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(lorresponöeUjj-^Sfaff
der
deutsche^ Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
VJII.
Jahrgang 1877.
Redtgirt von
Professor Kollmann in München,
ÜeMnlnmlli dtr OmllKkift.
I
1
München.
Druck von R. Oldenbourg.
1877.
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gorrespon&ettj-'^Sfaff
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
II o d i g i r t
von
l'rofessor Kollmann in München,
Hrn^rmUfcrctir der Gwllachafl
Erscheint jeden Monat.
Nro. 1. München, Druck von R. Oldenbourg. Januar 1877.
Gesellschaftsnachrichten.
In Jena hat sich ein anthropologischer Verein
als Zweigverein der deutschen anthropologischen
Gesellschaft constituirt. Er zählt 31 Mitglieder,
nämlich:
28. Ilm. Prof. Delbrück,
29. „ Stabsarzt Dr. liode,
30. „ Prof. Sievers,
31. „ Prof. Wittich.
1. Hrn. Dr. B a r d e 1 e !> en ,
2. „ Prof. Capeller,
3. „ Dr. Frege,
4. „ Prof. Fortlage,
5. ,< Ilofrath Gent her.
6. „ Prof. Klopflcisch,
7. „ Dr. K. Martin,
8. „ Prof. Schwalbe,
9. „ Dr. Teuscher,
IO« „ Prof. Abbe,
11. „ Geh. Rath Röhtlingk.
12. Dr. A. Böhtlingk,
13. „ I)r. Dctmer,
14. „ Prof. Gaedecheng,
15. „ Prof. Hai Her.
D>. „ Universitätsbibliothekar Dr. Martin,
17. „ Prof. Oehmichen,
18. „ Prof. Reirhardt,
19. „ Geh. Ilofrath Ried,
20. „ Prof. Schillbach,
21. „ Geb. Medicinalratli Sigm. Schultze,
22. ,, Prof. Sieben,
23. Schulrat h Stoy,
24. „ Prof. Prcyer,
25. „ Prof. Eucken,
26. „ Dr. Heinr. Stoy,
27. „ Med icinal- Assessor Schuster,
Die Ziele und Mittel der modernen
Anthropologie.
Vortrag des Hrn. Geh. Rath Prof. Virrhow, gehalten
in der dritten allgemeinen Sitzung der Natnrforscher-
Veraammlnng zu Hamburg im September 1876.
Wenn ich trotz der späten Stunde und der
ungünstigen Umstände, die in der Tagesordnung
entstandene Lücke noch wahrnehme, so ist der
Hauptgrund der, dass ich durch mein Erscheinen
auf dieser Tribüne einem besonderen Gefühl der
Dankbarkeit und Hochachtung Ansdruck geben
möchte, welches ich empfinde in 'Bezug auf eine
Reihe von Bürgern dieser Stadt, und auf den wissen-
schaftlichen Geist, der sich in Hamburg geltend
macht. Wie mancher andere deutsche Naturforscher
bin ich seit einer Reihe von Jahren gewohnt , ein
oder mehrere Male im Jahre nach Hamburg zu
kommen, um zu sehen, was die Schiffe der Herren
Handelsmänner Neues gebracht haben, und mit
jedem Jahr wird dieses Neue reicher und wissen-
schaftlicher. Bis vor kurzer Zeit bewegten sich
diese Sammlungen allerdings auf einem Gebiete,
welches meinem Forschungskreise ferner liegt. Seit
wenigen Jahren beginnt sieh jedoch in immer
grösserer Ausdehnung der Gesichtspunkt geltend zu
machen, dem Ausdruck zu geben ich hierher ge-
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treten hin, nämlich das Bedürfnis*, den Handel zu
benutzen als Mittel , um mehr und mehr jene
Wissenschaft zu fördern, welche wir jetzt mit dem
Namen Anthropologie belegen.
Dieser Name ist freilich vcrhältnissmässig alt;
nichtsdestoweniger haben wir gerade im Laufe der
letzten Monate mehr und mehr gesehen, dass es
seihst unter wissenschaftlichen Männern Zeit wird,
sich über das zu verständigen, was diese Wissen-
schaft sein soll, sich Rechenschaft zu geben von
dem, was die jetzige Anthropologie eigentlich vor-
hat. Ich erlaube mir, in möglichster Kürze diese
Gesichtspunkte hier zu erörtern*
Die moderne Anthropologie, die eben nnfängt.
zu werden, die noch die Grenzen sucht, inner-
halb deren sic sich zu bewegen hat, die auf
allen Seiten streitiges Terrain erwerben muss, aber
auch andererseits Vieles abgeben muss, ist gegen-
wärtig auf dem Punkte angelangt , wo sich über-
sehen lässt, welches die Methoden sind, welches
die Ziele, deren man sich zu bedienen hat und
denen wir nachzustreben haben. Als wir atifingeu.
da fanden wir jenes etwas unruhige Wesen vor,
welches sich in jeder jungen Wissenschaft geltend
macht, indem jeder einzelne Forscher möglichst
frühzeitig die Früchte seiner Forschungen einzu-
heimsen sucht. Die Anthropologie ist früher über-
geführt worden in eine Anthropogenie , ehe sie
überhaupt noch eigentlich da war; sie ist auf dem
Wege hypothetischer Constructionen zu einer Art
von genealogischer Wissenschaft geworden, ähnlich
wie es schon die Alten versucht, und wie wir
es sonderbarer Weise herüber genommen haben
aus einem diesen Fragen sonst fremden Kreise,
aus dem der Religionslehre. Jede Religion hat
einen gewissen anthropologischen Antheil. Indess
so interessant es ist, die verschiedenen Methoden
der religiösen Anschauung kennen zu lernen und
zu vergleichen, so interessant es namentlich ist,
zu sehen, wie die einzelnen Religionsschöpfer sich
die Entstehung des Menschen gedacht haben, so
wollen wir doch nicht verkennen, dass derselbe
Weg, auf die Wissenschaft übertragen, absurde
Resultate liefern muss, wenn die ersten wissen-
schaftlichen Resultate noch nicht hergestellt sind.
Längere Zeit hat man sich bemüht, die Geschichte
der Menscheueutstehung einfach zu construiren,
nach Gesichtspunkten, wie sic sich je nach dem
Zufall der C ulturentwick lang einzelner Stämme dar-
stellten. Man hat z. B. einfach präsomirt, dass
derjenige Stamm auch der physischen Anlage nach
der niedrigste sein müsse, der die geringste Summe
von Culturerwerlmngen gesammelt habe; man hat
also aus dem Gesammtsrlmtzc der Colturerzeng-
niase, der Cnlturerrungensehaften eines Stammes
Schlüsse gezogen auf die Summe seiner Fähig-
keiten. Dieser Schluss kann als -berechtigt er-
scheinen, wenn wir uns Umsehen in dem Kreise
derjenigen Bevölkerungen, welche in dem allgemeinen
Strome grösserer Culturbewegungen liegen; er ist
aber absolut falsch und unzulässig, wenn er ange-
wandt wird auf isolirte Völker, auf Völker, welche
für sich leben, welche in einem gegebenen, be-
schränkten Gebiete für sich existireu. Um ein
bestimmtes Beispiel zu wählen, will ich die Papuas
erwähnen. Die Papuas sind bis in die neueste
Zeit als die niedrigste Stufe der vorhandenen
Menschen überhaupt angesehen worden, und wenn
Jemand sich vorstellt, dass der Ueberg&ng von den
Affen zum Menschen irgendwo eingetreten sei, so
richtet sich der Blick gewöhnlich in eines der-
jenigen Länder, weiche die Papuas-Iiasse bewohnt.
Indessen in dem Maasse, als wir in den Besitz
von grösserem Material kommen , zeigt es sich,
dass keineswegs so niedere Formbildungen hervor-
treten, wie mau vorausgesetzt hat. Jede Berührung
mit den Papuas zeigt ein relativ entwicklungsfähiges
Volk. Das Studium der körperlichen Eigenschaften,
z. B. des Schädels, ergibt, dass es sieh nicht tun
eine niedrige affenartige Bildung handelt, sondern
dass vielfach Formen hervortreten, die sich den
Formen höherer Culturvölker anscliliessen. Mit
einem Wort, der gesuchte Thiermensch, wenn ich
mich so ansdrücken darf, fehlt immer noch, und
wenngleich sich nicht verkennen lässt, dass bis zu
einem gewissen Maasse, freilich sehr abgeminderten
Anforderungen gegenüber, der Australier derartiges
darbietet, so bietet er es doch nicht in dem Maasse
dar, dass man eine tiefe Kluft zwischen ihm und
uns erkennen und dass man sagen könnte, die
Australier ständen den Affen näher als uns. Immer
bleiben sie Menschen iu unserem Sinne , und
nächste Anverwandte von uns, die wir anerkennen
müssen. Das Bedürfnis*, eilte niedrigste Form des
Menschen zu Hilden, wird nicht geleugnet werden
können. Aber es fragt sich eben : ist die physische
Organisation dieser niederen Stämme so beschaffen,
dass sie nicht in die allgemeine U'ulturbcwegung
eintreten könnten? Leider liegen über diesen
wic htigen Punkt bis jetzt wenig entscheidende Er-
fahrungen vor. Es ist richtig, dass die Engländci
iu neuerer Zeit vielfach Versuche gemacht hahen,
in philanthropischer Weise der Ausrottung der
Eingeborenen in Australien ein Ziel zu setzen,
aber leider haben diese Bestrebungen keine
rechte Dauer gehabt, am wenigsten jene me-
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thodische Beständigkeit . welche möglicher Weise
zum Ziele führen könnte. Thatsächlich ist, dass
cs in Australien geht, wie es in Vandiemens-
Laud gegangen ist, wo durch den Contact mit den
europäischen Einwanderern der letzte Tasmanier
vor wenigen Jahren gestorben ist, — die Geschichte
der Vernichtung eines ganzen Volkes in freilich
anderer Weise, wie Hr. Dr. Nachtigal vorhin
von Afrika geschildert hat, — einfach durch den
Contact mit den eingewanderten Männern. Herr
I)r. Xachtigal hat die Meinung, dass, wenn es
gelingen würde, Afrika zu erscldiessen und die
Einwanderung dahin zu ermöglichen, das ein Vor-
theil für die Neger sein würde. Ob dies der Fall
sein wird, das ist eine Frage, deren Beantwortung
ich nicht ohne Weiteres in dem Sinne des Hrn.
Dr. Xachtigal aussprechen möchte. Möglicher
Weise möchte gerade das Umgekehrte da* Resul-
tat sein, möglicher Weise könnten wir es erleben,
dass in den der europäischen Einwanderung zu-
gänglichen Abschnitten Afrikas der schwarze Mann
ebenso vernichtet werden wird , wie er vernichtet
ist in Tasmanien, wie er vernichtet wird in Au-
stralien, wie er zu Grunde geht auf den Fidschi-
Inseln, überall, wo überhaupt der Contact stattfindet.
Sonderbarer Weise können wir immer noch nicht
sagen, dass er zu Grunde geht, weil er überhaupt
culturunfähig ist Ich behaupte, es ist noch Nie-
manden gelungen, nachzuweisen, dass der schwarze
Mann in Wirklichkeit culturunfähig ist; man hat
überhaupt nicht, wie ich sagte, die methodische
Beständigkeit angewandt, die zu jeder Er-
ziehung gehört. Man stelle sich vor, dass wir die
Erziehung einer erwachsenen Landbevölkerung in
unserer Gegend unternehmen wollten, dass man
also plötzlich eine grössere isolirte Landbevölkerung
auswählte, um sie durch Unterricht auf deu Stand-
punkt zn bringen, auf dem durchschnittlich der
Gebildete sich befindet. Meine Herren, jede grössere
politische Bewegung zeigt , wie inmitten der Be-
wegung plötzlich ein Widerstand hervortritt, der
in der Regel in der Generation, die gerade vor-
handen ist, nicht zu brechen ist Man braucht
eine neue Generation, um den Gedanken der Be-
tregung durchzusetzen.
Obwohl ich anerkenne, dass an verschiedenen
Orten, namentlich von englischen Missionaren, in
milderem Sinne als früher gearbeitet wird, so be-
schwere ich mich doch darübor, dass immer noch
nicht eine ausgiebige, in gleichmässigcr Weise fort-
wirkende Pädagogik auf die niedern Stämme an-
gewendet worden ist. Ich behaupte, dass Alles,
was wir bis jetzt wissen, nicht ausreicht, um dar-
zuthun, dass diese Stämme untergeben müssen,
dass sie gleichsam für die Vernichtung bestimmt
sind. Wäre es so. wäre diese Bevölkerung absolut
culturunfähig, ja, meine Herren, daun wäre es in
der That sehr sonderbar, dass aus solchen niedrigen
Stämmen durch allmähligc Entwicklung die Cultur-
völker hervorgegangen wären, die gegenwärtig gegen
sie agitiren. Und doch ist das die Präsurnption,
welche durch die ganze Wissenschaft geht. Ueber-
all stellt mau sich vor, die jetzigen Culturvölkcr
seien hervorgegangen durch langsame Arbeit, durch
fortschreitende geistige Arbeit, aus einem Zustande
niederer Art, in dem sie sieh mehr und mehr von
demjenigen Zustande entfernten, in dem gegen-
wärtig die schwarze Rasse des Ostens sich be-
findet, eiti Zustand, der in Australien noch wesent-
lich dem Steinzeitalter entspricht und zwar jenem
Zeitalter, in dem man noch nicht einmal Töpfe
machen konnte. Wenn wir aber ziemlich allge-
mein, fast als selbstverständlich voraussetzen, dass
derjenige Schatz geistigen Besitzes, der uns er-
freut, diejenige Entwicklung von Kunst und In-
dustrie. von der wir Nutzen ziehen, hervorgegangen
sind aus Zuständen, wie diejenigen, in welchen wir
jene Völker sehen, so müssen wir doch auch
annehmen, es seien Mitglieder einer solchen Be-
völkerung auch als unsere materiellen Ahneu zu
betrachten. Das sind Widersprüche, wie Sie scheu:
auf der einen Seite annehmeu, diese Völker seieu
gar nicht eulturfähig, auf der andern Seite an-
nehmen, wir selber seien aus Völkern dieser Art
hervorgegangen.
Nun kanu mau sagen: diese ganze Frage ist
ja zunächst nicht die Aufgabe der Untersuchung,
halten wir uns zunächst an die Untersuchung der
gegebenen Bevölkerung. Das ist in der That eine
Aufgabe, welche ich gern anerkenne, und ich werde
gleich darauf zurückkommen, aber auf der andern
Seite muss ich sagen: es ist ganz unmöglich, die
Anthropologie der lebenden Stämme zu treiben,
ohne sich in jedem Augenblick bewusst zu bleiben,
dass man mit den Fragen, welche die Gegenwart
darbietet , zugleich ein Stück der Geschichte der
Menschheit anfbaut, ein Stück, welches vor aller
Historie liegt. Freilich, wir gebrauchen in erster
Linie das Material, welches uns dienen soll, alle
lebenden Stämme genau kennen zu lernen, und ich
benutze die Gelegenheit hier auf dieser Tribüne,
um nicht blos die deutschen Naturforscher und
Acrzte, sondern spcciell die Bürger Hamburgs,
welche in der Lage sind, solche Interessen zu för-
dern, darauf hinzuweisen, wie nothwendig es ist,
alle Mittel, welche die Schifffahrt darbietet, zu
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benutzen, um nicht blos die Kleidungsstücke, Waffen,
Geräthe, Schädel. Skelette, Photographien zu bringen,
sondern noch etwas mehr zu thun, nämlich uns ein
Stück von dem geistigen Leben dieser Völker zn
sichern, Nachrichten zu bringen, wie sie leben,
wie sie denken, wie sie sprechen, wie ihre Vor-
stellungen über das Jenseits sich gestaltet haben,
genug, eine Reihe von Dingen, die so nothwendig
sind für die Entwicklung der Anthropologie, wie
dem Menschen das liebe Brot für sein Leben. Es
klingt vielleicht sonderbar, wenn ich derartige f An-
forderungen stelle, die ein gewöhnlicher Schiffs-
capitän oder einer seiner. Leute besorgen soll, und
doch gibt es auch in diesem Gebiete eine Reihe
von Kragen, auf welche jeder einfache, nüchterne
Beobachter Antwort mitbringen kann. Wir wissen,
welche Schatze der Metereologie gewonnen sind
dadurch, dass man die einfachen Beobachtungen
der Schiffscapitäne sammelt und daraus die Ge-
setze der Stürme und Wind Strömungen ableitete.
Ja. meine Herren, in ähnlicher Weise würde sich
sehr viel leisten lassen, wenn diejenigen Capitäne,
welche längere Zeit mit fernen Küstengegenden in
Verkehr stehen, veranlasst würden eine Reihe von
Punkten, soweit sic sich ihrer Beobachtung dar-
bieten, ohne weitere Künsteleien zn notiren und
mitzubringen, um sie einer wissenschaftlichen Be-
arbeitung zu unterbreiten. Die Berliner anthro-
pologische Gesellschaft hat schon vor Jahren einen
grossen Fragebogen aufgestellt, auf Anlass des
Marineministers, um ihn den Officiercn der Kriegs-
marine zu unterbreiten. Leider muss ich eon-
statiren, dass auf diesem Gebiete der rechte Sinn
noch nicht erwacht zu sein scheint; das ist zum
Theil der Grund, dass ich heute, wo ich zur
Handelsmarine spreche, einmal bemerklich machen
möchte, ob es nicht vielleicht gelingen sollte, dass
von dieser Seite her in frischer Weise die Initiative
übernommen würde, gerade wie hier in Hamburg
die Initiative in Bezug auf die körperlichen Samm-
lungen stattgefunden hat. Sie Alle haben wahr-
scheinlich gesehen, was die Thätigkeit eines ein-
zelnen Mannes leisten kann, wenn er die Umstände
zu benutzen weiss, und wenn er zugleich das Herz
hat, an der rechten Stelle die Mittel nicht ängst-
lich zu wägen, welche nothwendig sind, um wissen-
schaftliche Erwerbungen zu machen. Ich brauche
nur den Namen Cesar Godeffroy zu nennen,
um in Aller Herzen ein Gefühl der Hochachtung
wachzurufen. Niemand in deutschen Landen hat
in der Zeit weniger Jahre so viel für die Samm-
lung wissenschaftlichen Materials des Auslandes
geleistet , wie dieser eine Mann für uns geleistet
hat. Aber so musterhafte Sammlungen wie er hat
anlcgen lassen, so vortreffliche Gegenstände der
mannigfachsten Art, aus dem Thier- und Pflanzen-
reich nicht blos, sondern aus allen Zweigen des
ethnologischen Gebietes er angehäuft hat, so sehen
wir doch nicht, dass innerhalb seines Kreises irgend
ein psychologischer Gedanke Platz gegriffen hat,
nichts was über das Gebiet des Körperlichen hinaus-
geht. Aber warum sollte nicht die Möglichkeit
gegeben sein, dass dieselben Beobachter mit In-
structionen versehen würden, welche das geistige
Gebiet betreffen? und welche grossen Fortschritte
würde man machen in der Völker-Psyehologie, wenn
es gelänge, eine Reihe von einfachen, nüchternen
objektiven Beobachtungen nach einem gewissen
Schema zu erlangen ?
Wenn ich zu dieser späten Stunde Sie noch
damit behellige, so möchte ich zu meiner Ent-
schuldigung sagen: Es gibt so viele aussterbende
Völker, bei denen jeder Tag wichtig ist, dass ich
nicht früh genug diesen Impuls gehen kann. Herr
Berendt hat erst neulich Mittheilung gemacht
über einen eben aussterbenden Stamm von grosser
Wichtigkeit, die Chorotegas in Central- Amerika,
einen Stamm, der zu den alten Culturstämmen ge-
hört, welche die grossen Ruinenstädte hinterlassen
haben, die die Bewunderung der Welt auf sich
ziehen. Nichts war über den Zusammenhang dieser
Stämme mit den Nachbarstämmen bekannt, und
als Hr. Berendt vor zwei Jahren in jenem Ge-
biet ankam, waren nur noch wenige (»reise vor-
handen. welche die alte Sprache kannten, und von
denen er Material an Wort- und Sprachfornien
sammeln konnte, und dieses Material genügte, um
den Zusammenhang dieser Stämme mit den nörd-
lichen Stämmen von Anahuac festzustellen. Herr
Berendt erzählt, dass während er in dem Bezirke
war, die Mehrzahl der alten Leute ausstarb, so
dass, wenn nicht ein glücklicher Zufall ihn gerade noch
hingeführt hätte, jede Spur der Sprache zu Grunde
gegangen wäre. Ganz ähnlich verhält es sich an
vielen Stellen der Welt, und wenn etwas geschehen
soll nach dieser Richtung, so ist keine Zeit zu
verlieren. Es hat grosse Eile, diese Sache aus-
geführt zn sehen.
Nun, meine Herren! darf ich vielleicht von
diesen auswärtigen Gebieten noch einen kleinen
Blick auf das Innere unseres Vaterlandes werfen.
Wir haben, Angesichts der grossen Schwierigkeit,
selbst in unseren Gegenden in ausgiebiger Weise
die Untersuchung zu fördern, vor einiger Zeit eiuen
ungewöhnlichen Weg betreten. Während man bis
dahin glaubte, jede exacte Forschung Über den
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Menschen müsse mit dem Knochenbau beginnen,
wie wenn Jedermann Anatomie lernen wollte, so
zeigte sich zu unserem Erstaunen, dass es nicht
einmal in Deutschland möglich war, das Material
zu erhalten, um eine Ethnologie der deutschen
Stämme zu machen. Wir wissen fast gar nichts
darüber; was vorhanden ist, sind reine Redens-
arten. Da wir nun hier in einer Versammlung der
Naturforscher und Aerzte sind, so möchte ich dem
Wunsche Ausdruck geben, dass deutsche Schadel-
und Knochensammlungen eingerichtet und, wo sie
schon vorhanden sind, verstärkt würden. Gegen-
wärtig besteht das sonderbare Verhältnis», dass,
wenn man wissen möchte, wie sich in gewissen
(regenden unseres Vaterlandes der Knochenbau der
Menschen verhält, man selten in der Lage ist,
auch nur ein kleines Quantum desjenigen Materials
zu finden, welches man gebraucht. Es fehlt fast
an allen Stellen, namentlich an der Mehrzahl der
Universitäten, an exacten Sammlungen. Die meisten
dieser Snmmlnngen stehen auf ähnlichem Stand-
punkt wie früher unsere zoologischen und minera-
logischen Sammlungen, wo man Objecte hatte, aber
den wirklichen Fundort nicht kannte. Wenn man
einen Vogel kanfte, so wurde wohl ungefähr gesagt,
wo diese Vogelart, wie sie im Buche steht, vor-
kommt, aber man konnte meist nicht feststellen,
ob gerade auch der gekaufte Vogel von derselben
Stelle herstammt. Ebenso ist es mit dem anthro-
pologischen Material, das unsere Sammlungen ent-
halten; es ist rein abstractes Material, ohne dass
man mehr erfährt, als dass der Schädel z. B. zur
kaukasischen Rasse gehört. Wir bedürfen jedoch
einer Schädelsammlung, die so eingerichtet ist, dass
man bestimmt sagen kann : dies sind Hessen, oder
Schwaben, oder Friesen, oder Holsteiner u. s. w.
Dadurch erst wird es möglich, eine wahrhaft eth-
nologische Untersuchung zu veranstalten. In dieser
Beziehung sind glücklicherweise die Sammlungen
ausländischer Schädel viel correcter, aber in der
Regel ist das vorhandene Material viel zu gering.
Wir sind selten im Stande, die individuellen Eigen-
schaften soweit zu eleminiren. um generelle Resul-
tate zu gewinnen. Wir bedürfen daher einer Er-
weiterung, einer Verstärkung der Sammlungen. Ich
kann nicht dringend genug bitten, dass nicht allein
die Hamburger Rhcderci, sondern auch die Bremer
sich möglichst bestreben möchten, das ethnologische
Material, das häufig in fremden Ländern utnher-
liegt und verdirbt , mitbringen zu lassen und uns
zu überliefern.
Angesichts dieser Mängel ist die Deutsche
Anthropologische Gesellschaft vor einigen Jahren
auf meinen Vorschlag cingcgangen , eine andere
Reihe von Untersuchungen zu unternehmen. Diese
Untersuchungen werden noch jetzt unterschätzt in
ihren Zielen sowohl , als in ihren Ergebnissen.
Wenn man keine Knochen haben kann, so kann
man doch möglicherweise eine Reihe äusserer
Merkmale ermitteln. Dies wäre vielleicht am voll-
ständigsten herzustellen gewesen , wenn wir im
Stande gewesen wären , unsere Fragen durch die
Armee beantwortet zu sehen. Ich hatte auch eine
Zeit laug die kühne Hoffnung, dass es gelingen
würde, die Recrutirung zum Mittel anthropologischer
Forschung zu machen, da ich nicht zweifelte, dass
rückwärts wieder ein Nutzen für die Armeever-
waltung daraus hervorgehen könnte. Leider hat
die Armeeverwaltung es abgelehnt, auf diese Unter-
suchung einzugehen. Ich muss anerkennen, dass
eine nicht unbeträchtliche Arbeit damit verbunden
ist. Vielleicht ist die Ausführung späteren Zeiten
beim Fortschreiten der Friedensbestrebungen Vor-
behalten, wenn die Armeen sich wieder einmal
verkleinern. Augenblicklich müssen wir darauf
verzichten. So blieb Nichts übftg, um wenigstens
gleichmassiges Material zu erhalten , als auf die
Schulen zurückzugehen. Es wurde der Fragebogen
ausgearbeitet, den wir an die Schullehrer gerichtet
haben in Beziehung auf die Farbe der Augen, der
Haare und der Haut.
Zum Verssändnisse möchte ich daran erinnern,
dass zur Zeit, als die Germanen mit den Römem
in Contact kamen, beide Völker sich fast so zu
einander verhielten, wie Fidschileute zu Euro-
päern. Die Germanen waren den Römern ganz
ungewohnte Erscheinungen; alle römischen und
griechischen Schriftsteller jener Zeit sind damit
einverstanden, dass die Germanen ihnen wie eine
einheitliche Erscheinung entgegentraten , sie er-
zählen alle, dass die Germanen sämmtlirh blond
seien, blaue Augen und helle Haut besässen u. s. w.
Wenn wir nnn auch annchmen, dass das nicht
ganz allgemein war, so muss doch die grosse Mehr-
heit der Bevölkerung den Eindruck gemacht haben,
etwas absolut Verschiedenes zu sein. Ich habe
daher in einer Arbeit, welche nächstens erscheinen
wird, diese Eigenschaften, dieclassischen Eigen-
schaften der Germanen genannt. Meine Herren!
Sic können es uns nicht verdenken, dass wir diese
dassischeu Eigenschaften heransgegrifTen und sagten,
wir wollen mal sehen, wie viel ist jetzt noch davon
da? Man braucht nicht weit zu gehen, um zu er-
kennen, dass diese einheitliche Bevölkerung nicht
mehr existirt oder mindestens sehr vermindert ist,
und es entsteht die Frage, wie ist es zugrgangen,
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dass die classischcn Erscheinungen des Germanen
sich mehr und mehr vermindern; ja, wie geht es
zu, dass unter unseren Augen dieser Process sich
immer starker gestaltet. Mancher sagt, warum
sollen die blonden Leute nicht braun worden? Das
ist wohl möglich, doch muss ich constatiren, dass
in absolut reiner Descendcnz solche Veränderungen
nicht eintreten. Ebensowenig wie ans schwarzen
Menschen nachweisbar eine weisse Rasse hervor-
geht, sehen wir, dass Engländer oder andere helle
Personen oder ihre Kinder in tropischen Zonen zu
Mohren verwandelt wurden. Wir haben gar keine
Beispiele dafür. Es ist absolut irrthümlich, wenn
man sagt, solche Veränderungen gehen von selbst
vor sich. Und doch muss man eine selche Prä-
sumption machen. Denn wenn wir nicht an-
nchmon wollen, dass die blonden Germanen von
einem ganz isolirten Schöpfungspunkte aus sich in
die Welt hinausgeschoben haben, bis sic auf eine aus
ganz anderer Quelle hervorgegangene braune Rasse
gestossen und auseinander gegangen sind, so bleibt
nur die Frage übrig, ob unter gewissen Umständen
aus braunen Lc#cn blonde sich bilden. Die
Braunen erscheinen dann als die Alteren. Eine
andere Frage ist die, ob bei späterer Vermischung
der aus gemeinschaftlicher Urquelle hervorge-
gangenen Rassen die eine Rasse die mächtigere
wird, ob nicht wie bei den Thiercn, schliesslich
eine Rasse verloren geht uml die andere den Sieg
davon trägt . ohne irgend welchen Kampf, ohne
eigentliche Vernichtung der Individuen, sondern
so, dass die Descendenz eine andere wird. Wenn
man solche Fragen stellt, so muss man sich Um-
sehen, wo können wohl die braunen Leute herge-
kommen sein, welche die Germanen nach und nach
immer mehr dunkler machten? Es handelt sich
darum, zu entscheiden, woher die braunen ge-
kommen sind, ob von Süden oder Norden, oder
Westen? Das lässt sich durch solche Aufnahmen
ermitteln , wie wir sie anregteu. Es war die .
Meinung, dass wenn erst der Grund gewonnen
wäre, auch die übrigen physischen Merkmale ge-
funden werden könnten.
Die meisten deutschen Regierungen haben
unserem Appell mit grosser Freundlichkeit ent-
sprochen , und besonders die deutschen Lehrer
haben mit ausserordentlicher Genauigkeit und Sorg-
falt die Aufgabe erfüllt, die wir von ihnen gelöst
zu sehen wünschten. Ich darf ihnen auch hier
unseren besonderen Dank dafür aussprechen. Einige
Regierungen sind noch im Rückstände, auch die
Regierung dieses Freistaates. Was bis jetzt vor-
liegt, sehen Sie cartographisch auf 5 Karten dar-
gcstollt, welche ich vorlegc. Die Resultate sind
so augenfällig , dass trotz der kleinen Bezirke,
welche gewählt worden sind. Jeder im Saale im
Stande sein wird, das Gesamrotergebniss zu er-
kennen. Wir sehen auf diese Weise Deutschland
in zwei grosse Theile zerlegt: Nord- und Süd-
deutschland sind ganz verschieden von einander.
Der erste Blick genügt, um zu zeigen, dass die
Blonden im Norden, die Brünetten im Süden vor-
herrschen. Jede dieser Kassen ist auf einer be-
sonderen Karte dargestellt. Die Kftrteu sind unab-
hängig von einander aufgestcllt, die eine gibt
nicht etwa die positive, die audere die negative
Zahl; es sind nur die positiveu Verhältnisse jeder
der beiden Rassen dargestellt. Sie sehen , dass
dies ausserordentlich Überraschende Gegensätze
sind. Ich will nur noch das Eine hervorheben,
dass die dunkelsten Nuancirnngen überall von den
Grenzbezirken herkomm en, von Oberschlesien, von
der Donau bis an die Alpen heran und am Rhein.
Die folgenden Karten geben isolirte Darstellungen.
Auf der einen ist dargcstellt, wie viel braunhaarige
auf je 100 blonde verkommen. Sie sehen hier,
dass die Verhältnisse sich im Einzelnen etwas
inodificireu, dass aber das ll&uptresultat dasselbe
bleibt. Die vierte Karte stellt das Verhältnis* der
braunen und blauen Augen dar. Auf der letzten
Karte finden sich die Mischungen. Sie werden
sich überzeugen, dass, so gewagt das Unternehmen
Ihnen vielleicht erschienen ist, es doch gelangen
ist, eine Grundlage für die Betrachtung unserer
einheimischen Bevölkerung zu gewinnen , wie man
sie nicht besser erwarten konnte.
Wir sind gegenwärtig in der Lage, dringend
zu bitten, dass diejenigen Orte und Länder, welche
noch im Rückstände ßind, uns möglichst bald die
Zählungen geben, damit wir in der Lage sind, an
eine Publication der Karten zu denken. Dann ist
der erste Schritt geschehen , wir werden damit
weiter gekommen sein, als eine andere insul&rische
oder continentale Bevölkerung Europas. Hoffeu
wir, dass wir dann auch dahin kommen werden,
die anthropologischen Sammlungen zu füllen. Soll-
ten die Aerztc die Gelegenheit wabrnehmen, wenn
Kirchhöfe ausgegraben werden, die Schädel an sich
zu ziehen, so wird es mit der Zeit möglich sein,
weitere Schritte in der Erkenntniss der deutschen
Ethnologie zu machen. Ich muss leider sagen,
dass noch in diesem Augenblicke eine Vergeudung
des Materials statttindet, welche wirklich entsetz-
lich ist. Ich weiss Städte, wo hunderte von Schä-
deln zur Verfügung standen, welche nur genommen
zu werden brauchten, aber mau hat sie einfach
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unbarmherzig wieder hineingeworfen und der Zer-
störung überlassen. Wir braurhen durchaus eine
grosse Masse von Localsammlungen, und es
wird die dringendste Aufgabe sein, dass zunächst
an allen Orten damit vorgegangen wird. Eine
einzige Gelegenheit ist bestens ausgenutzt worden.
Es gibt Beinsammlnngen, welche in früheren Zeiten
auf den Kirchhöfen angelegt wurden, um gewisse
kirchliche Operationen zu erfüllen, namentlich um
Golgatha darzustellen. Solche Heinhäuser, in denen
die Knochen und Schädel aufhewahrt wurden,
existiren zum Theil noch in Bayern; sie sind im
letzten Jahre durch Hm. J. Ranke untersucht
worden, und es haben sich die interessantesten
Ergebnisse dabei herausgestellt, ln den meisten
Gegenden Deutschlands hat man die Beinhäuser
nicht inehr und es müssen solche erst wieder
hergestellt werden. Mein Appell geht nun dahin,
nachdem die kirchliche Gewalt ihre Tbätigkeit
auf diesem Gebiete zum grossen Theil eingestellt
hat, und wenigstens ganz zusammengestellte Tlieile
des Skelets nicht mehr xnm Gegenstände ihrer
Aufbewahrung macht, dass nun die weltliche Armee
aufmarschiren möge und dass die grosse und mäch-
tige Institution, welche durch Sie hier vertreten
ist, weltliche Beinhäuser schaffe.
Sitzungsberichte der Local vereine.
Sitzung der Göttinger anthropologischen
Gesellschaft vom 15. Juli 1870.
Vorsitzender Herr Ehlers.
Herr Benfey hielt einen Vortrag über einige
neuere Sehrifteu anthropologischen Inhalts, näm-
lich 1) Christian Hostmann: Zur Geschichte
und Kritik des nordischen Systems der drei Cultur-
perioden, — (Archiv für Anthropologie Bd. VIII,
Heft 3), — 2) R. C. Childers : notes on the Sinhalcse
I.anguage. (Journal of the royal Asiatic Society
VoL VHI, Part. I.)
Derselbe bespricht ferner eine Streitfsage zwi-
schen Hm. Staatsrath Böhtlingk in Jena und ihm
über die Kenntniss des Salzes seitens der Indo-
germancn und übergibt eine Erwiederung auf den
betr. Artikel des Hem. Böhtlingk in der Jenaer
Literaturzeitung.
Entgegnung betreffend Nr. 52. p. 740 des
Jahrgangs 1875 der Jenaer Literatur-
Zeitung.
Der Artikel, welchem gegenüber der Unter-
zeichnete sich einige Worte erlaubt, ist demselben
durch einen sehr verzeihlichen Zufall erst am
21. Juni zu Gesicht gekommen; er bittet desshalh
diese späte Erwiderung zu entschuldigen. Erbezieht
sich auf einen Vortrag des Unterzeichneten, welcher,
in der Augsb. Allg. Ztg. 1875 Beilage Nr. 208 und
209 S. 2369 ff. abgedruckt , auf die Identität von
sanskritisch sara, salzig, mit lateinisch sal, Salz,
und andern indogermanischen Wörtern gestützt, die
Kenntniss des Salzes hei den Indogermanen vor der
Sonderung derselben nachweist.
Herr Staatsrath Böhtlingk macht in jenem
Artikel gegen diesen Nachweis geltend, dass die
Bearbeiter des Peterburger Sanskrit- Wörterbuchs
die Bedeutung „salzig“, welche der indische Lexico-
graph Henatschandra dem sanskritischen Worte
sara gibt, für verdächtig gehalten haben, weil
dieser Schriftsteller erst im 12. Jahrhundert unsrer
Zeitrechnung lebte. Sie sei desshalh nicht besonders
numerirt, sondern einfach an die Bedeutung
„laxativ“ angeschlossen. Dies geschieht jedoch
wie ich mich gedrungen fühlte zur Ehre der
Bearheiterzu bemerken, durch die Wendung „hie-
her vielleicht“.
Es wird nun wohl ein Jeder leicht erkennen,
dass wenn gleich Salze laxativ sind, doch ein
wesentlicher Unterschied zwischen „laxativ“ und
„salzig“ bestellt; denn nicht alle Laxative sind
salzig, z. B. nicht Oele. So wenig wie Jemand von
einem Gegenstand, welcher „salzig“ schmeckt, sagen
kann „er hat einen laxativen Geschmack“, ebenso-
wenig kann „salzig“, wenn auch nur mit einem
„vielleicht hieher“, der Bedeutung «laxativ“ ein-
fach an geschlossen werden. Erkennt man für
sara die Bedeutung „salzig“, wenn auch zweifelnd,
an, so ist sie auch als eine von laxativ unab-
hängige anzuerkennen.
W as aber die Zeit des nematschandra
betrifft, so gehört sie der Bewahrung der San-
skrit-Literatur, der ununterbrochenen Uebung und
vollständigen Kenntniss des Sanskrits, so ganz und
gar an, dass, was er gibt, schon desshalh für
ärlit sanskritisch gelten darf. Die Berechtigung zu
dieser Annahme wird aber noch mehr durch den
Charakter seiner Arbeiten gesteigert. Sie sind so
zuverlässig, dass der Werth seiner Angaben auch
dadurch nicht veringert wird, wenn sie, wie hier,
sich aus der Literatur bis jetzt nicht belegen lassen.
Jeder Kenner weiss, dass hei den indischen Gram-
matikern Wörter in Fülle und nichts weniger als selten
Bedeutungen von Wörtern aufgeführt werden, welche
in Folge der ausserordentlich grossen Verluste, die
die Sanskrit- Literatur erlitten hat, aus dieser bis
jetzt nicht belegt werdeu körnen. Jeder Kenner
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weiss aber eben so wohl, dass die Genauigkeit der
indischen Grammatiker eine staunenswert he und
vielleicht mit wenigen — theilweis aus verschiede-
nen Lesearten u. a. Fehlern ihrer Quellen und
Theorien erklärlichen — Ausnahmen, eine voll-
ständig zuverlässige ist. Es ist demnach nicht zu
bezweifeln, dass sara in der Bedeutung „salzig“
im Sanskrit wirklich existirt hat. Dass daraus die
Kcnntnits des Salzes bei den Indogermanen gefol-
gert werden muss, ist a. a. 0. in der Augsb. Allg.
Ztg. nachgewiesen.
Güttingen, 13. Juli 1876. Th. Benfey.
Kleinere Mittheilungen.
Die vorgeschichtlichen Alterthümer iu der
Umgegend Leipzigs.
Oskar Schuster in seinem verdienstvollen Buche
Ober die lleidenschauzen Deutschlands (Dresden 1869)
verzeichnet unter No. 258 und 256 seiner Karte auch
zwei Burgwälle in der unmittelbaren Umgebung Leipzigs.
No. 256 soll ein alter Wall an der Thekla- Kirche hei
Taucha sein. Ich 'habe nur wiederholt den Hügel von
Thekla untersucht, der durch eine Sandgrube gut auf-
geschlossen ist, und muss constatireu, dass hier nicht
eftie Spur von künstlichem Schaiizenbau vorhanden ist.
bis handelt sich hier nur um eine natürliche Düne,
und dieselbe Ansicht vertritt auch Prof. C red ne r, der
Chef der geologischen Landesuntersuchung von Sachsen.
Was No. 253 Schusters, den „Wall bei Burg-
hausen“ westlich von Leipzig, anbetrifft, so ist es mir
nicht gelungen denselben aufzutinden, wenn nicht
darunter die Bodenwelle des benachbarten Bienitz,
eines Wäldchens, gemeint sein soll.
Ich glaube daher, dass bei der in Arbeit befindlichen
Karte der vorgeschichtlichen Alterthümer Deutschlands
diese beiden „Burgwälle“ unberücksichtigt bleiheu
müssen.
Dagegen vermag ich einen bisher unbeachtet ge-
bliebenen Tumulus in unmittelbarer Nähe Leipzigs
nachzuweisen. Kr liegt auf halbem Wege zwischen hier
und der Stadt Taucha, südwestlich von der dorthiu
führenden Landstrasse wenige hundert Schritte von dem
Gaüthau&e „Zum heitern Blick“ entfernt. Da er mitten
im freien, dem Professor Fregc gehörigen Felde sich
befindet, ausserdem von eiuer alten Linde gekrönt ist,
so kann er leicht aufgefunden werden. Bei deu Bauern
der Umgebung heisst er das „Rosinengrab“; er ist
etwa 9 Meter laug, 6 Meter breit, 3 Meter hoch.
Leipzig. R ichard A ndree.
Das Urne nfeld hei Borgstedt.
Rendsburg. Bereits im verwicheneu Winter wurde
au der Rendsburg-Eckernfördcr Landstraße iu der Nahe
von Borgstedterfeld am Fusse eines, wie es scheint,
bedeutend in früherer Zeit abgetragenen Hügels eine
Graburue gefunden. Vor ungefähr acht l agen nun Hess
Herr Le lisch einige Fuder von der dort betiudlicheu
dicken Schicht Gartenerde wegfahren und kamen bei
dieser Arbeit eine Menge Urnen zum Vorschein. Die
aufgefundeiien Urnen standen in grosser Anzahl neben-
einander. Sie sind äusserst verschieden an Gestalt,
wie an Masse und Grösse. Einige sind recht kunst-
voll verziert. Die Urnen sind, wie man sie vielfach
anderswo aut gefunden hat, aus Thon mit grobem Saud
vermischt, ange fertigt worden. Iu denselben befinden
sich gemeiniglich uur Knochensplitter, jedoch sind kleine
Bronzen- und Eisensachen, welche zum Zusammenhalten
der Kleider gedieut zu haben scheinen, sowie einige
glasähnliche Körperchen, welche als Perlen gedient
haben mögen und durch das Feuer zusammengeschmolzeu
wurden , aufgefunden. Die Eisen ■ und Bronzesachen
verrathen sehr geschickte Bearbeitung. Elin grosser Theil
der Urnen ist mit Erde ausgefüllt. Die vorhandenen
Bronzesachen sind zum Theil mit eisernen Nieten ver-
sehen. Als Urnendeckel dienten flache Granitstücke. In
der Wahl derselben ist man nicht besonders sorgfältig ge-
wesen, denn manche derselben sind von solcher Schwere,
dass sie die in lockerer Erde stehenden Urnen zer-
drücken mussten. Das Urnenfeld scheint von einem
Ring kopfgrosser Felsstücke eingefasst zu sein.
Grenzstein mit Runen in Schweden.
In dem Jahrg. 1873 des Correspondenzbl. S. 56 findet
man eine Mittheilung über einen im Kirchspiel Arboga
(Westmanlaml) entdeckten Runenstein*), welchen Prof.
Stephan nach seiner Lage an eiuer alten Grenzscheide
dreier Gemeinden, nach dem orthographischen Character
und dem Wortlaut der Inschrift, für einen Grenzstein
aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erklärte.
Die Inschrift lautete nämlich: „Dieser Stein soll Zeuge
sein zwischen mir und dir." (vgl. B. Josua 24, 27).
Das schwedische „Manadsblad“ v. November 1875
bringt nun über diesen Stein folgende interessante Aus-
kunft. Zu Näsby Kap. Asboga starb im Sommer 1874
der Bauer Nilo Jonsson, welcher von Jugend auf
grosses Interesse au den altnordischen Sagen gefunden,
und durch eifrige Lectüre sich eine gewisse Belesenheit
auf diesem Gebiete angeeignet hatte. Elr pflegte sich
auch in der Entzifferung aller Runen insehriften zu
üben und selbst, Runen zu schreiben. Als er nun er-
fuhr, dass die Arbogaör Zeitung von einem neu ent-
deckten Grenzstein mit Runeninschrift im Walde zu
Hanne erzähle, beeilte er sich der Redaction mitzu-
theilen, dass er selbst diesen Stein vor 50 Jahren er-
richtet, seihst die Runen eingegraben habe zum Ge-
dächtnis seiner Verlobung mit der E'rau, mit der er
nun seit fünfzig Jahren in glücklicher Ehe gelebt habe. —
*| IU«-*« Mittäeitang war mit d«r IVWwckihft ,Runvnin»rhrif(«‘n im
Schluss der Redactiou am 18, Dccember.
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@otr esponöcng-^f tii i
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R o d i g i r t
von
Professor K oll mann iu Manchen,
llonrrali.'crrUr dtt QwllatklfL
Erscheint jeden Monat.
Nro. 2. München, Dmck von R. Oldenbourg. Februar 1877.
Prähistorische Karte.
Bitte an die Mitglieder der deutschen
anthropologischen Gesell sc ha ft.
Der Unterzeichnete hat dem Beschluss der
dicssjährigen Generalversammlung der Gesellschaft
in Jena entsprechend sftmmtliche ihm bis jetzt zu-
gesandten Einträge in dem Rey m an n 'sehen Atlas
auf die Generalkarte übertragen. Hiezu wurde ein
weisses Blatt der geologischen Karte von Deutsch-
land — bearbeitet von Pr. II. v. Dechen im
Auftrag der deutschen geologischen Gesellschaft.
Verlag von J. II. Neumann in Berlin — benützt.
Es liegt jetzt übersichtlich vor Angen, wie wenig
seither gesammelt worden ist und wie Vieles noch
gesammelt w erden muss, um eine auch nur einiger-
maassen vollständige Ucbersicht über die prä-
historischen Verhältnisse Deutschlands zu erlangen.
Es wird daher Seitens des Vorstandes die dringende
Bitte an säinmtliche Mitglieder der Gesellschaft
gerichtet, alle denselben bekannte prähistorische
Funde auf ein betreffendes Blatt des Rcymann*-
schcn Atlas zu verzeichnen resp. von dem Unter-
zeichneten das betreffende Blatt zu requiriren, auf
demselben den Eintrag zu machen und dem Unter-
zeichneten zum Uebertrag in die Generalkarte zu-
zustellen.
Bedenklich licht sieht die Karte noch aus in
Schleswig - Holstein, Oldenburg, Hannover, Braun-
schweig. Hessen, Nassau, Pr. Sachsen, Schlesien,
Böhmen, Mähren, Oesterreich, Tirol, von den
Grenzländern gar nicht zu reden. Ganz weiss
liegt Ostprenssen, Nieder- und Oberschlesien, sowie
die neuen Reichslande.
Es wird daher jedes Mitglied der Gesellschaft,
das auf prähistorische Funde wie Steindenkmäler,
Erdhügel, Einzelgräber oder Reihengräber, Urnen
und Aschenhügel, Höhlen mit Knochen, Pfahlbauten
und Knochenabfälle aufmerksam zu machen im
Stande ist, freundlich«! gebeten, sich der Sache
anzunehmen und in der oben angedeuteten Weise
vorzugehen.
Stuttgart im Decembcr 1876.
Dr. Oscar Fraas.
Gesellschaftsnachrichten.
Der Vorstand des anthropologischen Vereins
zn Jena besteht aus folgenden Herren:
Prof. Dr. Schwalbe, Vorsitzender, ,
„ „ Prcyer, Stellvertreter,
„ „ Klop fleisch, Geschäftsführer.
Der VUI. internationale Congress
für
Anthropologie und Urgeschichte in Pest
(September 1877).
Von Professor Kollmann.*)
Dem 8. internationalen Congress sah wohl
Jeder mit besonderer Spannung entgegen. Sie war
nicht gerade hervorgerufen durch das Programm,
das, abgesehen von einem Ausflug nach den Avaren-
ringen. einer wegen ihrer Grossartigkeit berühmten
prähistorischen Befestigung jene stereotype Reihe
von Fragen aufwies, welche von Anbeginn die Pro-
gramme dieser Congresse charakterisirt. Es ist
stets derselbe Wortlaut; nur der Name des Landes,
*) Au» einem Vortrag in der Sitzung der Mflnchener
anthrop. (»©Seilschaft. November 1876-
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in dem der Congress tagen soll, ist dem Wechsel
unterworfen.“ Welches sind die ältesten Spuren
des Menschen ? Wie verhält es sich mit dem Stein-
zeitalter, wie mit dem der Bronze, wie mit dem
des Eisens? Gibt es nicht auch noch eine Knpfcr-
periode u. s. fort, bis zur 9. Frage, welches sind
die anatomischen und ethnologischen Charkaterc
der in alten Culturstätten gefundenen Schädel?
Trotz der unbestrittenen Bedeutung dieser alten
noch ungelösten Räthscl richtet sich die Erwartung
doch wesentlich auf das Material, das zu ihrer
Beurtheilung den Theilnehmern vorgelegt werden
würde. Mit Recht copcentrirt sich das Interesse
mehr nach dieser Seite hin; denn es ist der einzig
zuverlässige Boden, auf dem die Erörterung über die
Urgeschichte der Wissenschaft Gedeihen und dem
Gast Belehrung verspricht. Man konnte sich
gerade darüber ernster Besorgnisse nicht ont-
schlagen. War doch das Land in den letzten
Monaten, welche dem Congress voraosgingen, durch
den Krieg auf der Balkanshalbinsel aufgeregt, und
die Stadt selbst, wenigstens nach Zeitungsnach-
richten, der Schauplatz manches störenden Auf-
trittes gewesen, welchen der Zuzug von Freiwilligen
nach Serbien hervorgerufen hatte. In der Ferne
benrtheilte man diese Vorfälle ernster, als sie es
verdienten, was daraus hervorgeht, dass schon die
Vertagung des Congresses erwogen wurde. War
es unter solchen Aufregungen möglich, die Vorbe-
reitungen für den Congress, bei denen das Zu-
sammenwirken so vieler Kräfte erforderlich ist,
genügend zu treffen? so fragte man sich noch,
als schon der Koffer parat stand, und wiederholte
es, als einige Stunden später an den ersten
Stationen der ungarischen Westbahn der Schnell-
zug vorbeidampfte.
Der erste Eindruck an Ort und Stelle, in dem
Flügel des Nationalmuseums, der den Congress
aufnehmrn sollte, war ein höchst günstiger; er war
entscheidend. Das Organisations-Coraitd hatte eine
überreiche Fülle von Material aus allen Gebieten
Ungarns in einer Reihe von Sälen ausgebreitet.
Es hatte in den letzten zwei Jahren überdies Aus-
grabungen angeregt, oder selbst ausgeführt, und so
sahen wohl alle Theilnehmer ihre kühnsten Er-
wartungen darin übertroffen. Aus Ober- und Nieder-
Ungarn, von den Ufern der Theiss und der Donau
waren Funde und öffentliche und private prä-
historische Sammlungen ausgestellt, und ein Kata-
log*) mit 178 Holzschnitten gab hinreichende An-
*) Hampel, I)r. Joe., Catalogue de 1 ’exponition
prehistorique des Museen de Province et de Collections
particulieres de la Hougrie. Budapest 1876. 10 Bogen 8°.
haltspunkte für das Studium dieser Schätze, die
an 30,000 Nummern zählten.
Unter diesen befand sich auch eine bedeutende
Anzahl aus Siebenbürgen und aus Gebieten nörd-
lich der Karpathen. Die IJebersicht der ersteren
war noch vervollständigt durch eine Festgabe, weche
der Verein für Siebenbürgische Landeskunde*) ge-
sendet hatte. Von Graf Bela Sz6chenyi waren
dem Congress die Funde am Neusiedler Seebecken
geschildert worden**), eine sehr gut ausgestattete
Abhandlung mit 6 Tafeln vortrefflicher Holzschnitte
der Steinwerkzeuge und Gcfässrcste.
ln der einen Beziehung, dem Congress die
prähistorischen Funde des Landes vorzulcgcn, war
also alles nur Mögliche geschehen, und so Hess
sich die weitere Hoffnung hegen, dass die Sitzungen
genug des Interessanten bieten würden , wenn
auch die ausländischen Theilnehmer gerade
wegen der kriegerischen Ereignisse nicht sehr
zahlreich erschienen waren. Von Mitgliedern der
deutschen anthropologischen Gesellschaft befanden
sich unter den Anwesenden Virchow, Schaaff-
liausen, Tischler, A. Hart mann, Voss,
Aschersohn, Ilandelmann, Messtorf, Graf
Wur m b r a n d ; unter den übrigen Gästen M o n -
telius Osc., Hildebrand IL, Franks, Evans,
Worsaae, Wald. Schmidt, Aspelin, Don-
ner, Dupont, Capellini, Pigorini, Koper-
nicki, Lepkowsky u. last not least Broca,
Cotteaux, Chantre u. A.
In Ungarn selbst fand der Congress lebhafte
Theilnahme, und unter den regelmässigen Besuchern
der Sitzungen war die Aristokratie und die hohe
Geistlichkeit zahlreich vertreten. Mehrere hatten
auch Sammlungen oder neue Funde aus der letzten
Zeit ansgestellt, die sie mit der grössten Zuvor-
kommenheit immer wieder zeigten, wie denn über-
haupt bezüglich der Benützung des Materials die
anerkennenswertheste Liberalität herrschte. Die
Sitzungen fanden in dem Sitznngssaal des ungari-
schen Abgeordnetenhauses statt, der sammt den
anstossemien weiten Räumen den bequemsten Ver-
kehr gestattete. Die Sprache des Congresses war
wieder ausschliesslich die Französische, und der
Antrag, den einige Mitglieder auf dein letzten Con-
gress in Stockholm gestellt hatten, die deutsche,
englische und die Sprache jenes Landes zuzulassen,
in welchem der Congress tagt, wurde leider unter
der gewandten Beihilfe des Präsidenten in der
*) Chronik der archäologischen Funde Siebenbürgens
von C. Gr oos. Hermannstadt 1876.
**) Funde ans der Steinzeit im Neusiedler Seebecketi.
Budapest. September 1876.
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ersten Sitzung abgeworfen. In den Statuten dieser
Wanderversammlung kann nämlich eine Aeuderung
erst durch das Plenum des folgenden Congresses
vollzogen werden, und so kam es. dass der An-
trag, der in Schweden vorgelegt worden war,
in Ungarn zur Abstimmung und zum Fall gelangte.
Leider — denn dieser Sprachzwang bedingt eine
lähmende Monotonie, die an dem Mark dieser Con-
grcsse zehrt. Wenn von anderer Seite über den
Verlauf mancher Sitzungen geklagt wurde, so liegt
der Grund davon nicht in dem Inhalt der Mit-
theilungen, sondern eben in dem Sprachzwang, der
zum Ablesen der Reden „mit gesenkter Stimme“
führt und einen unverständlichen Vortrag bedingt,
oder der die orientirende Auseinandersetzung über
die Frage des Programmes einem anderen über-
lässt, der schleunigst damit fertig zu sein wünscht
und gedankenlos das Opus ableiert. Da hätte man
doch klüger gethan, den feurigen Redefluss der
Ungarn zu entfesseln, den wir bei festlichen Ge-
legenheiten so oft bewunderten. Ihre Reden konnte
jeder Nachbar verdolmetschen; dieses Französisch
verstand Niemand, verstanden selbst nicht die
Franzosen. Mögen sich also jene nicht beklagen,
welche die Hand dazu reichten, die Dauer dieses
lästigen Zwanges zu verlängern.
In Pest wurde kein neuer Antrag bezüglich
einer Aufhebung gestellt. War man doch im Un-
klaren, wann und wo der nächste Congress tagen
werde. Moskau hatte abgelehnt, und so hat sich
bis heute noch kein gastliches Thor aufgethan, ob-
wohl man schon an manches Haus gepocht hat.
Ist es wahr, dass Krakau uns aufnehmen will,
dann wird die Sprache des Congresses wohl die-
selbe bleiben. Sollte einmal Deutschland begnadet
werden, so wird man sich hoffentlich des Beispiels
von England erinnern, das einst den Congress will-
kommen hiess, aber mit der Bemerkung: in Eng-
land würde neben dem Französischen auch das
Englische gesprochen.
Was non den Inhalt der Sitzungen betrifft, so
scheint es für unsere Betrachtung, welche nur die
Hauptfragen ins Auge fassen soll, zweckmässiger,
sogleich eine der wichtigsten herauszugreifen.
Eine Erscheinung, die in Ungarn ganz beson-
ders hervortritt, ist die, dass eine Menge auch im
Umfang sehr bedeutender Geräthe aus Kupfer ge-
funden wird, nnd es handelte sich darum, ob es
in Ungarn nicht eine specifische Kupfercultur ge-
geben habe. Der Vorsitzende, Hr. v. Pulszky,
glaubte sich entschieden dafür aussprechen zu
müssen , allein die Engländer hoben hervor , dass
Kupfergeräthe auch in anderen Gebieten gefunden
würdon, und dass es im höchsten Grade unwahr-
scheinlich sei, dass Ungarn eine specitische Kupfer-
cultur habe erstehen lassen. Dass die Frage, ob
Ungarn einst eine eigene Bronzeperiode be-
sass, trotz des Zwanges der französischen Sprache
dennoch eine Discussion horyorrief, darf nicht über-
raschen. Die Opposition gegen das Dreitheilnngs-
sy stem (Stein , Bronze und Eisen) blieb jedoch, wie
sich erwarten liess, in Budapest in der Minorität. Die
Herren Hildebrand, Montelius, Worsaae,
Schaa ff hausen u.A. traten für das Dreitheilungs-
system ein und erklärten , Ungarn hätte entschieden
eine Bronzeperiode gehabt.. Eine Begründung lässt
sich darin erblicken, dass unzweifelhaft in Ungarn
Bronzegeräthe in grossen Massen und von den ver-
schiedensten Arten angefertigt wurden. Ich selbst
habe eine grosse Anzahl von ßronzegussformen ge-
sehen. ferner Funde aus Bronzegussstätten: z. B.
15 — 20 Bronzohftmmer in verschiedenen Graden der
Vollendung aus einer Fundstelle. Es ist ferner kein
Zweifel, dass in Ungarn die Bronzegeräthe in grosser
Anzahl auch einen speciflschen Charakter an sich
tragen. Zweifellos ist aber anderseits auch, dass
Bronzegeräthe importirt wurden, und es ist eine
weitere Aufgabe, die namentlich Ungarn zu erfüllen
hat, zu entscheiden, wie viel und was importirt,
und woher die charakteristischen Formen kommen,
ob sie in der Tliat alle in demselben Lande ange-
fertigt wurden, oder ob nicht vielmehr in Italien
oder Griechenland oder Kleinasien ebenso für den
Import gearbeitet wurde, wie das heutzutage in
allen Ländern geschieht. Mit einigen kritischen
Bedenken trat Hr. Virchow auf und bemerkte,
wie schwer es sei, diese Bronzeperiode, wie sie
vom Norden ausgegangen sei und mit der grössten
Energie festgehalten werde, in Deutschland sicher
nachzuweisen. Die Funde lägen so complicirt, und
in so vielen Fällen hätte man Eisen damit gefunden,
dass die Frage in Deutschland als eine offene be-
trachtet werden müsse. Graf Wurmbrand sprach
sich geradezu gegen die Drcithcilung aus und be-
tonte, dass eine Menge von Ornamenten auf den
Bronzcgeräthen nur unter Anwendung des Eisens
hergestellt werden könnten. Damit war die De-
batte beendigt, aber die Frage selbst nicht erledigt,
wie auch selbstverständlich. Denn Congresse sind
nicht bestimmt, diese Dinge zu entscheiden, sondern
durch eine eingehende Erörterung leitende Gesichts-
punkte für die Beobachtung klar hervortreten zu
lassen.
Römer, der Generalsecrctär für den inter-
nationalen Congress, erwähnte in seiner trefflichen
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und an Thatsachen reichen Eröffnungsrede, * •*)) dass
Oberungarn es vorzugsweise sei, iu welchem die
reichen Bronze fände gemacht würden. Nachdem nun
dieses Terrain noch wenig durchforscht ist, können
die ungarischen Archäologen viel beitragen zur Ent-
scheidung dieser Hauptfrage, oh die Annahme einer
Bronzeperiode berechtigt ist. Wir dürfen jedoch
nicht verhehlen, dass solche archäologische Unter-
suchungen die grösste Umsicht erfordern, und zu-
nächst nicht durch Liebhaber entschieden, sondern
durch Fachmänner festgestellt werden müssen.
Dazu braucht inan jedoch Leute, die an Ort und
Stelle mit der nöthigen Erfahrung und Ausdauer
sich an die Arbeit machen, um die archäologischen
Schätze zu heben. Hoffen wir, dass die ungarische
Regierung dem Conservator der vorgeschichtlichen
Schätze, dem unermüdlichen Korner, Mittel zur
Heranbildung tüchtiger Kräfte und zur Ueber-
wac huiig von Ausgrabungen gewähre. Möge die
verschwenderische Grossmuth , welche die Stadt
Test mit Prachtbauten und wissenschaftlichen Insti-
tuten •*) aller Art überschüttet, auch seine Be-
strebungen in ihren fördernden und mächtigen Schutz
nehmen. — Die Ausstellung enthielt übrigens, das
scheint mir wichtig, hier anzuführen, mancheu Fund,
der Eisen und Bronze zeigte. Man interpretirt nun
stets: diese Funde stammen eben aus der Ueber-
gangszeit. Wie aber, wenn neben den beiden Metallen
auch noch der Silex vorkommt ? Sollte in a 1 1 solchen
Fällen neben den metallenen auch noch die stei-
nernen Waffen iin Gebrauch gewesen sein? Ich
bezweifle dies und führe einige ungarische Funde
dieser Art an. In der Abtheilung Slovenska Ma-
tiea (zu Turck*z-Szcnt- Mrtrlon , Comitat Turöcz)
befand sich ein Carton, auf dem zwei Feuerstein-
splitter, Fragmente einer bronzenen und einer eiser-
nen Sichel und ein kleines eisernes Messer als ein
Fund zusammengestellt waren. Unter »len Funden
von Tisza-Igar (Katalog S. 151) sind Gegenstände
aus Stein, Bronze und Eisen zusammengestellt.
Auf einem Carton der Ausstellung aus dem Museum
von Zagrdb ist Bronze und Eisen zusammengestellt.
Die Anhänger der Dreitheilung werden die Zuver-
lässigkeit dieser Funde in Zweifel ziehen; allein
es ist schwer anznnehmen, dass in all den Fällen
Beobachtungsfehler unterlaufen sind; bleibt auch
•) Biscoura da Secretaire gt*n£ral au Congres inter-
national le 4. aeptembre 1876. Budapest 8*.
•*) Soeben wird n. a. ein Palast fiir descriptive
Anatuniiu errichtet, ein neue« Krankenhaus gebaut, und
wenn ich nicht irre, steht ein weiterer Bicseubau
für da* pathologisch- anatomische Institut bereit» unter
Dach.
nur ein Fall bestehen, so beweist eben diese eine
positive Thatsaehe mehr als hundert negative. —
Auf dem Congress waren, wie schon erwähnt,
die Metallgeräthe in enormer Zahl vertreten, aber
auch die aus Stein, Horn, Knochen, Thon etc.
standen au Zahl nicht nach. Hier zeigte sich be-
sonders, wie anregend die internationalen Congresse
für jene Gebiete sind , in welchen die archäologi-
schen und urgeschiehtlichci» Studien noch nicht
zur vollen Geltung durchgedrungen sind. Bis vor
Kurzem glaubte man, Ungarn hätte keine Werk-
zeuge aus geschlagenem Feuerstein aufzuweisen.
Erst als in den letzten 2 Jahren Uutersurhungeu
vorgenorameu w nrden , zeigte sich ein enormer
Reichthum an solchen Geräthen und an anderen
aus den verschiedensten nicht metallischen Stoffen,
der sich aber bis jetzt zum grössten Theile
auf Xiederungarn , hauptsächlich auf die Ufer der
Theiss beschränkt. Ich betone vor allem die zahl-
reichen Obsidianmesser und die Obsidiankerae.
Sie kommen grösstentheils ans den Bergen von
Tokay, wo man diese Steine in grosser Menge
findet. Der Bruch dieser ungarischen Obsidiane
gibt Messer von grosser Feinheit und Länge, aber
sie sind stärker gekrümmt, als die des mexikani-
schen oder dänischen Obsidianes. Eine reiche
Sammlung von geschlagenen Feuerstcimnassen hatte
Frl. Torma ausgestellt. Im Comitat von Szabolcs
und Siptd sind polirte Feuersteinäxte gefundeu
worden; von anderen Gesteinsarteu, z. B. Serpentin,
existiren eiue Menge interessanter Formen und
von hoher Vollendung. Geräthe aus Knochen und
Horn, sind in erstaunlicher Menge in den Cultur-
schichten prähistorischer Wohnplätze in der jüngsten
Zeit gesammelt, so in Magyarad, Szihalora, Toszeg
und anderen Orten. Ich führe die Worte Romer’s
an, weil sie den Reichthum der Funde gleichzeitig
ins rechte IJcht setzen: „on voit des objects en
bois de cerf et en os par centaines et par milliers,
oii les objets de bronze et de fer n ‘apparaissent
qu ’iso^ls et sporadiquement.* Einen solchen Reich-
thum bot auch ein Urnenfriedhof in Piliu (Xogräder
Comitat), den Baron Nyäry durchforscht hat.
Eine grosse Zahl von zierlichen Urnen der verschie-
densten Grössen und von charakteristischen Formen
überraschte zunächst den Beschauer jenes Theilcs
der Ausstellung; dann aber fesselten kleine Thier-
figuren aus Thon, die mit auffallender Geschick-
lichkeit gefertigt sind. Man erkennt ohne Mühe
das Schwein sogar in zwei verschiedenen Rassen,
das Schaf, das Rind und den Spitzhnnd; andere
sind zweifelhaft. Höchst merkwürdig sind ferner
die Stempel ans gebranntem Thon, die derselbe
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Fundort geliefert hat. Sie zeigen gut gearbeitete
Ornamente, von denen viele an griechische Vor-
bilder erinnern. Sie dienten zweifellos dazu, die
Urnen damit zu verzieren. Welch weite Kluft
trennt noch diese Zeit und diese (Kulturstufe mit
dem ausgeprägten Kunstsinn von dem Urmenschen,
von dein „l'homme primitiv4 der Plioeäne, der
Wallfisrhwirbel und W&llfischrippen abnagt ! Eines
Tages trat nämlich Capellini in die Versamm-
lung mit der überraschenden Mittheilung , dass
er den P I i o c ft n - Menschen gefunden. Seine An-
sicht gründete er auf Wallfischknochen eiuer
neuen Art, die von ihm in der Nähe von Siena
in plioeänen Lagern entdeckt wurde. Er glaubt
Spuren menschlicher Bearheitung an den Kippen,
an den Fortsätzen der Wirbel beobachtet zu haben.
Die Wirbelknochen und Kippen circulirten nun in
der Versammlung, aber nicht mit dem gewünschten
Erfolge. Man konnte allerdings nicht bestreiten,
dass an einem Stücke Spuren einer Bearbeitung
sichtbar waren; aber man war geneigt, dieselben
den Kiefern eines Thicres zuzuweisen (Sägefische?).
Anders die Angaben des Grafen Wurmbrand
über den Nachweis des Menschen im älteren
Diluvium. Sie besitzen wegen der genauen Fest-
stellung des Thatbestands einen bedeutenden Werth.
Er fand in Joslowitz auf dem Grunde des Löss,
der den tertiären Sand berührt., mehrere Feuer-
stellen zusammen mit Knochen von Mammuth,
Rhinoceros, Pferd, Höhlenbär und Renthier; dann
Feuersteine und bearbeitete Knochen mit Steinrinnen.
Dieser Fund ist schon wiederholt besprochen worden,
das scheint mir jedoch an dieser Stelle zu betonen,
, dass er im Zusammenhang mit denjenigen in Tau-
bach bei Weimar, mit denjenigen in Regensburg
(Zittel), mit jenen in Württemberg und am Liba-
non (Fraas), und mit noch anderen als neues
Glied in jener Kette von Beweisen eintritt, welches
die Coöxistenz des Menschen mit den grossen
Säugethieren der Dilnvialperiode in Europa con-
statirt.
Eine der glänzendsten Mittheilungen aus dem
Gebiet der Anthropologie war unstreitig die Vir-
chow's über das Resultat der deutschen statisti-
schen Erhebungen bezüglich der Farbe der Augen,
Haare und Haut, , und die Karten , die dort aus-
gestellt wurden, haben die gleiche Bewunderung
hervorgerufen wie in Jena. Die. Untersuchung von
mehr als 5 Millionen Scholkindern erschien allen als
eine staunenswerthe Leistung, und gaben den ge-
wonnenen Resultaten das Gewicht unbestreitbarer
Thatsachen. Nachdem diese Resultate durch den
Sitzungsbericht der Generalversammlung in Jena
bekannt geworden sind, kann ich rasch darüber
hinweggehen, nnd zunächst zwei weitere anthro-
pologische Punkte erwähnen.
Professor v. Le u ho s sek*) (Pest), der jüngst
ein umfangreiches craniologisehes Werk veröffent-
licht hat , das die ungarischen Kreise auf die
Bedeutung dieser Studien aufmerksam machen sollte,
legte der Versammlung einen sogen. Avarenschädel
vor, der die künstlich deformirte Gestalt jener Schä-
del im eminentesten Grade besass. Seit 40 Jahren
ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich. Dieser
war an der Theiss gefunden worden mit noch 5
anderen, welche leider in den Fluss geworfen
wurden. Welchem Volke gehören sie an. welches
hatte in Europa diesen seltsamen Trieb, am Schädel
durch Umschuüren eine abenteuerliche Gestalt zu
geben? Broca meinte, ein Zweig derCimbeni oder
Cimmerier sei es wohl gewesen und constatirt, dass
im südlichen Frankreich noch heutzutage solche
künstlerische Verbildungen am Schädel vorgenommen
werden. Man kennt dort noch nicht den Grund
dieses Brauches. Den» Neugebomen wird eine Binde
um den Kopf gelegt, so dass der Scheitel in der
Mitte nicht in der regelmässigen Scheitelcurve zum
Hinterhaupt« zieht, sondern bandartig eingedrückt
wird. Es sind wahrscheinlich alte Erinnerungen
an Sitten der Urzeit. Die Frage nach ihrer
Herkunft ist noch offen. Sie ist an verschiedenen
Punkten gleichzeitig und unabhängig aufgetreten
(Peru), und was das seltsamste ist, es scheinen
auch Unsere Ahnen von dieser Sitte nicht frei ge-
wesen zu sein. Linden sch mit hat aus Reihen-
gräbern bei Mainz einen Schädel gehoben , der
künstlich deformirt ist. Er lag neben l*angschädelu.
(Schluss folgt.)
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Danzig vom 5. April 1876.
Nach einen» Bericht über die weitere Ent-
wickelung des Vereins legte der Vorsitzende die
neu eingcgangcucn Geschenke und Arbeiten vor.
Hr. Gymnasialdireetor Möller hatte einen schönen
Steinhammer aus der Gegend von Moritzkehmen
bei Tilsit, Hr. Elorkowski eine Reihe von Urnen
aus Stcinkistengräbern bei Lunau in der Gegend
von Grandenz eingesandt. Hr. Baurath Crügcr
in Sehneideinühl hatte die Photographie von einen»
grösseren Bronzelund aus der Nähe von Floth im
*) J. t. L« oh 0 8 sek. Die Schädelkenntoiiis des
.McuBcheu. Abhdlgu. der k. utigar. Akademie. 1876. 1“
mit 2 Tafeln (Taf. 2 Fig. 1, der Avareuachidel).
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Netzethal nebst einer sehr eingehenden Abhand-
lung über die archäologische Bedeutung desselben
cingeschickt. Ebenso hatte Hr. Major Kassiski
ans Xeustettin zwei grössere Arbeiten über seine
mit unermüdlichem Eifer fortgesetzten Ausgrabungen
während des Jahres 1875 und „über die Brand-
groben* cingeschickt, deren Inhalt vom Vorsitzenden
kurz mitgetheilt wurde: beide Abhandlungen sind
für die Schriften der Gesellschaft bestimmt. End-
lich wurde von der Begründung des historischen
Vereins für den Regierungsbezirk Marienwerder
durch Herrn Regierungsrath von Hirsch fei d
Kenntnis» genommen.
Hr. Walter K a u f f in a n n referirte über neue
Funde bei Espenkrug, Lichtenthal. Artschau, Xen-
kau und Broddener Mühle bei Mewe.
In Lichtenthal hatte bereits früher der Be-
sitzer Hr. Rittergutsbesitzer B. P 1 e h n auf einem
ziemlich hohen Bergrücken verschiedene Urnen
ausgegraben, und fand Referent auch an derselben
Stelle noch drei andere, die sich dadurch von den
in hiesiger Gegend gefundenen auszeichneten, dass
sie keine Deckel, sondern weit Über den Hals der
Urnen reichende Schalen als Bedeckung hatten,
die, wie es scheint, ehedem als Wlrthschaftsgeräthe
gedient haben. Die Urnen selbst sind ziemlich roh
gearbeitet und zeichnen sich durch keine beson-
deren Merkmale aus. In einer dieser Urnen fan-
den sich viele Bruchstücke von Eisen- und Bronze-
ringen , sowie von Glasmasse. Die Eisen- und
Bronzestücke bieten keine weiteren Eigentümlich-
keiten , als dass sie teilweise mit Glas - und
Knochenüberresten zusammengeschmolzen sind. Die
Glasmasse selbst aber ist in sich vollständig in
ganze kleine Stückchen zersprungen, woraus sich
sehlicssen lässt, dass die Urne mit dem Gesammt-
inhalte sogleich nach dem Leichenbrande in der
Erde beigesetzt ist, wofür auch andererseits der
Umstand spricht, dass der Boden, in dem die Urne
gefunden wurdo, aus sehr fettem und feuchten
Lehm bestand. Hr. Plebn hat ausser diesen drei
Urnen noch fernere vier Urnen und zwei Schalen
dem Vereine freundlichst übersandt.
In Espenkrug hatte der dortige Gastwirt Hr.
G. Becker eine Steinkiste beim PHügen aufge-
deckt, in der 2 Urnen gefunden wurden, von denen
er die erhaltene nebst Inhalt dem Vereine freund-
lichst überlassen hat. ln der Urne wurden gefunden :
ein Bronzering nebst grosser blauer Glasperle, drei
kleinere Ringe, von denen zwei aus viereckigem
Draht geformt waren, eine kleine Bronzekette von
zwanzig Gliedern und drei Stücke von einer kleinen
Bronzcspirale von vier resp. 7 Windungen. Diese
Stücke sind insofern wichtig, als sie deutlich er-
kennen lassen, dass sie mittels eines sehr scharfen
Instrumentes von der Masse abgedreht sind, welches
noch deutlich seine Spuren auf jeder einzelnen
Windung hinterlassen hat. Sie gleichen vollständig
den jetzigen Metallspähnen, die von einer Dreh-
bank herrühren.
In Artschau bei Praust faud Referent sehr
schön erhaltene Steinsetzungen von Kopfsteinen,
etwas unter der tiberfläche des Erdbodens gelegen,
und im Durchmesser 22 Fuss messend, ganz kreis-
förmig. Die in der Mitte liegenden Steinkisten
enthielten sowohl röthlich braune wie schwarze
Urnen mit vereinzelten Bronzeringen als Beigabe,
von denen sich ein sehr breiter Fingerring durch
kleine parallel laufende Furchen besonders aus-
zeichnete.
ln Xeukau war auf den alten Fundstätten
leider nur eine zerbrochene Urne von gewöhnlicher
Form aufzutinden, in der sich zwei kleine Thon-
perlen und ein grösserer Wirtel mit hübschen Ver-
zierungen vorfand.
In Broddener Mühle bei Mewe hatte Herr
Glaubitz seu. aus Dauzig eine sehr sauber ge-
arbeitete abgeschliffene Steinaxt gefunden, deren
4 Stielloch, wie noch deutlich zu ersehen, ausgedreht
ist. Sie ist an den Seitenflächen sehr schön ge-
schliffen. Ganz in der Nähe der ersteren lag eine
zweite Steinaxt, die jedoch, wahrscheinlich bei dem
Bohren des Stielloches, zerbrochen und später in
einen, bei uns so sehr seltenen llohlmeissel um ge-
arbeitet ist. Ferner wurde bei Jacobsmühle beim
Sandgraben eine Steinkiste aufgegraben, die jedoch
zusammcnflel, und in Folge dessen auch die darin
enthaltenen Urnen zerbrachen. Die Stücke dieser
Urnen zeigen sehr hübsche Muster, sind von
schwarzer Farbe und scheinen mit Graphit über-
zogen zu sein. Merkwürdig ist, dass die vertieften
Verzierungen mit einer weisscu kalkartigcn Masse
angefüllt sind, wrie man es schon bei einigen Ver-
zierungen von Gesichtsurnen gefunden hat. Endlich
ist auch hei Jacobsmühle ein Bodeu eines Bronze-
gefässes gefunden , der dieselben concentrisclien
Kreise zeigt, wie das Münsterwalder Bronzegefäss,
und dessen Bearbeitung mit letzterem auch identisch
zu sein scheint.
Hr. Dr. M a u n h a rd t besprach aus dem Kreise
seiner umfassenden Untersuchungen für mythische
Ackerbaugerüthe *) ein einzelnes Beispiel, den:
*) Die ersten Grundlinien hat der Verfasser bereits
iu einer früheren Schrift . Roggenwolf und Roggeu-
hund, Danrig 1866, 2. Aull, veröffentlicht.
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Roggen vrolf und Kogge uh und,
und ist durch eine Fülle grösstentheils von ihm,
theils auch auf Grund seiner Fragestellung durch
Andere neu erhobener Thatsachen sowohl Stoff
ab Verständnis» bedeutend gewachsen. Der Vor-
tragende hat in mehreren Arbeiten den Nach-
weis 'geliefert , dass in allen uordcuropäischen
Landen) unter dem Landvolk eine grosse Anzahl
von Gebrauchen und aus alter Zeit überkommener,
wenn auch oft in moderne Formen ungestalteter
Redensarten bei Saat und Ernte erhalten ist, welche
heutzutage nicht mehr verstauden und nur aus
Gewohnheit fortgeübt, den einstigen Glauben unserer
Vorvater bekunden, dass der Pflanze, zumal der
Cnlturfracht, ein dämonisches Wesen nach Art der
griechischen Dryaden einwohne, welches in sehr
verschiedenen, theils menschlichen, theils thierischen
Gestalten gedacht wird , nnd bald die Pflanze als
seinen Leib erfüllt, bald aus derselben frei her-
vortretend im gesummten Kornfelde seinen Auf-
enthalt nimmt. Es äussert sein Leben im Winde,
der die Aehren bewegt ; man scheut sich ihm nahe-
znkommen, da die Berührung oder das Ansichtig-
werden von Geistern nach dem Volksglauben Krank-
heit. Ermattung und dergl. zur Folge hat. Beim
Kornschnitt stirbt es entweder unter der Sichel,
oder wird vor den Schnittern entweichend in den
zuletzt geschnittenen oder ausgedroschenen Halmen
eingefangen. Nicht selten wird als Repräsentant
des Korndämons beim Schluss des Getreideschnitts
oder Dreschens ein in die letzten Halme hinein-
gestecktes lebendes Thier (Hahn, Katze u. s. w.)
erschlagen oder ausserhalb des Erntefeldcs
am Tage des Ernteschlusses oder einige Zeit nach-
her mit Sichel, Sense oder Steinwflrfen getödtet.
Oft empfängt die letzte Garbe Thiergestalt oder,
unter Bekleidung mit Gewändern, Menschengestalt
und der ihr innewohnende Pflanzengeist wird doppelt,
d. h. zugleich durch diese Figur und einen den
Namen dieses Wesens erhaltenden Menschen dar-
gestellt. Auch kommt es vor, dass man behufs
Ergiebigkeit der nächsten Ernte jene Gestalt mit
Stßeken schlägt. Hr. Mann har dt steht im Be-
griff, weitere Untersuchungen zu veröffentlichen,
welche durch eine Reihe zum Theil durchaus
zwingender Thatsachen klar legen sollen, dass nicht
allein die nordischen Völker, sondern auch Griechen,
Römer nnd vorderasiatische Nationen beim Beginn
ihres historischen Zeitalters die Vorstellung von
Vegetationsdämonen der beschriebenen Art gekannt
haben müssen; verschiedene Thatsachen. weit durch-
schlagender als die im diesmaligen Vortrage er-
wähnten, machen die Vermuthung wahrscheinlich,
dass wir es mit einem Glauben zn thun haben,
der mit Ackerbau und Baumzucht in Vorderasien
entstanden, sich mit diesen in vorhistorischer Zelt
nach Europa resp. Nordafrika verbreitete.
Eine der thierischen Gestalten des Konidämons
war der Hund. Von kriegsgefangenen Bauern,
aus deren Munde Dr. Mannhardt 1K70 — 71 die
Ackerbräuche fast sämmtlicher französischer De-
partements zu sammeln Gelegenheit fand, stellte
er fest, dass im romanischen Lothringen ganz all-
gemein, in den angrenzenden Provinzen Frankreichs
häutig mit dem Namen „den Erntehund tödten*
der Schluss der Ernte bezeichnet werde. Im Be-
griff, den letzten Rest der Aehren zu schneiden,
ruft mau dein betreffenden Arbeiter die Aufforderung
zu: tödte den Hund: (tuet 1e dtien!) ; und auch
der grüne Baumzweig auf dem letzten Fuder, wie
das Festmahl bei Beendigung des Kornschnitts oder
Dreschens heisst in übertragener Bedeutung „Hund“
oder Hundetod (tt dtien d'aoüt oder Ic tue-chien
de In moiaaon). Man spricht vom Getreidehund,
Roggenhund (ckim du btt, du seiytt) , sogar vom
Kartoffelhund ( chicn des pommes de terre ) und
Ileuliund ( dtien du foin oder de la fennison).
Wird ein Erntearbeiter krank, so spottet man-
„der weisse Hund (weiss, weil dem Franzosen
das reifende Getreide weiss wird „les Otts commen-
ceni d blnnehir“) ging an ihm vorbei (le chien
blnnc es t jtnssc jtrH Ic lut) oder die Hfindinhatihn
gebissen (la mgne Fa mordu ). Nach Analogien
in anderen, ganz parallel laufenden französischen
Erategebrüuchen darf man als wahrscheinlich an-
nehmen, dass in früheren Zeiten als Vertreter des
geisterhaften Erntehundes ein wirklicher Hund zu-
gleich mit dem Schneiden der letzten Halme ge-
tödtet, oder unter der letzten zum Ausdrusch
kommenden Getreidelage erschlagen wurde.
In deutschen Landschaften taucht das näm-
liche mythische Wesen in mannigfachen Gestalten
anf. Wer beim Kornschnitt die letzte Weizengarbe
bindet „hat den Weizenhund“ ( Wcssbeller) , wer
die letzten Erbsen, den Schotenmops (Sckutamups),
Gegend von Striegau. Bei Lindau am Bodensee
gebrauchen die Schnitter, wenn alle Halme bis
auf einen kleinen Rest herunter sind, einen Aus-
ruf. welcher besagt, dass man jetzt in den letzten
abzumähenden Aehren „des Mutterschosses der
(den Fruchtsegen gebärenden^ Hündin habhaft
werde“; derjenige, welchen die Reihe trifft, die-
selben zu schneiden, darf beim Festmahl zuerst in
die Schüssel langen. Besonders am Dreschen haftet
der Glaube an den Vegetationshnnd. Das Aus-
drcschcn des letzten Gebundes heisst „den Hund
derschlagen“ (Tirol), das Drischelmahl „Feier
des Dreschhundes“ (Schmalkalden). Auf den Knecht,
welcher den letzten Flegelschlag that , d. h. das
geisterhafte Thier zugleich mit den Körnern aus
den letzten Aehren trieb, geht der Name des letz-
teren über, indem inan ihn als „K orn -Roggen -
Weizenmops“ (Stade) oder „Stadelpudcl“
(Oberösterreich) begrüsst. Dem steht beim Raps-
dreschen der ähnlich angewandte oldenburgische Aus-
druck „Strükpudel“, „St rohpudcl“ zur Seite, während
der aus der letzten Garbe herausgetri ebene Korn-
geist, von der Person, welche den letzten Drisehel-
schlag machte , in Schwaben unter jenem bei Lindau
gebräuchlichen Namen in Gestalt eines in Stroh
gebundenen Steines, in der Obcrlausitz und Meissen
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16
als „Sc he u nbet ze 44 (Sclieonhündin) in Gestalt
eines mit Obst und Getreide gefällten Topfes dem
Nachbar, der noch nicht fertig ist, also noch un-
gedroschene Fracht hat, auf die Tenne geworfen
wird, ln Tirol heisst bei der Heuernte das Xaeh-
rechcn des beim Zusammenharken zurückgeblie-
benen Grases das ..11 und reche n“, weil der Hund
sich darin versteckt hat, und die Mäher „machen
den nachharkendeu Mädchen einen Hund“,
indem sic dreimal mit dem Wetzsteine über die
schrillende Sense streichen. Weil der Hund nun-
mehr im Heuschober verweilt, bekommt auch dieser
den Namen „Hund“. Schüttelt der Wind den
Heuhaufen auseinander, so „hat das der Hund
gethan“ und man wirft ein Messer hinein, wie man
ein solches in den Wirbelwind wirft, um den ver-
meintlich darin hausenden bösen Geist zu treffen.
Auch wenn das noch auf dem Halme stehende
Korn sich irgendwo nach allen vier Seiten gelagert
hat, nennt man dies „das T ol I h u n d s n e st“ (Osna-
brück). Bewegt der Wind das Getreide wellen-
förmig, so „jagen sich die llunde“ darin
(Osnabrück). Kinder warnt man in vielen deutschen
Landen davor, sich ins Saatfeld zu verlaufen, da
sitze „der grosse, der tolle Hund“, da seien
„die Rüden , die Menschen zu Tode kitzelnden
Kitzelhunde ■ Kiddelhunde); ebenso in Holland ., de
dollen hu mir loopen in het koom", in Frankreich
„le chien raus nmw/cta in Polen „i eielki pics"
u. s. w. Im Erbsenfelde versteckt sich der Schoten-
betz (Fulda), im Grase der Heupudel (Ostfries-
land), altüberlieferte Redensarten, in welchen nur
die modernen Specialitäteu Pudel, Mops u. s. w.
der Verschönerung halber den einfachen Hund der
ursprünglichen Phrase ersetzten. Ja, die Phantasie
der Deutschen im Regierungsbezirk Posen sieht
zuweilen gar leibhaftig in den Abendstunden einen
schwärzet» Hund durchs Kornfeld streichen, dessen
Erscheinen sie auf einen glücklichen Ausfall der
bevorstehenden Ernte und ausnahmsweise volle
A ehren deuten.
Ob nicht aus demselben Gedankenkreise heraus
eine Reihe südländischer Gebräuche zu deuten sei,
die man bisher anders erklärt hat, stellt der Vor-
tragende in vorläufig nur auzuregende, aber noch
nicht sicher zu beantwortende Frage. In Rom
pflegte man, nach den älteren Pontificalbücherü
unbestimmt, sobald sich der Kern des Getreides in
der Hülse bildete, nach späterer priesterlicher
Festsetzung jedesmal am 25. April, damit die
Früchte zur Reife gelangten und nicht vom Rost-
pilze litten, dem Wachsthumsgeber und Abwender
der Halmschäden Mars und der Rostgöttin Robigo
junge säugende Hunde von röthlicber
Farbe darzubringen. Die Deutung auf den Hunds-
stern ist Grübelei naebvarronischer römischer
Gelehrter. Näher liegt es, die säugenden
Hündchen als thiorgestaltige mythische Gegen-
bilder des reifenden Getreides anfzufassen. In
Griechenland gab es zu Argos im Hochsommer ein
Fest des II undetodt achlags» auch Arnis ge-
nannt. durch seine Verwandtschaft mit den Kameen
als ein altes Erntefest charaktcrisirt. Auch hierbei
nicht an eine symbolische Bestrafung des Hunds-
sterns zu denken, rftth eine merkwürdige Analogie
aus Sennaar, wo Lepsius und R. Hartman n in
Fasoglo bei dem Volke der Funje den eigenthüm-
lichen Brauch entdeckten, dass zur Zeit der
Dhorra- Ernte der Landesfürst von den Ministern
im Dorfe auf einem Ruhebette umhergetragen wird,
an das ein Hund angebunden ist, deu
man mit Steinen tödtet oder mit Iiutheu
schlägt. Das erinnert au die Eingangs erwähnte
Darstellung des Konidämons durch thiergestaltete
Kornfigur und Mensch, an die Steinigung des Ge-
treidehahns und die Steckenschläge auf die Kom-
pnppe. In den Funje hat man die Ptocmp/uinae
der Alten, ägyptisch P-to-cm-phan (d. i. Bewohner
des Landes Phon) wiedererkannt, vou denen Pli-
nius berichtet, dass sie einen Hund zum König
hätten. Paul de B u c h öre , der den Zusammen-
hang zwischen der Erzählung des römischen Natur-
forschers und der neueut deckten Sitte der Funjes
aoffand, glaubte jedoch irrig, dass die letztere der
Einsetzung eines Usurpators ihre Entstehung ver-
dankt, welcher die vermittelst seiner Priesterschaft
geübte theokratische Regierung eines göttlich ver-
ehrten Hundes durch sein weltliches Regiment
ersetzte und ein Denkmal dieser Staatsumwälzung
stiften wollte. So entstehen nie derartige Volks-
bräuche. Vielmehr ist die ganze Fabel von dem
Köiiigthum des Hundes, wie in hundert ähnlichen
Fällen, als rationalistische Deutung aus dem schon
zu Plinius’ Zeit bestehenden Erntebrauch ge-
schlossen, und letzterer wird einst zugleich mit der
aus Asien stammenden Dhorra (d. h. Mohrhirse,
hol chs aorgum /.) in die Länder am rothen Meere
eingewandert sein.
Fine werth volle Sammlung von Alterth timern (Stein, Bronze, Eiseu, Urnen mit erläu-
terndem Teil und photogr. Abbildungen) au» dem Nachlasse de« zu Wolinirstedt verstorbenen Sanitiiu-Bathes
Dr. Sch ult ho iss soll im Ganzen verkauft weiden, und liegt bis Ende Februar daselbst zur Ansicht au». —
Anfragen zu richten au Frl. H. Schultheis» in Wolinirstedt bei Magdeburg.
Schluss der Redaction am 13. Februar.
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gornspoubenj-^Sfdf
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R c d i g i r t
ron
Professor Kollmann in München,
UrnpralKN rrtir d*r Oca»llarlk«n.
Erscheint jeden Monat
Nro. 3 u. 4. Manchen, Druck von H. Oldenbourg. MÜTZ U. April 1877.
Die am I December 1875 in Sachsen woh-
Gesellschaftenachrichten.
(«egen das Ende des vorigem Jahres sind die
statistischen Erhebungen (Iber die Karbe der Augen,
der Haare und der Haut auch im Königreich
Sachsen durvhgefrthrt worden. Wir geben den
Lesern des Correapondenzblattes eine interessante
Notiz Über die Ergebnisse «ler Zählu.g in den
durch Wenden hauptsächlich bevölkerten Distrikten.
Die Leipziger Zeitung enthielt in ihrer .Wissen-
schaftlichen Beilage“ No. 114 Nov. 187t) ausführ-
liche Angaben von Dr. V. Böhmert.
W e n d e o.
Eine besondere Beachtung verdient der slavi-
sche Volksstamm der Wenden in Sachsen, der
seine Sprache und Stumnieseigeuthümlichkeit sehr
zäh beibehält . und bei welchem die blauen und
grauen Augen und blonden Haare vorwiegen. Nach
«ler Zählung vom 1. December 1875 betrug die
(iesaimntzahl der Wenden im Königreiche Sachsen
50,737.
Eine Vergleichung mit früheren Zählungen er-
gibt , dass die Zunahme der Wenden hinter der
Zunahme der Deutschen zurückgeblieben ist und
im letzten Jahrzehnt eine erhebliche Abnahme
stattgefundeu hat: denn während im Jahre 1849
in Sachsen auf 10n0 Einw. noch 2t5 Wenden kamen,
betrug die Zahl der Wenden 1875 nur noch 18
auf je 1000 Seelen.
»enden 50,737 Wenden vertheilen sich auf die vier
Kreishauptmannscliaften in folgender Weise: Es
kommen auf
Kreishauptm. Hautzet 47.593 Wenden,
„ Dresden *2.818
„ Leipzig 228 „
„ Zwickau 98 „
Sa. 50,737 Wenden.
In der Kreishaupluiaunscliaft Bautzen mit zu-
sammen 339,203 Einwohnern wohnten von 47,593
Wenden in der Amtshauptmannschaft Zittau nur
170 Wenden, dagegen in der Amtshauptmannschaft
I .öltau 5o<>2, in der Amtshauptm&nnschaft Kamenz
7398 Wenden.
Von den 47,593 Wenden, die am 1. Der. 1875
allein in der Kreishauptmannschaft Bautzen lebten,
kommen 44,2157 auf die Dörfer und nur 3320 auf
die StAdte. In der Amtshauptmannschaft Bautzen
mit zur. 97,188 Einw. gab es auf den Dörfern
32.25(5 und in der Stadt Bautzen 27(59 Wenden.
Entsprechend diesen Zahlen Hilden wir nun
auch in dem Schulinspectionsbezirk Bautzen die
grösste Anzahl von Schülern mit blauen und grauen
Augen und blonden Haaren.
(Sieh« Tabelle S. 18.)
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18
Schul inspectioiiRbestirk Bautzen.
lU'tnii-buun'ir
«U>r
Helm Ir-
ScMler-
»hl
unirr
14
Jahre.
Uftrutiter-.
Mit mil
blauen grünen
Augen Augen
und und
blonden blonden
Huren. Huren
Stadt Rantxen
Gymnasium
102
40
20
IWrtrt':
Baruth .
Volkaschule
220
76
57
Burk
*
90
37
19
Caunewitz . .
166
61
28
Coblenx . .
72
37
7
Gnaschwitx
140
70
20
Oröditz .
.•
123
54
32
UroRRwelka
168
55
58
Outtau . . .
166
58
30
Kleinbautzen .
110
42
10
Klix ....
221
106
51
Königswnrth i
3S0
110
34
I.nc« . .
63
30
18
Malacbwitx
174
68
25
Niedergang
143
54
18
Obergurig .
151
68
34
Oppitz . . .
71
46
2
Purschwitz
150
52
17
Quatitz . . .
«
166
98
13
IThyat . . .
•
•
*
180
82
29
Vorschlag zur Verständigung über eine
gemeinsame Methode für Schädel-
messungen
von Ob. -Med. -Rath Dr. v. Holder
in Stuttgart.
Um raschere Fortschritte in der kraniulogischen
Erforschung Deutschlands zu machen, ist es uner-
lässlich eine Untersuchungsmethode zur Geltung
zu bringen, welche ohne Schwierigkeit allgemein
verständliche Ergebnisse hat. Wenn man versucht,
die Maasse. welche ohne genaue Abbildungen ver-
öffentlicht wurden, zur Vergleichung mit den selbst-
gefundenen Schädelformcn zu bringen . so laufen
mit Ausnahme der grössten Länge. Breite und Hohe
der grösste Theil der Zahlen so wirr durcheinander,
und die Beschreibung der Formen ist so ungenü-
gend. dass es unmöglich ist, sich ein richtiges Bild
zu machen. Man erfährt allerdings, oh die Schädel
dolicho- , ortho-, brachy-, hypsi- oder ohamaeo-
cephal sind, aber weiter Nichts.
Die Kraniometrie für anthropologische Zwecke
soll die verschiedenen Formen der Schädel als
Ganzes einer genauen Vergleichung unterziehen, und
die erhaltenen Maasse sollen diese Verschiedenheiten
in einer Weise zun» ziffermftssigen Ausdruck brin-
gen, dass mau ein scharfes Bild von ihnen im Ge-
dächtniss behalten kann. Die verschiedenen Durch-
messer müssen also diesem Zweck entsprechend
gewählt werden, gleichviel oh sie von anatomischen
Pnnkten ausgehen oder nicht.
Wie es gewöhnlich geht, wenn man über die
zu erstrebenden Ziele noch nicht ganz klar ist, so
ging cs anfänglich auch in der Kraniometrie. Man
liess seinem Thätigkeitsdrange die Zügel schiessen
und gab statt möglichst bezeichnender möglichst viele
Maasse. Dass nicht viel dabei herauskam. weiss
jeder, und »lass nicht viel herauskommen konnte,
hat Herr v. 1 he ring in seiner Abhandlung über
die Reform der Kraniometrie schlagend dargethan.
Von nun an werden keine Arbeiten Anspruch auf
Geltung machen können, welche nicht die Schädel-
durchmesser parallel oder rechtwinklig mit einer
innerhalb des Schädels liegenden Grundlinie proji-
eiren, also in der Richtung der 8 rechtwinklig sich
schneidenden, die 8 Dimensionen des Raumes dar-
stellenden Ebenen, welche inan die sagittale, die
frontale und die horizontale zu nennen gewohnt ist.
Diese von Herrn v. I bering in die Kranio-
metrie eingeführten Grundsätze sind freilich selbst
bei den deutschen Kraniologen noch nicht allseitig
anerkannt. Ihre innere Nothwendigkeit für alle
vergleichenden Untersuchungen liegt aber so sehr
auf der Hand, dass sie sich für alle Schädol-
messungen nach geraden Linien Rahn brechen
muss.
Möglich, dass die Schwierigkeit, ein leicht zu
handhabendes Instrument zu construiren, eine
raschere Verbreitung jener Grundsätze verhindert
hat. Vielleicht interessirt es dcsshalb, das von mir
seit 1867 verwendete, allmählich verbesserte Instru-
ment kennen zu lernen Seine Anwendung wird durch
den von Hm. Spengel erfundenen Crauiophor
wesentlich erleichtert, an welchem es sich durch
eine einfache Vorrichtung leicht befestigen lässt.
Das Instrument, dessen Abbildung ich hier
anfüge (s. die Figur) besteht aus 6 rechtwinklig
oder parallel, nach Art der Kalibermaasse zu ver-
schiebenden und nach Bedürfnis zu versetzenden
Armen von Eisen, welche anf beiden Seiten in
Centimeter und Millimeter eingetlicilt sind, und
deren Flächen rechtwinklig auf einander stehen.
Die Hülsen, in denen sie sich bewogen , sind
von Messing. Die beiden längsten Arme aa und
bb sind 30, ee 28, rc und iUJ 25 und ff 7 Centi-
metor lang. Die Winkel messe ich mit einem
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19
0,5 cm. dicken, im Durchschnitt quadratischen, 28 cm.
laugen Stabe von Eisen, welcher durch eine Klemm-
schraube in dem Gehörgaugc befestigt und an der
Mitte des unteren Bandes der Augenhöhle durch
einen senkrecht au ihm festxustellenden Arm fest
angelegt werden kann. Hin zweiter verschiebbarer
und um seine Achse drehbarer Arm wird dem zu
messenden Winkel entsprechend eingestellt und
dieser mit der Horuplattc nbgclesen.
Die Grundlinie, auf welcher alle Messungen
beruhen, muss natürlich innerhalb des Schädels
liegen, der Schädelkapsel und dem Gesichte ge-
meinsam sein und der Ebene möglichst entsprechen,
welche hei aufrechter Stellung des Kopfes hori-
zontal liegt. Dass man diese Ebene wählt , hat
seinen Grund darin, dass sie die Grundlage der
natürlichen Stellung des Schädels bildet, und dass
denselben gewöhnliche Menschenkinder auch in dieser
Stellung zu sehen gewohnt sind. Eine andere
Grundlinie würde die Maasse verzerren, und mau
würde bei den verschiedenen Ansichten (nonnae)
immer Theile von zwei Seiten ztf sehen bekommen.
Die Herren Ecker und Schmidt haben in
ihren vortrefflichen Arbeiten über diesen Gegen-
stand nachgewiesen, dass die wirkliche horizontale
Ebene des Kopfes individuellen sowohl als typischen
Schwankungen unterworfen ist. Man muss sich
also, wenigstens für die europäischen Rassen, über
eine Linie einigen, welche im Mittel jener wahren
horizontalen am nächsten kommt. Für die Mehr-
zahl der württerabergiichen Schädel ist dies die-
jenige, welche von der Mitte des unteren Randes
der Augenhöhle ausgehend, die Mitte des oberen
Bandes des Gehörgaugos als Tangente berührt.
Diese Linie ist auch in praktischer Beziehung am
empfehlenswertliesten , weil nicht allein ihr vor-
deres, sondern auch ihr hinteres Ende leicht und
sicher zu linden ist. und weil man sie in den aller-
meisten Fällen auf die Jochbogen zeichnen kann,
was bei der v. Ihering’schen nicht der Kall ist.
Die rechtwinklige Messung wird aber sehr erleichtert,
wenn man die Linie*) anfzeichnet und sie noch
über den Gehörguug hinaus nach rückwärts ver-
längert.
Zunächst handelt es sich darum, die bezeich-
nendsten Durchmesser für die einzelnen Schädel*
formen zu linden. Will man das von mir vorge-
schlagene System annehmen, das auf Zuhilfenahme
von Abbildungen beruht , so bedarf mau nur die
grösste Länge, Breite und Höhe, die Entfernung der
Spitzen beider proc. mastoidei, sowie die grösste Breite
des Gesichtes und die Entfernung der Nasenwurzel
vom hintern Ende des vomer auf der Fläche des
os basilare. — Von den Winkeln der Schädel haben
meiner Erfahrung nach folgende Werth: l) für
die norma lateralis der in der sagittalen Ebene,
liegende Protilwinkcl, der Stirnwinkol. der Winkel,
welchen die untere Fläche des os basilare und die
Ebenen des foramen magnum mit der Grundlinie
Diese Linie ist, wie die r. I bering 'sehe nur sehr
wenig von der Göttinger verschieden. Für alle 3
ist der vordere Endpunkt gemeinsam : der hintere der
letzteren , der unterste Tbeil der linea temporal« in-
ferior (crista supra- mastoidea nach ßroca) wechselt
seine Lage Aber der Mitte des Gehörgangc* zu sehr,
um einen sichern Anhaltspunkt xu geben, ist hei Schädeln
von Kindern und Weibern selten nnd hei allen Lebenden
gar nicht aufzufiuden.
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machen: 2) für die n. frontalis der Winkel der
queren Mittellinie der orbita und 3) für die n.
basilaris der in der horizontalen Ebene liegende
Winkel , welcher die Mittellinie de? Felsenbeine?
mit der sagittalcn Ebene macht.
Wollte inan aber keine Abbildungen zu Hilfe
nehmen, so bliebe nichts übrig, als alle diejenigen
Müsse anzugeben, mit deren Hilfe man sich die
allgemeinen Umrisse der Schädel zeichnen kann.
— Ausser der Bestimmung des Cubikinhaltes, wel-
chen man am besten mit Gries oder Senfkörnern
misst, und der der beste Maassstab für die Grösse
des Schädel* ist, handelt es sich bei jener Auf-
gabe darum, für die ti, den 3 Dimensionen des
Raumes entsprechenden, oder weil die beiden Seiten-
ansichten nahezu gleich sind, für 5 Ansichten die
bezeichnendsten Maasse zu finden. Also für die
tiorma verlicaüs, occipitalis, frontalis, lateralis und
basilaris. Die Zahl der Maasse vereinfacht sich
dadurch, dass ein Theil derselben 2 und 3 An-
sichten gemeinschaftlich ist.
Soweit meine Vergleichungen reichen, halte ich
die folgenden für die besten. Ich setze zugleich
Buchstabenschitfcrn bei. und werde mich weiter
unten über die Gründe aussprechcn, welche mich
bei ihrer Wahl geleitet haben. Eine grosse Er-
leichterung für das Messen ist es, nach Welker’s
Vorgang, die Endpunkte der Durchmesser mit
Kreuzen zu bezeichnen. Es verstellt sich von selbst,
dass alle die folgenden Maasse in Projcctionsmanier
zu messen sind.
1) norma verticalis.
Grösste Breite des Schädels wo sie sich findet.
/»; — schmälste Stelle des Stirnbeins über dem
proc. zygomatiens. in der linea temporalis, /?* ; —
grösste Breite in der Kraimiaht ZU; — quere
Entfernung der Mitte beider Seitenwandbeinhöcker,
/;•; — grösste Länge, von der höchsten Stelle der
Vereinigung beider St imhöhlen wulste bis zum hin-
tersten Endpunkt des Schädels l.\ — Länge des
Stirnbeins, Nasenwurzel bis Kranznaht, ul; — von
der Mitte der St imhöhlen wulste bis zur breitesten
Stelle in der Kranznath, LB* ; — Entfernung des
hintersten Endpunktes des Schädels von der brei-
testen Stelle, LB (Lagenindex); — von der Mitte
des Seitenwandbeinhöckers bis zum hintersten
Endpunkt des Schädels. LB*.
2) norma occipitalis.
Gemeinschaftlich mit der vorigen sind ihr B
und B*; mit der n. lateralis hi1.
Die grösste Höhe, vom tiefsten Punkte der
Ebene des for. m&gnum (in den meisten Fällen die
Mitte des hinteren Randes) bis zum höchsten Punkt
des Scheitels, tt; — Höhe des Punktes- B über
der Ebene des for. maguum, kB; — Höhe der
Mitte der Seitenwandbeinhöcker über der Ebene
des f. in., h B* ; — qnere Entfernung der Spitzen
beider proc. mastoidei. bx ; — Angabe, um wie
viel der tiefste Punkt des for. m. über oder unter
der Spitze des proc. mast, steht, ± hf.
3) norma lateralis.
Gemeinschaftlich mit der n. vert. sind ihr L
und sl. mit der n. oceipit. 1t.
Sagittale Entfernung der Nasenwurzel von der
Fläche des os Imsilarc am hintern Ende des vom er,
g\ — Grundlinie. G ; — Entfernung der Mitte des*
oberen Randes des Gehörganges vom hintersten
Endpunkt des Schädels, lo‘ (///, Hiuterhauptslänge
nach der Dresdener Uebereinkunft); — Höhe des
Stirnbeins, Nasenwurzel bis Krauznatb. h\ — Er-
hebung der Stimhöhlenwulste über die Nasenwurzel,
st; Höhe der Stimhöker über die Nasenwurzel,
ä1; senkrechte Entfernung der Mitte der Kranz-
naht von der Fläche des os basil. am hintern Ende
des vomer. II *; — Entfernung der Mitte des
Kranznath von der höchsten Stelle des Schädels.
LIt; Höhe der proc. mast, von seiner Spitze
bis zur Mitte des oberen Randes des Gehörganges.
h m ; — Höhe des hintersten Endpunktes des Schä-
dels über der Ebene des for. m., ho; Höhe des
Gesichtes. Nasenwurzel bis foramen ineisivum. h *;
— Länge der Nase . Nasenwurzel bis Mitte der
Spitze des Nasenbeines, «/; — flöhe der Nase von
demselben Punkte gemessen, nh; — Höhe der
Na sen Öffnung, nh' .
I > norma frontalis.
Gemeinschaftlich mit der n. vert. sind ihr B,
1t, B* ; mit der n. lateralis h. *!. ffh, n I und nh'.
Breite des Gesichtes an der hervorragendsten
Stelle des Jochbeins, b (G B nach der Dresdener
Uebereinkunft ); — Nasenbreite, in der Naht, zwi-
schen beiden Augenhöhlen, nh; — Breite der Nasen-
öffnung, nh’; Augenhöhlen, Höhe or\ Breite or.
5) norma basilaris.
Gemeinschaftlich mit der n. vert. sind ihr I ^
B, LB; mit «1er oceipit. I* : mit der lateralis G
und b‘.
Gaumen. Länge, nl; Breite ab; — Joehhogen-
breite, jb; — l.änge der os basil., ff1; — for.
magnum Länge, //’; Breite öf\ — Entfernung der
Mitte des hinteren Bandes des for, magnum vom
hintersten Endpunkt des Schädels, lo.
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25
5. Jahrhundert am Khcin in den Kämpfen mit den
römischen Legionen wieder zeigen. — Für die prä-
historische Anthropologie ist es terner überaus
wichtig hinzuzufügen, dass diese doliehocephale
Rasse schon zur Zeit jenes Dolmenbaues andere
Elemente in sich aufgenommen hatte; denn Broca
erklärte in Fest ausdrücklich , dass nicht alle
Schädel dem gleichen Typus angehörten , man
filnde auch noch eine andere Rasse vertreten.
Repräsentirt uns diese letztere einen Theil der
Autochtoucn . oder kam sie gleichzeitig mit den
ersterwähnten an als ein Theil ihrer Schaaren ?
Wir können darüber zur Zeit noch keine Antwort
crtheilcn. Hoffentlich gelingt auch die Lösung
dieser Krage. Wie immer jedoch diese Entschei-
dung ausfallen möge, an der Thatsache von der
weitesten Verbreitung der Dolichocephalie in Raum
und Zeit, innerhalb der eben angedeuteten weiten
Grenzen vermag sie nichts zu ändern.
Noch sei einer anderen höchst seltsamen Er-
scheinung gedacht, über die Broca auf dem Kon-
gress berichtet hat. Wau kennt iu Frankreich*)
aus Dolmen - und Hügelgräbern der jüngeren Stein-
zeit trepanirte Schädel. Es wurde eine Anzahl
von Beweisstücken vorgelegt, die allerdings keinen
Zweifel lassen, dass kleine Stückchen der Hirn-
schale von menschlichen Schädeln schon damals
künstlich ausgeschnitten wurden. Diese rundlichen
Knochrnplättclien sind bisweilen durchbohrt, was
zur Vcriuuthung berechtigt, dass sie als Anhängsel
oder Am ulet getragen wurden. Sie tinden sich
entweder unter den Grabesbeigaben, oder sonst
wohlerlialtene Schädel zeigen ein rundes Trepan-
loeh. Diese Entdeckung erhält ein erhöhtes In-
teresse durch den, wie es scheint, bereits ge-
lungenen Nachweis, dass diese Operation auch an
lebenden Individuell ausgeführt wurde, nicht nur
an Todten. Unter den vorgeleglen trepanirten
Schädeln zeigen nämlich einige uarbige Knochen-
ründer, wodurch die Operation au Lebenden un-
verkennbar dargethan ist ; denn die Natur batte
augenscheinlich nach der Operation noch lange
Zeit zum Versuch einer Heilung der Knochcnwuude.
Andere trepanirte Schädel scheinen aber von völlig
gesunden Individuen zu stammen. Unter dem bis
jetzt gefundenen Material sind Männer, Frauen und
Kinder vertreten, und das Loch sitzt bald au der
Stirn, bald seitlich, bald am Hinterhaupt. Der
Redner meint, die Veranlassung zu dieser Operation
*) Vergl. UaUriiui pour l'histoire primitive de
1 homme 1873 et 187*1» de Hayc: La trepanntiou pr6-
bwtorique. Paris 1876.
Cflrmip. -Blatt Xu. .1 a. 4.
sei wohl zunächst auf einen ärztlichen Eingriff
zurückzuführen. In alter Zeit ist diese Operation
viel häufiger als heut zu Tage vollzogen worden,
vielleicht kam sie bei Irrsinn schon damals in An-
wendung, der ja stets von böser Geister Unfug her-
geleitct wurde. Möglich , da«? man damit eine
Thüro öffnen wollte, um sie gewaltsam auszutreiben.
Die ausgeschnittenen Srhädelstücke hatten, das ist
wohl kaum zu bezweifeln, im Volksglauben jener
Zeit eine geheime Kraft. Der in einem gallischen
Grabe in der Champagne gefundene Bronzehals-
ring trägt ein rundes Sebädelstückchen (rondelle)
als Amniet eingehängt. Dreimal hat inan bei
Schädeln, welche die Operation nach dem Tod
erlitten hatten, kleine runde Stückchen von einem
fremden Schädel gefunden. Für Vermuthangen
aller Art ist hier ein weites Feld geöffnet.
Verlassen wir nun den Sitzungssaal*) des Kon-
gresses, der noch mehr des Interessanten bot und
die reiche prähistorische Ansstellung mit ihren
Schätzen, um unsero ritterlichen Wirtheu ins Freie
zu folgen, zum Urnenfeld nach Hätvan, der Donau
entlang zu den -centum colles“ (hei ßrd) und zu
den Ringen der Avarcn.
Diese Excursionen waren vor allem interessant
für den Anthropologen. Römer hatte den glück-
lichen Gedanken, zn all diesen Gelegenheiten die
Lebpiideu, das Volk in grossen Massen herbei-
zuziehen. Es kam im Festschmuck und im All-
tagsgewand. zn Wagen und zu Pferd, mit seinen
Heerden und seiner Musik, den Zigeunern mit den
oft wilden, oft wehmflthig klagenden Melodien. So
war es in Hätvan, nnd in £rd, Magyaräd und Bdny,
und Vämos - Mikola nicht zu vergessen. Für die
archäologisch geringe Ausbeute bei GödöUo ent-
schädigte der Anblick des Volkes, der endlose Zug
der kleinen Rauernwagett, die mit schnellen Pferden
uns landeinwärts führten, und die Männer, Weiber
und Kinder, welche auf dem mit Buschwerk spär-
lich bedeckten Hügel standen und freundlich unsere
Neugier an den alten Knochen bewunderten. Noch
erinnere ich mich von dort eines Zigeunermädchens
von ca. 15 Jahren, voll bezaubernder Schönheit.
Die Haut glühte in jenem Goldton, der uns so
oft in Italien begegnet, oder auf den Tizian’schen
*) In einer der leisten Sitzungen wurde noch
zwischen den Anwesenden folgendes wichtige lieber-
entkommen getroffen: Rin umfangreicher Tauschvarkchr
mit Zeitschriften, rrnonscherben, Oypsabgiissen, Photo-
graphien soll die weiteste Verbreitung finden. Der Vor-
schlag ging, wenn ich nicht irre, von Hru. Chantre,
l’igoriui und Belucci ans und fand allgemeinen
Anklang.
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Bildern; das dunkle grosse Auge, sinnend auf das
Treiben gerichtet» stand sie ruhig da und glich trotz
der nackten Küsse mehr eiuem Fürstenkind aus
dem Osten, als dem eines Zigeuners aus Valko.
Ich werde Gelegenheit haben, noch an einer an-
deren Stelle über die Menschen Ungarns vom
anthropologischen Gesichtspunkt aus einige Mit-
theilungen zu machen. Dass die Lebenden nicht
minder das Interesse fesselten, als die Todten, lässt
sich erwarten; Zweifler brauche ich nur zu er-
innern an den Czärdäs! Dieser Nationaltanz, 4ei*
überall getanzt ward und manchen Anthropologen
und die begleitenden Damen in seine Wirbel zog,
ist voll charakteristischer Ursprünglichkeit . schön
und leidenschaftslos in seinem Beginn und be-
rauschend, bacchantisch in seinem Ende. So fand
sich reichste Gelegenheit zur Beobachtung, und
das Einst und Jetzt boten sich oft in überraschen-
den Gegensätzen.
Vom Untenfriedhof in Hä t van, einer Sand-
terrasse, sab man auf ein kleines Volksfest mit
Pferderennen, das die männliche ungarische Jugend
zu Ehren der Prfthistoriker improvisirte ; innerhalb
der Avarcnringe und an den Kjökkenmöddinger von
Magyaräd tönte Musik, und man redete in allen
Zungen, und während die Wasser der Donau, der
alten Völkerstrasse, die Wand des Dampfschiffes
schmeichelnd bespülten, zogen die Fremden, begrüsst
von den Einheimischen , hinauf zu den „centum
colles“ bei Erd, oder zum Hypocaustum einer römi-
schen Niederlassung Namens Potentiana. Erhielten
so die verschiedenen Endpunkte der Excursionen eine
in hohem Grade fesselnde Staffage, so war der
Eindruck der vorgeschichtlichen Stätten geradezu
bedeutend. Das Umcnfeld in Hätvan ist bezüg-
lich seines Keichthumes an Urnen vielleicht nur
mit dem von Zaborowo zu vergleichen (Sitzungs-
bericht der Berliner anthropol. Ges. Nov. 1871).
Wie dort, so war auch hier ein grosser Kanin im
eigentlichen Sinne des Wortes gefüllt mit Thon-
geräthen von V* Meters Grösse und darüber, von
vortrefflicher Form, schöner Profilimng, durch
kreuzende Parallellinieu und damit coinbinitleii
tieferen Punkteindrücken verziert: dabei sehr gut
gebrannt. Der leichte Sand, der den Urnensatz
bedeckte, hatte die Geräthe in einem sehr guten
Zustande erhalten, und nachdem an f» Stellen gleich-
zeitig hier von Mestorf. dort von Evans, an
einer anderen Stelle von Yirchow u. s. f. nahezu
mühelos das ganze Grab in weitem Umkreis frei-
gelegt war, war der Anblick doch von anderer
Wirkung, als wenn eine halb zerfallene Urne vor
unserem Auge nach langer Anstrengung endlich
ungeschält ist, um vollends in den Staub zu sinken.
Dazu kamen aus diesen Gräbern sehr vollendete
Bronze- und Eisenger&the. Ich gestehe, beim Be-
schauen dieser schönen und reichen Todtenbestattung
überkam mich ein Gefühl, das uns auf unseren Fried-
höfen oft beschleicht, wo so mancher Mitstrebende
schon ruht. Denn so, wie in Hätvan, senken nicht
Barbaren ihre Todten ins Grab, sondern nur Kultur-
völker, die schon vom Geiste einer Civilisation be-
rührt sind. Dies Grabfeld ist allerdings nicht sehr
alt, doch stammt es immerhin aus einer Zeit , die
wir gewohnt sind, als noch völlig in der Wildheit
versunken, anzusehen. Prof. K lopfl eiseh (Jena»,
dem ich einige TJrnenscherben vorgelegt, äussert
sich dahin, dass die Ornamentik (sie hat Verwandt-
schaft mit dem Burgwall- Ornament) auf eine Zeit
hinweist, in welcher schon eine Berührung mit den
Römern stattgefunden hatte.
Aus derselben Zeit stammen wohl auch die
Avarcnringe bei B6ny. Die Fahrt dorthin nahm
2 Tage nach Schluss des Kongresses in Anspruch.
An der Station Szobb der Pest -Wiener Bahn
erwarteten uns 20 Zwei- und Viergespanne, und
die Fahrt ging mit vortrefflichen Pferden (engl.-
arab. Kreuzung) durch das gut bevölkerte Eipel-
tlial zunächst nach Vdmos-Mikola. Nach der vier-
stündigen Fahrt trat eine willkommene Unter-
brechung ein, welche die Familie Hussdr mit
allem Aufwand vornehmer Gastlichkeit würzte, bei
der Inhalt und Form des Gebotenen weit mehr
an die exquisitesten Stätten menschlicher Genüsse,
als an ein vom Weltverkehr entlegenes Ihal er-
innerten. Die Reise ward dann nach Magvaräd
fortgesetzt, dessen prähistorische Niederlassung der
Steinzeit angehört, und primitivere Gefässe. Werk-
zeuge aus Hirschhorn. Knochen des Rindes (Priini-
geniusrasse . des Bronzehundes etc. aufwies. Hier
fliesst der Szdntöer Säuerling, den Hr. Signi.
Toldy in Tausende von Flaschen füllt und ver-
sendet. Für die Unterkunft der Gäste während
der Nacht war in dem ländlichen Badeort und im
naliegelegeneu Szdntö reichlich gesorgt , und am
folgenden Tage kam die Gesellschaft im Dorf Beny
an, das von dem dreifachen Wall der Avaren um-
gürtet ist.
Ob die Avaren diese Uiesendämme aufgeworfen,
ist noch keineswegs entschieden, man nennt sic in
Ungarn so, und verlegt ihre Entstehung gemeinhin
in die Zeit der Völkerwanderung. Man darf je-
doch sicher annehmen, dass, wenn diese Befestigung
in jener stürmischen Periode entstand, sie jeden-
falls von dem sesshaften Volk zum Schutz gegen
die Eindringlinge errichtet ward, denn das ist nicht
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das Work einiger Wochen, sondern das von Jahren.
Der äusserste Halbring (es sind drei roncentrische
Halbringe, die mit den offenen Enden an das
40 Meter hohe Ufer der Gran stossen) hat eine
Weite von 12,190 Kuss, also den Umfang einer
Wegstunde und ist 10 Meter hoch von der Sohle
des breiten Grabens ansgemessen. Und von der-
selben Höhe sind die beiden übrigen. Es ist ein
bedeutender Flftchenranm . der von ihnen um-
schlossen wird ; die Entfernung zwischen dem
äussersten und mittleren ist so gross, dass ein
Heiterregiment jede beliebige Schwenkung auf dem
» weiten Plane auszufflhren vermöchte. Hr. Eug.
Hnzai. der Pachter der fürstl. Palfy'schen Herr-
schaft zn B6ny, Hess uns mit ausgesuchter Zuvor-
kommenheit nicht allein um den ftussersten Wall
fahren und gewährte so den vollen Anblick dieser
grossartigen Wälle, er machte es der zahlreichen
Gesellschaft auch noch möglich, das Kernender
Ca st mm zu besuchen, das zwar gänzlich ver-
schieden in der Anlage, doch nicht minder be-
deutend und merkwürdig ist. 5 Kilometer entfernt
liegt ein Berg, ein Ansläufer der kleinen Kar-
pathen, der schon bei dem Verlassen des Dorfes
B6ny auffiel. Die Abendsonne malte seltsame Ringe
mit starken Schlagschatten um ihn, aus denen ein
steiler abgestumpfter Kegel hervorragte. In der
Nähe erklärte sich die Erscheinung. Wo der
Hügelzug gegen das Granthal abstürzt, war ein
Tlieil durch einen tiefen Einschnitt getrennt und
durch zwei Wallgräben zu einer Veste umgewandelt
worden, die von drei Seiten völlig frei stand und
nur nach hinten an die angrenzenden Hügel sich
lehnte. Die Böschung war nach dem Kegel zu
immer steiler angelegt, und ging schliesslich in
ein Plateau über, auf dem ca. 500 Männer zu
stehen vermögen. Das Ganze ist noch vortrefflich
erhalten und soll unter Marc. Aurel durch die
Quaden errichtet worden sein, worauf nach Hm.
v. Kereskenyi, einem der freundlichen ungari-
schen Archäologen, eine Stelle im Tertulian un-
zweifelhaft hinweisen soll.
Unter allgemeinen „Kljen Römer“ trennten
sich die Theilnehiner des Ausfluges, als sie spät
Nachts von Gran-Näna kommend, mit dem Wiener
Zug wieder in Pest cintrafeu: denn die Excursionen
waren in jeder Beziehung lehrreich, und überall
waren die Fremden der Gegenstand herzlichster
Aufmerksamkeit. So gestaltete sich auch dieser
Theil des Congresses, wie früher das Leben wäh-
rend der Sitzungstage zu einem werthvollen und
hochinteressanten Beitrag für die Wissenschaft,
reich an den schönsten Erinnerungen. Und so
ist es eine angenehme Pflicht, den wärmsten Dank
zu wiederholen, der schon in Pest so oft beredten
Ausdruck fand — den wärmsten Dank: dem Or-
ganisationscomit^ , der Stadt und dem gastlichen
Haus des Präsidenten!
Sitzungsberichte der Localvereine.
Sitzung der Hamburger antliropolog.
Gesellschaft am 19. Ortober.
Herr Dr. J. W. Spenge) stellte zwei auf
einem hiesigen Kauffahrteischiffe als Matrosen be-
schäftigte Eingeborneii der Südsee vor, einen Sa-
moaner und einen Savage- Insulaner. ln einigen
einleitenden Worten schildert der Vortrageudc
kurz die Verbreitung der verschiedenen Völker
der Südsee oder Oceaniens, die sich den Bewohnern
des australischen Festlandes anschliessenden Papuan
oder Melanesier und die bei Weitem den grössten
Theil Oceaniens bewohnenden Polynesier. Zu den
letzteren gehören die in der Versammlung vorge-
stellten Eingeborneii. Es sind braune Männer mit
blauschwarzera fast schlichtem Haar , braunen
Augen, hohem und dabei kräftigem Körpergewächs.
Ausführlich schildert der Redner dann die eigen-
tümliche, in ganz Oceanien verbreitete Sitte des
Tättowirens, welche an dem kunstreich tättowirten
Samonner erläutert werden konnte. Die ganzen
Oberschenkel sind mit einer offeubar einem
Kleidungsstücke nachgebildeten, blänlicbschwarzen
Zeichnung bedeckt.
Sodann spricht Dr. Unna jr. über die Ver-
wertung von Haut und Haar für das Studium der
Menschenrassen. Redner gibt eine Uebersiclit über
die Fortschritte, welche letzthin in der Kenntniss
des feineren Baues der Oberhaut und des Haares
gemacht worden sind, und betont besonders die
Umwälzung, welche in Betreff der Lehre vom Haar-
wechsel stattgefunden. Seitdem haben die Unter-
suchungen über Haut und Haar fremder pigmen-
tirter Russen ein neues uns hohes Interesse ge-
wonnen. Für die Lehre vom Pigment des Haares
weist der Vortragende auf die pathologischen Pig-
mentirungen hin als Hilfsobjecte der Untersuchung,
auf den Farben Wechsel niederer Wirbeltiere und
das Variiren der Färbung höherer zum Theil der
Züchtung unterliegenden Wirbeltiere. Aber nicht
nur für die Anatomie des Menschen und die Eth-
nologie würden solche Untersuchungen eine werth-
volle Ausbeute ergeben , Mindern auch für den
Stammbaum und die Urgeschichte der Menschheit.
In dieser Beziehung hebt der Redner ganz beson-
2*
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ders hervor, dass wir in der Pigment losigkeit der
Embryonen und der alhnähligrn Pigmeiitining der
Xeugebornen farbiger Hassen einerseits und «ler
gesetzmässige» Haarrichtung der Kmbryoueu und
Erwachsenen andrerseits zwei wichtige und leicht
zu untersuchende „Ahnenstücke1* besitzen, welche
über den Zusammenhang der Rassen Aufschluss zu
geben versprechen. Er schliesst mit der Auffor-
derung an alle Freunde der Anthropologie . Ma-
terial an (in Alkohol) conservirtcr Haut und Haaren
(mit Haarboden), ganz besonders aber von Embryo-
nen und Xeugebornen farbiger Kassen nach ihren
Kräften der Wissenschaft zugänglich zu machen.
Dr. med. R. Krause erstattet zum Schluss
Bericht über die Aufdeckung mehrerer Hügel- und
zweier SteingrAber im Klecker Forst, einem aus-
gedehnten Waldplateau zwischen Buchholz und
Lüneburg. Der grösste Theil dieser Gräber war
mit ca. 30 Jahre alten Föhren bewachsen, welche
erst gefällt werden mussten. Die Aschenurnen be-
fanden sich meist *2 Fuss unter der Oberfläche,
waren zum Theil durch das Umgraben des Bodens
beim Bepflanzen des Terrains zerstört. Von grossem
Interesse ist besonders eine leider auch uicht ganz
vollständige Urne mit erhabener Verzierung, wie
sie Redner noch niemals gesehen und die bis jetzt
ein Unieum zu sein scheint. In derselbe» wurden
eine grosse Menge calcinirter menschlicher Knochen-
reste vom Leichenbrande her gefunden. Ausser-
dem wurde sonst nur noch eine bronzene grosse
Haarnadel erbeutet. Der eine Hügel erwies sich
nicht als Grab, sondern scheint nur eine Lager-
stelle gewesen zu sein; denn ziemlich tief unter
der Erde fand sich in einer harten Lehmschicht
eine dicke und ausgebreitete Lage von Asche und
Holzkohlen . in deren Begleitung ein Streitheil aus
Granit aasgegraben wurde.
Ausgrabungen im Lüneburgischen.*)
Unter den heidnischen Denkmälern treten gegen-
wärtig besonders die Steingrfther in den Vorder-
grund, da die Discussion auf dem archäologischen
Gebiete an die Einrichtung und den Inhalt gerade
dieser Gattung von Denkmälern culturhistorische
Fragen von einschneidender Bedeutung knüpft. Die
berühmten Karlssteine im Hon bei Osnabrück, das
nicht minder grossartige Bölzeiibett in der Nähe
*) Hannoverscher Courier 1876 No. 8204. Abend-
ausgabe. Wir danken für die freundliche Sendung.
D. B.
von Lehe und die sogen, sieben Steinhäuser hei
Fallingbostel sind allbekannte Beispiele derselben.
In ihrer Anlage zeigen sie Verschiedenheiten, be-
haupten aber im Ganzen einen gemeinsamen Uhn-
rakter, sic sind Bauwerke desselben Volkes, welches
auch die zahlreicheren Hügelgräber aufTührte. Die
Todten wurden verbrannt und ihre Reste dann in
einer Urne im Denkmale beigesetzt . das ist die
vorherrschende Restattungsform ; aber es finden
sich auch ungebrannte Gebeine in diesen Stein-
gräber», Skelete iu hockender oder sitzender Stellung,
oder es sind die Knochen jedes Skeletes zu mehr
oder weniger regelmässigen Haufen zusammen-
gelegt, oder auch: die Gebeine mehrerer Todten
wurden in der Stcinkaminer ohne alle Ordnung
durcheinander untergebracht. Wie frühere und
neuerdings die wichtigen Untersuchungen von Dr.
Hostmann (in den letzten Heften des Archivs
für Anthropologie) dargethan haben, fand auch in
den letzteren Fällen der Leichenhraud insofern
statt, als von den Gebeinen das Fleisch gelöst und
dem Feuer übergeben ward; die religiösen An-
schauungen. welche die Bestattung regelten, kamen
also auch hier zur Anwendung, und es gellt daher
durch alle Variationen dasselbe Grundprincip, das
wohl in der Uulturcntwickelung des Volkes ver-
ändert, aber ohne völlige Aufgabe des maassgehen-
den religiösen Standpunktes nicht verlassen werden
konnte. Dieselben Thatsachen sind in den eben
so alten Hügelgräbern und in den grossen Fried-
höfen der Alemannen, Franken und Sachsen be-
obachtet. Auch hier lä«st sich die Uontinuität der
Entwickelung unanfechtbar constatire». Es ist nicht
unsere Absicht, das Thema an dieser Stelle
weiter zu verfolgen, wir fügen nur noch hinzu,
dass die Steingräber keineswegs hlos der aller-
ältesten Zeit angehören, sondern nach Maassgabe
ganz sicherer Funde mindestens bis ins 4. Jahr-
hundert ii. Uhr. Geburt errichtet, resp. nach
altem Brauch und Herkommen fortgesetzt benutzt
wurden.
Die Untersuchungen über die Steindenkmäler
werden gegenwärtig wieder schärfer augefasst. In
unserem Lande sind dieselben freilich vielfach
durchwühlt , zum Theil schon vor Jahrhunderten,
zum Theil in jüngerer und jüngster Zeit, sie sind
zum grössten Theil sogar den materiellen Bedürf-
nissen geopfert, indessen genügend sorgfältige Be-
obachtungen älter ihre Beschaffenheit und ihren
Inhalt sind bei uns seither nicht veröffentlicht. In
ihrer äusseren Form bis auf seltene Ausnahmen
mehr oder weniger angegriffen und im Innern ganz
oder tbeilweise bereits ausgeplündert, erscheinen
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29
die noch vorhandenen meistens nur als Ruinen,
deren Untersuchung jetzt nur noch sehr pro-
blematische Resultate in Aussicht stellt, hie erste
Schwierigkeit liegt also zunächst darin, überhaupt
noch unberührte Stcindcnkiniiler in unserer Provinz
aofzufinden.
Mit Genehmigung des Um. Oberprftsidenten
und der kgl. Finanzdivection. Ahthcilnng für Forsten,
wurde jüngst zu einem Versuche eines von den lunf
Hfinenbetton im Rarscamper Walde (Schutzbezirk
Schieringen) in der Gegend von Itleckede, aus-
ersehen. und der ständische Verwaltungsaussehuss
bewilligte für die Ausgrabung durch das Landes-
directorium . welches derartigen Fntersuchungen
stets eine wohlwollende Theilnahtne widmet, in
liberaler Weise die nöthigen Mittel.
Eine vorläufige He«ichtiguug der bezoichnetcn
fünf Denkmäler ergab, dass kein einziges derselben
uoch vollkommen intact war, indessen trug doch
eins die Anzeichen an sich, dass das Innere der
Grahkamnier noch keine hiirehwühlung erlitten
batte. Dieses beschlossen Studieurath M ü*l I e r aus
Hannover und Ür. Hostmann aus Celle, welche
die Ausgrabung leiteten, anzugreifen. Zuvörderst
wurde es von dem bedeckenden Baum- und Strauch-
werk gesäubert und zeigte hierauf folgende Be-
schaffenheit: Es bestand aus einem 10 M. langen
und 1 1 M. breiten, mit 4H gewaltigen GranitblÖckeu
eingefassten Krdaufwurfe; im westlichen Theile be-
fand sich die Kammer. Von ihren ursprünglich
sechs Decksteinen waren zwei bereits abhanden
gekommen ; einer lag uoch regelrecht auf seiuen
Trägern, zwei andere zwischen denselben und einer
war bereits zur Seite gewälzt, um gesprengt zu
werden. Es ist nicht uninteressant, dass dieser
Angriff auf das Denkmal sehr wahrscheinlich schon
vor mindestens 2.'Z) Jahren stattfand, wie der an-
wesende Forstmeister Duckstein aus folgendem
Fmstande nachgewiesen hat: Von einem umge-
stürzten Umfcisiingssteine ist nämlich ein Tlieil be-
reits nbge sprengt und zwischen den beiden Stücken
steht der Stumpf einer abgehauenen Huche, die
unzweifelhaft erst nach der Sprengung in dem
Zwischenräume, den sie vollständig ansfüllt, empor-
ge wachsen ist. Aus der Stärke des Raumes, mit
Hinzurechnung der Zeit, vor welcher er nach-
weislich gefällt worden ist. berechnet sich der oben
angegebene Zeitpunkt, vor dem der Versuch einer
Devastiruug des Denkmals >tatt gefunden haben
muss. Auch einige andere Steine bezeugen durch
eingehauenc Rillen den alten Zerstörungsplan, der
aus unbekauuteu Gründen wieder aufgegeben wor-
den ist.
Die erste Aufgabe der Untersuchung bestand
nun darin, die Decksteine so weit zu beseitigen,
dass man au das Innere der Kammer gelangen
konnte, ein mühsames Stück Arbeit, obwohl es
sich nur um zwei, nicht einmal übermässig grosse
Steine handelte, wovon der stärkere nach der Be-
rechnung Dr. Hoslmaun's ca. 140 Ctr. und der
kleinere etwas weniger wog. Aber sie waren zum
Theil versunken und ihnen beizukommen machte
viel Arbeit. Ein tüchtiger Krahu, mächtige Hebe-
bäume und eine Auzahl kräftiger Hände unter
kundiger Leitung schafften den kleineren Block
bald auf ilie Seite, indessen den grösseren aus
seinem Lager zu heben, zumal er sich festgeklemmt
hatte, nahm fast einen ganzen Arbeitstag in An-
spruch. Die Sache ward mitunter bedenklich und
es passirte wohl, dass ein plötzliches NachruUchen
der Ketten, womit der Kralin den störrigen Granit-
stein vorwärts zerrte, die Umstehenden zu einem
weniger graziösen als behenden Seitensprnng ver-
anlasste. Doch auch dieses Hindernis* wurde be-
wältigt und die Kammer lag endlich für die weitere
Untersuchung frei. Dieselbe befand sieb fast völlig
in der Erde und war auch im Innern fast bis zum
Rande der Steinwände mit Erde — sandigein Lehm
— angefüllt. Beim Ausleeren kamen darin ziem-
lich viele Geröllsteine zum Vorschein, dann ver-
einzelte Umenstücke von grober und schlechtge-
brannter Masse, geglühte Feuersteine und neben
einem etwas grösseren Geröllsteine ein Ascheulager
mit Kohlenstückchen. Der Spaten griff tiefer, es
zeigten sich wieder zwei Aschenstellen, auf der
einen mit einer Steinuntertage eine zerbrochene
Urne von derselben schlechten Beschaffen beit wie
die vorigen Fragmente, und ein anderes Gefäss
von der denkbar rohesten Arbeit von Kohlen um-
geben und mit Lehm gefüllt. Fast auf dem Roden
der Kammer erschienen im östlichen Theile Bruch-
stücke von einem jener schönen, mit dem sogen.
Schnurornament deeorirten Oefftsse, wie sie das
hannoversche Provinzialmuseum aus den Stein-
gräbern im Osnabrückschen besitzt, und im west-
lichen Theile ein kleines, glänzend schwarzes Ge-
fäss von sehr feinem Thon, das aber leider schon
zerfallen war, sich indessen wieder zusammensetzen
lässt. Hier erstreckte sich auch ein bedeutender
Rraudplatz. mit dümige*]»altencn Granitstücken ein-
gefasst und mit einer Menge, in starkem Feuer
zerbröckelter rot her Feuersteine bedeckt, der bi*
auf das festgefügte Steinpflaster der Kammer reichte.
Damit war der Inhalt der Kammer erschöpft: 'bei
der sorgfältigsten Untersuchung hatten «ich nirgends
die geringsten Spuren von einer Leiche, weder gc-
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30
brannte noch ungebrannte Skeletreste finden lassen
— leer «Ahnte der mächtige Behälter jetzt in das
Tageslicht. Diese Thatsaclie, dass hier keine Reste
eines Todten zum Vorschein gekommen sind, ist
eigentümlich. Es ist immerhin möglich, das« schon
vor längerer Zeit eine t'roe mit gebrannten Knochen
ans dem Denkmale genommen ist, zumal wenn sie
ziemlich nahe der Oberfläche stand; ein unver-
branntes Skelet würde dagegen wohl noch ver-
einzelte Knoclieiitheilchen zurückgelassen haben.
Das Denkmal wird in seinem jetzigen Bestände,
welcher die Einrichtung der Kammer vollständig
tlhersehen lässt, ohne Zweifel erhalten werden. Die
letztere hat im Eichten 7,50 M. Länge. 2,30 M. Breite
und bi« aut die Pflasterung 1*50 M. Tiefe. Da*» lang-
gestreckte Hünenhaft, eingefasst von der gross-
artigen Umzäunung der Pfeilersteine, liegt malerisch
im jungen Tannengrün, in der Nachbarschaft eines
gewaltigen Erddenkmals, des sogen. Opferberges,
und vier anderer Hflnenbetten, welche ebenfalls
von imponirenden Verhältnissen sind.
Verschiedene Streifereien in der Umgegend,
die auch zu dem durch Dr. Hostmann berühmt
gewordenen Urnenfriedhofe von Darzau führten,
verschallten nur die Bekanntschaft mit bereits ge-
leerten Nestern. Kür die Expedition musste daher
der Schauplatz der Thaten an einen anderen Ort
verlegt werden. Dieser fand sich nordwestlich von
Dahlenburg hei dem Dorfe Wennekath. Schon
früher hatte man hier auf dem. jetzt zum Theil in
Uultur genommenen, übrigens mit Fichten bestan-
denen Hanl rücken am linken Ufer des munteren
Mausebaches in einem Hügel eine grosse Stein-
kammer und in derselben verschiedene Steingcräthe
sowie Knochen entdeckt — Grund genug zu der
Hoffnung, dass auch die Untersuchung der hier
jetzt noch vorhandenen Denkmäler nicht ohne allen
Erfolg sein werde. Es bestehen diese aus sieben
Grabhügeln und einem Hünenbett; ein zweites
Hünenbett, sowie eine Anzahl Hügelgräber sind
hier bereits zerstört.
Ein Kreuzschnitt in der Form breiter Gräben
durch einen der grössten Hügel (von ca. 90 Schritt
Umfang und 2*/i M. Höhe) ergab im Innern des-
selben eine Masse Geröllsteine und zwischen den-
selben zerstreut die spärlichen Reste von gebrannten
Skelettlieilen — eine Form der Bestattung, die in
den Gräbern dieser Gegend sehr gewöhnlich und
nur selten von kleinen Geräthen von Bronze be-
gleitet ist. Ein zweiter Hügel lieferte genau das-
selbe Resnltat, ebenso ein dritter — ein zu geringes
Aequivalent für die grosse angewendete Mühe.
Da ferner die Sondirung auch bei den übrigen
noch intarten Hügeln eine solche Beschaffenheit
des Innern indicirfe, so Hess man diese liegen und
wandte sich zu dem Hünenbett, das einen besseren
Lohn der Arbeit versprach.
Dies Denkmal hatte eine Länge von fast M.
und eine Breite von t» M., war den Barscampern in
der Form ähnlich (nur dass die Kammer in der
Mitte lag), zeigte aber durch das Fehlen mancher
Umfassungssteine, sowie durch die nur noch in
Resten vorhandenen Decksteine , dass es bereits
eine Beeinträchtigung erlitten hatte. Doch war
das Innere der Kammer, worauf cs hauptsächlich
oder in diesem Falle allein ankam, noch völlig un-
berührt. Sie maass nach der Ausräumung im
Eichten 4,80 M. in der I*änge. 1.92 M. in der
Breite und 1,30 M. in der Tiefe; der Boden be-
stand aus fest geschlagenem Lehnt — - und dieser
verhältnissmässig beträchtliche Raum umschloss nur
eine einzige Urne, mit Henkel 25 Ctm. hoch, und
in der starken Ausbauchung von 27 Utm. Durch-
messer, die ein zierliches Beigeföss, wie der obere
Theil der Urne mit Sand gefüllt, und darunter ge-
brannte Menschenknochen enthielt. Ausserdem
fand sich nichts, weder in dem Geftis . noch in
der bis zum Rande mit Erde ausgefüllten Kammer.
Der Zweck der Untersuchung war indessen
erreicht: die Leiche war verbrannt und ihre
Reste in der Urne heigesetzt.
Schliesslich fanden noch einige Ausgrabungen
in der Nähe von Thomasburg und Sttttof statt ; es
wurden noch etwa ein Dutzend Grabhügel geöffnet,
welche theils die Ausstreuung der gebrannten Skelet-
reste zwischen zahlreiche Geröllsteine (wie oben
hei Wennekath) auswiesen, oder an der Spitze je
eine Urne mit gebrannten Knochen und einigen
oxydirteu Eisensachen enthielten. Hügelgräber mit
reicheren Beigaben scheinen dieser Gegeud fremd
zu sein. M.
Kleinere Mittheilungen.
Archäologische* vom Rhein.
1. Gräber in Freinsheim.
Auf dem Terrain zwischen Dürkheiiu und Worms,
das jeden Tag Beste der Vorzeit an den Tag bringt,
seien es Münzen oder Steinkeile, F.r /.schmuck oder
Kiseuwaffoii , entdeckte diesen Summer ein Landmaim
beim Boden eines Weinberges ein Grab, das ohne
Zweifel der fränkisch - alemannischeu Periode ange-
horig merkwürdig ist durch die Art der Bestattung nnd
die Beigaben.
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31
Westlich von Freinsheim auf das Hardtgebirge zu
__ fand er auf der Gewanne „Zollstock“ I Meter iui Boden
einen wohlerhaltenen Leichnam . dessen Gesicht genau
nach Osten schaute. Der Schädel, gut erhalten, tragt
stark dolichocephalen Charakter; eine Messung ergab als
LÄngenbreitenindex 70. Zur Seite lagen dem Skelet:
a) Ein eisernes Messer, einschneidig, Lange 40 Ctm.
ohne Griffknopf, ein sogenannter Seraiuasax mit starkem
Rucken (1 Ctm. breit). Kr hat grosse Aehnlichkeit mit
dem bei Linde tisch mit Alterth. u. h. V. I. B. II.
II. T. 6. N. 9 abgehildeten Messer.
b) Ein eiserner Speer von 75 Ctm. Lange, desseu
Spitze allein eine Lange von 22 Ctm. besitzt. Die Form
ist identisch mit der Speerspitze von Nackeuheim. ab-
gebildet bei Li ndensc hm it a. 0. I. B. 1. II. T. 6. N. 4.
c) Eine eiserne Scheibe von 8 Ctm. Durchmesser,
1 Ctm. Dicke.
d) Zwei eiserne Pfeilspitzen von 12 Ctm. Länge.
e) Fragmente eines Halsschmuckes, die aus grünen
Thonperlen , durchbohrten Stückchen von Achat und
Feldspath, sowie einem Bronzeringlein (1 Ctm. Durch-
meiner) bestehen.
f) Bruchstücke einer Urne, deren Beste aus nicht
verzierten, regelmässig gestalteten , dickeu und nicht
mit Graphit geschwärzten Scherben bestehen. Das
Gelass hatte eine ziemliche Ausbeugung im untern
Theile.
Von SteiuKctxung fand sich nichts; dicht daneben
grub inan vorher einen »teiuerneu Sarg aus, den der
Ackersmauii wieder eingrub ohne ihn zu öffnen. Die
Gegenstände befinden sich im DUrkheimer Altertliums-
vereiii.
Der ganze Habitus des Schädels, der Thonperlen,
des Bronzeriugleins u. s. w. erinnert an die Reste der
Weiaaenheimer Gräber. Man wird sie iu eine Periode
setzen müssen (Uber letztere vgl. Beilage z. Allgem.
Zeit. 189«. N. 188).
2. Reibplatte vom Feuerberg bei Dürkheim.
Hat Verfasser dieses in seiueu „Studien“ 2. Ahth.
die Yennuthuug ausgesprochen, ein keulenartiges Werk-
zeug (vgl. a. O. IV. T. Fig. h) umge zum Plätten des
Töpfert hons gedient haben, so möchte eine Platte, die
sich auf den Thoiiiimfisen am Fenerherge fand, diese
Vennutliung bestätigen. Diese Platte aus Porphir be-
sitzt oiue Länge von 88 und eine von 4t5 — 26 Ctm.
absteigende Breite. Sie ist sichtbar bearbeitet, aussen
auf der Ilauhseite convex , innen auf der glatten Seite
schwach roucav (Höhe der Wölbung ca. 3 Ctm.). Wie
Abiiutzuiigs&pureu beweisen, mag auf ihr der Thou mit
eckiger Keule geplättet und gereinigt worden seiu. Daun
brannte man die fertigen Goftase in nahebei gefundenen
Gelen. Die Töpferfabrik der Vorzeit iui lsoiiachtliaio
wäre vorgeftiiideu; vielleicht deckt man noch die Brouze-
giesserei auf.
Dürkheim, October 1 876.
Dr. C. Mohlis.
Im October 1876 wurden drei Hügelgräber in der
Grafschaft Hohnstein, nördlich vom Dorfe Urbach,
am Südabhange de* Harzes aufgegraben. Die Hügel
hatten ca- IV* Meter Höhe und 20 — >80 Meter Abstand
von einander. Eine benachbarte Flur trägt den Namen:
die Heidengärten. In jedem Grabe fand sich eine Urne
aus grobem schwarzen Thon, ohne Verzierungen, mit
ausgeschweiftem Rande. Die Urne des mittleren Hügels
war die grösste, von ca. */* Meter Durchmesser, und wie
die übrigen mit sandigem Lehm, Fragmenten mensch-
licher Röhrenknochen (Femur etc.) und Kohle gefüllt.
Die Hügel lagen in einer von Norden nach Sudeu sich
erstreckenden Reihe und im Rande des südlichen Hügels
tand sich ferner «iu Brouzemesser, dessen Klinge 10 Ctm.
lang und 12 Mm. breit ist. mit zugespitzten Stiel von
Bronze. Die Gräber sind der Zeit nach wohl in das
1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. zu setzen
Prof. W. Krause, Güttingen.
Die Schwertatäbe des Bronzealters.
Ausaer den 18 Funden von Schwertatäben , die
Rr. Prof. Liudeuachmit in den „Alterthüraern uiiaorcr
heidnischen Vorzeit“ 111, 6 Tafel 1, 1-6 und ‘I be-
schreibt. kenut man noch wenigstens 7 Stück Einen
Schwertstab, bei Grimmen gefunden, besitzt das Vor-
pomraersche Provinzial -Museum in Stralsund ; ein zweiter
tindeteich in der ethnographischen Sammlung in Göttingeu.
Iu den Jahrbüchern des Mecklenburgischen Verein» sind,
nasser den von Lind ensch mit angeführten Funden,
noch drei Schwertstübe erwähnt, bei Pustohl, Glasin und
Haundorf gefunden iMecklenb. Jabrb. 26, 188 ^ 20, 151).
Ferner k^nut man ein Exemplar aus Lilhnuen , dem
Kreise Kowuo, das von Tyszkiewic* in Badania aroheo-
logiczne, Wilno 1850, abgebildet iat. Endlich wird eiu
Schwertetab in der prähistorischen Abtheilung de» eth-
nologischen Museums in Kopenhagen aufbewahrt. Dies
Stück, im Jahre 1801» aus Mecklenburg nach Dänemark
gekommen (.in Friderico Francisceum 8. 116 i»t Hol-
stein unrichtig als die Fundstelle angegobeu), ist wahr-
scheinlich einer der drei bei Blengow im Jahre 1808
gefundenen Schwertstäbe. — Je grösser die Anzahl
dieser Waffen, je geringer wird die Möglichkeit, sie als
Symbole zu erklären.
Kopenhagen, Januar 1877.
So p hu« Müller,
Bildung einer american anthropological
asaoeiation.
Gelegentlich der Weltausstellung versammelten sich
am 4. September v. J. in Philadelphia eiue Anzahl
von Pflegern und Freunden der Anthropologie uud con-
stituirten sich als Gesellschaft unter obgenanntera
Namen. Die Aufgabe derselben ist eiue umfassende
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32
Kenntnis« der Eingeborenen Nord- und Südamerika*!
und der zugehörigen Inseln, ihres physischen Charakters,
ihrer Sitten, Sprache, Geschichte, ihrer AlterthÜmer etc.,
sowie der Wandlungen, die sie durch den Contakt mit
der europäischen Civilisatinn erlitten haben. Als Prä-
sident der Gesellschaft wnrde Hr. Ch. C. Jones in
New-York erwählt, unter den Vicepräsidenten finden
wir u. A. unsern Hm. Ch. Rau, sowie Hm. Spencer
Haird. Die Gesellschaft wird Denkschriften heraus-
geben und ladet die Forscher und Gesellschaften anderer
Länder nur Unterstützung ihrer Bestrebungen ein. —
Wir begritaaen mit Freuden die Bildung dieser Schwester
Gesellschaft und wünschen ihr Wachsthum and Ge-
deihen. Wir haben s. 2. mit Bedauern bemerkt , dass
das anthropological Institute of New-York
seine l'ublicationen eingestellt hat. Uns ist wenigstens
nur eine Nummer des „ Journal of tho anthropological
Institute of New-York vol. I New-York Westemar &
Co. 1871 — 1872" zugegangen. Wir hoffen, dass die
neue Gesellschaft die Erbschaft dieses Instituts über-
nommen habe.
A. Ecker.
Bei der Redaction eingelanfen bis zum 20. Februar 1877:
HrUnci Gin*. : L'etü della pietra in Tunisia. Koma 1876 (Giua. Civelli Foro Trujauo No. 37). Mil einer Karte des
Golfes, der Umgebung von Gabes und 2 Tafeln Abbildaugen von Steingerntltmi. 8° (43).
Dirftnbach Lor. Dr. . Die Volksstämme der europäischen Türkei. Frankfurt a/M. Verlag von Winter, 1877. Sft-
(VIII, 116.)
Erker A: Zur Statistik der Körpergrösse im Grosaberzogthum Baden. Archiv für Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte. 1877.
Haydrn V. F. : Sixt nnmial Report of the U. 8. Geol. Survey. Washington 1873.
Derselbe: Annunl Report of the U. 8. Geol. a. Geograph. Survey. Washington 1876.
Lixmuer Dr. : Drei ßurgwalle bei Deutsch • Eylau. Mit 1 Tafel. Schriften der naturf. Ges. iu Danzig. Bd. IV.
Heft 1.
MUthedungen der anikropologiHcken Gesethehafl in Wich. Bd. VI. No. 10.
MayiM E.: Lettres de Hougrie ecrites ä l’occaaion du Cougres d Autbr. et d'Archeol. preh. 1876 k Pest. Paris
Libraire des Bibliophiles. 8°. (37 8.)
bthri/tij A. Dr. : Beiträge zur Kenutniss der Diluvialfauna. (Fortsetzung mit Tal. II.) Zeitscbr. f. d. ges. Natur-
wissenschaft. Ild. XI. VIII. 1876-
Puforini Lnigi ; Oggeti preist orici dei Liguri vcleiati. Parma. Tipugraphia Kossi • Ubaldi 1871 4°. Mit 1 Taf. (7 iS.)
Drreefhe: Materianx ponr 1* Ins toi re de la paleoethnologie italieune. Parma. Ferrari et tiU.
Armi ed utensili degli. Austraiiani EstraUu dal Hollettiuo della Societa Geografien italiaua Fase. ij.
— Ksposizione preistorica di Veroua. Estratto dal Dulletino di Palctuologia Italiaua. 11. Jahrgang 1876.
No. 8, 9, 10; 13 • 1 1.
Stutd/irrffer F. : Die prähistorischen Uebcrrestc iin mittleren Mainthale. Jahrbücher des Verein» von Allerlhuius-
Freunden iru Rhein laude. Heft LIX. Bonn 1876.
.‘vixos/n. Zeitschrift für Geschieht*-, Allei thuuis- und Landeskunde des Königreichs Sachsen. Hrraiisgegeben von
Dr. phil. Al fr. Moscbkuii. 2. Jahrg. No. 7 — 10.
' '■.>< nyebcrichic der Berliner Gr*rMxehuß ßir A HÜtro/tolorfie , Etknofiyie und Uegeachiekte. JMaiz — J uni 1876- Mil
zahlreichen Sleiudrucktafelu.
.s » L, n mjtittrickle der Localvereine zu Jena Uber die erste constiluirwndo Versammlung am 22- Juni 1876; über die
2. Sitzung am 3. Juli, die 3. Sitzung aut 13. Nov. 1876, und zu Danzig- (Manuskripte.)
Vitvhnw R.: Beiträge zur physischen Authropologic der Deutschen mit besonderer Berücknicbtiguiig der Friesen.
Mit 5 Tafeln in 4°. Aus den Abhdlgu. d. kgl. Akad. d Wissenseh. zu Berlin. 1876-
Deraefl«- : lieber einen neuen Brouzewagen von Burg an der Spree. Auszug h. d. Monatsbericht der kgl. Akad.
der Wissensch. zu Berlin. 16. Nov, 1976. Mit 1 Tafel.
4W : Bericht über die durch die deutsche Expedition an der Westküste Afrikas in das kgl. Mu'Ciuu zu Berlin
gelangte Sammlung ethnologischer Gegenstände.
Ihreefbe: Correspondenzblatt der Afrikanischen Gesellschaft. Uerausgegcben von Prof. Dr. U. Har Im an il
No. 17- 187«.
Wnnkrl 11. : Ein erratischer Grauitblock mit pliöiiizischer Inschrift bei Smolensk in Russland gefunden. Sep.-
Abdruck aus No. 5, VI. Hd. der Milllieiluugon der anthr. Geaellsch. m Wien. 1876.
Schluss der Bedactiun am 7. März.
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21
6) U nterkiefer.
Höhe in der Mittellinie. k; — Länge des hori-
zontalen Astes, von der Mitte des unteren Randes
bis zum Winkel, kl; — Höhe des ansteigenden
Astes bis zur oberen Flüche des proe. coronoideus.
kh; — Winkel des horizontalen Astes mit dem
ansteigenden. < k.
Um sieh ein annähernd richtiges Bild eines
Schftdels zu machen und zeichnen zu können, sind
diese Maasse nöthig. Prüft man sie bei verschie-
denen Schädelformen nüher. wie ich bei einer grös-
seren Zahl srethan. so ergiebt sich das Gesetz, dass
sic alle in einem bestimmten, mit der Abänderung
der ganzen Form sich reeeimassig ändernden Ver-
hältnisse stehen. Aus diesem Grunde sind sie auch
zum näheren Studium der Entwicklungsgesetze der
verschiedenen Schädelformen, für die systematische
Bestimmung aber nur daun nöthig, wenn man keine
Abbildungen gieht.*) Für Massennntersuchungen ist
aber ihre Zahl viel zu gross, sie erfordern zu viel
Zeit, und die grosse Menge von Zahlen erschwert
den Uebcrblick. Für diesen Zweck ist es nöthig,
Abbildungen zu Hilfe zu nehmen und sich auf die
obenangegebeneti wenigen Durchmesser zu be-
schränken Für die deutschen Schädel sind aber
nur wenige Abbildungen nöthig. wenn man sie unter
die von mir gefundenen it» Formen und deren
Maasse einordnen will.
Die rohen Zahlen, welche man auf dem oben
angegebenen Wegen erhält sind zur Darstellung
jeder besonderen Schädelform brauchbar and auch
anzugeben , wenn es sich nicht uni zitfermäasige
Vergleichung mehrerer mit einander handelt. Im
letzteren Falle müssen sie alle, und nicht, blos
einzelne von ihnen, auf gleiche Thelle eines ge-
meinsamen modulus umue rech net,**) d. h. für jeden
Schädel muss der gleichnamige Durchmesser zu
diesem Zwecke verwendet werden. Zwei oder drei
ruodnli. wie z. B. die Länge und die Höhe oder
Breite oder für jede norma eine besondere, also 5
aufzusteilcn, ist so verkehrt als möglich. Dadurch
*) Du .von dein hervorragendsten Kraniologen Frank
reiche. Hem» Uroca veröffentlichten System (hiatrnc-
tion« cnuiiol<\giqu®*. Memoire» de la so©. d'Anthrop. 2.
scrie, t. II und Bulletins de la «oc. d'Anthrop. 2 serie
t. X, p. 337) xor Beschreibung und Messung der Schädel
bindet sich au keine Grundlinie fiir die Projicirung,
der Durchmesser, Kt sehr ausfuhrlieh, wird aber wohl
au* verschiedenes (».-finden keine nachhaltige Verbreit-
ung in uicht franaöakMihen Kreisen finden.
•*) Diese rmrcdbei'iig wird durch eine Mmltlpli-
cations-Tabelle B. dia bei Schul* in Oldenburg I84SO
.erschienene, wesentlich «Ibgekürit.
wird die Vergleichung ohne weitere Umrechnung
unmöglich, die verwendete Zeit für das Rechnen
ist ganz umsonst aufgewendet, die Zahlen sind zur
Vergleichung so unbrauchbar als die rohen.
Bisher wurde mit wenigen Ausnahmen der
längste Durchmesser als modulus gewählt, wie mir
scheint mit vollkommenem Rechte. Denn die so
erhaltenen redueirten Zahlen haben den Vortheil.
dass sie alle kleiner sind als 100, also schneller in
ihrem gegenseitigen Werthe beurtheilt wei den können,
als wenn man einen Durchmesser von mittlerem
Werthe wählt wie z. B. die Grundlinie, welche
zweierlei Werthe, grössere und kleinere als 100
gäbe. Der längste Durchmesser hat auch noch
den Vortheil, dass er seither als modulus benützt
wurde, also nicht allein die älteren rohen Zahlen,
sondern auch die indiees verständlich bleiben. Ein
sehr kleiner modulus würde sehr grosse, in ihren
gegenseitigen Werthen schwerer zu beurt heilende
Zahlen gehen, deren Gesammtbild für die gewöhn-
liche Anschauung zu sehr verzerrt wäre. Dass die
erhaltenen Durchmesser nach dem Decimalsystem
auf Theile des modulus reducirt werden, ist ein
Verfahren, dessen Zweckmässigkeit von keiner Seite
in Zweifel gezogen wird. Am meisten empfiehlt es
«ich, ' ie erhaltenen Zahlen in Procenten auszu-
drücken, tuusentel oder zehntel halte ich für we-
niger zweckmässig, weil bei den Hunderteln die
Haupt unterschiede vor das Komma fallen. Aller-
dings ist das Gewohnheitssache, und jeder kann
das Komma hinsetzen, wo er will. Sehr unzweck-
mässig scheint es mir aber zu sein, den grösseren
Th eil der Durchmesser als Procente und nur ein-
zelne wie z. B. den Lagenindex als Zehntel zu
schreiben; ein derartiges Verfahren giebt sehr leicht
zu Irrthümem Veranlassung.
Feber die Bedingungen, unter denen arith-
metische Mittel zulässig sind, habe ich mich in
meiner Abhandlung über die württemberg’schen
Scliädclforraen ausgesprochen und will daher hier
auf diesen entfernter liegenden Gegenstand nicht
zurückkommen.
Zur Ersparnis» von Zeit und Raum haben die
meisten Kraniologen die einzelnen Durchmesser und
Punkte am Schädel mit Buchstaben bezeichnet.
Bei der Wald derselben hat sich aber jeder *©
ziemlich seiner eigenen Phantasie Überlassen. Da
sie aber auch eine raschere gegenseitige Verstän-
digung zum Zwecke haben, so wäre cs sehr er-
wünscht. wenn sich wenigstens die deutschen Krauio-
logen Über die bei ihrer Wahl zu befolgenden
Grundsätze verständigen würden.
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22
Hei den «heil schon vorgcschlagencn Buch-
staben bin ich von den seither von mir gebrauchten,
in der Mehrzahl von den Herren Erker und
Welker aufgestellten, Bezeichnungen allgegangen,
um mich den in Dresden vereinbarten zu nflhern.
Ganz kann ich aber letzteren nicht folgen.
Vor allem muss inan verlangen, dass die Ä
Dimensionen des Raumes durch die Wald verschie-
dener Buchstaben von einander unterschieden wer-
den. Ich halte cs daher für fehlerhaft, dieselbe
Dimension, die man am Schädel Höhe nennt, am
Gesicht Länge zu nennen und demgemftss mit ver-
wirrenden Buchstaben zu bezeichnen. Im gewöhn-
lichen Sprachgebrauch geschieht allerdings das-
selbe. aber die KranioFgio hat offen har nicht die
Aufgabe, die Unrichtigkeiten der Umgangssprache
beizubehalten.
Mein Vorschlag geht also dahin , am ganzen
Schädel die Höhen mit //, die Breiten mit li 'statt
mit V wie bisher nach Welker) und die Idingen
mit L, und alle in diese 3 Richtungen fallenden
Durchmesser theils mit grossen, theils mit kleinen
Buchstaben, oder mit Kombinationen derselben zu
benennen. Das einfachste wäre allerdings, die ver-
schiedenen Kategorien von Durchmessern mit Bl
Zf1"*“ und " zu bezeichnen. Meiner Er-
fahrung nach beschwert es aber das Gedftehniss. aber
1. 2 und 3 hinauszugehen, und ich halte cs daher für
besser, neben grossen und kleinen Buchstaben, also
B. b, II , h, I. und /. auch noch Kombinationen von
zwei dieser Buchstaben zu wählen, also z. B. l.B
für den Lagenindex (statt LJ); h II für die Höhe des
Punktes li über der Ebene des foramen magnmn
n. s. f. Ob man die Grundlinie mit G oder L\
sowie einige andere in der Nähe der Basis gele-
genen sagittalen Durchmesser mit ff, //' * bezeich-
nen will oder mit /, /* *, ist an sieh gleichgiltig;
doch wird man sich darüber verständigen müssen,
ebenso in welchen Fällen man grosse oder kleine
Buchstaben wählen will. Um Verwirrungen zu ver-
meiden. ist es nötbig, auch einzelne Punkte und
Flächen am Schädel mit besonderen Buchstaben
zu bezeichnen. Dahin gehören die Nasenwurzel
(s), die Spitze des Nasenbeins («), der hinterste
Endpunkt des Schädels (©), die Spitze der Lanthda-
naht (A), die Stelle, an welcher der Joehbogen am
weitesten lateralwärts reicht (j), die Ebene des
foramen magnum mit / oder fm u. s. w.
Die Messung der Kurven mit dem Bande halte
i'*h für gänzlich überflüssig. Denn man verwandelt
sie bei diesem Verfahren in gerade Linien, welche
nicht den mindesten Anhaltspunkt für die Beur-
theiluug der wahren Gestalt der sehr unregelmäs-
sigen, vielgestaltigen Krümmungen geben. Ausserdem
ist es unmöglich, seihst mit dem besten Instrumente,
genau zu messen, schon weil es nicht gelingt, das-
selbe bei «len verschiedenen Schädelformen immer
an derselben Stelle anzulegen. Ich habe eine grosse
Zahl solcher Kurven und ihrer Theile in dieser
Weise gemessen, und niemals bezeichnende Maasse
für die verschiedenen Schädelfortnen erhalten, immer
natürlich nachdem sie auf Proccnte des Läugen-
durchmepsers reducirt waren. Nicht einmal für
tlie Üeurtheilnng der Grösse der Schädel geben die
Goammt um fäuge in den 3 Dimensionen eiuen so zu-
verlässigen Anhaltspunkt als der Cubikinhalt, oder
die Vergleichung der Höhe, Länge und Breite.
Mit allen geradlinigen Maassen und Winkeln
ist eben den Kurven nicht beizukommen. Da sic
aher ztim Bilde des Schädels nothweudig gehören,
so bleibt Nichts übrig, als die Konstruction von
Ordinate» und Abscissen. Da diese aber wegen ihrer
Umständlichkeit kaum zu verwenden und ohne Zeich-
nungen sehr schwer auf konkrete Vorstellungen
für so unregelmässige Körper, wie die Schädel sind.
Übertragen werden können; so bleibt als noth-
wendige Ergänzung aller geradlinigen Messungen
nichts audercB übrig als Abbildungen, die ja auch
ohne Ordinate» und Abscissen verstanden werden
können. Die Abbildungen haben für Massenunter-
suchungen auch noch, wie schon erwähnt, den grossen
Werth, dass die grosse Masse der ausserdem nö-
thigen Durchmesser auf einige wenige beschränkt
werden kann.
Die Originale der Abbildungen müssen natür-
lich genau auf die Grundlinie eingestellt sein. Diese
Aufstellung wird dadurch erleichtert, dass man die
Punkte, au welchen der längste (L), der höchste»
(II) und der breiteste Durchmesser (B) den Um-
fang des Schädels schneiden, mit leicht sichtbaren
Punkten oder Kreuzen markirt, bei hell gefärbten
Schädeln also mit schwarzer, bei dunklen mit
weisser Farbe.
Streng genommen wären für jeden Schädel 5
Abbildaugen nötbig. Bei rechtwinkliger Aufstellung
decken sich aber die Umrisse der norina verticalis
und der basilaris nahezu, und die letztere ist in
verkleinerten Abbildungen wegen der grossen Zahl
ihrer gebrochenen Linien nicht leicht in klarer
Weise wiederzugeben, so dass man ihre Abbildung
ohne grossen Schaden wohl ent hehren kann, so
lange es sich nur darum handelt, ein deutliches
Bild von der Gosammtform des Schädels zu er-
halten. Ueherdiess kann man, soweit ich bis jetzt
sehen kann, durch keine ihrer Formen und Maasse
die einzelnen Schädelspecies schärfer unterscheiden.
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23
als durch dir der anderen Ansichten. Den vor-
erst zu erreichenden Zielen entsprechen als» die
übrigen 4 Ansichten vollständig.
Die besten Bilder sind die lehensgrossen, geo-
metrischen mit dem Apparate von Ln eae gemachten.
— Nach meiner Erfahrung erleichtert man sich
das Zeichnen mit ihm dadurch, dass man 2 cm.
Über dem Fadenkreuze, an der Säule des Diopters
eine Blendung anhringt, welche mau mittelst einer
Spiralfeder auf- und abwärts bewegen kann, und
au welcher vorn ein kleiner Pinsel aus Marder-
haaren schief befestigt wird. Die Spitze des letz-
teren wird dann, je nach Hedürfniss, durch leichten
Druck auf die Blendung mit der Glasfläche in Be-
rührung gebracht oder wieder von ihr entfernt.
Anf diese Weise kann man heule Hände zur Füh-
rung des Instruments verwenden und daher die
Linien sicherer ziehen. Ungeübte vermeiden da-
durch leichter das an diesen geometrischen Zeich-
nungen so störende Verzittern der Linien. Fein
zerriebener Satz von Kopirtinte ist meiner Erfah-
rung noch die beste Farbe. — Leider ist aber
auch so nach das Zeichnen sehr zeitraubend. Han-
delt cs sich daher um Abbildungen in grösserer
Zahl, so werden die Meisten die Photographie zu
Hilfe nehmeu müssen. Lässt man die Aufnahmen
mit grossen Instrumenten und auf möglichst grosse
Entfernungen machen, so wird die Verzerrung der
Bilder so weit vermieden, dass sic ganz gute Dienste
leisten. Die Herstellung photographischer Bilder
in Lebensgrösse ist aber eine sehr theuere Sache,
und wem nicht sehr bedeutende Mittel zu Ge-
bote stehen , der wird sich mit halber natürlicher
Grösse begnügen müssen. Diese kleinen Bilder
haben übrigens den Vortheil, dass alle 4 Ansichten
auf einem leicht zu übersehenden, handlichen Blatte
zusammengestellt werden können. Wenn es sieh
darum handelt, grössere Reihen von Schädeln neben-
einander zu stellen, so verwendet man am besten
Bilder von viertel Grösse. Andere Maassstäbe als
1, £ und \ sollten aber vermieden werden, weil
sie nicht so leicht exact herzustellen sind, also zu
mehr Irrthümern Veranlassung geben, als jene.
Zur Vervielfältigung genügen lineare Kopien der
photographischen Bilder.
Die genaue rechtwinklige Aufstellung muss dem
Photographen dadurch erleichtert werden, dass man
auf einem Karton für jede Ansicht eine Linie als
Maassstab für die Grösse zeichnet. Er benützt dann
die oben empfohlenen auf den Schädel gezeichneten
Punkte oder Kreuze der Hauptdurchmesser. Zur
rechtwinkligen Aufnahme jeder Ansicht bedarf er
4 Punkte, je 2 Endpunkte desselben Durchmessers.
Der VIEL internationale Congreps
för
Anthropologie und Urgeschichte in Pest
(September 187G).
Von Professor Kollmnnn.
(SöhloM.)
Unter den Mittheiluugen aus dem Gebiet der
Uraniologie verdienen die folgenden eine allgemeine
Beachtung.
Kopernicki legte dein Uongress alte Gräber-
schädel aus dem Osten Europas vor. In der Ukraine
sind in Grabhügeln hrachycephale und dolirho-
cephale Formen gefunden worden ( Längen breiten-
Index der letzteren 73,0 — 74,0). Aus russisch
Polen sind 7 aus einem Tumulus im anatomischen
Institut in Warschau; ihr Index beträgt, 71,0 — 74.0
(vier davon warer im Sitzungssaal ausgestellt).
Iu Weiss- und Rothrussland hatte die alte Rasse,
welche für ihre Todten Hügel errichtet hat, eben-
solche lange Schädel gehabt, und in Galizien
finden sich, mit Beigaben von Eisen und Bronze,
Formen identisch mit den langen Uranien
unserer Reihengräber! Der Redner hatte
schon früher diese Erscheinung theilweise hervor-
gehoben, und wiederholte sie vor der Versammlung,
iudem er darauf hinwies, dass nach den vorliegen-
den Thatsachen diese Rasse in prähistorischer Zeit
ein Verbreitungsgebiet besass von der Wolga bis
zum Rhein. Die Discussiou über diesen Gegen-
stand ergab, dass sich diese Grenze einst noch
weiter gegen Westen erstreckt hat. Auf die
Bemerkung des Referenten, dass diese aus Russ-
land stammenden Schädel vollkommen den Lang-
köpfen unserer Hügel- und Reihengröber gleichen,
fügte Broca bei „die nämlichen Formen seien
auch in den Hünengräbern (Dolmen) Nordwest-
Frankreiths gefunden worden*. An der Richtigkeit
des Sachverhaltes lässt sich bei der hervorragenden
Bedeutung Rroca's nicht zweifeln; wir dürfen
also sagen, dass diese dolichocephale Rasse auf
ihren Wanderungen bis zum Ocean gelangt ist. Auf
dieser weiten Strecke findet man ihre Spuren unter
Lebenden und Todten; unter den ersteren freilich
nur wenige, aus alter Zeit dagegen viele Beweise
für ein zahlreiches Volk. Sie sind allerwörts wegen
ihrer charakteristischen, auffallenden Gestalt als
solche, wenn auch unter verschiedenen Namen, be-
zeichnet. So heissen sie in Ungarn Avaren- oder
Barbarenschädel ; in Deutschland lange Reihen-
gräberschädel, oder fränkisch-alemannischer Typus;
in Frankreich cranes merovingieus.
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24
Die Trapweile dieser Erkenntnis für die
Craniolopie lässt sieh noch kaum völlig übersehen.
Denn erwägt man , dass in Skandinavien noch
heute ein Theil dieser Kasse lebt, dass sie jenseits
des Kanales in England in den eiförmigen Grab-
hügeln gefunden wird, so gewinnt die enorme Ver-
breitung dieser einen Rasse in prähistorischer Zeit
schon um desswillen eine besondere Bedeutung,
weil sie die erste ist. deren Verbreitungsgebiet mit
ziemlicher Sicherheit nachzuweisen ist. Ich habe
schon an einer anderen Stelle*) darauf hingewiesen,
dass im südlichen Spanien Gräber derselben Rasse
aus dem 5. Jahrhundert gefunden worden sind
(Dr. A. Sehet elig), dass sie ferner in West-
preussen und den angrenzenden Theilen Pommerns
(Dr. Li s Bau er) Vorkommen, und zwar um die-
selbe Zeit. Heute bin ich in der angenehmen
Lage, eine. Lücke ausfüllen zu können, welche
zwischen der Wolga und dem Ocean noch offen
blieb. In der prähistorischen Ausstellung zu Pest
fanden sich mehrere Schädel, welche zu derselben
langköpfigen Sippe gehören. So aus der Aggteleker
Höhle im Gömörer Comitat , deren Ausdehnung
nahezu 8 Kilometer beträgt. Sie ist wohl stets ein
Wohn- und Begrübnissplatz gewesen; denn eine
ihrer Abtheilungen heisst im ungarischen Volks-
mund Knochenbaus, und wenn nicht alle Zeichen
trügen, so liegen iu ihr drei Culturschichtcn über-
einander. Nach den mündlichen Mittheilungen des
Baron E. Ny dry fanden sich auf dem Boden der
Höhle Topfscherben und Geräthe aus Bronze und
Eisen; unter der l*/t Meter dicken Tuffschichte
ein Todtenlager mit Beigaben von Stein , Hora
und Silex. Die Leichen, 13 Individuen, Männer.
Frauen und Kinder, lagen regelmässig geordnet;
unter ihnen befanden sich zwei Langschädel
mit einem Längenbreiten-Index von C‘J, 4 und 72,4.
Diese stimmen völlig mit denen unserer Reihen-
gräber überein; andere nicht messbar, sind von
derselben Form oder raeso-dolichocephal. Ich be-
tone ferner den Schädel einer Frau mit einem
Index vou 81,4, um daran zu erinnern, dass auch
hier in der noch von keiner Hand berührten, son-
dern seit der frühesten Periode unveränderten
Begräbnisstätte die langköptige Rasse schon an-
dere Elemente in sich aufgenommen hatte, also
schon nicht mehr völlig unvermisebt uns entgegen-
tritt. Der Bericht des Höhlenforschers wird Ge-
wissheit darüber bringen , ob die gespaltenen
Röhrenknochen des Höhlenbären und die dazwischen
*) Bericht über die 6. allgemeine Versammlung *u
München. München. Oldenbourg. Aiigu*t 1875. S. 2U
gefundenen Steinhämnur der untersten Schichte,
in einen» C’ansalnexus zu einander stehen, oder ob
bei den Ueberscbweiiitnungeii der Höhle, es Hiessen
zwei Bäche durch dieselbe, die Reste der diluvialen
Säugethiere mit denen des Menschen einer spä-
teren Epoche durcheinander geworfen wurden, wie
dies auch in anderen Tropfsteinhöhlen zweifel-
los der Fall war. Leider war es mir nicht mög-
lich. alle nns zunächst interessireuden Schädel,
welche sich in der Ausstellung befanden, zu messen,
um entscheidende Zahlenangaben machen zu können.
Meine Notizen bezeichnen jedoch einen Schädel iu
der Collection des Hm. 31ajläth Belu (Comitat
Liptd). einen andern aus dem Comitat Szabolcs
(Fundort Insel Cserej) mit der Aufschrift „Ajak“ als
identisch mit unserem sog. Reihengräbertypus. In
der Sammlung des collöge ri'form^ zu Debreczin
ist ein Schädel mit einem Index von 67,0 und ein
anderer von 74,0; aus Reihengräbern hei Sobor
mit Beigaben von Eisen und Bronze, welche die
Fluthen der Raab freigelegt haben, sind mehrere
Schädel erhalten, davon einer mit dem Läugen-
hreiten-lndex 73,0, die übrigen meso- und brachy-
cephal. Diese wenigen Notizen mögen zur Zeit
für die ungarischen Bezirke genügen.
In Niederösterreich hat Dr. Much in Still«
fried an der March inmrhalb der umfangreichen
prähistorischen Befestigung im Jahre 1876 Aus-
grabungen gemacht, und VI Schädel mit Beigaben von
Bronze und ‘Eisen gefunden . von denen 5 dolicho-
cephal sind. Aehtiliche Schädel hat er in Eisgrub
und Koggendorf aus alte»» Grabstätten constatirt,
v. L n s c I) a n und Specht solche aus Oberöster-
reich (Mittheilungen der Wiener anthr. Gesellschaft
1875 und 1870, Weis« hach aus alten Gräben»
Böhmens, so dass der Zusammenhang zwischen dem
Osten und Westen dadurc h hinreichend festgestellt
ist. Erinnern wir uns noch daran, dass sie auch
auf dem Boden Italiens und Griechenlands ihre
Spuren zurückgelassen hat, so ist es klar, dass
durch alle diese ebeu angeführten Funde jene auf
deutschem Boden durch A. Ecker zuerst sicher
erkannte Rasse ihre eng begrenzte ethnologische
Bedeutung verliert, die man ihr anfangs zuznweisen
geneigt war. Aus den bisherigen That Sachen folgt
ferner, dass ihre Wanderungen sich nicht allein
räumlich über weite Länder, sondern und» zeitlich
über lauge Jahrhunderte ausgedehnt haben. Wenn
sie die Dolmen au der Nordwestküste Frankreichs
erbaut hat. welche nach Hroca in der jüngeren
Steinzeit errichtet wurden, dann ist der erste Yor-
stoss dieser Rasse wohl um 1000 Jahre älter als
jene späteren Wanderungen, die sie uns von» 3. bis
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(Soiresjtoubenä-'gMdl
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
H « d i g i r t
von
Professor K o 1 1 m & n n in München,
•Jvfli'niliwrn't&r «Irr Wrarilm tun.
Erscheint jeden Monat.
Nro. 6. München, Druck von R. Oldenboorg. Mai 1877.
V
V er einsnach richten.
Die Genera I versäumt limi: der deutschen
anthropologischen Gesellschaft
Die VIII. Versammlung der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft findet anfangs August
dieses Jahres in
Conatanz am Bodensee
statt. Das ausführliche Programm wird der
nächsten Nummer des Correspondenzblattes hei-
gelegt werden.
Der Sc hat ameiste r der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft erlaubt sich, au die Be-
schlösse der letzten Generalversammlung zu Jena*)
bezüglich der Dauer des Budgetjahres zu erinnern,
nämlich:
1) das Budgetjahr des Vereines läuft nunmehr
vom 1. August hin 30. Juli jeden Jahres;
2) die Lokal vereine, die Gruppen und die iso-
lirteu Mitglieder sind verpachtet , bis zum
1. April jeden Jahres ihre Beiträge dem
Schatzmeister einzuhändigen ;
3) nach dem 1. April können die restirenden
Beiträge durch Postraandat erhoben werden.
Im Anschlüsse an diese Bestimmungen bittet
der ergebenst Unterzeichnete , ihm die noch aus-
stehenden Beiträge baldmöglichst zusenden zu
wollen , damit der ordnungsgemässe Iterhnungs-
*) (orreNpotidenxblHtt 1070 Nu. 9 S. 66 Spalte 2.
ahsihluss der VIII. (ieneralveriammlorK in C'onstanz
vorgelegt werden könne.
Mo ne hen, am G. Mai 1H77.
Der Schatzmeister: Weidmann.
Theatinerstrasse 36/4.
Die Statistik Uber die Farbe der Augen, der Haare
und der Haut bei den Schulkindern unter 14 Jahren
im Herzogt hum Sachsen* Altenburg.
Zahl der Schüler 23,957.
1) blaue Augen, blonde Haare, weisse Haut 6,094
2) blaue
braune „
weisse „
1,701
3) braune „
braune „
braune „
321
4) jrrauc
blonde „
weisse • ,t
r>,9i9
f.) graue „
braune „
weisse „
2,332
(j) braune „
braune „
braune „
535
7) braune „
schwarze „
braune „
215
8) braune „
blonde „
weisse „
2,70«
9) braune „
braune „
weisse „
2,973
10) braune „
braune „
braune .,
801
11) braune „
schwarze „
braune „
358
Es exist iren also in dem Herzog! hum über
25% mit blauen Augen, blonden Haaren und
weisser Haut, und nahezu ebensoviel blonde In-
dividuen mit grauen Augen. Zählt man die mit
gruuen und blauen Augen zusammen, dann besteht
die Bevölkerung zu 60,5 % aus Individuen mit
blonder Complexion, übertriffi also diejenige Bayerns
in dieser Hinsicht um 30%. —
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u
Mitgliederliste.
Auf Anregung des Hrti. 0. Tischler, des
Vorstandes des archäologischen Musepms der physi-
kalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg
sind mehrere Herren dieses Vereines der deutschen
anthropologischen Gesellschaft als Mitglieder boi-
getreten. Ilr. 0. Tischler hat sich gleichzeitig
in zuvorkommender Weise bereit erklärt, die Ver-
keilung des Cnrrespondenzhlattes zu besorgen,
wodurch die Verbindung mit der deutschen Gesell-
schaft ganz besonders erleichtert wird. Wir gehen
die Liste dieser in Ostpreussen neugewonnenen
Mitglieder:
Herr I)r. Ban eck«, Professor,
„ Haarbrücker, Knuftnann,
„ I>r. Henncbe, Stadt ältest er,
„ Ür. Je uz sch, Geologe d. phys.-ük. (ies.,
„ Dr. Lohmeyer, Professor,
, l>r. .Lotte r mos er, Stadt rat h n. Secr. d. Oes.,
„ br. Schiefferdecker, Sanitathrath u. Prüsid.
der Gesellschaft,
„ Tisch ler-Loigehnen, Gatsbesitzer,
. Tischler Otto, Vorstand d. Jirch. Museums.
Sitzungsberichte der Local vereine.
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Danzig am 22. November 1876.
Der Vorsitzende Hr. Dr. Lissauer referirte
zuerst über die vom Hrn. Dr. Hermann Bercndt
eingesandten Remark s on the centres of anrient
civilisation in Central - Amerika. Hr. B ereu d t hat
es sich zur Aufgabe gemacht, durch das Studium
der indianischen Sprachen Aufschluss zu gewinnen
Aber die ethnologischen Beziehungen der Einge-
borenen Central -Amerikas im Allgemeinen und
besonders zu den grossartigen daselbst aufgefun-
denen Denkmälern einer untergegangenen hoch-
entwickelten Cnltur, von deren einstiger Existenz
die Indianer seihst keine Ahnung mehr haben.
Die gesell irhtlichen Quellen darüber fliessen rar
kärglich und trübe, weil die spanischen Conqui-
stadoren fast alle Vorgefundene indianische Cultur
zerstört haben und ihre Berichte voller Wider-
sprüche sind. Es bleibt daher nur das Studium
der Sprachen und der Alterthümer selbst übrig,
um Licht in diese dunkle Zeit zu bringen. Herr
Berendt hat nun zu diesem Zweck f> Expeditionen
nach Central-Amcrika unternommen und sich jedes-
mal mehrere Jahre anfgehalten. um die Sprachen
der Eingeborenen zu studiren: das Resultat dieser
Studien liegt nun in den obigen Uemarks vor. In
dem grossen Gewirr amerikanischer Stämme, welche
von Yucatan bis zum Isthmus von Panama wohnen,
konnte Berendt der Sprache nach drei grosse
Gruppen unterscheiden, welche höchstwahrschein-
lich ebensoviele selbständige Colturcentren bildeten.
In dem heutigen Yucatan sitzen und sassen
die Mayas, sie zerfallen in 16 Stämme und sprechen
alle die Maya- Sprache oder eine deren Tochter-
sprachen , welche von einander so verschieden
sind, wie etwa das Französische vom Italienischen.
Berendt hat dort sehr interessante Alterthümer
nusgegraben; die Bevölkerung selbst hat aber keine
Ahnung mehr von ihren Vorfahren.
Südlich im heutigen Isthmus von Panama
sitzen die C oibas. welche jetzt vollständig in Bar-
barei versunken sind, während ihre Vorfahren einst
sieh durch hohe Kunstindustrie derart nnszeiehne-
ten, dass die dort gefundenen Schinucksachen noch
heute das Staunen unserer ersten . Goldschmiede
erregen. Durch das Studium der Sprache konnte
Berendt naehweisen, dass die dort lebenden In-
dianer wirklich die Narhkommen sind der zur Zeit
der spanischen Eroberung dort Angesessenen.
Zwischen diesen Völkern sitzen die Chorotegas,
in 3 Gruppen getrennt, welche durchweg spanisch
sprechen um! von ihrer Geschichte nichts mehr
wissen. Nur wenige Greise auf dem Lande kannten
noch von ihrer Kindheit her einzelne Worte und
Phrasen aus der Sprache ihrer Vorfahren und diese
wenigen Personen starben noch während Berendt’s
Anwesenheit ans ; indess genügten jene Sprarhreste
und einige Ortsnamen, um festzustellen, dass diese
Stämme einst die Sprache der Chapaneken in
Mexiko geredet, um so die Ueberlieferung zu be-
stätigen, dass sie in früher Zeit von dorther ein-
gewandert seien.
Hierauf hielt Hr. Schuck einen Vortrag über
seine Ausgrabungen im Carthäuser Kreise, indem
er zugleich die dort gefundenen Objekte vorlegte.
In Begleitung und mit Unterstützung des Hm.
Kreisbanmeisters Apolant hatte derselbe zunächst
das Gräberfeld untersucht, welches auf dem Felde des
Ilm. Mühlenbesitzers Gilde meist er in Sullenezin
schon früher entdeckt worden war. Es befand
sieh hier anf einem Abhange nach dem Wossidlo-
See eine Gruppe von Stemkistengrfthem, welche in
einer Entfernung von etwa 6 Fuss von einander
und etwa 2'/* Fuss unter der Oberfläche angelegt
waren. Die Steinkisten seihst waren in gewöhn-
licher Weise gebaut uml enthielten ausser Sand
je 2 stark gehauchte Urnen, welche gebrannte
Knochen, Asche, kleine Stücke Bronzedraht und
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die stark oxydirten Reste einer eisernen Fibel
enthielten. Nur in einer Steinkiste befand sich
neben einer grossen eine kleine nur mit Sand ge-
füllte Vasenurae. Dagegen hatte eine schon früher
ausgegrabene Urne mehrere gut erhaltene Bronze-
gegenstünde enthalten, darunter besonders zwei
schöne, spiralförmig gewundene Armringe, an deren
einen» durch Form und Verzierung der Kopf und
Schwanz einer Schlange angedeutet sind. Die Urnen
selbst sind nach Material und Bearbeitung grösston-
theils primitiv und zeigen eino nur geringe Orna-
mentik aus parallelen Linien und wenigen Buckeln.
Etwa 50 Schritte von der westlichsten Steinkiste
entfernt fand sich in einer Tiefe von 2 — 3 Fuss
eine Brandstelle, d. h. ein Pflaster von grösseren
Steinen mit gohftufteu Kohlenresten.
Eine krugförmige gelbbraune Urne mit Deckel,
von der Form der meisten Gesichtsurnen , welche
der Vortragende vorzeigte, stammte aus einer bei
Kcmharczewo untersuchte Steinkiste her.
Vier Kilometer von C arthaus entfernt, westlich
und südlich vom Dorfe KallUka, liegt in dem könig-
lichen Forst eine grössere Anzahl von Hügeln - —
etwa 20 — , deren Untersuchung von Hru. Ober-
förster Schneider freundlirhst gestattet wurde.
Die Hügel waren von verschiedener Grösse
(der grösste hatte 6 m. im Breiten- und 12 m.
im Längendurchmesser an der Basis) und ent-
hielten bei der sorgfältigsten Untersuchung nichts
als Sand und Steine, welche letzteren kreuzweise
und in» Rechteck eingegraben standen , in zweien
fand sich auch etwas Holzkohle. Von den der
Chaussee zunächst gelegenen Hügeln waren die
grossen Steine theilweise weggenommen, wahrend
die entfernteren noch intakt schienen. — Aehnliche
Hügel waren schon früher bei Schöneberg, bei
Stangenwalde und bei Lewinno untersucht worden
und hatten ebenfalls nichts ergeben, als hin und
wieder Kohlenstückchen , nur einmal ein kleines
eisernes Messer und einmal Knochenstücke von
Menschen; Hr. Schür k halt es daher für wahr-
scheinlich, dass diese Hügelgruppen keine Gräber,
sondern nur Kenotaphien seien, welche zum An-
denken an die in «ler Fremde verstorbenen Personen
in ihrer Heimat errichtet wurden.
An diesen Vortrag knüpfte sich eine lebhafte
Disrussion , an der sich besonders die Herren
Helm, Dr. Oehlsrhläger und Schimmel-
pfennig einerseits und Dr. M a n n h a r d t andrer-
seits betheiligten. Die erstem» stimmten mit dem
Vortragenden überein, dass alle diese Hügel nur
als Malhügel zu betrachten seien , sei cs nun zur
Abgrenzung von Feldmarken (Helm) oder zum An-
denken an irgend ein wichtiges Ereignis* errichtet,
eine Sitte, welche ja von vielen Völkern des Alter-
tliums bekannt ist (Schimmelpfennig) , während
Hr. Dr. Mannhardt die Auffindung einzelner
menschlicher Knochenstücke und die angebliche
Ausgrabung eines ganzen menschlichen Skeletes aus
einem solchen Hügel in früherer Zeit als Beweise
Ansicht , dass diese Hügel ursprünglich vielleicht
doch wirkliche Grabstätten gewesen sein dürften.
Hierauf berichtete der Vorsitzende über die
Untersuchung dreier Burgwälle bei Dt. Eylau, über
welche or iu den Schriften der Jiaturforscheuden
Gesellschaft eine ausführliche Abhandlung veröffent-
licht hat. Der eine dieser Wälle liegt an» Labenc-
see. der zweite am Silnisee, der dritte auf einer
Insel int Geserichsec, die ersten beiden gehören
zu der Klasse der sogenannten Erdwalle oder
Schwedeuschanzen , der zweite zu der Klasse der
Burgberge, während Vertreter der beiden andern
Arten von Burgwällen, das ist der Schlacken- und
der Uingwälle in unserer Provinz bisher nicht be-
kannt geworden sind. Der Vortragende gab nun
eine Schilderung der charakteristischen Unter-
scheidungsmerkmale dieser vier Arten heidnischer
Burgwällc. wegen deren Kinzclartcn wir auf die
obige Abhandlung verweisen müssen. Aus der
hieran sich knüpfenden Discussion heben wir Fol-
gendes hervor: Hr. Oberst Hi udorf wies darauf
bin, dass die Schwedeuschanzen von den Erdwällen
getrennt werden müssen, weil sie in der That oft
Erdwerke sind, welche von den Schweden aufge-
worfen seien; iu Beziehung auf die Riugwälle be-
halte er sich ausführliche Mittheilungen vor, sobald
er von Rügen das erforderliche Material erhalten
haben werde. Von den Hrn. Sc hück, Dr. Mann-
hardt und Schulz wurde auf die eigenthümliehe
Beschaffenheit des Uarthäuser Schlossberges auf-
merksam gemacht, welcher ursprünglich wohl ein
Inseiberg gewesen und jetzt noch Reste eiues ge-
mauerten Wasserbeckens enthalte; indes sei doch
erst durch spezielle Untersuchung festzustellen, ob
seine Benutzung als Burgwall in die vorhistorische
Zeit zurückreiche.
Sitzuug der anthropologischen Gesell-
schaft zu Güttingen am 12. Februar 1876.
Hr. Prof. Unger legt dem Vereine zwei, von
ihn» der ethnologischen Sammlung geschenkte
Schmuckstücke aus Wallrosszahn vor. Dieselben
stammen von einer kanakischen F’rau — Sandwichs-
inseln — in deren F amilie dieselben als kostbare
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Erbstücke seit lange gewesen waren, welche sich
noch entsann, sie als Schmuck an ihrer Gross-
mutter gesehen zu haben. Das eine derselben hat
autfallcnde Aehnlichkcit mit dem oberen Theil einer
menschlichen Ulna» ist durchbohrt und soll au
einer Schnur um den Hals getragen worden sein.
Das andere ist knhnfürm'g, von einem (künstlichen)
Canal durchsetzt, dessen beide Oetfuungen an der
coucaven Seite liegen und wurde mittelst einer
durch diesen Canal laufenden Schnur als Armband
getragen.
Hr. Prof. Ehlers hielt einen Vortrag über
die Wirbelsäule des Men selten und ihre
Beziehungen zu der der Säugeth iere, in
welchem er, an die Hosen her g sehen Arbeiten
aoknfipfend, die Homologien der Wirbel in den
verschiedenen Abtheilungen der Wirbelsäule und
die Assimilationsvorgänge besprach und die Wirbel-
säule des Menschen mit der der Affen und einer
grossen Anzahl anderer Säugethiere in Bezug auf
die relative Hänge ihrer einzelnen Abtheilungen
verglich. Die Differenzen wurden an einer Tafel»
auf der die Zahlen der Wirbel in den einzelnen
Wirhels&ulentheilen der betreffenden Tliiere gra-
phisch dargestcllt waren, demonstrirt.
Sitzung des anthropologischen l.okal-
Vereins in Jena vom 3. Juli und
13. November 1876.
Aus den vorliegenden Berichten dieses Vereins
entnehmen wir folgende Mittheilungen.
Hr. Dr. Bardelehen hielt einen Vortrag über
die Abweichung der sntnra frontalis persistens und der
sntura sagittalis von der Medianlinie. Bardelebe n
wurde zu einer Untersuchung über diese Trage
veranlasst durch die einander widersprechenden
Behauptungen vou W. Sander in Berlin (^lieber
eine Schädeldecke mit. persistenter, scheinbar ab-
norm gelagerter Stirnnalit“ , Berl. klin. Wochen-
schrift 1875, No. 7) und (dem verstorbenen) Pb.
Simon in Hamburg („Ueber die Persistenz der
Slirnn&ht“, Virchow's Archiv 1873. Bd. 58.
3. und 4. llft.). Während nämlich letzterer die
persist imule Stirnnaht (deren Vorkommen derselbe
nach seinen Resultaten an über 800 Sectionen auf
9,4 % angiebt) nicht selten von der Medianlinie
abweichend fand, giebt Sander an, dass in seinen
Fällen die Abweichung uur eine scheinbare gewesen
sei. Die frontalis verlaufe regelrecht , aber die
sagittalis weiche ah; nur wegen der Ungewöhn-
lichkeit des Vorkommens der frontalis übersehe
man die Abweichung in der Lage der sagittalis.
Welcker sagt in seinem umfassenden Werk
über diesen Punkt nichts.
Bardelehen untersuchte 25 Schädel der
Jenaer anatomischen Sammlung (darunter keine
Kasseuschädel) und fand, dass Sander wie S i m o u
Recht und Unrecht haben. Beide Nähte können
median verlaufen , beide können gleichzeitig ab-
weirhen und zwar nach derselben oder nach ent-
gegengesetzter Richtung; ferner kann eine der
Nähte, sowohl frontalis wie sagittalis, median ver-
laufen, während die andere nach rechts oder links
abweicht. Genauere Angaben über einige Punkte
folgen hier:
Unter 24 Fällen war
«lie frontalis .
. 12
Mal median,
12
„ abweichend,
„ sagittalis .
. 8
„ median.
16
„ abweichend,
beide gleichzeitig median in 3 Fällen, beide ab-
weichend in 9 Fällen, davon 4 Mal nach derselben,
5 Mal nach entgegengesetzter Richtung.
Die Distanz beider Nähte von einander an der
Kininündiingsstelle in die coronalis betrug 2 bis
Di mm., im Mittel 6 mm.
Die vier nach dem Schema an der Kreuzung des
sagittalcn mit dem transversalen Nahtzuges an
einander stossenden Knochen kommen nie in einem
Punkt zusammen, sondern es stossen an einander:
entweder das linke frontale mit dem rechten
parietale (15 Fälle),
oder das rechte frontale mit dem linken
parietale (9 Fälle).
W e 1 c k e r‘s Bezeichnung : caput „ c r u c i a t u m “
ist also nur cum grano salis anwendbar. Von den
12 Fällen, wo die frontalis abwicli , endete sie
8 Mal nach rechts, 4 Mal nach links von der
Mittellinie in die coronalis.
Die Bestimmung der Medianlinie und der Ab-
weichungen von derselben geschah durch Faden- und
Baudraessung, bei der der obere Rand des arcus
zygomaticus als Basis der Untersuchung diente.
lieber die Ursachen dieser eigentümlichen
Erscheinungen vermochte Bardelehen nichts Posi-
tives anzugeben; auch wies derselbe gleichzeitig
auf seine relativ kleinen Zahlen hin, die die Auf-
stellung von allgemein gütigen Sätzen verbieten,
aber immerhin Anhalt uud Anregung geben dürften.
Nach Beendigung des Vortrages weist II r. Prof.
Schwalbe darauf hin, dass vielleicht die Asym-
metrie der Kreuzschädel mit der Asymmetrie der
Frontal- Arterie in Beziehung stehe.
Hierauf hält Prof. Klop fleisch einen Vor-
trag über den Bronzehcukel aus der Borscher
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Aue. Nachdem der Grabhügel, dem jener Fund
entstammte, als ein Grabhügel mit Verbrennungs-
statte, welche letztere ein Steiukreis begrenzte, be-
zeichnet wurde und die weiteren Fundstucke dieser
Grabstätte, bestehend in den Resten eines eisernen
Scramasax, einer zerdrückten aber reich verzierten
Thonurne , Resten einer bronzenen RAocherschalc
mit wohlriechendem Harze, und einigen audcren
Bronzeresten bildlich vorgeführt worden waren,
wurde der schöngearbeitete Bronzehenkel vorge-
wiesen, der die Gestalt eines räthselhaften vier-
füssigen Thieres besitzt, welches mit den Hinter-
füssen auf einem Schilde steht und mit den Vorder-
füssen auf einer zweigehäupteten Schlange auffu«st.
Der Vortragende hob hervor, dass ihm das be-
treffende Thier am meisten Aehnlichkeit mit einer
aufwärtsspringenden Maus oder einem Wiesel zu
haben scheine, deren Bedeutung als verkörperte
„Seelen“ in der Mythologie der Indogermanen durch
Jacob Grimm und Grohinanu besonders betont
worden sei. Weiteres knüpft der Vortragende an
den Stil der Figur selbst an, welche er jetzt für
eiue et ru rische Arbeit halten müsse, wahrend
er frülier (auf der Stuttgarter Versammlung) der
Ansicht gewesen sei, dass hier eine germanisch-
nordische Arbeit vorliege. Immerhin sei es aber
merkwürdig, dass der eigentümliche Schnörkclstil
dieser Figur entschieden orientalische Elemente in
sich enthalte, für welche Behauptung er persische
und indische abbildliche Belege analoger Ver-
schnörkelungen der Gelenkpartien bei Thieren bei-
brachte und darauf hinwies, dass die etrurische
Kunst eben auch orientalische Motive in sieh auf-
genommen habe. Sonderbar aber sei es , dass
die Gallier und Germanen in ihren künstlichen
Thier- und Metischeufiguren gerade diesen Schnörkel-
stil nachgeahmt hätten . wie dies süddeutsche,
irische und skandinavische Kunstprodukte der heid-
nischen und sogar noch der christlichen Periode
bewiesen, da selbst noch im 14. Jahrh. im skandi-
navischen Norden Gewichtsbilder, welche Thier-
tiguren darstellen, in eben diesem Schnörkelstile
Vorkommen.
Hr. Prof. Gädechens giebt hierauf einen
Utberblick über orientalisirende Nachahmungen bei
den Griechen und Etruskern mit besonderer Hin-
weisung auf die sogenannte „persische Artemis“.
Hr. Prof. Gädechens erblickt übrigens in dem
Borscher Henkel keine Maus, sondern eher ein
Rauhthier, meint überhaupt, dass man hinter der-
artigen Figuren eher ein freies Spiel der Phan-
tasie als einen realen Gehalt erblicken müsse.
Hierauf legt Prof. Klop fleisch noch einige
der interessantesten hrachycephaleu, dolicboceplialen
und prognathen Schädel des germanischen Museums
zu Jena vor und giebt Mitlheilungen über die
höchst interessanten Vorkommnisse bei Taubach,
wo Knochenkohlen, Holzkohlen und bearbeitete
Feuersteinsplitter neben ausgestorbenen Thierspecies
(Rbinoceros und Elephas et.) im Diluvium Vor-
kommen •).
Klopf lei sch berichtet darüber, dass ihm
aus Thierschneck (bei Camburg) eine Meldung zu-
gekommen sei, dass dort in der Umgebung des
„Ellrich“, in welchem er früher erfolgreiche llügel-
ausgrabungen unternommen hatte, neue Spuren von
Culturschichten sich zeigten und beantragt , dass
die Gesellschaft Geldmittel bewilligen möge für
eine Recognoscirung und Voruntersuchung daselbst.
Es wurden 10 Mark hierzu bewilligt und Hr. Prof.
K 1 op f 1 e i s e h beauftragt, . dio Voruntersuchung
daselbst zu übernehmen und noch ein Mitglied der
Gesellschaft sich zum Begleiter zu cooptiren.
Schliesslich macht Klop fleisch Mitthei-
lungen über prähistorische Thongefäss-
sc herben, welche ihm durch Hm. C. ('lessin
aus Regensburg und ausserdem durch Hrn. Prüf.
Kollmann zu München aus Erd. Ilsltvun und
Magyarid in Ungarn zugesendet worden sind.
In Betreff der ersten Scherben, welche aus
der Höhle von ßreitewinn In der bayerischen
Oberpfalz stammen, hat Hr. Clcssin brieflich
mitgetheilt, dass jene Höhle zwei scharf getrennte
Culturschichten enthalt ; in der obersten finden sich
Metallgeräthe aus Eisen und Bronze ; die Scherben
dieser Schicht sind meist mit Graphit geschwärzt,
haben nur selten Verzierungen, doch sind sie aus
feinerem Thon. Die untere Culturschicht der
Höhle hat kein Metall mehr, die Scherbenreste
derselben sind von zweierlei Art, aber ohne Graphit-
Beimischung. Neben sehr feinen mit schönen Linien-
Oraamenten gezierten finden sich ganz rohe rnit
höchst einfachen Verzierungen: aufgelegten Leisten
mit Fingereindrücken ; die feineren dieser Scherben
hielt llr. Clessin für durch Tauschhandel erworben.
Sieben mit übersendete Spinnwirtel entstammen
der oberen Schicht.
ln Betreff dieser ßreitewinner Scherben con-
statirt Klopflcisch zunächst die ITcbercin-
stimmnng der roheren Scherhenart aus der unteren
Ilöhlenschicht mit jenen auch in Thüringen häutig
verkommenden Thonscherben mit dem sogenannten
*) Hierzu kam neuerdings auch ein grösserer Kalk-
stein, der durch Fenereinwirkung härter und röther
gebrannt ist.
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„Tapfen-Ornament ,tt das seine Verbreitung beson-
ders in Süd-Enropa (Spanien, Ober-Italien, Schweiz,
Süddeut selilaml. Ungarn) hat, in Nord-Kuropa je-
doch seltener wird. Seine Haupt Verbreitung deckt
sich, wie es scheint, für Deutschland so ziemlich
mit der Karte, welche Virchow nnf der Anthro-
pologen Versammlung zu Jena über die Verbreitung
der dunkleren Kasse in Deutschland vorlegte. Dieses
Ornament beginnt in den ältesten /eiten, in der
sogenannten „Steinzeit“ und reicht auch iu die
jüngeren Perioden, iu denen mau längst Bronze
und Eisen kannte, herauf. In ihm scheint die
Kulturstufe einer rohen Urbevölkerung Süd- und
Mittel- Europa’« sich abzuspiegeln. Die feinere
Schcrbcnart aus der unteren Höhlenschicht zeigt
eine schöne, oft spiegelnde Glättung, die Thon-
masse ist ziemlich hart gebrannt und von feinerem
Koni ohne die grobe Sandbeimischung der vorigen
Art. Die Ornamente sind in den braunschwarzen
Grund ziemlich tief und scharf eingcsrlmittcn,
öfters mit weisser erdiger Farbe ausgefüllt ; sic
stellen Zickzacklinien, Zackenkränze, kränz- oder
ährenartige Bänder, auch sc hrägranteii förmig sich
kreuzende Figuren dar neben senkrechten Parallel-
strich-Gruppen and wagrechten Parallelstrich -Bän-
dern. In Thüringen kommen Anklängc au diese
Ornamentik nur ganz vereinzelt vor, z. B. in den
der vormetallischen Zeit ungehörigen Grabhügeln
zu Oldisleben und Tröbsdorf a. d. Unstrut; im
Wesentlichen ist diese Ornamentik als eine süd-
deutsche zu bezeichnen, die von den Pfahl-
bauten der Schweiz bis nach Oesterreich hinein
sich erstreckt ; wie weit sie südlich und westlich
reicht, ist dem Vortragenden unbekannt. Ob die
alten Ligurer zu ihr in Beziehung stehen, ist
erst noch festzustellen. Die mit Graphit geschwärz-
ten Scherben der oberen Ilöhlenschiclit stimmen
noch mit Scherben aus dem fränkischen Theile
Thüringens, weiter nördlich in Thüringen werden
sie seltener; auch die mittelst Stempels einge-
pressten Muster derselben kommen hei uns nur
selten vor.
Die ungarischen Scherben von Erd,
lliitvan lind Magyarad sind meist sehr hart ge-
brannt, aber von sehr grobem Typus, wenn auch
ihre rohe Ornamentik hie und da noch Nachklänge
von dem Tnpferoroament zeigt, so ist doch ihr
Ursprung ein relativ jnnger, mehr an das soge-
nannte Burgwall-Omainent erinnernd, das erst nach
den Berührungen mit den Römern auftritt.
Hr. Dr. Böhtlingk fragt, ob derartige pri-
mitive Ornamentik nicht überall ähnlich auftritt,
was der Vorredner verneint.
Ilr. Prof. Gädechem macht darauf aufmerksam
und belegt es zugleich mit Beispielen aus den vor-
liegenden Breitewinuer Ornamenten, wie zu den
einfachsten ornamentalen Motiven allmählich weitere
einfache Motive hinzutreten und jene dadurch
reicher gestalten, bis sich zuletzt auf diesem Wege
Aehnlichkeiten mit Naturgegenständen: Vegetabilieu
und dergl. bilden. Bei den Griechen, führt er aus,
komme dann das volle Bewusstsein hinzu, hier die
Natur selbst nachzuahmen, aber der Grieche ver-
edelt, verschönt die Natur selbst noch.
Hr. Prof. Pr eye r bezweifelt, ob die weisse Farbe
iu den vorliegenden Ornamenten absichtlich auf-
getragen sei.
Hr. Dr. K. Martin weist darauf hin, dass bei
wilden, niedrig stehenden Völkern man sich ge-
wohnheitstnässig innerhalb der wenigen hergebrach-
ten Muster bewege, und dass so das Typische
vieler Ornamente bei einzelnen Völkern sich erkläre.
Zusammenstellung der in Würtemberg
vorkommenden Schädelformen.
. Von Obermedicinal • Rath l.»r. H. v. Holder.
\\ ürtemberjfiftche imturwinacnsciiaftliche J Ahresbefte,
Jahrgang XXXII, llrft 111, p. 8Ö9.
Die vorliegende Arbeit gehört zu den hervor-
ragenden Leistungen, welche die craniologische
Forschung in den letzten Jahren aufzuweisen hat.
In knapper Form giebt uns llöldcr die Resultate
seiner langjährigen sieh auf etwa lOUl) Schädel
erstreckenden Forschungen und seiner historischen
Studien. Im Gegensatz zu manchen neueren Schrift-
steilem hält er auch in der Anthropologie fest an
der Unabänderlichkeit der organischen Form, und
sichert sich damit die Basis, auf der er sein cranio-
loglsches System errichtet. Er läugnet die Ab-
änderlichkeit der Grundform des Schädels durch
Einflüsse der Kultur und sonstiger äusserer Ein-
wirkungen, und sieht iu der zahllosen Mannigfaltig-
keit der heutigen Kopfformen eine Mischung ur-
sprünglich gesonderter Typen. In der genauou
Analyse dieser Mischformen liegt der Schwer-
punkt der Arbeit . N ieht weniger als 41» s e I b s t ä ndi g e
Formenreihen ergeben sich ihm aus der Mischung
von 3 Haupttypen, und wir erhalten damit ein
Schema, in dem sich jede Kopfform au ihrem Orte
unterbringen lässt. Die Zusammenstellung der
historischen Thatsachen, welche als ein sehr dankens-
werther Anfang einer ethnologischen Behandlung
der Geschichte begrünst werden muss, beweist, über-
zeugend, dass die heutige Bevölkerung speziell Süd-
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deutschlands der Mischling der verschiedensten
Völkerstämme ihren Ursprung verdankt, und dass
daher das Vorhandensein vielfacher Misehfonnen
einfach eine nothwendige Consequenz der Landes-
geschichte ist.
Ob aber die von Hölder aufgcstelltcn drei
Gnindtypen wirklich genau den ihnen zugeschriebenen
ethnologischen Werth besitzen, dürfte vorderhand als
zweifelhaft bezeichnet werden. Der exquisite Rund-
kopf ist nach H öl der der tnranische (mongo-
lische) Typus und die breit -eiförmige Form der
sarmatische. Dass die Benennung nicht in jedem
Falle richtig ist, ergiebt sich schon daraus, dass
z. B. auch der Röracrschftdel, der in alten Gräbern
in Würtemberg vielfach vorkomint, innerhalb dieser
beiden Formen fällt und nach Hölder's Nomen*
clatur etwa Sarmato-Turane genannt werden müsste.
Auf festeren Füssen steht jedenfalls der dritte auf-
gestellte Haupttypus, der germanische, welcher
sich durch die so auffallend gleichförmigen Befunde
der Reihengräber jedenfalls als eine gute Art im
zoologischen Sinne erweist. Wenn es auch echt
germanische Schädel giebt, welche nicht dem Reihen*
gräbertypus angehören, sondern sich der brachy-
cephaien Form nähern, wie Virchow gerade von
dem ältesten germanischen Stamme, den Friesen,
anzunehmen geneigt ist, so würde sich freilich auch
die Bezeichnung germanisch als ungenügend er-
weisen.
Der Werth der verschiedenen Formenreihen
wird aber durch Aenderung ihrer Benennung nicht
alterirt. llölder hat vielmehr durch Aufstellung
derselben den einzigen Weg betreten, der aus dem
Labyrinthe der Formverschiedenheit herausführen
und uns zur Beherrschung des craniologischen
Materials bringen kann. G .
Kleinere Mittheilungen.
Antiquarische Funde bei tiundelKheim.
Die Ausgrabung von Probelöchern für den bevor-
stehenden Eisenbahnhau im Neckarthal von Jagst»
feld über Gundelsheiin gab Anlass zu antiquarischen
Fundcu. Das fragliche Probeloch wurde im Spät-
jahr 1875 links von der Strasse von Offenau nach
Gundelsheiin auf der Markung des letzteren Städt-
chens in den Sandäckern, in der Nähe des
Kirchhofs, geöffnet. Das Probeloch zeigte, dass
über einer Kieslage der gute Ackerboden in einer
Höhe von l1# bis zwei Fuss sich erhebt. Un-
mittelbar Über der Kiesluge fanden sich Scherben
vor, welche wenigstens theilweise noch zusammen-
gesetzt werden können lind die nachbeschriebenen
Ge fasse darst eilen:
1) Schüsselartige Schalen von tuigeschlemmtem
Lehm, untermischt mit dem Sand, wie er sich in
der Gegend vorfindet; von der Dicke eines kleinen
Fingers, gut gebrannt, aussen schwarz, und von
der Grösse einer gebauchten Suppenschüssel. Auf
der Aussenseite sind geradlinige rohe Eindrücke
und Striche sichtbar. 2) Eine kleine platte Schale
mit niederem Rami, sie hat einen Durchmesser
von 8 cm. 3) Eine offene Urne, oben glatt, in
der Grösse eines Blumentoples. 4) Ein grösseres
weit ausgebauchtes Gcfäss von feinerer Thonmasse.
6) Ein etwas kleineres Gefäss auf der äusseren
Ausbauchung mit Verzierung, bestehend aus 2 gleich-
laufenden Strichen, die offenbar mit einer Form
eingedruckt worden sind, und damit gleichlaufenden
auf einer kleinen Kante gemachten nagelartigeu
Eindrücken. G) Ein grösseres urnenartiges Gefäss
mit auswärts gebogenem Rand, zierlich aus feinem
Thon gefertigt. Aussen auf einer Kaute der Aus-
bauchung sind punktirte Eindrücke und sodann
2 gleichlaufende Striche, offenbar mit einer Form
eingedrückt, ähnlich wie bei dem vorbeschriebenen
Gefäss. Bemerkt wird, dass die. von 2 bis 6 be-
schriebenen Gefässe sämmtlich von feiner ge-
schlemmter Thonmasse gefertigt sind, wesentlich
verschieden von derjenigen groben Masse der
Gefässe 1.
Unter den Gefässseherben fanden sich kleinere
Stücke von Knochen vor.
Von besonderer Wichtigkeit sind dann aber
noch die weiter dabei gefundenen Stücke von Metall,
nämlich : 1) Ein eiserner Nagel mit ungleichem Kopf
in der Länge von 6 rm. 2) Eine Bronzenadel in
der Länge von 10 cm. mit einem erbsengrossen
Kopf, nebst noch einigen theilweise stärkeren Stücken
mehrerer solcher Bronzenadeln. 3) Ein kleiner
Bronzering, gerade so gross, dass ein Zehnpfennig*
stück hineingelegt werden kann und die Hälfte eines
zerbrochenen Ringes von gleicher Grösse. 4) Ein
Bronzestürk von einer kleineren zerbrochenen Hafte
(fibula). 5) Ein Armring von Bronze mit einer Licht-
weite von 7 cm.; in der Milte hat er die Dicke
eines starken Gänsekiels, während die beideu Enden,
die uicht ganz zusainmengreifen, nur noch die Stärke
eines dicken Stiftes haben. Von einem weitereu gleich
grossen nnd dicken bronzenen Armring fehlt das
abgebrochene Stück.
Uebergeliend zur Reurtheilung dieser Fund*
stücke, so ist daran zu erinnern, dass in südöstlicher
Rii-htung von Gundelsheiin an der von da nach
Obergriesheim führenden Fahrstrasse auf dem Sand*
r
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Imekel sieh ein weitausgedohntes von dieser Strasse
durchschnittenes Gräberfeld (Rcibengräbor)
befinde!, welches in der Zeitschrift des Instor.
Vereins für württ. Franken 1804 S. 479 und l«Gf>
S. 11« von mir näher beschrieben worden ist. Oie
Gräber sind aus der fränkischen Periode, sie
reihen sich, mit Kalksteinen ausgemauert und mit
Steinplatten überlegt, aneinander; als Funde sind
dort zu verzeichnen: Waffen von Eisen, Thonperlen,
Stücke von thönernen Gefässen u. dergl. Die Sand-
Acker, in welchen die oben beschriebenen Funde
gemacht worden sind, liegen nicht gar weit von dem
Gräberfeld im Sandhuckel. in südlicher Richtung
von Gundelslieiin, durch den Lohgruben davon ge-
trennt. Die Funde in den Sandftekcrn stammen
ohne Zweifel aus Älterer Zeit; von einer Aus-
mauerung, wie bei den Reihengrflbern. war nichts
vorzufinden ; die Armringe aus Bronze und die Gefäss-
stA^ke weisen auf ein höheres Alter hin, wobei ins-
besondere zu bemerken ist, dass die einfache Orna-
mentik, wie sie bei den beschriebenen Go fassen
vorkumint, schon in früher Zeit begonnen hat. Die
Funde gehören wohl einer der vielen germanischen
Grabstätten au, die in dieser Gegend und
namentlich auf den über dem Neckarthal sich er-
hebenden Anhöhen schon ausgegraben worden sind
und von welchen im Laufe der Zeiten wohl noch
manche gefunden werden mögen.
In südöstlicher Richtung, nicht gar weit von
den Sandäckern entfernt, am oberen Theile des
Lohgrabens, liegt, was hier noch Erwähnung verdient,
ein Ackergewünde, Maueräcker benannt, welche
Bezeichnung in der weiteren Umgegend gewöhnlich
auf das Vorhandensein einer römischen Niederlassung
hinweist. Unterstützend ist der Umstand, dass nicht
weit davon auf der Höhe eine Römerstrasse in der
Richtung von Wimpfen nach Heckarburken (sogen.
Daliauerstrasse) hinzieht. Uebrigens sind Funde,
die eine römische Niederlassung sicher bestätigen
würden, noch nicht bekannt geworden.
W. Ganzhorn.
AUerthumsfniido in Sachsen.
Urnenfund. Auf einem, neben dem fiskalischen
Weinberge in der Lössnitz bei Kötzschenbroda ge-
legenen Weinbejge ist man vor mehreren Monaten
beim Bearbeiten desselben auf eine heidnische
BegräbnissstAtte mit GrabgefAssen gestossen, von
denen 3 Stück, darunter eine sehr grosse, ziemlich
erhalten, vor dem gewöhnlichen Zertrümmern durch
die Arbeiter, gerettet worden sind. Der Besitzer,
Mitglied de« Dresdner Geschichtsvereins, hat die-
selben dem Vereine znm Geschenk gemacht und
will bei geeigneter Jahreszeit weiter forschen
lassen. Die geschenkten 3 Urnen sind in mehr-
facher Beziehung von Interresse, weil sie mehr
Kunstfertigkeit, als gewöhnlich au solchen Gefassen
walir/unelnnen ist, verrathen.
(Saxonia 1877 No. 7 S. 71.)
t Karl Ernst von Baer.
Am 28. November 1876 verschied in Dorpat
in seinem 85. Lebensjahre der herühmte Gelehrte
Karl Ernst von Baer, der Mitbegründer der
neueren anthropologischen Forschung. Mit seinem
Freunde Rud. Wagner lud er 1861 mehrere
Anthropologen, n. A. Vrolik aus Amsterdam,
Lucae aus Frankfurt. Bergmann ans Rostock,
Weber aus Leipzig und die Anatomen der Georgia
Augusta zu einer Berathnng nach Göttingen ein.
Es hatte sieh ihm, den das bunte Völkergemisrh
des rassischen Reiches zum Stadium der typischen
Kopfformen der Menschenrassen angeregt hatte, die
Ueberzeugung au fged rängt, dass vor Allem eine
Einigung über eine genaue Messungsmethode
notli thue. Die Gesichtspunkte, welche damals als
maassgebend aufgestellt wurden, hielt die anthro-
pologische .Forschung in Deutschland sich weiter
entwickelnd fest, und so liegt schon in dieser That
Baer ’s Grund genug, das Andenken an das einzige
Ehrenmitglied der deutschen anthropologischen Ge-
sellschaft hoch zu halten. Erinnern wir uns aber
ferner, dass er als Mitarbeiter des Archives für An-
thropologie, des Organes der Gesellschaft, mit uns auf
das innigste verknüpft war: dass er für die Pflege
und Ausbreitung nicht nur derjenigen Wissenschaft,
die in diesen Blättern vertreten wird, sondern für
die Pflege und Ausbreitung der Naturwissenschaften
überhaupt, und für die Vertiefung ihres Studiums
Bahn gebrochen ; dass seine embryologischen
Forschungen für die Lehre vom Leben und von
der Entwicklung des thierischen Körpers epoche-
machend geworden; dass sein Name in den Annalen
der Wisseuschalt unter der Kcihe jener seltenen
Koryphäen glänzt, welche die Universitas literaruni
gleichsam persönlich repräsentiren : so erscheint es
als' eine Pflicht, „Karl Ernst v. Baer“, wenn
anch verspätet an dieser Stelle ein kleines Denkmal
zu setzen. Wer das breite Wissen dieses univer-
sellen Geistes kennen lernen will, lese die „ Reden
und Aufsätze vermischten Inhalts4*, oder „die
historischen Fragen, mit Hilfe der Naturwissenschaft
beantwortet4*, welche hei einem gediegenen Inhalt
in eine äusserst anmuthige, wahrhaft klassische
Form gegossen sind. Kollmann.
Schluss der Kedaction am 6. Mai.
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^orresponbcng-^Sfaif
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R e d i g i r t
von
Professor Kollmann iu München,
«?iwr»U*creli» der Geaellechftft.
Erscheint jeden Monat
Nro. 6. M(\ nch cn. Druck von R. Olden hourg. Juni 1877.
Ein angeblicher Fall von Hybridität
beim Menschen.
Von Professor Dr Th. von Bisch off.*)
Bei dem hohen Interesse, welches die Frage
nach der Monogenie oder Polygenie des Menschen-
geschlechtes besitzt, und den fast täglich grösser
werdenden Schwierigkeiten einer allseitig begrün-
deten Beantwortung derselben, halte ich cs für
zwerkmIUsig. einen mir gewissermassen zufällig
bekannt gewordenen angeblichen Fall von Hybridität
einer bestimmten Kreuzungsstufe zwischen Euro-
päern und Negern bekannt zu machen, von der ich
mich bisher niemals etwas gehört oder gelesen zu
haben erinnere.
Als ich im vergangenen Sommer 1876 in meinen
Vorlesungen über Zeugung und Entwic klung über
Bastardzeugung gehandelt und dabei erwähnt hatte,
dass inan bei dem jetzigen Stande der Untersuchung
annehmen zu können glaube, dass alle Menschen-
arten und Rassen unter einander fruchtbar seien
und eine unbedingt fruchtbare Nachkommenschaft
erzeugten, theilten mir zwei meiner Herren Zuhörer
aus den Südstaaten von Nordamerika mit, dass
Letzteres doch nach den bei ihnen gemachten und
bekannten Erfahrungen nicht der Fall sei.
Die Herren Mac Ko wen und Hamilton
Bo wie haben seit mehreren Jahren bei uns Medicin
studirt, Ersterer bereits gesetzten Alters, hat sehr
Heissig gearbeitet, die bei nji$ vorgeschriebenen
*) Au» einem Vorträge In dem anthropologischen
Vereine an Miincheu den Ü7. Ap il 1877.
Prüfungen ehrenvoll bestanden, promovirt und ist,
so viel ich gehört habe, in Rom jetzt praktischer
Arzt. Herr Bowie ist noch ein jüngerer Mann, besitzt
aber gleichfalls einen regen Eifer für das Studium
der Medicin.
Von Beiden erfuhr ich nun, dass ein so-
genannter Octoroon sowohl mit Weissen als
Negern und Mulatten unfruchtbar sei.
Ein Octoroon ist das dritte Glied, die dritte
Generation der Verbindung zwischen einer Negerin
und einem Weissen. Die erste Generation einer
solchen Verbindung ist bekanntlich ein Mulatte,
also halb weisses, halb schwarzes Blut. Der Nach-
komme einer Mulattin und eines Weissen ist ein
Qundroon, also '/« weisse§ und schwarzes Blut.
Der Nachkomme einer Quadroon und eines Weissen
ist nun ein Octoroon, also V» weisses und '/»
schwarzes Blut.
Herr Dr. Mac Ko wen theilte mir nun mit,
ein solcher Octoroon habe immer eiue Haut- und
Ilaar - Farbe wie ein Italiener oder Spanier,
und wenn Vater, Grossvater und Urgrossvater
blond gewesen, so komme es sogar vor, dass der
Octeroon rothes Haar habe. Die Octoroon seien
meistens von zarter und schwacher Constitution
und Gesundheit. Während einer Cholera- oder
gelben Fieber -Epidemie würden sie leicht von
diesen Krankheiten ergriffen und unterlägen den-
selben fast ohne Ausnahme. Sie sterben meistens
jung und Dr. Mae Ko wen sagt, er erinnere sich nie,
einen alten männlichen Octoroon gesehen zu haben.
Uebrigens seien die weiblichen Octoroon meistens
ganz hübsch, ihre Geschlechtsorgane und Brüste
gut entwickelt, ja Herr Dr. Mac Kowen behauptet
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sogar. dass sie regelmässig menstruirt seien. Allein
sie seien immer unfruchtbar, sowohl mit einem
Weissen, als mit einem Schwarzen und Niemand
kenne einen Nachkommen von einer Octoroon, daher
denn auch mit ihnen die Nachkommenschaft von
Weissen und Negern auf höre. Die weiblichen
Octoroon seien wegen ihrer Unfruchtbarkeit als
Maitressen sehr beliebt, und hätten zur /eit der
Sklaverei einen sehr hohen Preis gehabt. Audi ein
mftnnliehorOctoroon erzeuge weder mit einer Weissen
noch mit einer Vollblut-Negerin Kinder. Die meisten
dieser Angaben wurden mir auch von Herrn Ho wie
bestätigt, obgleich seine Erfahrungen nicht in allen
»Stärken so weit reichten.
Ich bin nun weit davon entfernt, die Sache
damit für ab- und ausgemacht zu halten. Ich
habe mich zunächst bemüht, in alten mir zugäng-
lichen literarischen Hilfsmitteln eine Erwähnung,
eine Hestätiguug oder Bestreitung und Widerlegung
dersellien zu finden. Allein vergeblich. Im All-
gemeinen slösst man immer nur auf die Angabe,
dass wenn sich eine Mischrasse fortwährend mit
ihrer Stammrasse wieder vermische, so kehre die
Frucht allmälig wieder zu der Stammrasse zurück.
Auch von dem Octoroon wird angegeben (S. z. H.
H 1 um cn 1) ach : De generis humani varietate na-
tiva ]). 147), dass man denselben von einem rein
Weissen kaum unterscheiden könne, sowohl was die
Farbe der Haut, als Farbe und Beschaffenheit der
Haare beträfe; doch wird dieses von Anderen be-
stritten. Soweit aber schien mir aus diesem Studium
hervorzugehen, dass Niemand eine Generation von
Weissen und Negern über die Octoroon hinaus
bestimmt kennt.
Es scheint mir nun, dass zunächst die That-
sache Reiter festgestellt werden muss, und dazu
möchte ich gerne durch diese Mittheilung die Ver-
anlassung geben, /war, ich habe keinen Grund
an ihrer Richtigkeit und Wahrheit zu zweifeln, da
sie mir unter ganz unverfänglichen Umständen, ohne
alle Nebenabsicht, zufällig, aus rein wissenschaflichem
Interesse mitgctheilt wurde. Soll aber die Thatsache
weiter erforscht werden, so dürfte es wahrscheinlich
die höchste Zeit dazu sein. Denn wie mir die Herren
Mac Kowen und Bowie mittheilten, kamen und
kommen diese Fälle von Octoroon mit Zuverlässig-
keit nur in alten Familien von Sklavenhaltern vor,
wo sich die Generationen schon seit mehr als hundert
Jahren rein erhalten haben. Sowie die Mulatten
dem freien Verkehr unterworfen sind, so hört
natürlich die Reinerhaltung des Stammbaumes auf;
nur wo sie und ihre Nachkommen Familienbesitz
sind und waren, war die Vermischung mit anderen
Elementen verhütet und unmöglich zu machen.
Wenn dann die Thatsache feststeht, wird es sieb
um deren nähere Erörterung und Kritik handeln.
Es würde vor Allem im höchsten Grade wünschens-
wert h sein, die Genitalien solcher Octoroon, sowohl
männlicher als besonders weiblicher genau anato-
misch zu untersuchen, um zu ermitteln, ob an den-
selben. oder ihren Produkten, Saainen und Ei,
irgend eine histologische Abweichung zu beob-
achten ist.
In Beziehung auf eine sogenannte Erklärung
der Thatsache, würde es wahrscheinlich nicht an
Solchen fehlen, welche dieselbe als eine Folge zu
strenger Inzucht aufzufassen geneigt wären,
weil, wie gesagt, diese Fälle von Octoroon meistens
nur bei Isoliruug in einer bestimmten Familie Vor-
kommen. Ich muss indessen bemerken, dass meiner
Ansicht nach dadurch nur ein Wort an die Stelle
der einfachen Thatsache gestellt sein würde; denn
wieso ? und wodurch ? fortgesetzte Inzucht zur
Unfruchtbarkeit führt und führen soll, hat Niemand
bisher nachzuweisen vermocht. Wenn fortgesetzte
und zu strenge Inzucht wirklich zur Unfruchtbarkeit
führt, so genügt es meiner Ansicht nach nicht,
irgend einem mysteriösen Umstande die Ursache
zuzuschreiben, sondern derselbe muss näher narh-
go wiesen und aufgedeckt werden. Darin, dass dieses
meistens nicht geschehen ist und nicht geschieht,
liegt, wie mir scheint, zunächst der Grund, wes-
halb über die Folgen fortgesetzter Inzucht die
Ansichten und Behauptungen so verschieden sind.
In früheren Zeiten wusste man bei der Thierzucht
von den nachtheiligen Folgen fortgesetzter Inzucht
nichts. Man nahm allerdings Kreuzungen ver-
schiedener Rassen gerne vor, aber nur um ge-
wisse gewünschte Eigenschaften der Nachkommen,
sogenannte Veredelungen, in irgend einer Hinsieht
zu erzielen. Man richtete sich in der Auswahl der
Thiere zur Zucht nur nach der Güte der Individuen,
ohne sich um ihre Verwandtschaft zu kümmern.
Erst B uf fon lehrte, dass Paarung verwandter Thiere
die Art verschlechtere, ohne einen Grand dafür
angeben zu können, daher denn auch viele Thier-
züchtor, Blakwell, Thaer, Fowler, Paget,
Kirth, Betland, Hofacker u. A. behaupten,
durch Inzucht die tadellosesten Arten erzogen zu
haben. Andere behaupten das Uegenthcil: auch
Darwin hält nahe Inzucht für schädlich und nament-
lich für zur Unfruchtbarkeit führend, „weil beide
„Keime schliesslich fast dieselbe Constitution an-
„nehmen und desshalh die zur Einwirkung aufein-
ander nöthigen Reize fehlen*. Neuerdings sagt
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Darwin in seiner Schrift: „Die Wirkungen der
Kreuz- und Selbst-Befruchtung im Pflanzenreiche“
pag. 24: „Hermaphrodit e Blüten tragende Pflanzen
„können in noch näherer Inzucht fortgepflanzt wer-
den, als es mit doppeltgeschlechtlichen Thieren
„der Fall ist, und sind daher sehr geeignet, auf
„die Jfatur und die Ausdehnung der guten Wir-
kungen einer Kreuzung und auf die üblen Wirkungen
„naher Inzucht oder der Selbstbefruchtung Licht zu
„werfen. Der bedeutungsvollste Schluss, zu dem ich
„gelangt bin, ist der, dass der blosse Akt der
„Kreuzung (d. h. der Befruchtung einer Blüte
„mit dem Pollen einer verschiedenen Pflanze eiuer
„und derselben Species) an und für sich nicht imt
„thut. Das Ganze hängt davon ab. dass die Indi-
viduen, welche gekreuzt werden, unbedeutend in
„ihrer Constitution von einander verschieden sind,
„und zwar in Folge davon, dass ihre Vorfahren
„mehrere Generationen hindurch unbedeutend ver-
schiedenen Bedingungen, oder was wir in unserer
„Unwissenheit „spotanen Abänderungen** nennen,
„ausgesetzt waren.“ (8. auch pag. 425.)
Ich bin nicht im Stande, in diesen Aussprüchen
Darwins eine Aufklärung darüber zu finden, wes-
halb ein gewisser Grad von Verschiedenheit der sich
paarenden Individuen für die Fortpflanzung vorthcil-
haft, eine zu grosse Uebereinstimmmig in ihren Eigen-
schaften nacht heilig sein soll. Man unterscheidet,
wie mir scheint, hei dieser Frage der Inzucht und
bei der sich daran anschliessenden, der Yerwandten-
Heiraton unter den Menschen, meistens nicht ge-
hörig die Bedingungen, unter welchen diese Verbin-
dungen erfolgen und erfolgen können. Sind beide
Zeugenden vollkommen normal und von gesunder
i frganisatiou. namentlich auch in Beziehung auf ihre
Produktionsorgane, so ist unzweifelhaft von physischer
Seite gar kein Grund vorhanden, weshalb ihre Ver-
mischung nachtheilig und namentlich zur Unfrucht-
barkeit führen sollte. Im Gegentheil, ihre guten
normalen Eigenschaften werden sich vererben und
die Früchte wieder normal und gesund sein. Be-
kanntlich vererben sich aber auch anormale und
ungesunde, ja geradezu pathologische Organisations-
Eigenschaften der /engenden. Die nnchtheiligcn
Folgen solcher abnormen Eigenschaften der Eltern
werden aber nothwendiger Weise um so lebhafter
hervortreten, wenn sie bei bei d e n Zeugenden die-
selben sind. Es tritt dann eine Sommation solcher
nachtheiligen Eigenschaften ein. Dies wird aber
gerade bei verwandten Thieren und Menschen ge-
wöhnlich und am leichtesten der Fall sein. Ganz
normale Constitutionen sind bekanntlich, zumal unter
den Menschen sehr selten, und noch seltener, dass
sic sich gerade zusamraentinden. Besitzt aber der
eine der Zeugenden diesen, der andere einen anderen
Fehler, so werden sich dieselben wenigstens nicht
snmmiren, vielleicht sogar neutralisire», und daher
ist es im Ganzen immer räthlich. nicht zn nahe
verwandte Thiere und Menschen zasammenzubringen.
Ich berühre hierbei natürlich immer nur ent-
ferntere Ursachen, welche auf die Artung der
Frucht bei der Zeugung ein wirken. Wollten wir
sie näher analysiren, so müssten wir näher auf das
Wesen der Zeugung und Befruchtung eingeben, wozu
hier nicht der Platz Ist, und auch dann würden wir
bald auf die Grenzen unserer Einsicht und Erkennt»
niss stossen, da uns die materiellen Verschieden-
heiten des Sau mens und des Eies, durch welche
normale und pathologische Eigenschaften der Eltern
vererbt werden , unbekannt sind und wahrschein-
lich noch lange Zeit unbekannt bleiben werden.
Ich könnte aber, um auf unseren Fall zurück-
ztikomineu, nur dann zu nahe Inzucht als die Ur-
sache der Unfruchtbarkeit von Octorooncn zugeben,
wenn zugleich dabei nachgewiesen oder wenigstens
angenommen wird, dass sich in «1er betreffenden
Familie erbliche Fehler, speziell in Beziehung auf
die Zeugnngsorgaue und das Zeugungsvermögen der
Zeugenden vorgefunden hätten oder vorfindeu.
Ich will indessen nicht unterlassen, auch noch auf
einige andere Umstände hinzuweisen, welche wenig-
stens in Beziehung auf die weiblichen Octoroon auf
ihre angebliche Unfruchtbarkeit von Einfluss sein
könnten. Es ist bekannt, dass Prostituirte, wenn sie
auch im Anfänge ihres Lebenswandels einmal ein Kind
gehabt haben sollten, wenn sie uueh sonst ganz ge-
sund und namentlich selbst regelmässig menstruirt
sind, doch meistens unfruchtbar sind. Wer, wie ich,
Gelegenheit gehabt hat, die Leichen vieler solcher
Unglücklichen zu untersuchen, denn sie stellen ein
bedeutendes Contingent zu «lern Material unserer
anatomischen Anstalten, der weiss, dass sehr ge-
wöhnlich, ja vielleicht meistens, «lie Ursache ihrer
Unfruchtbarkeit in Verwachsungen ihrer inneren
Zeugungsorgane gelegen ist. Die Eierstöcke und
Eileiter finden sich durch Pseudomembranen unter-
einander und mit den benachbarten Organen auf
das mannifaltigste verwachsen, und wenn daher auch
die Eierstöcke fort fahren, regelmässig zu fuuktio-
niren und zu ovuliren. so ist doch die Leitung der
Eier und des Saamens gestört und gehindert und
es kann keine Befrachtung erfolgen. Die oft wieder-
holte und übermässige Reizung der Geschlechts-
organe führt zu solchen Exsudationen und Verwach-
sungen an den inneren Geschlechtsorganen.
6*
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i
Nun erfahren wir, dass die Octoroon häufig als
Maitresscn gesucht gewesen sein sollen; freilich
angeblich weil sie unfruchtbar seien, und nicht
umgekehrt seien sie unfruchtbar, weil sie als Mai-
tressen fungirten Allein solche Verwechslungen
von Ursache und Wirkung wären immerhin denkbar.
Ks könnte also sein, dass sie wegen ausschweifen-
der Lebensweise unfruchtbar wären.
In einer neueren, die jetzigen Verhältnisse von
Nordamerika besprechenden Schrift von William
Hepworth Dixon: White Conquest; 1875.
kommt zwar direkt und bestimmt von den Octoroon
und namentlich von ihrer Unfruchtbarkeit nichts
vor. Kr sagt im Gegentheil, er habe eine Schule
besucht , iu welcher farbige Kinder unterrichtet
. wurden, welche von einem weissen Vater und
einer Qnadroon oder Octoroon! ahgestammt,
wodurch also ausgesprochen wäre , dass auch
eine Octoroon Kinder bekommen könne, allein er
sagt das nur so nebenbei; ohne diese Angabe
näher zu untersuchen. An einer anderen Stelle
aber beklagt er das Vorurtheil, welches auch
jetzt noch alle Farbigen und deren Nachkommen
in Nordamerika verfolge. Kr sagt das Schicksal
auch einer wohlerzogenen und gerne in irgend
einer rechtlichen uml sittlichen Weise ihr Leben
machen wollenden Tochter einer Quadroon, also
einer Octoroon, sei unausbleiblich das der Pro-
stitution; denn man werde sie. wenn sic auch schön
und fast weiss sei, dennoch unzweifelhaft überall
als Abkömmling einer Farbigen erkennen und ver-
folgen, sic möge anfangen was sie wolle, und es
bleibe ihr zuletzt nichts übrig, als sich der Pro>ti-
tution in die Arme zu werfen. Wäre dieses richtig,
so könnte man sagen, dass diese Octoroon aus dem-
selben Grunde unfruchtbar seien als unsere Prost i-
tuirten.
Ich bin auch darauf aufmerksam gemacht
worden, dass leider in Amerika der Gebrauch von
Abortivmittelu ein sehr allgemein utid weit ver-
breiteter ist, und auch daher die Sage herrühren
könne, dass die Octoroon unfruchtbar seien, weil sie
bei einer lockeren Lebensweise diesem Gebrauche
ebenfalls huldigten.
Ich muss indessen bemerken, dass alle diese
EinwQrfe oder Krklärungen nicht wohl passen.
Denn die mir mitgethciltc Angabe bezieht sich
ganz vorzüglich auf Octoroon, welche, wie gesagt,
gewissennassen als Familienmitglieder in alten
Familien geboren, ja so zu sagen gezüchtet worden
sind, und, wenn man die Verhältnisse recht erwägt,
auch eigentlich, nur gezüchtet werden können,
weil in dem freien Verkehr nach Ausscu sehr bald
die Reinerhaltung einer Zucht aufhört. In diesem
Familienleben war aber schwerlich die Gelegenheit
und Möglichkeit gegeben, durch solche ausschwei-
fende Lebensweise die Fruchtbarkeit der Octoroon
zu vernichten.
Herr Ilowie gerieth ausserdem, als er die
Schrift von Dixon gelesen, in grosse Entrüstung
und behauptete, entweder kenne der Autor die
namentlich in den Südstaaten herrschenden Ver-
hältnisse nicht aus eigener Beobachtung, oder er
habe sie aus Parteirücksichten falsch «largestellt.
Endlich ist bei Allein nicht zu übersehen, dass
die behauptete Unfruchtbarkeit sich nicht nur bei
weiblichen Individuen finden soll, auf welche
allein die gegebenen Erklärungsversuche etwa
passen könnten, sondei n auch bei den tu ä n u 1 i c h c n,
so dass man jedenfalls genöthigt sein würde, sich
nach anderen utnzusehen.
Das Urnenlager von Borgstedterfeld,
dessen in Xr. 1 dieses Jahrgangs gedacht ist, —
wird gegenwärtig für das Kieler Alterthumsmuseum
ausgebeutet, welches von daher bereits ca. 100 Urnen
erhalten hat. Sechs Urnen bewahrt das Reuds-
burger Gymnasium; einige andere sind in Privat-
besitz zerstreut von Aarhuns bis nach München
hinunter. Bei weitem die Mehrzahl ist allerdings
durch Wurzelfasein zersprengt oder durch den
darüber gehenden Pflug zerstört, wie auch die wohl-
erhalteuen Urnen meistens oben beschädigte Ränder
zeigen. Nach deu Mittheilungen des Herrn Schul-
lehrers Steinbock, der sich um die Entdeckung
und Untersuchung dieses Begräbnissplatzes das
grösste Verdienst erworben hat, sind bis jetzt im
Ganzen mehr als fünfhundert Thongefässe beob-
achtet, und der Vorrath ist noch lange nicht er-
schöpft. Die Urnen stehen in der Regel nicht
viel tiefer als 50 cm,, in einer Schicht schwarzer
fettiger Gartenerde, die auf dem Urboden ausge-
breitet ist; einzelne sind bis in den Urboden hinein
gegraben. Manchmal stehen mehrere dicht neben
einander, fast Rand an Rand; manchmal finden
sich Zwischenräume von ein, zwei Fuss (30 — GO cm.)
oder mehr. Nur in zwei oder drei Fällen standen
zwei Gefässe übereinander; schwerlich mit Absicht,
sondern man hatte wohl vergessen, dass der Platz
bereits besetzt war. Von den kleineren Töpfen
haben die meisten offenbar als Beigefässe gedient
und euthalteii ausser Erde höchstens eiu kleines
Grabgeschenk; andere sind wirkliche Kinderurnen,
in denen z. B. Milchzähne erkennbar Vorlagen. Die
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Thongefässe zeigen eine grosse Mannigfaltigkeit
an Gestalt, Grösse und Ornamenten; bei einigen
scheinen römische Broncegefässe als Vorbilder ge-
dient zu haben. Ganz besonders bemerkenswert)!
ist eine Urne, die in vier Feldern verschiedene mit
Stempeln eingedrückte Figuren (Mensch,
Hund oder Wolf, zwei einander gegenüber hockende
Eber, Fisch) aufweiset; sie erinnert an die Dar-
stellungen auf den berühmten Gold hörnern von
Gallehuus. In einem Topfe lag oben ein eigentüm-
lich gestalteter thönerner Deckel. Unter den Bei-
gaben ist bisher nichts von edlem Metall, und auch
kein Stück, das eine annähernd sichere Zeitbestim-
mung ermöglicht. Die übrigens erst' stellenweise
beobachtete Steinreihe („Ring kopfgrosser Fels-
stfickc“), die (Corr.-Bl. 1H77 S. 8) als Einfriedigung
des BegrAbnissplatzes gedeutet wird, kann nicht wohl
als solche gelten, da auch ausserhalb derselben
Urnen Vorkommen; doch sollen letztere nicht so
regelmflssig mit Steinen zugedeckt sein, wie die-
jenigen innerhalb des „Ringes“. Ueberliaupt stehen
die Urnen weiter hinaus weniger gedrftngt und
flacher, und wegen dieser geringeren Tiefe, bis 25
bis 90 ciu., sind die meisten heim Pflügen oder
durch sonstige Erschütterung zerbrochen.
Ursprünglich hat man das Uriienloger, so zu
sagen, angebaut an den südlichen Abhang eines
halbkugelförmigen Grabhügels, der bei weitem zum
grössten Theil auf der nördlich angrenzenden Nach-
barkoppel lag, aber schon vor circa 20 Jahren ab-
gefahren ist. Derselbe war in der Mitte eingesunken,
und unter dieser eingesunkenen Stelle fand man
einige Urnen, die aber nicht innerhalb einer Stein-
kamnier standen. Im Uebrigen ergab dieser Hügel
etwa ein halbes Fuder faust- und kopfgrosser Steine.
Die Nachbarkoppel ward damals planiil. während
diesseits des Grenzwalls (auf Hm. Lensch' Koppel)
• der äusserste Abhang des Hügels mit dem daran
gelehnten Umenlager stehen blieb. Soweit die Beob-
achtungen jetzt reichen, scheint hei der ursprüng-
lichen Anlage dieses Friedhofs folgendermaßen
verfahren zu sein: über den südlichen Fuss des
Hügels und den benachbarten Urbodet» breitete
man eine Schicht der herbcigeholtcn schwarzen
Erde, worin dann die Urnen vergraben wurden:
und auf dieselbe Weise konnte man den Bcgräb-
nissplatz nach Bedarf allmälig vergrößern.
H.
Archäologisches vom Rhein.
1. Das Gräberfeld von Alsheim.
Der westliche Abhang des Mittelrheinthales,
der schon die Gräberfelder von Selzen, Sprendlingen,
Weisseuheim a. Berg und Andere aus fränkisch-
alemannischer Zeit geliefert hat, bietet iti neuester
Zeit wieder einen nicht unbedeutenden Fund dar,
der sowohl in authro}vologischer als in archäo-
logischer Hinsicht sich würdig den früheren Todteu-
feldern anreiht.
Am Westabhange des rheinischen Hessen’», in
der Nähe des Dorfes Alsheim, zwischen Worms und
Mainz, entdeckte auf der Gewanne llahl heim An-
legen von Weinbergen Gutsbesitzer B raun ein aus-
gedehntes Leichenfeld mit gut erhaltenen Skeleten.
Das Gesicht der Leichen schaute nach Osten;
sie lagen in parallelen Reihen einige Fuss unter
dem Boden, wahrscheinlich zwischen zwei Brettern,
jeder zu HAupteu ein ovaler Stein.
Die Schädel, Arm- und Beiuknochen sind
ausgezeichnet erhalten; letztere tragen vielfach
röthliche Farbe — vom Leder?
Die Messung eines Dutzends von Schädeln ergab
für den Längenindex stark dolichocephalen ( ’harakter,
*/n haben den Index 73, die Ausnahmen gehen bis
69 herab; ein Schädel zeigt 79,4.
Von Beigaben fanden sich:
1) von Eisen: Schwert, Srramasax und Lanze,
Schildbeschläge, wie bei den Leichen
von Selzen;
2) von Bronce: Bulla, Ringe, Ketten; meist
ohne ornamentalen Schmuck;
3) von Kupfer: Kiemeuheschläge und rö-
mische Münzen aus später Kaiserzeit,
die uls Halsschmuck getragen wurden
— sie waren durchlöchert ;
4) von Tliou: Perlen und Wittel;
5) von (»las: Perlen und Becher;
6) von Elfenbein: Kämme und Kettenglieder;
7) von Stein: durchlöcherte Amulette;
8) Rundflholn aus Eisen mit Bronzescheihe,
stark zerstört, mit Steinen besetzt.
Die Beigaben und die Bestattung ist einfacher,
als bei Selzen und Sprendlingen.
Nach den römischen Resten und den fehlen-
den Urnen darf man das Todtenfeld, das einer
kriegstüchtigen, aber knlturannen Bevölkerung au-
gehört, in die niittel fränkische Zeit, etwa
Anfang des 6. Jahrhunderts, setzen.
Ausführlicher Bericht wird seiner Zeit folgen.
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2. Gräber vom Michelsberge bei Dürkheim.
Am südlichen Abhang des Michelsberges bei
Dürkheim gegenüber und östlich der Ringmauer
sticss man beim Anlegen von Weinbergmauern auf
PlattengrAhcr. die in einer Tiefe von 2 m. nach
Südosteu lagen.
Sie bestanden aus je drei mächtigen, roh be-
hauenen. über 2 m. langen Längeuplatte» und zwei
viereckigen Schlussplatten , dereu Steinmaterial
weiterher vom Abbange des Ringmauerberges her-
geholt war.
Im Innern befanden sich die Skeletreste in
schlechtem Zustande. Der Schädel des einen war
noch zusammenzusetzen und ergab einen Längcn-
index von ca. 70. Im zweiten lind dritten lirab
waren nur wenige Fragmente vom Schädel und
starke Schenkelkuochen erhalten. In allen drei
Gräbern fand sich von Beigaben nichts, als in
zweien stark oxydirte Eisenmesser, wie man sie
häutig in fränkischen Gräbern trifft.
Da man auf der Ringmauer ähnliche Messer
angetroffen , dürfte die Verbindung der Gräber vom
Michelsberge mit den Bewohnern des Walles nicht
abzuweisen sein.
Man kann diese Gräberart als Vorläuferin der
fränkisch -alemannischen Reihengrüber betrachten
und sie in Rücksicht darauf und auf die Eisenbei-
gaben, sowie auf die überlieferte Ethnographie der
Umgegend - Gau der Vaugionen — als früh-
fränkisch bezeichnen. Auffallend ist der Mangel
römischen Einflusses, der sonst hier tonangebend
erscheint; Hesse sich daraus auf den vorrömischen
Charakter der Gräber schUessen?*)
Dürkheim, Anfang April.
Dr. C. Mehlis.
Heidnische Alterthümer.
Der Garten des Schlossermeisters Spier in
Achim von ca. 6 Morgen Grösse enthält in der
Mitte grosse Sandherge, die mit Föhren bepflanzt
sind. Als vor etwa sechs Jahren zu der Vergrös-
seruiig des Bahnhofes zu Achim als Material ein
Theil der Sandberge abgefahren wurde, fand sich
in denselben eine Steinkammer von ca. 70 Fuss
Länge, 12 Fuss Breite und angeblich 15 Fuss Höhe.
*i PUtteugräber bei Aufhofen (Corresp.-Blntt 1876.
No. 3 n. 4) enthielten mit Auünahme eines beinernen
Kammes keinerlei Beigaben. Der LAngenbreiteoindex
der 5 Schädel berechnet sich im Dnrcbschnitt auf 70,5.
Nichts steht im Weg, sie wie die oben erwähnten für
vorrömitth zu halten. Anm. d. Red.
Sie war mit Sand gefüllt, nach dessen Entfernung
der Bodeu der Kammer ein Steinpflaster zeigte,
worauf Thongefässe mit gebrannten Knochen, einige
fein gearbeitete Keile von Stein und Hso mehrere
Sachen** lagen. Diese Gegenstände wurden bedauer-
licher Weise verzettelt. Die Steinkammer befand
sich am östlichen Ende des Sandberges. Später
ist weiter nach Westen hin eine kleinere gefunden
und im Decemher vorigen Jahres (nach einem an-
deren Berichte im Laufe dieses Jahres), als durch
Sturm einige Föhren umstürzten und durch Sand-
wehen tiefe Gruben entstanden, die dritte Kammer,
die von der ersteu ca. DK) Fuss entfernt lag. Sie
mass etwa 40 Fuss in der Länge, 12 Fuss in der
Breite und 15 Fuss in der Höhe; wie mitgetheilt
wird, ruhten auf 6 mächtigen, ca. 8 — 10 Fuss hohen
Trägem 3 Decksteine, und bei der Zerstörung des
Denkmals ergaben sich ca. 70 Cbm. Steine. Der
Boden der Kammer war mit geschwärzten Feld-
steinen gepflastert und mit einer 1‘ t Fuss hohen
Aschenschicht bedeckt, worin verschiedene Thon-
gefässe, Pferdeknochen, ein Steinkeil und einige
stark oxydirte, mit einer Sandkruste bedeckte, zum
Theil grossen Nägeln vergleichbare Eisenstücke
lagen. Die Urnen sind wie gewöhnlich von den
Findern zerschlagen, einige Scherben, welche ganz
neuerdings noch aufgelesen sind, zeigen vertikal lau-
fende Liniensysteme von eingedrückten Punkten und
Strichen, horizontale Zickzack- und auch Doppel-
linieu von schräg gestellten oblongen Vertiefungen.
Ein Bruchstück ohne Ornament ist mit zwei kleinen
nahe zusammeustehenden Henkeln besetzt. Diese
Scherben, ferner die erwähnten Eisenstücke, ein
kleiner, roh gekneteter Napf von ca. 2* » Zoll Weite
und 1 Zoll Höhe, ein 4 Zoll langer polirter Stein-
beil und einige PferdozAhne sind jungst an Ort und
Stelle von einem Bremer Alterthumsfreunde noch
aufgefunden. Es muss ausserordentlich beklagt
werden, dass die Entdeckung nicht sofort zu der
Kenntniss von Fachmännern gelangte, damit diese
eiue systematische Ausgrabung vornehmen und den
T hat bestand in wissenschaftlicher Weise feststellen
konnten. Schon früher, im Jahre 1847, wurden
hier bei dem nahen Bierden zwei frei liegende Stein-
denkmäler zerstört und da'* Material derselben bei
dem Bau der Eisenbahn verwendet.
Eine andere Gattung von Gräbern kam in
neuerer Zeit hei dem braunschweigischen Orte
Hohnslehen (nordöstlich von Scliöningen) zu Tage.
Die Fundstelle liegt ca. 200 Schritt nordwestlich
vom Dorfe. Es ist eine Bodenerhebung von etwa
22 Fuss, die an der Westseite von der Chaussee
nach Harbke und an der Ostseite von einer Schlucht,
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dem früheren Harbker Wege, begrenzt wird. Bei
dein Planircn dieses Terrains , um den Hohlweg
zuzuwerfen, wurde im vorigen Jahre ein Leichen-
feld entdeckt. I)er Boden ist verschieden: an der
Ostseite der Erhöhung ist er schwarz und hier
lagen die Skelete am häufigsten: dem Dorfe zu
an der Südseite besteht die sich keilförmig ver-
sdimälernrie Anhöhe aus Thon, der viel weniger
Leichen enthielt; ebenso zeigte sich diese an der
Westseite nur vereinzelt, und nach Norden zu, wo
das hohe Terrain sich verbreitert, fehlen sie ganz.
Das ganze Areal, das damals mit Skeleten besetzt
gefunden wurde, umfasst etwa ein Viertel Morgen.
Die Zahl der auf diesem vcrhÄltnissmässig kleinen
Tlatze beigesetzten Todten wird auf 470 beziffert.
Die Anordnung derselben war sehr verschieden:
im schwarzen Boden lagen sie sehr dicht, einmal
sogar zu 19 beisammen, öfter zu 2 bis 5; dann
wieder häufig vereinzelt; die Tiefe betrug gemeinig-
lich 5 Fuss, und ziemlich regelmässig war bei der
Beisetzung den Leichen die Richtung von Westen
(Kopf) nach Osten gegeben. Einige fanden sich in
einer schrägen Lage vor, so zwar, dass die Küsse
viel tiefer als der Kopf lagen, der dann nur etwa
2 Kuss hoch mit der Erde bedeckt war. ln dem
Thonboden an der Südseite betmg die Tiefe durch-
schnittlich nur 2 Fuss. hier war eine regelmässige
Beisetzung* nicht zu bemerken, sondern die Schädel
^ fanden sich nach allen Himmelsgegenden gerichtet.
Auch bezüglich dieser Begräbnisstätte bei Hohns-
leben ist es sehr zu bedauern, dass sie nicht von
einem Sachverständigen wissenschaftlich untersucht
werden konnte. Jetzt ist sie, bis vielleicht auf
einen Theil an der Westseite , zerstört. Plinige
(4 Stück) der Schädel sind in kundige Hände ge-
rathen: Dr. Ne bring in Wolfenbüttel bezeichnet sie
sänimtlirh als dolichocephal mit starker Ausbildung
des Hinterhauptes, der Unterkiefer mit seinem Pro-
eess. eondyloid. auffällig stark nach hinten ausge-
zogen; acht andere Schädel hat ein Arzt in SchÖ-
ningen erhalten. Von sonstigen Fundgegenständen
werden erwähnt: ein Knochenkamm, von der Art,
wie er in Reiliengrähem häufig gefunden wird ; ein
Broncestüek, welches in seiner fragmentarischen
Form nicht näher zu bestimmen ist; dann 12 oder
13 eiserne Messer, die gewöhnlichste Beigabe
in Umenfriedhöfen und Reiliengrähem; ein zer-
brochener Ring von Elfenbein, im Durchmesser „von
der Stärke eines Arms*; schliesslich einige Thon-
gefässe, die zerbrochen wurden, und zerstreute
Scherben von solchen. Im Allgemeinen gehört das
Leichenfeld von Hohnslehen zu den immerhin hei
uns im nordwestlichen Deutschland bisher sehr selten
beobachteten Begräbnisstätten, die wir in ganz
ähnlicher Weise bei Rosdorf in der Nähe von
Göttingen, Bohlsen in der Gegend von Uelzen und
Pohle am Deister kennen gelernt haben. Sie ver-
dieuen darum eine besondere Aufmerksamkeit.
J. H. Müller.
Kleinere Mittheilungen.
Der Lndwigsburger Grabfund.
Die Stadt Ludwigsburg lässt gegenwärtig ein neues
Wasserwerk durch Oberbaurath Dr. v. Ehmann einrichten
Das Wasser wird aus dem Riosbrunnen bei PflngMden
geholt, an dessen Rand Spuren alter Niederlassung aus
der Eisenzeit sich fanden ueben den zerschlagenen
Knochen von Ur, Elch, Bär, Hirsch, Schwein, Reh u. ». w.
Das Ilochrcservoir aber kommt auf beziehungsweise in
einen gewaltigen Grabhügel zu stehen von 6 m. Hohe
und 80 m. Durchmesser. Beim Abhebeu des Hügel* stieg«
man mit 5 m. auf regellos über einander liegende Feld-
steine von 1 — 3 Ctr. Gewicht, die aus der weiteren Um-
gebung stammen, da in nächster Nähe keine Steine sind,
unter den Steinen faud sich ein 3,5 m. im Geviert mes-
sendes Holzrahmen-Grab und in demselben eiu Skelet,
das unvollständig verbrannt war, den Kopf nach Norden
gerichtet. Zu den Füssen stand ein Houkelgefäss aus
Bronce und ein eimerartiges Gefliss aus dem gleichen
Metall. Zur Rechten des Skeletes lag eiu prachtvoll
gearbeiteter Dolch mit eiserner Kliuge, Griff und Scheide
aus Bronce; in der Schädelgegend ein 2 Finger breiter
Goldreif, iu der Armgegend ein Streifen schmäleres
Goldblech, wohl eine Spange. Letztere ist glatt, der
erstere ist mit 2 Perlstaben und zwischen beiden lineär
ornAmentirt. Lag das Skelet auf der Westseite des grossen
Grabes, so war der übrige Raum mit eiaem Pracbtwagen
erfüllt, von dem freilich nnr die aus Kupfer getriebene Be-
kleidung der Radnaben uud eines Theils der Speichen
erhalten war. Das Holz (Birnbaum und Birke) war mit
Ausnahme der Stellen, wo es in Berührung mit dem sich
bildenden Kupfcrsalz war, vollständig vergangen; die
eisernen Rrdreifc, eiserne Ketten, eine Menge eisernes
Wagenbeschläge und Wageugerüsie, waren gleichfalls vom
Rost so zerstört, dass nur die rohen Umrisse noch uotirt
werden konnten. Zerstreut lagen ferner zwischen den
4 Rädern und bald auf, btld unter ibnen Pferdeschmuck
aus getriebenem Kupferblech mit Vergoldung, verschie-
dene Ketten nus Bronce, Messereben aus Bronce, eine
AiixaM Uohlriuge u. drgl, Das Grab lag auf der früheren
Erdflncbe, und fand sich aber hei der Fuudation der
Reservoirmauern 3 m. nördlich dieses Grabes noch ein
zweites, 4 in im Quadrat haltendes, das 1,29 m. tief iu
den Boden eingelassen und gleichfalls mit grossen Feld-
steinen Ausgefüllt war. Ein Skelet fand sich hier nicht
mehr, aber Spuren von rfroueegerathen, Bernstein-Peude-
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loque», Dolchgriffe, Goldbleche, goldene Nietnägel u. drgl.,
Spuren von Asche und Kohle allenthalben, dagegen keine
Spur von Thierknochen. Es ist dies in Schwaben nun-
mehr der zweite bekannte Fall, dass 1) ein Wagen mit
der Leiche begraben wurde, 2) unter der Erdflache, auf
welcher da» Hauptgrab liegt, ein zweites Grab noch
gefunden wurde. Der andere Pall betrifft das Grab von
llundersiegen im Donauthal, wo in 'dem tieferen Grab
weibliche Skelete mit Frauenschniuck sich fanden. Die
Behandlung der Kuustgegenstüude weist nicht nach Ita-
lien oder überhaupt nach dem Süden Europas, sondern
nach dem Osten, indem die Skythengr&ber von Kertsch
am meisten Anhaltspunkte zur Vergleichung bieten.
Fraas.
Eine alemannische Begräbn issstatte bei
Welse hin geu.
An einer Kicshuldo bei Welschingeu unweit Eugen
stiessen Arbeiter auf verschiedene Gegenstände, welche
ihre Aufmerksamkeit erregten. Von einem Freunde
davon benachrichtigt, war ich sofort zur Stelle. Leider
war gar manches schöne Stück angeschliffen und ange-
feilt und aus der Sucht, Gold zu linden, werthlos gemacht.
Eine hübsche Sammlung von Schmuck' und Waffenresten
unserer Vorfahren habe ich aber immerhin noch von
den verschiedenen Arbeitern zusammengebracht und für
das städtische Rnsgarien-Museum envorbeu.
Eine erkleckliche Anzahl buntfarbiger Glas- und
Thotipcrleu der verschiedensten Grösse, Zeichnung und
Form von altera Halsschmuck, den bekannten römischen
gleich, bewog zum Weitersuchen und liess auf römische
Funde scbliessen. Die Untersuchung der Übrigen Funde
zeigte aber gar bald ihre heimatliche Art. Da sind
bronceue Nadeln mit den ringförmigen und schuurge-
windähnlichen Ornamenten; eine silberne Schnalle mit
alter Einail-Zickznck-Zeichnung, ein goldener, geradgu-
furcliter Ring, Kleiderschlieseen aus ßrouce mit Gravi-
rung alt alemannischer Art; ein Feuerstein mit darauf
gewachsenen Grünspan- und Eisenrost-Schichten; bron-
eene Ringe und Ringelten. Schnallen; zwei Broncemünzen
mit Löchern zum Anhängen, wohl römischen Gepräges,
aber zur Unkenntlichkeit angeschliffen ; dünn verrostete
eiserne Schildbuckel mit broncenen Nägeln; Messer,
Pfeile, Schnallen, Kollerschliessen und Henkel mit Bronce-
haften ; verrostetes Eisenwerk verschiedener Art. Einer
der Skramasaxe (zweibändige Messer) ist meterlang, die
anderen haben die Länge eines halben Meters. Merk-
würdig ist der Rest einer Speerstange, deren Speereisen
oben zwei Widerbaken trägt, mit der Dülle die Länge
eines Meters misst und unten mit Kisendraht schnnrge-
windartig am eisenfesten Holze haftet. Die übrigen
Speereisen sind gewöhnlicher alemannischer Form. Dabei
fanden sich Topfscberben mit dem rohesten Ornament
und roh in der Masse; Speereisen und Topfscherben, wie
wir sie aus dem ausgobaggerten Schlamme unseres See-
ufers graben. Mehrere Stücke sind mir zur Zeit noch
unerklärlich. Die Knochen zwischen dem Kiese sollen
alle vollständig an der Luft zerbröckelt sein. Der einzige
erhaltene Menschenschädel ist dolichocephal.
Im Walde nahe bei Welschiugen finden sich noch
mehrere Erdhfigel, wie wir solche im Walde bei Hegne
unweit Konstanz haben. Einen hat Herr Bürgermeister
Scheu, dem ich neben Herrn Müller znm „Büren*
das freundliche Geleite verdanke, angegraben. Darin
fanden sich nur verrostete Waffenreste. Speereisendüllen,
Pferdgebissstangen und runde Harnisehscheiben neben
Fragmenten von einem grossen gelbthünemen Gefäss.
Das Eisen ist alles zur Unkenntlichkeit zusammengorostet.
Ob wir es bei dem erst erwähnten Begräbmssfnnde
auch mit dem Reste eines alemannischen Hügelgrabes
zu thun haben, ist schwer ru sagen, da der an der Strasse
gelegene Kiesrain schon seit langer Zeit allerorts ange-
backt und ungeschaufelt ist und koinerlei Schluss mehr
auf seine ursprüngliche Form gewährt.
Noch erwähnen muss ich, als nicht allerinänniglich
bekannt, dass Welsehingen einen altmerkwürdigen Kirch-
thurm hat, um den sich ein noch älteres Mauerwerk
zieht. Der Kirchtburm trägt in seinen Ecksteinen ein-
gesetzte Skulpturen aus grauer Vorzeit, gegen Osten
das vorstehende Bild eines Menschenkopfes, daneben die
Bilder von Sonue, Mond und Stern; auf der entgegen-
gesetzten Kckseite des Thurmes ist ein verstümmelter
Reiter und daneben das Bild eines Drachen, das ja bei
den Zeichen unserer Voreltern dann und wann vorkömmt
und bis in das Bild des heiligen Drachen iodters späterer
christlicher Zeit hineinspielt. Oben im Thunno sind
gekuppelte romanische Fensteröffnungen mit schwerem
Würfelkapitäl, darüber Spitzbogenpaare.
Ob wiederum die alte Kirchenmauer und die einge-
mauerten Steinbilder unserer Voreltern aus alter, alter
Zeit mit den Funden der Begräbnisstätten im Zusam-
menhänge stehen, lässt sich nur leise vormuthen.
Konstanz, 17 Febr. Ludwig Lelner.
Urnenfund in Delmitz bei Wurzen.
Aus Wurzen berichtet das dortige Wochenblatt:
Vorige Woche wurden bei dem Babub&u in der Nähe
von Dehnitz eine Anzahl Urnen aufgefunden , von
denen einige noch ziemlich unversehrt geblieben waren.
Sie sind in bekannter, einfachster Form uns grob-
körnigem Thon gebrannt und mit Erde und Asche un-
gefüllt, doch lassen sich noch recht deutlich calcinirte
Knochcn Ueberreste, Stücken von Kohle und Kupfer (?)
unterscheiden. (Saxonia 1877, Nr. 7, S. 71.)
Schluss der Redaction am S. Juni.
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gorresponöettj-^faft
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R e d i g j r t
von
Professor Ko 11 mann in München,
GeamlatrrrUr &*r Gntrllachaft.
Erscheint jeden Monat
Nro. 7. München, Druck von H. Qldenbourg. Juli 1877.
Heber die Unfruchtbarkeit der Octoroon.
Von Prof. Dr. Th. von Blschoff.
Mein Wunsch über die von mir zur Sprache
gebrachte angebliche Unfruchtbarkeit der Octoroon
weitere Auskunft und Belehrung zu erhalten, hat
früher Erfüllung gefunden, als ich gedacht habe.
Mein Schwager Ilr. Heinr. Ticdemann in
Philadelphia, an den ich mich gewendet hatte, hat
die Frage Herrn Professor Jos. Leidy in Philadel-
phia, und dieser einem seiner Freunde Herrn Dr.
H. D. Schmidt, in New Orleans vorgelegt, und alle
Drei haben die Freundlichkeit gehabt, sich brieflich
über die Sache auszusprechen, und mich zur Ver-
öffentlichung ihrer Mittheilungen berechtigt.
Ich theile zuerst den Brief des Herrn Dr.
Schmidt in möglichst getreuer Uebcrsetzung mit.
Er lautet ■.
„ln Beziehung auf die Octoroon habe ich mit
einigen meiner ärztlichen Freunde sowohl in New
Orleans als einigen benachbarten Staaten gesprochen,
und ich kann Ihnen daher einige positive Nach-
richten geben. Der Volksglauben, dass die Orto-
roon unfruchtbar sind, ist ein vollständiger Irrthum,
welchem durch jeden intelligenten Mann wider-
sprochen wird. Folgendes sind die authentischen
Facta.
Der Nachkomme einer schwarzen Frau und
eines weissen Mannes ist ein Mulatte, welcher die
ursprüngliche Lebensfähigkeit (Vigor) beider Kassen
besitzt, nnd gewöhnlich ein kräftiges und gesundes
Wesen ist. Wenn aber sich ein Mulatte mit einer
Mulattin vermischt, so entartet die Nachkommen-
schaft nnd erlischt in etwa vier Generationen. Es
ist nicht selten unter den Mulatten Unfruchtbarkeit
zu Anden.
Die Frucht eines Mulattenweibes und eines
weissen Mannes ist nun ein Quadroon, "« schwarzes
und */« weisses Blut. Dieser Quadroon ist gewöhn-
lich ein zartes und häbsches Wesen, nicht so kräftig
als ein Mulatte. Meistens sind die Quadroon
zn tuberkulösen Krankheiten disponirt, und die
Weiber haben wenige Kinder. Vor dem Kriege
wurden viele derselben von reichen Weissen als
Maitressen gehalten, während Andere Prostituirte
waren. Von diesem Umstande, vermuthe ich, rührt
ilie Sage von ihrer Unfruchtbarkeit her.
Der Nachkomme eines weiblichen Quadroon
und eines weissen Mannes ist ein Octoroon, •/»
schwarzes und ’/« weisses Blut. Die weibliche
Octoroon, obgleich keineswegs steril, ist doch nie-
mals sehr fruchtbar. Ihre Nachkommenschaft ent-
artet bald und stirbt aus. Es fehlt bei dieser
Mischung sowohl an körperlicher als geistiger
Energie.
Alle meine medirinisrhen Freunde kommen in
der neuen Thatsachc überein, dass diese Mischung
zuletzt entartet und ansstirht. d. h. je weiter das
Individuum sich von seinem schwarzen oder weissen
Vorfahren entfernt, um so weniger kräftig ist es,
und nm so mehr Krankheiten unterworfen. Es
scheint, dass eine beständige Erneuerung von der
original schwarzen oder weissen Kasse nothwendig
ist. Es giebt noch andere Srhattirungen nnd
Mischungen zwischen den von mir erwähnten, welche
ich abergehe. Ich will nur noch das Eine erwähnen,
dass man unter den Quadroonen solche von tcuto-
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nischen oder nordischen Rassen Abstammende findet
fbit blauen Augen und glattem blonden llaar, mit
gebogener Nase und ohne afrikanische Zöge. Ich
kenne eine solche Familie, wo Vater und Mutter
Quadroone sind; der Mann von einem Mulattenweihe
und einem französischen Vater; die Frau von einem
Mulattenweibe und irischen Vater. Die Kinder
sind hübsch, mit blauen Augen und blondem Haar.
Aber merken sie wohl auf mein Freund, einer der
Knaben, der vier Jahre alt starb, bot durchaus
alle Charaktere seines schwarzen Vorfahren dar,
krauses Haar, platte Nase, dunkle Hautfarbe etc.
Meine eigene Meinung in dieser Angelegenheit
ist diese, dass all diese Mischungen Produkte
einer künstlichen Selektion sind, wie ich sagen
möchte, und bald erlöschen oder entarten, während
die Produkte einer natürlichen Selektion,
welche eine viel längere Zeit (Tausende von Jahren)
erfordern, sich erhalten. Dasselbe ist der Fall mit
der geistigen Kultur der Neger iu den südlichen
Staaten; sie ist rein künstlich und wird verschwinden,
sobald der Neger sich selbst überlassen bleibt.
Der grösste Missgriff, welchen die Vereinigten Staaten
je begingen, welcher eine Uebertreibung der Civili-
sation genannt werden könnte, war der, dieser
Rasse das Stimmrecht zu ertlieilen. Wir haben die
beklagenswerthcn Folgen davon schon gesehen.“
Professor L e i d y fügt Diesem in seinem Briefe
hinzu: „Ich habe der angeblichen Unfruchtbarkeit
der Octoroon nie Glauben geschenkt. Ich bin über-
zeugt. dass dieselben wegen ihres schwarzen Illutes
niemals unter den Weissen des Südens zu einer
Ehe gelangen, aber wegen ihrer Schönheit zu Mai-
tressen gesucht werden, oder Prostitnirtc werden.
Bei beiden Lebensweisen wird die Frucht, auch
wenn sic sich entwickelt, durch Abortus zerstört
werden.
Wenn die Octoroon wirklich steril waren, so
würde diese Thatsachc von Dr. Nott in Mobile
mit Begierde zur Stütze seiner Theorie der spezifisch
verschiedenen Charaktere der Menschenrassen auf-
ge griffen worden sein, ln der Thal findet sich
aber in seinem mit Gliddou herausgegebenen Werk
keine Erwähnung dieses Umstandes, welchen er
sicher gekannt haben würde, wenn er wirklich ge-
geben wäre, da er einer der angesehensten Aerzte
in Mobile war, und vor einiger Zeit auch in New
Orleans lebte.“
Diesem Allen fügt mein Schwager Dr. Tiede-
mann noch die Warnung hinzu, selbst scheinbar
wissenschaftlichen Angaben aus Nordamerika keinen
zu grossen Glauben zu schenken, da die Vorbedin-
gungen dazu unter den Aerzten und selbst den
Professoren an den sogenannten Universitäten und
Colleges fehlten. Auch er meint, dass die Anwen-
dung von Abortiv - Mitteln gewiss vorzugsweise die
Sage von der Unfruchtbarkeit der Octoroon veran-
lasst hätte.
Dieses Alles nun klingt in der That sehr ab-
weisend. Dennoch kann ich nicht sagen, dass ich
überzeugt bin.
Ich wiederhole, dass kein irgend denkbarer
Grund vorhanden war und ist, weshalb die Herren
Mac Kowen und Bo wie mich getäuscht haben
sollten. Beide wissen noch jetzt nichts davon, dass
ich ihrer Mittheilung irgend eine Folge gehen wollte
oder gegeben habe. Ihre Augabeii aber sind zu genau,
als dass sie nur auf Hörensagen oder allgemeinem
Volksglauben beruhen sollten; vielmehr ist ihre
Quelle gerade in Familien -Traditionen zu suchen,
wo der Natur der Sache nach dieselbe auch nur
allein mit Sicherheit festgestellt werden konnte
und kann.
Ich habe ferner, durch eigene Kritik geleitet,
schon auf die möeliche und* scheinbare Quelle der
Sage der Unfruchtbarkeit der Octoroon in ihrem
Lehen als Maitressen und Prostituirte oder auf die
Anwendung von Abortiv -Mitteln hingewiesen, aber
zugleich hinzugefügt, dass diese Erklärung schwer-
lich ausreiclit, zumal nicht, wenn es sich um die
Unfruchtbarkeit auch der männlichen Octoroon
handelt.
Ausserdem glaube ich mir nun aber auch noch
erlauben zu dürfen, die Mittheilung des Herrn Dr.
Schmidt einer Kritik zu unterwerfen.
So zuverlässig die positive Versicherung dieses
Herrn nämlich auch lautet, dass der Volksglaube
und die Angabe der Unfruchtbarkeit der Octoroon
ein Irrthum sei, so scheinen mir doch gerade seine
übrigen Mitthcilungcu dieselbe durchaus nicht un-
wahrscheinlich zu machen. Einen ihm positiv
bekannten Fall der fruchtbaren Vermischung einer
weiblichen Octoroon mit einem Weissen oder Neger,
oder Mulatten und ebensowenig der Nachkommen-
schaft eines männlichen Octoroon führt er nicht
an; er muRs einen solchen nicht kennen, da er
denselben sonst sicher als entscheidend miteetheilt
haben würde. Alles was er nun aber über den
Gesundheitszustand, die Lebensfähigkeit und Frucht-
barkeit der Mulatten unter einander und ihrer Ver-
mischung mit Weissen sagt, lautet bestimmt dahin,
dass diese sehr mangelhaft und ungünstig, ja dass
ihre Nachkommen bestimmt auf die Dauer nicht
erhaltungsfähig sind.
In meinem mündlichen Vortrage in der anthropo-
logischen Gesellschaft hatte ich diesen Gegenstand
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auch bereits berührt, und mich dahin ausgesprochen,
dass, so weit meine Kenntnis» von den betreffenden
Verhältnissen in der Literatur reichten, mir eine
ganz bestimmte Dvsgenesie oder Paragenesie nach
Rroca in der Nachkommenschaft der Mulatten
ganz entschieden ausgesprochen zu sein scheine.
Ich hatte bei den betreffenden Mittheilungen na-
mentlich auch der scheinbar am meisten wider-
sprechenden Erfahrung auf der Insel Pitcaien Er-
wähnung gethan, mich aber auf dieses ausgedehnte
und schwierige Kapitel nicht weiter einlassen können
und wollen, und habe diesen Theil meines Vortrages
sogar in der gedruckten Mittheilung ganz unter-
drückt, weil er zu weit geführt haben würde.
Dieses verhalt sich jetzt noch ebenso. Ich
will und kann hier nicht weiter auf dieses Thema
eingehen. Allein indem ich sehe, dass Herr I)r.
Schmidt, der doch die Unfruchtbarkeit der Octo-
roon bestreiten will, sich ebenso dahin ausspricht,
dass die Nachkommenschaft der Mulatten nach
wenigen Generationer zu Grunde geht, so glaube
ich daraus entnehmen zu dürfen und zu müssen,
dass auch die Angaben über die Unfruchtbarkeit
der Öctoroon einen ganz bestimmten Grund haben.
Es ist das ja nur ein Fall des von ihm als allge-
mein gültig angenommenen Satzes. Verhält es
sich mit seiner Theorie der „künstlichen Selektion“
richtig, (und ich hin gar nicht abgeneigt ihr beizn-
treten), so wird auch der Volksglauben, dass die
Öctoroon unfruchtbar sind, kein so vollständiger
Irrthtim sein, und eino objektivere Nachforschung
verdienen, als auch Hr. Dr. Schmidt ihr bisher
bat angedeihen lassen können. Es handelt sich
um die Frage: Sind wirklich alle Mensehenrassen
oder -Arten unbedingt fruchtbar untereinander oder
nicht? Giebt es gewisse Formen ihrer Vcnnischnng
untereinander, welche auch ohne Pazwischeukunft
pathologischer Anlagen und Zustände lebensunfähig
und unfruchtbar werden, oder sind solche Folgen
nur zufälliger und individueller Art? Ist die
Thatsache fcstgestellt , dann wird man sich erst
nach ihrer Bedeutung und Folge Umsehen können.
Dass Dr. N o 1 1 und G 1 i d do n im ihrem Werke :
Types of mankiml, der Öctoroon und ihrer Unfrucht-
barkeit oder Fruchtbarkeit nicht erwähnen, hatte
ich in meinem Vortrage auch bereits erwähnt. Allein
dieser negative Umstand hatte für mich so wenig
einen beweisenden Charakter gegen die Unfrucht-
barkeit der Öctoroon, dass icl» die genannten Autoren
sogar gegen die Zweifel Darwins an ihrer Glaub-
würdigkeit oder hinreichenden Vertrautheit mit dem
von ihnen behandelten Gegenstand in Schutz ge-
nommen hatte, ln der Tliat theilen ja diese
Schriftsteller diesen Fehler mit allen Andern, die
mir über das betreffende Thema bekannt geworden
sind, und gerade weil Alle darüber schweigen, fand
ich eine Veranlassung, dasselbe zur Sprache zu
bringen. Man kann doch ein solches Schweigen
über eine bestimmte Frage nicht als einen Beweis
für ihr Nichtvorhandensein betrachten.
Ich fahre also fort zu glauben, dass fernere,
auf bestimmte Thatsachen gegründete Nach-
forschungen über die in Hede stehende Frage* zu
wünschen und noth wendig sind.
Eine vorgeschichtliche Steppe der
Provinz Sachsen.
Vou Dr. A. N eh ring.
Die Gegend zwischen Magdeburg und Halber-
stadt gehört heut zu Tage zu den fruchtbarsten und
kultivirtesten in Norddeutschen 1; trotzdem liegen
hinreichende Gründe vor, nm uns anf die Ver-
muthnng zu bringen, sie habe in der Vorzeit wäh-
rend einer längeren Periode eine Steppe gebildet,
eine Steppe, welche wahrscheinlich nicht isolirt dalag,
sondern nach Osten zu mit dem grossen russisch-
asiatischen Steppengebiete im direkten Zusammen-
hänge stand.
Gewöhnlich denkt man sich Norddeutsch-
land und damit auch die oben bezeichnete Gegend
in der Vorzeit entweder als noch vom Meere
überflutet und den skandinavischen Eisschollen
sammt ihren erratischen Blöcken zugänglich, oder
man stellt sich unsere Heimat so vor, wrie Cäsar
und Tacitus sie uns schildern, nämlich mitdichtem
Wald nnd ausgedehnten Sümpfen bedeckt.
Beide Vorstellungen haben ihre Berechtigung, jene
für die ältere Periode der sogenannten Diluvial-
zeit, diese für die dicht vor der historischen Zeit
liegende Epoche.
Es wird jedoch auch die Frage erlaubt sein:
Wie mag sich die Zwischenzeit für unsere
Gegend gestaltet haben, d. h. jene Zeit, in der
das Meer aus den Ebenen, welche den Nordfuss
des deutschen Mittelgebirges umsäumen, zwar schon
zurückgewichen, der Wald aber von den benach-
barten Höhenzflgen aus noch nicht so schnell vor-
gedrungen war? Es lässt sich mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit vermuthen, dass der frühere
Meeresboden, welcher als eine sandig-lehmige,
vom Salzwasser durchtränkte Ebene dalag, sich in
manchen Gegenden Norddeutschlauds vorläufig
zu einer Steppe entwickelte. Es trat hier
also wahrscheinlich dasselbe ein, was wir noch jetzt
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in »len früher vom Meere bedeckten, im Laufe der
Zeit trocken gewordenen Gebieten Asiens, beson-
ders um das kaspische Meer und den Aralsee
herum beobachten können, was auch auf analoge
Weise in weit ausgedehnten Gebieten amlerer Erd-
tlieile (Prftrien von Nordamerika, Pampas von Süd-
amerika etc.) cingetrcten ist.
Man braucht sieh eine Steppe durchaus
nicht vollständig eben zu denken; es finden
sich vielmehr in den meisten der heutigen Steppen-
länder innerhalb der weiten Ebenen nicht selteu
hügelige, wellenförmige oder auch plateauartige
Erhebungen, zuweilen unterbrechen sogar felsige
Partien die gewöhnliche Einöde*). Charakte-
ristisch ist das Fehlen des Waldes; der
sandig - lehmige Boden ist bedeckt mit Gräsern,
Zwiebelgewächsen und niedrigen Standen, welche
im Frühjahr (resp. nach der Regenzeit) schnell
und üppig emporschiessen. in der heissen, trocknen
Zeit aber verdorren und dann der Steppe das öde
Aussehen verleihen, an welches wir bei dein Worte
„Steppe* gewöhnlich denken. Der Boden pHegt
gar nicht unfruchtbar zu sein; der sandige Lehm
ist im Gcgenthcil für das Gedeihen vieler PHanzcn
günstig**). Nur da, wo der frühere Meeresgrund
aus reinem Sand oder Kies besteht, kann ein PtJauzen-
wuclis sich nicht entwickeln; solche Gebiete be-
zeichnen wir dann, zumal wenn sie in den heisseren
Gegenden der Erde liegen, als Wüsten. Der Boden
der eigentlichen Steppe ist oft sehr frachtbar, aber
es fehlt ihm an einer regelmässigen, dau-
ernden Be Wässerung; nur hier und da wild er
unterbrochen von Flüssen , Sümpfen und Seen,
welche letzteren meistens sehr salzhaltig sind. In
der Nähe solcher Gewässer kann sich eine das
ganze Jahr ausdauernde Vegetation entwickeln ; der
grösste Theil der Steppe zeigt sich dagegen nur
wenige Monate mit einem Pflanzenteppich bedeckt,
welcher ebenso schnell verdorrt wie er aufgeblüht
ist. Hitze und Kälte, Dürre und Ueberschwem-
mung, Uebcrtluss und Noth grenzen hier nahe an
einander.
Die Thicrwoit der Steppe ist zum Theil
eine ganz eigenthümliche ***) ; diejenigen Tliiere
wenigstens, welche an den llodeu der Steppe ge-
bunden sind und der schlimmen Jahreszeit nicht durch
weite Wanderungen aus dem Wege gehen können,
haben sich in ihrer Lebensweise so vollständig den
*j Vergl. A. v. Humboldt, Ansichten der Natur S. 6.
**) A. v. Humboldt, a. a. U. 8. 106 f.
•**) Andr. Wagner, die guogr. Verbreitung der Säuge-
tliiere S. 57 ff.
Verhältnissen des Klimas und des Bodens accom-
niodirt, dass sie in anderen Gegenden, z. B. in
waldigen oder sumpfigen Distrikten nie gefunden
werden. Dahin gehören vor allen die Steppen-
nager. welche einerseits in den Zwiebeln, Blättern
und Beeren der Steppenpfianzen eine hinreichende
Nahrung finden, anderseits in dem sandig-lehmigen
Boden ein geeignetes Material zum Bau ihrer unter-
irdischeu Höhlen haben, durch welche sie sich
gegen die ihnen nachstellenden Raubthiere, sowie
gegeu die harte Kälte des Steppenwinters Schutz
verschaffen. Unter ihnen hebe ich die Springmäuse,
Ziesel und Arvicoten hervor. Für unseren Zweck
kommen vorzugsweise diejenigen Steppen in Be-
tracht, welche sich zwischen der unteren
Wolga und dem oberen Ob ausdehnen. Die
charakteristischsten Tliiere dieses Gebietes sind
etwa folgende: 1) Der grosse Sand Springer oder
Pferdespringer (Alactaga jaculus). 2) Mehrere
Zieselarten, besonders Spermophilus altafcus
(wahrscheinlich identisch mit Eversmanni). 3) Das
Steppenmurmelthier (Arctoinys bobac). 4) Der
kleine St ep pen pfeif base (Lagomys pusillus).
5) Wilde Pferde (Tarpan). 6) Die Saiga-
Antilope.
Die sonstigen Süugethierc, welche entweder
als «lauernde Bewohner oder nur als zeitweilige
Gäste jene Steppen betreten, zeigen einerseits eine
Annäherung au die Fauna von Mitteleuroqa, ander-
seits an diejenige des polaren Sibirien.
Ganz dieselbe Zusammensetzung zeigt
nun die Diluvialfauna, welche ich durch meine
wiederholten Ausgrabungen*) in den Bcrgling-
schen Gypsbrüclien von Westeregeln (Kreis
Wauziehen) coustutirt habe. Hinsichtlich der Zahl
der Individuen überwiegen die Steppenthiere der-
art. dass die anderen Arten, welche eben so wie
die heutige Fauna von Südwestsibirien eine eigen-
thümlirhc Mischung von nordischen und südlichen
Säugcthieren bezeugen, daneben nur schwach ver-
treten erscheinen. Am zahlreichsten sind die
Springmäuse und die Ziesel, welche förmlich
rudelweise oder in Familien die Gegend von Wester-
cgcln (zumal nach Gröningen hiu) bewohnt und in
den sandig- lehmigen Ablagerungen der dortigen
Gypshrtb lic ihr Grab gcfuuden haben. Fast eben
so zahlreich müssen die wilden Pferde gewesen
sein, deren Zähne und Knochen massenhaft Vor-
kommen und auf eine tarpanähnliche Art schlossen
lassen. Daneben treten zahlreiche Arvicolen,
*) Wesentlich nuterstütrt wurde ich dabei durch
das freundliche Interesse des Herrn Be r gl in g jun.
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also fe ldm ansahn liehe Nager hervor, meistens solchen
Arten angehörend, deren Verbreitungsbezirk heut zu
Tage wesentlich in Osteuropa und Westasien liegt.
Das St eppe n in urmelthier und den kleinen
Steppenpfeifhasen kann ich vorläufig nur in
je einem Exemplare nachwcisen, doch werden die-
selben bei weiteren Nachgrabungen wohl noch häu-
tiger zum Vorschein kommen.
Von den oben aufgezflhltcn charakteristischen
Steppenthieren habe ich nur die Saiga-Antilopc
noch nicht bei Westeregeln gefunden ; ich vermuthe
jedoch, dass auch von diesem interessanten Thiere
fossile Reste im dortigen Diluvium abgelagert sind,
da einerseits die ganze übrige Fauna zu dieser
Annahme berechtigt, anderseits die Saiga-Antilope
schon an mehreren im westlichen Europa (Frank-
reich) gelegenen Orteu fossil gefunden ist. Vielleicht
ist sogar ein vor Jahren bei Westeregeln von Germar
entdeckter und in der Literatur erwähnter Unter-
kiefer einer angeblichen Ovisart, welche grösser
gewesen sein soll, als unser Schaf, auf jene Steppen-
Antilope zu beziehen.
Aber auch wenn wir die Saiga-Antilope vor-
läufig fortlassen, so zeigt sich die Westeregler
Dilu vialfauna dennoch in ihren Haupt repräsen-
t an ten so deutlich als eine einheitliche Step-
penfauna und weist nns so entschieden auf Ost-
europa und Südwestsibirien hin, dass wir gewiss
zu dem Schlüsse berechtigt sind, es müsse dort,
wo diese Fauna einst hauste, eine Steppe
gewesen sein, und diese müsse eiuen ähnlichen
Charakter wie diejenigen zwischeu Wolga
und Ob gehabt, ja vielleicht mit diesen in
einem direkten Zusammenhänge gestanden haben.
Dass aber die im Westeregler Diluvium begrabenen
Thiere in der nach dem Fusse des Unterharzes
sich hinziehenden Ebene gelebt haben, glaube ich
auf Grund der bei meinen Ausgrabungen gesam-
melten Einzelbeobachtungen mit aller Bestimmtheit
behaupten zu können. Wir sind daher zu dem
Schlüsse berechtigt, dass jene Gegend, wie schon
mehrfach von mir angedeutet ist, während eines
gewissen Abschnittes der Diluvialperiode eine Steppe
gebildet bat.
Sind meine obigen Schlussfolgerungen richtig,
so liegt die Vermuthang nahe, dass in jener
Epoche der Entwicklungsgeschichte nnsercs Erd-
theils überhaupt die einstmals vom Meere
bedeckt gewesenen, später frei gewor-
den enEbenen sich meistens zunächst als
Steppen entwickelten. Vielleicht dehnte sich
unsere Magdeburg-llalberstädter Steppe nach Süden
über Aschersleben und Halle bis hinauf in das Thal
der weissen Elster aus; denn Herr Professor Liebe
hat auch bei Gera die fossilen Ueberrcste von
mehreren Exemplaren des grossen Sandspringers,
sowie diejenigen eines Ziesels gefunden, und zwar
genau von derselben Art, welche ich bei Wester-
egeln entdeckt habe. Ebenso sind Beste dieser
grösseren Zieselart, Reste von Lagomys pusillus,
von der Saiga-Antilope an mehreren westlich vou
uns gelegenen Punkten Mitteleuropas, Reste von
wilden Pferden an sehr vielen Diluvialfundstätten
ausgegraben , wodurch die oben ausgesprochene
Vermuthang gestützt wird. Natürlich bedarf es
aber noch umfassender und eingehender Beobach-
tungen, um diese Annahme eines einstmaligen, weit
ausgedehnten Steppengebietes in den ebenen Theilen
von Mitteleuropa genügend sicher zu stellen, event.
sie als unhaltbar ztirürkzuweiseu.
Das Resultat der hierauf gerichteten Unter-
suchungen wird um so wichtiger sein, als deutliche
Spuren darauf hinweisen, dass der Mensch in
jener Zeit schon den Boden von Mittel-
europa in Besitz genommen hatte. Dass er
auch in unserer Wcsteregler Steppe sich zeitweise
aufgehalten hat, glaube ich mit Sicherheit naeh-
weiscu zu können.
Als Grund für das Verschwinden der
einstmaligen mitteleuropäischen Steppen
nehme ich ein allmäliges Vorrücken des
Waldes an, welches verinnthlich Hand in Hand
ging mit einer Aendcruug des Klimas.
Dieses war in der Steppcnzcit, wo wahrscheinlich
England und Süd-Skandinavien noch mit dem Uon-
tinente Europas znsammenhingen , wo Nord- und
Ostsee noch nicht in der jetzigen Gestalt existirton,
wo der Golfstrom vermuthlich eine nördlichere
Richtung hatte, schroffer, trockener, eontinentaler
als das jetzt in unserer Gegend herrschende. M i t
der Milderung des Klimas und dem Vor-
rücken des Waldes von den bewaldeten Ge-
birgen und Höhenzügen her zogen sich die
Steppen und mit ihnen die Steppenth iere
allmälig nach dem Osten zurück.
Sitzungsberichte.
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Danzig am 4. Oktober 1S7G.
Der Vorsitzende, Herr Dr. Li s sauer, welcher
durch die Neuwahl abermals auf 2 Jahre mit der
Führung der Vereinsgeschäfte betraut wurde, gab
zunächst einen kurzen Uebcrbliek über die zahl-
reichen Ausgrabungen der verschiedenen Mitglieder
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während des vergangenen Sommers, welche in den
nächsten Sitzungen im Zusammenhänge zum Vor*
trage gebracht werden sollen, und legte dann einen
Theil der neu eingegangenen Geschenke vor.
Herr Böl ck e-Czapcln hatte den Inhalt eines
heidnischen Grabes aus Schwansee bei Lauenburg
in Pommern, bestehend aus einem sichelförmigen
Messer, einer Pincctte, einer langen Nadel und
einem Schwertknopf aus Bronce; Herr Professor
L a m pe einen Steinhammer, welcher von Hm. H c r r-
mann in Srhwarzwald bei Pr. Stargard gefunden,
Herr Geheimrath A begg einen schönen Feuerstein-
nucleus aus Bögen. Frau Bot zoll 3 Bronrezelte,
3 Nrtzsenker und 1 Steinhammer aus Tempelhof
der Sammlung des Vereins geschenkt.
Herr Kusmack hatte in Fitsehkau 7 Stein-
kisten untersucht, von deren Urnen nur 2 erhalten
wurden, darunter eine Gesichtsume, welche sich
durch einen grossen Broncering um den Hals vor
allen bisherigen auszeichnet. Hr. I)r. M a n n h a r d t
batte 3 sehr interessante Urnen, darunter 2 Ge-
siehtsurnen, für die Sammlung requirirt, über welche
derselbe in eine späteren Sitzung ausführlich sprechen
wird; ebenso waren vom Herrn Landrath von
Stumpfeld aus Culni und Herrn Mellien auf
Gross - Morin zahlreiche Geschenke eingegangen,
welche für die prähistorische Erforschung unserer
Provinz von hoher Wichtigkeit sind und daher in
besonderen Vorträgen behandelt werden sollen.
Hierauf hielt Herr Oberststabsar/t llr. Oppler
cineu ausführlichen Vortrag über Wilhelm Mann-
bar dt’s Werk „Der Baumkultus der Germanen und
ihrer Nachbarstämmc“. M a nn h a r d t geht bei seinen
mit ausserordentlicher Gelehrsamkeit augestcllten
Forschungen, deren Besultatc in diesem Werke
niedcrgelcgt sind, nach einer ganz neuen Methode
vor, indem er die naturwissenschaftliche Forschungs-
weisc mit den bewährten Grundsätzen der philolo-
gischen und historischen Kritik verbindet, die crstcre
hei allen unmittelbar ans dem Volksmund geschöpften,
die letzteren bei allen literarisch vermittelten Ueber-
licfcrangcn anwendet. So entwickelt er uns in den
vielen Gebräuchen und Sagen, welche er aus der
unerschöpflichen Fundgrube de* lebendigen Volks-
glaubens oder aus der Literatur mit unendlichem
Fleisse gesammelt hat, aus ihnen selbst den zu
Grunde liegenden Gedanken und die übereinstim-
menden Züge. Das vorliegende Werk Speziell be-
schäftigt sieh mit einem Theile der mythischen
Gestalten, Anschauungen und Gebräuche, welche
aus der Vorstellung einer „Beseelung des Baumes“
hervorgegaugen sind, einer Vorstellung, deren ver-
schiedene Entwickelungsstufen im Volksgedäehtniss
noch vielfach neben einander erhalten sind und
mannigfache Verbindungen untereinander eingehen.
Auf der Entwickelung dieser Grundansrhanungen
beruht ein nicht geringer Theil des Glaubens und
Brauches der europäischen Menschheit und zwar
sowohl der nordeuropäischen Stämme als der Hellenen
und Italer. Die nord-europäischen Ueberlieferungen
von den Baum- und Waldgeistcm sind es, welche
der erste Band des umfangreichen Werkes in dieser
Weise behandelt; bei der Eigenartigkeit und dem
Reichthum des Stoffs, welcher vielfach in das Lehen
eingreift (z. B. Maibamn, Weihnachtsbaum. Schmack-
osterruthe u. s. w.) müssen wir es uns versagen,
hier einzelne Beispiele auszuführen, da ein kurzes
Referat nicht im Stande ist, eine Anschauung von
den scharfsinnigen Erläuterungen des Verfassers zu
geben; wir stimmen aber dem Redner vollständig
zn, wenn er zum Schluss seines Vortrages sagte:
-Wenn, wie Virchow jüngst ausgesprochen, es Auf-
gabe der Anthropologie ist, sich um die Sitten, Kulte,
Gebräuche unt ergegangener Völker und Stämme, oder
solcher, die im Ableben begriffen sind, zu kümmern,
ihnen nachzuforschen, sic durch Sammlungen fest-
zuhalten, dann hat Verfasser sich durch dieses
Werk ein bedeutendes Verdienst um die anthropo-
logische Forschung erworben.“
Der zwuitc Band der (Berlin, Bornträger 1877):
„Antike Wald- und Feldkulte aus nordeuropäischer
Ueberlieferung erläutert“, weist in ß Kapiteln zu
den im ersten Theil (Bnumkultus) ausführlich aus-
cinandergesetzten , mythischen Volksvorstellungen
Nordeuropas genau entsprechende Seitenstüeke in
dem Glauben und Kultus der antiken Welt aus
Italien, Griechenland und Vorderasien nach. Nach-
dem zuerst an Dryaden, dem Burgölbaum in Athen
und vielen ähnlichen Gegenständen bis in die Einzel-
heiten hinein dargethan ist, dass derselbe Kreis
von Vorstellungen, welcher in Nordeuropa unmittel-
bar aus der Idee einer Beseelung des Baumes
hervorgegaugen und zur Ucberzeugung# von dem
Dasein ausserhalb der Pflanze lebender, aber mit
ihrem Leben an dieselbe geknüpfter Baumgeister
fortgeschritten war, auch im Altcrthuine der Süd-
länder zu reicher Entfaltung gelangte: werden in
den noch auf dem Standpunkte roherer Volksvor-
stellungen verharrenden Gewalten der Kentauren
(Lapithcn. Harpyien), Kyklopen, Faune. Pane,
Satyre, Seilene, analoge Typen, d. h. Gebilde dar-
gethan, welche dieselben organischen Elemente in
ganz ähnlichem Lagerungsverhältniss enthalten, wie
die Waldgeister der deutschen, skandinavischen,
russischen und französischen Volkstradition (die
Mooslcutc, wilden Leute, Skogsnufvar, IJcschje,
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Dame» vertes). Hierbei ergeben sich, indem die
Schalen dichterischer U Überarbeitung oder der Deu-
tungsversuche durch pragmatische Legende eine
nach der auderu fallen, vielfach ganz genau die-
selben einfachen Volkssagen und Gebrauche, welche
nnsere Bauern noch heute erzählen und (Iben, als
Ausgangspunkte der antiken Mythen und Kulte. So-
dann werden die mittelbar auf der Idee der Baum-
seele beruhenden Gebrauche des Entemais und des
Maibuums, welche eine so grosse Rolle in der
nordeoropAischen Volkssitte spielen, Zug für Zug
auch in der griechischen Eiresione, dem Feste der
thrakischcn Kotyto und in den beim Frühlingsfeste
der grossen Göttin zu llierapolis verbrannten Mai-
büumen nachgewiesen. Letzterer Kultakt endlich
führt, nachdem von gleichen Gesichtspunkten ans
noch die römischen Argeer, der phönikische Adonis
und phrygisehe Attis abgchandclt sind, zur Be-
sprechung der Sonnwendfener (Oster-, Maitags-,
Johannisfeuer), dereu Ucbereinstimmung mit den
römischen Palilien, dem Feuer der Ilirpi Sorani,
mit phöuikischen, ägyptischen, babylonischen, süd-
indischen Sonnwend feuern hier theils zuerst, thcils
weit eingehender als früher auf Grund umfangreichen
neuen Materiales dargelegt wird. Verbreitet sich
dieses letzte Kapitel über einen Gegenstand, der
durch Nilson für die Anthropologie ein hervorragen-
des Interesse erhalten hat. so liefen» auch die vor-
hergehenden Untersuchungen mannigfachen Stoff
zur weiteren Untersuchung der Fragen, inwieweit
in vorhistorischer Zeit das „psychische Einerlei des
Menschengeschlechtes“ in verschiedenen Ländern zu
gleichen Gcistesgebilden in Sitte und Glauben führte,
inwieweit eine Wanderung der Ideen schon in ferner
Urzeit die Schranken der Sprachgrenzen überschritten
habe und zum Zeugnisse von Völkerverkehr in un-
vordenklicher Zeit dienen könne, wie weit endlich
Vererbung von einem gemeinsamen Stammvolk an-
zunchmen sei.
