfahrungen  zu  Folge  zumal  der  Eck- 
zahn des  Menschen  viel  variirt,  wogegen  Herr 
Leuckart  in  dieser  Beziehung  namentlich  des 
Weisheitszahnes  gedenkt.  Herr  Jung  erwähnt, 
dass  er  im  Innern  von  Australien  die  Sitte  der 
Entfernung  zweier  oberer  Schneidezähne  nament- 
lich bei  jenem  Stamme  gefunden , bei  welchem 
die  Sitte  der  Aufschlitzung  des  Penis  besteht, 
einer  Sitte,  welche  ihre  Erklärung  zu  haben 
scheint  in  dem  Wunsche  nach  kinderloser  oder 
kinderarmer  Ehe. 

Herr  Dr.  Andree  legt.  Photographien  eines 
Altenburger  Bauernmädchens  in  den  verschiedenen 
Stadien  seiner  Bekleidung  vor  und  knüpft,  daran 
einige  Mittheilungen  über  die  Altenburger 
Bauern,  deren  höchst  auffallende  Tracht  jetzt 


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32 


im  Eingehen  begriffen  ist.  Ausgezeichnet  ist  die 
letztere  bei  den  Weibern  durch  die  vollständige 
Verdeckung  des  Haupthaares , den  Brustpanzer 
aus  Pappe  und  die  elastischen  nur  bis  zur  Knie- 
kehle reichenden  Rückchen , welche  die  Formen 
des  Gesänge*  mit  überraschender  Deutlichkeit  her-  • 
vortreten  lassen.  Wie  die  Trachtensammlungen  | 
des  Altenburger  Malers  Kronbiegel,  ferner  die 
„ historische  Nachricht  von  denen  merkwürdigen 
Ceremonien  derer  altenburgischen  Bauern  von 
M.  Friderieo  Frisio“  Leipzig  1703*  endlich  das 
Werk  eben  „Sitten , Gebräuche  etc.  der  Alten- 
burgischen Bauern  von  K.  F.  Hempel.“  Alten- 
burg 1S3  , beweisen,  ist.  die  Altenburger  Bauern- 
tracht stetig  im  Flusse  gewesen  und  hat  die 
heutige  auffallende  Form  sich  erst  im  Anfänge 
unseres  Jahrhunderts  herausgebildet.  Das  Alten- 
burger Osterland  gehörte  zum  Gebiete  des  ehe- 
maligen Pleissengaus , war  zunächst  von  Slaven 
besiedelt  und  erhielt  später,  wie  die  Ortsnamen 
zeigen , auch  deutsche  Bevölkerung.  Die  Ger- 
inanisirung  erfolgte  durch  die  Bisthümcr  Zeitz 
und  Merseburg;  einzelne  Slavismen  haben  sich 
noch  erhalten.  Ein  Verbot  der  slavischen  Sprache 
bei  Gericht  findet  1327  statt,  zur  selben  Zeit 
als  dieses  Verbot  in  Leipzig  erfolgte.  Kurz 
charakterisirt  der  Vortragende  die  Sitten  und 
Gebräuche  dieser  Bauern,  unter  denen  zu  Anfang 
des  Jahrhunderts  das  Skatspiel  erfunden  wurde. 

Hierauf  legte  Herr  Dr.  Pecbuel-Lösch e 
Photographien  vor  von  den  Eingebornen  der 
Loangoküste  und  zum  Vergleiche  damit  von 
Deutschen  und  zwar  von  Modellen  Berliner 
Künstler , welche  er  in  der  für  anthropologische 
Photographien  wünschenswert hen  Weise  in  ver- 
schiedenen Normen  hatte  aufnehmen  lassen,  und 
welche  bei  vergleichender  Betrachtung  keineswegs 
ein  ungünstiges  Ergebnis#  hinsichtlich  der  Körper- 
besefaftffenheit  jener  Negerstämme  lieferten. 


Kleinere  Mittheilungen 

Neuer  Höhlenlund  in  der  Eifel  Bei  der  Durch- 
suchung der  Klüfte  und  Höhlen  im  Dolomitknlk  bei 
Gerolstein  i/d.  Eifel  bin  ich  in  der  grössten  unter  den 
letztern,  dem  sogenannten  Buchen  loch  auf  interes- 
sante Thataachen  gestossen,  welche  mich  zur  sorgfäl- 


tigen Ausgrabung  des  Höhlenbodens  verunlassten.  Die 
18  meter  tiefe  Höhle  mit  einem  Haupt-  und  einem 
schmalen  Nebensugang,  mit  mehreren  kammerartigen 
Ausbuchtungen  wies  die  Spuren  von  Bewohnung 
seitens  des  Menschen  in  den  verschiedensten  Zeiten  auf. 

Oberflächlich  und  in  den  obersten  Lehm-  und  Brand- 
schichten  fanden  sich  Scherben  folgender  Art: 

Spärliche  mittclalterige,  mehrere  schwarze  mit 
germanischen  Verzieningsmustern,  massenhaftes  graues 
Geschirr  meist  gut  gebrannt,  mit  Quanuand  gemischt, 
theils  gut  geformt  und  mit  stattlichen  Rundstücken 
— theils  einfacher  und  aus  der  Hand  geformt,  ferner 
gewöhnliches  gelbes  römisches  Geschirr . Stücke  von 
feinen,  innen  und  aussen  schwarz  gefärbten  sowie  von 
erhaben  ornamentirten  Sigillat-agefüssen.  Auch  die 
übrigen  kleinen  Gegenstände  dieser  Fundschicht 
tragen  den  Typus  römischer  Zeit,  z.  B.  eine  Knochen- 
nadel, ein  Fingerring  von  Bronze,  eine  Kisenzange 
und  dergleichen. 

Diese  Scherbenschicht  lag  über  rothem  Lehm, 
welcher  sich  mehr  oder  weniger  mit  Dolomit-Sand 
und  Steinen  gemengt  zeigte  und  in  welchem  die 
unzweifelhaften  Spuren  des  mit  der  diluvialen  Fauna 
gleichzeitig  hier  lebenden  Menschen  eingelötet  lagen. 

l'm  heerdartig  zusannnengestellte  Steine  fanden 
sich  di«*  gespaltenen  Röhrknoehen  grosser  Sauget hiere, 
dabei  durchg.  schhigene  und  abgenutzte  fauatgrosae 
Stücke  von  Quarzgeröllen : in  «len  Winkeln  der  Höhle 
und  in  einein  mit  rotheiu  Lehm  erfüllten  Biederem 
Gange  kamen  grössere  Thierreste  zu  Tage,  wie 
Scbenkelknochen,  Wirbel,  Rippen,  Unterkiefer,  Zähne. 
Geweihe  und  Hufknochen  — mitten  dazwischen  immer 
die  Zerklopfsteine  sowie  mehrere  Knochenpfriemen, 
einige  andere  gebrauchte  abgenutzte  Stücke  die  man 
als  Messer  und  Marklöffel  deuten  kann,  sowie  der  zu 
einem  Schlagwerkzeug  »gerichtete  Unterkiefer  vom 
Höhlenbären. 

Zu  erkennen  sind  bis  jetzt  die  Reste  eines  jungen 
Klephanten , von  Rhinoceros,  Riesenhirsch , Pferd, 
Kenthier  und  von  stark  vertretenen  Höhlenbären. 

Einzelne  Zwischenknochen  von  Dickhäutern  sind 
von  vollkommenster  Erhaltung,  «In  sie  in  geschützten 
Winkeln  von  knetbarem  Lehm  umhüllt  lagerten  un«l 
zeigen  eine  rothgelbe  Färbung  im  Gegensatz  zu  den 
meisten  übrigen,  welche  bis  ins  innerste  Gewebe  tief- 
schwarz durchdrungen  sind. 

In  den  tiefsten  Schichten,  den  Spalten  des  Höhlen- 
1 salens , befinden  sich  wieder  Knochen  und  Zähne, 
wohl  meist  von  Höhlenbären  und  anscheinend  ohne 
Spuren  menschlicher  Thätigkeit. 

So.  Exucllenz  der  Harr  Oberberghuuptruann  von 
Dechen  aus  Bonn  haben  sich  der  Mühe  unterzogen, 
die  Bodenverhältnisse  der  Höhlen  festzustellen. 

Pie  Fundstücke  gelangen  in  das  Provinzial- 
Muscutn  zu  Trier,  dessen  Director,  Herr  Dr.  Hettner 
es  übernommen  hat.  seit  meiner  Abreise  die  Aus- 
grabung zu  Ende  zu  führen.  Eugen  Bracht. 

Karlsruhe  L Baden  im  October  1879. 


Anthropologische  Ausstellung  in  Berlin. 

Berichtigung.  In  Nr.  2 des  Corres  pondenz-Blattes  wurde  irrthüiulich  als  Termin  der  Anmeldungen 
für  die  Ausstellung  der  15.  April  angegeben.  Die  Ausstellungs-Commission  bittet,  die  Anmeldungen  bis 
Ende  Mürz  nach  Berlin  gelangen  zu  lassen. 

Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  von  F.  Straub  in  München . - Schluss  der  Bedaktion  am  11.  Mär:  lssu. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  rwn  J'rvfasor  Dr.  Johannes  Ranke  in  München, 

OrurraUtcrrtar  der  QtuiUtka) X. 

XI.  Jahrgang.  Nr.  4.  ErKheint  jeden  Monat.  April  1880. 


Zur  Kraniologie  Tyrols. 

Von  Johannen  Ranke. 

Die  Ethnographie  Deutschlands  bietet  uns 
Probleme  dar,  welche  durch  Untersuchung  auf 
dem  Hoden  des  deutschen  Reichs  allein  nicht 
zum  wissenschaftlichen  Austrag  gebracht  werden 
können. 

In  Beziehung  auf  die  Verbreitung  der  blon- 
den und  braunen  Russe  in  Deutschland  hat 
Herr  Virchow  wiederholt  auf  dieses  Verhält- 
nis* hingewiesen.  Eines  der  Ausstrahlungsge- 
biete für  die  braune  Rasse  musste  nach  der 
deutschen  Statistik  im  Hochgebirge , Welches 
Deutschland  iin  Süden  begrenzt,  gesucht  worden. 
In  glänzender  Weise  hat  sich  dieses  Postulat 
durch  die  statistische  Aufnahme  Über  die  Farbe 
der  Augen,  der  Haare  und  der  Haut  der  Schul- 
jugend der  Schweiz  (cf.  J.  Ko  lim  an».  Corr- 
Blatt  Nr.  1.  1880)  bestätigt.  Leider  steht  eine 
analoge  Untersuchung  für  die  Tyroler  Bevölker- 
ung wie  es  scheint  noch  nicht  in  erkennbarer 
Aussicht. 

Meine  statistischen  kraniologischen  Untersuch- 
ungen der  bayerischen  Volksstämme  hatten  zu 
der  Ansicht  gedrängt,  dass,  wie  das  Ausstrahlungs- 
gebiet der  dolichocephalen  (und  mesocephalen) 
bayerischen  BevÖlkerungsbestandtbeile  im  Norden 
Bayerns  resp.  im  altgermanischen  Norden  zu 
suchen  ist,  umgekehrt  das  Ausstrahlungsgehiet. 
der  altbayeriscben  Brachycephalie  in  dem  bayeri- 
schen und  tyroler  Hochgebirge  gelegen  sei. 

Einige  Hauptresultate  der  bayerischen  Schädel- 
statistik  wurden  schon  der  VII.  und  VIII., 
namentlich  über  der  IX.  allgemeinen  Versamm- 
lung der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft. 


in  Kiel  1878,  vorgelegt.  Dort  wurde  auch  das 
Ergebniss  der  Untersuchung  eines  grossen  Os.su- 
ariums  mit  den  Resten  ächter  tyroler  Hoch- 
gebirg8bevülkerung  (Unterinn,  auf  dom 
Ritten  bei  Bozen)  mitgetheilt,  welches  den  Zu- 
! sammenhang  der  bayerischen  Brachycephalie  mit 
' den  somatischen  Verhältnissen  der  ethnographisch 
1 und  geographisch  sich  anschliessenden  tyroler 
; Hoehgebirgsbevülkerung  vollkommen  bestätigte 
(cf.  Bericht  über  die  IX.  allg.  Vers,  zu  Kiel.  Corr.- 
Blatt  1S78.  S.  123—125). 

Ich  hatte  damals  mit  Unterstützung  des 
( Herrn  Professor  Dr.  Wies  er  in  Innsbruck  auch 
1 schon  über  die  Th  al b e v öl  kerun  g Tyrols 
und  zwar  zunächst  des  Innthals  um  Innsbruck 
( Untersuchungen  angestellt,  im  Mai  1877.  Da 
ich  beabsichtige,  diese  Untersuchungen  fortzu- 
( setzen,  so  schien  es  mir  angezeigt,  mit  der  Ver- 
| öffentliehung  der  bisherigen  Resultate  noch  zurück- 
1 zuhalten.  Seitdem  habe  ich  zu  meiner  Freude 
in  Herrn  Oberstabsarzt  Dr.  Rabl-Rückhard 
in  Berlin , neuerdings  in  Gemeinschaft  mit 
Herrn  Dr.  Tapp  ein  er  in  Meran  zwei  ausge- 
zeichnete Mitarbeiter  in  der  wichtigen  Frage  der 
tyroler  Kraniologie  erhalten.  Die  ersten  Früchte 
dieser  Studien  legte  Herr  Rabl-Rückhard 
in  zwei  Abhandlungen  nieder;  die  eine  erschien 
in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  1878,  die  zweite 
in  diesem  Blatt  1880.  Nr.  2-  3.  8.  16  — 19. 

Das  gibt  mir  Veranlassung , meine  bisherigen 
Angaben  zur  tyroler  Kraniologie  schon  jetzt  etwas 
zu  erweitern. 

In  dem  der  anthropologischen  Sektion  der 
; 50.  Versammlung  der  Naturforscher  und  Aerzte 
zu  München  1877,  sowie  der  VIII.  allgemeinen 
j Versammlung  der  deutschen  anthropologischen 

1 


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Gesellschaft  in  Konstanz  ebenfalls  1877  vorge- 
legten I,  Heft  S.  135  der  Beitrüge  zur  physi- 
schen Anthropologie  Altbayerns  (cf.  Beitrüge 
zur  Anthropologie  und  Urgeschichte  Bayerns 
Bd.  II.  Heft  I.  II.  8.  76.  77.)  habe  ich  den 
Satz  ausgesprochen : 

„ Das  Hochgebirge  — Bayerns  und  des 
angrenzenden  Tyrols  — erscheint  uns  nach  dem 
bisher  Gesagten  wenigstens  ftlr  den  altbayrischen 
Stamm  als  das  eigentliche  physiologische  Centrum 
höherer  Brachycephalie , ein  Satz , für  den  wir 
aber  wohl , analoge  Verhältnisse  vorausgesetzt, 
eine  allgemeine  Gültigkeit  beanspruchen  dürfen.“ 

8.  136  heisst  es  dann:  „Wir  wollen  hier  zum 
Schlüsse  noch  speciell  die  Aufmerksamkeit  der 
Forscher  und  zwar  vor  allem  der  in  Tyrol  selbst 
lebenden  auf  das  tyrolisch-italieniscbe  Gebirge 
und  seine  Bevölkerung  hinlenken.  Deutsch-  und 
Wälsch-Tyrol  erscheint  als  ein  wahres  Paradigma 
der  ethnographischen  Forschung  innerhalb  der 
europäischen  Völker.  .Jlier  ist  in  viel  geringerem 
Masse  als  im  übrigen  Deutschland  die  historische 
Continuitftt  durch  die  Völkerwanderung  gestört 
worden.  Wir  können  die  Züge  der  germanischen 
Völker  durch  die  Thäler  und  Pässe  dieser  Länder 
an  der  Hand  der  Geschichte  und  Linguistik  ver- 
folgen und  letztere  gewährt  uns  hier  wie  sonst 
fast  nirgends,  namentlich  durch  Herrn  Steub's 
bahnbrechende  Forschungen,  klare  Einblicke  in 
die  Sitze  der  rätho-romunischen  Urbevölkerung 
sowie  in  die  Schichtung  dieser  mit  den  einge- 
wanderten Eroberern.  Weit  in  das  Pusterthal 
hinein  ziehen  sich  von  Osten  her  Slaven.  Durch  I 
die  nordwestlichen  Pässe  gegen  das  obere  Innthal  [ 
drangen  schwäbisch-alemannische  Stämme,  während 
der  bayerische  Stamm  durch  den  breiten  unteren 
Thullauf  des  Inns  von  Nordosten  herauf  dann 
über  die  alten  Heerwege,  welche  Cymbern,  Gothen 
und  Longoborden  gezogen , Über  das  Gebirge, 
an  den  wilden  Porphyrschluchten  des  Eisack 
hinab  in  das  lachende,  rebenumlaubtc  Etschland 
vordrang , und  bayerische  Sprache , bayerische  ; 
Treuherzigkeit  und  Sitte  über  den  grössten  Theil 
von  Tyrol  bis  unter  den  sonnigen  Himmel  Italiens 
verbreitete.“ 

Um  mein  specielles  Untersuchungsobjekt:  den 
bayerischen  Volksstamm  auch  in  Tyrol 
zu  verfolgeu , und  die  Resultate  der  Mischung 
desselben  mit  der  rätbo-ronmniseheu  Urbevölker-  , 
ung,  auf  welche  jener  ja  auch  in  Altbayern  ge-  . 
stossen , näher  zu  studiren , bot  sich  nach  dem 
Gesagten  einerseits  die  Iunthalbevülkerung  bis  zum 
Fm»  des  Brenner  dar  und  im  Gegensatz  zu  dieser 
Bevölkerung  des  „Landes“,  wie  der  Tyroler  sagt, 
die  Bewohner  jenes  Theils  des  Hochgebirge,  welch*«» 


I die  alte  Heerstrasse  der  in  das  Etschthal  ein- 
wandernden Bayern  in  einst  rhäto-romanischer 
Gegend  flankirt. 

In  breitem  Strom  hat  sich  die  bayerische 
Einwanderung  in  die  fruchtbaren  Thäler  ergossen 
und  diese  und  deren  noch  zum  Weinbau  geeigneten 
niedrigen  Gehänge  zunächst  in  Besitz  genommen. 
Die  romanische  Bevölkerung  wurde  tbeils  in  die 
weniger  zugänglichen  und  unwirthlichefen  Soiten- 
thälcr , wo  sich  bekanntlich  romanische  Dia- 
lekte noch  bis  heute  erhalten  haben,  zum  Theil 
, auf  die  Höhe  der  Berge  gedrängt. 

Ist  diese  Annahme  richtig , so  haben  wir  in 
I dem  breiten  unteren  Thallauf  des  Inns  bis  Inns- 
bruck in  kraniologisclier  Hinsicht  Verhältnisse 
zu  erwarten , welche  von  den  im  bayeri- 
schen Inngebict  beobachteten  sich  wenig  unter- 
scheiden. Je  weiter  wir  dagegen  die  Berge  und 
Beitenthäler  des  vom  bayerischen  Stamm  besiedel- 
ten Theils  von  Tyrol  in  die  Höhe  steigen,  desto 
reiner  sollte  sich  die  alte  zum  Theil  jetzt  ger- 
manisirte  Urbevölkerung  auch  in  den  kraniologi- 
scheu  Verhältnissen  zu  erkennen  geben. 

Zwei  grössere  Untersuchungsreihen , die  eine 
an  der  Thalhevölkerung  in  der  Umgegend  von 
Innsbruck,  die  andere  an  der  deutschsprecheuden 
Gebirgsbevölkcrung  iin  Dorfe  Unterinn  auf  dem 
Kitten  bei  Bozen,  beide  also  im  Wohn-Gebieie 
des  bayerisch-tyrolischen  »Stammes,  haben  unsere 
Voraussetzungen  im  vollen  Masse  bestätigt. 

Die  tyroler  Land-Bevölkerung  des  Innthals 
und  seiner  niedrigen  Gehänge  um  Innsbruck 
stimmt  in  Beziehung  auf  das  Längenbreiten-Ver- 
hältniss  des  Schädels  ausserordentlich  nahe  mit 
der  Bevölkerung  des  bayerischen  lnngebietes  bei 
Altöttiug  tiberein  (cf.  die  Kurven-Tafel  in 
der  Seperatausgabe  (im  Archiv)  des  Berichts  der 
IX.  allgemeinen  Versammlung  in  Kiel  »8.  124), 
während  die  tyrol  isch -bayerische  Gebirgsbevölk- 
erung  (Unterinn  auf  dem  Ritten)  eine  ganz  über- 
mässige Kurzkopfigkeit  erkennen  lässt.  Die  unten- 
stehende Tabelle  ermöglicht  eine  Vergleichung  der 
hauptsächlichsten  Untersuchungsergebnisse. 

Die  Zahlen  der  Tabelle  bedürfen  kaum  einer 
Erläuterung.  Während  unsere  Statistik  der  Längen- 
breiten-Indic.es  für  die  bayerische  und  die  tyroler 
Innthalbevölkerung  (bei  Altötting  und  Innsbruck) 
grosse  U ebereinst  im  m ung  zeigt,  zum  Beweis,  dass  sich 
hier  wie  du  ziemlich  die  gleichen  ethnographischen 
Mischungsverhältnisse  des  bayerischen  Stammes  mit 
der  rätho  - romanischen  Urbevölkerung  geltend 
machten,  sehen  wir  in  dem  Gebirgsdorfe  Unterinn 
die  Brachycephalie  in  ihren  höchsten  Formen  soweit 
überwiegen,  dass  wir  kaum  daran  zweifeln  hönnen, 
hier  vorwiegend  auf  eine  andere  Rasse  und  zwar 


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3 


auf  den  somatischen  Einfluss  der  gesuchten  rätho-  I 
romanischen  Urbevölkerung  gcstossen  zu  sein. 

Aus  den  Untersuchungen  der  Herren  Rabl- 
Rückhard  und  Tappeiner  scheint  hervorzu- 
gehen , dass  sich  das  für  die  bnyerisch-tyrolisehe 
Bevölkerung  von  uns  festgestellte  Verhältnis 
wiederholt  einerseits  für  die  alemannisch-tyrolischen 
Bewohner  des  oberen  Innthals  und  seiner,  wie 
das  Oetzthal , weitgeöffnoten  fruchtbaren  Seiten- 
thftler , andererseits  für  die  an  dieses  Gebiet 
nnzuschli  essen  de  Gebirgsbevölkerung  mit  stärkerer 
rhäto-romanischer  Beimischung. 

Aus  Herrn  Tappein  er  's  Messungen  ergibt  I 
sich  (Rabl -Rllck  h ard  1.  ft.  8.  18):  „dass  ! 

ein  zahlreiches  mesokephales  Element  am  nörd- 
lichen Ausgang  des  Oetzthals  vorhanden  ist, 
welches,  je  weiter  man  in  die  Höhe  steigt,  immer 
mehr  zurücktritt  und  im  Schnalserthal  auf  einen 
äusserst  geringen  Procentsatz  herabsinkt.“ 

Herr  Tappeiner  hat  im  Oetzthal  im 
Ganzen  88  Schädel  gemessen  und  zwar  43  Bein- 
hausschädel  und  45  von  Lebenden  (1.  c.  8.  18), 
letztere  zeigten  sich  alle  brachycephal.  Unter  t 
den  88  Messungen  ergaben  14  einen  Längen-  1 
hreitenindex  unter  80,0  also  ein  mesocephales 
Maas.  Wenn  wir  die  Oetztbaler  Bevölkerung  im 
Ganzen  betrachten , so  besitzt  sie  nach  diesen 
Untersuchungen  weniger  als  Iß0,«  Mesocephale  , 
(darunter  1 Dolichocophale).  Die  Zahl  der  Meso-  I 
cepbalen  im  Oetzthal  wäre  danach  nicht  unwesent-  i 
lieh  geringer  als  im  Innthal  bei  Innsbruck, 
wo  sie  nach  meinen  Beobachtungen  23%  erreicht. 

Wir  werfen  bei  dieser  Vergleichung  aber  | 
verschiedene  Dinge  zusammen.  Nicht  das  gnnze 
Oetzthal  dürfen  wir  seiner  Fruchtbarkeit  und 
Offenheit  wegen  dem  Innthal  zurechnen.  Diese 
Verhältnisse  ändern  sich  von  Lengenfeld  an,  und 
schon  die  Bevölkerung  von  Sölden , noch  ent- 
schiedener aber  die  von  den  noch  weiter  thalatif- 
wärts  gelegenen  Orten,  in  welchen  Herr  Tap- 
peiner Schädel  von  Lebenden  gemessen,  ge- 
hören f wie  die  Ortschaften  im  Schnalserthal  der 
eigentlichen  Hochgebirgsbevölkerung  an , unter 
welcher  wir  einen  höheren  Procentsatz  der  über- 
brachycephalen  tyroler  Urbevölkerung  zn  erwarten 
haben,  was  Herrn  Tappeiner’s  Messungen  für 
das  Schnalserthal  in  vollkommenster  Weise  be-  j 
stätigten.  Im  oberen  Oetzthal  mögen  jedoch  die  1 
uralten  Verbindungswege  nach  80d  tyrol  die  ethno- 
graphischen Verhältnisse  etwas  verschoben  haben. 

Im  Schnalserthal  fand  Herr  Tappeiner  die 
Mesocephalie  noch  seltener  als  ich  für  Untermn 
angegeben  habe,  im  Uebrigen  scheinen  die  kranio- 
logischen  Verhältnisse  beider  Lokalitäten  sehr  ! 
ähnlich.  Ich  vermuthe,  dass  auch  das  offene  j 


Oetzthal  und  das  Innthal  bei  Innsbruck  noch 
nähere  Analogien  auf  weisen  werden  als  die  vor- 
läufigen Mittheilungen  bis  jetzt  erkennen  lassen, 
da  bekanntlich  die  Resultate  der  altbayerischen 
Schftdelstatistik  viele  Aehnlichkeit  zeigen  mit  den 
Ergebnissen  der  Untersuchungen  des  Hrn.  A.  Ecker 
Über  die  Schädel  des  alemannischen  Volks- 
stammo8  im  badenschen  Oberland  (cf.  München 
in  naturwissenschaftlicher  und  medicinischor  Be- 
ziehung. S.  210.  Kraniologisehe  Mittheilungen 
Uber  die  Landbewohner  Oberbayerns  von  J.  Ranke). 

Ich  schliesse  diese  Mittheilung  mit  dem  noch- 
maligen Ausdruck  der  Freude  darüber,  dass  das 
ebenso  schöne  wie  interessante  Land  Tyrol  nun 
auch  seine  anthropologischen  Schätze  für  die 


Forschung  7.u 

erschli  essen  beginnt 

Tthe 

Ile. 

Index : 

Thalbcvölkerung  (Innthal) 

Gebirgebevölkerung 
in  Tyrol 

(Unterinn  auf 

L : Br. 

!l 

Io  Bayern: 

in  Tyrel: 

(AltÖtting) 

(Innsbruck) 

dem  Ritten) 

73 

74 

1 

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— 

93 

II 

Mittheilungen  aus  den  Zweig- 
Vereinen. 

Anthropologischer  Verein  *n  Kiel. 

Aus  der  Sitzung  vom  8.  Juli*). 

Der  Vorsitzende  Herr  Professor  Pansch  be- 
richtet über  die  von  ihm  mit  Frl.  Mestorf  und 

*1  cf.  Corr.-Bl.  1879.  Nr.  8.  Wir  heben  aus  dem  um- 
fänglichen Bericht  des  Hrn.  Prof.  Handolmann  hier 
noch  das  heraus,  was  sich  auf  Kddelaek  Wicht.  D.  Red. 


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4 


Herrn  Behncke  am  21.  und  22.  März  vor- 
genommenen  Lokalbericht  igung  der  Fund- 
etelle bei  E d d e 1 a c k , welche  laut  Er- 
gebnis der  Nivellirungsversuche  gegenwärtig 
1,16  m unter  der  gewöhnlichen  Fluthhöhe 
liegt.  (Ausführliche  Berichte  über  diesen  Fund 
haben  Herr  Dr.  Hartinunn  und  Frl.  Mestorf 
in  Nr.  60,  61«  62  und  72  der  Itzehoer  Nach- 
richten veröffentlicht.) 

Herr  Professor  H and el mann  bemerkt,  dass 
nach  Urkunde  von  circa  1 140  die  alte  Form  des 
Namens  ( Ethelekeswisch)  laute,  welche  ausdrück- 
lich darauf  bindeute , dass  bis  zur  Eindeichung 
dos  Land  als  Wiese  und  Weide  diente.  Ausser 
tbeils  ganzen  , theils  zerschlagenen  Thierknochen, 
die  als  KüchenabfUlle  anzusehen  sein  dürften, 
enthält  der  Eddelacker  Fund,  abgesehen  von 
wenigen  anderen  Stücken,  ausschliesslich  Fabrikate 
der  Töpferei  und  erinnert  mannichfach  an  die 
• Ueberreste  und  Spuren  vorgeschichtlichen 
Töpfer  ei  betrieb  es,  wie  solche  an  anderen  i 
Stellen  z.  B.  auf  der  Insel  Amruin  und  der  I 
Halbinsel  Sundewitt  sowie  auf  der  dänischen  ! 
Insel  Fühnen  beobachtet  sind.  Es  Hesse  sich 
demnach  wohl  denken,  dass  in  der  trocknen  und 
warmen  Sommerzeit,  wenn  das  Meer  bei  stillem 
Wetter  zurücktritt,  einige  Töpfer  vom  benach- 
barten Geestabhang  (Kl ave)  bei  dem  sogenannten 
Eddelacker  Donn  hin  überfuhren  nach  der  damali- 
gen «Eddelacker  Plaat“,  um  dort  einige  Wochen 
oder  Monate  lang  in  leicht  gebauten  Hütten  ihr 
Gewerbe  zu  treiben  und  die  Kleischichten  und 
LehmUger  des  Wattenmeeres  auszu beuten.  Ein 
solcher  Gewerbebetrieb  kann  sich  Jahrhunderte 
lang  fortgesetzt  haben,  wodurch  sich  die  grosse 
Mannigfaltigkeit  des  Materials , der  Form  und 
Ornaraentirung  erklären  würde.  Die  woblgelungenen 
Fabrikate  nahmen  die  Töpfer  natürlich  mit,  wenn 
sie  zuin  Herbst  ans  Land  zurückkehrten,  während 
sie  die  Scherbenhaufen  nebst  den  Küchenabfällen 
liegen  Hessen.  Solche  Sommerkolonien  auf  der 
Plaat  bedurften  weder  Waffen  noch  Schmuck 
noch  sonst  viel  Gerfith,  hatten  also  auch  wenig 
Derartiges  zu  verlieren , und  so  erklärt  es  sich, 
dass  ausser  einer  Knochennadel , einer  Bernstein- 
und  zwei  Glasperlen , zwei  hölzernen  Küchen- 
utensilien  und  wenigen  Eisenresten  weiter  nichts 
gefunden  ist.  Wirklich  bleibende  Wohnstätten 
pflegen  eine  ganz  andere  Mannichfaltigkeit  von 
verloren  gegangenen  und  weggeworfenen  Gegen- 
ständen der  verschiedensten  Art  darzubieten. 

Zur  Erläuterung  der  Wahrscheinlichkeit  eines 
solchen  nur  zeitweiligen  Töpfereibetriebs  auf  der 
«Eddelacker  Plant“  und  ähnlichen  Stellen,  weist  j 
Hafer  ent  nach,  dass  die  No  j dfri  es  oii  an  , 


der  scbleswigschen  Westküste  viele  Jahrhunderte 
hindurch  in  gauz  ähnlicher  Weise  die  S alzsiederei 
auf  dem  Vorlande  und  dem  Watt  betrieben  haben, 
indem  sie  zur  Sommerzeit  die  daselbst  vorhan- 
denen Lager  des  Seetorfs  (Therw,  Therrig,  Tu  ul) 
ausbeuteten  und  aus  der  salzhaltigen  Asche  des- 
selben Salz  abkoebten.  Schon  zu  Ausgang  des 
12.  Jahrhunderts  war  das  nordfriesische  Salz  ein 
wichtiger  Ausfuhrartikel , der  im  Schleewiger 
Stadtrecht  besteuert  wird.  Dio  Anfilnge  dieses 
Industriezweigs  reichen  also  viel  weiter  zurück, 
| ohne  Zweifel  bis  in  die  vorgeschichtliche  Zeit, 
und  derselbe  hat  zuletzt  noch  in  den  Kirchspielen 
Dagebüll  und  G almsbull  (Kreis  Tondern) 
bis  1782  fortbestanden.  Auch  geht  aus  einer 
Notiz  bei  Martin  S choo e k : „ Belgium  foedera- 
tum“  (2.  Aufl.  Amsterdam  1655),  Buch  7 Kap.  8 
und  Buch  8 Kap.  13,  hervor,  dass  früher  in  der 
niederländischen  Provinz  Zeel  and  und  zwar  ins- 
besondere auf  der  Insel  Scbouwen  ebenso  aus 
der  Asche  des  Seetorfs  (darria)  Salz  gesotten 
wurde.  Noch  primitiver  wur  das  noch  vor  fünfzig 
Jahren  übliche  Verfahren  an  der  Westküste 
Jütlands,  namentlich  auf  der  Halbinsel  Sk  al- 
lin g,  wo  man  in  trocknen  und  warmen  Sommern 
einfach  deu  salzigen  Sand  der  Meeresküste  ab- 
hob und  die  daraus  gewonnene  Salzsoole  ver- 
| kochte. 

Eventuell  erscheint  die  Möglichkeit  nicht 
I ausgeschlossen , dass  auf  der  Eddelacker  Plaat 
| neben  der  Töpferei  auch  Salzsiederei  betrieben 
; wäre.  Schliesslich  deutet  Referent  hin  auf  die 
I Schilderung  einer  solchen  nur  vorübergehend  be- 
I nutzten  Ansiedlung  bei  den  Salzgraben  von 
Uvinza,  welche  der  Afrikareisende  Henry 
M.  Stanley  am  24-  Mai  1876  durchwanderte. 
(„Durch  den  dunklen  Welttheil“  Bd.  I S.  551). 
Da  heisst  es:  „ In  der  Ausdehnung  einer  Quadrat- 
meile ist  der  Boden  mit  zerbrochenen  Töpfen, 
Asche  von  Feuerstellen,  SalzabfÄllen , Klumpen 
gebrannten  Thons  und  Ueberresten  von  Hütten 
bestreut.“ 

Herr  Behncke  erklärte  sich  einverstanden 
mit  der  Auffassung,  dass  auf  der  Fundstelle  bei 
Eddelack  ein  zeitweiliger  Töpfereibetrieb  bestanden 
habe.  Andererseits  bemerkt  Herr  Dr.  Hart  mann: 
wenn  dio  Vermuthung  eines  grossartigen  Töpferei- 
betriebs auch  Vieles  für  sich  habe,  so  bleibe  es 
doch  schwer  begreiflich , weshalb  die  Geestbe- 
wohner den  weit  schlechtem  Thon  der  Marsch 
oder  des  Watts  zur  Töpferei  verwendet  haben 
sollten,  während  ihnen  auf  der  Geest  der  schönste 
Thon  ohne  Mühe  zu  Gebote  stand.  (Der  Vor- 
sitzende las  am  19.  Deeember  eine  Mittheilung  des 
Herrn  Dr.  Hart  mann  in  Maine  Itetreffend 


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die  Fundstelle  bei  Eddelack.  Neuerdings  vor- 
genommene Tiefgrabungen  auf  dem  angrenzen- 
den Felde  haben  ergeben , dass  auch  dort  in 
derselben  Bodenschicht  zahllose  irdene  Scherben 
eingebettet  liegen  ; auch  ist  eine  Feuerstolle  dort 
aufgedeckt  worden.  Im  ganzen  erstrecken  sich, 
so  weit  jetzt  bekannt , die  mit  Scherben  und 
Knochen  durchsetzten  Erdschichten  Uber  eine 
Flüche  von  10  m.) 

Ans  der  Sitzung  vom  11.  November  1S7U. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Professor  Pansch, 
theilt,  mit,  dass  der  Plan  mit  den  Vereinen  in 
Hamburg  und  Lübeck  gemeinschaftlich  eine  Zeit- 
schrift hernuszugeben  als  gescheitert  zu  betrach- 
ten Bei,  indem  von  Lübeck  ablehnend  geantwortet, 
von  Hnmburg  nur  indirect  bekannt  geworden, 
dass  man  nicht  darauf  einzugehen  geneigt  sei. 

Herr  Geheimrath  Thaulow  hält  darauf  Vor- 
trag über  das  altberübmte  Steindenkm&l  Stone- 
henge in  England.  Nach  einer  Beschreibung  der 
Oertlichkeit  und  des  Monumentes  iu  seinem 
gegenwärtigen  Zustande  (Redner  besuchte  es  im 
Jahre  1874),  giebt  er  eine  Uebersicbt  der  ver- 
schiedenen Deutungen , welche  dasselbe  seit 
200  Jahren  erfahren,  und  widmet  dann  der  Er- 
kl&rung  Nilsgons  besondere  Aufmerksamkeit, 
dessen  Auffassung  er  sich  anschliesst. 

„ Redner  legt  Gewicht  auf  die  Nachricht  des 
Hecatfins  von  eioem  Heiligthum  des  Apollo  auf 
einer  Insel,  die  Celtica  gegenüber  liege,  auf  die 
Spuren  von  einem  uralten  Baalsdienste , den 
Nilsson  auch  in  Schweden  nachgewiesen  zu 
haben  glaubt , und  auf  die  Bronzen , welche  aus 
einer  Anzahl  von  Hügeln  auf  dem  Gräberfelde 
bei  Stonehenge  zu  Tage  befördert  worden.  In 
der  sich  an  diesen  Vortrag  knüpfenden  Discutsion 
ttussert  Herr  Professor  Handelmann,  dass  er 
die  allgemeine  Ansicht , dass  dieses  Steindenkmal 
ein  Heiligthum,  ein  Sonnentempel  gewesen,  nicht 
in  Abrede  stellen  wolle,  wobl  aber  den  phönicischen 
Ursprung  desselben,  aller  anderen  Gründe  zu  ge- 
schweigeo,  schon  vom  historisch-politischen  Stand- 
punkte betrachtet.  Es  sei  nicht  denkbar , dass 
eine  Handelsfactorei  in  der  Lage  sei,  einen  so 
gewaltigen  Bau  zu  einem  Tempel  aaszuführen 
wie  das  sogen.  Stonehenge , das  in  seiner  Gross- 
artigkeit auf  eine  befestigte  Herrschaft  schliessen 
lasse  , auf  eine  Macht , welche  Uber  eine  grosse 
Arbeitskraft  zu  verfügen  habe.  Annehmbarer 
dünke  ihm  die  Ansicht  Kinkels,  welcher  das 
Monument  in  die  Zeit  setze,  wo  die  römische 
Herrschaft  in  England  ihr  Ende  fand  und  das 
nationale  Gefühl  wieder  erwachte.  Auch  gegen 


5 

etwaigen  keltischen  Ursprung  desselben  wisse  er 
nichts  einzuwendeu.  Herr  Thaulow  ineiut, 
wenn  in  den  Ländern  der  Kelten , in  Gallien, 
derartige  Tempel  existirt  hätten , würde  Caesar 
nicht  darüber  geschwiegen  haben.  Herr  Land- 
rath Matt  hi  essen  fragt,  ob  die  Kelten  Sonnen- 
! oder  Baalsdienst  geübt.  Wenn  dies  nicht  der 
Fall,  so  sei  die  Ansicht  des  Herrn  Thaulow 
die  ansprechendere.  Frl.  Mestorf  ist  der  Moin- 
j uug , dass  man , wenn  das  Denkmal  von  einer 
| phönicischen  Colonie  herrühre,  wohl  erwarten 
dürfe  ähnliche  Tempelbauten  zu  finden  in  den 
| historisch  bekannten  phönicischen  Colonien , auf 
| dem  weiten  Wege  von  Phönicien  nach  England: 

I Cypern,  Sardinien,  Karthago,  Gades  u.  8.  w.,  wo 
indessen  so  weit  bekannt  kein  Monument  existire, 
welches  an  Stonehenge  erinnere.  Die  von  den 
Herren  Nilsson  und  Thaulow  als  solche  ge- 
nannten Denkmäler  Giganteia  auf  Gozzo  und 
Newgrange  in  Irland  könnten  zum  Vergleich  nicht 
angezogen  werden,  weil  in  der  Form  und  Con- 
struction  keine  Aehnlichkeit  herrsche.  Auch  die 
Bronzen  aus  den  in  unmittelbarer  Nähe  von 
Stonehenge  liegenden  Grabhügeln  könnten  den 
phönicischen  Ursprung  nicht  beweisen,  da  die  in 
Nordeuropa  vorkommenden  Bronzegerät  he  von  den 
I in  Asien  gefundenen  so  verschieden  seien,  dass 
der  Gedanke  an  einen  Import  von  dort  her  auf- 
j gegeben  werden  müsse. 

Herr  Handel  mann,  welcher  über  eine  dop- 
1 pelte  Grabkammer  bei  Kämpen  auf  Sylt 
sprechen  wollte,  verzichtete  wegen  vorgerückter 
Zeit  auf  das  Wort,  und  Herr  Pansch  las  zum 
Schluss  eine  Mittheilung  von  Frl.  Mestorf  über 
ein  alterthümliches  musikalisches  Instrument,  eine 
sogen.  Hummel.  Die  Hummel,  ein  der  Zither 
gleichendes  Saitenspiel , ehemals  in  Schleswig- 
' Holstein  allgemein  verbreitet , ist  im  Aussterben 
| begriffen.  Ausser  dem  der  Versammlung  vorge- 
legten Exemplar , welches  sich  im  Besitz  des 
Museums  vaterländischer  Alterthümer  in  Kiel  be- 
findet, ist  gegenwärtig  nur  noch  ein  anderes 
bekannt  als  Eigenthuni  des  Geheimrath  Mich  eisen 
in  Schleswig.  (Zur  Sitzung  am  19.  December  war 
an  Frl.  Mestorf  ein  Schreiben  auf  dio  von 
ihr  in  den  Localzeitungen  ausgesprochene  Bitte 
um  Auskunft  Uber  das  nlterthümliche  Saiten- 
instrument eingegangen.  Ein  Leistenmacher  aus  m 
Elmshorn  theilt  mit,  dass  er  noch  vor  10  Jahren 
selbst  ein  solches  Instrument  für  sich  angefertigt 
habe  und  ein  paar  Dutzend  Melodien  darauf  spielen 
könne.  Auch  Uber  die  Stimmung  der  Saiten  giebt  er 
Auskunft  nnd  ist  erbütig  seine  Kunstfertigkeit 
auf  Wunsah  zu  produeiren  Trotz  diesem  einen 
j modernen  „Hummel virtuosen*  wird  man  doch 


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Annehmen  müssen , dass  dieses  Saiteninstrument 
im  Aussterben  begriffen  ist.) 

Ausser  der  Zither  kennt  Referent  nur  noch 
e i n Instrument , welches  sich  init  der  Hummel 
vergleichen  lässt : die  finische  Hantele.  Die 
der  Versammlung  vorliegende  Abbildung  einer 
solchen  ist  nach  einem  Exemplar,  welches  ein 
schwedischer  Gelehrter,  Prof.  Gustav  Rctzius,  ' 
vor  einigen  Jahren  in  Karelieo  erwarb,  das  einzige,  , 
dessen  er  in  ganz  Finlund  habhaft  werden  konnte,  i 
Audi  die  Hantele  ist  im  Aussterben , aber  sie  i 
verschwindet  nicht  spurlos , weil  sie  in  der  Tra- 
dition fortlebt.  Das  'Nationalepos  der  Finen,  j 
die  Kalevala,  erzählt  die  Geschichte  ihrer  Ent-  i 
stehung.  Ihr  Erfinder  ist  kein  geringerer  nls  | 
der  göttliche  Held  Wäinu-Möinen.  Die  Töne,  t 
welche  er  den  Saiten  entlockte,  waren  so  lieblich  | 
und  mächtig,  dass  Menschen  und  Thiere,  ja  auch 
die  leblose  Natur  davon  bezwungen  und  ihm 
untertban  wurden.  Sein  Vermäebtniss  ist  der 
Zauber,  der  den  Klängen  der  Hantele  bis  auf 
den  heutigen  Tag  eigen  geblieben  und  die  Zu- 
hörer so  mächtig  ergreift.  Hantele  und  Hummel 
haben  mit  der  Zither  auch  das  gemein,  dass  der 
Spieler  sie  wagreeht  vor  sich  hin  legt.  Hat.  letzt-  I 
genannte  ihre  hauptsächliche  Heimath  in  Tyrol, 
so  fanden  wir  die  Hummel  bis  jetzt  nur  auf  der 
kimbrisehen  Halbinsel,  die  Hantele  in  Finland. 
Von  ethnographischem  Interesse  wäre  es,  zu  er- 
fahren, oh  gleichartige  Saiteninstrumente  auf  den 
zwischen  liegenden  Ländergebieten  noch  bekannt 
oder  spurlos  verschwunden  sind.*)  J.  M. 

Aua  der  Sitzung  am  15).  December  l*7t». 

Auf  der  Tagesordnung  stand  eine  Mittheilung 
des  Vorstandes  über  projectirte  Ausgrabungen 
hei  dem  Dorfe  lmmenstedt  in  Dithmarschen. 
Der  Vorstand  hatte  Frl.  Mentorf,  welche  die 
Angelegenheit  bisher  geleitet , darum  ersucht 
darüber  zu  berichten.  Das  von  derselben  ein- 
gereichte schriftliche  Referat  wurde  von  dem 
Vorsitzenden,  Herrn  Prof.  Pansch  gelesen. 

Die  kleine  Ortschaft  lmmenstedt  wurde  erst 
1K05  zur  Dorfschaft  erhoben.  Einer  Tradition 
zufolge  soll  dort  ehemals  ein  Kirchdorf  gleichon 
Namens  gelegen  haben , dessen  Bewohner  nach 
Fehmarn  aus  wandelten.  Ein  Feld  in  der  Nähe 
„ des  Ortes  heisst  noch  jetzt  „ lmmenstedt  er  Kark- 
bof*  und  dies  ist  eben  dos  Terrain  , welches  für 
die  Ausgrabungen  ins  Auge  gefasst  ist. 

*1  Hartmann  (Vaterländ.  Alterth.  in  Dorpat) 
erwähnt  eines  musikalischen  Instrumenten , welches 
der  Hnländischon  Hantele  ähnlich . in  Eethland 
Könnt- 1 genannt,  am  Ende  de«  vorigem  Jahrhundert* 
noch  benutzt  sein  «oll.  Das  im  Museum  zu  Dorpat 
befindliche  Exemplar  stammt  aus  Fellin. 


Das  Feld  war  nämlich  und  ist  zum  Theil 
noch  jetzt  mit  kleinen  nur  1 m hohen  Hügeln 
bedeckt , von  denen  die  meisten  zerstört  sind, 
etliche  in  diesem  Jahre  von  dem  Vorstände  des 
Dithmarser  Museums  aufgedeckt  wurden.  Sie 
enthielten  Skeletgräber  und  zwar  scheinen 
die  mit  spärlichen  Beigaben  aus  Eisen  be- 
dachten Todten  in  hölzernen  Särgen  be- 
stattet zu  sein.  Dies  ist  in  Holstein  eine  völlig 
neue  Erscheinung  Die  Gräber  der  Eisenzeit,  sind 
hier  vorwiegend  Urnenfriedhöfe;  Skoletgräber 
waren  bis  jetzt  nur  zweimal  zur  Anzeige  gekom- 
men , beide  aus  dem  Östlichen  Holstein  (Siggen- 
eben und  Prasdorf),  beides  Flachgräber  mit 
dürftigen  Beigaben  aus  Eisen,  welche  letztere 
berechtigen,  diese  Gräber  in  die  ältere  Eisenzeit 
zu  setzen.  Ob  nun  die  Immenstedter  Griiber 
derselben  Zeit  angehören  oder  aus  den  letzten 
vorchristlichen  Jahrhunderten  herrühren,  müssen 
die  geplanten  Untersuchungen  Ausweisen.  Die 
Eisengeräthe , welche  bei  den  Ausgrabungen  der 
Meldorfor  Herren  zu  Tage  gefördert  wurden,  be- 
I stehen  in  defecten  Schnallen  und  Messern.  Erstere 
reichen  ins  3.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
zurück.  Wie  lange  aber  noch  Schnallen  dieser 
Form  hier  im  Lande  getragen  sind , wissen  wir 
nicht.  Die  Form  der  Messer  deutet  auf  eine 
spätere  Zeit.  Die  Auflösung  der  Gebeine  und 
des  Holzes  ist  soweit  vorgeschritten , dass  die 
Untersuchung  dadurch  sehr  erschwert  wird.  Nichts- 
destoweniger glaubten  die  Meldorfer  Herren  zu 
erkennen , dass  die  Holzschichten  oberhalb  und 
unterhalb  des  Skelettes  seitlich  Zusammenhängen 
und  in  einem  gehöhlten  Baumstamm  bestanden  (?), 
dos  hieH.se  mit  anderen  Worten,  dass  die  Leichen 
in  Baumsärgen  bestattet  seien  (?) , abermals  ein 
neue*  Moment , wodurch  das  Interesse  für  diese 
I Gräber  noch  vermehrt  wird.  Gelingt  es  dem 
anthropologischen  Verein  zu  oonstatiren,  dass  die- 
selben aus  der  letzten  heidnischen  Periode  her- 
rühren , so  füllt  er  damit  eine  Lücke  in  der 
Kenntnis*  unserer  Vorzeit,  wofür  ihm  auch  ausser- 
halb der  Grenzen  unseres  Landes  Dank  gespendet 
werden  wird.  Jedenfalls  ist  die  Sache  zu  wichtig, 
als  dass  er  sich  dieser  Aufgabe  entziehen  dürfte, 
was  auch  im  Allgemeinen  zugegeben  wurde,  ob- 
gleich mehrerseits  wohlbegründete  Einsprache 
bezüglich  gewisser  Nebenumstände  erhoben  wurde. 
— Ein  von  Herrn  Professor  Handel  mann  an- 
gekündigter Vortrag  über  Denkmäler  und  Oert- 
lichkeiten,  an  welche  die  Sage  vom  Nerthusdienst 
anknüpft,  fiel  aus,  weil  Herr  Handelmann  sich 
wegen  Heiserkeit  verhindert  sah , zu  erscheinen. 


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7 


Der  Uebergang  des  Germanicus  über 
die  Ems  im  Jahre  16  n.  Chr. 

Von  R.  Wagen  er  zu  Langenholzhausen 
iFilrsteuthuw  Lippe). 

Der  Ems-Uebergung  des  römischen  Heeres 
unter  Germanicus  kann  nach  dem  schwer  ver- 
ständlichen Texte  der  Stelle  in  Tacitus  Annal.  11,8. 
nur  aus  dem  Zusammenhänge  mit  anderen , auf 
dieselbe  Iuvasion  Bezug  hallenden  Angaben  des- 
selben Buchs,  besonders  II.  5.,  II.  7.,  und  II.  14. , 
einigermaßen  befriedigend  gedeutet  werden. 

Nach  der  II.  5»  dargelegten  Disposition  hatte 
Germanicus  zunächst  den  abenteuerlichen  Plan 
gefasst,  das  Heer  in  Schiffen  die  „FlUase“  hinauf 
bis  mitten  in  Deutschland  hinein  zu  bringen. 
Dass  ein  solches  Vorhaben  auf  der  Ems,  als  dem 
westlichsten  deutschen  Flusse  nächst  dem  Rheine, 
der  unmittelbar  ins  Meer  einmündet , überhaupt 
schon  deshalb  nicht  ausführbar  war.  weil  der- 
selbe nur  theilweise  schiß  har  ist  und  seinem 
ganzen  Laufe  nach  nur  dem  nordwestdeutschen 
Tiefland»»  angehftrt,  war  ohne  Zweifel  auch  dem 
Germanicus  genau  bekannt ; ausserdem  stand 
dieser,  II.  7.,  unmittelbar  vor  jener  Expedition 
ja  bereits  im  Castell  Aliso,  welches  er  entsetzt, 
und  dessen  Verbindung  mit  dein  Rheine  er  durch 
neue  Befestigungen  gesichert  hatte,  befand 
sich  also  in  offenem  und  ebenen,  mithin  verhält- 
nissmässig  gefahrlosen  Terrain  kaum  einen  halbem 
Tagenmrsch  von  <jen  Ernsquellen  entfeint;  und 
es  hätte  dazu  also  Überhaupt  des  Rückmarsches 
von  Aliso  nach  Castra  vetera,  sowie  des  Baues 
und  der  Ausrüstung  einer  Flotte  von  tausend 
Fahrzeugen , endlich  der  mühseligen  Fahrt  den 
Rhein  und  den  Canal  des  Drusus  hinab  durch 
die  See  und  das  offene  Meer  bis  zur  Eius,  gar 
nicht  bedurft  l 

Germanicus  wollte  aber  überhaupt  nicht  in 
die  Ems  einlaufen , vielmehr  in  die  Mündung 
eines  weiter  östlich  befindlichen  Flusses , also 
entweder  der  Weser,  oder  gar  der  Elbe,  welche 
letztere  wenigstens  in  der,  von  Tacitus  II.  14. 
berichteten,  angeblichen  Ansprache  des  Germanicus 
an  sein  Herr  ausdrücklich  als  Ziel  bezeichnet  wird. 

Wenn  er  daher  mit  seiner  Flotte  dennoch 
in  die  Einsmündung  gerieth . kann  daran  nur 
eine  irrthümliche  Verwechslung  der  Lokalität,  in 
Folge  ungenügender  Ortskenntnis*,  Schuld  gewesen 
sein;  Tacitus  erachtet  es  daher,  wie  später  im 
Zusammenhänge  weiter  nachgewiesen  werden  soll, 
auch  für  nöthig,  diesen  argen  und  folgenschweren 
Missgriff  ausdrücklich  zu  constatiren,  gleichzeitig 
aber  auch  möglichst  zu  entschuldigen. 


Nach  Feststellung  vorstehender  Prämissen 
gehen  wir  zu  dem  Hauptthema,  II  8.,  Uber. 

Der  Text  lautet,  nach  Einschaltung  einer 
von  Herrn  Schier enberg  mitgetheilten  Vari- 
ante, welche,  obgleich  an  sich  nur  unbeträchtlich, 
doch  das  Verständnis»  der  Stelle  sehr  wesentlich 
fördert , nämlich  laevo  amni  statt  der  früheren 
Lesart  laevo  auine,  und  bei  entsprechender  Aeu- 
derung  der  Interpunktion,  jetzt  folgendermassen : 
„Classis  Amigiae  relicta,  laevo  amni;  erratum- 
que  in  eo , quod  non  subvexit.  Transposuit 
militem,  dextras  in  terra»  iturum ; ita  plures  dies 
efficiendis  pontibus  absumpti.  Et  eques  quidem 
ac  legiones  prima  ae.stuaria,  nondum  odcrescente 
unda.  intrepidi  transiere;  postremuw  auxiliorum 
agmen,  Batavique  in  parte  ea,  . . . .“ 

Nach  dem  bisherigen  Wortlaute  wäre  der 
Ablativ  laevo  arnne  mit:  nau  der  linken  Seite 
des  Flusses“  zu  Übersetzen  gewesen.  Es  würde 
nun  zwar  auch  dio  jetzt  supponirte  Lesart  laevo 
amni  grammatisch  ebenfalls  noch  als  Form  des 
Ablativ  angesehen  und  in  derselben  Weise  über- 
setzt werden  dürfen , wie  die  frühere , zumal  es 
ausserdem  unzweifelhaft  erscheint,  dass  Germanicus 
wirklich  an  der  linken  Seite  der  Ems  gelandet 
war,  indem  von  Tacitus  ja  der  Uebergang  aufs 
rechte  Ufer  mit  Bestimmtheit  berichtet  und  be- 
schrieben wird ; — — aber  die  Worte  laevo 
amni  sind  doch  jetzt  viel  wahrscheinlicher  als  im 
Dativ,  und  zwar  als  durch  Attraction  vom  Dativ 
Amisiae  in  Apposition  dazu  stehend,  zu  nehmen, 
und  danach  würde  der  erste  Satz , bis  subvexit, 
in  der  Ueberseizung  lauten: 

„Die  Flotte  wurde  der  Ems  zurück- 
gelassen,  dem  Flusse  links  (von  der 
Weser);  und  zwar  irrte  man  in  dem- 
selben, (verwechselte  ihn  mit  der  Weser,)  weil 
sie  (die  Flotte)  nicht  weiter  hinauffuhr 
(uud  man  sich  also  vor  der  Landung  nicht  erst 
genauer  orientiren  konnte).“  War  in  diesem  »Satze 
unzweifelhaft  classis  Subjekt , so  kann  dies  doch 
für  den  folgende«,  mit  transposuit  beginnenden, 
nicht  mehr  der  Fall  sein,  indem  das  Heer  ja 
weder  von  der  Flotte  übergosetzt  wurde , noch 
eine  Brücke  zum  Uebergange  benutzte , vielmehr 
zuletzt  einfach  durch  den  Fluss  ging.  — Es 
bleibt  daher  nur  übrig,  als  Subjekt  für  den  neuen 
Satz  Caesar  zu  substituiren : „ (Germanicus) 

brachte  das  Heer,  da  dasselbe  in  die 
rechts  belegenen  Länder  marschiren 
sollte,  (nunmehr)  auf  die  andere  Seite.“, 
demnach  die  Stelle  so  aufzufassen , dass  es  bei 
dem  zwar  unternommenen  , aber  schliesslich  — 
vielleicht  wegen  Mangels  an  Baumaterial  an  der 
holzarmen  friesischen  Küste  — misslungenen 


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8 


Versuche,  eine  Brücke  herzustellen,  gehliehen  sei, 
und  die  zweite  Hälfte  des  Satzes  also  zu  über- 
setzen : 

„und  so  wurden  mehre  Tage  (mit  dem 
Versuche)  eine  Brücke  zu  bauen  (noch 
vergeblich)  hingebrncht.**; 
wenn  mau  dafür  nicht  lieber  annehmen  will,  dass 
sich  diese  Bemerkung  Überhaupt  schon  auf  den, 
durch  jene  verfehlte  Landung  in  der  Eins  nun 
nftthig  werdenden , spätem  Brückenbau  über  die 
Weser,  vor  der  Schlacht  von  Idistaviso,  beziehen 
soll,  zumal  dieser  auffallenderweise  von  Tacitns 
nachher  gar  nicht  wieder  bestimmt  erwähnt  wird, 
mithin  zu  übersetzen: 

„und  ao  mussten  (später,  wegen  dieser 
irrthümlichen  Landung  in  der  Ems,  noch)  in  ehre 
Tage  mit  dem  Baue  ei  Der  Brücke  (über 
die  Weser)  hingebracht  werden.“ 

Der  Marsch  ging  nunmehr  nach  letzterm 
Flusse.  — 


Kleinere  Mittheilungen 

Hochäcker  ln  der  Provinz  Hannover.  — Im  An- 
schluss an  die  Mittheilung  im  Correepomtcnzblatt  für 
1879  (Nr.  7.  8.  56)  scheint  folgender  Passus  bemerkcns- 
werth , der  vielleicht  nicht  allgemein  bekannt  ist. 
Herr  Studienrath  Müller  in  Hannover  schrieb  1672 
(Zeitschrift  des  historischen  Vereins  lur  Niederaachsen. 
6.  174):  „Herr  Oberboniteur  Best  (in  Katham  an  der 
Aller)  bemerkte  in  vielen  Heiden  und  Wäldern  acker- 
furchenartige  Flächen,  selbst  in  Gegenden,  die  so  weit 
von  allem  graswüchsigen  Boden  entfernt  liegen , das« 
für  die  Zukunft  wohl  niemals  ein  Wiederauf  brach 
derselben  zu  Ackerland  zu  erwarten  steht,  besonders 
da  der  Boden  sehr  trockensandiger  Natur  ist.  Herr 
Best  hat  Gegenden  gefunden,  wo  fast  alle  gemein- 
heitlichen  Flächen  in  den  Haiden  solche  Ackerfurchen 
zeigten;  und  dos*  dieselben  wirklich  sehr  lange  Zeit 
beackert  gewesen  sind,  kann  man  daraus  abnehmen, 
das#  die  Stücke  selbst  auf  trockenem  Hoden,  alle  sehr 
hoch  aufget rieben  und  die  Vorwanden  mehrere  Fuss 
höher  als  die  dagegen  schiessenden  Stücke  sind. 
Diese  ehemaligen  Feldfluren  mit  ihren  in  verkehrter 
ä-Form  gekrümmten  Stücken,  gerade  wie  bei  unseren 
alten  Feldlagen , den  Vorwanden , den  verschiedenen 
Richtungen  nach  der  Abdachung  der  Berge , den 
schräg  über  die  Stücke  gehenden  Feldwegen  u.  ».  w. 
sind  wirklich  sehr  auffällig.  Am  seltsamsten  ist  es 
aber,  dass  solche  Ackerflngen  sehr  häufig  «ich  da  be- 
finden, wo  mehrere  HügelgräW  liegen,  wobei  oft 
einzelne  Stücke  zwischen  zwei  Hügeln  durchschicsseu, 
wohl  ein  sicherer  Beweis,  dass  die  Gräber  älter  sind, 
als  diese  Ackerkultur  in  der  Haide. 

Die  Ackerfurchen  in  Haiden  und  alten  Wäldern 
hat  Herr  Best  auf  seinen  Reisen  als  Oberboniteur  — 
(seit  1832,  W.  K.)  sowohl  im  Lüneburgischen,  Stadi- 
schen.  als  auch  iui  Hoyaschen  und  Dicpholzschen  be- 
obachtet. Die  grösste  Ausdehnung  solcher  alten  Feld- 
fluren fand  er  im  Amte  Tostedt,  wo  fast  du#  ganze 
ehemalige  Amt  Moisburg,  ausgenommen  nur  einig«* 
nassgründige  Flächen,  mit  seinen  Haideräunien  und 
alten  Markenforsten,  welche  man  fast  für  Urwälder 
halten  sollte , durchgängig  ackerartig  gefurcht  ist. 

Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  ran  b\  Straub  ii 


Die  Ackerstücke  sind  selbst  in  leichtsandigem  Boden 
sehr  hoch  aufgetrieben,  oft  bis  zu  3 Fuss  flöhe.  Ge- 
wöhnlich liegen  zwischen  dcnscllwn  sogenannte  Balken 
von  4 bi«  (>  Fuss  Breite,  welche  nicht  beackert  gewesen 
sind  und  die  als  Lagerplätze  für  die  aus  dem  Acker* 
lande  gerodeten  Granitgeschiebe , ursprünglich  auch 
wohl  für  die  Baumstücken  gedient  haben.  Für  den 
lang«m  Bestand  dieser  Flächen  als  Kulturland  zeugen 
auch  die  unter  der  Oberfläche  gelagerten  und  später 
blossgelegten  Granitblöcke,  welche  oll  mit  unzähligen 
langen  Sc  brummt- n bedeckt  sind,  den  offenbaren 
»Spuren  von  den  fiberstreichenden  Pflugschuaren. 

(Diese  Schrammen  praehistorischer  Pflüge  dürften 
wohl  in  Wahrheit  diluvialen  scandinavischen  Glet- 
schern Angehören  und  aus  der  Eiszeit  stammen.  W.  K.l 

Die  damaligen  Ackerbauer  scheinen  sich  — wie 
auch  natürlich  — am  häufigsten  in  der  Nähe  von 
Fluss thälern  angesiedelt  zu  haben ; so  scheint  hier- 
durch die  bedeutende  Ackerkultur  in  der  Nähe  der 
Elbmarsch . welche  selbst  wohl  nur  als  Viehweide 
damals  benützt  wurde,  veranlasst  zu  sein.  So  findet 
man  auch  auf  der  hohen  Geest  in  der  Nähe  der  Aller 
und  «1er  Weser,  besonders  aber  an  der  Hunte  im 
Amte  Diepholz  und  Frendenberg,  hei  «len  Dörfern 
Altdorf.  Rockstedt  und  Rüssen  in  den  Haiden  und 
Forsten  viele  ehemalige  Ackerfluren.  Aber  auch  in 
der  Nähe  von  Mooren,  welche  damals  wohl  gromen- 
thcils  grasreiche  Brüche  bildeten , erscheinen  der- 
gleichen. mitunter  aber  auch  so  entfernt  von  Allem 
weidefähigen  Boden,  dass  man  fast  annehmen  man, 
«lies«*  Ackerbauer  haben  ohne  Viehweiden  gt»wirt  li- 
sch aftet.  W.  Kraus  e. 

Göttingen,  den  16.  Decbr.  1879. 


Aus  der  fränkischen  Hö hiergegen d.  — Neumühle, 
den  7.  Mär/.  1879.  Ich  habe  im  vorigen  Sommer 
bei  Biberbach  einige  Hügelgräber  ausge- 
graben . e#  waren  «lies  aber , ausser  einein , nur 
zusommengeworfene  Steinhaufen.  ’ Aus  diesem  einen 
brachte  ich  nur  einige  zumuu mengefallene  Urnen  heraus, 
von  einem  Skelet  und  Schmucksachen  fand  sich  nichts 
vor.  Höhlen  habe  ich  dienen  Winter  4 ausgraben 
lassen,  davon  eine  im  Wiesentthal  zwischen  Behr- 
ingersiiiühle  und  Müggendorf,  zwei  im  Püttlachtha  1, 
eine  hei  Bärenfels  und  eine  im  Ailsbach  thal.  In 
sümmtlichen  Höhlen  fanden  sich  mehrere  Aschen- 
schichten übereinander  und  in  der  untersten  Schicht 
Stein-,  Knochen-  und  Hornwerkzeuge  und  eine  Menge 
zerschlagener  und  verbrannter  Knochen.  In  einer  der- 
selben fanden  sich  auch  in  der  zweiten  Schicht  zwei 
Bronzeringe  und  eine  Fibel.  Ausserdem  habe  ich  auch 
in  einer  Höhle  nur  fossile  Knochen  ausgegraben  und 
die  kleineren  Knochen  Herrn  Dr.  Ne  bring  in  Wolfen- 
büttel zur  wissenschaftlichen  Bearlieitung  geschickt. 

Mehrere  Grabhügel  habe  ich  b»*i  Geiselhöhe, 
südwestlich  von  Pott enst ein,  geöffnet  und  in  einem 
derselben  zwei  lange  Nadeln , einige  Schildbuckeln, 
einige  defekte  (»««genstände  von  Bronz<>  und  eine  sehr 
starke,  aber  ganz  roh  gearbeitete,  eisern«»  Lanzenspitze 
gefunden.  In  den  übrigen  Hügeln  waren  die  8k«det|e 
ohne  Beigaben.  Ebenso  war  es  unmöglich  einen 
Schädel  herauszxibringen,  <la  dieselben  von  den  darauf 
liegenden  Steinen  ganz  zerdrückt  waren.  Bis  jetzt 
habe  irh  ohngefäbr  etliche  dreissig  Grabhügtd  geöffnet 
und  ca»  12  Höhlen  uhd  Urwohnnngen  ausgegraben. 
Sobald  bessere  Witterung  wirtl , werde  ich  einige 
Grabhügel  bei  Breitenleeau  öffnen. 

Hans  Hoesch. 

München.  — Schluxx  der  Deduktion  am  XI.  Mär 3 ISStK 


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U i 


Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

Cfir 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Rcdigirt  txm  Professor  I>r.  Johannen  Ranke  in  München, 

Otneralstcrrtdr  der  OttdUrhqfl. 


XI.  Jahrgang.  Nr.  5.  Erscheint  jeden  Monat.  Mai  1880. 


Ethnographisches  von  Sumatra’s 
Ostküste. 

Von  F.  Ilu gm. 

(Hinein  Brief  de«  Herrn  Dr.  F.  Hagen  aus 
Homburg  (bay.  Rheinpfalz)  d.  d.  Danjeng-Merawa, 
Sumatra'»  Ostküste , 27.  Sept.  1879  an  Herrn 
Professor  Dr.  K.  Z i 1 1 e 1 in  München  entnehmen 
wir  folgende«:) 

Treu  dem  Versprechen,  das  ich  bei  meiner 
letzten  Anwesenheit  in  der  Münchener  anthropol. 
Gesellschaft  gab,  sende  ich  Ihnen  hiemit  meinen 
ersten  Bericht  aus  dem  Lande  der  so  bös  ver- 
schrieenen Menschenfresser,  nämlich  der  Batta’s 
im  Innern  von  Sumatra.  Ich  wohne  augenblick- 
lich hart  an  der  Grenze  ihrer  noch  nicht  unter 
holländischer  Hoheit  stehenden  Länder , die  in 
jeder  Hinsicht  beinahe  noch  völlig  unbekannt 
sind.  Ich  spreche  hier  nur  von  dem  nördlichen 
Theil  der  Battaländer ; der  mittlere  und  südliche 
ist  schon  früher  von  Junghuhn  bereist  und  be- 
schrieben worden  (F.  Junghuhn,  die  Battaländer 
auf  Sumatra,  1 u.  II  Bd.  1847). 

Ich  bin  natürlich  jetzt  noch  nicht  im  Stande, 
Ihnen  umfassende  ethnologische  Studien  über  ein 
Volk  vorlegen  zu  können,  das  ich  erst  seit  zwei 
Monaten  kenne , und  dessen  Sprache  ich  noch 
nicht  verstehe.  Meine  erste  Mittheilung  soll  sich 
nur  auf  eine  einzelne  anthropologisch-ethnologisch 
immerhin  beachten swerthe  Thatsache  beschränken, 
von  der  Junghuhn,  der  beste  Kenner  der  Batta’s, 
Nichts  erwähnt : Die  künstliche  Verunstaltung 
des  Penis  bei  den  Batta’s. 

Junghuhn  (die  Battaländer  auf  Sumatra,  Bd. 
H,  S.  140)  erwähnt  die  aus  Holz  geschnitzten 


monströsen  Geschlechtstbeile,  z.  Th.  in  Ausführ- 
ung des  Coitus  begriffen , mit  denen  bei  der 
| Leichenfeier  eines  Radjah  das  Sarggostell  und 
später  das  Grab  geschmückt  wird.  Von  dem 
j nachfolgend  beschriebenen  Gebrauch  jedoch  er- 
wähnt er  Nichts;  entweder  dass  diese  Sitte  nur 
in  dem  nördlichen  unbekannten  Theil  der  Batta- 
länder im  Schwünge  ist,  wohin  Junghuhn  nicht 
gelangen  konnte , oder  dass  man  ihm  dieselbe 
verheimlichte  (so  z.  B.  wusste  nicht  ein  einziger 
der  hier  ansässigen  Pflanzer  von  dieser  sorg- 
ftlltig  geheim  gehaltenen  Thatsache , und  auch 
ich  gelangte  nur  durch  einen  Zufall  zur 
Kenntnis«). 

Bisher  war  meines  Wissens  ein  ähnlicher 
Gebrauch  nur  bei  den  Dajaks  bekannt , sowie 
eine  analoge  Mittheilung  aus  Deutschland  durch 
: Herrn  Professor  Rüdinger  (in  einer  Sitzung 
der  Münchner  anthropologischen  Gesellschaft). 
Während  aber  bei  den  Dajak's  die  glans  penis 
durchbohrt  oder  gespalten  wird , führt  man  die 
Verunstaltung  des  penis  bei  den  Battakern  auf  eine 
ganz  andere  Weise  herbei , so  dass  beide  Mani- 
pulationen nur  den  leicht  erklärlichen  Endzweck 
mit  einander  gemein  haben  dürften. 

Das  Verfahren  , welches  von  herumziehenden 
einheimischen  Medizinverkäufern  geübt  wird,  ist 
folgendes  : Die  Haut  des  männlichen  Gliedes  (nicht 
auch  das  praeputium)  wird  in  der  Weise  mit 
den  Fingern  angespannt , dass  sie  etwas  nach 
hinten  gegen  die  8cbamfuge  und  stark  zur  Seite 
gezogen  wird.  Dann  schneidet  man  sie  mit  einem 
scharfen  Messer  in  der  Länge  von  etwa  2 cm 
völlig  bis  auf  die  Fascie  ein  und  schiebt  nun 
durch  den  so  entstandenen  Schnitt  ein  kleines, 
meist  etwa  1 cm  grosses,  oft  aber  auch  doppelt 

6 


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42 


so  grosses  weisses  Steinehen  von  prismatischer 
Gestalt  mit  abgerundeten  Kanton  in  das  Unter- 
baut Zellgewebe ; dann  lässt  man  die  Haut  los, 
die  vermöge  ihrer  Elastizität  in  ihre  frühere  Lage 
zurückkehrend  sich  über  das  Steiqchen  hinschiebt, 
so  dass  dasselbe  schliesslich  1—2  cm  von  der 
Schnittwunde  entfernt  unter  der  Haut  sitzt,  wo- 
durch ein  Herauseitem  verhütet  wird.  Doch  scheint 
das  Letztere  bei  dem  sicher  in  hohem  Grade  statt- 
findenden  örtlichen  Reiz  nicht  immer  zu  gelingen: 
der  Mann,  dessen  auf  solche  Weise  verunstaltetes  . 
Glied  ich  sab.  hatte  sich  als  Jüngling  diese  Stern- 
chen vor  etwa  25  Jahren  einsetzen  lassen , um, 
wie  er  sagte,  den  Weibern  zu  gefallen,  die  „wie  i 
närrisch-  auf  einen  solchen  Mann  seien.  Es  waren  • 
ursprünglich  10  solcher  Steinehen,  aber  nur  noch  I 
vier  waren  vorhanden ; die  übrigen  sind  im  Laufe  * 
der  Zeit , wie  er  sich  ausdrückte , verloren  ge- 
gangen resp.  herausgeeitert.  Der  nämliche  Mann 
erzählte  mir  ferner,  vornehme  und  reiche  Radjah’s 
der  Tobahländer  Hessen  sich  statt  der  weissen 
Sternchen  solche  von  Gold  oder  Silber  einsetzen. 

Sehr  häufig  scheint  diese  Sitte  gerade  nicht 
zu  sein ; es  kannte  wohl  jeder,  den  ich  befragte, 
dieselbe,  aber  unter  einem  etwa  80  Mann  starken 
Stamme  aus  der  Gegend  des  grossen  Tobahsee's 
(auf  dem  centralen  Gebirgsstock  Sumatra's)  fand 
ich  nur  einen  einzigen  Mann , der  diese  Verun- 
staltung wirklich  an  sich  trug. 

Die  Steinchen  bestehen  aus  einem  hellweissen, 
halbdurchsichtigen,  marmorähn  liehen  Gestein  und 
sind  in  der  erwähnten  Form  zugeschliffen.  Sie 
sollen  sehr  selten  sein  und  nur  in  einer  bestimm- 
ten Gegend  mitten  in  den  Battaländern , weit.  , 
hinter  dem  Tobahsee,  verkommen.  Die  ßattaker, 
mit  denen  ich  bis  jetzt  verkehrte , beziehen  sie 
nur  durch  den  vorerwähnten  Medizinhändler, 
a Stück  10  cts  engl.  Denn  diese  Steinchen 
werden  zugleich  auch  als  ohat  (Medizin)  gegen 
allerlei  innere  Krankheiten  angewendet,  indem  , 
man  ein  solches  einige  Tage  in  eine  Schale  mit 
Wuser  legt  und  dann  letzteres  trinkt.  Sobald 
der  Stein  in'a  Wasser  kommt,  soll  er  sich  lang- 
sam auflösen,  so  dass  er  nach  drei  Tagen  schon 
sehr  merklich  kleiner  geworden  sei. 

Es  gelang  mir,  drei  solcher  Steinchen  zu  er- 
halten, und  ich  werde  dieselben,  mit  der  nächsten 
Sendung  womöglich , zu  Ihren  Händen  gelangen 
lassen,  behufs  fuchwissenschaftlieher  Untersuchung. 

Mit  meinem  nächsten  Bericht  werde  ich  Ihnen, 
wenn  ich  bis  dahin  fertig  werde,  eine  Reihe  von 
Körpermessungen  von  Battakern  übersenden , so- 
wie Beobachtungen  Uber  gewisse  pithecoide  Bild-  , 
ungen,  die  hier  häufig  vorzukommen  scheinen.  , 


Im  Jahre  1880  hoffe  ich  , eine  Expedition 
in’s  Innere  des  nördlichen  Battakergebietes , ins- 
besondere in  die  Gegend  des  noch  halb  sagen- 
haften Tobahmeeres  unternehmen  zu  können. 
Einstweilen  beschäftige  ich  mich  mit  der  Erlern- 
ung der  Sprache,  der  Sitten  und  Gebräuche  dieses 
hochinteressanten  Volkes,  das  eine  wahre  Fund- 
grube anthropologischer  und  ethnologischer  Merk- 
würdigkeiten zu  werden  verspricht.  In  einem 
der  nächsten  Berichte  hoffe  ich  auch  Material 
beisammen  zu  haben,  Ihnen  Authentisches  über 
die  so  viel  verschrieene  Anthropophagie  der 
Batta’s  mittheilen  zu  können. 

Mittheilungen  aus  den  Zweig- 
Vereinen.*) 

I.  Leipziger  Anthropologischer  Verein. 

Bericht  de«  Herrn  Dr.  I Hering. 

Sitzung  vom  20.  Februar  1880. 

Herr  Prof.  H i s hielt  einen  Vortrag  über  die 
Entwicklung  des  Steißbeines  des  Menschen  und 
über  die  Deutung  der  in  der  Literatur  als  Sch  wanz- 
bildung  beim  Menschen  angeführten  Fälle. 

H i s berichtet  zunächst  kur/.  Über  die  Angaben 
in  Betreff  geschwänzter  Menschen  und  insbesondere 
über  die  drei  in  neuerer  Zeit  bekannt  gewordenen 
Fällen  von  Greve-Virchow,  von  Neu- 
meyr-Ecker,  und  von  F 1 ei  ach  m a □ n. 
Fenier  demonstrirt  er  an  Präparaten  die  von 
Ecker  in  der  Steissgegend  besch rieben en  Bild- 
ungen, die  8teissgUtxe,  den  Steisshaarwirbel,  das 
Steissgrübchen.  Sodann  wendet  er  sich  zur  Be- 
sprechung des  Schwanzes  bei  menschlichem  Em- 
bryo. Ecker  hat  bestimmt  Partei  ergriffen  für 
den  mehr  oder  weniger  •unbestimmt  in  der  Lifc- 
teratur  lebenden  Satz,  dass  der  menschliche  Em- 
bryo in  frühen  Perioden  einen  Schwanz  besitzt, 
der  später  sich  zurückbilde.  Ecker  spricht  vor- 
sichtiger Weise  von  einem  schwanzartigen  An- 
hang, eine  Bezeichnung,  auf  die  His  viel  weniger 
Gewicht  legt,  als  auf  die  scharfe  Präcisirung 
dessen,  was  man  Schwanz  nennen  soll.  Da  schliess- 
lich alle  Regionenscheidungen  etwas  conventioneil 
sind,  so  glaubt  er  dem  üblichen  Sprachgebrauch 
am  meisten  gerecht  zu  werden , wenn  er  unter 
Schwanz  einen  gegliederten  Yon  der  Fortsetzung 


*)  Berichtigung:  Bei  der  Uebcrsehrift:  Anthro- 
•logischer  Verein  zu  Kiel.  Au«  der  Sitzung  vom 
o.  Juli  auf  der  3.  Seite  von  Nr.  4 d.  Blattes,  ist  die 
zugehörige  Jahreszahl  1878  weggefallen.  Die  Mittheil- 
ungen beziehen  «ich  zum  Theil  auch  auf  die  Sitzung 
desselben  Vereins  vom  27.  März  1879.  Anmerkung 
d.  Redact. 


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43 


der  Wirbelsäule  durchzogenen  und  von  Theilen 
der  animalen  Leibeswand  gebildeten  Körperan- 
hang versteht , der  den  After  überragt.  Beim 
menschlichen  Embryo  glaubte  also  H i s das 
hintere  Körperende  nur  insoweit  Schwanz  nennen 
zu  sollen,  als  es  den  After  bezw.  die  Cloakonöff- 
nung  Überragt.  Hinsichtlich  der  Rückbildung 
aber  hat  man  sich  zu  vergewissern , ob  zu  einer 
Zeit  dos  embryonalen  Lebens  die  Wirbelsäule 
mehr  Glieder  besitzt,  als  dein  bleibenden  Zustande 
entspricht.  H.  His  gibt  nun  die  Beschreibung 
einiger  von  ihm  genauer  untersuchten  Embryonen 
aus  der  Zeit  des  ersten  Monats.  Bei  zweien  der- 
selben, einem  Embryo  von  71/*  mm  und  einem 
von  4 mm  Körperlfinge  treten  die  Kürpersegmente 
äußerlich  sehr  deutlich  hervor  und  H i s be- 
. stimmte  deren  Zahl  von  der  unteren  Kopfgrenze 
ab  bis  zur  Steisaspitze  hin  auf  35-  Ha  die  Seg- 
mente intervertebral  liegen , so  entspricht  dies 
34  Wirbeln,  einer  Zahl,  die  schon  Rosen  borg 
als  die  normale  hingestcdlt  und  die  auch  H.  am 
Mediumschnitte  junger  Embryonen  16  — 21.5  mm 
K.L.  bestätigt  hat.  Daraus  ist  zu  schliessen,  dass 
auch  bei  den  sehr  jungen  Embryonen,  die  H.  be- 
nützte, his  zur  Steissspitze  hin  genau  soviel  Seg- 
mente da  waren , als  der  späteren  Anzahl  von 
Wirbeln  entspricht.  Es  bildet  sieb  also 
kein  gegliederter  Abschnitt  der  Wir- 
belsäule zurück.  Bei  der  starken  Zusammen- 
krümmung  junger  menschlichen  Embryonen  er- 
scheint der  ganze  Becken theil  des  Körpers  nach 
vorn  in  die  Höhe  geschlagen. 

ln  Betreff  des  inneren  Baues  ergiebt  sich  aus 
den  Durchschnitten , dass  in  dem  nach  vorn  in 
die  Höhe  geschlagenen  Körperabschnitt  die  Cloako 
bis  nahe  zur  Steissspitze  reicht,  und  etwa  1 */« 
bis  2 Wirbelhöhen  unterhalb  dieser  sieb  öffnet-. 
Der  kurz  überragende  Endabschnitt  hat  die  Cha- 
raktere eines  ächten  Schwanzes.  H.  kommt  dar- 
nach zum  Schluss,  dass  der  menschliche  Embryo 
einen  kurzen  höchstens  2 Wirbolhöhen  umfassen- 
den Schwanzstummel  besitzt,  der  auch  der  Rück- 
bildung nicht  anheimfUllt.  Für  diesen  Stummel 
genügt  der  Ausdruck  „Steisshöckcr“. 

His  kommt  auf  Ecker*«  Beschreihungen 
und  Abbildungen  zurück.  Daraus  ergibt  sich, 
dass  Ecker  bei  mehreren  seiner  Embryonen 
einen  feinen  , nur  von  Chorda  und  Haut  gebil- 
deten Fortsatz  gesehen  hat,  dem  His  bis  jetzt 
nicht  begegnet  ist.  His  nennt  diesen  Fortsatz, 
dessen  Vorkommnis»  inconstant  sein  muss , den 
Ecker*schen  Sch  wanz  faden. 

Auf  Persistenz  des  Ecker*schen  Schwanz- 
fadens  bezieht  His  einige  der  in  der  Litteratur 
beschriebenen  Fälle  reicher  Sch  wunzanhänge.  Ueber 


den  Erlanger  Fall  ist  soeben  die  Beschreibung 
von  L.  Gerl  ach  erschienen,  die  zeigte,  dass  der 
Schwanz  des  fraglichen  Fötus  eine  Chorda  dor- 
salis , einen  ventralen  Längsmuskel , aber  keine 
Knorpel  enthielt.  Die  Zahl  der  im  Körper  vor- 
; handenen  Wirbel  hat  G.  auf  34  bestimmt.  Ger- 
j lach  sch li esst  aus  dem  Vorhandensein  des  ven- 
i tralen  Muskels  auf  dasjenige  von  Urwirbeln,  aus 
I dem  Vorhandensein  von  Urwirbeln  auf  das  eiues 
Rückenmarkes , das  bis  zum  Ende  des  Schwanz- 
anhanges gereicht  haben  soll.  Diese  Folgerung 
hält  H.  für  zu  gewagt,  um  so  mehr,  als  ja  in 
dem  Fall  kein  einziger  überzähliger  Knorpelwirbel 
vorhanden  war.  — Bezeichnet  mau  als  ächte 
Schwanzbildung  beim  Menschen  nur  diejenige,  in 
| denen  überzählige  Wirbel  in  axinen  Körperan- 
hang sich  finden  , so  blieben  als  „ schwanzartige 
Bildungen“:  1)  persistirende  Schwanzfäden  (weiche 
Schwänze) ; 2)  die  Haurschwänze  oder  Virchow’s 
! Sacraltrichosen  und  3)  allfällige  durch  totale 
Luxation  des  Steissbeines  entstandene,  Knochen 
enthaltende  Kürperanhfinge. 

Im  Verlaufe  der  an  diesen  Vortrag  sich  an- 
schliessenden Debatte  trat  Herr  von  Ihering 
dafür  ein , dass  im  Verlaufe  der  Entwicklung 
doch  eine  Reduktion  in  der  Zahl  der  W’irbel  des 
Steissbeines  eintret« , da  ja  die  normale  Zahl  4 
Caudalwirbel  betrage  gegen  5 , wie  sie  His, 
oder  6 , wie  sie  R o s e n b e r g (in  9 Fällen  *) 
von  13  cf.  p.  129)  als  Regel  antraf,  so  dass 
daher  Rosenberg  von  einer  im  Verlaufe  der 
Entwicklung  erfolgenden  Reduktion  der  Zahl  der 
Caudalwirbel  spricht. 

Herr  Geh.  Rath  Leuckart  knüpfte  an  den 
Vortrag  des  Redners  Bemerkungen,  die  den  Stand- 
punkt des  vergleichenden  Anatomen  zu  der 
Schwanzfrage  erläuterten.  Das  Vorragen  des 
Schwanzes  kann  allein  nicht  als  Kriterium  dienen, 
wie  die  im  Innern  gelegenen  Schwanzwirbel  des 
Huhnes  lehren.  Andererseits  kann  die  Lage  des 
I Afters  nicht  unbedingt  als  entscheidend  anerkannt 
! werden,  da  dessen  Lage  z.  B.  bei  den  Fischen 
I bedeutenden  Schwankungen  unterliegen  kann. 
I Wollt«  man  den  hinter  dom  After  folgenden 
Körpertheil  schlechthin  Schwanz  nennen,  so  hätten 
viele  Fische  nur  Kopf  und  Schwanz , wobei  in 
letzterem  die  Eingeweide  lägen.  So  ist  bei  den 
Gymnoten  der  After  an  die  Kehle  gerückt , bei 
i der  jenen  nahestehenden  Gattung  Sternopygus 


•)  Ek  wärt*  richtiger  zu  sagen  in  9 von  12  Fällen, 
da  Embryo  1 ausgeschlossen  werden  muss,  weil  l»ei 
| diesem  ersten  16.5  mm  langen  Embryo  die  in  distaler 
I Richtung  fortschreitende  Differenxirung  der  Wirbel- 
i säule  noch  nicht  abgeschlossen  ist,  wie  das  bei  den 
I andren  über  2 ctm  langen  der  Kall  ist. 

6* 


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44 


liegt  der  „After  hinter  dem  Auge“.  Es  bleibt 
daher  vom  vergleichend  anatomischen  Standpunkte 
nur  möglich , die  Insertion  des  Beckens  an  die 
Wirbelsäule  zum  Kriterium  zu  nehmen,  während 
da,  wo  Beckenwirbel  fehlen,  wie  namentlich  bei 
den  Fischen,  eine  scharfe  Sonderung  von  Rumpf 
und  Schwanz  überhaupt  nicht  möglich  ist. 

Herr  His  meinte,  dass  dann  überhaupt  die 
Möglichkeit  einer  scharfen  PrUcisirung  des  Schwanz- 
begriffes binwegfalle  und  je  nach  dem  Stand- 
punkte darunter  verschiedenes  verstanden  werden 
könne,  also  der  Embryologe  und  der  vergleichende 
Anatome  hier  obenso  eine  verschiedene  Termino- 
logie haben  könnten,  wie  in  manchen  Fällen  der 
descriptive  Anatom  und  der  Chirurg. 

Anknüpfend  an  den  Vortrag  von  His  er- 
wähnt Dr.  Andree  die  Sage  vom  geschwänzten 
Menschen,  der  bereits  in  den  Schriften  der  Alten 
spukt  und  als  Homo  caudatus  hirsutus  auf  Affen 
hinweisen  dürfte , wie  denn  noch  neuerdings  die 
vom  Grafen  C'astelnau  mit  einem  Fragezeichen 
erwähnte  „auf  allen  Vieren  laufende  zahlreiche 
Nation  der  Cuata‘s“  in  Brasilien  von  v.  Martius 
(Zur  Ethnogr.  Amerikas  249)  als  Simia  Paniscus 
entlarvt  wurde.  Blumenbach  (De  gener.  hum. 
vur.  nat.  94)  erwähnt  auch  die  verschiedenen  ge- 
schwänzten Wundermenschen  und  bildet  (Taf.  II 
f.  5)  einen  solchen  aus  v.  Breydenbach's  „Reyss 
in  das  gelobt  Land“  Mainz  1486  ab.  Vor  zwfnzig 
Jahren  wurde  discutirt,  ob  die  Niam-  Niam  ge- 
schwänzt seien  und  die  Sage  verschwindet  erst, 
als  Lejean,  v.  Heuglin,  Schweinfurth  dem  Volko 
näher  kamen.  Ueberhaupt  tritt  der  Homo  cau- 
datus immer  mehr  zurück , je  näher  man  dem 
fraglichen  Gebiet«  rückt.  Kürzlich  berichtete  der 
auf  Neu-Britannien  ansässige  Missionär  George 
Brown  von  Kali  genannten,  mit  unbeweglichen 
steifen  Schwänzen  versehenen  Menschen  auf  jener 
Insel,  die  er  aber  nicht  sah  und  der  1876  ver- 
storbene englische  Afrikareisende  L.  Lucas  gab 
dem  Londoner  Anthropologischen  Institut  (Journ. 
VI.  192)  Bericht  über  vier  aus  Borneo  stammende 
Mekkapilger  mit  14  Zoll  langen  Schwänzen  — 
nach  Hörensagen.  Eingehende,  auf  angebliche 
Autopsie  gegründete  Berichte  Uber  Schwanz- 
menschen von  Java  und  Borneo  theilte  J.  Kögel 
im  „Ausland“  (1858.  1103)  mit.  Eine  ganze 
Anzahl  auf  die  malayische  Inselwelt  bezügliche 
ältere  Berichte  über  Schwanzmenschen  hat  vWin- 
wood  Ueade  (Savage  Africa  477)  zusammenge- 
stellt ; der  niederländische  Kapitän  L.  F.  M.  Schulze 
will  in  Fort  Patas  auf  Borneo  eine  geschwänzte 
Dajakin  gekannt  haben  (Globus  XXXII.  127)  und 
geschwänzte  Albanesen  erwähnt  J.  G.  v.  Hahn 
(Albanesische  Studien  Heft  I.  163).  So  lange 


jedoch  nicht  die  lebenden  Individuen  oder  Prä- 
parate vorgestellt  sind,  hat  der  Anthropolog  sich 
skeptisch  diesen  Angaben  gegenüber  zu  verhalten.*) 
Int  weiteren  Verlaufe  der  Debatte  erinnerte 
Prof.  Braune  daran,  dass  auch  Tumoren  und 
Missbildungen  in  der  Stelssbeingegend  zu  Ver- 
wechselungen mit  schwanzartigen  Bildungen  An- 
lass geben  könnten. 


II.  Münchener  anthropologische  Gesellschaft. 

Bericht  des  Herrn  Bürger. 

Ueber  die  von  Hr.  Cesnola  entdeckten 
kyprischen  Alterthümer. 

(Vortrag  den  Hr.  Prof.  Dr.  C.  B u r s i a n 27.  2.  HO 
in  der  unthrojK»).  Gesellschaft  zu  München.) 

Bei  der  Wichtigkeit  der  Cesnola'schen  Ent-- 
! deckungcn  für  die  prähistorische  Archaeologie 
erlauben  wir  uns  den  Inhalt  des  eingehenden 
Vortrages  in  Kürze  zu  skizziren  und  damit  noch- 
i mals  auf  das  Werk  Cesnola’s  binzuweisen.**) 

Der  Hr.  Redner  hob  hervor,  dass  die  von 
General  Luigi  Palma  di  Cesnola  auf Cypern 
gemachten  Funde  denen,  die  Schliemann  auf  den 
Hügeln  von  Hissarlik,  wie  auf  der  Stätte  des 
alten  Mykenae  gemacht,  nicht  nur  in  Bezug  auf 
materiellen  Werth,  sondern  auch  an  Bedeutung 
1 für  die  Geschichte  der  alten  Kultur  getrost  an 
I die  Seite  gestellt  werden  dürfen. 

Zunächst  ging  HerrBursian  zur  Beleuchtung  der 
geographischen  Stellung  Cypenu  über  und  gab 
I sodann  eine  Uebersicht  der  Geschicke  der  Insel 
und  ihrer  Bewohner  im  Alterthum  und  damit 
| zugleich  eine  Darstellung  der  ethnographischen 
, Verhältnisse:  nachdem  die  ursprünglich  wahr- 
; scheinlieh  von  einem  vorderasiatischen  (aramä- 
! ischen)  Stamme  bewohnte  Insel  von  Phoenikien 
(Tyros)  aus  colonisirt  worden,  gerieth  sie  unter 
assyrische  Herrschaft:  alsdann  folgte  ägyptische 
und  persische  und  nach  kurzer  Selbständigkeit 
unter  durchaus  hellenischem  Einfluss  wieder  per- 
sische Herrschaft,  endlich  kam  die  Insel  unter 
makedonische,  ägyptische  und  zuletzt  römische 
Botmässigkeit. 

Dem  Vortrag  über  die  Ausgrabungen  selbst, 


•)  Die  im  Globus  XXXI.  8.  7!»  und  XXX1L  S.  127 
’ enthaltenen  Mittheilungen  über  geschwänzte  Menschen 
j rühren  von  Dr.  Andree  her. 

**)  Cypern,  »eine  alten  Städte,  Gräber  und  Tempel. 
J Bericht  Tiber  zehnjährige  Forschungen  und  Ausgrab- 
ungen auf  der  Insel  von  Louis  Pulnm  di  Cesnola. 
Autoruurtc  deutsche  Bearbeitung  von  Ludwig  St e rn. 
Mit  einleitendem  Vorwort  von  Georg  Ebers.  Mit 
i mehr  als  500  in  den  Text  und  auf  96  Tafeln  ge- 
! druckten  Holzschnitt-Illustrationen,  12  lithographierten 
1 Schrifttafeln  und  2 Kurten.  Jena,  H.  Costenoble  1879. 


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45 


schickte  der  Redner  einen  Ueberblick  über  die  ' 
Lebensschicksale  Cesnola’s  voraus  und  begann  dann 
unter  gebührender  Hervorhebung  seiner  bewun- 
dernswerthen  Ausdauer  die  Tbätigkeit  desselben 
auf  Kypern  zu  verfolgen. 

Im  Jahre  1866  fing  C.  zuerst  an  auf  einem 
niedrigen  Hügel  im  Westen  von  Larnaka  zu 
graben ; eine  Fehdo  hierob  mit  dem  Kaimakam,  l 
wie  später  mit  dem  Generalgouverneur  aus  einer 
undern  Ursache  endigte  mit  der  Niederlage  seiner  , 
Gegner. 

Immer  noch  waren  die  Ausgrabungen,  die  er 
bisher  angestellt  hatte,  nichts  als  tastende  Vor* 
suche  goblioben,  erst  mit  dem  Bezug  eines  Lands- 
hauses  bei  Dali  (Sdalion)  begann  er  mit  ge- 
schärftem Blick,  ausserdem  autorisirt  durch  einen 
jährlich  erneuerten  Ferman , eine  systematische 
Durchforschung  der  zwei  Nekropolen  in  der  Nähe. 
•Seine  ersten  Funde  waren  Thongeftbsse  sehr  ver- 
schiedener Perioden,  ferner  Tcrracottafiguren  vom 
rohesten  Typus  bis  zu  fortgeschrittenerer  Technik, 
ausserdem  Goldschmuck,  Waffen  und  Geräthe  von 
Erz , endlich , eine  vorzüglich  erhaltene  Bronze- 
schale mit  eingravirten  Darstellungen,  die  ent-  i 
schieden  jene  Vermischung  von  ägyptischen  und  i 
assyrischen  Kunstelementen  zeigen,  die  überhaupt 
für  die  ältere  Periode  des  kyprischen  Kunsthand- 
werks so  ausserordentlich  charakteristisch  ist; 
sie  stellen  die  Huldigungen  dar,  die  einer  thron- 
enden Güttin  dargebracht  werden : Opfer  und 
Reigentanz  unter  Musikbegleitung.  Die  Bildung 
der  Menschenantlitze  hat  mancherlei  Auffallendes, 
was  auf  semitischen  Einfluss  hinweist. 

Dieser  sein  Erfolg  regte  zwei  Männer  an, 
seinem  Beispiel  zu  folgen,  den  französischen  Konsul 
L'olonna -Ceccaldi  und  den  Amerikaner  Hamil- 
ton Lang,  Direktor  einer  Filiale  der  ottomani-  1 
sehen  Bank;  während  die  Resultate  der  Arbeit  i 
des  ersten  unbedeutend  sind,  machte  letzterer 
einen  Fund  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit  i 
durch  Aufdeckung  einer  in  den  Ruinen  eines 
Apollontempels  erhaltenen  bilinguon  (phoinikisch- 
kypriseben)  Inschrift,  welche  den  ersten  sicheren 
Anhalt  für  die  lange  vergeblich  versuchte  Ent- 
zifferung der  in  eigentümlichen  Schriftzeichen 
(der  sogenannten  epichorisch-kyprischen  Schrift) 
abgefassten  Inschriften,  deren  Sprache  jetzt  als 
ein  altertümlich  griechischer,  dem  arkadischen  I 
zunächst  verwandter  Dialekt  erkannt  worden  ist, 
lieferte. 

Nach  einem  Exkurs  Uber  diese  epiehorische 
Schrift  fuhr  der  Hr.  Redner  fort,  die  Ausgrab- 
ungen weiter  zu  verfolgen , die  Cesnola  regel- 
mässig von  gutem  Erfolge  begleitet  auf  ver- 


schiedenen Ruinenstätten  anstellte.  Unter  seinen 
bei  Hagios  Jorgos  in  der  Nähe  von  Athienu  ge- 
machten Funden  verdient  ein  mit  Reliefs  bedeckter 
Sarkophag  aus  Kalkstein  Erwähnung,  dessen  Bild- 
werko  eine  Jagdscene , ein  Gelage , ein  Zweige- 
spann und  die  Entauptung  der  Medusa  dar- 
stellen. 

Als  eine  noch  wichtigere  Fundstätte  erwies 
sich  das  ebenfalls  in  der  Nähe  von  Athienu  ge- 
legene Kapellchen  des  hl.  Photios ; er  entdeckte 
nemlich  dort  die  Reste  eines  sehr  ausgedehnten 
Heiligthums , das  eine  Menge  Statuen  aus  Kalk- 
stein von  verschiedener  Grösse  barg.  Cesnola’s 
Schätze  waren  derart  zahlreich  geworden , dass 
er,  um  sie  würdig  unterzubringen,  ein  Museum 
in  Larnaka  errichtete;  um  aber  doch  fllr  Beine 
bedeutenden  Auslagen  einige  Entschädigung  zu 
haben,  ging  er  mit  der  Absicht  um,  seine  Funde 
zu  veräussern  ; nach  vergeblichen  Unterhandlungen 
mit  Russland  gelang  es  ihm,  die  Gegenstände 
mit  Umgehung  des  behördlichen  Verbotes  nach 
England  zu  schaffen. 

Weitere  Ausgrabungen  bei  Palaeo  - Limisso 
auf  der  Stätte  des  alten  Amathus  brachten  aber- 
mals Todtenstätten  mit  ThongefÜsson  von  den  ver- 
schiedensten Formen  zum  Vorschein,  ferner  Ulas- 
gefässe,  Sarkophage  von  Marmor  und  Kalkstein, 
wovon  einer,  dessen  Ausführung  durchaus 
griechisch  an  assyrische  Darstellungen  sehr  stark 
erinnert ; eine  Silbcrschalo  mit  theils  ägyptischen, 
theils  assyrischen  Darstellungen  und  rein  ägyp- 
tische Terracottcn. 

Weiter  gelang  es  ihm  — ein  äusserst  wich- 
tiger Fund  — in  der  Nähe  der  Dörfor  Kolossi 
und  Episkopi  auf  der  Stätte  des  alten  Kursion 
einen  Tempel  mit  vier  unterirdischen  Schatz- 
kammern zu  entdecken,  in  welchen  sich  ein  ausser- 
ordentlich reicher  Schatz  von  Goldschmuck,  von 
Goldplatten  und  überaus  zahlreichen  Gemmen  mit 
eingravirten  Darstellungen  verschiedener  Stilarten 
und  einige  Gold-  und  Silberschalen  vorfanden. 

Zum  Schlüsse  nahm  der  Hodner  Gelegen- 
heit , auf  die  oben  geschilderte  Bronzeschale 
zurückzu weisen , auf  welcher  sowohl  den  Personen 
spezifisch  ägyptische  Attribute,  wie  Lotos,  Sistrou 
und  dergl.  beigegehen  erscheinen , als  auch  die 
dazwischen  eh  enden  Säulen  unter  Anlehnung  an 
die  ägyptische  Kunst  mit  Lotos-  und  Blumen- 
blatt erkapitellen  abschliossen , während  die  Dar- 
stellung der  Menschenantlitze , die  Behandlung 
der  Haare  u.  a.  deutlich  auf  assyrischen  Einfluss 
hinweist.  Er  machte  darauf  aufmerksam , dass 
dieselbe  Verschmelzung  ägyptischer  und  assyrischer 
Kunstelemente  sich  auch  hei  einer  Reihe  anderer 
Gegenstände,  die  C.  fand,  wie  hei  einer  Anzahl 


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Goldschalen  und  vergoldeter  Silberschalen , dann 
bei  einer  Anzahl  Statuen,  Gemmen,  Vasen  u.  s.  f. 
vorfinde. 

Mit  der  Hinweisung  darauf,  dass  die  grosse  in 
Kurion  gefundene  Sammlung  von  Gemmen  den 
verschiedensten  Jahrhunderten  angehöre  und  dass 
die  einzelnen  Stücke  zu  verschiedenen  Zeiten  in 
den  Tempel  gestiftet  worden  seien , sodass  uns 
in  ihnen  eine  Geschichte  des  cyprischen  Kunst- 
Stils  erhalten  sei,  schloss  der  Herr  Redner  seinen 
mit  grossem  Beifall  aufgenommenen  Vortrag. 

Literaturberichte. 

I.  Anthropologische  Notizen  von  Amerika. 

Von  0.  Loew. 

(Fortsetzung  zu  Nr.  8.  S.  28.) 

Der  „American  Antiqua rian“  Vol.  II. 
Nr.  1 enthält : 

1)  Ueber  das  Alter  der  Tabakspfeife  in  Eu- 
ropa von  E.  A.  Barber. 

Verfasser  beschreibt  die  verschiedenen  Formen 
der  Tabakspfeife  in  ihrer  Entwicklung.  Manches 
lasse  schliessen,  dass  auch  in  Europa  Kräuter  in 
praehisto  rischen  Zeiten  geraucht  wurden  — viel- 
leicht zu  *medicinischen  Zwecken. 

2)  Geber  die  Religion  der  Clallam-  und  Twana- 
Indianer  von  M.  Eels. 

3)  Das  National-Museum  von  Mexico  und  die 
dortigen  Opfersteine  von  F.  Bandelier. 

Dieses  Museum  wurde  im  Jahre  1822  ge- 
gründet und  besteht  aus  einem  ethnologischen 
und  einem  naturhistorischen  Departement.  Es 
besitzt  werthvolle  altmexicunische  Alterthümer  und 
publicirt  Berichte. 

4)  Ueber  die  Quellen  der  Erkenntniss  in  Be-  ! 
zug  auf  praehistorischo  Zustande  in  America 
von  Rev.  D.  Peet. 

5)  Ueber  die  Etymologie  des  Wortes  Chiehi-  j 
mecatl  von  0.  Bruhl. 

Verfasser  bestreitet  die  bisherigen  Deutungen  ; 
und  leitet  das  Wort  von : cbichic  zz  bitter  und 
metl  Magney  ab,  so  dass  der  wahre  Sinn 
desselben:  „Bewohner  des  Landes  des  bittern 
Magney“  sei. 

Vol.  H.  Nr.  2 enthält:  * 

1)  Ueber  die  Moundbuilders  von  J.  E.  Ste-  ( 
venson. 

Verfasser  bespricht  den  Handel.  Industrie  und 
Bau  von  Erdwerken  der  praehistorischen  Völker 
des  Mississipi -Thaies. 

2)  Alaska  und  seine  Einwohner  von  S.  Jakson.  I 

Verfasser  bespricht  zuerst  die  Gletscher,  die  ! 

Pelzthiere,  Klima  und  Niederlassungen  in  Alaska;  | 


sodann  die  religiösen  Anschauungen , die  Sitten 
und  Lebensweise  der  Eingebornen.  Letztere 
stehen  auf  sehr  tiefer  Stufe  und  huldigen  theil- 
weise  dem  Cunnibalismns. 

3)  Eine  Fabel  der  Omaha-Indianer : „Wie  das 
Kaninchen  den  Winter  todtete“  v.  0.  Dorsey. 

4)  Die  Delamare-Indianer  in  Ohio  v.  S.  Peet. 

Verfasser  beschreibt  die  früheren  Kriege  dieses 

Stammes  und  dessen  Ausrottung  in  den  östlichen 
und  mittleren  Staaten. 

Von  den  neueren  e t h n o logischen  Publi- 
cationen  der  S mit  h so  n i a n - 1 n s titu  ti  on 
besitzt  die  von  „Col.  Garrik  Mallery“  Ueber  das 
Studium  der  Zeichensprache  (study  of  sygn  lan- 
guage)  bei  den  nordamerikanischen  Indianern, 
besonderes  Interesse.  Verfasser  behandelt  die 
Entwicklung  der  Zeichensprache  im  Allgemeinen, 
sodann  ihre  praktische  Verwendung  zwischen 
Völkern  verschiedener  Sprache,  ihre  Ausbildung 
bei  den  Indianerstfimmen  und  die  Veischiedenheit 
der  Ausdrucksweise. 

Aus  den  Abhandlungen  der  „American 
Antiquarian  Society.“ 

The  Mexican  Calendarstone  von  Pb. 
Valentini. 

Verfasser  sucht  in  sinnreicher  Art  zu  be- 
weisen , dass  die  in  altmexicanischen  Tempeln 
aufgefundenen  Sculpturen  auf  Scheiben  mit  con- 
cent rischen  Kroisen,  die  sogenannten  „Kalender- 
steine“, wirklich  die  Eintheilung  der  Zeit  dar- 
stellen. 

Mexican  Cop  per  tools  von  demselben. 

Es  werden  verschiedene  alt-mexicanische  Kupfer- 
geriithe  und  ihre  Herstellung  beschrieben. 

II.  Anthropologisches  aus  Japan. 

Dolmens  in  Japan,  von  E.  S.  Morse. 

Verfasser  beschreibt  gemauerte  (iängo  (Dol- 
mens) in  Japan,  die  vor  etwa  tausend  Jahren  als 
Begrübnißsst litten  gedient  hatten.  Pop.  Science 
Monthly,  March  1880. 

Derselbe  Verfasser  hat  in  den  „Metnoirs  of 
tho  scienco  departement  of  tho  Univorsity  of 
Tokio.  Japan  Vol.  I.  Part.  I eine  länger«  Ab- 
handlung über  „Schalenhaufen  von  Omori“,  Japan, 
publicirt. 

Die  Eisenbahn  von  Jokohaiua  nach  Tokio 
durchschneidet  hei  der  Station  Omori  solche  Kjög- 
genmöddings,  die  sich  oft  in  beträchtlicher  Ent- 
fernung von  der  Küste  befinden,  ein  Beweis,  dass 
das  Land  in  Hebung  begriffen  ist.  Diese  Schalen- 
haufen zeichnen  sich  durch  die  reiche  Beimeng- 
ung von  Topfscherben  aus,  dagegen  sind  Stein- 


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instrumente  eine  Seltenheit.  Ob  dem  Canni- 
balisnins  von  jenen  Völkern  — wahrschein- 
lich die  Vorvater  der  jetzt  weit  nach  Norden  ge- 
triebenen Ainos  — gehuldigt  worden  sei,  scheint 
noch  unentschieden. 

III.  Anthropologische  Notixen  aus  englischen 
Journalen. 

Das  „Journal  of  the  Anthropologien!  Insti- 
tute of  Greet  Britain  and  Ireland“,  Febr.  80, 
enthält  2 Artikel  über  die  malayische  Rasse. 

Keane  sucht  in»  ersten  zu  beweisen,  dass  das 
Malayen-Inselvolk  keine  eigne  Rasse  darstelle, 
sondern  theils  Mongolen,  theils  Caucasier , theils 
Mischlinge  dieser  beiden  sind , ferner  dass  die  | 
Sprachen  jener  Völker  ungemischte  Abkömmlinge 
der  Camboja-Sprache  in  Hinterindien  seien.  Yule 
bespricht  im  zweiten  Artikel  Sitten  und  Sprachen 
dieser  Völker. 

Notes  on  Fetichism.  M.  West ropp  sucht 
zu  beweisen,  dass  der  Fetischismus  nicht  eine 
Verkrüppelung  einer  höheren  religiösen  Anschau- 
ung sei , sondern  der  Anfangszustand  einer  reli- 
giösen Idee. 

On  the  Kabi  Dialect  of  Queensland 
von  Max  Müller. 

On  Flint  Factories  in  the  North  of 
Ireland  von  J.  Knowles.  Verfasser  bespricht 
Stellen  im  nördlichen  Irland,  wo  Feuersteingeräthe 
so  zahlreich  aufgefunden  wurden,  dass  man  auf 
eine  praehistorische  Fabrik  schließen  darf. 

On  Eskimo  Bono  Implements  v.  W. Sollas. 

Kleinere  Mittheilungen. 

I.  Schalensteine. 

1 . Au»  Hannover.  V eranlasst  durch  die  im 
.lanuarhefte  1879  des  C. -Blattes  angeregte  Kruge 
wegen  der  Schalensteine  ist  es  mir  nun  endlich 
auch  gelungen,  einen  solchen  mit  ausgehöhlten  Näpf- 
chen aufzufinden.  Der  fragliche  Stein  ist.  ein  harter 
errat.  Granit,  einige  100  Kilo  schwer  und  ist  als 
Grundstein  unter  der  Scheune  eines  Hauern  vermauert. 

In  der  Vorderseite  ist  ein  Näpfchen  von  ca.  7 cm 
Weite,  welches  sich  nach  unten  flach  trichterförmig 
verengt.  Die  Ausdrehung  ist  ganz  correct  und  kann 
nur  durch  Ausreibung  entstanden  sein,  ob  sich  noch 
mehr  Näpfchen  an  diesem  Steint*  finden,  kann  erst 
durch  Hlosslegung  des  ganzen  »Steines  wahrgenommen 
werden. 

In  einer  der  Nummern  des  vorigen  Jahrganges 
wurde  darauf  hingewiesen , wie  sich  an  den  Portalen 
einiger  Kirchen  in  Sandsteinen  ausgeriebene  Rillen 
fänden  und  vermothlich  zu  einer  Zeit  ihre  Entstehung 
gefunden , wo  noch  ein  gläubiges  Volk  jene  ausge- 
riebene Masse  zu  Heilzwecken  bei  Krankheiten  ge- 
braucht habe.  Auch  hier  Anden  sich  an  vielen  Kirchen 
in  den  Dörfern,  solche  eingegrabene  Killen,  meistens 
an  den  Thürwänden  der  West-  und  Südportale. 

An  den  Eingängen  der  Kirche  zu  Badbergen  finden 
sich  diese  mit  spitzem  Instrumente  eingegrabene  Killen 


auf  Manneshöhe  und  auch  wohl  niedriger,  meist  pa- 
rallel neben  einander,  zuweilen  auch  quer  durch- 
schnitten. Ein  alter  Mann,  welchen  ich  um  die  Ent- 
stehung dieser  Killen  befragte,  sagte  mir,  man  habe 
immer  gesagt,  unsere  Vorfahren  hatten  ihre  WoUW- 
spiesse,  welche  sie  zum  Schutze  auch  beim  Kirchgänge 
liei  sieh  geführt . an  diesen  Stellen  scharf  geschliffen, 
wodurch  dann  die  Killen  entstanden  seien. 

Kür  die  Killen  bei  dem  Westeingange  der  Kirchen 
zu  Gehrde  hatte  man  eine  andere  Deutung:  Gleich 
nachdem  die  Kirche  erbauet,  hals*  man  einen  an  der 
i Kette  gefesselten  Wolf  vor  den  Eingang  gelegt  und 
dieser  habe  dann  voll  Wuth  über  den  Kirchcnbcsuch 
I mit  »-Harfen  Krallen  die  Killen  in  den  Stein  gekratzt. 
— Vielleicht  dass  eine  Mythe  vom  Bösen  br.w.  Wolfs- 
sage nachträglich  eingewoben  ist.  Die  Kirche  zu  Bad- 
bergen  wurde  nach  den  Kreuzzügen  1200  — 1225,  die 
zu  Gehrde  150  Jahre  später  gebaut.  In  dieser  frühen 
Zeit  war  noch  der  Begriff  eines  Dorfes  nicht  vor- 
handen. weil  die  Bauern  damals,  wie  auch  noch  jetzt, 
vereinzelt  im  Walde,  umgeben  von  ihren  Aeckern  und 
| Weiden,  ihre  Ackerwirthschaft  führten. 

G.  Tri  mp  6,  Talge  b.  Bersenbrück  Prov.  Hannover. 

2.  Au»  Thüringen.  1)  Eine  halbe  Stunde  von 
Gera  am  Kunde  eine»  kleinen  Thälchen»,  des  sogen. 
Zaufensgraben«,  liegt  der  •Goldstern4  eine  schein- 
bar durch  l' nterwaschung  herabgestUrzte  und  nun 
isolirt  liegende  Kalksteinbank  (Mittlerer  Zechstein: 
3/ 4 m stark  und  2 bis  2*/»  m lang  und  breit).  Die 
Sage,  die  sich  mit  diesem  Stein  viel  beschäftigt  ( vide 
mein  Sagenbuch  des  Voigtlande*)  behauptet:  er  habe 
al»  Opferstein  gedient  und  sei  einst  von  seinem  er- 
höhten Standpunkt  gewaltsam  herabgestürzt  worden. 
Man  bemerkt  an  ihm  viele  Spuren  men»chlicher  Thätig- 
keit,  darunter  sicher  solche,  die  ihn  zu  zerkleinern 
bezweckten,  nämlich  ein  Sprengloch  und  mehrere  hi» 
zu  V«  n»  lange,  hi»  20  cm  tiefe  Kinnen,  die  jedoch 
den  Rand  de»  Steine»  nicht  erreichen.  Die  Sage  nennt 
»ie  Blntrinnen.  Endlich  war  Kieselack  oder  doch  seine 
Namensvettern  ihatig.  die  Oberfläche  anzukratzen. 
Zwischen  alle  dem  fallen  jedoch  2 Grübchen  deutlich 
in  die  Augen  (rund,  4 — 5 cm  Durchm.  bei  4 resp.  IJ 
cm  Tiefe),  die  ich  unbedingt  für  „Schälchen*  halten 
muss.  Wenn  sie  inwendig  zwar  rund,  doch  nicht 
glatt  sind,  so  mag  hievon  das  cavernöse  Gestein  in 
Verbindung  mit  der  nachfolgenden  Verwitterung  die 
Ursache  sein.  Für  angefangene  Sprenglöcher  sind  »io 
viel  zu  wei*.  Erwähnen  muss  ich  noch,  das*  ich  mich 
deutlich  erinnere,  wie  meine  Grosaeltem  diesen  Stein 
j den  „Oelgötzen*  nannten,  eine  Bezeichnung,  auf  die 
ich  keinerlei  Werth  lege  und  die  die  verschiedensten 
' Ursachen  haben  kann,  umsomehr,  als  ich  sie  gegen- 
wärtig nirgends  mehr  fand  und  ebensowenig  sagen 
kann , ob  sie  je  allgemeiner  war : immerhin  hat  sie 
heute  Interesse  für  mich,  da  wir  lesen,  dass  dergleichen 
Näpfchen  anderwärt*  bia  vor  Kurzem  eingeölt  zu 
werden  pflegten. 

Schälchenartige  Vertiefungen  finden  sich  ferner 
in  ziemlicher  Anzahl  an  den  «pätgothischen  Pfeilern 
(feste  Bundsandsteinquader)  an  der  Südseite  der  Kirche 
zu  l'ntenuhauH  bei  Gera.  Sie  für  Verwitterungspro- 
dukte  anzusprechen,  ist  unmöglich,  denn  sie  befinden 
' »ich  zwar  vorzugsweise  an  der  Wetterseite  d.  h.  der 
! Westseite  der  Pfeiler,  wo  das  harte  Gestein  ein  wenig 
I leichter  zn  bearbeiten  war,  doch  fast  alle  in  ungefähr 
' Brusthöhe  und  nicht  eins  so  hoch,  dass  e*  nicht  er- 
i reichbar  wäre.  Ich  zählte  an  den  6 Pfeilern  recht» 

| und  links  vom  Eingänge  2 solcher  runder  Schälchen 


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von  etwa  8 cm  Durchmesser  bei  8 cm  Tiefe,  18  ander«* 
haben  bei  gleicher  Tiefe  nur  3 — 5 cm  Dorvhm.  und 
eine  ziemliche  Anzahl  Löchervhen  von  2 -8  cm 
Durchm.  möchte  ich  ausserdem  noch  für  dergleichen 
angefangene  halten , die  man  wieder  aufgab  wegen 
zu  grosser  Härte  des  Gesteins.  Die  älteren  Kirchen 
Weida'«  (ans  demselben  Sandstein  und  ungefähr  dei 
nämlichen  Bauperiode)  zeigen  nichts  ähnliches. 

8)  Ein  Felsen  bei  Posterstein  (nahe  Ronneburg! 
soll  laut  einer  Sage  den  Eindruck  von  des  Teufels 
PferdefuHs,  tun  anderer  isolirtcr  Fels  zwischen  Leubs- 
dorf und  Wetzdorf  bei  Triptis,  von  dessen  Potex  und 
einer  im  Hofe  der  Kflhnsmünle  bei  Sehleitz  von  dessen 
5 Krallen  zeigen:  ich  werde  suchen,  mir  darüber  Ge- 
wissheit zu  verschaffen , wohin  diese  Eindrücke  zu 
zählen. 

4)  Weitere  Sagen  reden  von  ebendergleichen  Ver- 
tiefungen als  von  ehemaligen  Taufbecken  (Triebes  bei 
Hohenlauben)  und  Weih  kesseln  (Oschitz  bei  Sehleitz 
etc.).  Leider  wurden  diese  Denkmäler  neuerlich,  ohne 
näher  untersucht  worden  zu  sein,  muthwillig  zerstört. 

Robert  Ei  sei,  Gera. 

II.  Der  anthropologische  Verein  In  Graz.  In  Graz 
hat  sieh  ein  anthropologischer  Verein  gegründet,  dessen 
Jahresbericht  für  1878  durch  Prof.  Pr.  W.  Gnrlitt 
veröffentlicht  wurde.  Die  Zahl  der  Mitglieder  beläuft 
sich  danach  auf  53,  die  sich  zur  Aufgabe  gemacht, 
regelmässige  Versammlungen  mit  Vorträgen  und  Dia- 
cnssionen  zu  halten,  Ausgrabungen  zu  veranstalten 
und  zu  fördern,  und  Arbeiten  im  Gebiete  der  Anthro- 
pologie, Ethnologie  und  Urgeschichte  in  Steiermark 
und  den  benachbarten  Gebieten  auszuführen  und  an- 


zuregen. In  der  ersten  Sitzung  des  Vereines  hielt 
Gundaker  Graf  Wurmbrand  eine  Ansprache  über 
die  Methoden  anthropologischer  Forschung.  Aus  den 
1 Mittheilungen  über  die  folgenden  Sitzungen  geht  her- 
' vor,  dass  der  Verein  sofort  in  thätigster  Weise  in  die 
gestellten  Aufgaben  eintrat.  Unter  der  Führung  der 
Prof.  Fr.  Willi.  Schulze  und  Horn  es  fand  eine 
Expedition  mich  Mixnitz  statt.,  um  in  der  Draehen- 
höhle  am  Köthel  stein  Nachgrabungen  anzustellen. 
Unter  einer  Schichte  von  Höhlenlehm  und  von  Kalk- 
sinter befindet  sich  eine  schwärzliche  Fundschicht. 
Sie  besteht  aus  Knochenresten.  Holz-  und  Knochenasclie 
und  einer  Menge  angebrannter  Knochenfragmente  mit 
wenig  Ausnahmen  dem  Höhlenbären  angehörig.  Die 
Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  dass  hier  Raste  von 
Mahlzeiten  der  Menschen  aus  der  Glacialseit  vorliegen. 

Auf  Anregung  des  Grafen  Wurmbrand  und 
durch  das  freundliche  Entgegenkommen  der  Schul- 
behörden ist  eine  statistische  Aufnahme  der  Schub 
jugend  in  den  politischen  Bezirken  Pettau  und  Lutten- 
berg nach  Nationalität,  nach  Farbe  des  Haares,  der 
Augen  und  der  Haut  vorgenommen  worden,  und  diese 
wichtigen  Erhebungen  sollen  fortgesetzt  werden.  Durch 
das  opferwillige  Entgegenkommen  des  Prof.  Dr.  Pichler, 
des  bewährten  Vorstandes  des  antiquarischen  Museum* 
im  Joanneum  zu  Graz  ist  die  Herausgabe  einer  Fund- 
karte für  Stei  erinark  möglich  geworden.  Dieses 
unentbehrliche  Fundament  für  alle  Forschungen  auf 
dem  Gebiete  der  Urgeschichte  ist  bereits  mit  einem 
Text  von  4 Bogen  Stärke  veröffentlicht  unter  dem 
Titel:  Archäologische  Karte  von  Steiermark  zusammen* 
gestellt  von  Dr.  Fr.  Pichler,  Graz  im  Selbstverlag 
des  Vereine«.  Ko  11  mann,  Basel. 


Die  Ausstellung  anthropologischer  und  vorgeschichtlicher  Funde  Deutschlands 
Im  August  1880  in  Berlin. 

Seine  k.  k.  Hoheit  der  Kronprinz  des  deutschen  Reichs  und  vou  Prousscn 
hat  das  Protectorat  -der  Ausstellung  zu  übernehmen  geruht. 

Nachträgliche  Einladung  zu  der  Ausstellung  der  deutschen  Runendenkmäler. 

Auf  die  Anregung  der  Herren  Professor  Müllenhoff  und  Dr.  Henning  hat  die  Aus- 
stellungs-Commission beschlossen,  den  Versuch  zu  machen,  die  noch  vorhandenen  deutschen  Runen- 
denkmäler  auf  der  Ausstellung  zu  vereinigen , um  zum  ersten  Male  die  Gelegenheit  lierbeizuführen, 
diese  Runenschrift  durch  Vergleichung  im  Einzelnen  festzustellen  und  durch  Prüfung  der  darin  ent- 
haltenen Sprachreste  den  Stamm,  von  welchem  sie  herrühren,  genauer,  als  es  bisher  möglich  gewesen 
ist,  zu  bestimmen.  Wir  richten  daher  an  diejenigen  Sammlungen  und  Sammler,  welche  im  Besitz 
solcher  Stücke  sind,  das  dringende  Ersuchen,  uns  dieselben,  wenn  möglich  in  den  Originalien,  zu 
übermitteln.  Wir  sagen  unsererseits  jede  erreichbare  Sicherheit  zu,  um  dieselben  unversehrt  an  ihre 
Besitzer  zurUckgelangeu  zu  lassen. 