Zur Literatur
über Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte in Deutschland.
Die Thätigkeit der deutschen anthropologischen
Gesellschaft und ihrer Zweigvereine ist in so er-
freulichem Aufschwung begriffen, dass die Spalten
des Correspondenzblattes schon seit geraumer Zeit
nicht mehr ausreichen, um die Arbeiten auch nur
referirend zu erwähnen. So können selbst die
wichtigsten Abhandlungen in dem Hauptorgan
unserer deutschen Gesellschaft, im Archiv für
Anthropologie, das hei Vieweg in Braunsrhwcig
in 4° unter der Redaction von Ecker und Lin-
de n sc h m i t erscheint, nur übersichtlich mitget heilt
werden. Zu demselben Verfahren sieht sich die
Redaction bezüglich der Publikationen zweier Zweig-
vereine veranlasst.
Bekanntlich besitzt die Berliner anthro-
pologische Gesellschaft ein eigenes Organ , die
Zeitschrift für Ethnologie, unter Mit-
wirkung des Vertreters dcrselbeu, R. Virchow,
herausgegeben von A. Bastian un<f R. Hart-
mann. gr. 8°. Berlin. Verlag von Wiegandt,
Uempel & Parey. In dieser Zeitschrift sind die
interessanten Verhandlungen dieser Gesell-
schaft mitgetheilt, und machen einen bedeutenden
Theil der Zeitschrift aus. Wir werden in Zukunft,
ähnlich wie für das Archiv für Anthropologie, so
auch für die Verhandlungen der Berliner
anthropologischen Gesellschaft einen besonderen
Abschnitt offen halten, der wenigstens den Titel
der Vortrüge den Lesern des Correspondenzblattes
bringt.
Der zweite Verein, nnf dessen Publikationen
von nun ab in derselben Weise hingewiesen werden
soll, ist der Münchener. Mit dem Jahr 1876 hat
diese Gesellschaft begonnen, regelmässig erscheinende
Hefte, von denen 4 einen Band ausmachen, unter
dem Titelt „Beiträge zur Anthropologie
und Urgeschichte Bayerns“, redigirt von
Job. Ranke und Nie. Rüdinger, München.
Literarisch- artistische Anstalt (Th. Riedel), gr. 8*,
erscheinen zu lassen. Auch die in diesen „Beiträgen“
puldicirtcn Arbeiten werden ebenso wie die Sitzungs-
berichte, welche getrennt zum Abdruck kommen,
in dem Correspondenzblatt nur in Form einer
Uebersicht erwähnt werden. Auf solche Weise
bleibt der grösste Theil des Correspondenzblattes
für die Hauptaufgabe reservirt: zerstreutere Sitzungs-
berichte anderer Zweigvereine zu sammeln, und
die schwebenden Fragen in kurzen Artikeln zu be-
sprechen. Wie früher, sollen die bei der Rcdaction
eingelaufcnen Druckschriften und die eben er-
schienenen hervorragenden Werke in einem beson-
deren Verzeichnis aufgeführt werden.
Archiv für Anthropologie Bd. 9. 1877.
Brsunschweig. Verlag von Vieweg & Sohn.
III. Beobachtungen in den verfallenen Dörfern der
Urvölker der* pncifluchen Küste von Nordamerika. Von
Paul Schumacher in San Francisco. — XIII. Das
Gradmachen der l’feilschafte. Von demselben. —
XIV. Die BicuenkorbgrÄber bei Wröblewo. Von Al bin
Kohn. — XV. Zur Statistik der Kflrpergröaee im Gro*«i-
heroogthum Raden. Von A. Kcker. Mit einer Karte. —
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XVI. Vou wo das Zinn *u den ganz alten Broucen ge-
kommen «ein mag? Von C. R. v. Baer. — Kleinere
Mitthciluuge». 1) Erwiderung an Herrn Linden*
sch mit, Redacteur de» Archiv« für Anthropologie, von
dem Entdecker des Tbayinger Hohlenfunds, K. Merk. —
2) Leber die Horizonlalebene des menschlichen Schädels.
Von W. Hi«. — 3) Die ßcole d Anthropologie in Paris. —
Referate. — Zeitschriften und Uücherschau.
Zeitschrift für Ethnologie IX. Jahrgang 1877.
Heft 1. Mit Tafel 1—4.
Berlin. Verlag von Wiegandt, üempcl & Parey.
Inhalt der Zeitschrift: Körpermessungen verschie-
dener Menschenrassen vou Dr. A. Weissbach. —
Allg Bemerkungen ethnologischen Inhalts über Xeu-
Guinea, die Anachoreten- Inseln, Neu -Hannover, Neu-
irland, Neu -Britannien uud Bougaiuville. Von H.
Strauch. — Die Sprache der Tonkawa«. Von Alb.
S. G ätsche t.
Die Verhaudl uu gen der Berliner anthro-
pologischen Gesellschaft (ein Separatubzug, der
der Redaction zugegaugen ist) enthalten in dem Bericht
über die Sitzung vom 20. Januar 1877 folgende Mit-
theilungen: 1) Eine Urne aus braunem Thon, vorgezeigt
von Hm. Priedel. — 2) Zwei Stoiniustrumente der
Gegenwart aus dem Kaukasus; briefliche Mittheilung
de« Hm. Rad de in Tiflis. — 3) Ein erratischer Granit-
block mit phönikischer Inschrift, gefunden im russischen
Gouvernement Smolensk. Referat von llrn. Wetzstein.
— 23 Photographien au« Indien von Prof. R loch-
mann in Calcutta. — Ueber den Scharoanismus der
Australier. Vortrag von Uru. Jung aus Leipzig. —
Geräth aus Horn von Mallmitz (Schlesien), vorgelegt
durch Urn. R. Virchow. — Alterthümer aus dem
Mamsfelder Seekreise. Sendung von Hru. Bergraaist er
Hocker zu Halle a S. — Diluviale Funde hei Tau-
bach (Weimar). Vorlage von Fundstiicken von Hrn.
Virchow. — Photographien de» Judeuburger Wagen».
Geschenk de» Hrn. Wattenbach.
Beiträge zur Anthropologie and Urgeschichte
Bayerns.
München. Lit. -art. Anstalt ;Th. Riedel) 1876.
Heft 1 n. 2. Unsere Ziele. — Erlasse der k. b.
8taatsmini«'erien. — Anhaltspunkte aur Erforschung
nnd Aufnahme vorgeschichtlicher uud geschichtlicher
Alterthümer. — Die Pfahlbauten im Würmsee von 8.
von Schab mit XVI» Tafeln. — Auszüge aus den
Sitzungsberichten. — Statuten der Münchener Gesell-
schaft. — Mitgliederverzeichnias.
Heft 2, 1877, mit Taf. XVIII — XXI. üeber die
Völker der Platten- und Koiheugrüber in Bayern:
1) Ueber oberbayerische Plattengräber von Prof. Dr.
U. Ranke. — 2) Ueber die Reihengrnber vou Ober-
haching von Prof. Dr Marggraff. — 3) Ueber den-
selben Gegenstand von A Hart mann. — 4) Die
Platten- und Roihengriiber in Bayern von J. Wflr-
dinger. — 5) Schädel aus alten Grabstätten Bayerns
von Prof. Dr. Kollmutin. — Sitzungsberichte: Ein
Moorlcicheufund bei Rettenbach vou Prof I)r. Job.
Rauke.
Kleinere Mittheilungen.
Auf dem Halbhufenberg in der Pfarrei Law aide
bei Lübau, 1 Kilometer vom Ilocbstein entfernt, befindet
«ich ein ähnlicher Steinkreis wie jener, den Richard
Andres in seinen „Wendischen Studien* S. llf> ge-
schildert und abgebildet hat. Der Steinkreis ist an die
natürliche Granitwand angelehnt und ebenso gross wie
der auf dem Hochstein.
J. Scheuffler.
Bei der Redaction eingelaufen bis *um 6. Juni 1877:
Archiv de« Vereins für siebenb Ürgische Landeskunde. Neue Folge Bd XUI Heft 3. Herausgegeben vom
VeieinsausschnA«. Uermauustadt. ln Commission bei Krz. Michaelis.
Archiv für Geschieht«- und Alterthumsknnde von Oberfrauken. Bd. XIII Heft 2. Herauagegeben vom historischen
Verein von Oberfranken zn Bayreuth. 1876.
Fligicr Dr. Zur prähistorischen Anthropologie Italiens. Wien 1877 (Alfr. Holder).
KojM-ruicki J. On the «caphoid skull of a Pole. Journ. Anthrop. Inst. Vol. VI. PI. VI.
Kojrf-rnickicgv J. Kongres Miydzyuarodowy w Peazde.
Mojer J- «. KojjcruicJci. Charakterystyka Fizyczua Ludnosci üalieyjskicj. Krakowie 1876.
Verhandlungen der gelehrten esthnischen Gesellschaft zu Dorpat. Bd. Vlli Heft 3. Mit 3 lithogr. Tafeln.
Dorpat 1876. In Commission hei Th. llnppe in Dorpat.
Wanket. Die Gleichzeitigkeit des Menschen mit dem Höhlenbären in Mähren. Sep.-Abdr. aus No. 1 u. 2 de»
7. Bd. der Mitth. d. anthr. Ges. in Wien.
IPorwtae J. J. A. Discount devant la societe royal de» antiquaires du Nord a l'uccassion du fä>' anniversaire»
de sa foudation. 1875.
Schluss der Rodaction am 20. Juni.
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^orrcsponbeng-^Sfatt
der
deutschen Gesellschaft
fttr
Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte.
R e d i g i r t
von
Professor Ko 11 mann in München,
0*<n«‘nlM>rrrtär J*-r Gwvllirbsft.
Erscheint jeden Monat •
Nro. 8. München, Druck vou 1J. Olden bomg. Augrust 1877.
fünfzigste Versammlung
Deutscher Naturforscher und Amte
in München.
Die um 17. bis 22. Scpt. d. ,1. in München
tagende fünfzigste Versammlung
Deutucher Naturforscher und Aorate
soll nach den Beschlüssen der Geschäftsführung
nnd des vorbereitenden (’omitö’s ihren festlichen
Charakter verwaltend dadurch erholten, das die
wissenschaftliche Aufgabe in den Vordergrund ge-
stellt ond namentlich für reiche Anregung innerhalb
der Sect innen gesorgt wird.
Im Einvernehmen mit den Geschäftsführern
erlaubt sich darum der Unterzeichnete angelegent-
lichst zum Besuch der Versammlung und zur
Betheiligung an den Seetionsverhnndlungen für
Anthropologie durch Vorträge oder Demonstrationen
ergebenst einznladeu.
Prof. Kollmann,
stellvertretender Vorstand der Section
für Anthropologie.
Die Bronzezeit.*)
Von Prof. Dr. R. Vlrchow.
Seit einiger Zeit sind die Bedenken, welche
in Bezug auf die Klassifikation der Metallzeiten
aufgestellt werden können, in der allerheftigsteu
•) Wir geben in den folgenden Spalten einen Aus-
zug aus jenem Vortrag, den Herr Prof. Virchow in
der ausserordentlichen Sitzung der Berliner anthropo-
logischen Gesellschaft vom 2 ». Juni 1870 gehalten hat.
und weitestgehenden Form hervorgetreten. Ins-
besondere ist mit dem grössten Material und, ich
kann wohl sagen, mit einem überraschenden Reich-
tlmm «juellenmässiger Thatsachen Hr. Dr. Host-
mann in Celle an die Frage gegangen, dessen
verdienstvolle Arbeiten über das Darzauer Gräber-
feld die Aufmerksamkeit schon seit längerer Zeit
auf ihn gelenkt haben. Derselbe bat in einer
kritischen Besprechung der Arbeiten von Dr.
Hildebrandt (Stockholm) den Anknüpfungspunkt
gefunden, seine abweichenden Ansichten im „Archiv
für Anthropologie** vorzntragen; er hat dies in einer
weit über deu Ausgangspunkt hinausgehenden und
dem Anschein nach so siegreichen Weise gethan.
dass anser verehrter craniologischer Nestor Hr.
Ecker in einem kleinen Aufsatze, welchen er
zuerst in der „Augsburger Zeitung“, dann im
„Archiv für Anthropologie* veröffentlichte, es für
angezeigt erachtet hat, den Vorschlag zu machen,
die Eintheilung in Bronze- und Eisenzeit ganz auf-
zugehen, und nur noch von einer Met all zeit im
Gegensatz zu einer Steinzeit zu sprechen.
Es reiht sich daran eine ganze Reihe verwandter
Arbeiten, unter denen ich besonders betonen will
Die dort vorgetragenen Anschauungen verdienen im
Zusammenhang mit den Thatsachen, auf welche sie ge-
stützt sind, die allgemeinste Beachtung der Archäologen ;
sie sind von grosser Bedeutung für die Bcurtheiluug
der Frage von der Existenz einer reinen Bronzezeit.
Der Artikel findet sich in den Verhandlungen der
Berliner anthropologischen Gesellschaft : Zeitschrift für
Ethnologie. Berlin. Verlag von Wiegand, Hempel dt
l’arey. Ausserordentliche 8itzting vom 2B. Juli
S. 3 ti. ff. Annt. d. Hed.
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eine vom mehr philologisch - Archäologischen Stand-
punkt aus gehaltene Arbeit des belgischen Archäo-
logen de Mcester de Ravestein*), in der er
die alten Schriftsteller ausführlich durchgeht , die
Stellen prüft, in denen von Metallen die Rede ist,
und daraus nachzuweisen sucht, dass von einer
Präexistenz der Bronze vor dem Ki&en nicht die
Rede sein könne. Es scheint mir, wenn man diese
verschiedenen Indikationen durchgeht und die-
jenigen Erfahrungen zu Hilfe nimmt, die jeder, der
sich mit diesen Sachen praktisch beschäftigt, ge-
legentlich zu machen Gelegenheit hat, dass aller-
dings das Feld der sogenannten reinen Rronzefunde
sich immer mehr verkleinert. Es wird immer
schwieriger, solche Funde zusammen zu bringen,
in denen die Bronze in völliger •Isolirtheit vor-
kommt und in denen zugleich die Wahrscheinlich-
keit besteht , dass sic das einzige archäologische
Material war, was für die Beurtheiiung dieser Funde
in Betracht kommt.
Nun muss ich gleich von vornherein bemerken,
dass ich in einem sehr wesentlichen Punkte gegen
«lie Bestrebungen, welche uns hier entgegentreten,
mich aussprechen möchte. Mjr scheint es nämlich,
dass, aucli wenn man zu der Ueberzeugnng kommen
sollte, dass generell die Bronze nicht früher be-
arbeitet worden ist, als das Eisen, ja, wenn man
vielleicht , wie llr. llastma n n verlangt , noch
einen Schritt weiter ginge und sogar die Präexi-
stenz der Eisenbearbeitung vor der Bronze an-
nähuie. wenn man sich vorstellte, dass die Menschen
zu allererst das Eisen zu bearbeiten gelernt hätten,
und dass die Bronze erst in späterer Zeit hitizu-
geknmmen sei, daraus doch nur hervorgehen würde,
dass wir nicht mehr in dem Sinne, wie bisher, von
Bronze- und Eisenzeit sprechen könnten , aber es
würde daraus noch nicht folgeu, dass die Bezeich-
nung einer Bronzezeit ganz aufzugeben wäre und
dass wir keinen Grund hätten, mit möglichster
Schärfe die Bronzezeit in ihren besonderen ein-
zelnen Phasen und Entwickelungen zu studiren.
Ich meine, es würde sich vielmehr das kultur-
historische Bild so gestalten, dass wir eine grosse
Eisenzeit bekämen, welche zw irgend einer Zeit
an die bisher bloss steinerne Kultnrperiode sich
anschlösse. Hann würden wir aber innerhalb
dieser Eisenzeit Bronzezeiten bekommen; wir
würden genöthigt sein, bestimmte Epochen auszu-
scheiden als die eigentlichen Bronze- Epochen
und wir würden dann versuchen müssen, wie wir
*) A propos de certaines Classification» pr£hi*toriques.
Bruxelles 1875.
die Bronzen klassiticircn , um darnach, allerdings
nicht zu einer Bronzezeit, sondern zu mehre-
ren Bronzezeiten zn gelangen, die uns als bestimmte
chronologische Anhaltspunkte für das weitere Ur-
theil dienen müssten.
Die Bronzen haben schon seit längerer Zeit,
durch ihre chemische Zusammensetzung Veran-
lassung gegeben , den Versuch zu machen , für
bestimmte Perioden bestimmte Mischungen als
charakteristisch zu bezeichnen. In dieser Beziehung
möchte ich zunächst hervorheben, dass eine Menge
von vortrefflichen Thatsachen vorliegt, welche dar-
thun, dass es eine Zeit gegeben hat, in welcher
reine Zinubronzen existirten, und eine andere
Zeit, in der Zink bronzen üblich wurden. Der
Zusatz von Zink zu der Bronze entspricht überall,
wo wir einigermassen iu der Lage sind , diese
Funde nach anderen Merkmalen zu klassiticircn,
einer späteren Periode, und zwar können wir gleich
sagen , der römischen und nadiröiiiischcn Zeit.
Wenn wir nun dazu nehmen, dass uns durch die
römischen Schriftsteller bestimmte Angaben über-
liefert sind, dass der Zusatz von Zink erst im
dritten Jahrhundert v. Chr. Gebranch geworden
ist, so stimmt das völlig überein mit dem. was wir
tinden, und wir haben allen Grund, an dem Auf-
treten der Zinkbronze eine besondere Periode zu
erkennen, welche von der früheren, in welcher
nicht mit Zink versetzte Bronzen allein vorkamen,
unterschieden werden muss.
Es ist besonders zti betonen, dass die haupt-
sächlichsten Mischungen, w elche wir von den Bronzen
kennen, die kleinen Nuanrirungen abgerechnet,
überall eine absichtliche Verbindung andeuten
und nicht etwa durch den Zufall eines schon ge-
mischten Unnetalls erklärt werden können.
Die Auffassung, dass eine Suecesston der Me-
tallmisehungeu die verschiedenen Perioden der
Bronzezeit charakterisire , ist von verschiedenen
früheren Gelehrten sehr eingehend verfolgt worden.
Ich erinnere nur an den böhmischen Archäologen
Woeel, der die sämmtlielien Bronzen des Prager
Nationalmuseums bestimmt hat nach ihrem Alter,
indem er Fcilenstriche an sie anlegte und diese
Feilenstriche verglich mit dem Aussehen verschie-
dener. künstlich hergestellter Legirungcn, welche
den Haupt mischungen entsprachen. Das ist etwas
kühn und würde sieh im Einzelnen nicht als ab-
solut sicheres Verfahren erweisen. Aber das
schliesst nicht aus, dass während der Bronze-
Periode auch Eisen existirt habe. Nur berechtigt
es uns ebensowenig, diese Dinge zusammen zu
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59
werfen und zu sagen: wir sprechen nur noch von
einer Metallzeit.
Dem Bestreben, die Bronze als einen von
Süden kommenden Import darzustellen, sind seit
langem Argumente entgegengetreten und namentlich
ist der Versuch gemacht, zu zeigen, dass gewisse
Funde sich wesentlich auf einheimisches Material
beziehen. Ich leugne das durchaus nicht. Ich will
namentlich hervorheben, dass wir in neuester Zeit
durch die Bemühungen des Hm. Biefel*) in
Breslau einige Untersuchungen über schlesische
Bronzen erhalten haben, bei denen sich allerdings
herausgestellt hat, dass GerAthe Vorkommen, die
im Wesentlichen aus Kupfer mit absolutem Mangel
von Zinn oder nur mit ganz, geringer Beimischung
desselben bestehen.
Vor nicht langer Zeit würde man geneigt ge-
wesen sein, eine Kupferaxt als eine Hinterlassen-
schaft aus dem ersten Stadium der Metall -Ent-
wicklung anzusehen: erst Kupfer, dann Bronze.
Jetzt hin ich ganz geneigt, zuzngestehen. dass es
ein spateres Fabrikat war. Nachdem es sich
herausgestellt hat, dass es Objecte aus schlesischem
Kupfer giebt. so könnte man es vielleicht als ein
Pendant zu dem Stück vom (»ciersherg betrachten;
es könnte so interpretirt werden, dass wir liier ein
inlAndisehes Erzeugnis* vor uns haben. Nichts-
destoweniger flösst mir die Ausführung der gleich-
zeitig gefundenen Stiere grosses Bedenken gegen
eine solche Interpretation ein, und ich möchte
trotz Allem immer noch glauben, dass es ein Im-
portartikel. vielleicht aus Ungarn, war.
Allerdings treffen wir, nicht bloss in den Roh-
materialien, sondern auch in guten Mischungen
ausgeffihrt, eine Reihe von Gegenständen, für die
wir in unseren Landern auch die Gussformen fin-
den . und kein Mensch bezweifelt , dass solche
Dinge auch im Lande fabricirt sind. Allein aus
diesen Gussfonnen folgt nichts weiter, als dass
man einmal, wenn auch vielleicht erst spat, dahin
gekommen ist. die Methoden kennen zu lernen, wie
so etwas herzustellen ist; es folgt weiter nichts in
Bezug auf die lokale Entwicklung eines künstleri-
schen Sinnes oder einer selbständigen Technik.
Denn, wie Hr. Li n <1 e lisch m it erst neulich wieder
mit Recht hervorgehoben hat , alle inländischen
• Gussformen, die wir bis jetzt kennen gelernt haben,
beziehen sich auf relativ einfache und relativ unter-
geordnete Gussstücke; es ist nicht eine einzige
Gussform diesseits der Alpen gefunden worden,
*) Schlesien* Vorzeit in Bild und Schrift. 27. Be-
rieht. 1876. 8. 71.
welche eine bedeutende Kunstentwicklung erkennen
lasst. Daher werden wir uns dem Gedanken nicht
vcrschüessen können, dass die eigentlichen Haupt*
stücke, die wir im Norden finden, — und das sind
diejenigen, welche man gewöhnlich der alten oder
eigentlichen Bronzeperiode , oder, wie nian in
Schweden sagt , dem Bronzereich zuschreibt , —
im Wesentlichen Import sind. Der ausgezeichnetste
Platz für diese Funde ist bis dahin immer das
Gräberfeld von Hnllstadt in Ober - Oesterreich ge-
wesen. von wo eine ganze Reihe der wichtigsten
Kunstgegenstände schon früher bekannt geworden
sind. Ich erinnere namentlich an die Bronzeeimer
oder Bronzecysten, die aus geschlagener Bronze
bestehen, die nicht gelöthet, sondern genietet sind
mit grossen Nageln (Sitzung vom 18. Juni und
11. Juli 1874, Bd. VI, 8. 141 und 1G2. Sitzung
vom 14. Mai 1875. Bd. VH, S. H>7). Solche Eimer
finden sieh gerade in Kallstadt, zum Thcil in sehr
ausgezeichneten Exemplaren. Ich erinnere ferner
an einige neue Funde desselben Grabfeldes, an die
Bronzescheide eines Schwertes mit sehr fein aus-
geführten Figurenzeichnungen. Hr. v. Sacken
spricht sich dahin aus. dass es uns nicht wundern
dürfe, im Hallstftdtcr Gräberfeld ein fremdländi-
sches Erzeugnis* , namentlich ein italienisches an-
zutreffen. ln der Tliat, wenn Jemand diese Schwert-
scheide nicht für ein unmittelbares Zubehör süd-
licher Kunstformen anerkennen will, so wird es
sich wohl kaum verlohnen, mit ihm zu streiten.
Wenn man aber zu der l’eberzeugung von der
südlichen Herkunft dieser Gegenstände kommt,
wenn man findet, dass in demselben Gräberfeld
unmittelbar daneben die früher von mir besproche-
nen Bronzeeimer sich finden , welche genau in
derselben Weise in den Fanden von Bologna auf-
gedeckt sind, ja welche mit diesen so weit über-
einstimmen in der Herstellung der einzelnen Theile,
so sehr in der, wenn auch kümmerlichen Orna-
mentik, dass man bestimmte Eimer von Bologna
mit solchen von Hallstadt zusammenstellen kann,
und dass man allen Grund hat, anztinehmen, sie
seien aus derselben Fabrik hervorgegangen, so
weise ich in der Thal nicht, wie man sich noch
ferner dein Skrupel hiugeben kann, dass wir hier
keine Gruppe fremder Importartikel vor uns hätten.
Ich weiss allerdings, dass gerade in dieser
Beziehung die ältere Schule am hartnäckigsten ist,
indem sie durchaus nicht zugestehen will, dass wir
mit diesen Stücken uns schon in einem Eisen-
zeitalter befinden. Indess die Thatsarbe steht fest,
dass in Hallstadt neben diesen Dingen überall
Eisen vorkommt. Audi alle Bronzeeimer, die wir
«•
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* 60
in Deutschland besitzen, hatten eiserne Beigabeu:
eiserne Deckel, eiserne Messer, eisenie Nägel.
Zeigt sich nun, dass solche Geräthe zu einer Zeit
gefertigt sind, als man auch in Italien noch nicht,
die Kunst des Lötliens kannte, als man auf be-
schädigte Stellen noch einen Flicken aufsetzte, wie
ein Arbeiter heut zu Tage sein Beinkleid flickt,
indem mau ein Stflek Blech auf die Lücke auf-
nagelte; zeigt sich ferner, dass die einfachsten
Operationen, die sich später bei vollkommenerer
Kenntniss der Behandlung der Bronze auf flüssigem
Wege ausführen Hessen, in mühseligster Art durch
Handarbeit und Ausschlagen mit dem Hammer be-
werkstelligt worden sind, so gelangt man mit seiner
Rechnung iu eine Zeit, die ziemlich weit vor
Christi Geburt reicht, aber immer noch auf dem
Boden der Ei senk ult ur liegt.
Innerhalb dieser Betrachtung liegt, wie Sie
sehen, ein neues Motiv der Scheidung. Die ge-
hämmerte und genietete Bronze gegen-
über der gegossenen und gelötheten
Bronze ergiebt * einen so grossen und entschei-
denden Unterschied, dass selbst die chemischen
Analysen ihm gegenüber nicht mehr Bedeutung
bähen. Denn die Mischung derjenigen Bronze,
welche genietet und gehämmert ist, erweist sich
als identisch mit der Mischung derjenigen, welche
ganz gegossen oder zum Tlieil gcldthet ist. Die
Kenntniss dieser einzelnen < Operationen scheidet
innerhalb der Periode der Zinubronzc meiner
Meinung nach zwei scharf gesonderte Perioden und
wir sind vollkommen berechtigt, die Fundstürke,
au denen wir diese Merkmale treffen, chronologisch
auseinander zu halten und sie zum Theil einer
älteren, zum Theil einer späteren Zeit der reinen
Ziunhronze zuzuweisen.
I Ir. Hostmanu sagt, die Mischung der Bronze
in den Bronzeeimern sei identisch mit der Mischung
gewisser Fibeln, die er im Darzauer GräbeiTelde
finde; diese Fibeln hätten wiederum denselben
Typus, wie andere, die aus Zinkbronze bestehen,
also seien auch die Bronzeeimer mit den Zinkfibeln
chronologisch zusammen zu bringen. Dies halte ich
für absolut falsch. Ei» Ideiben uns doch eine Menge
von Hilfsmitteln »1er Diagnose übrig. Ich habe heute
nicht die Absicht, alle diese verschiedenen Hilfs-
mittel vorzuführen; es genügt mir, jene grossen und
augenfälligen Unterschiede zunächst aufgestelit und
daran meine Thesen erläutert zu haben. Aus diesen
Thesen folgere ich, dass wir immerfort berechtigt
sein werden, diejenige Zeit, wo ein Volk in den
Besitz von Bronze kommt, zu unterscheiden als
ein besonderes Ereigniss in seiner Entwicklung.
Damit kommen wir auf bestimmte Handelsbezie-
hungen und mit diesen auf bestimmte Kultureinflüsse;
von dem Zeitpunkt an, wo wir das nachweisen
können, werden wir eine Reihenfolge von Entwick-
lungen verfolgen köunen , die vielleicht in dem
Volke selbst sich vollziehen, wenngleich die An-
regungen dazu ihm von aussen zugekommen sein
mögen. Die Verschiedenheit dieser Entwicklungs-
Stadien gewährt die Mittel, die Einzelfunde zu
klassificiren.
Wäre es richtig, dass, wie Ur. Bertrand,
der berühmte Pariser Archäologe, meint, die Fabri-
kation solcher Kunstobjecte , wie sie eben bespro-
chen worden, eigentlich kaukasischen Ursprungs
sei und ihre Kenntniss sich von daher durch die
Kelten, gleichsam in Radien, verbreitet habe, so
zwar, dass wir genöthigt wären, die Bronzeeimer
von Bologna als Ausläufer eines südlichen, die von
Zaborowo und Pansdorf als Ausläufer der nörd-
lichen Radien dieser kaukasischen Kultur zu be-
trachten, so würde das eine gewiss wichtige Unter-
lage für die Kunde gewisser Völkerzüge bieten.
Leider besitzen wir absolut keine Kunde von «Icr
Existenz ähnlicher Arbeiten au deu Stellen, von
denen Hr. Bertrand ihre Entdeckung ableitet,
sondern wir kennen sic nur au Fundstätten des
Südens, und daher werden wir uns hüten müssen,
seine Hypothese von den liypcrborfiischen Bronze-
scbniieden uuzuerkennen.
Ich muss ferner sagen, alle Bemühungen, die
ich mir gegeben habe, an dem Studium der bei
uns vorgekommeneu Bronzen den Weg der Kultur
rückwärts zu verfolgen, führen mich nirgends zu-
rück über diejenigen Zeiträume, welche im Süden
schon historisch sind. Unsere Prfthistorie fällt, so-
weit es sich um Bronze handelt, mit 'Icr wirk-
lichen Historie oder wenigstens mit der Sagenzeit
des südlichen Europa zusammen. Ich wüsste kein
einziges Fumlstück, welches mau als ein solches
bezeichnen könnte, dessen Herstellung vor die
Bronzezeit Etruriens oder Griechenlands zurück zu
versetzen wäre. Nun sind aber die verschiedenen
Bemühungei], directc Beziehungen mit Griechenland
zu finden, bis jetzt ziemlich fruchtlos geblieben.
Einer der Huuptfällc, auf den man sich immer
bezogen hat, war der Fand griechischer Kunst-
gegeiistände, welcher in der Gegend von Riga vor
einer Reihe von Decennieu gemacht sein sollte.
In neuester Zeit ist jedoch nachgewiesen worden,
dass dieser Fund, wenn auch nicht auf Fälschung
im gewöhnlichen Sinne, so doch auf einer der
anomalsten Handlungen beruht, die Jemand be-
gehen kann. Dieses vielcitirte Argument fällt also
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aus , und auch die Versuche Ähnlicher Deutungen
stützen eine solche Annahme nicht.
Nach meiner Auffassung erpicht diese Be-
trachtung eine sehr bestimmte Scheidung von alleb
den andereu Auffassungen. Es ist damit gesagt,
da^s die Bronzezeit für unsere Lander beginnt mit
den ( ummunikationen, die sich vom Süden her er-
öffnet haben. Ist dies richtig, so hat sieh die
Klassitikation der Bronzen genau anzuschliessen an
die Geschichte und Entwicklung dieser Handels-
beziehungen. Dazu aber ist es vor allen Dingen
nothwendig, die bestimmten Handelswege oder, um
unsere Gedanken nicht zu eng auf den Handel zu
richten, die Wege der Berührung zwischen nnsem
Vorfahren und den Völkern des Südens zu studiren.
Ich kann ferner den Wunsch nicht unter-
drücken, dass alle diejenigen, welche in der Lage
sind, Stücke von alter Bronze abzugebeu, allerdings
vorausgesetzt, dass sie ihrem Fundorte nach gut
bestimmt sind, nicht versäumen mögen, durch Her-
beiführung von sicheren Analysen das thatsäch-
liche Material, was bis jetzt noch ziemlich armselig
ist, zu verstärken. Die neuesten Bestrebungen
unserer Metalle heiuiker sind dahin gerichtet, die
bis dahin sehr unvollkommenen und unsicheren
Analysen zu vervollständigen. Die besondere
Richtung, die in letzter Zeit hervorgetreten ist,
die Nebensubstanzen, namentlich Arsenik, Schwefel,
Nickel, Wi&muth, Kobalt zu bestimmen, hat bis
jetzt so grosse Schwierigkeiten geboten, dass Hr.
Prof. Hammel sh erg, eine gewiss coinpetente
Autorität auf diesem Gebiet, jetzt besondere Vor-
arbeiten hat machen lassen, um bessere Methoden
für die Analyse zu finden.
Dabei wird sich denn auch die weitere Frage
besprechen lassen, oh die Kenntnisse, welche uns
das Studium der heimischen Bronzen, ja das der
antiken Kultur gewährt, in der That geeignet sind,
als Grundlage für ein generelles Urtheil über den
Entwicklungsgang der Menschheit zu dienen. Hr.
11 os t mann ist principiell genug, diese Consequenz
zu ziehen. Ich möchte davor warnen, vor der Zeit
zu generalisiren. Erinnern wir uns doch, dass in
Afrika und Amerika das häufig nicht zntrifft, was in
Asien und Europa ganz richtig ist. Amerika besitzt
eine umfangreiche Kupfer- und Bronze- Kultur,
auf deren Grand sich sowohl die mexikanische als
die peruanische Civilisatiou entwickelt haben.
Nichts liegt bis jetzt vor, was darauf hinwiese,
«lass diese Kultur jemals durch die Kunde der
Eisenbearbeitung bestimmt worden sei. Weder
wissen wir etwas von nitamerikanischer Eisen-
bearbeitung vor, noch während, noch nach der
Bronzezeit. Erst die Europäer haben dieses Wissen
verbreitet. In Afrika scheint es stellenweise gerade
umgekehrt gegangen zu sein; mau hat das Eisen
bearbeitet, ohne auf Kupferbearbeitung zu kom-
men, und man hat Kupfer bearbeitet, ohne die
Bronze zu entdecken. Es liegt also klar zu Tage,
dass hier differente Kulturgehiete bestehen, deren
Berührung unter einander entweder schon sehr
früh aufgehört hat oder so schwach gewesen ist,
dass ein bestimmender Einfluss des einen auf das
andere nicht stattgeh&ht hat. Jedes dieser Gebiete
muss vorsichtig für «ich betrachtet werden. Jede
vorzeitige Verallgemeinerung der auf dem einen
oder dem anderen gemachten Erfahrungen kann
nur schädlich einwirken. Erst, wenn wir die Kennt-
nis« der Einzelarbeit weiter gefördert haben, mögen
wir darüber weiter debattiren, wie der mensch-
liche Geist den Faden gefunden hat, der dnreh
das ganze schwierige Gebiet der Metallurgie bis
zu der Zeit des vollendeten Kunstgewerbes hin-
durcligefflhrt hat.
Heidnische Alterthümer und Denkmäler.
Wie Herr Pastor Wittkopf in Stade mittheilt,
befinden sich in der Nähe von Debstedt, Amts Lebe,
namentlich auf der sogen, schwarzen Höhe südwest-
lich vom Urte noch reichhaltige heidnische Begräb-
nissstätteu. Die sogen, schwarze nölie ist eine
natürliche Erhebung der Geest zwischen einem Moor
und dem Thal, in welchem das Dorf liegt. Sie war
augenscheinlich in früheren Zeiten mit Eichbäumeu '
bestanden, wovon noch die <la.«clbst befindlichen
Stümpfe und Eichbüsche Zeugnis« geben. Auf dem
Terrain werden seit längeren Jahren Kies und Steine
zum rhausseeban gegraben, und da finden die
Arbeiter sehr oft zu ebener Erde oder unter der
schwarzen Haideerde im gelben Sande, * « — 1 Fuss
unter der Oberfläche, l’men mit Knochen und auch
wohl kleinen Broncegegenstündon. Hinter diesem
Platze, etwas weiter nach Süden, liegen acht Hünen-
gräber ohne bestimmte Ordnung neben einander.
Einer dieser Hügel ist vor Zeiten als Richtplatz
benutzt und heisst noch der Galgenberg. Alle zeigen
bereits Spuren früherer Ausgrabungen, indessen
hat doch Hr. Pastor Witt köpf, welcher sich sehr
für unsere vaterländischen Alterthümer hiteressirt,
den einen dieser Hügel noch gründlich untersucht.
Er fand 1) in der Mitte dicht unter der Oberfläche
eine schon zum Theil zerstörte Urne mit Knochen;
2) anderthalb Fuss tiefer und etwas zur Seite eine
andere gros«e Urne, mit Steinen umgehen und mit
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einem platten Deckelstein geschützt. Uebrigens
stand dies Geffcss schief und war entzwei ge-
drückt, was offenber schon bei ihrer Heisetzung
passirte. und konnte jetzt nicht mehr heil heraus-
gehoben werden. Es lagen darin, ausser Sand und
Knochen, eine Nadel, eine kleine Pincette und ein
Messer von IJronce: 3) nicht ganz in der Mitte,
etwas nach Norden zu, fand sich endlich die Haupt-
sache. Es war dies ein aus mittelgrossen Steinen
gebildeter, etwas kegelförmiger Haufen von Steinen,
der mit seiner Spitze bis auf einen Fuss unter die
Oberfläche des Hügels reichte und hinabging bis
auf den Grund, den natürlichen Boden. Seine Höhe
betrug ea. 0 Fuss und sein Durchmesser unten ea.
1 und oben ca. 3 Fuss, das Fundament desselben
bildeten I oder 5 grosse platte Steine, die förmlich
zu einer Art von Herd zusammengesetzt waren;
auf diesem lagen nun erstlich eine (Quantität Knochen,
dann ein zierlicher Broncedolch mit auffallend
kurzem Griffe, zwischen den Knochen eine grosse,
schöu erhaltene Pincette, eine Nadel, der verzierte
Knopf einer Schmucknadel und endlich ein Messer
— alle diese Gegenstände gleichfalls von Bronee.
Der interessante Fund ist von Herrn Pastor Witt-
kopf mit freundlicher Zuvorkommenheit dem Provin-
zialniuscum geschenkt. Die Knochenreste stammten
nach Ausweis der Beigaben offenbar von einer weib-
lichen Leiche, und der zierliche Dolch ist keine
Waffe, sondern ein weibliches Spielzeug, das bei
der Arbeit gelegentlich die Stelle des Messers
übernahm.
Nicht weit von diesen Hügelgräbern befindet
sich am Bande des Moores ein langer Berg von ca.
3 — 400 Schritt Ausdehnung und von ungefähr der-
selben Höhe wie jene; er erstreckt sich von Norden
nach Süden, Hr. Pastor W ittkopf unterzog den-
selben einer näheren Untersuchung und fand zu-
nächst auf dem südlichen Ende eine grosse Urne
von Becherform, ringsum mit Steinen umgeben,
welche nichts als Sand und Knochen enthielt und
mit einem Theile einer andern Urne gedeckt war.
d. h. diese war mit dem Boden so in die erstere
hineingesetzt, dass sic die Knochen bedeckte.
Ausserdem wurden in dein Berge zwei Steinkreise
konstatirt, die sich etwa 2 — 3 Fnss tief unter der
Oberfläche befanden. Diese Anlagen mochten wohl
15 Fuss im Durchmesser haben und bestanden ans
mannskopfgrossen Steinen, welche man aneinander
gesetzt hatte; die innere Fläche war mit einer Lage
gleicher Steine gepflastert. Eine Ausgrabung in der
Mitte des Kreises förderte nichts zu Tage. Nach
der Meinung des Hrn. Pastors Witt köpf enthält
der Berg noch viele andere solcher Kreise, alle
neben einander, wie er sieb tlieils durch Rasiren,
theils durch noch vorhandene kreisförmige Ver-
tiefungen als Spuren früherer Nachgrabungen über-
zeugt hat. Nach Aussage von Bauern jener Gegend
kommen diese Steinkreise dort öfter vor und sollen
bisher nur Knochen. Asche und schwar/gebrannte
Steine ergeben haben ; es ist also möglich, dass sie
die Brandstellen der Leichen sind, deren Reste
man in den Urnen der benachbarten Grabhügel
findet. Um dies genau zu ermitteln, ist dringend
zu wünschen, dass der Berg für eine sorgfältige
Untersuchung reservirt wird.
Es »st bekannt, dass in dem südlichen Theile
unseres Landes heidnische Begräbnissstätten bei
weitem weniger Vorkommen als in dem nördlicheren,
einfach weil dort die Kultur viel stärker darunter
aufgeräumt hat. Um so willkommener ist jede neue
Entdeckung auf diesem Gebiete. Eine solche wird
durch freundliche Mittheilung des Herrn Pastors
Dr. theol. Kellner in Schlewecke bei Bockenem
jetzt bekannt gemacht. Westlich von Schlewecke
und nordwestlich von Bockenem liegt an der Nette
die kleine Ortschaft Werder. Ein gegen dos Nette-
thal vortretendes Plateau, etwa einen Büchsenschuss
unterhalb des Dorfes auf dem linken Ufer des Flusses
und ca. 100 Fuss erhaben über der vou Wiesen
gebildeten Thalsohle, gegen die ca nach Osten zu
stark allfällt, trägt hier einen heidnischen Begräb-
nissplatz. von dessen höchstem Punkte, einem Hügel*
man eine herrliche Aussicht hat weithin über das
Nettetlial und den gegenüber liegenden Heimberg.
Die höher gelegene Hälfte des Terrains, dürr und
wellenförmig und mit spärlichem Graswuchse be-
deckt. wird als Seliafweide benutzt, während die
andere Hälfte, sich sanft abdnclicnd. nach der Se-
paration zu Ackerland umgebrochen ist. Herr Dr*.
Kellner, welcher 1868 nach Schlewecke kam, er-
fuhr schon damals, dass bei der Urbarmachung des
Landes verschiedene Hügel abgetragen und dabei eine
Menge von Urnenscherben zum Vorschein gekommen
seien, weniger in den Hügeln seihst, als uin den Fuss
derselben herum, und dass beim Pflügen noch immer
solche Geflsse entdeckt würden. In der Regel
gingen sie zu Grunde, da die Pferde auf die Stein-
umfüttcrung der Gcf&sse traten, und so dieselben
zertrümmerten. Die Nachricht von diesen Funden
gelangte jetzt an den bekannten Sammler Dornpropst
Thiele in Bruunschweig, und dieser unternahm
eine Ausgrabung. Er griff den bezeiehneten Hügel
auf dem höchsten Punkte des Terrains an, fand
aber weder eine Urne noch sonst etwas und gab
deshalb die Sache auf. Doch erhielt er später
eine schon früher auf dem Platze gefundene Urne,
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schlicht, mit starker Ausbauchung uml von roher
Arbeit, und in neuerer Zeit noch drei andere. Als
nämlich im verflossenen Sommer der Eigeiithümer
des Landes ein Ackerstück tiefer als bisher pflügte,
stiess er dabei auf 3 l’rnen, wovon er dem Pr.
Kellner sogleich Nachricht gab. Als derselbe an
Ort und Stelle erschien, fand er 2, welche dicht
neben einander standen, in Trümmern ; die Pferde
hatten darauf getreten. Die dritte war rechtzeitig
bemerkt und noch nnberührt. „Wir entfernten/
schreibt llr. Dr. Kellner, „die Steine, unbehauene,
muschelförmige Bruchstücke von Kalkstein, wie sieji
derselbe liier vorflndet, und hoben di$ Urne mit
der Steinplatte, auf welcher sie stand, vorsichtig
heraus; aber bei diesem Geschäft begannen die
ganz mürben Wandungen der mit feuchter lehmiger
Erde gauz ausgefülltcn Urne abzubröckeln, und
schliesslich verwandelte sich die Urne ganz in
Scherben/ Diese setzte Dompropst Thiele später
wieder zusammen, desgleichen auch die von den
beiden andern und erhielt so drei ziemlich voll-
ständige (»efässe. Der Inhalt derselben bestand in
einer bedeutenden Menge kleiner Knoclienreste, au
denen man die Spuren dor Verbrennung deutlich
wahmehmen konnte; dagegen war von Kohlen nichts
zu entdecken. — Auch dieser Begräbnissplatz ver-
dient, wie die sogen, schwarze Höhe mit ihrer Um-
gebung bei Debstedt noch eine sorgfältige Unter-
suchung. Es verdient schliesslich eine dankbare An-
erkennung, dass die; He rren Pastor Wittkopf und
Pastor Dr. theol. K e 1 1 n e r an unseren vaterländischen
Alterthünmrn ein so reges Interesse nehmen, und
wir wünschen, da*s ihr Beispiel in weiteren Kreisen
Nachahmung finden möge. Für den Sdiutz unel
elie Yerwerthung unserer Denkmäler und Alter-
tbflmcr würde das sehr ersprießlich sein. M.
(Neue H a o uo ver’scho Zeitung, 15. Nov. 1875 )
Kleinere Mittheilungen.
Birkentheer in den Schüsse nrieder
Pfahlbauten.
ln der württembergischen Jahres heften von 1876
beschreibt Ilerr Revierförster Frank verschiedene in den
Pfahlbauten bei 8chus»enried gefundene Kunstprodukte
and filhrt darunter „Mengen von aufgeroilter Birken-
rinde' und „einen nierenförmigen 14 cm. langen, 10 cm.
breiten, 5 cm. dicken, 890 gr. schwereu Klumpen As-
phalt1* anf; ferner ist in dem Bericht des Herrn Revier-
fursters von „einem Körper“ die Hede, „der äusserlich
dem Graphit vollständig ähnelt“, der sich als feines
Pulver, gemengt mit Pulver von knhlensaurem Kalk, in
einem verbrochenen Krugehen gefunden habe.
Dr. Dorn beweist nun in der Sitzung des natur-
wissenschaftlichen Vereins in Tübingen vom 24. Febr. 1877,
dass der gefundene Asphalt eingekochter Birkentheer
sei, den sich die Pfahlbaubewohncr aus der aufgerollteu
Birkenrinde selbst durch Schwelen bereiten konnten. Die
vollkommene Uebereitistimmung des Geruchs, den der
Scbusscnrieder Asphalt beim Erhitzen verbreitet, mit dem
von erhitztem, ans Birkentheer (oleum rnsci) durch Ein-
kochen gewonnenen Asphalt wurde in der Sitzung durch
Versuche nachgewiesen, und ebenso gezeigt, dass bei
anhaltender Erhitzung solchen Asphalts der grapbit-
ähnliche Körper , nämtich Cokes zurückbleibt, welcher
zerrieben und mit Wiesenkalk 'als Biuderaittelj vermischt
den Pfahlbaubewohnern in ähnlicher Weise zum Schwärzen
ihrer Tbonwaaren u. s. w. dienen mochte, wie uns der
Graphit.
So wäre also der zum Einkitten von Werkzeugen
in Griffe verwendete Asphalt ein Produkt uralter
chemischer Technik und ebenso die wie Graphit
benützten Cokes. Das Rohmaterial, aus welchem solcher
Kitt an anderen Lokalitäten gewonnen werden mochte
ist vielleicht nicht überall Birkenrinde gewesen. Der
Kitt dürfte sich aber wohl überall von künstlichem oder
natürlichem mineralischem Asphalt unterscheiden,
was durch Erhitzung und Vergleichung des Geruchs
leicht zu ermitteln ist.
Schliesslich erklärt Dorn die in Pfahlbauten ge-
fundenen Himbcersaraon für die Reste „getrockneter
Himbeeren“, die, wie noch heute in Russland, in jeder
Hütte zu Heilzwecken vorräthig gehalten wurden.
Die Ring wälle anf der Wallleithen bei
Stadtsteinach.
Da, wo die westlichen Ausläufer des Hochlandes,
welches den Fichtelgebärgsstock mit dem Franken- und
ThUringerwalde verbindet, gleich einer aus abgerundeten
Waldbergeu zusammengesetzten Mauer das von N. nach
S. ziehende 8teinachthal östlich begrenzen, tritt die
hohe Wallleitbon, unweit Stadtstainach das Thal be-
herrschend, bemerkbar vor. Die Poststrasse nach Presseck
zieht sich über die südliche Abdachung den steilen
Berg hinauf und überschreitet solchen in bedeutender
Höhe. — Von dom Höhepunkte der Strasse aus steigt
link» der Gipfel des Berges in Form einer abgeplatteten
Kuppe empor. Diese wird von einem Doppelgürtel
von Ring wällen umzogen. Der erste befindet sich
etwa 300 Schritte über der Strasse, der zweite 50
Schritte höher. Beide sind vollständig Überrest und
haben *.V Höhe. Die obere Fläche der Wallleithen be-
trägt 100 Schritte in det Länge (v. 0. n. W.), circa 30
in der Breite and ist vom oberen Walle in 15 Schritten
zu erreichen. An den Wällen liegen rothgegluhte Steine
poröser Natur. Rrandspuren sind bis zu 2' Tiefe nach-
gewiesen. Den zweiten Abhang der Südseite des Berges
läuft ein ziemlich breiter und tiefer Einschnitt eine
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Stracke weit gegen die Steinach zu hinab. Ob der-
selbe zu den Ringwallen in Beziehung stand und viel-
leicht als geheimer Ausfall- oder Fluchtweg diente,
wenn erster© als Vertbeidigungswerke zu betrachten
sind, wäre näher zu untersuchen.
II üh ne (Archiv de» hist. Vereins für Oberfrauken
1842) betrachtete die Wallleithen als Kulturstätte
und der Name, der sich wohl füglich auf den volks-
tümlichen Ausdruck „wallen“ (wallfahren) zuriickführeu
lässt — Berg, zu dem das Volk wallte, — sowie die
von Hüb ne mitgetheilte Sage von der weinen Frauen-
ersclieinung mit dem goldenen Schlösse! mochte aller-
dings auf mythische Nachkliinge schliessen lassen.
Jedenfalls bewahrt die Wallleithen eines der be-
deutendsten vorgeschichtlichen Denkmäler Oberfrankens
und Bayerns.
MUnchberg, 20. Juni iH7ti.
Ludwig Zapf.
Unweit Poln. Brodden haben Arbeiter in der ver-
gangenen Wo ehe wieder ein Hünengrab aufgedeckt,
welches 9 Urnen enthielt. Beim Herausnahmen der
rothell Sandstein plattrn, «ns welchen <l«s tlrab gebildet
«*r, worden die Aschenkrliire grrnsteutheils sersldrt ond
wieder verschüttet. Nur zwei derselben sind einiger-
messen erb.lteu. Unter den KiiüL-honttberreston dieser
letzteren fanden sieh eusser vielen /.um Thoil zerbroeheuen,
unregelmässig geformten, bl.uen Gl.sperlen mehrere
Brnch.tttcke einer Broncekette, ein ganzer Brmiceriug
nebst Ol.sperlc und verschiedene liruchstbcke von Bronee-
dr.ht, sowie ein ziemlich grosser und zwei kleinere
eiserne Drabtringe. Als besondere Seltenheit kann aber
wohl eine über 10 cm. lange liier ebenfalls Vorgefundene
eiserne Nähnadel gellen, die zwnr zerbrochen und, wie
die andern MeUllgegeustände, atark osydirt, jedoch an
Oehr und Spitze noch deutlich erkennbar ist
(Königsb. Härtung sehe Ztg. Nr. .2. 1Bi7.)
Archiv für Anthropologie. 10. Band. 1S77.
Organ der deutachen anthrop Gesellschuft
Braunsehweig, Druck und Verlag von \ ieweg & Solui.
Inhalt des 1. nnd 2. Heftes.
I. Zur Verständigung über ein gemeinsames Ver-
fahren bei der Schadelmessung. Von Dr. J. Uilde-
meister iu Bremen. - II- Ne««« Gesichteurnenfunde.
Von Albin Kolm. (Hierzu Tafel I, Fi*. 1 a, b u. c
und Fig. 2) — HI- Zwei Funde im Fosenschen im
Jahre IS7H. Tod Albiu Kuhn. (Hierzu Taf. I, Fig.
3a und b, Fig. 4a und b, Fig. 5 und 0.) — 14. Zur
Bronzealter Frage. Notizen zu den Gegenbemerkungen
der Herren Prof. Gerthe, Lin dengelt mit und
Hostmaun. Von Sophui Müller. — V. Zur Technik
der antiken Bronzeinduatrie. Von Christian Host-
raann. — VI. Schlussbemerkungen zn den vorstehenden
Erörterungen der Bronzefrage. Von L. Lindenschinit.
— VII. Zur Archäologie des Balticum und Russlands.
Zweiter Beitrag, l'eber ostbaltische, vorzugsweise dem
heidnischen Todtencultus dienende schiffformige und
andersgestaltete grosse Steinsetznngen. I. VonC.üre-
wingk in Dorpat (Hierzu Taf. II.) — VIII. Zur Kennt-
nis» des Körperbaues früherer Einwohner der Halbinsel
Florida. Von A. Ecker, i, Hiertu Tafel 1 II u. IV.) —
IX. l'eber den queren Hiuterhanptswulst (Torus occipi-
talis transversus) am Schädel verschiedener ausser-
europäischer Völker. Von A. Ecker. (Hierzu Taf. IV,
Fig. 5, 7, 8, 9, 10 und Taf. V.) — X- Untersuchung des
Phallus einer altägyptischen Mumie, nebst Bemerkungen
zur Frage nach Alter nnd Ursprung der Bescbneidung
bei den .luden. Von Hermann Welcher. — XI. Die
Urheimath des europäischen Uansrindes. Von Dr. A.
v. Krantzius. — Kleinere Mittheilungen. 1) Die so-
genannten feite oder Streitmeissei. Von Karl von
Becker, k. ross, wirkl. Staatsrath in Karlsruhe. 2) A.
R. Wallace, Ueber Entstehung und Entwicklung der
modernen Anschauungen, betreffend Alter und Ursprung
des Menschen. Uitgetheilt von A. Ecker. 3) Zur
Kennt n iss der Bestattungsformen. Von A. Ecker. —
Referate.
Beitrüge zur Anthropologie nnd Urgeschichte
Bayerns.
Organ der Münchener anthrop. Gesellschaft.
München, Lit. -art. Anstalt ;Th. Riedel) 1877. Heft 4.
Inhalt. 1. Die Schädel der altbayerischcn Land-
bevölkerung. Von Prof. Dr. Johaunes Ranke. I. Ab-
schnitt. Zur Physiologie des Schädels und Gehirns.
Mit Taf. XXII u. XXII I. Einleitung. Kapitel 1. Die
Schläfeneuge. — II. Vorläufige Mittheilungeu über die
Unterschiede der Grosshirnwindungen nach dem Ge-
schlecht beim Foetns und Neugeborenen mit Berück-
sichtigung der angeborenen Brachycephalie und Dolicho-
cephalie. Von Prof. Dr. Rüdinger. Mit Taf. XXIV
bi» XXVI. — III. Auszüge au» den Sitzungsberichten
der Müncheuer Gesellschaft für Anthropologie, Ethno-
logie und Urgeschichte: 1) Entdeckung eines Reihen-
gräberfeldes bei Oberdorf (bei Biessenhofen). Referent
Prof. Dr. Job. Ranke. 2) Discussion über die Stein-,
Bronze- und Eisenperiode der vorgeschichtlichen Zeit,
mit grösseren Vorträgen des Hrn. Dr. med. Buddeus,
der Herren Prof. Dr. Marggraff, Sepp, Ohlen-
schlager, Ratzel, v. Christ, Zittel, H. Ranke,
des Hrn. Herrn, v. 8chlagintweit*8akünlünski
und des Hrn. Bergdirector Dr. Emil Stöfcr.
Schluss der Redaction am 15. Juli.
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§orresponfceni$-'28fcitt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R e d i g i r t
von
Professor Kollmann in München,
GencreUpervUr <l«r Crc*rlUchafl.
Erscheint jeden Monat.
Nro. 9. München, Druck von R. Oldenbourg. September 1877.
Bericht über die VIII. allgemeine Versamndung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Constanz
am 24. — 26. September 1877.
In Vertretung des Gcneralsecretärs nach stenographischen Aufzeichnungen
rodigirt von
Professor Dr. Johannes Ranke in Manchen.
Tagesordnung und Verlauf der VILL allgemeinen Versammlung 2
Sonntag den 23. September: Anmeldung der Gaste; Besichtigung der Sammlungen im Rosgarten*
Museum. Abends gesellige Zusammenkunft im Museum neben dem Münster.
Montag den 24. Sept. I. Sitzung. Mittags Besichtigung des Kosgarten-Museums und der Samm-
lung Oehuinger Versteinerungen ira Gymnasium. Nachmittags Fortsetzung der Sitzung. Um 5 Uhr ge-
meinsames Mahl im Inselhotcl. Nachher gesellige Zusammenkunft im Refectorio der Dominikaner.
Dienstag den 25. Sept. II. Sitzung. Mittags Fahrt nach ThayiDgen, Besichtigung des Kcssler-
lochs ; von da nach Schaffhausen, Besichtigung des Museums unter Führung der Mitglieder der natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft ; festliche Bcwirthung von Seite der Cantonalregicrung im Casino.
Abends in Constanz nach der Rückkunft gesellige Zusammenkunft im Museum.
Mittwoch den 26. Sept. III. Sitzung. Nachmittags Fahrt mit dem eigens dazu gemietheten
Dampfer in den Ueberlingcr-See , an der Insel Mainau und den wichtigeren Pfahlbauten vorbei. Be-
sichtigung des Museums in Ueberiiugen und festliche Bcwirthung im städtischen Badehotel mit Be-
leuchtung des Gartens. Abends in Constanz gesellige Zusammenkunft im Museum.
Donnerstag den 27. Sept. IV. Sitzung. Schluss der Verhandlungen. Besichtigungen der Sehens-
würdigkeiten in Constanz. Mittags Ausflug nach Fraueufeld. Begrüssung durch die Cantonalregicrung
und die wissenschaftlichen Vereine. Fahrt nach Niederwyl zur Besichtigung der speciell zu diesem
Zwecke von Herrn Messikomer blossgclegtcn Pfahlbauten, dann Besichtigung der Pfahlbaufunde im
Museum zu Frauenfeld. Abends Festessen, von Seite der Cantonalregicrung den Mitgliedern des Con-
gresses gegeben.
CV»rr*»p.-BliU Nro. 4.
1
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I.
Vorbericht und Zusammenstellung des geschäftlichen Theils
der Verhandlungen.
Inhalt: BegrhstmngHrede de« Vorsitzenden Hrn. Virchow. - Begrüssungen durch den Hm. Oberbürgermeister
Wiuierer und Hrn. Stadtrath Apotheker Leiner. — Begrüssungstelegramm Sr. kgl. Hoheit des Gross-
herzogs von Baden. — Pie Versammlung und da« ihr gebotene Studienmaterial. — l'ebersicht über
die ('ommiasionsberichte. — Per Kassenbericht und Vorschläge des Hrn. Weismann nnd Pecharge. —
Pas Budget de« neuen Vereinsjahres mit Beilagen. — Pie Wahl der Vorstandschaft und des Versamm-
lungsortes für die IX. allgemeine Versammlung. — Ernennung Schliemann's zum Ehrenmitgliede. —
Pank und Monument. — Der VIII. Versammlung vorgelegte Werke.
Montag den 24. September Morgens 9 Uhr
wurde in dem reich geschmückten Theatersaale
auf dem Münsterplatze zu Constanz die VIII. Ge-
neralversammlung durch den Vorsitzenden Hrn.
R. Virchow mit folgenden Worten eröffnet:
Hr. Virchow: „Meine Herren! Entsprechend
dem Beschlüsse, welchen die vorjährige Ver-
sammlung der deutschen anthropolopischen Ge-
sellschaft in Jena gefasst hat, haben wir uns hier
vereinigt. Ich darf wohl daran erinnern, dass
dieser Beschluss gefasst worden ist, weil wir im
voraus wussten, dass wir hier in Constanz nicht
nur eine freundliche, eine herzliche, eine voll-
kommen landsmännische Aufnahme linden würden,
sondern weil wir die Ueberzeugnng hatten, dass
die reichen Schätze, welche die Stadt und nament-
lich der Fleiss eines Mannes hier zusainmenge-
häuft hat, in hohem Masse dazu beitragen würden,
unsere Studien zu fördern und die Gesichtspunkte
klären zu helfen, von denen aus wir unsere
weiteren Forschungen anznstellen haben. Die-
jenigen von Ihnen, welche schon gestern Gelegen-
heit hatten, im kürzeren Ueberblick Kenntniss
von den Schätzen des Rosgartens sich zu ver-
schaffen, werden gewiss schon jetzt erfahren haben,
dass wir keinen besseren Ort hätten wählen
können. Die anderen, welche erst nachher ge-
kommen sind und welche heute in diese Samm-
lungen eingefübrt werden sollen, werden gewiss
überrascht, vielleicht erstaunt sein über die Fülle
von. Gegenständen, welche ein einziger Boden aus
der Vergangenheit überliefern kann, wenn man
es versteht, die Gelegenheiten zu benützen, welche
der Zufall herbeifährt, und wenn man plamnässig
die Arbeiten fördert, welche die Spur eines neuen
Fundes erkennen lassen. — Die Sonne, welche
der Naturforscherversammlung in München so
sehr abgewendet war, ergiesst ihr volles Licht
über die schöne Natur, welche uns hier umgibt
und ich hoffe, dass sie uns gnädig bleiben werde
während der ganzen Zeit. Wir werden Gelegen-
heit haben , Ihnen ein etwas erweitertes Pro-
gramm vorzulegen, welches mit auf die Sonne be-
rechnet ist. Somit erkläre ich unter den günstigsten
Auspicicn die neue Generalversammlung der
deutschen anthropologischen Gesellschaft für er-
öffnet.“
Hierauf erhielt zuerst Hr. Oberbürgermeister
Winterer von Constanz das Wort:
„Hochzuverehrende Versammlung! Es ist mir
die ebenso ehrenvolle als angenehme Aufgabe zu
Theil geworden, die VIII. deutsche anthropologische
Versammlung namens der Stadt Constanz an dieser
Stelle herzlichst zu begrüssen. Gereicht es schon
jeder deutschen Stadt überhaupt zur grossen Ehre,
wenn die Vertreter dieser noch so jung-aufstrebenden
und doch schon auf so grosse Erfolge zurück-
blickenden Wissenschaft sie zum Orte ihres jähr-
lichen Zusammenkommens auswählen, so fühlt sich
die Stadt Constanz durch Ihren verehrten Besuch
noch ganz besonders ausgezeichnet; — bildet sie
doch nicht wie die übrigen Städte, in welchen bis
jetzt derartige Versammlungen abgehalten wurden,
den Mittelpunkt des staatlichen oder wissenschaft-
lichen Lebens eines grösseren deutschen Landes-
gebietes, und wird überdies durch ihre Lage an
der südlichsten Reichsgrenze einem grossen Theile
der verehrten Besucher das Opfer einer strapaziösen
Reise zugemnthet. Aber eines, meine Herren,
werden Sie hier finden, wie schon der verehrte
Herr Präsident angedeutet hat, und zu Ihrer
grossen Befriedigung wahrnehmeu: dass die Stadt
und ihre Umgehung und die Bevölkerung selbst
des regsten Sinnes für ihre Lage in Mitte so viel-
fältiger alter Kulturstätten und Denkmale des
Menschen nicht entbehrt, und dass sie diesen Sinn
durch die Thftt schon bewiesen hat. Mag diese
Wissenschaft — wenn ich deren Wesen recht ver-
stehe — vor allem der ruhigen Facharbeit gelehrter
Forscher bedürfen, mag ihr auch die staatliche
Unterstützung sehr zu ihrem Gedeihen gereichen,
— so scheint sie mir doch am schönsten und er-
sprießlichsten ihre Aufgabe zn lösen, wenn Alle —
der ganze intelligente Theil der Bevölkerung sich
an der gemeinsamen Arbeit betheiligt, wenn
Jeder die Sternchen zusammen zu tragen sich
bemüht , welche dann die kundige Hand der
Meister zum grossen Baue zusammenfägt; — und
nur in diesem Falle scheint mir das höchste
und edelste Ziel jeder Wissenschaft erreicht zu
werden , dass sie Gemeingut Aller werde. Die
Stadt Constanz hat in dieser Richtung ihr Scherf-
lein beizutragen versucht, sie hat schon seit ge-
raumer Zeit die Ziele Ihrer Wissenschaft zu för-
dern sich bestrebt und aus eigenen Mittelu,
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67
aus sich heraus, ohne staatliche Unterstützung,
dank der Hochherzigkeit und Opferwilligkeit einer
Reihe ihrer Bürger und Gönner hier Sammlungen
angelegt, auf welche gewiss jede Gemeinde von
ihrem Umfange mit Befriedigung hin weisen kann.
Sie wird auch Ihre hiesigen Arbeiten mit In-
teresse verfolgen, und Sie dürfen Überzeugt sein,
dass das Ergebnis« Ihrer hiesigen Verhandlungen
als gute Saat hier guten Boden finden wird. Aber
auch von Ihnen, hochgeehrte Herren, möge ein
Jeder die reichste Anregung von seiner hiesigen
Anwesenheit empfangen, und möge die Erinnerung,
die er mituimmt, eine der Stadt Constanz stets
freundliche sein! Mit diesem Wunsche und mit
dem Ausdrucke des aufric htigsten Bedauerns, dass
die Gesellschaft einen weiteren gastlichen Empfang
seitens der Stadt abgelehnt hat, heisse ich Sie
namens der letzteren, bevor Sie Ihr Werk be-
ginnen, nochmals auf das herzlichste willkommen.“
Mit einer schwungvollen poetischen Begrüssung
der Versammlung durch unseren hochverdienten
Lokalgeschäftsführer Hm. Stadtrath Apotheker
L. Leiner zu Constanz, in welcher er die Vorzeit
von Constanz schilderte, schlossen die »fficicllcn
Begrünungen des ersten Tages. Wir hoffen, die-
selbe dem Schlüsse dieses Berichtes beifügen zn
können.
In der zweiten Sitzung wurde dem Congresse
die hohe Ehre einer Begrüssung von
Seite seiner köuigl. Hoheit des Gross-
herzogs von Baden zu Tbeil. Der I. Vor-
sitzende, Herr Virchow erhielt folgendes
Telegramm:
„Seine kgl. Hoheit der Grossherzog lassen
Euer llochwohlgoboren gnädigst beauftragen,
die in Constanz zusammentretende General-
versammlung der anthro]>ologischen Gesellschaft
in seinem Namen freundlich zn begrüssen und
dabei das allerhöchste Bedauern aassprechen,
. dass es Sr. kgl. Hoheit dem Grosshcrzog leider
nicht, wie cs In höchst dessen Wunsch gelegen,
vergönnt ist, den in Constanz stattfindenden
Verhandlungen der Gesellschaft anwohnen zu
können.*
Präsident Stösscr.
Auf Vorschlag des Vorsitzenden wurde dieses
Telegramm in folgender Weise beantwortet:
„Die deutsche anthropologische Gesellschaft
dankt Sr. kgl. Hoheit dem Grossherzoge für
seinen Grass. Sie wäre glücklich gewesen, den
in allen deutschen Landen gefeierten Fürsten*
in ihrer Mitte zu sehen.“
Als sich auf Vorschlag des Hm. Fraas die
VII. allgemeine Versammlung, welche in den Tagen
des August 1876 in Jena zu ihren Berathungen ver-
sammelt war, einstimmig für Constanz als den Ort
des nächsten Congresscs entschieden hatte, war die
Meinung laut geworden, dass die dort natürlich sich
ergebende freundnachbarliche Verbindung mit der
Schweiz und den schweizer Anthropologen eine
(Quelle reicher Anregung und Belehrung für die
Theilnehmer werden könne. Diese Erwartung hat
sich in reichem Masse erfüllt. Unter der zahl-
reichen Versammlung, die sich zur Eröffnung ein-
gefunden hatte, es waren 95 Theilnehmer einge-
schrieben, waren neben den Forschern auf anthro-
pologischem Gebiete aus allen Gauen Deutschlands
und aus Oesterreich auch die schweizer Anthro-
pologen durch hervorragende Namen vertreten,
und die Theilnahinc , welche die schweizer Ge-
lehrten und die schweizer Nachharstädte : Schaff-
hausen und Frauenfeld, den Studien und Be-
strebungen unserer Gesellschaft entgegenbrachten,
bildeten Glanzpunkte im Verlaufe unseres Con-
gresses. Das Hauptverdienst aber dafür, dass die
VH1. Versammlung sich eine hervorragend wichtige
Stellung unter den bisherigen ("ongressen unserer Ge-
sellschaft hat sichern können, trägt neben dem Vor-
sitzenden derselben unser Lokalgeschäftsführer
Herr Stadtrath Apotheker L. Leine r, unterstützt
von der werktätigsten Mitwirkung der Constanzer
städtischen Behörden und durch die zahlreiche
und aufopfernde Betheiligung des dortigen Lokal-
vereins und seiner Freunde, unter welchen die
Nachbarstadt Ueberlingen an hervorragender
Stelle Erwähnung beansprucht.
Für die Wahl von Constanz als Versammlungs-
ort war das reiche in der Stadt und ihrer näheren
und ferneren Umgebung vereinigte anthropologische
Studienmaterial entscheidend gewesen. Am Hafen
der Stadt Constanz selbst haben sich Reste eines
Pfahlbaues — Rauenegg — gefunden, an der nah-
gelegenen Insel Mainau und in fast allen vor
höherem Wellenschlag geschützten Uferbuchten des
sogenannten Ueberlinger Sees fanden sich, nament-
lich auch in näherer Umgebung der Stadt Ueberlingen
selbst, welche jenem nordwestlichen Arm des
Bodensees den Namen gibt, zahlreiche Pfahlhau-
stationen. Wir sind in der Lage, eine Karte der
Pfahlbauten des Bodensees und der nflchstli egenden
prähistorischen Fundstätten , von dem bekannten
Kartographen Herrn Haupt mann a. D. Eugen
F reiherr von T r ö 1 1 s c h entworfen und gezeichnet,
unserem Berichte keigeben zu können. Keine
Gegend Deutschlands ist geeigneter die Verhältnisse
der Pfahlbauten zu studiren, um so mehr, da sich
in nächster Umgehung Gelegenheit bietet, auch
die wichtigsten Pfahlbauten der Nordschweiz und
die in ihnen gemachten Funde zu besichtigen. Die
Pfahlbauten des Bodensees reichen bekanntlich in
jene primitive Periode dieser merkwürdigen Nieder-
lassungen zurück, in welcher, wenn auch nicht aus-
schliesslich. doch vollkommen überwiegend ge-
schliffener und geschlagener Stein, Knochen und
Horn das Material zu Waffen und Geräten des
alltäglichen Lebens lieferten.
Aber in eine wohl noch um Jahrtausende
weiter von uns ah liegende uranfängliche Kultur-
entwickelungsperiode des europäischen Menschen-
1*
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68
geschlechts werden wir zurückgeführt dnrrh die
berflhmteu and vielbesprochenen Ausgrabungen in
den unfern von Constknz gelegenen Höhlen, von
welchen namentlich das Kesslerloch bei Thayingen
die allgemeine Aufmerksamkeit auf sieh gelenkt
hat. Abgesehen von den hochwichtigen Beobach-
tungen über die Veränderung der Fauna und
Flora der Bodenseegegenden, seitdem diese von
Menschen bewohnt wird; abgesehen von den Be-
weisen einer längst vergangenen Kulturepoche, in
welcher das Menschengeschlecht wie es scheint
noch nicht einmal zu jener Kunstfertigkeit fort-
geschritten war, um das roheste Töpfergeschirr
verfertigen zu können, — haben diese Ausgrabungen
aus der Tiefe des Höhlenbodens auch jene viel-
besprochenen Gravirangen auf Renthierhorn und
einige Schnitzereien aus dem gleichen Materiale
zu Tage gefördert, welche eine z. Th. längst
aus jenen Gegenden verschwundene Thicrwelt
— Renthier , Moschusochse — mit staunen-
erweckender Naturtreue und Kunstfertigkeit dar-
stellen. Wie in den Höhlen der Dordogne steht
auch in der Thayinger - Höhle diese relativ
hohe künstlerische Begabung der Höhlenmenschen
vollkommen unvermittelt neben den Beweisen son-
stiger rohester Unbehilflichkeit, wie sie uns kein
in den letzten Jahrhunderten bekannt gewor-
denes Naturvolk zeigte. Schon gegen die Aecht-
heit der französischen Höhlen - Kunsterzengnisse
waren Stimmen laut geworden. Die Frage nach
der Echtheit der Gravirungen und Abbildungen
aus der Tbayinger-Hölile war bei der VTI. Ver-
sammlung in Jena zu einer brennenden geworden.
Hier war Hr. Linde nsch mit mit der Nachricht
hervorgetreten, dass er in zweien der als echt
pnblicirten Abbildungsfunde aus Thayingen freche
Fälschungen auf das bestimmteste habe nachweisen
können. Sollten diese beiden Zurückweisungen
Lindensc h mit’s die ganze, bisher von hervor-
ragenden Forschem als feststehend vertretene
Lehre einer verfrühten Kunstentwickelung der
Höhlenvölker der Schweiz und Frankreichs er-
schüttern und vielleicht vollständig beseitigen?
Die Enthüllungen Lindensc hm i t’s worden in der
Folge für die beiden von ihm bezichtigten Ab-
bildungen auf das vollkommenste bestätigt, ein
bei jenen Ausgrabungen betheiligter Arbeiter als
Fälscher bestraft — aber für die Echtheit der
übrigen Abbildungen aus der Thayinger - Höhle,
auf welche jener Betrug einen so tiefen Schatten
geworfen hatte, trat eine Reihe der glaubwürdigsten
Zeugen auf! Nur vollkommen vorurtheilsfreie,
objective Untersuchung der fraglichen Gegenstände
an Ort und Stelle konnte Aussicht bieten auf eine
Entscheidung dieser für die gesammte Discussion
über die geistige Entwickelung des Menschen-
geschlechts so hochwichtigen Frage.
Als Gegenstände der Hauptstudien der VIII.
Versammlung in Consianz waren den lokalen Ver-
hältnissen entsprechend vor allem die Kulturreste
der Höhlenbewohner und die Pfahlbauten des
Bodensees ins Auge gefasst. In reichstem Massd
war für die Ermöglichung dieser Studien gesorgt.
Von dem gebotenen Studienmaterial steht an
Wichtigkeit das Co n Stanzer städtische Museum im
Rosgarten obenan. Unter der für den Zweck
hochbegeisterten und umsichtigen Leitung unseres
Geschäftsführers Hm. Lein er und durch die
verständnissvollc Unterstützung seiner Bestrebungen
von Seite der städtischen Behörden und der
Bürgerschaft hat sich hier eine, rein auf die
lokalen Verhältnisse der Stadt und ihrer nächsten
Umgebung beschränkte, historisch-naturkistorischc
Sammlung entwickelt von überraschendem Reich-
thum. Das städtische Museum im Rosgarten ist
eine Sammlung, auf welche jeder Staat stolz sein
dürfte. In dem selbst historisch und architek-
tonisch merkwürdigen Gebäude des Rosgartens,
welches auf das beste für den neuen Zweck her-
geriehtet ist, finden wir übersichtlich und schön,
ja mit echt künstlerischem Verständnisse geordnet
eine der reichsten Sammlungeu lokaler Alterthümer
und lokaler Naturgeschichte, deren sich irgend-
eine Stadt wird rühmen können. In anthro-
pologischer Beziehung nehmen die Höhlenfunde,
namentlich die aus der Thayinger-Höhle. und dio
Reste aus den ('onst&nz benachbarten Pfahlbauten
des Bodensees, von welchen das Constanzer Museum
das wichtigste Material besitzt, die Aufmerksam-
keit vor allem in Anspruch.
Ausser dem Rosgarton-Museum besitzt Constanz
noch eine zweite für die Interessen unserer Wissen-
schaft wichtige Sammlung. Im Gymnasialgehäude
findet sich eine stattliche Collection von Ver-
steinerungen aus den Steinbrüchen aufgestellt,
welche von dem alten Kloster Oehningen ihren
Namen haben, aus jener altberühmten Fundstätte
vorzüglich erhaltener Versteinerungen, unter welchen
schon im Jahre 1725 der Basler Arzt und Natur-
forscher Schcuchzer den Fund gemacht zu
haben glaubte, nach welchem wir noch heute
vergeblich suchen: die Reste des prädiluvialen,
„versteinerten Menschen“. Mehrere Exemplare, dar-
unter namentlich eines dem von Schcuchzer in
seiner Physica sacra (Bd. I. Tab. XL1X. S. 66)
abgchildeten Originalexemplare fast absolut glei-
chend, des berühmten Homo Scheuchzeri diluvii
testis, werden hier aufbewahrt. Die wohlerhaltenen
Schädel und die übrigen froschähnlichen Skelet-
theile, welche Scheuchzer getäuscht hatten, und
in welchen Cu vier den versteinerten Oehuinger
Riesensalamander: Andrias Seheuehzeri — Sala-
mandra gigantea C. — erkannte, sind auf das ge-
lungenste heransgearbeitet.
Aber nicht allein die in Uonstanz vereinigten
Sammlungen wurden dem Studium geboten. Der
Himmel, welcher nach langen Regenwochen mit
ununterbrochener Freundlichkeit unsere Versamm-
lung begünstigte, machte für die Theilnchmer drei
grössere höchst interessante Ausflüge möglich.
Der erste Ausflug war der Besichtigung der
Thayinger-Höhle, des sogenannten „Kcsslerlochs“
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73
Charge ertheilt und der Dank der Versammlung
durch den Vorsitzenden ausgesprochen.
In der III. Sitzung wurde von Ilm. Koll-
mann das Budget für das Jahr 1877/78 vorge-
Icgt ; wir schliesscn die bezüglichen Verhandlungen
liier an.
Hr. Kollmann: Das Budget für das folgende
Jahr ist nach dem vorliegenden Cassastand folgen-
dennassen von dein Vorstande entworfen :
Die verfügbare Summe besteht in 11,094 «4 50 ^
nämlich :
JL &
Jahresbeiträge für 1877/78 4422 74
Keruer der Boarvorratb der Kasse . . . 4693 26
Koch nicht erhobene, aber bereits verfügte
Summe 1978 60
Gcsatniutsunmic 11094 5Ö
Ausgaben für das Geschäftsjahr 1877 78.
^ 4
1. Vervraltungskosten 600 —
2. Druckkosten des Correspondenzbl altes . 2200 —
3. Zu Ilanden des Generalsekretärs . . . 600 —
4. . „ . Schatzmeisters .... 3tX> —
5. Honorar für Mitarbeiter des Correspon-
denzblattes IUU —
6. Für den Druck des Kassenberichte«, für
Druckschriften und Copialien ... 100 —
7. Für die Stenographen hei der General-
versammlung 200 —
8. Für die Publikation der statistischen Er-
hebungen über die Farbe der Augeu,
der Haare und der Haut 3000 50
9. Für die erste Publikation der prähisto-
rischen Karte 1526 —
10. Dem Zweigverein zu Weissenfcls für Aus-
grabungen 3U0 —
11. Dem Verein zu Dürkheim für Ausgrabungen
auf der Limburg 150 —
12. Als erste Summe für einen Reservefond 500 —
13. Für unvorhergesehene Aufgaben . . . 1618 —
1 1094 50
Für die Publikation der statistischen Erhebungen
über die Farbe der Augen , der Haare und der
Haut , die nunmehr in dem gesummten Deutsch-
land, mit Ausnahme Hamburgs, vollendet sind, er-
scheinen in unserem Budget 3000 M. 50 Pf. ein-
gesetzt,. welche durch Vermehrung des im Vorjahre
nicht verwendeten Restes von 1252 M. 50 Pf. und
'on 1718 M. durch Neubewillignng hervorgegangen
sind. Es ist zu hoffen, dass damit die Herstellung
zweier oder dreier Karten in einer Auflage von
2750 Exemplaren zn erreichen ist, ähnlich denen,
welche Ilr. Vircbow in der letzten Sitzung der
Versammlung vorgelegt hat. Wir würden da-
durch in den Stand gesetzt , jedem Mitgliede der
deutschen Gesellschaft ein F.xcmplar dieser Karten
sanunt einem erläuternden Texte übergeben zu
können , und überdies eine entsprechende Anzahl
F.xemplare für den bnchhändlerischen Betrieb zur
Verfügung zu haben.
Für die erste Veröffentlichung der prähisto-
rischen Karte bittet der Vorstand , pro 1877 78
die Summe von 800 M. zu genehmigen. Die glcirhe
Com-*p.- Blatt Xrn. 9.
Summe wurde schon in dem ahgelaufenen Jahre
genehmigt, wenn auch nur zn einem sehr kleinen
Theil von dem llrn. Fraas hiefflr in Anspruch
genommen. Durch die Admassirung der vom Vor-
jahre nicht verwendeten 726 M. und der bean-
tragten 800 M. pro 1877/78 entstände ein Fond
von 1526 Mm der die ansehnlichen Kosten dieses
ganz Deutschland umfassenden Werkes t heilweise
decken soll, ohne die Mittel unseres Vereins in den
folgenden Jahren zu sehr in Anspruch zu nehmen.
Der Zweigverein in W eissenfeis stellt an
die Versammlung die Bitte , ihm für Ausgra-
bungen 300 M. genehmigen zu wollen , und der
Vorstand ist auf Grund des vorliegenden Berichtes
in der Lage , dieses Gesuch zur Berücksichtigung
ganz besonders empfehlen zu können. Dieser
thätige Zweigverein hat in den letzten Jahren
aus eigenen Mitteln über 800 M. für die Auf-
deckung interessanter prähistorischer Grabstätten
verwendet . und weitere Nachforschungen dürften
zu ebenso werlhvollen Ergebnissen führen an der
alten Grenzmark zwischen germanischen und sla-
vischen Völkcrstämmen.
Auf der Nord Westseite der Limburg in der
Pfalz hat Hr. Dr. Mehlis, kpl. Studicnlehrer in
Dürkheim all., Grabungen begonnen, welche sehr
lohnende Resultate in Aussicht stellen. Er bittet
die Versammlung für Fortsetzung der Untersuchung
um 100 M. Der Hr. Vorsitzende hatte Gelegen-
heit, sich in der jüngsten Zeit an Ort und Stelle
von der Wichtigkeit dieser alten Kulturstätte zu
fiherzeugen, und auf Grund dieser Wahrnehmungen,
die eine ausgedehntere Untersuchung höchst wün-
schenswerth erscheinen lassen , glauben wir eine
Erhöhung der geforderten Summe von 100 auf
15o M. empfehlen zn dürfen.
Der Vorstand hat ferner die Schaffung eines
Reservefonds in Aussicht genommen und beantragt
für das Jahr 1877/78 die Summe von 500 M. ZI
hinterlegen.
Den Rest von 1 518« M. bitten wir, für unvor-
hergesehene Ausgaben dem Vorstand geneigtest zur
Verfügung stellen zn wollen.
Hr. Virohow : Ich kann meinerseits nur be-
stätigen , dass die Voranschläge mit möglichster
Berücksichtigung der Verhältnisse aufgestellt sind
und auf Grund der allmälig ziemlich consolidirtcu
Erfahrungen der vergangenen Jahre wohl die Aus-
sicht gewähren, dass sie eingehalteii werden können.
Derjenige Punkt, der verhältnissmässig am meisten
Unsicherheit bietet , ist die bevorstehende defini-
tive Publikation der Karten und der mit diesen
zusammenhängenden Tabellen; es werden ziemlich
zahlreiche und umfangreiche Tabellen not h wendig
sein, um das Einzelne zn erläutern. Die Absicht,
jedem Mitgliede «ler deutschen anthropologischen Ge-
sellschaft ein Exemplar davon gratis zur Verfügung
zn stellen . wird allerdings eine etwa« grössere
Ausgabe nach sich ziehen. Wir haben sorgfältig
überlegt, oh die*e Freigebigkeit gerechtfertigt sei
2
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74
oder ob man es nicht vielmehr jedem einzelnen
Mitgliede überlassen sollte , sich den Bericht
gegen ermässigten Preis selbst zu kaufen. In dieser
Beziehung darf ich daran erinnern, dass man, als
vor 2 Jahren zuerst die Münchener Erhebungen
gedruckt wurden , den Weg etilgeschlagen hat,
Exemplare davon den Mitgliedern zu einem er-
mässigten Preise zur Verfügung zu stellen, und ob-
wohl damals allgemein der Bericht für sehr interes-
sant gehalten wurde, hat sich das betrübende Er-
gebnis* herausgestellt , dass nicht 20 Exemplare
verkauft wurden. Wir haben daraus nicht den
Schluss gezogen, dass die Untersuchung ohne In-
teresse sei , aber wohl den Schluss , dass es
besser wäre , jedem einzelnen Mitgliede die Mühe
des besonderen Zählens zu benehmen und ihn
in die Lage zu bringen , auf (»rund der einmal
gezahlten Quote seine Lektüre zu vollziehen. Da
wir diese Untersuchungen ja nicht abgeschlossen
haben, vielmehr die jetzige Arbeit nur die Grund-
lage bilden soll für weitergehende Untersuchungen
in einzelnen Bezirken , so schieu es uns wün-
schenswerth, dass jedem Mitgliede durch die Uebcr-
lieferung eines Exemplars ein neuer Impnls ge-
geben werde , damit er sichern Interesse der Ge-
sammtthätigkeit mit engagirc. Das ist der Ge-
sichtspunkt , von dem aus die höhere Forderung
motivirt ist.
Der Vorstand wünscht , dass Sie mit der
Genehmigung der Summe zugleich die Ermäch-
tigung an den Vorstand aussprechen, nach bestem
Wissen und genauer Prüfung der Verhältnisse
in der Weise zur Publikation zu schreiten , wie
es ihm an» zweckmässigsten erscheint. Bis jetzt
kann ich nur inittheilen , dass für uns die
grösste Wahrscheinlichkeit besteht , dass wir die
Veröffentlichung in Form eines Supplementheftes
zum Archiv für Anthropologie veranstalten werden.
Es würde das nur dann nicht stattfinden , wenn
etwa die Kosten zu gross sein sollten. Wir
haben noch eine ganze Reihe von anderen An-
erbietungen, namentlich Hr. Petermann in Gotha
und Hr. Andrle in Leipzig haben sich bereit
erklärt, die Karten zn puhlicircn nnd uns Ab-
züge zu geben , andererseits hat auch das sta-
tistische Bureau in Berlin sich bereit, erklärt., dio
Tabellen zu publieiren, falls wir die Karten geben.
Das ist eine Reihe von Möglichkeiten , zwischen
denen wir zu entscheiden haben werden; jeden-
falls hoffen wir, dass jedes Mitglied ein Exemplar
gratis bekommt. Das Heft wird jedenfalls auch
einzeln zn beziehen sein.
Hr. Weidmann fordert die Versammlung auf,
für die Gesellschaft, recht viele Mitglieder zu
werben, welchem Wunsche sich Hr. Mehlis an-
schliesst.
Die Versammlung genehmigt die Voranschläge,
ln Bezug auf die für Ausgrabungen genehmigten
Summen erinnert der Generalsekretär an den Be-
schluss einer früheren Generalversammlung, der
bestimmt, dass über die Verwendung der Gelder
und über die Resultate der Ausgrabungen ein ein-
gehender Bericht am Schluss des Geschäftsjahres
also in diesem Fall bei der Generalversammlung
zu Kiel im Herbst 1878 vorzulegcn sei.
Programmgemäss schritt die Versammlung in
der I. Sitzung Nachmittags zur Neuwahl des
Vorstandes und zur Wahl des Ortes für
die nächste Versammlung. Bezüglich der
enteren theilte
Hr. Virchow mit : Was den Vorstand an-
langt, so befinden wir uns dieses Jahr in der be-
sonderen Situation, dass die Wahlperiode des Hm.
Generalsekretärs abgelaufen ist. Derselbe wird
immer auf 3 Jahre gewählt , während die übrigen
Vorstandsmitglieder jährlich wechseln. Wir haben
also diesmal den Hm. Generalsekretär wieder zu
wählen. Die Statuten haben eine dreijährige Wald
deshalb vorgesehen , weil man der Ucberzougung
war, «lass der Generalsekretär eigentlich die Haupt-
person in der Gesellschaft sei und dass es von
der Continuität seiner Arbeit wesentlich abhängig
ist, wie die Geschäfte des Vereins im Grossen und
Ganzen gehen werden. Dio Wahlperiode,- welche
unser gegenwärtiger Generalsekretär hinter sich
hat, hat nur eine betrübende Seite, das ist die,
dass seine Gesundheit im letzten Jahre ernst-
lich und anhaltend gelitten hat, und vielleicht —
das muss ich wohl anerkennen — mit durch unsere
Geschäfte. Indes* hoffe ich nicht, dass er nns be-
schuldigen wird , dass wir die Hanptveranlassung
sind. Er hat in Folge dessen allerlei böse Ge-
danken gehabt und es war sogar zweifelhaft ge-
worden , oh wir ihn hier sehen werden. Nun,
meine Herren , wir haben in der Thal mit un-
seren Generalsekretären sehr viel Glück nnd, ich
muss auch sagen, sehr viel Unglück gehabt. Was
llr. Kollmann von seinem Vorgänger , von
meinem alten und bewährten Freunde Fran-
tzius, sagte (cfr. unten S. 87), das theilen
Sie gewiss Alle. Der Verein war schwer ge-
schädigt, als Frantzius durch seine Gesund-
heit genöthigt war , das Generalsekretariat ahzu-
lehnen . und wenn er nachher in einer unerwar-
teten Frische für die Gesellschaft durch immer
neue Arbeiten und auch privatim durch immer
grössere persönliche Theilnahme wirksam war, so
hat uns sein Tod die Lücke nur um so fühlbarer
gemacht, die in unseren Kreis gerissen ist. Hr.
Kollmann hat die Hoffnungen, mit denen wir ihn
zum Nachfolger Frantzius’s erwählt haben, in
einer ganz glänzenden Weise erfüllt. Wir können
wohl sagen , dass während dieser Zeit die Ge-
schäfte in einer Regelmässigkeit der Abwickelung
aller nothwendigen Dinge , mit einer Ordnung un«i
zugleich die reinwissenschaftlicho Seite der Ge-
sellschaft in einer Deutlichkeit zu Tage getreten
sind, wie es selbst unter Frantzius nicht zn er-
reichen war.
Digiti;
L.CX
75
Ich muss daher von meinem Erfahrungskreise
aus — und ich glaube, dass ich sielleicht in etwas
erhöhtem Masse berechtigt bin zu sagen , dass
ich Gelegenheit hatte , diese Erfahrungen zu
machen — auf das dringendste bitten , dass
Sie diese Wahl erneuern möchten. Ilr. Koll-
mann ist allerdings durch seine Gesundheitsver-
hältnisse genöthigt, sich zu schonen ; er hat deshalb
auch schon in mancher Beziehung, so namentlich für
die Redaction des Gcneralberichtcs über unsere Ver-
sammlung, eine Aushilfe gesucht, und er hat sie in
der bereitwilligsten Weise bei Hm. Prof. Johannes
Ranke gefunden, der sich bereit erklärt hat, die
Redaction für den diesjährigen Generalbericht zu
übernehmen und damit lim. K oll mann diese
Last abzunehraen. Die übrigen laufenden Ge-
schäfte sind so regelmassig geordnet, dass, wie ich
hoffe, sie nicht zu schwer auf Ilm. Kollmann
lasten werden. Meine Herren, ich war etwas weit-
läufig, indess ich glaubte. Sie aufmerksam machen
zu müssen , dass es ungemein schwer sein dürfte,
mit voller Zuversicht diese Stelle zu besetzen und
ein ähnliches Arbeitselement für anseren Kreis zu
gewinnen. Da der Präsident der französischen
Republik seine Candidaten bezeichnet , so ge-
statten Sie mir, dass ich wenigstens einen nenne;
ich will mich im Uebrigcn ganz unparteiisch ver-
halten.
Auf Vorschlag Ecker’s wird zum Präsidenten
der IX. anthropologischen Versammlung Hr. Prof. Dr.
Schaffhausen, zu den 2 stellvertretenden Vor-
ständen auf Vorschlag Krause's die Hin. Prof.
Vircliow und Fraas, zum Generalsekretär für
weitere drei Jahre nach dem Vorschlag des Vor-
sitzenden Ilr. Prof. Dr. Kollmann gewählt.
Hr. Kollmann: Sie erlauben mir wohl, meine
Herren, noch einige Bemerkungen zu den ebenso
schmeichelhaften als gütigen Worten des Hm. Vor-
sitzenden.
Hr. Virchow: Ich will bemerken, dass das
definitive Votum bereits abgegeben ist.
Hr. Kollmann: Ihr wiederholtes Vertrauen zu
dem Amte des Generalsekretärs ist ausserordentlich
ehrend, und ich erkenne dankbar die grosse Aner-
kennung, die in Ihrem Votum liegt. Allein ich darf
doch nicht verhehlen, dass für diese neue dreijährige
Thätigkeit sich in der That ein bedenklicher Mangel
an Kraft bei mir fühlbar macht. Meine Herren!
Die Geschäfte des Generalsekretärs gehen nicht
immer so glatt ah, wie man anzunehmen geneigt
ist. Es ist gewiss richtig, dass sich die Arbeiten
rascher und leichter erledigen lassen, wenn man
längere Zeit dieses Amt verwaltet, aber abgesehen
von allem dem gibt es doch eine Seite, die ernst-
haft in Berücksichtigung gezogen werden muss.
Der Generalsekretär bekommt, je klarer die Vor-
stellung von seinen Pflichten wird, auch ein immer
deutlicheres Bewusstsein von seinen Rechten, und
ich kann nicht leugnen, dass er dann bei der Aus-
übung seiner Rechte, wenn sie auch mit der grössten
Vorsicht geübt werden, bisweilen in höchst unbe-
queme Situationen ger&th. Don Herren ist z. B.
die Schrift von Dr. Riecke „zur Abwehr“ mit-
getheilt worden. Wenn Sic die ersten paar Seiten
etwas genauer durchseheu wollen, werden Sie finden,
dass dieser Anprall, der hauptsächlich gegen mich
gerichtet ist, an Heftigkeit nichts zu wünschen übrig
lässt. Diese „Abwehr“ ist dio Strafe für die Aus-
übung eines Rechtes, das mir zusteht, als dem
Itedacteur des Correspondenzblattes zusteht, nemlicli:
im Interesse der wissenschaftlichen Stellung unserer
Gesellschaft eine Rede zu unterdrücken, oder die
Zumuthung zum Abdruck eines Artikels zurück-
zuweisen, wenn offenkundige Irrthümer, die längst
und gründliche widerlegt sind, aufs neue wieder-
holt werden sollen. Hr. Riecke ist höchlichst
anfgcbr&eht, seinen Vortrag nicht in den Verhand-
lungen unseres Berichtes über die Generalversamm-
lung zu Jena 1876 zu sehen (siehe die Schrift
„Zur Abwehr“). Ich aber bin in diesem Falle in
der wehrlosesten Lage , muss den Anprall er-
gehen lassen , ohne etwas erwidern zu können ;
denn weder der Tenor, der hier eingehalten ist,
wird mich veranlassen, einem wie ich höre sonst
achtbaren und als Arzt verdienten älteren Mann in
ähnlicher Weise gegenüber zu treten , noch ist
eine wiederholte Discussion der gänzlich verkehrten
Anschauungen Riecke ’s in irgend einer Form zu
wünschen. Es bleibt also nichts anderes übrig als
zu schweigen und von der Einsicht der Leser ein für
mich günstiges Urtheil abzuwarten. Das ist nur eines
jener gerade nicht erfreulichen Ereignisse, die dem
Generalsekretär begegnen. Aber es gibt noch andere,
die nie in die Oeffentlichkeit dringen. Die rasche
Zusammenstellung des Berichtes dieser Versamm-
lungen hängt nicht allein von dem Generalsekretär
ab ; es sind dabei auch die Redner, der Buchhändler
und Buchdrucker betheiligt. Wenn ich die Correcturen
des Berichtes mit der Bitte verschicke , dieselbe
baldigst vorzunehmen, so muss ich erwarten dürfen,
dass das auch geschieht. Wenn das nicht der Fall
ist, so steigert sich der Verlust an Zeit und Geld,
und es entsteht in der Redaction eine kaum zu
beherrschende Unordnung. Als ein geehrtes Mitglied
nahezu über 3 Wochen sein Manuacript in Händen
hatte, ohne es zurfickzuschicken, habe ich von meinem
Rechte als Redacteur Gebrauch machen und seine
in Jena gehaltene Reden unterdrücken müssen.
Noch schweben die Blitze jenes Gewitters über mir,
das ich durch diese That hcraufbeschworen. Sio
sehen, meine Herren, ein Generalsekretär, der sich
seiner Rechte bewusst wird, wird bisweilen unbe-
quem, und es liegt eine grosse Weisheit in jenem
Paragraph unserer Statuten, der nach drei Jahren
die Neuwahl verlangt. Nachdem durch den Herrn
Vorsitzenden eine Aushilfe für die Herstellung des
Berichtes ermittelt worden ist, scheint es mir in
der That leicht, die ganze Summe der Geschäfte
2*
Digiti
und «las volle Mas* der Verantwortung auf Hrn.
Johannes Hanke zu übertragen, und ich würde
hiefflr zu grossem Danke verpflichtet sein.
Hr. Virchow : Ich kann wohl erklären, dass
diese Kede ein vaTiQov ngor tgor war; wir können
nicht mehr zurück. Die Wahl ist mit Einstimmig-
keit erfolgt und ich glaube auch, soweit ich Inter-
pret der Versammlung zu sein annehmen darf, dass
wir die Entschlossenheit und Entschiedenheit des
Hrn. Generalsekretärs mit allein Danke und vollster
Ergebung über uns ergehen lassen werden , und
«lass wir keinen Grund haben, einen Wechsel ein-
treten zu lassen. ( Bravo!)
Als Ort für die nächste Versammlung waren
3 Städte vorgeschlagen : Cassel , Strassburg und
Kiel; letzteres wird gewählt. Hr. Handel-
mann von Kiel wird zum Geschäftsführer erwählt
und davon telegraphisch benachrichtigt, ln der III.
Sitzung läuft die Annahme dieser Wahl von Hm.
Handelmann ein. Von den Hrn. Krause
und Mehlis wurde der Wunsch ausgesprochen,
den Beginn der nächstjährigen Versammlung auf
den Anfang des Monats August zu verlegen, was
seitens des Vorstandes zugesagt wird.
Noch sind einige Acte zu erwähnen , durch
welche die Versammlung den Gefühlen ihrer Ver-
ehrung uml Dankbarkeit Ausdruck gab.
Auf Antrag des Hm. l.ucae (Frankfurt a M.'i
wurde in der IV. Sitzung unter allgemeinem Bei-
fall einstimmig Hr. Schliemann wegen seiner
hohen Verdienste um die Archäologie zum E h ren-
nt itglie de der deutschen anthropologischen Ge-
sellschaft ernannt.
Auf Antrag des Vorsitzenden sprach die Ver-
sammlung in derselben Sitzung dem kgl. stati-
stischen Bureau und Hrn. Dr. Gut t Stadt zu Ber-
lin ihren Dank aus für die Leistungen hei Her-
stellung der Statistik über die Farben der Augen,
der Haare und der Haut bei der deutschen Schul-
jugend.
Derselbe theilte in der 1. Sitzung einen von
einer Anzahl Berliner Gelehrten ausgegangenen
Aufruf mit , welcher dazu auftordert , dein ver-
storbenen Botaniker Alexander Braun, der zu-
gleich eifriger Anthropolog war . und dessen Tod
wir Allo bedauern, auf seinem Grabe ein Denkmal
zu setzen. Redner bemerkt : «Ich kann annehmen,
dass es gerade in diesem Lande, in «lern Alexander
Braun so lange gewirkt hat., und in dem er so
feste Wurzeln geschlagen hatte, nur einer Anregung
bedarf, um die Theilnahme au seinem Verlust und
«len Wunsch , an der Errichtung eines dauernden
Denkmals für ihn theilzunebmen, lebendig werden
zu lassen.“
Werke, welche der VIII. General v er sam m-
lung vorgclcgt wurden:
1. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte
Bayerns, I. Bd., 1877. Re«iigirt von Johannes
Rauke und N. RQdinger unter Mitwirkung von
Kollmann, Ohlenschlager, Würdinger und Zittel.
München 1877. (Th. Riedel.)
2. Johannes Ranke, Beiträge zur physischen
Anthropologie Bayerns. München 1878. (Th. Riedel.)
3. Dr. Heinrich Wankel, Der Bronze-Stier aus
der Byciskala-Höhle. Wien 1877.
4. Derselbe: Gleichzeitigkeit des Menschen mit
dem Höhlenbären in Mähren. Separatabdr. aus
Nr. 1 u. 2, VII. Bd. der Mittheilungen der anthro-
pol. Gescllsch. in Wien 1877.
5. Derselbe: Ein prähistorischer Schädel mit
einer halbgeheilten Wunde auf der Stirne, höchst-
wahrscheinlich durch Trepanation entstanden.
Separatabdr. aus Nr. 4 n. 5. VII. Bd. der Mit-
theilungen der anthrop. Gesellsch. zu Wien 1877.
0. Sitzungsberichte «1er Altcrthumsgesellsehaft.
Prussia zu Königsberg i. Pr., 31. und 32. Vercius-
jahr, 1875 u. 70.
7. Svenska Fornminnesföreuingeus Tidskrift
Nr. 7 u. 8, 1875 u. 1876.
8. Bullettino di Palet nologia Italiana. Strenua
Pel 1870. Parma 1870. Und 2 Hefte von 1877.
9. Die Pfahlbau-Station Schussenried von E.
Frank, kgl. Revierförster in Schussenried. Lindau
1877.
10. Die nordische Bronzezeit und deren Pe-
riodeutheiiung von Sophus Müller. Aus dein
Dänischen von J. Mcstorf. Mit 47 Holzschnitten.
Jena 1878.
11. Dr. med. C. F. Riecke, Zur Abwehr! Im
Selbstverläge des Verfassers. Weimar 1877.
12. Derselbe: Die Bedeutungen der alten Orts-
namen am Rheinufer. (Gera) Leipzig 1874.
13. Derselbe: Geniestreiche im n«>rddeut scheu
Eisenbahnwesen. Leipzig 1870.
14. Lappi und Kola. Unhistorisches Drama aus
der Lacustcrzeit. Von O. v. A. Cannstatt 1872.
15. Oeffentliche Erklärung über die bei den
Thayinger Höhlenfundeu vorgekommenen Fäl-
schungen. (Zur Abwehr gegen den Aufsatz von
L. Lindenschinit : Ueber die Thierzcichnungen auf
den Knochen de r Thayingcr-Höhle im Archiv für
Anthropologie Bd. IX. S. 173 tf.
10. Entgegnung von 1». Lindenschmit auf die
im Namen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich
von Herrn Professor J. J. Müller herausgegebene
-Oeffentliche Erklärung“ über die bei den Thayinger
liöhlenfunden vorgekommenen Fälschungen. Aus
dem Archiv für Anthropologie Bd. X. S. 323 — 325.
17. Durch Herrn Desor: Sir J. Y. Simpson.
Archaic Sculpturings of cups, circles etc. Edinburgh
1807.
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77
II.
Wissenschaftliche Verhandlungen.
Erste Sitzung.
Inhalt: Eröffnungsrede des Vorsitzenden Firn. Virchow. — Wissenschaftlicher Bericht des Generalsekretärs
Hm. Kollmann. — Mittheilungen des Vorsitzenden. — Berichterstattung der Commissionen durch
die Hm. Vorsitzenden derselben: Fraas, Schaaffh ausen, Virchow. Daran anschliessend Dr.
C. K. E. Ho ff mann.
I. Vormittagssitzung.
Hr. Virchow: Meine Herren l Es ist ein
Brauch, welchen wir von den englischen Gelehrten-
Versammlungen übernommen haben, dass der Vor-
sitzende am Beginne einer neuen Versammlung in
Kürze auf die wichtigsten Gesichtspunkte aufmerk-
sam macht, welche sich im Laufe des Jahres und
anschliessend an die Verhältnisse des Ortes für
die weitere Untersuchung und Debatte darbieten.
Wir haben, entsprechend den Eigenthflmlichkeiten
unseres vaterländischen Bodens, im Laufe der Zeit
hauptsächlich zwei Fragen gehabt, welche uns be-
schäftigt. die Gemfither zum Theil in ziemlich leb-
hafter Weise erregt und unter Umständen sogar
eine etwas unliebsame Aussprache herheigefflhrt
haben. Das eine war die Bronzefrage, das andere
die Frage der deutschen Stämme, welche, als wir sie
zuerst Übernahmen, sich uns iu der etwas wunder-
lichen Form der Keltenfrage darstellte, einer Frage,
die sich wie eine Seeschlange durch unsere Ver-
handlungen hindurchgezogen tiud eigentlich erst
im Laufe des letzten Jahres etwas niedrigere Ringel
gezogen hat. Beide Fragen sind, wie ich denke,
nicht diejenigen, welche uns hier zunächst und am
meisten bewegen werden. Wenn wir hier in (’on-
>tanz das Material ins Auge fassen, welches dieser
Hoden bringt, so stossen wir sofort auf Beziehungen,
welche uns in jene bewegte Zeit von vor 20 Jahren
zurückführen, als zuerst die Aufmerksamkeit des
gebildeten Publikums auf das, was wir jetzt prä-
historische Zeiten nennen, durch die grossen Ent-
deckungen des Nachbarlandes gerichtet wurde,
durch jene von den Pfahlbauten ausgehenden
Neuerungen der Anschauung. Ich freue mich von
Herzen, dass die Voraussetzung, die wir hatten,
als wir Constanz wählten , dass hier neue Be-
ziehungen mit der Schweiz sich knüpfen würden,
sich schon bestätigt hat , indem wir gleich hei
Beginn der Sitzung eine Reihe der bewährtesten
und geschätztesten Forscher der Schweiz unter
uns sehen. Ich begrüsse unsere Freunde aus der
Schweiz ganz besonders herzlich und ich versichere,
dass wir es ausserordentlich dankbar empfinden,
dass sie unserer F.inladung nachgekommen sind.
In der Tliat kann man sagen, dass bis zu jenem
Jahre, als bei dem niedrigen Wasserstande des
Zürichersees die ersten Pfahlbauten zu Tage traten,
fast das ganze Gebiet, mit dem wir uns in Bezug
auf prähistorische Forschung beschäftigen, eiu ver-
schlossenes war. Die Verbindung, welche gegen-
wärtig schon iu so euger Weise die Urgeschichte
mit der Ethnologie und mit der anatomischen
Anthropologie verknüpft, würde unmöglich gewesen
sein, wenn nicht das neue Band der Prähistorie
gefunden wäre. Wir sind von den Pfahlbauten
sehr bald herübergeführt worden in eine noch weiter
zurückgelegeue Zeit, hauptsächlich durch das
Studium der alten Höhlen, jene von Menschen sei
es anhaltend bewohnten, sei es zeitweise als Zu-
fluchtsstätten oder als blosse Gräberorte benutzten
Höhlen, die zuerst iu Südfrankreich, in England und
Belgien, später in Italien und Deutschland selbst
Gegenstand der Untersuchung geworden sind. Mit
dem Fortschreiten der Untersuchung von den Pfahl-
b&uern zu den Höhlenmenschen haben wir einen
so weiten Schritt in der Erforschung der Entwick-
lung der Menschheit zurückgethau, «lass wenigstens
für gewisse Höhlen gesagt werden kann, dass der
Zeitraum, welcher zwischen ihrer Bewohnung und
der Anlage der ältesten bekannten Pfahlbauten
liegt, ein bis jetzt noch ungeniessencr ist und viel-
leicht unmessbar bleiben wird. Hier haben wir
nicht mehr nach Jahrhunderten, vielleicht nicht
mehr nach Jahrtausenden, möglicherweise nach
noch längeren Zeiträumen zu rechnen.
Es gibt wenig Orte in der Welt, welche in
Bezug auf diese Frage so bevorzugt sind, wie
( onstanz. Der internationale archäologische und an-
thropologische Congrcss hat seiner Zeit, als er die
Frage der Höhlen studireu wollte, sich nach Belgien
begeben. Allerdings waren die Höhlen von Frank-
reich schon früher gekannt, aber man war ge-
nöthigt, sich ziemlich weit nördlich zu begehen,
um so recht iu das innere Wesen und Leben der
Höhlenleute einzudringen. Die Mannigfaltigkeit
und die grosse Zahl der Höhlen, welche Belgien
besitzt, erleichtern es uugemein, die Vergleichung
der einzelnen Epochen der Höhlenzeit unter
einander aiizustellen. Wer in dieser Richtung
Untersuchungen machen will, wird keine günstigere
Gelegenheit finden, als das schöne naturwissen-
schaftliche Museum von Brüssel, welches Hr.
Dupont iu einer, wenn auch nicht ebenso durch-
sichtigen, so doch nicht minder sauberen und
ffeissigen Weise eingerichtet hat. wie Hr. Deiner
das t on stanzer. Allein zwischen dem Lessethal
und den Schweizerseen liegt ein grosser Raum.
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78
Von den Pfahlbauten bis zu den Höhlen der Maas
ist cs ziemlich weit, und es war daher ein grosser
Gewinn, als wir auch in Deutschland zu Höhlen-
funden und ihnen parallel stehenden sonstigen Erd-
funden kamen, und zwar gerade in Gegenden,
welche der Schweiz naher liegen. Sie wissen, das
ist zuerst in der Nahe des Bodensees gelungen:
der vortrefflich Ausgebeutete Fund, dessen Re-
präsentanten wir Heute unter uns zahlen, war der
von Schussenried in Wü rttem berg. Da
wurden die merkwürdigsten Beweise für das un-
glaubliche Alter dieser menschlichen Niederlassung
gewonnen, indem alle Zweige der Naturwissen-
schaften beitragen mussten, um die Zeit derselben
zu bestimmen. Die Zoologen stellten das Reu-
thier, die Botaniker das Polarmoos fest, welches
damals in Schwaben wuchs, als eben jene grossen
Gletscher, welche die Felsblöcke der Schweiz bis
über den Bodensee hinaus getragen hatten, be-
gannen, sich nach Süden zurückzuziehen und den
Bodcnscc freizugehen. Wir sprechen heute von
dieser Zeit mit grosser Unbefangenheit. Die Find-
linge, die Sie im Constanzer Museum iu den vor-
züglichsten Exemplaren ausgestellt sehen werden,
geben so evident Zougniss von der Richtigkeit dieser
anfangs unglaublich erscheinenden That saehe, dass
Niemand mehr sich bekreuzt vor einer solchen Er-
fahrung. Allein ich muss doch sagen, für jeden
tiefer denkenden Menschen, der sich einmal ver-
senkt in die grosse Reihe von Ereignissen, welche
notbwendig waren , um die Oberfläche dieses
lachenden Theils der Erde, über welchem heute
noch in den späten Septembertagen eine so warme
Sonne leuchtet, freizulegen aus jenem Zustande her,
wo das alles vergletschert war, wo über der ganzen
Schweiz eine Eisdecke lag, welche sich weithin auf
die Hügel nordwärts vom Bodensee heraufschob,
und wo losgerissene Brocken der Alpen sich ab-
lagerten bis fast an die schwäbische Alp, der
wird sich sagen müssen, dass ein Zeitraum von
unglaublicher Dauer vergangen sein muss , seit-
dem an dem Rande dieses Gletschers, am Rande
dieser Ejsmassen die ersten Menschen ihre Wohn-
stätten aufschlugen , das Renthier jagten und
das Schneehuhn fingen , um damit ihre Existenz
zu sichern.
Unser verehrter Freund Fr aas — der es vor-
gezogen hat, auch heute unter uns zu sein, statt
in Wien mit den geologischen Collegcn zu tagen,
wofür wir unseren ganz besonderen Dank aus-
sprechen — hat sodann jene Höhlen der
rauhen Alp erforscht, welche wir seinerzeit
in Augenschein nahmen, als wir von Stuttgart aus
die erste Expedition von Seite der anthropo-
logischen Gesellschaft auf dieses klassische Ge-
biet unternahmen. Noch später, erst vor wenig
Jahren, hat der Eisenbahnbau nach Schaffhausen
die vielbesprochene Höhle von Thayingen,
die Sie selbst sehen werden, erschlossen. Im
Fonstanzer Museum liegen die werthvollsten Stücke
von da. Um wenigstens, soweit meine Kennt-
niss reicht, einen gewissen Anhalt für die Klas-
sitikation zu bieten , darf ich wohl daran er-
innern, dass wir iu der Höhle von Thayingen nicht
bloss den Menschen als Zeitgenossen des Rcnthiers
kennen lernen, dass nicht bloss die Gegenstände
seiner Nahrung , Technik und Kunst wesentlich
vom Renthier stammen, sondern dass die Höhle
von Thayingen noch ein besonderes naturwissen-
schaftliches Merkmal an sich hat, durch welches
ihre Stellung in der Entwicklung des Menschen-
geschlechts in höchst bezeichnender Weise aus-
gedrückt wird: das ist der Mangel an Topf-
geschirr. Es ist bis jetzt in der Höhle von
Thayingen, wenigstens in den tieferen Lagen, kein
einziges Stück von irdenem Geräth gefunden worden.
Nun, meine Herren, ich habe vor einiger Zeit in
einem populären Vorträge, der in einer bekannten
Revue, »1er „Rundschau*, erschienen ist, versucht,
eine kleine Skizze der Vorgeschichte des Kochens
zu liefern und die Bedeutung des Kochens für das
Menschengeschlecht nachzuweisen. Ich zeigte
namentlich, wie sehr Kochen und Ackerbau Zu-
sammenfällen und wie bestimmt man aus der Er-
scheinung des Kochgeschirrs gewisse Anhaltspunkte
für die Kulturstcllung eines Volkes gewinnen kann.
Es ergibt sich, dass eine gewisse Reihe von
Höhlenst&mmen existirt hat, bei welchen der Korh-
topf oder der Topf überhaupt, also die Benutzung
des Thons zur Herstellung von Geräth, noch nicht
bekannt war. Mit einer gewissen Sicherheit reichten
diese Beobachtungen eigentlich nur soweit rückwärts,
als das Vorkommen der Höhlenhyäne nachgewieseu
werden konnte , während gerade in den Höhlen
der Renthicrzcit, also in einer späteren Periode
der quaternären Zeit , überall Topfüberreste er-
scheinen. Gerade aus einer der am besten unter-
suchten belgischen Rcnthicrhöhlcn. der von Fur-
fooz, befindet sich ein grosses, ziemlich gut
restaurirtes Thongefäss im Brüsseler Museum.
Der Mangel von Topfgerät h in einer Reut hierhöhle
würde also, wie es mir scheint, ein ungemein werth-
volles Merkmal darbieten, um die Stellung dieser
Höhle innerhalb der prähistorischen Entwicklung
zu bezeichnen. Danach wäre die Thayinger-IIöhk*
als eine der älteren Renthierzeit ungehö-
rige, wenigstens im kulturhistorischen Sinne
anzusprechen, von der wir mit einiger Wahrschein-
lichkeit nach der — gegenwärtig etwas über-
triebenen — Methode in der prähistorischen
Wissenschaft sagen können, sie wäre alter (früher
bewohnt), als die Höhle von Furfooz. Man mag
diesen Schluss für richtig halten oder nicht —
ich will bemerken, dass auch ich die absolute
Richtigkeit dieser Klassifikation nicht behaupte,
denn ich bin vollkommen überzeugt und werde
gleich darauf zurückkommen, dass an verschiedenen
Orten, zuweilen in nicht zu weit von einander ent-
fernten Landstrichen , die Entwicklung sich ver-
schieden schnell vollziehen kann, so also, dass in
einem etwas südlicheren Lande ein früherer und in
einem nördlicheren ein späterer Zeitraum derselben
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79
kulturhistorischen Entwicklung gleichzeitig vor-
handen sein können, oder umgekehrt, dass im Norden
man zu irgend einem Fortschritt kommt, wahrend
man im Sfiden noch zurückbleibt ; indessen darauf
kommt es für Thayingcn weniger an, da in jener
uralten Zeit, wo es sich nicht mehr um Jahre handelt,
die kulturhistorische Zeitrechnung die wichtigere
ist, Insofeme werden wir immer sagen dürfen, dass
dio Männer von Thayingcn einer früheren
Periode angehörten, als die Männer von
Furfooz und als die Männer vom Hohle*
fels von Blaubeuren.
Durch den Nachweis dieser Höhle und durch
die Gewinnung des Materials derselben ist Con-
stanz in die ungewöhnlich glückliche und ganz
seltene Lage gekommen , dass hier in nächster
Nähe neben einander die zwei Hauptseiten der prä-
historischen Entwicklung vertreten sind: reiche
Pfahlbauten und reiche Höhlen. Die Höhlenfunde
dieser Gegend gehören wesentlich der Nordseite
des Rheins und des Bodensees an: Thayingen selbst,
das auf dem Wege nach Schaffhausen am rechten
Rheinufer liegt, dann Schussenried in Württemberg,
und die Höhlen des schwäbischen Landes, die noch
etwas weiter nördlich liegen. In der Schweiz
treffen wir bei Schaffhausen noch einzelne ähnliche
Anknüpfungen, sowie weiterhin einige zerstreute
Fundstellen, bis an die Ufer des Genfcrsecs. Es
ist daher wohl zu erwarten, dass im Laufe der
Jahre eine noch grössere Zahl von solchen Wohn-
stätten wird aufgedeckt werden. Da diese alten
Höhlen meistentheils durch Niederstürzen von Fcls-
stückcn und Heruntertreiben von Erdmassen in
ihren Mündungen oder in ihrem Inneren verschüttet
worden sind und erst zufällig durch irgend ein
kulturhistorisches oder Naturercigniss wieder er-
öffnet werden, so darf man wohl darauf rechnen,
dass das nicht dio letzten und einzigen Stellen
dieser Art waren. Indessen, man kann keinen
Bergbau auf Höhlen treiben; es wird meist dem
Zufall überlassen werden müssen, diese Sachen
zu Tage zu fördern, und wir wollen dankbar sein,
dass wir so weit sind. Das schon jetzt bekannte
geographische Gebiet der Höhlen ist ein
ziemlich weites. Gehen wir von der süddeutsch-
schweizerischen Ilöhlenprovinz ans, so treffen wir
im Westen erst ziemlich weit von uns entfernt, im
südwestlichen Frankreich die berühmten Höhlen
der Dordogne, die zuerst durch die Herren
Christie und L artet explorirt wurden und die
In Bezug auf die Kenntniss der Höhlen eine ähn-
liche Stellung einnehmen, wie die schweizer Pfahl-
bauten in Bezug auf diese Seite der menschlichen
Entwicklung. Einen dritten Höhlenzweig stellt das
südliche Belgien dar. Dann folgt in Deutschland
eine Reihe von bewohnten Höhlen, welche, obwohl
sie oin er ähnlichen Periode angchörcn, sonderbarer
Weise immer noch, namentlich von unseren west-
lichen Nachbarn, als nicht existent betrachtet
werden. Ich will zunächst daran erinnern, dass,
als wir in Wiesbaden tagten, ich aus den Beständen
des dortigen Museums direct nachweisen konnte,
dass die Höhle von Steeten an der Lahn (in
der Nähe von Ems) in der Renthierzeit von
Menschen benutzt ward; spätere Nachgrabungen,
welche Hr. v. Cohausen geleitet hat, haben
in vollstem Masse bewiesen, dass es sich in der
That um eine bewohnte ltenthierhöhle handelt.
Steeten gehörte aber schon zur Topfzeit der Ren-
thiermänner. Dann kommen wir weiter nördlich
an die westfälischen Höhlen, von denen all-
mählich eine immer grössere Zahl untersucht und
festgestellt worden ist: ich selbst habe die Höhle
von Balve untersucht , Hr. S c h a a f f h a u s e n ist
wiederholt bei einer Reihe von diesen Höhlen be-
schäftigt gewesen. Diese Höhlen von Westfalen
erstrecken sich schon ziemlich nahe an die Weser;
sie reichen bis an die äussersten Quellgebiete der
Rheinzuflüsse. Weiter östlich kennen wir aller-
dings keine ganz sicheren Renthierhöhlcn mehr,
dafür aber einzelne recht bedeutungsvolle aus
anderen Perioden. Unter diesen ist eine, welche
einer noch viel älteren Periode, der Hyänenzeit, an-
gehört: die Lin den t ha 1 erhöhte bei Gera im
östlichsten Thüringen. Dazwischen, namentlich im
Harz, gibt es noch eine Reihe von Höhlen, wo
die Gleichzeitigkeit des Menschen mit dem Höhlen-
bären nicht bezweifelt werden kann, aber bis jetzt
sind sie im Ganzen wenig explorirt. Jedenfalls ist
man hier in Bezug auf die eigentliche Renthierzeit bis
jetzt nicht glücklich gewesen. Ich will nicht ver-
schweigen, dass wir an verschiedenen Stellen Nord-
dentschlands ältere Spnren des Monschen haben,
welche zum Tlieil noch über die Zeit der
Höhlen hinansreichen. Indess das hat uns im
Augenblicke nicht so sehr zu beschäftigen. Es
lag mir nur daran, Ihnen zunächst zu zeigen, dass
das Gebiet, welches der Renthierperiode angehört,
auch in Deutschland ein recht ausgebreitetes ist
und dass wir es namentlich durch einen grossen
Theil der gebirgigen Abschnitte unseres Vaterlandes
verfolgen können. Daraus folgt dass schon während
dieser Periode in einer sehr grossen Ausdehnung
eine uralte Bevölkerung in unserem Lande ge-
sessen hat.
Die Verbreitung des Rcnthiers selbst können
wir viel weiter verfolgen. Ausgezeichnete Ueber-
reste desselben, nicht bloss Geweihstflcke. sondern
ganze Skelette sind bis au die Küste der Ostsee
gefunden worden. Wir kennen sehr schöne Funde
aus Meklenburg, Pommern, Preussen und es kann
kein Zweifel sein , dass in allen diesen Theilen
der norddeutschen Ebene das Renthier eine lange
nnd weite Verbreitung gehabt hat. Bis jetzt ist
es aber noch wenig möglich gewesen , Anhalts-
punkte dafür zn gewinnen , ob in der nord-
deutschen Ebene der Mensch mit dem Renthiere
gleichzeitig existirt habe. Meines Wissens existirt
nur ein einziges Beweisstück dafür , welches sich
in dem Museum von Neubrandenburg (Meklenburg-
Strelitz) befindet. Ich habe selbst diesen Fall be-
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80
schrieben*)' In einem Moor wurde ein 52 Ceutim.
langes Stflck von einem Rcntliierliom gefunden,
weiches noch zum Theil mit Haut überzogen ist,
wie sie beim Wachsen des neuen Horns vorhanden
ist. Es muss also dieses Stück von einem Ren-
thier herstammen , welches gerade wahrend der
Zeit , wo die neuen Hörner sich entwickeln , gc-
tödtet worden ist. An diesem Stück , welches so
gut erhalten ist, dass in dem Knochengewebe noch
die Gefässlinien mit einer rothen Farbe gesehen
werden konnten , zeigen sich deutlich Spuren von
Bearbeitung. Das ist meines Wissens das einzige
Fundstürk, welches wir bis jetzt ausder norddeutschen
Ebene , vielleicht überhaupt aus der Ebene be-
sitzen , welches eben die Wahrscheinlichkeit oder
die Thatsache uns nahe bringt , dass der Mensch
daselbst das Rcnthier noch gejagt oder vielleicht
auch schon als Heerdcuthicr benutzt hat. Im
Wesentlichen bleibt, die Sache so liegen, dass die
Renthierbc völkerung der Vorzeit eine
Bcrgbcvölkerung und dem entsprechend we-
sentlich auf thierischc Nahrung angewiesen, also
der Jagd und vielleicht dem Hirtcnleben
zugewendet sein musste. Der Ackerbau gehört offen-
bar in seineu wesentlichen Theilcn einer spateren
Periode an. Wir dürfen immerhin das Leben,
welches noch heutigen Tags die Lappen führen,
in ihren beiden Ilauptgruppen als Fischlappen und
als Bcrglappen, als Vorbild für unsere Vorstel-
lungen über das Leben jener alten Vordeutschen
festhalten, welche zu der Zeit lebten, als sich hier
die Gletscher zurückzogen und um den See sich
allmählich fruchtbares Land einstellte.
Ich sprach soeben von einem Jflgcr- und Hir-
tenvolk. Aber ich will gleich hinzufügen, dass wir
uns in dieser Beziehung auch wieder wohl bewusst
bleiben müssen, dass in dieser frühen Periode eine
deutliche Scheidung zwischen den zwei Seiten der
menschlichen Entwicklung , welche der Zustand
des blossen Jägerlebeus und der Zustand des Hir-
tenlcbens darbietet, vorhanden ist. Wir haben,
wie das namentlich durch die Nachweise von
Steenstrup an den belgischen Höhlen gelungen
ist, allerdings die Möglichkeit kennen gelernt, dass
Hausthierc schon in derZeit der Rcnthiermenschen
existirten. Diese Frage ist noch weiter zu stu-
iliren. Im Wesentlichen aber werden wir aller-
dings festhalten müssen, dass, namentlich in den
deutschen Höhlen, die Renthierlente noch nicht in
deu Zustand des Hirtenlebens eingetreten waren,
sondern dass sic wesentlich zu denken sind als
ein Jäger- und vielleicht an Stellen, wo es mög-
lich war, als ein Fischervolk. Darauf deutet
manches von ihren Werkzeugen hin. Sie werden
namentlich hier von den Männern von Thayingeu
eine gewisse Zahl von Werkzeugen sehen, welche
aller Wahrscheinlichkeit nach zum Fischen gedient
haben, Werkzeuge, welche die grösste Aehnlich-
') Verhandlung« ii der Berliner anthropol Gesell-
schaft 1872. S. 27G. Zeitschrift für Ethnologie. Bd. IX.
keit darbieten mit den Gerätben , welche hont zu
Tage noch die Grönländer anwenden, und welche
andererseits in vielen Stücken mit dem flberein-
stimmeu , was sich in «len bewohnt gewesenen
Höhlen von Belgien und Frankreich findet.
Es ist also eine sehr weit zurückliegende Zeit,
mit der wir uns da beschäftigt haben, und wenn
man diese Zeit als eine der Steinzeit angehörige
mit Recht bezeichnet hat, so denke ich doch, dass
meine Auseinandersetzung, auch für diejenigen,
welche sich nicht anhaltend mit diesen Fragen be-
schäftigen, schon nahe gelegt haben wird, eine wie
grosse Kluft zwischen dieser Steinzeit und der-
jenigen Steinzeit ist, welche die Pfahlbauten
charakterisiren. Die Pfahlbauten gehören zu einem
grossen Theil gleichfalls der Steinzeit an, aber die
Steinzeit der Pfahlbauten ist durch einen unend-
lichen Zeitraum getrennt von der Steinzeit der
Höhlen. Die Männer von Thayingen und Sehussen-
ried lebten, als vielleicht noch ein grosser Theil
dieser Oberfläche mit Gletschereis bedeckt war.
Dagegen ist unzweifelhaft der. Pfahlbaner erst in
den See gezogen, als das Eis weit gegen die Alpen
zurückgegangen war. Während in der Zeit der
Renthierlente von Ackerbau nicht die Rede sein
kann , so finden wir die Pfahlbauem im vollsten
Besitze desselben, reich ansgestattet mit frucht-
baren Aeckeni, deren Erträge uns in der mannig-
faltigsten Gestalt aus den verkohlten Ueborresten
des See- und Meergrundes wieder entgegentreten.
Während wir die Wohnsitze der Renthierlente haupt-
sächlich voii hier aus nördlich verfolgen können
und gerade südwärts gegen die Alpen hin mit
Ausnahme der Westsehweiz meines Wissens jede
Kenntniss alter bewohnter Höhlen fehlt , so ist
das letztere Gebiet der eigentliche Hauptsitz der
Pfahlbauern. Das lag zur Renthierzeit wahr-
scheinlich im tiefsten Eis begraben. Für die Pfahl-
bauten bildete lange Zeit der Bodensee die nörd-
lichste um! östlichste bekannte Grenze. Allerdings,
mit dem Fortschrciten der Untersuchung hat sich
diese Grenze etwas weiter ostwärts und nordwärts
geschoben. Unser Freund Dcsor hat schon vor
Jahren den Nachweis geliefert, dass die Roseninsel
im Stambergcrsee mit Pfahlbauten umgehen und
znm Theil darauf errichtet sei. Wir haben v«*r
zwei Jahren in München reiche Funde von da
kennen gelernt, und die schöne Abhandlung des
Hm. v. Schab hat uns erst vor kurzem die ganze
Fülle derselben vor Augen geführt. Daran schlossen
sich die Entdeckungen von Pfahlbauten in den öster-
reichischen Seen. Jetzt hat unser Freund Fr aas,
wie er uns noch weiter mittheilen wird , eine
neue schöne Moorstelle bei Schussenried , in
der ebenfalls umfangreiche Pfahlbauten existiren.
Ich kann im Allgemeinen constatiren , dass diese
österreichischen, bayerischen und württembergisohen
Pfahlbauten allem Anschein nach mit den schwei-
zerischen eine zusammenhängende Gruppe bilden,
welche ich in Kürze die süd liehe nennen will.
Von da ab nordwärts kennen wir keine Spur von
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81
Pfahlbauten durch das Ranze mittlere Deutschland, graphisch fixiren. Es ist ein sehr grosser Gewinn
Die ersten tiuden sieh erst wieder im Norden und diesen Gewinn möchte ich einigermassen für
unsere« Vaterlandes. Nun kann iuau freilich sagen, die Erforscher unserer nördlichen Pfahlbauten in
li begreift,
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81
Pfahlbauten durch das ganze mittlere Deutschland.
Die ersten finden sich erst wieder im Norden
unseres Vaterlandes. Nun kann man freilich sagen,
es sei möglich , dass die mitteldeutschen Pfahl-
bauten noch entdeckt werden; von Zeit zn Zeit
hört man sogar in den Zeitungen davon sprechen.
Indessen man sollte sich vergegenwärtigen, dass
wenn eine Methode des Lebens, wie sie ein Pfahl-
dorf voraussetzt, sich sei es fortptlanzen , sei es
entwickeln soll, es dazu einer gewissen Summe von
günstigen Bedingungen bedarf. Mau kann nicht
in jeder Pfütze ein Pfahldorf anlegen, es be-
darf dazu mindestens eines Sees, wahrscheinlich
sogar vieler und günstig gelegener Secen und diese
besitzt Mitteldeutschland nicht. Es ist daher leicht
erklärlich, dass wir Pfahlbauten erst wieder auf-
treten sehen in ausgeprägten und charakteristischen
Formen im Norden. Nach und nach ist eine grössere
Reihe von sicheren Beobachtungen gemacht worden,
welche es gestatten , dem schweizerisch-süd-
deutschen Gebiet ein norddeutsches gegen-
überzustellcn. Wie ich aus ganz frischer Anschauung
niitthcileu kann, erstreckt sich dasselbe bis nach
Livland. Ich bin eben erst vor wenigen Wochen
von einer Reise nach Livland zurückgekchrt,
welche mit den Zweck hatte , die Existenz eines
Pfahlbaues in Livland zu constatiren, welcher durch
den sehr verdienten Forscher, Grafen Sievers
aufgefunden ist, welcher aber überall in Russland
auf Zweifel und Widersprüche stiess. Ich werde
mir erlauben, Ihnen darüber in einer der folgenden
Sitzungen detaillirte Mittheilungen zu machen.
Thatsache ist, dass bis an die Ostgrenze des let-
tischen, also des indogermanischen Landes un-
zweifelhaft Pfahlbauten existiren und dass der öst-
lichste von ihnen, der im Arraschsee jenseits
Riga sich als eine vollständige , auf einem Pfahl-
bau aufgerichtete Insel erweist.
Nun liegt cs auf der Hand und für alle die-
jenigen , welche das stndiren wollen , ist das Ma-
terial dazu in der bequemsten Weise zugänglich,
dass innerhalb dieser zwei grossen Gruppen wiederum
Verschiedenheiten existiren, welche grosse zeitliche
Differenzen der einzelnen Abteilungen darthun.
Es wäre überaus thöricht, wenn man sich heut zu
Tage noch mit der so lange festgehaltenen Vor-
stellung tragen wollte , „Pfahlbau ist Pfahlban,
Pfahlbauzeit ist Pfahlbauzeit“ und wenn man glaubte,
in dem Augenblicke, wo man einen Pfahlbau constatirt
hat, wisse man auch sofort, wo er hiugehört. Daran
ist nicht zu denken. Wir können auch nicht mehr,
wie das früher vielfach geschah und noch geschieht,
uns anstellen, als hätte Jemand, der einen Pfahl-
bau entdeckt, sofort die volle Berechtigung, für
diesen Pfahlbau alle Eigenschaften und sonstigen
Prämissen in Anspruch zu nehmen, die für andere
Pfahlbauten zutreffen : im Gegentheil . jeder ein-
zelne Pfahlbau muss für sich untersucht und ge-
prüft, er muss in seiner zeitlichen und kulturhisto-
rischen Bedeutung tixirt werden. Dann erst dürfen
wir ihn in unsere Klassifikation einreihen und karto-
Comwp.-B1att Nro. 9.
graphisch fixiren. Es ist ein sehr grosser Gewinn
und diesen Gewinn möchte ich cinigcrmassen für
die Erforscher unserer nördlichen Pfahlbauten in
Anspruch nehmen , dass man endlich begreift,
man dürfe diese grosse Pfahlhaukultur nicht etwa
als eine einheitliche betrachten. Man muss sich
daran gewöhnen, dass die Pfuhlhaukultur Europas
schon in alten Zeiten so mannigfaltig war, wie sie
uoch heut zu Tage mannigfaltig ist in Afrika,
Asien, Polynesien. Die Construction eines Neger-
Pfahldorfes in Centralafrika darf mau nicht als
massgebend betrachten für ein Negerdorf an der
Küste von Neuguinea oder für ein Flusspfahldorf
in Hinterindien. An allen diesen Orten gibt es
Pfahlbauten, aber sie haben unter sich keinen un-
mittelbaren Zusammenhang und wir dürfen nicht
etwa die Bevölkerung, welche auf dem einen wohnt,
ohne weiteres als Verwandte der Pfahlbaueru eines
anderen Gebietes ansehen. Ganz verschiedene
Völker, ethnologisch, zeitlich und kulturhistorisch
weit aus einander stehende Rassen haben auf die-
selbe Weise ihre Wohnungen eingerichtet.
Es ist eine ganz andere Frage, warum man
das gethan hat. Wir, die wir die Frage in natur-
wissenschaftlichem Sinne behandeln , wir fragen
nicht von Anfang an nach dem „Warum“. Wir
Naturforscher haben gelernt, dass die vorzeitig
gestellte Frage des Warum uus zu leicht auf falsche
Wege führt. Le pourquoi du pourquoi, wie Leib-
nitz sagte, als seine Freundin, die Königin von
Preussen ihn immer wieder fragte, dieses pourquoi
du pourquoi ist keine naturwissenschaftliche Frage.
Wir fragen das Ding, was cs ist, nicht warum
es ist. Und so fragen wir auch beim Pfahlbau
nicht in erster Linie, warum haben die Menschen
das so gemacht. Die Menschen sind sonderbare
Kerle; sie machen allerlei Dinge, und wenn man
sie fragt . warum , so wissen sie es selbst nicht
immer. Ob mau irn Stande gewesen wäre, aus
einem alten Pfahlbaueru, wenn man ihn hätte vor
Gericht ziehen können, durch irgend ein Verfahren
zu ermitteln , weshalb er seinen Pfahlbau gemacht
habe, darüber bin ich sehr im Zweifel, ln der Timt,
cs gibt hent zu Tage nicht wenige wilde Stämme,
die permanent auf Pfahlbauten wohnen, und hei
denen es auch nicht aus ihrer eigenen Kenntniss
ermittelt werden kann, warum sie eigentlich diese
Methode angenommen haben. Es ist ungewöhnlich
selten, dass der einzelne Mensch sich klar wird, w arum
er gerade gewisse Methoden der äusseren Existenz
festhält, die ihm überliefert sind. Man muss auf
wer weiss welche urülteste Zeit zurflekgehei» , um
dieses pourquoi zu finden, und wir thun gut, wenn
wir uns nicht zu sehr damit beunruhigen, warum
die Leute das gethan haben; halten wir zunächst
mir fest, dass sie es gethan haben, und stellen
wir fest , unter welchen Umständen sie so gelebt
und so sich verhalten haben. Für mich wenigstens
ist es ein persönlich sehr grosser Gewinu in meiner
Vorstellung von den Pfahlbauten gewesen, als ich
sagen konnte, ich habe vorläufig eine befriedigende
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Erweiterung meiner Kenntnis* iler prähistorischen
Pfahlbauten von Mitteleuropa gewonnen, indem ich
die zwei genannten grossen Gebiete sicher fest-
stelleu kann. Ich will gleich hinzufügen. dass es
historisch ein drittes Gebiet in Europa gibt, das
uns leider bis jetzt noch verschlossen ist. Es ist
das jene alte Stelle in Tbracieu, die vielleicht bald
durch die Kriegführung erreicht werdet» wird, von
der uns Herodot berichtet, dass am prasischen See
die Leute seiner Zeit noch ein Pfahldorf unter-
hielten, welches, wie cs scheint, eine ungewöhnliche
Grösse hatte. Ich habe ferner die Frage schon
früher angeregt , ob nicht , abgesehen von den
Pfahlbauten der norditalienischen Seen and von
den Terramaren der Aemilia gewisse italienische
StAdte ursprünglich auf Pfahlbauboden lagen. Bei
Venedig ist die Frage sehr naheliegend; wir halten
indessen noch viel näher liegende Orte, wenn wir
sie historisch betrachten. Ravenna und Adria. Von
Ravenna besitzen wir den Bericht von Strabo,
welcher eine Schilderung liefert, die wir eigentlich
auf nichts anders als auf eine Pfahlstadt beziehen
können Wir haben daher noch ein zweites süd-
liches Gebiet znzulassen. Endlich kommen im
Norden die Pfahlbauten Irlands. Indessen für uns
Deutsche, die wir hier vertreten sind, wird es
wesentlich and wichtig sein, unsere zwei grossen Ge-
biete zu fixiren; sie werden auch für uusere prä-
historische Karte ein besonderes Interesse dar-
bieten. Weiter nördlich, soviel Sorge man darauf
verwendet hat, so genaue Beobachter unsere scan-
diuavischen Freunde sind , ist bis jetzt noch gar
nichts von Pfahlbauten gefunden worden. Schon
auf der cimbrisclien Halbinsel fehlt bis jetzt jeder
sichere Nachweis. Ein paar zweifelhafte Stellen
sind angeführt worden, aber kein sicherer Nach-
weis. In ganz Dünemark, Schweden, Finnland gibt
es keine Stelle, wo bis jetzt eine ausgemachte
Pfahlbaustelle bezeichnet werden könnte.
Ich möchte mich heute bei dieser Erörterung
nicht zu lange aufhalten : ich will nur das eine noch
constatiren, dass ich nach der Kenntniss der nörd-
lichen Pfahlbauten, welche ich aus vielfacher eigener
Untersuchung und Prüfung der vorhandenen Funde,
die ich noch in den letzten Wochen erweitert, habe,
besitze, jeden Zusammenhang zwischen
unseren nördlichen Pfahl kanten und
diesen südlichen in Abrede stellen muss.
Itf der ersten Aufregung der Pfablbaubewcgung ist
es allerdings geschehen, dass von zwei verschiedenen
Stellen bei uns Berichte hinausgegangen sind, welche
die Meinung erweckten, als wenn gewissennassen
eine Identität «1er Pfahlbauten irn Norden und Süden
existire. Zwei unserer verdientesten AJterthums-
forscher haben dazu beigetragen, dieser Meinung
ein«' Art von Unterlage zu geben. Der verstorbene
Hagenow, einer der besten Untersuchcr und
vielleicht der vortrefflichste Sammler, den wir in
Pommern gehabt haben, ein Mann, der namentlich
«lie Insel Rügen und Vorpommern zun» Gegenstände
langjähriger Untersuchungen gemacht hatte, wurde
noch in den letzten Tagen seines Lebens, als er
selbst schon durch den Verlust seines Augenlichtes
ausser Stande war, die Prüfung der Gegenstände
mit Sorgfalt vorzunehmen, durch gewisse Funde
getauscht, welche in «ler Nahe von Greifswald, im
Ryk, einem breiten und trägen Fluss, «ler sich dort
in die Ostsee ergiesst, gemacht wurden. Man fand
eine Masse von Dingen, die allerdings in dem
ftasseren Zusammenhänge, in dem sic sich darst eilten,
und einfach durch Tasten Hagenow 's verglichen,
als zusammengehörig erschienen. Man fand zwischen
Balken und Pfählen zahlreiche Thierknochen und
gelegentlich Sudngeräthe. Allein es ist im höchsten
Grade zweifelhaft, man kann wohl sagen, es ist
kaum wahrscheinlich, dass diese Dinge wirklich
zusaminengehörten; alle genauem Prüfungen sprechen
dagegen. Dann kam unser sehr verdienter Freund
Lisch in Schwerin mit den» viel besprochenen
Pfahlbau von Wismar, der so wichtig«* Ergebnisse
lieferte, dass es schien, als sei die Identität der
meklenburgischen und «ler schweizerischen Pfahl-
bauten unzweifelhaft. Es passirtc dabei leider ein
Unglück, wie es so oft die ersten Wege der neuen
Wissenschaft bezeichnet. Es stellte sich heraus,
dass Fälschungen der allerschlimmsten Art statt-
gefunden hatten; es ergab sich, dass gerade der
Manu, den Hr. Lisch für besonders zuverlässig
gehalten, dem er die Ueberwachung der Ausgrabungen
übertragen hatte, eine Menge von Gegenständen
aus «len verschiedensten Theilen Mcklenburgs zu-
siinimeuschleppte und aus Museum ablieferte unter
der Firma «Wismarer Pfahlbau-. Dadurch kan»
eine Verwirrung in die Sammlung, die allerdings
unser Freund Lisch durch Prüfung der einzelnen
Objecte nach archäologischen Kriterien zu lösen
versucht hat. Indessen in einer Zeit, wo es sich
nicht «lamm handelt, auf dem Grunde einer fest-
gestellten Kenntniss die einzelnen Dinge zu klassiti-
eiren, sondern wo umgekehrt erst «Kenntnisse zu
sammeln sind, ist es eine bedenklich«; Aufgabe,
nachdem Fälschungen nicht durch Nachbildung,
sonden» Fälschungen durch Zusammcnschlcppen von
Objecten aus andern Orten stattgefunden haben,
diese Dinge wieder aus einander zu bringen. Teil
bedauere es von ganzem Herzen, namentlich gegen-
über «len zum Theil ausgezeichnet schönen Stücken,
die unter der Firma „Wismarer Pfahlbau“ sich im
Schweriner Museum betinden. dass diese Fälschung
vorgekommen ist. Der Fälscher ist vor Gericht
verurtheilt wegen anderer Dinge und ins Zuchthaus
gesteckt worden, aber «las Verhältnis des Pfahl-
baues ist nicht aufgeklärt. Obwohl die Existenz
desselben nicht zweifelhaft erscheint, so können
wir doch nichts damit machen, ihn für unsere Be-
trachtungen nicht gebrauchen. Vielleicht tröstet
es Manchen, zu hören, «lass das Fälschen nicht bloss
in Süddeutschland vorkommt und dass Schwierig-
keiten. wie die, welche sich hier ergeben haben
mul die uns noch beschäftigen werden, auch im
Norden die ersten Schritte der neuen Forschungen
begleitet haben.
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83
Wir halten nun seit jener Zeit die Sache ver-
folgt und es lmt sich kein zweiter Pfahlbau mehr
im Norden gefunden, der mit dem Pfahlbau von
Wismar verglichen werden könnte, keiner, der in
diesem Sinne etwa als parallele Erscheinung für
die schweizerischen betrachtet werden könnte. Im
üegentheil, alle Pfahlbauten, die wir nachher ge-
funden haben, obwohl sie keineswegs sämmtlich nls
identisch bezeichnet werden können, haben sich als
einer viel spätem Periode angehörig erwiesen. Wir
kennen in diesem Augenblicke keinen Pfahlbau der
nördlichen Oruppet welcher der Steinzeit angehört.
A Ile Pfahlbauten der nördlichen Gruppe
•erweisen sich als jüngere nnd zwar grossen-
theils als so jung, dass wir sie noch bis an die. histo-
rische Zeit heran verfolgen, ja dass wir einzelne
derselben noch in Beziehung bringen können zn ein-
zelnen Ueberlieferungen, welche uns die Schriftsteller
des 12. und 18. Jahrhunderts bringen. Insofern
stehen sie in gewisser Beziehung parallel dem. was
die thrazischen Pfahlbauten für Ilerodot und die
italienischen für Strabo waren.
Ich möchte daher, soweit meine Kenntnis*
reicht, noch einmal betonen, dass die Groppe der
Pfahlbauten in der Schweiz und in Süddeutschland
für sich zu behandeln ist. Ich trenne sie nicht
von den Pfahlbauten in Norditalien und Savoyen,
indess spreche ich von diesen nicht, so wenig wie von
den östlichen Beziehungen; das kann ich Hm.
Grafen Wurmbrand überlassen, der ein genauer
Kenner der österreichischen Seedörfer ist. Ich
verfolge in diesem Augenblick nur das uns hier zu-
nächst berührende Gebiet, und ich betone, dass
auch dieses Gebiet zuerst für sich, abgesondert,
erörtert werden sollte. Innerhalb dieses Gebietes
ist nun bekanntlich sehr frühzeitig jene merkwür-
dige Scheidung hervorgetreten, welche die Schweiz
schon in dieser Vorzeit in zwei ganz differente
Hälften zerlegt, der Art. dass schon in der Stein-
zeit die Schweiz unter einem ähnlichen Bilde sich
«larstellt, wie heutigen Tages in ihrem mehr
deutschen nnd in ihrem mehr französischen Theile.
Die östliche Schweiz ist der Steinzeit, die westliche
mehr der Bronzezeit zugewendet. Während wir
in der Westschweiz zahlreiche Pfahlbauten der
Bronzezeit antreffen, und zwar allmählich übergehend
in die jüngere Eisenzeit, ja während wir auf den Pfahl-
bauten der jüngeren Eisenzeit nach und nach sich die
römische Kultur etabliren sehen, wenigstens an
einzelnen Stellen, so fehlt bis jetzt in der Ost-
schweiz durchweg die Bronze und wir treffen die
reine Steinperiode. Dass in einem See, der anch
in späteren Zeiten befahren worden ist. wo nament-
lich in der Nähe des l'fers vielfach gefischt worden
ist, dass da auch späterhin allerlei Dinge in die
Tiefe gelangen können, dass man gelegentlich ein-
mal ein kleines Stück, das einer ganz späten
Zeit angehört, daraus hervorholt, liegt sehr nahe.
Indessen wenn Sie hente in den Bosgarten gehen
und sich einmal die unendlich reichen Pfahlbnu-
srhfltze ansehen werden, welche der Bodensee. der
Zellersee (Untersee) und die nächst anstossenden
Gegenden geliefert haben , so werden Sie sich
überzeugen: da ist Stein und wieder Stein und
etwas Bein, aber es ist keine Bronze und kein
Eisen da. Die paar Stücke, welche sich gelegent-
lich finden, erscheinen so sehr als zufällig Hinzu-
gekommenes, als Aecesssorisches, dass ich nicht
glaube, es wird Jemand daraus irgendwelche
Schlüsse machen wollen. Im Grossen nnd Ganzen
gehört der Bodensee der Ostschwe'z an.
Ich weiss nicht, ob ich unserem Herrn Ge-
schäftsführer etwas vorgreife, der Ihnen wahr-
scheinlich auch darüber Mittheilungen machen
wird. Indess unsere Gesichtspunkte sind doch
wohl nicht so unmittelbar zusammentreffend. Mir,
von dem Standpunkte des Fremden aus, ist es zu-
nächst darum zu thun. Ihnen einige geographische
Verhältnisse atiseinamlerztilegen, welche dem Ein-
heimischen gewöhnlich ferner liegen. Der Ein-
heimische stellt sich unwillkürlich vor, als oh die
anderen Leute auch wüssten, wo die Orte liegen,
von denen er spricht. Es erwachsen dadurch oft
grosse Schwierigkeiten, die ein fremder Interpret
etwas bequemer löst. Ich will daher hervorheben,
dass «las Hauptfeld für die (’onstanzer Funde nn-
mittelhar an der Stadt war, da gerade, wo vielleicht
ein Theil von Ihnen mit dem Dampfschiff gelandet,
ist. In der Gegend, wo jetzt der Hafen ist, lag
ein alter Vorsprung, die Hauenegg. von welcher
aus sich der Pfahlbau südlich nach der schweize-
rischen Seite hin erstreckte. Dort ist eine solche
Unmasse von Steinsachen, namentlich von Stein-
waffen gehoben worden, dass, wenn man das im
Museum zusammen sieht, es den Eindruck macht,
als ob man in ein altes Zeughaus hineinkäme.
Im Uebrigen ist «ler eigentliche Bodensee Im
strengsten Sinne des Wortes nicht reich an be-
kannten Pfahlstätten : dagegen jene grosse nord-
westliche Bucht, welche unter dem Namen des
Ueberlinger Sees bekannt ist, trägt eine grosse
Menge von Pfahlbauten. Sie ist mehr geschützt,
abg«?legen nnd wir werden, wenn uns die Sonne
günstig bleibt, wahrscheinlich eine sehr schöne
Fahrt in diesen Sec haben. Unser Herr Geschäfts-
führer hat gerade zu den Pfahlbaustellen des
Ueberlinger Sees eine unserer Expeditionen arran-
girt. Ungemein reich ist dann der Zeller- oder
Untersee, der in der Richtung nach Schaffhausen
dem Abflüsse des Rheins dient und in dein die
Insel Reichenau liegt ; «lie Insel seihst, sowie «las
badische nnd schweizerische Ufer waren mit Pfahl-
stationen umsäumt. Das ist unser Gebiet, welches
«ler zweite Ilauptgcgcnstand unserer Forschungen
sein wird.
Diese Pfahlbauten gehörten wesentlich der-
jenigen Zeit an. welche man neuerlich von der
älteren Steinzeit Unterschieden hat, indem man diese
die paläolithische, die andere die neolithische o«ler
neue Steinzeit genannt hat. Was Sie hier fin-
den. das ist die neue Steinzeit und zwar
dieZeit des sogenannten polirten Steins.
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84
1
V
Dieser geschliffene Stein bildet die Grandlage
aller hiesigen Kunde; fast stimmt liehe Waffen sind
Schliffstücke.
ln dieser Beziehung möchte ich noch darauf
bitweisen, dass es sich hier um eine ungemein
interessante Frage handelt. In der Literatur er-
scheint die neollthiscbe Zeit in der Regel als eine
einheitliche Periode; es sieht so aus. als wäre das
eine bestimmte Zeit, die etwa so wie das Mittel-
alter nufgefasst werden könnte. Indess Jedem, der
eine umfangreichere Kenntniss der prähistorischen
Alterthümer hat, wird sofort, wenn er die hiesigen
Sammlungen oder die Züricher Sammlung besucht
und wenn er dagegen die Sammlungen von Kopen-
hagen oder Kiel, von Schwerin oder Berlin in seine
Krinnerung ruft, eine grosse Differenz entgegen-
treten. Der geschliffene Stein dee Nordens, von
dem aus wir hauptsächlich unsere Aufstellungen
machen, ist der Feuerst ein, der Silex poli.
Dagegen hier zu Lande ist der geschliffene Stein
überwiegend Serpentin, Diorit, Grünstein
oder irgend eine von den sonstigen
festen gemischten Felsarten, die durchaus
nichts mit dem Feuerstein und den ihm analogen Ge-
steinen zn thun haben. DerStein der ltenthier-
mensehen ist allerdings durchweg der
Feuerstein, aber das ist der silex taill£,
der geschlagene Stein, der noch keine
andere Bearbeitung als die rohere der unmittel-
baren Finzelangriffe erfahren hat. Er reprftsentirt
eine Kulturform, die sich weit und breit durch die
Menschheit verfolgen lässt und deren Producta
je nach der Natur des lokalen Materials an einzelnen
Stellen aus Feuerstein, an anderen aus Obsidian, an
anderen aus Hornstein oder Jaspis hergestellt werden.
Geschlagener Feuerstein findet sieh freilich auch
noch in Pfahlbanten; allein das Vorkoni m en ein-
zelner, n am ent lieh kleiner Stücke hat gar
keine Bedeutung für die chronologische
Klassifikation. Einzelne Stücke von ge-
schlagenem Feuerstein findet man auch noch in den
Gräbern der Franken; die sind den Leuten im S.
und 9. Jahrhundert noch ins Grab gelegt worden. Ja
man kann sagen, der geschlagene Feuerstein findet
sich noch viel später. So lange als die l.eute
Feuer aus Feuerstein schlugen und Feuerstein-
gewehre gebraucht wurden, um andere Menschen
todt zu srhicssen, so lange ist auch der Silex
taille vorhanden. Ich sehe eben Hm. Dr. M eh Hs,
mit «lein gemeinsam ich erst vor wenigen Wochen
iu einem Museum einen solchen Silex taillö der
Feuerst eingew eh rzeit fand, der unter Geräthen der
paläolitliischen Zeit aufgestellt war. und zwar in
einer Gegend, wo eine grosse Armuth an sonstigen
paläolithischen Gerätlien existirt. Es kann also
pussiren. dass von einem ulten Feuersteingewehr
ein solches „paläolithisehes* Stück abgetrennt,
weggeworfen und später von einem eifrigen Sammler
aufgelesen wird. Man muss sieh die Sachen schon
etwas genau Ansehen. Andrerseits muss mau sich
vergegenwärtigen, dass der Feuerstein von jedem
Schäfcrjnngen noch heutigen Tages geschlagen wird
überall da, wo überhaupt Feuersteine auf dem Felde
zerstreut sind, und dass man daher recht aufpassen
muss, dass man nicht die Sachen zusammen wirft.
Indessen ist darüber kein Zweifel, dass gute ge-
schlagene Feuersteine noch in diesen Pfahlbauten
Vorkommen. Allein fast alles, was Sie hier aus
Feuerstein finden, sind relativ kleine Sachen.
Jene grossen Beile, jene zum Theil kolossalen
Stücke, die wir in Skandinavien finden and die
nicht selten auch noch bei uns in Rügen. Pommern
und Meklonbnrg Vorkommen . hie and da noch
etwas südlicher, diese fehlen hier gänzlich. Wenn
daher Jemand, der die grossen polirten Feuer-
steingeräthe des Nordens kennt, sich vorstellt,
dass das dieselbe Periode wäre, wie diejenige,
welche hier in den jKilirten Diuriten und Serpentinen
hervortritt, der würde sich arg täuschen. Ich muss
dringend darauf aufmerksam machen, dass in dieser
Beziehung eine vollkommene Differenz besteht.
Ja, meine Herren, diese Differenz ist so gross,
dass ich einen anderen Punkt noch hesondes be-
tonen muss, für den ich durch meine letzte Reise
noch ganz besondere Anhaltspunkte gewonnen habe.
Die Art des polirten Steins nämlich , welche Sie
hier finden, setzt sich ganz ungemein weit in eine
späte Periode der menschlichen Entwicklung fort.
Die überwiegende Menge der hiesigen Stein-
gerftthe ist einfach polirt, aber nicht gebohrt.
Allein Sie finden in allen diesen Pfahl baustationeil
auch eine nicht unbeträchtliche Zahl von Gerütheu,
welche gebohrt sind. Es ist das jene Bohrung,
die so viel Kopfzerbrechen gemacht hat, von der
die Einen gemeint haben, dass Metall dabei ange-
wendet worden sei, während Andere andere Dinge
annahmen, und von der Graf Wu rm bra n d durch
seine Versuche gezeigt hat. dass sie auch durch
Knochen hergestellt werden kann. Sie werden
hier sehr schöne Stücke finden , wo die Bohrung
noch nicht vollendet ist. wo erst die Ansätze , an
denen der Bohrer umhergeführt worden ist, einge-
ritzt sind, und wo man sich überzeugen kann, dass
die Bohrung mitten durch dicke Steinstücke hin-
durch in der Weise hergestellt wurde, dass man
den Bohrer kreisförmig um einen Mittelpunkt be-
wegte und dass in der Mitte des Bohrloches ein
Zapfen stehen blich. Solcher Stücke, wo dieser
centrale Zapfen noch fcstsizt, wo das Loch nur
zum Theil durchgebohrt ist, wo rings um deu
Zapfen eine tiefe Rinne eiugeschnitten ist, gibt es
sehr zahlreiche. Was mich neulich erst bei einem
Besuche desZürichcr Museums besonders frappirt hat,
war das, dass man in den Pfahlbanten solche ausge-
bohrte Zapfen seihst trefiinden hat, mögen sic nun
als Spccimina der vollendeten Bohrung irgendwo
aufbewahrt oder einfach ins Wasser geworfen
worden sein. Es sind das insofern sehr werth-
volle Stücke, als wir nicht bloss die Technik daran
heurtheilen können, sondern als sie uns auch den
sichersten Beweis dafür liefern, dass die Bohrung
iu loco ausgeffthrt wurde uud dass nicht etwa
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Importartikel vorliegen. Sieht man doch, das«, die
Bohrung durch irgendein Ereigniss unterbrochen
wurden ist. Wir finden die Werkstücke da, wo sie
der Werkmeister wahrend der Arbeit verlassen hat.
Gerade diese Art von SteingerAt.hen, diese
Steinbeile, theils undurebbohrt, theils durchbohrt,
theils angebohrt, finden sich in der grössten Ver-
breitung durch alle möglichen LandestheUe und ich
kann jetzt constatiren, dass sie in continnirlicher
Verbreitung durch ganz Norddeutschland bis an die
östliche Grenze von Livland Vorkommen. Auch bei uns
in Norddeutschland findet man zahlreich diese un-
vollendeten Stücke. Es gibt wenig grössere Samm-
lungen, in denen nicht einzelne solche Stöcke
existiren. Aber ungewöhnlich selten sind die aus-
gebohrten Zapfen. Als zum erstenmal auf unserer
ersten Versammlung in Schwerin der jetzt ver-
storbene Dr. Schultheis zwei solche Bohrzapfen,
die er aus niedersächsischen Gräbern entnommen
hatte, vorzeigte, äusserte sich eine allgemeine Ueber-
raschung. Ich kenne auch sehr wenige Sammlungen
Deutschlands, in denen man überhaupt solche Bohr-
zapfen besitzt. Sie können daher mein Erstaunen
begreifen, als ich jetzt in das Museum in Riga kam
und da eine Anzahl solcher Bohrzapfen vorfand;
als ich dann genauer naehsah, so ergab sich, dass
die Bohrzapfen und die mit ihnen zusammenhängenden
Stcinhämmer ans einer ganz bestimmten Gruppe
von Gräbern herkamen. Diese Gräber sind ganz
scharf charakterisirt ; es sind diejenigen, welche
der verstorbene Bähr unter dem Namen Liven-
grftber bezeichnet hat und die schon von Kruse
in seinen Nekroiivonica in ausgezeichneter Be-
schreibungveröffentlicht wurden. Ich werde vielleicht
noch Gelegenheit haben , über diese Inländischen
Funde zu sprechen, die ein ungemein grosses
Interesse darbieten. Ich will nur hier für diesen
Fall hervorheben, dass ein Theil der Gräber in
Livland, welche diese Bohrzapfen enthalten und in
denen die entsprechenden Hämmer gefunden worden,
durch Münzen charakterisiii sind und dass diese
Münzen ergehen, dass es Gräber sind, die zum
Theil bis in das 12. und 13. Jahrhundert hinein-
reichen und die einen Zeitraum ungefähr vom
8. — 13. Jahrhundert nach Christas umfassen. Es
kann meiner Meinung nach kein Zweifel sein, dass
diese Art von Steiugeräth, die man gegenwärtig
gewöhnlich als die Producte der neolithischen Zeit,
der Zeit des polirteu Steins beschreibt, in Livland
nicht bloss in regelmässigem Gebrauche, sondern
in Fabrikation geblieben sind bis um die Zeit, wo
das Christcnthum daselbst einge führt worden ist.
Ich betone dies, meine Herren, weil mir Beispiele
aus neuerer Zeit vorliegen, an denen man sich
überzeugen kann, wie sehr man sich hüten muss,
nach dem blossen Eindruck, ja sogar nach manchen
als sehr gut bekannten Merkmalen sofort chrono-
logische Schlüsse zu ziehen. Ebensosehr möchte
ich aber auch warnen, dass man die Schlussfolgerung
nicht umkehrt. Man könnte sagen : wenn in Liv-
land diese Dinge im 9. — 11. Jahrhundert fabricirt
wurden und im Gebrauche waren, warum sollen sie
nicht auch an den anderen Orten, wo man sie jetzt
findet, bis zu einer solchen Zeit im Gebrauche
gewesen sein. Nein, meine Herren, wir können
dieses Verallgemeinern einer Beobachtung ebenso-
wenig zulassen, wie das Beschränken in der Zeit.
Der menschliche Geist ist eben ein unberechenbares
Ding. Gewisse Gerüthe, welche scheinbar nur der
Urzeit angehören, erhalten sich im Gebrauche, wie
die Sitten der Menschen bis tief in spätere Perioden
ihrer Entwicklung hinein, und umgekehrt wieder
sehen wir, dass unter gewissen besonders günstigen
Umständen gewisse Fortschritte frühzeitiger zu
Stande kommen, schneller sieh entwickeln, ausge-
dehnter sich zeigen, als wir es sonst erwarten dürfen.
Ich hatte eigentlich die Absicht, noch einige
andere Punkte zu berühren, aber ich fühle, dass
ich Ihre Geduld etwas missbrauche um! ich will
mich nur noch entschuldigen , dass ich diese Be-
trachtungen angeregt habe. Ich dachte, es sei
vielleicht für Sie von Interesse, sich vorzubereiten
auf die Untersuchung jener merkwürdigen Stücke
der hiesigen Sammlung, welche in dem letzten Jahre
Gegenstand einer für mich so betrübenden Differenz
zwischen einein unserer besten deutschen Forscher
und dem bewährtesten schweizerischen Forscher
geworden sind. Ich meine jene gravirten
und skulpirten Stücke der Höhle von
Thayingen. welche Sie gleich nachher werden
ansehen können. Es ist Ihnen bekannt , dass
schon in Frankreich, später in Belgien und auch
an einzelnen Orten in England aus jenen ur-
alten Höhlen gewisse Stücke aus Horn, Elfenbein
und Knochen gefunden wurden, welche nicht bloss
Zeugnis» einer höheren Kunstfertigkeit , sondern
auch eines ganz entwickelten Kunstsinnes ablegten.
Schon die französischen Funde, welche hauptsächlich
aus den Höhlen der Dordogne herstamuien, haben
zahlreiche Opposition gefunden und nicht wenige der
besten Forscher haben immer den Zweifel festge-
halten, oh das wirklich Artefacte jener Zeit oder nicht
vielmehr Fälschungen seien. Dieses Kapitel der Fäl-
schungen hat sich nun iu einer sehr unangenehmen
Weise gerade an die Thayiuger Funde und an das
uns hier zunächst vorliegende Material angeknüpft,
und das hiesige Museum ist nicht wenig an der
Entscheidung dieser Frage interessirt, da, wie Sie
sehen werden, ein ungewöhnlich grosser Schatz gerade
solcher Objecte hier vereinigt ist. Das Coustanzer
Museum ist im Besitze von Stücken, welche ihres
Gleichen in keinem deutschen und ich glaube auch
in keinem schweizerischen Museum haben , und
welche in der That als die allermerkwürdigsten
Objecte der Disenssion unterworfen werden müssen.
Unser Freund Lindensehmit hat uns im vorigen
Jahre in Jena die ersten Nachweise geliefert, dass
zw ei der Gegenstände , welche aus der Höhle
von Thayingen publicirt waren , gerade sehr auf-
fällige, grobe Fälschungen waren. Es ist gegen-
wärtig Niemand mehr, der Über diese Gegen-
stände einen Zweifel hätte; die Nachweise sind «o
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HG
sicher, dass über diese Vorfrage keine weitere
Debatte stattzufinden hat. Die beiden Stöcke, welche
sich gegenwärtig im britischen Museum befinden und
welche von Hrn. Franks als Speriminn bewusster
Fälschung angekauft worden sind, um der Nach-
welt als Zeugnisse, wie man fälscht, aufbewahrt zu
werden, sind preisgegeben. Es ist selbstverständlich,
dass, nachdem für zwei Stücke ein solcher Beweis
geliefert war, sich auch an die übrigen ein schwerer
Verdacht heftete. Für Jemanden, der weit von
den Dingen absteht, kann sich ein solcher Ver-
dacht leicht in solcher Weise verstärken, dass die
ganze Gruppe dadurch unsicher gemacht wird.
Wir, meine Herren, sind mit dazu berufen, uns
ein Urtheil zu bilden über die Authentiritflt oder
Kicht-Authenticität der Stücke, die hier vorhanden
sind. ITeherzeugen wir uns, dass sie echt sind, dass
sie wirklich A rief acte der Renthiermflnner sind,
dann wird damit der Beweis geliefert für jene
Erscheinung, auf die ich vorhin liinwies, dass nemlicb
in einer gewissen Zeit menschlicher Entwicklung
eine einzelne Seite der geistigen Fähigkeiten sich
so hervorragend entwickeln kann, dass sic eine
Vollkommenheit erreicht , welche unverständlich
erscheint für jeden, der gewohnt ist, die verschiedenen
geistigen Fähigkeiten sich in einer gewissen Gleich-
förmigkeit aushildcn zuselten. Ist cs möglich gewesen,
dass ein Kentliicrmann solche Zeichnungen entwarf,
wie Sie sie hier sehen werden, dass er diese Skulp-
turen machte zu einer Zeit, wo man noch kein
Kochgeschirre hatte, wo man noch nicht im Stande
war, das gewöhnlichste Material, was am leichtesten
zu handhaben ist, den plastischen Thon zum Gegen-
stände menschlicher Kunstfertigkeit zu machen,
konnte man damals in hartes Horn mit einem Stein
graviron, konnte man in einer Zeit, wo man noch kein
Metall hatte, wo man nur auf scharfe Steinsplitter ange-
wiesen war, mit diesen Splittern harte Renthier-
hörner so bearbeiten, dass man diese Feinheit der
Zeichnung, diese, wie selbst gute Zeichner aner-
kennen. zum Theil überraschende (’orreetheit der
Zeichnung erzielte, so, sehen Sie wohl, ist ein
ungemein paradoxes Phänomen des menschlichen
Geistes damit dargelegt. Es erscheint unerhört,
dass ein Jägervolk, welches in seinen sonstigen
Gewohnheiten die allerrohesten und wildesten Eigen-
schaften darhieten musste, das in seiner häuslichen
Ausstattung erst die allergeringsten Eroberungen ge-
macht hatte, Zeit, Müsse und Neigung fand, lieh der
Kunst hinzugehen, und diese Kunst so sehr zu ent-
wickeln, dass es in der Genauigkeit der Zeichnung, in
der Conception der Entwürfe, in der Ausführung des
Details eine Höhe und Vollkommenheit der Befähigung
erreichte, welche noch heutigen Tags sehr schwer
anzuerziehen ist . welche wir in unseren Schulen
selten erreichen, welche die heutige Jugend nur
ausnahmsweise erzielt. Das ist die Sache. Würde
sich dagegen hcrausst eilen, dass wir diese Ueber-
zeugung nicht gewinnen können, so würde damit
auf die ganze Frage auch der französischen, belgischen
und englischen Skulptur ein neuer Zweifel sich legen,
und diejenigen, welche schon früher geneigt waren,
diese Dinge nicht anzuerkennen, würden unzweifel-
haft sofort die ganze Frage aus der Erörterung
der menschlichen Kulturgeschichte streichen. Wir
stehen ulso hier an dein interessantesten Punkte,
wo eine an sich rein archäologische Frage sich
zugleich erhebt zu einer Frage von höchstem
psychologischem Interesse, eine Frage, die zugleich
die schmerzliche Empfindung erregt, dass — wenn
wirklich die Thatsache anerkannt werden müsste,
dass ein Volk aus eigener Kraft sich zu einer
solchen Höhe der Befähigung entwickelt hat — eine
solche Errungenschaft für die Menschheit absolut
wieder verloreu geht und dass sie erst nach einem
Zeitraum, der vielleicht 10 Tausende und mehr von
Jahren zählt , wieder aufgefunden wird. Denn,
wenn die Renthiermensehen diese Dingo gemacht
haben, so war die Befähigung der Menschen schon
zur Zeit, als dieses Land noch zum grösseren Theil
vergletschert war, in einer bestimmten, wenn auch
immerhin beschränkten Richtung — einer auf das
Ideelle gewendeten Richtung — so hoch ausgebildet,
«lass wir sehr froh sein könnten, wenn wir heut zu
Tage auch nur die Mehrzahl unserer Kinder so weit
zu erziehen vermöchten, dass sie Aehnliches zu
machen im Stande wären; dann müssten wir uns
sagen, es kann Vorkommen, dass in dieser Welt
eine ganze Kulturepoche spurlos und fruchtlos für
die Gesammt -Entwicklung zu Gninde geht, dass
nichts darauf fortbaut, nichts daran sich anschliesst,
dass das alles eben begraben wird, so dass es dem
Zufall anheimgegeben ist, ob hie und da ein kümmer-
liches Ueherrestchen davon einer späteren Zeit sich
wieder ersehliesst. Ein ungemein schmerzlicher
Gedanke, denn unsere Hoffnung in dieser Welt ist
auf den Fortschritt in der Continuität gerichtet,
und pin Phänomen dieser Art, welches eine so lange
und grosse Discontiuuität darlegen würde, welches
zeigte , dass erst nach einem unmessbar hingen
Zeiträume die Menschheit von neuem anfangen
kann, um das schon Gewonnene wiederum zu er-
reichen, — eine solche Erfahrung würde in harter
Weise für diejenigen zu verwerthen nein, welche
nun einmal in der Geschichte der menschlichen
Gesellschaft überhaupt nichts weiter als einen Kreis-
lauf von sich wiederholenden und an sich unnützen
Ereignissen sehen.
Ich habe, meine Herren, um für Sie und für
Andere die Untersuchung dieser Gegenstände zn
erleichtern, unseren Hrn. Geschäftsführer ersucht,
an Stelle der sehr unvollständigen Abbildungen,
welche die gewöhnliche Zeichnung, die Lithogra-
phie und der Kupferstich darhieten, die Photo-
graphie zu setzen. Es sind von den Thayinger
Funden sowohl in den Verhandlungen der Züricher
antiquarischen Gesellschaft als auch in dem be-
sonderen Werk, welches Mr. Lee vor einiger Zeit
publicirt hat, für alle Welt zugängliche Abbildungen
dieser gravirten und skulpirten Stücke geliefert
worden; aber für alle diejenigen von Ihnen, welche
sieh ernsthafter mit diesen Gegenständen heschäf-
' UjOOQ
87
tigen wollen, wird es leicht sein, sich zu über-
zeugen , dass diese Abbildungen doch nicht be-
fähigen, auf Grund derselben eine Discussiou zu
führen. Das berühmte weidende Renthicr , das
sog. Schwein, die verschiedenen Pferde siud so un-
vollständig abgebildet, der Zeichner bringt so viel
individuelle Auffassung da hinein, dass es ganz un-
möglich ist für Jemanden , der nicht selbst das
Stück in der Hand hat, auf Grund solcher Abbil-
dungen sich ein Urtheil zu bilden oder eine Ent-
scheidung zu treffen. Es liegen selion zwei solcher
Blätter von den Hauptobjecten vor; sie sind von
einem hiesigen Photographen in den letzten Tagen
angefertigt worden. Da werden sie auch verviel-
fältigt werden können , damit die sich dafür in-
teressirenden Herren noch hier sich diese Blätter
erwerben können. Wir werden später, wie ich
denke, unserem diesjährigen Berichte diese Blätter
in Lichtdruck beigeben, so dass damit ein urkund-
liches Material für diejenigen, welche nicht aus
eigener Anschauung an dieser Untersuchung Theil
nehmen können, gewonnen werden wird. Dadurch
allein, dass wir diese Frage ernstlich in Angriff
nehmen wollen, erhebt sich diese Versammlung in
Bezug auf ihre Wichtigkeit über viele der vorauf-
gegangenen, und ich bitte Sie daher, dass Sie hei
Ihren weiteren Betrachtungen sich gerade diese
grosse Bedeutung , welche unsere diesjährige Ver-
sammlung für die gesummte Entwicklung unserer
Wissenschaft haben kann , vergegenwärtigen und
dass wir mit dem ganzen Ernst , welchen diese
Frage erfordert, uus an die weitere Erörterung
derselben machen.
Hr. Kolliuuim: Hochverehrte Versammlung!
Der Herr Geschäftsführer Deiner hat uns mit einer
phantasievollen Ansprache begrüsst (cfr. S. 67)
um! freundliche Bilder vor unseren Geist gerufen.
Ich bedauere, heim Beginn meiner Mittheilungen
Sie an die ernste Seite des Lebens erinnern zu
müssen. Wir haben unmittelbar vor Schluss des
Sommers unsern früheren Generalsekretär Hm. v.
Frantzius, der in der letzten Zeit in Freiburg
lebte, verloren. Die Erinnerung an diesen Mann
ist in dem weiten Kreise der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft eine ganz besonders warme
und lebendige; bei mir aber ist sie es in einem
ganz besonderem Masse, weil ich als Nachfolger
im Amte erfahren, wie sehr er bis zum Schlüsse
seines Lebens sich dem Vereine mit vollem luter-
esse zugewendet hatte. Diese Thcilnahme war
für mich um so wcrthvoller, als die Arbeit eines
Sekretärs der Gesellschaft oft erhebliche Schwie-
rigkeiten «larbietet , und mir in allen wichtigen
Fragen sein wohlwollender Rath zu Theil ward.
Wenn ich seinem Andenken liier ein paar
Worte widme . so geschieht cs im Gefühl der
Dankbarkeit für meinen Genossen im Amte und
meinen älteren Freund, der mir während dieser
Zeit der Geschäftsführung in der freundlichsten
Weise zur Seite stand, und geschieht iu Anerkennung
seiner fruchtbringenden literarischen Thätigkeit.
Die eingehende Rede unseres verehrten Hin.
Vorsitzenden erlaubt es , den Bericht über die
Thätigkeit des Vereins kurz zu fassen. Zunächst
sei au die bemerkeuswerthe Thatsache erinnert,
dass wieder eiu Zweigverein unserer deutschen
anthropologischen Gesellschaft begonnen hat, selb-
ständige Berichte zu veröffentlichen, nemlich die
Münchener anthropologische Gesellschaft. Sic
werden heute Nachmittag Gelegenheit haben, den
ersten Band, der unter dem Titel «Beiträge zur
Anthropologie und Urgeschichte Bayerns* (München,
Lit.-art. Anstalt) erscheint, und mit zahlreichen
Tafeln ausgestattet ist, an sich vorübergelien zu
lassen. Regelmässige Berichte über die Sitzungen
liegen noch von mehreren Zweigvereinen vor und
Sie kennen wohl alle die werthvollen Berichte,
welche «1er Berl i n er Verein veröffentlicht und die
einen wesentlichen Theil der Zeitschrift für Ethnologie
(Berlin, Wiegand, Heinpel u. Parey) ausmachen.
Erinnern wir uns ferner, dass das Uorrespondenzblatt
der deutschen anthropologischen Gesellschaft, das
monatlich erscheint, und «las Archiv für Anthropo-
logie wissenschaftliche Beiträge veröffentlichen, so
lässt sich nicht bestreiten, «lass die Zahl dieser
Organe eine Bürgschaft ist für die stcigemle Arbeit
und «las steigende Interesse innerhalb der deutschen
anthropologischen Gesellschaft. Unter den Materien,
die ich einer besonders vielseitigen Bearbeitung
erfreuten , ist es vor allem die Bronze gewesen.
Der Hr. Vorsitzende hat ferner hervorgehoben, wie
die Artefacte aus den frühesten prähistorischen
Zeiten nicht minder die Aufmerksamkeit auf sich
gezogen, und endlich sind eine Menge Unter-
suchungen hervorzuheben, welche die craniologischen
Fragen gefördert haben. Was speciell die Bronze
betrifft, so nenne ich den Artikel von H ostmann
zur Tecknik der antiken Bronzeindustrie, die Be-
merkungen Li ndensch mi t’s in dem unmittel-
bar vorhergehenden Jahrgänge des Archivs für
Anthro]K)logie, ferner in diesem Jahr die Arbeiten
von II ost mann zur Kritik der Kulturperioden und
endlich die Verhandlungen der Berliner anthropo-
logischen Gesellschaft über diesen Gegenstand,
worin namentlich der Herr Vorsitzende über die
Klassifikation der Metallzeit sieb in einer Weise
ausgesprochen hat, so «lass, wie ich glaube, eine
Grundlage gefunden ist, auf der sich die wider-
strebenden Anschauungen zum Theil wenigstens
vereinigen können.
Durch die craniologischen Arbeiten ist nament-
lich die Untersuchung der deutschen Gebiete ge-
fördert. worden. Für den Norden kommt das
Werk des Hin. Virchow in Betracht .die Bei-
träge zur physischen Anthropologie der Deutschen
mit besonderer Berücksichtigung der Friesen“, und
im Süden sind die Arbeiten der Münchener anthro-
pologischen Gesellschaft darauf gerichtet gewesen,
die bayerische Bevölkerung von einst und jetzt
genauer zu untersuchen.
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In den Auseinandersetzungen des Corre-
spondenzblattes und des Archivs sind wiederholt
Bestrebungen laut geworden, ein gemeinsames
rraniologisches Verfahren an zu bahnen. Es ist
vielleicht zu hoffen, dass im J.aufe dieser Ver-
handlungen diese Angelegenheit etwas weiter ge-
fördert wird. Es scheint wenigstens, als sei durch
die schriftliche Erörterung diese Frage so weit ge-
diehen. um jetzt an die definitive Feststellung des
betreffenden Verfahrens zu gehen.
Ich begnflge mich mit diesen kurzen Be-
merkungen Ober die geistige Arbeit innerhalb des
V ereins.
.lene Herren, welche den besonderen Commis-
sionen vorstehen, Ober die statistischen Erhebungen
bezüglich der Farbe der Augen, der Haare und der
Haut, daun über die Anfertigung der prähistorischen
Karten und filier die Herstellung eines Kataloges
des in Deutschland vorhandenen anthropologischen
Materiales werden noch weitere Beweise dafür
beibringen. dass innerhalb der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft die wissenschaftlichen Be-
strebungen nicht zurück st eben hinter denen, die wir
in den entsprechenden Gesellschaften Frankreichs,
Italiens und Englands mit so regem Wetteifer
auftret en sehen.
II. Nachmittagssitz.ung.
llr. Virchow: Ich habe Ihnen einige Vorlagen
zu machen, llr. Medicinalrath Dr. Riecke hat
im Anschlüsse an die im Vorjahre zu Jena statt-
gefundenen Verhandlungen eine Schrift «zur Ab-
wehr*" verfasst und hierher geschickt, die später
vcrtheilt werden wird. Dann haben wir eine Reihe
von Zusendungen bekommen , die wir spater aus-
legen und circuliren lassen werden. Das eine ist
der erste Band „Beitrüge zur Anthro]M»logie und
Urgeschichte Bayerns“, der von der Münchener
Anthropologischen Gesellschaft ausgegeben ist, ein
Band, ausgezeichnet durch die Reichhaltigkeit seiner
Miulicilungen und die Zahl von wichtigen original-
arbeiten. Hr. Prof. Dr. Johannes Ranke hat eine
besondere Schrift „Beitrüge zur physischen An-
thropologie Bayerns“ überreicht. Sodann sind ein
paar Hefte Sitzungsberichte der Alterthumsgesell-
schaft Prussia in Königsberg in Preussen einge-
gangen; einige Hefte von dem Bullcttino di Palct-
nologia italiana, ein sehr empfehlenswert!) es Werk,
sodann einige Hefte von den : Svenska Fonnninnes-
foreningens Tidskrift, einer Zeitschrift, welche von
dem Vorstande der dortigen Alterthiunsgesellschaft
herausgegeben wird. Ausserdem ist eine Anzahl
von Exemplaren von der letzten Entgegnung des
Hrn. Lindenachmit auf die von der „ Antiqua-
rischen Gesellschaft“ in Zürich herausgegebene
öffentliche Erklärung von Müller über die
Tliayinger Fülschuugen zur Yertheilung eingelaufen.
Endlich ist von Posten o bl e in Jena das erste
Exemplar des Buchs von Sophus Müller: die
nordische Bronzezeit , in einer Uebersetzung von
Früulein Mestorf eingelaufeu. Es ist das eine
Arbeit , welche gerade für Deutschland in der
schwebenden Controverso über die Bronzefrage von
nicht unerheblicher Bedeutung sein wird.
Wir gehen zur Tagesordnung über: „Bericht
der Commissionen“, und ich ersuche Hrn. Fraas,
für die kartographische Commission Bericht er-
statten zu wollen.
Hr. Fraaa: Ich schicke voraus, dass cs etwas
langweilig werden wird . was ich Ihnen zu sagen
habe; denn es sind lediglich nur Nachrichten dar-
über, aus welchen Gegenden Deutschlands für die
prähistorische Karte, welche unsere Gesellschaft zu
machen beschlossen hat. Beitrüge eingegangen sind.
Jedenfalls sind seit der Jenaer Versammlung so
viele Mittheilungen gekommen , dass wir schon
klarer sehen als im Vorjahre, dass wir namentlich
auch wissen, wie das Resuni6 gezogen werden rnnss,
in welcher Art und Weise die Darstellung der
Karte selbst nach den eingegaugeuen Beiträgen
und Aufnahmen vor sich gehen kann. Was die
verschiedenen Landesgegenden betrifft . so haben
wir jetzt aus folgenden Theilen unseres Vater-
landes theils fertige, theils noch in Arbeit begriffene
Beiträge , welche ich alphabetisch geordnet habe.
In Anhalt hat Hr. Sanitätsrath Fränkel von
Remburg die Aufnahme seiner Provinz vollendet
und eingesendet. Ebenso hat Baden durch die
Freundlichkeit des Hrn. Hofraths Ecker die Auf-
gabe gelöst. Bayern hat, wie Sie sich aus dem
Vorjahre erinnern werden, beschlossen, selbständig
seine Karte zu machen . d. h. nicht etwa unab-
hängig von der Redaction der deutschen prähisto-
rischen Karte, sondern in ähnlicher Weise, wie es
mit den Aufnahmen für die Schulstatistik voran-
gegangen ist , so auch selbständig vorzugehen mit
dem Entwürfe einer Karte. Hr. Prof. Ohle li-
sch lag er ist der bayerische Kurtologe ; neben
ihm sammeln die Hrn. Sand berge r und En-
gelhardt Beiträge. Im Laufe der nächsten Zeit
werden wir zusainmentreten und gemeinsam weiter
operiren. Für Brandenburg hat Hr. Ernst
Friedei in Berlin die Aufgabe übernommen. Hr.
Neb ring aus Wolfenbüttel und Hr. Blasius
haben für Brannschweig übernommen , Hr.
Dr. Gustav Laube für Böhmen, Hr. J.
P i n d e r in C asscl die Provinz Hessen über-
nommen , Frhr. v. U e x k ü 1 1 hat Coburg über-
nommen und ausgeffthrt. Hr. Dr. Wibel hat
Hamburg ausgeführt. Hr, Studienrath Müller
in Hannover hat Hannover Übernommen; neben
ihm hat Hr. Trimpe ans Talge bei Bersen-
brück seine Umgebung anfgenommen. Für das
Grossherzogthnm Hessen exirtirt eine alt.c Karte
und Arbeit von Dr. Ph. A. Walther, ebenso
haben Frhr. Schenk zu Schweinsberg und
Hr. Dr. Pin der Beiträge zugesagt. Für Hol-
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land hat schon vor drei Jahren Ur. Dr. Har-
togh zur Uebernahine sich bereit erklärt; ich habe
aber noch nichts in Händen. Für Holstein hat
Hr. Stabsarzt Friedrich Lühe in Plön seine
Provinz in 2 Blättern aasgearbeitet und einge-
sendet. Ebenso hat Hr. Dührsen, Oberamts-
richter in Mölle , Lauenburg vollendet. Für
Lothringen hat sich der kaiserliche Friedens-
richter in Metz, Ilr. Grünwald, bereit er-
klärt, wie für Mcklcnburg Hr. Geh. Archivrath
Lisch in Schwerin. Für Nassau wollte Hr.
v. Cohausen die Aufnahme besorgen, ist aber
bis jetzt noch nicht dazu gekommen. Nieder-
österreich dagegen ist vonHr.Dr. Much in Wien
vollständig ausgeführt und eingesendet worden. Be-
dauerlich ist dabei, dass die Reymannschcn Atlaa-
blätter für Oesterreich noch nicht existiren, son-
dern dass Hr. Much mit einem anderen beliebigen
Kartenblatte von R. A. Schulz zu arbeiten sich
genöthigt sah. Für Oldenburg hat Frhr. v.
Alten das rechte Weserufer übernommen. Ost-
preussen hat Hr. Tischler in Königsberg
übernommen and ist , wie ich höre , mit grosser
Energie daran gegangen. Polen wird llr. Dr.
Josef v. Lcpkowski in Krakau behandeln.
Pommern hat Hr. Geh. Rath Yirchow und Hr.
Dr. Voss in Berlin übernommen, Posen Hr. Gym-
nasialdircctor W. Schwartz in Posen , Rhein-
hessen Ilr. Dr. C. L i n d e n s e h m i t , die R h e i n-
pfalz Hr. Dr. Mehlis; wie ich heute von ihm
persönlich höre , hat er einen grossen Theil
bereits fertig, ebenso hat Hr. E. Ilagen seine
Beiträge geliefert und Hr. Prof. Schmitz in Saar-
brücken. Eben hier existiren ausserdem seit längerer
Zelt selbständige ethnographische und archäolo-
gische Mittheilungen des historisch - antiquarischen
Vereins für die Städte Saarbrücken , St. Johann
und Umgegend. Kheinpreussen mit West-
phalen hatten Hr. Geh. Rath v. Dechen und
Hr. Hofrath Essellen in Hamm übernommen and
ausgeführt. Der Letztere namentlich hat längst
eine vollständige Arbeit über Westphaleu fertig
und zur Verfügung gestellt. Säehsen wurde von
Hm. Major Oskar Schuster übernommen und
grösstentheils vollendet. Die Provinz Sachsen
hat Ilr. Oberst Bor ries von Weissenfels über-
nommen. Schlesien wurde von Hm. Job an ne s
Zimm ermann aus Striegau in einer Weise aas-
geführt, dass ich noch besonders auf diese bis jetzt
vollendetste und ausgezeichnetste Arbeit , die wir
in Händen haben, zurückkommen werde. Für die
Schweiz hatte sich Hr. Rütimeyer in Basel
bereit erklärt, indess erschien, wie Sic wissen, die
archäologische Karte der Ostschweiz , bearbeitet
von Ferdinand Keller in Zürich , wodurch
weitere Arbeiten überflüssig geworden sind. Für
Thüringen arbeitet Hr. Prof. Klopfleisch von
Jena. Westfalen ist , wie schon bemerkt, von
Hm. Hofrath Esselen in Hamm bearbeitet.
Westpreussen wurde schon vor 2 Jahren von
Hm. Dr. Li s sauer in Danzig fertig gestellt, so dass
Cum«p.-BlaU Xrv. 9.
die Karte nur noch etwaiger Nachträge bedarf.
Endlich ist Württemberg und Zollern theils
durch die vorhandene Karte des Hrn. Finanzraths
Paulus, theils dnreh Beiträge des Hrn. Regel-
rnann in Stuttgart, Hm. Hahn in Reutlingen,
Hrn. Baron v. Mayen fisch in Sigmaringen
u. A. so weit vorgerückt, dass die Notizen in dio
Keyniann'sche Karte eingetragen werden konnten.
Im vorigen Jahre hatten wir in Aussicht ge-
nommen , die verschiedenen Beiträge in die carte
blanche von Dechen 's geoguostischer Karte von
Deutschland einzutragen und somit der prähisto-
rischen Karte den Massstab von 1 : 1400000 zu
Grande zu legen. Ich habe nun den Versuch ge-
macht und sämmtliche Einträge auf diese Karte ein-
gezeichnet, allein bald ward mir klar, dass der Mass-
stab weitaus zu klein und dass es durchaus un-
möglich ist, die verschiedenen Einträge liier über-
sichtlich niederzulegen. Die Commission für die
Karte wird sich aus meinen Vorlagen überzeugen,
dass es unthunlich ist, eine Karte von diesem Mass-
stab zu Grande zu legen. Wesentlich gefördert
wurde, wie schon gesagt , dio Arbeit durch Hm.
Zimmermann in Striegau. Kr hat ncmlich, nach-
dem er sich mit mir über die Zeichen vereinbart
hatte, eine Legende aufgestellt, in welcher alle Er-
scheinungen der Prähistorie, welche überhaupt zu
Grande gelegt werden sollen, in 5 Farben und im
Ganzen in 21 Zeichen ausgeführt wurden. Allein
ein Blick auf seine Karte zeigt Ihnen gleichfalls,
dass wir mit diesen Zeichen , mögen sie sein wie
sie wollen, ein ausserordentlich unruhiges Bild be-
kommen ; ich bin daher in meiner Auschauung über
die Anlage der Karte dahin gekommen , dass ich
cs überhaupt für unrichtig halte, bloss Zeichen zu
benutzen. Alle die Ringe , Dreiecke , Quadrate,
Zickzacklinien u. s. w. geben uns schliesslich nur
eine neue Hieroglyphenschrift, welche die Karte
nichts weniger als klar und übersichtlich macht.
Ich hin desshalb der Ansicht — und Hr. Prof.
O h 1 e n s c h 1 a g e r in München ist, soviel ich höre,
mit mir einverstanden — , dass wir nur mit Dar-
stellung von Farbenflüchen die verschiedenen Ver-
hältnisse der Prähistorie bezeichnen können. Ist
es schon eine Schwierigkeit , auf dor grossen
Reymann’schen Sammelkartc durch diese Haxcl-
füsse unserer Zeichen sich durchzuarbeiten und
muss Jeder, der sie ansieht, erst vorher ängstlich
studiren, wras er eigentlich sieht , so werden wir,
wenn wir, ähnlich wie bei geologischen und histo-
rischen Karten, mit glatten Flächen zu thun haben,
nur mit Flächen uns eine Uebersicht schaffen und
die Menge der vorhandenen Denkmäler nach der
Grösse der Fläche beurtheilen können. Wer die
wirklich vollendeten Karten des Hrn. Zi min er-
mann - — 23 Blätter für Schlesien — in die Ilaud
nimmt, wird mit mir die Ueberzeugung gewinnen,
dass man wegen der vollständigen Aufnahmen vor der
Menge der Zeichen gar nicht ins Klare kommt; ein
Zeichen ist z. B. lmal, ein anderes 216 mal vorhan-
den. Ich hielte daher die Ucbersichtlichkeit wesent-
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lieh für mehr gefördert, wenn wir die Zahlen mit der
Grösse der Farbenflächen auszudrücken im Stande
waren. Das sind jedoch Fragen, welche vor die
Generalversammlung der Gesellschaft nicht ge-
hören. Dieses technische Detail zu erwägen liegt in
der Aufgabe der Commission, welche speciell mit
der Bearbeitung der Karte betraut ist. Ich lege
hiemit sämmtliche Arbeiten der Versammlung vor
und muchc ganz besonders auf die Arbeit des Hm.
Z i m m c rm a n n aufmerksam , dessen Behandlung
Schlesiens in der That für alle Mitarbeiter an
der prähistorischen Karte Deutschlands als mass-
gebend angesehen werden kann.
Hr. Virchow: Wenn Niemand zu diesem Ge-
genstände das Wort wünscht, darf ich wohl dem
Ilm. Prof. Dr. Fraas unseren Dank aussprechen.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es
grosse Schwierigkeiten hat , vorwärts zu kommen,
weil die Zeichen sich stellenweise zu sehr häufen.
Die neue Karte von Ilrn. Chantre vom Rhone-
thal zeigt , dass es manche Vortheile bietet, mit
ein paar Zeichen nuszukommen. Ich kann aber
nicht umhin , zuzugestehen , dass die Uebcrsicht-
lichkeit keine erheblich grössere ist.
Ich bitte nun Hm. Prof. Sc haaff hausen ,
uns über die „Craniologischc Commission- zu be-
richten.
Hr. Schaaffhanaen : Meine Herren! Ich freue
mich, Ihnen auch von den Arbeiten der 3. Com-
mission ein Lebenszeichen geben zu können, indem
ich Ihnen die ersten 4 Bogen des ersten Beitrags
zu dem Gesammtkataloge der anthropologischen
Sammlungen Deutschlands im Drucke vorlege.
Es ist dieser das Verzeichniss der Bonner Univer-
sitäts-Sammlung. Ich hoffe, dass mit der nächsten
Lieferung des Archivs dasselbe vollständig wird
ansgegeben werden können. Das Material liegt
jetzt so reichlich vor, dass wir in der That ein
ganzes Jahr daran fortdrnckcn können* und ich
bemerke mit Dank, dass die Yerlagsliandlung in
sehr zuvorkommender Weise die Publikation des
Katalogs fördern will. Ich wünsche, dass das Ur-
tlieil über den Gesammtkatalog des Sprichwortes
eingedenk sein wird, dass das Bessere der Feind
des Guten ist. Wir haben, da wir seit Jahren
sehr werthvolle und genaue Messungen in Händen
haben, mit der Veröffentlichung derselben nicht
warten können , bis der langwierige Streit
über das eine oder andere in der Craniometrie
entschieden und der Werth derselben allgemein
anerkannt war. Ich will hier nur kurz bemerken,
woran man oft nicht gedacht hat, dass auch die
Zweifler an dem Wcrthe der Craniologie messen
müssen ; denn um zu wissen, ob gewisse Masse
eine Bedeutung haben, ob man aus ihnen ein
Bildungsgesetz des Schädels ableiten kann, muss
man die Zahlen besitzen, die geprüft werden sollen ;
es muss also in jedem Falle gemessen worden;
mit einem Worte, die Craniometrie ist unerlässlich
für die Zweifler sowohl, wie für die Verehrer dieser
Wissenschaft. Wenn ich heute nach den stürmischen
Verhandlungen , die über manche craniologischc
Fragen stattgefunden haben und zum Theile ja
noch stattfinden, eine Auswahl von Massen treffen
sollte, wie sie für einen solchen Katalog passen,
so glaube ich nicht, dass ich andere auswählen
würde, als die, welche damals in dem Programme
vorgezeichnet worden sind und Ihnen in dem
ersten Beitrage vorliegen. Es ist der Katalog
nicht eine Schädelstudie, er ist das Material dazu.
Sehen Sie sich genau die craniologi sehen Arbeiten
der neuesten Zeit an — ich erinnere an das
Werk von Virchow über den Friesenschädel, es
sind 88 Masse, die er von einem Schädel angibt;
in der Abhandlung von Sasse über denselben
Gegenstand sind Messungen nach dem Schema
von We i s h ac h mitgetheilt ; da kommen wieder viele
Masse vor, die Virchow in seiner Schrift nicht
genommen hat; — in einem Kataloge kann man
aber doch nicht über 100 Masse von einem
Schädel geben! Manche Masse werden noch heute in
verschiedener Weise genommen. Es wird deshalb
in den Beiträgen, namentlich in den von jetzt an
ausznarbeitenden, soweit es irgend möglich ist, da-
für Sorge getragen werden müssen, dass die eine
und die andere Methode berücksichtigt wird. Wie
sehr es mir als dem Vorsitzenden dieser Com-
mission daran gelegen ist, eine Vergleichbarkeit
der Masse und Zahlen zu erreichen, mögen Sie
daraus sehen, dass ich mir die Mühe gegeben
habe, die ganze Blumenbach'sche Sammlung noch
einmal durchzumessen, um der Spengerschen
Arbeit, die in vielen Beziehungen nicht vergleich-
bar war, zu diesem Zwecke einige Masse hinzuzu-
fügen, ebenso die fehlende Schädelcapaeität. Wenn
ich mit wenigen Worten die von mir gegebenen
Masse bezeichnen darf, so sind es: 1) die Schädel-
länge, so wie sic heute von den meisten Forschern
genommen wird , zwischen der Gtabclla und dem
vorspringendsten Punkte des Hinterhauptes, dann
2) die grösste Breite, wo sie gefunden wird ; 3) «Ile
Höhe, durch eine ffuf der Horizontalen des Schä-
dels vom vordem Bande des Hinterhauptlochs
gegen das Scheitelgewölbe gezogene Senkrechte
gemessen ; dies ist ein streitiger Punkt der
craniologischeu Untersuchung, und werde ich so-
gleich etwas Weiteres darüber sagen. Es ist ferner
höchst wünschenswerth, die Betheiligung der ein-
zelnen Schädelknochen an der Bildung des sagit-
taien Schädelbogens 4), zu kennen, also die Länge
des Stirnbeins, des Scheitelbeins und der Hititer-
hauptschnppe, 5) 6) 7). Es ist 8) der Querbogen
des Schädels angegeben und 9) und 10) die zwei
Radien von der Mitte des Ohrlochs zur Stirn und
zum Hinterhaupt, die auch von neueren Forschern
noch gerne genommen werden und schon von
Car us empfohlen wurden. Die Auricularhöhe ist
entbehrlich aus dem Grunde, weil wir in der Höhe
des Schädels schon einen Ersatz dieses Masse»
haben, und weil sie doch eigentlich ein Mass ist.
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in dem 2 Masse sieh vereinigt linden, einmal die
reine Höhe des Schädels und dann auch die
Breite des Schädels; denn der grössere Abstand
der Ohröffnung von der medianen Ebene des
Schädels wird auch die auriculare Höhe ver-
grössern. (?) Dann ist 11) der Abstand der Gelenk-
flächcn für den Unterkiefer gemessen; an vielen
Schädeln fehlt der Unterkiefer, und wir haben
damit dennoeh sein Breitenmass, was für die Be-
stimmung der Bracbycephalie nicht unwichtig ist.
Wir haben die beliebten Masse an der äusseru
Schädelbasis, das von dem vorderen Bande des For.
inagn. zur Nasenwurzel und das Mass von dem-
selben Punkte bis zum vorderen Rande des Al-
veolarbogens, 12) und 11t) ; wir haben 14) die ganze
Gesicht -länge von der Nasofrontalnaht bis zum
Kinn und 15) die Länge des Oberkiefers. Hier
habe ich, weil ich es zweckmässig linde, einmal
die Zähne mitzumessen, die Zähne mit ins Mass
genommen; wenn xYndere sie nicht mitmessen,
müssen sie das angeben. Es ist IG) die Höbe des
Unterkiefers, 17) die Breite der Wangenbeine von
ihrer Mitte aus gemessen, 18) der liorizontal-
umfang , der Aber die Glabella und den vor-
springendsten Punkt des Hinterhauptes geht, es
»st 19) der Diagonal-, 20) der Parietaldurrhmcsscr,
der wie mir scheint ungemein wichtig ist, ange-
geben; es ist 21) der Mastoidaldurchniesser, an
der Aussenflüche der Basis des Zitzenfortsatzes
gemessen und 22) der untere Erontaldurehmesser
verzeichnet, der indessen mehr die obe*re Gesichts-
breite als die Stirnbreite angibt. Es ist endlich
die Srliädelcapacität gemessen. Dann sind diesen
Massen noch kurze Bemerkungen über besondere
Eigenthümlichkciten jedes Schädels, das Verhalten
der Nähte, der Muskelleisten, die pithekoiden Merk-
male hinzugefügt, die immer werthvolle Zugaben
der craniometrischeu Beschreibung eines Schädels
sind. Der Katalog ist etwas ausführlicher ausge-
fallen, wie vielleicht Manche erwartet haben. Die
Bonner Sammlung ist reich an merkwürdigen
Schädeln, was hauptsächlich dem früheren dortigen
Anatomen Professor Dr. Mayer zu verdanken ist,
der viel Sinn für anthropologische Studien hatte.
Ich habe auch die deutschen Schädel mitgemessen.
Es konnte nach dem Programme scheinen, als oh
es nur darauf ankäme, eine Auswahl von Massen
der fremden Schädel zu haben. Aber wir haben
mit Unrecht unsere eigenen Schädel vernachlässigt
über dem Interesse, welches wir dem fremdesten
Volksstamme zngewendet haben. Wir müssen auch
einmal von den verschiedenen Provinzen unseres
deutschen Landes Reihen von Schädelmassen haben,
damit wir sie mit einander und mit anderen ver-
gleichen können. Es ist für die Wissenschaft in
der That ein deutscher Schädel gerade so viel
werth wie der Schädel eines Neuseeländers.
Ferner kommen Schädel in allen anatomischen
Sammlungen vor, die gar keine Personalangahc.
kein sogenanntes Nationale haben. Man könnte
nun denken, diese seien für die Wissenschaft nichts
werth, weil ihr früherer Besitzer gänzlich unbekannt
ist. Ich bin anderer Meinung. Wir sind erstlich viel
mehr im Stande wie früher, dem Schädel manches
anzusehen, was von ihm nicht berichtet ist, und dann
bezeichne ich es gerade als die Aufgabe der Crauio-
logie, dass sie von einem unbekannten Schädel sagen
lerne, welchem Geschlechte, welchem Alter, welcher
Rasse er angehört hat, welches im Allgemeinen
die nirnentwickelung und Bildung des Menschen
gewesen ist. Deshalb sind auch diese ungenannten
Schädel für die Wissenschaft nicht gieichgiltig.
Und wissen wir denn von den fremden Rassen-
schädeln unserer Sammlungen , den Rotokudcn,
Peruanern und Eskimos, welchen Individuen sie
angehört haben? Die alten Gräber liefern uns
Schädel aber keine Grabinschriften! Ich habe
schon bemerkt, dass es so ausserordentlich viele
Zweifler gibt, die eine mühsame craniologischc
Arbeit fast für eine verlorene Mühe Ansehen, die
da meinen, dass wir heute in solchen Dingen noch
nicht weiter gekommen seien wie zur Zeit Blumen-
hachs. Ich will mich auf einige wenige Thatsachen
beschränken, mit denen ich den Beweis führen
möchte, dass wir doch schon sehr Bedeutendes
durch die Crauiologie zu leisteu im Stande sind
und dass manche noch schwebende Streitfrage auf
eine sehr einfache Weise gelöst werden kann.
Das ist zunächst die Frage über die Horizontale
des Schädels, auf die ich anspielc.
Ich bemühe mich seit etwa 3 Jahren, den
Beifall der Fachgenossen für die Ansicht zu ge-
winnen, dass man nicht jeden Schädel auf eine
vorher bestimmte Horizontale zwingen, sondern die
Natur selbst befragen soll, die ohne Zwang uns
Antwort auf die Frage gibt, welches die Horizontale
eines jeden einzelnen Schädels ist. Ich zweifle
nicht, dass wir daun dahin kommen, anstatt alle
Schädel auf eine nach Ucbcrcinkunft angenommene
Horizontale zu stellen, vielmehr die jedem einzelnen
Schädel zukommende als ein wichtiges Merkmal
seiuer Bildung zu erkennen. Wir müssen den Schädel
so stellen, wie er auf der Wirbelsäule getragen
wurde, wenn der Mensch aufrecht stand und in
gerader Richtung nach vorn blickte. Die obere
ScliAdelwölbung, die Decke und der Seitenrand
der Orbita, auch die Kantinie der Backzähne
müssen dabei unser Urtheil leiten. Ich gehöre zu
denen, welche von den vorgeschlagenen Horizon-
talen die Göttinger Linie für die richtigste halten.
Es hat auch Schmidt in Essen durch eine an-
schauliche Darstellung gezeigt, dass diese Linie die
wenigsten Schwankungen zeigt, wenn man die ver-
schiedenen Schädel danach prüft. Aber in jener
Beobachtung, die Ecker mitthcilte, dass der obere
Rand des Jochbogeus als Horizontale für die Neger-
srhädel nicht passe, sehen wir die Bestätigung
der Ansicht, dass nicht für alle Schädel die
zwischen zwei bestimmten anatomischen Punkten
liegende Linie die Horizontale ist. In der That,
die Linie, welche für einen Europäerschädel die
Horizontale ist, ist es nicht mehr für den Neger-
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si-h&dcl. Ich habe mich im vorigen Jahre in Jena
bemüht, einige ganz allgemeine Satze auszusprechen,
nach denen t wie mir scheint , die Horizontale
des Schädels gesucht und beurtheilt werden muss.
Diese Mittheilung ist leider in den Bericht über
die vorjährige Versammlung nicht aufgenommen
worden. Bei dem Menschen niederer Rasse wird
die vollständige Aufrichtung der Körpergestalt nicht
erreicht, und erst mit der edleren Menschenbildung
erlangt die Wirbelsäule die ihr eigcnthflmliche
doppelte S-förmige Krümmung. Bei mehr vorge-
richteter Stellung des Körpers muss der Schädel
mehr nach hinten festgehalten werden, wenn er
nicht nach vorn überfallen soll. Dies ist ja auch
der wesentliche Unterschied in der Anheftung des
Schädels der Säugcthiere von der beim Menschen.
Je höher die menschliche Organisation sich ent-
wickelt hat, um so mehr balancirt der Schädel
frei, um so weniger ist cs erforderlich, ihn an der
Wirbelsäule festzuhalten. Immer aber bleibt die
Neigung nach vorn über zu fallen; deshalb ist er
hinten befestigt. Die mangelhaftere Entwickelung
des vorderen Schädeltheils bei niederen Rassen be-
dingt für sich, wenn der Schädel balanciren soll,
eine stärkere Neigung nach vorn. Die colossale Ent-
wickelung der Kiefer aber, die bei rohen Schädeln
häutig ist, ist ein Grund für das U ebergewicht des
Schädels nach vorn. Soll er balanciren, so muss
er mit dem Gesichte mehr gehoben werden. Das
Sinken des Schädels von niederer Bildung nach
vorn wird noch vermehrt, durch das weitere Zu-
rückliegen des HinterhaupUochs, wodurch auch der
U nterstützuDgspnn kt des Schädels mehr nach hinten
gerückt wird. Man muss unterscheiden, wie die
Kopfstellung roher Menschen gewöhnlich ist und
wie, wenn sie den Kopf heben, um geradeaus zu
sehen. Wenn wir einen solchen Schädel aufrichten,
dann liebt sich das Profil mehr wie bei dein
Europäer gewöhnlich der Fall ist. Wir finden
dann an den Schädeln niederer Bildung, dass die
Horizontale, die durch das Ohrloch geht, oft den
Nasengrund schneidet oder noch tiefer das Profil
des Gesichtes trifft. Ich hofle, dass die Zeit nicht
fern ist, wo man unter den verschiedenen Merk-
malen des Schädel auch die Horizontale aiiführt,
die mehr noch als die Individuen gleichgebildeter
Rassen die niederen und höheren Mcnschenstämme
kennzeichnen wird. Es ist übrigens in den meisten
Beiträgen zum Kataloge die Göttinger Linie als Hori-
zontale gewählt, und die Senkrechte, die auf ihr
von dein vorderen Rande des Fornmen maguum
aus gegen den Scheitel gezogen wird, stellt dann
die Höhe dar, die als Höhe des Schädcliniienrauins
oder als Höhe des ganzen Schädels gemessen
werden kann.
Eine zweite Bemerkung mache ich in Bezug
auf die Fortschritte der cramotogischen Wissen-
schaft. Es ist wohl von den meisten Anthropo-
logen zugestanden, dass wir doch jetzt unsere Be-
trachtung der Schädel von einer Verwirrung
reinigen könneu, die früher überall stattfand, als
man die Geschlechter nicht unterschied und nicht
unterscheiden konnte. Es bleibt allerdings in
einzelnen Fällen die Entscheidung fraglich, ob wir
einen männlichen oder weiblichen Schädel vor uns
haben ; aber wer viele Schädel in der Hand gehabt
hat, erwirbt sich die Kenntniss, von den aller-
meisten Schädeln mit grosser Zuversicht das Ge-
schlecht zu bestimmen. Es ist eine Reihe von
Eigentümlichkeiten , wie sie von verschiedenen
Forschern in der letzten Zeit beobachtet und be-
zeichnet worden sind, die den weiblichen Schädel
kennzeichnen. Diese sind, die zarteren Verhält-
nisse aller Theile und das geringere Volum abge-
rechnet, der flache Scheitei. die vorspringenden
Scheitelhöcker, die rundliche Ilinterhauptssrhuppo,
der etwas zugespitzte Zahnbogen, der herabgezogene
untere äussere Winkel der Orbita und noch anderes.
Ich muss gestehen, dass ich selten in Verlegenheit
komme, das Geschlecht unbekannter Schädel nicht
mit hoher Wahrscheinlichkeit wenigstens bestimmet!
zu können. Das ist ein grosser Gewinn, weil der
weibliche Schädel oft ganz eigentümliche Ver-
hältnisse ausserdem zeigt, die ihn vom männlichen
unterscheiden. Ich will nur die Eskimos anfüliren,
bei denen man kaum glauben sollte, dass der
männliche und weibliche Schädel einer und der-
selben Rasse angehören. Gewisse Züge zeigen sich
im weiblichen Schädel, die eine niedere Bildung
desselben darstellen, indem er gleichsam auf der
kindlichen Stnfe stehen geblieben ist. Dahin ge-
hört auch tlas Vorspringen der Scheitelhöcker, was
ich als eines der charakteristischesten Merkmale
bezeichnen möchte. Es war gut beobachtet von
Gail, wenn er in diese Gegend das Organ
der Sorglichkeit verlegte. Sodann möchte ich an-
führen. dass die Betrachtung des Schädelgrundes
wieder ungemein wichtig geworden ist, worauf
schon vor Virchow frühere Forscher hinwiesen.
Wenn Karl v. Bär von den verunstalteten
Schädeln sagt ; es sei ein Glück, dass der Mensch,
wenn er auch dem Kopfe eine noch so küustiiche
und sonderbare Form zu geben wisse, den Schädel-
grund doch unverändert lassen müsse, so bat diese
Bemerkung eine viel allgemeinere Gültigkeit. Ich
glaube auch auf Grund mancher in der letzten
Zeit gemachter Beobachtungen, dass der Schädel-
gmnd überhaupt das Beständigere und Unver-
änderlichere in der Schädelbildung ist. Ich be-
haupte. dass wir an dem Schädelgrunde noch die
Brachycephalie erkennen hönnen, die dem Schädel
ursprünglich eigen war, während die so vielen Ein-
flüssen ausgesetzte Schädelkapsel in ihren Indices
vielleicht den dolichocephalen Typus darstellt. Ich
habe eine Beobachtung gemacht, die ich nicht für
unwichtig halte und kurz hier anführen will. Be-
kannt sind die stark verunstalteten Schädel der
alten Peruaner, wahrscheinlich der Aymara-Raaae
angehörend, die v. Tschudi zuerst nach
Deutschland brachte, wiewohl sie früher schon
durch Pcntland nach London und Paris ge-
kommen waren. Als Tscbudi im Jahre 1843
den zu Grafenegg bei Wien schon 1824 gefundenen
Sehadel sah, den wir jetzt mit Grund den Avaren,
einem asiatischen Volksstamme zuschreiben, sagte
er, der kein Craniologe von Fach war, dieser
Schädel sei ein Peruunerschädel , es könne ein
österreichischer Reisender zur Zeit wo Peru und
Oesterreich unter einem Scepter vereinigt waren,
diesen Schädel bei Wien verloren haben. So über-
einstimmend fand er den Avarenschädel von
Grafenegg mit dem Schädel eines alten Peruaners
vom Aymarastainme. Wir hatten in Bonn den Ab-
guss eines alten Peruanerschädcls ohne jede An-
gabe, woher er in die Sammlung karn. Wir
kauften dann auf meinen Antrag im Anfänge dieses
Jahres einen sehr schönen makrocephalen Schädel
aus einem alten Grabe der Krimm. Es waren
scythische Stämme am Ufer des schwarzen Meeres,
die nach des Hippokrates Bericht ganz so, wie
wir sie heute dort in Gräbern finden, die Schädel
künstlich durch Binden verlängerten, weshalb ihnen
Hippokrates den Namen Makrocephalen gab. Mir
war die Uebereinstimmung dieses Schädels mit
jenem Abguss mit Rücksicht auf den Schädelgrund
und die Kieferbildung noch überraschender, als
die der ganz entsprechenden Verunstaltung des
oberen Schädeltbeils. Es war mir bekannt, dass
jene Ansicht von Tsehudi nur bespöttelt worden
war von den C'raniologen jener Zeit, nachdem
Retzius und Fitzin ge r gesagt hatten, in der
künstlichen Entstellung sei zwar eine grosse Ueber-
einstirnmung vorhanden, die eben zeige, dass ver-
schiedene Völker den Schädel in gleicher Weise
entstellt hätten, aber die Avaren seien Kurzköpfe
mit geradem Gebisse, die alten Peruaner dagegen
prognathe Dolichocephalcn , diese beiden Völker
hätten also keine Gemeinschaft mit einander. Später
freilich äuderte Retzius seine Ansicht über die
Peruaner; aber man sieht hier recht deutlich, wie
ein blosser Schematismus von Urachyceplialie und
Dolichocephalie von Prognathie und Orthognathie
die Wissenschaft nicht weiter bringt, sondern sogar
hindert, die Wahrheit zu erkennen. Ich hatte, da
ich die Vermuthung hegte, dass der Abguss des
Peruanerschädels in Bonn von Tsehudi herrühre,
an diesen geschrieben und von ihm die Antwort
erhalten, dass er niemals einen Schädelabguss nach
Bonn geliefert habe und von seinem vollständigsten
Schädel nur ein Wachsabguss nach Berlin ge-
kommen sei, ein Gypsabguss aber nicht existire.
ilr. v. Tsehudi schickte mir zugleich die noch
in seinem Besitz befindlichen Peruanerschädel.
Auf den ersten Blick sah ich, dass der Bonner
Gypsabguss ein Abguss des einen dieser Peruaner-
schädel ist, und manche Eigentümlichkeiten stellten
dies ausser Zweifel. So habe ich beide Schädel
selbst genau vergleichen können und meine Ueber-
zeugung befestigt, dass die alten Scythen am
schwarzen Meere und die alten Peraanerstämine
Amerikas ein uud dasselbe Volk sind. Wenn wir
aber durch craniologische Betrachtung im Stande
sind, den Zusammenhang so weit anseinander
liegender Volksstämme zu erklären, so ist das
ein überraschendes Ergebniss, womit die Cranio-
logie eine ihrer wichtigsten Aufgaben erfüllt. Ich
füge noch hinzu, dass die Hunnen und Avaren
demselben Volksstamme angehören und dass man
die Wanderung der Asiaten nach Westeuropa wie
nach dem fernen Osten verfolgen kann. In Frank-
reich, der Schweiz, Deutschland und Ungarn sind
solche Schädel gefunden worden, sie fehlen auch
nicht in Persien , also zwischen dem schwarzen
Meere und Ostasien. Wir haben hier ein altes
asiatisches Volk, welches ein Jahrtausend lang die
eigentümliche Sitte, eine auffallende Schädel form
künstlich herzustellen auch bei Aenderung seiner
Wohnsitze bewahrt hat. Ferner freue ich mich
des Fortschritts der Craniologie, dass die Ansicht
immer mehr Verteidiger findet, die Schädelform
lehre auch — und das ist vielleicht die Haupt-
sache — den Grad der intellectucllen Entwickelung
des betreffenden Menschen oder Volksstammes.
Dieser Behauptung ist die Statistik zu Hilfe ge-
kommen, indem sic bestätigte, dass cs wirklich
pithekoide Merkmale an dem menschlichen Schädel
gibt, Merkmale, die auf eine tierische Bildung
hiiweisen.
Noch ein nicht unwichtiges Ergebniss der
oraniologischen Betrachtung möchte ich anführen.
Man soll an den Schädeln so viel zu beobachten
nnd zu erkennen suchen als nur immer möglich
ist. Ich habe aus einer Reihe zufällig beobachteter
einzelner Fälle mir schon lange den Schloss ge-
zogen, dass man am Schädel auch die Grösse der
KÖrpergestalt mit einiger Wahrscheinlichkeit er-
kennen kann, und zwar an der Länge des Gesichts
und am besten vielleicht an der Länge des Ober-
kiefers zwischen der Nasenwurzel nrnl dem Ende
der Schneidezähne. Ich habe mehrfach diese That-
sache mitgeteilt nnd gebeten, dass man weitere
statistische Beobachtungen darüber machen solle.
Es ist in der That von Wichtigkeit, dass wir, wenn
wir ethnographisch Volksstämme unterscheiden, aus
den blossen Schädeln , die wir oft allein besitzen,
auch etwas über die Körpergrösse der betreffenden
Menschen sagen können. Ich habe noch in den
letzten Wochen in Coblenz die 20 grössten Leute
eines Gardegrenadierregiments gemessen und von
einem Füsilierbataillon, wo die kleinsten Leute
eingestellt werden, die 20 kleinsten Männer. Das
Ergebniss war noch etwas überraschender, als ich
es erwartete. Die grossen Leute hatten eine
Grösse von 195 — 182, im Mittel 186,2 Centimeter,
die mittlere Gesichtslänge war 200,3, die des Ober-
kiefers 82,5 Mm. Ich will hier bemerken, dasß die
Gesichtslänge an dem Lebenden zu messen, etwas
sehr Unsicheres hat, denn die Höhe des Haar-
wuchses ist anatomisch nicht bestimmt, uud sehr
verschieden lang ist der Theil des Stirnbeins,
welcher beim Menschen von Haaren nicht bedeckt
ist. Ebenso schwierig ist es, das Ende des Ge-
sichts zu finden; es liegen über dein knöcbecpen
Kinn die bedeckenden Weichtheile in verschiedener
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94
Starke, so dass au dem Lebenden dieses Mass,
insoweit es sich auf den knöchernen Schftdelbau
bezieht, schwer zu nehmen ist, desto besser aber
an dem Oberkiefer, indem die Einbiegung au der
Nasenwurzel der Nasofrontalnaht. ziemlich genau
entspricht und als unteres Ende nicht die Lippe,
der Mund , sondern das Ende der oberen Schneide-
zähne genommen wird, um die Oberkieferlänge genau
festzustellen. Bei den kleinen Leuten war die
Grösse 165 — 15G. im Mittel 161,3 Cm., die mittlere
Gesichtslänge 182,5, die des Oberkiefers 76,1 Mm. Es
zeigt sich nun, dass bei den Gesichtern der Grossen
die Gesichtslänge, deren Maximum 220, deren
Minimum 185 ist, niemals das Mittel der Kleinen
erreicht und der Oberkiefer, dessen Maximum 91,
dessen Minimum 76, nur einmal. Bei den kleinen
Leuten erreichte die Gesichtslänge, deren Maximum
205, das Minimum 170 war, nur einmal das
Mittel der grossen und der Oberkiefer, dessen
Maximum 87, das Minimum 72 war, ebenfalls nur
einmal dieses Mass. Ich zweifle nicht, dass weitere
Untersuchungen dasselbe Ergebnis liefern werden.
Das Gesetz bewährt sich nicht in jedem einzelnen
Falle, sondern nur im Allgemeinen; die aus dem
Schädelmass gezogene Schlussfolgerung wird um
so sicherer sein, je mehr Schädel einer Hasse ge-
messen werden können. Immerhin ist diese Be-
ziehung des Schädels zur Körpergestalt ein Gewinn
für die Forschung.
Ich erlaube mir noch , einige Abzüge des
Bonner Katalogs, die mir die Yerlagshandlnng Fr.
Vieweg & Sohn geschickt hat, vorzulegcn mit dem
Vorworte, womit ich die Sammlung einleiten musste
und worin ich eiue kurze geschichtliche Darstel-
lung des ganzen Unternehmens zu geben mich ver-
anlasst sab, welches die Gesellschaft der gewählten
Commission zur Ausführung anvertraut hatte. Ich
bitte diejenigen Herren, welche sich ins Besondere
für die Craniologie intercssircn , diese Blätter an
sich zu behalten. Ich bemerke ausserdem , dass
ich hier auch einen Probebogen des Beitrages von
Hrn. Geh. Rath Ecker, die Sammlung von
Freiburg betreffend , vorlege. Sie werden darin
sehen , dass wir so viel wie möglich auch die
Freiheit in Bezug auf die äussere Form der
Beiträge gewahrt haben. Der Ecker’sche Kata-
log ist nun so eingerichtet , dass in den Zeilen
des Textes die einzelnen Masse folgen , wie es
in dem Kataloge von B. Davis der Fall ist.
während ich die tabellarische Form vorzog und
es wirklich ein Zufall war, dass die im ersten
Programm gewünschten Masse gerade die zwei
Seiten füllten, und es nicht möglich gewesen wäre,
noch eine ('oliimne hinzuzufügen. Aus diesem
Grunde sind hier keine Indices angegeben. Ich
habe immer vor dem Rechnen mit Indices ge-
warnt und freue mich , iu den neuesten cranio-
logischen Schriften die Bemerkung zu finden , wie
leicht man durch Indices irre geführt werden kann
und dass man immer wieder gerne auf die ein-
fachen Zahlen zurückgeht. Hat man diese , so
kann Jeder sich seine Indices in der Weise aus-
rechuen, wie er sie gebraucht. (Bravo!)
(Die 5 Blätter der colorirten Karte des
deutschen Reiches , welche die Ergebnisse der
Schulerhebungen über die Farbe der Haare , der
Augen und der Haut der Sehulkinder darstellt,
sind ausgehängt.)
Hr. Virchow: Die Ergebnisse der Statistik,
welche durch die Schulerhebungen gewonnen und
über welche schon in den letzten Jahren par-
tielle Berichte mitgetheilt worden sind , liegen
nun in ziemlich vollendeter Gestalt vor. Nach
guter deutscher Weise siud wir auch heute noch
nicht alle beisammen. Es ist trotz aller Be-
mühungen , gerade für den heutigen Tag die
Sache fertig zu stellen, doch nicht gelungen, auch
die Letzten heranzubringen. Schwarzburg -Ru-
dolstadt hat versprochen, Ende dieses Monats
fertig zu werden , und der Senat der freien Stadt
Hamburg hat sich noch nicht überzeugen können,
dass es ein erspriessliches Werk ist, was wir hier
verrichten. Alle übrigen Staaten haben die Er-
hebungen stattfinden lassen , und wenn wir ge-
nötbigt sein sollten, ohne Hamburg die Oeffentlicli-
keit zu betreten, so muss ich zugestehen, dass
darauf nicht viel ankommen wird. Es hatte die Vor-
stellung einen gewissen Reiz, für heute Alles fertig
zu bringen; indess im deutschen Vaterlande muss
immer etwas zu wünschen übrig bleiben.
Die Erhebungen, wie sic jetzt vorliegen, haben
2.114,553 Individuen betroffen. Die Ergebnisse
sind , wie man sowohl aus der kartographischen
Darstellung , wie aus den Berechnungen ersehen
kann , von einer ganz überraschenden Ueber-
einstimmung. Ich kann nicht leugnen , dass
ich selbst immer von neuem wieder zweifel-
haft geworden war , ob nicht die vielen einzelneu
Fehler, welche so leicht bei der Feststellung be-
gangen werden, einen erheblichen Einfluss auf die
Gesammtheit der Ergebnisse ausüben müssten, und
ob nicht wirkliche Fälschungen dadurch eintreten
könnten. Die Grösse der Zahlen, um die es sich
handelt , und das Gute , was die statistische Me-
thode hat , dass durch die Summe der einzelne
Fehler verwischt wird , hat es mit sich gebracht,
dass wir mit einer Gleichartigkeit der Resultate her-
vortreten können, die nichts zu wünschen übrig lässt.
Auf den Karten ist die Eintragung nach den kleinsten
Grenzen der Verwaltungsbezirke, die wir in den ver-
schiedenen deutschen Ländern haben und die leider
nicht ganz gleichartig sind, erfolgt. Es würde sich
die Karte ein wenig anders ausnehmen , wenn wir
durchweg gleichartige Grössen hätten ; indess die
preussischen Kreise sind schwer vergleichbar z. B.
mit den württcmbergischen Aemtem. und die
kleinen Staaten haben noch kleinere Verwaltungs-
einheiten, so dass dadurch an manchen Stellen eiue
gewisse Buntheit der Farben entsteht , die gerade
nicht nothwendfg wäre. Ich habe darüber nach-
,gle
95
gedacht, ob wir nicht vielleicht durch Zusammen-
ziehung der kleineren Bezirke noch grössere Flachen
Herstellen sollten, wie das Hr. Fr aas auch für
die prähistorische Kartographie als wünsrhenswerth
für seinen Zweck ausgeführt hat. Es ist kein
Zweifel, dass, wenn wir eine solche Karte nur
nach preussischen Provinzen oder nach den ein-
zelnen kleineren Ländern in toto aufstellten , wir
ein viel gledchmässigeres und übersichtlicheres Bild
gewinnen würden ; ich glaube aber , dass es sich
für die Publikation doch empfehlen wird, bei einer
Ausführung, wie die gegenwärtige, zu bleiben, weil
der Kreis immerhin eine erheblich grosse Flüche
darstellt und weil für die weitergehenden Untersuch-
ungen, welche sich auf die Körpergrösse, Schädelform
u. dgl. zu beziehen haben, es ungemein interessant
ist, derartige Specialgesichtspunkte zu haben.
Ich möchte nur einen dieser Punkte heraus-
heben , weil er schon im Corrcspondenzblatte zur
Sprache gekommen ist. Wenn wir das ganze Kö-
nigreich Sachsen zusammennähmen , und ganz
Sachsen mit Einer Farbe deckten , so würde
das Bild ein viel prägnantere* werden und bei
einem Vergleiche mit der preussischen Provinz
Sachsen würden wir entschieden eine bequemere
Vergleichung haben , als es jetzt der Fall ist.
Nun besitzt aber Sac hsen eine auffällig gemischte
Bevölkerung. Es gibt nicht mehr viele Länder
in Deutschland , in denen die Gegensätze in der
Bevölkerung so scharf hervortreten: einzelne säch-
sische Amtsbezirke, ncmlicb Bauzcn und Zittau,
haben noch heut zu Tage eine wendische Be-
völkerung. In Bauzcn ist dies so ausgeprägt,
dass auf dem Lunde noch gegenwärtig die wen-
dische Sprache wirklich geredet wird , während
dies in Zittau nachgelassen hat. Immerhin ist der
Gegensatz dieser Bezirke gegen andere ein erheb-
licher, und obwohl in älterer Zeit das ganze Kö-
nigreich Sachsen von einer slavischen Bevölkerung
eingenommen war, so ist doch die Germanisirung
au den übrigen Stellen vollkommen und es ist
durch die starke Einwanderung eine grosse Masse
rein deutscher Elemente eingeführt worden. Nun
war ja , wie Sie wissen , einmal die Frage aufge-
worfen, oh nicht die braune Farbe durch die Slaven
in das deutsche Wesen hereingekommen sein möchte,
ob nicht wenigstens im Norden und Osten die
brünetten Elemente ursprünglich slavische seien.
Diese Frage hat ein sehr grosses Interesse. Wie
ist nun in Sachsen, wo wir noch eine slavisch
sprechende Bevölkerung haben, das Verhältnis«?
Es ist schon im (Corrcspondenzblatte darauf hin-
gewiesen worden, dass gerade in Sachsen die Blon-
den in den wendischen Bezirken die Majorität
haben. Wenn Sie die Haarfarben-Karte betrachten,
so werden Sie sich überzeugen, dass die am stärksten
blonden Punkte auf den preussisch - wendischen
Theil fallen. Es ist der Kreis Spremberg , der
hier am stärksten hervortritt ; aber auch um ihn
herum sitzt eine ziemlich helle Bevölkerung ; erst
weiterhin kommt eine dunklere. Banzen ist etwas
dunkler als Spremberg, während Zittau wieder
etwas heller ist. Auch die ausgezogenen Zahlen
ergeben , dass im Königreiche Sachsen diejenige
Combination, welche wir voran gestellt haben und
welche den eigentlich klassisch-germanischen Typus
ausdrttekt, am häutigsten unter den Wenden vor-
kommt. Ich habe 4 Verwaltungsbezirke zusammen-
gestellt: Zittau, Buuzen , Chemnitz nnd Zwickau;
letztere beide liegen am linken Elbeufcr. Es stellt
sich nun merkwürdigerweise heraus , dass Zittau,
welches unmittelbar in Böhmen hineingeschoben ist,
34V# Blonde, Bauzen 32%, Chemnitz 98 V# and
Zwickau nur 27®/# (das ganze Königreich 30®/o)
hat. Das Blonde nimmt also in dem Masse ah,
als das deutsche Wesen zunimmt Dieses Verhält-
nis« gilt nicht etwa bloss für die blonde Gruppe,
sondern umgekehrt auch für die brünette. Ich
habe schon in früheren Jahren hervorgehoben,
dass das , was wir blonde und brünette Gruppen
nennen, nicht die Gesammtheit der Gezählten um-
fasst , sondern dass dazwischen die ganze Gruppe
der Mischtypen fällt. Den Mischtypus haben wir
auf den Karten im Allgemeinen ausgelassen; wir
haben uns da nnr mit dem reinen Typus beschäf-
tigt. Es kann aber sein , dass in demselben Be-
zirk relativ viele Blonde und aneh relativ viele
Brünette vorhanden sind; das schliesst sich nicht
aus. Wir stellen ja immer nur die Relation der
verschiedenen Bezirke unter einander fest. Es
kann daher sein , dass derselbe Bezirk auf der
blonden Karte hervortritt als stark blond und auf
der braunen als stark braun. Zeigt sich nun aber,
dass wir in demselben Bezirk eine starke blonde
und eine schwache braune Bevölkerung haben oder
umgekehrt . so ist dies natürlich ein nm so auf-
fälligeres Ergebniss. Für Sachsen stellt sich das
Ergebnis« so: Wir treffen auf dem rechten Elbe-
ufer die mehr Blonden, auf dem linken die weniger
Blonden; wir haben aber auch auf dem rechten
Ufer die weniger Brünetten , auf dem linken die
mehr Brünetten. Wir zählen nemlieh für ganz
Sachsen 13 Brünette , eben so viel für Zittau,
14 für Bauzen , 15 für Chemnitz und Zwickau.
Viel auffallender ist es noch , wenn man nnr die
Augen nimmt. Die braunen Augen ergehen in
Sachsen 76 ®/o der binnen Augen , dagegen in
Zittau nur 70 V# , in Bauzen 69 */• , in Chemnitz
aber 86°/o nnd in Zwickau 89 %. Die dunklen
Haare betragen gegenüber den blonden im König-
reich Sachsen 44 V# — die Mischfarbe ist auch
hier ausser Betracht gelassen — , dagegen hat
Zittau 38 •/#, Bauzcn 47 •/•, Chemnitz 45 •/#, Zwickau
437*. Die Haare machen hier wesentliche Schwan-
kungen , wie sie überhaupt das inconstanterc Ele-
ment sind. Die Augen sind viel constanter nnd
zuverlässiger.
Es ist höchst merkwürdig , wenn man das
Oesammt -Ergehniss für das deutsche Reich zu-
sammenstellt. Ich habe zwei solche Zusammen-
stellungen gemacht. In der einen habe ich den
rein blonden Typus nach den Provinzen in Preussen
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96
und im Uebrigcn nach den Ländern summirt; in
der anderen ist ebenso der brünette Typus (die
Kategorien 9 — 11 unseres Schema) summirt.
A. R-ein blonder Typus (I).
Feber SS0'® der Gezählten:
1. Schleswig-Holstein
43,s»
(Lauenburg 45,, .i)
2. Oldenburg
42,73
3. Pom tuen i
42, M
4. Meklenburg-Strelitz
42.0»
5. Meklenburg-Scbwerin
42,03
6. Braunschweig
41,03
7. Hannover
41,00
8. Pro\inz Preussen
39.78
9. Bremen
39.«
10. Westfalen
38,4®
11. Lübeck
88a»
12. Waldock
37,«
13. Provinz Sachsen
36,4*
14. Posen
36,ts
15. Brandenburg
35,7*
16. Lippe-Detmold
33,*
32,» bis, 25 •/• :
1. Rouss j. L.
32.frj
2. Schaumburg -Lippe
32.,»
3. Anhalt
82.it
4. Hessen -Nassau
31,83
5. Königreich Sachsen
30.«
6. Rheinprovinz
29, 04
7. Schlesien
29 js
8. Sachsen -Meiningen
28, a«
9. Grossherzogthum Hessen
27,««
10. Sachsen -Altenburg
25,44
11. SchwaYzburg-SondenhauBea 25, s»
12. Reuss &. L.
25,»
. unter 25 •/» :
1. Württemberg
24,m
2. Baden
24,34
3. Sachsen -Weimar
24,33
4. Sachsen -Coburg -Gotha
2Ur
5, Bayern
20,3«
6. Elsas« - Lothringen
18,44
B. Brünetter Typus [9 4*
101 (II).
Feber 15 7® :
1. Eisass -Lothringen
2541
2. Baden
21,i®
3. Bayern
21,io
4. Württemberg
19..s
5. Reuss ft. L.
18.35
6. Sachsen -Altenburg
174*
7. Grossborzogthum Hessen
16,«o
8. Schwarzburg-Sondershausen 16,»*
9. Sachsen -Meiningen
15, »i
10. Schlesien
15,».
11. Sachsen -Coburg -Gotha
15,37
12 bis 15»/,:
1. Reuss j. L.
14,7«
2. Rhoinpreussen
14,73
3. Sachsen -Weimar
14,4t
4. Königreich Sachsen
14.»
5. Hessen -Nassau
13, tt
6. Brandenburg
124«
Unter 12
1 Posen
11,17
2. Provinz Sachsen
II4?
3. Lübeck
10,..
4. Lippe -Detmold
10,..
5. Meklenburg-Strelitz
10,1.
6. Mekleuburg -Schwerin
9.«
7. Anhalt
9,i
8. Waldeck
9m
9. Provinz Preuaaen
9,„
10. Westfalen
9j.
11. Pommern
9m
12. Schaumburg -Lippe
13. Hannover
7,;.
14. Braunschweig
7,r«
15. Bremen
Im
16 Oldenburg
7.»
17. Sachsen -Meiningen
0.»
Daraus ergibt sich, dass man bloss nach den
Zahlen der Provinzen und Länder von vornherein
herausfinden kann, wo ungefähr das Land liegt;
einfach nach der Reihenfolge der Zahlen könnte
Jeder, der sonst nicht wüsste, wo das betref-
fende Land liegt , die Stelle auf der Karte un-
gefähr bezeichnen. Norddeutschland hat im All-
gemeinen zwischen 43faa und 33,*® 7® Blonde; ich
spreche hier von Procenteu der gesammten Schul-
kinder. Mitteldeutschland hat zwischen 32,» und
25 7®, Süddcutsc bland hat unter 25#/‘« und zw'ar
so, dass Elsass-Lothringen an der untersten Linie
mit 18,«4 steht. Wir kommen also von 13.» in
Schleswig-Holstein bis 18, 44 in Eisass -Lothringen.
Sie werden sehen, dass nur kleine Ausnahmen
darunter sind; in der Hauptsache stimmt alles.
Bei dem brünetten Typus stellt sich heraus, dass
Süddeutschland durchschnittlich zwischen 25 und
157® hat, Mitteldeutschland zwischen 15 und 12 7#
und Norddeutschland unter 12 7®, so zwar, dass
hier Elsass-Loth ringen mit 25*/* am höchsten und
Schleswig-Holstein mit G,*% am niedrigsten steht.
Auch an der Karte zeigen sich einzelne sehr
bemerkenswerte Erscheinungen. Wir sehen, dass
die südlicheren Verhältnisse an ein paar Stellen in
Thüringen ziemlich weit beraofrücken — das ist ganz
constant in Sachsen- Weimar und Coburg-tiotha der
Fall. Umgekehrt schieben sich die nördlichen Strö-
mungen mit grosser Constanz in der Richtung des
schwäbischen Stammes herunter, der sich theils in
Württemberg, theils in Bayern, nur schwach nach
Baden hinübergreifend , in das Gebiet der über-
wiegend Brünetten bineindrängt. Im äussersten
Süden ist es das Lechgebiet, welches die Vermit-
telung gegen das Gebirge hin übernimmt , ge-
rade wie nordwärts in der Richtung der Werra
und ihrer Nebenflüsse sich eine dunklere Bevölke-
rung in Thüringen hinaufschiebt. Ein analoges Ver-
hältnis erscheint nochmals im Osten, wo eine un-
verkennbar dunklere Strömung das eigentliche Oder-
gebiet charakterlsirt , so zwar, dass Schlesien sich
ganz von Norddeutsch land ablöst. Diejenigen Theile
von Posen, Pommern und der Mark, welche um die
Oder liegen , zeigen gleichfalls diesen dunkleren
Zug und entsprechend auf der blonden Karte eine
hellere Lücke.
(Fortsetzung in Nro. 10.)
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69
gewidmet. Hr. Lehrer Merk, welcher die Höhle
ansgebeutet hat, und Hr. Professor Fraas, ein
Kenner derselben, waren die Führer auf der auch
landschaftlich ansprechenden Partie. Das Kessler-
Loch ist vollständig ausgcränmt. Nur an der
hintersten Wand sind noch geringfügige Reste der
Kalksinterdecke , unter welcher, ausserdem noch
bedeckt von einem etwa 1 Fuss mächtigen gelblichen
Lehmlager die durch ihre grauschwarze Farbe
ausgezeichnete Älteste Kulturschichte lag. Einige
Arbeiter legten mit Schaufel und Hacke die spär-
lichen Reste der ehemaligen Schichtenfolge bloss.
Die Ausbeute war nicht nennenswerth. Einige
zersplitterte Hirschkuochen, Unterkiefer vom Alpen-
basen. einige unbestimmte Vogelknochen waren
ansser zahlreichen Topfscherben die wichtigsten
Fundgegenstfinde. Die letzteren lagen meist ober-
flächlich, aber auch ans dem gelben Lehm unter der
Kalksintcrdeoke wurden sie hervorgezogen. Die
Reste der Ältesten Kulturschichte waren zu spär-
lich, um das von Hrn. Merk angegebene voll-
kommene Fehlen von Topfscherben in derselben
constatiren zu können.
Von Thayingcn ans wurde der Ausflug nach
Srhaflhausen fortgesetzt zur Besichtigung der dor-
tigen prÄhistorischen Sammlung, welche ein reiches
Material von Pfahlbanfunden und Kulturüberresten
ans Höhlen, namentlich auch aus der Thayinger-
nnd der Frendenthaler-Höhlc . besitzt. In der
Sehaffhausener Sammlung wird eine der schönsten
im Kesslcrloch gefundenen Gravirungen: das Renn-
pferd mit dem feinen, vorgestreckten Kopfe, auf-
bewahrt ; auch ornamentale Gravirungen aus
der Freudenthaler -Höhle , mit einem Stücke aus
dem Thayinger Funde vollkommen Übereinstim-
mend.
Ein zweiter gemeinsamer Ausflug galt den
Pfahlbauten des Ueberlinger-Sees und den im
Museum zu Ucberlingen — einem verkleinerten
guten Abbild des Rosgarten-Museums — anfbc-
w ährten Resten derselben. Auf einem zu diesem
Zwecke gemiethetem Dampfer wurde die Gesell-
schaft an der Insel Mainau und den übrigen Pfahl-
haustat innen des Ueberlinger-Sees, welche durch
rothe Ffthnchen bezeichnet waren, vorüber zu der
landschaftlich überaus schön gelegenen, alterthflm-
lichen Stadt Ueberlingen geführt. Die Umgebung
bietet auch, abgesehen von den Pfahlbauten durch
die z. Th. noch wohlerhaltenen künstlichen Höhlen-
wohnungen, die sogenannten Heidenlöcher, ein prä-
historisches Interesse.
Der dritte in seinem Erfolge für die Besucher
wohl lehrreichste Ausflug wurde nach dem uner-
schöpflichen Pfahlbau in dein bei der Stadt Frauen-
feld zwischen Niederwyl und Strass liegenden, nun
trockengelegten Torfmoore des Egelsees und zur
Besichtigung der in dieser Station gemachten
Fände in dem Museum zu Franenfeld unter-
nommen. Hr. Messikomer von Wetzikon, welcher
mit dem historischen Vereine des Kantons
Thurgau im Sommer 1862 diesen in seiner Con-
strnction von der Mehrzahl der übrigen Pfahl-
bauten wesentlich abweichenden, zuerst von dem
Präsidenten des genannten Vereines, Hru. Dekan
Pupikofcr zu Frauenfeld, beschriebenen Bau
näher untersucht und theilweise ausgebeutet hatte,
hatte für den Besuch der Mitglieder unserer Ver-
sammlung ein etwa 25 Fuss im Gevierte betra-
gendes Stück des Pfahlbaues durch Wegnahme
einer ziemlich 3 Fuss dicken übergelagerten Torf-
schichte blosslegen lassen. Die Station bei Nicder-
wyl ist kein eigentlicher Pfahlbau, sondern ein
„Knittelbau“. Die ehemaligen Hütten, deren Reste
man aufgefunden hat, waren anf regelmässig ge-
bauten Knittelböden, von denen mehrere — 5 bis
6 — über einander im Torf lagen, aufgebaut. Die
Zwischenräume der Böden sind mit Reisig, Laub-
streu (man konnte wolilerhaltenc Blätter von
Erlen, Weiden und wohl auch Ahorn noch deutlich
erkennen), Lehm und Riedgräsern, Haselnuss-
schalen etc. ausgefüllt. Die Aufgrabung zeigte
uns zuoberst einen wohlerhaltenen Roden von
gespaltenem Eichenholz (rohen, schmalen Brettern)
hergestellt. Er ruhte auf einer dicht geschlossenen
Lage horizontalliegender Rundhölzer oder Brügel
(meist Erlen- und Buchenholz) je 3 — 4 Zoll dick,
fast alle noch mit der Rinde bedeckt. Die Brttgel-
lage war durch senkrecht eingetriebene etwas
dickere Pfähle zusammengehalten. Unter der
ersten Lage von Rundhölzern folgte ein Gitterwerk
aus ähnlichen Brügeln. aber in senkrechter Kreuzung
zu der ersten Brügelschichtc gelegt. Dann kam
die erste Zwischenlage von Streu und Erde, unter
welcher eine zweite u. s. f. Bodenlage von voll-
kommen analoger Construction ausgegraben wurde.
Das Holz war in seinem Ansehen ganz wohl er-
halten, so dass man mit Leichtigkeit die Holzart
erkannte; es war aber so weich, dass es ohne
Schwierigkeit mit dem Spaten gestochen werden
konnte. Namentlich an den senkrecht cingeramniteti
Pfählen konnte man deutlich die kurzen, etwas
coocaven Hiebe der Steinaxt erkennen, welche dem
spitzen Pfählende das Aussehen eines schlecht ge-
spitzten Bleistiftes ert heilten. II r. Messikomer
hatte an einer benachbarten Stelle des Pfahlbaues
schon seit mehreren Tagen arbeiten lassen. Die
dabei frisch gemachten Funde waren auf einem
nebenstehenden Tische ausgestellt : geschüttene Stein-
äxte, eine davon noch in dem z. Thl. wohlerhaltenen
Holzgriff, rohe Steingeräthe aus Flussgeschieben,
wenig bearbeitet, Feucrsteinsplitter und Messer,
flache Mühlsteine -mit dein Reiher, Topftrümmer
von grossen mit freier Hand gemachten Geschirren,
Reste von Stricken und Gcspinnstcn, zu diesem
die konischen durchbohrten Webegewichte aus
Thon, verkohltes Getreide und daraus gebackenes
Pfahlbauembrod mit z. Thl. noch anzerriebenen
Körnern und manches Andere war da zu sehen.
Die Sammlung in Frauonfeld vervollständigte in
ausgezeichneter Weise die an Ort und Stelle ge-
wonnene Uehersicht über die hier gemachten Funde,
welche den Niederwyler Pfahlbau der reinen
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70
Steinperiode zuweisen. Auch unter unseren Außen
wurde ein Theil der Funde zwischen den einzelnen
im Moore über einander gelagerten Böden gemacht,
so dass sich daraus ergibt, dass diese nicht
gleichzeitig sondern erst nach und nach über
ciuaiider angelegt worden sein können, wohl immer
ein neuer, wenn der erste in dem noch balbHüssig
beweglichen Moorboden versanken war.
Mit dem Angeführten ist das reiche der Ver-
sammlung gebotene Studienmaterial noch nicht er-
schöpft. In dem Versammlungslokale waren grössere
und kleinere Sammlungen ausgestellt, von welchen
die hervorragendsten ebenfalls sich auf die Pfahl-
bauten bezogen.
Ur. Dr. V. Gross von Neuvcville (Bern)
hatte aus den Pfahlbauten von Auvernier und
Möritigen (Neuenburger- und Bieler-See) eine
Sammlung namentlich von Bronzen und Bronze-
gussformen in dem Versammlungslokale aufgestellt,
wie eine solche von ähnlicher Pracht und Anzahl
der Fundstilcke noch niemals bei einer allgemeinen
Versammlung gezeigt werden konnte. Auvernier
am Neuenhurger-Sec ist jene Station, welche
Ur. Desor als Hnuptrcpräsentantin des „Bel
agc du bronzc“ vorgeführt hat. Möringeu am
Bielersee gehört der „ Bronze- und ersten Eisenzeit“
an. I)ic Versammlung hatte dadurch die beste
Gelegenheit, die Funde aus den der Bronzezeit
angehörenden Pfahlbauten mit den um Constanz
gelegenen aus der Steinzeit zu vergleichen. Ausser
den Bronzen enthielt die Ausstellung des Herrn
Gross eine Sammlung von geschliffenen Nephrit-
Instrumenten wie sie kein Museum des Continents
bis jetzt aufzuweisen hat.
Hr. Revierförster E. Frank in Schussenricd
batte eine Sammlung von Fundgegenständen aus
dem von ihm untersuchten Pfahlbau bei Schussen-
ried ausgestellt, welcher in seinem Bau viele
Achulielikeit mit dem von Niederwy! zeigt. Nament-
lich interessant waren unter diesen Funden die
kleinen an Kinderspielzeug mahnenden Töpfchen
und Urnen, z. Thl. noch gefüllt mit Samen von
Beeren und Getraide.
Zur jetzt so lebhaft besprochenen alten
Bronzefabrikation legte Hr. Graf Wurrabraud
ein nach einem alten Bronzeschwert ans Uchatius-
Bronze in vorzüglich gelungener Weise nachge-
gossenes Schwert vor, hei dessen Herstellung, ein-
schliesslich der feinen Strich -Ornamente atu Griff,
kein Eisen oder Stnhl angewendet worden war.
Durch die Hm. Virchow und Voss waren
bei den der Versammlung dargebotenen Aus-
stellungen auch die von deu schweizer und süd-
deutschen Pfahlbauten sich wesentlich unterschei-
denden norddeutschen Pfahlbauten vertreten, in-
dem sie die durch die Altcrthumsgescllschaft Prussia
in Königsberg in Pr. bei der Ausgrabung der
Pfahlbauten im Arys-See bei Werder gemachten
Funde in übersichtlichen Collectionen vorlegten.
Diese Ansiedlungen von slavo - lettischem Typus
(Virchow) gehören einer viel jüngeren Periode an
als die schweizer Pfahlhauten. Gerfithe aus
Eiseu, Bronze und namentlich aus Horn (Lanzen-
spitzen etc.). Tbongeechirre , Knochen von Haus-
tieren, vorwiegend vom Schwein, bildeten die vor-
gelegt eu Fundgegenstämle.
Aus einer alten bei dem Bau der Rheinbrücke
der Berlin - Metzer Eisenbahn entdeckten Wohn-
stätte legte Ilr. v. Sch aa ff hausen einige Funde
vor. Daun den schönen ans 3 Drähten gedrehten
„Nibelungenring“ und ein mächtiges Jadeit (V)-Beil
im Gypsabguss.
Die Uebersicht über prähistorische Wohn-
stätten wurde vervollständigt durch ein Gypsmodell
des Burgwalls bei Radeluhn hei Schwedt a. d. O.
(angefertigt durch llnu Lehrer F. Voigt in Kö-
nigsberg i. d. Neumark, Preis 30 Mark), welches
Hr. Voss ausgestellt hatte.
Von den weiteren Ausstellungen sind noch zu
nennen zahlreiche Funde aus lndianergrftbern aus
Costariea von Hru. v. Schrödter ausgestellt. Hr.
Virchow legte Funde aus alten Gräbern in Liev-
land vor, namentlich au> einem Hügel: Rinnekalu;
ausser 4 Menschenschädeln Geräthe aus Knochen
und Horn, durchbohrte Zähne, Gescliirrreste und
zahlreiche Biberkuoehen. Hr. Kollmanu stellte
eine Anzahl mesocephale Schädel aus alten baye-
rischen Grabstätten und 2 Ungarnsrhädel vor;
Hr. Krause einen Torfschädel. Abgesehen von
dem reichen bisher genannten Materiale wurde
auch die Familie Becker aus Bürgel bei Hanau
mit ihrem mikrocephalcu * jährigen Mädchen
Margarethe der Gesellschaft vorgeführt. Und
Hr. Krause legte den Schädel mit Gehirn und
Schädel -Ausguss eines von ihm beobachteten
Kindes vor, dessen Gehirn nach den Darstellungen
des Referenten weniger die Zeichen einer Mikro-
eephalie als die eines wahren Affentypus erkennen
lässt. Hr. Orth demonstrirte namentlich diluviale
Gesteine zu seinem Vortrage.
Ausserdem wurden noch in Karten nnd Tafeln
zahlreiche Abbildungen vorgeführt, unter denen die
durch Hm. Lciner besorgten wohliiclungenen photo-
graphischen Darstellungen der Thayinger Gravi-
rungen und Schnitzereien den ersten Platz bean-
spruchen. Sie sollen in Nachbildung diesem Be-
richte beigefügt werden. Weiter sind zu nennen
die statistischen Karten des Hm. Virchow, die
Abbildungen norddeutscher Bronzen von Hru. Voss
in Lichtdruck (in ’a natürl. Grösse, bestimmt für
eine demnächst erscheinende Puhlieation des kgl.
Museums zu Berlin) und die einer römischen mit
Silberplatten bekleideten Bronzetigur von Urn. Julius
Friedländer.
Zum geschäftlichenTheile unserer U eber-
sicht übergehend haben wir zunächst den erfreulichen
Fortschritt der grossen (Tunmissionsarbeiten der
Gesellschaft zu constatiren. Am weitesten von der
Vollendung unter diesen ist leider noch immer die
prähistorische Karte Deutschlands, doch konnte
Hr. Fraas, Vorsitzender der kartographischen
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71
Commission, ronstatiren, «lass in Folge der mm
eingegangenen Beiträge die Verhältnisse schon
klarer liegen als im Vorjahre, so dass nun die
Frage des „wie“ der Ausführung an die Commission
herantritt.
Die Arbeiten der Commission für die Heraus-
gabe des Gesammtkatalogs der anthropologischen
Sammlungen in Deutschland sind ihrem Abschluss
nahe. Hr. v. Sc ha aff hausen, der Vorsitzende der
Commission, legte die ersten fertigen Bogen des
Katalogs der Versammlung vor. Fs ist jetzt so
viel Material eingelaufen, dass für ein ganzes Jahr
Druckmaterial bereit liegt. Der Anfang des Kata-
logs wird mit dem nächsten Hefte des Archivs
für Anthropologie ausgegeben werden.
Die grosse statistische Untersuchung der Be-
völkerung Deutschlands ist, wie Hr. Virchow
mittheilen konnte, vollendet. Denn auch die kleine
noch unausgefüllte Insel Hamburg wird bis zum
Erscheinen diesos Berichtes die Resultate ihrer
Erhebungen eingesendet haben. Die Publikation
der statistischen Karten mit Text wird in der
kürzesten Zeit statttinden und jedem Mitglied der
Gesellschaft ein Exemplar gratis zugestellt werden
(cf. Hr. Virchow zum Budget). Sehr erfreulich
sind die Mittheilungen, welche Hr. Virchow geben
konnte, dass eine analoge Erhebung für mehrere
besonders wichtige Nachbarländer theils in Aus-
sicht stehen (Schweiz, Böhmen. England, Holland,
Galiizicn), theils schon vorliegen. Die russische
Militärverwaltung hat in den nördlichen Gouverne-
ments bei der Rekrutirung des Jahres 1875 eine
Aufnahme in unserem Sinne gemacht und die Re-
sultate Hm. Virchow zur Verfügung gestellt, welcher
sic nächstens itn Archiv für Anthropologie pub-
lieiren will.
Ebenso erfreulich waren die Berichte unseres
Schatzmeisters, des Hm. Weismann, welche wir
hier aus der ersten resp. dritten Sitzung einrfleken.
Hr. Weiaitiann: Hochverehrte Versammlung!
Am Schlüsse unserer Tagesordnung habe ich die
Ehre, Ihnen den rechnerischen Theil unserer dies-
jährigen Thätigkeit vorzuführen. Es drängt mich
vor allen Dingen, hei dem günstigen Resultate, mit
dem ich vor Sie treten kann, denjenigen Herren
der deutschen anthropologischen Gesellschaft meinen
aufrichtigen und tiefgefühlten Dank zu sagen, die
dieses günstige Rech nungsresraltat ermöglichen halfen.
Ich trete hener vor Sie mit einer Gesainmteinnahme
von 10,722 M. im Gegenhalt zu der vorigjährigen
Einnahme von 8989 M. Dieses günstige Resultat
ergibt sich einmal aus der ausserordentlichen Unter-
stützung der Vereinskassiere und «1er Geschäftsführer
der einzelnen Gruppen und dann aus dem praktischen
Erfolge des im vorigen Jahre gefassten Beschlusses,
tlie Beiträge der isolirten Mitglieder durch Nach-
nahme zu erheben. Es hat das im grossen und
ganzen nicht diese Verstimmung hervorgerufen, die
ich anfänglich befürchten zu müssen glaubte; bis
auf ganz wenige Ausnahmen ist dieser Beschluss
freudig begrüsst und gulgeheissen worden und ich
kann sagen, dass von den 204 isolirten Mitgliedern,
die der Verein gegenwärtig zählt, nur noch wenige
im Rückstände sind; es sind die Beiträge sämmtlich
eingetrieben worden. Die rückständigen Beiträge
vom vorigen Jahre waren 299 , was das sehr
respectable Resultat von 954 M. ergab. Dann
sind von 1440 Mitgliedern für dieses Jahr die
laufenden Beiträge nebst Portovergütungen in der
Summe von 4397 M. eingegangen, und sind dies
die Beitrüge von 1251 Gruppen- Mitgliedern und
189 Beiträge isolirter Mitglieder. Rückständig
bleiben demnach von den c. 1040 zahlenden Mit-
glieder unser« Vereines nur die Beiträge von
2t*> Mitgliedern, die jedoch schon in allernächster
Zeit einlaufen dürften1), da dieselben fast aus-
schliesslich grösseren Gruppen angehören. Aus den
einzelnen Berichten des Correspondenzblattes sind
noch 60,25 M. vereinnahmt worden, ausser den
27 M. von «lern im vorigen Jahre stattgehabten
Verkauf der bayerischen Erhebungen über die
Farben der Augen, Haare und Haut.
Ich lege nun den Kassenbericht vor. Da finden
Sie verzeichnet:
Kassenbericht 1870 77.
Einnahme.
Kassenvorrath von voriger Rechnung
An Zinsen gingen ein
299 Rückständige Beiträge ans den
Jahren 1875 und 1870 — von
Gruppen und isolirten Mitgliedern
— einschliesslich einiger Mehr-
beträge und Portovergütungen für
Nachnahmesendungen
Jahresbeiträge von 1440 Mitgliedern
für 1877 einschliesslich einiger
Mehrbeträge* und Portovergütungen
für Nachnahmen
Für besonders abgegebene Berichte
und Correspondonzblätter . . .
Für den Verkauf der bayerischen
Berichte über die «tat, Erhebungen
Zusammen :
Ausgabe.
1. Für Verwaltung«-
kosten UL 545 93
2. Für Buclibinderh'ihiie * 88 12
3. Druckkosten:
a) Druck des Corre-
spoiidenzblattcB
pro 1870 . . „ 1701 10
b) Druck des Cassa-
berichtes pro 1870 „ 12 20
c) Druckschriften
und Copalien . . „ 91 JHI
4. Für die Stenographen bei der
Generalversammlung in Jena .
1) Sind bereits einbe zahlt. Am 30. Okt. 1877.
W.
UL 5191 89 ^
92 70 „
„ 954 — „
„ 4397 7 „
* 60 25 „
• 27 - „
10722 91
UL 2499 25 ^
. 240 - „
UL 2739 25 $
Digitized by Google
Transport:
5. Zn Händen des Herrn General-
sekretärs
6. Zu Händen des Schatzmeisters .
7. Honorar für Mitarbeiter des Corre-
Kpimdenxldattes
8. An Hm. Prof. Pr. Klopf leis ch
für Ausgrabungen
9. An den Zweigverein München für
Ausgrabungen ......
10. An Hrn. Prof. Pr. Fraas für
Herstellung von 250 Stück
Karten Warttemberger Schul-
erhebungeu butr. . v . . .
11. An Hrn. Prof. Pr. Fraas für die
erste Publikation der prähistori-
schen Karte
bii'T«>n ••rboh.-n 7-1 UL I>er cur Z«iit &«>cli
unrrkulH'n«' K«-»t Ton 726 JL «rachdnt
in uicbntjiUiriKi'r Kcvhnun* als Kin-
ikiIiiih- für i^l.-icbun Ziri-ck.
12. Au Hrn Prof. Pr. Virchow für
die statistische Bearbeitung der
Tabellen über die Erhebung der
Farbe der Augen, Haare und
der Haut
bletun erhoben 247 JL 50 l>«*r tur
Zeit noch uiierlioben*- K<*1 vun 1252 JL
50 ^ «•rarlifinl in niclialjaliri^tr K«:h-
h>ib|f il" Kinnabnio fltr gli klwo Zweck.
13. Guthaben bei Merk Christian &
Cie. in München . ** 2233 15
14. Paar in Cassa . . * 1600 11
Zusammen :
«laron ••r*eheint laut Kcnurkung bei
Ziffer II. and 12. die Hamm«- Ton
1998 Jl 5»' 4
in lUclo-tjiihntfi'r Kirhnona wl» Kio-
tiahaii-, wortllor btwit* vt- rlQ/t.
2739 JL 25 4
w «oo - „
- 300 - „
„ 40 40 .
„ 4UO — „
„ 300 — „
n 150 - „
„ 800 — „
W 1500 - „
. 3893 20 ,
JL 10722 91 4
A. Capital- Vermögen.
Als „Eiserner Bestand“ aus Einzah-
lungen von 15 lebenslänglichen Mit-
gliedern und zwar:
a) 4l;*®/‘* Grosah. Bad. Partial-
Ohligaticui von 1866 Lit. C.
Nr. 7237 Jf. GOO — ^
b) Pesgl Lit D. Nr. 4935 . . „ 300 — „
c) Pfandbrief der Khein. Ilypo-
tliekeu-Bank Serie XIV. L. P.
Kr. 143 _* 300 — ,
Zusammen : »M. 1200 —
II. Bestand.
1. An Wertlipapieren JL bOO — ^
2. Guthaben bei Merk Christian . . „ 2233 15 „
3. Baar in Kasse ....... „ 1GG0 11 *
Verfügbar zusammen: *.*- 4G93 26 ^
4. Best aus dem Jahr 1875/76, worüber
laut Ziffer 11. und 12. schon ver-
fügt „ 1978 50 „
ludern ich Ihnen dieses günstige Resultat mit
dem Wunsche vorführe, Sic möchten auch im laufen-
den Jahre Ihre Thatigkeit mit der des Schatzmeisters
vereinigen, damit wir zu einem noch günstigeren
Resultate gelangen, schliesse ich meine Mittheilung
mit der Bitte um Dccharge-Ertheilung. (Bravo!)
In der dritten Sitzung unterbreitete der Herr
Schatzmeister der Versammlung noch folgende Vor-
schläge :
Hr. Welsmann : Krmuthigt durch Ihre freund-
liche Anerkennung der meinerseits dem Verein im
verflossenen Jahre geleisteten schwachen Dienste,
erlaube ich mir im Interesse einer festeren Orga-
nisation und einer für alle Mitglieder höchst wün-
schenswerthen Klarlegung unserer Vcrciusverhftlt-
nisse Sie um die Geuehmigung folgenden Antrages
zu bitten. Sie wollen gestatten , dass dem dies-
jährigen Jahresberichte eine kurze Statistik bei-
gegeben werde, enthaltend :
1) Ein Verzeichnis sammtlicher Gruppen und
Lokal- Vereine mit ihren Vorstandsmitgliedern
und Geschäftsführern.
2) Eine Zusammenstellung der eingelaufeuen Bei-
trage pro „Jahr“ , der noch vorhandenen
Ausstaude und der bezogenen. Exemplare des
Correspondcnzblattes.
3) Eiu Verzeichnis» der isolirten Mitglieder mit
genauer Adresse.
4) Ein Verzeichnis jener Gesellschaften , mit
welchen SehrifLeuaustausch statttindet.
5) Ein Verzeichniss der lebenslänglichen und
der Ehrenmitglieder.
Es würde durch eine solche Statistik Fühlung
zwischen den verschiedenen Gruppen um! Mit-
gliedern herbeigeführt, der Verkehr zwischen den-
selben würde wesentlich erleichtert, viele Mitglieder
würden sich im Bewusstsein , einem Verein anzu-
gehören , der die ersten Männer des deutschen
Volkes auf allen Gebieten des Wissens in sich
sehüesst , sicherlich zur grösseren Thatigkeit für
die Vereinszwecke veranlasst sehen, und endlich
böte dieselbe auch eine klare Einsicht in den je-
weiligen Stand des Vereins, namentlich auch für
den leitenden Vorstand und die Vorstande der Zweig-
vereine.
Der einstimmigen Annahme vorstehenden An-
trages folgte von Seite des Schatzmeisters noch
die dringende Bitte , jedes einzelne Vereinsiuit-
glied möge sich doch die Werbung für den Verein
ja recht angelegen sein lassen , damit die wissen-
schaftlichen Bestrebungen desselben auch ihre ma-
terielle Unterstützung und Ermöglichung linden
können.
In der I. Sitzung waren als Commission zur
Prüfung der vorgelegten Ueehuungeu und des
Cassabe Standes die Ilrn. C. E. E. H offmann (Ba-
sel), W alter (Coustanz) und J. Ranke (München)
gewühlt wordeu. ln der 111. Sitzung erstattete im
Namen dieser Commission Hr. Ho ff mann Be-
richt, indem er erklärt, dass der Kasseücstand
dieses Jahr gegen das Vorjahr ein sehr erfreu-
licher sei uud die gauze Rechnungsführung sich
als eine durchaus pünktliche und gewissenhafte ge-
zeigt habe. Dem Hrn. Schatzmeister wird De-
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{Sorrespoitbenj-'JSfatl
der
deutschen Gesellschaft
für
Aulliropologic, Ethnologie und Ergescliiclile.
R e d i g i r t
von
Professor Kollmann in München,
G»ft*nb««rrrtüi Jer UuwlUrtMfl.
* Erscheint jeden Monat
Nro. 10. München, Druck von R. Oldeubourg. Oktober 1877.
Bericht über die VIII. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Constanz
am 24.-26. September 1877.
(Redigirt von Prof. Johannes Ranke in München.)
(Fortsetzung zu Iirn. Virchow.)
Das blonde Gebiet ist dadurch in zwei Hälften
aus einander gelegt. Die eine, welche am stärksten
in Altpoinnieru (Hinterpommern) hervortritt , die
andere, welche Meklcnburg, Holstein, Hannover
und Oldenburg umfasst , mit ihrer Akme an der
Grenze von Jütland und in Ostfriesland.
Ich will hier nicht weiter gehen und nur das
factische Material vorführen, woran sich später
andere Betrachtungen anscbliessen lassen. Wir
werden in der Lage sein , wenn wir die Karte
haben, auf Grund dieser Ergebnisse Untersuchungen
namentlich über die Körpergrösse und Schädelform
auzustellen , und ich hoffe , dass wir auf diesem
Wege endlich eiu vollkommenes Material bekommen
werden* Das , was ich noch hinzufügen wollte,
betrifft namentlich die Nachbarstaaten. Sie sehen
leicht, sowie wir die Frage der ethnologischen Ab-
stammung stellen, so erscheint unsere Karte wie der
erste Band eines grösseren Werkes, dessen zweiter
und dritterBaml noch fehlt, so dass wir noch nicht
recht wissen können, was aus der Geschichte
werdet! wird. Die dunkle Bevölkerung z. B. von
Ober- und Niederbayern , die überall an öster-
reichische Lande stösat, macht es im höchsten
Masse wünschenswert!] , dass die anstossenden
Theile von Oesterreich sich unsern Arbeiten an-
schliessen. Ich habe schon in Pest auf dein inter-
nationalen Congress darauf hingewiesen, aber es
ist noch dringlicher geworden, seitdem wir die
sächsische Zählung haben, liier bildet Böhmen
eine grosse Lücke. Es ist, wie wenn mitten aus
Corrtap.-BUU Nro. 10.
dem Satze einige Wörter herausgenommen waren.
Wir können z. B. analytisch betrachtet nicht er-
sehen, ob sich die Brünetten nach Osten mit der
Donau oder nach Süden au den Zuflüssen der
Donau, namentlich dem Inn, nach Tirol fortsetzen,
oder anders ausgedrückt, ob die brüuetten Ein-
flüsse von einer südlichen oder von einer östlichen
Einwanderung gekommen sind , ob es rhätische
oder altkcltischc Elemente sind, welche hier her-
vortret eu. Beide Fragen liegen sehr nahe.
Betrachten wir, wie in der Haarkarte die Differenz
von Baden und Eisass so auffällig hervortritt, so ist
ja schon früher darauf aufmerksam gemacht worden,
dass sieh hier in der Tliat eine Art von Rhein-
grenze ergibt, wie gewisse andere Verhältnisse eine
Maingrenze darstelleu. Mau hat damals die Frage
aufgeworfen, ob das Resultat nicht künstlich dadurch
herbeigeführt sei, dass wir zu wenig Kategorien von
Zählungsgruppen hätten. Ich habe deshalb auf der
Haar- und Augenkarte noch ueue Kategorien hinzu-
fügen lassen, indem in die colorirten Felder noch
Striche eingezeichnet sind, die es gestattet haben,
Unterabteilungen zu machen. Trotzdom ist das
VerhAltuiss unverändert gehlieben. Aus der merk-
würdigen Gleichartigkeit des badischen Landes und
der dagegen auffallenden Ungleichartigkeit von Elsass-
Lothringen kann man wohl sebttessen, dass westliche
Einflüsse sich geltend gemacht haben. Indessen
weder Karte, noch Geschichte gestatten uns mit
Sicherheit zu bcurtheileu, ob das eine Einwanderung
gewesen ist, oder ob hier Ueberreste einer ursprüng-
lichen Bevölkerung hervortreten, die durch die
1
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nördliche oder östliche Einwanderung zurückge-
schoben worden ist. Die Existenz des schwäbischen
Keiles, der sich in den südlichen brflnetten Stamm
hineinschiebt, scheint allgemein darauf hinzudeuten,
dass die blonde Kasse in der That von Norden her
sich in eine schon vorher vorhandene braune Rasse
eingesenkt hat. Das würde ja mit den Ueber-
lieferungen nicht im Widersprach stehen.
Immerhin sind es sehr interessante Fragen,
welche sich hier heraussteilen. Wir werden nach-
her sehen müssen, wie weit sich auf Grund fernerer
Beobachtungen feststellen lässt, ob diese Differenz,
auch in anderen Richtungen besteht. Durch die
grössere Ausdehnung, welche die nationale Cra-
niologie im Laufe des letzten Jahres erfahren hat,
ist allerdings craniologisch der Gegensatz von Nord
und Süd in noch viel stärkerer Weise hervor-
getreten , als man ihn bis dahin kannte. Die
bayerischen Untersuchungen (cf. IV. Sitzung Jo-
hannes Ranke), welche überwiegend die dunkle
südöstliche Ecke betroffen haben — die im stärksten
Gegensätze steht zu dem friesischen Winkel im
Nordwesten — haben gezeigt, dass in der That
zwischen den herrschenden Schädelformen in Alt-
bayern und in Friesland ein unvermittelter Gegen-
satz existirt. Wir können schon jetzt übersehen,
dass Mitteldeutschland eine vermittelnde Stellung
einnimmt. Die Schädel in Mitteldeutschland sind
nicht so hoch, wie in Süddeutschland, und nicht so
niedrig, wie in Norddeutschland. Wir bringen also
allmählich greifbare Differenzen heraus, und es wird
sich bald erkennen lassen, in welchem Masse wir
diese Untersuchung weiter zu verfolgen haben.
Ich selbst habe schon angefangen , Verbin-
dungen mit den Nachbarstaaten und Provinzen an-
zubahnen; von anderer Seite ist es freiwillig ge-
schehen. Sie werden hören , dass unser Freund
Desor, der schon auf der Münchener Versamm-
lung die Zusage ertheilto , in der Schweiz wirken
zu wollen , Erfolg gehabt hat. Wir haben das
besondere Vergnügen . ein Schreiben von der
schweizerischen Naturforschergesellschaft erhalten
zu haben, welches Hr. Prof. Hagen b ach als
gegenwärtiger Vorstand unterzeichnet hat.*) Darin
wird uns officiell Mittheilung gemacht , dass in
der Schweiz diese Angelegenheit in Angriff ge-
Baiel, 15. Sept. 1877.
Herrn Professor I>r. Ko II mann in München, General-
sekretär der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
Hochgeehrter I lerr !
Im Jahre 1870 hat der Vorstand der deutschen
anthropologischen Gesellschaft uns ersucht, die Anord-
nungen zu treffen, wodurch die Schulvorstände der ge-
summten Schweiz angewiesen werden, durch die einzelnen
Lehrer eine statistische Zusammenstellung Uber die Farbe
der Augen, der Haare und der Haut der Schüler zu
machen. — Am 19. April 1876 habe ich dem Hrn. Prof.
Dr. Zittol berichtet, dass die Ausführung dieses
Wunsches besondere Schwierigkeiten hat, da das Schul-
wesen nicht Sache des Bundes, sondern der einzelnen
Cantone ist, dass aber das Cimtraleomite versuchen
nommen werden soll. Die Gesellschaft hat An-
ordnungen getroffen , um die Schulvorstände der
gesummten Schweiz anzuweisen, durch die Lehrer
statistische Zusammenstellungen in unserem Sinne
machen zu lassen. Es ist in der diesjährigen
Versammlung in Bex der Gegenstand besprochen
und eine besondere Commission gebildet worden,
als deren Präsident Hr. Karl Ernst Emil Hoff-
mann, der hier anwesend ist, gewählt worden
ist. Ich habe Hrn. Hage nb ach in München
getroffen und von ihm erfahren, dass wir darauf
rechnen können , die Angelegenheit ernstlich be-
trieben zu sehen , wenngleich bei der Eigentüm-
lichkeit der Schweizer Verhältnisse eine so gleich-
massige Einwirkung von irgend einer Centralstelle
aus , wie wir sie erzielt haben , nicht ausführ-
bar ist.
Für Böhmen hat mir Hr. Prof. Klebs neuer-
lich in München die Zusage erteilt, einen anthro-
pologischen Verein in Prag zu gründen , der als
Zweigverein unseres deutschen Vereines auftreteu
wird. Als wir im Jahre 1870, noch vor dem
Kriege , die Statuten unserer Gesellschaft fest-
stellten, da wurde als selbstverständlich angenommen,
dass wenigstens die durch deutsche Repräsentanten
vertretenen österreichischen Länder nach altem Ge-
brauche auch von uns als deutsche angesehen
werden sollten. Ich darf wohl auch jetzt im Namen
der versammelten Gesellschaft wiederholen , dass
wir uns sehr freuen würden, wenn in Oesterreich
in wirklicher unmittelbarer Verbindung mit der
deutschen anthropologischen Gesellschaft vorge-
gangen würde. Je mehr dies von einem wirklichen
Zweigvereine geschieht, um so grösser wird unsere
Freude sein; indess auch da. wo diese Form nicht
gewählt werden sollte, wo inan jedoch sich unseren
Bestrebungen anschiiessen wollte, werden wir alles
tliun. um freundnachbarliche Beziehungen aufrecht
zu erhalten.
Das Nemliche kann ich Ihnen inittheilen in
Bezug auf Belgien und Holland. Hr. Donders
in Utrecht und llr. Vande rkindere in Brüssel
sind schon in Thätigkeit, um dort analoge Unter-
suchungen herbeizuführen. Ebenso ist die Aka-
demie in Krakau für Galizien vorgegangen . und
es ist sehr wahrscheinlich, dass sie früher als wir
werde, in irgend einer Weise die Angelegenheit in Gang
zu bringen. — An der letzt jährigen Versammlung in
Basr; wurde der Gegenstand in der zoologischen (zugleich
anthropologischen) Section besprochen, und an der dies-
jährigen Versammlung in Bex ist die Angelegenheit um
einen fernem Schritt weiter gekommen, insofern die
schweizerische Naturforschende Gesellschaft eine Special-
commission für die Besorgung dieser Angelegenheit auf-
gestellt hat. Präsident derselben ist Herr Professor
C. K. K. Hoffman li in Basel; er wird »ich zur Be-
sprechung des Notlügen mit Ihnen in Verbindung setzen.
Mit ganz ergebener Hochachtung
das (entrnlcoinile der Schweiz. Naturf.
Ge&ellscli. in dessen Namen der Präsident
H age n b a c h - B i a c h off.
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99
selbst mit dieser Aufgabe zugleich auch in Bezug
auf die Körperverhältnisse fertig werden wird. Wir
sehen neidlos auf diese Priorität ; ich wünschte,
es waren noch viele andere zu verzeichnen. Ich
bin persönlich sehr gerne bereit, jede unseren Ar-
beiten analoge Richtung zu fördern, und wir werden
den Herreu in Krakau gern folgen , wenn wir uns
überzeugen , dass es möglich ist , durch Lokal-
personen auch zugleich die Srhädelformen auf-
nebmen zu lassen , was ich in der That für ein
gewagtes Ding halte.
Es ist mir ferner gelungen , seitens der rus-
sischen Militärverwaltung in den nördlichen , ganz
oder zum Theil finnischen Gouvernements bei der
Kekrntirung des Jahres 1875 eine Aufnahme in
unserem Sinne zn erlangen. Ich habe dieselbe
schon bearbeitet und hoffe, dieselbe in der nächsten
Zeit im Archive für Anthropologie publiriren zu
können. Sie werden daraus ersehen , dass sich
die Frage nach dieser Richtung hin ausserordent-
lich romplicirt, indem sich die Blonden weit nach
Osten in die finnische Bevölkerung fortsetzen und
wir da eine Menge von blonden Stämmen finden,
so dass erst ganz weit nach dem Ural zu sich
braune Finnen einstellen. Ich habe auf meiner
letzten Reise in Wenden , einer kleinen Stadt in
Livland, w'o ein Bataillon der sog. inneren Wache
statiouirt ist. sämmtliche finnisch redende Soldaten
untersucht, und ich war in der That sehr über-
rascht zu sehen , dass bei einigen dieser Ural-
finnen , namentlich bei einem T scheremissen fast
negerartige Erscheinungen vorkamen, während sonst
bei den meisten ein rein blonder Typus existirt.
Ich hoffe , Sie werden zufrieden sein , dass
wir mit diesem Werke, soweit wir es zunächst zu
behandeln gehabt haben, am Ende sind. Die Publi-
kation unserer Tabellen und Karten kann in kür-
zester Zeit stattfinden. Wir werden zunächst
warten, ob wir auch die zwei kleinen Lücken noch
ausfüllen können. Dann werden wir sowohl die
Hauptergebnisse der Zahlen , als die colorirten
Karten publiciren. Auf welche Weise das im Ein-
zelnen ausgeführt wird, ist noch nicht festgestellt.
Es ist das ein Punkt , den Sie uns überlassen
haben; wir werden auf die eine oder andere Weise
dafür sorgen, dass die Mitglieder diese Blätter in
die Hand bekommen.
Hr. C. E. E. Hoffman» aus Basel: Ich wollte
nur als Ergänzung der Mittheilungen, die Hr. Prof.
Virchow über die Schweiz gemacht hat, bemerken,
dass in der letzten Versammlung in Bex Ende
August beschlossen worden ist. die Aufnahme in
der Schweiz in die Hand zu nehmen. Ich bemerke
aber, dass es für uns ungleich schwieriger sein
dürfte, die Sache so zu machen, wie sie in Deutsch-
land gemacht worden ist , wo man von der Be-
hörde aus einfach den Schullehrern aufgab , die
Sache zu besorgen. Bei uns muss die ganze An-
gelegenheit freiwillig bearbeitet werden , und cs
hängt von dem guten Willen der einzelnen Leute
und Gegenden ab , ob sie sich an der Sache in
irgend welcher ergiebigen Weise beteiligen wollen
oder nicht. Trotzdem haben wir aus anderen Auf-
nahmen gesehen, dass diese Freiwilligkeit zu einer
gewissen Vollständigkeit geworden ist, und ich hoffe,
dass ich in der nächstjährigen Versammlung in der
Lage sein werde, Ihnen einige Ergebnisse aus der
schweizer Zahlung mittheilen zu können; die Arbeit
wird sofort nach meiner Rückkehr nach Basel in
Angriff genommen. Ich glaube aber kaum, dass
wir vor etwa 2 Jahren mit der Arbeit fertig
sein werden; wir können Ihnen aber iin nächsten
Jahre schon eine allgemeine Uebersicht über die
Arbeit geben.
Zweit« Sitzung.
Inhalt: v. Sch rot» dt er: über Indianerpräher in Costarica. — Bronzen. Nephrite und Schädel aus schweizer
Pfahlbauten: Gross, Desor, Graf Wurm brand, Virchow — Vorträge und DiscuRsion über
prähistorische Kunst: Ecker, Virchow, Fraas, Forel , Messikommer , Graf Wurm-
brand , Ecker.
Hr. Virchow: Die Sitzung ist eröffnet.
Ausser der Tagesordnung theile ich Ihnen zu-
nächst mit, dass Hr. v. Schrödter, der die Aus-
stellung von Sachen von Costarica gemacht hat.
die Sie im ersten Kasten links sehen , Beine Be-
merkungen in einem schriftlichen Bericht uns über-
geben hat. Derselbe lautet;
Diese Gegenstände sind in Indianergrähern in
der Republik Costarica in Uentralamerika gefunden,
und ist beobachtet, dass sie immer an der Stelle
zu finden sind, wo die rec hte Hand des Körpers
gelegen haben muss; welcher Ort wohl deshalb
gewählt gewesen ist , um es der wandernden Seele
zu erleichtern heim Zugreifen und dem Gebrauch
1*
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100
der üefllsse. In manchen der Krüge findet man
noch Holzkohle , doch ausserdem nur Erde, ob-
gleich wohl anzunehmen ist, dass man den Todten
auf ihrer Wanderung auch Lebensmittel mitgab,
die aber wohl durch die Zeit zerstört worden sind.
In anderen Gegenden, wie z. B. in Chiriqui in der
Republik Neugranada oder Vereinigten Staaten
von Columbien wie sie jetzt heissen, hat man
öfters in den Indianergräbern Gegenstände wie
Fledermäuse, Adler etc. aus reinem Golde ge-
funden; in Costarica hingegen scheinen sie ihren
Todten keine so werthvollen Geschenke mitgegeben
zu haben, wohl aus dem Grunde, dass die Flüsse
in Costarica weniger Gold mit sich führen als
die in der Nachbarrepnblik, und die Indianer
wohl schwerlich schon die Bearbeitung von Gold-
minen kannten, sondern dieses Metall aus den
Flüssen entnahmen. Die Gräber selbst findet man
immer in grösserer Anzahl an einem Ort, wo man
einmal erst Eines entdeckt hat, ein Beweis, dass
man wohl schon damals gemeinschaftliche Be-
gräbnissplätze hatte , und findet man sie jetzt so
ziemlich an der Oberfläche der Erde, da wohl mit
der Zeit durch die heftigen Regengüsse, welche in
den Tropen während der Regenzeit stattfinden, das
Erdreich nach und nach abgewaschen sein mag,
um so mehr, als die Begräbnissplätze immer auf
einem Hügel oder an dessen Abhang zu finden sind.
Was das Grab selbst betrifft, so ist in demselben
ein aus flachen Steinplatten zusammengesetzter
Sarg zu finden, fast ganz in der Form unserer
hölzernen Särge; da aber die Platten nur lose an
einander stehen oder auf einander liegen, so ist
mit der Zeit die Erde liineiugeschwemmt worden,
so dass man den ganzen inneren Raum mit Erde
angefüllt findet, und nur hie und da, beim Durch-
stechen dieser Erdschicht findet man eine Ader
gelben Pulvers, welches wohl der ganze Rest der
verwitterten Knochen ist. Höchst selten, aber
doch wohl hie und da hat man einzelne Zähne ge-
funden, aber nie Knochen. Wie alt diese Gräber
sind, ist nicht zu ermitteln; jedenfalls rühren sie
aus der Zeit vor der Entdeckung Amerikas her,
wo die Indianer noch ungestört in grösseren Ge-
sellschaften in Ortschaften zusammen wohnten, bis
sie von den Eindringlingen verjagt und ihre Ge-
meinden auseinandergesprengt wurden. Jetzt be-
finden sich nur noch zwei Stämme der Indianer
im Süden der Republik Costarica und zwar die
Blanco nnd Talamanca, welche jede Einmischung
der Regierung von sich weisen. Die niedere Be-
völkerung von Costarica zeigt sehr viel Mischung
der spanischen Rasse mit den Indianern; doch
gibt es noch einzelne Ortschaften, wo die Indianer-
Rasse sich ganz rein erhält, obgleich sie inmitten
der Bevölkerung liegen, die spanische Sprache und
die christliche Religion angenommen haben; sie
scheint aber sich nicht zu vermehren , sondern
eher am Aassterben zu sein, da bei jeder Epidemie
eine grosse Anzahl binweggerafit wird, wie 1850
durch die Cholera, wo beobachtet wurde, dass
kein Indianer, einmal von dieser Krankheit be-
fallen , wieder genass , während von den andern
Einwohnern eine grosse Anzahl gerettet wurde. —
Vorsitzender: Dann hat Hr. Dr. Gross von
Neuvcville, der die ganz besondere Güte gehabt hat,
einen grossen Schatz von Pfahlbautensachen, haupt-
sächlich der Bronzezeit angehörend, hier auszustellen,
das Wort gewünscht. Bevor ich ihm dasselbe gebe,
möchte ich ihm im Namen der Gesellschaft uiisern
ganz besonderen Dank aussprechen. Es wird wohl
nur eine Stimme darüber sein, dass eine so reiche
und zugleich lehrreiche Sammlung, wie diejenige,
die er uns überbracht hat, kaum jemals auf einer
solchen Versammlung ausgestellt worden ist. Die
Stationen, die er ausgebeutet hat, haben sich so
ungewöhnlich ergiebig erwiesen nnd bieten so un-
gewöhnlich reiche Sachen dar, dass es für uns in
der That von höchstem Interesse gewesen ist, die
Sachen hier za haben.
Hr. Grog»: Erlauben Sie mir Ihnen einige
Worte über die Bronzegegenstände, die Sie hier
ausgestellt sehen, zu sagen. Sie rühren alle von
zwei sehr reichen Pfahlbaastationen her, die zu
jener vorhistorischen Periode gehören, welche Hr.
Professor Desor mit Recht die Blüthezeit des
Bronzealters genannt hat Die eine Station
Möringen liegt im Bieler-, die andere Auvemier
im Neuchätclersee. Beide Pfahlbauten zeichnen
sich durch Reichhaltigkeit und Schönheit ihrer
Gegenstände aus, und dürften in diesen Punkten
alle bis jetzt untersuchten Pfahlbauten der östlichen
Schweiz weit hinter sich zorücklassen. Die Aus-
grabungen in Möringen wurden in den letzten Jahren
um Vieles erleichtert durch die Tieferlegung des
Bielersees, so dass diese Station, die früher 3 — 4
Meter hoch mit Wasser bedeckt war, jetzt voll-
ständig trocken liegt. Zu den bedeutendsten
Bronzegegenständen von Möringen gehören: Ein
vollständig gut erhaltenes Bronzeschwert, welches
mit einem auffallend kurzen massiven Griff versehen
ist, der in einem Knopf ausläuft. Ein anderes Exem-
plar mit unvollständig erhaltener Klinge, dessen Griff
aus Bronze mit eingelegten Eisenstreifen besteht. Ein
drittes Schwert, dessen Klinge, der chemischen
Untersuchung nach zu urtheilen. hauptsächlich aus
Eisen besteht und dessen Griff von Bronze mit
eingelegtem Eisen ist. Die Form nnd Ornamen-
tirnng der Klinge ist ganz dieselbe wie die der
bronzenen Schwerter, nur ist das eiserne Schwert
bedeutend grösser. — Was die Schmuckgegenstände
betrifft, so zeichnen sich die Armbänder durch die
schöne vollendete Arbeit und die vielen Verzie-
rungen aus. Sie sind theils geschlossen, thcils
offen und haben einen Durchmesser von -I bis zu
15 Centiineter. Besonders interessant ist ein ge-
schlossenes Armband aus Bronze . welches mit
Eisenstreifen verziert ist. Andere Sch muck Sachen
fanden sich in Gestalt von Ohrgehängen aus
Bronze und Gold, Zierbeschlägen, auffallend dicken
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105
lieh anf äussere Gründe . nicht aui den inneren
Grund des Kunstwerkes, d. h. auf die Lage und
Fundverhältnisse , die man also kurzweg als geo-
logische Gründe bezeichnen kann. Die Zeichnungen
wurden mit Waffen und Werkzeugen unter den-
selben Bedingungen gefunden und müssen also
nach diesem Schlüsse gleichzeitig sein; dabei wird
natürlich auch von dieser Seite die Möglichkeit
einer Fälschung in einzelnen Fällen nicht geleugnet:
allein sie handeln nach dem juristischen Grund-
sätze: quisque präsumitur bonus nisi contrarium
probetnr. So stehen sich also diese zwei Ansichten
scharf gegenüber. Ich weiss nicht, ob es bewusst
oder unbewusst geschah, dass der Künstler, welcher
das Blatt .aui unsere Aufnahmekarte gezeichnet
hat, auf seinem Bilde gewissermassen diese beiden
streitenden Parteien repräsentirt. Wir sehen
nemlich hier in ftusserst ruhiger und verständiger
Weise ein Reut hier Modell stehen und davor sitzt
ein nackter Mann auf einem steinernen Sopha,
mit Schnitzen einer solchen Figur beschäftigt;
dahinter tritt aus einer Felsenspalte ein theilweise
bekleideter Mann hervor, welcher mit entschieden
unverkennbarer Verwunderung diese Schnitzerei
betrachtet und, wie mir scheint, nicht übel geneigt
ist, den ertappten Künstler zu denunciren. Wir
finden also hier diese beiden streitenden Parteien
gewissermassen repräsentirt.
Wir haben ausser dem artistischen und
im Gegensätze hiezu dem geologischen Momente
ferner noch in Betracht zu ziehen das technische
und zoologische Moment. Erlauben Sie mir
in möglichster Kürze das Gewicht dieser ver-
schiedenen Momente zu berücksichtigen.
Was das artistische Moment betrifft, so
weist Linde nach mit’) darauf hin, dass
„Alles, was zwischen diesen vermeintlich ersten
Versuchen von Darstellungen der Thierwelt und
den Leistungen einer um Jahrtausende vorge-
schrittenen Bildung liegt, nur «len Charakter
unbeholfenster Barbarei zeige; eine solche gleich-
mäßig überall wahrnehmbare Verwilderung, ein
Rückschritt gerade nur in diesem einzigen Punkt
bliebe aber um so unerklärlicher, als die ge-
s&mmteu übrigen Bildmigszustände dieser späteren
Zeiten doch eine so unermessliche Ueberiegenheit
zeigen im Vergleiche zu jenen der Troglodyten
der Kis- und Renthiereeit.“
ln ähnlicher, wenn auch nicht in der ent-
schiedenen Weise soll sich auch B ertra n d•) **) aus-
gesprochen haben. Lindenschmit theiltc mir
auch die Aeusserung des schweizerischen Antiquars
Hrn. v. Bon stetten mit, welcher sagt:
„Je suis du reste converti depuis loug tems ä
votre maniere de voir. Le renne broutant a
£tö mon point de döpart. Le dessin est d’une
•) Archiv für Anthropologie Bd. III S. 109 und
Bd. IX S. 177
*•) Ich fminerke hiebei: KtJata refero; ich habe
keiiie Quelle für diese Angabe zu bezeichnen.
Corrr«p.-BUtt ]tw. 10.
si parfaite exöoution qu'il denot« la main d'un
artiste muni de bons outils en acier. Les sueces
obtenus par un premier faux ont du nöcessairement
inspirer l’idöe d‘en commettre d’autres soit par
cupiditö soit par amour propre. . . . Jadis on
fabriquait des inscriptions vonmines fausscs,
aujourd'hui la mode est venue des os sculptes
ou graves. Tout $a me setnble un affreux
humbug.“
Dies sind also Aussprüche von zwei Autori-
täten. Beide behaupten, dass bei allen Völkern
die Kunst sich gleichzeitig mit der übrigen Kultur
entwickle, während von den Gegnern angenommen
wird, dass eine relativ bedeutende Entwicklung der
Kunst auch auf sonst sehr niedriger Kulturstufe
stattfinden könne. Nun, cs ist klar, dass auf den
ersten Anblick das erstere wahrscheinlicher ist,
und der beste Beweis dafür ist das allgemeine Er-
staunen, als die ersten Höhlenzeichnungen aus der
Dordogne zu Tage traten; andererseits muss man
aber doch wohl zugeben, dass, so wie die Begabung
für Kunst bei Individuen eine verschiedene ist, sie
möglicher Weise auch hei Rassen eine verschiedene
sein kann. Der bekannte ungarische Forscher
P u 1 s z k y unterscheidet daher direct zwischen
artistischen und unartistischen Rassen; er sagt,
Malerei und Sculptur seien stets das Resultat
einer besonders künstlerischen Anlage und es sei
diese Kunst anderen Rassen, die sie nicht von
Haus aus besitzen, nicht mittheilbar und es sei
drittens diese Anlage unabhängig von der sonstigen
Kultur und (Zivilisation. Nehmen wir dies für
den Augenblick als richtig an, so ist es klar, dass
solche Verschiedenheiten auch schon auf den
tiefsten Stufen der Kultur möglicher Weise Aus-
druck finden können, dass auch heutzutage bei
Naturvölkern oder Wilden von im Uebrigen ziem-
lich gleicher Kultur Verschiedenheiten in dieser
Beziehung stattfinden können. Auf ziemlich gleicher
Kulturstufe stehen z. B. die Australier des austra-
lischen Festlandes und die Papuas Neuguineas. Von
Australien sind meines Wissens keine Kunstwerke
bekannt ; dagegen erzählt der bekannte Reisende
Wallace, der ja die malayische Inselwelt
so ausführlich beschrieben hat, dass die Leute von
Dorey an der NordkAstc von Neuguinea grosse
Schnitzer und Maler seien, und fügt bei, es sei
seltsam, dass ein beginnender Kunstsinn mit einer
so niedrigen Stufe der Civilisation zusammen
gehen könne, und meint , dass, wenn wir es nicht
wüssten, dass ein solcher Geschmack und eine
solche Geschicklichkeit mit der äußersten Bar-
barei vereinbar sind, wir kaum glauben würden,
dass dasselbe Volk in anderen Dingen allen Sinn
für Ordnung, Bequemlichkeit und Wohlstand gänz-
lich entbehrt.
Ich weiss nicht, wie weit die Neger solche
Arbeiten ausgeführt haben; in dein Werke von
Schweinfurth (artes africanae) findet sich nichts
davon, während die Buschmänner im Süden von
Afrika an den Wänden ihrer Höhlen Zeichnungen
2
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106
angeführt haben, die Fritsch in seinem be-
kannten Werke mittet heilt hat, die wenigstens die
Tliiere erkennen lassen. Immerhin sind die
Zeichnungen der Buschmänner äusserst primitiv,
(die Papuas kenne ich nicht aus eigener Anschauung)
und es ist daher andererseits sehr natürlich, dass
Lin de nsch mit in Bezug auf diese Thierzeich-
nungen der Naturvölker unserer jetzigen Zeit sagt,
dass sie nicht über die ersten Versuche unserer
Kinder und den Stil des bekannten „Buchs der
Wilden“ des Hrn. AbM Domen ec h hinausgehen.
Ich glaube, meine Herren, dass eine andere
Parallele vielleicht von noch grösserer Wichtigkeit
ist. Wir müssen nemlich doch, wenn wir lebende
Kulturvölker in Vergleich ziehen wollen, solche
wühlen, die mit den prfl historischen Troglodyten
unter den gleichen Bedingungen, insbesondere
unter annähernd gleichen klimatischen Verhältnissen
gelebt haben ; das sind aber nicht Völker der Tropen,
sondern die Eskimos. Die Waffen und Werk-
zeuge der Eskimos und diejenigen Knochenwerk-
zeuge. die man in den Höhlen der Dordogne und
auch in Thayingen ausgegraben hat, sind einander
so ausserordentlich ähnlich , dass man sie ver-
wechseln kann, und ein Ihnen bekannter sehr
genauer Erforscher der Höhlen, der in dieser Be-
ziehung wohl eine Autorität genannt werden kann,
der englische Forscher Boyd Dawkins sagt
hierüber, die Achnlichkeit sei eine solche, dass die
Berufung auf das Lehen unter gleichen klimatischen
Verhältnissen nicht einmal genüge, und er nimmt
daher eine Blut Verwandtschaft der Eskimos mit
den prähistorischen Höhlenbewohnern an. Ich hin
in der Lage, Ihnen solche Photographien und
Zeichnungen zur Vergleichung zeigen zu können.
Ich habe durch die Gefälligkeit des bekannten
Nordpol fall rer s Dr. Emil Hessels eine Reihe
Photographien von Werkzeugen der Eskimos er-
halten, worauf Sie Harpunen. Nadeln u. dgl. dar-
gestellt finden, ferner auch Stücke, die den
Üommandostäben nicht unähnlich sind; ich will
sie hier circuliren lassen, und Sie werden, wenn
Sie z. B. daneben die Harpunentigur in dem
Merk’schen Berichte vergleichen, nicht an der
Achnlichkeit zweifeln können. Vergleichen wir
nun aber die Zeichnungen der Thierfiguren der
beiden Bevölkerungen, so finden wir einen himmel-
weiten Unterschied; ich kann sie Ihnen in ver-
bessertem Massstnhe zeigen.
(Hr. Ecker zeigt die Photographien von Ren-
thierzeiebnungen der Eskimos und die Reuthier-
zeichnung von Thayingen.)
Es muss uns dies jedenfalls zur grossem Vor-
sicht veranlassen, und Sie werden daher wohl be-
greifen, dass, wenn man sich auf den artistischen
Standpunkt, stellt, man sehr leicht zu der Ansicht
gelungen kann, dass die Figuren keineswegs einer
so frühen Zeit angehören können. Diesen Zweifeln
gegenüber steht auf der anderen Seite die wesent-
lich auf das geologische Moment gestützte Ansicht,
dass die Troglodyten eine höhere künslerische Be-
fähigung besessen haben. Ich will Ihnen auch für
diese Ansicht einige Zeugen vorführen. So sagt
z. B. Ilr. Mort i 11 et. der bekannte Unterdirector
des Museums von St. Gennain, von diesen Sachen :
„Wir haben also hier vor uns die Kindheit der
Kunst , aber keineswegs eine Kuust der Kindheit,
denn die Höhlenzeichnungen lassen keinen Ver-
gleich zu mit den rohen Skizzen unserer Schul-
knaben auf den Mauern in der Umgehung unserer
Schallokale <a la Domenech lief.)“, und bemerkt
dann weiter , nur ein paarmal habe man solche
rohe Figuren gefunden , die aber so verschieden
von den übrigen seien , dass man sie sofort als
gefälscht erkannt habe. Es ist somit zu con-
statiren, dass auch Hr. Mortillet Fälschungen
zugibt, nur hält er die schlechten Zeichnungen für
gefälscht; Linden sch mit und seine Anhänger
aber halten die guten für gefälscht. Es ist hiebei
die Bemerkung wohl nicht zu unterlassen, dass der
französische Forscher die ethnologische Bedeutung
der Eigentümlichkeiten dieser Zeichnungen wohl
etwas übertrieben hat und dass es sehr rath-
sun ist. darauf aufmerksam zu machen, dass man
sich doch ja vor übereilten Schlüssen hüte. So z. B.
schliesst er aus dem Umstande , dass einige sehr
primitive menschliche P'iguren nur 1 Finger an
den Händen zeigen , dass diese alten Höhlen-
bewohner, wie manche Wilde heut zu Tage, die
Gewohnheit gehabt hätten, den Daumen eiuzu-
schlngen. Ich möchte glauben, dass ein Finger
aus anderen Gründen weggeblieben ist. Dann
findet er weiter, dass auf dem Rücken einiger
rohen nackten männlichen und weiblichen Figuren
sich einige Striche finden . die wahrscheinlich
Haare darzustellcn bestimmt seien . und so ver-
mutete er hieraus eine ungewöhnliche Behaarung
der alten Höhlenbewohner. Wenn das richtig wäre,
so wäre unser pithekoider Urahn wenigstens in
effigie einmal da. Dass diese Höhlenbewohner
nicht nackt gingen, vermutet Mortillet aus den
zahlreichen knöchernen Nähnadeln, die man in den
Höhlen gefunden hat , die offenbar den Zweck
hatten, Kleider zu nähen, — und dennoch stellten
sie ihre menschlichen Figuren nackt dar. Er er-
klärt das durch die Bemerkung: „comme les ar-
tistes des nos jours les artistes des preraiero teraps
pröferaient dessiner et sculpter Tacademie. C’ötait
une simple affaire de goüt.“ Dann stellte er auch
noch einige Vermuthungen über die wahrschein-
liche Physiognomie der damaligen Höhlenbewohner
auf; wozu ihm einige in der Gironde gefundene
aus Renthiergeweihen geschnitzte menschliche Köpfe
Veranlassung gaben.