Die  uns  bisher  bekannt  gewordenen  Stücke  dieser  Art  sind  folgende: 

Deutsche  Rnnendenkmäler:  1.  Lanzenspitze  von  Kowel  ( V olhynien)  im  Privatbesitz  des  Herrn 

Alexander  Szutnowski.  2.  Lanzenspitze  aus  Müncheberg  (Mark  Brandenbarg).  Im  Museum  des 
Vereins  für  Heimatkunde  in  Müncheberg.  3.  Spange  aus  Osthofen.  Im  Museum  zu  Mainz.  4.  Serpentin- 
becher aus  Monsheim.  In  Mainz.  5.  Spange  aus  Freimuberaheiw.  In  Mainz.  G.  Gewandnadel  aus  Ems.  Im 
Privatbesitz.  7.  Spange  aus  Hohenstadt.  Im  Museum  vaterländischer  Alterthümer  in  Stuttgart.  8.  l».  Zwei 
Spangen  mit  Runeninsclirift  aus  Nordendorf.  Museum  zu  Augsburg.  10.  Goldenes  Kreuz  aus  Nordendorf.  Museftm 
zu  Augsburg.  11.  Thonscheibe  von  Nassen beuren.  Museum  zu  Augsburg.  12,  Kästchen  mit  Runeninschriü  im 
Museum  zu  Braun  schweig.  13.  Bracteat  aus  Dannenberg.  Im  Königlichen  Münzcabinet  zu  Hannover. 
14.  15.  Zwei  Bracteate  aus  Daunenberg.  Im  Museum  des  historischen  Vereins  für  Niederdeutschland.  Hannover. 
16.  Bracteat  aus  Holstein.  In  Hamburg.  17.  Bracteat  aus  Harlingen.  Im  Museum  de»  historischen  Vereins 
zu  Leu warden.  Holland. 

Sollten  irgendwo  noch  andere  Funde,  welche  in  dieser  Liste  nicht  verzeichnet  sind,  gemacht 
sein,  so  ersuchen  wir  um  die  Mittheilung  von  Nachrichten  darüber. 

Druck  der  Akademischen  BucMruckerei  von  F.  Straub  in  München.  — Schl u«s  der  Hedaktion  am  27.  April  WSO. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Jiedigirt  von  Professor  Dr.  Johannes  Hanke  in  München , 

OtutralMcrriär  irr  GtuiUckaß. 


XI.  Jahrgang.  Nr.  6.  • Erscheint  joden  Monat.  Juni  1880. 


Ein  Goldfund  in  Oberhessen. 

Im  Gemeindewalde  des  grossen  und  in  besonders 
fruchtbarer  Gegend  gelegenen  Pfarrdorfes  Mar- 
dorf, eine  halbe  Meile  von  dem  alten  Städtchen 
Amöneburg  in  Oberhewen,  wo  der  heilige  Booi- 
fucius  eine  Kirche  gegründet,  wurden  schon  »eit 
langen  Jahren  von  Zeit  zu  Zeit  alte  Goldmünzen 
gefunden,  die.  wie  es  scheint,  einer  vorgeschicht- 
lichen Zeit  angehören.  Die  Münzen  sind  rund 
und  haben  die  Gestalt  eines  dicken  innen  ver- 
tieften Knopfes.  Die  Prägung  ist  roh  und  zeigt 
auf  der  inneren  vertieften  Seite  3,  5 und  6 er- 
höhte Kreise  und  einige  Striche,  auch  einen  ver- 
zierten Rand.  Die  Äussere  convexe  Seite  zeigt 
verschieden  geformte  Verzierungen.  Das  Metall 
ist  reines  Gold  und  der  Goldwerth  20  — 21  Merk. 
Die  einzelnen  Stücke  sind  in  der  Präge  verschieden 
gut  erhalten.  Bis  jetzt  war  — obgleich  ein 
Forstort  in  der  Gemeinde  seit  uralten  Zeiten  den 
Namen  der  „G  o 1 d b e r g“  führt , ein  anderer 
Theil  das  „Gold loch“  liiess  — von  den  bekannt 
gewordenen  Funden  kein  einziger  im  Walde  selbst 
gemacht,  sondern  die  Münzen  batten  sich  in  dem 
thonigen  Anhängsel  der  Räder  von  den  Wagen 
gefunden , welche  Holz  im  Walde  geholt  hatten. 
Am  18-  März  d.  J.  befand  sich  der  Schweine- 
hirt des  Ortes  mit  seiner  Heerde  in  dem  sog. 
Goldberge.  Seine  Frau  brachte  ihm  das  Essen 
und  iiusserte  ihrem  Manne , dass  er  sich  ganz 
ohne  Noth  dem  kalten  Winde  an  der  Stelle  so 
aussetze,  wo  er  sich  mit  seiner  Heerde  befände. 
Der  Mann  erwidert  lachend : „Vielleicht  finde  ich 
wieder,  wie  voriges  Jahr,  ein  Goldstück!“  und, 
indem  er  dies  sagte,  blickte  er  auf  einen  Maul- 
wurfhaufen,  in  welchem  der  kleine  Erdenbowohner 


nuchstiess  und  hob  zu  seiner  und  seiner  Frau 
Ueberraschung  eins  der  bekannten  Goldstücke  aus 
der  Erde  auf.  Ein  anderer  Mann , der  in  der 
Nähe  arbeitete  fand  alsbald  in  dem  Maulwurf- 
| häufen  ein  zweites  Stück.  Am  22.  März , als 
die  Sache  bekannt  geworden  und  überall  den 
i Leuten  gcrathen  war,  doch  an  der  Stelle  Naeh- 
1 forschungen  anzustellen,  zogen  dann  die  Wald- 
, eigenthflrner  in  hellen  Haufen  hinaus  in  den  Wald 
: und  fingen  an,  die  Erde  an  dem  Fundorte  um- 
! zuwühlen.  Als  nun  ein  Stück  nach  dem  andern 
j zum  Vorschein  kam,  soll  die  Scene,  die  sich  ent- 
i wickelt,  jeder  Beschreibung  gespottet  haben.  Nach 
zuverlässigen  Mittheilungen  sollen  Über  100  Münzen 
, gefunden  sein.  Leider  sind  die  meisten  alsbald 
I vertrödelt  und  in  die  Hände  dritter  Personen  ge- 
kommen. In  der  Nähe  des  Goldberges,  wo  der 
I Fund  gemacht , liegt  auf  einer  Höhe  ein  alter 
Ringwall,  die  H unnen  bürg  genannt.  Die  Ge- 
( gend  ist  zweifellos  eine  Stätte  uralter  Kultur 
uml  e8  sind  in  nicht  weiter  Entfernung  interessante 
Ausgrabungen  von  Grabstätten  keltischen  Ur- 
j Sprungs  gemacht.  Es  ist  anzunebmen,  dass  sich 
die  Aufmerksamkeit  auf  die  Alterthümer  der 
Gegend  von  Neuem  lenkt.  (Neue  preußische 
j Zeitung). 

Einem  Berichte  der  „Weserzeitung“  (aus 
1 Hessen-Nassau,  26.  März)  entnehmen  wir,  dass 
auch  „Schnallen,  Ringe  und  Bruchstücke  von 
Schmuekgegenständen  aus  Gold  in  ganz  ansehn- 
: lieber  Zahl  gefunden  worden  sind“.  Nach  einer 
j Correspondenz  der  „Köln.  Ztg.“  soll  darunter 
„ein  Kreuz,  eine  Spange  und  ein  A r in  r i n g“ 
sein.  Diese  Schmuckgegenständo  bezeichnet  ein 
nachträglicher  Bericht  in  der  „Kasseler  Tagespost“ 
als  „von  sehr  primitiver  Construction  und  wie 


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die  Münzen  ohne  Zweifel  mit  anderem  Metalle 
legirt“ ; derselbe  Bericht  signalisirt  aber  auch 
einige  „kleine  Silber  münzen  mit  Thier- 
bildern und  anscheinenden  ScUriftzügen“  , was  er 
mit  Recht  für  sehr  wichtig  und  für  ein  seltenes 
Vorkommen  erklärt.  Der  Berichterstatter  der 
„Wes.-Ztg.“ , macht  die  Bemerkung,  dass  die 
„Prägung  entfernt  an  das  bekannte  Didrachmon 
von  Aegina  aus  dem  6.  Jahrhunderte  vor  Chr. 
mit  dem  Bilde  einer  Schildkröte  erinnere*1.  Kr 
vermuthet,  dass  die  „Münzen  der  keltischen  Zeit 
angehörten“.  In  ihrer  Beschreibung  stützt  er 
sich  auf  den  Bericht  eines  Augenzeugen  im  „Mar- 
burgor  T ageblat  t “ . 

Das  betreffende  Referat  lautet  : „Eine  Mit- 

theilung des  „Marburger  Tageblattes“  von  vor- 
gestern (24.  März),  den  Fund  alter  Goldmünzen 
betreffend,  veranlasse  gestern  einige  hiesige  Herren, 
darunter  Schreiber  dieses,  an  Ort  und  Stelle  die 
Münzen,  sowie  das  Feld,  auf  welchem  dieselben 
noch  immer  gefunden  werden,  in  Augenschein  zu 
nehmen.  Der  Fundort  befindet  sich  an  dem  Ab- 
hange des  etwa  eine  halbe  Stunde  von  Mardorf 
gelegenen  sogenannten  Goldberges  und  nimmt 
einen  Raum  ein,  der  etwa  4 bis  5 Meter  im 
Quadrat  misst.  Das  ganze  Terrain  , noch  jetzt 
sumpfig,  erscheint , als  wenn  sich  daselbst  in 
früheren  Zeiten  Anlagen  von  Fischteichen  befunden 
hätten.  Die  jetzige  oberste  Bodenschicht  besteht 
aus  schwerem , röthlich  weissetn  Thone  (Lette) 
und  sind  in  dieser  etwa  einen  Fuss  dicken  Lage 
sämmtliche  Funde  gemacht  worden.  Mit  Hacken, 
Spaten  und  Messern  wird  von  den  Dorfbewohnern 
der  Boden  aufgewühlt  und  jedes  grössere  Btück 
Tbon  genau  untersucht.  Kurz  vor  unserer  An- 
kunft waren  noch  ein  Goldstück  und  eine  goldene 
Schnalle,  letztere  etwa  im  Goldwerthe  von  30 
bis  49  Mark,  gefunden  worden,  nachdem  in  den 
letzten  Tagen  die  hübsche  Zahl  von  unnähernd 
150  Stück  dieser  Goldmünzen  an  das 
Licht  befördert,  worden  war.  Io  der  Grösse  ent- 
spricht ein  solches  Goldstück  unserem  Zehnmark- 
stück, nur  ist  es  dicker  und  schwerer  und  dabei 
nicht  flach,  sondern  napf-  oder  besser  tellerförmig 
gebogen.  Bei  einer  Dicke  von  2 Millimetern 
haben  die  mitunter  regelmässig  runden  Stücke 
einen  Durchmesser  von  2 (?)  Centimetern  und  ein 
Gewicht  von  7 */4  Gramm ; entsprechen  demnach 
au  Gold werth  beinahe  dem  Zwanzigmarkstück. 
Die  auf  beiden  Seiten  befindlichen  eigenthUmlichen 
Bilder  sind  anscheinend  vermittelst  eines  Stempels 
hervorgebracht  worden , es  sprechen  auch  für 
diesen  Umstand  die  überall  abgerundeten  Kanten. 
Was  nun  die  figürliche  Verzierung  der  beiden 
Seitenflächen  anbetrifft,  so  wird  auf  der  concaven 


! Seite  der  äussere  Rand  von  einer  gebogenen. 
! schlangenförmigen  Thiergestalt  mit  deutlich  ge- 
zeichnetem Kopfe  und  Schwänze  und  mit  4 oder 
5 Paaren  von  Füssen  versehen , eingenommen 
j und  ist  dann  der  so  in  der  Mitte  freibleibende 
! Raum  mit  5 kräftig  hervortretenden  Punkten, 
etwa  2 Millimeter  im  Durchmesser,  besetzt.  Doch 
sollen  auch  Stücke  mit  3,  7 oder  9 solcher  Punkte 
gefunden  worden  »ein,  jedoch  ist  dem  Schreiber 
dieses  kein  solches  Exemplar  zu  Gesichte  gekommen. 

! Die  concave  Seite  enthält  am  Aussenrande  einen 
aus  kleinen,  gebogenen  Blättern  zusammengesetzten 
Kranz,  der  sich  jedoch  nicht  völlig  schließt.  Die 
Mitte  nimmt  eine  bim-  oder  besser  retorten- 
; förmige  Erhöhung  ein , neben  welcher  sich  so- 
, dann  2 , bei  einem  Stücke  3 Punkte  befinden. 
Schriftzeichen  enthalten  die  Münzen  nicht.  Die 
kleinen  Striche  zu  beiden  Seiten  der  erwähnten 
Thiergestalt  sind  wohl  nicht  als  Buchstaben  oder 
’ Zahlen  zu  deuten,  wie  solches  an  Ort  und  Stelle 
geschah , sondern  müssen  als  Küsse  detf  molch- 
oder  schlangenartigen  Thieres  angesehen  werden. 
Die  gefundene  Schnalle,  etwa  3 Centimenter  lang 
, und  2 Centimeter  breit , hat  eine  den  Münzen 
ähnliche  Zeichnung  und  ist  auf  der  oberen  Fläche 
: zu  den  Seiten  der  inneren  Riemenöffnung  mit  ver- 
schiedenen Punktenreihen  besetzt.  Eine  Deutung 
I der  Münze  wäre  interessant ; dass  dieselbe  nicht 
I römischen  Ursprungs  ist,  lässt  sich  sofort  erkennen. 

| Jedenfalls  haben  wir  es  mit  seltenen  Antiquitäten 
! zu  thun.  Wie  diese  Schätze  an  den  bezeichnet** 
Platz  gekommen  sein  mögen,  lässt  sich  nur  ver- 
muthen.  Schreiber  dieses  möchte  mit  seiner 
Hypothese  darüber  noch  zurückhalten  und  ab- 
w arten,  ob  nicht  noch  weitere  Funde  weitere  An- 
i haltspunkto  zu  einer  bestimmteren  Muthmassung 
| geben.  Wie  wir  erfuhren,  beabsichtigt  inan  von 
| Mardorf  aus  dem  deutschen  Kaiser  ein  Exemplar  der 
1 an  seinem  Geburtstage  gefundenen  Schätze,  welche 
einen  Gesammt werth  des  Goldes  von  etwa  1000 
1 Thaler  haben  mögen,  zum  Geschenk  zu  machen.4 

Aus  dem  zusammengestellten  Fundberichte 
geht  mit  unzweideutiger  Gewissheit  hervor,  dass 
die  Goldmünzen  sogenannt«  „Regenbogen- 
schüsseln“  (leiden)  sind,  die  häufig  in  Süd- 
und  Mittel-Deutschland  oft  vereinzelt,  häufig  aber 

• auch  in  grosser  Menge  (in  Hunderten)  zusammen- 
I liegend  gefunden  werden.  In  letzterem  Falle  fand 

man  sie  gewöhnlich  in  Thon-  oder  Metall-Geffessen 
bewahrt,  und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch 
der  Mardorfer  Fuod  ursprünglich  in  einem  solchen 
i GePäss  geborgen  war , das  vielleicht  von  dem 
| ersten  Finder  nicht  beuchtet , zerschlagen  oder 

• schon  in  älterer  Zeit  auf  dom  Acker  verloren 
J wurde.  Die  Schüsselmünzen  bestehen  immer  aus 


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f)l 


einer  Legirung , die  dem  alten  Electron  nahe 
.kommt,  Gold  mit  starkem  Silberzusatz.  Fälsch- 
lich nennt  der  Referent  der  „Kölner  Zeitung“ 
die  Münzen  Brakteaten.  Charakteristisch  für 
die  Iriden  ist  der  Umstand,  dass  sie  sich  schon 
öfters  in  der  Nähe  oder  innerhalb  von  King- 
w allen  fauden ; so  auch  hier  wieder.  Ob  man 
sie  desshalb  für  „keltisch“  erklären  soll,  ist  eine 
andere  Frage.  Die  Genesis  dieser  merkwürdigen 
Goldmünzen  ist  bis  heute  wissenschaftlich  noch 
in  keiner  Weise  aufgeklärt.  Thatsache  ist,  dass 
sie  sich  häufig  in  Deutschland  finden;  sie  dess- 
halb germanisch  zu  nennen,  ist  sehr  gewagt.  Vor 
unserer  Zeitrechnung  liegt  ihr  Ursprung  unzweifel- 
haft. Die  grosse  Bedeutung  des  Mnrdorfer  Fundes 
besteht  in  der  Gosellschaftung  der  übrigen  mitge- 
fundenen Gold-Alterthümer,  die  einen  werthvollen 
vergleichenden  Blick  auf  den  Charakter  des  ganzen 
Fundes  gestatten  werden  und  desshalb  für  die  Zeit- 
bestimmung des  Fundes  von  hohem  Werth  sind. 

Frau  kfurt  a/M.,  den  4.  April.  Dr.  //-«. 

Literaturbericht. 

Die  Handelsstrassen  der  Griechen  und 
Römer  durch  das  Flussgebiet  der  Oder, 
Weichsel,  des  Dniepr  und  Niemen  an  die 
Gestade  des  Baltischen  Meeres.  Eine  von 
der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Krakau 
preisgekrönte  archäologische  Studie  von 
J.  N.  V.  S a d 0 W S k i.  Jena  Herrn.  Costenoble.*) 

1.  IMe  geographischen  Arbeiten  des  Ptolemftas 
mit  besonderer  Beziehung  auf  deren  Anwendung  ln 
dem  Werke  von  v.  Sadowskl. 

Von  Herrn  Dr.  Kay  «er,  Astronom. 

Claudius  Ptolemäus  aus  Pelusium  lebte  150 
Jahre  nach  Christo.  Seine  bedeutendsten  Werke 
sind  ein  grosses  astronomisches  Buch,  magna 
constructio  (Almagest  der  Araber)  und  seine 
Geographie,  eiu  sehr  reichhaltiges,  gedrängtes 
Verzeichnis«  von  geographischen  Positionen,  das 
in  acht  Bücher  zerfällt.  Im  ersten  dieser  Bücher 
theilt.  der  Autor  verschiedene  Methoden  mit , die 
ihm  bekannte  Erdgegeud  (Oekumene  geheissen,  mit 
den  Celten  im  Westen,  Scythen  im  Norden,  Indern 
im  Osten  und  Aetbiopiern  im  Süden)  gemäss  der 
Kugelgestalt  auf  die  Ebono  zu  entwerfen.  Nach 
der  einen  Darstellungsart  setzt  er  das  Auge  in  die 
Meridian-Ebene  der  Mitte  der  bewohnten  Erd- 

*)  Der  Wichtigkeit  dieses  sehr  verdienst  vollen,  wenn 
auch  selbstverständlich  im  Einzelnen  noch  zu  manchen 
Entgegnungen  Veranlustuing  gebenden  Werke»  ent- 
sprechend bringen  wir  hier  zwei  dsw»elbe  sachlich  be- 
handelnde Vorträge  in  der  anthropologischen  Seetion 
der  natnrforsehenden  Gesellschaft  zu  Danzig.  2.r>.  II. 
1880.  D.  Ked. 


gegend  und  zwar  in  don  Kugelradius  , und  lässt 
unter  dem  Auge  die  Kugel  um  die  Axe  sich 
drehen.  Auf  diese  Weise  erscheinen  alle  Meridiane 
als  gerade  Linien , die  in  einem  Punkte , dem 
Nordpol,  sich  schneiden.  Die  Parallelkreise  stellen 
sich  dar  als  Kreise,  aus  dem  Schnittpunkt  be- 
schrieben, mit  der  convexen  Seite  nach  Süden  ge- 
richtet. Da  es  Kreise  sind,  anstatt  Ellipsen,  so 
so  hat  man  es  bei  Ptolemäus  eigentlich  nicht  mit 
perspectivischer  C'onstruction  zu  thun.  Er  be- 
obachtet das  richtige  Verhältnis  zur  Kugel  bei 
dem  fiussersten  nördlichen  Parallelkreise,  der  durch 
Thule  unter  dem  63.  Grade  (Moira)  Breite  ge- 
zogen wird , und  beim  Aequator.  Die  TheiluDg 
bringt  er  auf  dem  Paralltd  von  Rhodus  an,  um 
diesen  durch  Reisen  am  meisten  durchforschten 
Kreis  in  bester  Proportion  erscheinen  zu  lassen. 

I Als  südlichsten  Parallelkreis  zeichnet  er  den,  der 
Meroe,  15V* n vom  Aequator  nach  Süden  ent- 
! gegengesetzt  liegt.  Genauer  noch  ist  die  zweite 
, Projektion.  Hierin  wird  dem  wahren  Verhältnis« 
i der  Parallelen  unter  einander  nachzukommen  ge- 
| sucht,  wenngleich  der  Vortheil  des  senkrechten 
j Durchschnitts  der  Parallel-  und  Meridiankreise 
in  der  ersten  Construction  aufgegeben  ist.  Dos 
| Auge  kommt  in  den  mittleren  Meridian  der  be- 
, wohnten  Erde  und  Parallelkreis  von  Syene  23° 
j 50'  nördlich  vom  Aequator.  Dieser  und  die 
Parallelen  erscheinen  wieder  als  concentrische 
I Kreisbogen  mit  ihrer  convexen  Seite  nach  Süden, 
t die  Meridiane  aber  als  Kreisbogen , deren  Con- 
| cavität  dem  mittleren  Meridiane  zngewendet  ist 
! und  zunimmt , je  mehr  sie  sich  von  letzterem 
entfernen.  Die  Länge  zählt  Ptolemäus,  wie  wir 
| heute,  nach  Graden  von  0—180,  vom  ersten 
Meridian  durch  die  insulae  fortunatae  (Canarische 
Inseln)  bis  zum  letzten  im  Osten  Asiens  durch 
die  Ostküste  von  Anam.  Die  geographischen 
. Namen  und  Positionen  sind  ihm  zum  grossen 
; Theile  aus  «Uten  Nachrichten  zugekommen,  welche 
i Marinus  von  Tyrus  behufs  einer  kartographischen 
; Anordnung  gesammelt  hatte.  Wir  finden  hier 
die  Positionen  über  die  Grenzen  der  Völker,  ihrer 
Wohnstätten,  der  Gebirge  und  Flüsse,  bei  letzteren 
nicht  allein  an  den  Quellen  und  Ausmündungen, 
sondern  auch  oft  bei  ihren  Biegungen,  nach  Länge 
und  Breite,  gezählt  in  Graden  und  Minuten,  doch 
den  Commentar  immer  in  knappester  Weise.  Die 
Darstellung  von  Germanien  ist  reichhaltiger  beim 
Ptolemäus  als  bei  seinen  Vorgängern  Strabo, 

| Plinius  und  Tacitus,  da  Namen  von  über  90  Orten 
i und  vielen  Völkerschaften  aufgezählt  werden, 
j Dass  diese  Angaben  von  Irrthürnern  nicht  frei 
i sein  können,  darf  uns  nicht  wundern,  waren  doch 
in  den  ihm  weniger  zugänglichen  Ländern  nur 


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52 


Schlitzungen  der  Entfernungen  durch  Tagereisen 
möglich , wahrend  über  Aegypten , Griechenland 
und  Italien  genauere  Messungen  Vorlagen.  Zwischen 
Oder  und  Weichsel»  welcher  letztere  Fluss  östlich 
Germanien  von  Sarmatien  abschneidet , führt 
Ptolemftus  die  Orte  Scurguni,  Ascaucnlis,  Setfdava. 
Calisia  und  weiter  nach  Süden  der  Donau  zu 
Carrodunun» , Budorgis  und  Asanca  auf.  Die 
Mündungen  der  genannten  Flüsse  sehen  wir  um 
zwei  Breitengrade  zu  weit  nach  Norden  versetzt, 
ihr  Abstand  um  1 '/*  Längengrade  zu  nahe.  Die 
Angabe  für  die  Quelle  der  Oder  fehlt,  und  von 
der  Quelle  der  Weichsel  bis  zu  ihrer  Mündung 
werden  3°  30'  der  Breitengrade  gerechnet,  während 
es  in  Wirklichkeit  4°  50'  sind.  In  Anbetracht 
dieser  grossen  Uugenauigkeiten  hat  die  Deutung 
der  genannten  Ortschaften  nicht  gelingen  wollen. 
Ein  jüngst  erschienenes  Werk  „Die  Handels- 
straßen der  Griechen  und  Hörner  durch  das  Fluss- 
gebiet der  Oder.  Weichsel  etc.,  eine  preisgekrönte 
archäologische  Studie  von  J.  N.  v.  Sadowski, 
aus  dem  Polnischen  von  A.  Kohn  enthält  S.  38 
und  ff.  das  Bemühen  des  Verfassers,  sich  den 
geographischen  Begriffen  des  Ptolemftus  anzu- 
passen, die  Bedeutung  der  Fehler  zu  ermitteln 
und  zwar  nicht  blos  der  principiellen.  sondern 
auch  der  zufälligen,  und  demgemäss  eine  Karte 
im  Sinne  des  Ptolemftus  zu  schaffen.  Auf  der 
in  dieser  Weise  construirten  Karte  liest  der  Ver- 
fasser nun  alle  Orte  ab,  welche  jener  in  das 
Flussgebiet  der  Oder  und  Weichsel  verlegt.  Calisia 
fällt  bis  auf  die  Minute  auf  unser  Kalisch,  Seti- 
dava  passt  ganz  auf  Znin,  Ascaucalis  weicht  nur 
um  einige  Minuten  von  der  Lage  des  Dorfes 
Osielsk  bei  Bromberg  ab , und  Suurgum  trifft 
mit  der  Lage  von  Czersk  in  WestpreuBsen  zu- 
sammen, während  Budorgis  und  Carrodunum  in 
das  böhmische  und  mährische  Gebiet  hineingehüren. 
Auf  die  in  einer  der  jüngsten  Sitzungen  der 
anthropologischen  Bection  aufgeworfene  Frage,  ob 
die  in  dom  genannten  Werke  gemachten  Aender- 
ungen  der  Ptolemft’schen  Construction  dem  Prinzip 
nach  ihre  Berechtigung  haben,  beziehen  sich  die 
folgenden  Bemerkungen. 

Das  Verdienst  der  ersten  Berechnung  einer 
Gradmessung  zur  Feststellung  des  Erdumfanges 
kommt  dem  Eratosthenes  (275  v.  Cbr.)  zu.  Indem 
er  den  Schatten  des  Gnomon’s  in  Alexandria  am 
längsteu  Tage  des  Jahres  gleich  */§•  des  l'm- 
fanges  der  Skaphe  Schale  in  Halbkugelform, 
worin  der  Zeiger  lothrecht  stand)  und  den  Sonnen- 
stand im  Scheitel  bei  einem  Brunnen  zu  Syene 
mit  dem  Abstand  der  beiden  Städte  von  5000 
Stadien  verglich , schloss  er  dass  der  ganze  Um- 
fang der  Erdkugel  50  X 5000  = 250  000  Stadien 


betragen  müsse.  Die  genannten  Orte  liegen  aber 
nicht  genau  in  einem  Meridian.  Dass  die  Alten 
diesem  Umstande  Rechnung  zu  tragen  wussten, 
geht  aus  dem  Ptolemftus  hervor,  welcher  lehrt, 
dass  man  den  grössten  Kreis  nehmen  könne,  der 
durch  die  beiden  Scheitelpunkte  geht,  sobald  man 
die  Lage  dieses  grössten  Kreises  in  Rücksicht 
auf  den  Meridian  kennt.  Wird  die  obige  Zahl 
von  250000  Stadien  dem  entsprechend  verbessert 
und  in  geographische  Meilen  übersetzt , so  über- 
trifft sie  die  heutige  Angabe  von  4500  Meilen 
vielleicht  nur  um  50  Meilen.  Die  Breitengrad- 
messung des  Eratosthenes  war  also  sehr  genau. 
Aber  schon  im  Alterthum  wurde  die  Richtigkeit 
angezweifelt  und  das  mittelst  einer  anderen  Be- 
obachtuugsmethode  an  Sternen , welche  durch 
das  Zenith  der  beiden  zu  vergleichenden  Orte 
gehen , gewonnene  Resultat  für  besser  erachtet, 
zu  dem  sich  auch  Ptolemftus  bequemte.  Man 
kam  auf  einen  Grad  von  500  Stadien  und  auf 
den  Erdumfang  von  180  000  Stadien.  Da  die 
Grösse  des  zu  Grunde  liegenden  Stadiums  nicht 
mit  Sicherheit  ausgomittelt  werden  kann,  so  bleiben 
die  Bestimmungen  der  Alten  ungewiss.  Der 
Erdumfang  nach  Ptolemftus  wird  zu  klein  und 
zwjirum  lltn , wenn  Ägyptiach-ptolem&ische  Stadien, 
ja  um  l/6,  wenn  gemein-griechische  Stadien  gemeint 
sind.  Insofern  haben  wir  über  das  Fundament 
seiner  Geographie  keine  definitive  Ansicht. 

Die  Feststellung  der  Längengrade  ferner  war 
für  die  damalige  Zeit  eine  sehr  schwierige  Auf- 
gabe, da  zur  Lösung  nicht  allein  gute  Uhren  und 
Zeitbestimmung,  sondern  auch  der  direkte  Ver- 
gleich der  Ortszeiten  gehören , wie  wir 
ihn  heute  durch  Chronometer-Expeditionen  oder 
besser  noch  durch  den  Telegraphen  erhalten.  Daher 
mussten  Beobachtungen  von  Erscheinungen  , wie 
Mondsfinstemisse,  welche  von  verschiedenen  Punk- 
ten der  Erde  in  demselben  Augenblicke  wahrge. 
nommen  werden  können,  an  Stelle  der  Zoitüber- 
tragung  treten.  Die  Differenz  der  Zeiten , zu 
welchen  in  Arbela  am  Euphrat  und  in  Carthago 
eine  Mondsfinsterniss  beobachtet  wurde,  im  Betrage 
von  drei  Stunden,  veranlasst«  Ptolemftus  diese  Orte, 
welche  faktisch  31°  30'  Längen  unterschied  (nach 
Kiepert  33°  35')  haben,  um  45  Längengrade  aus 
einander  zu  setzen.  Herr  Prof,  v.  Sadowski  sagt 
bei  Anführung  dieser  Vergleichung : „I)a  Ptolemftus 
nicht  annahm,  dass  er  sich  in  der  Schätzung  der 
Entfernung  von  Carthago  und  Arbela  fast  um 
ein  Drittel  geirrt  habe  und  hierdurch  45  Grade 
in  einen  Raum  schiebe,  der  nur  31°  30'  beträgt, 
klagt  er  in  seinem  Werke,  dass  die  zu  Lande 
Reisenden  nie  die  KrUmtuungeu  des  Weges,  den 
sie  zurttckgelegt  haben,  berechnen,  und  die  Schiffer 


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53 


allem  Anschein  nach  die  widrigen  Winde  nicht 
in  Rechnung  ziehen,  denn  sie  schätzen  seiner 
Ansicht  noch  die  zurückgelegten  Entfernungen 
fast  immer  um  Vs  zu  hoch.  Hieraus  folgte, 
dass  er  das  durchschnittliche  Abziehen  eines  Drittels 
der  ihm  gegebenen  Entfernungen  als  Norm  auf- 
stellte und  auf  dieser  Basis  ergänzte  er  sowohl 
östlich  von  Arbela  als  westlich  von  Carthngo 
gleichmäßig  die  Längengrade , — fast  überall 
um  */s  zu  nahe  an  einander Leider  scheint 
diese  Anführung  des  Verfassers  nicht  klar  genug, 
denn  ein  von  der  gegebenen  Entfernung  gemachter 
Abzug  entspricht  der  Verbreiterung  der 
L ä n g e u g r a d e und  nicht  der  Näherung. 
Dieses  allein  richtige  Verständnis*  müsste  doch 
ein  Ptolemäus  gehabt  haben.  Indem  der  Ver- 
fasser weiter  den  ganzen  Umfang  der  PtoleinUiMhen 
Grade  von  0 — 180  (Canarische  Inseln  — Anam.) 
anstatt  der  wahren  Grade  von  0 — 126,  ferner 
die  Lüngenunterschiedsvergleichungen  Alexundria- 
Rom,  Alexandria-Carthago,  Alexandria-Sparta  und 
Ecbataua-Alexnndria  auttuhrt,  welche  alle  in  der 
That  sehr  ns  he  das  Verhältnis*  3 : 2 ergeben, 
hält  er  sich  überzeugt  , eine  principielle  Grund- 
lage der  Reduktion  gewonnen  zu  haben,  um  die 
Lage  unbekannter  Orte  zu  erforschen. 
Das  Citat  über  die  Mondfinsternis*  steht  im  vierten 
Kapitel  des  ersten  Buches  der  Ptolemäiscben  Geo- 
graphie, unabhängig  davon  die  allgemeine  Bemerk- 
ung über  die  geringe  Uebereinstiinmung  der  astro- 
nomischen Daten  mit  den  auf  Land-  und  Seereisen 
gewonnenen  im  2.  Kapitel  des  1 . Buches , an 
dieser  Stelle  aber  ohne  Mittheilung  des 
vorzune  hm  enden  Abzuges  von  *,» , wie  nicht 
anders  aus  der  im  Jahre  158  4 in  Köln  erschienenen 
und  von  Gerardus  Mercator  herausgogebenen  la- 
teinischen Ausgabe  zu  ersehen  ist.  Dass  Ptolemäu* 
die  ihm  zugekommenen  Nachrichten  gehörig  ge- 
prüft und  demnach  Reduktionen  verschiedener 
Art  angebracht  haben  wird,  um  die  Entfernungen 
der  Sphäre  anzupassen,  möchten  wir  uls  selbst- 
verständlich betrachten  und  ihm  nicht  das  atoreor 
type  Abziehen  von  llt  zumuthen.  Ist  nun  des 
Verfassers  Meinung  so,  dass  Ptolemäua  ■/»  der 
ihm  von  den  Reisenden  überlieferten  Zahl  abge- 
zogen habe,  und  scheint  es  dem  Verfasser  weiter 
erforderlich,  von  dem  dadurch  entstandenen  Werth 
*/i  noch  einmal  zu  subtrahiren,  so  folgt  dass  die 
dem  Ptolemäus  überlieferte  Entfernung  um  mehr 
als  das  Doppelte  (2  V*)  von  unserer  gegenwärtigen 
Anschauung  abweichen  müsste.  Setzen  wir  z.  B., 
er  hätte  als  Werth  einer  gewissen  Distanz  900 
Stadien  in  Erfahrung  gebracht , so  hat  er  uns 
nach  Abzug  von  l,a  =.  300  die  Zahl  600  über- 
liefert. Sollen  wir  hiervon  nun  '/a  200  sub- 


trahiren,  so  bleibt  nur  noch  400  Stadien  als  end- 
giltige  Entfernung.  Hieraus  könnte  mau  alsdann 
nur  schließen,  aus  wie  ungenauen  Quellen  Ptolemäus 
geschöpft  hat. 

Die  folgende  Zusammenstellung  der  Längen- 
grade einiger  anderer  von  uns  aus  dem  Ptolemäus 
gewählten  Orte,  Uber  deren  Ident  ifhirung  mit 
der  heutigen  Geographie  kein  Zweifel  obwalten 
kann,  und  der  gegenwärtig  dafür  geltenden  Längen- 
grade bezweckt  nachzusehen,  ob  auch  hier  dieselbe 
vermeintliche  Reduktion  anzuwenden  nöthig  ist. 

Längen:  nach 

Ptolemäu»  Gegenwärtig 


Rhenus  w.  Mündung  (Rhein) 

26° 

4.y 

'22° 

V 

VumIu»- Mündung  iQderl  . . 

42 

10 

32 

0 

Vistula-Mündung  (Weichsel)  . 

45 

0 

20 

DunuhiuN'Hicgung  (Donau) 

4*2 

30 

36 

45 

(,'yrene  (Grennai 

SO 

0 

39 

30 

ßyzontium  (Konstantinopel)  . 

56 

0 

46 

Alexandria 

60 

80 

47 

30 

Tana  i »-Mündung  (Bonn!  . . 

67 

0 

57 

0 

Tigris-Mündung 

*0 

O 

66 

u 

Indu>- Mündung 

112 

0 

86 

30 

SeniantiniHche»  Gebirge)  Anam) 

180 

0 

126 

o 

Vergleicht  man  die  gegenUberstehenden  Längen - 
zahlen,  so  erhält  man  allerdings  im  Allgemeinen 
den  Eindruck  einer  von  Westen  nach  Osten  ge- 
streckten Darstellung  und  zwar  stärker,  je  mehr 
man  der  Ostgrenze  sich  nähert.  Natürlicher 
Weise  muss  eine  von  der  Milte  aus  gemachte, 
geographische  Darstellung  nach  den  Extremen 
zu,  also  im  äußersten  Westen  und  Osteu  , die 
meisten  Verzerrungen  erhalten.  Hier  linden  wrir, 
dass  der  Osten,  wohl  fast  dio  Hälfte  der  Oekumeue, 
am  übelsten  weggekommen  ist.  Denn  Ptolemäus 
zählt  vou  der  Indus- Mündung  bis  nach  Anam 
68  Grade,  während  faktisch  es  nur  39°  30'  sind. 
Da  nun  auf  die  eine  ungefähre  Hälfte  seiner 
Karte  fast  doppelt  zu  viele  Längengrade  kommen, 
so  kann  die  andere  Hälfte  der  ganzen  im  hypo- 
thetischen Verhältnis*  von  180  : 126  (3:2) 
angelegten  Karte  nur  noch  eine  geringere  Streck- 
ung als  die  um  ihr  zugemuthete  an  sich  tragen. 
Da*  genauere  Verhältnis*  für  die  letztere  wird 
sich  etwa  folgendermasseu  herausrechnen  lassen. 
Die  ganze  Ptolemäi’scbe  Karte  ist  gleich  */#  unserer 
gegenwärtigen,  das  Pt.  Östliche  stellt  sich  auf 
der  gegenwärtigen  als  nur  1/z,  daher  muss  mit 
Abzug  von  V*,  oder  ft/i#  dem  andern  Pt.  west- 
lichen ll»  entsprechen,  das  heisst  es  werden  hier 
die  Ptoleruäi’sclien  Längen  zu  unseren  sich  ver- 
halten = 6:5,  oiler  V«  muss  von  dem  Ptole- 
mftischen  abgezogen  werden,  um  sie  zu  rektiticiren. 
Uiu  die  Reduktion  genauer  für  unsere  Gegend 
zu  erhalten,  müsste  namentlich  auch  die  freilich 
geringere  Verbreiterung  im  äußersten  Westen  mit 
in  Rechuung  gezogen  werden.  Wir  sehen  aber 


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54 


davon  ab,  einen  anderen  Reductionswerth  zu  suchen, 
der  für  den  von  uns  nicht  anerkannten  im  Be- 
trage von  */a  substituirt  werden  sollte,  und  schlagen 
viel  lieber  einen  mehr  praktischen  Weg  ein,  indem 
wir  einige  Vergleiche  aus  der  angeführten  kleinen 
Tabelle  ins  Auge  fassen.  Es  kommt  ja  in  der 
zu  diskutirenden  Aufgabe  besonders  nur  auf  die 
relativen  Läogenunterschiede  an.  Wir  stellen 
daher  die  folgenden  aus  der  Ptolemäischen  und 
aus  der  gegenwärtigen  Geographie  gegenüber: 
Längen  unterschied. 

Nach  PtolemHus.  Gegenwärtig, 


Donau-Rhein 

15" 

45' 

14“ 

45' 

Konstantinopel-Oder  . 

13* 

50' 

14" 

35' 

Konstantinopel-Weichsel 

11" 

00' 

10" 

15‘ 

Donn-Cyrene 

17u 

00' 

17° 

30' 

Donn-Konstantinopel  . 

11“ 

00' 

10“ 

25' 

Bei  so  naher  U eher  eins  timinimg  der  Ptolo- 
mäischcn  Angaben  mit  unseren  würde  wohl  Nie- 
mand Veranlassung  nehmen,  die  ersteren  um  Va 
zu  verkleinern  zum  Zwecke  noch  besserer  Ueber- 
einstimmuug.  In  wie  grosse  Verlegenheit  würde 
man  kommen  , wollte  man  in  dem  folgenden  uns 
doch  vorzugsweise  interessirenden  Beispiele : 

nach  PtolemHus.  Gegenwärtig. 
Weichsel-Oder  ...  2°  50'  4°  20' 

die  von  PtolemHus  um  1°  30'  zu  nahe  gesetzte 
Entfernung  dieser  Flussmündungen  noch  mehr 
verengern  , was  in  consequenter  Absicht  geschehen 
müsste? 

Was  nun  die  Breiten bestimmung  des  Ptole- 
mUus  bet  rifft , so  hat  er  da , wo  er  es  selbst 
konnte , seine  eigenen  Beobachtungen  an  astro- 
nomischen Apparaten,  die  für  die  damalige  Zeit 
vortrefflich  waren , zu  Hilfe  gezogen.  In  ferneren 
Gegenden  verfuhr  er  systematisch  in  der  Fest- 
setzung der  Parallelkreise.  Diese  wurden  nach 
den  Orten , für  welche  die  Beobachtung  oder 
Berechnung  galt,  benannt.  Seinen  ausgebreiteten  j 
Verbindungen  gelang  es , die  Orte  zu  ermitteln, 
wo  der  längste  Tag  im  Jahre  12  Stunden  (Aequa- 
tor) , 1 2 St.  1 5 Min. , 1 2 St.  30  Min.  etc.  bis 
dahin , wo  er  20  St.  (in  Thule)  währt.  Die  ; 
Tageslängen  werden , wie  wir  beiläufig  bemerken,  j 
durch  Mitwirkung  der  astronomischen  Strahlen- 
brechung vergrössert.  Eine  Reduktion  der  davon 
beeinflussten  Breitenbestimmung  wird  wahrschein- 
lich von  PtolemHus  nicht  ausgeführt  worden  sein, 
obgleich  derselbe,  wie  aus  seiner  Optik  hervor- 
geht , schon  richtige  Begriffe  Uber  die  Refraktion 
hatte.  Die  Refraktion  beschleunigt,  den  Aufgang 
und  verspätet  den  Untergang  der  Gestirne.  Neh- 
men wir  nun  den  Werth  der  mittleren  Hori-  | 
zontalrefraktiou  von  33'  an.  so  wird  z.  B.  für  I 
die  Danziger  Breite  (54°  21')  jene  Beschleunig-  | 


ung  und  ebenso  die  Verspätung  5 Zeit-Minuten 
betragen,  wenn  die  Mitte  der  Sonnenscheibe  als 
Beobachtungsmoment  aufgefasst  wird , 7 */*  Mi- 
nuten dagegen , wenn  man  den  ersten  Sonnen- 
strahl resp.  den  letzten  als  Ausgangs-  und  End- 
punkt wählt.  Ist  eine  derartige  Verminderung 
der  Tageslänge  nicht  berücksichtigt , so  muss 
natürlich  die  berechnete  Breite  zu  gross  gefun- 
den werden , und  zwnr  für  Danzig  (streng  ge- 
nommen gegen wärtig)  um  50'  im  ersten  Falle, 
um  1*  14*/*'  im  zweiten.  Es  könnte  somit  die 
auf  der  Ptolemäischen  Karte  wahrzunehmende 
Verrückung  unserer  Breiten  zuweit  nach  Norden 
zum  Theil  diesem  Umstande  zugeschrieben  werden. 
Einer  anderen  irrthümlichen  Auffassung  in  der 
Ptolemäischen  Darstellung  ist  von  dem  Verfasser 
gedacht  worden , indem  er  sagt , dass  in  Folge 
der  Abplattung  der  Erde  „in  den  nördlicheren 
Gegenden , wo  der  Einfluss  dieser  Abplattung 
auf  die  Tageslänge  während  des  Somraersolsti- 
tiums  sehr  stark  hervortritt , die  nördlichen 
Breitengrade  in  seinen  Berechnungen  zu  weit 
gegen  Norden  verschoben  werden.“  Es  bezieht 
sich  diese  Bemerkung  ebenfalls  auf  die  zu  grosse 
Angabe  der  Breite  der  Weichselmündung  von 
56 u anstatt  54°  24'.  Wie  damals  durch  die 
Zeit  des  Verweilens  der  Sonne  über  dem  Hori- 
zont , so  wird  auch  heute  durch  Messung  der 
Höbe  des  Polarsternes  oder  eines  anderen  Ge- 
stirnes, dessen  Deklination  bekannt  ist,  im  Meri- 
dian Uber  demselben  Horizont  (Tangential-Ebene 
an  dem  Beobachtungsort)  die  Polhöhe  oder  Breite 
gefunden.  In  kartographischen  Werken  ist  es 
üblich,  die  Parallelkreise  nach  der  Breite  zu  be- 
zeichnen ; zu  der  der  Wirklichkeit  proportionalen 
Darstellung  der  Längen  und  Breiten  auf  genauen 
Karten  gehört  es  auch , der  Rücksicht  auf  das 
Sphäroid  Rechnung  zu  tragen,  da  der  Unter- 
schied der  Breite  und  der  verbesserten  Breite, 
wenngleich  die  Abplattung  der  Erde  nur  gering, 
doch  auf  einige  Minuten  anwachsen  kann.  Die 
oben  angegebene  mehr  als  l ,t°  betragende  Dif- 
ferenz bei  der  Weichselmündung  ist  daher  am 
wenigsten  dem  Grunde  der  Abplat  tung  lieizumessen. 

Nachdem  wir  hiermit  die  allgemeinen  Be- 
merkungen über  Pr incipi olles  geschlossen  haben, 
geben  wir  ganz  kurz  die  in  dem  v.  S.’schen 
Werke  überhaupt  gemachten  Aendcrungen  wieder. 
Der  Verfasser  verändert  von  der  M Und  ung  der 
Weichsel , als  einem  unbestreitbaren  Punkte , aus- 
gehend auf  dem  geographischen  Netze  des  Pto- 
lemäus  1)  die  Längengrade  in  dem  ausführlich 
diskutirten  Verhältnis , 2)  trägt  er  die  Breiten- 
grade grösser , im  Verhält niss  von  4:3,  auf. 
weil  dieses  der  Breitengradeutfernung  zwischen 


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Quelle  und  Mündung  der  Weichsel  3°  45'  anstatt 
der  wirklichen  Entfernung  von  4°  45'  entspricht, 
wobei  er  3)  unter  Quelle  der  Weichsel  don  Be- 
griff der  gewöhnlich  im  Sommer  sich  seicht  ver- 
haltenden Stellen  bei  Chyby  und  Pruchno  (Fer- 
dinand Eisenbahnstationen)  dom  Ptolemäus  in- 
sinuirt  (V),  vermöge  der  Deutung  des  sehr  knapp 
gehaltenen  Coimnentars  über  die  O.stgrenze  Ger- 
maniens  und  Westgrenze  Surmatiens;  4)  verschiebt 
er  den  ganzen  nördlichen  Theil  der  Weichsel  um 
einen  ganzen  Grad  nach  Osten  und  5)  verbreitert 
er  don  nördlichen  Theil  unserer  Gegenden  (56° 
— 54°  Pt.)  im  Verkältniss  zum  südlichen  (52° 
— 54°  Pt.)  Man  sieht,  dass  der  Verfasser  meh- 
reren zufälligen  Fehlern  auf  der  Ptolemäischen 
Karte  zu  begegnen  nöthig  findet.  Als  Grund  für 
die  Abweichung  von  der  proportionalen  Darstell- 
ung des  Flusses  zwischen  den  für  Quelle  und 
Mündung  gegebenen  Graden  giebt  er  die  Lage 
des  von  Ptolemäus  als  Wasserscheide  zwischen 
Weichsel  und  Niemen  gesetzten  Vonedischen  Ge- 
birges an.  Da  aber  offenbar  die  Mitte  dieses 
Gebirges  auf  einen  Längengrad , der  genau  dem 
Mittel  der  Längen  der  beiden  Flussmündungen 
entspricht,  gebracht  ist,  und  überhaupt  den 
Mündungen  sowohl  nach  Länge  als  nach  Breite 
sich  anpassen  sollte , so  müsste  der  V erfasser 
nach  seiner  Art  und  Weiso  vollständigster  Be- 
richtigung erst  der  Niemenmündnng , welche 
Ptolemäus  auf  ein  und  denselben  Breitengrad  wie 
die  Weicbselmündung  gesetzt  hat,  die  zukom- 
mende  nördlichere  Lage  und  ebenso  dem  darnach 
gerichteten  Gebirge  zuertheilen  ; alsdann  würde 
für  den  nördlichen  Lauf  der  Weichsel  etwas  mehr 
Platz  geschafft  worden  sein.  Wie  hoher  Werth 
wird  hier  der  Aufführung  eines  Gebirges  beige- 
messen , das  nicht  existirt  und  das  in  eine  schon 
ziemlich  terra  ineognita  gesetzt  ist,  wo  im 
entschiedenen  Gegensatz  zu  den  Gegenden  west- 
lich der  Weichsel  zwar  einiger  Völkerschaften 
aber  auch  nicht  eines  einzigen  Ortes  Erwähnung 
geschieht?  In  der  Ptolemäischen  Darstellung 
finden  wir  nicht  Anhalt  genug , um  Uber  seine 
Construction  der  Lage  der  Ortschaften  zur  Weichsel- 
quelle und  zu  den  Mündungen  der  Oder  und 
Weichsel  in’s  Klnre  zu  gelangen.  W'enn  wir 
auch  im  Allgemeinen  geneigt  sind,  anzunehmen, 
dass  die  nördlichen  Punkte  auf  nautischen  Daten 
beruhen  , welche  bei  Gelegenheit  der  Fahrten  von 
der  WeHt-grenze  Germaniens  aus  nach  Osten  er- 
mittelt wurden , während  die  Erforschung  des 
südlichen  Theiles  aus  Pannonien  von  der  Donau 
her  erfolgte,  so  bleibt  es  geradezu  fraglich , wel- 
chem relativen  Zusammenhang  in  der  als  Ganzes 
hingeetellten  Karte  ein  besonderer  Vorzug  ge- 


geben werden  soll.  Insofern  können  wir  uns 
auch  nicht  von  der  Not  h Wendigkeit  der  anderen 
Aenderungen  des  Verfassers  überzeugt  halten.  Auf 
der,  dem  v.  Sadowski’scheu  Werke  beigegebenen, 
und  im  Sinne  des  Ptolemäus  verfassten  Karte  ist 
die  Oder  ganz  bei  Seite  gesetzt  wordon.  Wollte 
aber  Jemand  mit  Hintansetzung  der  Weichsel 
eine  Karte  eonstruiren , welche  als  Fundament 
die  OdennUndung  erhielte,  und  auf  diese  die 
fraglichen  Orte  beziehen,  so  würde  das  Resultat  ein 
völlig  verschiedenes  werden.  Ausserdem  kann  uns 
der  Gedanke,  dass  auch  die  Orte  unter  sich  verzeich- 
net sein  mögen,  wenigstens  nicht  verargt  werdon. 

2.  I>r.  Llswauer,  das  v.  Sadowski’sche  Werk  in 
Bezog  auf  die  Archäologie  Westpreuasons. 

So  verdienstlich  das  Buch  für  die  Forschung 
ist , bleibt  es  immerbin  zu  bedauern , dass  der 
Verfasser,  als  er  dasselbe  schrieb,  die  von  un- 
serer Gesellschaft  publizirten  Verhandlungen  und 
Berichte  noch  nicht  gekannt  und  daher  seine 
Handelsstrassen  in  einer  Richtung  abgesteckt  hat, 
welche  den  von  uns  ermittelten  Thatsachen  nicht 
entspricht.  Er  lässt  auf  Grund  von  Münztünden 
ungefähr  um  450  v.  Ohr.  G.  eine  griechische 
Handelsexpedition  von  Olbia  am  schwarzen  Meere 
aus,  nach  der  an  der  Weichselmündung  gelege- 
nen Küste  stattffndeu,  welche  von  Schubiu  längs 
des  kleinen  Flüsschens  Lobsonka  am  westlichen 
Rande  der  Tuchler  Haide  nach  dem  Strande  zu 
vorgedrungen  sein  soll.  S a d o w s k i kann  diese 
Expedition  nach  den  Funden  nur  bis  Tlukomie 
oberhalb  Lobsens  verfolgen.  Weiterhin  steckt  er 
die  Strasse,  welche  Ptolemäus,  also  etwa  150 
n.  Ohr.,  von  Carnuntum  nach  der  baltischen 
Küste  hin  angiebt , ebenfalls  in  dieser  Richtung 
ab , so  dass  dieselbe  von  Bromberg  über  Osielsk, 
dem  vermutheten  Ascaucalis  des  Ptolemäus  wieder 
auf  Lobsens  zu,  an  die  Lobsonka  und  dann  längs 
der  Tuchler  Haide  nach  Czersk  sich  erstreckt 
haben  müsste.  In  Czersk  findet  v.  S.  das  Sknr- 
gon  des  Ptolemäus  wieder.  Bei  der  Bestimmung 
dieser  Route  legt  der  Verfasser  des  Buches  be- 
sonderes Gewicht  auf  seine  geographischen  Ana- 
lysen des  Ptolemäi'scken  Systems,  indess  meint 
er  wiederholt , dass  dieselbe  auch  in  allen  an- 
deren Richtungen  die  strengste  Kritik  aushielte, 
nämlich  in  physiographischer  und  archäologischer 
Beziehung.  Was  Westpreussen  anlangt,  müssen 
wir  dem  entschieden  widersprechen,  v.  8.  selbst 
sagt , Czersk  liege  an  einem  Wege , welcher 
sich  zwischen  einer  wüsten,  menschenleeren 
(Tuchler)  Haide  und  einem  unwegsamen  Sumpfe 
hinzieht.  Erwägt  man  nun,  dass  der  Fremde, 
welcher  von  Bromberg  oder  Osielsk  an  der  Brahe 
aus  nach  dem  Meere  zustrebt,  keinen  sicherem 


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Weg  auffinden  könnte  als  den  ununterbrochenen 
Höhenzug,  welcher  gerade  von  Osielsk  aus  bis 
an  die  Weichsel  zieht  und  das  ganze  linke  Ufer  | 
dieses  breiten  Stromes  bis  zu  seiner  Mündung 
hin  begleitet , und  dass  wohl  kein  Zeichen  den 
Weg  zum  Meere  deutlicher  machen  könnte,  als 
dieser  grösste  Fluss  der  Gegend,  so  kann  in 
der  That  nur  Unbekanntschaft  rnit  unserer 
Gegend  es  erklären,  wenn  v.  Sadowski  die  alte 
Handelsstrnsse  nicht  über  jene  Berge  entlang  der  1 
Weichsel,  sondern  durch  ganz  unbewohnte  und 
unsichere  Gegenden  verlaufen  lässt. 

Man  könnte  denken  , es  seien  auf  dem  v.  S. 
angenommenen  Wege  viele  sehr  wichtige  Alt«r- 
thümer , und  längs  der  Weichsel  gar  keine  solche 
gefunden  worden.  Die  Sachlage  verhält  sich  nun 
aber  gerade  umgekehrt,  v.  S.  selbst  giebt  an, 
dass  man  am  Wege,  welcher  nach  Czersk  (dem 
vermeintlichen  Skurgon  des  Ptolemäns)  führte, 
sich  bis  jetzt  fast  gar  nicht  mit  Aufgrabungen 
befasst  habe.  Es  fehlten  uns  somit  dort  die 
weiteren  Spuren  des  etruskischen  Handelszugcs. 
Dagegen  sind  prähistorische  Funde  aus  der  Zeit 
des  etruskischen  und  des  römischen  Handelsver- 
kehrs der  Kaiserzeit  sicher  const  atirt  in  Topolno 
zwischen  Fordon  und  Schwetz,  Konopot  und 
Ostrowit  auf  der  Höhe  bei  Schwetz,  Koniorau 
und  Sibsau  gegenüber  von  Graudenz,  Warlubien 
bei  Neuen  bürg  , Rielsk , Lichtenthal,  Münster- 
walde auf  den  Höhen  gegenüber  von  Marien- 
werder, Jacobsmühle  bei  Mewe  , Goscliin,  Gerdin, 
Dirschau , Prangschin , Danzig  — kurz  das  ganze 
linke  Weicbselufer  entlang,  und  es  ist  daher 
wohl  keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  von 
Bromberg  aus  die  alte  prähistorische  Handels- 
strasse diese  Richtung  und  keine  andere  nach 
dein  westpreussischen  Bernstein  strande  verfolgt  hat. 

Und  das  nicht  nur  zur  Zeit  des  Ptolemäus,  i 
sondern  wohl  auch  schon  zur  Zeit  des  Handels  , 
mit  Olbia.  Alt  griechische  Münzfunde  sind  bei  ! 
Königsberg,  Dorpat  und  auf  der  Insel  Oesel  eon-  1 
htatirt  worden.  Bei  St.  Albrecht  bei  Danzig,  , 
nahe  der  Weichsel,  wurde  eine  Münze  ans  den 
Jahrhunderten  v.  Chr.  Geburt,  eine  barbarische 
Nachahmung  einer  Münze  Alexander  d.  Grossen 
gefunden,  die  zwar  einer  späteren  Zeit  als  der 
Schuldner  Münzfund  angehört , aber  doch  die 
Richtung  der  alten  Handelsstraße  raarkirt.  Uns 
scheint  überhaupt  kein  Beweis  beigebrucht  zu 
sein , dass  etwa  450  v.  C'hr.  eine  griechische  Ex- 
pedition hiorher  gekommen  sei , wie  Sadowski 
dies  lehrt ; wir  haben  durchaus  keinen  Grund  zu  | 
der  Annahme,  dass  vor  Nero  irgend  ein  Mensch  aus 
den  Mitteltneerländern  nach  Westpreussen  gelangt 
sei,  sondern  müssen  (?  d.  Red.)  bis  zu  dieser  Zeit-  | 

Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  wn  b\  Straub  in 


periode  lediglich  einen  Zwischenhandel  annehmeo. 
Und  damit  hängt  ein  weiterer  Irrthum  v.  S a- 
dowski's  Uber  unsere  Gräberfunde  selbst  zusam- 
men. v.  Sadowski  nimmt  an,  dass  unsere  Stein- 
kistengräber (oder  Steingräber,  wie  er  sie  nennt) 
nur  Gesichtsurnen  enthalten,  während  „die 
dicht  in  ihrer  Nähe  stehenden  Urnen  sich  in  der 
blossen  Erde  befinden  . anders  geformt  und  denen 
der  angrenzenden  Gegenden  gemeinsam  sind.  In 
diese  schüttete  augenscheinlich  dos  ganze  in  der 
Gegend  hausende  Volk  die  Asche  seiner  Ver- 
storbenen, während  in  den  Steingräbern  entweder 
nur  die  Ankömmlinge  (die  etruskischen  Handels- 
leute) , oder  doch  nur  diejenigen  ruhen  , welche 
mit  ihnen  in  Verbindung  und  unter  ihrem  un- 
mittelbaren Einfluss  stAnden.“  Es  beruh!  diese 
Darstellung  nber  auf  eiuer  Unkenntnis»  der  That- 
sachen.  Die  Steingräber  enthalten  bei  uns  so- 
wohl Gesichtsurnen  , als  Gefässe  ohne  jedes  Or- 
nament , und  zeigen  in  ihren  Beigaben  einen  so 
ganz  verschiedenen  Charakter , als  die  Massen- 
gräber, dass  sie  unmöglich  derselben  Zeit  ange- 
hören konnten.  Bei  Gelegenheit  der  Fundberichte 
in  unsem  Sitzungen  ist  dies  vielfach  erwähnt 
und  an  den  Fundobjekten  selbst  demonstrirt 
worden.  Ist  aber  die  Anwesenheit  der  etruski- 
schen Kaufleute  hier  unerwiesen,  so  fällt  auch 
damit  die  Behauptung,  dass  die  Ueberreste  dieser 
Fremdlinge  in  den  Gesichtsurnen  begraben  liegen. 
Im  Gegentheil  deuten  alle  bisherigen  Untersuch- 
ungen darauf  hin , dass  bereits  der  Verkehr  mit 
Olbia  die  Anregung  zu  der  eigenthümliehen 
Keramik  unserer  Steinkistengräber  gegeben  hat, 
eine  Ansicht,  welche  v.  Sadowski  selbst  übri- 
gens für  ganz  berechtigt  erachtet. 

Kleinere  Mittheilungen. 

Urnenfund  in  einer  HOhle  ln  Schlesien.  Lundes* 
hut,  4.  JulilfeTtt.  Das  l'ongloineratgestein  des  dicht  an 
der  Niedervondadt  gelegenen  Burgberges  wird  auch 
ul»  Grundgestein  für  Bauten  benutzt,  ln  einem  dieser 
Steinbrilehe  trat  heute  beim  Sprengen  eine  kleine 
Hohle  zu  Tage,  welche  mit  Steingeröll  und  Erde  aus- 
gefüllt  war.  Beim  Ausräumen  derselben  wurde  eine 
ÄBchen-Ume,  wie  sie  in  den  heidnischen  Begräbnis- 
stätten Vorkommen,  gefunden,  leider  aber  von  den 
Arbeitern  zertrümmert.  Von  einer  zweiten  l'rne  be- 
merkt« man  nur  noch  Stücke.  Diese  Höhle,  welche 
rings  von  Felsen  umschlossen  war.  scheint  weiter  Hin 
naca  dem  Burgla-rge  zu  eine  Öffnung  gebubt  zu  haben, 
deren  Tiefe  und  Ausgang  noch  nicht  ermittelt  werden 
konnte,  weil  nie  mit  Schutt  ausgefüllt  ist,  dessen  Weg* 
Schaffung  sich  schwierig  und  gefährlich  gestaltet.  Ob 
noch  mehrere  Urnen  darin  enthalten  sind,  konnte  da- 
her vorläufig  nicht  festgestellt  werden.  Dies  dürfte 
wohl  der  erste  Fall  »ein,  dass  im  hiesigen  Gebirge  unö 
zwar  in  einer  Felsenhöhle  solche  Urnen  gefunden 
wurden.  (8.  Nr.  3Ü9  der  .Schl es.  Ztg.“  v.  6.  Juli  d.  J.k 
von  der  Wengen. 

München.  — Schl  ns*  der  Redaktion  am  27.  Mai  1S80. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirl  von  1‘rufcssor  Dr.  Johttnnrs  Hanke  in  München, 

GintruUtcrttär  der  Ot»eii»etia/l. 

XI.  Jahrgang.  Nr.  7.  Erscheint  jeden  Monat.  Juli  1880' 

Deutsche  Anthropologische  Gesellschaft. 

Einladung  zur  XI.  allgemeinen  Versammlung. 

Die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft  hat  Berlin  als  Ort  der  diesjährigen  allge- 
meinen Versammlung  gewählt  und  den  Di rectorial- Assistenten  am  Kgl.  Museum,  Dr.  Voss, 
sowie  den  Dirigenten  des  Märkischen  Provinzial-Museums,  Stadtrath  Friedei  um  Uebemahme 
der  lokalen  Geschäftsführung  ersucht. 

Die  Unterzeichneten  erlauben  sieh  im  Namen  des  Vorstandes  der  deutschen  anthro|H»- 
logischen  Gesellschaft  die  deutschen  Anthrojiologen , sowie  Freunde  antlm»|Hilogischer  Forschung 
im  In-  und  Auslande  zu  der 

vom  5.  bis  12.  August  <1.  J.  iu  Berlin 

im  Sitzu UfffUtaale  den  AbyeortlnetenluniHeH  (Lcipsiyerstr.  75  am  Dönhofsplats) 

statttindendeii  Versammlung  ergebenst,  einziiladen.  Das  ausführliche  Programm  derselben  liegt 
dieser  Nummer  dos  fVirrospondenzblattes  hei. 

Anmeldungen  zur  Theilnahiue  uu  der  Versau iiulung  werden , namentlich  im  Falle  der 
Vorauslwstellung  von  VVohiiungeii,  an  die  lokalen  Geschäftsführer  erbeten. 

In  Verbindung  mit  der  Versammlung  wird  in  den  Bäumen  de«  AbgeoHnetciihaiwes  eine 

Ausstellung  vorgeschichtlicher  und  anthropologischer  hmde  Deutschlands 

stattfinden,  für  welche  eine  Dauer  vom  5.  bis  21.  August  in  Aussicht  genommen  ist. 

Berlin  und  M fmehen,  den  15.  J uni  1 880. 

Albert  Voss,  Ernst  Friedei,  Johannes  Ranke, 

Geschäftsführer  für  Berlin.  Geschäftsführer  für  Berlin.  Generalsekretär  in  München. 

(Alte  Jakoimtr&n*e  107  SW.)  ( Schilt bauerdamm  US  NW.I  ( Briennerst rasse  25.) 

b 


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Mi  neralogisch -archäologische 
Beobachtungen. 

Von  H.  Fi  «eher  (Freiburgk 
II.  Leber  die  Fälligkeit  der  Qnarzrarleläfen , zu  ' 

Werkzeugen  u.  ».  w.  »erarbeitet  zu  werden. 

So  reichlich  die  Qnarzsubstanz  auch  über  die 
Erde  verbreitet  ist  und  so  sehr  sie  nach  allen  ! 
Richtungen  bekannt  zu  sein  scheinen  könnte , so 
giebt  es  doch  noch  gewisse  feinere  Verhältnisse,  l 
welche  bis  jetzt  wenig  in  Betracht  gezogen  wurden. 
Die  mineralogisch  wichtigen  Einzelheiten  in 
dieser  Beziehung  buhe  ich  in  meinen : ,. Kritisch, 
mikroak.  niiner.  Studien“  II.  Fortsetzung,  Frei- 
burg 1873,  erläutert.  Hier  möchte  ich  Einiges  I 
vom  archäologischen  Standpunkt  näher  er-  I 
örtern,  das  eine  gewisse  Bedeutung  gewinnen  kann,  i 

Die  reinste  Quarzsubstanz , der  edle  Quarz 
oder  sog.  Bergkrystall,  ist  ganz  farblos  und  durch- 
sichtig ; dessen  Bruch  — auf  den  es  für  unsere 
heutige  Betrachtung  nun  besonders  ankommt,  ist 
im  Ganzen  eigentlich  kleinmuschlig,  unter  der 
Lupe  gewissermaßen  uneben  und  durchweg  mit 
vielen  mehr  weniger  feinen,  erhabenen,  parallel 
gelegenen  Streifeu  behaftet. 

Es  bedarf  jodoeh  einiger  Vorsicht , um  beim 
Bergkrystall  eine  Fläche  sofort  als  Bruch  fläche 
zu  bezeichnen,  da  die  nicht  als  glatte  Krystall- 
flttchen  erscheinenden  Ebenen  sehr  häutig  aus  einer 
Summe  unvollkommen  ausgebildeter,  dicht  neben  ■ 
einander  liegender  Individuen  zusammengesetzt  .sind. 

Die  wahren  Bruchflächen  des  Bergkrystalls 
sind  mehr  weniger  stark  glas  glänzend , über- 
haupt etwas  glasähnüch.  Ein  dünner  Splitter  j 
zeigt  unter  dem  Polarisationsmikroskop  ein  einheit-  : 
liebes  Farbenbild , die  einheitliche  Polarisation 
eines  einzelnen  mineralogischen  Individuums. 

Mit  Ausnahme  der  Farblosigkeit  gilt  alles 
Obige  so  ziemlich  auch  für  die  (durch  anorganische 
oder  organische  Pigmente)  gefärbten  Varietäten 
des  edlen  Quarzes,  die  mit  den  Kamen  Rauch- 
«ptarz,  Citrin,  Amethyst  belegt  wurden,  ebenso 
für  den  Milchquarz. 

Aus  solchem  ganz  durchsichtigen  Quarz , wie  . 
derselbe  vorzugsweise  im  Glimmerschiefer,  Gneiss 
u.  8.  w.  zu  Hause  ist,  sind  wohl  nur  sehr 
wenige  prähistorische  Instrumente  in  den  Samm- 
lungen verbreitet  und  zwar  immer  zu  geschlagene, 
z.  B.  kleine  Lanzenspitzen.  Eine  solche  eriunero 
ich  mich  u.  A.  im  Stuttgarter  Museum  gesehen 
zu  haben  und  dann  lag  bei  Herrn  Dr.  M o o k 
unter  Tausenden  von  ihm  und  der  Familie  H a i - 
mann  in  Aegypten  gesammelter  Hilex-Instru-  1 
mente  eine  feine  Lauzenspitze  aus  gelblichem 
Bergkrystall;  auch  im  Berliner  Museum  sah  Herr 
I)r.  M o o k solche. 


Der  nur  noch  in  dünnsten  Splittern  durch- 
scheinende sog.  gemeine  Quarz , welcher  mit- 
unter auch  noch  individualisirt  und  zwar  in  ziem- 
lich grossen  Krystallen  (z.  B.  in  der  Porzellanerde 
von  Luuterbach  bei  Zwickau  in  Sachsen)  vor- 
konunt,  hat  nur  noch  schwach  glänzenden  Bruch, 
was  mit  den  morphologischen  Verhältnissen  zu- 
sammenhängt ; die  einzelnen  Bruchstellen  sind 
nämlich  nicht  mehr  ho  gross,  so  tief  muschelig, 
sondern  mehr  nur  noch  uneben,  die  streifigen 
Unebenheiten  sind  mit  der  Lupe  nur  gerade  noch 
sichtbar.  Diese  Quarzsorte,  wohin  auch  der  sog. 
Stinkquarz  aus  dein  Muschelkalk  gehört.,  ist  also 
noch  phanerokrystallinisch. 

Je  kleiner  nuu  bei  dem  Quarz  die  einzelnen 
Individuen  werden,  desto  weniger  durch- 
scheinend ist  die  Substanz  im  G a n z e n in 
irgend  dickeren  Stücken  und  desto  schwächer 
glänzend  ist  auch  der  Bruch ; zugleich  er- 
scheint dieser  im  Kleinen,  d.  h.  mit  der  Lupe 
betrachtet,  gar  nicht  mehr  muschelig, 
sondern  uneben  oder  feiusplitterig,  d.  h. 
mit  vielen  winzigen  helleren  Stellen  bedeckt, 
welche  den  durch  den  Trennungshieb  nur  halb- 
abgelösten  Partieen  entsprechen.  Das  sind  dann 
diemikro  - und  kryptokrystallinischen 
Quarze,  unter  welchen  wir  zunächst  den  Horn- 
stein undChalcedon  erwähnen,  die  mitunter 
auch  in  so  grossen  Brocken  verkommen,  dass  sie 
zur  Herstellung  von  Instrumenten  (z.  B.  Hornstein) 
Verwendung  finden  konnten. 

Die  schön  roth  gefärbte,  mit  dem  Namen 
Ca  r n eol  belegte  Chalcedonvarietit  ist  in  Aegypten 
vielfach  auch  zu  Schmuckstücken  und  sogar  zur 
Verfertigung  feiner  Figuren,  z.  B.  sog.  Horus- 
augeu  u.  s.  w.  verwendet  worden,  der  grün  und 
roth  scheckige  Chalccdon  (sog.  Heliotrop)  bil- 
det z.  B.  das  Material  eines  schönen  kleinen 
ägyptischen  Scarabttus  des  hiesigen  ethnographischen 
Museums. 

Von  hier  geht  es  nun  herunter  zum  Jaspis 
und  Feuerstein,  welche  meist  nur  noch  in 
dünneren  Kanten  oder  auch  da  nicht  mehr  durch- 
scheinend sind;  deren  Bruch  ist  gar  nicht 
mehr  glänzend,  sondern  vollkommen  matt, 
da  die  Individuen  des  Quarzes  viel  zu  winzig 
sind,  um  sich  noch  einzeln  fiir  das  Auge  durch 
ihren  Glanz  geltend  zu  machen. 

Dies  gilt  sogar  ftlr  die  Betrachtung  mit  starken 
Lupen  fast  vollständig  noch;  die  Dünnschliffe 
dieser  Quar/varietUton  zeigen  unter  dem  Mikro- 
skop die  sogenannte  Aggregat Polarisation. 

Bei  diesen  Feuerstein-  und  Jaspisarten  tritt 
uns  aber  nun  ein  morphologisches  Moment  ent- 
gegen, das  dem  Archäologen  von  einigem  Interesse 


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sein  kann  und  dem  zu  Lieb  eigentlich  alle  obigen  ' 
Auseinandersetzungen  gemacht  wurden.  Hier  be-  • 
gegnet  uns  nämlich  beim  kunstlosen  Zerschlagen 
grosserer  Brocken  ein  ganz  g r o s s m u s e h e 1 i g e r i 
Bruch  mit  bogenförmigen  erhabenen  Streifen  und 
mit  scharfen  Kündern ; es  bleibt  an  dem  in  der 
Hand  gehaltenen,  fixirten  Stück  an  irgend  einer 
Stelle  eine  bedeutendere  Vertiefung  (Contre- 
manjue),  welcher  an  dem  wegspringenden  Stück 
eine  Erh  o h un  g (Buckel,  Schlagnarbe)  entspricht. 
(Auch  bei  Carneol  habe  ich  diesen  Bruch  zuweilen 
bemerkt.) 

Mit  diesen  Verhältnissen  hatte  der  prä- 
historische Mensch  zu  rechnen,  wenn  er  aus  Jas- 
pis oder  Feuerstein  Silexinstmmente  zurecht  - 
scblug ; das  Gleiche  gilt  für  die  Gegenden , wo 
Obsidian  vurkomint,  auch  bei  dessen  Bearbei- 
tung (z.  B.  in  Mexico,  Unteritalien,  Griechenland  | 
u.  s.  w.). 

Diese  Mineralien  geben  nämlich,  was  schon 
mineralogisch  höchst  merkwürdig  ist,  je  nach 
der  Behandlung  zweierlei  Bruch , beim  ge- 
wöhnlichen Zerschlagen  tritt,  wie  gesagt,  der 
muscli  1 ige  Bruch  auf.  Wir  finden  aber  in  prä- 
historischen Ablagerungen,  beziehungsweise  Wohn- 
stätten in  Europa,  Afrika,  Amerika  sogenannte  1 
Nuclei  (Kernstücke,  Werkstücke)  von  Silex  und  ' 
von  Obsidian,  von  cylindrischer  Form,  länger  oder 
kürzer,  an  deren  Wänden  geradlinige,  scharfe 
Kanten  erkennbar  sind;  war  dieser  Vorgang  ein-  ! 
mal  erzielt,  so  konnten  durch  weiteres  Darauf-  i 
schlagen  scharfkantige  zweischneidige  j 
Messer  gewonnen  werden,  wie  wir  solche  auch  in  der  I 
Thal  sowohl  aus  Obsidian  (Mexico  u.  s.  w.),  als 
aus  Feuerstein  und  Jaspis  (Europa,  Afrika)  kennen.  ! 

Es  fragt  sich  nun  zunächst , was  an  diesem 
höchst  eigentümlichen  Verhält nias  von  zweierlei 
Bruch,  wie  solches  meines  Wissens  in  der  Mine- 
ralogie einzig  dasteht  , Schuld  sei.  Unter  dem  , 
Mikroskop  erkennt  man  im  Dünnschliff  bei  den  . 
kryptokryatallinischen  Quarzen  in  der  an  sich  ganz  j 
farblosen , etwas  durchscheinenden  Grundsubstanz 
oft  fremde,  theils  organische,  theils  anorganische 
Partikelchen,  ti  B.  Eisenoxyd,  Thon  u.  s.  w.  in  ! 
staubartig  feiner  Verteilung,  da  reichlicher,  dort 
spärlicher,  eingestreut.  Es  können  aber  weder  ] 
diese  dem  Quarz  als  solchem  fremden  eingelagerten 
Substanzen,  noch  die  Verhältnisse  des  krypto-  | 
krystailinischen  Zustandes  als  solchen  an  dem  t 
Entstehen  von  zweierlei  Bruch  Schuld  sein,  i 
denn  der  Obsidian , bei  dem  durch  kunstreiche  j 
Procedur  ganz  dasselbe  Resultat,  erzielt  werden 
kann,  ist  überhaupt  gar  nicht  krystalüniscb, 
vielmehr  ganz  amorph,  das  vollendete  vul- 
kanische Glos.  Ja  um  das  Rutbsel  noch  grösser 


zu  machen . führt  mir  die  Erfahrung  folgendes 
Beispiel  vor  Augen.  Unser  Museum  besitzt  einen 
sog.  Nuclens  aus  Obsidian  von  Mexico  von  etwa 
11  cm  Länge,  5 cm  Breite  und  1,5  cm  Dicke, 
welcher  auf  der  einen  Breitseite  den  natürlichen 
muschligen  Bruch  des  Obsidians  zeigt , wie  man 
ihn  immer  bei  kunstlosem  Schlagen  erhält,  aut 
der  Kehrseite  dagegen  die  geraden  Kanten  eines 
Nucleus  aufweifit! 

Ich  habe  dieser  seltsamen  Erscheinungen  halber, 
wie  wir  sic  bei  Obsidian  und  Feuerstein  wahr- 
nehmen,  selbst  Versuche  nngestellt  und  habe  mit 
Herrn  Dr.  Mook  einen  kopfgrossen  Jaspisknauer 
aus  dem  weissen  Jura  zerschlugen,  ohne  dass  wir 
die  Lösung  jener  Frage  gefunden  hätten.  Ich 
erkundigte  mich  nun  auch  brieflich  bei  meinem 
Freunde  Prof.  Fraas  über  diesen  Punkt,  unter 
Beifügung  des  Gedankens,  ob  nach  seiner  An- 
sicht etwa  die  Anwesenheit  der  Bergfeuchtig- 
keit für  die  Gewinnung  von  Nucleis  mit  geraden 
Kanten  im  Spiel  sein  könnte.  Seine  Antwort 
ging  dahin,  auch  er  habe  seihst  einschlägige  Ver- 
suche gemacht  und  bei  stundenlangem  Anklopfen 
von  Feuerstein k Dauern  an  der  Nordsee  sich  über- 
zeugt, dass  die  einen  schalig  springen,  die  anderen 
geradlinig ; von  Aussen  könne  man  dies  jedoch 
den  Knauern  nicht  anschen.  Der  Bergfeuchtig- 
keit möchte  er  dabei  keinen  Einfluss  einräumeu. 
Auch  er  habe  darüber  sich  bei  Praktikern  befragt 
und  z.  B.  bei  Fabrikanten  künstlicher  Mühlsteine 
die  Bestätigung  erhalten  , es  müssten  die  Feuer- 
steinknauer zuvor  zerschlagen  werden , um  zu 
wissen , ob  sie  gerade  Flächen  bekommen  oder 
krumschalig  springen.  Es  möchte  daher  die  mole- 
culare  Anlage  bei  diesen  Verhältnissen  im 
Spiel  sein. 

Von  Feuerstein  kenne  ich  nun  nicht  gerade 
ein  so  auffallendes  Beispiel,  wie  das  obenerwähnte 
von  unserem  Obsidianstück , aber  wie  steht  es 
mit  der  Molecularanlagerung,  an  welche  ich,  wie 
aus  meiner  ganzen  Einleitung  hervorgeht,  auch 
schon  lebhaft  gedacht  habe,  wenn  wir  an  einem 
und  demselben  Handstück  von  ganz  unbedeutender 
Ausdehnung  auf  den  beiden  Breitseiten  diebeiderlei 
Brucharten  erkennen  V 

Es  wird  jedem  Leser  dieser  Zeilen  aus  dem 
Gesagten  einleuchten,  dass  der  Mineraloge  durch 
die  Beschäftigung  mit  der  Archäologie  gelegent- 
lich noch  auf  Gesichtspunkte  für  sein  specielistes 
Gebiet  geführt,  wird,  die  sich  den  Fachmännern 
an  und  für  sich  bei  weitem  nicht  so  energisch 
nufdrängeu  und  doch  andererseits  zum  reiflichen 
Nachdenken  und  zu  Versuchen  auffordern  Uber 
Verhältnisse,  welche  — wie  diejenigen  des  Bruchs  — 
bei  so  gemeinen  Mineralkurpern  wie  Obsidian  und 

8* 


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gar  Quarz  als  eine  langst  abgemachte,  ja  ich  möchte 
sagen , als  eine  abgedroschene  Sache  hatten  er- 
scheinen können.  Wir  sehen  aber  zugleich,  wie 
der  unmittelbare  Verkehr  mit  der  Natur  die  Ur- 
völker  mit  Dingen  näher  bekannt  gemacht  hat, 
die  uns  jetzt  noch  in  Erstaunen  und  Verlegen- 
heit setzen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  nicht  ver- 
säumen, darauf  hinzudeuten,  wie  Uber  die  ganze 
Erde  hin  der  Obsidian  und  Quarz  ihre  Ver- 
wendung fanden , auch  bei  Völkern , bezüglich 
deren  dios  noch  weniger  bekannt  sein  dürfte. 
Herr  Dr.  med.  A.  Vogt  aus  Freiburg,  welcher 
früher  lange  .Jahre  in  Australien  als  Arzt 
verweilte,  hatte  unter  einer  prächtigen  Sammlung 
von  Waffen  aller  Art  aus  Oeeanien , die  er 
unserem  ethnographischer»  Museum  als  Geschenk 
einsandte,  auch  zwei  S p e e r e mit  S t e i n 8 p i tz  e n 
eingeliefert,  wovon  die  eine  aus  Obsidian,  die 
andere  aus  körnigem  Quarzit  hergestellt  ist,  aber 
in  der  rohesten  Bearbeitung,  gerade  wie  beliebige 
Hiebe  auf  die  betreffenden  Steine  ihnen  scharfe 
Kanten  und  eine  Spitze  zu  geben  vermochten. 
Die  Wahl  des  Einsenders  konnte,  wenn  auch 
mehr  weniger  unbewusst,  wirklich  nicht  glück- 
licher getroffen  werden,  da  uns  auch  aus  jenen 
fernen  Gegenden  hiemit  wieder  diese  gleichen 
Gesteinsarten  sich  als  Material  für  Lauzenspitzen 
präsent  iren. 

Diese  Notizen  haben  den  Zweck , über  die 
obigen  Fragen  eine  Erläuterung  Seitens  solcher 
Forscher  hervorzurufen , welche  aus  eigener  Er- 
fahrung dieselbe  zu  geben  vermögen. 

III.  l'ehcr  die  Verbreitung  von  Steiu- Idolen  mul 
•Amulrten  bei  den  verschiedenen  Völkern  der  Erde. 

Es  ist  schon  von  vornherein  anzunehmen,  dass 
ein  Volk,  welches  noch  keine  festen  Wohnsitze, 
kein  festes  Eigenthum  hat,  sondern  nomadisch 
lebt,  sich  damit  l>egnügen  werde,  für  die  aller- 
nächsten Lebensbedürfnisse  zu  sorgen,  dass  es 
sich  also  bei  etwaiger  Verwendung  von  Holz  und 
Steinen  höchstens  Waffen  und  Instrumente 
daraus  fertige. 

Das  Tragen  von  A m u 1 e t e n setzt , wenn- 
gleich diese  nebenher  auch  als  Schmuck  dienen 
sollten,  doch  schon  gewisse  religiöse  Ansch au ungen 
von  einer  höheren  Macht  voraus,  indem  die  Amu- 
lete  vor  Krankheit,  Unglück  u.  s.  w.  schützen 
sollen.  Noch  mehr  ist  dies  wohl  hei  der  Her- 
stellung von  Idolen  der  Fall,  gleichviel  ob 
diese  in  kleinem  Maasstab  zum  Tragen  am  Körper, 
zum  Aufstellen  in  Tempeln,  zum  Beisetzen  in 
Gräbern  bestimmt  sind,  oder  im  Grossen  aus 
mächtigen  Holzblöcken , ganzen  Feldstücken  uud 
dergleichen  gehauen  werden. 


Nachdem  ich  mich  nun  seit  etwa  10  Jahren 
damit  befasst  habe,  aus  allen  mir  zugänglichen 
mineralogischen  und  ethnographischen  Museen 
Europa’ s die  Stein-Amulete  und  -Idole  minera- 
logisch näher  zu  bestimmen  und  nachdem  ich  die 
Resultate  hievon  in  verschiedenen  Publikationen 
niedergelegt  batte,  fühlte  ich  auch  dos  Bedürfnis«, 
mir  eine  geographische  Zusammenstellung  zu  ent- 
werfen, welchen  Ländern  diese  betreffenden  Ob- 
jekte angeboren  und  da  stellte  es  sich  denn,  wie 
zu  erwarten  war,  auch  heraus,  dass  vor  Allem 
die  prähistorischen  uud  historischen  Kultur- 
, Völker  solche  Dinge  aufzu weisen  haben.  In 
i Afrika  finden  wir  Steinfiguren  in  Aegypten*) 
[Neph.  W.  pg.  11  Fg.  1,  2;  pg.  37  Fg.  48.  — 
Amuz.  Tf.  I Fg.  21,  22,  26].  Aus  Kleinasien 
(und  Persien  ?)  kennen  wir  die  mit  eingravirten 
Arabesken  versehenen , mit  Gold , Türkis  und 
Granat  (vielleicht  auch  Kubin)  geschmückten, 
eleganten  Nephrit- Amulete , die  ich  einer  wohl 
mehr  als  hundertjährigen  Vergessenheit  und  Miss- 
achtung zu  ehtreissen  und  in  ihre  historische 
Bedeutung  zu  restituiren  versuchte,  (es  finden  sich 
solche  abgebildet:  Neph.  W.  pg.  99  u.  100  Fg. 
81—86;  Min.  areh.  Stud.  Tf.  II  Fg.  7—13, 
Tf.  III  Fg.  14 — 16)  — Aus  Assyrien  und 
Persien  stammen  die  höchst  seltenen  sogon. 
assyrischen,  babylonischen  uud  persepolitaui  sehen 
, längsdurchbohrten  Cy linder  mit  eingravirten  Fi- 
I guren  und  Zeichen  (Neph.  W.  pg.  28  Fg.  *20, 

! 21,  22).*)  — Aus  dein  übrigen  Asien,  von  wo 
ich  z.  B.  chinesischen  und  sibirischen  Nephrit 
zu  Schmuck  und  Haushalt ungsgegenständen  aller 
Art  verarbeitet  kenne,  kamen  mir  doch  keine 
geschnittenen  oder  gravirten  Stein-Amulete  zu  Ge- 
sicht (irgendwelche  rundliche  Steine,  vielleicht 
Gerolle,  sollen  die  Chinesen  gern  bei  sich  tragen 
und  beständig  in  der  Hand  reiben).  Idole  aus 
Stein  scheinen  mir  gleichfalls  zu  fehlen,  wenn- 
gleich in  China  und  Japan  menschliche  und  tliie- 

*)  Für  diejenigen  Leser,  welche  sich  gern  einen 
P eberblick  über  die  Formen  der  besprochenen  Ob- 
jekte verschaffen  möchten,  füge  ich  eine  Reihe  Ci- 
tate  von  Figuren  aus  meinen  Schriften  bei  und  zwar 
unter  folgenden  Abkürzungen:  Neph.  W.  — Nephrit 
und  Jadeit  u.  «.  w..  Stuttg.  1875  mit  1H1  Holzschnitten 
und  2 chromolith.  Tafeln ; Miner,  als  H i 1 fs w.  = Die 
Minerulogie  als  Hilfswiss.  f.  Archäologie,  im  Archiv  f. 
Anthrop.  Bd.  X..  Braunschw.  1877  mit  3 Tafeln.  — 
Mjn.-areh.Stud.  = Mineralog.  archftolog.  Studien,  in  : 
Mittheilungen  der  anthropologischen  Gesellschaft  in 
i Wien,  VIII.  Bd.  Nr.  1,  2.  1878  mit  4 Tafeln.  — A tua- 
zonenst.  = Ueber  die  Herkunft  der  sog.  Amazonen- 
I steine  etc.  im  Archiv,  für  Anthron.,  IW.  XII  1879  mit 
I Tafel. 

•)  Erst  vor  Kurzem  gelang  es  mir,  für  unser 
ethnogr.  Museum  einen  solchen  Cylinder  zu  erwerben, 
I dessen  Bilder  bei  Gelegenheit,  publicirt  werden  sollen. 


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61 


rische  Figuren  reichlich  in  Agalraatolith , Ala- 
baster, Nephrit,  Lasurstein  geschnitten  werden. 

Aus  Indien  sah  ich  keine  Arantete  aus 
Stein,  wohl  aber  Idole  aus  Stein  und  Metall. 

In  Amerika  stehen  Mexico  und  Mittel- 
amerika oben  an  mit  ihren  vielen,  meist  in 
sehr  barten  Steinen  kunstreich  ausgeführten  kleinen 
Stein-Idolen  und  den  riesigen  Idol-Ruinen  aus  Fels- 
gestein , wie  sie  sogar  noch  in  Urwäldern  an  ge- 
troffen werden. 

Brasilien  hat  gleichfalls  Einiges  aufzu- 
weisen, ebenso  die  Antillen;  aus  Peru  kenne 
ich  bis  jetzt  erst  Gold-Idole. 

Man  vergleiche  für  die  soeben  genannten  Län- 
der folgende  Abbildungen:  Neph.  W.  pg.  29 
Fg.  23;  pg.  30  Fg.  32,  33;  pg.  31  Fg.  3:»; 
pg.  33  Fg.  37,  38;  pg.  34  Fg.  41,  42  ; pg.  344, 
345  Fg.  121  — 124.  — M in.  a r ch.  Stud.  Tf.  IV 
Fg.  21  a b.  — Miner,  als  Hilfswiss.  Tal».  VI, 
VII,  VIII.  — Ätna zonen st.  Tf.  I Fg.  1—7 
und  10  - 14. 

Was  die  amerikanischen  Amulete  betrifft,  so 
ist  ein  viereckiges,  an  den  zwei  Schmalseiten  ver- 
tical  durchbohrtes  Täfelchen  (Neph.  W.  pg.  38 
Fg.  bö)  zweifellos  brasilianischer  Abkunft.  Ein 
kleineres,  an  allen  vier  Ecken  vertikal  durch- 
bohrtes dunkelgrünes  Nephrittäfeleben  (Min.  arch. 
Stud.  Tf.  III  Fg.  17,  jetzt  im  Freiburger  Mu- 
seum) stimmt  vollständig  mit  der  von  Hans 
Sloane  in  seiner:  Nat.  hist,  of  Jamaica  1725 
gegebenen  Beschreibung  der  Amulete  dieser  Insel. 
Von  einer  ganz  grossen  Anzahl  viereckiger,  fünf- 
eckiger, ovaler  und  runder  Amulete  aus  schmutzig 
(bläulich-)  grünem  Nephrit  (Noph.  W.  pg.  38 
bis  40  Fg.  49,  51 — 59;  Min.  arch.  St.  Tf.  I 
Fg.  1 — 3),  wie  ich  sie  in  den  verschiedensten 
Museen  aus  alter  Zeit  herstannnend  ohne 
irgend  exakte  Abkunft  antraf,  war  es  mir  bisher 
absolut  unmöglich,  nachträglich  deron  Ursprung 
mit  Sicherheit  zu  ermitteln,  nur  wurde  mir  in 
letzter  Zeit  ihre  Abstammung  aus  Amerika  etwas 
wahrscheinlicher.*) 

Den  obengenannten  Wohnsitzen  von  Cultur- 
völkern  gesellt  sich  nun  seltsamerweise  noch 
Neuseeland  hinzu  mit  seinen  auf  das  Ele- 
ganteste immer  aus  schön  grasgrünem,  mitunter 
prachtvoll  seidenschimmerndem  Nephrit  von  jener 
Insel  selbst  geschnittenen,  grossen  flachen  Fratzen- 
bildern , den  sog.  Tiki’s,  wovon  in  europäischen 
Museen  meines  Wissens  etwa  20  Exemplaro  ver- 

*) Direktoren  grosser  Museen  würden  der  Wissen- 
schaft einen  Dienst  leisten,  wenn  sie  meine  im  Obigen 
niedergelegten  Beobachtungen  nach  dem  Bestand  ihrer 
Institute  vervollständigen  wollten. 


breitet  sein  mögen  (in  Freiburg  liegen  zwei.) 
(Vgl.  Neph  W.  Titelbild.) 

Es  dürfte  der  Analogie  nach  dieser  Umstand 
allein  schon  für  oine  in  Neuseeland  vor  unbe- 
stimmt langer  Zeit  Untergängen e C'ultur  sprechen, 
ausserdem  findet  man  meines  Wissens  dort  auch 
grosse  Figuren  aus  Holz  und  Stein. 

Meine  im  Obigen  niedergelegten  Erfahrungen 
gründen  sich  auf  den  Bestand  unseres  ethno- 
graphischen Universitätsmuseums  sowie  auf  die 
Zusendungen  aus  den  mineralogischen  uud  zum 
Theil  auch  ethnographischen  Museen  in  Deutsch- 
land, der  Schweiz,  Oesterreich,  Ungarn,  Italien. 
Den  Bestand  der  mineralogischen  Abtheilung  des 
I British  Museum  kenne  ich  durch  eine  eingehende 
gefällige  Mittheilung  des  Herrn  Direktor  Nevil 
j M aske  1 y ne,  wolcbe  von  Umrisszeichnungen  wie 
| auch  von  genauer  Angabe  der  Härte  uud  des 
spez.  Gewiehts  der  betreffenden  Gegenstände  be- 
I gleitet  war. 

Die  Museen,  welche  ihren  Statuten  gemäss 
1 nichts  nach  aussen  versenden  dürfen,  durch  Be- 
such an  Ort  und  Stelle  näher  kennen  zu  lernen, 
sah  ich  mich  bis  heute  vermöge  meiner  äusseren 
Stellung  keineswegs  veranlasst  oder  aufgemuntert. 

Im  Ganzen  dürfte  jedoch  in  meiner  hier  ge- 
gebenen Uebersicht  nichts  Wesentliches  fehlen 
und  es  geht  aus  derselben,  wie  zu  erwarten  war. 
hervor,  dass  es  die  alten  Culturvölker  Asiens, 
Afrikas  und  Amerikas  waren,  welche  sich  zu  der 
Verarbeitung  mehr  weniger  harter  und  zäher 
Steine  für  Amulete  und  Idole  aufgeschwungen 
hatten. 

Besonders  beachtenswerth  scheint  es  nun,  dass 
mir  auch  noch  nicht  ein  einziges  Stcin-Amulot 
oder  -Idol  als  in  Europa  gefunden  bekannt 
wurde.  Was  Beile  betrifft,  welche  z.  B.  io 
Mexico  mitunter  mit  Durchbohrung  zuin  An- 
hängen versehen  wurden  (vgl.  die  Miner,  als 
| Hilfsw.  Tf.  VII  Fg.  27,  33)  und  als  Prunkbeile 
getragen  werden  mochten,  so  ist  mir  sogar  hie- 
für  nur  ein  einziges  etwaiges  Analogon  aus 
Europa  durch  eine  gefällige  Mittheilung  meines 
Herrn  Collegen  Issol  in  Genua  bekannt  geworden, 
nämlich  ein  Fund  aus  Malta  (vgl.  Miner,  arch. 
Stud.  pg.  148 — 149  Tf.  III  Fg.  19)  angeblich 
aus  einem  phönizischen  Grabe.  Da  aber  be- 
züglich dieses  gegen  die  Spitze  hin  vertikal  und 
weit  durchbohrten  beilähnlich  geformten  Steines 
nur  von  grüner  Farbe  und  polirtcr  Oberfläche 
die  Rede  ist,  über  Durchsichtigkeit  u.  s.  w. 
nähere  Angaben  fehlen,  so  schiene  es  immerhin 
auch  möglich,  dass  jenes  Stück  ein  flacher  Polir- 
stein  gewesen  wäre;  ich  kenne  solcho  gegen  das 
spitze  Ende  hin  vertikal  durchbohrte  Polirsteine 


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62 


aus  Scbiefergestein . welche  an  einem  Faden  ge- 
tragen wurden,  auch  aus  der  Gegend  des  Boden- 
Hees  (wohl  aus  Pfahlbauten). 

Wir  sind  nach  Obigem  wohl  zur  Annahme 
berechtigt,  dass  die  prü historischen  Völker,  welche 
Europa  auf  ihren  Wanderungen  betraten,  sich 
n i cb  tauf  einer  Cu  1 tu  r s t u f e befunden  haben 
müssen , welche  das  Tragen  von  Amuleten  und 
die  Herstellung  von  Idolen  (wenigstens  aus  Stein) 
involvirte.  Als  höchste  aus  Stein  verfertigte  Zierde 
mögen  eveutuell  die  glattpolirten  Beile  aus  Ne- 
phrit, Jadeit  und  Chloroinelanit  figurirt  haben, 
deren  Abkunft  bekanntlich  bis  heute  noch  im 
Dunkel  liegt.*) 

*)  Zur  Vervollständigung  der  von  mir  in  Stnuw- 
buru  (August  cL  J.l  bei  der  Versammlung  der  deutschen 
iinthn>i*olog.  Ges.  auf  den  Tisch  des  Hauses  nieder- 
gelegten  Kurte  für  die  Verbreitung  dieser  Beile  in 
Mitteleuropa  (vgl.  Corresp.-Bl.  Nr.  3.  März  1879)  kann 
ich  hier  Folgendes  beifügen. 

Schliemann  erwähnt  in  seinen  Berichten  über 
Troja  auch  Kunde  von  Heilen  aus  sehr  hartem,  grü- 
nem, durchscheinendem  Stein.  Ich  gab  bereit«  in  meinen 
Min.  arch.  Studien  pg.  lütt  Tf.  FV  Fg.  22 — 25  vorläufige 
Notiz  hievon.  In  Strasshurg  legte  mir  nun  Herr 
Geheiracraih  Virchow  mehrere,  von  ihm  seihst  l«?i 
den  mit  Herrn  Schliemann  vorgenommenen  Aus- 
grabungen gefundene  grüne  polirte  kantendurchschei- 
nende  Beilchen  von  Bürde*  (Lydien)  vor.  wovon  das 
eine  (zufolge  der  von  Herrn  Kollegen  Oroth  gef.  vor- 
genommenen Bestimmungen  des  spez.  Gewicht«)  mit 
2,800  spez.  Gewicht  die  Deutung  auf  Serpentin , das 
ander*»  mit  3,335  jene  auf  Jadeit  zulies«. 

Die  von  Herrn  Schliemann  selbst  ausge- 
grabenen  Beile  bekam  ich  nicht  selbst  zu  Gesicht, 
derselbe  hatte  aber  die  Gefälligkeit  , sie  unter  der 
Aufsicht  des  Herrn  Direktors  der  luineralog.  Abtei- 
lung des  British  Museum  durch  dessen  Assistenten 
Herrn  Thomas  Davies  auf  ihr  spez.  Gewicht  unter- 
suchen zu  lassen.  Diese  1>eiden  Sachverständigen  er- 
klärten zwölf  der  von  Schliemann  in  Troja  aus- 
gegrabenen Beile  für  Nephrit  und  zwar  wurde  von 
sechs  Exemplaren  das  spez.  Gewicht  wirklich  geprüft. 
Ein  weis«  es  Beil  von  455,68 gran  Gewicht  = 27,34  g 
in  3 Fuss  Tiefe  gefunden,  hatte  2,91  spez.  Gewicht; 
die  andern  waren  grün,  dem  Neuseeländischen  Ne- 
phrit in  der  Karl«»  ganz,  ähnlich ; sie  verhielten  sich 
folgendermaMen : 


liefe  (1.  Fundes  Absolutes  Gewicht  Spetlf.  Gewicht 

19  Fuss  518,19  (Jrun 

= 31,69  Gramm 

2.9!» 

26  ,.  317,50  . 

= 19,05  , 

2.982 

13  . 434,30  . 

= 26,06  „ 

2.95 

32  „ 127,80  , 

= 6,46  „ 

2.972 

32  „ 1308,20  „ 

= 78,52  „ 

3.27 

Bei  den  ersteren  fünf  stimmt  das  spez.  Gewicht  mit 
dem  des  Nephrits;  das  letzte  mit  3,27  dürfte  aber  ein 
Jadeit  (bei  welchem  in  seltenem  Fällen  auch  schon 
ein  spez.  Gewicht  unter  3,3  beobachtet  wurde)  oder 
ein  .SuuxKurit  sein. 

.Soweit  ich  einen  Schluss  aus  dem  absoluten  (Je- 
wicht dieser  Beilchen  (im  Vergleich  mit  so  vielen 
andern,  die  mir  schon  durch  die  Hand  gingen)  ziehen 
kann,  möchte  dos  grösste  etwa  6 - 7 ciu  lang  «ein, 
die  übrigen  dem  entsprechend  kleiner;  über  deren 


Mittheilungen  aus  denZweigvereinen. 

I.  Güttingen. 

Sitzung  vom  14.  Mai  1880. 

Herr  Prof.  Ehlers:  Demonstration  einer  ethno- 
graphischen Sammlung  von  den  Klantath-Indianem. 

Die  Sammlung  wurde  von  Herrn  Eurer  er- 
worben, der  bei  seinen  Reisen  im  der  nordAmeri- 
kaniseben  Westküste  sich  auch  hei  den  an  den 
Klatnath-Seeen  im  Oregongebiet  wohnenden  Kla- 
math- Indianern  längere  Zeit  aufbielt. 

Die  vorliegende  Sammlung  bestätigt  durchaus 
die  Annahme,  dass  die  Klamath-Indianer  auf  sehr 
niederer  Kulturstufe  stehen.  Die  sehe  zahlreichen 
Werkzeuge  entbehren  mit  Ausnahme  eines  Pfeiles, 
welcher  eine  eiserne  Spitze  besitzt  — welche 
nach  Forer's  bestimmter  Angabe  importirt 
werden  — aller  Metalle.  Statt,  der  Metalle  sind 
Knochen  und  Stein  im  Gebrauch.  Sonst  findet 
man  noch  verarbeitet  rohe  Pflanzenfasern,  Thier- 
häute und  -Sehnen,  Harze,  Muschelschalen. 

Von  Nahrungs  tu i ttel  n liegeu  vor:  Knollen 
und  Früchte,  — meist  noch  nicht  bestimmt. 

Gerfttbezum  Gewinnen  der  Nahrung: 
Körbe  zum  Einsammeln  der  Früchte ; Stücke 
rohester  Art  mit  angekohlter  Spitze  zum  Aus- 
graben der  unterirdischen  Knollen  und  Wurzeln. 

Form  werde  ich  noch  nähere  Erkundigungen  einziehen. 
Höchst  merkwürdig  i«t  die  Angabe  von  einem  wei«ien 
Nephritbeil;  das  wäre  da.«  erste,  von  welchem  ich 
Kenntnis«  erhalte,  und  würde,  da  ich  nur  aus  Turke- 
«tun  weiwe  Nephrite  kenne,  einen  wichtigen  Wink 
für  die  Abkunft  ertheilen,  während,  alle  andern  grün 
sein  sollen.  Au«  Turkestan  kenne  ich  umgekehrt 
kein*»  grasgrünen  Nephrite,  sondern  nur  au«  Sibirien 
und  NeiiHeeland,  während  mir  dunkelbläulich  grüne 
aus  Mittelasien  bekannt  eind.  Ich  bemerke  hier  noch, 
da«»  von  den  beiden  englischen  Mineralogen,  den 
Hemm  Nevil  Maske  ly  ne  und  Thomas  Darios, 
die  übrigen  sec  hi  aus  Troja  stammenden  Beile  des 
Herrn  Schliemann  als  gleichfall«  au«  Nephrit  und 
z.wur  der  ganz  gleichen  Art  wie  die  gewogenen  erklärt 
werden.  Für  die  Diagnosen  jener  sechs  Beile  also, 
deren  spez..  Gewicht  nicht  Intitimmt  wurde,  fällt 
die  Verantwortlichkeit  wie  begreiflich  ganz  den  ge- 
nannten Herren  anheim. 

Man  sollte  denken,  wir  müssten  nun  durch  diese 
immer  weiter  rückenden  Erfahrungen  der  Heimat 
dieser  fremden  Beile  bald  auf  die  Spur  kommen.  Ei 
ist  über  zu  beachten,  dass  z.  B.  aus  Afrika  noch  gar 
wenige  Beobachtungen  vorlicgen.  Mir  ist  dorther  erst 
ein  einzige«  polirte«  Beil  — aus  Rotheisenstein  — 
und  zwar  aus  Sennaar  kommend,  bekannt  geworden; 
dassellie  stammt  aus  der  von  dem  t Vice- Konsul 
Herrn  ltoaset  zu  Khartum  unserem  ethnographischen 
Museum  zum  Geschenk  gemachten  reichen  ägyptischen 
Sammlung.  R«  dürften  solche  Beile  aber  dort  sehr 
selten  sein,  da,  wie  gesagt,  nur  eine«  mit  kam,  während 
ich  dein  Einsender  mündlich  noch  die  Wichtigkeit 
solcher  Funde  ans  Herz  gelegt  und  derselbe  jedenfalls 
sorgfältig  darauf  geachtet  hatte. 


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63 


Fischangeln,  theils  mit  beinernen  Angelhacken, 
theils  mit  einem  an  beiden  Enden  xugespitzten,  in  der 
Mitte  an  der  Schnur  befestigten  KnochenstHbehen. 

Fischlanzen , welche  die  Besonderheit  haben, 
dass  sie  unten  sich  gabeln  und  an  jeder  Spitze 
lose  befestigt  eine  zweite  Spitze  tragen  , welche 
Spitzen  an  einer  langen 4 um  den  Lanzenschaft 
gerollten  Schnur  befestigt  sind,  l’feile  dreierlei  Art : 

a)  mit  gehärteter  Holzspitze , für  Wasserge- 
flügel agd, 

b)  mit  Obsidian  spitze  (nach  Dr.  Lang’s  Be- 
stimmung) zur  Jagd  auf  grössere  Tbiere, 

c)  ein  solcher  mit  Eisenspitze  für  den  Krieg. 

Instrumente  zur  Feuerhereitnng, 

aus  2 Hölzern  bestehend. 

Gefiisse  aus  Flocbtwerk,  gepicht  und  un- 
gepicht.  Löffel  aus  dem  Brustbein  eines  Vogels. 

Kleidungsstücke  aus  Leder,  Pelz,  Geflecht. 
Fäden  zum  Nähen  aus  Kehsehnen  und  Pflanzen- 
fasern — einer  Kessel.  Bürsten  aus  Ptlnnzen- 
wurzeln  und  Thierhaaren;  beinerne  Instrumente 
zum  Kratzen  des  Kopfes.  Messer  aus  Obsidian. 

Schmuckgegenstände.  Farben  zum  Be- 
malen des  Gesichts , roth  und  weiss.  Hals- 
ketten aus  Wurzelabschnitten  und  Muscheln. 

Spiele.  Medica mente.  Steinpfeifen  und 
Hauchkraut  dazu  — nicht  Tabaek. 

Holzstücken  mit  einem  Moos , das  antifehril 
wirken  soll.  Einige  Zaubermitt el. 

Sitzung  am  16.  D ec  ein  her  16“'J. 

Herr  Prof.  Krause  sprach  Uber  einige  Alter- 
thümer,  die  sich  im  Laufe  des  Jahres  1879  in 
der  Umgegend  von  Göttingen  gefunden  haben. 
Er  legte  ein  Steinbeil  aus  Dolerit,  — nach  der 
Bestimmung  von  Herrn  Prof.  Fischer  in  Frei- 
burg i B.  — vor.  Ferner  zwei  Urnen,  in  der 
Nähe  von  Grone  bei  Göttingen  ausgegraben,  eine 
grössere  und  eine  kleinere.  Beide  sind  ziemlich 
gut  gebrannt,  beide  mit  sog.  Mamellen-Ornumenten 
versehen;  — sie  dürften  spät  mittelalterlichen 
Ursprungs  sein.  Endlich  erwähnte  er  einen  sog. 
Kiesenstein,  südlich  von  Kosdorf  befindlich,  einen 
nicht  sehr  grossen  Stoin  mit  fünf  flngerähnlichen 
Eindrücken,  un  die  sich  wie  gewöhnlich  die  Sage 
knüpft,  der  Stein  sei  von  einem  Kiesen  geworfen 
worden.  Sodann  demonstrirte  Herr  Prof.  E h 1 e r s 
mehrere  Schädel  von  den  Duke  of  York-Inseln. 

I)r.  von  Brunn. 

II.  München. 

Die  Cent  als  Atom  der  deutschen  Staatenbildnng. 

Auszug  aut  einem  Vortrag  des  Herrn  (».  Fink,  •Stadt- 
richter a.  I).  (Sitzung  den  21.  Mai  1#8U.) 

Die  Cent  (een tu  centena  englisch  h u n d red) 
— in  Bayern  auch  Dorfgericht  genannt  — 


ist  eine  Anzahl  von  100  freien  Männern , 100 

Höfen,  eine  Gemeinde  von  ungefähr  100  Höfen. 
Sie  ist  die  älteste  und  zugleich  kleinste  politische 
Abtheilung  des  deutschen  Volke.1» , kommt  bei 
allen  germanischen  Stämmen , insbesondere  bei 
I den  Angelsachsen,  in  England  noch  heutzutage 
I als  Unterabt heiluug  der  Grafschaft  vor.  Noch 
| kleinere  Abtheilungen , sogenannte  Dccanieu 
j sind  nach  Waitz  nicht  erwiesen.  Diese  Männer 
| versammelten  sich  regelmässig  jeden  Neumond 
| und  Vollmond  um  Goricht  zu  halten  und  Be- 
rathschlagungen  zu  pflegen.  Diess  geschah 
unter  dem  Vorsitze  eines  ursprünglich  von  ihnen 
gewählten , später  auch  erblich  gewordenen  Be- 
amten , des  Centenars , Zentgrafen , Dorfriehter*. 
Dieser  war  zugleich  auch  militärischer  Anführer 
und  häutig  auch  Gefolgsherr,  d.  h.  das  Haupt 
. einer  freiwilligen  Kriegerschaar,  die  sich  um  ihn 
I sammelte.  Uebrigens  war  er  als  Richter  nach 
i germanischer  Weise  eigentlich  nur  der  Geriehst- 
I halter,  d.  h.  er  hegte  das  Gericht,  hielt  die  Um- 
j frage , sprach  das  Urtlieil  aus  und  vollstreckte 
I dm<selbo.  Die  eigentlichen  Urtheilsföller  waren 
i die  Centgenoxsen  selber.  Die  Gerichtsbarkeit  der 
1 Cent  war  anfänglich  eine  ganz  unbeschränkte, 
sie  erstrekte  sich  auf  alle  Civil-  und  Strafsachen, 
wie  denn  die  Centonen  ursprünglich  als  autonom  zu 
denken  sind.  Die  Centonen  blieben  aber  nicht 
I isulirt,  waren  es  wohl  auch  von  Anfang  nicht,  in- 
dem Stammverwandtschaft  und  namentlich  Kriege 
eine  nähere  Verbindung  bewirkten.  Es  wurde 
sodaun  ein  Herzog  gewählt , dem  der  gemein- 
! sehaftliche  Oberbefehl  übertragen  wurde.  So  ins- 
besondere bei  den  Sachsen  bis  zur  Zeit  Karls  des 
I Grossen.  Andere  Stämme,  wie  die  Gotheu  und 
| Frauken  hatten  Könige  (vou  chunni  das  Geschlecht, 
| also  soviel  als  vir  generosus,  patriarchu  heissend) 
die  als  solche  geboren  wurden,  während  die  Her- 
zoge gekoren  wurden.  Zwischen  das  Koni  glimm 
und  die  Cent  schob  sich  nun  später  als  Mittnl- 
! in -tanz  der  Gau  oder  die  Grafschaft  (scyre  bei 
I den  Angelsachsen)  ein.  Der  Graf  — später  auch 
Landrichter  genannt,  ein  königlicher  Beamter  — 
entschied  mit  Zuziehung  von  Schöffen  und  in 
Gegenwart  des  Centenars  die  grösseren  Sachen, 
I wo  es  sich  um  Leben,  Freiheit,  Grundeigentum, 
j Besitz  von  Leibeigenen  u.  s.  w.  handelte.  Er 
i befehligte  auch  den  Heerbann.  Der  König  oder 
I Herzog  endlich  hatte  an  seiner  Seite  einen  Hof- 
1 lichter,  der  die  Appelationsgerichtsbarkeit  aus- 
I Olde.  Also  eine  aufsteigende  Klimax  Dorfgericht, 
1 Landgericht,  Hofgerieht  bildete  den  deutschen 
Staat.  ALs  verwandte  Erscheinungen  neben  der 
1 uralten  Cent,  stehen  da  die  späteren  gutsherrlichen 
, oder  Hofmarksgerichte  — in  Bayern  und  ganz 


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64 


Deutschland  aufgehoben  iin  Jahre  1848  — und 
das  Sendgericht  — synodus  — ein  geistliches 
UUgegericht  dessen  Schöffen  sendbarfrei  MUnner 
hiesson.  Die  staatenbildende  Kraft  der  Centenen 
zeigt  sich  insbesondere  auch  im  Canton  Grau- 
bünden  wo  der  Zehngerichtebund,  sieh  mit  zwei 
arideren  Bünden  associrt  und  sc  den  Canton  bildet, 
der  schliesslich  wieder  ein  Glied  der  Kidgenossen- 
schaft wird.  Was  bei  den  Angelsachsen  da<  hundred 
war  und  noch  ist,  dürfte  der  in  Wales  — also 
bei  Gelten  — vor  Heinrich  VIII  vorkommende 
cantref  sein.  Ganz  Wales  zerfiel  in  50  cantrefs. 
HiefUr  können  Zeugnisse  beigebracht  werden  aus 
Taciti  Germania , den  Kapitularien  Karls  des 
Grossen,  dein  Sachsenspiegel,  den  Gesetzen  des 
letzten  angelsfichsichen  Königs  Eduard  des  Be- 
kenners und  andere  mehr. 

Kleinere  Mittheilungen. 

Aus  Frankreich  durch  Dr.  Bartels  (Berlin.) 

1.  Pari»,  4.  Februar.  Der  in»  Unterrichtsmini- 
sterium bestehende  Ausschuss für  w i » » e n » c h a f 1 1 i c h e 
Reisen  und  Missionen  hat  in  seiner  letzten  Sitz- 
ung  folgende  Aufträge  vergeben:  Uh.  Cournuult  : 
Abzeichnung  der  seit  zwei  Jahren  in  den  Schweizer 
Seen  entdeckten  und  in  den  dortigen  Museen,  na- 
mentlich in  Lausanne,  ausgestellten  Alterthfimer  des 
Brome-  lind  Steinzeit  ult  er«;  A.  Cft  »tan:  Mission  nach 
Italien  behufs  Vergleichs  der  dortigen  Denkmäler  mit 
den  gullo-römischen:  I).  Khurnuy:  Mission  muh 

Yukutan  und  Palenque  (Mexico)  behufs  photographi- 
scher Aufnahme  der  dortigen  Bauten.  Basreliefs  und 
Inschriften  um!  Nachgrabung  nach  Schädeln  und 
Skeletten:  Derembourg:  Keine  nach  Spanien  zur 
Inventarisirung  der  auf  der  Halbinsel  zerstreuten  ara- 
bischen Manuskripte:  v.  Ujfalvy:  Mission  nach  Süd- 
nwtland.  Armenien,  «las  nordwestliche  Persien,  zu  den 
Turkomaiis,  in  da«  Becken  des  Ober-Oxu*  und  das 
afghanische  Turkestan  mit  dem  Pamirplatenu  als 
Objektiv.  Diese  Reise,  welche  geographische,  anthro- 
pologische. ethnographische,  archäologische  und  na- 
turgeschichtliche Studien  umfassen  soll,  ist  auf  zwei 
Jahre  berechnet;  Consta  ns:  Reise  nach  England, 
um  in  Spaiding  und  Cheltenham  Manuskripte  von  dem 
Thclien-Romane  zu  sammeln;  Morcl-Fatio:  Reise 
nach  Spanien  zur  Erforschung  der  für  die  Herstellung 
der  spanischen  Kataloge  der  National bibliothek  er- 
forderlichen Dokumente  und  zum  Studium  des  Chro- 
nisten Johann  Gil  von  Zu  morn  (dreizehnte»  Jahr- 
hundert); Brau  de  Saint- Pol  Lias  und  K.  de 
lu  Croix:  ethnographische  Forschungsreise  nach 

Sumatra;  Cuhun:  botanische  Reise  in  das  arabische 
Helku-Land,  noch  Kurdestan,  in  die  Gegend  zwischen 
Antiochien  ( Antukiehj  und  Marakieh  und  in  das  Dreieck 
zwischen  Suleimanie  und  Serdecht;  Schräder:  oro- 
graphische  Forschungsreise  in  die  Pyrenäen ; Cr e v a u x : 
Forschungsreise  in  die  amerikanische  Aequatorgegeml 
von  Süden  nach  Norden,  von  Bnenos-Ayre»  naidi  dem 
A m azonenstrom . Die  Missionen  der  Herren  (1uhu]n, 
K h a r n a y , C r e v a u x und  C j f.al  v y sind  vor  <ler  llantl 
nur  im  Prinzip  beschlossen,  da  die  bedeutenden  Kosten, 
mit  «lenen  sie  verbunden  sind,  eine  besondere  Kredit* 

Druck  der  Akademismen  Buchdruckerei  ron  F.  Straub  u 


fordern ng  bei  den  Kammern  erheischen.  D e L a- 
h au  me  du  Puy-M  ontbrun  macht  der  archäolo- 
gischcn  Gesellschaft  de  lu  Dröme  die  Anzeige,  da«* 
in  dem  „Nymphenthal«*“  lau  de  la  Gardo-Adhdmar 
eine  Menge  Dmi<len-Altäre  aufgedeckt  wonlen  sind. 
(Vossische  Zeitung,  Berlin  8.  Februar  1880.) 

2.  Paris,  14.  Juli.  Die  Municipalitat  von 
Pari»  lässt  alle  gallisch-römischen,  in  Paris  sellwt 
gefundenen,  in  dem  Musee  de  Cluny  befindlichen  Alter- 
thüiner  in  Gyp«  abformen , um  sie . zu  einem  t «anzen 
vereint,  in  einem  «l«*r  Säle  der  Stadtbibliothek  aufzu- 
stellen. Da  diese  für  die  Geschichte  von  Pari»  so 
wichtigen  Antiquitäten,  meist  in  Marmor  und  mit 
vielen  bildlichen  Darstellungen  und  Inschriften,  in  dem 
genannten  Museum  nur  zerstreut  und  vereinzelt,  viele 
HOgar  sehr  ungünstig,  haben  Platz  finden  können,  so 
ist  diese  nun  erfolgende,  historisch  geordnete  Zusam- 
menstellung nur  geeignet , diese  Denkmäler  «ler  rö- 
mischen Vorzeit,  mit  welcher  «*j*»t  eine  höhere  Kultur 
von  Pari»  und  Gallien  beginnt , allgemeineren  und 
gviinillicheren  Studien  zugänglich  zu  machen.  — Die 
, hiesige  „geographische  Gesellschaft"  bereitet  «lein  )**- 
; rühmten  Afrika- Reisenden,  dem  portugiesischen  Major 
; Serpa  Pinto  . welcher  in  diesen  Tagen  hier  erwartet 
wird,  einen  feierlichen  Empfang  vor.  Dieser  unter- 
nehmende und  gelehrte  Forscher  hat  Afrika  durch- 
reist von  Ongunta  bis  Porl  Natal,  die  Quelle  des 
i Stromes  Kubango  entdeckt,  die  Einmündung  desselben 
■ in  «b*n  See  Ngumi  uufgefunden  und  «lie  Gebirge  von 
I Kangala  durchwandert.  Eine»  «ler  wichtigsten  Ergeb- 
I nifwe  aber  «ler  Reisen  Pinto*»  i»t  die  Entdeckung  eine» 

I grossen  Salzsee»  in  der  Steppe  von  Kalahari,  welchen 
; die  Bewohner  derselben  Makarikari  nennen.  Dieser 
etwas  flache  aber  umfangreiche  See  empfängt  »ein 
Wasser  grfeatentheil»  durch  die  tropischen  R«*gen, 
welche  »ich , wie  eine  Fluth , vom  Himmel  ergiewen 
und  binn«*n  wenigen  Tagen  «las  Seebecken  mit  Wasser 
anfüllen.  Allein  die Sonnengluth saugt  dassellx*  gro«s«*n- 
theil»  wieder  auf  und  der  Boden  de»  See»  ist  dann 
überzogen  mit  einer  dichten  Salzkruste,  welche  da* 
weite,  fliehe  Becken  wie  eine  weis»«*,  glänzende  Kry* 
stalldruse  erscheinen  lässt.  Uebrigen»  »teilt  der  See 
Makarikari  in  Verbindung  mit  dem  See  Ngavui  ver- 
möge de»  Flusse*  Botlette.  Die  Fluthen  «ler  tropi- 
schen lieg«'»  »ind  »o  gewaltig  und  fallen,  stromartig 
»o  dicht,  «lau»,  bei  der  weiten  Ebene,  welche  «ler  Bot- 
lette durchströmt.  derselbe  «lie  Wa»»ermaHHt>n  bald  in 
den  Makarikari , bald  in  d«*n  Ngami  ergiesst  in  rück- 
läufiger Strömung,  l’ebrigen»  »teilt  diese»  ganz** 
Wasser  gebiet  un«l  zwar  die  Seen  Makarikari  und 
Ngami,  sowie  «lie  Ströme  Kubango,  Konchi,  Tioguc. 
Botlette  u.  ».  w.  in  engster  Verbindung.  Was  das 
1 Ethnographische  anbetriftt.  also  «lie  Beechntfenhcii 
der  auf  diesen  Länderstrecken  lebenden  Völkerfa- 
milicn.  z.  B.  in  dem  Lan«le  «ler  Matabeh*».  so  hat 
Pinto  eine  weinte  Kaue  an  «len  Ufern  «1«*«  Kubango 
und  des  Konchi  entdeckt  , welche  »ich  KuMscqtten 
i nennen.  Diese  Kassequen  «ind  merkwürdigerweise 
noch  h«*ller  an  Farbe  als  wie  die  Kaukasier  und  erinnern 
ihrer  Getrichtsbildung  nach  an  die  Chinesen.  Die«* 
Weissen  Central- Afrika»  sind  nicht  sehr  zahlreich  und 
ernähren  »ich  nur  »ehr  spärlich , vor  allem  dadurch, 
da»»  «ie  nur  in  Familiengruppen  von  20—  BO  Personen 
| diese  weiten  Ebenen  und  Gebirgsketten  nomadi-cii 
I durchstreifen,  fast  nur  lebend  von  JAgd  und  Fischfang. 
Seist verständ lieh  sieht  man  hier  allen  «li«‘»en  mfind- 
liehen  berichten  des  Afrika-Forscher»  mit  lebhaftem 
Intere»««*  entgegen.  Auch  Seitens  der  Regierung  »teht 
| ihm  «lie  ehrendste  Aufnahme  bevor. 

i München.  — Schluss  der  Redaktion  am  17.  Juni  1(&> 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  von  Professor  Th.  Johannen  Hanke  in  München, 

Getm  aUtti  ftäi  der  OnetUehaß. 


XI.  Jahrgang.  Nr.  8.  Ericheint  jeden  Monat.  AllgUSt  1880. 


Virohow’s  Beiträge  zur  Landes- 
kunde der  Troaä.  Berlin  isso. 

Professor  Pr.  W.  v.  Christ,  Mönchen. 