Das zweite ist das technische Moment,
enthaltend die Frage : Womit sind diese Zeich-
nungen gemacht? Natürlich mit Stein ; wir leben
ja in der vormetallischen Zeit, und ferner na-
türlich mit Kiesel. Mortillet vermuthet und
gewiss mit Recht , dass hiezu kleine Kiesel-
Digitize
de
107
Splitter . möglicher Weise mit einer scharf ge-
krümmten Spitze, verwendet worden seien; da aber
mit diesem Materiale schwer zu arbeiten sei , so
liabc ein Freund von ihm Versuche damit an-
gestellt und sei zu dem Resultate gekommen, dass
diese Figuren unmöglich durch einfache Gravirung
(hurinage) gemacht seien und zwar deshalb, weil
das Material so hart sei, dass man hei dem Ver-
suche einer Zeichnung, wie man sie etwa mit einem
Bleistifte zu machen pflegt, nothwendiger Weise
öfter ausgeglitten wäre, und diese Spur des Aus-
reitens müsste man auf der Zeichnung nothwen-
diger Weise sehen; man sieht sic aber nicht, und
er vermnthet also, dass diese Figuren durch einen
auderen Vorgang gemacht seien, z. ß. durch eine
Art von Einfeilen. Ist dies richtig, so muss uusere
Bewunderung vor diesen Künstlern nur steigen ;
wir dürfen nicht aunetimcn , dass sie die Zeich-
nungen vorher auf Pauspapier mit Bleistift ent-
worfen haben, sondern dass sie direct an die Ar-
beit des Einfeilens geben mussten. Nun versuche
es einmal einer unserer zahmen Künstler , eine
solche Zeichnung , ohne vorher die Proportionen
entworfen zu haben , mit einem Steininstrumentc
sofort in ganz richtigen Verhältnissen auf Horn
oder Bein zu zeichnen — er wird nicht dazu
kommen. Es ist zu bedauern, dass das technische
Moment von »lern Entdecker dieser Zeichnungen
nicht genauer berücksichtigt worden ist, dass nicht
gleich im Anfänge die Furchen genauer untersucht
wurden, um daraus etwa Schlüsse auf die Art des
angewendeten Instrumentes zu ziehen.
Ein drittes Moment ist das geologische
Moment, die Lagerung. Ich habe schon er-
wähnt , dass dieses wesentlich als ein Grund der
einen Partei gilt für die Annahme des prähisto-
rischen Ursprungs; allein wir müssen doch auch
dieses Moment mit gleicher Vorsicht betrachten.
Es ist ja gewiss, dass in den älteren geologischen
Schichten die Lagerung an und für sich ein Haupt-
kennzeichen ist; man wird ans der Lagerung ab-
nehmen können, oh 2 Fundstücke ans der gleichen
Zeit stammen oder nicht : allein schon in jüngeren
Formationen wird dies sehr schwer. Ich glaube,
dass alle Herren . welche sich mit der Unter-
suchung von Funden in Löss beschäftigt haben,
bestimmen werden, dass man hier mit der grössten
Vorsicht Vorgehen muss. Nun ist nach meiner
Meinung der Boden einer Höhle, die von Menschen
bewohnt war, immer noch ein diffieilercs Object
als Löss, und eine noch grössere Vorsicht bei der
Untersuchung geboten. Lind ensohmit sagt dn-
her nicht mit Unrecht, Boden und Fundverhältnisse
bilden nur ein Kriterium, aber durchaus nicht das
einzige und hinreichende: sie bilden mir
einen Theil der Kriterien, welche für eine antiqua-
rische Forschung die Echtheit eines Fundstü* kes
beweisen. Eine weitere Möglichkeit, die ganz offen
gesagt nicht recht viel für sich hat — ich will
sie nur im Vorbeigehen erwähnen — , ist die, dass
die Zeichnungen ans einer späteren Periode stammen.
Ein ungenannter Berichterstatter in der deutschen
Vierteljahresrevue über die Fortschritte der Natur-
wissenschaften sagt darüber:
„Wer nicht mit einer gewissen Voreingenommen-
heit an diese Kunstwerke herantritt , kann nach
meiner Meinung nicht itn Zweifel sein , dass alle,
weit entfernt , in eine nebelhafte Vorzeit hinauf-
znragen, auf den Einfluss griechischer Kultur hin-
deuten. Prophezeien ist immer eine missliche
Sache; ich möchte aber trotzdem die Voraussagung
wagen, dass in nicht zu ferner Zeit der Tag kommen
wird, an welchem man aus einer mit Renthier- und
Bärenknochen gefüllten Höhle Horn- und Knochen-
stüeke hervorziehen wird, auf welchen sich Zeich-
nungen mit griechischen Buchstaben finden.*
Ich möchte meinerseits keineswegs diese Vcr-
ninthuug unterstützen; wenn aber einmal solche
griechische Buchstaben gefunden würden , müssten
wir es uns auch gefallen lassen.
Was nun das letzte und vierte Moment, das zoo-
logische, betrifft, so ist dieses von ziemlicher
Wichtigkeit, und gerade dieses vierte Moment schliesst
die eben erwähnte Annahme , wie mir scheint,
ziemlich aus. Ich glaube , es bleibt kaum etwas
anderes übrig, als dass die erloschenen oder aus-
gewanderten Thiere entweder von Zeitgenossen
dargestellt sind oder in ganz neuer Zeit und zwar
deshalb , weil ja eine Reihe von dieseu Thicren
erst in neuerer Zeit wieder bekannt geworden ist :
sie müssen also von Zeitgenossen, von mitlebeiiden,
oder sie müssen in neuester Zeit gemacht — ge-
fälscht sein; tertium non datur. Es darf aber nicht
verschwiegen werden — und ich hoffe , dass Sie
mir das Zeugniss geben werden , dass ich die
Zeugen reden lasse - , dass selbst die Annahme einer
neuen Entstehung für manche Zeichnungen ihre
ziemlich grosse Schwierigkeit hat. Die Pferde-
zeichnungen aus der Dordogne sind mit die ältesten ;
viel später sind die zahlreichen Pferdereste iu So-
lutre gefunden worden; erst aus diesen Resten hat
man aber allmählich die Gestalt des europäischen
wilden Pferdes construiren können und gefunden«
dass dieses wilde Pferd allerdings eine auffallende
Aehulichkeit mit den in den Zeichnungen aus den
Dordogncr Höhlen dargcsteiltcn Figuren hat.
Wenn wir nl6o die Resultate überblicken , so
scheint mir — und ich hoffe, dass Sie diesen Ein-
druck aus meiner wie ich glaube möglichst ob-
jectiven Darstellung entnehmen , dass die Sache
nicht spruchreif ist. Ich meinerseits möchte
wenigstens einen solchen Urtheilsspruch nicht fällen,
und ich denke . die anthropologische Gesellschaft
als solche wird es auch nicht tliun. U eberlassen
w ir die Lösung, wie gesagt, der inneren organischen
Entwicklung der Wissenschaft beide Ansichten
haben ja ihre Begründung — , und mögen nur die
Vertreter beider fort fahren , ihr Beweismaterial
eifrig zu sammeln. Aber für ganz unerlaubt halte
ich es — und damit kann ich nicht zurückhalten —
dass man persönliche Motive unterschiebt, und das
war mit ein Grund für mich , das Wort in dieser
2*
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Frage mir zu erbitten , weil ich meinen alten
Freund Lindenschmit in dieser Sache zu ver-
theidigeu habe. Kr bat Niemanden beleidigt , er
hat Niemanden persönlich einer Fälschung be-
schuldigt ; die antiquarische Gesellschaft in Zürich
aber und insbesondere I Ir. Heim haben ilun die
gröbsten Schmähungen entgegengeworfen, uud doch
haben die antiquarische Gesellschaft und die Ent-
decker selbst einen grossen Autlieil an dem Knt-
stehen der Lin den sc limit’scben Meinung. Sagt
doch Hr. Heim selbst: .was icl» noch als Augen-
zeuge zu constatiren halte, ist die ohne alle
Sac hkenntniss und Sorgfalt ausgeführte
Ausbeutung der Höhle etc.“, uud ganz Ähn-
lich spricht sich der erfahrene Untersuchcr Hr.
Messjkomer. der auch unter uns anwesend ist,
aus; und Hr. Müller sagt noch weiter über einen
später ausgegrabenen geschnitzten Pferdekopf, dass
„derselbe trotz etwelcheu verdächtigen
Ursprungs doch vielleicht für echt zu
halten sei“. Das ist das Messer ohne Klinge,
an welchem das Heft fehlt. Ich glaube also in
dieser Beziehung meinen Freund Liudenschmit
vertheidigen zu müssen und hoffe , dass Sie in
dieser Beziehung meine Ansicht theilen.
Hr. Virchow: Bevor ich die Discussion er-
öffne . will ich besonders constatiren , dass es
sich von selbst versteht . dass liier von einer Ab-
stimmung nicht die Rede sein kann , dass die
deutsche anthropologische Gesellschaft nicht durch
Majoritäten für und gegen entscheiden wird und
dass das Krgebniss , welches etwa von hier aus
nach aussen getragen wird , immer nur durch
das Gewicht sei es der Persönlichkeiten , sei
es »1er Gründe getragen werden kann, ln Be-
zug auf die Debatte möchte ich dringend bitten,
dass wir uns einer Retrospektive auf die schon
stattgefundenen Publikationen möglichst enthalten.
Die deutsche anthropologische Gesellschaft als
solche hat mit dieser Publikation nichts zu thun.
Ich kann cs beklagen, dass ein so gereizter Ton
in eine Verhandlung hineingekommen ist, die recht
wohl in einer mehr kühlen und objecitven Weise
hätte geführt werden können. Zeigen wir, meine
Herren, dass wir im Stande sind, diesen mehr ob-
jectiven Charakter iu der mündlichen Verhandlung
zu erhalten. Ich persönlich glaube in meiner ein-
leitenden Rede die Streitfrage in einer ganz un-
parteiischen Weise auseinaudcrgelegt zu haben;
ich habe nachher aus einem Berichte, der mir
vorgelegt wurde, ersehen, dass man eher das Gegen-
tlieil von dem hcrausgehört hat, was ich meinte.
In Bezug auf die Sache seihst möchte ich
nur ein paar Üemcrknngen machen. Es scheint
mir , dass durch Ilm. Lindenschmit und viel-
leicht auch durch Hrn. Ecker eine Seite der
Erörterung mehr in den Vordergrund getreten ist,
als nach meiner Auffassung berechtigt ist, ncmlirh
die Frage der artistischen Gründe. Für Hrn.
Lindenschmit war, ich weiss es von lange
her, in Bezug auf die französischen Funde die
artistische Betrachtung der Ausgangspunkt seiner
Scrupel, wie für die Mehrzahl aller Künstler und
Kunstverständigen. Ich erkenne diese Bedenken
an sich an. Es ist kein Zweifel, wir haben die
Berechtigung, auch diese artistische Seite zum Ge-
genstände der Debatte zu machen, aber, meine
Herren , ich möchte doch urgiren , dass wir die
naturwissenschaftliche Methode auch hier zunächst
anwenden müssen. Die naturwissenschaftliche
Methode aber verlangt immer zunächst, dass wir
die Thatsachen sprechen lassen. Es ist das eine
permanente Differenz, die jetzt immer mehr her-
vortritt. Sehen wir z. B. , wie die Dinge in
Frankreich sich neuerlich gestaltet haben. Hr.
Bertrand, den wir alle anerkennen als einen
ausgezeichneten Archäologen, dessen bedeutende
Verdienste Niemand mehr geneigt sein kann zu
rühmen, als ich, hat gegen Hrn. Chantre, dessen
ausgezeichnetes Werk über die Bronzezeit kürz-
lich pnhlieirt ist , denselben Kinwand ; das sei
nicht die Methode, welche in der Archäologie
zum Ziele führe , die naturwissenschaftliche Me-
thode verdürbe die Sache. Hr. Chantre hat
meiner Meinung nach mit unwiderleglichen Gründen
dargethan, dass eine Reihe von Suppositionen,
welche die französischen Archäologen bis dahin
hatten, unhaltbar sind. Nun sagt man, wir er-
kennen diese Methode nicht an. Das, meine
Herren, können wir nicht zugestehen. Die Methode
der Naturwissenschaften muss auch auf die Beur-
theilung dieser Dinge angewendet werden, nnd in
den Naturwissenschaften , das haben wir fcstzu-
haltrn. sind es die Objecte, mit denen wir es zu-
nächst zu thun haben. Freilich müssen die Ob-
jecte zuverlässige sein, und zwar zuverlässig inso-
fern, als sich dnreh die Zuverlässigkeit und Be-
fähigung der Beobachter darthun lässt, dass die
Thatsachen , welche sie berichten , nicht ge-
fälscht oder irrig aufgestellt sind. Darum handelt
es sich in erster Linie , und ich würde sehr
froh sein . wenn die heutige und die vielleicht
noch fortzusetzende Verhandlung in dieser Be-
ziehung uns das nöthige Material lieferte. Wir
haben unter uns eine ganze Reihe von Personen,
welche persönlich hei der Untersuchung anwesend
waren. Hr. Messikomer ist hier, der den letzten
Theil der Ausgrabungen geleitet hat. Ich kann mit-
theilcn, dass er mir schon, als ich ihn neulich be-
suchte . bestimmt seine Versicherung ertheilt hat.
dass die Fundobjecte, die hier sind, echte seien. Wir
haben Hrn. Merk hier, der speciell betheiligt an
der Sache ist, ferner Hrn. Fr aas, der einen
Theil der Ausgrabungen gesehen hat , nnd Hrn.
Leiuer. Wir haben also eine Reihe von Männern,
die uns berichten können, unter welchen besonderen
Umständen sich die Sachen gezeigt haben, und ich
muss sagen, diese, lassen Sie mich einmal sagen,
j n rist I « r hen Gründe, diese Vernehmung der
Zeusen, welche aussageu werden, was sie ge-
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109
sehen haben , sind fflr mich als Naturforscher von
entscheidender Bedeutung. Ich habe , so oft man
mich in Deutschland gefragt hat , was halten Sic
von den französischen Artefacten, immer gesagt,
ich halte dafür, dass, solange nicht ein positiver
Beweis gegen die Aussage des Hm. Lartet steht,
der uns mittheilt, unter welchen besonderen Um-
standen er persönlich aus einer bestimmten Fund-
Schicht ein solches Object herausgenominen hat,
dieses Object als echt anzuschen ist. Gerade so sage
ich auch: wenn hier glaubwürdige Zeugen auftreten
und uns in bestimmtester Weise die Umstünde be-
richten. unter denen sie die Dinge gefunden haben,
so werde ich immer meinen , dass wir kein Recht
haben, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern, wenn
wir nicht ganz unzweifelhafte und unüberwindliche
Gründe linden , mit welchen wir ihnen gegenüber
treten und sagen können, ihr habt euch getauscht
oder ihr wollt tauschen. Diese mehr juristische
Seite kommt doch am Ende bei jedem paläonto-
logischen Fund in Frage, wo nicht einfach ans
dem Objecte fojgt, ob es gut ist oder nicht. Es
lasst sich ohne Zeugen nicht immer beurtheilen,
ob ein Object, welches uns vorgelegt, wird, dieser
oder jener Schicht angehört. Diese rein that-
sächliche oder juristische Seite müssen wir an-
erkennen; wir werden uns fügen müssen.
Nun hin ich aber auch nicht ganz einver-
standen damit, dass diese artistischen Leistungen
vollständig unvermittelt dastehen. Wir sind bis
jetzt in Bezug auf die niedrig stehenden Völker-
schaften noch sehr schlecht unterrichtet. Es ist
von vielen derselben das Material nicht, in einer
solchen Vollständigkeit in den europäischen Museen,
als man gerade fflr diese Frage wünschen müsste.
Hr. Ecker hat angeführt und ich erkenne es an.
dass nach den bisher vorliegenden Berichten die
Australier nichts Derartiges gemacht hätten. Allein
die Australier haben trotzdem Verwandtes gemacht.
Ich bin oben mit einer Publikation über die
Australier beschäftigt und ich werde einige Ab-
bildungen geben von gravirten Gegenständen, aller-
dings in Holz, denn die Australier arbeiten über-
wiegend in Holz; ihre Zeichnungen zeigen, dass
auch dieses alleroiedrigstc Volk gewisse künstle-
rische Anwandlungen hat. Es gibt einzelne Zeich-
nungen in Australien , über die man insofern
debattiren kann , als nicht feststellt , ob sie
gerade von Australiern herstammen. Bekanntlich
haben einzelne Reisende Höhlenzeichnungen in
Westaustralien gefunden, die sogar mit Farbe aus-
geschmiert waren. Diese Höhlenzeichnungen werden
von Einzelnen malayischen Einwanderern, von denen
man aunimmt, dass sie eininul die Westküste
Australiens erreicht haben, zugeschrieben; indessen
das ist auch nur eine Interpretation, und es ist
noch zu untersuchen, ob sie nicht vielleicht als
Originalzeichnungen zu betrachten sind. Ich will
jedoch darauf keinen Werth legen. Ich habe aber
neulich von einer ganz zuverlässigen Seile, durch
Ilm. Baron Müller ein Wurfbrett aus Melbourne
bekommen, welches zuverlässig die Artistik der
Australier zeigt.
Wir haben ferner in der letzten Zeit reich-
lichere Zufuhren von Objecten aus Melanesien be-
kommen. Namentlich die letzte Expedition unserer
deutschen Marine hat eine ungewöhnliche Masse
von derartigen Objecten gebracht. Auch durch
andere Erwerbungen, namentlich ans Neucaledonien,
von den Neuen Hebriden, Neubritannien, den
Fidschi-Inseln ist eine viel grössere Masse von
gravirten und geschnitzten Dingen zugänglich ge-
worden, als bisher bekannt war. Wer diese Sachen
studirt. der wird sich überzeugen, dass gerade
in diesen Regionen der scheinbar niedrigsten
Kultur eine viel grössere Zahl solcher Objecte zu
finden ist, als man erwarten konnte und dass da-
durch manche Vermittelungen gegeben werden,
die bis dahin fehlten. Ich kann daher, wenn ich
die nns vorliegenden Objecte betrachte, nur sagen,
es scheint mir, dass eine gewisse Reihe derselben
nach dem , was ich inzwischen erfahren habe,
als unzweifelhaft echt zugestanden werden muss.
Ich bin dagegen zweifelhaft, ob die Gesammtheit
aller dieser Funde in gleichem Range steht, und
ich würde nicht verwundert sein, wenn sich viel-
leicht das eine oder andere Stück noch als ein
solches erwiese, welches nicht hinreichend bezeugt
wäre oder welches aus anderen Gründen zurück-
gewiesen werden müsste. Indessen ich meiner-
seits würde kein Bedenken tragen, eine gewisse
Zahl dieser Objecte anznerkennen. Manche der-
selben erachte ich ihrem Range nach gewissen
Kunstlcistungen niedcrstchender Kulturrassen pa-
rallel. Auch will ich ausdrücklich hinzufügen,
ich halte cs durchaus nicht für entschieden dem
Gange menschlicher Entwicklung widerstrebend,
dass in einzelnen Richtungen sich unter beson-
deren Verhältnissen eine vollkommenere Kultur ge-
staltet, als man nach dem Gesammtstande der
Stammesentwicklung erwarten sollte. leb habe bei
einer anderen Gelegenheit gerade die Papuas von
Neuguinea wegen ihrer ausgezeichneten Sculptur-
nrbeiten gerühmt: namentlich die Schiffsschnäbel
der Papnas sind mit einer ganz ungewöhnlichen
Kunst und mit erstaulichem Fleisse ausgearbeitet.
Wenn man etwas Derartiges sicht und daneben
die Hilflosigkeit der Leute in anderer Richtung
ins Auge fasst , so erscheint das ungemein
auffallend. Wenn man aber das noch näher
liegende Beispiel nimmt , welches uns vielfach
in unseren Gebirgsdistricten eutgegentritt, nament-
lich früher, wo die Schule noch weniger ein-
wirkte, wenn man sieht, wie der gewöhnliche Bauer
mit dem allcrgcwöhnlic listen Taschenmesser im
Stande ist, sofort und ohne alle Yorzeichnung mit
einer fast instinctiven Sicherheit und Feinheit loszu-
sebneiden und vollkommene thierische oder mensch-
liche Nachbildungen licrzustcllen, so ist das nicht
minder schwer zu begreifen. Jedenfalls lernen wir
daraus , dass es keineswegs jener Regelmässigkeit
der artistischen Erziehung und Ausbildung bedarf,
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110
welche wir für gewöhnlich voranssetzeu , wo wir
rlerartige Dinge finden.
Es scheint mir ausserdem, dass manche der
Zweifel, welche über diese Gegenstände erhoben
worden sind, sieh wesentlich daraus erklären, dass
die Debatte überwiegend auf Grund von Zeich-
nungen sieh bewegt. Eine Zeichnung aber , so
gut sie auch ist . so sorgfältig der Zeichner ge-
arbeitet hat, bringt doch immer zahlreiche in-
dividuelle Abweichungen, die der Zeichner macht ;
man ist im Stande , auch durch eine gute Zeich-
nung das Ding so zu verändern, dass, obwohl es
im Ganzen zutreffend ist , cs doch im Einzelnen
einen anderen Eindruck macht. Der Zeichner
macht es wie der Porträtmaler , der mit wenigen
Strichen im Stande ist, ein Gesicht gänzlich zu
verändern. So ist gerade für die Bcurtheilung
der Thayinger Funde meiner Meinung nach die
erste Abbildung, welche Hr. Heim geliefert hat,
die bekannte Abbildung des weidenden Renthiera
(Fig. 4), deletär gewesen. Hr. Heim sagt, das
Stück sei auf der Rückseite auch gravirt und diese
Gravirung gehöre zu der Zeichnung. In der Tliat,
wenn ich «las Stück nmdrehe und gewisseren aasen
aufrolle, so bekomme ich eine Landschaft,
Es ist nicht mehr bloss ein Renthier, sondern unten
ist ein tiefer Einschnitt mit allerlei schrägen Ein-
rillungen daneben. Da ist, sagt Herr Heim,
wahrscheinlich ein See dargestellt und eine Weide.
Wir hätten also nicht bloss ein Renthier, sondern
eine Landschaft. Ich behaupte aber, das ist
absolut willkürlich. Wir haben gar keinen Grund,
unzunchmeu, dass der Künstler eine Zeichnung hat
darstellen wollen, welche 11m die Ecke herum geht
und auf der Rückseite die Fortsetzung von dem
ergibt , was wir auf der Vorderseite sehen. Ich
halte den Längseinschnitt nicht für einen See und
die anderen Striche nicht für Gras, sondern für
Kritzel. die vielleicht ursprünglich nicht einmal vor-
handen waren.
Dann muss ich auch sagen, wenn wir das
Original renthier mit der Zeichnung vergleichen,
dass in dieser Zeichnung eine Menge von Unvoll-
kommenheiten keineswegs in «1er Schärfe hervor-
tiitt. wie sie in Wirklichkeit sind. Unwillkürlich
verschönert um! ergänzt der Zeichner, und mit dem
besten Willen bringt er beirrende Abweichungen
hervor. Die Stellung der bewegten Fflsse z. B.
ist im Original eine wesentlich andere als in der
Zeichnung. Ich meine also, meine Herren, fliese
Zeichnungen und dasselbe gilt von den Zeich-
nungen, welche die Züricher Gesellschaft pahlicirt
und nach welchen wie« le rum llr. Lee (Excavntion*
at the Kesslerloch. Lond. 1870) seine"’ Abbildungen
gemacht hat — geben wesentliche Differenzen.
Deshalb habe ich auch, wie schon gesagt, Hrn.
Le in er gebeten, Photographien anfertigen zu lassen.
Ich bin überzeugt, wenn die Photographien hinaus-
gegeben werden, so werden auch sic vielleicht
nach einer oder der anderen Richtung Zweifel
erregen: aber sie werden wenigstens das darthnn.
dass manche Vollkommenheiten der Zeichnung, die
bisher angenommen worden sind, in der Thai gar
nicht existiren, dass im Gegentheil die Rohheit
der Ausführung in vielen Stöcken rerht auf-
fallend ist.
ludessen muss ich andererseits anerkennen,
dass namentlich in der Wiedergabe der Proportion
eine ganz ungewöhnliche Höhe der technischen
Ausbildung hervortritt. Wenn man /.. B. die Pferde
(Fig. 1. 20) ansieht, die wir hier dargestellt rinden,
so zeigt sich eine viel vollkommenere Projmrtion der
einzelnen Theile, als auf den archaischen griechischen
Gefässen, die neuerlich in grösserer Zahl zu Tage
gekommen sind. Betrachtet man die Abbildungen,
welche llr. Hirse hfeld, der längere Zeit hin-
durch die Ausgrabungen in Athen verfolgt hat,
von den ältesten, auf thönernen Vasen ausgeführteu
Malereien geliefert bat. und die Pferde, die darauf
dargestellt sind, und vergleicht man sie mit den
Pferden, welche hier auf den Uenthierknochen ein-
geritzt sind , so fällt, der Vergleich entschieden
zu Gunsten der Thayinger Pferde aus. Das ist
merkwürdig geling, aber trotzdem nicht ent-
scheidend. —
Hr. Fraaa: Es hat auf mich einen eigenen
Eindruck gemacht , als oh der Wechsel des Lo-
kals gewissermassen bedeutsam würde für unsere
jetzige Besprechung: den Theatersaal haben wir
verlassen und befinden uns jetzt in dem alten
Gerirhtssaalc der Stadt Constanz. Ist es doch
wahrlich eine Art Gerichtsverhandlung, die hier
gehalten wird, nur mit dem Unterschiede, dass
wir allerdings keinen Bürgermeister brauchen and
keinen Vorsitzenden, der ein entscheidendes Ur-
theil spricht; das entscheidende Urtheil wird ein
Jeder sieh seihst bilden, der nach Wahrheit
sucht, und Wahrheit suchen wir ja alle, und un-
parteiisch die Thatsachen zu erwägen . ist die
Aufgabe, die wir uns hier gestellt haben and die
wir uns heute Nachmittag an Ort und Stelle in
der Höhle stellen werden, denn spruchreif sollte
die Frage nach der Echtheit heute werden. Das
kann nicht wohl vertagt werden, denn es sind keine
Dinge, die der inneren Entwicklung überlassen
werden dürfen, wie sich Hr. Ecker ausgedrückt
hat. Wir haben eine bestimmte Thatsache vor uns
und stellen einfach die Frage: wurden die Kunst*
gegenstände im Rosgarten im alten Höhlengrnnd hei
Thayingen gefunden oder nicht? Ein Drittes gibt
es nicht; eine innere Entwicklung über die Unter-
suchung der Echtheit oder Unechtheit einer be-
stimmten Thatsache verstehe ich nicht, llr. Ecker
hat sich zwar als vollständig objectiv über den
Parteien stehend augeknndigt, er hat auch ge-
glaubt, dass Keiner von uus etwas merken werde,
auf welche Seite er sich neige; ich frage Sie
aber, ob es Ihnen nicht, wie mir, gegangen ist,
dass ich ihn nicht dafür ansah. als ob er sehr
objectiv filier den Parteien stände, sondern dass
er, wie er auch später in seiner Rede offen gc-
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111
«sagt hat, als Anwalt seines Freundes Linden-
schmit aufgetreten ist. Ein Freund von Linden-
schmit bin ieh auch und verehre ihn seit
mehr als 20 Jahren ; es würde inir am wenigsten
einfallen, gegen diesen Altmeister irgend etwas zu
sagen und auf seinem Namen auch nur irgend einen
Schein von Flecken sitzen zu lassen, dagegen
möchte ich. dass die Wahrheit unparteiisch be-
handelt wird. Darum möchte ich nur mit kurzen
Worten auf die verschiedenen Funkte antworten,
welche Hr. Ecker stipulirt hat. Das erste
Moment , das er nennt , ist das artistische.
Er führte einen Zeugen au. welcher sagte, auf
frischen Knochen und Hirschhörnern mit Feuer-
stein zu arbeiten sei unmöglich. Ich bitte, diesen
Knochen in die Hand zu nehmen; er ist noch
frisch, denn wir haben gestern bei dem Diner das
Fleisch von diesem Knochen verspeist; der Künstler,
der einen Feuersteinsplitter in die Hand ge-
nommen und dieses äsende Renthicr auf demselben
eingezeichnet hat , ist der anwesende Hr. Graf
Wurmbrand; er hat es, wie Sie sich überzeugen
mögen , tauschend nachgemacht und durch eine
einfache Thatsache den Beweis für die „Unmöglich-
keit der Arbeit“ entkräftet. Das ist eben der Jammer
bei unserer Gelehrsamkeit, dass wir oft sagen,
eine Sache sei nicht möglich und gleich darauf
wird sie doch zur Wirklichkeit. Mir fallen da immer
die Kanoniere vom Spichererberg ein, als der
Kaiser sie nach der Schlacht besuchte: „aber ihr
Jnngens, das war ja nicht möglich, dass ihr mit
den Kanonen hinaufkamt“ ; „Majestät, möglich war
es nicht, aber hinaufgekommen sind wir doch“.
So sage ich auch : möglich ist es nicht, dass eine
so frühe Kunstkultur herrscht, aber nun finden
wir sie doch. Sicherlich wird jeder Freund der
Naturwissenschaften mit mir einverstanden sein,
wenn ich das gerade als den grossen Vorzug
unserer Wissenschaft bezeichne, «lass wir nur mit
Thatsachen zu thun haben; alle Beweise a priori
gelten einfach nichts, sobald einmal die Thatsache
gefunden ist. Einer ganzen Menge von Beweisen
stellt sieh ein einziges Factum auf einmal entgegen
und schlügt sie für alle Ewigkeit mausetodt, denn
was das Auge sieht, glaubt das Herz. So ging es
schon oft in der Wissenschaft und ich muss sagen,
dass mit dem artistischen Einwande in meinen
Augen sehr wenig gesagt ist.
Das zweite Moment ist das geologische und
das trifft mich besonders. Das geologische Moment
im Kesslerloch von Thayingen ist, dass unter einer,
ich weiss nicht, wie viel Centimeter dicken Kruste
von Kalktuff und Kalksinter eine Bank von Lehm
liegt und darin sind verschiedene Knochensplitter
und Knochenpfeilspitzen. Wenn Hr. Ecker seinen
Löss vergleicht und sagt, es sei schon im Löss
difficii, man könnte die Sachen, die oben oder
unten liegen, nntereinanderhringen, so sei es noch
viel schwieriger in einer Höhle, wo Jahrtausende
hindurch die Menschen herunitraten und mit ihren
Absätzen an den Stiefeln oder buarfuss die in
der Höhle liegenden Gegenstände in den Ilöhlen-
lelim hineintraten. Das ist an sich ganz richtig; wo
aber eine Bank von Kalktuff die eigeutliche Kultur-
schichte zudeckt, dürfen wir ganz sicher sein, dass
unter den Kalktuff Niemand etwas hinunter-
praktieirt. Man kann in den Löss etwas hiuein-
schioben; der Beispiele sind genug da von
Täuschungen , die gemacht wurden . indem in
den Lössboden verschiedene Dinge eingeschoben
worden sind, die nachher wieder uls alt ausge-
graben wurden. Aber den möchte ich sehen, der
unter eine Kalktuffbank etwas unterschiebt , das
man , ohne den Schmuggel zu merken , beim
Ausbrechen der Bank wieder herauszöge. Von
geologischem Standpunkte aus sind Täuschungen und
Fälschungen geradezu unmöglich, es müsste denn ge-
radezu mit raffinirter Bosheit zu Werke gegangen
worden sein. Thatsache ist nun aber, dass eine
Reihe ehrenwert her Zeugen, die jeder Jurist als
unverdächtige Zeugen annehmen würde, dabei
war, wie unter dieser Kalktuffdecke heraus aus
dem schwarzen schmierigen Lehm die Waffen und
Kunstgegenstände herausgezogen worden sind. Ich
glaube, Hr. Merk hat im Januar 1874 die Höhle
überhaupt zum erstenmal aufgemacht; im Februar
bin ich, gelegentlich eines Besuchs in t'onstanx,
mit Hrn. Lein er und Bauer in die Höhle ge-
fahren. Damals lag in der Wohnung des Hrn.
Merk der Tisch voll von merkwürdigen Fund-
stücken (die Hauptsache ist erst später herausge-
kommen). Doch habe ich mit eigener Hand unter
einer unverritzten Kalktuffdecke bearbeitete Gegen-
stände, worunter einer mit gekritzten Zeichnungen
— was es war, weiss ich nicht mehr, ist liier auch
gleichgiltig — herausgezogen, mit meinem eigenen
Daumen den Schmutz abgewischt und in der Holde
schon gesagt : „das ist auch bekritzelt“. Mehr
kann ich nicht sagen, als ich bin ein Zeuge dafür,
und gewiss ein unparteiischer, denn ich habe
leider Gottes kein einziges Stück mit Zeichnung
in meine Hände bekommen. Die Stadt Constanx
ist jetzt im Besitz der Mehrzahl derselben.
Ick komme nun auf das zoologische Moment,
das in meinen Augen ungemein wichtig ist. Unter
den gefundenen , natürlich jetzt auch als falsch
proklamirten Gegenständen befindet sich die Sculp-
tur eines Schädels von dem merkwürdigen Moschus-
ochsen, welcher in früherer Zeit in unserer Gegend
lebte , jetzt aber nach Spitzbergen und Grönland
zurückgedrängt ist. Ich möchte mir einen gelinden
Zweifel erlauben, oh im Februar vor zwei Jahren,
wo die Fälschungen gemacht sein sollen, in ganz
Süddeutschland eiu Künstler gewesen wäre, der.
wenn man bei ihm die Sculptur eines Moschus-
ochsensch&dels bestellt und ihm weiss Gott wie viel
dafür versprochen hätte, im Stande gewesen wäre,
einen solchen Srhädel zu schnitzen. Sehen Sie
ihn an im Museum und urtlieilen Sie nach dem
Anblicke dieses Juwels von Sculptur, daran man
den Ovibos im Augenblicke erkennt. Ich frage
Jeden, der den Schädel eines Ovibos kennt,
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112
ob man aus dem Spamer’scheii Kinderbuch* oder
aus irgend einem anderen wissenschaftlichen Bild-
werke im Stande wäre, einen solchen Schädel aus
Bein zu schnitzen , denn er ist nicht bloss in ein
Horn eingekritzeit, sondern die edelste, reinste
Sculptur, der man ansieht, dass das Bein zur Zeit
der Arbeit frisch war. Als das Geweihstück in
den Höhleulehm hineinkam , war dieser Moschus-
ochsenschädol bereits sculpirt, und ich glaube nicht,
dass dagegen irgend ein Zweifel aufkommen kann.
Ich erwäge sicherlich alle die Vorsichtsmassregeln,
die llr. Ecker uns anempfohlen hat , aufs ernst-
lichste, aber ich komme doch darüber nicht hinaus,
dass wir angesichts der bezeugten Thatsachen den
Gedanken an eine Fälschung nicht aufkommen
lassen dürfen. Ein Drittes ist nicht mehr gegeben,
entweder ist das alles falsch und liegt dann ein
raffinirter, gerichtlich strafbarer Betrug vor, oder
es ist echt. Ich neige mich, eben weil uns
empfohlen worden ist vorsichtig zu sein, auf die
andere Seite, zu der llr. Ecker nicht gehört.
Was ich denen, die an die Echtheit der Stücke
nicht glauben, empfehlen möchte und was ich gethan
hätte, ehe ich öffentlich als Gegner aufgetreten
wäre, ist sehr einfach: ich hätte mich an Ort und
Stelle mit eigenen Augen zu überzeugen gesucht,
wie weit Zweifel begründet wären oder nicht. Die
Behaupter der Fälschung dagegen haben sich die
Mühe nicht genommen, den kurzen Weg nach dem
Kesslerloch zu machen und seihst zu prüfen, wie
es aussieht; sie hätten sich, ehe sie mit doctri-
nftren Gründen die Unmöglichkeit einer kunstvollen
Bearbeitung des Renge weihs aussprachen, mit eigenen
Augen überzeugen sollen. So aber haben sie über
Dinge gesprochen, die sie gar nicht gesehen haben.
Hier, wie in der ganzen Naturwissenschaft, handelt
es sich nur um Sehen; hier muss durch die Augen
die Ueberzeugung wach werden.
Das sind die Bedenken, die sich mir hei der
Ausführung des Hm. Ecker unwillkürlich auf-
drängten; was mir auf dem Herzen lag, konnte
ich nicht verschweigen.
Hr. Ford: Ich bin gezwungen, baldigst mit
der Eisenbahn fortzureisen . möchte daher noch
über die so heftig angegriffenen Zeichnungen an
den Knochen der Reuthierzeit einiges kurz mit-
theilen , und glaube dies um so mehr zu können,
als ich als Zeuge einer solchen Entdeckung vor
Ihnen stehe.
Es war in der Schweiz, in Veirier hei Genf,
wo von Hrn. T h i o 1 y ein sogenanntes Befehlstäbchen
gefunden wurde , auf welchem er die Zeichnung
irgend eines Baumästchens entdeckt hatte. Diese
Zeichnung war einige Wochen in seinen Händen,
während welcher er sie mehreren Naturforschern
zeigte, welche diese Zeichnung beobachtet und be-
wundert hatten. Ich komme nach Genf, gehe in
die Sammlung und finde diesen Knochen und sehe
dieses Aestchen; dann drehe ich den Knochen un»
und sehe , dass er noch theilweise von KalktutT
überzogen ist, und glaubte auch, unter diesem Kaik-
tutf noch etwas sehen zu können. Ich bat Hrn.
Thioly um die Erlaubnis*, mir diesen Knochen auf
einen Augenblick überlassen zu wollen, nahm das
Federmesser und liess diesen Ueherzug von Kalk-
tuff springen; allmählich wurden diese Rinnen, die
ich gesehen hatte, zu einer wahrhaftigen Zeichnung
eines Thieres, einer Art Ziege oder Steinbock, was
sehr deutlich zu erkennen war. Ich kann nach
inneren Gründen beweisen, dass es nicht die Ab-
sicht des Hrn. Thioly war, mich das entdecken
zu lassen; er hätte dazu wahrscheinlich andere
Leute gewählt oder er hätte gewiss von mir ein
Zeugniss verlangt. Mit mir hat er davon nicht
mehr gesprochen , ich bin mit ihm seither nicht
mehr im Verkehr gewesen und er hat von mir
niemals ein Zeugniss verlangt. Ich glaube aber
hieniit die Echtheit einer solchen Zeichnung hier
öffentlich bescheinigen zu müssen.
Hr. Mcasikomer: Ich bin am 5. Januar 1874
dabei gewesen , als der Rcntliierknochen, der ge-
zeichnet ist, aus der Umgebung des Lehms gezogen
wurde. Ich kann also garantiren für die Echtheit
dieses Stückes. Ich bin auch vollkommen über-
zeugt , dass die Funde, welche Hr. Merk publi-
cirt hat, echt sind. Es wäre ferner ein unverzeih-
liches Unrecht , wenn man die Funde , welche in
der französischen Schweiz gemacht worden , mit
denjenigen, die gefälscht w orden sind , vergleichen
möchte.
Hr. Graf Warmbrand: Mein sehr verehrter
Freund Fra a s hat meiue Zeichnung schon vorgezeigt.
Ich möchte nur sagen, wie sie zu Stande gekommen
ist , weil ich nicht zweifle , dass gerade das Zu-
standekommen dieser Zeichnung ein gewisses Licht
auf die Entstehungsweise der anderen wirft. Ich
habe dazu 2 Knochen gewählt , und zwar einen
ganz recenten , der noch nicht gekocht oder ge-
braten worden ist, und einen solchen, der bereits
ausgekocht war. Auf diesen beiden Knochen habe
ich ohne weitere Hilfsmittel mit Feuerstein aus
Th&yingen in der Zeit von 3/« Stunden diese Ein-
ritzungen gemacht. Ich muss sagen , dass die
Zeichnung allerdings insofern nicht leicht war,
weil die Knochen eine gewisse Widerstandsfähig-
keit haben und deshalb der Feuerstein ziemlich
scharf aufgedrückt werden musste. Trotzdem zweifle
ich nicht, dass es unseren Voreltern und Renthier-
menschen möglich war, solche Ritzungen auf frischen
Knochen darzustellen. Ich möchte dabei betonen,
dass es vom artistischen Standpunkt aus irrig ist,
zu glauben, dass, je schwieriger die Zeichnung in
ein Material zu bringen ist, desto unbeholfener
müsse die Zeichnung werden; im Gegentheile , je
leichter die Zeichnung in das Material geschieht,
desto leichtsinniger und oberflächlicher wird ge-
zeichnet, und je schwieriger das Kingraben ist,
desto genauer und vorsichtiger wird dabei zu ver-
fahren sein. Es zeigt sich dies ganz naturgeinäss
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113
bei der Arbeit selbst ; bei einer solchen mühsamen
Ritzung überlegt man sich jeden Strich und jede
Richtung desselben ganz genau. Diese beiden
Knochen können späterhin mit den Originalen von
Th ay tagen durch die Lupe verglichen werden.
Nach einer solchen Vergleichung wird man positiv
sagen können, ob diese Thayingcr Zeichnungen in
frische Knochen oder in fossile Knochen eingeritzt
wurden. Sind sie im recenten Knochen geschehen,
so muss man die mühsam und unsicher eingetieften
Ritzer neben einander sehen; sind sie im alten
Knochen geschehen . welche Arbeit natürlich un-
gleich leichter ist. so muss man das Ausspringen
der spröden kuochigen Masse deutlich seheu
können, wenn überhaupt Fenerstcin zur Anwendung
kam. Ich habe das Stück von Thayingen noch
nicht in der llaud gehabt; soviel ich aber aus
der Photographie und durch das Glas sehen konnte,
zweifle ich kauin daran , dass die Ritzungen auf
recenten Knochen geschehen sind.
Hr. Vlrchow: Wir werden jetzt die Discus-
sion schliesscn und für morgen die Fortsetzung in
Aussicht nehmen. — Hr. Ecker hat das Wort zu
einer persönlichen Bemerkung.
Hr. Ecker: Hr. Fr aas hat mir den Vorwurf
der Parteilichkeit gemacht. Ich weiss nicht , oh
ich in Ihren Augen denselben verdient habe. Ich
kann nur soviel versichern, dass ich Hrn. Lin-
de n s c li m i t , mit dem ich über diese Sache vielfach
correspondirt habe, gesagt habe, wie er mir zuge-
stehen wird, dass ich nach Constanz gehen werde,
aber nicht im Stande sei , seine Ansicht zu ver-
treten und zu vertheidigen. Ich gestehe offen,
ich bin wirklich nicht im Stande, mit Entschieden-
heit das Eine oder das Andere zu behaupten, und
wenn ich gesagt habe, ich werde möglichst objectiv
verfahren , so entspricht dies in der That völlig
meiner Ueberzeugung. Denn ich wäre nicht im
Stande , mit Bestimmtheit zu erklären , ich ge-
höre dieser oder jener Partei an. Den Vorwurf,
dass ich mich für Lindenschinit geopfert habe,
muss ich zurückweisen. Ich habe für Linde li-
sch mit das Wort nur ergriffen, um ihn gegen die
Schmähungen , die ihm die Herren von Zürich an
den Kopf geworfen haben, zu vertheidigen. Das
war es.
Zweitens hat Hr. Fraas gesagt, ich hätte be-
hauptet, es sei unmöglich, auf frische Knochen zu
graviren. Das habe ich gar nicht gesagt, sondern
ein Zeuge, Hr. M o r t i 1 1 e t , hat das gesagt. Dieser,
ein entschiedener Anhänger der Echtheit der Funde,
ist daher durchaus nicht auf meine Rechnung zu
schreiben, sondern gehört auf Rechnung der „Echt-
heitspartei“. Von frischen Knochen habe ich
übrigens kein Wort gesagt.
Drittens: Hr. Fraas spricht immer von That-
sachen : es sei Thatsache, die Thatsache der Echt-
heit bestehe etc. Ich muss wiederholen, die That-
saclie beweist Ihnen nur , es ist an diesem Tage,
an dieser Stelle dieses Stück gefunden worden;
allein wir wissen ja jetzt , dass wirklich einzelne
Stücke gefälscht sind , ganz sicher die zwei , die
nach England gewandert sind , und für mehrere
Stücke , die in Schaffhausen oder Zürich sich be-
finden, wird Achnliehes behauptet.
Ein weiterer Vorwurf ist der, dass Hr. Lin-
de nscli mit hätte sofort hinreisen sollen. Ich
muss bemerken , das* die Sachen ziemlich spät
erst bekannt worden sind. (Rufe: Im Februar und
März stand es schon in allen Zeitungen.)
Berichtigung (auf speciellen Wunsch des Ilrn. Ecker) zu S. 67 Z. 81. Hier muss eingeschaltet
worden: Der I. Vorsitzende theiltc folgendes an Hrn. Ecker gerichtete Telegramm mit, welches dieser,
da er schnell abzureison geuöthigt war, nicht mehr seihst übergeben konnte :
Dritte Sitzung.
Inhalt: Virchow: Mittheilungen über die Pfahlbauten bei Niederwyl. — Fortsetzung der Discassion über
prähistorische Kunst: Virchow, Scliaatfhausen, Mohlis, Virchow, Joos, GrafWurm-
brand. Merk, Kollmanu und Mork, Leuinundszeugniss des letzteren, Orth. Schluss der Dis*
cus&ioii über prähistorische Kunst. — Fischer, Nephrit. — Orth über Olacialerscheinungcn bei
Berlin. — Ueber Schalensteine: I)esor, Virchow, Mehlis, Schaaf Ihausen, Deaor, Voss. —
Virchow: Geschäftliche Mittheilungen zur prähistorischen Kunst, Krause’* Torfschädel und
Abbildungen des Hrn. Voss. — Mikrocephalie : Kollmaun, Krause, Virchow, SchaaffhauBen.
Der Vorsitzende Hr. Virchow macht Mit-
theilungen über die für den nächsten Tag verab-
redete Excursion nachdem Pfahlbau von Nieder*
Cvrrt xji.-BUtt Nru. 10.
wyl (bei Frauenfelden im Thurgau), welchen er vor
einigen Tagen besucht hat:
Der Pfahlbau von Niederwyl liegt inmitten
8
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114
eines kleinen, seit einiger Zeit abgelassenen See*
bcckens ganz im Trockenen. Nur eine dünne Moor-
schiebt bedeckt die oberflächlichsten Holzlagen. Es
ist jedoch nicht ein Pfahlbau der gewöhnlichen Art,
wo die Hauser auf senkrechten Pfählen errichtet
worden, sondern ein sogen. Packwerk, eine Con-
struction, wie sie in ähnlicher Weise nur an wenigen
Punkten der Schweiz, dagegen häutiger in den irischen
und norddeutschen Pfahlbauten gefunden wird. Man
hat eine Art von Floss von Baumstämmen herge-
stellt , dieses beschwert und niedergesenkt durch
Auflegen neuer Balken, und so allmählich eine Art
von Fundament gewonnen, welches gestattet hat,
wie auf dem Festen zu bauen. Oh die erste Anlage
so zu denken ist, dass sie zu einer gewissen Zeit
wirklich als Floss behaut wurde, schwimmend, wie
Hr.Messikoni mer annimmt, will ich dahingestellt
sein lassen. Wir haben in Norddeutschland ähnliche
Einrichtungen, die ganz deutlich von vornherein
mit dem Plaue der Fundumentirung angelegt sind.
Zu unterst liegen Steine, grosse erratische Blöcke
und auf diese sind die Balken gelegt. Indes* ist
das eine untergeordnete Frage. Die Hauptsache
ist, dass Sie compacte Aufbauungen aus Balken
finden werden. Die Fundgegenstände liegen daher
meistens nicht unter den Pfählen, sondern in den
Zwischenräumen zwischen den einzelnen Aufbau-
ungen. Es sind Gegenstände aus der Zeit des
polirten Steines: Steinbeile, Thongeräth (Töpfe,
Gewichtsteine u. s. w.), Geweihe, Thierknochen u. s. f.
Die Theilnehmer an der Fahrt können mit voller
Sicherheit darauf rechnen, dass sie nicht bloss die
Methode des Baues genau sehen werden, sondern
dass auch die Gegenstände, welche von den alten
Bewohnern gebraucht wurden, in einer gewissen
Fülle werden zu Tage gefördert werden.
Hr. Mcssikommcr schickt soeben in einem
Telegramme aus Islikon einen Gross und ei w artet
Ihre Ankunft in Niedcrwyl. —
Wir kommen jetzt zu der gestern unterbrochenen
Discussion über die Artistik von Thayingen.
Wir sind ja nun gestern in der Lage gewesen, noch
weitere Studien darüber in Schaffhausen zu machen.
Mit Bedauern habe ich gesehen, dass nicht alle
Herren, welche dort anwesend waren, von sämmt-
lichen einschlagenden Gegenständen Kenntniss ge-
nommen haben. Es ergab sich uemlich, dass es sich
dort nicht bloss, wie wir bisher angenommen hatten,
um die Kunst von Thayingen, sondern auch
noch um die Kunst der Freudenthal er R e n -
thierleute handelt. Hr. Joos hatte im Neben-
zimmer der Stadt bibliothek in Schaffhausen die ihm
persönlich gehörige Sammlung ausgestellt, welche
aus der Freudenthaler Höhle gewonnen worden ist.
Darunter befand sich namentlich ein ausgezeichnetes
Object, eine Art länglichen, am Ende abgerundeten
Falzbeins (Fig. 15), welches durch die Genauigkeit
der Ausführung und durch das Hautrelief, freilich
ohne Thierzeichnung, sich der Mehrzahl der anderen
Arbeiten gegenüber, welche meist nur durch Ein-
rit/ung oder Eingrabung hervorgebracht sind, ans-
zeirbnet. Es trägt 2 der Länge nach verlaufende,
parallele Reihen kleiner, erhaben herausgearbeiteter
Rhomben, und hat ein ungemein zierliches Aussehen.
Ein ganz ähnliches Stück findet sich merk-
würdigerweise im hiesige n M u s e u tu , aber
aus der Höhle von Thayingen (Fig. 12)*).
Wir haben hier also den merkwürdigen Fall, dass
dasselbe Muster in 2, doch nicht ganz nahe an-
einander! iegendon Höhlen derselben Periode sich
wiederholt. Ich betone das deshalb , weil man,
wenn es sich um Fälschungen handelte, glauben
müsste . derselbe Fälscher hatte eine Industrie
daraus gemacht, nach allen Richtungen hin, auch
wo er keinen Vortheil davon hatte, die Objecte zu
fälschen und zu verstreuen. Wir haben aber gerade
für diesen Fall das Zeiigniss des Hrn. Joos, der
Ihnen gestern persönlich bekannt geworden ist und
der bis vor Kurzem Regierungspräsident des f'antons
Schaffliausen war. Er erklärt, dass er mit eigener
Hand dieses Object aus intacten Fundschichteu
herausgenorameu hat und dass er sich für dieCorrect-
heit des Fundes persönlich verbürgt.
Nun gehe ich das Wort Hrn. Schaa ff hausen.
Hr. Kchaaffhansen: Ich werde mich sehr
kurz über diesen Gegenstand fassen, möchte es
aber docli liier eiwähnen, dass, soweit mir bekannt
ist, ich seihst zuerst öffentlich im Jahre 1*07 und
dann 1*0* heim internationalen Cougress zu Bonn
meine Bedenken gegen die gewöhnliche Erklärung
der Funde bearbeiteter Knochen in der Dordogm»
ausgesprochen habe. Vgl. Verhandl. des naturhist.
Vcr. in Bonn 1*07 und Bericht über jenen Con-
gress 186*. Ich habe dieselben wiederholt in
Wiesbaden 1*73 und im Archiv für Anthrop. VIII.
S. 201. Soviel ich weiss, stand ich mit meiner
Ansicht ganz allein; es ist ungefähr dieselbe, die
Hr. Ecker als in einer deutschen Zeitschrift
kürzlich ausgesprochen erwähnt hat. Ich habe
uemlich gesagt, dass einige der Snilpturen aus der
Dnrdognc unmöglich von einem wilden Volke her-
rühren können; man müsse den Einfluss eines
Kulturvolkes auf diese Darstellungen annehmen.
Da wir eine sehr frühe Kultur, die wahrscheinlich
über 2tKH> Jahre vor unsere Zeitrechnung zurüek-
reicht, an den Gestaden des mittelländischen Meeren
durch die Phönizier kennen, so würden diese
Funde in Südfrankreich vielleicht nicht so alt
sein , wie man sie schätzt. Auch heute wird man
den Einfluss europäischer Kunstfertigkeit auf die
Werkzeuge der Wilden unter Umständen annehmen
dürfen. Ich glaube, man muss hei solchen Kunst-
arbeiten die Stufe der Kunstbildimg sehr wohl
unterscheiden. Ein wildes Volk kann in Linien-
Ornamentcn sehr Zierliches leisten, während ihm
die Darstellung organischer Formen nicht gelingt.
Diese ist entweder kindisch oder phantastisch und
•) In den Abbildungen de* Hrn. Merk Fig. 2*J
(Translation nf Mr. Lee PI. VH).
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115
grotesk. Mir ist der Ansdruck der Grazie, wenn
ich so sagen darf, das, was den höchsten Stand
der Knnstbildung bei Darstellung thierischer oder
menschlicher Gestalten bezeichnet ; die blosse
Nachbildung natürlicher Formen kann man einem
rohen Volke vielleicht Zutrauen, aber die Anmuth
der Gestalten, welche der ideale Sinn des Künstlers
hinzugibt, ist eine Leistung, die man einem rohen
Volke nicht wohl zuschreiben kann. Es sind aber
einige Sachen der Dordogne, die eine solche Be-
handlung zeigen, wie namentlich ein Dolchgriff,
der ein Renthier darstellt, welches den Kopf hebt
und in graziöser Weise das Geweih auf den Rücken
legt. Das sieht so aus. wie heute ein Pariser
Künstler ein Elfenbeinschnitzwerk dieser Art
machen würde. Ich meine aber, dass man gewisse
andere Dinge, so die Fische auf den Commando-
stäben und auch manche Thierfiguren sehr wohl
einem halbwilden Volke zuschreiben kann. Wir haben
Zeichnungen von den heutigen Eskimos gesehen,
die doch nicht heranreichen an die Darstellung des
weidenden Rentbieres (Fig. 4), zumal nicht in der
Zeichnung des Kopfes, und noch viel weniger an das
Beste, was ich in dieser Art gesehen habe, an das
Pferd in der Sammlung von Schaffhausen ( Fig. 20),
dessen kleiner Kopf mit den schnaubenden Nüstern,
mit den vorgestreckten Ohrenspitzen mich sofort an
das englische Rennpferd erinnert hat. Der kleine
Kopf bezeichnet das moderne kultivirte Pferd, er
fehlt dem fossilen wie dem wilden Pferde. Dass
manche dieser Dinge echt sind, dafür spricht der
Umstand, dass Dupont. in den belgischen Höhlen
einige ähnliche mit Fischen verzierte Stücke fand.
In Kopenhagen ist es zur Sprache gekommen, dass
schon 1853 in Frankreich dergleichen einfach ver-
zierte Stücke gefunden waren, in einer Zeit, wo
man diese Dinge noch gar nicht kannte und an
Fälschungen, die doch immer Nachahmung ähn-
licher echter Dinge sind, nicht denken konnte.
Meine Meinung, dass einige dieser Stücke aus
Thayingen auf den Einfluss eines eivilisirten Volkes
deuten, halte ich für die einzig mögliche Erklärung,
wenn der Nachweis einer Fälschung sich nicht
führen lässt. Wir haben keinen Grund, an der
Wahrhaftigkeit der Herren, die über diese Funde
uns berichtet haben, zu zweifeln : indess werden
Betrügereien oft so fein gemacht, dass auch der
Vorsichtigste getäuscht werden kann. Auffallend
bleibt, dass die besten Zeichnungen nicht unter
dem Kalksinter, sondern im Geröllc vor der Höhle
gefunden worden sind. Ich glaube deshalb , wir
können Hrn. Fraas darin nicht beipflichten, wenn
er sagt, jetzt muss das Urtheil gesprochen werden,
ln dieser Sache, denke ich, müssen wir vielmehr
abwarten , ob weitere Funde der Art gemacht werden.
Diese werden nicht die einzigen bleiben, wenn es
wirklich in der alten Zeit ein so künstlerisch nn-
gelegtcs Volk gegeben hat, welches hier die Höhlen
bewohnte. Warten wir, wo und wann sich einmal
etwas Aehnliches findet und seien wir dann so
vorsichtig wie möglich. Ich wiederhole nochmals,
es ist mir nicht denkbar, dass eine so vortreffliche
Kunstleistung, wie sie uns in einzelnen Dingen hier,
auch in dem geschnitzten Kopf des Renthiers (Fig. 2)
und des Ovibos moschatus (Fig. 3) entgegentritt, von
einem rohen Volke gemacht worden wäre, welches die
Töpferei nicht einmal kannte. F.b fehlt jedes Bei-
spiel för diese Annahme. Die Thierzeichnungen,
die man am Cap auf Felswänden findet, sind nicht
schlecht gemacht, ob sie aber sicherlich von Wilden
herrühren in einem Lande, wo stets auch hollän-
dische Colonisten gelebt haben, kann nicht be-
hauptet werden. Ich habe manche Zeichnungen
von Wilden gesammelt, z. B. die, welches Rugendas
mittheilt , von den Sclavenmärkten in Brasilien,
wo die Negersclaven. um sich die Zeit zu ver-
treiben, an den Wänden ihre Kritzeleien machen.
Es sind genau dieselben Bilder, wie unsere Kinder
sie machen , wenn sie eine menschliche Gestalt,
ein Schiff, ein Pferd zeichnen wollen. Auf
dieser Aehnlichkeit beruht die Täuschung des
Abbö Domenech der das verlorene Bilderbuch
eines deutschen Knaben für die Hieroglyphenschrift
eines Indianers hielt. Die Bilder der indianischen
Wilden sind von Schoolkraft und Anderen mit-
gethcilt; die Zeichnungen sind immer steif und
unbeholfen. Ich glaube, die Annahme ist unan-
fechtbar, dass auch die menschliche Hand, wie
jedes andere Glied sich erst zu einer feineren Be-
weglichkeit und der Geist zu einem feinoren Ver-
ständnis?» der Natur entwickeln muss, ehe eine
Darstellung schöner Formen lebender Gestalten
möglich wird. Die Hand eines Wilden kann das
nicht machen. Auch hat überall Entwicklung vom
Rohen und Unvollkommenen zum Besseren statt-
gefunden, wie sie noch bei jedem Individuum notb-
wendig ist, das zeichnen lernt. Hier erscheint
diese Kunst ebenso plötzlich, wie sie verschwindet.
Bei dieser Gelegenheit muss ich noch sagen, dass
ich bedauert habe, im Museum neben den Gegen-
ständen nicht die Lupe gesehen zu haben, die
zu einer genauen Prüfung unbedingt notli wendig
ist. Ich selbst habe hei der letzten Weltausstellung
in Paris, wo. als zur Geschichte der menschlichen
Arbeiten gehörig, auch urgeschichtliehe Sachen
sich fanden, sofort meinen Pariser Freunden durch
die Betrachtung mit der Lupe die frischen Ritzen
auf dem Stein gezeigt und mehrere Stcinzeichnungeu
für falsch erklärt, was. soviel ich weiss, nur von
mir mitgetheilt worden ist. So liegt auch in der
Sammlung in Brüssel ein platter Stein mit der
Zeichnung des Ilintertheils einer Kuh . welche mir
sehr verdächtig ist. Seit mehreren Jahren habe
ich auch wiederholt meinen Zweifel an der Echt-
heit der bekannten Lartet’schen Platte ausge-
sprochen und zu begründen gesucht. Dieses be-
rühmte Bild eines Mammuth soll beweisen, dass
nur der Mensch . der das Mammuth lebend ge-
sehen hat. sein Bild mit allen Kigenthümlichkcitcn
der Schädelbildung und der Behaarung zeichnen
konnte. L artet hat mir selbst mit eigener Hand
das Bild gezeigt. Erst, später sind mir die Um-
3*
116
stände genauer bekannt geworden , durch die es
in die Hände L artet ’s kam. Hier ist die Auf-
findung selbst durch sichere Zeugen nicht fest-
gestellt. L artet Hess den Arbeitern sagen, er
werde am andern Tage mit einem englischen Ge-
lehrten, nämlich mitFalconer, kommen. Die
Arbeiter wussten also, dass Jemand zu kommen
hatte, der ihren Funden ein besonderes Interesse
zuwandte; cs lag nahe, dass sie auf eine Uebcr-
raschung, auf einen recht schönen Fund bedacht
waren. Als die beiden Herren in die Höhle cin-
traten, brachte ein Arbeiter schon drei Stürkc
eines Mammuthzahnes , welche aber zusammeu-
passten. Falconer war der erste, der sagte, hier
ist ein Thierbild ! Diese Umstände sind doch einiger-
massen verdächtig. Wenn man das Mammuthbild
betrachtet, so ist der kühne Schwung der Zeichnung
etwas ungemein Auffallendes. Freilich ist der Umriss
an einigen Stellen doppelt nnd dreifach, als hätte der
Künstler mehrmals versucht, die Zeichnung zu ver-
bessern. Das kann aber auch eine absichtliche
Täuschung sein. Man muss nun ferner wissen,
dass unsere Kenntniss von der äussern Beschaffen-
heit des Mammutlis nach dem Fände eines ganzen
Thieres am Ausfluss der Lena von Adams herrührt,
der in einer französischen Zeitschrift jenen Fund
beschrieben hat. Dieser Aufsatz konnte nirgend
besser als in Frankreich bekannt sein. Es ist
darin von den Eigenthümlichkeitcn der Schadel-
bildung, von den langen Haaren, den Stosszälmen
und von allen dem die Rede, was wir im Bilde
wiederfinden. Nun endlich noch, wie stehen die
Mammuthe da, denn es stehen zwei Thicrc neben
einander. Sic sind gezeichnet wie Thiere, die
eingespannt sind und in gleichem Schritte einen
Wagen ziehen. Da fiel mir ein, ob nicht der
Zeichner vielleicht den Revers einer römischen
Münze gesehen hat, wo nicht selten der Triumph-
zug eines Imperators dargestellt ist und der Wagen
von Elephanten gezogen wird, die neben eiuauder in
regelmässigem, ruhigem Schritte vorwärts gehen,
wie auf diesem Bilde. Ich besitze eine solche
Münze von Lucius Verus. Das sind alles Dinge,
die grosse Bedenken erregen, aber doch nicht
mit vollständiger Sicherheit einen Betrug beweisen.
Ich will hier noch anführen, dass eine authentische
photographische Abbildung der Platte selbst nicht
vorhanden ist. Ich selbst habe darum in Paris
gebeten. Die Zeichnung, die überall in den
Büchern verbreitet ist , wurde nicht nach dem
Original photographirt, sondern das auf den
Mammuthzahn eingeritzte Bild wurde erst abge-
zeichnet und diese Zeichnung wurde photographirt.
Man kann vermuthen, dass dadurch sehr viel
Neues in das Bild gebracht worden ist. Das ist
meine Ansicht Ober diese Angelegenheit.
Hr. Mehlis: Wenn gestern von competcntcr
Seite dieser Saal init einem Gerichtssaale mul
die Versammlung mit einer Jury verglichen wurde,
so erlauben Sie, von diesem juridisch-naturwissen-
schaftlichen Standpunkte ans Ihnen die Kategorien
anzugeben . nach denen nach diesem gerecht-
fertigten Standpunkte die Funde zu beurthoilen
sein dürften. Die erste Kategorie betrifft den
Fund selbst, die Objecte. Unter diesen können
wir zwei Arten unterscheiden , die plastisch dar-
gcstellten und diejenigen , welche einfach eine
Zeichnung repräsentiren. Man sollte glauben, die
plastischen Artefakte wären schwieriger darzu-
stellcu . allein dem dürfte gerade das Gegentheil
sein. Wenn wir die Entwicklung der Kunst z. B.
hei den Griechen vorfolgen, so werden wir sehen,
dass die Entwicklung der Plastik der der Malerei
vorangeht, und auch hei den Kindern können wir
beobachten, dass sie viel eher aus Lehm oder
Thon eine plastische Figur darzustellen versuchen,
als eine Zeichnung zu machen. Eine Zeichnung
verlangt einen höheren Grad der Abstraction, und
daraus dürfte sich dieser Umstand erklären lassen.
Die zweite Kategorie, die zu betrachten sein dürfte,
sind die Zeugen. Unter den Zeugen haben wir
Autoritäten wie Fraas und Heim, an deren
Glaubwürdigkeit nicht zu zweifeln ist. Die dritte
Kategorie , die berücksichtigt werden dürfte t ist
der Ort. Wir waren gestern selbst in der Lage,
die Lokalität zu besichtigen und uns von der
Dicke und der Art der Fundschichte zu über-
zeugen und waren selbst im Stande , verschiedene
Kunstobjecte , z. B. einen durchlöcherten Fuchs-
zahn au den Tag zu fördern. Ausserdem dürfte
in Rücksicht kommen die Zeit, in der ein Be-
trag möglicherweise hätte vor sich gehen können.
Nun ist constatirt , dass Hr. Professor Heim ge-
rade die Zeichnung , die wohl den höchsten Grad
der Kunstfertigkeit repräsentirt, das weidende Rcn-
thier (Fig. 4), aus der Fundschichte genommen,
mit nach Hause gebracht, dort von der anklebenden
Patina gereinigt hat und sofort zur Publikation
geschritten ist. Wenn Hr. Heim bis jetzt die
volle Glaubwürdigkeit auf seiner Seite hat, können
wir wohl in diesem Punkte auch keinem Zweifel
an seiner Wahrheitsliebe und Wahrheitstreue Raum
gehen. Hr. Fraas hat uns ausserdem versichert,
dass er mit eigener Hand eine Zeichnung hervor-
geholt hat, die ebenfalls publicirt worden ist.
Der letzte Punkt , der hier iii Rücksicht zu
ziehen wäre, ist die juridische Frage cui bono;
wem hat eigentlich die Veröffentlichung respectivc
die Frage der Fabrikation der Funde Vorthoil ge-
bracht? Niemandem. Bloss diejenigen Funde, die
ein ganzes Jahr später nach England verkauf)
wurden, haben pekuniären Vortheil eingetragen;
die anderen früheren Funde . die uns hier vor-
liegen, haben keinem Arbeiter nur einen Centime
mehr eingetragen, als seinen Lohn. Das , meine
Herren , möchten die juridischen Kategorien sein,
nach denen die Funde von Thayingcn zu be-
urtheilen wären. Was schliesslich die psycho-
logische Seite betrifft, so Ist diese vor dem
Forum gewöhnlich die letzte. Nachdem der
Richter sein Verdict gesprochen hat , kommt die
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Psychologie und snbsumirt den Fall dorthin , wo-
hin er gehört. Die letzte Aufgabe ist die de»
Geistlichen , den erkannten Betrüger womöglich
auf den Weg der Besserung zu führen.
Wenn wir. meine Herren, eine Jury vorstellen,
die ihr Verdiet zwar nicht durch Ja oder Nein an
den Tag legt , aber von der Jeder sein Urtheil in
seinem Herzen mit nach Hause trägt und dort zu
verbreiten suchen wird , daun dürfen uns nicht
solche Rücksichten in den Sinn kommen, die noch
so streitig sind wie das Gebiet der Psychologie
und der Kunstentwicklung , sondern wir müssen
die Frage einfach vom juridisch-naturwissenschaft-
lichen Standpunkt aus nach Ort, Zeit und Zeugen
beantworten. Die Fragestellung lautet: was wurde
gefunden, nicht wie erklärt sich dieser Fund? —
Hr. Yirchow: Hr. Deiner hat die Güte ge-
habt, inzwischen das von mir erwähnte ., Falzbein“
i Fig. 12) aus dem hiesigen Museum hcrbeizuholcn.
Ich erlaube mir, Ihnen dasselbe vorzulegen. Also
das ist das Object, welches genau mit dem aus der
Freudenthalcr Höhle (Fig. 15) übereinstimmt. Ich
kann zugleich , da ich das andere Stück aus der
Freudcnthuler Höhle genau verglichen habe, her-
vorheben, dass, ähnlich wie hier, die zwischen den
beiden Reihen der erhabenen Rhomben liegende
Fläche eine gewisse Anzahl von sehr groben Lüngs-
strichcn zeigt, welche ganz den Eindruck machen,
wie wenn sie durch Schaben mit scharfem Feuer-
stein entstanden wären.
Ich will bei der Gelegenheit noch einen zweiten
Punkt zur Sprache bringen, der sich, seit wir hier
sind, geklärt hat. Sie erinnern sich , «lass ich in
meiner einleitenden Erörterung der Höhlen einen
besonderen Werth darauf legte , die Höhlen nach
dem Auftreten der Töpfe oder nach der Einführung
irdener Geräthc zu unterscheiden. Damals glaubte ich
annchmeu zu müssen, dass cs sieh hier, vielleicht mit
Ausnahme einer Hachen Platte, überhaupt um gar
keine irdenen Gerftthe bündle; denn Hr. Mcssi-
kommer, den ich gefragt hatte, hatte mir ver-
sichert , cs sei ihm nie etwas Derartiges zu Ge-
sicht gekommen , und als ich hier im Rosgarten
die Sammlung «lurchsah, tiaf ich nur die erwähnte
Platte , die mir als eine thönerne verdächtig er-
schien. Hr. Deiner hatte die Meinung, es sei
ein Stein, und ich begnügte mich damit. Nachdem
ich über die Sache gesprochen und «lie Höhle von
Thayingen als eine der toplloscn Zeit ungehörige
proklamirt hatte, hatte llr. Fraas seine Augen
geschärft und brachte Nachmittags dasselbe Stück,
das mich schon frappirt hatte , mit und wies mir
nach , dass es Thon sei. Dieses Stück ist aller-
dings wohl kein Stück von einem Topfe selbst;
weun aber einmal Thon verarbeitet wurde, so lag
es nahe , dass man wohl auch Töpfe machen
konnte.
Gestern, in der Höhle von Thayingen selbst,
haben wir diese Sache weiter verfolgt , um! es
hat sich herausgestellt , dass allerdings wirkliche
Töpferstücke darin existiren. Ich habe hier z. B.
ein deutliches Ramistück , und zwar ein Rund-
stück , welches sich in Bezug auf die Beschaf-
fenheit des Thons den bekannten alten Topf-
formen vollkommen anschlicsst. Es ist ein Ge-
menge von geschwärztem Thon mit Bruchstücken
von zerstampftem (jnarz. Darüber, dass da Töpfe
existirt haben, kann also kein Zweifel sein. Allein
die genauere Untersuchung hat ergeben, dass diese
Töpfe nicht in derselben Schichte mit den Hen-
tbiersachcn Vorkommen, und Hr. Merk, welcher
in der Höhle anwesend war, hat auf besonderes
Befragen auch für die Platte, welche bis jetzt allein
in «1er Rosgarten-Sammlung aufbewahrt war, aiir
gegeben , «lass sie an einer bestimmten Stelle , an
der Unken Seite des Eingangs , soviel ich mich
erinnere , in einer oberen Schichte , oberhalb der
eigentlichen alten Kulturschichte, gefunden worden
sei. Ausserdem seien noch mancherlei andere
Scherben aus Thon gefunden , die mau jedoch
nicht aufgehoben habe , weil sie eben als einer
jüngeren Periode augehörig betrachtet worden sind.
Sie mögen daraus ersehen . wie vorsichtig mau
in der Erörterung «licser Verhältnisse sein muss.
Diese Scherben finden sich immerhin noch in einer
Schichte , die ziemlich schwer aus einander zu
bringen ist und die offenbar schon lange Zeit fest
gelegen hat; indessen scheint es nach dem Zeug-
nisse Aller, die das genau geprüft haben und nach
«lern, was wir seihst gesehen haben, dass sehr
grosse Zeiträume zwischen der Bildung dieser
oberen Schichte und der Bildung «1er unteren ver-
gangen sind, dass wir also iliesc Holde, trotzdem
dass nun wirklich altes Topfgcräthe in ihr ge-
funden worden ist, immer noch als eine ursprüng-
lich topHose bezeichnen müssen. Es scheint mir
das recht wichtig in Bezug auf die Fragen, die uns
hier beschäftigen , namentlich in Bezug auf die
archäologische Stellung, welche der Höhle an sich
gegeben werden muss.
Darf ich die Bitte anjlrn. Joos stellen,
über die Freudenthalcr Funde ein paar Worte zu
sagen?
Hr. Joos . Ich kann nur «las constatiren, dass das
fragliche Stü«'k, welches hier zur Vergleichung vor-
gelegt wurde > Fig. 15). wirklich in der Freudenthalcr
Höhl«? in einer bedeutenden Tiefe gefunden worden
ist. Davon kann selbstverständlich gar keine Rede
sein, dass liier ein Falsifikat vorliegt, weil es mir
nie in den Sinn gekommen wäre, irgend etwas
nachzumachen, da ich nicht das geringste finanzielle
Interesse an dit> Sache knüpfe. Ich habe die
Frendenthaler Höhle mit Hru. Prof. Karsten aus-
gegraben, weil wir durch die interessamen Funde
im Kesslerloch angeregt wurden. Wir sind leider
nicht so glücklich gewesen wie die Herren, welche
«las Kesslerloch ausgebeutet haben . «la unsere
Höhle nach «ler gänzlichen Räumung bis auf den
Letten hin höchstens den 12. Theil desjenigen
enthalten hat, was im Kesslerloch gefunden worden
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118
ist. Ich möchte noch beifügen. dass in Bezug anf
die Ornamentik mu h andere Gegenstände existiren,
die ich den Herren gestern leider nicht in dem
Umfange habe erklären können, wie ich es wollte.
Es war zu spät. Ich bin noch im Besitze einer
Pfeilspitze , die eine Reihe von Längsstrichen
zeigt , welche aber offenbar nicht durch etwaige
Unregelmässigkeiten des schabenden oder feilenden
Instruments hervorgebracht sein können. Ich muss
annchmeu , dass diese Längsstricbc besonders ge-
macht worden sind und höchst wahrscheinlich als
eine Art Verzierung dienen sollten.*)
Ich möchte diesen Augenblick benutzen, Sie auf
einen anderen Punkt aufmerksam zu machen, nem-
lich auf den, dass in unserer Höhle sich noch ein
Instrument gezeigt hat. was ganz dieselbe Form
hat und wahrscheinlich auch demselben Zwecke
diente, wie eines jetzt noch bei Leuten, die mit
Leder arbeiten . gebräuchliche ; es ist das eine
kleine Pfrieme , die eine gekrümmte Spitze hat
und offenbar dazu diente, Löcher durch das Leder
zu machen. F.s ist wohl anzunchmen, dass, wenn
die Funde aus dem Kcsslerloch sehr sorgfältig
registrirt und alle die einzelnen Partikel sortirt
worden wären , auch solche Instrumente sich ge-
funden hätten.
Dann möchte ich noch constatircn, dass auch in
der Frcudenthalcr Höhle, wie im Kesslerloch, eine
ziemliche Anzahl Topfscherben von sehr verschie-
denem Aussehen gefunden wordeu ist. Ich habe mir
von einer competcnten Persönlichkeit sagen lassen,
dass einzelne dieser Topfscherben durchaus dieselbe
Ornamentik zeigen, wie jene in den Pfahlbauten
gefundenen , nemlicb in der gleichen Distanz ab-
stehende viereckige Löcher oder Eindrücke. Das
Wesentliche hiebei ist nicht sowohl die Gegenwart
der Topffsc herben, als die Lage derselben. Wir
haben bei der Ausgrabung unserer Höhle hauptsäch-
lich unser Augenmerk auf die Tiefe der Lage der
l'undgegcnstäiide gerichtet, und wir haben constatirt,
«lass eben diese Tepfscherben sehr oberflächlich
lagen, dass zwischen der sog. Kulturschichte und
dem Orte resp. der Höhe, in welcher die Scherben
gefunden worden sind, ein sehr bedeutender Abstand
war, stellenweise von zwei bis drei Kuss. Es möchte
also auch dieser Umstand dazu beitragen, dass die
Eiutheilung der Höhlen in solche, welche Töpfe
enthalten und in solche, welche keiue enthalten,
nicht festgehaltcn werden darf.
Graf Wurmbrand: Ich möchte mich mit ein
paar Worten über das sehr interessante Stück
aussprechen . welches soeben in unsere Hände ge-
laugt ist und welches wir schon gestern in Scliaff-
liausen zu bewundern Gelegenheit batten. Ich
*) Die Abbildung dieser Pfeilspitze und vieler an-
derer Gegenstände findet sich in den „Mittheilungen
der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, IW. XVIII.
Heft tf. Studien der Urgeschichte des Menschen in
einer Höhle des Scbaffhanser Jura, von H. Karsten“.
knüpfe dabei wieder an die technische Seite der
Frage an, die gestern von mir berührt worden ist.
Wie in so mancher anderen archäologischen Frage,
glaube ich, dass die Technik, die Möglichkeit der
Ausführung besonders hier ein wichtiges Moment
der Untersuchung bildet, erstens um über die
Echtheit oder Unechtheit des Gegenstandes selbst
bestimmter sich aussprechen zu können, zweitens
aber um über die Kultur, welche solche Industrie*
produetc hervorgebracht hat, ein klareres Bild zu
erhalten. Ich habe gestern gefunden, dass eine
Einritzung auf frische Knochen mit Feuersteinen
allerdings möglich ist und dass diejenigen Gegen-
stände . welche ich hier im Museum zu sehen Ge-
legenheit hatte (ohne dass ich sagen will, dass
ich sie genau beobachtet habe), im Allgemeinen
so sind, dass sie mit einem Feuerst einsplitter ohne
weiteres hergestellt werden können. Die Zeich-
nungen auf den in Constanz gesehenen Knochen
sind dabei nicht so vollkommen, um geradezu die
Hand eines Künstlers zu bedingen ; der Beweis
dafür liegt ja eben darin, dass die von mir ver-
suchten Zeichnungen sehr ähnlich sind, obwohl ich
durchaus kein Künstler bin.
Anders verhält es sich nun mit der Pferde-
zeichnung in Scliaffhausen. Diese ist so rein und
scharf eingeritzt, dass ich nicht im Stande wäre, sic
in gleicher Vollendung auf einem frischen Knochen
mit Feuersteinsplittom cinzugraben. Allerdings ist
dieses Bild nicht auf einen Knochen , sondern
auf die Stange eines jugendlichen Renthieres
skizzirt worden. Dies mag einen wesentlichen
Unterschied in Bezug auf die Schwierigkeit der
Arbeit machen, denn das Geweih ist bekanntlich
kurz bevor es den Bast abstreift, so weich, dass
man es selbst mit dem Nagel ritzen kann. Ich
kann deshalb nicht mit Bestimmtheit sagen, diese
Zeichnung ist mit Feuerstein unausführbar, so
lange ich nicht in der Lage gewesen bin, mit
solchen Heiithierstangen Versuche zu machen, wohl
aber kann ich ausser der Schwierigkeit einer so
reinen Arbeit bei diesem Stück auf die schöne
Zeichnung binweisen, welche künstlerisch vollendeter
scheint als die übrigen und vom archäologischen
Standpunkte aus allerdings Bedenken erregen
könnte.
Hr. Merk: Sie werden mir nicht verübeln,
wenn ich in dieser geehrten Versammlung mir das
Wort zu ergreifen erlaube. Ich bin der Entdecker
und Ausbeuter des Kesslcrloclis, und als solcher
bin ich im Stande, Ihnen nähere Aufschlüsse über
einzelne Fundstücke desselben zu geben.
Ueber das Kundstück des Rcnthieres (Fig. 4)
kann ich Ihnen keine weiteren Aufschlüsse geben;
Hr. H e i m von Zürich war so glücklich , der Ent-
decker und Finder dieses Stückes zu sein. Da-
gegen bin ich der Finder einzelner anderer Stücke
und Augenzeuge bei der Ausbeutung sämmtliclier
Fundstücke , die in Constanz und Scliaffhausen
liegen.
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119
Als erstes Fundstück habe ich im Kcsslorlocl»
jenen Ronthierkopf wahrgeiiommen , der auf einem
«lolchartigcn Geweihstüeke gezeichnet ist (Fig. f») und
«ler im Rosgarten hier liegt. Dieses Fundstüek habe
ieli zwar seihst nicht gefunden, ieli weiss auch nicht,
wer von den betreffenden Arbeitern es gefunden
hat, denn der fragliche Knochen wurde, ohne dass
ich die Seulptnr wahrgenommen habe, mit den
ßbrigen in meine Wohnung gebracht und in Gegen-
wart meiner Frau und einer meiner Schülerinnen
gewaschen , und naclulcm sie gewaschen waren
und ich jeden einzelnen Knochen natürlich genau
betrachtet hatte, nahm ich diese erste Seulptnr
wahr, und zwar bevor ich das Bild von der
Sculptur des weidenden Renthieres (Fig. 4) in
Händen hatte, welches damals noch in Zürich lag.
Der zweite Fund bestand in dem Pferde, das
llr. v. M and ach die Güte hatte hieher zu
bringen (Fig. 20). leb bin selbst der Finder dieses
Pferdes und darf mit meiner ganzen Mannesehre
für die Echtheit desselben einstehen. Ich habe
dieses Fundstüek aus der schwarzen Kulturschichte
in der Nähe des Pfeilers der Höhle herausgezogen.
Diese Kulturschichte war nicht etwa in Unordnung
gebracht worden, sic zeigte überhaupt davon gar
nichts, dass eine menschliche Hand vorher an
derselben eine Veränderung bewirkt hätte, sondern
sie war so compact wie die übrigen Kulturschichten
in der ganzen Höhle, ln unmittelbarer Nähe dieses
Pferdes, kaum zwei Zoll aus einander, lag jene Ren-
thierstangc mit den drei Sculpturen, von denen
eine ein Pferd und die beiden übrigen wahrschein-
lich Kenthierc darstellen (Fig. 1). Dieses Stück
liegt im C'onstanzer Museum; Sie werden gesehen
haben , dass ein grosser Theil dieser Zeichnungen
verwittert und undeutlich ist. Ich bemerke also,
diese beulen Zeichnungen lagen unmittelbar neben
einander und in unmittelbarer Nähe jenes Pfeilers,
«len Sie gestern in Thnyingcn beobachtet haben.
Das sind die zwei Fundstücke, die ich mit eigener
Hand aus der Kulturschichte herausgezogen habe,
im Beisein des Hru. Wepf, Reallehrer in
Thayingen und des lim. Schenk in Eschenz, der
durch Vermittelung der Museumsgesellschaft in
Schaffliausen als Arbeiter in Thayingen angestellt
wurde. Er hatte sich schon seit langer Zeit mit
der Untersuchung von Pfahlbauten abgegeben. Ein
drittes Stück, den Kopf eines Moschusochsen (Fig. 2)
darstellend, wurde in meiner Gegenwart von Hm.
Schenk gefunden. Ich sah, wie er den Knochen
reinigte. Als er ihn gereinigt hatte , übergab er
ihn mir. Ein anderes Fundstüek. auf Kohle ge-
zeichnet hat llr. Wepf mir seihst in die Hand ge-
geben. Das sind die Fundstücke, für deren Echtheit
ich mit meiner ganzen Mannesehre garantiren kann.
Erlauben Sie mir, meine Herren, dass ich
Ihnen noch einige Details über die Ausbeutung
angebe. Jedes Fundstüek, das ein Arbeiter ent-
deckte , wurde von mir sogleich zur Hand ge-
nommen und in ein Kistclien, «las im Kesslerlocb
aufgestellt war, sorgsam verschlossen. Kaum ein
oder zwei Tage, nachdem die beiden Grnuircu
Pferd und Renthiere gefunden waren, kam llr. v.
Mandach nach Thayingen. Ich zeigte ihm diese
Stücke. Ich kam» mir absolut nicht denken, dass
ein Arbeiter diese Stücke fahiicirt hätte; es waren
lauter Männer, «lie jedenfalls in der Zeiehnungs-
kunst nichts Onlentliches leisten k«mneu. I Ir.
Schenk von Eschenz ist ebenfalls ein Mann,
dessen Re«lliclikeit uns dafür bürgt, dass er die
Fundstückc so abgegeben bat . wie er sie aus der
Kulturschichte herauszog. Einem Arbeiter wurde
rein nichts verabfolgt, ob er etwas fand oder nicht;
er hatte den bestimmten Tagelohn.
Bei der Ausgrabung haben wir zuerst «len
Dcrkscliutt, «1er sich über die ganze Höhle aus-
breitete, weggenommen ; die Mächtigkeit dieser
Dcckschichte betrug durchweg 1 — IV* Meter.
Unter dieser Dcckschichte lag «lie compacte
Kulturschichte , «lie obere Hälfte schwarz , die
untere Hälfte röt blich gefärbt. Ich hielt anfänglich
die beiden Kaltnrschicliten für Schichten aus ver-
schiedenen Epochen stammeml und Hielt strenge
die Knochen aus der schwarzen und der rotlicn
Schicht auseinander. llr. Prof. Rütimeyer von
Basel ist zweimal bei mir gewesen, hat die Knochen
näher untersucht und gefunden, dass in den
Knochen der schwarzen und rothen Kulturschichte
kein Unterscheid zu constatiren sei, so dass folg-
lich sämmtliche Fundstücke einer und derselben
Periode angeboren. Man lmt von gewisser Seite
her sich erlaubt, mir «len Vorwurf ins Gesicht zu
schleudern, es sei die Höhle mit einer zu grossen
Eilfertigkeit und Flüchtigkeit ausgebeutet worden,
und sucht dies mit der Thatsache zu beweisen,
dass nach der Ausbeute noch verschiedene Knochen
und Geräthschaften zu Tage gefördert worden
seien. Meine Herren! Ich muss Sie daran
erinuern , dass man in dieser Höhle über .*10
('entner Knoehen, über 12000 Feuersteinsplitt«‘r
und nahezu an 500 Geräthschaften, ganz oder
theilweise erhalten, gefunden hat. Ich muss Sic
daran erinnern, dass während 7 Wochen an der
Ausbeutung des Kcsslcrlorhes mit 5 Mann pro
Tag gearbeitet wurde, manchmal sogar mit 10 und
12 Mann, weil das Auspumpen des Wassers in
dem vorderen Tbcile der Höhle viele Zeit in An-
spruch nahm.' Sie können sich denken, dass auch
bei der möglichst grossen Sorgfalt, die von den
Arbeitern und mir angewendet wurde, doch dieses
oder jenes uns hat entgehen können, und ich mache
Sie aufmerksam auf die Worte des Hm. Dr. Fraas,
die er mir gestern mittheilte, nemlich dass er
es ganz gut begreife, dass einem eben manches
entschlüpfen könne, das erst nachträglich ersicht-
lich werde , wenn die Sachen, auf Aecker oder
Wiesen gebreitet, durch den Regen abgewaschen
werden.
Ich darf Sie wohl nochmals versichern, dass
ich mit der grössten Sorgfalt die Sachen im In-
teresse der Wissenschaft ansgebeutet habe , und
ich glaube, dass diejenigen Herren, die Gelegenheit
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120
gehabt haben, auch einmal eine solche Höhle aus-
xnheuten, Überzeugt sein werden von der grossen
Arbeit, die einem da zu Tlicil wird.
Auf das Ersuchen des Hm. Fr aas, übet die
statt gehabten Fälschungen nähere Auskünfte
zu erthcilen, fährt Hr. Merk fort:
Fs war. wenn ich recht berichtet hin, im
Jahre 187f> , als meine Arbeit von der anti-
quarischen Gesellschaft in Zürich herausgegeben
wurde; ich wusste von diesen Fälschungen keine
Silbe, ich hatte auch keine Ahnung, denn sonst
hätte ich allerdings einen genaueren Fundbericht
gemacht. Während der erste Druckbogen zur
('orreetur in meiner Hand lag, erhielt ich von
Hm. Dr. Ferdinand Keller zwei Gypsabd rücke
mit einem beiliegenden Brief, in welchem er mich
ersuchte, ich möchte diese Stücke anschauen und
ein allenfallsiges Urtheil ahgehen, ob ich sie für
echt halte oder nicht. Ich nahm diese Gypsfigur
zur Hand . verglich sie mit den Figuren . die in
meinem Berichte ahgezeichnet sind und fand so-
gleich die auffallende Erseheinung, dass nerniieh
der Fuelis und der Bär von vorne gezeichnet
waren, während die übrigen Fundstücke alle von
der Seite gezeichnet sind. Ferner konnte ich
nicht glauben, dass bei dieser sorgfältigen Unter-
suchung der Höhle mir diese beiden Fundstftcke
entgangen wären, und drittens war es mir kurios,
dass diese Fundstückc erst nach einem vollen
Jahre ans Tageslicht gefördert wurden. Ich
schrieb deshalb Hm. Keller, dass ich diese
Stücke für unecht halte und dass ich wünsche,
dass diese beiden Fundstücke nicht in meine Ar-
beit aufgenommen werden, wie Sic aus einer Ent-
gegnung in der anthropologischen Zeitschrift viel-
leicht gelesen haben. Hr. Keller theilte mir mit.
dass er die Fundstacke nach langen langen Be-
obachtungen doch für echt halte und dass bereits
auf einer Tafel, auf welcher schon andere Sachen
gezeichnet, diese Gravuren eingeritzt seien und
dass es ein grosser Zeitverlust wäre, wenn wir
diese Sachen nochmals zeichnen müssten ; item
er schrieb mir, die Sachen seien echt and er
werde sich erlauben, meinem Berichte einige No-
tizen beizufügen. Ich gab nach , . und gestehe
Ihnen heute . dass ich einen grossen Bock ge-
schossen habe; ich habe mich eben als einfacher
Landschullehrer der Autorität des Hm. Dr.
Ferdinand Keller gegenüber gefügt. Diese
beiden Gypsabgüssc schickte ich wieder an Hrn.
Keller zurück und unterdessen suchte ich nach,
wer wohl dieser Fälscher sein könnte und ich
hatte Anhaltspunkte, sogleich an Stamm als
Fälscher zu denkeu. Während der Ausbeute selbst
kam ich von meiner Wohnung her ins Kesslerloch ;
es war noch nicht 1 Uhr Mittag, die Arbeiter
waren schon zur Arbeit parat und kaum hatten
sie diese angefangen, so streckte mir der berüch-
tigte Stamm eine Nadel entgegen mit der Be-
merkung: „wieder eine Nadel“. Ich nahm diese
Nadel zur Hand , ohne weiters zu prüfen, oh sie
echt oder unecht sei. Ich glaubte damals über-
haupt nicht, dass irgend ein Mann, der an der
Ausbeute der Höhle betheiligt war, fälsche und
schloss diese Nadel in ein Kistchen; kaum nach
\« Stunde kam Hr. Schenk von Eschenz zu mir
und erklärte, dass diese Nadel gefälscht sei;
Stamm habe einen Spass machen wollen, um zu
schauen, oh Merk im Stande wäre, die Echtheit
oder Unechtheit dieser Nadel hcrauszubringen.
Ich nahm den Stamm coram und er erklärte
mir sogleich, dass er sie gefälscht habe; icli gab
ihm einen strengen Verweis uud wollte ihn im
ersten Augenblicke sogar fort schicken , allein er
war ein sehr intelligenter Arbeiter, der mir bei
der Ausbeute wesentliche Dienste leistete. Darum
entliess ich ihn nicht. Ich ahnte nicht von ferne,
dass dieser Mann mir nach einem Jahre einen noch
viel grösseren Spuk spielen werde. Im Herbste
1875 ging ich nach Thayingen, Hess diesen Stamm
kommen und fragte ihn, woher er diese beiden Fund-
stücke habe ; er erklärte mir, dass er sie in der aus-
gegrabenen Kulturschicht gefunden habe, die neben-
bei gesagt beinahe 10U Kubikmeter betrug, und dass
er sie dann an Hm. Rütimeyer nach Basel ge-
schickt habe und so fort, was Sie alles bereits wissen.
Ich fragte ihn dann, ob diese Fundstücke wirklich
in der Kulturschichte gewesen seien und er ver-
sicherte mich, sie dort gefunden zu haben, und da
ich wusste, dass Stamm bei der nachträglichen
Untersuchung der Nachlässe Geldgeschäfte machen
wollte . so ging ich allerdings etwas derb zu
Werke, indem ich ihm ins Gesicht schleuderte:
„Stamm, diese beiden Figuren habt ihr gefälscht.“
Er antwortete darauf: „Wie könnte ich das,
warum nicht gar.“ Das war die ganze Entrüstung
Stamm ’s. Diese Erwiderung war der Art , dass
ich um so eher in Stamm den Fälsrhcr zu finden
glaubte. Die Sache blieb dann auf sich beruhen.
Es war im Frühling 1876, als der Chef des Polizei-
departements in Schaffhnusen mich besuchte und
mich fragte, ob ich von diesen Fälschungen gehört
habe; ich erklärte ihm selbstverständlich, ja. Er
fragte mich , ob ich vielleicht in irgend einer
Person den Fälscher vermuthe und ich erwiderte
ihm, dass ich in der Person des Stamm den
Fälscher zu Huden glaube; er verabschiedete sich
und nach ungefähr 14 Tagen theilte er mir mit,
dass eine Hansontersnchung ergeben habe, das
Stamm wirklich der Fälscher dieser beiden Fund-
stfleke sei. Ich habe noch etwas zu bemerken
vergessen. Bei meinem Besuche in Thayingen
lmt mich Stamm, nachdem ich ihm keck ins
Gesicht gesagt habe, er sei der Fälscher, cinge-
laden, ich möchte noch die vielen Sachen, die er
aus dem Nachlasse bei sich in der Wohnung habe,
besichtigen; er habe unter anderen einen sehr
grossen Dolch gefunden. Ich erwiderte ihm. dass
ich solche Sachen nicht sehen wolle, da sie jeden-
falls gefälscht seien.
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121
Hr. Kollmann: Ich möchte mir erlauben, an
Hrn. Merk noch ein paar Fragen zu stellen. Hat
Hr. Merk die Zeichnung des weidenden Kenthiers
(Fig. 4) sofort an Ort und Stelle erkannt?
Hr. Merk: Ich habe das weidende Renthier
nicht gefunden; es ist mir vielleicht erst nach
5 Wochen zu Gesicht gekommen.
Hr. Kollmann: Aber das Pferd (Fig. 20} haben
Sie an Ort und Stelle gefunden?
Hr. Merk : Ja, das habe ich gefunden.
Hr. Kolliiianti : Haben Sie sofort die Zeichnung,
die darauf ist, erkannt ?
Hr. Merk : Ja. ich habe sie auch verschiedenen
Personen gezeigt, 11m. Wepf, Schenk u. a., und
ich muss bemerken, dass es sehr leicht war, diese
Zeichnung zu sehen, weil dort, wo das Pferd lag,
die Kulturschichte sehr trocken war, so dass sich
keine Lehmmasse oder sonst eine weiche Masse
um die Knochen legen konnte.
Hr. Kollmann: Die beiden Männer haben also
sofort erkannt, dass hier die Zeichnung von einem
Thier, von einem Pferd vorliegt?
Hr. Merk: Sofort.
Hr. Kollmann: Wie verhielt sich das mit dem
Moschusochsen i Fig. 2), mit der plastischen Darstel-
lung. die wir jetzt den Moschusochsen nennen?
Hr. Merk: Ich habe sie nicht als die Zeichnung
eines Moschusoclisen erkannt.
Hr. Kolluiauu: Sie sahen aber sofort, dass es
ein plastisches Werk war?
Hr. Merk: Ich erlaube mir beizufügen, dass
ich diesen Kopf gar nicht kannte; ich konnte mir
gar keine Idee machen, was dieser Kopf vorstellen
sollte, und erst heim zweiten Besuche des Herrn
R ü t i m e y e r in Begleitung des Hm. Dr. v. Mandat* h
zeigte ich ihm diesen Kopf und Hr. Prof. KGtimey er
war der erste, der sagte, das sei jedenfalls ein Moschus-
orhsenkopf.
Hr. Kollmann: Was den Fund betrifft, auf
dem mehrere Zeichnungen sind (Fig. 1), haben
Sie diesen auch an Ort und Stelle gemacht ?
Hr. Merk : Ja, ich habe sofort daran Zeicliuungcn
erkannt, aber nicht deutlich; ich habe sofort ge-
sehen, dass es Gravuren sind.
Hr. KoUmann: Haben Sie es auch einigen
Arbeitern gezeigt?
Com« Jin». 10.
Ilr. Merk: Ich habe es nur dem llrn. Schenk
und keinem Arbeiter gezeigt. Ich habe sie sofort
in das Kisteheii eingeschlossen und nach lluuse
gebracht.
Hr. Kollmann: Sie erinnern sich nicht, oh
Schenk diese Zeichnungen sofort erkannt hat?
Hr. Merk : An das könnte ich mich nicht mehr
erinnern. —
[Hr. Merk: Bei Uebersendung des Correctur-
bogens legte mir Hr. Kollmann noch nachträg-
lich die Frage vor, ob ich früher den Beruf eines
Kupferstechers oder Dessinateurs erlernt und auch
geübt habe. Darauf habe ich zu erwidern, dass
ich weder Kupferstecher noch Dessinateur hin
and von diesen Bernfsarteu durchaus nichts ver-
stehe*).]
Hr. Orth : Mögen sich die Schlussfolgerungen,
welche an die Funde der Thayinger Höhle ge-
knüpft werden , künftig noch mehr oder weniger
nioditiciren , darin wird eine IJehercinstimmung
vorhanden sein , dass dies eine klassische Stelle
ist , welche noch lange Zeit besucht werden wird,
und ich möchte mir erlauben, hier den Wunsch
auszusprechen, speciell auch den Besitzern gegen-
über, dass die Verhältnisse, wie sie uns gestern
hei der Besichtigung der Höhle vorlugen , nicht
durch fortgesetztes Aufräumen ganz verwischt
werden. Wenn die Aufschlussarbeiten , wie sie
unsererseits gestern in dieser Höhle stattgefunden
haben, sich noch häutig wiederholen , so muss
es dahin kommen, dass in nicht langer Zeit die
Kalkschicht und die unterhalb befindliche Lehrn-
schicht vollständig Verloren gehen, und man wird
nichts Anderes sehen als einen hohlen Kaum.
Vom geologischen Standpunkte aus ist es von be-
sonderer Wichtigkeit , dass hier an dieser Stelle
eine feste sekundäre Kalkschicht sich Über der
sog. Kulturschicht befindet, welche die Originalität
der Lagerung verbargt. Ich möchte mir an die
Besitzer die Bitte erlauben . zu bestimmen , dass,
wenn nicht sogleich , so doch von einem gewissen
Zeitpunkte ah , die feste Kalkschicht nicht mehr
fortgenommen werden darf. Es ist in der Schweiz
*} Auf den Wunsch des llrn. Lehrers Merk wird
Folgendes veröffentlicht :
Auszug aus dem Protokoll der Sitzung vom 20. Juni 1877
der St. Gallener naturwissenschaftlichen Gesellschaft.
„I)ieSt. Gallische naturwissenschaftliche Gesellschaft
sieht sich gegenüber den masslosen Angriffen, denen
Ilr. Merk wegen den bei der Publikation dt» Berichtes
Uber die Funde in der Thayinger Höhle ohne seine
Schuld unterlaufenen Fälschungen ausgeselzt worden,
zu der Erklärung veranlasst, dass alle Mitglieder, welche
Hrn. Merk genauer kennen , ihn einer so gewoiticn
Handlungsweise, wie sie ihm ztigeschriehen wurde, ge-
radezu für unfähig halten, indem sie im Gegeutheil Ge-
radheit. Rechtlichkeit mul Offenheit als Hauptzuge
seines durchaus noblen Charakters kennen.4
4
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mehrfach geschehen, dass interessante Objecte «ler
Zerstörung durch die Hand des Menschen ent-
zogen sind , um spater für alle Zeiten beobachtet
werdeu zu können. In ähnlichem Sinuc ist es
auch hier wünschenswert!!, dass betreffs der festen
Kalkschicht über der Kultursrhicht die künftigen
Besucher der Höhle in der Lage sind , sich
von «lern ursprünglichen Znstaudc überzeugen zu
können.
(Schluss der Vorträge und Disnusinuen über
prähistorische Kunst.)
Hr. Fischer (über Nephrit): Geehrte Gesellschaft
wolle mir erlauben, sie in das Gebiet der Minera-
logie, soweit dieselbe für «las Studium der Ethnogra-
pliie und Anthropologie verwerthbar ist, einzuführen.
Ich will voraus bemerken, dass ich Ihnen nur Winke
und Andeutungen geben kann. Der Gegenstand
ist ziemlich neu und sehr complicirt, aber wie ich
glaube ganz im Interesse der Versammlung. Sie
haben gestern die Schütze gesehen, welche II r.
Dr. Gross ausgelegt Imt; Hr. Desor hat die Gegen-
stände mit Recht „Schütze*4 genannt, und Sie werden
iin Verlaufe meiner kurzen Mittheilungen sehen,
dass wir verschiedene Gründe haben, diese Gegen-
stände so zu bezeichnen. Sie wissen alle, dass in
den Pfahlbauten reichliche Sammlungen von Stein-
werkzeugen gefunden werden. Diejenigen, «lie Ge-
legenheit haben, darüber statistische Aufstellungen
zu machen, wissen auch, dass auf ca. 50 — GO bis
100 selbst ziemlich roh bearbeitete, wenn auch
cinigerinassen polirtc Steine etwa 1 oder 2 feiner
bearbeitete, schön glanzende, polirte, an der Schneide
durchscheinende Steinbeile sich finden, welche meist
eine grüne oder grünblaue Karbe haben. Es ist
noch Yorhültnissmüssig wenig darauf hingewieseu
worden, dass die Steinwerkzeuge , welche etwas
roher bearbeitet sind, aus demjenigen Fclsarten-
matcrial bestehen, welches man in den betreffenden
Gegenden selbst findet. Die Pfahlbaubewohner haben
zunächst es nicht von Felsen genommen, sondern aus
Büchen und Flüssen. Wo sie das Material gerade ge-
funden haben, nahmen sie es, und da die Felsarten,
wie ich genau hervorhebe, aus Mineralien zusammen-
gesetzt sind, wovon das eine körnig, das auderc
blätterig oder faserig ist, war mit dem Material nichts
anderes zu machen, als es zu sch lei fen; da kommt
inan mit Zuschlägen nichtzurecht. Es war vollkommen
hinreichend, wenn die Leute den Gegenstand so weit
geschliffen hatten, dass sie eine Schürfe bekamen,
um ihn dann in Horn oder Knochen zu fassen.
Wenn Sie erfahren, dass unter 60 — 10O der Gegend
seihst entstammenden Gegenständen ein Steinbeil
sich findet, welches ganz anders aussielit. welches,
wie Hr. Desor hervorgehoben hat, auf der einen
Seite etwas convex, auf der anderen Seite flach ist
und eine Schneide hat, die ganz unversehrt ist. so
muss dies «lie Aufmerksamkeit «1er Forscher auf
sich ziehen. Also vermöge dieser relativen Selten-
heit der feinen, glatt polirten. sehr häutig mit schiefer
Schneide versehenen Heile haben wir Grund, «liese
als Schätze zu betrachten, haben noch mehr Grund,
weil wir «la< Material für «liese feinpolirten Stein-
beile liier in Europa nicht kennen. Die Blicke
aller Forscher haben *i«ii nun zunächst nach den
Alpen gerichtet, und es hat sieh eine Reihe von
Geologen um! Mineralogen der Alpen fieissig bemüht,
«las Material zn finden; es ist aber bisher nicht ein«»
Spur davon eutdcckt worden. Ich bähe mich gefreut,
aus den Ausführungen des Hm. Desor zu ver-
nehmen, dass auch er die feinen Steinbeile für von
aussen importirt hält; also schon vermöge dessen
siml die feinen polirten Steingegeustände Schätze
für uns, weil wir nicht wissen, woher sie kommen,
weil sie aus weiter Ferne herstammen. Sie werden
vielleicht noch etwas inehr staunen, wenn ich Ihnen
sage, dass das Material, wofür ich Ihnen die Namen
sogleich uäher erläutern werde, da wo wir es zu
Hause wissen, gewissennassen ein Edelstein ist, dass
wir in diesen kuriosen grünen Steinen nichts Anderes
sehen als das Acquivalent unserer Diamanten, Sap-
phire, Smaragde n.s.w. Die Aegypter haben die E«lel-
steine verwendet wie wir; an den Mumien hängen
schon wirkliche Edelsteine. Unsere Edelsteine kenn-
zeichnen sich aber durch einen ziemlich hohen Gra«l
von Dur«*hsichtigkeit, durch möglichst schöne Farbe»
— mit Ausnahme des Diamanten — uml durch eint»
grosse Härte, und vermöge «lieser letzteren wird
beim Schleifen der schöne Glanz erzielt, der die
Augen der Beschauer auf sich zieht. Von diesen
Eigenschaften finden Sie bei dem Nephrit, um den
es sich hier handelt, beinahe gar nichts als aus-
nahmsweis«» eine schöne grüne Farbe : viel häutiger
ist die Farbe matt, unschön, graugrün, ausnahms-
weise smaragdgrün, also alles Eigenschaften, denen
zu Liebe w ir «len Stein nicht Edelstein neunen
würden. Es lässt sich aber, wie ich mich in der
Literatur überzeugt habe, nachweisen, dass gewisser-
masseu ein geheimnisvoller Zug von Sympathie
für diese von uns zu besprechenden Mineralien sich
wahrscheinlich bis in die allererste Menschenzeit
erstreckt habe. Sie werden vielleicht staunen, wenn
ich sage, dass ich aus der Literatur nachweisen
konnte, es ist der Nephrit ein Stein, welcher z. B.
in China bis in die älteste Geschichte zurückreicht,
als Turkestan noch zu China gehörte, der als Tri-
butmatcrial benutzt wurde wie auch mn Schulden
auszugleichen. Das sind übrigens sehr wenig bekannte
Dinge, und ich muss inir erlauben, diejenigen ver-
ehrten Mitglieder, welche sich näher dafür interessiren .
auf mein Buch zu verweisen, welches ich im Jahn»
1875 über diese Sache geschrieben habe (Nephrit
und Jadeit u. s w. , Stuttgart. 8); ich bin auch
bereit , jede Interpellation . wenn ich sie zn er-
ledigen vermag, später zu beantworten. Wenn ich
Ihnen nun sage, dass es gewisse Gegenden gibt,
wo man einzelne dieser Mineralien notorisch findet
in Blöcken so gross, dass 4 Mann sie nicht vom
Platze wegbringen können, so lässt sieh denken,
dass die Bewohner «ler Gegenden , wo sieh das
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123
einstellt, das Material auch dazu benutzt haben,
Steinbeile zu machen. Solche Gegenden, wo
Nephrit sich findet, sind z. B. Sibirien, Neuseeland,
Turkestan; in diesen Landern wurde das betreffende
Miucral sogar im Steinbrnrhbau gewonnen zu einer
Zeit, da die Stämme von Turkestan zu China ge-
hörten. Ich will nun, bevor ich weiter gehe, die
Namen etwas erläutern , weil vielleicht manche
Herren nur dunkle Begriffe davon haben. Sie
hören von dem Namen „Nephrit-. Dieser Name
•latirt aus dem Mittelalter und weist merkwürdiger-
weise auf Amerika hin. Als die Spanier nach
Mexico kamen, fanden sie, dass die Eingeborenen
grüne Steine als Amulette getragen haben, geschnitzt
in Form von Fischen u. s. w. und dazu als Hilfs-
mittel gegen die Nierenkrankheiten. I>a man im
Mittelalter lateinisch zn sprechen und zu schreiben
pflegte, hat man diesen Stein nach der Verwendung
in Mexiko lapis nepbriticus (von »’Hjpng = Niere)
genannt. Das spanische Wort „hijada“ bezeichnet
die Gegend, wo man die Schmerzen der Nieren
fühlt, nnd daraus ist das Wort „Jade“ geworden,
dessen sich heutzutage auch die Juweliere und
Antiquare bedienen. Sie können wohl zu einem
Juwelenhändler kommen nnd nach einem Nephrit
fragen, so kennt er diesen Namen nicht, wohl aber
Jade; auch der englische Name ist Jade. Dieser
Nephrit ist eigentlich der Substanz nach eine ganz
häufige Sache; es ist gewis'.eroiassen Hornblende,
die wir sonst in Europa zum Ueberfluss haben,
aber gerade diese Modifikation von ganz reiner,
feinst faseriger Hornblende haben wir nicht, und
ich glaube, wir können alle, wie wir hier sind, der
Natur feierlichst danken, dass wir sic in Europa
nicht kennen, denn dadurch vermögen wir gewisse
Winke für die Völkerzüge zu gewinnen, die noch
"ehr im Unklaren liegen. Dieser Nephrit findet
"ich z. B. iu Sibirien in losen Blöcken nnd hat
dort die allerschönste grüne Farbe neben dem neu-
seeländischen. In «1er Pariser Ausstellung im Jahre
1*G7 ist ein Block gewesen wenigstens so gross
wie dieser Tisch hier. Der Nephrit wird in
Turkestan auch in Flüssen gewonnen, wo er sich
iu reineren Exemplaren einstellt nnd wo man die
grösste Auswahl hat; in Sibirien findet er sich in
der Nahe von Irkutsk, nicht ferne von den Ihnen
bekannten prachtvollen Graphitgrnben des Hrn.
Alibert. Ich habe mich mit ihm in Verbindung
gesetzt und er hat mir geschrieben, dass in diesen
Gegenden der Nephrit von den Bewohnern in kugel-
förmigen Stücken angefasst und von den Mflnncrn
au ihren Tabaksbeuteln, von den Weibern als
Schmuck getragen wird. Dieser Nephrit findet
sich auch in Neuseeland in grossen Blöcken; er
kam von da einmal nach Oberstein in die Stein-
schleifereien und von hier dann in den Handel,
weil sic dort mit den grossen Massen, die zur
Bearbeitung, zum Schleifen da liingchmcht wurden,
nicht gut fertig wurden. Meine Herren, das Nicht-
fertig werden bat seinen guten Grund. Der Nephrit
ist sehr zäh. So z. B. kam ein Nephritblock nach
Europa nnd sollte mit einem Hammer zerkleinert
werden, um ihn in den Handel zu bringen in Form
von kleineren Handstücken. Das gelang nicht;
man brachte den Nephrit daher unter einen Dampf-
hammer, — der Ambos zersprang, der Stein blieb
ganz. Dieses Mineral zu verarbeiten hat immer
ein grosses Interesse , wenn man von der Zähig-
keit hört. In der Nahe von Irkutsk wurden früher
notorisch Steinbeile hergestellt. Ich bähe erst
kürzlich aus der Nahe von Irkutsk 7 prachtvolle
Steinbeile von Nephrit zur Ansicht bekommen aus
derselben Sorte von smaragdgrüner oder gras-
grüner Farbe , wie er eben dort in Sibirien vor-
kommt. Es wird vielleicht, solange ich gesprochen
habe , manchem der Herren der Gedanke aufge-
taucht sein, nun haben wir ja ein nicht so überaus
fern liegendes Material ; es werden eben unsere
Steinheile ans solchem sibirischen Nephrit ge-
arbeitet sein. Ich muss dies nach meinen Er-
fahrungen vorerst in Zweifel stellen ; denn das
Material der in den Pfahlbauten vorbildlichen
Nephritbeile ist ganz seltsam schieferig und ich
habe, soviele Stücke ich auch bekommen, nichts
gefunden ans den Gegenden von Sibirien, was da-
mit ganz zusammenpasste. Ich muss gestehen, ich
weiss es Ihnen nicht zu sagen; ebensowenig kann
ich die Nephritsteinbeile aus Europa mit den n e n-
sccl indischen identificircn. Neuseeland hatte
wahrscheinlich Material genug, um 6 mal so viel
Nephritheile zu liefern , als es in Europa gibt.
Aber es scheint das wieder eine andere Sorte; ich
habe die Sache geprüft und gefunden , dass es
wieder nicht recht stimmt. Noch viel weniger
passen unsere Nephritbeile zn dem tnrkestanischen,
wo das Material früher aus den Stoinhrüchen ge-
wonnen wurde. Die Hm. v. Sc hl agi nt weil
haben die Gegenden besucht und haben berichtet,
dass sie dort gerade gar keine Reste von Splittern,
woraus sie bitten schlossen können , dass Beile
wären gemacht worden , und ebensowenig etwas
von fertigen Beilen finden konnten. Ich muss
ferner bemerken , dass man in keiner Sammlung,
meines Wissens auch nicht im britischen Museum
nnd im Pariser Museum , etwas von Steinbeilen
aus dem grossen Reiche China . dem gerade die
Steinbrüche von Turkestan gehört liabqn , weiss.
Meine Erfahrungen über Steininstrumente dorther
reichen nur so weit . dass unser deutscher Ge-
sandter in Peking, Hr. v. Brandt, mit dom ich
Correspondenz gepHogeti bähe nnd der mir in der
freundlichsten Weise entgegenkam , mir iu einem
Briefe , der mich auf der Reise liieher Betroffen
hat, notirte, er wisse anch noch nichts von Stein-
beilen in China; er habe sich darum bemüht, aber
nur ermitteln können , dass in der Heilknnde die
Rede davon sei, diese seien aber möglicherweise
gefälscht.
Es gibt noch ein anderes Mineral , welches
erst im Jahre 1S65 durch Damour in Paris anf-
gestellt wurde nnd welches von ihm wegen der
Aehnlirhkeit mit Jade den Namen Jadeit bekommen
4 •
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124
hat. Dies findet sich fast so häufig als Nephrit
in unseren Pfahlbauten; aber auch dieses Mineral
triflt inan roh wieder nicht in Europa; dasselbe
hat eine ganz andere Zusammensetzung , es ist
eine Verbindung von Kieselerde mit Thonerde,
Natron, Kalk u. s. w. , schmilzt sehr leicht , gibt
Funken so gut wie der Quarz; schuhweit springen
die Funken. Ich will das bemerken för Jemanden»
der ein solches Steinbeil vielleicht einmal bekömmt
und denkt, es würde deshalb Quarz sein.
Fiin drittes Mineral, von dem wir gleich fein
polirte, oft schuhlange Heile in Europa finden, ist
der Chloromelanit , der im Jahre 18H5 gleichfalls
von Damour in Paris aufge stellt wurde. Es hat
so ziemlich dieselbe Zusammensetzung wie der
Jadeit, nur etwas mehr Eisen, ist schwarzgrün,
hat aber auch eine Härte , dass es weit sprin-
gende Funken gibt. Das letztere habe ich er-
wähnt, damit man nicht denken soll, cs wird etwa
dunkler Nephrit sein. Meine Herren, mit dem Ver-
muthen allein ist es nicht gethan, es muss oft
mikroskopisch , nicht bloss chemisch untersucht
werden. Diese dreierlei Mineralien, ganz homo-
genes Material, haben wir also in Deutschland
verbreitet in Form von Steinbeilen, die immer
sehr glatt polirt sind. Sie Hessen das leicht zu,
gerade vermöge ihrer Homogenität. Es ist uns
von Wichtigkeit, constatiren zu können, dass die
Verfertiger derselben nicht mehr mit bloss roh
bearbeiteten Steinbeilen, womit mau hantieren kann,
zufrieden waren. Diese Beile haben eine unver-
sehrte Schneide, auch dann, wenn sie in Hirsch-
horn gefasst sind , so z. B. auch die in der
Schweiz sich vorfindenden; es sieht fast mehr aus,
als wenn sie Prunkgegcnstände gewesen wären.
Da wir nicht wissen, wo das Material her ist
— und ich , der ich schon 12 Jaln e ans allen
Gegenden, wo ich etwas auftreiben konnte, ge-
sammelt habe, kann es am allerwenigsten sagen, —
so müssen wir in unseren Schlüssen ausserordent-
lich vorsichtig sein; wenn ich hier eiuen voreiligen
Ausspruch darüber thun würde, so müsste ich ihn
auch verantworten. Ich habe noch nirgend ein so
schiefriges Material von Nephrit gefunden wie die
verarbeiteten in Europa. Von Jadeit erhielt ich
mit grosser Mühe aus Tibet Rohmaterial; der
Mineraloge würde leicht bei dessen Anblick
glauben, es sei Quarz; cs sieht aber nur so aus;
er passt aber auch wieder nicht zu den Jadeit-
ßcilen, die wir verarbeitet bei uns fiudeu. Ferner
kenne ich einen Jadeit von wunderschöner smaragd-
grüner Farbe, der eine grosse Bolle in China als
Edelstein spielt; von dieser Farbe haben wir
dagegen keine Steinbeile. Die Sache ist möglichst
< omplicirt und es ist kaum denkbar, dass Sie alles
dieses so recht aufTassen . da ich es Ihneu nur in
Kürze vortragen kann. Um nun irgend zu er-
mitteln, woher diese sonderbaren Beile kommen,
habe ich mich mit Ilm. Danionr in Paris in
Correspondenz gesetzt, damit wir zusammen auf
einer geographischen Karte eintragen, wo solche
fremde Steinbeile gefunden wurden. Auf einer
solchen Karte — könnte mau denken — wird es
im Osten am reichhaltigsten aussehen, dorther
werden die Völker gekommen sein; es ist aber
dies gerade nicht der Fall. Jch kaun Ihnen
hierüber nur sagen, wie weit unsere Erfahrungen
bis jetzt reichen. Der Ilauptzug solcher fremden
Beile geht, wie cs scheint , von Sfidfr&nkreich
(Marseille) aus und zieht die Rhone herauf nach
den schweizer Seen hin. In der Schweiz ändert
sich das schon wieder; in der westlichen Schweiz
findet sich die eine, in der östlichen Schweiz die
andere Sorte vorherrschend, aber nicht sich aus-
schliessend. Von den schweizer Seen geht es weiter
rheinabwärts; zwischen Basel und Freiburg, bei
Blansingen wurde beim Undegen von Brunnen-
röhren ein prachtvolles Beil 10 Fuss tief unter
der Erde unversehrt heransgezogen ; andere trifft
man in Frankreich bis nach der Bretagne hin und
bis Paris; dort sollen diese Beile gar nicht selten
sein ; wieder andere finden sieh am Rhein
hinunter bis Bonn, wo verschiedene Beile ange-
troffen worden sind , über die vielleicht heute
noch Ile. Schaaffhausen berichten wird. Nichts
von solchen Beilen ist dagegen weder mir noch
Damour bekannt aus Grnsshritanuicn und Irland,
nichts ans Skandinavien und aus Finnland. Wir
haben also gewisse Verbreitungsbezirke, und wenn
wir noch Deutschland hinzu fügen, so sind es hier
einige wenige Punkte, welche nördlich reichen bis
in die Gegend von Weimar, was ich garautiren
kann. K»u Stück ist mir noch notirt aus der Gegend
von Oldenburg; ich habe es aber noch nicht ge-
sehen. Der östlichste angebliche Punkt in Deutsch-
land wäre Laibach ; ich habe das hetreflcmle Stück
aber noch nicht untersucht. Dagegen ist für
Italien von Ilm. Prof. Issel in Genua eine Liste
anfgelührt. in welcher nicht weniger als 22 Jadeit-
Beile Vorkommen. Mit. diesen wenigen Worten
haben Sie ungefähr die Verbreitungsbezirke der
bis jetzt bekannt gewordenen und wohl conservirten
Beile aus fremden Mineralien.
Soviel über die alte Welt.
Wenn wir unseren Blick nun nach der neuen
Welt richten, so kommen wir auf ein merkwürdiges
Yrrhältniss. In Mexiko finden sich nicht nur
solche Beile wie die eben genannten, vielleicht
auch Ncphritgcgcnständc, die noch nicht unter-
sucht sind, sondern noch viele andere sehr schöne,
feine Sculptureu als Reste eines Volkes, dessen
hohe Kultur noch lauge nicht genug bekannt ist.
Was in Europa und Neuseeland nicht vorgekommeu
ist , sind Beile, welche durchbohrt erscheinen, um
sie jedenfalls anzuhängen; sie sind glatt polirt
und mit sehr feiugeboiuteh Löchern versehen.
Die Mexikaner haben in sehr interessanter Weise
an die Beilform angckuüpft, wofür auch sic sich
das Material aus den Bächen holten und wobei
sie sic h mehr oder weniger nach der Geröllform
gerichtet haben; sic brachten nämlich auf der
einen weniger Hachen Seite des Beils eine Sculptur
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PBOSPiCTÜS
BEITRÄGE
ZUR
i
BAYERNS.
Organ
der
Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie nnd Urgeschichte.
Hera neg egeben
Ton
J. Kollmann, F. Ohlenschlager, J. Ranke, N. Rüdinger,
J. Wlirdinger, C. Zittel.
Redaction:
Johannes Ranke und Nicolaus Rüdinger.
MÜNCHEN.
Verlag der Li terar Uch- artisti sehen Anstalt (Th. Riedel),
vormals der Cotta’ gehen Buchhandlung.
Die Redaction spricht sich über die Ziele, welche diese Zeitschrift
verfolgen wird, folgendermassen aus:
„Die deutsche anthropologische Gesellschaft ist seit einer Reihe von
Jahren mit den Vorarbeiten zu einer Anthropologie und Urgeschichte
Deutschlands beschäftigt. Gemeinsame Arbeit hat nach beiden Richtungen
schon zu den erfreulichsten Resultaten geführt.
Aber das springt sofort in die Augen, dass wir nur dann uns der
Vollendung der grossen Aufgabe nähern können, wenn wir das gesammte,
innerhalb seiner Einheitlichkeit doch so verschiedenartige Gebiet nicht
von vorneherein schon im Ganzen sondern zuerst in seinen einzelnen
natürlichen Theilen möglichst vollständig zu erforschen suchen. Die Er-
folge namentlich der scandinavischen aber auch der schweizerischen
Forscher, welche in so hohem Maasse an dem Neuaufschwung unserer
Wissenschaft betheiligt sind, wurden vor allem durch die relative Be-
schränktheit und Einheitlichkeit ihres Forschungsgebietes ermöglicht und
bedingt. Nur kleinere Verhältnisse lassen sich auf einmal scharf ins
Auge fassen , nur für einen kleineren, beschränkten Umkreis ist es zu-
nächst möglich, das vorliegende gesammte Material zusammenzubringen
und vorläufig zu ordnen.
Da« ist der Standpunkt, von welchem aus wir zu einer Spezial-
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Bearbeitung der Anthropologie und Urgeschichte Bayerns herantreten.
Namentlich in seinen alten Provinzen bildet Bayern ein in hohem Grade
einheitliches Forschungsgebiet, dessen heutige ethnologische Verhältnisse
nicht weniger zur Arbeit unspornen wie sein Reichthum an vorgeschicht-
lichen Schätzen, welche die Völkerstürme, die auf seinem Boden wie
kaum auf einem anderen tobten, in diesem aufgehäuft haben.
Die Tage des August 1875, als die deutsche anthropologische Ge-
sellschaft in München versammelt war, reiften den Entschluss. Ein
staunenswerther Reichthum prähistorischer Funde aus bayerischem Boden
war in einer Ausstellung vereinigt, es war nur ein kleiner Bruchtheil
des gesammten, schon gewonnenen Materiales. Eine Anzahl von Forschern,
getragen von rückhaltlosem gegenseitigem Vertrauen, vereinigte sich, um
für Bayern die Aufgabe der anthropologischen und vorgeschichtlichen
Forschung in ihrer Gcsammtheit in Angrilf zu nehmen. Damit verband
sich der Gedanke, ein eigenes Orgau für die Veröffentlichung der Resultate
dieser Untersuchungen zu begründen.
Die Beiträge für Anthropologie und Urgeschichte Bayerns
wollen sonach in keiner Weise den von allgemeineren Gesichtspunkten
getragenen Unternehmungen, dem Archiv für Anthropologie und der
Berliner Zeitschrift für Ethnographie Concurrenz machen. Unsere Ziele
beschränken sich auf einen speziellen engeren Kreis, für welchen wir die
vorliegenden Aufgaben möglichst vollkommen zu lösen suchen wollen.
Wir beabsichtigen, so weit es die Verhältnisse gestatten, gewisser-
massen systematisch vorwärts zu schreiten, um sowohl die vorgeschicht-
lichen Beziehungen Bayerns wie seine jetzige Ethnologie zur Darstellung
zu bringen.
Es gilt, die Urbevölkerung Bayerns, soweit sie ihre Reste uns zur
Erforschung zurückgelassen hat, zunächst anatomisch zu beschreiben.
Schon die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse dieser Untersuchung lehren,
dass die anatomische Forschung in Gemeinschaft mit der Archäologie im
Stande ist, die Wandlungen und Wanderungen der Völker und Stämme
auf bayerischem Boden uns in ihren allgemeinen Zügen vor Augen zu
führen aus einer Zeit, in welcher uns die geschriebenen Urkunden ver-
lassen. Indem wir nach den verschiedenen Perioden der Vorgeschichte
die Wohnstätten und Ansiedelungen, die Geräthe, Waffen und Werkzeuge,
den Ackerbau, die Handelsprodukte , die frühesten Kunstbestrebungeu,
die Handelswege und Heerstrassen, die Grabstätten und die Denkmale
des religiösen Cultus etc. im Einzelnen zu erforschen und darzustellen
suchen, wird es uns gelingen, die ethnologischen Verhältnisse der vorge-
schichtlichen Bevölkerung Bayerns zu reconstruiren. Also nicht sowohl
Einzelfunde wollen wir zunächst beschreiben, die wissenschaftlichen Fragen
sollen, wenn auch für den kleinsten Umkreis, so weit cs möglich von
einem allgemeineren Standpunkt aus gestellt und beantwortet werden.
Es liegt auf der Hand, dass wir nicht im Stande sind, unsere
Untersuchungen in systematischer Folge zur Veröffentlichung zu bringen.
Die Publikation der nach dem Gesammtplane ausgeführten Arbeiten wird
erfolgen, wie sie vollendet werden, aber wir werden die gestellte Aufgabe
nicht aus den Augen verlieren. In analoger Weise wie mit der Vor-
geschichte beabsichtigen wir es mit der Bearbeitung und Veröffentlichung
der modernen bayerischen Ethnologie zu halten.
Schon liegt uns in den beiden Richtungen ein reiches Material zur
Veröffentlichung fertig vor, anderes geht mit raschen Schritten der Fertig-
stellung entgegen.
Von letzterem haben wir zuerst die vollständige Zusammenstellung
der bisherigen prähistorischen Funde in Bayern zu nennen, welche als
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Basis für die weiteren Forschungen zu dienen hat. Im Laufe der
kommenden Zeit wird dio Veröffentlichung dieser Untersuchungen als
prähistorische Karte Bayerns erfolgen können. Es harren reiche Ergeb-
nisse über Höhlenwohnungen aus den verschiedenen Perioden der Vor-
geschichte der Publikation. Eine umfassende Arbeit über die auf bayeri-
schem Boden sich findenden vorchristlichen Begräbniss weisen ist in der
Fertigstellung schon weit vorgeschritten, i lustig wird an einer bayeri-
schen Schädellehre gearbeitet, zu welcher die grosse Anzahl vorliegender
vorgeschichtlicher Gräberschädel, sowie die nach Tausenden in den Bein-
häusern aufgescbichteton Schädel unserer jetzigen Bevölkerung ein unver-
gleichliches Material bieten. Daran wird sich eino vergleichende Analyse
der Gehirnanatomie anschliessen.
Wir beginnen unsere Publikationen mit einem Doppelhefte, welcher
die Darstellung prähistorischer Wohnstätten und zwar dio reichen Funde
in den Pfahlbauten der lioseninsel des Starnberger-Sees enthält. Das
folgende dritte Heft soll eine Monographie, d. h. eine Zusammenstellung
der neuesten Einzelforsehungen verschiedener Mitglieder der Münchener
anthropologischen Gesellschaft, über die Völker der Platten- und Iteihon-
Gräber in Bayern bringen. —
Die Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte
Bayerns sind das Organ der Münchener anthropologischen
Gesellschaft. Wir beabsichtigen, in der Folge regelmässige Auszüge
aus den Sitzungsberichten zu geben, in welchen auch die wichtigeren
nicht direkt auf die Anthropologie und Urgeschichte Bayerns bezüglichen
Original-M itheilungen der Mitglieder der Gesellschaft im Auszug Ver-
öffentlichung finden können. In diesen Sitzungsberichten sollen die
Fundberichte in ihren thatsächlichen Ergebnissen registrirt weVden. —
Der Redactionsausschuss besteht aus den Herren Professor
Zitld als erstem, Major Würdinger als zweitem Vorsitzenden, dann aus
den Professoren J. Kollmann, F. Ohlenschlaijer, J. Ranke und N. Rüdinger.
Die Uedaction haben die beiden Letzteren übernommen, und zwar
Nie. Rüdinger die des anthropologisch-anatomischen, Johannes Ranke die
des gesammten übrigen Theiles.“
SC* V 011 den Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte
Bayerns werden jährlich 4 Hefte mit zahlreichen Tafeln sowie Holz-
schnitten in gleichem Formate wie vorliegender Prospectus erscheinen.
Vier dieser Hefte bilden stets Einen Band von ca. 30 Bogen in 4°. Der
Preis beträgt pro Band 24 Mark. Der complct vorliegende Erste Band
umfasst 41 Bogen Text und 26 Tafeln.
Inhalt des Ersten Hu mies:
Unsere Ziele, von Professor Dr. Johannes Ranke, im Einvernehmen mit dem Redactionsauaschusse.
Erlasse der kfmigl. bayerischen Staats-Ministerien, den Schatz vorhistorischer Denkmäler in
Bayern und deren topographische und kartographische Aufnahme betreffend
Anhaltspunkte zur Erforschung und Aufnahme vorgeschichtlicher und geschichtlicher Alter-
thflmer, ron Professor Ohleneohlager.
Die Pfahlbauten im Würmaee, von Sigmund von Schab, kgl. Landrichter. Mit Tafel I — XVII.
Auszüge aus den Sitzungsberichten der Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte, redigirt von Professor Dr. Johannes Ranke.
1) Uebersicbt Ober die Thütigkeit der Münchener anthropologischen Gesellschaft
von ihrer Gründung im April 1870 an bis zum Juli 1876 von Prof. Dr.
J ohan ncs Ranke.
Statuten der Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Mitglieder-' Vorzoichnias Juli I.S7G.
Beschreibung der Tafeln I — XVII.
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Ueber die Völker der Platten- und Reihengräber in Bayern:
I. lieber oberbayerieohe Plattengräber und die nuthmaiellohe Staramesangehörlgkelt Ihrer
Erbauer, von Professor Dr. Heinrich Ranke. Mit Tafel XX u. XXI.
II. Ueber die Reihengräber bei Oberhaching, von Professor Dr. Marggraff.
QI. Ueber die Reihengräber bei Oberhaching von August Hartmann.
IV. Oie Platten- und Reihengräber ln Bayern von J. WQrdinger, kgl. baver. Major a. D.
Mit Tafol XIX.
V. Schädel aus alten Grabstätten Bayerns, von Prof. Dr. Kollmann Mit Tafel
XVQI und XXL
Auszüge aus den Sitzungsberichten der Münchener anthropologischen Gesellschaft
2) Moorleichenfund bei Rettenbach am Auerberg, kgl. Bezirksamt Oberndorf, von
Professor Dr. Johanne« Ranke.
3) Reue Einläufe in Bezug auf die prähistorische Karte. Referent Herr Professor
Ohle nschl ager.
der sltbayerlschen Landbevölkerung, von Prof. Dr. Johannes Ranke.
I. Abschnitt. Zur Physiologie de» Schädel» und Gehirn», Mit Tafel XXII u. XXIII.
Einleitung.
Kapitel I. Die Sehläfcnenge.
Vorläufige Mltthellungen über die Unterschiede der Grosshlnrnlndungeo nach dem Geschleoht
beim Foetus und Neugeborenen mit Berücksichtigung der angeborenen Brachycephalie und
Dolichocophalie, von Prof. Dr. Rüdinger. Mit Tafel XXIV— XXVL
Auszüge au« den Sitzungsberichten der Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethno-
logie und Urgeschichte:
4) Kntdockung eine« Rcihongrüberfeldos bei Oberdorf (bei Biessenhofcn). Referent
Professor Dr. Johannes Ranke.
5) Diskussion Über die Stein*, Bronze* und Eisenperiode der vorgeschichtlichen Zeit,
mit grosseren Vorträgen de» Herrn Dr. med. Budde us, der Herren Prof. Dr.
Marggraff, Sopp, Ohlenschlager, Ratzel, vonChrist, Zittel, II. Ranke,
des Herrn Hermann von 8chlugintweit-8akünlünski und des Herrn Berg*
director Dr. Emil Stöhr.
Das demnächst zur Ausgubc gelangende 1. und 2. lieft dca II. Bandes
wird en rhalten:
Die Schädel der altbayerliohen Landbevölkerung, von Prof. Dr. Johanne« Ranke.
Kapitel II. und III. Selilussbeinerkungen.
Die Begräbn (starten aas urgeichichtlicher Zelt auf bayerischem Boden, von F Ohlenachlager.
I. Der Grabhügelbau.
Auszüge au« (len Sitzungsberichten der Münchener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte :
Culturhiatorisehe Beiträge zur Erforschung der Vorzeit in den «Umsehen Ländern, von
Michael von Z in i g r « d z k i.
SW Jede Buchhandlung nimmt Bestellungen auf diese Zeitschrift an. "W8
In unserem Verlage sind ferner erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen:
Historisch-kritische Bemerkungen zu den neuesten Mitthellangen Uber die erste Ent-
wicklung der SÄugethlereier. Von Dr. Th. L. W. Bisch off, Professor der
Anatomie und Physiologie in München. 8°. geh. Preis Mk. 8.3f> Pf.
Führer bei den Präparirübungen für Studiremle der Medicin, zugleich auch bei Anstellung
von Sectionen für praktische und Geriehts-Aerzte. Von Dr. Th. L. W. Bi sc hoff.
8°. geh. Preis Mk. 4. GO Pf.
Die Cholera-Epidemie in München in dem Jahre 1873/74. Von Dr. M. Frank. Mit
2 Tafeln. 8°. geh. Preis Mk. 8. —
Ueber Capacität und Gewicht der Schädel In der anatomischen Anstalt ln München.
Von Dr. med. Ludwig Hudler. 8°. geh. Preis Mk. 2.60 Pf.
General-Bericht Uber die Cholera-Kpidemlecn Im Königreiche Bayern während der Jahre
1873 und 1874. Von Dr. med. C. F. Majer. Mit 4 Tabellen und 1 graphischen
Karte. 4°. geh. Preis Mk. 5. —
Künftige Prophylaxis gegen Cholera nach den Vorschlägen in dem amtlichen Berichte des
Königl. bayer. Bezirks- und Stadtgerichtsarztes Dr. Krank, Von Dr. M. v. Petten-
kofer. 8*. geh. Praia Mk. 2.50 Pf.
Vorläufige Mittheilungen Ober die Unterschiede der Grosshlrnwlndongen nach dem Ge-
schlecht beim Foetns und Neugeborenen mit Berücksichtigung der angeborenen
Brachycephalie und Dolichocophalie. Von Professor I)r. Rüdinger. Mit 3 Tafeln.
4°. geh. Preis Mk. 3. — .
Beiträge znr Anatomie des Gehörorganes, der renOsen Blutbahnen der Schftdelhohle,
sowie der überzähligen Finger. Von Professor Dr Rüdinger. Mit 6 Tafeln in
Lichtdruck und 1 Tafel in Lithographie 4®. geh. Preis Mk. 12. —
München, im Decembcr 1877.
Literarisch-artist. Anstalt (Th. Riedel)
vorm, der Cotta’schen Buchhandlung.
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an, indem sie t. B. eine menschliche Fignr ein-
gravirten, anf der anderen Seite dagegen nichts
einschnitten, sondern lieber zum Anhängen durch-
führten. Ich kann es nicht wissen, weil meine
Studien noch nicht so weit reichen, ob sie diese
Idole sich selbst oder etwa im Tempel ihren
Götzen augehängt haben; ich habe dies aus der
Literatur bis jetzt nicht ersehen können. Von da
aus sind die Mexikaner weiter gegangen und haben
ganze vollständige Mole liergestellt . wie Sie das
sehen können in meiner neuesten Schrift über
mexikanische Sculptur im Archiv von Ecker
und Lind eil sc h mit Ud. X Heft 3 nnd 4 1877.
Hie Mexikaner haben auch den Chloromelanit zu
Beilen verarbeitet; den Jadeit dagegen haben sie
noch reichlicher zu Idolen geschnitzt ; viele von
den schönsten Sculpturen sind aus Jadeit gearbeitet.
Im Berliner Museum liegt ein Beil, welches
Alex. v. Humboldt mithrachtc; derselbe hat es
in Mexiko selbst von dem Prof, der Mineralogie
l>el Rio geschenkt bekommen. Dasselbe hat auf
der einen Seite mexikanische Hieroglyphen; das
ist also ganz gewiss aus Mexiko herübergebracht
worden. Von diesem durfte ich ein bischen
heruiit erschlagen, und ich habe gefunden, dass
dieses Beil von Mexiko aus Jadeit von blaugrüuer
Farbe ntikroscopisch und chemisch und bis auf
die feinsten cingcsprcngten rothgelben Körnchen
mit dem Jadeit eines Mcissels aus Löscher/ üher-
einstiuinit. den ich selbst in Bern in Kmpfang ge-
nommen habe. Die mexikanischen Mineralogen
wissen aber nichts von «lein Vorkommen eines
Nephrit oder Jadeit, wenigstens bis JKdd nichts, wo
dort ein mineral. ( 'ompendium herauskam; es kann
ihnen fihrigens auch entgangen sein. Was den Ne-
phrit betrifft . so bin ich noch am zweifelhaftesten
für Mexiko, für die Antillen und Südamerika. Ich
kenne ueinlich nur l Stücke, welche nach Härte,
äusseren Merkmalen und specifischem Gewichte
mit dem Nephrit übereiustimmen dürften; aber
genauer mineralogisch konnte ich sic nicht unter-
suchen. Diese 4 Gegenstände sind: ein Frosch-
idol im Genfer Museum, dann 2 Cylindcr, welche
höchst wahrscheinlich Alex. v. Humboldt mit-
gebracht bat , im Berliner Museum und 1 Stück
im Münchener Museum , welches von Hm. v.
Marti us stammt und das er iu Obydos (Provinz
Para) in Brasilien erworben bat. Diese vier
Körper stimmen nach den äusseren Merkmalen
so ziemlich mit dem Nephrit überein, haben aber
eine ganz andero, mehr gelb grüne Farbe, wie
sic kein Nephrit aus Turkestan, Sibirien und Neu-
seeland zeigt. Wenn sie sich dereinst bei der Unter-
suchung als Nephrite heraus>tcllcn , so fragt cs
sich, ist dieser daun wirklich in Mexiko oder Süd-
amerika zu Hause? Das sind Fragen , die noch
gelöst werden müssen und wozu Viele beitragen
sollten. Ich darf offen gestehen, dass ich aus
Deutschland viel weniger Unterstützung für diese
meine Studien gefunden habe, als von auswärts
und ich möchte daher diese Gelegenheit dazu be-
nutzen, darauf hinzuwirken, dass derartige zweifel-
hafte Dinge mir zur Untersuchung eingeschickt
werden; ich werde Alles pünktlich und unversehrt
wieder zurücksenden. Wenn vielleicht Jemand
Besorgnis* hätte , ich würde mit dein Hammer
etwas verletzen, so ist diese Angst unnöthig. Ich
habe die Diamantsäge in Aufnahme gebracht , wo-
mit ohne jede Erschütterung feine Scheibchen ab-
gesägt werden können. Man kann so jetzt, ohne
Schaden die Beile und Sculpturen untersuchen, was
früher nicht leicht möglich war.
Hr. Orth (überGlacialcrscheinungen bei Berlin):
Ich habe mir erlauben wollen, die Aufmerksamkeit
der Versammlung auf einige Erscheinungen zu
lenken, welche in der neueren Zeit in der Nähe
von Berlin entdeckt oder richtiger gesagt wieder
beobachtet worden und welche für die Auffassung
von der Bildung der norddeutschen Ebene von
grosser Bedeutung sind.
Die Anthropologie hat bekanntlich das grosse
Verdienst, dass durch die bezüglichen Unter-
suchungen auf das Studium der jüngeren geolo-
gischen Bildungen mehr Aufmerksamkeit verwendet
worden ist, als dies früher der Fall war, als die
Geologie wesentlich nur die alten geologischen Ab-
lagerungen keunen zu lernen bestrebt war. Es ist
das Studium der Diluvialhilduiigen, dessen Be-
deutung dadurch mehr in den Vordergrund ge-
treten ist, derjenigen Bildungen, welche in sehr
naher Beziehung zum Auftreten des Menschen auf
der Erde stehen, welche in sehr grosser Verbreitung
auf der Erde Vorkommen und eine der wichtigsten
geologischen Grundlagen für das Kulturleben der
Menschen abgeben. Ich brauche nur daran zu
erinnern, in wie weiten Distrikten diese Bildungen
ftuftrcteu, in Südcnropa wie in Nordcuropa und
weit über Russland nach Sibirien hin, und wie
ausserordentlich die Gleichartigkeit an vielen
Stellen ist, mag man die Profile des südlichen
Schwedens mit denjenigen iu Nonldeutschland.
mag man diejenigen , welche ich hei Odessa und
Taganrog aufzunehmen Gelegenheit hatte, mit den-
jenigen von Stassfurt in der Provinz Sachsen ver-
gleichen. Die eingehende Vergleichung der bezüg-
lichen geologischen Ablagerungen aus verschiedenen
Gegenden wird in nicht langer Zeit eine weit
klarere Uobersicht über diese wichtigen Kultur-
grundlageii zn gewinnen ermöglichen.
Es sind bekanntlich zwei Auffassungen, die
augenblicklich bezüglich der Diluvialbildungen der
norddeutschen Ebene einander gegeuüberstehen.
Die erste, welche wesentlich durch schwedische,
süddeutsche und schweizer Geologen vertreten
wird, geht dahin, dass für die Ablagerungen der
norddeutschen Ebene Gletscher an Ort und Stelle
von grosser Wichtigkeit gewesen sind. Manche
andere Geologen haben nach dem Vorgänge von
Lyell u. A. die andere Auffassung, dass schwim-
mende Eisberge über die früheren Meere südlich
des baltischen Nordens grossentheils das Material
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für die Dilmialbildnng. namentlich die Geschiebe,
geliefert haben. Er sind deshalb alle die Er-
scheinungen . die in dieser Hinsicht in der nord-
deutschen Ebene bestimmtere Schlussfolgerungen
gestatten , von besonderer Bedeutung. An den
verschiedensten Stellen im Diluvium der nord-
deutschen Ebene begegnet inan grossen Unregel-
mässigkeiten, die zum Theil mehr mit der einen,
zum Theil mehr mit der anderen Erklärung über-
cinstimmcn ; die beiden Erklärungen schliessen sich
überhaupt nicht vollständig aus, und je nach Zeit
und Ort kann das Eine oder das Andere mehr oder
weniger wichtig gewesen sein.
Es sind die Glacial - Erscheinungen am an-
stehenden Muschelkalk von Rüdersdorf, vier Meilen
östlich von Berlin, worauf ich Ihre Aufmerksamkeit
lenken möchte. Dieselben sind hier vollständig ver-
gleichbar mit denjenigen, wie sie in derSchweiz, 8ttd-
deutsrhland und Italien durch die Verdienste der
betreffenden Geologen und wie sic im Norden,
in Finnland und Schweden in ausgedehntem Grade
gefunden worden sind. Ueber die russischen Ver-
hältnisse hat Hr. Meimers en vor einiger Zeit
eine vorzügliche Arbeit herausgegeben.
Der Muschelkalk von Rüdersdorf ist räumlich
wenig ausgedehnt und fast überall noch von
einer dünnen Diluvialschicht bedeckt: die Ost-
seite ist für die Beobachtung besonders wichtig,
und die Schichten des Muschelkalks fallen hier nach
Nonien unter einem Winkel von lö Grad ein.
Das südlich vorliegende Terrain hat ein höheres
Niveau. Die Diluvialdecke beträgt au dieser Ost-
seitc (östlich vom Alvenslebenbruch) 1« — 2 Meter,
und unterhalb derselben findet man den Kalkstein
abgeschliffen und geglättet und mit scharfen,
deutlich sichtbaren Ritzen und Schrammen ver-
sehen, welche ineist parallel von Ost uorh West
darüber verlaufen. Ich bähe hier ein paar Hand-
sificke davon mitgebrarht. Sie werden daran ein-
mal die vorzüglich schöne Glättung, eine Folge
vom Abschleifen, zweitens werden Sie hier die
Sticifungen, welche in mehreren Richtungen über
die Kalksteine verlaufen, wahrzunehmen im Stande
sein. Was das Niveau betrifft, so will ich auf
die vorliegende colorirte Niveaukarte aufmerksam
machen, woraus sieh ergibt, dass die Horizon-
talen den meist von Ost nach West verlaufenden
Streifungen parallel gehen. Es kann auffallend
erscheinen, dass diese Streifungen nicht annähernd
die Nordsüdrichtung haben. Man hat aber im
Norden, in Schweden und Finnland, derartige
spezielle Abweichungen ebenfalls mehrfach kennen
gelernt, wobei die Streifungen je nach dem Terrain
partiell andere Richtungen haben, leb kann diese
Erscheinungen nicht anders erklären als durch
Gletschereis an Ort und Stelle, und dieselben sind
mit den in der Schweiz seit langer Zeit beobach-
teten Tlmtsachen vollständig zu parallelisiren. Ich
möchte mir erlauben , bei dieser Gelegenheit zur
Vergleichung noch auf einige andere derartige
Thatsachen Ihre Aufmerksamkeit zu lenken, zum
Beweis. da*s auch in Norddentsehland die geritzten
Geschiebe keine vereinzelten Erscheinungen sind.
Ich habe hier zunächst eine Photographie von
einem geritzten nordischen Geschiebe mitgchracht,
welches ich im Jahre 1869 bei meinen schlesischen
Untersuchungen in der Gegend von Breslau fand
und wodurch sich zeigt, dass die Geschiebelchme
resp. Gesehiebemcrgel bis hart au den Rand des
Riesengebirges Vorkommen. Das Original ist im
mineralogischen Museum der Universität Breslau.
Ich mache ferner auf einige Photographien der-
artiger Geschiebe aus dem Untergründe von Berlin
aufmerksam , wo in einer Tiefe von über 180
Fass grosse geritzte Kalksteine und Gneisse Vor-
kommen, von zum Theil bedeutendem Durchmesser
und grosser Schärfe der Zeichnung. Daran schliesst
sich ein Originalstück von geritztem nordischem
Graptolithenkalk , welches ich 1868 im Geschiebe-
mergel von Friedriehsfelde bei Berlin aufgefunden,
sowie ein Handstück von anstehendem Kalk von
der Insel Gotland, woraus der Parallelismus dieser
Streifungen ausserordentlich scharf und schön her-
vorgeht und woran die Erscheinungen man möchte
sagen fast zu schön auftreten. Ich würde mich
freuen, wenn die Erscheinungen von Rüdersdorf
von den hiesigen Forschern, welche seit langer
Zeit, derartigen Beobachtungen näher gestanden
haben, als die angegebenen anerkannt würden.
Es sind Dinge, die hier viel bekannter, viel mehr
gesehen sind als bei uns in der norddeutschen
Ebene. Sic haben bei uns mit Bezug auf die
Entstehung des Diluviums eiuc besondere Beach-
tung in Anspruch zu nehmen.
Hr. Desor (über Schal cnsteino) : Es handelt
sich um eine Erscheinung aus der vorhistorischen
Zeit , iiemlicli um die sog. Schalensteine oder
Opfersteine. Sie wissen, was damit gemeint ist.
Vor einem Vierteljnlirhuudert wurde auf dieselben
zuerst in der Schweiz durch Hrn. Troyon, den
berühmten Altertliumsforscher , aufmerksam ge-
macht. Er hatte Kenntniss von einigen Steinen, in
denen schalenartige Vertiefungen waren, welche im
Durchschnitte einen Durchmesser von 2 bis 6 Zoll
haben , so dass sie wie die gewöhnlichen Schalen
aussahen. Da war einer in der Gegend von Cos-
sonay im Canton Waadt, der sonderbarer Weise
hei der Bevölkerung in einer gewissen Ehrfurcht
stand. Es wird mir versichert, dass sie auch den
herumziehenden Zigeunern bekannt sind. Irgend
eine dunkle Erinnerung an die Vorzeit scheint da-
mit verbunden. Er nannte den Stein , nach dem
Vorhilde von Hrn. v. Canmont, dein alten fran-
zösischen Alterthumsforscher, pierre a öcuelles,
was man deutsch mit „Schalenstcin“ übersetzte;
die Engländer haben „cup stones- daraus gemacht.
Nun hat man später au mehreren Orten der
Schweiz solche Steine gefunden , welche im Jahre
1870 von Hrn. Dr. Feld. Keller zum Gegenstand
einer wissenschaftlichen Arbeit gemacht worden
sind. Einige Jahre vorher waren diejenigen von
127
Savoyen und der französischen Schweiz in einem
schönen grossen Atlas von einem waadtlAndischen
Pfarrer photographisch dargestellt worden. Aus
dieser Sammlung ergibt sich Folgendes. Erstens,
linden sich die Schalen meistens auf erratischen
Blöcken, zweitens mit nur einer einzigen Ausnahme
auf Granitblöcken, drittens werden sie in der Kegel
auf einzeln stehenden Blöcken angetroffen. Da.
wo grosse Anhäufungen Vorkommen . z. B. hei
Monthey im Canton Wallis , wo ganze Berge von
Granithlöcken aufgehftuft sind , findet man keine
Schalen. In England und Schottland sind sie von
einem berühmten Arzte und zugleich Altertlmnis-
forscher, Sir J. Simpson, in einem ausgezeich-
neten Werke : „Die Zeichen - oder Selialensteine
von Grossbritunnien“ beschrieben worden. Das
Buch ist Ihnen vielleicht bekannt, es ist reich aus-
gestattet und höchst interessant (cf. diesen Bericht
S. 7ti. 17).
Als wir vor mehreren Jahren in Stockholm
beisammen waren , erkundigte ich mich hei den
dortigen Anthropologen , wie es damit in Skandi-
navien stehe. Sic sagten mir, sie besüssen eine
Menge Sc halensteine, die Erscheinung sei nicht un-
gewöhnlich, und Hr. Generalsekretär ilildcnbrand
machte eine Mittheilung über die Schalensteine
von Schweden. Nun ergibt sich aus der Unter-
suchung dieser Steine in der Schweiz, in Skandi-
navien nnd in England, dass sich überall Legenden
und mannigfache Erinnerungen an dieselben knüpfen.
An vielen Orten sind sie Gegenstand einer ge-
wissen Scheu , man vermeidet ihre Nahe ; an
anderen Orten verehren sie die Einwohner und
hegiessen sie mit Oel: es würde mich indessen zn
weit führen , wenn ich Ihnen auseinandersetzeu
wollte, was noch zur Zeit so oft mit diesen Steinen
geschieht. Meine Herren, es scheint mir, dass man
au dieser Erscheinung, die man in der Schweiz, in
England, in Frankreich und Skandinavien findet nnd
an die sich überall ähnliche Erinnerungen knüpfen,
nicht gleichgültig Vorbeigehen kann. Im Norden
heissen sie Elfen- oder ßalderstcine ; überall mytho-
logische Elemente. Nun ist es sonderbar, dass bis
jetzt nirgends in Deutschland noch im östlichen
Frankreich noch in Italien davon etwas vernommen
worden ist. Ich hege aber die Ueberzeugung, dass,
wenn mau danach forschte , auf den erratischen
Blöcken in Italien , in Bayern , namentlich am
Fusse der Alpen , soweit das Gebiet der früheren
Gletscher reicht, dieselben sich auch linden werden.
Ich habe mich bereits an meine Freunde in Lyon
gewendet, die eine besondere Aufmerksamkeit auf
diesen Gegenstand gewendet haben; ihnen ist bis
jetzt nichts Derartiges aufgestossen ; ich zweifle aber
nicht , dass man , wenn man der Sache genauer
nachspürt, auch etwas findet. Wenn Sie vielleicht
Gelegenheit hahen wollen , einen Schalenstein zu
sehen, so schauen Sie sicli in Zürich vor der Wasser-
kirche den Stein an , welchen die Züricher Ge-
sellschaft hat dahin bringen lassen, und an dem die
Schalen deutlich sind. Die Berner Gesellschaft hat.
einen Ähnlichen aus der Gegend von Biel am Fus -e
des Jura in das Berner Museum bringen lassen,
so dass man also nicht an Ort und Stelle zu gehen
braucht , um sie zu sehen. Wichtiger jedoch und
interessanter ist folgender Umstand. Vor sechs
Wochen erhielt ich von dem Hm. R i v e 1 1 - C a rna e
aus Benares , der von den europäischen Schalen-
steinen, namentlich von dem Buche des Hin. Simp-
son Kenntnis* erhalten hatte, einige Notizen mit
Zeichnungen, aus denen sich ergibt, dass am Kusse
des Himalaya dieselben Erscheinungen Vorkommen
und zwar zugleich auf anstehenden Felsen nnd anf
erratischen Blöcken; wenn sie auf letzteren Vor-
kommen , ist es ebenfalls Granit oder Porphyr.
Die Eingeborenen meinen , sie rühren von einem
ehemaligen Uicsenvolke her. In neuester Zeit
sind solche aus Nangpur und aus den Kamaou-
Bergen bekannt geworden ; aber schon vor un-
gefähr 10 Jahren war in den Berichten der asia-
tischen Gesellschaft von Bengalen etwas Aehnliches
erschienen. Einem Dr. Vcrcherc war auf dor-
tigen erratischen Blöcken , ohne noch zu wissen,
wie es in Europa damit steht . aufgefallen , dass
manche Blöcke dieselben Schulenvertiefungcn hahen.
Als eifriger Verfechter der Gletschertheorie, war
er geneigt , dieselben dem Einfluss der alten
Gletscher zuzuschreiben. Wie Sie wohl alle wissen
— und Sie haben es entnehmen können aus den
interessanten Mittheilungen des Hm. Orth —
ist das Areal der alten Gletscher viel grösser als
man hätte je denken können . indem in Berlin
selbst eine MorAne der skandinavischen Gletscher
zu liegen scheint. Es ist daher nicht zu ver-
wundern , wenn man sieht , wie weit die norwe-
gischen und die Alpengletscher gereicht hahen,
dass im Verhältniss die Gletscher des Himalaya
sehr weit nach Süden gegangen sind, so dass das
ganze hindostanische Hügelland am Ende weiter
nichts ist als eine grosse MorAnenlandschaft, zum
grossen Theil aus dem Schutt der Himalaya-
Gletscher bestehend , sowie die Lombardei weiter
nichts ist als der niedergeschlagene Schlamm der
Alpengletscher. Nun habe ich genug an den
Gletschern herumstudirt . um zu wissen, dass die-
selben keine Löcher iu die Felsen bohren , dass
also die Ansicht des Hrn. Dr. Verehr re jeden-
falls unbegründet ist , und wenn sie nicht be-
gründet ist, so werden wir einfach zn der Schluss-
folgerung geführt, dass sie von Menschenhand her-
rühren, iu Asien sowohl wie in Europa.
Nun erlauben Sie mir einen kleinen Sprung
in das ethnologische Gebiet. Es ist gewiss uiclit
ungerechtfertigt, angesichts des gleichzeitigen Vor-
kommens dieser merkwürdigen Erscheinungen in
Skandinavien , in England , in der Schweiz und
in der Bretagne , wenn man eine gewisse Zu-
sammengehörigkeit , ein gewisses ethnologisches
Band voraussetzt . das auf einen gemeinsamen
Ursprung liinzuweisen scheint. Haben wir es hier
nicht vielleicht mit einem allen Völkern des
grossen Stammes der Arier eigenthümlichen Ge-
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12#
brauch zu thun im Gegensätze zu der Bevöl-
kerung von turaniseher Kasse V Sie keimen ja die
grosse Kluft zwischen den Höhlenbewohnern und
«len Pfahlbauern der Steinzeit . letztere durch
ihre vollkommenen Werkzeuge von polirtem Stein,
besonders noch durch Nephrite ausgezeichnet.
Warum sollten wir nicht annehmen , dass diese
Einwanderer , die den Nephrit nach Europa ge-
bracht haben , die gleichen Leute sind , die sich
auf unseren Seen angesieJelt haben? Ich gestehe
zwar . dass , wenn das der einzige Umstand wäre,
es vielleicht kühn sein würde , einen so weit-
tragenden Schluss darauf zu hauen ; aber ich
möchte gerade an «las erinnern, was gestern gesagt
worden. Hr. Fischer hat Ihnen erklärt, dass die
Nephriten unzweifelhaft von dem Oriente gekommen
sind , und zwar zur Steinzeit. Nun ist «lies zu-
gleich «las Zeitalter der grossen monolithischen
Denkmüler in England. Als Beleg dafür lässt sich
anführen , dass in den grössten dieser Denkmäler
nur Steinwerkzeuge Vorkommen . und dass auch
die prachtvollen Jadeit-Beile , die in «len Museen
«ler Bretagne zu sehen und in verschiedenen Ab-
güssen auch in anderen Museen vorhanden sind,
aus den grossen Dolmen stammen, wie denn über-
haupt in allen jenen Grabmälem nichts anderes zu
finden ist als Steingeräthe. Hier scheinen also die
Dolmen mit ihren Schalen und sonstigen Zeichen
zur Steinzeit zu gehören. Eigentümlich ist, «lass
bei uns die Schalen nur auf erratischen Blöcken
eingehaucn sind. Wir haben zwar wenige Dol-
men, aber auf «liesen ist nicht« zu finden. Blättern
Sie aber «las Buch von Simpson durch, so werden
Sie sehen , dass auf alten Denkmälern , Gräbern
und colossalen Monumenten der Steinzeit dieselben
Zeichen, dieselben Schalen sich zeigen; wir haben
«la also eine Verbindung zwischen den Schalen und
«len Monumenten aus der Steinzeit. Dasselbe finden
wir sonderbarer Weise in Indien ; auch dort werden
dieselben Zeichen auf den alten Monumenten an-
getroffen.
Wie Sie sehen , eröffnen sich da weite Ho-
rizonte , aus denen sich mancherlei ergeben wird,
was vielleicht mehr als alles ander«* dazu bei-
tragen kann, unseren Ursprung festzustellen, nach-
zuweisen , ob wir wirklich aus Indien stammen
und ob auf dieser Wanderung die Schalensteine
und «iie übrigen Zeichen , wie sie auf den er-
ratischen Blöcken und auf den inegalithischen
Denkmälern Vorkommen , bis zu uns gelangt sind.
Nun , es ist dies meine persönliche Ansicht. Hr.
Simpson hingegen glaubt, dass die Schalen nur
Verzierungen sind , und er stützt sich dabei auf
«len Umstand , dass anf den schottischen Monn-
menten die genannten Zeichen wirklich in manchen
Fällen ah Zusätze , als Ornamente von Gräbern
erscheinen; datier der zu weit gehende Schluss, dass
es sich hier um eine blosse Deooration handelt.
Eine andere Meinnng wird von Hm. Westhopp
vertreten, wonach die Schalenstein«' gar keine Be-
deutung hätten. Zur Steinzeit habe ein Hirten-
volk gelebt und Hirten auf der Weide hätten zum
Zeitvertreib diese Schalen eingegrahen und zwar
an hervorragenden Orten. Damit ist aber nicht
erklärt , warum sich Sagen und allerlei Aber-
glauben «larau knüpfen ; «lamit ist auch nicht er-
klärt , warum sie sich besonders auf erratischen
Blöcken und ganz besonders auf Granithlöcken
finden. (Redner zeigt die Gegenstämle.) Meine eigene
Ansicht stimmt mit derjenigen meines Freundes
Ilm. Dr. Ferd. Keller in «lern Punkte überein,
dass die Schalen auf den Steinen an sich keine
eigentliche Bedeutung hatten , sondern lediglich
«lazu bestimmt waren , die Erinnerung an ein Er-
eigniss zu bewahren, welches man als wichtig genug
erachtete . um es im Gedächtai&s des Stammes
oder der Familie zu erhalten. Es waren somit
keiue Inschriften, keine Hieroglyphen. Sie setzten
eine mündliche Tradition voraus. Wohl aber mögen
sie zugleich als Symbole gedient haben , die man
«la eingrub, wo etwas Beachtenawerthes geschehen
war, und in manchen Fälleu mochte das wohl ge-
nügen, um sie zum Gegenstände der Verehrung zu
machen.
(Kurtsetzuug in Nu» 11 i
Nr 11 wird eine Tafel mit Abbildungen der Thayinger Höhlenzeichnungen beigegeben werden.
Anmerkung «ler Kedaction.
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101
Bernstcinperlen, Glasperlen, Fibeln ctc. — Was die
Pferderüstung angeht, so ist in Möringen ein ans
einem Stück gegossenes Bronzepferdegebiss ge-
funden worden, ausserdem glatt polirte, längliche,
paarweis vorkommende Hirschhornstücke, je in der
Mitte und an beiden Enden mit länglichen Köchern
versehen, welche wir wohl auch zu den Pferde-
gebissen rechnen können. — Hauptsächlich interes-
sant und charakteristisch für Möringen ist die
Gussstätte, die man dort aufgefunden hat. In einem
verhältnissmässig kleinen Raum fanden sich etwa
zwanzig Formen, ein Schmelzt iegel und zerbrochene
Gegenstände, die wahrscheinlich zum Umgiessen
bestimmt waren. Die sehr gut erhaltenen For-
men bestehen theils aus Sandstein, tlieils aus ge-
branntem Thon, und wir fanden Modelle für Sicheln,
Messer. Lanzenspitzen, Hümmer, Heile, Armbänder,
Meissei und sogar kürzlich die untere Hälfte einer
Schwertform, welch letztere uns den Beweis lieferte,
dass nicht nur die gewöhnlicheren Gerät he von ein-
heimischer Fabrikation waren, sondern dass unsere
Pfahlhauern sich sogar an die schwierigere Arbeit der
Waffenfabrikation wagten. — Die Station Auvoraier
ist interessant durch die schönen Schwertgriffe,
sechs an der Zahl, die dort gefunden wurden. Die
einen bestehen aus Bronze, auf welchem zur Ver-
zierung an beiden Seiten Hornplatten mit Bronze-
nSgeln befestigt sind; andere bestehen aus Bronze
mit eingelegtem kupfernem Mittelstück; wieder
andere sind ganz ans Bronze gegossen und ähneln
den in Möringen gefundenen. Die verschiedenen
Typen dieser Schwertgriffe zeigen uns sehr deut-
lich die Reihenfolge der verschiedenen Verbesse-
rungen , die in der Waffenfabrikation gemacht
wurden , und gewiss können wir nach der Voll-
kommenheit, mit welcher sie gearbeitet sind, auch
ihr relatives Alter bestimmen. So gehören, meiner
Ansicht nach, die Schwerter mit einfachem, plattem,
zungenförmigem Griff, der zur besseren Handhabung
in einem Hirsch homheft steckt , zu der ältesten
Periode; später wird der Horngriff durch Metall
ersetzt, das Hirschhorn mehr als Verzierung benutzt
und in Form einer dünnen Platte mit Nictnägeln
auf dem Metallgriff befestigt. Danach wird die
Horn- durch eine Kupfer platte ersetzt und endlich
finden wir den vollkommenen Typus in den Schwert-
griffen , die? ganz aus Bronze gegossen sind und
uns an die früheren Typen nur durch kleine Er-
höhungen erinnern , die uns die einstigen Niet-
nägel ins Gedärhtniss rufen. Man hat ausserdem
in Anvernier sehr grosse, schön gearbeitete Messer,
mit Bronzcbeften ausgegraben, dazu Hohltueissel,
Meissel mit Verzierungen, einen kleinen massiven
Bronze -Amboss , Rasirmesser. ein kleines durch-
brochenes Hronzegefäss , über dessen Anwendung
ich nicht im Klaren bin, und nur vormuthen kann,
das es zum Verbrennen von Wohlgerücheti gedient
hat. An Töpferwaarcn ist Auvernicr sehr reich;
es hat eine grössere Menge von Gefässen aufzu-
weisen wie irgend eine andere Station; dabei zeigt
sich die grösste Mannigfaltigkeit in der Form und
in der Grösse. Wir fanden Tassen, Trinkbecher mit
konischem Fusse, Teller mit eingravirten und ge-
malten Zeichnungen, grosse Urnen zum Aufbewahren
der Lehensmittel und zierliche kleine Töpfchen, die
wohl als Kinderspielzeug gedient hahen mögen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einige
Nephrit- und Jadeit -Beile vorzeigen, die den
Stationen der Steinzeit im Bielersee entnommen
sind. Einige davon sind bemerkenswerth durch
ihre Grösse (bis 20 Cm. Länge) und ihre Durch-
sichtigkeit. Sie sind fast alle von Hrn. Professor
Fischer in Freiburg untersucht und für aus dem
Orient stammendes Mineral erklärt worden.
Hr. Deaor: Ich erlaube mir einige Worte dem
heizufügen, was Hr. Dr. Gross über seine schöne
Sammlung von Artefacten mitgethcilt hat. Auf die
Bronzesachen werde ich nicht eingehen. das würde
zu weit führen; ich will nur ein paar Worte über
die zum Steinalter gehörigen Nephrite sagen. Sie
sehen da an 30 Stücke; ich glaube, das ist mehr
als man in der ganzen übrigen Schweiz besitzt.
Wie ich mich habe überzeugen können , befindet
sich unter den im Uebrigen so schönen , pracht-
vollen Gegenständen im hiesigen Museum kein ein-
ziges Stück Nephrit, was allerdings auffallen muss.
Es scheint daher eine Grenze zu existiren , über
die wir bis jetzt nicht hinausgegangen sind. Da
wird sich nun wieder die Frage aufwerfen , die
auch vor zwanzig Jahren aufgetaucht ist , nemlich
über den Ursprung dieser Steingeräthe. Damals
war die Ansicht, dass das betreffende Gestein sich
um Ende doch noch finden werde , entweder in
den Einschnitten durch die sogenannten grünen
Schiefer der Alpen, bei Anlass der Tunnelbauten,
oder als Geröll entlang dem See, wo viel Gletacher-
achntt aufgehäuft ist. Bis jetzt ist nichts gefunden
worden. Dann kam eine zweite Hypothese, nem-
lich, sie seien durch Handel zur Steinzeit aus dem
Orient bis nach Europa, bis in die Schweiz ge-
kommen. Von vornherein erscheint das so ziemlich
natürlich, dass man. wenn etwas Fremdes im Lande
vorkommt, fragt, woher und wie es gekommen »st;
meistens heisst es dann durch den Handel. Wenn
man aber auf der anderen Seite annimmt, es habe
ein Handel zwischen unteren Seen und dem Orient
stattgefunden, so ist es doch etwas seltsam, dass
dieser Handel mit dem Orient nichts anderes als
nur die grünen Steine gebracht hätte. Wenn man
mit dern Orient handelt, so sind dort so viele Ge-
genstände , die das Auge bestechen , die viel
schöner und zierlicher sind als diese Steine. Wie
wäre es möglich , dass mau an allem diesen vor-
flbergegangeu wäre? Ich glaube, diese Theorie
lässt sich nicht länger festhalten. Nun gibt es
noch eine dritte Vermuthung, die ich mir auf dem
Kongresse zu Kopenhagen natürlich in ganz be-
scheidener Weise vorzubringen erlaubt habe , ob
nemlich die Nephrit-Beile nicht Reliquien von der
alten Einwanderung von Asien herüber sind, welche
die Leute mit sich gebracht haben als ein An-
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102
denken, als eine Kostbarkeit. Meine Herren! dies
scheint mir bis jetzt wenigstens die allerannelim-
barste Erklärung; denn fremd sind die Steine, und
cs ist wenig Aussicht vorhanden, trotz der so viel-
fachen Bemühungen die ursprüngliche Lagerung
des Gesteins im Lande zu finden. Ilr. Hofnith
l)r. Fischer, der Meister in der Mineralogie, wird
Ihnen darüber wohl berichten und ich glaube auch,
er wird darin mit mir übereiustimmen , dass es
unbedingt Fremdlinge sind und dass man bis jetzt
noch nicht dazu gekommen ist , den Ursprung auf
unserem Continent* zu finden.
Graf Wurmbrand : Die sehr interessante
Sammlung, die uns Hr. Dr. Gross vorgezeigt hat,
wird bald eingepackt werden, und ich möchte deshalb
schnell die Gelegenheit ergreifen , einige Worte
darüber zu sagen. Ich bin nemlich mit allen An-
sichten, die Hr. Dr. Gross eben ausgesprochen
hat, nicht ganz einverstanden und möchte im Kurzen
auf einige Differenzpunkte hinweisen. Ich halte es
für nicht leicht thunlich, ja für gefährlich, durch das
Nebeneinanderlegen von einfacheren und compli-
cirteren Formen sofort auf eine Entwickelungs-
geschichte der Formen schliessen zu wollen, zumal
wenn wir Gegenstände desselben Fundortes und
wahrscheinlich derselben Zeitperiode vor uns haben.
Wir haben von diesem Systeme in der Archäologie
zu viel Schaden gehabt, um nicht auf die Gefähr-
lirhkeit desselben hinweisen zu sollen. Die Ent-
wickelung in den Formen dieser Schwerter kann
in Ähnlicher Weise auch nach rückwärts geführt
werden, ebenso wie die von den Kelten und Paal-
stäben. Nachdem wir, wie es leicht erweislich ist,
die Bronze zum grossen Theil als anderen Ländern
ursprünglich angehörig betrachten müssen , so ist
es ganz natürlich, dass wir nicht die Entwicklungs-
stufen der Formen von der Steinkultur bis hinauf
zu einer hohen Uivilisation in einem Pfahlbau bei-
sammen finden können. Am auffälligsten und klarsten
wird die Differenz der beiden Knlturstnfen, der Steiu-
und Bronze-Kultur wohl dadurch, wenn wir die Imita-
tionsversuche beobachten. Hier sind einige, auf welche
ich Sie ganz besonders aufmerksam mache. In fast
allen Pfahlbauten, die wir in Oesterreich fanden
und die der Steinkultur angehört haben , werden
Gussschalen gefunden, welche noch mit einem Reste
von Metall versehen waren. Sie deuten neben ganz
rohen, schlechtgeformten Gegenständen von sehr
kupferreichcr Legirung daraufhin, dass diese Natur-
völker den Umguss importirter Bronze versuchten,
denn neben solchen Erzeugnissen heimischer Indu-
strie zeigen sich hie und da auch ganz schöne Bronzen,
welche gegenüber dem Gesainmthildc, welches der
Pfahlbau uns entrollt, offenbar als fremd erschienen.
Es trifft sich manchmal, dass solche Umgüsse in der
Form von vorhandenen Bronzen oder auch in Formen
geschahen, welche nach Steinwaffen gemodelt wurden.
Gerade in Stationen der Steinkultur finden sich
solche offene Gussschalen, solche Lehmformen und
Umgnssproducte häutig. Ich glaube, man hat ihnen
bis jetzt zu wenig Beachtung geschenkt. So sehen
Sie z. B. im Museum zu Stuttgart aus Sipplingen
eine solche Lehmform, in der ein kupferiges Beil
liegt, welches offenbar nach der Form eines Stein-
beiles gegossen wurde. Sie finden Gussschalcn aus
Roheiihausen in Zürich, und Hr. Messikomer hat
mir mitgetheilt, dass er auch in Niederwyl, einer
Station der sogenannten Steinzeit, eine Guss schale
gefunden hat. Auch in dieser Sammlung werden Sie
gerade aus den Stationen der Steinkultur, also aus Satz
Lathringen und Oefeli solche Umgussproducte finden.
Hier sehen Sie z. B. einen dieser Gegenstände,
welcher in seiner Ausführung und Form mit den
schönen Bronzen im offenbaren Contraste steht.
Sie sehen, wie roh und formlos diese Stücke sind .
und wenn ich nicht irre, wird auch diese Legirung
sehr kupferig sein. Dieses sehr knpferige Metall in
den Umgüssen ist deshalb sehr interessant, weil
man auch hier wieder geneigt war, durch stark
knpferige Legirungen auf eine Entwicklung der
Bronze innerhalb der Pfahlbauten zu schliessen.
Wir haben den Versuch des Umgusses gemacht
und gefunden, dass wenn man Zinnbronze bei offenem
Feuer langsam in offenen Schalen umgiesst, ein
eigentümlicher Process entsteht. Das Zinn als leichter
schmelzbares Metall schmilzt früher aus nnd geht
gewissermassen verloren. Ich habe solche Versuche
gemacht, und gesehen, wie weisse Zinnkügelchen
aus der Schale in das Feuer gespritzt sind. Das
Factum ist, dass die Umgussproducte mehr Kupfer-
gelialt hatten. Weitere solche knpferige Umguss-
producte , die nachgehämmert sind und mit alten
Bronzen keinen Vergleich aashalten, sind diese
zwei Messer, die auch in den Pfahlbauten der Stein-
zeit vorkamen. Aehnliche Gegenstände sind ferner
diese Kupferringe und diese Meissei, welche die
Spuren der Verhämmemng nnd die Spuren eines
recht schlechten Gusses mannigfaltig an sich tragen.
Sehr interessant und höchst wichtig in dieser Samm-
lung ist vor allem dieses Schwert. Ich habe gestern
daran gezweifclt, dass es Eisen sei ; ich höre heute,
dass die Untersuchung doch Eisen ergeben habe.
Ich behalte mir vor, noch einmal mit dem Hrn.
('»liegen Dr. Gross über dieses Schwert zu ver-
handeln, weil ich glaube, dass eine solche Analyse,
wie sie gemacht worden ist, wohl zeigen kann, «lass
Eisen darin ist; ich möchte aber sehr bezweifeln,
dass die Klinge durchaus reines Eisen oder reiner
Stahl ist. Wäre cs der Fall , so hätten wir hier
nicht nur ein archäologisches Stück von grosser
Seltenheit vor uns, sondern auch eine metallurgische
und handwerkliche Meisterarbeit; denn um diese
Klinge mit diesen Erhöhungen zu schmieden, dazu
gehört wohl eine ganz ausserordentliche Fertig-
keit, welche für die sehr genaue Kenntniss des
Eisens und der Stahlbereitung zeugen würde. Einen
weiteren Gegenstand der Beachtung möchte ich der
Versammlung vorlegen. Das sind diejenigen ge-
gossenen Bronzegegenstände, welche noch nicht
geputzt den Rohguss verrathen. Abgesehen von
den Gussformen, die Ihnen zeigen, wie überhaupt
103
gegossen worden ist. sehen Sie an dem Messer,
welches ich Ihnen verlege, wie der Gegenstand aus
der Form kommt ; Sie werden dabei sofort erkennen,
dass diese Ornamente nicht gravi rt, nicht ge-
schlagen, sondern gegossen sind. Bei genauer
Beobachtung solcher Eintiefungen, welche aus dem
Gusse entstehen, werden Sie andererseits auch die-
jenigen Ornamente unterscheiden kennen, welche
eben nicht gegossen, sondern g r a v i r t sind. Sie
unterscheiden sich ziemlich bestimmt und sind von
der gegossenen Ornamentik auch dadurch kenntlich,
dass sie ununterbrochen rund um die Bronzewaffe
laufen, wahrend die durch den Guss hervorgebrachte
Ornamentik stets dort unterbrochen sein muss, wo
die Gussn&the laufen.
Hr. Virchow : Ich will zur Ergänzung dieser
Funde nur kurz erwähnen, dass ich vor einiger
Zeit durch die Güte des Hrn. Dr. Gross Ge-
legenheit gehabt habe, die von ihm in ungewöhn-
licher Zahl in diesen Seestationen gesammelten
Schädel einer genauen Untersuchung zu unter-
ziehen. Hr. Gross hat das GlQck gehabt, eine
grössere Zahl von Schädeln zusammenzubringen, als
je vor ihm aus Pfahlbauten entnommen worden
sind. Ich habe in einem eben erst erschienenen
Sitzungsbericht der Berliner anthropologischen Ge-
sellschaft (Zeitschrift für Ethnologie Bd. IX lieft IV)
darüber eingehenden Bericht erstattet und eine
photographisch nach der geometrischen Zeichnung
iiergestellte Uebersicht der Formen beigefügt. Die
Untersuchung hat für die Gcsammtfrage der Pfahl-
baukultur insofern ein besonderes Interesse dar-
geboten , als durch diese Schädel mit voller Be-
stimmtheit dargethan worden ist , dass jeder Ge-
danke daran , als sei die alte Pfahlbaurasse eine
niedere gewesen, aufgegeben werden muss. Gerade
einer der Schädel von Auvernier , der mit werth-
vollen , hier ausgestellten Sachen zusammen im
Neuenburger See gefunden ist, gehört zu den
ausgezeichnetsten , die überhaupt gesehen werden
können. Ich glaube mit Bestimmtheit aussagen zu
dürfen, dass in der Beschaffenheit der Menschen,
welche diese Pfahlbaustationen bewohnt haben, eine
erkennbare Differenz der körperlichen Ausstattung
gegenüber der heutigen Menschheit nicht nach-
gewiesen werden kann. Es entspricht das , wie
mir scheint , auch der Vorzüglichkeit der Gegen-
stände, welche hier vorliegen. In einer Zeit, welche
so grosse Schwierigkeiten für die Entwicklung des
einzelnen Menschen darbieten musste, könute inan
aus der Production so vollkommener Gegenstände
eigentlich ein höheres Masa von individueller Be-
fähigung ableiten , als es gegenwärtig gewöhulich
vorausgesetzt wird.
In Bezug auf die Stellung der Kasse im
Uebrigen ist durch die Schädel, welche Hr. Dr.
Gross gesammelt hat, dargethan worden, dass
eine viel grössere Zahl von Dolichoeephalen in
dieser alten Zeit vorhanden war, als man bis da-
bin in der Schweiz zuzugestehen geneigt war.
Merkwürdiger Weise haben die schweizer Ana-
tomen die ihnen vorgekonimenen Langköpfe durch
ihre Interpretation etwas weniger in den Vorder-
grund treten lassen, als es hätte geschehen können.
Es waren nemlich zufälliger Weise gerade Kinder-
schädel , welche diese langen Formen darbot eil,
und man hat sich gewöhnlich damit geholfen, dass
man annahm, es könnten ans 4en dolichoeephalen
Kindern wohl noch mesocephale oder brachycephale
Erwachsene geworden sein. Nun , das war iu
früheren Jahren ; da konnte man sich einer solchen
Meinung leichter hingeben, als gegenwärtig. Nach-
dem die Aufmerksamkeit sich mehr und mehr auf
die Schädelfonneu der Neugebornen gerichtet und
es sich herausgcstellt hat, dass die Kinder schon
mit sehr ausgesprochen dolichoeephalen, brachyee-
phalen und inesocephaleu Köpfen geboren werden,
nachdem ferner Hr. Rüdingcr gezeigt hat, dass
sogar das Gehirn der Neugebornen, je nachdem
sie doliehocephal oder brachycephal sind , Ver-
schiedenheiten in der Anordnung der einzelnen
Hirntheile , namentlich der Grosshirnwindungen
darbietet, so wird man wohl sehr vorsichtig sein
müssen in Bezug auf eine Deutung , welche die
Möglichkeit voraussetzt, dass eine jugendliche I)o-
lichocephalie sich in eine Brachyceph&lie der Er-
wachsenen umgestalten könnte. Nimmt man die
Gesammtzabl der jetzt bekannten Pfahlbauschädel
zusammen , so ergibt sich also nach meiner Mei-
nung eine unverkennbare, zum Theil den ältesten
Stationen ungehörige Gruppe von Langschädelu.
Man gewinnt damit einen gewissen Anhalt für die
Erfahrungen, wie sie auch sonst schon in grösserem
Umfange an fossilen oder Höhlenschädeln gewonnen
worden sind. Wir wissen ja, dass die alten Engis-
schädel der langköptigen Gruppe angehören. So-
mit kann man gegenwärtig mit Bestimmtheit aus-
sagen , dass Glieder einer uralten langköptigen
Kasse lange vor den Zeiten , in welche wir die
Einwanderung der Germanen zu verlegen gewohnt
sind, in der Schweiz gewohnt haben. Dass daneben
allerdings auch frühzeitig schon andere Formen
Vorkommen, ist gewiss sehr merkwürdig und zeugt
dafür , dass gewisse Mischungsverhältnisse bis in
sehr alte Zeiten zurflckreichen.
Vorträge und Discnssiouen über prähistorische
Konst.
Hr. Ecker: Meine Herren! Ich will mir er-
lauben, über die prähistorische Kunst zu
sprechen. Sie haben gestern die Sammlung im
Kosgarten gesehen, in welcher die wichtigsten Ob-
jecte dieser Kunst aufbewahrt sind. Sie haben
gestern schon in dein Vortrage unseres Herrn
Vorsitzenden gehört, dass ein Streit über die Frage
der Abstammung dieser Kunstwerke entstanden
ist und noch besteht. Ich halte es für zweck-
mässig, dass gerade liier, am hiesigen Orte, diese
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10-4
Frage möglichst objectiv dargestellt werde. Ich
will mich daher zweierlei befleissigen, nemlich
erstens einmal möglichster Objectivitflt; ich werde
suchen, die Gründe auf beiden Seiten möglichst klar
darzustellen und so. dass, wenn dies erreichbar ist,
Niemand merken soll, nach welcher Seite ich mich
neige. Zweitens werde ich mich möglichster Kürze
hetieissigen; ich muss aber doch bemerken, dass
wir uns eigentlich in einem Proresse befinden und
hier die Regel gilt, dass man die Zeugen unge-
schmälert sprechen lässt; dennoch hoffe ich Sie
nicht zu lange aufzuhalten.
Als die ersten trefflichen Zeichnungen und
Schnitzereien aus den Höhlen der Dordogne be-
kannt wurden, war der allgemeine Eindruck keines-
wegs übereinstimmend der, dass diese Kunstwerke
in der That prähistorischen Händen entsprungen
seieu. Die Freude an diesen Kunstwerken wurde
im Gegentheil bei sehr Vielen durch einen
Schatten des Zweifels verdüstert. Die wieder-
holten Funde jedoch, die über jeden Zweifel er-
habenen Namen einzelner Finder, wie z. ü. L a r t. e t ’s,
die augenscheinliche Sorgfalt , mit welcher diese
Ausgrabungen gemacht wurden . auf der anderen
Seite doch auch wieder die Schwierigkeiten, die
Zweifel an der Echtheit für jeden einzelnen Fall
durch positive Beweise zu stützen, waren Ver-
anlassung, dass inan nach und nach die Zweifel
aufgab und dass der Glaube an die Echtheit zu
einem Lehrsätze wurde, an dem zu rütteln nicht
mehr erlaubt war. Wir wissen ja, W'ie leicht sich
Dogmen in unser Gehirn einschmeicheln und wie
schwierig es ist, dieselben wieder los zu werden.
Wenige sind dieser Bekehrung widerstandeil und
hartnäckige Ketzer geblieben ; vor allen war dies
L i n d e n s c h m i t und zum Theil auch der Director
des Museums in St. Germain llr. Bertrand und
ein schweizerischer Alterthumsforscher llr. v. Bon -
stetten. Diese theilten die sonst allgemeine
Freude nicht, als in Thayingen solche Zeichnungen
zu Tage kamen, und man also sah, dass doch
auch die Alemannen etwas von Kunst verstehen
und nicht allein die Renthierfranzosen verstanden
haben, etwas Prächtiges in dieser Kunst zu leisten.
Nur Linden sch mit und seine Anhänger theilten,
wie gesagt, diese Freude nicht; im Gegentheil,
sie witterten jetzt um so mehr Betrug, und
Li n den sch mit liess nicht nach, bis es ihm in
der That auch gelang, seinen Verdacht beweisen
zu können. Sie wissen ja, dass ihm dies in Be-
treff zweier Zeichnungen vollkommen gelungen ist,
welche ihr Original in einem illuBtrirten Kinder-
buch, das bei Spamer in Leipzig erschienen ist,
besitzen. Diese beiden Figuren wurden allerdings
von Anfang an schon mehrfach angezweifelt, trotz-
dem aber von den schweizerischen Autoritäten,
insbesondere von der Züricher antiquarischen Ge-
sellschaft als echt erkannt, und es hatte der Ent-
decker der Höhle und der Beschreiber derselben,
der von Anfang an diesen beiden Figuren nicht
traute, doch die Schwäche, der antiquarischen Ge-
sellschaft gehorsam zu sein und gegen seine bessere
Ueberzeugung und gegen seinen eigenen Willeu
die Zeichnungen dieser Figuren in sein Buch auf-
zunehmen. Lindenschmit scheute sich nicht,
den verübten Betrug aufzudecken, ohne übrigens
irgend eine Persönlichkeit als Urheber desselben
zu bezeichnen, und begreiflicher Weise ergriff er
auch sehr gerne die Gelegenheit, seine Zweifel an
der Echtheit aller der Höhlenzeichnungen nun
wiederholt auszusprechen. Es ist natürlich, dass
der Entdecker, Realschullehrer Merk, damals in
Thayingen, jetzt in Gossan, sich sehr gekränkt
fühlen musste, da er, obschon kein Verdacht aus-
gesprochen war, dennoch sich getroffen glaubte.
Er hat eine Erwiderung an Hrn. Lindenschmit
der Rcdaction des Archivs zugeschickt, die aber
in der Form, wie sie an dieselbe kam, nicht auf-
genommen werden konnte und erst nach einem
reinigenden Bad Platz gefunden hat. Es war za
entschuldigen, dass Hr. Merk in dieser Weise
vorging; dagegen war cs nach meiner Meinung
nicht zu entschuldigen, dass die antiquarische Ge-
sellschaft von Zürich, also eine Corporation von
solchem Ansehen , der man in der That so viel
Dank schuldig ist, sich von einer Leidenschaft
hinreissen liess, die man einem Einzelnen als eine
momentane Ueberreizun«.? verzeihen kann, keines-
wegs aber einer Corporation, die ihre Beschlüsse
nicht in einem Momente fasst. Lindenschmit
hat. es an einer Antwort nicht fehlen lassen. Dies
ist in Kürze die Geschichte des Thayinger Falles,
ln Folge davon stehen sich zwei Ansichten feind-
lich gegenüber. Ich habe schon gesagt, dass ich
mich befleissigen werde, die Ansichten möglichst
objectiv gegenüberzustellen; in wie weit mir das
gelingen wird, mögen Sie entscheiden. Von vorn-
herein will ich bemerken . dass ich keineswegs
denke, dass die anthropologische Gesellschaft etwa
ein Verdict pro oder contra abgeben wird oder
will. Wissenschaftliche Fragen dieser Art können
nicht vou einer Jury, sie mag zusammengesetzt
sein wie sie will, entschieden werden; solche
Fragen werden nur durch den stillen, inneren,
langsamen , organischen Entwicklungsgang der
Wissenschaft entschieden. Die Anhänger der
einen Ansicht — Hrn. Lindenschmit will ich
einfach als Repräsentanten derselben bezeichnen —
halten cs aus inneren Gründen des Kunstwerks,
also aus artistischen Gründen für unmöglich, dass
die vollendeten Thierzeichnungen von denselben»
Menschen herrühren, von welchen die rohen Stein-
und Knoclienwerkzeuge gefertigt sind, dass sie
also aus einer späteren Zeit stammen müssen, und
da man von den späteren Perioden in diesen
Höhlen keine Reste gefunden hat, so bleibt eben
nichts anderes Übrig, als die Annahme, dass sie
ganz aus moderner Zeit stammen, dass sie unter-
schoben, dass sie gefälscht sind. Das Moment
also, auf welches sich Lindenschmit und seine
Anhänger stützen, ist ein artistisches; die Gegner,
die die Echtheit vertheidigen, stützen sich wesent-
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^orrespoubeng-^iM'df
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R e d i g i r t
▼on
Professor Ko 11 mann in München,
OtnmliKnUr d#r Of»lkWl
Erscheint jeden Monat.
Nro. 11. München, Dmck von R. Oldenbourg. November 1877.
Bericht über die VIII. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Constanz
am 24.-26. September 1877.
(Kedigirt von Prof. Johannes Ranke in München.)
Hr. Virchow : Ich möchte in Bezug auf
die Wünsche des Hrn. Desor bemerken, dass
wir uns zunächst verständigen müssen — and
dazu wird einige Zeit gehören — . was alles unter
den Begriff Schalensteine zu subsumiren ist. Ich
höre, dass der Stein, der hier im Rosgarten liegt
und der von Hrn. Keller als Sehaleustein an-
erkannt worden ist, von Ilrn. Desor als ein
solcher nicht anerkannt wird , und ich glaube
daher . ehe wir zu einer wirklichen Aufstellung
kommen, wird es wohl nothwendig sein, eine viel
genauere Beschreibung zu gehen , als sie augen-
blicklich vorliegt. Schon in älterer Zeit sind solche
Steine unter dem Namen „Näpfchensteine“ aus
Xorddeutsrhlaml beschrieben z. B. von Beck-
mann. Ein ausgezeichnetes Exemplar aus
Schwanken in Holstein hat Hr. Jessen in den
Verhandlungen der Berliner anthropologischen Ge-
sellschaft ahgehildet. Ausserdem gibt es bei uns eine
Gegend, in der das Vorkommen von schalenförmigen
Höhlungen sowohl in anstehendem Gestein als an
erratischen Blöcken seit langer Zeit bekannt ist,
das ist Schlesien. Wir besitzen darüber eine Reihe
von älteren Aufzeichnungen, wo eine grinse Zahl
solcher Plätze sowohl im Riesengebirge als aus der
I .ausitz beschrieben worden sind. In der Regel geben
diese Steine bei uns unter dem einfachen Namen
„Opferstein“; »las ist der gewöhnliche Terminus.
Allein „Opferstein“ ist eine sehr weitgreifemle
Bezeichnung, die gelegentlich auch auf vielerlei
andere Steine angewendet wird, und ich fühle mich
im Augenblicke nicht in der Lage, beurtheilen zu
C«fT*>fp.-RUtt Nr«. II.
können, oh irgend einer dieser Steine genau dem
entspricht, um was es sich hier handelt. Es gehen
diese Opfersteine bis auf die Insel Rügen, wo ein
seit langer Zeit berühmter Opferstein bei Quoltitz
steht, der vielfach abgebildet worden ist. Es ist
ein erratischer Block, der über mannshoch ist und
einen sehr grossen Umfang hat. Wir werden sehr
gern bereit sein, unsererseits die Frage in Angriff
zu nehmen, sobald ein wenig mehr Sicherheit in
die Terminologie gebracht sein wird. In Schlesien
hat man in der letzten Zeit angefangen , sich
ernstlich mit diesen Dingen zu beschäftigen; ein
solches Stück ist sogar aus anstehendem Gestein
mit grosser Mühe ansgesägt worden und jetzt im
Breslauer Museum aufgestellt. Sehr gern werden
wir eine Revision sämmtlicher Fundstücke vor-
nehmen, die auch aus anderen Gründen von Inter-
esse sein würde.
Hr. Mehlia: In aller Kürze möchte ich zur
Completirung niittheilcn, dass auch in Süddeutsch-
land eine Reihe von isoUrten aber anstehenden
Steinblöcken erhalten sind, die auf der Oberfläche
eiue schalenförmige Vertiefung haben; besonders
finden sich diese Schalensteiue auf den Höhen des
Waskenw&hles, im Eisass und in der Rheinpfalz
und im diesseitigen Bayern in Franken. Von
religiösen Gebräuchen, von ei ner Bespritzung
mit Oel u. s. w. ist mir allerdings nichts bekannt,
wohl aber von einer gewissen religiösen Scheu,
mit der mancher solcher Steine betrachtet wird.
Bei der jüngsten Generalversammlung der deutschen
1
- JL
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130
Alterthumsvereine waren Hr. Ohlensch la «er and
ich beauftragt, einen solchen Stein, der in der
Nahe Fürths sich befindet, den Druidenstein von
Cadolzburg, zu untersuchen, ob es wünschenswert!!
wäre, denselben zu erhalten. Kr steht am Rande
eines Steinbruchs, und der Steinbruchbesitzer
wollte ihn zu baulichen Zwecken verwenden. Als
wir nun in der Nähe in einem Dorfe Stiuzendorf
einen kleinen Führer nahmen , der uns an die
Stelle begleiten sollte , lief derselbe ungefähr 200
Schritte vor dem Reiseziele aus Furcht vor dem
Druidenstein davon, so dass wir in der Lage waren,
den Stein allein untersuchen zu müssen. Es möchte
dieser Umstand in Verbindung mit Namen vielleicht
solcher Monolithe wie Teufelsstein, Orinsfels(=Odins-
fels), Hexenberglein etc. beweisen, dass eine gewisse
religiöse Sehen vor einem solchen Stein im Volke
verbreitet ist. Die Beachtung von Lokaltraditionen
ist wünschenswert^ um solche mythologische Fragen
zu entscheiden.
Hr. Schaaft’hausen: Ich erlaube mir dem Vor-
trage des Hm. Dcsor die Bemerkung hinzuzufügen,
dass, als ich vor einigen Jahren von Stockholm
nach Gothenburg kam , ich einen der schönsten
Schalensteine im dortigen Museum gesehen habe,
über den vielleicht bisher nichts veröffentlicht
worden ist. Hr. Director Malm lächelte, als ich
den Stein für einen Opferstein hielt, und war der
Ansicht, die auch von anderen schwedischen Natur-
forschern getheilt werde, «lass diese schalenförmigen
Höhlungen Auswaschungen seien, indem an diesen
Stellen mineralische Einschlüsse herausgewittert
seien. Davon konnte aber in der Tliat nicht die
Rede sein; die Regelmässigkeit in «1er Zusammen-
stellung dieser kreisförmigen Vertiefungen ist eine
zu grosse, als dass sie eine natürliche sein könnte.
Man hat noch einen Grund für die Ansicht, dass
«liese Steine Opfersteine gewesen sind, der von
Hrn. Dcsor nicht erwähnt wurde. Man glaubt
ncmlieli, dass, wenn Thiere oder gar Menschen
geopfert wurden, in diesen IIöldung«m das Blut
sich sammelte , in das die Priester ihre Hand
eintauchten, um das Volk damit zu bespritzen,
wie dieser Gebrauch ja von den Opfern der me-
xikanischen Priester berichtet ist. Diese An-
nahme wäre in solchen Fällen möglich, wo wir
nur auf der Oberfläche eines solchen Steines die
Höhlungen finden ; aber gerade der Stein von
Gothenburg, wovon ich verschiedene Photographien
besitze, ist auf verschiedenen Seiten mit diesen
Höhlungen versehen. Es ist auch auffallend, dass
die Ringe oder Kreise, die sich in Indien so
häufig neben den Höhlungen finden, bei uns gar
nicht Vorkommen ; wohl aber finden sich solche
Kreise ohne die Höhlungen auf den Felscn-
inschriften in Schweden, so «lass die beiden Symbole,
die ganz gewiss mit religiösen Vorstellungen Zu-
sammenhängen, in Skandinavien und Deutschland an
verschiedenen Monumenten vertheilt sich vorfinden.
K i v e 1 1 - C a r n u c fragt indessen nicht mit Unrecht,
oh diese Zeichen vielleicht eine Schrift vorstellen.
Was übrigens andere Kreise angeht, die von dem
genannten Forscher in Bengalen auf Steinblöcken und
auf Monotitheu gefunden und uhgebildet sind , so
ist cs unzweifelhaft, das diese Bilder sich auf den
noch jetzt sehr verbreiteten Phallus- und Cunnus-
Dienst der indischen Stämme beziehen.
Hr. De»or: Es ist ein grosses Gebiet, das wir
hier besprechen. Während hei uns die archaischen
Zeichen sich meist auf einfache Schalen beschränken,
sind es anderwärts complicirtere Zeichen, besonders
eoncentrische Ringe. Indessen fehlen letztere nicht
gänzlich in der Schweiz. Bei Meis im Canto»
St. Gallen z. B. ist auf einem Stein mit vielen
Schalen auch ein Zeichen, das mit einem Ringe
umgeben ist; es ist bereits im Anzeiger für schwei-
zerische Altert humskunde (1874) publieirt worden.
(Redner zeigt die Abbildung.) Ich muss noch hin-
zufügen, dass es in Indien und vielleicht auch in
England noch andere Zeichen gibt , die vielleicht
jünger sind, als die Schalen. Hr. Rivett-Carnac
erwähnt in seiner Broschüre , dass besonders die
von Ringen umgebenen Schalen in Indien so häufig
sind , dass sie einen gemeinschaftlichen Namen
führen; sie heissen Muhadeos und gelten als die
Embleme eines alten Phallus-Dienstes.
Hr. Voss: In Frankreich ist in Le Mans in
der Nähe der Kathedrale eine längliche Stein-
platte aufrecht aufgestellt , welche den Namen le
doigt du Maus führt. Auf derselben finden sich
einige Vertiefungen, welche das Ansehen von Ein-
drücken haben. Als ich mich erkutuligte , woher
die Bezeichnung käme , sagte man mir, der Stein
führe «leshalb «ien Namen, weil auf demselben die
Eimlrücke von Fingern zu sehen wären. Mir
schienen dieselben jedoch nicht artificieller Natur,
sondern rein natürlichen Ursprungs zu sein. Aber
es ist jedenfalls wohl ein Stein dieser Kategorie, weil
die Leute ihn wegen der erwähnten Vertiefungen
und nicht wegen seiner sonstigen Form an einer
so wichtigen Oertlichkcit aufgestellt haben. — Ferner
befindet sich in der Mark Brandenburg in der
Nähe «1er Stadt Nicmcgk. Kreis Zauche-Belzig, ein
Stein , auf dem ebenfalls Vertiefungen vorhandeu
sind , welche denselben als hieber gehörig cha-
rakterisiren. Es ist dies der sogenannte „Ili-
schofsstcin*, ein grosser erratischer Block. Der-
selbe ist, nach einer Mittheilung des Ilrn. Stadt-
rath Friedei, mit mehreren künstlichen Ver-
tiefungen, sogenannten Näpfchen, versehen, die fast
halbkugelig sind und etwa den Durchmesser eines
Zweimarkstückes haben. Eines dieser Näpfchen
ist glatt , wie auspolirt , während die übrigen mit
Moos bewachsen und rauli sind. Dies Näpfchen
soll noch von Schäfern, alten Frauen etc. gesalbt
und zum „Besprechen* gebraucht werden. —
Hr. Virchow : Ich habe Ihnen nnzitzeigen,
dass ein Vertreter von Frauenleiden hier anwesend
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und zu Mittheilnngcu über die Ausgrabungen bei
Niederwyl bereit ist.
Sodann ist durch Hrn. Merk nachträglich ein
Auszug aus dem Protokolle einer Sitzung der St. Gal-
ler naturwissenschaftlichen Gesellschaft vorgelegt
worden, welche sich in Bezug auf die Ehrenhaftig-
keit seines Charakters Anssert. Ich lege dasselbe
aus für diejenigen Herren , welche davon Kennt-
nis* nehmen wollen. (Anmerkung zu S. 121.)
Ferner hat Hr. I)r. Krause eir.en Schädel,
welcher den Eindruck eiues sog. Torfschädels macht,
ausgestellt. Derselbe ist vor kurzer Zeit bei den
Correctionsarbeiten , welche gegenwärtig in der
Niederelbe unterhalb Hamburg vorgenommen werden
nnd welche eine frühere Elbeinsel durchsehneiden,
aufgefunden worden, und zwar unter Verhältnissen,
die mit einiger Sicherheit voraussetzen lassen, dass
über dem Schädel seit drei Jahrhunderten eine
infacte Oberfläche gelegen hat. Der Schädel ist
insofern von ganz besonderem Interesse , als er,
obwohl sehr zerbrochen und zertrümmert, doch
in der Seitenansicht ein sehr gutes Profil eines
exquisit chamäcephalen Schädels darbietet, jener
Schädelfonn, die ich von der Elbe bis an die west-
liche Küste von Holland nachgewiesen habe. Es ist
ein ganz musterhaftes Exemplar ; die Niedrigkeit
des Vorderkopfes , das fast vollständige Febleu
der eigentlichen V Orders tim ist im höchsten Masse
ausgedrückt.
Endlich bat Hr. Dr. Voss eine Reihe von
photographischen Tafeln ausgehängt , welche ein
Bild von den Bronzen von Norddeutschland geben.
Daneben ist die Abbildung einer römischen Bronze-
figur befestigt, welche der sehr erfahrene Director
unseres Berliner Münzkabinets, Hr. F ri e d 1 ä n d e r ,
vor kurzem publicirt hat und deren Fundort ge-
nau festgestellt ist. Sie stammt aus Hinterpom-
mera, einem Lande, wo ein unmittelbarer Contact
mit römischer Kultur wenig vorausgesetzt wird.
Es ist dies schon die dritte römische Bronze-
statue , welche innerhalb eines kleinen Terrains
seit etwa 70 Jahren aufgefnnden worden ist. Die
zuerst erwähnten Tafeln sind Darstellungen der
im Berliner Museum vorhandenen Bronzeschwerter
und der dazu gehörigen sonstigen Funde. Es ist
jedesmal die Gesamint heit derjenigen Objecte, welche
mit den Bronzeschwertern zusammen gefunden
worden sind, abgebildet worden. Somit erhält man
nicht bloss eine Uebendcht der Formen überhaupt,
sondern zugleich einen Anhalt für eine vergleichende
Feststellung derjenigen Periode , in welcher diese
Art der Kultur Norddeutschland erreicht hat. —
Hr. Kollraann (zur Mikrocephalie) : Die Fa-
milie Becker, die vor Ihnen steht, stammt aus
Bürgel bei Hanau. Aus der Ehe des grossen,
starken blonden Ehepaares sind sechs Kinder
horvorgegangen. Davon sind drei vollständig nor-
mal , drei zeigen eine eigcuthümliche Missbil-
dung am Schädel , die man als Mikrocephalie be-
zeichnet hat. Der Ausdruck bezeichnet Klein-
köpfigkeit . nnd in der That , der Kopf dieses
blonden mikrocephalen Mädchens Margarethe, die
acht Jahre alt ist , fällt zunächst auf durch
eine ausserordentliche Kleinheit ; die abnorme
Kleinheit ist um so leichter eben jetzt zu be-
urteilen , weil die Mutter ein vollständig nor-
males Kind auf dem Arme trägt. Die Hirnschale
des einjährigen Bruders ist viel grösser als der
Schädel der achtjährigen Schwester. Eine andere
Eigentümlichkeit, welche zumeist die Mikrocephalie
begleitet , ist nicht minder auffällig. Die Stirne
ist sehr stark zurückweichend, das Gesicht springt
dadurch ungemein vor, namentlich die Nase, aber
auch der Oberkiefer mit den schiefstehenden
Zähnen. Man hat deshalb diese Form des Ge-
sichtes mit dem Ausdrnrk des Vogelgesichtes be-
zeichnet. Die weltbekannten Azteken besassen es
in derselben Form. An solche Mikrocephale knüpft
sich stets die Frage , wann entsteht der eigen-
tümliche Zustand am Schädel und Hirn, wodurch
das Wachsthum der beiden Organe sich verlang-
samt und allzufrüh stille hält. Man kann auf
Grund der bisherigen Erfahrungen die bestimmte
Antwort geben , dass diese hemmenden Einflüsse
fast ausnahmslos während der frühesten Entwick-
lungsperiode wirksam sind. Die Kinder kommen
mit einem in allen Dimensionen schon sehr redu-
cirten Schädel zur Welt, der kleiner ist als bei
gesunden und normalen neugeborenen Kindern.
Man ist in der Regel im Stande, sofort nach der
Geburt die Mikrocephalie nachzuweisen , die also
schon im intra-uterinen Leben begonnen hatte. Die
Ursachen des verminderten Schädelwachsthums sind
noch nicht erkannt, wir wissen nnr, dass krank-
hafte Processe im weiblichen Organismus auftreteu,
welche im Innern des kindlichen Organismus weiter
wirken oder ausschliesslich in letzterem sich ent-
wickeln und hauptsächlich den Schädel in seinem
Wachsthum behindern. Es wurde früher die An-
sicht aufgestellt und eine Fülle höchst bestechender
Belege erörtert, diese mikrocephalen Wesen wären
ein Rückschlag der menschlichen Rasse auf einen
längst verschwundenen Urahnen , ein Rückschlag
zum Affen. Diese Ansicht darf heute als wider-
legt angesehen werden. Die mikrocephalen Kinder
zeigen krankhafte Missbildungen oder Bildungs-
hemraungen , die am Gehirn und am Schädel auf-
treteti. Letztere gehören in dio Reihe derselben
Missbildungen , die auch an anderen Organen des
menschlichen Körpers auftreten. Es können z. B.
Arme und Beine mangelhaft entwickelt sein , die
Oberschenkel rudimentär nnd die Unterschenkel
und Füssc unmittelbar am Rumpfe sitzen , und
doch haben wir kein Recht, in einem solchen Fall
von einem Rückschlag zu dem Gcschlcchte der
Saurier zu sprechen.
Es hat sich übrigens auch nachwetseu lassen,
dass der pathologische Process nicht immer die
nämlichen Organe des Hauptes ergreift. Bald ist
es nur die Hirnkapsel, welche das Wachsthum ein-
stellt, deren Nähte in der frühesten Zeit so fest ver-
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132
wachsen, dass die Entwicklung des Gehirns sistireu
muss , oder die hemmende Kraft ergreift das Ge-
hirn, dieses bleibt im Wachsthum zurflck, wahrend
die Nfthte eine weitere Volumenszunalmie möglich
machen würden. So gibt ©*. Mikrocephale . deren
Gehirngewicht nur Ihn ) Gramm betrügt , wahrend
das eines gesunden Menschen zwischen 144m bis
1 5tHi Gramm schwankt. Wie regellos übrigens
diese krankhaften Processe eingreifen , ganz im
Gegensatz zu dem typischen Auftreten echter ata-
vistischer Erscheinungen , zeigt sich darin , dass
ziemlich ansehnliche Schwankungen in Schädel-
grösse und Gehirngewicht bei «len Mikrocephalen
gefunden werden. Man hat Gehirne von 3m bis
UH 4» Gramm Schwere beobachtet Das Gehirn,
das in der Schfldelkapsel der 8jährigen Mar-
garetha liegt, dürfte kaum über 4t M ) Gramm be-
sitzen.
Ich möchte noch auf den übrigen körperlichen
und geistigen Zustand dieses Geschöpfes in Kürze
hin weisen, der nicht minder merkwürdig ist. Der
Gang ist schwankend, die Bewegungen des Kopfes
wie der Extremitäten schnellend . nicht immer
cuordinirt, also unsicher, zweckwidrig, und zuckend;
der IJlick ist unruhig , die Objecte werden un-
bestimmt fixirt. Die normalen Functionen des
Geistes stehen weit unter denen eines 4jährigen
Kindes. Die Hjährige Margarethe spricht nur das
Wort Mama, sonst hat sic noch keine sprachlichen
Laute gelernt. Sie gibt durch Jammern , durch
weinerliche Laute, bei denen sie das Gesicht ver-
zieht. das Bedürfnis nach Speise kund, und lacht
bei Geschenken von Esswaaren oder von Spiel-
zeug. Sie ist erst in den letzten zwei Jahren rein-
lich geworden. Ihr Appetit hat sich seit jener
Zeit gebessert. Die Ernährung ist gesteigert im
Vergleich zu den ersten Lebensjahren, um! lamit
auch ihr Begriffsvermögen ; sie hilft ihrer Mutter
z. B. den Tisch decken und bringt Teller. Messer
u. s. w. auf Verlangen herbei . die sie an dem
Aufbewahrungsort holt. Sie zeigt ferner ein zärt-
liches Mitgefühl für ihren mikrocephalen Bruder,
der wegen Kränklichkeit nicht hieher gebracht
werden konnte ; sie nimmt z. B. vom Tische Brod,
geht an das Bett ihres Bruders und füttert ihn.
du er selbst nicht im Stande ist, die Nahrung zum
Mund zu führen. Sie zeigt eine sehr deutliche
Zuneigung zu ihren Angehörigen und Furcht vor
Fremden. Beim llereinführen in «len Saal gab
sie die entschiedensten Beweise von Furcht ; auf
den Tisch gestellt , verbarg sie den Kopf im
Kock des Vaters und wurde erst ruhig , als die
Mutter sie auf «len Arm nahm. Dieses Erwachen
geistiger Thätigkeit zeigt , dass trotz der äusserst
geringen Gehirnmenge ein gewisser Grad intel-
lectueller Entwicklung mit dem fortschreitenden
Alter Btattündet Mit dem vierten Jahre be-
gannen bei M. selbständig«1 Bewegungen . bis da-
hin lag sie , wie noch heute ihr fijähriger Bruder,
mit Ausnahme kleiner Beugungen und Streckungen
an Rumpf und Gliedern unbeweglich; die Mus-
kulatur wurde also erst nach dem vierten Lebens-
jahr stark genug, um das Gehen zu erlernen, und
das Nervensystem gewann allmählich «len notli-
w endigen Einfluss auf die motorischen Organe.
Um dieselbe Zeit begann eine regere geistige
Entwicklung. Was die Lebensdauer der Mikro»
cephalen betrifft, so ist sie meist keine sehr lange,
doch hängt sic wesentlich von dem Grad «ler kör-
perlichen Entwicklung ab; einige werden alt. andere
gehen schon bald nach der Gehurt zu Grunde.
Auch hierin sind sie verschieden von den atavi-
stischen Erscheinungen , die in jeder Hinsicht die
Eigenschaften voll entwickelter Wesen an sich
tragen und keine Verkümmerung fast sämmtlicher
Organe zeigen, wie diese unglücklichen Mikro-
cephalen. sondern stets als vollwerthige Repräsen-
tanten ihrer Species auftreten. Gleichwohl bleiben
diese Mikrocephalen . namentlich wegen der Ver-
kümmerung des Gehirns und der «lamit verbundenen
niederen Stufe der geistigen Fähigkeiten, ein hoch-
interessantes Object für den Naturforscher.
Hr. Kränge (Hamburg); Ich würde hei der
Kürze der Zeit es nicht wagen , vor Ihneu die
Frage der Mikrocephalie, welche ja hinreichend
erörtert worden ist. noch einmal vörzubringen,
wenn ich nicht im Stande wäre, neues Material
für die ßeurtheilung «lieses Kapitels hinzuzufügen.
Es war das Verdienst Virchow's auf dem Stutt-
garter Congress, dass er «ler Confusion zwischen
Atavismus und Hemmungsbildung ein Ziel gesteckt
hat, indem er letztere als path alogischen Process,
enteren aber als die Manifestation des ursprüng-
lichen Bildungsgesetzes hinstellte. In der That
wird «lie Mikrocephalie in der überwiegendsten
Anzahl der Fälle eine rein pathologische Erschei-
nung sein. Ich bin aber, wie Sie hier »eben, im
Besitz eines Schädels und Gehirns von einem
affenähnlichen Kinde, welches, trotzdem es keine
pathologischen Merkmale aufweist, doch in seiner
Bildung affenähnlichen Typus zeigt.
Schädel und Gehirn gehörten einem Knaben
an, welcher am 4. Oktober 1869 geboren worden
ist als das letzte von 4 Kindern. Die Eltern
lebten in kleinen Verhältnissen, »la «ler Vater als
Arbeitsmann nicht viel veniientc. Vater und
Mutter sind gesund und sehen kräftig aus; der
Vater war bei der Geburt des Kindes 54 Jahre,
die Mutter 43. Der älteste Sohn ist Seemann,
das darauf folgende Mädchen ist an der Cholera
gestorben. Der dritte Sohn ist jetzt 9 Jahre alt
und hat vor zwei Jahren an der Chorea major
gelitten. Paul, der jüngste, war von Jugend auf
skrophulös , besonders die Drüsen am Hals waren
stark geschwollen. Er bekam erst Ende des
zweiten Jahres Zähne, welche ganz braun gefärbt
waren und sehr bald ausfieleu. nach Angabe der
Mutter hat Paul mehrmals dio Zähne gewechselt.
Im fünften Jahre lernte er erst laufen. Bereits
seit dem dritten Jahre war er reinlich ; nur sobald
er Bich krank fühlte, war er es nicht mehr. Der
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133
Appetit war immer gut, bis auf die letzte vier*
wöchentliche Krankheit. Der Schlaf war stets
ruhig. Sein Gemüth war heiter und zum Spielen
aufgelegt; sobald er Musik hörte, dann tanzte er
und sang dazu in ziemlich unnielodiwheu Lauten.
Wenn er geneckt wurde, konnte er sehr heftig
sein; alles, was er in die Hand bekam, warf er
dem Uebeltliäter an den Kopf. Kr war gern in
Gesellschaft ; besonders fühlte er sich wohl unter
Männern. Seit dem vierten Jahre hatte er gelernt
allein zu essen. Paul war sehr gelenkig, kletterte
gern und besass besonders in den Armeii und
Händen , die förmlich ein schwieliges Aussehen
hatten und so an die rhimpanseuhände erinnerten,
viele Kräfte. Kr vermochte sich mit ausgespreizteu
Deinen auf die Erde zu setzen, lleim Gehen war
er nicht sicher, fiel leicht hin; er lief mit nach
vorne gebeugten Knieen, geknickten Deinen; er
hüpfte gern, wobei er besonders affenähnlich er-
schien. Die grosse Zehe beider Füsse stand im
Winkel vom Kuss ab und machte so den Ein-
druck einer Greifzehe; anfangs glaubte ich, diese
Ablenkung sei dadurch entstanden , dass das
Kind wegen der Unsicherheit beim Gehen sieb
eine breitere Unterstützungsbasis habe verschaffen
wollen. Ich biu aber später davon zurückge-
kommen, weil ich bei anderen kopfkranken Kindern
z. D. bei Uydrocephalen eine solche Angewohnheit
nicht wieder vorgefunden habe. Paul konnte
wenig sprechen, fast nur Papa und Mama sagen,
und auch das batte er erst spät gelernt zweisilbig
auszusprechen, meist gab er nur Laute von sich,
die wie ein Grunzen klangen. Das Gebell eines
Hundes ahmte er mit dem Laut: „nn-rr“ nach.
Oft stampfte er mit Händen und Füssen, klatschte
iu die llände, stiess einen grunzenartigen Ton aus,
ganz wie ich es beim Chimpausen und Gorilla ge-
sehen habe.
Paul war kleiner als die Kinder seines Alters;
auf dem rechten Auge befand sich von Jngend auf
ein grosses Lenkern; meist waren die Augenlider
katarrhalisch afficirt und eiterten. Der Kopf hatte
ein wundes Aussehen ; die Stirn war schmal. Paul
besass in hervorragender Weise einen Nachahmungs-
trieb. Sein ganzes Wesen, seine Bewegungen
waren in frappanter Weise affenähnlkh. Von seinen
Eltern wurde er entschieden vernachlässigt; er
war meist schmutzigen Aussehens und ich glaube
auch, dass der frühe Tod des Kindes durch die
geringe Pflege herbeigeführt worden ist. Paul er-
krankte am Anfang December 1876 an einem
acuten Bronchialkalarrh ; ärztliche Hilfe (der
Armenarzt) wurde erst spät zugezogen. Am 4.
Januar 1877 wurde ich durch die Mutter von dem
hoffnungslosen Zustande des Kindes benachrichtigt.
Als ich sofort das Kind besuchte1 , war bereits
Lungen läbmung vorhanden. Die verabreichten
Kxcitantia hatten keine Wirkung mehr und so
starb Pani am 5. Januar 1877 morgens im Alter
von 7'/* Jahren. Ich sicherte mir die Sectkm und
den Besitz des Kopfes.
Wenn Sie liier den Schädel und das Ge-
hiru betrachten, welche diesem eben geschilderten
Kinde angebört haben , so fehlen suuächst alle
Merkmale der Mikrocephalie. Der Schädel besitzt
eine Capacität von 1022 ccm. und das Gehirn wiegt
1)50 gr.; beide weichen daher nicht von der Norm
ah. Sieht mail jedoch den aufgesägten Schädel
von innen an, so bemerkt man eine Asym-
metrie beider Hirnhälften; der Schädel ist
etwas nach vorn und rechts verschoben. Die partes
orbitale* des Stirnbeins sind höher und gewölbter
als in der Hegel, wodurch die lamimt cribrosa des
Siebbeins tiefer zu hegeu kommt und Anlass zu
der bekannten Bildung des Siebbeiitscbnabols am
Gehirn gegeben wird. Die Hirnwindungen finden
sich deutlich auf der inneren Fläche des Schädels
ausgeprägt. Dei Gesichts Schädel zeigt keine Ab-
weichungen. Prognathie ist nicht vorhanden. Nur
die Zahnbildung ist unregelmässig; cs fehlt oben
und unten itn Kiefer ein Pruemolarzahn, und zwar
ist auch kein Platz für ihn vorhanden. Die Schneide-
und Prämolarzähtie sind im Wechsel begriffen.
Was das Gehirn anbetrifft, so will ich bei der
vorgeschrittenen Zeit nur die wesentlichsten Ab-
weichungen vom Bau des menschlichen Gehirns
vorführen, ohne in Einzelheiten zu gehen.
Die beiden Hiruhälfteu sind asymmetrisch; in
der Gegend, wo auf der linken Hemisphäre die
Fissnra parieto-occipitalis sich befindet, weichen die
beiden Hemisphären aus einander, bilden einen nach
aussen und hinten convexen Kaud, der Art, dass
das kleine Gehirn nnbedeekt bleibt. An der unteren
Fläche der Frontallappen ist ein stark ausgeprägter
Siebbeinsehnabel vorhanden. Beide Fossae Sylvii
sind nicht geschlossen, links weniger als rechts;
das Operrulum ist nur gering vorhanden, die Insel
liegt mit ihren Sulci fast vollständig unbedeckt.
Diese Bildung erinnert durchaus an das Gehirn
der anthropoiden Affen. Beide Sulci centrales sive
Fissurae Ilowlandi verlaufen gestreckt, weniger Gef
als iu der Norm zum Hemisphärenraude, ohne
gegen einander einen Winkel zu bilden. Sehr stark
und tief ausgeprägte Sulci praecentrales scheinen
dafür zu vicariiren. Der Sulcus interparietalis,
welcher weiter nach aussen eutspringt als heim
Menschen, nimmt den Sulcus parieto-occipitalis auf,
eine typisch dem Affenliirn zukommeude Bildung.
Der Sulcus occipitalis transversus, welcher beim
Menschen meist wenig ausgeprägt ist, erstreckt
sich hier als Gefe Spalte quer über den Occipital-
lappen, trennt denselben beinahe ganz vom Scheitel«
lappen und es entsteht daher eine sogenannte
Affenspalte und der letzte Theil des Occipital-
lappons sieht wie ein Operculnm aus. Die Fissura
calcarina entspringt bereits auf der Oberfläche des
Hinterhauptlappens, nimmt die Fissnra parieto-
occipitalis erst *pät auf and geht auf der rechten
Seite direct in die Fissura Hippocampi. Auch
diese Abnormität ist typisch für das Affenhirn.
Der Gyros o» cipitalis primn* ist vom obern
Seheitellappen durch den Sulcus parieto-üccipitalis
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134
getrennt, eine Bildung, welche nach Gratiolet
bei manchem Affen vorkommt. Der Gyras tem-
poralis superior ist beiderseits auffallend reducirt
und besitzt nur eine durchschnittliche Breite von
ß Millimeter; es ist das eine Eigentümlichkeit,
welche durchaus an das Gehirn des Chimpansen
erinnert, welcher stets diese reducirte oberste
Schläfen Windung besizt.
Indem ich auf weitere Ausführung verzichte,
habe icli hier hauptsächlich die Frage anregen
wollen , ob es nicht doch Gehirne gehen könne,
welche, ohne mikroccphal zu sein, typische Affen-
bildung besitzen könnten. Wir haben hier eben
ein Gehirn gesehen , welches im Volumen kaum
von der Norm abweicht; wir haben ein Gehirn
gesehen , welches alle Windungen und Furchen
besitzt, vielleicht mehr als normal windungsreich
erscheint, welches in jeder Hinsicht differenzirt ist,
trotzdem in seiner ganzen Bildung mehr dem Affen-
ais Menschentums sich zuneigt. Würde mir das
Gehirn vorgelcgt worden sein, ohne dass ich seinen
Ursprung wüsste, so hätte ich das vollständigste
Recht gehabt, dieses Hirn einem anthropoiden
Affen zuzutheilen, welcher dem Menschen um
einige Grade näher steht als der Omnpanse. Ich
glaube daher, dass dieses Gehirn wohl berechtigt,
die Frage über Hcmmungsbildung und Atavismus
in ihrem Verhältnis» zur Mikrocephalie noch ein-
mal in Betracht zu ziehen.
Hr. Virchow: Ich habe schon in Berlin die
Familie Becker in eingehender W'eise besprochen,
und Sie werden, wenn Sie sieh dafür interessiren,
in dem Berichte über die Julisitzung nnserer Ge-
sellschaft das Ausführlichere darüber finden. Ich
will daher hier nur ein paar Gesichtspunkte her-
vorheben. Es wird , wenn man nicht unmittelbar
in die Häuser kommt, selten Gelegenheit gegeben
werden, ein so vollständiges Bild zn haben, wie
hier, wo Vater, Mutter und ein anderes Kind
zur Vergleichung vorhanden sind. Wie schon Hr.
Kollmann gesagt hat, waren unter den Kindern
dieser Familie Überhaupt 4 Mikroccphalen. Schon
gestorben und von Bi sc ho ff untersucht ist eine
ältere Schwester: Margarethe; dann folgt diese
Tochter hier; dann ist noch zu Mause ein jüngerer
Sohn, der ursprünglich mit hieher kommen sollte,
aber unterwegs so ungebärdig wurde, dass er
wieder hat zurflckgebracht werden müssen, und
endlich war noch ein ganz kleines Kind da,
welches früh gestorben ist, ohne zur weiteren
Entwicklung zu kommen. Daneben sind 3 gesunde
Kinder vorhanden. Wir haben also hier die sehr
merkwürdige Thatsache, dass von diesen zwei an-
wesenden gesunden Eltern , in deren Verwandt-
schaft und Abstammung bis dahin durchaus nichts
derartiges hervorgetreten sein soll, im Laufe der
Zeit 4 mikrocephale Kinder geboren worden sind
und zwar nicht etwa hinter einander, sondern ab-
wechselnd mit gesunden Kindern. Die besondere
Bedingung, welche die Mikrocephalie hervnrbringt.
musste also hier in variabler Weise wirken. Es
ist in der That ungemeiu schwer zu verstehen,
wie eine Ursache, die unzweifelhaft in den Eltern
liegen muss, periodisch wirksam und dann wieder
unwirksam wird. Es ist gänzlich unmöglich, das
dem Zufall zuzuschreiben. Da dieselben Eltern 4
solche Kinder erzeugten , so muss in ihnen ein
Motiv liegen für diese Störung, und inan muss
nothwendiger Weise annehmen , dass sich die-
selben Bedingungen, unter denen einmal Mikro-
cephalie entstand, in ihnen zu gewissen Zeiten re-
produciren.
Nun kann ich allerdings aus meiner Erfahrung
sagen, dass diese Thatsache nicht isolirt steht.
Es gibt auch sonst ähnliche Verhältnisse, wro im
Laufe der Zeit bei verschiedenen Kindern derselben
Eltern sich eine ganz ungewöhnliche Abweichung
iu der Entwicklung zeigt, und ich möchte das
namentlich deshalb betonen , weil unter diesen
Abweichungen solche sind, die nichts Thierähnliches
an sich haben. In dieser Beziehung habe ich per-
sönlich sehr entscheidende Beobachtungen über
eine an sich sehr merkwürdige Abweichung, nem-
lich über das, was inan Hydrops renum cystieus
genannt hat, eine Veränderung, wobei die Nieren
in eine Reihe von Blasen umgewandelt werden,
nicht dadurch, dass die Kelche sich erweitern,
sondern dass die Harnkanälchen innerhalb der
Substanz der Nieren selbst in Blasen übergehen,
so dass die Nieren sich in ein Convolut von Blasen
verwandeln nnd eine ungewöhnliche Grösse an-
nelunen. Diese Form von Nierenveränderung hat
gar nichts Theromorphes; man kann sie weder
mit den Nieren von Affen, noch mit denen anderer
Thiere vergleichen. Es ist reine Pathologie; kein
Mensch zweifelt daran. Nichtsdestoweniger gibt
es Familien, in welchen sich dieser Hydrops renum
cystieus genau in derselben Weise bei einer Reibe
von Kindern einstellt und dazwischen andere ge-
sunde Kinder geboren werden. Aus solchen That-
sachen kommt man mit Nothwendigkeit auf die
Conseqncnz, dass hier ein Einfluss der Eltern wirk-
sam ist, und insofern tritt ein Verhältnis» hervor,
welches an Erblichkeit erinnert., welches dem
Verhält n iss der Erblichkeit nahe kommt.
Aber meiner Meinung nach muss man sich eben
hier klar werden, dass, so ähnlich dieses Verhält-
nis dem Verhältnisse der Erblichkeit ist, es
doch principiell davon geschieden werden muss.
Wir können daraus keinen Atavismus deduciren,
sondern wir können nur sagen: hier ist offenbar
in den Eltern etwas vorhanden, was eine Summe
von Bedingungen setzt, welche diesen Effect her-
vorbringt.
Auf der anderen Seite will ich anerkennen,
dass die Parallele, welche ich ziehe, noch keinen
Beweis für das pathologische Verhältnis» der Mi-
krocephalie liefert , und ich will hier wiederholen,
was ich schon in einem Berliner Vortrage ausge-
führt habe, dass, obwohl ich überzeugt bin, dass
die Mikrocephalie ein pathologisches Ding ist, mir
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135
doch der volle Beweis dafür fehlt. Dieser Beweis
würde erst dadurch hergestellt werden, dass wir
den Mittelpunkt der Störung, die hier vorliegt, und
den Mechanismus, nach dem sic sich vollzieht,
nachweisen könnten. Das können wir leider nicht,
und auch der Fall, den Hr. Krause vorlegt, und
der gewiss sehr merkwürdig ist, entbehrt noch
dieses Schlüssels. Ich will in diesen Erörterungen
nicht weiter gehen. Ich habe anderweitig weit-
läufig dargelegt , worin die Differenz dieses Falles
von anderen Missbildungen liegt, wo wir wirklich
den Schlüssel haben, wo wir nicht bloss die ersten
Anfänge der Störung kennen, sondern wo wir auch
die ganze Serie der weiteren Störungen verfolgen
können. Unsere Erfahrungen in der Mikrocephalie
leiden an dem Mangel, dass uns weder die ersten
Anfänge, noch die genaue Reihenfolge der Störungen
und damit die Einsicht in den eigentlichen Mechanis-
mus klar geworden ist.
Immerhin ist es von höchstem Interesse, ein-
mal solche Verhältnisse, wie diese hier, inmitten
der Gcsaramtheit der Familienbeziehungen zu sehen.
Für alle diejenigen, welche die Affenfrage spe-
ciell interessirt, kann es nichts Interessanteres
geben, als zu fragen: ist die Psychologie, welche
von diesem Gehirn ausgeht eine Affenpsychologie ?
Ich bin überzeugt, Jeder, der das mikrocephale
Kind beobachtet, wird finden, dass es psychologisch
von einem Affen gar nichts an sich hat. Alle po-
sitiven Fähigkeiten nnd Eigenschaften des Affen
fehlen hier; es ist nichts von der Psychologie des
Affen darin, sondern nur von der Psychologie
eines unvollständigen, mangelhaften, kleinen Kindes.
Jeder Zug ist menschlich, jeder einzelne Zug. Ich
habe das Mädchen vor ein paar Monaten
Stunden lang in meinem Zimmer gehabt nnd mich
mit ihr beschäftigt; nie habe ich an ihr etwas be-
merkt, was nach meiner Auffassuug auch nur ent-
fernt an die psychologischen Vorgänge des Affen
erinnert. Es ist ein niedrig stehendes, menschliches
Wesen, was in keiner Weise von der Natnr des
Menschen abweicht.
Hr. Schaaffhauaen : Gestatten Sie mir ein
Wort zur Vervollständigung des Falles, den ich
genau kenne. Ich habe die hier vorgestellte
Mikrocephale und die verstorbene Schwester der-
selben wiederholt beobachtet. Ich führe an, wie
der Vater mich versichert hat, dass die Mutter,
nachdem sie ein solches Kind geboren hatte, bei
den anderen stets im voraus angeben konnte, dass
sie wieder ein mikrocephales Kind zur Welt
bringen würde. Ihr Wohlbefinden war während
diesen Schwangerschaften durch Schmerzen im
Unterleibe häufig gestört. Es ist also in diesem
Falle doch sehr wahrscheinlich, dass ein schon
von Klebs und Anderen als Ursache der Mikro-
cephalie angenommener krankhafter Zustand des
mütterlichen Organes bestanden hat und dass
Krämpfe des Uterus die Entwickluug des Hirns
von Anfaug an beeinträchtigt haben. Eine in
diesem Sinne und mit Hinweisung auf den vor-
liegenden Fall geschriebene Dissertation über die
Ursachen der Mikrocephalie hat Dr. H. Gerhartz
in Bonn 1874 verfasst.
Vierte Sitzung.
Inhalt: Lacae: Wachtthum des Schädels nach der Geburt. — Schaa ff hausen: prähistorische Funde im
Rheinland und Westfalen. — Fischer: hart, tpröd und zäh. — Diskussion Uber Schaaffhauscns
Vortrag namentlich zur Nephrit-Frage. — K oll manu: Uber nicsocephale Schädel aus alten Gräbern
Bayerns. — Johannes ltauke: craniologische Mittheilungen über die Landbevölkerung Altbayerns.
Virchow: Anthropologische Mittheilungen aus Livland und craniologische Betrachtungen. Diskussion.
— Graf Wurmbrand: Beiträge zur Frage über die Gewinnung des Eisens und die Bearbeitung der
Bronze. Diskussion. — Graf W u rmbran d : Bohmiethoden dos Steins in prähistorischer Zeit —
Virchow: Uber die nördlichen Pfahlbaufunde. — Fraas: Uber die Schussenrieder Pfahlbauten. —
Virchow: Schlussansprache.
Hr. Lucae : Wir haben über das Wachs-
tlium des Schädels nach der Geburt eigentlich
gar keine genaueren Kenntnisse, und Sie werden
noch in diesen Tagen gehört haben, dass gerade
narb entgegengesetzten Richtungen die Meinungen
darüber sich bewegen. Meines Wissens hat Hr.
Sc ha aff hausen auf der hannoverschen Ver-
sammlung Beobachtungen mitgctheilt, die er über
die Veränderung der Schädel an seinen eigenen
Kindern in verschiedenen Jahren gemacht hat.
Ich sah mich veranlasst , dieser Sache etwas
uäher zu treten. Im Hinblick auf die schönen
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Erfolge, die wir durch die Erhebungen der Farben
der Haare. Augen und Haut durch die Schule er-
halten haben . wendete ich mich ebenfalls aii die
Schullehrer und fand bei den Lehrern und Di-
rectoren der Volksschulen Frankfurts die grösste
Bereitwilligkeit, mich zu unterstätzen. Eine von
mir in Bomheira gegründete Kleinkinder bewahr-
anstalt, die heute noch unter meiner Leitung sich
befindet, enthält HO bis 100 Kinder von 2 bis 6
Jahren. Von dieser Anstalt ausgehend, nahm ich
dann Messungen an den Kindern der aufsteigenden
Klassen der Ortsschule vor. bei welchen mich mein
Collega Hr. Dr. M i n or, der Hr. Oberlehrer Ank e I ,
der Dircctor dieser Anstalt und die verschiedenen
Klassenlehrer, namentlich aber Ilr. Lehrer Ger-
lach aufs eifrigste unterstützten. Hie Messungen
betrafen die Körpergrösse , daun die a) Länge,
b) Breite , c) Höhe des Schädels, senkrecht oder
parallel zur Horizontale (wie II öl der) mit dem
Stangenzirkel gemessen (b) über das Äussere Ohr
hinter dem Tragus und c) von dem Ohrloche aus.
Ebenso die Breite des Gesichtes in der Augen-
gegend (zwischen den Vereinigungsstellen der Stirn-
nnd Jochbeine) , Breite der Jochbogen und die
Entfernung der Unterkieferwinkel. Endlich die
Höhe des Gesichtes zwischen Nasenwurzel und
Kinn.
So bin ich iu der Lage . Ihnen heute die
Masse von circa 600 Knaben vom 2. bis 14.
Jahre vorlegen zu können. Ich beschränkte mich
nur auf die Knaben . da die Mädchen wegen
Zöpfen etc. Schwierigkeiten machen. Es ist jetzt
festgesetzt, dass jedes Jahr, und so 10 Jahre
fort , immer im September , ehe die Herbstferien
beginnen, an denselben Kindern dieselben Mes-
sungen vorgenommen werden , so dass man von
den einzelnen Individuen die Veränderungen der
Körpergröße, sowie der Durchmesser des Kopfes
und des Gesichtes im Laufe der Jahre eonstatiren
kann. — Nur so entstehen Resultate , nicht aber
durch Zusammenstellen und durch Mittelzahlen
einer einmaligen Messungsreihe. — Wenn ich mm
aber doch Ihnen heute nur eine einmalige Mes-
sung vorlege , so ist es mir nur darum zu thun.
eine Anregung zu geben , dass au anderen Orten
ebenfalls solche Messungen vorgenoinmen werden,
und ich glanbe. dass sich hiefflr z. B. die Schweiz
ganz besonders eignet. Auf diese Weise würden
wir ein recht hübsches Material und eiu Funda-
ment für unsere Sch&delmesanugen bekommen, die
trotz allem noch sehr im Argen liegen. Denn man
verlangt und erwartet zu viel von der Messung
und weit mehr . als sic zu leisten im Stande ist.
Statt nur im Grossen und Ganzen die Messung an-
zuwenden, um die Anschauung zu controliren (wie
ich mich schon ira Jahre 1861 , vor unserer Zu-
sammenkunft in Göttingen, und noch ausführlicher
in einein zweiten Sendschreiben 186;$ an E. v.
Bacr ausgesprochen habe), versucht man sie auch
für das feinere Detail, statt der Anschauung zu
instituiren. Hiezu aber ist die Messung theils zu
roh und theils zu fein. Daher die stete Unzu-
friedenheit und Unsicherheit , sowie die Agitation
nach Reform. Ich hatte mir vorgenomroen . mich
über «len Werth derselben etwas weiter auszu-
gprechen , verzichte aber darauf bei der Kürze
der Zeit und bei den noch bevorstehenden Er-
örterungen. — •
Hr. Virchow: Bevor ich das Wort, weiter
gehe . will ich ein mir eben vorgelegtes Heft
von Schwedens Geschichte „Sveriges Historia“ vor-
legen, in welchem auf Seite 2:4 eine Thier-
z ei eh n ring steht, welche auf einer in einem Torf-
moore in Schonen gefundenen Hirschhornaxt sich
findet. Die Abbildung ist allerdings sehr roh. dürfte
aber immerhin ein Beitrag zur Geschichte der ur-
ältesten Zeit sein. —
Hr. Scbaafflia nsen : Ich habe mir vorge-
nommen , über die wichtigsten prähistorischen
Funde in Rheinland und Westfalen, die ira Laufe
des Jahres durch meine Hand gegangen sind.
Ihnen einige Mittheilungen zu machen . um Ihre
Aufmerksamkeit darauf hinzulenken und um in
Bezug auf Manches mir Belehrung von meinen
Fachgenossen zu erbitten. In unserem Rheinland
und in Westfalen ist eine Fülle prähistorischer Ge-
genstände in der letzten Zeit zu Tage gefördert
worden , so dass ich das meinen Studien darge-
botene Material oft kaum beherrschen kann. Die
Zeit drängt uns hier, wie Sie wissen, und ich werde
deshalb mit Rücksicht auf die Redner , die noch
hinter mir stehen , nur die Hauptsache von dein
sagen , was ich gern in weiterer Ausführung mit-
getheilt hätte.
Es ist zunächst die Höhle von Steeten an der
Lahn, über die Hr. Virchow bereits einige Be-
merkungen gemacht hat, aus der mir Hr. v. Co-
ha usen in Wiesbaden alle menschlichen Reste
und Werkzeuge zur genaueren Untersuchung zu-
geschickt hat. Diese Höhle , die vollständig aus-
geräumt ist und deren Inhalt in dein Museum von
Wiesbaden sich befindet, bietet einige recht be-
merkenswerthe Funde. Zunächst sind es Menschen-
reste, die uns wegen ihrer primitiven Bildung auf-
fallen müssen. Es ist hier eiu Schädel ausge-
graben , der , sehr lang und Bchmal , mit hoch-
stehenden und vorspringenden Scheitelhöckern zum
Typus des Engisschädels gehört und darum be-
sonders merkwürdig ist , weil nicht sehr fern von
da, bei Höchst vor zwei Jahren im Dilnviallehm
ein ganz Ähnlicher Schädel mit einem Steinbeile
gefunden worden ist. Beide Schädel sind Greisen-
schä lei ; der von Höchst zeigt eine senile Atrophie,
wie ich sie nie gesehen habe. Sein Scheitelbein
ist an einer Stelle vollständig durchlöchert, während
man sonst hier nur eine Einsenknng oder eine
Verdünnung des atrophischen Knochengewebes be-
obachtet. Es ist das ein Beweis , dass auch in
jener Zeit die Menschen ein sehr hohes Alter er-
reichen konnten. Ich lege hier die Photographien
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vor. Ich habe einen Ansguss des Schädels von
Steeten machen lassen , der eine ungewöhnliche
Verkümmerung der hinteren Lappen des grossen
Gehirns zeigt, die so spitz zulaufen , wie ich dies
nie in einer Darstellung niederer Gehirne gefunden
habe. Die Photographien geben nur von dem
Schädelumriss ein deutliches Bild, nicht aber von
den Flächen, deren Relief keineswegs treu wieder-
gegeben, sondern durch die Wirkung des Lichtes
uud den verschiedenen Abstand von der Linse oft
sehr verändert wird.
Nächst diesem Schädel sind es Werkzeuge,
die sehr wichtig sind. Unter verschiedenen durch
einfache eingeritzte Linien verzierten Knochen
kommen nemlich zwei Mammuthzahnstücke vor, die
ebenfalls eine einfache Zeichnung schräg sich kreu-
zender Linien tragen. Ein Vogelknochen ist sehr
schön durch mehrfache tief eingeschnittene Zick-
zacklinien gezeichnet, ist aber schwer bestimmbar.
Es ist der Radius eines grossen Vogels, vielleicht
eines Adlers , einer Gans oder eines Schwans.
Ganz ähnliche Stücke hat das Museum in Brüssel.
Schwierig ist es . sich hiebei zu denken , wie der
prähistorische Mensch sich solcher Vögel hat be-
mächtigen können. Das eine der gezeichneten Elfen-
beinstücke habe ich selbst an einer Stelle noch von dem
die Linien bedeckenden Kalksinter befreit. DieseZie-
raten sind auch so einfach, dass au einen Betrug gar
nicht gedacht werden kann. Beide Stücke scheinen
einem sogenannten Falzbein anzugehöreu, wie wir
es gestern aus der Thayinger Höhle gesehen haben,
dessen Gebranch ans ganz unbekannt ist. Ks sind
die menschlichen Reste zwar in grosser Tiefe, aber
am Eingang der Höhle, die Mammuthrestc dagegen
in dem Hintergründe der Höhle gefunden worden:
aus der Lagerung lässt sich also kein Zusammen-
hang schließen , wohl aber könnte man fragen,
lebte der Mensch nicht mit dem M&mmuth , weil
er sein Elfenbein nur bearbeiten konnte . als es
fest und frisch war, und ist nicht der primitive
Schädel der eines Mammuthjägers ? Ich lege auch
von diesen bearbeiteten Knochen die Photogra-
phie vor.
Ausser diesen Mammuthzahnstücken ist ein
merkwürdiges Werkzeug gefunden, nämlich ein 40
( entimeter langer Dolch aus Knochen; man könnte
sagen , es ist ein Knochenschwert. Es ist dieser
Knochen ganz gerade ; er hat eine convexe Ober-
fläche, welche die natürliche Knochenoberfläche zu
sein scheint; auf der anderen Seite ist er gerade
geschliffen ; er ist sehr dünn und hat nur 2 bis 3
( entimeter Dicke in der Mitte. Ich kenne kein
Thier, weiches einen so langen und geraden Glied-
masscnknochen mit entsprechender Krümmung der
Oberfläche hat, als das Manimuth. Mail muss sich
fragen, wenn man an den heutigen mürben Zustand
der Mammuthknochen denkt , soll Jemand aus
solchen fossilen Mammuthknochen sich ein solches
Werkzeug gemacht haben , eine stechende und
schneidende Waffe, die doch scharf sein musste?
Mau wird hier wirklich mit Nothwendigkcit dahin
Corrt«p.*UUU Nro. II.
geführt, zu sagen, nur von noch harten Manimuth-
knorhen wird der Mensch sich ein solches Werk-
zeug gemacht haben. Ich muss aber nach Aus-
messung verschiedener Knochen grossei Thiere bei
der Ansicht bleiben, dass dieser Knochendoleh mit
der allergrössten Wahrscheinlichkeit ein Stück
Mammuthknochen ist. Heute wird fossiles sibi-
risches Elfenbein vom Mammuth in grosser Menge
verarbeitet , dessen gute Erhaltung wir der Kälte
des nordischen Klimas zuschreiben. Konnte nun
nicht vor 2 bis 3000 Jahren vielleicht das Elfen-
bein unserer Höhlen noch hart sein , wiewohl es
damals schon eben so lange in der Erde gelegen
und die kältere Temperatur Europas in der letzt-
vergangenen Vorzeit auch seine Erhaltung be-
günstigt hat. Aus einer Steile des Straho scheint
hervorzugehen, dass die Briten Elfenbein bearbeitet
haben, und musste dieses nicht fossiles sein, oder
ist es aus Asien dahingekommen?
Unter den anderen Menschenresten der Höhle
von Steeten ist mir noch ein kleiner Knochen auf-
gefalleu, der in mehreren Exemplaren da ist. Es
ist das der Metatarsus der grossen Zehe. Sic
wissen, dass man zu den Merkmalen niederer Or-
ganisation der wilden Rassen auch die grössere
Abstellbarkeit und Beweglichkeit der grossen Zehe
des Fusses zählt und darin mit Recht eine An-
näherung an die Bildung der Anthropoiden erkennt,
deren Fuss ja dadurch gleichsam eine Hand wird.
Es zeigt nun der Metatarsus dieses prähistorischen
Menschen von Steeten eine stärkere Aushöhlung
der Gelenkfläche zum Os cuboideuin , als sie ge-
wöhnlich gefunden wird. Wenn man den Affenfuss
mit dem menschlichen vergleicht, so zeigt sich dio
grössere Abstellbarkeit und Beweglichkeit durch
eine freiere Gelenkverbindung des Metatarsus mit
dem Os cuboideuin hervorgebracht. An dem Go-
rilla ist das Os cuboideuin vorne mit einer fast
kugeligen Gelenkfläcbe versehen. Das Os cuboideuin
ist hier nicht erhalten ; aber die Aushöhlung des
Metatarsus an seiner Gelenkfläche, die grösser als
bei dem heutigen Europäer ist , gestattet die An-
nahme, dass der prähistorische Mensch gleich dem
heutigen Wilden eine mehr abstellbare Zehe , also
ein bisher noch nicht beobachtetes Merkmal nie-
derer Organisation besuss. (Redner zeigt die Ge-
genstände vor).
Ich komme nun zum Bericht über die Ar-
beiten in der Martinshöhle bei Letmathe in West-
falen. Vor einigen Jahren schon hat mir die Ge-
sellschaft dazu einen Fond bewilligt, und ich gehe
damit sparsam zu Werke. Die längsten Tage nur
werden zu den Arbeiten benutzt, die sehr kostbar
sind, wie auch Dupont erfuhr, der mir sagte:
„Nehmen Sie sich in Acht, ich habe oft 1000 Frs.
ausgegeben und nichts gefuudeu.“ Es ist bekannt,
dass gewöhnlich der Zufall die merkwürdigsten
Dinge ans Licht bringt und dass man bei ab-
sichtlichem Sueben nur das Gewöhnliche iindet.
Ich habe in diesem Sommer 7 Wochen lang die
Arbeiten fortsetzen lassen und werde später die
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Abrechnung mit «len Quittungen dem Hm. General-
sekretär übergeben. Es bleibt für «las nächste
Jahr noch ein Rest von :»7ft Mark 99 Pf , mit «lein
ich auszukominen hoffe. Wir haben «len Seiten-
gang der Höhle in Angriff genommen , die ganz
nahe hei «ler berühmten Dechenhöhlc liegt und
im Innern jetzt ei.i weites Gewölbe zeigt und
ihrer malerischen Ansicht wegen auch von Tou-
risten schon besucht wird. Ich lege eine Skizze
«lerselben nebst Grundriss und Durchsehnitt des
Höhlenbodens vor. Der Seitengang zeigt die
Schichtung in ungestörter Tage , und Manches,
was sich im Eingang der Höhle , wo Menschen
wohnten und den Hoden aufwühlten, nicht ganz
sicher fest stellen Hess, ffndet hier seine Berich-
tigung. Ich bemerke zunächst, «lass die groben
Töpfe, die man früher gern als deu Ursprung der
Töpferkunst betrachtete und in die allerälteste
Zeit, in die Quaternftr-Epoclie zurückverlegte, trotz
•ler rohesten Masse und Arbeit, welche sie zeigen,
doch nur in deu oberflächlichen Schichten, in der
dunkelgefärbten Humuslage Vorkommen. In zwei und
ein halb Kuss Tiefe und den unteren Schichten fehlen
sie vollständig. Als wir die Arbeit in «lein dunklen
Seitengange begannen, empfahl ich eine besondere
Aufmerksamkeit auf etwaige Henschenreste. Ich
habe es vorausgesagt . dass wir hier wahrschein-
lich ein BegrAbniss finden würden ; denn der
Mensch wohnte am Eingänge der Holde und be-
stattete seine Todton in den stillen Schlupfwinkeln
im Innern «lerselben. Und es war so. Merkwür-
digerweise aber lagen die Menschenreste von Kin-
dern und Erwachsenen — - nur einzelne kleine Reste
haben sich erhalten — unter einer kegelförmigen
Stalagmitmasse von 3 bis 4 Fuss Höhe; die Basis
war eben so gross. Darüber befinden sich Spalten
im Gewölbe noch heute , so dass durch die Ab-
tropfuug der Tagewasser der Kegel gebildet ward.
Diese Menschenreste aber zeigen trotz dieser
merkwürdigen Tage unter der Kalksinterschicht
nichts von primitiven Eigenschaften , sie müssen
als der oberen Humusschicht ungehörig betrachtet
werden. Ich mache auf diese neuere Bildung
einer mächtigen Kalksinternblagerung be-
sonders aufmerksam, weil ich immer noch finde,
«lass man diese Kalkbildung als einen Zeitmesser be-
trachtet und lange Perioden daraus ableitet. Wenig
bekannt ist meine Mittheilung aus früheren Jahren
über eine Beobachtung in einem Tunnel der ber-
gisoh-märkischen Eisenbalm, wo alle Bedingungen
zu einer raschen Ablagerung von Kalksinter, zumal
ein starker Luftzug gegeben sind. Innerhalb *, * Jahren
hatten sich hier Stalaktiten von 4 Zoll Länge gebildet.
Da es so viele Eisenbalmtunnels gibt, möchte ich
wünschen, dass man weitere Erfahrungen über die
Schnelligkeit der Kalksinterbildung unter solchen Um-
ständen sammelt«\ Unter einer auch den Seitengang
durchziehenden Kulksinterdecke kommt ein grober
Lehm 1 bis 5 Fuss tief vor; die tieferen Schichten
sind nass und feucht. Hier findet sieh eine sehr
eigentümliche Erscheinung , nemlich fast nur ge-
rollte Thierknochen und zwar meist kleinere Stü«*ke,
die oft nicht mehr bestimmbar sind ; viele rühren
vom Höhlenbären her. Sie sind an allen Kanten
'un«l Ecken so abgerundet , als hätte «ler Mensch
«ic ahgeschliffen. Eine zufällige Zerschmetterung
dieser Knochen durch herabfallende Steine lässt
sich nicht wohl aunehuien, man muss sie \iclmehr
für im frischen Zustande zerschlagene Speisereste
halten , wie auch in den oberen Schichten ge-
spaltene Knochen von Hirschen. Ochsen, Pferden.
Schweinen diesen Ursprung haben. Wir haben
also liier Knochen, «iie von Menschen aufgeschlagen
sind und dann durch Einwirkung des Wassers und
mechanische Reibung in einer langen Zeit voll-
ständige Geschiebe geworden sind. Sie kommen
in solcher Menge vor -- ich zeige hier einige als
Muster — wie icli sie nie anderswo gesehen habe.
Auch die steinigen Gerölle zeigen, dass in diesem
Gang von hinten her der stärkste Wasserzufluss in
die Ilölile statt gefunden hat. Das kann man «la-
hingestellt sein lassen, ob es not big ist. eine Fort-
führung dieses Knochengerölies auf langen Wegen
und die Wirkung mechanischer Reibung auzu-
nehmen. oder ob es genügt , dass ein Knochen-
haufen nur vom Wasser durchflossen wird, um die
einzelnen Stücke durch blosse chemische Wirkung
des Wassers in diesen Zustand platter Geschiebe
utnzuwandeln. Auch sind bei «ler letzten Auf-
grabung in den oberen Schichten sehr wenig Feuer-
steine vorgekommen , in grösserer Menge aber in
Begleitung «ler quaternären Thicre. Es ist die Menge
der Feuersteine hier hei weitem nicht so gross,
wie sie im Eingang und der Mitte der Holde sieb
fand, wo die Werkstätte war, welche Licht ver-
langte. Einige kleine Steinkerne, von denen die
meisten früher gefunden sind, sprechen für die Her-
stellung der kleinen Feuersteinmesser , deren Be-
nutzung wir nicht kennen; sie mögen alsS&gezähne
in Holz eingesetzt oder Pfeilspitzen gewesen sein.
Wie vielerlei die Menschen in ihren Höhlen ge-
macht haben , geht daraus hervor , dass auch
wieder kleine Haufen plastischen Thones , zum
Theil angebrannt, und Bronzeschlacken, auch zwei
Bronzeringe gefunden worden sind ; auch andere
zierliche Gegenständ«» , aber nur in den höheren
Schichten , ein paar recht schöne Quarzkrystalle,
ein Stück von einer Harpune, genau so mit Widor-
liackcn versehen . wie die aus den französischen
und belgischen Höhlen, auch ein durchbohrter Zahn,
dann ein kleines, ausserordentlich schön geglättetes
Knochenstäbchen, welches, weil es Hach ist, nicht
wohl eine Pfrieme zu sein scheint. Einige Feuer-
steiumesser von tiefgelber Farbe wie Jaspis, der
in dieser Gegen«! selten ist. deuten auf den Bezug
des Feuersteins von anderen Orten. Bei dem
Fund der Feuersteingeräthe ira Thal der Somme
legte man Werth auf eine gewisse Verwitterung
ihrer Oberfläche. Der rohe Feuersteinknolleu zeigt
diese weisse äussere Rinde. Man sicht nun an
sehr vielen dieser Gerätlie aus der Martinshöhle,
dass diese Verwitterung nicht nur ein geologisches
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Alter hat, sondern oft erst nach der Verfertieunc
des Gerätbes eingetreten ist, dessen vorspringende
Kanten diese Metamorphose zeigen. Hr. Dr. von
der Mark in Ilanun hat die Sache chemisch
untersucht und gefunden , dass ein Verlust des
Wassergehaltes des Feuersteins und die Weg*
tührung der wahrscheinlich organischen, färbenden
Substanz die Erscheinung hervorbringt. Auch ein
bei Coblenz am Oberwerth gefundenes Feuerstein-
heil zeigt die Patina oder Verwitterungsrinde an
der von» Menschen gefertigten Oberfläche.
Noch will ich unfQhren , dass ein kleines
Farbentöpfrhcn, ein flacher Stein mit natürlicher
Höhlung, gefunden worden ist, die einen tiefgelben
Ocker enthält. Ueber die Farbestoffe, die man in
Höhlen und Gräbern findet, meist rother oder gelber
Eisenocker, habe ich früher Mittheilungen gemacht
und die Stellen alter Schriftsteller gesammelt,
welche uns belehren, dass Britten und Belgier in
»ler Vorzeit sich bemalt haben, wie heute die
Wilden cs thun. Ich habe von diesem Steine
selbst die Lehmschicht entfernt und kann ver-
sichern, dass er echt ist. Auch einige Knochen-
pfriemen sind gefunden. Bemerkenswerth ist noch
eine Lauzenspitze von Feuerstein, die eine breit
ovale Form hat, wie sie selten abgebildct wird.
Dann bemerke ich noch, dass zwischen den Feuer-
steinen eine grosse Menge von schwarzen Kiesel-
schicfern in solchen Stücken sich findet, dass sie
unseren zum Feuerschlagen gebrauchten Feuer-
steinen gleichen und auch viele kleine Srhlag-
inarkcn zeigen. Sie geben eben so gut mit dem
Stahle Feuer wie die Feuersteine. Kaum darf
man vcrmutlien , dass alle dazu gedient haben,
doch rühren einige aus den oberen Schichten her,
und hier ist auch ein vierkantiges Stück Eisen,
wie von einem römischen Pilum, gefunden worden.
Wir haben also in dem Seitengaug der Höhle die
Wirkling des Wassers auf Knochen des Höhlen-
bären beobachtet, die früher vom Menschen zer-
M-hlagen waren und wie Flussgeröll erscheinen;
wir haben das Fehlen aller Topfscherben in den
tieferen Schichten des Höhlenschnttes, aber das
Vorkommen von Steingerätlien in denselben be-
stätigen können. Mürbe Stücke von Mammuth-
zahn liegen nur in der Tiefe. Vom Ren sind
nur einige Geweihstücke nahe der Oberfläche ge-
funden. Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen znm
Vergleiche mit unseren Feuersteinmessern einen
sehr schönen Obsidiandolch aus Neuseeland vor-
zuzcigen , der im Besitze des Hm. Bädecker
in Düsseldorf ist. Die Arbeit ist genau dieselbe.
An dieser neuseeländischen Waffe ist auch die
HolzKselieide vorhanden, die in unseren Sammlungen
meist fehlt und die eine nur kurze Höhlung hat.
um den Dolch aufzunehtnen. Wir müssen ati-
nehmen, dass unsere vorgeschichtlichen Feucrstein-
messer auch wohl einen rohen Griff von Holz
gehabt haben, der vollständig verschwunden ist.
Ich komme zu den Funden, die bei dem Bane
eines StrompfeUers im Rhein für die jetzt in An-
griff genommene Berlin-Metzer Eisenbahn an dem
Oberwerth bei Uoblenz gemacht worden sind.
Man hat auf der Insel eine ganze Reihe mensch-
licher Niederlassungen entdeckt, rohes Steinpflaster,
zerbrochene Töpfe von ungeheurem Umfange, und,
was ich besonders hervorhebe, in jeder Wohnung,
die wohl nur eine Hütte war, einen Mahlstein von
sonderbarer, länglicher, an den Eudeu zugespitzter
Form ; die rheinischen Archäologen kennen ihn.
Als ich bei Lindenschmit fragte , ob er solche
Funde kenne, wies er auf mehrere in der Mainzer
Sammlung vorhandene hin. Auch in Bonn ist ein
solcher vom Niederrhein. Sie sind Lavasteine von
2 */• Fuss Länge und */• Fuss Breite nnd zeigen
deutlich an ihrer Oberfläche die Abreibung vom
M&hlcn. Ihre Form veranlasst es, dass das
Volk am Rheine sie Napoleonshüte nennt. Ich
habe erfahren, dass auf der vorjährigen Archäologen-
versammlung in Wiesbaden einer der Anwesenden
mitgctheilt hat, in den slavischen Donnuländern
seien solche Mahlsteine noch im Gebrauch, und
zwar hielten die Frauen, die dort das Korn mahlen,
den Stein zwischen den Knieen fest, um darauf
das Korn zu zerquetschen. Mir fiel es auf, dass
in der Rosgarten-Sammlung hieselbst runde Mahl-
steine liegen, die so gebraucht worden sind, dass
nur in vor- und rückgehender Bewegung der Kom-
reiber darübergeführt wurde, wodurch lange und
schmale Rinnen auf dem Mahlsteine entstanden
sind. ( Redner zeigt den Durchschnitt dieser Steine.)
Ein Gerftth ist noch recht auffallend und ich
möchte wissen, ob Jemand etwas Aehnliches ge-
sehen hat. Es ist ein schön gearbeitetes Bruch-
stück eines geschliffenen Gerätbes, wie es scheint
von Serpentin. Es hat aber zwei neben einander
stehende schön gebohrte cylindrisclie Löcher, die
vielleicht zum Aufhängen desselben dienten. Die
Kanten sind eckig zugeschliffen.
Der Hauptfund hei diesem Brückenbau, der
vielfach besprochen und besungen worden ist. ist
der eines goldenen Armringes im Rheine, 50 Fuss
vom Ufer an einer Stelle, wo das Rheingcrölle
2 m. tief ausgebaggert war. Wenn man diesen
Ring betrachtet, so wäre man eben so gut veran-
lasst, der Phantasie freien Lauf zu lassen, wie Ilr.
Schliemann es that, wenn er die Funde von
Troja dem Priamus zuschrieb. Wer denkt dabei
nicht an den Nibclungcnschatz, der in den Rhein
geschüttet wurde! Das wollen wir aber den
Dichtern überlassen, von denen ja S c he f f e 1 bereits
«las Kleinod besungen hat, welches von der Eisen-
bahndirection Ihrer Majestät der deutschen Kaiserin
überreicht worden ist und im Schlosse zu Coblenz
aufbewahrt. wird. Ich habe mit Allerhöchster Be-
willigung einige Abgüsse fertigen lassen , die ich
hier vorlege. Der Ring ist durch die Ragger-
maschine, die ihn zu Tage gefördert , etwas ver-
bogen und verdrückt und, so primitiv auch die
Arbeit ist, doch ein sehr gefälliges nnd zierliches
Sehmuekgcrätli. Er ist von feinstem Golde. Ich
halte ihn für eine gallische Arbeit, einmal, weil
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wir aus den Berichten der alten Schriftsteller
wissen, dass gerade die Ströme Galliens Goldsand
führten, und die Gallier ganz besonders als Lieb-
haber solchen Schmucks geschildert werden; auch
ihre Tempel waren so reich an goldenen Weih-
geschenken, dass es St rabo ausdrücklich erwähnt ;
und dann ist dieser Armring aus drei starken
Golddrähten zusammengedreht. Wir wissen nun
wiederum durch die alten Schriftsteller, dass dieser
Torques als Halsring eine eigentümliche Zierde
der Gallier war. Der römische Feldherr Torquatus
hatte seinen Namen daher, dass er im Zweikampf
seinen gallischen Gegner niederschlug und ihm als
Siegeszeichen den goldenen Halsring abnahm.
Wenn wir die häufig vorkommenden Ringe dieser
Art betrachten, so können wir eine gewisse Ent-
wicklung der Technik dabei verfolgen, wie sie auch
für andere Werkzeuge sich nachweisen lässt. Es
war Montelias, der die nabe liegende Entwick-
lung des Bronzeceltes schilderte, indem er zeigte,
dass zuerst der flache Celt in den Holzschaft nur
eingeklemmt war, dass dann auf demselben zwei
Leisten sich erhoben, um ihn besser zu befestigen,
dass diese Leisten dann zu dem sogenannten
Schaftlappen sich ausdehnten, immer mehr sich
rundeten und endlich sich vereinigten ; dann schwand
die Mittelwand und die Tülle des Hohlceltes war
gebildet. So, gtanbe ich, kann man auch die Ge-
schichte des Hammers darstellen. Die ersten
geschliffenen Hämmer waren nur glatte Fluss-
geschiebe, die sich der Hand anpassten; daun
wurde das Flussgeschiebe durchbohrt, um einen
Stiel hineinzustecken ; dann wurde die Schneide
etwas nachgeschliffen und der Hammer ward zum
Beile; dann haben wir den Steinhammer in einer
spätem Form, indem die Umgebung des Loches
breiter und dicker gelassen ist. Erst mussten die
Hämmer an ihrer schwächsten Stelle zerbrechen,
ehe man sie hier stärker machte. Für die ge-
drehten Ringe ist die im Armring vorliegende Form
die primitivste. Der Ring ist wirklich aus drei
Golddrähten zusammengedreht, die in der Mitte
etwas dicker sind. Die Enden vereinigen sich
und bilden einen Haken und eine Oese, womit
der Ring geschlossen ward; vielleicht war er nur
mit zwei Haken versehen, die in einander griffen,
was anch vorkommt. Bei Verfertigung des Ringes
ist kein Feuer gebraucht, er ist nur gehämmert,
was man deutlich an den zugespitzten Enden sieht.
Die berühmte Statue des sterbenden Fechters
trägt am Halse auch einen Torques, und mit Recht
hält man ihn deshalb für einen Gallier. Aber
dieser Ring ist nicht wirklich gedreht. Später
nahm man einen festen Stab von Metall und
schnitt nur von aussen die Spiralzeichnung ein.
Diese festeren Ringe mit blosser eingravirt er Zeich-
nung haben in der Regel einen schön verzierten
Knopf au jeder Seite des Verschlusses und
scbliessen durch ihre Federkraft. Dns ist eine
spätere Entwicklung der Technik. Die wirklich
redrehten Ringe sind meist aus Bronze und haben
den einfachen Schluss mittels Haken und Oese.
Der Goldring hat eine kleine Hand umspannt.
Dass man in allen Ländern Europas gedrehte
Ringe findet , spricht nicht gegen die Herkunft
der meisten aus Gallien. So viel ich weiss,
kommen sie im alten Aegypten und Asien nicht
vor, so naheliegend auch ihre Erfindung ist, die
eine Nachahmung geflochtener Zweige zu sein
scheint. Die Goldringe von Gau-Algesheim gehören
einer späteren Zeit an.
Ich zeige nun ein sehr merkwürdiges Stcin-
geräthe , ein 35V* cm. langes flaches Steinbeil,
dessen stumpfes Ende in eine Spitze ansläuft.
Es war nicht möglich, von dem Besitzer, der das
prachtvolle Beil mit Aengstliehkeit hütet, das
Original zu erlangen, um es hier vorzuzeigen. Ich
lege nur einen Abguss vor. Das Mineral ist hell-
grün, wird nicht vom Stahl geritzt und nicht von
Säure angegriffen; es besitzt eine merkwürdige
Zähigkeit, so dass es mit einem sperifischen Ge-
wichte von 3,347 an die nephritähnlichen Sub-
stanzen erinnert. Es hat eine vollkommene Politur
und eine vollkommen erhaltene Schneide. Dieses
Geräth fiel einmal dem Besitzer aus der Brust-
tasche auf das Pflaster der Strasse und hat durch
diesen Fall nicht die allermindeste Beschädigung
erlitten. Ich glaube kaum, dass ein anderes so
grosses und so dünnes Steingcräth eine solche
Zähigkeit besitzen würde, die für die nephritähn-
lichen Gesteine charakteristisch ist. Dieser Fuud
ist 9 Fuss tief unter dem jetzigen Bette der Erft
zu Griminlinghauscn bei Neuss gemacht worden, in
einer Gegend, wo nach der Ansicht einiger Archäo-
logen ein grosses römisches Lager gestanden hat.
Ich habe in letzter Zeit mehrere der kleinen
•ladeit-Bcile erhalten, von denen ich eines, bei
Erkelenz gefunden, vorlege; es ist mm. lang,
50 breit und 19 dick, das specitische Gewicht ist
3,357. Sie stammten meistens aus Gegenden, wo
die Römer ansässig waren, freilich auch aus
solchen, die damals auch eine dichte germanische
Bevölkerung hatten. Dass ein solches Prunk-
gerätli wie das von Grimmlinghausen keine ge-
wöhnliche Waffe war. schliessen wir aus der Selten-
heit des Minerals und der unversehrten Beschaffen-
heit auch anderer Beile dieser Art. Ich habe
mich bemüht, aus Schriftstellern des Alterthums
Belege für die abergläubische Verehrung oder
gottesdienstliche Benutzung der Steine zu sammeln,
mit denen geopfert und geschworen wurde, nicht
bloss bei den Hörnern, sondern auch bei deu
(»riechen. Es scheinen diese Geräte eine religiöse
Bedeutung und einen Gebrauch bei dem Cultus
gehabt zu haben. Sie finden sich in so früher
Zeit z. B. in den ältesten Pfahlbauten der Ost-
schweiz, dass Desor darauf seine Ansicht gründet,
die ersten indogermanischen Einwanderer hätten
sie aus Asien mitgebracht, woselbst allein sich das
Material findet, nicht als Ilandelswaare , sondern
als eine ihnen theure Kostbarkeit. Dies ist um
so mehr möglich, wenn diese Steine damals schon
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religiöse Symbole waren. Aber es ist merkwürdig,
dass niemals ein solches Jadeit-Beil in einem Hügel-
grabe gefunden worden ist: diese Steine liegen
immer im Felde und in Flussanschwemmungen.
Vielleicht sind diese Steine zweimal nach West-
europa gekommen , einmal bei der ersten indo-
germanischen Einwanderung und dann wieder zur
spateren Kölnerzeit, als sich in den religiösen Vor-
stellungen und Gebrauchen wieder ein asiatischer
Einfluss geltend machte in dem Mithrasdienst, der
in Persien seinen Ursprung hat, also in der neimat
des Nephrits, und in der römischen Kaiserzeit
sich namentlich auch am Rheine weit verbreitet
hatte. Damit waren die Funde in der Nähe
römischer Lager und Ansiedelungen erklärt.
Ich komme nnn noch zu einem andern Gegen-
stände. Ich zeige Ihnen hier ein einfaches flaches
Bronzebeil mit einer so schönen malachitgrünen
Patina, wie ich kein zweites je gesehen habe; dann
zwei Hohlcelte, bei Goch am Niederrhein gefunden.
Von diesen ist es merkwürdig, dass sie so dünne
Wände haben, als seien sic aus Bronzeblech zu-
<animengelöthet; sie sind aber gegossen. Die
Wände dieser Gelte sind an der Schneide so
dünn, dass diese nicht wohl als Beil gebraucht
und nachgeschliflfen werden konnte. Das deutet
auf einen andern Gebrauch derselben. Die Oese
mag zum Aufhängen au einem Strick gedient haben.
Die rohen Gussnähte sind an ihnen erhalten.
Ich verfolge seit längerer Zeit den Gedanken, dass
diese Geräthc und die Bronzecelte Überhaupt in
bestimmten Gewichten angefertigt worden sind,
um im Handel und Verkehr wie Barren oder
Geld zu dienen. Zuerst machte Boucher de
Perthes darauf aufmerksam, dass es Bronze-
celte von 80 — 85 gr. Gewicht gebe und wieder
andere, die zwei- oder dreimal so schwer seien.
Das Museum zu St. Germain hat Hohlcelte mit
Oese», in 3 verschiedenen Grössen mit einem ent-
sprechenden Gewichtsverhältniss; die kleinsten sind
zn klein, um als Beile gedient zu haben. Ich
selbst habe schon mitgetheilt, dass 2 Stunden
von einander bei Vlotho an der Weser zwei Bronze-
celte gefunden worden sind von verschiedener
Form, aber von demselben Gewicht. Ich habe
mich hierauf an verschiedene Museen gewendet
und mir eine Reihe solcher Gewichtsbestimmungen
verschafft. Es ist nicht leicht, genau zu sagen,
wie schwer ein solches Gerät h war, als es neu
gemacht wurde. Die Bronze oxydirt sich und
wird dadurch schwerer; aber weil sie dadurch an
Festigkeit verliert, verwittert sie und wird leichter.
Man soll also nur die besterhaltenen Stücke
wiegen. Wir wissen auch aus den Arbeiten von
Boeckh, B ran dis u. A., dass die Alten häutig
das Gewicht veränderte», und dass man es selbst
bei der Bestimmung des Gewichtes der MünzAi
nicht so genau nahm, wie wir es thun. Wichtig
ist es, dass uns aus dem Alterthum einige Ge-
wichte aus Stein erhalten sind , die jedenfalls un-
verändert geblieben sind. Ich habe, um bestimmte
Gewichtsverhältnisse bei den Bronzen herauszu-
finden, das Gewichtssystem der babylonischen
Mine am tauglichsten gefunden. Von den beiden
Gelten wiegt jeder 170 gr.. das ist *"/•• der
kleinen babylonischen Mine, die = 505 gr. ist.
Das babylonische Gewicht wird in Sechzigstel ein-
getheilt. Nicht nur diese beiden Gelte passen in
dieses System , ich habe in den Gewichtszahlen
der Gelte ’/m, ,p /«•, •%», *%«, ••/••, "/«• der
kleinen babylonischen Mine finden können. Als
ich einen unserer namhaftesten Archäologon des
klassischen Alterthums, Ilm. Prof. Bergk fragte,
ob ihm solche Stellen in den Schriften des Altcr-
thums bekannt seien, die über Bronzen als Geld eine
Aufklärung geben könnten, theilte er mir nur eine
Stelle des Herodot mit, wo ein ScythenkOnig eine
Volkszählung in der Art anordnet, dass jeder
Mann einen Pfeil niederlegen musste. Mir ist es
wahrscheinlich , dass hier der Pfeil als Zählmittel
gedient hat. Theilt doch noch Marco Polo mit,
dass Völker in Mittelasien sich der Pfeilspitzen
als Geld bedienten ; dasselbe hat uns Hr. S c h w e i n -
furt von Negerstämmen Afrikas berichtet. Mit Ver-
gnügen theilte mir aber später Hr. Bergk mit, dass
er unter den kürzlich von Hm. Moritz Schmidt in
Jena herausgegebenen cyprischen Inschriften eine
gefunden, wo als Belohnung dein Arzte 6 Beile
gezahlt wurden. Bclekis ist der griechische Name
für dieses Beil. Dies ist gewiss eine merkwürdige
Thatsache. Auch kann man, wie Hr. Bergk glaubt,
die Stelle in Homer s Ilias XXIII, 851 hierauf be-
ziehen, indem hei einem Taubenschiessen der
Uauptpreis in 10 Doppelbeilen, der zweite Preis in
10 kleinen Beilen ausgesetzt ist. Ich habe mir
Gewichte griechischer Bronzebeile aus Athen kommen
lassen, und unter den verschiedenen Zahlen, die
ich noch nicht genau unter eiu Gewichtssystem
bringen konnte, sind die Gewichte vier grosser
Beile 990, 1039, 1020 und 1015 gr. Eine Doppel-
mine ist aber 1010 gr. Das ist doch mehr wie
Zufall , das ist ein höchst auffallendes Ergebnis*,
und ich hoffe , dass sich diese Bedeutung der
Bronzegeräthe als Verkehrsmittel noch weiter be-
stätigen wird. Ich wünsche, dass die Inhaber von
Sammlungen mich ferner mit solchen Gewichtsbe-
stimmungen versehen möchten, wobei es zweck-
mässig ist, auch die Form im Allgemeinen anzn-
geben.
Ich möchte Ihnen noch einen kleinen Beitrag
zur Geschichte der menschlichen Fussbekhidung
geben. Ich habe schon angedeutet, dass der vor-
geschichtliche Mensch andere Füsse gehabt hat
als wir, und wir müssen sagen, brauchbarere und
weniger verstümmelte. Es ist fast unbegreiflich, dass
wir es dulden, wenn unser Schuhwerk die Zehen aus
ihrer Lage verdrückt und die ursprüngliche Beweg-
lichkeit derselben mehr oder weniger aufhebt. Wir
wissen es Alle, dass, wenn unsere Soldaten längere
Märsche zu machen haben, sie lieber einen wollenen
Lappen uni ihre I'üssc schlagen, als in Strümpfen
und Stiefeln zu gehen. Der erste Schuh war wohl
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nur ein Leder, welches man unter die Sohle band,
/um Schutze beim Gehen über scharfe Steine.
Diese ursprüngliche Bekleidung ist die Randale.
Die Sandale wird hauptsächlich befestigt durch
einen Kiemen, der zwischen der grossen Zehe
und den andern Zehen durchgebt , wie man ja
solche römische Sandalen mit den Riemen in
Mainz gefunden hat. Das ist, wie mir scheint,
auch schon ein Beweis dafür, dass an dem nicht
verstümmelten und verkrüppelten Fusrc ein Zwischen-
raum zwischen *dcr grossen Zehe und den übrigen
vorhanden ist, der, ohne Unbequemlichkeit hervor-
zurufen, mit dem llauptriemen der Sandale durch-
zogen war. Dann finden wir den Halbschuh mit
Sandale. Carl Braun theilte kürzlich in seinen
Reisebildern ans Rumänien mit, dass die Fussbe-
kleidnng der Montenegriner ein solcher Halbschuh
mit Sandale ist. Wir haben mehrere auffallende
Funde einer sehr einfachen aber schön verzierten
Fnssbekleidung. deren Alter und Ursprung nicht
genau bekannt ist. Linden sch mit bat einige
davon abgebildet, namentlich solche, die in England
gefunden sind. Viele halten sie für römisch. Im mitt-
leren Deutschland finden sie sieh auch. Einige
erinnern in ihren Verzierungen mehr an gothiseiie
Ornamente. Es ist bei Stolberg in einer alten Halde
nicht fern von römischen Alterthümem wieder ein
recht schöner und gut erhaltener Schuh dieser Art
gefunden, dessen Photographie ich Ihnen hier zeige.
Achuliehe Schuhe wurden aueh an den Moorlcicheti
im Norden gefunden , wo an römischen Einfluss wohl
nicht zu denken ist. Dieser Schuh, der durch aus-
geschlagene Vierecke schön verziert ist, ist au«
einem Stück Leder geschnitten, wie sie deutlich
aus einem Papierschuitte sehen, den ich danach
gefertigt habe. Auch die Riemen, womit er ge-
hutideu wird, sind aus demselben Stücke geschnitten.
An der Ferse und auf der Reihe ist das Leder zu-
geschnürt. Auch hier trifft es zu, dass sich das, was wir
aus prähistorischer Zeit erfahren, noch heute bei
den lebenden Wilden findet. Ich habe hier die
Moeassin's eines nordamerikanisehen Siouximliaiiers ;
auch dieser ist aus einem Stück geschnitten
und hinten an der Ferse und am FussrÜcken
zusauiniengcnäht. — Das ist ein kurzer Abriss
der Geschichte der menschlichen Fnssbekleidung.
II r. Fraas: Ich möchte der Form des von Ilro.
Sch aa ff hausen vorgelegten grünen Steinbeiles
nach cs doch für wfliisehenswerth halten, dass die
Umstünde, unter welchen der Fund gemacht worden
ist, nochmals geprüft worden. Es ist mir allerdings
ein ähnliches Exemplar bekannt, welches in einer
deutschen Sammlung auch als germanisch auf-
gcstellt ist , nemlich im Privatcabinet des Fürsten
zu Rudolstadt, aber das ist auch das einzige Stück,
welches ich sonst gesehen habe und eine Stein-
sorte, die bei uns in dieser Form nicht verwendet
wird. Ich glaube vielmehr, dass es neuseeländisch
ist. (Schaaffhausen: Ganz unmöglich!)
Hi. Vlrchow: Ich kauu coustatiren, dass ich
einige Ähnliche Beile aus sehr schönem hellgrünen
Stein , welcher in der That sehr ähnlich ist , im
Museum zu Münster gefunden habe; ich habe eine
Skizze darüber hei Gelegenheit des Vortrages in-
seriren lassen, den Hr. Fischer in einer Sitzung
der Berliner anthropologischen Gesellschaft gehalten
hat. Die Form ist ganz ähnlich; es hat sich hei
der Untersuchung herausgestellt, dass es kein Ne-
phrit ist. sondern Serpentin, also ein ganz in-
ländisches Material*). Die Form des von Hin.
Schaaffhausen vorgelcgten Beiles muss man
für die westdeutschen Funde als correct be-
zeichnen.
Hr. Desor: Diese Beile erinnern am meisten
an die schönen Exemplare, welche aus den grossen
Dolmen der Bretagne stammen. Es sind das
merkwürdige schöne Stücke , grün wie Nephrite,
aber mineralogisch verschieden . indem die Ma-
gnesia durch Aluminium vertreten ist. Sie sind
antiquarisch nicht minder interessant als die Ne-
phrite, indem sie ebenfalls aus dem Orient stammen.
Man nennt sie Jadeite. Es wäre von sehr grossem
Interesse, zu wissen, ob das Original aus Ja-
deit ist.
Hr. Schaaffhausen: Ich werde die Unter-
suchung veranlassen.
Hr. Fischer: Ich erlaube mir zu bemerken,
dass dieses das grösste Exemplar ist, was ich ge-
sehen habe und in Deutschland gcfnmlcn worden
ist ; es ist noch ganz erheblich länger , als das
grösste von den fünf prächtigen Beilen , die in
Gonsenheim hei Mainz in einem Ledergurt ge-
funden worden sind. Dort sind fünf Beile in der
günstigsten Weise eingelegt , so bequem, wie man
sic nur aiircihen kann: alle fünf waren der Grösse
nach in absteigender Reihe neben einander gefügt.
Ich habe die fünf untersucht, und das grösste ist
ungefähr 45 cm. Was die Fibrolithe betrifft , so
sind sie in Frankreich zu Hanse, und Da tu nur
hat mir geschrieben , dass sie immer als Nephrite
figurirt haben. Der Fibrolith ist eine Verbindung
von Kieselerde mit Tliouerde und durch seine
Zähigkeit zur Herstellung von Stciniustrumenteii
äusserst geeignet. Unsere Vorfahren haben mit
einer gewissen mineralogischen Exaetlieit auf das
passendste Material gefahndet.
Ilr. .Mehlis: Ich möchte mir nur einige Be-
merkungen zu dein bekannten goldenen Armring
gestatten . der bei Koblenz im Kheinstronic ge-
funden worden ist. Ilr. Schaaffhausen hat
ihn als einen gallischen bezeichnet. Es ist
*) Zeitschrift für Ktliuol. Iö75. Bd. VII. Verband!
S. 50.
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zwar bekannt . dass die Gallier eine grosse Vor-
liebe für Goldschmack hatten, aber (Iber die Art
und Weise der Technik ist in den alten Schrift-
steilem fast nichts aufgczeichuet , so dass wir in
dieser Beziehung von gerechtem Zweifel gegen die
Art und Weise der Bezeichnung mit gallisch oder
keltisch erfüllt sein müssen. Was die Techuik
des Armringes betrifft . so ist sie allerdings eine
sehr einfache und steht sogar auf einer metal-
lurgisch niedrigeren Stufe als die Artefaete vieler
solcher der Neuzeit. Bei dem Besuche des Ba-
lener Museums bähe ich einige Arm- und Finger-
ringe gesehen und davon einige mitgehracht , bei
deren Vergleichung Sie wahrnehmen können, dass
die Aschantis in dieser Beziehung auf höherer
Stufe stehen als die Bing- Repräsentanten der
rheinischen Kelten. Vorsicht in solchen ethnolo-
gisch - archäologischen Fragen dürfte deshalb vor
Beibringung entscheidender ausstehender Kriterien
sehr am Platze sein.
Hr. Fischer („hart, spröde und zäh"): Ich
möchte mir erlauben , Ihnen eine kleine Notiz
über die in der Mineralogie gütigen Ausdrücke
„hart, spröde und zäh“ einzuschalten. Ich glaube,
dass dies zum Studium der Steinheile mul aller
ähnlichen Instrumente nothwendig ist. — Die
Härte bezeichnet hei uns Mineralogen den Grad
des Widerstandes, den wir linden , wenn wir mit
einem Mineralkörper in einen andern eittdringen ;
dafür haben wir eine Scala. Zwischen spröde
und zäh ist dann noch ein wesentlicher Unter-
schied. Wenn Sie mit einem Hammer einen Quarz
zerschlugen , so gibt es Splitter, und der Druck,
den Sie durch den Schlag ausfihen , erstreckt
sich weit nach innen. Der zähe Körper dagegen
lässt den Kindruck Ihres Hammers nicht weit
wirken. Bei einem zähen Körper haben Sie meist
eine feinfaserige Substanz, deren Fasern entweder
recht dicht neben einander oder verschränkt liegen.
Sie werden sehen , dass der Haminerschlag nicht
weit wirkt, und das ist der Grund, warum jener
Nephrit einen Ambos ruinirt hat. Die Körper,
die wir gestern erörtert liabeu . Nephrit und Ja-
deit sind nicht einmal immer ganz so hart wie
Quarz, aber sie sind ganz enorm zäh. Die Zähig-
keit ist also besonders scharf von der Sprödigkeit
zu unterscheiden. Ich möchte demnach die Herren
darauf aufmerksam machen , dass Sie sich in Zu-
kunft strikte an diese Bedeutung der Ausdrücke
„hart, spröde und zäh“ halten und dieselben nicht
verwechseln wollen.
Hr. Kollmunn (über mesocepliale Schädel aus
alten Gräbern Bayerns): Die Untersuchungen, welche
in Deutschland über alte Gräberschädel gemacht
wordeu sind, haben zwei Resultate mit Sicherheit
craniologisch feststellen lassen. In erster Linie
wurden I.angschädel, Dolichocephalen nachgewiesen,
für die man auch die Bezeichnung „fränkisch-ale-
mannische“ Schädel , auch „germanische“ Schädel
vorgeschlagen hat , weil überall , wo innerhalb
Deutschlands Gräber aus der fränkisch - aleman-
nischen Zeit gefunden werden, die langgestreckten
Formen mit dem stark entwickelten Hinterhaupt
vorwiegen. (Redner demonstrirt au dolichocephalen
Schädeln, die aus fränkisch-alemannischer Umgebung
von Constanz stammen und aus dem Rosgarten-
Museum herrüliren.)
Die zweite Thatsaehe ist, dass die Üolicho-
cephalen nicht die einzige Schädelform darstellen.
die man in den alten Gräbern findet, es kommen
vielmehr gleichzeitig auch Brachyccphalen von
bedeutender Kürze vor. Diese Brachyccphalen
sind in der Minderzahl, die Dolichocephalen in der
Mehrzahl. Verschieden wie das Crauium war auch
die Köqmrgrösse und die Complexion dieser beiden
Rassen. Nach den an den Skeletten vorgenom-
menen Messungen und nach den Erfahrungen in
Süddeutschland stellt sieh heraus , dass die doli-
chocephale Rasse von hoher, die andere von kleiner
Statur war. Man darf mit Sicherheit annehmen,
dass die Nachkommen dieser beiden Rassen noch
unter der heutigen Bevölkerung sich befinden. Wir
wissen es aus der Geschichte , und neuerdings
zeigen es die statistischen Erhebungen über die
Farbe der Augen, der Haare uud der Haut, dass
noch zahlreiche Nachkommen dieser beiden Rassen
auf dem deutschen Boden leben. Die Erhebungen
aus Baden (von Hin. Ecker) und Württemberg (von
Hrn. v. H öl der) bei den Conscribirten haben dar-
gethan, dass in ganz bestimmten Bezirken Rekruten
von hoher Statur zahlreich sind, während in anderen
das Gegcntheil der Fall ist. Dieselbe Erfahrung
hat man innerhalb weiter Gebiete in Frankreich
(Hr. Broca) gemacht, wodurch der Gedanke an zu-
fällige Gruppirung ausgeschlossen wird. Im nörd-
lichen Frankreich sind bekanntlich germanische
Stämme cingewundert ; dort ist die Dnrchschnitts-
grösse der Rekruten viel bedeutender als in dem
südwestlichen Theil des Landes. Ueberdies eor-
respondiren die blonden Haare und die blauen
Augen , die Tacitus von den Germanen erwähnt,
mit dem Auftreten der grossen Rasse ; dunkle
Augen, dunkle Haare und dunkle Haut mit der
kleinen. Diese zwei Typen , welche innerhalb
Deutschlands jüngst durch die Bearbeitung der sta-
tistischen Erhebungen über die Complexion von Hrn.
Yirchow nacligewiesen wurden, erstreckten sich
in prähistorischer Zeit nahezu über ganz Europa.
Auf dem internationalen Congress in Pest lagen
z. B. dolichocephale Schädel aus alten Gräbern
Ostgalizicns von ganz derselben Form vor (Ko-
pernickl), und Broca betonte, dass beide, lange
und kurze, schon in den Dolmen Westfrankreichs
gefunden seien.
Ich habe auf der Generalversammlung in
Jena die weite Verbreitung der dolichocephalen
Rasse betont, und gerade auf Grund ihres Nach-
weises von der Wolga bis au den grossen Ocean
mich gegen die Deutung ausgesprochen, als wären
diese blonden Langschädel gerade ausschliesslich
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germanisch zu nennen; sie verdienten diese Be-
zeichnung nur, sofern sie sich an der Kntwirklung
der germanischen Staaten betheiligt. Der Hr. Vor-
sitzende hat damals diese „diplomatische Wendung“
für die Deutung der auf deutschem Boden nach-
weisbaren Langschädel ahgelehnt, aber ich erlaube
mir auf dieselbe Anschauung von damals zurück-
zukommen , weil diese Funde aus den Dolmen,
welche der neolithischen Periode angehören , be-
weisen , dass lange Zeit vor der frünkisch-alema-
nischen Einwanderung diese Basse in Europa ein-
gedrungen ist , schon zu einer Zeit , in der wohl
noch von germanischen Staaten keine Bede war.
Ich möchte nun Ihre Aufmerksamkeit von der
dolicho- und brachycephalen Basse der alten Gräber
hinweg auf eine dritte Rasse lenken , die m e s o-
cephal mir zum erstenmal in Südbayern bei der
Untersuchung der Gräberfelder von Oberhaching in
grösserer Uäntigkeit aufsties*. Ur. Dr. Heinrich
Ranke, der Entdecker dieses Gräberfeldes, spricht
in dem Correspondenzblalte unserer Gesellschaft
1870 Nro. 3 und in den Beiträgen zur Anthropo-
logie und Urgeschichte Bayerns Bd. I S. 122 diese
mesocephalen Schädel für die der bajuvarischen
Urbevölkerung an , die um die Zeit des G. Jahr-
hunderts nach Bayern gekommen wäre und sich
dort festgesetzt hätte. — Ich habe mehrfache Be-
denken gegen diese Deutung. Zunächst ist zu be-
tonen , dass es sich hier um mesocephale Schädel
mit einem Längenbreitenindex von 75.0-79,9 han-
delt, während die heutige Bevölkerung brachycephal
ist und einen Läogenbreitenindex zwischen 83, o
bis 93,0 aufweist. Dann ist die Norraa verticalis
länglich und zeigt an Stirn und Hinterhaupt ein
nahezu gleiches Oval ; das Occiput ist voll , die
Scheitelcurve mehr flach verlaufend . Stirn und
Scheitelhöcker nur mässig entwickelt hei den Me-
socephalen, während die Brachycephalen ein kurzes,
an der Stirn sehr verschmälertes Oval besitzen,
und stark hervortretende Stirn und Scheitelhöcker,
so dass gute Specimina eine fast kubische Gestalt
von oben zeigen; ihr Hinterhaupt fällt aber von
dem hohen Scheitel fast rechtwinklig ah. Treten
in diesen Eigenschaften der Ilirnkapsel schon man-
nigfache und höchst prägnante Charaktere hervor,
welche diese Mesocephalen scharf von den Bra-
chycephalen trennen, so steigert sich die Kluft bei
der Betrachtung des Gesichtschädels. Die Nase
der Mesocephalen ist breit, platt und kurz, bei den
Brachycephalen schmal und hoch. Dort treten die
Wangenbeine stark hervor, und dadurch erscheint
das Gesicht mehr breit, während hier solche Merk-
male fehlen.
Nachdem ich ähnliche Schädelformen in Mittel-
deutschland und in Ungarn gefunden, und durch
die Güte des Pester Anatomen Hrn. v. Lenhossek
ein gutes Specimen dieser Art gleichzeitig mit den
alten Oberhachingern aus Bayern vorzulegen im
Stande bin , glaube ich den Satz vertreten zu
können, dass hier die Repräsentanten einer dritten
Rasse vor uus stehen, die an dem Aufbau der Be-
völkerung Mitteleuropas ihren Antheil hat. Die
von mir angegebenen Eigenschaften der nteso-
eephalen Schädel machen es unmöglich , sie für
Mischlinge zwischen den alten Kurz- und Lang-
schädeln zu erklären. Schädel , welche aus einer
solchen Kreuzung liervorgegangen sind, tragen die
deutlichsten Spuren ihrer zwiefachen Herkunft an
sich, namentlich darin . dass das Hinterhaupt aus-
gezogen ist. Das C harakteristische der Langschädel,
das nach hinten ausgereckte Hinterhaupt ist in
solchen Fällen unverkennbar und es tritt an jedem
Specimen dieser Art jene Form des Occiput auf,
die man als „Neigung zur Dolichocephalie“, oder
kürzer als dolichoid bezeichnet hat. Mit solchen
dolichoideu Schädeln haben die eben geschilderten
Mesocephalen nichts gemein.
Die bayerische Bevölkerung entstand demnach
unter dem Kinfluss dreier verschiedener Rassen,
einer doliohocephalen, einer ineso- und einer bra-
chycephaleu. Auch in Norddeutschland darf man
aus verschiedenen Gründen, die ich au einem andern
Orte darlegen werde, eine Entwicklung der heutigen
Bevölkerung auf Grund dreier verschiedener
Rassen annehmen. Ich will nach dieser Seite hin
nur daran erinnern , dass die statistischen Er-
hebungen und zwar mit besonderer Schärfe jene
Sachsens hiefür massgebende Beweise geliefert
haben. Es hat sieb nemlich herausgestellt , dass
die wendischen Bezirke ein sehr starkes Contingent
von Individuen mit grauen Augen und blonden
Haaren enthalten, neben solchen mit blauen Augen
und blondem Haar, und dunklen Augen und dunklem
Haar. Die auffallende Menge von Individuen mit.
blonder Complexion in den wendischen Bezirken
zeigt auf das deutlichste , dass zwei Rasseu von
blonder Complexion mit einer dritten dunklen ge-
mischt sind, ebenso wie im Süden Deutschlands.
Allein die Componenten sind , obwohl dieselben,
doch in den verschiedenen Gebieten mit verschie-
denem Procentsatz in einander übergegangen. Im
Süden waren die Individuen mit dunkler Com-
plexiou zahlreicher als die beiden blonden Rassen ;
im Norden ist das Verhältnis umgekehrt ; hier
sind die beiden blonden Kategorien im Ueber-
gewiclit, wodurch die dunkle weuiger in den Vor-
dergrund tritt.
Durch die Publikation der statistischen Er-
hebungen wird für die eben ausgesprochene An-
sicht noch zahlreiches Bew'eismaterial erbracht
werden; schon heute scheint mir jedoch die Drei-
zahl in der Rassen - Grundlage der Bevölkerung
Deutschlands ausser Frage gestellt. Ob damit die
Zahl erschöpft ist , haben weitere Untersuchungen
zu entscheiden.
Hr. Johannes Ranke (craniologische Mitthei-
lungen über die Landbevölkerung Altbayerns) : An
die Statistik der Farbe der Augen, der Haare und der
Haut der deutschen Schulkinder ist die deutsche
anthropologische Forschung mit voller Unbefangen-
heit, ohne jegliche Voreingenommenheit in Beziehung
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145
auf das zu erwartende Resultat herangetreten.
Die Ergebnisse, welche sie auf diese Weise ge-
wonnen hat . erscheinen Ton der höchsten wissen-
schaftlichen Tragweite.
Die nächste Aufgabe der Forschung der
physischen Anthropologie für Deutschland ist die
Aufnahme einer Statistik der in Deutsch-
land heute vorkommenden Schädelfor-
men. Aber nur dann können wir hotten, Resultate
von bleibendem wissenschaftlichem Wert he zu er-
halten, welche eine exacte Vergleichung zulassen,
wenn wir zunächst den gleichen voraussetzungs-
losen Standpunkt cinhaltcn. von welchem bei der
Statistik der Farbe der Augen , der Haare und
der Haut die Forschung vorwärtsschritt. Wir
dürfen bei einer Aufnahme der cra-
n i o 1 o g i s r h e n Statistik des deutschen
Volkes zunächst nur den Massstab. das
M e s s - 1 n s t r u in e n t sprechen lassen. Die
Untersuchung wird sich zunächst nur auf die ein-
fachsten craniologischen Fragen zu beziehen haben.
Ist einmal die Statistik der die Wissenschaft
heute noch am meisten beschäftigenden Verhält-
nisse: Dolichocephalie und Brachycephalie , Cha-
maecephalie und Hypsicephalie aufgenomuien, so
wird es Zeit sein , an die weitere „zoologische**
Klassiticirung des Materials zu gehen. Die Fragen,
welche in diesem Sinne zuuächst für die moderne
deutsche Craniologie zu beantworten sind , lauten
etwa so:
1. Wie viel doliehocephale, mesocephale und
hrachycephale Individuen finden sich im deutschen
Volke — resp. wie viel Schädel treffen auf den
Längeubreitenindex von . . . . G9, 70. 71 etc. bis
97 ... . — und wie stellt sich die Vcrtheiluug
dieser „Messungstypen** in den verschiedenen geo-
graphisch und ethnologisch begrenzten Bezirken.
2. Wie viel Chamae- und Hypsicephalen —
ebenfalls auf die Indices bezogen — finden sieb
und wie sind sie vertheilt?
Der Hauptwertli einer solchen craniologischen
Betrachtung würde in einer sehr grossen An-
zahl von Messn ngen für lokal und ethno-
graphisch scharf begrenzte Bevölkerungskreise zu
suchen sein. Es werden wohl nur Messungen
an Lebende» diesem Bedürfnis vollkommen
entsprechen können, vor allem auch dämm, weil
es dringend wünschenswerth erscheint, die Messung
der Sehädelfonn mit der der Körpergrösse und
mit der Bestimmung der Farbe der Augen , der
Haare und der Haut zu verbinden. Solche Mes-
sungen au Lebenden stehen noch nicht in Aussicht,
wir müssen uns daher zunächst an das vorliegende
Knochcninaterial halten, welches mit gutem Willen
überall mehr oder weniger reichlich wird be-
schafft werden können. Gestatten Sie mir einige
Hauptresultate von Messungen an Schädeln der
altbayerischen Landbevölkerung zur vor-
läufigen Mittheilung zu bringen, welche in dem
dargelcgton Sinne angestellt wurden. Wenn wir die
Unterschiede in der Farbe der Augen , der Haare
Com»f>.-BUtt Nro. II.
und der Haut innerhalb des deutschen Volkes
zwischen den nördlichsten und südlichsten Stämmen
am ausgesprochensten antretfen , so dürfen wir
vielleicht vermutheu, dass auch andere somatische
Eigenschaften z. B. der Schädelbau analoge Ge-
setzmässigkeiten werden erkennen lassen.
Das neueste anthropologische Werk des Hm.
Virchow: „Beiträge zur physischen Anthropologie
der Deutschen mit besonderer Berücksichtigung
der Friesen * (1876) gibt uns die gewünschte Ge-
legenheit, die für den äußersten Süden Deutsch-
lands von uns bestimmten Verhältnisse des Schädel-
baues mit denen zu vergleichen, welche sich im
höchsten deutschen Norden finden. Die Verschieden-
heiten in der Schädelbildnng der modernen deut-
schen Stämme werden wir bei dieser Vergleichung
der Friesen und Bayern, wenn die Unterschiede
in der Schädclbildung mit den Unterschieden in
der ( omplexion etwa gleichen Schritt halten sollten,
wohl in ihren Extremen zn beobachten Gelegen-
heit haben.
Nach Messungen an 1000 nach dem Ge-
schlecht zufällig gemischten Schädeln aus der
altbayerischen Landbevölkerung beträgt
der Längenbreitenindex der Schädel im
Mittel 83,2.
Dieser Iudex ist etwa der gleiche, wie jener,
welchen Hr. Ecker an 200 nach dem Geschlechte
ebenfalls zufällig gemischten Schädeln aus der Be-
völkerung des badischen Oberlandes bestimmte; er
fand im Mittel 83.5. Etwas weniger kurzköpfig er-
scheinen die Bewohner des schwäbischen Unter-
landes, für welche Hr. v. llölder einen mittleren
Längeubreitenindex von 81,7 erhielt. Unter deu
gemessenen 1000 alt bayerischen Schädeln schwankte
der Längeubreitenindex zwischen deu beiden Ex-
tremen: 70,3 bis 97,6. Aber keineswegs erscheint
innerhalb dieser weiten Grenzen die Vertheilung
der verschiedenen Längenbreitenindices der Schädel
in der alt bayerischen Landbevölkerung als eine
zufällige; wir erkennen deutlich, dass der Ge-
sammttypus der Schädel einer hohen Kurzköpfig-
keit zuneigt. Unter den 1000 gemessenen Schädeln
fanden sich 8 Doliehocephale mit einem
Längeubreitenindex unter 75,0. Die Zahl der
Mesocephaleu, mit einem Index zwischen
75,0 und 79.9, beträgt 161. Innerhalb dieser Gruppe
zeigen die hart an der Grenze der Brachycephalie
stehenden Formen ein sehr entschiedenes Ueber-
gewicht. Die Mehrzahl der 1UOÜ Schädel, nemlich
831, erwiesen sich als brachycephal mit einem
Index zwischen 80.0 und 97,6.
Nach unseren Messungen treffen sonach in
Altb ay ern unter der Landbevölkerung a u f j e 100
Brachycepbalen 19 (19,3) Mesocephaleu
und 1 (0,96) Doliehocephale.
Auch innerhalb der Brachycephalie sehen wir
bei unseren Schädeln eine Hinneigung sich geltend
machen nach der Seite der ausgesprocheneren Kurz-
köpfigkeit. Um die hier obwaltenden Verhältnisse
3
Digitiz
zu veranschaulichen , ordnen wir die 1000 alt-
bayerischen Schädel narb dem Längenhreitenindex.
imiem wir zu jeder Zahl, welche den Index angibt.
die Anzahl der Schädel setzen, an welchen der-
selbe beobachtet wurde. Wir erhalten hiebei fol-
gende Gruppirung der Schädel:
I. 8 doliehocephalc. Index 70.3- -7l.it.
La nge n breitenin d ex 70: 71: 72: 78: 74:
Anzahl der Schädel (unter 14 mm l) 1 I 2 2 2
U. 161 mesocephale, Index 75/1 70,0.
Längenhreitenindex 75: 76: 77: 78: 79:
Anzahl der Schädel (unter lflUO) 6 14 28 40 64
III. 831 broehyeephale, Index 80,0 — 07,6.
n. 523 Index 80,0 -84,9.
Längenbreitenindex 80: 81: 82: 83: 84:
Anzahl der Schädel (unter inno) 84 106 99 124 110
b. 274 Index 85.4)— 80,9.
Lftngenbreitenindex 85: 86: 87: 88: 89:
Anzahl der Schädel (unter lnoo) 80 94 54 26 24)
e. 34 Index 90,0 — 97,6.
Laugenbreitenindex . 90: 91: 92: 93: 94: 95: 97:
Anzahl der Schädel
(unter HX*)} .... 18 8 3 1 2 1 1
Die relative Anzahl der Schädel steigt inner-
halb der Grenzen der Kurzköpfigkeit bis zum In-
dex 83 entschieden an. Es spricht für die grosse
Gleichförmigkeit der beobachteten Verhältnisse der
Schädelbihtuiig, dass der oben gefundene mittlere
Längenbreitenindex von 83 (83,2) auch wirklich
am häutigsten unter der altbayerischen Land-
bevölkerung verkommt. Von Iudex 81 bis 86
sinkt die Anzahl der Schädel langsam, dann etwas
rascher von Index 87 bis 94 >, doch habet) immer
noch 16 Schädel einen Lflngeiibreitenindex zwischen
91 und 97. Die Formen der höchsten Kurzköptig-
keit (Index über 89,9) (Schädelanzahl 34) sind
unter unserer Landbevölkerung mehr als viermal
häufiger als die Formen der ausgesprochenen Do-
lichocephalie (Schädelunzahl 8).
Die Verhältnisse der I*änge des Schädels zur
Schädelhöhe : L ä n g e n h ö h e ui n d e x des Schädels
und der Breite des Schädels zu seiner Höhe:
Breitenhöhenindex erscheinen nach den Un-
tersuchungen des Hm. Virchow für die Charak-
teristik der Schädelform nicht weniger wichtig
als das bisher besprochene Verhältnis» der Länge
und Breite.
Für die speciell alt bayerische Landbevölkerung
ergeben sich im Mittel aus 800 Schädelmessungen
folgende Höhenindices:
L ä n g e n h ö h e u i n d e x : B r e i I e n h Oh e n i n d e x :
73,01 89,17.
Hr. Virchow bezeichnet bekanntlich die
Schädel mit einem Längenhöbeuindex unter 70,4)
ah cliauiaecepliale, Flachköpfe. Die Schädel der
Altbayern erscheinen nach den mitgctheilten Zahlen
im Mittel als massig hoch jedenfalls durchau-
nicht cbamaecephal. Die Cliamaecepbalie ist unter
unserem Landvolke zwar relativ etwas häufiger
als die Dolichocephalie, aber immerhin doch vor-
hältnissmässig recht selten. Unter 800 Schädeln
fanden sich 85 mit einen Längenhöhenindex unter
“4Mb dagegen 34 mit einem solchen Über 79,9.
Auf 1000 Schädel treffen danach in Althayern
104» Cbamaecephale, Flacliköpfe. dagegen 42 thurm-
kopfähnlirhe Schädel: der Best von 852 ist mittel-
hochköptig bis wahrhaft hochköpfig: hypsirephal.
Die Chamaeeephulie kommt in Althayern vor-
wiegend häufig mit Dolichocephalie und Meso-
ccphalie gepaart vor. doch finden sich auch flache
Brachycephalen und hohe Meso- und Dolicho-
cephalen. Im Ganzen ist unser Landvolk
in weit überwiegender Anzahl relativ
hochköpfig und zwar etwa in dem glei-
chen Verhältnis«*, wie es b rac hy cephal
ersc h eint.
Vergleichen wir nun zunächst unsere Ergeb-
nisse mit den von Hin. Virchow gewonnenen.
S. 359 seines oben erwähnten Werkes entnehmen
wir die folgende auf 1004) berechnete Zusammen-
stellung über den Längenhreitenindex der
von ihm untersuchten »Friesen4* -Schädel, welche
wir mit unseren Messungsergehnissen an modernen
altbayerischen Schädeln und denen des Hm. Kol I-
m a n n an Schädeln aus alten Grabstätten Bayern**
(auf li MM) berechnet) zusammenstellen:
l.ünxenlireilen-
prähistorische .
Bayern: 1-r,<,,ell:
Alt-
index
hayern.
unter 75.0
500 177
8
75,0 — 79.9
400 515
181
80,0 — 84.9
80 290
523
85.0 — 89,9 \
20 lli
2741
90,0 — 97.8 1
311
Die Unterschiede, welche diese Reihen zu-
nächst zwischen den beiden modernen Bevölke-
rungen ergeben, sind sehr beträchtlich. Die frie-
sisch-norddeutsche Bevölkerung erscheint nach
Hm. Virchow vorwiegend mesocephal , die alt-
bayerische Landbevölkerung dagegen entschieden
brachycephal*).
Zu dem Resultate eines tiefgehenden Unter-
schiedes zwischen dem Süden und Norden Deutsch-
lands in Beziehung auf den Schädelbau kommen
wir auch, wenn wir die Höhenindices ver-
gleichen. S. 357 gibt Hr. Virchow’ eine Zu-
sammenstellung der Resultate seiner Höheuines-
•) Wir dürfen aber dabei nicht vergessen . dass
die von Um. Virchow beschriebenen Schädel nicht
alle der jüngeren Zeit augehören, während zu unserer
Statistik für Altbayern nur Schädel von einem Maximal-
alter von etwa 100 Jahren seit dem Tode des ehe-
maligen Besitzers gedient haben.
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147
«mögen an den Friesenschädeln, welche wir wieder
anf 1000 berechnen und mit den für die prä-
historischen und modernen Altbayern gefundenen
Werthan zusammenstellen.
Längenhöhen-
index
prähistor.
Bayern :
Friesen:
Altbayern
unter 65,0
65.0 — 69,9
70.0 — 74,9
75,0— 79,9
80.0 — 82,2
230 | 58 *
360
140
0
SK
375
125
0
520
321 >
50
Wahrend sich danach im Norden 50*/» relativ
niedrige Schädel finden, ist diese Schädelform im
Aussersten Süden Deutschlands jetzt nur mit 11%
vertreten. Die Hypsicephalen (Index 75,0 — 82,2)
erscheinen bei uns im Süden dreimal häutiger als
unter der von Hrn. Virchow beschriebenen nord-
deutschen Bevölkerung. Eigentliche Thurmkopf-
formen. welche in Altbayern die Zahl von 6%
erreichen, fehlen unter den von Hrn. Virchow
beschriebenen Friescnsrhädeln gänzlich.
Nach Hrn. Broea's Vorgang wird in der
letzten Zeit ein grösseres Gewicht auf die Bildung
der knöchernen Nase zur Charnkterisiriing der
Schädel gelegt. Zur allgemeinen Orientirung ziehen
wir diese Verhältnisse hier mit heran. Die Länge
der knöchernen Nase (Nasofrontalnaht bis zum
Nasenstachel) wird bekanntlich mit der grössten
Breite der Nasenöffnung verglichen und ihr Ver-
hältnis)» ( Länge 100) als Naaenindex bezeichnet.
Hr. Broca bezeichnet Nasen mit einem Index
von 58 — 53 als pl&tyrrhine , Breitnasen ; von
52 — 48 als metorrhine, Mittelnasen; von 47 bis
42 als leptorrhine, Sehmalnasen. Die kaukasischen
Kossen und die Eskimo s sollen der letzten Ab-
theilung zugehören. Hr. Virchow fand die
Friesen und ihre ihnen ähnlichen norddeutschen
Nachbaren ebenfalls überwiegend lep torrbin,
ebenso Hr. Holtmann die alten Bayern; letzterer
fand nur an einem mesocephalen Weibersrliädel einen
niesorrhinen Index: 40,5. Nach 142 Bestimmungen
«les Nasen index beträgt derselbe bei der
modernen alt bayerischen Landbevölkerung im Mittel
49,12, ein Verbältniss, welches wir nach Hrn.
Broca als mesorrliin zu bezeichnen haben.
Die althayerischeu Weiher scheincFi mit einem
mittleren Nasenindex von 49,35 stärker mesorrhin
als die Männer, deren Nasenindcx im Mittel 48.88
beträgt, also an der unteren Grenze der Mcsorrhiuie
gegen die Leptorrhinie zu stehen kommt. Uebrigens
rind die Nasen der Altbayern meist lang und ver-
gehend, der Nasenrücken breit und sehr wohl
gewölbt; der höhere Nasenindex spricht sich aber in
einer relativ breiten knorpeligen Nase (Nasenspitze)
der Lebenden aus. Mongoloider Typus der Nase
ist relativ sehr selten. In Beziehung auf den
.Nasenindex erläutert folgende kleine Tabelle die
wichtigsten beobachteten Einzelverhältnisse.
Nasenindex Männer: Weiber:
unter 47 leptorrhin . . 40,14 40,27
48 — 52 mesorrhin . . 48,43 43,07
über 53 platyrrhin . . 11,43 16,66
40% der modernen altbayerischen Land-
bevölkerung sind sonach leptorrhin. 46% mesor-
rhin und 14% platyrrhin; die Weiher scheinen
noch etwas häufiger platyrrhin zu sein als die
Männer.
Wenn Hr. Virchow die Schädel der nörd-
lichsten Bewohner Deutschlands (Friesen) als
vorwiegend mesocephal und leptorrhin mit
einer entschiedenen Neigung zur Chamaecephalie
schildert, finden wir dagegen die an der Südgrenze
Deutschlands wohnende Bevölkerung Alt-
bayer n 8 vorwiegend bra e h ye e ph a 1 und
mesorrhin mit einer entschiedenen Hin-
neigung zur H y p s i c e p h a I i c.
Ganz anders gestaltet sich unser Urtheil. wenn
wir die von Hrn. Virchow beschriebenen Friesen-
schfldel mit den Schädeln aus den prähistorischen
Grabstätten Bayerns (Beihengräber) vergleichen,
liier tinden wir viel grössere Uebereinstimmung.
ln beiden Reihen überwiegen die dolichoiden (do-
licho- und mesocephalen) Schädelformen weit die
brachyccphalen. welche auch hei den Friesen des
Hrn. Virchow sehr weit hinter denen unserer
Altbayern Zurückbleiben. Dabei ist jedoch unver-
kennbar. dass die „friesische“ Bevölkerung schon
dreimal mehr Brachyccphalen in sich schliesst als
die „alten Bayern“: auch sind die letzteren immer
noch um einen Grad dolichoeephaler als jene. Fast
absolut erscheint dagegen die Uebereinstitninung
in den Lftngeiihöbenverbältuissen der Schädel und
im Nasenindex der beiden in der Zeit so weit ent-
legenen Völker.
Es ergibt sich, dass die Friesen in cranio-
lügischer Beziehung viel näher mit den alten Be-
wohnern Bayerns als mit dem modernen alt-
bayerischen Volke zusammenstimmen. Aehnliche
craniidogischc Verhältnisse, wie sie in der „Reilieii-
gräherzeit“ bis zum Fasse der bayerischen Alpen
die herrschenden waren, tinden sich noch heute im
Norden Deutschlands.
Ilr. Virchow: leb wollte zunächst auf die
Interpellation von Ilrn. Kollmann bemerken, dass
ich mich freue, zu sehen, wie seine Untersuchungen
daliin führen, diese Fragen, die uns so vielfach
beschäftigt haben , eiu wenig über den Rahmen
der specifiach deutschen Bevölkerungen hinaus zu
verfolgen. Wir sind eben genötbigt, allmählich die
Nachbarvölker mit in den Kreis unserer Unter-
suchungen hereinzuziehen : sowie sich das ergeben
bat bei den Erhebungen Über die Farbe der Augen,
Haut und Haare, so ergibt es sich eben auch in
Bezog auf die Schädel. Einen Beweis dafür kann
ich sofort vorlegen, da der Zufall es mit sich ge-
bracht hat, dass ich gerade einige lettische Schädel
hier zur Hand habe. Ich habe zwei dieser Schädel
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148
*o aufgestellt, dass sic den Mesocephalen des Hm.
Kollmann in die Mitte nehmen. Ich hoffe, Sie
werden sich überzeugen, dass es unter Umständen
wohl möglich sein dürfte, diese drei in eine nähere
Beziehung zu einander zu bringen.
Ich habe mich bei meinen neulichen Unter-
suchungen in Livland. Aber die ich berichten
wollte, an der Östlichen Grenze zwischen den indo-
germanischen und den sogenannten tnranischen Be-
völkerungen bewegt. Wenngleich es nicht ganz
genau ist , so gilt doch in der Regel der Fluss
Salis als die Grenzscheide. Bis hieher ungefähr
reichen von Osten her die finnischen Stamme und
zwar zunächst anstossend die Esthen. Westlich
von der Salis treffen wir eine überwiegend let-
tische Bevölkerung. Die betreffenden Provinzen
tragen freilich andere Namen : die eine heisst
Livland , die andere Kurland. Es sind jedoch
die Liven gegenwärtig bis auf eine Bevölkerung von
etwa 20t M», welche sich noch an der Nordspitze von
Kurland, am Vorgebirge Domesnls gehalten haben,
verschwunden ; da sitzen die letzten Reste des
alten und berühmten Stammes. Kuren gibt es
eigentlich gar keine mehr; die kurische Sprache ist
verschwunden, es gibt nur noch literarische Ueber-
reste davon. Unzweifelhaft ist , dass ein grosser
Theil der Bevölkerung von Liv - und Kurland
seine Sprache aufgegeben hat . und zwar merk-
würdigerweise zu Gunsten der lettischen Sprache.
Die Kuren sind sämmtlich . die Liven fast ganz
Iettisirt worden. Was uns jetzt dort entgegentritt,
ist lettische Bevölkerung. Sie schlies&t sich an
diejenige , schon mehr mit slavisclien Elementen
durchsetzte Bevölkerung, die etwas weiter südlich
Litthauen bewohnt und die sich auch dialektisch
von ihr unterscheidet. Es zeigt sich hier also eine
in der historischen Zeit, etwa seit dem 13. Jahr-
hundert sich vollziehende Metamorphose , in der
Weise , dass herrschende Stamme, die Liven und
Kuren . scheinbar gänzlich verschwunden oder im
Verschwinden begriffen sind , indem die lettische
Sprache in permanenter Ausdehnung sich befindet.
Auch an der Grenze gegen die Esthen findet ein
Ilin- und Hersehieben statt : die nördliche Hälfte
dessen, was man Livland nennt, ist in Wirklichkeit
esthnisch. Die Sprache der Esthen aber ist so
verschieden von der Sprache der Letten , dass
beide sich auf keine Weise verständigen können ;
sie haben gar keine sprachlichen Berührungen; die
Verschiedenheit ist so gross wie überhaupt zwischen
indogermanischen und tuntnischen Sprachen. Die
Bevölkerung ist auf dem Lande in diesen Grenz-
gebieten vielfach gemischt. Es werden auf dem-
selben (»utc csthnische und lettische Arbeiter be-
schäftigt , die sich in der Regel gegenseitig gar
nicht verstehen. Und doch ist es mir nicht ge-
lungen . obwohl ich mich schon in Finnland mit
verwandten Typen beschäftigt und zu wieder-
holten Malen in Norwegen und anderswo Lappen
studirt habe, mit einiger Sicherheit die Finnen und
die Letten von einander zu unterscheiden. Ich
habe hier eine ausgezeichnet aasgeführte Photo-
graphie , welche ein Inländisches Ortsgericht aus
einer so gemischten Gegend darstellt. Dieses Orts-
gericht enthält Männer beider Stämme , aber es
ist ohne Interpretation kaum möglich , sie heraus-
zufinden.
Was nun die Schädelform anlangt , so ist die
finnische und auch die esthoische Form allerdings
die kürzere. Die esthnische kann man als meso-
cephal mit einer gewissen Neigung zur
Brachycephaiie bezeichnen ; ausgemacht bra-
chycephale Formen , die sich in Finnland als
herrschende zeigen, sind in Esthland seltener. Die
Letten dagegen sind mit den Slaven am nächsten
verwandt, so dass man die Sprachgruppe als slavo-
lettische bezeichnet ; immerhin ist die lettische
Sprache von der slavisohon unterschieden. Sie
wird bekanntlich von unseren Linguisten als der
reinste Ausdruck des Indogermanischen bezeichnet,
als diejenige Sprache , welche dem Sanskrit am
nächsten verwandt ist. Die Untersuchungen, welche
ich über die physische Beschaffenheit der Letten
angestellt habe, haben ergeben, dass absolut nicht
die Rede davon sein kann , jene Aufstellung , die
man gemacht hat , als sei das eine kurzköpfige
Rasse, irgendwie als zutreffend anzuerkennen. Die
lettische Bevölkerung ist freilich auch mesoce-
phal, aber mit Tendenz zur Dolicho-
c e p h u 1 i e. Es erhellt daraus , wie schwierig es
ist, einen einzelnen liv ländischen Schädel auf einen
bestimmten Volkstypus znrückzuführen.
Wenn wir die Sache in unseren Provinzen
verfolgen, so treffen wir bis an die Weichsel alte
lettische Gebiete; von der Weichsel an beginnen
andere Verhältnisse. Nach Dr. Li »sauer finden
sich von da au Gräberfelder, welche dem Reihen-
gräbertypus angehören, und welche er deshalb den
Franken zusebreibt. Aus solchen Gräbern erhalten
wir entweder dolicboccphale oder höchstens meso-
cephale Schädelformen. Wir haben sie in Pomerellen
und Pommern, der Mark und Schlesien. Ich habe
mich stets enthalten , aus den Schädelfortneu für
sich bestimmte Schlüsse in Bezug auf die Ab-
stammung zu machen , weil wir meiner Meinung
nach noch nicht, so weit sind , um einfach aus
jedem Schädel diagnosticiren zu können , welchem
Volke er angehört. Wir müssen noch andere An-
haltspunkte suchen, und da fragt es sich zunächst,
ob die Beigaben entscheidend seien. Hr. Sophus
Müller hat in der letzten Zeit eine umfassende
Zusammenstellung derartiger Gräberfunde gemacht,
aus welcher er deducirt, dass gerade diese Gräber-
felder von Westpreussen, Pommern, Schlesien und der
Mark slavische seien. Er schliesst dies am meisten
aus gewissen Beigaben , welche sich mit grosser
('onstanz in diesen Gräbern finden, namentlich aus
«lern Vorkommen eines Schmuckstückes , welches
wir bisher für einen blossen Ohrenring hielten,
welches sich aber jetzt als eine Art von Haarring
ergeben hat. Man findet nemlich hei den Ske-
letten regelmässig hinter dem Ohr einen ziemlich
149
grossen offenen Bronzering, der an dem einen Ende
in eine stumpfe Spitze , an dem andern in eine
Schleife ausgeht. Man hat in Schlesien einmal
drei solcher Ringe hinter einander an einem Leder-
riemen gefunden, der um den Kopf gebunden war.
Hr. Müller hat den Beweis anzutreten gesucht,
dass dies ein speoifisch slavisches Ornament sei.
Ich habe auf meiner letzten Reise überall nach-
gefragt , oh man solche Ringe kenne , habe aber
weder jenseits der Weichsel, noch im Rheingebiet
etwas der Art gefunden. Man trifft allerdings an-
nähernd ähnliche Ringe, aber es ergibt sich, dass
sie durch einen Haken geschlossen sind ; zuweilen
ist derselhe abgebrochen, was verwirren kann, aber
bei genauerer Betrachtung leicht zu sehen ist. Bei
unseren Ringen endigt das eine Ende einfach in eine
stumpfe Spitze. Ich betrachte die Frage noch nicht
als abgeschlossen, sie muss weiter geprüft werden;
aber ich möchte die Herren darauf aufmerksam
machen, weil hier einer der Fülle hervortritt . wo
die Frage von der Zulässigkeit der bloss craniolo-
gischen Interpretation gegenüber der archäologischen
Kritik sich entscheiden muss. Auch ich habe, z. B.
von Schädeln aus der Hegend von Münchberg, ge-
sagt , dass wir das , was wir da finden . in dem
übrigen Deutschland germanisch nennen würden.
Hr. I.is sauer ist noch einen Schritt weiter ge-
gangen; er hat von westpreussischen und pomc-
rellischen Schädeln gesagt, sie seien fränkisch ; Hr.
Biefel bat von schlesischen Schädeln erklärt, sie
seien germanisch. In der Timt zweifle ich nicht, dass
in Mittel - und Süddeutschlaiid Niemand Anstand
tragen wird, solche Schädel germanisch zu nennen.
Und doch scheint es mir . »lass die Archäologie,
in Verbindung mit der geographischen Lage der
Gräberfelder , von höchster Bedeutung ist. Viel-
leicht werden wir uns doch cntachliessen müssen,
wie bei den Thicrzeichnutigcn. das Thatsächliclie
anzuerkeunen und uns darin zu finden , dass liier
eine Reihengräbcrforni vorliegt, die slaviseh ist.
Ich habe schon seit langer Zeit betont , dass
der s 1 a v i s c li c Typus kein einheitlicher
ist. Ich kann mich darin kaum irren, obwohl ich
bedaure . dass die Schwierigkeit der praktischen
Yerwerthung der Uraniometrie für ethnologische
Bestimmungen dadurch sehr vermehrt wird. Für
Deutschland selbst gerathen wir in eine recht
schwierige Lage. Ich habe erat im Laufe dieses
Jahres eine gewisse Anzahl von Schädeln aus
Thüringen bekommen: sie entsprechen mehr der
Mesocephalie mit Hinneigung zur Dolichoceph&lle
und siud ganz verschieden sowohl von den friesi-
schen als von den fränkischen Formen. Oh wir
jedoch mit Hm. Kollmann die Mesocephalie als
einen ausgeprägten Typus zulassen sollen, das ist
mir noch zweifelhaft. Ich habe noch keine be-
stimmte Meinung in dieser Beziehung und möchte
nnr das betonen, dass es vielleicht doch möglich
sein wird, innerhalb der Mesocephalie gewisse
Unterscheidungen zu machen, für deren Fest-
stellung andere Methoden der Vergleichung ge-
wählt werden müssen. Es ist unschwer zu be-
weisen, dass bei demselben Index ein mcsocophaler
Schädel — ich will annehmen, das Verhältnis* der
Länge zur Breite sei 100:76 — schon für die
blosse Betrachtung das eine Mal sich mehr der
langen, das andere Mal sich mehr der kurzen Form
zuwendet. Bei praktischen Vergleichungen werden
Sie sich davon überzeugen. Ich habe zuerst mehr
iustinetiv, später bewusst mich öfters so ausge-
drückt: es ist eine Mesocephalie, die zur Brachy-
cephalie tendirt , oder umgekehrt. In vielen
Fällen kann man sich dadurch helfen, dass inan
neben dem Index auch das absolute Längen- oder
Breitenmass angibt und gleichzeitig Beides prüft.
Ob es möglich sein wird . dies in einer einzigen
Zahl oder Formel auszudrücken, weiss ich nicht.
Aber ich möchte glauben, dass man genöthigt sein
wird, anzuerkennen, dass innerhalb der Meso-
cephalie sich in der That zwei ihrer Entwicklung
nach verschiedene Typen berühren . und dass ein
gewisser Theil der Mesocephalen sich mehr an
die Dolichocephalie , ein anderer mehr an die
Brachycephalie anschliesst. Das werden wir eben
feststellen müssen. Wenn Sie zwei andere von
den livlftndischen Schädeln betrachten wollen
ich habe mehr lange ausgewählt, bei denen trotz-
dem dem Ansehen nach die Breite dominirt — ,
so werden Sie mir vielleicht darin Recht geben,
dass ich verlange, die Gruppen etwas grösser zu
nehmen.
Ich möchte hei dieser Gelegenheit darauf hin-
weisen . dass , wenn man für die Kintheiliing der
Schädelformen so enge Grenzen nimmt, wie sie
jetzt in Frankreich gebräuchlich sind, man in die
grössten Schwierigkeiten kommt. Stellt inan alle
kleineren Variationen als besondere Typen neben
einander, so wird die Verwirrung immer grösser.
Man muss die Grenze viclmchi weiter ziehen. Dabei
verkenne ich keineswegs, dass es gegenüber den
ausgemachten Formen der Doticho- und Braehy-
ccphalic eine mittlere Gruppe gibt, und ich hin
durchaus nicht abgeneigt, Hrn. Kollmann in
der vorgeschlagenen Richtung seiner Untersuchungen
zn folgen. Es ist sehr wohl möglich , dass früh-
zeitig . noch vor der Einwanderung der Germanen
in Deutschland, unter ihnen neben doiichocephaleu
und brachycephaleu Stämmen ein mesoccphaler
stumm vorhanden gewesen ist. Wir werden uiin
nicht verhehlen dürfen , dass die Frage des ein-
heitlichen germanischen Typus sehr weit zurückführt
bis in Zeiten, die sich der historischen Forschung
entziehen. Von dem Zeitpunkte au, wo die ger-
manischen Stämme in die historische Bewegung
eintr&ten, mögen sie schon mancherlei individuelle
Abweichungen mitgchraclit haben, die nachher
stehen geblieben sind.
Graf Wurmbrand: Hr. Li s sauer hat mir
solche Ringe vorgezeichnet . über die dann auch
Hr. Müller geschrieben hat.
Diese Form des Ringes findet sich meiner
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150
Erfahrung nach nicht selten. Ich hohe hei einer
Ausgrabung in Kroatien solche Ringe an den
Schlafen eines Skelettes gefunden ; eine zweite
Fundstelle solcher Ringe habe ich in Ungarn
notirt, und eine dritte Fundstelle für solche Ohren-
ringe, wie ich sie nennen möchte, habe ich letzt-
hin in dem Münchener historischen Verein nach-
weisen können. Ich mache darauf aufmerksam,
dass alle Ringe, die ich gesehen habe, etwas
kleiner sind als die von Hrn. Yirchow gezeich-
neten; doch die Grösse der Ringe variirt wahr-
scheinlich oft. Ich betone diese differenten Fund-
lokalitätcn deshalb , weil ich mich entschieden
vom archäologischen Standpunkte aus dagegen
aassprechen müsste, dass eine neue Form irgend
eines Ringes zu einem Schlüsse über die fremde
Stylistik Anlass gehen könnte. Wir könnten nnr
sagen, dass eine Form einem bestimmten Styl-
charakter, einem bestimmten Nationaltypus ent-
spricht oder auf ihn hinweist, wenn der typische
Charakter derselben mit einer bekannten Stylistik
in irgend einer Verbindung stellt. So sind wir
/. B. allerdings vollkommen berechtigt, wenn wir
etwas Aegyptisches. also eine Form timlen. welche
an den bekannten Ägyptischen Styl erinnert . zu
sagen , hier ist ägyptischer EinHuss. Wir sind
aber meiner Ansicht nach nie berechtigt, von
irgend einem Schmuckgegenstande zu sagen, er
ist slavisch oder deutet auf eine slavisehc Bevöl-
kerung hin, weil wir diesen Styl absolut nicht
kennen.
Ich glaube, cs würde Niemandem einfallcii,
diese Ringe für slavisch zu halten . wenn sie in
den Gräbern Frankreichs oder Englands gefunden
worden waren, ebensowenig als man sie in Ungarn
oder Bayern für slavisch halten wird. Sollen sie
in Westpreussen für slavisch gelten, weil einst dort
Slaven gewohnt haben, so müsste vor allen» zuerst
uaefagewiesen werden, dass schon in jener Zeit
dort Slaven waren, und dass sie auf einer solchen
Kulturhölie sich befanden . um überhaupt eine
nationale Stylistik hervorzubringen. Ist dies ge-
schehen und ist diese Stylistik bekannt . dann
Hesse sich darüber disentiren , ob diese Ringe
slavisch sind. Ich will mit diesem Einwurf nicht
bestreiten, «lass «lie in Westpreussen nusgegrabeuen
Skelette, welche solche Ringe als Beigaben hatten,
nicht vielleicht Slaven waren, ich bestreite nur.
«lass diese Thatsache, wenn sie auch sonst wie er-
wiesen wünle. genügt, um diese Ringe für slavische,
ihre Form für eine nationale zu halten. Eine solche
Auffassung müsste daliin führen, alle jene, bei
denen auch in anderen Lindern Ähnliche Ringe
gefunden worden, für Slaven zu halten, wozu
kein Grund vorhanden ist, wogegen sogar gewich-
tige Bedenken sprechen.
Hr. Virchow: Die Beweisführung des Hrn.
Müller ist eine tlieils archäologische, theis geo-
graphische. Kr hat eii»p Zusammenstellung von einer
grösseren Anzahl von Gräberfunden gemacht, in denen
sich die beschriebenen Haarringe finden. Danach
reichen sie von der thüringischen Saale bis ziemlich
weit in das russische Gebiet hinein. Innerhalb
des Gebietes, in dem er das Vorkommen solcher
Ringe aufgezeichnet fand, gibt es keine Fundorte,
wo nicht unzweifelhaft eine slavische Bevölkerung
existirt hat. Jede darüber hinausgehende Fund-
stelle würde den Beweis erschüttern. —
Graf Wurmbraud (Beiträge zur Frage über
die Gewinnung des Eisens und die Bearbeitung
von Bronzen) : Zur Lösung der in so vieler
Hinsicht schwierigen Fragen der prähistorischen
Archäologie hat sich die Ältere Methode der
Klassifikation und Sistemisirnng nach der äusseren
Form, nach dem Material und nach dem Fund-
orte als ungenügend erwiesen, da, abgesehen von
«ler disentirharen Aehnlichkeit der Formen über-
haupt, die Heimat gewisser Stilcharaktere anerwiesen
blieb, und der Fundort durchaus nicht massgebend
war, um seihst nach dieser Hinsicht einen wissen-
schaftlichen Beweis «ier Zugehörigkeit zu erbringen.
Wusste man doch seit langer Zeit . dass in Süd-
deutschem! und Oesterreich griechische Münzen
und anerkannt etruskische Bronzen Vorkommen.
Diese und der in Oheritalien so häufige Bernstein
wiesen auf sehr alte Handelsbeziehungen hin,
welche besonders durch die sehr verdienstvollen
Arbeiten des Prof. Gent he und in neuerer Zeit
des Hrn. Sadovsky näher besprochen wurden.
Doch auch das Material seihst , welches von nor-
dischen Archäologen zu einer Systematik in der
F.intlieilung von Zeitepochen geführt hat, schien
nach und nach sich als nicht sicheres Klassifi-
kationsmoment herauszustellen, je mehr sogenannte
gemischte Funde in den centraleuropäischen Län-
dern gefunden wurden, welche einerseits eine bis
in die historische Zeit heraufreichende Verwendung
«ler Steinwaffe, andererseits das Vorkommen von
Metallen mitten in «len Pfahlbauten der Kultur-
periode des geschliffenen Steines nachweisen. Der
wesentliche Unterschied zwischen dem durch sehr
vollständige, reiche Funde erschlossenen Kultur-
zustand jener Pfahlbauten der Steinzeit und an-
deren grossen Fundplfttzeu. wo Gold, Bronze und
Eisen in reicher Fülle Vorkommen, lassen trotzdem
dort, wo so differente Kulturstätten neben einander
Vorkommen, noch immer mit Bestimmtheit einen
Unterschied in «ler Zeitlichkeit oder in der
Nationalität der sie einst bewohnenden Völker
erkennen. Weit unsicherer haben sich «lie ver-
schiedenen Metalle, die Bronze und das Eisen
als Unterscheidungsmomeute erwiesen, soferne wir
eben unsere Länder vor Augen 'haben.. Ich kann
sagen, dass je genauer und vorsichtiger die Aus-
grabungen durch vorurtheilsfreie Forscher ge-
schehen, je häufiger finden sich nun mehr Spuren
von Eisen mit Bronzen vereint , deren Formen,
wie man sagte, als typisch für das Bronzezeitalter
gegolten haben, so dass wir überhaupt kaum mehr
in der Lage sind, von Bronzetypen zu sprechen.
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151
Abgesehen aber von diesen Kunden, welche ich
vor Augen habe und die immer doch nur lokale
Bedeutung haben, mögen sie an sich auch noch
so bedeutend sein, tritt hier um die Richtigkeit
oder Unrichtigkeit der Theorie zu beurtheilen, die
Aufgabe au die Archäologen heran , sich mit der
technischen Seite dieser Frage mehr zu befassen,
welche, wie es scheint, bei Aufstellung des Lehr-
satzes unberücksichtigt blieb. Gerade diese tech-
nischen Untersuchungen sind es. welche meiner
oft ausgesprochenen Ansicht nach mit der natur-
wissenschaftlichen Behandlungsmethode in die
Archäologie eingeführt werden müssen, um weitere
Anhaltspunkte der Unterscheidungen zu gewinnen.
Ich habe sowohl hei der Herstellung von Steinwuffen
und deren Durchbohrung nF in Bezug auf die
Fabrikation der ThougefÄsse gefunden, dass directe
Versuche zur Bestätigung oder Widerlegung ge-
wisser Ansichten sehr geeignet sind, weil sie uns
nicht nur die Kenntniss des Möglichen oder Un-
möglichen verschaffen . sondern weil sie uns auch
ein viel klareres Bild der Kulturzustände entrollen,
welche diese Industrieproducte hervorriefen. Aus-
gehend von diesen Gesichtspunkten haben gerade
in letzter Zeit sehr hervorragende Gelehrte, vor
allen wohl llr.Dr.Hostmann, sich mit technischen
Fragen specicll in Bezug auf die Gewinnung und
Bearbeitung der Bronze so eingehend beschäftigt,
dass meine Erfahrungen nur in geringem Masse
neue Aufschlüsse geben können. Doch sind sic
vielleicht gerade deshalb nicht ohne Interesse,
weil sie von mir unabhängig erworben wurden, und
die Ergebnisse derselben mich zu nicht gauz
gleichen Schlüssen geführt lmlnm. Die Gesichts-
punkte. von welchen aus die technische Seite der
Bronze und Eiseuthcoric zu untersuchen ist, sind
etwa folgende:
1. Wenn es als wahrscheinlich anzunehmen
ist, dass jede Vervollkommnung vom Einfacheren
zum Coinplicirtereu übergeht, ist die Gewinnung
von Eisen als Metall oder von Bronze wie sie uns
als Metall vorliegt für unsere Vorfahren einfacher
gewesen?
2. Können wir einen vorrömischen berg- und
hüttenmässigen Betrieb auf Eisen oder auf Kupfer
und Zinn in unseren Ländern nach weisen V
8. Ist die technische Bearbeitung von Eisen
oder Bronze einfacher; können wir Eisen- und
Bronze-Erzeugnisse als heimische Industrieprodukte
erweisen?
4. Sind gerade die in der sogenannten Bronze-
periode eigeuthüinlichen typischen Geräthe ob
fremd oder heimisch überhaupt ohne gestählte
Werkzeuge herzustellen. Ist mit einem Wort, ab-
gesehen von der Wahrscheinlichkeit, die Bronze-
Periode, wie sie uns als Theorie hingestellt ist.
möglich gewesen?
In Bezug auf die erste Frage ist viel Gewicht
auf den Umstand gelegt worden, dass sowohl
Kupfer als Zinn als auffallende Metalle leicht be-
merkt und leicht gewonnen werden können, während
die Uedncining des Eisensteines zu Gusseisen und
das daraus hcrzustellende Schmiedeisen und be-
sonders der Stahl einen complicirten Vorgang notli-
weudig machen. Um diese letfte Ansicht würdigen
zu können, ergab sich mir in Hflttenberg, dem
alten Erzberg der Noriker, eine sehr günstige Ge-
legenheit Versuche auzustellen, welche mich mit dem
wahrscheinlich von den Kelten selbst hotrieheneu
Verfahren bekannt milchten. Schon seit vielen Jahren
kennt man uralte grasbewachsene Schlackenhablen
an vielen Stellen des Erzberges, welche noch so
eisenreich sind, dass sie wieder zur Einschmelzung
hie und da verwendet wurden. In diesen Halden
fand man in einer Tiefe von 4 Schuh und darüber
römische Urnenscherben, römische Münzen und end-
lich auch die Reste alter kleiner Schachtöfen,
welche in den Berg hineingehaut und y bis
Schuh hoch, 8 bis 4 Ftiss breit waren und aussen
aus feuerfesten Steinen bestanden. Der Innen-
rauni war mit Lehm bekleidet. Am Boden be-
tindet sich eine Wölbung. Sumpf genannt, zum An-
sammeln des Eisens, an einer Seitenwand am
Boileu mit einer Oeffnung zum Aufbrechen des
Schmclzgutes, eigentlich Eisenklumpens oder Eisen-
dadens (Hatum ferri), welche Oeffnung mit Lehm
verschmiert war. Als Luftzug diente ursprünglich
ein Kanal, der an uud für sich vielleicht genügte,
um das Feuer anzufachen, nachdem diese Oefen an
hervorragenden, den Luftströmungen sehr stark
ausgesetzten Punkten sich befanden; später aber
wandt mau wahrscheinlich Hand- oder Tretbälge
an, deren spitzes Ende in eine Thonform E ragte.*)
Solche Thonröhrcheu mit angeschmolzenem Ende
sind mehrfach gefunden worden. Derlei Oefen. wo-
von ich eine Skizze nach Bergverwalter M ü n n ic hs -
dorfers Werkeheil über die geschichtliche Ent-
wicklung der Roheisen-Production in Kärnthen an-
gefertigt**), waren also schon von den Römern er-
baut uud haben sich in ähnlicher Weise bis in
das 9. Jahrhundert erhalten. So einfach und
kunstlos diese Oefen auch waren, so zeigt das
System des künstlichen Zuges doch immerhin
schon gewisse Erfahrungen in Bezug auf Ventilation.
Es sind aber noch weit einfachere Schmelzstätten
in Hüttenberg aufgedeckt worden, welche von
jeder Einrichtung eines Ofens abschen und nur aus
Erdgruben bestehen. Ich habe diese Stätten be-
sucht. Dort fanden sich ausser den an Eisen über-
aus reichen Schlacken uud Holzkohlenresten in der
Halde selbst noch Thonscherben, welche als nicht
römisch anzusehen sind und daher auf vorrömische
Arbeitsstätten schliessen lassen. Diese Gruben
waren schon ziemlich verfallen, als ich sie gesehen,
und ich bringe die Zeichnung und Beschreibung
nach Hrn. M üu n ic h s d or f e r 's Abhandlung, welcher
sie noch vollständig erhalten gekannt und aufge-
uomnieu hat.
•> Die Zeichnung der Oefen wurde vorgezeigt, ofr.
die Abbildung auf Seite 1G4.
•*) Deui ich auch iu der Beschreibung der Oefen folge.
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152
Im Schotterboden, siehe Tabelle I Fig. 1, mit
Rollstücken bis i V« Kubikfnss ist die obere Grube
G. 1 an der Sohle 1 V« Zoll stark mit Kohllösche aa.
darüber mit einer lOzölligen Lehmschiebt bb.
blauer Thon (wie er in nächster Nähe aussteht)
aus ge Mampft: die Lehmschicht zeigt sich auf
3 Zoll nach innen rothgebrannt. Der Kaum R. der
Grube Über der Lehmschicht mit 2 Fuss Höhe,
5 Fuss Durchmesser, ist von rothgebrannter mit
Quarzkörnern gemischter Lohmmasse ausgefüllt.
Die zweite, lti Fuss von der oberen entfernte
Grube G. 2 zeigt die 6 Zoll dicke, vom Feuer
rothgebrannte Lehmschicht ec., darüber die mit
Quarzkömern gemischte, gebrannten, feuerfesten
Ziegeln ähnliche. 12 Zoll dicke rothe Lehmmasse dd..
welche vom Rande der Grube auf 3 Zoll nach
innen bh. vollkommen verkrustet und verschlackt
ist. Der Raum R. 2 ist wie hei G. 1 mit ge-
brannter Lehmmasse, überdies noch mit verschlackter
Masse ausgefüllt , hat 3 Fuss Höhe und 4 Fuss
Weite. Diese innere Ausfüllung der beiden Gruben
kommt von den über den Schotterboden hinaus-
ragend gewesenen, künstlich hergestellten , nnn
eingestürzten Gruben wänden, so dass man die Grube
circa um einen Fuss höher annehnien darf. Unter
der Lehmscliieht er. ist der Schotterboden anf einen
y Zoll breiten, conccntrischen Ring rothgebrannt.*)
Nach Ooiistatirung dieser einstens wirklich in
Betrieb gewesenen vorrömischen Schmelzgruben
handelte es sich weiter darum, wie darin die Re-
duciruug statttinden konnte und welches Product
damit wohl erreicht würde. Durch die Gefällig-
keit der Direct ion war ich in die Lage gesetzt,
solche Versuche durchzufflhren. Unter Aufsicht des
Hrn. Bergverwalters Spiess wurden genau nach
diesem Muster 2 Gruben angefertigt. Die kleinere
derselben wurde zuerst nach vollständiger Aus-
trocknung zum Rösten der Erze verwendet, welche
von einem Taghau entnommen und sehr eisen-
haltig waren. Nach diesem sehr einfachen Röst-
process geschah die Zusetziing der tieferen und
schmäleren Grube mit Holzkohlen und gerösteten
Erzen ohne irgend welchen Zusatz, in mehreren
Schichten. Da die Anlage der Gruben leider auf
einem vom Winde vollkommen geschützten Platz
geschehen musste, erfolgte die Reduction langsam,
und wurde deshalb ein gewöhnlicher Tretbalg
zur Luftzuführung angewendet, worauf die Schmel-
zung vor sich ging. Bei Wiiidströmungeu wäre
auch dieses Hilfsmittel, welches übrigens auch
den Naturvölkern Afrikas bekannt ist und nicht
zu den complicirteren Maschinerien gehört , nicht
nöthlg gewesen. Ich kann mied hier nicht über
die genau aufgezeichneten Details dieser Schmel-
zungen ausbreiten. Es genügt zu sagen, dass wir
nach 2ti Stunden löschten und nach Abzug der
Schlacken bei 12 Pfand Eisen gewonnen hatten,
welches, und dies muss hervorgehoben werdeu,
•) Münnichsdorfer, Geschichtliche Entwicklung der
Koheisenprodoktiou S. 6.
nicht die Eigenschaften des Roheisens, sondern
die des guten Schmiedeeisens verrieth. Ich lies«,
sofort ohne irgend weiteren Process eine Reihe von
Proben aasschmieden, worunter Waffen. Stangen
u. s. w. Die Grube hatte so gut ausgehalten, dass
sie sofort wieder hätte zugesetzt werden können,
und es hat diese einfachste Schmelzmethode nur den
einen Nacht heil, dass sie durch den grossen Kohlen-
verbrauch sehr theuer ist. Ich glaube, der Centner
ist über US» Gulden berechnet worden, und nur hei
20% wird aus den Erzen ausgeschmolzen. Die
sehr eisenreichen uns gebliebenen Schlacken sind
denen, die wir in der alten Halde fanden, voll-
kommen gleich gewesen. Diese durch die ge-
ringe Temperatur mangelhafte Reduction hatte je-
doch den Vortheil, dass sich das Eisen nicht mit
Kohlenstoff in zu hohem Masse verunreinigte, wie
es beim Roheisen der Fall ist, und erklärt dadurch
die directe Verwendbarkeit desselben. So hätten
wir denn in einfachster Weise Eisen, welches
zähe und elastisch alle Eigenschaften des ge-
rühmten norischen Eisens in sich vereinigt. Soll
daraus Stahl erzeugt werden, oder besser will man
es stählen , so genügen für kleine Objecte die
jedem Schmied erfahrwngsgemiss bekannten Me-
thoden. um eine Wiederaufnahme von Kohlenstoff
zu ermöglichen. Ausser dem Ablöschen bedient
man sich z. B. auch der Horospähne, die inan mit
dem erwärmten Eisen in Verbindung bringt. So
ungenügend im Grossen diese Hilfsmittel sind,
so genügen sie bei fleissiger Bearbeitung mit dem
Hammer, um ganz gute Messerklingen, Waffen
oder Werkzeuge herzustellen. Wir sehen aus
diesen Versuche« nicht nur. dass die Gewinnung
von Schmiedeeisen besonders dort, wo eisenreiche
Erze zu Tage liegen, eine ausserordentlich einfache
ist, sondern wir haben auch darin den Nachweis
gefunden, dass in dieser einfachen Weise in vor-
römischer Zeit unsere kultivirten Völker das
norische Eiseu wirklich zubereiteten ; denn abge-
sehen von den einzelnen Topfsclierhen , die wir
dabei fanden, zeigen Steinhammer und Bronze-
kelle, welche am Berge gefunden wurden, die
Anwesenheit nicht römischer Völker, und es zeigen
die späteren römischen Oefen eine Vervollkomm-
nung, welche dem höheren Kultureinfluss entspricht.
Trotz dieser im Allgemeinen ungleich höheren
Kultur, welche die Römer von den Kelten unter-
schied, scheint es jedoch, dass gerade iu der
Eisen product ion die Kelten praktische Erfahrung
besassen. welche jene zu schätzen wussten; denn
die in der Umgegend von Hüttenberg gefundenen
Römersteine weisen häutig keltische Namen anf.
Gewiss haben die Kelten . wenn sie bei Norvya
Eisenhütten hatten und den Bergbau betrieben,
auch in den Tauern Gold-, in H Allstadt Salz- und
wahrscheinlich im Enusthale Kupferbergbau gehabt.
Für die Goldgruben in der Kauris spricht der Um-
stand , dass mindestens der Betrieb zur Zeit der
römischen Ocrupation erweislich ist, und dass diese
wahrscheinlich auch hier die vou den Tauris-
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153
kern begonnene Arbeit aufnahmen; für Hallstadt
and H&Uein sind directe Beweise des vorrömischen
Betriebes bekanntlich vorhanden. Für den uralten
Betrieb der Kupferwerke bei Mitterberg würden
Steinbeile Zeugniss ablcgen können, die eben dort
gefunden wurden. Wo aber wurde das Zinn her-
genommen. Das fehlt uns gänzlich und musste
unbedingt eingeführt werden. Dieser Import setzt
aber voraus, dass nicht hier, sondern anderswo die
Bronzelegirung gefunden oder erfanden wurde, und
zwar wahrscheinlich in einem Lande, wo beide
Metalle neben einander Vorkommen. Solche Stellen
existiren nun allerdings in Asien, doch ist der
uralte Betrieb dort uachgewieseu ? und wenn auch,
ist dadurch erwiesen, dass unsere Völker daher
gekommen sind, und haben wir irgend Beweise,
dass sie hier das Eisen vernachlässigten und so-
fort die Wege des Zinnhandels erkannten? Mir
scheint dies nicht wahrscheinlich, sondern ich halte
im Gegentheil dafür, dass es einfacher und natür-
licher ist, sich au das Gegebene zu halten und
anzunehmen, dass jene Völker vorerst die Metalle
verwendeten, die sie fanden, und dass sie erst
später bei Anbahnung des Verkehrs auch Bronze-
arbeiten fertigten, zu denen ihre südlichen Nach-
barn ihnen jedenfalls den Impuls gegeben. Wie
konnten diese Bronzen nun gefertigt werden?
Bei Untersuchung dieser Frage habe ich, gar
bald die Unzulänglichkeit meiner Kenntnisse er-
kennend, mich an diejenige Autorität gewendet,
welche mir vor Allen massgebend schien, an den
Freiherrn von U c h a t i u s , welcher jahrelang, dieses
merkwürdige Metall studirt und im k. k. Arsenal
zu Wien alle Behelfe hat, um Untersuchungen in
grossem Massstabe zu machen. Er hatte sich
schon früher mit der antiken Bronze befasst und
war so freundlich, für mich weitere Untersuchungen
zu machen, die theils in chemischen Analysen,
thcils in Nachahmungen alter Muster bestehen.
Auch hier muss ich mich beschränken, Ihnen die
Resultate in Kürze mitzut heilen, da innerhalb der
Grenzen dieses Vortrages nicht der Raum ist, um
Über die sehr interessanten Einzelheiten mich zu
verbreiten.
Das wichtigste Ergebnis», welches sich nach
den ersten Proben schon herausstellte, ist, dass
die untersuchten Gegenstände sich als härter und
elastischer erwiesen, als dies bei gewöhnlicher
Bronze, als welches wir das sogenannte Kanonen-
metall ansehen wollen, der Fall ist. Es lag
also hier entweder eine Pressung oder ein Walzen
der Bronze vor, oder es waren schon vor dem
Guss der Legirung Zusätze gegeben worden, welche
ihr ähnliche Eigenschaften verliehen wie der so-
genannten Stahlbronze. Ein altes Bronzeschwert
schnitt in der That Spähue von dem Kanonen-
metall. ab ohne erheblichen Schaden zu nehmen.
Da nun ein Walzen oder Pressen der Schwert-
klingen an and für sich unwahischeinlich war und
ungeputzte alte Hronzeu diesselbeu (Qualitäten
zeigten, wurde vor allem eine genaue chemische
CorrMp.-BUtl Kr«. II.
Analyse gemacht. Sie ergab auf 100 Theile
89,5 Kupfer, 5,9 Zinn, 2,0 Antimon, 2,1 Nickel.
Mit dieser Lcgiruug ist nun der Versuch ge-
macht worden, nach dem Muster eines in Ungarn
gefunden Bronzescbwertes ein gleiches in Sand-
formen zu giessen. Desgleichen eine Lanzenspitze,
welche den Formcharakter derjenigen Bronzen trägt,
die man im Norden findet und in die nordische
erste Bronzeperiode wie ich glaube versetzt werden
muss. Der Griff des Bronzeschwertes ist reich
verziert und mit 2 Nieten an die Klinge unter der
Faustlage befestigt. Auch der untere Theil der
Lanzenspitze zeigt wellenförmige Ornamente. Um
zu sehen, wie subtil der Guss ausgeführt werden
kann, sind diese Ornamente in die Form einge-
drückt worden. Das Abschlagen der Gussnähte
wie das Abschleifen derselben geschah ohne Zu-
hilfenahme von Stahl. Ich lege Ihnen nun beide
Nachbildungen vor. Sie haben dieselbe Härte und
Elasticität wie die antiken Muster. Die Ornamente
auf dem gar nicht weiter geputzten Griff und auf
der Lanzenspitze sind vollkommen schön, und ein
oberflächlicher Vergleich wird keinen Unterschied
zwischen Original und Copie zeigen. Sehen Sie
aber genauer, so werden Sie finden, dass einige
der Vertiefungen der Ornamente unrein zusammen-
geschmolzen sind und dass das Ornament dort
fehlt, wo sich die Gussnaht befand. Die Putzung
und Nachgravirung ist aber nur mit Stahl gut
möglich . da diese Bronze durch Nickel schon die
narte der Stahlbronze hat. Bei der alten geht die
Gravirung aber ununterbrochen und in weit feinerer
Zeichnung. Die Herstellung von ornamentirten
Bronzewaffen ohne Stahlwerkzeug durch den Guss
allein ist also möglich, und die Alten haben wirk-
lich, wie ich an andern Bronzen ersehen, hie und
da in der Weise gearbeitet; im vorliegenden Fall
und in vielen anderen aber ist der Stahlgriffel
oder die Stahlpunze entschieden zur Anwendung
gekommen. Eine weitere Folge dieses vortreff-
lichen Metalle» ist es nun auch, dass es ohne
brüchig zu werden, bei richtiger Behandlung sich
warm bearbeiten, mit dem Hammer schmieden
lässt und die feinsten Drahtarbeiten zu fertigen
gestattet, wie ein ebenfalls im Arsenal gearbeiteter
gedrehter lialsring zeigt. In einem Urnenfeld bei
Maria -Rast habe ich Gelegenheit gehabt, unter
den vielen Bronzen, die von daher stammen, die
Beobachtang zu machen, dass die meisten nicht
gegossen , sondern geschmiedet waren. Es sind
dies nicht nur alle Halsringe, fast alle Armbänder
und Spiralen, sondern auch der überwiegend grösste
Theil der Fibeln. Viele zeigten feine Gravirungen.
Gerade diese Halsringe, diese Spiralen und Draht-
fibeln aber sind in Süd -Ungarn sowohl als in
Steiermark. Uallstadt, Süd-Bayern, Mähren und
Golasecea, mit einem Wort in nicht italischen
Ländern, sondern in dem einstigen Wohnsitz der
Kolten oder, da ich liier nicht eine Nationalitäts-
frage erheben will, der Kelto -Germanen nicht
selten und ergeben die passendsten Vergleichs-
4
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154
momento unter sieb. Entgegengesetzt der Einfach-
heit der Eisengewinnung und Bearbeitung haben
wir bei der Bronze gesehen, dass dieses Metall
nicht nur in vortrefflicher und auch jetzt noch
nicht allgemein bekannter Weise hergestellt wurde,
sondern dass seine Bearbeitung sehr viel Sorgsam-
keit und Erfahrung erfordert, bei weitem mehr
als das Eisen. In Bezog auf die Techuik selbst
dürfte wieder ein wesentlicher Unterschied zwischen
dem Guss und dem Schmicdeverfahren gemacht
werden, und wenn wir dahin kommen sollten, mit
Bestimmtheit unseren Norikern Bronzefabrikate zu-
2uschreibeu. so werden wir im Hinblick auf die
einfache Technik des Schmiedens, die ihnen ganz
besonders nahe gelegen haben muss, uns eher für
die mit dem Hammer gearbeiteten Bronzen aus-
sprechen, da gerade der Guss ganz neue Erfah-
rungen erfordert. Wir finden zwar Gussstätten
in Steiermark selbst, doch sind die Gussformen
sehr selten und durchgehends von gewöhnlicheren
Gegenständen. Auch ist der Beweis nicht geliefert,
das sie vorrömisch sind, denn gerade die grösste
unserer keltischen Fundstelle, Hallstadt, entbehrt
deren gänzlich. Hohe Umgussversuche in Lehm-
formen, wie solche in den Pfahlbauten Oheröster-
reichs und neuerdings mannigfach im Laibacher
Moor gefunden wurden, weisen durchaus nicht auf
eine heimische Bronze-Industrie im eigentlichen
Sinne; denn hier wie dort sind neben solchen
kupferigon Umgussproductcn , die sich zum Theil
direct nach Steinbeilen geformt zeigen, ganz vor-
trefflich schöne Bronzedolche und Nadeln gefunden
worden, welche gerade in der Xebeueinander-
stellung ihren fremden Ursprung darthun. Das
zfonarme Umgussproduct dieser Pfahlbauer ist neben
der fremden Bronze so auffallend formlos und
plump, dass gerade durch diese offenbare Nach-
bildung die Unkenntniss in der eigentlichen Bronze-
behandlung recht klar veranschaulicht wird. Merk-
würdig ist es nun, wie nach so einfachen. Jedem zu-
gänzlichen Erfahrungen die Systematiker darauf
bestehen, die höchst fein gegossenen und gerade
die feinst punzirten und gravirten Bronzen in die
erste Zeit der Bronzeperiode zu setzen. Kann
für einfache Gelte oder Sicheln, kann für ge-
schmiedete Arbeiten die Möglichkeit einer Bear-
beitung ohne scharfe stählerne Werkzeuge und
ohne allzu grosse Kunstfertigkeit gedacht werden,
wenn das Material, wenn die gute Bronze nur ein-
mal in irgend einer Weise beschafft ist, so ist hier,
wie auch Dr. Ho st mann so trefflich erwiesen
und erprobt, gerade in diesen Fällen oft auch nicht
die Möglichkeit eines Festhaltens dieser merk-
würdigen Theorie mehr vorhanden.
Auch Ilr. St öhr hat den directen Nachweis
geliefert , dass in der vorrömischen Zeit der
Schmelzprocess bis zuin Stahl durchgeführt wor-
den ist.
Hr. Otto Kunze: Das Eisen findet sich überall
uud gerade au deu Sümpfen , wo die Pfahlbauer
/.un» Bergbau Feuer gebrannt haben können. Ich
bin der Ansicht . dass das Eisen der späteren
Bronze vorausgegangen sein muss , wie wir das
auch in deu Pfahlbauten vorwiegend tinden. Dies
erklärt sich vielleicht dadurch, dass das Eisen in
dem feuchten Boden leichter verschwindet ; es
rostet und vergeht mit der Zeit ganz und gar,
während die Bronze sich erhält. —
Hr. Virchow : Ich möchte Ilm. Grafen Wurm -
brand meinen besonderen Dank dafür ausdrfleken,
dass er den Weg der praktischen Kxperimen-
tation . den er mit so ausserordentlichem Ge-
schick verfolgt, auch hier eingeschlagen hat. Ich
kann uns und ihm nur gratuliren. Wir werden ge-
wiss erwarten dürfen , dass es ihm gelingen wird,
noch manche schwierige Fragt* auf diesem Gebiete
zu lösen . und die Methoden der Alten nicht nur
zu ergründen, sondern auch zu üben. Dafür bürgt
die besondere Befähigung, die er bewiesen hat,
die Technik der Vorfahren nachzuahmen. —
Die Frage, welche Hr. Kunze angeregt hat,
können wir unmöglich heute noch eingehender
prüfen; ich bedauere recht sehr, dass die Zeit schon
so vorgerückt ist Wir bewegen uns überdies auf
»lern etwas zweifelhaften Gebiete der theoretischen
Möglichkeiten, die gestern schon einmal erörtert
worden sind. Ich darf wohl daran erinnern, dass
bis zu diesem Augenblicke aus ganz Amerika
keine Beobachtung bekannt ist, welche darthätc,
dass die amerikanischen Völker zur Zeit der Ent-
deckung ihres Landes Eisen beai beitet haben. Es
ist kein einziger Fund davon bekannt. Wie mir
eben mitget heilt wird, beschäftigt sich Hr. Host-
m an n damit. Thatsachen aufzusuchen, um den
(iegenbeweis zu führeu. Vorläufig stellt aber die
Sache so. dass wir aus ganz Amerika bis jetzt
keinen einzigen alten Eisenfuud und keine Völker
kennen, welche Eisen vor der Entdeckung Amerikas
im Gebrauche benutzten oder bearbeitetem Nichts-
destoweniger treffen wir bekanntlich die höchste
Entwicklung der Gold-, Silber- uud Bronzekultur iu
Amerika, zum Theil in Formen, welche nicht einmal
in Europa erreicht worden sind, nachdem die volle
Uivilisation eiugetreten war. Dass so etwas ohne
Eisen möglich ist, müssen wir so lange anerkennen,
als noch kein altes eisernes Werkzeug aus Amerika
bekannt ist .Die Beantwortung der anderen Frage,
in welcher Reihenfolge sich die Metallkenntniss bei
uns gemacht hat. ist davon nicht direct abhängig.
Ich möchte aber immer wieder davor warnen, dass
wir uns nicht zu sehr in Möglichkeiten vertiefen,
welche gedacht werden können. Dass Eisen bei
uns bequemer zu lubcn war als Rronze, darüber
kann kein Zweifel seiu. Aber wir wissen auch,
dass der menschliche Geist durch zahlreiche
traditionelle Voraussetzungen beherrscht wird und
dass es ungemein schwer ist, die Hilfsmittel, welche
etwa verwerthet werden konnten, für jedes Volk
der Vorzeit genau zu bezeichnen. —
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r
155
Graf Wurrabrand zeigt ein Steinbeil vor, das
in gewisser Beziehung einzig ist , weil es die drei
bekannten Bohrungsmethoden naehweiat , nemlich
die des Hrn. Forel, des Hm. Keller und seine
eigene. Er bemerkt dazu:
Ich muss vor allem sagen , dass mein Bohr-
versuch nicht darauf hinausgeht . etwas Imagi-
näres darzustellen , sondern dass er nur deshalb
einen Werth hat. weil erwiesen werden kann, dass
die Alten auch wirklich so gearbeitet haben. Ich
habe Bohrer aus Hirschhomenden in den Pfahl-
bauten gefunden und durch die genaue Einpassung
solcher Bohrer in die Steinhämmer Nachweisen
können, dass sie zum Bohren derselben gebraucht
wurden. Sie sehen, dass bei meiner Bohrung ein
Kegel in Mitte des Loches stehen bleibt. Dieser
Kegel hat sich in die poröse Masse des Hirsch-
horns eingedrängt, während die sehr harte äussere
Hornwand die scharfe Vertiefung rund nin den
Kteinkera mit Quarzsand ausgewetzt hat. Die Wan-
dung der Bohrung bleibt dabei ganz glatt. Ist die
Bohrung bis zur Hälfte geschehen, dann wird auf
der anderen Seite angefangen und man bohrt gegen
einander. Dadurch wird ein Zapfen gebildet, der
so aussieht . wie wenn zwei Kegel auf einander
stehen würden. Wenn Sie diese Bohrungsarbeit
interessirt , so wollen Sie in das hiesige Museum
gehen , wo Sie einen solchen Steinzapfen finden,
der ganz genau dieselbe Entstehungsweise auf-
weist. —
Hr. Virchow (über die nördlichen Pfahl-
haufunde):
Ich habe schon in meiner Eröffnungsrede mit-
getheilt , dass die Pfahlbauten im Norden sich in
einer , wenn auch nicht unmittelbar zusammen-
hängenden, so doch in einem gewissen Zusammen-
hänge stehenden Reihe ansbreiten, etwa von dein
rechten Elbeufer bis hoch nach Livland hinauf,
und dass in dieser ganzen Reihe , soweit sich bis
jetzt mit voller Sicherheit übersehen lässt, nirgends
ein reines Steinalter nachgewiesen ist. Allerdings
kann dieser Punkt nicht positiv erledigt werden,
da, wie ich für Wismar hervorhob. die that sächlichen
Verhältnisse durch Fälschungen getrübt worden
sind. Alle anderen Pfahlbauten des Nordens zeigen
sehr späte Verhältnisse: die Mehrzahl von ihnen
gehört nnzweifelhaft der späteren Eisenzeit an.
Ich habe über die Pfahlbauten der Mark , Pom-
merns und Posen», welche überwiegend der grossen
Zone der Seen angehören . die sich bekanntlich
durch diese Länder in einer gewissen Entfernung
von der Küste hin erstrecken, wiederholt gesprochen.
Ich will daher hier nur hervorheben , dass diese
Pfahlbauten mit den ßurgwällen . von welchen Sie
hier ein Modell aus der Neumark vor sich haben,
archäologisch übereinstimmen , und dass wir eine
Reihe von bestimmten , der ältesten Geschichte
dieser Länder angehörenden Thatsachen kennen,
aus welchen hervorgeht, dass einzelne dieser Pfahl-
bauten noch bis in die Zeiten hinein bestanden,
wo das Christenthum in diese Länder getragen
wurde. So besitzen wir über Julin . daß spätere
Wollin, Nachrichten, die sich ungezwungen so deuten
lassen, dass noch im 12. Jahrhundert Pfahlbauten
daselbst vorhanden waren. Mit Ausnahme dieser
Wolliner und etwa der Wismarer Pfahlbauten be-
finden sich unsere Pfahlstationen in wirklichen
Seen; jedenfalls haben wir keine von Torf über-
wachsenen Pfahlbauten, welche ein so hohes Alter
besässen, wie Sie es noch heute in Niederwyl sehen
werden. Fast alle unsere Pfahlbauten liegen nahe
den Ufern in Seen und treten erst beim Ablassen
der letzteren zu Tage; nur vereinzelt sind sie in
noch bestehenden Seen entdeckt worden. Einzelne
von ihnen sind noch bis in das Mittelalter hinein
benutzt worden.
Man kann diese ganze Gruppe als die slavo- ,
lettische bezeichnen im Gegensatz zu der alten
süddeutsch - schweizerischen. Ich kann
nicht sagen, dass ich irgend etwas von der ersteren
wüsste, was dazu zwänge oder dazu verführte, an-
zunehmen. dass ihre Bevölkerung eine andere war
als diejenige, welche wir im Beginn der historischen
Zeit auflreten sehen. Ich habe ebensowenig irgend
welche Anhaltspunkte , welche etwa für die ost-
deutschen Bezirke es wahrscheinlich machen, dass
ein germanisches Volk jemals daselbst in dieser
Weise gewohnt hat. Auch will ich nicht behaupten,
das* die slavischen Pfahlbauten des Westens und
die lettischen des Ostens unmittelbar zusammen-
gehören. Eine speciellere Beschreibung der sla-
vischen Gruppe übergehe ich , da ich schon ver-
schiedentlich darüber berichtet habe. Ich will nur
eine einzige Thctsache hervorheben , welche den
Zusammenhang gewisser Burgwälle mit den Pfahl-
bauten beweist, dass nemlich einige unserer Burg-
wälle in Sümpfen und Mooren errichtet sind, und
dass wir im Grunde des ßurgwalls auf wirkliche
Pfahlbauten kommen , bei denen also die Funda-
mentirnng des Grandes durch Pfahlbauten gebildet
und darüber der Bnrgwali aufgeschüttet ist, ganz
ähnlich, wie es bei den Terramaren in Italien der
Kall ist. Nichtsdestoweniger bin ich der Meinung,
dass wir durchaus nicht zwischen diesen Burg-
wällen und den Terramaren einen inneren Zu-
sammenhang aofstcllcn dürfen ; so ähnlich die Con-
structionen unter Umständen sein mögen, so müssen
wir doch zugestehen, dass zwei ganz verschiedene
Völkerstämme sich nach einem gleichmüssigen
Schema eingerichtet haben.
Als ich neulich in Königsberg war und die
Sammlungen der Prussia durchsah, stiess ich auch
auf die Funde aus einem ausgezeichneten Pfahlhau
Ostpreussens, der schon seit mehreren Jahren be-
kannt ist; er liegt im Arvssee bei Werder. Die
Herren von der Prnssia haben , weil es sich in
(’onstanz nm die Vergleichung der Pfahlbauten
handelte und es von Wichtigkeit schien , hier in
Mitte des Pfahlbaulandes das Material vorzulegen,
einen Theil ihrer Funde hieher gesendet. Sie
sehen da freilich nur ein einzelnes eisernes Ge-
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räth , das überdies stark gelitten hat. Es ist das
einzige Eisenstück, was dort erfanden worden ist
und es ist schwer zu sagen, was es ist ; man kann
auch nicht mit absoluter Sicherheit darthun, dass
es gerade dem Pfahlbau angehörte oder erst später
hineingerathou ist. Indes* beweist die scharf-
kantige und glatte Bearbeitung der Pfähle , dass
eiserne Werkzeuge gebraucht sein müssen. Es
sind dann zwei Bronzeobjecte gefunden worden,
nemlich ein roher , deutlich abgetrennter Guss-
zapfen und eine Art Tutulus , ein knopfförmiges
Ding mit einem Stiele. Weiterhin gibt es eine Reihe
von geschlagenen Feuersteinstücken und eine schön
polirte Steinaxt. Die Mehrzahl der Fundstücke be-
steht aus Scherben von Thongerftthen mit rohen
Ornamenten von sehr mannigfacher Art, — ein
Reichthnm . der gegenüber der Magerkeit der
sonstigen Funde ungewöhnlich gross ist. Die Ge-
wisse haben Henkel und ihre Verzierung besteht
besonder^ häutig in horizontalen und schrägen
Reihen von Nageleindrücken , die wie Guirlanden
angeordnet sind. Einzelne stellen Krüge mit aus-
gelegtem Fusse, andere sehr kleine Näpfchen dar.
Unter den grösseren Gefässen befindet sich eine
Zahl mit Löchern am Rande, welche so anssehen,
als wenn sie mit einer Schnur durchzogen gewesen
wären. Sehr zahlreich sind Holz-, Bein- und Horn-
ge rät he ; von den letzteren erwähne ich ausge-
zeichnete Lanzenspitzei» aus Hirschhornenden mit
offenem Schaftloch; eine ist dabei, wo das Holz
noch in der Lanzenspitze steckt. Dieser Pfahlbau
von Ans ist, wie derjenige, den Sie in Niederwyl
sehen werden, ein Packwerkbau. Es wurden zu-
nächst auf den Seegrund stärkere Balken in vier-
eckiger Fundamentirung niedergelegt, durch senk-
rechte Pfähle festgestellt und die Zwischenräume
mit kleineren Holzstänunen ausgefüllt und mit
Steinen beschwert.
Als ich den Arrasch-See in Livland besuchte,
frappirte mich die Aehnlichkeit des Namens mit Arvs
und ich erkundigte mich sofort nach dem lettischen
Grundworte. Sonderbarerweise ergab sich, dass die
altere Schreibweise von Arrascb in der Thal „Aries**
gewesen ist, so dass es aussieht, als ob in der That
derselbe Name an zwei so weit aus einander ge-
legenen Orten hervortritt. Ich habe den Arrasch-
See mit dem Grafen Sievers besucht und einige
Ausgrabungen daselbst veranstaltet. Dabei hat
sich herausgestellt, dass dort gleichfalls ein Pack-
werkbau ist , der uin so merkwürdiger ist, als er
in der That zur Bildung einer kleinen Insel ge-
führt hat. Im Arrascb - See sind allerdings bis
jetzt erst wenige Metallsacheu zu Tage gekommen,
ein paar bronzene Gegenstände , nemlich eine
lettische Fibel und eine grosse gegossene, leicht
ciselirte Nadel mit einer kleinen Oese an der
Seite ; es ist aber auch zugleich eine grosse
Gnssform aus schwarzem Thon gefunden worden,
eine Form , welche nicht vollständig ist , so dass
schwer herauszubringen ist , was damit gegossen
worden ist. Die Bearbeitung der Pfähle beweist
auch hier, dass Eisen dabei angewendet ist. Das
meiste , was sich vorfindet , sind Topfscherben,
die meisten ganz roh , einzelne mit Buckeln and
Fingereindrücken , jedoch ohne Henkel , ferner
Knochen sehr mannigfacher Art , die Mehrzahl
zerschlagen . unter denen ausser dem Biber fast
nur Ilausthiere vertreten sind: Schwein, Rind und
Pferd.
Ich gehe auf weitere Details nicht ein, sondern
will bei dieser Gelegenheit nur noch der Art von
Vermut hangen und Schlussfolgerungen entgegen-
treten, welche immer geneigt ist, eine Erklärung,
welche ein bestimmtes Kulturgebiet darbietet, ohne
weiteres auf andere zu übertragen. Ich denke, wir
werden uns entschlossen müssen, ganz im Gegen-
sätze zu den süddeutsch - schweizerischen Pfahl-
hauten, die Einführung der nördlichen Pfahlbanten
an die Einwanderung des slavo-lettischen Stammes
anzuknüpfeu; ich wüsste nicht, welche Thatsache
angeführt werden könnte , die berechtigte , eine
frühere Periode für den Beginn der letzteren an-
zunehmen.
An diese Erörterung möchte ich noch ein
paar Mittheilungen über nordöstliche Alter-
thümer kurz anreihen. Zunächst die Beobach-
tung , welche mir bei der Besichtigung der Mu-
seen in Königsberg , Mitau und Riga entgegen-
getreten ist, dass, je weiter wir über die
Weichsel hinaus nach Osten kommen,
desto spärlicher das Gebiet der älteren
Funde wird und desto mehr wir in ein
uns durchaus fremdes Kultur gebiet ein-
treten. Es ist zunächst sehr auffallend für uus
Nordländer, - ein Süddeutscher würde das viel-
leicht weniger empfinden — aber wir, die wir
gewohnt sind , in der Unmasse des Feuerstein-
geräthes uns zu bewegen, die wir mit den Schweden
und Dänen den Vorzug theilen, dass in Folge der
Reichhaltigkeit unseres Bodens an grossen Feuer-
steinknollen auch die Fabrikation der grossen
Feuersteingeräthe eine enorme Ausdehnung gefunden
hat, wir sehen mit Verwunderung schon jenseits
der Weichsel diese Gerftthe spärlicher werden und
bald ganz verschwinden. In dem sehr schön aus-
gestatteten Museum in Mitan existiren nur noch
zwei Stücke von geschliffenen Feuersteinen , ein
etwas grösserer Keil und ein ganz kleiner meissel-
förmiger Körper aus einem sehr schönen achat-
ähnlichen Baudfeiierstein. In Riga ist davon fast
nichts : auch finden sich fast gar keine Spuren
von irgend einer solchen, im Lande selbst geübten
Technik. Man kann daher leicht auf die Ver-
muthnug kommen, als oh hier jede ältere Periode,
welche etwa der Steinzeit der übrigen Welt ent-
spräche, austiele. Graf Sievers ist der erste
gewesen . welcher in dieser Beziehung einige po-
sitive Fortschritte gemacht hat. Die Differenzen,
in welche er dadurch geratheii war, waren mit
Veranlassung , weshalb er mein Zeugnis» pro*
vocirte.
Es handelte sich dabei hauptsächlich um Funde,
iized bv GoO1
157
die er an dem grossen Burtneck-See, ans welchem
die Salis hervorgeht , gemacht hatte , einem See,
der eine mehrmeilige Lange und Breite hat. An
dom nördlichen , gegen Estbland gerichteten Ufer
ist eine Stelle, wo auf dem jetzt geackerten Lande
eine Menge von kleinen geschlagenen Feuer-
steinen und Topfscherben gefunden wurde; erstere
Hessen sich nur als menschliche Artefaete an-
sehen , zumal da sich unter ihnen ausgezeichnete
Pfeilspitzen fanden und zwar ganz regelm&ssige,
mit Widerhaken versehene Pfeilspitzen, aber nicht
polirte, sondern durchweg einfach geschlagene. Es
war das um so merkwürdiger, als bis dahin selbst
das Vorkommen von Feuersteinen als natürlicher
Vorkommnisse im Lande geleugnet war. Ich habe
jedoch eigenhändig, ohne daranf aufmerksam ge-
macht zu sein , solche Feuersteine aufgehoben,
namentlich in moränenartigen Hügeln , wo sie
zwischen anderen Geschieben, wie hei uns. Ingen.
Es kann daher kein Zweifel sein , dass auch iti
Livland Feuerstein im Boden vorkommt und dass
einstmals daraus Werkzeuge geschlagen worden
sind. Wie weit das für die Beurtlieiiung der ge-
sammten livländischen Archäologie Werth hat. will
ich dahingestellt sein lassen. Jedenfalls kann ich
die Fundstolle von Sweinerk bezeugen; ich war
selbst da, und ich zweifle nicht, dass dort einmal
eine F eu erst ei n w e rk stä t te war.
Auch an einer anderen Stelle, unmittelbar an
dem Ausflüsse der Salis, gibt es sehr merkwürdige
Dinge. Gerade da, wo der ziemlich schnell flics-
sende Fluss aus dem See aastritt.. liegt auf jeder
Seite des Flusses ein kleiner Hügel. Der eine
heisst Hinnekaln , der andere Kaulerkaln. Auf
beiden Seiten wurden, als inan anting, diese Hügel
zu Ackerbauzwecken nbzufahreii, Skelette entdeckt.
Eben die Schädel, welche Sie dort sehen, sind ans
dein Hinnekaln. Dieser auf dem südlichen linken
Ufer der Salis gelegene Hügel besteht der Haupt-
sache nach aus einer Anhäufung von Muschel-
schalen , namentlich von Unionen. Bis zu einer
Höhe von bis 6 Kuss besteht alles aus Musehel-
scherben , zwischen welchen sich stellenweise eine
schwarze hamasartige Masse findet. Die Ausfül-
lnngsmassc der Augenhöhlen dieses Schädels ge-
währt in vollem Masse ein Bild, wie sich der Boden
au den Stellen darstellt, wo die Schalen zer-
trümmert sind. Es gibt aber Stellen, wo die Schalen
in noch uuzertrüminertein Zustande aufgehäuft sind,
so dass die ganze Masse, wenn man hiueinstieht
und sie aus einander wirft, sich in lauter einzelne
Muschelschalen auflost. Dazwischen Anden sich vie-
lerlei Dinge von Menschenhand und auch menschliche
Skelette. Es konnte nicht, zweifelhaft bleihcn. dass
die Mehrzahl der menschlichen Leichen erst später in
die schon vorhandene Muschelmasse bestattet worden
ist. Allein Graf Sievers glaubte, sich an einigen
Stellen überzeugt zu haben, dass auch unter der Mu-
schelschicht Begräbnisse stattgefunden hätten. Wir
untersuchten daher hei meiner Anwesenheit noch
einmal den Untergrund, fanden aber absolut nichts
von Leichentheilen darin. Ich kann daher über
diesen Punkt aus eigener Wahrnehmung nichts Aus-
sagen. Um so zahlreicher waren die Funde in den
Muschelachichten selbst. Es hat sich darin ausser-
halb der Gerippe nirgends Metall gefunden , ob-
wohl zwischen den Muschelschalen sich Metall sehr
gut erhalten müsste. Es hat sich ferner mit Aus-
nahme einiger Schleifsteine und eines einzigen
kleinen polirten Steines kein eigentliches Stein-
gerüth, weder geschlagenes noch polirtes, gefunden,
Graf Sievers schloss daher, dass er hier auf eine
Stelle gestossen sei, wo eine Urbevölkerung gewohnt
habeT die nicht einmal den regelmässigen Ge-
brauch ausgearheiteter Steingeräthe gekannt habe.
Natürlich kann kein Zweifel darüber sein , dass
zur Anfertigung von Horngeräth irgend ein här-
teres Instrument , also wahrseheinUch Stein , ange-
wendet werden musste , und einzelne Feuerstein-
Hchcrbcn habe ich in der Thal gefunden: indes*
würde das t nicht hindern , auf eine recht alte
Periode der Steinzeit zurückzugehen. Ich möchte
darüber endgültig nicht entscheiden. Der grössere
Theil derjenigen bearbeiteten Gegenstände, welche
während meiner Anwesenheit gefunden worden,
liegt hier vor. Sie werden daraus einerseits die
Art des Thongeräthes kennen lernen , anderseits
eine grosse Menge von Werkzeugen und Zierraten
verschiedener Art, aus Eichhorn, Zähnen, Extremi-
tätenkiiochen u. s. w. hergestellt. Natürlich darf
nicht jedes einzelne Stück mit voller Sicherheit der
ältesten Aufschüttung zugerechnet werden. Da die
in dem Muschel berge bestatteten Skelette einer
sehr viel späteren Zeit angebören , so ist es be-
greiflich, dass manche Beiguben aus dieser späteren
Zeit sich mit ciugedrängt vorflndeu. Dahin gehören
vielleicht gewisse gebohrte Knochenperlen oder
Knöpfe, welche schwerlich der älteren Gruppe zu-
zurcchnen feind. Unter den Thierknochen sind
manche, die ein besonderes Interesse erregen. Ich
mache besonders auf den Biber . den Elch , das
Wildschwein, den Urochsen aufmerksam ; auch ein-
zelne Bärentheile Anden sich, dagegen sind Knochen
von Haussieren sehr selten. Ich habe die Ueber-
zeugnng gewonnen, dass der Biberfang die eigent-
liche Veranlassung zu dieser Ansiedelung gewesen
ist. Es sind in dem Hügel schon gegen 150 Unter-
kiefer von Bibern gefunden worden. Auch befindet
sich dicht unterhalb des Hügels eine Furth in der
Salis, welche wahrscheinlich von den Bibern zu
ihren Bauten benutzt worden ist. Gegenwärtig gibt
es in Livland keine Biber mehr. Meiner Meinung
nach haben in alter Zeit die Leute dort den Biber-
fang geübt, haben nebenbei gefischt und haben so-
wohl die Fische, als auch die Unionen, welche sie
erlangten , zur Nahrung verwendet. Wahrschein-
lich haben sie sich aber nur zu gewissen Zeiten
au dieser Stelle aufgeh alten. Dass irgend eine an-
haltende Bewohnung derselben stattgefunden hätte,
bezweifle ich ; dafür fehlen alle Anhaltspunkte. Ich
möchte aber gerade aus dem Umstande , dass cs
sich hier nur um eine temporäre , für Jagd- und
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Fischereizwecke benutzte Stelle handelt , die auf-
fallende Thatsache erklären, dass nichts vorhanden
ist, was auf die Herstellung von Steinwerkzeugen,
sei es geschlagenen, sei es polirteu, hindeutet, und
dass zwischen den Muschel- und Fischresten über-
wiegend nur solche Gerftthe gefunden werden,
welche zur Jagd und Fischerei benutzt wurden.
Dabei ist es von grossem Interesse, dass hier eines
der seltensten Gerftthe vorkommt , nemllch die-
selben Knochenharpunen, wie sie in der Thayingcr
Höhle ausgegraben wurden . und wie sie noch
heutigen Tages bei den Eskimos im Gebrauche
sind. Davon sind bis jetzt fünf Exemplare in dem
Rinnehügel gefunden worden. Unzweifelhaft müssen
die Leute oft an diese Statte zurückgekehrt sein.
Wenn man den ungeheuren Musehelvorrath sieht,
der hier aufgeh&uft ist. und der an die Beschrei-
bungen erinnert , die von den Musrhelbcrgen der
Andamauen oder der südatnerikanischen Küsten-
bewohner gegeben werden, wenn man die Kjökken-
möddinger von Seeland und Jütland in Vergleich
zieht , so wird man sehr geneigt sein , die Ent-
stehung des Rinnekain bis in die äusserste Stein-
zeit zurückzuverlegen. Ich möchte jedoch mein
Urtheil in dieser Beziehung noch reserviren , und
zwar gerade deshalb, weil es sich nicht um dauernde
Bewohnung , sondern nur um vorübergehende An-
siedelung zu Fischerei- und Jagd/wecken handelt,
lind weil der Hügel vielleicht manches nicht in
sich aufgenommen hat, was die Leute an Haus-
und Kriegsgerflth besessen. Dieser Gesichtspunkt
ist vielleicht nicht ganz ohne Wichtigkeit . auch
für manche andere analoge Erscheinung.
Was die Leichen im Rinnekain anlangt , so
ergab schon die erste Untersuchung, dass sie erst
nachträglich in die Muschelschichten bestattet waren.
Das sie umgebende Erdreich war ganz verschieden
von den eigentlichen Muschelschichten. Sie waren
übrigens ganz vorzüglich conservirt, und was noch
viel wichtiger ist, sie hatten eine Reihe charakteri-
stischer Beigaben . welche sich nirgends als in
Harmonie stehend mit dem , was die Muschel-
schichten selbst enthielten , erwiesen haben. Ab-
gesehen von den schon erwähnten . früher vom
Grafen Sievers aus dem Untergründe der Mu-
schellagen gehobenen Skeletten , finden sich die
in den Muschellagen so häutigen Knochengeräthe
in keiner Weise bei den Skeletten ; im Gegenteil,
die Skelette zeigen sehr eigentümliche Beigaben
von Bronze und Eisen, und zwar Beigaben, welche
schon als solche vollkommen ausgereicht haben
würden, um zu beweisen . dass die Leute, welche
da begraben wurden , derselben Zeit angehören,
aus welcher die meisten Gräber von Livland. Cur-
land , Estland und der Insel Oesel stammen.
Diese Gräber sind von vornherein mit einem ge-
wissen Präjudiz untersucht und namentlich von
Bähr unter dem Namen von „Livengräbem*4 be-
schrieben wurden. Ich muss dieser Bezeichnung
insofern Bedenken entgegensetzen , als Beigaben
derselben Kulturepoche , wie ich mich zu meiuem
grossen Erstaunen auf meiner Rückreise über-
zeugt habe , in grösster Ausdehnung in unserer
Provinz Prenssen und namentlich in dem alten
berühmten Samland Vorkommen. Dahin gehören
vorzugsweise die Gräber der kurischeo Nehrung,
welche Hr.Schiefferdecker sehr gut beschrieben
hat; sie liegen an einer Stelle, wohin unzweifelhaft
niemals livische Bevölkerung gereicht hat. Ich
will Sie nicht mit der Gcsammtheit der Gründe
behelligen , welche mich zu der Ueberzeugung ge-
führt haben, dass die sogenannten Livengrftber zu
einem beträchtlichen Theile lettische waren. Das
ist jedoch ein untergeordneter Punkt für die Be-
urteilung des Rinnehügels; viel wichtiger ist, dass
diese Gräber einer ganz jungen Zeitperiode an-
gehören . wie dies durch die Anwesenheit von
Münzen dargethan wird. Ich habe selbst einige
Skelette gefunden, bei denen Münzen vorkamen;
eine der letzteren habe ich in Mietau bestimmen
lassen . wobei sich ergab , dass sie dem 16. Jahr-
hundert angehört . ungefähr zwischen 1536 und
1540. Allein solche Münzen kommen an Ske-
letten vor , an welchen auch durchbohrte Kauri-
Muscheln als Halsschmuck und eigentümliche
..Hufeisenfibel!»“* aus Brouze sich finden , und sie
knüpfen damit an eine grössere Kulturperiode an.
welche in einer zusammenhängenden Reihe bis
zum K. Jahrhundert zurückreicht : ob noch weiter
rückwärts, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
In diese Periode gehört fast alles . was man
bisher als das Bronzezeitalter der Ostseeprovinzen
besehrieben hat , und dieses ist so vollständig ab-
weichend von unserem Bronzealter und so sehr
sich anschliessend an Typen des Orients , wie
übrigens auch durch die Anwesenheit von kufischen
und arabischen Münzen dieser Zeit dargethan wird,
«lass wir mit vollständiger Sicherheit sagen können:
es hat in den Ostseeprovinzen in einer verhftlt-
nissmässigen Breite ein Strom orientalischer Ein-
flüsse sich geltend gemacht, der bis in das prens-
sische Samland hineingereicht hat . kurz vor der
eigentlich historischen Zeit und noch in derselben.
Neben den Kauri - Muscheln , die in der ganzen
Periode ungemein häutig sind , und neben den
Münzen finden sich namentlich ungemein reiche
und zusammengesetzte Schmucksachen von Zink-
bronze, insbesondere ausserordentlich lange Ketten,
mit denen der ganze Vorderkörper behängt war;
dieselben wurden vermittelst Fibeln auf den Schul-
tern befestigt, deren ganz besondere Form ein her-
vorragendes Interesse darbietet, weil dieselbe Form
ungemein häutig und ausgebildet in Südschweden
vorkommt, wie sich die Herren , welche iti Stock-
holm waren , erinnern werden. Es sind das
eigentümliche Agraffen mit dreieckigen Köpfen,
Schnallen in Schildkrötenform , — höchst cha-
rakteristische Formen. Dazu gesellt sieh eine
eigentümliche Behandlung der Kleiderstoffe f in-
dem die Gewebe mit Spiralen oder Plättchen von
Bronze durchwirkt oder besetzt sind, ganz so. wie
sie im Orient bis in die neueste Zeit getragen
Die
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werden. Diese Kultur endigt am rechten Ufer der
Weichsel und sie erfüllt ein verhältnissmftssig
grosses Gebiet, welches ich in diesem Augenblicke
als das specifisch lettische zu bezeichnen ge-
neigt bin.
Vor dieser Bronzeperiode, die überwiegend
von dem Oriente aus beeinflusst ist . — die Ana-
lyse hat nur Zinkbronze ergeben. — steht nur
sehr wenig von den Altertbümern in den Ostsee-
provinzen. Ich möchte hier, wo das bekannt-
werden der Fälschungen von besonderem Interesse
i6t, namentlich hervorheben, dass man alle die
Vorstellungen abthun muss, welche lange Zeit in
Bezug auf griechischen Einfluss im Ostbaltikum
gehegt worden sind. Sie wissen, dass gerade von
einem Orte am Rigaischen Meerbusen, der Peters-
kapelle, die von Riga aus östlich am Ufer
des Meerbusens liegt, ein scheinbar sehr zuver-
lässiger Mann, Graf Mollin, ein Mann, der die
höchsten Verwaltungsstellen in Russland einge-
nommen hatte, seiner Zeit an das Museum in
Mitau eine Reihe der seltensten Gegenstände mit
einem Fundberichte eingeschickt bat. Er erzählte,
dass er eines Tages auf sein Gut bei der Peters-
kapelle gekommen sei, wo seit alter Zeit an dem
Meeresstrande an einer erhöhten Stelle ein altes
Grab lag, was vielfach als Orient i rungspunkt be-
nutzt war. Aus diesem Grabe h&hc er neben altem
Topfgeräth der allergröbsten Form griechische
Münzen und eine grosse schöne Bronzestatue von
beiläuflg einer Höhe von 10 — 12 cm erhalten. Er
habe freilich die Ausgrabung nicht selbst gemacht,
vielmehr habe er die Bronzestatuette einem Jungen
abgenomraen, der auf der Thürschwelle Nüsse damit
aufschlug. Immerhin schien kein Zweifel über die
Fundstelle zu bleiben. Von dieser Zeit an datirt die
Annahme, dass schon sehr früh vom Gestade des
schwarzen Meeres her, was an sich theoretisch
sehr bequem und günstig war, ein nördlicher
Handelsweg bestanden habe . von welchem die
Peterskapelle gewissermassen der letzte Ausgangs-
punkt gewesen sei. Graf Sievers hat das Ver-
dienst, durch die Bedenken, die ihm dieser Fund
einflösste, namentlich seitdem dazu weitere archäo-
logische Zweifel gekommen waren, welche der
gegenwärtige C'ustos des Mitauer Museums, Herr
Döring, aufstellte, eine genauere Untersuchung
veranlasst zu haben. Hr. Stadtbibliothekar Dr.
Berg holz, der nach Berlin reiste, nahm die
Münzen mit, um sie dem erfahrenen Director
unseres Mflnzcabinets , Herrn Friedländer vor-
zulegen. Derselbe erkannte auf den ersten Blick,
dass von den drei Münzen zwei Nachbildungen,
Abgüsse seien. Er constatirte, dass die eine einen
vollständigen Abguss einer alten Münze darstelle,
die zweite aber am Avers und Revers aus zwei
ganz verschiedenen alten Münzen zusammengesetzt
sei. Er legte sofort die zwei Originalmünzen, die
leicht aus den Beständen des Museums ausgewählt
werden konnten, neben einander und zeigte, wie dar-
aus eine ganz neue Münze hergestellt sei. Sie
sehen , die Fälschungen gehen weit und bis in
ziemlich hohe Kreise hinein. Ich führe das hier
nur an zur Illustration der hier discutirten Dinge.
Jedenfalls fehlt gegenwärtig jeder Anhaltspunkt
für die Annahme, dass ein früher griechischer
Einfluss auf die Kultur der Ostseeländcr einge-
wirkt habe, leb füge hinzu, dass auch von
römischem Einfluss in Livland ungemein wenig zu
spüren ist und dass die wesentliche Archäologie
dieser Länder eigentlich erst in der Zeit beginnt,
wo die Kunst des Orients, mindestens vom 8. Jahr-
hundert an, hier Eingang fand und wo andererseits
skandinavische Seefahrer hieher ihre Fahrten
richteten. Vor dieser Zeit hat unzweifelhaft eine
Bevölkerung hier gelebt, wie die Funde vom
Burtneck-See beweisen; aber sie scheint nur spärlich
gewesen zu sein, und wir besitzen bis jetzt sehr
wenige Anhaltspunkte , um ein Bild ihres Lebens
und Wesens zu entwerfen. —
ilr. Fraas (über den Steinhäuser Knüppelbau
bei SchuBsenried): Wo auf der grossen europäischen
Wasserscheide Rhein und Donau durch die Flüsse
der Schüssen und der Riss aus einem gemein-
samen Wasserreservoir schöpften und die über
40 qkm grosse Wasserfläche des ehemaligen Feder-
sees ihr Wasser durch die umliegenden Riegel
von Moränenschutt zur Bildung der genannten 2
Flüsse abgab, hat die Kultur jetzt alles umge-
staltet. Der heutige Federsee ist nur noch eine
Moorlache von 220 ha Wasserfläche. Seit Jahren
schon ist es möglich, das wilde Ried während der
trockenen Jahreszeit gefahrlos zu begehen ; bis zu
10 m tiefe Abzugsgräbeu entwässern seit Jahr-
zehenten das Ried, sein Niveau sinkt immer tiefer
und sein Inhalt wird in kunstgerechtem Abbau
gewonnen, um die Locomotiven der oberschwäbischen
Eisenbahnen mit Torf zu speisen. In der Nähe
des Ablaufs des Federbachs in die Riss in der
südöstlichen Ecke des alten Moors Hessen die
Torfstecher seit Jahren eine Strecke liegen, bei
welcher man schon mit 2 in Tiefe auf Kies und
Letten stiess. Man hielt die Strecke lange Zeit
für eine natürliche inselartige Erhebung im See-
gründe, bis sich herausstellte, dass der K i e s b o d e n
künstlich aufgeführt sei, auf einem Knüppel-
damm ruhe, der vom Festlande mittelst einer Brücke
zugänglich , nunmehr inselartig im Moos sich er-
hebt, unter sich aber noch 1,5 m Torf liegen hat,
bis der eigentliche Seegruud erreicht wird. Die
('onstatirung dieser Th&tsachen und die Bei-
Schaffung der Fundstücke, die im Laufe der letzten
Jahre uus dieser inselartigeil Erhebung hervur-
gingen , ist wesentlich das Verdienst des Revier-
försters F r a n k von Schussenried und seines Wald-
schfltzen Aberle, die theils Berufs halber, tlaeila
aus rein wissenschaftlichem luteresse den oft sehr
versteckten Spuren des alten Pfahlbaues nach-
gingen. Ausserdem haben im Sommer 1875 und
1877 von Seiten der wissenschaftlichen Samm-
lungen des Staates Ausgrabungen stattgefuudeu,
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160
deren Resultate hier kurz zui*ammengefasKt werden
mögen.
Auf einer Fläche von mehreren Hektaren
wurden jetzt dureh die Ausgrabungen gegen
700 qm Grundfläche abgehaut. d. h. man nahm
von dieser Flüche den 2 m müchtigen oberen
Torf, im Ganzen 140t » cbm weg und stiess in
dieser Tiefe auf einen Estrichtboden . der theils
uur aus Letten, theils aus Kies und Letten her-
gestellt war und auf einem Knüppeldamm lagert.
Der Knüppeldamm besteht aus neben einander ge-
legten Rundhölzern und Ilalbhölzeru von Weiss-Erle,
Schwarz-Erle. Esche, Dirke, Eiche, Buche und
Aspe, mitunter von einem Durchmesser von 25
bis :iO cm ; auch Ahorn. Haselnuss, Ulme und Weide
ist vertreten*). Sünimtliche Hölzer sind auf den
Torf gelegt, so weit er sich zur Zeit der An-
siedlung überhaupt gebildet hatte. Der 1,5 in
mächtige Torf unterhalb der Kulturschicht be-
zeichnet die Zeit vom Beginn der Moorhilduug bis
zum Pfahlbau; die 2 in Torf oberhalb bezeichnen
die Zeit, die zwischen der Pfahlbauzeit und der
Jetztzeit liegt. Die Kulturschicht wie wir den
Knüppeldamm und darauf angebrachten Estricht.
Kies, Letten. Asche. Kohle mit den auf dem Est-
rich! herumliegendeu Resten von Knochen, Ge-
schirren, Werkzeugen und Sämereien nennen
können, ist bald nur 0,25 m mächtig, bald schwillt
sie auf o,80 m, ja selbst auf 1,0 in an, je nach-
dem sicli ciu zweiter , dritter , ja sogar vierter
Knüppeldamm mit Estricht und Zngehör auf den
ersten legt.
So gross auch die Oberfläche ries Dammes
ist, die im Laufe der letzten 2 Jahre blossgelegt
wurde, so vergeblich erkennt man in dem Bau
ein System. Die Hölzer sind in der Regel 2 — 3 nt
lang, selten kürzer, öfter etwas länger: 5 m lange
Hölzer aber sind schon ganz selten. Von einer
Regel in der Länge ist also keine Rede; ebenso-
wenig aber ist in der Zahl der neben einander ge-
legten Hölzer eine Regel zu beobachten: das eiue-
mal liegen 8 und 10 Hölzer neben einander, ein
andermal 20 und 30, desgleichen liegen sie nach
verschiedenen Richtungen der Windrose. SW zu
NO herrscht allerdings vor und rechtwinklig da-
rauf bis zu W nach 0 ; doch scheint diese Richtung
in keiner Weise mit der Himmelsrichtung im Zu-
sammenhang zu stehen, als vielmehr mit der Lage
des Seearmes, innerhalb dessen der Bau statt -
fand. Die horizontalen Hölzer sind von Zeit zu
Zeit durch Vertikalpflöcke festgehalten, die aber
gleichfalls ohne Regel und Plan eingerammt sind,
nur um das Ausweichen der Knüppel zu ver-
hindern. Nie bat eines der Hölzer etwas getragen,
keines ist gefügt . um etwa mit einem (Quer-
holz verbunden zu werden . wie denn auch die
Länge dieser ganz verschieden ist. Die Mehrzahl
*) Von dem heutzutage in der ganzen Umgegend
vorhaudeuun Nadelholz ist auffallender Weise noch keine
Spar gefunden.
derselben steckt im Torfe 50 — 80 cm tief; nur
wenige durchsetzen den Torf und stecken im
eigentlichen Seegrunde. Etliche der Hölzer sind
roh zagespitzt, etliche aber auch nicht; denn im
Torfe hielt es schliesslich nicht schwer, einen auch
nur mangelhaft oder gar nicht gespitzten Pfahl
in den Grund zu treiben.
Sieht man sich unter den sog. Pfahlbauten der
Bodenseegegend um . so könnte man nur an sog.
Packwerkhauten denken, bei welchen die unterste
Lage bei niedrigem Wasserstande auf den Seegrund
aufgesetzt wurde und hernach durch kreuzweises
Aufbeugen neuer Holzlagen die obere Lage über den
höchsten Wasserstand zu liegen kam. Die vertikal
eingerammten Pfähle dieuten theils zur Befestigung
der Horizontallagen, theils zur Befestigung der
Wände, theils als Träger des Daches. Von dem
Allen ist im Steinhäuser -Ried keine Spur. Kein
Vertikalpfahl trägt etwas, er hat nach meinen Be-
obachtungen nie zu etwas anderem gedient als
zur Verspannung der Horizontalhölzer; wollte der
Pfahl irgend nicht fest halten, so wurden neben
ihm Keile eingetrieben, vielfach gabelförmig, um
ferneres Ausweichen der Hölzer zu vermeiden.
Bei keiner fiorizontallage fehlt dagegen der
zähe graue Letten, welcher in den Fugen zwischen
den Hölzern steckt und die Hölzer einen bis
einige (’eutimeter hoch deckt. Vielfach glaubt
man noch die Pritschenstreiche auf dein Letten
zu erkennen, wie denn auch mehrere hölzerne
Pritschen mit 1 m langem Stiel, Stiel und Pritsche
ober an Einem Stück, aufgefunden worden sind.
In den Letten ist vielfach harter Kies hineinge-
gesch lagen . wie er am nahen Ufer anstebt, oder
auch auf dem Grunde des Moors gegraben wird.
Auf dem Boden des Estrichs wurde nun augen-
scheinlich gefeuert ; nicht nur dass der Thon ge-
brannt ist und Asche und Kohlentrümmer finger-
hohe lagen bilden, es hat das Feuer vielfach auch
die Holzlage durchgebrannt, dass die Hölzer selbst
Feuer fingen und zu kohlen begannen. In der oberen
Lage von Asche und Kohle, die dann und wann
20—30 m mächtig ist, oder wo über einander 2 und
3 Gelege sind , zwischen denselben befindet sich
die Fundgrube für die Artcfactc und Knochen-
trümmer. Die Funde liegen aber stets vereinzelt;
Haufwerke derselben kennt, man gar nicht. Zu-
gleich zeigt ein Blick auf die in den Museen auf-
bewahrten Gegenstände, dass die Fuudgegenstände
im Vergleich zu der nahe an 7UU qra grossen
Fläche im Allgemeinen zu grossen Selten-
heiten gehören, so dass man sich schliesslich
fragen musste, ob denn die wenigen Scherben und
Knochen, die zu Tage kamen, des nicht unbeträcht-
lichen Aufwandes au Zeit und Geld wirklich auch
werth wären. Hätte nicht immer und immer wieder
das Interesse an dem Holzbau selbst zur Fort-
setzung der Arbeit aufgemuntert, angesichts der
wenigen und seltenen Funde wäre der Eifer bald
erlahmt. *
Am häutigsten noch fanden sich Knochen,
161
Kiefer und Zahnreste. Weitaus der Mehrzahl
nach sind dieselben im Zustande der Küchenabfälle,
d. h. jeder Markknochen geöffnet und zerschlagen,
dass der Knochensplitter weit mehr ist als der
vollständigen Knochen; ebensowenig sind die Formen
der Schädel erhalten, die ohne Unterschied für
die Zwecke der Gewinnung des Hirns und anderer
essbarer Dinge am Kopfe zersplittert wurden. Die
im Pfahlban repräsentirte Thierfauna weicht
im Wesentlichen von der modernen Fauna
nicht ab. Der einzige Wisent war eine fremde
Erscheinung; diese Art war übrigens nur in 1
Individuum vertreten, ebenso auch der braune Bär,
Luchs und Wolf je nur in 1 Individuum, zum Beweise,
dass diese Thiere bereits seltenere Erscheinungen
waren. Am reichlichsten vertreten ist der Hirsch
(C. elaphus) und zwar in recht stattlichen Exem-
plaren mit gewaltigen Stangen. Und doch weisen
B&ramtliche ausgegrabenen Beste auf nicht mehr
als etwa 3U Thiere hin, die auf den Platz kamen.
Aus Hirschgeweih und Hirschknochen sind denn
auch ausschliesslich die Artefacte aus Bein und
Horn gearbeitet; vor allem sind die Geweihe fast
ausnahmslos wenigstens abgesägt , die meisten zu-
gespitzt , als Griffe ausgehöhlt, durchbohrt, um als
Schlegel zu dienen, oder angesägt, um gewissen,
oft schwer zu deutenden Zw;ecken zu dienen. Hr.
Frank denkt mit Vorliebe an landwirtschaftliche
Instrumente zur Urbarmachung des Bodens. Jeden-
falls sind alle Instrumente entweder rund zuge-
spitzt oder meisseiartig geschärft. Gerade die
kleinen Meisselchen gehören zum Zierlichsten, was
man in diesem Genre sehen kann. Nächst dem
Hirsche ist das Wildschwein am zahlreichsten
vertreten, doch sind es im Ganzen kaum 20 Thiere,
die ihre Reste im Pfahlbau gelassen haben. Ver-
arbeitet finden sich vom Schweine nur die Hauer
des Ebers: neben den starken Keilern finden sich
auch ganz junge Frischlinge. Hr. Rütimcyer
redet auch vom Torfschweine, das ich jedoch nicht
erkannt habe. Seltener schon ist das Rind, das
Schaf und der II und, von welchen je nur wenige
Individuen vertreten sind. Vereinzelt nur fanden
sich Reste von Biber, Hasen, Vögeln und Fischen.
Von menschlichen Skelettrestcn endlich
fanden sich gleichfalls nur vereinzelte Stücke, wie
zerschlagene Schädelknochen und Röhrenknochen mit
an- und abgenagten Epiphysen, neben diesen aber
auch weissgebrannte Knochentrümmer z. B. Hals-
wirbel, die als menschliche nicht verkannt werden
können. Solche angebrannten Knochenreste lagen
stets in der eigentlichen Aschen- und Kohlen-
schicht und thciltcn auch der ganzen Kulturschicht
nahezu 9*/# Phosphorsäure mit, so dass dieselbe
geradezu als Düngungsmittel verwendet werden
könnte.
Häufiger noch als Knochentröminer sind die
Trümmer von Töpfergeschirr, das im Ver-
gleich mit den Pfahlbauten der Ostschweiz nach
der Ansicht von Hrn. Frank eine Spccialität des
Steinhäuser Riedes bildet. Da sind die allerliebsten
Corrwp,- Blakt Nr. II.
Henkelkrüglein, Näpfchen, Sehüsselchen , thöneme
Ess- und Schöpflöffel. Fast keinem der Stücke fehlt
ein Ornament, ob cs anch nnr in der Combination
von Strichen, Zickzacklinien und Punkten besteht.
Die grossen Häfen und Schüsseln dagegen sind
ohne Ornamentik, einige Urnen ausgenommen.
Dafür haben sie in der Regel 4 Buckeln, bald
horizontal, bald vertikal durchbohrt. Sie erreichen
eine Höhe von 0,31 m bei einem Durchmesser von
0,25 m. Dem feingeschlemmten Thon sind bei den
Urnen grobes, scharfkantiges Quarzkoro, Glimmer*
blftttchen , ja selbst Holzkohlenstücke beigemengt.
Vielfach ist die Geschirrmasse durch Kohlenstaub
geschwärzt. Diese Geschirre sind bald dcntlich
nur aus freier Hand geformt, bald aber, nament-
lich die grösseren, mit irgend einer primitiven
Töpferscheibe egalisirt. Sämmtliche Ornamente
sind in den weichen angebrannten Thon einge-
sclmitten, kein einziges erst durch Ciselirarbeit
nach dem Brande. Hr. Graf Wurmbrand
erkennt in den Schussenrieder Geschirren den
gleichen Stil, den die oberösterreichischen Pfahl-
bauten z. B. Attersee, Mondsee etc. an sich
tragen.
Die dritte Art von Artefacten besteht in den
Werkzeugen ans Stein, einerseits aus Feuer-
stein: geschlagene Splitter, Spitzen, Sägen und
Messer, andererseits aus zähen Grünsteinen, Gneisen,
Graniten, Schiefern, Jadeiten und Serpentinen,
meist als Steinmeissei zugeschliffen, in seltenen
Fällen gebohrt uud zum Schlegel zugerichtet.
Einzelne Fencrsteinmcsser sind 16 cm lang und
4 cm breit; eines ist halbmondförmig zugeklöpfelt
und erinnert aufs Haar an ein dänisches Instrument.
Die zierlichsten Feuersteinarbeiten sind übrigens
schwalbenschwanzähnliche Pfeilspitzen, andere sehen
wie Spateln aus oder wie Schaber. Woher das
Rohmaterial kommt, ist natürlich schwer zu sagen;
in einem erratischen Schattlande, wie Oberschwaben
ist, kann man nie aus dem Umstande, dass
man derartige Steine gegenwärtig nicht findet, den
Schluss ziehen, dass sie überhaupt nicht Vor-
kommen oder nie vorgekommen seien. Wie man
heutzutage in der Nähe der Glashütten alle Quarze
sorgfältig sammelt and in der Nähe der Kalköfen
alle Kalke, so mag mau in frühester Steinzeit auch
alle Feuersteinvorkommnisse so sorgfältig beachtet
haben, dass man heute einfach keine mehr findet.
Aehnlich mag es auch dem Steinbcilmatcrial ergangon
sein. Offenbar kannten jene Urmenschen die Steine
genauer als heutzutage unsere Bevölkerung. Die
Eigenschaft der Zähigkeit, welche Jadeite, Nephrite,
Spilitc and ähnliche Gesteine den Metallen am
nächsten stellen, wurde sicherlich aufs gründ-
lichste geprüft und die Steine selber aufs ängst-
lichste überall gesucht. Dieses Ablesen geeigneter
Steine für die Horsteilung der Beile und Stein-
meissel mag doch vielfach der Grund sein, dass
man heutzutage keine mehr findet und den doch
immerhin raschen Schluss zieht, sie kommen gar
nicht bei uns vor.
• 5
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1()2
Ausser den ßeilsteinen, von welchen etliche
-40 Stücke gefunden wurden (bestehend aus Granit,
Gneis, »Serpentin, Sericitscbiefer, paläozoischem
Schiefer. Glimmerschiefer und Jadeit), linden sich
noch feine bis gröbere Schleifsteine, ((teilweise
ganz ausgcsehliffen, Keibschalen aus Granit, mit
den entsprechenden Reibsteinen , rundliche oben
und unten abgeplattete Steine von der Grösse und
Gestalt eines Apfels, weshalb ich sie kurz Apfel-
steine nenne. Meist aus Granit, aber auch ans
Sandstein, dienten sie wohl auch in eine Thierhaut
genäht als handliche Waffe , wie sic heute noch
bei den Indianern üblich ist (Jules Marcou).
Auch an Steinen für die friedlichen Zwecke
des Schmuckes fehlt es nicht. So fanden siel» 2
15c rgkryst alle, etwas roh zugeschtagen , wie unsere
Steinschleifer sich einen Stein der geschliffen
werden soll , pr&parircn , wobei eine Facette der
Pyramide als glänzende Fläche belassen ist.
Ferner wurden 2 rothe Jaspiso gefunden, von
denen der eine, einfach durchbohrt, eine Steinperle
darstellt, der andere doppelt durchbohrt, den
Schluss einer Halskette. Arbeiten, welche ent-
weder auf den Handel mit einem kunstfertigen
Volke liindenteu. oder die alten Schussenrieder in
ein viel höheres, günstigeres Licht stellen, als es
die seitherige gewöhnliche Anschauung timt. Weisen
doch auch die Arbeiten in Holz auf eine Ge-
wandtheit im Schnitzeln bin, die an die Arbeiten
unserer Zigeuner und fahrender Künstler unserer
Taue erinnern. Löffel, Teller aus Ulmenholz,
Hefte und Stiele aus Eschenholz, Stricke aus Bast,
ein Korhgeftccht ans Weizenstroh kamen zu Tage;
meint I Ir. Frank sogar eine Schuhleiste gefunden
zu haben. Endlich fehlt es nicht an rother Farbe,
demselben Kisenroth, das in den Höhlen schon
gefunden wurde, und an Pech, das nach Hm. Dore’s
Untersuchung durch Schwelen der so vielfach vor-
handenen Birkenrinde gewonnen wurde. Füge ich
noch bei, dass eine ganz erstaunliche Menge von
Weizen überall iu kleinen oder grösseren Haufen
theilweisc unter den Scherben der Thongefässe
sich findet, so haben wir jedenfalls es mit einem
ackerbauenden Stamme zu thun, der die frucht-
baren Felder Oberscbwabeus kuitivirte. Neben
Waizcn findet sich auch noch Leinsamen und die
Früchte wildwachsender Bäume, Buchein, Eicheln,
Haselnüsse, Himbeeren u. s. w.
Seit Jahren schenke ich meine Aufmerksam-
keit der wohl auch sonst bekannten Schwarzerde auf
den Höhen der Berge und habe in dieser oft bis
zu 1 m mächtigen Kulturschicht vielfache Nach-
grabungen veranstaltet. Am Goldberg in» Kies be-
ginnend. dessen Ringwall leider durch fortgesetzte
Steinbrucharbeiten längst zerstört ist, beobachten
wir längs des Nordrandes der Alb bis zum Lochen-
stein und weiterhin bis ins Ilegau eine ganze
Ileihc von Bergen, worunter gerade auch die be-
rühmtesten, wie Hohenstaufen und Hohenzollern,
auf welchen Schwarzerde liegt und die in alter
Zeit Ringwälle hatten. Her noch am besten er-
haltene Berg in dieser Beziehung ist der Nipf oder
Ipf, den Hr. Paulus (Wtrttb. Altertli.-V. I. 1*75
pag. *1) näher untersucht und beschrieben hat.
Hie Funde in der Schwarzerde dieser
Berne sind nun ganz genau dieselben,
die auch im Steinenhauser Ried liegen, mit dem
einzigen Unterschiede, dass auf den Bergeshöhen
auch noch Metallreste sich finden, welche in dem
Moore noch nicht gefunden worden sind. Ich ver-
weise hier auf unsere Sammlungen, in welchen die
Arbeiten in Hirschhorn. Feuerstein und ßeilstein
so ähnlich sind, dass nur die genaueste Ktikettirung
auf dem Stücke selbst vor Verwechslung der Berg-
funde und der Muorfuude schützt. Desgleichen
sind die Geschirre in der Zusammensetzung der
Thonniusse, in Form und roher Zeichnung dieselben,
Keibsteiue aus Granit, die Apfelsteine sind die-
selben, so dass mir die Zusammengehörigkeit der
Menschen, die auf den Bergen und im Moore ihr
Wesen trieben, nicht im geringsten zweifelhaft ist.
Gewohnt haben sicherlich die Menschen weder
auf den Bergeshöhen noch im Moor, sondern da,
wo sie ihre Felder bauton. und Ackerbau trieben
Es widerstreitet mir der Gedanke, dass ein Volk,
das Weizen und Lein baut, anders als nur zu ge-
wissen Zeiten, etwa bei besonderen Festlichkeiten,
bei Opfern . Märkten u. dgl. . auf den Berggipfeln
unserer Alb von den Stürmen sich durchblasen
liess. Ebensowenig kann ich mir denken, dass
dasselbe Volk, das die üppigen Tertiärfel der Ober-
schwabens kuitivirte und dessen herrliche Wal-
dungen auf Hirsche, Sauen und Bären durchstreifte,
sich zum Zwecke des Wohnens eine künstliche
Holzinsel im Moor anlegte. Von der zweiten Woche
meiner Grabarbeiten im Riede an befestigte sich
mir vielmehr der Gedanke, dass die Ilolzdämme
mit ihrem Kstricht keinem praktischen Zwecke
dienen konnteu, vielmehr — und das gerade macht
sie uns so unverständlich — nur dem Kulte
dienten. Auf der künstlichen Insel im »See. auf
dem Kstricht des Knüppeldammes, wurden der Gott-
heit zn Ehren die heiligen Feuer entzündet und
die Opfer dargebracht. Die Krüglein, Schalen uud
Näpfe enthielten die Wethgaben. der dargebrachte
Weizen das Dankopfer für die glücklich einge-
heimste Ernte. Was schliesslich die dargebrachten
„Menschenopfer“ zu bedeuten hatten, wird Niemand
mehr ergründen, denn der halbverhrannte und an-
gekohlte Knochen steht Niemand mehr Rede, ob
er dereinst einer „Hexe“ angehört hat, die man
hier wider Willen verbrannte, oder einem gefallenen
Helden, der in seinem Testament die Leichen-
verbrennuug im Moor angeordnet hatte. —
Hr. Virchow: Ich habe noch die angenehme
Pflicht zu erfüllen , allen denjenigen den Dank
der Gesellschaft auszusprechen . welche dazu bei-
getragen haben , die diesjährige Versammlung za
einer so lehrreichen uud angenehmen zu machen.
Es würde etwas viel sein , wenn ich mich in
Einzelheiten ergehen sollte. Was wir hier ge-
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163
sollen und genossen haben , das war so man-
nigfaltig und hervorragend , dass jeder von uns
es lange Zeit in frischester Erinnerung bewahren
wird. Ich darf im Namen Aller sagen , dass wir
auf das tiefste gerührt sind durch die vielen von
allen Seiten uns zugehenden Beweise der Theil-
nähme an unseren Bestrebungen. Wir hoffen,
dass unsere Anwesenheit dazu beigetragen haben
wird , manche lokale Frage zu klaren und ihre
verschiedenen Seiten mit Schärfe hervorzuheben,
und dass wir dadurch am besten auch die localen
Bestrebungen fördern werden, deren Fortdauer in
unser Aller Interesse liegt. Unser Hr. Geschäfts-
führer, dessen hier in erster Linie zu erwähnen
wäre , von dem ich alter seiner allbekannten Be-
scheidenheit halber nicht reden will , hat mir mit
Vergnügen mitgctheilt, dass die Zahl der Mitglieder
des Constanzer Zweigvereins schon während unserer
Anwesenheit über Erwarten sich vermehrt hat. Ich
will mich daher darauf beschränken , mit ganz
besonderem Banke der Städte zu gedenken, welche
uns hier so freundlich empfange» haben: Con-
stanz , Schaffhausen . Ucberlingen und heute »och
Frauenfeld.
Ich srhlicsse die Versammlung und rufe
Ihnen ein „fröhliches Wiedersehen übers Jahr in
Kiel" zu.
Dr Mündlich. Schaffhausen. 10. Jan. 1878.
Bio Frag»* nach der Aechthcit der Thayinger Ren-
thier- und l'ferdezeichnungen hat in letzter Zeit eineu
vollgewichtigen Beitrag zu ihrer Lösung gefunden. Bas
Quaterly Journal of the Geological Society for August
J *577 bringt den Bericht über die Knochen -führenden
Höhlen in den Klippen von Creswell von J. M. Mello
und Prof. W. Bo yd Dawkins, dem wir Folgendes
entnehmen :
Während des ersten Theiles des vorigen Sommer))
(187B) wurde die Ausgrabung unter der Aufsicht eines
Comites vorgeuommen, dein unter Anderen die Herren
J. Lubbock, W. Boyd Hawking, Prof. Busk. A.
W. Franks angehörten. Wir batten in Creswell eine
Reihe sehr wichtiger Hohlen vor uns. welche durch
ihren Inhalt zwei Perioden der Beschlagnahme durch
deu Menschen während der älteren Steinzeit in Eng-
land erwiesen , wo dieser iu Berbvshire und den an-
grenzenden Distrikten der Zeitgenosse der charakteri-
stischen pleistocenen Fauna war. Neben einem Reich-
thum au Thierresten, die eine grosse Zahl von Speciea
dieser Fauna repräsontiren. fanden sich Gerätschaften
aus Quarzit und Feuerstein in zwei verschiedenen Typen.
Der eine, grober als der andere und tiefer gelagert,
entspricht den roh gearbeiteten Werkzeugen aus der
unteren Breccio der Kentshölile und aus den Fluss-
geröllen; die Werkzeuge aus den oberen Schichten ge-
hören einem etwas sorgfältiger auageaibeiteten Typus
an und stimmen im Allgemeinen mit denen überein,
welche M. Mnrtillet zu dem Zeitalter von Solutre
rechnet und welche im Lehm der Hohlen von Kent und
Wookey gefunden wurden.
Ben wichtigsten Fund ergab die Höhle von Rubin-
Hood; Hr. Mello fand in deren Erde, ungefähr iu der
Mitte der Kammer F ein zartes Knocheufragment (von
der Rippe irgend eines Thieres), das Spuren einer Zeich-
nung darbot. Ans Licht gebracht, wurde es sorgfältig
untersucht und Hr. Tiddemann, welcher damals mit.
Prof. Dawkius zugegen war, entdeckte mit cincin-
tnale die rohe Zeichnung des vorderen Theiles eines
Pferdes . ganz ähnlich den Figuren aus der älteren
Steinzeit, welche in einigen Höhlen des Coutinents ge-
funden worden waren ; eine Entdeckung, der ersten der
Art in dieser Gegend. von hohem Werthe.
Hr. Dawkius äussert sich darüber: .Der wichtigste
Fund von menschlicher Handarbeit ist der Kopf und
das vordere Viertheil eines Pferde* eingeritzt auf ein
geglättetes und abgerundetes Rippeufragmcnt . das an
dem einen Eude kurz ahgeschuilteii . atu anderen ab-
gebrochen war. Auf der Machen Seite ist der Kopf
dargestellt, sorgfältig gezeichnet mit den Nasenlöchern,
dem Maul und dem Nacken. Eine Heilte feiner schiefer
Linien lässt erkennen . dass das Thier eine kurze
(borstige) Mähne trug. Bas Ende der Rückenbiegting
ist sehr correct gegeben. Bas Ganze ist wirklich sehr
gut entworfen und es ist eine Zeichnung nach dem
Leben. Die Pässe sind, wie gewöhnlich in diesen Fällen,
nicht dargestellt. Vergleicht man diese mit den Pferde-
zeichnungen aus den Höhlen des Perigord und aus dem
kürzlich beschriebenen Kesslerloch hei Thayingen in
der Schweiz , so erlaubt die Gleichheit des Style» den
ziemlich Kicheren Schluss . dass die Jäger der älteren
Steinzeit . welche die Creswellhöhle während der An-
häufung des oberen Theiles der Höhlenerde bewohnten,
desselben Stammes waren, wie diejenigen, welche das
Kcutliier und das Pferd iu der Schweiz und im süd-
lichen Frankreich jagten." —
Hier also wird unter deu Augen erfahrener und
zuverlässigster Beobachter eine Zeichnung ausgegraben,
die nach Alter , Fundort und Ausführung sich eng an
die vielbesprochenen Renthier- und Pferdozoichnunguu
des Kesslerloches anachliesst. Ein verhält nissmässig
nicht geringer Grad von Kunstfertigkeit und lebhaftem
Natursinue kann diesen paläolithischen Jägern nicht
weiter abgesprochen werdet». Coustatirl ist ferner, dass
nicht die frühesten Bewohner der Hohlen, sondern erst
eine spätere Generation , vielleicht neu eiugewanderto
Ankömmlinge, diese Kunst übten.
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III.
firklärtmg der dem Berichte der VXIX. Versammlung beigegebentm Tafeln r Tafel I. PrRbUtorlw'be k*n--
de* Rodenw« und «rittcr 1,'nigebunK. Tafel II. Llrhtilnir'ktAfrl nach Oriftinalphof.iirmphiro. Abbildungen und Skulpturen aus der Thayinger
lunil Frvudeutbalnr) A. au* deT SanmiltiB|f in Conetunt: Nm. I. Pfcrdeeeiehiuinr. — Kr». 2. Srulplwr «ne* Woerhuaocheen. — Nru *.
Weidend.** Renthier. — Nr«. .V Renthicr<?) Kopf. — Kro ll. Hebweil». — Nro. 1» Ze-irlmojig eine* Hirsche*. I All*- an* der Tbajrin*wr Hohl*.! —
H. ans d**r Sammlung ia Schaff ha u*od : Kro. 15. Rautenstuh «d«T Falzbein *«* d.-r Fr**ud«»nthaler ||i*hl«. — Kr«. 30. PferdaiaicnnaDg aas der
Tbayluger llAhle. — Tafel III. ZinWoernpbie nach Origiftalwicbnangwi A. U«*(f«B*Unde aas der Tbayiiiger IKhle in der Sam ml arf;
in Cnnstani: Nro. 2. Skulptur eine* MwclMi|i'.*ch<»-n, wehte Helte. — Nro. 2a IHtaelt«, linke Saite. — Nro, 3. Sculptur eine« Hirsch- oder Pferde
k<>pfrfa*tM: ton unten jeaehen eracbeint ein Haaenkfipfcb«« mit dem dazu geb-'irigeti Ohr in der Milte der Skulptur oud Abbildung [2; ?a: <
Zeichnungen nach den wnhlgeluugenen ifaKatioplaitln« I.eii Nachbildungen d«r Originale durch Hrn. Prof. 0. Fraon.I — Nro. 4. Tti-v nnd Kopf
de* weidenden Kenthier* tNro- 4 der I. ich t druckt» Mi nach einem photugTaphiKCb' u N.*g»tiv dnrohgow »ebnet. — Kro. K; 10; II; 12; 15; 14; 1H
17; Ifi . W *ind Hchnitwreinn, thoilweiae ornamentirt. — Nro. II lluntenrtnh oder Falzbein aus der Tbajringer llAhlr. dar Krcu 15. der Lieft-
drackUfel «u* der Frendenthater Hohle *«hr «hnlieh. - ll. Andeiw eilige Abbildungen: Nro. IV link* unten in der »ko der Tafel: VorrAmia.-he
SchiueltgrolH*« rum Vortrage de* Grafen Wurmbrand 8. 151, 152. — Kr. 20. Fferdereichsvng zur Mitthcilurg de» Ilrn. ». H andarb.
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r
(Souespoubeuj- jBl'dt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
R e d i g i r t
von
Professor Kollmann in München,
CfontTal»N'r«Ur tl«r Ocwllftrhaft.
Erscheint jeden Monat.
Nro. 12. München, Druck von R. Oldenboarg. December 1877.
Die Section für Anthropologie
auf der
50. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte
in München vom 17. bis 22. September 1877.
Die anthropologische Section hielt zwei Sitzungen.
Der amtliche Bericht der 50. Versammlung der
deutschen Naturforscher und Aerzte, herausgegeben
vom Redartions - Comitl (Druck und Verlag der
akademischen Druckerei von F. Strati b. München
1877. 4°). enthalt ein ausführlicheres Protokoll.
Wir geben zunächst einen Abriss der gehaltenen
Vorträge und Demonstrationen , und werden in
einer folgenden Nummer die Ergebnisse einer cra-
mometrischen Conferenz mittheilen, welche am Frei-
tag den 21. September Nachmittags in dem anato-
mischen Institut stattfand.
K r s t e S i t z u n g. Der Vorsitzende Proi. Koll-
mann betont den raschen Fortschritt der an-
thropologischen Stadien in Deutschland seit dem
Jahre 1869. Damals wurde nendich in Innsbruck
auf den Antrag des Schuldireetors M. Weinhold
zum ersten Male die Section für Anthropologie und
Urgeschichte auf der Naturforseherversammlung ein-
geführt. und sie übte eine so fruchtbringende An-
regung. dass im folgenden Jahre 1870 die deutsche
Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Ur-
geschichte gegründet wurde, and im Anschluss an
dieselbe allmählig über .‘10 Zweigvereine. Mehrere
wissenschaftliche Journale zeugen für rastlose Thä-
tigkeit. Schliesslich theilt derselbe Untersuchungen
mit über die im Süden Deutschlands aus
prähistorischer Zeit nachweisbaren Schä-
delformen. die in der heutigen Bevölkerung zahl-
reich aufzufinden sind. Zunächst seien zwei Ele-
mente der Bevölkerung in Deutschland zu unter-
scheiden , ein blondes mit heller Hautfarbe und
r<MTMp.-ftUU Nro. IS.
Eines dunkelfarbig an Huut , Augen und Haar
Das erste walte im Norden vor, das zweite nehme
gegen den Süden zu. Die blonde Rasse zerfalle
aber wieder in zwei Theile , die Reste der sog.
germanischen Rasse und die slavischen Elemente,
die namentlich in Sachsen beobachtet seien. Es
seien also drei Rassen, welche an der Zusammen-
setzung der heutigen Bevölkerung Antheil genommen
haben : eine dolichoeephale blonde , eine wahr-
scheinlich meso- und brachyccphalc, ebenfalls blonde
Rasse, und endlich eine brachyccphalc mit dunkler
Compiexion.
Prof. Dr. M. Wilckena (Wien) spricht dann
über die Schädelformen des Rindes mit
Rücksicht auf die Pfahlbaufnnde des Lai-
bacher Moores. Die zahlreichen Formen des
Rindes sind von Rtttimeyer auf drei Typen zu-
rückgeführt worden , die unter dem Namen der
Primigenius**, der Brach yceros- und der
F ro n t o s u s -Rasse bekannt sind. Der Vortragende
hat auf Grund seiner Studien au den Rindern des
östlichen Tirols und des Salzburgerlandes noch
einen vierten Typus festgestellt: die Brachy-
cep ha 1 ii s -Rasse. In dem vor etwa zwei Jahren
aufgedeckten Pfahlbau des Laibacher Moores trägt
die Hauptmasse der Rinderknochen die Form des
brachycephalen Typus, der hauptsächlich gekenn-
zeichnet ist durch den breiten und kurzen Schädel.
Die Verschiedenheit zwischen den drei von Rüti-
rneyer aufgestellten Typen und dem vom Vor-
tragenden erforschten brachycephalen Typus sei
so gross , dass unmöglich eine gemeinsame Ab-
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stainmung der vier typischen Rinderformen äuge*
nommen werden könne.
Aus den verglichenen Massen am Hinterhaupte,
am Stirnbein, am Gaumen und ain Unterkiefer ergebe
sich, dass die drei von Rütimeyer aufgestellten
Typen in ihrer Schädelform dem Ur (bos primigenius)
näher ständen, während der brachycephale Typus
mehr Aehnlicbkeit habe mit dem Bison (hison
priscus). Die grösste Verschiedenheit zwischen
dem Rind und dem Bison besteht in den» unmittel-
baren, im W inkel geknickten Uebergange der Stirn-
gegend in die Hinterhauptgegend. Aber dieser
Unterschied bestellt nur bei erwachsenen Thieren.
Die Embryonen und Kälber von Rind und Bison
zeigen jene Verschiedenheit nicht, und der er-
wachsene Bison behalte die dem jungen Rinde
eigenthümliche Schädelform durchs ganze Leben,
so dass die Schädelform des Bison als eine , auf
frflherer Entwicklungsstufe stehen gebliebene Rin-
derform angesehen werden könne. Der Vortragende
behauptet vom morphologischen Standpunkte die
Möglichkeit der Abstammung des brachyce-
phalen Rindes vom Bison; wenn aber diese Frage
auch noch nicht entschieden werden könne , so
glaube er sich gegen die Abstammung des letzt-
erwähnten Rindes vom Ur doch mit Entschieden-
heit Aussprachen zu dürfen.
Auf die vom Vortragenden gemachte Bemer-
kung , dass, wie man ihm gesagt habe, der Name
Pinzgau möge wohl vom Worte Bison lierrühreu, be-
merkt Dr. Schmidt aus München, dass der Name von
der Völkerschaft dcrAmbisonti herstamme, welche
letztere ihren Namen tragen von der keltischen
Präposition Ambi = um (lateinisch am bi , grie-
chisch althochdeutsch unibi) und dem Flusse
Isonta.
Zweite Sitzung Freitag den 21. Sept.,
11 Uhr Vorm. Nach Eröffnung der Sitzung durch
den Vorsitzenden Geh. Rath Virchow aus Berlin
sprach Prof. J. Hanke (München) über ober-
bayerische Schädelformen. Zuerst wurde
eine statistische Vergleichung der Schädel der alt-
bayerischen Landbevölkerung und des von Ilm.
Virchow neuerdings craniologisch beschriebenen
norddeutsch - friesischen Volksstammes gegeben,
welche schon in ihren Haupt resultaten in dem „Fahrer
für die Theilnehmer der 50. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte: München in natur-
wissenschaftlicher und inedici irischer
Beziehung“ S. 209 — 212 zur vorläufigen Ver-
öffentlichung gekommen ist. Sodann folgte eine
Statistik der epactalen Störungen in der Entwick-
lung der Hinterhauptsschuppc bei der altbaye-
rischen Landbevölkerung, mit Demonstration der
verschiedenen zum Theil neu beobachteten Formen
des Os Incae. Der Vortrag schloss mit Hinweisung
auf gewisse Unterschiede in der physiologischen
Entwicklung der Schädel der altbayerischen Be-
völkerung der Hochebene und des Hochgebirgs.
Das Nähere über die Gegenstände der zweiten
Hälfte des Vortrags findet sich in dem eben er-
schienenen W'erke des Vortragenden: Beiträge zur
physischen Anthropologie Altbayerns I. Heft: Zur
Physiologie des Schädels und Gehirns.
München Th. Riedel , 1878, und: Beiträge zur
Anthropologie und Urgeschichte Bayerns
Bd. 1 und II. Beide W'erke wurden der Scction
zur Einsicht vorgelegt.
Graf W umihrand (Graz) : U e b e r die
Gleichzeitigkeit des Menschen mit der
F »tina der Lössbildunge n.
Durch Zufall erfuhr W. im Jahre 1872 , dass
im Löss bei Joslowitz in Mähren seit mehreren
Jahren bereits Knochen mit Feuersteinen gemengt
in einem Ziegelschlage Vorkommen. Die Unter-
suchung ergab folgendes Verhältniss. Eine Löss-
schicht, welche geologisch vollkommen gut definirt
worden ist , war auf 8 Klafter Tiefe gegen, das
Thuja-Thal zu senkrecht bis auf den unterliegenden
tertiären Sand durcliteuft. Längs dieser Löss-
wand liefen in nicht ganz horizontaler Richtung
mehrere schwärzliche Erdschichten hin , in denen
sich die Knochen vom Mammuth, vom Renthier (?)
oder Damhirsch, dem Bären, Rhinoceros tichorinus
und dem Pferd nebst offenbar bearbeiteten Feuer-
steinen und Holzkohlen vorfanden. Die Erde dieser
Kulturschicht selbst war fettig und zeigte, chemisch
untersucht , reiche organische Reste. Der Löss
war ungestört, die Knochen waren nicht gerollt
und die Feuersteine , in dieser Gegend nicht vor-
kommend, nicht durch Wasser eingeschlemmt. Der
Mensch nur konnte hei längerem Aufenthalt die
Knochen dieser verschiedenen Tliicre zusammen-
getragen heben. Die Holzkohlen , die Feuerstein-
messer und vor allem die deutliche Bearbeitnng
der Knochen schien dies genügend zu erweisen.
Ausser dem Funde in Joslowitz kann W.
beute schon 4 weitere Fundstellen im Löss des
Wiener Beckens nennen, wo durch Feuersteine,
Holzkohlenreste und bearbeitete Knochen Analogien
festzustcllen sind. Diese Stellen sind bei Holla-
brunn, Sonnberg, bei Göllersdorf und be-
sonders bei Zeiselb erg. An dem letztgenannten
Orte wurde ein sehr reiches Knochcnlager gefunden,
Rhinoceros, Mammuth, Pferd, Bär, Wolf, Cervus
euriceros etc. Feuersteinsplitter und Feuerstein-
messer, welche zum Theil in unzweifelhafter Weise
die Bearbeitung durch Menschenhand verrieten,
lagen mitten unter den Knochen und in der Kul-
turschicht selbst. Die Beweise der menschlichen
Thätigkeit lassen sich bei genauem Studium solcher
Knochenlager in vielfacher Hinsicht so gut fest-
stellen, dass sie keinem Forscher entgehen werden,
welcher vorurteilsfrei an die Untersuchung geht.
Die Gelegenheit hiezu ist in reichem Masse in
Deutschland selbst geboten. So hat Hr. Neh-
ring*) bei Thiele und Westerregeln eine
reiche Knochenschicht im Löss mit Holzkohlen und
•) Zeitschrift für Ethnologie 1875 Heft VI. 1876
Heft II.
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Jjggnjssiijij hurt{j heit ^otal3«$djitflsfit{pr T)ernt Jreiner.
I. Sitzung.
.'Seid »ns gegrüßt. Ihr Lieben,
Die Ihr von Nord uud Süd
Von einem Sinn getrieben
Nach unserm Thüle zieht.
Seid uns gegrillt!
In diesem rliciudurchttos&'uen Thal
Mit Altdenk wQrdigom überall.
In dem noch alte .Sagen
Wie Schlumiuermfirchcn tagen,
In dem des Seen Wellenschlag
Sich immer reimet Tag für Tag.
Der See mit seinen Wellen,
Die schwellen uud zerschellen.
Gleich wie ein altes deutsches Lied
Durch uns're heut’gen Tage zieht,
So Well* tür Wellt* fluthet.
Bald wild, bald wohlgemuthet.
Den grünen Ufern treibet zu
Allfort bewegt, allimmerzu.
Da lauscht' ich oft mit Bangen
End stillem K Ihr- Verlangen
Den Hathselstimnien der Natur;
Doch Ritfaiel blieben sie oft nur.
End Ihr. die Dir gekommen.
Zu klären Zweifelsinn,
Euch ist es überkommen
Und bleibt es unbenommen.
Ein Erthel hier zu zieh’u.
Wen» Ihr es könnt;
Doch tausend wo ttersaper ln tt !
„ Anthropolog ist auch kein Gott" 1
So rastet, Wegemüde!
Hier lässt sich weidlich ruli'u;
Von all* dem Buntgetriehc
Will ich Euch Kunde thim.
Sn gut iclrs kann.
Wohlan !
Am See, der woget, ruhig sich wellt.
Aus dem der blaue Felch sich schnellt
l ud glitzert in der Sonnen
In fischgewohnten Wonnen
l ud wieder tauchet in die Fluth
End wollustflossenscliwänzelnd ruht
In dichten Charen-Matten
In tiefgrQnblauen Schatte».
Wo drüberhin die Wasser geh’n
So silberml bläulichgrün, so schön.
So ist’s in ruhiger Stunde
In diesem klaren Grunde.
Doch kommen Stunden wild und schwer
Sturmwinilgepeitscht von Alpen her
End wühlen in den Wogen
Mit Donnern und mit Toben
Eud spritzen hoch die weissc Gischt,
Dass toll es an den Ufern zischt,
l’nd brauset in den Gründen
l’ud heult von gellen Winde»
End hebet hoch, was in dem Grund
Sonst nur den stummen Fischen kund.
l>n liegen Topf und Hammer
Aus altersgrauer Zeit,
Wie sie in seiner Kammer
Kein Ferge hält mehr heut.
Am Ufer bin.
Wo die Nebel zieh*».
Wir schau’u in and're Zeiten,
In altersgraue Weiten
l’ud seh'u, wie uns’rer Väter Welt
Kaum mehr Vergleich mit unserer hält.
Und sieh! — au Ufers Welle
Stolzim ein Geselle
Mit langem Schnabel, langem Bein.
Das muss ein wack’rcr Forscher seiu.
Er schreitet durch das Schilfgerohr.
Legt klappernd hiu und her sein Ohr
Und hat 'neu Frosch ertappet
Und, wie er hüpft, geschnuppet.
Der ({uatschelt aber querfeldein
ln einen Felsenspalt hinein
Ich lurcbe mit, ich schau* mich um ;
Da liegen curiose Dinge herum.
Was sind denn das für Sachen
Aus gelbem Feuerstein ?
Wer kann so Dinger machen
Aus Zahn und Hen-Gebein?
Wer lebte mit Elephanten?
Wer mit dem Erwaldstier?
Mit heute unbekannten
Thieren in Höhlen hier?
Woher vom Gletacherftichse,
Woher vom Höhlenbär.
Woher (rebein vom Luchse
End Höhlenleu, woher?
Woher die Nadeln, die Pfeile?
Woher die Fischharpun* ?
Woher die Alpenhasen.
Woher das Gletscherliuhu ?
So .wollen wir denn heben an,
Wie all’ die Dinge mochten gali'u.
Dass Ihr so Land wie Leute
Gleich kennt von Einst und Heute.
Ich trug, was man so finde» könnt'
End sich zu wahren Mül»* lohnt,
Zusaimii’ seit wenig Jahren ;
iBin oft durch'» Thal gefahren,
Geschichten zu erkuiulen.
Was ich da aufgefunden.
Stellt* ich im Rosengarten auf.
I)eu aeh’n wir in der Tage Lauf.
Sollt*» jede Stadt so mache»
Mit ihren eig'uen Sachen !
Denn fortgcschleppt aus der Heimat Heerd
Hat alles nur den halben Werth.
Da findet Ihr Gesteine.
Die unsern Boden bau'n ;
Iht könnt Ihr die Gebeine
Aus unsern Höhlen schau'n
Da find’t Ihr alte Thiere
Zum Bodengrund erstarrt.
Der Urwelt Pflanzge wirre.
Der Forschung aufgespart.
End seht iu dem Gek lüfte
Altüppige Pflanzenwelt
Durch kohleaschwero Lüfte
Tiefgülden nur erhellt,
End seht die Echsen- Kiesen
Des Jura-Lands im Streit.
End seht das Leben fl »essen
Der Jura-Meere*-Zeit.
Da zieht eine Welt in liiUlern
Vorbei so farlxmreieb
Bi?' zu der Zeit, der mildem,
Dein Heute nähernd gleich.
E* mag. wo jetzt das Hegau steht.
Vorbei der Rhein zu Thale geht.
Wo sich die Hügel hohen.
Im Thal den («rund zerstoben
l ud millig Wasser drangen ein.
Ein prächt'ger See gewesen sein.
Lorbeer und Feig’ und Fainpherbaum
Die wuchsen an des Wassers Saum,
Libellen schwirrten an dem Strand,
Die Krappen hilpften auf dem Sand
1’ml Itiesensulamander
Die freuten sich salhander
Oh dem Latonieu-Geijuak
l’nd was in den ('yprossen stack.
Doch, was so schon geschallen war.
Es sollt* nicht hallen lange Jahr’.
Die 0 Jets eher wuchsen weiter.
Schneefelder wurden breiter.
Der Firn vereist den Blüthenduft
Lud Schwäne tiogen durch die Luft,
Lud mit dem Ben. dem llochlaudsliirsch.
Beginnt der Mensch die erste Birsch,
Und richtet sich den Haushalt ein
Lnd kratzt in Knochen Striche ein,
Sprechende Bilder jener Zeit.
Der Jagd und seiner Häuslichkeit
Wie mancher jung«’ Hirteubub’
Vereinzelt auf der grünen Weide
ln Binde seine Bilder grub
So nett — zur eig’neu Augenweide — ,
Wie **s kein Kriegervolk geköuot,
Das die Coltur zu tragen wähnte,
Dess* wihhs Waffenwerk gedröhnt.
Aus dem nur stolze Herrschsucht gähnte; *
Wie manche feine Salon-Laffeu,
Die sich im Spiegel stolz begaffen,
Kein so gut Bild zuweggebracht
l ud doch den Knaben ausgelacht.
So ist'* auch Euch. Ihr alten Bangen,
Mit Eurer Krstlingskunst ergangen
Man glaubte nicht, dass ’s möglich war,
Dass vor so vielen tausend Jahr’
Die. die in unsern Höhlen wohnten,
Schau’n, denken und gar zeichnen konnten :
l’nd doch iat’s so.
Vorfahren saasen an dem Firn
Vor ihrem Höhleubaue.
Sie wärmten an der Sonn’ die Stirn*
End guckten in das (»raue;
l nd ihr Genosse war das Ben,
Da*« Pferd, das Schwein tmd Hirsche,
Wohin sie sehau’ii. wohin sie geh’n
Im Schneefeld und (Jebiricbe
Ein Imin erschauen schuf das Bild
So treu, so plastisch-steinern.
Dass sie ein treues Gcgenbihl
Eingrubeu auf den Beinern,
l nd solches Bild so einfach-treu
Seheint Hochgebildeten nun neu.
lnd weiter wirkten Sonn’ und Föhn
Herfogend über Alpenhöb’n
Fnd schmolzen Sehnee zu Thale
ln di*- kleine Wasserschale.
Dran lebt es sich nun netter
Als in dem Schneegewetter,
Fnd Alpenbliimeu — noch am Strand —
Die färbten schon das grüne Land.
Dem Ben wurd’s warm, 's ging gletscherwärts ;
Schneehühiierschwarm scheucht warmer März.
Doch Pelznmhüllten that das gut;
Sie scliau’u die Aend'niug wohlgemuth;
Lud war das Ben gegangen
Kam der Hirsch mit andern Stangen.
Das Kurzhoruriml mul Höhleiirnes
Fnd Hunde maehteu noch den Tross.
Fnd warm heschien die Sonne
Den Menschen nun zur Wonne:
Das könnt* er gut ertrag»»!»
Nach solchen kalten Tagen
So kam der Hirsch zu Thale
Fnd dient zum leckem Mahle
Nun schwimmt iin Seelein mancher Kisch
Fnd würzt den kahlen Findlings -Tisch,
Fnd zeigt dein Jäger neue Wege,
Wohin er seine Netze lege.
Die Steinaxt schallt im wilden Wald,
Die Eiche fallt und wicderhallt :
Steinsägen girren, Schncevögel schwirren,
„Halloh“ sc breit ’s ans den Waldgvwirren,
Fnd nun mit ungefügen Streichen
Sind eingerammet bald die Eichen
Zu einem rohen Pfahlhaurost.
’s ging hitzig her, )K»tzw»|»permo«t 1
Drauf wohnt* und tischt dus Völklein nun
Fnd könnt*, auch »ich'rer nächtens ruh’u;
Denn drinnen in dem Wuldcsdnnkel
Ging ah und auf manch* Feind -Gemunkel.
Der Wisent brüllt urkrafterfüllt,
Bhitiiugestillt heult ander* Wild.
Ein urwaldeigenes Coucert
Der neu'steiv Musikdichtuug wertli.
Fnd wieder schwanden Mond auf Mond
Fnd Tag um Tag, schon altgewohnt.
Mat» wusste es zu machen
Mit eingewohnten Sachen.
Der Eine dreht die Töpfe rund.
Der Ander* war des Schleifeus kund*;
Die Weiher heimsten ein die Aehren
Fnd Hessen Brod und Metli -Trank gab reu
Da ciustmal hei gar warmen Lüften
Sehwoll an die Fluth in Gletschergrüflcn
Fnd stürzt der Schwall in's Thal herein.
Am Fläscherberg brach das Gestein
Mit Donnergekruch und Felsenge roll,
Die Fluth drängt die Finthen und stieg und schwoll;
Die Wasser tosten im Wahh-sgokrach
Fnd brausend stürzten mut rische nach.
Es barsten die Eichen und kreischt das Geröll
Fnd brüllten die Thier»* wie Teufel und Hüll*.
Es schleudert in’s Thal den dröhnenden Fels.
Es schleudert kopfüber den mächtigen Wels.
Die Menschen fliehen in starrendem Schreck.
Der Pfahlbau liegt ticfsehlammüberdcckt,
In Scherben der Huusrath im grauen Dreck.
Do liogsrht —
Fnd nur das tiefwühlende Grundgcwell
Bringt alljnhr die alten Dinge zur Stell’.
Fnd wieder ziehen die Nebel grau
Fm oenerrichteten Meuschenbau
l ud zielrn um die Fferbucbteti
Dem Bach längs in die Schluchten,
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r
Wo einzelne Hütten im Walde sind
Und am Ufer stehen in Well* und Wind.
Nur die Hügel, die runden, itn düsteru Hain
Die können aus der Zeit Zeuge noch sein.
Doch nnr Asche und Urnen-Restc
Zeugen vom Waldesneste.
Und wieder knackt es in «lern Hol/
Und brechen die Tannen, hoch und stolz.
Und bauen sich Strassen fest und gerad
Oben entlang dem Hügelgrat.
Da ziehen die strammen Cokorten vorbei
Als ob es ein Wahl von Speeren sei.
Den Adler voran trägt ein wackerer Held.
Es blitzen die Schwerter und Schilde im Kehl.
Die Homer zogen in’* Seeland herein
Und bauen Castelle und Thürme hinein.
Es setzt sieb die stramme Stiernackengestalt
SiegdQrstend fest and übet Gewalt
Und sammelt sieb Schätze und Sklaven und Geld
Und brennet die Hütten und Waldesgezelt,
Doch auch die Gewalt liat nicht immer Bestand.
Der Unterdrückte nimmt Mesner zur Hand
Und gürtet den Koller mul nimmt den Schild
Und legt die Augnnen zur Wehre wild.
Und nimmt den Hammer zum Waffentanz
Und schleudert und fängt ihn im Krühruthglanz.
Die Scluldbiickel blitzen im Morgeusrhein.
Die Rache schleicht in die Kesten ein.
Zerstreut, geschlagen ist’s Römer -Heer:
Der Alem&nne ist wieder Herr.
Ist Herr in seinen Thalen.
Hoch schreitet der Held, feuerblond das Haar.
Himmelblau das Auge und ««ffeu und klar,
Wohl blutend aus vielen Mahlen.
Der See mit seinen Wellen,
Die schwellen und zerschellen.
Wogt fort und fort «lern Kfer zu
Ohn' alle Rast, olm* alle Ruh.
Es glitzert drin der Sonne Glanz,
Es spiegelt drin der Alpmi Krau/ :
E* schaut der Mond in die Ruth hinein,
Als müsst’ er ihr Vertrauter sein,
l ud tief int «lüstern Walde
An einer Kicheu-IIahle
Geh’u heilige Schauer um den Baum
(deich wie ein alter ( i ölte rt raum.
Das Brausen. Sausen im dichten Wahl,
Das Aeciizcn der Möven an Seeeshald,
Das Eulen-Hculeu auf mächtiger Eich’,
Das Singeu der Aelt’sten «lern Sturme gleich,
Die Sagen vom alten Echsenwurm,
Von Meeresfahrten und Meeressturm :
Das krallt sich in die Gemüther,
Als ob der Wald lins sagen wollt’
Was jede« Innern zeugen sollt’:
Nur die Heimat macht utis’re Lieder.
Es beginnt «ich zu regen, zu lispeln alltim.
Es kreist der Reigen den Eichstamm um.
Wie gc-leuk sind die kräftigen Glieder!
Wie T rwaldstnrin ihre Lieder !
Es Hattem die Haare so fenerblond ;
Es äugelt im Schmucke der Frauen der Mond
l ud freut sich der schönen Gestalten,
Der rriuiturgcwalteii.
Der See mit seinem Plätschern,
Gespeist von schmelzenden Gletschern,
Wellt fort den altgewohnten Gang,
Kragt nichts nach Tanz und Geistersung.
V
i Da wellt ein eigen Singen,
Ein wunderbares Klingen
Vom See her durch die Thule
Wie Wunder zum ersten Male.
Es war die erste Glock’ am Sw.
Die Möiiche läuteten in der Näh’.
Sie lehrten von neuen Dingen ;
Sie brachten ein neues Singen.
Sic brachten das Kreuz in das Thal herein.
Viel Guten und viel hohlen Schein
Sie lehrten Schreiben und Malen
Und Hessen sich’s gut bezahlen.
Bei ihnen hat!' manch gelahrter Mann
Herberg und mancher Dummeriau.
l ud die Verehrung der Natur
Kiinut’ zeigen iiu Kleid«' der Kutte sich nur.
Vorbei war’ r mit dem Urwaldslied
Am Waldberg mul im Nebelried
Noch manchmal stieg ein Monel» zu lloss,
Ein wilder streitbarer Degen,
Und druut’ im Hegau ritt sein Genoss,
Solch’ Handwerk ihm zu legen.
So ging’* thalab, so ging’s thaluuf:
Da» Volk nahm Ritter und Pfaffen in Kauf;
Dem Kaufmann stahlen die Waaren
Die Ritter, die lobebaren.
Sie theilteu dann unter sieb den Raub
Und waren Naturesstimmen taub;
Dagegen fromm im Kircbengaiig.
Da gab es prunkvolle Züge
Und Kreuze und Kalmen und Möuchsgesaug
Und Klöster zur Genüge.
So war bei dem grossen Kirchen« oncil
In Cmtstunz ih r Pfafflicit überviel,
Kiu buntes Prachtgepränge.
Prorossmnen in Meng«*,
Doch auch gar viel«* Lüderlichkoit
Zwischen Kircbengaiig und Ritterlichkeit.
Uud der See mit scineii Wellen,
Die schwellen und zerschellen,
I Treibt ruhig und stet sein munter* Spiel
Uud schert sich um solch' Ding nit viel.
So lassen wir’* auch gehen
Und wollen einmal sehen,
Wie nun das Thal gi-stalt«t ist,
Durch das alpfrisch der Rhein nun Messt,
Der frühe am Alpstock oben Hn®s.
im Hegau erst sich thalergoss.
Da könnt’ ich viel noch singen
Von wundernetten Dingöu,
Von Burgen, die da ragen
Au» Wäldern und den Sagen,
Die an «len grünen Ufern hin
Wie lichte Nehelstmfen zielt’ii.
Doch werdet ihr die Sachen
Viel gründlicher noch ina«’lieu.
Seeanf, seeal» ein ander* Bild
Romantisch bald, bald wunderinild.
(Jen Osten Hieast die weite Flutli
Und spiegelt ab der Sonn«* Glutli.
IDie grünen Hügel vor «len Bergen,
Die baumiiinralunt die Dörfer bergen.
Der Al|«enkrauz voll Schnee uud Eis.
Auf blauem See «lie Segel weis«,
Die hin mul wieder Hiegen.
Die weisse Möv* im Blitz«‘sHug
Sclih'SKt hin und her in raschem Bug
Zuluft Imbiss zu kriegen :
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Und t fcrschwalben Hink und nette
Mit ihr fast um die Lohneswette.
Seeauf, seeab geht auch ein Zug
Von Menschenleben, nur im Klug
Durch längst vergangne Zeiten!
Weit oben liegt Brigantiuui,
Eiu' alte Wart aus Hftmerthum
l ud näher hier im BiiUhenthau
Die wunderschöne Maienau,
Die Insel sondergleichen.
Wo lieb* und Obst und Wald und Gerten
Her Woune ihres Fürsten warten,
Ihr Bestes ihrer Fünf in reichen
Und westwärts, wenn in Abendgluth m
Das Hegau vor den Blicken ruht
Wie auf altdeutschem Bilde,
Auf purem Gold der Hügel Keih’n
Die Bänder all' so scharf und rein
Die Zeichnung sonst so milde;
Der Wolken langgezog’nc Streifen,
Die in die dunklen Berge greifen;
Davor auf Seesspiegel klar
Stellt sich die Heichenaue dar
Mit ihrem alten Kirclienthuin,
Weinreben hfigel ringshernm
Von wegen der Klosterkellerei.
„Wein besser als Seewasser sei“
So heisst es allerorten.
Wein her! — Der Becher voll und leer!
Was ist ein Heut dagegen mehr,
Du kreisle er immerforten.
Wohl schliefen sie, wenn das Gebet
Nach langer Uebung lallen geht,
l ud mussten liegen bleiben.
Nun reisen lässt sicli's besser
Jetzt mit dem Kohlenfresser,
* Denn liüli r, als mit Felleisen
Man durch das Thal musst reisen.
Jetzt geht's im Flug mit Dampfgezisch
So vogelleicht, so vogelfrisch.
Lasst mir die Alten brummen!
Und mitten in dem netten Land
Baut laug schon Wohnung Menschenhand;
Zuerst wohl eine l’lählboustatt,
Die Itheiue* Fluth begraben hat.
Darauf wuchs Coustanz an der Stell’,
Wo über die Trümmer plätschert die Well’,
Ein Kömeraitz, ein W affenort,
Dem Streiten geweiht, der Herrschsucht Hort
Am Weg’ gen West bei Stein am ltheiu,
Wo ihr Tasgetium musste sein.
Daun hat Alemauneu feste Faust
Gar übel drüberhiu gehaust.
Die Korner zogeu weiter
Ohne höHiche Begleiter.
Doch unbekümmert wellt der See
Holt Wasser aus dem Gletschersclmee
Und treibet seine Wellen,
Die schwellen und zerschellen.
Und Haus und Kirch* und Dom und Haus
Die machen bald ein Städtlein aus.
Die Weide halt den Uferwuim.
Aiu Markte steht der Lindenbauin;
Und baut ging’* zit du drinnen.
Die Zeiten, die Wellen rinneu.
Man baute Mauern, mau brach sie ah ;
(«•schlechter entstunden und sanken hinab;
Man schlug mit wuchtigen Streichen
Hispanisch* Volk zu l«eichcn,
" — N
Das Cult’ und Freiheit nehmen wollt*.
Dann hat man Schweden wallabgerollt.
Und wieder iu*s Joch sich begehen.
Ein kunterbuntes Leben!
Die Wellen rinnen und Hiessen,
Die Wolken ziehen und giessen
I Die Wasser, entstiegen der Erde.
Zurück, dass grün sie werde.
Mit Blum*, mit Frucht und Vogelsang
Zieht nun durch s Thal Jahrzeitengang.
Sich wunderwenig kümmernd drum.
Ob die Menschen sieh schlagen die Glieder krumm.
Die Lerchen singen im Lenze.
Insecten schwingen die Tänze,
Ist grün geworden das Ufer kaum,
Geschmolzen der Schnee im W elleuschaum.
Der Alpenateinbrech blüht am Strand
Und träumet noch vom Alpeuland,
Das kleine Sandvergissmeinnicht
Strebt zwischen Ufergeröllen zum Licht,
Es fühlt das Winters ch leierfreie.
Dass es erblühen kann auf's Neue.
Schneegäuse und Störche erscheinen im ’I hal,
Der Schwalben Schwärme ziehen zu Thal.
Der Kukuk ruft aus den Wäldern;
Im Hain, in Heck* und Feldern
Singen die lustigen Vöglein all'
, Im grünenden Wald mit Wiederhall,
Und das gerufene Blumenbeet-
Bringt überschwenglich der Sommer her.
Da stehen die Wiesen so bunt mul voll,
Dass ich nit weiss, wohin langen ich soll.
Ich Dehrn* Seerosen aus dem Teich,
Die Blätter sind den Zeichen gleich,
Wie sie Seeblätter sich bilden
Die Alten auf ihren Schilden.
l'nd wieder geht’s dem Herbste zu;
Die traubenvolle lieb’ moclit' Kuh’
Und des Ackerfeldes Goldäbrenprathf
Wird schon in den Scheunen zur Buh’ gebracht.
Es ruckst die Kiugcltatibe
Itn Wahl und in der Laube.
Der Weih schwebt über seinem Horst.
Das Kothwild streift durch Feld und Forst.
Und traumgleich ziehen souuige Tage
Und fügen sich in Winters Lage.
Die Staaren fallen in die Beben ;
Der Fink iu Buchclnsaat daneben.
Kühl wird die Luft und nebelgrau.
Zum Keif erstarrt auf dem Blatt der Tliatt.
Die Belchen kommen in unsere Näh’
Und lassen sich nieder aut ITitersee.
Wildenten Huderu; Jäger rudern;
Die Büchse knallt; Rohrdommel» tudern.
Die Rome an dun Wagen schellen,
Die Kader girren, Geiseln schnellen;
Die Nebelrabe n und der Schwan
Die kommen auf den weisseu l'lun.
Es kracht vor Kälte die Kind’ aui Kaum.
Es krachen Eisspalten au I lers Saum,
Um bald unter Kieseln und Kauschen
Das Weiss mit Grün zu tauschen,
Das» in Veilchen wieder erblüht der Haag
Unter Nachtigallschal] und Drosselschlag.
Wir aber haben das Bild geklärt.
Wie mau iu Coustanz zu Thale fahrt,
Unter herzlichem Grusse!
f
Jaiituuig JtfitiBr.
Druck von R. OMutWHf in MöniU.n.
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167
Feuersteinmessera Befanden. Es hat dieLinden-
thaler Hyänenhöhle*) in tieferer Schicht durch-
geschlagene Röhrenknochen, bearbeitetes Hirschhorn
and Feucrsteingeräthe geliefert, ähnlich dem Tau-
bacher Fund.
Geh. Rath Virchow macht auf die Wichtig-
keit des gehaltenen Vortrags aufmerksam , bei-
fügend, dass man jedoch sehr vorsichtig sein müsse
bei Beurthcilung von anscheinenden Einschnitten
an Knochen , da dieselben häutig nicht von Men-
schenhand gemacht sind , sondern durch Annagen
der Knochen seitens Uaubthiere entstanden. Gleiche
Vorsicht sei nöthig bezüglich der Feuersteinsplitter,
da namentlich in heissen Ländern dieselben ein-
fach durch Absplittern entstanden sein können und
dieselben dann nicht als Artefacte angesehen
werden dürfen.
Darauf bemerkt Dr. Wankel (Mähren): Auf
die Entgegnung des Hm. Virchow, nach welcher
solche Feuersteinformen und Splitter nicht der un-
um&tössliche Beweis für die Gleichzeitigkeit der
ausgestorbeneu Thiere mit den Menschen sind, da,
wie bekannt , ähnliche Formen auch durch Ab-
splitterung in Folge Temperaturwechsels z. B. in
der Wüste entstehen können, erlaube ich mir zu
erwidern , dass ich allerdings in der lybischcn
Wüste hei Sakara in Aegypten eine grosse An-
zahl derselben gesammelt habe. Bei näherer Unter-
suchung und Vergleichung zeigte sich jedoch ein
auffallender Unterschied. Vorerst sind die Splitter
ungewöhnlich breit , Hach und sehr dünn , dann
fehlt ihnen constant der durch das Schlagen ent-
standene sogenannte Erhebungskegel. Auch sind
die dort vorkommenden Nucleus ähnliche Formen,
während die durch Menschenhände entstandenen
Nuclei kemartig rundlich sind, sind jene Hach und
grösstentheils nur auf einer Seite mit nach allen
Richtungen gehenden halbmuscheligen Absplittc-
rungsHächen bedeckt. Es gibt jedoch auf der
Nekropole von Sakara einzelne Stellen , die mit
abgesplittcrten Spänen bedeckt sind, welche keinen
Zweifel übrig lassen , dass sie nicht durch Men-
schenhände entstanden sind.
Was die Gleichzeitigkeit des Menschen mit
dem Mammuth und anderen ausgestorbenen Thieren
anbetrifft , so ist dieselbe in Mähren vollkommen
constatirt und zwar durch das Rippenfragmeut eines
Mammuth, das mit Reuthierknochen in einer Kultur-
schichte aus der Rcnthierzeit der Byciskäla-
Flohle in Mähren gefunden wurde und deutliche
Spuren zeigt , dass dasselbe in frischem Zustande
bearbeitet wurde. Ferner ist ebenso die Gleich-
zeitigkeit des Menschen mit dem Höhlenbären, der
früher ausgestorben zu sein scheint, als das Mam-
muth , in der Ewagrotte hei Adamettal in
Mähren nachgewiesen worden ; hier fand sich unter-
halb einer Kulturschicht aus der Rcnthierzeit eine
Travertinbreccie , in welcher Kohle , geschnitzte
Höhlenbärenknochen und eine grössere Menge auf-
*) Archiv für Anthropologie IX. Bd. 1870.
geschlagener Röhrenknochen des Höhlenbären nebst
vielen Feuersteinwerkzeugen eingewachsen sind.
Das Nähere darüber ist in den Mittbeilungen
der anthropologischen Gesellschaft zu
Wien von diesem Jahre veröffentlicht.
Prof. RUdlnger berichtet dann über die
verschiedenartige Richtung der Win-
dungen und Furchen an dem Grosshirn
je nach ihrer Abstammung aus brachy-
o d e r dolichoceplialen Schädeln. Die Win-
dungen und Furchen an dem Hirn eines Brachy-
rephalus haben eine vorwiegend froutale, und
au dem Hirn eines Dolichocephalus eine mehr
sagittale d. Ii. schiefe Richtung.
Die zweite Mittheilung des Vortragenden be-
traf die Unterschiede an den G ross hirn Win-
dungen bei den beiden Geschlechtern.
Diese formellen Unterschiede können schon an dem
Hirn vom Foetus erkannt werden.
Hr. Aug. Hartmann (München) legt eine dem
historischen Vereine von Oberbarem gehörige Karte
der „Hochäcker- nördlich von München
vor und skizzirt den Stand der einschlä-
gigen Forschung. (Ueber den Begriff „ H o c h -
äcker“ und die bisherige Literatur s.
„Archiv f. Gesell, v. Oberfranken* Bd. XII
Hfl. 2 p. 88— 96, Bericht d er 0. Allgemeinen
Versammlung der Deutschen Anthropologischen
Gesellschaft p.GO-63; Oherbayerisches Ar-
chiv Bd. 35 p. 115-157).
Die von dem Oberlieutenant a. D. Hm. Diem
gefertigte Karte, 24 (^uadratfuss gross, umfasst die
auf einer Fläche von mehr als 100000 Tagwerk
zerstreut und im Zusammenhang vortindlichen Hoch-
äcker zwischen München, Freising und Dachau.
Sie sind cingezeichnet auf die von der k. Steuer-
katastercpminission herausgegebenen Specialklätter
der bayerischen Landesvermessung. Jede Parcellc,
worauf Hochäcker Vorkommen , ist nuinerirt, und
sind in beigefügter Tabelle unter der betreffenden
Nummer folgende Punkte angegeben: Gemeinde;
Flächeninhalt; Form; Beschaffenheit der Erdkrumc,
des Mittelgrundes und Untergrundes; Zahl, Länge,
Breite, Höhe und Richtung der Beete; gegenwärtiger
Kulturzustand; Umgebung, endlich „besondere Be-
merkungen“. Bei der verhältnissmässig weiten Aus-
dehnung des behandelten Gebietes ist mit dieser
ausgezeichneten Arbeit für die descriptive Kennt-
niss der oberbayerischen Hocliäcker eine exacte
Grundlage gewonnen. Es handelt sich nun um
Vergleichung mit den etwa ausserhalb Oberbayems
vorhandenen ähnlichen Resten alten Ackerbaues.
Man bat bereits Nachrichten über derartige Spuren
in Württemberg, Pommern, Hannover, Oldenburg,
Schleswig -Holstein , Dänemark und England zu-
sammengestellt (Oberbayer. Archiv Bd. 35 p. 136 ff.).
Doch sind die bisherigen Nachrichten noch viel 2u
unvollständig, um einen Schluss zu gestatten; na-
mentlich fehlen ausreichende Massangaben. Redner
fordert daher dringend auf, auch die alten Acker-
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bäumte jener Gegenden tiAlier zu untersuchen und
wo möglich kartographisch darzustellen.
Prof. Ohlenschlager (München): I>ie Tat-
sache. dass die Ilochäeker jetzt zum grossen Theil
von Wäldern bedeckt sind , weist offenbar darauf
hin. dass das Ende der Hoehackerkultur und der
Anfang des Waldanfluges zeitlich unmittelbar auf
einander folgen mussten; es kommt jetzt darauf an.
das Alter und den nicht unterbrochenen Itestand
eines solchen Waldes nachzuweisen.
Glücklicherweise sind wir in der Lage, von
einigen Forsten, die über Hochäckeru aufwuelisen.
auf mehrere hundert Jahre das Alter mit Gewiss-
heit und auf etwa ein Jahrtausend mit grosser
Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Diese Wälder
sind der G rü n w a Id e r Forst und der Delsen-
hof er Forst am rechten und der sogenannte
Forstkasten am linken Isarufer, beide wenige
Stnnden südlich von München. Diese Wälder sind
in «lein topographischen Atlas von Bayern Blatt
München und Wolfratshausen v. J. 1810, in der
Karte von Michel v. J. 1768, dann in der Karte
von Fink v. J. 1684 deutlich dargestellt und in
der Karte Apians v. J. 1566, wenn auch hier nicht
mit genauer Grenzangabe, eingetragen.
Der Grfinwalder Forst, 10732 Tagwerk, be-
findet sich seit langer Zeit im Besitz des baye-
rischen Herrscherhauses und wird schon 1348 er-
wähnt; der Forstkasten ist seit undenklicher Zeit
in dem Besitz des um 1253 gegründeten Hospitals
zum heiligen Geist in München. Der letztere hängt
unmittelbar zusammen mit dem ebenfalls der baye-
rischen Ilcrrscherfamilic ungehörigen Forstenrieder
Park, welcher 12 500 Tagwerk umfasst.
Betrachten wir nun eine Karte von Bayern,
welche alle Ortsnamen enthält, so füllt es auf,
dass in dem Namcngewimniel, welches diese Karten
bedeckt . an einzelnen Stellen sieb Lücken und
Lichtungen befinden , dicht eingefasst * von den
Namen der umliegenden Ortschaften , z. B. am
linken Ufer der Isar zwischen Landshut und Landau;
es sind dies die Sumpf - und Moosgegenden der
naheliegenden Flüsse; aber auch an nicht sumpfigen
Stellen treten solche Lücken auf, und der Grfln-
walder und Forsten ried er Park bilden solche weit-
ausgedehnte ortschaftslose Landstrecken.
I)a der Boden in den Wäldern an Güte dem
die Wälder umgehenden Ackerboden nicht nach-
steht , so müssen besondere Verhältnisse die Be-
wohner des Landes seiner Zeit verhindert haben,
anch diese Strecken ins Bereich des Feldbaues zu
ziehen oder doch durch eingebaute Ortschaften zu
unterbrechen. Die Gründe werden sich am natür-
lichsten darin suchen lassen , dass diese Plätze
auch zur Zeit, wo die umliegenden Ortschaften ge-
gründet wurden, mit dichtem Wald bedeckt waren
und frühzeitig in feste Hände kamen (vielleicht
schon damals in den Besitz des Herrscherhauses).
Auch eine Reihe von Namen der angrenzenden
Ortschaften deuten darauf hiu, dass sie in oder an
einen bestehenden Wald bingclmut wurden , z. R.
Strasslach. Kreuzbulach. Edenbulach, Perlach und
Grünwald, ferner Hessellohe und Pullach, während
die Namen Fürstenried , Forstenried und Martins-
ried uns anzeigeu, dass sie auf Waldrodungen ge-
gründet wurden.
Da nun etwa ein Dutzend der angrenzenden
Ortschaften schon im achten Jahrhundert urkund-
lich genannt sind, so wird es kaum zu gewagt er-
scheinen , ihre Entstehungszeit mit der Einwande-
rung der Bajuwaren gleichzeitig oder nicht viel
später anzusetzen und anzunehmen, dass der Waltl
in dieser Ausdehnung vor dem Einmarsch der
jetzigen Bewohner entstanden ist.
Dass diese Wälder aber zn Zeiten der Rönier-
herrschaft nicht in ihrer jetzigen Ausdehnung be-
standen haben können , zeigen die jetzt wald-
bedeckten Schanzen von Deisenhofen , deren rö-
mische Abstammung bewiesen werden kann, und in
deren unmittelbaren Nähe sich Hochäcker finden,
sowie die Schanzen von Laufzorn. Kreuzbulach und
Grünwald . die gewiss nicht an Stellen angelegt
wurden , wo der Wald jede Aussicht verdeckte,
ferner die durchziehende Römerstrasse , welche
sicherlich nicht so angelegt war , dass ein allzu-
naher Wahl dem Feind ein willkommenes Versteck
bieten konnte.
Bewährt sich die mehrmals überlieferte Nach-
richt , welche aber nochmals genau untersucht
werden muss, «lass die Römerstrasse die Hoch-
ackcrfluren an einigen Stellen deraqt quer durch-
sehneidet, dass die Furchen rechts der Strasse als
Fortsetzung der Furchen links derselben erscheinen,
wie dies z. B. auf dem Marsfehl einmal deutlich
zu sehen ist, so dürfen wir unbedenklich behaupten,
dass die Strasse jünger ist. als diese Kulturen,
und da die Strasse nach den Meilensteinen von
Valley und Günzlhofen im Jahre 201 n. Ch. schon
vorhanden war, so ergibt sich, dass es schon vor
201 an jenen Stellen üochäckerbecte gegeben haben
muss.
Damit ist aber noch keineswegs bewiesen, ob
die Körner oder die von ihnen verdrängten kel-
tischen Bewohner diese Bauart in unser Land ge-
bracht haben , und eben so wenig, wie lange man
vor der Römerzcit oder selbst nach derselben sieh
dieser Ackerform noch bedient hat. Doch wissen
wir jetzt , dass wenigstens an diesem Platze zur
Zeit der Römer sich Hochäcker fanden, die ni«'ht
vom Wald bedeckt , also wahrscheinlich in Be-
trieb waren.
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Die
General Versammlung
der
Deutschen anthropologischen Gesellschaft
findet, laut Beschluss des Vorstandes vom 6. Juli, am
24., 25. uncL26. September d. Js.
in Constanz
statt.
Der Umstand, dass die Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte vom
17. bis 22. September d. Js. in München tagt, hat die zeitliche Annäherung dieser
beiden Versammlungen wünschenswerth erscheinen lassen. Das ausführliche Programm
wird der nächsten Nummer beigelegt werden.
München, am 6. Juli 1S77.
Kollmann, Generalsekretär.
Akademische Hucbdrockrrri von F. Straub.
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I N H A I» T.
Kr. 1. Januar.
Virchow: Die Ziele und Mittel der modernen Anthro-
pologie. 8. 1. — Benfey: Kenntnis» de« Salzes
bei den ln dogcr manen. S. 7. — R. Andree: Die
vorgeschichtlichen Alterthttmer in der Umgegend
Leipzigs. S. 8. — Das Urnenfeld bei Borgsted t. —
Grenzstein mit Runen in Schweden.
Kr. 2. Februar.
Kollmann: Der VIII. internationale Congress für An-
thropologie etc. in Pest. S. 9. — Sitzungsbericht des
anthropologischen Vereins in Danzig bes. überDr.
Mannhardt’« Schrift: Roggenwolf und Roggen-
hund. S. 18.
Kr. 3 u. 4. März.
Kollmann: Die statistischen Erhebungen über die
Farbe der Augen, der Haare etc. bei den Wenden.
S. 17. — v. llöldcr: Vorschlag zur Verständigung
über eine gemeinsame Methode« für Schadeimes.
Billigen. S. 18. — Sitzungsbericht der Hamburger
anthropologischen Gesellschaft (J. W. Spenge 1,
Unna jr. R. Krause). S. 27. — M. Ausgrabungen
iin Lüneburgischen. S. 28. — C. Mehlis: Ar-
chäologische« vom Rhein. S. 30. — W. Krause:
Hügelgräber in der Grafschaft Hohn stein. S. 31.
— S. M ü 1 1 e r : Die Schwertstäbe des Brouzealters.
S. 31. — A. Ecker: American anthrojKdogieal
asaoeiation.
Kr. 6. April.
Kollmann: Die Statistik über diu Farbe der Augen etc.
in Saclisen-Altenburg. S. 33. — Sitzung der anthro-
pologischen Vereins zu Danzig. S. 34. — Sitzung
der anthropologischen Gesellschaft zu G ö tt i n ge n.
8. 35. — Bardeleben: Sutura froutalis persistens.
S. 36. — Klopfleisch: Prähistorische Thon -
gef&ssscherben aus der bayerischen Oberpfalz und
au« Ungarn. S. 37. — G. : Zusammenstellung der in
'Württemberg vorkommeudeu Schädelformeu (Receti-
siou). S. 38. — W. Ganz hör«: Antiquarische
Funde bei Gundelsheira. S. 39. — Alterthuinsfunde
in Sachsen. S. 40. — Kollmann: K. v. Baer +.
Kr. 6. Juni.
Th. v. Bi scho ff: Ein angeblicher Fäll von llyhridität
beim Menschen. S. 41. — II. : Das Urnenlager vom
Horgstedter Feld. S. 44. — Mehlis: Archäolo-
gisches vom Rhein. S. 45. — J. II. Müller: Heid-
nische Altert hümer. S. 46. — Frnas: Der Lud-
wigsburger Grabfund. S. 47. — Leincr: Eine ale-
mannische Begräbnisstätte hei Welschiiigen. S. 48.
— Urnenfund in Delinitz lud Wurzen.
Kr. 7. Juli.
N eh ring: Eine vorgeschichtliche Steppe der Provinz
Sachsen. S. 51. — Sitzungsbericht des anthropo-
logischen Vereins zu Danzig (Mannhardt: Baum
kultus der Germanen und ihrer Nachbarst&mme).
S. 53. — Sch euf fler. Steinkrois bei Löb&u. S. 56.
Kr. 8. Auguat.
R. Virchow: Die Bronzezeit. S. 56. — Heidnische
Alterthümcr und Denkmäler. S.61.— Birke ntheer
in Pfahlbauten. S. 63. — Zapf: Ringwalle auf der
Wallleithen bei Stad tstei nach. S. 63. — Hünengrab
bei Poln. Broddeu. S. 64.
Kr. 9. September.
Tagesordnung der VIII. allgemeinen Versammlung zu
Constanz S. 65. Begrüssungsredeu (Virchow,
W inte rer und Lein er). S. 66. — Telegramm
Sr. kgl. Hoheit des Grossherzogs von Baden.
— Ueberaicbt über die (’ouimissionsberichte. S. 70.
— Der Kassenbericht und Vorschläge des Hm.
Weismann und Decharge. S. 71. — Das Budget
des neuen Vereinsjahre«. S. 72. — Die Wahl der
Vorstandschaft und des Versammlungsortes für die
IX. allgemeine Versammlung. S. 76. — Ernennung
S c h 1 i e tu a n n ' s zum Ehrenmitgliede. — Dank und
Monument. — Der VIII. Versammlung vorgelegte
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IV
Inhalt.
Werke. S. 76 — V i rc ho w : Eröffnungsrede. S. 77.
— K o 11 in a u ii : Wissenschaftlicher Bericht S. 87. —
Mittheilungen des Vorsitzenden. — Berichterstattung
der Commissioneu durch die Ilrn. : Fraas,Schaaff-
hauaen, Virchow. 8. HH — Daran anschliessend
Dr. C. E. E Hoffman n. 8. 99.
Nr. 10. October.
v. Schroedter: l'eher Imlianergräher in Costarica. 8.09.
— Bronzen , Nephrite und Schädel aus schweizer
Pfahlhauten : Gross. Desor. Wurmhrand f Vir-
chow. S. 100. — Vorträge und Discussion Ober
prähistorische Kunst: Ecker, Virchow,
Fr aas, Forel, Messiko mm er, Wurmbrand,
Ecker, Schaaffhausen, Juos , Mehlis,
K oll mann. Merk, Orth. 8. 103 u. 114. — R.
Virchow: Die Pfahlhauten hei Nioderwyl. S. 113.
— Fischer: Nephrit. 8. 122. — Orth: Glacial-
Erscheinungen bei Berlin. S. 125. — l'eber Schalen*
steine: Desor, Virchow, Mehlis, Schaaff-
hausen, Vtfss. S. 1*26.
Nr. 11- November.
Mikrocephalie (die Familie Becker): Kollmann,
Krause, Virchow, Schaaffhausen. 8. 131. —
Lucae: Wachsthum des Schädels nach der Ge-
burt. S. 135. — Schaaffhausen: Prähistorische
Funde im Rheinland und Westfalen. S. 136; I)is-
cuasion S. 142. — Kollmann: Feber raesocephale
Schädel. 8. 143. — Johannes Rauke: Cranio-
logische Mittheilungon über die Landbevölkerung
Althayerus. S. 144. — Virchow: Anthropologische
Mitteilungen aus Livland. 8. 147. Discussion.
Wurmhrand: Beiträge zur Frage Uber die Ge-
winnung des Eisens und die Bearbeitung der
Bronze. 8. 150. Discussiim. — W u rm b r a n d : Bohr-
methoden des Steins in prähistorischer Zeit. S. 155.
— Virchow: Feber die nördlichen Pfahlbaufunde.
S. 155. — Fraas: Feber die Schussenrieder Pfahl-
hauten. S. 160.
Nr. 12. December.
Die Section für Anthropologie auf der 50. Versammlung
deutscher Naturforscher und Aerzte. S. 167 Koll -
mann: Schädelformen Deutschlands in prähisto-
rischer Zeit. — Wilckens: Schädelformen den
Rindes. — J. Ranke: Oberbayerische Schädel ~
formen. — Wurmbrand: Mensch und Fauna der
LöBBbilduugeu. — Wank u 1 . Dasselbe. — Uft-
dinger: Gehirn -Windungen bei Lang- und Kurz-
köpfen, und bei den verschiedenen Geschlechtern.
— Hart mann A.: Hochäcker.— üh lense hl ager :
Alter der Uochäcker.
Titel. Inhalt.
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Correspondenz - Blatt
der
deutschen Gesellschaft
fiir
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
ix.
Jahrgang 1B7B.
Redigirt ron
Professor Julius Kollitianu in Basel
(Nummer 1 bi» 8)
und
Professor Johannes Ranke in München
(Nummer 9 bi» 12).
München.
Akademische Buchdruckerei von F. Straub.
1838.
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INHALT.
Nr. 1. Januar.
L. Lindenscb mit, Sch lie in ann's Entdeckungen in ,
Mykene und die Kritik. S. 1. — Sitzungsberichte
der Lokalvereine. Sitzung des anthropologischen
Vereins za Jena am 11. Dezember 1876. Karl
Martin, Lebensweise and Geräthe der siid-chile- |
niscben Indianer. S. 6. — Sitzung vom 15. Januar
1877. Schwalbe. Ober die menschlichen Haare.
S. 7. — K. Martin, Behaarung der Wilden. S. 8.
— Klop fleisch. Zwei Skeletfunde. 8.* — Klei-
nere Mittheilungcn. Uraunschweig. S. 8.
Nr. 2. Februar.
Sitzungsberichte der Lokalvereine. Sitzung des anthro-
pologischen Vereins zu Danzig am 27. Oktober 1876.
Lisaauer, die Sammlung des Daniiger Lokalver-
eins. 8.9. — „Symbolische“ Steinhämmer. S. 10. —
Florkowski, Bohrung der Stein Instrumente. 8.11.
— Helm und Mannhardt, bearbeitete Bematein-
stöcke. S. 11. — Sch ück. Inhalt eines Kegelgrabes.
S. 11. — Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Göttingen am 20. Mai 1877. Unger, über den
Einfluss de« Klimas auf die Kntwickelung der Konst,
speziell der Architektur. S. 11. — Ehlers, Schädel
von eingeborneu Inselbewohnern der TorTPHstnuse.
S. 12. — Sitzung des anthropologischen Vereins in
Jena aui 21. Februar 1877. Fort. läge über die
wilde und zahme Völkerfamilie. S. 12. — Wissen- <
schaftliche Mittheilungcn. M Freu ekel. Aus-
grabungen bei Cötben. 8. 14. — Zur Literatur über
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in
Deutschland. Archiv für Anthropologie. 111. Heft.
S. 1«.
Sr. 8. Mürz.
Geaellschaftsnacimchten. Gründung von Zweigvereinen
in Kiel und Münster. S. 17. — 0. Fr aas, prä-
historische Karte. Bitte an die Mitglieder der
deutschen anthropologischen Gesellschaft. S. 17. —
C. S t r u c k m a n n , Vorkommen von bearbeiteten
Steinen im Kieslager von Bobbin auf der Halbinsel
Jasmund, Insel Bügen. S. 18. — Engelhardt, 1
Grabfunde auf der Insel Seeland. S. 19. — Kraul,
von Boxberg, über Niederlassungen aus der Beim- j
thierzeit irn Mojeune- Departement. S. 20. — von
Zmigrodzki, prähistorische Funde auf dem Loden !
des altpoiniscben Reiches. S 28. — Zur Literatur >
über Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in
Deutschland. Zeitschrift für Ethnologie, Inhalt des i
II. Heftes. Verhandlungen der Berliner anthropo-
logischen Gesellschaft. S. 24.
Nr. 4. April.
Voss, über den Fund einer Hradiftte bei Stradonic in
der Gegend von Bernau in Böhmen. S. 25. —
Schaaffh&usen : Dr.Carl Fuhlrott Nekrolog.
8 27. — Eine unechte Raneninschrift in Livland.
S. 30. — Weis mann, Mitglieder-Verzeichniss der
deutscheu anthropologischen Gesellschaft nach dem
Stande Ende 1877. S. 30. Badischer anthropologi-
scher Verein. S. 30. — Zur Literatur über An-
thropologie, Ethnologie and Urgeschichte in Deutsch-
land. Zeitschrift für Ethnologie 1877. III. Heft.
Inhalt Verhandlungen der Berliner anthropologi-
schen Gesellschaft.
Nr. 5. Mai.
Weis mann, Mitglieder-Verzeichniss der deutschen an-
thropologischen Gesellschaft nach dem Stande Ende
1877, Fortsetzung und Schluss. 8.33. Berliner an-
thropologische Gesellschaft S. 33. — Niederrheini-
sche Gruppe in Bonn und Köln S. 36. - Koburger
Lokalverein. S. 37. — Danziger Lokalverein S. 37.
— Lokalvorcin in Elberfeld. 8 38. — Frankfurter
Gruppe. S. 38. — Groppe in Gotha. 8.38. — Göt-
tinger anthropologischer Verein. 8. S8. — Groppe
Hamburg-Altona. 8. 39. — Anthropologischer Ver-
ein in Jena. 8. 39. — Lokalverein in Königsberg.
3. 40. — Mainzer Gruppe. S. 40 — Münchener
anthropologische Gesellschaft. $. 40. — Schleswig-
Holsteinischer Zweigverein in Kiel. S. 42. — Weis-
senfelser Verein filr Natur- und Alterthuinskunde.
8. 43. — Westphälische Gruppe in Münster S. 41. —
Grnppe in Wien. 8. 45. — Anthropologischer Ver-
ein in Würzburg. 8. 45. — Wörtern berg'wche an-
thropologische Gesellschaft S. 45. — Nachtrag:
Gruppe in Basel- S. 49. — Gruppe in Stralsund.
8. 49. — Isolirte Mitglieder der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft S. 47. — Verzeichniss der
lebenslänglichen Mitglieder der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft. 8- 50 — Ehrenmitglieder.
S. 50 — Schriftenaustausch. S. 50. — Zusammen-
stellung der Zweigvereine und Gruppen. S. 49.
Nr 6. Juni.
Vereins-Nachrichten. Die Generalversammlung der deut-
schen anthropologischen Gesellschaft in Kiel. Auf-
ruf. S. 52. — M. Roth an er, der prähistorische
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Kupferbergbau in Nordamerika. S. 52. — Sitzungs- j
berichte der Lokalvereine. Sitzung des Schleswig- |
holstein'schen Zweigvereins am 15. Man 1878.
Handelmann and Pansch, neue Gräberfunde.
8.54. — Strauch, über die angeblich vergifteten j
Pfeile der Südsee-lnsulaner. S. 55. — J. Moatorf, i
Fund bei Ellerbeck S. 55. — Kleinere Mittheil- .
urigen: Victor Gross. Deuz Station« lacustres
Mörigen et Auvernier- S. 57. — Gräber bei Ramsen, j
S.57. — 0. Fr aas, galvano plus tische Naehbildnng j
der Thayinger Funde. S. 57. — Nachricht für die ;
Besucher in Lübeck. 8. 58. — Bei der Redaktion
eiugelaufene Werke bis Anfang April 1878. S. 58. 1
Kr. 7. Juli.
Roll mann, kraniometrische Konferenz im September
1877 zu München. S 59. — Sitzungsberichte der
Lokalvereine. Sitzung des anthropologischen Ver- ]
eins zu Danzig vom 7. November 1877. S. 60. — ;
Mannhardt, Ausgrabungen bet Stargardt und
Danzig. S. 61. — Sitzung desselben Vereins vom
28. Januar 1878. S. 68. Schück, Ausgrabungen
iui tierenter und Kartlmuser Kreise. S 63. —
Li b sauer, Auffindung angeblich phOnizischer In-
schriften auf nord -europäischem Boden. 8. 64. —
Mann har dt, über Sprache, Schrift und Epigraphik
der Phönizier. S. 65. — Much, Kamenebabe, Stcin-
miitterchen. S. 66. — Verhandlungen der Berliner
anthropologischen Gesellschaft. Sitzung vom 17. Fe-
bruar; 17. März. — 7. April 1877. S. 66. — Klei-
nere Mittheilungen. S. 66. cfr. dasselbe Nr. 6.
Nr. 8. August.
Sitzungsberichte der Lokalvereine. Sitzung des anthro-
pologischen Vereins zu Danzig vom 12. April 1878. |
Mannhardt, Gesichtsurnen. S 67. — Lissauer, 1
Vorgeschichte des Calroer Landes. S. 68. — C.
Mehlis, Grabhügelfeld bei Ramsen. S. 72.
Nr. 9. September.
Bericht über die IX. allgemeine Versammlung der deut-
schen anthropologischen Gesellschalt zu Kiel ain j
12.— 14. August 1878 mit den Stationen Hamburg i
und Lübeck, redigirt von Johannes Ranke, Ge- |
nemlnekretär.
Tagesordnung und Verlauf der IX. allgemeinen Ver- |
Sammlung. S. 75. — Mitglieder - Verzeichnis! der :
IX. allgemeinen Versammlung. S. 76. — Das den
Mitgliedern der IX. allgemeinen Versammlung ge-
botene Studienmaterial. S. 78. - Die der IX. all-
gemeinen Versammlung vorgelegten Bücher und
Schriften. 5. 82. — Erste Sitzung: Schaaff-
hausen, Eröffnungsrede. S. 84. — Lorenzen,
Begrüßungsrede. S. 88. — liandelraann, Be-
grüßungsrede. S.S8. — Johannes Ranke, wis-
senschaftlicher Bericht des Generalsekretärs. S. 90.
Mit Beilage 1. : Neue unterirdische Gänge in Kissing.
— Weismann, Kassenbericht. S. 94. — Zweite
Sitzung: Neuwahl der Vorstandschaft und des
Ortes der X. allgemeinen Versammlung. S. 97. —
Berichterstattung der drei Kommissionen : 0. Krau s,
prähistorische Karte S. 98 — R. Virchow, Sta-
tistik der Schidelfornien in Deutschland. S. 100 —
Nr. 10. Oktober.
Portsetzung des Berichtes der IX. Versammlung. Vir-
cbo w, Fortsetzung des Kommissionsberichte*. S. 107.
— Schaaffhftusen, da* anthropologische Material
in Deutschland. 8. 111. — Scbaaffhausen, der
Neanderthaler Fund. S. 116. — C. Mehlis, Aus-
grabungen auf der Limburg. S. 120. — J. Ranke,
Beiträge zur Kraniologie der Bayern und ihrer
Machbarst* ru tue. S. 123. — S t i e d a , über die Esten
mit Bemerkungen über Methode der Schädel tnew-
utig. Demonstration einer neuen Konservirungs-
Methodc für anatomische Präparate. 8. 125. — Vir-
chow, slavische Funde in den östlichen Theileu von
Deutschland. S. 128.
Nr. 11. November.
Schluss des Berichtes der IX. Versammlung Virchow,
Fortsetzung aus Nr. 10. S. 139. — WeiBmann,
Voranschlag für das Jahr 1878/79. S. 141. — Mook,
Steinzeit in Aegypten. S. 142. — Krause, über
cbamäcepbale Schädel aus der Umgegend Hamburgs.
Ein mikrocephales Gehirn. 8. 145 — Pansch, über
Mikroccplialie. S. 147. — Virchow, über die Ho-
rizontale der Schädel, mit Beilage II: Zeichnungen
von Affen, „Affenmenschen“ und Australiern. S. 148.
— Virchow, Vorlage von Mannfakten aus dem
Diluvium von Thiede und Westeregeln (Nehring).
8. 149. — Schaa ffhausen, über altgermanische
Denkmäler im Rheinlande. S. 151. Hilgendorf,
Lucä'scher Zoiclienapparut zum Reisegebrauch. 8. 155.
— Virchow, über Schalensteine. 8. 155. — O.
Kraus, Schädel des Oribos nnd Thayinger Höhlen-
kunst. S. 157. — Johanne* Ranke, über kera-
mische Technik und keramisches Ornament au« den
bayerischen Höhlen. S. 158. — Sc haa ff hausen ,
Schlußrede der IX. allgemeinen Versammlung. S. 159.
— Rednerliste der IX.allgemeinenVersaimnlungS.lOO.
Nr. 12. Dezember.
C. Mehlis, die wissenschaftliche Station der IX. allge-
meinen Versammlung der deutschen Anthropologen in
Lübeck und Umgebung. S.101.— Kleine Mittheilnngen.
Bei der Redaktion von April big Ende D^zembereinge-
laufenenSchriften. S. 1 64.— Inhaltsverzeichnis« u. Titel.
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Correspondenz-Blatt
der
»lentsclien Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und lirgesdiichte.
lieiliyirt im Professor Kothnann in München.
GiHtrahmuhn 4rf HtntUchafl.
Nr. 1.
Erscheint jeden Monat.
Januar 1878.
Schliemann’e Entdeckungen in
Mykenä und die Kritik.*)
Dem vielen Schönen. das uns der Weihnachts-
tisch diesmal an Werken künstlerischen und kunst-
historischen Inhalts brachte, hat sich zuletzt noch
eine archäologische Gabe von hoher Bedeutum?
und eigenthümlich fesselndem Interesse angesohlos-
sen: der längst erwartete Bericht filier die Aus-
grabungen Schliem ann’s in den Trfimmerstfitten
von Tiryns und Mykenft: „Mykenä, Gericht über
meine Forschungen und Entdeckungen in Mykenä
und Tiryns, von Dr. Heinrich Scliliemann. Mit
einer Vorrede von W. K. Gladstone.“**)
Das vortrefflich illustrirte Huch gewährt uns
endlich eine zuverlässige Anschauung jener viel-
besprochenen Schatze, deren Erhebung wir der un-
vergleichlichen Ausdauer und Opferwilligkeit eines
einzelnen Mannes und seinem begeisterten Eifer ffir
die Erkundung der griechischen Heldensage und
ihrer Schauplätze zu verdanken haben.
Besser als aus allen früheren Schilderungen
vermögen wir jetzt zu erkennen, inwieweit diese
Künde, einzig in ihrer Art, einen Blick eröffnen
über das Gebiet jener Denkmale hinaus, welche wir
als die frühesten Zeugnisse der hellenischen Kultur-
Entwicklung zu betrachten pflegten, and kein Zweifel
kann jetzt mehr darüber walten, dass hier Ueber-
reste jenes dunkeln Zeiträume» vorliegen, welchen
wir seither bei so beschrankter Kenntnis» seiner
monumentalen Hinterlassenschaft entweder mit den
*) Abgedruckt aus der Beilage zur A. Allg. Zeitung
vom *22. Jan. Iö7b.
**) Leipzig, bei Brockhaus.
Cvr/Mp -BUtt Nr.l.
Nebelbildern einer urzeitlicheu arischen Kultur, oder
mit dei bestimmteren Vorstellung ägyptischer und
assyrischer Bihlungsüherlieferuug zu beleben und zu
gestalten versuchten.
Mussten min auch diese Annahmen mit der
Entdeckung jener wunderbaren (irabfünde sich ver-
lieren oder wesentlich beschranken, so erhielten wir
mit den letzteren doch keineswegs sofort auch »len
Schlüssel ihrer unmittelbaren Erklärung in allen Ein-
zelheiten sowohl als im Allgemeinen ihrer so über-
raschenden Vereinigung von Denkmalen so verschie-
dener Art und scheinbar zeitlich unvereinbaren
Charakters.
Messer und Pfeilspiueu aus Obsidian neben
Bronze-Schwertern der einfachsten Form, aber mit
reicher Goldverzieruug von Griff und Scheide. Ein-
fachste. nur mit der Hand geformte Thongeftsse
neben bemalten Erzeugnissen der Töpferscheibe.
Primitive Relief-Sculpturen neben Gemmen und In-
taglio». deren lebendige, aber rohe Darstellungen
mit einer schon beacht enswerthen technischen Fer-
tigkeit ihrer Ausführung contrastireu. (»old- und
Silbergcfässe und zahllose Goldschruuckgerflthe.
deren Verzierungsweise, neben der Verwendung von
Rosetten, Blumen- und Ptiauzenblättern. sich doch
vorzugsweise nur in Zusammenstellung concentri-
scher Kreise uud in Variationen der Spirale und
des Mäander» bewregt, andrerseits aber doch wieder
eine Menge von Thiergestalten bringt, von den lu-
secten und Mollusken bis zu dou VierfÜsslern und
ihren fabelhaften Verwandten, dem Greif und der
geflügelten Sphinx, während bei der Darstellung von
menschlichen Figuren in Terracotta oder Metallarbeit
die ersten Versuchsstufen kaum überschritteu sind.
1
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o
Untor diesen vielartigen Gerät hen begegnen
wir nur hie und da bereits bekannten Formen und
Motiven; die Gesammtcrsrheiming gewährt vorwie-
gend den Eindruck eines hochulterthümlidicn nur
in einzelnen Zügen auf Späteres hinweisenden Stil-
charakters, bei aller Verschiedenheit der Arbeiten
in Gold, Edelstein, Bernstein. Bergkrystall, Elfen-
bein, nicht nur dein Stoffe selbst nach, sondern
auch dem grösseren oder geringeren Masse von
Geschmack und Geschicklichkeit seiner Behandlung.
Bieten demnach diese merkwürdigen Grabfünde
an und für sich schon die anziehendste Aufgabe
der Forschung, so erhalten dieselben noch eine un-
gleich höhere und allgemeinere Bedeutung durch
den Ort ihrer Entdeckung und die bestimmte Ueber-
lieferung der griechischen Herociisage. welche das
tragische Ende Agamemnons mit demselben in nächste
Beziehung bringt. Alles vereinigt sich dahin, uns
auf einen lern ahliegenden Zeitraum hinzuweisen,
für dessen Beurtheilung die Wissenschaft bis jetzt
nur beschränkte und unvollständige Mittel bietet.
Dieser Mangel an Prüfung»- und Vergleichungs-
material erklärt auch wohl einigermassen die Zurück-
haltung unserer gelehrten Kreise, von welchen wir
zunächst die gewünschten Aufschlüsse erwarten
konnten» Die rasche Folge der Entdeckungen schien
nur geeignet die momentane Rathlosfgkeit zu steigern
und die Theilnahme an den neugewonnenen Schätzen
ln einem Grade zu dämpfen, dass wir, statt einer
eingehenden, wenn auch noch so strengen, Prüfung
der Ansichten des Entdeckers, nur Acusserungen
vager Bedenken oder schroffer Ablehnung, ja sogar
die Verdächtigung des Alters und die Echtheit der
Fflnde zu vernehmen hatten.
Kein Wunder, dass sich demnach auch ein
Theil unserer Presse an der Behandlung der Frage
in dieser Richtung betheiligte und in der Gering-
schätzung eines Unternehmens wetteiferte, welches
an energischer Durchführung und an Wichtigkeit
der Resultate alle früheren Versuche von Privaten
weit überragt und sich selbst den grossen auf Kosten
der Regierungen ausgeführt eil Untersuchungen wür-
dig zur Seite stellt. Der sensationelle Klatsch be-
fasste sich sogar mit den persönlichen Verhältnissen
Sr hliemann’s und nahm keinen Anstand, die be-
deutenden Summen, welche der seltene Mann den
Zwecken der Wissenschaft opferte, zu verdächtigen.
Kurz, wir sahen einmal wieder jenen verblen-
deten Eifer in voller Thätigkeit, welcher so oft bei
uns die Leistungen eines Landsmannes, die man
überall anderswo für die Ehre der Nation zu ver-
werthen sich beeifern würde, so schnell und gründ-
lich als möglich lierahzusetzen bemüht ist.
Allerdings konnte dieser Verkehrtheit die ge-
rechte Beschämung nicht erspart bleiben, dass das
gesummte Ausland Schlicma n n's Erfolgen die
vollste Würdigung entgegenbrarhte . und auch
deutsche wissenschaftliche Vereine und Forscher
ihm ihre Achtung und Anerkennung auszudrücken
sich beeilten. Ein allgemeiner Umschwung der An-
sichten »teilt um so gewisser zu erwarten, als jetzt
die Uebersicht derGesammterpebnisse seiner Tliütig-
keit vorliegt, mit welcher einer Prüfung derselben
erst eine sichere Grundlage gegeben ist.
Mögen nun die Erklärungen des Entdeckers
sich iin Wesentlichen bestätigen oder nicht, je ein-
gehender nach dem Wunsche Schliemann's die
Erörterung derselben sein wird, desto umfangreicher
und vielseitiger wird der Gewinn sein, welchen die
Forschung aus diesen merkwürdigen Künden erheben
wird. Widerspruch und gegensätzliche Anschauung
sind hei Untersuchungen dieser Art eben so uuab-
weislich als für die möglichste Klarstellung förder-
lich und deshalb willkommen, sobald sic eine un-
befangene Auffassungsweise nur mit wissenschaft-
lichen Mitteln geltend zu machen suchen. Aber
selbst Aeusserungen, welche diese Ansprüche nicht
berücksichtigen, bieten oftmals in so fern eine lehr-
reiche Seite, als sie die falsche Richtung bezeichnen,
in welcher eine grundsätzlich negirende Opposition
zu Aufstellungen und Behauptungen verleitet wird,
über deren Werth und Gewicht sich nur Selbst-
überhebung oder Leidenschaft zu täuschen vermag.
Dies bestätigt wiederum in treffender Weise
die neueste Kundgebung gegen Sc hlieniaiin von
Seiten des Ilrn. A. S. Murray in Nr. 203 vom
15. Dec. der Londoner Zeitschrift «The Academy,
a weckly review of literature, Science and art“.
Wenn wir uns veranlasst sehen, dieser Be-
urtheilung einige Bemerkungen zu widmen, so be-
stimmt uns hiezu keine andere Bedeutung de»
Schriftstücks als die Stellung seiues Verfassers am
Brittischen Museum, welche seinen Behauptungen
und Einwendungen, wie wir bereits den Aeusserungen
der Presse entnehmen, immerhin einiges Gewicht
zu verleihen im Stande ist, zugleich auch der Wunsch
aus der beginnenden Erörterung der vorliegenden
Fragen verwirrende Anschauungen zu heseitigeu.
Als eine solche muss es aber bezeichne? wer-
den, wenn Ilr. Murray behauptet: die fraglichen
Gräber seieu nicht hellenischen, sondern germani-
schen Ursprungs, und wenn derselbe in dem be-
rühmten Gräberfelde von Hallstatt die Belege za
dieser kühnen Aufstellung tindet. Es ist Sache der
germanischen Forschung, gegen so schweres Miss-
verstündniss sofort in die Schranken zu treteu
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3
Sehen wir von der Vorfrage ganz ah. in welchem
Sinne hier jenes alpinische Tndtenfeld zu den ger-
manischen gezählt wird, so ergehen sich die Ver-
suche, aus denselben eine erklftrende Parnllelo für
die Bestattungsweise und den Inhalt der Gräber
von Mykenä zu gewinnen, als ganz vergebliche.
Zunächst in der unregelmässigen Lage der
Todten von Mykenä und der Beisetzung mehrerer
Skelette in demselben Grabe findet Hr. Murray
eine Uebereinstimmung mit Hallstatt und eine wich-
tige Gemeinsamkeit der Todtenbestattnng, ohne zu
wissen, dass gerade diese Kigenthümlichkeiten weder
fflr germanische Grabstätten überhaupt, noch selbst
für jenen alten Friedhof im Snlzkammergut im ent-
ferntesten als bezeichnendes Merkmal gelten können.
Denn hier, in den nahezu tausend Grabstätten, ist
die Beisetzung der Todten so überwiegend eine
regelmässige, dass nur die wenigen Ausnahmen,
welche auf Tafel II des Sacken’schen Werkes ab-
gebildet und Seite 8 11 beschrieben sind, eine
ungewöhnliche Lage zeigen, die in den einzelnen
Fällen aus nulielicgemlen und ganz anderen Ver-
anlassungen zu erklären ist, als die Situation der
Körper in den 30 Fuss tiefen Gräbern des felsigen
Bodens von Mykenä.
Eben so wenig kann die Vermischung der Be-
stattung mit theilweiser Verbrennung der Leichen
ausschliesslich germanischem Brauche zugewiesen
und. wie Hr. Murray glaubt, „nach dem Zeugnisse
der bereits zahlreichen Ausgrabungen auf griechi-
schem Boden“ als durchaus fremdartig «1er helleni-
schen Sitte gegenübergestellt werden, zumal der
Verfasser selbst an anderer Stelle hervorzuheben
veranlasst wird: dass jene Untersuchungen, welche
nur an geschichtlich bekannten Orten ausgeführt
wurden, wenig massgebend sind für Erscheinungen
auf Gebieten , die räumlich ausserhalb nächster
Berührung liegen mit der Culturentwicklung der
grossen Städte späterer Zeit.
Einer gleichen Dürftigkeit und Haltlosigkeit
der Nachweise begegnen wir in der Darlegung «ler
Verwandtschaft einiger Fundstücke von Mykenä
und Hallstadt und der hieraus hergeleiteten Schlüsse
zu Gunsten der Behauptung einer Verschieden-
heit des Stils und «leshalh späten Zeitstellung des
Mykenis« hen Gesamnitfundes.
Indem Hr. Murray zwei mehrmals wie«ler-
kehreude Ornamente der Goldarbeiten auch auf
zwei Bronzen von Hallstatt nachweist und ein be-
deutendes Gewicht darauf legt, dass dieselben ausser
aller Beziehung zu der russischen Ornamentik
stehen, zeigt er nur seine Unbekanntschaft mit der
Thats&che, dass es für das Alter mancher Ver-
zierungsmotive keineswegs eine unerlässliche Be-
dingung ist, ob sie in den Kreis der classischen
Ornamentformen Aufnahme gefunden haben oder
nicht.
Neben der in dieser Hinsicht bevorzugten
Spirale und dem Mäander haben sich andere Or-
namentmotive unter sehr unwesentlichen Modifica-
tionen von der ältesten Zeit her bis zu einer sehr
späten im Gebrauch erhalten, wenn auch nicht
immer in der Kunst, so doch in der kunstgewerb-
lichen und handwerklichen Sphäre. Das Dreieck
und Viereck mit verlängert auslaufenden und auf-
gerollten Winkelspitzen, wie es weit häufiger als
jene von Hm. Murray bervorgehobenen Motive
auf den Denkmalen von Mykenä wiederkehrt, reichen,
wie bekannt, in eine sehr hohe Frühzeit und er-
scheinen. obgleich ausgeschlossen von der eigent-
lich classischen Ornamentik, auf sehr alten Thon-
gefässen und Metallarbeiten, wie auf solchen der
römischen Zeit, and hahen sich noch in «ler soge-
nannten Fischblasen- Verzierung der Spätgothik recht
auffällig bemerkbar gemacht.
Dass man berechtigt wäre, einen Fundgegen-
stand nur auf Grund der Verwendung dieses Orna-
ments ohne weiteres in eine beliebige dieser späteren
Perioden zu versetzen, wird wohl Niemandem in den
Sinn kommen. Dies gilt auch bezüglich jener beiden
als aussehlaggebeml bezeiehneten Muster des Hrn.
Murray, sowohl der Baute, deren Eckspitzen um
zwei au ihre Seiten gesetzte Kreise aufgerollt sind,
als auch einer jener zahllosen Variationen des in
schlangcnartige Windungen gelegten Band - Orna-
i ments.
Alle diese Motive sind nicht etwa schon des-
halb, weil sie in der classischen Verzierungsweise
Griechenlands fehlen, specifisch germanisch oder
nordisch überhaupt. Sie erscheinen in den Gräbern
diesseits «ler Alpen and weiter nach dem Norden
hin nur auf Gefässen, Geräthen und Waffen, welche
von auswärts durch den Völkerverkehr als ein
Ueberschuss der Industrie-Erzeugnisse des Südens
dorthin gelangten, und zwar nicht aus dem fernen
Griechenland, sondern ans Italien. In diesen beiden
Ländern begegnen wir in ältester Zeit denselben
Wirkungen gleichartiger fremder Einflüsse, einer
Kreuzung ägyptischen und assyrischen Stils neben
cigcnthümlichcn barbarischen Elementen, welche
bis jetzt nicht mit Sicherheit als durchgehend ein-
heimische zu bezeichnen sind und sich in Italien
kenntlicher zeigen, weil sie dort in den Erzeug-
nissen des Handwerks und der Industrie länger eine
gewisse Selbständigkeit bewahrten, selbst über die
Zeit hinaus, in welcher die Entwicklung der clas-
1*
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4
rischen Kunst in Hellas auch auf jenes Land ihre
Wirkungen Ausserte.
Ein sorgfältigeres Studium des Hallst Atter
Gräberfeldes und damit auch der etruskischen Alter-
thflmer, auf welche dasselbe unabweislh h hinffihrt.
hatte, statt zu der verkehrten Bestimmung der
Nationalität der Gräber von MykenA zu verleiten. |
über eine Heihe von Thatsachen belehren müssen,
welche auch für die Reortheilung der Verhältnisse
in Griechenland und ihre Eigcnthümlichkeiten in
Ältester Zeit die lehrreichsten Andeutungen ge-
wahren können.
So auch namentlich darüber, dass mau nicht
berechtigt ist, die Menschen- und Thiertiguren von
einer noch primitiven Auffassungs- und Darstellungs-
weise ohne weiteres als ungeschickte Copion besserer
Originale zu betrachten, da sich auch in ganz Italien,
wie in Kallstadt, solche wie von Kinderhand ver-
fertigte Thon- und Metnllfiguren finden, und zwar
unmittelbar neben Erzeugnissen des schon ausge-
bildeten archaischen Stils, der hier nicht etwa nur aus
einer Bekanntschaft mit griechischen Arbeiten zu er-
klären, vielmehr seinem Ursprünge nach aus denselben
fremden Quellen wie in Griechenland herzuleiten ist.
Der Contrast, welchen in den Gräbern von
MykenA jene rohen Thiergestalten mit der Auffas-
sung und Behandlung des silbernen Kuhhauptes
bieten, hat deshalb so wenig Bedeutung für die
Altersstellung der gesammten dortigen Grahfflndc,
als der Gegensatz der puppeuartigeu Menschen' und
Thierfiguren in dem grossen Grabe von Cftre zu
den heigefundeneu. besser stilisirten Darstellungen,
namentlich zu der lebendigen Zeichnung der Reiter
auf den gravirten Schalen.
Es steht ja nicht das Geringste entgegen, eine
solche im Vergleich mit den übrigen Bestandteilen
eines Grabfundes so überlegene Arbeit als ein weit-
hergebrachtes Erzeugnis vorgeschrittener Cultur-
verhältnisse anzuerkennen, zumal wenn, wie in den
Schalen von ("Are, hiefür die un verkenn barsten
Andeutungen vorliegen.
Aber abgesehen von der Beimischung solcher
offenbar fremdartigen Bestandteile, scheint weiter-
hin auch tflr die Beurteilung Ähnlicher Erschei-
nungen aus einer so weit entlegenen Vorwelt die
Beachtung zweier Möglichkeiten empfehlenswert h
zur Bewahrung vor allzurascher Bezeichnung zeit-
bestimmender Merkmale und verschiedener Stil-
»rten. Einmal die immerhin denkbare zeitweise
schnellere Entwicklung eines bevorzugten Zweiges
der Kunst oder des Kunst gewerhes, namentlich
unter fremder Einwirkung, und ferner auch die
Verschiedenheit der Begabung und Ausbildung der
Künstler und Gewerbegenossen, welche, zu der Zeit
der allmählichen Entwicklung eines Stils bemerk-
licher hervortreten mussten, als in der Epoche seiner
vollendeten Beherrschung aller Kunstzweige, die
ohne eine möglichst gleichm&ssige Ausbildung und
Schulung aller Beteiligten undenkbar ist.
Bleibt demnac h jenes merkwürdige Kuhhaupt
mit seinen grossen goldenen Hörnern für den Be-
weis einer späteren Zeitstellung der Mykcnischen
Gräber in keiner Weise ausschlaggebend, so fragt
es sich, oh und in welcher Weise es mit der ver-
meintlich germanischen Bestattungsweise in Be-
ziehung zu bringen wäre? Von dem Kritiker er-
fahren wir hierüber nichts. Indem er sich ent-
schieden gegen jede mythologische Bedeutung des
Stückes ausspricht, weiss er ausser einigen ironi-
schen Bemerkungen über Schliem aiin's Erklärung
uns nichts weiter mitzutheilcn, als die Behauptung,
dass wir hier nicht den Kopf einer Kuh, sondern
eines Ochsen vor uns haben.
Auch über die goldenen Todtenraasken, welche
sowohl die germanische Hypothese, als die Annahme
einer verhältuissmässig späten Zcitstellung beseitigen,
schenkt mau uns keine weitere Aufklärung.
Dafür wird zur Stütze einer geringfügigen Be-
urtlicilung der Mykenischcti Grabstein-Sculpturen
eine Vergleichung mit nordischen SteinroetzarbeiU*n
versucht, die nicht unglücklicher gerathen konnte.
In jencu Reliefs von MykenA will man ganz
entschiedene Ausnahmen von der Geschicklichkeit
in Behandlung der FlAchenverzierung bei allen
übrigen Fundstücken erkennen, und weiss für den
Charakter dieser Grabsteine keine bessere Ver-
gleichung zu finden, als mit „den seulptirten Steinen
in Schottland, die jetzt, nach Beseitigung der An-
nahme eines unberechenbaren Alters, iu das 1U.
bis 13. Jahrhundert verwiesen sind und zu dieser
Zeit von ansässigen Steinmetzen ausgeführt wurden,
welche beauftragt waren, verschiedene Muster aus
illustrirten Klostermanuscriptcn auf denselben zu
reproducireu“.
Inwiefern uns mit dieser Vergleichung das Ver-
stAndniss des Charakters jener Grabsculpturen er-
schlossen werden soll, ist geradezu unbegreiflich.
Mag man auf die Spätzeitlichkeit, oder den geringen
Kunstwerth beider Arten von Seulptureu. oder auf
ihre Eigenschaft als Copien fremder Master vor-
zugsweise das Gewicht legen; so kann dasselbe nach
der Grand Verschiedenheit beider Yergleichungs-
objecte niemals ein gültige* Muss für beide ergeben.
Die Leichtfertigkeit einer solchen Behauptung
aber ist zu bezeichnend, als dass sie nicht eine
nähere Darlegung verdiente.
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5
Was zunächst den Mangel an Originalität jener
Steinsculpturen in Schottland betrifft, so müsste die
Behauptung: dass ihreVerzierungsweisc ausschliess-
lich nur auf Klostermanuseripte zurückzuführen sei,
zu der Annahme nöthigen, dass diese eigenthüm-
liche Ornamentik ursprünglich einzig und allein zur
Verzierung von Büchern erfunden worden, wahrend
sonst überall und zu aller Zeit für solche Zwecke
nur ein bekannter und geläufiger Yerzienings-
geschmack verwendet wurde. Dies war auch auf
den brittischen Inseln der Fall, und wenn dieser
Ornamentstil dort auch auf den Fundstücken der
Altesten Zeit, die nnr in auswärts gefertigten Metall-
waaren bestehen, nicht narhznwciseu ist, so darf
doch mit aller Sicherheit angenommen werden, dass
er in dem ganzen mittleren Kuropa heimisch und
auf Gegenständen vergänglichen Stoffes, namentlich
in der Holzarbcit, die allgemeinste Anwendung
fand, da er in allen Ländern gleich massig und
gleichzeitig in der Mctallarbeit auftritt, sobald die-
selbe im Verkehr mit den Römern eine umfassendere
Ausbildung erlangt hatte.
Davon kann sich Jedermann aus den Schmuck-
geräthen der angelsächsischen Grabhügel überzeugen,
welchen die grosse Masse der Grabfünde in den
Ländern der übrigen germanischen Stämme zur
Seite steht. Von diesen iu demselben Geschmack
ornamentirten Geräthen reicht weitaus die Mehr-
zahl über die Zeit hinauf, in welcher Mönche die
Feder spitzten, um mit Hilfe von Zirkel und Lineal
die wilden Klemeutc der nationalen Zierweise ge-
wissermassen zu händigen und jenes schlangeuartig
verschlungene Bäuderwerk mit seinen zoomorphi-
schcn Bildungen von Vogel- und drachenart igen Ge-
stalten in eine bestimmte Art von rhythmisch ge-
regeltem kalligraphischen Schnörkelwerk zu ver-
wandeln und für ihre Zwecke ansprechend und
brauchbar zu machen. Nur wenn nachzuweisen
wäre, dass wir die Verzierungen dieser Manuscripte
als die einzigen und letzten Denkmale jenes älteren
Stils, so zu sagen als die Ausläufer desselben, zu
betrachten hätten, könnte zugleich angenommen
werden, dass der bezeichnet e Ycrziernngsgesehmack
dem Volk in Kngland, im Gegensatz **t allen anderen
lAndern, schon im 10, Jahrhundert so weit ent-
fremdet und in Vergessenheit geräthen war. dass
zur Verzierung jener Steinsäulen die Muster aus
alten Büchern herheigcholt werden mussten.
Jedoch erst unserer Gegenwart ist eine dem ge-
sammten Alterthnm fremde Neigung eigenthümlich,
Denkmale in dem Geschmack vergangener Zeiten oder
in einem der nationalen Ueberlieferung nicht ent-
sprechenden Stil zu errichten und auszuschmücken.
Näher liegt daher die Annahme, dass, wenn
überhaupt jene schottischen Steine dem 10. bis
13. Jahrhundert angehören, entweder jener alte
Ornamentstil immer noch im Volke bevorzugt ge-
blieben war, oder dass er bei Errichtung jener
Steine die Herstellung von älteren Denkmalen aus
Holz galt, die man aus irgendwelchem besonderen
Grund in dauerhafterem Stoff für alle Zeiten zu
erhallen bemüht war.
Aber gesetzt selbst, es Hesse sich die fragliche
Behauptung für einen einzelnen Fall sogar urkund-
lich nachweisen — wo bleibt irgendeine Beziehung
zu den Seulpturen in Mykcnfl?
Um eine Vergleichung nur einigermassen zu-
lässig erscheinen zu lassen, müsste erst nachgewiesen
werden, dass in Griechenland eine ursprünglich
nationale Kunstrichtung unberührt und unabhängig
von jedem fremden Einflüsse zu einer höheren Ent-
wicklung gelaugte, und dass die Donkmale dieser
Periode dann wieder in rohen Copion reproduoirt
worden seien.
Doch genug über den verfehlten Versuch, die
Fünde von Mykeuä mit den Alterthümern des Nor-
dens iu Beziehung zu bringen. Wenn solche in
einzelnen Punkten in der Tliat vorliegen, so sind
sie in gauz anderen Fund stücken diesseits der Alpen
zu suchen und iu ganz anderer Weise zu erklären,
als mit Voraussetzungen und Vergleichungen, welche
einen wissenschaftlichen Standpunkt bezeichnen, der
nicht entfernt dazu berechtigt, auf Sc hl ic mann
als Autodidakten mit überlegener Miene herab-
zusehen.
Nicht in weitester Ferne, sondern in den Nach-
barländern und aut den Inseln des Meeres, welches
die Küsten von Argolis bespült, sind analoge, die
Fünde von Mykcnä erklärende Thatsachen aufzu-
sucheu, und gerade deshalb glaubten wir zuerst
von dem Brittischen Museum her lichtgebende Mit-
theilungen erwarten zu können, da hier die grösste
Fülle von Vergleiehttugsmalerial. besonders hinsicht-
lich der Alterthümer der alten vorderasiatischen
und Mittclineer- Völker vereinigt ist.
Wir waren zu dieser Hoffnung um so mehr
berechtigt, als wir den umfassenden Kenntnissen
Newton' s den weganzcigemlen Nachweis zu ver-
danken haben, dass die Gemmen und Thongcfässe
von Mykeuä vollkommen mit gleichartigen Fund-
stücken von Rhodos und Cypem übercinstimmcn.
Damit sind vor allem die Mykenisclieu Schätze
ihrer scheinbaren Isolirung entzogen und einer be-
stimmten Reihe von Erscheinungen angeschlossen.
Ihre Erkundung ist damit nach dem Gebiete hin-
gewiesen, auf welchem die ältesten U eberliefe rangen
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6
vorzugsweise von dem Walten jener seefahrenden,
handeltreibenden und kunsterfahrenen Stftmme zu
erzählen wissen, die von Syrien und Kleinasien aus
die Inseln und Küsten Europa's mit Cotonien be-
setzten. Dass wir unter den zeitlieh und örtlich
vorwaltenden Namen dieser Stamme, denen der
Karer, Knreten, Leleger und vor allen der Pelasger,
die Phöniker Herodot's zu erkennen hatten, ist eine
Ansicht, welche im Kampfe mit der splitterrichten-
den Schulgt lehrsamkeit schon vor Jahren mit Geist
und Scharfsinn zu begründen versucht wurde, be-
sonders durch Ludwig Ross, Raoul Rochette
und den wegen einiger Wunderlichkeiten seiner
genialen und divinatorischen Anschauung so unver-
dient verketzerten Julius Braun.
Blieb es auch bisher hei der Unvollstandigkeit
der Zeugnisse aus den Denkmalen seihst noch un-
entschieden. was in den Elementen dieses an allen
Küsten des Mittclmeeres wirksamen Volkes und
dem Charakter seine* Knnststils als kieinasiatiseh
oder in eigentlichem Sinn als phönikisch zu be-
trachten sei, so bieten «loch immer die Nachweise,
wie sie jene Forscher in so anregender um! über-
zeugender Art zusammengestellt haben, einen licht-
gebenden Ausblick in jene Fernzeit der Ccber-
sicdelung oder Verpflanzung ältester Cultur in die
noch halbbarbarischen ZiislAnde der europäischen
Völker und die ersten Ausschläge dieser Pflanze
aus ihren dort neugebildeten Wurzeln.
Nur in Verfolgung desselben Weges einer immer
weiter und tiefer greifenden Umschau nach dieser
Richtung und innerhalb dieses Gebietes dürfen wir
hoffen zu einer Lösung alles noch Rütliselliaftcn
in den Künden von Mykcnfl zu gelangen, der wir
ohne Zweifel bereits viel naher standen, waren nicht
die merkwürdigen eyprisvhen Künde Cesnola’s von
dem kunstforscheuden Europa an Amerika über-
lassen worden.
Es ist nns mit denselben ein rulturgeschichtliches
VergleichungKinaterial entzogen worden, das nach
der Bedeutung des Fnndlandes und der Möglichkeit
seiner annähernden Zeitbestimmung auch in Bezug
auf die Heurtheilnng der Mykenischen Schatze nicht
leicht zn ersetzen ist. Doch auch für diese bleibt
die Aussicht einer gültigen P>kl&rung gesichert, al*
eine Ehrensache unserer gelehrten Forschung und
als cdn Resultnt der Auffindung weiterer anfschluss-
•^ebenden Denkmale durch die fortgesetzten Aus-
grabungen ihres unermüdlichen Entdeckers selbst.
..Die Wissenschaft wird Schliem aun folgen,“
heisst es in dem Vorworte zu einem neuen Führer
nach Olympia. Mit vollster Zustimmung dürfen wir
jedoch hinzufügen : Sie folgt ihm, wohin sie voran-
zugehen ausser Stande war, und darin liegt, kurz
gesagt, die hohe Bedeutung von Srhliemann*s
Leistungen.
Mainz, im Januar. L. Lindenschmit.
Sitzungsberichte der Local vereine.
Sitzung des anthropologischen Vereines
zu Jena am 11. December 1#76.
Hr. Dr. med. Karl Martin hfllt einen Vor-
trag über die Lebensweise und Gerftthe der
süd-chilenischen Indianer. — In verschiedenen
Theilcn von Chile findet man noch heutzutage
Ueberreste von Indiern. Wie aus «len Schilderungen
gleichzeitiger spanischer Schriftsteller, besonders
des Dichter* Ercillu hervorgeht, haben diese schon
zur Zeit der Entdeckung des Landes eine nicht
unwesentliche Cultur besessen. Freilich haben die
Nachkommen dieser Indier sich sehr verändert.
Sie sind Viehzüchter und Reiter geworden. Aber
noch fügen sie sich zum Theil nicht den chileni-
schen Gesetzen und viele von ihnen haben ihre
alte Religion, sowie auch noch die Vielweiberei
heihehalten.
Südlich von den Araucanern erstreckt sich ein
Gebiet, in welchem zwischen deutschen Ansiede-
lungen noch die ursprünglichen Einwohner, die Huil-
liches, den Boden bebauen. Sic haben wohl immer
mit «len Bewohnern der Inseln, welche südlich fol-
gen und von denen die grösste Chiloe ist, im Ver-
kehr gestanden. In dem südöstlichen Tlieile diese*
Archipels leben mu h ziemlich unvermischte Indier,
die zwar in ihrer insularen Lebensweise und von
den St rnndprod urteil abhängigen Nahrung, ja in
ihrem kleinen Körperbau sich wesentlich von den
Indiern des Festlandes unterscheiden, aber eben-
falls die Huillichesprache reden. Dieses Inselvolk
bildete vielleicht früher den Uebergang zu den
Feuerlftndern. mit denen die Oiiloten ohne Zweifel
einige Achnlichkeit zeigen. Jetzt sind die chiloti-
seheu HuilHches und die Feuerlftnder durch einen
so gut wie unbewohnten, unwirthliohen Archipel
getrennt. Früher wurde derselbe von einem Volke
durchwandert, welches mit den Chiloten verkehrte.
Vor mehr als hundert Jahren wurde der Jesuiten-
missionftr Garcin zu demselben gerufen, um es zu
bekehren. Er fuhr bis zum fiussersten Winkel des
inneren Meeres von Chiloe, dann wurde sein Boot
von den indischen Begleitern über die Landenge
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ton Ofqui geschleppt. Südlich ton derselben wohn-
ten diese Leute; er hat sie nachher nach (’hiloc
gebracht. Möglicherweise stammen von ihnen die
Üewohner der Südustkftste der Insel, «los Paios“
ueuannt, her.
Ans ('hiloe und den benachbarten Inseln und
Festlaudsk Osten zeigte l)r. Martin eine Anzahl
Gegenstände vor:
I. mehrere Steinmeissei, gefunden um den See
von Llanquihue (sprich Jankiwe), auf der Infiel
Tenglo. sowie auf den weitabliegenden Guaitccas-
itiseln (sprich WaUecas): II. eine Pan« Hüte aus dem
Glimmerschiefer der Kfisteucordillerc, gefunden bei
Puerto Montt; 111. einen alten Topf, gefunden beim
Ausrodeit des Waldes von Llanquihue: IV. einen
grossen Reibstein mit Mörser; V. einen Steinfrog
mit unterer Oeffnung, beides aus Lava und von
Ltanquiliuc.
Fenier legte er \or das Modell eines indischen
Hauses mit Hinrichtung, das einer Piragua mit
Mast, Ruder und Anker, Modelle von Webstühlen
mit angefangener Arbeit, Taue und Körbe ans
Schlingpflanzen, aus den Fasern einer Rrmnelia und
aus denen von ßamhusen, eine Muschel, wie sie
hei dem Essen in ('hiloe gebraucht wird, eine
Silberplatte aus dem Schmuck einer ludieriti von
Osorno und moderne Töpferw&aren aus Concepcion,
die ebenso wie die des alten Perti Thierformen
und Gesichter darstellen; ferner Ackergerät he :
„Lumas“ und „Hu&l&to*, Stangen, welche statt
Pflögen gebraucht werden, und hölzerne Hacken,
aus dem harten Holze der Myrtus lunta Mol.
Der Vortragende nimmt an, dass jene Funde
nicht einer prähistorischen Steinzeit, sondern der
Periode, in welcher die Spanier Osorno gegründet
hatten und diese Stadt sehr aufgebläht war, ange-
hören. Dies wrar vor 2 — ,J(X1 Jahren der Fall.
Später zerstörten es die Araucaner wieder; seitdem
ist die Provinz Llanquihue wenig bevölkert gewesen
und. als vor 25 Jahren die deutschen ('olouisten
die Umgehung des Sees von Llanquihue zu behauen
begannen, absolut menschenleer, fast unbekannt
und unzugänglich. Hei dem Urbarmachen des an-
scheinenden Urwaldes fanden die Ansiedler sehr
viele Gegenstände, welche von den früheren Be-
wohnern herrührten. Die vorgezeigten sind nur
«ehr wenige von den vielen gefundenen, andere hat
Dr. Fonck in der ethnologischen Gesellschaft zu
Berlin 1*70 erklärt, andere haben Marinecapitln
Vidal Gorma/ und Dr. Juliet in „Keronocimiento
de) rio Manlliir Santiagio 1875 beschrieben. —
Sodann berichtet llr. Prof. Klopflcisch über
seine mit Hm. Dr. Ten scher gemeinsam unternom-
mene Recognosciruug des Fundgebietes von Thier-
schneck. Die neuerdiugs aufgedeckten Stellen
daselbst sind einfache Gruben von circa 1 m Tiefe
und Breite, welche mit lirauderde ungefüllt sind
und einzelne Kohlen und Tliongefössscherben ent-
halten ; in einer solchen Grube «oll eine uoldcrhal-
tene Urne gefunden worden sein, welche nach Weimar
in Pmathesitz gekommen ist. In nordöstlicher Rich-
tung von Thierschneck aber fanden sich gegen
G deutiii'b erkennbare Grabhügel vor,
welche bisher noch nicht berührt wurden zu sein
scheinen, da vorher Wald an dieser Stelle war, der
erst in den vierziger Jahren geordnet wurde und
in Ackerland verwandelt ist. ohne dass man dabei
die Hügel aufgegraben hätte. Der jetzige Besitzer
will die Aufgrahung durch den Verein gestatten,
und dürfte der nächste August nimmt hiezu ge-
eignet «ein, da duun das Kornfeld daselbst abge-
erntet sein wird.
Sitzung vom 15. Januar 1*77.
Hr. Prof. Dr. Schwalbe hält einen Vortrag
über die menschlichen Haare. Er spricht
nach einem allgemeinen Ueberblick über die anthro-
pologische Bedeutung der Haare über die Stellung
und Richtung der Haare und deren Verwert hu ng
in der Anthropologie. Das bekannte Convergireu
der Haare nach dem Ellbogen zu beim Menschen
kann nicht, wie Darwin meinte ( Abstammung des
Menschen Bd. I S. 1P7) und II A ekel noch in der
•L Auflage seiner Anthropogenie reprodueirt hat,
aus einer nützlichen Gewohnheit der anthro|K>iden
Urahnen, beim Regen die Arme über den Kopf
zu halten, abgeleitet werden, da nicht nur hei
den von Darwin bezeichneten Anthropoiden,
einigen Arten von Hylobates und einigen wenigen
amerikanischen Affen die betreffende Haurstellung
vorkommt, sondern mehr oder weniger deutlich hei
fast allen Säugethieren. und dass hei den laufen-
den, bei welchen Oberarm und Unterarm einen
nach vorn offenen Winkel bilden, in beidqn die
Haare nach hinten gerichtet sind, was dann hei
den mit freier beweglichen vorderen Extremitäten
ausgestatteten, sobald der betreffende Winkel hei
den Bewegungen des Unterarms gegen den Ober-
arm sich verkleinert, zu einem Convergireu führen
muss. Dem entsprechend findet sich mindestens so
ausgeprägt wie beim Or&ng das Convergireu der
Haare nach dein Ellbogen zu beiin Faulthier. Ober-
haupt scheint in natürlichster Weise die Richtung
der Hautanhäuge in der Wirbellhierreihe, Schuppen,
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Federn, Haare, verständlich zu werden, wenn man
davon ausgeht, dass sic sich im Allgemeinen nach
der der Bewfegungsrichtung entgegengesetzten Weise
entwickeln müssen, da sie hier der Bewegung den
geringsten Widerstand entgegenstellen. Man kann
diesen Satz auch noch für die Erklärung der gegen
den Ellbogen convergireuden Richtung der Haart*
verwerthen. muss aber jedenfalls für die durch die
Untersuchungen von Kseh rieht bekannt gewor-
denen coniplirirtcit Richtungsverhältnisse der Haare
am Rumpfe und Kopfe zunächst nach näher liegen-
den Ursachen suchen, die der Vortragende mit
Voigt (Abhandlung über die Richtung der Haare
am menschlichen Körper. Denkschriften der Wiener
Akademie Rd. XIII. 1857) in VVachsthumsverhält-
nissen der Hant und der unterliegenden Gewebe
sucht. Kr schliesst sich jedoch an die speciellen
Ausführungen Yoigt’s nicht an, sondern hält für
das Wesentlichste die Schiefstellung bedingende
Moment Differenzen in der Grösse des Waehsthums
zwischen Epidermis uud Cutis, sodann Differenzen
im Wachsthtim der Haut und der unterliegenden
Theile, wie Muskeln und Knochen.
An Hin. Prof. Schwalbe’» Vortrag anknüpfend
zeigte Hr. Dr. K. Martin einige Photographien vor,
darunter solche von Kingebornen von Südaustrulieu
(Adelaide, durch Dr. Müller an Prof. Peters,
Berlin, geschickt), welche fast am ganzen Körper
behaart waren und auf der Brust deutliche Leisteu
von abwärts convergirenUen Maaren zeigten; ferner
von der Hottentottiu, welche einst unter dem Namen
„Buschweib Asandy“ in Berlin zu sehen war und
an deren Bildern sieb die charakteristisch ver-
theilten Haarbüschel unterscheiden liessen. Kr er-
wähnte die ganz haarfreie schöue Haut der Extre-
mitäten hei den Negern, wie man sie in Rio de
Janeiro sieht ; andrerseits die tief in die Stirn herab-
reichende Behaarung der Stirnen von chilenischen
Indiern.
Hr. Prof. Klop fleisch berichtet über zwei
Skeletfundstellen :
1. An der Wogauer Chaussee hinter
Wcnigenjena, wo Reihengräber mit Beigaben von
eisernen Messern, mit 1 Silber-Ohrring und 1 Glas-
perle sich zeigten ; die aufgefundenou Skcletrestc,
darunter einige Sehädel nahm Klop fl ei sch an
sich und instruirte die Arbeiter der dort befind-
lichen Kiesgrube für den Fall weiterer Funde. Den
Funden uach gehören diese Reibengräber in die
Zeit vom 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr.
Schluss der Redaction am *5. Februai
2. An der neuen Chaussee hinter der Rasen-
mühle auf dem Grundstück des Hrn. Fabrikant
Huiideshageu aus Apolda sind Arbeiter hei den
Krdarbeiten' daselbst auf menschliche Skelete ge-
stossen. die gruppenweise beisammen lagen, abci
nicht immer regelmässig aasgestreckt, sondern öfter'
unregelmässig verschoben waren. Zu einer Zeit-
bestimmung für diese Skelete Hess sich bisher nicht
gelangen, der mangelnden Beigaben wegen: freilich
behauptet ein Arbeiter ein kurzes Schwert bei dem
einen Skelet gefunden zu haben — worauf abei
kein Gewicht zu legen ist. da dasselbe nicht auf-
be wahrt wurde. In der Nähe der Fundstelle soll
ISO« ein französisches I.azareth gestanden haben.
Einige der geretteten Schädel zeigen eine auffallende
Abplattung des Schädeldaches.
Kleinere Mittheilungen.
Brun n schweig Es stellt sich immer mehr und
mehr die Wahrnehmung heraio., das» unser Herzogthmi.
eine wichtige Uulturstätte der ältesten Bewohner Nord
deutschlands gewes«-n ist. Ganz bedeutend sind die seit
Jahren in unserer Gegend gemachten prähistorische
Funde, bestehend in alten heidnischen Grabstätten, Uro«
Wuffeu und IlaiHgerätheauH der Stein-, Bronze- und Eisen
zeit, welche namentlich bei Anlagen von Chausseen und
Eisenbahnen, Kellerbauten. Graben von Kanälen u s *
gefunden, aber aus Mangel an Vcistämlniss sehr oft ver-
nichtet oder als unbrauchbar. unl**achtet bei Seite p-
worfen sind. Schon zu Ende des vorigen und Anfang
des jetzigen Jahrhunderts ».ind namentlich in der I m
gegen«! vou Hohnstedt und im Eime derartige Fund*
gemacht, welche zum Theil dem herzoglichen Musern*
einverleibt, hier aber früher nicht immer nach Gebühr
beachtet wurden. Zum anderen Theile kamen solche
Gegenstände in Privathände und sind dann mit der Zeit
ganz verschwunden. Ja. selbst die Vorsteher der Alter
thums- und Kunstsammlungen hatten nicht immer Sinr
für dergleichen Gegenstände, wie denn noch vor et*i
30 Jahren ein solcher das Anerbieten eines Privatmamu-
das Ergebnisa einer anzuatelleudeu Nachgrabung d*a
von ihm verwalteten Museum einverleiben zu wollen
von vornherein von der Hand wies, weil dasselbe an
dergleichen Gegenständen schon mehr als zu viel besiu
und alle Urnen, Waffen und Gerätbe doch nur eine na*
dieselbe Form hätten. Es ist deshalb erfreulich, d*-
der Ilr. Muaeumsdirector Prof. Dr. Riegel auch die**
Zweige der vaterländischen Alterthumskunde seine Ao:
merksamkeit widmet.
\ — Druck von Ä. OUUnbourg in München.
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Correspondenz-Blatl
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
RMigirt von Professor KoUniann in München,
Otmtruhtertinr 4tr Omtlltrhafi,
Nr. 2. Erscheint jeden Monat. Februar 1878.
Sitzungsberichte der Localvereine.
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Danzig am 27. Oetober 1875.
Der Vorsitzende, Dr. Lissauer, eröffnet die
Sitzung mit einem Berichte über die zahlreichen
Mittheilungen und Geschenke. welche der Verein
erhalten.
Herr Dr. Schliem an n, welcher die hiesige
anthropologische Sammlung aufgesucht und studirt
hat, schenkte dem Vereine sein kostbares Werk
über die Ausgrabungen bei Troja, über dessen In-
halt der Vorsitzende in einer der nächsten Sitzungen
zu referireu gedeukt. Hr. Major Kasiski in Neu-
stettin fasst in einem besonderen Briefe seine bis-
herigen Untersuchungen über die Brandgruben zu-
sammen und bestätigt deren vollständige Ueber-
einstimmung mit den Rornholmer Brandpletter, eine
Thatsache , deren Ermittlung die vorhistorische
Forschung gerade dem hiesigen Vereine verdankt.
Hr. Ober-Medicinalrath Kelp in Oldenburg macht
Mittheilung über die Entdeckung von Steinsärgen
am Nordseestraude und die Begründung eines anthro-
pologischen Vereins in Oldenburg. Hr. Director
Töppen in Marienwerder berichtet in ausführlicher
Weise über die Untersuchung jenes Grabes bei Gul-
bien in der Nähe von Deutsch-Eylau , von dessen
Inhalt schon in der vorigen Sitzung eine sehr schön
erhaltene Fibula vorgelegt werden konnte. Es war
ihm gelungen, Theile der Urne und eines interes-
santen aus Knochen zusammengesetzten Schmuckes,
an welchem noch eine Bronzeniete erhalten war,
anfznfinden. Diese Objecte schenkte er dem Vereine
Coitm Nr. i
j und zugleich eine Reibe von ihm selbst über unsere
Provinz veröffentlichter archäologischer Arbeiten,
von denen liier besonders diejenige über Steinkreise
I bei Hohenstein in Ostprcussen erwähnt sein mug,
weil diese den vom Vorsitzenden bei Czersk unter-
sachten sehr ähnlich sind, ln Gr. I.chseu war von
den Arbeitern eine Steinkiste entdeckt worden,
deren Inhalt durch die rechtzeitige Benachrichtigung
| des Hm. Holtze von dem Vorsitzenden für die
■ Sammlung des Vereins gerettet wurde. Es stunden
I darin 3 Urnen, darunter zwei deutliche Gesichts-
urnen von der primitivsten Art, mit Ohrringen aus
i Bronze und Perlen, aus Bernstein und farbigen Glas-
flüssen. Während Ohren und Nase zwar noch deut-
lich geformt erscheinen, sind die Augen nur durch
ganz oberflächlich eingeritzte Kreise dargestellt.
Hr. Richter hatte der Gesellschaft den Atlas ge-
schenkt, welchen die Prassia in Königsberg über
ihre Steinalterthümer herausgegeben bat, dessen
i wohlgelungene Photographien sich zum Studium
• besonders eignen; mit demselben wurde eine Photo-
graphie der hei Sprottau in Schlesien gefundenen
Gesichtsurne, weche sich durch besonders schöne
Darstellung der Lippen auszeichnet, und die Photo-
graphie einer angeblich bei Carthaus gefundenen
Bronze, welche einen Isiskopf darstellt, in der
Sitzung vorgelegt. Hr. Scliück hatte eine Bronze-
münze von Antoninus Pins, die in St. Albreclit ge-
funden; Hr. v. Dizielski in Mersin 2 sehr abge-
griffene Münzen aus einem Urnengrabe, deren eine
nach der Vermuthung des Hm. Prof. Röper byzan-
tinischen Ursprungs ist; Hr. Dr. Oeklsckläger
ferner einen Mammutbzahn, der an der Montaner
Spitze gefunden, einige Bronzepfeilspitzen, welche
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In
aus der Nähe eines Skeletgrabes hei Maricuhiirg |
berstammen, und einen eisernen Sporn ans späterer
Zeit; Hr. Oberstabsarzt Dr. Oppler 2 Bractcaten j
der Sammlung geschenkt: alle diese Objecte wur- I
den vorgelegt.
Hr. Oberförster Feussner in (‘iss heiCzerak
hatte einen sehr sorgfältigen Bericht eingesandt ,
Ober das Urnengräberfeld hei Neurnöhle, von dem ,
srbou in einer früheren Sitzung eine Menge bear- I
beiteter Feuersteinsplitter vorgelegt wurden. Die |
grosse Zahl der mit diesem Beru hte übermal« flber-
schirkten bearbeiteten Feuerst einobjeete betätigte
die schon früher gehegte Vermnthung, dass dort
eine prähistorische Feuersteinwerkstätte exist irt
habe. Der Verein wird sobald als möglich der
Aufforderung des Hm. Feussnef, die Stätte ge-
nauer zu untersuchen, Folge leisten. Hr. Flor-
kowski aus Graudenz äberbrachte in der Sitzung
den Inhalt einer bei Komoran im Kreise Schweiz
untersuchten Steinkiste, darunter eine sehr schöne,
zwar etwas zerbrochene, aber doch deutlich charak-
terisirte Ge sicht surne, eine schöne Bronzepiucette,
eine grosse Bernstein- und eine Achatperlc ; der
ganze Fund wird genauer in den Schrifteu der
naturforschenden Gesellschaft beschrieben werden.
Hr. Florkowski versprach im Interesse des Vereins
seine Untersuchungen fortzusetzen.
Den grössten Zuwachs aber hatte das Museum
des Vereins erhalten durch die grosse, höchst werth-
volle Sammlung, welche der Hr. I.andratli v. S tum p-
fcld in Culrn nach und nach für den Verein er-
worben und demselben geschenkt bat. Hr Walter
K a u f fm a n n , welcher den schwierigen Transport
der Objecte mit bestem Erfolge geleitet, berichtete
über dieselben folgeudennassen : Die Sammlung be-
steht im Ganzen aus 134 Nummern, nämlich 36 Thon-
gegenständen, 22 Steinwerkzeugen, 15 Bronzen, 28
Kiscngeräthsehaften, 33 Silberschniurksaclien und
Münzen, welche alle mit Ausnahme der Steinwerk-
zeuge und der Urnen ans der jüngeren Eisenzeit,
die Eisensachen selbst sogar zum grössten Theil
aus der Zeit des deutschen Ordens herstammen.
Von den Urnen, die aus ganz verschiedenen Theilen
des f’ulmer Kreises gesammelt sind, zeichnet sich
eine bei Schöusee gefundene durch hübsche punktirte
Verzierungen aus, die anderen sind sehr primitiv ge-
arbeitet und von gelbbrauner und gelbrötb lieber
Farbe. Zwei Gefässe, deren eines aus der Nähe von
Freistadt, das andere von Podwitz herstammt, haben
wohl zu Lampen gedient. Namentlich das letztere
ist bemerkenswert bf da es mit Bronzeschnmck gegen-
ständen zusammen in einem aus schwarzer, mit
Kohlenresten vermischter Erde bestehenden Hügel
gefunden und daher wohl älteren Ursprungs ist
Es i«l aus gewöhnlichem Thon gebrannt, von rotli-
brauuer Farbe und hat unterhalb des llalsringcs.
der spiralige Verzierungen zeigt, vier Reihen un-
regelmässig eingedrückter kreisförmiger Vertiefungen.
Der Henkel tritt in einem Winkel aus dem Halse
der Urne hervor; sein unterer Arm ist vollständig
durchbohrt, so dass eine Verbindung zwischen dem
Innern der Urne und dem Ende des Henkels her-
gestellt ist. Von den SteinliBnimern zeichnen sich
drei ganz besonders dadurch aus, dass an ihnen
das Stielloch nicht cylindrisrii von einer Seite aus,
sondern, wie inan deutlich sieht, von beiden Seiten
nach der Mitte zu gebohrt ist. so dass schliesslich
die letzte dünne Wand ausgestnssen wurde, wobei
von beiden Seiten noch kleine Erhebungen stehen
blieben. Besonders erhellt dies aus dem einen Stein-
hammer, welcher nur die Anfänge zu den beiden
. Bohrungen des Stielloches zeigt.
Eiu sehr interessantes Stück ist ferner ein
| nach beiden Enden zugeschärfter Doppclhammer,
ähnlich dem bei Putzig gefundenen. Da in dieser
kleinen Collection von Steinwcrkzeugeu sich wieder
eine \ erhält nissmässig grosse Zahl von Steinhämmeni
befindet, die von (juarz und anderen Adern voll-
ständig durchzogen sind und daher zu einem wirk-
lichen Gebrauch als Werkzeug wohl kaum gedient
haben können, so drängt sich unwillkürlich die Frage
auf, oh nicht die Mehrzahl aller Steinhämmer zu
ritualen und symbolischen Handlungen gedient habe :
' für einen wirklichen Gebrauch als llandwerkzetige
sind sie zu schwach und die ungeschliffenen Seiten
der Aexte und Hämmer zu wenig beschädigt.
Von den Bronzesachen zeichnet sich der Pod-
witzer Fund aus, der aus lebe riesten eines Bronze-
gefässes nebst Bügel, einer Bronzeschnalle, 2 Fibeln
und einem Brouzesporn bestellt. Das Alter dieser
Objecte ist nach dem Brouzesporn, welcher genau
die Form des bei Münstcrwaldc in der Bronze-Urne
gefunden hat, auf einige Jahrhunderte nach Uhritsi
zu schätzen. Die Ueberreste des Bronzegefässes
zeigen ebenfalls, wie auf der Münsterwilder Bronze-
urne, auf der äusseren Bodenfläche drei Paar con-
centrische Kreise. Ein Fund aus Cymberg, be-
stehend aus zwei Stücken eines Armbandes und
einem Ohrringe, ist deswegen interessant, weil in
nächster Nähe ein Denar von de» Kaiserin Faustiua
der Jüngeren gefunden wurde.
Von den Silber- Fundobjectou sind namentlich
interessant: 6 kufische Münzen, die bei Uszcz im
Verein mit einem für den arabischen Handel charak-
teristischen Silberschmuck iu einem Gefässe gefun-
den wurden; sodann 25 Bracteaten, welche aus dem
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Fribbethal hcrstammen, aus der Zeit des deutschen
Ordens. Derselben Zeit gehören, mit Ausnahme
von 3 Lanzenspitzen, die dom in Oliva so häufig
gefundenen Typus der Wendcngräber entsprechen,
sämmtliche Eisengegenstände an, bestehend aus
Lanzen und Pfeilspitzen, Schwertern, Messern und
einer grösseren Anzahl von Sporen, die alle zu-
sammen uns ein klares Bild von den zur Zeit des
deutschen Ordens gebräuchlichen Waffen geben.
An die Behauptung, dass das Stielloch einiger
Steinhammer von beiden Seiten ausgebohrt sei,
knüpfte sich eine lebhafte Discussion, aus welcher
wir besonders hervorheben, dass Hr. Florkowski
in Grandenz Versuche gemacht hat, Steine von
verschiedener Harte auf verschiedene Weise zu
durchbohren. Weder mit einem Instrument aus
Holz, noch mit einem solcheu aus Stein war es ihm
gelungen; dagegen konnte er mit einem Cylindcr
aus Kupfer jedes hier in der Provinz vorkommende
Gestein — den Feuerstein ausgenommen — durch-
bohren.*) Der Vorsitzende hob besonders hervor,
welche Bedeutung die Geschenke des Hrn. v. Stump-
fehl für die Erforschung der Verkehr «Verhältnisse
in prähistorischer Zeit haben. Der Bronzefund aus
( yniberg mit dem Denar der Faustiua jun., wie
der Silbcrschmuck von üszcz mit den kufischen
Münzen seien für die prähistorische Chronologie
von hoher Wichtigkeit. Die Anwesenden erkannten
das grosse Verdienst, welches sich der Hr. Land-
rath v. Stumpfeld um die Sammlung erworben,
allgemein an und gaben ihrem Danke durch Erheben
von den Sitzen noch besonders Ausdruck.
Hierauf legten Hr. Helm und Hr. M a nu-
ll ardt mehrere bearbeitete Bernsteinstücke vor.
welche zum Theil aus der Erde ausgegraben, zum
Tlieil aus der See ausgefischt sind. Ausser mehreren
Perlen von verschiedener Grösse und Farbe, welche
15 Fass lief in der Erde bei Freienhuben auf der
frischen Nehrung gefunden sind , befanden sich
darunter eine sehr hübsch gearbeitete Fibula, welche
*) Graf W urinbrand hatte sowohl auf der inter-
nationalen Ausstellung in Wien (1*73) als beim Congrea*
für Anthropologie zu I’ost (1876'- eine Vorrichtung, durch
die eine Bohrung der Stiel loclier mit Hirschgeweih-
en den vortrefflich ausgeführt worden konnte. Es ist
von ihm damals ferner mit viel Glück eine Anzahl von
Gründen beigehraclit worden, dass gewisse in Pfahl-
bauten gefundene llirschge weihenden mit henunlaufen-
der deutlich durch eine Schnur eingeschnittener Rinne
nichts anderes als Bohrer sind. Ausführliches hierüber:
Mittlieiluugeu der authropologischeu Gesellschaft in Wien
Bd. V Heft 1 u. 6 S. 123. und neuesteos Bi VII Nr 4
u. 5. D. R.
nach Form und Verzierung ganz den Charakter der
ln den Brandgruben gefundenen zeigt, und ein sel-
tenes Gürtelschloss, welches bei Neustadt in Westpr.
aufgefischt worden ist.
Hr. Schück berichtete nun über den Inhalt
eines Kegelgrabes, welches er auf Anzeige des
Hrn. Kreisphysicus Dr. Wolff gemeinsam mit dem
1 Hrn. Amtmann Krause und Gutsbesitzer v. K or-
zetkowski bei Wonno im Löbauer Kreise unter-
sucht hatte. Das Grab lag auf dem höchsten Punkte
der Gegend und bestand in einem 9 Fuss hohen,
künstlich errichteten Sandkegel, der an der Basis
etwa 27 Fuss im Durchmesser hatte und von einer
doppelten Steinsetzung umgeben war. Im Innern
war aus grossen Stcinblöckcn eine Kammer gebaut,
welche etwa 4 zertrümmerte Urnen mit Knochenascbc
enthielt ; als Beigabe fand sich nur eine sehr ein-
fache eiserne Fibula von der Form einer gezahnten
! Scheibe. Aehnliche Gräber sind in unserer Provinz
schon wiederholt gefunden worden, ohne dass man
bisher wegen der mangelnden Beigaben bestimmen
konnte, welcher Zeit dieselben angchörten.
An die Behauptung des Referenten, dass wegen
der Schwierigkeit, das Grab zu öffnen, wahrschein-
lich alle Urnen zu gleicher Zeit beigesetzt wurden,
knüpfte sich eine Discussion, an welcher sich be-
sonders die Hrn. Kauffmann, Helm und Oehl-
schlägcr betheiligten. Der Letztere wies darauf
hin. dass es noch hei den Römern üblich war, die
Urnen mit der Asche der Verstorbenen längere Zeit
hcrumzutragen und schliesslich eine grössere Anzahl
auf einmal beizusetzen. Hr. Kauffmann hob da-
gegen hervor, dass bei dem schlechten Brande der
Gefässe in den heidnischen Gräbern unserer Provinz
eine gleiche Sitte hier nicht möglich gewesen sei,
während er andrerseits grosse Steinkisten unter-
sucht habe, in welchen nur 2 Urnen sich befanden,
eine Thatsachc, welche von Hrn. Helm bestätigt
wurde und dafür spricht, dass die Urnen nach und
nach beigesetzt wurden.
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Göttingen am 20. Mai 1877.
Hr. Prof. Unger hält einen Vortrag über
den Einfluss des Klimas auf die Ent-
wicklung der Kunst, spcciell der Archi-
tekt u r. Der Vortragende unterscheidet drei Zonen,
eine heisse, eine gemässigte und eine kalte, die
jedoch nicht mit den gleichnamigen geographi-
schen zusammenfallen, und zeigt an ausgcwählten
Beispielen, wie in den einzelnen Zonen, beeinflusst
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von den klimatischen Verhältnissen, speciell der
Helenchtung. die Kunstentwicklung eine andere Rich-
tung einges<dilagen habe. Zu den Bewohnern der
heissen Zone rechnet er die alten Culturvölker des
Nil-, Euphrat- und Gangesthaies, sowie die alten
Mexikaner und Peruaner. Die Lander der gemäs-
sigten Zone sind Kleinasien, Griechenland, Italien.
Die nördliche Zone wird gebildet von den Landern i
nördlich der Alpen bis etwa zum 50. Grad uördl. 1
Breite, jenseits dessen die selbständige Kunst -
entwicklung aufhört. In diesen drei Zonen wird
einerseits die künstliche Phantasie der Bewohner
durch die klimatischen Einflüsse verschiedenartig i
erregt, andrerseits treten ihnen die Formen der •
Bauwerke in verschiedener Beleuchtung entgegen.
Daraus erklären sich die Kolossalhallten der Aegypter
und Peruaner mit ihren schiefen Wanden, die keine
vorspringende, schattengebende Omamentirung zei-
gen ; ferner die formvollendeten classischcn Bauten,
die bei der günstigen Beleuchtung weder der schiefen
Flflchen, noch des übermässigen Deeoratinnsanf-
wandes bedürfen; endlich die bei dem meist be-
deckten Himmel nöthige reichere Gliederung der
Bauten der nördlichen Völker, insbesondere im gothi-
schen Stil. — Der Vortragende legt zugleich eine
Reihe einschlägiger Abbildungen vor. Sodann über-
reicht Hr. Prof. Ungcr einen in Frankfurt a. M.
ausgegrabenen Mammuthzalm . woran Hr. Prof,
v. See hach einige Erläuterungen anknüpft.
Der Vorsitzende, Hr. Prof. Ehlers, demonstrirt
am Schluss eine Anzahl Schädel, welche Hr. Dr.
Schuetti in Sidney an das hiesige zoologische
Institut Übersandt hat; dieselben sind der Blumcn-
bach ‘sehen Sammlung eingereiht. Sie stammen von
einer wenig besuchten Insel in der Torresstrasse.
Sic sind als Trophäen bearbeitet; roh gearbeitete
Angen und durchbohrte Nasenpttöcke sind ihnen
eingesetzt. Prof. Ehlers hält sie für verschieden
von den Schädeln der Neuholländer, mehr überein-
stimmend mit denen der Papua s. Auffälligenvei-e
findet sich an ihnen , ähnlich nie hei manchen
Papua- und Malayen-Sehftdoln, eine schiefe Ver-
drückung des ( raniums.
Sitzung des anthropologischen Vereins
in Jena am 21. Februar 1877.
II r. Prof. Dr. Fort läge hält einen Vortrag über
die wilde und zahme Völkcrfamilio.*1
*) Die folgenden Mittlieiliingen enthalten nur ilie
Disposition des iutori ssantt n Vortrages. D. R
Wir kennen drei Culturstnfen : 1. die fort-
schreitende Cultur des Occidents, 2. die stagnirende
des Orients, 3. die in den Anfängen stehen ge-
bliebene der wilden Völker.
Ihnen entsprechen drei Familienformen: 1. der
fortschreitenden Cultur des Occidents die Mono-
gamie, 2. der stillgestandenen des Orients die strenge
Polygamie, 3. der unentwickelten der wilden Völker
die laxe Polygamie nebst noch wilderen Formen.
Diese verschiedenen Formen sind nicht erst
Erzeugnisse des Culturlebens, sondern bereits rait-
be*timmende Ursachen desselben. So bezeugt es
das Leben der Thierwclt, in welchem alle drei
angelegt sind als ursprüngliche Verzweigungen des
Fortpflanzungstriebes.
Derselbe erzeugt 1. in seiner Isolation die
wilden Begattungen (wie bei Hunden), 2. in seiner
Verbindung mit dem männlichen Besitztriebe die
Polygamie (wie bei den Hähnen und Stieren), 3. in
seiner Verbindung mit dem persönlichen Freund-
scliaftstricbc die Monogamie (wie bei inseparabeln
Papageien und Kranichen).
Weniger als diese Formen dürfen wir in den
Anfängen des Menschengeschlechts nicht wohl vnr-
aussetzeu. Die Menschheit muss ihre drei Cultur-
stnfen in Uebereinstimniuug mit ihnen bis zu den
gegenwärtigen Zuständen empor entwickelt haben.
Wenn also die höheren Familien formen nicht
erst Erzeugnisse, sondern bereits mit w irkende Ur-
sachen des Culturlebens waren: welche Förderungen
gewann dieses Leben durch dieselben? und welche
Hindernisse stehen ihm noch heute durch die nie-
deren Formen im Wege?
1. Tie niedrigste Form, die wilde Weiber-
gemeinsc ha ft , finden wir nirgendwo mehr in
der Gegenwart als allgemeine Volkssitte. Herodot
kannte sie noch (bei den Agathyrsen, Aoseern und
Macbhornt.
Wir finden sie hingegen auch heute noch, in
Vereinigung mit der laxen Polygamie, als zu-
gelassenen freien Verkehr beider Geschlechter vor
und zum Theil nach der Verehelichung (auf den
Marquesis-Inseln, Neu- Seeland, in Algier, Japan,
auf den Andamanen, bei den Buschmännern, sowie
nach Herodot vorZeiten bei den Scythen, Mas*ageten,
Nasnmoncn. Oindanem und. als religiösen Ucberrest
einer überlebten Sitte, bei den Babyloniern).
Verehelichte Weiber wurden zuweilen ver-
liehen, als Zeichen der Gastfreundschaft (z. II.
in Arabien bei den Wachabiten. auf Madagasear,
in Neu -Seeland; ferner in Mikronesien zwischen
Freunden, welche sich durch Namentausch für ihr
Lehen enge mit einander verbunden hatten).
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13
Dass Brüder zusammen ein Weih nahmen,
soll in Indien, auch in Sparta vorgekommen sein.
Eine Rürkerinnerung an solche polyan dri sc h e
Sitte enthält vielleicht auch das Mosaische Gebot
iS. Mos. 25, 5), das dem Bruder die Pflicht auflegte,
die Wittwe des ohne männlichen Erben verstorbenen
Bruders zum Weihe zu nehmen, eine Sitte, welche
auch in neuer Zeit mancherwftrts (hei Tscherkessen,
in Abessinien, hei den Papua’s in Neu-Caledonicn,
bei brasilianischen Völkerschaften) ist gefunden
worden.
Alle solche Formen wilder Ehe tragen einen
dreifachen Charakter, welcher ein fortschreitendes
Culturleben unmöglich macht:
1. Die Söhne sind vaterlos.
2. Die Weiher sind Sclavinnen.
3. Die physische Organisation verkümmert.
1. Die Vaterlosigkeit der Söhne ist Folge
der ungewissen Vaterschaft. Daher bekommen die
Kinder nicht den väterlichen, sondern den mütter-
lichen Stammnamen. (So in Australien, bei Indiancr-
stümmcn Nord-Amerikas, hei Stämmen in Mittel-
Afrika, im Alterthum hei Lyeiern, Lokriern. Knp-
padociern.) Dabei beerben die Kinder nicht den
Vater, sondern allein die Matter. Das väterliche
Erbe geht auf die Geschwister nebst den Schwester-
kindern über. (So bei Irokesen und anderen In-
dianerstämmen; bei Negern Süd- und Mittel- Afrikas,
im nordwestlichen Hintcr-Indien.) Die Krone Mexicos
vor der spanischen Eroberung ging nicht auf die
Söhne über, sondern auf die Brüder und Neffen
(Eben so das Fürstentum auf den Marianen-Inseln.)
Dieses sogenannte Mutterrecht oder Neffen-
Erbrecht ist zufolge der Forschungen von Bach -
ofen zn verstehen unter Gynackratie der alten
Völker, wie sie in Kreta, Lydien, Athen, I.emnos,
Orchomenos, bei den Minyem, den epizephyrischen
I.okriem, in Mantinea und Lesbos geherrscht haben
soll.
2. Die Sclaverei der Weiber tritt in ihrer
Verkäuflichkeit zu Tage (hei vielen N eger-
'•täinmen Afrikas, bei den Tscherkessen, den Af-
ganen). In unangebauten Gegenden Afrikas, wo
der Boden beinahe keinen und die fahrende Habe
gerinnen Werth hat. machen die Weiber die eigent-
lichen Werthstücke einer Erbschaft aus. Herodnt
loht die Sitte der Babylonier und Venetier, die
Jungfrauen auf öffentlichem Markte zu versteigern,
und für die Summen, welche die schönen einge-
hrarht hatten, die hässlichen an den Mann zu bringen.
In Dahomey verkauft der König die Frauen. Die
plebejische Ehe unter den Kaufcer emonien
der CoAmtio hei den Hörnern, die indischen ähn-
lichen Formen der Risehi- und Asnra-Ehe, die
ähnlichen hei den Sneven nach Tacitus’ Bericht,
so wie der als Strafe bis in die neuesten Zeiten
geübte W ei berv erkauf in England sind Narh-
khlngc älterer Sitten.
3. Die Verkümmerung der physischen
, Organisation rührt theils her von dem zn frühen
| Ileirathcn, theils von den Heiratbeu innerhalb der
, Familie. Verbindungen unter Geschwistern, selbst
, unter Eltern und Kindern kamen vor bet Assyrern,
! Acgyptern, Persern, in Hintcr-Indicn, bei Drusen,
| Mingrelieni, anf den Sandwich-Inseln. In Califor-
nien heiratheten früher Väter ihre Töchter. Die
amerikanischen Indianer nahmen oft alle Schwestern
anf einmal, die Irokesen Mutter und Tochter zu-
gleich. Lykurg und Solon erlaubten Ehen zwischen
J Stiefgeschwistern. Abrahams Weib, Sarah, war
seine Stiefschwester. Alle diese Verbindungen in
vollständiger Aufzählung werden in der Mosaischen
Gesetzgebung (3. Mos. 18, 6) hei Todesstrafe ver-
boten.
II. Erst mit der strengen Polygamie, in
welcher der Vater seinen Sohn als Alter-
Ego anerkennt, kann fortschreitende Cultur be-
ginnen, indem der Sohn vom Vater die erfundene
Kunst lernt und höher bildet. In einfachster Weise
in der Kasteneinrichtung der l’rstaaten. So
lange es noch kein allgemeines Schulwesen geben
kann, ist dieses der einzig mögliche Weg fort-
schreitender Cultnr.
Von der laxen zur strengen Polygamie ist
kein Febergang, sondern ein Sprung. Dieser wird
am leichtesten vollzogen durch Raub. Denn das
geraubte Weib steht ausserhalb der Stammesver-
I hindung und ihrer Ansprüche. Die Raub- Ehe
! entspricht heroischen Zeitaltern (Raub der Helena.
I der Sabinerinnen, der Gudrun). Sie besteht als
! Ceremonie bei den Indiern als Rakschasa-Ehe, bei
den Römern als die Usu vollzogene plebejische Ehe-
form. in Wirklichkeit noch bei niederen Cultur-
graden (hei Kalmücken, Beduinen, auf Sumatra, in
Afrika, bei den Feucrländem, in Venezuela),
Einer volkstümlichen Einschränkung der
laxen Polygamie entsprechen Verbote des Hei-
raten* innerhalb des eigenen Stammes, zum Theil
bei Todesstrafe (bei Tscherkessen. Irokesen, Tinm4-
Indianern, Samojeden. Neu-Caledoniern, einigen
indischen Völkerschaften). Auch die (bei Hindu s,
Aschanti s, auch in Neu-Caledonicn) vorkommende
Sitte, dass Schwiegereltern nnd Schwiegerkiuder.
Brüder und Schwestern nicht mit einander nmgehen
dürfen, gehört hieher.
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14
Eine Ceremonie der Anerkennung des
Sohnes vom Vater ist der (bei Völkern Inner-
Asiens nnd Indianerstümmen Nord -Amerikas vor-
kommende) Gebrauch der Ehemänner, sich nach
der Niederkunft der Frauen ins Wochenbett zu
legen, welchen Xenophen von den Tiberenern in
f'ilirien und Diodor von den t’orsen berichtet hat.
Von angewandter Strenge bei Durchführung
der strengen Polygamie zeugen die harten
Strafen für den Ehebruch (bei Aegyptern, Mexikanern,
.luden, in Tibet). Mit nicht minderer Strenge ver-
fuhren in alter Zeit die monogamischen Völker des
Occidents.
In der strengen Polygamie des Orients
unterscheiden sich legitime Gattinnen (gewöhnlich
zwei, höchstens vier, in Indien drei, bei Ägypti-
schen Priestern eine) von den gekauften Kebs-
weibein. ln Beziehung auf legitime Frauen findet
Scheidung nicht statt. Dagegen können Kebs-Ehen
auch wohl auf gewisse Zeit geschlossen werden.
Die Grösse des Harems richtet sich nach den
Graden der gesellschaftlichen Stellung und des
Reichthums fein Stabsofticier 2 — 8, ein General
I — 6, ein Gouverneur 15- 20 u. s. w.). Wegen
der beliebig grossen Zahl der Kobsweiber kann
eine türkische Familie Dienstboten entbehren.
Prostitution und uneheliche Kinder itn occldentali-
scheu Sinuc sind dem Orient unbekannt.
III. Die monogamische Ehe des Occi-
dents hat einen von der polygamischen des Orients
grundverschiedenen Charakter. Wie jene auf dem
despotischen Verhältnisse des Besitzes, so beruht
diese auf dem persönlichen der Freundschaft. Die
Definition des Corpus- Juris fasst sie als eine ge-
meinsame Theilnahmc ati allen Aufgaben des Lehens
(ronsortium omnis vitae) und an allen Rechten des-
selben (divini atque hnmnni juris communicatioj. Der
Besitz ist hier nicht ein einseitiger, sondern ein
rcciproker. Das Weil» ist zur vollen Person erhoben,
Eifersucht verschieden berechtigter Söhne ausge-
schlossen. der beschwerliche Ballast überflüssiger
Familientlieile abgeworfen, die Familie auf die
grösste Innigkeit des Vereinslebens concentrirt. An
die Stelle der Hörigkeit der Dienstleute tritt das
freie Dienen um bedungenen Lohn.
In Rom standen dieser Hanptforni der Mono-
gamie (der aristokratischen Confarreatio) noch immer
die plebejischen Nebenformen des lTsus und der
( ’oömtio zur Seite, nicht minder das Concubinat
und das Contuberninm (die Sclavenehe). Nach und
nach erst ist die Hauptfomi mit völliger Beseitigung
aller Nebenformen in Europa durchgedrungen.
Die monogamische Ehe, als gegründet auf den
Begriff gemeinschaftlicher Arbeit in den Werken
der Cnltur, ist ein actives Bflndniss gegenseitiger
Hilfe und Erleichterung und hat ronsequcntorwei-c
die Werke der heutigen Cnltur im Gefolge gehabt,
welche ihren Besitzern eine Macht sichern, gegen
die die Werke niederer Culturgrade im Kampfe
ums Dasein nicht auf die Dauer Stand zu halten
vermögen. Dieses Uebergewicht der Monogamsten
über die Polygamist en muss mit höher steigenden
Graden der Cultur in wachsendem Masse zunehinen.
Die Triebe zu allen drei Familienformen wer-
den ohne Zweifel von Anfang an sieh im Menschen*
geschlechte bethatigt haben. Doch haben allem
Anscheine nach anfangs die niederen Triebzweige
den höchsten dergestalt überwuchert, dass seine
Wirkungen nur sporadisch in einzelnen Privatkreisen
hervortreten konnten als ein höheres Bedürfnis-
bevorzugter Personen, nicht aber als herrschende
•Sitte ganzer Volks« tftmme.
Die Eroberungen der Cultur in den ersten
Weltjahren gingen aus vom Herde der strengen
Polygamie in deu kolossalen orientalischen Welt-
reichen, gegen welche gehalten die antiken ßildungs-
herde monogamischer Arbeit in Griechenland nnd
Rom sieh auf der Landkarte schmal genug aus-
nehmon. Erst als mit Unterstützung des Christen*
tliums ganz Europa sich der durch sie angefangenen
Arbeit ansehloss, fing das Verhflltniss au sich um-
zukohren.
Das voraussichtliche Ende kann kein andere-
sein, als dass die, welche im Anfänge die kleinsten
waren, zuletzt die grössten sein werden.
Wissenschaftliche Mittheilungen.
Ausgrabungen hei Göthen.
Die Stadt Göt h eil in A n h alt bietet in ihrer
nftrlistcn und fernem Umgehung ein nicht unan-
sehnliches Material für prähistorische Forschung
und Ethnologie, welches schon vor 2tx> Jahren die
Aufmerksamkeit seiner Fürsten erregt hat und zum
Theil noch jetzt in dem herzoglichen Schlosse da-
selbst vorhanden ist.
(Jeher den Ursprung der Stadt weiss man
wie über die meisten andern des Landes nichts,
doch ist e* wahrscheinlich, dass er weit über die
Zeit hinausreicht, wo die Kietin genannte Haupt-
stadt der Wenden vom Kaiser Heinrich I. (i. .1. 027»
zerstört worden ist. Dem Namen der Stadt er-
geht cs nicht anders als dem Oöthe’s in dem be-
kannten Herder'schen Epigramme; oh er von
Gothen oder vom Kot he stammt, ist gleich un-
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15
sicher; sogar “eine Schreibweise, ob mit K oder (',
obgleich wir eine grosse gelehrte Abhandlung darüber
besitzen, ist zweifelhaft, und und nur gewisse eigen-
sinnige l.eutc halten iu'tiiictmüssig uoch heut au
dem C fest.
Dass die 1 teut ung des Namens auch ihre kel-
tischo Phase durchgemacht hat. ist selbstverständ-
lich, da die Dolmen und Hügelgräber. deren Reihe
einige Stunden von dort beginnt und bis zu dem
durch seine Conchilicn berühmten Lnttorf sieh
erstreckt, uoch unlängst für keltischen Ursprungs
gehalten wurden. Nicht wenig sprach ferner dafür
der zufällige rinstand, dass bei uuserm Göthen
eine Vorstadt Sc ha lau » genannt und bei der Stadt
Sc ha lau n in dem bojokeltischeu Hohmen ein Orts-
name Cot i na sich befindet, Cuit, Kot im Kelti-
schen aber eineu bewaldeten Berg bedeutet (cf. V.
Goehlert in Mittheil. d. geograph. Ges. in Wien.
N. F. 3. Nr. 4. 1870).
Leider besizt nun das jetzige Göthen zwar eine
ulte Dorfstätte Hohen-Cötheii , indess schon seit
Jahrhunderte!! keinen Wald und endlich findet sich
eiu Schulaun auch in dem altslawischen Preussen.
Dass die Sorben -Wenden einst den ganzen Land-
strich bis zur Saale und tliiliweise über dieselbe
hinaus besessen und besiedelt haben, stellt nicht
nur geschichtlich fest, sondern wird auch durch die
unverkennbar slawischen Ortsnamen und die zahl-
reichen Künde von Urnen mit verbrannten Menschen-
knorhen in geringster Tiefe unter der Obertläche
des Bodens bestätigt. Weit mehr als dieses scheint
uus die slawische Russe in Anhalt uieht hiuterlasseu
zu haben, es sei denn, dass von ihrem Blute, wie
inan annimmt, ein guter Theil durch die Adern des
Zerbster Landvolkes Hiesst. Von Skelettheilen,
namentlich von Schädeln der alten Wenden
haben wir nichts und zwar darum insbesondere
nichts aufzuweisen, weil sie, wo sie konnten, die
Feuerbestattung übten. Trotz dessen ist es fast
sicher anzunebinen, dass in der Nähe der Stadt
Gothen ein Massen-Beerdigung wendischer
Leichen stat (gefunden haben müsse. Da nämlich
am 11. Februar 1115, an demselben Tage, an wel-
chem Kaiser Heinrich V. am Welfs holze bei
Hctlsladt der vereinigten Macht der Sachsenfürsten
unterlag, auch ein ihm verkündetes Wemleuheer
von 4 — 501N) Mann durch Graf Otto d. Reichen
hei Göthen geschlagen wurde und gegen Aken an
die Klbe sich zurückzog, so liegt die Vermut hung
nahe, dass die gefallenen Wenden auf dem Schlacht-
fehle begrabeu und uieht verbrannt worden
sind. Von dieser Voraussetzung ausgehend, habe
ich seit mehreren Jahren mich bemüht, den Ort
der Wahlstatt ausfindig zu machen, um in den Besitz
unzweifelhaft alt wendischer Schädel zu gelangen.
Davon hing die Lösung der Frage ah. ob die alten
Sorben - Wenden au »lern weitverbreiteten braehy-
cephaleu SrliAdeltypns der heutigen Slawen tlieil-
genoinmen haben oder nicht, oder aber oh der
Typus sich verändert und in den jetzt in Anhalt
herrschenden brnrliyrephalon ühergegaugen sei,
gleich dem in Franken, gegenüber dem Typus der
Beiheugräber. Leider ist mir bis jetzt es nicht
gelungen, die Stelle zu ermitteln. In Folge dieser
Bemühungen erhielt ich dagegen Funde anderer
Art aus einer Stätte, welche schon seit 150 Jahren
sehr ergiebig an Urnenfüiiden sich gezeigt hat. Ls
ist dies das Terrain hinter dem Judeu-Gottesacker
bei Göthen. Längs der Südseite der Mauer des
letzteren und vom Saume der Fasanerie aus er-
streckt sich nach Süden und Westen bis zu den
sogenannten 7 Brünnen ein weitläufiger, von
schmalen Wasserläufen umkreister Ackercomplex,
auf welchem mehrere Ziegeleien sieh etablirt buben.
Die reiche Humusschicht ist grösstentlieils abge-
tragen. uiul der mehr oder minder weisse, darunter
befindliche Lehm- und Thonboden wird ausgegraben
und verarbeitet. Bei diesen Ausgrabungen fanden
sich, insbesondere längs des Weges, welcher von
der Vereinsziegelei zur Friedhofsmauer führt, grös-
sere und kleinere graue Steine, deren nach oben
gekehrte Flüche deutliche Spuren von Feuer trugen,
und unter diesen Steinen lagen, ohne dass eiu aus-
gemauertes Grab zu erkennen war, neben wolil-
erhaltenen Urnen und Gefässen, menschliche Skelete,
der Kopf nach Westen, die Küsse nach Osten ge-
kehrt. Hr. Ziegelei - Direetor Aufrecht, dessen
Güte ich diese Mitlheiluug sowie die noch zu er-
wähnenden Schädel, Gef&ssc und einen in einem der
letzteren gefundenen Horn kämm verdanke, ver-
sichert, dass seit Jahren zahlreiche derartige Künde
gemacht, deren Inhalt leider von den Arbeitern
meist zertrümmert und wieder verscharrt worden
sei, und dass, wo die bewussten Steine mit Brand-
spuren gefunden werden, auch jedesmal eiu Grab
zu erwarten sei.
Schon diese Art der Leichenbesfattung lässt
nicht verniuthen, dass wir es hier mit wendischen
Grabstätten zu thuu haben, wenigstens uieht mit
solchen aus heidnischer Zeit; aber auch die Form
der Schädel stimmt nicht zu der landläufigen Vor-
stellung von solcher slawischer Rasse. Beide sind
laug, schmal und, besonders der des jüngeren In-
dividuums, ziemlich hoch, wie aus den beifolgenden
Ma-sen ersichtlich ist. Beide zeigen eine sHiön
gewölbte aber schmale Stirn, lange, hinten nicht
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plötzlich sich verbreiternde Scheitelbeine und t*iu {
nach hinten vorragendes Hinterhauptsbein mit stark
ausgesprochenen Linien für Muskelans&tze; die
vordere Ansicht ist mehr ei- als hirnförmig; die
Jochkogen springen stark vor. Der altere Sch&del ,
zeichnet sich indes» vor dem andern durch eine
auffällig rohe Gesicht sbildung aus, die von dem
sanft gewölbten Schädel in überraschender Weise
absticlit. Wahrend nämlich die Stirnliöcker ganz
Hach sind, springen die Augenbraunenwülste und
der Proc. nasalis des Stirnbeins über der einge-
drückten Nasenwurzel mächtig hervor, die vertiefte
Glubella lauft rinnenartig über dem oberen Augen-
höhlenrand hinweg und ist von der Schläfeugrvbe
durch die schwach ausgeprägte t riste des Stirnbeins
kaum getrennt, so dass das Gesicht wie abgeschnürt
von dem Schädel und wie eine vorgehaltene Maske
erscheint, an der die Stirn fehlt. Am obern Orbi-
talrande ist die Incisor breit ausgeschweift, der
Proceas. zygomat. des Stirnbcius gewulstet , der
haniulus des Jochbeins plump und hoch, der Körper
wulstig; die Schlafengrube eng, schmal und wenig
tief; der grosse Keilbeintlügcl schmal, die Schläfen-
schuppc sehr breit (resp. lang).
An beiden Schädeln lauft dicht über dem
Hinterhauptshöcker eine tiefe, nach unten convexe
Rinne, und ist unter den sonst gut erhaltenen Nahten
die K ra n z n a h t sehr feinzahnig, in der Mitte
derselben hei dem altem Schädel sogar nur liuieu-
förmig.
Die Masse betragen bei:
Schädel I. Schädel II.
lull Indira«
Längs- Diu. = 17.9) ,,j Längs-Dtn. — 19,40) „ I
Quer- Dm. = 12,lj Quer-Diu. =13,15L *
Hohen -l)m. = 11,2 ) Höhen -Dm. —12,15 '
Hei einer Ausgrabung am 24. Dcbr. v. J. fand
inan auf demselben Tprrain unter einer Humus-
schicht von tfO cm ein Grab von 2 m Höhe, wel-
ches in die Ziegelerde eingesenkt, von gemischter
Erde bedeckt, auf einer Sandschicht mit darüber
gedecktem Steinpflaster rnhte. Es bestand ans
2 in Pyramidenform gegen einander gelehnten Steinen
von grohkömigem Granit, von denen der grösste
90 cm lang war. Die dazwischen liegende drei-
eckige Lücke war ganz mit einer thonartigen Masse
verklebt, die am Fundorte nicht mehr vorkommt.
Die Oeffnung ging genau von Ost nuch West. Auf
der Westseite stand noch ein kleinerer gegen die
Oeffnung gelehnter Stein. Ringsumher auf dem
Sande lagen Urnenscheiben und Pferdekuochen,
sonst nichts. Vermuthlich ist schon in früherer
Zeit an derselben Stelle gegraben, das Grab geöffnet
und wieder verschüttet worden.
Bern bürg. August 1877. Dr. M. Frenckol.
Zar Literatur über Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in Deutschland.
Archiv für AuthrofHtioyie, Organ »irr deutschen iintfintjHflvyv*chen Gc*t-Il*chitft ltedigirt von A. Ecker
und L. Li ndi nschm it. Brau lisch weig, Vieweg & Sülm. 1877 4°. Inhalt des 3. Heftes: XII. Die
Mineralogie als Hilfswissenschaft Iilr Archäologie. Ethnographie u. h. w.. mit specieller Berücksichtigung
mexicanischer Smlptureu. Von 11. Einehe r zu Freiburg i. B. (Hiezu Tafel VI, VII, VIII.) — XIII Be-
schreibung der Schädel, welche aus dein (irahhugel eines skytisehen Königs uusgegrahen sind. Von C. E.
v. Baer. Mit einleitenden Bemerkungen von Prof. L. Stieda in Dorpat. (Hiezu Tafel IX.) — XIV. Leber
die Methoden zur Ermittlung der topographischen Beziehungen zwischen Ilirnohertlficlie und Schädel. Von
A. Ecker. — XV. Die tiroütdiirowinduugeu des Menschen und deren Beziehungen zum Schädeldach. Von
Dr. K. Hafftier. (Inauguraldissertation in russischer Sprache, erschienen im Mai 1873.) Mitgutbeilt von
Prof. Th. Lau dzert (St. Petersburg) — XVI. Die haarige Familie vou Ambras. Von C. T li. v. Siebold,
— XVII. I>ie Gleichberge bei Roinhild (Hcrzogtbuui .Meiningen) und ihre prähistorische Bedeutung. Von
Dr. G. Jacob. (Hiezu Tafeln X. und XI.) — XVIII. Zur Archäologie des Balticuiu und Russlaudä.
Zweiter Beitrag. Leber ostbaltische, vorzugsweise dem heidnischen Todtencultus dienende »chiffförmige und
anders gestaltete grosse Steinsetziiiigcn. Von C. Crewiugk in Dorpat. (Fortsetzung und Schluss von
Nr. VII.) (Hiezu Tafel II.) — Kleinere Mitteilungen 1 Entgegnung von L. Li ndenschmit auf die
im Namen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich von Hrn. Prof. J. J. Müller herausgegebene „Oeffunt-
liche Erklärung" über die bei den Thayinger lloblenfunden vorgekommene Fälschung. 2. Ovibos fossilis
(Kütimeyer) in dem quaternären Knochenlager von Laugenbrunn. Von A Ecker. — Referate: Zeit-
schriften — und Bücherschau. 17. Die neue Ausgabe der Waitz 'sehen Anthropologie. Von Georg Ger-
laud. 18. Beitrag zur Torsionstheorie des Humerus und zur morphologischen Stellung der Patella in der
Reihe der Wirbelthiere. Inauguraldissertation von P. Al brecht. Kiel 1875. Ref. v. W ieder s hei tu
19. Die Priucipien der Biologie von Herbert Spencer. Autorisirte deutsche Ausgabe nach der 2. engl
Auflage übersetzt von li Vetter, Dr. phil. I. Band Stuttgart. E. Schweizcrbart’&che Verlagshandlung;
(E. Koch) 187U. Ref. von F. K. — Nekrolog Dr. Alexander v. Fra nt zins.
Schluss der Redaction am 24. Februar. — Druck von H. Oldenbttorg in München.
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Correspondenz-Blatt
tler
deutschen GesellHchaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Erge, schichte.
HrtUgirt vm Prof es uw KiMtnmin in München.
• liititrnUf/Vfliit lUr tltsillir buff
Sr. 3. t rschtMiit jtHileu Monat. März 1878.
Geselle chaftsnachrich teil.
Am Anfang des Jahres constituirte sieh in
Kiel ein schleswig-holsteinischer Zweig-
verein der deutschen anthropologischen
it es e Ilse ha ft, der bereits ins Mitglieder zählt,
her erwählte Vorstand ist foigeuderinassen zusam-
mengesetzt :
Vorsitzender: Prof. I)r. Pansch,
Stellvertreter: Prof. Dr. Handel manu,
, Prof. I)r. II e n s e n .
„ Oberstabsarzt Dr. M e t z n e r ,
Schriftführer: Frl. Me9torf,
( a^senführer: Herr Rentier P. He hucke.
Kiel ist Universitätsstadt, Mariuestation uud im
Besitz eines Museums prähistorischer Alterthflmer.
Es befindet sich somit in der günstigsten Lage,
dem Vereine für alle drei Disciplinen, die seine
Aufgabe umfasst, rüstige Arbeiter zuzuführen und
diese mit dem zur Arbeit nöthigeu Material zu
versorgen. Du unn im Vorstände alle drei In-
stitute vertreten sind , so ist zu hoffen , dass das
Glied des deutschen Reiches, welches am längsten
zögerte, dem Verband der anthropologischen Vereine
beizutreten, durch seine Leistungen bald zu den
ersten derselben zählen werde.
ln Münster in Westfalen hat sich ebenfalls
ein Zweigverein der deutschen anthropologischen
Gesellschaft gebildet unter dem Namen „West-
fälische Gruppe d. d. anthr. Ges.1* Die Zahl der
Mitglieder beträgt y*2, der Vorstand ist aus fol-
genden Herren zusammengesetzt:
Corrwp.-Bl»tt Nr. 3.
Herrn Prof. Dr. Hosius als Geschäftsführer.
„ Gymn.-Lehrer Dr. Püning in Münster als
Stellvertreter,
r Dr. v. d. Mark in Haium,.
- Apotheker Schmitz in Letlunathe,
„ Schierenberg in Meinberg bei Detmold,
als Mitglieder.
Prähistorische Karte.
Bitte an die Mitglieder der deutschen
anthropologischen Gesellschaft.
Der Unterzeichnete hat sämmtlirhe ihm bis
jetzt zugesaudten Einträge in dem Re y mann -
sehen Atlas auf die Generalkarte übertragen. Hiezu
wurde ein weisses Blatt der geologischen Karte
von Deutschland — bearbeitet von Dr. H. v. D ec heu
im Auftrag der deutschen geologischen Gesellschaft.
Verlag von J. II. Neu manu in Berlin — benutzt.
Es liegt jetzt übersichtlich vor Augen, wie Vieles
| noch gesammelt werden muss, um eine auch nur
einigermasseu vollständige Uebersicht über die prä-
i historischen Verhältnisse Deutschlands zu erlangen.
Es wird daher Seitens des Vorstandes die dringende
Bitte au sämmtliche Mitglieder der Gesellschaft ge-
richtet, alle denselben bekannte prähistorische Künde
auf ein betreffendes Blatt des Reymann' sehen Atlas
zu verzeichnen resp. von dem Unterzeichneten das
betreffende Blatt zu requiriren. auf demselben den
Eintrag zu machen uud dem Unterzeichneten cum
i Lebert rag in die Gencralkarto zuzustelleu.
Jedes Mitglied der Gesellschaft, das auf prä-
historische Künde wie Steindcnkmäler, Erdhügel,
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Einzelgräber oder Reihengräber, Urnen und Aschen-
hügel, Höhlen mit Knochen, Pfahlbauten und Knochen-
abfälle aufmerksam zu machen im Stande ist, wird
frenndlichst gebeten, sieh der Sache anzunehmen
und in der oben angedeuteten Weise vorzugehen.
Stuttgart im Januar 1877.
Dr. Oscar Fraas.
Vorkommen von bearbeiteten Steinen im
Kieslager von Bobbin auf der Halbinsel
Jasmund, Insel Rügen.
Von Auitsiuth C. St ruck mann in Hauuover.
Bekanntlich ist keine andere (»egend Deutsch- |
lands so reich an Alterthflmem der vorchristlichen j
Zeit als die Insel Rögen ; obwohl schon seit langen
Jahren den dort ungewöhnlich häufig sich findenden I
theiis ganz rohen, theils sehr künstlich bearbeiteten j
Werkzeugen aus Feuerstein von Sammlern und Ken-
nern auf das eifrigste nachgestellt wird, so scheint
der Vorrath dennoch fast unerschöpflich zu sein.
Bei meinem vorigjährigen nur dreiwöchentlichen
Aufenthalt im Bade Sassnitz an der Ostküste der
Halbinsel Jasmund, hatte ich Gelegenheit auf zahl-
reichen Ausflügen in das Innere der Insel diesen
Reichthum kennen zu lernen und hauptsächlich
durch Vermittlung von Arbeitern eine ansehnliche
Sammlung von bearbeiteten Feuersteinen der ver-
schiedensten Art zusammen zu bringen. Nur in
den seltensten Fällen stammen diese Werkzeuge aus
Grabhügeln, welche noch in grosser Zahl die Halb-
insel bedecken; vielmehr werden die meisten Fand-
stücke beim Bearbeiten des Ackerlandes aufgelesen,
jedoch auch häutig bei der Gewinnung von Torf
oder bei der Anlage von Gräben auf dem Grunde [
der Torfmoore und Sümpfe aufgefunden. Die rohe- ■
sten und wahrscheinlich ältesten Feuersteinwerk- |
zeuge haben eine auffallende Aehnlichkeit mit denen, \
welche zuerst von Bouehesde Port lies im dilu-
vialen Flusskiese des Sommethaies bei Abbeville auf- j
gefunden worden sind. Ks liegt daher nahe, auch den '
ganz roh bearbeiteten Steinen der Insel Rügen ein j
hohes Alter beizumessen. Dies veranlagte mich j
bereits im vorigen Jahre, die bekannten Kieslager
von Sagard und Bobbin auf der Halbinsel Jasmund j
nach dieser Richtung hin ins Auge zu fassen; je- j
doch erlaubte es mir ineiue Zeit nicht mehr, die be-
züglichen Untersuchungen auszuführen. Bei meinem j
diesjährigen kurzen Aufenthalt auf Jusrnund be-
schloss ich dagegen der Frage näher zu treten, und !
sind meine Nachforschungen nicht ganz ohne Erfolg
gehliehen, wenn auch noch kein ganz sicheres
Resultat erzielt worden ist.
Die Kiesgruben von Sagard und ßohbin sind
bereits seit langen Jahren bekannt durch ihren
Reicht hum an Versteinerungen, welche sich als
Geschiebe in denselben finden; namentlich sind es
die stark abgeriebenen Versteinerungen der auf
Jasmund selbst anstehenden oberen Kreidefonnation
(Mueronaten-Kreide) und vorzugsweise kleine Bryo-
zoen und Stacheln von Echiniden, Bruchstücke von
Belemuites mueronatus, Gryphaca vesicularis und
Galerites (Lobin onus) vulgaris, welche am häufigsten
gefunden werden: daneben kommen unzweifelhaft
sibirische Versteinerungen vor. und ausserdem wer-
den von Boll auch tertiäre Versteinerungen von
diesen Fundstellen aufgeführt ($. Boll, Geognosie
der deutschen Ostseeländer. Neubrandenburg 1846.
S. 158, und Boll. die Insel Rügen, Reise-Erinne-
rungen. Schwerin 1858. S. 102); im Uebrigcn «ind
abgerollte Feuersteine und Granitge schiebe der ver-
schiedensten Grösse in jenen Kieslagern am häufig-
sten. Es dürfte daher kaum einem Zweifel unter-
liegen, dass diese letzteren der Diluvial-Fonnatiou
angeboren.
Sowohl das Kieslager von Sagard, wie das etwas
nördlicher hei ßobhiu belegeue habe ich in diesem
Sommer in Rücksicht auf das Vorkommen von be-
arbeiteten Steinen in denselben einer specielleu und
sorgfältigen Untersuchung unterzogen, ln Sargani
ergaben meine bezüglichen Forschungen ein völlig
negatives Resultat, indem ich keinen Stein aufge-
funden habe, an welchem auch nur eine mögliche
Spur von Bearbeitung zu entdecken war. ln dem
Kieslager von Bohbiu sind dagegen verschiedene
Steine und namentlich Feuersteine von mir ge-
sammelt, die ganz unzweifelhaft eine küustliche
Bearbeitung erfahren haben, und zwar ist es wahr-
scheinlich. dass diese Bearbeitung bereits vor ihrer
Ablagerung au der jetzigen Stelle inmitten der
diluvialen Geschiebe stattgefuuden hat. leb sage
„wahrscheinlich“ ; denn mit völliger Sicherheit wage
ich nach den bisherigen Vorkommnissen ein dilu-
viales Alter der fraglichen Werkzeuge nicht zu
behaupten. Vielmehr werde ich mich vorläufig jeder
weiteren Schlussfolgerung enthalten und nur die
einfachen Thatsachen inittheilen, um dadurch wo-
möglich zu weiteren Nachforschungen anzuregeu.
Das Dorf Bohbiu mit seiner malerischen ur-
alten Kirche liegt kaum zwei Kilometer von der
Küste des grossen Jasmunder Boddens entfernt ;
dasselbe ist ringsum von niedrigen Hügeln umgeben,
von welchen die meisten Kieslager enthalten sollen.
Eine ältere Kiesgrube befindet sich unmittelbar
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hinter dem Begräbnissplatze ; jedoch ist dieselbe
seit verschiedenen Jahren nicht benutzt, and ausser
einer Anzahl von abperiebenen Kreideversteine-
rangen ergab dieselbe keine bemerkcnswerthe Aus-
beute. Eine zweite, noch gegenwärtig in Gebrauch
stehende Kiesgrube liegt einige hundert. Schritte
südlich des Dorfes auf einer Anhöho unweit des
Fahrweges nach Sagard. In derselben und in der
etwa !*/• bis 2 m hohen Kieswand wurden, abge-
sehen von einigen stark abgeriebenen Kreide-Ver-
steinerungen, folgende Funde gemacht:
1. ein sog. Reibstein von feinkörnigem Quarzit,
unregelmässig kugelförmig, etwa 100 mm im Durch- i
messer, rund umher gleichsam bandförmig eine etwa
50 mm breite Abreibungsflache zeigend. Ich selbst
war ursprünglich zweifelhaft, ob dieser Stein in der i
That die Spuren eines künstlichen Gebrauchs an j
sich tragt; der vorzügliche Kenner der rügenischen :
Altcrthümer, I)r. Rudolf ßaier in Stralsund, ver-
sichert übrigens nach Augenschein, dass in der That
ein sog. Reibstein vorliegt.
2. eine ganz unverkennbare und zwar sorgfältig,
wenn auch ziemlich roh bearbeitete Lanzenspitze
von stark angcwittertein weisslichen Feuerstein, ;
70 mm lang und in der Mitte .‘15 mm breit; an
der Basis abgebrochen; der Bruch zeigt eine völlig '
weisse Verwitterungsfläche, so dass derselbe jeden- 1
falls bereits ein sehr alter ist. Von der sehr dünnen
Spitze ist ebenfalls ein unbedeutender Theil abge- '
brachen.
3. ein sehr roh bearbeitetes nieisselförmige* j
Werkzeug von Feuerstein, anscheinend unvollendet,
88 mm lang und in der Mitte 38 mm breit, mit
einer ziemlich scharfen Srhneide; deutliche Spuren
von Bearbeitung sind nicht zu verkeimen.
4. zwei Fragmente von sehr roh bearbeiteten
Feuersteinen, stark angewittert, welche möglicher- !
weise ebenfalls als Lanzenspitzen gedient haben.
5. das 60 mm lange und 35 mm breite Frag-
ment eines sog. Feuersteinmessers, an den Schärfen ■
deutliche Spuren der Bearbeitung zeigend.
ß. endlich eine 30 mm lange und in der Mitte j
etwa 20 mm breite sehr roh bearbeitete Pfeilspitze, j
Ausserdem sind noch einige sehr stark ver-
witterte dünne Feuersteinspäne von mir aufge-
nommen, welche in der Regel als sog. Abfallspäne
bezeichnet werden.
Wenn nun auch keineswegs gezweifclt werden
kann, dass die unter 1 bis 6 bezeichncten Steine
deutliche Spuren der künstlichen Bearbeitung an
sich tragen, und wenn es ferner auch als sicher !
angenommen werden darf, dass der versteinerungs- 1
reiche Kies, in welchem dieselben gefunden sind,
dem diluvialen Zeitalter angehört, so bleibt dennoch
die Frage zu beantworten, ob sich dieser Diluvial-
kies wirklich an primärer Lagerstelle befindet, oder
nicht etwa als eine ältere Dünenbildnng an secun-
därer Lagerstätte zu betrachten ist. Nur scheint
dieses allerdings nicht wahrscheinlich zu sein, weil
der sehr grobkörnige Sand und Kies sich von dem
in der Regel feinkörnigen Dünensande wesentlich
unterscheidet. Auch spricht das Vorhandensein von
zahlreichen gröberen nordischen Geschieben gegen
eine derartige Annahme.
Auch scheint mir der Hügel, an welchem die
fragliche Kiesgrube angelegt ist, einen zu erheb-
lichen Umfang zu besitzen, als dass an eine künst-
liche Errichtung desselben gedacht werden könnte.
Es muss daher entweder angenommen werden,
das« die bearbeiteten Steine mit den sie begleiten-
den Geschieben an Ort und Stelle gelangt sind,
oder dass das Vorkommen an dieser Stelle einem
zufälligen Umstande zuzuschreiben ist. Dieser letzte
Zweifel kann nur dmch fortgesetzte Beobachtungen
beseitigt werden, und ist es der Zweck dieser Zeilen,
zn fortgesetzten Untersuchungen nach dieser Rich-
tung hin anzuregen.
Hannover, im October 1877.
Grabfund auf der Insel Seeland.
Hr. Prof. Engelhardt in Kopenhagen, der
entschieden zu den glücklichen Findern gehört, hat
kürzlich wieder einen Schatz ans Licht gefördert,
desgleichen der Norden bisher nicht hesaas, und
zwar stammt derselbe wieder aus dem Amte Prästö,
jener südöstlichen Ecke der Insel Seeland, welche,
durch ähnliche Funde ans der älteren Eisenzeit
bereits allbekannt, sich in der That als der Wohn-
bezirk einer opulenten Bevölkerung in den ersten
Jahrhunderten unserer Zeitrechnung kennzeichnet.
In einem unweit Varpelev gelegenen Hügel, Thor-
kelhöi genannt, einer 168' langen und 76' breiten
natürlichen Hebung des Bodens, wurde beim Kies-
fahren das Grab entdeckt, und zwar nur 100' ent-
fernt von dem im vorigen Jahre dort an fged eckten
Grabe derselben Zeit. Es lag 9' unter der Boden-
fläche, muss demnach, da der Hügel bereits be-
deutend abgefahren, ursprünglich in beträchtlicher
Tiefe angelegt worden sein. Man sticss zunächst
auf eine Steinsetzung, bestehend aus 15 grösseren
Steinen von etwa 2' Durchmesser, welche in zwei
Reihen von SW. nach NO. gesetzt, an der Südwest-
seite zusammenstiesen, am entgegengesetzten Ende
nicht geschlossen waren. Die Länge dieser Stein-
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Atzung betrag 16, die Breite 2 und 4*. Am süd-
westlichen Ende lau ein Beckstein von 3 — 4* im
Durchmesser. Bas eigentliche Grab bildete ein
Rechteck mit abgerundeten Enden. Am Roden lag
ein Brett, die Seiten waren mit hlnnem Thon ge-
dichtet. Heber dem Skelet war ein Stein, welcher
Haupt und Brust bedeckte: ein zweiter Stein schützte
die zu Hänpten gestellten Grabgeschenke.
Der Leichnam, dem Anschein nach ein weib-
licher, war in vollem Kleiderschmuck bestattet wor-
den. Es lag ausgestreckt, etwas nach rechts geneigt,
der linke Arm Über die Brust gelegt, der rechte
am Körper herahhftngend. Bcr Kopf lag nach Süd-
western also nach Osten schauend. Am Kopfende
standen die nachbenannten mehr oder minder kost-
baren Gefässc: eine blaue Glasschale in silberner
Fassung von durchbrochener Arbeit, Weinlaub dar-
stellend und mit der Inschrift ßYTYXQC (die erste
griechische Inschrift, welche so hoch nach Norden
gefunden!); ferner eine hübsche kleine Schale von
rubinrothem Glase mit eingescliliffenen Ovalen an
der Ausscnseite; eine grosse Vase von grünlichem
Glase und Fragmeute von noch mehreren anderen
Glas- und verzierten Thongeftssen, welche durch
den Stein zerdrückt waren, ln dem hinnen Glase
lagen mehrere Rippcnknorhcn, in dem rubinrothen
Fischgräten.
An der rechten Seite des Kopfes, ungefähr am
Ohr, lag eine Goldmünze des Kaisers Prohns, mit
einer Schleife zum Durchziehen eines Drahtes oder
eines Bandes; vielleicht als Ohrring getragen. Fm
den Hals hing ein prächtiger grosser Goldreif mit
hoher Mittelrippe und überhaupt von schöner Arbeit.
An der rechten Schulter lag eine einfache massive
goldene Nadel mit 8pintlwinduiigcn, welche den
Mantel an der Schulter befestigt haben mochte.
Zwei Finger der rechten Hand waren mit goldenen
Ringen geschmückt : einem breiten glatten mit ver-
zierter Mittellinie und einem spiralförmig gewundenen.
An der Hüfte lagen eine silberne Spange und zwei
kleine silberne Gürtelbesclilflge.
Zu Füssen fand man einige Thierknochen. und
etwas tiefer einen Holzeimer mit Rändern und
Henkel von Bronze, und tlieils in demselben, tlicil«
daneben und unter einem grösseren Steine 42 Brett-
spielsteine von Knochen. Noch weiter abwärts stand
ein römischer Bronzefuss in einer dicken Holzschale.
und in derselben, sowie am Roden zwischen der
Schale und dem Holzeimer, fand man die Leber-
Teste eines Ferkels.
Die Münze des Prohns (27t> — 282) gibt einen
Anhalt für die Zeitstellung dieses luxuriösen Be-
gräbnisses. Die kostbaren GefÄsse sind griechisches,
vielleicht römisches Fabrikat.
In unmittelbarer Nähe dieses Grabes fand man
ein Skelet ohne irgendwelche Beigaben und den
Schädel eines Dritten, von welchem indess keine
weiteren Ueberreste zu finden waren. Prof. Engel-
hardt stellt die Frage, ob etwa einige Dienerinnen
der vornehmen Frau ins Grab gefolgt seien. Die
systematische Untersuchung der Thorkelhügel ist
noch nicht abgeschlossen. Dass das Grab so reiche
Ausbeute gegeben und von kundiger Hand aufge-
deckt worden, ist dem verständigen Landmanne zn
verdanken, welcher bei der Entdeckung des Grabes
sofort die Arbeit einstellte, bis anf erfolgte Mit-
theilung ein Museumsbeamter aus Kopenhagen sieh
an Ort and Stelle eingefunden hatte.
lieber Niederlassungen aus der Renthier-
zeit im Mayenne- Departement.
Von Frl. v. Box berg.*)
Der Boden des Mayenne-Dcpartemcnts besteht
tlieils aus Granit, tlieils aus kleinem Kalksteinketten
der Devonformation und Bildungen der Steiukohlen-
formation. Nirgends zeigen sich feuersteinführende
Schichten, und es dürfte jedes im Departement anf-
gefuiidenc Stück Feuerstein als eingeführt zu be-
trachten sein.
Der Urgrund des Bodens der Gemeinde von
Tliorigne-en- ('harnie, auf deren Gebiet sich
die Höhlen von Margot, Rochcfort und la cgve
ä la Che vre oder Geis- Höhle befinden, ist der
Hauptmasse nach kalkig.
An beiden Ufern der Erve, welche die Com-
mune durchschneidet, breiten sich kleine Wiesen
aus, die durch «clirotT ansteigende Felsketten be-
grenzt werden, in deren höheren T heilen tief aus-
gewaschene Klüfte eingesenkt sind. Bei wenig
Erdreich, das sie bedeckt, tragen sic unzähliges
Buchsbauin- und Wachholdergebösch. keine grösse-
ren Bäume.
Die schöne Grotte Margot, die auf dem linken
Ufer der Erve in der steilen Flanke der Bergkette
liegt . ist über 30 m laug und zeigt an ihrem
Eingänge prächtige Stalaktiten. Ihr gegenüber au
dem anderen Ufer liegen die Höhen von Rochcfort
*) Sitzungsbericht der naturwissenschaftlichen Ge-
sellschaft Dis zu Dresden. 1*77 Nr. 1 —8
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nnd die Geishöhle. Entere ist um vieles grösser
als Margot, wahrend die etwas höher gelegene Geis-
höhle weit kleiner als die beiden anderen ist.
Die ersten Unteruchungen in diesen Grotten
erfolgten durch den Herzog von Chaulnes, welcher
die Höhle von Margot in Pacht nahm und ausgraben
liess. Der Erfolg war ein glanzender, da zahllose
roh bearbeitete paläolithische Werkzeuge und Zahne
nnd Knochen von Mammuth, vom grossen Bär,
Rhinoceros, Pferd u. s. w. ausgegraben wurden.
Nachdem ich hei meiner Rückkehr nach dem
Schlosse Th^ralles an der Erve die Erlaubnis« er-
halten hatte, die Höhle von Rochefort und die Geis-
höhle gleichfalls untersuchen zu dürfen, begann
ich meine Untersuchungen am 6. Decbr. 1X73 mit
Rochefort.
Der Zugang zu den circa 30 m über dem
Ervespiegel liegenden Höhlen wird durch kleine
Abhänge erleichtert. In die Höhle Rochefort führt
ein Gang von 12 in Länge und 2 — 3 m Breite in
Krümmungen nach einem dunkeln Hauptgewölbe
von 40 m Länge, 10 m Breite und 16 m Höhe.
Bei vorsichtiger Untersuchung eines senkrechten
Einschnittes dicht am Eingänge der Höhle ergaben
sich folgende Schichten:
1. abgerundete Fragmente des dortigen Kalk-
steins, 60 cm;
2. gelbe lehmige Schicht mit grossen Saudst ein-
geschieben und nur wenig Thierresto, 35 cm ;
3. röthlichor Sandstein oder Kies mit Quarz-
oder anderen Geschieben, welches die eigent-
liche Fundschirlit für Thierreste und Band-
steinwerkzeuge ist, 60 cm;
4. eine schwache Decke von Kalksinter. 4 cm;
5. Löss, mit wenigen Thierrcsten, 35 cm stark;
6. eine schlammige schwarze Humusschicht.