S c h 1 i e in  a n n’s  glänzende  Entdeckungen  einer 
alten  Stadtanlage  auf  der  Höhe  von  Hissarlik 
haben  die  Frage  uueh  der  Lage  des  homerischen 
Ilion  von  neuem  in  Fluss  gebracht.  Man  hätte 
erwarten  sollen , dass  die  alte  Annahme , Troja 
habe  auf  der  linken  Seite  des  Skamandar  bei  Bu- 
narbaschi  gelegen,  durch  die  von  unserem  Lands- 
mann mit  Spate  und  Schaufel  gelieferten  Be- 
weise definitiv  zu  Grabe  getragen  worden  sei. 
Dem  war  aber  keineswegs  so;  bedeutende  Ge- 
lehrte, wie  Prof.  Stark  in  Heidelberg  und 
Rektor  Fr  ick  in  Rinteln,  sind  von  neuem  für 
Bnnarhaschi  in  die  Schranken  getreten,  und  Dr. 
Brentano  in  Frankfurt  a.  M.  hat  gar  noch  einen 
dritten  Punkt,  den  Ausläufer  des  Bergrückens 
zwischen  dem  Dumbrek  und  dem  Krgeköi  - Bach 
als  Stätte  der  alten  Priamosveste  aufgestellt.  Ich 
kann  nicht  sagen,  dass  die  Schriften  jener  Ge- 
lehrten einen  irgend  überzeugenden  Eindruck  auf 
mich  gemocht  haben;  aber  das  haben  sie  mit 
Evidenz  erwiesen,  dass  die  Frage  , ob  auch  His- 
sarlik  eine  uralte  Niederlassung,  die  alte  Haupt- 
stadt des  troiseheu  Landes  gelegen  gewesen  sei, 
sorgfältig  von  der  anderen  Frage  getrennt  werden 
müsse,  ob  denn  auch  Homer  sich  an  jener  Stelle 
sein  Ilion  gedacht  habe.  Die  letztere  Frage  hat 
sich  in  den  letzten  Jahren  immer  mehr  auf  den 
Punkt  zugespitzt,  ob  Homer  von  dem  Schauplatz 
seines  Heldengedichtes  eine  genaue,  durch  An- 
topsie  erworbene  Kenutuiss  gehabt  habe  oder 
nicht.  In  negativem  Sinne  hat  diese  Streitfrage 
einer  unserer  gelehrtesten  Hellenisten  und  scharf-  i 


sinnigsten  Kritik«*,  Rud.  He  roh  er  iu  der  aka- 
demischen Schrift  Über  die  Homerische  Eben»* 
von  Troja  beantwortet.  Mit  schneidigen  Watten 
suchte  derselbe  zu  beweisen , dass  nicht  bloss 
Homer  und  die  Homeriden  nur  durch  die  wan- 
dernde Sage  KenntDiss  vom  troischen  Lande  er- 
halten haben,  sondern  dass  auch  der  zweite  Fluss 
der  Ebene,  der  Simois,  joder  Realität  entbehre 
und  nur  in  der  Phantasie  der  Dichter  entstanden 
sei.  Die  Worte  H erch  er’s  waren  so  entschieden 
und  zuversichtlich  gesprochen  , dass  sie  bei  den 
Lauen  und  Ortsunkundigen  des  Eindrucks  nicht 
verfehlten ; wem  freilich  vergönnt  war  jene  ge- 
heiligten Stätten  der  Poesie  selbst  zu  schauen, 
dem  konnte  die  wankende  Grundlage  der  kühnen 
Schlüsse  des  gelehrten  Kritikers  nicht  entgehen. 
Nur  ein  Mann , der  einer  vorgefassten  Meinung 
zulieb  über  alles  andere  wegsah  , konnte  den 
Dumbrek  einen  Hungerbach  nennen  und  einen 
Hahn  über  denselben  wegack reiten  lassen.  Aber 
nachdem  einmal  scharf  und  bestimmt  gel&ugnet 
worden  war,  dass  der  Sänger  der  Ilias  das  Thal 
des  Skomander  mit  eigenen  Augen  geschaut  und 
aus  der  Oertiichkeit  selbst  die  Farben  und  Töne 
zu  seinem  Bilde  genommen  habe,  musste  es  dop- 
pelt  wünschenswert!»  erscheinen  von  der  troiseheu 
Ebene  selbst,  insbesondere  von  ihrer  geologischen 
Beschaffenbeit  und  der  möglichen  Veränderung 
ihrer  Flussläufe  genauere,  auf  detaillirter  Forsch- 
ung beruhende  Kenntniss  zu  erhalten.  Herr  Fr  ick 
hatte  schon  auf  die  Lücken  unseres  Wissens  in 
dioser  Beziehung  hingewiesen  und  den  Wunsch 
ausgesprochen , es  möchte  eines  der  zahlreichen 
archäologischen  Stipendien  benützt  werden , um 
eine  befähigte  Kraft  zu  einem  längeren  Aufent- 
halt iu  der  Tronde  auszurüsten  und  der  eud- 

9 


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66 


gültigen  Behandlung  der  troischen  Frage  eine 
sichere  topographische  Grundlage  zu  verschaffen. 

Die  Sache  ist  besser  gekommen , als  sie  der 
hartnäckige  Vertheidiger  von  Bunarbaschi  zu 
hoffen  gewagt  hatte.  Nicht  ein  junger  Archäo- 
loge, der  erst  mit  den  unerlässlichen  naturwissen- 
schaftlichen Kenntnissen  ausgerüstet  werden  musste, 
ein  erprobter  Veteran«  der  Wissenschaft,  der  wie 
kein  zweiter  bereits  im  Vollbesitz  aller  zu  einer 
solchen  Unterzeichnung  nöthigen  Kenntnisse  und 
Fertigkeiten  war,  der  Präsident  unserer  anthropo- 
logischen Gesellschaft , Professor  V i r c h o w , hat 
sich  der  Aufgabe  unterzogen  die  geologischen 
hydrographischen  und  die  sonstigen  natürlichen 
Verhältnisse  der  Tronde  zu  erforschen.  Im  April 
des  Jahres  1879  hat  derselbe  meist  in  Gesell- 
schaft mit  Herrn  Schliemnnn  das  Land  nach 
verschiedenen  Richtungen  durchstreift , indem  er 
sich  anbei  nicht  auf  die  Untersuchung  der  un- 
teren Skamanderehene  beschränkte,  sondern  seine 
Forschungsreisen  bis  zu  den  Quellen  des  Ska- 
mander  und  auf  die  ganze  Umgebung  der  Tief- 
ebene ausdehnte.  Mit  staunenswerther  Ausbeut- 
ung der  kurzen  Zeit  hat  er  in  den  wenigen 
Wochen  allen  Verhältnissen  des  Landes  seine  Auf- 
merksamkeit zugewendet,  die  vulkanische  Natur 
der  die  Ebene  umrahmenden  Berge  festgestellt, 
die  Temperatur  der  Quellen  gemessen , die  Be- 
schaffenheit des  Bodens  durch  eingeschlagene 
Löcher  untersucht,  selbst  die  Kenntnis«  von  der 
Flora  und  Fauna  der  Gegend  durch  mannigfache 
Beobachtungen  bereichert.  Bald  nach  seiner 
Rückkehr  hat  dann  der  grosse  Forscher  das  Er- 
gehniss seiner  Beobachtungen  und  Untersuchungen 
in  einer  in  den  Schriften  der  k.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin  erschienenen  Abhand- 
lung niedergelegt , die  den  bescheidenen  Titel 
führt  „Beiträge  zur  Landeskunde  der  Troas.  Der 
Abhandlung,  welche  auch  separat  durch  die  Dllmm- 
ler'sehe  Verlagshandlung  zu  beziehen  ist,  sind 
zwei  werthvolle  Kärtchen  beigegeben,  eine  linear 
ausgeführte  Erläuterungstafel  mit  den  Namen  der 
Flüsse,  Höhen  und  Dörfer,  und  eine  farbig  ge- 
druckte Tafel,  welche  ein  Bild  der  hydrographi- 
schen und  geologischen  Verhältnisse  der  vorderen 
Troas  gibt.  Ich  weiss  nicht,  was  ich  mehr  be- 
wundern soll,  die  Kurze  der  Zeit,  in  der  es  dem 
Forscher  gelang,  so  reiche  und  mannigfache  Unter- 
suchungen abzuschliessen , oder  die  Gewandtheit 
des  Schriftstellers,  der  in  einer  so  anziehenden, 
ebenso  sehr  poetisches  Verständnis«  wie  exakte 
Methode  bekundenden  Weise  die  Ergebnisse 
seiner  Untersuchungen  dem  Leser  zu  bieten  ver- 
mochte. Auch  wer  sich  weniger  für  den  ge- 
lehrten Streit  der  Homerkritiker  interessirt,  wird 


j mit  Genuss  das  schöne  Buch,  und  besonders  ein- 
] zelne  Theile,  wie  die  Schilderung  von  den 
Quellen  des  alten  Skamander,  des  heutigen  Men- 
dere  lesen.  Für  die  Homerforscbung  aber  und 
die  Topographie  der  troischen  Ebene  hat  der 
Verf.  erst  den  sicheren  Boden  geschaffen,  der 
einen  ganz  anderen  Verlass  bietet  als  die  Phanta- 
sien des  Strabo,  und  eine  ungleich  grössere  Fülle 
von  Tbaisachen  erschließt,  als  aus  den  Deute- 
leien der  zerstreuten  Berichte  alter  Schriftsteller 
je  gewonnen  werden  kann.  AU  das  bedeutendste 
Ergehn  iss  sehe  ieh  die  Konstntirung  der  That- 
sache  an , dass  an  eine  ehemalige  weite  Ein- 
buchtung des  Hellesponte,  wie  sie  Strabo  an- 
nahm und  mit  L e c 1»  e v a 1 i e r auch  Eckenbrecher  in 
seine  Karte  einzeichnete , nicht  mehr  gedacht 
werden  kann . indem  vielmehr  die  Küstenmarsch 
den  in  der  historischen  Zeit  am  meisten  unbe- 
rührten Theil  der  Ebene  bildete  und  die  etwaigen 
Veränderungen  der  Ebene  seit  Homer  eher  in  den 
Flussläufen  zu  suchen  sind.  Für  die  alte  Kontro- 
verse über  die  beiden  Quellen  des  Skamander, 
die  lauwarme  und  die  eisigkalt«  vor  den  Thoren 
der  Stadt,  sind  von  hohem  Interesse  die  genauen 
Temperaturmessungen  aller  Quellen,  die  bei  dieser 
Frage  in  Betracht  kommen  können.  Virchow 
glaubt , dass  Homer  sich  auf  die  eigentlichen 
i Quellen  des  Skamander  tief  im  Gebirg  bezogen 
haben,  die  wirklich  einen  bedeutenden  Tempera- 
turunterschied aufweisen  , indem  die  eine  8°,  4, 
die  andere  15°,  8 zeigte.  Die  Annahme  und  die 
Thatoache  ist  nicht  neu,  vor  mehr  ^ls  5 Jahren 
theilte  sie  mir  bei  meinem  Besuche  der  Troade 
Herr  Calvert  mit,  und  schon  im  Jahre  1872 
machte  Clarke,  Travels  p.  145.  auf  den  Tem- 
peraturunterschied jener  Quellen  aufmerksam. 

! Aber  auch  jetzt  noch  muss  ich  es  für  äusserst 
| zweifelhaft  erklären,  dass  Homer  die  dichterische 
| Freiheit  soweit  getrieben  habe,  die  Quellen  des 
Flusses  im  Gebirg  vor  die  Mauern  der  Stadt  in 
die  Ebene  zu  verlegen.  Weit  eher  wird  der 
Dichter , wenn  er  sich  überhaupt  an  die  reale 
Wirklichkeit  hielt  und  nicht  ein  freies  Phantosie- 
gemälde  schuf,  die  Quellen  irgend  eines  kleinen 
Zuflusses  des  Skamander  in  der  unteren  Ebene 
vor  Augen  gehabt  haben , und  da  ist  es  von 
Wichtigkeit  zu  erfahren,  dass  in  den  unteren 
Skamanderebenen  nur  die  Quellen  des  von  C al  v ert 
trocken  gelegenen  Duden  eine  hohe,  fast  thermale 
I Temperatur  aufweisen ; die  wärmste  von  ihnen 
i mass  22°,  0,  während  der  gefasste  Brunnen  von 
i Bunarbaschi  nur  17°,  4 hatte.  Oberhalb  jenes 
Duden  aber  nahm  schon  Ulrich  in  einem  Auf- 
I satz  des  Rheinischen  Museums  v.  J.  1845  die 
I Lage  des  homerischen  Ilion  an , und  wenn  man 


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67 


von  den  Schilderungen  des  Dichters  im  2.  und 
22.  Gesang  ausgeht  , wird  man  auch  immer 
wieder  auf  jene  Gegend  zurückkotnmcn. 

Was  aber  die  brennende  Frage  nach  der 
Autopsie  des  Homer  anbelangt , so  drückt  sich 
Virchow  wohl  in  zarter  Rücksicht  auf  seinen 
verstorbenen  Kollegen  Her  eher  mit  grosser 
Rückhaltung  aus.  Er  lässt  zwar  deutlich  durch* 
blicken , dass  er  die  Ilias , von  einzelnen  späten 
Zusätzen  abgesehen,  für  das  Werk  eines  einzigen 
Dichters  halte,  und  dass  ihm  aus  den  Schilder- 
ungen Homer’s  eine  lebendige  und  wahre  Natur- 
anschauung zu  sprechen  scheine ; im  übrigen  fasst 
er  am  Schlüsse  seines  Ruches  seine  Ansichten  in 
folgenden  vorsichtigen  Sätzen  zusammen ; „Die 
Gesammtheit  dessen , was  ich  über  die  Landes- 
verhältnisse  der  Troas  mitgetheilt  habe , muss, 
wie  ich  denke,  Jedermann  überzeugen,  dass  die 
homerische  Dichtung  viel  mehr  Ortskunde  ent- 
hält, als  man  vermut hen  konnte,  so  lange  man 
die  Natur  der  Troas  nur  in  einom  beschränkten 
Rahmen  betrachtete.  Indem  ich  die  Gegenstände 
der  Betrachtung  vervielfältigte,  den  Rahmen  des 
Bildes  beträchtlich  erweitert  habe,  ist  eine  Fülle 
von  Beziehungen  hervorgetreten , welche  sich  in 
dem  Gedichte  wieder  spiegeln.  Nicht  ohne  grobe 
Willkühr  könnte  man  diese  Beziehungen  zurück- 
weisen und  es  dem  Zufall  zuschreiben , dass  die 
Darstellung  wie  im  Grossen,  so  in  Kleinigkeiten 
wahrheitsgetreu  ist.  Ob  der  von  mir  geführte 
Nachweis  der  Wahrheit  in  der  Schilderung  der 
natürlichen  Verhältnisse  des  Landes  und  seiner 
Bewohner  den  Fachgelehrten  genügen  wird , um 
auch  dio  Autopsie  des  Dichters  zuzulassen , muss 
ich  abwarten.  Gesteht  man  sie  nicht  zu , so 
würde  man  sich  dahin  entscheiden  müssen,  der 
voraufgehenden  Sage  einen  so  grossen  Einfluss 
auf  die  spätere  Deutung,  eine  so  ausgebildete 
Fortnulirung  und  Ausführung  der  auf  die  Orts- 
verhältnisse bezüglichen  Stellen  zuzuschreiben, 
dass  ein  nicht  unbeträchtliches  Stück  des  poeti- 
schen Verdienstes  der  Mythologie  zufallen  würde. 
Mir  widerstrebt  eine  solche  Vorstellung,  weil 
nach  meiner  Auffassung  der  Charakter  der  Dicht- 
ung durchgehend  ein  so  einheitlicher  und  har- 
monischer ist , dass  die  Annahme , wesentliche 
Stücke  der  Dichtung  seien  nichts  weiter  als  ge- 
schickte Ueberarbeitungen  fertig  überlieferter 
Sagen,  mir  als  eine  gänzlich  unzulässige  erscheint“. 

Ich  denke,  auch  jeder  unbefangone  Philologe 
wird  von  einer  solchen  Mythologie  nichts  wissen 
wollen  und  in  der  Hauptsache  auf  Seite  V i r- 
c h o w’s  treten.  Ob  damit  freilich  schon  alle 
Schwierigkeiten  der  homerischen  Frage  gelöst  und 
die  Einheit  des  Dichtwerkes  erwiesen  sei,  ist  eine 


andorc  Sache,  in  der  sich  der  Referent  in  Oppo- 
sition zu  Virchow  stellen  muss.  Virchow 
meint  S.  171,  dass  auch  vor  einer  strengen  Kritik 
die  Darstellung  der  Ilias  bestehen  könne,  wenn 
man  nur  annehme . dass  zu  Homers  Zeit  der 
Skamander  noch  nicht,  wie  heutzutag  der  Men- 
dere  bei  Sigeum  (Kum-Kale)  in's  Meer  sich  er- 
j gossen  habe,  sondern  weit  östlicher  in  dein  Bette 
des  heutigen  Intepe  - Asuiak  geflossen  sei.  Die 
j Annahme  ist  ohnehin  eine  sehr  kühne,  da  schon 
zur  Zeit  des  Strabo  oder  richtiger  schon  zur 
I Zeit  dos  Demetrius  von  Skepsis  der  Skamander 
an  derselben  Stelle,  wo  heute  der  Mendere  seinen 
Ausfluss  hatte,  und  der  Paläskamander  des  Pli- 
i nius  einmal  nur  ein  Verlegenheitsfluss  der  Gram- 
matiker gewesen  zu  sein  scheint  und  danu  auch 
weit  eher  in  den  Winterbetten  zwischen  dem 
i Kalifatli  - Asmak  und  Mendere  gesucht  werden 
muss.  Wenn  dann  aber  Virchow  fortfährt, 
dass  man  bei  solcher  Annahme  einen  grossen 
Fluss  und  eine  viel  passirte  Furt  zwischen  dein 
Schitfslager  und  Ilion  erhalte,  so  hat  er  damit 
allerdings  für  die  drei  Stellen,  an  denen  die  Furt 
erwähnt  ist  (XIV  433,  XXI  1,  XXIV  693),  eine 
einfache  Deutung  geschaffen,  aber  nur  um  damit 
I die  Erklärung  zweier  Stellen  im  5.  und  11,  Ge- 
I sang,  (V  36  u.  355,  XI  499),  nach  denen  die 
Troer  beim  Vormarsch  gegen  das  Schiffslager  der 
Achäer  den  Skamnnder  zur  Linken  hatten,  völlig 
unmöglich  zu  machen.  Um  aus  diesem  Gedränge 
herauszukommen , habe  ich  bereits  in  tneineui 
Aufsatz  über  die  Topographie  der  Trojanischen 
Ebene  zu  der  Hypothese  Wolfs  von  mehreren 
Dichtern  der  Ilias  meine  Zuflucht  genommen, 
und  ich  sehe  auch  heutzutage  nach  den  genauen 
Informationen,  welche  wir  Virchow  verdanken, 
keinen  anderen  Ausweg. 

Mittheilungen  aus  den  Zweig- 
Vereinen. 

1.  Natur  forschende  Gesellschaft  in  llanxlg. 

Anthropologische  Nectfon. 

Sitzung  von»  25.  Februar  1880. 

1.  Der  Vorsitzende  Dr.  Lissauer  beginnt  die 
Sitzung  mit  einem  Referat  über  eine  neu  er- 
schienene Arbeit  des  Hm.  Ossowski  in  Krakau 
, über  die  prähistorischen  Alierthüiner  West- 
preussens.  In  den  letzien  Jahren  hat  die  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Krakau  ein  immer  grösseres 
Interesse  fllr  die  Urgeschichte  der  einst  polnischen 
Länder  entwickelt,  und  die  von  ihr  eingesetzte 
archäologische  Commission  hat  sich  die  Aufgabe 
vorgesetzt,  die  einzelnen  ihr  zur  Verfügung  ge- 
stellten Abhandlungen  auf  diesem  Gebiet  zu  ver- 

ü* 


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Öffentlichen.  („Monuments  prebistoriques  de  Ton-  | 
cienne  Pologne.“  „I.  Serie  Prass*  royale  par 
Godefroy  Ossowski.  Cracovie  1879.“)  Die  vor- 
liegende Arbeit  des  Herrn  Os  so  wski  ist  die  erste 
in  dieser  Reihe  und  lw»zieht  sich  besonders  auf 
den  früher  polnischen  Theil  des  Königreichs  | 
Preussen.  Wir  hegrüssen  dankbar  das  Unter-  | 
nehmen,  weil  auf  diesem  Wege  alle  die  Alter- 
th ümer  aus  unsrer  Provinz , welche  in  polnischen 
Sammlungen  nufbewahrt  werden  , und  alle  Unter- 
suchungen polnischer  Forscher  in  W est preussen 
unserer  Kenntniss  und  wissenschaftlichen  Ver- 
werthung  zugHngig  gemacht  werden , lun  so 
mehr,  als  die  Akademie  keine  Mittel  scheut,  die 
Arbeiten  möglichst  schön  und  reich  mit  Abbild- 
ungen auszustatten.  HerrOssowski  giebt  in  die 
sem ersten  Heft  eine  sehr  sorgfältige,  durch  viele 
Tafeln  illustrirte  Darstellung  von  den  ihm  be- 
kannten Hügel-  und  »Steinkisten-Gräbern  unserer 
Provinz.  Obwohl  wir  auf  Grund  vielfacher  Unter- 
suchungen viele  Hügelgräber  für  Kenotaphien 
oder  Malhügel  halten  müssen , und  die  strenge 
Durchführung  der  Eintheilung  der  Gräber  nach 
Herrn  0.  manches  Bedenken  hat,  so  verdient 
das  begonnene  Werk  im  Ganzen  doch  unsere 
volle  Anerkennung.  Mit  Interesse  erwarten  wir 
die  Fortsetzung  der  Arbeit. 

Herr  Ober-Stabsarzt  Dr.  Fröling  berichtete 
demnächst  2.  „U eher  die  Ergebnisse  der 
Untersuchungen  des  Terrains  bei  0 x- 
hüft,  bezüglich  vorhistorischer  Alter- 
thü  mer.“  Nach  einer  Darlegung  des  Fund- 
b rrains  erörterte  der  Vortragende  unter  Vorlage 
und  Demonstration  einer  grossen  Zahl  von  Ob- 
jekten die  Resultate  seiner  höchst  interessanten 
Studien  über  Keramik  und  Ornamentik  der  Funde. 
Ueber  diesen  wichtigen  Vortrag  wird  hier  nur 
in  Kürze  berichtet,  weil  derselbe  unter  Bei- 
fügung von  Abbildungen  in  den  Schriften  der 
naturforschenden  Gestdlsehaft  veröffentlicht  wird  , 
und  das  Verständnis«  der  Details  vielfach  erst 
durch  die  Zeichnungen  vermittelt  werden  kann.  — 

In  den  anthropologischen  Sammlungen  zu  Krakau 
und  Thora  befinden  sich  Gefitssfragmente  von 
Oxhüft  stammend,  welche  das  dem  Steinzeitalter 
zugeschriebene  Schnurornament  zeigen.  Dies  ver- 
nnlassteden  Vortragenden  und  Hm.  Dr.  Lissauer 
zu  Forschungen  auf  dem  Terrain  in  der  Gegend  , 
von  Oxhöft , welche  Hr.  Dr.  Fröling  demnächst 
in  5 Excursionen  weiter  fortsetzte.  Es  fanden 
sich  zunächst  in  der  Niederung,  im  Kielauer 
Brach  längs  den  beiden  Ufern  der  Kielau  an 
verschiedenen  Stellen,  welche  von  Wind  und 
Regen  durchfurcht  waren  fs  bis  1 Meter  unter 
der  jetzigen  Oberfläche  des  Bodens  eine  20 — 40 


cm  mächtige  Kulturschicht , bestehend  aus  einem 
Gemenge  von  Kohlen,  Saud,  Humus,  welche 
Einschlüsse  von  Thonseherben  zu  Tausenden  ent- 
i hielt.  Diese  Gefässreste  traten  znfolge  von  Wit- 
terungseinflüssen auch  vielfach  zu  Tage.  Nach 
den  Formen  und  sonstigen  in  dem  Vortrag  näher 
entwickelten  Gründen  zu  schließen,  rühren  jene 
Scherben  nicht  von  Grahumen  her,  sondern  es 
siud  die  Reste  von  Geschirren  zum  täglichen 
Gebrauch.  Wir  finden  Formen,  die  Terrinen, 
Tassen,  Schalen  und  Töpfen  entsprechen.  Die 
Technik  anlangend,  giebt  es  einige  sehr  plump 
und  ungeschickt  gearbeitete  Geschirr- Reste , bei 
welchen  die  Anwendung  der  Töpferscheibe  aus- 
geschlossen werden  muss,  die  überwiegende  Mehr- 
zahl scheint  dagegen  auf  der  Töpferscheibe,  oder 
wenigstens  nach  einer  Methode  angefertigt  zu 
sein,  die  das  zu  formende  GefUss  auf  entspre- 
chender Unterlage  in  notirende  Bewegungen  ver- 
setzte. Die  Geschirre  wurden  jedenfalls  in  der 
Nähe  ihres  jetzigen  Fundortes , wo  noch  heute 
I in  Lagern  trefflichen  Thons  das  Material  reichlich 
vorhanden  ist,  und  wohl  auch  von  einheimischen 
Töpfern  angefertigt..  Die  Formen  und  Verzier- 
ungen gehören  jener  Kulturperiode  an , welche 
wir  nach  Vircbow  als  die  Zeit  des  Burgwall- 
Typus  bezeichnen.  Von  hohem  Interesse  erscheint 
j die  Ornamentik  der  GefÄssreste.  Wir  müssen 
dabei  im  Auge  behalten , dass  wir  es  mit  den 
bescheidenen  Anfängen  einer  Industrie  zu  thun 
haben,  welche  erst  im  Laufe  der  Zeit  sich  zu 
einer  höheren  Stufe  hinnufschwang.  Zwar  herrscht 
noch  eine  grosse  Armuth  von  Motiven , zwar  ist 
die  Zeiclinuug  noch  in  der  Regel  ungeschickt 
und  mit  unsicherer  Hand  entworfen  und  durch- 
geführt , aber  wir  erkennen  darin  schon  das  er- 
wachende Stilgefühl  und  es  erregt  nicht  selten 
unsere  Verwunderung,  wenn  wir  sehen,  mit  wie 
geringen  Mitteln  gefällige  Muster  erzeugt  wurden. 
Die  verschiedenen  Ornamente  setzen  sich  aus 
wenigen  Grundelementen  zusammen : Linien , grade, 
als  Wellen,  im  Zickzack  verlaufend,  Punkte, 
Grübchen,  kurze  oder  lange  Furchen.  Die  Ver- 
wendung dieser  Grundtypen  in  der  mannigfach- 
sten Zusammensetzung  bringt  einfache  wie  rei- 
chere geschmackvolle  Verzierungen  zum  Vorschein. 
Die  Muster  sind  entweder  flach  eingeritzt  oder 
tiefer  eingegrnben  und  kräftiger  behandelt.  Auf 
einzelnen  Bruchstücken  finden  sich  Kreise  von 
7 — 8 mm  Durchmesser,  die  auscheihend  mit 
einem  hohlen  cylindrischeu  scharfrandigen  Instru- 
ment etwa  1 nun  tief  in  die  Fläche  eingegraben 
worden  sind.  Bei  anderen  Verzierungen  sind 
ovale  »Stäbchenstompei  augewendet  worden.  Es 
muss  auffallen , dass  wir  bei  den  Ornamenten 


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die  Nachahmung  organischer  Gebilde,  z.  B.  der 
Pflanze  entnommen,  fast  gänzlich  vermissen. 
Keine  BlÄtt^r,  Blumen,  Früchte,  Banken.  Wir 
könnten  freilich  bei  den  bald  rund,  bald  oval 
oder  eüanzettförmig  wie  Blättchen  gestalteten 
Eindrücken  dergleichen  vertnuthen , aber  bestimmt 
tritt  dieses  fast  nirgends  hervor.  Obwohl  die 
Formen  mancher  GeftUse  durch  ihre  pingefalzten 
Ränder  auf  den  Gebrauch  von  Deckeln  hindeuten, 
ist  unter  den  Funden  kein  Fragment  eines  Deckels 
vorhanden.  Waren  sie  vielleicht  aus  einem  leichter 
zerstörbaren  Material,  etwa  aus  Holz  hergestellt, 
und  fielen  so  einem  schnelleren  Untergange 
anheim  ? 

Es  muss  ferner  autfallen,  dass  noch  keine 
Henkel  oder  auch  nur  henkelähnliche  Ansätze 
und  Handhaben  endeckt  wurden  , während  selbst 
die  weit  unvollkommeneren  Gefässe  früherer  Kul- 
turperioden (z.  B.  der  Steinzeit)  solche  aufweisen. 
Es  beruht  das  wohl  auf  Tradition  oder  heimi- 
schem Brauch , wenigstens  auf  denselben  Ur- 
sachen, welche  auch  die  charakteristische  Form 
und  die  spezifisch  typische  Ornamentik  zur  Folge 
hatte,  und  beide  trotz  aller  Abweichungen  im 
Einzelnen  während  der  ganzen  Periode  im  We- 
sentlichen beibehielt.  Wir  kommen  zu  dem 
Schlüsse , dass  trotz  der  Arinuth  an  Motiven, 
trotz  der  geringen  Unterschiede  in  den  Formen, 
trotz  des  starren  Festhaltens  an  , wie  es  scheint, 
überlieferten  Typen , sich  die  prähistorische 
Töpferei  unserer  Gegend  zu  hoher  ßlttthe  auf- 
schwang  und  innerhalb  der  vorhandenen  engen 
Schranken  Anerkennungswerthes  leistete.  Wie 
laDge  die  Industrie  bestand,  und  wodurch  sie 
unterging , wissen  wir  nicht , wollen  wir  uns 
nicht  durch  die  Burgwall-Funde  anderer  Gegendeu, 
deren  Chronologie  sicherer  gestellt  ist,  leiten 
lassen.  Dass  viele  Jahrhunderte,  vielleicht  ein 
Jahrtausend  darüber  verging  , beweist  die  fast 
4 Fass  starke  Sandschicht  , welche  eine  dem  un- 
fruchtbaren Sande  abgerungene  Kulturscbicbt  und 
in  ihr  die  so  lange  unbeachtet  gebliebenen  Spuren 
einer  untergegangenen  Industrie  gleichsam  mit 
einem  dichten  Bahrtuche  zudeckte.  Die  Decke 
lüftet  sich , das  Auferstehungsfest  ist  eingeleitet. 

Bei  den  Scherben  mit  Sehnurornament  von 
Oxhöft,  welche  sich  in  den  Sammlungen  zu 
Krakau  und  Thorn  vorfinden,  wird  angegeben, 
dass  dieselben  von  Kiöckenmüddinger  (Haufen 
von  Abfällen  von  Nahrungsmitteln  und  Gegen- 
ständen des  häuslichen  Gebrauches)  herrühreu. 
Um  diesen  interessanten  prähistorischen  Kultur- 
resten auf  die  Spur  zu  kommen,  wendete  sich 
der  Voitragende  an  Hrn.  Kaplan  Rüscznialski, 
welcher  sich  schon  seit  Jahren  mit  der  Erfor- 


1 schling  des  Termins  bezüglich  vorgeschichtlicher 
Alterthümer  mit  grossem  Erfolge  beschäftigt  hat. 

, Herr  R.  theilte  bereitwillig  die  gewonnenen  Er- 
I fahrungen  mit.  Wiewohl  Herr  R.  seine  Funde 
bisher  vorzugsweise  den  Sammlungen  in  Thorn 
zugewendet  hat,  dachte  er  doch  unbefangen 
1 genug,  unsere  Forschungen  nicht  als  unliebsame 
Coneurrenz  auf/.u lassen , sondern  im  Interesse  der 
gemeinsamen  Wissenschaft,  deren  Resultate  ja 
Allen  zu  Gute  kommen , in  anerkennungswerther 
1 Weise  zu  fördern,  wofür  der  Vortragende  öflent- 
1 lieh  seinen  Dank  ausspricht.  Die  von  Herrn 
Kaplan  R.  als  Fundort  der  Kiöekerniöddinger 
I bezeichnte  üertlichkeit  liegt  in  der  Nähe  des 
Ozliöfter  Leuchtthurms.  Durch  unvorsichtiges 
Ausgraben  der  erratischen  Blöcke  aus  der  steilen 
Lehm  wand  des  Ufers  war  hier  das  Erdreich  auf 
einer  Länge  von  etwa  80—100  Schritten  einge- 
stürzt und  zum  Theil  bis  an  den  Strand  gerollt, 
wo  seine  Einschlüsse  zur  Entdeckung  des  angeb- 
lichen Kiöckenmöddinger  führten.  Die  in  Ge- 
meinschaft mit  Herrn  K.  und  später  mit  Herrn 
Realschullehrer  Schnitze  bewirkten  Untersuch- 
ungen , wobei  auch  der  Herr  Leuchtthurms-Auf- 
seher  seine  freundliche  Unterstützung  lieh , er- 
gaben, dass  eine  30—40  Centimeter  mächtige 
Kulturschicht , welche  in  einer  Länge  von  50 
Schritten  einschliesslich  der  Abrutsche  sorgfältig 
abgesucht  wurde , Scherben  und  auch  einige 
Knochen  beherbergt. 

Unter  den  Scherben  finden  sich  solche  aas 
1 älteren  Kulturperioden  und  solche  aus  neuester 
Zeit.  Die  wenig  zahlreichen  Knochen  vom  Schaf, 
Schwein  u.  s.  w.  erscheinen  nicht  alt,  und  kön- 
nen möglicherweise  in  neuerer  Zeit  mit  Dung- 
stoffen auf  den  Acker  gekommen  sein.  Di«  äl- 
teren Scherben  zeigen  den  Burgwall-Typus  zum 
Theil  allerdings  in  seiner  reichsten  und  edelsten 
Entwicklung.  Spuren  der  Steinzeit,  wie  Feuer- 
steinsplitter oder  Scherben  mit  den  für  diese  Zeit 
charakteristischen  Ornamenten  fanden  sich  nicht 
j vor.  Hiernach  dürfte  die  Annahme  eines  Kiöcken- 
möddingers  an  der  bezeichneten  Stelle  keineswegs 
I bestätigt  sein. 

Hr.  Oaplan  R.  begleitete  den  Vortragenden 
hierauf  zum  sogenannten  „heiligen  Berg.“  Er 
lagert  sich  gegen  Süden  der  Oxhöfter  Kämpe 
i vor,  und  ist  nach  Norden  durch  einen  tiefen 
Thaleinschnitt  von  ihr  getrennt.  Es  wurden  dort 
vor  Jahren  kreuzweise  über  einander  gelagerte 
Schichten  verkohlten  Holzes  gefunden  , welche  ein 
industrieller  Schmied  in  OxhÖft  für  sein  Geschäft 
ausgebeutet  haben  soll.  Es  sollen  daselbst  auch 
früher  zahlreiche  Urnen  mit  verbrannten  Men- 
schenknochen-Resten zum  Vorschein  gekommen 


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sein.  Hr.  I)r.  FrÖling  und  Hr.  Realschullehrer 
Schultz  e haben  auch  dieses  Terrain  sorgfältig 
durchforscht.  Es  fanden  sich  wieder  Scherben 
aus  verschiedenen  Zeiten  stammend  vor.  Nur 
ein  Theil  konnte  von  Graburnen  herrdhren,  und 
diese  zeigten  überwiegend  den  älteren  Burgwall- 
Typus.  Dagegen  wurden  andere  Gefiässreste  ent- 
deckt , welche  nach  Technik  und  Verzierung  auf 
ein  höheres  Alter  Anspruch  machen  durften, 
darunter  zwei  Sorten,  welche  zumal  bei  ihrem 
Vorkommen  mit  sehr  zahlreichen  Feuersteinsplit-  I 
tern  von  honiggelber  Farbe  und  einem  nach  sol- 
cher Absplitterung  zurückgebliebenen  Steinkern 
offenbar  auf  die  Steinzeit  hin  weisen.  Das  vom 
Professor  Behrendt  aus  dem  Kiöckenmöddinger 
bei  Tolkemit  entnommene  GeftlssstUck  mit  Orna- 
ment von  Reiben  eingedrückter  Stäbchen  , gleicht 
einem  hier  gefundenen  Scherben.  Auf  zweierlei 
Bruchstücken  von  GeHissen  fand  sich  das  der 
Steinzeit  eigentümliche  Schnurornament.  Der 
Custos  des  Thorncr  polnischen  Museums  hatte 
früher  dem  Vortragenden  einen  Scherben  mit 
Sclmurornament  geschenkt.  Die  Vergleichung 
mit  den  hier  gefundenen  Stücken  ergab  eine  ' 
solche  llebereinstiuimung , dass  man  auf  dieselbe 
Fundstelle  schließen,  ja  sogar  anuehmen  kann, 
dass  sie  einem  Geläss  entstammen.  Auch  die 
anderen,  angeblich  von  einem  Oxhöfter  Kiücken- 
müddinger  herstammendon  Bruchstücke  mit  Or- 
namenten aus  der  Steinzeit  stimmen  mit  den 
Funden  des  heiligen  Berges  vollständig  überein, 
während  sie  von  den  Scherben  am  LeuchtG.urm 
wesentlich  unterschieden  sind.  Die  interessanten 
Forschungen  auf  dem  Oxhöfter  Terrain  werden,  [ 
sobald  es  die  Jahreszeit  erlaubt,  fortgesetzt  wer- 
den, und  zweifellos  noch  weitere  hoch  wichtige 
Beiträge  zur  Kunde  der  Vorzeit  liefern.  Die 
bereits  erlangten  Resultate  enthalten  schon  sehr 
werthvolle  Belege  zur  Geschichte  der  prähistor- 
ischen Keramik  und  Ornamentik. 


11.  Anthropologische  Gesellschaft  in  Leipzig. 

In  der  Sitzung  vom  1.  Juni  hielt  Herr  Di- 
rektor Hasse  einen  Vortrag  über  das  Zwei- 
kindersystem. 

Anknüpfend  au  die  in  den  letzten  zwei  Jahren 
erschienene  ansehnliche  Literatur  über  die  Ein- 
führung des  Zweikindersysteineg  in  Deutschland 
als  eines  Palliativmittels  gegen  die  Uebervölker- 
ung  erörterte  der  Redner  die  für  und  gegen  das- 
selbe sprechenden  Gründe.  Von  Interesse  war 
dor  Hinweis,  da»>  neuerdings  die  französischen 
Schriftsteller  (Gibert , Levaseur,  Bertillon)  sich 
einstimmig  gegen  das  in  Frankreich  herrschende 
Zweikindersysteiu  aussprechen  und  in  ihm  die 


| Quelle  nicht  nur  der  socialen  Missstände,  sondern 
j auch  der  strategischen  Misserfolge  (namentlich 
mH  Hinweis  auf  die  Rekrutenaushebungen)  zu 
erkennen  glauben. 

Seine  eigenen  Anschauungen  fasste  der  Red- 
ner in  folgenden  Resolutionen  zusammen : 

1)  Die  sittliche  Schuld,  Kinder  in  die  Welt 
zu  setzen,  ohne  dieselben  ernähren  zu  können,  ist 
grösser,  als  diejenige  des  präventiven  geschlecht- 
lichen Verkehrs.  Wer  sich  deshalb  eine  absolut«* 
Enthaltung  nicht  aufzuerlegen  vermag,  wird  unter 
zwei  Uebeln  das  kleinere  zu  wählen  haben. 

2)  Die  öffentliche  Empfehlung  des  Zwei- 
kindersystems und  des  präventiven  geschlecht- 
lichen Verkehrs  ist  zu  verwerfen,  weil  sie  un- 
sittlich ist,  unsittlich  wirkt  und  gegen  das  In- 
teresse der  Gesammthoit  verstüsst. 

3)  Eine  allgemeinere  Verbreitung  des  Zwei- 
kindersy  st  eines  würde  nicht  bei  den  proletarischen 
Klassen,  welche  desselben  am  meisten  bedürftig 
wären,  Platz  greifen,  sondern  zuerst  und  zumeist 
bei  den  wohlhabenden  Klassen  der  Bevölkerung, 
welche  die  Mittel  und  deshalb  die  Pflicht  haben, 
eine  möglichst  grosse  Zahl  gesunder  und  gebil- 
deter Staatsbürger  aufzuerziehen. 

4)  Für  den  Staat  ist  die  Uebervölkerung  ein 
kleineres  Gabel,  als  die  Untervölkerung,  da  seine 
Stärke  znm  Theil  in  einer  grossen  Einwohnerzahl 
besteht. 

5)  Da  Uöbervölkerungon  thatsächlich  nur  vor- 
übergehende Zustände  zu  sein  pflegen,  bedarf  es 
im  Interejise  der  Gesammtheit  auch  nur  vor- 
übergehender Palliativmittel.  Ein  solches  ist  die 
Auswanderung.  Dieselbe  kann  für  die  Gesammt- 
heit.  nutzbringend  gemacht  werden  , während  die 
Einführung  des  Zweikindersystemes  den  Orga- 
nismus des  ganzen  Volkes  schädigen  würde.  Von 
präventiven  Massregeln  gegen  die  Uebervölkerung 
kann  nur  eine  gewohnheitsmäßige  Verzögerung 
der  Eheschliessung  empfohlen  werden. 

Io  der  an  den  Vortrag  sich  anschliessenden 
Debatte  hob  Herr  Dr.  Andree  den  schädlichen 
Einfluss  eines  präventiven  geschlechtlichen  Ver- 
kehrs bei  Naturvölkern  hervor.  So  stirbt  auf 
den  Südseeinseln  die  Bevölkerung  infolge  der 
Präventivmassregeln  aus:  ein  Verhältniss , das 
andererseits  auch  in  auffälliger  Weise  sich  bei 
den  dem  Zweikindersystem  huldigenden  Sieben- 
bürger Sachsen  durch  Zurückgehen  der  Bevölker- 
ungsziffer kund  gibt.  Auch  Herr  Dr.  Obst  be- 
tonte aus  eigener  Anschauung  das  Vordringen 
das  wallachischen  Elementes  in  den  Grenzgebieten 
der  Siebenbürger  Sachsen  und  den  degenerirenden 
Einfluss , welchen  das  Zweikindersystem  auf  die 
physische  Consitution  letzterer  ausübt. 


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71 


Literaturbericht. 

I) i'ut m'Iip  l'rwlt  tob  Wilhelm  Arnold. 

2.  Auflauf,  Gotha.  Fr.  A.  Fort li er  1 H80. 

E.  S.  Es  freut  uns,  die  zweit«  Auflage  dieses 
interessanten  Buches  nnzeigen  und  empfehlen  zu 
können.  Der  durch  seine  Ansiedlung  und 
Wanderung  deutscher  Stämme,  zu- 
meist nach  hessischen  Ortsnamen 
rühmlich  bekannte  Verfasser  gibt  in  der  deut- 
schen Urzeit  eine  äusserst  anregend  geschrie- 
bene Geschichte  der  deutschen  Stämme  und  ihrer 
Gesittung,  hauptsächlich  seit  der  Zeit  als  sie  mit 
den  Römern  in  Berührung  kamen  bis  zur  Gründ- 
ung der  fränkischen  Monarchie.  Es  behandelt  so- 
mit das  Buch  weniger  die  deutsche  Urzeit , als 
den  Kampf  mit  den  Römern  bis  in  die  Völker- 
wanderung hinein,  und  von  der  eigentlichen  Ur- 
zeit handelt  nur  das  erste  Kapitel,  das  die  vor- 
geschichtlichen Wanderungen  aus  der  ursprüng- 
lichen arischen  Heimath  behandelt  an  Hand 
linguistischer  Studien.  Die  andern  7 Kapitel 
handeln : vom  Kampf  mit  den  Römern  , vom 
Pfahlgraben  und  dessen  Bedeutung,  von  der  Bild- 
ung der  neuen  Stämme,  von  der  Kulturstufe  der 
alten  Deutschen , von  ihrem  Kriegswesen , von 
ihrer  Verfassung  und  ihrem  Recht,  vom  Glauben 
und  geistigen  Leben. 

Der  Leser  wird  in  dem  äussorst  anregend  ge- 
schriebenen Buche  eine  Fülle  geistreicher  Be- 
merkungen finden  , von  denen  wir  nur  eine  hier 
herausheben  wollen , dass  nämlich  der  von  den 
Römern  gegen  die  streitbaren  Germanen  errichtete 
Pfahlgraben  die  Germanen  befähigte , an  dem 
Vortheil  der  Gesittung  und  Bildung  Theil  zu 
nehmen , da  derselbe  die  Veranlassung  wurde, 
dass  die  deutschen  Stämme  das  hnlbnomndische 
Leben  aufgeben  mussten,  sie  zu  Ansiedlung  und 
Ackerbau  nötbigend.  Wir  empfehlen  das  Buch 
auf s Angelegentlichste  allen  Gebildeten. 

Stö  hr. 

Kleinere  Mittheilungen. 

Eigentümlicher  Gebrauch  bei  Beerdigungen 

im  Posen’schen.  Bei  Beerdigungen  herrscht  hier- 
selbst  unter  der  polnischen  Bevölkerung,  wie  ich 
dieser  Tage  erfuhr,  folgender  eigentümliche  Ge- 
brauch , der  z.  Th.  offenbar  in  die  heidnischen 
Zeiten  zurückreicht.  Wenn  der  Zug  mit  einer 
Leiche  an  einen  Kreuzweg  kommt,  so  wird 
halt  gemacht  und  ein  Vers  gesungen.  Während 
dessen  werden  ein  paar  Töpfe  mit  Wasser,  welche 
man  zu  dem  Zweck  mitgenommen,  in  aller  Stille 
zur  Reite  des  betr.  Kreuzweges  niedergesetzt. 
Die  dies  ausgeftlhrt , kehren  dann  um , wälirend 
der  übrige  Zug  sich  weiter  bewegt. 


Bedenkt  man , dass  allgemein  nach  altem 
Volksglauben  bei  den  Kreuzwegen  die  Geister 
ihr  Wesen  treiben , so  hat  man  in  dem  ge- 
schilderten Faktum  offenbar  den  Ueherrest  eines 
alten  Kultusgebrauches.  Auch  utn  Hnrz  soll 
Aehnliches , wie  ich  zufällig  nachträglich  höre, 
üblich  sein.  Es  wäre  interessant  zu  crmittelu, 
ob  sich  dies  bestätigt  und  der  Gebrauch  etwa 
überhaupt  weiter  reicht  und  sich  noch  andere 
neue  Momente  daran  schlicssen.  Hierauf  die  Auf- 
merksamkeit zu  lenken , ist  der  Zweck  dieser 
Zeilen. 

Aura.  Ali*  Wuttke*»  . Deutschem  Volk«aU*r- 
glauhen"  Berlin  1809  möchte  ich  zur  Auffassung  den 
obigen  Gebrauch»  zwei  Momente  heranziehen.  8.  4Ö‘> 
heisst  es  daselbst:  „ln  (MpreusHen  wird,  wenn  der 
iAPichenzug  Aber  die  Itorfgrenze  oder  Tiber  einen  K reuz- 
w eg  gebt,  ein  H a u fen  S t rn  h dorthin  gelegt,  damit 
der  Todte.  wenn  er  in  seine  frühere  Wohnung  heim- 
kehrt, auf  demselben  «ich  ausruhen  könne.* 
Dcsgl.  S.  440  aus  Mähren:  „her  letzt  Verstorbene 
muss  «len  l’ebrigen  so  lange  Wasser  auf  den  Kirch- 
hof tragen,  hi«  ihn  ein  umlerer  davon  befreit  lablöst  l*  — 
die  Tödtvn  verlangen  nlw>  darnach.  Vereinen  wir 
beides,  so  ergebe  sieb  etwa  Folgendes:  Wie  die  Geister 
an  «len  Kreuzwegen,  wie  schon  oben  erwähnt,  ihr 
Wesen  treiben,  so  sorgte  man,  wie  es  scheint,  dafür, 
«lass  «1er  Geist  «lej«  jüngst  Ver*torh«*nen  dort  er,  eine 
R u h e st  ät  te  und  falls  ihn  «Iflrste  , Wtmer  fände, 
ebenso  wie  man  ja  auch  eine  Trinkschale  mit 
in*»  Grab  gab,  ja  sogar  anderweitig  «-inen  Weg  vom 
Grube  bis  zum  nächst  en  Wasser  anlcgte . damit 
es  dem  Todten,  im  Falle  er  durntc,  erleichtert 
werde,  einen  'Prunk  zu  finden.*  (».  meinen  Aufs,  über 
den  prähistorischen  Osten  iin  Ausland  v.  ,1.  1879 
8.  127.) 

Posen.  Dr.  W,  Schwarz. 


Höhlenuntersuchuogen. 

1 . Eine  Tropfstein  höhle  mit  einer  Masse 
von  Thier-  und  Menschenknochen  ist,  der  russischen 
„Set.  Petersburger  Ztg.*  zufolge , im  südöstlichen 
Kayon  de»  ArbeitsbcsirkoH  der  MonLuncxjicdition  im 
mittleren  Ural  gefunden  worden.  Professor  Karpinsk  i 
hat  die  Beschreibung  des  Fundes,  welcher  der  sibi- 
rischen Formation  angehört  übernommen. 

Freiberg  i.  B. 

von  der  W engen. 


2.  Aus  Mähren,  1.  Juli  1879  schreibt  man  «1er 
„Augab.  Allg.  Ztg.“ : Seit  mehreren  Monaten  werden 
auf  «lein  Berge  Kotonisch  bei  Stramberg  in  Mähren 
Ausgrabungen  vorgenommen,  lau  welchen  inter- 
essante und  für  die  Wissenschaft  höchst  bedeutende 
Resultate  erzielt  wurden:  dieselben  werden  vom  Herrn 
Realschullehrer  Karl  I.  Musch ka  in  Nentitachein  in 
systematischer  allen  Anforderungen  der  Wissenschaft 
entsprechender  Weise  durchgeflihrt.  Namentlich  sind 
es  die  beiden  Höhlen  S ch  i p k a und  T sc  h c r t o w a 
l>ira  (auch  Zwergenhöhle  genannt),  welche  die  Auf- 
merksamkeit des  Forschers  auf  sich  lenkten  und  that- 
sttchlich  vollste  Beachtung  verdienen,  indem  es  schon 


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jetzt  durch  die  hei  den  Ausgrabungen  zu  Tage  ge-  I 
brachten  Objekte  und  durch  die  Verhältnisse,  unter  J 
welchen  diese  gefunden  wurden,  erwiesen  ist,  dass  1 
beide  Hohlen  von  Menschen  in  vorgeschichtlicher  Zeit  \ 
liewohnt  waren  und  /war  die  erste,  deren  Decke  zum  j 
Tbeil  einge»türzt  ist,  in  der  ältesten  Steinzeit,  (in  der 
paliiolit bischen  Zeit),  die  andere  in  einer  späteren 
Zeit,  als  der  Mensch  schon  einige  Kenntnis*  «er  Me- 
talle hesass.  Es  ist  ferner  evident,  dass  der  Mensch 
dort  gleichzeitig  mit  dem  Mammut li  und  Höhlenbär 
gelebt  hat  , indem  beispielsw'cise  verbrannte  und  be- 
arbeitete Knochen  noch  l Meter  unter  den  Kesten  I 
dieser  Thiere  sich  vorfanden.  Die  Fände  in  der 
SehipkahOhle  bestehen  an*  Tausenden  von  Knochen  vor- 
siindfluthlu  her  Thiere  als:  Maimmith  , Rhinoceroa, 
Höhlenbär.  Pferd,  Urstier,  Hirsch,  Rennthier  u.  *.  w., 
Tausenden  von  losen  Zähnen  dieser  Thiere , Geweihen, 
zahlreichen  schön  erhaltenen  Stein-  und  Knochenwerk-  j 
zeugen,  welche  Gegenstände  bis  $ Meter  unter  der  | 
Oberfläche  gefunden  wurden.  Ausserdem  wurden  in  I 
der  obersten  Schichte  sieben  Bronzegegenstände  ge-  | 
fanden  und  zwar  ein  Hohlbeil  tCelt)  fünf  ioneentri*che 
Ringe  und  ein  King  mit  einem  rechtwinkeligen  Kreuze  | 
(Rad  mit  vier  Speichen),  ln  der  Tschertowa  Dir»  | 
wurden  gefunden:  Knochen  von  Höhlenbär.  Rennthier.  1 
Edelhirsch,  Rind  u.  *.  w.,  zahlreiche  aucli  bearbeitete  1 
Geweihstücke , viele  sehr  gut  erhaltene  Beingeräthe 
und  Werkzeuge,  al«:  durchbohrte  Nadeln,  Pfriemen, 
drei-  und  vierkantige  Pfeilspitzen , rohe  und  nicht 
polirt«  Steinwerkzeuge  von  Feuerstein,  Jaspis  und 
C'hulcedon , Fragmente  von  den  verschiedenartigsten  1 
Thongefassen . mit  und  ohne  Graphitflberzug,  aus 
freier  Hand  ohne  Benutzung  der  Töpferscheibe  ver-  , 
fertigt  und  mit  charakt eristischen  Ornamenten  ver- 
sehen , sowie  auch  dreikantige  Bronzepfeilsp'tzen  mit 
einem  Giftloch,  durchbohrte  Zähne,  Muscheln,  Schleif- 
steine, Spinnwirtel  u.  s.  w.  Auf  dem  Scheitel  des 
Berges  oberhalb  dieser  Höhle  ist  inan  auf  ausgedehnte 
Brandstätten  gestossen.  und  es  fanden  sich  unmittelbar 
unter  dem  Rasen  nebst  zahllosen  Thonscherben  auch 
Scherben  von  Graphitgefitaicn  , Steinwerkzeuge , da- 
runter ein  1 1 1 Millimeter  langes  Messer  und  eine 
durchbohrte  |M>lirtt*  Kugel,  ferner  verschiedene  Bronze- 
nnd  Eisengegens* itndc.  Dr.  Max  Bartels.  ( 



Schwanzbildung  beim  Menschen. 

(Entgegnung.) 

Der  von  Herrn  Dr.  von  Ihering  redigirte,  , 
im  Corresponden/.-Blatte  laufender  Jahrgang,  Nr.  5 
nbgedruckte  Sitzungsbericht  de*  leipziger  anthro- 
pologischen Vereins  vom  20.  Febr.  d.  J.  bringt 
einen  vom  Herrn  Prof.  H i s gehaltenen  Vortrag  | 
über  die  Entwickelung  des  Steigsheins  j 
beim  Menschen  und  über  die  Deutung  der  j 


in  der  Literatur  als  Schwanzbildung 
beim  Menschen  angeführten  Fälle. 
Was  die  Ausführungen  des  Herrn  His  über  die 
anatomischen  Verhältnisse  der  regio  coccygea  und 
die  daraus  gezogenen  Folgerungen  anlangt,  so 
fühle  ich  keinen  Beruf  einer  Frage  an  dieser 
Stelle  näher  zu  treten,  welche  noch  für  längere 
Zeit  weit  eren  fach Wissenschaft  liehen  Erörterungen 
an  heim  fallen  dürfte.  Doch  will  ich  mir  die  Be- 
merkung erlauben,  dass  der  Unterschied  zwischen 
der,  wenn  auch  schwankenden  doch  meistentheils 
geringeren,  Zahl  der  persistenten  Steissbeinwirbel*) 
und  den  34  gleichsam  typischen  Wirbelsegmenten 
des  menschlichen  Embryo  die  von  Herrn  Prof. 
A.  Ecker  für  diesen  Entwicklungsvorgang  ge- 
wählte Bezeichnung  „Rückbildung,  Reduction“  zu 
rechtfertigen  scheint.  Auch  rücksicbtlich  des 
SchwanzbegrifTcs  glaube  ich  der  Eck  er' sehen 
Anschauung  beistimmen  zu  müssen,  nach  welcher 
die  Benennung  der  bei  verschiedenen  Tbieren  ver- 
schieden geformten  Caudalunhänge  in  erster  Linie 
der  äussern  Form  nnd  nicht  dem  innern  Bau 
derselben  entnommen  wird. 

Es  überraschte  mich,  dass  Herr  His  in  seinem 
Vortrage  über  geschwänzte  Menschen  den  von  mir 
Ende  Juli  v.  J.  beobachteten,  im  August  photo- 
graphirten  und  beschriebenen  und  in  der  Sitzung 
der  berliner  anthropologischen  Gesellschaft  vom 
1 g.-Oc  tober  18  7 9 zur  Mittheilung  gekom- 
menen, von  pathologischen  Complicationen  ganz 
freien  Fall  mit  Stillschweigen  übergeht.  Mich 
dünkt,  dass  die  photographische  Abbildung  meioes 
Falls  keine  geringere  Beachtung  verdient  hätte, 
als  die  von  ihm  erwähnten  im  Holzstich  und  als 
Lichtbild  dargestellten  Fälle.  Ich  scheue  mich 
nicht,  der  Ueberzeugung  Ausdruck  zu  geben,  dass 
ich  als  ehrlicher  und  rüstiger  Beobachter  auf  dem 
Gebiete  der  Secraltric  kosen  auch  für  meinen  Fall 
von  Schwanzbildung  das  Recht  beanspruchen  darf 
in  der  einschlägigen  Literatur  angeführt,  zu  werden. 

Athen,  im  Juni  1880. 

_ Dr.  Bernhard  0 r n s t e i n , Chefarzt. 

*)  Ich  hals*  in  4 Fällen  das  Schwanzbein  sogar 
nur  au»  .*5  Stücken  bestehend  constatirt.  Hierunter 
zählt  das  im  hiesigen  Militärspital  aufgestellte  Skelet 
eines  Negers, 


Deutsche  anthropologische  Gesellschaft 


Mittheiluug  an  die  Mitglieder. 


Wir  wir  zu  unserer  Freude  erfuhren,  besteht  die  gegründete  Hoffnung , dass  Seine 
KK.  Hoheit  der  Kronprinz  des  Deutschen  Reiches  und  von  Preussen  in  Person  die  prähistorische 
Ausstellung  am  5.  August  I.  Js.  eröffnen  werde.  — 


Wir  werden  ersucht,  die  Reihenfolge  der  Mitglieder  der  Vorstandschaft,  wie  sie  im  Einludungs- 
programm  zur  XI.  allgemeinen  Versammlung  gegeben  wurde,  richtig  zu  stellen: 

I.  Vorsitzender:  II r.  Vlrchow,  II. : llr.  Koker,  III.:  Hr.  Frau»,  <!en.-Sekrct.:  Hr.  Baake,  SchaUmeist. : Hr.  Weimuaai. 
Druck  der  Akademischen  Buchdruckern  ron  F.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Redaktion  an  IT.  Juli  1880. 


Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Bcdigiri  ron  Professor  Pr.  Johannes  Ranke  in  München, 

Gn\fral*Kr*iär  der  Gtnü*ch<3j%- 

Nr.  9,  10  & 11.*)  Erscheint  jeden  Monat.  Sej)t.,  Okt.  U.  NoV.  1880. 

Bericht  über  die  XL  allgemeine  Versammlung  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft  zu  Berlin 

vom  5. — 12.  August 

in  Verbindung:  mit  der  ersten  Ausstellung  vorgeschichtlicher  und 
anthropologischer  Funde  Deutschlands 

vom  5. — 21.  August  1880. 

Nach  stenographischen  Aufzeichnungen 
redigirt  von 

Professor  Dr.  Johannes  Hanke  in  München 

Generalsekretär  der  Gesellschaft. 

I. 

Tagesordnung  und  Verlauf  der  XI.  allgemeinen  Versammlung. 

Mittwoch  den  4-  August.  Nachmittags  von  4 Uhr  an  Anmeldung  der  Theilnehmer  an  der 
Versammlung  im  Bureau  der  Geschäftsführung  im  Abgeordnetenhause.  Abends  7 Uhr  gesellige  Zu- 
sammenkunft in  den  Räumen  des  Leipziger  Gartens,  Begrüssung  der  Gäste  durch  die  Lokalkommission. 

Donnerstag  den  y.  August.  Von  9,10—12,45:  I.  Sitzung  im  Sitzungssaale  des  Ab- 
geordnetenhauses. 

Um  10l/s  Uhr  Vorstellung  der  Vorstandschaft,  der  Lokalgeschäfteführer  und  der  Ausstellungs- 
kommission vor  Ihren  Kaiserlichen  und  Königlichen  Hoheiten : dem  Kronprinzen  des  Deutschen 

Reiches  und  Kronprinzen  von  Preussen,  dom  Protektor  der  Ausstellung,  der  Kronprinzessin 
des  Deutschen  Reiche«  und  Kronprinzessin  von  Preussen  mit  dem  Erbprinzen  von  Sachsen- Meinigen 

Um  10*/4  Uhr.  Fortsetzung  der  I.  Sitzung  unter  Anwesenheit  der  Kaiserlichen  und  König- 
lichen Hoheiten.  Um  12  Uhr  Eröffnung  der  Ausstellung  prähistorischer  und  anthro- 
pologischer Funde  Deutschlands  in  den  Räumen  des  Abgeordnetenhauses  durch  den 
Protektor  derselben  Seiner  Kaiserliche  und  Königliche  Hoheit  den  Kronprinzen 
des  Deutschen  Reiches  und  Kronprinzen  von  Preussen  und  eingehende  Besichtigung 
derselben  durch  die  Kaiserlichen  und  Königlichen  Hoheiten  unter  Fühlung  der  Vorstandschaftsmitglieder. 

Um  5 Uhr  gemeinschaftliches  Festmahl  im  zoologischen  Garten. 

•)  Nr.  V — H dt»a  (!orrnsi>ondenzblattes  mit  dem  Bericht  bestehen  analog  wie  in  den  Vorjahren  au* 
den  2 vorliegenden  Bogen  und  den  20  Bogen  der  separatgedrnckten  und  schon  versendeten  Verhandlungen 
der  XI.  allgemeinen  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte 
zu  Berlin  im  August  1H80  in  stenographischer  Aufzeichnung. 

10 


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74 


Freitag  don  6.  August.  Von  9 — 1 Uhr:  II.  Sitzung.  Dann  Besichtigung  der  anatomisch- 
ethnologischen und  der  paläontologischen  Sammlung  der  Universität.  Nachmittags  Besichtigung  der 
ethnologischen,  altnordischen  und  aegyptisehen  Abtheilung  des  Königlichen  Museum’s. 

Um  7 Uhr:  Ausserordentliche  Sitzung  der  geographischen  Gesellschaft 
in  dem  Saale  des  Architektenhauses  zur  BegrQssung  der  Deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft.  Abends  gesellige  Zusammenkunft  im  Leipziger  Garten. 