25 cm stark.
Nach Abtragung der Lössscliieht fiel mir eine
Grube auf. welche, “ich in 2 m Breite quer über
den Gang zu der Höhle ansbreitend und 2,5 m Tiefe
erreichend, nur Asche und dicht zusamniengebackem*.
ganz verhärtete Holzkohlen enthielt. Weder Knochen-
abfülle, noch zerbrochenes Stein- oder Kuochengerftth,
was an einen friedlichen Haushalt hätte erinnern
können, wurde entdeckt.
Hat das Feuer, worauf diese Aschenanhäufung
am Eingänge der Grube hin weist, die Höhlenbewohner
vielleicht vor feindlichen Ueberfällen schützen sollen?
langsam wurde weiter gegraben und mit grosser
Vorsicht jeder Spatenstich einzeln mit ersucht ; bald
ergaben sich unter den Funden
571 mehr oder minder beschädigte, auch ganz
unversehrte Messer, Kratzer nnd Stecher
von paläolithischen Alter,
4 Lanzenspitzen,
3 kleine ans Bergkrystall geschlagene Instrn-
mentchen,
3 Bergkrystall-Zacken, abgerundet und abge-
schliffen. und endlich
16 zierlich geformte Messerchen aus verschie-
denem Material.
Diese Steinwerkzeuge bestehen zum Thcil aus
krystallisirtem Quarz, zum Theil aus gelbem,
schwarzem, rothem und granein Kiesel oder aus
| Hornstein.
; , Unter den Resten der dabei gesammelten Thier-
welt unterschied Prof. Gau dry;
5 Zähne des fossilen Löwen,
11 Zähne von fJrms,
X Zähne von ffytietm,
mehrere von Bus Bison und vom Pferd,
5 Pferdehufkerne. darunter ein krank gewesener,
eine grosse Anzahl Knochen. Hufe, Gebisse und
Geweihstücke des Renthieres,
einige Reste des Hirsches,
zahlreiche zerbrochene Knochen unbestimmbarer
Wasservögel, ferner
Bruchstücke menschlicher Schädel, eines Un-
terkiefers und eines wohlerhaltenen Zahns
nnd endlich ein Stück benagten Elfenbeins
mit deutlichen Spuren der ßoiiagung durch
Hyäne.
Unter den durch Menschenhand geschnitzten
, Gegenständen fanden sich vor;
I Lanzenspitzen. 6 Pfeilspitzen, 10 Stecher,
15 gespalten«* Röhrenknochen, deren untere
Enden löffelailig gerundet sind, 2 durchsägte
Stücke Hirschgeweih. 3 Knochen mit ab-
sichtlich eingeschnittenen Narhcn (sogen.
Jagdmarken),
1 grob geschnitzte Nadel von X cm Länge.
3 Fussgeleuke vom Renthier, durchbohrt und
als Pfeife dienend. 2 ausgearbeitete Röhren-
knochen, welche als Griffe benutzt worden
sind, endlich noch ein kleines, ans einem
Rückenwirbel geschnitztes Thierköpfchen.
SämmtliclieKnochenwcrkzeuge haben eine glatt«'
AussenHäche und fühlen sich weich an. während
sie hart and unverletzt sind, trotz ihres Liegen«
unter Wasser. Vielleicht waren sie vor ihrem Ge-
brauche mit Fett getränkt worden, während andere
kleine Knochensplitter stets \crwittert, gebleicht
und sehr zerbrechlich erschienen. Ganze Karren
zerfallener Knochensplitter wurden ansgegraben.
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Nach sorgfältiger Abtragung der diluvialen
Schichten bis zn der unteren gelben Thonschicht
zeigte sich eine cigcnthflmliche Färbung des Sandes,
und es fand sich ein kleines, hart an der Felswand
liegendes Häufchen blutrot h gefärbter Knochen,
deren Röhren fein geriebenen Rothatein enthielten,
worin auch noch zwei kleine Messerchen stecken
gebliehen waren. Dabei lag ein grob aus Bein
geschnitzter spatelartiger Löffel und eine kleine
Platte von Glimmerschiefer, welche mit rother Farbe
bedeckt waren. Wohl mag dieser Farbenapparat
zum Färben der Haut jener Höhlenbewohner ge-
dient haben, ln der Nähe dieses rothen Farbstoffes
fanden sich noch:
fr kleine Spatel aus Bergkrystall von 2 cm*
Länge. 0 Messerchen ans Chalredon. juras-
sischem Hornstein nnd Achat. 2 Stecher aus
Cbalcedon uml 2 kleine Instrumente, deren
Ende ausgezackt ist. aus Jaspis und aus
Achat, sowie 3 perlenartig gerundete Chal-
redone, deren einer znrn Pritthei! unge-
bohrt ist.
Wirft man nach diesen Funden einige Blicke
anf die Lebensverhältnisse jener vorhistorischen
Menschen. so lässt sich wohl sohliessen, dass die
Höhle von Rocbefort zuerst längere Zeit von Tro-
glodyten bewohnt gewesen, dass sie dann zweimal
durch Hochfluten unter Wasser gesetzt worden ist
und nach dem Schmelzen der grossen diluvialen
Gletscher keine vorhistorische Bevölkerung mehr
geborgen hat. Eine schätzende Decke von Kalk-
sinter und Stalaktiten hatte die Fundschicht bis
jetzt unversehrt erhalten können. Auch die Herren
G a u d r j und M o r t i 1 1 e t stimmen mit mir über-
ein, dass man es hier mit einer Höhle uml Ueber-
schwemmnng der Eiszeit zn thun habe.
Zur Untersuchung der Frage, ob nicht auch
gleichzeitig mit den Station irenden Troglodyten von
Margot und Rocbefort das obere Flachland der
beiden Felsränder bevölkert gewesen sei. sollten bei
vorsichtiger Anordnung unter Benutzung der Pflug-
schar beide Plateau’s der tiefer liegenden Höben
nmgeackert werden, und es wurde mit der Anhöhe
von Margot damit begonnen. Hiebei wurden viele
St ein Werkzeuge., namentlich Lanzen, Pfeilspitzen und
eine grössere Anzahl von Schlendern gewonnen.
Da man hier neben den Hämmern und anderen
Steinwerkzengen auch die sogen. Nurlei fand, von
welchen sie losgeschlagen waren und unendlich viel
Fenersteinsplitter beisammen angelläuft lagen, ge-
wann inan den Beweis, dass jene Waffen nnd Ge-
räthe hier an Ort und Stelle gefertigt worden sind
and man sich in einer vorhistorischen Werkstatt
befand. Alle diese Steingeräthe nähern sich am
meisten den Typen der Mammnthzeit.
Ich möchte diesen Tbatsachen noch eine geo-
graphische Bedentung beilegen, denn das hier wei-
lende Völkchen kannte die Gegend. Alle diese von
Menschenhand herbeigebrachten Feuersteine waren
dem Sarthe*D£partement. dem Greuzlande. entnom-
men, wo sich auch die Brüche des groben schwarzen
Materials noch finden, ans welchem die Colobisten
des Plateau’s das zur schweren Arbeit erforderliche
harte Material gewannen.
Nach Kohle, Asche uud Knochen resten habe
ich bis anf den Grundfels des Bodens vergeblich
gesucht. Jene Platean - Bevölkerung scheint kein
sesshaftes Leben geführt zu haben, vielmehr die
Raststelle von Margot bald wieder verlasseu zn
haben, nachdem es sich durch Anfertigung von
Steingeräthen in den Stand gesetzt hatte, feind-
lichen Angriffen Widerstand zu leisten nnd sich
die erforderliche Nahrung auf fremdem Boden zu
erbeuten.
Ganz anders gestaltete sich dagegen in Bezug
anf die Ergebnisse der Untersuchung der rechts
der Erve liegenden Anhöhe von Rocbefort. Von
dort liegt nur die Culturgeschichte in ihrer fort-
schreitenden Entwicklung bis zu der Zeit des in die
Geschichte so tief eingreifenden Prnidenthums der
Celten mit ihren grossen Opferaltären und Dolmen
und auch später eingefflhrten Hausgöttern in ver-
schiedenen seltenen Exemplaren thatsächlich vor mir.
Kehren wir noch zu der Geishöhle zurück,
welche 50 Schritte abwärts von Rocbefort liegt und
um H n» höher als diese über dem Wasserspiegel
der Erve. Sie ist in zwei Kammern getheilt, deren
grössere 14 m. die kleinere 7 m lang ist. Beide
Räume sind durch Tageslicht erhellt, die kleinere
von dem Eingänge aus, die grössere von oben.
Bruchstücke des devonischen Kalksteins, gelber
diluvialer Lehm, braunröthllcher Sand, Löss, Humus-
boden, dann die fossilen Thierreste, namentlich
Reut liier, und zuletzt Steingeräthe, doch in ge-
ringerer Anzahl als in den Schichten von Rocbefort.
Auffallend war indess, dass säm tätliche Stein-
geräthe aus der Geishöhle an ihrer Oberfläche
gebleicht und stark verwittert erschienen, was auf
locale Ursachen zurückznführen ist.
Mit der Ausgrabung der Höhle von Rocbefort,
deren innere Beschaffenheit uns auf so interessante
geologische und klimatische Verhältnisse zurück -
führt, ist bis jetzt nur ein Anfang gemacht. I)a
der Umfang dieser Höhle ein so beträchtlicher ist,
sind noch jahrelange Thätigkeit und andere Kräfte
erforderlich, als die meinen sind; sicher darf tnan
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t '
23
aber noch eine weit grossere Ausbeute erwarten,
namentlich bei tieferen Nachgiabungen. Es wurde
mir kürzlich mitgetheilt, dass Mr. Khaplain Duparc
aus Le-Mans die Untersuchung der Höhlen des^Erve-
Tbales neuerdings weiter führt und schon interes-
sante Funde zu verzeichnen hat. In einer am
linken l'fer der Erve gelegenen Höhle la Bigotte,
welche 15 m tiefer als Rochefort gelegen ist, zeigt
sich eine Wölbung von 30 m. Länge und 7 nj Höhe.
Der Eingang ist geräumig, die Höhle hell, was das
Ausgräbern erleichtert. Bis zu ltt m Tiefe hat man
in der Höhle vier über einander geschichtete Brand-
stätten aufgedeckt, welche deutlich von einander
geschieden sind. Neben Steingerätheu aus der
paläolithischcn Zeit fanden sich Reste des Löwen
und Mammuth, wahrend der Höhlenbär dort zu
fehlen scheint. Viele menschliche Geheine, ohne
Spur von Beerdigung dort ausgegraben . haben
Hrn. Duparc zu der Annahme geführt, dass hier
einst Anthropophagcn gelebt haben. Die Menschen-
rasse erschien ihm klein und mit brachycephalem
Schädel. Weiteren Mitthcilungcn des Genannten
darf man in Kurzem entgegensehen.
Ueber Funde auf dem Boden des
altpolnischen Reiches.
Von v. Zmlgrodzkl (Krakau).*)
Es gibt in Krakau zwei prähistorische Samm-
lungen. Beide verdanken ihre Entstehung der Sorge
des Prof. Dr. Josef Lepkowski.
Die Sammlung »1er Akademie der Wissenschaft,
gegründet im Jahre 1858, ging bald in andere llünde
über. Sie enthält sehr interessante Funde, aber
leider nicht zweckentsprechend geordnet.
Im Jahre 1869 fing Prof. Lepkowski wieder-
holt au, für das ('abinet der Jagiellonischen Uni-
versität zu sammeln. Diese zweite Sammlung ver-
dankt ihre Entstehung dem Wunsche, ein vaterländi-
sches Museum zu gründen. Von allen Gegenden
des alten Polens strömten bald immer reicher und
reicher die Geschenke herbei, so dass im Laufe
der letzten 7 Jahre die prähistorische Abtheilung
schon über 1500 Nummern erreichte und überdies
*) Auszug aus einem Vortrag, gehalten in der
Münchener anthropologischen Gesellschaft.
Die Zeitschr. f. Ethnologie, unter Mitwirkung von
11. Virchow horausgegeben von Bastian u. Hart-
uiaun, Berlin 1877, Heft II 8. 151, enthält einen Auf-
satz von A. Kohu, der ebenfalls die arebäolog. Samm-
lung der Jagudlouiscbeu Universität behandelt. D R.
einige Hunderte guter Abbildungen- Eine prä-
historische Karte ist bereits angefertigt worden,
welche ersehen lässt (sie wird der Versammlung
vorgelegt), dass der grösste Theil der Künde der
Proviuz Posen und deu Provinzen von Krakau,
Kalisch und Warschau angehört. Aus dem Gebiet
des russischen Polens sind die vorliegenden Künde
noch nicht sehr zahlreich. Verhältnissmässig wenig
sind aus Ostgalizien verzeichnet, denn diese werden
in Lemberg aufbewahrt, ebenso aus Posen, obwohl
sich dort eine reiche prähistorische Sammlung be-
findet; allein es war mir noch nicht xergünnt, diese
beiden Sammlungen zu studireu. Teil werde mich
also vorzugsweise auf die Künde der Krakauer
Sammlung beschränken.
Die Mannigfaltigkeit der Formen sowie auch
die Spuren der verschiedenen UuUuivitiflfisse ist
keine gewöhliche.
Zuerst haben wir zwei Spuren der ägyptischen
Kultur: eine Thonperle, die man immer für ägyp-
tische hält, aus dem Weichselgehiel, und zweitens
eine Bronzestatuette des Osiris gefunden bei Kijew.
Unter den Topfformen und unter den kera-
mischen Ornamenten findet man eine höchst auf-
fallende AeJinlichkeit mit den trojanischen Künden,
und zwar am meisten mit diesen, die 13 — 15 in
tief lagen, d. h. mit der Keramik <ler Bevölkerung,
die noch vor dem homerischen Troja sich dort
niedergelassen hatte.
Aus der Mitte Polens stammen die 8 Fibulcn.
die ohne Zweifel etruskischer Abstammung sind
(werden in Abbildungen vorgelegt).
Was die Spuren griechischer Kultur anbelangt,
so sind diese im ganzen Polen verbreitet. So die
Gefässe von Nadziejöw und Dobieszewek, Provinz
Posen, dann die Gefässe von Kalisch; dann der
kleine Topf mit dem Ornament, welcher die Wid-
derhörner darstellt, gefunden in der Gegend von
Krakan; endlich bemalte Thonscherben, gefunden
in dem südlichen Galizien. Woher diese griechische
Kultur zu uns gekommen, darauf wird mein letztes
Heft — betitelt Ukraine — Antwort geben. Fast
alle Künde von dort sind entweder griechischer
Import oder Nachahmung griechischer Producte,
ebenso wie alle Künde, welche in der Krym in den
skytischen Gräbern entdeckt worden sind. Von
dort ging die griechische Kultur über Ukraiue un-
serem Norden zu. Ein anderer Weg war die Donau,
auf welchem die griechischen Einflüsse auf die
Töpferei nach Ungarn und weiter nach Westen
kamen.
Es bleiben mir noch ein paar Worte über das
Alter der einzelnen Künde zu sprechen übrig.
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Viele dieser Gegenstände sind hundert Meilen
entfernt gefunden worden, und üher die weitere
Provenienz ist nur sehr wenig bekannt. Die
Vergleiohungsniothode hilft nicht viel. Ich will
deshalb nur auf die geographische Lage jenes
Landes verweisen. Ks ist eine offene Flache, die
von jeher der Tummelplatz der von Asien ein-
wandernden Vftlker war. Die arische Urbevölke-
rung war zweifellos von den späteren Kinw anderem
unterjocht worden, und bis zum Kndc des Jahr-
hunderts, bis zur Gründung des polnischen Reiches ,
gab es dort kaum geordnete Zustande, also auch
keine (’ultur. Aber die unterjochte Urbevölkerung
behielt einen Theil ihrer Sitten und Gebrauche und
rettete sie vor dem völligen Untergang, selbst dann
als spater neue Eiuwanderungeu stattfanden. Von
den fremden Kinwanderern gingen einige weiter,
andere blieben. Viele Jahre des Zusammenlebens
und die Wirkung der reichen und schönen Natur,
die in einigeu (»egenden, wie auf der Ukraine, noch
jetzt vollständig den Menschen überwältigt, ebneten
die Klnft zwischen dem Autochtouen und dem Ein-
wanderer. Als spater eine neue Welle der Volks-
wanderung kam und beide unterjocht wurden, ver-
schwand der Unterschied. Auf diese Weise er-
klären sich bei uns viele ('ulturtraditionen.
In einem Grabe in der Krvm aus dem IV. Jahr-
hundert vor Christi Geburt sieht man ganz archaische
Darstellungen der Menschen liehen Figuren , die
gewiss der entwickeltsten griechischen Kunst ent-
stammen. Cnd so findet man hei uns Silberge-
rftthe aus dem XL Jahrhunderte, welche mit den
skythiseben aus dem IV. Jahrhundert v. Chr. und
mit den aus alemannischen Gräbern eine grosse
Aehniichkeit haben.
Zur Literatur über Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in Deutschland.
Zeitschrift für Ethnoiityie, Organ der Hrriiner tic**U*ehnft. Unter Mitwirkung von R. Virchow heraus-
gegeben von A Bastian und 1t. Ilartuiauu. Verlag von Wiegaudt. llempel k Parey. 1877. 8°. Inhalt
des 11. Hefte*: Allgemeine Bemerkungen ethnologischen Inhalt* Uber Xeu-Guinea, die Auachoreten-Iiuieln.
Neu-Hannover. Neu-Iilaud. Neil-Britannien und Bougaiuville. iui AnschluMi au die. dort gemachten Samm-
lungen ethnologischer Gegenstände. Von H. Strauch, Capitaiu-Lieutenaut. (Schluss.) — Das Land der
Yurakarer und dessen Bewohner. Von Hermann v. Holten. — Beitrüge zur Kenntnis* des sogenannten
unthropouiorpheu Affen von Hob. H a r I ma ii n. (Mit 2 Holzschnitten.) — Zur (’raniometrie. Von Dr. J. W.
Spenge I. Aus der ethnologischen Sammlung des Königlichen Museums zu Berlin. Von A. Bastian,
i Hiexu Tal. V.) — Das archäologische ('abinet der Jagiellonischen Universität in Krakau. Von Albiu
Kohu. — Miscellen und Büchersehau.
VrrhamliutufcM ilrr Jtcriiner Gescifachuft für A nthrujwiugie. Ethnologie mul Urgeschichte. Sitzung vom
20. Januar 1877. Alterthfknier von Milow (Prieguitx) und Teplingen (Hannover). Friedei. — Zwei Stein-
Instrumente der tiegeuwart aus dem Kaukasus Mit Holzschnitt. Radde. — Farbe der Haare und Augen
bei Deutschen in Trunskaukasieu. Bad de. — Hin erratischer Graiiitldock mit phönikischer Inschrift von
Smolensk. Wetzstein. S. Bug ge. — Photographien aus Indien. Jagor. -- Schamauismuss der Australier,
Jung. — Altmodisches Geratli aus Horn vou Mallmitx (Schlesien). Mit Holzschnitt. Ha Intel, Virchow.
— Alterth Urner aus dem Mansfelder Seekreis. Hecker. — Diluviale Fünde bei Tattlmchi Weimar). V irchow
Photographie des Judenkurger Bronzewagens. Watten hach — Ausserordentliche Sitzung vom
11- Februar 1878. Deutsche anthropologische Gesellschaft, — Alte Bronzeschmelzerei in Bologna. Graf
Gozzadini. — Gräberfunde von Mykenae. Schliemanu. — Urnen mit Thier- und Menscbenseiclinungen
von Borgsted terfeld (Holstein). Mit Holzschnitten. Handel mann. — Heidnische Grabstätten bei Schlieheu.
Schlesier.
Mit dem 16. April 187H wird die Redaktion des Uorrespoudeuzblatles nach Hasel (Schweiz'),
Lefiiieustrasse 73, verlegt. Herr Schatzmeister Weisiuann wird. wie bisher, die Zusendung
des Correspondeuzhlattes au die verehrt. Zweigvereiue und isollrteii Mitglieder mit bekannter
Sorgfalt fortfiihren. Reclamationen einzelner Xnmmeru, Zusendung der Jahresbeit rüge bitte
ich also auch ferner nach München an Herrn Weis in an n, Theatinerstrasse 46. zu richten,
Zusendungen an die Kedaction jedoch nach Basel zu adressiren.
Prof. Kollmann, z. Z. Generalgecretär.
Schluss der Kedaction um » Marz — Ihruek tun It (Mdenbourg in München.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie lind Urgeschichte.
Redigirt ivn Professor Kofimann in München,
Gtntraktcrtiar dir Giulhchaft.
Nr. 4. Erscheint jeden Monat. April 1878.
Heber den Fund am Hradiste bei Strado-
nic in der Gegend von Beraun in
Böhmen.
Die Prager „Politik*4 vom 29. November 1877
enthalt ln ihrem Bericht über die Sitzung der archä-
ologischen Section des böhmischen Museums zu
Prag Folgendes:
„Hr. Dr. Stephan Berger legte zur Ansicht
etwa 350 Gegenstände vor, die er aus der höchst
interessanten Fundstelle Hradiste nad Strado-
nicemi nebst vielen anderen erworben hatte. Der-
selbe machte die Versammlung mit der Lage dieses .
Ortes, mit dem dortigen Terrain und «den reichen
Ansgrabungen bekannt, indem er sich darüber also
äussertc: Hradiste nad Stradonicemi liegt hoch ain
rechten Ufer der Mies (tiefer Berounka genannt),
fallt westlich schroff gegen Nischburg (böhm.
„Nizbor“) ab und neigt sich gegen Südost allmählich
gegen das etwa eine halbe Stunde entfernte Dorf
Stradonic. Der ganze breite Rücken, sowie auch
die Abhänge sind zum grössten Theile rteissig be-
baute Felder. Insbesondere an den Abhängen stösst
man beim Graben oft und bald auf mächtige Aschcn-
lager, sowie auch sonst auf dem weiten Terrain auf !
runde Löcher von 1 m Durchmesser und derselben
Tiefe, ferner auf Cisternen, gegraben in den harten
steinigen Boden bis zu 5 m Tiefe, welche Vertiefungen
alle mit Asche und Erde ansgefüllt waren. An diesen
Stellen, aber auch an anderen nach Beseitigung des
Humus, findet man sehr viele Knochen von unseren
Hausthieren und Hochwild, selten ein oder das andere
Com*p.*IU«U Nr 4.
I Stück eines Bären- oder Elenknochens, wohl aber
mit und unter diesen thierischcn Ueberresten eine
grosse Anzahl von alterthümlichen Gegenständen aus
Stein, Thon, Bein, Eisen, Bronze, Silber und Gold.
Auf diese Ausgrabungen selbst übergehend, bemerkte
der Vortragende, dass auf den bisher durchgegrabenen
Stellen sich keine Spur fand von mehreren Cultnr-
schichten, sondern dass in den oberen Schichten
dieselben oder doch auffallend Ähnliche Sachen zum
Vorschein kamen wio in den unteren, ein Beweis,
dass die ehemaligen Bewohner dieses Platzes vielleicht
durch einige Jahrhunderte in ihrer Arbeit ernstlich
-nicht unterbrochen wurden. Auf die vorgelegten
Gegenstände hinweisend, machte der Vortragende
die Versammlung aufmerksam besonders auf die
Gefässseherben aus Thon, die sehr gut gebrannt
und mit rothen und weissen Farbenstreifen geziert
sind, auf die wenigen Stcingcräthschaften,
Hirschgeweihe und eine starke, breite Platte
vom Elengeweih, die scharf in gerader Linie zuge-
schnitten ist, auf eine grosse Anzahl von zugeschnit-
tenen, zugespitzten und fcbgeschliffenen Knochen
in Form von Pfriemen, Gewand- und Haarnadeln,
ringförmigen Riemenschnallen u. s. f., sowie auf
1 künstlich gearbeitete Kämme mit Ringelornament,
Spielwürfel mit den Zahlen (Augen) 3, 4, 5, 6, über-
haupt Gegenstände, wie sie damals die Mensehen
zuin Handwerktreiben, in der Ilauswirthschaft, als
Schmucksachen, ja selbst zur Unterhaltung gebraucht
batten. Unter den Glassachen waren ausser
einigen Fragmenten von farbigen Schmuckringen
recht schöne buntfarbig emaillirte Korallen ver-
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schiedener Grösse, und von bronzenen Gegen-
ständen wurde gezeigt ein sehr nett modellirtes
Köpfchen, ein Schlüssel, etliche Hefte, Steck- und
Nahnadeln, eine Säge, mehrere Pincetten und aus
Bronzedraht einige Wagebalken, in der Mitte und \
an beiden Enden mit Ringelchen versehen, summt i
zwei dazu gehörigen kleinen Wagschalcn. Die Er-
haltung dieser Bronzesaehen ist eine mittelmässige,
ihre Anzahl im Ganzen gering, und da man dort-
selbst auch steinerne Gussformen, ja selbst Bronze-
schlacken in Thontiegeln gefunden hatte, liegt die
Vermuthung nahe, dass dieselben am Hradiste selbst
verfertigt wurden. Die grösste Auswahl liefern
dagegen Gegenstände aus Eisen, das man zu Werk-
zeugen aller Art, Hausgerät hen, ja sogar Schmuck-
sachen verwendete. Auf diesen Umstand machte
der Vortragende besonders aufmerksam, und zeigte
vor eine ganze Reihe von Meissein, Haken, Messern
verschiedener Form und Grösse (einige mit Heften
aus Knochen, verziert mit dem Ringelornamente),
Gabeln, Zangen, Schccren, Gürtelhaken, Besatz-
stücken, vorzüglich viele Heftnadeln und Fibeln
von derselben Form und Grösse wie die von Bronze
(und wie eine von Silber im Museum). Von Eisen
waren hier noch einige Siegelringe ohne und mit
Email oder mit Glas-Kameen, worauf bald ein Köpf-
chen, bald eine ganze Figur n. dergl. concav
geschnitten oder gegossen zu sehen ist. Allgemein
bewundert wurde eine Karneol-Kamea in Rhombus-
form, worauf ein Hund einen Hasen verfolgend
cingravirt ist. Von Gold wurden vorgclegt ausser
einem Ringe und formlosen Drahtstücken die be-
kannten Zwei-Dukatenstücke mit dem Bildniss eines
Drachen oder einem Strahlenhalbkreise (Sonne?)
mit Spuren von Bockstabcn ; dann ganz kleine S i 1 b e r -
mflnzen von der Grösse einer Linse mit dem Bild
eines Pferdes und eines menschlichen Hauptes, von
denen beiden jedoch auf den meisten Stücken nur
Bruchtheile zu sehen sind. Da auf dieser Fundstelle
auch ganz kleine Silberkügelchen häutig gefunden
werden, könnten diese wohl als Material zum Prägen
dieser Münzchen gedient haben. Zum Schlüsse
seines interessanten Vortrages, dessen Schlussfolge-
rungen wir weiter unten folgen lassen , stattete
Hr. Dr. Berger seinen Dank ab dem Hm.
Lochovsky, gew. Ortsvorstande in Stradonic, und
dem Ilrn. Bret. Jelin ek in Lochovic, welche ihn
bei Sammeln wirksam unterstützt haben. Der Schrift-
führer der Sertion constatirte hierauf, dass die ganze
Area am Hradiste nach der Catastralkarte ca. 115 ha
(beinahe 200 Joch) Ausmass hat, sowie dass die
Holzasche an mancher Stelle, namentlich am nörd-
lichen Abhange auf einer Fläche von 20 a bis 5 m
tief war. An dieser Stelle kam man nämlich gleich
unter dem Humus auf Asche, in einer Tiefe von
etwa 2 m auf festgebrannten Boden, und nachdem
dieser dorchgegraben war, lag unter ihm wieder
Asche bis in die erwähnte Tiefe. Derselbe erörterte
des Weiteren, dass man leicht dafürhalteu könnte,
dass an diesem grossen Flächenraume zu ver-
schiedenen Zeiten verschiedene Volksstämme
ansässig waren, von denen sich der eine da, der
andere viel weiter an einer anderen Stelle nieder-
gelassen hätte, dass jedoch dieser Meinung die bis-
herigen Ausgrabungen völlig widersprechen, indem
heuer wirklich an vielen diametral bis auf eine
halbe Stunde von einander entfernten Orten gegraben
wurde und überall entweder dieselben oder ähnliche
Fundstücke zum Vorschein kamen. Alle Anwesenden
äusserten den lebhaften Wunsch, die Section möge
eine eingehende Beschreibung dieses Fundortes mit
genügender Anzahl von Illustrationen durch den
Druck veröffentlichen, weshalb auch allsogleick ein
Comite gewählt wurde, das in den nächsten Togen
zusammentreten und darüber berathen soll, auf
welche Weise und mit welchen Mitteln die Section
eine umfassende illustrirte Beschreibung des Hradiste
nad Stradonicemi, dieser für die heimische Archae-
ologie d. Z. wichtigsten Fundstelle, herausgeben
könnte.
Die aus obigen Befanden gezogenen Schluss-
folgerungen dßs Hrn. Dr. Berger lauteten folgender-
massen: 1. Die auf dem Hradiste bei Stradonic
gefundenen Gegenstände gehören einer und der-
selben Culturperiode an. 2. Der Anfang dieser
Culturperiode fällt in eine Zeit, wo bei den damaligen
Einwohnern unseres Vaterlandes Steinwerkzeuge
beinahe gänzlich ausser Gebrauch gesetzt waren.
3. Die Bronzeperiode ist im offenbaren Niedergange
begriffen und erscheint im überwältigenden Masse
von der Eisencultur verdrängt. 4. Das Volk, welches
uns diese Denkmäler hinterlasBcn hat, war aus dem
Stadium eines ausschliesslichen Jäger- oder Nomaden-
volkes längst herausgetreten, hatte hier feste Wohn-
sitze gefasst, erscheint als ein im Gemeindeverb&nde
stehendes, in Frieden lebendes, Ackerbau treibendes
Volk, welches mit dem Gebrauche der meisten Werk-
zeuge, sich dieselben an Ort und Stelle anfertigend.
vertraut ist und Kunstsinn verräth, und welches
schliesslich statt der primitiven Form des Verkehres
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durch Tausch sich die einfachere des Kaufes um
geprägtes Geld, dessen Werth es wohl kennt und
das es sich selbst anfertigt, angeeignet hat. 5. Mit
Rücksicht darauf, dass dieses Volk am llradihte bei
Stradonic, nach allen Umstanden zu schliessen, viele
Jahrhunderte ansässig gewesen sein musste, und mit
Rücksicht darauf, dass diese Fundstelle mit vielen
anderen Fundorten Böhmens im unbestreitbaren
Connexe steht, sich von diesen jedoch durch beinahe
gänzlichen Mangel an Steingerätheu unterscheidet,
ist es gewiss, dass der Fund dem sog. jüngeren
Eisenalter angehört. Zum Schlüsse bemerkte der
Berichterstatter, es sei wünschenswertli, dass die
archäologischen Kreise nicht bloss ihr Augenmerk
auf Kelten nnd deutsche Markomannen, sondern auch
auf die slavischen Bewohner dieses Landes richten.“
Hr.'Dr. Berger hatte bei meiner Anwesenheit
ini September vorigen Jahres in Prag die Güte, mir
die von ihm mit grösster Sorgfalt gesammelten Schätze
zu zeigen. Bei der grossen Zahl der Fundstücke
(etwa 30U0 Stück), welche für sich ein kleines
Museum bilden, konnte ich nur einen allgemeinen
• Ueberblick gewinnen, muss aber dennoch behaupten,
dass diese Funde epochemachend sind nicht nur
für die Archäologie Böhmens, sondern auch Nord-
deutschlands. Es handelt sich hier um eine sehr
ausgedehnte, durch ihre natürliche Lage gesicherte
Wohnstätte, die durch mehrere Jahrhunderte benutzt
wurde. Skelettheile von Menschen, Schädel wurden
nur ganz vereinzelt gefunden, während die Menge
der zu Tage geförderten Thierknochen hunderte
von Centnern beträgt. Neben hartgebrannten schön
glänzend roth und weiss bemalten Gefässen von
ähnlichem Typus wie gewisse am Rhein gefundene
(s. Lind ensch mit, Alterthümer Bd. 1 Heft VI
Taf. G Fig. 4 — G und Bd. III Heft VI Taf. 4
Fig. 4 und 6) finden sich schwarze schön geglättete,
aber anch ganz rohe. Eine grosse Zahl von Gegen- ,
standen, bronzene und eiserne Schlüssel, Metall- j
Spiegel, Fibeln, Glasperlen u. s. w., ist unzweifelhaft !
römischen Ursprunges. Befremdend ist, dass trotz-
dem römische Münzen, von denen nur die barbarische
Nachahmung einer solchen in Kupfer oder Bronze,
mit Biga, gefunden wurde, gänzlich fehlten, dagegen
aber eine Menge sogenannter Keltischer Goldmünzen
und anderer barbarischer Silbermünzen zu Tage
gefördert wurden, ein Umstand, durch welchen die
Localität auch schon früh Münzsaramlem bekannt
geworden war. Für Norddeutschland ist namentlich
das Vorkommen so zahlreicher eiserner Fibeln und
anderer Gerüthe von Eisen, welche in den Urnen-
feldern der Mark Brandenburg, Pommerns etc.
häufig gefunden werden und nach diesem Befunde,
sowie nach dem ebenfalls häufigen Vorkommen in
der Gegend von Kegeusburg, auf einen direct süd-
lichen Importweg zu deuten scheinen, von grosser
Bedeutung. Von allgemeinerer ist es, dass auch
Knochengeräthe (z. B. Schulterblätter einer Vogel-
art, an dem breiten Ende eiugekerbt), sowie Hirsch-
hornkämme und andere Honigcräthe gesammelt
werden konnten, welche wahrscheinlich dazu dienten,
die Oberfläche der Thongefässe mit cingeritzten
Wellen- und Linienornnmenten und eingedrückten
Kreisornamenten zu verzieren. Dem Anscheine
nach gehört ein grosser Theil der gefundenen Gegen-
stände den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrech-
nung an und dürfte wohl in nicht nnbeträcht lieber
Anzahl der Markomanuenzeit zu vindiciren sein.
Nach dem in obigem Sitzungsberichte mitge-
theilten Beschlüsse dürfen wir erwarten, von der
sorgsamen Iland des Hrn. Dr. Berger diese Schätze
nicht nur aufgehäuft, sondern auch zu grösserem
Nutzen der Wissenschaft nach seiner treuen Beob-
achtung und, der Wichtigkeit dieser Funde ent-
sprechend, sachgemäss beschrieben zu sehen.
Berlin. Dr. Voss.
Dr. Carl Fuhlrott.
Nekrolog.
Am 17. October 1877 starb in Elberfeld ein
Naturforscher, dessen Name mit einem der berühm-
testen prähistorischen Funde, dem derNeanderthaler
Menschenreste, so nahe verbunden ist, dass ihm an
dieser Stelle gewiss ein ehrender Nachruf gebührt.
Fuhlrott war am 1. Januar 1804 in Leinefelde,
Kreis Worbis, Reg.-Bez. Erfurt geboren, besuchte
später das Gymnasium in Ileiligenstadt and bezog
1825 die Universität Bonn, um katholische Theologie
zu studiren. Nach einem Jahre aber wandte er
sich aus Neigung der Mathematik und den Natur-
wissenschaften zu, deren Studium er an der rheini-
schen Hochschule vollendete. Nachdem er sein
Probejahr an dem Gymnasium in Ueiligenstadt
abgehalten, kam er 1830 als Lehrer an die Real-
schule nach Elberfeld, wo er 47 Jahre lang bis zu
seinem Tode seinem Berufe mit ungewöhnlichem
Eifer oblag. Im Jahre 1835 hatte er sich das
Doctordiplom an der Universität Tübingen erworben,
1843 wurde er zum Oberlehrer, 18G2 zum Professor
ernannt. Er war von seinen Mitbürgern hochge-
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achtet wegen seiner Rechtschaffenheit und edlen
Gesinnung und innig verehrt von seinen zahlreichen
Schülern. Lange hatte ersieh trotz des anstrengenden
Berufes eine grosse Rüstigkeit und Geistesfrische
bewahrt, aber seit einem Jahre empfand er selbst
eine Abnahme seiner Kräfte, so dass er seine Amts-
entlassung nachsachte. Dass es dem durch seine
Lehrgabc wie durch seine ausgebreiteten Kenntnisse
hervorragenden Manne nicht glückte, die Director-
stellc an der Realschule zu erlangen, wiewohl er
sic einmal bei eingetretener Vacanz zwei Jahre lang
auf das Beste verw altete, beklagten oft seine Freunde.
Dieselbe würde ihm weniger aufreibende Arbeit auf-
crlegt und mehr Muse zu wissensrhaftichen Arbeiten
gelassen haben. Er gründete einen naturwissen-
schaftlichen Verein in Elberfeld, dessen beständiger
Vorsitzender er war und der seiner Aufgabe rühmlich
nachstrebte, die Naturerzeugnisse des engeren
Heimatlandes zu erforschen und zu sammeln. Eine
ganze Reihe kleiner Schriften Fuhlrott's, man
zahlt deren 25, geben Kunde von seinem Eifer für
die Erforschung interessanter Naturerscheinungen
des Rheinl&ndcs. Er schlich über Pflanzensysteme,
über die Vogclfauna des Wupperthaies , über die
geognostische Constitution der Umgebung des
Laacher Sees, über das Felsenmeer im Odenwald,
über die vulkanischen Erscheinungen in der Eifel,
über das Wisperthal und den Wisperwind und
Grundzüge der Quellenkunde. Von der Flora und
Fauna seines Wohngebietes wurde er immer mehr
auf die geologische Structur des Landes geführt
und widmete den zahlreichen Höhlen des tertiären
Kalkgebirges seine Aufmerksamkeit. Da wurde im
August 1856 beim Steinbrechon in der kleinen
Feldhofshöhle des Xeanderthales zwischen Elberfeld
und Düsseldorf der viel besprochene Fund von
Menschenresten gemacht. Die anatomische Deutung
derselben überlicss er gern den Fachmännern und
richtete seine Untersuchung nur auf die Umstände
ihrer Auffindung, sowie ihrer ursprünglichen Ein-
führung in die Höhle. Zuerst sprach F uhlrott
über diesen Fund in der Versammlung des natur-
historischen Vereins zu Bonn am 2. Juni 1857 und
bezeichnete diese Menschenknochen als fossil, vgl.
Verb, des naturhist. V. 1857 Correspzbl. S. 50 ; dann
gab er in den Verhandlungen desselben Vereins 1859,
S. 131 eine ausführlichere Darstellung desselben
unter der Aufschrift: Menschliche Ueberreste aus
einer Felsengrottc des Xeanderthales, in der er
sich auf meine Beschreibung und Deutung der
Knochen bezog, die 1858 inMüller’s Archiv er-
schienen war. Sechs Jahre später stellte er seine
Ansichten noch einmal in einer besonderen Schrift:
Der fossile Mensch aus dem Xeanderthal und sein
Verhältnis zum Alter des Menschengeschlechtes,
Duisburg 1865, zusammen. Auch seine letzten
Arbeiten waren der Höhlenforschung gewidmet, es
ist die Schrift : Die Höhlen und Grotten in Rhein-
land-Westfalen, Iserlohn 1869 und sein Führer
zur Dechenhöhle, Iserlohn 1874. Seine Ansichten
über den Xeanderthaler Fund verdienen eine
genauere Darlegung, ln seiner Mittheilung vom
Jahre 1859 liess er die Fossilität der Knochen, die
er zu Anfang behauptet hatte, auf sich beruhen
und nahm auch die von Mayer zuerst beachteten
Dendriten als Beweise derselben zurück; doch be-
merkte er, dass, wenn unter gleichen Umständen
tbierische Knochen gefunden worden seien, Xiemand
an deren fossilem Alter zweifeln würde. Auch wies
er auf die 1'/* Stunde vom Fundort, bei Dornap in
demselben Lehm gefundenen Mammuthreste hin.
Er liess den Lehm und die Gebeine gleichzeitig
durch die nach dem Thal gerichtete Mündung in
die Höhle gelangen und gab nach den Aussagen
der Finder, die er freilich erst 1858 sammelte, eine
Darstellung der Lagerung der Knochen, aus der er
selbst den wahrscheinlichen Schluss zog, dass ein
vollständiges Skelett in der Höhle vorhanden war.
In seiner Schrift vom Jahre 1865 giebt er einen
vom ersten abweichenden Fundbericht und ändert
seine früheren Aussprüche in mancher Beziehung.
Jetzt erklärt er mit Bestimmtheit die Knochen für
fossil und bekennt, dass er 1859 nur mit Befangen-
heit sich ausgesprochen habe. Aber diese Befangen-
heit fehlt ihm auch jetzt nicht. Sobald man diese
Knochen für fossil erklärt, fällt ihre niedere Bildung
als Stütze der Ansicht von einer allmählich fortschrei-
tenden Veredlung der menschlichen Form schwer
ins Gewicht. Fuhlrott sagt aber, er sei nicht
gesonnen, sich zum Anhänger der Ansicht von der
Abstammung des Menschen vom Affen zu erklären
und zum Vertheidiger derselben aufzuwerfen. Man
darf vermuthen, dass er in der Umgebung, in der
er lebte, keinen Anstoss wegen Nichtachtung der
überlieferten Schöpfungslehre erregen wollte. Er
liess es sich aber angelegen sein, die Fossilität des
Fundes als ganz zweifellos festzustellen. Da die
fossilen Höhlenthiere sich gewöhnlich nur in einzelnen
Knochenstücken und nicht in ganzen Skeletten finden,
so war er nun beflissen, auch für die Xeanderthaler
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Reste es wahrscheinlich zu machen, dass nicht ein
ganzes Skelett, sondern nur einzelne Knochen in
der Höhle gelegen hatten, welche durch dieselbe
Fluth, die über die Schichtenköpfe des Kalkgebirges
ging und ein oft 12' mächtiges Lehmlager absetzte,
von oben eingeschwemmt worden seien. Er behauptet,
dass die Grotte vom Thal aus unzugänglich gewesen
sei; er nennt die Ansicht, dass ein Mensch in der-
selben gelebt habe und gestorben sei, ein massiges
Phantom, ja eine Unmöglichkeit! Da Lyell nur
die Möglichkeit des fossilen Alters der Knochen
einr&umt, aber es für unzweifelhaft halt, dass ein
ganzes menschliches Skelett in der Höhle gelegen
habe, sieht sich Fuhlrott veranlasst, zu bemerken,
dass Lyell’s Besichtigung der Fundstelle ira Jahre
1864 nur flüchtig gewesen sei und bei schlechtem
W etter stattgefunden habe. Da Fu hl r o 1 1 sich nicht
für berechtigt hielt, aus der Bildung dieser Reste auf
ihr Alter zu schliessen und er das Urtheil der Sachver-
ständigen darüber widersprechend fand, so suchte er
wenigstens jeden geologischen Einwand gegen die
Fossilitat des Fundes zu entkräften und Hess sich
in diesem Eifer verleiten, wohl beglaubigte That-
sachen zu beseitigen, welche die Fossilitat gar nicht
in Frage stellen. Hatte er selbst doch nach dem
ersten Berichte der Arbeiter, der doch als der
zuverlässigste zu betrachten sein wird, angegeben,
dass man beim Abräumen des Höhlenbodens 2' tief
unter hartem Lehm in horizontaler Lage erst die
Oberarmknochen und Bruchstücke der Rippen, dann
Beckentheile und beide Oberschenkelknochen ge-
funden habe, wahrend der Schädel schon früher in
die Tiefe gerollt war. Diese Umstande beweisen,
dass ein ganzes Skelett in der Höhle lag, und wider-
legen auf das Bestimmteste die Annahme, dass die
Knochen einzeln in dieselbe eingeschwemmt worden
seien. Auch ist nicht der mindeste Grund vorhanden,
die Zugänglichkeit der Höhle von anssen in Abrede
zu stellen. War die Mündung jetzt nur 2* hoch,
so war sie, ehe der Lehm den Todten 24 hoch be-
deckte, 4' hoch. Fuhlrott fürchtet den äusseren
Zugang zur Höhle nur deshalb, weil dieser es
gestattet haben könnte, dass in spater Zeit Jemand
in der Höhle gewohnt oder darin begraben worden
sei. Die Knochen selbst sprechen gegen diese An-
nahme. Gewiss aber ist der Neanderthaler Mann
durch den Eingang in die Höhle gekommen und
dort gestorben oder bestattet worden. Fuhlrott
halt die Knochen für eingeschwemmt und wahr-
scheinlicher von oben durch einen Spalt als
durch die Mündung vom Thale aus, und Lyell
hat in diesem Sinne eine Zeichnung der Höhle mit
breitem, nach oben ausgehendem Spalt gegeben.
Diese Zeichnung ist falsch, Niemand hat einen
solchen Spalt gesehen; als ich den Fundort besich-
tigte, war nur noch ein enger Riss im Felsen be-
merkbar, der von der Höhle aufwärts ging. In
dem Umstande, dass diese Höhle keine Thierknochen
enthielt, wie cs schon gewöhnlich der Fall ist, liegt
ein Beweis für die Annahme, dass durch den nach
oben ausgehenden engen Spalt das Wasser wohl
feinen Lehm, aber keine Knochen einschwemmen
konnte, und noch viel weniger einen ganzen Körper.
Lassen sich aber auch gegen die Behauptungen
Fuhlrott’ 5 in Betreff des berühmten Fundes
wichtige Einwendungen machen, so bleibt ihm
doch das Verdienst, denselben sogleich in seiner
ganzen Bedentnng erkannt und, nachdem ihm der-
selbe von Herrn W. Pieper zu Hochdal übergeben
war, für die Wissenschaft treu gehütet und uneigen-
nützig jedem Forscher zugänglich gemacht zu haben.
Wenn er ihn auch gleich za Anfang, auf unzu-
reichende Gründe gestützt, für fossil erklärt hat,
so hat er mit dieser Deutung doch Recht behalten,
and er hat zur Unterstützung dieser Ansicht stets
neue Beobachtungen gesammelt und in diesem Sinne
verwertet. Es war dies insbesondere der Fall,
als 1885 in der Teufelskammer, einer Grotte des
Neanderthales, die 25' über dem Düsselbach und
kaum 130 Schritte von der kleinen Feldhofshöhle
entfernt und auf derselben Seite des Thaies gelegen
ist, in demselben Lehm, wie früher am Dornap
und bei Wülfrath, fossile Reste von Rhinoceros,
Ursns spelaeus und ffyaeua spelaea gefunden wurden
Ich selbst habe diese Knochen bestimmt and konnte
ihre äussere und mikroskopische Uebereinstiromung
mit den Neanderthaler Menschenresten feststellen.
Wiewohl Fuhlrott in seinem Leben sich oft dahin
ausgesprochen hatte, dass der Neanderthaler Fund
an der rheinischen Hochschule seine bleibende
Statte finden müsse, so hatte er doch darüber keine
Bestimmung getroffen. Nach seinem Tode wurde
derselbe auf meinen Vorschlag und durch meine
Vermittlung für das rheinische Provinzialmuse um
in Bonn erworben für denselben Preis, den H u x 1 e y
in London für das Kensington-Museum darauf ge-
boten hatte. Die Familie ehrte damit den Willen
des Verstorbenen.
Bonn, am 20, Februar 1878.
H. Schaaffhausen.
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Eine unechte Runeninschrift in Livland.
Im Anschluss an dio in der Januar -Xummer des
vorigen Jahres gebrachte Aufklärung über die un-
echte Raneninschrift im Kirchspiel Arbngn (Prov. West
mannland) in Schweden, mag hier eine kurze Mitthei-
lnng über eine unechte Runeninschrift in Livland
Platz finden.
Im Jahre 1871 machte Hr. Baron Kruedener der
Gesellschaft für Geschichte und Alterthümer in Riga
die Anzeige, dass auf seinem Gute Ohlershof in Livland
eine Runenschrift aufgefunden worden sei. Als im
nächsten Jahre 1872 auf der gel. esthn. Gesellschaft in
Dorpat von andrer Seite eine Knnde von jenem Runen-
stein zuging, wurde sofort energisch zu der Untersuchung
desselben geschritten. Die Inschrift wurde wiederholt
eopirt, sogar ein Abdruck in Gjps genommen und photo-
graphirt. Man bat von Dorpat aus Hrn. Prof. Sophus
Bugge in Chrisliania, als den hervorragendsten Runen-
kenner, mn näheren Aufschluss über jene »nschrift.
Bugge fasst sein Urtheil dahin zusammen, dass die
Inschrift in der ihm vorliegenden Form unmöglich eine
echt nordische Runeniuschrift sein könne. Es Hesse
sich denken , dass hier eine echte Inschrift unrichtig
wiedergegeben sei; da dies jedoch ans mehreren Gründen
höchst unwahrscheinlich sei, so sehe er sich gezwungen,
eine andere Erklärung zu geben. Es sei eine echte
altnordische Rnneninschrift , welche im Laufe der Zeit
tindc.;tlich geworden, von unkundiger Hand gereinigt |
und dadurch völlig entstellt worden. — Schliesslich er-
wies sich die Inschrift dennoch als eine unechte —
uud als der Urheber Karl Baron Kruedener. — Der
livländische Baron besucht im Jahre 1807 die Pariser
I Ausstellung, und findet daselbst in der schwedischen
Abtheilung eine Runenschrift und nimmt aus unbekann-
ten Gründen eine Copie. ln seine Heimat surückgekehrt,
| beschließt er, seiner Schwester, einer Münzfreundin und
| Liebhaberin von Alterthümern, eine L'cbarraachung zu
j machen: auf einen alten hümlich aussehenden Granit-
j block lässt er durch einen esthniseben Steinmetz die
Züge der copirten Inschrift einhauen. — Nachdem die
! beabsichtigte Ueberrsscbnng, wie es scheint, gut ge-
lungen, macht der Hr. Baron 1871 in Riga selbst An-
zeige von dem angeblichen Funde einer' Rnneninschrift
und thut, obwohl das Interesse, welches die für echt
gehaltene Inschrift in Dorpat gefunden , ihm bekannt
geworden, nichts zur Aufhellung des wahren Sachver-
haltes; ja trägt sogar absichtlich durch unwahre An-
gabe dazu bei, einige Anschauungen über den Stein zu
verbreiten (es liegen aus dem Jahre 18GB eigenhändige
Briefe Kruedoner's vor). Endlich erst im Herbst 1875
fühlt er sich veranlasst, durch Hm. Zeger-Sivers,
Prof, am Polytcchnicum zu Riga, der gel. esthn. Gesell-
schaft die Anzeige zu machen, dass er jene Inschrift
habe einmeisseln lassen. (Verhandlungen der gel. esthn.
Gesellschaft. VIII. Bd. 3. Heft. Dorpat 1876. No. 85
bis 9a) — d —
Mitglieder- Verzeichniss
der
deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
nach dem Stand Ende 1877.
llergestellt von dem Schatzmeister der Gesellschaft.
Badischer Anthropologischer Verein.
Vorstand.
A. Ecker, Professor. Vorsitzender. Freiburg.
A. Weis manu, Professor, Stellvertreter, Freiburg.
J. H. Meier, Gutsbesitzer, Cassier, Freiburg.
Der Verein gliedert sich iu folgende Gebiete:
1. Seegebiet (Constanz). Geschäftsführer des Vereins
im Seegebiet Herr L ei n er, Stadtrath und Apotheker
in CousUnz.
2. Ba arge bi et (Donaueschi ngen). Geschäftsführer
des Verein» im Baargebiet D. Rebmann, fürstlich
Fürsteubergischer Hofrath nnd Leibarzt iu Donau-
osetdugen.
3. Oberrheingebiet (Stadt Freiburg und Umkreis).
Geschäftsführer des Vereins im Oberrhcingcbiet
A. Ecker, Universitätsprofessor in Freiburg.
4. Mittelr he ingebiet (Carlsruhe). Geschäftsführer
des Vereins im Mittelrheingebiet Herr W. Bram-
bach, Professor und Oberbibliotliekar.
1 5. Unterrheingebiet (Heidelberg und Mannheim).
1 Geschäftsführer des Unterrheingebiets für Heidelbarg
Herr Karl Groos, Buchhandlung; für Mannheim
Herr Friedrich Nteper.
1. Seegebiet *
Pflegschaft Constanz (Rosgarten-Verein).
aj Hiesige Mitglieder :
1. Ammon, Otto, Redacteur.
2. Bajer, Josef, Bezirksförster a. D.
3. Bau r, Franz Xaver, Apotheker.
4. Bin» wangcr, R , Pr., Arzt (junior).
5. Bins wan ge r, L., Pr., Arzt (senior).
6. v. Bötnble, Ferdinand, Arzt.
7. Braun, August, Oberstabsarzt.
8. Brugg er, Martin, Professor.
9. Flaig, Carl August, Arzt.
10. Flaig, Einil, Anwalt.
11. Funke, Eduard.
12. Haas, Carl, Ministerialrath.
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31
IS. Ha Ufr, Ferdinand, Gymnasiuma-Director.
14. Hon seil, Adolf, Dr.’ Arzt.
15. Kintzingcr, Albert, Oberförster.
IC. Lein er, Ludwig, Apotheker.
17. Maier. Josef, Gewerbschul-Yorstand.
18. Marquart, Reinhard, I)r., Stubsarzt.
19. Neu mann, Bernhard, Kaufmann.
20. Os tu er. Adolf, Oberamtnuum.
21. Schmidt, Gustav, Dr., Mcdicin&lralh.
22. Schröder, Carl Hugo, Dr., Arzt.
23. v. Schröder, Otto, auf dem Pflanzberg bei
Jägerweilen.
24. v. Seyfried, Ernst, Lieutenant.
25. Stromeyer, Max, Stiftungsverwalter.
2C. Yanotti, Amalie, Fräulein.
27 Walter, Alexander, Domftnenvenralter.
2S. v. Wänker-Dun keusch weil, Adjutant.
29. Weiland. Theodor, Professor.
b,1 Auawärtigr« Mitglieder!
30. Fa as, Carl Friedrich, Bezirks- Assistenzarzt in
Gernsbach.
31. Lach mann, Arzt in Ueberlingen am Bodensee.
32. Mader, Arzt in Radolfzell.
33. Schedler, Johann, Arzt in l'eberlingen am
Bodensee.
2. B aargebiet.
Localverein Donaoefichitigen.
1. Rehmann, Dr., fürstlich Fürsten bergischer Hof-
rath und Leibarzt, Donaueschiugen.
2. Kirsner, Hofapotheker, Don au es ch in gen.
3. Maier, Strassenmeister, Donaueschiugen.
4. Merz, Constantin, Arzt, Yöbrenbach
3. Ober rheingebiet.
Mitglieder
in Freiburg wohnhaft.
1. v. Rabo, Professor.
2. Bauer, Director der Töchterschule.
3. Ruisson, Hauptmanu a. D.
4. v. l$ü low, Maj<»r a. D.
5. Claus, Professor.
0. Eimer, Bezirksarzt a. D.
7. Esch bac her, Arzt.
8. v. Falkenhausen, Generalmajor.
9. Fauler, Fabrikant.
10. Fischer, H., Professor
11. Fischer, J., Gutsbesitzer.
12. Flad, Hanptmann.
13 Fl in sch, Fabrikant.
14. Funke, Professor.
15. Geres, Oberstlientenant a. D.
16. Habich, Arzt.
17. He gar, Professor.
18. Hel bi ng, Decan.
19. Keller, Apotheker.
20. Klebe, Rentier.
21. Knenzer, Rentier.
22. v. Langsdorff, Zahnarzt.
23. Maier, Professor.
24 M a n z , Professor.
25. Martin, Stabsarzt a. D.
26. v. Rotteck, Professor.
27. Sauerbeck, Kreisgerichtsrath.
28. S cli a i b le, Hauptmann.
29. Scheid, Apotheker.
30. S e n g 1 e r , Professor.
31. Spörin, Hauptmann.
32. Straub, Arzt.
33. Tbiry, Arzt.
34. v. der Wengen, Rentier,
85. Weissgerber, Gymnasial-Professor.
36. Wilhelmi, Kreisgerichtsrath.
37. Ziegler, Arzt.
38. v. Glümer, General der Infanterie z. D.
39. v. Chauvin, General.
40. Solms- Wildenfels, Graf zu, Rentier.
41. W i p p g r m a n n , Ingenieur.
42. Wietersheim, Professor.
43. C a 1 b e r 1 a , Privatdocent.
44. Helbiug, Arzt.
Mitglieder
ausserhalb Freiburg wohnhaft.
45. Müller, Arzt, Efringen.
46. Reich, Bezirksarzt. Mullheim.
47. Weber, Arzt, Kippenheim.
48. Schmidt, Arzt, Lahr.
49. v. Lot z bock, Fabrikant, Lahr.
50. Gageur, Kaufmann. Lahr.
51. Mainbard, Arzt, Bückingen.
52. v. Man dach, Arzt, Schaffhausen. (Schweiz).
53. Schmid, Arzt, Munzingen.
54. Kühler, Apotheker, Munzingen.
55. v. Kageneck, Graf, Grundherr, Munzingen.
56. Durban, Gymnasial-Professor, Lahr.
57. Martini, Pfarrer, Anggen.
4. Mittelrheingebiet.
Localverein in Carlsruhe und Umgebung.
1. Borei 1, Dr., Illenau.
2. ilergt, I)r., Geheimer Ilofrath, Illenau.
3. Kretz, Dr., Illenau.
4. Roller sen., Dr., Geheimer Hofrath, Illenau.
5. Roller jun., Dr. Illeuau.
6. Scliüle, Dr., lileuau.
7. Schüler, Dr., I Henau.
8. W i 1 s e r , Dr., Illenau.
9. Fischer, Dr., Geheimer Hofrath. Pforzheim.
10. Otto, I>r., Pforzheim.
11. Lehmann, Dr., Oberkirch.
12. Neumann, Dr., Gernsbach.
13. Yogel, I)r., Durmersheim bei Rastatt.
14. Völlm, Apotheker, Durmersheim.
15. Maier, 0., Bezirksförster Ettlingen.
16. Rrenzinger, Dr, Buchen.
17. Maier, K., Dr., Carlsruhe.
18. Spuler, Dr., Carlsruhe. t
19. Beck. Dr., Generalarzt, Carlsruhe-
20. v. Scheffel, Hofrath, Carlsruhe.
21. Haass, Kanzler a. D., Carlsruhe.
22. Wagner, Dr., Geheimer Holrath, Carlsruhe.
23. Längin, Stadtpfarrer, Carlsruhe.
24. Brambach, Dr., Oberbihliothekar, Carlsruhe.
5. Unterrheingebiet.
a) Localvereiu Heidelberg.
1. Arnold, Dr., Professor, Heidelberg.
2. Askenasy, Dr., Privatdocent, „
3. Bartsch, Dr.. Geh. Hofrath, „
4. Becke r, Dr., Professor, „
6. Beinhauer, Dr., „
6 B I n n t s c I i , Dr., Geheimer Rath, „
7. Buch, Apotheker, „
8. Bimsen, Dr., Geheimer Rath, „
9. Caspari, Dr., Privatdocent, „
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10. Clcmm, Dr., Heidelberg.
11. v. Dusch, Dr.. Professor, „
12. Ei senlohr,Friedr,Dr., Professor, „
13. Erb. Dr., Professor, „
14. F r i e d r e i c h , Dr., Geheimer Rath, „
15. Gegen baur, Dr., Geh. llofraih, „
16. Groos, Carl, Buchhändler, „
17. Hartung, Dr., „
18. Henkenius, Dr., Stabsarzt, „
ly. Horst mann, Dr., Professor, „
20. Knauf f, Dr., Professor. „
21. Kopp, Dr., Geheimer Hofrath, „
22. Kulme, Dr., Geheimer Rath, „
23. Leonhard, Dr., Professor, „
24. Mittermaier, F., Dr., „
25. Mittermaier, C., Dr., „
26. Oppenheimer, l>r., Professor, „
27. Pagenstecher, A.,Dr., Professor, „
28. Sachs, Dr., „
20. Schweizer, Oberstlieutenant, „
30. Stark, Dr., Hofrath, „
31. Stengel, Dr., Professor, „
32. Thorbecke, Dr., Rector, „
(Fortsetz
b) Localvcreiu Mannheim.
Vorstand.
Herr Director W. Vogel g e sang.
Rechner Herr Friedlich Niep er.
Mitglieder.
1. Artaria, l’h., Privatmann, Manuheiro.
2. Berge, Julius, Kaufmann, „
8. Dyckerhoff, W., Fabrikant, „
4. Feldbausch, Max, Dr., prokt. Arzt, „
5. Glöcklcn, O., Kaufmann, „
6. Gun/.ert, Tb., Kaufmann, „
7. Henking, Rob., Apotheker, „
8. H o h e n e tu s e r , Aug., Dr., Bankier, „
9. Jörger, C., Kaufmann. „
10. Nieper. Friedrich, Kaufmann, „
11. Oesterlin,F., Kaufmann, „
12. Oppenheim, 1)., Bankier, „
13. Reiss, Herrn., Fabrikant, Seckenheim b. Mannheim.
14. Rösinger, A., Leihhaus-Cassier, Mannheim.
15. Seeger, Ernst, Fabrikant, Mannheim.
16. Vogel ge sang, W., Professor, Director des Real-
gymnasiums zu Mannheim.
17. Seeger, Ludwig, Kaufmann, Mannheim.
ng folgt.)
Zur Literatur über Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in Deutschland.
Zeit sch ri/'t für EUinologier Organ der Berliner Gesellschaft. Unter Mitwirkung von R. Virchow heraus-
gegeben von A. Bastian nnd R. Hartmann. Verlag von Wiegandt, Hempel <fc Perey. 1877. 8°. Inhalt
des III. Heftes: lieber die Kingeborneuen von Cbiloe. Von Carl Mar t in. — Ethnologische Erörterungen.
Von A. Bastian. — Uebersicht der Literatur für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Zusammen*
gestellt von W. Koner. — Miscellen und Bücherschau.
Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie , Ethnologie und Urgeschichte. Ausserordent-
liche Sitzung vom 10. Februar 1877 (Schluss). Heidnische Grabstätten von Schlichen. Schlesier,
Voss. — Eisernes Geräth von der Inwa (Taf. VI Fig. 1 — 2) Tepluchoff; F riedel (Taf. VI Fig. 3 — 5).
— Statistische anthropologische Untersuchungen: in Russland. Pelikan; in Griechland, Orustein; in
Hamburg, D ec kert, Virchow. — Ch&maecophalcr Schädel aus Nordholland. Virchow, — Andamaaeseu
oder Mincopies. (Taf. VII — IX u. Holzschu.) Jagor. — Taubacber und Schliebener FQnde. Voss. — In-
schriften mittelalterlicher Schwerterkliugeu (Holzschu.). H. Weiss, Friedei (Taf. VI Fig. 7). — Ur-
mensch und Eiszeit in Amerika. Grote. — Erwerbungen des märkischen Museums (Taf. VI Fig. 6).
Fr i edel. — Die nationale Stellung der Bulgaren. Virchow. — Alterthümer aus der Uckermark und
von Charlottenburg. E. Tornow, Virchow. — Negersch&del aus Afrika. Pogge. — Geschenke. —
Sitzung am 17. Februar 1877. Gebräuche bei den Basuthos nebst Vorstellung eines Bakopa-Mädchens.
GrUtzner. — Schädel von Gluschiu (Posen). Schwartz, Virchow. — Schwimmstein« aus dem Uckersee.
M. Kuhn, yirchnw. — Fossiles Vorkommen des Dingo in Australien. Hart mann, Virchow, Stein-
thal.— Photographien von Lushais. Waterhouse, Jagor. — Ausgrabungen von Tinnevelly. Gladweil,
Jagor. — Wendische Volkssagen der Niederlausitz. Veckenstedt.
Mit dem 15. April 1878 wird die Redaction des Correspondenzblattes nach Basel (Schweiz)
verlegt. Herr Schatzmeister Weismann wird, wie bisher, die Zusendung des Correspondenz-
blattes an die verehr!. Zweigvereine und isolirten Mitglieder mit bekannter Sorgfalt fort führen.
Reclamationen einzelner Nummern, Zusendung der Jahresbeiträge bitte Ich also auch ferner
nach München an Herrn Weis mann, Theatinerstrasse 364, zu richten, Zusendungen an
die Redactlon Jedoch nach Basel zu adressiren.
Prof. Kollmann, z. Z. Generalsecretiir.
Schluss der Redaction am 1. April. — Druck von R. Oldenbourg in Manchen.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
fOr
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Rediffirt pon Professor Koilmann in Basel,
ürntral* tertiär dtr flt-uUtcMafl.
Nr. 5.
Erschuiut jeden Monat
Mai 11178.
Mitglieder- V erzeiehniss
der
deutschen Gesellschaft ftir Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
nach dem Stand Ende 1H77.
Hergcstellt von dem Schatzmeister der Gesellschaft
(F o r t s e t z n n g).
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, I
Ethnologie mul Urgeschichte.
Voratand.
Virchow, Rud., Dr., Professor, Vorsitzender.
Bastian. Dr., JMC.Ia. n . , i
B e y r i c h , Profctssor, | Stellvertreter d.\ or.it*en.lo„.
Hart in an n, Rob., I)r., Prof., enter Schriftführer.
Kuhn, Man, Dr., zweiter Schriftführer.
Voss, Dr., dritter Schriftführer.
Kitter, W., Banquier, Schatzmeister.
Ausachuss-
K otier, Dr., Professor, Olunanu.
Jagor, F., Dr.
Kuhn. A., Dr., Director.
v. Richthofen, Frhr., Dr., Professor.
Wetzstein, Dr.
F r i e d e 1 , Stadtrath.
De egen , Kainmergerichtsratli.
Fritsch, G., f>r., Professor.
I
1
Ehrenmitglieder .
Lisch, Dr., Geheimer Archivrath, Schwerin,
Mecklenburg.
Schott, Dr., Professor, Mitglied der Akademie, |
Berlin.
d‘A Iran tarn, Don Pedro, Kaiser von Brasilien. '
Godcffroy, Caesar, Hamburg.
CerfMtp.-BUU Nr. 5.
Correspondirende Mitglieder.
1. Davis, Joseph Barnard, M. D., F. R. S. Shelton,
Staffordshire.
2. Beddoe, John, M. P., F. R. S., Cliftoo, Glocester-
shire.
3 Desor, Professor, Ncuchitel.
4. Htixley, Professor, F. R. S. London.
5. N i 1 s s o n , Sven, Professor, Lund.
6. Worsaae, Kammerherr, Kopenhagen.
7. Uw troff, Graf, Prisidejit der archäologischen
Gesellschaft. Moskau.
8. Cape llini, Professor, Bologna.
!>. Nicolucci, Giustiniauo, Dr, Isola di Sora, Napoli.
10. Gastaldi, Bartolomeo. Professor, Turin.
11. Mantegazza, Paolo, Professor, Florenz.
12. Vilanova y Piern, Juan, Madrid.
13. D upo nt, Edouard, Dirccteur du Musee royal
d'histoire naturelle, Bruxelles.
14. Squier, E. Geo., New -York.
15. Steenstrup, Japetus, Professor, Kopenhagen.
18. L u b bo c k , Sir John. Hig Elans, Faruborougb, Kent.
17. Philippi, Dr., Professor, Santiago, Chile.
18. Haast, Julius, Dr., F. R. S., Christchurrh. New
Zeal&nd.
10. Wh iss hach. A., Dr. med., Coustantinopel.
20. Calori, Luigi, Professor, Bologna.
21. Luyard, Edgar Loopold, Britischer Consul, Pari,
Brasilien.
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22. Ra (Ule, Gustav, Direktor de« transkaukasischen
MuseumB, Tiflis.
28. Riedel, Holländ. Präsident, Billiton bei Bangka.
24. Burmeister, Dr., Professor, Buenos Ayrea.
25. Pigorini, Luigi, Capo Sezione nella' direzione
generale dei Musei e degli Scavi del Regno, Rom.
26. da Costa, Pereira, Dr., Lissabon.
27. G r e w i n g k , Dr., Professor, Dorpat.
28. v. Blarainberg, Generallieutenant. Sewastopol.
22. Franks, W. Augustus, M. A., London.
IW. v. Tscbudi, Schweizerischer Gesandter, Wien.
31. Lee in ans, Dr., Director, Leiden, Holland.
82. Hildebrand, Hans, Dr., Stockholm.
88. Rau, Carl, Dr., New York.
34. Gozzadini, Conto Giovanni, Senator, Bologna.
35. Montelius, Oscar, Stockholm.
36. v. Düben, Baron. Professor, Stockholm.
37. v. M ueller, F., Baron, Melbourne, Australien.
38. Berendt, Herrn., Dr., Coban, Guatemala.
39. v. Kaufmann L, General, St. Petersburg.
40. v. Heldreich, Dr. , Director des botanischen
Gartens Athen.
4L Engelhardt, Professor, Kopenhagen.
42. Zwingmann, Dr., Medicinalinspector von Ost-
Sibirien, Nikolajewsk am Amur.
43. Reil, Dr., Leibarzt, Cairo.
44. Sachs, Dr. med., Leibarzt, Cairo.
45. F 1 e x , Oscar, Missionär, Ranchi, Nagpore, Ostindien.
46. Hartt, Professor, Cornell University, lthaca, New
York, z. Z. in Brasilien.
47. St üb ei, A., Dr., z. Z. in Ecuador.
48. II i Lieb ran d, Emil, Bror, Rcichsarchivar, Stock-
holm.
49. L orange, A. L., Director des Alterthums-Museums,
Bergen, Norwegen.
50. Aspelin, J. R., Dr., Helsingfors, Finnland.
51. Evans, John, F. R. S., President of the British
gcological Society, Nash Mills, Hemel Heuipsted.
52. Spiegelthal, Schwedischer Consul in Smyrna.
53. v. Lichtenberg, Freiherr, Deutscher Consul in
Ragtisa.
f>4. Conustabilo, Conte, Professor, Perugia.
55. Calvert, Frank, Dardanellen, Kleinasien.
56. Kopernicky, I)r., Krakau.
57. v. Miklucko-Marlay, Dr., z. Z. in Ostasien.
58. Dal ton, Colonel, Nagpore, Ostindien.
59. C u n n i n g b a ni , Alexander. Major-General, Calcutta.
60. Lührssen, I)r., Ministerresident, Lima.
61. Lcpowsky, Professor, Director des Archäologi-
schen Museums, Krakau.
62. v. Len kos sek, Jos., Professor, Budapest.
63. Wheeler, George M.t Lieutenant Corps of En-
gineer«, Washington.
64. H a y d e n , F. Y., Dr., U. S., Geologist - in - Charge,
Washington.
65. Po well, J. W,, Major, Washington.
66. v. Pu 1 sz k y , Franz, Director des National-Museums,
Budapest.
67. Römer, Fl., Dr., Professor, Budapest.
68. Dawkins, Boyd W., Professor, Manchester.
69. B es sei s, I)r., Washington.
70. Darwin, Sir Charles, Down ßeckeuham, Kent S. E.
71. Gr über, Wenzel, Dr., Professor, St. Petersburg.
72. Ornstein, Dr., Chefarzt der griechischen Armee
in Athen.
Ordentliche Mitglieder.
1. Abbot, F., Dr., Berlin.
2. Abeking, Dr. med., Berlin.
3. Achenbach, Dr., Handelsminister, Berlin.
4. Adler, Dr. med., Berlin.
5. Al brecht, P., Dr. med., Düsternbrook bei Kiel.
6. Alfieri, L., Kaufmann, Berlin.
7. v. Andrian- Werberg, Freiherr, K. K. Bergrath,
Alinea.
8. Appel, C., Kaufmann, Berlin.
9. As cherson, Paul, Dr., Professor, Berlin.
10. As cherson, F., Dr., Berlin.
11. Aschhoff, Dr. med., Berlin.
12. A water, Dr. med., Berlin.
13. Barch witz, Ilauptmann a. D., z. Z. in Italien.
14. Bardeleben, Dr., Geh. Medicinalrath, Berlin.
15. Barnewitz, Realschullehrer, Brandenburg a. H.
16. Bartels, Dr. med., Berlin.
17. Bastian, Dr., Professor, Berlin.
18. Baumann, Kaufmann, Berlin.
19. Beer, Rittergutsbesitzer, Berlin.
20. Behmer, Fabrikant, Berlin.
21. v. Be low, Rittergutsbesitzer, Berlin.
22. v. Bennigsen, Landesdirector, Hannover.
23. Berendt, Dr., Professor, Landesgeologe, Berlin.
24. Bergius, Oberstlieutenant, Berlin.
25. Bernhardt, Dr. med., Berlin.
26. Bertheim, Stadtverordneter, Berlin.
| 27. Be u ster, Dr. med., Berlin.
I 28. Boy rieh, Dr., Professor, Geh. Bergrath, Berlin.
29. Biefel, Dr., Oberstabsarzt, Breslau.
| 30. Bodinus, Dr, Berlin.
I 31. v. Boguslawski, Dr., Berlin.
32. Böhr, Dr., Marine-Stabsarzt, Berlin.
33. du Bo is- Re ymond, Dr., Professor, Geh. Medi-
cinalrath, Berlin.
34. Bbrner, Dr., Oberstabsarzt a. D., Berlin.
35. v. Brandt, Ministerialresideut, z. Z. in China.
36. Braun, Alex., Dr., Professor, Geh. Regteriings-
rath, Berlin.
| 37. Braun, Carl, Dr., Justizratk, Berlin.
38. v. Brodow, Rittergutsbesitzer, Leuzke bei Fehr-
bellin.
39. Brehm, Dr.; Berlin.
40. Bretschneider, Dr. med., Berlin.
41. Brückner senior, Dr., Nenbrandenburg.
42. Buch holz, Beamter am Märkischen Museum,
Berlin.
43. Bütow, Geheimer Rechnungsrath, Berlin.
41. v. Cham is so, H., l>r. mo<L, Medicinalrath, Berlin.
45. Crainpe, Dr., Proskau in Schlesien.
46. Croner, Dr. med., Berlin.
47. Dam es, Dr., Berlin.
48. David sohn, H., Dr. med., Berlin.
49. David sohn, L., Dr. med., Berlin.
50. De egen, Kammergerichtsrath, Berlin.
51. Degner, C., Kaufmann, Berlin.
52. De gen er, Kamrnergerichts- Referendar, Berlin.
53. Dönitz, Dr., Professor, z. Z. in Japan.
54. Döring, Dr, Stabsarzt, Berlin,
55. Dü miclien, Dr., Professor, Strassburg im Eisass
56. Dünnwuld, H. J, Kaufmann, Berlin.
57. Dumont, Dr., Berlin.
58. Dz icduczy cki, Graf, Lemberg.
59. Kberty, Dr., Stadtgerichtsrath, Berlin.
60. Eggel, Dr. med., Berlin.
61. Esch wege, Kaufmann, Berlin.
62. Eulenburg, Dr., Geheimer Sanit&tsrmth , Berlin.
63. Ewald, Dr., Mitglied der Akademie der Wissen-
schaften, Berlin.
64. Ewald, Historienmaler, Berlin.
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65. Ewald, Dr., Privatdoceut, Kerlin.
66. Falken stein, Dr., Stabsarzt. Berlin.
67. Fälligen, Stadtgerichtsruth, Berlin.
6H. Förster, F., Dr., Berlin.
6D. Fränkel, Bernhard, Dr. m«d., Berlin.
70. v. Frautsius, Dr., Freiburg im Breisgau.
71. Frege, F., Banquier, Berlin.
72. Friede!, Stadrath, Berlin.
73. Frisch, Photograph, Berlin.
74. Fritsch, Gust., Dr„ Professor, Berlin.
75. Füratenheim, Dr. med., Berlin.
76. v. (lagern, Kreisrichter, Kirchhundem, Kr. Olpe.
77. Gäde, Marine-Ingenieur, Berlin.
7H. Gärtner, Conaul, Berlin.
79. Ge im, M. Banquier, Berlin.
80. Gents, Professor. Maler, Berlin.
81. Gerlach, I)r., Geheimer Mcdiciualrath. Berlin.
82. Gu senilis, Stadtältestcr, Berlin.
83. Goldschmidt, Hermann B. H„ Banquier, Berlin.
84. Goldschmidt, Leo B. I L, Banquier, Paris.
86. Ooltdammer, Dr. med., Berlin.
86. Goslich, Rentier, Berlin.
87. Grawitz, Dr. med., Berlin.
88. Grempler, Dr., Sanitätsrath, Breslau.
89. Grimm, Herrn., Professor, Lichterfelde bei Berlin.
90. Güssfeldt, Paul, l>r., Berlin.
91. Güter bock, Leopold, Maler, Berlin.
92. Güter bock, P.f Dr. med., Berlin.
93. Guttstadt, Dr med., Berlin.
94. Haarbrücker, Prof, und Dircctor, Berlin.
95. Hahn, Gut, Dr., Oberstabsarzt, Berlin.
96. Hahn, Dr. med . Berlin.
97. Hanscmanu, Fabrikant, Berlin.
98. Hart manu. Kob., Dr., Professor, Berlin.
99. v. Ha selbe rg, Dr. med.
100. Hauchecorne, Geheimer Bergrath, Berlin.
101. Hei mann, L„ Redacteur, Berlin.
102. Hermes, U„ Dr., Berlin.
103. Herzberg, Dr., Berlin.
104. Hertz, William P., London.
105. Hirsch, Dr., Professor, Geheimer Mcdicinalrath,
Berlin.
106. Hitzig, Dr., Professor. Btirghölzli bei Zürich.
107. Hoff mann, Dr., Sanitätsrath, Berlin.
108. Holl mann. Stadtgerichtsrath, Berlin.
109. t. Horn v. d. Hork, Stud. med.. Berlin.
110. Horwitz. Dr., Rechtsanwalt, Berlin.
111. Hosius, Dr., Professor. Münster
112. H ous solle. Dr.. Geh. Obermedicinal-Kath, Berlin.
113. H u m b e r t , Legationsrath, Berlin.
114. Huppe, Dr. med., Berlin.
115. Jacob, Dr. med., Coburg.
116. Ja gor, Fedor, Dr., Berlin.
117. Jahn, Rentier, Burg Loschen a. d. Elbe.
118. Jentsch, Dr., Oberlehrer, Guben.
119. I de ler, Pr. ined., Berlin.
120. Jürgens, Dr. med., Bcrliu.
121. Jung, Dr., Leipzig.
122. Junker, Dr., z. Z. in Afrika.
123. Kaiser, Kd., Dr., Berlin.
124. KayRer, Em., Dr., Privauloceut, Berlin.
125. Ke rite n, Dr., Berlin.
126. Kirchhoff, Dr.. Professor, Halle a. Saale.
127 v. Kloeden, Dr., Professor, Berlin.
128. Klunzingur, Dr., Berlin.
129. Kny, Dr., Professor, Berlin.
130. Koch, Dr,, Kreisphysicns, Sanitätsrath, Wöllstein,
Provinz Posen.
1 131, Koeuig, Kaufmann, Berlin.
132. Koner, l>r., Professor, Berlin.
133. Körbin, Dr., Potsdam.
134. Körte, I)r.. Geheimer Sanitätsrath. Berlin.
135. Kratzenstein, Missionsinspector, Berlin.
136. Krause, Architekt, Berlin.
137. Krüger, Dr. phiL, Berlin.
138. Krug v. Ni cl da, Ohcrbergliauptmann, Wirkl.
Geheimer Rath, Berlin.
139. K u c h e n b u c h , Kreisgerichtsrath, Müncheberg.
140. Ivünno, Buchhändler, Berlin.
i 141. Küster, Dr. med., Sanitätsrath, Berlin.
142. Kuhn, A., I)r., Director, Berlin,
143. Kuhn, Max. Dr., Berlin.
144. Kunz, Stadtrath. Berlin.
146. Kunze, Rentier, Leipzig.
146. Kupfer. Dr. med., Cassel.
147. Kurtx, Stud., Berlin.
148. Kurtzwig, Regierungsrath, Berlin.
149. Laehr. Dr., Sanitätsrath, Schweizerhof bei Zch-
lendorf.
, 150. Landau, Hugo, Banquier, Berlin.
1 151. Lau d au, Dr. mini., Berlin.
152. Lange, Henry, Dr., Berlin.
153. Langer haus senior, P., Dr. med., Berlin.
154. Lasard. Dr., Berlin.
155. Lazarus, Dr., Professor, Berlin
156. Lehnerdt, Dr.. Sanitätsrath, Berlin.
157. Leo, Banquier, Berlin.
158. v. Le Coq, Kaufmann, Darmstadt.
159. v. Ledebur, Director, Potsdam.
160. Lew in, Dr., Professor, Berlin.
161. Liebe, Tb., Dr., Oberlehrer, Berlin.
162. Liebe, Dr., Professor, Gera.
163. Lieber m ann, Geheimer Commerzienrath, Berlin
164. Liebermann, Dr., Professor, Berlin.
165. Liebreich, Dr., Professor, Berlin.
166. Liepmann, Rentier, Berlin.
167. Li in au, Dr., Professor, Geheimer Medicinalratb,
Berlin.
168. Loew, Dr., Oberlehrer, Berlin.
169. Lossen, Dr.. Berlin.
! 170. Lühe, Dr.. Oberstabsarzt, Ploen.
171. Magnus. P., Dr., Berlin.
172. v. Mailäth. Bela, Vicegespann , Andrasfalu
Ungarn.
173. v. Maltzan, Baron, Federow, Meklenbnrg.
174. Manthey, Stud., z. /. in Aegypten.
175. v, Martens, Dr.. Professor, Berlin.
176. Mart he, Dr., Oberlehrer, Berlin.
177. Mayer, Louis, Dr., Sanitätsrath, Berlin.
178. Meitze n, Dr., Geheimer Regierungarath, Berlin
179. Mendel, Dr. med., Pankow bei Berlin.
180. Meyer, Lothar. Dr. med., Berlin
181. Meyer, Geheimer Legationsratb, Berlin.
182. Michaelis, Kd., Dr. med., Berlin.
183. v. Mohl. Cabinets-Secretär, Berlin.
184. Montefiore, George, Brüssel.
185. Mühlenbeck, Gutsbesitzer, Gr.-Wachlin bei
Stargard, Pommern.
186. Müller, O., Bnchhändler, Berlin.
187. Müuter, Zahnarzt, Berlin.
188. Munk, Dr., Professor. Berlin.
189. Nachtigal, Dr, Berlin.
190. Neumeyer, Dr-, Professor, Wirkl. Admiralität»-
rath, Hamburg.
i 191. Oelsner, Fr., Kaufmann, Amsterdam.
| 192. Orth, Dr., Professor, Berlin.
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19*1. Orth, Dr. med., Berlin.
194. Partei, Stadtverordneter, Berlin.
195. Paetsch, Joh., Dr., Berlin.
19t». I’arejr, Buchhändler, Berlin.
197. Pauli, l>r., Denartemeuts-Thierarzt, Berlin.
198. Peipers, Dr., Marine-Stabsarzt, Kiel.
HK». Per OSO y Figueras, Jose del, Madrid.
200. La Pierre, Dr., SanitAtsrath, Berlin.
201. Plessner, Dr. med., Berlin.
202. Ponfik, Dr., Professor, Göttingen.
203. Pringsheim, Dr., Professor, Berlin.
204. v. Prollius, M., Geheimer Legatiousrath und
Mekleuburgischer Gesandter, Berlin.
205. Puchsteiu, Dr. med.. Berlin.
206. Rabenau, Oekonoro, Vetschau.
207. R a h 1 • R tt c k h a r d t, Dr., Stabsarzt. Berlin.
208. v. Ratiowitz, Freiherr, Gesandter in Athen,
Berlin.
209. Raschkow, Dr. med-, Berlin.
210. Ra veue, L., Geheimer Commerzienrath, Berlin.
211. Reichen heim, Ferd., Berlin.
212. Reichert, Dr.. Geheimer Medicinalralli, Berlin.
213. Reinhardt, Dr.. Berlin.
214. Re iss, Dr., Berlin.
215. Ribbentrop, Berthold, Esq., Lahore, East India.
21 1». Richter, B, Banquier, Berlin.
217. v. Richthofen, Freiherr, Dr., Professor, Berlin.
21«. Ri eck, Dr. med., Kbpnick bei Berliu.
219. Ritter, Wilh., Banquier, Berlin.
220. Robel, Dr., Berlin.
221. Koch, Dr., Senftonberg.
222. Roscnberg, Stadtgerichtsrath, Berlin.
223. Rosenthal, Dr. med., Berlin.
224. Roth, Dr.. Generalarzt. Dresden.
225. Runge , Stadtrath, Berlin.
22t». Ruttledge, T. E., Dr. med., London.
227. Samson, Banquier, Berlin.
22«. Sander, Dr. med., Berlin.
229. Sattler, Dr. med., Coburg.
230. Schaal, Maler, Berlin.
281. Scheibler, I>r., Berlin.
232. Sch iercnberg. Rentier, Meinberg bei Detmold.
233. S c h i 1 1 m a u n , l)r„ Oberlehrer, Brandenburg a. H.
23*1. Schindler, Generalinspector der Telegraphen,
Teheran, Persien.
235. Schlesinger, Rentier, Berlin.
23t». Schmidt. Jos., Kaufmann. Berlin.
237. Schneitier, C„ Dr., Berlin.
23«. Schneider, Kaufmann. Berliu.
239. Sch Öler, Dr., Privatdocent, Berliu.
240. Schubert, Kaufmann, Berlin.
241. Schultze, Carl D., Baumeister, Berlin.
242. Schultze, Oscar, I>r. ined., Berlin.
243. Schütz, W., Dr., Professor, Berlin.
244. Schwartz, Dr., Gymnasialdirector, Posen.
245. Schweinfurth, G., Dr., Cairo.
246. Schwendler, Louis, Esq., Calcutta.
247. Seemann, Dr. med., Berlin.
24«. S i c g m u n d , Jlr. med., Berliu.
249. Siehe, Dr. med., Alt-Döbern.
250. Siemens, Werner, Dr., Berlin,
251. Sierakowski, Graf, Dr. jur., Waplitz bei Alt-
mark, Westpreusaeo.
252. Simon. Kaufmann. Körbisdorf.
253. Stein thal, Dr., Professor, Berlin.
254. Stricker. Verlagsbuchhändler, Berlin.
255. Struck, Dr., Director des K. Gesundheitsamts,
Berlin.
256. Teschendorf, Portrmitmaler, Berlin.
257. Teplouchoff, Alex., Forstmeister - Secretär,
Iljinsk bei Perm.
25«. Thorner, Dr. med., Berlin.
259. Thunig. Oberamtmann, Kaiserhof - Dusznick,
Provinz Posen.
260. Ti man n. Dr. med., Berlin.
261. v. T r a u b e h e - R o s e n e c. k , F reiberr, Schwanen-
burg bei Riga.
262. Trautmann, Dr. med,, Oberstabsarzt. Berlin.
263. Treichel, Hoch-Palleschken , a. Alt-Kischau,
Westpceosson.
! 261. TucKerrmann, Alf., Dr., New York.
265. v. L'nruhe-Romst, Freiherr, Landrath, Woll-
stein, Provinz Posen.
266. Urban, Dr., Lichterfelde hei Berlin.
267. Veckenst&dt, Dr., Cottbus.
2»»«. Veit, Dr., Sanit&tsrath, Berlin.
269. Virchow, I)r, Professor, Berlin.
| 270 Vorländer, Fabrikant, Berlin. .
271. Voss, Dr„ Assistent am K. Museum.
272. Wattenbach, Dr., Professor. Berlin.
273. Wegner, Dr., Generalarzt, Berlin.
274. Wegscheider, Dr., Geh. Sanitätsratb, Berlin.
| 275. Weis«, Kenn., Professor. Berlin.
276. Weis«, Guido, Dr., Berlin.
277. Weissbach, Dr., Stabsarzt, Wriezen a. Oder.
: 27«. Wendt, Dr., Oberstabsarzt, Berlin.
I 279. Werner. Dr.. Berlin.
| 280. Wern ich, Dr, med., z. Z. in Japan.
281. Westphal, Dr., Professor, Berlin.
282. Wetzstein. Dr., Berlin.
283. Wilsky, Director, Rummelsburg bei Berlin
284. Witt, Gutsbesitzer, Bogdanowo hei Obernik,
Provinz Posen.
285. Wittmack, Dr., Berlin.
284». Woldt, Schriftsteller, Berlin.
287. Wolff, Alex., Stadtrath, Berlin.
288. Wolff. Max, Dr. med., Berlin.
289. Wredow, Professor, Berlin.
290. v. Wnlffen, Freiherr, Berlin.
291. Wutzer, Dr. med., Berlin.
292. Zimmermann, Dr.. Rechtsanwalt, Berlin.
293. Ztllzer, Dr. med., Berlin.
Niederrheinische (truppe in Bonn und Cöln.
Schaaff hausen. Professor in Bonn,
Geschäftsführer.
Mitglieder.
1. v. Dechen. Excellenz, Wirkl. Geheimer Rath.
2. Becker, Rentner.
3. Schaaffhausen, Theodor, Rentner.
4. Mever. Bona, Professor.
6. v. Wittgenstein, Jos., Advokat- Anwalt.
I 6. Binz. Professor,
7 Dünkelberg, Geheimer Rath.
• 8. Weyhe, Geheimer Rath.
9. Andre®, Professor.
10. Floss, Professor.
11. K a t z , Rentner.
12. Stahlknecht. Rentner.
13. Busch, Geheimer Rath.
14. v. Mirbach, Präsident.
15. Wo bor. Max,
I 16. Voigtei, Dombaumeister in Cöln.
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17. Richarx, Geheimer Rath in Kndenich.
18. De ich manu, Theodor, Cöln.
19. D e i c h m a n n . Frau, Geh. Rüthin, Mehlem b. Bonn.
21). W o n d e 1 8 1 a d t , Commerz. -Uath, Godesberg b.Bonn.
21. Guret, Dr.. Bonn.
22. Mohnike, Dr., Generalarzt
23. Schaaffhauseu, Geheimer Rath. lebenslängliches
Mitglied.
Cobnrger Lokalverein.
Vorstand*
Vogtei. Dr. med., Privatier, Vorsitzender.
Brodführer, Bürgerschuld inctor, Schriftführer,
Heyn, Hugo, Journalist, Kassier.
Kitaliedar.
1. Vogtei, Dr. med., Privatier, Coburg,
2. Brodführer, ßflrgenchnldireetor, Coburg.
3. Heyn, Hugo, Journalist, Coburg.
4. Flor schütz jr., Dr. med., Arzt, Coburg.
5. Rose, Staatsrath, Regierung»* und Ministerial-
Chef, Coburg.
6. Gei in, Gas&nstalhsdircctor. Coburg.
7. v. Löwenfels, Freiherr, Exeollcnx, Herzoglicher
OberhofmeiBter a. D., Coburg.
8. Ortloff, Dr., Privatier.
9. Witt ich, Excellenz, K. prouss. Generallieutenant 1
a. D., Coburg.
1U. Sattler, Dr. med., Privatier, gegenwärtig in i
Aegypten.
11. Meyer, Moritz, Bierhändler, Coburg.
12. v. Röppcrt, Baron, Hofmarschall, Coburg.
13. Rose, Otto, Kaufmann, Coburg.
14. Gonuermann, Medicinalassessor, Coburg.
Danzig.
Lissaucr, Dr., Vorsitzender.
Schück, OberpostHeeretär, Cantos der Sammlung.
Mitglieder.
1. Abegg, Dr. med.. Geheimer Sanitätsrath, Director
des Hebammen -Instituts, Danzig.
2. Anger, Dr. phil., Gymnasiallehrer. Elbing.
3. Apolant, Kreisbaumeister, Carthaus.
4. Bajohr, OberpoBtcommissariuB, Görbcrsdorf in
Schlesien.
6. Bail, Dr. phil., Professor, Realschullehrer. Danzig.
3. Raum, Kaufmann, Danzig.
7. Bertling, Prediger, Danzig.
8. Be utk, Buchhändler, Danzig.
9. Brams on, Dr. med., Arzt, Danzig.
10. Bujack, Dr. phil., Gymnasiallehrer, Königs-
berg i. Pr.
11. Burrucker, Hauptmann, Danzig.
12. C’osack, Dr. phil., Stadtschulrath, Danzig.
13. Davidsohn, Kaufmann, Danzig.
14. Dieckhoff, Gutsbesitzer. Przewosz bei Carthaus.
15. Doering, Waffenfabrikant. Danzig.
16. Drawo, Gutsbesitzer, Saskoczin bei Danzig.
17. v. F rau tzius, Gutsbesitzer, Kaltenort bei Kiesen-
bürg.
18. Froeling, Dr. med., Oberstabsarzt, Danzig.
19. Grentzenbcrg, Kaufmann, Dauzig.
20. v. Grass, Gutsbesitzer, Klanin bei Neustadt in
Westpreussen.
21. Haeser, Dr. med., Oberarzt, Danzig.
22.
88,
94.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
8&
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
51.
52.
63.
64.
55.
56.
57.
58.
69.
«0.
61.
62.
88.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
73.
74.
75.
76.
77.
78.
79.
80.
81.
82.
83.
Hasse, Kaufmann, Danzig.
Haussmann, Stadtrath. Danzig.
Hein, Dr. med., Arzt, Dauzig.
Hey er, Gutsbesitzer, Landschaftsrath, S träne hin
bei Danzig.
Helm, Adolf, Kaufmann, Danzig.
Helm, Otto, Chemiker und Stadtrath, Danzig.
1! endewerk, Apotheker und Stadtrath, Dauzig.
v, Hirse hfeld, Regierangsrath, Marienwerder.
Hoenc, Gutsbesitzer. Pcmpau bei Danzig.
II o f f m a n n , Aquarieufabrikaut, Danzig.
Ho Hz, Kaufmann, Danzig.
Joel, Gatsbesitzer. Zankenzin bei Danzig.
Kafemann, Buchdruckereibesitzer, Danzig.
Ka8iski, Major z. D., Neustettin.
Kau ff mann, Kaufmann, Dauzig.
Kauffmann, Oberpostsecretär, Danzig.
Kayser, Astronom, Danzig.
Kelp, Dr. med., Obermedicinalrath, Oldenburg,
v. Ketelhodt, Freiherr, L&ndrath, Deutsch Krone.
Klotten, Katastercontrolleur, Carthaus.
Klotz, Dr. med., Arzt. Danzig.
Kowallck, Stadtgerichtsdirector, Danzig,
v. Kries, Gutsbesitzer, Waczmirs bei Dirscbau.
Krüger, Maurermeister, Danzig.
Lampe, Dr. phil., Professor, Gymnasiallehrer,
Danzig.
Lissaner, Dr. med., Arzt, Danzig.
Lievin, Dr. med.. Arzt, Danzig.
Lohmeyer, Realschullehrer. Danzig.
Maunhardt, Dr. phil., Privatdocent, Danzig.
Marse hall, Dr. med., Sanitätsrath, Arzt, Marien-
burg.
Menge, Professor, Oberlehrer a. D., Danzig.
Menke, Kaufmann, Danzig.
Moeller, Dr. med., RealUchullehrer, Danzig.
Morwitz. Kaufmann, Danzig.
Momber, Dr. phil., Gymnasiallehrer, Danzig.
MQller, Ingenieur untl Dänischer Consnl. Danzig.
Münsterlierg, Kaufmann, Danzig.
Neumann, Dr. med., Sanitätsrath, Arzt, Neu-
fahrwasser bei Danzig.
Oehlschläger, Dr. med., Arzt, Danzig.
Ollen dorff, Kaufmann, Danzig.
Otto, Stadtbaumeister, Danzig.
Penner, Rentier, Olira bei Danzig.
Peters, Dr. phil*, Lehrer, Danzig.
Pfeffer, Dr. phil., Realschallehrer, Danzig
Pianka, Dr. med., Regierung* -Medicin&lratb,
Marionwerder.
Plehn, Gutsbesitzer. Lichtenthal.
v. Polkowski, Gutsbesitzer. Labischin.
Rickert, Landesdirector. Königsberg i. Pr.
Roeper, Dr. phil., Professor, Gymnasiallehrer,
Danzig.
Ru beim, Redacteur. Marienwerder.
Scharlock, Rentier, Gramlenz.
Scheele, Dr. ined., Arzt, Danzig.
Scheinert, Buchhändler. Danzig.
Schiffer. Dr. med., Stabsarzt, Danzig.
Schimmelpfennig, Postdirector, Poesneck.
Schmechel. Landschafts-Socretär. Danzig.
Schneller, I)r. med., Arzt, Danzig.
Schück, Oberpostsecretär. Danzig.
Semon, Dr. mo<L, Arzt, Danzig.
Siel aff, Admiralitäts-Secrotär, Ohra bei Danzig.
Staber ow, Kaufmann, Danzig.
Starck, Dr. med., Arzt, Danzig.
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84. Steimmig gen., Fabrikbesitzer. Danzig.
86. Steitnmig jun., Ingenieur, Danzig.
86. Strebitzki, Dr. phil., Gymnasiallehrer, Neustadt
i. Wostpr.
87. Stryowski, Maler Danzig.
88. T o r u w a 1 d , Dr. med., Arzt, Danzig.
80. Wacker, Gymnasiallehrer, Marien werder.
90. Wallenberg, Dr. med., Arzt, Danzig.
01. Wedding, Gutsbesitzer, Gulbicn bei Dutitscli-
Kylau.
92. Weiulig, Prediger, Dauzig.
03. Wilke, Kaufmann, Danzig.
04. v. Winter, Geheimer Kalb, Oberbürgermeister,
Danzig.
06. Witt, Kegierungsgeomuter, Danzig.
96. Ziegner, Dr. med., Arzt, N'euteich.
97. Zim meruiann, Rentier, Olira bei Danzig.
Localvercin in Elberfeld.
Ellenburgur, Kaufmann, Geschäftsführer.
Mitglieder (in Elberfeld wohnhaft).
1. Raum, Rudolf, Kaufmauu.
2. Berger, W.t Dr., Arzt.
3. Cohuitz, Kug., Kaufmann.
4. Cornelius, Dr., Arzt
5. Ellenberger, II., Kaufmann.
6. Gebhard, Gustav, Kaufmann.
7. Gebhard, Eduard, Kaufmann.
8. Holthaus, Wilh., Kaufmann.
9. König, Justizrath, Advokat- An wall.
10. Levy , Dr., Arzt.
11. Marti ub, R., Landgerichtsrath.
12. Peill, Gustav, Kaufmauu.
13. Re m kos, Carl, Kaufmann.
14. Ringel, Kal., Rentner.
16. v. Sclien ui s. Fr., Kaufmann.
16. Schöller, F., Kaufmauu.
17. Sclilieper jun., Gustav, Kaufmann.
18. Siniotis, Walther, Kaufmann.
19. Simons, Louis, Kaufmann,
20. Simons, Wilh,, Kaufm&nnn.
21. Stracker, F. W., Kaufmann.
22. Weyermann, August, Kaufmann.
23. Wey er man u, Moritz. Kaufmann.
24. Witte, Regierungsrath, Kiseiibahmlirector der
Berg.-Märk. Hahn
25. zur Hosen, Königl. PoBtdirector.
Frankfurter Gruppe.
Lucae, I)r. med., Professor, Geschäftsführer.
e Mitglieder-
1. S^mmeri ng, Frau, Sophie.
2. Schmidt, Max. Dr. vor., Director.
3. Kinkel in, Dr. phil.
4. Rockenheimer, Dr. med.
5. Finger, Dr., Oberlehrer.
6. G o Lisch rn i dt, II KL
7. v. Heyden, Dr. phil., Hauptmanu.
8. Kesselmeyer, Rentier.
9. Stricker, Dr, med.
10. Winter, Ruchhändler.
11. Lncae, Dr., Professor.
12. Schmidt, H„ Dr. med.
13. Pass» v aut, Gustav, Dr.
14. Walter, Dr., Hofrath.
15. Gwinner, Dr. jur., Stadtgorichtsrath.
16. Krepp, Friedr.
17. Moldenhauer, F. M.. Ingenieur.
18. Finger, Eduard, Rentier.
19. Gott werth, Heinrich. Lehrer.
20. Hammeran. Dr. phil.
21. Winter, Wilh.
Ehrenmitglieder .
| 1. G oldschmidt, Renedict . N.
2. G o 1 d s c h in i d t. , Marcus M.
3. Gold Schmidt, Moritz M.
Gruppe in Gotha.
Schuchardt, Dr., Geh. Regierangs- und Ober-
medicinalrath, Geschäftsführer.
| 1. Sam wer, Dr., Staatsrath, Gotha.
2. Dannenberg, Dr. Medicinal Assessor. Gotha.
3. llenneberg, Dr., Rechtsanwalt, Gotha.
4. Jacobs II., Rechtsanwalt, Gotha.
5. Becker, Dr., Amtsphysikns, Gotha.
6. Stäb ler, Hotelbesitzer, Gotha.
7. Thiene mann, Hofbuchhümller, Gotha.
8. T rümpelmann, Superintendent, Uelleben.
9. Schuchardt, Dr. , Geheimer Regierungs- und
Obcrmediciiialrath, Gotha.
Göttinger anthropologischer Verein.
Ehlers, Dr., Professor, Vorsitzender.
Beufey, Dr.
v. Brunn, Dr., Schriftführer.
Ludwig, Dr.
Mitglieder lin Göttinnen wohnhaft).
1. Bau mann, Professor.
2. B e n f e y , Professor.
3. Beute, I>r.
4. Bezzenberger, Dr.
5. Boedeker, Professor.
6. v. Brunn, Dr.
7. v. Deuffer, Dr.
8. Dieterichs, Kreishauptmann.
9. Dove, Professor.
10. Drechsler, Professor.
11. Ehlers, Professor.
12. En ne per, Professor.
13. Esser, Dr.
14. Faust, Dr.
15. Feska, Dr.
16. Fick, Dr.
17. Fleischer, Dr.
18. Frensdorff, Professor.
19. Frerich», Dr.
20. G oe d e k e , Professor.
21. Hartwig, Dr.
22. H unneb erg, Professor.
23. 11 u a e m a n u , Professor.
24. v. 1 he ring, Geheimer Justizrath.
25. v. Hierin g. Dr.
26. Klinkerfues. Professor.
27. Krause, Professor.
28. Kr ohne, Major a. D.
29. Lang, I>r.
30. Lange n b eck, Sanitatsrath.
31. Leber, Professor.
32. Listing, Professor.
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39
33. Lohtneyer, Professor.
34. Lotse, Carul. med.
36. Ludwig, Dr.
36. Marne, Professor.
37. Mejer, Geheimer Justixrath.
33. Meyer, Professor.
39. Mühry, I)r.
40. Müller, H. D., Professor.
41. Müller, Chr.. Professor.
42. Müller, C.. Dr.
43. Muhlert, Oberlehrer.
44. Nöldeke, PoBtralh.
45. Pauli, Professor.
40. Peppmüller, Buchhändler.
47. Uosenbach, Dr.
43. Rümelin, Dr.
49. Sartorius v. Waltershati6en, Professor.
GO. Schering, Professor.
61. Schmidt, Obergerichtspräsident.
52. Schreiber, Bergrath.
53. Schütte, Sanitätsrath.
54. r. Seebach, Professor.
55. Tittmann, Assessor.
56. Thöl, Geheimer Justizrath.
57. T o 1 1 e n t , Professor.
58. Uh de, Rentier.
59. U n g e r , Professor.
60. W a p p 4 u s , Professor.
61. W i ese, Dr.
62. W i e s e 1 e r , Professor.
Gruppe Hamburg-Altona.
Wibel, D. F., Geschäftsführer.
Lebenslängliche Mitglieder.
1. Hermann, M. A.
2. Semper, G.
3. Semper, W.
Orupponmitalioder.
Hamburg.
1. Ackermann, E. D. J.
2. Ainsinck, J., Dr. med.
3. Andresen, Sanitätsrath, Dr., Reinheck.
4. Blume, H. J.
5. Bo lau, II., Director.
6. Buchheister, J., Dr. med.
7. Cohen, B., Dr.
8. Cohen, Benny.
9. Crüger, C., Dr.
10. Dehn, M., Dr. med.
11. Fixsen, J. H.
12. v. Freeden, W, Director.
13. Frieden ch gen, L.
14. Godeffroy, J. C.
15. Godeffroy , C., jnn.
16. Gräfen bahn, K. W.
17. Güsse fei d, Emil.
18. Goldsch rn idt, C., Dr. med.
19. 11 aase, G., Dr. med.
20. Halberstadt, J., Dr. med.
21. Hertz, Mart
22. Joop, 0. R. F.
23. Kirchen pan er, Dr., Bürgermeister.
24. Karuth, C.
25. Knauer, G.
26. Krause, R., Dr. med.
27. Krieg, E., Dr. med.
28. Krüger, C. A., Dr. med.
29. Leisrink, H. W. J., Dr. med.
30. Lipschütz, G.
31. Lip&chütz, L.
I 32. Lippert, Ed.
33 Lippert, Ludw.
i 34. Lomnitx, F., Dr. med.
35. Linuenbr Qgge, A.
36. May, Anton.
37. May, Z. II.
38. M e i 8 s n e r , Otto.
39. Megtorf, Harro.
40. Meyor, C. H
I 41. Meyer, J. Arth. F.
42. N e s 8 in a n n , F.
43. Oberdftrffer. A.
I 44. Gehrens, II. W., Dr. med.
45. Partz, C. II. A.
46. Philipp, F., I>r. med.
47. Plage man n, J. C.
48. Hatjeu, E., Dr. med.
49. Raynal, Ad.
I 50. Reineke, J., Dr. med., Physicus.
51. Reye, I). W., Dr. med., Oberarzt.
I 52. Richter, W., Apotheker.
53. Ruhen, Kl., Dr. med.
54. Schilling, II.
55 Sohtit, C. G.
56. Sonder, W., Dr., Apotheker.
57. Steinert, I).
58. Schleiden, II., I)r.
59. Theobald, A., Dr.
60. Todtenhaupt, A. G.
61. II lex, G. L., Dr, Apotheker.
62. Warburg, 8. R.
63. Weberling, Dr. med.
64. Wibel, F., Dr.
65. Wiebel, K., Professor.
66. Wich mann, Ad., Optiker.
67. Worlee, F.
68. Wolff, Rad., Dr. med.
69. Woermann, Ad.
70. Zacharias, A. N.
71. Spengel, W., I)r.
Altona.
72. Andresen, C. A. L., Dr.
73. Gottsche. Dr. med.
74. Knauer. W.
75. Kraus, C. F, Dr. Phygicus.
76. Reichenbach, Dr. med.
77. Reiocke, Th.
78. Reineke, Ferdin.
79. Semper, J. C.
Isolirte Mitglieder.
80. F er her, R-, Dr. med., Hamburg.
81. Meyer, A. B., Hamburg.
82. Mever, Ad., Altona.
83. Meyer, Frau, Elise, Altona.
84. Reineke, Ed., Altona.
85. Semper, J. 0., Altona.
Anthropologischer Verein in Jena.
Vorstand.
Schwalbe, I)r., Professor, Vorsitzender.
Preyer, I)r., Professor, Stellvertreter.
Klopf leise h, Dr., Professor, Geschäftsführer.
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40
Mitglieder
1. Abbe, Dr., Professor.
2. Bardel t* ben , I>r.
3. Bode, I)r., Stabsarzt.
4. Boethlingk, Dr., Geheimer Staatsrath.
5. Boethlingk, Dr.
6. Cap eil er, Dr., Professor.
7. Delbrück, Dr., Professor.
8. D e t m er , Dr.
9. Kuck eu, Dr., Professor.
10. Fort läge, Dr., Professor.
11. Fr eye, Dr.
12. Gaedechens, Dr., Professor.
13. Genther, Dr., Hofr&th.
14. Hertwig, 0., Dr.
16. Hertwig, R., Dr.
16. Klette, Dr., Universität« -Oberbibliothekar.
17. Klopf leiscb , Dr., Profeaaor
18. K Qstner, Dr.
19. Langer, Dr.
20. L ich t h e i m , Dr., Professor.
21. Martin, A., Dr., Bibliotkokssecretär.
22. Martin, K., Dr.
23. Müller, Dr., Hofrath.
24. v. O eben ko w* ki, l)r.
25. Oehmichen, Dr., Professor.
26. Preyer, Dr., Professor.
27. Reich ardt, Dr., Professor.
28. Ried, Dr., Geheimer llofrath.
29. Ritter, Dr., Gymnasiallehrer.
30. Samann, Eiscnbahndirector.
31. Sch&fer, Dr., Professor.
32. Schi Ubach, Dr., Professor.
33. Schröter, Dr., Schuldireetor.
3-1. Schuster, Dr., Med icinal* Assessor.
35. Schwalbe, Dr.. Professor.
36. Sichert, Dr., Professor.
37. Sievers, Dr., Professor.
38. Stechöle, Dr.
39. Stoy, H., Dr.
40. Stoy, V., Dr., Schulrath.
41. Tellenbach, Oberst.
42. T o u s c h e r , Dr.
43. Volkelt, Dr.
44. Wilhelm, Dr., Professor.
Königsberg.
Vorstand.
Sch iefferdecker, Dr„ Sanitätsrath, Vorsitzender,
Tischler, 0., Geschäftsführer.
Lottermoser, Dr., Stadtrath, Secretär.
Mitglieder.
1. Be necke, Dr., Professor.
2. Haar brück er, Kaufmann.
3. Ilensche, Dr., Stadtältestcr.
4. Jenzsch, Dr., Geologe der phys.-ök. Gesellschaft.
5. Loh ui ey er, Dr., Professor.
6. Lottermoser, Dr., Stadtrath.
7. Schief ferdecker, Dr., Sanitätsrath.
8. T isch 1 er • L osgeh neu , Gutsbesitzer.
9. Tischler, Otto, Vorstand des arch. Museums.
Mainzer Gruppe.
Wenzel, Dr. uied., Geschäftsführer.
1. Birnbaum, Dr. uied.
2. Bockenheimer, Dr. jur.
3. Brellinger, Dr. mcd.
4. Cüny, Dr. med.
I 5. Eichhorn, Dr. mod.
6. Friedberg, Dr. mod.
7. Helwig, Dr. med.
| 8. Hess, Dr. med.
9. Hocligesand, Dr. med.
10. Kirnberger, Dr. med.
11. Klee, Dr. med.
12. Klingelhöfer, Dr. med.
13. König, Dr. med.
14. Krug, Dr. med.
15. Kupferberg, Dr. med.
16. Lindenschmitt, L., Dr. phil.
17. Masserell, Dr. med.
18. N a u h e i m e r , Dr. uied.
19. Res, Dr. med.
20. Rothschild, Dr. med.
21. Schmitt, Dr. med.
22. Schod ler, Realschuldirector, Dr. phil.
23. Scholz, F abrikant.
24. Sch rohe, Dr. med.
25. Strecker, Kaufmann.
! 26. Vierling, Dr. med.
j 27. Wenzel. Dr. med.
j 28. Wittmann. Dr. med.
29. Caprano, Dr. med., gestorben 1870.
30. Chary, Kaufmann, gestorben 1870.
31. C ursch man n, Dr. ined., weggezogen.
32. Hirsch, Dr. med., gestorben 1871.
Münchener Gesellschaft für Anthropo-
logie, Ethnologie und Urgeschichte.
Zittal, Pr., Professor, Vorsiteonder. Bricnnor-
Strasse 35/H.
Kol 1 mann, Dr. , Professor, jetzt in Basel,
Grcllingemrasse 86.
Ranke, J., Dr., Professor, Schriftführer. Brienner-
Strasse 25/IU.
Ratzel, Dr., Professor, Stellvertreter. Barrer-
strasse 67/1.
Weism&nn, Oberlehrer, Kassier, Thcatiner-
strasse 36/IV.
AuMchuu.
Förster, Ilauptmann
Gümbel, Dr., Prof., Oberbergrath.
Lauth, Dr., Professor.
Marggraff, Dr., Professor.
O bien schlager, Studienlehrer.
Ranke, II., Dr., Professor.
Rüdinger, Dr., Professor.
Schmidt, W., Dr., Conservator.
Wttrdinger, Major a. D.
Mitglieder.
1. Prinz Arnulf von Bayern, Königliche Hoheit.
2. Herzog Carl in Bayern, Königliche Hoheit.
3. Ackermann, Theodor, Buchhändler, München.
4. Arnold, Carl, Rechtsconcipieut, München.
5. v. Ammon, Lud., Dr., München.
6. Bauer, Dr,, Professor, München.
7. Beck ler, Dr. med., prakt. Arzt, Fischen. Sont-
hofen.
8. Bczold, F., Dr., Docent, München.
9. Bino. Dr., prakt. Arzt, München.
10. Bi sch off, Dr., prakt. Arzt, München.
11. v. Bi sc hoff, Th. L. W.f Professor, München.
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12. v. brauen, M., Freiherr, k. Hauptmann.
13. v. Brauca, W., Freiherr, k. llaupimami.
14. Brauu, Dr., prakt. und Hospitalarzt, München.
15. v, Be* old. Dr., k. Oberstabsarzt, Müiicheu.
16. Brau u war t, L., k. Rcgierungsdirector, Augsburg. I
17. Buhl, Dr., Professor, München.
IS. Bayeradorf er . Dr., Breslau.
19. v. Bück, l>r. med., Privatdocent, München.
20. Bernhard, Th., k. Hauptmann, Augsburg.
21. v. Br an ca, S., Frbr., Pmnierlicutenant, München.
22. Buddeus, Aurelin, Dr. med. und phil.. München.
23. Bollinger, Dr., k. Professor, München.
24. Becker, l)r. med., München.
25. Bock ler, C.t Ingenieur, Dürkheitu.
26. Bois, August, k. Forstmeister. Douanworth.
27. Baeyer, A., I)r., Professor, München.
Braun, F. H» Dr. und prakt. Arzt, München.
29. Bezirkslehrer-Verein Ansbach Land, Broda winden,
30. Beairkslehrer* Verein Weisseuburg »,8., Weinen*
bürg a,S.
31 Beer, Job., Pfarrer, OberailsiVId bei Goss Weinstein.
32. Büchner, Dr. med., München.
33 Besirkslehr er- Verein Dürkheim *Gi Unstadt.
34. Burk hart, k. Regierungsrath, München.
85. Camerer, Fr., Dr. und prakt Arzt, Beicheuhall.
36. Christ, Dr., Professor, München.
37. (Hessin, k. Gütor-Expoditor. llegenaburg.
38. v. Chi in ge usp erg, M., Reichenhall.
39. v. Carriere, M., Professor, München.
40. D itterich . J , k. Advokat, München.
41. Dahlem, k. Pfarrer, Regensburg.
42. v. D rech sei, Carl, Graf. München.
43. Dingler, 11.. Dr« Müucheu.
44. v. Kn hu her, k. Rogierungsaccesist, Starnberg.
45. Kill es, k. Sludtenlehrer, München.
46. K agier, Dr., Privatdocent, München.
47. Krnsthal, Privatier, München.
48. Engelhardt, Pfarrer, Königsfeld.
49. Kser, N., Oekonoui, Buchloe.
60. Kickemeyer, F., städt. Baurath. Nürnberg.
51 E scher ich, F., k. Accessist. München.
52. Eckert, Rechtsrath, München.
53. Förster, k. Hauptinaiin, München.
54. Feichtinger, Dr., k. Professor, Mttncheu.
56. Fori n ge r, 11.. k. Stadtgerichtsassessor, München
56. Frank, k. Professor, München.
57. Frey, Dr. und Insti t utsd irector, München.
56. Friedrich, Dr., k. Oberstabsarzt. München.
59. K r oh sc h um in er, I)r., Professor, München.
60. v. Froelicb, Robert, Rentier, München.
61. Fuchs, Theob., k. Uochtspraktikant, München.
62. Gleist, Dr, med., Ainhach-' Wolfratshauscn.
68. v. (»raf, Dr. und k. Oberniedicinalrath, München.
t>4. (iraf, Dr. prakt. Arzt, München.
65. Grell, Oberlehrer, München.
66. v, 0 ud den. Dr., Professor, Giesing.
67. Gümbel, k. Professor, München.
68. Graff, Dr., Professor, Aschaffenburg
69. Geyer, W-, Bildhauer. Bayreuth.
70. v. Gumppenber g-F euerbach,F rbr., Traunstein.
71. Gernsheim, Privatier, Dürkheim.
72. Göh ringer, k. Preraierlieutenant, München
73. Gregorovius, J., k. Oberst *. D., München. |
74. Güttler, Dr,, Privatgelehrter, München.
75. Gross, k. Districts-Thinrarzt, Neustadt all.
76. Gentner, A, Anstaltsdirector, München.
77. Glaser, Dr. med., München.
78. Geh ring, L„ Lehrer, München.
Corn*|i.-lSUU Kr. 5.
79. Hagen, Dr., Rechtsanwalt, München.
80. v. Hai in, Dr., Professor, München.
81. Hoermunn, F., k. Rentbeamter, Waischenfeld
(Oberfranken).
82. v. Hecker, Dr., Professor, München.
83. Hellermann, Dr., prakt. Arzt, München.
84. Heule, Fabrikant, München.
85. Heyse, Paul, Dr., München.
86. Hilber, k. q Forstmeister, München.
87. Halm, Dr. med., München
88. Heiss, Dr. med., prakt. Ar/t Starnberg.
89. llirth, Georg, Dr., Schriftsteller, München.
90. v. Hornstein, Hob, Freiherr, München.
91. Hart mann, A., München.
92. Huber, Job., Dr, und k. Professor, München.
93. v. Hutten, L*lr., Freiherr, München.
94. Harz, Dr. und Privatdocent. München.
95 Hartmann, Fr. S., k. Gerichtsschreiher, Fürsten*
feldbruck.
96. v. Ho Itzendorf, Dr. und Professor, München.
97. Herrinann, E., Dr. med., München
98. v. Hundt, Fr. H., (iraf, München.
99. Holz mann, J, k. Lieutenant. München.
10t). v. Heuler, M, Kaufmann, München.
101. Hi ui meistens, k. Hnchtspruktikam. München.
102. Hake, W., k, Uezirksgericlitsrath, München.
103. lleintz, Dr. med. und prakt. Arzt, München.
UM. Haller, J., k. Hofrath, München.
105. Hubrich, Dr. und Director, Werneck.
106. Hagen, B., Stud. med., München.
107. llösch, Han», Neumüchl-Rabensteio.
108. Historischer Verein von Niederbayern in Landshut.
101« 11 äsen clever, Zeichenlehrer, München.
110. Haushofer, Pari, Dr. und Professor, München.
111. H allerem, P. J., fand, med., Budapest.
112. Heinlein, A.. Lehrer, München.
113. Jacubezky, Dr. und prakt. Arzt. München.
114. Jäger, J., k. Oberinspector, München.
115. Illing, L., Lehrer, München.
116. Kaiser, k. Verwalter, München.
117. Kaufmann, I>r. med., Dürkheim.
118. Kau Ibach, H.. Maler, München.
119. K ersehen steiner, k. Kreismed.-Rath, München.
120. Knorr. J., Verleger, München.
121. Knorr, I)r., prakt, Arzt, München.
122. Koch, Dr., k. Professor, München.
123. K oll in an n, J., Dr. und Professor, jetzt in Basel.
124. Kollmann, Postiuapector, München,
125. Kriobel, k. Major, Gemiersheim.
126. Krieger, l)r., Kreisarzt, Strass bürg.
127. Kaeb. Professor, München.
128. Ke ster, Fabrik director, München.
121). Kurz, G„ Rentier, München.
130. Künigshöfer, Dr. u. k. Oberstabsarzt, München.
131. Kranz, Dr.. prakt. Arzt, München.
132. v. Knorr, k. Oberbergdirector, München.
133. Kluckhohn, k. Professor, München.
LH. Kipfmüller, A., k Artillerie-LieuU, München
185. K nebel, Th., k. Artillerie-Oberstlieut., München.
136. Kn oll, Professor, München.
137. Laiith, I)r., Akademiker, München.
138. Lippl, Dr., prakt Arzt, München.
139. Lotsbeck, Dr., k. Oberstabsarzt, München
140. v. Lutz, J., Excelleuz. München.
141. Lehmann, H., jun., Kaufmann, Hamburg.
142. v. Löher, F., k. geh. Rath, München.
143. Lichtenstein, S., Dr., Privatgelehrter. München.
144. v. Liebig, Dr. und k. llofrath, München.
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42
145. LeiieviU, Dr. und Professor, Manchen.
140. I.oew, Oscar, Chemiker, Manchen.
147. I.oew, F., Consulent, Manchen.
148. M arggraf f, Dr. und k. Professor, Manchen.
149. Max, Gabr., Kunstmaler, München.
150. Martin, A., Dr., Professor, München.
151. Mehlis, Dr., Studienlehrer, München.
152. Müller, Dr., München.
153. Mayer, Dr., Privatdocent, München.
154. Mayr, Dr., k. Ministerialrat!), München.
155. v. d. Mühle, K., Graf u. Keichsrath, München.
150. v. d. Mühle, 11., Graf, Schloss Birkeptee.
157. Moser, Dr., k. Stabsarzt, Zweibrückeu.
158. Mayer, I>r., Geh. Legat ionsrath, München.
159. Näher, Dr., pnikt. Arzt, München.
160. Neumayr, Dr., Professor, München.
101. v. Nuss ha um, Dr., k. Generalstabsarzt, München.
102. N e u in a u n, Oberlehrer, München.
163. Noner, k. Director, München.
164. Ohlunschlagcr, k. Studienlehrer, München.
165. Oldeubourg, K. A., Buchhändler, München.
166. Oldenbourg, Hans, Buchhändler, München.
167. Oollacher, J., Dr. und Professor, Innsbruck.
168. Oldenbourg, lt., sen., Buchhändler, München.
169. Oebbeke, C„ Dr., München.
170. Pachinayr, Dr., k. Stabsarzt, München.
171. v. Pettenkofer, Dr. und Professor, München.
172. Poppel, Dr., prakt. Arzt, München.
173. Promoli, Fabrikbesitzer, Manchen.
174. Popp, L., Dr., prakt. Arzt, Manchen.
175. v. Posch iuger, Theresienthal.
176. Puschmann, Th., Dr. med., Manchen.
177. I’eetz, H., k. Kentbeamter, Traunstein.
178. Pollicliia, Wissenschaft!. Verein, Dürkheim a ll.
179. Radlkofer, Dr., Professor, München.
180. Banke, II., Dr.. k. Professor, München.
181. Banke, Joh., I>r., k. Professor, München.
182. Reuling, k. Inspector, München.
183. Becknagel, Dr.. k. Rector, Kaiserslautern
184. Reichen hach, Dr., Chemiker, München.
185. Rottach, Postofficial, Augsburg.
186. Uüdi ng er, N., Dr. und Professor, München.
187. Ruderer, Banquier, München.
188. v. Rummel, Freiherr, k. Rittmeister, Manchen.
189 Ratzel, Dr. und Professor. München.
190. v. Roth, I\, k. Professor, München.
PJL Riedel, Th., Buchhändler, Manchen.
192. Schaeufelen, A., Dr., Rentier, München.
193. v. Schlagin tireit Sak ü ul uns ky, 1L, München.
191. SchuBter, Grossh&ndler, München.
195. Schleis» v. Lovrenfeld, Dr. und Obermedici-
ualrath, München.
196. Schmitt, k. Hauptmaim a. I)., München.
197. Schneider, Kaufmauu, München.
li*8. Schweninger, E., Dr., Priwaldoce&t, München,
199. Seggel, Dr., k. Stabsarzt, München.
2t K). v. Siebold, k. Professor, München.
201. Sittl, C., k. Postofficial, München.
202. Solbrig, V.t Dr., k. Stabsarzt, München.
203. Stockmever, Privatier, München.
2i>l. Stieler, Carl, Dr. jur., München
206. Straub, Buchdruckereibesilzer, Manchen.
206. Schnitzle in, Dr., prakt. Arzt, München.
207. Stcinle, k. General, München.
208. v. Schab, k. Landrichter. Starnberg.
209. Sepp, Ihr., k. Professor, München.
210. Simon!, Ingenieur, Botzen.
211. v. Suttner, k. Bezirksamtmann, München.
212. S cli a m b e r ge r , kGcneraldirertionsratli, München.
213. Sc bmi tt, W., I)r. phil , k. Conservator, München.
214. St öhr, I>r., k. Bergwerksdirector, München.
215. v. Seckendorf, Freiherr, München.
216. Scdulmaier, M, München.
217. Stumm, p. Legatkms-Secret&r, Paris.
218. Steu b, Dr., k. Notar, München
219. v. Kafferling, B., k. Oberst, München.
220. Sch 1 agi nt w e it, J., abs. Pharmazeut, München.
221. 8 c h lei ff er, C„ Dr., prakt Arzt, Greiffenberg.
222. Sch me derer, Dr., prakt. Arzt, München.
223. v. Truchsess, Frhr.. k. Rittmeister, München.
224. Tu tschek, Dr., k. Hofrath u. Stabsarzt, München.
225. Tappeiner, Dr. med., München.
226. Thäter, I)r., prakt. Arzt, München.
227. v. Tautphoeus, Dr,, Freiherr, München.
228. v. Volk, k. Miuisterialrath. München.
229. Voit, Dr., k. Professor, München.
230. V o 1 z , I>r., Bankdirertor, München.
231. Vierling, A., k. Bezirksgerichtsrath, München.
232 Wagner, M., Dr. und Professor, München.
i 233. Weis manu, J., Lehrer, München.
234. W iedenmeyer, Dr. jur., II. Bürgerm., München.
235. Wolff, Ph. C., Dr. und Privatgelehrter. München
236. v, W ulfen, Freiherr, k. Oberliofmeister, München.
237. Würdiuger, k. Major, München.
238. Wagner, A., Professor, München.
j 239. Will ich, C., Kunstmaler. München.
I 240. v. Walderdorff, II.. Graf, Hauzenstem.
I 241. v. Werth er n, Excellenz. München.
242. Wollny, M., Dr. und Professor, München.
213. Weil, Dr. med., prakt. Arzt, München.
244. Wild, Dr., Banquier, München
245. Wieser, Dr,, Innsbruck
246. Zechmeiftter, Ingenieur, München.
247. Zedier, Ingenieur, Pussau.
248. Zittel, Dr. und Professor, München.
249. Zapf. Münchberg (Oberfranken).
250. Zintgraff, k. Notar, Landsberg.
251. v. Ziems ne n, Dr und Director, München.
252. v. Zmigrodsky, München.
Schleswig-Holsteinischer Zweigverein
in Kiel.
Pansch, Dr. med., Professor, Vorsitzender.
11 a n d e I tu a n u , Dr . Professor, Stellvertreter.
II en so u, Dr. med., Professor, Stellvertreter.
Matzner, Dr. med.. Stabsarzt, Stellvertreter.
Mestorf, Frl. J., Schriftführer.
B e h n c k e , Rentier. Kussier.
Mitglieder.
1. Adler, Dr. med., Arzt der Provinzial-Irrenan*
stu.lt in Schleswig.
2. A hl mann, Chr. Fricdr., Dr., I^ehrer an der höhe-
ren Bürgerschule in Marne.
8. Behncke, P., Rentier, Kiel, Düstenibroock 42,
4. Br u lins, Baurath, Eutin.
5. v. Brockdorff- Ablefeldt, Graf, Ascheberg.
6. Banz, Carl, Bürgermeister, Glückstadt.
7. Bocke ndahl, Dr. med., Prof., Medicinalrath, Kiel.
8. t. Bü low- Kogel, Joli., Dermin bei Ralzoburg.
9. v. Buchwald, Gutsbee. auf Rögen bei Eckernfürdo.
10. Höhere Bürgerschule in Marne.
11. Christiani, Dr, med., Brunsbüttel.
12. D&huhardt, C., Dr. med., Kiel.
13. Dose, II., Gerichtsassessor a. D., Kiel.
II. Dittroaun, IL, Sondorbyhof bei Eckernförde.
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43
15. Detlefsen, D., I>r., Prof. a. Gymn. in Glürkstadt.
16. D i t h in a r s i s c h es Museum, Moldorf Vorsitzender
Lore iik, I)r„ Gymnasialdirector.
17. Kdlefseu, l)r. med., Professor. Kiel.
18. Forclieu, Director der Blindenanstalt, Kiol.
19. Flemming, I>r. med., Professor, Kiel.
20. Friedrichs, Buchhändler, Jviol.
21. Fricke, Dr. med., Zahnarzt, Kiel.
22. Fr icke, Dr., Gymnasiallehrer, Rendsburg.
98. Finke, Frau, Eleonore, geh. llartmanu, Marne.
24. Goedurs, J. 11., Privatmann, Kiel.
25. Ürossheiui, Dr. med., Oberstabsarzt, Flensburg.
26. Hartman n, E. H. Rud., Dr. med., Marne.
27. Hesel er, Dr. med., Lütjcuburg.
28. Hansen, Dr. med., Arzt an der Pro*. -Irren-
anstalt in Schleswig.
29. Holstein, Graf, auf Walemeverstorff bei Lütjen-
burg.
30. Henaen, Dr. med., Professor, Kiel.
31. Heinrich, C., Hauptlehrer, Kiel.
32. II an de) mann, H,, Dr. phü., Professor, Kiel.
33. Hasse, P., Dr. phil., Privatdoceut, Kiel.
34. v. Hoi ntze, Baron, Landrath, Bordesholm.
35. Hansen, C. P., emeritirter Organist und Lehrer,
Keitum auf Sylt.
36. Hedde, Heinr., Rechtsanwalt und Notar, Marne.
37. Hartman n, Fritz. Apotlieker, Tellingstadt.
38. Hausen, Th. H. F., Probst der Probstei Stadt
Kiel. Kiel.
89. Holst, Ed., Müller, Sonderburg.
40. Holm, Joh. Christ., Lehrer in Diekhuseu bei Marne.
41. Hege wisch, Fräulein L., Kiel.
42. Joe ns, Dr. med., Kreisphysicus, Kiol.
43. Jossen, Clir., Dr. phil, Professor, Kiel.
44. Jessen, P. W., Dr. med., Medicinalrath, Horn-
heim bei Kiel.
45. Je usen, Georg, Goldarbeiter, Sonderburg.
46. J oha usen, H. C, Hotelbesitzer, Sonderburg.
47. Krügor, II., Apotheker, Schleswig.
48. Köster, J. II. Carl, Lehrer an der höheren
Bürgerschule iu Marne.
49. L i t z m a n n , Dr. mOd., Professor, Kiel.
50. Laders, Dr. jtir.. Rechtsanwalt, Kiel.
51. Lehmann, J. , Medicinalassessor und Senator,
Rendsburg.
52. Laden bürg, Dr. phil., Professor, Kiel.
53. Lauge, Joh., Neiimühleu bei Kiel.
54. Mestorf, Frl. J,, Centos am Museum vater-
ländischer Alterthümer in Kiel.
55. Meisner, Dr. med., Stabsarzt, Sonderburg.
56. Mold enschardt, H., Architekt, Kiel.
57. Müller, H., Referendar a. D., Kiel.
58. Meyn, L., Dr. phil., Uetersen.
5®. v. Munck, E., Buchhändler, Kiel.
60. Mayntzhuseu, H. A., Kaufmann, Hamburg,
Ober-Burgfelde 18 d.
61. Möbius, L., Dr. phil., Professor, Kiel.
62. Marxsen, Dr. med., Heiligenhafen.
63. Möller, Rud., Amtsrichter, Marne.
♦54. Müller, Rud., Lehrer an der höheren Bürger-
schule in Marne.
65. Müllonhoff, Georg, Kaufmann, Marne.
66. la Motte. Buchhändler. Sonderburg.
67. Mätzner, Dr. med., Marine-Stabsarzt, Kiel.
68. Mielck, E., Kirchspielvogt, Neumünster.
69. Müller, Amtsrichter, Neustadt.
70. Magdeburg, Landrath, Sonderburg.
71. Niepa, Itedacteur, Kiel.
I 72. v. Ochs, Rittmeister, Schleswig.
| 73. Pansch, Dr. phil., Gymnasialdirector, Eutin.
74. Pa u Isen, Ed., Dr. med., Kiel.
75. Peipers, Dr. med., Marine-Stabsarzt. Kiel.
76. Peter sen, I>r. med., Professor, Kiel.
77. Pralle, Wasserbau- Inspector, Meloorationsbau-
Inspector, Kiel.
78. Pansch, Ad., Dr. med.. Professor, Kiel.
79. Pauls, Rentier, Kiel.
HO. Pansch, Dr. phil., Gymnasiallehrer, Sonderburg.
81. PI am heck, Chr., Kirchspielvogt, Marne.
82. Paus ti an, F., Ilof- und MühlettbeK., Hratnstedt.
83. Peters, Friedr., Hofbesitzer in Westorf bei Marne.
84. Peters, C. A„ Prof., Director der Sternwarte, Kiel.
85. Rheder, Chr., Dr, Klostersyndicus, Preetz.
»6. Rüdel, Hofapotheker, Kiol.
87. Reventlow, Graf, K lost erprobst, Preetz.
88. Sartori, Consul, Kaufmann, Kiel.
89. ▼ Scbeel-Plcssen, C., Baron, Kxcell., Ober-
präsident und U niversitätscurator, Kiel.
90. S che i bei, C., Italien. Consul. Kiel.
91. Schmidekam, Dr. med., Blankenese.
92. Schweffel, H., Kaufmann, Kiel.
93. Steffen hagen, Dr.jur., Fnivers.-Biblioth., Kiel.
94. Scheppig, Kid., Dr. phil., Realschulleh rer, Kiel.
95. Schmidt, Buchdruckereibesitzer. Kiel.
96. Seelig, Dr. phil., Professor, Kiel.
97. Stofen. Nicol., Hofbesitzer. Marne.
98. Sach. Dr. phil, Gymnasiallehrer, Schleswig.
99. Tlianlow, G., Dr. phil« Professor, Kiel.
100. Th oasen. Gottl, Dr. med., Eddelack.
101. Völker», C., Dr. mod., Professor, Kiel.
102. Voll bohr, F., I>r. phil. Kiel.
103. Volquardsen. Dr. phil., Professor, Kiel.
104. Wiese mann, Marinepfarrcr, Kiel.
105. Weste dt, Oberamtsrichter, Albersdorf.
106. v. Willemoos-Suhm, Kammorhcr.-, Landrath.
Segeberg.
107. v. W i 1 1 e moe s-8 u h m, Iran, Segeberg.
108. Altm Aller, Buchdrucker, Marne.
101». Büsch, W, Kattendorf, per Wrist und Kalten-
kirchen.
110. Ah 1 mau u, Dr., Kiel.
111. Stange, Musikdirector, Kiel.
112. Sch euren, Dr. phil., Kiel
113. Strauch, Kapitänlientenant, Kiel.
114. Halling, Dr. med, Glückstadt.
115. II im ly, Dr , Professor, Kiel.
116. Schlichting, Dr., Kiel
117. Matthiesseii, Landrath a. D., Kiel.
118. Schow, Dr. med., Kreisphyrikus, Neustadt.
119. Möller, Frau Anna. Preetz.
120. Heller, Dr. med., Professor, Kiel.
121. Volkers, Dr. med.. Medicinalrath, Eutin.
122. Gerling, Kirchspiel vogt. Wüster.
123. Stickel, Rendant, Kiel.
124. Grüne, Hauptagent und Iiisnector. Kiel.
125. Dülirsen, Oberamtsrichter, Mölln i. L.
126. II un ningsen, Dr. med., Schleswig.
Weissenfelser Verein ftir Natur- und
Alterthumskunde.
Vorstand.
v. Bor ries. Oberst a. D.
Stahmann, D., Oberstabsarzt a. D.
Grotowky, Fabrikdirector.
Klose, Gymnasiallehrer.
Starke, Lehrer.
2*
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Khrenmit* Lied.
Rothe, Regie »rung*- Präsident a. I)., Wirklicher
Geheimer Rath, Halle a. 8.
Ordentliche Mitglieder.
1. Reihe, Hcminaidirector, Weiraoufels.
2. Bischof, Bergrath, Weisseufels.
:i. v. Rode n haus o ii , Frlir., Ritterguts!**«., Meineweh.
4. v. Borries. übeist a. 1). und Stadtr,, Weisseufeb
5 Bosse, Fabrikdirector, Weissenfel».
6. Braun, Kaufmann, WeisaenfelB.
7. Brenner, I>r., Professor, Leipzig.
8 Brom me, Grubenbesitzer, Weissenfels.
3. Cu iio, Dr., praktischer Arzt, Weissoufels.
10. K c k a r d, Rittergutsbesitzer, Webau.
11 Kichapfel, Dr., Sanitätsrath, Weisseufels
12. Ki cli u er, l)r., praktischer Arzt, Weisgenfels.
13. Fi nsterwalder, Zirnmermeister, Hohenmölsen.
14 F leis c li rn a n n , Werkführer, Goseck.
15. Götze, Zirnmermeister, Weisseufels.
Iii. Graef, Rentier, Weisseufels.
17. Grotowsky, Fabrikdirector, Fabrik Küpsen.
18. GQ n doll, Oberstlieutonant und Ilezirks-Cotuinan-
tleur, Weisseufels.
13. Gürth, Rrauereibesitzer. Weisseufels.
20. II acht man n, Dr., prakt. Arzt, Weisseufels.
21. Hagen bruch, Kaufmann, Weissenfels.
22. Hecht. Ruchhalter, Fabrik Teuchem.
23. Heidelberg, Kreisbau-Iuspector, Weisseufels.
24. Hey er, Pastor, Gurstewitz.
25. Ilötzel, Rittergutsbesitzer, Rössuln.
2t». Jacobi, Chr., Lederfabrikaut. Weisseufels.
27. Jahr, Dr., Superind. u. Oherpfarrer, Weisseufels.
28. Joachim, Oberpoetsccrotär, Weisseufels.
21t I m in i sc h , Siadtii Bester, Weisseufels.
IM). Inner, Maurermeister, Weisseufels.
31. Keil, Huchdruckereibesitxer, Weisseufels.
32. Keller, H., Amtmann, Beutle.
33. Klei n icke, C. G.. Kaufmann, Weisseufels.
3-1. K lose, Gymnasiallehrer, „
35. Kühr ich, Taubstummen* luspector, „
30. Kühler, Amtmann, „
37. Körner, Kaufmann, „
38. Kohlhardt, Dr., piakt. Arzt, „
33. v. Krosigk. Rittmeister, „
40. Kükenthal . Steuer-Inspector, n
41. La u teu Schläger, Pastor, Prittitz.
42. Lehmann, Propst, Schköleu.
43. M ä inpel, Gymnasiallehrer, Weisseufels.
11. Mulertt, kaufmännischer Director „
45. Obst lei der, Seminar* überlebter, „
46. Oettler, Brauereibesitzer, „
47. v. Oh ei mb, Secondelieuteuaut, „
48. Otto, Amtmann. „
43. Prange, Hauquier, ,,
50. v. Prczyieraski, Kaufmann. „
51. v. Kakowski. K reisgerichtsratb, „
52. Rauch, Apotheker. ,,
53. Reissbach. Posldirector, „
54. Richter. Laudrath, „
55. R ü t h e , Maschineiibauaiistalthesilzer, „
56. I )r. R » s a I s k y , Rector, „
57 Ruck, Maler, „
58. Sauer. Grubenbesitzer, „
53. Schäfer, Gymnasiallehrer, „
60. Scheibe, Dr., Assistenzarzt, Schmiedeberg.
61. Schmidt, R , Kaufmann, Weisseufels.
62. Schumann, C. W., Fabrikant, Weisseufels
63. Sch wan ecke, Rittergutsbesitzer, Plot ha.
64. Seehansen, Kreisrichter, Weiasenfel*.
65. Sigleur, Buchhändler, „
66. Singer, Gutsbesitzer, „
67. Souheur, liuuptinann, Weisseufels.
68. Stahmann, Dr., Oberstabsarzt a. D., Kreis-
physicus. Weisseufels.
, 63. Starke, Lehrer. Weissenfels.
70. Strack, Baumeister, „
71. Tellemaun, Rittergutsbesitzer, Schkölen.
72. Thalwitzer. Fabrikdirector, Webau.
73. Thiele, Uilfsrichter, Weisseufels.
74. Wagner, Apotheker, „
75. War in an n, Kaufmann, „
I 76. Wolf, Kreiskassenrendant, „
Westfälische Gruppe in Münster.
Vorstand.
II os i us, Dr.. Professor, Geschäftsführer.
Püning, Dr., Gymn. -Lehrer, Münster, Stellvertreter,
r. d. Mark, Dr.. Hainm.
Schmitz, Apotheker, Letmathe.
Schieren b erg, Meinberg bei Detmold.
Mitglieder.
1. Arons, Dr. med. , Regierungs - Medicinalrath,
Münster.
2. Rauer, Dr. med., I*a< r bei Horstmar.
3. v. d. Recke, A., Sundwig.
4. v. d. Recke. <»., Sundwig.
j 6. Hörender, Apot heker, Ascheberg.
| 6. v, Borg, Apotheker. Hamm.
7. Bet zier. Apotheker, Horn hei Detmold
8. Blankenburg, Gymnasiallehrer. Burgsteinfurt.
3. Bocksfeld, Major z. IV, Dülmen.
10. Borberg. Dr. med., llamin.
i 11. Borberg, Dr. med.. Herdecke.
1 12. Brügge man n, Dr med., Münster.
I 13. Brümmer, Dr. med., Stadtlohn.
; 14. v on dem Bus che-ll addohausen, Frhr , Münster.
! 15. Busch. Gymnasiallehrer, Münster.
16. Diester weg, Kreisgerichtsrath, Siegen.
17. I) realer, IL, Creuzthal bei Siegen.
18. Kn dort, Gymnasiallehrer, Detmold.
13. Fee h n er. Justizrath. Hamm.
20. Feld ha us, Apotheker, Altena.
21. Funcke, Apotheker. Witten.
22. Gereon. Hauquier. Hamm.
23. Göbel, Fr.. Meinhardt b. Haardt a d. Sieg.
21. Grevel, Apotheker. Steele.
25. Gr oos, Dr. med., Letmathe.
26. Grossfeld, Dr., Gymnasialdircclor, Rheine.
27. Grosse, Appellationsgerichtsrath, Hamm.
28. 11 a c k e b ra m , Apotheker, Dülmen.
23. 11 am elbeck, Dr. med., Wadersloh.
30. Le Hanne. Bergmeister, Olsberg.
31. Hiltrop. Oberbergamts- Assessor, Dortmund.
32. llobrecker, IL, llainiu.
33. llobrecker. St., Hauim.
34 . Hölting, Gymnasiallehrer, Wareudorf.
36. Höl k er, Dr. med.. Kreisphysikus, Sanitätern th,
Münster.
1 216. II on th ii ui b, Bauiuspector. Münster.
217. 11 os ins, Appellationsgerichtsrath, Hamm.
218. 11 os in », Dr., Professor, Münster.
213. H ii ii d t , Bergrath, Siegen.
40. Josten, Dr. med, Sanitätsrath, Münster.
41. Karsch, Dr., Med.-Rath und Professor, Munster.
42. Kemper, Dr. med., Billerbeck.
1 43. Klare, Bauführer, Bielefeld.
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45
44. König, Dr., Director der Luudw. V ersuch stat:on
Münster.
45. Krauthauser, f)r. med., Burgsteiufurt.
46. v. d. Kuhlen, Pfarrer. Letmathe.
47. Laudois, Dr., Professor, Münster.
46. Lu du ich, Rechtsanwalt, Hamm.
19. Lieb ig, Chemiker, Oestrich.
50. Lob, Gutsbesitzer, Caldenhof bei Hamm.
61. v. d. Marek, I)r., Hamm.
52. Mayer, Rector, Lüdenscheid.
63. Menge, S Unterrath, Lemgo.
64. Nord hoff, Dr., Professor, Münster.
66. Ohm, I>r. med., Münster.
56. Orth, Oberlehrer, Burgsteinfurt.
67. Over weg, Landrath a. D., Letmathe.
56. Pauls, Dr., Apotheker, Bocholt.
59. Pauly, I)r., Dsrector, Letmathe.
60. Petri, Dr. med., Detmold.
61. Prch ii, Director, Dülmen.
62. Pr 088, Amtmann, Ascheberg.
63. Püning, Dr., Gymnasiallehrer, Münster.
64. Quants, Bauinspector, Hamm.
66. v. Raesfeld, Dr. med., Dorsten.
♦56. Hampel in au n , Chemiker, Lotmathe.
67. Rauschen busc h, Justizrath, Hamm.
66. Rive. Guneraldirector, Mülheim a. d. Ruhr.
69. Sarrazin, Baumeister, Münster.
70. Schier euberg, 0. A., Meinberg b. Detmold.
71. S c h 1 e u t k e r , Wegubau-lnspector, Paderborn.
72. Schmidt, Bergruth, Hamm.
73. Schmitz, Apotheker. Letmathe.
74. Schräder, Regierungsrath, Münster.
76. Schütte, Pfarrer, Oestrich.
76. Sch unk, Krcisschuliuspector, Warendorf.
77. Staude, Bürgermeister. Ilanim.
76. Staude, Rentner, Hamm.
79. Steinbrink, Dr., Gymnasiallehrer, Hamm.
60. Storp, Rechtsanwalt. Hagen.
61. Ten holte, l>r. med., Kreisphysicus, Bocholt.
62. Turk, Commurzieuraili, Lüdenscheid.
83, Yusuiur, Dülmen.
6-1. v. Velten, Bergrath, Dortmund.
65. Wagner, Oberförster, Langenholzhausen bei
Detmold.
66. W edd i ge , Rechtsauwult, Rheine.
67. Wecrth, Dr., Gymnasiallehrer, Detmold,
66. Weiter, Apotheker, Lünen.
89. Westhoff, Dr. med.. Letmathe.
90. Wies in a n n , Dr. med., Geh. Medic.*Rath, Duhnen.
91. Wies mann, Dr. med., Dülmen.
92. Wilma, Dr., Med. -Assessor, Münster.
93. Wynen, Dr. med., Ascheberg.
94. Ziemer, Gymnasiallehrer, Hamm.
96. v. d. Becke, Herrn., Heiner bei Iserlohn.
90. Reu sc her, Oscar, daselbst.
97. Lübbecke, Ad., daselbst
96. Lübbecke, Max, daselbst
1*9. Albers, Apotheker, Lengerich.
100. Rieke, Wegebau- Inspector, Münster.
101. Greve, Justizrath, Münster.
102. L i e s e n h o f , Bauunternehm., Oestrich b.Lctmatbe.
103. Wilkc, 11., Letmathe.
Wien.
Much, M.. Dr., Geschäftsführer.
Mitglieder (in Wien wohnhaft.)
1. v. Arneth, Franz, Dr., Ritter.
2. Fl ei sch 1, Frust, Dr., Professor.
3. v, Hauer, Franz, Dr., Ritter, k. k. Hofrath,
Director der geologischen Reichsanstalt.
4. Leidesdorf, Dr., k. k. Prof., Döbling bei Wien.
5. Liehen, Leopold, Grosshändler. \
6. v. Lu sc ha n, Felix.
7. Meyuert, Th., I)r„ k. k. Prof., Regierungsrath.
8. Much, M., Dr., Mitglied der k. k. Centralcom-
misHion für Erforschung und Erhaltung der Kunst
und histor. Denkmale. Conservator, Sccrctär der
Wiener anthropologischen Gesellschaft.
9. Obersteiner, Heinrich, Dr., l'rivatdocent au der
k. k. Universität in Wien.
10. Sei i gm au n, Franz Romeo, Dr., k. k. Professor.
11. Stör n, Leopold, Consul.
12. Unger, Jus., Dr., k. k. wirklicher geheimer Rath,
Minister etc.
13. Wah r m a n u , Sigmund, Dr., 2. Secretir der 'Wiener
aiithropol. Gesellschaft.
14. Wold rieh, Joh., Dr., k. k. Professor.
Anthropologische (Sruppe zu Wttrzburg.
St über, Buchhändler, Geschäftsführer.
Mitnrlladar.
1 . A d e 1 m a ii n , I)r., Fabrikbesitzer.
2. Dietz, J. B., Fabrikant.
3. Esche rieh, Dr., Medicinalrath.
4. Fick, Dr.. Professor.
6 v. Held, Dr., Hofrath, Professor.
6. v. Hirsch, Jos., Rentier.
7. v. Kolli kur, Dr., Gcheimrath, Professor.
8. Mais, Dr., praktischer Arzt.
9. Morel li, Kaufmann.
10. Mcdicus, Rechtsanwalt.
11. v. Rinecker, Dr., Hofrath, Professor.
12. v. Sachs, Dr., llofrath, Professor.
13. Sand bergt! r, Dr , Professor.
14. Schiller, Dr., Olierstabsarzt.
15. Semper, Dr., Professor.
16. Stüber, Buchhändler.
17. Textor, Dr., Professor.
18. v. Tröltsch, Frhr.. Dr., Hofrath, Professor.
19. Vogt, Dr.. Medicinalrath.
20. v. Metz, Dr., Professor.
21. Zeiger, Brandversicherungs-Inspector.
22. Zürn, Kaufmann.
Würtemberg’sche anthropologische
Gesellschaft.
Ausschuss.
Fr aas, Oscar, Dr.. Professor, Vorsitzender
v. 11 Older, Dr., Obermcdicinalrath , Stellvertreter.
Schober, G., Fabrikant, Kassier.
Mit«Uodor.
2. Ahlers, Dr., Professor, Stuttgart.
8. Ammermüller, Dr., Professor, Stuttgart.
5. Bauer, Carl, Dr., Stuttgart,
6. v. Beckh, A., Baurath a. D., Stuttgart.
9. Blezinger, Dr., Blaulieuren.
11. Brock mann, Obermaschinenmeister, Stuttgart.
12. Burk. l)r., Oberamtaarzt, Ehingen.
i 15. v. Dogen feld-8ch omb ti rg, Kurt, Graf, Eybach.
16. Drück, Pfarrer, Waldbach bei Weinsberg.
17. v. Egele, Oberbaurath. Stuttgart.
, 18. Eifert. M., Pfarrer, Euingen.
| 20. Engel, Dr., Pfarrer, Ettlenschiess, Post Lonsee.
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21. Fraas, Dr., Professor, Stuttgart.
22. Fr icke r, W.. Professor, Stuttgart.
23. v. Frisch OberstudieuraÜl , Beichltagaabgeord-
neter, Stuttgart.
24. v. Gaisbe rg - Schöckingen, Max , Freiherr,
Stuttgart.
26. Gantz, Forstmeister, Gekringen.
27. Ganzhorn, Oberamtsrichter, Neckarsulm.
28. H&akh, I>r., Professor, Stuttgart.
29. Haas, Professor, Stuttgart
31. v. Hall berge r, E„ Commerzienrath. Stuttgart.
32. Hart manu, Pfarrer, Frommem, OA. Halingen.
33. Hartmanu, Carl, Kunsthändler, Stuttgart
85. v. llayn, Frhr., Kammerherr, Stuttgart.
36. t. Heine, Dr., Geheimer Holrath, Cannstatt.
37. Hermann. Dr., Hector, Esslingen.
38. v. Hoff, (PoiUsaistent) Pottiuewor, Stuttgart.
39. v. 11 öl der, Dr., Obennedicinalrath, Stuttgart.
40. Ilopf, Dr., Plochingen.
41. lvapff, Dr., Oberkriegsrath, Stuttgart
42. v. Keller, A., Dr., Profesaor, Tübingen.
43. Kiesor, Kcgierungsrath, Stuttgart.
44. Klüpfel, Dr., Uaiversitätabibliolhekar, Tübingen.
45. K ö 8 1 1 i u , 0., Dr., Professor, Stuttgart.
46. v. Kr au ss, l)r., Oberstudienrath, Stuttgart.
47. Krauss, J„ Dr., prakt. Arzt, Kirchheim u. Neck.
48. Kubier, Oberpostmeistcr, Ulm.
49. Lerch, Hüttenamts-Assistent, Königsbronn.
50. Lee bl er, Dr., Oberamtsarzt, Böblingen.
52. Lieber m ei ster, Dr.. Professor, Tübingen.
54. Luubc, G. jutL, Dr., Ulin.
55. Loben hofer, Professor, Stuttgart.
56. Löffler, Helfer, Kirchheim u. Teck.
57. v. Lübke, Dr., Professor. Stuttgart,
59. Mugrnau, Rerierförster, Sch wann, OA. Neuenburg.
61 . M a u c h , Apotheker, Göppingen.
62. Muuch, Dr., Göppingen.
63. Mayer, Carl, Rodauteur, Stuttgart.
<14. Merkel, R., Fabrikant, Ksslingen.
65. Merkel, Oscar, Fabrikant, Kssliugeu.
66. Miller. C., Dr., Caplan, Essendorf.
67. Moll, Dr.. Oberamtsarzt, Tettnang.
71. Pflaum. Moritz. Banquicr, Stuttgart.
72. Probst. Pfarrer, Essendorf.
73. Rens, Dr., Geh. imer Hofrath, Wildbad.
74. R ö h r i c h , I firector, Stuttgart.
75. Rommel, O., Dr., Redacteur, Stuttgart.
77. Rothschild, Hermann, Com m- Rath, Stuttgart.
78. Rüdiger, Pfarrer, Henuaringeu.
81. 8 alz mann, I>r., Esslingen.
82. Sauer, Stadfdirections-Thierarxt, Stuttgart.
83. Schock, Prolessor, Stuttgart.
86. Schiedmayer, Julius, Fabrikant, Stuttgart.
86. Schm oller, Decan, Weinsberg.
87. Schmied, Stadtplai rer, Friedrichshafeu.
89. Schnitzer, Guido, Hai).
90. Schober, G., Fabrikant, Stuttgart.
92. Sigwart, C., Dr., Professor, Tübingen.
93. v. Soden, Theodor, Professor, Esslingen.
94. Stolz, A., Fabrikant, Stuttgart.
96. Valet, Apotheker. Schussenried.
99. Wepfer, G„ HOttenaasistent, Wasseralfingen.
100. Wieden mann, Heinrich, Stuttgart.
101. Zech, Dr., Professor, Stuttgart,
102. Zink, L., Oberreallehrer, Stuttgart.
103. Kombeck. Dr., Obennedicinalrath, Stuttgart.
104. Koch, K., Vf-rlitgshuchhäudler, Stuttgart.
105. Weiss, Aug., Fabrikant, Esslingen.
106. Deffuur, Wilhelm, Fabrikant, Esslingen.
107. Deffner, Hermann, Maler, Esslingen.
110. v. Rauch, Friedrich, Fabrikant, Heilbronn.
111. v. Rauch, Moritz, Fabrikant, Heilbronn.
112. v. Hufnagel, Gerichtshofsdirector, Rottweil.
113. v. Gern mm gen , M., Frhr., Obertrib.-Rath, Heilbr.
114. Betz, Dr., Heilbronn.
115. v. Bautz, Heinrich, Frhr., Kochendorf.
116. v. Holtz, Max, Frhr.. Alfdorf.
118. Schöttle. Georg. Architekt. Stuttgart.
119. Fa her, Hofrath, Friedrichshafen.
120. Mayer, G, G., Helfer, Langenau, OA. Ulm.
121. Maier, Köstlin, Kaufmann, Stuttgart.
122. Zech, Director, Heilbronn.
127. Ellinger, Dr., prakt. Arzt, Stuttgart.
128. Ne eff, Adolph. Kaufmann. Stuttgart.
129. Siegel, Dr.. prakt. Arzt, Stuttgart.
130. Berlin, Dr., prakt Arzt, Stuttgart.
181. Eberhardt, Thierarzt, Stuttgart.
134. Bührer, Decan, Waiblingen.
136. Heimsch, C., Werkmeister, Stuttgart
137. Frtsoni, Dr., Hofzahuarzt a. D.. Stuttgart.
138. Levy, Kirchen Vorstand, Stuttgart.
139. Siegele, G„ Fabrikant, Stuttgart.
140. Klotz, C.. Kaufmaim. Stuttgart.
143. Rommel, Carl, Kaufmann. Stuttgart.
144. v. Alt, Major a. I).. Stuttgart.
145. Schftle juu.. R. F., Fabrikant, Kirchheim u. Teck.
146. Blessing, Forstassistent. Kirrheim n. Teck.
147. Liiideumav er, Apotheker. Kirchheim u. Teck.
149. v. Ko n ig - Carthausen, Richard, Frhr., Wart-
hause u.
151. Müller, Professor, Cannstatt.
152. Länderer, Gustav, Dr., Göppingen.
153. Munk, Dr., Göppingen.
155. Christ mann, Dr., Oberamtsarzt, Ludwigsburg.
157. H&berlin, Professor, Stuttgart.
158. Kapff, Dr., Oberamtsarzt, Esslingen.
159. v. Reuss, Dr., Obermedicinalrath, Stuttgart.
160. Arnold. B., I)r., prakt. Arzt. Stuttgart.
162. Stendel, Dr., Stad tdirvetions- Wundarzt, Stuttgart.
166. Bock, Apotheker. Neckarsulm.
168. Lautenschlager, Carl, Rechtsanwalt, Stuttgart.
169. Wind mit Iler, Conrad, Fabrikant, Stuttgart.
170. Müller, Dr., Stabsarzt, Weingarten
174. Fricker. Dr., Oberamts-Wundarzl, Heilbronn.
175. Schaufelen, Richard, Fabrikant, Heilbronn
177. Senf ft, Carl, Kaufmann, Stuttgart.
179. Peters, P. F., Maler, Stuttgart.
180. Yöttiner, Dr., prakt. Arzt, Untertürkheim.
182. Hahn, Dr.. Rechtsanwalt, Reutlingen.
184. Bose her, I)r.. Oberamtsarzt, Saulgau.
187. Paulus, J., Dr., Salon b. Ludwigsburg.
189. Jose uh ans, Dr., Merklingen b. Leon borg.
190. Mayer, Fritz, Gutsbesitzer, Steinbeim a. Aalbuch
192. Klciuertz. H., Dr. Herrenalb.
193. Klaiber, Dr.. Professor, Stuttgart.
194. v. Sick, Exccllenz, Minister, Stuttgart.
196. Seeger, Dr., k, Medicinalratb, Ludwigsburg.
199. Werner, Gotthilf, Dr., Stuttgart.
2UÜ. Haidien, Julius, Dr., Medicinalrath. Stuttgart.
201. v. Morlork. Oherbaurath, Stuttgart.
202. Wieland, l)r., Professor, Redacteur, Stuttgart.
206. v. Tröltzsch, Eugen, Frhr., Haiiptmann a- L).,
Krvutlingen (Schweix).
208. Veil jun., Dr., Cannstatt.
209. Seeger, Professor, Stuttgart.
211. Steiner, Dr., prakt. Arzt, Stuttgart.
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47
212. Hat e d.k tein, Aug.. Kaufmann, Stuttgart.
213. Stahl, Professor, Baurath, Stuttgart.
214. Wale her, Dr., Rechtsauwalt, Stuttgart.
215. v. Laug, Gustav, Kaufmann, Stuttgart.
217. Walther, Professor, Stuttgart.
218. v. Seeger, E., Fabrikant, Stuttgart.
220. Tritschler, Professor, Baurath, Stuttgart.
221. Klemm, E., Eisen bahn inspector, Gaislingcn.
222. Stendel, Hellmuth, I)r., Esslingen.
223. v. Heller, Oberbergrath, Stuttgart.
224. Jäger, Gustav, Dr., Professor, Stuttgart.
225. Stendel, A., Diaconus, Ravensburg.
220. Schreyvogel, Apotheker, Göppingen.
227. v. Kau 11a, Frhr., Gutsbesitzer, Oberdisebingen.
229. Mangold, Robert, Kisenbaliubeamter, Plochingen.
230. Rascher, Alex., Dr., Stuttgart.
231. Steiner, Dr., Stuttgart.
232. F r o r i e p , A., Weimar.
233. Kaulla, M , Rechtsauwalt, Stuttgart.
238. Pfann, Hnfphotngraph, Stuttgart.
239. v. Peyer, Major, Stuttgart.
241. v. Alberti, O., Rechteanwalt, Cannstatt.
244. Schöne, K., Cannstatt.
245. Elsenloh r, Bergrath, Friedrichshall.
248. Minet, I>r., prakt. Arzt, Stuttgart.
250. Roth, Wilh*, Fabrikant, Stuttgart.
252. Schl 0 88 berger, Ed nmnd , Particulier, Stuttgart
958. Zeller, M., Dr., Obermedicinalrath, Stuttgart.
254. Wüst, Moritz, Ilofrath, jetzt in Hannover.
250. Staub, Arnold, Fabrikaut, Kuchen.
257. Knrtz, Carl, Professor, Stuttgart
259. v. Scholl, Director, Stuttgart.
260. Rettig, Real lehr er, Stuttgart
261. Stumpf, Franz, Finauzrath, Stuttgart.
263. Reih len, Moritz. Apotheker, Stuttgart.
264. Schmidt, Ottmar, Dr., Stuttgart.
265. Kapff, H., Dr., Stuttgart.
267. Kosenfeld, Gustav, Dr., Stuttgart.
268. Knüttel, 8., Particulier, Stuttgart.
269. Ilofmann, I>r., Stuttgart.
270. Veil jnn., Theodor, Dr., Cannstatt.
275. Aich, Max, Kaufmann, Stuttgart.
276. v. Fichte, H. E., Dr., Professor, Stuttgart.
277. Schott, Th.t Dr., Prof. a. d. Bibliothek, Stuttgart.
278. Nachtigall, Richard, Dr., Weingarten.
279. Flamm, Dr., Pfullingen.
281. v. Zeppelin, Eberhard, Graf, k. würt. Kammer-
herr, Schloss Ebersberg bei Emishofeu (Turgau).
282. Kn aus 8, Dr., prakt. Arzt, Geislingen,
283. Ca me rer, Dr., prakt. Arzt, Langenau.
284. Hell, Dr., Oberamtsarzt, Ulm.
285. Palm, Carl, Dr., prakt. Arzt, Ulm.
286. Palm, Wilh., Dr., prakt. Arzt, Ulm.
287. Camorer, Dr, Stabsarzt, Ulm.
288. Katz, Dr., Stabsarzt, Ulm.
289. Heller, Dr., Oberstabsarzt, Ulm.
299. Mayer, Emil, J)r., Arzt, Ulm.
293. v. Sonntag, Conradin, Oberst a. D., Stuttgart.
294. Notier, Fr., Dr., Schriftsteller, Stuttgart,
295. Vollmer, Wilh., Dr. phil., Redacteur, Stuttgart.
296. Yögelen, C., Apotheker, Stuttgart.
297. Hauff, Albert, Apotheker, Stuttgart.
300. K rafft, Dr., Ludwigsburg.
301. Topographisches Bureau, Stuttgart.
302. Schmidt, Carl, Uhr., Professor, Stuttgart.
303. Stoll, I>r., Stuttgart.
804. II a r t m a n n , Prof a. topograph. Bureau, Stuttgart.
305. Rapp, Professor, Realgymnasium, Stuttgart.
306. Berner, Bergwerksinspector, Friedrichshat 1.
307. Duvernoy, Jul., Dr., Fabrikant, Stuttgart.
308. Faller, Felix, Maler, Stuttgart.
309. Schmidt, Herrn., Stuttgart.
310. Eis ne r, Eugen, Stuttgart.
311. v. Tscherniug, Forstrath, Bebenhausen.
312. Knapp, Otto, Überfinanzrath, Stuttgart
313. v. Stein bei s, Dr., Präsident, Stuttgart.
814. Fehling, Dr., Stuttgart
315. Elsässer, Assessor, Stuttgart.
316. Goss ler, Assessor, Stuttgart.
317. v. Eh mann, Dr., Oberbaurath, Stuttgart.
318. Gastpar, Carl, Gemeinderath, Stuttgart.
319. Heller, C., Prof. a. d. Ob. Realschule, Cannstatt.
320. Schlosser, G., Dr., Stuttgart.
321. Schuster, Rudolph, Stuttgart.
322. v. Alberti, Ed., Ingenieur, Cannstatt.
323. Kahl bau, K., Privatier, Stuttgart
324. Ilärlin, Dr., Oberamtsarzt, Stuttgart.
325. Wetze I, Repetent, Urach.
326. Frauk, Ke vierförster, Schüssen ried.
327. Obermann, C. F., Xylograph, Stuttgart.
Isolirte Mitglieder der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft.
1. Ackermann, H., Rentier, Dresden.
2. Aoby, Professor, Bern.
3. Ar lut, Dr. med., Dresden.
4. Arndt, Professor, Greifswald.
6. Asch, Dr. med., Breslau.
6. And ree, R., Dr., Leipzig.
7. Ahrundts, Fr., Dr. und Arzt, Arnstadt i. Th.
8. v. Alvens leben, Schollene bei Rathenow.
9. Baumeister, Pharmazeut, Inden.
10. v. d. Becke, Diecken bei Iserlohn.
11. Becker, Hüttendirector, Grevenbrück i. Westf.
12. v. Beck erat h, H. L., Crefeld.
13. Bernstein, Professor, Halle.
14. Beyer, Dr., Archivrath, Schwerin.
15. Blasius, R, Dr., Stabsarzt, Braunschweig.
16. Blasius, Dr., Professor, Braunschweig.
17. Bley, Carl, Apotheker, Dresden.
18. Boltz, Aug., l)r., Professor, Homburg v. d. H.
19. de Boxberg, Mdo. J.f Chateau de Thevalles
Dept. de la Mayen ne.
20. Brauns, Dr , Halle a. S.
21. v. Bruck, E., Crefeld.
22. v. Bruck, M., Crefeld.
23. Büchner, 0., Dr.t Giessen.
24. Büchuer, L., Dr., Darmstadt.
25. Burchard, Ministerialrath, Schwerin.
26. Böddiker, I>r., Iserlohn.
27. Bisping, I>r. med., Mühlheim a. d, K.
28. Büuz, Carl. Bürgermeister, Glückstadt.
29. v. Bülow- Kogel, J. G., Dermin-Ratzeburg.
30. Böcken dah 1, stud. med., Kiel.
31. v. Boi neburg-Lengsfel d, Sig., Graf, Gehaus.
32. v. d. Borue, M., Berneuchen, Mark Brandenburg.
33. Canaris, Hüttendirector, Finnentrop, Westfalen.
34. v. Co hausen, Oberst. Wiesbaden.
35. Crous, C. W., Crefeld.
36. Caro, F. L, I)r., Hofapotheker, Dresden.
37. Demmler, Hofbaurath, Schwerin.
38. Drechsler, Kaniuierralh, Schwerin.
39. Drofte, Dr., Letmathe.
40. De sc hin au n, Dr., Quito«, Iaübneh.
41. D e i c h in a u n , Th., Bauquicr, Cölu.
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48
42. D e i c h m a n n , Geheime Riithin, Metlem bei Bonn
43. Diefenbach, L.. Dr., Darmstadt.
44. Di tt mann, auf Sonderbye-Hof, Kckernförde.
45. Dohrn, A., I)r., Neapel.
40. Dämmert, Professor, Aachen.
47. Eisei, R., Gera.
48. Engel, Fr., Pr., Röbel, Mekl. -Schwerin.
43. Es seien, l>r., Hofrath, Hamm.
50. Esseion, Rechtsanwalt, Dortmund.
51. Flemming, Geheimer Medicinalrath, Schwerin-
52. v. Frantzius, A., Gutsbesitzer in Zawda bei
Graudenz.
53. Kränket, M., Dr., Director, Hornburg.
54. v. Frei b erg, Kreisdirector, Saarbarg, Lothringen.
55. Forel, Dr, Professor, Morges bei Lausanne.
5t». Gar eis, Professor, Giessen.
57. Geinitz, Hofrath, I>r., Dresden.
58. (« er lach, Professor, Erlangen.
53. Gerl an dt, Professor Dr., Stra&shurg.
tkt. Gysi, Dr., Privatdocant, Bern.
61. G Abel, Apothek., Altenhuudeu, Reg.- Bz. Arnsberg.
6‘2. Götz, Medicinalrath, Dr., Neustrelitz.
63. Grau d hemme, Dr., Ilufheim, Taunus.
64. Grenadier, Professor, Rostock.
65. Guns, Heran, Kudelsee bei Matnbernlieim.
66. Gildeweister. Dr., Bremen.
67. Genthe, H., Director, Corhach.
68. Gross, V., Dr. med., Nenveville.
63. Ilammacher, F., Dr., Berlin.
70. Ilärche, Bergwerkwlirector, Oberwesel.
71. Hartlaub, G., Dr., Bremen.
72. Hasscarl, Dr., Cleve.
73. Ileimendahl, Gebuiuiratli, C re leid.
74. v. Hell wa Id, Cannstatt.
75. Ilern pol, H.. Dr., Giessen.
76. lleusel, l)r„ Professor, Proskau, Oberschlesien.
77. Hermes, Pastor, Lüssow bei Gitstrow.
78. II oe ring, Oberamtsarzt. Heilbronn.
73. Holländer, I)r., Privatdocont, Halb*.
80. Huttenheim, W., Grevenbrück, Westfalen.
81. Hattenheim, Dr„ Hilchenbach bei Siegen.
82. v. d. Hey de, Braunschweig.
83. His, Professor, Leipzig.
84. v. Hof mann, C., Leipzig.
85. Hey, k. Hofbaumeistir, Chemnitz.
86. Ilildebrand, Dr. phil.. Gymnasiallehrer, Cleve.
87. Henke, Professor, Tübingen.
88. Jahr, Archiv regist rator, Schwerin.
83. J e n tj e s , W., Crefeld.
30. Jeitteles, Professor, Wien.
31. Kahlhaum, Dr. der Heilanstalt, Görlitz
32. Herling, Dr. med, Asseln bei Dortmund.
33. v. Kiese wetter, Geh. Kegieruugsratli , Dresden.
34. Kreidel, Buchhändler, Wiesbaden.
35. Krieger, Geheimer Finanzrath, Stettin.
36. Kühne, Dr., Oberlehrer, Stettin.
37. Kuh nt, Ministerialsecretär, Schwerin.
38. Köpern ick i, Dr., Professor, Krakau.
3*3. K 1 a r m a n u , Arzt. Scliievelbein.
BW. Kleb», Dr., Professor, Prag.
101. La h man n, C'ousul, Costa Rica.
102. Lange, Lehrer in Oderberg.
103 Laten dorf. Dr.. Oberlehrer, Schwerin.
104. I. i 1 i e ti d a h I , Neudietendorf, Thüringen.
105. Limpes, Dr. med., Altenhuudeu, Rt-gierunpsbez.
Arnsberg.
106. Lisch, Geheimer Archivrath, Schwerin.
107. Loreut, K., Dr., Bremen,
108. Luckow, Baumeister, Rostock.
103. Leimbach, G.. Dr. , Wattenscheid bei Crefeld.
110. Lent, Dr.. prakt Arzt, Cöln.
111. Le ugf eld'sche Buchhandlung, Cöln.
112. Masch, Dr., Archivrath, Demmeru bei Rehua.
113. May et. Berlin.
114. Menwald, I>r., Dresden.
116. v. Mengershausen, Dr. med., Celle.
116. Menke. Geheimer Jostizrath, Schwerin.
117. Merkel, Professor, Rostock.
118. v. Möller, Oberpräsident, Strasshiirg.
113. M ü h 1 h ä ii s e r , I >r. med.. Spei Sr.
120. Müller, G„ Dr , Bremen.
121. Müller, Dr., Stabsarzt, Schwerin.
122. Müller, R., Dr.. Dresden.
123. Maller, N., Professor, Mauden.
124. Müller, C., Amtsrichter, Neustadt, Holstein.
125. Nippold, Professor, Bern.
1 26. N e i n h a u s , Oberlehrer, ( olmar.
127. Nacken, Dr., Justizrath, Cöln.
1 28. N eh ri n g , A., Dr., Wolffenbüttel.
123. Noack, Th., Dr. phil.. Brannscbweig.
130. Nasse. Dr., Geheimer Rath, Andernach a. Rh.
131. Ott mer, Professor, Braunschweig.
132. Otto, Gymnasial-Oberlebrer, Wiesbaden.
133. Obst, Dr. med.. Leipzig.
134. de la PoSze, Comtesse, Paris.
136. de la Poeze, Comtess«, dotiere, Paris.
1:16. Poppe, 8. A., Bremen.
137. v. Potenz, k. Regierungsassessor, Dresden.
138. Router, Obermedicinairath, Wiesbaden.
133. Reunion t, Geheimer Sanitätsiuib, Aachen.
140. Richter, Revd., Principal Goot, Mercaca (Coorg)
East Indien.
141. Ri ecke, Dr med.. Weimar.
142. Röder, W., Dr., Slrassburg.
143. Rot her, H., Gent.
144. Rudolph i, Medicinalrath, Neustrelitz.
145. Rau, Carl, Washington.
146. Sarg, J. A„ Darmstadt.
147. Schauenburg, Dr., Director, Crefeld.
148. Sc ha Ick, Dr. juris, Wiesbaden.
143. Sc hl ftn hach, Ohersalinen-liiHpector, Salzgitter.
160. Schlutter. F., Dresden.
151. Scbmid, Gutsbesitzer, Gotha.
152. Schmidt, R„ Dr., Jena.
153. Schmitz, Apotheker. Letmathe.
164. Schneider, Dr., Oberlehrer, Dresden.
155. Schuster, Major, Dresden.
156. Seibert, H., Eberbach am Neckar.
157. Semper, Regierangsasseuor, Hannover.
158. Seiffardt, L. F., Crefeld.
159. Stieda, L., Dr., Professor. Dorpat.
ltM). Btoffert, Friedr., Bergedorf bei Hamburg.
161. v. St rau witz, Frau. Dresden.
162. Sclimiett, C., Eichicht in Thüringen. *
163. Sinradts, Architekt, Columlms, Nordamerika.
164. Struck mann, Amtsrath. Hannover.
166. Schmidt, K., Baumeister. Haspe.
166. Tri mp«, Landwirth in Falge bei Bersenbrück,
Hannover.
167. Töpfer, II., Professor, Somlershansen.
168. C hde, 0. W. F., I)r., Medieinuliath, Brunnschweig.
163. U singer, C.. Dr. med., Wiesbaden.
170. Verein für Geschichte der 1 Knitschen in Böhmen,
Prag.
171. Volkers, Medicinalrath, Eutin, Grossherxngthtim
Oldenburg.
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49
172. Voigt, Postlialter, Schwerin.
173. Wei Ihre u ii er, Kaufmann, Dresden.
174. Weisel, L., Dr., Advokat, Wien.
175. We Icker, I>r.. Professor, Halle.
176. Wernokke, II., I»r.f Doma hei Leipzig.
177. Wiborg, C. F„ Dr., Gelle, Schweden.
1 78. Wjedeumeistur, l>r. med., Osnabrück
179. W'iesner, Dr., Geh. Regiert) ngsrath. Dresden.
I ISO. W i n ter, J. II.. Fabrik«inh.,Altklosterb. Buxtehude
181. v. Witticli. Di.. Professor. Königsberg.
182. W'olff, Comincrzienrath. Wahrode, Hannover,
i 183. Weindt. Professor, Leipzig.
1 184. Weis», 11, Dr., Professor, Graz.
185. v. Werth, E., Rentner, Cöln.
| 186. Wank ul, II. . Dr., Rlansko, Mähren.
| 187. Wesselhoefft, Major a. 1)., Hannover.
Nachtrag.
Gcuppc in Hasud.
Ko II ui an ii, J., Professor, Geschäftsführer
(provisorisch).
Mitglieder.
1. Burckhardt, F., Professor.
2. K o 1 1 m a ii u , J.f Professor.
.‘5. Meriau, P., Rathsherr.
4. Rütimeyer, L., Professor.
5. Socio, A., Professor.
6. Wille, L., Professor.
Gruppe iu Stralsuml.
Bai er, Kud., Dr., Stadtbibliothekar, Geschäftsführer
Mitglieder.
1. Baier. Rud., Dr., Stadtbibliothekar, Stralsund.
2. v. B o h 1 e u auf B o h I e u d o r f , Freiherr, Insel Rügen.
3. Bremer, S., Buchhändler, Stralsund.
4. Francke, Dr., Bürgermeister. Stralsund.
5. liecht, Dr., Sanitätsrath, Stralsund.
6. Reishaus, Dr., Oberlehrer, Stralsund.
Zusammenstellung (1er Zweigvereine und Gruppen.
Nr.
Zwcigvereiuc und Gruppen
Geschäftsführer
Zahl der
Mitglieder
Bezogene
Corresp.-
Blätter
1
Basel
K o 1 1 m a ii ii . Dr., Profi uor
7
8
2
Bonn
v. Sch aaf f hausen, Professor
23
23
3
Berlin ....
Ilartman n, Rob. Dr., Professor . !
350
350
4
Carlsruhe
Brambach, Professor
24
27
5
Coburg
Heyn, Hugo, Journalist . .
11
15
6
Coustauz ......
Leiner, Stadtrath ...
36
3«
7
Danzig
Lissatter, I>r.. Professor
97
110
8
Elberfeld
Elle ii berge r, Kaufmann
•jr.
30
9
Frankfurt a. M.
Lucae, I)r., Professor ....
24
30
10
Freiburg i. B.
Ecker, I)r., Geheimrath
68
70
11
Gotha
v. Schuchardt, Dr., Geheimer Reg. -Rath .
9
10
12
Güttingen .
v. Brunn, Dr., Professor
62
K5
13
Hamburg
VVibcl, Dr. und Krause, R., Dr
88
100
H
Heidelberg
Groos, Karl. Buchhändler
32
42
15
Jena .......
K 1 op f 1 e isch , Dr., Professor
14
4H
Di
Kiel (Schleswig-Holsteinische Gruppe)
v, Mestorf, Frl. ...
126
150
17
Königsberg ...
F i s c h 1 e r . Dr., Professor
9
10
i»
Mainz
Wenzel, Dr.
32
34»
19
Mannheim
Vogel saug, Director
ii
20
20
München ....
W e i 8 ui u u u , Lehrer
252
252
21
Münster (Westfälisch« Gruppe)
11 os i iis, Dr., Professor
103
110
2*
Stralsund
Baier. Dr.. Stadtbibi iothokar
6
6
23
Stuttgart
Schober, Kaufmann
235
245
24
Wcissunfels ...
v. Her ries, k. Oberst
77
85
25
Wien . .
Much. I)r.. Josephstr 6
16
lo
2«
W'flrzburg
.
Stüber, Buchhändler
22
Currc*|i.-hliiU Nr. .V
3
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Verzeichnis» der lebenslänglichen Mitglieder der deutschen Gesellschaft, fiir
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
1. v. Fritsch, Professor, Halle.
2. Goldschmidt, R. Frankfurt a. M.
3. Goldschniidt, M., Frankfurt a. M.
4. Goldxclirnidt, M . Frankfurt a. M.
5. Herr man h, Moritz, Hamburg.
♦>. Huttenheim, Martin, Hilchenbach.
7. Krupp, Fritz, Essen.
8. Schaafi hausen, Professor, Bonn.
fl. Schmidt, Emil. Dr., Essen.
10. Semper, Georg, Altona.
11. Semper, Willi, llamburp.
12. Strousberg, Henry, I>r., London.
13. Vogt, Carl, Professur. Genf.
14. Wenste, W„ Muhlheim a. d. R.
15. v. W u r m b r a n d , Graf, Ankeustein-
Schriftenaustansch der deutschen Gesellschaft fiir Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte.
1. Anthropologie«! Institut of Great Britain and lre-
land. Secretary J. Oollingwood Esq., London.
2. Rokitansky, k. Professor, Wien.
3. Schwedischer Alterthums-Verein, Stockholm.
4. Gib btt, Mr., Washington.
5. Mars ch , Mr., New Häven.
6. Huxley, Mr., London.
7. Spencer, F. Daird, Professor, Washington.
S. Al Direttore dolle Publiazioni del Circulo Geografien
Ituliano, Toriuo.
fl. Squier, E. George, New York.
10. Aiithnqiologi.schc Gesellschaft in Wien, Secretär
Dr. Much, VIII. Josefgasse 6.
11. Revue des Sciences Kedacteur en chcf Mr. A I g 1 & v e
Ein., Paris.
12. Socicdad an thropologica Espafiola. Madrid, de Ve-
lasco, P. G., Dr., Madrid.
Verzeichnis» der Ehrenmitglieder der deutschen Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie nnd Urgeschichte.
1. v. Baer. Karl Ernst. Dr., Professor, kaiserl. [ 2. Sc hl io mann, Heinrich, Dr., ernannt 27. Sep-
rus&ischer SLaatsruth, ernannt 28. Febr. 1872, f 1878. | teniber 1877.
Schluss der Redaction am 10. Mai, — Druck von H. (Mdcnbottrg in München.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt twt Professor Holtmann in Basel,
6wrah«rd«r ihr G/ttlhtSa/t .
Nr. 6. Erscheint jeden Monat. Juni 1878.
Vereins - N aehrichten.
Die Generalversammlung der deutschen
Gesellschaft dir Anthropologie, Ethno-
logie und Urgeschichte in Kiel
findet laut Programm, das der letzten Nummer des
Correspondenz-Blattes beigelegt war, vom 12. bis
14. AngUBt statt. Die Unterzeichneten erlauben
sich mit besonderem Hinweis auf den Besuch in
Hamburg, das reiche Museum vaterländischer Alter-
thömer in Kiel und den Ausflug zu den Dolmen und
Burgwällen bei Lübeck zu zahlreicher Betheiligung
an der diesjährigen Generalversammlung einzuladen,
bei der nicht nur die Mitglieder, sondern alle Freunde
anthropologischer Forschung in hohem Grade will-
kommen sind.
Prof. Handelmann, Prof. Kollmann,
Geschäftsführer Generalsekretär,
in Kiel.
Der prähistorische Kupferbergbau
in Nordamerika.
Von Dr. Max Rothauer in Klageofnrt,*)
Am westlichen Ende des Erie-Secs, dem Ufer
des Dctroit-river entlang, an den Ufern des Huron-
Sees, des Verbindungsflusscs zwischen diesem und
männische ThAtigkeit jenes alten r&thselhaften Volkes,
welches in prähistorischer Zeit die Ufer der grossen
amerikanischen Seen bewohnte, beschränken sich auf
Cormp.-Blatt Nr ft-
dem Lake superior, dem River St. Mary, und gaii2
besonders am südlichen Ufer und auf den Inseln
dieses letzteren Sees zeigen sich zahlreiche und
deutliche Spuren, dass hier durch lange Zeit —
durch Jahrhunderte — ein Volk lebte, welches,
wie aus der Bildung der aufgefundenen Schädel
erhellt, ganz verschieden war von den diese Gegend
in postcolnmbischer Zeit bewohnenden Indianern,
vielmehr zu dem altbrasilianischen Typus zu stellen
ist. Man nennt sic nach der Form, welche sie
ihren Ansiedelungen gaben: „mound-builders**, zu
deutsch „Wall- Bauer4* *). Die reichen Lager von
gediegenem Kupfer auf Kewunaw-point wurden von
diesem Volke aufgeschlossen und, wie aus allen An-
zeichen hervorgeht, eifrigst exploitirt. Die Gruben
scheinen jedoch später ganz dem Verfalle preis-
i gegeben worden zu sein, denn von den Indianern,
die von den ersten Europäern dort angetroffen
I wurden, wurde Bergbau nicht betrieben, wie der
Jesuit La grade, welcher als Missionär zuerst in
jene Gegend kam, uns erzählt (in einem 1636 in
, Paris veröffentlichten Buche).
La grade berichtet, dass die Indianer das
Metall, welches ja nicht selten zu Tage liegt, wohl
kannten und es als etwas Heiliges betrachteten,
diu Erzählung dessen, was der Berichterstatter auf dem
verhältnihsuiässig kleinen Gebiete, welches er besuchte,
in dieser Richtung wahrgonommeu hat und was er aus
der, nur in geringem MtStttebe zugänglichen amerika-
nischen Literatur entnehmen konnte.
•) mouud : Wall, Darom, Erdhügel, Versclmnzung.
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als einen Schatz, welcher ihnen vom grossen
(teiste“ gegeben ward; — sie hatten aber gar keine
Kenntniss vom Vorkommen des Kupfers in den
Tiefen der Erde, so sorgfältig waren die früheren
Arbeiten durch die Zeit bedeckt worden. — 1666
wurde die Halbinsel von Pater Clan de Allouez,
ebenfalls einem Missionär, 1669—70 von Pater
P ab Ion besucht, welche alle von diesen Kupfer-
lagem berichten und dazu riethen, dort Colonien
zu gründen. Durch die Berichte des Capitains
Jonathan Carvcr (1765) angeregt, bildete sich
1771 in England eine Gesellschaft, welche diese
Schätze zu hohen begann. Jedoch wieder wurde
dies Unternehmen aufgegeben, welches durch die
Stürme der Revolution wohl beeinträchtigt worden
war, und merkwürdigerweise erst in neuerer Zeit
wird der Kupferbergbau rationell und mit ganz
eminentem Erfolge am Lake snperior betrieben.
Wir batten zu Houghton am Portage-lake unser
Hauptquartier genommen und machten von dort aus
unter Führung liebenswürdiger Freunde — unter
welchen sich mancher Deutsche fand, der hier
seinem Glücke nachging — geologische (bergmän-
nische) Kxcursionen in die Umgegend. Durch einen
Besuch bei einem Advocaten, welcher Ethnologie
zu seinem Lieblingsstadium erwählt und sich ein
ganz nettes Museum angelegt hatte, wurde ich
mehr für jene „aucient miners“, wie selbe allgemein
dort heissen, interessirt, und besichtigte mit ihm
die nahen alten Bergbauc.
Die Ueberrestc der „anrient miners“ zerstreuen
sich auf einen District, welcher in der Länge un-
gefähr 150 engl. Meilen hat und eine wechselnde
Breite von 4—7 Meilen besitzt, einschliessend :
Kewnnaw, Houghton und Ontnnagon Counties; —
auch auf der reichen lsle-royal im Lake superior
zeigen sich reichliche Spuren der „ancient miners“ ;
inan fand dort auf einem Territorium von 4 — 5
□ Meilen einen Schacht neben dem andern. Die
Halbinsel Kewunaw-point ist in ihren ebenen nnd
tiefer liegenden Regionen mit einem dichten Cy-
prossenwalde bedeckt, welcher einem sumpfigen,
morastigen Boden entwächst; nur einen geringeren
Thcil derselben nehmen Berge von massiger Höhe
ein , welche meist aus eruptivem Gestein oder
Couglomerat (wie bei Hekla und Columet-mine)
bestehen. Auf den Abhängen und Gipfeln jener
Erhöhungen , wo eine vcrhältnissmässig dünne
Schicht unproductivcn Erdreiches das Gestein
überlagert, wurde von Alters her und wird auch
j2
jetzt Kupferberghau betrieben, und die „ancient
miners“ waren so glücklich im Finden productiver
| Lager, dass ihre heutigen Nachfolger erfahrungs-
gemäss am besten timten, ihren (unterlassenen
. Andeutungen zu folgen.
Der Bergbau wurde auf zwei Arten betrieben,
jo nach dem Vorkommen des Mct&Ues. Traten
> Knpferlagerstätte» zu Tage, so folgte man den-
selben bis zur Wassergrenze und räumte das sich
ergebende Hangende aus taubem Gesteine weg,
so dass man Tagbau betrieb. Ich fand bei meinen
Ausflügen viele solche „Gänge“, welche meist
zwischen zwei Einsattelungen den dazwischen liegen-
den Melaphyr-Rücken durchschnitten und nun mit
! Himbcersträuchen und anderem Gestrüppe so ver-
I wachsen sind, dass man kaum durchzudringen ver-
| mag. Der längste derartige -Gang“ befindet sich
auf Isle royal und ist 20 — 40' weit und 2V* Meilen
(englisch) lang. In einem Seitenverhaue dieser
Strecke fand man einen halb losgelösten Kupfcr-
| block, an welchem ganz deutliche Spuren der Be-
; arbeitung mittelst Stein Werkzeugen zu sehen sind.
Die zweite Art Bergbau ist „Schacht- und
Stollenban“, welcher dann betrieben wurde, wenn
man das Metall in der Tiefe erwartete. Dass man
mit dem Ausbringen des Wassers auf künstlichem
Wege gar nicht bekannt war, beweist der Umstand,
' dass die Schächte nur so tief gingen, als das Wasser
durch menschliche Kraft entfernt werden konnte,
i Zwischen den einzelnen neben einander befindlichen
Verhauen, welche, nachdem man die Wassergrenze
erreicht hatte , sich allmählich mit Wasser gefüllt
haben mochten, liess man gleichsam als Damm
j einen 2—3* starken Pfeiler aus nicht wegger&uintem
Fels stehen, um dem Wasser den Eintritt, in den
| Nachbarban zu wehren. Bemerkenswerth ist es,
! wie das Hangende geschützt wurde. An Stelle der
| gewöhnlichen Zimmerung, welche, jedoch in rohester
Weise, angewendet wurde und nur aus einzelnen
j senkrecht stehenden Stämmen bestand, bediente
man sich steinerner Stützen. Sehr oft, besonders
, auf Isle royal, sind es grosse herbeige holte
Steinblöcke, wovon oft schon einer genügte und
von denen oft ganz regelrechte Pfeiler aufgebant
sind, je nach der Höhe der einzelnen Baue, welche
sehr wechselnd ist.
Die Aufbereitung des Kupfers aus dom Gesteine
muss, wric aus den aufgefundenen Werkzeugen zu
schlicssen ist, sehr einfach gewesen sein. Man fand
nahe den Ausgängen der Baue Vertiefungen , in
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welchen sich noch Reste von Holzkohle und eine
Menge von Steinwerkzeugen befinden. Dieser Um-
stand weist darauf hin, dass man wahrscheinlich
die losen metallföhrenden Blöcke zuerst erhitzte
und durch Aufschatten von Wasser schnell ab-
kühlte. So wurde ein rascher Verwitterungsprocess
eingeleitet und das Gestein zerbröckelt; mit Hilfe
ihrer Steinhämmer konnten sic dann leicht das
gediegene Kupfer aus dem umgebenden tauben
Gesteine auslösen, welch letzteres um jene Werk-
stätten in gross6n Mengen hcrumlicgt.
Die Steinhämmer sind theils an ihrem oberen
Ende eingekerbt, um einen Stiel daran befestigen
zu können, theils sind es rohe harte Steine (oft
Kieselsteine), die nur an ihrem unteren Ende etwas
geschärft, sind und direct mit den Händen gehalten
wurden. Unter den Funden auf Islc royal kamen
nur sehr wenige Hämmer vor, welche jene Ein-
kerbung zur Stielbcfestigung zeigten, während dies
in der Umgebung Houghtons bei dem grössten Tlieile
der Steinhämmer der Fall ist.
Mit diesen primitiven Hilfsmitteln war natürlich
ein sehr langsames Fortschreiten der Arbeiten mög-
lich; berücksichtigt man nun die vielen hinter-
lassencn grossen Baue, so kann man schliesscn,
dass die „ancient miners* ihre Thätigkeit wohl
durch Jahrhunderte fortgesetzt haben mussten. 1
Durch welche Einflüsse sie bewogen wurden, sich
andere Wohnsitze zu suchen und den Ort ihrer
Thätigkeit zu verlassen, ist unaufgeklärt. An der
Mündung des Ontonagon-Flusscs in den Lake superior
scheint eine Werkstitte zur Fabrikation der Stein-
geräthe existirt zu haben. Es liegen da grosse
Haufen von theils fertigen, theils unfertigen Stein-
werkzeugen nebst zahllosen Steinsplittern, an welchen
es unverkennbar ist, dass cs Abfälle sind. Wie es
.scheint, wurde dem Steine erst die beiläufige Form
des zu verfertigenden Gegenstandes gegeben und j
diesem rohen Stücke durch Brechen mittelst eines
härteren Steines und PoUren an demselben die Form
heigebraclit, in welcher wir die Geräthe finden. —
I)r. Bessels am Smithonian Institute in Washington
erzählte uns, dass ein Indianer, welcher dort ver-
weilte, aus einer zerbrochenen Uhampagnerflasche
mit Hilfe eines Schlüssels mit grosser Fertigkeit
Pfeilspitzen fabricirte. Von der Ontonagon-Mündung
aus wurden nun die Steiugerlthe nach Nord und
Ost in die kupferreicheren Gegenden transportirt.
Aus dem gewonnenen Kupfer wurden zahlreiche |
verschiedene Utensilien verfertigt, als Acxte, Messer,
Meissei, Speerspitzen, Pfeilspitzen, Ahle, Nadeln,
Braceletten u. s. f. Bemerkenswerth ist die Form
der Messer, welche ohne den daran zu befestigenden
Stiel eher den Lanzenspitzen unserer Steinzeit ähneln
und lange auch für solche gehalten wurden. In
Alasca fand man nun bei den Eingeborncn diese
vermeintlichen Lanzenspitzen mit einem kurzen
Holzstiele versehen als Messer in Gebrauch. Im
Smithonian Institute sah ich zahlreiche Exemplare
aus Kupfer und Stein von den „mound-buildors*4
von verschiedenen Indianerstämmen und von den
Bewohnern von Alasca, welche merkwürdig mit-
einander übcrcinstimmtcn.
In Wisconsin, Michigan, West-Virginia, Ken-
tucky, Mississippi, Louisiana, meistens aber an den
Ufern des Mississippi, wo bis nun die grösste Aus-
beute an ethnologischen Funden gemacht wurde,
fand man beinahe überall, wenn auch nicht in sehr
grosser Anzahl, derartige Kupfergegenstände, und
nach ihrem Aussehen und ihrer Beschaffenheit
glaubt man vollberechtigt zu der Anuahme zu sein,
dass die aus Kupfer verfertigten Gegenstände haupt-
sächlich zu Schmuckgcgenstäudcn gedient haben
mochten, dass selbst ihre Kupferäxte mehr zur Zier
als zur Waffe gedient haben.
Dass die „ancient miners“ mit dem Schmelz-
proeesse keineswegs bekannt waren, unterliegt wohl
keinem Zweifel. Dem leicht zu formenden gedie-
genen Kupfer wurde auf kaltem Wege jene oft
sehr hübsche und zierliche Form gegeben. Als ein
sicherer Beweis dafür mag es wohl gelten, dass
man bei manchen Stücken grössere und kleinere
| Körner gediegenen Silbers cingcschlossen fand (auf
Isle royal besonders, aber auch in der Nähe von
Honghton kommt gediegen Silber mit gediegen
Kupfer zusammen vor), die sich beim Schmelzen
mit Kupfer legirt hätten. In der Bearbeitung des
Kupfers hatte man aber eine ganz eminente Fer-
tigkeit erlangt. Es erzählt der florentinisclie See-
fahrer Giovanni Verazzano, welcher auf Befehl
Franz I. von Frankreich der atlantischen Küste
Amerikas entlang segelte, dass er die schönsten
Gegenstände, Ohrringe, Aextc u. s. w., sorgfältig
polirt und beinahe dem Golde ähnlich fand. Bemal
Diaz, welcher Corte z auf seiner Expedition nach
Mexiko begleitete, erzählt, dass jeder Eiugeborne
ausser seinen anderen Schmucksachen noch eiue
„goldene“ Axt bcsass, welche überaus ncliön und
reich verziert war. Die Spanier, davon sehr ent-
zückt, tauschten in wenigen Tagen tiOD dieser
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„goldenen“ Aexte für allerlei, den Amerikanern
neue Gegenstände als Glasperlen etc. ein und ;
waren , bis die Enttäuschung folgte und die
„goldenen* Aexte sich als schön poürtcs Kupfer
erwiesen, sehr glflrklich über ihren Handel. Als
Col umbus auf seiner vierten Reise die Guanaja-
Inseln besuchte, fand er kleine Streitäxte, Glöck-
chen und Plättchen aus Kupfer. Woher das Metall
zu diesen letztangeführten Sachen genommen wurde,
vermag ich nicht auzugeben, merkwürdig ist nur
die Uebereinstimmung der Form dieser Utensilien
mit jenen der „mound-builders*.
Der Abbe Brasseur de ßourbourg schloss
aus den Funden, welche er in Mexiko machte,
verglichen mit jenem an den Ufern des Mississippi,
dass die friedlichen, ackerbautreibenden „raound-
buildcrsu von einem aus dem Westen kommenden
kriegerischen Volksstamme von ihren Wohnsitzen
gegen Süden gedrängt wurden und dort den Grund
legten zu all den Kunstwerken, welche bei der
Entdeckung dieses Landes von den Europäern an-
getroffen wurden. Brasseur legt die Zeit dieser
Auswanderung 1000 Jahre v. Chr. ; um welche Zeit
die Einwanderung in die Thftlcr des Mississippi
statlfand, ist wohl nicht zu bestimmen. Während
der ßlüthezcit der „mound-buildcrs“ dürfte die Ein-
wohnerzahl dieser Provinzen keine geringere ge-
wesen sein als heute. *)
Sitzungsberichte der Localvereine.
Der schleswig-holsteinische Zweig-
verein der deutschen anthropologischen
Gesellschaft
hielt am lf». März in Kiel unter dem Vorsitz des
Hrn. Prof. Dr. Pansch seine erste Versammlung.
Ur. Pansch sprach über die Ziele der Anthropo-
logie im Allgemeinen, über die speciellcn Aufgaben
des neugcgrüudetcn Zweigvereins, der bereits gegen
120 Mitglieder zählt, und knüpfte daran einige
geschäftliche Mittheilungen.
Hr. Professor Handel mann gab dem Verein
Kcnntniss von dem nunmehr definitiv bestimmten •
Programm der auf die Tage vom 12. bis 14. August
*) Der Berggeist. Zeitung für Berg-, Hütten- 1
wesen und Industrie. Köln. XXIII. Jahrgang 1878
Nr. 11.
anheranmten Generalversammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft in Kiel. Alsdann
zeigte er zwei kleine Bronzeringe vor, welche bei
Bönebüttel unweit Neumünster in einer Urne ge-
funden worden, und sprach ferner über einige in
den letzten Jahren in Holstein aufgedeckte Skelet-
gräber aus der älteren Eisenzeit. lieber die
Begräbnissweise der Bevölkerung des Landes in
der letzten vorchristlichen Culturpcriode ist wenig
Sicheres zu sagen. Nach einer Stelle bei Helmold
darf man annehmen, dass die Slaven ihre Todten
verbrannten; desgleichen wohl auch die Sachsen,
wenn man das von Karl dem Grossen erlassene
Verbot gegen die Leichcnverhrcnnnng bei den
südlich der Elbe wohnenden Sachsen auch auf die
nordclbischeti ausdelmen darf. Auf Seeland und
in Mecklenburg sind bekanntlich reich ausgestattete
Skeletgräber der älteren Eisenzeit aufgedeckt wor-
den; die bis jetzt in Holstein bekannten sind da-
hingegen höchst ärmlich mit Beigaben ausgestattet.
Bei Siggeneben (s. Beschreibung des Fundes in der
Nr. 10 des Uorresp.-Bl. v. J. 1874) wurde nur ein
kleines eisernes Messer gefunden; bei Prasdorf
(Probstei) fand man im Spätherbst des vorigen
Jahres unter einem Bachen Steine mit kleineren
Steinen umgehen drei Skelete, neben jedem ein
eisernes Messer und hei einem ausserdem ein T bon-
ge fäss vom Typus der frühen Eisenzeit. Neuer-
dings sind bei Heringsdorf unweit Neustadt fünf
Skelete gefunden, wie es heisst ohne alle Beigaben.
Der Schüdel von Siggeneben ist im Corresp.-Bl.
a. a. O. nach den Messungen des Hm. Prof. Pansch
beschrieben. Derselbe zeichnete sich aus durch
auffallende Länge. Von dem Prasdorfer Funde ist
nur ein Schädel in den Besitz des Kieler Museums
gekommen; auch dieser ist dolichocephaL Die
lleringsdorfcr Skeletfunde sind noch nicht ein-
gesandt. Hr. Handel mann erinnert an ein früher
in dem Kosshüc bei Moldcnit gefundenes Skelet
(s. Kieler Berichte 28 und 30), welches er gleich-
falls in die Eisenzeit zu setzen sich veranlasst findet
und welches , im Gegensatz zu den vorigen , eine
brach) ccphale Kasse repräsentirL
Hr. Pansch knüpft daran die Bemerkung,
dass man die Langschädel der Flach- oder Reihen-
gräber noch vor kurzem als germanisch auffasstc.
dazu jedoch alle Berechtigung verloren habe, weil
Schädel desselben Typus bis weit nach Russland
hinein und in westlicher Richtung nach Frankreich
sich erstrecken.
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Ilr. Capitainlieutcnant Strauch spricht über
die angeblich vergifteten Pfeile der Südsoc-
in su Inner. Ilr. Strauch befand sich am Bord
der „Gazelle“ auf der Reise nach den Kerguelen-
iuseln (1874—76) und hatte vielfach Gelegenheit,
mit den Eingeborenen der S&dseeinseln zu verkehren
und unter anderem auch deren Waffen besondere
Beachtung zu widmen. Er beschreibt die Pfeile
der Bewohner von Neuguinea, unter welchen einige
von mittlerer Grösse eine Spitze hatten, die er
nicht kannte. Der Eingeborene nannte sie lkan-fari.
lkan heisst im Malaischcn Fisch, der Gattungsname
wird dem ikan nachgesetzt. Ein an Bord anwesender
Geologe hielt die Spitze für einen Rochenstachel.
Als der Eingeborene ihm eine BQchse mit Rochen-
stacheln (neff-neff) überreichte , that er sehr vor-
sichtig damit und machte durch Pantomimen ver-
ständlich, dass eine Verwundung mit denselben den
Tod herbeiföhrc. Diese Mittheilung interessirte
Redner um so lebhafter, als gerade damals der
Commodore des englischen Geschwaders Goode-
nuugh auf den Santa-Cruz-lnscln nebst zweien
Matrosen von einem vergifteten Pfeile meuchlings
getroffen und in Folge der Verwundung gestorben
war. Nach einer Beschreibung der auf anderen
besuchten Inseln vorkommenden Pfeile widmete
Redner dem tragischen Ereigniss an Bord der
„Pearl“ weitere Beachtung, weil das Resultat der
dadurch hervorgerufenen Untersuchung bezüglich
der Beschaffenheit und Wirkung der angeblich ver-
gifteten Pfeile auch für Angehörige des deutschen
Reiches, welche, sei es in Ilandelsinteressen oder
mit der kaiserlichen Marine in jene Gewässor
kommen, seinen Nutzen haben kann.
Der Melbourne Herald brachte damals eine
ausführliche Beschreibung der Pfeile, durch welche
Goodenough und seine Genossen den Tod ge-
funden. Dem Häuptling einer benachbarten Insel
verdankte der Verfasser des Artikels ausführliche
Nachrichten über die Anfertigung derselben. Die
zwei Zoll lange Spitze ist aus dem Schenkelkuochcn
einer sechs Monate alten Leiche gemacht, aufge-
spaltcn und dadurch mit Widerhaken versehen.
Diese Spitze wurde in das verwesende Heisch eines
etwa eine Woche alten menschlichen Leichnams
gestossen, wo sie 8 — 10 Tage stecken blieb.
Danach wurde sie in eine Gallerte aus einer auf
den Sfidseeinseln wachsenden Giftpflanze getaucht.
Die Spitzo wurde so lose an den Schaft befestigt,
dass sie bei dem Versuch, den Pfeil aus der Wunde
zu ziehen, sich löste und iu dem Fleische stecken
blieb. Nach 6 — 7 Stunden tritt nach einer Ver-
wundung durch einen so bereiteten Pfeil der Tod
ein. Ein Gegengift gibt es nicht. So die Be-
schreibung des Häuptlings. Der Arzt am Bord
der „Pearl“ glaubte indessen in Folge eigener
Beobachtungen nicht an die giftige Wirkung der
Geschosse, und das Resultat seiner eingehenden
Untersuchung ergab, dass der Tod niemals un-
mittelbar erfolgte, sondern in Folge eines sich ein-
st eilenden Starrkrampfes. Bei dem Commodore
Goodenough und zweien Seeleuten trat dieser
erst am sechsten Tage ein; die anderen drei Ver-
wundeten genasen nach 11 — 25 Tagen. Hunde
und Tauben, die mit denselben Pfeilen verwundet
wurden, starben nicht. Der Tod tritt demnach
nicht in Folge eines pyämischen oder scpticämischen
Proccsscs ein, sondern unter Erscheinungen vou
Starrkrampf, welcher thcils durch klimatische Ein-
güsse, theils durch Gemüthsbewcgung befördert
wird. Die Eingeborenen überdies sind znm Starr-
krampf stark disponirt. Durch reizende Behandlung
der Wunden, durch die reizenden Stoffe, in welche
die Pfeile gesenkt waren, kann derselbe allerdings
befördert werden. Der Hauptfactor ist indessen
der eingewurzelte Glaube, dass nach einer solchen
Pfeilverwundung ein Entrinnen von sicherem Tode
nicht möglich ist. Gelänge cs, diesen Glauben zu
bekämpfen, so wäre nach der Ueberzeugung des
Arztes am Bord der „Pearl“ damit das wirksamste
Heilmittel für die Pfeilwunden in den australischen
Gewässern gefunden.
Nach einer Aufforderung des Vorsitzenden über-
nahm der Schriftführer des Vereins, Frl. Mestorf,
über einen in Südcrdith rnarscbeu bei dem
Dorfe Eddelack gehobenen Fund zu referiren.
Kenntniss von demselben verdankt der Verein dem
Hrn. Dr. med. Hart mann in Marne, welcher eine
Auswahl von Fundobjecten zur Ansicht gesandt
hatte. Hr. Hart mann erfuhr im November v. J.,
dass in der Nähe von Eddelack unzählige Urnen
gefuuden seien. Er begab sich dorthin and faud
nicht nur das Gerücht bestätigt, vielmehr seine
Erwartungen bei weitem übertroffen. Der Eigen-
tümer einer Marsch-Fenne von circa IV* ha. Hess
dieselbe tiefgraben, um den unter l'/t Fuss Acker-
krume, 3 Fuss unfruchtbarer Murscherde (Dwoog),
2 Fürs Torf und 1 Fuss Bittererde lagernden
Mergel zu gewinnen. Es wurden zu dem Zwecke,
wie es dort üblich, lt) Fuss breite Gräben angelegt,
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welche, nachdem der nöthige Bedarf an Mergel | liehen Interesse unternommen nnd ausgeführt wur-
herausgcholt , mit der unfruchtbaren Erde wieder | den, so konnte auch diese Pfahlsetzung nur in der
gefällt werden. Bei dieser Arbeit waren in der Grabenbreite beobachtet werden. Sie bildete eine
unter der Ackerkrume lagernden, 1 Fuss mächtigen Doppelreihe mit einem Abstand von II — 12 Kuss
oberen (schwarzen) Dwoogschicht die sog. Urnen und einem Zwischenraum zwischen den einzelnen
gefunden. „Wo man den Spaten cinscnktc, da Pfählen von je 3 Fass. Bemerkenswert!! ist, dass
knirschte es* , sagten die Arbeiter, und mit der zwischen den Pfahlreihen und noch 10 Fass zu
Erdscholle wurden irdene Scherben anfgeworfen. beiden Seiten Aber dieselben hinaus die regel-
Nach ihrer Berechnung hätten circa 10 Urnen auf raässige Schichtung des Bodens gestört war nnd
dem Kaum von 1 Qm gestanden (?). Hr. Dr. Hart- der Boden in einer schwärzlichen Erde bestand,
mann glaubte einen Urnenfriedhof entdeckt zu Die Arbeiter glaubten, dass seiner Zeit ein Bassin
haben; Referent fand sich nach den ausführlichen gegraben worden nnd in dieses die Pfähle ein-
Berichten und den zur Ansicht eingesandten Fund- gerammt seien. Zwischen dcu Pfählen lagen in
Stöcken eher geneigt, in denselben die Spuren der Moorschiebt (also 3—4 Fuss unter dem
einer grösseren Wohnstätte ans vorhistorischer Zeit schwarzen Dwoog) massenweise dieselben Fond-
zu vermuthen. Für Hm. Hartmann’s Annahme objecto , welche in der Nahe der Ilerdstcllon nnd
schieu ein Gefäss mit caleinirten Knochen zu sprechen, überhaupt im schwarzen Dwoog gefunden waren,
welches etwas tiefer im gelben Dwoog gestanden 1 Ausser zahllosen irdenen Scherben, Massen von
hatte, umgebon von K anderen Gefüsseo; allein eine Thierknochen, zum Theil zerstückt und gespalten,
von Ilm. Professor K. Möbius vollzogene Unter- Uebcrrcstc der gewöhnlichen Hausthiero (Rind, Pferd
suchung der Knochen ergab, dass es keine mensch- kleiner Rasse, Schaf, Ziege, Schwein uud ausserdem
liehen Uebcrrcstc, sondern Thierktiochcn waren. Edelhirsch); ferner jene bekannten pyramiden-
Somit fehlte, was man auf einer Begräbnisstätte | förmigen Webstuhlgcwichtc(V) von gebranntem Thon ;
vor allem zu liuden erwarten darf: die mensch- ! Spindelsteine, konische und von der Mitte nach oben
liehen Gebeine, verbrannt oder unverbrannt. Für I und unten sich verjüngend und plan abgeschnitten ;
die Auffassung der Localität als Wohnstätte spricht Thonpcrlen, darunter ciuc gekerbt, wie die be-
folgendes. Bei dem senkrechten Abstich der Graben- kannten römischen Perlen von hellblauer, oft ins
wände bemerkte mau wiederholt in der (’ultursehicht Grünliche spielender Glasfritte und offenbar eine
wagerechte oder gewellte ziegelrotbc Linien. Eine Nachbildung solcher; eine Bernsteinperle, eine zarte
Untersuchung liess bei der Abräumung derselben beinerne Nadel, ein eiserner Nagel und zwei un-
erkennen, dass es durch die Gluth des Feuers kenntliche Eisenfragmente. Am reichsten vertreten
rothgebrannte Lehmplatteu waren , und in der waren die Thongebildc. Zwischen der Pfahlreihe fand
Nähe dieser Lehmplatten wurden die meisten der i man z. B. über 20 mehr oder minder vollständige
weiter unten benannten Artefacte gefunden. Diese I Webstuhlgewichte. — Die zahllosen Scherben zeigen
Estriche als Herdstätten aufzufassen, fühlt man sich eine grosse Mannigfaltigkeit der Formen «ml Oma-
umsomehr berechtigt, als unter den Fundstücken mente. Kleine zierliche Näpfe von 5 — 7 cm neben
sich auch jene formlosen gebrannten Lchmstücke I Fragmenten von Gefässen, die einen Durchmesser
befinden, die man auch anderwärts gefunden und von 2 Fuss gehabt haben dürften. Die Ornamente,
als Fragmente von dem Wandbewurf der zerstörten j die technische Behandlung, die Formen zeigen alle
Häuser aufgefasst hat. in die frühe Eisenzeit, etwa ins 3., 4. Jahrhundert.
Die Herdstatten fand man hauptsächlich auf Besonders interessant sind ein Thonsieb und ein
dem Nordende des Ackers, nach der Mitte hin Fragment, wo der Henkel mit zwei Zapfen in zwei
wurden sic kleiner und spärlicher. Nach Südosten kreisrunde, in den frischen Thon gebohrte Löcher
aber sticssen die Arbeiter bei Austiefung des einfasst. Als Henkel leistete er keinen Nutzen.
10 Fuss breiten Grabens in der Tiefe von 3 Fuss Kann derselbe etwa als Hähnchen gedient haben?
auf Pfähle, welche hei 8 Fass Länge bis tief iu lieber den Zusammenhang zwischen der Pfahl-
den Mergel hinabreirhten. Sie waren 1 * — 3« Fuss Setzung und den Herdplätzen weiss man zur Zeit
stark, nach unten mit einem scharfen Instrument nichts. Einzelne Pfähle sind auch an anderen
abgespitzt. Da die kostspieligen Krdarbeiten nicht Stellen vorgekommen. Standen sie vielleicht in
im archäologischen, soudcni im lundwirthschaft- einem die Ansiedlung umgehenden Abzugsgraben?
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Es sind im Hinblick auf die Terrainverhältnisse
noch manche Räthscl zu lösen. Es heisst gemeinig-
lich, die Marsch wurde erst besiedelt nach der
Eindeichung. Wie weit diese zurückreiclit , weiss
man nicht. Es wird das 12. Jahrhundert genannt.
Man hat zwar die Beschreibung von den Wohnungen
der ('hauken, welche Plinius in seiner Natur-
geschichte gibt, auch auf die Bevölkerung unserer
Westküste bezogen; allein diese auf Wurth en be-
legcncn Behausungen kommen hier nicht in Betracht.
Hier standen die Wohnungen in Gruppen in der
flachen Marsch, auf dem regelmässig geschichteten
Alluvialhoden. Urkundlich wird Eddelack (Ethclckes-
wisch) 1140 zum ersten Mal genannt, und zwar wird
als ausserordentlich hervorgehoben, dass die Be-
wohner Ackerbau zu treiben begonnen, während
in der Umgegend das Land nur als Viehweide aus-
genutzt wurde. Dass der Ort um viele Jahrhunderte
älter sei, hatte man bisher nicht geahnt; noch
weniger hatte man Beweise dafür, welche jetzt in
den aus der Tiefe gehobenen Fundstücken vor Augen
liegen. — Die Arbeiten werden nach 14 Tagen
beendigt sein, und schwerlich dürfte sobald wieder
sich eine Gelegenheit bieten , in die Geheimnisse,
die dieser Acker birgt, einzublicken.
Ilr. Pansch ist einverstanden, dass eine
Localbesichtiguug unerlässlich, und thcilt mit, dass
einige Vorstandsmitglieder beschlossen, den Ort in
allernächster Zeit zu besuchen.
Kleinere Mittheilungen.
Dcux sinlions Jacustres Muer i gen et Aurernier. :
Rpoque du bronze. Douze planches photographiques
figurant environ 400 objects denii-grandeur avec notes |
et explications en regard par le Dr. Victor Gross.
Neuveville imprimerie de A. Godet 1878. in Folio.
Wer die herrliche Sammlung von Pfahlbau-
funden aus der Bronzeperiode des Hm. Dr. Gross
in Neuveville kennt oder Gelegenheit hatte, die
auf die VIII. Hauptversammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft in Constanz im Sep-
tember 1877 mitgebrachten und gütigst zur Schau
gelegten Fundstflcke zu bewundern, wird darüber
erfreut sein zu erfahren, dass Ilr. Dr. Gross die-
selben auf 12 prachtvoll erstellten photographischen
Blattern mit erklärendem Text in einer Mappe heraus-
gegeben hat. Er hat noch eine Anzahl dieser Exem-
plare zur Abgabe zur Hand, und es mag manchseits
erwünscht sein, davon Kunde zu haben.
Lndwig Deiner.
Ramsen, 13. Mai 1877. Hünengräber finden
sich in vielen Gegenden Europas, so auch ins-
besondere Deutschlands. Auch die Rheinpfalz kann
deren an mehreren Orten aufweisen. Ohne Zweifel
das bedeutendste und umfangreichste Gräberfeld
dieser Art in der Pfalz findet sich in dem Stumpf-
waldc, wo auf einer Fläche von etwa '/• Quadrat-
meile gewiss einige hundert Grabhügel zu sehen
sind. Gestern wurden durch die Pollichia und den
historischen Verein der Pfalz die Ausgrabungen
an dieser Stelle begonnen, und gleich am ersten
Tage hatte man sich bedeutender Funde zu er-
freuen. Bekanntlich zerfallen die Hünengräber in
sog. Sandgräber und Steingräber. Beide Arten sind
im Stnmpfwaldo vertreten; doch scheinen letztere
die zahlreicheren zu sein. E3 wurde bis jetzt ein
Hügel durchgestochen und ein anderer umgegraben.
Der erstere ist ein Sandgrab, d. h. er ist ganz aus
Sand und Rasen gebildet; in ihm fand man ein
Eiscnschwcrt von 50 cm Länge. Der andere ist
ein Steingrab von 50 m Umfang; er bestand ans
zwei Schichten gewaltiger, zusammengefügter Steine,
zwischen denen die Uebcrreste der Leiche gefunden
worden, die von Westen nach Osten lag, das Antlitz
gegen Osten gekehrt. Dies Grab wurde IV« m tief
umgegraben, bis *}* m unter das bewachsene Bodcn-
nivean. Die Funde aus demselben sind: 1) ein
Halsring (torques) aus Bronze mit eigentümlicher
Schlicsse ; 2) eine weitere solche Schlicsse ; 3) zwei
Armringe (Fingerringe ?) aus Bronze, in jedem der-
selben staken einige durch das Metall erhaltene
Fingerknochen ; 4) Reste eines Gürtels oder Panzers
aus Bronze, der inwendig, wie Fragmente erkennen
Hessen, mit Leder bedeckt war ; 5) Reste einer roh
gefertigten Urne und einige WTirbelknochen in fast
gallertartigem Zustande. Sämmtliche Funde deuten
auf ein sehr hohes Alter und rühren jedenfalls aus der
Zeit vor der Berührung mit der römischen Cultur her.
Den Besuchern der Constanzer Versammlung,
sowie Allen, welche sich für die Frage nach der
Aechtheit der Thayinger Funde interessiren,
diene zur Nachricht, dass ich in dem renomrairten
Geschäft von A. Stotz hier die beiden werth-
vollsten Stücke der Museen von Constanz und
Schaffhausen (den Moschusochsen und das Doppel-
köpfchen) in galvanoplastischem Silbcrnicdersrhlag
fertigen Hess. Das Stück kostet 2 Mk. 50 Pfg.
Aufträge vermittle ich geme.
Stuttgart im Januar 1878.
Dr. Oscar Fraas.
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58
Nachricht für die Besncher von Lübeck.
Infolge eingegangener Mittheilung des Vereins für Lflbeckisrhe Geschichte und Altcrthumsknnde
unterbleibt die für den 10. August beabsichtigte Ausgrabung im Kitxer&uer Gehege (siehe Programm der
IX. Generalversammlung), da sich der Aufdeckung des in Aussicht genommenen grossen Grabhügels
wesentliche Schwierigkeiten entgegenstellen.
Heinrich Handelznann, Kollmann,
Geschäftsführer für Kiel. Generalsekretär zu Hasel.
Bei der Bedactiou eingelaofen bis Anfangs April 1878:
Archäologische Mittludlungen. Sep.-Abdr., enthaltend Miltheiliingen von Handolmann, J. Mostorf it. A
Bulletin of the U. S. Geol. and (Jeogr. Survey nf the territorie* Vol. III. Nurah. 4. Washington Aug. 1877.
Dali W. H. : Tribes of the extreme Northwest. Part I. U. 8. Geographical and Geologiral Survey of the Kock)
Mountain Region. 1877. 4®. Mit 1 Karte mul zahlreichen Holzschnitten.
Gcnthe II. Pr. : Alterthüiner aus dem FürstontkUni Waldeck und Pyrmont. Mengeringhausen, Prack der Weigel-
selten llofbuchdruckerei. 1877. 4“
Sehring Alfr. Dr. : Pie quaternären Faunen von Thiede und Westeregeln liebst Spuren des vorgeschichtliche»
Menschen. Arch. f. Anthropologie Bd. X u. XI. Sep.-Abdr.
Pigortni L.: Le Abitazioui lacustri di Peschiera. Reale Accademia dei Liucei 1876—77. Roma. 4*
Kuh Charles: The Arcbaeological Collection of the U. S. National Museum in Charge of the Smithsonian Institution
Washington City. 1876. 4®. Mit zahlreichen Holzschnitten.
Mosrlnj II. N., late Naturalist on board H. M. S. „Challenger* : On the inhabitants of the Adrniraliiy Islands etc.
Mit 4 Taf. Journ. of the Anthr. Inst. (London.)
irwrmhrawd Gundaker: l'eber die achte Jahresversammlung der deutschen anthr. Ges. Sep.-Abdr. a. d. Mittb
d. anthr. Ges. in Wien. 1877.
Derselbe: Bericht über den VIII. internationalen CongTess für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in Pest.
Ebenda No. 1 tt. 2 und : In Betreff thönerner Lampen und Löffel No. 4 u. f>.
Derselbe: Bohrung von Steingeräthen mittels Horn und Knochen. Ebenda.
Compte-rendu de la huitieme Session du Congres international et d'Areheologie prihistorique. Budapest 1870.
I. Bd. Budapest 1877.
FUgiee Pr.: Zur Ethnographie Noricums. Sep.-Abdr. aus den Mittheilungeu der anthr. Ges. in Wien. Bd. VII,
1877, No. 10.
Derselbe: Zur Scythenfrage. Ebenda No. 11 u. 12.
Ilamy E. T. : Etüde sur la gendae de la Scaphocephalie. Kxtrait des Bulletins d. 1. Soc. d' Anthr. de Paris.
17 Dec. 1874.
Derselbe: Los Alfurous de Gilolo d’aprto de nouveanx renseignements. Extrait du Bulletin de la Socidtd de
Geographie. Mai 1877.
Jiatnud of the Anthropological Institute of Groat Britain and Ireland. Vol. VII. No. 1.
Kopemicki D. J. : Nowy Przyczynok etc. Neue Beiträge zur urgeschichtlichen Anthropologie des polnischen
Landes. Krakau 1877.
1. Von einem Leichenbe&tattungsgrabe auf dem Drnonfolde von Kwacsata.
2. Ueber die menschlichen Knochen und Schädel aus den Grabhügeln von Radzimiu in Volhynieu
Exquisite Dolichocephalie.
3. Ueber die menschlichen Knochen und Schädel aus den neuen Ausgrabungen im galiziscben Podolien
(Dolichocephalie.)
fanJutssek Jos. de: Description d’un eräne macrooophale deforme et d’un eräne de Pdpoqne barbare trouvfa en
Hongrie. Avec deux Planches. Budapest 1877,
Luschnn F. v.: Mittheilungeu aus dem Museum der Wiener anthropologischen Gesellschaft. A. d. VI. 1kl. der
„Mittb. der anthr. Ges. in Wien“ bes. abgedrnckt. Wien 1877.
Much M.: Ueber prähistorische Bauart und Ornamentirung der menschlichen Wohnungen. Ebenda No. 11 u. 12.
Mestorf J.: Die vaterländischen Alterthüraer Schleswig-Holsteins. Hamburg 1877.
liehmann n. Ecker: Zur quaternären Fauna des Donauthaies. Arch. f. Anthr. Bd. X.
Sadowski J. N. t*. Die Handelsstrassen der Griechen und Römer. Aus dem Polnischen von Alb in Koltn
Jena 1877.
Schluss der Redaction am 20. Juni. — Druck ron II. OUlcnhovrg in München .
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Die deutsche Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte
hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1870 durch ihre
Fhätigkeit auf dem ganzen Gebiete der anthropolo-
gischen Forschung bereits die Anerkennung der Ver-
treter der Wissenschaft in Deutschland wie im Auslande
erworben. Sie darf für ihre Forschungen auf das
Interesse und die Theilnahme aller gebildeten Kreise
des deutschen Volkes rechnen. Das Archiv für An-
thropologie sowie das Correspondenzblatt der Ge-
sellschaft und die Berichte über die allgemeinen Ver-
sammlungen derselben geben Rechenschaft von den
Arbeiten, welche dieselbe bereits geleistet, und von
solchen, mit deren Ausführung sie noch beschäftigt ist.
Ihren Untersuchungen stehen öffentliche Mittel nicht
zu Gebote. Je mehr sie aber durch die wachsende
Zahl ihrer Mitglieder über Mittel verfügen kann zu
ihren Publikationen, zu statistischen Erhebungen, zur
Herstellung von Karten, zu Ausgrabungen u. dgl.,
um so reicher und fruchtbringender wird sich ihre
Thätigkeit gestalten.
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kUrlieh Angenommenen. Ueberdies lässt sich der
Längsdurchmesser so ganz in Uebereinstimnmng
mit der Horizontalen nur mit Hilfe des Spengel-
schen Craniometers abnehmen. Nachdem aber
dieses Instrument nur für das craniologische
Material der Sammlungen nicht für die Unter-
suchung an Lobenden verwendbar , überdies auf
Reisen wogen seines Umfangs nicht überall zur
Stelle zu schallen ist, so wurde anerkannt, dass
auch der Virchow’sche Craniometer verwendet
werden könne für die Abnahme des Längsdurch-
messers mit spezieller Rücksicht auf die Horizontale.
Selbst von jenen Craniologen, welche für
die ganze Schärfe mathematischer Grundsätze bei
den craniometrischen Untersuchungen eingetreten
waren, wurde anerkannt, dass man mit dem
Virchow 'sehen Craniometer hinreichend scharf
und präzis den geraden Längsdurchmesser des
Schädels abnehmen könne. Die Construction
des Instrumentes, und die gute Fixirung der
gleich anzugebenden Ausgangspunkte des „ge-
raden Längsdurehmessers“ schliessen den Ge-
danken aus, als sei dieses Maass identisch mit
der früheren sog. „grössten Länge“. Es wird
in vielen Fällen der gerade Durchmesser und
der der grössten Länge gleiche Zahlen ergeben,
aber dennoch existirt ein bemorkenswerther Un-
terschied sowohl in der Methode wie in der
Gleichförmigkeit des dadurch erzielten Resultates.
Die craniometrische Conferenz in München
hat sich nun für folgenden Längsdurchmesser
geeinigt:
Gerader Längsdurchmesser des
Schädels: von dem Nasenwulst bis
zum vorr agendsten Punkt des Hinter-
hauptes, gemessen mit dem Virchow’schen
Craniometer oder einem ähnlichen Instrument,
das aber, einem Schustermaass ähnlich , einen
horizontal und vertikal verschiebbaren Arm
besitzt. Der verschiebbare Arm wird vertikal
nach der Höhe des Stirnbeins gestellt , seine
Spitzo berührt den Nasenwulst, während der fest-
stehende Arm den hervorragendsten Punkt des
Hinterhauptes tangirt.
Der auf diese Art gefundene gerade Längs-
durchmesser des Schädels wird bei gerader
Stirn parallel sein mit der Horizontallinie des
Schädels. Bei fliehender Stirn und geringem
Nosenwulst darf man jedoch nicht übersehen,
nur die Spitze der verschiebbaren Stange über
dem Nasen wulst anzusetzen. Geschieht dies nicht,
legt, sich der Schenkel an die Stirnfläche, so wird
das Maass nicht mehr jenem entsprechen, das
die craniometrische Conferenz mit dom „geraden
Längsdurchmesser“ im Auge hatte.
Auf den Antrag Prof. Welcker's hat die
Conferenz sich noch für die Aufnahme eines zweiten
1 Längsdurchmessers entschieden, der in die Maass-
tabelle aufzunehmen ist. Dieser II. Längsdurch-
| messer geht von der Int ert uberalmitte
zum vorragendsten Punkt des Hinter-
, hauptes und ist unabhängig von der erwähnten
Horizontalen.
Die Begründung betonte , dass eine sehr
, grosse Anzahl von Messungen vorliege, welche
j die Länge des Schädels nach der beantragten
Art festgestellt hätte. Man dürfe aber den Zu-
sammenhang mit den früheren Arbeiten nicht
ausser Acht lassen. Ohne eine solche Rücksicht
würden Resultate werthlos, deren Gewinn viele
Zeit und Mühe gekostet , und die au einem oft
geradezu nicht mehr erreichbaren Material fest-
gestellt worden seien. Dieser Gesichtspunkt ist
gewiss vollkommen gerechtfertigt, und fand denn
auch in der Weise Berücksichtigung , dass sich
sämmtliche Anwesenden verpflichteten, auch diesen
zweiten Längsdurchmesser in das Messschema auf-
zunehmen. Fassen wir die gefassten Beschlüsse
nochmals zusammen, so lauten sie:
1) Für die Messung der Länge des Crani-
ums wie für die Darstellung durch geometrische
Zeichnungen, Photographien etc., hat man sich
nach einer Horizontallinie zu richten.
2) Als Horizontalliuie gilt jene Gerade, wel-
che die tiefste Stelle der unteren Kante des Au-
genhöhlonrandes verbindet mit dem senkrecht Über
der Mitte der Ohrütfming gelegenen Punkt des
Meutus auditorius externus.
3) Mit Bezug auf diese Horizontale wird
eine Länge gemessen, welche von der Mitte des
Nasenwulstes bis zum vorragendsten Punkt des
Hinterhauptes reicht. Die Abnahme dieses Moasses
kann abgesehen von dem Spengel’schen Cranio-
meter noch mit dem Stangenzirkel eorrect abge-
nommen werden.
3) Es wird , um einen Vergleich mit den
früheren Längsmaassen fortzuerhalten, noch eine
zweite Länge gemessen, unabhängig von der Ho-
rizontalen. Sie reicht von der Intert uberalmitte
bis zum vorragendsten Punkt des Hinterhauptes.
Hiermit schloss die Conferenz in der Hoff-
nung, dass bald weitere Verhandlungen das be-
gonnene Werk zu Endo führen möchten.
Kollmann.
Sitzungsberichte der Localvereine.
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Dauzig vom 7. November 1877.
1. Der Vorsitzende legte zuerst die einge-
gangeneu Geschenke vor. Herr Suter hatte aus
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CI
Loebcz eine sorgfältige Beschreibung zweier Stein-
kistengräber und zweier darin gefundener Gesichts*
urnen übersandt, Hr. Pfeffer eine sch5n erhal-
tene broncene Pincette aus einem Urnengrabe
bei Mewe, Hr. Lampe mehrere sehr schön ge-
arbeitete indianische Pfeilspitzen aus verschiedenen
Theilen der W. St. Nordamerikas t Hr. Sachs
aus Cairo vier Mumienschädel und eine Menge
in der Wüste gefundene Feuersteinwaffen , Herr
Boy aus Katzke 'endlich den Inhalt eines Uraen-
grabes mit interessanten Bronzebeigaben.
2. Herr Dr. Mannhardt sprach über
mehrere von ihm geleitete Ausgrabungen in den
Kreisen Pr. Stargardt und Danzig. In der Pfingst-
woche dieses Jahres wurde in Gesellschaft des
Hm. Gutsbesitzer Gramms auf Rathsdorf der
auf dessen Grund und Buden zwischen Rathsdorf
und Miradow belegene, seit Alters so genannte
„Schlossberg“ untersucht. Derselbe bildet
ein 9 tu hohes Doppelplateau auf einer Halb-
insel des Pathensees , welche durch eine tiefe
Schlucht und einen zur natürlichen Schutzwehr
dienenden Hügel auch auf der Landseite von
dem dahinterliegenden Terrain isolirt und von
diesem aus nur durch einen schmalen Erdrücken
zugänglich ist. Ausserdem wird diese Seite der
Halbinsel in ihrer ganzen Ausdehnung (70 m)
auch noch durch einen 15 in über dem oberen
Plateau ansteigenden , künstlich aufgeschütteten
Wall abgeschlossen und vertheidigt, in welchem
der Spaten unter der oberen Humuslage eine
Culturschicht von 70 cm Mächtigkeit blosslegte.
Dieselbe enthält eine spärliche Beimischung von
Holzkohlen und viele zerbrochene Urnenscherben
grobkörnigen Materials, häufig sehr roth gebrannt,
oft mit Vorzierungen versehen, die aus eingeritz-
ten wellenförmigen oder horizontalen , parallelen
Linien bestanden. Keine Thier- oder Menschen-
knochen, keine Metallgerätke kamen zum Vor-
schein. Die ganze Situation entspricht genau
den als Wohnsitz lettischer Edeln in den letz-
ten Jahrhunderten des Heidenthums historisch
beglaubigten Burgbergen in Kurland und
ähnlichen Anlagen in Littauen und Ostpreussen.
Die Aufschüttung zerbrochener Scherben von
Hausgeräth und die denselben eingeritzten eigen-
thümlichen Verzierungen stimmen dagegen mit
dem Typus der Funde in den slavischen
Burgwällen , Pfahlbauten und Stadtanlagen aus
der Zeit des 8. bis 12. Jahrhunderts Uberein.
Es war somit der Ratlisdorfer Schlossberg ein
Burgberg, d. h. eine nach lettischer Bau-
weise hergestellte Burganlage, aber dereinst be-
wohnt und benutzt von Leuten , welche nach
slavischer Sitte lebten. Diese Mischung eth-
nographischer Charakterzüge entspricht genau
der geographischen Lage des Fundortes auf dem
Boden eines slavischen Volksstainmes , hart an
der Grenze eines lettischen Volkes, der Pome-
ranier. Ein Situationsplan und Zeichnungen der
gefundenen Töpferei erläuterten diesen Nachweis.
Einige Tage vorher fand die Untersuchung
mehrerer Steinkreise am Schwarzwasserfiuss süd-
lich von Bordzichow gegenüber den Ausbauten
von Ossowo statt. Dieselben erwiesen sich ganz
analog den von Dr. L i s s a u e r bei Krissan und
von Sanitätsrath Dr. Bohrend bei Meist erwalde
untersuchten Steinsetzungen. Nur einen einzigen
Steinring jedoch erwies die Nachgrabung als im
Innern noch einiger massen intact erhalten.
In einer Tiefe von 1 xJt m lagen auf dem
gewachsenen Boden mit den Füssen nach Westen
gekehrt zwei Skelette mit dolicbocephalen Schä-
deln, deren Maasse, soweit eine Feststellung
möglich war, mit. den Verhältnissen der Krissauer
Schädel und dem Typus der germanischen Reihen-
gräberschädel Ubereinstimmten. An der Seite
des einen Körpers lag das auch aus den genann-
ten Fundorten bekannte Eisenmesser. Ob ein
etwas oberhalb gefundenes Fragment einer Bronze-
scheide mit darin steckender eiserner Dolchspitze
zu den Skeletten oder zu den Begräbnissen der
oboren Lage gehörte , war nicht mehr auszu-
machen. Ueber den Skeletgräbern hatte nämlich
eine jüngere Zeit mehrere Urnen mit den Ge-
beinen ihrer Todten beigesetzt, deren durch eine
spätere Umwühlung des Bodens ausein anderge-
rissene Trümmer (Scherben, Knochen, Holzkohlen \
bis zu 1 m Tiefe sich vorfanden. Die Töpferei
war diejenige der Burgwftlle und genau Überein-
stimmend mit den auf dom Rathsdorfer Schloss-
berg gefundenen Stücken. Das sichere Ergebnis*
dieser Untersuchung in Verbindung mit den
Thatsacben der beiden anderen, genau entsprech-
enden Fundorte war mithin dies, dass eine Be-
völkerung mit slavischer Cultur es war,
welche hier mit einer gewissen Regelmässigkeit
ältere (vermuthlich germanische, vor saec.
VI angelegte) Begräbnisstätten aufs neue als
Friedhöfe benutzte.
In der Kurve, welche das Radaunenthal süd-
lich von Bölkau macht, erheben sich (bei Bölkau-
Ziegelscheune) drei Hügel von beträchtlicher Höhe
und bedeutendem Umfange. Der eine derselben,
welcher ein Areal von mehreren Morgen Umfang
umfasst, ist die Stätte eines grossen Heidenkirch-
hofes. In Folge einer an den anthropologischen
Verein gelangten gütigen Nachricht übernahm
Dr. Mannhardt im Aufträge desselben die
Untersuchung des Platzes, wobei ihn das Hebens-
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62
würdige Entgegenkommen des Besitzers Herrn
Th au mann fördernd unterstütze. Bei mehr-
maligen Excursionen, an deren einer die Herren
Walter Kauffmann und Dr. Kestner sich
l)etheiligten , wurden mit Hilfe angenommener
Arbeiter Ausgrabungen vorgenommen, aus denen
hervorgeht , dass der ganze Hügel auf seinem
oberen Abhange von einem doppelten , zuweilen
dreifachen Kranze von Steinkistengräbern um-
geben war, von denen der grössere Theil durch
den Pflug bereits völlig zerstört, ein anderer so
stark besch&digt war, dass eine genauere Fest-
stellung des Inhalts nicht mehr erfolgen konnte.
Doch gaben selbst an der Stelle der ersteren die
ausser einzelnen Decksteinen zahlreich vorhandenen
Scherben Gelegenheit zu einer interessanten
Sammlung durch Ornamente ausgezeichneter
Stücke, welche zu einer vergleichenden Gegen-
überstellung mit den Formen der Burgwalltöpferei
verwerthet werden wird. Es wurden circa 20
GiUber noch unversehrt vorgefunden , doch ge-
stattete die Feuchtigkeit des Bodens, nur wenige
Urnen unterbrochen ans Tageslicht zu fördern.
Die Begräbnisse gewährten durchwegs Bestätig-
ungen für den bekannten Charakter der Stein-
kisten. Mehrere derselben pflegten an einander !
zu stossen, dann folgten andere in 1 — 2 tu Ent- ‘
fernung. Ihre Langseite hielt die Richtung von
Nordwesten nach Nordosten und umgekehrt ein.
In jedem Grabe standen mehrere Urnen, meisten-
theils 2 bis 5. Die Mehrzahl war aus grobem
Material in randbauchiger Gestalt geformt und
ohne Verzierungen ; statt des mützenförmigen
Deckels war vielfach eine zu wirtschaftlichem
Gebrauch bestimmte Schale über den Obertheil
des Gefässes gestülpt. Zwischen den grösseren
Urnen standen zuweilen einzelne kleine (Kinder-
urnen) mit Knochen und Asche gefüllt. Kunst-
reichere Gefilsse (darunter Gesiehtsurnen) von
feinerem Thon , besserem Brande , eleganterer
Form , mit Verzierungen und Schmuck von
Bronzeringen , Glas- und Bernsteinperlen fanden
sich vereinzelt neben den einfacheren Urnen und
zwar in denselben Gräbern wie diese vor ; son-
stige Beigaben fehlten. Ein besonderes Interesse
nehmen drei Urnen in Anspruch. a) Die eine
derselben, aus feinem Thon , mit schön geglät-
teter. ins Schwärzliche spielender Oberfläche. 40
cm hoch, zeichnet sich durch ihre ausserordent-
lich geföllige Form und das Ebenmaass ihrer
Verhältnisse aus. Sie erreicht 8 cm über dem
Boden ihren grössten Umfang (88 cm), der zwei
und ein halb mal so gross als derjenige des
Bodens ist. Von da steigt sie, allmählich sich
verjüngend, mit zierlichem Halse empor , dessen
| obere Oeffnung um ein Sechstel hinter der Peri-
pherie des Bodens zurückbleibt. Wiederum 8 cm
unterhalb des oberen Randes beginnt um die
Brust der Urne eine Zeichnung von fünf paral-
lelen Strähnen , welche aus je drei parallelen
Linien bestehen , die durch Querstriche fein ge-
fiedert sind. Die Zwischenräume werden von
zwei zickzackförmigen Doppellinien ausgefüllt,
welche in der obersten Reihe und unterhalb der-
selben ebenfalls die federartigen Seitenstriche
zeigen. — Die beiden anderen Urnen gehören
zur Qasse der Gesichtsurnen , deren mehrere
weniger bemerkenswerthe zum Vorschein kamen,
b) Das erste dieser Gefässe, 28 cm hoch , trägt
an Stelle der Nase einen einfachen Knauf; die
Augen werden durch zwei Kreise , die Ohren
durch platte Erhöhungen mit je zwei Löchern
dargestellt , in denen die Ohrringe fehlen. Der
Mund ist nicht angedeutet. Von der Stelle unter-
halb der Nase , welche er einnehmen müsste,
laufen drei aus eingeritzten Punkten bestehende
Linien bis auf den Bauch der Urne hinab , die
am untersten Ende durch drei kürzere punktirte
Linien gekreuzt sind. Wir haben es hier
augenscheinlich abermals mit der
Darstellung eines lang hinabfallen-
den, im Untertheil d u rc h fl och t en en
Bartes zu thun; ein solcher muss, wie der
Vortragende schon früher an der Brücker Ge-
sichtsurne nachgewiesen hot , in dem Zeitalter
der Steinkistenbegräbnisse zur Tracht der hiesigen
Landeseinwohncr gehört haben. Der Bart legt
sich deutlich über eine andere Zeichnung in er-
habener Arbeit , welche aus kleinen , dos Ober-
theil der Urne umziehenden Strichelchen bestehend,
den Eindruck mehrerer auf die Brust herab-
hängender Halsketten gewährt. Auf dem Hinter-
kopfe bemerkt man zwischen einem eigentüm-
lichen, offenbar einen Hnlskragen abbildenden
Ornament die deutliche Darstellung eines Zopfes,
ein neuer Beweis dafür , dass auch dieser zur
Männertracbt gehörte, c) Die zweite Gesichts-
urne, 33 cm hoch, ist einfacher; sie zeigt keine
Augen, an Stelle der Nase einen Knauf, in den
Ohren je drei Löcher für Ohrringe; aber sie ist
bemerkenswert durch die Zeichnung von Hals-
ringen in Gestalt von sechs von Ohr zu Ohr tief
ein geritzten Linien.
3. Der Vorsitzende teilte ferner die Resul-
i täte seiner Untersuchungen über die etnologi-
I sehen Charaktere der Kassubenschädel und über
die Skeletgräber aus der jüngeren Steinzeit bei
Gross-Morin in Cujavien mit, Untersuchungen,
welche ausführlich in der Zeitschrift für Ethno-
logie veröffentlicht werden sollen.
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63
Sitzung des anthropologischen Vereins
zu Danzig vom 23. Januar 1878.
1) Zuerst berichtete Herr Oberpostsecretär
Schück Ober seine Ausgrabungen im Berenter
und Carthäuser Kreise. Herr Gutsbesitzer und
Postverwalter Kauenhoven in Neukrug, welcher
seit Jahren bemüht ist, die culturgeschichtlichen
üeberreste längst vergangener Zeiten im Interesse
der Wissenschaft zu heben und zu verwertlien,
unterstützte ihn dabei in sehr dankenswerther
Weise. In der Gegend von Neukrug selbst be-
finden sich eine grosse Reihe jener 15 — 20 Pass
hohen aus Steinhaufen bestehenden Hügel, welche
meistens nur einen reinen Steinbau im Innern
zeigen und wiederholt in den früheren Sitzungen
des Vereins als Malhügel angesprochen wurden.
Im Walde von Hornikau stehen dieselben so dicht
beisammen, dass sie den Anblick einer Damman-
lage gewähren. Nur in einigen Hügeln Östlich
von Neu-Hornikau hatten sich früher Skelette
gefunden, unter deren nach Osten gerichteten
Schädeln kleine, pfeilförmige Eisonstückchen lagen.
Nordöstlich von Neukrug, zwischen Schön-
fliess und Strippau, befinden sich noch Reste von
megalithischen Steinsetzungen, welche an die von
Herrn Dr. Lissauer bei Odri entdeckten erinnern
und ausserdem eine Menge von Steinkistengräbern
von der gewöhnlichen Beschaffenheit. Eine Urne,
welche aus einem Steinkistengrabe dicht bei dem
Dorfe Glndou gehoben wurde, enthielt nach der
bestimmten Versicherung des Finders die vorge-
legte römische Broncemünze aus dem zweiten
Jahrhundert nach Chr.
Von ganz besonderem Interesse ist ein Bronce-
eimer, welchen Herr Schück für die Sammlung
des Vereins erworben hat. Dieses merkwürdige
GofÜss ist vor 2 l[t Jahren von einem Arbeiter
aus Alt-Grabau beim Ausbessern eines Weges,
15 Kilometer nordöstlich von Berent, nahe dem
Vorwerk Carlahöhe, in einem Steinhaufen in ge-
ringer Tiefe gefunden worden. Es enthielt nur
verbrannte Knochen und Asche, ohne sonstige >
Beigaben, hatte keinen Deckel, befand sich über- ]
haupt damals wesentlich in demselben Zustande
wie heute. Diese Angaben hat der Finder Herrn i
Schück seihst gemacht.
Der Eimer geht nach unten konisch zu, ist t
aus zwei Stücken dickem geschlagenem Bronce- j
blech gearbeitet nnd an zwei Stellen der ganzen 1
Länge nach durch je 10 Broncenägel genietet, j
Diese Nägel haben von aussen sehr breite, ganz j
abgeplattete, dicht anliegende Köpfe von runder
Form, während sie nach innen viel stärker her-
vortreten und kleinere Köpfe haben, so dass sie
offenbar von anssen eingetrieben und durch Häm-
mern platt geschlagen sind. Am obern Rande
beträgt der Durchmesser 24 Centimeter, 2 1/t
Centimeter darunter 30 Centimeter, am Boden
151/* Centimeter: die Höhe des Eimers beträgt
33 Centimeter. Der Boden ist mittelst zweier
Klammern fest gehalten und durch aufgegossene
Bronce geflickt , oben befinden sich Reste von
oxydirtem Eisendraht, um welchen der obere Rand
des Gefftsses um gelegt und an welchem wahr-
scheinlich eiserne Tragbänder befestigt waren.
Die Patina ist ungleichmäßig schön hellgrün nnd
graugrün, letzteres besonders dort, wo der Finder
die Edelrostlage entfernt hatte. Am obern Rande
befinden sich mehrere Löcher, in denen früher
Nägel ihren Platz hatten.
Seiner ganzen Form und Arbeit nach gleicht
der Eimer, wie aus einer herum gereichten Ab-
bildung hervorgeht, einem solchen, welcher in
den Hallstädter Gräbern gefunden worden und
gegenwärtig in Wien aufbewahrt wird. Der
Hallstädter Eimer ist mit 2 Tragreifen und einem
Deckel versehen, auf welchem letzterem 2 Thier-
gestalten stehen ; aus der obigen Beschreibung
ist zu vermuthen, dass auch der Eimer aus Alt-
Grabau ursprünglich solche Tragreifen gehabt habe.
Ueber die Bedeutung dieser HalLstädter
Eimer hat sich in der neuen Zeit besonders Herr
Professor Vir chow wiederholt ausgesprochen. „Der
ausgezeichnetste Platz für diese Funde,“ sngt der
berühmte Anthropologe, „ist bis dahin immer
das Gräberfeld von Hallstadt in Ober-Oesterreich
gewesen, von wo eine ganze Reihe der wichtigsten
Kunstgegenstände schon früher bekannt geworden
sind. Ich erinnere namentlich an die Bronceeimer
oder Broncecysten, die aus geschlagener Bronce
bestehen, die nicht gelöthet, sondern genietet sind
mit grossen Nägeln. Solche Eimer finden sich
gerade in Hallstadt, zum Theil in sehr ausge-
zeichneten Exemplaren.“ „Zeigt sich nun, dass
solche Geräthe in einer Zeit gefertigt sind, als
man auch in Italien (von wo diese Eimer in die
Länder diesseits der Alpen importirt worden sind)
noch nicht die Knust des Löthens kannte, als
man auf beschädigte Stellen noch einen Flicken
aufsetzte, wie ein Arbeiter heut zu Tage sein
Beinkleid flickt, indem man ein Stück Blech auf
die Lücke aufnagelte, zeigt sich ferner, dass die
einfachsten Operationen, die sich später bei voll-
kommener Kenntniss der Behandlung der Bronce
auf flüssigem Wege ausführen liessen, in müh-
seligster Art durch Handarbeit und Anschlägen
mit dem Hammer bewerkstelligt worden sind, so
gelangt man mit seiner Rechnung in eine Zeit,
die ziemlich weit vor Christi Geburt reicht, aber
immer noch auf dem Boden der Eisenkultur liegt.“
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64
Ausser in Hallstadt sind solche Bronceeimer
wiederholt in Deutschland gefunden worden, öst-
lich von der Elbe aber nur 2 Mal. Die Meisten
derselben sind gerippt , indessen stimmt ihre
sonstige Technik so vollständig mit der an den
glatten Bronceeimorn von Hallstadt und Alt-
Grabau beobachteten überein, dass man ihre Fa-
brikation unbedingt in dieselbe Zeit setzen muss.
An diesen Vortrag knüpfte sich eine leb-
hafte Discussion, an welcher die Herren Fröling,
Mannhardt, Hein, Ahrens, Holz, Helm und Lissauer
Tbeil nahmen. Von der einen Seite wurde dar-
auf hingewiesen , dass der Fundbericht selbst
nicht von einem Sachverständigen herrühre, da-
her nicht allen Zweifel an seiner Wahrheit be-
seitige, während die Technik allein für das hohe
Alter nicht genug beweise, zumal eine chemische
Analyse der Bronce bisher fehle. Dagegen wurde
wiederholt und besonders von den Sachverständigen,
welche zu dieser Sitzung besonders eingeladen
worden, hervorgehoben, dass gerade die eigen-
tümliche Art des Nietens und Ausbesserns für
die uralte Fabrikation dieses Eimers spreche, und
dass die vollständige Aehnlichkeit desselben mit
den zahlreich in HaUstadt gefundenen in Form
und Technik es fast gew iss erscheinen lassen, dass
der bei Alt-Grabau gefundene Eimer derselben
Zeit entstamme, wie jene Hallstädter Bronce-
cysten. Uebrigens versprach Herr Stadtrath Helm
die Bronce und das zum Ausbessern verwendete
Metall chemisch zu untersuchen und das Resul-
tat der Analyse in einer der nächsten Sitzungen
mitzutheilen. Schliesslich ergab sich als Resul-
tat der Debatte, dass der Bronce-Eimer von Alt-
Grabau einer sehr frühen Periode der Bronce-
technik im Süden entstamme, dass er aber erst
in eitler späteren Zeit am Boden ausgebessert
worden sei.
Bei Neu-Grabau untersuchte Herr Schück
wieder einen Burgwall, welcher am Gr. Kaminer
See gelegen ist, eine Höhe von 23 Fuss hat und
einen Kessel umsckliesst, der die Ueberreste alter
Culturschicbt , wie Kohlen , Gefässscherben und
Brandschutt enthält. Die Kohlen waren so massen-
haft darin vorhanden, dass der Schmied des Orts
davon ganze Säcke voll zum Gebrauch mitnahm.
Am südlichen Tbeil des Sees, an welchem
das Dorf Mariensee liegt, hatte der Redner ferner
den etwa 150 Fuss hohen Schlossberg zum Gegen-
stand seiner Untersuchungen gemacht. Schon in
der Höhe von 80 Fuss stösst man auf einen
Vorwall, der beiuohe einen Halbkreis abschliesst.
Der Gipfel des Berges selbst ist von einem mäch-
tigen Wall von etwa 50 Fuss Höhe und 250
Fuss Umfang umgeben, welcher eine kesselförmige
f Vertiefung einschliesst : auf der östlichen Seit«
! des Berges ist eine zweite wallartige Aufschütt-
ung von geringem Umfange in Höhe von 30
! Fuss vorhanden. Der Hauptwall ist vielfach mit
Steinen durchsetzt, offenbar, um ihm grössere
Haltbarkeit zu verleihen. Von der Um Wallung
führt ein augenscheinlich alter Weg, von Steinen
umgrenzt, in südöstlicher Richtung zum See hinab.
Die Abfälle des Walles und des Berges nach dem
See und noch der Landseite zu sind sehr steil.
Der vom Walle eingeschlossene Kessel enthält
die Ueberreste zweier alter Anlagen. Am Rande
und in der Mitte fanden sieb ausser Holzkohle
zerstreut eine Menge Gefässscherben, welche zum
I Theil die charakteristischen Ornamente des Burg-
wall-Typus zeigen, während alte Mauerreste von
Ziegelsteinen auf spätere Festungswerke hinweisen.
i Die Geschichte berichtet uns über jene Aulagen
auf dein romantischen Schlossberg bei Mariensee
nichts, dagegen haben sich eine Reihe von Sagen
über dieselbe im Volksmunde erhalten , welche
[ Herr Dr. Mannliardt bereits in der „Altpr. Mo-
natsschrift “ 1866 publicirt hat.
Auch eine Menge für die Geschichte der
Stadt Danzig höchst interessanter Alterthümer,
welche bei dem Bau der neuen Trockendock-
Bassins der hiesigen kaiscrl. Werft ausgegraben
worden sind, demonstrirte Hr. Schück; indes*
gehen wir hier nicht näher darauf ein, weil die-
! selben kein prähistorisches Interesse haben.
2) Der Vorsitzende Dr. Lissauer machte so-
j dann Mitheilung von der Auffindung zweier an-
geblich phünizischer Inschriften auf nordeuropäi-
schem Boden. Vom slavischen Archäologen-Con-
gress in Kiew 1874 brachte Dr. H. Wankel in
Wien die genaue Copie eines dem Fürsten M. A.
Korsakow in Smolensk gehörigen pyramidalen
Granitblockes mit, welcher die Spitze eines im
Jahre 1873 in einem Walde bei Pneysche, Gou-
vernement Mohilew, entdeckten Steinhügels ge-
bildet hat und an zweien Flächen mit Schrift-
zügen unbekannter Art bedeckt ist. Dr. Aloys
Müller, Bibliothekar in Olmütz, erkannte in diesen
Charakteren, nachdem von sachkundiger Seite
festgestellt war, dass sie keine Runenzeichen seien,
altphöüizische Buchstaben und versuchte eine
Lesung der einen Inschrift , welche den Sinn :
„Denkstein des Baal. Hier haben wir ’s einge-
meisselt* ergeben soll. Die zweite längere In-
schrift vermochte er nicht zu entziffern. Die Ver-
öffentlichung dieser Entdeckung des Dr. Wankel
in den Mittheilungen der anthropologischen Ge-
sellschaft zu Wien 1877 veranlasste den Vorstand
der nordisch -germanischen Altert humssammlung
in Oldenburg das Photogramin eines auf einer
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Römerstrasse bei Lohne im südlichen Theile des
Grossherzogthums Oldenburg gefundenen durch-
löcherten Bernsteinstückes , welches am Rande
eine räthselhafte Inschrift zeigte, ebenfalls Herrn
Dr. Al. Müller zur Untersuchung zu Übersenden.
Demselben gelang es zwar nicht olle Theile der
Inschrift zu entziffern, doch erkennt er sie für
phönizisch und will den lesbaren Lautgrnppen
den Sinn beimessen „Jatcha (Eigenname) bot es
gebohrt in Tyrus.“ Dr. Much publicirte diese
Entzifferung Müllers ebenfalls in den Mittheilungen
der Wiener anthropologischen Gesellschaft 1877.
Wäre die palUographische und sprachliche Er-
klärung des Olmfttzer Gelehrten gesichert , so
würde der Smolensker Fund von grosser Wichtig-
keit sein, und zur Lösung der Streitfrage, ob Phö-
nizier bis in unsere Gegend kamen , einen be-
deutsamen Beitrag gewähren , da er in einer
Gegend gemacht ist, wo das Flussgebiet des
Dnjeper und der zur benhsteinreichen Ostsee ab-
fliessenden Düna sich berühren.
Von dem Vorsitzenden dazu aufgefordert,
liess Dr. Mannhardt diesen Mittheilungen zur
ErlHuterung eine kurze Auseinandersetzung Über
Sprache, Schrift und Epigraphik der Phönizier
folgen. Die Sprache dieses grossen Handelsvolkes,
die Schwester des Hebräischen, Arabischen, Syri-
schen und der von den herrschenden Völkern in
Assyrien und Babylon gesprochenen Idiome, ist
in ihrer Heimnth schon unter der Herrschaft der
Seleuciden durch die hellenische Weltsprache ver-
drängt ; in Karthago und dessen Colonien erhielt
sie sich als lebende Volkssprache, auf der ganzen
Nordwestküste Afrikas als eine internationale Ver-
kehrssprache neben dem Lateinischen bis ins fünfte
Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die reiche
Literatur dieser Sprache ging verloren, aber die
letztere lebt in zahlreichen Inschriften fort, welche
mit eigentümlichen Schriftzügen in Steine ein-
geritzt sind. Diese phönizischen Schriftxeichen
waren bekanntlich die Ahnen der heutigen lateini- '
sehen , deutschen und russischen Schreib - und
Druckschrift, wie in früherer Zeit schon das alt-
indische, hebräische, griechische und altitalische
Alphabet sarnrat den altgermanischen Runen theils
unmittelbar, theils vermittelt aus ihnen hervor-
gingen. Das älteste und zugleich umfangreichste
Denkmal altphönizischer Schrift und Sprache ge-
währt die Siegessäule eines Königs Mesa von |
Moab aus dem 10. Jahrhundert v. Ohr., ein vor
einem Jahrzehnt bei Diban im Ostjordanlande J
entdeckter Granitblock. Dieser unberechenbar ,
wichtige Fund von unzweifelhafter Echtheit hat 1
den Anlass zu den neuerdings so viel Aufsehen
erregenden Fälschungen moabitisclier Alterthümer
gegeben. Ebenfalls alt ist die Inschrift auf dem
Sarkophage des sidonischen Königs Eschmunazar,
entdeckt im Jahre 1856- Ans dem 4. Jabrh. v.
Chr. besitzen wir ein das Opferritual eines phö-
nizischen Tempels in Marseille enthaltendes Epi-
graph. Derbei weitem grösste Theil aller sonstigen
in Kanaan selbst, in Cypern, Cilicien, der Sinai-
halbinsel Malta, Athen, Sieilien, Sardinien, auf
der nordafrikanischen Küste von Cyrene bis Nn-
midien und in Spanien , vereinzelt sogar auf
ägyptischen Kolossen in Nubien aufgefundenen
Inscriptionen der Phönizier ist viel jüngeren Da-
tums und reicht bis in die römische Kaiserzeit
herab. Darunter befinden sich einzelne drei-
sprachige, in phönizischer, griechischer und lateini-
scher Fassung. In einer solchen, die 1860 ge-
funden wurde, bezeugt u. A. der Aufseher der
Salzwerke in einer noch unter der Römerherr-
schaft in Sardinien bestehenden und von eigenen
Obrigkeiten (Richtern, Suffeten) verwalteten phö-
nizischen Ansiedelung, ein Grieche von Nationali-
tät, Kleon, dass er dem Heilgotte Esmnn (Aes-
kulap) einen Altar von 100 Pfund Kupfer ge-
weiht habe. Dem längeren Fortleben der phö-
nizischen Sprache in Karthago nnd dessen Colo-
nien entsprechend ist der Boden von Tunis und
Algier weit ausgiebiger an Alterthumsdenkmälern
der in Rede stehenden Art, als das asiatische
Mutterland. Während Mowert 1848 erst 15 kar-
thagische Inschriften kannte, konnte Baron von
Malzan 18G8 deren 59 allein aus tonischen Samm-
lungen veröffentlichen. Ihrem Inhalte nach be-
steht die überwiegende Mehrzahl aller phönizischen
Inschriftsteine aus Grabstelen und Votivsteinen,
auf welchen ein mit. Namen und Würde genannter
Gläubiger den Gottheiten Tanit (Juno) , Baal-
Haamon (Herakles) oder Esmun (Aeskulap) Dank
darbringt. Hiezu kommen phönizische und pu-
nische Münzlegenden und einige kleinere Auf-
schriften auf geschnittenen Steinen und Gefttssen
an verschiedenen Orten der Welt, gefunden. Aus
diesen Thatsachen erhellt, dass an und für sich
ein Stein und eine Inschrift von der Art de«
Sinolensker Fundes nicht, beispiellos wäre, und
dass genügende Hilfsmittel vorhanden sind, um
zu entscheiden, ob eine Inschrift die charakteri-
stischen Merkmale der phönizischen Schrift besitze.
WTonngleich nun die Aehnlichkeit einiger weniger
Zeichen der Smolensker Inschrift mit phönizischen
Buchstaben auf der Hand liegt, so ist damit noch
keineswegs der Beweis geliefert, dass die Schrift-
art wirklich phönizisch sei. Mann har dt ist viel-
mehr der Ansicht, dass die Zeichen der Smolensker
Inscription, seien sie nun Buchstaben, H aasmarken
oder Steinmetzzeichen, in irgend welchem histori-
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oogl
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sehen Zusammenhänge mit einer älteren Spross-
form des altphönizischen Alphabets stehen, dass
aber über ihre Bedeutung, die Zeit ihrer Ent-
stehung und das Volk, welches sie einritzte, vor-
läufig nichts festzustellen sei. Am nächsten verglei-
chen sich die Zeichen auf einer in Käbelich (Meck-
lenburg) gefundenen Urne , die ihnen noch viel
ähnlicher sind als den Einritzungen auf der soge-
nannten Danziger Runenurne. Uebrigens hat sich
der berühmte Orientalist Dr. Wetzstein in Berlin
bereits mit Entschiedenheit gegen die Deutung
A. Müllers als eine paläographisch wie sprach-
lich unmögliche ausgesprochen.
3) Der Vorsitzende liest ferner eine Abhand-
lung des Dr. Much in Wien über die Kainene
babe (Steinmutterchen) im südlichen Russland
vor. Es sind das Steinfiguren auf den zahlreichen
vorgeschichtlichen Grabhügeln (Kurganen) in dem
Gebiete zwischen den Flüssen Dnjepr und Don,
zwischen Charkow und der Krim, Porträtstatuen,
welche mit den Händen in der Höhe des Gürtels
ein becherartiges Geföss halten. Dieselbe charak-
teristische Handlung zeigen einige neuerdings
(1871) in Spanien ausgegrabene Gräberstatuen,
sowie die Mittelfigur der von einem spätgriechi-
schen Künstler gearbeiteten goldenen Trinkschale
des zu Petreosa in Rumänien gefundenen Schatzes,
der nach Ausweis eines mit gothischen Runen
beschriebenen Goldringas einst gothisches Besitz-
thum gewesen zu sein scheint. Du nun Süd-
russland im 4. Jahrhundert n. Chr. eine Zeit
lang von Gothen bewohnt war, von denen ein
Rest mit eigener Sprache, über welche Dr. Mann-
hardt eine Untersuchung veröffentlicht hat, sich
bis in die Zeit des dreißigjährigen Krieges er-
hielt, da in Spanien und Rumänien ebenfalls
zeitweise Gothen hausten, so stellt Dr. Much die
Hypothese auf, dass jene Steinfiguren ein Gräber-
schmuck dieses Volkes gewesen dein mögen. Die
Sache hat für uns ein Interesse, weil auch unsere
Gegend einmal ein GothensiU gewesen ist.
4) Endlich besprach Herr Oberstabsarzt Dr.
Fröling nach einer von ihm ausgeführten Zeich-
nung ein bei St. Goar am Rheine gefundenes
Denkmal aus rothem Sandstein von circa 6 Fass
Hüh<-, welches ein roll gearbeitetes Gesicht, eine
Art Kopfbedeckung und ganz eigentümliche Ver-
zierungen zeigt, dessen Ursprung indess bisher
nicht sicher festgestellt werden konnte.
Verhandlungen der Berliner Gesell-
schaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte.
Sitzung vom 17. Februar 1877 (Schluss).
Wendische Volkswagen der Niedorlausitz. Vecken-
Schluss der Redaction am 26. Juli. — Druck d
stedt (Schluss). — Peruanischer Mumienkopf
mit silberner Maske und Thontopf, mit Maiskolben
verziert. Bastian, S. 112.
Sitzung vom 17. März 1877. Neue Mitglie-
der S. 113. — Erste Idee der Gründung einer
amerikanischen anthropologischen Gesellschaft.
Matile, S. 113. — Cerarn und seine Bewohuer.
Schulze, S. 113. Yirchow, v. Martens, S.
122. — Alte Gräber auf der Kosse bei Gera.
(Hierzu Taf. X.) Liebe, S. 122- Virchow, S.
126. — Eingeborene Süd-Chiles. Martin, S. 126.
— Schädel und Geräthe aus den Pfahlbauten von
Au vernier, Sütz und Möringen ( Neuen burgor und
Bieler See), namentlich eine Trinkschale aus einem
menschlichen Schädeldach. (Hierzu Taf. XI.) Y i r-
chow, S. 126. — Geschenko S. 142.
Ausserordentliche Sitzung vom 7. April 1877.
Feier der Anwesenheit des Kaisers von Brasilien,
S. 143. — Anthropologie Amerika’s. Virchow,
S. 144.
Kleinere Mittheilungen.
Delix Station# lacustres Moerigtn ct Au-
vernier. Ejhxjuc du bronec. Douze pianches Pho-
tographin ueä figurnnt envirun 400 objecto dorai-
grandeur avec notes et explications en regard par
lo Dr. Victor Gross. Neuveville imprimerie de
A. Godet. 1878. in Folio.
Wer die herrliche Sammlung von Pfahlbaufunden
aus der Bronzeperiode des Hrn. Dr. Gross in Neuveville
kennt oder Gelegenheit hatte, die auf die VIII. Haupt-
versammlung der deutschen anthropologischen Gesell-
schaft in Constanz im September 1877 mitgebrachten
l und gütige! zur Schau gelegten Fundstücke zu bewun-
dern, wird darüber erfreut sein zu erfahren, dass Hr.
Dr. Gross dieselben auf 12 prachtvollerstellten photo-
tographischen Blättern mit erklärendem Text in einer
Mappe herausgegeben hat. Er hat noch eine Anzahl
dieser Exemplare zur Abgabe zur Hand, und sind dieselben
von der obenerwähnten Buchhandlung zu dem Preis von
33 Mk. zu beziehen.
Ludwig Reiner.
Den Besuchern der Constanzer Versammlung,
I sowie Allen, welche sich für die Frage nach der
| Aechthoit der Thayinger Funde interessiren,
diene zur Nachrioht, dass ich in dem renommirten
I Geschäft von A. Stotz hier die beiden werth-
■ vollsten Stücke der Museen von Constanz und
I Schaffhausen (den Moschusochsen und das Doppel-
köpfchen) in galvanoplastischem Silberniederschlag
fertigen liess. Das Stück kostet 2 Mk. 50 Pfg.
Auftträge vermittle ich gerne.
Stuttgart im Januar 1878.
Hr. 0*t«r l'nuls. _
- Akademischen Buchdruckerei F. Straub in München.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Jiedigirt von Professor Kollnutnn in Basel,
OiMtraUterttür dtr Qtutiaeka/L
Nr. 8.
Erscheint jeden Monat
August 1878.
Sitzungsberichte der Localvereine.
Sitzung des anthropologischen Ver-
eins zu Danzig vom 12. April 1878.
1. Für die Sammlung gingen folgende Ge-
schenke ein. Herr Bölke in Bamewitz über-
sandte durch Herrn Kauffmann eine Speerspitze
aus Knochen, welche er 4 Fuss unter der Erd-
oberfläche neben einem verkohlten Holzschaft und
Knochen von Hirsch und Fuchs gefunden hatte ;
Herr Apotheker Roh leg er aus Putzig ferner
durch Herrn Helm eine dort gefundene grössere
Fischangel von Bronze; Herr Jungfer endlich
eine Silbermünze aus der Zeit des Königs Ethelred
von England. Herr Helm machte ferner Mit-
theilung über einen grösseren Münzfund in Polchau
bei Putzig, der ausser andern alten Münzen auch
einen byzantinischen Solidus enthielt.
2. Der Vorsitzende referirte über die neu
eingegangenen Schriften von Engelhardt in Ko-
penhagen (Skelotgrave paa Sjaeland og i det
ostlige D anmark), von Grube in Dorpat (Anthro-
pologische Untersuchungen an Esten) und von
Virchow (Zur Craniologie Illyriens).
3) Herr Dr. Voss, Gustos der nordischen
und ethnographischen Abtheilung des Berliner kgl. |
Museums, hat neuerdings sehr scharfsinnige und
fruchtbare Untersuchungen angestellt, welche ein
neues und unerwartetes Licht über mehrere bis
dahin räthselhafte Darstellungen an vielen Ge-
sichtsurnen verbreiten. Dr. Mannhardt er-
stattete darüber Bericht mit besonderer Berück-
sichtigung der in unserer hiesigen Sammlung be-
findlichen GefÄsse ; die Güte des genannten Herrn
batte ihn ausserdem in Stand gesetzt , seinen
! Vortrag durch die noch unveröffentlichten Zeich-
| nungen mehrerer ausserpreussischen FundstUcke
; zu erläutern.
Zwei neue Erwerbungen des k. Museums
l aus dem Regierungsbezirk Bromberg gewährten
| nämlich im Verein mit der mehrfach beschriebenen
von Herrn W. Kauffmann in Schäferei, Kr.
Danzig, gefundenen Urne die Mittelglieder, durch
| welche die auf Anderen Exemplaren wiederholten,
; aber undeutlicher gezeichneten, in ihrer Lage ver-
schobenen oder durch Verkürzung oder Vermisch-
ung entstellten Figuren als das, was sie sein
sollen, klar erkennen lassen. Es sind das eine
Gesichturne aus Tlukom , ehemals im Besitz des
Bauraths Crüger zu Schneidemühl, und ein eben
solches Gefäss aus dem Kreise Czarnikau. In der
Tlukomer Urne fand man zwei eiserne Nadeln
mit rundem Knopfe und wellenförmig gekrümmtem
Halse , auf der Brust der Urne selbst gewahrt
man eine getreue Abbildung derselben. Daraus
erklären sich die an vielen anderen Gesichts-
urnen unterhalb des Gesichtes eingeritzten hori-
zontalen Striche, welche in kleine Kreise aus-
laufen . ebenfalls als Andeutung der zur Tracht
des Verewigten gehörigen Brustnadel. Auch das
Czarnikauer Gef&ss hat diesen Zierrath, ausser-
dem aber unter den Ohrzipfeln je eine senkrechte
Linie abwärts , welche in je drei kurze diver-
girende Striche ausläuft , die auf der rechten
Seite der Urne noch von zwei parallelen horizon-
talen Strichen gekreuzt werden. Dies ist nach
Ausweis der Urne von Schäferei eine abkürzende
Darstellung der beiden Hände, deren rechte zwei
Speere oder Jagdspiesse hält. Auch diese Figur
wiederholt sich auf mehreren Exemplaren, so je-
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dock, dass die Stellung der speertragenden Hand
verändert ist. Mehrere Male führte sie auch
noch einen Jagdhund an der Leine.
Für diese neuen Erkenntnisse bietet die an
Gesiebt surnen reichhaltigste Sammlung , unsere
Danziger, reichliche Bestätigungen. Nachdem
auf diese Weise mit Evidenz festgestellt ist, dass
auch die scheinbar accidentiellen Ornamente der
Gesichtsurnen in typischer Weise Zubehör der
jedesmaligen Tracht oder des Habitus des Be-
statteten vergegenwärtigen , gewinnt auch die
Deutung der bisher für Sonne, Hausthür, raupen-
artiges Thier angesehenen Zeichnungen auf Gegen-
stände der Kleidung oder des Schmuckes (franzen-
besetzte Halsöffnung eines Dolmans . Tasche, mit
Troddeln behängte Fibula) hohe Wahrscheinlich-
keit. Besonders interessant ist der Nachweis,
dass der auf den Gesichtsurnen abgebildete Hals-
schmuck verschiedenen Vorbildern in der Wirk-
lichkeit und zwar sowohl mehreren von W o r s aa e
und M o nt e 1 i u 8 veröffentlichten schwedischen
und dänischen , besonders aber einigen in der
Neumark , Westpreussen und Posen gefundenen
Bronzecolliers entspricht, welche das Gemeinsame
haben , dass sie aus mehreren hinten in eine
Spitze zusammenlaufenden oder in ein breites als
Schloss dienendes Rückenstück endigenden Reifen
bestehen. Namentlich die letztere Art, von wel-
cher Exemplare in Gluckau bei Danzig und
Przustkowo bei Posen gefunden wurden, ist sehr
deutlich auf Geffcsen unserer Sammlung erkenn-
bar. Es ist die Anwendung der in der klassischen
Archäologie ausgebildeten Methode der Denkmäler-
vergleichuug, auf die Gegenstände des prähistori-
schen Kunsthandwerks im Norden , welche diese
schönen und wichtigen Ergebnisse bereits geliefert
hat und noch weitere verspricht.
4. Hierauf hielt der Vorsitzende Dr. L i s s a u e r
folgenden Vortrag über die Vorgeschichte des
Culmer Landes.
M. H. ! Gestatten Sie mir zunächst im Na-
men des Vereins den Herrn Provinziallandtags-
Abgeordneten f Landrath v. Sturnpfeld aus
Culm als unsern Gast zu begrüssen , den Maun,
der seit dein Bestehen unseres Vereins so viel
luteresse fiir unsere Bestrebungen gezeigt und
unsere Sammlung so reich beschenkt hat, dass
wir in derselben eine eigene Abtheilung für das
Culmer Gebiet schaffen konnten. Es gereicht mir
daher zu einer ganz besonderen Freude, heute in
seiner Gegenwart vor Ihnen die Schätze, die er
für uns gesammelt, in ihrer Gesommtheit auszu-
breiten, und so ein wenig deu Schleier zu lüften,
der uns bisher die vorgeschichtliche Zeit des
Culmer Landes verdeckt hat. Mohr allerdings,
wie eine Skizze zu geben von den vorchristlichen
Einwohnern dieses Gebiets, ihren Sitten und ethno-
logischen Beziehungen überhaupt, ist trotz des
verhältnissmässig reichen Materials nicht möglich,
da ich Ihnen nur Thatsächliches anführen will und
was sich aus diesen Thabsachen von selbst ergiebt.
Nach der allgemeinen Annahme aller For-
scher macht die Kenntniss und Verwendung des
Metalls für die menschlichen Culturbeziehungen
eine so scharfe, natürliche Grenze, dass man mit
Recht diejenige Zeit eines Volkes , in welcher
dasselbe nur Steine zu seinen Waffen und Werk-
zeugen zu verwenden weiss, die Steinzeit, als
seine älteste Culturepoche von der Metallzeit
scharf trennt. Zum Nachweis einer solchen Epoche
1 in einem Bezirke genügen aber nicht einzelne.
wenige Funde von Artefacten aus Stein. Es ist
i dazu erforderlich , dass eine verhältnissmässig
grosse Zahl von solchen Funden in dem betreffen-
den Bezirk bekannt geworden ist, besonders auch
von solchen, welche die Zeichen ihrer mühsamen
Fabrikation und wirklichen Benutzung an sich
tragen. Und diesen Beweis hat das alte Culmer
Land geliefert. In dem Gebiete, welches von
der Weichsel, der Drewenz , der Ossa und jenem
Waldrevier, welches von den Quellen der Ossa
zur Drewenz hinzieht, eingeschlossen wird , sind
in der That auffallend viele Steinwaffen und In-
strumente gefunden worden : auf unserer prähi-
storischen Karte dieses Gebiets sind allein über
50 verzeichnet. Erwägt inan nun , dass minde-
stens ebensoviele Funde in den verschiedenen
Sammlungen der Provinz zerstreut sind , weiche
ich noch nicht habe eiutragen können , so weist
dies auf einen einst sehr verbreiteten Gebrauch
dieser Werkzeuge hin. Und diese grosso Zahl
stammt nicht etwa von einer einzigen, sondern,
wie Sie auf der Karte sehen, von verschiedenen
durch das ganze Gebiet zerstreuten Fundstätten
her, wenngleich dieselben an einzelnen Stellen
wie Kulm, Graudenz, Wangerau, Ramuttken, be-
sonders aber Briesen, besonders häufig sind. Da-
runter finden sich, wie Sie sehen, mehrere recht
tüchtig abgenutzte, mehrere mit wiederholter Bohr-
ung, einige mit begonnener unvollendeter Bohrung.
Für die Art der Bohrung sind einige Exemplare
besonders lehrreich.
Bekanntlich hat man lange gezweifelt, ob
es überhaupt möglich ist, ohne Benutzung des
Metalls so harte Steine zu durchbohren : allein
heutzutage ist dies Uber alle Zweifel erhoben.
Wallace, der bekannte Reisende, sah, wie die
Eingeborenen Südamerikas harte Nephrite und
Quarze bis zu 8 Zoll Länge mit Hilfe eines
Bananenschösslings, der quirlförmig gedreht wurde
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und mit Hilfe von Sand und Wasser durch-
bohrten oder vielmehr durchschliffen. Freilich
brauchten sie zur Durchbohrung eines Steines
oft viele Jahre. Dr. Rau in Newyork durch-
liohrte mit einem von den Indianern benutzten
Geräth ein Steinbeil in ungefähr 2 Jahren oder
mit Abrechnung der Unterbrechungen in etwa
vior Monaten bei zehnstündiger Tagesarbeit. Allein
Graf Wurmbrand hat auch in den Funden der
Pfahlbauten die einzelnen Stücke eines primitiven
Steinbohrapparats gefunden und denselben daraus
so vollständig zusammengesetzt , dass er einen
Serpentin damit durchbohren konnte, auch durch
Vergleichung des Bohrers mit den Bohrlöchern
wirklich bewiesen, dass die Pfahlbauer einen solchen
Apparat benutzt haben, durch welchen Übrigens
das Loch nicht aus geschliffen, sondern ein ganzer
Cylinder gleichsam herausgeschnitten wurde.
Sie sehen in unserer Sammlung beide Arten
der Bohrung in schöneu Exemplaren vertreten.
Wenn man hiernach erwögt , wie viel Zeit und
Arbeit die Bohrung eines solchen Steininstruments
erforderte , so wird man ermessen , wie kostbar
der Besitz eines solchen Stückes für den Menschen
der Steinzeit sein musste.
Der Form nach haben wir Aexte, Meissei
und Hämmer vertreten , dem Material nach
Feuerstein, Diorit oder andere Gesteine, welche
in den Geschieben der Gegend Vorkommen. Ein
Gestein , welches dort nicht vorkommt, also auf
etwaigen Verkehr mit fernen Gegenden hinwiese, ist
in den uns bekannten Funden nicht vertreten.
Ueber die Menschen selbst, welche sich mit
diesen primitiven Geräthen behelfen mussten,
wUsen wir bisher nur wenig. Während bei
Graudenz ein Urnengrab , welches als Beigabe
ein Feuersteinmesser und einen Meissei aus
Gneis enthielt, aufgedeckt wurde , enthielt ein
Grab bei Briesen, welches bei dem Eisenbahnbau
geöffnet wurde , zwei Skelette und einen Feuer-
steindolch : der Letztere und ein Schädel kamen
in die Sammlung der physik. ökonomischen Ge-
sellschaft nach Königsberg. Dieser Schädel ist
nun ein stark brachycephaler und hat nach der
Untersuchung von Wittich’s in seinen Ver-
hältnissen viel Aehnlichkeit mit Schädeln der
dänischen Steinzeit. Indess sind diese Materialien
zu spärlich, als dass wir darauf irgend einen
sichern Schluss bauen könnten.
In Deutschland gewinnt die Ansicht immer
weitere Verbreitung, dass die nordeuropäischen
Völker die ersten Geräthe aus Metall von den
Völkern des Mittelmeeres in den letzten Jahr-
hunderten vor Christi Geburt erhielten und zwar
merkwürdiger Weise zuerst vorherrschend Waffen
aus Bronze, Schwerter, Gelte, Palstäbe, und das
in so grosser Menge, dass in einzelnen Gegenden
eine wirklich erstaunliche Zahl dieser Zeugen des
ältesten Verkehrs gesammelt worden sind. Von
solchen Bronzewaffen ist bisher im Culmcr Lande,
soviel uns bekannt ist , nichts gefunden worden.
Auch die Zahl der Gräber , welche wir in den
benachbarten Gebieten Westpreussens in die
Uebergangszeit der Bronze- und Eisenzeit setzen,
dor Steinkistengräber , ist in diesem Gebiet ver-
hältnissmässig gering; uns sind Steinkistengräber
nur bekannt geworden in Lunau , Wroclawken,
Alienrode und Blandau , welche sich in ihrem
Bau und ganzen Verhalten von den ähnlichen
westpreussischen nieht unterscheiden. Dem ent-
sprechend sind Gesichtsurnen im Culmer Lande
auch nur selten gefunden worden.
Dagegen mehren sich schon die Zeugen des
Verkehrs in den ersten Jahrhunderten nach Christi
Geburt und es scheint, als ob für das Culmer
Land dasselbe gilt, was Grewingk für die
russischen Ostseeprovinzen angibt , dass nämlich
hier die Steinzeit bis in das sogenannte Eisen-
alter, d. i. bis in die erste Zeit nach Christi
! Geburt hinreichte.
Einer der interessantesten Funde aus dieser
Zeit ist nun die Bronzeschüssel von Steinwage.
Vor längerer Zeit fand nämlich Herr Krahn
bei Feldmark Ruda in einem Hügel verschiedene
Gläser, kleine Thongefässe, einen Eimer mit Bü-
geln und die vorliegende grosse Schüssel aus
Bronze mit 2 Henkeln. „Die Technik dieses
I Gefässes**, schreibt das deutsche Gewerbe-Museum
! in Berlin , „ist merkwürdig und kommt ähnlich
auf einem Eimer im Antiquarium des konigl.
' Museums vor. Es war zuerst versilbert und
| dann waren die Figuren und Ornamente wieder
| vom Silber blossgelegt, so dass der Bronzegrund
! wieder herauskam. Jetzt ist bis auf wenige
| Stellen dies Silber horuntergesebeuert. Die Dar-
| Stellung auf dem Grunde der Schüssel zeigt im
j äusseren Rande Gladiatoron , welche von einem
| Priester (?) zu einem bekränzten herrnenartigen
Götterbild geführt werden. Die Tracht des Prie-
1 sters und die phrygische Mütze des Bildwerks
deuten auf einen der asiatischen Culte, welche
in spätrömischer Zeit sehr verbreitet wareu. Das
Mittelbild zeigt den Raub einer Frau in einer
ähnlichen Darstellung, wie es für den Raub der
| Proserpina durch Pluto üblich ist. Hier aber
| ist durch Körperorscheinuug und die Keule Her-
! kules als der Raubende gemeint. Das Geftlss
gehört augenscheinlich der spätesten römischen
Zeit, wohl dem 3. bis 4. Jahrh. n. Chr. an.
Nicht viel jünger ist das Gräberfeld von
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Fodwitz. Hier fand vor etwa 5 Jahren Herr
Schulze-Stelter beim Abtragen der Uneben-
heiten seines Feldes einen alten Begräbnisspl&tz,
der durch Steine begrenzt und etwa 14 Schritte
breit und 20 Schritte lang war. An dem nord-
östlichen Winkel dieser Fläche befand sich eine
Steinlage, auf welcher Asche und Kohle beson-
ders dicht angehäuft waren , während in der
Mitte gegon 30 Urnen , etwa 1 */* Futt unter
der Oberfläche, in der Erde standen, ohne jede
Steinumsetzung, also weder mit Steinplatten noch
mit gewöhnlichen Kopfsteinen umstellt waren,
ln diesen Urnen befanden sich 2 Fibeln, 2 Bronze-
schnallen, der Ueberrest eines Bronzegefässes, an
dessen Boden 3 concen tri sehe Kreise, welche für
römische Arbeit charakteristisch sind , sich be-
finden, wie wir dieselbe an der schön erhaltenen
Münsterwalder Bronzeurne genau kennen gelernt
haben und endlich ein Bronzesporn, genau von
derselben Form wie der Sporn in der Münster-
walder Urne. Wir haben daher hier ein zweites
Zeugniss von dem römischen Handelsverkehr mit
dem C'ulmer Lande aus dem älteren Eisen alter.
Auch in Grubno sind Urnengrüber mit Eisen
und Bronze gefunden worden, ebenso in Cymberg
Armbänder und Ohrringe aus Bronze nebst einem
Denar der Faustina junior, Beigaben, welche auf
einen weiteren Verkehr mit den südlichen Län-
dern hin weisen.
In der neueren Zeit Ist bei Briesen in einer
Sandgrube ein heidnisches Grab aufgedeckt wor-
den, welches Skelette und Thongeffcsse enthielt
nebst schönön Perlen und Fibeln aus Bronze,
welche die Charaktere des älteren Eisenalters
zeigen. Herr von Stumpfeld hat durch pro-
tokollarische Vernehmung der Finder die Fund-
geschichte constatirt und die Beigaben und Schädel
gerettet. Die letzteren , welche ich noch nicht
untersucht habe , versprechen uns einigen Auf-
schluss über die Bewohner des Culmer Landes
in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung,
während wir durch die Ausgrabungen bei Kaldus
Weits über die anthropologischen Beziehungen
derselben am Ende des vorigen Jahrtausends
einigermassen aufgeklärt sind. Bevor wir aber
zu dieser grossen Fundstätte selbst übergehen,
gestatten Sie mir eine Keibe von alten Befestig- !
ungen zu erwähnen, welche sich längs der Gren-
zen des Culmer Landes hinziehen.
Zuerst finden wir nach Norden hin an der
Grenze gegen die alten Pruzzen , längs der Ossa
eine Reihe von Burgbergen, welche offenbar ein
zusammenhängendes System von Vertheidigungs-
werken bilden. Da haben wir nicht weit von
der Quelle dieses Flusses den Wall von Thimau,
dann den Wall am See von Plowen, dann
den Wall von Leistenau , von Schwetz und die
2 Wälle von der Slup'schen Mühle zu beiden
Seiten der Osaa, Wälle, deren Kenntniss wir den
Untersuchungen de« Herrn Director Töppen
verdanken. Wir haben allen Grund anzunehmen,
dass dieses Vertheid igungssy stein gegen die Ein-
fälle der Pruzzen in da« Culmer Land geschaffen
wurde, wenigstens haben wir nach der südlichen,
polnischen Grenze zu kein solches System von
Wällen , uns ist nur der Burgwall bei Gajewo
bekannt geworden. Auch an der westlichen
Grenze an der Weichsel selbst haben wir nur in
dem Lorenzberg bei Kaldus einen gut unter-
suchten Wall kennen gelernt, wenngleich deren
höchst wahrscheinlich eiue grössere Zahl existirt.
Der Lorenzberg springt schon von Natur
zwischen Culm und Althausen plattform artig vor
und ist mittelst künstlicher Auftragung noch
durch einen sehr hohen Wall geschützt. Er ge-
hört zu der Klasse der Burgberge, wie wir sie
bei Deutsch Eylau im Geserichsee schon kennen
gelernt. In ihm fanden sich nur wenige Scher-
ben vom Burgwalltypus, keine Knochen, keine
Kohlen ; er hat offenbar auf dem Plateau , wie
alle Burgberge, früher die Burg eines Häupt-
lings getragen, dessen Volk im Hakelwerk ringsherum
wohnte, später aber wohl eine christliche Kapelle,
wie die Sage erzählt, worauf auch einzelne dort
gefundene Gegenstände, wie ein silberner Schmuck
mit 2 Herzen und Kreuzen, hin weisen.
Dicht neben diesem Burgberg, welcher zur
Feldmark Kaldus gehört, liegt nördlich das Dorf
Uszcz, auf dessen Gemarkung 6 knfische Münzen
und Silberschmuck gefunden worden sind, während
südlich davon ein Hügel sich befindet, auf wel-
chem wir eines der wichtigsten Gräberfelder unserer
Provinz entdeckt haben. Da dieser Friedhof uns
über Land und Leute sehr viel erzählt, so gestatten
Sie mir etwas ausführlicher darüber zu berichten.
Es lagen liier im Ganzen gegen 100 Ske-
lette reihenweise nebon einander begraben jeg-
lichen Altere und Geschlechts, sowohl Kinder
unter 1 Jahr als Greise über 60 Jahre: 70 da-
von haben wir selbst ausgegraben. Diese Skelette
lagen horizontal auf dom Rücken , die Hände
längs des Rumpfes ausgestreckt, den Kopf noch
Westen, die Füsse nach Osten gerichtet. Zur
Seite des Schädels fanden sich sehr häufig als
Beigaben ganz eigenthümliche Ringe ans dickem
Bronzedraht , zuweilen schwach versilbert , mit
einem stumpfen Ende, während das andere Ende
hakenförmig umgebogen Ist. Ich nenne diese
Ringe daher Hakenringe. Ausserdem hatten
viele Skelette eine Perlenschnur aus edlen Steinen
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71
nm den Hals, bronzene Fingerringe, eiserne
Messer in der linken Hüftgegend nebst bronzenen
Gürtelbeschlägen und anderen kleinen Beigaben.
Alle diese Gegenst&nde, wie der ganze Fund
überhaupt, sind genau beschrieben und abgebildet
in einer grösseren Abhandlung , welche in dem
6. Heft der Zeitschrift für Ethnologie 1878 er-
schienen ist. Hier sollen nur die wichtigsten Resul-
tate jener Untersuchung mitgetheilt werden. Von
allen Beigaben sind jene Hackenringe für die
Bestimmung der Zeit und der Nationalität dieser
Reihengräber am wichtigsten. Es steht nach den
Untersuchungen von Sophus Müller und mei-
nen eigenen fest, dass das Fundgebiet dieser
Ringe in Deutschland westlich von der Weser
und ihren Quellfiüssen , östlich von der untern
Weichsel und der Ossa begrenzt wird, während
es ausserhalb Deutschlands noch Böhmen, Mähren,
Nieder-Oesterreicb, Ungarn, Polen und Russland
umfasst, also genau mit dem Gebiet zusammen-
fällt, welches einst, von den Slaven besetzt war;
es steht ferner fest, dass diese Ringe in Polen
noch mit Münzen vom Jahre 1054 n. Chr. zu-
sammen gefunden worden sind , während wir
einen solchen Hakenring, den Sie hier sehen, in
den Brandgruben von Oliva, welche sicher dem
älteren Eisenalter angehören , gefunden haben,
d. h. also , dass diese für die slavische Sitte
charakteristischen Ringe vom 3* bis in das 11.
Jahrhundert unserer Zeitrechnung Vorkommen;
es steht endlich fest, dass dieselben nicht wie
Sophus Müller angiebt, als Schläfenringe be-
nutzt wurden ähnlich den Ringen der Merier,
welche Graf Ouvaroff beschreibt, sondern dass
sie theils als wirkliche Ohrringe , theils als
Klapperzierrath an einem etwas zusammenge-
setzten Kupfputz gedient haben. WTir müssen
wegen der Begründung dieser Ansicht auf die
oben citirte Arbeit Über dos ganze Gräberfeld
verweisen, in welcher auch die einschlägige Li-
teratur vollständig angeführt ist.
Einer Sitte müssen wir noch gedenken,
welche durchweg in allen Gräbern beobachtet
W’urde. Es lag nämlich unter jedem Schädel
und in jeder Hand des Skeletts ein Scherben
von einem zerbrochenen Gefäss ; eine ganz gleiche
Sitte ist bisher nirgends , eine ähnliche aber in
Gräbern Schlesiens und der kurischen Nehrung
beschrieben worden. Wir sehen darin nur den
letzten Rest jener auch in den klassischen Län-
dern bekannten Sitte, den Todten ganze Geflisse
mit ins Jenseits zu geben. Diese Scherben nun
tragen, wie Sie sehen, den bestimmten Charakter
der Burgwalltöpferei , weisen diese Gräber also
gegen das Ende des vorigen Jahrtausends hin.
Nachdem wir nun mit einiger Wahrschein-
lichkeit aus den bisherigen archäologischen Unter-
suchungen folgern mussten, dass die Reihengräber
von Kaldus aus einer Zeit herstammen, in wel-
cher hier bereits spezifisch slavische Sitte herrschte,
so müssen wir weiter noch die anatomischen
Charaktere der gefundenen Schädel in Erwägung
ziehen, in wiefern dieselben mit jenem Ereigniss
übe rein. stimmen.
Von den 70 Skeletten, welche wir unter-
sucht haben, sind 30 Schädel mehr oder weniger
erhalten. Von diesen sind 1 1 äusserst dolicho-
cepbal, 15 mesocephal und 4 schwach braehy-
cephal, im Durchschnitt ist der Index 74,79.
— Nach den Untersuchungen von K o p e r n i ck i
sind von 30 Ruthenen keiner dolichocephal,
6 mesocephal und 24 brachycephal , im Durch-
schnitt ist der Index 82,3: ähnlich sind nach
Weissbach von 40 Polenschädeln keiner dolicho-
cephal, 9 mesocephal und 31 brachycephal, im
Durchschnitt der Index 82,9. Und ähnlich ist
es mit allen Slaven. Es geht daraus hervor,
dass diese Schädel, welche wir bei Kaldus aus-
gegraben haben, entschieden nicht die Form der
Slaven schädel haben. Dagegen stimmen dieselben
fast vollständig mit den Schädeln der reinen
Littauer, welche in den Königsberger Sammlungen
sind. Beide Formen sind mesocephal, ihre absolute
Länge, Höhe und Capacität stimmt fast genau,
nur die Breite ist bei den Littauern etwas grösser,
indess nicht so, dass sie die änsserste Grenze der
Mesocephalie erreichte. Wir müssen auch hier
wieder auf die speziellen Untersuchungen in der
oben citirten Abhandlung verweisen und ziehen
hier nur den Schluss, dass in den Reihengräbern
von Kaldus eine Bevölkerung vertreten ist, welche
ihrer körperlichen Beschaffenheit nach mit der
lettischen Völkerfamilie verwandt war, während
sie zur Zeit, aus welcher der Friedhof herstammt,
also gegen Ende des vorigen Jahrtausends bereits
vollständig slavisirt war.
Nördlich von der Ossa kommen jene speci-
fisch slavischen Hakenringe nicht vor. Sind also
die Bewohner des Culmer Landes im vorigen
Jahrtausend ursprünglich Pruzzen gewesen , wie
dies nach der craniologischen Analyse der Kal-
duser Gräber wahrscheinlich ist , so setzt die
Slavisirung dieses Gebiets bei der bekannten
Zähigkeit der alten Pruzzen eine lange Reihe
von Kämpfen voraus , in welchen die Polen
schliesslich den Sieg davon trugen , lange bevor
das Christenthum und damit die Geschichte hier
auftritt. M. H. ! Lückenhaft freilich ist dieses
Bild, welches ich Ihnen von der prähistorischen
Kultur im Culmer Lande entwickeln konnte,
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allein verglichen mit andern Gebieten unserer I
Provinz ist es ausserordentlich reich. Wir sahen
vor lins die ältesten Bewohner des Landes sich
mühsam mit der Herstellung von Steingeräthen
der primitivsten Art abquälen ; wir sahen dann
eine neuere Zeit anbrechen mit vorgeschrittener
Kultur durch Anknüpfung von Handelsbeziehungen i
mit den Völkern des Mittelmeeres, wahrscheinlich
von Seiten neuer Einwanderer, der Pruzzen ; wir
sahen dieses Volk mit den benachbarten Polen
lange hartnäckig kämpfen, wir sahen es schliess-
lich unterliegen und vollständig polonisirt in die
Geschichte treten.
Das Grabhügelfeld bei Ramsen.
Von Dr. C. Mehlis.
Das Correspondenzblatt Nr. 6 bringt S. 57
einige Notizen über die von dem Verfasser dieser
Zeilen geleiteten Ausgrabungen, wozu Folgendes
in ausführlicher Weise zu bemerken ist.
Das GrabhUgelfeld liegt auf einem stark
bewaldeten Höhenzug auf dem südlichen Ufer
des Flüsschens Isa oder Eis, welches sich bei
Worms in den Rhein ergiesst. Nordöstlich vom Grab-
hügelfeld liegt der Ort Ramsen. lieber den Schor-
lenberg westlich von Ramsen zog sich au Kaisers- I
lautern, dem Brennpunkte der Strassen im Hart- i
gebirge eine Römerstrasse, welche sich am genann- |
ten Berge theilte und mit dem einen Zweig
längs der Eis Uber Ramsen und Eisenberg nach Worms,
mit dem andern über Neuleinigen und längs dem |
Eckbache (vgl. „die Pfalz unter den Römern“ !
8. 59 und Karte) dasselbe Ziel erreichte. Längs
dieses nördlichem Strassenzuges befinden sich nun
südwestlich von Ramsen , eingeschlossen von
zwei Quellbächon der Eis , die sich bei Ramsen
einen . die Grabhügel , bedeckt mit theilweise
mächtigen Buchenstäm men. Durch eine aus Wat-
tenheim noch Ramsen laufende alte Strasse, jetzt
Vieinalweg, werden sie in zwei natürliche Ab-
theilungen zerlegt. Aber diese natürliche Ab-
theilung der Hügelgrube deckt sich, wie Schürf-
ungen und Nachgrabungen deutlich bewiesen, mit
der Art und Weise der Hügelconstruktion. Die
Hügel westlich der Strasse, also mehr im Innern
des Stumpfwald genannten Forstes haben einen
Umfang von 50 — 100m. Die grössten derselben
befinden sich am weitesten nach Westen. Sie
haben eine Höhe von 1 */» — 3 m und sind ge-
bildet ans mächtigen centnerscbweren (der Sand-
stein ist stark eisenhaltig), in einander gekeilten
und desshalb schwer zu entfernenden Blöcken.
Die Bäume dazu erschweren die Ausgrabungen
wesentlich. Die Hügel 11111x160 mit breiten kreuz-
förmigen Einschnitten geöffnet. Es liess sich
noch eine schwache Wölbung naehweisen , unter
welcher in dieser S t ein gräl) er gruppe die
Leichen unverbrannt lagen. Soweit die Reste der
Skelette zu erkennen waren , lagen die Skelette
und zwar in jedem der zwei vollständig unter-
suchten Tumuli mehrere mit dem Gesichte nach
Osten. Von Metallfunden ergab sich nur Bronze;
doch mögen immerhin auch eiserne Ge-
genstände darin enthalten gewesen sein, welche
sich aber, stark der Oxydation ausgesetzt, aufge-
löst und mit den stark eisenhaltigen Decksteinen
verbunden haben mochten. Die Hauptobjekte
bestanden in Bronzeringen und zwar in solchen
für den Hals (nz torques), die Arme (es landen
sich noch Ringe mit den von Bronze inficirten
Ellenbogengelenken), und nach den Dimensionen
zu schliessen auch für die Füsse. Die zwei ge-
fundenen Halsringe hatten eigentümliche horn-
artige Schliessen, welche vielleicht für den Kahl-
kropfknopf berechnet waren. Aehnliche sind d. V.
am deutschen Boden nicht bekannt. Die Bronze
ist gegossen und trägt zum Theil Verzierungen
von doppelten, niedrigen Wülsten, welche band-
artig die Peripherie der Ringe umgeben. Die
Bronzeobjekte zeigen zum Theil schlechten Guss,
wie mehrere knopfartige Gussaustritte beweisen.
Die Bronze selbst ist schlecht patinirt. Verglei-
chen wir die*«» Bronzefunde in Form und Her-
stellung mit andern aus der Umgebung, so haben
sie mit den Bronzeringen von Battenberg, der
Dürkhoimev Ringmauer, der Limburg, St. Gre-
then etc. (vgl. das geordnete Material in des
Verfassers „ Studien u III. Abth. S. 20 — 48) ge-
meinsam die geringe Ornamentation der
Objekte (Im Gegensatz zu vollendet schönen Bronzen
i von derselben Gegend, so von Eppstein) oder noch
häufiger dos vollständige Fehlen derselben, den
schlechten Guss der Bronze, die sich in Un-
regelmässigkeit der peripherischen Gestaltung und
Gussaustritton zeigt, endlich die schlechtere Com-
position des Metalles, welche man an der un-
edlen Patinabildung bemerkt. Da nun zudem,
] zwar nicht in Ramsen selbst bis jetzt, wohl aber
j am ganzen Hange des Hartgebirges von Grün-
stadt bis Neustadt mehrere Gussformen, eine
sogar mit Gusstiegel, sich gefunden haben, so wird
I man nicht anstehen können , nach Berücksichtig-
I ung der gegebenen Momente, der Aelmlichkeit
des meist mitgefnndenen Töpfergeschirres , der
I Leitmuschel der Archäologen , sowie der Fund-
orte dieser Objekte, am Hange des Hartgebirges
und auf dem Massive desselben diese Bronze-
funde in die gleiche Periode zu versetzen und
ihren Guss einer einheimischen , unentwickelten
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Bronzeindnstrie zuzuschreiben. Dies sind für den
Verfasser strenge Folgerungen der Fund umstünde.
Die Grabhügel der östlichen Gruppe ha-
ben nur einen Umfaug von 30 — 42 m, dagegen
eine Höhe bis zu 3 1 * m und erscheinen bei diesen
Dimensionen bedeutend höher dem Auge als die der
westlichen Abtheilung. Construirt sind diese
Hügel, wie schon der Anblick lehrt, sehr einfach
aus Sand t den eine Rasendecke zusammenhält.
In dem einen dieser Hügel lag ziemlich in der
Mitte nur ein zusammen gebogenes eisernes Schwert
von llf cm Länge. Das Metall ist verhältniss-
mässig gut erhalten. Daneben lag ein rundes,
durchlöchertes, an der Peripliarie aufgebogenes
Metallplättchen von 2,2 cm Durchmesser, welches
offenbar das Kopfstück des das Schwertende um-
fassenden Holzgriffes bildete. Im zweiten Tu-
mulus dieser Hügelgruppe befanden sich nach
Westen zwei aus Sandsteinplatten bestehende ca.
ljt m hohe Steinkisten, Die Platten waren
unbehauen, aber sorgfältig zu diesem Zwecke heraus-
gewählt. In der ersten Steinkiste stand eine
1 8 cm hohe, schwach ausgebauchte, im obern Theil
doppelt ausgekragte Urne. Dieselbe sorgfältig
gerundet und mit Graphit geschwärzt trägt vier
längs dem Bauche mit Formen in regelmässigem
Abstande eingesetzte Reihen von Kreisen mit
je einem Punkte in der Mitte. Daneben lag eine
Bronzefibel , welche unterhalb der Falze für den
Nadeldorn in einem Fortsatz ausläuft, der einen
Knopf trägt. Dieser Knopf besteht hier aus
einer Koralle, in welche eine echte Perle ein-
gelassen ist. Letztere erscheint natürlich verkalkt.
Diese charakteristische Fibel schliesst sich eng
an an solche aus der Schweiz und ans Grab-
hügeln in Württemberg, welche nach Linden-
schmit keiner einheimischen Industrie, sondern
der etrurischen Fabrikation den Ursprung ver-
danken. Der Handel brachte sie in die Schweiz,
nach Württemberg und hieber an den Mittel-
rhein (vgl. Lindenschmit: Alterth. uns. heidn.
Vorzeit. II. B. VI. H. 3. Tafel N. 1-4, 7,
10-11; VII. H. 3. Taf. N. 5, 8-10, 11—12,
15 und Beilage zu II, VIII, 3). In der zweiten
daneben befindlichen Steinkiste lag neben einer
roheren Urne ein io der Mitte parabolisch zu-
sanmieugebogener dünner Bronzering , der nach
der gewöhnlichen Ansicht als Schmuck des Fuss-
knöchels diente. Im südlichen und östlichen
Tbeile dieses grössten der Sandhügel (42 m Durch-
messer) lagen zerstreut zerbrochene Topfscherben,
die wohl einer symbolischen Handlung am Grabe
ihre Anwesenheit danken. Reste in den Grab-
Umen deuteten auf Beisetzung der Asche, also
liier auf L e ic h en b rand.
Unmittelbar hinter und zwischen der westlichen
1 Tumulusgruppe in den W aldabtheilungen Langen-
thal und Langendelle bis zum Kleehofe an der
, Landstrasse nach Enkenbach-Kaiserslautern liegt
i im Walde meist an den Abhängen der Thal-
mulden eine andere Art von gewaltigen Hügeln.
Unter fussdickem Moos liegen hier umfangreiche,
tumulusartige Schlackenhaufen. Diese bestehen
aus schlecht ausgehütteten Eisenerzen , welche
die geologische Fonnation der Vogesias als Thon-
eisenstein (= Eisenoxyd mit Thon verbunden)
einst reichlicher als jetzt enthielt. Auch andere
1 Gegenden des Hartgebirges lieferten und liefern
I bauwürdige Eisenerze, so der Petronell bei Berg-
zabern und der Gegend von Schlettonbnch und
; Nothweiler (vgl. Bavaria: Pfalz S. 50 — 51).
j Während wir es aber dort mit Erzen zu thun
l haben , die noch heute verhüttet werden , steht
I man hier an Schlackenhaufen, von deren Ab-
i lagerung nicht einmal die Sage meldet. Die
I Schlackenhaufen, deren Bestandteile mit Nutzen
| noch jetzt auszuschmelzen wären , sind so um-
1 fangreich, dass einer davon, jüngst zur Strassen -
besehotterung verwandt, 400 Wagenladungen dem
Forstreviere Ramsen lieferte. Haben wir es vielleicht
mit den Resten römischer Eisengewinn-
ung zu thun? Ganz in der Nähe liegt allerdings
der Ort Eisenberg mit zahlreichen Resten aus
der Römerzeit. Auch dort wurde, wie im Orte
haushohe Lager von Eisenschlacken neben und
mit römischen Gefässscherben längs der Ufer der
Eis gethürmt beweisen , in der Vorzeit das
Eisenerz der Gegend geschmolzen. Allein hier
auf dem abgelegenen Bergrücken werden die
Römer kaum ihre Schmelzöfen angelegt haben, da
sie es im Thal leichter thun konnten und wirklich
thaten. Es bleibt nur übrig, da in historischer
! Zeit die Gegend keinen Hochöfen kannte und
das Eisenwerk des H. vonGienanth zu Eisen-
berg nachweislich dem vorigen Jahrhundert die
Entstehung daDkt , den Schlackenhaufen wie den
Hügelgräbern neben ihnen vorhistorischen
Charakter zu vindiciren. Und für eine rohe
Eisenbereitung, welche mit einem Ueberflusse
von Holz in mit Thon ausgelegten Schmelzgruben
den Rohstoff schuf, haben wir aus der vorhisto-
rischen Zeit Analogien aus andern Gegenden,
i Bekannt sind solche prähistorische Schlacken-
haufen aus der Schweiz und dem Jura (vgl. z. B.
Henne-am-Rhyn : allgem. Kulturgeschichte I. B.
S. 38) , neuestens hat solche in Steiermark in
der Nähe von Hüttenberg Graf Wurmbrand ent-
deckt und dort sogar die römischen und vor-
römischen einfachen , aber dem Zwock entspre-
j ebenden Schmelzöfen aufgefundeo (vgl. Bericht
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über die VIII. Versammlung d. deutschen anthropolo-
gischen Geeellsch., München 1877 S. 151 — 15*2 u.
Taf.III. Fig. 19). Die Schlacken von Hüttenberg und
Ramsen haben dasselbe Aussehen und dasselbe
Gewicht, ein Beweis dafür, dass auch in Ramsen
das Eisen mit einem ähnlichen Prozesse gewonnen
wurde. Leider hat der Waldbetrieb noch
nicht die Gelegenheit gegeben , einen dieser
Schlackenhaufen , welche einen Umfang von 90
bis 100 Schritten und eine Höhe von 3 — 4 m
haben, in geeigneter Weise umzugraben.
Fragt man weiter, welcher V olksstamm in
vorrümischer Zeit hier den Eisengewinn aus dem
Brauneisenerz und dem Thoneisenstein betrieb (vgl.
die Namen : Eis, Eisenberg, in der Nähe Isenach
= Eisenach) , der welcher in den Steingräbern
oder der , welcher unter den Rasen- und Sand-
hügeln begraben liegt, so wird man nach den
bisherigen Funden und Analogien nicht anders ant-
worten können, als der Stamm der Männer, welche
das Eisenschwert mit in das Grab erhielten.
Suchen wir endlich noch Anhaltspunkten
der diplomatischen Geschichte, um ein Licht auf
die Ethnologie dieser Stämme an der Eis werfen
zu können, so haben wir bei Cäsar und Strabo
(vgl. „Studien“ d. V’s. I. Abth. 8. 33- -51)
strikte Angaben darüber, dass diesen Gau an der
Eis, Pfrimm und Isenach , den mittelalterlichen
Wonnegau mit Worms als Hauptstadt anfänglich
die gallischen Mediomatriker im Besitze hatten,
bis Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr und
noch früher der germanische Stamm der Van-
gionen (daher V angiones — Borbetomagus = W orms)
über den Rhein drängte und bis zur Wasser-
scheide das Land besiedelte. Rufiana = Eisen-
berg nennt Ptolemaeos als eine der zwei Städte
in ihrem Gau (vgl. „Studien“ III. Abth. S. 29
bis 30 und CorrespondenzbL d. Gesammtver. d.
d. Geseb.- und Altert h.- Vereine 1878. Juli
S. 49 — 53: der Grenzfluss Obringa). Dies aber
soll uns hier weniger interessiren.
Die Hauptsache ist der Nachweis, dass am j
Ostrande des Hartgebirges, au der Stelle des |
günstigsten Uebergangspunktes von der Mosel und
der Saar, von Divodurum (Metz) und Treviris l
(Trier) in das Mittelrheinthal nach Borbetomagus j
(Worms) und Neinetes (Speyer) sich Lokalitäten
befinden, wo in vorgeschichtlicher (= vorrömi-
scher Periode sowohl Eisen als Bronze hergestellt
und technisch verwandt wurden. Noch mehr Be-
deutung hat diese Thatsache durch den analogen
Beweis tür die Vorzeit von Steiermark, das Land
der keltischen Noriker. Hier wie dort folgte
den Anfängen der Metallurgie , ausgeübt von
vorgeschichtlichen Stämmen die höhere Cultur |
der Römer, welche aber diese Priraordia nicht
ausser Acht Hess , sondern benützte und weiter
ausbildete. Sagt W'urmbrand doch, dass sich die
Schmelzöfen der Römer in Steiermark bis zum
9. Jahrhundert in ähnlicher Weise erhielten
(a. a. 0. S. 151).
Darf man eine allgemeine Folgerung ftlr die
Entstehungder Bronzeindustrie und der
Eisenfabrikation in Mitteleuropa aus
diesen Funden und Thatsachen entnehmen, so ist es
die: die Entstehung der Metallurgie in Mitteleuropa
ist nicht nach allgemeinen, entweder technologi-
schen oder culturellen Gesichtspunkten zu suchen
und festzusetzen, sondern wie in jeder Wissen-
schaft, so ist auch auf diesem Gebiete die Lehre
vom kleinsten Centrum als mitentscheidender
Faktor horanzuziehen. Die Gunst der Lage,
das Lockmittel des Verkehrs, wie 0. Peschei sich
genial ausdrückt , hat vielfach dieselbe , wenn
nicht grössere Bedeutung für die Entstehung der
Metallurgie und ihre Fortentwicklung , als die
Annahme von durchreisenden Metallgießern und
die Thatsache gewinnlustiger Handelskarawanen.
Die Stämme, welche vor dem Eindringen der
Römer die Gegenden am Hartgebirg, am Jura
in Steiermark an der Enns bewohnten und deren
Culturgrad, heissen wir sie nun Ligurer, Kelten
oder Gallier, nicht niedriger gesetzt werden darf, als
der der Peruaner und der Mexikaner vor der
spanischen Invasion, benützten wie jene am Hange
der Anden, so hier im Jura und in den Alpen
die aufliegenden Gaben des Bodens. Es gehörte
kein besonderes G«nie dazu , zu Tage liegendes
Eisenerz mit dem Vorrath des Waldes zum
Schmelzen zu bringen, und keine besondere Kunst
war nöthig, die Kupfer- und Zinnbarren, welche
die Kaufleute der Handelskarawanen von Norden
und Süden gegen Lebensmittel, Unterkunft und
Wegcschutz den Ureinwohnern lieferten, in rohen
Formen zu einfachen Artefakten zu gestalten.
Und dann gilt das Dichterwort:
quo semel est. imbuta rocens servabit odorem
tost» diu.
Man muss sich das Ingenium der Vorfahren
der Römer nur nicht allzu gering denken, zu
welcher Supposition die Kraniologie bis jetzt durch-
aus keinen Anhalt gibt, man muss den Nach-
ahmungstrieb und die Lernbegierde frischer, be-
gabter Naturvölker in Befracht ziehen, man muss
die Lockmittel des Verkehre , die natürlichen
Passagen und Handelsstrassen mit in Rechnung
ziehen — und alle diese zu berechnenden Faktoren
werden die ersten Anfänge der Metallurgie und deren
Fortentwicklung in naturgemäßer Entstehung und
mit gegebenen Poten/.irung sich entwickeln lassen.
Schluss der Redaction am 26. Juli. — Jfruck der Akademischen Buchdruckerei F. Straub in München.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Rcdigirt von Professor Dr. , fohunnett Ranke in München,
OtunaUtatUir der (ItuiUckafL
Nr. 9.
Erscheint jeden Monat.
September 1878.
Bericht über die IX. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Kiel
am 12. — 14. August 1878
mit den Stationen Hamburg und Lübeck.
Nach stenographischen Aufzeichnungen
redigirt von
Professor Dr. Johannes Ranke in München
Generalsekretär der Gesellschaft.
I.
Tagesordnung und Verlauf der IX. allgemeinen Versammlung.
Station in Hamburg.
Sonnabend den 10. August: Abends gesellige Zusammenkunft in den Räumen des Vereins
für Kunst und Wissenschaft im Patriotischen Hause auf der Börsenbrücke.
Sonntag den 11. August Morgens 9 Uhr: Festsitzung des Hamburger anthropologischen
Zweigvereins in der Aula der Gewerbschule. Begrüssung der Gäste durch den I. Vorstand des
Zweigvereins Herrn Wibel. Ansprache des Vorsitzenden der IX. allgemeinen Versammlung Herrn
Sch aaf f hausen. Unter Führung der Herren Wibel und Krause Besichtigung der im Erd-
geschoss der Gewerbeschule neu aufgestellten Sammlung prähistorischer Altorthümer aus dem
Hamburg-Altonaer Laude sowie der staatlichen ethnographischen Sammlungen. Besichtigung des
Muse um ’s Godeffroy, Begrüssung durch Herrn Caesar Godeffroy und Führung durch
Herrn Schineltz. Um 2 Uhr festliche Bewirt hung der Gäste im zoologischen Garten. Um 5 Uhr
gemeinsame Abfahrt nach Kiel.
IX. Versammlung in Kiel.
8onutag den 11. August Abends: Anmeldung der Mitglieder im Bureau der Geschäftsfüh-
rung in der Harmonie und gesellige Zusammenkunft daselbst.
Montag den 12. August. Morgens 9 — 11 Chr: I. Sitzung in dem Pestsäule der Harmonie.
Besichtigung des wiedereröffneten Schleswig -holsteinischen Museums vaterländischer Alterthüiner
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unter Führung des Herrn H. Handel mann und Fräulein J. Mestorf. Nachmittags 2 — 4 Uhr
II. Sitzung. Um 5 Uhr gemeinsames Mahl im Hotel Bellevue, Düsternbrook. Abends Gartenfest
bei Herrn Dr. A. Meyer auf seiner Villa Forsteck.
Dienstag den 13. August. Von 8 — 10 Uhr Besichtigung des Museums vaterländischer Alter-
thttmer und der sonstigen Sammlungen und Institute: des zoologischen, mineralogischen und physio-
logischen Instituts der Universität, der Gemüldegallerie, des Kunstmuseums auf dem Schloss, des
neueröffneten Thaulow-Museuras, des Botanischen Gartens, der akademischen Lehrballe etc. unter
Führung der betreffenden Herren Vorstände. Von 10 2 Uhr III Sitzung. Von 4 '/* — 6 Uhr
Besichtigung der Kaiserlichen Marinc-Etablissement-S bei Ellerbeck unter Führung des Hrn. Cnpitaiu-
Lieutenant Strauch. Um G Uhr Fahrt in See durch die Kieler Bucht auf zwei auf Kosten der
Stadt Kiel gestellten Dampfschiffen.
Mittwoch den 14. August. Morgens 9 Uhr: IV. Sitzung. Um 1 Uhr Schluss der IX. all-
gemeinen Versammlung. Nachmittags 4 Uhr Abfahrt nach Lübeck.
Station in Lübeck.
Mittwoch den 14. August. Abends gesellige Zusammenkunft, im Uathskeller.
Donnerstag den 15. August. Morgens 9 Uhr Festver&ammlung im Hause der Gesellschaft
zur Beförderung gemeinnütziger Thfitigkeit und Begrünung im Namen des Vereins für Lü heck ische
Geschichte und Alterthumskunde durch Herrn Senator Dr. Br e linier. Dankrede des Vorsitzenden
der IX. allgemeinen Versammlung Herrn Sehn aff hausen. Hierauf Besichtigung der daselbst, auf-
gestellten eulturhistorisoben Sammlung und des naturwissenschaftlichen Museums. Um 2 Uhr Aus-
fahrt mit Dampfschiff und Wagen nach Alt-Lübeck, Schwartau (Mittagsrastl Pöppendorf.
Waldhusen zur Besichtigung der dortigen Dolmen, Burgwiille und eines geöffneten Hühnengrabes.
Freitag den 16. August. Ausflug und Ausgrabungen im Kitze rauer Gehege unter Füh-
rung des Vereines für Lübeck ische Geschichte und Altorthnmskunde und der Vorstände des na-
turhistorisehen Museums spec. des Herrn Senator Dr. Br eh in er und de» Herrn Förster H of f mann.
Eröffnung mehrerer grösserer Grabhügel. Besichtigung anderer grösserer und kleinerer Hügelgräber,
Trichtergrube, Hochäcker etc. Gemeinsames Abschiedsmahl in Kitzen au. Abfahrt der Gäste.
Mitglieder -Verzeichn Iss
Acland, Dr., Prof. med., Oxford.
Adler, Dr. med., Arzt, Schleswig.
Ahlm&nn, Dr., Banqnier, Kiel.
A hl mann, Kaufmann, Kiel.
von Al vensleben, Gutsbesitzer, Scholl ine
Becker, Dr., Basel.
Behla, Dr., Lockao.
Behnckc, Rentier, Kiel.
Bertheau, cand. med., Kiel.
Betz, Fr., Dr., Heilbronn.
Bockcndahl, Dr. med., Professor, Reg. - Medicinal-
rath, Kiel.
Bocken da hl, cand. med., Kiel.
Brandt, Rechtsanwalt, Kiel.
Brinkmann, Dr. phil.. Direktor d. Museums für Kunst
und Gewerbe, Hamburg
Brix, Dr. med., Kreisphysikue, Flensburg.
Classen, Dr. Hamburg.
Däbnhnrdt, Dr med., Arzt, Kiel.
Dose, Assessor a. I)., Kiel
Dose, Dr. med., Arzt, Kiel.
Drost, Dr med. Arzt, Kiel.
Eckboff, Archivar, Leeuwarden (Holland).
Edlefsen, Dr. med., Professor, Kiel.
Eich ler, Dr. med., Arzt, Kiel.
Erd mann, Dr phil., Altona-
Flemming, Dr med., Professor, Kiel.
der IX. Versammlung.
Fraas, Dr., Prof., Viccpräsid. d. deutschen an throp. Ge-
sellschaft, Stuttgart.
Fr icke, Dr med., Zahnarzt, Kiel.
Friedrichs, Buchhändler, Kiel.
Forchha mm er , Dr phil., Professor, Kiel.
Fuchs, Referendar, München.
Gaffky, Dr med., Assistenzarzt, Kiel.
Grempler, Dr, Sanitäterath, Breslau.
Goeders, Rentier, Kiel.
Goetz, Dr., Oberinedicinalratb, Neu-Strelitx.
von der Goltz, Capitain z. S., Obor-Werft-Dir. , Kiel.
Grewe, Dr med., Arzt, Altona.
Grüner, Dr, Hambnrg.
Haeberlin, Professor. Stuttgart.
Handelmann, Dr phil., Prof., Direktor des schlesw,-
holst. Museums, Kiel.
Hansen, Dr. med., Arzt, Schleswig.
Hansel mann, I)r. med., Kreisphyoikus, Hadersleben.
Hart mann, Dr. med., Arzt, Marne.
Hart mann, Apotheker, Tellingstedt.
v. Hcintze, Frhr, Baudrate, liordesholni.
Heller, Dr. med., Professor, Kiel.
Hennen, Dr. med., Professor, Kiel.
Herschel, Dr med.. Arzt, Kiel.
Hilgendorf, Dr, Berlin.
Hinily, I>r. phil., Professor, Kiel.
Jessen, Dr med., Medicinalrath, Hornheim,
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77
Jesseo, Dr. phil., Conrector a. I)., Prof, Kiel.
I wersen, Dr. phil., Ant, Cismar.
Kahl bau in, Dr., Görlitz.
K&femann, stud , Görlitz.
Keller, Dr. med., Arzt, Kiel.
Kinderling, Contre- Admiral, Kiel.
Kirchhoff, Dr. mod., Ant, Kiel.
Kirchhoffer, Dr. med, Arzt, Altona.
Klouf fleisch, Dr., Professor, Jena.
Kör bin, G., Dr., Berlin.
Körbin, Dr., Berlin.
Kraus, Kegiernngsrath a. I)., Kiel.
Krause, Dr-, Hamburg.
Krebs, Dr. med., Harine-Ass.-Arzt, Kiel.
Kruse, Conaul, Stadtverordneten- Vorsteher, Kiel.
Lad eu bürg, Dr. phil., Prof., Kiel.
Lange, Dr. med., Arzt, Uetersen,
von Leveling, Rentier, München,
von Leveling, Hauptmann, Mönchen.
Lissauer, Dr., Danzig.
Lorenzen, Stadtrath, Kiel.
Lüder», Dr. jur., Rechtsanwalt, Kiel.
LQdern, Dr med., Arzt, Eckernförde.
Maack, Dr. med., Arzt, Barmstedt,
v. Maack, E., Buchhändler, Kiel.
Markwort, Dr. med., Arzt, Kiel.
Marxsen, Dr. med., Kreisphysikus, Heiligenhafen.
Mattbiessen, Landrath a. D., Kiel.
Meblis, Dr., Dürkheim.
Moyn, Dr. phil., Uetersen.
Meissner, Dr. med., Stabsarzt, Sonderburg.
Mestorf, Früul., Custos des schl.- holst. Museums,
Kiel.
Metzen er, Marine-Oberstubaarzt, Kiel.
Meyer, Dr. phil., Forsteck bei Kiel.
Meyer, jun„ Forsteck bei Kiel.
Montelias, Dr., Stockholm.
Mook, Dr., Cairo.
Möbius, Dr. phH., Prof., Kiel.
Müller, Amtsrichter, Neustadt
Müller, Referendar a. D., Kiel.
Niepa, Chef-Redakteur der Kieler Zeitung, Kiel.
Niese, Dr. med., Arzt, Altona.
Pansch, l)r„ med., Professor, Kiel.
Paulsen, Dr. med., Arzt, Kiel.
Pauls, Stadtverordneter, Kiel.
Peters, Dr. phil., Prof., Director der Sternwarte, Kiel.
Peters, Dr. phil, Observator der Sternwarte, Kiel.
Peters en, Dr., frofessor, Kiel.
Pctersen, Hardesvogt, Augustenburg.
Poe sehe, Prof., Washington.
Poppe, Privatier, Bremen.
von Prollins, Geh. Legat ionsrath, Berlin.
Ramm, Dr. med , Arzt, Kiel.
Ranke J. , Dr. Prof., München, Generalsekretär der
deutschen anthropol. Gesellschaft.
Rü d el , Apotheker, Kiel.
Reh der, Dr. med., Arzt, Itzehoe.
Rheder, Dr. med., Arzt, Kiel.
Keventlow, Graf, Klosterprobst, Preetz.
Sartori, Consul, Kiel.
Schaaffh aasen, Dr. Prof, Bonn, Präsident der
deutschen anthropol. Gesellschaft,
von Scheel -PI essen, Freih., Dr. jur., Oberpräsident,
Exc., Kiel.
Scheppig, Dr. phil., Realschullehrer, Kiel.
Schieronberg, Rentier, Meinberg.
Schirren, Dr. phil., Prof. z. Z. Uuiv.-Rector, Kiel.
Schlichting, Dr. phil., Kiel.
Schmeltz. Custos am Museum GodefFroy, Hamburg.
Schmidt, Gymnasiast, Eutin.
Schmitz, Apotheker, Letmatc.
Schneider, Dr. med., Marine-Ass.-Arzt, Kiel.
Schorer, Dr. med., Arzt, Lübeck.
Schow, Dr. med., Kreisphysikus, Neustadt.
Sch weder, Dr. phil, Realschullehrer, Kiel.
Seelig, Dr. phil., Prof, Kiel.
Siehe, Dr., Altdöbeln.
Simmonds, cand. ined., Kiel.
Stange, Univers.-Musik-Direktor, Kiel.
Stickel, Rendant, Kiel.
Stieda, Staatsrath, Prof., Dorpat.
Stilling, Dr. med., Kiel.
Strauch, Capitain-Lieutenant, Kiel.
Thaulow, Dr. phil., Prof. Geh.-Rath, Kiel.
Theobald, Dr. Hamburg.
Thorasen, Dr. med., Kreisphysikus, Kappeln.
Tiemann, Dr., Berlin.
Timpe, Landwirth, Dalje, Hannover.
Tischler, Dr., Königsberg.
Tolmatsche, Dr., Kasan.
Undset, Dr, Cbristiania.
Vabldieck, Maler, Eutin
Virchow, Dr., Prof., Goh. Med.-Ratb, Berlin. Vice-
Pras. d. deutschen anthropol. Gesellschaft.
Virchow, stud., Berlin.
Volbehr, Dr. phil., Kiel.
Volbehr, cand. med., Kiel.
Völckers, Dr. med., Prof., Kiel.
Volckmar, Stadtratb. Kiel.
Vo Ick mar, Rentier, Kiel.
Voss, Dr. Berlin.
WallichB, Dr. med., Sanitätsrath , Kreisphysikus,
Altona.
Wankel, Dr., Blansko bei Brünn,
von W asm er, Dr. med., Arzt, Kiel.
Wattenbach, Dr., Professor, Berlin.
W c i a h in a n n , Lehrer, Schatzmeister d. anthropol. Ge-
sellschaft, München.
Wich mann, Stodtv.- Vorsteher, Kiel.
Wiesemann, Marine-Pfarrer, Kiel.
Wilckcns, Dr. med., Marine- Assist -Arzt, Kiel,
von Wille mo es -Suhm, Landrath, Segeberg.
Witt, Dr. med., Arzt, Schleswig.
Woldt, Schriftsteller, Berlin.
Zintgraf, Notar, Landsberg a./W. Bayern.
Aus Kiel ........ 77
dem Übrigen Schleswig-Holstein . . . .27
dem übrigen Deutschland ..... 44
ttusserdeutsche Theilnehmer . . . . .10
(davon 2 aus Russland, je 1 aus Oesterreich,
»Schweiz, Niederlande, Schweden, Norwegen,
England, Aegypten, Nord-Amerika.)
Summe : 1 58
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78
Die Physiognomie der IX. allgemeinen Ver-
sammlung wurde vor Allem durch den Reichthum
de« den Mitgliedern p r o g r 11 m m m ä s s i g ge-
botenen Studienmaterials 7.u einer besonderen, in-
dividuellen. Neben dem Vororte der Versamm-
lung: Kiel hatten di« beiden grossen Emporien
des deutschen Nordens: Hamburg und Lübeck
die Deutsche anthropologische Gesellschaft zu wis-
senschaftlichen .Stationen eingeladen. Den von
Fern und Nah zuströmenden Theilnehmern der
Versammlung war es dadurch ermöglicht., einen
weiteren Umblick zu gewinnen über die reichen,
eigenartigen Reste prähistorischen Lebens im ger-
manischen Norden, sowie Uber das hier von allen
Meeren zuströmende vergleichend-anthropologische
und ethnologische Studienmaterial.
Der Zweck der allgemeinen Versammlungen
der deutschen anthropologischen Gesellschaft ist
es ja nicht allein . die Berichte Uber die Fort-
schritte der Arbeiten ihrer wissenschaftlichen Com-
missionen entgegenzunehmen und in regem Geistes-
austausch zwischen gleichstrebenden Forschern
neugewonnene Resultate der Specialuntersuchung
durch wissenschaftliche Diskussion festzustellen
und gleichsam zu legalisiren. Nicht in geringerem
Masse müssen wir ihre Aufgabe darin erkennen,
in den zur Vereinigung gewählten Orten durch
Konntnissnahme von den Ergebnissen der Lokal-
forschung , durch Studien in den LokaLsamm-
lungen, durch Besichtigung der nachbarlichen vor-
geschichtlichen Stationen etc. den wissenschaftlichen
Gesichtskreis der Theilnehmer zu erweitern. Da-
bei sollen die Versammlungen das für eine frucht-
bringende gemeinsame Thätigkeit unentbehrliche
Bewusstsein der innigen Zusammengehörigkeit der
einzelnen Mitglieder und Zweigvereine zu dem
grossen Ganzen der deutschen anthropologischen
Gesellschaft stärken und erhalten und neue An-
regung geben zur aktiven Tbeilnahme an ihren
wesentlich patriotischen Bestrebungen. Gerade nach
der letzteren Seite haben die allgemeinen Versamm-
lungen bisher schon reiche Früchte getragen. Auch
die IX. allgemeine V ersammlung hat , wie wir
hoffen, dauernde Spuren den Orten, in denen sie
weilte, aufgedrückt.
Als im September verflossenen Jahres die
VIII. Versammlung in Constanz beschloss, dass
die IX. allgemeine Zusammenkunft in Kiel statt-
enden sollte, bestand dort noch kein Zweigverein
unserer Gesellschaft. Wir dürfen es aussprechen :
durch die von Constanz ausgehende Anregung
kam es zur Bildung des Kieler Zweigvereins, der
□ach den in so kurzer Zeit gewonnenen Resultaten 1
berufen erscheint, eine der Hauptstützen der
deutschen anthropologischen Gesellschaft zu wer-
den. Schon jetzt nimmt der neugegrtindete Kieler-
Zweigverein unter der Leitung seines auch in
weiten Kreisen durch seine opferwillige Begleitung
des Schiffes „Germania“ auf der zweiten deutschen
Nordpolexpedition rühmlich bekannten Vorstandes,
des Naturforschers und Anatomen Professor Dr.
Pansch, durch Zahl seiner Mitglieder und ernstes
I wissenschaftliches Streben unter den Zweigver-
einen unserer Gesellschaft eine hervorragende Stel-
lung ein, welche er unter der besonderen Gunst
der lokal gegebenen Verhältnisse steigend zu be-
haupten wissen wird. Denn hier gilt es ja zu-
nächst. nur, die so reich vorhandenen Kräfte und
Materialien zu vereinigen und den Zwecken der
anthropologischen Forschung dienstbar zu machen :
der rege Sinn, die oft beth&tigte Opferwilligkeit
; der Bevölkerung für die Zwecke der vaterlündi-
j sehen Altertumsforschung ; die Universität mit
I ihren hervorragenden Lehrern und ausgezeichneten
| Sammlungen und Instituten ; die Verbindung mit.
! der in allen Weltteilen auch für die Förderung
unserer Wissenschaft unermüdlich tätigen kai-
serlichen Marine; vor Allem aber das Schleswig-
Holsteinische Museum vaterländischer Altertümer.
Unstreitig nimmt das Letztere unter den der Vor-
i geschiehte unseres Vaterlandes dienenden archft-
! ologiscben Sammlungen eine der ersten Stellen
ein und zwar nicht nur durch den Reichthum des
hier zusaimn engebrachten Materials allein, sondern
wesentlich auch durch die den Ziechen des Stu-
diums in vollkommener Weise dienende Anord-
j nung und Aufstellung.
Hier ist. der Ort , wo zwei Namen mit be-
sonderem Danke genannt, werden müssen, welchen
| unsere Wissenschaft die Benützbarkeit dieser Samm-
lungen, sowie auch die Zusammenbringung eines
Theiles ihrer werthvollsten Schätze verdankt.. Zu-
: erst der Conservator, Herr Professor Dr. H. Han-
delmann, der um das Gelingen der IX. allge-
meinen Versammlung hochverdiente Lokul gesell äfts-
führer der deutschen anthropologischen Gescll-
| schaft in Kiel, dann die ebenfalls weit Uber die
Grenzen unseres Vaterlandes hinaus namentlich als
! Dolmetscherin zwischen der Alterthumsforschung im
skandinavischen Norden und Deutschland bekannte,
für die Sammlung und die Wissenschaft unermüd-
lich thätige Custodia, Fräulein J. Mestorf.
Wenn wir von den lokalen Verhältnissen
sprechen , welche den Zweigverein in Kiel be-
günstigen und seine Stellung sichern , so dürfen
wir auch nicht der verständnissvollen und warmen
Unterstützung vergessen , welche demselben die
lokale Tagespresse und zwar ein in jeder Richtung
so hervorragendes Blatt wie die Kieler Zeitung
zu Theil werden lässt.
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83
Holstein Ischen Museums vaterländischer Alterthümer in Kiel im Museumsgebttude (Kattenstrasse 2).
Zugleich als Begrüssung der am 12. bis 14. August tagenden IX. allgemeinen Versammlung der deut-
schen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Kiel 1878.
6. Kol lm nun J. Die craniometrische Conferonz im September 1877 in München. Correspon-
donzblatt der deutschen anthropol. Gesellschaft Nro. 7. 1878.
7. Mestorf, J. Die Vorgeschichte des Nordens nach gleichzeitigen Denkmälern von J. J. A.
Wo ranne. Ins Deutsche übertragen von J. Mestorf. Hamburg. Otto Meissner. 1878.
8. Mehlis, Ausgrabungen auf der Limburg in der Pfalz. Kölnische Zeitung 6. Juli 1878 I. Blatt.
9. Len hosseck von, Joseph. Die künstlichen SchUdelverbildungen im Allgemeinen und zwei
künstlich verbildete makrocephale Schädel aus Ungarn, sowie ein Schädel aus der Barbarenzeit Ungarns
von Joseph von Lenhossock, kgl. Rath, Dr. med. und o 8. Prof, der Anatomie zu Budapest etc. etc.
Mit 1 1 photographischen Figuren auf 3 Tafeln, ferner 1 1 xylograpbischen und 5 zinkographischon Fi-
guren im Texte. Budapest. Gedruckt in der kgl. Ungarischen Universitäts-Buchdruckerei, 1878-
10. Nebring, A. Lebten zu Cäsars Zeiten Kenthiere im hereynischen Walde? — Ulustrirte
Zeitschrift, ftlr Länder- und Völkerkunde. Bd 34 Nro. 6 und Nro. 7. 1878.
11. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft zu Königsberg, Schriften. Achtzehnter Jahrgang
1877. II. Abtheilung. Königsberg 1878, in Commission bei W. Koch.
12. Programme du congres international des Sciences antliropologiques (durch Herrn Broca).
13. Prussia. Sitzungsberichte der Alterthunisgesellschaft Prussia zu Königsberg in Pr. im
33- Vereinsjahre November 1876 — 77.
14. Ra b 1 -Rück bar d. Zur Ethnologie und Anthropologie der Tiroler von Rabl - Rückbard,
Oberstabsarzt, Custos am anatomischen Museum zu Berlin. Separatabdruck aus der Zeitschrift für Eth-
nologie 1878. Berlin, Verlag von Wiegand, Hempel und Parey (Paul Parey) 1878-
15. Ranke, J. Beitrüge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Organ der Münchener
Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Herausgegeben von J. Kollmann, F. Ohlen-
schlager, J. Ranke, N. Rüdinger, J. Würdinger, 0. Zittol. Redaktion: Johannes Ranke und Nikolaus
Rüdinger. Zweiter Band 1. und 2. Heft. Mit in den Text eingedruckten Holzschnitten und 6 Tafeln.
München, Literarisch-artistische Anstalt (Th. Riedel), vormals der Cotta'schen Buchhandlung. 1878.
16. Sch aaff hausen, H. Die anthropologischen Sammlungen Deutschlands, ein Verzeichniss
des in Deutschland vorhandenen anthropologischen Materials nach Beschluss der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft zusammengestellt unter Leitung des Vorsitzenden der zu diesem Zwecke er-
nannten Commission, H. Sebaaffhausen. Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und
Sohn. 1877. Heft I. Bonn. Heft II. Göttingen.
17. Museum Schlesischer Alterthümer. Programm. Breslau 1876.
18. Stieda, L. Anthropologische Untorsuchungen an Esten. Medicinische Doctor-Disscrtation
von Oscar Grube. Dorpat. Druck von Schuackenburg’s lith. u. typogr. Anstalt. 1878.
19. Topinard, P. Essai de Classification des races humaincs actuelles. Revue d'antbro-
pologie de M. Paul Broca. Deuxieme sörie. Paris.
20. VirchowR.: 1. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie , Ethnologie
und Urgeschichte. Redigirt von Rud. Virchow. Jahrgang 1878. Berlin. Wiegand,
Hempel und Parey (Paul Parey). 1878. Heft I. u II.
21. 2. Anthropologie und Anthropogenie. Von Prof. Dr. Rud. Virchow. Vorgetragen am
13. März 1878 in Leipzig.
22. 3 Politische Zeitfragen. Nro. 8. Sozialismus und Reaktion. Vortrag des Abgeordneten
Prof. Dr. Virchow. Gehalten am 24. Juni 1878 in der Versammlung des Wahl Vereins
der Fortschrittspartei im 6. Berliner Reichstags-Wahlkreis. (Broschürenfonds der deutschen
Fortschrittspartei). Druck und Verlag von Troitzseh und Ostertag in Berlin. Berlin 1878.
Zu beziehen durch die Buchhandlung von C. Barthel in Berlin. S. Alexandrinenstrasse 32.
23. H. Handelmann: Wegweiser durch das Sddeswig-Holstein'sche Museum vaterländischer Alter-
thüraer: Abiheilung„Eisenalter.“ Mit Titelvignette und 12 Holzschnitten (Kiel 1878). Abtlieilung „Christ-
liche Zeit.“ Mit Titelvignette (Kiel 1878)- Abtheilung „Stein- und Br onzealtcr.“ In Vorbereitung.
2
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II.
Verhandlungen der IX. allgemeinen Versammlung.
Erste Sitzung.
Inhalt: Eröffn angwede des Vorsitzenden Herrn S ch aaffbausen. — Begrftnanirarede des Herrn Stadtrath
Loren len. — Begrlissungsrede des Herrn Handelmann, Localgeschüftiifübrcr der IX. allgem.
Vera, in Kiel. — Wissenschaftlicher Bericht de» Generalsekretär« Herrn J. Banke. — Kassebericht des
Schatzmeisters Herrn W e i s m a n n.
Der Präsident, Prof. Dr. SchaafThauscn er-
öffnet die Sitzung tun lJ Uhr mit folgendem Vortrage :
Hochgeehrte Versammlung!
W enn ich einen so ansehnlichen Kreis von
Männern und Frauen erblicke, die an unseren
anthropologischen Untersuchungen Theil nehmen
wollen, dann fUllt mir das Wort des englischen
Dichters Pope ein: „Das letzte Studium des
Menschen ist der Mensch!“ Er ist auch das erste
und nttchste , vom Menschen geht unser Forschen
und Denken aus und zu ihm kehrt es zurück.
Der Mensch bietet als ein Gegenstand wissen-
schaftlicher Beobachtung besondere Schwierig- I
keiten dar ; er ist einmal ein organischer Körper,
den wir, wenn das Leben ihn verlassen, durch
kein kirchliches Verbot mehr gehindert, dem
Messer , der chemischen und mikroskopischen
Untersuchung bis in die feinste Faser seiner Ge-
webe unterwerfen können , aber er ist auch ein
beseelter Körper und diese Vereinigung einor be-
wussten Seele mit gewissen körperlichen Vor-
gängen ist das grosse Rttthsel der Schöpfung.
Die Denker aller Zeiten und Völker haben dies
Käthsel zu lösen gesucht, und ihre Systeme ha-
ben daher ihren Namen, ob sie die Materie oder
die Seele für das Wesentliche halten , od4?r ob
sie eine vorausbestimmte Harmonie der körper-
lichen und geistigen Vorgänge annehmen.
Wir dürfen fragen, ob der Fortschritt des
Wissens auf ollen Gebieten uns heute einen tie-
feren Blick in die Natur des Menschen gestattet.
Das menschliche Wissen hat einen solchen
Umfung angenommen, dass auch der begabteste
Kopf es nicht mehr bewältigen kann. — Aus diesem
Umstande ist, wie ich glaube, das Bestreben her-
vorgegangen , wenigstens die Forschungen zu
sammeln , welche auf den Menschen selbst sich
beziehen und ihn über sein Wesen aufzuklären im
Staude sind. Die heutige Wissenschaft pflegt
aber nicht mehr auf den Wolkengebilden der
Phantasie dahin zu schweben, sondern sie wurzelt
uuf dem Boden der Erfahrung, darum ist unsere
Anthropologie ein Theil der Naturforschung ge-
worden, deren einzig sichere Grundlage die Be-
obachtung ist. Nie hat sich auf dem Gebiete
j der anthropologischen Forschung eine so lebhafte
; Thätigkeit entfaltet als in der Gegenwart. Der
| Grund dieser Erscheinung ist aber nicht der, dass
mau mit neuer Geistesschärfe die alten Probleme
erörtert hätte, sondern der alle Länder und Meere
erforschende Menschengeist hat die Spur des Men-
schen bis in die entlegenste Zeit verfolgt und
das Bild der Thier- und Pflanzenwelt vom ersten
Anfänge der Dinge bis heute in einer Vollstän-
digkeit vor unseren Augen entrollt , wie es vor-
her nicht möglich war. Daraus ergaben sich
nach allen Seiten bin neue Beziehungen des Men-
schen zur Natur.
Wie ein Spiegel, der alles vertheilte Licht
I in seinem Brennpunkte sammelt, steht die An-
thropologie in der Mitte aller übrigen Wissen-
schaften. Es gibt keine, die ihr nicht einen Bei-
trag lieferte. Welches ist die Stellung des Men-
schen in der Natur, woher kommt er, wohiu
gebt er? pflegt inan zu fragen, und ich wüsste
nicht, welche andere Wissenschaft auf diese Fra-
gen Antwort geben könnte, als die, welche vom
Menschen Alles in Erfahrung gebracht hat , was
man überhaupt von ihm wissen kann.
Schiller erzählt uns, dass, als die Güter der
Erde vertheilt wurden, der Dichter zu spät kam.
aber das war sein Schaden nicht, er lernte nach
etwas Besserem streben und die Welt verachten.
Achnlich erging es der Anthropologie; als die
Wissenschaften an die Fakultäten vertheilt wur-
den und einen Bong erhielten , ging sie leer
aus. Die Anthropologie ist keine Fakultäts-
wissenschuft, aber die Jünger aller Fakultäten
sitzen vor ihrem Lehrstuhl. Das allgemein Mensch-
liche ist ihr Inhalt; auch von ihren Studien gilt
der Spruch, den mau gerne auf das Leben an-
wendet : Homo sum et nil liumanum a me olicnum
puto. „Ich bin ein Mensch und nichts Mensch-
liches ist mir fremd.“ Sie ist eine neue Wissen-
schaft, durum hat sie nichts von dem Zopfe, der
noch mancher anderen anhängt, von der man
mit Ch&misso sagen kanu, „sie dreht sich links,
sie dreht sich rechts, sie thut nichts Guts, sie thut
nichts Schlechte, der Zopf der hängt ihr hinten l“
Es gibt Wissenschalten , die seit Jahrhunderten
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ihren 8toff fast unverändert überliefern , es gibt. |
solche , die nur damit sieh beschäftigen , immer
wieder zu untersuchen, was vor 2000 Jahren ein
kluger Maon gesagt hat und wo in seinen Schrif-
ten das Komma und wo der Punkt stehen muss.
In unseren Forschungen ist Alles neu. nicht immer
der Gegenstand, aber Heine Deutung, seine Er-
klärung, sein Verstilndniss. Was die Alten für
einen Donnerkeil hielten, erkennen wir als ein
Werkzeug der Menschenhand ; an einem gebroch-
enen Thierknochen entdecken wir, dass vor un-
denklicher Zeit der Mensch mit Wohlgefallen das
Mark daraus verzehrt hat, ein menschlicher Scbädel-
rest verrUth uns die Abkunft oder die älteste Wan-
derung eines Volkes vor jeder geschichtlichen Nach-
richt. Für unsere Forschungen gibt es keine wissen-
schaftliche Ueberlieferung, hier müssen wir selbst
denken and prüfen, hier kann kein Plato and kein
Aristoteles unser Lehrer sein!
Wenn ich die Gründe naher bezeichnen soll,
die es veranlagten, dass die Anthropologie in den
Vordergrund der wissenschaftlichen Denkarbeit
getreten ist, so muss ich auf die bedeutsamen
Funde hinweisen, welche ein neues Licht auf
unsere Ulteste Geschichte und auf unsere Bezieh -
ungen zur Übrigen lebenden Schöpfung warfen.
Die Wissenschaft, war aber auch vorbereitet für
das VerstUndniss dieser Funde.
Mit der fortschreitenden Kenntniss der Pflan-
zen und Thiere erkannte man, dass die Abgrenz-
ung derselben in unveränderliche Arten nicht
mehr länger haltbar war, und als von Hoff
und Lyell die Veränderungen der Erdrinde nicht
durch plötzliche und gewaltige Ereignisse, sondern
durch das Wirken der noch thätigen Kräfte zu
erklären suchten, lag der Gedanke nahe, auch
die Thiere und Pflanzen durch eine allmählige
Fortentwicklung aus einander entstehen zu lassen.
Lange vor Darwin lehrte man , dass der Mensch
vom Affen stamme.
Auch zeigte sich, dass er nicht erst, wie Cu vier
wollte, mit der letzten Schöpfung in’s Dasein getreten
war, sondern dass er bereits der Vorwelt angehörte.
Wie nahe das Thier dem Menschen kommt,
erfahr man erst im Jahre 1847 durch die Wieder-
anfflndung des Gorilla, den die alten karthagischen
Seefahrer für einen wilden Menschen gehalten
hatten. In demselben Jahre veröffentlichte B o u -
eher de Perthes die Fundevon Kieselgeräthen
in den Anschwemmungen der Somme bei Amiens
und Abbeville. Nun erinnerte man sich , dass
Schmerling schon 1833 in den Höhlen bei
Lüttich Menschenreste neben den Knochen aus-
gestorbener Thiere gefunden hatte , und in den
Höhlen aller Länder grub man bald fossile Men-
schenknochen aus. Die Pfahlbauten wurden 1853
und 54 entdeckt, der merkwürdige Fund der
Neanderthaler-Menschenrestc wurde 1856 gemacht.
In Skandinavien deutete man 1850 bis 56 die me-
galithischen Monumente, man öffnete die ältesten
Grabhügel und entdeckte dio Speiseabfall häufen
des Menschen der Vorzeit, seine Gerät, lu» fand
man wieder bei den Wilden der Gegenwart.
Seit dem Jahre 1863 lieferten dio Pyrennäen
in Südfrankreich dio massenhaften Funde der
Rennt liier/, eit, 1865 grub man einen rohen Men-
sehenscbädel aus dem Löss bei Eguisheim, 1865
und 66 wurden dio belgischen Höhlen ausge-
räumt und der Unterkiefer von la Naulette ge-
funden. Nie sind in einer so kurzen Zeit von
kaum 20 Jahren so viele für die Geschichte des
Menschengaschlechts wichtige Funde gemacht wor-
den! Was aber dieser Zeit und ihren Unter-
suchungen ganz besonders zu Gute kam, das war
die endlich errungene Freiheit, der Forschung.
Ob in uusern Tagen noch einmal der Berliner
Prediger Knack die Erde still stehen liess, und
ob man es noch einmal in Frankreich gerat hen
fand . die Werke des Boucher de Perthes
zusammenzustampfen , weil sie der Bibel wider-
sprachen, das hält den Siegeslauf der fortschrei-
tenden Wissenschaft nicht auf!
Ich lasse der kurzen Aufzählung der neu be-
obachteten Thatsachen mit wenigen Worten die
Darstellung der Ergebnisse folgen , zu denen die
Untersuchung derselben geführt hat.
Wir erkennen : 1 . dass der beute lobende Mensch
nicht in einer ursprünglichen Vollkommenheit ge-
schaffen worden ist, die er verloren hat, sondern
er erscheint uns immer roher und thierfthnlicher,
je weiter zurück wir sein Bild verfolgen. Wir
erfahren noch aus den Berichten der alten Schrift-
steller, die in die älteste Vorzeit gar nicht zurück-
reichen, dass die heute gebildeten Völker Europas
einst Wilde waren.
2. Es ist sicher , dass der Mensch mit jetzt
versch wundenen Thieren zusammengelebt bat, zu
einer Zeit, wo die Pflanzenwelt und das Klima
eine andere Beschaffenheit hatten als heute.
3. Wir sind im Stande, die ganzo Entwick-
lung des Menschen in seinen Werkzeugen und
Wohnungen, in Kleidung, Schmuck und Waffen,
aber auch in Sprache, Sitten, religiösen Begriffen
und socialen Einrichtungen nachzuweisen und
können zcigon , dass die heutigen Wilden noch
auf den verschiedenen Stufen dieser Entwicklung
sich befinden, und gleichsam die prähistorischen
Reste unseres Geschlechtes sind. Nur für die
ersten Stufen der Mcnschenbildung gibt es keine
lebenden Zeugen mehr.
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4. Wir verfolgen endlich die ältesten Stämme
in ihren Wanderungen, deren Wegweiser die Denk-
male, die Geräthe , die Schädel und die Sprachen
sind, und wir erforschen die Herkunft der Kultur-
pflanzen und Hausthiere, deren Geschichte mit
unserer Bildung unzertrennlich verbunden ist.
Nichts kann aber stärker die menschliche
Thatkraft zu unermüdlicher Arbeit anspoinen,
als die Ueberzougung, dass der Mensch die Cultur,
die er heute erreicht bat , durch sich selbst er-
langte, und dass er die Befähigung in sich trägt,
seinen Zustand auch in Zukunft stetig zu ver-
bessern.
Es ist ungemein lehrreich, den Menschen in
der Entwicklung seiner Fähigkeiten zu belauschen,
die nicht deutlicher erkannt werden kann, als in
der allmähligen Vervollkommnung aller seiner Vor-
richtungen und Geräthe , von denen jedes seine
Geschichte hat, das Beil und der Hammer , das
Messer und die Nadel, der geflochtene Korb uud
der irdene Kochtopf, die Hütte und der Mahl-
stein, der Schuh und das Gewebe, der Kahn uud
der Todtensarg ; die prähistorische Forschung lehrt
uns das Verständnis» aller dieser Dinge, nur sie
sagt uns, wie das Alles geworden ist. Wer
hätte bisher daran gedacht, dass das Musik-In-
strument aus der schwirrenden Saite entstanden
ist, diu den Pfeil abschoss und dass ein durch-
bohrter Röhrenknochen die erste Flöte war ! Und
diese herrliche Wissenschaft , die uns das Auge
für so Vieles geöffnet hat, was in undurchdring-
lichem Dunkel lag, sollte man es glauben , dass
man sie, und gerade ihre glänzendste Leistung,
den Nachweis, dass auch das höchste Gebilde der
Schöpfung, der Mensch selbst, einen kleinen An-
fang gehabt hat, und dass dem Menschen das
Thier vorausgegangen ist, verlästert und ihr Schuld
gibt, die Würde des Menschen in den Staub zu
ziehen ! Die Lehre von der fortschreitenden Ent-
wicklung ist aber durchaus keiue materialisti-
sche Ansicht, denn jede Vervollkommnung unserer
Natur wird nur durch eine vom Willen abhängige
Verbesserung des organischen Werkzeugs erreicht.
Alles Lernen , sei es das Sprechen oder eine
Fertigkeit der Hand, beruht darauf, dass wir das,
was wir erst ungeschickt und mit Mühe fertig
bringen , durch Uebung besser machen lernen.
Diese Uebung ist aber nur der wiederholte Ein-
fluss des Willens auf den Muskel, also des Geistes
auf den Körper und Alles, was wir in der Cultur
erreicht haben, erscheint als eine höhere Beseelung
oder Vergeistigung des Körpers! — So setzt diese
Lehre mit. Noth Wendigkeit den bildenden Einfluss
des Geistes auf die Materie voraus, und das ist
das gerade Gegent heil einer materialistischen Natur-
anschauung. Wie im Laufe der Zeit der Geist
den Köper verbessert hat, sehen wir an der nach-
weisbaren Entwicklung unserer sinnlichen Wahr-
nehmung der Farben und Töne, und ein glän-
zendes Beispiel anderer Art liefert die Gegenwart
mit ihren Erfindungen, nicht unsere Organe selbst,
aber ihre Leistungen in ungeahnter Weise zu ver-
vollkommnen, unseru Gehörsinn in die Ferne zu
tragen und dem gesprochenen Worte unbegrenzte
Dauer zu verleihen.
Das Alles sollten Diejenigen sich doch klar
machen, welche sich nicht scheuen, dio neue natur-
wissenschaftliche Lehre als eine Gefahr für das
Volk zu bezeichnen, ja die sie gar beschuldigen,
wie ein deutscher Philosoph gethan hat, jenen
Banquerott an allen sittlichen und geistigen Gütern,
den gewisse Auslassungen socialdemokratischer
Schwärmer offen bekennen, veranlasst zu haben.
Wenn man sagt, da»s der Mensch durch Ver-
edlung aus dem Tbiero entstanden ist, lehrt man
dann, dass er wieder ein Thier werden soll? Es
kann im Gegentheil aus unserer Wissenschaft nur
das sittliche Gebot abgeleitet werden, auch den
letzten Rest des Thieres von uns abzustreifen.
Sprechen nicht dio Sittenlohrer aller Zeiten vou
thierischen Begierden im Menschen , und schaut
nicht oft aus den Narrheiten und Lächerlichkeiten,
aus der Lüsternheit und Nachahmungssucht vieler
Menschen noch der alte Affe heraus?
Gerade der Prähistoriker ist im Stande , so
manche Rohheiten im menschlichen Thun und
Denken und so manche schwer auszurottenden
Vorurtheile als vorgeschichtliche Ucberbleibsel oder
sogenannte Ueberlebsel zu bezeichnen, von denen
wir uns freimachen sollen. Der Fortschritt des
Menschen liegt zunächst immer nur im Wissen,
und es ist leider der Fall , dass unsere Gesetze
und unsere Dogmen stets hinter der Wissenschaft
eine gute Strecke Weges Zurückbleiben. Das Ur-
theil der Gebildeten hat längst den Zweikampf
gerichtet, der die ursprüngliche Selbsthilfe ist und
in der geordneten Gesellschaft doch nur als ein
durch das Vorurtheil privilegirter Mord bezeichnet
werden kann, aber die Gesetze haben den Muth
noch nicht, dagegen schonungslos einzuschreiten,
bis die Öffentliche Meinung dies dringender fordern
wird. Der Geist der confessionellen Duldung macht
sich im menschlichen Verkehre längst überall
geltend, aber die kirchlichen Glaubenssätze stehen
schroff und unversöhnlich einander gegenüber.
Die Trinkgelage deutscher Männer , denen auch
der deutsche Student noch huldigt, sind ebenso
prähistorisch, wie der goldene Ohrring, mit dem
sich die Frauen zieren, er hat denselben Ursprung,
wie der Backenknopf der Indianer oder das Holz-
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klotz in der Unterlippe des Botokuden ! Wer
denkt daran, wenn er einen Knoten in ’s Taschen-
tuch macht, dass dies die alte Knotenschrift ist.,
oder wenn er den Rosenkranz betet , dass man,
wie noch in China, mit aufgereihten Kügelchen
sich das Kechuen erleichterte , wozu die Römer
Sternchen gebrauchten, daher das Wort calculare.
lu der Küche wie in der Sprache und Religion
gibt es unzählige vorgeschichtliche AlterthUmer.
Die runde Form der Brode, die schon in den
Pfahlbauten vorkommt und sich in Deutschland
und Schweden, als Mazza bei den Juden, als
Tortilla bei den Mexikanern erhalten hat , er-
innert an den alten Sonnendienst, auch das Symbol
des Mondes ist noch erhalten im Gebäck, im so-
genannten Hörnchen. Selbst obscöne Namen des
Backwerks deuten auf uralte Sitten. Das Buch
bestand ursprünglich aus mit Wachs überzogenen
Tatein von Buchenholz und der Engländer sagt
noch tcrttc für schreiben , weil die erste Schrift
in Holz eingeritzt war. Die ewige Lampe der
christlichen Kirche hat , wie das einst von den
Vestalinneu gehegto Feuer, in jener Zeit ihren
Ursprung, als es noch eine Kunst war, das Feuer
zu erzeugen und man es sorglich hütete. Die
in kirchlichen Satzungen noch heute gelehrte
Auferstehung des Leibes, wie die Leibhaftigkeit
des Teufels und dio Vorstellung, dass der er-
zürnte Gott durch den SUhnungstod eines Menschen
versöhnt werde, sind Anschauungen, die ein hohes
Alter für sich haben, aber bei einer fortge-
schrittenen Geistesbildung nicht aufrecht erhalten
werden können , wenigstens nicht in dem Sinne,
in welchem sie ursprünglich gefasst worden sind.
Meine Absicht war, Ihnen durch meine Dar-
stellung den Aufschwung der anthropologischen
Forschung zu erklären. Ich führe noch einige
Tbatsachen an, die ihn beweisen.
Seit der Gründung der anthropologischen Ge-
sellschaft in Paris im Jahre 1860 hat jedes Land
in Europa eine solche entstehen sehen. Es ist
ein Zeichen der Zeit, dass man bei der in diesem
Jahre in Paris so glänzend veranstalteten Welt-
ausstellung, welche die Arbeit des Menschen zur
Anschauung bringt, nur eine Wissenschaft ein-
geladen hat , an diesem Schauspiele sich zu be-
theiligen und diese ist die Anthropologie, welche
neben dem Palais Trocodero ihre eigene Aus-
stellung besitzt. Wissenschaftliche Verhandlungen
werden am 16. August daselbst eröffnet. Auch hat
Paris eine besondere Schule und ein Laboratorium
für den anthropologischen Unterricht eingerichtet.
Zugleich erfahren wir , dass eine polnische Ge-
sellschaft für Anthropologie sich daselbst gebildet
hat. In England wird Flow er im Hunter ‘sehen
Museum einen Cursus anthropologischer Vorles-
ungen halten, Bogdanoff bereitet in Moskau
für 1879 eine anthropologische Ausstellung vor,
1880 soll eine solche in Tiflis stattfinden. Die
internationalen anthropologischen Congresse haben
fast in allen Hauptstädten Europas getagt, nur
noch nicht in Deutschland!
Die deutsche Anthropologie kann aber mit. Ge-
nugtuung darauf blicken, was sie im Wetteifer der
Völker für die Wissenschaft geleistet hat und noch
leistet. Im ersten Bande der Memoiren der anthro-
pologischen Gesellschaft von London befindet sich
eine Abhandlung von Bendyshe Uber die Ge-
schichte der Anthropologie ; da rind vorzugsweise
deutsche Werke genannt, welche dieses Studium
begründet haben, ja die Bezeichnung „Anthro-
pologeion“ wurde zuorst von Hundt soinein in
Leipzig 1501 erschienenen Werke gegeben. Was
später Blumenbach geleistet hat , ist zu be-
kannt , als dass ich davon reden sollte. Heute
weise ich auf den reichen Inhalt der deutschen
anthropologischen Literatur, auf das Archiv, auf
die Berliner ethnologische Zeitschrift , auf die
Münchener Beiträge zur Anthropologie und Ur-
geschichte , auf die Verhandlungen der Wiener
Gesellschaft hin. Aber es darf nicht verschwiegen
werden, in der WerthschUtzung unserer Wissen-
schaft sind wir in Deutschland zurückgeblieben
gegen andere Länder , wo sie in grossartigster
Weise gefördert wird. Der kleine belgische Staat
bewilligte 40,000 Fr. für Höhlenforschungen, im
Jahre 1874 stiftete ein Bürger in Kiew für ein
anthropologisches Museum 30,000 Rubel, in Eng-
land schenkte kürzlich zu Salisbury Herr Steeven
für ein prähistorisches Museum 15,000 Pfund
Sterling. Solche Beispiele von Opferwilligkeit ver-
mögen wir nicht aufzuweisen. Möchten sie bei
uns Nachahmung finden !
An Eifer und an Erfolgen aber steht dio
deutsche anthropologische Forschung keiner an-
deren nach. Auch düifen wir behaupten, dass
in keinem Lande in den Massen des Volkes
die Bildung und der wissenschaftliche Sinn so
verbreitet ist, als in Deutschland. Dieses ehr-
ende Zeugniss hat uns schon C u v i e r aus-
gestellt. «Als Jemand ihn fragte, warum man
in Deutschland so viel häufiger als anderwärts
Mamuthknocben und andere Reste vorweltlicher
Thiere finde, gab er zur Antwort: dies komme
daher , weil mau im kleinsten deutschen Orte
immer einen unterrichteten und gebildeten Mann
finde, der solche Funde zu würdigen verstehe
und sie zur Anzeige bringe. Das gereicht auch
den Arbeiten unsorer Gesellschaft zum Vortheil,
dio wieder selbst die Aufgabe hat, die anthropo-
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logische Bildung in stets weiteren Kreisen zu |
verbreiten.
Hoffen wir, dass auch diese Versammlung der
Forschung neue Bahnen eröffnen und unserer I
Wissenschaft neue Freunde erwerben wird!
Hierauf erhielt Herr Lorenzen , Stadtrath
von Kiel, das Wort:
Meine Herren! Ehe Sie in Ihren wissen-
schaftlichen Verhandlungen fortfahren, gestatten
Sie mir als Vertreter des Ober - Bürgermeisters
die auswärtigen Mitglieder der Deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft in unserer Stadt Kiel
willkommen zu heissen.
Wenn Sie für die Generalversammlung unsere (
Stadt gewählt hoben, so wird der Grund jeden- i
falls nicht in ihrer Grösse oder historischen Be- I
deutung zu finden sein. Diejenigen unter Ihnen,
die im vorigen Jahre in der alten Stadt Gonstanz
an der Versammlung Theil genommen haben, ,
werden sich hier vergebens nach Denkmälern ver-
gangener Zeiten umschaucn ; Kiel trägt ein we-
sentlich modernes Gepräge. Allerdings ist unsere
Stadt ein Mitglied des Hansabundes gewesen, aber
sie hat nicht ein einziges Bauwerk aus jener
Periode aufzu weisen , wie Lübeck deren so viele
zeigt; sie kann auch nicht solche Anregungen
bieten , wio manche grössere Stadt. Viele von
Ihnen werden den schönen Rhein und den herr-
lichen Bodensee mit seiner Fernsicht auf die
Schweizerberge vermissen. Aber, meine Herren,
ich glaube, was Sie hierher gezogen hat, ist
unsere blaue See, ist unser schöner Hafen mit
seinen bewaldeten Ufern und seinen stolzen Schiffen.
Unserseits haben wir nur zu wünschen , dass es
Ihnen bei uns gefallen und die hier verlebten
Tage noch lange in angenehmer Erinnerung bleiben
mögen.
Noch einmal heisse ich Sie im Namen der
Stadt Kiel willkommen !
Herr Prof. Hundei mann (Lokal-Geschäfts-
führer der IX. allg. Vers.):
Hochgeehrte Anwesende! Indem ich
nunmehr als Geschäftsführer die angenehme Pflicht
zu erfüllen habe, diese neunte Generalversamm-
lung zu begründen und willkommen zu heissen,
kann ich die persönliche Erinnerung nicht zu-
rückdr&ngen , dass schon vor fünf Jahren diese
Ehre unserer Stadt zugedaeht ward. — Es war
im Jahre 1873, als ich die Anthropologische Ge-
neralversammlung zu Wiesbaden besuchte, dass
unser hochverehrter Herr Präsident, , der auch
damals den Vorsitz führte, mir zunächst privatim
den Wunsch aussprach, die nächste Generalver-
sammlung auf Kiel anzusetzen , namentlich mit
Rücksicht auf den im Jahre 1874 zu Stockholm
abzuhaltenden internationalen Congress für An-
thropologie und Archäologie. Leider sah ich da-
mals mich ausser Stande , auf diesen Vorschlag
einzutreten, da die Verhältnisse des hiesigen Mu-
seums, auf welches der Herr Präsident das Haupt-
gewicht legte, noch unbefriedigend waren. Aller-
dings war eben damals , Dank dem fördernden
Interesse, das der Herr Cultusministor unsern
Wissenschaften zuwendet, nicht minder in Folge
der warmeu Befürwortung des Herrn überpräsi-
donten und Universitäts-rCurators , erreicht , was
ich und meine Collegcn im Vorstande der vor-
maligon 8chleswig-Holstein-Lauenburgischen Alter-
thumsgesellschaft seit langen Jahren anstrebten ;
das Museum war ah Staatsanstalt dotirt und in
die Reiho der Universitäts-Institute förmlich auf-
genommen. Aber es fehlte noch ein genügendes
Lokal, von dem gerade bei einem solchen In-
stitute jede gedeihliche Entwicklung abhängt. Ich
wollte, ich könnte Ihnen die höhlenartige Räum-
lichkeit zeigen, wo die kostbare Kieler-Sammlung
vierzig Jahro lang sich hat behelfen müssen ; aber
es hiesse bei Vielen, welche die beklagenswcrtheo
Zustände deutscher Vcreinssammlungen kennen und
ertrugen müssen, „den unaussprechlichen Schmerz
erneuern.“ Daneben war für die zufolge des Wiener-
Friedens zurück gegebene Flensburger - Sammlung
ein zweites Lokal' gemiethet . das aber zu einer
vollständigen Verschmelzung und systematischen
Aufstellung beider Sammlungen nicht ausreichte.
Es vergingen dann noch mehrere Jahre, bis das
Museum in dem vormaligen üollegiengehäudc der
Universität Kiel eine eigene Heimstätte erhielt,
die nicht allein für den gegenwärtigen Bedarf
genügt, sondern auch auf einen ansehnlichen Zu-
wachs berechnet ist.
Als gerade der Umzug im Gange war, als
die ganze Sammlung in Kisten und Kasten ver-
packt stand, da kam im vorigen Herbste von den
Ufern des Bodensees die Nachricht, dass die an-
thropologische Gesellschaft abermals Kiel in Aussicht
genommen habe. Es gehörte allerdings einiger
Muth dazu, trotz alledem die Anfrage mit einem
freudigen „Ja“ zu beantworten und die mir über-
tragene Geschäftsführung zu übernehmen. Bei der
angestrengtesten Arbeit ist es gelungen, die Auf-
stellung durchzuführen, und in der nächsten Stunde
weiden Sie einen Ueberbliek Über unsere ange-
sammelten Schätze gewinnen. Und doch sind wir
mit unserer Aufgabe nicht ganz fertig. Es sind
nämlich nicht unsere sämmtlichen Steinsachen auf-
gestellt; denn als die aufgespeicherten Vorrithe
zusammenkamen , ergab es sich, dass die verau-
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schlagt en Schränke dafür nicht ausroichten, und
e.s waren weder Zeit noch Mittel , um deren
augenblicklich mehr zu beschaffen. Jedoch auch
ohne das werden Sie sich überzeugen von dem
Reicht!) u me des Museums gerade auf diesem Ge-
biete. Noch weniger Wird es die Prähistoriker |
iuteressiron, dass die Einraugirung unserer Münzen-
sammlung kaum begonnen bat.
Was ich bei weitem mehr beklage, ist, dass '
die Vorarbeiten zu der prähistorischen Karte
Schleswig-Holsteins, die ich im Aufträge der be- 1
treffenden Kommission unserer Gesellschaft Über-
nommen habe, nicht bis zu dieser Versammlung
zu Ende geführt werden konnten. Als Grundlage
für die prähistorische Karte wird bei dem Museum
eine archäologische, nach den Kirchspielen geord-
nete Statistik der Provinz Schleswig-Holstein und
ihrer Enclaven geführt, worin ausser unseren
eigenen Katalogen diejenigen der Privatsammlcr
und benachbarten Museen sowie auch das ge-
druckte Material zu verarbeiten sind. Diese Arbeit
kann auch in gewöhnlichen Zeiten nur langsam
gefördert werden ; es ist nal (Irlich, dass sie unter
den obwaltenden Umständen vor dringlicheren Ge-
schäften ganz zurücktreten musste. Ich mochto
vorläufig zur Sache nur bemerken , dass unser
Land, das heisst die sogenannte Geest an Stein-
sachen ganz unerschöpflich ist. Man wird kaum
eine Koppel neu aufbrechen , ohne etwas Der-
artigem zu finden , und danach könnte die Karte
auf gut Glück mit der betreffenden Deckfarbe be-
strichen werden, ohne dass man wesentlich irre
ginge. Daneben möchte ich nach den hiesigen
Erfahrungen auf eine grosse Gefahr für die prU- {
historische Statistik und Kartographie hindeuten, i
Sie werden im Museum sehen , dass gerade bei j
den Steinsachen die Zahl der verbürgten Sehles-
wig’schen Fundstücke diejenige der Holsteinischen
weit übertrifft. Es wäre aber der allergrösste
Irrthum, wenn man darum glauben wollte, daiss
in Schleswig mehr gefunden werde, als in Holstein.
Es geht nichts daraus hervor, als dass für unser
Museum mehr Sehles wig’scho Privatsammlungen
zusammengekauft wurden, als Holsteinische, und
dass unser erfolgreichster Holsteinischer Privat-
sammler seine Sachen weniger sorgsam mit An-
gabe der Fundstellen signirte, als seine Schles-
wig’schen Coneurrenten. Von solchen Zufällig-
keiten hängt schon sehr viel ab; aber die Haupt- |
sache bleibt doch , dass man überhaupt erst seit |
verhältnissmässig kurzer Zeit zu sammeln ange- ■
fangen hat und dass auch seitdem immer noch ■
ein grösserer Theil der Funde unbeachtet ge- i
blieben oder verschleudert worden ist. Jeder Sta- i
tistiker für prähistorische Funde mag sich darum
hüten , bei etwaigen Berechnungen und Schluss-
folgerungen seine Irrthumsgränzon allzu enge zu
ziehen.
Wenn ich also der Versammlung keine Karte
vorlegen kann, so bin ich dafür, glaube ich, der erste
Geschäftsführer, der Ihnen eine kleine Begrüssungs-
schrifi (cf. S. 82. 5.) zu widmen gewagt hat. Sie
werden darin ausser Nachrichten über einige der
grösseren und wichtigeren Erwerbungen der letzten
Jahre, insbesondere eine kurze Orientirung über
die Aufstellung des Museums und den Inhalt der
einzelnen Schränke finden, die dazu bestimmt ist,
Ihnen die bei solchen Gelegenheiten stets unzu-
reichende persönliche Führung oinigermassen zu er-
setzen (cf. S. 83. 23.). Es liegt mir fern, an diese ein-
fachen Notizen liier culturhisto rische Darstellungen
anzuknüpfen oder in den Streit einzutreten, der in
den letzten Jahren Uber die Dreiperiodentheilung
entbrannt ist. Die rein akademische Frage, ob
die prachtvollen Bronzewaffen, welche ich insbe-
sondere aus den Gräbern auf Sylt neben uuver-
hrannt.en Leicben erhoben habe, mit oder ohne
eiserne Werkzeuge gearbeitet sind, lässt sich hier
nicht entscheiden, und unser Museum bietet nur
ein paar Gussfunde dar. welche unwiderleglich
beweisen, dass Bronzesaehon, wenn auch ziemlich
einfacher Natur, namentlich Schaft- und Hohl-
celte, hier zu Lande gegossen sind. Aber ich
mochte aus meiner eigenen Erfahrung einen inter-
essanten Nebenumstand erwähnen. Im Sommer
1873 öffnete ich einen Hügel auf Sylt, wo zwischen
dem Steinkegel keine erkennbaren Spuren der
Verwesung vorkamen und den ich daher als einen
Malhügel (Konotaph) klassifizirte ; ich bin aller-
dings nach neueren Beobacht ungen nicht mehr
sicher, ob diese Benennung richtig war, ob nicht
vielmohr eine zwischen den Steinen verpackte
Leiche vollständig vergangen ist. Unter dem
Steinkegel auf dem Urboden zeigte sich eine aus
flachon Steinen gelegte Feuerstelle, die Holzkohlen-
glutli war offenbar mit Sand ausgeschüttet und
dann mit einem Thierfelle zugedeckt. Hier auf
der Brandstelle fand ich neben Bronzesaehon, Gold-
sclnnuck und einom Flintspahn zu meiner grossen
Verwunderungauch einen unverkennbaren Klumpen
Eisen rost. Als ich denselben aber genauer prüfte,
stellte sich heraus, dass hier kein Kunstprodukt
vorlag, sondern ein natürliches Gebilde aus Li-
monit, einer Schüssel ähnlich gestaltet, wie man
solche auf der Haide , insbesondere aber am
Morsum - Kliff auf Sylt finden kann. Im Volks-
munde heissen diese Naturgcbilde „traaldaskar“
d. h. Hexenschüsseln, und der Aberglaube erklärt
sie für Arbeiten der kunstfertigen Unterirdischen
oder Zwerge. Es konnte in diesem Fall durch-
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aus kein Zweifel sein, dass die Hexenschüssel den
anderen Todtengeschenken absichtlich hinzugefügt,
war, und so drängte sich mir die Erklärung auf,
dass schon das Urvolk auf diese interessanten
Eisengebilde aufmerksam geworden ist und ihnen
ebenso wie die Gegenwart eine abergläubische
oder gar religiöse Bedeutung beigelegt haben
mag. Es sind auch in anderen Gräbern solche
Hexenschügseln gefunden ; aber bisher deutet nichts
darauf, dass die Ureinwohner bereits damals ange-
fangen hätten, unsem einheimischen Raseneisen-
stein zu verarbeiten. Das älteste Kunstprodukt
von Eisen , das Sie in unserem Museum sehen,
ein Messer, ist aus einem Grabhügel neben einer
Bronzekanne vom Halls t&tter-Typus erhoben und
höchst wahrscheinlich gleich dieser importirte Waare.
Doch lassen Sie uns zur Gegenwart zurück-
kehren ! —
Wie das Schleswig-Holsteinische Museum
vaterländischer AlterthUrner sich der Ehre Ihres
Besuches erfreuen wird, so lassen Sie sich auch
die anthropologisch-archäologische Ausstellung em-
pfohlen sein, welche der hiesige Zweigverein im
Nebensaale veranstaltet hat. Desgleichen haben
die Vorsteher der Sammlungen hiesiger Universität,
die Direktion des Schleswig-Holsteinischen Kunst-
vereines und der Herr Geh. Rath T h a u 1 o w
meinen Bitten mit dankenswertester Bereitwillig-
keit entsprochen. Ich benutze diese Gelegenheit,
um ausdrücklich bekannt zu machen, dass in den
dazu roservirten Stunden, also heute von 11 bis 2
Uhr und morgen Dienstag von 8 bis 11 Uhr
das Mineralogische Museum, das Anatomische In-
stitut und das Zoologische Museum, dio Gemälde-
galerie der Kunsthalle, das Kunstmuseum von
Abgüssen antiker Seulpturen, sowie auch das
Thaulow - Museum schleswig-holsteinischer Holz- I
schnitzwerke Ihrem Besuche geöffnet sind. Der I
Botanische Garten steht von 7 Uhr Morgens bis ;
7 Uhr Abends offen ; die daselbst veranstaltete i
Ausstellung interessanter botanischer Gegenstände j
kann Vormittags besichtigt werden. Dio Akade-
mische Lesehalle steht den Theilnehtnem gleich-
falls zur Benützung frei. Ich muss endlich noch
in Erinnerung bringen, dass die Gesellschaft:
„Harmonie“, in deren Räumen wir hier tagen,
alle auswärtigen Theilnebmer als ihre Gäste ein-
geführt hat. So hat sich Alles in unserer Stadt
vereinigt, um Ihnen darzubieten, was in unsern
schwachen Kräften steht. Und indem ich nun
als Geschäftsführer Sie nochmals willkommen j
heisse, erlauben Sie mir zugleich den Wunsch
auszusprechen, dass die Tage dieser neunten Ge-
neralversammlung für die Wissenschaft, der unsere
Gesellschaft dient, fruchtbringend verlaufen möge! j
Ich kann nicht sch Hessen, ohne mit gebühren-
dem Danke des freundlichen Entgegenkommens zn
gedenken, das Ihr Geschäftsführer in den benach-
barten Hansestädten Hamburg und Lübeck ge-
funden hat, und wodurch dem Programm der dies-
jährigen Generalversammlung eine so erfreuliche
Erweiterung zu Theil geworden ist. Die anregen-
den Stunden der hainburgischen Station liegen
hinter Ihnen , und Sie werden danach eine er-
wünschte Abspannunggefunden haben in der Eisen-
hahnfahrt bieher, die weder in landschaftlicher noch
wissenschaftlicher Hinsicht dem Reisenden etwas
bietet. Auch die unmittelbare Umgegend von Kiel,
so schön sie ist, hat eben nicht dasjenige auf-
zuweisen, was ich Ihnen neben den Sammlungen
so gerno gezeigt hätte; vor reichlich hundert
Jahren wird zwar noch eine Steinkiste am Wege
von hier nach Cronshagen erwähnt, aber sie ist
jetzt spurlos verschwunden. Was in unserer
Provinz an vorgeschichtlichen Steindenkraälern,
Grabhügeln und Todtenfeldern, an Werk- und
Wohnstätten, an sog. antiquarischen Mooren, an
Burg-, Ring- und Gränzwällen, an Runen- und
Siegfriedsteinen u. dgl. mehr bemerk entwert h ist,
das liegt weit zerstreut und ist von hier aus
nicht so bald zu erreichen. Um diese Lücke
unsers Programms auszufüllen, ist Lübeck einge-
treten, das ausser reichen Museen auch dicht vor
seinen Thoren eine Auswahl von interessanten
Alterthumsdenkmälern besitzt. Seit der Veröffent-
lichung des Programms der Generalversammlung
und den betreffenden Bekanntmachungen in No. 6
des Correspondenzblattes hat der Verein für
Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde ein
mit grösster Liberalität vervollständigtes Pro-
gramm der Lüheckischen Station eingereicht, was
ich hiedurch kundzugeben nicht ermangle.
Herr Johannes Hanke (für den General-
sekretär) :
Mein Auftreten an dieser Stelle bedeutet für
die deutsche anthropologische Gesellschaft mehr
als einen herhon Verlust. Als in den Tagen vom
24. bis 26. Septb. v. Js. die 8. allgemeine Ver-
i Sammlung der deutschen anthropologischen Gesell-
schaft in Constanz tagte, betheiligte sich noch mit
| jugendlicher Frische an derselben der bekannte
Anatom Karl Ernst Emil H offmann aus
Basel. Er hatte von der Gründung uuserer Ge-
sellschaft an sich wesentlich für die anthropologi-
sche Sache interessirt., war ein fleissiger Besucher der
allgemeinen Versammlungen und hatte zuletzt die
Aufnahme der Statistik der Farbe der Augen,
der Haare und der Haut für die Schweiz übernom-
men. Er war zum Präsidenten einer zu diesem
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Zweck gewtthlten Commission ernannt und hatto
uns noch bei seinem Scheiden in Constanz ver-
sprochen, hier in Kiel den ersten Bericht über
seine diesbezügliche Thätigkeit zu geben. We-
nige Wochen nachher war dieser Mund, der
heute zu uns sprechen wollte , für immer ge-
schlossen ! So herb für uns dioscrVerlust eines treuen
Freundes und Mitarbeiters ist, so ist durch diesen
einen Verlust doch noch ein zweiter bedingt, nein-
lieh der, dass unser verehrter Generalsekretär
Herr Kollmann hier nicht bei uns sein kann.
Gr folgte dein ehrenvollen Rufe nach Basel an
die Stelle von K a r 1 Ernst Emil Hofmann.
Gr ist für jenen in die Vorstandschaft der Com-
mission für die eben erwähnten anthropologischen
Aufnahmen in der Schweiz getreten, und gerade
in diesen Tagen ist auch dort eine Versammlung,
die sich mit diesen Dingen beschäftigt , so dass
er nicht in der Lage ist , hior in Kiel Bericht
zu erstatten, ln Folge davon wurde mir die
Stellvertretung seinos Amtes übertragen. — Wenn
es mir schmerzlich war, diese Verluste zu er-
wähnen, so kann mein Bericht nun zu freudigen
Dingen Ubergehen.
Wir sehen uns hier in Kiel von einer grossen
Anzahl neu gewonnener Freunde umgeben. Als
im vorigen Herbste der Beschluss gefasst wurde,
die 9. allgemeine Versammlung der deutschen An-
thropologen nach Kiel zu verlegen, bestand hier
noch kein anthropologischer Zweigverein. Unter-
dessen hat sich dieser so glänzend konstituirt,
and wir werden empfangen, als wäre unsere Sache
schon seit einer langen Reihe von Jahren von reichen
Händen geptiegt und gehegt worden. Wir haben
noch einen zweiten nenen Verein zu erwähnen :
auch in Münster ist ein solcher, die westphälieche
Gruppe , mit zahlreicher Betheiligung entstanden.
Wir dürfen sagen , unsere Gesellschaft wächst,
ihre Bestrebungen finden immer weitere Ver-
breitung und Anerkennung. Zum grossen Theil
wird das bedingt durch unsere allgemeinen Ver-
sammlungen selbst. Wie hier so wurde seiner
Zeit auch in Jena ein Zweigverein auf Anregung
der dortigen allgemeinen Versammlung gegründet.
Wir sahen den Zweigverein in Constanz in Folge
der gleichen Anregung erwachsen und zunehmen.
Gs sind Missionsreisen , die unsere Gesellschaft
mit diesen allgemeinen Versammlungen für die
anthropologische Sache unternimmt. Aber os
werden nicht blos neue Vereine gegründet, es
werden durch die allgemeinen Versammlungen die
schon bestehenden Vereine zu kräftigerer, con-
eentrirterer Thätigkeit angeregt. Die Fragen, die
auf den allgemeinen Versammlungen besprochen
wurden, bilden dann vielfach für die Loculvereine
die Signatur für die Arbeiten, die während des
Jahres vorgenommen werden. So war irn vorigen
Jahre in Constanz die Frage über die praehi-
storische Kunst zunächst in Beziehung auf dio
Thayinger Funde angeregt worden und diese
Frage hat nun im Laufe des verflossenen Jahres
in fast allen Localvereinen gespiolt, freilich nicht
überall mit dem grossen Erfolge, die Frage einer
wissenschaftlichen Lösung wesentlich näher zn
bringen, wie im Berliner Zweig vereine.
Es wäre vollkommen unnötliig, ich glaube,
es hiesse Eulen nach Athen tragen, wenn ich hier
die Publikationen , welche in den verschiedenen
Zeitschriften der anthropologischen Gesellschaft
gemacht worden sind, ausdrücklich erwähnen
wollte. Es ist das Correspondenz - Blatt , das
Archiv, die Berliner Zeitschrift für Ethnologie
in Jedermanns Händen. In einer der neuesten
Nummern des ersteron gab Herr Kollmann die
wichtigen Resultate der craniologischen Konferenz
zu München 1877.
Ich möchte nur pro domo noch ein paar Worte
sprechen. Seit dem vorigen Jahre geben wir auch
in München eine anthropologische Zeitschrift: Bei-
träge zur Anthropologie und Urgoschicbte
Bayerns heraus. Unser Bestreben ist es, die lo-
kalen anthropologischen Fragen für Bayern mög-
lichst aufzuarbeiten. Ich erlaube mir, der hochge-
ehrten Gesellschaft auch heuer im Aufträge der
Münchener anthropologischen Gesellschaft und ihrer
Vorstandschaft einen Band und zwar den II., 1. und
2- Heft vorzulegen. Unsere Publikation hat noch wenig
Beachtung gefunden, vielleicht mit Unrecht. Ich
glaube, dass z. B. die Arbeit unsers hochverehrten
Mitgliedes Herrn Staatsrath Professor Dr. Stieda
aus Dorpat über Schädelanomalien im letztem
Heft des Archivs wohl in etwas anndorer Weise
publizirt worden wäre, wenn er unsere Arbeiten
gekannt hätte. Ich glaube, er würde wohl zu
etwas anderen Schlussfolgerungen gekommen sein,
wenn ihm unsere darauf bezüglichen , grosseren
statistischen Aufnahmen zunächst wenigstens für
einen deutschen Volksst&mm bekannt geworden
wären, welche dio allgemeinen Angaben des Herrn
Virchow für dos deutsche Volk in so hohem
Masse bestätigen. —
Ich habe noch Uber dio Verwendung der von
der Gesellschaft für Förderung ihrer Zwecke
einzelnen Zweig vereinen bewilligten Geldunter-
stützungen zu berichten.
In der allgemeinen Versammlung in Constanz
1877 wurden Geld Unterstützungen gewährt : dem
Zweigvereine zu Weissenfels für Ausgrabungen und
dem zu Dürkheim speciell für Ausgrabungen auf
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der Limburg. Von beiden Vereinen sind Nach- 1
richten über die Resultate dieser Ausgrabungen ;
eingelaufen. Leider ist mir der ausführliche Be-
richt des Weissenfelser - Vereines erst in diesem
Augenblicke zugekommen , so dass ich Näheres
durUl>er noch nicht berichten kann. Schon früher
wurde mir von dort mitgetheilt, dass von den
bewilligten 300 *.&■ nur 59,55 ./£ bisher für
die Ausgrabungen eines grossen Hügelgrabes ver-
braucht worden seien , dass aber die Verwend-
ung der übrigen Gelder für Ausgrabungen in
nächster Zeit in Aussicht genommen sei, wor-
über dann bei der nächsten allgemeinen Ver-
sammlung Bericht zu erstatten sein wird. Ueber
die Verwendung des Zuschusses, welchen der
Zweigverein zu Dürkheim für Ausgrabungen auf
der Limburg erbalten hat, habe ich einen in-
teressanten Bericht des Herrn Mehlis erhalten.
Auch in der Kölner-Zeitung hat derselbe Schon
eine Notiz gegeben , die das Ergebnis* der Un-
tersuchung in grossen Zügen vorlegt. Herr
Mehlis wird morgen in der Sitzung Gelegen-
heit haben, uns seine Resultate ausführlich vor-
zu tragen.
Schon in Jena 1870 wurde auch dem Zweig-
vereiu Müucheu eine Summe für Ausgrabungen
und zwar speziell für Höhlenausgrabungen be-
willigt , die inzwischen Verwendung fand. Wir
haben in unseren Gegenden sowol natürliche als
künstliche Höhlen. Eine reichhaltige natür-
liche Höhle zu Breitenwienin der Nähe von Regens-
burg wurde von Herrn Clessin ausgebeutet.
Seine sehr interessanten Resultate werden in Bälde
in unseren Münchener Beitrügen ausführlich ver-
öffentlicht werden. Uebrigens sind in unseren
neuereu Untersuchungen die Merkmale, dass der
Mensch mit Diluvialthicren zusammengelebt hat,
ausserordentlich sparsam , ich könnte beinahe
sagen , sie fehlen mit absoluter Sicherheit fast
ganz. — Der Münchener Zweigverein hat auch
Ausgrabungen in einigen kleineren Höhlen in
Oberfranken gemacht und zwar in der Nähe von
Pottenstein, namentlich im Zworgloch und Hasen-
locb. Die Dinge , dio gefunden wurden , lagen
Ihnen zum Theil schon bei einer frühereu Ver-
sammlung vor, sind aber erst jetzt von mir voll-
ständig untersucht worden. Auch in den Potten-
steiner Höhlen lassen die Beweise, dass der Mensch
gleichzeitig mit dem Höhlenbären und dem Kenn-
thier# gelebt hat, obwoi die Spuren keineswegs
fehlen, doch immerhin au Deutlichkeit zu wünschen
übrig. In Beziehung auf die Höhlenfauna habe
ich zu kunbtatireu , dass neben den Knochen der
bekannten 11 Ohlenthiere : vom Höhlenbär, Hühltm-
byiiue, Fuchs, Pferd, Hirsch, Reh und Rind etc.
in ziemlicher Anzahl Knochen des bisher in Hohlen
selteuer gefundenen irischen R i esen hirsches,
des Megaceroa hibernicus Ow. , gefunden wur-
den. Von grösserem Interesso sind die Knochen
von grossen Nagethiereu. Sie stammen zum
Theile vom Biber , aber zu meinem Erstaunen
fand ich auch solche vom Stachelschwein.
Ich würde meiner eigenen Autorität hier nicht
vollkommen trauen , wenn ich nicht diese An-
gabe stützen dürfte auf die Uehereinstimmung
meiner beiden Kollegen der Herren von Siebold
und Zittel in München. Schon in Jena haben
wir Kuochen vom Kicsenhirscb und Pferd aus diesen
Höhlen vorgelegt , welche eine ganz eigentüm-
liche Bearbeitung zeigten. Man glaubte zuerst
eine Bearbeitung von Menschenhand vor sich zu
sehen. Später, nachdem ich unter den übrigen
Knochen auch die der Höhlenhyäuo konstatirt
hatte, erinnerte ich mich daran, dass die Hyänen
mit ihren ausserordentlich schürfen Zähnen und
starkem Gebiss ganze Stücke aus dem festen
Knochengewebe gleichsam herausschneiden sollen.
Die Abbildungen in den Höhlenjagden W. Boyd
Dawkins’ S. 225 (deutsche Uebersetzung von
Spengel) zeigen uns ähnlich bearbeitete Knochen
wie die unseren als von Hyänen benagt. Ich
hatte Gelegenheit , mir frische Knochen zu ver-
schaffen , welche Hyänen benagt hatten , dabei
fiel mir auf, dass sich diese Benagung doch ganz
anders als jene an unseren Knochen ausnimint.
Bei letzteren sind dio einzelnen bearbeiteten Stcllon
gleichsam ausgefeilt oder die Kuochen zeigen die
Z&hnspuren etwa wie ein iiutterbrod , von dem
mau ein Stück abgebissen. Man musste hier also
an Nagethiere, zunächst an Biber oder Murmelthier
denken. Nachdem ich nun aber die Knochen von
Stachelschweinen gefunden und die Zahubreite
dieser Thiere mit den Zahnspuren auf den Knochen
verglichen habe, stehe ich nicht an, zu behaupten,
dass diese eigentümlichen Bearbeitungen der
Knochen , die ich bisher für Hyänenspuren ge-
halten hatte, von diesen Nagethiereu herstamraen
und ich glaube, dass sich unsere Hystrix wohl
auch in anderen Gegenden an der Bearbeitung
der Huhlenknochen betheiligte. Unser Stachel-
schwein ist, wie es scheint, nicht identisch mit
dem nordafrikanischen, es gleicht mehr dem asia-
tischen uud zwar einer Spezies, welche in un^eror
Münchener zoologischen Sammlung als Hystrix
hirsutirostris aus Kasan benannt wird. Vielleicht
stimmt die Höhlen-Spezies nicht mehr ganz über-
ein mit einer jetzt lebenden, so dass wir sie wohl zu-
nächst arn besten als Hystrix spelaea bezeichnon
werden. Diese Funde, die neu in Deutschland sind,
glaubte ich erwähnen zu müssen. Bekanntlich
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93
wurden in belgischen Höhlen von Schmerling
ebenfalls die Reste grosser fremdartiger Nagethiere
beobachtet. Boyd Da wkins sagt (deutsche Ueber-
setzung S. 3 1 3*), Schmerling hätte unter den
Höhlenthieren auch das südouropäisehe Stachel-
schwein gefunden. Ich weiss nicht, worauf er sich
stützt. Sch m erlin g selbst erklärt die Reste der
grossen Nagethiero für die von Aguti, Cavia acuti L.
(Ossemens fossiles Vol. II. S. 1 1 5). — Ich denke,
nachdem man einmal diese Thiere gefunden hat,
wird man sie neben Arctomys marmota (Ecker)
auch in anderen Höhlen finden. —
Von weiterem Interesse scheinen mir auch un-
sere künstlichen Höhlen 7.u sein, welche wir
ebenfalls mit Hilfe der unserem Zweigverein ge-
währten Unterstützung ausgegraben haben. Schon
seit den Dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts ist
man aufmerksam geworden , dass namentlich in
sandigen Abhängen und Hügeln in der Nähe von
Augsburg und München solche Höhlen sich finden.
Der Sand, in welchem sie eingeschnitten sind, ist
zum Theile ziemlich lose , so dass man ihn mit
der Schaufel bearbeiten kann ; es ziehen sich
aber auch festere Schichten durch , theils Con- j
glomerat , theils nur durch Einlagerung von
Thon in die Sandmasso zu einer grosseren Kon-
sistenz erhärtet. Solche festere Schichten bilden
die Decken unserer künstlichen Höhlen. Man
fand diese Höhlungen zufällig, indem man die Ge-
hänge abgrub, um Sand zu gewinnen. Ich weiss
nicht, ob vielleicht in Deutschland auch sonst der-
artige Dinge schon bekannt sind. Mir und meinen
Münchener wissenschaftlichen Freunden scheinen
sie von höchstem Alterthum zu sein.
In neuester Zeit wurden zwoi solche Gänge
neu entdeckt, die ich mit Unterstützung des Pro-
fessors der Architektur und Architekturgeschichte,
Herrn A. Thiersch in München, wissenschaft-
lich aufgenommen habe, es sind die Höhle in
ünterbachern bei Dachau und eine neue Höhle
in Kissing bei Augsburg.
Bachem gehört zu den ältesten Orten Obor-
bayerns , Kissing ist ein sagenumwebter Platz.
An einigen Orten knüpft sich an solche unter-
irdische Gänge eine 8age von drei Jungfrauen,
zwei weissen und einer schwarzen oder schwarz-
weissen, dio in diesen Höhlen wohnen sollen, wo
sie ihren Schatz hüten, den sie unredlich getheilt
haben. Es ist die alte Geschichte: die eine
Schwester war blind , die anderen sehend , die
blinde wurde bei der Theilung der Schätze betrogen.
In Kissing wird für sagenhafte „3 Jungfrauen
von Mergentan“, ein Schloss in der Nähe, jeden
ersten Sonntag im Monat von der Kanzel gebetet. 1
Gestatten Sie mir zu beschreiben, wie man in (
einen solchen Gang gelangt, und zwar in den von
Kissing. Ich lmbe die durch Herrn Thiersch
gefertigte Abbildung der beiden Gänge hier auf-
gebängt. In einem Keller, der neuerdings in
den Sand hiuein gebaut ist, befindet sich eine
nach abwärts gehende balbraannslioho enge Ver-
tiefung, eben so weit, um hineinsteigen zu können.
Nun muss man sich niederlegen und nicht blos
auf den Knien und Ellenbogen, sondern wirklich
auf dem Leibe , rückwärts gewendet , die FUsse
voran, durch eineu engen horizontalen Schlupf-
kanal schlüpfen. Nuchdem man sich so ein Stückchen
vorwärts bewegt hat, kann man sich aufrichten
und befindet sich nun in einem spitzbogig ge-
wölbten Gange , der , wie die weiteren Partieen
der Höhle sämmtlich, eben so weit und hoch ist,
um darin gehen und stehen zu können. Hier
ist die platt abschneidende Endwand , hier die
enge rundliche Oefinung an dem Boden der-
selben, durch welche man hereingekonunen ist. An
den Seitenwänden befinden sich am Eingang zwei
hohe Nischen, welche vielleicht zur Aufstellung von
Urnen haben dienen können, zum Sitzen aber zu
| eng sind ; diese Nischen sind spitzbogig gewölbt.
Nach der Ansicht des Herrn Prof. Thiersch
haben diese Spitzbogen mit der Gothik nichts zu
schaffen ; es ist die Bauart desswegen gewählt
und nothwendig, damit das ziemlich lose Material,
in welches die Gänge gegraben sind , nicht zu-
sammenstürzt. Diese Gänge sind ausserordentlich
geschickt bearbeitet, offenbar, den Spuren nach,
mit einer auf die Flächo gebogenen Haue , wie
sie z. B. die Fossoren dor römischen Katakomben
benützten , und mit einer kurzen etwas auf die
Fläche gerundeten Stichschaufel. Die Arbeit ist
so gut und korrekt, dass sie eine grosse Uebung
voraussetzt, offenbar sind solche Gänge viele ge-
macht worden. Geht man in diesem Gange, der
den Eingang bildet, eine Strecko weiter, so ge-
langt man in den längeren Hauptgang, der eben-
falls spitzbogig gewölbt ist. An verschiedenen
Stellen finden sich kleinere Nischen zur Ein-
stellung von Lampen ; diese Nischen sind zum
Theile von Russ geschwärzt. Am Boden der
Schlusswand des Hauptganges ist wieder eine
solche enge Oeffnung, wie jene, durch welche wir
in das unterirdische Bauwerk hereingekommen
sind ; man kriecht horizontal in diese hinein,
muss sich dann senkrecht in die Höhe wenden,
was ziemlich beschwerlich ist, und kommt dann
in eine Art von Karninloch zu stehen. Von hier
aus blickt man in eine höhere Etage des Ganges,
wo zunächst wieder , wie am ersten Eingang,
1 grössere Nischen angebracht sind, welche eben-
( falls oben mit ihren Spitzen zusaromenlaufend,
3*
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ein Kreuzgewölbe bilden. Ein etwas anderes Bau-
princip spricht sich in dem Gang in Unter-
bachern aus.
Beide Gänge waren, obwohl erst kürzlich ent-
deckt, doch schon vor uns von verschiedenen
Leuten bekrochen oder, wie der Alt- Bayer sich
ausdrückt, „beschloffen“ worden. Man fand Scherben
von unglasirten Topfgefilssen, zum Theil nur mit
der freien Hand gemacht, einige gebrannte Knochen-
stückcheu, vielleicht Menschenknochen, aber sicher
auch Knochen von Hausthiercn. In all diesen
künstlichen Höhlen, man kennt bis jetzt schon bei-
nahe zwei Dutzend vollkommen Hhnliche, wurde
nichts anderes gefunden und doch berichtet fast
überall die Sage von unterirdischen Schätzen, die
sie bergen sollen. In Unterbachern erinnern sich
alte Leute, dass vor circa 90 Jahren Schatzgräber
in nächster Nähe der Gänge gegraben haben ;
vielleicht erklärt sich daraus unsero geringe Aus-
beute.
Ich möchte die Frage vorlegen , wie weit in
Mittel- und Norddeutschland derartige unterirdisch«
Bauwerke bekannt sind. Unter meinen wissenschaft-
lichen Freunden in München glaubt HerrThiersch,
diese Höhlen in Verbindung bringen zu müssen mit
der bekannten Hypothese, die sich zum Theil auf
Steub’s Forschungen in den Alpen beruft, dass
auch über unsere Alpen heraus im flachen Lande
einst noch eine rhü tisch -et irakische Bevölkerung
wohnte; wir glauben, dass wir es liier mit Grab-
bauten zu thun haben, welche in gewissem Sinne
an die etruskischen Gräber erinnern oder an
die Grliberanlagen noch älterer Zeit. Die engen
Eingänge , die Erschwerung des Hineingelangens
zum Orte des Begräbnisses selbst sind auch für
die Pyramidengänge, die Gräber in Aegypten,
charakteristisch. Das Nähere hierüber werden
unsere „Beiträge“ bringen. — (Hiezu Beilage I).
Herr Wclsmann (Schatzmeister): Wenn ich
voriges Jahr bei meinem Rechenschaftsberichte in
Konstanz den Wunsch aussprneh, es möchten die
verehrlichen Mitglieder der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft auch in der Folgo ihre
Thätigkeit. mit. der ihres Schatzmeisters zur Er-
zielung möglichst günstiger Rechnungsresultate
vereinigen, so muss ich Ihnen heute bekennen,
dass ich meinen Wuusch nicht nur vollständig
erfüllt, sondern meine Hoffnung weitaus über-
troffen sehe , und haben wir daher alle Ursache,
sowohl den einzelnen Vereinsmitgliedern, als auch
insbesondere den betreffenden Vereiuskassieren und
Geschäftsführern der Lokalvereino und Gruppen
unsern ganz ergebensten Dank dafür nuszuspre-
chen , dass sie auch dieser Seite unseres V er-
einslebcns die so nötliige Unterstützung ango-
deihen Hessen. —
Ein Blick auf unsern Gesamml-Einnahmeposten
von 12,306 bff. 69 $ lässt Sie erkennen, dass es
fleissiger Arbeit und kräftigen Zusammenwirkens
bedurfte , um solche Summen aus den kleinen
Mitgliederbeiträgen zu 3 , ich möchte sagen,
fast aus aller Herren Länder zusammenzutragen.
Diese Anerkennung muss sich noch steigern,
wenn wir bedenken , wio kitzlich der Geldpunkt
an und für sich schon ist, wie vorsichtig und
zart man auftreten muss, — namentlich in jetziger
Zeit , wo Viele dem so ungemein ausgedehnten
Vereinsleben mit seinen unvermeidlichen Ausgaben
den Rücken kcliren, — um im Uebereifer nicht
atu Ende g&r mehr zu schaden als zu nützen,
und wie sehr die Kassiere der Gruppen und
Lokalvereine den örtlichen Verhältnissen Rech-
nung tragen müssen. —
Alles dies , meine Herren , sind Dinge , die
inan freilich dem auf ein OctavbläUchen zu-
sammengedrängten Kassenberichte äusserlich nicht
ansieht, die aber nichts desto weniger vorhanden
sind, lind die wir Rechner am besten zu würdigen
wissen.
Ich weiss aus nabe liegender Erfahrung, dass
es oft geradezu eine Unmöglichkeit ist, die Bei-
träge zu rechter Zeit hereinzubringen, und finde
desshalb auch gar nichts darin , dass es auch
heuer wieder 7 Gruppen sind , denen es unmög-
lich war, ihre Beiträge bis zum 1. August cin-
zuschicken, wodurch wir allerdings circa 850 tJi
weniger in Einnahme linhen.
Dessenungeachtet ist unser Resultat ein äusserst
günstiges, und danke ich Namens der Vorstand-
schaft allen Denen, deren freundlicher Mitwirkung
wir unser geordnet«« Kassawesen verdanken.
Eingezahlt haben von unseren 26 Lokalver-
einen und Gruppen: Basel für 5, Berlin für 331 *
Carlsruhe für 8, Constanz für 35» Danzig für 97,
Elberfeld für 28, Frankfurt a. M. für 21, Frei-
burg i. Br. für 68, Gotha für 9, Hamburg für 72,
Heidelberg für 32, Jena für 44, Königsberg für 10,
Mannheim für 17, München für 220, Münster
für 110, Stuttgart für 235, Weissenfels für 77
und Wien für 15 Mitglieder ä 3 Von den
isolirten Mitgliedern wurden von 125 Mitgliedern
die Beiträge durch Nachnahme erhoben, 43 batten
dieselben schon vorher eingesendet. (Die Herren
der Wiener Gruppe treten in Zukunft als isolirto
Mitglieder auf, da Herr Dr. Much wegen langer
Abwesenheit von Wien die Geschäftsführung nie-
derlegen musste).
Im Rückstände waren zur Zeit der Abrech-
nung für das laufende Jahr (1. August) noch:
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Bonn, Coburg, Göttingen, Mainz, Stralsund, Würz-
burg und Kiel, Carlsruhe nur tbeilweise, ebenso
München mit circa 30 Mitgliedern.
Es haben also, wie Sie dem Kassenberichte
entnehmen, in diesem Jahre, trotz der grossen
Rückstände aus 7 Gruppen, 1602 Mitglieder zur
Hauptkasse einbezahlt und zwar 1434 Mitglieder
ans 19 Gruppen und 168 isolirte. Rechnen wir
hiezu noch circa 300 Rückständige, so ergibt sich
eine zahlende Mitgliederzahl von 1900. — Diese
Beiträge entsprechen nun allerdings den von den
Mitgliedern bezogenen Exemplaren des Korrespon-
denzblattes nicht, da für allenfallsige Neuein-
tretende stets mehrere überzählige Exemplare ge-
sendet werden. 8o beziehen im laufenden Jahre
die 26 Gruppen 1983 Exemplare, die Isolirten 168;
hiezu die Tausch ex emplare und die von lebens-
länglichen Mitgliedern bezogenen gibt die Summe
von circa 2183 Exemplaren, so dass bei einer
Auflage von 2500 Exemplaren für Nachliefer-
ungen und besonders abzugebende Nummern oder
Jahrgänge kein übermässig grosser Vorrath ver-
bleibt. —
So viel über die Jahresbeiträge der Mit-
glieder.
Für besonders abgegebeno Berichte und Kor-
respondenzblätter wurden 82 cÄ 50 $ verein-
nahmt, wobei ich bemerken muss , dass ich es
für recht und billig halte, den Vereinsmitgliedern
allenfalls fehlende Nummern gratis nachzuliefern
und fllr ganze Jahrgänge, wenn Neueintretende
dieselben naehgeliefert wünschen, 3 t/Ä zu ver-
rechnen , während wir bei Nichtmitgliedern und
durch Bucfahnndlungen bezogene Jahrgänge ä 6 t4L
und dem entsprechend für jede einzelne Nummer
50 ^ berechnen. Ich glaube hiebei von dem
Grundsätze ausgehen zu dürfen, dass das Interesse
an unserem Vereinsblatte dadurch nur gowinncn
kann , um so mehr , als man ja das Ganze als
Mitglied des Vereins für 3 cM jährlich portofrei
beziehen kann. Es sind hiedurch schon mehrfach
neue Zugänge erzielt worden. —
Was die Ausgaben betrifft, so bewegen sich
dieselben vollständig innerhalb des Rahmens des
von der Generalversammlung im vorigen Jahre
fest gestellten Budgets, mit Ausnahme des Postens
für Druckkosten, der in Folge der Beigaben zum
Berichte der Konstauzer Generalversammlung etwas
überschritten werden musste, was sich jedoch da-
durch wieder ausglich, dass das Localkomite zu
Konstanz in der anerkenn ensworthesten Weise die
namhaften Kosten für die Stenographen der Haupt-
kasse wieder ersetzte, wofür ich an dieser Stelle
Namens der Vorstaudschaft noch ganz besoudern
Dank auszusprechen habe. —
Ausser dem Kassen vorrathe von voriger Rech-
nung zu 4693,26 e.4£ finden Sie unter Nro. 6 der
Einnahmen noch einen Rest von 1978,50 vKt aus
dem Jahre 1876/77, worüber jedoch bereits ver-
fügt ist. Es ist dies die Herrn Professor Dr.
Virchow für die statistischen Erhebungen pro
1876/77 bewilligte, von demselben jedoch noch
nicht erhobene Restsumme von 1252,50 ifk und
die Herrn Professor Dr. F r a a s zur Herstellung
der prähistorischen Karte ausgesetzte, von ihm
aber zur Zeit gleichfalls noch nicht erhobene
Summe von 726 tAH, also zusammen 1 978,50 e 4? —
Diese Restsummen wurden nach Beschluss der
vorjährigen Generalversammlung durch weitere Zu-
schüsse des heurigen Rechnungsjahres noch weiter
ergänzt , und zwar erstere durch 1748 v4L auf
rund 3000,50*4 und letztere durch 800 <.& auf
1526 .4, wie Sie dies unter Nro. 8 und 9 der
Ausgaben vorgetragen finden. — Ausserdem wur-
den 500 *4 zu einem Reservefond angelegt (Nro. 1
der Ausgaben), wodurch wir mit unserem „Eiser-
nen Bestand“ ein Kapitalvermögen von 1700 *4
verzinslich angelegt haben.
Die Abgleichung der Einnahmen zu 1 2306,69 *4
und der Ausgaben xu 10618,66 *4 ergibt also,
wie Sie sehen, ausser den schon verfügten 4526,50*4
für die statistischen Erhebungen und die prä-
historische Karte einen Bestand von 1688,03 *4,
welche in Kassa verblieben, und zwar 800 * 4 in
Wert h papieren , von denen ich wünsche, sie nie
angreifen zu müssen, und 888,03 *4 in baarem
Gelde. — Dieser Kassabestand und die Jahres-
einnahme von circa 1936 Mitgliedern ä 3 *4 er-
gibt für das nächste Jahr eine verfügbare Summe
von 7496,03 *4 —
Ich glaube hiebei um so weniger zu hoch
gegriffen zu haben, als unsere deutsche anthro-
pologische Gesellschaft zu unserer Freude in stetem
Wachsen begriffen ist und durch die Gründung
von zwei sehr namhaften Lokalvereinen, dem hie-
sigen Schleswig- Holsteinischen, der gegenwärtig
gegen 140 Mitglieder zählt, und der Westphäli-
schen Gruppe zu Münster mit 120 Mitgliedern,
eine sehr erfreuliche Mehrung erhalten hat, so
dass ich nicht umhin kann, den Gründern dieser
Zweigvereine , speziell den Herren Professoren
Dr. Handelmann und Dr. Pansch, Fräulein
Mestorf und anderen hochverehrten Gönnern
hier in Kiel, sowie Herrn Professor Dr. nosius
in Münster den tiefgefühltesten Dank Namens
der deutschen anthropologischen Gesellschaft aus-
zusprechen. Möge dioser löbliche Eifer für un-
sere Bestrebungen auch anderwärts Nachahmung
finden !
Indem ich diesen rechnerischen Theil unserer
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OG
diesjährigen Voreiosthfttigkeit Ihrer freundlichen
Prüfung unterbreite, erlaube ich mir, Ihnen die
Versicherung zu geben, dass ich während meiner
nun dreijährigen Thätigkeifc unausgesetzt bestrebt
war, durch weise und gewissenhafte Sparsamkeit
die Vereinsmittel zu mehren, was auch durch die
mir gewordene erfolgreiche Unterstützung sUmmt-
licher Vereinsmitglieder nicht misslungen sein
dürfte. — Wesentlich trug hiezu das durch den
Generalsekretär Herrn Professor Dr. K o 1 1 m a n n
getroffene Arrangement bei , neben der Kas&a-
führung auch noch einen namhaften Theil der
geschäftlichen Arbeiten in die Hand des Schatz-
meisters zu legen, wodurch ein für die Mitglieder
und die Geschäftsführung gleich vorteilhafter
direkter Verkehr mit den Vereinsmitgliedern er-
möglicht. wurde. —
Ich bitte Sie nun, den statutengemässen Rech-
nungs-Ausschuss zur Prüfung der Rechnung zu
ernennen und dem Schatzmeister Decharge zu er-
teilen.
Kassen - Bericht pro 1877 78.
Einnahme.
1. Kassenvorrath von voriger Rech-
nung ,4! 4698 26 $
2. An Zinsen gingen ein .... 98 50 .
3. An rückständigen Hei trägen aus
dem Vorjahre 686 00 .
4. Jahresbeiträge von 1602 Mit-
gliedern für 1878 einschliesslich
einiger Mehrbeträge (16*40 - 4822 93 „
5. Für besonders abgegebene Be-
richte und Correspondeniblätter „ 82 50 .
6. Rest aus dem Jähre 1876/77
worüber bereit« verfügt . . . . 1978 50 „
Zusammen: ,41 12806 69 r\
Ausgabe.
1 . Für den Ankauf eines 4°/* Pfand-
briefes der bayer. Hjrpotheken-
und Wechselbank ä 500 ,41 als
ersteSumme zu ei ncmUeservcfond %£ 485 08 c).
2. Verwaliungakostcu 559 40 „
3. Druck des Correspondenzblattes
pro 1877 3170 98 .
4. Für das Schliemann'sche Ehren-
diplom 125 00 *
5. Druck des Kassenberichtes, di-
verse Circulare, Buchbinderlöbne . 61 75 .
6. Zu Händen des Herrn General-
sekretärs 600 00 „
7. Zu Händen des Schatzmeisters . 300 00 .
8. Für die Publikation der Statist.
Erhebungen über die Karbe der
Augen, Haare und der Haut . . 3000 50 „
9. Für die Publikation der prä-
historischen Karte 1526 00 „
10. Dem Zweigverein zu Weissenfels
für Ausgrabungen 300 00 .
11. Dem Verein zu Dürkheim zu
Händen des Herrn Dr. Mehlis für
Ausgrabungen auf der Liraburg , 150 00 .
12. Dem Schriftsteller Herrn Woldt
aus Berlin „ 200 00 „
13. Herrn Georg Becker, dem Vater
der Mikrocephalen 140 00 ,
Hiezu :
14. Baar in Kasse 1688 03 .
Zusammen: ,41 12300 69
A. K.pitel- V,rm8g,n.
Als .Eiserner Bestand” aus Einzahlungen
länglichen Mitgliedern und zwar:
von 15 leben s-
a) 4'/»° o Grosah. Bad. Partial-
obligation von 1866 Llt.C.
Nr. 7287 . ,4!
600
- 4
t) Ile.gl. Llt. I). Nr. 4935 . .
800
— ,
c) Pfandbrief der Rhein Hypo-
theken - Bank , Serie XIV.
Lit D, Nr. 143 .... ,
300
d) Reservefond
500
- .
Zusammen : ,4L
1700
-
n. Bestand.
a) An Wertpapieren . . . *4J
800
- 6
b) Baar in Kasse
888
03 .
Zusammen: «4!
1688
03
c) Hiezu die für die statist ischen
Erhebungen und die prähi-
storische Karte deponirten . .
worüber bereits verfügt.
4526
50 .
Zusammen : •£
6214
58 cj
Verfügbare Summe für 1878/79.
1. Jahresbeiträge von 1936 Mitglie-
dern a 3 ,41 ,41
5808
2. Baar in Kasse «
1688
03 .
Zusammen: i4!
7496
03
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Zweite Sitzung.
Inhalt: Neuwahl der VoreUmischafi und des Ortes der X. allgemeinen Versammlung. — Berichterstattung der
Kommissionen durch die Vorsitzenden derselben: die Herren Frans, Virchow und Scliaaffhausen.
II. Sitzung.
Der Vorsitzende Herr Schaaffiiauseil eröffnet
die Sitzung Nachmittags 2 Uhr.
Zu Revisoren der vou Herrn Weis manu
vorgelegten Rechnungen und des Kassen bestände«
werden die Herren Krause (Hamburg), Pansch
(Kiel) und Behncke (Kiel) gewählt. Es folgt
die Vorstands wähl.
Auf Vorschlag des Herrn Krause wird zum
ersten Vorsitzenden der deutschen anthropologi-
sehen Gesellschaft Herr Fr aas (Stuttgart), zu
dessen Stellvertretern auf Vorschlag Watten-
bachs (Berlin) die Herren R. Virchow (Berlin)
und Schaaffhausen (Bonn) gewählt.
Herr SckaaffhauHea legt hierauf ein Schrei-
ben des Generalsekretärs Herrn K oll mann vor,
worin er sein lebhaftes Bedauern au&spricht, hier
nicht anwesend sein zu können, und den Vorsitzen-
den bittet, ihn tu entschuldigen. Dieser bemerkt:
K oll mann ist von München noch Basel versetzt und
hat geglaubt, gerade die Interessen unserer Gesell-
schaft besser zu vertreten, wenn er dieselben bei
der schweizerischen Naturforschergesellschaft, die
mit der unsel igen zusammenfällt, geltend macht, zu-
mal da es sich um Fortsetzung der statistischen Er-
hebungen Uber Farbe der Augen und der Hauro
in der Schweiz handelt. Er war schon so freund- i
lieh, für seine Stellvertretung zu sorgen und Herrn 1
Johannes Ranke für dieselbe zu gewinnen, dem I
ich den Dank der Versammlung dafür ausspreche, j
dass er die Güte gehabt hat , die Geschäfte des
Generalsekretärs für dieselbe zu übernehmen. So- (
dann ist aber noch ein zweites Schreiben des
Herrn Generalsekretärs K o 1 1 m a n n eingegangen,
in welchem er bittet, ihn von seiner Stellung als
Generalsekretär für die Folge zu entbinden, weil
er schon durch seine Entfernung aus Deutsch- ,
land nicht mehr in der Lage sei, für die Zwecke
der Gesellschaft so thätig sein zu können, wie es
früher der Fall war. Ich erinnere hierbei, dass
er wiederholt bei seiner Wiederwahl immer nur
eine kurze Frist zugestanden hat, innerhalb wel-
cher er das Amt eines Generalsekretärs noch fort-
führen wolle. Ich glaube , wir dürfen seinen
triftigen Gründen die Annahme nicht versagen,
wir müssen seinem Wunsche willfahren und ihn
von dem Amte, in dem er so erfolgreich gewirkt,
entbinden. Ich melde aber zugleich mit Freude,
dass es gelungen ist, Herrn Johannes Ranke
zur Uebernahme desselben für die nächsten drei
Jahre zu gewinnen. Ich erlaube mir noch , so-
wohl dein abtretendeo Generalsekretär Herrn
K o 1 1 m a n n , als Herrn Ranke für seine Be-
reitwilligkeit, in dos mühevolle Geschäft einzu-
treten, den Dank der Gesellschaft auszusprechen.
Herr Prof. Dr. Johannes Ranke (Mün-
chen) wird hierauf von der Versammlung auf die
Dauer von drei Juhren zum Generalsekretär und
Herr Weismann (München) wieder zum
Schatzmeister der deutschen anthropologischen Ge-
sellschaft gewählt.
Als Ort für die nächste (X.) Versammlung
wird Strassburg gewählt, wohin der commia-
sarische Bürgermeister der Stadt , Herr Back,
die Gesellschaft durch folgendes Schreiben einge-
laden hatte:
„Strass bürg, den $. August 1878.
An den Vorstand des deutschen anthropologischen
Kongresses in Kiel.
Es ist zur diesseitigen Kenntnis« gelangt,
dass bei der am künftigen Montag deu 12. ds.
Mts. statt findenden Wahl des Ortes für die
nächstjährige Versammlung des anthropologi-
schen Congresses auch Strassburg in Frage
kommen wird. Es gibt mir dies willkommenen
Anlass, den verchrlichen Vorstand zu bitten,
bei der Generalversammlung Strassburg in
Vorschlag zu bringen und demselben mitzu-
theilen, dass die anthropologische Gesellschaft,
sich hier des freundlichsten und entgegenkom-
mendsten Empfanges versichert halten dürfte.
Insbesondere würde es sich auch die städtischo
Verwaltung angelegen sein lassen, den Mit-
gliedern der Gesellschaft den Aufenthalt in
Strassburg zu einem möglichst angenehmen
uud interessanten zu machen.
Einer gefälligen günstigen Bescheidung ent-
gegensehend , verbleibe ich mit vorzüglicher
Hochachtung des verehrlichen Vorstandes er-
gebenster
Back, com. Bürgermeister.“
Zum Lokal-Geschäftsführer wird Herr Prof. Dr.
Ger land daselbst gowählt und davon telegra-
phisch benachrichtigt.
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Berichterstattung der Commissionen.
Herr Fraas : Waren seit dem Jahre 1873
meine jährlichen Berichte vor dieser hochansehn-
lichen Versammlung, beim Lichte betrachtet, nur
eine Darlegung der grossen Schwierigkeiten, mit
denen die Erstellung der Karte zu kämpfen hat,
und begründete Klagen Uber den Mangel an Unter-
stützung Seitens vieler Mitglieder, die theils in
der Lage wären , Beiträge zu geben , denen es
aber am freudigen Willen hiezu fehlt, die theils
aber in einer gewissen Selbsttäuschung lebten,
als ob sie Einzeichnungen in die Karte zu machen
in der Lage wären, vor der wirklichen Arbeit
aber zurückschreckten, als ihnen dieselbe faktisch
nahe trat, — so nimmt meine heutige Darstel- |
lung der Sachlage eine neue Gestalt an.
Ich beschränke mich heute auf sachliche
Schwierigkeiten in Darstellung der Karte
selbst, ohne damit sagen zu wollen, dass die
früher erwähnten formellen Schwierigkeiten aus
dem Wege geräumt seien. Diese beütehen viel-
mehr nach wie vor. Die Antworten auf unsere
Recherchen gehen nur spärlich ein, Karten, die
Jahre lang in den Händen eines vermeintlichen
Mitarbeiters gelegen, kommen in demselben Zu-
stand wieder zurück wie sie vor Jahren abge-
gangen waren oder enthalten nur wenige farbige
Striche und Punkte ohne nähere Angabe dessen,
was diese bedeuten sollen. — Um so dankbarer i
erkennt dafür die Kartenkommission den Ein- !
lauf der woklausgefiihrteu, durch beigefügte Vor- j
zeichnisse der Fundstellen erläuterten Karten- |
boiträge an, welcho ich für das Vereinsjahr 1877<78 \
zu verzeichnen habe. Anknüpfend an meinen *
Vortrag in Konstanz ging in diesem Jahre ein: f
Böhmen. Dr. G. C. Laube in Prag. Auf j
10 Blättern siud gegen 150 Fund-Orte einge-
tragen und ein Fundverzeichniss beigegeben. An-
knüpfend an die werthvollen Mittheilungen des
Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen
ist ein klares Bild der böhmischen Vorgeschichte
ermöglicht , welche sich von der angrenzenden
süddeutschen Präbistorie nur durch das Fehlen
der eigentlichen Steinzeit unterscheidet, wenn
nicht — wie das zum Oefteren schon der Fall
war — über kurz oder lang die Entdeckung
einer paläolithischen Station diese Anschauung
ergänzt. —
Brandenburg. E. Friedei hatte im vori-
gen Jahre schon 9 Blätter Reg.-Bez. Potsdam
mit 312 Einzeichnungen zur Verfügung gestellt,
das Verzeichniss der Fundorte steht noch aus.
— Iu 3 Blättern des Reg.-Bez. Frankfurt wur-
den von Dr. Saalborn in Sorau 122 Einträge
gemacht und ein Verzeichnis* von 301 Fund-
stellen übergeben. Friedeis archäol. Excursionen
in der Mark sowie die Mittheilungen von Kuchen-
bueb und Jentsch (Zeitsehr. für Ethnologie
1875/26.) lassen bereits in allgemeinen Zügen
das alte Bild der Mark erstehen. — Beckmann’ s
Beschreibung der Mark 1875 und v. Ledebur
die heidnisch. Alterth. des Reg.-Bez. Potsdam
1852 bilden bereits dio werthvollsten Vorarbeiten.
Dazu kommt Schillmann 's Geschichte der Stadt
Brandenburg 1874. Den Mittelpunkt bilden in
der Mark die megalithischen Bauten. Schon
mehrt sich aber mit jedem Tag die Zahl der
Fundstellen , da Urnenscherben und Feuerstein-
splitter zusammen zu finden sind. —
Braunschweig. Dr. Blasius hat auf
4 Blättern gegen 200 Einträge gemacht und ein
vollständiges druckfertiges Verzeichnis der Fund-
stellen geliefert. Weitaus die grössere Zahl der
Fuudorte ist der jüngeren Steinzeit zuzu weisen.
Nur der Eine Platz : Thiede und Westeregeln von
Dr. A. N eh ring in Wolfenbüttel gehört in dio
eigentliche durch nordische Thierfanna gekenn-
zeichnete Steinzeit.
Cassel. 4 Blätter wurden vom Museums-
direktor Dr. Pinder in Cassel, 1 Blatt von Dr.
O. Büchner in Giessen ausgefüllt, im Uebrigen
auf die 1869 erschienene Zusammenstellung der
Alterthllmer heidnischer Vorzeit von Dr. Ph. A.
F. Walther sich bezogen.
Franken. Pfarrer J. Engelhardt in Kö-
nigshofen machte auf 2 Blättern des fränkischen
Jura Einträge Uber Stationen ältester Steinzeit.
Hannover. Auf 13 Blättern hat Studien-
rath Dr. Müller gegen 600 Einträge gemacht.
Das Verzeielmiss der Fundstellen wird bis zur
Bearbeitung Hannovers folgen.
Hessen. Oberhessen und ein Tbeil von
| Starkenburg in 4 Blättern wurde von dem Sekre-
| tar des historischen Vereins für das Grossherzog-
thum Hessen Herrn Dr. Schenk zu Schweins-
berg bearbeitet und ein vollständiges Fundver-
zeichuiss von 138 Stellen beigegeben. — Wie in
der Mark das Megulithische so beherrscht hier
die Bronze alles Andere, theilweiso gemengt mit
der jüngeren Steinzeit.
Oesterreich betreffend, Hefen von dem un-
ermüdlichen Vertreter anthropologischer Interessen
| Dr. Much zu den bereits gelieferten Beiträgen
für Niederösterreich Nachträge zn Tirol ein.
Polen. Die Höhle von Görenice durch Di-
rektor Klai b er untersucht steht als werthvoller
Platz für die älteste Steinzeit bis jetzt einzig da
■ in Polen.
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99
Pommern. Beiträge für die Karte (ohne
Verzeichnis») lieferten für den Schivelbeiner Kreis
(1 Blatt) — Dr. Kl a mann und Pastor Krü-
ger für den Kreis Saalzig Dr. Kl a mann.
Auf 12 weiteren Blättern Pommern wurden
die Einträge im Auszug aus den baltischen Stu-
dien von Baron v. Tröltsch hier gemacht. Er
unterzog sich dieser mühsamen Arbeit, um in
seinem Versuch der graphischen Darstellung des
nordöstlichen Karten- Quadranten nicht läoger
aufgehalten zu sein. Die Einträgo beziehen sich
auf 259 Fundorte. 146 Steiuartefakten. (5G°/o,81
Bronze 3 1 °/o,32 Eisen 1 2 °/o .
Posen. Auch für Posen blieb keine andere
Wahl, als die von Direktor Dr. W. Sch war tz
gef. mitgetheilten „Materialien zur prähistorischen
Kartographie der Provinz Posen u den Einträgen
in die 14 Blätter der Provinz zu Grunde zu
legen bezw. 152 Fundplätze einzutragen; nämlich
40 Stein- (26,"/«) 81 Bronze (53*7*») 31 Eisen-
Artefacte (20°/o), wobei auf den Wechsel des
Prozent - Satzes zwischen Posen und Pommern
hingewiesen wird.
Auch dieser mühevollen Arbeit hatte sich
Baron v. Tröltsch aus Lust und Liebe zu der
Sache freiwillig unterzogen.
Rheinpfalz, Dr. Mehlis von Dürkheim hat
4 Blätter, B. Hagen von München 2 Blätter
bearbeitet. Der Einträge sind es über 200.
Rheinpreussen. Zu dom bereits vorliegen-
den Material von Schaaffh aus en und Esselen
hat R. Wagener von Langenholzhausen auf
l Blatt einige neuo Fundorte eingetragen.
Sachsen. Provinz. Beiträge für Weissen-
fels lieferten Obrist v. Borries, Vorstand des
Weissenfelser Vereines für Natur- und Alter-
thumskunde und für Pösneck, Postdirektor Sch im-
melpfennig von dort.
Thüringen. 16 Beiträge auf Blatt Erfurt
mit Verzeichniss gab Dr. Schuchardt, geh.
Keg.- u. Obermediz.-Rath in Gotha.
Die Gesammtsumme der im verflossenen Jahre
eingelaufenen Blätter beträgt RI. Die Gesammt-
zahl der Einzeichnungen von Fundstellen 2409.
Zugleich bin ich in der Lage, der verehrten
Gesellschaft das I. Blatt der prähistorischen Karte,
das nordöstliche Viertheil, umfassend: Pommern,
Westpreusscn, Posen, Kr. Sachsen, Schlesien und J
Böhmen vorzulegen. Dem Blatte fehlen noch
wegen Quellenmangels: beide Mecklenburg, ein-
zelne Gegenden von Pommern, Ostproussen, Polen
und österr. Schlesien.
Der Arbeit dieses erstmaligen Entwurfs bat
sich mit grossen Opfern an Mühe and Zeit un-
ser Mitglied E. v. Tröltsch, K. W. Haupt-
mann a. D. unterzogen, längst als Kartograph
rühmlich bekannt. — Er fing damit an, die ver-
schiedenen Einträge im Raymann'schen Sammel-
atlas mit verschiedenfarbigen Punkten auf die
Dechen’sche Karte zu übertragen und zwar wurde
gewählt: Zinnober für die paläolithischen Fund-
stätten , gelb für die Fundstellen von Bronze,
blau für die von Eisen, grün für die Mischung
von Bronze und Eisen, schwarz schraffirt für
Fundstellen ohne bestimmte Angabe. Sämmtliche
gleichfarbigen Punkte wurden , sobald sie nicht
weiter als eine deutsche Meile von einander ent-
| femt lagen, zur Erstellung eines übersichtlichen
. Bildes zu einer farbigen Fläche vereinigt. Ver-
I einzelte innerhalb derselben vorkommende anders-
I farbige Funde wurden als Enelaven in die Fläche
aufgenommen. Charakteristische , bedeutungs-
volle Erscheinungen, wie die pommerischen Burg-
wälle, die Langwälle der Lausitz, die Flachgräber
Schlesiens, die Gesichtsurnonfunde u. A. sind mit
fetter schwarzer Schrift über die betreffende Ge-
gend eingeschrieben. — Wir haben die Absicht,
i sämmtliche graphische Zeichen schwarz auf
den Stein übertragen zu lassen , wobei sich auf
wenige Zeichen beschränkt würde, z. B. das
Zeichen für Höhlenfunde , Denksteine , Opfer-
stätten, Hügelgräber, Flachgräber und Urnen-
felder, ltundwälle, Langwälle, Pfahlbauten. Welche
Aenderungen an dieser Darstell ungs weise sich
noch ergeben werden, lässt sich mit Bastimmtheit
erst dann angeben, wenn man die Uebersicht Uber
ganz Deutschland vor sich hat. — Herr von
Tröltsch ist namentlich für den Gedanken ein-
genommen, das procentuale Verhältniss der Stein-,
I Bronze- und Eisonfunde in schratfirten Flächen
I zu verzeichnen , also dass eine mehr gelbliche
I oder mehr rötliliche Nüancirung der Fläche dem
J Prozentsätze der Fundstollen entspräche.
Die Ilauptschwierigkeit der Darstellung wird
nun aber darin rahen, dass sich das Alter
i einer Fundstelle in vielen Fällen gar
I nicht präzisiren lässt. — Ist es an sich
| schon eine schlimme Geschichte um die Unter-
scheidung der megalithisehon Zeit von der Bronze-
zeit und ist es ferner eine Sache der Unmöglich-
keit Bronze- und Eisenzeit aus einander zu halten,
so komplizirt sich die Sache, wenn (was öfters
der Fall ist) verschiedene Funde an einer Stelle
verzeichnet sind. Solche Verhältnisse können
dann eben einfach nicht mehr graphisch darge-
stellt werden, sondern müssen dem geschriebenen
Worte überlassen bleiben. — Verschiedene der
geehrten Mitarbeiter, z. B. Herr Blasius, haben
daher zum Voraus auf die Unterscheidung der
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100
3 Zeitalter verzichtet und ihre Einträge in der
Karte ohne Farbenunterschiede gemacht.
Von topographischer Genauigkeit ist schon im
R ey mann' sehen Sammelatlas von 359 Blättern
(Massstab 1 : 200000) keine Rede. Oft bedeckt
Ein Ortsname eine Viertelmeile Kaum, auf welchem
möglicher Weise 2 und 3 FundplUtze und noch
mehr zu verzeichnen wären. — Es hat daher
Herr Obrist v. Borries es vorgezogen, zum
Zwecke der topographischen genauen Fixirung der
Fundstellen in der Umgebung von Weisscnfels
die grosse Preußische Generalstabskarte von 1 :
25,000 zu benützen. — Selbstverständlich kann
hier jedes Grabhügelfeld und jeder Wall mit
Sicherheit an seinem richtigen Platze eingetragen
werden. So wenig diese Art der Aufnahme all-
gemein durchführbar ist, so kann doch der Vor-
gang des W eissenfelser- Vereins den einzelnen,
namentlich engeren Vereinen nicht genug em-
pfohlen werden, indem so allein sichere Grund-
lagen gewonnen werden und Fundstellen genau
verzeichnet bleiben , Uber welche vielleicht in
Jahr und Tag der Pflug wieder weggeht.
ln Betreff der Weiterführung der Arbeit
möchte ich di^ Vorstände der 26 Gruppen der
deutschon anthropologischen Gesellschaft um die
Gefälligkeit geziemend ersucht haben, die Auf-
nahme des Q u e 1 1 m a t e ri als innerhalb
ihres Landes oder ihrer Provinz zu lei-
ten. Die Herren mögen mir erlauben, mich
direkt an sie zu wenden, dass sie die Einzeich-
nung in die Reym. Karte durch geeignete Mit-
glieder ihrer Gruppe vornehmen lassen, ebenso
die Anfertigung der Verzeichnisse veranlassen und
die Einsendung der gefertigten Arbeiten an die
kartographische Kommission (Dr. Fraas, Stutt-
gart.) Übermitteln.
Ich würde wie seither die Aufnahme-Blätter
den betreffenden Gruppenvorständen mit dem Zei-
chenschema zustellen, dos sich seither als praktisch
erwiesen hat. In voller Ausdehnung wurde die Zei-
chenschrift unseres Schemas von Herrn Z i m m e r-
m an n in Striegau auf der schlesischen Karte ver-
wendet, welche der „Verein für das Museum schlesi-
scher Alterthümeru soeben herausgegeben hat.*) Das
Zeichen wird in seiner betreffenden Farbe dicht
Über den Ortsnamen auf die Karte gesetzt, dieser
selbst aber zur Vermeidung von Verwechslungen
in der Farbe des Zeichens unterstrichen. Der-
gleichen wird für das Verzeichniss der Fundorte
ein Formular gedruckt und den Karten beigege-
*) Ein Exemplar der Karte auf Leinwand aufge-
zogen wurde von dem Vorstand de* Vereins der deut-
schen anthropol. Gesellschaft zum Geschenk gemacht
und zur allgemeinen Ansicht an der Wand angebracht.
ben werden. Als Anhang zu dem Verzeichnisse
wäre ein Verzeichniss über die die Gegend be-
tretenden literarischen Arbeiten. Karten, Bücher,
Zeitungsartikel , Abbildungen a. s. w. beizu-
: fttgeu.
Was schließlich die An läge der prähisto-
rischen U eb er sic ht s k a rt e betrifft, 'so be-
fürworte ich entschieden bei dem Massstab der
Dechen 'sehen Karte zu bleiben.
Einmal hat sich diese geologische Karte, welche
die deutsche geologische Gesellschaft 1870 pu-
blizirt hat, des ungeteilten Beifalls im In- und
Auslande zu erfreuen, obgleich bei ihrem Mass-
stab von einem geologischen Detail keine Rede
mehr sein kann , und auch einzelne topogra-
phische Ungenauigkeiten können nachgewiesen
werden. Das deutsche Publikum ist an diesen
Massstab und die korrekte Darstellung in dem-
selben gewöhnt. — Sie enthält auch in der That
als U ebersich tsk arte Alles, was eine solche über-
haupt zu bieten vermag. — Aehnlich wird es
mit der Karte unserer Gesellschaft geben , als
dor Schwestergesellschaft der geologischen , die
durch viele an beideu Gesellschaften sich bethei-
ligende Mitglieder mit jeuer verbunden ist. Auf
topographische Genauigkeit und präzises Detail
konnte nur die Generalstabskarte 1 : 25000 An-
spruch machen. In unserer Reym. Sammel-
1 karte von 1 : 200,000 ist diess schon nicht mehr
möglich; geschweige bei einem Massstabo von
1 : 1,400000. Kann es sich hiebei doch nur um
allgemeine Züge handeln, in welchen die prä-
historischen Zeiten vor Augen geführt werden ;
dass diess bestmöglich geschieht , 'dafür wird die
neugewonnene Kraft des Herrn von Tröltsch
dos Ihrige thun.
Wollen wir uns mit frischer Kraft auch in
diesem Jahre der Arbeit unterziehen, so hoffe ich,
das Däcbstemal der Gesellschaft ein weit grösseres
Farbenbild vor Augen stellen zu können, als heute
der Fall war.
Prof. VirellOW : Hochverehrte Anwesende! feie
erinnern sich vielleicht, — und die neuen Mit-
glieder und Freunde , die wir unter uns sehen,
I werden vielleicht entschuldigen , wenn ich diesen
Rückblick mache, — dass unmittelbar nach dem
deutsch-französischen Kriege eine anthropologische
Streitfrage zwischen Frankreich und Deutschland,
bezw. Preussen , aufgoworfen wurde , indem der
berufene Vertreter der Anthropologie in Paris,
Herr deQuatrefages in dem berühinton Buche
„la race Prussienne“ die Diskussion darüber er-
öffnete, in wie weit das , was jetzt Deutschland
heisse und was sich deutsch nenne , Einer Ab-
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stammung sei , in wie weit möglicherweise ein
völlig fremdes Element hineingekommen sei und
wo eigentlich der Schwerpunkt deutschen Lebens
ruhe. Die Frage war Dicht ganz unvorbereitet
gekommen ; schon Dezennien früher waren man-
cherlei Beobachtungen gemacht worden in Bezug
auf die Verschiedenheit der physischen Eigen-
tümlichkeiten der verschiedenen einzelnen Stämme
Deutschlands. Fremde namentlich , deren Blick
gewöhnlich etwas mehr geschärft ist für Besonder-
heiten der Erscheinungen, besonders englische Be-
obachter hatten schon wiedorholt darauf aufmerk-
sam gemacht, was auch uns nicht entgangen war,
was wir nur nicht rocht zu schätzen wussten,
dass gegenüber den Schilderungen , welche die
Alten uns von dem leiblichen Charakter der Ger-
manen überliefert haben, das brünette Element
in Deutschland immer mehr aufkomme, ein Ele-
ment, welches in breiten Zügen seine Schatten
durch das Land wirft, dessen Herkunft aber nicht
recht erkennbar war. Woher kamen diese Braunen?
Herr de Quatrefages sagte einfach, das sind
Finnen, — Finnen, die ursprünglich , in uralter
Zeit, im Lande gesessen haben, in jener Zeit, als
noch die letzten Ueberbleibsel der Eisperiode im
Lande vorhanden waren , und als eben erst die
Lebensformen derjenigen „Scböpfungszeit“ sich hei
uns ansiedelten, in der wir jetzt leben. Damals,
sagt man, waren die Finnen, wer weiss wie weit,
über ganz Europa verbreitet ; und als weit später
die arischen Einwanderer kamen , sind sie nicht
vernichtet worden, sondern sitzen geblieben und
haben eben das brünette Element geliefert, welches
durch sie allerdings lauge Zeit unterdrückt war,
endlich aber durch die Germanen hindurch wieder
hervorwucherte. Daher glaubte unser französischer
Herr Kollega , dass das eigentlich deutsche Ele-
ment nur in Süddeutschland zu suchen sei, wäh-
rend der Norden ganz von dem finnischen Ele-
mente durchsetzt wäre , welches namentlich diese
barbarische, entsetzliche race Prussicnne geliefert
habe.
Wir konnten uns der Aufgabe nicht entziehen,
einer Frage, welche, abgesehen von dem momen-
tanen politischen Interesse, ein sehr grosses all-
gemeines Interesso hatte, näher zu treten. Schon
in der Generalversammlung vom Jahre 1871, der
ersten von denen, welche 8ie auf unseren Ruhmes-
Säulen hier im Saale verzeiehnet sehen, fasste die
Gesellschaft den Beschluss, eine besondere Kom-
mission niederzusetzen, welche die Frage ßtudiren i
sollte, in wie weit aus der physischen Beschaffen-
heit der einzelnen Theile der Bevölkerung , mit
spezieller Berücksichtigung der Schädel, sich ge-
wisse Rückschlüsse auf die Vorgeschichte unseres
Volkes gewinnen lassen. Damals waren wir noch
der Meinung, es würde am leichtesten der Sache
beizukommen sein durch direkte Untersuchung der
Schädel, insofern als der Schädel, der am meisten
hervorragende Theil des Körpers , die Aufmerk-
samkeit zunächst, fesselt und an ihm das Gesicht
sitzt, welches die Physiognomie beherrscht, unser
Urtheil gewisserniaassen gefangen nimmt und uns
von vorneherein mit bestimmten Meinungen über
die Menschen, die wir ansehen, erfüllt. In der
That hatten wir auch allen Grund, die Schftdel-
frage in den Vordergrund zu schieben , weil da-
mals schon eine Reihe von Arbeiten vorlag, welche
in hervorragendem Sinne die Aufmerksamkeit ge-
rade auf gewisse locale Differenzen im Scbädelban
hingelenkt hatten, die, wie es schien, mit der all-
gemeinen Frage im Zusammenhänge standen.
Es war zuerst Herr Ecker, unser leidor
dieses Jahr abwesender Freund, gewesen, der die
Bahn dieser Untersuchungen mit Forschungen er-
öffnet hatte, welche vorzugsweise das Gebiet des ober-
und rechtsrheinischen Landes betrafen. Er hatte
Gräberfunde aus Rheinhessen, Baden, Würtemberg
und Bayern in den Kreis seiner Untersuchungen ge-
zogen und dabei gefunden , dass sich darunter
zwei verschiedene SchHdelformcn unterscheiden
Hessen. Von diesen sah er die eine als die ältere
an und zwar die mehr kurzköpfige (brachycephale),
während sich langköpfige (dolichocephale) Schädel
in einer Reihe von Gräbern fanden, welche durch
die Besonderheit ihrer Beigaben , durch Waffen,
Schmuck und eine Menge von Einzelheiten bis
zu wirklichen Münzfun den sich bestimmt als Gräber
einer Bevölkerung darstellten, die kurz vor und bald
nach der Völkerwanderung diese Gegenden bewohnt
hatte, welche also entweder mehr alemannischen
oder mehr fränkischen Ursprungs sein musste. Da
die Ueberreste der alemannisch - fränkischen Be-
völkerung am Rhein in grösseren Gräberfeldern
sich vorfanden , während die kurzköpfige Be-
völkerung in mehr vereinzelten Hügelgräbern
vertreten war, so konnte Ecker auch cranio-
logisch einen Hügelgräbertypus und einen Reihen-
gräbertypus unterscheiden. Wenn man nun in
Erwägung zog, dass die Untersuchung der alten
Schriftsteller, welche die Germanen als eine hoch-
blonde, hell- und blauäugige Rasse schildern, ganz
wesentlich auf rheinische Stämme sich bezog, die
zunächst mit Römern und Südländern in Bezieh-
ung getreten waren , wenn man ferner die be-
stimmte Prnemisse machen durfte, dass die Reihen-
gräber diesen Stämmen angehörten , so konnte
man ja meinen, dass umgekehrt die kurzköpfige
Bevölkerung, die der Hügelgräber, eine braune
gewesen sei. Dieses schien überdiess mit dem zu
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hnrmoniren , was man in Bezug auf die lateini-
schen Völker annahm. Herr de Quatrefages
ging noch einen Schritt weiter, indem er an-
nahm, dass die Kurzköpfigen nicht nur zu den
Braunen gehört, sondern dass sie auch einen re-
lativ niedrigen und wenig kräftigen Körper be-
sessen hätten. Er war geneigt, ihnen nur mas-
sigen Geist zuzusprechen , dagegen ihnen wilde
Eigenschaften beizulegen, die gelegentlich zu allerlei
ruptiven Ereignissen führen.
Dieser Betrachtung war nun allerdings eine
mit grossem Scharfsinne geführte parallele Unter-
suchung entgegen gesetzt worden , deron Fleiss
und Sorgfalt nicht minder gross war, eine Unter-
suchung , die in den Händen von zwei Männern
gelegen hatte, die iu der Wissenschaft sich auch
sonst als hervorragend scharfsinnig erwiesen haben.
Die Herren H. Bütimeyer und Hifi, welche
die Untersuchung der Schädel in dor Schweiz in
Angriff genommen hatten, waren auch zu einem
Gegensatz zwischen langen und kurzen Formen
gekommen ; sic hatten denselben noch ein Paar
Nebenformen zugesellt, so dass sie 4 verschiedene
Typen erhielten, von denen aber doch drei mehr
der kürzeren Rasse angehörten und eigentlich nur
einer der langen Form im engeren Sinne zuzugehören
schien. Sie waren so zu dem merkwürdigen Schlüsse
gekommen, dass die Langschädel überall da sich
fänden, wo die Römer gewesen seien , die Kurz-
schädel da, wo Alemannen, Burgunder, kurz wo
Deutsche gewesen seien. Während Ecker die
Alemannen als Langschädel ansah , nahmen die
Herren Kütimeyer und His dieselben als Kurz-
schädel, und während jener schloss, dass die Lang-
schädel den Franken angehört hätten , folgerten
diese Unter-sucher, dass sie römische seien.
An diese Untersuchungen hat sieb sehr bald
eine Reiho von umfassenden Beobachtungen ali-
geschlossen, von denen wir im Jahre 1872 in
Stuttgart unmittelbare Kenntniss nahmen, Beob-
achtungen , welche Herr v. Hölder über die
würtembergischen Schädel aus verschiedenen Zeiten
angestellt hat. Dieser Forscher hat das grosse
Verdienst, durch eine Reihe von Jahrhunderten
hindurch alte Kirchhöfe von den Römern und
Franken her bis in die moderne Zeit verfolgt und
den Nachweis geliefert zu haben, dass im Grossen
und Ganzen sich ein allmäliger Wechsel in der
physischen Beschaffenheit der Bevölkerung ergab,
indem mit jedem Jahrhundert weiter die Kurz-
köpfigen reichlicher wurden. Analoge Erschein-
ungen zeigten sich auch anderswo.
Dieses Alles war schon geschehen, ehe die
race Prussienne in ihrer schroffen Form uns ent-
gegentrat und uns zwang . gewissennassen den
Stier bei den Hörnern zu packen. Als wir nun
an die weitere Untersuchung gingen , stellte es
sich heraus, dass es doch recht grosser Umstände
bedarf, und dass ein hohes Maass von persön-
licher Aufopferung und eine grosse Hingabe an
die Sache dazu gehört, um eine solche Menge
von gut bestimmten Lok alschädel fanden zusammen-
zubringen , dass man derartige Untersuchungen,
wie sie Ecker und die anderen genannten
Herren gemacht haben, überhaupt anstellen kann.
Eis ist dies eine Aufgabe, die man nicht so ein-
fach hinauswerfen kann , und die , selbst wenn
man sie noch so intensiv empfohlen hat, schliess-
lich doch an den meisten Orten unerledigt bleibt.
W'ährcnd wir fortgefahron haben , nicht bloss
durch unser Beispiel vorwärts zu drängen in der
Spezialuntersuch uug der Territorial - Schädel und
nach allen Richtungen, so viel wir konnten , auf
schnelle Förderung hinzuwirken , so kamen wir
doch sehr bald zu der Ueber/.eugung , dass wir
noch andere Wege der Untersuchung mitbetreten
müssten. So ist aus unserer Kommission der
Antrag hervorgegaugen , auch Spezial Untersuch-
ungen anzuordnen bezüglich der Farbe der Augen,
der Haut, und der Haare. Die Gesellschaft stimmte
zu, und es folgte, wie den Anwesenden bekannt ist,
jene grosse Untersuchung über das Colorit, die
Complexion der Schulkindor durch gan* Deutsch-
land, welcher sich kein deutscher Staat entzogen
hat , als der Hamburgische , weil man dort der
Meinung war, dass dies ein Eingriff in die per-
sönliche Freiheit sei , welcher sich nicht mit den
herkömmlichen Traditionen des Staates vertrage;
diese Aufgabe könne nur im Wege der Privat-
thätigkeit gelöst werden. Wir sind noch heutigen
Tages ohne Hamburgs Liste. Für jeden, auch den
kleinsten und grössten deutschen Staat sonst be-
sitzen wir die Karten, und es wird für den künf-
tigen Geschichtschreiber eine Erinnerung mehr
sein , wie in Mitte einer solchen Arbeit die Ka-
price eines Staatsmannes genügt , um die besten
Absichten auf Vollständigkeit zu kreuzen. Diese
Untersuchungen sind also eigentlich nicht abge-
schlossen und ich kann den anwesenden Herren von
Hamburg sagen, dass wir jeden Augenblick dank-
bar entgegennehmen werden , was Sie uns an
Material liefern. Aber auch, wenn nichts weiter
geschieht , so wissen wir doch im Wesentlichen,
wie es in Deutschland in derjenigen Zeit des
Lebens, wo man in die Schule geht, aussieht.
Ich bedauere, dass ich kein IOxeinplar der Karten
mehr zur Verfügung habe ; das eine ist gegen-
wärtig in der Pariser Ausstellung, ein anderes ist
dem bisherigen Generalsekretär Herrn Ko 11 mann
j gegeben worden, um als Muster für die Schweizer
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103
Erhebungen zu dienen; die Publikation wild erst
im Laufe der nächsten Monate möglich sein. Das
Ergebnis unserer Erhebungen war , dass wir
durch ProzentverhältDisae der Blonden und der
Braunen mit eben so viol Bestimmtheit foststellen
können, wohin ein gewisses Land auf der Karte
von Deutschland gehört , wie wir es sonst auf
anderen Wegen der Politik oder des Gewohnheits-
rechtes nur feststellen können. Faktisch ist der
Norden der hervorragende Träger der blonden
Eigenschaften ; jo weiter wir gegen Süden kom-
men, um so mehr nimmt die brünette Basse zu.
Darüber ist keinen Augenblick ein Zweifel. Das
geht ganz regelmässig, schrittweise vorwärts. Die
einzigen Differenzen sind die, dass wir an gewisse
Höhenpunkte der Blonden und der Brünetten
kommen , die nicht im Voraus sich übersehen
lassen. Hier in Kiel befinden wir uns nahe dem
einen Höhenpunkte der Blonden, der etwas nörd-
licher auf der cimbrischen Halbinsel liegt, un-
gefähr da, wo die schleswig’schen Kreise und die
Inseln Sylt, Föhr u. s. w. liegen. Der andere
Höhepunkt liegt jenseits der Oder in Hinter-
pominern, in meinem speziellen Vaterlande. Die
Höhenpunkte der brünetten Bevölkerung dagegen
finden sich anf der einen Seite im Eisass auf dem
linken Rheinufer } andererseits in der grossen
dunklen Zone von Oberbayern und zum Theile
von Niederbayern.
Das sind die Verhältnisse, die so scharf gegen ein-
ander stehen, dass sich daran durch weitere Unter-
suchungen nichts ändern lässt. Was uns ira
Augenblicke fehlt, das ist die Verfolgung dieser
Resultate in das erwachsene Leben hinein und
ihre Verbindung mit der Ermittlung der übrigen
physischen Eigenschaften. Es ist Ihnen Allen
bekannt, dass viele Menschen, wenn sie auch mit
fast ganz weissen Haaren geboren werden und
wenn ihre Haut auch noch so zart ist, im Laufe
der Jahre nachdunkeln, so sehr, dass an manchen
Orten, wo die Flachsköpfe in der höchsten Schul-
klasse noch hervorragend vortreten sind , eine
scheinbar braune Bevölkerung sicli findet, also
ein allmäliger Uebergang in andere Verhältnisse
statthat. Wir haben über das Moass dieser Um-
wandlung vorläufig nur soweit Kenntniss , als
in einzelnen Ländern — in Preussen ist es durch-
weg geschehen — auch die Zöglinge der höheren
8chulen untersucht sind und als wir demnach
einigermassen berechnen können, in welchem Maasse
das Nachdunkeln eintritt. Wir sind jedoch nicht
in der Lage gewesen, bis jetzt über die Schule
hinaus in das weitere Leben hinein zu dringen.
Ich hatte noch in diesem Jahre nach einer per-
sönlichen, sehr liebenswürdigen Aufnahme Seitens
! unseres Herrn Kriegsministers oine Zeit lang di-
Hoffnung, es werde gelingen, wenigstens die Er-
laubnis zu erhalten , in unserer Armee durch
freiwillige Leistungen von Aerztcn und Offizieren
die Möglichkeit zu erlangen, die aktuelle, kriegs-
fähige Mannschaft soweit durchzugehen, um fest-
zuatdlen, wie eis sich damit verhalte. Indeas ist
mir leider der offizielle Bescheid geworden, dass
bei der grossen Zahl von konkurrirenden An-
sprüchen an dio Statistik der Armoe es nicht mög-
lich sei, diesen Eingriff zu gestatten. Wir müssen
uns also auch für dieses Jahr wieder begnügen,
andere Wege aufzusuchen. Ich hoffe immer noch,
dass, wenn einmal jeno anderen Elemente, welche
auch Statistik treiben wollen , ihre Berücksichti-
gung gefunden haben werden , auch wir daran
kommen werden, diese so bequeme Quölle eröffnen
zu können. Allein jetzt wird nichts anderes übrig
bleiben, als hinauszugehen in die Kreise der Civil-
bevölkemng mit der Hülfe von Freiwilligen, und
ich hoffe, dass es mir gelingt, auch unter Ihnen
solche Freiwillige zu werben.
In dieser Beziehung möchte ich nur darauf
aufmerksam machen, dass unsere Schulerhobungen
sehr werthvolle Unterlagen für die weiteren Unter-
suchungen bilden. Wir wissen nicht nur genau,
wolche Kreise in der Gesammthoit der Schulkinder
mehr blond, welche mehr dunkel sind u. 8. w.,
sondern wir besitzen auch das Urmateri&l. Die
Gesellschaft ist im Besitze der Zahlen für jede
Schule; wir haben so viel Papier , dass es
besondere Verhandlungen erfordert hat, um unser
statistisches Bureau dahin zu bestimmen , dieses
Papier noch für eine gewisse Zeit zu bewahren.
Wenn also Jemand sich solchen Untersuchungen
für bestimmte Kreise, Regierungsbezirke n. s. w.
unterziehen will, so bin ich in der Lage, für
den grösseren Theil von Deutschland das Urmaterial
übergeben zu können. Bayern und Würtemberg
haben unabhängig gearbeitet; nach Baden habe
ich Alles schon zurückgegeben. Es würde vom
höchsten Interesse sein , wenn alle hervorragend
charakterisirten Kreise zum Gegenstand weiterer
Untersuchungen gemacht würden.
Wir haben allerdings seit der Zeit grosse Fort-
schritte gemacht, namentlich in Bezug auf die eigent-
liche Schädelkunde. Herr Prof. Ranke hat sich
mit Recht darüber beschwert, dass die Münchener
Beiträge in ihrer Bedeutung bis jetzt nicht voll-
kommen gewürdigt worden sind. leb muss in
der Tbat sagen, wenn es uns möglich wäre, solche
Arbeiten, wie sie Herr Ranke und Herr Ko 11-
mann für Bayern geliefert haben, von überall her
zu erhalten, so würden wir ungemein schnell vor-
wärts kommen. Nun wird allerdings das Ver-
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104
dienst dieser Herren in so ferne ein klein wenig j
geschmälert , als besondere kirchliche Gebrauche
es in Bayern möglich machen , diese Untersuch-
ungen leichter nuszuftthren , als irgendwo sonst.
Die Existenz von Beinhausern, in denen man die
Schädel , auch httufig noch andere Knochen der
Personen, w eiche man wieder ausgrübt, aufstapelt,
bietet die Vorzüge einer grossen anthropologischen
Sammlung und eines bereiten Materials, wie
es in anderen Theilen Deutschlands sich sehr
schwer beschaffen lasst. Wir Anderen kämpfen
mit den allergrössten Schwierigkeiten , solches
Material zu gewinnen. In Norddeutschland haben
Herr Lissauer und ich uns die Aufgabe ge-
stellt , in etwas grösserem Style diese Aufgabe
anzugreifen. Herr Lissauer hat für die Pro-
vinz Preussen ein bemerkenswert h cs Material zu-
sammengebracht. Ich habe mich seit längerer
Zeit bemüht , für Nordwestdeutschland einiger-
maßen das zu ergänzen, was die Herren in Stid-
deutschland gemacht haben , und ich bin dabei
auch etwas nach Mitteldeutschland hinein ge-
kommen. Da ich vermöge meiner Beziehungen
zu den Aerzten in einer ungleich günstigeren
Lage bin, wie mancher Andere, und ich eine
Menge von Helfern finde, die mir mit der grössten
Zuvorkommenheit behülfiieh sind , so hat sich in
meinen Händen allmälig ein so grosses Material
für dieses Gebiet gesammelt , dass ich mit einer
gewissen Ruhe mich Uber dasselbe aussprechen
kann. Nichts desto weniger muss ich sagen, ist
Alles unzureichend, was vorliegt. Diese Seite der
Untersuchungen wird auch, wie ich glaube, erst
dann ihre volle Erledigung finden , wenn man
aus dem todten Material heraus in die leben-
dige Welt kommt.
Unser Herr Vorsitzender , der während der
Zeit seiner Regierung mit landes väterlichem Blicke
über alle Provinzen seines Reiches hingeschaut
hat, hat sich die dankenswerthe Aufgabe gestellt,
einen besonderen Entwurf auszuarheiten, in welchem
er auf die lobende Bevölkerung überzugehen vor-
schlägt. Ich kann diesen Gedanken nur in vollem
Umfange unterstützen. Im Augenblicke geht er mir
jedoch mit seinen Forderungen zu weit. Ich habe
allmälig gelernt wie schonungsvoll man seine For-
derungen stellen muss, wenn es sich um eine so
langweilige Beschäftigung, wie hier, um das Messen
am lebenden Menschen handelt. Es ist nichts schwie-
riger und mehr erschöpfend, als am lebenden Men-
schen zu messen : es hält schwer, den Einzelnen
zu bowegen , sich so lange stille zu halten , bis man
gemessen bat, und dann hat man erst aus der
Vergleichung der Zahlen zu ersehen, ob man
sich doch nicht getäuscht hat, ob das Instrument
nicht ausgeglitten ist u. s. f. Genug, das Messen
an Lebenden ist eine ziemlich schwere Aufgabe und
man muss in dieser Beziehung ein mittleres Muss
von Forderungen anfstellen. Ich kann in dieser
Hinsicht aus Erfahrung sprechen. Ich habe selbst
; schon seit einer Reihe von Jahren die Messung
! an Lebenden eingeführt., aber ich habe mich all-
mälig auf ein kleineres Mass reduzirt , als ich
| ursprünglich in Aussicht genommen hatte. Ich
| habe dabei jedoch eine andere und sehr trost volle
I Erfahrung gemacht , an die ich selbst nicht ge-
glaubt habe, dass man neinlich durch die Messung
i am Lebenden durchaus sichere Resultate gewinnen
| kann. Schon damals, als mein Streit mit Herrn
de Quatrcfages spielte, als ich ihm zuerst ent-
, gegentreten musste, machte ich diese Erfahrung,
i Durch allerlei Ermittelungen war ich zu der Ueber-
zeugung gelangt, dass in der Auffassung der braunen
Rasse als einer finnischen ein Grund-Irrthum liege,
insofern als die finnische Rasse gar nicht braun
sei, wie Herr d e Quatrefages annahm. Ich bin
in Folge dessen von Stockholm, vom internatio-
nalen Kongress, nach Finnland gefahren , habe das
Land in grosser Ausdehnung durchreist und habe
gar keinen braunen Finnen gefunden , sondern nur
hellblonde. Ich bin neuerlich in den Ostsee-
provinzen gewesen , und wenngleich dort die
Blondheit nicht eben so intensiv ist, so ist es
doch nicht weniger richtig, dass es sich bei den
Esten um keine brünette Rasse handelt. Bei
diesen Gelegenheiten habe ich , so viel ich
konnte , auch lebende Personen gemessen. Ich
habe dann , so viel ich erreichen konnte , gut
bestimmte Schädel von da gemessen , um mir
ein eigenes Urtheil zu bilden. Es ist sehr
merkwürdig ; ich habe in der Timt durch die
Berechnung der Zahlen , welche ich durch die
Messung an den Lebenden bekam , nahezu die-
selben Indexzahlen erhalten , welche ich aus den
Messungen von Schädeln berechnen konnte. Bei
der grossen Mannigfaltigkeit in den Formen der
einzelnen Menschen, bei den grossen individuellen
Schwankungen können wir uns bei solchen Mess-
ungen nicht auf die Vergleichung der einzelnen
Zahlen beschränken; wir nehmen gewisse Ver-
hältnisse, z. B. dos Verhältnis zwischen Länge
und Breite. Setzen wir z. B. die Länge = 100,
so berechnen wir, wie vielmal geht auf dieses
Hundert die Zahl des Breitend urchmessers. Oder
umgekehrt , wir bestimmen die Höhe und be-
rechnen daraus das Verhältnis der Höhe, sei es
zur Länge sei es zur Breite. Dadurch gewinnen
wir vergleichbare Verhältniszahlen , und es ist
ziemlich gleichgiltig, ob ich am lebenden Menschen
messe, wo natürlich durch das Fleisch die Maasse
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105
länger werden, oder ob ich an dem Schädel messe,
wo das Fleisch verschwunden ist. Die Verhält-
nisse bleiben faktisch nahezu dieselben, wenn die
Messung mit einer gewissen Klüftigkeit der Pression
am Lebenden ausgeführt wird , was ohne erheb-
lichen Schmerz und ohne Schadeu ausgeführt wer-
den kann. Noch in den letzten Tagen habe ich
eine Kontrole gemacht , indem ich alle meine
Estcnsch&dol zus&mmengenommen habe; als ich
den mittleren Breiten - Index constatirte , war es I
fast genau dieselbe Zahl (78,1), welche ich bei
lebenden Esten gewonnen hatte (78,6)*). In den
jüngsten Tagen ist mir dieselbe Erfahrung entgegen-
getreten bei Schädeln aus einer ganz anderen Welt.
Herr v. Michlucho-Maclay, der kürzlich von
Neu-Guinea nach Singapore zurückgekehrt ist, hat
mir ge<schrieben *+), dass er , nachdem er meine
Notiz Uber dio Finnen golesen ebenfalls ver-
gleichende Messungen angestellt habe , und dass
er zu demselben Resultate gelangt sei, indem
die an lebenden Individuen verschiedener mikro-
nesischer und inelanesischer Stämme gefundenen
Zahlen dieselben Indiens ergaben , wie die Mess-
ungen an Schädeln. Diese Erfahrung ist ungemein
werthvoll und ich bin sehr glücklich, sie als Em-
pfehluug dafUr mittb eilen zu können , dass man
sich auch an Lobenden dos nächste ja das haupt-
sächliche Material für das Urtheil verschaffen kann.
Nun möchte ich mir erlauben, im Anschlüsse
an diese Sache noch ein paar Bemerkungen in
Bezug auf die Schädelformen zu machen. Sie
haben schon gehört , dass das Problem , wie es
bei unsern Nachbarn jenseits dos Rheins ziem-
lich allgemein und auch bei uns vielfach aner-
kannt wird, dahin geht, dass zwei Schichten von
Bevölkerungen existiren , eine untere und eine
obere , eine, die früher schon da war, und eine
zweite, welche 6ich über dieselbe geschoben hat,
welche aber nachher gelegentlich wieder von der
ersteren überwuchert wird. Das ist eiu Gedanke,
der sich mit einer gewissen Natürlichkeit ergibt
und der an sich in hohem Müsse empfehlens-
werth erscheint. Für denselben spricht namentlich
die Erfahrung , dass die Langschädel form der
Reihengräber, wie sie von Ecker zuerst aufge-
stellt wurde, sich durchaus bewahrheitet hat für
das gesammto rheinische Gebiet bis gegen den
Niederrhein und bis tief nach Mitteldeutschland.
Fast Alles , was von Reihengräbern auf beiden
Rheinufern, in Baden, in der Pfalz, in Rhein-
hessen , in Nassau und iu einzelnen Theilen der
Rheinprovinz bekannt ist, hat sich in sehr cha-
•) Zeitschrift für Ethnologie 1878. Band X- Ver-
handlungen der Berliner anthropolog. Gesellschaft. S. 144.
**.i Ebendaselbst. Verhandlungen 8. 101.
rakteristischer Weise als dolichocephal erwiesen.
Ich kann das von Neuem bestätigen , nachdem
ich im vorigen Jahre eiu solches Roihengräber-
feld in der Nähe von Alsheim, nördlich von Worms,
ausgekauft habe, wo wir auf einmal 14 solche
Schädel bekamen : der Typus war durch die ganze
Reihe konstant *). Insofern muss ich mich vollkom-
men der Ansicht des Herrn Ecker anschliessen.
Nun fragt es sich aber: ist es richtig, ist es
noth wendig, desshalb, weil die alten Franken, als
sie ihre grossen Eroberungszüge unternahmen,
dolichocephal waren, alle Deutschen der damaligen
Zeit für dolichocephal zu halten? Sie wissen ja,
die Franken waren ein gemischtes Volk, sie waren
mehr ein wanderndes Staalswesen als eine eth-
nische Gruppe ; es war Vielerlei in ihuen zusam-
mengerafft ; ja , wenn man den Forschungen
Uber ihre Zusammensetzung folgt, so muss man
sich eher wundern, dass dio Einzel-Typen so sehr
übereinstimmen. Es fragt sich also, war dieser
fränkische Typus der allgemein germanische Ty-
pus? Und wenn er es war, woher kam diese
dolichocephalo Rasse? Auf der einen Seite muss
man sich erinnern, dass lange Zeit hindurch,
Juhrhunderte lang, immer neue germanische Ein-
wanderungen in den Westen erfolgten. Die Stämme,
welche Cäsar traf, wurden durch neue Völker-
züge , welche von Osten kamen , ersetzt. Der
Westen frass ei non grossen Tbeil dieser Massen,
er vernichtete sie in grossen Schlachten, er brachte
sie in seine Culturverhältnisse, er kolonisirte sie zum
Thoil ; inzwischen brachen neue Massen von Osten
herein unter verschiedenen Namen und wir haben
keinen Grund, als selbstverständlich anzunehmen,
dass dio Alemannen, die Franken und die Sachsen
eine in sich geschlossene ethnische Gruppe waren.
Wenn es richtig ist, dass ein grosser Haufe von
verschiedenen Stämmen sich in diesen nachwan-
dernden Heereskörpern, gewissermasaen wie in
Bienenschwärmen, sammelte und so an den Gren-
zen der Cultur erschien , so trägt es sich , wo
kamen diese Völkerschaften her? Diese Frage
führt uns bis nach Schleswig oder bis uach
Hinterpommern oder in dio Nachbarschaft dieser
Provinzen ; das ist unzweifelhaft. Ich will nicht
gerade sagen, bis zur Weichsel, und einen ge-
nauen Punkt bezeichnen, wo sie zuerst erschienen
seien ; aber von den Cimbern bis zu den Longo-
barden und Burgundern erstreckt sich eine re-
gelmässige contwmirlk.hu Gliederung. Die nach
Westen gewanderten Stämme sind nicht südlich
vom Erzgebirge gezogen ; wir haben bis zu den
Bajuvaren keine Kenntnis* von einer Wanderung
*) Zeitschrift för Ethnologie 1877. Band IX. Ver-
handlungen der Berliner anthropolog. Gesellschaft. 8.498.
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106
germanischer Stämme , die durch Böhmen in
Deutschland eingedrungen wären; Alles ist nörd-
lich vom Erzgebirge gegangen und hat sich dann
fächerförmig über den ganzen Süd westen von
Deutschland ergossen.
Es geht daraus aber nicht hervor, dass alle
diese Stämme auf eine einzige, in Ostdeutschland
sesshafte Quelle zurückgeflihrt werden müssen.
Wenn man heutzutage eine Frage aufwirft, 80
wird man sofort darauf festgenagelt, man habe
einen Hintergedanken und wolle nicht glauben,
was ein anderer glaubwürdiger Mann für richtig
hält. Vor dieser Schlussfolgerung muss ich mich
verwahren. Wenn ich eine Frage aufwerfe, so
geschieht es nur, weil ich wünsche, dass man
jede Seite des Gegenstandes in ganzer Breite dis-
kutire. Nur so habe ich die Frage aufgeworfen,
ob die Succession der grossen , aufeinander fol-
genden deutschen Heereskörper ganz gleichgütig
sei, und ob die darin vereinigten Stämme in der-
selben Art, wie dio Reihengräber sie darbieten, aus
lauter Dolichocepbalen ersten Ranges bestanden
haben, aus Menschen, die mit der Dolichocephalie die
hoheStatur, den kräftigen Bau, das leuchtendo blaue
Auge, die blonde Locke und die helle Farbe der Haut
verbanden, jene candiditos, wie das alte fränkische
Gesetz sie fordert? Es wird doch mindestens er-
laubt sein, zu fragen : waren nicht vielleicht die
Träger jener verschiedenen Einbrüche der Gor-
manen etwas von einander verschieden? Nun
habe ich seit einer langen Reihe von Jahren das
ganze Gebiet der Küstenbevolkerung zum Ge-
stände meiner Untersuchung gemacht, von der
Elbe bis nach Flandern. Ich habe dabei eine
Reihe von abgelegenen Gegenden und Inseln
explorirt, die alten Baumstämme und Wohnhügel
(Terpen, Warpen) in Friesland, den Untergrund
der alten Kirchen u. 8. w., — überall habe ich das
Glück gehabt, Schädel zu bekommen. Dio verein-
zelten Inseln der Zuyderaee, welche bei den gros-
sen Ueberschwemmungen im 12. Jahrh. übrig
geblieben sind, liefern theils Schädel, theils auch
noch eine lebende Bevölkerung, welche sich ver-
gleichen lässt. Sie alle hüben gewisse gleichmäs-
sige Typen ergeben , aber durchaus verschieden
von dem Typus der Reihengräber. Ich muss
dabei bleiben, nachdem ich wieder neues
Material gesammelt habe. Die Differenz ist
eino durchgreifende: friesisch ist
nicht fränkisch. Nun ist kein Zweifel, dass i
die Friesen älter sind als die Franken, welche j
erst lange nach der Zeit erschienen sind, wo die
Friesen schon in der Geschichte Vorkommen; die j
ältesten Stämme, welche überhaupt gegen Norden
kamen , haben die Friesen schon an der Stelle |
sitzend gefunden , wo sie noch heutigen Tages
sitzen, zu einer Zeit, als Franken noch gar nicht
existirten. Wir wissen, zu welcher Zeit die Franken
zuerst erschienen. Historisch sind unzweifelhaft
die Friesen früher dagewesen. Wollten wir nach
der Geschichte gehen , so müssten wir voraus-
setzen , der friesische Typus müsse mehr ger-
manisch sein als der fränkische. Ich kann daher
nicht anerkennen, dass das Fränkische noth wendiger-
weise das eigentlich Germanische darstellen muss.
Wir können jedoch auch fragen — und die Be-
rechtigung dieser Frnge erkenne ich an — , haben
nicht möglicherweise die Friesen , als sie in ihr
Land einwnnderten , eine Urbevölkerung vorgo-
funden, mit der sie sich mischten, mit. der sie in
friedliche Verhältnisse getreten sind? Wie diese
Frage zu beantworten ist, weiss ich freilich augen-
blicklich nicht , aber das weiss ich bestimmt,
dass friesisch nicht fränkisch ist,
und dass wir auch jetzt noch nicht sagen können,
welcher Typus der urgermanische ist. Wenn wir
nachweisen können , dass die Franken erst ein
später nachgekommener Stamm sind, der nicht ein-
mal in seiner historischen Erscheinung eine Ein-
heit repräsentirt, so können wir unmöglich sagen,
seiu Typus müsse nothwendigerweise der urgormani-
sche sein. Wäre es nicht auch möglich, dass er
ein Mischtypas wäre?
Die wesentlichste Differenz zwischen den frie-
sischen, Überhaupt den nordischen Stämmen, die
sich an die sächsische Sippe anschliessen, und den
fränkischen beruht in der Höhe der Schädel. Alle
diese Schädel sind niedriger, die Schädelkurve ist
bei ihnen länger, flacher, dehnt sich Uber eine grössere
Strecke aus und ergibt also in der Seitenansicht
verhilltnissraässig lange Formen. Ich habe mir er-
laubt, aus der hiesigen Sammlung, welche Herr Dr.
Pansch auszustellen die Güte hatte, einen Schä-
del auszusuchen , der annähernd diesen Typus
ausdrückt. Wenn man ihn nicht so hinstellt,
wie es gewöhnlich geschieht, auf den Tisch, son-
dern wenn inan ihn in eine einigermassen erträg-
liche Horizontale bringt , so sehen Sie deutlich
jene Form, die, je weiter westlich wir ins Frie-
sische kommen, immer flacher wird und sich da-
durch charakteristisch unterscheidet; diese Form
habe ich e h am ä ce ph a 1 genannt. Eine ge-
streckte Kurve, ein weit herausgehendes Hinter-
haupt, eine häufig etwas zurückliegende Stirn
mit kräftigen Orbitarändern und mächtigen Wül-
sten, ein kräftiges hohes Gesicht, eine stark ent-
wickelte, aber schmale Nase, hohe Augenhöhlen,
vortretondes Kinn.
( Fortsetzung in Nro. 10.)
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79
Möge das. was in Kiel so wohl gelungen ist, I
ein gutes Omen sein für die Erfolge der X. all- I
gemeinen Versammlung in Strassburg!
Auch für Hamburg ging der Besuch der
Deutschen anthropologischen Gesellschaft nicht spur-
los vorüber. Dort wurde durch die rege Thtttig-
keit der beiden Herren Dr. Wibel und Dr. R.
Krause, unseren langjährigen , vielbewährten
Mitarbeitern auf dem anthropologischen Gebiete,
in dem letzten Jahre eine neue werthvolle ver-
einigte Sammlung prähistorischer AlterthU-
mer aus dem Hamburg- Altonacr Gebiete geschaffen
und am Tage der anthropologischen Festversamm-
lung eröffnet. Wir dürfen hoffen, dass in Rück-
wirkung der schönen Tage in Lübeck der
Mahnung des Herrn Vircbow an die dortigen
Freunde , einen selbständigen Zweigverein der
Deutschen anthropologischen Gesellschaft auch in
Lül>eck zu gründen , bald die That folgen wird.
Im Vorstehenden haben wir schon vorüber-
gehend eines TheiLs de« reichen Studienma-
terials Erwähnung getban, welches die IX. all-
gemeine Versammlung ihren Theilnehmern darbot.
In Hamburg, Lübeck und Kiel waren es
vor Allem die prähistorisch - archäolog-
ischen Sammlungen.
Schon die Sammlungen der beiden erstge-
nannten Städte führen uns in den Reichthum der
Funde ein, welche die nord - germanischen . prä-
historischen Perioden so wesentlich vor den süd-
germanischen begünstigen. Wie noch heute der
in allen Lebensverhftltnissen sich geltend machende
Reichthum dos handeltreibenden Korden« den deut-
schen Südländer in Erstaunen setzt, so war auch
schon in den vorhistorischen Perioden der Norden
durch seine überall gesuchten Bornsteinschätze
dem vorwiegend nur Felle und Schinuckpelze aus-
führenden deutschen Binnenlande an Reichthum und
dadurch an Cultur - Möglichkeit ülierlegon. Am
mächtigsten aber tritt uns dieses Verhältnis« in
den Schätzen des Schleswig- Holstein’ -
sehen Museums vaterländischerAlter-
th ümer entgegen: welcher Reichthum an wohl-
geschliffenem Stein, Bronze und Edelmetall 1 Aber
diese Reste der ältesten Uultur werden fast noch
an Fülle und Interesse übertroffen durch die
jüngeren Gräber- und namentlich die Moorfunde,
welche wesentlich Eisen geliefert haben. Nament-
lich zieht der berühmte Fund aus dein Ny-
dnmer Moor die Augen auf sich. Das 122,67 m
lange wohlerhaltene Boot aus Eichenholz, welches
einst gefüllt war mit den Trophäen eines Sieges,
über welchen uns keine Tradition mehr berichtet.
Die hier gefundenen Waffen erscheinen als ein
wahres Arsenal: die zahlreichen eisernen Lanzen-
Pfeilspitzen und Schwerter, letztere zum Theil
fein damascirt , Schwert.griffe, Scheiden mit Be-
schlag, Aexte, Messer, Pfriemen, die runden
Schildbretter mit ihren gewölbten Buckeln und
Griffen, die Lanzenstäbe, Bogen und Pfeile, letz-
tere zum Theil mit knöchernen Spitzen , Pfeil-
köcher , von denen einer nach dem originalen
i Metallbeschlag rekonstruirt ist , Pferdegebisse,
i Sporen , hölzerne und ThongefHsse u. v. A.
Die Jmit gefundenen römischen Kaisermünzen ge-
statten den Fund zu datiren ; die jüngste der
Münzen stammt von Macrinus 217 p. Ohr. — Im
! Ganzen zählt die Sammlung weit über 4000 Num-
| mern. Gleichsam eine Ergänzung dieser Samm-
lung bildet in gewissem Sinne das Thaulow-
Museum (cf. S. 90.).
Ebenso reichhaltig war auch das gebotene
Studienmaterial für vergleichende Anthropologie
und Ethnologie. Das Hamburger ethnogra-
phische Museum in den Nachbarräumen neben
der eben erwähnten prähistorischen Sammlung
stehend, bietet wohlgeordnet und schön aufge-
stellt reiche Schätze dar aus allen Weltgegenden,
mit denen Hamburgs Schiffe verkehren. Na-
mentlich vollständig erscheinen die für die Ver-
gleichung mit den prähistorischen Zeiten Europas
wichtigen arktischen und hochnordischen Gegen-
den vertreten. — Vorwiegend in die Inselwelt der
Südsee, sowio auf das australische Festland ver-
setzte uns in Hamburg unstreitig dos reichste
den gleichen Zwecken dienende Privatnmseum der
Welt: dos wissenschaftlich berühmte Museum
Godeffroy. Die Herren Ca es ar Godeffroy
und Sohn, deren Schiffe sich auf allen Meeren
wiegen, senden mit fürstlicher Munificenz Spezial-
forscher in jene entlegenen Gegenden , um Ori-
ginalgerätlic und sonstige ethnographisch wichtige
Gegenstände von den mehr und mehr hinsterben-
den Naturvölkern, sowio alle Objecte allgemein-
naturwissenschaftlichen Interesses zu sammeln. Auch
die Kapitäne ihrer Schiffe betheiligen sich rüstig
an diesen Sammlungen. So gelang es , einen
Reichthum ethnographischer, anthropologischer und
allgemein -naturwissenschaftlicher Objecte zusam-
men zu bringen, wie or für die genannten Länder
sonst kaum irgendwo zu finden ist. Auch das
craniologische und osteologiscbe Material der Samm-
lung ist hochbedeutsam. Unter Anderem birgt
die Sammlung 8 vollkommene Australier Skelette.
Herr Godeffroy gibt auf eigene Kosten ein
vou den besten Gelehrten unterstütztes Pracbt-
werk: Journal dos Museums Godeffroy
' heraus. Herr R. Vircbow bearbeitet die Publi-
kation der speciell - anthropologischen (craniologi-
sehen und osteologischen) Abtheilung. Zwanzig
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80
Tafeln Abbildungen in Grossfolio , zu letzterer
Arbeit gehörig, waren bei dein Beuche der Ge-
sellschaft ausgestellt.
In den zoologischen Sammlungen in
Kiel und Lübeck fesselten die Augen der
Gäste namentlich die Anthropoiden t in Lübeck
die berühmten Gorillas. Hamburg hatte die
Festbewirthung der Gesellschaft in die Restau-
ration des zoologischen Gartens verlegt, so dass
sich die Theilnehmer vor und nach dem Mahle an
der Beobachtung der Sammlung lebender Anthro-
poiden, sowie an seinen übrigen interessanten Be-
wohnern aus alleu Zonen erfreuen konnten.
In Kiel war durch die Lokalgeschäftsführung
und die Vorstandschaft des Zweigveroius durch
reichhaltige Ausstellungen ein grosser Nebenraum
des Sitzungssaales der Versammlung zu einem
temporären anthropologischen Museum umgestaltet,
in welchem die Hauptgebiete der imthropologischen
Forschung würdig vertreten waren.
Hier fand sich eine ganze Anzahl kleinerer
prähistorisch - archäologischer Pri vat-
Sumnilungen :
1. Von Herrn P. Behacke, Düsternbrook,
charakteristische Fund objekte aus Schleswig- Hol-
stein : Steingeräthe, Bronzen, namentlich Kelte,
und eine grosse flache Keule mit Hackenansatz
von Bronze.
2- Von Herrn Dr. Hartman u in Marne
ebenfalls eine schöne Uebersichtssaiumlung lokaler
prähistorischer Funde : Stein, Bronze, Eisen. Von
hervorragendem Interesse waren die gesammelten
lteste der prähistorischen Wohnstätte
in Eddclack in Süderdithmarschen : Töpferei wnaren ,
Holzgegenstände , Knochen von Hausthieren etc.
3. Auch Herr Dr. H u r t m a n n , Tellingstädt,
hatte eine Sammlung Schleswig - Holsteinischer
Funde: Stein, Bronze, Geld,
4. Herr Studiosus Musen, Marne, nament-
lich Bronzen hier zur Ausstellung gebracht.
5. Das Gymnasium von Eutin hatte
Bronzen,
6- das Gymnasium von Rendsburg
St eininst rument-e beigesteuert.
7. Die Ausstellung der Al tert hu ms -Ge-
sell sc ha ft „Prussia“ in Königsberg in
Ostpreussen enthielt f> lehrreiche und anschau-
liche Modelle von Burgwällen und die schonen
Bronzefunde aus Sarnland, der Bernsteininsel, uus
„ prähistorischen Stationen der Bronze- und jün-
geren Eisenzeit
8. Von Herrn Dr. Nehring aus Wolfon-
bfittel lagen Feuersteinactefocte vor (cfr. den
Vortrag des Herrn Vir o h o w IV. Sitzung)
9. Eine Sammlung prähistorischer Alterthüiuer
aus Aegypten (cfr. IV. Sitzung), welche Herr
Dr. Mook aus Kairo ausgestellt hatte, vor allem
(i )ü Stück zierlichster Fouersteininstrumente aus
Unter- und Oberägypten und Nubien : kleinste
Messer, Schaber, Sägon, Pfeilspitzen, Nadeln ote.
Ausserdem Werkzeuge aus den Pyramiden-Stein-
brüchen, ELseninstrumente, ein einzelnes Stückchen
Bronze , Riedgras als Leuchte und ein ebenso
werthvoller wie zierlicher und schöner „Hathor-
kopf“, aus Glimmerschiefer (!) geschnitten.
10. Herr Dr. C. Mehlis, Funde auf der
Limburg: Bronzen (King, Messer), Topfscherben,
Thierknochen (cfr. III. Sitzung).
11. Zur Ethnographie hatte Herr Capi-
tain - Lieutenant Strauch selbstgesammelte Ge-
räthe und Schmucksachen aus Melanesien — Neu-
Hanuover und Neu - Irland — nebst zahlreichen
Photographien von dortigen Eingeborenen vor-
gelegt
Zur s p ec i eilen Anthropologie
1 2. hatte die K i e 1 e r a n a t o m i s c h e Sam in -
luug 150 Hassen-Schädel, dann eine Anzahl vor-
historischer und moderner Graberschädel aus
Schleswig-Holstein ausgestellt ;
13. Herr Dr Pansch einen Mikrocephalen-
Sch&del und 28 SchftdelausgÜsse ;
1 4 . Herr G ehe im rat h Schuaff hausen die
Knochen des berühmten Neanderthaler-Fuudes;
15. Herr Geheimrath Virc ho w : Schädel von
Liven, Thüringern und Albanesen.
16. Herr Dr. R. Krause: einen Moorschädel
und Schädel und Gehirnnachbildung eines Mikro-
cepbalen.
17. Herr Staatsrath 8 1 i e d a : anatomische
Präparate zur Demonstration seiner ueuen Con-
ser vi rungsmethodo.
Zur Craniometrie wurden folgende In-
strument«} ausgestellt und deiuonstrirt :
18. Von Herrn Dr. Hilgendorf ein Lueä’-
scher Zeichnungs-Apparat zu Reisezwecken.
19. Von Herrn Dr. Koerbiu: ein neues
Craniometer.
20. Herr Obermedicinalrath von H ö 1 d e r
(Stuttgart) hatte sein durch Leichtigkeit und
Sicherheit der Handhabung sich auszeichnendes
Caliber- Messinstrument zur Sclmdelniessung ein-
gesendet.
21. Ein ganz besonders werthvoller Beitrag
zu dieser den Mitgliedern der allgemeinen Ver-
sammlung im Sitzungslokale selbst gebotenen Aus-
stellung war die Samm Inn g zur prä hUtori -
sehen Zoologie Schleswig - Holsteins , welche
das Zoologische Institut der Universität beige-
bracht hatte. Wir erwähnen hier nur: Nashorn,
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fil
Biber , Boa primigenius , Elonthier , Renthier,
vor allem aber das Prachtexemplar eines Schädels
mit wohlerhaltenen Hörnern vom Moschusochsen.
22. Auch einer Anzahl in grösserem Maasstahe
gehaltener Abbildungen prähistorischer Objekte
und Karten, welche der Versammlung vorgelegt
wurden, muss hier noch Erwähnung geschehen.
Wir nennen die prähistorische Karte von Schle-
sien von Herrn Zimmermann in Striegau ;
die prähistorischen Kartenskizzen von Herrn Prof.
Fraas und Herrn Hauptmann E. v. Tr ölt sch
(Stuttgart) ; die Abbildungen über die Ausgrab-
ungen auf der Limburg von Herrn Dr. Mehlis;
die Darstellungen der ,, künstlichen Höhlen“ in
Kissing bei Augsburg und Unterpachern bei
Dachau durch die Herren Prof. A. Thier sch
(München) und Prof. J. Ranke.
Die der Versammlung vorgelegten zahl-
reichen Bücher und Schriften sollen am Schlüsse
dieser allgemeinen Besprechung zusammengestellt
werden.
Unter dem der Versammlung dargebotenen
Studienmateriale waren die archäologischen
Ausflüge und Ausgrabungen von her-
vorragender Bedeutung. Hamburg und Kiel
hatten auf den gemeinsamen Besuch vorhistori-
scher Stationen verzichtet. In Kiel hatten die
interessante Besichtigung des Kaiserlichen Marine-
Etablissement»*; in Ellerbeck und die vom heiter-
sten Geiste belebte „ Ausfahrt im See“ nur tlieils
allgemein belehrenden theils geselligen Zwecken
dienen wollen. Dagegen gaben die beiden vom
besten Wetter begünstigten Tage in dem schönen
Lübeck reiche Gelegenheit, die Reste der ältesten
Culturperioden des deutschen Nordens an Ort und
Stelle zu besichtigen und zu bewundern. Don-
nerstag den 15. Nachmittags 2 Uhr brachte ein
Dampfer die Gesellschaft nach den Mauer-Ruinen
des alten im Mittelalter zerstörten Lübeck.
Dann wurde von Schwartau aus zu Wagen durch
die schöne Gegend ein Ausflug nach einem schon
seit längerer Zeit blossgolegten mächtigen „Hünen-
grab“ gemacht, dessen aus gewaltigen erratischen
Blöcken erbaute Grabkammer sich als gross ge-
nug erwies, um einer kleineren Anzahl der Gäste
gleichzeitig Raum zu bieten. Von dort ging es
weiter nach dem bedeutenden Kingwail von
Waldhusen, wo, soweit es die Tageszeit noch
gestattete, Ausgrabungen vorgenommen wurden.
— Freitag der 1 G- war bei wundervollem Wetter
dem Besuch der Alterthümer und den Ausgrab-
ungen in dem nralteu Bueben-Forst des Ritzer-
auer Geheges gewidmet, der in seinem In-
nern eine Fülle von prähistorischen Denkmälern
enthält und dem kulturhistorischen Museum in
Lübeck schon zahlreiche wichtige Funde geliefert
1 hat. Zunächst, wurde die Gesellschaft zu einem
| bei Appenrade gelegenen noch unerofl’neten „ H ü-
| nengrab“, ein Hügel von etwa 30 Meter im
i Durchmesser und 5 Meter Höhe geführt. Hie-
i rauf wurde eine tiefe „Trichtergrube“ be-
sichtigt. Der Weg durchschnitt dann weit aus-
gedehnte sogenannte „Hochäcker“, welche bis-
her nur aus Süddeutschland (allgemeine Ver-
sammlung zu München 1875) bekannt, nun auch
j im Norden aufgefunden wurden , wo sie zahl-
reichen gewichtigen Widerspruch gegen ihre „prä-
historische“ Stellung erfahren. Es sind bei dem
GeneralsokretAriate der Gesellschaft, angeregt durch
den Ausflug nach dem Ritzenauer Gehege, einige
werthvolle Beitrüge über das Alter der Hochäcker
in Norddeutschland eingelaufen, welche im An-
schluss an den Bericht der IX. allgemeinen Ver-
sammlung möglichst bald im Correspondenzblatt
Veröffentlichung finden sollen. Die Hauptauf-
gabe des Ausflugs bestand aber in der Ausbeut-
ung eines grossen Kegel- oder Hünengrabes, eines
sanft ansteigenden Hügels von etwa 5 Meter
Höhe, an welchem vorbereitend unter sorgsamer
Aufsicht ein 4 Meter breiter Durchstich ange-
legt worden war. Hiebei waren schon eine
schöne Lanzenspitze aus Feuerstein , ein Feuer-
steinmesser und ein Bronzedolch gefunden wor-
den. Die Mitglieder der Gesellschaft betheiligten
sich selbst an der weiteren Blosslegung des Grab-
inhalts. Man fand zwei 0,5 Meter über einander
liegende länglich ovale Steinsetzungen, unter dem
zweiten waren Reste eines Bronzerings und Bronze-
blechs, abseits eine Urne mit verbrannten Knochen;
letztere auch ohne Urnenreste an einer anderen
Stelle des Hügels. Ein anderer Theil der Ge-
sellschaft untersuchte einen etwa 10 Minuten von
diesem „Hünengrabe“ in romantischem Wald-
schatten gelegenen .sogenannten „Wendenkirch-
hof“. Es findeu sich hier etwa 80 Kegelgräber
von 1 Meter Höhe und etwa 6 Meter Durch-
messer. Mitton aus den Steinringen und flache-
ren Hügeln des Gräberfeldes erheben sich 2
mächtige Grabhügel von mindestens 10 Meter
Höhe und 40 — 50 Meter Durcbine-sser beide mit
Steinringen gekrönt. Zwei der kleineren Hügel
waren für die Theilnehmer des Ausflugs vorbe-
reitend blossgelegt, worden. Die Gräber zeigten wie
die dort schon früher ausgegrabenen einen einfachen
oder doppelten Ring von granitisehen Findlings-
steinen. In der Mitte des Rings umschlossen und
bedeckten scholenartig zerschlagene Steine 1 — 3
Graburnen, welche neben Knochenasche und ver-
brannten menschlichen Gebeinen Bronzemesser und
die Reste bronzener Ringe und Spangen enthiel-
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8*2
teil. Eine der die Knochenroste enthaltenden !
Urnen steckte in einer „Ueberarne“. Zum Schlüsse
worden noch einige andere nachbarliche prahisto- ;
rische Stationen namentlich Begrübnissplätze im
Vorübergehen besichtigt. Damit schloss der nach j
allen Beziehungen wohl gelungene Kongress.
Noch ein besonderes Dank wort gebührt den
uusserdeutschen wissenschaftlichen Freunden,
•welche durch ihre Theilnabme an der Versamm-
lung die Bedeutsamkeit derselben erhöhten. Als
Kiel, die „schönste Stadt im Lande“, wie sie das
schleswig-holsteinische Sprichwort mit Recht rühmt,
an der nordischen Meeresgrenze unseres Vater-
landes zum Versammlungsort gewählt wurde,
hatten wir auf die Betheiligung ausserdeutscher
nordischer Gelehrten gehofft. Die Liste der Theil-
nehnter an unserer Versammlung und die folgen-
den Verhandlungen dersell»en ergeben, in wie
schöner Weise diese Hoffnung in Erfüllung ging.
Wie bei der Versammlung in Konstanz die innige
Verbindung unserer Gesellschaft mit den gleich-
strebenden Forschern der Schweiz zum lebhaften
Ausdruck kam, so dürfen wir als ein Resultat
der Versammlung in Kiel eine Erneuerung und
Festigung der für die Fortschritte unserer Wissen-
schaft unentbehrlichen Beziehungen zwischen den
deutschen und nordischen Forschern bezeichnen.
Eine grössere Anzahl der Theilnehmer an
der Versammlung in Kiel ging nach Schluss der-
selben zum Studium der klassischen anthropolo-
gischen Sammlungen nach Kopenhagen, einzelne
zu dem gleichen Zweck weiter nach Stockholm und
Christi an ia. Bewunderung der Leistungen der skan-
dinavischen Forschung in prähistorischer Archä-
ologie, Ethnologie und specieller Anthropologie
warme Anerkennung der collegialen Aufnahme der
Besucher bringen sie zurück.
Auch den Freunden in Schwerin und Stralsund
sei schliesslich noch ein herzlicher Dunk zugerufeu !
Die von uns hier versuchte Darstellung ist
kaum im Stande , einen Schattenriss von der
lebensvollen freudigen Erscheinung unser*»« Con-
gresses zu geben. War doch alles getragen von
dem Hochgefühle fortschreitender wissenschaftlicher
Leistungen, durchleuchtet und erwärmt von dem
Bewusstsein neidloser wissenschaftlicher und per-
sönlicher Freundschaft, welche die Mitglieder des
Kongresses unter einander wie mit der gastlichen
Bevölkerung der Festorte verband. Die herzliche
Aufnahme in den besuchten Städten; die frohen
zwischen die ernsten Arbeitsstunden eingeachobe-
uen Feste, in deren Veranstaltung städtische Be-
hörden, wissenschaftliche Vereine und Privaten
wetteiferten, die gemeinsamen, sangreichen Aus-
flüge hinaus ins blaue Meer und in den Schatten
der Buchenwälder, welcho diese glückliche Küste
schmücken; die Ueherfülle der in Hebt deutscher
Herzlichkeit gebotenen Gastfreundschaft, — sie
werden in allen Herzen unvergessen bleiben.
Wir schliessen diese Einleitung mit einem
Worte des Vorsitzenden der IX. allgemeinen Ver-
sammlung, indem wir das, was Herr Schaaff-
hausen speciell für Lübeck sagte, allen unseren
i Freunden an den germanischen Küsten zurufen,
an welche uns der Kongress geführt, hat:
„Wir haben bei unserem schönen Umzug durch
i diese herrlischen Gegenden der nordischen Küste
^ mit besonderer Befriedigung dom starken muthi-
gen Mannesstamm die Hand gedrückt. Diese
Gegend ist von uralter Zeit berühmt als der
Ursprung und die Heimath sehr vieler deutscher
j Stämme , und weun wir uns fragen, was wohl
i die Kraft und die Macht jeuen Altvordern ge-
geben haben mag, so gibt uns die Antwort da-
rauf das Thucydides Wort : Gross ist die Macht
des Meeres! auch sie hat die Menschen gestählt
| und ihren Mutli herausgefordert.“
Die der IX. allgemeinen Versammlung vorgelegten Büoher und Schriften:
1. Anoutcbine, D. Exposition universelle de 1878, a Paris. — Exposition dos Sciences
untropologiques. — Societe Imperiale des amis des Sciences naturelles d’Antropologie et d' Ethnographie
de Moscou par Dr. Anoutchine. Paris. Imprimeric Arnous de Ri viere Rue Racine 26. 1878.
2. Derselbe: die anthropologische Ausstellung in Moskau 1879. Programm.
3. Clessin, S. Die Höhle bei Breitenwien in der Oberpfalz. Ausland 1878. Nro. 15. S. 290.
4. Gross Victor. Deux stations lacustres Mocringen et Auvernier dpoque du bronze. Do uze
planches photograph iques tigurant euviron 400 objccts demi grandeur avec not es et explications eu
regard par le Dr. Victor Gross. Neuveville. Imprimeric de A Godet 1878.
5. U andelmann, Heinrich. Fünfunddreissigster Bericht zur Alterthumsknndc Schleswig-Hol-
steins von Heinrich Handtdnianu. Mit 15 Holzschnitten. Einladung zur Wiedereröffnung des Schleswig-
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
fQr
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt ion Professor I)r. Johanne* Hanke in München,
Qfneralsfcrttar drr UttAUehafl.
Nr. 10. Erscheint jeden Monat. Octubül' 1878.
Bericht über die IX. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Kiel
am 12. — 14. August 1878.
Kedigirt von Professor Dr. Johannes Hanke in München ,
General»? kretär der Gctrlltrhaft
(Fortsetzung zu Herrn Virchow.)
Diese Chamäeephalcn von Friesland und die
Dolichocephalen der fränkischen Reibengräber
geben uns immerhin zwei grosse Anhaltspunkte.
Ich habe neulich noch eine dritte Form gefunden,
und bin darin mit Herrn Ranke zusammon-
getrotfen: eine mehr mittlere Form, die meso-
cephalc. Das ist die altthüringische ]£orm, von
der ich Ihnen hier ein Spezimeu vorlege; es ist
aus einer alten Kirche in dem abgelegenen Dorfe
Leubingen im nördlichen Thüringen , und zwar
aus der tiefsten Lage der Schädel . welche in
grossen Haufen in der Krypte uufgestapelt. waren.
Ich besitze davon durch die Güte des Herrn
K 1 o p fl e i s e h 9 Stück. Ihr Breitenindox betrögt
75,6. Diese Form nähert sich den beiden anderen,
allein das Hinterhaupt ist nicht so lang. Wenn
inan den Schädel von der Basis aus betrachtet,
so tritt die Differenz sehr auffällig hervor. Auch
ist die Form des Gesichts, namentlich der Nase
recht verschieden von der “friesischen *). Ich will
diese Form nicht in allen Einzeloheiten verfolgen,
sondern nur erwähnen , dass sie sich bis nach
•) Zeitschrift für Ethnologie 1877. Band IX. Ver-
handlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft.
S. 327.
Bayern hinein verfolgen lässt. Sicherlich ist es
nicht die Reihengräberform , sondern eine Form,
welche /.wischen der der Reihengräher und der
friesischen in der Mitte liegt.
Herr Prof. K oll mann hat schon auf der vorigen
Versammlung in Konstanz die Frage aufgeworfen,
ob nicht die Mesoeophalie als eine ganz beson-
dere, typische Form zu betrachten sei. Soviel
müssen wir anerkennen, dass wir hier 3 verschie-
dene Richtungen der Entwicklung vor uns haben :
eine, welche immer schmäler und länger, eine,
welche kürzer und breiter wird, und endlich eine
dritte, die friesische, welche noch mehr in die
Breite geht, zugleich aber niedriger wird.
Beiläufig möchte ich bemerken, dass es in-
nerhalb dieser Groppen sonderbarer Weise ge-
wisse Spezialdispositionen gibt , die freilich viel-
leicht vor der Strenge der Kritik, welche jetzt
an statistische Schädelbetrachtungen angeknüpft
wird , nicht ganz Stich halten , die aber auszu-
sprechen ich trotzdem kein Bedenken trage. Das eine
ist der Einfluss einer absonderlichen Naht-
bildung an den Schädeln. Von solchen Naht-
bildungen will ich nur eine erwähnen. Dos ist
die persistento Stirnnaht, wodurch die etwas un-
gewöhnliche Erscheinung entsteht , dass der
5
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108
Schftdel. von oben und vorn betrachtet, ein Kreuz-
kopf wird , mit dem mim dem Teufel entgegen
gehen kann, ohne ihn fürchten zn müssen, und der
desshalb seit alter Zeit immer als eine hohe Eigen-
schaft gegolten hat. Die Thatsnche ist noch meiner
Auffassung unzweifelhaft, dass, wenu nicht eben
anderweitige Bedingungen vorhanden sind, welche
die Gunst dieser Naht beeinträchtigen, der Schä-
del in der Gegend einer persistenten Stirnnaht
mehr wächst als sonst. Die Naht ist eine Art
von Ventil, wohin das Wachsthum des Schädels
und des Gehirns leichter wirken kann, als hei
frühzeitigem Verschluss der Naht. Daher entfaltet
sich dio Stirn grösser , vollständiger. Dieser
Schädel hier ist aus der ausgestellten Sammlung;
ich kann natürlich nicht dafür stehen, ob er wirk-
lich zu demselben Stamme gehört, aber es ist
mindestens sehr wahrscheinlich. Ich würde das
nicht so sehr betonen , wenn nicht gerade bei
meinen Untersuchungen von Reihengräberschäddn
sich mir zu wiederholten Malen die extreme Be-
deutung dieses Verhältnisses dargestellt hätte.
Ich habe erst neulich die Schädel von Alsheim
zusammengestellt; da ergab sich, dass ich plötz-
lich unter der ganzen Reihe von Langköpfen
(Breitenindex 73,5) einen Kurzkopf, einen Brachy-
eephalus (Breitenindex 80,3) vor mir sab, und
als ich ihn genauer betrachtete , so war es ein
Kreuzkopf. Dabei erinnerte ich mich , dass ich
über dioselbe Sache schon in Wiesbaden (1874) ge-
sprochen batte, als ich die Schädel der Reihen-
gräber von Wiesbaden (Index 74, 9) der Gesell-
schaft vorführte ; unter diesen fanden sich auch
zwei Kurzköpfe (Index 82,7 u. 79,8), und beide
waren Kreuzköpfe. Wenn in Mitte einer sonst
ganz homogenen langköpfigen Bevölkerung solche
kurze Schädel sich finden, bei denen die Stirn-
naht persistirt, so kann man die Coincidenz der
Stirnnaht mit der Brnchycephatic nicht für einen
Zufall erklären. Man begreift ja, dass ein solcher
Schädel nicht so viel Platz nach den anderen
Richtungen hin gebraucht; wenn dasGehiru sich
stärker nach vorn entwickelt, so kann der Kopf
kürzer bleiben und doch gerade soviel Hirn ent-
falten, wie ein anderer, der es mehr in dio
Länge wachsen lässt.
Ich denke, es ist keine Voreingenommenheit,
eine solche Erklärung aufzustellen, wenn solche
Besonderheiten immer wieder von Neuem Vor-
kommen. Im Gegentheil, ich meine, dass es
irrationell wäre, wenn ich diese Erklärung aus-
schliessen wollte. Wenn Jemand dagegen sagt,
das kannst du statistisch nicht beweisen, es sind
zu wenige Fälle, so betrachte ich dies in der
That nicht als einen Vorwurf. Die Existenz
einer Naht ist auch nach meiner Auffassung
noch kein ausreichendes Motiv für die Grösse
des Wachsthums, aber wohl ein Motiv für
dio Möglichkeit desselben. Ob diese Mög-
lichkeit benützt wird oder nicht , das hängt
von einer Reihe von weiteren Umständen ab.
Die Persistenz einer Naht ist keine Garantie für
die Grösse des Waehsthums, sondern eine blosse
Möglichkeit, aber eine Möglichkeit mehr. Es ist
ganz unzweifelhaft , dass , wenn die Möglichkeit
wirklich benutzt wird , der Schädel in diesen
Richtungen sich ganz anders entwickeln kann als
wenn die Naht, nicht offen wäre. Der Mensch
wird eine solche Stirne nicht bekommen, wenn
er nicht ein Kreuzkopf ist, und man kann sich
allerdings, da man in das Vorderhirn die grössten
psychischen Eigenschaften verlegt, vorstellen, dass
das ein ganz besonders gesegnetes Individuum
sei , in welchem sich so etwas vollzieht. Auf
diese Weise kann ein Mitglied eines Dolichoce-
phalen-Stammes nach meiner Meinung ein Bracby-
eephnlus werden, und wenn sich in einer gewissen
Reihe von Generationen derartige Dispositionen
mehr iixiren , wenn sie sich local weiter aus-
bilden, so ist es an sich sehr leicht denkbar, dass
auch in dem Falle wo die Persistenz nicht eine
vollständige ist, sich doch analoge Abweichungen
des Schädlbaues erhalten können. Wieweit das
gehen kann, wage ich nicht zu sagen ; ich kon-
statire hier nur die Thatsache.
Ich will Ihnen noch eine andere Thatsache vor-
ftthren, dio ich bei den Fliesen gefunden habe.
Sie sehen hier unter den von Herrn Pansch
ausgestellten Schädeln wieder einen Bracliycephalu*
und zwar einen exquisit niedrigen, aber wie breit
und grosj! Diese Form ist ganz hervorragend
friesisch. Wenn mir Jemand aus einem friesischen
Kirchhofe ein Dutzend Schädel schickt, so kann
ich mit Sicherheit erwarten , dass ein oder zwei
solcher grossen Schädel darunter sind ; niemal*
habe ich aus fränkischen Gräbern einen ähnlichen
bekommen. Solche Schädel liegen in den be-
rühmten Steiusärgen des Oldenbur gischen Museums,
zum Theile noch viel grösser wie diese. Es
vereinigt sich liier eine ungewöhnliche Grösse des
Schädelraumes (Kcpbalonie, Makrocephalie) mit
Breite, Platthoit und Kürze des Schädels. Es
kommt zuweilen noch ein anderes hinzu, neu-
lich ein Eindruck der Basis des Schädels, eine
Abflachung oder Impression der Gegend de»
grossen Hinterhauptsloches , dio ein Zurück-
weichen des Gesichtes und eine eigenthümlich
gequetschte Stellung der Gesichtsknocheu mit
sich bringt. Es gibt eine gewisse Reihe von
Uebergängen von dem gewöhnlichen friesischen
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109
Typus bis zu den makrocephalen und den ein-
gedrückten Formen hin , die ich sonst nicht in
gleicher Stärke vorfinde.
Ich habe also in der fränkischen Gruppe
häufigere Abweichungen zu der brachycephalrn
Form mit persistirender Stirnnoht, in der friesi-
schen Gruppe häufige Abweichungen zu einer
grossköpfigen Form und zu einer Form mit ein-
gedrückter Grundfläche gefunden, also zwei ganz
verschiedene Formen der Abweichung. Ich habe
mich nebenbei bemüht durch das Studium der
Bilder der alten niederländischen Schule Boweise
für das letztere Verbültnias zu finden. Als ich
zuerst über die Friesen sprechen wollte , waren
wir in Dresden. Während ich mit dem Gedanken
umging, besuchte ich die Gemäldegallerie, und
wie staunte ich, diese flachen grossen Kopfe von
den alten niederländischen Malern in den treff-
lichsten Exemplaren abgebildet zu sehen 1
Mit ollen diesen Erfahrungen aber kommen
wir noch nicht zu einer Erklärung für die
Brachycephalie des Südens. Was machen wir
mit den Kurzköpfen, die Sie an dem Vorstands-
tische so reichlich vertreten sehen? Sie brauchen
hier gar keinen Import von Schädeln. Unser schwäb-
isches Mitglied (Dr. Fr aas) ist ein wahres Muster
der gesuchten race Prussicnne, und die Herren
von München nicht minder, wenn auch etwas
heller gefärbt. Ich fühle mich nicht berufen,
irgend eine Lösung zu proponiren ; ich kann nur
sagen , diese Frage der Kurzköpfe des Südens
schiebt sich soweit hinaus, dass wir im Augen-
blicke noch gar nicht sagen können, ob sie über-
baupt eine deutsche Frage ist. In ganz Europa
gibt es eine gewisse Linie, jenseits welcher nach
Süden die Kurzköpfe vorherrschen. Im Wesentlichen
ist es die Alpenlinie. Zu beiden Seiten der
Alpen und bis in die verschiedenen Verzweig-
ungen der sich anschliessenden Gebirgsketten
hinein, welchen Stumm wir auch nehmen, wir
kommen immer Auf Brachycephalen. Ich hübe
neulich das besondere Glück gehabt, die vielleicht
südlichste Grenze dieser Kurzköpfe zu erreichen
und zugleich damit eines der pia desideria unserer
Anthropologie zu streifen. Der Kriegskorrespon-
dent der Times, ein Amerikaner, der die monte-
negrinische Armee begleitete, schickte mir einen
albanesichen Schädel zu als ein ganz hervor-
ragendes Spezimen mit der Bemerkung , es sei
der Schädel eines Fahnenträgers der Mirditen,
der einem uralten Geschlecht angejbürte. Der Mann
war bei dem Durchmärsche der Armee von 8u-
lciman Pascha, wobei eine furchtbare Niedermetzel-
ung stattgefunden hatte , gefallen , nachdem er
zuvor 5 Montenegriner umgebracht hatte. Der
Schädel , welcher inzwischen durch die Luft und
vielleicht durch die Raubvögel gereinigt war,
kam endlich in die Hände eines deutschen An-
thropologen. Er ist so abweichend von Allem,
was wir bis jetzt sahen , dass ich kein Be-
1 denken getragon habe, ihn, obwohl er nur ein
einziges Individuum repräsendirt, als wahrschein-
lich typisch zu beschreiben. *) Man wusste bis-
her fast nichts von den Albanesen. Ich habe
mich freilich sehr reservirt ausgedrückt, aber
ich hatte von vorneherein die Vorstellung , es
müsste wol etwas besonderes sein. Als nun dor
Sanität szug , welchen das Berliner Hülfscomite
nach Kumänien geschickt hatte, zurückkam aus
Bukarest, wurde mir auch ein kleiner Theil der
Kriegsbeute zugesendet, allerlei anthropologische
Dinge, darunter auch der Schädel eines Mannes
von Janina , der mit dem Mirditenschädel bis
auf jede einzelne Faser analog ist. Der eine
ist von Westen gekommen, der andere von Osten;
sie sind aus ganz verschiedenen Gegenden Albaniens,
und doch sind sie so vollständig übereinstimmend,
dass ich nicht anders sagen kann, als dass, wenn
die Albanesen nicht so beschaffen sein sollten,
innerhalb dieses Volkes noch eine ganz abson-
derliche Strömung sein muss. Vorläufig kann
man jedoch wohl anuehmon, dass dort eine Bra-
chycephalie ersten Ranges vorhanden ist, denn
der Schädol bat einen Index von 90* Wenn
Sie ihn vergleichen mit den Schädeln hier, so
könnte vielleicht Jemand auf den Gedanken ver-
fallen, dass die Albanesen einen Einfall in Fries-
land gemacht hätten. Indess , wenn man die
Formen ins Einzelne verfolgt, so ergebeu sich
nicht unbeträchtliche Differenzen.
Die Albanesen stammen aus demjenigen Theile
des alten Illyrikum , von dem man mit einiger
Sicherheit anninmit, dass die älteste Einwanderung
der Arier, die sich überhaupt in Europa voll-
zogen hat, dort in den Gebirgen sitzen geblieben
| ist. Von alter Zeit her hat man die Illyrier
i als das älteste Volk betrachtet , welches vorhan-
den sei, mit welchem jedoch alle übrigen Nachbar
Völker in gewisser Verwandtschaft ständen. Auch
ich will in meiner Betrachtung nicht weitergehen;
ich wollte an diesem Beispiele nur zeigen, wie
bedenklich es ist, jene Reihe von Erörterungen
fortzusetzen , wobei man aus den Indogermanen
oder Ariern exquisite Langköpfe macht und ab-
solut verlangt , auch die eigentlichen Germanen
müssten Langschädel sein. Ist das ein typischer
Schädel von Illy rien, dann muss man sagen, dort sitzt
*) Monats • berichte der Berliner Akademie vom
17 Juli 1877.
5*
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110
eine Bevölkerung , bei welcher sich gegenwärtig
die wahrscheinlich stärkste Brachycephalie findet,
die überhaupt , abgesehen von den Lappen , in
Europa vorkommt. Aber diese Brachycephalie
setzt sich weiter fort. Wir kommen von Ulyrien
auf Serbien, sodann auf Kroatien und auf die ver-
schiedenen anderen österreichischen Slaven- und
Wendonstäinme. Wir verfolgen sie weiter nach
Tirol, worüber Herr Rabl-Rückhart kürzlich
Beobachtungen publizirt hat , nach Bayern , wo
Herr Ranke als klassischer Zeuge auflritt, nach
Würtemberg und Baden. Dann kommen wir an
die Brachycephalie der Schweiz, die sich nach
Süd-Frankreich hin fortsetzt, zu den brachycephalen
Stämmen der Gallier. Diesen Zusammenhang j
müssen wir anerkennen , unbekümmert um die ,
Sprache , ob illyrisch oder slavisch oder deutsch i
oder französisch. Ja, die alte Bevölkerung von
Sardinien, die Ligurer, die Bewohner der Po-
Ebene , der Emilia , alles dieses sind rein
brachycephale Stämme. Herr von Hölder hat
versucht , diese Schwierigkeit dadurch zu lösen,
dass er einen grossen Theil dieser Formen ein-
fach mit dem Namen „sarmatisch“ bezeichnet.©.
Es ist damit nichts gethan, denn wir haben
gar keine Grenze für den Namen „Sarmaten“.
Er gibt gar keine wirkliche ethnographische
Grundlage. Was sollen wir mit den Sarmaten
machen? Wenn die Illyrier, die Serben, die
Veneter, die Ligurer, der grösste Theil der Be-
wohner der ganzen Alpenkette von einem Ende
bis zum anderen , ja die Kelten in dasselbe Gebiet
hineingehören, so können wir nicht einfach sagen,
das sind Sarmaten. Wie sollen denn Sarmaten
in dieses Verhältnis« hineingekonimen sein? Auf
der anderen Seite kann man sich der Betracht-
ung nicht entziehen, dass es einen gewissen Zu-
sammenhang haben muss, dass diese verschie-
denen Völker sich so Übereinstimmend entwickelt
haben.
Dem steht gegenüber eine weit über die
germanischen Stämme hinaus greifende
Dolichocephalie. Ich habe ein vorzügliches
Exemplar mitgebracht, welches ich erst, vor nicht
langer Zeit durch Graf Sie vers erhalten habe,
und welches mit mehreren anderen — ich besitze
fünf davon — aus derjenigen Gegend von Liv-
land herstamnit, wo noch bis tief in dieses Jahr-
hundert hinein die letzten Reste der alten Liven
sassen, an der Mündung des Salisflusses. Diese
Gegend galt allgemein als die reinste Liven-
gegend. Die Liven selbst waren ein finnischer
Stamm, wenigstens der Sprache nach. Nun sehen
Sie hier diesen Schädel. Er ist, wie die anderen,
ausgemacht dolichocephal. Der Breitenindex dieser
Schädel beträgt 73,6*). Geradeso, wie in einer
grossen Zahl von Nachbargrabstätten in den Ostsee-
provinzen, zeigt sich hier ein dolichocephaler Schädel-
bnu. Derselbe lässt sich nachweisen, einerseits an
alten Gräbersehädeln der Letten , anderseits in
Gegenden, wo man kaum umhin kann , amu-
nehmen , dass dort Liven sassen. Ich weiss es
nicht, ob der vorliegende ein Livenschädel war;
jedenfalls stammt er aus dem Gebiete, wo die
livische Sprache am längsten erhalten war.
Positiv jedoch kann ich also nachweisen, dass es
ebenso grosse geographische Zonen der öchftdelfor-
men gibt, wie wir Zonen der Haarfarbe finden. Wie
nicht alle blonden Völker germanisch sind, wie wir
vielmehr die ganze Reihe der nördlichen Slaven,
den grösseren Theil der finnischen Stämme zu den
Blonden rechnen müssen , also Völker ganz var-
schieden ihrer Abstammung und Sprache nach,
so finden wir auch Zonen der Schädel formen,
welche sich nicht an die Völkergrenzen binden.
Ob es uns möglich sein wird, sie bis zu einer
solchen Schärfe des Nachweises zu bringen, dass
wir Karten aufstellen können , welch© uns mit
analoger Sicherheit , wie es für die Angen und
Haare geschehen ist, die Schädel-Provinzen angeben,
muss dahin gestellt bleiben. Aber das kann man
doch schon sagen, dass dieselben Verschieden-
heiten, wie in Deutschland, auch in Frankreich
verkommen. Der Norden von Frankreich ist
lang-, der Süden kurzköpfig. Ebengo ist es bei
den slavischeu Völkern. Ja, selbst bei den finni-
schen Stämmen ergibt sich eine ähnliche Differenz;
die Lappen sind ganz kurküpfig, die Esten wer-
den immer inehr inesocephal. Dieses Räthsel za
lösen, wird uns nicht dadurch gelingen, dass wir
uns an bestimmte, seien es linguistische, seien es
historische Ueherlieferungen halten. Meiner Ueber-
zeugung nach bieten weder die sprachlichen noch
die historischen Untersuchungen für diese Diügf
einen ausreichenden Untergrund. Wir müssen
1 uns ganz und gar auf unsere eigene Methode
und Forschung stellen ; dann werden wir endlich
die Frage erörtern können, ob lokale Verhältnisse.
Klima und Boden, Nahrung und Beschäftigung,
oder nur Einflüsse der Völker- Mischung die
Ursache darstellen.
Damit gehe ich diese Frage in Ihre Hände.
Ich habe die Materialien soweit übersichtlich
darstellen wollen, als sie sich in meinem Geist*
augenblicklich gesammelt haben. Es ist der
Augenblick gekommen, wo wir wirklich einmal
mit verstärkter Gewalt auf dieses Gebiet ein-
*) Zeitschrift für Ethnologie 1878. Band X. Verband-
| langen der Berliner anthropologischen Gesellschaft S- I5Ä
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Cl£w&4/WxllA«lt4/ cSo/VUJt/
XwAAA/tfCoXlA/A&AA/ t i.filuitvtS.
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115
sten Vertretern unserer Wissenschaft für diesen ;
Zweck in Paris ein Comite gebildet hatte, diesen
Herren einen Plan vorgelegt , der dein Studium
der Menschenrassen so nahe liegt, aber bisher noch j
nicht zur Ausführung gekommen ist. Bei der j
Weltausstellung in Wien hatte ich schon , auf 1
die Mitwirkung der Mitglieder der Wiener An- !
thropologischen Gesellschaft rechnend, der Direk- J
tion der Ausstellung den Vorschlag gemacht, man ,
sollte doch die Anwesenheit so vieler Personen \
fremder Nationalität und Rasse bei einer solchen
Ausstellung benutzen, und die Eingebornen der
verschiedensten Länder, Perser. Siamesen, Chi-
nesen, Japanesen, Malajen, Neger, Mulatten u. s. w.
in einer Ausstellung für Gelehrt«, nicht für das
grosse Publikum , vereinigen , um diese Typen
nebeneinander sehen und wissenschaftlich
scharf unterscheiden zu können , auch um Mess-
ungen an ihnen anzustellen. Der Weltreisende
sieht allerdings auch die Völker des Erdballs,
aber nacheinander in Zwischenräumen der Län-
der und Zeiten , ein Bild ist ihm verschwunden,
wenu er ein neues vor den Augen hat. Die Vor-
theile einer gleichzeitigen Beobachtung und i
Vergleichung würden ungemein wichtig sein, man :
würde die feinsten Unterschiede wahrnehmen kön-
nen, die uns sonst entgehen. Es hatte der Di-
rektor der Wiener- Ausstellung Herr v. Schwarz
aber wohl nicht die Zeit , sich um solche Dinge
za kümmern ; die Wiener Anthropologen timten
auch nichts dafür und die. Sache unterblieb. Aller-
dings wurde aber eine kleine anthropologische
Ausstellung veranstaltet. Bei Beginn der Pari-
ser Ausstellung habe ich Herrn von Q u a tr e f ag es
denselben Gedanken wieder mitgetheilt und bekam
die Antwort, dass er selbst schon bei der früheren
Pariser Ausstellung mit Dr. Pruner-bey die Ab-
sicht gehabt habe, lebende Menschenrassen auszu-
stellen, und zwar in einem weitergehenden Plane; sie
wollten schon nach Anmeldung der Waarensend- ,
ungen aus fremden Ländern den Wunsch aus-
sprechen, dieselben durch Eingeborne aus den ent-
sprechenden Gegenden begleiten zu lassen, wobei :
besonders charakteristische Typen ausgewählt wer- j
den sollten. Das Vorhaben stiess aber, wie man ,
ihnen mittheilte, auf grossen Widerspruch zumal
in den gebildeten Kreisen von Paris, so dass sie .
den Gedanken Aufgaben. Man lehnte sich da-
gegen auf mit dem Bemerken , es dürften Men- I
sehen nicht wie Bestien ausgestellt werden. Mein
Plan war ein sehr eingeschränkter: man sollte
nicht Rassen kommen lassen, sondern die Anwesen-
heit der Personen fremder Rasse in Paris nur
benutzen zu einer wissenschaftlichen Untersuchung.
Sie sind gewiss so zahlreich, dass eine ganz an- |
sehnliche Reihe verschiedener Typen des Menschen-
geschlechtes sich aufstellen Hesse. Quatrefages
wollte in den Sitzungen der Commission die Sache
zur Sprache bringen. Auch Broca nahm sich
derselben an. Er schrieb mir, dass bei der vor-
handenen Stimmung gegen eine solche Schaustellung
eine offizielle Anordnung derselben nicht möglich
sei, dass er aber auch Veranlassung nehmen werde,
in den anthropologischen Sitzungen, die am 16.
ds. M. beginnen, von der Sache zu reden. Jeden-
falls glaubt er, dass auf privat« Weise eine Unter-
suchung der Personen fremder Rasse, insoweit sie
dazu bereit seien, sich werde einrichten lassen und
hielt die Zeit, des anthropologischen Congresses in
Paris für die dazu passende. Vielleicht wird also
eine Untersuchung der bei der Ausstellung vor-
handenen lebenden fremden Rassen stattfinden
können.
Ausserdem hahe ich auch geglaubt, bei der
vielfach besprochenen Angelegenheit einer überein-
stimmenden Methode für Schädelmessnngen diese
Sache bei Gelegenheit der anthropologischen Aus-
stellung in Paris anregen zu sollen. Es muss
jedenfalls der Versuch gemacht werden, ob wir
uns nicht mit den anderen Nationen einigen können,
in gleicher Weise die Hauptmuasso an dem
menschlichen Schädel zu nehmen. Was würde
es helfen , wenn wir in Deutschland eine solche
Methode hätten, England, Amerika, Italien und
Frankreich aber eine andere? Ich habe Herrn
Topinard, der diesen Theilder anthropologischen
Forschung in Paris vertritt, den Vorschlag gemacht,
die französischen Anthropologen möchten sich in
ihren (Jommissionssitzungen mit der Aufstellung
einer internationalen Messmethode befassen ; in
Deutschland könnte dasselbe geschehen und dann
müsse man sich zu einigen suchen. Dies ist
nun meiner Ansicht nach eine Angelegenheit für
die Commission, welche Sie gewählt haben , zur
Untersuchung der Schädelformen in Deutschland
nach einer von ihr zu bestimmenden übereinstim-
menden Messmethode, wie das in jenem in Schwe-
rin gestellten Anträge ausgesprochen ist. Es
wird also Sache dor Commission sein , auf die
Sache einzugehen und ich hoffe, dass in dieser
Richtung etwas geschehen kann. Die von mir
gegebene Anregung ist, ich kann sagen mit einer
ausserordentlichen Begeisterung von Topinard
aufgeuommen worden, der mir dankt, den Ge-
danken ausgesprochen zu haben , da namentlich
jetzt bei den internationalen Beratungen, die in
Paris beginnen sollen, eine Besprechung zu diesem
Zwecke stattfinden könne. Er schreibt am Schlüsse
seines Briefes, was ich hier in Uebersetzung mittheile :
„Das wird eine Gelegenheit sein, die beiden Na-
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tionen miteinander xu versöhnen, und wir wollen I
uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
. Während wir einer neben dem andern vorwärts |
schreiten, werden wir stark seiu ; getrennt schaden
wir der Wissenschaft, die wir bearbeiten.“ Das
sind ganz gewiss Ueberzeugungen die wir theilen,
und ich zweifle mit Broca nicht, dass, wenn
französische und deutsche Gelehrte die Haupt*
maasse feststellen , diese auch von den übrigen 1
Nationen werden angenommen werden. Die gAnze
Angelegenheit wird innerhalb der Commission un-
serer Gesellschaft näher besprochen werden müssen.
Zu den in Paris vom 16. bis 21- August statt-
findenden Seances anthropologiques , die in den
Verhandlungen der französischen Association, die
sich daran anschliessen , bis Anfang September
fortgesetzt werden sollen, sind Einladungen an die
Mitglieder unserer Versammlung cingegangen, die
ich auf den Wunsch des Herrn T o p i n a r d ,
der mit zur Commission der anthropologischen
Ausstellung gehört, an Sie vertheile. Er hat zu-
gleich mehrere Exemplare seiner letzton Schrift über
Eintheilung der Menschenrassen hi eher als Be-
grünung der Gesellschaft eingesendet, die ich hier
niederlege.
Noch will ich einige geschäftliche Mittheilungen
machen. Auf meinen Antrag hat der Vorstand
beschlossen, durch Verkeilung von Einladungs-
schreiben zu versuchen, neue Mitglieder für unsere
Gesellschaft zu gewinnen. Es fallen durch Tod
und andere Ereignisse ohnehin manche Mitglieder
aus und der Zugang ist nicht in dem Maasse vor-
handen, wie es wünschcns werth wäre. Wir haben
nahe 2000 Zuschriften verth eilt, zunächst an die
Zweigvereine zur Weiterbeförderung und an solche
Personen, bei denen wir ein Interesse für un-
sere Wissenschaft voraussetzen konnten. Ich
habe den letzten Rest dieser Einladungsschreiben,
der noch in meinen Händen ist, mitgebracht und
bitte jeden dor geehrten Anwesenden davon einige
Exemplare an sich zu nehmen, um neue Mit-
glieder zu werben. Hierbei will ich nicht uner-
wähnt lassen , dass das von Ihnen für Herrn
H. Schliem an n bestimmte Diplom eines Ehren-
mitgliedes , in künstlerischer Ausstattung nach
den Angaben des Herrn Kollmann in München
gefertigt, am 27. Dezember 1877 an denselben
mit einem Begleitschreiben meiner Hand ab-
geSandt worden und von ihm mit grossem Danke
entgegengenommen worden ist. Dasselbe lautet:
„Henricum Schliemannum
Virum et ingenii sollertia et animi fervoro prae-
cessentem, qui sedibus
Priami et Agamemnonis
post longam multorum saeculorum oblivionem
in darum lucem protractis de antiquitatibus
gentis graecao et carminibus Homeri ree t ins
cognoscendis opthne meruit, Societas anthropo-
logica Germanorum Constantii die VIII ca). Oct.
A. MDCCCLXXVII
sociutn honoris causa
nuncupavit, cujus rei in testimonium hoc di-
ploraa nominibus praesidum subscribi jussit.
Bonnae, Berolini, Stuttgarti, Monacbii
Idibus Nov. A. MDCCCLXXVII
Scbaaflliausen, Vircbow, Fraas,
Kollmann, Weuunum.“
Ich hatte in meinem Schreiben bemerkt :
„Ihre großartigen Entdeckungen haben der
archäologischen Forschung für lange Zeit einen
überaus reichen Stoff geliefert, dessen Bedeutung
darin gefunden werden muss, dass wir dadurch
mit Kunstbestrebuugen bekannt wurden, die der
Blüthe der griechischen Kunst vorausgegangen
sind und auf eiue Cultur hinweisen, die einst
viele später getrennte Völker gemeinsam um-
schloss. Für die Kenntniss des Alterthums ist
eine ganz neue Periode gewonnen, die mit jener
Zeit Fühlung hat, welche wir die prähistorische
nennen. Darum ist unsere Gesellschaft Ihrer
Schatzgräberarbeit mit so grosser Aufmerksam-
keit gefolgt und wünscht Ihren fortgesetzten
Arbeiten stets neues Gelingen.“
Schliemann sagte in seiner Antwort :
„ Es freut mich ungemein , dass meine
Arbeiten in Troja und Mykenae mir diese
hohe Ehre verschafft haben und werde ich
bemüht sein, mich auch in meinen ferneren
Explorationen derselben würdig zu zeigen. Un-
möglich hätte meine Liebe für Forschungen
einen stärkeren Anreiz erhalten können , als
durch die mir von der deutschen anthropo-
logischen Gesellschaft durch Ertheilung eines
solchen Ehrendiploms gezeigte hohe Anerken-
nung.“
Herr Schaatf hausen. (Der Neauderthaler
Fund.) Nun erlaube ich mir Ihnen noch den kleinen
wissenschaftlichen Vortrag zu halten über den
Neandertlialcr Fund, den ich bereits angemeldet
habe. Da ich schon so lange das Wort habe, so
versichere ich im voraus, dass ich Ihre Aufmerk-
samkeit nicht allzulang in Anspruch nehmen will.
Ich habe geglaubt, den Wunsch sehr vieler hier
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anwesender Anthropologen zu erfüllen, wenn ich
Ihnen den merkwürdigsten prähistorischen Fund,
den nach meiner Ansicht unsere Wissenschaft
nufznweisen hat, in natura hier vorzeigte. Es
sind die Neanderthaler Men sehen roste, die bereits
vor 20 Jahren in einer Höhle des Dtisselthales
bei Elberfeld gefunden sind. Der Fund ist so
viel beschrieben und besprochen , dass eine ganze
Literatur darüber vorhanden ist. Ich batte im ersten
Jahre nach der Auffindung eine kurze Beschreib-
ung der Knochen in Müllers Archiv 1858 gege-
ben; dadurch wurde die Bache bekannt. Fuhlrott
hatte mir den Fund fast ein Jahr Inng anver-
trant. Ich sprach bei verschiedenen Anlässen
darüber. Charles Lyell, Rctzius, Lucae,
v. Baer und viole der angesehensten Fachgenossen
sahen ihn bei mir in Bonn. Es hat fast jeder
prähistorische Forscher jetzt seine Ansicht da-
rüber geäussert und ich kann eine monographische
Arbeit, die ich seit Jahren begonnen, nun um so
leichter zum Abschluss bringen , da nach dem
Tode des Besitzers auf meine Veranlassung diese
merkwürdigen im Rheinlande gefundenen Reste
für das Provinzial- Museum in Bonn angekauft
worden sind. Es war höchste Zeit diesen Kauf
schnell zu vollziehen, weil durch Huxley schon
ein hohes Gebot darauf gemacht war; so ist der
Fund uns erhalten geblieben. Ich werde nicht
in’s Detail eingehen, aber einige Punkte berühren,
die bisher weniger zur Sprache gekommen
sind. Sie sehen hier die flache Hirnschale mit
ihren vorgeschobenen Stirnwulsten ; wir müssen
bedauern, dass von dem Schädel kein Gesichts-
theil vorhanden ist, aber die Schfldeldecko ist so
eigenthümlich, die Bildung im vorderen Theile
der Stirngegend durch den wie ein Dach vortre-
tenden obern AugenhÖhleurnnd so affenartig, wie
sie niemals bei einem anderen lebenden oder fos-
silen Menschen gesehen worden ist. Sie können
sich denken , dass man sich bemüht hat , in
20 Jahren etwas Gleiches diesem Funde an die Seite
stellen zu können. Man hat wohl in der Richt-
ung dieser Bildung Aehnliehes an Schädeln roher
Wilden oder an prähistorischen Resten gesehen;
aber ein so kolossal entwickelter Stirn wulst, den
man unzweifelhaft als eine anthropoide Bildung
bezeichnen darf, ist nirgend sonst geseheu wor-
den. Ich habe einen weiblichen Gorillaschädel,
der keine Gräte hat, der aber sofort durch seine
Kleinheit im Vergleiche zu dem menschlichen
Schädel als Affe sich kund gibt, in der Höhe
abschneiden lassen, in welcher die Neanderthaler
Hirnschale erkalten ist, um die Aehnlichkeit des
Typus recht augenscheinlich zu machen. Der
Unterschied ist in Bezug auf den Vorsprung der
Stirngegend und in Bezug auf die allgemeine
Form hauptsächlich nur einer der Grösse. Ge-
wöhnlich hat man eingeworfen , dass der obere
Augenhöhlenrand bei den Anthropoiden eine so-
lide Knochenmasse sei, während er beim Nean-
derthaler durch die gewaltigen Stirnhöhlen ver-
grössert ist, aber das ist durchaus falsch. Ich
habe noch vor Kurzem einen Gorillaschädel in
Leipzig gosehen, der zufällig an dieser Stelle
verletzt war, und viel grössere Stirnhöhlen zeigte,
als jener sie hat. Bei diesem Gorilla ist nach
Leuckart’s Messung der kubische Inhalt beider
~ 50 Cubikcentim., beim Neanderthaler nur 16.
Es ist also sicher, dass die Bildung des Stirn-
wulstes bei den Affen auch mit den Stirnhöhlen
zusammenhängt, welche im Alter grösser werden.
Dass der Neanderthaler Mann alt war, geht auch
aus underen Beobachtungen hervor. Es ist also
darin keinesfalls eine typische Verschiedenheit der
Bildung dieses Menschen von der des Affen vor-
handen. Man könnte wohl fragen, ob der Schädel
vielleicht ein weiblicher sei. Der weibliche An-
thropoiden - Schädel ist dem Menschen ähnlicher,
weil er oben glatt ist, während der männliche
einen hohen Knochenkamm auf dem Scheitel be-
sitzt , der die Fläche zur Anheftung der gewal-
tigen Kaumuskeln vergrössert. Der Mangel des
Kammes beim Affen weibe erklärt sich aus der
geringeren Muskelentwicklung. Der weibliche Go-
rilla hat aber doch hinten eine starke Querleiste
zur Anheftung der Nnckenmuskeln , und das ist
eine Bildung, die man bei den Schädeln der Wil-
den nicht selten findet. Diese Leiste ist auch am
Neanderthaler als ein rundlicher Wulst vorhanden.
Doch gibt es Schädel wilder Rassen, die am Hinter-
haupte durch eine Schnippe oder einen Knochen-
stachel scheinbar noch thierischer gebildet sind, als
dies bei dem Neanderthaler der Fall ist. Am
Affenschädel ist aber eine solche spina nie vorhan-
den. Der Neanderthaler Schädel kann aber nicht
weiblich sein, einmal weil eine solche Entwick-
lung der Stirnhöhlen schon gegen das weibliche
Geschlecht spricht und dann weil die übrigen
Knochen einen männlichen Typus haben. Vom
Becken ist nur eiu Stück vorhanden nnd wir
können den Winkel , den die ossa pubis bilden,
nicht zur Bestimmung des Geschlechts benutzen;
aber, worauf Lenhossek mich aufmerksam machte,
es gibt einen kleinen Knochen am menschlichen
Skelet, der einen sehr entschiedenen Geschlechts-
Unterschied zeigt. Zwar gibt es, wie in allen
diesen Dingen einzelne Ausnahmen, im Allgemeinen
ist aber der Satz richtig, dass das Schlüsselbein
beim Manne weit stärker gekrümmt ist, als beim
Weibe, was mit der eigenthümlichen Form des
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Thorax beider Geschlechter, mit dem im oberen
Theile mehr vorgewölbten Brustkörbe des Mannes
Zusammenhang! ; hier gebt das Schlüsselbein von
der Schulter mit einer stärkeren Krümmung nach
dem Brustbeine. Das Schlüsselbein des Neon-
derthalers ist stark gekrümmt. Das Fehlen eines
Scbeitelkammes an der Neanderthaler Hirnschale
ist eben ein Beweis, dass wir einen Menschen
vor uns haben, uud besonders erkennen wir auch
das Menschliche an der Capacitilt derselben, an
der Grösse des Gehirnes. Hier an diesem Schä-
delausguss erkennen Sie das Hirn eines Wilden.
Man sieht hier und da die stark vorspringenden
einzelnen Windungen der Hemisphären , was auf
eine geringere Zahl derselben deutet ; bekannt-
lich ist aber der höhere Grad der Faltung des
Gehirnes, der sich in zahlreicheren Windungen
ausspriebt, neben der Grösse des Organs das cha-
rakteristische Merkmal des Menschen und der
wichtigste Unterschied zwischen Mensch und Thier.
Ecker, der ein so genauer Kenner der Hirn-
windungen ist, hat mir versprochen, den Nean-
dertbaler Schttdelausguss einer genauen Unter-
suchung zu unterwerfen und die sichtbaren ein-
zelneu Windungen zu bezeichnen ; er ist aber mit
dieser Arbeit noch nicht fertig geworden, so dass
ich Ihnen seine Ansicht nicht mittheilen kaum
Ich habe auch Herrn Prof. Pansch um sein
Urtheil über dieses Hirn gebeten. Eine Eigeu-
thüuilichkeit , die ich bei verschiedenen Gehirnen
niederer Rasse wie bei denen des Australiers uud
Negers zuweilen gefunden habe, ist eine Einschuß rung
des Gehirns vor der Kranznaht; sie kommt auch
bei den Anthropoiden vor. Diese hat. der Ncan-
derthaler Schfidelausguss. Ich will nun noch
einige Bemerkungen über die Knochen des Skelots
machen. An diesen kräftigen Oberschenkelbeinen
ist es auffallend, dass die linea aspera , die dem
Ansätze der Hauptmuskeln dient,, die bei der
aufrechten Stellung des Körpers thätig sind, sehr
schwach entwickelt ist. Betrachten Sie ein An-
thropoidenfemur, so fehlt ihm auch die linea
aspera fast vollständig. Dann steht bei dem
Neandertbaler Femur der Kopf ausserordentlich
tief, nicht viel höher, wie der grosse Trochanter.
Das ist eine Eigenschaft, die freilich auch an
Knochen vorkommt, welche weich sind, wie die
rhachitischen, welche dem Drucke des Körpers nach-
geben. Nach den Beobachtungen, die Virchow
an diesen Kesten gemacht hat, sollen Merkmale
dieser Krankheit sowohl am Schädel als an den
Knochen vorhanden sein. Ich nehme sie aber
nicht in dem Maasse an, wie Virchow es gotban
hat. Die tiefe Stellung des Caput femoris kommt
auch bei niederen Rassen vor, so z. B. beim Bo-
tolruden des Berliner anatomischen Museums;
sie ist ganz charakteristisch für das Femur
der Anthropoiden. Weil die Femora ungemein
kräftig sind, darum ist die schwache Entwick-
lung der linea aspera, also die Bildung in der
Richtung des Anthropoidenskelets um so bezeich-
nender. Diese Knochen sind auch stark gekrümmt.
Es hat manche Forscher gegeben, welche für alle
niederem Rassen zumal den Neger stark gekrümmte
Femora angenommen haben ; das ist nicht richtig,
namentlich am Negerskelet ist der Oberschenkel
oft so gerado wie bei dem Europäer, aber stark
gekrümmt ist allerdings das Oberschenkelbein der
höhere Affe«, des Gorilla wie des Orang-Utan. Diese
Krümmung der Femora war es, welche dem Prof.
Mayer, dem früheren Anatomen von Bon u, den
sonderbaren Gedanken eingab, — er hatte vor-
her den SchüdelabgU8S des Neanderthalers mit
der Aufschrift: „Palaeauder“ versehen — ein
Mensch mit so krummen Beinen müsse einem
Reiter volke angehört haben, und er liess es wirk-
lich drucken, dass wahrscheinlich 1814 ein Kosak
im letzten Kriege der Alliirten gegen Frankreich
mit den russischen Reitern unter T Sehern it sch eff
an den Rhein gekommen und in dieser Gegend
zu Grunde gegangen sei ! Eine höchst spassbafte
Ansicht, die einer Zurechtweisung durch Huxley
kaum werth war.
Gegen das hoho Alter dieser Reste könnte
man geltend machen , dass zugleich mit diesen
Knochen keine fossilen Thierknochen gefunden wor-
den seien; dieses war aber desshalb nicht der Fall,
weil in der Höhle eine so hroite Spalte, die diese
Knochen von oben hätte hcrahführen können, gar
nicht vorhanden war. Die Beschreibung und Ab-
bildung Lyells von dieser Höhle ist durchaus
falsch; nie hat ein anderer Ausgang der Spalte
noch oben dort bestanden, als einzelne Risse im
Gesteine, durch die wohl Schlamm, aber keine
Thierknochen herabkommen konnten.
Wie das erste Verhör der Arbeiter ergab,
lagen alle Knochen im Boden der Höhle so ge-
ordnet, als wenn hier ein Todter begraben wor-
den , oder ein Mensch einsam gestorben wäre.
Zuerst fand man die Armknochen, dann die
Sehenkolknochen in der Richtung dieser Theile
am Skelet. Wo ist der Kopf, fragte man ; der
musste zuförderst gelegen haben, man suchte und
es zeigte sich in der That, dass er bereits mit dem
Schutte in's Thal hinabgefallen war, wo nnui noch
die Hirnschale fand. Die Lage des Menschen im
Boden der Hohle mit dem Kopfe nach dem Aus*
gang der Höhle ist ganz unzweifelhaft. Er kann
von aussen in die Höhle gelangt sein, und ist
entweder darin gestorben oder bestattet worden;
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letzteres ist unwahrscheinlich, weil sich in der !
Erde, die das Skelet umgab , keine Spur davon
fand, dass der Boden schon einmal aufgeräumt
gewesen wäre. Ich habe schon einmal bemerkt,
dass das Fehlen fossiler Reste solcher Thiero, i
die mit diesem Menschen der Vorzeit doch sicher- |
.lieh gelebt haben, sich wohl erklären lässt. Man j
hat nun aber später in ganz ähnlichen Spalten des
Gesteins in geringer Entfernung im Thale Kno- I
chen des Höhlenbären und der Hyäne gefunden,
die nicht nur äusserlich ebenso gefärbt und mit j
denselben moosartigen sch war/.en Dendriten versehen !
sind, wie die Neanderthaler Reste, sondern auch
nach ihrer chemischen Zusammensetzung und in 1
ihrem mikroskopischen Verhalten sich ebenso ver- \
hielten. Knochen derselben Lagerstätte, die in |
ihrer inneren wie äusseren Beschaffenheit üher-
einstimmen, dürfen aber für gleichalterig gehalten i
werden.
Es haben die Knochen des Arms einer Seite
eine eigentümliche Verletzung; das obere Gelenk-
ende des Ellenbogenbeins ist wie das entsprechende
am unteren Theile des Oberarms durch Exostosen
verändert, der. Ellenhogenknorren weicht in seiner
Richtung nach unten ab. Man erkennt, dass eine
Hinderung der vollständigen Beugung des Arms im
Ellenbogengelenk stattgefunden hat; derselbe konnte
nur bis zum rechten Winkel gegen den Vorder-
arm gebeugt werden ; eine Folge der grösseren
Unbeweglichkeit dieser Gliedmasse ist die gerin- 1
gere Grösse dieser Knochen, wie sich das sehr j
häufig in ähnlichen Fällen beobachten lässt, i
Diese Missbildung kann Folge einer traumatischen 1
Gelenkentzündung sein. Das Verhältnis» des Hu-
merus zum Radius = 100 : 76,6 ist das des
Negers ; in der Länge des Femur im Verhältniss
zum Humerus ist die Echt menschliche Bildung
erkennbar. Auch ist das Ohorarmbein nicht
durchbohrt.
Was das Becken angeht , so lässt sich von
dem Beckenstück nicht viel sagen ; ich habe es
verglichen mit dem Beckeu niederer Rassen. Es
sind manche Merkmale vorhanden, die es der
niedere Bildung annähern , so die ausserordent-
lich gerade Richtung der linea arcuata, woraus
man auf ein enges Becken schliessen kann, und
gerade die Enge der oberen Beckenöffnung ist
bezeichnend für das Becken tief stehender Rassen,
dessen Thierähnlichkeit zuerst. Vrolik hervorge-
hoben hat und neuere Forscher wie Fritsch,
Hennig u. A. bestätigten. Auch ist der untere
Theil eigentümlich gebildet, er ist schmäler und
länger, als es bei einem normalen, gut gebildeten
Becken der Fall ist. Auch die Fläche, die zum
Ansätze des os sacrum dient, lässt erkennen,
dass dieses weniger zurückwich als beim Euro-
päer, was Zaaijer auch an dom Becken der
Javanerin abbildet. Ich gehe zu, dass die Bil-
dung das Darmbeins an manchen niederen Ras-
senbecken kleiner und affenähnlicher ist wie an
diesem. Es fehlt diesem Becken aber doch wie-
der eine Eigentümlichkeit, nicht, die von den
Anatomen, die dos Becken niederer Rassen be-
schrieben. hervorgehoben wird, es ist der Mangel
der durchscheinenden Stelle in der Mitte des
Darmbeins. Sie ist auch hier nicht vorhanden,
der Knochen ist durchaus dick. Unzweifelhaft
also gibt, es eine Reihe von solchen Merkmalen,
die eine tiefere Organisation bezeichnen, und die
am Skelet die Deutung dieses prähistorischen
Men8cbenrestes bestätigen, welche man aus der
Betrachtung der Hirnschale allein schon folgern
musste.
Ich habe bei Gelegenheit der Naturforscher
Versammlung in Giessen im Jahre 1864 schon
die meisten der jetzt besprochenen Verhältnisse
der Gliedmassenknochen geschildert, worüber aber
nur ein kurzer Bericht in den Verhandlungen
mitgetbeilt worden ist.
Eines will ich noch erwähnen, weil ich es nicht
für unwichtig halte. Wenn man den menschlichen
Oberschenkelknochen von vorn betrachtet, so sieht
man an dem Knorpelrand der Kugel des Caput
femoris, dass bei einem wohlgebildeten Skelet der
Schenkelkopf gleichsam unter die Pfanne gestellt
ist und der Knorpelrand mit der Horizontalebene
einen Winkel von 20 - 30'* bildet. Bei den An-
thropoiden ist der Kopf nicht so vollständig unter
die Pfanne gestellt , sondern mehr von aussen
eingelenkt ; seine Axe ist weniger aufgerichtet,
sondern mehr liegend. Bei dem Affen bleiben
beim Geben die Beine auch mehr auseinander-
gestellt. Die Linie des Knorpelrandes bildet mit
der Horizontalebene einen Winkel von etwa 65°.
Dies» ist ein charakteristischer Unterschied in
der Befestigung der unteren Gliedmasse am
Rumpfe bei Mensch und Thier. Es ist an dem
Neanderthaler Menschen in dieser Beziehung ganz
entschieden eine von der normalen abweichende
Bildung vorhanden, welche sich der des Tbieres
nähert. Es beträgt an demselben jener Winkel bei
senkrecht gestelltem Femur 60°. Auch weicht
die Axe des Caput femoris hier viel weniger von
der Queraxe des unteren Gelenkstückes nach vorne
ab als beim Europäer, nur etwas mehr als beim
Gorilla. Beim Europäer ist der Winkel 35 ft, beim
Neanderthaler 15°, beim Gorilla 10°.
Ich habe vielleicht Manches nicht gesagt, was
ich noch habe sagen wollen, aber genug, um
meine Deutung dieser Menschenreste klar zu stellen
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auf Grund vorhandener Thatsachen. Diejenigen
Herren, welche die Sachen iu der Nähe sich
nnsehen wollen, bitte ich, sich hierher zu bemühen.
(Die ausgelegten Fundstttcke wurden von den
Anwesenden mit grossem Interesse betrachtet.)
Herr Mohlis: (Ausgrabungen auf
der Limburg.) Wenn ich mir erlaube, das !
Wort zu ergreifen, so geschieht es nicht nur dess- j
halb, weil ich glaube, einige neue Beiträge zur !
Archäologie herbeizubringen, sondern vor Allem
deshalb, weil ich in der Lage bin, Ihnen einen
kurzen Bericht zu geben über die Verwendung
der Gelder, welche der Ausschuss die Güte ge- !
habt hat, dem Vereine in Dürkheim zur Verfügung
zu stellen.
Was zuerst die Oertliclikeit betrifft, wo die
Ausgrabungen stattfunden, welche im vorigen Jahre
begannen, so war Limburg an der Isenach
bis jetzt in historischer Beziehung bereits wohl
bekannt. Es ist der Punkt, der in Verbindung I
mit pfälzischen Gauen in der nachkarolingischen
Zeit unter der Herrschaft der salischeo Grafen 1
stand, welche Aufungs des 11, Jahrhunderts als
Salier den Thron der deutschen Könige bestiegen.
Es ist die Stelle, von der die Kaiser Konrad II.,
Heinrich III. und IV. abstammen. Mitte des
11. und 12. Jahrhunderts wandelte Konrad II. die
frtthero Burg „Lymperg“ in eine Abtei um, welches
den Namen erhielt „zum hl. Kreuz.“ Die Reste
dieses Klosters sehen Sie hier (mit Hinweis auf
einen angefertigten Plan) an dieser Stelle noch
erhalten. Unmittelbar nun unterhalb dieser hi-
storischen Stätte wurde in jüngster Zeit eine
prähistorische Stelle entdeckt. Im Laufe der
letzten Jahre fand man auf einem Abhänge, der
nach Nordwosten sich bis zum Isenach erstreckt,
eine Reihe keramischer Reste, die entschieden
durch ihre Zusammensetzung und ihre ganze
Technik beweisen, dass sie der prähistorischen
Zeit angehören. Ausserdem fanden sich auf
diesem Abhänge die sog. Kornquetscher, halb-
mondförmige Werkzeuge aus verschlacktem Ba-
salt, welche nach der gewöhnlichen Annahme als
Intrumente zum Zerquetschen des Getreides in
prähistorischer Zeit und herein bis in die römische
Periode dienten ; ausserdem wurden an verschiede-
nen Stellen dieses Abhanges Bronzen von rohem
Gusse gefunden, von denen einige Ihnen zur An-
sicht hier vorliegen. Nachdem die Aufmerksam-
keit der pfälzischen Anthropologen auf diese Stelle
gerichtet war, brachten im Verlaufe des vorigen
Jahres Ackerleute den Mitgliedern des Dürkheirtfer
Vereines die Nachricht, das3 sie auf einen in den
Boden getriebenen ziemlich tiefen und wie es schien
künstlich hergestellten Schacht gestossen wären,
der durch diese schwarze Linie hier angedeutet
ist. Wio die nähere Untersuchung zeigte, war
es nicht nur ein Schacht, sondern deren zwei,
welcho in einer Entfernung von 5 Metern in
ziemlich vertikaler Richtung in den Boden hinab-
gingen. Jeder Schacht mass im Quadrat circa .
Meter. Zur Untersuchung dieser auffallenden
Thntsache, dass ziemlich weit ausserhalb der
Ruinen diese Schachte unbekannten Zweckes hinab-
gingon, beschlossen wir zu Dürkheim einen zweiten
künstlichen Schacht von 2 Metern im Geviert
in den Boden einzutreiben. Dieser künstliche
Schacht — er ist hier angedeutet — wurde bis
in eine Tiefe von 8 Meiern auf dem Natur-
boden verfolgt, und es ergaben sich an 4 Stellen
deutlicho Spuren von Brandstellen und Cultur-
schichten.
Die erste Brandstelle fand sich in einer Tiefe
von 3,20 Meter, die zweite in einer solchen von
3,50 Meter, die dritte in einer von 5,60 Meter
die vierte in einer von 6,50 Meter. Die Brand-
stellen ergaben ausser der zahlreich eingestreuten
Asche eine Reihe von ganzen und zerschlagenen
Thierknochen, die vorzugsweise den Hausthieren
angehören. Sie lagen in Verbindung mit verschieden
Ornament irten feineren und schönen Topfstücken und
verzierten Thon wirt ein, welche diese beiden Tafeln
in der Hauptsache angeben und von denen Pro-
ben hier vorliegen. An der unteren Stelle er-
gab sich die Thatsache , dass ein senkrecht ab-
gehender 8tollen in das Innere des Berges sich
fortzog. In diesem etwa 40 Centimeter hohen
Stollen wurden innerhalb */s Meter hoher soge-
nannter Steinkisten Reste roher Urnen gefunden,
wio sie diese Tafel hier darstellt. Was überhaupt
die keramischen Reste in dieser ersten Schichte der
Neuzeit betrifft, so wurden solche in der oberen
Schichte an das Tageslicht gezogen, welche offenbar
die Auwendung der Drehscheibe zeigen; je weiter
der Schacht in den Boden gebaut wurde, um so
tiefer der Spaten eindrang, um so schlechter waren
auch die Gcfllsse , welche sich zeigten ; in einer
Tiefe von 5 — 6 Meter nahmen die GefÜsse deutlich
den Charakter der Riugwallscherben an, welche sich
gegenüber auf der Dürkheiiner Ringmauer und
an anderen rheinischen Stellen beim Natfhgraben
vorgefunden haben. Um nun nachzuspüren, wio
weit sich dieser horizontale Gang in den Boden
erstrecke, wurde, nachdem der Stollen zusammen-
gefallen war, woran nachrutschende Steine Schuld
trugen, in südöstlicher Lage — hier auf dem
Plane — ein zweiter künstlicher Schacht von
ebenfalls 2 Meter im Geviert eingetrieben, dessen
Herstellung die Mittel verschlang, welche die
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121
deutsche anthropologische Gesellschaft zu be-
willigen die Güte hatte. Dieser Schacht konnte
nur bis eine Tiefe von 6 Meter auf den Urboden
getrieben werden , so dass 2 Meter Differenz
zwischen dem ersten künstlichen Schachte und
diesem zweiten auf den Abfall des Gesteins kom-
men. Ganz oben fandeu sich einige Reste aus
dem Mittelalter, ein sogenannter kleiner Kreuzer,
eiue Platte, welche offenbar ihre mittelalterliche
Herkunft, an der Stirne trug; allein schon in
einer Tiefe von 1 Meter trafen wir wieder auf
Seherbeu der Vorzeit, und zwar trugen sie wie bei
dem 1 Schachte in den oberen Schichten den künst-
lich gerundeten Charakter, ohne Anwendung von Or-
namentik, in der Tiefe jedoch wurden sie immer
primitiver der Technik nach, aber reicher in der Or-
namentik. In diesem zweiten Schachte aber trafen
wir nur auf zwei grössere Brandstellen und zwar
jede eingefasst oben und unten von einer Mörtel-
schichte ; die erste Brand schichte 3 m bis 3,50 m
Tiefe, die zweite 4,80 — 5,20 m Tiefe. Die
chemische Untersuchung dieser Mörtelschichte er-
gab die Zusammensetzung aus tertiärem Kalke in
Verbindung mit kleinen Kieselchen und mit Thon.
Wenn man nun bis jetzt die Ansicht verfolgt
hat, die Kümer hätten bei den Germanen die
Bereitung des Mörtels eingeführt, so scheinen
diese 4 Mörtellagen entschieden dafür zu sprechen,
dass bereits in vorhistorischer Zeit
die rohe Bereitung des Mörtels am
Rheine bekannt gewesen sein muss.
Wras nun dio Bedeutung dieser Brandstellen be-
trifft, 80 könnte man ohne das Auffinden des
Mörtels der Ansicht sein , wir hätten einfache
rheinische Kjökkenmöddinger vor uns, allein die
Auffindung einer im Viereck gestellten Stein-
kiste in einer Tiefe von 5 Meter, deren Inhalt
eine Urne mit beiliegenden Knochen eines Vo-
gels aufwies , beweist , dass ursprünglich wahr-
scheinlich am ganzen Bergabhang, die ganze
Schichtung aus solchen aufgestellten Steinkisten
bestand, welche in Aschenkrügon die Asche ver-
brannter ehemaliger Bewohner des Limburgerthals
in sich hatte. Dies eine mofivirte Vermuthung!
Verfolgen wir nun dio ganze Schichtung , so
ergibt sich bis jetzt eine Ausdehnung von 1 4 Metern
Länge und eine Höhe der einzelnen Schichten
von 40 — 50 Ceutimeter. Die Details der Schichten
in den beiden durch die Untersuchung neu ein-
getriebenen Schachten lauten :
Ausgrabungen auf der Limburg nach X. W. Im
Juni 1877.
I.Schacht, 2m iraGeviert haltend.
2 im Geviert l/»m haltende, durch gesetzte Steine
gebildete Schachte am nord-westl. Abhänge der Limburg,
dessen Plateau schon Unmassen graphitgeeebwärater Ur-
nenreste, Wirtel und Keibsteine aus Basalt geliefert
batte, gaben Anlass, neben dem nördlicheren dieser
Schachte einen künstlichen, 2 m im □ haltenden Schacht
mit Anwendung von Verschalung einzutreiben. Das Ganze
wurde bergmännisch betrieben.
Bis xu 7 m T i e f e fand man vier durch Steine-
und Sandlagen getrennte Brand schichten, welche
nach Schürfungen in 3,20 m, 3,50 m, 5, GO m Tiefeck
alltnählig am Plateaurande Auslaufen. Die Scherben ent-
sprechen oben den graphitgeschwärzten, woblgeglätteten,
dünnen vom Plateau, weiter unten in Masse, Form und
Ornamentirung denen von der nach N.-O. gegenüber-
liegenden Ringmauer. Die Brandachichtcn bestehen aus
geäschtcr Erde und zerbrochenen Scherben, sowie ange-
schwärzteu Steinen, jedoch weniger aus Knochen. Dia
Schichten scheinen , wie ans den Brandstellen des 11.
Schachtes hervorgeht, nach N.-W. auszulaufen. Auch
an anderen Rändern des Plateaus, so im S.-O. liegen
Schichten von veraschter Erde, Scherben und grossen
Knochen.
Daneben gefunden nach Osten ein kopfabwärts lie-
gendes Skelett, zerfallen; dann ein Schwein oder Eber;
weiter in der Nabe ein abgebrochenes rohes Bronze-
messcrclien und ein Dronzering von rohem Gusse.
Aehnlichkeit mit den Ringmauer fun den :
(vgl. darüber Mehlis: Studien zur ältesten Geschichte
der Rheinlande, 2. Abth. 1876.)
1. Fand der Reibsteine aus verschlacktem Nioder-
mendigem Basalte.
2. Schichten der keramischen Reste:
a. oben, besser gerundete, grapbitgeschwärztc
Scherben.
b. unten, schlecht gerundete; aus rothem Thon
bestehende Scherben.
3. Identität der Ornamentation an den Gcfässen,
die aus Eindrücken am Rande, Kreuz* und Quer-
strichen, Längsstricben, Wellenlinien am Rande
besteht und mehr plastischen als linearen
Charakter aufweist.
4. Aehnlichkeit der Topfform: bauchige, grosse,
offene Gefässe, keine geschlossenen Urnen.
26. Juni bis 8. Juli 1878.
II. Schacht, 2m im Geviert haltend.
In 2 m Tiefe: viereckiges Loch nach W.-S. mit
graphitgeschwärzten Scherben and Knochen von Schwein,
Rind etc., geschwärzte Urnenreste mit umgebogenem
Rande, ein Stück von einem Rcibstcin (Getreidequetscher)
aus verschlacktem Basalte, 9 cm hoch, 16 cm breit, 14 cm
lang, dann regelrecht, kantig aufg^chlagene Knochen.
Die Sandsteine künstlich geschichtet.
In 2.50 in Tiefe: eine Mö rtel schieb t aus Ter-
tiärkalk und kleinen Kieseln. Scherben, 2 Stücksteine
von Reibsteinen und ein kegelförmiger, aus feinem,
weissein Sandsteine bestehender Quetscher voo 14cm
Dicke und 8 cm Höhe, unten abgerieben. Harter Basalt
Unterlage, weicher Sandstein Reiber.
In 3 m Tiefe: eine Braudschicht, welche aus
Kohle, veraschtem Sande, Knochen, Scherben, Steinen
mit Brandspuren besteht. Nach Norden Dicke der Schicht
25—80 cm, nach Süden 45—60 cm. Die Knochen voo
Eber and Hirsch nach Zähnen und Kinnlade zu schließen.
In 3,50 m. Tiefe: Neue Mörtel schiebt, be-
stehend aus Tertiärkalk und Sand, so dass die' Brand-
stelle von zwei Mörtelschichten ein geschlossen ist. Unter
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der Mörtelschicht wied»?r gelagert Steine, Knochen und I
Scherben, darunter wieder 2 Stücke ton Reibsteineri aus
Basalt (Niedermendig). Dicke der MÖrteUchichte
4,5 — 5 cm.
In 4,30 m Tiefe: grosse Steine, wenig Sand, in
fünf 40 — 50 cm im Gevierte gestellt« Steine einge-
schlossen eine Urne, welche mit Strichen gewebenrtig
ornamentirt ist, mit Knochen ron einem Vogel, am
Boden schwarze Erde. (Aehnlichkeit mit den Gräbern
von Eisenberg - Ramsen. Steinsetxung!) Solche Stein-
setzungen sind wahrscheinlich ursprünglich häutiger ge-
wesen und, wie die grossen Steinbrocken, Asche, Knochen
und Scherben beweisen, zusammengefallen.
In 4,50 m Tiefe: Scherben, dicke aufgehauene
Knochen, Reibsteine, Sand, Steine lagerhaft; geht so
fort bis 4, HO m.
In 4,80 tn bis 5,20 in Tiefe: zweite Brand-
sehicht; 30— 40 cm Dicke enthält mehr Scherben als
Knochen ; Kohle, veraschte Erde, ein grosser Thon-
wirtel.
In 5,20 m bis Gm Tiefe: Steinlager mit Scherben
und Knochen, die zum Tbeil angebrannt sind. 5,60 m
bis 5,80 m rother Sand mit Steinen. Scherben und
Knochen dazwischen.
In Gm Tiefe: natürlicher Fe lae ugrun d.
Es wäre interessant, nach Südosten weiter
gehende Spuren der Schichten nachweisen zu
können und zu verfolgen , um zugleich zu be-
weisen. wie weit sich der Stollen in die Länge
ausgedehnt hat.
Was nun den Charakter der Scherben
betrifft, so weist derselbe in Beziehung gebracht zu
anderen keramischen Kesten vom Rhein und dem
westlichen Deutschland entschieden auf einen Typus,
der bedeutend abweicht von dem von Herrn
Virchow sogenannten Burgwall-Typus des öst-
lichen Deutschland. Während dieser in geome-
trischen Zeichnungen besteht, welche in horizontaler
Richtung das Gefäss umgeben und abwechselnd
Wellenlinien und Maeander, Wolfszuhn Ornament und
Puuktreiben (Stempeleindrücke) aufweist, trägt jener
einen mehr plastischen Charakter. Es sind, wie sio
hier an den Tafeln am besten wahrn ohmen kön-
nen, eine Reihe von vertieften Ornamenten vor-
zugsweise am Rande eingeprägt, so dass, wenn
man die verschiedenen Reste der keramischen Or-
namentntion aus dem westlichen Deutschland ver-
gleicht mit der aus den Burgwällcn des Ostens, dicaer
Unterschied sofort iu die Augen fällt. Die Scher-
ben sind ferner zumeist ohne Drehscheibe gemacht,
während die von den Burgwällen des Ostens zu
wenigst ohne dieselbe entstanden sind. Die
Identität des Scherben , der Quetscher und der
wenigen Bronzereste beweist zwingend, dass die Be-
wohner der Limburg, welche hier ihre Todten
verbrannten oder ihre Mahlzeiten abhielten oder
auch Opfer darbrachten, sowie die Bewohner der
gegenüberliegenden Ringmauer dem nämlichen
Stamme zuzuschreiben sind.
Wenn nun, um auf die Ethnologie mit einigen
Worten zu kommen, vielfach von den Kelten oder
Galliern in den Rheinlandcn die Rede ist, so
sind wir allerdings durch die klassischen Autoren
in die Lage versetzt , ihre Anwesenheit in den
Rheinlanden auf dem historischen Wege als be-
wiesen erachten zu müssen.
Allein was die Keramik und Ornamentik
der Gefässe betrifft, so zeigen die entschieden
gallischen Hügelgräber im inneren Frankreich
eine ganz andere Konstruktion der Urnen und
einen Mangel an Verzierungen der Gefässe, welche
sie genau unterscheidet von der ornamentirten
Keramik, welche wir hier längs des Rheins vor-
finden. Sowohl mit Rücksicht anf die Nachricht
der Autoren , welche vom Cäsar angefangen bis
in das 3. Jahrhundert nach Christus die Aukunft
germanischer Stämme bereits in vorrömischer
Zeit am Rhein verbürgen und deren Anfänge
mindestens in das 1. Jahrhundert vor Christus
setzen (vgl. darüber Mehlis: Studien zur ältesten
Geschichte der RLeinlande, I. Abth. 1875), als
[ auch mit Rücksicht auf die Ornamcntationsweise,
welche sich im ganzon südwestlichen Deutschland
besonders in den Hügelgräben verfolgen lässt,
dürften wir in der Lage sein, dieser ausgesprochenen
Ornamentik den germanischen Typus zu vin-
diziren. Vielleicht ist. Herr Sch aa ffh a us e n in
der Lago, später auch vom Niederrhein eine ähn-
liche Probe germanischer Ornamentation beixu-
bringen.
Wie ferner die Scbichtenlager in den Schach-
ten beweisen, wie die gleichförmige Konstruktion
der Gefässe von 8 m Tiefe bis 1 m Tiefe an
den Tag legt, kann ausserdem nicht wolil die
Rede sein, dass hier an diesem Punkte eine Ein-
wanderung verschiedener Stämme statt gefunden
hat, sondern die gleichmässige Entwicklung der
Keramik und die Lagerung der sonstigen archäo-
logischen Funde beweisen , dass die hiesige prä-
historische Bevölkerung entweder Jahrhunderte
lang an demselben Platze gehaust, hat, oder dass
dieselbe sehr bedeutend an Zahl war. Nur so
lässt sich das Fehlen einer Reaktion in der Keramik
und die Aufeinanderfolge von Reihen der primi-
tivsten Scherben auf solche , welche deutlich die
Anwendung der Drehscheibe beweisen, ohne dass
die übrigen Kulturverhältnisse sich ändern , ge-
nügend erklären.
Noch möchte ich die geehrte Versammlung
aufmerksam machen aul die Technik der Bronze-
actefakte, welche hier vorliegen und eine sehr
geringe Kunstfertigkeit in der Giessung verrathen.
Dieser Ring ist auf der einen Seite vollständig
gerundet , auf der andern Seite muss , wie die
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123
mangelhafte Randung beweist , das Metall aus- :
gegangen sein, ausserdem ist. vom technologischen
Standpunkte noch interessant dieses bronzene
Messer , welches eine Reihe von scharfrandigen
Einschnitten am Griffe zeigt. Sollten diese mit
Stahlinstrumenten eingehunzt worden sein? — Die
Fundgegenstände worden vorgezeigt. —
M o n t e 1 i u s und Tischler sprechen sich für I
die bunzung mit Stahl bei dem Bronzemesser aus. I
Herr J. Ranke. (Beitrüge zur Kranio-
logie der Bayern und ihrer Nnchbnr-
s t tt ni m e. Die Ausstrahlung» - Centreu der Bra-
chyeephalie und Dolichocephalie für Bayern.) Bei
der VIII. Versammlung in Konstanz im vorigen
Jahre hatte ich Gelegenheit, einige Bemerkungen
über die Schädel bild ungen der altbayerischen Land-
bevölkerung zu machen. Es lag mir damals be-
sonders daran, zu zeigen, dass wir es bei der un-
gemischten alt bayerischen Landbevölkerung mit
einer allgemeinen sehr hohen Braebyeephalie zu
thuu haben. Ich habe mich seit der Zeit mit i
der Frage beschäftigt, von wo aus sich diese Bra- I
chycephalie in Bayern vielleicht entwickelt haben I
möchte und zwar stelle ich, ohne auf die letzte Ent- !
stehungsuraache der verschiedenen Schädelformen i
hier eingehen zu wollen, diese Frage iu dem Sinne, j
in welchem wir gestern von Herrn Virchowvon
den Zerstreuungscentren der dunkelhäutigen und
dunkeläugigen Bevölkerung und denen der blonden ,
Bevölkerung Deutschlands hörten : die letztere habe i
ihre Zerstreungscentren im Norden, die ersteren na-
mentlich im Stiden in der Nähe des Gebirges.
Die Untersuchungen , von denen ich hier
spreche, beziehen sich immer auf je 100 Schädel
aus der Bevölkerung eines bestimmten Ortes, aus
einem Kirchhofe. Ich habe für diese Statistik als
Maasseinheit gerade die Zahl |0() darum gewühlt,
weil diese mathematisch gesprochen für die Berech-
nung der Indices bereits als eine grosseZahl erscheint.
Wenn wir die so gewonnenen mittleren In-
dices der Länge und Breite der Schädel der ver-
schiedenen Ortschaften vergleichen , kommen wir
schon innerhalb der eigentlichen altbayerischen
Bevölkerung zu einer merkwürdigen Reihe. Es er-
gibt sich, dass sich die Schädel aus ungemischt
altbayerischeu Flachlandorten, aus Orten des Vor-
gebirge und des Gebirgs in dem mittleren Längen-
Breiten-Index, wenn auch nicht viel, doch immer-
hin deutlich unterscheiden. Gestatten Sie mir,
einige Beispiele anzuführen. Chammünster und
Altötting sind altbayerische Flachlandorte; ihre
Schädel haben einen mittleren Index von 82,3
und 82,7 ; ersteres liegt nördlicher. Ein Vorge-
birgsort. in der Nähe von München heisst Auf-
kirchen, ein anderer Beuerberg, der letztere
näher am Gebirge, sie haben einen mittleren Index
von 83,2 und 83,3. Ein Ort, der schon im Schatten
der Hochberge liegt, ist Prien mit einem mitt-
leren Index seiner Schädel von 83,6. Wir sehen
von Norden . nach Süden , vom Flachland durch
das Vorgebirg zum Fuss des Gebirgs eine stetige
Zunahme des mittleren Längenbreitenindex von
82,3 bis 83,6 , also eine stetige Zunahme der
Brachycephalie.
Dieses Verhältnis wird aber noch weit an-
schaulicher, wenn wir nicht die Mittelzablen der
Indices vergleichen, sondern wenn wir zählen, wie
viel Schädel innerhalb einer Ortsbevölkerung je
auf die verschiedenen Längenbreitenindices treffen.
Der Index über 84,9 bildet die Grenze zwischen
den höheren und mittleren Forineu der Brachy-
cephalie in Altbayern. Zählen wir an den ver-
schiedenen Orten alle jene Schädel zusammen,
welche oinen Längenbreiten-Index über 84,9 be-
sitzen, sich also einer kugeligen Form annäbern,
so sehen wir, dass die Zahl dieser Schädel
mit ausgesprochenster Brachycephalie
vom Flachland gegen das Gebirge zu-
nimmt. Von den 200 Flachlandschädeln haben
21 unter 100 einen Index von 85 und darüber;
von der Vorgebirgsbevölkerung 30, von der Be-
völkerung in Prien 37 ! In ähnlicher Weise kann
man auch die nicht brachycephalen Schädel zu-
sammonfassen. Wahre Dolichocephalen finden sich
unter unserer brachycephalen altbayerischen Land-
bevölkerung, wie die in Konstanz gegebene Zu-
sammenstellung ausweist, sehr selten, häufiger
kommen mcsocephale Formen (mit einem Index
unten 80) vor. Bei der Vergleichung ergibt sich,
dass die nicht brachycephalen Formen
(dolichocephijle und mesocephalo zu-
sammen) zunehmeu, je weiter wir uns
vom Gebirge entfernen, d. h. also in
umgekehrter Richtung, wie wir die
Brachycephalie znnehmen sahen. Wir
haben in den altbayerischen Flachlandsorten unter
100 im Durchschnitt 21 dolichocephale und meso-
cephale Schädel ; in den Vorgebirgsorten mit Prien
etwa 17 und im Gebirg (Tirol) nur 10. Danach er-
scheint dos Gebirge als ein „Ausstrahlungs-
eentrum der ausgesprochensten Brachy-
cephalie“ für A ltbay ern. Diese scheint aus
den inneren Alpen, aus den Tirolerbergen zu uns
herabzusteigen. Wenn das so ist, so müssen wir, je
höherwir im Gebirge kommen, die ausgesprochen-
sten Formen der Brachycephalie um so häufiger
finden. Ich hatte Gelegenheit, einige Kirchhöfe in
1 Tirol zu untersuchen. Schon der mittlere Index der
mit der altbayerischen stammverwandten Tiroler
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Hochgebirgsbevölkerung (Unterinn auf dem Ritten
bei Botzen) ist. viel höher, ihre Brachycephalie
also ausgesprochener als bei der Landbevölker-
ung im eigentlichen Altbayern. Der mittlere
Längenbreitenindex ist 85,8. Und während die
hyperbracbycephalen Formen unter je 100 Schä-
deln im altbayerischen Flachlande nur mit 21,
im Vorgebirge mit 30, in Prien mit 37 vertreteu
sind , sehen wir hier in Tirol ihre Anzahl auf
5*2! steigen. Die Tiroler Innthalbevölkerung (bei
Innsbruck) ist mit der Bayerischen Innthalbe-
völkerung kraniologisch fast identisch.
Ein Ausstrahlungscentrum der ausgesprochen-
sten Brachycephalie liegt für die altbayerische Land-
bevölkerung im Hochgebirge Tirols. Damit will ich
aber nicht ausgesprochen haben, dass nicht auch
noch von anderen Seiten, und zwar speciell von
Osten her, sich nach Bayern brachycephale Ele-
mente hereiiigeschoben haben. Ich besitze bestimmte
Andeutungen (Michelfcld, auf altslavischem Boden),
dass es sich wirklich .'0 verhält.
Wir wollen nun auch umgekehrt fragen, wo
ist das Ausstrahlungscentrum der Dolichoeephalio
für Altbayern? Ich habe eine schöne Samm-
lung von Schädeln aas Franken erhalten, aus
Ebrach. Es sind hundert meist wohl erhaltene Kirch-
hof-Schädel aus der Krypta einer Kirche. Die
Messungen ergaben, dass die Schädel dieser fränk-
ischen Bevölkerung über die Hälfte aus dolicho-
cephalen und mesocephalen neben sehr ausgespro-
chenen brachycephalen Formen bestehen, während,
wie wir eben hörten , in Altbayern die Dolicho-
cephalie so gut wie ganz fehlt, und auch die
Mesocephaiie relativ rocht selten erscheint. Am
deutlichsten sprechen die Zahlen selbst; wir haben
54 ! nicht brachycephale .Schädel für Franken
(Ebrach), dagegen nur 21 für die Flachland-
bevölkerung Altbayerns. 17 für die Bevölkerung des
Vorgebirgs mit Prien uud 1 0 für jene des Hoehgebirgs
in Tirol. So scheint es, als wäre in Altbayern
von Norden her die Dolichocephalen zusammen
mit den Mesocephalen gegen das Gebirge vorge-
rückt, umgekehrt von Süden aus dem Gebirge
in das Flachlaud die Brachycephalen. Die fränkische
Bevölkerung in Bayern erscheint als eine ziem-
lich gleichmäßige Mischung beider Hauptformen.
Ich habe versucht, diese Verhältnisse durch Dar-
stellung der Resultate in Kurvenform anschaulicher
zu machen. Auf der hier ausgestellten Karte enthält
jede Kurve das Resultat, der Untersuchung von hun-
dert Schädeln je aus einem Kirchhofe. Als Ahscissen
sind die Lüngenbreit.en-Indices fortschreitend von
60 bis hundert aufgezeichnet. Als Ordinaten sind
über die betreffenden Indices die Zahlen der Schädel
eingetragen worden, an welchen die*c*r Index be-
1 obachtet wurde. Durch die Kurven habe ich
! einige Trennungsstriche bindurchgezogen . welche
' die Abtheilungen bezeichnen, die von den Kranio-
! logen bei Beschreibung der Schädel konventionell
gemacht werden. Der eine Strich fällt zwischen
! Index 74 und 75, um die dolichocephalen Schädel
zunächst von den mesocephalen Schädeln zu trennen.
1 Ein weiterer Strich zwischen 79 und 80 trennt die
Mesocephalen von den Brachycephalen. Schliesslich
habe ich noch, um die höheren Formen der Bra-
chycephalie von den mittleren zu trennen, einen
dritten Strich gezogen zwischen 84 und 85.
Die Kurven zeigen in ihrer Form wesent-
liche Verschiedenheiten. Wenn wir auf unserer
Karte von Oben nach Unten d. h. von Norden
nach Süden gehen, so bemerken wir zunächst,
dass die wahren dolichocephalen Schädel in Franken
häutig Vorkommen; hier bei den Kurven der alt-
bayerischen Flachlandorte veranlasst die Dolichoee-
phalie nur noch je eine kleine Spitze am Anfang
unserer Kurven; die Kurven von Beuerberg und
Prien zeigen keinen einzigen wahren Dolichocephalen
I mehr, auch in Tirol (Unterinn) fehlem sie vollkommen.
Aehnlich ist es mit jenem Theile der Kurven,
welcher die Mesocephalen darstellt. In Franken
haben wir eine grosse Anzahl von Mesocephalen.
die sich der Dolicliocephalie direkt annähern , hier
ist eine geschlossene Gruppe rnesoce-
p linier Schäde 1 vorhanden. Nach Süden bleibt
schliesslich von dem mesocephalen Theil der Kurve
nur noch jener Theil bestehen, welcher sich stark
zur Brachycephalie hinneigt. Gegen das Gebirg
nimmt gleichzeitig aber auch die Zahl der zur
Brachycephalie neigenden mesocephalen
Schädel ah , und in der Hoehgehirgsbevöikerung
haben wir so gut w*ie gar keine mesocephalen
mehr. Auch die unteren und mittleren Formen
der Brachycephalie (im Mittelt-beil der Kurven)
sind interessant genug; die Kurven zeigen uns.
dass in allen untersuchten Orten die grösste An-
zahl von Schädeln eiueo Index von 82 bis 83 be-
sitzen , dos geht ganz durch , so dass wir hier
eine für unsere Bevölkerung typische Schädelform
vor uns haben.
Sehr belehrend sind unsere Kurven auch in
Beziehung auf die Formen der höchsten Knrz-
köptigkeit, die im Gebirgf besonders ausgesprochen
ist. Auffallender Weise zeigen unsere Kurven
alle an Stello der höchsten Kurzküptigkeit noeh
ein letztes Maximum. Schon hei der fränkischen
Bevölkerung sehen wir die Kurve bei der höheren
Brachycephalie »ich nochmals heben ; eine analoge
Erhöhung der Kurve finden wrir auch, wenn wir
in der Flnchlandbevölkerung Altbayerns uns die
: Sache ansehen ; die Erhebung der Kurve wird
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125
immer höher gegen das Gebirge zu und in der I
Kurve von Prien sehen Sie diese Schädelgruppe
mächtig entwickelt. Gerade das gibt uns einen
Anhalt dafür, was ich sagen möchte. Diese Kurven
sprechen gleichsam eine Sprache, sie sind Hiero-
glyphen , die uns Uber die Entwickelung und
Bildung unserer Staminesnationnlitüt Aufschluss
geben. Bei der Tiroler Hocligebirgsbevölkerung
(Untenan) zeigt eine Mehrzahl von Schädeln einen
Index um 86; in der Gebirgsbevttlkerung in Alt-
bayern finden sich Schädel mit diesem Index
noch sehr häufig und sie ziehen sich als eine ge-
schlossene Gruppe durch die ganze bayerische Be-
völkerung. Ich denke, wir dürfen daraus schließen,
dass sich die Bevölkerung des Hochgebirgs wirk-
lich in abnehmender Zahl mischt mit der Be-
völkerung der Vorberge , de» Flachlandes , bis
nördlich nach Franken. Umgekehrt srheint es !
mit der Doliehocephalie. Diese scheint von Franken
nach dem Süden zu kommen, bis gegen das Vor- j
gebirge heran, um schon in den Vorbergen ganz
und gar zu verschwinden.
In ähnlicherWeise habe ich auch die Längen-
Höhenve rhältnisse der Schädel hier auf der- i
selben Tafel dargestellt. Die Verhältnisse sind j
ganz ähnlich den vorher erwähnten. Im Nonien !
haben wir zahlreichere Schädel , welche zu einer I
mä&sigen Chamäcephaüe (oder besser: Niedrig-
keit) hinneigen. Die s. v. v. Chamäcephalie
nimmt aber gegen dos Gebirge zu mehr und
mehr ah, um im Gebirge selbst so gut wie voll-
kommen zu verschwinden. Die eigentlich hohen
Schädelformen sind in Franken so gut wie gar nicht
vertreten , sie nehmen an Zahl mit der An-
näherung gegen das Gebirge z u und in der
eigentlichen GebirgsbevÖlkerung überwuchern sie
alle anderen. Etwa dasselbe, was wir aus dem
Verhältnis« der Länge und Breite der Schädel in
Beziehung auf die Mischung der Bevölkerung ge-
lernt haben, können wir auch aus diesen letzteren 1
Kurven ablesen.
Herr Htiedn (Dorpat). (Ueber die Esten
mit Bemerkungen über Methode der
Schädel messang. Demonstration einer
neuen Conservirungsmethode für ana-
tomische Präparate. Congress in Moskau.)
Ehe ich zum eigentlichen Gegenstände übergehe,
einen kurzen Bericht Uber die anthropologischen
Untersuchungen in den Ostseeprovinzen zu geben,
erlauben Sie mir, dass ich mit wenigen Worten eine
Methode der Schädeluntersuchungen berühre, die
vielleicht weitere Erörterungen veranlassen könnte.
Es wird Allen, die sich mit Schfldeluntersnchungen
beschäftigt haben, bekannt sein, dass es mancherlei
Unbequemlichkeiten hat, die Schädelmasse in grosse
Tabellen einzutragen. Man hat, wenn man eine
grosse Reihe von Schädeln untersucht, später die
Unbequemlichkeit, die einzelnen Schädel mit ihren
einzelnen Massen aus der grossen Summe heraus-
zunehmen, um die Schädel nach bestimmten Prin-
zipien zu ordnen oder je nach Bedürfnis« ver-
schiedene Kategorien herauszuwählen. Ich habe
geglaubt, diese Methode in gewisser Beziehung zu
verbessern, indem ich — gleich wie die Statistiker
Zählkarten benützen — Karten (cfr. S. 127) habe
anfertigen lassen , auf welche ich die einzelnen
Masse für jeden einzelnen Schädel verzeichne ;
man kann die Schödelmasse dazu recht gut brau-
chen, wie sie von V i r c ho w und 1 h e r i n g ge-
meinschaftlich festgestellt worden sind. Diese
kleinen Blättchen, auf denen jeder einzelne Schädel
durch eine Nummer bezeichnet ist. können hinter-
her beliebig geordnet werden. Man kann die
männlichen von den weiblichen Schädeln trennen
und hat dabei die Möglichkeit, beliebig die Blätter
so zusammen zu legen , dass sie ohne Weiteres
Reihen darstellen. Man kann diese Sehädelkarten
gewiss auch noch erweitern und kann sie zu an-
thropologischen Untersuchungen benützen , indem
man für jedes einzelne Individuum in gleicher
Weise ein einzelnes Blatt gebraucht. Man kann
dann hinterher die einzelnen Karten nach Belieben
ordnen, um die Mittelzahlen daraus zu ziehen. —
Wenn ich es nun wage, in aller Kürze Einiges
über die anthropologischen Untersuchungen der
Bevölkerung der Ostseeprovinzen zu sagen , so
geschieht es nur, um eine vorläufige Mittheilung
in die Welt zu schicken. Die Untersuchungen
sind erst vor Kurzem begonnen, sie sollen erst
allmälig weiter fortgeführt werden.
Die Bevölkerung von Cur-Liv- und Estland, oder
wie mau sagt, der deutsch -russischen
Ostseeprovinzen ist eine ziemlich gemischte, in-
sofern gerade diejenigen Nationen, die den Ost-
seeprovinzen ihren Namen gegeben haben, die
Deutschen und die Russen, in sehr geringer An-
zahl vorhanden sind. Wenn man für die Be-
völkerung eine abgerundete Zahl annimmt , so
spricht man von 2 Millionen im Allgemeinen,
nach einer genaueren Angabe sind es nur 1800000.
Bleiben wir bei den 2 Millionen stehen, so kann
inan die deutsche Bevölkerung rechnen auf 200,000,
also nur IO11/*», und das ist schon sehr hoch ge-
griffen. Nach den Bestimmungen des russischen
Ethnographen und Statistikers Kitt ich wird die
deutsche Bevölkerung nur angegeben auf circa 6 nh.
Die russische Bevölkerung ist noch viel geringer,
als die deutsche, sie wird höchstens 100,000 um-
fassen, also 5°,o betragen. Das Übrige Gros der
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12G
Bevölkerung sind nun Esten, Letten und zum ge-
ringen Theile Liven.
Die Esten sind in der Starke von 700,000
vorhanden, die Lotten mehr etwa 8 — 900,000, es
sind die Zahlen mehr oder weniger schwankend,
die Liven sind 2000.
Was die Esten betrifft, so sind an den-
selben zuerst anthropologische Untersuchungen vor-
genommen worden, weil diese von Dorpat aus-
gegangen sind und dieses in epischem (Jebiete
liegt. Ich will nicht in’s Detail dieser Unter-
suchungen jetzt eingehen ; das Wesentliche davon
ist schon durch die Dissertation de« Dr. Grube ver-
öffentlicht worden. Es mag hier nur auf ein
paar Punkte hingewiosen werden, die von Interesse
sein dürften. Es wurden damals nur Männer
untersucht, weil die Untersuchung der Frauen
und Kinder grosse Schwierigkeit darbot. Es
wurden 100 Männer ausgewählt , die zufällig als
Arbeiter auf einigen in der Nähe von Dorpat
liegenden Gütern anwesend waren. Man ist ge-
wöhnlich der Ansicht, dass die Esten wie andere
zum finnischen Volksstamm gehörige Völkerschaften
in ihrer Haarfarbe meist hell sind , und es gilt
wol hier und da die Redensart: blonde Finnen
und blonde Esten, und von Reisenden sind solche
Redensarten kultivirt worden , daher nur von
einer blonden Bevölkerung gesprochen wird. Die
Kenner wissen schon längst , dass es mit der
blonden Farbe nicht so weit her ist, und die
Untersuchungen haben mit Recht bewiesen, dass
von 100 Männern nur *,# wirklich blonde Haare
hat , dagegen */s dunkle oder hellbraune haben,
und es stimmt das mit den Untersuchungen, wie
sie jetzt von russischen Forschern gemacht wor-
den sind, bei denen auch sich erwiesen hat, dass
das blonde Haar bei den Finnen keineswegs vorwiegt.
Was die Untersuchungen des Kopfes anlangt,
so haben diese nachgewiesen , dass der Schädel-
index das Verhältnis« der Läng«* zur Breite bei
Lebenden etwa auf 79 zu setzen ist, so dass
die Esten zu denjenigen finnischen Stämmen ge-
hören, bei denen der Schädel an der Grenze der
Mittel- und Kurzköpfigkeit steht. Ich habe ver-
sucht , die anthropologischen Untersuchungen an
den Lebenden in Bezug auf die Schädel etwas
auszudehnen und habe eine Reihe von Schädeln
gemessen , so weit sie uns zu Gebote standen.
Es ist auch bei uns nicht ganz leicht , von den
Nationalen sich Schädel zu verschaffen ; die Schwie-
rigkeiten will ich Ihnen nicht näher vorführen, son-
dern begnüge mich hier mit der Konstatirung der
Thatsache. Ich habe nur 10 männliche und
9 weibliche Schädel zu untersuchen gehabt , von
denen ich sagen konnte, dass sie wirklich den
Esten der jetzigen Generation entstammten ; über-
dies 22 Gräberschädel Ans allen diesen zu-
sammen (41) habe ich nach verschiedenen Mes-
sungen den Index berechnet und bin darauf ge-
kommen , dass zwischen den Gr&berschädeln und
den Schädeln der jetzigen Esten kaum ein Unter-
schied zu finden ist. Es sind hier wie dort die
Mittelzahlen fast ganz gleich: 77 — 78. Was die
weiblichen und männlichen Schädel betrifft , so
ist der Letztere um ein geringes grösser in den
einzelnen Dimensionen. Der Längenindex der
Gräberschädel einerseits und der Schädel von Esten
jetziger Generation ist aber etwas geringer , als
er durch die anthropologischen Untersuchungen
an den Lebenden sich herausgestellt hat ; der
Längenindex der Schädel, die ich gemessen habe,
ist 77,4, dagegen fand Grube 79. Es ist auf-
fallend. das4: gewisse andere Schädeluntersuchungen
einen Index ergeben haben, wie er mit den Unter-
suchungen an den Lebenden stimmt, so dass es
' scheint , dass nach den verschiedenen Distrikten
gewisse Unterschiede sich zeigen. Die Unter-
suchungen Moyer’s an estnischen Gräberschadein
ergaben einen Index von 79, der genau so gross
ist, wie der Index an den Lebenden nach Be-
rechnung von Dr. Grube,
Was die Esten betrifft, so will ich hier auf
eine Schilderung nicht eingehen , sondern nur
einige Photographien derselben circuliren lassen.
(Die Photographien werden vorgelegt.)
Was die Liven betrifft, so sind diese noch
niemals anthropologisch untersucht worden ; es ist
in Aussicht genommen , im Laufe des Winters
eine kleine Exkursion nach Kurland zu machen,
um Untersuchungen vorzunehmen. In Livland
existiren keine Liven mehr; man findet noch hier und
da die Angabe, dass die Reste von Liven bei uns
existirten. Im .Jahre 1847 bat ein finnischer Forscher
Sjögren eine sehr genaue Aufzeichnung aller
Personen gemacht , welche noch livisch sprechen
konnten ; er fand damals 22 Individuen , von
welchen nun alle bis auf eine einzige noch jetzt
lebende hochbetagte Frau dahingegangen sind.
Diese letzte Livin , die den Namen Anna Mi-
chelson führt, ist die einzige in Livland lebende
Person, welche noch der livischen Sprache mächtig
ist. Es existiren wohl noch 2 leibliche Geschwister
dieser Frau, die aber nicht ab Liven angesehen
werden können, weil sie nicht livisch verstehen.
Im älterlichen Hause dieser Livin hat man noch
livisch gesprochen ; die Eltern waren reine Liven ;
sie als ältestes Kind hat die Sprache noch er-
lernt. Jene Geschwister , die nach dem frühen
Tode der Eltern später bei den Letten in Er-
ziehung gegeben waren, haben die Sprache vergessen.
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127
Es ist daher der livische Stamm als in Liv- |
land verschwunden anxiwehen. Es sind die Liven
allmälig mit den Letten verschmolzen, so dass in 1
Livland jetzt an vielen Orten eine Bevölkerung
sitzt, die aus einer Vermischung der Letten und
Liven hervorgegangen ist.
Was schliesslich die Letten betrifft, so ist
es bis jetzt noch nicht möglich gewesen , die-
selben genau anthropologisch zu untersuchen, aber
augenblicklich ist einer meiner Schüler damit be-
schäftigt, die Letten in Kurland zn messen, und
ich werde hoffentlich bald Gelegenheit haben, das
Resultat vorzulegen. Was die Letten Schädel
betrifft, so sind dieselben noch viol schwieriger
zu beschaffen als Estenschädel. Es ist mir daher
bis jetzt nur möglich gewesen, die geringe Zahl
von 6 wirklichen Lettenschlideln und dazu noch
den Schädel eines lithauischen Mädchens zu er-
werben. — Ich habe an diesen Schädeln Mess-
ungen vorgenommen und bin erbötig , Fach-
kollegen, die sich für die Zahlen geuauer inter-
essiren , dieselben vorzulegen. Hier mag nur
angegeben werden, dass — da aus dieser geringen
Zahl sich keineswegs weittragende Schlüsse zieheu
lassen, — der Längenindex die Zahl SO erreicht.
Es muss erst weiteren Untersuchungen über-
lassen werden , ob dieses Resultat sich verallge-
meinern Lässt. —
Ich werde mir nun erlauben, Ihre Aufmerk-
samkeit auf einige Präparate zu lenken, die von
menschlichen Th eilen hergenommen und so zu-
bereitet sind , dass sie längere Zeit sich konser-
vireu lassen. Es haben diese Präparate für den
anatomischen Unterricht mehr Interesse als für
die Anthropologie, aber immerhin lassen sich die-
selben auch für anthropologische Zwecke ver-
werthen. Es besteht die Methode darin, dass
man einzelue Theile, z. B. Herzen, einen Arm
oder einen Fuss in eine Mischung von Glyzerin,
Salpeter und Zucker bringt. Es ist die Methode
ursprünglich von einem belgischen - Anatomen,
Van Vetter, angegeben worden, der sie aber,
so viel mir bekannt ist , nur für Bänder und
Muskeln empfohlen hat; für die Weiclitheilo ist
sie noch nicht angewendet worden. Ich habe
zuerst den V ersuch gemacht, nach dieser Methode
Herzen zu konserviren und kann das Experiment
als gelungen bezeichnen. —
Schliesslich ergreife ich die Gelegenheit, um
im Namen der Moskauer anthropologischen Ge-
sellschaft die Deutsche anthropologische Gesell-
l Schaft und alle Diejenigen, die sich für Anthro-
pologie interessiren , zur Theilnahme an der im
nächsten Jahre zu Moskau stattfindenden anthro-
pologischen Ausstellung einzuladen. Die Aus-
stellung hat den Zweck, alles was die vorge-
schichtlichen Alterthümer und die An-
thropologie im Allgemeinen und Russ-
lands im Besonderen betrifft, zu sammeln. Es
ist daher Jeder eingeladen, sich entweder durch Aus-
| Stellung von Gegenständen oder sonst zu betheiligen.
Eine Anzahl von Programmen liegt hier auf. —
Schädel Nr.
Missten Geschlecht Alter
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128
Herr Dr. Yirchow: Ich möchte zunächst ein I
paar Worte in Bezug auf die Klassifikation der
„Komplexion“ sagen. Ich fürchte , dass hei der '
Schwierigkeit, die es uns meist macht , mit den
llerreu Kollegen in Dorpat uns zu verstund i gen,
wir auf ein neues Gebiet der Kontroversen kom-
men , was möglicherweise durch bloss äussere
Missverständnisse herbeigoführt werden könnte.
Wenn wir von „Blonden“ sprechen, so meinen
wir nicht Mos blonde Haare. Die grosse Unter-
suchung über die „Blonden”, die wir in Deutsch-
land veranstaltet haben , und die ich ausgedehnt
habe auf Finnland , wobei ich meine Autorität
der der Hussen entgegenstelle, bezieht sich auf
die Gesaumitheit der äusseren Farben - Erschein-
ungen. Wenn wir kurzweg von blonder Kom-
plexion reden , so sch Hessen wir immer blaue
Augen und helle Hautfarbe mit ein. Wenn also
z. B. einer blonde Haare und braune Augen bat,
so setzen wir ihn in eine besondere Kategorie,
die des gemischten Typus. Wir haben 3 grosse
Abtheilungen : eine rein blonde, eine rein brünette
und eine gemischte; also für alle Fälle, wo blonde
Haare und braune Augen, oder blaue Augen mit
schwarzem Haar , oder dunkle Haut mit hellem
Haar zusaminenfallen , haben wir geratschte Ka-
tegorien. Der Haupttheil unserer Untersuchung
ist auf reine Typen gestellt und diese haben wir
so berechnet, dass wir den blonden und den brü-
netten Typus nicht etwa als comp lernen täre Er-
scheinungen betrachten , sondern dass wir jeden
derselben für jeden Bezirk selbständig ermitteln.
Es kann dahor Vorkommen, dass in ein und dem-
selben Bezirk vielo Braune und viele Blonde neben
einander existiren ; es schliosst sich dos an sich
nicht aus.
Sodann lege ich allerdings von meinem Stand-
punkte aus einen höheren Werth auf diejenige
Klassifikation , wie wir sie jetzt haben , die sich
auf die Jugend stützt. Ich habe gestern schon
erwähnt, dass das Nachdunkeln auch bei uns sehr
stark stattfindet ; es ist also selbstverständlich,
dass wir, je weiter wir in der Skala des Alters
heraufkommen . immer mehr braune Haare und
dunkle Haut finden, während sich mit den Augen
später bekanntlich nichts wesentlich ändert. Meiner
Auflassung nach aber hat gerade die jugendliche
Färbung für die Frage, die uns beschäftigt, das
wesentlichste Interesse, denn wenn ein Kind mit
blonden oder weissen Haaren geboren wird, so
haben wir allen Grund , anzunehmen , dass es
einer anderen ethnographischen Gruppe angehört,
als dasjenige, welches mit dunklen Haaren ge-
boren wird.
Auf alle Fälle mochte ich bitten, dass wir,
wenn wir diese Untersuchungen fortsetzen , uns
darüber verständigen, dass wir nicht einfach aus
der ganzen Bevölkerung herausrechnen, wie viele
Braune oder Weisse vorhanden sind, sondern dass
die Herren sich dareinfinden, die Misehtypon aus-
zuscheiden und gesondert darzustellen. Wenn wir
dieselben von vorneherein mit in die statistischen
Zusammenstellungen hineinbringen, so glaube ich,
kommen wir zu gar keinem Resultate.
Was dio ostbaltischen Schädel anlangt, so weiss
Herr Stieda, diiss ich mich damit schon einige-
mnle beschäftigt habe. Ich will mich hier dar-
auf beschränken, mitzutheilen, dass ich eine An-
zahl von Schädeln aus Kurland und zwar aus
semgailischen Gräbern habe, welche allerdings
darthun, dass an Stellen, wo niemals Liren ge-
sessen haben , w'o vielmehr immer eine lettische
Bevölkerung wrar, ein der Dolichocephalie zu-
stiebender mesocephaler Typus sich vorfindet. Es
wird eich später hernussteilen, wie weit das richtig
ist. Die Tendenz , aus den Esten wo möglich
Dolichocophalen und aus den Letten Brachycephalen
zu machen, wird sich auf die Dauer schwerlich
halten lassen.
Herr Dr. Sttadft (Dorpat): Ich kann nicht
unterlassen, Herrn Virchow den Dank auszu-
sprechen für die Theilnahine, die er unseren Na-
tionalen durch seine Untersuchungen zugewendet
hat, und hoffe, dass, wenn Differenzen in Bezug
auf die Untersuchungsresultate sich ergeben, die-
selben im Laufe der Zeit durch weitere Forsch-
ungen werden ausgeglichen und zu einem gemein-
samen , von Allen anerkannten Resultate i Ohren
werden. —
Herr Virchow : Ich habe um das Wort ge-
beten, um eine kleine Auseinandersetzung in Be-
zug auf die slavischen Funde in den öst-
lichen Theilon von Deutschland zu geben,
nicht deshalb, weil ich eigentlich viel Neues vor-
zutragen hätte, — vielleicht gerade n diesem
Kreise am wenigsten Neues, — sondern weil ich ge-
sehen habe, wie schwierig das Verständnis dieser
Verhältnisse für unsere Freunde im Übrigen Deutsch-
land ist. Ich kann mich dabei auf unseren kom-
menden Herrn Präsidenten beziehen , der mit
seiner Karte auf diese Schwierigkeiten stösst.
Vielleicht wird es zur Verständigung beitragen,
wenn ich in grosseren Zügen mittheile, was nach
meiner Vorstellung etwa darüber in der Haupt-
sache zu sagen ist.
Ich darf zunächst wohl hervorheben, dass die
Verbreitung der Slaven an sich oine rein histori-
sche Angelegenheit ist. Wir wissen aus der Ge-
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schichte ziemlich genau , wo die Grenzen waren.
So ist der östliche Theil von Holstein altslavisches
Gebiet, namentlich der Theil des Landes, den wir
morgen durchfahren werden. Unter dem , was
wir in Hamburg in der (jortigeu Altert hums-
Sammlung gesehen haben , was wir hier sehen
und was wir in Lübeck wieder sehen werden,
befindet sich eine grosse Reihe von Dingen von
alten, bekannten historischen Slavenplätzen. Na-
mentlich der Name Oldenburg, slavisch »Stargard, I
findet sich in jeder dieser Sammlungen vertreten.
Es war der Hauptplatz des alten W» grien.
Daran schliesst. sich das Land der P o 1 a b e r
an, dio im alten Lauenburg sassen, wo Sie mög-
licherweise durch die in Aussicht gestellten Aus-
grabungen sich weiter orientiren können. Dann
folgen die Ohotriten in Meklenburg und dann
eine grosse Zahl kleinerer Völkerschaften, welche
Rügen , Vorpommern und den nördlichen Theil j
der Mark einnahmen, Rjanen, Circipanier,
Tollenser, Khedarier, Ukrer, Heveller,
Spreeraner u. s. w. Dabei möchte ich be-
merken, dass der Name Pommern bis in die
spätere Geschichte hinein immer erst, von der
Oder angefangen hat ; bis dahin sassen die Ukrer
und das alte Pommern entspricht zum grossen
Theil dem heutigen Hinterpommern. Daran schliesst
sich weiterhin Pom ereilen, welches den öst-
lichsten Theil des jetzigen Pommern und ein
Stück von Weetpreussen bis an die Weichsel ein-
n&htn.
Ueberdie untere Weichsel hinaus wissen wir bis
jetzt nichts von Slaven und auch die neuere Unter-
suchung hat bi« jetzt nichts Sicheres ergeben, ob hier
jemals Slaven in grösserer Ausdehnung sassen. Hier
scheint ein alter Pflock, den die lettisch-preussische
Bevölkerung eingeschlagen hat, den slavischen An-
sturm gehindert zu haben. Auch archäologisch und
ethnographisch besteht hier eine scharfe Grenzmarke ; '
meines Wissens können keine nähoren Beziehungen j
naebgewiesen werden zwischen den lettischen und den
slavischen Stämmen der späteren Zeit. Ich hoffe, dass
wir Localforscher uns in dieser Beziehung im Ein-
verständnisse befinden ; ich habe mit möglichster
Sorgfalt jenseits der Weichsel bis nach Riga hin
die Sammlungen durchmustert, und absolut gar
keine Analogie entdeckt , welche archäologisch
einen Zusammenhang zwischen lettischen und west-
slavischen Stämmen ergäbe. Sie wissen, dass das
Lettische als Sprache dem Slavischen näher ver-
wandt ist, als einem anderen Gliede der Jetzigen
europäischen Sprachfamilie ; allein so steht es
nicht, dass man deshalb einfach die beiden iden-
tificiren könnte. Das Lettische, nach dom Ur-
theile der besten Kenner, — ich verstehe es
129
nicht, — zeigt, ebenso grosse Verschiedenheiten
von dem Slavischen . wie sie zwischen verschie-
denen anderen, nahe verwandten europäischen
Sprachen bestehen. So wenig .Jemand au« dem
Umstande, dass die Wurzeln Zusammenfällen, den
Schluss ziehen darf, das« Keltisch und Germanisch
identisch seien, so wenig kann man das von dem
Lettischen und Slavischen behaupten. Archäologisch
ist die Differenz eine absolute.