Sonnabend  den  7.  August.  Von  8 — 9 '/*  Uhr  Anatomische  Conferenz.  Von  9 V*  — 1 2 Uhr 

III.  Sitzung.  Dann  Besichtigung  des  Antiquariums  und  der  Pergamenischen  Funde  im  Königlichen 
Museum,  der  Ausgrabungen  von  Olympia  im  Campo  Santo  am  Dom  und  der  indischen  Sammlungen 
in  der  alten  Börse.  Nachmittags  Besichtigung  dos  Pathologischen  Instituts  und  der  osteologischen 
Sammlung  der  anthropologischen  Gesellschaft  in  der  Charite.  Daselbst  im  Aufträge  des  abwesenden 
Herrn  Professors  Dr.  Munk  Demonstration  eines  Affen  mit  artificischcm  Defekt  beider  Stirnhirne 
und  eines  anderen  mit  Defekt  des  einen  Stirnhirns,  eines  Hundes  mit  Defekt  beider  Hinterhnupts- 
lnppen  und  eines  anderen  mit  Defekt  des  einen  Hinterhauptslappens.  Besichtigung  der  geologischen 
Landesanstalt,  der  Anatomie  und  Thierarxneisehule  und  des  Physiologischen  Institus.  Abends  gesellige 
Zusammenkunft  im  Restaurant,  Stadt  park. 

Sonntng  den  8-  August.  Spreewald-Ausflug.  Abfahrt  mittelst  Extrazugs  vom  Görlitzer 
Bahnhof  um  5,15  Uhr  Morgens,  Ankunft  in  Vetschau  um  7,30.  Wagenfahrt  nach  dom  grossen 
wendischen  Dorfe  Burg,  um  7 Uhr  Kirchgang  der  Wenden,  dann  Untersuchung  und  Ausgrabung 
eine«  vorwendischen  Gräberfeldes  am  „Lütchenberg“  in  nächster  Nähe  des  Dorfes,  Urnen  mit  Leichen- 
brand und  Bronze  fast  ohne  Eisen.  Wagenfahrt  nach  dem  , »Burgberg  bei  Burg“,  wo  dessen  Boden 
und  Wall  durch  mehrere  1 — 3 Meter  tiefe  Aufschlüsse  anschaulich  gemacht  waren.  Frühstück  im 
Freien  in  Burg.  Vierstündige  Kahnfahrt  auf  40  von  je  einem  Schiffer  stehend  mit  einer  Ruderstange 
gestossenen  Kähnen,  voran  ein  Musikkahn,  durch  die  schönsten  Partien  des  Spreewaldes  an  Eiche 
vorüber  über  Lehde  nach  Lübbenau.  Gegen  7 Uhr  Festessen  im  Schützenhaus  zu  Lübbenau.  Abfahrt 
nach  Berlin  um  9,20,  Ankunft  in  Berlin  um  11  */*  Uhr. 

Montag  den  9.  August.  Von  8—10  Uhr  Cramometrische  Conferenz.  Von  10 — 1 Uhr 

IV.  Sitzung.  Von  1 — 3 Uhr  Besuch  des  Märkischen  Provinzial-Museums , Besichtigung  der  im 
Münzkabinet  des  Königlichen  Museums  veranstalteten  Special uusstellung  der  keltischen  und  altwendischen 
Münzen ; Besuch  des  christlichen  Museums  in  der  Universität. 

Uin  3 Uhr  BegriLssungsfeier  des  Freiherrn  von  Nordenskioeld  im  Festsaale  des  Rathhauses. 

Um  4 Uhr  Festessen  zu  Ehren  der  Herren  Schliemann  und  von  Nordenskioeld  im 
Saale  de«  Kaiserhofs.  Abends  gesellige  Zusammenkunft  in  Treptow,  bengalische  Beleuchtung  der 
Stralowcr  Kirche.  Konzert  der  GardescliUtzen-Kapelle. 

Dienstag  den  10.  August.  Morgens  8 — 9 Uhr  Craniometrische  Konferenz.  Von  9 — 12  Uhr 

V.  Sitzung.  Nachmittags  1 — 3 Uhr  Besichtigung  des  Königlichen  Schlosses  und  der  Waffensammlung 
Sr.  Königlichen  Hoheit  des  Prinzen  Karl  im  Palais  am  Wilhelmsplatz. 

Um  2 Uhr  waren  die  Mitglieder  der  Vorstandschaft,  der  Lokalgeschäftsftihrung  und  der 
Ausstellungskommission  mit  den  Herren  Schliemann,  von  Nordenskiöld  und  von  Hoch- 
stetter  znm  Diner  im  Neuen  Palais  in  Potsdam  geladen  bei  Ihren  Kaiserlichen  und  Königlichen 
Hoheiten  dem  Kronprinzen  und  der  Kronprinzessin  des  deutschen  Reichs  und  von  Preussen. 

Um  4 Uhr  Mittagessen  der  übrigen  Congressmitglieder  und  dann  gemeinsames  geselliges 
Zusammensein  in  der  Flora  in  Charlottenburg. 

Mittwoch  den  11.  August.  VI.  Schlusssitzung  von  Morgens  8,20  — 3,30  Nachmittags. 
Besichtigung  des  Zoologischen  Museums  in  der  Universität  und  de«  Kunstgewerbemuseums.  Abends 
7 Uhr  gesellige  Zusammenkunft  in  Tivoli  auf  dem  Kreuzberg. 

Donnerstag  den  12.  August.  Ausflug  nach  Potsdam  und  der  „Römerschanze.4*  Besich- 
tigung des  Parkes  und  Schlosses  von  Sanssouci , der  Altert, hümer-Sammlung  Sr.  Kaiserlichen  und 
Königlichen  Hoheit  das  Prinzen  Karl  des  Schlosse«  und  Parkes  von  Glienicke.  Mittagessen  in 
Glienicke.  Dampfschifffahrt  von  der  Glien icker-Brücke  nach  der  „Römerschanze.“  Mit  lebhafter 
Begeisterung  aufgenommene  Ankunft  Ihrer  Kaiserlichen  und  Königlichen  Hoheiten  des  Kronprinzen 
und  der  Kronprinzessin  mit  Prinzessin  Tochter  nud  Besichtigung  der  Ausgrabungen;  Vorträge 
durch  strömenden  Regen  unterbrochen.  Dampferfahrt  bei  sich  aufheiterndem  Himmel,  endlich  bei 
vollem  Sonnenschein  nach  Waunsee,  gemeinsames  Abendessen  daselbst.  Ankunft  in  Berlin  gegen  1 1 Chr. 


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Organisation  der  Deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  bei  der  XI.  Versammlung. 

Protektor  der  Ausstellung: 

Seine  Kaiserliche  und  Königliche  Hoheit  der  Kronprinz  des  Deutschen  Reiches 
und  Kronprinz  von  Freussen. 


Vorstand  der  Gesellschaft : 

I.  Vorsitzender : Geh.  Kath  Professor  Dr.  Virchow  (Berlin). 

II.  Vorsitzender:  Geh.  Rath  Professor  Dr.  Ecker  {Freiburg). 

III.  Vorsitzender:  Professor  Dr,  Fraas  (Stuttgart). 

Generalsekretär:  Professor  Dr.  J.  Ranke  (München). 
Schatzmeister:  Oberlehrer  Weis  manu  (München). 


Lokal-GoKehäft  sflihrer : 

Dr.  A.  Voss.  Direktorial-Assistent  am  Königl.  Museum. 
Stadtrath  E.  Friede!,  Direktor  des  Märkischen  Museums. 


Ansxt  ellnng»-komm  I sslon : 


Geh. Rath  Prof.  Dr.  Virchow,  Vorsitzender. 
Generalsekretär  Professor  Dr.  J.  Ranke. 
Dr.  A.  Voss. 

Stadtrath  E.  Friedei. 

Banapier  W.  Ritter,  Schatzmeister. 

I»r.  F.  Jagor. 

Landgerichtsrath  Rosenberg. 


Baurath  Professor  Ende. 

Dr.  Max  Kuhn. 

Buchhändler  C.  Künne. 

Apotheker  Reichert. 

Geh.  Rechnungsrath  Kleinachmidt. 
Fräulein  J.  Mestorf. 

Architekt  Krause. 


Gesehäfts-Komniläsion : 


Stadtrath  E.  Friedei,  Vorsitzender. 

Dr.  Nacbtigal. 

Dr.  Ed.  Thorner. 

L.  Alfieri. 

Lieutenant  W.  r.  Schalenburg. 
Abgeordneter  Dr.  P.  Langerbaus  sen. 
Laodgerichtsrath  Hollmaun. 
Baumeister  Grnnert 
Schriftsteller  A.  Woldt 


Kaufmann  William  SchÖulank. 
Geh.  Justizrath  Deegen. 

Geh.  Rcgierungmth  Di.  Meitzen. 
Dr.  phil.  Kurtz. 

Maler  Schulz-Marienburg. 

Dr.  med.  Körbin. 

Dr.  med.  Bartels. 

Kustos  Bachholz 


A.  Verzeichnis«  der  Aussteller 

bei  der  Ausstellung  vorgeschichtlicher  und  anthropologischer  Funde  Deutschlands. 


Aachen,  Städtisches  Muiwm 

Adolph,  Städtisches  Mnvcum,  Tborn. 

Abrendts,  Hermann.  Müncheberg, 

Alten,  v,  Excel  lenz.  Oberkammerherr,  Con- 
»ervator,  Oldenburg. 

Altena,  Westfalen,  Vereins-Sammlung. 

Altenburg,  Sammlung  der  Geschieht»-  and 
A3  ten  bum ‘forsch  enden  Gesellschaft  des 
Osterl  andes. 

Altona.  Sammlung  d Herrn  Oberst lien'-errant 
Franke. 

Altona.  Städtisches  Museum. 

Alvensleben.  »■,  Udn,  Ri»<-rgut*b**iljef 
and  Hauptmann  ».  D..  Schollene. 

Alzey  bei  Bingen.  Sammlung  Je*  Herrn 
Postnirector  Wimmer. 

Andrtt,  I>r.,  Castos,  Bonn 

Andrer.  Dr.,  Lcipsig. 

Anger,  l)r..  Städtisches  Museum,  Elbing. 


Arolsen,  Sammlung  Sr.  Durchlaucht  dos 
Fürsten  su  Waldeck  und  Pyrmont. 
Asche flfnburg.  Städtische  Sammlungen. 
Augsburg.  Maximilians-Museum. 

Aurich.  Sammlung  des  Herrn  Seminar  lehrer 
brande«. 

babneke,  Dr..  Gymna»  -Director,bückeburg. 
Hach,  M , Conservator,  Ulm. 

Hahtfeldt  Lieutenant,  Stade. 

Jlaicr.  I)r.  K.,  Sradlbibliothekar,  Stralsund. 
Balve,  Sammlung  d.  H.  Apotheker  Kremer 
Bamberg,  Kttnigl  Natura lirnkabinet. 
Baumann,  Prof.  Dr.  K , Mannheim. 

H&ur,  Ulrich,  München, 

Bautzen,  Sammlung  des  H Kud.  Reinhardt. 
Beissel,  lg.,  Aachen. 

Beltz,  Dr.,  Schwerin. 

Berlin,  Sammlung  des  Herrn  Geh.  Med.- 
Rath  Prof.  Dr.  Virchow. 


berlin,  Sammlung  dos  Herrn  Landgerichts- 
Rath  Kosenberg. 

Berlin , Sammlung  der  Anthropologischen 
Gesellschaft. 

Berlin,  Nachbildungen  prähistorischer  Ge- 
fässe  und  Gerätbe. 

Berlin,  Reinig).  Museum. 

Berl  n,  Runatgewerke- Muse  tun. 

Durlin,  Märkisc  e»  Proviaztal- M mi'iio. 

Berlin,  Ausstellung  des  Hern*  Maler  J.  R. 
Schdi-Marioubarg. 

Bernbnrg,  Sammlung  des  Vereins  für  Ge- 
schiebt«  und  Altert humskunde. 

Bets,  Dr  F.,  Vorst*«, d,  Heilbronn. 

Biere,  Kr.  Calbo,  Sammlung  des  Herrn 
Lehrer  Rabe. 

Biscboff,  Dr.,  Dürkheim  a H. 

Blansko  bei  Brünn,  Sammlung  des  Herrn 
Dr.  Wanket, 

10* 


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Blasius,  Prof,  Dr..  Braue schweig. 

Blell , Rittergutsbesitzer  auf  TQngen  bei 
Wormditt 

Bonn,  Anatom.  Sammlung  der  Universität. 

Bonn,  Museum  des  Natur  bittorischen  V errins 
der  Rbeintande  und  Westfalen. 

Bonn.  CoUeetiv-Ausstellnng. 

Bornemann,  Dr.,  Kisenacb. 

Hortfeld,  Brandenburg  a.H. 

Boruwko,  Kr.  Kotten,  Sammlung  de*  Herrn 
v.  Delhae« 

Borries,  Oberst  ».  D , Weistenfels. 

Bracht,  K , Maler,  Karlsruhe  l./B. 

Brandenburg,  Sammlung  des  Herrn  Bortfeld. 

Brandenburg  a.  H.,  Sammlung  des  bisto* 
rischen  Vereins. 

Brandenburg  a.  H , Sammlung  des  Herrn 
G Stimming. 

Brandes,  Semiaarlcbrer,  Au  rieh. 

Braun  schweig,  Herzogi  Museum. 

Braunschweig,  Städtisches  Museum. 

Braunschweig , Herzogi.  Naturhistorisches 
Museum 

Brecht,  Bürgermeister,  Quedlinburg. 

Bremen,  Sammlung  des  Herrn  S.  A.  Poppe. 

Bremen.  Städtische  Sammlungen  für  Natur 
geschieht«  und  Ethnographie 

Bretlau,  Museum  schlesischer  Alterthiimer. 

Breslau,  Sammlung  des  Herrn  Sanitätsrath 
Grempler. 

Brinckmunn,  Dr.  Justus.  Director,  Hamburg. 

Broili,  Apotheker,  Ascbaffenburg. 

Hroos , Siebenbürgen,  Sammlung  de*  Frl. 
Sof  v Torrn* 

Bruno,  Fürst  zu  Isenburg  und  Büdingen  in 
Büdingen. 

Brückner, Dr,  San  -Kath.  Nenbrandenburg. 

Büchner,  Dr  C,.  Giessen. 

Budach,  H„  Greifswald. 

Budgc,  Prof.  Dr  , Greifswald. 

Hückeburg,  Sammlung  des  König!.  Bergrath 
r-  D.  Fieiherrn  v.  L>iickcr. 

BUckeburg,  Sammlung  des  Fürst) . Gym- 
nasium Adolfinum. 

Büdingen,  Sammlung  Sr  Durchlaucht  des 
Fürsten  Bruno  zu  Isenburg  und  Büdingen. 

Hujack.  Dr.,  Königsberg 

Hurgiteinfurt,  Sammlung  des  Fürst  1.  Hause» 
Bentheim  und  Steinfurt. 

von  dem  Husscbe-Streithorxt , Freiherr, 
Thal«  a-.'H. 

Calau,  Collectsv- Ausstellung  von  Fand- 
gegenständen  au*  dem  Kreise  Calau. 

Calbe  a.  d.  Mddc,  Sammlung  d«s  Herrn 
Obcrprediger  Müller. 

Cammin  i.'Pomm.,  Domgemeinde. 

Cammin  i.  I’omn, , Sendung  des  Herrrn 
Superintendenten  Mein  hold. 

Carlowitz.  v..  Generalmajor,  Dresden. 

Caro,  Dr.,  Dresden 

Carwe , Sammlung  de*  Herrn  von  dem 
Knesebeck. 

Cassel,  Sammlung  des  König!,  Museums 
u.  des  Vereins  für  Hessische  Geschichte. 

Cbaxloitenburg  bei  Berlin,  Sammlung  des 
Herrn  Stadtrath  N.  M.  Witt- 

Coburg.  Sammlung  de»  Anthropologischen 
Vereins  zu  Coburg. 

Cobau<en,  v , Oberst  t.  D.,  Conservator, 
Wiesbaden. 

Conradi,  Kreisrichter  a D , Miltenberg. 

Conwenti,  Dr.,  Director  des  West-Preussl- 
schen  Provinzial* Museums 

Cornilt,  O-,  Conservator,  Frankfurt  a.  M. 

CUstrm,  Sammlung  des  Herrn  Hauptmann 
von  Kamieoski. 

Dahlem,  Pfarrer,  Kegensburg. 

Danzig,  West-Preuss.  Provinzial-Museum. 

U. irinstadt,  Grossherzogi  Museum. 

Delhac»,  v.,  Brröwko,  Kr.  Kosten. 

Dessau.  Sammlung  d.  Herrn  Rentier  Fraude. 

Detmold,  Sammlung  des  naturwissenschaft- 
lichen Verein». 

Dcnaucschingen,  Fürst!.  Fürstenberg’sches 
Museum 

Dorpat,  Anal oroi»  he  Anstalt  der  Universität. 

Dresden,  Sammlung  de«  Herrn  Dr.  Car'’. 

Dresden , Sammlung  des  Königl.  Säch»- 
Alterthums- Verein», 

Dresden , König).  Mineralog.-geologisches 
und  prähistorische*  Museum. 


Dresden,  Königl.  ethnologisches  Museum. 
Dreyssigarker,  Postdirector  a.  D. 

Dücker,  Freiherr  F.  r.,  Königl.  Prenss. 

Bergrath  a.  P.,  Bückebur  g. 

Dürkheim,  Sammlung  der  Fodichia. 

| Dürkheim  a H,  Sammluug  des  Aherthums- 
Vereins. 

Duisburg,  Sammlung  de»  Herrn  Prof.  Dr. 
Gentbe. 

! Ecker,  Prof  Dr.,  Hofrath,  Freiburg. 

Ehlers,  Tbieraizt,  Soltau. 

| Eisei,  K.,  Gera. 

I Eisei,  K , VoigtländischeT  Verein. 

| Eisenach,  Ausstellung  d.  H Dr.  Bornemann. 
Klbing,  Städtisches  Museum 
F.mden.  Sammlung  der  Gesellschaft  für 
bildende  Kunst  and  vaterländische 
Altei  thüraer 

, Kmden,  Natur forsrhende  Gesellschaft. 

Ems,  Sammlung  de*  Herrn  A-  Vogclsberger. 
Erfurt,  Sammlung  des  Geschieht»-  u.  Alter- 
thumsvereins. 

Ernst,  Kaufmann,  Seblieben 
Eschen b urg.  Dr.,  Director  u Sen.-Secrelair. 
Essen  a.  Ruhr,  Sammlung  des  Herrn  Dr, 
med.  F-.  Schmidt- 
Essen  wein,  Director,  Nürnberg 
Fehlall,  Rittergutsbesitzer , Nendorf,  Kr. 
Samter. 

Feldmanowski,  Director  Dr , Posen 
Ferber,  Dr..  Hamburg. 

Fibelkorn,  Gutsbesitzer,  Warmhof  bei  Mewo. 
Fischer,  Hofrath  Prof.  Dr. 

Fischer,  Pr.,  Kealschuldirector,  Bernburg. 

; Flach,  A-,  Guben. 

Florkowski.  C. 

Fraas,  Prof  l>r.  0..  Stuttgart 
Frankel,  Sanitätsrath  Dr.  M , Wernburg 
Frank.  K-, Königl. Oberförster, Scbussenricd. 

! Franke,  Oberst icutenant,  Altona. 

Frankfurt  a./M. , Sammlung  des  Herrn  Dr. 
H Lmmeran 

Frankfurt  a.,'M. , Sammlung  des  Herrn  C. 

A Milan! 

I Frankfurt  a.  M , Städtische  bist.  Sammlung. 

| Frankfurt  a-i'O-,  Sammlung  des  historischen 
Verein». 

I Fraude,  Rentier,  Dessau 

1 Frauenburg,  Sammlung  des  historischen 
Vereins  für  Ermland. 

i Freiburg,  Museum  für  Urgeschichte  und 
Ethnographie  an  d.  Universität  Freiburg. 

| Freiburg.  Anatomische  Anstalt  der  Gross- 
b erzog  I Badischen  Universität  Freiburg. 
Fritsch,  Prof.  Dr.  v,  Halte 
Fulda,  Sammlung  des  Herrn  Kaufmann 
Lang  an  Stuckbauten. 

Fulda,  Sammlung  des  Frei  Herrn  A.  r.  Kje- 
descl  zu  Eisenbach  auf  Stockhausen. 
Fulda.  Sammlung  d Verein»  f.  Naturkunde- 
Fulda,  Sammlung  des  Herrn  K Hassetikamp. 
Fulda,  Simmlung  der  ständischen  Lande*  - 
bibliotbek. 

Garbe,  Gross-,  Sammlung  des  Herrn  Guts- 
besitzer Sieber. 

Garcis,  Dr.,  Giessen. 

Gelnitz,  Dr.  H B.,  Dresden. 

Gentbe,  Prof.  Dr.,  Duisburg 
Gera,  Sammlung  dos  Herrn  M.  Jahr. 

Gera,  Sammlung  des  Herrn  M Korn. 
Giessen,  San  mlung  des  Oberbessiscben 
Vereins  für  Lokalgescbichte. 

Göhring,  O-,  Ingenieur,  Lautercrken(Pfals) 
Göttingen,  Samml.  d.  Herrn  Dr.  Pannenberg. 
Gotische,  Dr.,  Altona. 

, Graba.  v„  Hauptmann,  Magdeburg. 
Graudenz,  Sammlung  des  Herrn  Scharlrk. 
Graudenz,  Ausstnll  r Herr  C.  Florkowski. 
Greifswald , Anatomisches  Institut  der 
Universität. 

Greifswald,  Vereinigte  Sammlung  der  Uni- 
versität und  des  Rügisch-Poramerschrn 
Geschichts*  Vereins, 

Greifswald,  Sammlung  des  Herrn  G.  Budach.  ' 
Grempler,  Sanitätsrath  Dr.,  Breslau. 
t»ros»e,  Justizratb.  Alton  bürg. 

Grupp,  Dr.,  Brandenbu’g  a.H 
Gubrn,  Collect  -Ausstell-  aus  Privatbesitz. 
Guben,  Sammlung  des  Herrn  stud,  theol. 
Sühnel 

Guben,  Sammlung  des  Gymnasiums. 


Gusow  bei  Soelow,  Sammlung  des  Herrn 
Rentmeister  W.  Wallbaum. 

Ha.ikb,  Director  Prof.  l>r.,  Stuttgart. 
Haenscben,  Alex.,  Taubach. 

Hänselmann,  Dr,  Stadt- Archivar. 

Hagenau  i.>TL,  Abbildungen  von  Gegen- 
ständen aus  der  Sammlung  des  Herrn 
Bürgermeister  H.  Nessel. 

j Halberstadt,  Sammlung  des  Herrn  Prediger 
Dr.  Zscbiesche 

Hall  i.W.,  Sammlung  des  histor.  Vereins 
für  Württemberg  Franken. 

1 Halle  a.  S..  Köulgl  Academischrs  Minera- 
logisches Museum. 

: Halle.  Samml.  des  Thüringisch-Sächsischen 
Geschickt»-  und  Alterthumsvereins. 

| Halle,  Samml.  d.  Herrn  Kaufmann  Potzelt. 
Halle  a .'S. , Sammlung  des  Herrn  Obcr- 
postdirector  Warnerke. 

Halle  «.iS.,  Anatom.  Institut  d.  Universität. 
Halle  »iS,,  Ausstellung  de*  Herrn  Dr.  E. 
Riebrck. 

Hamburg,  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe. 
Hamburg,  Sammlung  des  Herrn  Dr.  Ferber. 
Hammeran,  Dr , Frankfurt  a M. 

Hanau,  Sammlung  de»  Bezirks-Verein»  für 
Hessische  Geschichte  und  Landeskunde 
in  Hanau. 

Handelmann,  Prof.  Dr.,  Kiel. 

Hannover,  Sammlung  dos  Herrn  Amtsrath 
C Struckmann. 

Hannover,  Provinzial-Museum. 

Hartmann,  Dr.,  Marne. 

H-trtmano,  F.,  Apotheker,  Tellingstedt. 
Hassenkamp,  E , Fulda. 

Haupt,  Pro!.  Dr,,  Bamberg. 

Haus  Jessen,  Kr.  Sorau , Sammlung  des 
Herrn  Rittmeister  a.  D.  Krug. 
Hausmann,  Academie-Director  und  Con- 
servator,  Hanau. 

Heilbronn,  Sammlung  de«  bislor  Vereins. 
Heintzel,  Dr.  C.,  Chemiker,  Lüneburg. 
Hellinghaus,  Dr.,  Ver.-Secr.,  Münster i.-W, 
Herbst,  Dr.  G.,  Geh.  Finanzrath,  Weimar 
Hettnrr,  Dr,  Director,  Trier. 

Ilildesheim,  Städtisches  Museum. 
Hilsenbcrg,  Oberförster,  Wehlen. 

Hippauf,  Dr.,  Kreisscbulinspector,  Ostrowo. 
Hirscbfeld  , v. , Re^ierungsratb , Marien- 
werder, bistor.  \ ereln. 

Hoesch,  H-,  Nenmüble. 
llofmann,  Prof  Dr.  R.,  Director,  Darmstadt. 
Hohenleuben,  Sammlung  des  He.rrn  K.  Eisei 
in  Gera. 

Hohenleuben,  Samml.  des  Voigtländiscben 
altert  hum  - für  »ebenden  Vereins. 
Hopfgarten  Domänenr  ■ th,  Donaueschingeo. 
Jacob,  Dr.  G.,  Römhild. 

Jahr,  M , Sammlung  in  Gera. 

Juxdzevrjki,  L.  v.,  Rechtsanwalt,  Posen 
Jean,  Kaufmann,  Hirschberg  in  der  Pfalz. 
Jena,  Anatomische  Anstalt  der  Universität. 
Jena,  Germanisches  Museum 
J entseb.  Dr . Oberlehrer,  Guben. 
Ingolstadt,  Sammlung  des  histor.  Vereins. 
Kalcber,  Archiv-Secietair,  Landshut. 
Kumiciiski,  v.,  Hauptmann.  Lüstrin 
Karlsruhe,  Grosshcrzogl.  Badische  Staats- 
Alter  ihümer- Sammlung 
Kiel,  Museum  vaterländischer  Alterthümtr. 
Klopfletsch,  Prof.  Dr.,  Jena 
Knesebeck,  v. d-,  Rittergntsbes.  auf  Carwe. 
Koebl,  Dr.,  Pfeddersheim. 

Köhler,  G . Gubrn. 

KSHiker,  Geh.  Hofratb,  Prof.,  Würzburg. 
Königsberg,  Samml  vaterländischer  Alter- 
tbümer  bei  dem  König!.  Staatsarchiv 
Königsberg,  Provioiial-Museum  der  pby»  - 
öconom.  Gesellschaft,  Königsberg. 
Königsberg,  Sammlung  der  König!.  Ana- 
tomischen Anstalt  der  Universität. 
Königsberg.  Museum  il.  Altert hums-Gesell- 
schaft  ,,Prussia.“ 

Königsberg,  Sammlung  der  Firma  Susntim 
& Becker. 

Kollm,  Hauptmann,  Metz. 

Kolziglow.  Neu-,  bei  Barnow,  Ausstellung 
des  H.  Rittergutsbesitzer  v.  Puttkamrr. 
Korn,  C , Sammlung,  Gera. 

Korn,  G.,  Gera. 

Krahmer,  Dr.,  Gymnasial-Director,  Stendal. 


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Krauir,  Gcbr.  E.  & R-,  Berlin. 

Kreits,  A v,  Bibliothekar,  Fulda. 

Krämer,  Apotheker,  Balve 
Krug,  Rittmeister  j,  D.,  Haut  leiten. 
Kuchenbuch,  Aralsger.-Kath,  Müncheberg. 
Kühne,  L)r  , Oberlehrer,  Stettin. 

Künzcr,  Hürgermeut  r Pfordten  i(L. 
Kupffrr,  Prof.  Dr.,  Königsberg. 

Landshut,  Sammlung  de*  hittor.  Vereint 
▼od  Xicderbayero. 

Lang,  Kaufmann.  Steckbauten. 

Langbein,  G.,  Consistorialrath,  Vorttand 
in  Neuitrelitz 

Lapitz  bei  Ncubrandcnburg,  Sammlung  der 
Herrn  Neumann. 

Leemant,  Prof  Dr.,  Director,  Leiden, 
Lehe,  Sammlung  det  Herrn  H.  Scheper. 
Lebner,  1 >r.  v,,  Hofrath,  Director,  Sig- 
mari  ugen. 

Leiden.  Königl.  Reicht- Muzeum. 

Leipzig,  Museum  für  Völkerkunde. 

Leipzig,  Autttellung  det  Herrn  Dr  Andren. 
Leasing,  Director,  Prot  Dr.,  Berlin, 
[.immer,  F.,  Müggendorf. 

Lindentrhmit,  Prot  Dr.  L.,  Mainz. 
Loeffelboli  v.  Kelberg.  Frhr.  W.,  Archivar. 

Wallerslein. 

Luchs,  Dr.  H , Breslau. 

Ludwig,  Dr.  Hubert.  Bremen. 

Lübeck  , Sammlung  des  culturhiitnritchen 
Muteum*. 

Lüneburg,  Sammlung  de*  Chemiker*  Herrn 
Dr.  C.  Heinttel. 

Lüneburg,  Sammlung  des  Muteum»- Vereint. 
Lutterloh,  Pastor  in  Alvesse. 

Luttmersen  bei  Mandeltloh,  Sammlung  det 
Herrn  van  Stolzenberg. 

Maazten,  Lehrer,  Meldorf. 

M aasten,  W,  stud.  phil.,  Meldorf. 
Magdeburg , Sammlung  det  Herrn  Haupt- 
raaon  v.  Graba. 

Mainz.  Sammlungen  der  Stadt  und  det 
Alterthumsvercins,  vereinigt  mit  dem 
Kiuu  -Germanischen  Central-Museum*. 
Mannheim.  Grossberzogl.  Hofantiquarium. 
Marienwerder,  Sammlung  det  bist  Vereint. 
Marinnberg,  Samtnl-  det  H.  Dr.  Marsehall. 
Marne,  Sammlung  des  Herrn  Hartmann. 
Marsch  all,  Dr  , Sammlung  Marienburg. 
Mayrhofer.  Stabsarzt  Dr.,  Speier. 

Mehlis,  Dr.,  Dürkheim, 

Meiningen  , Sammlung  det  Henneberg. 
Alterthumvereina. 

Meinbold,  Superint.,  Cammin  in  Pommern. 
Meldorf,  Museum  dithmarsiseber  Alter- 
tbümer. 

Meldorf,  Sammlung  des  Herrn  stud-  phil. 
W.  Maatsen. 

Merkel,  Prof.  Dr.,  Rostock. 

Merseburg,  Alterthumtsamralung  de*  Pro- 
vinalaT- Verbandet  der  Pro*.  Sachsen, 
Mettorf,  Frl.  J. 

Metz,  Städtisches  Museum 
Meran,  Sammlung  des  Herrn  Dr. Toppeiner. 
Meyer,  Dr.  A B . Director.  Dresden. 
Meyer,  Th-,  Gymnasiallehrer,  Conservator, 
Lüneburg. 

Milam,  C.  A,  Frankfurt  a.  M 
Miltenberga  M , Alterthümersammlung  der 
Stadt  Miltenberg. 

Miltenberg,  Habel'tche  Sammlung  aof  der 
Burg  Milt,  nber g. 

Mockrauer  S.,  To*t. 

Müller,  Oberprediger,  Calbe 
Maller,  Dr.  J.  H.,  Studienrath,  Hannover. 
Müncheberg,  SammJ.  d.  Herrn  H.  Ahrendta. 
Müncheberg,  Sammlung  det  Vereint  für 
Heimathskunde. 

Müncheberg.  Sammlung  det  Herrn  Amu- 
gericht*r.ith  Kucbenbuch. 

M Uneben,  Anatomiscbet  Institut 
München,  Anthropologische  Gesellschaft. 
München,  Bayer  ethnographisches  Museum. 
München,  König).  Bayer.  National- Muteum. 
München.  Königl.  geologisches  Museum. 
Manchen,  hittcr  Verein  von  Oberbayern. 
München,  Autttellung  des  Herrn  Prof.  Dr. 
Ohlentchläger. 

München,  Sammlung  det  Herrn  Haar 
Münster,  Sammlung  det  Vereint  für  west- 
fälische Geschichte  u.  Altcrtbumtkunde. 


! Müggendorf,  Prtvatsammlung  de«  Herrn  I 
Friedr.  Limmer. 

Mummenthey,  Vereinsvorstand  zu  Altena, 
Westfalen. 

Nehring.  Alfred,  Oberlehrer,  Wolfenbüttel. 

Kessel,  II.,  Bürgermeister,  Hagenau  i.  E. 

Ncubrandeoburg,  Sammlung  des  Museanu* 
Vereint. 

Neudorf,  Kr.  Samter,  Sammlung  det  Herrn 
Kittergutsbesitzer  Fehlau. 

Neumann,  Lapitz  bei  Neubrandenburg.  i 

Neumühl  e bei  Waitcbenfeld,  Privattamml  j 
det  Herrn  H Hötcb. 

Neuitrelitz,  Grossberzogl.  Altertb. -Samml.  ; 

Neustrelitz  , Samml  det  Herrn  Medirinal-  I 
Rath  Dr.  Kudolpht. 

Nürnberg,  Germanisches  National- Mutoum. 

Ohlenschlager,  Prof.  Dr  , München. 

Oldenburg,  Grossberzogl.  Museum. 

Opel.  Prof.  Pr,  Halle. 

Osnabrück,  Samml.  det  Museum- Vereine. 

Oitermair,  Fr.  X-.  Krcfatsrath,  Ingolstadt 

Ostrowo,  Sammlung  de»  Herrn  Kreittcbul- 
Inspector  Dr,  Hipjpauf. 

Pannenberg,  Dr.  A.,  Göttingen. 

Petersdorff,  I>r  , Rector,  Prrutt.  Friedland. 

Pfeddersheim  bei  Worms , Sammlung  des 
Herrn  1*.  K*»*hl. 

1’fSrdten  i.  L.,  Sammlung  des  llerTti  Bürger- 
meister Künzer. 

Philippi.  l>r.,  Staattarcbivar,  Königsberg. 

Pindcr,  Ifr.,  Kgl.  Museums- Director,  Cassel. 

Polnisch- Peterwitz,  Sammlung  det  Herrn 
Commcrzicnrath  Dr.  Websky. 

Poppe,  S.  A.,  Bremen 

Puten,  Sammlung  det  Muteamt  der  Ge- 
sellschaft der  Freunde  der  Wissen* 
schäften. 

Pose».  Sammlung  det  Königl.  Friedrich- 
Wilhclros-Gymnaziurosu.  (Vivat -Samml. 
det  Herrn  Gymnasial- Director  Prof. 
Dt.  Schwärt«. 

Posen.  Sammlung  des  Herrn  Reebtzanwalt 
L.  v.  Jazdzewtki 

Potzelt,  Kaufmann,  Halle. 

Prem«.  Friedland,  Sammlung  des  Herrn 
Krctor  Dr.  Petersdorf. 

Puttkamer , ▼. , Rittergutsbesitzer,  Neu-  1 
Kolzigtow  bei  Harnuw. 

Pyl.  Prof.  Dr , Greifswald. 

Quedlinburg,  Alterthumisamml.  der  Stadt. 

Kal>e,  Lehrer,  Biere 

Ranke,  Job.,  Prof.,  München. 

Regentburg.  Sammlung  des  bistor.  Vereins. 

Reinhardt,  R.,  Bautzen. 

Riebeck.  Dr  E.,  Halle  a./S. 

Riedrsrl,  Freiherr  A.  v.,  Stockhausen  bei 
Fulda. 

Riemberg  bei  Obemigk,  Sammlung  det  ' 
Herrn  B Scholz. 

Römer,  Senator,  Hildesheim. 

Römbild,  Samml  det  Herrn  Dr,  G Jacob,  j 

Rosenberg,  Landgericbtsrath,  Berlin. 

Rostock  , Ethnographische  Sammlung  der  < 
Universität. 

Rostock . Sammlung  det  analom.  Instituts 
der  Universität. 

Rüsycki,  Dr.  v , Thorn.  Museum. 

Rudolpbi,  Dr.,  Medicinalrath . Neustrelitz. 

Rudolstadt.  Sammlung  Sr.  Durchlaucht  des 
Fürsten  zu  Schwarzburg-Rudolstadt. 

Rüdinger.  Prof  Dr.,  München. 

Saalborn,  Dr  . Scbtossprediger,  Sorau,  N -L. 

Sablon  bei  Metz.  Sammlung  des  Herrn 
W.  Mey. 

Salzwedel,  Sammlung  dr«  Altmärkischen 
Vereins  für  vaterländische  Geschichte. 

Schaff liauscn , Prof  Dr.t  Geh.  Medicinal- 
Rath,  Bonn. 

Scharink,  Sammlung,  Graudenz. 

Schau  fiele,  C-,  Conservator,  Hall  i«/W. 

Scheper,  H.,  Lebe. 

Scheppl  g,  Oberbaurath  a.D.,  Sonderthausen  j 

Schlichen.  Samml.  d.  Herrn  Kaufm.  Ernst. 

Schmidt  Dr.  E , Essen  a.  Ruhr. 

Schollene,  Sammlung  det  Herrn  Kitter* 
gottbo«itzer  und  Hauptmann  Udo  ▼.  J 
Alventlehen. 

Scholz,  B.,  Riemberg  bei  Obernigk. 

Schulz,  J.K.S.,  Maler,  Marienburg,  Berlin,  i 
Coppel. 


Scbutsenried,  Sammlung  det  Königl.  Ober 
fönte»  Herrn  E.  Frank. 

Schwabe,  l)r.,  Oberstabsarzt,  Weimar. 

Schwalbe,  Prof,  Dr.,  Jena 

Schwärt« , Prof.  Dr  , Gymnasial-Dircctor, 
Posen. 

Schwarzb.-Kudolst.,  Sr.  Durchlaucht  Fürst«. 

Schwarze,  Prorector,  Frankfurt  a..O. 

Schweifet,  Jot,  Augsburg. 

Schwerin,  Sammlung  det  Grossherzog  lieben 
Antiquariums  und  Mecklenburgischen 
Geschieh»-  Verein». 

Sieber,  Gutsbesitzer,  Gr,  Garb«. 

Siebe,  Dr  , Kreitphytikus,  Calau. 

Sigmanngm , Fümlich  Hohenzollcrnscbet 
Muteum. 

Slabotzewo,  Sammlung  det  Herrn  Ritter- 
gutsbesitzers Ticdemann. 

Stantien  Ü£  Becket,  Königsberg. 

Stic  Ja,  Prof.  Dr.,  Director,  Dorpat. 

Stolzenberg , v. , Kiliergutsbciitaer  auf 
Luttmersen 

Söhne),  stud.  theol..  Guben. 

Soidau,  Realschuldirector,  Giessen. 

Soltau,  Samml.  d.  Thierarztes  Herrn  Ehlers. 

Sondeishausen,  Sammlung  det  Vereins  für 
deutsche  Geseh  chtt-  u.  Altorth.- Kunde. 

Sorau,  N.-L.,  Ausstellung  de»  Herrn  Schloss- 
prcdigi  r Dr,  Saalboro. 

Spalding,  Kitterguubesitzer  auf  Teetzitz 
bei  Patzig  auf  Rügen. 

Speier,  Museum  dca  hist  Vereins  der  Pfalz. 

Stade,  Sammlung  des  Alterthumsvereins. 

Stauchitz  bei  Ricea,  Sammlung  Sr.  Eac. 
des  Herrn  Kammerherrn  v.  Zehmen. 

Stendal,  Samml.  des  Literarischen  Vereine. 

Stettin,  Sammlung  des  antiquarischen  Mu- 
seums der  Gesellschaft  für  Pommenich* 
Geschichte  und  AJtrrthumskuode. 

Stimming,  Ü.,  Brandenburg  a.,'H. 

Stock,  1 homaz,  Pfarrer,  Stockhausen. 

Stralsund . Provmzial-Museuui  Pdr  Neu 
Vorpommern  und  Rügen 

Strassburg , Sammlung  des  anatomischen 
Instituts  der  Universität 

Straub,  Canomcu»,  Suassburg. 

Struckmann,  C.,  Amtsrath. 

Stuttgart,  Königl.  Naturaheii-Kabinet- 

Stuttgart,  Königl.  Museum  vaterländischer 
AltenhUmer. 

Sznmowski,  AI. 

Taubacb  bei  Weimar,  Sammlung  de«  Herrn 
A Hanscben. 

Teetzitz  bei  Patzig  auf  Rügen,  Sammlung 
des  Herrn  Rittergutsbesitzer  Spalding. 

Tellingstedt.  Samml.  des  Herrn  Apotheker 
F.  Hattmann. 

Thal«  a.  Hart,  Sammlung  des  Freiberrn  v. 
d.  Busscho-Streithorst. 

Thorn,  Städtisches  Museum. 

Thorn,  Museum  des  Vereins  Towarzystwo 
Naukowe  und  Toraniu. 

Tiedemanu,  Rittergutsbesitzer,  Slabotzewo. 

Tischler,  Dr.  O.,  Königsberg. 

'Forma,  doli«  v.,  Broos,  Siebenbürgen. 

Tost,  Ausstellung  des  Herrn  S.  Mookrauer. 

Trier,  Sammlung  des  Provinzial-Museums. 

Tüngrn  bei  Wormditt,  Ausstellung  des 
Herrn  Blell. 

Ulm,  Sammlung  des  Vereins  für  Kunst  und 
Alterthum. 

Veitmann,  Dr , Staatxarcbivar  und  Con- 
servator, Osnabrück 

Vircbow,  Geh.  Mcdidnalratb,  Prof.  Dr , 
Berlin. 

Vogelsberger,  A.,  Ems, 

Voigtei,  Dr.,  Coburg. 

Vos*.  G.,  König).  Baurath,  Emden. 

Wagner,  Geh.  Hofrnth,  Dr.  E-,  Karlsruhe. 

Wagner,  Prof.  Dr.  M-,  München. 

Waldeck  n.  Pyrmont,  Sr.  Durchlaucht  der 
Fürst  zu, 

Waldeycr,  Prof.  Dr.,  Strassburg. 

Wallbaucu,  W. , Rentmeister,  Gusow  bei 
Seeiuw. 

Wallerstein , Kunst-  und  wissenschaftliche 
Sammlungen  des  Fürstlichen  Hauses 
Dettingen  - Wallerstem. 

Wanket,  Dr  , Blansko. 

Warmhof  bei  Mcwe , Herr  Gutsbesitzer 
Fibelkorn. 


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78 


Warnrcke,  Ober-Postdirector,  Halle. 

W»roke,  Georg,  Eversen. 

Warschau,  Ausstellung  de«  Herrn  Al 
Szumowski. 

Websky,  Dr..  Commerzienrath , Polnisch 
Petersritz 

Weertx,  Prof.  Dr.,  Di-tmold 

Wehlen,  Sammlung  de*  Herrn  K.  Itrarbt 
und  Oberförster  Hilscabcrg. 

Weimar,  Sammlung  dc9  Geh.  Finaozrath 
r>r.  Gustav  Herbst. 

Weimar,  Sammlung  des  Herrn  Oberstabs- 
arzt Dr.  Schwabe. 

Weinraann,  Jo*  , Schloss  Dhaun,  Reg.-Rez. 
Cobtens. 


Weissenborn,  Pro*,  t>r. 

Weissenfels,  Sammlung  des  Vereins  für 
Natur-  und  Altrrthumskunde. 

Welcker.  Prof.  Dr. 

Wiesbaden,  Sammlungen  de»  Königl.  Mu- 
seum« und  des  Vereins  für  Naisauische 
Alterthumsk.  u.  Geschichtsforschung. 

Wimmer,  Postdlrector,  Alzey  bei  Ringen. 

Witt,  N M , Stadtrath.  Charlottenburg. 

Wittkopt,  Pastor,  Moisburg. 

Wölky,  Dr . Domvikar,  Frauenburg. 

Wolfenbüttel,  Sammlung  de*  Ortsverein* 
für  Geschichte  und  Alterthumskuude. 

Wolfenbüttel , Sammlung  des  Herrn  Dr. 
phil.  A.  Nehmt«. 


Würdinger,  Major,  München. 

Würzburg,  historischer  Verein  von  Unter- 
frauken und  Aschaffenburg, 

Würzburg , Sammlung  der  Königlichen 
Anatomie. 

Xanten  a.  Kh..  Sammlung  de*  Niederrheta. 

Alterthum*-  V ernini. 

Zecblia,  Apotheker.  SaLzwedel. 

Zehnen,  v , Kammerherr,  Stauchitz. 
Ziegler.  Dr.  A.  G.,  WOrzburg. 
Zirnmcrinaun.  Dr.,  Wolfenbüttel. 

Zfttel,  Prof.  Df.,  Müncbeu. 

Zschiescbe,  Prediger.  Halberstadt. 


B.  Mitglieder- Verzeichnis»  der  XI.  Versammlung.*) 


Abarbanell,  Dr.  med.,  Sanitäts-Rath. 
Abbot.  Dr.  med. 

Abekmg,  Dr.  med 
Adler,  Dr.  med. 

Adler,  Geh,  Ober- Raurath. 

Ahrendta,  Partikulier,  Müncheberg. 

Albert,  Mai,  MudUchm. 

Albrecht,  Dr.,  Professor. 

Alfieri,  L. 

v.  Alten.  Kammerherr,  Oldenburg, 
v.  Alvensleben,  Rittergutsbesitzer,  Schol- 
lehne. 

Anger,  I)r.,  Elbing. 

Appel.  Ch  . Kaufmann. 

Ascberson,  P.,  l>r,  Professor. 

Äscherten.  F-,  Dr. , Kustos  an  der  Univer- 
sitäts-Bibliothek. 

Baron  v.  Auf*«**,  Rrichsbevollmächtigter 
für  Zölle  und  Steuern 
liaer.  Dr.  med.  Sanitsts-Rath. 

Raer,  G.  A-,  Kaufmann,  Manilla. 

Raier  , Dr. , Stadtbibliotbekar , Stralsund, 
Balmer,  Dr.,  Stabsarzt. 

Baltzcr.  Fabrikant. 

Rardeleben,  Dr.  Professor,  Jena* 

Bartels.  Dr.  med. 

Horti,  G.  C.,  Journalist. 

Rchla,  Dr  , Arzt,  Luckau. 

Hehn,  W.,  Maler,  Tempelhof  bei  Berlin, 
Reizsei,  Ign.,  Rentner,  Aachen. 

Reltt,  Kob.,  Dr.,  Gymnasiallehrer,  Schwerin 
i.  Mecklbg. 

Heren  dt,  Dr.,  Professor. 

Bergan,  L.,  Professor  Nürnberg, 

Hernard,  A.,  Dr. 

Bernhardt . Dr , prakt.  Arzt  und  Dozent. 
Bernhard)-,  Kaufmann- 
Beste],  Dr  , praktischer  Arzt. 

Bette,  Paul,  Vertr.  d.  Ges.  f v.  v fllt,  Kunst. 
Reuster,  Dr.,  Sanitätzrath. 

Reyncb,  Dr..  Geh  Rath,  Professor. 
Rirkbeck,  Norwich  in  England. 

Blasius.  Professor,  Hraunschweig. 

Hl  eil,  Kittergutsbes.,  Tilngen  b Wormditt. 
Htumenthal.  Dr.  mrd. 

Höckmann,  Rauraeis  err 
Roer  jun.,  Dr. 
r,  Boguslawski.  Dr. 

Böhm,  Meditlnal-Kath,  Magdeburg. 

Frlir.  v.  Bönig  k,  Königsberg  i.  Pr. 
v,  d.  Borne,  Rittergutsbesitzer,  Jtenjeuehen 
Krhr.  ▼.  Rranca,  Hauptmann,  Spandau. 
Braune,  Professor,  Leipzig, 
v.  Hrrdow,  Rittergutsbesitzer. 

Breslauer,  H , Dr.,  Professor. 

Rrodführrr,  Schuldirector,  Coburg. 
Rrodführrr,  Dr.,  Stabsarzt. 

Brönicke.  Dr. , Kustos  am  anatom  Institut. 
Brückner  Dr.,  Sanatatsrath,  Neubranden- 
burg. 

Brugscb-Rey,  II.,  Professor,  Cairo. 
Hrugsch,  E.,  Kon  »er*,  d.  ägvpt.  Museums, 
Cairo. 

Rrchn,  Osk  , Kaufmann.  Insterburg 
Rruhn,  Frau,  lost -r bürg 
Buchholz.  Apotheker. 

Hudczies,  Schulrorsteher. 

Rudach,  Utirmachcr,  Greifswald 

v.  Hunsen,  Dr. 

v.  Bunten,  T,  Legat. -Rath. 


Burger,  1.^  Professor. 

Busch.  Dr. 

BBtow,  Geh.  Kcchn.-Ratli 
Caro,  Dr..  Dresden. 

Castan.  L. 

Cohn,  Albert,  Dr. 

Collitz,  Dr. 

Conze,  Direktor.  Ubarl  Ottenburg 
Curtiu«,  Dr..  Geh  Rath  u.  Professor. 
Cwiklinski,  Ludwig,  Dr.,  Professor  u Kon- 
servator der  Centr. -Kommission  inWietl, 

Lemberg 

Dahlem,  Pfarrer,  Kegensbnrg. 

Dame*.  W.,  Dr . Professor, 
v.  Dechen,  Wirkt.  Geh-  Rath,  Bonn. 
Deegen,  Geh.  Jcstisrath 
Dehn.  P.,  Schriftsteller. 

Denso,  Landrichter. 

Dobrtie,  Dr.,  König],  Bibliothekar, 

Dönch,  Harry,  Rinteln. 

Dönitz,  Dr,  Professor,  Japan 

Frhr  v.  1 »Ücker,  Bergrath  a.  I»  , litte  kobarg 

Dziobek.  Major,  Charlottenburg. 

Ecker,  Dr, , Geb.  Rath  u.  Professor,  Frel- 
btirg  i,  Bf.,  IL  Vorsitzender. 

Eggel,  Dr 

Eggerts,  C.  G.,  Assistent  der  Landbau - 
Akademie,  Stockholm. 

Ehrenreich,  Cand.  med. 

Kichler,  Dr.,  Professor. 

Ellenbcrger,  Dr..  Professor,  Dresden. 
Eilenberger,  H,.  Rentner,  Elberfeld, 

Ende,  Haurath,  Professor. 

Engel,  L»r.,  Schriftsteller,  Röbel  i.  Mecklen- 
burg. 

r.  Eperjesy,  A..  Kammerherr. 

Erdmann,  Dr.,  Gymnatial-Lehrer,  Zllllichau. 
Eriksson,  J-,  Dr  , Botaniker,  Stockholm. 
Erslev,  Dr.,  Professor,  Kopenhagen. 
Eulenberg,  Geh.  Ob.-Mediz.  Rath. 

Euler,  C.  Dr.,  Professor. 

Ewald,  Dr.,  Dosent. 

Ewald.  E.,  Professor. 

Ewald,  J„  Dr.,  Mitglied  der  Akademie  der 
Wissenschaften, 
v.  Eye,  Dr. 

Falkenitein,  Dr.  med.,  Stabsarzt 
Feldmancwski , Dr  , Konservator  am  Poln. 

Nat.-  Museum,  Posen. 

Fink,  G..  Stadtrichter  a.  D„  München. 

Frhr  v.  Firckt,  Mitglied  d.  Königl.  Statist. 
Bureau*. 

Fischer,  l)r-,  Direktor,  Bornburg 
Florscliulz.  Dr  , Augenarzt,  Coburg. 
Förster,  Dr. 

Fraass,  Dr.,  Professor,  Stuttgart.  III.  Vor- 
sitzender. 

Frank,  Eugen,  K.  Wttrttcmb.  Oberlörster, 
Schussenrird. 

Fränkel,  Dr.,  praktischer  Arzt. 

Fr  Unkel,  Sanitäts-Rath,  Direktor.  Bernburg. 
Friedei,  K , Stadtra-.b,  Lukalgcschäftsfübrer. 
Friedencbsen,  L„  Sekretär  d.  g<  ographisch 
Gesellschaft.  Hamburg. 

Friedheim,  Kaufmann,  Crarlottenburg. 
Friedländer,  l>r.,  Apotheker. 

Fritsch,  Dr , Professur, 
v.  Fritsch.  Dr  . Professor,  Halle 
Fürstenheim,  Dr.  med. 

Furtwängler,  Dr. 


Gcim,  M..  Rsnquier. 

Gemitz,  Geh.  Hofrath.  Dresden. 

Geinitz,  Professor,  Rostock. 

Geliert.  K.,  Kaufmann,  Charlottenburg. 
Germer,  Bauinspektor. 

Gesenius,  Stadtältester. 

Gortt,  I>r.,  Ober- Medizinalrath,  NeastreltU- 
Gold«chmidt,  Heinr.,  Banquier. 
Goltdammer,  Dr.  med. 

Göppert,  Dr,  Geh.  Ob.- Keg. -Rath 
Goslicb,  Rentier. 

Grabower.  I>r. 

Grawitz,  Dr  med. 

ürrmpler.  Sanitäts-Kath,  Breslau. 

Grave,  Dr,  tnod. , prakt.  Arzt,  Tempelbof 
bei  Bor  1 in. 

Gross,  Zollinspektor,  Lübeck. 

Gross,  Frau,  Lübeck 

Grupp,  Schriftführer  des  anlhropol.  Verein» 
für  Brandenburg,  Brandenburg  a.  H. 
Güstfeldt,  I»r. 

Gttterbock,  L.,  Maler. 

Güterbock,  P.,  L>r.  med. 

Güterbock,  Bruno,  Sind.  phil. 

Guttstadt,  Dr.  med..  praktischer  Arzt. 
Hahn.  l>r.  med.,  Oberstabsarzt, 
liampel,  J.,  Dr.,  Conservator  am  Museum, 
Budapest. 

Hameran,  Dr.,  Frankfurt  a M. 

Handel  mann,  Professor,  Kiel 
Haudelmaun,  Frau  Prof.,  Kiel. 

Hartmann,  Dr.  med.,  Marne  tHolzteinf. 
Hartmann,  Professor. 

Hartmann,  Frau. 

v.  Haaolbcrg,  Dr.,  praktischer  Arzt. 
Hattwicb.  Dr.,  praktischer  Arzt. 
Hauebecorne.  Geb.  Ob -Bergrath.  Directwr 
H.iunkorst,  Dr.,  Arzt.  Greifswald. 

Heger,  Fr.,  Assistent  am  Hofeouseum,  Wien. 
Heidmann,  Prediger,  Paren 
Heintcel,  I)r.,  Chemiker,  Lüneburg. 
Henning,  Dr.,  Privatdocent. 

Hepke.  l)r..  Geh.  Legationsrath. 

Hesse,  Landgerichts- R*tb. 

Hesse.  Dr.,  Protektor,  Leipzig. 

Hcutlass,  Hotelbesitzer 

Hilgendorf,  Dr.,  Zoologe 

Hintzc,  W„  Baumeister,  Gr  Lichterfclde. 

Hirscbberg,  Dr  med  , Professor. 

Ilirsrhfeld,  Paul,  Redakteur. 

His,  Professor.  Leipzig. 

v.  Hoehstetter,  Professor,  Hofrath,  Wien. 

Hofory.  Dr.  ph. 

llollmann  Landgerichtsrath. 

Holtzc,  Dr.,  Professor. 

Horscbitz,  Dr.,  Augenarzt.  Koburg. 

Horst,  II. . Gynmasial-Lehrer,  Trumsö  (Not- 
wegen,1. 

Hübner,  Professor. 

Humbert,  Legationsrath. 

Httttig,  Huchdruckereibetitter. 

Idel<-r.  l>r.,  Sanitätsrath,  Dalldorf  b-  Berlin. 
Israel,  Dr,  praktischer  Arzt- 
Jacob,  Dr.,  Rüranild, 
jacobi,  Baumeister,  Homburg  v.  d.  H. 
JacoWn,  Emil  Dr. 

Jacobsthal,  K..  Professor,  Cbarlottenbarg 
Jaffc,  l>r 

v.  Jagte,  I>r„  Professor. 

Jagor.  Dr. 


•)  Wo  der  Wohnort  fohlt,  ist  Berlin 


einzusetzen. 


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79 


Jaquet,  Dr„  praktischer  Arzt. 

Jaoson,  Professor 

▼.  judzrwiki.  Rechtsanwalt,  Posen. 
Jentsch,  l»r.,  Guben. 

Jungck,  Ockonomierath. 

Jürgen»,  Dr.  med. 
für»,  Chemiker. 

Kahlbaum,  Dr , Ar«,  Görlitz, 
v.  Kaminxki,  Hauptmann,  KUitrin. 

Karl»,  Hube« 
v.  Kessel,  Major. 

Kirchhof.  Bauführer. 

Kircblioff,  Dr,  Prof.  Geograph,  Halle  a IS. 
Klara ann  Dr.,  prakt.  Arzt,  Luckenwalde. 
Klein,  Dr  , SaniUtsraih. 

Kleinschmidt,  Bureau -Dir  vetur  des  Hauses 
der  Abgeordneten. 

Klopflei. ch.  Profrsaor,  Jena. 

Ko«' hl,  Dr.,  prakt.  Ar«,  Pfeddersheim. 
Kohn,  Albin,  Schriftsteller.  Posen. 
Kollmann,  Dr.,  Professor,  Hasel. 

König,  sen..  Kaufmann. 

König  jr  , Kaufmann. 

Kürbin,  Dr 

Korensky,  L.  Jo*.,  Professor,  Prag 
Korn,  G.,  Gera. 

Köttgen.  Adolph,  Maler,  Capri. 

Kouisutin*,  Dr.  med..  Petersburg. 

Krause,  Architekt. 

Krause,  W.  Dr.,  Professor,  Göttingeo. 
Krause,  Dr  , Hamburg 

Kuchenbuch,  Amtsgcr  -Rath,  Müncheberg. 
Kuhn,  Dr.  pbil. 

Kahn.  Dr , Gymnasial-Director. 

Kühne,  Dr.,  Vertreter  der  Gesellschaft  für 
Pomm.  Geschichtskunde,  Stettin. 
Könne,  Buchhändler,  Charlottenburg. 

K untre,  Dr.,  Rentier,  Leipzig. 

Kupffcr,  Dr.,  Professor,  München. 

Kurts,  Dr.  pb. 

Küster,  Dr.  med  , Sanitätsrath. 

Küster,  Dr.,  Privatdoxent  und  Augenarzt, 
Leipzig. 

Ladcndorn,  Dr. 

I^aehr,  Dr  med  . Geheimer  Sanitätsrath, 
Schweizerhof  bei  Zehlendorf. 

Lange,  Lehrer,  Oderberg 
Lange  Conrad,  Dr.,  Assistent  des  König!. 
Museums. 

Lango,  Konrad,  Dr.,  Assistent  an  der  Skulp- 
tnren-Galerie  des  König).  Museums. 
Lange.  Henry,  Dr.  Geograph. 

Laugt-rhans  sen,  P Dr. 

Lang ma nie I,  Dr.,  Premier-Lieutenant  a.  D„ 
Mönchen. 

Lassar,  Dr.  med.,  Dozent. 

Lauterbarb,  Major. 

Lehn  arm,  Dr.  Dozent. 

Lehmann,  Alfred.  Fabrikbesitzer. 

I .ebnerd  t,  Dr  med.,  Sanitätsratb. 
Leimbach,  Dr.,  Professor,  Sondcrshauscn. 
Leisering,  Professor,  Dresden. 

Les§rr.  Dr. 

Lessing,  Jul.,  Professor, 

Lewinstein,  Standesbeamter. 

Liebo,  Dr.,  Professor 
Liebenow  Geb.  Kecbnungs-Rath. 

Löhlem,  Dr.,  praktischer  Arzt. 

Lorent,  Dr , Arzt,  Bremen. 

Luchs,  Ur..  Direktor,  Breslau 
Lübrsen,  Dr. 

Lustig,  J Dr,,  praktischer  Arzt. 
Lütkemüller,  Justizrath. 

Frhr.  v.  Lüttow,  Kammrrgerichts-Rath. 
Frhr.  v.  Lüttow,  cand  jur. 

Graf  zu  Lynar,  Schloss  Lübbenau. 

Magnus,  P.  Dr.,  Professor. 

Mankiewlcs.  Dr.,  Posen. 

Marasse,  Dr. 

Marcus,  Dr  med. 

Marcuse,  Dr.,  Assessor, 
r,  Martens,  Dr.,  Professor 
Marthe,  Dr  ph.,  Oberlehrer. 

Martini.  Dr.  med,  praktischer  Ar«. 
Mattubara,  Kaiser)  Japanischer  Kommissar. 
Mayer,  DUkonua,  Langenau  bei  Ulm. 
Mayer,  Dr.,  Stabsarzt. 

Mehlis,  Dr,  Dürkheim  {Pfalz). 

Meoger,  H.  Dr.,  praktischer  Arzt 
Meitzen.  Dr , Geh.  Keg.  .Rath,  Professor. 
Merzenich,  Landbaumeister. 


Meyer,  Adolph,  Buchhalter. 

Meyer,  Alfred,  IR  ph. 

Meyer,  Lothar,  Dr. 

Meyer,  Dr.,  Ludwig. 

Meyer,  Dr.,  Geh.  Sanitäts-Rath. 

Meyer,  J„  Dr.  Prof-,  Direktor  der  Univ.- 
Fol.künik 

Möller,  Dr.,  Lehrer  an  der  Thierarzneischule. 
Montrlius,  Dr.,  Beamter  am  Xat  -Museum 
Stockholm. 

Mook,  Dr.,  Cairo. 

Morgenstern,  Frau  Lina. 

Morgenstern.  M.,  Zahnarzt, 

Moser,  James,  lh\,  Physiker. 

Moses,  b.,  l>r  med. 

| Much.  Dr.,  Wien. 

Mühlenbeck,  Kittergutabes  , Gr.-Wachlin. 
Mühsam,  Kd.,  Dr.  med. 

I Miillenhoff,  Karl,  Geh.  Kcg.-Katb  , Prof. 
• Müller,  Bruno,  Kaufmann 
i Müller,  Oherprediger.  Calbe  *.  M. 

1 Nachtigal.  Dr. 

INatban,  Heinrich,  Kaufmann. 

Natbanson.  Dr.  mol. 

Nchring.  Dr  , Obwlehrcj,  Welffenbiittel. 