Die alten Slaven reichten also im Norden von
der Elbe, die hier eine scharfe Grenze bildet, bis
an die Weichsel, wobei zu bemerken ist, dass
diejenigen Inseln, welche sich unmittelbar der
Küste ansehliessen , wie Rügen, Fehmarn, noch
in’« slavische Gebiet hineinfalien. Insofern« konnten
also nicht nur die Herrscher von Pommern, Bran-
denburg und Meklenburg, sondern auch die hol-
steinischen und dänischen Regenten sich Herzöge
der Wenden nennen.
Weiter südlich überschritt die westliche Grenze
der Slaven die mittlere Elbe, schon in demjenigen
Gebiet, welches den südöstlichen Theil der jetzigen
Provinz, des früheren Königreichs Hannover bildet.
Da sassen, noch Ober dio Elbe herübergreifend,
slavische Stämme, deren Sprache sich bis in dieses
Jahrhundert erhalten hat. Noch weiter im Süden
schiebt sich die Grenze allmälig immer weiter west-
lich herüber. Die Altmark, ein grosser Theil der
Provinz Sachsen, das Königreich Sachsen waren einst
slavisch. Südlich vom Harz war der Andrang
der Slaven noch in der ersten Zeit, als die rück-
wirkende Gewalt des fränkischen Reiches wieder
die Inkorporirung des altgermanischen Landes an-
strebte, so erheblich, dass noch zur Zeit, als
Bonifacius im Fuldaischen das Uhrist ent hum pre-
digte, slavische Pioniere bis auf die westliche
Seite der Rhön vorgedrungen waren. Die Unter-
suchungen, welche Dr. Pin der in den letzten
Jahren im Fuldathal angestellt, hat , haben bi«
jetzt freilich keine bestimmte Anknüpfung an
das ergeben , was wir hier finden. Wenn man
die ganze Situation nach der Ueberlieferung der
alten Historiograph eo in’s Auge fasst, so erscheint
es mir auch immer noch zweifelhaft, ob eine
eigentlich sesshafte und organisirte Bevölkerung
bis in das alte Buchomen hin vorhanden war.
Wahrscheinlich w’aren es blosse Jagdplätze , die
in dem grossen Waldlande besucht wurden, und
es mag dahin gestellt bleiben, ob man die Grenze
der Slaven bis dicht an Fulda heranrücken darf.
Dagegen lässt sich allerdings nachweisen , dass
weit bis ins Saalthal aufwärts dieselbe Kultur
reicht, die wir als spezifisch slavisch beanspruchen.
Unser Zweigvereiu in Weissenfels reprftsentirt nach
meiner Vorstellung ungefähr das letzte Glied,
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130
welche» sich noch innerhalb früher slavisehen
Landes befindet. Oberhalb Naumburg dürfte bis
jetzt wohl kaum irgend eine wohl konstatirfce
Fundstelle vorhanden sein, an der man die Existenz
slav isolier Ausiedluog nach weisen könnte. Indess
oberhalb Weißsenfeis bin ich selbst noch auf Stellen
gewesen und habe die Plätze untersucht und kann
dafUr einstehen, dass sie archäologisch mit den
unscrigen übereinstimmen. Dann darf ich wohl
daran erinnern , dass das ganze Altenburgerland,
ein grosses Stück der Reussischen Länder, Ober-
fronken , ferner das ganze Mainthal bis nahe an
Wtirzburg hin, namentlich die Gegend von Bam-
berg, ein grosser Theil von Mittelfranken von
slavisehen Stämmen besetzt war , die , wie es
scheint, im Zusammenhänge mit den ('zechen
in Böhmen standen Es ist diess eine weitaus-
reichende Zunge slaviscber Hinterlassenschaft, wie ;
ein Besuch der Bamberger Sammlungen mit Leiehtig* |
keil erkennet» lässt. Die östlichen Theile des j
später sächsischen Landes , die Lausitz einge-
schlossen, gehörten den Sorben, an welche sich
die Schlesier und östlich an der Oder die
Polen anschlossen.
Wir kommen alsdann auf das besser futidirte
Grenzgebiet zwischen dem eigentlichen Bayern und
den Slaven in Oesterreich. Es ist Ihnon bekannt,
das« die Slaven bis in das heutige Tirol in die
rechten Nebenthäler des Inn hinein ihre Vorstösse
gemacht, hatten und dass die östlichen Tiroler
Thftler noch eine slavische Bevölkerung belassen.
So erstreckt sich die Grenze durch das Gebirg bis
nach Italion und Dalmatien, wo noch heute slavische
Bevölkerung durch das östliche Venetien und die
Küstenländer des adriatischen Meeres bis an die
Sudgrenze von Montenegro sitzt. Es ist aller-
dings eine sehr breite Zone und es hat eine barte
Kulturarbeit gekostet, um wieder eine germanische
Bevölkerung in Ländern, die sie früher innt* hatten,
sesshaft zu machen.
Innerhalb dieses grossen Gebietes lässt sich
merkwürdigerweise — und ich muss sagen, zu
meiner eigenen Ueberraschung in immer neuer
Bestätigung — eine gewisse Reihe von auffallend
monotonen Formen wiederfinden, welche mit grosser
Bequemlichkeit Anhaltspunkte für das archäologi-
sche Urtheil gewinnen lassen. Diejenige Einrichtung,
welche äusserlich am meisten hervortritt , und
welche auf unseren Karten späterhin in besonderer
Stärke sich kenntlich machen wird, sind die ver-
schiedenen Arten von Wällen. Wir können
unter ihnen in erster Linie zwei Hauptgruppen
unterscheiden, die E r d w ä 1 1 e und die Stein-
wälle. Letztere sind zugleich an sehr vielen
Puuktcn Sc hl ack e n w h! le, Brand wälle» in
solcher Vollständigkeit , dass sie den berühmten
schottischen Glasburgen , den Vitrißed Forts der
britischen Archäologie gleichkommen. Wir haben
Stellen, wo das Schmelzen der in Wallförm auf-
gehäuften Gesteine in solcher Ausdehnung statt-
gefunden hat, dass zuweilen wirkliche Ströme des
achmelzendes Gesteins über den Abhang geflossen
und selbst die härtesten Massen, wie Basalt, ver-
flüssigt worden sind. Als man zuerst auf die
Dinge aufmerksam wurde , glaubte man darin
Ueberreste der letzten eruptiven Thätigkeit zu
sehen , aber es sind oberflächlich zusammenge-
tragene Mauern, die freilich oft in zusammen-
hängenden Massen eine ofenartige Glasur ange-
nommen haben.
Auf den ersten Blick liegt nichts näher, als
die Gesammtheit der verschiedenen Wälle in
einen gewissen näheren Zusammenhang zu bringen.
Das ist auch zu wiederholten Malen in den ver-
schiedenen Landestheilcn geschehen. Ich möchte
in dieser Beziehung als warnendes Beispiel zwei
übrigens höchst verdienstvolle Arbeiten anführen.
welche zeigen, wohin ein etwas beschränkter Ge-
sichtspunkt leicht führt. Die eine Arbeit ist von
dem kürzlich verstorbenen Giese brecht ge-
macht worden und findet sich in der Zeitschrift
der pommerischen alt erthumsforscb enden Gesell-
schaft. Er hat zuerst das Verthoidigungssy stein
der alten Pommern dargestellt ; später ist er über
die Oder herüber gegangen zu anderen Stämmen
und schliesslich glaubte er gefunden zu haben,
dass jeder dieser Stämme ein besonderes System
von Vertheidigungen gehabt habe, und dass bei
jedem derselben gewisse Centralpunkte vorhanden
gewesen seien, auf welche man sich zurtickzog.
Leider war diese Arbeit eine rein literarische;
obwohl er es sehr bequem gehabt hätte, sich
selbständig an die Untersuchung zu machen , so
beschränkte Giescbrecht sich doch als guter
Historiker darauf, die Angaben Anderer zusammen
zu tragen. Nur an einer einzigen Stelle hat er
einen kleinen Schürfversuch gemacht. So ist es
gekommen, dass er eine Reihe von sehr unsicheren
Angaben verwerthet hat , deren Werth er nicht
beurtlieilen konnte, und dass er in seinem Geiste
allerlei zusammenfügte, was in dieser Art sofort
verschwindet, wenn man die einzelnen Verhältnisse
des Landes direkt untersucht.
Der andere Versuch ist von unserem Mit-
glieder dem jetzigen Major Schuster in Dresden
gemacht worden , der darüber auf der Dresdener
Versammlung Einiges mittheilte. Er hat dasVer-
theidigungssystera der Lausitz zum Gegenstaude
seiner Untersuchungen gemacht und ist zu diesem
Zwecke von dem Lausitzer Gebirge aus bis an
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die Warthe bei Schriinm, nahezu an der Grenze
de« heutigen Königreichs Polen, gegangen. Wenn
man seine Karte betrachtet, so sieht man aller-
dings ein „System“, nach welchem das Lausitzer
Gebirge als Vertheidigungsbasis erscheint ; dann
folgt eine Reihe von Steinwallen, weiterhin, mehr
zerstreut, eine Reihe von Rund- und Langwallen.
Es macht einen imponirenden Eindruck, wie sich
gegen das Centrum des Gebirges hin die Walle
Haufen und von da weithin auseinander gehen.
Aber dieses Auseinandergehen ist dadurch ent-
standen , dass Schuster nicht genügende Ma-
terialien über dio entfernteren Gebiete fand : je
weiter er von der Lausitz sich entfernte, und je
mehr er angewiesen war auf zerstreute Mitteil-
ungen in Gesellschaftsschriften, um so loser wur-
den seine Aufzeichnungen. Wenn wir jetzt mit
neuen Kenntnissen an die Sache gehen, so sind
wir in der Lage, die Peripherie ebenso dicht zu
machen wie das Centrum ; es gibt eine ganz an-
dere Karte. Wenn man sich an eine bestimmte
Stelle macht und alles Vorhandene fixirt, wahrend
man von den Dingen umher nicht viel weiss, so
ist es selbstverständlich, dass man ein Verhältnis!»
bekommt , wo man in der Mitte dichte Flecke
und in der Peripherie wenig oder nichts findet.
Wenn ich jetzt ein Bild über dio Burgwälle
Poggtis entwerfen würde , so würde ich auch
solche Bilder erhalten. Ich bin aber überzeugt,
dass, wenn wir weiterforschen, ein ganz anderes
Bild hcruuskommen wird.
Ich will jedoch nicht leugnen, dass in kleineren
Kreisen sich gewisse nähere Beziehungen einzelner
Gruppen von Wällen feststellen lassen. Wir haben
gerade in der Mark Brandenburg sehr eigentüm-
liche Verhältnisse, welche durch alte, geologische
Verhältnisse des Landes bedingt sind. Der Theil
des Landes, welcher nördlich von der Havel liegt,
ist offeubar bis in die historische Zeit herein eine
Art von Archipelagus gewesen; er bestand aus
einer Reihe von Inseln , welche durch seichte
Wasserztige, die mit der Elbe und Oder kom- I
munizirten , getrennt waren. So ergab es sich j
mit Notwendigkeit , dass diese Inseln zunächst
besiedelt wurden, während die dazwischen liegen- [
den nassen Strecken, das, was man slavisch Luch
nennt, erst, nach und nach gangbar wurde ; jeden-
falls waren die Luche nicht wesentlich bewohnt.
Mau findet auf diesen ungeheuren Moorflüchen,
welche für den Torfstich verwert het wurden, bei-
nahe gar nichts, obwohl die Moore ungemein
dankbare Berger des werthvollsten Gutes, nament-
lich der Bronzen, sind. Anders ist es auf den
Inseln, welche in historischer Zeit als besondere
Länder erscheinen, z. B. der terra Ruppin, welche
| die reichsten Funde ergeben. Hier findet man
I an verschiedenen Stellen die Zugänge mit Burg-
I wällen besetzt, die offenbar als Vertheidigungs-
mittel hingestellt waren; das machte sich gewiss
ganz natürlich , da inan im Umfange der Inseln
die Burgwälle vertheilen musste. Im Uebrigen
aber muss ich sagen , dass ich nichts aufweisen
kanu, was dem Godankon Raum gäbe, dass in eiuem
der grösseren altslavischen Länder einmal ein „Sy-
stem“ befestigter Plätze im Sinne moderner Kriegs-
führung existirt habe. Was Herr Schuster be-
schreibt, das setzt voraus, dass einstmals ein ein-
heitliches, grösseres, consolidirtes Reich existirtc,
ein Stamm, der so weit in sich geschlossen war,
dass er ganz bestimmte Gebiete für sich in An-
! sprncb nahm und dass er sich auf diesem Gebiete
mit systematischer Sorgfalt einrichtete. Ein Ver-
theidiguugssystem könnte man sich vorstellen,
wenn zu irgend einer Zeit ein bestimmtes Reich
existirt hätte, welches ähnliche Dimensionen ge-
habt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Es hat
niemals ein solches Lausitzisches Reich gegeben,
niemals einen Herrscher , der etwa vom Gebirge
aus weithin Alles beherrscht hätte. Alle diese
Slaven Völker bildeten ein sehr loses Gemisch klei-
nerer Stämme, die uns ja eben desshalb in die
höchste Verlegenheit setzen, weil auf wenige
Meilen Entfernung immer wieder ein neuer Stamm
erscheint, nicht blos gelegentlich bei Kriegen mit
deutschen Kaisern, sondern immer wieder an den-
i selben Stellen. Aber diese Stellen sind oft nicht
so gross, wie heutzutage die landrttthlichen Kreise
in Prcussen. Dieser Zersplitterung gegenüber ist
es selbstverständlich , dass die Zahl der Namen,
welche wir von diesen Landschaften kennen, immer
grösser wird, je näher wir an die westliche Grenze
kommen ; da sitzen die Stämme ganz dicht. Je
nachdem die Kriegszüge Heinrich des Löwen oder
noch früher die Feldzüge der sächsischen Kaiser
in's bolstein’sehe Land oder gegen Polen oder
gegen die Elb- und Havelstämme gerichtet, waren,
erscheinen immer neue Völkernamen, treten immer
neue Landschaften auf, deren Bezeichnungen sieh
zum Theil noch erhalten haben. Je weiter wir
dagegen nach Osten zurückgehen , um so mehr
breiten sich die Stämme über immer grössere
Flächen aus; je grösser, je weiter östlich. Dar-
aus kann mau schliessen, dass es lauter getrennte
Herrschaften waren, die verhttltnissmttssig kleine
Gebiete umfassten. Wir wissen genau, dass das
alte Pommern, als es christ ianisirt wurde, nicht
i weiter reichte, als von der Oder bis in die Gegend
I vom heutigen Varzin ; darüber hinaus war die
Herrschaft des Herzogs zu Ende.
leb habe einen zweiten Irrthum hervorzu-
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heben, der dieße Art der Betrachtung wesent-
lich alterirt hat, nemlich die verschiedene Chro-
nologie, die wir nothwendigerweise diesen Be-
festigungswerken beilegen müssen. Alle Betracht-
ungen über Vertheidigungs- Systeme stützen sich
auf die Annahme des Synchronismus der verschie-
denen Walle. Ich kann vielleicht für mich die
etwas arbeitsame Leistung in Anspruch nehmen,
für einen grossen Theil dieser Plätze durch per-
sönliche Untersuchungen und immer wiederholte
lokale Recherchen den speciellen Nachweis ge-
führt zu haben, da»s man absolut ausser Stande
ist, ira Voraus zu berechnen, in welche Zeit
dieser oder jener Wall gehören mag. Man kann
nicht sagen, dieses Gebiet enthalt eine bestimmte
Art von Wallen , sondern sie schieben sich ver-
schiedentlich durcheinander. Auch kommt es oft
vof, dass in demselben Walle sich Schichten ver-
schiedenen Alters unterscheiden lassen. Ich fand
nun. dass wir ira Wesentlichen zwei sichere Kate-
gorien von ErdwUllen haben. Die eine fasse ich
als slavisch auf, wobei ich mich im Einklänge
befinde mit den früheren Untersuchungen von
Herrn Lisch, der speciell für Meklenburg dei)
historischen Nachweis geliefert hat , dass eine
Reihe von grossen Burgwallen mit den historisch
bekannten festen Plätzen, welche in den Kriegen
der Deutschen genannt werden, zusammenfallt.
Ich werde darauf zurüekkonunen. Dieser Species
gegenüber aber haben wir eine andere Kategorie,
welche nach dem Habitus ihrer Einschlüsse —
und in dieser Beziehung muss ich mich in erster
Linie immer auf das Thongeschirr beziehen —
davon gßnzlich verschieden ist. Der Berliner
Verein hat erst in der letzten Zeit oine nach
dieser Richtung hin sehr interessante Arbeit ver-
öffentlicht , die mir von einem eifrigen Alter-
thumsforscher in Böhmen, Herrn L. Schneider,
zugegangen war „ über böhmische BurgwUlle a
(Sitzungsbericht vom 22. Februar 1878. Taf. VI).
Dieselbe bestätigt auch für Böhmen die volle
Richtigkeit der bei uns gewonnenen Resultate.
Wir kennen , um nur ein Beispiel anzul’ühren,
keinen altslavischen Burgwall, in dem ein Thon-
GefÜss mit einem Henkel vorkam; alle diese Ge-
fUsse sind henkellos , und wenn wir also einen
einzigen Henkel finden, so haben wir, wenn auch
nicht die Sicherheit, so doch wenigstens den Ver-
dacht , dass dieses kein slavischer Burgwall sei.
Natürlich können auch auf slavische Burgwälle
nachträglich Henkeltöpfe gelangen. Es gibt eine
modernere Sorte , meist glassirt und gut ge-
brannt , welche die Hirtenjungen und andere
Besucher liegen lassen ; auch trifft man nicht
selten mittelalterliche Scherben, von -.ehr fester,
klingender Irdenwaare und stark gebrannt. Wir
haben sie allmälig unterscheiden gelernt. Ist
doch an manchen Orten derselbe Burgwall bis in
das eigentliche Mittealter hinein als fester Punkt
benutzt worden , so dass sich historische An-
knüpfungen gewinnen lassen. Die Mehrzahl der
gehenkelten Töpfe gehört aber einer wesentlich an-
deren Gruppe an ; sie stimmen mehr oder
weniger überein mit Gräberfunden , die wir einer
vorslavischen Zeit zuschreiben. Da ,,vorslavisch‘‘
für uns in erster Linie ,, germanisch“ bedeutet,
so sind wir meist geneigt , sie sofort als ger-
manisch zu bezeichnen , obwol ich anerkenne,
dass es schwierig ist, nach dieser Richtung hin
eine Grenze zu ziehen und etwa die Möglichkeit
auszuscheiden, dass eine noch ältere Bevölkerung
in Frage kommt. Unter diesen vorslavischen
Burg wällen befinden sich einige unserer grössten
und ausgezeichnetsten. Ich will nur einen nennen,
der am leichtesten erreichbar ist. Mitten im
Spreewalde liegt in einer weiten Sumpfgegend
ein sehr umfänglicher Burgwall , an den sich
eine Reihe von Sagen knüpft, welche ihn mit der
slavischen Geschichte verknüpfen wollen. Allein
die Untersuchung desselben ergab, dass seine
Einschlüsse von denen der slavischen BurgwUlle
ganz verschieden sind. Eher könnte inan ihn
in Beziehung zu den Stein wällen setzen.
Die Steinwälle sind eine sehr merkwürdige
Erscheinung. Sie finden sich fast ausschliesslich auf
den basaltiseUeu und doleritischen Kegeln, welche
nördlich vor dem Lausitzergebirge die Ebene
durchbrochen haben. Aber sie stimmen ganz
überein mit den Steinwällen , welche in grosser
Zahl in Böhmen Vorkommen. Es ist das an sich
nicht zu verwundern, da das Gebirge keine schwie-
rigen Durchgänge besitzt. Wenn wir aber zu beiden
Seiten des Gebirgos (auch in Schlesien) analoge Ein-
richtungen troffen, so ist es meiner Meinung nach
ganz unmöglich, sie blos auf einer Seite zu be-
trachten. Unter diesen Stein wällen sind aller-
dings einzelne, in denen wir slavische Sachen
finden; in anderen dagegen wurde bis jetzt da-
von nichts gefunden , in anderen endlich über-
lagerten die slavischen Sachen die vorslavischen,
so dass ich geneigt bin anzunehmon, dass viel-
leicht die grössere Zahl der eigentlichen Stein-
wälle der früheren Zeit angehören. In Böhmen
liebt man es , sie als coltisch anzusehen Es
liegt das in Böhmen einigermassen nahe, da hier
eine celtisohe Vorbevölkerung bezeugt wird.
Könnte ein bestimmter Anhalt für eine cel-
tische Invasion Über das Lausitzer Gebirge in
unsere Gegenden gewonnen werden , so wären
in der That die Steinwiille dasjenige , was
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am hegten Bich für eine solche Deutung dar-
böte.
Auf der anderen Beite gibt es eine ungemein
wichtige Beziehung der Burgwälle zu den Pfahl-
bauten. Alle Pfahlbauten unseres Gebietes,
welche mir spezieller bekannt geworden sind,
halte ich für slavisch. Die einzigen, für welche
ich keine Garantie übernehmen kann , sind die
meklenburgischen , namentlich der von Wismar.
Was sich sonst in Pommern, Posen und der
Mark findet , das sind lauter Einrichtungen,
welche der slavischen Periode angehören ; sie
stimmen archäologisch vollständig überein mit
den slavischen Burgwällen. Diese Uebereinstim-
nmng gibt sich schon darin zu erkennen , dass
manche unserer Burgwälle in unmittelbarem An-
schlüsse an Pfahlbauten angelegt sind , so z. B.
dass auf der Halbinsel , welche sich in den 8ee
erstreckt, ein Burgwall liegt und an deu Rändern
der Halbinsel die Pfahlbauten stehen. Zuweilen,
wie in Daher, bilden die Pfablwerke gemeinsame,
dem Walle sich anschliessende Linien, und der
Burgwall steckt mitten in dem Vertheidigungs-
werke oder der Ansiedlung drin. Nachdem ich
diese Beobachtung zuerst am Dabersee gemacht
hatte, gelang es mir später auch solche Burg-
wälle aufzufinden , welche auf Pfahlbauten er-
richtet worden sind. Nicht allzuweit von der
Gegend , wo nach der Schilderung der mittel-
alterlichen Schriftsteller die grosse Tempelburg
Rothru gestanden haben soll, habe ich in einem
See der Uckermark einen Burgwall untersucht,
bei dessen Abräumung im Grunde ein grosser
geschichteter Pfahlbau zu Tage kam. Es is das
ein Verhältnis:*, von dem ich ausdrücklich kon-
statiren will, dass es mehrfach missverstanden
wird. Es gibt nemlich einzelne Burgwälle, bei
denen weiter nichts vorhanden ist, als dass man
auf dem Moorboden erst eine Art von Rost bar-
gestellt bat , auf welchen man die Erde auf-
schichtete ; das nennen manche auch einen Pfahl-
bau. Was ich meine, ist aber etwas ganz anders.
Ich unterscheide die Burgwälle, welche auf Rosten
in Sümpfe . auf einem Packwerk von Holz in
ein Moor hineingebaut sind , und solche, welche
auf wirklich bewohnt gewesenen Pfahl-
bauten stehen. Es gibt also 3 ganz verschie-
dene Kategorien von Burgwällen : die unmittel-
bar geschütteten, die auf Pack- und Fasehinen-
werken erbauten und die über wirklichen älteren
Pfahlbauten errichteten. Alle drei Arten können
slavisch sein ; man kann es im Voraus nicht
unterscheiden. Indess mit einem Fragezeichen
für die meklenburgischen Stellen, kann ich doch
sagen, dass wrir keineu wohl konstruirten Pfahlbau
in diesen Landen kennen, der nicht der slavischen
Periode angehört. Natürlich schliesse ich dabei
Alles aus , was , wenn ich mich so ausdrücken
darf, bloss pfahlbauähnlich ist.
Ausser Wällen und Pfahlbauten gibt es noch
ein Drittes, das sind die einfachen Ansiedel-
ungen (Wohnplätze). Sie finden sich an ver-
schiedenen Stellen , auf kleinen Inseln in Seen,
auf Abhängen am Ufer von Seen , auch im An-
schlüsse an die Wälle. Man trifft dort Kohlen-
stellen und verschüttete Löcher in grosser Zahl,
die mit allerlei Ueberresten von Hausgeräth und
und Nahrungsmitteln gefüllt rind. Nach und
nach ist eine ziemlich grosse Zahl von Wohn-
stelien ermittelt worden, welche wfir dieser Periode
zuschreiben können.
Nun hatte man zu der Zeit, als wir in die
Untersuchung eintraten , sehr weitgehende Vor-
stellungen über die alten Begräbnissstellen.
Der Name der Wenden-Kirchböfe war verbreitet
Uber alle unsere Länderstriche ; ja, die Mehrzahl
aller der verschiedenen und ungemein urnenreichen
Felder mit Brandgräbern wurde beinahe ohne
alle Reserve der - slavischen Bevölkerung zuge-
schrieben. Je weiter wir jedoch in das eigent-
liche Studium der slavischen Archäologie ge-
kommen sind, umsomehr verschwand das System
der Wendonkirchhöfe uns unter den Händen,
einer nach dem anderen , weil die Fundgegen-
stände nicht blos im Grossen und Ganzen, sondern
auch im Detail absolut verschieden von all dem
sind, was wir in den slavischen Burgw’ällen ge-
funden hatten.
Es ist sei bst verständlich , dass , wenn man
z. B. zwei wenig auseinanderliegende Burgwälle
hat und zwischen beiden ein Gräberfeld liegt, wo
vielleicht tausende von Urnen beigesetzt sind,
man sich leicht vorstellt, dieses Urnenfeld müsse
der Kirchhof sein, den die Leute der Burgwälle
benützt haben. Wenn man dann Tage lnng gräbt
und auch nicht einen einzigen Scherben in den
Burgwällen erhält, der eine wenn auch nur ge-
ringe Aehnlichkeit mit einem Scherben aus einem
der Gräber hat, was dann? Denken Sie z. B.
an die ausgezeichneten Henkelbildungen, die man
in den Gräbern findet , und von denen man in
den Burgw'Ulleu nicht eine einzige ftntrifft. Ein
Topf, den man in der Küche braucht, ist mit
einem Henkel annehmlicher, als ein Topf, den
man in’s Grab stellt. Man sollte meinon, die
Leute, die in’s Grab gehenkelte Gefässe stellten,
hätten sie auch in der Küche gebrauchen können.
Und doch besitzen wir kein einziges Stück davon.
Zahlreiche andere Beweise der Verschiedenheit
übergehe ich liier. So sind wir dahin gekommen,
8*
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diese sogenannten Wenden-Kirchhöfe aufzulösen
und sie für vorslavische zu erklären. Aber wir sind
damit in eine andere Verlegenheit gekomineu,
insoferne als wir, nachdem diese Form der Be-
gräbnisse sich der bisherigen Betrachtung entzog,
nichts Hechtes an die Stelle zu setzen hatten.
Und doch ist es eine alte Tradition, welche sich
namentlich durch die Historiographen fortgesetzt
hat, dass die Leichen Verbrennung bis zur Christi-
anisirung dieser Länder bei den Slaven überall
gangbar gewesen sei. Die natürliche Voraus-
setzung war, dass man Stellen finden werde, wo
die slavischcn ßr&ndgräher etablirt und die ßrand-
kuochen beigesetzt waren.
Jetzt erst, im Laufe der letzten Jahre , hat
sich die Aufmerksamkeit auf das entgegengesetzte
Verhältnis» gerichtet. Wir sind allmülig dahin-
gekommen, eine Reihe von S k eiet gr übern in
Frage zu ziehen, ob sie vielleicht der slavischen
Periode angehören möchten. Es ist freilich hiß
jetzt nicht möglich gewesen , gerade nach dieser
Richtung hin ausgiebiges Material für das ganze
Gebiet za sammeln , von dem ich hier spreche.
Jeder, der sich einigermassen um den Gang uuserer
Untersuchungen bekümmerte, weiss, dass erst im
Laufe der letzten 10 Jahre die Skeletgräber mehr
und mehr zum Gegenstand der allgemeinen Auf-
merksamkeit geworden sind. Manche Dinge ent-
ziehen sich lange der Kenntnis® der Wissenschaft ;
das liegt einmal im menschlichen Entwicklungs-
gänge. Auch begreift sich das Einmal hat man vor
menschlichen Leichen einen gewissen Respekt ;
der Bauer namentlich , der einen Schädel findet,
möchte ihn wo möglich recht bald wieder unter
die Erde bringen. Anderen Menschen war ein
Schädel ein Gegenstand der Gleichgiltigkeit, sie
suchten nach Gold , Silber , Erz und anderen
schönen Dingen ; eine Urne machte einen ange-
nehmen Eindruck auf ihr Herz, aber das Skelet
zerklopften oder verwarfen sic. Auch das Eisen,
das vielleicht dabei war. bot in seiner verrosteten
Form wenig Interesse, sie warfen es bei Seite;
die Bronzen wurden verkauft und eingeschmolzen.
Auf diese Weise wissen wir von der Mehrzahl
der älteren Funde fast gar nichts. Wenn man
jetzt die Sammlungen durchgeht, so sieht man
freilich, dass doch allerlei Wichtiges auf diesem
Wege zusammengekommen ist, aber man wurde
nicht eher aufmerksam darauf, als bis die wahre
Bedeutung dieser Dinge an’s Licht gebracht war.
Ein wirklich grosser Fortschritt war nicht möglich,
ehe man nicht auch die Schädel „Schätze“ ge-
nannt hat.
Ich will es ollen sagen, wir nehmen das mit
als einen Gewinn unserer Thätigkeit in Anspruch,
! dass von dem Augenblicke an, wo die Menschen
wissen, dass es ein Interesse hat, alte Schädel
aufzubewahren, sie auch andere unscheinbare Dinge
aufbewahren, die dabei gefunden werden. Unter
diesen unscheinbaren Dingen ist es ein Gegen-
stand gewesen, der neuerlich die Aufmerksamkeit
der Gelehrten auf sich gelenkt hat, hauptsäch-
lich seit der Arbeit des Herrn Sophus Müller,
nemlich eine besondere Art von Schläfen-
oder Ohrringen; ich habe in Konstanz darüber
I berichtet uud seither weitere Untersuchungen an-
gestellt. In der Regel findet mau diesen Ring,
aus Bronze gefertigt , in der Ohrgegend der
Skelette. Es ist ein eigenthümlicher , offener,
grosser Ring mit einem stumpfen und einem ein-
gerollten Ende, übrigens ganz einfach. Wie es
scheint, kann er als ein ganz konstantes Zeichen
slavischer Herkunft angesehen werden. So hat man
ihn von Thüringen bis Uber die Weichsel hinaus
angetroffeu, überall da, wo einst Slaven gesessen
haben. *)
Ich hoffe, dass wir in Beziehung auf die
Slavengräber im Laufe der nächsten Jahre erheb-
lich weiter kommen werden, und ich kann auch
hier speziell für das wagrische Land nur den
dringenden Wunsch aussprechen, dass mit mög-
lichster Sorgfalt gerade die Skeletgräber erforscht
werden möchten. Es ist das das grösste Desi-
derat ; wir bedürfen solche Erfahrungen zur Ver-
vollständigung der Archäologie der slavischen
Periode dringend. Bis jetzt sind wir noch so
arm an Schädeln aus den verschiedenen Gegen-
den des alten Slavenlandes , dass es vermessen
sein würde , ein abschliessendes Urtbeil darüber
ausspreebeu zu wollen. Besondere Schwierigkeiten
sind von vornherein hervorgetreten. Während
man bis dahin nach ltetzius alle Slaven als
Brachyccphulen angenommen hatte , fanden sich
in diesen Gräbern Dolichocephale oder zur Doli-
choceplialie hinneigende Mesoccphale, aber keine
Brachycephalen. Wir Allo haben daher Anfangs
geglaubt, das müssten erst, recht vorslavische d. h.
germanische Gräber sein. Allmälig kehrt sich
die Betrachtung um. Was früher als germanisches
Gräberfeld erschien , das erscheint jetzt als sla-
vische Begräbuissstelle und umgekehrt. Sie wissen,
welche Schwierigkeiten es hat, aus einein solchen
Gewirrc herauszukowmen und welche Sorgfalt
uoth wendig ist, um eine feste Grundlage zu ge-
winnen , auf der weiter gebaut werden kann.
Aber endlich sind wir so weit, dass wir sagen
*) Erst im Laufe dieses .Sommers bin ich darauf
aufmeiks.'im geworden, dass kleinere silbern? Hinge
dieser Art einen häufigen Best nndt heil der arabischen
SillH-rfuiide in andren Gegenden ausmachen.
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135
können, wir haben Anhaltspunkte gefunden, um
auch die Grabstätten der Bevölkerung, welche die
Burgwttlle benutzte , die Pfahlbauten errichtete,
grosse Ansiedelungen gründete, nachzuweisen.
Nun werden Sie mich vielleicht fragen, mit
welcher Sicherheit kann man das schließen? ln
dieser Beziehung habe ich zwei unzweifelhafte
That&achen anzuführen. Einmal den Nachweis,
dass eine gewisse Zahl dieser Burgwälle positiv,
historisch slavisch war. Also z. B. um hier an-
zufangen : Oldenburg oder Stargard in Wagrien
war eine slavische Burg , die in den uns genau
überlieferten Kämpfen der Deutschen mit den
Slaven genannt wird ; wir wissen auch, dass, als
die Slaven zurtickgeworfen wurden, gerade hier
die Einwanderung der Völkerschaften stattfand,
welche Graf Adolf von Holstein von Holland,
Flandern und dem Rheine hierher rief. Sysel,
ebenfalls eine solche alte Burg, an deren Ueber-
resten Sie vorüberfahren werden, war der einzige
Platz , wo nach dem Zeugnisse von H e 1 m o 1 d
eine friesische Kolonie angesiedelt wurde; bald
nachher spielte es in weiteren Kämpfen mit den
Slaven eine Rolle. Das sind also spezielle Orte,
Uber deren Authentizität kein Zweifel sein kann.
Die meklenburgischen Burgwällc sind fast alle
aus der älteren Geschichte bekannt ; man weiss
genau , wie sie bieesen. Die Burgwällc von
Rügen sind alle bekannt, da sie in den schweren
Kämpfen der Slaven mit den Dänen einzeln her-
vortreten, von der grossen Tempelburg Arkona
an bis zu den kleineren, die im Lande zerstreut
sind. Das sind Plätze, die im 12. und 18. Jahr-
hundert in der bestimmtesten Welse als solche
Stellen bezeichnet werden, wo nicht blos ein Fort
oder eine Stadt existirte, sondern an welche zum
Theil die höchsten hierarchischen Institutionen des
Landes anknUpften. So Bicher als man Olympia
konstatirt hat, so sicher kann innn auch Arkona,
Meklenburg, Altlübek, Oldenburg etc. konstatiren.
So habe ich mit gleicher Sicherheit den Platz
fllr Julin in Pommern festgestellt. Wenn wir
also auch zunächst alles Unsichere ausscheiden
und nur dasjenige, was urkundlich feststeht, Platz
greifen lassen, so gewinnen wir doch ein ganz
sicheres Fundament für unsere Urzeit.
An allen diesen Orten finden wir eine gewisse
Reihe, von Dingen, die wir, wie die Leitmuschel
des Geologen, bei der Feststellung weiterer Gruppen
benutzen können. Darunter ist namentlich die
Verzierung des Thongeschirres zu erwähnen. Eine
der am häufigsten vorkommenden und am meisten
charakteristischen ist diejenige, welcho ich das
Wellenornament genannt habe. Man sieht
sie überall an den Scheiben eingeritzt, gewöhnlich
so, dass mehrfache, mit einer mehrzinkigen Gabel
über den Thon gezogene Wellenlinien horizontale
Gurten bilden. Dieses Ornament ist ganz kon-
stant in der ganzen Ausdehnung der westslavi-
schen Länder, in Deutschland, Polen, Böhmen und
Mähren. Herr Schneider, der vor einigen
Monaten eine Reise durch Galizien bis an die
Grenzen von Bessarabien machte , fand in der
Nähe von Chotyin am Dnioster einen Burgwall
mit Scherben mit denselben Ornamenten. Es ist
aber nicht bloss dos eine Ornament charakteristisch,
sondern es gibt eine ganze Reihe von anderen,
z. B. Reihen von kleinen Punkten , die hinter
einander in schiefen Linien der Oberfläche ein-
gedrückt sind. Zu diesen, zum Theil sehr schönen,
feinen Ornamenten tritt als diagnostisches Merk-
mal eine Reihe von negativen Umständen : das
Fehlen der senkrechten Anordnung der Wellen-
linien, das Fehlen der mehr geometrischen , der
ausgedaebten Stilformen, wie sie sich an den vor-
slavischen Dingen fiuden. Dazu kommt der Mangel
aller der besonderen Ausstattungen , nicht bloss
der Henkel , sondern namentlich der Buckel und
Vorsprünge verschiedenster Art, wie sie gerade
an Graburnön so häufig sind. Und endlich — und
das ist. nicht das geringste — die ganz auffällige
Prävalenz, mit der das Geschirr auf der Töpfer-
scheibe gearbeitet ist , während in der älteren
Periode trotz grösserer Eleganz und Feinheit die
freie Handarbeit, dominirt. Herr Schneider
geht so weit, dass er behauptet. , jedes gedrehte
Stück sei slavisch , jedes aus freier Hand ge-
formte germanisch oder keltisch, was meiner Er-
fahrung nach nicht zutrifft
Das andere, was ich als ein bestimmtes chro-
nologisches Kennzeichen anführen muss, sind die
Münzfundc. Wir kennen eine grössere Reihe von
Funden, wo in Töpfen , welche ganz genau dem
Styl dieser Periode angehören, Münzen, zuweilen
in grosser Menge, aufgefunden sind. Wir haben
jetzt schon ein Halbdutzend von Stellen, wo die
bestimmte Topfform mit wohl konstatirten Münzen
zusammentraf. Ein grosser Theil dieser Münzen
gehört, abgesehen von den sogenannten Wenden-
pfennigen und den mehr barbarischen Nachbild-
ungen deutscher oder fremder Münzen , der Zeit
der sächsischen Kaiser an. An diese schliesst
sich eine zweite sehr wichtige Gruppe an, welche
fü^ die archäologische Betrachtung von höchster
Dignität ist. Das sind aus dem Orient stammende
Münzen, arabische und kufische. Es ist
seit langer Zeit bekannt , dass ein arabischer
Hundeiszug sich nach weisen lässt, der wahrschein-
lich im lü./ll. Jahrhundert seino grösste Stärke
hatte, und der während dieser Periode eine Reihe
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136
von Produkten des Orients und darunter nament-
lich Münzen in grosser Zahl und von sehr si-
cherem Gepräge in unsere Lander gehracht hat.
Es ist sehr merkwürdig . dass , während dieser I
arabische Handel über die Ostsee hinaus nach l
Dänemark , Schweden , ja sogar noch an einige i
Stellen der englischen Küste reicht, es his jetzt 1
keinen Ort jenseits der Elbe gibt, an dem jemals
etwas Erhebliches der Art gefunden worden wäre.
Bei uns sind Tausende von Silbersachen zu Tage
gekommen, die man, auch wo Münzen fehlen, auf
orientalische Typen zurüekfUhren kann ; aber die
westliche Grenze liegt an der Elbe. Sie werden
im Kieler Museum einige recht interessante, wenn
auch nicht gerade reiche Funde dieser Art sehen ;
diese Provinz ist ein etwas armes Gebiet , viel-
leicht auch ein etwas verwahrlostes. Die reichsten
Sachen finden sich in Stockholm. Indessen, was
Sie hier sehen , genügt , um mit voller Evidenz
zu sagen , es ist ein und derselbe Handelszug.
Noch etwas Anderes ist sehr merkwürdig: wah-
rend dieser Handel an der Elbe abschneidet , also
seit der Zeit der Karolinger mit der Grenze der j
Deutschen , so schneidet er auch im Lande der j
Slaven quer durch. Wir haben z. B. noch nie
in dem Gebiete südlich von der Havel und Spree
gegen das Gebirge , namentlich in der Lausitz,
bis jetzt solche Dinge gefunden; die Grenzlinie
geht gegen Osten schräg herüber bi» in die
Gegend von Frankfurt a. d. Oder. Dann erst
kommen wir auf südlichere Funde, die in neuerer I
Zeit vermehrt worden sind, in der Provinz Posen. I
Dort beginnt ein östlich fortlaufender Zug , der i
nach Russland geht und der sich bis zur Wolga
hin verfolgen lässt. Er führt nicht , wie es
scheint, zum Dniester oder Dnieper, sondern auf
die Wolga hin. Da erreichte er den aus den
arabischen Schriftstellern bekannten grossen Han-
delsplatz Bulgar, die Hauptstadt der Bulgaren j
An der Wolga; von da ging er nach dem alten
Astrachan und über das kaspisehe Meer in die 1
orientalischen Länder.
In dieser Zeit haben wir also eine chrono-
logisch gut Charakter iairte Ornamentik und einen
bestimmten Handelsverkehr, der jedoch mit Aus-
schluss des eigentlich deutschen Landes und einer
Zahl slavischer Länder geführt ist. Mir ist nicht
bekannt, dass in Böhmen etwas gefunden worden i
ist, was diesen Sachen gliche. Dieser Handel. s^ug I
bezieht sich auf kein bestimmtes Volk, ebenso j
wie jetzt der Handel in Afrika, der sich in ge- |
wisse Radien von der Küste aus zu den ver* [
schiedensten Stämmen erstreckt. Es wird die I
Aufgabe der nächsten Zukunft sein, zu ermitteln,
wie dos zusammenhängt. Ich habe eine ganz .
ausreichende Erklärung nicht finden können, warum
die Küstenländer der Ostsee bevorzugt und die
Binnenlandschaften ausgeschlossen worden sind.
Ich halte es für keinen Zufall, dass Über eine
gewisse südliche Linie hinaus von diesen Dingen
nichts gefunden worden ist.
Dabei möchte ich, um etwaigen Missverständ-
nissen nach dieser Richtung hin vorzubeugen, be-
sonders hervorheben , dass um dieselbe Zeit in
Süd- und Westdeutschland selbst, zum Theil schon
früher , sich gleichfalls orientalische Beziehungen
finden, aber vorzugsweise mit Byzanz. Es kom-
men Beziehungen zwischen den fränkischen und
den späteren sächsischen Häusern und den by-
zantinischen Kaisern; es kommen Vermählungen
von byzantinischen Prinzessinen mit deutschen
Fürsten, Gesandtschaften von da, es kommt der
Import von allerlei Schmucksachen , und es ist
daher selbstverständlich, dass wir auch auf diesem
Wege parallele Einwirkungen erkennen. Ich unter-
scheide also U Ströme : der eine Strom , soweit
wir beurtheilen können, ist. wesentlich die Donau
herauf, zum Theile vielleicht über Venedig und
Aquileja gegangen ; derselbe hat aber direkt durch-
aus nichts zu thun mit dem Strome, der Byzanz
links liegen Hess und vom fernen Osten ausging
Nichtsdestoweniger gibt es gewisse Parallelen in
beiden Richtungen, und ich bin überzeugt, dass,
wenn man die Geschichte der Ornamentik spe-
zieller studireo wird, es sich herausstellen dürfte,
dass man gewisse Erzeugnisse, die sich auf beiden
Wegen unabhängig verbreitet haben, auf gemein-
same Quellen im Osten zurück verfolgen kann.
Das W ellenornament ist nach meiner Meinung
wahrscheinlich keine ursprünglich slavische Er-
findung ; ich kann dasselbe die Donau hinauf
bis an den Rhein in einer ganzen Reibe von
Funden verfolgen. Schon in der früheren fränki-
schen Periode finden sich solche Thongeräthe.
Nichtsdestoweniger trage ich durchaus kein Be-
denken, für unsere Gegend das Ornament für
spezifisch slavisch zu nehmen. Ich halte es aber für
ein orientalisches Ornament, erstlich weil heutzutage
noch Töpfe mit solcher Ornamentik in Aegypten
im Gebrauche sind, weil ferner so verzierte Scherben
aus dem Snmallandc in Ostafrika durch den Reisen-
den Hildebrandt mitgebracht sind, und end-
lich, weil es nach den von Herrn Jagor ge-
sammelten Scherben in grosser Zahl in den
Küchenabtallen auf den Andamanen-Inseln und in
Vorderindien vorkommt.
Ein anderes Merkmal , worauf ich bei Ge-
legenheit meiner iivläudischen Reise besonders auf-
merksam geworden bin, und welches ich Sie bitten
möchte, auf den hiesigen orientalischen Sachen an-
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zuseben, ist die eigenthümliche weitere Ausbildung
der Form, die aus dem sogenannten Wolfszahn-
Ornament hervorgeht. Am häufigsten auf sil-
bernen Sehmucksachen sieht man nemlich längs
des Randes Linien, auf welchen, wie beim Wolfs-
gebisB, zahnartige, spitze Dreiecke sitzen. Werden
diese Dreiecke grösser, so ist häufig im Innern
desselben ein runder Kreis oder ein Korn ein-
geschlagen , werden sie noch grösser, so kommen
drei und noch mehr Körner hinzu. Schliesslich
löst sich das Dreieck ganz ab von der Wolfs-
zohnlinie und erscheint als ein selbständiges Ge-
bilde.
Solche Einzelnheiten möchte ich hervorheben,
um darauf aufmerksam zu machen , dass , wenn
wir etwas A eh n lieh es jenseits der südlichen Grenze
finden , dieses durchaus nicht einen Gegenbeweis
liefert. Es bleiben hinreichend grosse Unterschiede
übrig, um darzuthun, dass dieser auch historisch
konstatirte Handel mit dem Orient für uns die
Grenze des alten Slaventhiuns bezeichnet, und dar-
über nicht binausgeht. Ich darf jedoch, weil wir
die Ehre haben, Herrn Montelius (Stockholm)
in unserer Mitte zu sehen, hervorheben, dass bis
jetzt ausserhalb der Grenzen unseres Gebietes kein
zweiter Punkt weiter bekannt ist, w'o in einer
gewissen Fülle die Gesammtheit dieser Dinge,
einschliesslich des eigentümlichen Thongescbirres,
sich vereinigte , als in Björkö , einem Platze in
Schweden , der in derselben Zeit ein blühender
Handelsort (Birca) war, wo Wollin, Stargard in
Wagrien etc. ihre höchste Entwicklung erreichten.
Bei Gelegenheit des internationalen Kongresses in
Stockholm fand ich zu meiner höchsten Ueber-
r&schung die unverkennbaren Anklänge an diese
Kultur. Ich weiss nicht, ob seitdem in Skandi-
navien noch etwas Aehnliches gefunden worden
ist; so viel wissen wir aber, dass der Handels-
verkehr auf der Ostsee in dieser Zeit hinreichend
entwickelt war, um eine solche Vermittlung her-
beiznfÜhren. Vielleicht erklärt es sich so, dass
auf einem isolirten Punkte, wie auf einer Insel
des Mäler-Sees, plötzlich die Gesammtheit der uns
bekannten Erscheinungen uns entgegentritt. —
Herr Prof. HchaafThauHgn theilt mit, dass
der zum Geschäftsführer fllr die nächste Ver-
sammlung in Straasburg erwählte Herr Professor
Gerl and die Wahl dankend angenommen habe.
Herr I*Ö8<*he (Washington): Ich fühle
mich zunächst veranlasst, Herrn Prof. V i r c h o w
für seinen in so hohem Grade instruktiven Vortrag
zu danken, und weiss , dass ich damit auch die
Ansicht der Versammlung aussprechen werde,
! will aber diese Gelegenheit nicht vorübergehen
! lassen, ohne an Etwas anzuknüpfen.
Herr Professor Virchow hat durch einige
1 Ausdrücke, die er gebrauchte, deutlich dargethan,
; dass er die gewöhnliche Ansicht der deutschen
j Gelehrten vollständig theilt, dass alles Vorslav-
I ische im östlichen Thcil des jetzigen Deutschland,
j germanisch sei. Mehrere Ausdrücke haben darauf
| hingedeutet. Ich will also hier Protest einlegen
I gegen diese Ansicht, welche allgemein herrscht.
I Um es kurz zu sagen: wer die Germania des
! Tacitus zur Haud nimmt, sollte statt Suevi Slavi
| lesen. Diese Ansicht stammt nicht, von mir, son-
dern von einem hochverdienten Herrn, der vor
50 Jahren eine ganze Reihe von Werken ver-
öffentlich hat, einem alten 70jährigeu Greis in
Hannover, von Herrn von W ersehe. Wenn man
etwas Biographisches wissen will, was sonst, nicht
| leicht zugänglich ist, so greifen wir alle zu Pie-
rers Lexikon. Die neueste Auflage , die mir zu
Gebote stand, hatte wunderbarer Weise nicht den
Namen des Herrn von Wersebe, welcher 5 — 6
Bände über älteste deutsche Geschichte veröffent-
licht hat. Ich will der Sache etwas näher treten.
In der Geschichte der deutschen Sprache, erwähnt
Jakob Grimm mit Abscheu der Ansicht, dass
die Slaven schon zu den Zeiten des Tacitus, also
am Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeit-
rechnung dort gesessen hätten, wo wir sie später
linden. Derselbe hochgelehrte Jakob Grimm
bringt aber einen neuen Beweis für die Richtig-
keit dieser Ansicht, indem er darthut, dass Suevi
und Slavi nur dialektisch verschieden sind , da
noch heute die Freiheit in einigen slaviscben
Dialekten sloboda in andern aber swobodä heisst.
Die er*te Stelle, wo Herr von Wersebe
seine Ansicht ausspricht , ist in seinem Buche
über die Gaue zwischen der Weser und Saale.
Nun ist aber noch etwas Anderes, und Herr Pro-
fessor Virchow erwähnte die Sache schon, wie
mir scheint, ein neuer thatsltchlicher Beweis für
die Richtigkeit, dieser Ansicht. Das sind die
Schläfenringe, die wir bloss bei den Slaven Anden.
Diese bringe ich in Verbindung mit der Anführ-
ung des Tacitus, welcher auf eine gewisse eigen -
thümliche Haartracht der Sueven hindeutet,
welche das Huar in der Mitte des Kopfs auf den
Wirbel zusam mengebunden in einem Knoten tra-
gen. Ich glaube, die Schläfenringe werden dazu
gedient haben die Haare in einen Knoten fest-
zusammengeliunden zu halten. Ich will die Ver-
sammlung nicht weiter aufhalten. Ich will damit
schliessen, dass ich bereit bin, die von Herrn von
Wersobe vor 50 Jahren ausgesprochene An-
sicht, dass die Suoych Slaven wraren und schon
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138
am Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeit-
rechnung dort wohnten, wo wir sie später finden,
also auch hier bis nach dem östlichen Holstein
hin, gewohnt haben , in vollstem Masse zu ver-
treten, soweit meine Kräfte ausrciehen. Ich wünsche
damit zugleich eine Ehrenschuld abzutragen gegen
den Mann, welcher vor 50 Jahren die für unsere
älteste Geschichte so unendlich wichtige Wahrheit
verkündet hat, und bis jetzt todtgesch wiegen ist.
Herr C. Tischler (Königsberg). Ich will
an Herrn Professor V i r c h o w s Hede anschliessend
einige Thatsaeheu erwähnen , welche die Zeit-
stellung der Burg wallgeftisse vollständig bestätigen.
Herr Professor Virchow bemerkt, dass die
Grenze der Slaven (gegen Preussen zu) an der
Weichsel lag. Dies bestätigen die archäologischen
Funde Ostpreussens, indem die Metallgeräthe der
späteren Zeit von denen der westlichen slavischen
Stämme wesentlich abweichen und sich mehr
denen aus den benachbarten Östlichen Ländern an-
sch Hessen. Wohl aber kommen in den jttngern Gräbern
Ostpreussens, sowie in anderweitigen Ueberresten
dieser Periode ganz dieselben Scherben vor als
in den slavischen Niederlassungen. Es finden
sich die Burgwallinien, allerlei Stempelei ndrücke
Quadratreihen etc., so dass man glauben könnte
Scherben aus Meklenburg oder aus der Lausitz
vor sich zu haben. Einige dieser Gräber ge-
hören einer sehr späten Zeit an, als das Christen-
thum schon Eingang gefunden hatte, und be-
herbergen Ordensbracteaten aus dem 14. Jahr-
hunderte. Andere , welche keine Münzen ent-
halten, .zeigen durch die Identität der Schinuck-
sacheu, zu denen die hufeisenförmige Fibula um
meisten charakteristisch ist, dass sie zeitlich nicht
allzuweit entfernt sind.
Es folgt hieraus, dass die besprochenen Ge-
wisse noch recht spät im Gebrauche waren, und
dass ihr Verbreitungsbezirk sich nicht auf die
westslavisohen Länder beschränkt , sondern sich
auch über das preussische und auch lettische Ge-
biet erstreckt.
Herr Motilolius (Stockholm): Ich habe
um das Wort gebeten , um einige Bemerkungen
zu machen über die hier ausgesprochene Ansicht,
dass diejenigen Völker, die in dein östlichen
Deutschland und in den angrenzenden Ländern
schon im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung
gewohnt, haben, Slaven waren. Ich bin nemlich
der festen Ueberzcugung, dass die bis jetzt be-
kannten archäologischen Thatsachen vollständig
für eine andere Ansicht sprechen. Ich habe in
den letzten Jahren und speziell im Jahre 1876
Gelegenheit gehabt, die archäologischen Samm-
lungen in den Odseeprovinzen und in diesem
Jahre in den preussisch-pominer* sehen Provinzen
zu studiren. und schon in dem Kongress zu Buda-
pest habe ich sehr kurz die Ansicht ausgesprochen,
die auch von anderer Seite philologisch ausge-
sprochen wurde, dass in den Ostseeprovinzen in
preussischen und pommerischen Gegenden und
überhaupt in all den Gegenden des jetzigen
Deutschlands , wo jetzt Slaven wohnen , früher
Germanen gewohnt haben und dass diese viel-
leicht erst 3 bi9 4 Jahrhunderte nach Christus
von diesen Gegenden verdrängt wurden. Ich
kann die Gründe hieftlr nicht alle anführen, ich
will nur ganz kurz bemerken, dass alle die Alter-
thüiner, die man in den genannten Ländern ge-
funden hat und die aus dem 1. und 2. Jahr-
hundert nach Christus stammen, ohne Ausnahme
die allergrösste Aehnlichkeit mit denjenigen zeigen,
die wir in Skandinavien und in ganz bestimmt ger-
manischen Theilen Deutschlands finden; dagegen
hat man in den östlicheren Gegenden, wo doch
die Hauptmasse der Slaven längere Zeit gewohnt
hat, keine Spur von solchen Sachen gefunden.
Die Alterthümer jener Jahrhunderte, die mau in
den jetzt slavischen, preussisch-pomra ersehen und
angrenzenden Ländern findot, sind ähnlich mit
den germanischen ; aber man findet keine ähn-
lichen in den Östlichen slavischen Gegenden. Das
ist für mich eine Andeutung und ich glaube,
dass es als Beweis angesehen werden darf, dass
in jener Zeit die Germanen da wohnten , und
diese Thatsache wird von um so grösser Be-
deutung , wenn man bedenkt , dass in den ge-
nannten Gegenden die germanischen Alterthümer
zu der Zeit aufhören, als die Slaven dorthin
gekommen sind. Aus dem 3. und 4. Jahrhundert
vor Christus hat man in diesen Gegenden eine
Menge germanischer Sachen gefunden . aber aus
dem 5. bis 7. Jahrhundert, findet man fast keine
Spur von solchen Sachen, die mit den germani-
schen Alterth Ürnern Aehnlichkeit haben. Wenn
man diese Verhältnisse näher studirt , kann man
vielleicht noch genau die Zeit der slavischen Ein-
wanderung bestimmen. Bis jetzt kann man nur
als eine Art geologischer Thatsache betrachten,
dass die Alterthümer aus jenen Gegenden für die
Anwesenheit der Germanen im 1. Jahrhundert
sprechen.
Ich war ganz unvorbereitet für diese Frage
und kann daher keine speziellen Thatsachen an-
f Uhren.
(Fortsetzung in Nro. 11.)
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111
gehen müssen, und ich bin überzeugt , wenn ob
uns gelingt , eine grössere Anzahl von Mit-
arbeitern für die Untersuchung der lebenden Be-
völkerung zu gewinnen , so werden wir nach
kurzer Zeit eine andere Sicherheit der Probleme,
eine grössere Klarheit in der Richtung unserer
Forschung gewonnen haben , als es bisher der
Fall war.
Herr Schaaffhftusen : Ich will mir wegen
der vorgerückten Zeit nur noch gestatten, Ihnen
einen Theil meines Cominissionsberichtea zu geben ;
die Erläuterungen dazu verspare ich mir auf
die nächste Sitzung. Ich lege hier die Arbeiten
vor, die für den Gesammtkatalog der anthropo-
logischen Sammlungen bis jetzt fertig gestellt
und gedruckt sind. Es ist die anthropologische
Sammlung des anatomischen Instituts zu Bonn
von mir, die berühmte Blumcnbach’sche Samm-
lung in Göttingen von Spoogel und mir und
die Freiburger Sammlung von Ecker aufgestellt,
der, wie es das Programm gewünscht, auch die
! ethnologischen Gegenstände aufgenommen hat.
| Ich selbst habe im Laufe dieses Jahres die Samm*
, lungen von Stuttgart, Darmstadt und Leipzig
i durchgemessen, diese Arbeiten liegen zum Drucke
bereit; für Frankfurt aM. hat Lucae das Ver-
zeichnis« angefertigt, dem ich noch einige Maasse
der Vergleichbarkeit wegen liinzuzufügen die Ab-
sicht habe. Herr Prof. Rüdinger hat den
Münchener Katalog, der von Bi sch off eingelie-
fert war, zu ergänzen übernommen. Welcker
hat schon früher zugesagt, für die Halle’sche
Universitäts-Sammlung, die jetzt durch seine eigen«
vermehrt worden ist, Messungen zu liefern. Dio
Sammlungen von Königsberg liegen fertig vor
und sind von Prof. Dr. Kupfer und Dr. Langen
verfasst; die umfängliche Arbeit wird etwas ab-
gekürzt werden müssen. Es hat sich heraus-
gestellt, dass, wenn das Werk nicht zu umfang-
reich werden soll, die Verfasser sieb auf kurze
Bemerkungen und auf die nothwendigsten Maasse
beschränken müssen. Ich verspreche rasche För-
derung des Unternehmens.
Dritte Sitzung.
Inhalt: Herr Schaa ffh a apen, Fortsetzung des Commissions-Berichts. — Geschäftliches. — Ueber den Neander-
t Haler Fund. — HerrMchlis, bericht über die Ausgrabungen auf der Limburg. — Herr J. R an k c, Bei-
träge zur Craniologie der Bayern und ihrer Nachbarstämme. — Herr Stieda, Ober die Esten mit Be-
merkungen über Methode der Schädel messung. — Demonstration einer neuen Conserrirnngs- Methode für
anatomische Präparate. — Congrna in Moskau. — Discassion: Herr Virehow, Herr Stieda. — Horr
Virehow, die altslavischen Itcste in Ostdeutschland. — Discn-sion; Herr Poesche, Herr Tischler,
Herr Montelius, Herr Virehow, Herr Mehlis. — Herr Theobald, über den friesischen Typus
in Anlehnung an die Untersuchungen des Herrn Geheimraths Virehow.
Der Vorsitzende Herr Schaalf hausen eröffnet I
die Sitzuög Vormittags 9 Uhr mit der Fort-
setzung des Commissi on s - Berichtes: '
Ich will, ohne weitläufig zu sein, da die Cra-
niologie noch immer lebhaft die Forscher be-
schäftigt und zu einer internationalen wissen-
schaftlichen Angelegenheit geworden ist, meinen
Grundsatz in Bezug auf die Horizontale des Schä-
dels noch einmal aussprechen. Ich habe mich
stets dagegen gewehrt, eine bestimmte zwischen
zwei anatomischen Punkten gezogene Linie als
Horizontale für allo Schädel anzunehmen, und
habe darauf hingewiesen, was bisher nicht geschehen
war, dass die Horizontale des Schädels ein cha-
rakteristisches Merkmal ist , worin die Schädel
sich von einander unterscheiden. Ich will, um
nicht viele zu nennen, zunächst eine viel gebrauchte
Horizontale anführen, die Göttingor Linie, die
der Richtung des Jochbogens entspricht, oder
auch vom Ansätze desselben über dem Ohrloch
zum unteren Augenhöhlenrand gezogen wird,
oder die von dem oberen Rande des Ohrloches
bis zur tiefsten Stelle des unteren Augonhöhlen-
randes gehende Ihering’sche*) Linie. Es ist un-
möglich, alle Schädel auf jene oder diese Linie zu
stellen; die letzteren schanen mehr oder weniger
abwärts. Wenn man die Schädel auf ihre rich-
tige horizontale Ebene stellt, so muss das Gesicht
gerade nach vorn gerichtet sein. Man kann frei-
lich irgend eine andere Linie als Basis betrachten,
von der aus man Messungen macht und die Ent-
fernung verschiedener Punkte von dieser Basis be-
stimmt, dann ist aber diese Bairis nicht dio Hori-
zontale, unter der man nur die Linie oder Ebene
•) rrspective: Virchow’sche Linie. D. Reil.
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112
verstehen kann, auf welcher der Kopf mit der j
Richtung des Gesichts nach vorn gorade aufrecht
steht. Stellt inan so die Schädel, so zeigt sich,
dass sie ganz verschiedene anatomische Horizon-
talen haben. Ich lege hier aus einer grösseren
Sammlung einige gute Schädel-Photographien vor;
es sind die eines Batta, eines Negers aus Brasi-
lien, die von Fr. 8chiller und von einem Griechen
aus einem Grabe der Krim, die von einem ßjfth-
rigon Kinde und von einer 100 jährigen Greisin;
die Horizontale der Wilden ist eine andere wie
die der beiden andern edel geformten Schädel ; die
des Kindes und der Greisin erklären sich aus
der verschiedenen Gleichgewichtslage des Schädels
auf der Wirbelsäule, die von seiner Form abhängig
ist. Die gewöhnlichen Abbildungen von Schä-
deln sind zu einer ßcurtheilung der Horizontale
oft nicht brauchbar ; die meisten Bilder des be-
kannten Caru »'schon Atlas der Craniologie sind
zwar richtig gezeichnet, nicht aber der von Schiller,
dessen Zahnlinie schief gestellt ist. Wir müssen
genaue Profil-Bilder haben, wie die Photographie
sie liefert. Sie sehen hier, wie verschieden die
vom Ohrloch gezogene Horizontale das Gesichts-
profil schneidet. Ich halte es für ein wichtiges
Ergebnis«, dass die Linie, welche man am Leben- .
den als horizontale gefunden hat und für welche
sich namentlich C. von Baer in dem Berichte der
Anthropologen - Versammlung zu Göttingen aus- ;
spricht, dass nämlich die von der Mitte des Ohr-
lochs gegen das untere Dritttheil der Nase ge-
zogene Linie in dor That auch die Horizontale
für die Schädel der gebildeten Rassen ist • doch
gibt es einzelne Ausnahmen. Aber für niedere
Schädel gilt diese Horizontale nicht. Schon Ed.
Schwarz bemerkt in seinem für die Expedition
der Novara entworfenen Messungssystem von 186*2 l
ganz richtig, der Neger hält den Kopf zurück,
um den» Gewicht der schweren Kiefer das Gleich-
gewicht zu halten. Wenn man die niedersten
Schädel , die mit den menschlichen verglichen
werden dürfen, die der Anthropoiden, betrachtet,
so sinkt wegen der Schwere ihrer massiven Kiefer
ihr Kopf noch stärker nach vorn und ihre Ho-
rizontale geht vom Ohrloch zum unteren Augen-
höblenrande. Den Kopf zu heben, haben sie nicht
das Bestreben, die Aufrichtung desselben und die
des ganzen Körpers ist gerade die Eigentümlich-
keit des Menschen , den der Grieche dosshalb
Anthropos nannte von owi und oder von
ovaiQtmj. Auch bei den Wilden findet sich oft
der nach vorn gebeugte Kopf, mit welcher Haltung
sie sich dem Affen nähern, er ist charakteristisch
an 2 Photographien von Nubiern, die ich hier vor-
zeige. Eine Frage, welche die Forscher mehrmals
| beschäftigt hat, war die, ob es Köpfe gebe, bei
denen die Ohren höher stehen. Man hat es von
den ägyptischen Mumien behauptet ; an ägyptischen
Bildwerken ist es tatsächlich der Fall. Topinard
kain zu dem Ergebnis«, dass wirklich bei einigen
Schädeln das Ohrloch höher stehe. Das hängt dann
von ihrer Neigung nach vorne ab ; wenn das Ge-
sichtsprofil sinkt, steigt natürlich das Ohr in die
Höhe, was sich am Lebenden wie am Schädel zeigt.
Die Betrachtung woblgebildeter europäischer Schädel
bestätigt- das. was v. Baer am Lebenden fand,
indem bei den meisten eine Liuie, die inan bei der
Geradastellung des Schädels von der Mitte des
Obrloches nach vorne gegen (las Gesichtsprofil
zieht , die Hälfte oder das untere Dritttheil der
Nasenöffnung schneidet. Es ist mir häufig vor-
gekommen, dass ich sofort die höhere oder niedere
Bildung eines Schädels daran erkennen konnte.
Ausnahmen gibt es freilich immer. Am Schädel
von Schiller, von dem wir einen vorzüglichen Ab-
guss besitzen, der von den Nachkommen Göthe's
zu erhalten ist, ist die genannte Linie wie bei
dem alten Griechen aus einem Grabe der Krim
die Horizontale. Beim Batta schneidet die Ho-
ff rizontale das Gesichtsprofil unter dem Nasengrund ;
wenn ich diesen auf die Horizontale Schillers stellen
wollte, so würde er nach unten sehen und nicht
mehr gerade gestellt sein. Fast ebenso wie der
Batta verhält sich der Neger. Wenn inan in den
besseren craniologischen Werken wie in denen
v. Baer’s die Abbildungen wilder Racen betrach-
tet, so sieht man, dass sie meist richtig gestellt
sind und die Horizontale vom Ohrloch den Na-
sengrtind schneidet. Das ist auch die Basis, die
Camper für seinen Gesichtswinkel angenommen
hatte. Aber auch dieser kann nicht bei allen
Schädeln auf derselben Linie gemessen werden.
Ich will noch bemerken, dass das Urtheil über die
Horizontale der Wilden nicht so einfach ist, wie
es scheint. Von den wilden Rassen wissen wir
auch aus anderen Beobachtungen, dass sie den
Körper nicht so vollkommen aufgerichtet haben, wie
die höhern. Was Reisende uns über ihren Gang er-
zählen, stimmt damit überein ; ihr Körper und ihr
Kopf hängen vor. Die gewöhnliche Haltung bei
ihnen ist also nicht die ganz aufrechte ; aber wenn
sie den Schädel heben und ihn in die Balance
bringen, so wird die Sache ganz anders ; dann
schneidet, wie ich eben gesagt habe, die Horizon-
tale einen tieferen Punkt des Profils wie an dem
Schädel des Europäers Dies ist die Lösung des
scheinbaren Widerspruchs, der darin liegt, dass sich
die Wilden von der Horizontalen des Affen noch
mehr entfernen als der Europäer! Bei der nach
vorn gebeugten Stellung des Wilden ist dies nicht
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113
dar Fall. Ecker sprach es zuerst aus, dass die
Baer’scbe Linie nicht die Horizontalo des Negers
sei, weil sein Kopf nach vorno gesenkt sei, und
betrachtet mit Recht diese Eigenthünilichkeit- so-
wie die geringere Hebung der Ebene des Foramun
magnum als Annäherungen an den thierischen
Typus. Hie Altersverhält uisse sind auch zu be-
rücksichtigen. Wir wissen aus der Stellung der
Greise, dass ihnen der Kopf nach vorne fällt, wie
es immer der Fall ist, wenn die Nackenmuskeln
erschlaffen z. B. beim Schlafen in sitzender Stellung.
Es ist auch eine Verkümmerung ihrer Kiefer ein-
getreten und in Folge dosson die Hebolbelastung
des Schädels auf der Wirbelsäule eine andere
geworden. Der Schädel wird vorne leichter und
der Mensch senkt den Kopf mehr nach vorne, j
um das Gleichgewicht auf der Unterstützungsstelle
zu finden. Bei den Kindern ist die Horizontale
wieder eine andere, weil hier die Entwickelung
der Gesichtstheile noch schwach ist und das Ge-
wicht und die Grösse der Gesicht-sknochen nicht
in dem Maasse in Rechnung kommen wie hei dem
Erwachsenen.
Ich bitte, die verschiedenen Schädelbilder, die
auf verschiedenen Horizontalen gezeichnet sind,
zu vergleichen. Diese Schädel sind alle gerade
gestellt, aber die anatomische Horizontale derselben
ist nach dein Alter und dem Grade der Intelligenz
verschieden. Der rothe Strich deutet die wirk-
liche Horizontalo derselben an ; Sie sehen , wie
verschieden dieser Strich im anatomischen Sinne
verläuft. Es ist nicht schwierig , einen Schädel
so zu stellen, dass er im Profile gerade nach vorne
sieht; dabei darf man sich nicht allein von der
Angenhöhlenaxe leiten lassen, die Broca empfohlen
hat, sondern auch von der Zahnlinie, die bei dem
Menschen, wenn er aufrecht steht, meist horizontal
liegt, zumal zwischen den Mahlzähnen. Die Schneide-
zähne liegen hei den niedern Rassen wie bei den
Anthropoiden höher wie die hinteren Mahlzähne.
Auch ist der Umriss des Scheitelgewölbes zu berück-
sichtigen. Die« zum Beweise, dass die bisher an-
genommenen Horizontalen mit der aufrechten
Stellung aller Schädel nicht stimmen.
Ich wünsche deshalb, dass man die Ansicht
aufgeben möge, alle Schädel auf einer und der-
selben zwischen zwei anatomischen Punkten gezo-
genen Horizontalen aufzustellen, ohne Rücksicht
auf die Rassen, sondern dass man die Schädel erst
gerade stelle und dann sage, welche Theile des
Profils die Linie, die vom Ohrloch horizontal ge-
zogen wird, trifft oder schneidet. —
Geschäftliches. Ich will nun dazu übergehen,
Ihnen die zahlreichen Zusendungen namhaft zu
machen, die an unsere Versammlung gerichtet wor-
den sind. Vorher erledige ich noch eine andere An-
gelegenheit. Wir haben gestern Strassburg als Ort
für die X. Versammlung gewählt, ohne von folgendem
Schreiben zu wissen, welches von dem Herrn Oberprä-
sidenten v. M5 11er, der Mitglied unserer Gesellschaft
I ist, an Herrn Dr. Kürbiu in Berlin gelangt ist.
Strassburg den 7. August 1878.
Auf Ihr gefälliges Schreiben ohne Datum,
hier eingegangen am fi. v. Mts., erwidere ich
ergebenst, dass nichts entgegensteht, den nächst-
jährigen Deutschen Anthropologen- Kongress in
Strassburg abzuhalten, nachdem der Herr Bürger-
meisterei verwalt er Back sich in freundlichster
Weise bereit erklärt hat, eine Einladung dazu
an den Vorstand abgehen zu lassen.
Der Oberpräsident von Elsass-Lothringen
von Möller.
Wir dürfen also in jeder Beziehung einer guten
Aufnahme in' Strassburg versichert sein. Nach-
dem die Waffen des Krieges das alte deutsche Land
uns wieder erobert haben, wird unsere friedliche
Mission gewiss dazu beitragen, dasselbe auch mit
der deutschen Wissenschaft wieder enger zu ver-
binden.
Ich lege Ihnen nun zunächst die Einladung
zur Wiedereröffnung des schlesw. -holst. Museums
vaterländischer Alterthümer vor, die Herr Prof.
Handelmann als Begrüssungsschrift für unsere
Versammlung verfasste und Ihnen wahrscheinlich
schon eingehändigt hat.
Dann lege ich vor eine Schrift des Fräulein
Mestorf, eine Uebersetzung der Abhandlung
von Worsaae, über die Vorgeschichte des Nor-
dens nach gleichzeitigen Denkmälern, die eben
erschienen ist. Von den Herren C a p e 1 1 i n i ,
St eenstrup und Graf Wurmbrand sind Be-
grüssungsschreiben eingelaufen, die das Bedauern
aussprechen , der Versammlung nicht beiwohnen
zu können.
Wir haben ferner durch Herrn Dr. Bryac
von der Gesellschaft „Prussia“ in Königsberg
verschiedene Zusendungen erhalten , zunächst die
Sitzungsberichte ihrer Gesellschaft und noch einiges
andere: 6 Modelle von preussischen Burgwällen,
eine Fnndkarte von Samland, sowie statistische
Fnndtableaux. Diese Sachen sind zum Theil in den
Ausstellungsräumen aufgestellt. Auch ist Nr. 6
des 34- Bandes der illustrirten Zeitschrift für
Länder- und Völkerkunde, des „Globus“ mit einem
Aufsatz von Dr. Nehring eingesendet; dann die
2. Abtheilung vom 18. Juhrgung der Schrift der
physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königs-
berg, welche in letzter Zeit auch die prähistorische
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Forschung als eine ihrer Aufgaben betrachtet, so-
wie das letzte Heft der Schriften des Vereins für
schlesische Altertumsforschung in Breslau. Ein-
gereicht ist der vollständige Bericht mit Abbild-
ungen von den Ausgrabungen in Weissenfels,
wofür die Gesellschaft einen Fond bewilligt hat.
Ferner sind hier die neuesten Hefte der Verhand-
lungen der Berliner Gesellschaft für Anthropo-
logie, Ethnologie und Urgeschichte von Professor
Dr. Virchow übergeben worden; dann anthropo-
logische Untersuchungen au den Esthen von Oscar
Grube; ein neues Werk von v. Lenhossek,
dem Anatomen von Budapest : „ Die künstlichen
Schädelverbildungen im Allgemeinen und zwei
makrocepbale Schädel aus Ungarn u. s. w. Pesth
1878“. Der Verfasser hat mit grösstem Fleisse
alle Nachrichten von künstlicher Verbildung des
Schädels bei alten und neueren Völkern zusammen-
gestellt und die Folgen der Zusarninenpressung
des kindlichen Schädels durch Versuche an Leichen
Neugeborner dar/ustellen gesucht. Die in Ungarn
gefundenen zwei Makroceplialen, die er sehr sorg-
fältig beschreibt und mit Rücksicht auf die neuesten
Methoden der Cranioinetrie gemessen hat, hält er
zwar für Brachycephalen, aber nicht für Mongolen.
Die Merkmale der Mongolen rosse, die er von Baer
entlehnt, sind aber solche nicht, sondern kommen
bei allen niedern Kassen vor, sie verschwinden
auch bei den Völkern mongolischer Abstammung
mit der Cultur. Höchst auffallend ist die An-
sicht, dass die asiatischen Völker den Gebrauch,
dem Schädel eine künstliche Form zu gehen, von
den Amerikanern gelernt haben sollen !
Ich bemerke hierzu, dass ich in Bezug auf die
künstlich entstellten sogenannten Makrocephaleu
zu dem Ergebnisse gekommen bin, dass die Mukro-
cephalen, welche Hippokrates im 5. Jahrhundert
vor unserer Zeitrechnung am schwarzen Meere be-
schreibt, dasselbe Volk sind, welches 8 Jahrhunderte
später unter dem Namen der Hunnen nach West-
europa zog; auf dom ganzen Wege von Ungarn
bis zur Schweiz und zum westlichen Deutschland
kommen hier und da diese Schädel vor ; sie liegen
iu den fränkischon Reihengräbern. Einen von
Niederolm hat Herr Ecker beschrieben; er ist in
Mainz, ich selbst habe in der grossherzoglichen*
Sammlung zu Darmstadt einen solchen, der wahr-
scheinlich ein Grabschädel derselben Herkunft ist,
gefunden. Es ist sehr merkwürdig, dass die alten
Peruaner-Schädel nicht nur in dieser eigenthüm-
licken Entstellung, sondern auch in anatomischen
Einzelheiten des Schädelbaues mit den Mukroce-
phalen der Krim übereinstimmen. so dass man
veranlasst ist, die älteste Einwanderung aus Asien
nach Amerika in eine sehr frühe Zeit zurück zu
versetzen. Es sprechen noch viele andere Um-
stände, dafür dass die Stämme, welche West- Ame-
rika bevölkerten, asiatischen Ursprungs waren,
vgl. Archiv für Anthrop. XI., 1878, S. 152.
Es ging also wohl ein Zug mongolischer Stämme
sowohl nach Westen, wie im fernen Alter-
thum schon auch nach Osten und bis zu dem
Welttheile hin, der nur iu Bezug auf eine späte
Wiederentdeckung von Europa aus der neue ge-
nannt wird. Auch bei Tiflis sind neuerdings
solche Schädel gefunden worden, die der Zeit der
pontischen Könige angehören.
Dann ist hier vom II. Band das 1. und 2. Heft
der „Beiträge zur Urgeschichte Bayerns“ von Herrn
Prof. Ranke vorgelegt worden. Herr Prof. V i r c h o w
hat schon Uber das Verdienstliche dieser Arbeit be-
richtet. Herr Keck hoff hat die 1. uud 2 Lie-
ferung der Nederlandsche Oudheden von Dr. W.
Pleyte, Leyden 1877 und 1878, zur Ansicht
aufgelegt.
Wer iu Konstanz war, erinnert sich, dass Herr
Dr. Victor Gross aus Neitveville uns ausgezeich-
net schöne Fundsachen aus den Pfahlbauten von
Moerigen und Auvernier vorgelegt hat; er hat
dieselben in einem Prachtwerke publicirt und mich
beauftragt, das Werk vorzulegen mit dem Be-
merken, dass dasselbe um den Preis von 33
bei ihm selbst käuflich zu haben ist. Für das
unserer Gesellschaft als Geschenk überreichte Exem-
plar werde ich ihm den verbindlichsten Dank
derselben aussprechen.
Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass mir
schon vor längerer Zeit von der Wittwe des um
unsere Forschungen sehr verdienten Herrn Dr. P.
H. K. von Maack aus Kiel das Manuscript
des zweiten Tbeils seiner Schrift: Urgeschichte
des Schleswig - Holsteinischen Landes übergeben
worden ist, welcher den Titel führt: „Die nor-
dischen Iren im Steinalter und ihre Vorgänger. -
Ich sollte dazu behülflich sein, einen Verleger ftlr
dieses Werk ausfindig zu machen. Dies gelang
indessen nicht, und es gab dann die Wittwe des
Verstorbenen auf meinen Vorschlag dazu ihre
Einwilligung, dass das Manuscript in der Kieler
Universitäts-Bibliothek niedergelegt werden soll.
Ueber den Inhalt des Werkes behalte ich mir
eine Berichterstattung vor.
Ich komme zur Mittheilung eiuiger interna-
tionaler Beziehungen, die zwischen unseren Forsch-
ungen und dem Auslande angeknüpft worden sind.
Ich habe, nachdem ich vor Beginn der Pariser
Welt- Ausstellung erfahren hatte, dass mit der-
selben, wie ich schon in meiner Eröffnungsrede er-
wähnte, eine anthropologische Ausstellung verbunden
werden sollte, und dass sich aus den angesehen-
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
JUdiyirt ton Professor I)r. Johannen Hemke in München,
üiHtmUfct ttür Jrr GitdUtka/t.
Nr. 11.
Erschtint jeJen Monat. November 1878.
Bericht über die IX. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Kiel
am 12. — 14. August 1878
Redigirt von Professor Dr. Johannes Ranke in München ,
Generalsekretär der Gesellschaft
(ForUetiung za Nro. 10).
Herr Vlrchow: Ich möchte zunächst be- ]
merken , dass die Undankbarkeit gegen Herrn
v. Wemebe nicht ganz allgemein ist. Man
muss nur unterscheiden z wisch on seinen sehr
verschiedenen Arbeiten. Ich persönlich bin ihm j
sehr dankbar in Bezug auf seine Arbeit über die 1
Kolonisation in Norddeutschland und habe sie j
vielfach eitirt. Anders liegt die Frage, ob eine j
Stelle des Tacitus durch einfache Umschreibung
eines Wortes in ihr Gegeiltheil verwandelt wer-
den soll. FiS ist das keine bloss philosophische
Frage. In dieser Beziehung kann ich darauf Hin-
weisen, dass alle die Völkerschaften, welche Ta-
citus für unsere Gegenden anfübrt, nicht an dieser
Stelle sitzen geblieben sind ; sie erscheinen nach I
und nach im Laufe weiter Wanderungen in mehr j
westlichen und südlichen Gegenden, aber überall, I
wo sie erscheinen , erweisen sie sich nicht als
Slaven, sondern als Germanen. Keiner jener Stämme, |
die wir als unsere Vordersassen, als ursprünglich [
bei uns einheimische Stämme bezeichnen müssen,
ist jemals in alten Werken von den Germanen
unterschieden worden. U eberall, wo sie uns vor-
geführt werden, werden sie uns als germanische
Völkerschaften vorgeführt.
Je genauer mau sich in das Einzelne vertieft,
um so mehr kommt man zu der Ueberzeugung,
dass Alles, was uns aus alter Zeit über sie er-
halten ist, ein gewisses homogenes Bild darbietet,
in welchem sich diese Stämme mit den übrigen
Deutschen vereinigen. Wenn Sie die alten Sitze
der Longobarden , der Vandalen , der Senuionen
und Burgundionen aufsuchen, wohin kommen Sie?
Sie kommen schliesslich bis an die Wertha, nach
Schlesien, in die Mark, Brandenburg, an das
Elbufer — allerdings durchweg uu Stellen, wo
wir nachher unzweifelhaft Slaven Hoden. Aber
folgt daraus, dass die Longobarden und Burguu-
dionen selbst Slaven waren ? Gewiss nicht. Die
Lupgobarden haben im Bardengau am rechten
Elbufer gesessen , der später auch slavisch war.
Ich denke , der Herr Redner wird die Longo-
barden desshalb doch nicht zu Slaven machen
wollen.
Herr PÖHChe (Washington) : Meine Herren !
Zunächst muss ich sogen, dass ich vou Undank-
barkeit nur gesprochen hatte in Bezug auf diese
eine Schrift von Herrn v. W ersehe, nicht im
Allgemeinen. Gegen Herrn Dr. Montelius muss
y
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ich sagen, dass ich mich möglichst kurz zu fassen
bestrebt habe und vergessen hatte, zu sagen : ich
halte die Longobarden und alle vandalischen Völ-
kerschaften in ihrer Mehrzahl für Slaven. Ich
acceptire die Ansicht von Schafarick. Dieser
hat es ausgesprochen , dass die Vandalen ger-
nmnisirte Slaven sind , dass die germanischen
Elemente in all diese Völkerschaften eingedrungen
sind , als Germanen in diese slavisclien Länder
einbrachen, dass alle longobardischen und vanda- 1
lischen Völker — die grosse Masse der Bevöl-
kerung — von Haus aus Slaven sind. Aber den |
Adel bei ihnen halte ich für germanisch. Nach i
und nach hat die grosse Masse der Bevölkerung I
die germanische Sprache angenommen. Ich will j
aber dabei doch nicht vergessen, anzuführen, dass
wir bei Paulus Diaconus eine Beschreibung der I
Porträts der alten longobardischen Könige haben,
und da iUllt mir ein , dass die Könige Locken
an der Seite trugen , die wohl durch Schläfen-
ringe festgehalten wurden. Ich bitte, noch Einiges
zum Tacitus anführen zu dürfen. Herr Professor
V i r c h o w und Herr Dr. M o n t e 1 i u a werden
mir zustimmen: Die Veneti des Tacitus werden
doch wohl die Wenden sein ! Nun aber sagt Ta-
citus: Ich bin zweifelhaft, ob ich die Veneti zu
den Germanen rechnen soll oder nicht. Schliesslich
entscheidet er sich doch dafür, sie zu den Ger-
manen zu rechnen, „weil sie zu Fuss kämpfen
und weil sie feste Wohnsitze haben.“ Nun, meine
Herren, die Slaven hatten auch feste Wohnsitze
und kämpften auch zu Fuss. Hier haben wir
das Prineip, nach welchem Tacitus entscheidet.
er bezweifelt aber seihst den Entscheidungsgrund.
Sie müssen das zugeben , so sehr Sie auch von
mir differiren, dass diese Gründe nicht stichhaltig
sind. Desshalb weil sio zu Fuss kämpften und
feste Wohnsitze hatten , werden sie nimmermehr
Germanen sein. Die Veneti halten Sie eingestan-
denermassen für die Wenden , wenn Sie nun
aber die Suovi des Tacitus für Deutsche halten,
dann meine Herren, werden Sie ja genöthigt, auch
die Wenden zu den Germanen zu rechnen!
Herr Mehlis: Ich möchte speciell was die
Namen betrifft, einige Worte Uussern gegen die
Ansicht von Herrn Pösche.
Mit Namen lässt sich trefflich streiten,
Mit Namen ein System bereiten.
Aber ich glaube, dass die Anthropologie nicht
mit Namen zu rechnen hat, sondern mitThat-
sachen. Ich glaube, dass in dieser Beziehung
die Autorität der Herren Virchow und Mon-
telius, welche den germanischen Charakter
einer Reihe von Funden beweisen, welche sich weit
im Osten bis an die Oder und Weichsel in den
Sitzen erstrecken , welche thatsächlich von
den klassischen Autoren als Wohnsitze der
Germanen bezeichnet werden, hinreichen wird,
um uns auf das t hat sächliche Gebiet zurüek-
zuführen.
Einige Worte noch Über die bekannte Be-
hauptung Grimms in der deutschen Grammatik,
dass das Wort Suevi gleich Slavi wäro*). Bis
jetzt ist der Autorität Grimms Niemand ent-
gegeugetreten. Es erklärt sich die Richtigkeit
dieser Behauptung dadurch ganz gut, dass eben
die Suevi Slavi genaunt wurden von ihren Nach-
barn; und es erklärt sich diese Namengebung noch
besser, wenn wir die Analogie beobachten, mit
der die Kelteu ihre östlichen Nachbarn „Ger-
inanen“ nannten. Auch der Name „Germanen“
wird von einer Reihe von Autoritäten, die an-
zuführen zu weit führen würde, aus den keltischen
Wurzeln ger, guer und man ==: Rufer oder von
I gais und man = Speer-Mann Gör-Mann, ab-
j geleitet , und wenn wir im Osten Deutschlands
diese Namengebung von Seiten der Slaven finden,
j wird analog im Westen dieselbe Namengebung
von Seiten der Kelten dafür angeführt. Ich glaube,
dass diese Analogie der Namengebung am ge-
eignetsten sein möchte, diesen Namenstreit zur
Entscheidung zu bringen**)«
Herr PÖ8Cll6 (Washington): Ich muss ge-
stehen, dass es mir nicht klarer zu sein scheint.
Ich habe Worte des Tacitus angeführt. Es wird
inir nun vorgeworfen , dass Worte und Namen
Nichts bedeuten. So steht die Sache nicht. Wenn
ein zuverlässiger Schriftsteller Namen nennt , ao
ist das von Bedeutung und nicht bloss leerer
Schall. In Bezug auf die germanischen Alter-
thUmerim Osten, welche Herr Professor Virchow
erwähnt, habe ich heute in seinem Vortrag Nichts
vernommen ; ich möchte doch wissen , ob ger-
manische Alterthümer dort einmal gefunden sind.
Das wäre hier von Wichtigkeit. Sie suchen da
eine Parallele zu ziehen zwischen der Namengeb-
ung im Westen und Osten Deutschlands, und da
•) Vgl. über die sprachliche Identität von Slavi
=: Sucbi (wegen des Verhältnisses in den germanischen
und klassischen Sprachen von L:V) J. Grimm: Ge-
»chichte der deutschen Sprache 3. Aufl. S. 224—227 n.
' S. 711.
**) Diese Art der Namengebung nimmt wirklich J.
Grimm schon an, vgl. a. 0. 8. 546: ,.am richtigsten
scheint mir die Benennung — Ger man i — von den
gallischen Nachbarn der Deutschen ausgeben zu
lassen, wie auf entgegengesetzter Seite die der S u eve n
von den sklavischen.“ Nirgends spricht aber Grimm
ein Wort von der ethnologischen Identität der
Sueven und Slaven!
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behaupten Sie, dass es die Germanen seien, welche, ;
wenn ich recht verstanden habe, denSlaven einen
eigenen Namen gegeben haben. Slaven ist aber
nashweisbar ein Name, mit dem sie sich selber
genannt haben. So lange Sie nicht Beweise er-
bracht haben, muss ich doch Anstand nehmen, an
die Richtigkeit zu glauben.
Herr TheobRld (über den friesischen
pus.*)
*) Die Korrektur de* Stenogramms dieses Vor-
träge* ist von Seite des Herrn Redners bis heute
den 18. Dezember noch nicht eingelaufen.
Anmerk, der Redakt.
Vierte Sitzung.
Inhalt: Horr Schaaffhausen, geschäftliche Mittheilungen. — Herr Behncke, Dccharge des Kassenberichts.
— Herr Weis inann, Etat für das Geschäftsjahr 1878/79. — Herr Mook, über ägyptische Steinzeit.
Discussion: Herr Virchow, Herr Mook. — Herr Krause, über chamäcephale Schädel aus der
Nähe Hamburgs und über ein affenähnliches Gehirn. — Herr Pansch, über Mikrocephalio. — Herr
Virchow, über die Horizontale der Schädel. Disscussion : Herr Schaaffhausen. — Herr Virchow,
Vorlage der von Herrn I)r. N eh ring (Wolfenbüttel) ringesendeten Manufacte aus dem Diluvium von
Thiede {Westeregeln). Discusaion: Herr Sch aaff hausen. — Herr Schaaffha usen , Geschäftliche»
Ueber altgermaniache Alterthünier im Rheinland. Discussion: HerT Virchow, Herr Pöscho, Herr
Mehlis, Herr Schaaff 1) ausen. — Herr Körbin, neue anthropologische Messapparate. — Herr
Hilgendorf, Luci'scher Zeichenapparat zum Reisegebrauch. — Herr Virchow, über Schaler.steine. —
Herr Klopffloisch , über Ausgrabungen in Thüringen. — Herr Schaaffhausen, Geschäftliches —
Herr Fr aas, über Ovibos und Thayinger Höh lenk unst. Discussion: Herr Ranke. — Herr Ranke,
über keramische Technik und keramisches Ornament aus den fränkischen Höhlen. Disscussion: Herr
Schaaffhausen, Herr Ranke. — Herr Schaaffhansen , Schlussrede.
Der Vorsitzende Herr Schaaffhausen eröffnet !
die Sitzung.
Herr Behncko berichtet, dass die Rechnung
1877/78 in bester Ordnung befunden ist. Es
wird hierauf dem Itecbnungsführer Herrn Weis-
raann Decharge ertheilt und der Dank der Vor- ,
Sammlung ausgesprochen.
Herr Weismuntl theilt hierauf den Voran-
schlag für das Rechnungsjahr 1878/79 mit, wel-
ches in Einnahme und Ausgabe mit 749G ./<( 03 Cj.
abschliesst.
Der Vorsitzende empfiehlt die unten verzeich-
neten Anträge um Geldbewilligungen zur Annahme.
Sämmtliche Positionen und das ganze Budget wer-
den bewilligt.
Ausgaben für das Geschäftsjahr 1878 79.
Verfügbare Summe: 7496 03
Ausgaben:
1. Verwaltungskosteu . . .
2. Druck des Correspondenz-
Blattes
3. Zu Händen des General-
sekretärs
4. Zu Händen des Schatz-
meisters
800
3000 „ — „ ;
600 „ - „ I
300 , - „
5.
Redaktion des Correspon-
denz-Blattes ....
300 „ - „
G.
Druck des Kassenberichtes
100 , - „
7.
Stenographen ....
20Ö „ — .
8.
Herrn Schriftsteller Woldt
150 „ - „
9.
Herrn Pfarrer Dahlem
150 „ - .
10.
Herrn Pfarrer Engelhardt
150 „ - „
11.
Dem Zweigverein in Dürk-
heim ftlr Ausgrabungen .
100 „ - ,
12.
Dem Zweigverein in Jena
für Ausgrabungen . .
200 . - „
13.
Für den Reservefond . .
500 „ - „
14.
Für die statistischen Er-
hebungen der Farbe der
Augen, der Haare und der
Haut
500 „ — .
15.
Für die prähistorische Karte
200 „ - „
16.
Für unvorhergesehene Aus-
gaben
24ti . 03 „
Summa :
7496 Jt 03 &
Herr SchaaffliBUSen legt dann Rechnung ab
über die Verwendung des ihm für Höhlenunter-
suchungen bewilligten Fonds. Die Grabungen in
der Martinshöhle sind im September und Oktober
unter Aufsicht des Herrn Schmitz in Letmathe
noch fortgesetzt, worden und haben gleiche Er-
gebnisse wie die früheren geliefert; ein Fund-
bericht wird im Archive veröffentlicht werden.
9*
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142
Die Quittungen über verausgabte 1 50. 25 sind j
dem SchaUm ei st er übergeben worden. Der Kassen-
bestand war nach der in Konstanz, überreichten
Abrechnung %4k 378. 00 , und ist also jetzt |
Ji 228. 74.
Der Vorsitzende fährt fort: Ich habe gestern
mit einer gewissen Befriedigung den Brief des
Herrn Topinard mitget heilt, w'orin er wünscht, I
das« unsere Gesellschaft drei Mitglieder der inter- 1
nationalen Kommission für kraniologische Mess-
ungen ernennen möge. Sie haben einmal schon, j
nämlich in der Versammlung zu Schwerin im |
Jahre 1871 , eine Kommission erwählt für die .
Feststellung der Schldelformen in Deutschland |
nach einer von derselben vereinbarten überein-
stimmenden Methode der Sehädelmessung. Es
handelt, sieh nun freilich hier um eine weiter
gehende Aufgabe. Ich glaube aber doch , dass
es am zweckroässigsten ist., wenn Sie drei Männer |
dieser Kommission erwählen für die internationalen
Verhandlungen in Paris , und ich schlage Ihnen
als solche zun flehst vor: Herrn Professor Vir-
chow und Herrn Professor Ecker, so dass von
Ihnen noch der Dritte zu bestimmen ist. Die
kraniometrische Kommission besteht aus den Herren
Ecker, His, Krause, Virchow, Kölliker,
Lucä, Welcker und mir. Ich frage zunächst, *
ob Sie mit der Wahl der Herren Virchow und
Ecker einverstanden sind?
(Die Versammlung erklärt sich hiermit ein- 1
verstanden )
Herr Krause : Es ist vom Vorstand noch
für eine dritte Persönlichkeit Kaum gegeben. Ich
wollte in Vorschlag bringen, Herrn Professor
Schuaffli ausen zu wählen.
(Die Versammlung stimmt zu und Herr Pro-
fessor Schaaffhausen nimmt die Wahl dan- !
kend an.)
Dr. Mook (Kairo): (Steinzeit in Aegypten.) \
Fürchten Sie nicht, dass ich Ihre Zeit und Auf- I
merksamkeit in zu ausgedehntem Maasse iu An- I
sprach nehmen werde, wenn ich Sie einlade, mit
mir eine Excursion in die libysche und arabische
Wüste und noch in die Steinzeit, vielleicht
sogar in die ägyptische Steinzeit zu unter- ;
nehmen. Ich glaube auch nicht, um Ihre Nach-
sicht bitten zu müssen, wenn ich mit einem ausser- |
nationalen Thema vor Sie trete: im Gegentheil.
ich glaube einer nationalen Pflicht Genüge zu
leisten, wenn ich gerade dieses Thema vor Ihr
Forum bringe. Sie wissen , dass seit 1 «860 ge-
rade die deutschen Gelehrten und speciell die
deutschen Aegyptologen in Opposition getreten
sind zu jenen Männern , welche sich von 8eiten
Frankreichs, Englands und Amerikas mit dieser
Frage beschäftigt haben , in eine derartige Op-
position , dass geradezu geleugnet wurde , Ae-
gypten habe eine Steinzeit. Diese Behauptung,
ausgesprochen von Männern wie Lepsius und
Ebers, warf ihre traurigen Schlagschatten auch
nach dem Ausland hin. Die neuesten Bearbeiter
dieser Frage wären gewiss nicht zu den von ihnen
aufgestellten Behauptungen gelangt, wenn sie sich
nicht, speciell von Lepsius und Ebers hätten
beeinflussen lassen. Ich möchte auf diese Frage
nicht näher eingehen ; ich führe nur das Eine an,
dass behauptet wurde, diese Steininstrumente, die
Sie hier in grossen Massen sehen , seien durch
klimatischen Einfluss und Temperaturwechsel ent-
standen. Bei Nacht ist es kalt, es regnet hin und
wieder et was, bei Tag wird es warm, dann springen
die Steine, und schliesslich bilden sich die Menschen
ein, das seien Lanzenspitzen und Schaber und an-
dere solche Sachen. Als ich vor zwei Jahren
nach Aegypten kam, da stand die Sache so, dass
wer sich mit dieser Frage überhaupt beschäftigte,
unter den Ambern nicht bloss, sondern auch unter
den Europäern, als halb verrückt bezeichnet wurde,
und nun sind die Leute schon so weit davon
zurückgekmnmen , dass sie sagen , die Steinzeit
könne wohl 20,000 Jahre nlt sein. Es ist mir
in diesen Tagen eine Arbeit zur Hnnd gekommen
von Jukes Browne in dem Maiheft der An-
thropologischen Gesellschaft Englands (Anthropo-
logical Institute of England: on some flint im-
plements from Egypt) , worin derselbe speciell
die Feuersteinfunde in Aegypten beschreibt. Ich
werde das Werkchen für die Personen , denen
es nicht bekannt ist., hier circuliren lassen. Sie
finden darin einige Abbildungen von Feuerstein-
Instrumenten, die leider nicht sehr glücklich ge-
wählt. sind, und eine Orient i rungskarte. Er führt
darin die Fundorte an, und was wirklich richtig
in der Arbeit ist: er sagt, die Instrumente einer
Art fänden sich nicht leicht am andern Platz.
Es gibt gewisse Verbreitungsbezirke. Unter diesen
fand er auch einen Platz, wo kleine Messer und
grob gearbeitete Splitter beisammen lagen und
Knochenreste. Diese waren meistens Zähne. Und
nun sagte er sich, beide könnten in Beziehung zu
einander stehen. Die Zähne sind wohl zu hart
gewesen . als dass man sie hätte spalten können
mit diesen kleinen Messerchen. Wahrscheinlich
rühren diese Knochensplitter daher, dass man diese
kleinen Messerchen damit bearbeitet hat. Er be-
stimmt diese Zähne als Pferdezähne. Er suchte
sich Rath bei Aegyptologen und fand , dass das
Pferd nicht auf hieroglyphischen Darstellungen
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147
dieses Gehirn bekanntlich einem Knaben aus
meiner Praxis an, welcher wahrend seines Lebens
affenähnlicbe geistige Eigenschaften zeigte. Der
Kopf das Knaben war nur in sehr geringem Grade
mikrocephal zu nennen. Die Sektion ergab nun
auch, dass das Gehirn in keiner Beziehung ein
mikrocephales ist, dass es an Gewicht und Um»
fang dem ein&s normalen Kindes entspricht, dass
aber die ganze Ausprägung , die Differenziruog
des Gehirn’» einen vollständig aflfenfthnlichen Typus
hat. Die Windungen, das ganze Verhältnis* der
einzelnen Lappen 2u einander , das Offenbleiben
der Insel besonders die Reduction der ersten
Schläfen wind ungen sind in hohem Grade Affen -
ähnlichkeiten zumal mit dem Gehirn der Chim-
pansen verglichen. Ich stehe daher nicht an, zwei
besondere Formen in dieser Hinsicht zu unter-
scheiden, erstens die Mikrocephalie, welche ledig-
lich eine pathologische Erscheinigung ist , wie
Herr Professor Virchow stets mit grossem Recht
betont hat ; zweitens nicht pathologische Gehirne
mit affenähnlichem Typus , die dann allerdings
atavistisch aufzufassen wären.
Dieses hier vorliegende Gehirn ist nun meiner
Ansicht nach recht schön von Herrn Ramme in
Hamburg modellirt worden und kann von diesem
Herrn oder durch mich bezogen werden. Es kostet
in Stearin in asse 12 «4L in Wachs 15
Herr Pansch (über Mikrocephalie): Ich
bin aufgefordert worden, einige Worte über einen
Fall von Mikrocephalie mitzutheilen , welcher in
letzter Zeit in hiesigem Lande vorgekommen ist.
Ich würde es nicht gewagt haben , bei einer so
grossen Anzahl der angemeldeten Vorträge auch
noch das Wort zu ergreifen. Indess ist diess ein
Fall , welcher ein ganz besonderes anatomisches
Interesse bietet. Die Mikrocephalie ist Gegen-
stand von Verhandlungen in den letzten anthro-
pologischen Generalversammlungen gewesen, und
wir sind glücklicherweise so weit gekommen, dass
voriges Jahr in Konstanz Herr Professor Virchow
mit den Worten schliessen konnte , dass wir in
der Mikrocephalie entschieden eine pathologische
Erscheinung vor uns haben, dass von einem Rück-
schlag nicht die Rede sein kann , dass uns aber,
genau genommen, der strikte Beweis noch fehle,
indem vor allon Dingen der Nachweis noch mangelt,
wo das Centrum ist, von dem diese Bildnngs-
hemmungen ausgegangen sind. Es ist gerade
dieser Punkt, den man genauer verfolgen müsste,
und zu diesem Zweck wird ein erwachsener Mensch,
wie dieser Mikrocephale von 42 Jahren, natürlich
weit besser Aufschluss geben — zumal wenn das
Gehirn so besonders gut erhalten ist, — als wenn
wir ein Kind vor uns haben.
In der Ausstellung sind Schädel, Schädelaus-
guss und Hirn Ihnen vor Augen geführt und
will ich mich auf eine Beschreibung hier nicht
weiter einlassen. Es ist das Gehirn vornehmlich
gewesen, welchem ich in letzter Zeit (bei Menschen
und Thieren) meine Aufmerksamkeit zugewandt
habe. Und ich habe hier auch deshalb zunächst
das Hirn untersucht, da immer mehr die Meinung
durchbricht, dass das Gehirn in der Mikrocephalie
das primär Pathologische ist, und dass sich der
Schädel nach dem Gehirn richtet.
Wenn man dies Gehirn betrachtet, so zeichnet
es sich sogleich aus durch eine gewisse Annäher-
ung an früher bekannte Gehirne, namentlich an
das eines 50jährigen Mikrocephalüs, welches Ge-
hirn uns in Abbildungen in den Schriften der
Berliner anthropologischen Gesellschaft vor einigen
Jahren vorgeführt wurde. Man ist der Ansicht,
dass mikrocephale Hirne (ebenso wie die Schädel)
wenig oder gar keine Aehnlichkeit unter einander
haben. Ich glaube aber entschieden, dass wir uns
an mehr oder weniger wichtigen Theilen doch ein
gewisses einheitliches Bild machen können , und
dass wir, wenn wir dies verfolgen, auch mehr auf
die Ursachen kommen werden, auf das Centrum,
von welchem die Missbildung ausgeht.
Auf das Gehirn — es ist hier vorgelegt —
genauer einzugehen, ist keine Sache für die Ge-
sellschaft : es gehört eine gewisse Kenntniss der
Hirnfaltungen dazu, um Alles zu verstehen. Es
sind in der Tbat einige affenühnliehe Formen da.
Wenn hier aber einige Hemmungen in der Ent-
wicklung überhaupt existiren, als Rückschlag be-
zeichnen dürfen wir es ohne Weiteres nicht.
Es sind mehrere Furchen , die eine gewisse ein-
heitliche Bildung zeigen, es sind gewisse Ver-
hältnisse am Schläfenlappen , welche neben der
Verkürzung und der eigen thümlichen Ausbildung
des Hinterhauptes uns dahin bringen werden, eine
niedrige Entwicklung, eine einheitliche Hemmung
zu vermuthon. Vor allen Dingen wird es wichtig
sein , um in der Lösung dieser wichtigen Frage
weiter zu kommen , dass wir in der Weise, wie
Herr Dr. Krause es gethan hat, auffallende Ge-
hirne sammeln und genauer untersuchen, und es
würde die Aufgabe aller Anatomen, Pathologen
und Psychiater sein , abweichende Gehirne zu
sammeln, gut zu konserviren, zu vergleichen und
die Ergebnisse möglichst schnell zur Kenntniss
zu bringen. Namentlich möchte ich den Weg
mit Freuden begrüssen , den Herr Dr. Krause
eingeschlagen hat, dass nämlich Abgüsse ge-
macht werden und durch die Verbreitung der-
10
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148
selben eine direkte Vergleichung einem Jeden er- I
möglieht wird.
Herr YirchOW (Affe und Mensch, Hori-
zontale der Schädel mit Beilage II): Im An-
schluss an diese Mitteilungen möchte ich mir er-
lauben, einige in grossem Styl ausgeführte Zeich-
nungen von Affen, „Affenmenschen** und
Australiern zu zeigen, welche ich vor einigen
Monaten in Leipzig in der geographischen Gesell-
schaft bei einem kleinen V ortrag Uber Anthropologie i
und Anthropogenie gebraucht habe, den ich vor- I
zulegen mir erlaube. Diese Zeichnungen sind in j
der That Originale nach Schädeln der Berliner
Museen , nicht bloss neue Abklatsche. Es hat
sich im Lauf der letzten Jahre bei der Diskussion
der Affen frage eine fortlaufende Reproduktion
derselben , nur immer zweifelhafter werdenden
Bilder in der Literatur geltend gemacht. Es
schien mir daher zweckmässig zu sein , wieder
einmal eine Reihe von Originaltypeu herzustellen.
Sämmtliche Zeichnungen*) sind in gleichem Maass-
stabe nach der Methode des Herrn Lucne geo-
metrisch ausgeführt und zwar in der in Deutsch-
land mehr oder minder angenommenen Horizon-
talen (vom oberen Rande des äusseren Ohrweges
zum unteren Rande der Augenhöhle).
Auf diese Weise kann man sehr schnell das
Maass von Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit er-
kennen, welches sich vorfindet. Ich möchte dabei
darauf aufmerksam machen, dass der Australier-
schädel ein weiblicher ist, der allerdings viel
mildere Formen hat, als die Mehrzahl der männ-
lichen Australierschädel , der aber doch in der
Bildung des Gesichts, wie das bei australischen
Frauen durchgängig der Fall zu sein scheint,
deu Formen der Affen näher steht, als die meisten
Männerschädel derselben Rasse. Insbesondere ist
die Gesichtsbildung bei den australischen Frauen
viel mehr prognath als bei den Männern. In Bezug
auf die Bildung der Kiefer, zum Theil auch der
Nase nähert sich der Schädel viel mehr der Affen-
form, als es jemals bei einem männlichen Austra-
lierschädel der Fall ist. Ich habe darum gerade
einen Weiberscbädel gewählt , wo es sich darum
handelt, das Gesicht in Parallele zu stellen. Auf
der anderen Seite werden Sie aber daraus ersehen,
wie gross der Abstand ist, der zwischen dem
höchsten Affen und dem niedrigsten Menschen
existirt, und wie absolut verschieden namentlich
Du böig«; fügte Blatt stellt sämmtliche Schädel in
V* der natürlichen Grösse dar, and zwar von der
Australierin (1—2), dem Gorilla (4 — 5), dem Orang-
Utan (6—7) und dem Schimpanse (d--9j, jedesmal die
Nornu temporal» und den Sagittal-Durchschnitt.
die eigentlichen Schädeltheile sind, welche in Bezug
auf Grösse des Schädelraumes und Ausbildung
der Schädelkapsel in Betracht kommen.
Betrachten Sie dagegen deu Gorilla-Durch-
schnitt, so zeigt sich sofort oben am Schädel
die mächtige Crista sagittalis, deren Grösse die
Kleinheit des eigentlichen Schädelraums maskirt.
Verglichen mit dem Schädelraum dos weiblichen
Australiers erscheint der Gorillaschädel so eng,
dass der Schädelraum wie eomprimirt aussieht,
und doch ist dieser Australierschädel, im Ver-
gleich zu Menschenschädeln, ungemein klein ; er
hat nur 1 1 50 Kubik-Centimeter Inhalt. Bei dem
Gorillasehädel wirken ferner dio ungeheuere Grösse
der Stirnhöhlen und der sie bedeckenden Stirn-
nasen wülsto , sowie die mächtige Entfaltung des
Gebisses zusammen, um den Eindruck der GrÖBse
zu verstärken. Alles, was den Schädel
grossmacht, istbestial, nichtmensch-
lich. Ziemlich ähnlich verhält es sich mit dem
Orang-Utan. Nur bei dem Schimpanse tritt der
Schädelraum in ein etwas günstigeres Verhältnis«.
Dadurch nähert er sich dem Schädel des mensch-
lichen Mikrocephalus , eines gebomen Rhein -
pfälzers, welcher allerdings um ein ganz erheb-
liches Stück unter die australische Form her-
untergeht, und dem Affen um ein ganzes Stück
näher kommt. Wesshalb wir die Mikrocephalen
nicht als typische , sondern als pathologische
Formen anzusehen haben , ist früher von mir
wiederholt dargelegt worden und ich will darauf
nicht zurückkommen.
Ich möchte nur einen einzigen Gesichtspunkt
bei dieser Gelegenheit betonen , welcher durch
den Brief des Herrn Broca mir in Erinnerung
gebracht worden ist. Unter den verschiedenen
Differenzpunkten in Bezug auf die anthropo-
logischen Methoden zwischen Frankreich und
Deutschland ist gerade die Horizontale ein
Hauptpunkt; ja, Herr Broca schreibt uns, dass
dies der Punkt sein würde , auf welchem die
Franzosen als auf einem fundamentalen bestehen
bleiben und in Bezug auf welchen sie verlangen
müssten , dass wir unsere Horizontale aufgeben
und die französische adoptiren.
Wenn Jemand sich auf den Standpunkt der
vergleichenden Schädel betrachtnng stellt und
solche Affenbilder mit menschlichen zusammen-
bringt, so wird er, glaube ich, mit Leichtigkeit
sich überzeugen, zu welchen Unmöglichkeiten das
führt, wenn man die französische Horizontale
acceptiren wollte. Die französische Horizontale
geht nämlich durch dio Coodylen des Hinter-
hauptes und durch den Punkt des Oberkiefers,
der vorn in der Mitte des Alvcolarrandes liegt.
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149
Unsere Horizontale aber geht vom Ohrloch aus
und verläuft, ungefähr parallel dem Jochbogen,
gegen deu untern Augenhöhlenrand. Die Schwank-
ungen der einzelnen deutschen Ansichten basiren
hauptsächlich darauf, dass die Horizontale bald ein
klein wenig höher, bald ein klein wenig niedriger
gelegt wird. Im Grossen und Ganzen benützen
wir jedoch dieselbe Ebene, während die Franzosen
so viel niedriger gehen, dass der in ihre Horizon-
tale gestellte Schädel vorn beträchtlich gehoben,
hinten dagegen stark gesenkt wird. Wollte man
diese Horizontale auf einen Affenscbädel anwenden,
so kämen wir zu einer Horizontale , welche den
Schädel ganz rückwärts schiebt; das Gesicht
wird stark in die Höhe gerichtet. Wir wür-
den somit eine solche Abnormität der Stellung
erzielen , dass , wenn wir das wirklich noch eine
Horizontale nennen wollen, jedennann uns einer
Uebertreibung zeihen würde. Nun verlangen die
französischen Anthropologen allerdings für die
Thiere diese Horizontale nicht. Aber gerade darin
weiche ich von ihnen ab. Mir scheint die Mög-
lichkeit einer Vergleichung von unschätzbarem
W ert he. W ill man überhaupt eine solche V ergleichung
anstellen, so kann mau sie nur anstellen, wenn man
eine Horizontale nimmt, welche sich der deutschen
nähert. Unsere Horizontale hat den Vorzug, wie
das aus der Betrachtung der Zeichnungen hervor-
geht, dass sie beim Affen nahezu mit der eigent-
lichen Scbädolgrundfläche zusammenfällt , und
dass sowohl die Entfaltung des eigentlichen Schä-
dels, wie die Entwickelung des Gesichts sich der
Horizontalen viel mehr anschliesst. Beim Menschen,
selbst beim Australier t macht die Horizontale
mit der Schädelgrundfläche immer noch einen ziem-
lich grossen Winkel, wenigstens am Clivus. Aber
wir kommen auch hier für den vorderen Ab-
schnitt des Schädels, das Planum ethmoideale,
zu einer Horizontalen.
Ich muss daher sagen, dass ich nicht glaube,
dass wir, auch bei dem besten Willen zu einer
Verständigung, dem französischen Ultimatum gegen-
über uns einfach fügen können. Wir müssten in der
That eine gute Grundlage der deutschen Anschau-
ung aufgeben, wenn wir das Ultimatum acceptiren
wollten. Ich habe daher eine kleine Sorge, ob
wir den Friedenstraktat von Paris auf den ge-
botenen Grundlagen werden abschliessen können.
Wollten wir auch in allen andern Punkten nach-
geben, so wird es doch noth wendig sein, in diesem
Punkte die sorgfältigsten Erwägungen eintreten zu
lassen. Wir werden dabei nicht umhin können,
die ophthalmologisch so wichtige Frage von der
Primärstellung des Auges mit in die
Betrachtung zu ziehen, und ich denke, dass, wie
Auch die Entscheidung dieser Frage ausfallen
sollte, nicht nationale, sondern nur wissenschaft-
liche Gründe uns bestimmen werden.
Herr Schaaffhausen : Ich bin vollständig
einverstanden mit dem, was Herr Kollege Vir-
chow gesagt hat. Sie sehen aber in diesen
Bildern die Bestätigung meiner Ansicht, dass eine
Horizontale nicht für alle Schädel passt. Die
Horizontale , die vom Ohrloch bis zum unteren
Augenböhlenrande geht, ist die der Affen und
der Mikrocephalen. Dieser Mikrocephale sieht
gerade nach vorn, ist also richtig gestellt. Seine
Horizontale schneidet wie die des Affen den un-
teren Augenhöhlenrand. Niemand wird leugnen,
dass auch dieser Orangutanscbädel richtig gestellt
ist. Sie sehen an ihm , dass das Gesicht gerade
nach vom gerichtet ist. Für den Wilden passt
diese Horizontale aber schlechterdings nicht; der
schaut nach unten, was er thun mag, wenn er
den Kopf nicht aufrichtet. Das wird Jeder zu-
geben , welcher das Bild dieses Australiers be-
trachtet. Wenn Sie aber ihm den Kopf auf-
richten und dann die Horizontale bestimmen
wollen, so werden Sie finden, dass, wie bei den
meisten Wilden , die Horizontale von der Mitte
des Obrlochs zum Nasengrunde geht. Das ist
freilich so zu verstehen, dass diese Linie die all-
gemeine Richtung angibt, in der die einzelnen
Schädel mit ihrer Horizontale etwas auf- oder
abwärts schwanken. Ich hoffe, dass ich für meine
Ueberzeugung, dass man überhaupt nicht auf
einer und derselben Horizontale alle Schädel messen
darf, Verständnis« und Zustimmung finden werde.
Herr Vlrchow (Vorlage der von Herrn
Dr. Nebring (Wolfenbüttel) eingesendeten
Manufakte aus dem Diluvium von Thiede
und Westeregeln); Ich habe noch einen Auftrag
zu erfüllen, werde aber ganz kurz sein. Derselbe
bezieht sich auf eine Angelegenheit , welche für
uns in Deutschland nicht minderes Interesse hat.
als die Frage, welche Herr Dr. Mook für
Aegypten angeregt hat. Der Auftrag stammt von
Herrn Dr. Nehring in Wolfenbüttel, welcher
sich seit einer Reihe von Jahren mit unermüd-
lichem Eifer und mit subtilster Genauigkeit mit
der Untersuchung zweier paläontologischer Fund-
stellen , einer bei Thiede in der Nähe von
Wolfenbüttel, und einer bei Westeregeln, etwas
weiter östlich, im Magdeburgischen, beschäftigt.
Beide sind diluviale Fundstätten, wo Gypsbrüche
aufgeschlossen sind, über denen sich reiche Schichten
mit Thierresten vorfinden. Diese Untersuchungen
sind an sich schon von sehr grossem Interesse in
10*
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150
Bezug auf die rein paläontologischc Frage, inso-
fern als durch Herrn Dr. N e h r i n g neben oder
vielmehr unter dem schon früher bekannten Lager
mit Knochen grosser Säuger, des Mammut h, Rhi-
nozeros u. s. w., eine grosse Menge von Resten
kleiner Thiere nachgewiesen worden ist, auf die sich
bis dahin die Aufmerksamkeit der Paläontologen
wenig gerichtet hatte, so dass durch seine ersten
Mittheilungen einiger Zweifel angeregt wurde. Er
wies nämlich zahlreiche Steppenthiere nach, ent-
sprechend denjenigen, welche in den russischen
Steppen von Nordasien bis zum Theil nach Ungarn
hinein Vorkommen. In den Diluvialschichten von
Thiede und Westeregeln findet sich eine Menge
von Ueberresten kleiner Wühl- und Springmäuse,
Ziesel und anderer Thiere von ungemeiner Zier-
lichkeit und Feinheit. Herr N eh ring schliesst
aus ihrem Vorkommen , dass in jener Urzeit die
Ebene vor dem Harz im engeren Sinne eine Steppe
dargestellt hat. Bei dieser Gelegenheit hat er
auch eine Reihe von Feuersteinen gefunden, welche
allem Anschein nach künstlich geschlagen sind.
Ich war vor einigen Monaten persönlich bei ihm,
weil ich mich für diese Frage im höchsten Maasse
interessirte ; schon längst hatte ich mir vorge-
nommen, die Fundstelle in Augenschein zu nehmen,
um mir ein Urthcil zu bilden über die Evidenz
der Funde. Ich habe damals Gelegenheit gehabt,
selbst einige solcher Stücke aus ihren originalen
Fundstellen herauszunelimen, und ich trage nicht dos
mindeste Bedenken in Bezug auf die absolute Zuver-
lässigkeit der Beobachtung des Herrn N eh ring
über die tiefe Lage dieser Stellen. Es handelt
sich aber nunmehr darum, in wie weit man diese
Fundstücke als wirklich von Menschen her-
gestellte Objekte anerkennen will. Erkennt man
sie als solche an, so gewinnen wir damit für die
Existenz des Menschen auf der norddeutschen
Ebene das am weitesten zurückliegende Factum;
denn es gibt Nichts, was sich dem auf der Nord-
seite des Harzes auch nur entfernt an die Seite
stellen liesse. Insofeme, hoffe ich, wird auch das
Interesse der Gesellschaft daran ein grosses sein.
Ich will in Bezug auf die Situation be-
merken, dass es sich um einen niedrigen Hügel -
zug handelt, der quer durch das Öckerthal geht,
also ungefähr parallel dem Nordrandc des Harzes,
nordwestlich von Wolfenbüttel; mitten in diesem
Hügel ist ein grosser Gypsbruch aufgeschlossen,
dessen Bildung in der Weise sich darstellt, dass
ähnlich, wie wir das an unsern Kreideformationen
sehen, spitze, zackige Vorsprünge in die Höhe
ragen , die von tiefen Klüften durchsetzt sind.
Diese Klüfte sind mit diluvialen Schichten aus-
gefüllt, und zwar unten mit überaus feiner Schicht-
ung. Die einzelnen Lagen sind ungemein dünn,
aber sehr scharf von einander abgesetzt. Dann
kommt in einer gewissen Höhe darüber eine
mehr zusammenhängende Lössschicht und nachher
noch eine dritte oberste, ganz gleichmässige Schicht.
Diese letztere enthält verhältnissmäsaig wenig ;
; indess, abgesehen von gewissen Oberflächen- Fun-
den, die hier nicht in Betracht kommen können, zeigt
sieh doch, dass in den tieferen Lagen, ungefähr
in 1 Meter Tiefe, zahlreich Kohlenstückchen bei-
gemengt sind. In der nächst tieferen, recht um-
I fangreichen Schicht liegen hauptsächlich die Reste
I der grossen diluvialen Säugethiere, auch Ren-
j thierreste. in besonders grosser Zahl und in sehr
1 ausgezeichneten Exemplaren aber Zähne und Kno-
chen des Mammuth. Erst unter der Mammuth-
sehicht kommt die Ausfüllung der Kluft, welche
; voll ist von den Ueberresten der kleinen Steppen-
i thiere, und noch in dieser tiefsten Schicht, also noch
! unter der eigentlichen Mammuthschicht , finden
| sich geschlagene Feuersteine. Erkennt man
| sie als geschlagene an, so kommt man damit in
eine Periode, welche, scheinbar wenigstens, vor
die Zeit reicht, in welcher unsere norddeutsche
t Ebene von den grossen diluvialen Säugethieren
durchwandert wurde.
Nun sehen Sie hier auf unserem Tische eine
von Herrn Ne hr in g eingesandte Kollektion von
Feuersteinen aus dem Bruch von Thiede. Ich
habe sie jetzt so geordnet , wie sie ihrer Tiefe
nach sich gefunden haben, und ich möchte bitten,
dass diejenigen , welche sie ansehen wollen , sie
auch in dieser Reihenfolge würdigen. Die oberste
Schicht, aus welcher Stücke vorliegen, findet sich
in einer Tiefe von IS Fuss unter der Oberfläche;
dann kommt eine zweite Gruppe aus 20 Fuss
Tiefe, eine dritte aus 23 Fuss und ein Stück aus
28 Fuss Tiefe. Dieses tiefste Stück ist zugleich
dasjenige, welches das grösste Interesse darbietet.
Es ist dasselbe , welches Dr. N e h r i n g in dem
„Archiv für Anthropologie“ in seiner ausführ-
lichen Abhandlung abgebildet hat. Man muss es
selbst gesehen haben : die weisse Patina der Ober-
fläche, die lange, gleichmässige Splitterung der
Seiten, am Rande entlang die kleinen Abbrüche,
um die volle Evidenz zu haben. Ich bekenne
offen, dass ich keinen Zweifel hege, dass es sich
um menschliches Manufakt handelt. Auf weitere*
Detail will ich nicht eingehen. Es handelt sich
ja wesentlich um die persönliche Prüfung dieser
Stücke.
Das einzige Stück der vorgelegten Sammlung,
das von Westeregeln herstammt, ist in einer
Tiefe von 16 Fass gefunden worden. Ausserdem
| ist noch ein Stück aus der Oberfläche vorhanden,
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151
welches beweist, dass in der Gegend auch polirter
Stein vorkommt.
Es würde von Interesse sein, wenn die Herren
sich darüber ttussern wollten, inwieweit sie Zweifel
an der Evidenz dieses Fundes hegen.
Ttrxeichniss der übersandten Feuerstein • Artefakte.
a. Ein Schaber (Original zu Antbropolog Archiv X.,
Fig. 27).
b. Eine mesaer förmige Lamelle. \
c. Schaber ? oder breite Lanzm- |
spitze ?
d. Pfriemförmige Lamelle.
e. Schaber? oder breite Lanzen-
spitze?
f. Abgebrochene Lanzenspitze j
g. Abgenutzte Pfeilspitze.
b. Misslungene Pfeilspitze? J
i. Messerförmige Lamelle (Original za Anthropolog.
Archiv XI., Fig. 2) Diluvium des südlichen Gyps-
bruches von Westeregeln, neben Ziesel* und
Springniaas-Kest^n.
k. Ein geschliffener Feuerstein, welchen ich auf dem
Wege von Wolfcnbüttel nach Salzdahlum im frisch
aufgesebütteten Grande gefunden habe, wahrschein-
lich wesentlich jünger, als die obigen Feuerstein-
Sachen.
Dr. Alfred Nchring.
Diluvium des Gyps-
bruchet von Thiede,
tbcils aus den mittleren
Mammuth - Schichten,
theils aus den oberen
Lemmings - Schichten.
Herr Sch&afThunsen : Wenn ich mein Ur- |
theil darüber abgeben darf, so ist dies Stück aus
der grünsten Tiefe unzweifelhaft ein menschliches
Produkt. — Hier liegt ein anderes , das sehr
wohl ein Absprung sein kann. Der hohe Rücken
muss immer da sein, der auf den Kern zurück-
weist.
(Pause von 20 Minuten.)
Herr Schaaffhausen (Geschäftliches): j
Es sind mir Karten des Ritzerauer Geheges, wo-
hin wir einen Ausflug machen und wo Ausgrab-
ungen vorgenommen werden sollen, zur Vertheil-
ung übergeben worden.
Dann bringe ich die von Herrn Dr. Theobald
gemachte Bemerkung in empfehlende Erinnerung,
dass überall, wo Ausgrabungen im Aufträge der
Gesellschaft stattfinden, beim Bürgermeister oder
Schöffen des Orts eine kleine Situationskarte hinter-
legt werden möge, damit Jeder von uns, der da-
hin kommt , sich das Untersuchungsfeld ansehen
könne. Ich glaube in der That , dass wir die-
jenigen Herren, welche Gelder von uns für solche
Arbeiten erhalten, uni diese Gefälligkeit bitten J
dürfen.
Herr Nrhaaft bansen (über alt germani-
sche Denkmäler im Rheinland): Monu-
mente unserer ältesten Vorzeit sind doch auch im
Rheinland häufiger, als man bisher gewusst hat. |
Es ist die Menge römischer Alterthümer, welche
hier die Forscher von jeher am meisten beschäftigt
hat, und die rohen und oft unscheinbaren Stein-
bauten unserer Vorfahren aus mangelnder Kennt-
nis» derselben übersehen Hess. Nachdem man
diese Untersuchungen in Deutschland nach allen
Richtungen bin in die Hand genommen hat, liess
ich es mir angelegen sein, im Rheinland bei den
mit den Oertlichkeiten ihrer Gegend vertrautesten
Forschern Nachrichten über solche noch vorhandene
Alterthümer zu sammeln, was insbesondere vrün-
schenswertb war für die Herstellung der prähi-
storischen Karte. Namentlich haben mir Herr
v. Cohausen, welcher als früherer Oberst im
preussischen Ingenieur - Corps ein besonders ge-
übtes Ange für solche alten Erd wälle nnd Be-
festigungswerke hat, dann auch Herr Linden-
schmit schon früher Nachrichten solcher Art.
zugehen lassen. Ich nahm mir vor, nach und
nach diese Denkmäler im lihoinland, nnd nament-
lich die Ringwälle, selbst zu erforschen und dar-
über zu berichten. Am Oberrhein ist eine ganze
Reihe von Monolithen bekannt geworden, die häufig
den Namen Hinkelstein tragen. E. Wörner hat
mehrere derselben in der Beilage zu Nro. 6 des
Korrespondenzblattes der historischen Vereine von
1878 abgebildet. Herr Bergmeister Th. Hundt
in Siegen hat mir einen Bericht Uber einen in
dortiger Gegend bei Daaden noch erhaltenen merk-
würdigen Steinring zugehen lassen, Über den ich
in der Sitzung der niederrbeinischen Gesellschaft
vom 18. Februar 1878 eine Mittheilung gemacht
habe. Ich bedaure, die von ihm eingereichte sehr
anschauliche Zeichnung nicht vorlegen zu können.
Es ist der Gipfel des 1704 Fuss hohen Hohen-
seelbachkopfes mit einem Steinring umgeben, wel-
cher aus Über einander liegenden ßasaltsäulen ohne
Mörtel gebildet ist. Diese mit 5 Kanten ver-
sehenen Säulen von 3 bis 4 Fuss Länge schli essen
so genau zusammen , dass eine ausserordentlich
feste Mauer entstanden ist. Leider ist bereits
durch einen Steinbruch dies alte Denkmal stark
beschädigt, so dass ich mit Herrn Geh. Rath von
Dechen bei der Behörde den Antrag gestellt,
M assregeln zur Erhaltung desselben treffen zu
wollen , um fernere Zerstörungen zu verhüten.
Der Steinring schließt eine Fläche ein, die einige
Morgen gross ist, auch ein Wasserbrunnen findet
sich darin , und dieser erinnert daran , dass bei
den Kämpfen unserer Vorfabron dieso Steinringe
nicht nur zur Zuflucht der Menschen dienten,
sondern dass man auch die Heerden da hinbrachte,
und zu diesem Zweck eine Grube anlegto, in der
sieb das Tagewasser sammelte. Auch finden sich
in der Mitte einige ßasaltsäulen aufgerichtet und
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man darf nach anderen Anlagen dieser Art hier [
wohl eine Opferst&tte innerhalb de« Stein ring«
vennut.hen. Mir war es recht auffallend, in Fries-
land zu sehen, dass die neueste Baukunst sich, um
die holländische Küste gegen den Andrang des
Meeres zu schützen , derselben Methode be-
dient, wie die prähistorische Zeit. Der hier an-
wesende Herr Eeekhoff wird mir bestimmen.
Bei Harlingen habe ich die neuen Deichbauten
gesehen ; es ist dort ein Steinwall aus rheinischen r
Basaltsäulen in derselben Weise errichtet, der
gegen den Wogendrang des Meeres besser Stand
hält, als die bisherigen Cementbauten. Hundt
hat in dem Regierungsbezirke Arnsberg nicht
weniger als 19 alte Stein rin ge verzeichnet, Höl-
zermann hat 1877 die an der Lippe beschrieben,
P i e 1 e r führte solche an der Ruhr an. Zwei
andere Denkmäler ältester Vorzeit habe ich in
diesem Sommer selbst besucht. Das eine liegt
nicht fern vom schönen Ahrthale, auf der Höhe
über Altenahr, bei Krählingen. In den älteren
Beschreibungen der Gegend findet man nur kurze und
irrige Angaben darüber. Auf dem Gipfel des
Hochthürmen findet sich ein noch wohl erkenn-
barer Steinring, von dem Kinkel meint, er sei
nur das zerbröckelte Gestein der eingestürzten
Bergspitze. Dieser Berg ist 1561 Fuss hoch,
und in einer geringen Entfernung von ihm liegt
ein ähnlicher Kegel, der 1491 Fuss hohe Hasen-
berg. Zwischen beiden Bergkuppen am Fusse des
Hochthürmen liegt der Rest eines viereckigen,
aus grossen eckigen Steinen errichteten 12 Fuss
breiten Stein walles, der den Namen Heidengarten
führt und einen Raum von 120 Fuss Länge und
110 Fuss Breite einschliesst. Ich lege eine ge-
malte Skizze der Gegend mit dem Grundriss beider
Denkmale vor. Am Steinring ist noch ein Ein-
gang erkennbar; der viel grössere Heidengarten,
der unten am Bergkegel liegt., ist an einer Seite
ganz offen, und zwar an der, die nach dem Stein-
ring gelegen ist. Auch hier findet sich iin Innern
der Umwallung eine Quelle, die wohl eine ähn-
liche Bestimmung hatte, wie der Brunnen auf
dem Hohenseelbachkopfe. In der Nähe dieser Alter-
tb ümer liegen im Walde der Gemeinde Berg, wie
es gewöhnlich der Fall ist, Hügelgräber.
Das merkwürdigste Denkmal dieser Art — ich
behaupte, dass in Deutschland kein zweites damit
zu vergleichen ist, — scheint jetzt wenig bekannt
zu sein, wiewohl es in älteren Schriften erwähnt
wird. Es ist der Steinring von Otzeahausen,
auch Hunnenring oder Dreiring genannt ; er liegt
bei Türkismühl, einer Station der Nahebahn, rechts ;
von der Trierer Chaussee. Wyttenbach hielt
ihn für ein befestigtes Lager der Trevirer aus
vorrömischer Zeit. Man bringt den Namen des
Berges, Dollberg, mit dem Dolmen in Verbindung,
der im Jahre 1812, etwa 5 Meter hoch und ebenso
breit, zwischen dem ersten und zweiten Steinwall
noch vorhanden war. G. Bärsch Nachrichten
über diesen Ring hat Schriever 1839 ver-
öffentlicht. Als König Friedrich Wilhelm IV. im
Jahre 1836 als Kronprinz das Rheinland bereiste,
sollte der kunstsinnige Monarch auch dieses äl-
teste Denkmal des Landes sehen, und man wollte
ihm den Berg durch Kunststrassen und Treppen
•zugänglicher machen , was er seihst aber ver-
hinderte. Es ist der Steinring noch ziemlich un-
versehrt erhalten. Auch hier ist es wieder die
Gipfelspitze des Dollberges , auf der eine Fläche
von 50 bis 60 Morgen durch einen und nach
einer Seite durch drei Steinwälle eingefriedigt ist.
Der Hauptring hat drei Eingänge , welche , wie
bei unsern Festungsbauten, nur in schiefer Richt-
ung den Eingang gestatten , was zur bessereu
Verteidigung diente. Hoch oben hat man einen
sehr schönen Blick Uber das ganze Land hin , und
hier soll jener Dolmen, der wohl eine Opferstätte
war, gestanden haben. An dieser Stelle, wo sich
der Steinring nach abwärts neigt, liegen vor ihm
noch zwei halbe Ringe , die an den Seiten mit
ihm verschmelzen. Durch die ersten beiden steigt
man gewöhnlich empor, um in die Mitte zu
kommen. Der Steinring ist so gewaltig, dass an
vielen Stellen, zumal gegen Norden , seine Höhe
120 bis 130 Fuss beträgt. Er ist im Durch-
schnitt ein pyramidal aufgeworfener Steinwall mit
zwei schiefen Flächen , dessen Grundfläche etwa
60 Fuss breit ist. Die grauen Quarzitblöcke sind
von ziemlich gleicher Grösse, die meisten messen
zwei, drei Fuss, und werden in der Nähe wie
am Berge selbst gebrochen. Gegen Süden sieht man
noch festgewachsene Felsblöcke in dem Walle stehen.
Man kann sich kaum vorstellen, wie die Menschen
ohne schweren Steinharamer sich diese Blöcke von
gleicher Grösse und eckiger Gestalt verschafft
haben. Als ich das großartige Werk mir an-
sah , fragte ich sofort , ob nicht , wie ich es so
oft gesehen hatte, in der Nähe sich germanische
Gräber befänden. Ich wurde zunächst auf zahl-
reiche römische Gräber in dieser Gegend auf-
merksam gemacht , die so reich ist an kostbaren
Funden , wie kaum eine andere. Drei kostbare
Vasen und eine vergoldete Krone, ln Stunde von
hier, in Schwarzenbach gefunden, sind in das Ber-
liner Museum gekommen. Die Gegend muss in
römischer Zeit dicht bevölkert gewesen sein, da-
her haben Manche auch die Anlage des Stein-
ringes für römisch gehalten. Wohl aber ist es
denkbar, dass die Römer gerade da ihre Ansied-
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lungen machten, wo vordem die Germanen schon
feste Platze gehabt, hatten. Wenn ein alter Schrift-
steller diese Befestigung den alten Trevirern zu-
schreibt , die stolz auf ihre germanische Abkunft
waren , später aber selbst fast Körner wurden,
so möchte er wohl Recht haben. Wiewohl in den
alteren »Schriften nirgends eine Bemerkung über
öermanengraber vorkornmt . so wurden mir , als
ich noch einmal nach Hügelgräbern im Walde
fragte, sofort ganz in der Nähe ausserhalb des
Ringes dieselben gezeigt. Es ist die Absicht des
Dr. Hettner, des Direktors des Provinzial-
museums in Trier, demnächst Ausgrabungen hier
vornehmen zu lassen.
Ich habe in diesem Bilde den Dollberg so
dargestellt, als wenn er keinen Hochwald trüge,
um an einer schematischen Zeichnung die 3 über
einander liegenden Ringe anschaulich zu machen.
Ein« genaue Aufnahme dieses grossartigen alt-
germanischen Bauwerkes muss noch gemacht wer-
den. Auffallend ist das frische Aussehen des Stein-
gerölles, zumal in seinen oberen Theilen, Die Ab-
wesenheit aller Vegetation, einige Flechten abge-
rechnet . erklärt sich aber aus der vollständigen
Trockenheit der quarzhaltigen Steinblöcke.
Noch möchte ich Ihre Aufmerksamkeit in An-
spruch nehmen in Bezug auf alte Bildwerke un-
serer Vorzeit, die ausserordentlich selten sind. Die
Schriftsteller berichten uns, dass die Germanen
weder Tempel noch Götterbilder gehabt hätten.
Wir haben freilich Nachrichten von einer Irmensul,
wissen aber nicht recht, wie dieselbe beschaffen
war. ob sie nur ein Baumstumpf war, als Gegen-
stand der Verehrung aufgerichtet, oder ob sie ein
Holztempel oder ein geschnitztes Götterbild war,
es ist darüber Nichts bekannt. Als ein seltener
Fund werden die 3 alten Steinbilder aus einer
diluvialen Ablagerung bei Bamberg angesehen,
die Lindenschmit abgebildet hat und ich hier
vorzeige. Bamberg selbst steht auf einem be-
grabenen Walde. Aus der Rednitz werden ge-
waltige Baumstämme gefischt und zwischen den-
selben sind jene Steine, auch ein menschlicher
Schädel rhachitischen Baues und aus einem Eich-
baum geschnitzte Kähne gefunden worden. Haupt
in Bamberg hat diesen Fund , der in Bamberg
auf bewahrt wird, schon vor 25 Jahren beschrieben.
Die Steinbilder sind Hermen , welche oben die
Andeutung der Arme haben. Die eigentümlichen
Gesichter mit dem spitzen Bart erinnern indessen
an altchristliche Darstellungen ; man wird den
Steinen gewiss nicht ein diluviales Alter zuschreiben
wollen, sie können auf irgend eine Weise in die
diluviale Ablagerung gekommen sein. Auch sind
sie jenen Steinbildern auf den russischen Kurganen
ähnlich, die zum Theil einen mongolischen Typus
haben. Doch scheint es nicht, dass sie, wie jene,
in den Händen den Becher der pferdemelkenden
Seytben halten, aber ihre Hände sind allerdings
so gestellt , als wenn sie etwas damit halten
sollten. Linden schmitt sagt noch, sie seien
nicht mit einem metallenen Werkzeug gearbeitet,
sondern nur mit einem harten Steine ausgerieben.
Aber kann nicht der Zustand der Verwitterung
diesen Anschein geben?
Ich zeige Ihnen sodann hier die Photographie
, eines Götzenbildes aus versteinertem Holz, welches
( ich schon mehrmals, auch bei der internationalen
Versammlung in Stockholm vorgezeigt habe, um
die Ansicht der Sachverständigen darüber zu hören.
Es ist bei Ny mw egen im Sandboden vor der Stadt
gefunden, wo auch römische Alterthümer häufig
sind. Es ist ein Holz von etwa einem Fuss
Länge , und zwar ein versteinertes Holz , dessen
dickeres Ende zu einem menschlichen Gesichte zu-
geschnitzt ist. Ich habe es mikroskopisch unter-
sucht und Professor Göppert hat meine Unter-
suchung bestätigt. Es ist ein Pinites, wie er in
diluvialen Ablagerungen des Rheinthals und in
Holland vorkommt. Keiner der Archäologen, die
das Ding gesehen , konnte mir eine Angabe
machen, wo etwas Aehnliches sich befinde. Nur
in der Bildergallerie zur allgemeinen deutschen
Real - EncyklopUdie , die keinen Verfasser nennt,
sind in der 4. Abtheilung Tafel 7 jenem Holzbild
ähnliche , in Holz geschnitzte Götzenbilder der
Lappen und Wenden abgebildet. Auch finden
sich solche Figuren in einer Abhandlung von
' Masch vom Jahre 1771, welcher ähnliche, aber
in Bronze gegosseno, bei Prillwitz angeblich ge-
! fnndene Götzenbilder beschreibt und abbildet. Diese
| sind aber, wie mir Lisch schreibt , als Fälsch -
| ungen berüchtigt. Sie werden in der Alterthümer-
Sammlung zu Neu-Strelitz aufbewahrt..
Es sind ferner vor mehreren Jahren in einem
alten Bleibergwerk bei Roggendorf in der Eifel,
wo in der Nähe die berühmten Bleibergwerke von
Gommern und Mechernich sich befinden , merk-
würdige Steinbilder gefunden worden; sie stellen
menschliche Köpfe dar und sind aus Eisenstein-
Sphäroiden gearbeitet. Ich erinnere mich noch
; der Zuschrift, als man mir mittheilte, ich möchte
da hinkommen, man habe ganz in Stein verwan-
; delte Menschen gefunden. Die Steinkugeln haben
wirklich ungefähr die Grösse eines menschlichen
Kopfes. Es sind, wie Sie aus dieser Photographie
ersehen, 3 Steinbilder roher Art und komischer
Darstellung, Fratzen, einer mehr als der andere.
Der mit der langen Nase ist in der That hoch-
gelungen und sehr spassliaft. Nie ist etwas der-
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artiges gefunden worden , doch kommen in der
mittelalterlichen Kunst auch fratzenhafte Menschen-
gesichter an Haus- und Kirchenbauten vor. Ich habe
damals schon — weil wir sicher wissen, dass die
Römer, wie die grossen Kupferbergwerke am Rhein,
so auch bereits diese Bleibergwerke betrieben
haben, — diese Steinköpfe dem römischen Alter-
thum zugeschrieben , ebenso möglich ist es aber
auch, wenn wir an die früho Keuntniss der Metall-
arbeit bei den Galliern und Kelten denken , dass
das Blei, welches in gediegenen Körnern hier im
Sande liegt , schon von den keltischen Stämmen
gewonnen wurde. Auch der Bildhauer Afinger
gab mir zu, dass ein rohes kunstloses Volk so
vorzügliche komische Fratzen nicht gemacht haben
könne ; zumal das Ohr ist an einem Kopfe so
richtig und schön gezeichnet, dass man sagen muss :
es ist ein Künstler gewesen, der das gemacht hat I
Ich glaube aber, dass diese meiue schon früher
in der niederrheinischen Gesellschaft geäusserte
Ansicht jetzt um so mehr Wahrscheinlichkeit hat,
als ganz in der Nähe alte zusammengefallene
Stollen entdeckt worden sind , in denen sich rö-
mische Sachen , z. B. eine Kiste mit römischen
Münzen, fanden. Bekannt ist es, dass Bergleute
in den dunklen unterirdischen Räumen gern ihre
Phantasie beschäftigen. Ich erinnere Sie an die
in den Salzbergwerken gewöhnlichen Skulpturen,
wo man Christusbilder oder die der Heiligen dar-
gestellt, ich erinnere ferner daran, dass die Ver-
breitung des Mithrasdienstes unter den späteren
römischen Kaisern am Rhein eine sehr grosse war
und derselbe vielfach in unterirdischen Räumen
geübt wurde. Einige solcher komischen Gesichter
kommen an Köpfen des bekannten Mitkrasbildes
von Heddernheim vor , das sich im Museum zu
Wiesbaden befindet. Auch ist es nicht unwahr-
scheinlich, dass in römischer Zeit der deutsche Aber-
glaube durch solche Dinge eine Darstellung fand.
Die Unholde, Berggeister und Kobolde der alten
Volkssage wurden in diesen Steinkugeln wieder-
gegeben, und man kam um so eher auf diesen
Einfall, weil diese im Bleisand vorkommenden
Knollen von Brauneisenstein schon an und für
sich zuweilen wie Menschenköpfe aussehen. Man
hat passende Knollen mit Austvüchsen benutzt,
um solche Bilder hervorzubringen. Einige glaubten
an Ort und Stelle, als ich mich dahin aussprach,
dass die Sachen gewiss sehr alt wären, der an-
gebliche Fund wäre ein Betrug und ein Berg-
meister liess durch seine Leute ähnliche Köpfe
machen. Aber der Versuch bewies augenschein-
lich , dass man so etwas nicht machen konnte.
Noch ein Umstand ist es, der das Alter dieser
Dinge beweist : All diese Köpfe sind nämlich mit
einer Kruste von Eisenoxydhydrat überzogen. Sie
haben alle auf ihrer bearbeiteten Fläche diese
mineralogische Abänderung erfahren, für die man
ganz gewiss eine lange Zeit voraussetzen darf.
Ich möchte nun zum Schlüsse noch ein Bild
ganz anderer Art zeigen. Es ist nicht ein roher
Versuch, menschliche Züge nachzubilden, sondern
eine vortreffliche Darstellung menschlicher Typen,
welche wir für die älteste halten dürfen, welche
wir besitzen, sie rührt von einem hochgebildeten
Kultur Volke, von den Aegyptern her. Das Bild,
welches ich hier vorlege, ist eines der Wand-
gemälde, welche Rosellini in seinem Werke
,, Monumente Aegyptens und Nubiens“ bekannt
gemacht hat. Es findet sich in dein grossen
Höhlen tempel von Ibsatnbul in Nubien und ist
a. a.O. T. III Nr. LXXIX abgebildet. Es sind in
diesem Bilde , welches die von Kamses III be-
siegten Völker darstellt, die Neger sehr deutlich
gezeichnet, auch der Mongole ist zu erkennen,
eine rothhüutige Völkerschaft ist schwer bestimm-
bar. Das Merkwürdigste für uns, zumal jetzt,
wo wir Untersuchungen über die Herkunft der
blonden blauäugigen Menschenstämme anstellen,
sind 5 Köpfe von Menschen mit röthlichem Haar,
und heller Gesichtsfarbe und mit sehr schön ge-
malten blauen Augen. Ramses III, der bekannte
äosostris, hält den Bogen in der Hand und zu-
gleich die besiegten Völkerschaften mit der Hand
beim Schopfe fest als Sieger. Wir sehen hier
also helle blauäugige Menschen aus der Zeit um
1500 vor unserer Zeitrechnung. Ich will nicht
weiter in die schwierige Frage eingehen, welches
Volk hier dargestellt ist, aber es ist möglich,
dass dasselbe deiu später in Europa verbreiteten
Keltenstamm verwandt ist. Vielleicht sind die
blonden blauäugigen Volksatäramc im Atlas, die
man gern von den Vandalen ableitete, und Uber
die kürzlich Faid herbe noch berichtet hat, 2000
Jahre älter, als man bisher angenommen hat.
Die ausserordentlich langen Gesichter dieser Köpfe
lassen auf eine hohe Körpergestalt schließen, da
ich seihst durch Messungen ein Verhältnis» der
Gesichtslänge zur Körperlünge gefunden habe. Sie
haben straffes, lang herabhängendos Haar, was
ja auch später noch als Merkmal edler fränkischer
Abstammung angesehen wurde. Die gebogenen
Nasen müssen einem Knlturvolke zu geschrieben
werden. Sollen wir an die atlantischen Völker
denken, von denen die älteste Sago berichtet oder
an die Gallier , die später in der ägyptischen
Geschichte als HülfsvÖlker erscheinen? Ich will
hier nicht verschweigen , dass ich hei Unter-
suchung der ägyptischen Schädel der Blumen-
b ach’ sehen Sammlung in Göttingen zwei ge-
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fanden habe , von denen der eine mit Asphalt
ausgegossen, also sicher ein Mumienschädel ist,
von denen ich mit einer gewissen Sicherheit gesagt
habe: das sind alte Kelten- oder Germanenschädel
von der rohen Form der Reihengräber !
Herr Ylrchow : Was das Buch von Masch
betrifft, so hoffe ich, dass Herr Götz mich nicht
korrigiren wird, wenn ich sage, dass die An-
gaben desselben sich wesentlich auf Bronzefiguren
beziehen , auf die sogenannten Prillwitzer Idole.
Es sind aber keine Bilder darauf.
Eine Bemerkung in Bezug auf die Steine der
Finnen und Lappen. In dem Museum von Hel-
singfors ist eine Sammlung solcher Steine zu sehen.
Die Mehrzahl davon stellt Nichts weiter vor, als
natürliche Bildungen. Es sind meistens schieferige
Steine, namentlich Glimmerschiefer, wo entweder
härtere und weichere Gesteinlagen mit einander
wechseln, oder Steine, wo Quarzgänge die Schiefer-
raossen unterbrechen, und wo dann bei der Verwitter-
ung allerlei sonderbare Figuren entstehen, die im
Profil auch menschlichen Gestalten ähnlich sind.
Diese stellen die Lappen auf und beten sie als
Götter an. Ich bin im Besitze eines solchen
Steins, freilich keines lappländischen. Diese Art
von Verwitterungsbildern sieht man ja im Grossen
oft genug in Gebirgen. Ich erinnere nur an die
Felskantcn z. B. der sächsischen Schweiz, welche
Napoleonsküpfe und andere Vergleiche darbieten.
Künstliche Einwirkung ist auch an den Steinen
der Lappen nicht zu sehen.
Herr Pösche (Washington) : Ich wollte in
Bezug auf die blonden , blauäugigen Menschen,
die wir in so alter Zeit auf ägyptischen Denk-
mälern finden , mir eine Bemerkung erlauben :
Wir finden heute unter der alten Bevölkerung
Nordafrikas eine ganze Anzahl blonder und blau-
äugiger Menschen, zumal unter den Berbern. In
Marocco haben französische Gelehrte in manchen
Stämmen bis zehn Prozent Blonde und Blau-
äugige vorgefunden. Ebenso hat der Botaniker
Asherson, als er in den Oasen Aegyptens war,
auch blonde, blauäugige Menschen vorgefunden.
Es gibt eine Hypothese , welche das auf sehr
natürliche Weise erklärt: die des französischen
Generals Faid herbes. Im Sallust haben wir
mehrfache Angaben von einem Eroberungszug aus
Spanien nach der Nordküste Afrikas. Wir wissen,
dass dort in sehr alter Zeit Kelten waren. Ich
glaube , dass diese Nordafrikaner Kelten sind,
Nachkommen wenigstens derjenigen, die von Spanien
nach Nordafrika hinüber gegangen und östlich
bis nach Aegypten gewandert sind.
Herr Mehlis: Ich möchte mir erlauben, zur
Sache über Ringwälle am Petersberg zu sprechen.
Herr Schaaffhausen : Ich kann versichern,
dass der Besitzer des Petersberges diese Wälle
hat selbst aufwerfen lassen, dass das eine ganz
moderne neue Mauer ist.
Herr Mehlis : Ich behalte mir vor, an einem
anderen Ort darüber Mittheilung zu machen.
Herr KÖrbin demonstrirte in Kürze einige
neue anthropologische Messapparate
für Messungen an Schädeln und Lebenden, wor-
über ausführliche Mittheilungen im Korrespondenz-
blatt gebracht werden sollen.
Herr Hilgendorf (Lucä’scher Zeichen-
Apparat zum Reisegebrauch). Ich habe
eine neue Modifikation des Lucä* sehen Zeichen-
Apparates vorzu fahren. An dem Diopter ist das
Eigentümliche ein Paar Korrektionsschrauben,
welche, in den Fuss eingelassen, gleichzeitig als
Stutzpunkte dienen. Zufällig entstandene Ver-
biegungen sind sofort unschädlich zu machen durch
eine Korrektion, die vielleicht 2 — 3 Minuten in
Anspruch nimmt. Auch bedarf es bei der ur-
sprünglichen Anfertigung des Apparates nunmehr
keiner besonders accuraten und darum kostspieligen
Arbeit. — Den Holzrahmen habe ich, zumal für
Reisezwecke, ebenfalls verworfen und ihn durch
3 Eisenfüsse , welche an der Glasplatte festge-
schraubt werden, ersetzt. Diese Einrichtung er-
möglicht eine solide Aufstellung der Platte und
ist von erprobter Dauerhaftigkeit. — In den Ring
für das untere Fadenkreuz endlich Hess ich eine
Lücke einschneiden , um bei Vergrösserung und
Verkleinerung von Zeichnungen die auf der Glas-
platte durch den Ring unsichtbar gemachte Stelle
zu elirainiren. — Die Firma Warmbrunn, Quilitz
fc Comp, in Berlin liefert Diopter und 3 Füsse
zusammen für 20 Mark.
Herr Virchow (über Schalensteine):
Ich habe noch eine Mittheilung des Herrn Desor
vorzulegen, welcher ursprünglich beabsichtigte,
hier zu erscheinen, aber leider durch Krankheit
und Amtsgeschäfte gehindert ist. Er zeigt an,
dass er eine Schrift von Herrn Falsa n (De la
presenCe de quelques pierres ä ecuelles dans la
region moyenne du bassin du Rhone) hierher
adressirt habe , aber bis jetzt ist sie nicht zu
ermitteln gewesen. Herr Desor hat sich in
den letzten Jahren vielfach beschäftigt mit ge-
wissen 8teinen , die in der Schweiz unter dem
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Namen w Schalensteine“ , pierres h dcuel les , be-
kannt sind, die man in Schweden seit langer
Zeit als Elfensteine bezeichnet , die in der Mark
Brandenburg und der Lausitz unter dem Namen
„Näpfchensteine“ bekannt sind, und deren Her-
kunft er aus allerlei indischen Gebräuchen her- !
leiten zu können denkt , da in neuester Zeit an
verschiedenen Orten Indiens grosse Massen von sol-
chen Näpfchen an Felsen gefunden worden sind. Ich
darf wohl daran erinnern, dass hier im Museum
ein grösserer Nftpfchenstein aus Schleswig liegt;
derselbe hat eine Reihe von Grübchen, die unter-
einander verbunden sind; ausserdem ist noch ein
ganz kleiner Stein unter Glas vorhanden, welcher
eine Art Modell eines grösseren zu sein scheint.
Leider habe ich erfahren, dass der von Fräulein
Mestorf in ihrer Schrift abgebildete Stein nicht
mehr existirt , sondern verloren gegangen ist ;
derselbe hatte auf der einen Seite Näpfchen, auf
der andern eine Runeninscbrift.
Es hat allerdings sein grosses Interesse zu
erfahren , wesshalb man das gemacht hat. In
dieser Beziehung macht Herr Desor in seinem
Briefe einige Mittheilungen , die mir ungemein
interessant gewesen sind, weil dadurch allerdings
der Gedanke , dass dio Näpfchen auf gewisse
Gebräuche zurückzuführen sind, sehr nahe gelegt I
wird. Er theilt mit , dass die Angaben des
Herrn Falsan sich beziehen auf den Glauben
an die Wunderkraft gewisser Steine im Depar-
tement de l'Ain und in der Bresse, in welche
man Schalen und Näpfchen noch zur Stunde ein-
gräbt. So z. B. bewahrt man zu Voanas un-
weit Bourg in der Dorfkirche einen grossen Stein
genannt la pierre de St. Loup. Die Kranken
und Impotenten gruben Löcher in den Stein und
trinken den gewonnenen Staub, welcher das Fieber
heilt und die Lebenskraft erneuert . Desgleichen findet j
sich im Dorf Nanney (Ain) ein Stein, genannt
la pierre de St. Clement, den man aushöhlt; der
Staub wird verschluckt wegen seiner Heilkraft.
Herr Desor hat von ähnlichen Gebräuchen auch
in der Schweiz, namentlich in Wallis gehört.
Auch dort werden die Steine der Kapelle St.
Valerie von den Landleuten angebobrt und der j
Staub genossen. Aber das sind keine erratischen
Blöcke, sondern einfacher Sandstein.
Ferner berichtet Herr Falsan von anderen
Einflüssen , welche man in dem Departement de ,
TArdeche gewissen Steinen zuschreibt; da gebe
es Schafsteine (pierres de brebis), dio man dem
Widder anhänge, um die Heerde vor Krankheit
zu bewahren ; pierres de serpents, gegen Schlangen-
biss zu schützen, pierres de salamandres etc. Die
drciSteine, welche Herr Falsan gesehen, waren
grüne Variolithe aus der Durance , folglich
erratische Geschiebe, gleich wie anderwärts die
Scbalensteine.
„Auch hierüber, sagt Herr Desor, dürfte
man vielleicht in der Kieler Versammlung etwas
Aehnliches vernehmen.“ Es würde in der That
recht wünsch enswerth sein , wenn nach dieser
| Richtung hin in Deutschland eine grössere Zahl
| directer Beobachtungen angestellt würden. Ich
will bemerken, dass in der Berliner Gesellschaft
i ein Verhältnis« wiederholt sar Sprache gekommen
I ist, welches durch die Mittheilung des Herrn
] Desor mir allerdings verständlicher gemacht wor-
den ist, als ich es bisher ansuh. Während näm-
lich die eigentlichen Elfensteine, Näpfchensteine,
Scbalensteine isolirte erratische Blöcke zu sein
pflegen , in welche eine Reihe von Löchern,
Gruben und Dillen eingehöhlt waren, und ausser-
J dem nur noch Aushöhlungen oder Gruben an
| anstehendem Gestein im Gebirge sich finden, so
wurde bei uns die Aufmerksamkeit gelenkt auf
gewisse Erscheinungen an Kirchen , wie sie zu-
erst von Herrn Dr. Veckenstedt iu der
Lausitz constatirt worden sind. Er machte auf
eigentümliche kleine runde Vertiefungen, Grüb-
chen und Rillen aufmerksam, welche sich an den
Kirchen vorfänden , und zwar bei uns an der
Mehrzahl aller älteren Kirchen in einer durch-
aus typischen Weise, nämlich immer an der
Südseite derselben. Unsere Kirchen haben fast
immer eine Seitentkür an der Südseite , durch
welche man hauptsächlich passirt; neben dieser
Thür befindet sich links und rechts an der
Aussenwand in den Steinen derselben eine ganze
Anzahl von runden Löchern , manchmal auch
scharfe und geradlinige Einrit/.ungen. Herr Dr.
Veckenstedt hat diese Erscheinungen nach
verschiedenen Richtungen, z. B. bis in das Braun-
schweigische verfolgt. Später hat Herr Friedei
sie an pommer'schen Kirchen nachgewiesen , so-
wie in Schweden in verschiedenen Städten. Weiter
kann ich mittheilen , dass auf der letzten Ex-
cursion , welche die Berliner Anthropologische
Gesellschaft in die Lausitz machte, an der Kirche
zu Luckau ein Novum insofern gefunden ward,
als man bisher glaubte, dass alle diese Näpfchen
und Rillen an den Kirchen nur im Backstein
vorkämen. In Luckau aber haben wir sie in einem
grobkörnigen Konglomerat gefunden, aus welchem
der untere Theil der Kirche bis in Manneshöhe
erbaut ist; in diesem sehr harten Stein be-
fanden sich die Grübchen zum Theil in ganz
regelmässiger Anordnung.
Wenn sich nun nach weisen lässt, dass man
solche Grübchen noch heutigen Tages bohrt, um
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den Staub zu trinken gegen gewisse Krankheiten,
so würde das ein wesentlicher Fortschritt für die
Erklärung dieser Erscheinung sein. Bisher, wo
man immer nur davon gesprochen hat, dass
man die Näpfchen mit Mel salbe oder dass
man ein Geldstückchen hineinlege oder etwas
Anderes , um Krankheit abzuwenden , war es
etwas schwer zu erklären, woher die grosse Zahl
von Löchern kam. An manchen von unsern
Kirchen ist die ganze Wand in erreichbarer Höhe
damit bedeckt, so dass Stein für Stein Grübchen
oder Killen zeigt. Es würde dnnn allerdings auch
möglich sein, eine weitergehende Verbindung mit
den Schalen der freiliegenden Steine zu gewinnen.
Ich kann daher nur diese Mittheilungen der Ge-
sellschaft übergeben mit der Bitte« dass man
weiter in unseren Territorien Umschau halte,
um zu konstatiren , was thatsächlich vorhanden
ist und in wie weit noch solcher Aberglaube
fortbesteht. Durch Herrn Desor erfahren wir,
dass man das Fiebervertreiben damit in Ver-
bindung bringt. Mir ist in der That dieser Ge-
brauch ganz neu ; ihn zu kennen, ist um so in-
teressanter, als dadurch zugleich eine noch jetzt
fortwährende Neubildung von Näpfchensteinen
konstatirt worden ist. —
Fräulein J. Mestorf, welche leider durch
Unwohlsein verhindert war , an der Diskussion
tli eilzunehmen, sandte an die Redaktion einen Auf-
satz über Schalen steine ein, welcher im Kor-
respondenzblatt gedruckt, resp. diesem Bericht als
Anhang beigegeben werden soll. D. Red.
Hierauf berichtete Herr Klopfleiscli kur-
sorisch Uber Ausgrabungen bei Jena, deren Re-
sultate ebenfalls später ausführlich im Korrespon-
denzblatt veröffentlicht werden sollen,
Herr SrhanfThausen (Geschäftliches):
Es ist mir eben eine Zusendung von Breslau
überreicht worden ; es schickt der Vorstand des
Vereins für schlesische Alterthümer, mit einem
Gruss nn die Versammlung, die Karte von Schlesien
und ein kleines Programm über das Museum.
Herr Fraas (Prähistorische Karte.
Ovibos und Thayinger Höhlenkunst):
Es bleibt mir noch die angenehme Pflicht, auf
ein soeben eingelaufenes Geschenk binzuweisen,
auf die hier vorliegende „Vorgeschichtliche
Karte von Schlesien, nach alten und neuen
Forschungen, insbesondere nach den Akten des
Vereins für das Museum schlesischer Alterthümer
und im Auftrag desselben bearbeitet von J.
Zimmermann, Lehrer in Striegau.* Wir ver-
danken das Geschenk der Freundlichkeit des ge-
nannten Vereins, ebenso wie wir Herrn Zi mm er-
mann die Beiträge für die prähistorische Ueber-
sichtskarte von Deutschland verdanken , welche
hier gleichfalls an der Wand angebracht ist.
Ausserdem gibt mir ein hier aufgestellter
Schädel von Ovibos mosch atus aus dem
, hiesigen zoologischen Museum den Anlass, auf
j Wunsch des Herrn Geheimrath Virchow an die
| vorjährige Versammlung in Konstanz zu erinnern,
i wo wir gerne einen Ovibos-Schädel bei der Hand
gehabt hätten, um denselben mit der bekannten,
; vielbesprochenen Schnitzerei aus Thayingon zu ver-
j gleichen. Bekanntlich wurden in die Aecbtbeit
! gerade dieser Schnitzerei ähnliche Zweifel gesetzt,
wie mit Recht in die Schnitzwerke des Fuchses
und des Bären. Namentlich gab Herr Hofrath
Ecker der Vermuthung Raum, es habe kein
lebender Ovibos , sondern ein macerirter Schädel
j (wie etwa dieser vor Ihnen liegende Museums-
schUdel) dem Verfertiger der Schnitzerei zum
Vorbild gedient. Wenn Sie den Kieler Schädel und
, diese galvanoplastische Nachbildung der Thayinger
Schnitzerei mit einander vergleichen, so wird Herrn
Ecker’s Vermuthung von selbst hinfällig. Ein
ganz kurzer Knochenzapfen trägt das lange nach
vorne und dann wieder nach hinten gekrümmte
Horn , aber diese doppelte Krümmung wiederzu-
geben, war dem Künstler bei der Reliefnatur
seiner Schnitzerei nicht möglich. Die vorwärts
laufende Kurve des Horns und die rückwärts
laufende decken sich in der Projektion, wesshalb
i der Künstler das Horn am vorderen Ende der
i Kurve nufhören liess. Sieht man den Schädel
] von der Seite an oder etwa die von Herrn Pro-
fessor Möbius freundlichst mitgetheilte Zeich-
nung, so sind die Verhältnisse, in welchen die
Schnauze, das Auge und namentlich das gelungene
I Ohr zum Horn liegen , vollständig naturgetreu,
j Ich bin daher der Ansicht , dass der einfache,
j ruhige Blick auf beide Objekte genügen wird, die
oben ausgesprochenen Gedanken zu verscheuchen.
Herr J. Ranke: Gestatten Sie mir einige
Worte an das soeben Gehörte anzuknüpfen. Durch
die Arbeiten der Lokalvereine bat sich im letzten
Jahre die Frage nach der Echtheit oder Fälsch-
; ung der Thayinger Funde wesentlich geklärt. Wir
, scheinen an der Echtheit der wichtigsten der
' fraglichen Objekte nicht zweifeln zu dürfen. In
Beziehung auf die Zeitstellung der Funde, so-
wie auf die Erklärung der einzelnen Darstell-
ungen gestatte ich mir jedoch noch einige be-
scheidene Zweifel. Müssen wir z. B, wirklich in der
11*
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bekannten Schnitzerei das Köpfchen eines Oviboa, '
eines Mosch usochsen erkennen ? Ich glaube, dass
das Herabbiegen der Hörner an die Seite des
Köpfchens sich einfach aus dein zur Verfügung
stehenden Material in Verbindung mit dem Zweck
dieser zu einem Griff bestimmten Schnitzerei er-
klärt. Auf alten Schaumünzen findet sich z. B. die
Abbildung der Jungfrau mit dem Einhorn. Wäh-
rend aber sonst dieses Fabelwesen stets mit ge-
radem Hörne dargestellt wird , sehen wir sein
Horn hier nicht selten der Form der Münze an-
gepas.st nach abwärts gesenkt und gebogen. Aebn-
licbe Anpassung der dargestellten Körpergestalten
an die Form des Materials finden wir sehr häufig,
z. B. auch unter den Schliemaun'schen Funden
in Mvkenä. Mir scheinen als genügende Gründe
für diese Abwärtsbiegung der Hörner zunächst
die nothw'endige Anpassung an die Form des ge-
wählten Geweihstückes und dann der Zweck, einen
handlichen Griff zu bilden, an welchem vorsteh-
ende spitze Theile der Zerbrechlichkeit und Un-
bequemlichkeit wegen zu vermeiden waren. Ich
kann in dem primitiven Kunstwerk nur eine frei-
stylisirte Nachbildung eines Stierkopfes er-
kennen, weniger formgeschickt, aber iin Prinzipe
der Nachbildung des vielbewunderten Hirsches
mit dem zurückgelegten Geweih auf dem Horn-
dolch aus den Höhlenfunden der Dordogne ver-
wandt.
Herr 4. Ranke (über keramische Technik
und keramisches Ornament aus den
bayrischen Höhlen): In den Höhlen , die
wir bei Pottenstein und Kegensburg ausgegraben
haben, fanden wir eine grosse Anzahl sehr alter
roher Topfscherben. Einige zeigen eine Ornamen-
tation aus eingeritzten parallelen Linien, entw'eder
senkrecht oder horizontal über den üefässbauch hin-
laufend oder sich unter spitzem oder rechtem Winkel
kreuzend. Es sind Linienkombinationen, wie wir
sie auch heute noch auf modernen Töpfen , die
in der Küche gebraucht werden, finden, und welche
gewissermassen an ein das GefUss umgebende«
Flechtwerk erinnern. Bei der Durchsicht der Scherben
fiel eine Anzahl derselben auf, welche offenbar
nach dem gleichen Prinzipe, aber, wie es schien,
zufällig ornamentirt waren. Auch sie zeigen
eingetiefte ParalleUStriche und Linien, welche das
Geiäss in senkrechter oder horizontaler Richtung
umkreisen, sich schief- oder rechtwinklig kreuzen
und durchflechten. Bei näherer Vergleichung kam
ich endlich zur Gewissheit , was ich vor mir
hatte. Dieses Höhlenornament der Topf-
scherben, die w'ir in den Höhlen bei Regensburg
und Pottenstein (und an anderen Orten z. B. in
Magyaradin Ungarn) gefunden haben, ist zufällig
und zwar durch Abdruck eines wirk«
liehen Flechtwerkes entstanden. Diese
Töpfe sind ohne Töpferscheibe gebildet , aber
j nicht aus freier Hand, sondern man hat zunächst
ein dichtes Flechtwerk aus Gras, Binsen etc. her-
gestellt und dasselbe innen ziemlich dick mit
Lehm ausgestricheu. So entstand ein mit einem
Flechtwerk überzogener Lehmtopf, der nach der
Erhärtung in der Flechtform gebrannt wurde.
Auf diese Weise blieben nach dem Brennen die
Eindrücke der Flechtform auf der Aussenseite des
Topfes zurück. Ich kann mich hier auf weitere
technische Fragen , wie z. B. der Hals und der
Henkel eingesetzt wurdo , nicht näher einlassen ;
mir kommt es im Augenblick nur darauf an, zu
konstatiren , dass wir in unseren Höhlen Topf-
scherben finden, welche in der Weise bergest eilt
sind, dass die Flechtform eines Topfes innen mit
Lehm ausgestrichen wurde. Diese Scherben sind
alle inwendig durch den Rauchbrand geschwärzt,
äUBserlich roth , da die Aussenseite durch den
Ueberzug des Flecht Werks geschützt war. Die
Abdrücke der Gräser. Binsen otc. sind oft so scharf,
dass man noch die einzelnen Species der Pflanzen,
die für die Flechtform gedient haben, bestimmen
zu können glaubt.
Ich möchte noch einige Worte daran knüpfen
über die Entwicklung des keramischen
Ornaments. Wir sehen, dass in der urältesten
keramischen Technik, die wir in Bayern nachweisen
können, ein feines Flechtwerk auf der Aussenfläche
derGeffcsse seine zufälligen Abdrücke lässt. Bei später
weiter fortgeschrittener Technik wurde ein ähn-
liches Flechtwerk durch feine Striche , die man
künstlich auf den Gefässen zog, als Topfomament
benützt, zunächst ganz ähnlich, wie es jene älteste
technische Methode der Töpferei ohne weitere Ab-
sicht hervorgebracht hatte. Hierin scheint mir
ein Prinzip versteckt, das wir auch bei anderen
Ornamentirungen, bei ganz anderen Künsten wie-
derfinden. Nicht selten mahnt das Ornament an
eine uralte technische Uebung. Von dem häu-
figsten stylgerechten keramischen Or-
nament können wir direkt sagen: es
ist der in den Linien veredelte Aus-
druck der primitiven Fabrikations-
Technik. Obwohl die letztere nun schon längst ver-
gessen ist, ist das Menschengeschlecht doch so konser-
vativ, dass die Töpfe, mit denen heute in unseren
Küchen gekocht wird, zumeist noch die gleichen
oder wenigstens ausserordentlich ähnliche Orna-
mente tragen, wie jene Töpfe, welche die Höhlen-
bewohner vor Jahrtausenden auf primitive Weise
augefertigt haben.
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159
Herr Schaaffhauflen : Zu diesem Vortrag
will icb mir die Bemerkung erlauben, dass es
über den Ursprung der Töpferkunst verschiedene
Ansichten in unserer Wissenschaft giebt, die zum
Theil, wieLubboek zeigt, aus der Beobachtung
wilder Völker genommen sind. Es scheint aber
in der That der irdene Topf das Nachbild des
geflochtenen Korbes zu sein. Wahrscheinlich hat
man den Korb, der über dem Feuer keine Dauer
hatte , mit Thon bestrichen , wie noch heutigen
Tags die Wilden thun , dieser Thon wurde hart
und fest ; nun knetete man die Gefässe allein aus
Thon und härtete sie am Feuer. Mau gab ihnen
aber schräg sich kreuzende Linien als Zierrath,
welcher an die durcheinander geflochtenen Weiden
erinnerte. Man kann aber auch den Korb von
innen mit Thon bestrichen haben. Ob Wilde das
thun, weis ich nicht. Man kann als thatsächlich
annehmen, dass das Ornament an eine Altere Form
des Gerftthes erinnert. Spätere Ornamente der Thon-
gerilthe sind dem Fadenstrich farbiger Gewebe ent-
nommen, deren Kunst also früher entwickelt war.
Herr Ranke: Ich habe in den süddeutschen
Höhlen Topfscherben gefunden, welche die von mir
angegebene Herstellungsart beweisen, indem
die Töpfe den Abdruck des Flechtwerks, in wel-
chem sie geformt wurden, noch an sich tragen.
Herr SchaafFhaunen (Schlussrede): Meine
Herren ! Die letzte Stunde unserer Verhandlungen
ist abgelaufen. Ich glaube auf Ihre Einstimmung
rechnen zu dürfen, wenn ich sage, dass wir alle
mit hoher Befriedigung diese Versammlung und
das schöne Kiel verlassen. Eine ganze Reihe der
interessantesten Mittheilungen sind hier zu Ge-
hör gebracht worden und wir danken dafür den
Herren Rednern aufrichtig. Dann war es dieser
Versammlung eigentümlich und sie war ausge-
zeichnet dadurch , dass eine grosse Zahl her-
vorragender ausländischer Forscher diesmal uns
| ihre Theilnahme geschenkt hat. Neu und er-
I wünscht Ist auch die Anknüpfung internationaler
Beziehungen , die sich hier für unsere künftige
{ Arbeit ergeben haben. Mir liegt es in diesem
| Augenblicke nur noch ob, allen denen den auf-
, richtigsten, tiefgefühlten Dank zu sagen, welche
zu dem schönen Gelingen dieser Versammlung
durch ihre Mitwirkung beigetragen haben, zu-
nächst der Stadt Kiel und ihren Behörden, dann
aber auch dem trefflichen Manne, der die ganze
Last der Vorbereitungen für diese Versammlung
auf sich genommen , die Sammlungen geordnet,
sie uns erklärt, und in diesen Tagen in jeder
WeisQ für unsere Arbeit und Erholung in der
besten Weise gesorgt hat, unserm Geschäfts-
führer, Herrn Professor Handelmann. Wir
dürfen aber Kiel nicht verlassen, ohne auch des
hoben Verdienstes zu gedenken, welches für die
archäologische Forschung in diesem Lande eine
hoch ausgezeichnete Vertreterin unserer Wissen-
schaft, Fräulein Mestorf, sich erworben hat,
die auch seit einer langen Zeit die geschickte
Dolmetscherin der skandinavischen Wissenschaft
, in Deutschland ist und es verstanden hat , in
1 Schleswig - Holstein die Begeisterung für diese
Studien zu wecken. Ich muss auch den anthro-
pologischen Verein in Kiel nennen, der unter der
Leitung des Herrn Professor Pansch für unsere
j Zwecke so eifrig gesorgt hat , dem wir die
schöne Ausstellung von prähistorischen Gegen-
i ständen in dem Nebensaal verdanken, und ich
mache die Herren namhaft , welche dazu mitge-
1 wirkt haben : Herrn Dr. Hart mann in Marne,
Herrn Kapitän - Lieutenant Strauch, Herrn
I Behncke in Düsternbrook, auch die Direktionen
' der Gymnasien zu Rendsburg und Eutin und
l Herrn Kandidat Maassen in Marne; sie haben
! sich alle um unsere Wissenschaft verdient gemacht,
und mit dieser herzlich gemeinten, aufrichtigen
Danksagung schliesse ich die neunte Versammlung
der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
Schluss des IX. Berichtes.
Anmerkung zu Seite 80 diese« Berichts:
Gypsabgüsse der einzelnen Skelettheile der Anthropoiden des Lübecker Museums werden auf
Wunsch angefertigt und sind durch Herrn Dr. H. Lenz daselbst zu beziehen.
Schaaffhaoseu.
Nachträgliche Berichtigung.
Im Berichte über die vorjährige VIII. allgemeine Versammlung der anthropelogischen Ge-
sellschaft zu Konstanz muss es auf Seite 137, Spalte 2, Zeile 23, 24, 25 und 30 von unten statt
os cuboideum heissen: os cuneiforme primum. Schaaffbaugen
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Redner-Liste
der IX. allgemeinen Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft
in Kiel 1878.*)
Seit*
Herr Behacke, Geschäftliches zum Kassenbericht 141
Herr 0. Frans, Berichterstattung über die Fortschritte der deutschen prähistorischen Kart« 98, 157
Oribo« und Thayinger Höhlen kunst 157
Herr Handelmann, Begrüssungsrede, Sehleswig-Holstein’sche Altert hü wer 88
Herr Hilgendorf, Lucä’scher Zeichenappar&t zum Reisegebrauch 155
Herr Koerbln, Neue anthropologische Mcssapparate 155
Herr Klopflelaeh, Neue Ausgrabungen bei Jena 150
Herr R. Krause, Geschäftliches 142
über chamäcephaie Schädel aus der Umgegend Hamburgs 145
ein mikrocephales Gehirn 14*1
Herr Lorenzen, Begrüssungsrede ...» 88
Herr Mehlis, Ausgrabungen auf der Limburg 120
Diskussion zu Virchow, slavische Funde 140
Diskussion zu Schaaffhanaen, altgermanische Denkmäler 155
Fräulein J. Mestorf, Diskussion zu Virchow, über Schalensteine (cfr, Anhang tum Bericht) 157
Herr Xonteliua, Diskussion zu Virchow, slavische Funde 138
Herr Xook, Steinzeit in Aegypten 142, 145
Herr Pansch, über Mikrocephalie 147
Herr Posch«, Diskussion zu Virchow, slavische Funde 107, 139, 140
Diskussion zu Sch aa ff h ausen, altgermanische Denkmäler 155
Herr Johannes Rank«, wissenschaftlicher Bericht des Generalsekretärs 90
Natürliche and künstliche Höhlen in Bayern (mit Beilage I.) 92
Beiträge zur Kraniologie der Bayern und ihrer Nachbarstämmc 122
Diskussion zu 0. Fr aas, Ovibos und Thayinger Höhlenkunst 157
Ueber keramische Technik und keramisches Ornament aus den bayerischen Höhlen 158
Herr Schaaflfhausen, Eröffnungsrede des Vorsitzenden 84
Geschäftliches 97, 113, 137, 141, 151, 157
Berichterstattang über die Arbeiten zur Aufnahme des anthropologischen Materials in Deutschland 111
Der Neanderthaler Fund 1](>
Diskussion zu Virchow, die Horizontale der Schädel 149
Diskussion zu Virchow, die Funde des Herrn Nehring 151
Ueber altgennaniRche Denkmäler im Rheinland 151, 155
Diskussion zu J. Ranke über keramische Technik 102
Schlussrede des Vorsitzenden 102
Herr Stleda, über Katen mit Bemerkungen über Methode der Schädelmessung 125, 128
Demonstration einer neuen Konservjrungsmethode für anatomische Präparate 127
Einladung zur anthropologischen Ausstellung in Moskau 1879 127
Hprr Tischler, Diskussion zu Virchow, slavische Funde 138
Herr R. Yircbovr, Bericht über die Fortschritte der kraniologischen Forschung in Deutschland 100
Diskussion zu ätieda über Esten 128
Slavische Funde in den östlichen Theilcn von Deutschland 128, 139
Diskussion zu Mook, Steinzeit Aegyptens 144
Ueber die Horizontale der Schädel (mit Beilage II.) 148
Vorlage der von Herrn Dr. Nehring eingesandten Manufacte aus dein Diluvium von Thiede
und Westeregeln 149
Diskussion zu Scbaaff hausen, altgermanische Denkmäler 155
Ueber Schalensteine im Anschluss an ein Schreiben des Herrn Desor 155
Herr Welsmann, Kassenbericht des Schatzmeisters für 1877/78 94
Voranschlag für das Jahr 1878/79 141
*) Die Liste der Theilnehiner an der IX. allgemeinen Versammlung cfr. 8. 70.
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Die IX. allgemeine Versammlung
der
deutschen Gesellschaft
ffir
Anthropologie. Ethnologie und Urgeschichte
zu Kiel
am 12. bis 14. Anglist 1878
mit den wissenschaftlichen Stationen in Homburg und Lübeck.
Nach stenographischen Aufzeichnungen
redigirt von
Professor Dr. Johannes Ranke in München
Generalsekretär der Gesellschaft.
( 'er resjkonden** Blatt Nr. 9, 10 und 11. 1878.
(Mit 2 Tafeln In qnart.)
München.
Akademische Buchdruckerei von F. Straub.
1S7N.
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J
D((jKc«yü>
loogle
143
vor der 18- Dynastie vorkommt. Folglich sind
die Messerchen, die mit, diesen Pferdezähnen be-
arbeitet sind, auch nicht älter als die 18. Dy-
nastie, also ungefähr 3500 Jahre, falls man die
18. Dynastie 1500 vor Christo setzt. Das wäre
für Aegypten eine sehr junge Zeit gewesen. —
Ich kam nach Heluan zur selben Zeit und,
ohne von diesen Hypothesen Jukes Browne’a
etwas zu wissen , einige Zeit später an dieselbe
Stelle und sah nun sofort, dass diese Zahnlamellen
durchaus nicht künstlich , sondern durch klima-
tische Einflüsse entstanden sind. Ich hätte das viel-
leicht auch selbst nicht beachtet, hatte aber zwei
Jahre vorher ungefähr */* Stunde von da eben-
solche muschelige Zahnbrüche gefunden. Dies
führte mich zur Beobachtung eines Skeletts, das
offen zu Tage lag; ich nahm ein Kieferstück mit
drei Zähnen mit und wollte am andern Tag den
Platz wieder aufsuchen. Als ich wieder hinkam,
konnte ich den Platz aber nicht, mehr finden -
ich habe dann später, trotzdem ich die Richtung
wusste, nachgesucht, aber den Platz in der Wüste
nicht mehr gefunden ; wenn man die Stelle nicht
genau bezeichnet, ist Nichts wiederzufinden. Diese
Zähne kamen dann in die Hand von Professor
Sandberger. Dieser erklärte sie für Hippotherium
und schickte sie zu Professor R ü t i m e i e r. Der-
selbe erklärte sie auch dafür. Ich glaubte nun
Anfangs, die Zahnlnmellen würden dem Hippo-
therium angeboren, und fing an zu graben. Ich
fand drei Culturscbichten über einander gelagert. In
der obersten Lage fanden sich lauter gespaltene
Röhrenknochen, Zähne, Kieferreste, Holzkohlen,
Feuerstein-Instrumente, welche Sie mit der Be-
zeichnung als bei der Eselsquello ausgegraben hier
sehen. In der zweiten Schicht wiederholte sich
das. Zwischen beiden Schichten war ein fuss-
lioher Raum von ganz reinem Sand und zwischen
der zweiten und dritten Schicht war dasselbe Ver-
hältnis*: in allen Schichten immer Holzkohlen,
Steininstrumente und Knochenreste. Diese nahm
ich dann mit nach Freiburg und Professor Bü ti-
meier bestimmte die Zähne in den obern Schich-
ten als nicht einer der bekannten Pferdearten an-
gehörig , weder dem Esel noch dem hippus ea-
ballus, sondern als Zebra und Karneol. Die
Zähne rühren zusammen von ungefähr vier In-
dividuen her. In der zweiten Schicht fanden
sich fast ausschliesslich Kameel, Hyäne und eine
grössere Antilopenart, welche nicht mehr bestimm-
bar ist, ausserdem noch verschiedene Vogelknoehen-
reste, die wahrscheinlich vom Strauss herrühren.
Was am auffallendsten bei der ganzen Sache war,
ist der Umstand, dass nirgends Topfscherben sich
fanden. Dieser Mangel ist in Aegypten fast eine
I Seltenheit. Die Gegend liegt, auf dem rechten
| Nilufer, längs dem früheren Nilbett, in der
* Umgebung von Quellen, die Schwefelgehalt haben,
der wahrscheinlich durch Zersetzung von organi-
schen Resten herrührt. Die Feuerstein - Instru-
mente sind elegant gearbeitet, kleine Messerchen,
Nadeln , niemals grosse Stücke. Die grössten
Stücke aus der Umgegend von Heluan sind immer
noch sehr klein. Nun würde sich die Frage für
Unterägypten ganz anders stellen, als Jukes
Browne glaubt. Die Zeit 1500 vor Christo wird
in eine ganz andere Zahl sich verwandeln. Halten
wir für diese Gegend in ünterügypten den Um-
stand fest , dass dort die Bewohner , die auf
diesen Culturschichten wrohnten, gar keine Topf-
scherben besessen , dass sie in Gemeinschaft lebten
mit dem Zebra, das in Nordafrika nicht vorkommt,
so fällt diese Zeit weit zurück hinter das Ende
I des Pyramidenbaues. Wären diese Instrumente
verfertigt worden , vielleicht zu Kunstproducten,
Herstellung von Ornamenten, zur Gravirung der
Hieroglyphen, so hätten die Menschen wohl auch
Topfscherben besessen. Ausserdem ist die Anzahl
der dortigen Funde eine so kolossale , dass auf
einer kleinen Strecke, etwa so gross, wie dieser
Saal, sich Tausende von kleinen Messern fanden.
Gegraben w'urdc an diesen Stelle nie, aber wenn
der Südwind kommt, wreht er die Schicht weg
und immer kommen neue Fundstellen zu Tage,
i Weiter oben am äussersten Quellenterrain finden
I sich rund gearbeitete Steine, die sonst sich nir-
I gends finden, höchstens im alten Nilbett, das
jetzt trocken liegt , finden sich auch solche ein-
zelne verlorene Instrumente. — Ganz anders ver-
hält e« sich mit den Funden weiter oben hei
Theben, wieder anders mit denen an dem Aus-
gang dos Karavanenweges von Koroska und am
zweiten Katarakt. Ich begreife recht gut , wie
die Herren Aegyptologen zu ihren Zweifeln kom-
! men konnten: diese kolossale Masse von Stein-
1 Werkzeugen , die theilweise Rohheit ihrer Be-
1 arbeitung muss Überraschen ; trotzdem müssen wir
! sie aber als menschliches Fabrikat anerkennen, weil
I sie die charakteristischen Buckeln zeigen an jenen
I Stellen, wo die Schläge geführt werden.
Ich war im letzten Februar mit Professor
, Hayn es aus Boston in Theben und wir fuhren,
1 um einmal zu sehen , wie gross die Ausdehn-
ung dieser Silexfelder sei , einige Stunden nil-
abwärts. Wir sind da über Strecken gekommen,
die meilenweit kein Ende nahmen und wo überall
noch bearbeitete Steine sich vorfanden. Knochen-
reste haben wir dort nirgends gefunden, so das*
ich auch nicht wage , nur annähernd eine Zeit
festzustellen für die Fabrikation dieser Instrumente.
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146
Nur für einige anthropologisch«) Kleinigkeiten
will ich mir erlauben , beute Ihre Zeit iu An-
spruch zu nehmen. Es wird gewiss manchem
Anthropologen gegangen sein, wie es mir bei
der Besichtigung der verschiedenen Sehädolfor-
men gegangen ist, dass man ein quälendes
Gefühl dabei empfindet, weil wir noch so wenig
im Stunde sind, aus dem Gewirre von Können
gewisse Typen herauszuheben, welche es uns
ermöglichen, die Schädel anthropologisch mit Si-
cherheit zu verwerthen and sie mit bestimmten
Stammvölkern oder bestimmten Oertlichkeiten in
Verbindung zu setzen. Es war daher etwas Er-
quickendes, als durch die Arbeit des Herrn Pro-
fessor Virchow mit einem Mal eine neue ty-
pische Schädel form, die cbamaecephale, aufgestellt
wurde, welche sich hauptsächlich an den nieder-
ländischen und friesländ Ischen Küsten der Nord-
see vorfindet. Nun hatte man doch wieder eine
Komi, an die man sich halten und die man nach
einem bestimmten Ort verweisen durfte. Leider
ist mir in letzter Stunde diese Freude wieder
zerstört worden , besonders durch den gestrigen
Vortrag des Herrn Professor Hanke, welcher
uns zeigte, wie mit der Bodenerhebung Uber den
Meeresspiegel sich fortwährend die Schädelform
ändert, wie allmählich die Hache niedrige Form
in einen brachycephale schliesslich hypsibraehy-
cephale überging und zwar geschieht dieser Ueber-
gang aus der Hachen in eine höhere Form mit
einer wunderbaren Regelmässigkeit und so bei-
spiellosen Gesetzmässigkeit, dass man unwillkür-
lich sich des Gedankens nicht erwehren kann, ob
nicht die Erhebung des Bodens über die Meeres-
fläche selbst einen sehr wesentlichen Einfluss auf
die Körperconstitutiou, möglicherweise auch be-
stimmenden Einfluss auf die Schädelgeetaltuug
haben kann. Dies sind jedoch nur Vermuthungen,
für welche später nur das immer mehr sich häu-
fende Material eine Unterlage geben kann.
Nachdem also durch Virchow für die
chamäcephale Schädelform ein Mittelpunkt , ein
Ausgangspunkt gefunden war, handelt es sich
nun darum, diese typische Form iu Bezug auf
ihre Verbreitung möglichst genau zu verfolgen
um besonders ihr Ausstrahluugsgebiet nach dem
Innern des Lundes hin festzustellen. Ich .gestatte
mir nun, hier Ihnen zwei solche exquisit cha-
mäcepbale Schädel aus der Nähe von Hamburg in
einer Moorschicht gefunden vorzulegen. Es findet
nämlich dort eine Correction des Elblaufes statt und
wird zu dem Zweck mitten durch die Insel Wil-
helmsburg ein noues Flussbett gegraben. Auf
dieser Stelle wurde nun vor zwei Jahren dieser
eine Schädel gefunden, den ich bereits voriges
Jahr in Konstanz mit hatte und dessen Vorzeig-
ung Herr Professor Virchow die Güte hatte,
mit einigen Worten zu begleiten. Dieser Schädel
ist eminent dolichocephal, sehr stark chamäcephal
und leider von der linken Seite her der Art zu-
sammengedr Uckt, dass sich Masse nicht mehr neh-
men lassen. Diese Zusammendrückung des Schä-
dels muss nun geschehen sein als die Knochen
schon sehr weich waren und ich glaube, dass
dies zu der Zeit bewirkt worden ist, als über
der Fundstelle eine Aufschüttung des Elbteiches
erfolgte, was vor circa 250 — 300 Jahren sich
ereignet hat. Der Schädel trägt ausserdem die
entschiedenen Merkmale des weiblichen Typus.
Nun ist fernerhin vor 3 Wochen ungetühr
*200 Schritt von der ersten Fundstellen in der
Tiefe von 3 Meter dieses zweite eclatunt cha-
mäcephale und zugleich makrocephale Schädel-
dach ausgebaggert worden , welches in hervor-
ragendem Grade alle die Eigenschuften besitzt,
die uns für diese Schädelform angegeben worden
sind. Sie sehen diese ganz eminente Entwicklung
des Hinterhauptes , den weiten Abstand der
Scheitelbeinhöcker, die lange nach hinten Hache
Stirn, diese starke Vorwölbung der Augenwülste,
welche uns deutlich erklären, warum Spengel
dieser Schädelform den Namen neanderthaloid
gegeben hat. In dem Moment, wo wir nun an
einer Stelle zwei so ausgeprägte Formen finden,
glaube ich, kann inan es rechtfertigen, wenn ich
sage, dass diese chamäcephale friesische Bevölker-
ung sich bis an das linke Elbufer hin erstreckt hat.
Zum Schluss aber möchte ich diese Schädel-
formen noch zu einigen persönlichen Bemerk-
ungen für mich verwerthen. Herr Professor
Virchow hat , als er die chamäccphule Form
zuerst in Dresden besprach , gewisse psychi-
sche Eigen thüm lieh Weiten der Friesen mit dieser
Schädelform in eine mögliche Verbindung ge-
bracht. Er sagte, die Friesen besäßen einen ge-
wissen störrischen Eigensinn, einen gewissen par-
ticulariatischen Freiheitarinn. Nun hat vorgestern
Herr Professor Virchow in etwas zürnenden
Worten meiner Vaterstadt dieselben Eigentüm-
lichkeiten vorgeworfeu. Ich bin überzeugt, dass
Herr Professor Virchow jetzt gewiss viel milder
urteilen wird nach der Vorlegung dieser beiden
von mir eben demonstrirten Schädel, weil ja nun
diese Eigenschaften nicht Fehler der Erziehung,
sondern Fehler der Schädelconfiguration sind.
Sodann, meine Herren, möchte ich eine kurze
Bemerkung machen über jenes Gehirn, welches
ich bereits in Konstanz die Ehre hatte vorzu-
zeigen und worüber ich noch eine ausführliche
Arbeit zu veröffentlichen gedenke. Es gehörte
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von foofessor Dr. Johannen Hanke in München,
Ofntralsfrtflür dtr Gtu&arkafl.
Nr. 12.
Erscheint jeden Monat.
Dezember 1878.
Die wissenschaftliche Station der IX. allgemeinen Versammlung der deutschen
Anthropologen in Lübeck und Umgebung*)
am 14. — 18. August 1878.
Von Dr. C. Mehlis.
Als die Anthropologen gegen l Uhr am
14. August das gastliche Kiel verliefen, gab
Jupiter pluviu8, der wahrend unserer ganzen An-
wesenheit an dem Ostseestrande regiert hatte,
seine morose Herrschaft auf und heiter blickte
der Himmel über die fetten Auen und die grünen
Wasserflächen von Wagrien, als wir an den Seeen von
Plön in Kutin vorüber mit ihren lieblichen Land-
** ) schaftsbildem dampfend gezogen kamen. Gleiche
Schönheit gewährte der Blick auf das Olden-
burger Ländchen, das wir der Länge nach durch-
tnassen. bis endlich am Horizonte die hohen
Thürme der Frauenkirche zu Lübeck au hauchten.
Noch am Abend ward den Gästen im gothischen
Rathhauskeller mit edlem Rheinwein der Gross
dargebracht von dem Vorstande der gemeinnützigen
Gesellschaft Herrn Senator Brehmer und beim
duftenden Römer lauschten die Einheimischen
und die Gäste noch lange trauten Gegenreden, bis
sie endlich das romantische Licht, des Mondes
durch die stillen, boebzinnigen Strassen der freien
Stadt, nach Hause geleitete.
Am 15. August Morgens war Ver-
sammlung in den stattlichen Räumen der ge-
meinnützigen Gesellschaft. Herr Senator Brehmer
j freute sich die anthropologische Gesellschaft be-
! grüssen zu können. Geheimrath Sc ha aff h au sen
I dankte mit beredten Worten für den warmen
Empfang am Strande der kulturbringenden Ost-
see: fitya to v.Qatog x &aXaoortg müsse man
mit Thucydides von der Geschichte der Stadt
sprechen , die einst ihre Kraft der Politik ge-
widmet, die sie jetzt der Wissenschaft weiht.
Ein Gong hierauf durch die Sammlungen der
Gesellschaft gab ein Zeugnis* ab von dem wissen-
schaftlichen Geiste, der diese wirklich gemeinnützig
wirkenden Kräfte beseelt. Die Aufmerksamkeit in
der archäologischen Abtheilung fesselten beson-
ders die verschiedenen Urnen, so die von Pöterau
I mit dem Typus der Lausitzer Gefässe, bestehend
in Zickzackstrichen , gestrichelten Vertikalbän-
dern Knöpfen und Doppelhenkeln , ferner die
keramischen Reste von Alt -Lübeck, welche den
Burgwalltypus ganz energisch repräsentirten mit
Wellen - und Horizont.allinien eingestempelten
Punkten und Kreisen u. s. w.
Von Steinartefakten waren bemerkens-
werte eine Reihe von gelochten Steinhammem
mit Ausheugung am Lochtheile und starker Ver-
jüngung nach der Spitze zu. Von Bronzen
•) Da der Redakteur de« Berichte« über die IX. Versammlung leider nicht als Augenzeuge über die
Station ln Lübeck berichten konnte , glaubte er diese ausführliche Darstellung den Lesern de« Correspondenz-
Blattes nicht vorenthalten zu sollen.
5 4
t »Act if-rpol
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162
waren auffällig Fibeln mit dem Typus von la
T£ne; eine Ciste (vergl. Linden sc hmit : Alterth.
aus heidn. Vorzeit II. B. III. H. 5. T. N. 8) j
mit einem Eisenmesser; ein an nordische Vorbilder
erinnerndes Messer mit rückwärts gehobenem
Hacken aus dem Dolmen von Waldhausen ; ein j
Kopfschmuck aus vier Reifen bestehend (vergl.
Lindenschmit : u. 0. I, B. XI. H. 3« T. Nr. 4) ; j
endlich ein eigentümlich geformtes Messer mit |
Dreieckornaroenten auf der Klinge und Ringen am ,
Rücken von Ritzerau. Auch das Mittelalter hat
mit zahlreichen Rüstungen und Bildern, Elphen- |
beinschnitzereien und Trachten, Waffenstücken j
und Haushaltungsgegenständen ein hübsches Kon-
tingent zu dieser Sammlung gestellt, über welche
als Custos der freundliche Führer des nächsten
Tages, Zollinspektor G ro ss, mit Sorgfalt waltet.
Auch in der Abtheilung der Sammlungen für ,
Naturbeschreibung konnte man den segensreichen
Einfluss der „Kraft des Meeres“ bewundern an ;
dem Reichthum an Konchylien , Tangarten, See- I
fischen u. s. w. Das Auge der Anthropologen zog !
besonders au die von Herrn Lenz zusamraen-
gestellte Gruppe von Gorilla’s, welche einen be-
lehrenden Einblick in die Familienangelegenheiten 1
dieses vielumstrittenen Authropoiden gewährt. Nach |
dom Frühmahle in der „ Schifferstube “ , einem origi-
nellen Lokale der freien Stadt mit alten W andgemäl-
den und Schiffsmodellen aus Hansazeiten, ging es auf
einem niedlichen Dampfer die breitfliessendo Trave
hinab, um manche Biegung herum, welche die stolzen !
Zinnen von Lübeck im Sonnenlichte bewundern
liess, an der Stelle wo einst vor sieben Jahr-
hunderten die Vorläuferin von Lübeck , Alt-
Lübeck gestanden hat. Im Flusswinkel zwischen
Trave in der hier vom Norden einmündenden
Schwartau liegt noch ein Burgwall von vier- ,
eckiger, an den Ecken abgestumpfter Form. Der- [
selbe hat eine grösste Länge von 340 F. ; eine
grösste Breite von 245 F. ; die viereckige Ein- '
friedigung scheint neueren Ursprungs zu sein ;
das Innere des alten Burgwalles mit ellipsoi- ,
discher Form hat einen grössten Durchmesser von j
240 F. Der Erdwall ist nur noch von geringer !
Höhe; die Besucher fanden in ihm noch einzelne
bearbeitete Feuersteine. Im Innern liegt ein aus j
Feldsteinen hergestelltes Fundament, welches mit i
deutlicher Chorapsis einer ehemaligen und ur-
kundlich Ende des 12. Jahrhunderts genannten
Kirche angehört.
Ueber die Geschichte dieses Platzes, der Ende
des 8. Jahrhunderts von dem Wilzenfürsten
Liubi gegründet und 1138 von dem Rugier-
fürsten Race zerstört wurde, worauf das jetzige ;
Lübeck 1143 am jetzigen Platze von Adolf II. j
von Holstein erbaut wurde, sowie über die manig-
fachen Funde von dieser Stelle, bestehend in
Thonscherbon mit dem ausgesprochenen Burgwall-
typus, Geräthen aus Knochen, Kupfer, Bronze,
Eisen, Gold, eigenthümlichen Mühlsteinen u. s. w.
hat ausführlich berichtet Kluge in der „Zeit-
schrift des Vereines für Lübeck’sche Geschichte
uud Alterthumskunde“ 2- Heft S. 221—248 u.
Taf. I— IV. Besonders interessant unter diesen
Funden war der eines Skelettes in der Kirche
mit einem massiven neunockigen Fingerringe, dek
die räthselbafte Umschrift trägt:
-fThEBAL GV TTANI
Aehnliche Fingerreifen finden sich in den
nordischen Museen , einer ist in England und
einer in der Wallachei gefunden worden. Hat
Petersen Recht, so wären diese Ringe Amulette mit
Abschwörungsformeln, von denen die vorliegende :
„Wodan (longobardisch und gothisch (?) ~
Godan) ist Teufel“
bedeutete. Auch dieser Ring liegt wie die übrigen
Funde von Alt-Lübeck im Museum der freien Stadt.
Von dieser historisch merkwürdigen Stelle
ging man zu Fuss über das Forsthaus von Gört»
mit dem dabei liegenden , interessanten errati-
schen Blocke durch hübschen Buchenwald zum
nahen Schwartau, und von hier weiter zum
Hünengrab von Waldhausen, einem Oertchen
nördlich der Trave - Erweiterung. Von gewalt-
igen Buchen umrauscht, erhebt sich rechts vom
Wege zwischen Waldhausen und Päppendorf,
nicht fern von der meerartig erweiterten Trave,
ein künstlicher Steinbau , bestehend aus acht
grösseren und vier kleineren , den Eingang bil-
denden Blöcken, sowie drei Deckstemen. Als
diese Grabkammer noch der Erdhügel bedeckte, als
eine schlanke Buche sich noch Uber dessen Rücken
wölbte, betrug der Umkreis des ehemaligen Stein-
kreises 161 Fuss, die Höhe des Hügels 13 Fuss.
Als die ganze Steinmasse , an der jetzt die An-
thropologen bewundernd standen, blasgelegt war,
betrug der Umfang desselben 61V* Fuss, die
grösste Länge von Westen nach Osten 22 Fuss,
die grösste Breite von Nord nach Süd 14\* Fuss.
Die Höhe des ganzen Steinbaues beträgt 10 Fuss.
Der Eingang zu dem ein Oval bildenden inneren
Raume wird von den vier kleineren Blöcken ge-
bildet ; er führt von Süd nach Nord. Die Höhe
der einzelnen Blöcke beträgt im Durchschnitte
5 Fuss. Oberhalb des Steinbaues fanden sich
nach einer eingehenden Beschreibung in den „Bei-
trägen zur nordischen Alterthnmskunde“ 1. Heft
mit 7 Tafeln (Lübeck 1844) unter den Wurzeln
der Buche ein menschlicher Schädel mit einigen
Halswirbelknochen. Weiter unten lagen Holz-
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163
kohlen, Urnenseberben, ealeinirte Feuersteine und |
andere Spuren einer Brandstätte, die ja nach Er- ;
richtung und Gebrauch des Grabhügels hier auf
der Höhe desselben sehr günstig lag. An dem
südostsüdlichen Blocke fanden sich drei kleine
Steinkisten aus gespaltenen Granitstücken , rohe
Urnen, Knochenreste und Bronzen : ein Halsring,
mehrere Nadeln , eine Pinzette , ein Messer ,
welche mit edlem Roste (aerugo nobilia) theil-
wcise überzogen waren. Ausserhalb der zweiten
Steinkiste lag ein als Schleifstein gebrauchter
Kieselschiefer. In der dritten Steinkiste lagen
Knochenreste und ein künstlich gespitzter Feuer-
stein. Die Bronze besteht aus Kupfer und Zinn,
ähnlich wie die alte der Römer; der Zinngehalt
wechselt von 2—15 °/o. Im Innern des Baues |
fanden sich in lockerer , von Aussen eingedrun-
gener Erde folgende Artefakte: 1) Drei fast voll-
ständige Graburnen, die erste von einfacher Form
ohne Verzierungen, die zweite von kugeliger Form
mit zwei (?) Henkeln ; in dieser lag ein herz-
förmiger Feuerstein ; die dritte von schüsselförm-
iger Gestalt mit regelmässigen, eingedrückten Ver-
zierungen von spitzwinkligen Linienguirlanden,
Dreiecken in der Horizontale, zusammengrüppirten
Vertikallinien. Die Verzierungen tragen den lau-
sitzisch - germanischen Typus. Ausserdem noch ;
mehrere mit Blätterornament verzierte Scherben
und Henkel. 2) Vier in eisselartige Steinkeile aus |
Feuerstein. 3) Neun messerartige Feuersteinsplitter.
Der Boden des Raumes zeigte Spuren von Brand ,
und ein Pflaster , aus zerbrochenen Feuersteinen j
bestehend. Dazwischen lag Kohle und Asche. Offen- I
bar haben wir in diesem Hünengrab Reste ver- 1
schiedener Beerdigungen. Der Steinbau erinnert '
auffallend an die schwedischen „Riesensiubcn“,
wie der anwesende Herr Dr. Montelius be-
stätigend mittheilte.
Von hier hatte man bald den in der Nähe bei |
Pöppendorf liegenden Burgwall erreicht. Zwi-
schen sumpfigen Wiesen erhebt sich in einer Höhe
von circa 30 Fuss dieser Erd wall mit einem Ein-
gänge nach Osten dem Dorfe zu. Er schliesst i
eine elliptische Fläche ein, deren grösster Durch- '
messer circa 90, deren kleinster circa 75 Schritte j
beträgt. Das umschlossene Terrain mag nach
Augenscliätzung 3 Magdeburger Morgen sein. In
dem Humusboden des Ackers, welcher das Innere
des WT alles erfüllt, fand man in einer Tiefe von
l — 2 Fuss beim sofortigen Nochgrabcn mehrere
Scherben. Dieselben wiesen ein kammartiges Or-
nament, daun eingedrückle viereckige Stempel \
und spitzwinklige Zickzacklinien auf. Die ge-
fundenen Ornamente schiiesscn sich dem slavischen
Burgwalltypus an. In der Nähe bei Dassow u.
a. 0. sind ähnliche Burgwälle. Man schreibt sie den
Rugiern zu , welche mehrmals zum Angriffe auf
Alt - Lübeck im 12. Jahrhundert an der Trave
landeten. Schon von Ruhmor (vgl. Schlesw.-
Holst.-Lauenburgische Gesellschaft für Erhaltung
und Sammlung nordischer Altert Immer , IV. H.
S. 44) schreibt diesen Burg wall den Sin Yen zu
und setzt dessen Benützung in die Zeit vor der
Christian isirung dieser Gegend, nach der Periode
der germanischen Bevölkerung.
Am nächsten Morgen, den 16. August,
fuhr die Gesellschaft zu Eisenbahn und Wagen
an dem glatten Spiogel des Uatzeburger-Secs und
an Mölln, wo Till Eulenspiegel begraben liegt,
vorüber nach Ritze rau, und von hier gegen
10 Uhr auf dem Ritzerauer - Dunenseeer Ver-
bindungswege zu den archäologischen Objekten des
Tages im Ritzerauer Gehäge.
Selten wird auf kleinem Raume eine solche
Vielseitigkeit archäologischer Fundstellen geboten
werden können. Rechts am Wege nach dem
Duven-See liegt ein mächtiger, 5 in hoher, 30 m
im Durchmesser haltender Hügel, bedeckt mit ge-
waltigen Buchen, aus denen das ganze Ritzerauer
Gehege besteht. In der Nähe findet sich eine
Trichtergrube. Sie misst 8 m Durchmesser oben,
4 m am Boden. Man fand in 2 m Tiefe Knochen
von Pferd und Schaf, Scherben und Kohlen, so-
wie ein Stück von einem Mahlstein mit deut-
licher Reibfläche. Hier wohnten sicher einst
Menschen. Dazu stimmen auch die Spuren
der nachbarlichen Hochäcker, die zwar Manche
anzweifelten , deren Realität aber denen ein-
leuchtete, welche schon deren mehr gesehen haben.
Im Forstort „Gördelin“ im Moskowiten - Horste
fand sich im Jahre 1S55 bei Entwässerangs- Ar-
beiten ein prächtiges Bronzeschwert, senkrecht im
Torf steekend, wie andere Bronzeschwerter in
Hinterpommern, der Ukermark, der Altmark (vgl.
die Berichte von Fried el über diese Schwert-
und Dolchfunde in der „Zeitschrift für Ethno-
logie“ 1876 — 1877 im „Anhang“). Nach der
Angabe des Herrn Gross wurden noch mehr
Artefakte auf den sumpfigen Brüchen bei Rit/.erau
und der Umgebung an das Tageslicht gezogen : so ein
Diadem von Bronze, Schalen aus Bronze, ein kupfer-
ner Kessel, ein geschliffener Feuerstein keil u. s, w.
Nun folgte die Ausgrabung der Hügelgräber,
über welche bereits im Berichte über die IX. all-
gemeine Versammlung (cfr. oben S. 81 und 82)
ausführlicher gehandelt wurde, deren Resultate
wir daher hier übergehen.
In der Nähe des oben S. 81 erwähnten „ Wen-
denkirchhofes * bei den sogenannten Reigersbergen
liegen noch mehrere auffällige Horste, d. h. aus
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164
dem Moorboden auftauehende Erhebungen. Allein
we«ler diese in Untersuchung zu nehmen , noch
einige weitere Trichtergruben, einen »Uten Damm
und einen Hünenfriedhof zu besichtigen, erlaubte
die schon sinkende Sonne.
Dem Mühlenteich entlang ward zur Stelle ge-
schritten , wo man der letzten , schönverlebten
Tage beim schäumenden Humpen und beim glän-
zenden Römer froh gedachte. Die Tage von Ham-
burg, Kiel, Lübeck nannte ein Redner das schöne
Dreigestirn am Himmel der Erinnerung an die
IX. Versammlung der deutschen Anthropologen.
Zu Mölln im Angesichte des zischenden Dampf-
rosses, das die Theilnehmer an dem Ausfluge nach
allen Seiten der Windrose entführen sollte, ward Ab-
schied genommen, und auf Wiedersehen ! gerufen.
Wohl Manchem erging es hiebei wie dem Meister Till
von hier: man freute sich, dass man scheiden
musste, weil man baldiges Wiedersehen erhoffte.
Kleine Mittheilungen.
Anth roj tuj ischc (iv. seil. schaff der Insel Cuba .
Auf der Insel Cubu hat sich eine anthropologi-
sche Gesellschaft, konstituirt mit dem Sitze in
Habana. Die konstituirende Sitzung fand am ,
16- Dezember 1877 statt und besteht der Vor-
stand aus folgenden Herren: Felipe Poey,
Präsident ; Dr. Jose de Argumosa, Vize-
präsident; Dr. Antonio Mostre, General-Se-
kretär; Dr. Luis Mont and, Stellvertreter;
Dr. Fernando Frey re de Andrade, Schatz-
meister; Dr. Gualberto Willis, Bibliothekar. Die
Gesellschaft, wird Mittheilungen herausgeben unter
dem Titel „Boletin de la Sociedad Antropologiea de la
Isla de Cuba.“ Die Redaction ist den Herren Dr.
A mhrosio Gonzalez del Val le, Antonio Go vin
y T o r r e s und Julian G a s s i e Übertragen.
Del der Redaktion von April bis Ende Dezember
1878 eingelaufene Schriften.
(Cfr Nro. il Juni 1878. S. 59.1
Friedei E.: die Stein-, Bronze- und Eisen-
zeit in der Mark Brandenburg. Berlin, Nicolai-
»che Verlagsbuchhandlung (R. Stricker) 1878.
M o h n i k e Dr. : Üeber die gewundenen, so-
genannten keltischen Ringe oder Torques. Sep.-
Abdr. a. d. Jahrb. des Vereins von Altert hu tnsfr.
im Ilheinlande. Heft 62.
L i 8 8 a u e r D.: Crania Prussica. Zweite Serie.
Ein weiterer Beitrag zur Ethnologie der preußi-
schen Ostseeprovinzen. Mit 4 Tafeln. Sep.-Abdr.
aus „Zeitschrift f. Ethnologie. Jahrgang 1878.
P i n d e r Ed. Dr. : Bericht über die heidni-
schen Alterthflmer der ehemals kurhessischen Pro-
vinzen. Mit 3 Taf. Abbildungen. Supplement VI
der Zeitschr. d. Vereins f. hessische Geschichte
und Landeskunde. Cassel 1878.
Heglamento de la Sociedad anthropologica
de la isla de Cuba Habana. Imp. de C. Montiel
y Comp. 1878.
Homer Fr. Flor. Dr.: Resultats Generaux
du mouvement archeologiqne en Hongrie avant
la VIII« Session du Congres international d’An-
thropologie et d'Archeologie prehistorique ii Buda-
pest 1876. Avec une carte, deux planches et
119Figures. Budapest (Impr. de la soc Franklin)
1878. (1. Abtb. des 2. Bandes des Berichtes über
den Kongress.)
Spengel J. W. Dr. : Die von ßlumenbacb
gegründete anthropologische Sammlung der Uni-
versität Göttingen, aufgonommen im Jahre 1878.
Sep. - Abdr. aus dem Archiv für Anthrojiologie,
redig. von A. Ecker und L. Lindenschmit. 1877.
Braunschweig, Druck u. Verlag v. Fr. Vieweg u.Sohn.
Dali W. H. Ön the remains of later pre-
historic man obtained from caves in the Catherina
Archipelago, Alaska Territory and especially from
the eaves of the Alcation islands. Washington
City: Piiblished by the Smithsoniiui institution.
1878. Mit 10 Tafeln in Lichtdruck.
Ad. Pansch. Einige Bemerkungen über
den Gorilla und sein Hirn. Sep.-Abdr. aus dem
Archiv für Anatomie und Physiologie, herausge-
geben von His und Braune und K. du Bois
Reymond. 1878. S. 127 ff.
F. J, Fi n ois. Esquis.se de l’univers et de
dos lois. Manhatan. U. S 1872.
H. Handel mann. Schleswig-Holsteinisches
Museum vaterländischer Altert hümer. Ablheilung
Eisenalter mit Titelvignette und zwölf Holzschnitten.
Kiel, Schwers’scho Buchhandlung. 1878-
E. D. Essai sur le nez au point de vue anthro-
pologique et esthötique. Avec une planche. Locle,
imprirnerie-librairie Eugene Courvoigier. 1878.
Seit Septenil>er 1878 lat die Redaktion de« Correspondenzblattes nach nAnchen, Brlenner-
Strasse 25, zurück verlegt. — Herr Schatzmeister Welsmann wird, wie bisher, die Zusendung des Cor-
respondenzblattes an die verehrl. Zwelgverelne und Isolirten Mitglieder mit bekannter Sorgfalt fort führen.
Reklamationen einzelner Nummern, Zusendungen der Jahresbeiträge bitte Ich also wie bisher an Herrn
Wtismann, München, Theatinerstrasse 36, dagegen Zusendungen an die Redaktion au die oben
angegebene Adresse za richten.
Prof. Dr. Johanues Ranke, Generalsekretär.
Ifruck der Abutemixcheu Buehdrutkerri F. Strand in Manchen.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
«r
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
x.
Jahrgang- 1S7Q.
Uediglrt von
Professor Dr. Johannes Ranke in München
GeneralnekretAr der Gesellschaft.
München.
Akademische Buchdruckerei von F. Straub.
18JV.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Itediffirt ton Professor Ihr. .Johannes Ranke in München,
Gtntrahtcrtiär der (ItMÜtchnfl.
Nr. 1.
Erscheint jeden Monat.
Januar 1879.
Zum Neujahr 1879.
Die Einheit der deutschen anthropologischen
Gesellschaft und ihrer wissenschaftlichen Bestreb-
ungen kommt vor Allem zum Ausdruck in ihren
jährlichen allgemeinen Versammlungen. Hier
pulsirt der Lebenspunkt der Gesellschaft. In den
stenographischen Berichten Uber die allgemeinen |
Versammlungen findet sich ein reiches — viel-
leicht das reichste und glänzendste Stück natio-
naler Geistesarbeit auf dem Felde der Anthropologie
niedergelegt.
Das Correspondenzblatt ist berufen, auch
um alle jene Glieder unserer Gesellschaft, welche die
allgemeinen Versammlungen nicht besuchen können,
ein Band der Gemeinsamkeit zu schlingen. Es
hat den Sprechsaal zu bilden l'ür alle gemein-
samen Angelegenheiten der Gesellschaft. Es hat
die kleineren anthropologischen Einzelarbciten der
Zwoigvereine wie der isolirten Mitglieder als wis-
senschaftlicher Brennpunkt zu sammeln. Es hat
zu diesem Zwecke regelmässige Berichte zu er-
statten über die wissenschaftlichen Sitzungen der
Zweigvereine. Anzeigen, kleine Mittheiluugen aller i
Art gehören in sein Gebiet.
Eine der Hauptaufgaben des Correspondenz-
blattes erkennen wir aber in der Uebermittelung
der ausführlichen Berichte über den Verlauf und
die wissenschaftlichen Bestrebungen der allge- i
meinen Versammlungen an dio Mitglieder der Ge-
sellschaft, um jeden Einzelnen anzuregen, sich an
der Lösung der von der Gemeinsamkeit gerade
vorzugsweise in Angriff genommenen Arbeiten mit
zu betheiligen.
Corrap.'Blalt Nro. 1.
Noch handelt es sich in vielen Beziehungen
für den Fortschritt der Anthropologie vor Allem
I um Sammlung des wissenschaftlichen Materials.
An Stelle glänzender geistvoller Behauptungen
und Hypothesen wollen wir sicher begründete
Thatsachen, deren breites Fundament nur durch
gemeinsame Arbeit gelegt worden kann.
Ist einmal der anthropologischen Forschung
1 eine neue wissenschaftliche Fragestellung gelun-
| gen, so bietet sich bei der Beischaffung des Ma-
terials für eine exakte Antwort vielen Händen
Arbeit dar.
Hiebei handelt es sich zunächst nicht um
umfassende geschlossene literarische Abhandlungen,
welche ihren Platz haben in den grossen wissen-
schaftlichen Organen unserer Gesellschaft: dem
Archiv für Anthropologie, der Zeitschrift für Eth-
nologie, den Beiträgen zur Anthropologie und Ur-
geschichte Bayerns. Als Neujahrsgabe bringt uns
der vielversprechende Kieler Zweigverein die
erfreuliche Mitthoilung, dass sich an die genannten
eine neue von ihm im Verein mit den
Forschern in Lübeck, Hamburg, Altona
herausgegebene selbständige anthro-
pologische Zeitschrift anschliessen soll.
Jede einzelne gut beobachtete Thatsache bildet,
wenn sie sich an andere gleichartige anschliesst,
einen Fortschritt. Der Raum einer Correspondenz-
karte, eines Zeitungsausschnittes etc., ist oft gross
genug für einen im Zusammenhang einer gemein-
samen Untersuchung werthvollen wissenschaftlichen
Beitrag. Das Correspondenzblatt ist der Ort für
1
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o
Sammlung und Veröffentlichung derartiger Bei-
trüge.
Bei der IX. allgemeinen Versammlung in Kiel
wurde eine Anzahl zum Theil neuer wichtiger
anthropologischer Aufgaben und Fragen gestellt.
Je nach Neigung und örtlicher Gelegenheit wird
kaum Jemand Anregung zur Betheiligung an der
Lösung solcher Aufgaben vermissen, verbreitete
sich doch die Diskussion über fast alle Gebiete
der verschiedenen anthropologischen Disciplinen.
Wenigstens die wichtigsten der angeregten
Fragen sollten das Jahr hindurch nicht aus der
Diskussion in den Zweigvereinen und aus den
Mittheilungen des Korrespondenzblattes verschwin-
den. Es sei gestattet, hier einige dieser Fragen
zu formuliren :
1. Welche Anhaltspunkte bieten sich
dar, um in den einzelnen Gegenden Deutsch-
lands die etwa vorhandenen slavischen von
den germanischen vorgeschichtlichen Al-
tertkümern zu trennen? (IX. Bericht S. 1*28.)
(Verbreitung der slavischen Burgwalle ? —
Beschreibung ihres Baues? — Was liefern die
Ausgrabungen in denselben ? — Knüpfen sich
historische Ueberlieferungen an solche Oert-
lichkoiten? — Germanische und slavische Be-
gräbnisstätten ? — Der slavische Schlftfen-
ring ? etc.)
2. Ueber Schalensteine und heilige
Steine? (IX. Bericht S. 155, VIII. Bericht S. 126).
(Beschreibung noch nicht wissenschaftlich
aufgenommener? — Die sich mit ihnen ver-
knüpfenden Gebrauche und Aberglauben? etc.
3. Ueber Hochäcker in Norddeutsch-
land? (IX. Bericht S. öl.)
(Wo finden sich solche? — Welche historische
oder prähistorische Stellung beanspruchen die-
selben? etc.)
4. Ueber künstliche Höhlen? (IX. Be-
richt S. 93.)
(Wo finden sich solche? — Ihr Bau? —
Hinterkeller ? — Erdställe? etc.
5. Ueber prähistorische keramische
Technik? (IX. Bericht S. 158.)
(Wie weit ist die Methode, irdene Geschirre
in einor Flechtform zu bilden und zu brennen,
in Europa verbreitet ? etc.
6. Ueber anthropologische Messung le-
bonder Menschen und die dazu nöthigen
Apparate? (IX. Bericht S. 104. 105.)
7. Einfluss der Stirnnath auf dolicho-
cephale Schadelformen? (IX. Bericht S. 107.)
8. Das Wesen der Mikroceph alie (IX.
Bericht S 146, 147) etc. etc.
Die Anregungen, welche die allgemeinen Ver-
sammlungen auf die Arbeitsrichtung der Zweig-
vereine auszuttben pflegen, haben schon von jeher
zu schönen wissenschaftlichen Resultaten geführt.
Unser Wunsch und unsere Hoffnung ist es, dass
sich dieses Verhältnis steigere zu dem sicheren
Bewusstsein gemeinsamer Arbeit bei allen un-
seren Mitgliedern.
So ergeht denn an jedes einzelno Mitglied un-
seres Gesainmtvereins die Aufforderung zu wissen-
schaftlichen Mittbeiluugon. Auch di^s Kleine und
an sich Unscheinbare muss gesammelt werden.
Nichts, was sich auf unsere Wissenschaft bezieht,
sollte verloren gehen, da wir keineswegs heute
schon befUhigt sind, definitiv über den grösseren
oder geringeren Werth einer Thatsnche abzuur-
theil en , welche erst durch Verbindung mit an-
deren ihre wahre Bedeutung erkält. Namentlich
bitten wir die Vorstände der Zweigvereine um
regelmässige Mittheilungen ihrer Sitzungsberichte
ebenso im Interesse der Gesammtgesellschaft als
zur Belebung der wissenschaftlichen Bestrebungen
in den Zweigvereinen.
W'ir blicken mit Freude und Genugtliuang
auf den Weg zurück, welchen die deutsche an-
thropologische Gesellschaft in den 9 Jahren ihres
Bestehens zurückgelegt hat, wir blicken mit Hoff-
nung und froher Zuversicht in die kommenden
Jahre hinein!
München, den 1. Januar 1879.
Prof. Dr. Johannes Ranke,
Generalsekretär.
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3
Ueber Schalensteine. !•)
Za Herrn Virchow’s Vortrag über denselben Gegen-
stand bei der IX. allgemeinen Versanimlnng in Kiel
1878. (Cfr. bericht 8. 155 u. 177.)
Aus Schleswig-Holstein.
Von J. Mestorf.
Ich habe seit einer Reihe von Jahren den
Schalen- oder Näpfchensteinen nachgespürt und
in unseren schleswig-holsteinischen Tagesblättern
wiederholt dazu aufgefordert, nach solchen Steinen
zu spähen, und wo man deren fände, mich davon
zu benachrichtigen. Diese Aufforderungen haben
wenig genützt, dahingegen ist es mir gelungen,
aus der Literatur, namentlich aus älteren hand-
schriftlichen Aufzeichnungen, von sechszehn
Näpfchensteinen Kenntnis.* zu erlangen, von wel-
chen 13 auf Schleswig, 3 auf Holstein kommen.
Aus diesem numerischen Missverhältniss darf man
indessen nicht etwa folgern, dass diese Steine in
Holstein so viel seltener Vorkommen. Die Er-
scheinung erklärt sich durch die bereits von Herrn
Professor Handclinan n bezüglich der Stein- j
geräthe erwähnte Tbatsache, dass die schleswig-
schen Sammler nicht nur fleissiger beobachtet
und bewahrt, sondern auch sorgfältiger signirt
haben, als die holsteinischen. Jedenfalls ist durch
diese sechs/ eh n Exemplare angezeigt, dass Schles-
wig-Holstein berufen ist, sich an der „Nilpfehen-
stein-Frnge“ zu betheiligen. In der Zeitschrift
für schlesw.-hoLstein.-lauenburg. Geschichte Bd. V
u. VI habe ich die mir damals bekannten Exem-
plare näher beschrieben. So viel ich weiss, existiren
von den jetzt bekannten sechszehn Steinen
noch fünf: 1) der Poppostein bei Hilligbek,
Ksp. Sieverstedt , von dem die Tradition be-
richtet , dass Poppo an demselben getauft habe,
uud sonach auch die Taufe des Königs Harald
ßlauzahn dort vollzogen sei; 2) der Stein von
Risby (im Kopenbagener Museum und beschrie-
ben und abgebildet von Dr. Henry Pctersen
in den Aarbüger für 1875, 8. 416, Fig. 4);
3) ein im Kieler Museum bewahrter Stein aus
einer Gartenmauer in Schleswig, auf welchem vier
der nusgescbliflenen Näpfchen durch eine breite
Rinne zu einem Kreuze verbunden sind ; 4) der
wiederholt von mir beschriebene nur 7,5 cm grosse
Näpfchenstein von weissem Mannor , gefunden
bei Dockenbuden unweit Altona, der als Amulet
zu betrachten sein dürfte (ebenfalls im Kieler
Museum), und 5) der Bunsoher Figurenstein, von
welchem Sie eine Zeichnung, und von einem Ende
desselben einen Gipsabguss, im Museum gesehen
*1 Die Redaktion beabsichtigt zunächst mehrere
kleinere Abhandlungen über diesen Gegenstand za bringen.
haben, und der noch an dem Platze liegt, wo er
gefunden worden, d. i. bei Bunsoh unweit Albers-
dorf in Süderdithmarschen. Der Arrilder Stein,
welcher ausser den Schälchen das Wort Fatur in
Runenschrift trug , (abgebildet bei Thorsson:
De danske Runeinindesmaerker S. 3 1 ff. und von
Engelhardt nach einer Zeichnung des ver-
storbenen Lioutenant Timm in den Aarböger
für 1876, S. 127, Fig. 11, und danach von
J. Meatorf in: die vaterländischen Altorthü-
mer Schleswig - Holsteins , Taf. XII, Fig. 6),
ist von dem Nachfolger des früheren Besitzers,
des Justizraths Jaspersen, bei dem Bau einer
Scheune als Grundstein verwandt worden (Tbors-
sen a. a. 0.). Von den sechszehn schleswig-
holsteinischen Schalensteinen sind ferner fünf
nachweislich und einer wahrscheinlich aus Grä-
bern gehoben worden. Der Poppostein bildete den
Deekstoin einer Grabkammer; der Risbyer Stein
wurde in einem Grabhügel gefunden ; der Stein
von Wester - Ohrstodt , Kreis Husum, lag, neben
anderen Steinen ohne Zeichen, in einem Grab-
hügel „an einer Grabkammer.“ In der Kammer
fand man Steingeräthe , zwischen den Steinen
neben der Kammer Bronzesachen , z. B. einen
Schaftcelt. In dem merkwürdigen von Engel-
hardt geöffneten und beschriebenen Grabhügel
bei Süderbrarup in Angeln (s. Kieler Bericht XXIII,
S. 18 ff., Taf. 2) stand zwischen dem äusseren und
inneren Steinkreise ein hoher Stein , an welchem
mehrere Näpfchen wahrgenommen wurden ; der
als Amulet betrachtete Näpfehonstein lag in einer
Urne aus dein Doekenhudener Urnenfriedhofe und
der Bunsoher Figuronstein bildete nebst zweien
anderen Steinen den Verschluss einer mit 8 bis
10 Fuss Erde bedeckten Steinkammer*). Ueber
den Arrilder Stein berichtet Thorssen a. a. 0.,
dass er in einem natürlichen Erdhügel gefunden
worden , in welchem man 10 Fuss tief auf eine
Doppelreihe von Steinen gestosaen sei , die an
einem Ende offen , an dem anderen geschlossen
war, und worin nichts anderes gefunden wurde,
als einige Kohlen.
•> Herr Obommtsrichter Westedt, welcher das
Grab öffnete uud eine genaue Beschreibung desselben
eingeaandt hat, welche leider nicht in der Versammlung
vorgelesen wurde, erzählt. da*s auf dem mittleren der
drei Beckstein«*, welche den Verschluss der Kammer bil-
deten, eine Flüche von 2 .Meter Durchmesser mit ge-
spaltenen Granitfliesen dicht bedeckt war, die von einem
20—25 cm hoben Rand von Geröll eingeschlossen wurde.
Das Ganze glich einem Trog. An diesem lag nach Osten
ein Häuflein Holzkohlen und in der Nähe derselben ein
roh behauenes Flintgeräth. Die Kammern fand man mit
Erde gefüllt und darin eine defekte Lanzenspitxö von
Flint.
1*
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4
Von den vorerwähnten Steinen steht also fest,
dass die Schälchen in vorgeschichtlicher Zeit ein-
geschliffon sind. Werden solche, wie wir eben
von Herrn Professor Virchow gehört , noch
heutigen Tages eiugegraben, so glaube ich doch |
kaum, dass die Zahl der modernen Näpfchensteine ]
so bedeutend ist , dass sie neben den vorhistori- j
sehen schwer auf die Wage fällt. Es wird uns
jedoch dadurch die Aufgabe, nachzuforschen, ob !
und wodurch die älteren sich von den mo- i
dernen unterscheiden. Jedenfalls werden diese •
merkwürdigen Denkmäler der Vorzeit dadurch
noch interessanter, weil sie mit einer religiösen
Handlung Zusammenhängen, die aus fernster Ver-
gangenheit in die Gegenwart hineinreicht. Ausser
den von Herrn Professor Virchow citirten Bei-
spielen aus Frankreich und den Höhlungen in
den Backsteinen christlicher Gotteshäuser (vgl.
Friedei in der Zeitschr. „Der Bär“, Jahrg. III,
Nro. 22, 23, und im Archiv für christliche Kunst,
Jahrg. II, Heft IV j ist hier noch eines anderen
zu gedenken. Über welches Dr. H i Id ebr a n d in
einer Sitzung des archäologischen Kongresses in
Stockholm Mittheilung machte , dass nämlich ,
nach Maurer, auf Island gleichfalls ein Näpf-
chenstein existire. In diesem hätten wir einen
Beweis, dass Leute, welche in der früheren Hei-
math den alten Brauch , in den Näpfchen zu ;
opfern, beobachtet hatten, an dem neuen Wohn- 1
orte, wo sie keine solche fanden, die Höhlungen
selbst in den Stein einschliffen. Auch die von
Nilsson (Bronzealter , Nachtrag I, S. 48, 49)
beschriebenen und abgebildeten ältesten katholischen
Weihwassersteine in einigen Kirchen in Schonen sind
offenbar heidnischen Näpfchensteinen nachgebildet.
Ueber die Art und Weise und den Zweck der
Näpfchenopfer erfahren wir näheres in Skandi-
navien. In Schweden nennt das Volk die damit
bezeichnten Steine Elbensteine oder Elben-
mtihlen. Die Elben sind die Seelen der Ver-
storbenen , sie wohnen wie diese nicht selten in t
oder unter einem Steine und unterhalten mit den
Lebenden mancherlei Beziehungen. Stört man
ihre Hube, entheiligt man ihre Wohnstätte oder j
versäumt auf andere Weise , ihnen ziemende ’
Pietät zu beweison, da rächen sie sich, indem sie
Krankheit und anderes Missgeschick über die Le- I
benden verhängen. Deshalb ist das Volk be-
flissen, sich die Gunst der Kleinen durch Opfer
zu erhalten oder ihren Zorn zu beschwichtigen.
Ihre Ansprüche sind bescheiden : etwas Butter
oder Schmalz, eine Kupfermünze, eine Blume,
ein Bändchen befriedigt sie. Haben sie mit
Krankheit gestraft, so sühnt ein Gegenstand, den
der Kranke getragen, z. B. eine Stecknadel, ein
Knopf Ein schwedischer Gutsbesitzer (in Upp-
land), der einen Elbenstein in seinen Park hatte
traosportiren lassen , fand nach einigen Tagen
Opfergaben in den Näpfchen liegen. Im Stock-
holmer Museum findet man aus leinenen Läppchen
gedrehte Puppen , welche auf einem Elbensteine
gefunden wurden (vgl. Hyltcn Cavallius:
Wärend och Wirdarne I, S. 140, und Hilde-
brand im Mütiadsblad 1873, Nr. 30) Aelter
dürfte der Brauch sein, die Näpfcliou mit Fett
auszustreichen. Man betete auch an den Steinen,
man „pustete“ dio Krankheit in die Näpfchen
(F r i e d e l a. a. 0.) oder man verschlackte, wie
wir soeben gehört , den ausgeriebenen Staub,
woraus man schliessen muss , dass dem Steint*
selbst Heilkraft zugeschrieben wurde. Das Salben
der Steine war allbekannte Sitte der Hebräer.
Fr i edel ist der Ansicht, dass die „Augensteine“
der Israeliten , welche bestimmt waren , das ge-
weihte Oel aufzunehmen, Näpfchensteine waren.
Ob und wann arische Völker diese Sitte von den
Semiten adoptirt, wäre zu erforschen. Die zer-
lassene Butter (Ghoo) spielte zwar in der vedischen
Zeit bei den Indern eine grosse Holle, doch hatten
sie (ich verdanke diese Auskunft Herrn Professor
Pischel) keino Opfersteine, salbten folglich bei
ihren Opferceremouien keine Steine mit dem ge-
schmolzenen Fett. Welches Alter den von Pro-
fessor Pesor beschriebenen und abgebildcte»
indischen Näpfchensteinen zuzuschreiben ist, ob und
wo deren mehrere in Indien Vorkommen, ist des-
halb weiter zu verfolgen.
Die Schälchen sind nicht selten von anderen
Figuren begleitet, z. B. von concentriachen Hingen
und vierspeickigen Bädern (Kreuz in einem Ringe).
Sie hatten Gelegenheit, beide auf dem Bunsoker
Figurensteine zu sehen nebst vier Händen von
welchen eine an zweien Fingerspitzen ein Näpf-
chen trägt. Der Stein zeigt ausserdem noch zwei
Figuren, welche man als Fusssohlcn anspreeheu
möchte, wenn nicht von der einen seitlich Strahlen
ausliefen. Auch sind mehrere Schälchen durch
schmale Rinnen mit einander verbunden. Auf
dem Bunsoker Stein stehen das vierspeichige Rad
und der Kreis mit einem Punkt, oder richtiger
das Schälchen in einem Ringe, als religiöses Sym-
bol. Es ist dieselbe Figur, welche als Ornament
auf den Goldblechschalen und gewissen Brnnzon
vorkommt. Wurde es mit Punze und Hammer
ausgetrieben, so musste das Schälchon die Gestalt
einer knopffOrmigen Erhöhung in einem Ringe
annehinen. Dieselben Zeichen finden wir in Be-
gleitung der Näpfchen in Schottland und in Skan-
dinavien. In Skandinavien sieht man Schälchen
auf den Felsenbildern und auf Runensteinen, selbst.
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5
auf den jüngeren ; in letzterem Fall erkennt man
jedoch, dass ein ehemals mit Schälchen bezeich-
neter Stein zum Inschrift- und Gedenkstein ge-
wählt worden. Dr. Henry Peteraen wirft
a. a. 0. die Frage auf oh die sogen. Behausteine
mit den konkaven Ausschliffen „fllr die Finger4*
etwa als Amulete oder Näpfchensteine zu be-
trachten seien. Man hat deren nie auf den zahl-
reich aufgedeckten Arbeitsstätten der Steinzeit
gefunden, statt ihrer gewöhnliche Rollsteine welche
Schlagmarken zeigen. Der Dockenhudener Stein
mit seinen erbsengrossen Näpfchen stützt diese
Frage. Es eröffnen sich fllr die Untersuchung
immer neue Gesichtspunkte ; vor allem wird auch
den an den Steinen haftenden Sagen Beachtung
zu schenken »ein.
Anthropologisches von Amerika.
Von Dr. 0. Löw*).
Nachdem wir vor etwa einem Jahre von der
Gründung einer amerikanischen anthropologischen
Gesellschaft Nachricht erhalten, können wir einen
weiteren Fortschritt in dieser Richtung verzeich-
nen — die Gründung der ersten ethnologisch -an-
thropologischen Zeitschrift durch Rov. Stephen
D. Peet, von Ash tabula , Ohio, betitelt: „The
American Antiquarian-, welche in vierteljährigen
Heften erscheint, und eine fühlbare Lücke auszu-
füllen verspricht. Wir geben in Folgendem die
Titel der in den ersten beiden Nummern ent-
haltenen Artikel, nebst den wichtigeren der er-
wähnten Thatsachen und Folgerungen.
„Ueber alte Hocbäcker in Michigan- von Bela
Hubbard. Vor der dichteren Besiedelung Mi-
chigans waren diese Spuren einer alten Kultur
sehr zahlreich und wurden von manchen Reisen-
den mehr oder weniger ausführlich beschrieben.
Seit den letzten 30 Jahren sind sie bis auf kleine
Reste von der Hand der Kultur verschwunden.
Diese Hochäcker b esassen eine Länge von 22 bis
100 Fuss, eine Breite von 5—12 Fuss und
eine Höhe von 6 — 18 Zoll, Nach einigen Bäumen,
welche man darauf wachsend gefunden hat, er-
gab sich , dass die Periode der Entstehung we-
nigstens vor das Jahr 1502 zu setzen ist, also
vor die Entdeckung jener Landestheile durch die
Franzoson.
„lieber palaeoliihische Werkzeuge44 von F.
Berlin; höchst unvollkommene bei Reading, Pa.
gefundene Steinwerkzeuge, welche der Verfasser
den Eskimos zuschreibt, die in früheren Perioden
*) Hoi der Reilaktion eingelaufen de» 21. Nov. 1878.
wahrscheinlich sich weit nach Südon ausgebreitet
hatten — werden ausführlich beschrieben.
„Ueber Hügelgräber in Missouri und Indiana. -
In diesen fand man kugelförmige Urnen , die
etwa eine Gallone hielten %und an der Aussenseite
Spuren von Feuer erkennen Hessen ; Knochen
waren zersetzt und nur spärlich zu finden , da-
gegen fand man viele Zähne. Auch 2 — 3 Zoll
tiefe und 6—8 Zoll weite, roh ornamentirte
Schüsseln fanden sich vor. Ein solches Hügel-
grab bei Corning, Missouri, war bis 8 Fuss hoch
und hatte 100—110 Fuss Durchmesser.
„Ueber alte Indianerwege (traila) in Ohio“;
„Ueber jetzt in der Nähe der Ruinen Utahs le-
bende Indian ersUinme (Utes und Navajos)“ von
E. A. Barber.
„Die Entdeckung des Ohio- von Stephan
1). Peet. Der Verfasser kommt nach eingehen-
der Kritik zum Schluss, dass die Frage immer
noch eine offene sei.
„Das Alter der Menschheit in Amerika- von
W\ Kinney. Es wird aus neueren Funden
nachgewiesen , dass der Mensch zur Zeit de»
Mastodon bereits in Amerika heimisch war.
„Bemerkungen über die Inschrift des Felsens
von Dighton“ (Mass.) von Karl Rau. Verfasser
bekämpft die versuchte Auslegung einer wahr-
scheinlichen Indianer- Inschrift als eine runischc
von den Normanen herrührende.
„Ein Vergleich der Thonwaaren der Pueblos
in Neu -Mexiko mit denen der alten Aegypter
und Griechen“ von Prof. E. A. Barber. Ver-
fasser sucht eine auffallende Ähnlichkeit zwischen
den Formen und Verzierungen der Thonwaaren
nachzu weisen.
„Sagen von einer grossen Wasserflut bei den
Stämmen des Nordwestens- von M. Eells.
„Ueber prähistorische Ruinen in Missouri. “
Man sieht, dass das so weite und bis in dio
neueste Zeit stark vernachlässigte Feld der ameri-
kanischen Anthropologie und Ethnologie rasch
zahlreiche Bearbeiter gefunden hat. Besondere
Erwähnung verdienen Major Po well, KarlRnu,
A. S. Gatschet und E. A. Barber.
Die Expeditionen unter Lieutenant Wheeler
und Major Powoll haben viele neue und wich-
tige Aufschlüsse über die Indianerstämme des
Westens gebracht und ist die Publikation grosser
Bände , die Resultate jener ethnologischen , lin-
guistischen und «anthropologischen Forschungen
enthaltend, iin Gange. Wir beabsichtigen in einer
späteren Mittheilung uns eingehender damit zu
• beschäftigen. Was Indianersprachen betrifft , so
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ist die höchst interessante Entdeckung eines deut-
schen Geistlichen, des Herrn W. Herzog aus
Oppau in der Kheinpfalz, mitzutheilen, dass näm-
lich die Sprachen der Yuma-Stämme im südlichen
Kalifornien aufs engste mit derjenigen der Aleuten
verwandt sind, wodurch ein neuer Anhaltspunkt
für die Einwanderung der amerikanischen Völker
aus Asien gegeben ist. Derselbe kam ferner
durch seine eingehenden Studien zum Schluss, I
dass dem Iroquesischen Sprachst&mme eine ausser- ,
ordentliche Verbreitung zuzuschreiben sei.
Nicht unbedeutendes Aufsehen hat eine neuer- ,
dings in Washington von Lieutenant - Colonel
Mall er y verfasste Schrift: „Ueber die frühere
und gegenwärtige Zahl der Indianer“ erregt. Er
sucht nachzuweisen , dass die frühere Dichtigkeit
der Indianerbevölkerung sowohl , als die jetzige
Abnahme derselben Überschätzt wird. Nur in
einzelnen Staaten und Territorien ist eine erheb-
liche Abnahme zu konstatireu. Wo die weissc ;
Itage nicht stets Konflikte provozirt, ist eine Zu- j
nähme der rothen Rage, und zwar von 2 Prozent 1
per Jahr zu bemerken. Mallery führt, als
eclatantes Beispiel die Sioux , dann die acker-
bauenden Iroquois und Cherokces an, und sucht
darzuthun , dass der Indianer bei richtiger Be-
handlung leicht der Zivilisation zugänglich sei,
und dass an den vielen Misserfolgen die Weissen,
denen es nicht Ernst gewesen sei, schuld seien.
Als ein für die Vereinigten Staaten erfreu-
liches Zeichen ist das Erscheinen eines monat-
lichen Blattes, welches speziell den Interessen des
rothen Mannes dient , zu verzeichnen. Dasselbe
trägt den Titel : The „Council fire“ (Berathungs-
feuer) und wird von Colonel Meacham in Wa-
shington heraus gegeben. Es verdient dieser Mann
umsomehr unsere Anerkennung, als er im Modoc-
kriege 1873 von 7 feindlichen Kugeln getroffen
wurde , während er sich anschickte , Friedens-
unterhandlungen einzuleiten.
Zum Schluss sei noch auf einen ausführlichen
Bericht über Indianer-Schädel hingewiesen, welchor
im „Eleventh Annual Report of the Trustees of
the Peabody Museum of American Archaeology
and Et hnology, at Cambridge, Mass, 1878“ publi-
zirt wurde.
Sitzungsberichte der Localvereine.
Sitzung des anthropologischen Ver-
eins für Schleswig-Holstein, zu Kiel
den 20. Deceraber 1878.
Referent : Prof. Dr. Handelmann.
Der Vorsitzende Herr Prof. Pansch eroffhete
die Sitzung mit einem Rückblick auf das ver-
! gangene erste Vereinsjahr. Zunächst folgten ge-
schäftliche Mittheilungen. Der Vorstand wurde
ermächtigt, Namens des Vereins und wenn
möglich unter Betheiligung anderer nord-
deutscher Gruppen, namentlich der zu
Hamburg-Altona und Lübeck, eine eigene
Zeitschrift, die zunächst in mindestens
500 Exemplaren gedruckt werden soll,
herauszugeben. Nachdem der Vorstand durch
Aeclamation wiedergewählt worden , wurde von
Herrn Stadtverordneten Behncke, der neben
seinem Amt als Kassirer auch das des Schrift-
führers für die Dauer der Abwesenheit des FrftuL
Mestorf übernommen hat, die Jahresrechnung
für 1878 abgelegt. Die Einnahme betrug 810
die Ausgabe 587 6 so dass am Schluss
ein Kassenbehalt von 222 e Jt 94 blieb. Der
Verein zählt augenblicklich 134 Mitglieder. Zu
Revisoren der Jahresrechnung wurden die Herren
Dr. Volbehr uud Hauptlehrer Heinrich ge-
wählt..
Herr Prof. Handelmann sprach sodann über
zwei, im Fehrar 1878 von Privatleuten angestellt c
Ausgrabungen , zu denen er Seitens der Unter-
nehmer eingeladen worden war. An Alterthümem
haben dieselben fast gar keine Ausbeute geliefert ;
indess ergab die Bauart der Gräber interessante
Beobachtungen. Das am 1. Februar eröffnete
Riesenbett auf der Holzkoppel Kämpekisten bei
Haberslund (Kirchspiel Ostcrlügum im Kreis
Apenrade) war von Ost nach West gerichtet und
enthielt zwei gewaltige Steinkammern. Die west-
liche Kammer mit einem einzigen , ca. 250 cm
langen, 210 cm breiten uud 90 cm dicken Deck-
stein war aus vier Trägern au der Nordost-,
Nord-, West- und Südseite erbaut; aber der
nordöstliche, der ohne Zweifel nicht tief genug
eingegraben war, scheint sogleich ausgewichen und
einwärts in die Kammer gestürzt zu sein. Auf
diesen uingefallcnen und einen kleineren fünften
Träger, der die .südöstliche Ecke verschloss, hatte
man einen grossen flachen Stein gelegt und mit
Haudsteinen, Fliesen etc. den Aufbau so erhöht,
dass man der Höhe der übrigen vier Träger fast
| gleich kam und der Deckel genügende Stütze
| hatte. Doch behielt derselbe seine Neigung nach
| Osten, wohin wir ihn auch abgleiten Hessen. Es
| war anfangs sehr überraschend, dass nunmehr statt
j eines offenen ßegrftbnissrautnes wieder ein flacher
* Stein und dann noch ein dritter zu Tage kam.
i bis endlich der wahre Sachverhalt, wie oben ge-
schildert, sich herausstellte. Auf dem Urboden
der Steinkammer fand sich eine Schicht von zer-
schlagenen Flintsteinen , mit Holzkohlen unter-
mischt, aber sonst durchaus keine Todtengeschenke.
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7
Der etwa darin gebettete Leichnam muss sogleich
durch den Einsturz des nordöstlichen Trägers völlig
zerquetscht sein, und Referent erinnerte an eine
ähnliche Beobachtung im zweiten Turndälhoog
auf Sylt, wo bei der Aufwälzung des grossen
Becksteins zwei Träger der südlichen Wand aus-
gewichen und in das Grab hineingestürzt waren *).
So sehr wir also auch die megalithischen Grab-
bauten bewundern, zeigen solche Beispiele doch,
dass deren Baumeister die Steinmassen keineswegs
mit voller Sicherheit zu handhaben, noch weniger
aber vorkommende Unfälle wieder gut zu machen
im Stande waren! Die zweite Steinkammer des
Riesenbetts bestand aus fünf Trägern und zwei
Decksteinen , zwischen denen ein Eichbaum sieh
herausgedrängt und das Innere mit seinem Wurzel-
geflecht erfüllt hatte. Hier fand sich ebenfalls
jene Schicht von Flintsteinen und Holzkohlen;
ausserdem durch die Kammer zerstreute Scherben,
die aber keinen vollständigen Topf ergeben , so
dass man vermutben muss , es seien nur tbeil-
weise die Ueberreste eines schon zertrümmerten
Thongefässes mit in das Grab geworfen, und end-
lich ein schön gerundeter Naturstein, der aber
auf einer Seite eine unverkennbare Abschleifung
durch Menschenhand aufweiset.
Der am 7. und 12. Februar geöffnete Grabhügel
liegt südlich von der Gehl- oder Geil- Au auf dar
„Pferdekoppe)“ (HestelÖkke) beim J)orf Kit-
schelund (Kirchspiel Bau im Kreis Flens-
burg) und war ursprünglich mit einem Stein-
kranz eingefasst, der aber bereits im Jahre 1840
beim Ühausseobuu abgenommen ist. Nachdem am
7. am Abhange des Hügels einige Urnen mit ver-
branntem Gebein, aber ohne Beigaben gefunden
waren, ward am 12. die Ausgrabung fortgesetzt.
Wir gingen von Osten nach der Mitte hinein.
Wenige Schritte vom äusseren Rande lag eine
Reihe Steine, die wohl als ein Abschnitt eines
zweiten inneren Steinkranzes anzusehen ist. Etwas
weiter einwärts stiessen wir auf ein mit Holz-
kohlen bedecktes Steinpflaster, wahrscheinlich die
Brandstätte, wo der Scheiterhaufen für den Leich-
nam errichtet war. Die von hier aus vorgeoom-
menen Bohrungen führten zur Entdeckung eines
ungefähr in der Mitte des Hügels belegenen Stein-
baues, den wir anfänglich für einen der gewöhn-
lichen backofenförmigen und kompakten Stein-
haufen ansahen. Als aber einer der Arbeiter einen
Stein ausbrach , zeigte sich ein gewölbter hohler
Raum , in dem wir verbrannte menschliche Ge-
beine liegen sahen. Da mehrere Steine nnch-
•) Handel rnatin: „Die amtlichen Ausgrabungen
auf Sylt“ S. 52.
stürzten und der Abend schnell hereinbrach, konnto
der Bau nicht von allen Seiten freigelegt wer-
den , sondern wir begnügten uns , denselben an
der Ostseite zu öffnen. Das ovale Grabgewölbe,
das von Nord nach Süd circa 135 cm, von West
nach Ost circa 115 cm mass und inwendig bis
60 cm hoch war, war mit grosser Sorgfalt und
Geschicklichkeit aus gewöhnlichen Handsteinen auf-
gesetzt; von einer Ausfugung mit Lehm oder dgl.
ist nicht« bemerkt. Obwohl keinerlei Todtengo-
schenko gefunden sind, setzt Referent diesen Grab-
hügel in das sogenannte jüngere Bronzealter und
fügt hinzu , dass er allerdings schon in anderen
Hügeln der Bronzezeit neben einander die Be-
gräbnis« und die mit Steinen gepflasterte Brand-
stätte beobachtet habe ; aber ein solches aus
kleineren Steinen aufgesetztes Hohlgewölbe sei
ihm bei seinen Ausgrabungen bisher nicht vor-
gekommen.
Herr Behncke, welcher der Ausgrabung in
Haberslund gleichfalls beigewohnt hat, be-
merkt, dass ähnliche megalithische Gräber hier
allerdings öfter sich finden, wie z. B. eine grosse
wohlerhaltene Grabkammer auf dem Gute Birken -
m o o r (Kirchspiel Dänischenhagen im Kreis
Eckernforde) fünfzig Schritt vom Hofo liegt. Aber
er habe auch , zusammen mit Herrn Professor
Pansch, im Mai 1877 auf der Feldmark Sön-
derbvhof (Kirchspiel Riesebye im Kreise
Eckernförde) ein Ähnliches Hohlgewölbe aus
Handsteinen wie das von Kitschelund geöffnet
und darin einen Bronzedolch gefunden , wodurch
also die obige Altersbestimmung weiter bestätigt
werde. Herr Professor Pansch hat auf Grön-
land ähnliche Rundgräber über der Erde beob-
achtet, die aus Kopf- und Handsteinen concentriaeh
gewölbt sind und oben durch einen Schlussstein
zusammengehalten werden.
Aus dem in Budapest gehaltenen Vortrage
des französischen Anthropologen Broca über ver-
mutbete „prähistorische Trepanation *)“ berichtete
schliesslich Herr Professor Pansch. Wahrschein-
lich wurde die Trepanation meistens an Kindern
vollzogen zur Heilung von Epilepsie, und die aus-
geschnittenen Stücke scheint man als Amulette
getragen zu haben. Noch in diesem Jahr ver-
öffentlichte din „Danziger Zeitung“ ein Rezept
gegen Fallsucht, enthaltend Menschenhirnschaale,
Hirschhorn, Elensklaue, Pfauenkoth u. s. w.,
welches iin Danziger Landkreise vielfach verbreitet
sein soll und früher in einer dortigen Apotheke
Compte-rcndu du Congrte international d'anthro-
pologiu et «l’archeologie prehistoriques & Budapest (1876)
S. 101 — 192; vgl. Worsaae: „Vorgeschichte des Nor-
dens" 3. 42 — 43.
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ohne Anstand hergestellt wurde. Auch Herr
Apotheker Hartmann in Tellingstedt hat brief-
lich mitgetheilt, dass in alter Zeit Menscbeu-
•sr.hädel, mit pulverisirten Kiensklauen u. 8. w.
vermischt , als beliebtes Mittel gegen Epilepsie
galten , und dass in alten Apotheken Schädel,
Mumien u. dgL zu offizineilen Zwecken vorräthig
gehalten wurden. Demselben hat einmal eine
Frau in einem Dorfe bei Eutin erzählt: es sei
ihr angerathen, ihrer epileptischen Tochter „ge-
flossenen Donnerkeil“ einzugeben; sie habe des-
halb einen Flintkeil zerschlagen und zerstossen.
L eber ähnliche Steinpulverchen gegen Epilepsie
berichtet aus der Provinz Sachsen Herr Professor
K. Möbius. Wie Wo r sa ne (a. a. 0. S. 49)
schreibt , werden in China auch antike , in der
Erde gefundene Bronzesachen zu Pulver gestoben
und bei gefährlichen Krankheiten als Heilmittel
verabreicht. Mit obrigkeitlicher Erlaubniss tranken
Epileptische sogar das warme Blut hingerichteter
Verbrecher. Was die Stelle der vorgeschicht-
lichen Trepanation anlungt, so hält Herr Professor
Völckers dieselbe für höchst ungeeignet, da die j
Trepanation in der Richtung auf den grossen
Blutleiter zu furchtbaren Blutungen führen könne. I
Dass die Trepanation den alten Griechen nicht,
ganz unbekannt war, darauf scheint, wie ein Mit- ,
glied nicht ohne Humor bemerkte, auch der Mythus i
von der Geburt der Athene aus dem Haupte des
Zeus, das von Hephästos goöffnet ward, hinzu-
deuten.
Correspondenzen.
1) Aus Aegypten.
Seitdem 14. November befindet sich Dr. Mook
und Lieutenant M o e r i e k e wieder im Zelte auf
den Silexfeldern zwischen Kairo und Heluan.
Die Funde von Feuerstein-Instrumenten sind
hier von grösster Wichtigkeit, insofern dieselben
genau den Charakter der nordischen zeigen (rund
bearbeitet, nicht bloss gespalten). Die Knochen-
fande , 1 V* Meter unter der Wüstensanddecke
und einer Fuss hohen Schichte von jungem Sand-
stein , mehren sich in überraschendem Maasse.
Bis jetzt sind dio Ausgrabungen nur auf 1 V* Meter
Tiefe ausgedehnt , Bollen aber demnächst weiter
fortgesetzt werden, da eine Grenze der Knochen-
schichte sich noch nicht ergeben hat. Seit dem
1 9. Nov, wurden gefunden : die Knochenreste
von circa G Thieren einer Kameelart, Zebra und
eine Gazellenart, Holzkohlen und Feuersteinmesser.
Die Kulturschichte (schwarze Erde im wei&sen
Sande) ist in der Tiefe vollständig verschwanden,
so dass es den Anschein gewinnt , als sei die
Formation nicht viel jüngeren Datums, als der
an den Mokketarn angrenzende kalkhaltige Sand-
stein. Ueber weitere Funde werden wir seiner Zeit
Nachricht geben.
2) Aus Neumühle bei Waischenield, bayr.
Oberfranken.
Neuere Ausgrabungen habe ich gemacht: bei
Saugendorf rechts der Wiesest, in einem Grab-
hügel. Der Fund besteht aus einer gelben Glas-
perle mit blauen Augen , einem zangenartigen
Gegenstand und einem kleinen King aus Bronze.
In einem Grabhügel bei Mogast fand ich meh-
rere Armspangen von verschiedener Stärke, Fibeln
und Nadeln von Bronze. Bei Biberbach habe ich
einige Hügel geöffnet und fand in dem ersten an
einem Arm 7 verzierte Armringe , 2 Habringe,
2 Fibeln, 3 lange Nadeln und 12 ganz kleine
Hinge, alles von Bronze. In dem zweiten fand
ich einen eisernen Halsring , ein langes eisernes
Messer und einen rohen unverzierten Armring au»
Bronze. Der dritte Hügel war leer. Ich werde
dort in einigen Tagen noch einigo Hügel öffnen
und dos Resultat mittheilen. Auch eine kleine
Höhle habe ich im Püttlachthal ausgegraben und
hübsche Funde gemacht. H. Hösch.
Anzeigen.
Bei F. Ramme, Kanütangtalt plastischer Werke
in Hamban?, Karolinen st raste 29. ist za haben:
Modell tlett menschliehen Grosshims , vou Ad.
Pansch in KieL Preis 6.00.
Diese« vom Verfasser selbst auagearbeitete Modell
soll die Kenntnis« der «og. Hirnwindungen verbreiten
und das Stadium derselben erleichtern heben. Es ruht
frei auf einem Stativ und es lassen sich beide Hirn-
hälften gesondert abheben. Erklärung in Wort und
Tafeln ist beigegeben.
Sügesch nitt modelte des menschlichen Körpers,
von Ad Danach. 1) Bein. 2) Arm. Preis mit
Text und Tafeln ä (iQJ£ Prospekte gratis und franko.
In Arbeit befinden «ich:
1) Modelle vom Grosshirn des Fötus und Neugeborenen.
2) Modelle vom Grosshirn der Affen: Gorilla, Chim-
panse, Orang, Gibbon, Cercopithecus, Cynocephalns.
Hapale, Lemur.
Atl. Pansch: Die Forchen und Wülste am Gros*him
de« Menschen. Zugleich als Erläuterung zu dem
Hirmnodell. 3 Tafeln. R. Oppenheim. Berlin.
Seit Septeui»M?r 1S7S ist die Redaktion des Correspondenzblatte« nach Jlünelteia, Brlonuer-
Strasse 25, zu rU<k verlegt. — Herr Schatzmeister Weisniaim wird, wie bisher, die Zusendung des Cor-
respondenxlilattes an die verehr!. Zwoigvereiue und bolirteu Mitglieder mit bekannter Sorgfalt fort führen.
Reklamationen einzelner Nummern, Zusendungen der Jahresbeiträge bitte ich also wie bisher an Herrn
Welsmann, München, Theatinerstrasse 86, dagegen Zusendungen an die Redaktiou an die oben
«unebene Adresse zu richten. prof I)r Johannes Banke, Generalsekretär.
Schluss der Bedaklion am 1. Januar 187U. — Druck der Akademischen Buchdrucker ei F. Straub in München
Digitized by Google
-i
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Bedigiri von Pro/cssor I)r. Johannen Ranke in München,
QtntraUfcrftär i irr Gt**Ü*chi ift.
Nr. 2. Erscheint jeden Monat. Februar 1879.
Br ie-f
des Hern» Dr. H. Schliem unn, Ehrenmitglied
der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
Troia, 27. November 1876.
Hochgeehrter Herr Geheimrath Virchow!
Es freut mich, Ihnen melden zu können, dass !
ich während meiner diesjährigen Arbeiten hier,
in dem grossen Hause, westlich und nordwestlich
vom Stadtthor einen, gerade wie Nro. 262 und
264 in „Troy and its Romains“, geformten, mit |
dicker Patina bedeckten, aber durchaus von Rost
freien, eisernen Dolch gefunden habe, der noch
jetat sehr scharf ist, und überall, wo das Metall
durch die Patina schimmert, eine stahlweisse Farbe
hat, in Folge dessen er mir Meteoreisen zu sein
scheint Auch fand ich dort ein Werkzeug von
Elfenbein in Form eines Schweines, sowie drei
kleinere und einen grösseren Schatz von goldenen
Schmucksachen, wovon die meisten vollkommen
mykenische Kunst zeigen; besonders viel kommt
das unter Nro. 297, 299, 295 und 296 in mei-
nem „Mykenae“ abgebildete Ornament vor; dann
aber auch alle auf Tafel XX in meinem „Troy
and its Romains“ abgebildeten Ohrringe; sowie
alle auf Seite 339 dargestellten Perlen. Von den
Schätzen wurden 2 der kleineren unmittelbar neben
der westlichen Hausmauer, in zertrümmerten ir-
denen G eflUs.se n , der grosse auf der Hausmauer
selbst (nur 1 Meter von den beiden kleinen), in
einem halbzerscblagenen irdenen dfrvag aiufrKV-
■: relXov und in einer zertrümmerten bronzenen
Schale gefunden ; in dem d/srag steckten 1 6 gol-
dene Stäbe, jeder mit 56 Einschnitten und unter-
halb derselben war eine grosse Masse Ohrringe;
Corr«tp.-B3»tl Nro. I.
neben dem Becher mehrere bronzene Streitäxte,
Lanzen u. s. w , auch ein ganzes Paquet in dem
grossen Feuer zusammengeschmolzener Bronze-
waffen. In den beiden kleinen Schätzen, sowie
in einem andern kleinen Schatz, in einem Zimmer
desselben Hauses, eine grosse Menge im Feuer
zusammengeschmolzener silberner Ohrringe und
Ringe von Halsketten, die auf gebogene Stäbchen
von Elfenbein gezogen zu sein scheinen, und an
welchen viele Goldporlen hängen. Auch Ohrringe
von Electron kommen vor.
Auch einon Stock- oder Scepterknopf von
Glas und einen ähnlichen Gegenstand von ägyp-
tischem Porcellan fand ich.
Ich hoffe, noch den Winter nach London zn
reisen und werde einen dritten Theil der Schätze
meiner troianischen Sammlung im South-Kensing-
ton Museum beifugen.
Noch wollte ich Sie darauf aufmerksam ma-
chen , dass fast alle troianischen Fussböden aus
einer asphaltartigen Masse bestehen, die überall
da, wo sie auf eine blosse Schuttfläche hin aus-
gedehnt war, in der Feuersbrunst in eine grün-
liche Glasmasse Ubergegangen, dagegen wenn auf
platten Steinen ruhend , unversehrt erhalten ist.
Proben der Glasmasse stehen Ihnen zu Diensten.
Am l.März hoffe ich hier die Arbeiten fort-
zusetzen. — Denken Sie sich, unterhalb des grossen
Hauses, welches das des Stadthauptes oder Königs
sein muss , sieht man noch viel ältere Haus-
mauern ; so auch unter dem alten Thor ein noch
viel älteres aus viel grösseren Steinen,
Dr. H. Schliem ann.
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Schliemanns Ausgrabungen
in Mykenä.
Vortrag in der Sitzung der Münchener anthro-
pologischen Gesellschaft Freitag d. 26- April 1878
von Herrn Professor Dr. ron Christ.
Wer von griechischen Verhältnissen eich einen
richtigen Begriff machen will, der muss von dem
Massetab absehen, den wir in Deutschland an die
Grösse eines Flusses oder die Ausdehnung einer
Fläche ru legen gewöhnt sind. Hellas, ohnehin
klein an Umfang, wird nach allen Richtungen von
hoben Gebirgen durchzogen und von einer reich*
gegliederten, hafen- und buchtenreichen Küste
umsUumt, wie kaum ein zweites Land des Erd-
rundes. In kurzem Lauf eilen daher die wasser-
armen Flüsse, welche nach unserer Anschauung
eher den Namen von Bachen verdienen, rasch
dem Meere zu, und nie dehnt sich die Fläche
an dem Fusse der Berge und am Meeresstrand
zu so ausgedehnten Ebenen, wie wir sie in un-
serem Bayern und im Tieflande Deutschlands zu
sehen pflegen. Geht man aber von griechischen
Verhältnissen aus, so gehört die vom Inachos
durchströmte Ebene von Argos, die sich von Nau-
plia in einer Breite von 3 Stunden 4 bis 5
8tunden landeinwärts bis zu dem Fusse des Tretos-
gebirges erstreckt, zu den grossen Ebenen dos
Landes , welche vormöge ihrer Ausdehnung
und ihrer geschützten Lage an dem herrlichen
Golfe von Nauplia eine grosse Rolle in der Ge-
schichte des Landes zu spielen berufen war. In
der historischen Zeit freilich trat das argivische
Reich vor den neuaufblühenden Städten von
Athen und Sparta zurück , aber in der Zeit
vor der Einwanderung der Dorer , in dem Zeit-
alter der Mythe und Sage, erfreute sich kein
Bezirk Griechenlands eines grösseren Glanzes. Fünf
mächtige Städte mit gewaltigen Burgmauern er-
hoben sich auf einem kleinen Fleck Landes und
jede derselben barg die Erinnerung an gefeierte
Helden und mächtige Könige. Am Eingang der
Ebene, fast im Meere selbst , lag Nauplia , der
Haupthafen des Landes, die Heimath dos Pala-
medes, kaum eine halbe Stunde von der Küste
weg, erhob sich auf niederem Hügel Tiryns, die
8tadt des Perseus, mit seiuen aus gewaltigen Fels-
blöcken aufgethflrraten kyklopischen Mauern, die
heut zu Tage noch uns mit Staunen und heiligem
Schauer erfüllen; weiter innen im Land auf der
rechten 8eite des Inachos, an den Fuss des süd-
lichen Grenzgebirges gelehnt, lag Argos mit der
steilen Burg Larissa ; ihm gegenüber sind heut
noch die Ruinen der mit einem Mauerwall um-
gürteten Stadt Midea, der Heimath der Alkmene,
erhalten ; endlich im Winkel der Ebene {iv
’ldQyovg) erhob sich auf einem über die Ebene
und das Meer binausblickenden Hügel das gold-
reiche Mykene. Hellas ist nicht gross geworden
durch die zusammen fassende Organisation eine«
Einheitsstaates, sondern durch den Wetteifer und
den Wettstreit kleiner Einzelstaaten ; und was
sich im grossen Ges am mtl eben des Volkes vollzog, das
spielte sich in gleicher Weise in der Geschichte
jedes einzelnen Landes ab. So erzählt uns auch
Mythe und Geschichte tausend Züge der Fehden
und Wettkämpfe der genannten Städte der Inachos-
ebene. Den Sieg behauptete schliesslich Argos,
das nach und nach die übrigen Burgen der Ebene
bezwang und bekanntlich heut zu Tag noch die
Hauptstadt des Landes bildet. Aber in der
Zeit, die mit ihrem Sagenreichthum die epische
Poesie befruchtete, spielte Mykenä als Herrscher-
sitz des Agamemnon die Hauptrolle; zu dieser
hervorragenden Stellung war Mykenä nicht sowohl
durch sein Verhältniss zu der nrgivischen Ebene,
als vielmehr durch * seine Lage in der Mitte
eines grossen Argos, Kleonä und Korinth um-
spannenden Reiches (II. B. 509 ff.) empor-
gestiegen. Die BlUthe der Stadt und des Reiches
Mykenä ist geknüpft an das Herrscherhaus der
Tantaliden, zumeist an die letzten grossen Könige
jenes Geschlechts, Atreus und Agamomnon; die
Sage vom trojanischen Kriege und an sie an-
knüpfend Homer macht den Agamemnon sogar
zum Oberkönig von ganz Hellas, dessen Scepter
sich ganz Argos, d. i. das ganze Festland Griechen-
lands und viele Inseln beugten (II. B 107). Der
Glanz der Stadt erlosch mit der Rückkehr der
Herakliden und der Ausdehnung der Herrschaft
der Dorer über den Peloponnes. Von da an trat
die Bedeutung der Inachosebene überhaupt zurück
und erhob sich in derselben selbst wieder Argos
zur grösseren Macht. Es lag ja auch die Stadt
Mykenä bei ihrer grossen Entfernung vom Meer
und ihrer steinernen unfruchtbaren Umgebung so
ausserordentlich ungünstig , dass sie , wenn auf
sich angewiesen, rasch zur Unbedeutendheit herab-
sinken musste Zur Schlacht bei Plateä stellte Mykenä
nur noch 200 und zur Heldenschaar von Thermo-
pylä gar nur tfO Mann, und doch sollte diese Be-
theiligung an dem Kampfe gegen den National-
feind den völligen Untergang der Heroenstadt
nach sich ziehen. Argos , das in dem grossen
nationalen Kampfe eine eifersüchtige Neutralität
beobachtet hatte, zog bald, nachdem die Barbaren
von dem heiligen Boden Hellas zurückgewi esen
worden waren, mit gewaltiger Heeresmacht gegen
die alte Rivalin, nahm i. J. 4GS die riesigen
Mauern ein und vertilgte die Heimathstadt des
Agamemnon vom Erdboden. Dass später eine
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neue Ansiedelung auf dem Boden der alten zerstörten
Stadt erstand, ist uns nicht Oberliefert, wird aber
durch Funde junger Töpferwaaren zu einiger Wahr-
scheinlichkeit erhoben. Der Geograph 8trabo, der
bald nach Christi Geburt sein berühmtes geo-
graphisches Werk schrieb, spricht so, als ob jede
Spur der alten Königsstadt vom Erdboden ver-
schwunden sei. (Buch VIII S. 372 Mvxrjvai
xorcoxa^ijocrv vn% toure vur ftrjö' fyvog
ftt Qtaxea^ai rrjg Mvxrprabiüv rrokecog.) Das ist
übertrieben und wahrheitsgetreuer ist der Bericht
des Periegeten Pausanias, der 150 Jahre später
in jene Gegenden kam und uns die Ruinen My-
kenäs so genau beschreibt, dass später niemand
über den Sitz der alten Königsstadt in Zweifel
sein konnte. Sein Bericht ist die Hauptquelle
unserer Kenntnis» und der Ausgangspunkt aller
neueren Untersuchungen geworden, so dass es
sich verlohnt, denselben vollständig kennen zu
lernen. Im 2. Buch seiner Periegese also 8. 146
berichtet Pausanias folgendes : „Mykenä zerstörten
die Argiver aus Eifersucht; denn während die
Argiver im Kriege des Meders unthätig blieben,
sandten die Mykenäer 80 Mann nach Thermopylä,
dio mit den Lakedämoniern an dem Kampfe theil-
nahmen. Diese ruhmreiche That brachte ihnen
den Untergang, indem sie den Argivern Aerger
bereitete. Gleichwohl ist noch anders von der
Ringmauer und insbesondere das Thor erhalten;
Löwen stehen über ihm ; es sollen aber auch
diese Werke von den Kyklopen herrühren, welche
dem Proitos die Mauern von Tiryns gebaut hatten.
In dem Trümmerfeld von Mykenä aber befindet
sich eine von Perseus benannte Quelle und die
unterirdischen Gebäude des Atreus und seiner
Söhne , wo ihnen ihre Schätze aufgehäuft lagen ;
man findet ferner dort das Grab de« Atreus und
die Gräber aller derjenigen , welche mit Aga-
memnon von Ilion heimgekehrt waren und welche
Aegistbos nach der Heimkehr beim Mahle ermordet
hatte; zunächst das Grab der Kassandra, —
doch erheben auch die Umwohner von Amyklä den
Anspruch, dos Grab der Kassandra zu besitzen, —
sodann das Grab des Agamemnon, drittens das
seines Wagenlenkers Eurymedon, viertens das ge-
meinsame Grab der ZwillingsbrUder Teledamos
und Pelops, welche Kassandra geboren haben soll,
und die als kleine Kinder mit ihren Eltern Aegisthos
geschlachtet batte . . . Klytemnestra aber und
Aegisthos wurden ein wenig von der Mauer ent-
fernt begraben, da man sie des Grabes innerhalb
der Mauer, wo Agamemnon selbst und die mit
ihm Gemordeten lagen, für unwürdig hielt.“
Die von Pausanias beschriebenen Trümmer
Mykenäs haben sich, soweit sie aus der Erdo em-
porragen, bis auf den heutigen Tag erhalten und
bilden, seit Hellas wieder der gebildeten Welt
eröffnet ist, das Reiseziel der Fremden und Ein-
heimischen. Vor allen ziehen die riesigen Fels-
blöcke der kyklopischen Mauern, speciell der unter
dem Namen dss Löwenthores bekannte Haupt-
eingong die staunenden Blicke der Reisenden auf
sich ; aber mit fast nicht weniger Staunen und
Verwunderung bleibt man bei den wie Bienen-
körbe sich wölbenden Schatzhäusern stehen, deren
5 ausserhalb der Burgmauern in dem Abhange
des Hügels auf dem Wege nach dem Dorf Char-
vati sichtbar sind und von denen das eine unter
dem Namen Schatzhaus des Atreus weltbekannt
ist. Aber nach ßpuren von den 5 Gräbern, welche
Pausanias erwähnt und die doch in seiner Zeit
irgendwie auch äusserlich gekennzeichnet gewesen
sein mussten, hat man bis in die letzten Jahre
vergeblich gesucht ; zwar hat man auf der aus-
gedehnten unebenen Burgfläche an vielen Stellen
Schachte eingeschlagen , deren ich selbst vor 3
Jahren noch mehrere sah, aber nirgends wollten
sich Anzeichen von Gräbern zeigen. Die Gelehrten
hatten eben keine Ahnung von der Mächtigkeit
des Schuttes, der den alten Felsboden im Laufe
der Zeiten überdeckt hatte, und ermangelten der
zur Gewinnung lohnender Resultate nöthigen Ge-
duld. Da nahm im Sommer des Jahres 1876
unser berühmter Landsmann H. Sch 1 i em a n n das
Werk in die Hand , nachdem seinem Enthu-
siasmus und seinem praktischen Blick bereit« die
Aufdeckung der alten Veste des Priamus gelungen
war. Schon 2 Jahre vorher hatte er, von der
richtigen Interpretation der Stelle des Pausanias
ausgehend , innerhalb der kyklopischen Mauern
den Burgraum an 37 Stellen untersucht und da-
bei an der südwestlichen Terrasse unweit von
dem Haupteingang, dem Löwenthore, ermuthi-
gende Resultate gewonnen. An dieser Stelle also
setzte er im August des Jahres 1876 mit genü-
genden Arbeitskräften wieder ein und kam bald
zur Entdecknng eines kreisrunden von steinernen
Sitzbänken umringten Raumes von ungefähr 80
Fuss Durchmesser, in dem er mit Recht, wie ich
glaube (vgl. Eur. Orest. 919, Hom. H. XVIII
504), die Agora der Mykenäer erkannte. Nun
war aus Zeugnissen alter Schriftsteller bekannt,
dass Gründern und Heroen der Stadt öfters die
Ehre des Begräbnisses innerhalb der Mauern auf
dem Marktplatze erwiesen worden war, wie dem
Battos in Kyrene (Pind. Pyth. V 93) und dem
Danaos in Argos (Strabo VIII p. 371), und dass
sogar die Megarenser auf einen Orakelspruch der
Priesterin in Delphi hin das Rathhaus (ßovXtvrrjqtov)
\ so angelegt hatten, dass es die Gräber der Heroen
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der Stadt in sieb umschloss (Pausanias I 23);
es leuchtete daher Schliemanu die Hoffnung
auf, dass auch die 5 Heroengräber des Pausanias
in jenem kreisförmigen Raume der Akropolis von
Mykenä sich befunden hätten. Mit frischem Muth
und gesteigerter Energie setzte daher Schlie-
maon die Ausgrabungen auf der Agora fort und
fand bald seine unverdrossene Ausdauer von glän-
zenden Erfolgen gekrönt. Nachdem er einen
grossen Einschnitt bis zu einer Tiefe von 10
Fuss gemacht, hatte, stiess er auf einige Stelen,
welche Wagenkämpfer in Relief und aherthüm-
liche schneckenförmige Omamentirung aufwiesen.
Fehlten auf denselben auch Anzeichen des Todten-
cultus, so erinnerten sie doch durch ihro Gestalt
so lebhaft au die ägyptischen Grabstelen , dass
an ihrer Bestimmung kein Zweifel auf kommen
konnte. W östlich davon in einer Tiefe von 20
Fuss stiess er sodann auf einen äusserst merk-
würdigen Todtenaltar, der aus kyklopischem Mauer-
werk bestund und die grösste Aehnlichkeit mit
einem Cisternenbrunnen oder dem Puteal auf dem
römischen Forum hatte. Weitere Ausgrabungen
führten alsdann zu den 5 grossen in den Fels
oingeschnittencn Gräbern. Iu denselben waren
aber nicht blos jene 0 von Pausanias genannten
Heroen eingebettet, sondern lagen im Ganzen 17
Personen, Männer und Frauen, je 3 oder 5 Per-
sonen nebeneinander iu einem Grabe. Die Leichen
waren blos halbverbrannt, oder richtiger blos an-
gebrannt (ambusti) und schauten sämmtlich mit
dem Gesicht nach Abend (tf £<>;,* ±6<fvv); in beiden
Beziehungen stimmte die Bestattungsweise der
Mykenäer mit der altattischen überein ; denn auch
in den neuerdings aufgedeckten Gräbern beim
attischen Dorfe Spata , welche , wie namentlich
Dr. Milchhöfer, Mittheil. d. deutschen archäol. j
Institus in Athen I S. 308 ff., näher nachgo- ]
wiesen hat, eine so merkwürdige Aehnlichkeit mit
den Gräbern von Mykenä hnben, waren die Leich-
nahme blos angebrannt, und seit Alters gebot ein
Gesetz in Attika (Aelian V 14, Plut. Sol. 10)
die Todteu gegen Sonnenuntergang zu richten.
Es waren aber die Todten nach einem alten,
wahrscheinlich aus Babylon und Aegypten stam-
menden und Uber alle Länder des Mittelmeeres
ausgebreiteten Brauche mit sammt ihren Schätzen
und Waffen beerdigt worden. Die Schätze und
Kostbarkeiten Stauden und lagen tkeils, soweit
sie in Bechern, Kannen, Eimern, Idolen und ähn-
lichen Dingen bestunden, neben den Todten in
der Gruft, theils waren sie an den prachtvollen
mit goldenem Schmuck überladenen Gewändern
angeheftet, wie man dieses besonders hübsch an
der Nachbildung einer bekleideten Frau im 3- Grab
Nr. 273 bei Schliemann beobachten kann.
Ausserdem waren die Gesichter einiger (7) Männer
mit einer Maske aus Gold bedeckt, was mich
lebhaft an die Mumie der Amonspriesterin Hertu-
brecht im k. Antiquarium erinnerte, deren Ge-
sichtsmaske mit Gold übermalt ist.
Auf solche Weise forderte Schliemann aus
den 5 Gräbern einen solchen lieichthum von gol-
denen Schmuckgegenständen, bronzenen Waffen,
Töpferwaarcn, Gefössen und Ornamenten von Silber,
Glas, Bernstein zu Tag, wie ihn die kühnste Phan-
tasie nicht von dem goldreichen (irolCxQWog)
Mykene Homers vorausgesetzt hatte, und wie er
nur bei einem Volke erklärlich ist, das einerseits
ein grosses, mächtiges Reich bildete und anderer-
seits auf den Gräborschmuck und den Todteneult
ein uns schwer verständliches, geradezu wider-
sinniges Gewicht legte. *) Die Schätze sind als
Nationaleigenthum von Griechenland nach Athen
verbracht worden . Schliemann aber ermög-
1 ichte auch ferner Stehenden einen Einblick in die
wichtigen Resultate seiner Ausgrabungen in dem
grossen in englischer und deutscher Sprache ge-
schriebenen Werke, Mykenä oder Bericht über
Schliemanns Forschungen und Entdeckungen
in Mykenä und Tiryns. Der Verfasser zeigt in
diesem Werke gegenüber seinem früheren Bucho
über die trojanischen Altorth Ürner einen grossen
Fortschritt, zwar fehlt es auch hier nicht an ge-
wagten Hypothesen und an Vergewaltigungen ho-
merischer Stellen , aber immerhin ist die ganze
Methode Schliemanns besonnener und wissen-
schaftlicher geworden ; dem Texte sind zahl-
reiche Pläne und mehr als 700 Abbildungen bei-
gegeben , die grössten theils nach Photographien
angefertigt sind und desshalb als durchaus ver-
lässig angesehen werden können. Wir wollen
im Folgenden unsere Besprechungen der Funde
Schliemanns so anordnen, dass wir zuorst von
den Namen der Gräber, dann von dem Charakter
der in denselben gefundenen Kunstwerke, endlich
von der muthmasslichen Zeit derselben handeln.
Schliemann also hat die von ihm aufge-
deekton 5 Gräber auf der Agora mit den von
Pausanias erwähnten Gräbern identificirt und sie
demnach dem Agamemnon und seinem von Troja
heimkehrendeü Gefolge zugeschrieben. Den ersten
Punkt . die Identität der aufgedeckten Gräber
I) Gegenüber solcher das Leben über dem Tode
vernachlässigenden Anschauung darf es ans nicht be-
fremden, wenn die weisesten Gesetzgeber des Alterthaius,
Soloa und Lykurg, eine Beschränkung des Todtencnltus
einfubrten. Der entere verbot, damit dem Ackerbau
nicht zu viel Land entzogen werde, die Anfhäofong
grosser Grabhügel, der letztere untersagte den Luxus
der Beigaben (Plntarch Lyk. 27).
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mit den Gräbern des Pausanias gebe ich unbe-
denklich %u, obwohl es bis jetzt noch unaufge-
klärt ist-, durch welche äussere Kennzeichen die
Stelle der Gräber in der Zeit des Pausanias an-
gezeigt war; denn die von Schliemann aus-
gegrabenen Grabstolen waren sicher damals schon
nicht mohr sichtbar, sondern von hohem Schutte
bedeckt. Aber die Uebereinstimmung in der Zahl*)
und in der Lage innerhalb der Mauorn , sowie
der grosse Reichthum in den Beigaben sprechen
für die Identität. Aber dass die Gräber Königs-
gräber und speciell die Gräber des Agamemnon,
der Kassandra und der mit denselben von Ao-
gisthos gemordeten Beiden seien, muss ich ent-
schieden bestreiten. Zuerst muss schon Jedem
auffallen, dass die Zahl der in den Gräbern von
Schlicmann aufgefundeneu Leichen mit den
Angaben des Pausaniaa , der nur von 6 Todten
spricht- , nicht stimmt ; doch darin konnte man
leicht einen nur nebensächlichen Irrthum der Tra-
dition erkennen , der die Hauptsache unberührt
lasse. Wichtiger ist der andere Umstand , dass
ausserhalb des Itinges der Agora ein sechstes
Grab mit gleich reichen, ja fast noch reicheren
Beigaben aufgedeckt worden ist, woraus man
also deutlich sieht, dass es ursprünglich mehr als
5 Heroengräber gab, und dass man später, wahr-
scheinlich aus constructiven Rücksichten , bloss
5 Gräber in die Anlage der Agora herein7x>g.
Die Tradition von 5 Gräbern und von 6 Todten
war also jedenfalls eine mangelhafte und falsche.
Aber verdient die Tradition , welche Pausanias
aus dem Mundo von Priestern und Eingebornen
vernahm, überhaupt Glauben, bewahrte sie in
der That eine von Geschlecht zu Geschlecht fort-
geerbte alte Erinncruug oder war sie erst in
späterer Zeit in dem Kopfe eines phantasievollen
Exegeten entstanden? Wer, wie ich zu thun
liebe, mit nüchternem Skepticismus an die Volks- j
traditioucn und insbesondere an die frommgläubi-
gen Angaben des Pausanias herantritt, wird ohne-
hin zur letzten Annahme geneigt sein. Aber wir
können es auch noch durch ganz bestimmte Zeug-
nisse wahrscheinlich machen , dass jene Tradition
erst in jüngerer Zeit, speciell erst nach der Zeit
der grossen griechischen Tragiker entstanden ist.
Alle droi Tragiker, Aeschylus , Sophokles und
Euripides hatten eine ganz andere Vorstellung
von dem Grabe des Agamemnon. Aeschylus und
Sophokles glaubten nicht, dass der grosse König
in einem in den Felsen geschnittenen, für mehrere
*) Der Beweis aas der Uebereinstimmang der Zahl
der Gräber ist nachträglich hinfällig geworden , nach*
dem später ein 6. Grab in dem Knnd der Agora aaf-
gedeckt wurde.
Personen bestimmten Grabe gebettet sei, sondern
dass über seiner Asche ein mächtiger Hügel ähn-
lich wie über die vor Troja gefallenen Helden
Patroklos und Achilles aufgeschüttet war. Denn
nur auf ein solches Grab können sich die Aus-
drücke xoäüjvij bei Sophokles Eieetra 694 und
ivfißov ox&og, Vquu yäg bei Aeach. Choeph. 4 und
147 beziehen. Euripides spricht ausserdem in
der Electra 94 (vgl. v. U , Orest. 114, Soph.
El 51) ganz deutlich aus, dass er sich das Grab
des Agamemnon vor der Stadt ausserhalb der
Mauern dachte, wobei er offenbar von der Sitte
seiner Zeit ausging, da die Gesetzgeber frühzeitig
aus Gesundheitsrücksichten die Verlegung der
Gräber vor die Thore der Stadt anordneten. Die
Tragiker also wichen bezüglich des Grabes des
Agamemnou offenbar von Pausanias ab; darf man
daraus schließen, dass jene durch Pausanias uns
überlieferte Tradition erst in der Zeit nach Euri-
pides aufkam? Vielleicht, doch nicht mit aller
Zuversicht; denn die Tragiker hatten überhaupt
eine so ungenaue Kenntniss des damals schon zer-
störtet! Mykenä, dass es mir wenigstens äusserst
zweifelhaft ist , ob irgend einer von ihnen den
Boden der alten Stadt selbst besucht hat. Mög-
lich also ist es immerhin, wenn auch wenig wahr-
scheinlich , dass damals schon die Eingeweihten
von den Heroengräbern auf dem Marktplatz er-
zählten, von jenen Erzählungen aber keine Kunde
zu dom Ohr der Tragiker gedrungen war.
Aber noch ein anderes Verhältnis» führt uns
auf verschiedene Wege. Ich habe schon oben
als die zweite Sehenswürdigkeit Mykenäs die gross-
artigen, Bienenkörben ähnlichen Gebäude vor den
Mauern der Stadt bezeichnet ; eines derselben, das
sogenannte Scbat-zhaus des Atreus, war mitsammt
dem langen , flankirton Zugang (dgo/iag) längst
zugänglich gemacht worden. Frau Schliemann
hat die Ausgrabung eines zweiten Rundgebäudes
näher bei dem Thor begonnen , leider ohne mit
demselben wegen der sich häufenden Schwierig-
keiten zum Abschluss zu kommen. Es gab aber
derartige unterirdische Gebäude aus der heroischen
Zeit noch mehrere in Hellas; so erwähnt Pau-
sauias noch einen unterirdischen Rundbau des
Königs Akrisios von Argos (II, 231 und zwei ge-
wölbte Schatzhäuser im Lande der alten Minyer,
eines in Orchomenos und ein zweites in Lebadea
(IX, 37 u. 38), und erzählt der ägyptische Priester
Charax (Schob zu Aristopb. Nub. 508) von einem
goldenen , das heisst wohl mit Goldplatten be-
legten Schatzhaus ( cauuioy ) des Königs Augeas
in Elis , an das er die gleiche Mythe wie Pau-
sanias an das Schatzhaua in Lebadea anknüpft
und in dem wir desshalb auch den gleichen Rund-
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bau vermuthen dürfen. Jene unterirdischen Häuser
von Mykenä nun hat Pausanias für Schatzhäuser
ausgegeben und Schliemann ist der Meinung
des Periegeten einfach beigetreten. Aber schon
längst haben sich andere Gelehrte, wie Mure und
Dursian gegen jene Annahme ausgesprochen und
die fraglichen Gebäude vielmehr für KönigsgrUber
in Anspruch genommen. Dass dieses auch im
Alterthum die ältere Tradition gewesen war, das
beweist unzweideutig Sophokles in der Antigone,
indem er die thebanische Königstochter zum
Tode in ein unterirdisches Haus (xcrraaxaqpjys
oixt.öig v. 891) abführeu lässt und ihr Loos mit
dem der Danao vergleicht , die lebend in ein
ehernes Grabgemach (v. 945) ein geschlossen wurde.
Directen Aufschluss aber boten die im Jahre 1808
von Veli Pascha veranstalteten Ausgrabungen
im Schatzhause des Atreus, über die uns Schlie-
mann nähere Details mitgetheilt hat. Danach
wurden damals auf dem Boden des Schatzhauses
mit goldenen Schmuck gegenständen bedeckte Kno-
chen gefunden, ganz ähnlich wie sie Schliemann
in seinen Gräbern auf der Agora gefunden hat.
Die angeblichen Schatzhäuser waren also Gräber
und wurden vielleicht eben desshalb , weil man
bei ihrer Durchwühlung reiche Beigaben in Gold
und anderem Material fand, zu Schatzhäusern im
Munde des Volkes umgetauft ; wer hätte auch
ein Haus , in dem er seine Schätze niederlegen
wollte , so ganz widersinnig ausserhalb der von
festen Mauern umschlossenen Akropolis an ganz
ungeschütztem Orte erbaut ? Waren aber auch
jene unterirdischen Kundgebäude Gräber, so wird
man in ihnen weit eher die Begräbnisstätten der
weitgebietenden Könige erkennen, als in den ver-
hältnismässig einfachen Felseinschnitten im Innern
der Mauern ; diese mögen vielmehr den älteren
Heroen und fürstlichen Geschlechtern der Stadt
an gehört haben und aus einer Zeit stammen, wo
man die Todten noch innerhalb der Mauern zu
beerdigen pflegte. Ein grosser Zeitraum braucht
desshalb nicht die Mausoleen ausserhalb der Stadt
von den Gräbern auf der Agora getrennt zu haben ;
doch wird man näheren Aufschluss über das Ver-
hältnis jener zwei Arten von Gräbern erst von
näherer Untersuchung der übrigen jetzt noch ver-
schütteten Rundgobäude erwarten dürfen.
Ich gehe zum zweiten Punkte, zur Besprech-
ung dos Kunstcharakters der von Schliemann
aufgedeckten Skulpturen und Geräthe über. In
dieser Beziehung drängt sich Jedem sofort die
Idee grosser Verschiedenheit der einzelnen Gegen-
stände auf. Die Verschiedenheit lässt sich offen-
bar nicht auf verschiedene Epochen in der Ent-
wicklung der argivischen Kunst zurückführen ;
denn im Allgemeinen haben alle 6 Gräber den
gleichen Charakter und Anden sich in ein und
demselben Grab neben Gegenständen roher pri-
mitiver Technik Arbeiten von feinem Geschmack
und sicherer Hand. Man hat es daher, wie alle
erkannt haben, hier vielmehr mit dem Unterschied
einheimischer Fabrikation und fremder importirter
Waare zu thun. Zu den importirten Gegenständen
rechne ich aber insbesondere die kostbaren Diademe
von Gold , die Siegelringe mit ihren vollendeten
Gravirungen , die goldene Brustnadel Nro. 292
mit dem hübschen Brustbild eines Assyriers, ausser-
dem das Straussenei und sämmtliche Gegenstände
von Glas, Elfenbein und Bernstein. Schwerer ist
ob 7 u bestimmen, woher diese importirten Waaren
im Einzelnen stammen , und müssen wir noch
näheren Aufschluss von erfahrenen Kennern der ori-
entalischen Kunst und der Gesichtstypen erwarten ;
im Allgemeinen dient mir zur besten Dlustration
dieser fremden Stücke die bekannte Stelle des
Herodot im Eingänge seines Geschichtswerkes:
„ Indem die Phönizier ägyptische und assyrische
Waaren ausführten, gelangten sie in andere Län-
der und auch nach Argos, das in joner Zeit vor
allen anderen Gebieten des jetzt Hellas genannten
Landes den Vorzug hatte.“
Aber so sicher sich unter den Beigaben der
mykenischen Gräber fremde, assyrische und ägyp-
tische Waaren befinden , so muss man doch die
Mehrzahl der Schmuckgegenstände und bronzenen
Geräthe, sowie sämmtliche Töpferwaaren und Stein-
skulpturen auf einheimische in Mykenä ansässige
Künstler und Handwerker zurückfuhren, die frei-
lich nur zum Theil nach eigenen Conceptionen
arbeiteten , zum grösseren Theil aber importirte
Formsteine, deren Schliemann 2 (Nro. 162
u. 163) entdeckt hat, benützten. Jene einheimi-
sche Technik ist besonders charakterisirt durch
die ausgosprochensto Vorliebe zur Spirale in allen
Ornamentirungen, neben der die lineare Ornamentik
nur eine untergeordnete , einzig in den Thon-
scherben hervortrotende Rolle spielt. Von Thieren
ist besonders der Löwe, der Tintenfisch, der
Schmetterling, der Kranich, auch der Hirsch und
dos Pferd nachgebildet, auch phantastische Thier-
gestalten wie die Sphinx (Nro. 277) und der Greif
finden sich auf goldenen Schrauckgegenstllnden ;
mit dem religiösen Cultus hängt die häufige
Wiederkehr von Darstellungen des Kuhkopfes mit
und ohne Opferbeil zusammen ; mythologische Ge-
stalten selbst sucht man vergebens, da das Idol
auf dem Siegelring Nro. 530 mit dem Ring selbst
fremder Cultur anzugehören scheint ; vielleicht
aber lassen sich die 3 Modelle eines Holzbaues
im vierten Grab Nro. 423 auf einheimische Tempel
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15
der Aphrodite (Astoroth) beziehen. Auch an
der Nachahmung der menschlichen Gestalt ver-
suchten sich die mykeneischen Künstler auf den
Sculpturen der Grabstelen und in mehreren Or-
namentstücken von Gold, ohne es weiter zu brin-
gen, als zu einer rohen Wiedergabe der Haupt-
linien des Körpers und der Gewandung. Fasst
man den Gesammteindruck dieser Kunsttechnik
in's Auge, so muss man sagen, dass die Argiver
jener Zeit auf der einen Seite auf eine höhere Stufe
der Cultur und Technik emporgestiegen waren, als
die ärmeren Hier, deren Gerttthe von Gold und Thon
Schliemann aus den rohen Gebftuderesten von
Hiss&rlik an’s Licht gezogen hat , dass sie aber
auf der anderen Seite noch kaum die Anfänge
jener Kunst, die wir als die specifisch hellenische
bezeichnen, entwickelt hatten. Zwar finden sich
unter den Ornamenten einige Formen, die bald
nach dem Beginne der Olympiadenrechnung als
Münztypen uns begegnen , wie das Triquetrum
auf lykischen Münzen, der Löwe auf lydischen,
das säugende Kalb auf korkyreischen (Nro. 315), die
Doppelaxt auf tenedischen Münzen ; aber derartige
Uebereinstimm ungen sind doch untergeordneter
Natur gegenüber der grossen Verschiedenheit im
architektonischen Bau und in der Auffassung der
mythologischen Gestalten.
ln unserer Zeit hat bekanntlich Conze Sitz.-
Ber. d. Wiener Ak. 1870 S. 505 ff. u. 1873
8. 221 ff. in den Strich- und Spiralornamenten
das charakteristische Merkmal einer altarischen
Kunst nachweisen wollen , welche die verschied-
enen Zweige des arischen Völkerstammes gerade
so wie die Sprache als gemeinsames Erbgut nach
ihren späteren Niederlassungen mitgenommen hät-
ten, woraus es sich am einfachsten erkläre, dass
dieselben Ornamente auf Scherben Altgriechen-
Jands, Italiens. Nordgermaniens wiederkehren. Ich
gehe auf diese Idee nicht näher ein , indem ich
nur bemerke, dass sich jene Aehnlichkeiten auch
auf andere Weise, durch den Einfluss des Han-
dels und der Importirung der gleichen Waare er-
klären lassen. Sicher aber steht jene mykeneische
Kunst im Einklang mit der in der vorhistorischen
Zeit über das südliche Kleinasien , Karien und
Lydien, die Inseln, Attika, Böotien und Argos
verbreiteten Kunst. Nach einer durch S t r a b o
VIII p. 372 bezeugten Tradition haben lykische
Techniker die kyklopischen Mauern Mykenes er-
baut. Lykien war die Heimat h der kyklopischen
Mauern und hatte frühzeitig die ägyptische Sphinx
in seine Kunstschöpfungen aufgenommen ; aus
Lykien war der Cult des Anoüoiy Xixeiog in
alter Zeit nach Argos verpflanzt worden und die
alten V erbindungen argivischer und lydischer Könige
wird uns durch die Sage von Bellerophon bei Homer
im 6. Buche der Hias bezeugt. Auf Karien weist
sodann die Doppelaxt, welche ein Symbol des
k arischen Zeus war und uns so oft mit dem
Kuhkopf in mykenischen Darstellungen (Nro 329,
330, 541) begegnet, und ebenso führt die Spirale
mykenischer Skulpturen auf karische Technik,
wie sie uns in einem merkwürdigen aus Topfstein
geschnittenen Grabgeföss von Melos des hiesigen
Antiquariums bezeugt ist ; denn die Karer sasseo
einst auf den nach Homer von Agamemnon be-
herrschten Inseln des ägäischen Meeres und hin-
terliessen in ihren Gräbern noch mannigfache,
den Griechen des Thukydides (I, 8) noch leicht
erkennbare Zeichen ihrer alten Cultur. Ferner
stellen sich der dreihenkligen Vase von Mykenä
Nro. 25 mehrere fast ganz identische Vasen aus
den Gräbern von Ialyssos auf Rhodos zur Seite.
Vollends stimmen mit den Funden von Mykenä
in auffälligster Weise die Thonscherben, Glas-
cylinder, Goldornamente der jüngst aufgedeckten
alten Gräber bei dem attischen Dorfe Spata über-
ein. Nimmt man dazu, dass nach alter Ueber-
lieferung die Karer und Lykier von Kreta aus-
gegangen waren und dass uns in der aus Kreta
stammenden Mutter des mykenischen Königs Atreus
auch ein Hinweis auf eine alte Verbindung von
Mykenä und Kreta gegeben ist, so darf man
wohl , wie Professor Köhler in einer mir nur
durch die Allgemeine Zeitung bekannt gewordenen
Vortrag geth&n zu haben scheint, in den myke-
nischen Fabrikaten die charakteristischen Merk-
male der an den Namen Dädalus geknüpften
Kunstübung im mythischen Reiche des Königs
Minos wiedererkennen
Ich komme schliesslich zu dem heikelsten
Punkte meines Vortrags zu der chronologischen
Bestimmung der Gräber von Mykenä. Leider
hat sich in Mykenä kein Denkmal gefunden, welches
uns auf die Frage nach dem „Wann“ eine be-
stimmte klare Antwort gäbe. In Mykenäs Gräbern
spricht keine Inschrift von den Todten, die in ihnen
beigesetzt waren , vom Gebrauch der Schrift
findet sich überhaupt keine Spur; in Mykenä
war man aber auch bis jetzt nicht so glücklich,
wie in Rhodos und Palestrina, eine importirte
Waare mit einem ägyptischen Königsschild oder
einer assyrischen Keilschrift zu finden, wenn auch
die Ornamentik des grossen Siegelrings so beschaffen
ist, dass man vermuthen kann, der Künstler habe
eine Zeichnung mit einer Inschrift darüber und
daneben vor Augen gehabt. In Ermangelung
jedes inschriftlichen Zeugnisses müssen wir uns
also nach anderen Anzeichen der Zeit umsehen.
Da gibt uns nun zunächst die Geschichte des
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Landes einen Fingerzeig, wie weit wir höchstens
in der Zeitbestimmung herabgehen dürfen. My-
kenä verlor, wie wir sahen , mit der Einwande-
rung der Dorer , welche die alten Chronologen
auf 1104 festsetzten, seinen alten Glanz und sank
nach dem Falle seines Königshauses zu einem
ohnmächtigen armen Burgflecken herab. Die
Gräber und Schatzh&user weisen uns aber durch
ihre grossartige Anlage und ihren fabelhaften
Reichthum unzweideutig auf eine Zeit, wo das
Königthum noch in seinem alten Glanze dastund
und Mykenä der Mittelpunkt eines grossen und
mächtigen Reiches war; die Geschichte also sagt
uns, dass wir mit jenen Herrlichkeiten Mykenäs
nicht leicht unter die Zeit von 1100—1000 v.
Chr. herabgehen dürfen. Zu einem ähnlichen
Schluss führt uns aber auch der Kunst- und
Culturcharakter, wie er sich in den Beigaben der
Todten widerspiegelt.. Zwar erinnern einzelne
Schmu ckgegenst&nde , wie die hölzernen mit
Gold belegten Knöpfe des 4. Grabes in merk-
würdiger Weise an den byzantinisch - merowin-
gischen Stil der Fibeln von Nordendorf, 80 dass
sogar ein englischer Schriftsteller den ganzen
Gräberfund in das Mittelalter herabrücken wollte.