] Nessel,  Xavier,  Bürgermeister,  Hagenau, 
v.  Nordenskiueld,  Stadtgerichtsrath. 

Baron  v.  Nordenskiocld,  Stockholm. 

Obst,  Dr.,  Direktor  des  Musrums  Tür  Völker- 
kunde, Leipzig, 
i Oesten,  Subdircfctor. 

Ohrtmann,  Dr.,  >>anität»rath- 
| Ornold,  Rechtsanwalt. 

Q«h,  Dr.,  Professor 

Osborne,  W.,  Rittergutsbesitzer,  Dresden. 
Palm,  Dr.  med. 

Papprnhrim.  I>r.,  Lübbenau, 
v.  Patow,  Landrath,  Kalau. 

Paulizky,  Amtsgerichts-Kath. 

Peters,  Dr. , Geh.  Obor-Mcdizisal-Rath, 
Neustrelitz. 

Philipp,  Dr..  Arzt. 

Pieper,  Dr.,  Professor. 

Pinner,  Dr,.  Professor, 
floss.  Professor,  Leipzig. 

Potzelt,  II.,  Kaufmann,  Halle  a,S. 
Pringsheira,  Professor, 
v.  Prollius.  *1.,  Grossherzogi.  Meckl  ausser* 
ordcntl  Gesandter  etc. 

Prüm  ui.  Emil,  Kaufmann. 

Graf  Pückler,  Branitz. 

Pudor.  K Kaufmann. 

de  Pulsxky,  P. , General-Inspekteur  der 
Ungar.  Museen,  Budapest, 
Kabl-Kückhardt,  Dr.  med.,  Ober- Stabsarzt. 
Ranke.  Prof.,  Gen.-Sekretär,  München. 
Ratzel,  Professor  München 
Rauher.  Dr..  Professor.  Leipzig. 
Kautenberg.  Dr  , Oberlehrer  am  Johanneum, 
Hamburg. 

Reeder.  Reg -Rath. 

Reiche«,  Apotheker. 

Reinhardt,  Dr.  ph.,  Oberlehrer, 

Reis».  W.,  Dr. 

Kettig,  Reallehrer.  Stuttgart. 

Richter.  Kaufmann 

Riebeck,  E-,  Dr.,  Freiburg  im  Hreisgau. 

| Kieck,  Dr.  med.,  Sanitäts-Kath , Köpenick 
hei  Berlin. 

Riedel,  Dr. 

v.  Rtnecker.  Geheimrath,  Würzburg. 

Rinne,  Dr. 

Ritter,  Wilhelm,  Banquier. 

Robe),  Dr.,  Realscbullehrer, 

Koemcr,  Senator,  Hildesbeim 

Koemer,  Dr.,  Geb.  Bergrath,  Prof.,  Breslau. 

Koesing,  Geh.  Rath. 

Rebifs.  Gerhard,  Dr.,  Afrika-Reisender, 
Weimar. 

Köhmann,  Dr. 

Röhricht,  Dr. 

Roloff,  Dr..  Geh.  Med. -Rath,  Professor. 
Rotenberg,  Landgerichtsratb. 

Rosenthal,  L-,  Dr.  med. 

Rosset.  C.  W,,  Halle  a.  S. 

Roth,  Dr.,  Generalarzt,  Dresden. 

Rubchn,  Literat,  Alt-Reetz. 

Küdinger,  l>r.,  Professor,  München. 
Rudolphi,  I>r,,  Mrdiz.-Kath,  Neustrelitz  L M. 
Kuhemann.  Schriftsteller. 

Sacbsse,  Oberpostdirektor. 


Mestorf.  J.,  Kustos  am  Museum,  Kiel. 
Säger,  Fabrikbesitzer. 

Salkowski. 

Sander,  J , Dr.  med. 

Sander.  W.,  Dr  . Dirig.Arzt  der  Irrenanstalt, 
Dalldorf  bei  Berlin. 

Sauer,  Dr..  Relerendar 
Srhaaffhausen,  Professor,  Bonn. 

Schaal,  Maler. 

Schaper.  Gymna*  -Direktor,  Deutsch  Will- 
mersdorf bei  Berlin. 

Scheidei,  Kaufmann,  Frankfurt  &.  M, 
Scüerk,  Dr. 

S«. bierenberg.  Kaufmann.  Meinberg. 
Schilling,  Hugo,  Hamburg. 

Schlesinger,  M.,  Fabrikbesitzer. 
Schlesinger,  Dr. 

| Scbliemann,  Dr  . Athen. 

Schlicmann.  Frau.  Athen 
Schlutter.  Rentier,  Dresden. 

Schmidt- Cabanis,  Redakteur. 
Scfamidt-Sabatky. 

Schmidt,  Oskar,  stud.  m«d. 

Schmitz.  Apotheker,  Lctbraathe 
Scbmölder,  Kaufmann,  Fran  .furt  a M. 
Schneider,  Dr.,  Kustos-Adjunkt  i.  d.  Münz- 
sammlung, Wien. 

Scbneitler,  CT,  Dr. 

Schniirpel  Dr..  Arzt,  Zerbst. 

Schoch,  Dr.,  Ar« 

Scltoene.  Ur..  Geh.  Ober-Reg. -Rath. 
Schönlank,  W , Kaufmann. 

Schroeder.  Professor. 

Schlick,  Ober-Post  sek  retair,  Danzig. 
Schube«.  Schriftsteller,  Vertreter  für 
Weissenfels. 

v.  Schulen  bürg.  Lieutenant,  Charlottenburg, 
f Schnitze.  Oskar.  Dr.  med 
i Scbulz-Manenburg,  Landschaftsmaler 
1 Schwand  nur,  Dr..  Oberamtsarzt,  Marbach 
in  Württemberg. 

Schwanz.  Direktor,  Posen. 

Schwartze,  Prorektor,  Frankfurt  n./O. 
Seemann,  Dr. 

Sehexted.  Kammerherr.  Broholm  ( Dänetu. t. 
v.  Scidhtz,  Dr-,  Direktorial-Asslstent. 

Seile,  Apotheker.  Kosten. 

Sepp,  Professor.  München. 

Siehe,  Dr.,  Kreispliysikus,  Kalau. 

Silujanoff,  Dr.,  Arzt,  Odessa, 

Siaoa,  Banquier, 

Siiuonsohn,  Dr.  med-,  Friednchifclde  bei 
Berlin. 

Söbncl,  stud  thcolo^.,  (»üben. 
Sommerbrodt.  !»r..  Stabsarzt. 

Spaamer,  Verlagsbur hhandler. 

Spieltagen,  Otto,  Kaufmann- 

Stahl,  Dr.  med 

Steinthai.  L,  Batikdirektor. 

Stern.  Cr..  Stegliu  bei  Berlin. 

Stieda.  Dr.,  Prof,  der  Anatomie,  Dorpat 
Stöckel,  Oberstlieutenant,  Katibor. 

Strack,  L>r..  Professor 
*•  Straswr.  Fabrikbesitzer,  Rosin  in  Hühmco. 
Straub,  F.,  Buchdrucker cibesitter,  München. 
Stricker,  R.,  Verlagxbucbfaändler. 

Struck  mann,  Amtsrath,  Hannover. 

Stübel,  A Dr.,  Geol«»ge,  Dresden. 

Sukey,  Georg.  Kaufmann. 

Szuk.it>,  Professor,  Budapest. 

Tappeiner,  Dr.,  Meran. 

Thiele,  Amtsrichter,  Sec! ow. 
j Thorell,  Professor,  Stockholm. 

Tborner,  E«l.,  Dr  med. 

. Tbunig,  Oberamtmann,  Kaiserhof,  Kreis 
Samter, 

Tischler,  Dr.,  Königsberg  i,  Pr 
v.  Torraa,  Fräulein.  Gutsbesitzerin,  Ilroos 
in  Siebenbürgen. 

v.  Török,  Dr.,  Professor,  Klausenburg. 
Troskow,  Fürst,  r.  Potsdam. 

Undset.  Ingwald,  Kustos  am  Museum, 
Christian  ia 

Urbsn,  IR.  ph.,  ScbOneberg  bei  Berlin. 
Vater.  Dr.  med , Ober-Stabsarzt,  Spandau. 
Veit,  Dr.  med.  Geh.  Sanitäts-Rath, 

Veit,  J„  JDr.,  Dozent. 

Vjedenz,  Brrgassessor,  Eberswalde. 
Vircbow,  Dr , (Jeb.  Mediz.-Rath,  Professor, 
I.  Vorsitzender. 

Vircbow,  Ad. 


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8« 


Virchow,  Dr..  anatom.  A»*i»trnt.  Wftrzlrarg’. 
Voigtei,  l>r.,  Coburg. 

Vom,  Dr.  med.,  Lokal*e*chäfufUhrer. 
Wagner,  l>r.,  Geb.  Hofrath.  Karlsruhe 
Wankel,  Dr.,  Hlantko  in  Mähren 
Wattenbach,  Dr  ph  , Prefw*t>r. 

Webakr,  Dr  . Profeaaor. 

Wegscbeider.  Dr-,  Geh.  Sanitäti-Kath 
Weiaruann,  Oberlehrer,  München,  Schatz* 
meioter. 

Wobi,  H.,  Professor 

Weissenborn,  Dr.,  Hibliothk.u  Prof-.Krfart 


i Werner,  O..  Dr. 

Werner,  F.,  Dr.  med 
Wermch.  Dr , Dozent- 
Wette  1)',  Dr.  • 

Wettedt,  Amt«gericbt*rath,  Melldorf. 
Wetzstein.  Dr  , General-Konsul 
Wiechel.  Hugo,  Kiaenbahn:ngeniear.  Pirna 
Wilaki,  Direktor,  KummeUbnrg  bei  Iterlin 
Witt,  Stadtrath,  Charlottenburg. 

Wittich,  Generallieutenant  a.  D.,  Coburg. 
r.  Wittich.  Geh.  Rath,  Professor.  Königs- 
berg i.  Pr. 


Wittmack,  Dr.,  Professor. 

Wehl,  Dr. 

Woldt,  A..  Schriftoteller. 

Wolff.  Alex,  Stadtraib. 

Wolff,  Wilh  . Professor. 

Wolff.  Dr.,  Dozent 
Wolff.  Dr.,  Mediaiaal-Ratl 
Wandt  Professor.  Leipzig. 

Wurrebrand.  Graf,  Ankeottein  bei  Pettan 
(Steiermark). 

Walter,  Dr. 

Zierold,  Rittergutsbesitzer,  Mietcelfeldr. 


Au«  Berlin . 201 

aus  «lern  übrigen  Deutschland  . 175 

auHionleutsche  Theilnelimer  . < <14 


(davon  miim  Oesterreich  15,  den  skandinavischen  Ländern  fc, 
au«  Russland.  Griechenland.  Aegypten  und  Japan  je  2.  aus 

England  und  Amerika  je  1).  

Summa:  470 


Allgemeine 

In  einem  einfachen  Zimmer  eines  Gasthauses 
in  Mainz  trat  am  1.  April  des  Jahres  1870  eine 
bescheidene  Anzahl  hervorragender  deutscher  Ge- 
lehrter zur  Constituirung  einer  deutschen  Gesell- 
schaft für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Ur- 
geschichte , einer  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft  zusammen. 

Es  folgten  10  Jahre  ernster  ununterbrochener 
Arbeit.  Wie  wesentlich  verändert  finden  wir 
nun  das  Bild. 

Im  grossen  Sitzungssaal»  des  Abgeordneten- 
hauses zu  Berlin,  duftend  von  grünen  Laub- 
gewinden  und  Zierpflanzen,  prächtig  geschmückt 
mit  dem  Bild  unseres  Kaisers,  den  Fahnen  aller 
deutschen  Länder  und  den  Wappen  jener  10 
Städte , in  denen  die  vorhergogangenen  Con- 
gresse  getagt  in  Anwesenheit  Ihrer  Kaiser- 
lichen und  Königlichen  Hoheiten  des 
Kronprinzen  und  der  Kronprinzessin 
des  Deutschen  Reiches  und  von  Proussen, 
sowie  des  Erbprinzen  von  Sachsen- 
Meiningen  neltst  Gefolge  und  vielen  hervor- 
ragenden Gästen , — unter  anderen  die  Herren 

Admiral  S t o s c h . Minister  Falk,  chinesischer 
Botschafter  L i f a n g h a o,  japanischer  Kommissär 
Matsubara,  Unterstaatssekretär  von  Gossler, 
Gcheimrath  Dr.  Goeppert,  Generaldirektor 
Schöne  — vereinigte  sich  unter  dem  Vorsitze 
V i r c h o w ’s  die  deutsche  anthropologische  Gesell- 
schaft am  5.  August  1880  zu  ihrer  XI.  allge- 
meinen Versammlung. 

Durch  alle  deutschen  Gauen  in  Zweigvereinen 
verbreitet,  hat  sich  die  Mitgliederzahl  der  Gesell- 
schaft inzwischen  auf  2100  erhoben.  Zu  dem 


Uebersioht. 

XI.  Congresse  hatten  sich  470  Thoilnehmer*)  ein- 
geschrieben ; neben  den  Namen  der  besten  deutschen 
Forscher  finden  wir  in  namhafter  Anzahl  aus3er- 
deutsebe  Gelehrte,  namentlich  zahlreiche  ausge- 
zeichnete Vertreter  der  anthropologischen  Wissen- 
schaft ans  den  österreichischen  und  skandinavischen 
Länder. 

Unter  dem  ebenso  zuvorkommenden  wie  ver- 
ständnisvoll die  hohe  Bedeutung  der  Angelegen- 
heit in  ihrer  wissenschaftlichen  wie  in  vaterlän- 
1 discher  Beziehung  anerkennenden  Vorgänge  des 
künigl.  preussischen  Kultusministers  von  Putt- 
kamer  hatten  alle  deutschen  Staaten , viele 
Fürsten,  Städte  und  Private  die  kostbarsten  Re- 
liquien und  Schätze  der  ältesten  deutschen  Ver- 
gangenheit zu  der  ersten  allgemeinen  Aus- 
stellung vorgeschichtlicher  und  anthro- 
pologischer Funde  Deutschlands,  welche  io 
Verbindung  mit  dem  XI.  Congress  in  den  Räumen 
des  Abgeordnetenhauses  in  Berlin  statt  fand,  gesendet. 

Der  allgemeine  freudige  Wetteifer,  biefUr  das 
Beste  und  Schönste  beizusteuern , vereinigte  ein 
Ansstellungsmaterial,  wie  es  die  kühnsten  Hoff- 
nungen niemals  erwarten  durften.  Aus  allen 
deutschen  Gauen  waren  anfangend  von  den 
ältesten  Spuren  der  postglacialen  Besiedelung 
durch  den  Menschen  in  ununterbrochener  Folge 
der  Kulturentwickelung  bis  zum  Aufgang  des 
vollen  geschichtlichen  Tages  in  den  Zeiten  der 
Merovinger  und  Karolinger  jene  unschätzbaren 
mit  dem  Spaten  und  der  Spitzhaue  gewonnenen 


•)  Die  bisher  grösste  der  allgemeinen  Versamm- 
lungen, jene  in  München  im  August  1875,  zählte 
250  Theilnehmer. 


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81 


historischen  Fragmente  vereinigt,  aus  denen  das 
kündige  Auge  des  Forschers  die  älteste  Geschichte 
unseres  Vaterlandes,  die  Bildungsgeschichte  unserer 
Nation  und  ihrer  Eintel-Stämme  entziffert.  Die 
vergleichende  Nebeneinanderstellung  der  wich- 
tigsten vorhistorischen  Fundergebnisse  aus  den 
verschiedenen  deutschen  Ländern  war  in  wissen- 
schaftlicher Beziehung  von  höchster  Wirksamkeit. 
Wir  sagen  nicht  zu  viel,  wenn  wir  von  der  Aus- 
stellung eine  neue  Zeit  noch  concentrirterer,  auf 
allen  Seiten  noch  mehr  zielbewusster  Forschung 
für  unsere  Wissenschaft  datiren.  Das  wissen- 
schaftliche Programm  der  Ausstellung  bildet  nun 
das  Arbeitsprogramm  für  die  gesammte  deutsche 
prähistorische  Forschung,  das  grosse  Werk  des 
Katalogs  in  Verbindung  mit  meisterhaften  photo- 
graphischen Nachbildungen  der  wichtigsten  Aus- 
stellungsobjekte hat  eine  bleibende  Grundlage  ge- 
schaffen für  ein  exaktes  vergleichendes  Studium 
der  Vorgeschichte  Deutschlands. 

Die  Ausstellung  war  ein  nationales  Werk,  an 
dessen  ebenso  glänzender  wie  fruchtreicher  Verwirk- 
lichung die  gesammte  deutsche  Nation  opferfreudig 
mitarbeitete.  Kaum  eine  der  ansehnlicheren  deut- 
schen historischen  Schatzkammern  hielt  mit  ihren 
wuchtigsten  Dokumenten  zurück , deren  Verlust 
oder  Zerstörung  nicht  weniger  unersetzlich  ge- 
wesen wäre  als  der  jener  alten  Pergamente. 

Unseres  Kaisers  Majestät  gewährte  in 
huldvollster  Gnade  die  beträchtlichen  Geldmittel, 
wodurch  diese  grossartige  Ausstellung  allein 
möglich  gemacht  wurde. 

Seine  Kaiserliche  und  Königliche 
Hoheit  der  Kronprinz  des  Deutschen 
Reiches  und  Kronprinz  von  Preussen, 
übernahm  persönlich  dos  Protektorat  der  Ausstel- 
lung. Vom  ersten  bis  zum  letzten  Tage  Hessen 
der  Kronprinz  und  seine  hohe  Gemahlin 
der  Ausstellung  und  den  sonstigen  Bestrebungen 
des  Congresses  Ihre  persönliche  Antbeilnahme  in 
huldvollster  Weise  zu  Theil  werden. 

Das  Präsidium  des  Abgeordneten- 
hauses hatte  die  Benutzung  seiner  würdevollen 
Räume  für  die  Sitzungen  des  Congresses  sowohl 
als  für  die  Ausstellung  gestattet. 

Das  k.  preussische  Kultusministerium, 
dessen  energische  Anthcilnahme  für  dos  Gelingen 
der  Ausstellung  wie  des  Congresses  entscheidend 
war , begrüßte  den  letzteren  mit  voller  Aner- 
kennung der  wissenschaftlichen  Bestrebungen  und 
der  Stellung,  welche  sich  die  deutsche  Anthro- 
pologie in  dem  letzten  Decennium  erworben.  Es 
erregte  die  dankbarsten  Gefühle,  als  Herr  Unter- 
staatssekretär von  Gossler  als  Vertreter  der 
Staatsregierang  zum  Schluss  seiner  mit  hoher 


Freude  aufgenommenen  Begrtissungsrede  der  Zu- 
versicht Ausdruck  gab,  dass  dos  Jahr  1SS0  nicht 
zu  Ende  gehen  werde,  ohne  dass  der  Grundstein 
zu  einem  neuen,  sagen  wir  zu  dem  ersten, 
Tempel  der  anthropologischen  Wissenschaft  in 
Deutschland , zum  anthropologisch-ethnologischen 
Museum  in  Berlin,  gelegt  werde  — ein  Ver- 
sprechen, das  inzwischen  schon  eingelöst  wurde! 

Wenn  wir  uns  all  dieser  hohen  Ehre  freuen, 
und  dieser  Freude  offenen  rückhaltslosen  Ausdruck 
geben,  so  geschieht  das  in  dein  Bewusstsein,  dass 
in  den  glänzenden  Tagen  in  Berlin  die  anthro- 
pologische Wissenschaft  in  Deutschland  die  Stellung 
neben  den  Schwester- Wissenschaften  nun  auch 
äußerlich  eingenommen  hat , welche  der  Be- 
deutung der  in  ihrem  Forschungskreis  liegenden 
Probleme,  der  höchsten,  an  welche  der  Menschen- 
geist heranzutreten  vermag,  entspricht. 

Die  deutsche  Anthropologie  verdankt  dieße 
Erfolge  vor  allem  ihrer  wissenschaftlichen  Führung 
durch  die  Herren  Ecker,  Fr  aas,  Ko  11  mann, 
Lindenschmit,  Sch  aff  hausen,  Virchow. 
In  Beziehung  auf  die  XI.  allgemeine  Versamm- 
lung in  Berlin  und  die  dort  errungenen  Erfolge 
muss  aber  vor  allem  der  Name  Virchow 
hervorgehoben  werden.  Er  hat  es  von  Anfang 
an  verstanden , der  deutschen  anthropologischen 
Forschung  den  Stempel  seines  ebenso  kritischen 
wie  umfassenden  Geistes  aufzudrücken , er  hat 
ihr  nun  auch  vollständig  die  Bahn  gebrochen 
und  geebnet,  auf  der  fortzuschreiten  eine  Lust  ist. 

Der  reiche  Kreis  ausgezeichneter  Gelehrter 
und  Forscher,  welche  sich  in  der  Berliner  anthro- 
pologischen Gesellschaft  um  Virchow  zu  sammeln 
pflegen:  Bastian,  Fritsch,  Hartmann,  Jagor, 
Nachtigal  und  wie  die  glänzenden  Nomen  alle 
heissen,  war  durch  die  ausgezeichnetsten  Gäste 
aus  ausserdeutschen  Ländern , welche  speziell  zu 
zu  dem  Congress  der  deutschen  antliro|>ologischeu 
Gesellschaft  eiugotroffen  waren,  vergrößert. 

Da  war  der  Hochmeister  der  kritischen  Wissen- 
schaft des  Spatens,  das  Ehrenmitglied  der  deutschen 
anthropologischen  Gesellschaft:  Schliemann 

und  Freiherr  von  Nordenskioeld,  dem  es 
zur  Bewunderung  der  Mitwelt  gelungen,  das 
grosse  geographische  Problem  der  Jahrhunderte, 
die  Umschiffung  Asiens,  zu  lösen,  da  war  Oester- 
reichs berühmter  Naturforscher  von  Hochstetter 
und  der  Präsident  des  internationalen  anthro- 
pologischen Congresses  in  Budapest  F.  v.  P u 1 s zky, 
dann  H.  Brugsch-Bey  aus  Cairo,  G.  Rohlfs 
u.  v.  A.  Unser  hochverdienter  Bastian  hatte  es 
möglich  gemacht,  indem  er  hn  Flug  die  letzten 
weiten  Stationen  seiner  neuen  W eltreise  zurück- 
legte, noch  zum  Congress  einzutreffen  und  diesem 

11 


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82 


einen  Theil  seines  wichtigen  neugewonnenen  1 
wissenschaftlichen  Erwerbs  vorzulegen. 

Mit  Freude  begrüssten  wir  die  Freunde  aus  | 
dem  skandinavischen  Norden:  neben  Montelius, 
Thor  eil  — den  Lehrer  und  Freund  v.  Norde  n- 
skioeld’a  — , von  Sehested  auf  Broholm  — j 
den  Mann  der  Steinaxt  — und  Undset,  sowie 
die  Herren  Eggertz,  Eriksson,  Er  sie  v, 
H.  Horst,  die  sich  in  vollkommen  kollegia-  - 
lisclier  Weise  an  den  Arbeiten  des  Congresses 
betheiligten  zum  Beweis , dass  jene  t namentlich  j 
früher  manchmal  hervorgetretenen  Wissenschaft-  j 
liehen  Differenzen  zwischen  den  skandinavischen  j 
und  deutschen  vorgeschichtlichen  Forschern  ihren 
Stachel  grösstentheils  schon  verloren  und  dass 
sich  beide  auf  dem  Boden  der  Thatsaehon  in  ge-  | 
meinsamem  Streben  und  Arbeiten,  gefunden  haben. 

Aber  das  muss  hier  ausgesprochen  werden, 
dass  kaum  Etwas  bei  dem  Berliner  Oongresse  mit 
grösserer  Oenugthuung  und  lebhafterer  Fronde 
begrüsst  wurde  als  das  zahlreiche  Erscheinen  der 
österreichisch  - ungarischen  Anthropologen.  Wir 
haben  von  Höchst  etter  und  von  Pulszky 
schon  genannt,  da  waren  aber  auch  die  anderen 
Koryphäen  der  österreichischen  anthropologischen 
Forschung:  Graf Wu  rmbr an d,  M n ch , Wankel, 
Ilampel,  C wiklinkski,  Heger,  Kö- 
rens ky,  Schneider,  von  Strass  er, 
Szukäts,  Tappeiner,  von  Toeroek, 
von  Torrn  a. 

Zur  Gründung  der  deutschen  anthropologischen 
Gesellschaft,  zu  Mainz  waren  auch  Vertreter  der 
anthropologischen  Lokal -Vereine  von  Klagenfurt 
und  Wien  erschienen.  Der  Natur  der  Sache  ent- 
sprechend und  gewiss  zum  grossen  Vortheil  der 
nothwendigen  Verallgemeinerung  und  gleichzeitigen 
Lokalisirung  der  anthropologischen  Studien  bildete 
sich  in  der  Folge  unter  Führung  der  anthro- 
pologischen Vereine  in  Wien,  Budapest,  und  Graz 
eine  Vereinigung  der  österreichisch  - ungarischen 
Anthropologen,  welche  in  der  an  der  k.  k.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  zu  Wien  kreirten  Com- 
mission für  prähistorische  Forschung  unter  dem 
Vorsitze  von  Höchste ttor’s  einen  Mittelpunkt 
bekam,  um  welchen  sie  die  deutsche  anthro- 
pologische Wissenschaft  bisher  umsonst  beneidet. 
Die  deutsche  anthropologische  Gesellschaft  besitzt 
aber  noch  eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  von 
werthen  werkthätigen  Freunden  in  Oesterreich- 
Ungarn.  Von  den  deutschen  Anthropologen  wurde 
es  mit  grösster  Sympathie  aufgenommen,  dass 
sich  bei  dem  Oongresse  in  Berlin  das  Freund- 
schaftsbündnis der  beiden  Bruderstaaten  auch  in 
einem  Freundschaftsverhältnis  der  beiden  grossen 
mitteleuropäischen  anthropologischen  Gesellschaften 


wiederspiegelte.  Die  Wahl  Kegensburgs  als  Ort 
für  die  nächstjährige  XU.  allgemeine  Versammlung 
erfolgt«  nicht  ohne  den  Gedanken,  dort  den  öster- 
reichischen Freunden  möglichst  nahe  zu  sein. 

Eine  ganz  eigenartige  Physiognomie  erhielt  der 
Berliner  Kongress  durch  die  lebhafte  Betheiligung 
der  ausgezeichnetsten  deutschen  Anatomen,  welche 
in  drei  speziellen  anatomischen  und  kraniologischen 
Conferenzen  namentlich  die  wichtigen  Fragen 
der  Caudnlbildung  bei  dem  Menschen  und  der 
antliropometrischen  Messmethoden  und  manches 
Andere  behandelten. 

Es  wäre  unmöglich,  in  Kurze  die  Fülle  des 
Studienmaterials  zu  charakterisiren , welche  noch 
ausser  der  Ausstellung  dem  Congress  in  Berlin  dar-  * 
geboten  wurde.  Die  Namen  der  Sammlungen, 
welche  unter  der  aufopfernden  Führung  ihrer 
Vorstände  ihre  reichen  Schätze  den  Mitgliedern 
des  Congresses  schauen  Hessen , sind  aus  dem 
Programm  ersichtlich.  Mehrfach  waren  in  den 
betreffenden  Sammlungen  und  Museen  Spezialau>- 
stellungen  der  anthropologisch  beao.htenswerthesteu 
Objekte  veranstaltet,  um  die  Uebersicht  über  das 
Wichtigste  in  der  immerhin  für  alle  diese  wissen- 
schaftlichen Genüsse  zu  kurz  bemessenen  Zeit  doch 
zu  einer  möglichst  vollständigen  zu  machen.  Um 
nur  Einiges  hervorzuheben,  nennen  wir  die  anthro- 
pologisch-osteologlsche  Ausstellung  im  patholo- 
gischen Institut,  wo  Herr  Virchow  ausser  einer 
vollständigen  Sammlung  seiner  Merkmale  niederer 
Rassen  am  Schädel  auch  eine  höchst  belehrende 
Auswahl  aus  dem  reichen  kraniologischen  Material 
und  der  ethnischen  Skelettsammlung  namentlich  der 
anthropologischen  Gesellschaft  und  der  von  Herrn 
B ae  r aus  Manilla  eingesendet on  Schädel  und  Skelette 
aus  den  Philippinen  aufgestellt  hatte.  Vor  allein 
fesselten  die  Aufmerksamkeit  der  Kraniologeo 
jene  auffallenden  und  unbestreitbar  typischen 
niedrigen  Schädolformen,  die  Chuinäcephalen 
Virchow’s,  wie  sie  sich  relativ  auffallend  häufig 
und  in  ganz  specifischer  Ausbildung  in  den  alt- 
friesischen Gebieten  finden.  Herr  Virchow 
hatte  auch  zwei  prähistorische  Skelette,  das  eine 
ausgezeichnet  platyknemisch  aus  einem  Grabe  der 
Steinzeit,  vollkommeu  montiren  lassen.  In  der 
anatomischen  Sammlung  der  Universität  war  eine 
grossartige  Spezialausstellung  aller  in  ihr  ent- 
haltenen RassenschUdel  speziell  für  die  Zwecke 
der  Versammlung  veranstaltet,  und  ebenso  in  der 
paläontologischen  Sammlung  eineSpezialuusstellung 
aller  diluvialen  Hanptfnnde  in  Norddeutschland, 
wodurch  ein  volles  Bild  dieser  Periode  geliefert 
wurde. 

Die  nahe,  auf  die  innigste  Interessenberührung 
gegründete  Verbindung  der  deutschen  geogra- 


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phischen  und  anthropologischen  Studien  doeumen- 
tirte  sich  in  würdiger  Weise  bei  der  Festsitzung 
der  geographischen  Gesellschaft  im 
Prachtsaale  des  Architektenhauses  durch  die  geist- 
reiche und  schwungvolle  Rede , mit  welcher  der 
berühmte  Präsident  derselben  Herr  Nachtigal 
den  anthropologischen  Congress  begrüsste.  Wir 
heben  aus  derselben  folgenden  Theil  heraus: 

„Wie  es  das  letzte  und  höchste  Ziel 
der  Erdkunde  bleibt,  die  Räume  unseres 
Planeten  mit  ihrer  Gestaltung,  ihren  organischen 
und  unorganischen  Körpern  und  Stoffen  und  deren 
Kräften  als  Wohnorte  des  Menschengeschlechts 
und  als  bestimmende  Schauplätze  seiner  Entwick- 
lung und  Schicksale  zu  betrachten  und  wie  die- 
selbe damit  in  das  Gebiet  der  Anthropologie 
hinübergreift,  so  kann  auch  diese  bei  der  Erfül- 
lung ihrer  umfassenden  Aufgaben  die  Geographie 
nicht  entbehren.  Indem  die  Lehre  von  der  mensch- 
lichen Gattung  die  Wesenheit  dieser  festzustellen, 
die  Verschiedenheit  ihrer  einzelnen  Zweige  und 
Gruppen  zu  erkennen  und  zu  erklären  bestrebt  ' 
ist,  findet  sie  bald , dass  ein  wesentlicher , wenn 
nicht  der  wesentlichste,  Factor  bei  der  Aus-  und 
Umbildung  des  Menschen  in  den  Lebensbeding- 
ungen und  Anregungen,  welche  dieser  in  den 
verschiedenen  Theilen  der  Erde  findet,  zu  suchen 
sei.  Mag  der  Einfluss  der  physischen  Länder- 
beschaffenheit  auf  das  Wesen  der  Völker  in  teleo- 
logischem Bedürfnis  übertrieben  worden  sein: 
immerhin  spielt  dieselbe  eine  Hauptrolle,  und  je 
mehr  wir  in  der  Geschichte  des  Menschenge- 
schlechts surückgehen , desto  mehr  musste  dies 
der  Fall  sein.  Ucberall  hing  der  Mensch  in  seiner 
Hülflosigkeit  von  der  Scholle  ab,  auf  der  er  ent- 
stand, war  in  gewissem  Sinne  ein  Product  der  ihn 
umgebenden  Natur,  und  erst,  allmählich  lernte  er 
die  Kräfte  derselben  beherrschen,  ihre  ihm  feind- 
lichen Gewalten  besiegen  und  sich  dienstbar 
machen. 

„Wenn  nun  die  früheren  Stadien  des  Menschen- 
geschlechts, das  Wie,  Wo  und  Wann  seiner  Ent- 
stehung, die  Triebfedern  seiner  Entwicklung  und 
damit  die  höchsten,  philosophischen  Probleme  und 
ihre  Lösung  recht  eigentlich  das  Endziel  der 
Anthropologie  bilden,  so  muss  diese  doch , bei 
dem  Mangel  an  zulänglichem  Erkenntniss-Material 
aus  den  früheren  Perioden , vielfach  aus  den 
späteren  Rückschlüsse  zu  machen,  den  Entwick- 
lungsgang rückwärts  zu  verfolgen , aus  der  Er- 
kennung und  Ausscheidung  der  Verschiedenheiten 
in  den  einzelnen  Theilen  der  jetzigen  Menschheit 
die  ursprüngliche  Wesenheit  der  Gattung  zu  er- 
gründen suchen.  Damit  gelangt  sie  zur  Ethno- 
logie und  durch  einen  Schritt  weiter  zur  Ethno- 


i graphie,  in  der  sie  sich  nicht  mehr  mit  der  Erd- 
kunde berührt,  sondern  deckt. 

„Seit  Dank  Alexander  von  Humboldt 
und  Carl  Ritter  die  Geographie  aufgehört  hat, 
im  geistlosen  Schematismus  zu  einer  statistischen 
Ortskunde  herabgewürdigt  zu  werden , sondern 
die  Beziehungen  der  organischen  Wesen  zu  der 
physischen  Beschaffenheit  ihrer  Wohnorte  erforscht, 
haben  wir  die  Verbreitungsgesetze  der  Pflanzen 
und  Thiere  zu  erkennen  und  die  Geschichte  des 
! Menschen  mit  ganz  anderen  Augen  anzusehen  be- 
gonnen. Auf  diesem  Wege  ist  die  Erdkunde  zur 
f unentbehrlichen  Förderin  der  Anthropologie  ge- 
worden. In  ihrem  Lichte  wird  das  Verständnis^ 
des  Einflusses  angebahnt,  dem  der  Monsch  von 
Seiten  des  Klima’s,  der  Nahrung  uud  der  ihm 
durch  die  lokalen  Verhältnisse  aufgezwungenen 
Beschäftigung  unterliegt.  Wir  lernen  die  Gründe 
und  Bedingungen  verstehen,  unter  denen  einzelne 
Abtheilungen  des  Menschengeschlechts  in  ver- 
schiedenen Zeiten  zu  ungewöhnlich  hoher  Kultur- 
stufe gelangten,  während  andere,  scheinbar  eben 
so  gut  veranlagte,  zur  Stagnation  verdammt  er- 
scheinen ; begreifen,  wie  in  früheren  Zeitperioden 
günstig  gelegene,  fruchtbare  und  mild  temperirte 
Wohnsitze  zur  Anregung  von  Fortschritten  in 
j der  Entwicklung  unentbehrlich  waren , während 
im  weiteron  Verlaufe  der  Kulturgeschichte  des 
Menschengeschlechts  die  von  der  Natur  gesetzten 
Hindernisse  mit  Vorliebe  überwunden  und  selbst 
ein  kräftiger  Anstoss  zum  Fortschritt  wurden, 
hingegen  gerade  allzu  entgegenkommend  von  der 
Natur  behandelte  Völker  zurückblieben. 

„Die  Erdkunde  lehrt  den  Einfluss  trennender 
Meere  und  Wüsten,  einigender  Flüsse  und  schei- 
dender Gebirge  auf  den  Gang  der  Verbreitung 
der  Völkef,  ihrer  Mischung  unter  einander  und 
ihrer  Kulturentwicklung  erkennen ; sie  begründet 
die  Verschiedenheit  des  Menschen  der  Ebene  vom 
Gebirgsbewohner,  der  Küstenvülker  von  den 
Binnenländern,  des  Polarmenschen  von  dem  äqua- 
torialen durch  die  Natur  ihrer  Wohnsitze ; sie 
zeigt  uns,  wohin  ein  Volk  durch  erleichterte  Be- 
rührung mit  anderen  und  wohin  durch  räumliche 
Abgeschlossenheit  gelangt.  Freilich  steht  sie 
dabei  noch  vor  vielen  Räthseln ; Probleme  drängen 
sich  ihr  zahllos  auf,  und  Lösungen  werden  ver- 
sucht, welche  der  endgültigen  Beweise  noch  harren. 
Die  gleichen  Ursachen  scheinen  selbst  da  nicht 
gleiche  Wirkungen  zu  haben , wo  alle  anderen 
Bedingungen  scheinbar  dieselben  sind : Beweis, 
dass  noch  unerkannte  Factoren  mit  wirken ; und 
dieser  sind  um  so  mehr,  je  höher  die  Entwick- 
lungsstufe ist,  welche  ein  Zweig  der  menschlichen 
Gesellschaft  erreicht  hat. 

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„Darum  sucht  die  Anthropologie  gern  die  ein- 
facheren Verhältnisse  der  kulturgeschichtlichen  An- 
fänge eines  Volkes  zu  ergründen  und  Erkenntniss- 
Material  aus  der  prähistorischen  Zeit  zu  gewinnen, 
während  die  Erdkunde  vorzugsweise  durch  Zu- 
fuhr ethnographischen  Materials  zur  Erreichung 
des  gemeinsamen  Endziels  beizutragen  sucht.  Das 
Material  so  zu  gewinnen,  dass  es  richtige  und  die 
Lösung  der  anthropologischen  Probleme  fördernde 
Schlüsse  gestattet , wird  von  Jahr  zu  Jahr 
schwieriger  bei  der  Hastigkeit  mit  der  die  Kultur- 
völker auch  die  zurückgebliebenen  Abtheilungen 
des  Menschengeschlechts  in  das  allgemeine  Welt- 
getriebe ziehen.  Die  physischen  und  psychischen 
Grundeigenschaften  eines  Volkes  verwischen  sich; 
Sitten  und  religiöse  Anschauungen  gehen  ver- 
loren und  machen  eingeführten  Platz;  Sprachen 
verändern  sich  und  werden  verdrängt;  ganze 
Stämme  gehen  unter  oder  verschwinden  durch 
Wanderung,  Zersplitterung,  fremde  Blutmischung. 

„Die  Zeit  drängt,  und  es  wäre  zu  wünschen, 
dass  Viele  mit  so  heiligem  Eifer  die  unverfälschten 
Zeugnisse  der  Eigenart  der  von  Kultur  wenig 
berührten  Völker  zu  fixiren  bestrebt  wären , wie 
Bastian,  der  vieljäbrige  Vorsitzende  dieser  Gesell- 
schaft, den  wir  hoffen  können,  in  wenigen  Tagen  nach 
seiner  erdumspannenden,  ethnologischenReise  wieder 
unter  uns  zu  sehen.  Wenn  nun  auch  nicht  Jedem, 
der  das  Studium  der  Erde  und  seiner  Bewohner 
zu  seiner  Lebensaufgabe  gemacht  hat , vergönnt 
sein  kann,  ein  ebenso  reiches  Material  zusanimen- 
zutragen,  so  ist  doch  die  neuere  Erdkunde  überall 
nach  Kräften  bestrebt,  auch  in  dieser  Beziehung 
don  Anforderungen  der  Wissenschaft  gerecht  zu 
werden.  Auch  Deutschland  ist  hierin  nicht  zu- 
rückgeblieben, und  ich  erinnere  ausser  den  eben 
berührten  Leistungen  von  Bastian,  an  die 
reichen  Ergebnisse  der  Gazellen-Expedition  unter 
der  Führung  des  Freiherm  von  Schleinitz, 
an  die  werthvollen  Früchte  der  Reisen  von  Reiss 
und  St  Übel,  welche  demnächst  der  wissen- 
schaftlichen Welt  zugänglich  gemacht  sein  werden, 
an  die  verständnisvollen  Sammlungen  von  Jagor, 
an  die  Schätze  des  G o d eff roy- Museums  in 
Hamburg  und  an  die  werthvollen  Beiträge,  welche 
uns  Fritsch,  Hartrannn,  die  Loumjo-Kxpe - 
flition , Hildebrandt  und  Andere  aus  Afrika 
eingebracht  haben. 

„So  ist  die  Erdkunde  unaufhörlich  bestrebt, 
der  Anthropologie  die  Grundlage  zu  ihren  Ar- 
beiten breiter  und  solider  zu  gestalten  und  mit 
ihr  an  der  Lösung  der  höchsten  Probleme  zu 
arbeiten,  welche  der  Lehre  vom  Menschen  vor- 
liegen  In  diesem  Gefühle  der  Solidarität 
beider  Wissenschaften  begrüsse  ich  im  Namen 


der  Gesellschaft  für  Erdkunde  die  Mitglieder  der 
Deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft  auf  das 
Herzlichste  und  Ehrerbietigste.“  — 

Wrelch  prächtiges  Bild  bot  der  feierliche 
Empfang  des  F reiherrn  von  Nordenskioeld 
im  Festbau  des  Rathauses , wo  derselbe  durch 
die  Vertreter  der  Stadt,  den  Chef  der  Admiralität, 
den  Vertreter  der  Staatsregierung.  die  Präsidenten 
der  geographischen , der  deutschen  anthropolo- 
gischen und  geologischen  Gesellschaften  und  den 
Rektor  der  Universität  begiilsst  wurde. 

Unübertrefflich  schön  waren  die  Feste,  welche 
nach  der  anstrengenden  Arbeit  des  Tages  den 
Mitgliedern  des  XI.  Congresses  geboten  wurden. 
Trotz  seiner  prächtigen  Ausstattung  und  gross- 
artigen Dimensionen  heiter,  liebenswürdig,  ge- 
schmückt mit  geistvollen  Trinksprüchen,  launigen 
Reden  und  Gedichten  war  das  Festessen  der 
Versammlung  im  zoologischen  Garten  am  ersten 
Versammlungstage.  Aus  den  Reden  bei  dem 
glänzenden  Festbankette  zu  Ehren  Schliem  an  n‘s 
und  von  Nordensk  ioeld'H,  an  welchem  sich 
die  Mitglieder  des  Congresses  offiziell  betheiligten, 
sei  es  gestattet  nach  dem  Berichte  des  Herrn 
A.  Wold  einige  unsere  wissenschaftliche  Epoche 
treffend  charakterisirende  Worte  aus  der  Begrüß- 
ungsrede Virchow’s  an  die  beiden  Gefeierten 
zu  erwähnen. 

„Die  Signatur  unserer  Zeit  ist  es,  das  bisher 
in  Einzelbeobachtungen  zerstreute  Material  in 
grossen  Gesichtspunkten  aufzufassen  und  jene  Zer- 
splitterung der  Wissenschaften  zu  beseitigen. 
Dies  ist  von  dom  Augenblick  an  erfolgt,  als  die 
Wissenschaft  anfing  praktisch  zu  arbeiten,  wie 
wir  dies  von  Nordenskioeld  und  8 c h 1 i e - 
mann  sehen.  Diese  beiden  Männer  haben  jeder 
für  sich  wohl  so  grosse  Erfolge  errungen,  wie 
kein  einziger  unter  uns,  dennoch  haben  sie  beide 
früher  eine  andere  Laufbahn  gehabt  als  gegen- 
wärtig. Herr  Schliemann  hot  als  Kaufmann 
klein  angefangen ; bevor  er  seine  klassischen  Stu- 
dien begann,  war  er  gcnöthigt,  angestrengt  zu 
arbeiten ; er  hat  von  Jahr  zu  Jahr  grössere  Be- 
sitzthümer  errungen  und  als  er  in  ein  gewisses 
Stadium  gelangt  war,  da  „gründete“  er  nicht, 
sondern  ergab  sich  seiner  grossen  Forscherarbeit 
mit  grossen  Opfern.  Auch  Herr  von  Norden- 
skioeld legte  seine  Bahn  in  viel  bescheidenerer 
W'eise  an,  als  sie  sich  jetzt  entwickelt  hat.  Sein 
starker  und  freier  Sinn  trieb  ihn  etwas  früh  in 
Conflikte,  die  ihn  in  ein  anderes  Land  brachten, 
und  als  ihn  hier  mein  berühmter  Tischnachluir 
Toreil  zu  seinen  Glacialreisen  aufforderte,  war 
der  Grund  zu  diesen  Dingen  noch  keineswegs 


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gelegt.  Herr  von  Nordenskioeld  hat  den 
Nordpoldienst  von  der  Pike  auf  erlernt , jetzt 
sehen  wir  ihn  umgekehrt  den  Weg  zum  Kauf- 
mann besch  reiten.  Grosse  Erfolge  verdienen  es 
gefeiert  zu  werden.  Männer  die  sie  erreicht  haben, 
haben  einen  Anspruch  darauf,  sich  eine  gewisse 
Kühe  zu  gonneu ; diese  beiden  Männer  aber-  sind 
anders ; das  Erreichte  ist  ihnen  nur  ein  Mittel 
zu  neuen  Unternehmungen.  Herr  Schliem  ann 
brütet  bereits  über  eine  neue  Ausgrabung  und 
Herr  von  N o r d ens k i o e 1 d ventilirt  gleichfalls 
eine  neue  Reise.  Solche  Männer  brauchen  wir; 
das  ist  der  Geist  der  neuen  Zeit,  dass  praktische 
Arbeit  und  Ueberzeugung  mit  wissenschaftlicher 
Gelehrsamkeit  Hand  in  Hand  geben.  Möge  diese 
Art  der  Arbeit  reiche  Früchte  tragen.“ 

Die  beiden  offiziellen  Ausflüge  des  Con-  i 
gresses,  der  eine  zur  „Römerschanze“  bei  Potsdam, 
bei  welchem  das  Erscheinen  und  die  huldvolle  An- 
thei Inahme  des  hohen  Protektors  der  Ausstellung 
Seiner  K.  K.  Hoheit  des  Kronprinzen  i 
mit  Ihren  K.  K.  Hoheiten  der  Kron- 
prinzessin und  Prinzessin  Tochter  mit 
lebhaftem  Jubel  begrtUst  wurde,  — vorher  der 
Tag  im  Spreewald  — brachten  neben  ihrer 
wissenschaftlichen  Ausbeute  ebenso  ihrer  Schön- 
heit wegen  eindrucksvolle  wie  interessante  Und-  j 
schaftliehe  Genüsse.  Die  Schönheiten  Potsdams  • 
und  seiner  Umgegend,  die  Schlösser  mit  ihren 
ergreifenden  historischen  Erinnerungen,  die  Gärten 
reich  und  sinnig  geschmückt  mit  den  Kunstschätzen 
des  klassischen  Alterthums , die  prächtigen  Aus- 
blicke über  wohlgepflegte  Wiesenflächen  und  alte 
Baumgruppen  der  Parks  auf  die  breiten  silber- 
blauen Wasserspiegel  der  Havelseen  umfasst  von 
sanften  malerisch  geschwungenen  grünbewitldeten  | 
Höhenzügen  — sie  sind  allbekannt,  allbewundert. 
Aber  wer  würde  es  glauben,  dass  in  nächster 
Nachbarschaft  der  modernen  Kaiserstadt  fast  noch 
mittelalterliches  Volksleben  in  einer  wunderbar 
aoinuthendeu  Landschaft  sich  so  vollkommen  er- 
halten konnte,  wie  das  die  Spreewaldfahrt  be- 
wies. Die  Eindrücke  sind  trotz  ihrer  Seltsamkeit  so 
freundlich,  so  zu  Herzen  sprechend,  dass  ein  Bericht 
darüber  fast  unwillkürlich  eine  poetische  Färbung 
annimmt.  In  dein  vorstehenden  Programm  ist 
der  allgemeine  Verlauf  dieses  nach  jeder  Richtung 
vollkommen  gelungenen , von  einer  strahlenden 
Sonne  vergoldeten  Ausflugs  in  den  Umrissen  dar-  ! 
gelegt.  Den  allgemeinen  Eindruck  dos  wendischen  j 
Spreewaldes  mögen  Jenen,  die  nn  dieser  schönen  I 
Fahrt  nicht  theiluehmen  konnten , einige  Stellen  i 
aus  einer  handschriftlichen  Beschreibung  von  be-  | 
freundeter  Hand  Schilden): 

„Wenige  Stunden  genügen,  um  den  Liebhaber  ] 


eigenartiger  Natur  und  originellen  Volkslebens 
aus  dem  Treiben  der  modernen  Stadt  in  längst, 
vergangene  Zeiten  zu  führen.  Freilich  der  Wald, 
welcher  dem  Spreewald  den  Namen  gab,  ist  in 
grossen  Theilen  desselben  verschwunden ; saftgrüne 
üppige  Wiesen  nehmen  seine  Stelle  ein  ; unzählige 
Wasserarme  der  Spree  schneiden  in  scheinbar 
willkürlichen  Windungen  hindurch.  Diese  Wasser- 
arme sind  die  einzigen  Strassen,  ja  Wege  des 
Spreewaldes.  Flache  Kähne  gleiten  darauf  hin, 
gestossen  von  den  aufrecht  darin  stehenden 
Männern.  Im  Wald-Dorfe  liegt  jedes  Haus  auf  einer 
Insel  umarmt  von  schmalen  Wasserläufen,  die 
den  Nachbar  vom  Nachbar  trennen,  nur  schmale 
hohe  Stege,  Banken  genannt,  führen  darüber,  der 
eigentliche  Verkehr  geht  zu  Wasser.  Jedes  Haus 
bat  seinen  kleinen  Hafen  mit  zwei  oder  drei 
Booten,  in  denen  die  Kinder  Morgens  zur  Schule 
fahren.  Mittags  wieder  heim ; zu  Kahn  geht  es 
zur  Kirche,  zur  Taufe,  Trauung  oder  Beerdigung, 
zur  Arbeit  oder  zum  Vergnügen. 

„Wenn  auch  die  Wiesen  durch  Vernichtung  der 
Waldbäume  weithin  frei  geworden  sind,  hier  im 
„Dorfe“  glaubt  man  sich  noch  mitten  im  Walde; 
stolz  und  schlank  recken  sich  die  Stämme  der  Erlen 
und  Fruchtbäume  in  die  Höhe , zwischen  denen 
die  aus  braunem  Holzwerk  gezimmerten  Häuser 
mit  niedergehendem  Schilfdach  stehen.  Im  Innern 
der  Häuser  niedrige  Stuben  mit  Holzwänden. 
Unter  der  Decke  läuft  rings  im  Zimmer  ein  Bort 
entlang,  auf  dem  ein  Iteichthuui  an  bunten  Tellern 
aufgereiht  steht ; saubere  Dielen  und  einfaches 
Geräth , alte  Schränke  und  Truhen  mit  Holz- 
schnitzereien geschmückt;  ein  grüner  breiter 
Kachelofen  mit  umlaufender  Bank  ; in  der  Zimmer- 
ecke eine  mächtige  Bettstatt , die  zum  Schmuck 
mit  Kissen  bis  zu  dem  primitiven  Betthimmel 
vollgethUrmt  ist.  Am  Fenster  blühen  Nelken- 
stöcke, in  der  Stube  stehen  Blumen  in  Gläsern- 
und  zu  dem  sauberen  wohithuenden  Eindruck  ge- 
sellt sich  eine  Empfindung  der  Freude  erregt 
durch  einen  gewissen  Schönheitssinn , der  sich 
überall  geltend  macht.  In  der  Küche 'ein  Reich- 
thum  an  Geräth  der  oft  für  drei  Familien  reichen 
könnte. 

„Der  wendische  Bauer  ist  oft  ein  reicher  Mann 
und  ein  wendisches  Mädchen  in  vollem  Putz 
reprüsentirt  weit  mehr  Geldwerth  nls  die  Durch- 
Schnittsstädterin.  Die  Weite  der  Frauenröcke  ist 
unglaublich,  leuchtendes  Roth  ist  die  bevorzugte 
Farbe.  Jedes  Dorf  hat  eine  besondere  Art,  das 
kleidsame  breite  weisse  Kopftuch  zu  binden.  Weisse 
Tücher  mit  Spitzenbesatz  werden  über  das  schwarze 
Sammetmieder  geknüpft,  bunte  sebwerseidene 
Schürzen  bedecken  zum  grossen  Tbeil  den  Rock. 


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„Gin  farbiges  Bild  des  Spreewaldes  bietet 
namentlich  der  Sonntag.  Stundenweit  pilgern 
die  Leute  von  allen  Seiten  zur  Kirche.  Da  sind 
die  Wasserstraßen  und  dazwischen  die  wenigen 
schmalen  Fusswege  belebt  von  bunten  Gestalten. 
Wie  auf  den  Flussarmen  nur  Kahn  hinter  Kahn 
fahren  kann,  so  wandeln  auch  die  Fussgäuger 
einzeln  hinter  einander  her.  In  ein  Tuch  ge- 
bunden tragen  Frauen  und  Mädchen  ihre  Sonntags- 
Schuhe  und  Strümpfe,  die  erst  vor  dem  Ort  oder 
gar  erst  vor  tler  Kirchthüre  angezogen  werden. 

„Die  Predigt  ist  wendisch  und  ebenso  das 
stark  durch  die  Nase  gesungene  Kirchenlied.  Hat 
sich  auch  die  deutsche  Sprache  ihren  Weg  ge- 
bahnt und  wird  sie  allmählig  das  Wendische 
überwachsen,  noch  ist  Alles  undeutsch,  wendisch 
die  Sprache,  die  Gebräuche,  wendisch  die  Kleidung 
und  Lebensart,  wendisch  die  Sagen  und  der  Aber- 
glaube, überall  spuckt  vor  allem  noch  der 
„ W end  eukönig  “ . 

„Es  gibt  noch  alten  Wald , abseits  von  der 
grossen  Route  gelegen.  Ist  es  idyllisch -still 

zwischen  den  Wiesen,  hier  herrscht  eine  feierliche 
Stille.  Die  Bäume  bilden  hohe  Wölbungen  über 
den  Flussarmen  gleich  Bogen  eines  Doms.  Das 
klare  braune  Wasser  erglänzt  in  reich  gesättigten 
Tönen,  darüber  spielen  unzählige  dunkelblaue  Li- 
bellen ün  zierlichsten  Treiben.  Ueppig  wuchernde 
Pflanzen  schwanken  Uber  den  Rand  des  Flusses, 
die  Bäume  senken  ihre  wunderlich  verzweigten 
Wurzeln  in  das  feuchte  Element , über  dessen 
glatten  Spiegel  sie  sich  selbst  beugen.  Die  Sonne 
drängt  sich  auf  die  dunkelgläuzenden  Blätter 
durch  das  dichte  Gezweig  der  alten  Baumriesen, 
kaum  hört  man  einen  Vogel  — auch  das  Boot 
gleitet  lautlos  mit  den  Windungen  der  Spree 
durch  den  schweigenden  und  doch  nicht  traurigen 
Wald,  dessen  Kraft,  Frische  und  Xaturschünheit 
Bewegung  und  Ton  nicht  vermissen  lässt.“  — 

Es  war  ein  unvergessliches  Bild  als  die  lango 
Reihe  der  Kähne  unter  lieblichem  Gesang  und 
freundlichem  Geplauder  durch  Wiesen  und  Wald 
hinfuhr,  vorüber  an  einzelnen  unter  Bäumen  ma- 
lerisch gelegenen  Höfen  und  kleinen  Ansiedelungen, 
unter  hohen  schmalen  Stegen  hin,  das  Ufer  belebt 
von  den  geputzten  Landleuten,  namentlich  aller- 
liebsten kleinen  Dirnen,  die  in  dem  Nationalkost ürn 
wie  Puppen  au&sehen  und  die  vorübergleitenden 
Boote  mit  Blumen  bewarfen : pommergei  bock, 
Grüss  dich  Gottl 

In  äusserer  wie  in  wissenschaftlicher  Beziehung 
war  der  Besuch  der  Tausundinselreicher  im  Spree- 
wald, an  welchem  260  Mitglieder,  darunter  zahl- 
reiche Damen,  theilnahmen,  der  Glanzpunkt  der 


Festlichkeiten.  Alles  war  auf  das  Sorgfältigste 
vorbereitet,  Alles  gelang  vortrefflich.  Eine  speziell 
zu  diesem  Ausflug  verfasste  Schrift  über  die  Alter- 
thünier  des  Spreewaldes  von  Vircbow  und  W.  v. 
Schulenburg  hatte  die  Erwartungen  hoch  ge- 
spannt, die  der  durch  nichts  gestörte  Verlauf  des 
reizenden  Festes  voll  rechtfertigte.  Vor  allem 
verdienen  hiefür  den  Dank  der  Gesellschaft,  nebeu 
der  Direktion  der  Görlitzer  Bahn,  die  Herren  Grie- 
be n o w und  vonSchulenburg.  welche  beide  in 
der  gastlichsten  Weise  die  Rolle  der  Hausherrn  im 
Spreewalde  übernommen  hatten,  dann  die  Herren 
Langerhans  und  noch  vorzüglich  der  Gast- 
freund Nordenskioeld's  in  Berlin , Herr 
Kaufmann  Schönlank,  welcher  die  gesammte 
Mitgliederzahl  des  Ausflugs  in  Lübbenau  be- 
wirthete;  derselbe  Freund,  dessen  sinnige  Geschenke 
das  erste  Festmahl  des  Congresses  im  zoologischen 
Garten  verschönerten  und  erheiterten.  — 

Der  schönste  Lohn,  der  einem  mühvollen. 
die  grösste  Aufopferung  fordernden  Unternehmen, 
wie  es  die  Vorbereitungen  und  die  Leitung  zu 
dem  XI.  Congresse  und  der  damit  verbundenen 
Ausstellung  waren , zu  Theil  werden  kann , ist 
das  Bewusstsein  am  Ende,  dass  Alles  in  schönster 
Weise  geglückt  ist. 

Das  ist  der  Lohn,  der  im  vollsten  Maasse 
den  Männern  zu  Theil  wurde,  welche  die  Arbeits- 
last auf  ihre  Schultern  genommen  hatten.  Die 
I Mitglieder  der  Berliner  Lokalausschüsse  haben 
sich  alle  den  lebhaftesten  Dank  der  Gesellschaft 
verdient,  aber  wir  müssen  zum  Schluss  noch  drei 
Namen  speziell  hervorheben,  die  Namen  unserer 
beiden  Lokal  - Geschäftsführer  für  den  XI.  Con- 
gress:  Herr  Dr.  A.  Voss  und  Herr  Friedei, 
von  denen  der  erstere  vorzüglich  die  äusserst 
mühevolle  Leitung  der  Ausstellungsangelegenheiten, 
der  zweite  als  Vorsitzender  jene  des  äusseren  Ver- 
laufs der  allgemeinen  Versammlung  besorgte. 
Der  dritte  ist  Herr  Geheimrath  Kleinschmidt, 
der  hochverdiente  Bureau-Direktor  des  Abgeord- 
netenhauses zu  Berlin.  Seiner  ebenso  liebenswür- 
digen und  aufopfernden  wie  unübertrefflich  ge- 
schäftsgewandten  Sorgfalt  verdankt  die  Gesellschaft 
nicht  nur  den  schönen  Verlauf  ihrer  Sitzungen 
und  sonstigen  Geschäfte  im  Abgeordnetenhause; 
auf  seinen  Namen  in  der  Ausstellungs-Commission 
gründet  sich  zu  nicht  geringem  Antlieil  dos  durch 
den  Erfolg  vollkommen  gerechtfertigte  Vertrauen, 
welches  die  Aussteller  bestimmte,  ihre  kostbarsten 
Objekte  der  Ausstellung  zu  übergeben.  Herrn 
| Geheimrath  Kleinschmidt  gebührt  unser 
wärmster,  innigster  Dank,  mit  ganzer  Verehrung 
i wird  Jeder,  der  das  Glück  hatte,  ihn  näher  kennen 


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zu  lernen , an  diesen  Mann  der  altpreussiscben 
Pflichttreue  zurückdenken.  — 

Die  umfangreichen  und  wichtigen  Arbeiten 
des  Congresses  sowie  die  neuen  Aufgaben  fllr  das 
kommende  Arbeitsjahr  ergeben  die  stenographischen 
Aufzeichnungen  der  Verhandlungen , welche  wir 
durch  die  uns  durch  Herrn  Kleinschmidt 
freundlichst  ermöglichte  Benützung  der  für  das 
Abgeordnetenhaus  verfügbaren  Einrichtung  und 
Krüfte  in  ganzer  Vollständigkeit  wenige  Tage  nach 
Schluss  des  Congresses  den  Mitgliedern  der  Gesell- 
schaft schon  übermitteln  konnten. 

In  der  dritten  Sitzung  fand  die  Neuwahl 
der  Vorstandschaft  statt,  es  wurden  gewählt: 

Herr  Ecker  als  I.  Vorsitzender, 

Herr  Fr  aas  als  II.  Vorsitzender, 

Herr  Virchow  als  III.  Vorsitzender. 
Schatzmeister  und  Generalsekretär  blieben 
statutengein  tos  im  Amte. 

Es  erscheint  uncöthig  hier  Weiteres  hervor- 
zuheben.  Nur  darauf  soll  noch  aufmerksam  ge- 
macht werden , dass  sich  die  wissenschaftlichen 
Verhandlungen  der  VI  Sitzungen,  abgesehen  von  den  i 


Begrüßungsreden  und  Commissionsberichten  zum 
erstenmal  durch  die  festgesetzten  Tagesordnungen 
programmmäßig  und  zwar  in  folgender  Weise  von 
dem  Jüngerenzum  Aelteren  fortschreitend  gliederten : 

I.  Die  fränkischen , slavischen , lettischen, 
arabischen  und  skandinavischen  Funde  in  Deutsch- 
land. (II.,  III.  und  IV.  Sitzung.) 

II.  Die  römischen  und  etrurischen  Funde  in 
Deutschland,  (V.  Sitzung.) 

III.  Die  altgermanischen  und  keltischen  Funde 
in  Deutschland.  Die  alte  Bronzezeit. 

IV.  Die  Steinzeit  in  Deutschland.  Die  Höhlen- 
funde. (VI.  Sitzung.) 

V.  Die  Löss-  und  Moorfunde.  Aelteste  Urge- 
schichte des  Menschen  in  Deutschland.  (VI.  Sitzung.) 

VI.  Deutsche  Anthropologie.  (VI.  Situng.) 

Ausser  dem  vorstehend  mitgetheilten  Pro- 
gramm wurde  noch  eine  Anzahl  verwandter,  über 
das  Gebiet  Deutschlands  binausgreifender  nament- 
lich auch  ethnologischer  Fragen  verhandelt. 

Damit  schliessen  wir  diese  gedrängte  Ueber- 
sicht  über  den  äusseren  Verlauf  der  XI.  allge- 
meinen Versammlung  in  Berlin. 


Die  bei  dem  General-Sekretariate  zur  Vorlage  für  die  XI.  allgemeine  Versammlung  eingelaufenen 

Werke  und  Schriften. 

1)  Arnold,  Wilhelm:  Deutsche  Urzeit.  II.  Auflage.  Gotha.  F.  A.  Perthes.  1880. 

2)  Baier,  Rudolf,  Dr.‘:  Die  vorgeschichtlichen  Alterthümer  des  Provinzial -Museums  für 
Neuvorpommer  und  Rügen  in  der  Ausstellung  prähistorischer  Funde  Deutschlands.  Stralsund  1880. 

3)  Bartels,  Max,  Dr. : Ueber  Menschenschwänze.  Separat -Abdruck  aus  dem  Archiv  für 
Anthropologie.  1880. 

4)  Bastian,  A.  und  A.  Voss:  Die  Bronzeschwerter  des  königlichen  Museums  zu  Berlin. 
Berlin,  Weidmann’ sehe  Buchhandlung  1878. 

5)  Bönigk,  Freiherr  v.,  Major  a./D. : Ueber  ostpreussische  Burgwälle.  Königsberg  1880. 

6)  Brösike,  G. , Dr.:  Das  anthropologische  Material  des  anatomischen  Museums  der 

k.  Universität  zu  Berlin,  I.  Theil.  Separat -Abdruck  aus  dem  Archiv  für  Anthropologie  1880. 

7)  Friedei,  Ernst,  Stadtrath  etc  : Vorgeschichtliche  Funde  aus  Berlin  und  Umgegend. 
Festschrift  für  die  XI.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  zu 
Berlin  1880.  Schriften  des  Vereins  für  die  Geschichte  der  Stadt  Berlin.  Heft  17.  Berlin  1880. 
E.  S.  Mittler  u.  Sohn. 

8)  Führer  durch  die  kgl.  Museen  zu  Berlin.  Berlin.  Weid  mann' sehe  Buchhandlung  I8S0. 

9)  Katalog  der  Ausstellung  prähistorischer  und  anthropologischer  Funde  Deutschlands  zu 
Berlin  vom  5.  — 21.  August  1880.  Berlin  1880.  Druck  von  C.  Berg  & v.  Holten. 

10)  Katalog  Suplement.  Berlin  1880.  Stuhr’scbe  Buchhandlung  tS.  Gerstraann). 

11)  Neumayr  und  F.  Calvert:  Die  jungen  Ablagerungen  am  Hellespont.  Aus  den 

Denkschriften  der  k.  k.  Akademie  1880.  40.  Band. 

12)  Mestorf,  J. : Bericht  über  die  Anthropologie  in  den  skandinavischen  Ländern.  Aus 
dem  Archiv  für  Anthropologie  1880. 

13)  Montelius:  Führer  durch  das  Museum  vaterländischer  Alterthümer  in  Stockholm, 
übersetzt  von  J.  Mestorf,  Hamburg.  O.  Meissner  1876. 

14)  N o i r , Ludwig : Das  Werkzeug  und  seine  Bedeutung  für  die  Entwicklung  der  Menschheit. 

l.  philos.  II.  technolog.  Theil.  Mainz.  Verlag  von  J.  Dieiner  1880. 


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15)  Osborne  der  Hrudischt  in  Böhmen.  Separat-Ahdrnck  aus  den  Sitzungsberichtes 
der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  Isis  zu  Dresden  1878. 

IG)  Rygh,  0.:  Norske Oldsager.  Forste  Hefte.  Chnstiania  und  Leipzig.  Carl  Cnobloch  1880. 

17)  Sammler,  der.  Internationales  Inseraten-Organ.  Verlag  und  Redaktion  J,  Heinold. 
München  1880. 

18)  Schaaffhausen.  H.:  Die  anthropologischen  Sammlungen  Deutschland  8.  Frankfurt  a.;M. 
9.  Darmstadt.  Aus  dem  Archiv  für  Anthropologie  18s0. 

19)  Schwartz,  W.,  Dr.,  Direktor,  Posen:  Materialien  zu  einer  prähistorischen  Karte  der 
Provinz  Posen  mit  Nachtrag  I und  II. 

20)  Sehested,  F.:  Til  Broholm  Oldsager  fra  Egnen  om  Broholni  Kiobenhavn  und  Leipig. 
F.  A.  Brockhaus.  1878. 

21J  Spree  wald,  der,  ' li  rov  l.rqeiov  <r  Yfaj , von  G J.  J.  S.  a/Gr.  Göttingen  1880. 
W.  F.  Kästner. 

22)  Undsot.  Ingvald , Uni  vereitelet;*  Sämling  of  Nordiske  Oldsager,  Kristiania  1878. 
A.  Cammermeyer. 

23)  Undset,  Iogwold,  Norske  Oldsager  i freraraede  Museer,  Kristiania  1878  Jae.  Dy h wald. 

24)  Undset,  Etudes  sur  Tage  de  Bronze  de  la  Hongrie,  Christiania  und  Leipzig  1880. 
Carl  Cnobloch. 

25)  Vircbow  R.  und  Schulen  bürg  W.  v : Der  Spreewald  und  der  Scblossberg  von 
Burg  ; prähistorisch«*  Skizzen,  den  Mitgliedern  der  XI.  allgemeinen  Versammlung  der  deutschen  anthro- 
pologischen Gesellschaft  Namens  der  Berliner  anthropologischen  Gesellschaft  dargebracht.  Berlin  1880. 
ÄViegandt,  Hempel  k Parey. 

26)  Virchow,  R. : Ueber  den  Schädel  des  jungen  Gorilla.  Auszug  aus  dem  Monatsbericht 
der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  7.  Juli  1880. 


Druckfehler  liu  stenographischen  Bericht  Ober  die  XI.  allgemeine  Versammlung. 


S.  2*  5p.  1 Z.  27  und  2»  von  ob«n  «tau  „Nachtigall"  li««  „Nachtigal.  " 
5.  25»  Sp.  2 Z.  3 von  unten  »tau  „propriaa“  he«  „proeriua." 

5 29  Sp.  2 Z.  5 und  6 von  unten  »Ult  „Fugor  pollicis  corpu»“ 
lies  „Fleier  pollici«  longus." 

5.  50  Sp.  I Z.  20  von  oben  sutt  „der  Kirchdörfer  Burg1"  lies  „de« 
Kirchdorfes  Burg.'* 

S.  50  Sp.  2 Z.  8 von  oben  statt  ..aber"  lies  ..eben.'' 

S.  52  Sp.  2 Z 20  von  unten  statt  „Rautum  • lies  . Rantum  1 
S.  52  Sp.  2 Z.  15  von  unten  statt  „Lerabeko-Burg  lies  .Lembeka- 

Burg  " 

S.  53  Sp.  1 Z.  2t  von  oben  statt  „Cypräno"  lies  ..CyprBua" 

S.  53  t>p.  2 Z.  34  von  oben  statt  „tusebirt , Tuscnirung"  lies 

„tauaehlrl,  Tauachlrueg. ' 

S.  51  Sp  1 Z 19  von  oben  statt  „Burgwall.  die“  lies  ..Burgwall,  der." 
S.  Bt)  Sp  I Z.  S von  unten  statt  ..sind'*  lies  „Ist.“ 

X SO  Sp.  1 Z.  7 von  unten  statt  ,,afu"  lies  „ave.“ 

S 80  Sp.  I Z,  3 von  unten  statt  , sie  zuerst  auf“  lies  ..es  von  " 

S.  84>  Sp.  2 Z 7 von  oben  statt  „hingelegt“  lies  „hingestettt " 

S.  Ni)  Sp.  2 Z.  8 von  oben  statt  „fertig  und"  lies  „hinreichend." 
S.  80  Sp.  2 Z.  8 von  oben  statt  „ist“  lies  „find.“ 

S 80  Sp.  2 Z.  8 von  oben  statt  „sie'*  lies  „deren  untere«  End«  '* 
S.  80  Sp.  2 2,  9 von  oben  statt  „sie“  lies 
S 80  Sp.  2 Z.  18  von  oben  statt  „afu"  lies  „ava“ 

S.  HO  Sp.  2 Z.  ly  von  unten  statt  „ähnliche"  lies  „Ihnllch." 

S 80  Sp.  2 Z.  15  von  unten  statt  „ethnographischen  Zeitschrift“ 
lies  ..Zeitschrift  tiir  Ethnologie." 

S.  80  Sp.  2 Z II  von  unten  statt  „Santo“  lies  ..Sarnew  " 

S.  80  Sp.  2 Z.  I!  von  unten  statt  „da**  lies  ..der“ 

S.  «0  Sp.  2 Z.  10  von  unten  statt  „wiederhole*  lies  „wiederholte.“ 
S.  80  Sp.  2 Z.  7 von  unten  statt  „sarno“  lie*  ..Sarnow.“ 

S-  81  Sp.  1 Z.  II  von  oben  »tatt  „Sarno“  lie»  „SantOW.“ 

S.  81  Sp.  1 2.  22  von  oben  »tatt  „h«rge*t«IIt ' lies  hervorgeb» acht,** 
S 81  Sp.  1 Z.  18  von  unten  statt  „Bkimatrisen"  lie»  „Bleunatriza." 
S.  81  Sp.  I Z.  18  von  unten  statt  „sie"  lies  „ihn.'* 

S.  81  Sp.  1 Z U von  unten  »tatt  „freie"  lies  „feine.“ 

S.  88  statt  „Eine  spetirll«  Betrachtung  ....  Resultat*'  lie» 
„Nachdem  Herr  von  TrnlUch  dieses  Bild  der  allgemeinen 
vorgeschichtlichen  Verhältnisse  des  Landes  gegeben  hatte, 
schildert  er  die  speziellen  Fundstätten  der  einzelnen  Perioden 
in  folgenden  Worten." 

S.  90  nach  „in  4 Karten  eintragen''  lies  „Schon  voriges  Jahr  bei 
der  X.  allgemeinen  Versammlung  in  Strastburg  hat  Herr 
von  Trdltscb  es  der  Deutlichkeit  halber  für  unumgänglich 


nüthig  erklärt,  das  so  reiche  Fundmaterial  der  einzelnen 
Perioden  auf  mehrere  Kartenblätter  zu  vcrtheilen.  Siehe 
Seite  vn  des  Bericht»  über  die  X.  allgemeine  Versammlung.“ 
S-  101  Sp.  I Z 24  von  oben  statt  „Nordens"  lies  ..Mondsee'a  .“ 

S.  101  Sp.  1 Z.  'äbvon  oben  statt  „Olenkupf“  lies  ,, Eberkopf. " 

S.  101  Sp-  1 Z.  zwon  unten  statt  „Slovenien“  lies  „Slavorucn.“ 

S-  101  Sp.  2 Z.  2*von  oben  statt  „Maria  Rust“  lie«  „Mario  Real“ 

S.  101  Sp.  2 Z.  28  von  oben  statt  „Winden"  lies  „Waiden.“ 

S 101  Sp.  2 Z.  9 von  unten  statt  „normäniveh"  lie»  ..vorrflmiach  " 
S.  102  Sp.  1 Z.  20  von  unten  ist  nach  „Stilform“  das  Wort  .jölo** 
zu  »etten- 

S.  102  Sp.  I Z.  >8  von  unten  statt  „slaviscber“  lies  ,.rBmi«Cher.“ 

S.  102  Sp  2 Z.  7 von  oben  statt  „Manien“  lies  „Qertthe  " 

S.  102  Sp.  2 Z.  18  von  unten  statt  „hämische  und  syrische“  lies 
„botniacha  und  aorbiacho.“ 

S.  102  Sp.  2 Z.  1 von  unten  ist  da»  Wort  „eich“  auszulassen- 
S.  108  Sp.  2 Z.  23  von  oben  »tatt  „nicht“  lies  „gut  “ 

S 103  Sp  2 Z.  10  von  unten  statt  „M.  Rust"  lies  „Maria  Real.“ 

S.  103  Sp.  2 Z.  II  von  unten  statt  „Wutsch“  lies  ,.W*tCCh-“ 

S.  103  Sp  2 Z 9 von  unten  statt  „Konfrater"  lies  . Hofrath." 

S.  128  Sp.  2 Z.  13  von  oben  »tatt  „von  Dechend“  lies  „von  Dechen“ 
S.  128  Sp.  2 Z.  24  von  oben  statt  „und1"  lies  ..nur.** 

S.  129  Sp.  1 Z.  22  von  oben  statt  „der  Name"  lie«  „die  Name«.** 

S.  130  Sp.  I L 30  von  oben  statt  „und“  lies  „nur.“ 

S.  I8>J  Sp  1 Z.  31  von  oben  statt  „zusammengesetzte"  lies  „an- 

aammeoaeaetiter  *' 

S.  137  Sp.  1 Z.  5 von  oben  statt  „die  wie  die"  lies  „di«  wieder.“ 

S.  137  Sp.  2 Z.  8 von  oben  statt  „Saul"  lie»  „Satnaon." 

S.  138  Sp.  I Z.  17  von  oben  statt  ,bei  der  Uelde  * lies  „bei  Uefd»." 
S 188  Sp.  1 Z.  2 von  unten  statt  .jene»"  lie»  „jener.“ 

S.  189  Sp  2 7-,  35  von  oben  statt  „bei  Fossilen  weiblicher  Schädeln“ 
lie»  „bei  foaailen  weiblichen  Schldtln  •* 

S.  I3y  Sp.  I Z.  20  von  oben  lie»  «lau  „den  andern"  lies  „Wirr  de« 
vordem." 

S.  139  Sp.  1 Z.  15  von  unten  statt  „anderer"  lies  „oller.“ 

S.  140  Sp.  1 7.  82  von  oben  statt  „nennt"  lies  „kennt" 

S.  140  Sp.  1 Z.  84  von  oben  statt  „oebvi"  lies  „acclivi. ' 

S.  140  Sp.  I Z.  i von  unten  statt  „Ländern"  lies  ..Bindern." 

In  dem  Bericht  der  kraniometriscben  Conterenx  8.  110  Sp  2 Z.3 
Ton  unten  »tatt  „fall*  eine  solche  wirklich  statt  gefunden" 
lies  „weil  er  nicht  in  München  anwesend  war.  Sein  Name 
sei  irrthümlich  in  den  Bericht  gekommen.  Was  die  in  Dresden 
getroffene  Vereinbarung  betreffe,  so"  u.  *.  w. 


Druck  der  Akatlemigchcn  Buchdruckerei  «w  F.  Straub  in  München.  — Schluss  der  Redaktion  am  1.  November  1880. 


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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen  Gesellschaft 

V 

für 

Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte. 


Redigirt  von  Rrufasor  Dr.  Johannen  Ranke  in  München, 

Qtntrahecrtfnr  der  GtulUrhaft. 


\!  Nr.  12.  Er«hnnt  jeden  Monat.  Dezember  1880. 


Töpferei  in  Ceylon. 

Hämmern  der  Töpfe. 

Von  Br.  Jagor,  Berlin 
nach  eigener  Beobachtung. 

Die  Töpferscheibe  ist  von  Holz,  hat  27  Zoll 
Durchmesser  und  ragt  nur  etwa  2 Zoll  über  den  ; 
Hoden.  Darauf  liegt  der  Formthon , ein  Kegel  ! 
von  1 */*  Fuss  Höhe.  Di»*  Scheibe  wird  vou  einem 
davor  hockenden  Manne  mit  den  Händen  gedreht. 
Der  Former,  der  ihm  gegenüber  hockt,  taucht 
seine  Hände  in  Wasser,  benetzt  »fen  oberen  Theil  i 
des  Thonkegels , formt  ihn  zu  einem  Cylinder, 
trennt  ihn  mit  einen»  Messer  von  dem  Thon-  j 
klumpen  und  setzt  ihn  zum  trocknen  ab.  Ist  er 
trocken  genug , um  sich  bequem  hantiren  zu 
lassen,  so  taucht  der  Töpfer  das  untere  Ende  in 
Wasser,  um  es  wieder  plastisch  zu  machen  und 
hämmert  auf  den  angefeuchteten  Thon  mit  einem 
hölzernen  Schillgel,  bis  die  Oeffnung  geschlossen,  . 
der  Boden  gebildet  ist.  Der  angefeuchtete  Theil 
dehnt  sich  dabei  aus,  die  Form  geht  aus  einer 
cylindrisehen  in  eine  kugelige  über.  Das  noch 
sehr  rohe  Getos  wird,  den  Boden  nach  oben  ge- 
kehrt, abermals  in  die  Sonne  gestellt.  Hat  es 
den  gehörigen  Grad  der  Trockenheit  erreicht,  | 
so  legt  es  der  am  Boden  sitzende  Töpfer  auf 
seine  mit  den  Sohlen  aneinander  gestemmten 
Ftoe  und  bearbeitet  es  solange  mit  dem  Schlägel, 
indem  er  es  zugleich  fortwährend  um  seine  Axe  • 
dreht,  bis  es  eine  schöne,  glatte,  kugelrunde 
Oberfläche  hat.  Während  die  rechte  Hand  den 
Schlägel  führt,  drückt  die  linke  mit  einem  pilz- 
artig  geformten  Steine,  einer  Art  Handamhos,  i 
gegen  die  innere  Wand  des  Getoses. 

Von  den  Andaruaneil  berichtet  Mr.  Port»* 
man  eine  andere  Methode: 


» Nachdem  der  Thon  mit  den  Händen  gut 
durchgeknetet  worden,  formte  man  daraus  einen 
festen  Körper  von  der  Gestalt  des  Kochtopfes, 
höhlte  ihn  mittelst  einer  Muschel  aus  und  ver- 
zierte ihn  innen  und  aussen.  Zwei  Tage  liess 
nmn  ihn  trocknen  am  dritten  Tage  umgab  man 
ihn  mit  Holz  und  brannte  ihn  in  offenem  Feuer.“ 
Nach  einer  Abbildung  im  Tour  du  Monde  1864 
11  167  zu  schliessen,  scheinen  die  schön  lackirten 
und  bemalten  Getose  der  halbwilden  Volksstämme 
in  den  Wäldern  von  Peru  auf  dieselbe  Weise  ge- 
brannt zu  sein. 


Literaturbericht  aus  Norwegen 

von  .1.  Mentorf,  Kiel. 

I.  I ndset , Ingmld:  Sur  l'ägc  de  bronxe  en 
Hongrie.  Vol.  I.  ( ’hristiania,  < ’arnmemieyer  1880. 
158  S.  in  mit  18  Tafeln  u.  82  Fig.  in  Holzschnitt. 

Denjenigen,  welche  den  prähistorischen  Studien 
ferner  stehen,  dürfte  es  auffällig  erscheinen,  dass 
ein  Norweger  die  „ungarische »Bronzezeit“  zum 
Gegenstände  seiner  Forschungen  gewählt.  Ein 
Skandinave  (Dr.  Hildebrand)  war  e«  auch , wel- 
cher vor  einem  Jahrzehnt  zuerst  deu  Reichthum 
prähistorischer  Bronzefabrikate  in  den  Sammlun- 
gen Ungarns  entdeckte,  und  staunend  ob  dessel- 
ben zugleich  deren  Bedeutung  für  das  Verständ- 
niss  der  nordischen  Bronzekultur  erkannte.  Und 
als  der  V'erf.  des  vorliegenden  Buches  im  Jahre 
1876  gelegentlich  des  Anthropologencongresses 
selbst  nach  Budapest  kam  und  die  Beschreibung 
des  Kollegen  von  der  Wirklichkeit  weit  über- 
troffen fand,  da  beschloss  er  die  ungarische  Bronze- 
kultur und  ihren  Einfluss  auf  die  Grenzländer 
zum  Vorwurf  eines  speziellen  Studiums  zu  machen, 


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90 


und  die  Resultate  dieser  Forschungen  bringt  uun 
der  vorliegende  1.  Band  eines  grösseren  Werkes 
zur  Kenntnis*  uud  zwar  in  französischer  Sprache, 
um  derselben  einen  grösseren  Leserkreis  zu  sichern. 

Bevor  Dr.  Undset  an  seine  eigentliche  Auf- 
gabe geht , giebt.  er  in  einem  ausführlichen 
Vorworte  die  Geschichte  des  seit  Jahren  unter 
den  Prüll  istorikerti  obech webenden  Bronzekultur-  | 
Streites.  Er  bekennt,  dass  er  selbst  (und  Uef.  i 
kann  dies  aus  früheren  Unterredungen  mit  dem 
Verfasser  bezeugen)  lange  geschwankt  habe  dem 
Norden  eine  eigentliche  Bronzezeit  zuzusprecheu, 
■dass  er  indess  bei  fortschreitenden  Studien  sich 
gemüsaigt  gefunden . die  Existenz  einer  solchen 
anzuerkennen. 

Die  deutschen  Gegner  der  skandinavischen 
Ansichten  über  die  sogenannte  Bronzeperiode  be- 
trachten dieselben  als  Lehrsätze  einer  Schule,  zu 
der  alle  nordischen  Archäologen  sich  bekennen. 
Würden  sie  die  Schriften  derselben  lesen,  so  wür- 
den sie  Anden,  dass  die  skandinavischen  Kollegen, 
obwohl  in  den  Hauptpunkten  einig,  in  einzelnen 
Fragen  doch  sehr  abweichende  Ansichten  hegen 
und  ein  jeder  nur  für  seine  eigenen  Auslassungen 
haftet.  Sehr  im  Vortheil  gegenüber  den  deut- 
schen Kollegen  sind  die  Skandinaven  dadurch, 
dass  sie  nicht  nur  die  nordischen  und  deutsche» 
Sammlungen  gründlich  kennen,  sondern  auch  die 
grösseren  Museen  in  ganz  Europa  durchgearbeitet 
und  damit  Kenntnis*  eines  ungemein  grossen 
Materials  gewonnen  haben. 

Gehemmt  werden  die  prähistorischen  Forsch- 
ungen vielfach  dadurch,  dass  mau  die  Bronzen 
nicht  nach  ihren  typischen  Eigentümlichkeiten 
zu  unterscheiden  versteht.  Des  gedenkt  auch 
der  Verfasser  des  vorliegenden  Buches,  dem, 
gleich  Refer.,  wiederholt  Gräberfunde  der  Eisen- 
zeit vorgelegt  wurden,  mit  der  scharf  betonten 
Bemerkung:  Bronze  und  Eisen  zusam- 

men! als  sei  dies  ein  Beweis,  dass  eine  Bronze- 
zeit ohne  Eisen a niemals  existirt  habe.  Hier 
, liegt  aber  eine  grosse  Gefahr  für  den  Werth  der 
mit  riesigem  Aufwand  von  Fleiss  und  Kosten 
vorbereiteten  prähistorischen  Karten  von  Deutsch- 
land. Was  nützt  es  uns  zu  erfahren  oh,  wo 
und  wie  oft  Bronzesachen  an  einem  Orte  ge- 
funden worden , wenn  wir  nicht  wissen , oh  es 
jene  ältesten  Typen  sind , welche  die  sogenaunte 
Bronzeperiode  charakterisiren  , oder  importirte 
italische  Waare,  oder  von  jenem  Gerät h,  welches 
unter  der  Bezeichnung  la  Tene-  oder  Hallstatt- 
gruppe bekannt  ist,  oder  gar  römisch!  und  des- 
gleichen , was  nützen  uns  die  Angaben  von  prä- 
historischen Eisenfunden,  wenn  wir  nicht  erfahren, 
ob  es  vorrömische,  römische,  fränkische  etc.  etc. 


Gerttthe  sind?  — Dr.  Undset,  welcher  auch 
dieses  Uebelstandes  gedenkt,  bemerkt  dazu,  Herr 
Lindeuschinit  habe  wiederholt  die  Bronzen , welche 
der  eigentlichen  Bronzezeit  angehören , von  den 
obengenannten  Gruppen  durch  die  Bezeichn nug 
„älteste  Bronzen“  unterschieden,  es  sei  wünscheos- 
werth  , dass  die  deutschen  Forscher  sowohl  über 
die  Formen  dieser  „ältesten“  Bronzen  als  Über 
ihre  Zeitstellung  sich  näher  auszuspreeben  bewo- 
gen fühlet en.  „Ich  schlage  den  deutschen  Kolle- 
gen vor  die  Diskussion  auf  das  rein  sachliche 
| Gebiet  zu  verlegen“,  fährt  Herr  Undset  fort, 
„das  Material , welches  wir  behandeln  , bietet  so 
viele  dunkle  Seiten,  so  viel  Ritthselhaftes  uud 
Zweifelhaftes,  dass  darob  eröffnet©  vorurtbeilsfreie 
Diskussionen  nicht  fruchtlos  bleiben  dürften.“ 

Nachdem  er  sämmtlichH  Theorien  bezüglich 
des  Ursprunges  der  europäischen  Bronzekultur 
geprüft  (Nilsäon,  Wiberg,  Rougemont,  Bataillard, 
Kurck,  Bert r and,  Lindenschmit,  Worsaae,  Hilde- 
brnnd  etc.),  zeigt  er,  dass  sie,  wiewohl  mit  vieler 
Gelehrsamkeit  und  vielem  Scharfsinn  aufgestellt, 
doch  t hei  Ls  hinfällig  sind,  weil  die  Funde  sie  nicht 
stützen,  zum  Theil  gar  dawider  zeugen,  theils 
i unbewiesen , weil  die  localen  Forschungen  noch 
^ nicht  genügend  vorgeschritten  sind.  Als  geeig- 
netste Methode  das  Dunkel  zu  klären,  befürwortet 
er,  alle  einzelnen  Kulturgruppen  einer  gründlichen 
Untersuchung  zu  unterziehen,  wie  »*r  es  in  dem 
vorliegenden  Werke  mit  der  ungarischen  versucht. 

Wer  zuerst  vor  einer  Sammlung  ungarischer 
Bronzen  steht , der  erblickt  völlig  neue  eigen- 
tümliche Formen  und  zwar  in  so  grosser  Menge 
und  Mannigfaltigkeit,  dass  kein  Zweifel  ob  ihrer 
lokalen  Ursprünglichkeit  obwalten  kann.  Schwerter 
mit  breiter  blattförmiger  Klinge  und  schalen- 
förmigem Knauf.  Hohlcelte  deren  Randubschnitt 
vorn  in  eine  Spitze  aufwärts  geht.  Fibeln  mit 
mit  federnder  Spirale,  Ringe,  Diademe,  Dolche, 
Sicheln  von  eigenen  Formen  und  in  der  Ornamen- 
tation  eine  üppige  Verwendung  der  Drahtspirale, 
welche  derselben  etwas  lebeudiges,  kräftiges  ver- 
leiht. 

Bemerkenswerth  ist  ferner,  dass  die  meisten 
ungarischen  Bronzefunde  nicht  aus  Gräbern 

stammen,  sondern  sogen.  Depöts  sind , d.  h.  ab- 
sichtlich vergrabene  Schätze  und  zwar  von  gleicher 
Beschaffenheit,  wie  sie  von  Sophus  Müller  in 
1 Dänemark,  P i g o r i n i in  Italien  und  von  Ch  a n t r e 
in  Frankreich  beschrieben  sind , nämlich  theils 
Serien  fertiger,  neuer  Ueräthe,  theils  Sainmelerz 
d.  h.  zerbrochene  Gegenstände,  Bruchstücke,  Guss- 
] zapfen  u.  s.  w.,  theils  unfertige  und  misslungene 
j Gussprodukte,  Metall  harren,  Gusszapfen  u.  s.  w. 
| und  wie  enorm  solche  D6pöt«  bisweilen  sind. 


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91 


zeigt  z.  B.  der  Fund  bei  Hamersdorf  in  Sieben-  j 
bürgen,  wo  Bronzegerätbe  zun»  Gewicht  von  400kg 
gehoben  wurden. 

GrEber  sind  bisher  wenige  in  Ungarn  unter-  [ 
sucht,  deshalb  ist  auch  die  rüthselhafte  Erscheinung 
auf  dein  von  Baron  Nyary  aufgedeckten  Fried-  t 
hofe  bei  Pilin  unerklärt  geblieben,  wo  zahlreiche 
Beigaben  von  Mininturgerttth  von  Bronze  ans 
Licht  gefördert  wurden. 

Durch  das  Studium  namentlich  solcher  Funde,  , 
in  welchen  neben  ungarischem  Gerät  h auch  fremde  \ 
importirte  Waaren  verkommen , so  wie  der  Be- 
ziehungen zu  den  Grenz  ländern  und  der  Wechsel-  i 
seitigen  Beeinflussung  glaubt  Verfasser  auch  den  ! 
Abschluss  der  ungarischen  Bronzezeit  feststellen 
zu  können.  Dazu  bedarf  es  jedoch  einer  genauen 
Kenntnis#  sftnuntlicher  Gegenständ**  in  ihren  Grund- 
formen, Abarten  und  Umbildungen . ihrer  Ver- 
breitung, Aufnahme  in  anderen  Ländern  und  der 
Umbildungen,  die  sie  dort  erfuhren.  Dieser  Ar- 
beit hat  Verfasser  in  dem  vorliegenden  Werke 
sich  unterzogen,  dessen  kürzlich  vollendeter  erster 
Band  sich  nur  mit  der  Kleiderspange  und  dem 
Schwerte  beschäftigt. 

Es  ist  liier  nicht  der  Ort  dem  Verfasser  auf 
dem  Wege  seiner  Untersuchungen  zu  folgen.  Nicht 
nur  die  Grundformen,  auch  alle  Varietäten  führt 
er  in  Abbildung  und  Beschreibung  vor,  mit  Nach- 
weis ihrer  örtlichen  Verbreitung,  so  weit  thunlich 
sogar  ihres  numerischen  Vorkommens  an  den 
verschiedenen  Orten.  Dr.  Untl*ot  findet  in  der 
aus  zwei  Stücken , dem  Bügel  und  der  lewe  an 
demselben  hängenden  Nadel,  bestehenden  ungar- 
ischen Fibula  die  Form,  welche  der  nordischen 
Bronzezeit fibula  zu  Grunde  liegt  und  zwar  hält 
er  die  einfachste  nordisch**  Form,  die  Drahtfibel 
(S.  Moutelius  Antiqu.  sued.  Fig.  120»,  nicht  für 
di**  ursprüngliche,  wie  Montelius  und  Hilde- 
brand dies  ausgesprochen , sondern  für  eine 
späte  Umbildung  einer  ungarischen  Grundform. 
Naturgemäßer  scheint  die  Theorie  der  Schweden,  ( 
zu  Undset's  Gunsten  spricht  indessen,  dass  die 
einfache  Drahtßbel,  nicht  südlicher  als  Berliu  ge- 
funden ist,  da  man  doch  annebuien  sollte,  dass 
die  Grundform  da  zu  Hause  sei,  von  wo  die  Ent-  , 
Wicklung  und  örtliche  Ausbreitung  ihren  Aus- 
gang genommen.  Sie  ist  der  nordischen  Gruppe 
eigen  und  jedenfalls  jünger  als  die  ungarischen  ! 
Fibeln,  welche  Undset  als  Voraussetzung  der- 
selben betrachtet. 

Die  Untersuchung  der  Schwertformen  schiiesst  | 
der  Verfasser  mit  der  Frage:  woher  stammt  das 
ungarische  Schwert?  Nicht  aus  dem  westlichen 
oder  örtlichen  Europa,  nicht  aus  Russland.  Bert-  [ 
rand  sucht  die  Wiege  der  europäischen  Bronze-  j 


kuttur  im  Kaukasus,  doch  sind  die  dortigen  Kultur- 
verhältnisse viel  zu  unbekannt  um  solche  Muth- 
massungen  zu  stützen.  Weniger  unwissend  sind 
wir  Dank  der  Ausgrabungen  S c h l i e m a n n ’s 
und  anderer  in  Betreff  der  griechischen  Bronzen. 
Das  kurze  Schwert  mit  breiter  Klinge,  deren  ge- 
rade Seitenlinien  in  der  Spitze  zusammen  treffen, 
und  mit  kurzem  Griff,  welches -bisher  als  make- 
donisch galt , findet  man  in  Griechenland  nicht ; 
dahingegen  eine  andere  Form,  welche  in  gewissen 
Punkten,  z.  B.  in  dem  starken  Mittelgrat,  grosse 
Aehnlichkeit  mit  den  ungarischen  zeigt  und  zwar 
sind  Schwerter  gleicher  Form  auch  in  anderen 
Mittelmeerländern  gefunden.  Nach  Süd-Italieu 
z.  B kam  es  früh,  nach  Ungarn  vielleicht  auf 
östlicherem.  Wege.  In  den  Kopenhagener  Samm- 
lungen liegt  ein  eisernes  Schwert  aus  Larnaka, 
das  den  ungarischen  Bronzesch wertem  sehr  ähn- 
lich ist.  und  vielleicht  eine  in  ältester  Zeit  üb- 
liche Form  veranschaulicht. 

Mit  der  Untersuchung  der  Bronzeschwerter 
bricht  der  erste  Band  ab.  Solche  Arbeiten  sind 
die  Früchte  umfassender  Studien,  Studien,  die 
man  nicht  daheim  abtlmn  kann,  sondern  weite 
Reisen  und  somit  grosse  Opfer  an  Zeit  und  Geld 
erfordern.  Solche  zu  unternehmen  würde  jüngeren 
Gelehrten  kaum  möglich  sein,  aber  die  Regier- 
ungen der  skandinavischen  Reiche  zeichnen  sich 
bekanntlich  vor  allen  anderen  dadurch  rühmlich 
aus , dass  sie  alljährlich  eine  Anzahl  junger 
tüchtig  geschulter  Männer  ausrüsten  um  auf  den 
verschiedenen  Gebieten  des  Wissens  im  Auslande 
einzusammeln,  was  zum  Ausbau  der  Tempel  des 
Wissens  auf  eigenem  Boden  nöthig  ist.  Jahr  für 
Jahr  lesen  wir  mit  Bewunderung  und  nicht  ganz 
ohne  Neid  was  für  Summen  zu  Reisestipendien 
für  junge  Gelehrte  ausgesetzt  werden.  Will 
Dr.  Undset  sein  Werk  mit  derselben  Gründ- 
lichkeit vollenden,  wie  er  begonnen , da  liegt  in 
den  Vorarbeiten  noch  ein  schweres  Stück  Arbeit 
vor  ihm,  zu  deren  baldigen  Erledigung  wir  ihm 
im  Interesse  der  Wissenschaft  freie  Bahn  und 
besten  Erfolg  wünschen. 

II.  l'iidset  Iugvuld:  Kru  Norges  äldre  Jemalder. 
.Sepamtabdruck  au*  den  Aorixlger  f.  nonl.  < >hlk.  og 
Historie.  Kopenhagen  18*0.  06  8.  in  mit  ’*0  Figuren 
in  Holzschnitt. 

Bei  aufmerksamem  Verfolgen  der  prähistor- 
ischen Studien  im  Norden  sieht  man,  wie  un- 
richtig es  ist  die  Kulturverhältnisse  eines  Landes 
nach  denen  der  nächstgelegenen  Gebiete  zu  be- 
urt heilen.  Was  für  die  dänischen  Inseln  gilt, 
gilt  nicht  immer  auch  für  Jütland;  Südschweden 
hat  einen  anderen  Character  als  Mittel-  und 


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92 


Nordsch  weden,  und  noch  ausgeprägter  ist  gegen- 
über den  beiden  Bmderreichen  die  Sonderstellung 
Norwegens.  Die  geographische  Lage  lässt  aller- 
dings schou  darauf  sch  Hessen , dass  das  Land 
später  und  spärlicher  von  den  südlichen  Kultur- 
strömungen berührt  worden,  aber  bemerk enswerth 
ist . dass  der  Osten  des  Landes  eine  andere  Be- 
einflussung erfahten  als  der  Westen,  noch  merk- 
würdiger sind  die  Spuren,  eines  schon  vor  der 
Wikingerzeit  zwischen  Norwegen  und  den  west- 
lichen Ländern  gepflogenen  Seeverkehres,  an  wel- 
chem Dänemark  und  Schweden  nicht  Theil  gehabt. 

Zu  diesem  Schluss  gelangt,  der  Verfasser  nach 
einer  erschöpfenden  Prüfung  sämmt  lieber  gegen- 
wärtig vorhandenen  Fundobjecte  aus  der  vorge- 
schichtlichen Eisenzeit.  Die  ersten  Studien  über 
diese  Kulturperiode  veröffentlichte  vor  Jahren 
Professor  Rygh,  indem  er  auch  in  Norwegen 
eine  Ältere  und  eine  jüngere  Periode  erkannte, 
wie  sie  bereits  in  Dänemark  unterschieden  war : 
dann  trat  Dr.  L orange  auf  mit  der  Erklärung, 
in  Norwegen  sei  bereits  eisernes  Gertttb  im  Ge- 
brauch gewesen,  bevor  das  Land  von  römischer 
Kultur  berührt  worden.  Zu  diesem  Ausspruch 
fühlte  Herr  Lorange  sich  bewogen  durch  die 
Beschaffenheit  zahlreicher  von  ihm  gehobener  Grä- 
berfunde. Herr  Uudset  bestätigt  die  Korrekt- 
heit dieser  Beobachtung.  Ist  aber  mit  der  Zeit- 
stellung der  Gräber  nicht  ganz  einverstanden. 
Die  ältesten  Gräber  sind  kleine  niedrige  Hügel 
mit  verbrannten  Gebeinen  und  Kohlen,  die  bald 
Uber  den  Boden  ausgestreut , bald  in  eine  Urne 
gesammelt  sind,  nebst  dürftigem  durch  den  Leichen- 
brand mehr  oder  minder  zerstörten  Ei&engeräth. 
Dann  kommen  Hügel  mit  kleinen  Stein- 
kammeru.  welche  ein  Thon-  oder  Bronzcgefäss  ' 
umschließen  mit  den  verbrannten  Gebeinen  und 
absichtlich  zerbrochenen  Beigaben. 

Danach  folgen  grosse  Steinkammern  bald 
mit  verbrannten  Gebeinen , bald  mit  Skeletten 
und  unversehrten  Grabgeschenken . 

Die  Urneu  sind  in  den  ältesten  Zeiten  vou 
M*hr  grobem  Thon,  und  bisweilen  in  die  Kohlen- 
und  Knochenhaufen  hineingegraben ; mitunter 
liegen  die  Knochen  in  einem  Haufen  neben  der 
Urne  und  diese  ist  mit  Sand  gefüllt.  In  einigen 
Gräbern  lag  nur  eine  Scherbe  auf  den  Knochen, 
in  anderen  waren  letztere  mit  einem  eisernen 
Schildbuckel  bedeckt.  Will  man  die  Waffengräber 
den  Männern  zusprechen , so  waren  diese  spär- 
licher bedacht  als  die  der  Frauen.  Schwerter 
wurden  z.  B.  niemals  gefunden.  In  den  Frauen- 
gräbern fand  man  Schmuck,  Messerchen,  Schlüssel  I 

Druck  der  Akademischen  Buchdruckerei  con  F.  Straub  in  J 


und  eiserne  Beschläge,  welche  vermuthen  laßen, 
dass  die  Grabgescbenke  in  ein  Kästchen  gelegt 
waren,  von  dem  nur  das  Beschläge  sicherhalten  hat. 

Die  Abbildungen  vou  den  aus  dieaen  Gräbern 
gehobenen  Beigaben , zeigen  indessen  deutlich, 
dass  sie  nicht  gleichzeitig  sind  mit  jenen  sogen, 
vorrömischen  Eisengräbem  auf  der  Insel  Born- 
holm und  in  Norddeutschland.  Da  sind  z.  B. 
keine  eisernen  Gürtelhaken , keines  der  charak- 
teristischen eisernen  Schwerter : dahingegen  etliche 
Fibeln  mit  rückwärtsgebogcnem  Bügel,  die  bekann- 
ten halbmondförmigen  Messerchen , aber  danrben 
Schmuck  und  Geräth  von  viel  jüngerem  Charakter. 
Der  Verfasser  macht  dieselbe  Beobachtung  und 
dürfte  Recht  haben  in  der  Ansicht , dass  die 
Geräthe  älterer  Zeit  sich  im  hohen  Norden  lange 
neben  den  jüngeren  erhalten  haben  und  mit  ihnen 
zugleich  nach  dem  Norden  geführt  seien.  Damit 
wäre  aber  eine  vorrömische  Eisenzeit  in  Norwe- 
gen in  Frage  gestellt.  Spuren  eines  frühen  See- 
verkehrs erblickt  Herr  U n d s e t in  gewissen 
Gräberfunden,  welche  Gegenstände  enthalten,  die 
weder  aus  Dänemark  noch  aus  Schweden  gekom- 
men sein  können  und  die  man  deshalb  für  speciell 
norwegisch  hielt,  bis  Un  d s e t auf  seinen  Studien- 
reisen diese  Gegenstände  im  Ausland«*  antraf: 
z.  B.  an  der  Klhmündung , in  England , in  Bel- 
gien. Dahin  gehören  unter  anderen  eine  Bügel- 
flhula,  die  unten  in  einen  Thierkopf  ausläuft, 
ein  Bronzekessel  eigentümlicher  Form  (S.  Cata- 
log  der  Berliner  Ausstellung  S.  579  Fig.  lAL 
fränkische  Glasgeftlsse  u.  s.  w.  Nach  diesen  Ge- 
genständen zu  urtheilen,  dürfte  der  Verkehr  um 
500  il  Chr.  bereits  bestanden  haben  und  zwar 
scheint  er  von  Jütland  aus,  mit  welchem  die 
Norweger  schon  um  Jahrhunderte  früher  in  Ver- 
bindung gestanden,  sich  allmülig  weiter  ausgedehnt 
zu  haben  bis  nach  Belgien  und  Nordfrankreich 
hinunter.  Eine  Stütze  für  diese  Undset'sche 
Hypothese  bildet  die  Erscheinung,  dass  die  oben- 
genannten Gräberfunde  nur  im  westlichen  Nor- 
wegen Vorkommen,  wo  die  erwähnten  Metallkessel 
sogar  als  Behälter  der  verbrannten  Gebeine  dien- 
ten. Dass  Norwegen  gegen  Ende  der  heidnischen 
Zeit  direkte  Verbindungen  namentlich  mit  Eng- 
land und  Irland  unterhielt  und  von  dort  neue 
Kulturelemente  lieimbrachte , die  Sehwe<len  und 
zum  Theil  auch  Dänemark  fremd  blieben , Ist 
bekannt,  der  Beweis  aber,  dass  dieser  Verkehr 
in  so  frühe  Zeit  hinauf  reicht,  wirft  völlig  neue 
Streiflichter  auf  die  norwegische  Kulturgeschichte, 
weshalb  ein  weiteres  Verfolgen  dieser  Andeutun- 
gen von  hohem  Interesse  sein  würde. 


en.  — Schluss  der  Redaktion  nm ü.  rrmlter  1880. 


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Inhalt  des  XI.  Jahrgangs.  1880, 


Nr.  1.  Zum  Neujahr  1880.  — Die  Schweizer  Jugend  nach  der  Für  Im*  der  Augen,  der  Haare  und  der  Haut. 
«I.  Kollmann.  — Da»  Salben  der  Steine.  R.  Andree. 

Nr.  2.  Einladung  zur  Beschickung  der  Aufteilung  anthropologischer  und  vorgeschichtlicher  Funde  Deutsch- 
land». welche  im  August  1880  in  Berlin  stattfinden  wird.  — Zur  Anthropologie  Tirol»  von  Kal»l- 
R flckh&rd. 

Nr.  8.  Zur  AnthrO|M>logii>  Tirol«  (Fortsetzung)  von  Kahl*  |{  ttc  khard.  — MinemlogMch-urchaolngHche  Be- 
obachtungen I.  H.  Fi»t  her.  — Litemtnrberichte.  I.  Anthroj>o logische  Notizen  au«  Amerika.  O.  Löw. 
II.  Zur  1‘rgeachichte  Cypern*.  Fligier.  111.  Materialien  zur  Vorgeschichte  de»  Menschen  in  Ost- 
europa. Fligier.  IV.  Ersuchen.  C.  Mehlis.  — Mittheilungen  »um  dem  Zweigvereine  Leipzig. 
— Neuer  Höhlenfund  an  der  Eifel.  E.  Bracht. 

Nr.  4.  Zur  Kraniologie  Tvrol*.  J.  Hanke.  Mittheilungen  aus  dem  Zweigvereine  Kiel.  Der  Febergang 

des  Germanien»  über  die  Ein*  i.  J.  16  n.  Chr.  v.  R.  Wagener.  — IlochScker  in  der  Provinz 
Hannover.  W.  Krause.  — Aus  der  fränkischen  Höhlengegend.  H.  Hoescb. 

Nr.  5.  Ethnographisch«»  von  Sumatra’*  Ostküsto.  F.  Hagen.  — lieber  die  von  Herrn  l'esnola  entdeckten 
(’yprisohen  Alterthümer,  nach  einem  Vortrag  de»  Herrn  Buraian  in  der  Münchener  unthronolug. 
Gesellschaft.  — Literaturberichte.  Anthropologische  Notizen  au»  Amerika  ( Fortsetzung l.  Aus  Japan. 
Au*  England.  0.  Löw.  — Schalemdeine.  1.  aus  Hannover.  G.  Triiupe.  2.  au*  Thüringen. 
R.  Einet.  — Der  anthropologische  Verein  in  Graz.  Kollmann.  Zur  Aufteilung  anthropologischer 
und  vorgeschicht  lieber  Funde  Deutschland».  — Einladung  zur  Aufteilung  der  deutschen  Kunemlenkmäler. 

Nr.  6.  Ein  Goldfund  in  Oberheason  von  H— n.  — Literaturbericht.  1.  Die  geographischen  Arbeiten  de* 
Ptolemäus  mit  besonderer  Beziehung  auf  deren  Anwendung  in  dem  Werke  von  v.  Sndowski:  die 
HandelftniMHen  der  Griechen  und  Römer  etc.  Kay  «er.  2.  Da»  von  Sadowski’sche  Werk  in  Be- 
ziehung auf  die  Archäologie  Westpreweene.  — llrnenfiind  in  einer  Höhle  in  Schlesien.  Von  der 
Wengen. 

Nr.  7.  Einholung  zur  XI.  allgemeinen  Versammlung  der  deutschen  Anthropologischen  G ••*«•]  l*chuft.  — Minera* 
logiwh-nrchnohjgische  Beobachtungen  II.  n.  Flacher.  — Mittheilungen  au»  den  Zweigvereinen: 
Göttingen.  V.  Brunn.  München.  G.  Fink.  — Kleinere  Mittheilnngen  au*  Frankreich.  Bartel*. 

Nr.  8.  Virchow*«  Beiträge  zur  Landeskunde  der  Troa».  W.  v.  Christ.  Mittheilungen  au*  den  Zweig- 
vereinen. Naturforschende  Gesellschaft  in  Danzig.  Anthropologische  Section.  Li  s* an  er.  — Anthro- 
pologische Gesellschaft  in  Leipzig.  — Literaturbericht.  Deutsche  l’rseit  von  W.  Arnold.  Stöhr. 
— Eigenthümlicher  Gebrauch  bei  Beerdigungen  im  Poaen’tchen  W Schwarz.  — Höhlenunter- 
suchungen. Von  der  Wengen.  M.  Bartel*.  Sehwanzbihlung  heim  Menschen.  Orn*tein. — 
Mittheilung  nn  die  Mitglieder. 

Nr.  9,  10,  11.  (2  Bogen i.  Tagesordnung  und  Verlauf  der  XL  allgemeine»  Versammlung.  — Organisation 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  bei  der  XI.  Versammlung.  — Verzeichnis»  der  Aus- 
steller. — Mitgliederverzeichni*»  der  XI.  Versammlung.  — Allgemeine  Cel »ersieht.  — Die  bei  dem 
Genemlsekretariate  zur  Vorlage  bei  «1er  XL  allgemeinen  Versammlung  eingelaufenen  Werke  und 
Schriften.  — Druckfehler  im  stenographischen  Bericht  ülier  «lie  XI.  allgemeine  Versammlung. 

Beilage:  Verhan.Hu  n g e n »1er  XI.  allgemeinen  Versa  m m 1 u n g der  deutschen  ant  broi**- 
logischen  Gesellschaft  zu  Berlin  im  August  1880  in  stenographischer  Aufzeichnung  (20  Bogen  1 : 

Erat«  Sitzung.  Eröffnung  durch  «len  l.  Vorsitzen» len  Herrn  Virchow  8.  1.  BegrQssungarede 
durch  »len  Vertreter  der  königl.  Staats- Regierung  Herrn  I'nterstaats-Sekretür  von  Dossier  8.1.  -*• 
Einleitung*re»le  de*  I.  Vorsitzenden  S.  8.  — Hede  »les  LokalgeschüfUftUiren  Herrn  Friedei  über  die 
Alterthftmer  von  B«*rlin  und  rmgegend  8.  12.  — Herr  Virchow  — Herr  Sch  lie  mann  über 
Troju  S.  16.  -■  Herr  Virchow  Ansprache  an  Sr.  K.  K.  Hoheit  «len  Kronprinzen  »io*  Deutschen 
Reiche*  un»l  von  Preusscn.  den  Protektor  «ier  Ausstellung  8.  21.  — 

Zweite  Sitzung.  Herr  Virchow  S.  22.  — Herr  4.  Ranke  Wissenschaftlicher  Bericht  de* 
General-Sekretär*  S.  24.  — Herr  Weis  mann  Bericht  de*  Schatzmeister*  8.  81.  — Herr  Schaaff- 
hansen  Bericht  über  »lie  Arbeiten  der  Schädelkommisnon  S.  33.  — Herr  Virchow  8.39.  — Wahl 
von  Regena'burg  al»  Congreaaort  für  die  XII.  allgemeine  Versammlung  und  Wahl  der 
Herren  Dahlem  und  Gral  von  Walderdorft  zu  Lok&lgeschilftsftlhrern  für  dieselbe  8.  40. 

WiMemchzttliche  Tageiordnung  I.:  Dir  fränkischen , Männchen,  lettischen,  arabischen  und  skandina- 
vischen Funde  in  Deutschland  Herr  Friede!  Die  Eisenperiode  bei  IW)  in  l Fortsetzung  »einer  Beile 
in  der  ersten  Sitzung!  8.  41.  — Herr  Virchow  8.  44.  — 

I.  Anatomische  (Konferenz.  Herr  Kupffer  Feber  den  GauinenwuDt  8.  44.  — Herr  Ecker 
l’eber  den  Sc li w u rufort *atz  8.  4»r>.  — 

Dritte  Sitaung.  Herr  Virchow  8.  46.  — Neuwahl  der  Vorwtandschaft  8.  46.  — Zur 
obigen  wissenschaftlichen  Tagesordnung]  Herr  H and almann  S.  47.  — Schle*wig-Hol»teini*che  King- 
uml  Burgwälle  8.  47.  — Herr  Köhl  Reihengräberfeld  bei  Wies-Oppenheira  8.  ol.  — Herr  Mehlis 
Ruine  Schloss  Eck  S.  57.  — Herr  Klopfleisch  Wellenornamente  8.  59.  — Herr  Virchow  8.  60. 
— Herr  Sc haaff hausen  S.  60.  — Fräulein  Mestorf  l’eber  Hacksilherfimde  S.  60.  — Diskussion 
8.  60:  Herr  v*  Jazdzew*ki  — Herr  Virchow  — Herr  Kühne  — Herr  Albin  Kohn  — Herr 
Schwartz  — Herr  Undset  — H«mt  Montelius  — Herr  l’ndset  — - Herr  Virchow  8.  65.  — 
Etat  für  «Ins  Jahr  1881  8.  65. 


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Viert«  Sitzung.  Herr  Vircbow  Geschäftliches  8.  66.  — Herr  Hey  rieh  Ueber  den  Arche* 
opterix  S.  66.  — Herr  Virchow  Bericht  über  die  Arbeiten  der  Kommission  für  die  Statintik  der 
Kayenvorhältnisae  in  Deutschland  S.  66.  — Herr  Kollmann  Statistik  über  die  Farbe  der  Augen,  der 
Haare  und  der  Haut  der  Schulkinder  in  der  Schwei»  und  ilber  schweizerische  Schftdelfonnen  S.  68.  — 
Herr  Virchow  Geschäftliches  S.  71.  — Herr  Ecker  Die  Herausgabe  der  Gerammt- Werke  von  Carl 
Ernst  v,  Baer  S.  71.  Herr  Virchow  Thonornamente  der  slavischen  und  fränkischen  Zeit. 
Difckuasion  zu  8.  59.  — Herr  Tischler  S.  72.  — Herr  Klopfleisch  — Herr  Mehlis  — Herr 
Much  — Herr  Tischler  — Herr  Witt  — Herr  Klopfleisch  — Herr  Virchow  — Herr  Tisc  hier 
— Herr  Virchow  — S.  SU.  — Herr  Ja  gor  Indische  Töpferei  S.  8Ü.  — Herr  Samo  S.  81.  Herr 
Jagor  S.  81.  — Herr  Virchow  S.  81.  — Zur  wissenschaftlichen  Tagesordnung  I Herr  Tischler 
Ueber  ein  OKtprenwuwhe*  Gräberfeld  S.  81.  — Herr  Virchow  S.  85. 

Fünfte  Sitzung.  Herr  Virchow  Geschäftlichen  und  Wellenornamente  S.  85.  — Herr  Klop- 
fleisch S.  86.  — Herr  Frau*  Bericht  Uber  die  Arbeiten  der  Kommission  ftkr  Herstellung  der  prä- 
historischen Karte  S.  86. 

Wissenschaftlich«  Tagesordnung  II  : Die  römischen  und  ctrurischen  Funde  in  Deutechland.  Herr 

Dahlem.  Regensburger  AHerthümer  S.  91.  — Herr  Vircbow  S.  94.  — Herr  Graf  von  Wuriu* 
brand  Ueber  prähistorische  Töpferei  S.  94.  — Herr  Virchow  ßegrflmung  der  Herren  von 
Nordenekioeld  und  Tor  eil.  — Geschäftliche«  S.  99.  — Herr  Virchow  Ueber  prähistorische 
Chronologie  und  Handelswege  S.  100.  - Diskussion  Herr  Handelmann  S.  104.  — Herr  Dahlem 
Ueber  die  Zeit  der  Zusammenkunft  zur  XI.  allgemeinen  Versammlung  in  Regensburg  S.  104.  — 

Protokoll  der  beiden  k raniometriaehen  Konferenzen  8.  104. 

Sechste  Sitzung.  Herr  Virchow  S.  106.  — Derselbe  Ueber  di«  Ausstellung  des  Original« 
des  Archaeopteryx  S.  106.  — Derselbe  Begrüßung  de«  Herrn  Bastian  S.  107.  — Herr  Bastian 
Bericht  Ober  seine  neueste  Weltreise  S.  107.  — Herr  Fraas  Ueber  den  Archaeopteryx  S.  109. 

Wissenschaftliche  Tagesordnung  III:  Die  altgermanischen  und  keltischen  Funde  in  Deutschland.  Die 
alte  Bronzezeit.  Herr  Henning  Ueber  deutsche  Runendenkmäler  S.  110. — Diskussion  S.  115  Herr 
Montelin«  — Herr  Undset  — ■ Herr  Henning  — Herr  Und  «et  — Herr  Henning  — Herr 
Schuck  — Herr  Virchow.  — Herr  Und  net  Ueber  den  neuen  norwegischen  Schiffsfund  bei 
Snndefjtfrd  S.  117.  — Derselbe  Zur  Bronzefrage  S.  119.  — Herr  Schaaffh  atmen  Ueber  Steinwälle 
zwischen  Bingen  und  Bonn  S.  121.  Herr  Virchow  Geschäftliche«  S.  124. 

Wissenschaftliche  Tagesordnung  IV:  Steinzeit  und  HÖhlenfunde  vornehmlich  in  Deutschland.  Herr 
J.  Ranke  Nene  Funde  in  Oberfränkischen  Höhlen  S.  125.  — Diskussion  Herr  Ne h ring  — Herr 
Ranke  — Herr  Kraue  — - Herr  Nehring  — Herr  Virchow  — Herr  K]opflei«ch.  — Herr 
Schaaffhausen  Ueber  neue  Höhlenfunde  im  Kheinlande  S.  128.  — Fortsetzung  der  Diikuanoa 
zum  Vortrag  des  Herrn  Ranke  (S.  125).  - Herr  Virchow  S.  184.  — Herr  Schuck  Zur  Runenfragv 
S.  184.  — Herr  Virchow.  — Herr  Brugsch-Bey  Ueber  die  Steinzeit  in  Aegypten  S.  l‘W.  — Di«* 
kusuion  Herr  Mook  — Herr  Virchow.  - 

Wissenschaftliche  Tagesordnung  V:  Urgeschicht liehe  Anthropologie.  Iäss-  und  Moorf'unde.  Herr 

von  Dechen  Ueber  die  Eiszeit  in  Norddeutachland  S.  189.  Diskussion  Herr  Vircbow.  — Herr 
Ecker  Ueber  die  Nothwendigkcit  einer  Statistik  der  Körpergröße  in  Deutschland  S.  140.  — 
Derselbe  Ueber  eine  Karte  der  Verbreitung  der  Reihengräber  und  über  Reihengräberschidel  S.  141. 

— Ueber  Lößfunde  S.  141.  — Fortsetzung  der  Diskussion  der  ägyptischen  Steinzeit  iS.  148).  — Herr 
Frans  Ueber  zufällige  Splitterung  der  Feuersteine  mit  Rücksicht  auf  die  Verhältnisse  Aegyptens 
S.  142.  — Herr  Virchow  Ueber  ägyptische  Steinzeit  S.  148.  — Herr  Ascherson  Ueber  de- 
modernen  Ursprung  vieler  ägyptischer  Feuersteinartefacte  S.  148.  — - Herr  Virchow  Geschäftliche« 

— Ausstellung  von  Frl.  Tor  mm  S.  148. 

Wissenschaftliche  Tagesordnung  VI:  Allgemeine  und  deutsche  Anthropologie.  HerT  Virchow  Ueber 
die  mikrocephale  Familie  Becker  8.  148.  — Herr  J.  Hanke  Statistik  der  Körpergrösse  der  bayerischen 
Militärpflichtigen  S.  145.  — Herr  Kollmann  Ueber  europäische  Schädeltypen  S.  149.  — Herr 
Kupffer  Ueber  die  Auffindung  der  Leiche  und  den  Schädel  von  Jmnnuel  Kant  S.  155.  — Herr 
Virchow  Schlussrede  S.  158. 

Rednerliste  im  Stenographischen  Bericht  S.  160. 

Die  Töpferei  in  Ceylon.  Jagor. — Literat  nrbericht.  1.  In  du  et  Ingvald:  Sur  l'äge  de  bronxe  en 
Hongrie.  2.  Derselbe:  Fra  Norges  fildre  Jernalder.  J.  Meatorf.  — Inhaltsverzeichnis«  des  Jahr- 
gangs 1880.  — Schluss  de«  DruckfehlerTerzeichnin*e*  zum  Bericht.  — Titel. 


Schlna»  des  Druckfehlerverzeichnisses  zum  Bericht: 

S.  10  Sp.  t /.  20  VOR  nnten  statt  „Thiede,  aas  dem  W’firtemb.“  lie«  „Thiede.  lui  dam  Würteml>«rgi$c»i*fl  S 121  Sa.  S 
/.  6 von  unten  statt  „von  Decbend“  lies  w*«n  Dechen  **  S.  Sp.  I Z ft  von  oben  statt  „und-  lie»  ,,nur."  S.  1*2  Sp.  2 Z.  3 von  oben 

statt  ..der  Name"  lies  „die  Namen“  S.  128  Sp.  2 Z 11  von  oben  statt  „nud“  lies  „n«r.“  S 128  Sjp  2 Z.  12  von  oben  statt  „lutammra- 

gesetste"  lie»  „zusammengesetzter  " S.  1 27  Sp.  2 Z 28  von  oben  ist  hinter  dem  Worte  „ich“  das  Wort  „aalbal“  eintusebieben.  S.  18' 
Sp.  2 Z.  28  von  unten  statt  „Hitch“  lies  ..Hoesch  " S.  128  Sp.  1 Z,  2U  von  oben  statt  „Nussenried“  lies  ..Schuitaoried."  S.  ItS  Sp.  1 

Z.  2»  von  oben  statt  „wochenlang“  lies  „ein«  Woche  lang.“  S 180  Sp.  I Z.  24  von  oben  statt  „die  wie  die’*  lies  „die  wieder  " S.  IW 

Sp  2 Z.  28  von  unten  statt  „Sani“  lies  „Samson  “ S.  ISI  Sp.  1 Z.  II  von  unten  statt  ,,bei  der  Uelde“  lies  „he»  Uelde."  S 181  Sp.  * 
Z.  27  von  unten  statt  ..jenes“  lies  ..jener.“  S 182  Sp.  1 Z.  V von  ooten  siat  „den  andern“  lies  „nur  den  v*r«rn  “ S-  112  Sp.  2 Z-  14 
von  oben  statt  „anderer“  lie*  ,, alter. “ S.  183  Sp  I Z.  7 von  oben  statt  „bei  Fossilen  weiblicher  Schädeln“  lie«  „bis  lotlile«  w«iMsrf»ew 
Schädeln  **  S.  138  Sp.  2 Z.  4 von  oben  statt  „nennt“  lies  „kennt“  S.  133  Sp.  2 Z 17  von  oben  statt  „oclivi“  lies  ,.«CCÜvi.  • S.  181 
Sp.  2 Z.  27  von  oben  statt  „Ländern“  lies  „Bindern  “ In  dem  Bericht  der  kraoioraetrischen  Coolerem  R.  105  Sp  2 ?-.  14  von  unten 
»tatt  „falls  eine  solche  wirklich  statt  gefunden“  lies  „weil  er  nicht  in  München  anwesend  war.  Sein  Name  sei  irrtbümlich  in  den 
Bericht  gekommen.  Was  die  in  Dresden  getroffene  Vereinbarung  betreffe,  so“  u.  s.  w. 


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