Aber von solchen vereinzelten Stilähnlichkeiten
darf man nicht ausgehen, man muss den Totalein-
druck und den Gesammtcharakter seinen Schlüssen
zu Grunde legen, und da kann es nicht zweifel-
haft sein, dass die Mykenfter, zur Zeit wo sie
ihre Heroen in die Gräber der Agora legten, auf
einer etwas niederen Stufo der Cultur stunden,
als die Zeitgenossen Homers. Insbesondere kennt
Homer bereits das Eisen , das sich damals schon
mit der Bronzo in die Herrschaft zu theilen an-
fing; in Mykenä findet man noch kein Eisen,
die zahlreichen Waffen und Messer sind alle, wenn
nicht von Stein, wie die Pfeilspitzen eines der
Gräber, von Bronze. Dazu kommt, dass Homer
seine Helden mit Panzer, Helmen, Beinschienen
und Schilden mit ehernem Buckel ausrüstet , den
Heroen Mykenäs aber nur Schwerter mit ins
Grab gegeben wurden, ein untrügliches Zeichen,
dass damals jene kunstvolleren Tlieile der Rüstung
noch nicht bekannt waren. Zwar will Schlie-
mann in einem Bande No. 519 einen Bein-
schienhalter erkennen ; dn dasselbe aber auch zu
anderem Gebrauche gedient haben kann und ab-
solut keine Spuren von Beinschienen selbst ge-
funden wurden , so werden wir eben noch vor
jene Zeit versetzt, in der Homer dem Agamemnon
von dem kyprischen Gastfreunde einen Helm ge-
schenkt werden lässt. Auf der anderen Seite
mahnen uns die Gegenstände von Glas und Bern-
stein, nicht allzusehr in der Zeit hinaufzugehen.
Zwar Uber die Chronologie des Glases scheint man
sich noch wenig geeinigt zu haben, aber so massen-
hafte Fabrikate von Bernstein — an 400 Kugeln
fand Schliemann (s. 8. 283) in einem Grab —
waren doch nicht vor der Zeit zu erwarten , wo
die Phönikier mit den Bewohnern des Samlandes,
sei es durch die Nordsee, sei es durch die Hadria
in Verbindung getreten waren ; diese kann aber
nicht wohl vor die Zeit der Anlage der phöni-
kischen Colonien in Hesperien um das Jahr 1200
angesetzt werden. So dürften denn die Gräber
Mykenäs annähernd in die Zeit zwischen 1200
bis 1000 gesetzt werden müssen. Für diese ältere
Zeit haben die Entdeckungen Schliem anns uns
ganz neue Gesichtspunkte eröffnet ; durch sie ist
die Stellung des goldreichen Mykenäs uns klar
geworden, durch sie tritt Homer in neuem, hellen
Lichte uns entgegen. Zwar bleiben noch manche
dunkle Punkte in unsrer Ken nt n iss der Vorge-
schichte von Hellas und lässt sich von weiteren
Ausgrabungen noch die Aufhellung verbindender
Brücken erwarten ; aber dankbar geziemt es uns
schon jetzt auf unser berühmtes Ehrenmitglied
Herrn Sch lie mann zurückzublicken, dessen En-
thusiasmus und dessen aufopferungsvoller Forscher-
Sinn die Wissenschaften der Philologie und Ethno-
graphie in so hervorragender Weise gefördert hat.
Farbe der Haare und der Hant bei den Alt«
Griechen.
Adamantius (5. Jahrh. n. Ohr.) physign. II, 24
ei di riai to 'KAXyviitdv xai *lwvix6v yivog
iqtvXdx&i} xaikaQojg, ovtoi eiaiv avraqiuog ye-
ydÄoi ardpeg, evQuteQOi, dgiktoi, ei’/iayetg, Itv*
xotegoi T ij v ypoav, £av\koi. Zu deutsch:
wenn welche die hellenische und jonische Abstam-
mung rein bewahrt haben, so sind diese gewiss
grosse Männer, breite, gradgewachsene, starktuus-
kelige, von weisslicher Hautfarbe und blondom Haar.
Seit September 1878 Ist die Redaktlou des Correspondenzblattes nach TlüneBieii, Brlenner-
Strasse 25, znrUckTerlegt. — Herr Schatzmeister lYeisniann wird, wie bisher, die Zusendung des Cor-
respondenzblattes au die verehrt. Zweigvereine und Uollrten Mitglieder mit bekannter Sorgfalt fortführen.
Reklamationen einzelner Nummern, Zusendungen der Jahresbeiträge bitte ich also wie bisher an Herrn
Weidmann, MQ neben, Theatinerstrasse 36, dagegen Zusendungen an die Redaktion an die oben
Adr*»» tu richten. prof. Dr Johannes Ranke, Generalsekretär.
Schluss der Redaktion am 15. Januar 1879. — Druck der Akademischen Buchdruckerei F. Straub in München.
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Beilage zu Nr. 2 des Corrcspondenz-Blattes der deutschen Gesellschaft für Anthro-
pologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Februar 1879.
Die anthropologische Ausstellung in Moskau.
In Moskau wird auf Anregung der dortigen
Kaiserlichen Gesellschaft der Liebhaber der Natur-
kunde , der Anthropologie und Ethnographie im
Sommer des Jahres 1879 mit Allerhöchster Ge-
nehmigung unter dom Ehrenpräsidium Seiner
Kaiserlichen Hoheit des Grossfürsten Konstan-
tin Nikolajewitsch eine anthropologische Aus-
stellung stattlinden. Die Moskauer Gesellschaft
der Naturkunde hat zur Organisation der Aus-
stellung ein Comite unter dem Vorsitz des Herrn
A. Bogdanow, Professor der Zoologie an der
Universität zu Moskau, ernannt. Ausserdem hat
das Comite der Ausstellung in verschiedenen
Städten des russischen Reiches und im Auslande
Bevollmächtigte ernannt , welche die Interessen
der Ausstellung wahrnehmen sollen. Bevollmäch-
tigter des Cornites für die baltischen Gouverne-
ments ist Dr. Ludwig Stieda, ordentlicher
Professor der Anatomie an der Universität zu
Dorpat. Auch die deutschen Forscher,
speciell die deutsche anthropologische
Gesellschaft, sind durch ein Schreiben
des Herrn Professors A. Bogdanow vom
10. Januar 1879 eingolndon, sich durch
passende Zusendungen an der Ausstel-
lung zu betbeiligen. Als Endtermin
für die Einsendungen ist für die Aus-
steller aus Deutschland Mitte April 1879
festgesetzt worden.
Regeln
für die von der Kaiserlichen Moskauer
Gesellschaft der Liebhaber der Natur-
kunde, Anthropologie und Ethnogra-
phie im Jahre 1879 in Moskau zu ver-
anstaltende anthropologische Aus-
stellung.
1. Um das Publikum mit. den Aufgaben
der Anthropologie im Allgemeinen , sowie mit
den Aufgaben der Anthropologie Russlands im
Spociellen bekannt zu machen und um in Mos-
kau ein möglichst vollständiges anthropologisches
Museum zu errichten, findet im Sommer des
Jahres 1879 in Moskau eine anthropologische
Ausstellung statt.
2. Zur Ausstellung werden zugelassen:
1) Gegenstände, welehe sich auf die Anthro-
pologie der jetzigen Volksstämme Russ-
lands beziehen. (Anthropologie Russ-
land s.)
2) Gegenstände, welche sich auf die vorge-
schichtlichen Volksstämme Russlands be-
ziehen. (Prähistorische Anthropo-
logia.)
3) Gegenstände, welche sich auf dio allgemeine
Anthropologie und auf dio Systematik der
Volksstämme beziehen. (Allgemeine An-
thropologie).
3. Die zur Ansstellung zugelassenen Gegen-
, stände sind in folgende Gruppen zu ordnen :
1) Abhandlungen zur Anthropologie , Ethno-
graphie und prähistorischen Archäologie
Russlands.
2) Karten über die Verbreitung der Volks-
Stämme und der vorgeschichtlichen Denk-
mäler.
3) Photographien einzelner Rassen; Ansichten
von LocalitUten, welche für das Lehen der
einzelnen Völker charakteristisch sind ; Pho-
tographien und Zeichnungen von Kostümen,
Hausgeräth , Wohnungen , wie Sccnen aus
dem Leben früherer und noch jetzt leben-
der Yolksstämme.
4) Büsten und plastischo Nachahmungen der
verschiedenen V olksstämme.
! 5) Modelle von Wohnungen und Kostümen
von Völkern der Vorzeit.
6) Gegenstände des häuslichen Lebens , des
Cultus und des Gewerbes von Völkern der
Vorzeit.
7) Statistische Tafeln über Geburten, Sterblich-
keit etc.
8) Modelle von Kurganen und Gräbern.
9) Gegenstände, welche in alten Gräbern ge-
funden sind oder welche der vorgeschicht-
lichen Zeit angehüren.
; 10) Geologische Profile und Karten solcher Lo-
caliäten, welche auf die vorgeschichtlichen
Menschen Bezug haben. Pläne, Modelle und
Zeichnungen von Höhlen.
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11) Probestücke derjenigen Minerale, aus welchen
der vorgeschichtliche Mensch und die Ur-
völker ihre Werkzeuge anfertigten , und
Karten der Verbreitung jener.
12) Proben von solchen Gewächsen und Pflanzen,
welche für das Leben der vorgeschichtlichen
Völker wichtig waren.
13) Reste derjenigen Thiere, welche für die
Lebensweise der vorgeschichtlichen VolkB-
stämme charakteristisch sind. Skelette und
Präparate jetzt lebender Thiere, welche zum
Vergleich mit den ausgegrabenen nöthig sind.
14) Apparate zu anthropologischen Untersuch-
ungen.
1 5) Anatomische Präparate zum vergleichenden
Studium der Rassen; anatomische Präparate
zum Unterricht und zum Studium der all-
gemeinen Anthropologie.
16) Resultate chemisch - technischer Untersuch-
ungen von Gegenständen der vorgeschicht-
lichen Archäologie.
17) Lehrhilfsmittel, um beim Vorträge der Geo-
graphie und Geschichte in den mittleren
und niederen Schulen die allgemeinen Kennt-
nisse von den Rassen zu erläutern.
4. Ein besonderes Comitd überwacht im
Namen der Gesellschaft die Organisation der
Ausstellung.
5. Exponenten können sowohl Russen als
auch Ausländer sein.
6. (Ueber Anmeldung und Zusendung der
Ausstellungsobjecte von Seite deutscher Aus-
steller cf. vorne.)
7. Bei der Anmeldung ist anzugeben: Vor-
und Familienname, Beruf und Adresse des Ex-
ponenten ; die Zahl der zu sendenden Gegenstände
mit Bezeichnung und wo möglich auch mit einer
Beschreibung der einzelnen Gegenstände, einer-
lei ob dio Gegenstände nur zur Ausstellung
kommen oder dem Museum der Gesellschaft ge-
schenkt werden.
Ö. Das Comitö hat das Recht, die einem
Exponenten gehörigen Gegenstände unter die ver-
schiedenen Gruppen der Ausstellung zu vertheilen
— zum Zweck der Systematisirnng und Ueber-
sichtlichkeit.
9. Nach Schluss der Ausstellung stellt das
Comitö den Exponenten frei, innerhalb 6 Woeben
ihre Gegenstände zurückzunehmen ; nach Ablauf
dieser Frist werden die Gegenstände Eigenthum
der Gesellschaft, da die Dopots des Comitds ge-
schlossen werden und die Thätigkeit des Comites
aufhört.
10. Das Comitö ergreift alle Mittel zum
Schutz der Gegenstände, aber verantwortet nur
ftlr den Verlust derjenigen, welche er mit be-
sonderer Zustimmung unter seine eigene Ver-
antwortung genommen hat.
1 1 . Die Exponenten haben während der
ganzen Dauer der Ausstellung freien Zutritt in
dieselbe.
12. Für ausgezeichnete Gegenstände werden
nach dem Urtheil der Experten - Commission be-
sondere Preise zuertheilt.
13. Die Preise bestehen in einem Anerken-
nungsschreiben, oder in Zeugnissen zur Erwerb-
ung goldener, silberner und bronzener Medaillen.
14. Die Exporten - Commission besteht aus
den Gliedern der Gesellschaft der Liebhaber der
Naturkunde und der Deputirten anderer gelehr-
ten Gesellschaften. — Das Resultat der Exper-
tise wird gedruckt.
15. Das Comitä hat in Vollmacht der Ge-
sellschaft das Recht , für Darbringungen zum
Besten des Museums besondere Zeugnisse zu Er-
werbungen von Medaillen auszustellen ; doch ist
dabei zu bemerken , dass die Medaille für dar-
gebrachte Geschenke zuerkannt worden ist.
16. Da die Depots des Comitäs erst am
1. August 1878 geöffnet werden , so wird die
frühere Zusendung von Gegenständen, welche für
die Ausstellung bestimmt sind, nicht anders als mit
besonderer Zustimmung des Comitös zugelassen.
17. Diejenigen Exponenten, welche gesonnen
sind, die von ihnen ausgestellten Gegenstände zu
verkaufen , werden ersucht , den Preis an den
Gegenständen selbst zu vermerkon. Im Fall des
Verkaufes übergibt das Comite dem Käufer
einen Schein zum Empfange der gekauften Gegen-
stände nach Schluss der Ausstellung, ebenso dem
Verkäufer einen Schein zum Empfang der Gelder,
gleichfalls nach Schluss der Ausstellung.
18. Die zur Ausstellung bestimmten Gegen-
stände sind an dio Moskauer Universität an die
Adresso des Coraitös der anthropologischen
Ausstellung der Gesellschaft der Lieb-
haber der Naturkunde zu schicken.
19. Nach Schluss der Ausstellung werden
die Gegenstände entweder den Herren Exponenten
persönlich oder den von ihm Bevollmächtigten
in Moskau ausgeliefert, wobei der vom Comito
ausgestellte Empfangsschein vorzuzeigen ist.
20. Das Comite übernimmt nicht die Rück-
sendung der ausgestellten Gegenstände nach
Schluss der Ausstellung.
2 1 . Das Comite behält sich das Recht vor,
Modelle, Photographien oder Copien von den
ausgestellten Gegenständen anfertigen zu lassen.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Rtdigirt t an Professor Dr. Johanne* Ranke in Mi Indien,
Grneralucreiär irr GnM*eKafl.
Nr. 8.
Erscheint jeden Monat.
März 1879.
Ueber Verbreitung der Steinbeile aus
Nephrit, Jadeit und Chloromelanit,
besonders in Europa.
Von Prof. Dr. H. Fischer in Freiburg (Baden).
Die exacte mineralogische Untersuchung ar-
chäologischer Objecto gehört bekanntlich erst der
neuesten Zeit an. Durch meine Studien über
Nephrit war ich in nähere Correspondenz mit
Herrn A. Dämon r, Mitglied der Akademie in
Paris, gekommen , dem wir die correcte Unter-
scheidung der Mineralien Jadeit und Chlorome-
lanit vom Nephrit verdanken und ich hatte von
ihm Mittheilnng über die grosse Verbreitung der j
Jadeit- und Chloromelanit - Beile in Frankreich
erhalten. Andererseits waren mir selbst auf mein
Ansuchen von nahezu allen deutschen, österreichi-
schen und schweizerischen mineralogischen und j
archäologischen Museen, ebenso von verschiedenen (
französischen und italienischen Sammlungen die ,
polirten Heile gleichfalls zur Prüfung zugegangen. •
Nach der Gewinnung so vieler Erfahrungen
schien es mir nachgerade an der Zeit, in Ge-
meinschaft mit Herrn Da mour dieses Untersuch-
ungsmaterial in einer geographischen Zusammen-
stellung zu veröffentlichen, um daraus einmal die
Verbreitungshezirke dieser aus außereuropäischen 1
Mineralien — wie es bis jetzt scheint — her- \
gestellten Beile kennen zu lernen , und ich muss 1
gestehen, dass ich selbst auf das Lebhafteste dar-
auf gespannt war, wie sich das Resultat dieser
Zusammenstellung einer Reihe ganz unabhängiger
Beobachtungen durch Aufträgen auf einer Land-
karte, wie ich mir dies privatim herstellte, ge-
stalten würde.
Corrnp.-BUtt Nro. S.
Herr Danton r ging mit grösster Bereitwil-
ligkeit auf meinen Vorschlag ein, seine reichhal-
tigen Beobachtungen in Verbindung mit den »ei-
nigen in einem Aufsatz in der Revue archeoio-
gique •) zu publiciren und er hatte auch die Ge-
fälligkeit , die schliesslich# Redaction und Ver-
schmelzung unserer beiderseitigen Erfahrungen zu
übernehmen , was ihm in sehr zweckdienlicher
Weise gelungen ist. — Von der Beigabe einer
Karte, welche die Kosten der Publication erheb-
lich vermehrt hätte, wurde abgesehen und es je-
dem einzelnen Leser überlassen, sich die Einträge
auf einer entsprechenden Karte selbst zu be-
sorgen.
In dieser Zeitschrift nun möchte ich vorerst
die Hauptresultate jener unserer Abhandlung zu-
sammenfassen und dabei einige Fragen erörtern,
welche sich für jeden Tieferdenkenden an jene Er-
gebnisse anschliessend*).
Vor Allem müssen wir uns natürlich vor
Augen halten , dass in dieser oder jener Samm-
lung noch irgendwelche uns unbekannt gebliebene
*) Notice sar la distribution geographiqae des haches
et autres objeta prdhistoriquee en Jade Nephrite et es
Jadeite. R*»vae arcbtologique. Nouvelle terie. 19« annee.
VII. Joillet 1878. pag. 12—82. (SeparatabzQge pag.
1—28).
**) Nachdem ich mir aber doch einmal die Mühe
genommen habe, alle im französischen Text genannten,
sowie dio nach .der Pablication der Abhandlang noch
hintugekommenen Fundorte aufzusuchen und auf meiner
Karte aufzutragen, so bin ich auf Verlangen erbötig,
für die zu fertigende prähistorische -Karte Deutschlands
etc. auf einem mir zu Gebote zu stellenden Exemplar einer
grossen Karte dieselben selbst einzutragen und der an-
thropologischen Gesellschaft dieselbe wieder zu ihren
Acten zurückzustellen.
3
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18
Heile aas den genannten Mineralien vorliegen
mögen. Allein da ich, abgesehen von den oben-
genannten Museen , auch noch aus einer Reihe
fürstlicher und Privatsommlungen, ferner aus dem
märkischen Museum zu Berlin , welches gewisse
Gegenden Norddeutschlands zu ropräsentiren ver-
mag , grosse Sendungen von Beilen zur Unter-
suchung erhalten habe, so möchte es doch zu
bezweifeln sein, ob weitere Zusendungen, die eben
durch diesen Aufsatz gerade noch hervorgerufen
werden könnten , und zu deren Erledigung ich
— soferne die Besitzer Hin- und Rückfracht tragen
und sich dabei auf polirte Beile beschränken —
bereit wäre, ein wesentlich anderes Resultat her-
beizuführen vermöchten.
Abgesehen von jener unvermeidlichen Unvoll-
kommenheit unserer Zusammenstellung wird es
also gestattet sein , gewisse vorsichtige Schlüsse
aus den letzteren zu ziehen. Vor Allem musste
es sich herausstellen, ob gewisse Länder Europas
bei der Ausstreuung solcher exotischer*) Beile
ganz leer ausgingen und dies scheint, soweit un-
sere Erfahrungen reichen , mit England , Schott-
land, Irland, Schweden, Norwegen, mit dem nord-
östlichen und östlichen Deutschland und Oester-
reich (ausgenommen Illyrien und vielleicht Mähren)
der Fall zu sein** ***)).
Fenier musste es sich aus weisen, ob die Beile
aus Nephrit einerseits und die Beile aus Ja-
deit und Chloromelanit andererseits (welch’
letztere beide in der Substanz unter sich fast
genau übercinstimmen und vielleicht irgendwo auf
der Erde auch mit einander Vorkommen *•*) eine
gleichmütige Verbreitung in Europa zeigen oder
nicht und da hat sich nun das höchst über-
raschende Resultat herausgestellt , dass mir Ne-
*) Man erlaube mir diesen kurzen, wenn auch noch
nicht bis aufs Acusserate verbürgten Ausdruck.
•*) Von Spanien habe ich ent unverbürgte Nach-
richten, aus Portugal, wohin sich meine Cor respondenz
überhaupt noch nicht erstreckt, noch gar keine; aus
Dänemark konnte ich auf zwei Anfragen an Fachleute
nicht einmal eine Antwort erlangen. Aus Polen wer-
den viele Nephritbeile verzeichnet, es kann jedoch ohne
Autopsie nicht auf sichere Diagnose gerechnet werden.
Dasselbe gilt bezüglich Grossbritanniens, daEvans
in seinen Angaben über etwaige Jadeit- und Nephrit-
Beile immer nur die Ausdrücke „ähnlich, vielleicht über-
einstimmend mit Jade“ u. s. w. braucht und jede Ge-
währ für eine correcte Diagnose fehlt.
***) Dafür, dass das Letztere möglich wäre, spricht
specicll der Umstand, dass ich in dem Jadeit eines
schönen mexicanischcn Beils (aus der Sammlung des
Herrn Hermann Strebei in Hamburg) und in dem
Chloromelanit einer mexicaniscben Figur (Nr. 268;
sp. G. 8. 8-5) aus dem Wiener Museum dieselben
schwarzen, feinen, stängeligen Gebilde (Turmalin?) ein-
gewachsen fand.
' phrit-Beile nur aus folgenden Gegenden bekannt
wurden : aus Südit alien (Calabrien , von wo
| sie mir durch den unermüdlich eifrigen Forscher,
Herrn Professor Dr. Lovisato in Catanzaro
I zur Ansicht gesandt wurden*), aus den Pfahl-
j bauten der Schweiz und des Bodensees, des
Starnberger Sees nächst München und aus
j dem Erdreich von Blansingen (zwischen Frei-
burg und Basel, also fern von Pfahlbauten)**),
i Es ist hiemit die nördliche Grenze für die Nephrit-
. Beile in Europa zufolge der bisherigen Ermitte-
lungen schon mit dem 48- bis 49. Grade n. Br.
; erreicht ; die östlichen, westlichen und südlichen
| Grenzen ergeben sich aus dem oben Gesagten von
I selbst. Dagegen ist Herrn D a m o u r aus ganz
Frankreich , dessen Bearbeitung er Übernommen
hatte und welches an Jadeit- und Chloromelanit-
Beilen überaus reich ist, erst ein einziges Nephrit(?)-
Beil, von Farbe grün und Bchwnrz, (aus der Gegend
von Reims) und zwar in allerjüngster Zeit be-
kannt geworden, bezüglich dessen er die Gefällig-
keit hatte, mir folgende Resultate seiner speziellen
Erkundigungen und Untersuchungen zugehen zu
lassen.
Der Besitzer dieses Beiles , Herr Auguste
Nicaise in Chalons sur Marne, hat dasselbe
I zwar nicht selbst gefunden , sondern von einem
*) Freih. Ferd. v. Andrian (präbist. Stadien aas
Sicilien. Berlin 1878, pag. 78; Zeitscbr. d. ethnogr.
Gesellscb. zu Berlin) führt auch aus dem genannten
Lande verschiedene Nephritbeile (theils seiner eigenen
Sammlung, theils jener des Baron Mandralisca in
Cefala and der Universität Palermo angehörig) an, über
welche ich jedoch nicht aas Autopsie berichten kann
Da ich jedoch solche aus Calabrien selbst sah , so liegt
es nahe, dass auch in Sicilien etliche gefunden wurden ;
doch wäre ihre nähere mineralogische Bestimmung, oh
sich darunter etwa auch Jadeite fänden, natürlich recht
erwünscht.
**) Gerade beim Abschluss des Manuscripts erhalte
ich durch die Gefälligkeit unseres Herrn Generalsecretärs
Prof. Job. Ranke ein angeblich in der Gegend von
Nördlingen gefundenes Meisselchen zur Ansicht ein-
gesandt, welches in der Substanz und Form genau mit
einer gewissen Schaar von Meissein übereinstimmt, wie
| sie mir sonst aus der Gegend der Schweizerseen and
vom Bodensee bekannt sind. Es ist deren Masse schmutzig
grau-grün bis rostbraun (vgl. mein Nephritwerk Cbro-
molith. Tafel I, Fig. 7. 8), mehr oder weniger deutlich
j blätterig, an der Schneidekante (welche bei diesen Meissein
j allerdings niemals dünn zugeschärft ist) nicht wie bei
anderen Nephriten schon bei Tageslicht, sondern nur bei
Lampenlicht und selbst hier oft nur noch kaum merklich
durchscheinend. Man könnte bei dem Anblick dieses
Minerals zunächst mehr an ein Nebengestein des Nephrits
denken, allein es ist im Dünnschliff homogen wie dieser,
stimmt mit ihm sowohl im speciüschen Gewicht (ge-
wöhnlich 8,0— 8,1) überein, als auch im Analysen - Re-
sultat, worüber die Angaben von dem nunmehr ver-
storbenen L. R. v. Fellen b erg - Ri vier (vgl. mein
Nephritwerk pag. 24-5) nachzusehen sind.
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Antiquitätenhändler in Keims gekauft , jedoch,
auch nach Ansicht des hierin sehr vorsichtigen
Besitzers, unter Angaben des Verkäufers, welche
nicht bloss für die Wahrheitsliebe des letzteren
sprechen, sondern hier sogar ausdrückliche Er-
wähnung verdienen. Das fragliche Beil sei näm-
lich zusammen mit vier anderen (worunter ein
Petro-Silex-Instrument*) durch einen Arbeiter im
Boden in einem Topf aus grober Erde aufgefun-
den worden, welch’ letzteren derselbe zerschlagen
hatte, weil er ihm weder Interesse noch Werth
zu haben schien.
Vermöge der Liberalität des Besitzers war e«
Herrn Damoar vergönnt, ausser der Bestimm-
ung des specifischen Gewichts, welches 3,01 er-
gab, des Löthrohrverhaltens und der Feststellung
der äusseren Aehnlichkeit mit Nephrit (speciell
mit den in der Schweiz gefundenen Nephritbeilen
von fettigem Atlasglanz) auch ein Fragment für
eine qualitative Analyse abzulösen, welche gleich-
falls für Nephrit und zwar für eine verhält-
nissmässig magnesiareiche Varietät zu sprechen j
schien.
Es kann in uns nun der Gedanke wachge- |
rufen werden, ob die Nephrit -Beile etwa durch |
ganz andere Völkerzüge nach Europa gekommen j
seien , als die Jadeit- und Chloromelanit - Beile,
oder ob für ihre geringere Verbreitung irgend j
ein anderer Grund vprliege. Ferner fragt es j
sich auch, ob das Material für die Nephrit- i
Beile aus anderen aussereuropäischen Gegen-
den stamme, als jenes der Jadeit- und Chloro-
melanit-Beile. Es sind dies Alles Fragen, welche
früher gar nie hatten auftaueben können, bevor j
eine derartige Zusammenstellung über die Ver- j
breitung dieser Beile existirte und bevor über- |
haupt die Mineralogie angefangen hatte, bei dem |
Capitol über vorgeschichtliche Völkerwanderungen '
gleichfalls mitzusprechen.
Ich bemerke hiebei, dass ich mich trotz meiner
eingehenden vergleichenden Untersuchungen einer-
seits aller bekannten rohen Nephrit Vorkomm-
nisse (wofür ich unter Anderom eigene Sendungen
direct aus China bezog) und andererseits der in
Europa gefundenen Nephritbeile noch nicht ganz :
fest entscheiden konnte, von welcher Gegend ich |
letztere ableiten soll. Wenn ich mich früher**) dahin j
aus8prnch, dass man sich Angesichts dieser Beile j
mehrfach an neuseeländischen Nephrit erinnert |
fühle, so konnte es mir desshalb doch nicht ein-
•) Ein grosse* beiderseits zogespitztes Hammer-
beil (?) mit gesägten Rändern, welche Form Herr v. M or-
tillet der Epoche der „pierre polle“ zuzähle.
•*) Nephritwerk pag. 391.
fallen, diese Beile als in vorhistorischer Zeit aus
Neuseeland zu uns gerathene Objecte zu be-
trachten.
Den ganz vereinzelt in Schwemsal (bei Düben
unweit Leipzig) schon am Anfang dieses Jahr-
hunderts in der Erde gefundenen losen Nephrit-
block habe ich schon in meinem Nephritwerk
pag. 253 als am meisten mit Nephrit von Batugol
bei Irkutsk in Sibirien übereinstimmend bezeich-
net ; wie er dahin gekommen sein mag , Ist bis
heute noch nicht aufgeklärt. Es sind mir nun
in neuerer Zeit durch die gütige Vermittlung des
Herrn Prof. v. Beck, Director des mineralogi-
schen Museums an der kais. Bergschule in Peters-
burg immer noch mehr sibirische rohe Nephrite
zur Untersuchung eingesandt worden, angesichts
deren ich es allmälig für möglich (mehr will
ich noch nicht sagen) erachten kann , dass das
Material für die in Europa Vorgefundenen Nephrit-
Beile aus Sibirien stamme, ähnlich wie auch
Beile und bohrerähnliche längliche Stäbe aus
(höchst wahrscheinlich) sibirischem Nephrit bis
nach den Aleuten - Inseln zwischen Asien und
Amerika und biB zura Mackenzie-Fluss in Nord-
amerika selbst verschleppt wurden. (An einzelnen
Nephritbeilchen der schweizerischen Pfahlbauten
entdeckte ich bei Betrachtung mit scharfer Lupe
eine Überaus feine, gleichsam wellenförmige
Kräuselung der Oberflächo, die nur da fehlt,
wo die Politur, deren Resultate sich gleichfalls
unter der Lupe in den nach verschiedenen Richt-
ungen gehenden Streiten verrathen , diese ge-
kräuselte Beschaffenheit beseitigen musste. Es
weist dieser Fund darauf hin, dass die betreffen-
den zu Beilehen verarbeiteten Nephrite als Ge-
rölle aufgelesen wurden und ich beobachtete die-
selbe Oberflächen - Beschaffenheit kürzlich genau
ebenso an zwei einer Sendung des Herrn Apo-
theker Lein er in Konstanz angehörigen Belieben
aus einem ganz andern (nämlich fibrolithähnlichen)
Mineral. Das Zustandekommen dieser Kräuselung
(ob wohl primär?) kann ich mir übrigens noch
nicht recht erklären.
Bezüglich der in Europa ungemein viel weiter
verbreiteten und auch in viel grösserem Caliber
auftretenden Jadeit- und Cliloromelanit-
Beile ist es nuu nicht weniger überraschend, dass
sie sich von Süditalien (üalabrien) aus nörd-
lich weiter hinauf bis Piemont und quer
durch Italien und angrenzende Länder in
vereinzelten Exemplaren von M e n i o n e Uber
Pavia, Roveredo (Sudtirol), Cividale, Laib-
ach bis Spa lato (Dalmatien) verfolgen lassen;
dann finden wir sie ferner in der Schweiz vom
3*
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20
Bieler- und N euc h ateler- bis zum Bo-
de nsee*) und bis Basel (?).
Wohl meist ohne Beziehung zu Torfmooren
oder dgl. finden wir dann diese Beile in Deutsch-
lnnd vom Eisass, Baden, Würtemberg,
Rheinbaiern, Rheinhessen, Rheinprcussen,
Hessen -Darm stadt, Nassau, Westplialen
bis nach Oldenburg, Höxter und Erfurt;
(weiter in Nord - und Ostdeutschland , Baiern,
Oesterreich ist mir nichts bekannt geworden **).
Andererseits sind als Fundstätten zu nennen : in
Frankreich 44 Departements mit über 100
Localitäten und einige Stellen in Belgien. Aus
Holland konnte ich noch nichts erfahren.
Es ist nun gewiss eine ganz überraschende
Erscheinung, die meines Wissens in dem ganzen
mineralogischen Bereiche gar kein Seitenstüek
hat, dass wir in Europa Beile aus Jadeit und
Chloromelanit bis zu 25 und 29 cm Länge
und von 337 , ja von 1007 gr. Gewicht nebst
einer ungemein bedeutenden Anzahl kleinerer Ja-
deit- und einer massigen Anzahl kleinerer Chlo-
romelanit-Beile aufzuweisen haben, während man
vom rohen Jadeit bis jetzt nur Fundorte im
fernen Asien (südwestliche Provinz Yunnan in
China und Tliibet) kennt, deren Material aber
mit demjenigen der genannten Jadeit - Beile im
Aeussern nicht ühemnstimint, vom rohen Chlo-
romelanit aber ist absolut auf der ganzen
Erde noch gar kein Fundort bekannt.
Da Jadeit und Chloromelanit wohlverstanden
keine Minerulgemenge , sondern einfache Mi-
ner allen sind, so weisen die oben angegebenen
Maosse und Gewichte von Beilen auf so gross-
artige Vorkommnisse derselben in ihrer (uns vor-
erst noch unbekannten) Heimat hin. wie wir solche
unter den übrigen kieselhaltigen Mineralien des
sog. kristallinischen Gebirgs (denn in diesem
müssen nach aller Analogie dieselben zu Hause
sein) sonst nur etwa z. B. für Quarz. Feldspath
und seihst für diese nur von einzelnen Fundorten
kennen.
Wenn einige Forscher noch bis in die neu-
este Zeit geneigt sind, anzunehmon, es müsste der
Fundort für diese Nephrite u. s. w. zuletzt doch
noch in Europa, vor Allem in den Alpen zu er-
*) För die Schweiz hat schon der nunmehr ver-
storbene Prof. v. Fel lenberg-Ri vier in Bern her-
vorgehoben, dass in der Westschweiz die Jadeit- und
Chloromelanit -Beile, in der Ostschweiz einschliesslich
Bodensee dagegen die Nepbritbeile vorherrschen und ich
kann dies aus meinen Erfahrungen bestätigen.
**) Ein in Langendorf (Mähren) gefundene« Beil
ging leider verloren, ohne mineralogisch bestimmt tu
sein und vou Ungarn u. s. w. iat nichts Sicheres be-
kannt.
! gründen sein, so kann ich meinerseits dieser Idee
nicht beipfliehten *).
Ich frage einfach: .Sollten die prähistorischen
Bewohner Europas in dem noch mit Urwald be-
deckten Alpengobirge das mineralogische Material
einerseits für Beile von 1 — 2 Schuh Länge und
andererseits für die vielen hundert kleineren in
den oben angeführten Ländern entdeckten Beile,
Meissei u. s. w. zu ergründen gewusst und dies©
grossartigen Vorkommnisse zugleich so voll-
ständig ausgebeutet haben, dass die heu-
tigen Mineralogen in den gleichen Gegenden trotz
eifrigsten Nachsuchens nicht mehr ein einziges,
auch nur nagolgrosses Stück auch nur eines
dieser drei bewussten Mineralien aufzufinden ver-
möchten? Und ich frage weiter: Sollten die bis
i nach S ü d i t a 1 i e n hinunter gefundenen ent-
sprechenden Beile, ferner vollends die in unserer
I Zusammenstellung aufgeführten höchst wuchtigen
und wohl constat irten Chloromelanit - Beile aus
i Mexiko und Atacama (Chile), endlich die
Ägyptischen Chloromelanit .-Scarabäen des Wie-
I ner- und Wiesbadener Museums ihr Material etwa
I gleichfalls den Alpen verdanken können?
Nach allen Erfahrungen , die sich mir jetzt
in diesem Betreif an die Durchforschung so vieler
europäischer Museen knüpfen , will es mir am
allerehesten scheinen , als ob das Material für
; diese Jadeit- und Chloromelanit - Beile und Sca-
rabäen aus mineralogisch noch gar nicht oder
ganz wenig durchforschten Ländern, z. B. ge-
wissen Theilen Afrikas, Asiens herstamme, und
| wenn man auch nach Jahrzehnte lang fortgesetzten
Forschungen nichts davon finden sollte, so möchte
I ich fast noch lieber meine Zuflucht zu jetzt men-
schenleeren Erdstrecken oder dergleichen nehmen,
i als zu den Alpen.
Ich muss offen gestehen, dass mir die Lösung
j dieses Räthsels, die jetzt wohl auf einem ganz
I zufälligen Funde in fernen Erdtheilen beruhen
könnte, bald nicht weniger wichtig erscheint, als
I manche Capitol im Bereiche der Sprachen Verwandt-
schaft oder der Abstammung der domesticirten
Tliiere aus dieser oder jener Urheimat.
Dieses Itäthsel complicirt sich aber — we-
nigstens für unsere heutigen Kenntnisse — durch
anderweitige Beobachtungen immer noch mehr,
j Die Auffindung von Jadeit- und Chlorome-
: lanit -Beilen knüpft sich nämlich, wie z. B. Lin-
*) Auch noch nicht Angesichts der von Herrn Apo-
theker Leine r in Konstanz mit grösster Sorgfalt aus-
gebeateten Fundstätte reichlicher kleiner hübscher Ne-
phritbeile and zugehöriger Splitter nebst vereinzelten
: Jadeit- und Chlororaelanit - lieilchen in der Station
| 31 au rach bei Uebcrlingcn am Bodensee.
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21
denscbmit und Schaaffhausen längst ge-
zeigt haben, vielfach an römische Niederlassungen,
an Funde römischer Alterthttmer, so z. B. in den
Rheingegenden (Gonsenheim bei Mainz, Wesse-
lingen bei Bonn) u. s. w. Der Ledergurt, in
welchem die fünf Gnnseuheimer Beile noch in
ihrer ursprünglichen Anordnung (vgl. mein Ne-
phritwerk pag. 285, 370) lagen, wird wohl schwer-
lich in Jahrtausende zurückreichen.
Wenn man aber annehmen will, es seien diese
Beile als heilige Steine (vgl. mein Nephrit-
werk pag. 28*1 tT.) für Cultuszwecke durch die
Römer verbreitet worden , so sollten sich deren
doch z. B. in England gleichfalls finden.
Es könnte allerdings die vorherrschende Ver-
breitung dieser Beile in Frankreich, dann in den
Rheingegenden, der Schweiz und Italien für Ver-
breitung durch die Römer zu sprechen scheinen,
dann sollten sie aber auch in Italien wohl heu-
tiger sein, als es nach jetziger Kenntnis« der Fall
ist, und vor Allem häufiger, als in Frankreich ;
in letzterem Lande sind die Einträge auf meiner
Karte nach Daxnour’s Angaben auf dem öst-
lichen Theile bei weitem reichlicher, als im west-
lichen, wobei möglicherweise freilich auch das re-
lative Interesse der Bevölkerung für diese Alter-
thumsreste mit im Spiele sein könnte.
Die weitere Frage wäre aber dann : Lesen
wir etwas bei den römischen Autoren von der
H er k u n ft solcher fremder heiliger Steine (po-
lirter Beile) und welches war für sie die Bezugs-
quelle ?
Welches war ferner der Ausgangspunkt ftlr
die Chioromelanit - Scarabäen Aegyptens und fllr
die Chioromelanit - Beile von Mexiko und Chili ?
Haben wir hiebei etwa wenigstens für Europa
an die Etrusker zu denken ?
Mit diesen Fragen will ich meine heutigen
Erörterungen ach li essen , indem ich zugleich den
Wunsch auadrücke , es möchten die von uns im
Obigen uiedergelegten statistischen Angaben An-
lass zu weiteren Forschungen in diesem Bereiche
geben.
Nachtrag.
Nach Absendung des Munuscriptes konnte ich
noch folgende Ermittlungen machen.
Erstlich wurde mir das Werk von John Evans:
Aneient. Stone iinplements etc. of Great Britain.
London 1872. with 476 Woodcut-illust unter-
dessen zugänglich und daraus entnehme ich, dass
sich vielleicht doch in England und Schottland
solche exotische Beile finden.
Tag. 96. a. a. 0. ist ein ausgezeichnet glatt
polirtes Beil beschrieben und in Fig. 52 pag. 98
abgebildet, von fleckiger blassgrüner Farbe, an-
geblich aus sehr hartem „Diorit“ bestehend.
Die an der Basis ganz spitze Form , die feine
Politur, die besonders hervorgehobene Härte wie
auch die Farbe könnten auf Jadeit hinweisen;
leider fehlen hei Evans überall Angaben des
spezifischen Gewichts. Das betreffende Beil stammt
I aus Bur well Fon, Cambridge-shire,
England.
Pag. 97 wird aus der Sammlung von Mr.
Flower ein von Daviot, Inverness, Ost-
: Schottland (circa 2U 30' W. B., N. W. Aber-
1 deen) stammendes noch etwas grösseres Beil von
I gleichem Charakter und ähnlicher, „mit Jadeit
übereinstimmender- Substanz angeführt, was spe-
| ciell darauf hinweisen könnte, dass auch das eret-
i erwähnte eben keinDiorit (wofür auch die blass-
I grüne Farbe gar nicht spräche), sondern Jadeit sei.
Im Truro-Museum soll sich ein drittes aus
der Gegend von Falmouth, Cornwall stam-
mendes Beil ähnlicher Art befinden.
Pag. 98 ist ein der Sammlung des Mr. Lncas
angehöriges Beil von Brierlow Buxton,
Derbys hire besprochen, welches bei etwas un-
symmetrischem Umriss ein grünliches „Jade ähn-
liches“ Aussehen besitze, jedoch so faserig er-
scheine, dass man an Fibrolith denken könne.
Aus Fibrolith gearbeitete Beile kennt man
zwar von Italien, Spanien und Frankreich, allein
; erstlich pflegt meines Erinnern« derselbe kaum
i grünlich aufzutreten, zweitens macht sich bei ge-
wissen Jadeit Varietäten die Fasertextur auch durch
den Schliff hindurch (vollends unter der Lupe
und bei Befeuchtung) noch viel entschiedener
geltend , als bei Fibrolith , aber immerhin in
anderer Weise; bei Jadeit erkennt man deutlich
die einzelnen, glänzenden, nach den verschie-
densten Richtungen sich kreuzenden Fasern von
einiger Breite, während die letztem beim Fibro-
lith weit feiner und in eigenthümlieh sanfter
Weise glänzend und geschwungen erscheinen. Die
Angabe des spezifischen Gewicht«, welches hei
Fibrolith zwischen 3,134 und 3,186, bei Jadeit
zwischen [3,2]; 3,32 und 3,35 schwankt, würde
wohl Aufschluss geben, welcher jedenfalls (gleich-
viel ob für Fibrolith oder für Jadeit sprechend)
von archäologischem Interesse wäre.
Pag. 98 ist ein in Cornwall gefundenes, jetzt
im antiquar. Museum zu Edinburg befindliches
11S;4 Zoll langes. 4 Zoll breites Beil aus „Jadeit
ähnlicher“ Substanz aufgeführt und pag. 99 berührt
Evans ein aus „Jade ähnlichem- Material ge-
arbeitetes Beil von 3 */* Zoll Länge von Burwell
Fen, Cambridge -shiro, also gerade wieder aus
derselben Gegend, woher das oben schon be-
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22
sprochene als möglicherweise aus Chlorömelanit
bestehend erachtete Beil stammt; pag. 118 end-
lich ist ein aus lichtgrünem, Nephrit -ähnlichem
Stein hergestelltes Beil aus Caithness, Nordschott-
land, (jet/t im Edinburger Museum) genannt und
Fig. 75 abgebildet.
Alle diese Suppositionen als richtig ange-
nommen, würden sich solche exotische Beile dem-
nach in Grossbritannien vom 50 • bis über
den 58 u n. B. (d. h. von Cornwall, Derbyshire,
Cambridgeshire bis Caithness) erstrecken. Ich habe
mich übrigens bezüglich näherer Informationen
wenigstens über das spezifische Gewicht an Herrn
Evans selbst gewandt und harre der Antwort.
Interessant erschien mir, nebenbei bemerkt,
ferner in dem Evans1 sehen Werke eino Notiz
pag. 103, wonach einige 3 — 4 Zoll lange Beile
aus „Jade“, welche Major S laden aus Yunnan
(südöstliche Provinz China's) mitgebracht habe,
im Christy-Museum in London und ein weiteres
aus der gleichen Gegend und Quelle stammendes
solches Beil in Evans' Sammlung selbst liege.
Ich selbst sah weder in einem Museum , noch
in einer der unzähligen aus fast ganz Europa an
mich gelangten Zusendungen je überhaupt ein
chinesisches Steinbeil. Hier lügen nun mehrere
aus Yunnan kommende Beile vor , welche leicht
aus Jadeit gearbeitet sein könnten, da ich durch
die besondere Güte des deutschen ausserordent-
lichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers
für China, H. v. Brandt in Pecking in einer
directen Sendung chinesischer Mineralien, welche
mit interessanten Bemerkungen des Herrn Dr. von
Müllendorf in Peking*) begleitet war, auch
rohen weissliehen Jadeit aus Yunnan erhielt.
Nach Angabe des Herrn von Brandt spielen
in China die Steinbeile eine Rolle in der materia
medica; er habe bis jetzt noch keine selbst
gesehen und man möchte annehmen , dass wo
solche in Apotheken gekauft werden , man etwa
mit Fälschungen zu tbun haben könnte. Uebrigens
seien in chinesischen Werken zahlreiche Notizen
über Steinwaffen wie auch über Jade (chinesisch
Yü) zu linden und der Dolmetsch der deutschen
Gesandtschaft, Herr Arendt, einer der besten
Sinologen, sei von ihm gebeten worden, die inter-
essantesten Stellen für mich zusammenzutragen.
Bezüglich Hollands (vgl. oben pag. 20), von
wo nach meinen Kenntnissen noch olle sicheren
Notizen wegen Nephrit-, Jadeit- und C’hlorome-
lanit-Beilen ausstehen , wandte ich mich noch an
Herrn Dr. Le ein ans, Director des kön. niederl.
Reichsmuseums der Altertliümer etc. in Leiden,
•) Jetzt Generalc^nsul in Tien-t»in bei Peking.
welcher mir auch seinerseits erklärte, bis jetzt
gleichfalls keine solche Funde zu kennen, wohl
möchten aber ia diesem oder jenem Museum noch
solche verborgen liegen.
Bezüglich Dänemarks (vgl. oben pag. 18)
habe ich Folgendes nachzutragen. Nachdem ich
durch die Gefälligkeit des Herrn Dr. Voss in
Berlin auf zwei, angeblich von der dänischen Insel
Seeland stammende, jetzt im Museum zu Cassel
liegende polirte grünliche Beile aufmerksam ge-
worden (Verhdlg. d. Berlin, anthropologischen Ge-
sellschaft 1878 pag. 244), ersuchte ich Herrn
Director Dr. P i n d e r in Cassel , mir dieselben
unter Angabe etwaiger näherer Umstände des
Fundes zur Ansicht leiben zu wollen. Ich freute
mich, darin zwei prächtige Jadeit heile zu er-
kennen, wovon das eine (mit absolutem Gewicht
von 788. 35 gr und spezifischem Gewicht 3,300)
von grau- und gelblichgrüner Farbe eine Länge
von 36 cm (also noch 1 cm. mehr als das Grimm-
linghauser Beil des Prof. Schaaffhauseu),
das andere (mit absolutem Gewicht von 770. 30 gr.
und spezifischem Gewicht 3,269) eine mehr gras-
grüne Farbe zeigt.
Dieselben seien — nach gefälliger Mittheilung
des Dr. Pinder — von Landgrafen Carl, dänischem
Feldmarschall, nicht regierendem Sohn des regie-
renden Landgrafon Friedrich II von Hessen vor etwa
100 Jahren nach Cassel gebracht worden.
Da ich so grosse Jadeitbeile schon früher
bis in das oldenburgische Gebiet verfolgen konnte,
so wäre ihr Vorkomraniss auch bis nach Däne-
mark nicht gerade unwahrscheinlich und — wenn
constatirt — von hohem Interesse.
Durch die Gnade Seiner Durchlaucht des
Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt er-
hielt ich aus dessen Museum zwei prähistorische
Gegenstände zur Ansicht, worunter ein prächtiges
Jadeitbeil von 29 cm Länge, 11 cm Breite und
spezifischem Gewicht 3,32, welches aus der Ge-
gend von Frankenhauson in Thüringen
(Schwarzburg-Rudolstadt) stammt.
Bezüglich des Elsasses habe ich beizufügen,
dass es zufolge einer Besprechung mit meinem
leider vor Kurzem verstorbenen Freunde Dr.
Rehmann in Donauöschingen sich herausstellte,
es seien aus der ehemals Eckel’ sehen Privat-
sammlung in Strassburg zwei aus dem Eisass
stammende Beile durch Herrn Eckel selbst
seiner Zeit an das fürstlich fürstenbergische Mu-
seum verkauft worden. Das eine davon (Nr. 79)
bestimmte icli als Jadeit mit spezifischem Ge-
wicht 3,348, das andere (Nr. 79a) als Eklogit
mit spezifischem Gewicht 3,41- Diese Beile sind
in der sehr verdienstlichen Schrift der Herren
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23
Dr. Bleicher und Dr. Faudel: Matcriaux pourune !
etude prehistoriqne de l'Alaace. Colmar 1878
avec 16 pl. 8. pag. 55 als schon in Graffen-
auer’s Mineralogie alsacienno Strassb. 1800 pag.
>81 besprochen erwähnt, ohne dass den Autoren
deren Verbleib bekannt geworden wäre.
Von den in den eben erwähnten „Materiaux“
pag. 21 u. 22 sub Nr. 44 — 47 aufgeführten '
Beilen aus Jade und Saussurite bekam ich bis i
jetzt durch die Gefälligkeit des Herrn Dr. Riehe
in Colmar das schöne früher als Jade betrachtete
Beil (Nr. 44) von Westhofen (Eisass) zur An- |
sicht , das ich als schon grasgrünen Jadeit mit .
spezifischem Gewicht 3,340 erkannte (Länge 14
bis 15 cm, Breite 5,5)* — Einige der anderen
sind mir für später zur Untersuchung in Aus-
sicht gestellt.
Ueber Schalenateine.
II. Aus der Oberpfalz.
Die bayerische Oberpfalz mit ihren vielen
Bergkuppen , an denen das Urgebirge theils in j
grossen Blöcken, theils in länglichen Schichten zu I
Tage tritt , dürfte besonders in der Nähe des '
Fichtelgebirges in Bezug auf die gegenwärtig
mehr in*s Auge gefassten „Schalensteine“ einer
sorgfältigen Beobachtung werth sein, weil man
im Anschlüsse an die Schalen auf den Koppen
des Fichtelgebirges*) wahrscheinlicher Weise eine 1
Gesammtgruppe erzielen könnte. Und dies um-
somehr als viele der Steinblöcke auf den Hohen
der Oberpfalz gegenwärtig noch weniger den in-
dustriosen Händen der Steinmetzen ausgesetzt sind
denn im Fichtelgebirge. Schon werth hebt
(Band II, S. 243 ff.) den Himmelstein bei Voiten-
rhann, den Drudenstein bei Kirchenrohrbach , den
Fels auf der Schneiderhöhe bei Unterzell hervor.
Hieher gehören aber ganz sicher auch die noch
da und dort sich findenden „Teufelsteine“ mit
Eindrücken und die sogenannten Teufels -Butter-
fässer. Letztere sind wohl selbstverständlich nicht
blosse scherzweise Bezeichnungen von Felsgebilden,
gegen eine solche Annahme spricht schon die zu i
häufige Vorkommnis« derselben. Ich allein kenne
aus eigener Anschauung drei: das auf der Höhe
des Leuchtenbergs, das au der Floss bei Wilchen-
reuth und jenes in dem äusserst stillen und wil-
den Waldnabthnle bei Falkenberg. Das erstere
ist mittlerweile grossen theils abgehauen , unver-
sehrt sind noch die beiden Letzteren. Bei dem
im Waldnabthnle fiol mir vor wenigen Monaten
die schalenartige Mulde im Granitstein auf; von
dem an der Floss berichtet schon Schönwerth,
•) Beitrage %. Anthr. tj. ürg. Bayerns Bd. II. 189.
dass dort eine Mulde in Stein, das „Buttermölterl“
genannt, sich finde, aber auch dass die Sage gehe,
hier habe ein heidnischer Priester dein Teufel zur
Verhinderung des Christenglaubens geopfert. Diese
Sage scheint mir auch auf die richtige Spur zur
Erklärung dieser abgelegenen , schwer zugäng-
lichen Plätze zu führen : sie waren wohl Orte,
un welchen auch beim Eindringen des Christen-
thums heimlicher Weise den alten Göttern noch
geofert wurde, und welche nach und nach in
Orte des Satans, die man meiden müsse, verwan-
delt wurden. Eine Beschreibung und Zusammen-
stellung aller dieser Schalenateine dürfte daher
auch für die Oberpfalz sehr zu empfehlen sein.
A. Vierling.
ILI. Aus Amerika.
In Amerika scheinen Schalensteine zu profanen
Zwecken gedient zu haben. Charles Rau be-
richtet in einer zu den „Smithsoni&n Contribu-
tions to Knomledge“ gehörigen Schrift, betitelt :
„The Archaeological Collection of the United
States National Museum bei dem Capitel „Mörser“
pag. 40 Folgendes*). „Zu ähnlichen Zwecken
mögen auch jene Steine mit schalenartigen
Vertiefungen (eupshaped depressions) gedient
haben, welche mau in Georgia, Pennsylvanien,
Ohio und Kentucky gefundon hat. ln Georgia
haben sio vielleicht zum Auf klopfen von Nüssen
gedionl; denn Wallnussbäume sind dort weit ver-
breitet und ihre Früchte bildeten nicht nur ein
beliebtes Nahrungsmittel der Eingebornen , son-
dern lieferten ihnen auch ein vielfach verwen-
detes Oel.
Die in Ohio und Kentucky aufgefundenen
sind jedoch so glatt , dass sie wohl zu andern
Zwecken gedient haben müssen, vielleicht zu einem
Spiel oder auch zum Aureiben von Farbe behufs
Körperbomalung. Bei einigen Exemplaren be-
merkt man wenigstens noch deutliche Spuren von
festgeklebtem Farbmaterial.
Als der Referent im Sommer 1875 als Mit-
glied der Wbeeler Expedition das südliche Cali-
fornieu durchreiste, fielen ihm im Mohave Cannon
des Coloradoflusses , etwa 4U Kilometer südlich
von Fort Mohave schalenartige, pünctlich ausge-
rundete Vertiefungen von etwa 25 cm Durch-
messer und mehreren cm Tiefe in Felsen auf,
welche meinem Dafürhalten nach zum Zerreiben
der Bohnen eines dort häufigen akazienartigen
Baumes (Algarolia glandulosa) gedient haben
mögen. Aus dcu zerriebenen Bohnen stellen die
Mohave- und Paynte-Indianer eine Art Brod her.
0. Löw.
*) Der Beschreibung sind einige Abbildungen bei-
gegeben, welche denen der indischen und europäischen
einfachen Schalensteine ganz ähnlich sehen.
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24
Ueber Hochäcker in Norddeutsch-
land.
Im Anschluss an den Bericht über die IX. allge-
meine Versammlung in Kiel S. 81 t heilen wir mit:
Die Spuren eines uralten „vorgeschichtlichen“
Ackerbaues haben in Ober-Bayern zuerst am
Kode des 18. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit
der Forscher auf sich gezogen. Der ausgezeich-
nete Naturforscher Franz von Pnula Schrank
beschreibt sie in seiner „Reise nach den .südlichen
Gebirgen von Baieru . . . auf Befehl der kur-
fürstlichen Akademie der Wissenschaften unter-
nommen im Jahre 1788“ zuerst. Lorenz Westen-
rieder bezeichnet« sie 1792 nach einem dem
Volke entnommenen nun aber verschollenen Aus-
drucke als H o c h & c k e r. Die erste ausführliche
Untersuchung stammt, von Dr. Lorenz Zierl
Professor an der Universität München aus dem
Jahre 1829, er erklärt sie für „keltischen“ Ur-
sprungs. Seit dieser Zeit haben verschiedene
Forscher sich mit den Hochäekern beschäftigt
und die Frage wurde auch ausserhalb Bayerns
Gegenstand der Beachtung zuerst bei der General-
versammlung des deutschen Gescbichts- und Alter-
thumsverein in Dannstadt 1872. Die Gesammt-
literatur des Gegenstandes hat mit eigenen zahl-
reichen Beobachtungen bereichert Herr August
U artmann, kgl. Bibliothek-Secretür in München
bis zum Jahre 1870 gegeben unter dem Titel:
Zur Hoch Ucker frage (Oberbayerisches Ar-
chiv Bd. XXXV. 1876. Auch als Separatabdruck
erschienen). In dieser Untersuchung geht Herr
A. Hart mann weit über die Grenzen Ober-
bayems hinaus. Er bringt Nachrichten bei über
analoge Spuren alten Ackerbaues aus Württem-
berg, Franken, Sachsen- Meiningen,
Pommern, Hannover, Oldenburg, Schles-
wig-Holstein, Ostfriesland, Dänemark,
England und Ober-Ungarn. Wir können
Allen , welche sich für diesen Gegenstand inttjfr
essiren diese gründliche Arbeit nicht genug em-
pfehlen. Auf dieselbe bezieht sich Professbr Dr.
H. H a n d e 1 in a n n in der Zeitschrift der Ge-
sellschaft für Sehleswig-Holstein-Lauenburgische
Geschichte Bd. VII. 1877 in einem Aufsatz:
Zur Hochäckerfrage, worin sich für jene Gegen-
genden einige Bemerkungen finden, nebst der auf
die Hoehilcker bezüglichen Fragestellung des
Oberbay erisclien historischen Vereins,
welche als Orient irung für bezügliche Forschungen
dienen kann. In der Berliner anthropologischen
Gesellschaft wurde der Gegenstand verhandelt
am 16- October 1875.
In Folge des Besuchs der „Hothäcker“ im
Ritzerauer-Gehäge bei Lübeck und des Berichtes
darüber in der Vossischeu Zeitung (A. Woldt)
1 liefen drei Briefe bei der Rcdaction ein, aus welchen
wir folgende Mittheilungen entnehmen:
I. Zwischen Elsdorf und Potendorf fiel mir
eine Reihe Erhebungen und .Senkungen in der
Haide auf, die ich später mir so erklärte, als oh
es Ländereien gewesen wären , die in Folge der
Verwüstungen des 30jährigen Krieges vielleicht
verlassen wären. Jetzt , wo ich der Erklärung
der „Hochäeker“ (?) hei Kitzerau beiwohnte, däm-
mert die V ermuthung auf, dass auch jene Gegend
solche aufweisen möchte. Lübeck, den 29. Aug.
1878. Dr. A. Meier.
II. In dem Berichte des diesjährigen Anthro-
i pologeu - Congressos sind die sogenannten Hoch-
äcker als eine prähistorische Eigentümlichkeit
einzelner Gegenden Deutschlands bezeichnet; dies
ist ein Irrthum, denn sie finden sich Überall, wo
die klimatischen Verhältnisse den Landmanu dazu
milbigen und lassen sich heim Pflügen sehr leicht
j bilden. Soll der Acker nach der Mitte zu von
beiden Seiten ansteigen, so wird mit dem Pflügen
in der Mitte nach entgegengesetzten Richtungen
! begonnen und die umbrochenen Rasenflächen wer-
den von beiden Seiten nach der Mitte zu gegen
einander geworfen , wodurch die Erhöhung ent-
steht. In gleicher Weise wird die Ackerfläche
I nach einer Seite erhöht oder vertieft. Ueber-
schreitet. in ersterem Falle das Ackerstück einen
; Fahrweg, so entstehen auch hier Erhöhungen und
Vertiefungen, die verschiedenen Stücke bilden
Beete. Potsdam, den 30. Aug. 1888. A. Stein.
III. Die sogenannten „ Hochäcker4* sind nach
dem Gutachten bewährter Oekonouien dadurch
en Island en, dass Jahrhunderte lang, ehe die Se-
parationen gesetzlich eingeführt wurden, die Acker-
flächen stets in einer Richtung gepflügt werden
mussten, da auf den Antheil jedes Einzelnen nur
immer ein langes schmales Stück Land fiel. Un-
vertilgbar bleiben aber die Spuren der schmalen
Pur/.elleu-Bestellung des Ackers Jahrhunderte lang.
I selbst wenn auf demselben später wieder Laub-
und Nadelholz gesäet und gepflanzt wird. Berlin
I den 31. August 1878. Steurich.
f Nehring, Alfred, Die quaternären Faunen
von Thiede und Westeregeln nebst
Spuren des vorgeschichtlichen Men-
schen. Separat - Abdruck aus dem Archiv
ftlr Anthropologie, 1877/77. 3 Zu be-
I ziehen durch Jul. Zwissler in Wolfenbüttel.
Druck der Akademiichen Buchdruckerei F. Straub in München. — Schl um der Redaktion am 15. Januar 1079.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt ron I’rofessor Dr. Johanne» Hanke in München,
fttiteralf tertiär der Otselheha/1.
Nr. 4. Erscheint jeden Monat. April 1879.
Aufruf an die Mitglieder der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
Geehrter Herr Kollege!
Es ist an eine Anzahl von Fachgenossen in Deutschland und so auch an die Unterzeichneten
von Dorpat aus die Einladung ergangen, als auswärtige Mitglieder in ein Comite einzutreten, das
sich die Errichtung eines in Dorpat aufzustellenden Bronze-Denkmals zum Andenken an
Karl Ernst von Baer
zur Aufgabe stellt.
Der Gedanke, das Andenken an Baer in besonderer Weise zu ehren, wird sicherlich auch
in Deutschland allgemein begrtlsst. Ist es doch Deutschland gewesen, das dem grossen Forscher die
Stätte seiner eigentlichen Entwickelung und seiner höchsten wissenschaftlichen BlUthe gewährt hat.
Und wie dieser Zeitlebens in geistiger Gemeinschaft Deutschland treu geblieben ist, so haben auch
die deutschen Gelehrten nie aufgehört, mit Stolz auf Karl Ernst von Baer hinzublicken und in
ihm eine ihrer höchsten Zierden zu verehren.
Aus diesem Grunde nehmen denn auch wir mit Freuden Theil an dpn Grundgedanken,
welche dem Vorschläge der Dorpater Universität zu Grunde liegt. In Bezog indess auf dessen Aus-
führung sind wir abweichender Ansicht. Es gibt Denkmäler aere perennius — und dies sind die
Werke eines grossen Mannes. Au Stelle der Betheiligung an einer Bronzestatue, glauben wir Unter-
zeichnete, den Fachgenossen die Veranstaltung einer würdigen Gesammtausgabe von von
Baer’s Werken empfehlen zu sollen, deren manche, weil in russischer Sprache geschrieben, oder
in schwer zugänglich periodischen Schriften veröffentlicht, der Wissenschaft nahezu verloren sind.
Indem wir glauben, dass alles Detail späterer Vereinbarung vorzubehalten sei, erlauben wir
uns für jetzt, Sie aufzufordern, unserem Vorschläge beizutreten und diese Zustimmung möglichst bald
an einen der Unterzeichneten gelangen zu lassen.
Freiburg — Leipzig, den 5. Februar 1879.
Alexander Ecker. Wilhelm His. Rudolf Lcucknrt.
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26
Neue anthropologische MesBapparate
und Messmethoden.
Anthropologische Messungen an lebenden
Menschen.
Von I>r. Kö rb i n (Berlin) •).
Es ist die Rede davon gewesen , eine inter-
nationale Ausgleichung zwischen den verschiedenen
Messmethoden herbeizuführen ; und in der That
ist dies Bedürfnis» so dringend , wie kaum ein
anderes für die Anthropologie, deren Schwerpunkt,
wir können es uns nicht verhehlen, noch für ge-
raume Zeit in der Anthropometrie wird ruhen
mUssen. Nun bin ich am wenigsten blind für
die vielfachen Mängel unserer, ich will nicht sagen
Methode, das kann ich eben nicht, sondern Me-
thoden ; denn meine Spezialbranchc, die Messung
der Lebenden, führt mich naturgemäss auf Punkte,
welche nicht einfach durch anatomische Benenn-
ung cliarakterisirt werden können ; da ist es in
der That für Jeden, der pflichtgemäss sich hier-
mit beschäftigt, ein drückendes Gefühl, dass wir
so manche bedeutsame Punkte nicht genau de-
finiren, also auch nicht wieder finden können —
und doch ist es von eminenter Wichtigkeit, dass
man am Skelet gewisse Punkte feststellt, die man
auch arn lebenden Menschen wieder auffinden kann.
Es fragt sich also praktisch, wie kann man ana-
tomisch nicht nachweisbare Punkte so fixiren, dass
sie später von Jedem wieder gefunden werden —
und das wäre , abgesehen von Allem Anderen,
schon für die Breitenbestimmung des Schädels von
nicht geringer Bedeutung. Da hin ich nun wieder
zurück gegangen auf die axiale Punktirmethode.
Ich meine , man kann sich bei Anwendung
dieser für den Augenblick zufrieden geben, welche
Horizontal-Ebene die richtigste wäre; jeder For-
scher sage einfach , ich habe die und die ge-
nommen Gewöhnlich wird sie bestimmt durch
4 Punkte, das heisst je zwei auf jeder Seite,
z. B. unterer Augenhöhlenrand und oberer Rand
des Ohrlochs. Ich muss nun gestehen, dass für
die Exaktheit dieser Bestimmung durch 4 dazu
gegebene Punkte der Umstand ein grosses Hin-
dernis» ist, dass gerade bilaterale Asymmetrien
sich so zahlreich vorfinden. Mir ist dieses Be-
denken schon im Beginne meiner anthropologi-
schen Studien in Strassburg aufgefallen bei Be-
stimmung des Gesichtswinkels , wenn ich nicht
irre, besonders ägyptischer Schädel. Es fanden
sich deren allerdings nur 6 Exemplare, aber ihro
Weitere Ausführung eines kurzen demonstrativen
Vortrags über die gleichen Gegenstände in der IX. all-
gemeinen Versammlung in Kiel 1878. (Ofr. bericht
S. 155.)
auffallend grossen Augenhöhlen liessen mich au
der Brauchbarkeit des tiefsten Punktes vom un-
teren Augenhöhlenr&nd ganz irre werden — so
gross war der Unterschied im Herabsteigen gegen
andere Schädel. Meiner reiflich erwogenen An-
sicht nach muss die Horizontal-Ebene auf 3 Be-
stimrnungspunkte zurückgeführt werden, für die
ich vorschlage rechts und linkä die tiefst einge-
zogene Stelle des Jochbogens , am Schädel cha-
rakterisirt durch den Uebergang in die Jochbogen-
Wurzcl, jenem immer auflU lügen Umgrenzungs-
contour des Schläfen muskels an der oberen Grenze
des Warzenfortsatzes , und auch beim Lebenden
am oberen Rande des Tragus vom Ohr leicht zu
fühlen; der dritte Punkt liegt in der Median-
Ebene, es ist dor vorderste oberste Xahtpunkt
zwischen Nasenknorpel und Nasenknochen , viel-
leicht zweckmässig für den Fall des Defekts von
vornherein zu ergänzen durch den mittleren Höhen-
abstand zwischen Nasenwurzel und vorderem Nasen-
stachel. Ueber die Vorzüge meines Verfahrens
werde ich an anderer Stelle Rechenschaft abzu-
legeu haben, — hier will »ich nur die Grundzüge
der axialen Punktirmethode fixiren. Nehme man
irgend eine Horizontalebene au, so wird sie natur-
gemäss senkrecht geschnitten von der Längen-
achse des Menschen im Medianschnitt ; als dritte
lege ich senkrecht durch beide vorhergenannten
eine Transversal-Ebene, für deren Stützpunkte als
die einzig konstanten in dieser Region ich eben
die beiderseits tiefst eingezogene Stelle im Ver-
laufe des Jochbogens, kurzweg „Jocbtiefe“, Vor-
schlägen möchte. Nach dieser sehr einfachen Aus-
einandersetzung wird man mir zugeben, dass ein
Jeder, einmal sich des Besitzes von drei der-
artigen axialen Ebenen bewusst, auf die leichteste
Weise bestimmen kann, ob ein Punkt rechts oder
links liegt, und wie weit im senkrechten Abstande
von dem Sapittelsehnitt, d. i. bei Allen derselbe
Medianschnitt , ferner wie weit nach vorne und
hinten vom Transversalschnitt, wie weil nach oben
und unten von der Horizontalebene, welche letz-
teren Beiden, wie ich soeben skizzirt, man einfach
durch 3 Punkte genau lokalisiren kann. Für die
praktische Ausführung kommt es nun darauf an,
die gewünschten Punkte schnell und bequem zu
fixiren. Mein Messapparat besteht, wie Sie hier
sehen, sehr einfach aus einem schweren glattge-
schliffcnon Fuss und einer in diesen senkrecht ein-
goschrobenen dreieckigen Stahlstange, die ihrerseits
zwei, noch besser drei, mittelst geeigneter Hülsen
genau wagerecht geführte Messarme trägt. In-
dem ich die zweckentsprechend zugespitzten Vor-
derpunkte meiner Horizontalebene an den Schädel
oder den Kopf des Lebenden heranbringe , habe
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ich oan nichts weiter za thun, als abzulesen, und
zwar das Höhenniveau — über oder unter der
angenommenen Horizontalebene — an der in Milli*
meter get heilten senkrechten Stahls tan ge , indem
ich von den beiden senkrecht unter einander steh-
enden Horizontalarmen den einen auf das Niveau
der Normalebene, den anderen eben auf die Höhe
des zu bestimmenden Punktes bringe. Die beiden
anderen Dimensionen lese ich sehr bequem auf
einem jener voa Künstlern viel gebrauchten Bogen
ab, die, für 20 Pfennig überall käuflich , genau
in Millimetern quadrirt und durch eingedruckte
bunte Linien von 10:10 oder sogar auch von
5 : 5 Millimeter sehr übersichtlich eingetheilt sind.
Setze ich den Fass meines Achsensystems auf
einen solchen Bogen , so drückt mein unterster
Most arm , der grösseren Sicherheit halber unbe-
weglich gemacht , mittolst einer zweckgerechten
Stahlspitze genau senkrecht unter den zu be-
stimmenden Punkten eine seichte , aber unver-
löschliche Marke in das Papier. Ist der Schädel
beispielsweise in meine Horizontalebene gebracht,
so drücke ich mir zunächst die Lagepunkte meiner
„Jochtiefen“ und meiner „Nasenmitte“ ein; die
Verbindungslinie der erstgenannten ist meine Grund-
axe ; der Medianschnitt eines bilateral-symmetri-
schen Schädels muss genau senkrecht ihre Mitte
treffen ; bei Asymmetrie gibt die seitliche Ab-
weichung meiner Nasenmitte und eventuell nach
der Längsaxe des grossen Hinterhauptsloches ohne
Weiteres die nöthige Orientirung so genau, dass
ich den Winkelgrad der Abweichung unmittelbar
messen kann. Nun stelle ich moinen mittleren
Arm in die Höhe der drei Normpunkte, lese die
entsprechende Millimeterzahl auf dem senkrechten
Messarm ab, verschiebe das ganze Instrument so
weit, bis mein oberster Horizontalnrm genau die
grösste Schädelbreite — erst rechts, dann links —
gefunden bat, markire die Lage des Berührungs-
punktes durch einen Druck auf dio Feder des
untersten Horizontalarmes und lese gleichzeitig den
Höhenstand ab. Das ist hier noch schneller ge-
than als gesagt , und ich weiss nun auch ganz
genau, wie viel die eine Schädelhälfte stärker i
ausgewölbt ist, als die andere, und wie viel der
Punkt grösster Breite auf der einen Seite mehr
nach hinten oder oben gegenüber der anderen
Seite gefunden ist. Sie sehen , die Exaktheit
meiner Methode ist so prägnant und zugleich ihre
Einfachheit, so bestechend , dass ich wohl hoffen
darf, dafür Propaganda zu machen. Und ich muss
dies um so dringender wünschen, als die Technik
der Ausführung mir viel mehr Schwierigkeiten
gemacht hat, als ich mir anfangs vorstellen konnte.
Zwei Punkto mathematisch genau senkrecht unter
einander zu markiren, ist nicht so leicht, wie es
aussieht, für Hilfsmittel , wie sie ausserhalb der
physikalischen Kabinote zur Verfügung stehen, zu-
mal auf der Reise. Man kann die horizontale
Stellung der Unterlage für den Messbogen z. B.
durch die Wasserwaage hinreichend gorantiren,
aber das Material für diese Unterlage , also am
Bequemsten doch ein Holzbrett, bleibt nicht gleich-
mässig eben unter den wechselnden Einflüssen von
Temperatur und Feuchtigkeit. Will man dio Probe
machen, so verschiebe man zwei derartige Bretter
langsam gegen einander, und es wird in Erstaunen
setzen, wie uneben in Wahrheit die anscheinend
ganz glatten Niveaus sind. Hier sehen Sie zwei
Normalbretter, welche in den technischen Werk-
stätten der unter Leitung der Herren DuBois-
Keymond und Helmholtz stehenden Anstalt
gefertigt sind; um* dem Ideal möglichst nahe zu
kommen, ist eine ausgewählte Platte, ähnlich wie
bei der Fournierbereitung , der Fläche nach ge-
spalten und eine andere Holzart dazwischen ge-
leimt. wodurch das „Verziehen“ des Holzes an-
nähernd kompensirt wird.
Doch nun zur Aufstellung des Schädels.
Um ihn zu fixiren, haben wir bisher eigent-
lich nur die Vorrichtung für den Lu cae’ sehen
Apparat, sie ist aber mehr mühsam als befrie-
digend , wenn man nicht lediglich im Groben
arbeiten will. Für meine Methode würde mir
einfach der Platz für die Anfstellung fehlen.
Demgemäss habe ich mir eine eigentümliche
Vorrichtung combinirt , welche ich Dach müh-
samen Vorversuchen glaube nunmehr hinreichend
correct Ihrem Urtheil unterbreiten zu können.
In derselben einfachen Weise wie ein Näh- •
kissen an dem Nähtisch wird mein Apparat neben
der Messplatte mit ihrem Messständer an einen
Tischrand angeschroben. Er gleitet an einer
senkrechten Stange zu beliebiger Höhe auf und
ab und lässt sich an jedem gewünschten Punkte
des Umkreises mittelst einer Schraube feststellen,
so dass er den Schädel von der Seite her be-
quem zugänglich macht. Dieser dreht sich nun
I mittelst einer einfachen Technik in zwei senk-
recht zu einander stehenden Kreisbogen so, dass
ich jode Aendenmg einer anfangs beliebten Nor-
malstellung nach Winkelgraden ahlesen kann.
Um die ganze Oberfläche des Schädels frei zu-
gängig zu lassen , ist dieselbe für gewöhnlich
nur, so zu sagen, von innen her befestigt, indem
zwei Schraubenflügel zusammen gelegt in das
Hinterhauptsloch eingeführt werden, dann aus-
einandergehend mit ihrer gezähnelten Unterfläche
über dem Kamme des Felsenbeins sich fest hacken
und von aussen mittelst einer Schraubenmutter
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unbeweglich eingeklammert werden , indem ein
Dreizack die nöthige Widerlage an der Schädel-
basis aufsucht. Wo letztere nicht hinreichend
fest ist, wird eine Hilfssttitze jederseits in das
Ohrloch geschraubt, wo man bekanntlich auch
hei sonst brüchigen Exemplaren stets genügende
Konsistenz findet. Auf diese Weise kann ich mir
die Horizontalebene jedes Forschers bequem ein-
stellen und ablesen, und wie viel Winkelgrode f
sie von der eines Anderen abweicht.
Für brüchige Gräberschädel mit grossen De-
fekten ist die Lu cae' sehe Vorrichtung gar nicht
zu brauchen. Wo an meinem Apparat auch die
Schrauben in das Ohrloch nicht eingefllhrt wer-
den dürfen, weil der Schädel in sich zusammen-
gedrückt werden könnte, da helfe ich mir auf
folgende Weise, die mir auch unter so ersehwe- i
renden Umständen das Festhalten an der einmal
gewählten Normalhorizont aleu gestattet. Ich
habe mir Nadeln konstruiren lassen aus Stahl
in der Art, dass die Spitze unten ganz hart ist,
also sich nicht biegt, die Mitte dagegen bequem
in jeder gewünschten Weise gebogen werden
kann. Diese Nadeln sind von dem Techniker des
Herrn Helmholtz sehr gut hergestellt. Ihre
Spitze trägt ein Tellerchen zur Aufnahme* einer
eigens kombinirten Mischung von Klebwachs,
aus dem das ganz feine oberste Ende der Nadel
nach oben hervorsieht. Auf diesen Nadeln natür-
lich in ein Sortiment verschiedener Grössen ge-
bracht, ruht der zerbrechlichste Schädel ganz un-
gefährdet, und man hat durch die Verbindung
von Klebwachs und Stahlspitze den doppelten
Vortheil, brüchige Stellen nicht nur nicht zu
verletzen, sondern sogar noch haltbarer zu machen,
während andererseits die Feststellung so sicher
gemacht wird , wie nur möglich. Selbstredend
werden die Nadeln mit ihren unteren Spitzen
auf einer Platte am besten von weichem —
Linden — Holze befestigt, da sie sonst bei ihrer
vermehrten Sprödigkeit leicht abbrt*chen.
Soweit über Schädelmessung
Einer meiner Lieblingspläne ist die M aasen -
messung Lebender. Im Einklang mit Herrn
V i r c h o w ’ s , meines hochverehrten Protektors
eigenen Wünschen konnte ich Dank seiner Em-
pfehlungen das vorliegende Material für Rekru-
tirungsstatretik auf dein Königlich Preussischen
Statistischen Amte, sowie später auf dem Reichs-
gesundheitsamte einseben und begegnete der theil-
nehmendsten Förderung Seitens des Herrn Ge-
heim-Rath Engel und Finkelnburg. Die
verschiedenen Versuche die Originalquelle, die so-
genannte .alphabetische Liste“1, uns zunächst für
die statistische Verwerthung zugängig zu machen, .
sind bisher gescheitert an dem Bedenken des
Kriegsministeriums. Principiis obsta, hiess es
auch hier, man fürchtet, anthropologische An-
forderungen an die Bezirks-Commando’s gelegent-
lich der Aushebungen würden zu viel Zeit in
Anspruch nehmen und vor allen Dingen — für
spezifisch militärische Zweck unnütz Geld kosten.
Es handelt sich nun für uns darum diese Be-
denken dadurch einzuschrUnkon , dass mittelst
eines geeigneten Apparates und auf eine auch
für geschulte Unteroffiziere leicht verständliche
Weise die erwünschte Messung ganzer Massen
von Menschen schnell und bequem ausführbar
gemacht werde. Das wird noch viel Versuche
erfordern. Ich verfiel nun darauf, die Methode
meiner Schädelmessung in der Weise anwendbar
zu machen, dass ich einen viereckigen Holzrahmen
konstruirte, gross genug, um einen erwachsenen
Manu in ihn hineinzustellen. Vier Stative mit
gezähnelten Leisten — nach dem System unserer
Wäschespinde — gestatten, ilm in beliebiger Höhe
wagerecht zu befestigen. Auf diesem Rahmen
rutscht ein sogenannter „Führungsklotz“ entlang,
der selbstverständlich genau rechtwinklig gear-
beitet sich an Fläche und Rand des Rahmens
eng anschmiegen muss. Dieser Klotz ist vier-
kantig durchbohrt, einmal wagerecht und zum
Andern senkrecht. In wagerechter Richtung
schiebe ich einen geeigneten Messstock bis an
den gewünschten Punkt des nackten Körpers,
z. B, für die Schulterbreite jederseits, und lese
d**n Abstand vom inneren Rande des Rahmens
ab. Dieser ist natürlich aach ringsum mit einer
Skala versehen. Es ist ohne andere Schwierigkeit,
als vier ganz gleich gearbeitete Führungsklötze
herzustellen , auf diese Weise thunlicb die bila-
terale Symmetrie des Rumpfes ebenfalls zu un-
tersuchen , indem ich den gleichen Niveaupunkt
an der Wirbelsäule resp. dem Brustbein von
vorn und hinten her mit einem horizontalen
Messstocke berühre und die Distanz der seitlichen
Punkte von der so markirteu Körjieracbse ab-
lese; dass gleichzeitig auch jede Tiefendimeusion
des Körpers (von vorn nach hinten gerechnet)
nbgelesen werden kann, braucht nur erwähnt zu
werden. Ich zeige Ihnen hier zunächst als Mo-
dell Einen derartigen FObrungsklotz, Er trägt,
genau entsprechend dem schon erklärten Horizon-
talarm einen zweiten senkrechten Arm, eben so
leicht und doch sicher nach unten und oben ver-
schiebbar, Ein kleinerer Führungsklotz, nur un-
bedeutend modificirt, gleitet bequem auf ihm und
trügt »einerseits ebenfalls einen Horizontalarm,
den ich genau wie den unteren verschieben oder
zurückziehen kann. Hiernach kann ich den ge-
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nau senkrechten Abstand zweier Körperschnitte,
die ich mir mittelst meines Kähmens in beliebiger
Höhe genau wagerecht herstelle , ebenso korrekt
messen wie am Sk eiet Schädel. Ohne Rücksicht i
auf die geforderten nicht unbeträchtlichen Geld-
opfer bemühte ich mich ein direkt anwendbares
Modell noch für diesen V er*ammlungt-z weck zu I
beschaffen. Um der nöthigen technischen Bei- 1
hilfe sicher sein zu können, wandte ich mich an
die grosse Anstalt des verstorbenen Herrn Borsig ; j
bei aller interessirten Theilnahrae für diese Auf-
gabe leimten die derzeigen Leiter die Ausführung !
ab, bis ich eine im Einzelnen dctaillirte Zeichnung
brächte, weil sie für die gestellte kurze Frist
sonst nicht eine zweckentsprechende Ausführung
garantiren könnten. So sehr mich dieses Be-
denken Anfangs verwunderte , musste ich seine
Begründung bald einsehen. Denn da Seitens der
Bor sig’ sehen Anstalt wegen der Pariser Welt-
ausstellung und einer gleichzeitigen auswärtigen
Unternehmung kein jüngerer Arehitokt für die
Zeichnungen verfügbar war, wurde ich an den
Direktor der Gewerbeakademie, Herrn Kculaax
empfohlen, welcher mir einen verheißungsvollen
schon erfahrenen Schüler zuwies. Dieser bedang
sich aus, seinen eigenen Ideen folgen zu dürfen,
liess mich vorher gar nichts schon, und hat mir
nun ein Monstrum horgeschiekt, was ich drausson
aufgestellt habe. Ich rufe die Theilnahmo der
Gesellschaft an und erwähne die Gründe meines
Misslingens , damit die Herren vorn Vorstande
sich dieser so wichtigen Aufgabe behufs deren
zweckdienlichen Durchführung annehmen. Es
scheint mir dies um so dringlicher, als auch diu
französische Methode der Plancho gradueo und
double equerre wie ich mich bei Bearbeitung
der kraniometrischen Resultate von Herrn J a-
g 0 r ’ s indischer Reise überzeugen musste, kaum
für die gröbsten Verhältnisse der Höhenabstände
zuverlässig genannt werden kann.
Bericht über nordische anthropologi-
sche Literatur.
Von Jugvald Undset.
Fortidsminder og Oldsagcr fra Egnen om Broliolm
af F. Sehested de Broholm. Med 3 Kort, 1 Grnnd-
plan, 46 h'übbertavler og 7 Tontryk. Avec hm de-
scriptioq abregee cn fran^ais. Kjöbenbavn 1878. 4.
Bei C. A. Keitzel; Leipzig bei F. A. Brockbaus,
Sortiment.
Es ist ein Pracht werk ersten Ranges, das der
Stammgutbesitzer Kammerherr F. de Sehested,
zu Broholm, unter obenstehendem Titel der Wis-
senschaft seines Vaterlandes geschenkt hat. In
dom klar abgefassten Texte hat er ein reiches
Material beschrieben, durch scharfe Beobachtungen
von allen Seiten beleuchtet und in prachtvollen
Abbildungen dargestellt: das Werk bietet eine
Fülle von Kupfertafeln , Lithographien , Karten
und Grundplänen , — alles von den ersten ar-
chäologischen Künstlern Dänemarks nusgeführt.
Das ganze in diesem Werke medergelegte Ma-
terial stammt aus den Gütern des Verfassers und
den nächst angrenzenden Landcsstreeken, — aus
einem Gebiete von etwa einer Quadratmeile, mit
Broholm als Mittelpunkt. Das Schloss Broholm
liegt im südöstlichen Fünen , eine halbe Stunde
von Store -Belt, in einer schönen und reichen
Natur ; dass diese Gegend auch in den vorge-
schichtlichen Zeiten reich bewohnt war, beweisen
; uns die zahlreichen hier entdeckten Altertbümer.
I Seit einigen Jahren hat der Verfasser Untersuch-
ungen and Ausgrabungen unternommen ; tausende
von Steingerätheu sind eingesammelt, Steingräber,
Grabhügel, Unienfelder, prähistorische Wohnsitze
und Ueberreste anderer Arten sind untersucht
worden; von diesen Sachen hat er ein Museum ge-
bildet, das schon viel mehr als 10,000 Nummern
zählt. Dies alles hat er nun im vorliegenden
Buche der Wissenschaft zugänglich gemacht.
In der Vorrede äussert der Verfasser, dass
er, der die prähistorische Archäologie nicht als
Studium betrieben hat, als Fachmann nicht Auf-
treten will; er wird sich darauf beschränken, das
Material darzulegen und zu beschreiben. In einer
Wissenschaft wie die unsrige, wo wir so oftmals
sehen, dass unwissende oder halbstudirte Leute
mit neuen Erklärungen und wilden Hypothesen
ohne Scheu Auftreten, muss eine solche wahr-
haft wissenschaftliche Bescheidenheit doppelt
hochgeschätzt werden. Dilettanten können der
prähistorischen Wissenschaft die grössten Dienste
deckung und Ansammlung des Materials alle ge-
bildeten Menschen , ja jeden Bauer , der in der
Erde gräbt, als Mitarbeiter. Aber nicht Jeder,
der einige Urnen aus der Erde gehoben hat, ist
dadurch Archäolog geworden und darf als dor
vollgerüstete Fachmann auflreten : Der Dilettan-
tismus kann oftmals , weun er als die wahre
Wissenschaft zu gelten beansprucht , der ärgste
Feind der Wissenschaft werden. — Beseelt von
dem wärmsten wissenschaftlichen Interesse ist
unser Verfasser so sorgsam gewesen, damit bei
den Untersuchungen keine Beobachtung unter-
lassen, kein Detail der Wissenschaft entzogen wer-
den sollte, dass fast alle Ausgrabungen von einem
I Fachmann, Dr. Henry Petersen vom Museum
in Kopenhagen, geleitet worden sind. Noch weiter:
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damit die Grabhügel, die Urnenfelder u. s. w. der
Wissenschaft möglichst ergiebig werden sollen,
hat der Vorfasser nicht alles auf einmal aus-
beuten lassen : nachdem eine bedeutende Menge
ausgegraben ist, wird noch der grösste Theil ge-
spart; die Wissenschaft kann nun, meint der
Verfasser, erst das bereits ausgegrabene und mit
grösster Sorgfalt veröffentlichte Material sich zu
Nutze machen; dann könnon nach und nach weitere
Ausgrabungen mit geschürftem Auge und reicheren
Resultaten unternommen werden. Wie selten wird
man nicht solch eine fast ängstliche Wahrnehmung
der Interessen der Wissenschaft nicht nur bei
Dilettanten aber auch selbst bei Fachmännern
finden !
Das Werk gibt nun nicht allein die genau-
esten Fundberichte und die sorgfältigsten Be-
schreibungen der gefundenen Alterthümer nach
den gewöhnlich aufgestellten Formen und Typen;
der Verfasser ist ein praktischer Mann und sieht
die alten Geräthe an mit dem praktischen Sinne,
der die Spuren des Gebrauches, die sie an sich
tragen, genau studirt, der durch technische Ver-
suche über ihre Bestimmung und Zweckmässigkeit
Erleuchtung sucht. An den Steinsachen findet er
Spuren des Abnutzens durch den Stiel, sieht er,
wie die abgenützte Schneide durch neue Be-
hauung oder Schleifen erneuert ist; um den
vollen Eindruck dos Gerüthes zu erhalten, denkt
er sich es immer in dem Stande, in welchem es
im Gebrauch war, — mit dem Schaft versehen.
Der Verfasser hat auch nach der Publikation des
vorliegenden Werkes technische Versuche mit den
Steingoräthen fortdauernd betrieben ; er hat seine
Tischler und Zimmorleuto mit Feuerstein -Werk-
zeugen ausrüsten lassen; Büume sind gefällt, die
SUlmme gespalten und zukleinerenHolzgegenst&ndon
verarbeitet u. s. w. Die Feuerstein-Geräthe sind da- ,
bei über Erwarten brauchbar befunden werden; so
wurde z. B. mit einer geschliffenen Feuersteinaxt ein
Holzstamm von 8 Zoll Durchmesser in 13 Minuten
umgehauen, ohne dass die Schneide des Gerüthes
dabei das Geringste gelitten hätte Der Verfasser
setzt noch diese interessanten Versuche fort und
bereitet darüber eino besondere Publication vor.
In der Gegend von Warde im westlichen Jüt-
land leben noch die letzten Spuren einer uralten
keramischen Industrie, deron Producte, die schwarz-
gefärbten „Jydepotter“ (jütlttndiscbe Töpfe) bis
vor Kurzem über ganz Dänemark und auch in
Norddeutschland verbreitet wurden. Bei der Un-
tersuchung einiger prähistorischer Ueberrcsto in
der Gegend von Broholm — mit Kohlen, Asche
und verbrannten Steinen gefüllte Vertiefungen in
der Erde — wurde der Verfasser erinnert an
gleichartige Brandgruben, ül>er welche diese jüt-
ländlschen ThongefUsse getrocknet oder gebranct
werden. Er ging darum nach Jütland, um diese
Industrie an Ort und Stelle zu studiren ; die
Aehnlichkeit dieser modernen Gefässe mit den
Urnen aus dem Eisenalter war ihm eine weitere
Aufforderung. In seinem Werke hat er nun einen
sehr interessanten Bericht über diese Fabrikation
gegeben, deren primitive Technik von ihrem hohen
Alter Zeugnis# ablegt. Die Gefässe werden aus
freier Hand gemacht, auf ein Gerüst über kleine
Gruben , worin Torffeuerung , getrocknet und
endlich auf offenem Felde in kleinen Haufen zu-
sammengestellt, mit Heidetorf bedeckt und durch
dessen Anzündung gebrannt. Bei dieser Art des
Brennens, wo flammendes Feuer vermieden wird,
werden die Gefässe geschwärzt; wenn sie vorher
mit dem „Glasurstoin“ geglättet sind , erhalten
sie eine glänzende schwarze Oberfläche. Der Ver-
fasser findet es wahrscheinlich, dass die schwarze
und wie glasirte Oberfläche der Urnen aus dem
Eisenalter wenigstens zum Theil eben auf diese
Weise hergestellt ist.
Auch andere bisher im Norden unbekannte
Arten prähistorischer Uoberreste hat der Verfasser
entdeckt und beschrieben; so z. B. Wohnsitze mit
grossen Anhäufungen von KüchenabfÜllon, wahr-
scheinlich aus dem Eisenalter, gepflasterte Brand-
stellen u. in. Bemerkenswerth ist das Auffinden
von Brandstellen , wo Roheisen — Eisennieren
und wahrscheinlich um Pflanzenwurzeln gebildete
Eisenröhrchen — in bedeutender Menge gesammelt
wurden; femero Untersuchungen werden hoffentlich
Aufschlüsse geben, ob, wie es scheint, die Spuren
prähistorischer Eisenschmelzerei hier wirklich ge-
funden worden.
Keine Gruppe unter den Funden von Broholm
; ist vielleicht so merkwürdig, wie die der Gold-
funde. In dieser Gegend sind im letzten Jahr-
hundert 26 oder 28 Goldfunde entdeckt, Schmuck-
sachcn, Bracteaten und römische Solidi enthaltend;
der grösste Fund, von 1833» bestand aus 52 Stücken
von einem Gesamratge wicht von mehr als 4 Kilogr.
Diese Anhäufung von Goldschätzen, aus dem 5.
bis 7- Jahrhundert n. Chr. stammend, beweist,
wie ungemein reich die Bewohner dieses Landes-
theils in jener Zeit gewesen sind. Klar und
beweisend wird hier auch der wahre Zusammen-
hang mit dem sogenannten „Goldhängschmuck
aus Schonen“ auseinandergesetzt. Dieser berühmte
Hängschmuck, im Museum in Kopenhagen be-
findlich, der aus einer reich ornaraentirten Gold-
platte , Goldperlen und 7 mit Oehr versehenen
byzantinischen Goldmünzen besteht, wurde dem
Museum verkauft als in Schonen gefunden ; er
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ist abgebildet bei Worsaae, Nordiske Oldsager, 1
Nr. 397, und bei Montelias, Antiquitöes Sue- j
doiseö , Nr. 455. Durch die örtliche Tradition I
und durch Supplementfunde ist es nun dargethan,
dass der Fund in der Gegend von Broholm ge-
macht ist, dass die Goldplatte das oberste Bruch-
stück einer überaus prachtvollen Fibula ist, deren
Unterplatten von Bronze im Museum in Kopen-
hagen auch verwahrt waren, ohne dass man bis-
her die Zusammengehörigkeit dieser Stücke be-
merkt hatte. Der Jude, der Goldsachen bei den j
Bauern gekauft und nach Kopenhagen gebracht ;
hatte, gab eine ausländische Fundstelle an, um j
den Antheil, den an allen in der Erde gefundenen ;
Schätzen ein Gesetz der Krone zugesagt hat, nicht ,
zu verlieren.
Dies stattliche Werk ist ein rodendes Zeugniss
von dem warmen Interesse, womit in Dänemark
die Wissenschaft auch von dem Landesadel um-
fasst wird : es liegt vor uns zunächst als eine wis-
senschaftliche und patriotische Tliat des Ver-
fasser, zugleich als eine Ehro seiner Nation und
als eine Zierde seines Standes. Möchten nun auch
andere Edelleute und Gutsbesitzer , sowohl im
Norden wie anderswo, dem schonen Beispiel des
Herrn Kammerherrn de Sehested folgen, die
prähistorischen Ueberreste auf ihren Besitzungen
zu untersuchen und zu verwahren und das Material
mit so glänzender Treue und Liberalität der Wis-
senschaft zur Benützung darzulegen!
Christiania, Februar 1Ö79.
Ringwälle bei Rothenburg ob der
Tauber.*)
I. Der Stadt Rothenburg gegenüber, nur
durch das Tauberthal getrennt, ist die sogenannte
Engelsburg, ein schmaler, über 200' hoher Berg-
vorsprung, welcher auf zwei Seiten durch eine
nahehiu rechtwinkelige Windung dieses Thaies
und auf der dritten Seite durch das unter-
halb einmündende, wildromantische Vorbachthal
gebildet wird. Nach rückwärts ist auf der
Höhe des Vorsprunges ein gegen 20' hoher
Steinwall in Form eines Bogens von Thalrand
zu Thalrand aufgeworfen , dessen Sehne 1 50
Schritte misst und dessen Oeffnung genau nach
Osten gerichtet ist. Durch den Wall wird
ein sturmfreies Plateau von ungefähr 8 Morgen
abgegrenzt. Ohne Zweifel wurde derselbe in
urvordenklichen Zeiten zu Zwecken des Schutzes
•) Aua dem „ Korrespondent von und für Deutsch-
land“, Nürnberg, Nr. 239, Abendblatt 10. Mai 1876.
und der Vertheidigung aufgeworfen, wozu ausser
Erde vorzugsweise Brocken des an Ort und
Stelle vorhandenen Muschelkalk - Dolomit’s ge-
nommen wurden. Dass zu Zeiten starke Feuer
auf dem Walle loderten, beweisen die vielen,
theils an dor Oberfläche herumliegenden, theils
unter dem Rasen verborgenen , roth gebrann-
ten Kalksteine; ja stellenweise ist der gar ge-
brannte Kalk durch Regon- oder Schneewasser
gelöscht und zu Kalkbrei geworden, welcher jetzt
in Gestalt formloser Mörtelbrocken unter dem
Rasen liegt. Längst fiel es auf, dass unter den
umherliegenden Kalksteinen auch viele Sandstein-
brocken sich befinden, welche zumeist ebenfalls
roth gebrannt sind. Nun bricht aber der von
I Natur graugelbe Letten kohlen-Sandstein, welchem
diese Trümmer angehören , nicht in der Nähe
, des Walles , sondern es mussten die Sandsteine
1 aas mindestens halbstündiger Entfernung herbei-
: geschafft worden sein. Noch auffallender aber
, ist es, dass unter diesen heimischen Gesteinen
auch Trümmer von Gebirgsarten Vorkommen,
1 welche, der Rothenburger Gegend ganz fremd,
aus weiter Ferne hergebracht worden sein mussten.
Schon vor langen Jahren wurden nämlich unter
den Kalk- und Sandsteintrümmern des Walles einige
wenige Stücke von Granit und Gneiss gefunden,
eines der letzteren sogar in konischer Form —
offonbar mittelst eines Steinwerkzeugos — durch-
bohrt. Die Funde erregten damals einiges Auf-
sehen, konnten aber nicht onträthselt werden,
und die Sache kam in Vergessenheit. Erst in
neuester Zeit wurden von den unten Genannten
gründlichere Untersuchungen des Walles ange-
stellt, welche durch reiche Funde belohnt worden
sind. Es kam hiebei der Umstand wesentlich
zu Statten, dass der Wall Behufs einer beab-
sichtigten Waldkultur mit vielen Saatriefen
durchfurcht wurde, so dass noch zahlreiche in-
teressante Steine an die Oberfläche kamen, die
früher unter Rasch und Moos verborgen lagen.
Es wurde namentlich eine grössere Anzahl von
Trümmern fromder Gebirgsarten gefunden, wel-
i che je eine eben geschliffene Reibflächo zeigen,
so dass mit Ausschluss jeder Täuschung klar
wurdo , dass die fremden Steine , ganz ent-
sprechend den an der Hoidenmauer bei Dürk-
heim gefundenen, zuin Zerreiben, d. h. Mahlen
von Getreide aus freier Hand benützt wurden,
wie Dieses bekanntlich bei den alten Germanen
Gebrauch war und bei manchen rohen Völker-
schaften noch Gebrauch ist. Es können selbst
bei oberflächlicher Betrachtung sehr leicht die
sogenannten Bodensteine von den mit den Händen
zu bewegenden Läufern unterschieden werden,
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da erstere plnttcnförmig zugerichtet sind, während
letztere an den oberen Kanten eine handliche Zu-
rundung zeigen. Besonders überraschend ist die
grosse Manchfaltigkeit dieser Steine, von denen
bis jetzt schon gegen 25 Arten und Varietäten
gefunden wurden, nämlich an Korn, Farbe und
Mischung verschiedene Gneisse und Granite, Dio-
rit Kieselschiefer, poröse Basalt-Lava, Qnarzkon-
glomerate, verschiedene, noch nicht näher be-
stimmte Silikatgesteine und verhältnissmässig
viele Trümmer von buntem Sandstein; lauter
harte Steine mit reichem Gehalt an Quarz und
Feldspath. Die erwähnten Steine sind alle zer-
schlagen, doch wurden Trümmer bis zu 20 Pfd.
Schwere und Reibflächen bis zur Grösse eines
Quadrat fusses gefunden. Die Basalt-Lava dürfte
den Brüchen von Andernach entstammen, welche
bekanntlich auch von den Römern benützt worden
sind, die bunten Sandsteine mögen vom unteren
Tauber- oder Mainthal herbeigeschafft worden
sein, die Heimath aller übrigen Fremdlinge ist
zur Zeit noch nicht näher festgestellt, doch ist
es nicht unwahrscheinlich, dass sie den Gebirgen
Westdeutschlands entnommen sind. Die interes-
santen Steine wurden von den beiden Entdeckern
tbunlichst gesammelt und Hegen Alterthums-
freunden zur Ansicht bereit. Nach Lösung des
Rüths eis, welches die fremden Steine darboten,
Ist es mehr als warscheinlicb, dass die durch und
durch rothgebrannteu heimischen Sandsteine, welche
meistens roh in Platten form, Backsteinen ähnlich
zugerichtet, umherliegen, als Herdsteine verwen-
det und stark erhitzt wurden, um darauf Brod
zu backen oder Fleisch zu braten. Es liegt die
Vermuthung nabe, dass der Wall einstmals von
einer feindlichen Schaar erstürmt wurde, dass
die Angegriffenen niedergemacht wurden oder
flohen und dass der siegreiche Feind die, wenn
auch an sich werth vollen, doch schwer zu trans-
portirenden Wirthschaftsutensilien , welche er
vorfand, zertrümmerte und umherstreute. Wahr-
scheinlich war der Wall damals noch mit einem
starken Verhaue versehen, welcher von einer der
streitenden Parteien angeztludet wurde und nieder-
braunte, denn nur durch einen solchen Vorgang
lässt sich die Unzahl rothgebrannter Steine auf
dem ganzen Walle erklären. Die fremden Steine
scheinen nicht mit metallenen Instrumenten,
sondern mittelst anderer harter Steine bearbeitet
worden zu sein, wie sich denn überhaupt auf
dem Walle noch keine Spur von Bronze oder
Eisen vorfand. Ausser den geschilderten fremden
Steinen wurden noch mehrere Scherben von ir-
denem, unglosirten Geschirr gefunden. Der Thon,
welcher liiezu verwandt wurde, ist im gebrannten
Zustande tief sebwarzgrau und stammt keinen
Falles aus der Rothenburger Gegend. Von mehr-
eren dieser Scherben lässt sich mit Sicherheit
annobmen, dass die treffendem Gefässe aus freier
Hnnd geformt waren. Nach Allem gehört der
beschriebene Wall mit zu den interessantesten
Ueberresten einer längst vergangenen, wahrschein-
lich der sogenannten Stein-Zeit.
Dr. Ptirkhauer. A. Merz, Subrektor.
II. Ein zweiter noch grösserer Ring-
wall liegt auf derselben Taulwraeito zwei Stunden
weiter abwärts. Der Raum, den der nahezu
12 Minuten lange Ringwall einschliesst, beträgt
etwa das 10— 12 fache des Rothenburger Plateaus.
Mehrere Bauernhöfe — Tauberburgstall genannt
— liegen auf demselben und nimmt theils
Ackerland, theils Wald die übrige Fläche ein.
Nachgegraben wurde hier noch nicht, doch soll
eine Stelle im Walde mit den Namen die „Kirche“
bezeichnet sein. Ausser dem gegen 20' hohen
Hauptwall erstreckt sich aber in mäßiger Ent-
fernung noch ein zweiter, niedrigerer ; zwischen
beiden liegt nur Feld. Im Munde der Leute
heisst der Platz das lluDnenlager.
Dr. Schiller, Oberstabsarzt.
Heilige Steine.
1. Aus Südbayern.
Den 111- Februar 1879. Hon* Landrath Fr.
Mittermaier aus Inzkofen bei Moosburg, einem
der reichsten Fundorte prähistorischer geschliffener
St ein Waffen in Südbayern, erzählt, dass ein aussen
an der Kirche zu Frauenberg bei Landshut lehn-
ender Stein eine grosse Verehrung von Seite des
dortigen Landvolkes erfährt. Er lehnt am Portal
und der Eintretende berührt denselben. Es be-
steht die Sage, der heilige Erhard, der bekannte
Viehpatron dieser Gegend, sei auf diesem Stein von
Altheim nach Frauenberg über die Isar gefahren,
als dort eine Viehseuche geherrscht, welche auf
Fürbitte des Heiligen aufgehört habe. Der Stein
ist viereckig, „eine Elle lang und breit und einen
Schub dick“. Er hat in der Mitte ein Loch wie
ein Mühlstein, aber keine Schale.
Druck der Akademischen Buchdruckerei F. St rn uh in München. — Schi uns der Bednklinn am ln. M>ir: JS79.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Rcdigirt von Professor Pr. Johanne« Ranke in München,
(Imeraistcretnr der Quetüchafl.
Nr. 5.
Erscheint jeden Monat.
Mai 1871».
Einladung zur X. allgemeinen Versammlung
der
Deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Strassburg.
Die deutsche anthropologische Gesellschaft hat Strassburg als Ort der diesjährigen allge-
meinen Versammlung erwählt und Hm. Professor Gerl and um Ueberaahmo der lokalen Geschäfts-
führung ersucht.
Die Unterzeichneten erlauben sich im Namen des Vorstandes der deutschen anthropologischen
Gesellschaft die deutschen Anthropologen und aUe Freunde anthropologischer Forschung zu der am
11., 12. und 13. August d. Js. in Strassburg
im Saale des Stadthauses (Mairie)
Btattfindenden allgemeinen Versammlung ergebenst einzuladen.
Die Tagesordnung der Versammlung wird in der nächsten Nummer des Korrespondenzblattes
mitgetheilt werden.
Prof. Georg Gerl&nd, Prof. Johannes Ranke,
Geechäftsföhrer für Strassburg, Generalsekretär.
Steinstras8e 57. München, Briennerstrasse 25.
„Künstliche Höhlen“ in Nieder-
Oesterreich.
Von Dr. M Much.
(Mit 4 Abbildungen.)
[Einleitende Bemerkungen der Re-
daction. Herr Dr. M. Much hat zur Auf-
klärung über die Frage der Verbreitung der
„künstlichen Höhlen“ (cf. Bericht der
IX. Allgemeinen Versammlung in Kiel S. 93
und Beiträge zur Anthropologie und Urge-
schichte Bayerns Bd. II. 8. 146 ff.) wichtige
Untersuchungen beigobracht. Schon in seiner in-
teressanten Abhandlung : über prähistorische Bau-
art und Ornamontirung der menschlichen Wohn-
ungen (Mittheil. d. Wioner anthrop. G. Bd. VII.
8. 318 ff.) hatte dieser vortreffliche Forscher er-
wähnt, dass noch heute in Niederösterreich künst-
liche Höhlenwohnungen existiren und hiebei auf
die sogenannten Erd Ställe hingedeutet. Diese
Erdställe, meist von Kellern aus durch engen Ein-
gang zugängige grössere viereckige Kammern, sind
von den bayerischen „künstlichen Höhlen“ wesent-
lich verschieden , stimmen aber wahrscheinlich
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mit den namentlich in der bayerischen Ober-
pfalz als „Hinterkeller0 (Gümbel) bezeicb-
neten Schlupfwinkeln für Feindesgefahr überein.
In einer neuen Abhandlung : Künstliche
Hü lilen in Niederösterreich (Mittheil-
ungen der Wiener anthr. G. Bd. IX, No 1 — 3)
weist nun aber Herr Much im Anschluss an die
bayerischen Untersuchungen nach, daßs sich unter
den künstlichen Höhlen in Niederösterreich unter-
irdische Bauwerke finden , welche wie die
bayerischen einst vorwiegend Grabstatten ge-
wesen zu sein scheinen. In zwei Fallen wird
diese Annahme wie es scheint durch die Funde [
zur Gewissheit erhoben namentlich für jene „back- ]
ofenförmigen“ Hohlräumo, welche auch die bayer-
ischen Berichte erwähnen. Das ist übrigens ge-
wiss, dass, wie Herr Much bemerkt, „künst-
liche Höhlen“ zu sehr verschiedenen Zwecken
angelegt wurden in alter wie neuer Zeit und
dass wir jene bayerischen Erdlabyrinthe
nicht zusammenwerfen dürfen mit den überall vor-
kommenden unterirdischen Gängen alter Schlösser,
Klöster und Kirchen oder mit alten Brunnen-
schächten etc. — In den letzten Tagen lief bei der
Redaction ein neuer Bericht von Herrn Dr. Much
über diesen Gegenstand ein]:
„Ich habe mir erlaubt, Ihnen eine kleine
Notiz über das Vorkommen künstlicher Höhlen
in NiederÖBterreicb (cf. oben) zuzusenden. Mit
der Veröffentlichung derselben konnte ich aller-
dings keine weiteren Aufschlüsse über das Wesen
dieser merkwürdigen Erscheinung geben ; indess
genügt ja vorläufig der Nachweis der Thatsache,
dass auch in Niederösterreich derartige künstliche
Höhlen Vorkommen. Man könnte freilich ein-
wenden , dass die nieder-österreichischen Höhlen
von den bayerischen abweichen und mit ihnen
Fiff I
nicht verglichen werden können. Schon die Form
der Wölbung ist eine verschiedene; bier der Rund-
bogen, in Bayern der Spitzbogen. Ich habe je-
doch schon in meiner Notiz angedeutet, dass dio
verschiedene Form der Wölbung durch das Mittel
bedingt sein möchte, in dem die Höhlungen an-
gelegt sind. Der Löss gestattete den Rundbogen
und erleichtert« dadurch die Arbeit; die feste
Sandmasse aber verlangte vielleicht der Sicherheit
wegen den Spitzbogen.
In der zweiten Hälfte des Monats März war
ich nun so glücklich, auch in feste Sandmasse
gegrabene Höhlen aufzufinden , und diese sind
genau so spitzbogig wie die bayerischen. Natür-
lich war meine Freude darüber gross. Diese zu-
letzt aufgefundenen Höhlen dürften überhaupt zu
den interessantesten ihrer Art gehören. Sie befinden
sich in Ober-Stinkenbrunn — erschrecken
Sie nicht über den Namen , so stinkend das
Wasser des Orte« zum Theile sein mag, so duftig
ist das Nass seiner Reben — nördlich von Wien,
unweit Hollabrunn, und bestehen aus einer langen
Reihe von Kammern , die durch einen niedrigen
Gang, perlschnurartig verbunden sind. Die Kam-
mern sind etwa 3 Meter lang, 2 Meter breit und
so hoch , dass ein Mann darin aufrecht stehen
kann ; die sie verbindenden Gänge sind aber nur
etwa f»0 Ctm. hoch, so dass man sie zum Theile
nur auf dem Bauche kriechend passiren kann —
allerdings keine sehr behagliche Lokomotion, wenn
man zuvor wahrgenommeu hat , dass einzelne
Kammern, darunter eine erst im vorigen Jahre,
verstürzt sind. Diese Gänge (lucus a non lu-
cendo) sind 2 bis 3 Meter lang. Ein Längs-
durchschnitt der Höhlen würde darnach beiläufig
wie Fig. I. aussehen:
Bei a zweigt sich der Gang zu einer seitwärts, also nicht in der Reihe gelegenen Höhle ab. Der
Querdurchschnitt einer Kammer (bei a) zeigt sich in nachstehender Art Fig. II. :
a — b abzweigender Gang; c seitwärts gelegene Kammer;
d in der Reihe gelegene Kammer; e Hauptgang, der alle
Kammern in der Reihe verbindet.
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Der Grundriss der Kammern in kleineremMassstabe ist nachstehender Fig. III.:
a — b ist der vorstehend erwähnte abzweigende Gang ; d die vorstehend im Querschnitt ge-
zeichnete Reihenkammer ; c die seitwärts gelegene Kammer; h bezeichnet eine starke Krümmung
des Ganges nach seitwärts und abwärts, der Gestaltung der Bodenoberfläche entsprechend.
Bei f und g setzen sich die Kammern noch
fort, und es können von f weg der Bodengestalt-
ung nach etwa vier bis fünf Kammern sein, wo-
von eine verstürzt ist und die weitere Unter-
suchung unmöglich macht. Von g an sind noch
weitere vier Kammern betreten worden; es ist
damit nicht gesagt, dass sie dann ihr Ende finden,
ja es ist sogar wahrscheinlich, dass es nicht der
Fall ist, da sich weiterhin noch eine Bodensenk-
ung befindet, die ganz augenscheinlich durch den
Einsturz einer Kammer entstanden ist.
Diese lango Kette unterirdischer Kammern,
die so lebhaft an Keihengräber er-
innert, befindet sich auf dem Hügel, auf wel-
chem die Ortskirche steht , und unterteuft in
ihrem Verlaufe den an die Kirche anstossenden
Friedhof, was aus der schon erwähnten Boden-
senkung ersichtlich ist.
Alle von mir betretenen Kammern sind leer
und ich habe nichts von Funden in denselben in
Erfahrung gebracht
Besonders wichtig sind die künstlichen Höhlen
von Stinkenbrunn dadurch, dass sie ganz deutlich
zeigen, dass sie nicht etwa Seitenkammern von
Kellern sind, denn sie wurden erst durch den
Bau von Kellern aufgeschlossen und zugänglich
gemacht, und zwar in einer für die Kellerbeeitzer
nicht angenehmen Weise, weil damit zugleich
eine jedenfalls nicht erwünschte Communikation
zwischen den verschiedenen Kellern, welche die
Karamerreihe senkrocht durchschneiden , gegeben
war. Der in der dritten Zeichnung ersichtliche
Durchschnitt i — i deutet einen solchen Keller-
eingang an , von dem aus die ganze Reihe der
Kammern am leichtesten zugänglich ist.
Noch muss ich bemerken, dass von der Docke
jeder einzelnen Kammer eine etwa 5 cm. weite
Röhre an die Oberfläche führt, wo sie natürlich
verfallen ist.
Aehnlicher Art wio die künstlichen Höhlen
von Stinkenbrunn scheinen jene von Ruppera-
th al zu sein, die ich schon in meiner kleinen
Notiz anführte.
Ich möchte mir noch die Bemerkung erlauben,
dass mir die künstlichen Höhlen, wie sie hier
besprochen sind, nicht an einzelne Häuser oder
Vorrathsgebäude, wol aber an die jetzt bestehen-
den Wohnorte geknüpft zu sein scheinen. Ob sie
als Vorratskammern oder zu Cultusz wecken ge-
dient haben, lässt auch die merkwürdige Höhle
von Stinkenbrunn unentschieden. Ersteres ist
jedoch nicht sehr wahrscheinlich, da eine so grosse
Reihe von Kammern für einen Besitzer zu aus-
gedehnt, für viele Besitzer zu unzweckmässig ist,
weil jeder Einzelne, um in Beine Vorratskammern
zu gelangen, alle früheren durchschlüpfen müsste,
ein gegenseitiger Abschluss also unmöglich wäre.
Zudem Hessen sich bei den engen Zugängen
grössere Gegenstände, wie Fässer, Bottiche u. dgl.
gar nicht in dieselben bringen. Letzterer Um-
stand schliesst auch den Gedankon an Viebställu
absolut aus. Bei dem Anblick des Grundrisses
dieser Kammern wäre man aber beinahe verführt,
an vorbereitete und nicht zur wirklichen Benütz-
ung gelangte Grabstätten zu denken. Die Gänge
sind weit genug, um eine Leiche und ihre Bei-
gaben hindurchzubringen ; die Kammer wäre nach
dieser Idee das eigentliche Grab, ihre Dimensionen
entsprechen so ziemlich jenen einer gewissen Art
von Gräbern und selbst die Form der Kammern
könnte in den trapezförmigen Gräbern wiedergo-
funden werden , dio sich in nachstehender Form
bei uns nicht selten zeigen : (Fig. IV)
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Bei den Querdurchsehnitten fehlt allerdings die
Spitze des Bogens, aber es ist möglich, dass sie
da war und blos der Beobachtung entgangen ist.
Dafür würde auch sprechen , dass in unmittel-
barer Nähe von „Erdställon“ wirklich mensch-
liche Skelete ausgegraben worden sind. Dessholb
ist auch der Zugang ein so enger, der wenn die
Bestattung vollzogen war , leicht verschlossen
werden konnte und wirklich verschlossen wurde.
Das was ich hier über die Bestimmung der
„ künstlichen Höhlen “ bemerkte, stelle ich keines-
wegs als eine Behauptung, nicht einmal als eine
Vermuthung bin, sondern als einen Gedanken, der
es vielleicht verdient, besprochen und bei weiteren
Forschungen beachtet zu werden.
Ueber den neuesten Bronzefand in Bologna,
und Uber das Vorkommen des Bernsteins
in der Emilia in prähistorischer Zeit.*)
Von Emil Stöbr, Bergwerksdirector.
Gestatten Sie mir heute, meine Herren, einige
Mittheilungen über einon Fund prähistorischer
Bronzegegenstände, den man im vorigen Jahre
in Bologna machte. Jeder Bronzefund ist von
Wichtigkeit und Bedeutung für die Kulturge-
schichte, dieser Fund aber ist so ausserordentlich
reich, wie bis jetzt kein anderer.
Ehe ich des Nähern auf den Fund selbst
eingehe, möchte ich einige allgemeine einleitende
Bemerkungen vorrausschicken. Sie wissen, dass
von Seandinavien die Ansicht der Dreitheilung
der Kulturepochen ausging, nämlich als älteste
die Steinzeit anzusehen, als darauffolgende
die Bronzezeit und als jüngste die Eisenzeit.
Sie wissen ebenfalls, dass in den letzten Jahren
diese Dreitheilung stark erschüttert wurde, und
dasB namentlich durch Hostmann's und Lin-
denschmit’s Begründungen es immer wahr-
scheinlicher geworden ist, eine für sich bestehende
eigne Bronzezeit, scharf geschieden von der Eisen-
zeit dürfe nicht mehr angenommen werden, da die
Kenntniss des Eisens mindestens ebenso alt sei,
als die der Bronze. Ans innern Gründen, nem-
lich wegen dos weitaus leichtern metallurgischen
Prozesses um Schmiedeeisen und Stahl darzustellon,
gegenüber der Darstellung der Bronze , wird
diess fast zur Gewissheit ; desshalb hat man nun
auch begonnen nur mehr zwei grosse Epochen zu
unterscheiden : die Steinzeit und die M o t a 1 1-
zeit, wo cs dann ganz von localen Verhältnissen
*) Vortrag in der 8itznog der Münchener anthropo-
logischen Gesellschaft am 26. Mai 1878.
abhängt, welches Metall in einem Lande das zur
erst bekannt gewordeno ist. A priori ist de-
Satz gowiss richtig, dass der Mensch zuerst die
in gediegener Form vorkommenden Metalle be-
nutzte, und erst viel später aus den Erzen die
Metalle mittelst eigener metallurgischer Opera-
tionen darstellte. Diese metallurgischen Opera-
tionen waren natürlich anfänglich sehr primitiv,
wie sie es heute noch bei manchen wilden Völ-
kern Bind, und bereits voriges Jahr habe ich an
dieser Stelle ein paar Notizen mitgetheilt bezüg-
lich solcher primitiven Operationen um Schmiede-
eisen darzustellen. Bezüglich des Standpunktes
den ich in dieser Frage einnehme, theile ich ganz
die, namentlich von Hostmann und Linde n-
schmit und neuerdings von Graf Wurm br and
vertretene Ansicht, dass ncmlich von einer Prä-
existenz der Bronze vor dem Eisen
nicht die Rede sein könne, sondern dass
im Gegentheile die Präenistenz des
Schmiedeeisens vor der Bronze ange-
nommen werden müsse. Hier ist jedoch
beizufügen, dass (ganz abgesehen von dem Ge-
brauche der gediegen vorkommenden Metalle) filr
manche Länder dieser Satz scheinbar sich ins
Gegentheil umkehrt. Wo nemlich Erze, die
metallurgisch leicht auf Metalle zu verarbeiten
sind, fehlen oder doch nicht bekannt sind, da
muss die Kenntniss der Metalle von aussen
kommen , und hier ist ee dann rein zufällig,
welches Metall zuerst importirt wurde; so kann
Eisen unmittelbar auf die Steinzeit folgen mit
Ausschluss der Bronze , oder aber Bronze mit
Ausschluss des Eisens. Auch V i r c h o w hat
neuerdings dieser Ansicht sich angeschlossen, in
sofern, dass er die Coexistenz des Eisens mit der
Bronzo zugiebt, ohne jedoch die Präexistenz des
Eisens noch vollständig anzunehmen.
Ich möchte hier nur kurz noch die von
Hostmann zuerst behauptete, und neuerdings
von Graf Wurmbrand durch directe Versuche
bestätigte Thatsache erwähnen, wonach dos Cise-
liren und Punziren der Bronzegegenstände nicht
mit Bronze Werkzeugen, sondern nur mit solchen
von Stahl gemacht werden kann. Bei der Ver-
sammlung in Constanz hat Graf Wurmbrand
seine Versuche mitgetheilt, und nachgowiesen
dass manche alte Bronzen durch einen kleinen
Nickelgehalt so hart werden, wie die bekannte
Uchatius’scho Stahlbronze; Werkzeuge, aus solcher
Bronze gefertigt, könnten nun allerdings zum Be-
arbeiten weniger harten Bronzen dienen , aber
solche nickelhaltigen harten Bronzen können nur
mit Stahlwerkzeugen bearbeitet worden, und doch
\ finden wir gar manches Geräthe aus solcher Hart-
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bronze, z. B. Schwerter, deren Klingen mit den
zierlichsten Ciselirungen versehen sind.
Es ist auch gesagt worden, die Verzierungen
der alten Bronzegeräthe seien immer gegossene ; das
ist aber technisch unmöglich. Erhabene Ver-
zierungen kann man allerdings bei genügender
metallurgischer Kenntnis« sehr schön giessen, aber
gewisse vertiefte können nur gravirt oder punzirt
werden. Ausserdem muss bei gegossenen Geräthen
immer nachträglich die Gussnaht entfernt werden.
Ich erlaube mir in dieser Hinsicht Ihnen ein
interessantes Gusstück vorzuzeigen aus Zink-
bronze; es ist kein prähistorisches Stück, sondern
der Jetztzeit angohörig, schlieret sich aber doch
gewissermassen an die prähistorischen Funde an.
Es stammt nemlich aus Ostindien und zwar ge-
rade aus jener Gegend (Singhbhum) wo die pri-
mitive Schmiedeeisenerzeugung im Gebrauche ist,
von der ich Ihnen voriges Jahr Mittheilung machte.
Die dortigen auf niedrer Kulturstufe stehenden
Aborigines verfahren bei der Bronzegiesserei eben-
falls primitiv genug, erzielen aber dennoch durch
Giessen über ein Wachsmodell die zierlichsten
Formen. Sehen Sie da« Stück aber etwas ge-
nauer an, so finden Sie bald, dass die Gussnäthe
an den Kanten mit eisernen Werkzeugen ent-
fernt wurden.
Will nun auch die Prttexistenz des Eisens
vor der Bronze noch angezweifelt werden , so
kann doch kaum ein Zweifel mehr bestehen, be-
züglich der Coexistenz der beiden Me-
talle, und in Wirklichkeit schwinden die Loca-
litäten mit ausschliesslichen Bronzefunden immer
mehr, je genauer man untersucht. Die Bronze
hat aber nicht allein in der sogenannten Bronze-
zeit das Material zu den Geräthen abgegeben,
sondern selbst da, wo man schon von einer Eisen-
zeit spricht, ist sie noch in ausserordentlichen
Mengen verarbeitet worden. Woher nun diese
Vorliebe für Bronzcgerftthe, nachdem das Eisen
doch allgemein bekannt geworden war, und dass
man in der ersten Eisenperiode verhält nissmässig
noch so wenige Eisengeräthe und so viele von
Bronze findet? Der Grund, meine Herren, scheint
mir abgesehen von der Gewohnheit zunächst darin zu
liegen, dass damals das Eisen ein ungemein theures
Metall war, während Bronzegerätbe relativ weit
billiger hergestellt werden konnten. Die Darstel-
lung schon der Schmiodeisenluppen in den Ronn-
öfchen musste des Abbrands wegen sehr theuer
kommen, wie denn derselbe nach meinen Versuchen
so wie denen des Grafen Wurmbrand zwischen
70 und 80 Prozent beträgt; letztrer berechnet
den Zentner so dargestelltes Schmied eisen auf
ungefähr 100 Gulden Selbstkosten. Damit hat
man aber nur erst einen Schmiedeisenklumpen
erzeugt, der noch mit vieler Mühe zu Geräthen
umgeschmiedet werden muss, ohne dass man je
die zierlichen Formen der gegossenen Bronzege-
räthe erreichen könnte. Dazu kommt noch die
weitaus grössere Dauerhaftigkeit der Bronzege-
genstände gegenüber den eisernen, da sie nicht
so leicht rosten und wenig durch den Gebrauch
abgenützt werden, auch viel leichter rein und
blank zu erhalten sind. Das ist auch der Grund,
dass heute noch alle Orientalen eine so grosse
Vorliebe für Bronzegeräthe zum täglichen Ge-
brauche dienend, haben, und in Ostindien beispiels-
weise bestehen die Hausgeräthe fast alle aus
•Bronze , trotzdem dass man heute dort leicht
billiges Eisen sich verschaffen kann.
Die Formen und Verzierungen der prähistor-
ischen Bronzegeräthe sind so schön und stylvoll,
dass nur ein mit der Bearbeitung der Bronze
sehr vertrautes Volk dessgleicben fertigen konnte.
Die rohen Urbewohner der nordischen Länder, in
denen sie sich finden, ■ können sie unmöglich ge-
macht haben, da für die eigne niedre Kultur-
stufe dieser Länder die neben den Bronzegeräthen
gefundenen Werkzeuge von Stein und Knochen
zeugen. Die Bronzegeräthe müssen also impor-
tirt sein, und steht es heute wohl fest, dass sie als
fertige Geräthe importirt wurden, wenn auch in
Scandinavien noch behauptet werden will, es seien
die scandinavischen Bronzefunde im eignen Lande
gefertigt worden, aus importirten Bronzebarren.
Aber selbst diess zugegeben so müssten die Bron-
zestücko immer durch den Handel dorthin ge-
kommen sein. Es wirft sich somit von selbst die
Frage auf, woher stammen denn Bronzen und Bron-
zegeräthe? Manche suchen nun die Heimath der
Bronzeerzeugung im Orient und dem Kaukasus,
andre schreiben sie phönizischem oder griechisch-
phönizischem Ursprung zu, während neuerdings
die Ansicht am meisten vertreten ist, die Bronze-
geräthe die in der Schweiz, Frankreich, Deutsch-
land, ÜGst.reich , Scandinavien etc. sich finden,
seien italienischen und zwar etruskischen
Ursprungs.
Nach diesen einleitenden Vorbemerkungen gebe
ich Ihnen nun die nähern Daten über die Bo-
logneser Funde, wie ich sie mir hier ver-
schaffen konnte. Ausser wenigen kurzen Notizen
des Finders , des Ingenieur Zannoni, haben
vorläufige Berichte erstattet : C b i e r i c i (Bulle-
tino di Paletnologia italiana. 1877. p. 18-)» Dösor
(Sockte des Sciences naturelles de Neuchatel, Mai
1877), Gozzadini (Materiaux pour l’histoire de
Thomme. 6 Hvr, p. 449. Juni 1877.) und Bellucoi
(Archivio per l’Antropologia e l'Etnologia. anno
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VII fase. VII. Der letzterwähnte von Bellucci ist
mir leider bis jetzt nicht zugänglich geworden,
so dass ich im Ganzen den Bericht des Grafen
Gozzadini, der in Bologna wohnt, dem Fol-
genden zu Grunde lege, daran verschiedene weitre
Daten aus den andern Berichten anreihend.
Im Anfänge des Jahres 1877 stiess der städt-
ische Ingenieur Zannoni (dem man vor 7 Jahren
auch die Aufdeckung der Gräber an der Certosa
zu verdanken hat), beim Aushoben eines Grabens
auf der Wiese von 8. Francesco in 2 Fuss Tiefe,
unter einem alten römischen Pflaster, auf eine
grosse Thonvase; als man sie blos legte, brach
ein Stück ab, und fielen eine Menge Bronzege-
räthe heraus. Die Vase, eine Amphora von 1 Met.*
25 Höhe, 1.20 grösste Weite im Durchmesser,
und mit einer Oeffnung oben von 85 Centimeter,
wurde nun genau untersucht, und fand man sie
vollgefüllt mit Bronzegeräthen, alle sorgfältig auf
einander gepackt, so dass kein leerer Kaum übrig
geblieben war. Die grossen Stücke lagen zu unterst,
die kleinen um sie und über ihnen. * Nicht we-
niger wie 30 Centner Bronzen enthielt die Am-
phora, und in runder Summe vierzehntauseud
Stücke. Um die Wichtigkeit dieses Fundes mit
andern derartigen vergleichen zu können, bemerke
ich, dass die bis jetzt bedeutendste bekannte prä-
historische Bronzeechmelzwerkstatte, die von Lar-
naud nur 66 Kilograrames Bronzen mit 1800
Stücken lieferte ; alle bis jetzt bekannt gewordenen
8chmelzstätten in der Schweiz (6 an Zahl) und
Frankreich (61) zusammen 67, haben nicht mehr
wie 3061 Stück geliefert. Dio Gegenstände sind
zum grossen Theile gut erhalten und vollständig,
viele sind aber auch zerbrochen; es sind Schmuck-
gegenstände, Workzougo und Waffen,
oftmals prächtig verziert, ausserdem eine Menge
von Gussstücken. Alles ist mit der charac-
teristischen antiken Patina bedeckt. Bezüglich
der Lokalität ist zu bemerken, dass 8. Fran-
cesco zwar heute mitten in der Stadt liegt, im
13. Jahrhundert jedoch noch in der Vorstadt lag;
es hat somit weder das alte römische Bononia,
noch das Felsin a der Etrusker bis dorthin
gereicht. Ich höre, dass Zannoni die wich-
tigsten Stücke photographiren lässt, und ist zu
hoffen, dass recht bald diese Arbeit dem Publikum
zugänglich werde, und auch die nöthigen chemi-
schen Analysen enthalte. Nach den verschiednen
Angaben wurden gefunden :
An Beilen (Ceiten) 1341 Stück, von denen
1086 ganz, 255 zerbrochen sind. Sie haben die
verschiedenste^ Formen vom einfachen Keil an
bis zu den zierlichsten Beilmessem. Alle sind
gut gehärtet, einige noch nicht ganz vollendet,
da sie noch die Gussnäthe tragen , andre sind
bereits zugehftmmort und geschärft , aber noch
ungebraucht, wieder andere bereits schartig und
an den Ecken abgestossen und endlich andere nur
in Bruchstücken vorhanden. Bei einigen ist das
Blatt kürzer als gewöhnlich, indem man, nachdem
dio Schneide abgebrochen, aus dem gebliebenen
Reste eine neue bildete.
Vier Typen sind zu unterscheiden nemlich
1 . solche mit umgebogenen Schaftlappen,
Palstäbe. Sie sind in vielen Varietäten
vorhanden, und entsprechen ganz den in den
Gräbern der sogenannten ersten Eisenperiode
und in den verschiedenen Pfahlbauten ge-
fundenen,
2. solche mit langem viereckigen Schaft-
rohre und mit Oefaren an den Seiten; es sind
das dieselben die im Rhonethale gefunden
wurden, dort aber sehr selten sind, und
3. solche mit rundem oder ovalem Schaft-
rohr, manchmal mit einer Oehre; dos Blatt
ist sehr kurz und breit an der Basis. Diese
sind die seltensten und scheinen sie mir der
Beschreibung nach, ganz den in Morsee ge-
fundenen zu entsprechen,
4. solche mit transversaler, runder Dülle;
sie sind plump, gleichen aber ganz unseren
kurzen eisernen Beilen. Von dieser Form, die
bis jetzt in den übrigen alten ßronzcschmelz-
stätten fehlen , fand man , neben einzelnen
Bruchstücken 18, vollständige Exemplare.
Merkwürdig ist hier das Zusammen verkommen
von Beilen mit Schaftlappen, mit solchen mit
Schaftrohren, und muss somit die Ansicht fallen,
diese beiden Formen der Befestigung des Schafts
gehörten versebiednen Zeitepochen an. Einige
Beile tragen das Zeichen eines klauenförmigen
Kreuzes, wie man solches auch auf archäischen
Thonwaaren findet; doch haben nur die Palstäbe
diese Zeichen, die andern nicht.
(Schluss folgt.)
Materialien zur Vorgeschichte des
Menschen im östlichen Europa.
Nach polnischen und rassischen Quellen bearbeitet und
herausgegeben
▼on Al bin Kohn und Dr. C. Mehlis.
Erster Hnad. Mit 162 HoUschnittrn, t» lithographirten and 4 Fnrbea-
dracktafrln. Jena, Her man Co*toooblc 1879.
Die praehistorischen Forschungen des süd-
lichen , westlichen und nördlichen Europa haben
sehr zahlreiche Bearbeiter gefunden und zu in-
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teressanten und sicheren Resultaten geführt. Nur
scheinbar ist der Osten Europa’s, wie He. A 1 b i n
Kohn sehr richtig bemerkt, zurückgeblieben;
denn das, was er gesammelt, und was er über
das Gesammelte veröffentlicht hat, ist den For-
schern des westlichen Europa, welche selten der
polnischen und russischen Sprache mächtig sind,
unbekannt. Gerade in der archaeologischen Wissen-
schaft ist von polnischen und russischen Gelehrten
viel geleistet worden, worüber nur selten in
deutschen Zeitschriften referirt worden ist; aus
diesem Grunde muss das Unternehmen der Herrn
Verfasser diese Forschungen, sei es im Auszuge,
sei es in Uebersetzung den deutschen Fach genossen
näher bekannt zu machen, ganz besonders freudig
begrüsst werden.
Die Funde aus der M&mmutbhöhle von
Ojcow (aus dem Sandomirer-Gebirge) hat Herr
von Zawisza bereits auf den internationalen
Anthropologen -Versammlungen zu Stockholm und
Budapest vorgelegt. In der Mammnthhöhle von
Ojcow fand Herr von Zawisza einen Heerd,
welcher sich durch Kohlen , gebrannte Erde, ge-
spaltene Knochen, Werkzeuge aus Feuerstein aus-
zeichnet. Unstreitig hat man os hier mit einer
menschlichen Wohnstätte von praehistorischen
Höhlenbewohnern in Polen zu thun. Ausserdem
fanden sich Werkzeuge aus Feuerstein, welche
zwar klein, aber niedlich und sauber bearbeitet
waren.
Von nicht geringerem Interesse sind die von
Dr. Libelt im Czeszewer See |Kr. Wongrowitz,
Provinz Posen) entdeckten Pfahlbauten.
Den Boweis , dass die Pfahlbauten im Czos-
zewer See auch von Menschen bewohnt gewesen
sind, bietet eine sehr grosse Auswahl dort ge-
fundener Gegenstände, unter denen sich kein ein-
ziger Gegenstand aus Bronze oder Eisen vorfand.
Von thönernen Geschirren ist nur eins erhalten.
Es ist dies ein niedriges, kleines, bauchiges
Töpfchen , aus schwarzem , ungebranntem Thon.
Unter den animalischen Ueberresten sind be- I
merkenswerth die Zähne einer Wildschwein-
Art , welche sich in fast all *n Pfahlbauten
vorfindet. Der unermüdete Archaeologe Herr
K i r k o v hat einen zweiten Pfahlbau in Kwac-
zata in Galizien entdeckt. Auch in diesem Pfahl-
bau wurde kein Gegenstand gefunden, welcher
die Merkmale der Bronzezeit an sich trägt.
Die Steingräber stammen ans verschie-
denen Epochen. Zu den ältesten gehören dieje-
nigen, in denen nur Werkzeuge und Geräthe aus
Stein , Lehm , Bernstein u. s. w. sich vorfinden.
Einer späteren Epoche gehören andere Gräber an,
wie z. B. das Grab von Bt^dowo zwischen Culm
und Graudenz, in dem eine Münze aus der Zeit
des Kaisers Theodosius gefunden worden ist. Die
Grabstätten in Westpreussen und im Posenscben
zeichnen sich durch einen ungewöhnlichen Reich-
thum an Urnen und Bronzegegenst&nden aus.
| In den erwähnten Gräbern fanden sich nicht bloss
Skelette , sondern auch Urnen. Der polnische
Archaeologe A. Kirkov zieht daraus den Schluss,
dass in der Periode des polirten Steines —
neben einander die Leichenverbrennung und die
Leichenbeerdigung im Gebrauche gewogen ist.
In ganz Klein-, Weiss-, Schwarz- und Rothruss-
land (die ruthenischen Gebiete des südöstlichen
Lithauens, Volhynien, Ostgalizien) existirte nach
Kirkov in vorhistorischen Zeiten die Sitte der
Bestattung der Leichen in der Erde, während in
ganz Lithauen, Polen, Schlesien, Mähren, Böhmen
die Leichen verbrannt und die Asche in den Urnen
beigesetzt wurde; wobei freilich Ausnahmen, wenn
auch selten, verkamen.
Ob dieser Umstand nicht auf eine verschiedene
Bevölkerung schliessen lässt ? Dafür sprechen sonst
noch andere Gründe. Dass die frühere Bevölker-
ung der ruthenischen Gebiete Lithauens von der
jetzigen verschieden gewesen ist, geht daraus
hervor, dass die mittlere Grösse der 636 von
Kirkov gemessenen vorhistorischen Skelette
171 Ccntimeter beträgt, während der mittlere
Wuchs ,der heutigen Bevölkerung im Gouverne-
ment Wilna sich auf 169 Centiraeter beläuft. Es
kommt noch dazu, dass von 12,841 Rekruten aus
dem Gouvernement Wilna kaum 1 1 eine Höhe
von 187 Cantimeter erreichen, während von 636
vorhistorischen Skeletten 89 eine Höhe von 188
Cantimeter , 121 eine Höhe von 187 und 102
eine Höhe von 186 Centimeter erreicht haben.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die vor-
historische Bevölkerung dieser Gebiete von grösserer
Statur gewesen ist als die jetzige slavische.
Hr. Kopernicki*) hat unlängst in Horod -
nica am Dniestr in der Nähe einer vorhistorischen
Befestigung eine Reihe Steingräber öffnen lassen,
in denen er 23 Schädel und Skelete vorfand.
Sowohl Männer wie Weiber waren auch dort von
hoher Statur und starkem Körperbau. Zwei Skelete
haben nahezu Athleten angehört. Achtzehn Schädel
zeigenden bekannten dolichokephalen Tfypus,
der von den meisten Forschern den Germanen
der Völkerwanderungszeit und der darauf folgenden
fränkischen Epoche zugeschrieben wird. Während
der Regierung des Kaisers Caracalla setzten sich die
*) Köper n icki. Poezokiwania archeologiczne Ho-
rodnicjr nad Dmentrem id. h. Archaeologiscbe Unter-
suchungen in Horodnica am Dnieetr) Krakau 1878.
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Gothen gerade am Dniestr, in der Nähe Daciens
fest. Die Befestigung in Horodnica am Dniestr
kann daher mit gutem Grunde den Gothen zu-
geschrieben werden. Merkwürdig ist ferner, dass
die Keramik am zahlreichsten durch die soge-
nannten BuckelgefUsso vertreten ist, die Linden-
schmit (Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit
Bd. I Taf. IV Fig. 7, Bd. II Taf. I Fig. 3. 5.
7. 9.) für germanisch hält.
Dolichokephale Schädel von demselben Typus
hat schon früher Herr Kopernicki in den
Kurganen Volhyniens, Podoliena und in der
Ukräne gefunden. Aehnliches ergaben die von
Prof. Bogdanow gemessenen Schädel aus den
Kurhanen Moskaus. Von Niemen bis zur Moskwa,
vom Dniestr bis zum Dniepr ist somit die Ver-
breitung eines dolichokephalen und von der jetzigen
brachykephalen (slavischen) Bevölkerung dieses
Gebietes gänzlich verschiedenen Stammes er-
wiesen. Beim Einfälle der Hunnen nach Europa
finden wir dort die Gothen, denen wahrscheinlich
die in den Kurganen gefundenen athletischen
Skelete angehört haben. Dass die Gothen
zwischen dem Niemen und der Moskwa längere
Zeit gewohnt haben müssen, geht auch aus den
Forschungen hervor, welche Thomson*) über die
germanischen Elemente angestcllt hat.
Aus diesen Beispielen allein kann man schon
die Wichtigkeit dieser Forschungen sowohl für
die Urgeschichte, wie anch für die Anthro-
pologie Europas zu erkennen. Es ist ferner von
Interesse , dass ein auf diesem Gebiete so be-
wanderter Forscher, wie Hr. Dr. Mehlis, auf
Analogien mit der rheinischen Archaeologie hin-
gewiesen hat. Dr. FHgier
Nachtrag zu den Materialien znr praehistor Ischen
Kartographie der Provinz Posen.
(Zusammenstellung der Funde und Fundorte seit
Ostern 1875)
nebst einer Tafel mit Abbildungen von Direktor Dr. Schwärt*.
Beilage vom Programm des k. Friedrich- Wilbelmt-Gjrennatiumi
in Poeen. I «tf».
Im Allgemeinen tritt im Posenscben das Ver-
brennen dor Leichen und Beisetzen der Ueber-
reste in Urnen unter Hinzufügung von allerhand
thönernen Geschirren und von anderen Beigaben,
welche den Leichenbrand überdauert haben , als
Regel hervor; nur vereinzelt sind bis jetzt Ge-
rippe aufgefunden worden, welche nach den Bei-
•) Thomson. Uebcr den Einfluss der germanischen
Sprachen auf die finnisch-lappischen. Aus dem Dänischen
von Sievert. Halle 1870.
gaben aus heidnischer Zeit stammen dürfen. Es
treten im Ganzen drei Arten von Gräbern her-
vor: 1) grosse Urnenfelder, welche offenbar als
eine Art Gemeindegräber anzusehen sind und
eine lange Continuität zu repr&sentiren scheinen;
2) kleinere Gruppen von einigen Gräbern, welche
den Eindruck von Familiengräbern machen und
endlich 3) isolirt liegende einzelne Gräber. Die
archaeologischen Beigaben , welche man in den
Gräbern gefunden hat , weisen anf weitgreifende
internationale Handelsbeziehungen hin. Die bron-
zenen Zangen und Rasirmasser sind entschieden
Importartikel aus dem Süden. Die bunten Perlen
finden sich in den Kurganen des südlichen Russ-
land wieder. Die ThongeftUse hingegen deuten
auf specielle Verkehrsbeziehungen, namentlich mit
Schlesien hin. Zahlreich wurden in der Pro-
vinz Posen R i n g w ä 1 1 e (vom Volke Schweden-
Schanzen genannt) untersucht. In denselben
werden gewöhnlich Topfscherben mit wellenför-
miger Verzierung gefunden, welche Hr. V irc h o w
für slavisch hält. Das Wollenomament fand sich
aber auch in germanischen Gräbern in Schier-
stein bei Wiesbaden, Kirchheim a. d. Eck (Rhein-
pfalz), in Verbindung mit römischen Gulturreeten
bei Salzburg, bei Hallstadt u. s. w. (vgl. da-
rüber Dr. Mohlis. Das Wellenomament bei sla-
vischen und germanischen Stämmen. Kosmos
(II. Jahrg. p. 492 ff.)
Wien, April 1879. Dr. Fl i gier.
Praehistorische Würfel. — Unter den prae-
historischen Gegenstände , die auf dem Hra-
disti bei Bercum in Böhmen gefunden wurden,
befinden sich (cfr. die Beschreibung dieses der
jüngeren Eisenzeit angehürigen Fundes No 4,
1878, diesos Blatte«) „Würfel“ aus Bein. Die-
selben sind alle ohne Ausnahme von länglich-
viereckiger Form; die vier langen Flächen tragen
Zahlen (Augen) 3, 4, 5 und 6, die zwei kleinen
J Endflächen sind unbezeichnet, die Zahlen 1 u. 2
I fehlen. Die Grösso resp. Länge der Würfel ist
sehr verschieden von l‘/t — 5 cm. Die Anzahl
dieser auf dem Hradistö gefundenen Stangen-
würfel beträgt mehrere hundert Stück. Dieser
Umstand ist jedenfalls auffallend, und wäre es
zur Bestimmung der Periode und des Volkes von
Interesse zu erfahren, ob auch an anderen Orten
gleiche oder ähnlicho Würfel gefunden wurden.
Wilhelm Osborn. Dresden.
Druck der Akademischen Buchdruckerei F. Straub in München. — Schluss der Redaktion am 30. April 1879.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von Professor Dr. Johannes Ranke in München,
G**4r<%U*cr*ttir dir
Nr. 6.
Erscheint jeden Monat.
Juni 1879.
Dieser Kummer liegt das Programm für die X. allgemeine
anthropologischen Gesellschaft in Strassburg bei.
Versammlung der deutschen
Gemauerte Gräber innerhalb der
Stadt Stuttgart.
Von Prof. 0. Fr aas.
Die schwäbischen Archäologen sind mit dem
jungen Datum. des Entstehens ihrer schwäbischen
Hauptstadt Stuttgart nie recht zufrieden. Die
ganze Geschichte vor 1229 da der Name zum
ersten Mal urkundlich auftritt, ist in tiefes Dunkel
gehüllt, in welches die altgermnnischen Gräber
und die römischen Denkmale des nahen Badeortes
Cannstadt, der Sitz der 22. Legion erst recht
kein Licht werfen. Sowohl in der nächsten Nähe
um die Stadt als in der Stadt selbst ward noch
nie eine Spur älterer Geschichte gefunden, die
über das Mittelalter hinausgeragt hätte.
Um so erfreulicher ist der zufällige Fund
von gemauerten, mit rohen schweren Steinplatten
zugedeckten Gräbern, der im letzten Herbst in
der Gaisburg-Strasse Nro 2 beim Fundiren eines
Maschinenhauses für das Wirth’sche Etablissement
gemacht worden ist. In dem 2,5 m tiefen und
3,40 m breiten Fundationsplatz wurden 3 Gräber
die in Einer Reihe und in gleicher Entfernung
von einander lagen , angefahren. Das erste in
der Mitte und das zweite südlich gelegene Grab
wurde ahnungslos von den Erdarbeitern zerstört,
sie hielten die Grabdeckel für die Deckel eines
alten Canals und auf die unter dem Deckel liegen-
den Skelettreste wurde man erst aufmerksam, als
die Knochen des ersten Grabes bereits im Schutt
abgeführt waren und vom zweiten Grab die
Hälfte noch in die Seiten wand hineinragte, ln
diesem lagen zwei Ftisse von dem Becken ab und
ein Kinderskelett. Um so glücklicher trafen die
Erdarbeiten das 3. Grab an der Nordwand der
Grübe, das von den Arbeitern vollständig unbe-
i rührt von mir eigenhändig ausgenommen werden
konnte. Nachdem einige Steine aus der Seiten-
i mauer ausgebrochen waren und man durch die
Lücke den Kopf in das Grab stecken um Um-
schau halten konnte, Überzeugte ich mich vom
vollständigen Unberührtsein des Grabes, das genau
| 2 m lang, 0,60 m hoch und breit war, und ein
j Skelett enthielt, eingewickelt in Schlamm, der
< im Lauf der Zeit durch die Tagwasser aus dem
darüber liegenden Lehmen ins Grab eingewaschen
i war.
ln aller Müsse und mit grosser Sorgfalt
| wurde das Skelett ausgegraben , das einem sehr
alten weiblichen Individuum von rein germani-
| sehen Typus angehörte. Das Hinterhaupt zeigte
| bereits die Atrophien des Alters, die Zähne fehl-
ten bis auf 3 Stümmel der Schneidezähne voll-
ständig und waren die Zabngruben absorbirt.
Eine grüne Färbung der Halswirbel und des
Schlüsselbeins wies auf Bronzeschmuck bin , der
auch bald in Gestalt zweier Ohrringe von 3 cm
Durchmesser gefunden wurde. Sie sind aus
Bronze- und Silberdraht zur Schnur gewunden.
Ausser dieser Bronzebeigabe fand sich im Schoos
des Skeletts ein kunstvoll gearbeiteter Frisirkamm
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aus Bein. Derselbe ist 12 cm lang und 3 cm
breit, das Material bezieht aus einer Hirschhorn-
platte, in welche die Zähne des Kammes einge-
sägt sind. Der Kücken des Kammes ist durch
2 Hornleisten abgerundet , welche mit 7 Eisen-
stiften gar zierlich an die Hornplatte befestigt
sind. Lineäre Ornamente und kleine Kreisorna-
mente sind deutlich zu beobachten.
Aehnliche Ohrringe sowohl als ähnliche Bein-
k&mme. die anderwärts im Lande gefunden wur-
den, stempeln das Grab zu einem der Alemannen-
zeit angehörigen , dagegen mag man seltener die
weitere Beigabe unseres Grabes treffen : einen
isolirten Schädel und zwar den eines kräftigen
jungen Mannes vom reinsten germanischen Typus,
der zu den Füssen des weiblichen Skelettes lag.
Ueber die Ursache des Todes konnte bei diesem
Schädel kein Zweifel sein, ein furchtbarer Hieb
in dos Hinterhaupt batte ein handbreites Stück
des Aciput weggeschlagen. Zugleich fehlte dem
Schädel der Unterkiefer. War es der Mann, um
den die Wittwe, oder war es der Sohn, um den
die Mutter also trauerte , dass sie den Schädel
bis zu ihrem eigenen Lebensende aufbewahrte,
um ihn im eigenen Grabe bei sich zu haben.
Aehnliche Beigaben eines Schädels in altgermani-
schen Gräbern sind zwar auch sonst bekannt,
diese Sitte aber in der Zeit der Alemannen in
gemauerten Reihengräbern noch zu treffen war
seither wenigstens in Schwaben nicht bekannt.
Ueber den neuesten Bronzefond in Bologna,
und über das Vorkommen des Bernsteins
in der Emilia in prähistorischer Zeit.')
Von Emil Stöhr, Bergwerksdirector.
(Schluss.)
Dann 25 beilartige Geräthe, mit Scbaftrobr
und grossem halbkreisförmigen Blatt ; sie sind
sehr dünn, so dass sie nur als Paradestttcke dienen
konnten. Es sind Paradeäxte ähnlich wie
man sie in Scandinavien findet, sowie in den
Gräbern der ersten Eisenperiode.
Ferner viele Messer von allen Formen und
Grössen, einige mit schön gravider Klinge; da-
runter 15 mit sehr langer Klinge und runder
Dülle.
98 Meisel, in Stücke zerbrochen; theils mit
viereckiger Dülle, theils mit Dorn zum Einstecken
in den Griff.
*) Vortrag in der Sitzung der MGnchener anthropo-
logischen Gesellschaft am 26. Mai 1878.
20 Hohl ineitel , alle zerbrochen, einige zuge-
spitzt, fast alle mit Dorn für den Griff.
22 Sägen mehr oder wenig fein gezähnelt.
17 Stüoke von Feilen; dünnes Blatt nur auf
einer Seite mit feinen Querkerben versehen.
Mindestens 89 Sicheln vorunter einige sehr
grosse. Hier sind 3 Typen zu unterscheiden:
1 . solche mit Schaftlappen gleich den Beilen ;
sie sind fast rechtwinckelig gebogen, und tragen
auf dem Rücken ein kleines Messer,
2. solche mit Schaftrohr, die Klinge wenig
gebogen ; sie haben auch das Messerchen auf
dem Rücken,
3. solche mit Dorn zum Einstecken in den Griff;
stark gebogen und sehr lang, sie haben auf
dem Rücken einen Knopf anstatt des Messers.
Ungefähr 40 sogenannte Raairmesser; sie sind
alle von halbmondförmiger Form und mit Griffen
versehen ; ganz gleich denen von Scandinavien
und der italienischen Terremare. Sogenannte d:p-
pelte sind keine darunter.
170 Armbänder meist massiv, und mit Thier-
köpfen verziert; darunter aber auch solche von
Bronzedraht,
2397 Fibeln, von denen 244 nicht vollständig
sind ; den meisten fehlt ausserdem die Nadel, und
nur 12 sind ganz intact. Einige sind reparirt, und
zwar meist ist eine neue Nadel eingesetzt, ent-
weder durch Einlegen eines Bronzestreifens in
| einen gemachten Einschnitt, oder durch Vernieten
i mittelst eines eisernen Stifts. Sie sind von ver-
schiedenen Formen und D&or zählte deren 25
I Typen.
Die Waffen sind nicht sehr häufig, doch
zählte man 110 Lanzenspitzen, alle mit runder
Dülle und langer Spitze von 11 40 cm Länge,
sowie verschiedene Pfeilspitzen , und einige
Schwerter und Dolche. Ein Schwert ist bezüg-
lich seines Griffes zuin Verwechseln ähnlich dem
bekannten im Museum von Neuchatel befind-
lichen.
Pferdegebiase sind ziemlich häufig, bald gut
erhalten , bald nur in Stücken ; cs mögen im
Ganzen an 60 sein. Sie deuten alle auf grosse
Pferde , nicht wie die so seltenen Funde der
Schweizer Seestationen auf kleine Pony. Zum
Pferdeschmuck dienten wohl auch verschiedene
einfache oder Doppelkegel, sowie grosse
1 Ringe.
Ausserdem fand man viele Stücko von Bronze-
blech, bald mit getriebenen, bald mit gravirten
Verzierungen, die ganz den Verzierungen auf den
Urnen von Villanova gleichen. Sie gehören
Gürteln und Brustschmuck an , und sind dazu
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wohl auch 6 spiralförmig gewundene Bronze-
b ander zu ziehen , Ähnlich wie man sie in den
archäischen Gräbern findet.
Ich habe nur die häufigsten der gefundenen
Geräthe aufgezählt, von Gozzadini und Dösor wer-
den noch genannt : Knöpfe, Nägel, Häm-
mer, Zangen, Stücke von Kesseln, ein
grosser Ambos, Fischangeln, eine Har-
pune oder ein Bootshacken, ein Kamm
und eine sehr roh und primitiv gearbeitete phal-
lusartige menschliche Figur, Auch er-
wähnt Desor noch Bruchstücke von A r in -
schienen von Draht, wie solche in Ungarn
häufig sind.
An Metallbrocken waren an 500 Kilogr.
vorhanden, von verschiedener Grösse, der schwerste
6,512 Kilogr. wiegend. Alle sind konische Guss-
könige , wie sie am Boden des Tiegels sich
finden ; einige sind ein geschnitten behufs der Zer-
kleinerung und andere auseinandergebrochen.
Desor erwähnt auch noch Giess formen (Goz-
zadini nicht) von Thon und von Hartbronze.
Nach den gegebenen Daten deutet somit
dieser Fund nicht allein auf ein Handels-
magazin, sondern zugleich auf eine Repara-
turwerkstätte mit Giesserei, in der man
die zerbrochenen Stücke umgoss. Bei einem
drohenden feindlichen üeberfalle mag alles in die
Amphora gepackt und vergraben worden Bein und
konnte nicht mehr geholt werden. (Ufr. unten
nachträgliche Bemerkung.)
Dass diese Bronzegegenstände nicht blos für
den Lokalbedarf dienten , sondern zur weiteren
Versendung, wozu die Lage von Bologna sich
so gut eignete, ist einleuchtend ; der Handel gieng
dann über die Alpen nach Gallien, der Schweiz,
Deutschland , Oesterreich und dem Norden. Eis
entsprechen die gefundenen Bronzen den verschie-
denen Geschmacksrichtungen der verschiedenen
Länder. Manche Funde sind identisch mit den
unsernund denen der Schweizer Pfahlbauten, andere
mit solchen in Ungarn, ja in Scandinavien. Die
Gegenstände selbst kamen wohl aus den südlich
des Apennin gelegenen grossen Werkstätten.
Sophus Müller, der Hauptvertreter der spe-
zifisch scandinavischen Bronzezeit , fragt , ob Je-
mand im Ernste annehmen könne , dass man in
Etrurien Gegenstände besonders für Norddeutsch-
land, Schwaben etc. fertigte; der Fund von Bo-
logna beantwortet diess mit einem entschiede-
nen Ja.
In welche Zeit ist aber der Fund von Bo-
logna zu setzen ? Die E m i 1 i a (die früheren
Herzogthümer Parma und Modena, sowie die
! Romagna umfassend) ist ein an prähistorischen
Funden reiches Land. Stazionen der Stein- und
der Metallzeit sind vielfach vorhanden, und gehen
oft an einer und derselben Lokalität fast unmerk-
lich in einander über ; das ist vor allem bei den
Stazionen der Bronze- und der ersten Eisenzeit
der Fall. Die Pfahlbauten reichen bis in die
Steinzeit hinab, sind dann wieder bedeckt von
den jüngeren Terremare, nach den italienischen
Archäologen der Bronzezeit angehörend, die ihrer
Seits wieder in die erste Eisenzeit heraufreichen;
daneben finden sich alte grossartige Begräbnis-
stätten, wahre Neer o polen. Die Bronzegeräthe
sind reichlich vorhanden, nicht allein in den der
sogenannten eigentlichen Bronzezeit angehörigen
Lokalitäten , sondern namentlich auch in denen
der ersten Eisenzeit. Am besten zur Festsetzung
der Altersperiodt eignen sich die Grabstätten.
Von diesen sind die jüngsten die von Marzo-
botto und der Certosa bei Bologna; dort ist
keine Leichenbestattung mehr, sondern die ver-
brannten Reste sind in Graburnen beigesetzt. Sie
fallen in die Blüthezeit der Etrusker, und sind
somit nicht später zu setzen als Tarquinius su-
perbus, ungefähr 600 Jahre v. Chr. Aelter ist
der Gräberfund bei Villanova, wo Beisetzung
in Gräbern statt fand , wenn auch damals zum
Theil schon Leichenbrand herrschte. In Villanova
wurden 193 Gräber aufgedeckt, von denen aber
nur 14 unverbrannte Leichen enthielten. Man
hat Villanova für so charakteristisch gehalten,
daSB man es als eignen Typus betrachtete und
als Epoche von Villanova bezeichnete. In
den Fundstätten dieser Epoche finden sich neben
vielen Bronzen auch Eisengeräthe , Bernstein,
Glasflüsse etc. Den italienischen Gelehrten nach
gehört sie der prima <5 1 a di ferro an, und
halten diese (namentlich Pigorini und Chierici)
daran fest, dass unter ihr erst die eigentliche
Bronzeperiode folge, der namentlich die Terre-
mare angehören. Dieser Epoche ist auch der
Bologneser Fund zuzutheilen, und macht Goz-
zadini darauf aufmerksam, dass die halbmond-
förmigen Kasirmesser, die menschliche Figur, auf
die Uebergangsepoche zwischen der eigentlichen
Bronze- und der eigentlichen Eisenzeit hinweisen;
das ist aber gerade die Epoca di Villanova,
die 1000 bis 1100 Jahre v. Chr. zu setzen ist.
Damals war somit Industrie und Handel , wie
wir sehen, schon sehr entwickelt. Es füllt diese
Zeit so ziemlich zusammen mit der Eroberung
Troja’s , und wären somit diese Funde ziemlich
als gleichzeitig mit denen in Mykenä anzusehen,
die Herr Professor von Christ in seinem neulichen
Vortrage so anschaulich beschrieben hat.
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Die italienischen Archäologen sind nicht einig
Uber das Volk , dem man in Oberitalien diese
Kultur zuzuschreiben habe. Einige erblicken darin
die Vorläufer der Etrusker, ein eignes Volk der
U mb rer oder Ligurer, andere betrachten sie
als die Etrusker selbst vor ihrer vollkommnen Ent-
wicklung, und nennen sie die Proto -Etrusker.
Bezüglich der prähistorischen Stazionen in
den Ländern nördlich von Italien mag es am
Platze sein auf Virchow’s Aeusserung hinzu-
weisen (Correspondenzblatt 1877. No 8), dass
nämlich „die Bronzezeit in unsern Ländern be-
ginnt mit den Ctynmunikationsverbindungen vom
Süden her, und dass je ferner die Lokalität von
den alten Kulturländern liege , desto mehr die
Zeit sich verlängern musste , bis die südliche
Kultur sie erreichte,“ und dass er dann ferner
constatirte (Dresdner Versammlung 1874) , dass
alle nördlichen Pfahlbauten gar nicht so ausser-
ordentlich alt sind, und theilweise sehr weit in
unsere Zeitrechnung hineinreichen , während die
Pfahlbauten der Schweiz, Suddeutschlands, Oester-
reichs, Nord-Italiens weitaus älter sind , und in
die richtige Steinzeit hinabreichen.
Woher stammen aber die Metalle, aus denen
man in Etrurien die Bronze darstellte ? Dass in
Toscana uralte von den Etruskern oder ihren Vor-
gängern betriel>ene Kupfergruben sich befinden
ist bekannt, und weise ich nur auf die Umgeb-
ungen von Campiglia und Mas sa maritima
hin. Das Kupfer war also vorhanden, und be-
durfte es nur noch Zinn oder Zink , um Zinn-
oder Zinkbronze darzustellen. Wenn es nun auch
anzunehmen ist, dass der grösste Th eil des nöthi-
gen Zinns von Spanien und Britannien gekommen
ist, so fehlten doch im eigenen Land die zur
Bronzebereitung nöthigen Zinn- und Zinkerze
nicht ganz. Ich habe schon früher auf das in
den sogenannten Cento Camerelle bei Cam-
piglia von Blanchard und C h a r 1 o n wieder-
gefundene Zinnerz, den Cassiterit hingewiesen.
Ich muss hier meine damals gegebenen kurzen
Notizen genauer fassen. In den Cento camerelle
findet sich das Zinnerz, aber dort sind nicht die
enorm grossen alten Bauten auf Kupfer, sondern
diese Hauptgruben befinden sich etwa ein Stünd-
chen nördlicher am Monte Calvi und Tem-
perin o. Am Monte Calvi kommen aber auch
noch andere Erze vor. Bleierze und Zinkerze, so
namentlich am Monte Rambolo und der Cava
d e 1 p i o m b o. Dadurch , dass die Alten die
Zinkerze mit den Kupfererzen mengten und ver-
schmolzen, haben sie denn direkt eine Zink-
bronze hergestellt, und durch Vermengung mit
den Erzen der Cento camerelle eine Zinnbronze.
Ich gehe nun über anf den zweiten Theil
meines Vortrags, das Ber ns t ein Vorkommen
in den alten prähistorischen Stazionen
der Emilia. Namentlich die Gräber haben
dort ausserordentlich vielen Bernstein geliefert,
meist Perlen zu Halsschmuck, aber auch grössere
bearbeitete Stücke. Gerade die der Villanova-
Periode angehörigen Stazionen sind reich daran
und ist es bei einem Theil der italienischen Ge-
lehrten Axiom, dass in älteren Perioden wie der
Villanova-Epoche , in Oberitalien kein Bernstein
sich finde , und die der eigentlichen Bronzezeit
angehörigen Terremare ihn nicht enthielten , so
dass er erst mit der Entwicklung des phönizischen
Seehandels , oder des etruskischen Landhandels
vom baltischen Meere her nach Italien gekom-
men sei.
Bekanntlich befindet sich das Hau pt Vor-
kommen des Bernsteins an der Ostsee und
namentlich im preussischen Samlande; von
dort sollen schon 1800 Jahre v. Chr. sidonisch-’
phönizische Schiffer ihn geholt und nach Egypten
gebracht haben , und 400 Jahre v. Chr. thaten
massilianische und syracusanische Schiffer das
jedenfalls. Ausser diesem Vorkommen an der
eigentlichen Bernstein - Küste giebt es aber noch
manche Gegenden , in denen der Bernstein sich
in Tertiär- oder Diluvialgebilden findet. Ich
nenne hier nur von europäischen Fundorten :
Polen, Galizien, Walachei, Ungarn,
Mähren, Frankreich, Sizilien and den
italienischen Apennin und ist diese Liste
weit davon entfernt selbst nur für Europa er-
schöpfend zu sein. An manchen Orten mag je-
doch kein wirklicher Bernstein Vorkommen, sondern
ein ähnliches fossiles Harz, das leicht mit ihm
verwechselt werden kann.
Nicht selten sind die Bernsteine der verschie-
denen Fundorte auch mineralogisch zu unterschei-
den, vor allem hinsichtlich ihrer Reinheit und ihrer
Farbe. Im Ganzen hellgelb, seltner honiggelb
oder noch dunkler ist der Samländische
Bernstein ; andere, so der des Apennin sind
röthlich, hyacinthroth bis braun, und
am schönsten an Farbe ist der Sizilianische
wie ihn der Simeto nach Catania herabbringt ;
f luorescir end zeigt er im durchfallenden
Lichte honiggelbe, im auffallenden him-
melblaue Farbe und kein anderer Bernstein
kommt ihm gleich an Feuer und Farbenpracht,
so dass mit ihm verglichen, man den baltischen
als den blonden Bernstein bezeichnen könnte. Im
Bologneser Apennin findet sich auch Bernstein,
röthlich bis braun an Farbe, und führt der be-
kannte Mineraloge Bombicci in Bologna als
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45
Fundort auf aus der Emilia: Scann ello,
Castel 8. Pietro, Rioio e Savignano,
Castelveccbio, letzteres im Modenesischen,
die ersteren Fundorte im Bolognesischen. Ich selbst
habe das Glück gehabt gemeinschaftlich bei einer
Excursion mit Prof. Canestrini von Padua, im
Modenesischen , an einem östlichen Zuflüsse der
Seccbia , in miocener Molasse ihn ebenfalls auf-
zufiriden, wo er in erbsen- bis haselnussgrossen
Stücken vorkommt. In dem schönen mineralogi-
schen Museum von Bologna befindet sich eine
reiche Sammlung apenninischer Bernsteine , wo-
runter Stücke von ansehnlicher Grösse.
Dass die alten Griechen den Bernstein schon
früh gekannt haben, hat uns Herr Prof. v. Christ
in seinem Vortrage über Mykenä des näheren
auseinandergesetzt, wenn auch manche Angaben
der alten Schriftsteller sich auf die Gold- und
Silber-Legirung beziehen mögen , die man mit
demselben Namen belegte , wie den Bernstein,
Elektron. W ann der italienische Bernstein be-
kannt geworden ist , darüber fehlen alle Daten ;
1639 erwähnt Carrera den sizilianischen, und
1666 Masini den bolognesischen. Sollte die
von Hesiod und Ovid erzählte Mythe, dass die
Thränen der ihren Bruder Phaöton beweinenden,
in Schwarzpappeln verwandelten Heliaden in den
Eridanus (Po) fallend, zu Bernstein, erstarren,
nicht auf die Kenntnis* des apenninischen Bern-
steins binweisen können?
Ein grosser Theil der in den prähistorischen
Stazionen der Emilia gefundenen Bernsteine gleicht
an Farbe ganz dem aus dem Apennin stammen-
den ; B o m b i c c i hat diesen prähistorischen Bern-
stein bezeichnet als „röthlichgelb von Farbe, i
manchmal Colophonium ähnlich und als am
nächsten stehend der Varietät aus dem Apennin,
nicht aber dem sizilianiächen , noch weniger dem
preussischen gleichend “ (Descrizione della mi-
neralogia generale dello provincia di Bologna).
Darauf fussend hat C a p e 1 1 i n i ebenfalls be-
hauptet, ein Theil der in der Emilia gefundenen
Bernsteine stamme ans dem Apennin und nicht
aus dem Norden. Ich weiss nun recht wohl,
dass durch das viele Jahrhunderte lange Liegen
in der Erde, der Bernstein sich verändern kann,
so zwar dass er zorreiblich wird und von aussen
herein eine dunklere Farbe annimmt, doch glaube
ich mich auch der Ansicht anschliessen zu müssen,
dass ein Theil der in der Emilia gefundenen
Bernsteine aus dem Apennin stamme und nicht
vom Norden her impotrirt sei; der andere hellere
ist aber gewiss dnrch nordischen Handelsverkehr
nach Italien gekommen. Meestre de Rave-
stein in seinem bekannten Buche (A propos des j
certains classifications prehistoriques) ist der An-
sicht, dass die südlichen Völker des Alterthums
den gelben nordischen Bernstein orst später ge-
holt und anfangs den im Lande selbst verkom-
menden verarbeitet hätten. Auf dem Congresse
in Pesth hat Franks eine Uebersicht der im
britischen Museum befindlichen, aus Italien stam-
menden , geschnitzten Bernsteine gegeben , und
bemerkt , sie beständen fast alle aus dunkeim
rothbraunem Bernstein, der allenfalls dem sizilia-
nischen noch ähneln könne, aber ganz verschieden
sei vom hellgelben des Nordens; daraus schliesst
er, das könne kein baltischer sein, und vermuthet
er möge vom Libanon herrühren. von wo Gütz-
laff und Fr aas ähnlichen mitbrachten. (Es hat
sich seitdem ergeben, dass der vom Libanon kein
eigentlicher Bernstein sei , sondern ein ' andres
fossiles Harz.)
Ob nun der gelbe baltische Bernstein erst
später importirt wurde, als man den röthlichen
des Apennin bereits gebrauchte, oder ob im Gegen-
thoile man erst auf den einheimischen Bernstein
aufmerksam wurde durch den importirten balti-
schen, mag heute dahin gestellt bleiben ; das aber
scheint sicher zu sein , dass mau in der Emilia
'nicht allein in der Etruskerzeit , sondern schon
weit früher, mindestens in der Villano va-
i Epoche, den röthlichen Bernstein aus dem
Apennin kannte, also um’s Jahr 1000 v. Chr.
Die Bernsteinfunde der Emilia haben in den
letzten Jahren Anlass zn heftigen Discussionen
zwischen den italienischen Gelehrten gegeben, in-
dem von Parma und Modena aus behauptet
| wurde, es finden sich Bernsteine nicht nur in
i den mit Villanova gleichaltrigen Stazionen, sondern
auch in den typischen der eigentlichen Bronze-
zeit angehörenden Terremare. Auf dem Stock-
holmer Congresse hatte Bellucci das bezüglich
Terni in Toscana behauptet, und Ca pell in i be-
züglich des Terremare der Emilia. Diess wurde
von Pigorini und namentlich Chierici ener-
gisch bekämpft, und an der Ansicht fcsthaltend,
dass Bernstein nie in den Terremare, die ja der
Bronzezeit einzureihen seien, Vorkommen könne,
behauptete letzterer, es müsse hier ein Irrthum
vor walten, und an den Lokalitäten, an denen an-
geblich Bernstein in den Terremare gefunden
worden sei, diese Funde aus einer überlagernden
jüngeren Culturschicht stammen. Auf diese Be-
merkungen hin wurde die Sache näher unter-
sucht, und in der That hat ein Theil der Finder
dieser Bernsteine zugegeben, dass es wohl mög-
lich sein könne , der Bernstein habe dort in
jüngerer Kulturschicht gelegen , und sei beim
| Nach graben mit den Funden der älteren ver-
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mengt worden. Eß waren im Ganzen 9 solcher Funde
vorhanden, und nach diesen Erklärungen bleiben
nur mehr 4, alle von Gorzano, bei denen die
Sache noch nicht entschieden ist. Ich möchte
aber hier doch darauf hinweisen , dass es wohl
kaum möglich ist, eine so scharfe Grenze zwischen
den Stazionen der Bronze und denen der ersten
Eisenzeit zu ziehen, dass man die Terremare als
nur der Bronzezeit angehörig ansieht , wie ich
denn auch von den Hauptvertretern dieser An-
sicht, der Professoren Pi gor in i und Chierici
verschiedene Terremare aufgeführt finde, die in
die spätere Zeit hineinreichen ; so Castellazzo
im Parmesanischen , das bezeichnet wird als der
Bronzezeit und der ersten Eisenzeit angehörend,
und S. Polod’Enza als der ersten Eisenzeit
angehörend. Dass in der älteren Terremare
keine Bernsteine sich finden, also zu einer Zeit,
die vor die Villanova-Epoche fällt, und mindestens
1500 Jahre v. Cbr. zu setzen ist, scheint aber
nun erwiesen zu sein, während in der Villanova-
Epoche man bereits den einheimischen Bernstein
kannte.
Nachträgliche Bemerkung.
In einer sehr lesenswerthen Abhandlung (Os-
servazioni al Belucei intorno alla sua opinione
della fonderia-officina di Bologna. Bull, di Paletn
Italiana 1878 fase. 11. 12), spricht sich neuer-
dings G. E r o 1 i , gegenüber der Ansicht » der
bologneser Fund sei ein in Zeiten der Gefahr
geborgenes Giesserei-Magazin , dahin aus , dieser
wie andere ähnlichen italienischen Funde seien
vielmehr Votiv-Geschenke, einer unter-
irdischen Gottheit geweiht und vergraben. Seine
Gründe, dass man es nicht mit einem geborgenen
Magazine zu thun habe, fassen sich folgender-
massen zusammen: ln Zeiten drohender Gefahr
hat man nicht Zeit den Gegenstand so sorgsam
in ein grosses Gefäss zu verpacken , wie das in
Bologna der Fall ißt, und wird man zum Bergen
überhaupt nie ein so grosses Geffcss wählen, wie
das gefundene von 125 cm Höhe und ent-
sprechendem Umfange, da man ein solches nicht
schnell und heimlich vergraben kann ; wären die
Gegenstände ein geborgenes Magazin , so ist es
ganz undenkbar, warum man mit den so werth-
vollen Bronzen auch sorgsam ganz werthlose
Thongeräthe barg, und andererseits müssten sich
unter den vielen Bronzegerftthen auch die dem
Hausgebräuche und der Werkstätte dienenden,
in grosser Menge gefunden haben, während unter
den vielen Tausenden von Fibeln, Armspangen etc.
nur ein Kamm, nur ein Amboss sich finden.
— Die Wichtigkeit des ganzen Fundes von Bo-
logna wird durch diese Bemerkungen E r o 1 i ’ s in
noch helleres Licht gesetzt, und wäre es sehr zu
wünschen, dass die von Zannoni in Aussicht
gestellte Publikation der Abbildungen der ge-
fundenen Gegenstände bald erfolgen könnte. Die
Verzögerung scheint bis jetzt einfach im Kosten-
punkte zu liegen.
Zur Statistik der Farbe der Augen
und der Haare in der Schweiz.
Angeregt dnreh einen Bericht Über die all-
gemeine Versammlung der deutschen anthropolo-
gischen Gesellschaft veröffentlicht Herr Dr. Guil-
laume zu Neuenburg im 14. Jahrgange der
Zeitschrift für Schweizerische Statistik (1878- 2>
u. 3. Quartalsheft, S. 158) einige Beobachtungen,
welche er bei verschiedenen amtlichen Gelegen-
heiten über die Farbe der Haare und Augen von
Schulkindern und Recraten aufzeiebnete. Die
Zahl dieser Beobachtungen ist eine beschränkte,
und Herr Dr. Guillaume gestattet sich auf Grund
seines statistischen Materiales keinerlei Schluss-
folgerungen zu ziehen; er wünscht vielmehr nur
die Aufmerksamkeit der Schulräthe und Militär-
ersatzbehörden auf diesen Punkt zu lenken , und
zu gleichartigen Constatirungen zu veranlassen.
Die Untorsuch ungen über die Farbe der Augen
und Haare von Schulkindern wurden in den
Jahren 1858 und 1859 gemacht , und bezogen
sich ausschliesslich auf Angehörige des Neuen-
burger Distriktes; genauere Angaben über das
Alter der Schulkinder fehlen. Bei einer Gesammt-
ziffer der Beobachtungen von 1205 constatirte
Hr. Dr. Guillaume
grauäugige 39,5°/o;
dunkeläugige 37,5°/o ;
blauäugige 23,0 Ä/p.
braunhaarig 72*5%;
blond . . 23,2°/o ;
schwarz . 2,7°,« ;
roth . .
An Corabinationen von Farbe der Haare und
Augen finden sich folgende constatirt, welche mit
den Virchow'schen Zahlen für Deutschland ver-
gleichbar rind (Bericht d. VIII. alig. Vers, in Con-
stanz. 1877. S. 96):
I. blonder Typus:
blaue Augen, blonde Haare 1 2,On/o
blaue
graue
graue
rothe
blonde
rothe
l,0°o
9,U°/o
0,5*o
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II. dunkler Typus:
schwarze Augen schwarze Haare 0,3 1 ^
dunkelbraune Augen schwarze Haare 2,0 5
„ „ braune „ 32,1 I ”
In Deutschland schwankt die Anzahl des rein
blonden Typus (blaue Augeu und blonde Haare)
von 43";o (Schleswig-Holstein) bis 18°/o (Eisass-
Lothringen), der braune Typus von 25% (Eisass-
Lothringen) bis 6,9% (Sachsen-Meiningen); unter
der hier gezählten Schweizer Jugend blonder Ty-
pus 12%, brauner 34%.
Unter 736 in den Jahren 1 863 und 1866
dem conseil de reforme von Locle und von Chaux-
de -Fonds vorgestellten Recruten etc. waren
14,5% blond-haarig
71,4 % braun „
13,8% schwarz-haarig
0,3 % roth „
Nach den beiden Haupt-Typen ordnen sich
die Ergebnisse :
32 % dunkel-äugig
48 % grau „
20 % blau w
I. blonder Typus:
blaue Augen blonde Haare 6,7%
blaugraue
... 1.3*/* |
graue
. » . 5,8“/«
©
CO
graue
„ rothe „ 0,2°.« ]
<-
schwarze
XI. dunkler Typus:
Augen schwarze Haare 2,0 i
braune
. - . 8,5
graubraune
, » . 0,8 !
schwarze
r braune „ 1,3 (
braune
„ , . 20,2 \
graubraune
. r . 9,3 /
I ■”
Dr. Rp.
Ein slavischer Burgwall bei
Rathenow.
Auf einer durch die Havel und deren Neben-
gewässer gebildeten Insel , welche dem Dorfe
8chollene gegenüber, nordöstlich von Rathenow
und in der Provinz Sachsen liegt, befanden sich
noch vor 50 Jahren die Ueberreste eines ursprüng-
lich slavischen Burgwalles und einer auf derselben
8telle von der Mitte des 12. bis Mitte des 14.
Jahrhunders gestandenen Burg der christlichen
Zeit. Diese seitdem abgetragenen Ueberreste
stellten sich nach mündlicher Ueberlieferung und
vorhandenen Karten dar , als eine kleinere und
eine grössere künstliche Bodenerhöhung, letztere
etwa 6 m hoch und 60 m breit, concentrisch von
doppelten Ringgräben und zwischen diesen von
| einem Ringwalle umgeben. Der äussere Graben
| umschrieb einen Durchmesser von etwa 120 m.
Am Wasser, der Dorflage gegenüber, wurden
dem Burgwall zunächst neuerlich Schwellen und
schlank mit kleinen Hiebflächen behauene Pfähle
von Eichenholz ausgegraben. Das Holz erschien
in Folge der Lagerung im Wasser durchgehend*
schwarz.
Bei neuerlichem Rajolen der Fläche, welche
die Burgstelle früher eingenommen hatte, fanden
sich ausser kunstreichen und mit Kalk gemauer-
ten Fundamenten aus christlicher Zeit ein solches
von kreisrunder Form, 4 % m stark, ringförmig
einen lichten Raum von 4 m Durchmesser um-
sch liessend. Dieses Fundament war aus grossen
Steinblöcken gesetzt mit Rollsteinen und zer-
stampftem Raseneisensteine verfallt.
Kleinere Bauresto , durchbrochen von denen
aus christlicher Zeit, erwiesen sich aus Rollsteinen
und gebrannten Steinen mit Lehm hergestellt.
Diese gebrannten Steine sind abweichend von den
kantig geformten Backsteinen aus der christlichen
Zeit, durch Brennen grosser rundlicher Lehm-
ballen und demnächstiges Zerschlagen derselben
hergestellt ; die eckigen und hakigen Bruchflächen
ermöglichen die Herstellung eines Verbandes beim
Vermauern.
Ferner fanden sich in grosser Zahl : Knochen
und Hirschgeweihe als Waffen oder Werkzeuge
bearbeitet und als KüchenabfUlle, Scherben unge-
i henkelter, auf der Drehscheibe geformter Gefässe
und Spinn wirtel, — Steinartefakte wurden nicht
gefunden , dagegen ein Schmelzrückstand von
Bronze, nicht unmittelbar an dem Borgwalle.
Die 8cherben zeigen eine grobkörnige mit
glänzenden Körnern des Glimmerschiefers — der
nur hier in vielen Stücken noch sich vorfindend
zu d e m Zwecke importirt erscheint — gemengte,
äusserlich und innerlich geschwärzte Masse gut
gebrannt. Die Ornamente sind ziemlich geschickt
und vielseitig durch mehrzinkiges Werkzeug ein-
gerLsen und gepresst Sie bestehen bei einigen
aus einfachen , auch doppelt umlaufenden , auch
I fransenartig angeordneten Wülsten, die in sich
i durch Einpressung verziert, Felder mit eingeritz-
ten Kreisen und Tapfen umschliessen. Die Wellen-
und Zickzacklinie ist vorherrschend.
Die Havel bildet um die Insel des Burg-
walls eine plötzliche knieförmige Beugung. Sko-
lena soll im Wendischen soviel bedeuten als „aus
dem Knie.“ In alten Urkunden kommt die
Schreibart „Skolena“ für die Burg und Ortschaft
Schollene vor.
von Alvemleben, Rittergutsbesitzer.
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sich die Geweihe befanden. Uebrigens ist auch die Er-
haltungsart der letiteren ganz mit derjenigen überein-
stimmend, welche diluviale Wirbelthierknochen zeigen.
Es liegt in diesen bearbeiteten Geweihstücken ein be-
roerkenawerther Beweis für die Existenz des Menschen
in Schlesien lar Zeit der Ablagerang des Diluviums der
norddeutschen Ebene vor, während sonst der Beweis für
das höhere Alter de« Menschen auf den in Knochen-
höhlen gemachten Funden beruht (Nr. 178 d. Scbleaiscb.
Zeitg. v. 1. J.) von der Wengen, Freibarg i/B.
Herr Major von Hum bert auf Hohenk ränig bei
Schwedt an der Oder bat auf seiner Gutsfeldmark auf
der Höhe des steilen linken Oder-Ufers einen heidni-
schen B egräbnisspla tz aufgedeckt. Etwa einen
halben Meter unter der Erde befinden sich in regel-
mässigen Reiben bei ungefähr einem Meter Ab.tand von
einander kleine etwa einen Meter hohe Packungen von
unregelmässigen Feldsteinen der verschiedensten Form,
jedoch nicht über einen Quadratfass gross. Etwa 12
derartige Stellen wurden aufgedeckt. Im Innern be-
fanden sich grosse Urnen mit Stülpen darüber und
mehrere kleinere Gefässe, umstellt mit leeren Cere-
moniengefassen, darunter solche von ca. I1/? bis 2 Liter
Inhalt. Nur in den grössten Urnen befanden sich Reste
des Leicbenbrandes , aber sehr vermorscht und auf be-
sonders hohes Alter deutend. Neben einem solchen
grossen Gefäss lag frei in der Erde ein uoverbrannter
Menschenschädel, von dem jedoch nur ein Theil, der
Zähne gerettet werden konnte. Beigaben aus Stein oder
Metall sind nicht gefunden worden. Man gewann wohl-
erbalten ca. zwölf grosse und kleinere thönerne Gefässe,
donkelbraun und von primitivem Typus. Zweifellos
handelt es sich um vorwendische Objekte. Herr v. Hum-
bcrt hat die Fundstücke den städtischen Behörden von
Berlin für das Märkische Provinzial- Museum zum Ge-
schenk gemacht. Dr. M. Bartels, Berlin.
Nachdem vor einigen Wochen von Dorpat aus die Errichtung einer Bronzestatuo für
Karl Ernst von Baer
betrieben worden war, haben wir Unterzeichnete uns erlaubt, an deren Stelle den deutschen Fach-
Genossen eine Gesammtausgabe der Werke des grossen Forschers vorzuschlagen.
Von den Collegen, die durch Circular von unserem Vorschläge in Kenntnis« gesetzt worden
sind, bat sich ein überwiegend grosser Theil unbedingt zu unseru Gunsten ausgesprochen. Ein Theil
der Herren hatte sich Dorpat gegenüber bereits gebunden , allein auch diese haben uns durchweg
ihre Sympathie und soweit die bereits eingegangenen Verpflichtungen dies erlaubten, ihre werkthätige
Theilnahme zugesicbert. Von Dorpat aus und zwar von Seiten des Comites, wie von Einzelnen, ist
unser Vorschlag als berechtigt zwar anerkannt, aber jede Theilnahme an demselben abgelehnt worden.
Unter den gegebenen Verhältnissen glauben wir im Sinn einer grossen Zahl deutscher Col-
legen zu handeln, wenn wir unserm Plane bestimmte Gestalt zu geben suchen. Zunächst handelt es
sich um die Zusammenstellung, bez. um die Auswahl der herauszugebenden Schriften. Absolute
Vollständigkeit anzustreben wird vielleicht kaum möglich sein, wohl aber eine Herausgabe aller der
8chriften, welche für die Entwickelung der Wissenschaft und für die Beurtheilung der Persönlichkeit
von Baer’s bedeutsam sind. Wie es sich mit dem Erwerb anfälliger Publicat ionsrechte verhält und
in welcher Form die Herbeischaflung der Mittel und die Herausgabe selbst geschehen sollen, das
kann selbstverständlich erst nach weiteren Verhandlungen festgestellt werden.
Es ist uns nun als das Passendste erschienen, zunächst eine Commission zusammen zu bitten, die
die Auswahl der Schriften und die Verlagsfrage in die Hand nehmen soll und es haben die Herren
R. And ree, V. Carus, C. Kupffer und J. Ranke die Freundlichkeit gehabt sich uns anzuschliessen.
Wir werden uns erlauben, den deutschen Fachgenossen über die Ergebnisse unserer Bemüh-
ungen später wieder Bericht zu erstatten und wir bitten dieselben vorerst, der von uns vertretenen
Sache ihr Wohlwollen zu bewahren und in ihren Kreisen Interesse dafür zu erwecken.
Freiburg — Leipzig, den 25- März 1879.
A. Ecker. W. His. R Leuck&rt.
Druck der Akademischen Buchdruckerei F. Straub in München. — Schluss der Deduktion am JO. Mai 1879.
Kleine Mittheilungen.
(Fund von drei durch Menschenhand bearbeiteten Hirsch-
geweihstücken aus dem Diluvium In Schlesien ) In der am
26 März d. Ja. stattgefundenen Sitzung der naturwissen-
schaftlichen Section der Schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Cultur legte der Geh. Bergrath Professor Dr.
Römer drei durch Menschenhand bearbeitete Hirscbgeweih-
stückevor, welche durch Baron v. Köck ritz im Diluvium
einer Kiesgrube bei Mondschütx, unweit Wohlau, au ge-
funden wurden. Die Bearbeitung der Stücke durch Men-
schenhand ist ebenso unzweifelhaft, wie die Fundstätte der-
selben im ächten Diluvium. Die Spuren der Bearbeitung
bestehen in glatten Schnittflächen, welche augenschein-
lich mit einem scharfen Instrumente bewirkt wurden.
Das grosse der 8 Stücke ist eine 88 Centimeter lange
und unmittelbar über der Augensprosse ö Centimeter
dicke Hauptstange des Edelhirsches (Cervas elapbusl.
An derselben sind nicht blos die beiden Enden durch
schief verlaufende Schnittflächen zugestutzt, sondern ist
auch die ganze Mittelsprosse vollständig entfernt , so
dass an deren Stelle nur zahlreiche glatte Schnittflächen
vorhanden sind und die Hauptstange auf diese Weise
einen fast geraden, einfachen Stab darstellt. Die beiden
anderen Stücke sind, wie ans dem erhaltenen unteren
Ende ersichtlich, abgeworfene Geweihe jüngerer Indivi-
duen. Auch bei diesen lassen glatte Schnittflächen am
Ende der Stange und an den Sprossen die Bearbeitung
durch Menschenhand deutlich erkennen. Die Lagerstätte
der Stücke betreffend, so wurden dieselben in einer
Kiesgrube 9 Fass tief unter der Oberfläche gefunden.
Die besonderen Lagerung« Verhältnisse sind durch Baron
v. Köckritz genau beobachtet worden. Unter einer 1 i
Fass dicken Dammerde-Schicht folgt in der Kiesgrube
zunächst eine Schicht von lehmigem Kies (4 Kuss),
dann reiner Kies (1 Fuss), nach ihm lehmiger Letten mit
nordischen Geschieben (3 Fuss) und endlich Sand mit
nordischen Geschieben ln dieser letzteren Schicht haben
I by LiOOQle
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von Professor Pr. Johanne n Sänke in München,
Genmleeeeet&r der GeeeUacka/l.
Nr. 7. Erscheint jeden Monat. Juli 1879.
Die Bronzefunde in Bologna,*)
Von J. Hestorf, Kiel.
Der in den letztausgegebenen Nummern des
Correspondenz-Blattes veröffentlichte Vortrag des
Herrn Bergwerkdirektor Emil Stöhr über den
Bronzefund bei S. Francesco in Bologna veran-
lasst mich zu nachfolgenden Bemerkungen über
denselben Gegenstand. Ich verweilte im April
d. J. acht Tage in genannter Stadt um die be-
kannten Sammlungen in Augenschein zu nehmen.
Die Zeit genügte zu einer flüchtigen Ueborsicht,
nicht aber zu einem tieferen Studium des reichen
Materials. Herr Stöhr stützt seine Bemerkungen
hauptsächlich auf die Mittheilung des Grafen
Gozzadini in den Materiaux pour l'histoire de
l'homme. Sie zeigen wie gewagt es ist, nach
einer Fundbeschreibung ohne Abbildungen sich
ein Urtheil über den Charakter der zu Tage ge-
forderten Gegenstände zu bilden. W äre es Herrn
Stöhr wie mir vergönnt gewesen den Inhalt des
dolio von San Francesco **) , so wie derselbe
gegenwärtig im Museo civico ausgestellt ist, mit
eigenen Augen zu prüfen , da würde er schwer-
lich „ einleuchtend u finden, dass er uns die Quelle
zeigt, welche einst einen Theil von Europa mit
Bronzegerftth versorgte ; er würde nicht sagen,
•) Wir sind erfreut, über die«« für die Urgeschichte
so wichtige Frage auch eine Mittheilung vom Stand-
punkte der nordischen Archäologie bringen zu können.
Die Redaction.
*•) Der Fund wurde nicht bei Anlage eines Grabens
auf einer Wiese gemacht, sondern bei einer Sielanlage
an einer Strasse, die noch jetzt il prate genannt wird*
und ehemals Wiesengrund gewesen sein mag. J. M.
dass dort »alle Formen vertreten sind“, dass
„die dort gefundenen Bronzen allen Geschmacks-
richtungen der verschiedenen Länder entsprechen
noch dass „dieser Fund die Frage von Sophus
Müller, ob man etwa im Ernst annehme, dass
man in Etrurien Gegenstände für Norddeutschland,
Schwaben (?) etc. etc. verfertigt, mit einem ent-
schiedenen ja ! beantworte.**
Was man dort sieht, weckt in keiner Weise
die Vorstellung von der Habe eines Bronze-
giessers, der für den Export arbeitete. Man findet
unter dem Geräth von localem Character keine
Formen , die als fremd (norddeutsch, ungarisch,
westeuropäisch u. 8. w.) auffallen. Unter den
Messern sind keineswegs „alle Formen vertreten“,
die nordischen jedenfalls gar nicht. Unter den
2377 Fibeln ist kein einziges Exemplar .der nor-
dischen Bronzezeit-Fibula. Schwerter und Dolche
sind nur einige wenige vorhanden und unter
diesen keines , welches , der Geschmacksrichtung
der nordischen Völker entsprechend, speciell für
den Export nach nordischen Ländergebieten ge-
gossen worden. Fehlen nun einerseits jene For-
men, welche dem Norden eigenthümlich sind, so
finden wir dahingegen manche, die uns aus mittel-
und nordeuropäischen Sammlungen wohl bekannt
sind, aber dort durch ihren fremdartigen Typus
sofort auffallen. Im übrigen bedarf es kaum der
Erwähnung , dass dieser Massenfund für das
Studium nach allen Richtungen ausserordentlich
lehrreich ist. Von besonderem Interesse sind
unter anderen die verschiedenen Werkzeuge z. B.
die grosse Mannigfaltigkeit der Meisseiformen,
namentlich der Schmal meissel und Hohlmeissel;
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ferner die Punzen (einige mit stumpf gerun-
detem Ende, andere flach und gezahnt); die
Sägen, Feilen u. 8. w. Unter letzteren findet man
etliche mit breiten, flachen und weiter aus ein-
ander liegenden Kippen, die ich eher für Stempel
als für Feilen halten möchte. Die Mannigfaltig-
keit der Fibeln , die hier neben einander liegen
und sich somit als gleichzeitig aus weisen, ist in
hohem Grade Überraschend und bedeutungsvoll
für die Auffassung und Altersbestimmung mancher
anderen Funde und dürfte namentlich einigen
französischen und italienischen Forschern bezüg-
lich ihrer Periodentheilung zu denken geben.
Ob aber der Fund von San Francesco Über-
haupt als die Habe eines Bronzefabrikanten an-
zusehen ist, bleibt wohl bis weiter unentschieden.
Die formlosen Metallstücke, völlig neue und be-
reits gebrauchte, unfertige und zerbrochene oder
gar zerhackte Gegenstände sprechen freilich dafür,
allein Beachtung verdient jedenfalls, dass auch
die Werkzeuge beschädigt sind und dass die Guss-
formen fehlen. Die Formen sind für den Fabri-
kanten oft ebenso werthvoll wie das Rohmaterial,
wenn er deshalb bei nahender Gefahr Müsse
hatte letzteres und zwar mit wohlberechneter
Ausnützung des Raumes sorgfältig zu verpacken,
da hatte er auch Zeit die Formen mit in die
Grabe zu legen, welche zur Aufnahme des grossen
irdenen Gofttases gegraben werden musste.
Herr Stöhr schenkt seine Aufmerksamkeit
auch den Gräberfunden , welche in Bologna be-
wahrt werden und die Stadt zu einem Walfahrts-
ort für Archäologen machen. Die Funde von
Villanova und Marzabotto befinden sich in den
Privatwohnungen der resp. Besitzer . erstere in
dem Palazzo Gozzadini, via Stefano , letztere in
dem Schlosse des Grafen Aria zu Marzabotto,
einer Eisenbahnstation auf dem Wege nach Flo-
renz, die von Bologna aus in 20 Minuten er-
reicht wird.
Die Funde von der Certose, von Arnvaldi,
San Stefano, Benacei und De Lncca (sämmtlich
im Weichbilde der Stadt) befinden sich, wie auch
der oben besprochene Fund von San Francesco,
im Museo civico. Die Funde Benacci und De
Lucca sind noch nicht ausgestellt; sie lagern bis
weiter in dem Zustande, wie sie ausgehoben
wurden in zwei grossen Sälen und sind folglich
bis jetzt nicht zugänglich. Dass es nun trotzdem
gestattet wurde sie zu besichtigen , danke ich
der Güte des Grafen Gozzadini. Theils in Papieren,
Kästchen und Körben bewahrt, und zum Theil in
Trümmern und Sehftrbei», sind sie freilich schwer
zu übersehen, aber vor den ausgestellten Funden
gewähren sie den grossen Vorzug , dass hier
der Inhalt der einzelnen Gräber zusammen ge-
halten ist.
Herr Stöhr hält die Gräber von Villanova
mit Unrecht für älter als diejenigen von der
Certosa und Marzabotto, weil dort noch Leichen-
bestattung vorkomme, während in letzteren nur
verbrannte Gebeine gefunden seien. In Villa-
nova, Marzabotto und in der Gruppe Arnvaldi
kam die Bestattung der verbrannten Leichen
allerdings seltener vor als die verbrannten Ge-
beine, auf der Certosa aber enthielten von 365
Gräbern 250 unverbrannte Skelette, 115 ver-
brannte Gebeine und auch zu San Stefano war,
so weit mir bekannt , Leichenbestattung vor-
herrschend.
Die Skeletgräber sind es gerade, welche jene
Eisenschwerter bergen , die schon auf dem archäo-
logischen (Kongresse in Bologna eine Discussion
veranlasst cn und noch jetzt Gegenstand weit und
tiefgreifender Forschung sind, zumal sie häufig
in Begleitung anderen Geräthes Vorkommen, welches
den rein etruskischen Charakter der hier genannten
norditalischen Nekropolen in Zweifel stellt.. Es
sind jene eisernen Schwerter, wie deren in der
Schweiz (la Tone und Tiefenau) und in Frank-
reich (Alesia) in grösserer Anzahl beisammen ge-
funden wurden und ausserdem in England, Mittel-
Deutschland, Ungarn, ja nunmehr bis nach Jüt-
land hinauf und südlich der Alpen bis nach
Arezzo hinunter nachgewiesen sind. Man hat sie
für keltisch erklärt , zumal sie von mancherlei
anderem Geräth von unbestritten keltischem Typus
begleitet zu sein pflegen. Nachdem deutsche,
scandinavische, französische und englische Archäo-
logen sich mit der L'ulturgruppe, der diese Dinge
angehören, seit Jahren beschäftigt, hat neuerdings
Herr von Pulsky einen in der ungarischen
Akademie der Wissenschaften gelesenen Vortrag
über denselben Gegenstand veröffentlicht*) und
fast zur selben Zeit erschien die Beschreibung
eines neuen Grabfundes (bei Ceretolo) unweit
Bologna vom Grafen Gozzadini **), welcher die
fraglichen Eisenschwerter mit derselben festen
Ueberzeugung ftlr etruskisch erklärt , mit der
Herr v. Pulsky ihren keltischen Ursprung nach-
gewiesen. Das Grab bei Ceretolo enthielt ausser
einem Schwerte von dem hier besprochenen Typus,
eine eiserne Kette , deren Beschreibung völlig
passt zu der v. Pulsky a. a. ü. S. 25 abge-
*) Die Denkmäler der Keltonherrechaft in Ungarn.
Bndapest, Druck des Prankli wehen Verein* 1879- 44 S.
in 8° mit 32 Fig. in Hohachnitt.
••) Di un antico sepolcro a Ceretolo nel Bolognese.
Modena, Vincenzi e Nipoli 1879. .33 S. in 8° mit einer
Doppeltafel in Chromolithographie.
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51
bildeten Kette von SzendrÖ ; ferner Lanze, Scbeere,
Armband, Fibeln, verschiedene andere Gegenstände
und eine schöne bronzene Oenochoe mit einer
Figur am Griff (nach Gozzadini eine Bachusfigur),
die jedenfalls nicht keltisch ist. Von den Fibeln
sagt der Verf. nur, dass etliche mit einseitlicher,
etliche mit doppelter Spirale Vorkommen, nichts j
aber Uber die sonstigen Eigenthfimlichkeiten, welche '
als characteristisch für die keltische Fibula gelten.
Dahingegen giebt er Nachricht von anderen 1
Funden gleichartiger Schwerter in Italien ; ausser
denjenigen von Marzabotto und Ceretolo bei Caere
und Friano (zwischen Chiusi und Arezzo) und in
der Gruppe Benacci in Bologna. Eines von den I
Schwertern ans den Gräbern Benacci war begleitet !
von drei BronzegefÄssen, einem Bronzehelm, einer
strigillis mit griechischem Stempel, einem CAnde-
laber, einer eisernen Scheere u. 8. w. Das Haupt,
des Todten zierte ein goldener Lorbeerkranz (von f
dünnem Goldblech). — Das Schwert von Marza- |
botto ruht noch jetzt wie bei der Aufdeckung ;
des Grabes im rechten Arme des einstmaligen
Besitzers; daneben die Lanze mit blattförmigem 1
Eisen und eiserner Zwinge am untern Ende des
Schaftes. Die Länge der Lanze betrug (soweit
ich über den verschlossenen Glasdeckel messen
konnte) circa 180 cm.
Eiserne Schwerter von sogen, la Tene Typus
finden sich sonach in Gräbern auf italienischem i
Boden ; in weit grösserer Anzahl aber fand man
sie bisher nördlich der Alpen und zwar nicht nur
in Begleitung von anderem derselben Culturgruppe
an gehörenden Gerftth, sondern bisweilen mit Orna- |
menten in jenem Stiel, welchen Franks late-eeltic ;
genannt hat. Herr v. P u 1 s k y ist in Betreff 1
der keltischen Bügelfibula der Ansicht , dass sie
sich aus der etruskischen entwickelt habe. Wird
er dieselbe Erklärung auf daäf keltische Schwert
anwenden? Nachdem sich die Schwerter und
Sehmuckgegonstände vom sogen, la Tene Typus
in den letzten Jahren in viel weiterer örtlicher
Ausdehnung vorgefunden , als man bisher ver-
mnthet , ist es unsere Aufgabe ihrer räumlichen
Verbreitung nachzuforschen, unter Berücksichtig-
ung zunächst der einfachsten ursprünglichen Formen, i
und zweitens der sie begleitenden fremdartigen,
d. h. einer anderen Culturgruppe angehörenden
Gegenstände. Einer mündlichen Mittheilung zu-
folge hat man in Böhmen Beweise, dass die ein-
fachen rückwärts gebogenen eisernen Drahtfibeln
dort angefertigt sind. Wie weit findet man die-
selben nach Süden ? *
Herr St Öhr hält die Gräber von Villanova
für circa gleichalterig mit den von ßchliemann
aufgedeckten in Mykenae. Aus letzteren tritt
uns eine Bronzecultur entgegen in höchster Ent-
wicklung; eiserne Geräthe fehlen. In Villa-
nova und der mit Villano vu io gleiche Zeit zu
stellenden Gruppe Arnvaldi kommt dahingegen
eisernes Geräth vor, wenngleich keine Schwerter.
In sämmtlichen Nekropolen in und bei Bo-
logna ist Bernstein gefunden , als Perlen t als
Incrustution in Bronze oder Knochen , oder ge-
schnitzt. Herr S t ö h r verfolgt das Vorkommen
desselben auch in den älteren Perioden und be-
ruft sich auf Chierici und Pigorini in dem Aus-
spruch , dass in den Terromaren der Bronzezeit
kein Bernstein bis jetzt nachgewiesen sei. Pro-
fessor Pigorini bestätigte mir mündlich, was er
schon in dem Bullettino (Octoher-Novemberheft
1877) mitgetheilt hatte, dass er in der temunara
zu Cnstione in der That mit eigener Hand zwei
Stücke bearbeiteten Bernsteins gefunden habe.
So weit mir bekannt, sind dies bis jetzt die ein-
zigen Stücke Bernstein , deren Provenienz aus
einer Terramarenschicht der Bronzezeit ver-
bürgt ist.
Das Museo eivico ist ein städtisches Institut,
die Stadt Bologna hat grosse Opfer gebracht,
theils um die Ausgrabungen von kundiger Hand
vollziehen zu lassen, theils um bereits ans Licht-
geförderte Schätze zu erwerben. Sie sichert« sich
dadurch die dankbare Anerkennung nicht nur
der italienischen Forscher, sondern der Archäo-
logen aller Länder und besondere Anerkennung
verdient, dass sie darauf bedacht war die Funde
in ihrer Gesammtheit zu erwerben und dadurch
eine Zersplitterung des Materials zu verhüten.
Die Ansichten Über die Nothwendigkeit des Zu-
sammenhaltens sämintlicher Gegenstände auch bei
grösseren Funden sind allerdings getheilt. Man
sagt, nicht jeder könne im Interesse seiner Studien
weite Reisen unternehmen, es sei deshalb Aufgabe
der Centralmuseen die verschiedenen Culturgruppen
in ihrer Entwicklung zu veranschaulichen. Kann
man aber den Character einer Fundgruppe in
zufällig erworbenen Probestücken studieren? Ge-
setzt — um bei den Bologneser Funden zu bleiben
— es wäre ein Stück der alten Nekropole auf
der Certosa auf Kosten der Stadt Bologna auf-
gedeckt, ein zweites für ein Londoner Museum,
ein drittens für Berlin — da müsste man, um
die Funde der Certosa zu studiren, nicht allein
nach Bologna, sondern auch nach Berlin und
London reisen, da ein so grosses Gräberfeld schwer-
lich von einem Ende bis zum anderen dieselben
Erscheinungen darbietet. Unter den Gräbern Be-
nacci z. B. hatte bisher kein zweites Grab gleichen
Inhalt wie das oben beschriebene. Für die Studien
und somit für die Wissenschaft förderlich wäre
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52
es, wenn überall HÜmmtliche Funde vorhistorischer
AlterthUmer dem Localmuseum des betr. Bezirkes
überliefert würden , um dieses in den Stand zu
setzen an auswärtige Museen so wie an Lehrinstitute
systematisch wohlgeordnete Sammlungen ubzu-
geben, welche eine Culturperiode der einen Fund-
gruppe veranschaulichen. Daraus erwüchse ein
dreifacher V ortheil : Die Vorstände der Local-
museen würden eine gründlichere Kenntnis* des
von ihnen verwaltenden Bezirkes erwerben ; die j
Centrnlumseen würden ein correcteres Bild der
verschiedenen Culturgruppen zur Anschauung
bringen können, als dies durch zufällige Erwerb-
ungen möglich und die Preise würden nicht ferner
so unnatürlich hoch gescbroben werden, wie dies
jetzt der Fall ist, zumTheil wohl, weil Museums-
Vorstände und Privat« animier auf fremdem Gebiete l
ihre Sammlungen zu bereichern suchen. Selbst
Privatsammler , welche anlänglich aus Liebe iur
Sache, aus Patriotismus Sammelten , wurden da-
durch mehr oder minder zu Händlern, die Ueber- I
reste der Vorzeit, die Landesgut sind und bleiben j
sollten, wurden zur Hundelswaare, die dem Meist- \
bietenden zugeschlagen wird. Dem Uebel würde
Abhülfe werden, wenn sämmt liehe Museums Vor-
stände sich dahin einigten . keine Erwerbungen
auf fremdem Gebiete zu machen ohne zuvor die
Verwaltung des Local museums des betr. Bezirks
davon in Kenntnis« gesetzt zu haben. Man sage
nicht, dass dies ideale Wünsche und Vorschläge
sind. Vorausgesetzt dass das Princip als richtig
anerkannt wird, lässt sich, wer es anstrebt, bei
ehrlichem guten Willen sehr wohl erreichen. Die
Museums Vorstände, welche nicht in der glück-
lichen Lage sind über ein grosses Budget zu ver-
fügen, dürften mit mir einverstanden sein, dass
es wünschenswert!! und jetzt an der Zeit wäre,
eine Vereinigung der Museumsverwaltungen in
dieser Hinsicht anzubahnen.
Arier und Semiten.
Von Dr. Fritz Hommel, München.
Bei der Erforschung der Vor goschichte des
Menschen, die ja ein Hanptgebiet der anthropo- j
logischen Wissenschaft ist, schien man bis vor
Kurzem, zumal für Europa, nur auf Ausgrabun-
gen und die ans ihnen in Bezug auf Schädel,
Werkzeuge, Schmucksachen u. a. sich ergebenden
Resultate beschränkt. So fand man allmählich
nach der Classiticirung der Schädel verschiedene
R as s en ty pen. Man gelangte nach dem ver-
schiedenen Material der aufgefundenen Gerät-
schaften zur Annahme verschiedener aufeinander-
folgender Culturepochen dieser Vorgeschichte, einer
Steinzeit , Bronzezeit und Eisenzeit. Man fand
die Pfahlbauten, fand bei solchen |und anderen
Niederlassungen von Menschen Knochen von Thieren,
zumal Haustieren, die für die nähere Bestimmung
ihrer Zeit und ihres Kult Urzustands wichtig waren,
und allmählich erstand so ein Bild, in nebelgraue
halb verschleierte Ferne gerückt , aber darum
natürlich desto anziehender und immerhin klar
genng , um einzelnes sichere daran zn erkennen,
— ein Bild der Geschichte Mittel- und Nord-
Europas in vorhistorischen Zeiten.
Da kam immer bestimmter ihre Aufstellungen
formulirend eine andere Wissenschaft, welche ohne
Schädel und Steinwaffen zu befragen, nun plötz-
lich der ganzen Frage nach der ethnologischen
Stellung der europäischen Völker eine neue Wen-
dung gab; sie grub auch aus, aber aus anderem
Erdreich, sie holte uralte Dokumente aus dem
fernen Orient hervor und grub und forschte da-
rin, aber mehr in dem, womit sie zu uns redeten,
als was sie redeten, d. h. sie secirte die Sprache
selbst, stellte Vergleichungen um Vergleichungen
an — und der Zusammenhang der europäischen
Cult Ursprachen mit denen Persiens und Indiens
war erwiesen und ist es noch und für alle Zeiten.
Nun ist wohl zu beachten, dass, wenn auch
alsbald weitergefolgert wurde , die Ursitze der
gesummten indogermanischen Völker seien im mitt-
leren Asien zu suchen (so die meisten indog.
Sprachvergleicher), dass das feststehende Resultat
— was auch kein Anthropologe von seinem Stand-
punkt aus bestreiten kann — doch nur das vom
Zusammenhang der europäischen und asiatischen
Arier ist, dass aber die Frage, ob die Völkerbe-
wegung von Osten nach Westen oder umgekehrt
gieng, als eine ganz andere und mit obigem noch
lange nicht gelöste, betrachtet werden muss.
Wo nun nach der physischen und geistigen
Seite hin für die Vorgeschichte Europas soviel
Material aufgehäuft war, das sich täglich mehrte,
da — sollte man denken — hätte nun das
schönste Miteinander- und Zusammenarbeiten der
Anthropologen und Sprach- und Alterthumsforscher
beginnen sollen, und dadurch solche und andere
Fragen in Bälde und schön und bündig gelöst
werden müssen.
Dem war aber nicht so ; im Gegentheil, die
Resultate, welche beide Wissenschaften bei immer
weiterem Forschen fanden, schienen sich so zu
widersprechen , die Grundprincipien , von denen
man ansgieng, so total von einander abzuweichen,
dass allmählich — und davon ist keine von bei-
den freizusprechen — eine vornehme gegenseitige
Ignorirung und Ablehnung Platz griff , die alles
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gedeihliche Zusammenarbeiten und jede erspriess-
liclie Verständigung fUr immer zu verbannen
schien. Man kümmerte sich einfach nicht mehr
um einander, und es soll dies keineswegs ein
Vorwurf gegen die Anthropologie, zu deren Ver-
tretern mir heute zu sprechen vergönnt ist, sein,
denn meine Fachgenossen haben es derselben ge-
genüber geradeso, wenn nicht noch ärger gemacht
Es ist kaum glaublich, welche Unkenntniss in
anthropologischen Fragen bei der Mehrzahl der
Sprachforscher angetroffen wird.
Als dann weiter die ältesten Denkmäler des
Morgenlandes, vor allem Aegyptens und der
babylonisch-assyrischen Länder immer mehr auf-
gedeckt wurden, und die Vertreter dieser neuen
Wissenschaften, allerdings mit manchem Hecht,
geringschätzig auf die Materialien der Anthropo-
logie für die Erforschung der ältesten Völker-
und Rassen Verhältnisse des Orients herabblickten,
diese dagegen durch die neuen Reisen und Ent-
deckungen in Afrika wiederum neue Waffen ge-
gen unsere Wissenschaft in den Händen zu haben
glaubten, da ging der alte Streit oder vielmehr
die alte gegenseitige Gelingschätzung und Nicht-
beachtung auch auf dieses Gebiet hinüber — ich
erinnere beispielsweise nur an Robert Hartmann
und die Aegyptologen — , und eine Einigung ist
auch hier noch nicht erzielt, geschweige denn nur
angebahnt worden. Um Aegypten streiten sich
die die Anfänge aller Kultur jetzt gern nach
Afrika verlegenden Ethnologen einer- , und die
von der allerdings entfernten aber doch besteh-
enden Verwandtschaft des altägyptischen und ur-
semitischen ausgehenden Orientalisten andrerseits ;
und wo die Ursitze der Semiten zu suchen sind,
darüber haben die semitischen Sprachgelehrten,
da diese Frage von der Anthropologie noch nicht
angeregt wurde, bis vor kurzem beinahe ganz
geschwiegen; erst Sprenger und Schräder
berührten die Sacho , freilich ohne Erfolg und
ganz falsche Wege dabei cinschlagend , die nur
wieder ein Beweis von dem einseitigen Zunftgeist
waren, der fast immer unter den Sprachgelehrten
herrschte, bis im Jahre 1875 der geistvolle und
gelehrt« Oestreicher A. von Kremer hier die
richtigen Bahnen zeigte.
Ebenso fremd wie diese Frage blieb bisher für
die Anthropologie, so interessant sie sonst für die-
selbe gewesen wäre, die sog. sumerische. Die
alten Sumerier, ein neu ftlr uns in der ältesten
orientalischen Geschichte auftauchendes Kultur-
volk, sind — soviel steht fest - weder semit-
ischen noch indogermanischen Stammes , noch
haben sie mit der sog. hamitischen (berberisch-
ägyptischen) Sprachfamilie trotz Nimrod in Gen. 10
etwas zu thun ; einige Berührungen mit dem
Bau der ugro-finnischon Sprachen ausgenommen,
steht ihre Sprache ziemlich eigenartig da. Sie
sind das Volk, welches vor den Semiten die Nie-
derungen Babyloniens inne hatte und dort die
erste Civilisation hintrug. Schädelmessungen kön-
nen hier keine mehr vorgenommen werden , wie
etwa im alten Aegypten an den Mumien, auch
waren die Sumerier schon vor Ende des 2. Jahr-
tausends vor Chr. ganz in die nachfolgende se-
mitische Bevölkerung aufgegangen, so dass, wenn
man in den Ruinen der altbaby Ionischen Städte
ja noch Schädel finden würde, diese für die Frage
nach der Rasse der Sumerier kein bestimmtes
Kriterium mehr abgeben könnten ; nur literarische
Ueberreste haben wir noch von ihnen, und hier
wäre für die anthropologische Forschung schon
etwas zu machen — ich meine die Untersuchung
der Külturwörter des sumerischen — , wenn die
Gelehrten, die dieses Material allein heben könn-
ten, die Assyriologen, vorsichtiger zu Werk gien-
gen und vor allein mehr Sinn und mehr Blick
für solche Untersuchungen hätten, als es leider
der Fall ist.
Ich erwähnte vorhin das Wort Rasse im
Gegensatz zu Spr ac h familie, und damit komme
ich zum eigentlichen Zweck meiner ganzen Ein-
j leitung , nemlich zu zeigen , dass man sich wol
verständigen und aufs schönst« in die Hände ar-
beiten könnte, wenn man diese zwei Begriffe be-
sonders in ihrer historischen Entwicklung besser
scheiden würde. Ursprünglich fiel ja wohl Rasse
und Sprachfamilie zasammon, so dass man viel-
leicht, wenn von dem indogermanischen Urvolk
die Rede ist (ganz abgesehen nun von seinen
ursprünglichen Wohnsitzen) zugleich von einer
damit einst existirt habenden indogermanischen
oder arischen Rasse (einer Unterabth. der grossen
mittelländischen Rasse) reden dürfte. Als aber solche
Urvölker zu wandern anfiengen, da wurde die
Sache anders ; ein Theil wanderte in dieses Land,
ein anderer in ein anderes, und jeder fand in
den neuen Wohnsitzen andre dort vielleicht schon
seit lange ansässige Urvölker von anderer oder
wenn verwandter Rosse , so doch einer anderen Ras-
senunterabtheilung oder Nüance, mit denen er sich
dann entweder ganz vermischte, so dass eine neue
Mischrasse entstand, oder die er ausrottete, wobei
es aber ohne jede Vermischung in der Regel
nicht hergegangen sein mochte, so dass in jedem
Fall wenigstens ein Theil des Blutes jener früh-
eren Urvölker in sein Blut überging.
Gerade so haben wir es uns auch bei der
Wanderung der Indogermanen zu denken ; das
hindert aber nicht, dass die verschiedenen Ab-
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theilungen der indogermanischen Urrasse, wenn
sie auch so allmählich, je mehr und je weiter
sie wanderten , ihre ursprüngliche Rasseneigen -
thümlichkeit verloren , ja zum Theil zu neuen
Rassen wurden, doch in Sprache und Kultur
bei ihren Berührungen mit andern Völkern über-
all als die überlegenen hervorgiengen.
Denn wo ein schon auf gewisser Kulturhöhe
stehendes Volk sieh mit einem unkultivirten Volk
fremden Stammes und anderer Sprache vermischt,
da pflegt gewöhnlich dies andre Volk, sogar an-
genommen, es hätte die neuen Eindringlinge unter-
worfen und dienstbar gemacht, nicht lange diesem
Kultureinfluss widerstehen zu können, und dies
äussert sich dann auch hauptsächlich im Anneh-
raen seiner Sprache. So ist also, und das ist
wohl zu beachten, eine Geschichte der indogerm.
Rasse nichts weiter als die Geschichte der Aus-
breitung der indogerm. Sprachen und der indog.
Kulturentwicklung, die aber wieder durch fremde
Einflüsse und Berührungen bedingt ist, und zu-
gleich eine Geschichte der Modilication der ur-
sprünglichen Eigenart , welche die verschiedenen
Zweige des indogerm. Stammes mit auf die Wan-
derung genommen haben. *)
Um gleich ein Resultat der folgenden Unter-
suchung vorauszunehmen, so mögen z. B. die Ur-
semiten und Urindogermanen zwei grosse Unter-
abtheilungen ein und derselben Rasse , die etwa
die mittelländische zu nennen wäre, gewesen sein ;
dass desshalb ihre Sprachen verwandt waren und
einst aus einer einzigen hervorgegangen . soll
übrigens damit noch nicht behauptet sein. Eine
andere weit ausgebreitete Rasse war etwa die
sog. turanisch-iuongolische , und ein uralter Ab-
leger der semitischen Abtheilung jener mittellän-
dischen Rasse vielleicht die Aegypter. Für die
x Rassenbestimmung der Suinerier haben wir bis
jetzt zu wenig Anhaltspuncte , denn gegen eine
Zugehörigkeit zu der sog. turanischen Rasse im
engern Sinn sprechen vorderhand zu viele Gründe.
Vom reinen Standpuuct des Sprach- und Kultur-
forschers aus hätten wir nun nach Europa gar
nicht mehr nöthig, unsere Blicke zu wenden, da
ja fast alle Völker desselben Ableger der ur-
sprünglich aus Asien kommenden arischen Rasse
sind. Jedoch die verschiedenen Typen von Rassen-
gruppen, die daselbst von den bedeutendsten Anthro-
pologen nach mühsamen Untersuchungen gefun-
den und festgestellt wurden, gestalten die Sache
doch anders.
1) VgL Chr. M [e hlis] „Zur (Jescb. der Arier*4 (Rec.
toq Poeache's ArierJ Ausl. Iö78 Nr. 47 (p. 924 — 92S),
S. 927, col. a.
Es sind dies die Produkte von Verbindungen,
welche die verschiedenen Zweige des einen Indo-
germanenvolkes mit früher vor ihnen in Europa
herrschend gewesenen Rassen oder Rassennnter-
abtheilungen eingegangen hatten , und nur auf
diesem Wege, dem der anthropologischen Forsch-
ung nerolich, lässt sich noch die wichtige Frage
beantworten, was für Leute denn die sicher vor
den Indogermanen in Europa ansässige Urbevöl-
kerung (oder auch Urbevölkerungen) waren; denn
dass solche, und zwar in ziemlicher Ausdehnung,
vorher dagewesen sein müssen, lehrte doch schon,
ganz abgesehen von den Forschungen der Anthro-
pologen, das Vorhandensein der so fremdsprachigen
Etrurier und Basken.
Nicht hieher gehören die verschiedenen tu-
ranischen Eindringlinge im Osten Europa’» , bei
denen der Connex mit ihrer früheren Heimat
leicht aufzufinden war, wie denn auch die Finnen,
Esthen, Liven, JUngarn und vollends die Türken
nachweislich einen viel späteren erst in historische
Zeiten fallenden Nachschub reprttsentiren.
Ist denn hier nun nicht das schönste Zu-
sammenwirken wie ganz von selber gegeben? —
Oder lassen Sie mich , nm auf mir vertrauteren
Gebieten die Sache zu illustriren und als weiteren
Beleg die «og. ägyptische Frage in der Anthro-
pologie an führen.
Auf der einen Seite das von den Anthropo-
logen angezweifelte Resultat, der Sprachforschung,
dass die ägyptische Sprache und (zum grössten
Theil dann wohl auch) Kultur von Asien komme,
auf der andern das Resultat der Anthropologen
von dem innigen Zusammenhang des Rassencha-
rakters der alten Aegypter mit vielen anderen
weiter ins Innere Afrika’« hinein wohnenden Völ-
kern , woraus natürlich sofort schon von vorn-
herein das erste Resultat als hinfällig verdammt
wurde. Lässt sich denn aber beides nicht ganz
gut vereinigen ? Kann nicht ein mit andern Völ-
kern Afrika’» verwandtes Volk vor den asiati-
schen Aegyptern das Nilland bewohnt haben,
dort den Boden zu einer höheren Kultur einst-
weilen vorbereitend, bis jene Asiaten kamen, sich
mit ihrem Blut und ihrer Rasse vermischten, in
Sprache und Kultur sie aber ganzy zu ihren ei-
genen machten ?
In diesem Licht betrachtet dürfte denn auch
der Satz , dass Rasse (oder wenigstens Rassen-
unterubtheilung) und Sprachfamilie ursprünglich
identisch seien, nicht mehr so ganz unbegründet
klingen (vgl. Ausl. 1370. S. 350, Anm. 2).
Wenn ich annehmen darf, durch diese allge-
meinen Bemerkungen über die richtige Stellung,
welche beide Wissenschaften zu einander einneh-
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men müssen , und über die richtige Abgrenzung
der jederseitigen Gebiete in etwas das Vorurtheil
zerstreut zu haben t das , sowie die Dinge bisher
lagen, jeder Anthropologe von seinem Standpunct
aus gegen die gegenwärtige meist streng gegen
alle anthropologischen, leider auch allzuoft gegen
alle culturgeschiehtlichen Forschungen abgeschlos-
sene Zunft der orientalischen Philologen haben
musste , dann kann ich nun meinem eigentlichen
Thema näher kommen , nemlich der Frage nach
dem ethnologischen Verhältnis« zweier der geistig
bedeutendsten Völkerstämme der alten Welt, ja
der ältesten Geschichte der Menschheit, nemlich
der Indogerrnanen oder Arier und der S e-
miten, wie der Frage nach dem ürsitz der er-
steren, welch zweite Frage das Hauptziel meiner
heutigen Untersuchung bilden soll.
Da die Ursitze der Semiten sich aus den
Kulturwörtern (hauptsächlich Thieraainen) der
semitischen Sprachen allein ganz gut bestimmen
lassen (siehe unten) und von der sprachlichen
Verwandtschaft der Indogermanen und Semiten
schon so viel gehandelt wurde, ja eine ganze Lite-
ratur darüber existirt, so ist für uns natürlich
die wichtigste Vorfrage die : Sind Arier und
Semiten wirklich sprachlich verwandt?
Denn wenn diese Frage bejaht werden kann, so
wäre die Frage nach den Ursitzen der Indoger- j
manen schon halbgelöst. Denn die Ursitze der (
Indogermanen könnten dann doch auf keinen Fall
in einem ganz anderen Theil der Erde gelegen
haben als die der ihnen nach dieser Annahme |
sprach- und stammverwandten Semiten, für deren
Ursitze wir einen bestimmten Theil Asiens ganz
sicher feststellen können.
Bis zum Jahr 1873 war Rudolf von
Raumer der begeistertste Verfechter der Ver-
wandtschaft beider Völkerstämme *), dass aber
der von ihm hiebei eingeschlagene Weg nicht j
der richtige sei, hat im Jahre 1873 Friedrich I
Delitzsch in der eben in der Anm. angeführten
damals geradezu epochemachenden Schrift darge- !
than; der grosse Fortschritt, der in dem posi- j
tiven Theil seiner Aufstellungen zu verzeichnen
ist , war die von ihm darin zum erstenmal me-
thodisch durchgeführte Forderung , auf die zu
restituirende Ursprache beider Stämme zurückzu-
gehen , und zwar in diejenige ältere Periode der
beiderseitigen Ursprache, in der noch die nackten
2) Was vor and neben ihm zur Vertretung dieser
Ansicht geschrieben wurde, findet sich am besten und
ausführlichsten zusammengestellt inFrdr. Delitzsch's
Studien über indog.-semit. Wurzelverwandtacbaft (Lpz.
1873j I. Geschieht!- Rückblick (S. 3—21); die eingehende
Kritik gegen R. t. Raumer daselbst 8. 14 ff.
Wurzeln, noch nicht zu eigentlichen Wortstämmen,
wie sie später erscheinen (so im semitischen in
den sogenannten triliteralen Stämmen *) , weiter-
gebildet, zu Tage treten. Auf diese Weise ge-
langte Delitzsch zu etwa 100 im ursemitischen
wie urindogerm. gleichen Wurzeln mit gleicher
oder ähnlicher Bedeutung. Das seither (1876)
erschienene Sendschreiben R. v. Räumers an
Whitney leidet an dem gleichen schon von De-
litzsch getadelten Fehler der Methode , und so
stünden wir immer noch bei Delitzsch's Resul-
taten. Aber auch dessen Methode führt nicht
zu sicheren Zielen, sondern hat nur den richtigen
Weg angebahnt; denn solche Wurzeln, wie er
sie aufstellte, mit ziemlich vagen Bedeutungen,
wie .»leuchten“, „streichen“, „rund sein“, „rol-
len“, „tönen“ etc., können für sich allein immer
noch zufällig in beiden Sprachstämmen zusammen-
klingen und nur dann etwas beweisen, wenn die
Uebereinstimmung einer grösseren Zahl von Kul-
turwörtern (Thier-, Pflanzen-, Geräthnamen und
Aehnliches) oder Worten mit concreter Bedeutung
(wie Blut, Kopf, trinken , schlafen u. s. w.) wie
der Haupterscheinungen des grammatischen
Aufbaus der Sprache erwiesen wäre. Für eine
solche Uebereinstimmung oder auch nur Aehnlich-
keit hat aber noch niemand auch nur den kleinsten
Beweis erbringen können; im Gegentheil, hier
zeigen beide Sprachstämme eine Kluft, die grösser
kaum sich denken lässt. Dies hat Delitzsch
später auch eingesehen und seine frühere An-
sicht in einem Vortrag im sprach wissensch. Ver-
ein in Leipzig im Jahre 1877 sogar öffentlich
als hinfällig bezeichnet.
Da wir also sahen , dass wir mit Hilfe der
Semiten, wenigstens auf dem Weg sprachl. Ver-
wandtschaft, nicht zum Ziele kommen, so müssen
wir für die Bestimmung der Ursitze der Indo-
germanen nach andern Beweisen uns umsehen.
Eine ähnliche Methode, wie ich sie in meinem
Vortrag auf dem Florenzer Orientalistenkongress
für die Bestimmung der Ursitze der Semiten ein-
geschlagen 2 * 4), wurde schon von den verschiedenen
Indogermanisten, die sich mit der Lösung dieser
Frage befassten, befolgt. Die meisten , so auch
1875 Benfey*), der 1868 noch (in der Vor-
rede zur 1. Aufl. von Fick’s iudog. Wörterb.)
auf demselben Weg Europa als Ursitz annehmen
3) Hier ist za bemerken, dass Delitzsch auch
für diese ältere Periode des ursemitischen schon neben
billteralen einige triliterale Wurzeln annahm, über welche
Annahme sich streiten lässt.
4) Siehe ausführlich in der Beil, der Allg. Zeit 1878,
Nr. 263 und 264 (20. und 21. SepU
5) Beil, zur Allg. Zeit. 1875, Nr. 208 (Juli).
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56
za müssen glaubte, kamen hiebei auf Asien, an-
dere auf anderem mehr oder minder verfehltem
Weg, so in der jüngsten Zeit Poe sc he, auf
Europa. Man sieht, diese Methode (vom gemein-
samen Besitz oder gemeinsamen Mangel von Pflan-
zen- und Thiernamen auszugehen), so gut sie bei
der Frage nach dem Ursitz der Semiten sich an-
wenden lässt, wie ich in jenem Aufsatz gezeigt,
führt hier schon deswegen nicht zum Ziel, da ja,
wenn die Arier aus Asien nach Europa kamen,
die Namen von Thieren oder Pflanzen, die in der
wärmeren Zone ihrer asiat. Heimat vorkamen,
bei so weiten Wanderungen, wio sie die Indo-
germanen machten, und in so viel kältere Striche
noth wendig sich verlieren mussten oder auf andere
Thiere übertragen wurden - und, wenn die Arier
in Europa urspr. ihre Heimat hatten, dann um-
gekehrt. Es ist zwar zu beachten, dass mit den bis-
herigen Beweisen die meisten Indogermanisten
und die bedeutendsten — so vor allem Benfey
— zur Annahme von Asien und nicht Europa
gelangt sind ; zwingende Kraft aber können, wie
ungegeben , diesen Beweisen nicht zuerkannt
werden.
(Schluss folgt-)
l
I
I
Kleine Mittheilungen.
Hochicker in Norddeuttchland. — In der Ueber-
Setzung des Tacitu« durch Friedrich Karl von Strombeck,
Bmunscliweig 1*416, findet «ich zu Cap. 26 der Germania
folgende Anmerkung, in Beziehung auf Spuren uralten
Ackerbaues : .Ich glaube hiervon noch hin und wieder
die Spuren in Deutschland zu erblicken. So sieht man
zwischen den Braunschweigischen Dörfern Gross- und
Klein-Sisbeck und dem Hannoverischen Rode (in der
Nähe von Königslutter! grosse Strecken ehemaliger
Saatfelder, an den Erhöhungen und Furchen sehr
kenntlich; und mitten auf den Feldemicken tausend- '
jährige Eichen. In der Nähe von Klein-Sisbeck steht :
noch jetzt eine solche Eiche, in deren Höhle zwölf
Menschen Platz haben, die ich auf zweitausend Jahre
schätze; und dieser Baum steht mitten auf der Er-
höhung eines ehemaligen Ackerfeldes. Wer diese
merkwürdige Gegend Hohen will, reise von Rode über
Bischof nach meinem Fainiliengnte Grow-Sisbeck,
einem ehemaligen Kigenthume Hermann Conring*. Da 1
dieser so oft jene Gegend, wenn er von Helmstadt j
aus nein Gut besuchte, durchreisete (denn sie erstreckt 1
sich auch Marienthal zu, worüber er alsdann kommen
musste), s° bewundereich, dass er in seinem Commentar
über die Germania des Tacitu« nichts bei gegenwärtiger
Stelle bemerkte.*
Neustrelitz. G. Götz.
Ethnographisches Universitäts-Museum in Freiburg i/B. —
Die Sammlung ethnographischer Gegenstände aus den
Aequatorialgegenden Afrika 's, welche von dem unter-
dessen leider verstorbenen Civilgeneralgouvemeur von
Darfur, Friedrich Rosset herstammt, ist endlich
hier eingetroffen und zwar mit Ausnahme einiger
Thierfelle in ziemlich wohl erhaltenem Zustande. Da
zufolge Bestimmung de* Geschenkgebers der Univer-
sität die erste Auswahl aus dem Ganzen gestattet ist.
so wird durch diese Liberalität eines jungen Freiburger
Bürgers das schon ziemlich reichhaltige ethnographi-
sche academische Museum einen sehr anschlichen
Zuwachs erhalten.
Die durch diese Sendung vertretenen Negerstämme
wohnen von Chartum (etwa 15° nördl. Br.) im Süden
Nubiens bis an den Aequator und es sind in derselben
vertreten :
K riegsgeräthschaften, als Lanzen aller Art,
zum Theil von enormer Länge, viele Köcher mit ver-
gifteten Pfeilen, Streitschiluer aus Holz, Geflechten,
Nilpferdhaut. Keulen verschiedenster Form, darunter
etliche aus Ebenholz, Schwerter, Dolche, ganz phan-
tastisch gestaltete Messer, originelle Combinationen
von Dolch und Signalhorn, Signalhörner au« Elfenbein
und Leder.
Hausgeräthe: Bettstellen laog. Angarvp), Stühle,
Konfnchemrael, Ets- und Trinkgeschirre aus Phon und
Holz, Trinkgefässe au« Früchten, welche zum Theil
in überraschend hübscher Weise durch eingeschnittene
Zieraten, ja sogar durch Thier- und Menschengestalten,
wennanch in höchst primitiver Darstellung geschmückt
erscheinen; schön geflochtene, buntfarbige, breitconische
SpeiieschÜssel-Decken, Schaufeln, die als Münze dienen,
Phantasiestöcke, Kuchen aus Frucht, Honig, Tabak,
gesottene Kaffel>ohnen, Decken aus Geflechten. Ge-
weben, Baumrinden; ein Steinbeil.
Kleidungsstücke und Sch muckgegen-
stände, als Leibgürtel aus Geflecht, zum Theil
mit Schellen behängt, eiserne Stirnbänder, Kopfbe-
deckungen aus Geflecht, zierlich mit Caurisschnecken
und Glasperlen geschmückt, Colliers aus solchen Cauris,
die zugleich als Münze (Cjrpraea moneta) grosse Ver-
breitung haben, Colliers aus ttaehgeschnittenen Mu-
«chelschälchen, Hundszähnen, Antilopen!) örchen, ferner
aus Früchten , zum Theil zugleich mit kleinen Metall-
schellen besetzt; Pfeifenköpfe, theil« gewöhnlicher Art.
theil* mit eigentümlich gestalteten Röhrenmnnd-
«tücken.
Musikinstrumente, zum Theil höchst merk-
würdige Formen, z. B. Harfen aus Leder mit Schnüren
statt Saiten. Guitarren au» Leder mit langem Hals
als Holz, an dauern oberem Ende ein Kopf ausge-
schnitzt ist, ganz eigentümliche Paucken an« ausg'e-
höhltem Holz, eine Trommel — einigennas«en ähnlich
der früher l*et unserer Militänuusik in Gebrauch ge-
standenen langen spanischen Trommel.
Von Mense hen resten lag eine Anzahl Schädel
verschiedener Negerstämme bei.
Au« diesem Ueberblick ist wohl ersichtlich, dass
e« durch die von der Universität zu treffende Auswahl
möglich sein wird, die Lebensverhältnisse der be-
treffenden Neger* tarn mc nach den verschiedensten
Richtungen vertreten zu sehen , nachdem au« eben-
denselben Gegenden schon früher auch durch Herrn
Carl W. Rosset hier eine Anzahl ähnlicher schöner
Gegenstände dahin geschenkt wurde, während die
ultegyptisehc Zeit durch die grossen Ankäufe au* den
Vorrüthen de« Herrn Dr. Mook u. ». w. vielseitig re-
präsentirt erscheint. (Freiburger Zeitung 5. Juni 1*479.)
Prof. Dr. Fischer.
Druck der Akademischen Bmhdruckrrei ¥. Straub in München. — Schluss der Redaktion am 20. Juni 1879 .
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von Professor Dr. Johanne» Ranke in München,
OtneraUeerriär der (1 tt*ü*ckaft.
Nr. 8.
Erscheint jeden Monat.
August 1879.
Die Raubvögel und die prähistori-
schen Knochenlager.
Von Dr. A. Nehring, Wolfenbüttel.
Eine Sendung recenter Uhugowölle, welche
ich vor Kurzem von meinem Bruder, einem jungen
Forstmanne , aus Blankenburg am Harz erhielt,
hat mich von Neuem veranlasst , die Frage zu
erwägen , wie weit die Raubvögel , und speciell
der Uhu f bei der Bildung von prähistorischen
Knochenlagern in Felsen-Höhlen und -Spalten
mitgewirkt haben. Nachdem schon früher bie
und da von Geologen und Anthropologen auf
diesen Punkt hingewiesen ist, habo ich in meiner
Arbeit übor die quaternären Faunen von
Thiede und Westeregeln1) die reichlichen
Ansammlungen kleinerer Wirbelthierreste, welche
sich nesterweise in den quaternären SpaltausfUll-
ungen der Gypsbrüche von Westeregeln finden,
wesentlich auf die Tbätigkeit der Raubvögel
zurück geführt.
Diese ErklUrungsart, wolche für viele ähnliche
Ansammlungen von Resten kleinerer Wirbeltbiero
die einzig naturgemässe mir zu sein scheint , ist
noch nicht genügend beachtet; sie hilft uns in
vielen Fällen Uber Räthsel hinweg , welche ohne
sie kaum zu lösen sind , sie macht in anderen
Fällen die aufgestellten Hypothesen über bedeu-
tende Niveauveränderungen von Flüssen , Über
1) Archiv f. Anthrop. XI, 8. 12 f. Vergl. auch
Zeitschr. f. d. «■. Naturw. 1876, Bd. 48, S. 187. —
Die Kowilroste d. Mikrofauna aas d. oberfränk. Höhlen,
G. A. p. 9 io Beitr. t. Anthrop. n. Urgesch. Bayerns,
II. Bd. Vergl. femeT K. Th. Liebe, D. Lindenthaler
Hyänenhöhle, 2. Stück. S. A. p. 13.
! colossale Ueberschwommungen , über Einschlepp-
| ungen durch den Menschon u. dergl. überflüssig.
1 Wenn Dupont bei Untersuchung der Sch ne e-
I huhn-Reste aus dem Trou duSureau*)
die mir vorliegenden Rebhuhn-Reste aus Uhuge-
wöllen zum Vergleich gehabt hätte, so würde er
schwerlich sich für die Meinung entschieden
haben , dass der M o n s c h sie an den Fundort
gebracht hätte, zumal da, wie Dupont selbst
hervorhebt , sonst keine Spur auf den Menschen
hindeutet. Man hat, wie es mir scheint, die
Rolle, welche die Raubvögel bei Bildung fossiler
Knochenansaminlungen gespielt haben, bisher von
Seiten der Anthropologen nicht genügend gewür-
digt, und es mag mir daher erlaubt sein, an
dieser Stelle noch einige Beobachtungen darüber
mitzutheilen und dadurch zu weiteren Beobacht-
ungen in dieser Hinsicht anzuregen.
Die mir vorliegenden Uhugewölle sind
von meinem Bruder in den Spalten und grotten-
artigen Hoblräumen des Regensteins bei
Blankenburg gesammelt worden. Die wild
zerklüfteten Felsen dieses romantischen , durch
seine Burgruine weithin bekannten Sandsteinge-
birges bieten in ihren unzugänglicheren , wenig
betretenen Partion (z. B. an der sog. kleinen
Rosstrappe) zahlreichen Raubvögeln , darunter
auch einem Uhupaare, einen verhältnissmässig
ruhigen und sichern Aufenthalt. Es ist natürlich,
dass es hier nicht an Gewöllen fehlt, wie sie die
Raubvögel nach stattgehabter Verdauung in Form
von länglichrunden Ballen ausspeien. Die vor-
2) Dapont, L'homme pendant les ages de 1ä pierre,
2. edit. p. 190 ff.
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58
züglichsten Fundstellen derselben sind am Regen-
stein die Sockel der hohen steilen Wände, die Gassen
und Nischen zwischen den hervorragendsten Felsen,
und ähnliche Punkte. Hier fanden sich die Ge-
wölle nesterweise zusammen , theils noch ganz
frisch , theils schon mehr oder weniger durch
Regen zerwaschen und verwittert , oft mit einer
Lage von Staub und Sand bedeckt.
Mein Bruder , welcher die fossilen Knochen-
lager von Thiede und von West «'regeln
aus eigner Anschauung kennt , schreibt mir , die
Aebnlichkeit zwischen den quaternären Ablager-
ungen kleinerer Thierknochen an gewissen Punkten
jener Fundstätten und denjenigen Knoehenan-
sammlungen, welche noch heutzutage in den
Klüften des Regensteins vom Uhu und anderen
Raubvögeln erzeugt würden , sei geradezu über-
raschend , und es würden aus den Gewöllhaufen
des Kegenstcins dereinst fossile Knochenlagor her-
vorgehen, wenn die Decke von Staub und Sand,
welche sich an geschützten Stellen über ihnen
ablagern, hinreichend angewachsen sei, um die
ein geschlossenen Knochen vor Verwitterung zu ,
schützen.
Die Thierarten, welche in den vorliegen-
den Gewöllen durch Knochenreste repräsentirt
werden, sind denjenigen Arten analog, welche man
in den oben bezeichneten quaternären Knochen-
ansammlungen gewisser Hohlen und Spalten vor-
zufinden pflegt. Die herrschende Art ist das
Rebhuhn, von welchem Hunderte von Knochen
in den Gewöllen erhalten sind ; sehr zahlreich
finden sich auch Reste vom Hamster und vom
wilden Kaninchen, seltener die vom Hasen,
von der Wanderratte, der Schermaus, von Feld-
mäusen , von Drosseln und ähnlichen kleinen
Vögeln. Durch einige wenige Skeletttheile reprä-
sentirt ist eine grosse Fledennausart, ein grösserer
Tagraubvogel, eine mittelgrosse Eule, eine Krähe
und eine Taube. Ich bemerke jedoch , dass ich
einen grossen Theil der Gewölle noch nicht zer-
legt habe, dass also noch einige andere Thierarten
darin vertreten sein mögen ; doch kann ich schon
von Aussen erkennen , dass auch in ihnen die
Rebhuhn-, Hamster- und Kaninchen-Resto vor-
herrschen.
Vergleicht inan obige Thierarten mit den-
jenigen, welche gewisse Knochenansamm-
lungen in den belgischen und ober-
fränkischen Höhlen oder in den Kluftaus-
füllungen der Gypsbrücho von Thiede und
von Westeregeln und ähnliche geliefert haben,
so wird man leicht erkennen, dass theils dieselben,
theils analoge Arten dabei sind. Das Rebhuhn
entspricht den quaternären Schnee- und Birk- j
j hühnern, der Hamster und das Kaninchen den
quaternären Hamstern, Zieseln, Pfeifhasen, etc.
etc. Es sind durchweg solche Arten, Welche den
grösseren und kleineren Raubvögeln zur Beute
zu dienen pflegen.
Knocbenreste der Raubvögel selbst
sind selten oder fehlen gänzlich. Ebensowenig
wie man heutzutage erwarten darf, auf den
ausgespieenen Gewöllen eines Uhu das Skelet des
| letzteren zu finden, ebensowenig darf man darauf
rechnen, in quaternären Gewöll- Ansammlungen die
Knochen der betreffenden Raubvögel regelmässig
j vorzufinden. Nach der Beobachtung meine«
j Bruders finden sich die Gewölle regelmässig etwas
entfernt von dem eigentlichen Wohnsitze des Uhu.
Man darf deshalb aus dem Fehlen von Ruubvogel-
Knochen in einer quaternären Knochenansammlung
! keineswegs schliessen , dass dieselbe nicht von
Raubvögeln herrühren könne, wie dios D u p o n t
hinsichtlich der schon oben erwähnten Schneehuhn-
Knochen des Trou du Sureau geschlossen bat.5)
Besonders interessant ist es aber zu beobachten,
wie gleichartig der Erhaltungszustand der
fossilen und der recenten Gewöllknoehen ist.
Dupont hat a. a. 0. Seite 1UU f. mit grosser
Gründlichkeit die Skelettbeile der im Trou du
Sureau gefundenen Schneehühner aufgczäblt, und
genau angegeben , welche von ihnen zerbrochen
sind, welche nicht. Die Ilebhuhn-Reste meiner
recenten Uhugewülle zeigen fast genau dasselbe
Verhältniss, nur die Zahl der vollständigen Ulnae
I und Radii ist verhältnissmässig grösser. Dies
erklärt, sich aber wohl zur Genüge daraus, dass
dieselben beim Rebhuhn kürzer und etwas ge-
drungener gebaut sind , als beim Schneehuhn.
Im Uebrigen zeigt sich genau dasselbe Verhält-
niss in den Zahlen der Skelettheile und in
ihrem Erhaltungszustände. Ich werde dieses an
einem andern Orte genauer besprechen.
Sehr bemerkenswerth sind auch gewisse
Corrosionserscheinungen, welche nicht
selten durch die Schärfe des Magensaftes der
Raubvögel an den Knochen erzeugt werden.
Jap. Steens trup hat bekanntlich auf diesen
Punkt nachdrücklich hingewiesen 4) und die An-
sicht aufgestellt, dass man fossile Knochenlager
nur dann mit Sicherheit auf Raubvogel-Gewölle
zurückführen dürfe , wenn ein grosser Theil der
3) Vergl. Dapont, a a. 0. S. 193. Dnpont selbst
führt aus anderen Höhlen neben zahlreichen Nagern,
neben Schneehühnern, Reh* and Birkhühnern auch den
Chn, sowie andere Raubvögel an. Vergl. S. 169. 170.
‘200. Die zahlreichen Lemmingsreste lassen auch auf
die Schneeeule schliessen.
4) Vergl. Videnskabelige Meddelelaer fra den natur-
hist. Forening i Kjöbenb&vn, Nr. 13—14. 1872.
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59
betreffenden Fossilreste die von ihm bezeichnoten
Corrosionen an sich trügen. Mach meinen Beob-
achtungen , welche ich an Hunderten von Ge-
wöllen gemacht habe, sind die betreffenden Cor-
rosionserscheinungen verhältnissmttssig selten.
Sobald die Knöchelchen vollständig von Haaren
oder Federn umhüllt sind, wie dieses in sehr
vielen Gewöllen der Fall ist , kann man nichts
oder so gut wie nichts von Corrosionen beob-
achten 5). Wenn aber gewisse Skelettheile aus
dem Filz des Gewölles bervorrugen, oder dieser
Filz nur schwach ist oder ganz fehlt, dann zeigen
die exponirten Tbeile der Knochen meistens dio
von Steenstrup beschriebenen Corrosionser-
scheinungen. So habe ich dieselben ziemlich
zahlreich an den längeren Rebhuhn -Knochen
meiner Uhugewölle beobachtet, und nachdem ich
meine Sammlung fossiler Knochen nochmals genau
durchmustert habe, sind mir jene Corrosionser-
scheinungen auch an diesen nicht verborgen ge-
blieben. Mit voller Sicherheit habe ich sie erkannt
an mehreren Ulnae vom Moorschneehuhn®),
welche mir Herr Hoesch aus einer oberfränk-
ischen Höhle gütigst hat zukommen lassen , an
mehreren Birkhuhn- Knochen von demselben Fund-
orte, ebenso an mehreren Fossilresten von Thiede
und von Westeregeln.
Ich betone jedoch, dass diese Corrosionser-
scheinungen an den recenten Gewöllknochen ver-
hältnissmässig selten sind, und man darf sich
deshalb nicht wundern, wenn sie auch an den
fossilen Gewöllknochen nicht häufig Vorkommen.
Man braucht daher kein Bedenken zu tragen,
fossile Knochenansammlungen, welche aus sonstigen
Gründen auf Raubvögel zurückgeführt werden
dütfen, diesen zuzuschreiben, auch wenn man jene
Corrosionserscheinungen nur an wenigen Stücken
oder gar nicht beobachten kann.
Schliesslich bemerke ich noch , dass mein
Bruder in den Klüften des Regensteins mitten
zwischen den Gewölihaufan die Spuren vierfüssiger
Raubthiere beobachtet hat. Besonders scheinen
Füchse die Uhugewölle zu revidiren,
5} Nach meinem Urtheil kann deshalb die Ansicht
Lund’s Über die Bildung der Knoehenlagor in
br aailianischen Höhlen durch Knien, sowie
die darauf begründete Altcrsberccbnong sehr wohl richtig
sein, da nach Steenstrup a a. 0. einzelne Knöchelchen
aus den brasilianischen Höhlen dio oben genannten Cor-
rosionserscheinungen aufweisen.
6) Dass das Moorschneehuhn, dessen fossiles
Vorkommen in oberfrinkischen Höhlen ich in dem oben
citirten Aufsatz (Fossilreste der Mikrofauna etc.) noch
mit einiger Reserve constatirt habe, in der Tbat durch
zahlreiche Reste in Oberfranken vertreten ist, kann ich
jetzt mit Sicherheit behaupten.
manche der grösseren Knochen heruuszukratzen
und zu zerkauen. Die Rebhuhnreste der Uhuge-
wölle hangen zum Theil noch durch Sehnen zu-
sammen , die Zehen sind regelmässig noch mit
Haut bedeckt, ja, ich habe sogar beim Aufwei-
chen eines Gewölles noch die zähe Magen haut
eines Vogels unverdaut zwischen den Knöchelchen
gefunden. Man kann sich also denken, dass jene
Uhugewölle für einen hungrigen Fuchs immerhin
noch einige Anziehungskraft besitzen. Ein zer-
brochener Metatarsus vom Reh, welchen mein
Bruder zwischen den Gewöllen fand, scheint direct
auf Einschleppung durch Füchse hinzu weisen.
Denken wir uns neben den Füchsen noch
grössere Raubthiere, wie Löwen. Hyänen und
Baren , denken wir uns das Leben und Treiben
einer menschlichen Troglod yten-Bevölkerung hinzu,
und vergegenwärtigen wir uns die Wirkung von
Wolkenbrüchon nebst U Überschwemmungen , so
können wir uns eine lebendige Vorstellung davon
machen, in welcher Weise die prähistorischen
Knochenlager in Felsen-Höhlen und -Spalten ent-
standen sind. Dass dabei die Raubvögel in
vielen Fällen eine wesentliche Rolle mit-
gespielt haben, erscheint mir ganz unzweifel-
haft; vielleicht ist es mir gelungen, diese Ansicht
auch manchem der Leser durch obige Beobacht-
ungen plausibel zu machen. Es wäre aber sehr
wttnschenswerth , dass recht viele Beobachtungen
in dieser Richtung angestellt würden, zumal in
Gegenden, wo Adler und Geier hausen , um zu
constatiren , in welchem Erhaltungszustände sich
die von diesen gewaltigen Raubvögeln zusammen-
geführten Thierreste befinden.
Wolfenbüttel, 20. Mai 1879.
Arier und Semiten.
Von Dr. Fritz Hommel, Mönchen.
(Schloss.)
Ein anderer Beweis dafür, dass die Ursitze
der Indogermanen nicht in Europa sind, der aber
für sich allein nicht zwingend erscheinen kann,
sondern höchstens wahrscheinliche Hypothese bleibt,
wäre etwa folgender:
Stellt inan die von den Anthropologen, ge-
wonnenen Resultate von verschiedenen Rassen-
typen in der vorhistorischen Bevölkerung West-
europa^ mit dom andern der Sprachvergleichung
von der urspr. ethnologischen Einhoit der Indo-
germanen neben die Thatsache, dass wir heut zu
Tage als einzigen Rest nicht arischer Bevölkerung
im Westen unseres Erdtheils (und zwar im äus-
sersten Süd-W. desselben) noch die Basken
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60
haben , und dass in der vorchristl. Zeit in einer
Periode, wo jedenfalls neben den Griechen und
Römern schon die Kelten und Germanen im weetl.
Europa waren, in den Etruskern uns wiederum
deutlich ein Rest alter , nicht arischer Bevölke-
rung entgegentritt — vgl. nur die etrusk. Zahl-
wörter ! — , so ist doch die am natürlichsten
sich uns dabei aufdrängende Anschauung von der
Aufeinanderfolge dieser verschiedenen Völkerschich-
ten die, dass jene Etrusker und Basken nur die
letzten Ueberreste einer einst ganz Westeuropa
bedeckenden den Indogermanen fremden Völker-
familie gewesen sind, und dass letztere zeitlich
erst auf dieselbe folgten, sie theils verdrängend,
theils sich mit ihnen vermischend. Dass sie in
diesem Fall von aussen her gekommen sein müssen,
und nicht schon in Europa selbst ihre Hoimat
gehabt haben konnten, ist klar; über das woher
aber bleiben nicht viel Vermuthungen übrig, denn
wie die dritte nachrückende Völkerschicht, die
Turanier (Finnen, Ungarn und Türken) von Osten
kam , so auch früher die Indogermanen , deren
eine Gruppe ja heut noch in Asien sitzt. Ob
jene erste Völkerschicht auch zugleich einen ein-
zigen Sprachstamm oder deren mehrere verschie-
dene repräsentirt, ist in diesem Fall ganz gleich-
gültig.
Gibt es denn aber keine sichern und zwin-
genden Beweisgründe für die asiatische Urheimat
der Indogermanen ? Ich glaube diese Frage unter
Hinweisung auf folgende ursemitische und urindo-
germanischen nach strengen lautgesetzlichen Ke-
geln erschlossene Wörter*), mit ja beantworten
zu dürfen :
urindogerm. ursemitisch Bedeutung
1 u. 2 staura, thauru6 7 8 *) Stier
karna karnu die Waffe des
Stiers, das
Horn
3 laiwan, liw labi’atu Löwe
lib’atu *)
6) Die sich nur für Fachmänner eignenden Beweise
hiefür siebe in meinen „Säugethiernamen der südsemit.
Völker" Leipzig 1879.
7) Mit dem dem ursemitischen eigenen zwischen t
und sch stehenden Laut, der im arabischen zu engl, th,
im aram. za t, und im äth. zu s und im hebräischen
und assyrischen zu sch wurde.
8) Dns t ist die Bezeichnung de* Feminin* , -u ist
die ursemitische Nominativendung, -tu also fern, nomin.
— Dazu kommt noch aasyr. lü Löwe, was auf ursem.
1 a i w u (also dem indog. noch ähnlicher) sich ganz gut
zurückführen lässt, nur dass, weil d&s Wort in den an-
dern sentit. Sprachen verloren gieng, die stricten Be-
weise für seine Zugehörigkeit zum ursemit. Wortschatz
fehlen.
4 gharata charü^u1) Gold
5 8 i r p a r a 10) ^’arpu11) Silber
6 waina1*) wainu Wein(stock)
Da diese Uebereinstimmungen doch kein Zu-
fall sein können , so ist bei der sprachl. Nicht-
verwandtschaft von Semiten und Indogermanen
die einzige Folge die, dass die Ursitze beider so
nab an einander lagen , dass irgend ein Verkehr
(und damit die Möglichkeit solcher Entlehnungen)
zwischen beiden stattfand. Da wir aber die Ur-
sitze der Semiten ziemlich genau bestimmen kön-
nen (siehe schon oben) , so ergiebt sich daraus
mit Nothwendigkeit , dass die Ursitze derln-
dogermanen in Asien zu suchen sind.
Mit dem so gewonnenen Resultat bin ich nun
beim Schluss meiner heutigen Untersuchung an-
gelangt. Noch eine Reihe hieher gehöriger in-
9) Mit demjenigen den semitischen Sprachen eigen-
tümlichen Hauchlaut vom, welchem im arabischen das
sog. starke oder härtere Chet entspricht und welches
zum Beisp. im sumerischen durch gh — so sind die be-
treffenden Zeichen der sumer.-assyr. Keilschrift urspr.
gesprochen worden — transscribirt wird. Das i) »her
ist der im arab. durch Dad vertretene Laut, der im
ar&m. in Ajin, im hebr. und assyrischen in Sade Über-
gang.
10) Zufällig nur ira germanisch - letto - slavischen
Sprachenkreis erhalten.
11) Dies V ist ein Zischlaut, der im arabischen z
transscribirt wird, im aramäischen in ein hartes em-
phatisch gesprochenes t (das sog. tet) übergieng, hebr.
und assyrisch aber mit Sade (wie jenes dad, siebe Anm. 9
zusammenfiel.
12) Bisher hielt man die indogermanischen Wörter
oL-of und ▼ i n u m für ein« Entlehnung in frfthhisto-
riseber Zeit ans dem semitischen; unser Wort Wein ist
ohne Frage lateinisches Lehnwort und kommt hier also
überhaupt nicht in Betracht. Doch jener Annahme
steht erstens die historische und sprachgeschicbtliche
Unmöglichkeit entgegen; die Araber haben ein an-
deres Wort für Wein, ncmlich chainr (wa in „schwarze
Weinbeeren“ haben nur die Lexikographen als seltenes
Dichterwort überliefert), die semitischen A e th i opi er
in Afrika mit ihrem wain „Weinstock“ können, wenn
man geographisch und geschichtlich die verschiedenen
Wege einer Entlehnung, welche überhaupt möglich sind,
ins Auge nimmt, gar nicht in Betracht kommen, und
die noch übrigen Nordsemiten , bei denen ja eine Ent-
lehnung solcher Kulturwörter nach dem Abendland Ana-
logien bat, haben das Wort in der Form, in der es ent-
lehnt worden sein müsste , gar nicht, sondern j a j i n
heisst hebräisch (nach nordsemit Lautgesetzen für ur-
semitisches wain) der Wein, und von j ajin konnte
nie foirot oder vinum kommen, welche vielmehr
auf ein urindogerm. waina (vgl. auch Cur t ins
Grundzügel zurückzufübren sind, wofür (und damit na-
türlich gegen eine Entlehnung von einem der semitischen
Völker) noch zweitens das bisher von niemand herbei ge-
zogene armenische gini „Wein“ spricht; das g in die-
sem Wort geht nach neupersischen und armenischen
Lautgesetzen auf altes w zurück (vgl. ncupers. gul Rose,
altpers. ward, griech. Pq66ov).
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01
teressanter Fragen gibt est die ich leider heut
nicht mehr behandeln, kaum andeuten kann. Wir
haben zwar gesehen , dass die Indogermanen aus
Asien kommen mtlssen, da ihrö urspr. Wohnsitze
nicht allzufern denen der Semiten gelegen haben
können. Ob aber nun eine genauere Bestimmung
derselben möglich ist, und wie diese mit den zwei-
erlei Stationen , die wir bei der Wanderung der
Semiten anzunehmen haben, sich in Einklangbringen
lässt, nemlich der ältesten, die erschlossen werden
kann, der Gegend südwestlich vom Hindukusch,
und der letzten vor der semitischen Sprachtren-
nung, dem Theil der Euphrat- und Tigrisebene
westlich von Holwän , das erfordert neue und
schwierige Detailforschungen, die aber, das kann
ich schon jetzt getrost sagen , von der Wissen-
schaft noch gelöst werden können und müssen.
Mir steht es zunächst fest, dass ein Punkt,
wo die Indogernianen noch als vereinigtes Volk
Bassen , der Südrand des kaspischen Meeres und
der Strich, der sich von da bis gegen das schwarze
hinzieht , gewesen sein muss — denn dort ist
das Land , von wo Semiten und Indogermanen
jenes uralte Lehnwort für die Weinrebe her ha-
ben, dass sie aber in einer früheren Periode gleich
den Semiten weiter östlich gesessen habeu, und zwar
wiederum nördlicher und in einem etwas kälteren
Klima als diese, also etwa in Baktrien, und dass
die grosse Wanderung vom Westen des Hinduknsh
nach dem kaspischen Meer in ziemlich anfeinander-
folgender Ordnung zuerst von Semiten und später
von Indogermanen, vielleicht beidemal weil tura-
nische Völker nachdrängten, unternommen wurde.
Einen Seitenblick auf die ethnologische Stel-
lung der Sumerier zu werfen, die im Gegen-
satz zu den Semiten wie Indogennanen weder den
Löwen noch die Weinrebe, in weiterem Gegen-
satz zu beiden wie ferner besonders zu den tu-
ranischen Völkern auch das Pferd nicht kannten
— wohl aber das Rindvieh , den Esel und son-
stige Haust hiere, — dies zu thun, muss ich mir
jetzt versagen , ebenso wie ich die ethnologische
Stellung der Semiten zu den alten Aegyp-
tern nicht mehr berühren kann.
Doch auch ohne das angefaogene Gemälde
der ältesten Völkerverhftltnisse in den Kulturlän-
dern des Orients für jetzt weiter auszufllhren,
schliesse ich einmal mit dem Hinweis auf eine
bald erscheinende Arbeit Vambery's Über die
Kulturwörter der turko - tatarischen Sprachen,1*)
13) lat jetzt erschienen. (Leipz. 1879, 276 S.) Ich
benütze dieso Gelegenheit, um auf ein aber erst (Juni
1879» anB der Presse gekommenes auch für die Anthro-
pologie ungemein wichtiges Werk aufmerksam zu ma-
chen, das anf den gründlichsten sprachlichen Forschun-
welche diesen Untersuchungen neues interessanten
Material zuzuführen verspricht und dann mit der
Bitte, meine obigen Mittheilungen, trotzdem die
darin aufgestellten Resultate zum Theil negativer
Natur waren, dennoch mild beurtheilon und das
mangelhafte daran mit der Neuheit des Stoffs
und dem Fehlen fast jeglicher brauchbarer Vor-
arbeiten auf diesem Gebiet entschuldigen zu wollen.
München, 24. Januar 1879*
Kurzer Bericht über die prähistorischen
Funde und die einschlägige Litteratnr in
Italien im Jahre 1878.
Von Dr. Emil Stöhr, Bergwcrks-Dircctor.
In Italien hat sich in den letzten Jahren ein
reges wissenschaftliches Leben in paläoethno-
gra phischer Beziehung entwickelt. Nicht allein
reiche Funde wurden gemacht, sondern dieselben
auch in der wissenschaftlichsten Art eingehend
beschrieben und behandelt. Das Interesse dafür
ist in stetem Wachsen, wie die vielfach neu ent-
standenen prähistorischen Museen beweisen. Zwei
Zeitschriften sind es namentlich, welche unter
bewährter Leitung erscheinend das Material
wissenschaftlich verarbeiten , das A r c h i v i o
per l’Antropol ogia e Etnologia, redi-
girt von Professor Mantegazza in Florenz,
und das Bulletino di Paletnologia itn-
liana, unter der Leitung von Chierici, Pi-
gorini und Strobel in Reggio in der Emi-
lin erscheinend. Gegenwärtiger kurzer Bericht
beschäftigt sich zunächst mit den im Jahre 1878
gemachten prähistorischen Funden, und ist dabei
zumeist auf dio Publikationen des Bulletino
Rücksicht genommen. Hiebei ist bezüglich des
prähistorischen Zeitalters die in Italien allgemein
angenommene Eintheilung beibehalten: Stein-
zeit, Bronzezeit und Eis enzeit, wenn auch
der Referent persönlich der Ansicht ist, die Bronze-
und Eiseuzeit würden besser zusammengefasst als
M e t a 1 1 z e i t. Der Bericht ist so geordnet, dass
zunächst in Sizilien begonnen wird , dann nach
Süd-Italien übergegangen und von dort herauf
bis nach Oberitalien.
Was zunächst Sizilien betrifft, so ist das-
selbe noch in vieler Beziehung eine terra incog-
nita, und muss desshalb jeder neue dortige Fund
doppelt willkommen sein. Die Funde im Jahre
1878 verdankt man meist den mit der Aufnahme
des Landes beschäftigten Geologen und den Ar-
gen fassende „Altindisches Leben. Die Cultur der ve-
aischen Arier nach den Samhita(- Vehlen) dargestellt“
von Heinr. Zimmer (Berl. 1879) 460 Seiten 82.
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beiten der im Bau begriffenen Eisenbahnen. Be-
kanntlich kennt man nicht allein in Sizilien, son-
dern im ganzen Süden Italiens bis jetzt fast nur
prähistorische Funde aus der Steinzeit ; auch
die 1878 gemachten gehören dahin. Zu erwähnen
sind hier:
Ippoiiti (’afici: Da Vizzini a Licodia,
note geologiche. Siracusa 1878, worin
von vielen Feuersteingerüthen und Busalthämmern
berichtet wird, die zu S. Cono in der Provinz
Catania gefunden wurden, so dass dorthin eine
Station der Steinzeit gesetzt werden muss. Der-
selbe Verfasser lppolitl Ualici giebt im Bull,
di Paletnologia italiana 1878 pag. 39,
Nachricht über ein Grab , in dem ein brachyce-
phales Scelet lag, und in dessen Nähe Feuerstein-
und Obsidiangerütho gefunden wurden. Die Ab-
handlung führt deii Titet : Grotta sepole-
ale preistorica di Calaforno, Provin-
cia Siracusa.
Luigl Pappulardo erwähnt, wie das Bull,
di Palotn. italiano 1878, p. 63 mittheiit,
in der Zeitung A r e t u s a eine zwischen C a m-
pobello und Licata durch die Eisenbahuar-
beiten blosgelegte Grotte, in der sich Asche und
Kohlenreste fanden , eingebettet in eine schwärz-
liche fettige Erdschicht, mit Besten von Knochen,
Thonscherben von rohester Arbeit und nicht we-
nigen Feuersteinme&sern und Geräthcn.
Für jeden Forscher, der sich über sizilianisclie
prähistorische Funde zu unterrichten sucht, muss
hier vor Allem auf das wichtige Werk von Ba-
ron Andrlan - Werburg: Prähistorische
Studien aus Sicilien — Berlin 1 878, hin-
gewiesen werden, das für die sizilianische Paläo-
ethnographie das bis jetzt existirende aus-
führlichste ist.
Uebergehend zum italienischen Festland, so
ist von Süditalien fast dasselbe zu sagen, wie
von Sizilien, auch diess ist eine terra incognita
zum grossen Theile. lieber Funde in C a 1 a b r ien
berichten die Geologen:
PIo Mantovani : Notiz io paletnologiche
di Calabria Ultra I. — Bull, di Palet, italiana
p. 33 und
Lovisato: Strumen ti litici e brevicenni
geologici sulla Provincia di Catan-
zaro. Atti dellaB. Acadomia deiLincei
1878, Giugno.
Es sind diese beiden Abhandlungen mehr geo-
logischen Inhalts , enthalten jedoch vieles Wich-
tige für die Paläoethnographie. Mantovani
berichtet von Feuerstein geräthcn, vielen Obsidian-
messern , Besten von roh gearbeiteten Töpfergo-
schirren und auch Knoche«, die er im Löss in
der Umgegend von Reggio in Calabrien fand,
und aus demselben auf eine dortige Station
der Steinzeit schliesst, wo Feuersteine und von
den äolischen Inseln herbeigebrachte Obsidiane
verarbeitet wurden.
Lovisato berichtet von ähnlichen Funden
aus den Provinzen von Catanzaro und Co-
senza. Die dort gefundenen Steingeräthe be-
stehen zum grössten Theil aus einheimischen Ge-
steinen, zumeist aus Diorit, zum Theil aber auch
aus fremdem Gestein wie namentlich Eklogit,
Nephrit, C h lorom el anit , die somit auf
eine Verbindung mit Südasien hinweisen.
Kuggero: Oggetti preistorici cala-
bresi. Att. dell. R. Acad. dei Lincei und der-
selbe: Arnesi lapidei del Cal ab r es e.
Bull. Palet, ital. 1878 p. 68, giebt Notizen über
eine ganze Reihe in Calabrien gefundener Stein-
geräthe.
Prähistorische Funde aus der Eisenzeit,
waren bis jetzt im Süden Italiens nicht bekannt.
Einen solchen, somit sehr wichtigen Fund, hat
Baron Spinettl bei Suessnla unweit der Eisen-
bahnstation Ca n cello bei Caserta gemacht.
Es ist eine an Gegenständen sehr reichhaltige
Necropolo aus der ersten Eisenzeit. Vorläufige
Bemerkungen darüber finden sich zunächst von
Minervini: Breve relazione di una ve-
tusta necropoli scoperta nel terri-
torio di Suessula. (Vergleiche auch den
kurzen Bericht mit Abbildungen in der Zeitschrift
Ueber Land und Meer Nr. 21 von 1879
von Wold ein ar Kaden.)
Aus Mi ttel italien stammende, vonNobili
in einer alluvialen Kiesablagerung bei Chieti ge-
fundene, z. Th. sehr grosse Steingeräthe werden
besprochen von Chierlci : Selci lavorati
in uno strato alluviale presso Chieti
Bull. Pal. ital. 1878 p. 129. Diese Funde sind
dreierlei Art., durcheinander gemengt : nemlich
sehr grosse, megalithische, so roh gearbeitet, dass
man zweifeln muss, ob sie wirklich von Menschen
bearbeitet wurden, dann kleinere von Feuerstein, die
besser gearbeitet sind , und endlich grosse, die
noch besser gearbeitet sind. Desshalb ist N o b i 1 i
der Ansicht, sie seien vom Wasser zusaminenge-
schwemmt worden.
G. Belucci : Selci lavorati dal 1’ uomo
in alcuni depositi quaternarii del Pe-
rugino. Archivio per l’Antropol. e la
Etnologia. 1878. p. 41. An zwei Orten sind
unweit Perugia in quaternärem Geschiebe
einige Steingeräthe gefunden worden. So bei S.
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Egidio in dem Thale des Flusses Chiascio, |
wo in dem sandigen Gerolle einige angeschlagene
Kieselknauer, Kieselsplitter und eine scharfkantige !
Lanzenspitze sich fanden. Da das Material , aus
dem diese Gegenstände bestehen, Theile des Ge-
rölles ausmacht, so schliesst der Verfasser, dort,
am alten Ufer des Flusses, habe eino Werkstatt©
der ältesten Steinzeit sich befunden. — Der an-
dere Fund bei S. Angelo di Celle liegt im
alten Tiberbette , und befindet sich dort unter
dem losen Gerolle solches das mit Kalk cümen-
tirt ist. Die hier gefundenen Kieselgeräthe sind
mit wenigen Ausnahmen nicht scharfkantig, son-
dern abgerollt, so dass dort wohl keine Werk-
statt© sich befand , sondern dieselben von dem
angeschwollenen Tiberflus.se mit den andern Ge-
schieben angeschwemmt wurden.
Megalithische Stcingeräthe waren bis
jetzt aus Umbrien kaum bekannt; AgOtft.
Monti hat nun solche bei Nid a störe im An- |
conitanischen gefunden und beschrieben in der Alt-
handlung Stazione doll* eta della pietra 1
presso Nidastore nell* Anconitano Bull.
Palet. 1878. p. 17. Sie finden sich dort zu Tau-
senden und zwar meist als megalithische Formen. I
Aus Toscana liegen sehr interessante Notizen j
vor von :
Blanchard : Sülle miniere di Stagno
di Campiglia marittima. Atti dell R.
Academia de» Lincei 1878, Giugno — und
Bullet, geologico 1878. Fas. 9. 10. Bekannt
ist, dass vor einigen Jahren in den alten etrus-
kischen Gruben bei Campiglia, den sogenannten
Cento Camerelle ein Zinnerz, C assiterit, gefunden
wurde. Man hatte anfangs geglaubt, der Cassi-
terit komme nur ganz vereinzelt vor und sei nur
zufällig von den Etruskern mitgenommen worden.
Eine englische Gesellschaft betreibt jetzt die alten
Gruben und ergab es sich, dass die Etrusker
wirklich auf Cassiterit bauten. Bei dem jetzigen
Abbau gewinnt man Zinnerze von 46 — 58°/o Ge- 1
halt. Auch ganz unverritzte Zinnerzgänge hat j
man in der Nähe gefunden und baut sie nun
ebenfalls ab. So ist nachgewiesen , dass die
Etrusker in der Umgegend von Campiglia auf
Kupfer, Zinn, Blei und Zinkerze Bergbau trieben,
und durch die Verschmelzung der gemengten
Erze direkt Zinnbronze, wie Zinkbronze
(Messing) darstellten.
Oberitalien betreffend, liegt eine ganze
Reihe wichtiger Funde und Abhandlungen vor:
Chierici: Sepolcro del periodo di
transiziono dell’ eta delle piotre alle
terremari. Bull. Pal. ital. 1878 p. 41. Be-
handelt ein bei Santilario d’ Enz a (Paruia)
gefundenes Grab in dem ein kleines wohl einem
Kinde ungehöriges Skelet lag, mit bemerkens-
werthem Halsband; darüber fanden sieb einige roh-
gearbeitete Scherben. Die Perlen des Halsbandes
bestehen aus weissem Marmor und sind ziemlich
gut gearbeitet; sie gleichen ganz den in den Dol-
men gefundenen. Es wird daraus geschlossen, dass
das Grab einer Uebergangsperiode von der Stein-
zeit zu den Terremare angehöre, ein Fund der hier
zum ersten male beobachtet wurde.
Strobel : Oggetti di legno della Ma-
riera di Castiono (Parma) Bull. Pal. ital.
1878. p. 22. — Unter den früher schon von
Pigorini dort gefundenen Gegenständen aus
der Steinzeit, befinden sich bekanntlich viele in-
teressante Gegenstände von Holz, wie denn diese
Fundstätte wohl die au Holzgeräthen reichste ist.
Strobel beschreibt in obiger Monographie 24 Ge-
räthe und . bildet sie ab.
Pigorini : Ricerche Paletnologiche a
Cavriana (Provincia di Mantova). Bull.
Paletn. ital. 1878. p. 2. beschreibt die von
B i g n o 1 1 i gefundenen Steingerätho, Knochen und
Reste von Thongefässcn ; im Boden dort fanden
sich auch 2 Skelette. Keine Metallgegenstände
wurden gefunden; trotzdem setzt Pigorini den
Fund in die Bronzezeit, zu den Terremare, be-
merkend, dass der Mangel der damals so seltenen
Bronzegeräthe nicht unbedingt dafür sprechen
könne, dass man einen Fund in die Steinzeit
setzen müsse. Wo, wie hier, die anderen Ge-
genstände ganz dieselben sind, wie die der Terre-
mare, namentlich die Scherben von Töpferge-
sch irren, müsse man dieselben den Terremare, der
Bronzezeit, zutheilon.
Chierici: Stratificazioni coordinate
delle tre etä preistori che. Bull. Pulet, ital.
1877 p. 1G7 -
Chierici: Una visita al Museo archeo-
logico di Este. Bull. Pal. ital. 1878. p. 75.
Pigorini: Oggetti della prima eta di
ferro, scoperti inOppiano nel Veronese.
Bull. Pal. ital. 1878. p. 105.
Es sind das 3 Abhandlungen, die, obwohl
von Fanden an verschiedenen Lokalitäten han-
delnd , doch in inniger Verbindung mit einander
stehen.
Die erste bereits 1877 erschienene sehr wich-
tige Abhandlung beschreibt aus der Provinz
Roggio in der Emilia sehr eingehend nicht
weniger wie 12 Fundstätten, deren genaue Le-
gungsverhältnisse und Schichtenfolge zum Theil ab-
bildend. Der Verfasser kommt zum Schlüsse,
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dass in den Pogegenden die Reihenfolge der ver- j
schiedenen Perioden folgende sei, von unten an :
I. Steinzeit, die sich theilt in 1. untere
Periode, 2. obere, (z. Th. Uebergangs-
periode.)
II. Bronzezeit: Terremare und See-
stationen.
III. Eisenzeit: 1. untere, in zwei gleich-
zeitigen lokalen Gruppen ausgebildet : die
der Eugnneen links des Po, und die
von F e 1 s i n a (Villanova) rechts des Po.
2. obere repräsentirt durch den Fund von
Certosa.
Die zweite Abhandlung knüpft an den Be-
such des neuen Museums von Este Betrachtun-
gen über die Völker, die in den verschiedenen
Perioden die Pogegenden bewohnten, und deren
Herkommen. Der Verfasser folgert aus den Fun-
den, dass in den Pogegenden keinesfalls eine un-
unterbrochene Entwicklung der Civilisation statt-
hatte, sondern dass von Zeit zu Zeit neue Ele-
mente der Kunstfertigkeit und der Gewohnheiten
nuftreten, die auf neu einwandernde Völker hin-
weisen. Er nimmt an, dass die ersten Bewohner,
die Menschen der Steinzeit, über die Alpen herab-
gekommen seien ; ebenso hätten später die Leute
der Bronzezeit , ein ganz neu eindringendes Volk,
den nemlichen Weg genommen. Mit der Eisen-
zeit sei dann wieder eine ganz neue Kultur er-
schienen, und ein neues sie bringendes Volk. In
der ersten, ältesten Eisenzeit seien diese Leute
vom Meere her den Po hernufgekommen, und
haben sich gleichzeitig zwei Gruppen entwickelt, 1
eine nördliche, die der Eugnneen links
vom Po bis zu den Alpen, und eine südliche,
die von Felsina (Bologna) oder Villanova j
rechts des Po. In der zweiten Eisenperiode hätte ,
sich dann hauptsächlich etruskischer Einfluss gel-
tend gemacht.
(Schluss folgt.)
Aus der Sitzung des Zweigvereins Kiel,
27. März 1879.
I. Schalensteine in Schleswig- Hol stein. Herr
Prof. H and elma n n sieht sich durch die Aufforderung
der Redaktion des Correspondenzblattes veranlagt, zu
der eingeleiteten Diacussion über Schau lonsteine
mitzutboilen , dass da» hiesige Museum ausser dem I
schon bei der Eröffnung ausgestellten Exemplar im
verflossenen Winter ein zweites durch die gütige Ver- j
mittlung des Herrn Dr. S plindt in Kappeln erhalten 1
hat. Wenn der ältere Schalenstein mit sechzehn etwa .
gleich grossen Schälchen von 5—6 cm. Durchmesser, ;
von denen vier nachträglich zu einem Kreuz verbun- j
den sind, auf Darbringung von Opfergaben schliessen
lässt, so Hesse sich bei Ansicht des zweiten und klei-
neren Steins eher an den von den Herren Deaor und
Falsan mitgetheilten Brauch denken, dass man den
Stein anzubohren pflegte, um den Bohrstaub als Heil-
mittel gegen Krankheiten zu verschlucken. Die ganze
circa 55 cm. lange und 30 cm. breite Oberfläche ist
nämlich mit circa 4 t dicht nebeneinander, Rand an
Rand stehender Schälchen von der verschiedensten
Grösse wie bedeckt; die grössten davon halten circa
6 cm. im Durchmesser, während man die kleinsten
mit dem Daumen oder einer Fingerspitze ausfüllen
kann. Die Anwendung von SteinpOlverchen aus Schaa-
lensteinen ist in der Schleswig-Holstein’ftchen Volks-
tnediein allerdings bisher nicht nachweisbar ; dagegen
wurde in der Sitzung am 20. Deeembcr 1878 constatlrt,
dass man „gestossenen Donnerkeil” gegen Epilepsie
einzugelien pflegte.
Ref. kann weiter mittheilen, dass der Figurenstein
von Hiinsch . von dem ein theilweiser Gvpflabgnas im
hiesigen Museum vorliegt nebst der Steuikammer, zu
welcher derselbe gehört, von Herrn Oberamtsrichter
Westedt in Albersdorf käuflich erworben ist und
für die Zukunft sichergestellt werden soll. Schon
früher waren hier zu Lande verschiedene andere Fi-
guren steine bekannt, welche insbesondere Fusa-
spuren von Menschen und allerlei Thieren aufzuweisen
hatten. Die Sagen, welche sich daran knüpften, sind
in Möllenhoff’« Sagen. Märchen und Liedern der
Herzngthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg un-
ter Nr. 16, 190—95 und 543—45 susammengestellt.
Der verstorbene Hamburger Professor Ohr. Pe-
tersen hat die mit Hufeisen und Rosstrappen be-
zeichneten Steine hier und auswärts im XXV. Bericht
der vormaligen Schlesw.-Holst.-Lbg. Alterthuma-Gwcll-
srhaft ausführlich behandelt und deren mythologische
Bedeutung zu enträthseln versucht. Dort ist auch
der Stein bei Hattlund in Angeln, wo neben einem
Pferdehuf Hasenspuren vorkamen, unter Fig. 2 abge-
bildet. Eine rohe Zeic hnung des Stein* bei Dingholz
in Angeln, auf dein eine menschliche Flugfigur einge-
hauen int, befindet sich im Archiv de* Museums.
Schliesslich bittet Ref. dringend um Einsendung von
Zeichnungen und Beschreibungen anderweitiger t>chaa-
len- und Figurensteine Schleswig-Holsteins.
2. Menschenschädel als Trinksdiale. Ueber die vor-
malige Benützung von Menschenschädeln als
Trink schalen berichtet Herr Prof. Pansch, mit
Bezug auf den neuesten von Dr. Gross (Neuveville)
beschriebenen derartigen Fund. Ein uns dem Kieler
Museum vorgelegtes Sehädelstüek , welche* zusammen
mit Flintgeräthen und Topfscherben in einem Gang-
bau bei li inkeim gefunden ist (Bericht 10 der Schleew.-
Holst.-Lbg. Alterthunu-GeselUchaft S. 4 und 40), sieht
auf den ersten Blick allerdings darnach aus, als ob
es zu einer Trinkschale hätte dienen können. Es
spricht aller dagegen, dass das Stück nicht da« eigent-
liche Schädeldach, sondern ein Bruchstück von der
Seite de* Schädels ist und auch keine deutlichen
Schlagmarken aufweist.
Herr Prof. Chr. .lassen möchte bezweifeln, das*
der Gebrauch von Schädeln als TrinkgefÜsse irgend-
wie als allgemeine Sitte hei den germanischen Völ-
kern anzusehen sei, und erinnert an den Aufsatz von
Rafu: „Ueber Trink ge fasse in Walhalla“ (Deutsche
Uebersetxung in Falck’a Neuem Staatsbürgerlichen
Magazin. Bd. I. S. 840 u, 7,) Prof. Handelmunn.
Druck der Akademiichen Buchdruckerei F. Straub in München. — Schluss der Redaktion am 6. Juli 1879.
Digiti;
byC:
jogle
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft J
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Jintiyhl roti Professor Dr. Johanne» Ranke im München,
OtHfralurrtiür der lituüxfkiifl.
Nr. 9. Erscheint jeden Monat. September 1879.
Bericht über die X. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Strassburg
am II., 12. und 13. August 1879.
Narb tenogruph isehen Aufzeichnungen
redigirt v«n
Professor Dr. Johannes Ranke in Manchen
Generalsekretär der Gesellschaft.
I.
Tagesordnung und Verlauf der X. allgemeinen Versammlung.
Sonntag den 10. August., Nachmittags 4 Uhr: Bcgrflssung der nnkummenden Gäste durch
den Herrn Lokalgeschäftsführer Professor Dr. Gerl and am Bahnhof, sodann Anmeldung der Tbeil-
nehmer in» Haupt Bureau der Lokalgeschäft. sfiihrung im Stadthaus?. Abends zwanglose gesellige Zu-
sammenkunft im Garten des Civilcasino, Blauwolkengasse 2.
Montag den 11. August, von 0—12 Uhr: 1. Sitzung im grossen Saale des Stadthauses.
Dann Besichtigung des Münsters und der städtischen baulichen Alterthflmer. Von 2 — 4 Uhr II. Sitzung.
Darauf Besuch der Sammlungen und Museen der Stadt und Universität unter der Führung der
Direktoren und Vorstände derselben. Uni 6V* Uhr gemeinsames Festmahl iin Hotel de Paris.
Abend* Zusammenkunft im Garten des Civilcasino.
Dienstag den 12. August, von 9- 1*4 Uhr: IN. Sitzung. Nach einer Unterbrechung
von einer Viertelstunde von 2—4 Uhr IV. Sitzung. 4 V* — 7 Uhr Besichtigung von 12 neuge-
öffneten Gräbern der apit römischen Nekropole am WeUstburmthor und Eröffnung eines Sarkophag'*
unter Leitung des Herrn Domkapitular Straub. Um 8 Uhr Abends Fest von der Stadt Strass-
burg den Anthropologen gegeben in den Fest räumen des Stadthauses.
Mittwoch den 13. August: Ausflug nach dem Odilienberge. Morgens 8 Uhr Extrazug
nach ( Mierehnheiui , wo Wagen für einen Theil der Festgäste nach dem Odilienberg bereit standen,
und dann weiter nach Barr, von wo aus Jene die Wanderung an traten, welche es vorzogen, aus der
Sommerhitze des Thaies unter Führung der Mitglieder des Vogcsenelubs namentlich des Präsidenten
des letzteren, Herrn Bibliothekar Dr. Euting. den landschaftlich schönen, waldigen Fussweg zu dem
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Kloster auf der Berghöhe cmporzusteigen. Mittagessen (200 Gedecke) im Schatten der Linden des
Klosterhofes. Nachmittags Besichtigung der Altert hü in er des Odilienberges unter Führung des Vo-
gesenclubs: Heidemnauer, ltömerstrasse, Gröber ; Eröffnung eines Hügelgrabes mit Steinkiste. Besuch
der Aussichtspunkte namentlich des Mennelstein mit Erfrischungen im Kiosk des Vogesenclubs. Ab-
stieg Uber die Ruine Landsberg nach Barr, wo mit einer geselligen Vereinigung im Garten des Bühl-
Hotels die Versammlung schloss. Abends 10 Uhr Rückfahrt mit Kxtnung nach Strassburg.
Mitgl Jeder- Verzeichn iss
1 von Albert, Bergmeixter. Strassburg.
Albrecht, Oonrektor, Strassburg.
Barber, Alfred. Hamburg.
Barthel me**. Professor, Stuttgart.
Burtholdi, l>r., Oberlehrer. Strass bürg,
de Bory. Professor, Strassburg.
Üuumgurten, Otto, Stud. theol., Strassburg.
Benecke, Dr., Professor, Stnuudiuig.
Bergmann, Friedrich. Dr., Professor, Strassburg.
10 Biedert, Dr., Oberarzt, Hagenau.
Bracht. Eugen, Maler, Ca rb ruhe.
Brodfuhrer, Schuldirektor, Coburg.
Bruch. Dr., Profeaaör, Algier.
Brückner, Dr., Medicintilmth, N eubrandenburg.
Bruhn, Oscar, Kaufmann, Insterburg.
Buchholz. Reg.- und Bauruth, Altena.
Bull, Friedrich. Buchhändler, Strassburg.
Bürger, Dr.. Oberlehrer. Strassburg.
Chauffour, Ignaz, ehern. Advokat, Colmar.
20 Christo fiel, Professor, Strassburg.
Cohen, Dr., Professor, Strassburg.
Courtmult. Carl, Conservutor des Museums, Nancy,
t roiuiu, OberregierungMrath, Strassburg.
I »recke, I >r.. Dir. dos Kyceums, Stroasburg.
Diesterweg. Kreisgeriehtsrutli. Siegen.
Dietz. Pfarrer, Rotlmu.
Diederlein, Dr., Lehrer, Bayreuth.
Dcehle, Dr., Oberlehrer, Strassburg.
Dütnichen. Dr., Professor, Strassburg.
30 Dürcklieini-Montnmrtin. Graf, FroBack weiter.
Ebrard, Friedrich, Dr., Univ. Kustos, Strassburg.
Ecker, Dr., tielieinimth. Professor, Frey bürg.
EelthauK, Carl, Apotheker. Altena.
Eggert, Baumeister, St rasshurg.
Enrenreich ('and. mal., Berlin.
Eitel v. Muyeniisch-Rnppenxtein, Baron, Rentner.
Consta nz.
Engesner, H., Dr., Freyburg,
von Etzel. Forstmeister, Colmar.
Euting, Julius, Dr., Bibliothekar Strassburg.
40 Fahrenbruch, Friedr., Reakchullehrer, Strassburg.
Fischer. Dr., Dir. d. st. höh. Töchtersch., Strassburg.
Fischer, Dr., Hofrath, Profeasor. Freyburg.
Fischer, I>r., Privatdozent, Strassburg.
von Fischer-Treuenfeli l, Major, Strassburg.
Flaig. Rechtsanwalt, Constanz.
Klein bauer, Kdni., Ibindelxgcriehtspräsid., ( Vduiur.
Flüekiger, Dr., Professor. Strassburg.
Flüekiger, Max., Stud. ined.. Strassburg.
Fairster, lluuptumnn, Strassburg.
üO Ki erster. Professor, Breslau.
Fraas. O.. Dr., Profesaor. I. Vorsitzender der X. all-
gein. Vor», d. deutschen anthr. Ges., Stuttgart.
FiUnkel, Dr.. Sunitütsrath, Bernburg.
Krank, Eugen. Oberfttnster, Srhuaaenried.
Kranke, Heinrich. Dr., Referendar, Strassburg.
•| Nach den von der l.okulgi'sc hilft *ffdmmg in
der X. Versammlung.*)
Freund, Dr., Professor, Strasaburg.
Freund, Stud. med., Straaaburg.
Fritach, Gustav, Ihr., Professor. Berlin.
Fritsch, Eduard, Stud. phil., Strassburg.
Gunzhorn, Wilhelm, Oueramtsriehter, CannatAtt.
t!ü Gerland, Georg, Dr., Profemor, Kokalgtwhilftx-
fuhrer der X. ul lg. Vers. d. d. iu G„ Strassburg.
Gmelin. Eduard. Oberanitarichter, Kirchbeim.
Gmelin, Wilhelm. OberamUrichter, Neckaraulm.
Gcehring, Oberlehrer. Strassburg.
O fette. Dr.. Profeasor. Strassburg.
Gietz, Dr., Obennedicinalrath, Neustrelitz,
i ioguel. Eduard, Professor, Strassburg.
(ireinpler, Dr., Sanitätsrath, Breslau.
Gros*, VM I)r., Arzt, Neuveville.
OroasM, Karl, Buehhändler, Heidelberg.
70 Grotli, Dr.. Professor, Strassburg.
von Guentrd. Obcrregierungsr.it h. Strassburg.
Guthniunn, Meinrad, Rentner, ehemal. IMarrer.
Strass bürg.
Hack. lieg. -Assessor, Strassburg
Hiulra, S., Dr.. Arzt, Strassburg.
Hierein*, Rudolf. Bergwerks-Direktor. Creuznacli.
Ibuideliimnn. Professor, Kiel,
llarseim, Justizruth, Strassburg.
IKirtiijunn, August. Sekretär a. d. Staatsbibliothek,
München.
Hasse, Kreisdirektor, Strassburg,
SO Hellwald, Friedrich, Stuttgart.
Helm, St4ultrath, Danzig.
Hering, Eduard, Rentner, Barr.
Hille. Dr., Assistenzarzt, Strassburg.
Himmel stern, Friedrich, Stud. phil , Strassburg.
Hirsch, Premierlieutenant, Strassburg.
Hetlinger, I)r„ Univ.-Custos, Strassburg,
Hübbe, Walter, Lehrer a. prob Gyiunaa.. Strassburg.
Hü huch mann, Dr., Professor, Strassburg.
Jieger, August, Pfarrer, Mietesbeim.
Oft Jnnke, Hamitmonn. Metz.
Johns ton, Theodor, Dr., Milwaukee.
Kahlbaum. Dr., Direktor der Heilanstalt, Görlitz,
Kaufmann, Dr., Oberlehrer, Strassburg.
Khuen, liwtit,- Vorsteher, Strassburg.
Kleeb, Bürgermeister-Sekretär, Hagenau.
Klein. Julius, Ajiot heiter. Strassburg.
Klopfleiseh, Dr., Professor, Jena.
Kluge, Friedrich, Dr. phil., Cftln.
Kodil, Dr.. Arzt, Pfeddersheim .
100 Kiehler, Canonicus, Strassburg.
Kraus*. Dr.. Arzt, Kirchheim.
Krause, Rudolph, Dr.. Arzt, Hamburg-
Krieger, Joseph. Dr., Kreisarzt, Strassburg.
Knill, Hermiunn, Kaufmann. N eubrandenburg.
Kulm, Dr., Privatdozent, Strasburg.
Kussiuaul. Dr.. Oeheimmth, Professor, Strassburg.
Kut he, Dr., Obeistahnarzt, Hagenau.
Strassburg ausgegebenen ofticiellen Kisten.
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<57
Liengin. Georg, Pfarrer. Karlsruhe.
Landauer, Samnel. Pr.. Privatdozent, Straasburg.
10 von Lamlwürf, Premierlieutenant. Struasburg.
von Le Coq, August. Kaufmann, Damixtadt.
Lehmann, Dr., Arzt, Oberkircb,
Leiber, Pr., Adv. Anwalt, 8tnwbaig.
Levy. Pr.. Arzt. Hu genau.
Lobenhofifer. Professor. Stuttgart,
von Loehr. Joseph, Stud. jur.. Bonn,
von licehr. Max, Stud. jur.. Bonn.
Lücke, Pr., Professor. Rektor der Universität
Strus-sbiirg.
Ludwig, Friedrich, Pr., Pirektor der Realschule
bei St. Johann. Strassburg.
20 Martin. Pr.. Professor, Strassburg.
Martini. Pfarrer. Auggen.
Mehlis. Dr., Professor, Düri-klieim (Pfalz).
Meisner. Pr., Arzt. Sonderbar#.
Metzenthien. Pr., Arzt. Stnussburg.
Meyer. Han«, Pr.. Ar/t. St ms* bürg.
Meyer, Oskar. Pr.. rniversitäts-CuHtOH.StniSMbnrg.
Mit*cher, LundgcrichUruth, Strassburg.
Mook. I>r., Cairo.
von Möller, Kdui*rd, Pr., Oberpribddont. Straraburg.
30 Much, M., Pr. jur., Sekretär der anthrop. (Gesell-
schaft in Wien.
Much, Rudolf, Stud., Wien.
Mühl, Gustav, Pr., I'niv.-Bibliothekar. Strassburg.
von Müllenhoim, Baron. Huuptmann. Strassburg.
Müller, Emil, Arzt. Nancy.
Müller. Dr.. Bibliothekar, Strandburg,
Xachtigal, Pr., Berlin.
Nessel. Bürgermeister. Hagenau.
Ohlensehlager, (iyinnasialprofessor, München.
Osawa, fand. med., Straasburg.
40 Pauli. Stud. jur., Strassburg.
Pavelt. Pr., negierungsruth, Strasburg.
Pfannenschmidt, fleino, Pr., Archivdirekt., Colmar.
Popp. Pr., Arzt, München.
Pnnzinger. August. Pr.. Sulzburg.
Ranke, J.. Pr.. Professor, Generalsekretär der
deutschen anthrop. Gesellschaft. München.
Rebmann, Oberförster. Barr,
von Recklinghausen. Pr.. Professor. Strass bürg,
von Reichlin. Friedrich. Reg.-Assessor u. Vertreter
des com. Bürgermeisters. Strusshurg.
Richter, Dr., Stabsarzt, Struexburg.
ISO Rattler, Pr., Augenarzt. Strandburg.
Roller. Arzt, Strusshurg.
Rose. Pr., Professor. Strasshuiy.
Sach«. Burney, Pr.. New-York.
von Saldern. Ernst. Poiizeidirektor, Strandburg.
Sarnnw, Pr., Assistenzarzt, Strandburg.
Sauter. Dr.. Professor. StruHsburg. ,
Schaaffhausen. Pr., Professor, Geheimrath, stellver-
tretender Vorsitzender der X. allg. Vers, der
deutschen anthrop. Gesellschaft. Bonn.
Schiedel, Ludwig. Pr. phil.. Realschullehrer,
Stmubarg.
Scharlach. Wilhelm. Pr., Referendar, Strassburg.
60 Scheffer. Alfred, ('and. med. Strasdiurg.
Schickert, Pr.. OlierataliKarzt, Strandburg.
•Sohierenberg. G. A. B., Privatier, Weinberg.
•Schimpur. Pr. Proiessor, Stra«sburg.
•Schiiuper, Wilhelm, Pr.. Assist, am naturhist.
Museum, Strusshurg.
Schmidt, Oscar, Ihr.. Professor. Strassburg.
Schmidt. Karl, Pr., Landgerichtsrath. Colmar.
Schmiedeberg. Pr., Professor. Strusshurg.
Schmittner. Buchhändler, Straxsburg.
Schmitz. Carl, Apotheker, Letmathe.
70 Sehmoller. Professor, Strusshurg.
Schneegaiw. August. Reichstags - Abgeordneter,
Strassburg.
Scholz. Pr.. Generulurzt. Strusshurg.
Schrickcr. Pr., Senats-Sekretär, Strassbiirg.
Schflle. Pr.. Medicinalrutli, Illenau.
Schwab. Auditor, Strassburg,
von Seidlitz, Baron. Mitglied des Herrenhauae«.
Stmssburg.
Sepp. Pr., Professor, München.
Stehle, Bruno, Dr. phiK. Iteulwdiullebrer. Strusshurg.
Steinmann, Assistent u. geogn. Institut. St raus bürg.
80 Stilling. Pr., Arzt. .Strusshurg.
Straub. Cunonicus. Strusshurg.
Tischler. Pr. phil.. Königsberg.
Toussaint. Culturingcnieur. Strassburg.
von Trceltsch, Freiherr, Hauptmann, Stuttgart.
l’hl. Pr., Stabsarzt. Str,i*aburg.
Vaihinger. Hans, Pr.. Privatdozent. Strass bürg,
van den Velden. Pr., Arzt. Strassburg,
von Verdy du Vernois, Generalmajor. Strassbiirg.
Virchow. R„ Pr.. Professor, Geheimrath, stellver-
tretender Vorsitzeinler der X. allg. Ves. der
deutschen anthrop. Gesellschaft, Berlin.
90 Vogel. Vikar, Strassburg.
Voigtei. Pr., Rentner, Cobarg.
Voss. Pr.. Assist, am Museum, Berlin.
Wagner. Geh. Hofrath, Karlsruhe.
Waideyer. Pr.. Professor. Strusshurg.
Wasserfuhr. Pr.. Kegierung*rath. Strassbiirg.
Wejgond. Bruno. Pr. phil.. Realschullehrer,
Strassburg.
Weisser, Pr.. Arzt, Strassburg.
Weisiuaun, Johann, Professor. Schatzmeister der
deutKchen anthrop. Gesellschaft. München.
Wentzel. Pr. phil., Mainz.
200 Wieger. Leo, Pr., Arzt, Stramlmrg.
Williams. Pr., Arzt, Strusshurg.
Witkowski. Pr.. Privatdozent, Strassbiirg.
Woldt, Schriftsteller. Berlin.
Woll, Inspektor. Strandburg,
von Wroblewski. Sigmund. Pr., Privatdozent,
Strusshurg.
Zeis*, Pr., Assistent, an der gebnrtshilfl. Klinik.
StruKsburg.
von Ziemiedsky, Gen.-Lieutenont, Strassburg.
Zintgraf. Notar, Landaber#.
Aus Strassburg 113
dem übrigen Elsaas-Lothringen 21
dem übrigen Deutschland 63 (bei der IX. allg. Ver. 44|
ausserdem sehe Theilnehmer 10
(davon 3 aus Oesterreich, je 2 au« Frankreich
(Nancy) und Nordamerika, je 1 aus Egypten,
Algier, Schwei*). “Summ«: 158
1
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68
Allgemeine
Tn Strassburg vereinigten sich in der 2ten
Augustwoche 1. Js. die Vertreter und Freunde der
anthropologischen Wissenschaft zu der X. allge-
meinen Versammlung, welche wie die erste ( Mainz)
und die IV. (Wiesbaden) in dem sonnigen wein-
umkränzten Rheingau , welchem die Geschichte
aller Zeiten einen Reichthum unvergänglicher
Reste eingegraben hat , tagen sollte. Die Zahl
der Theilnehmer war eine sehr bedeutende und
wenn auch mancher Name treuer wissenschaft-
licher Genossen , die wir schwer vermissten , bei
unserer diesjährigen Versammlung fehlte , so
wurden wir durch eine grosse Zahl neugewonnener
Freunde entschädigt , welche sich hier , eine
glänzende Gesellschaft, um die wandernde Lehr-
kanzel unserer Wissenschaft schaarten,
Werfen wir zunächst einen orientirenden
Blick auf das durch Strassburg selbst darge-
botene anthropologische Studienmaterial.
Die IX. allgemeine Versammlung in Kiel
hatte an den BernsteinkQsten der deutschen
Meere getagt , dort wo in grauer Vorzeit sich
eine primitive Kultur entwickelt hatte, getragen
in den frühesten Perioden der menschlichen Be-
siedelung durch den Reichthum an dem mit den
Metallen in technischer Verwendbarkeit wetteifern-
den K u 1 1 u r in i n e ra 1 des nordischen Feuersteins.
Auf Grund dieser frühzeitigen , im Verhältnis«
zum Hinterlande höheren Kulturentwickelung un-
serer NordkUsten und mit Benutzung des vielbe-
gehrten brennbaren Goldes , des Bernsteins , den
das Meer damals noch in Centneriasten mühelos
lieferte, konnte sich dort durch Handelsverbind-
ungen zu Land und Meer jene Metall- namentlich
Gold- und Bronzekultur entwickeln , der wir in
ähnlichem Reicht hum erst wieder an den Mittel-
meerküsten, in den Sitzen der klassischen Kultur-
völker begegnen. Nirgends in Deutschland sind
die vorgeschichtlichen Kulturperioden des Feuer-
steins und der Metalle in den überreich sich
findenden Resten so klar präcisirt. wie in den
dortigen Sammlungen und das Interesse der
Theilnehmer unserer IX. Versammlung war da-
durch vorwiegend auf die ältesten prähistorischen
Zeiten gewendet.
Aber das Ist ja klar, dass sich erst dann eine rich-
tige Schätzung dieser entlegenen vorgeschichtlichen
Epochen unseres Vaterlandes in anthropologischer,
ethnologischer und kulturgeschichtlicher Richtung
ergeben kann , wenn wir ihre zeitlichen und
materiellen Beziehungen zu den Kulturen der
klassischen alten Welt erkannt haben werden.
Uebersicht.
Was ist Kulturbegitz der ältesten Bewohner Deutsch-
lands? Welche Kulturerinnerungen und -Halft-
mittel brachten die arischen Einwanderer, nament-
lich Germanen und Slaven, aus der asiatischen Ur-
heimath und ihren Zwischensitzen mit und wie
haben sie dieselben entwickelt ? Was trugen ihnen
die Verbindungen mit den höher gebildeten Völkern
der Mittelmeerländer zu ?
Für das deutsche Binnenland wenigstens ist die
Linie, von welcher aus die urgeschichtliche archäo-
logische Forschung vorwärts und rückwärts zu
schreiten hat, die Periode der innigen Verbindung
mit dem mächtigsten antiken Kulturvolk Europas,
1 mit den Römern. Sie rückten unsere Gegenden
in das Licht der Geschichte ; nach ihrer Besieg-
ung und Vertreibung lagert sich wieder zum
Theil für Jahrhunderte vorgeschichtliche Nacht
über die einst von ihnen beherrschten oder wenig-
stens beeinflussten Gauen. In Beziehung auf die
Römerzeit namentlich kann sieb das Rheinland
den norddeutschen Küsten in urgeschicht lieb-
archäologischer Bedeutung kühn au die Seite
i stellen , und es ist nicht zufällig , dass Herrn
Lindenschmit's bahnbrechende Forschungen
; und Entdeckungen, die das nordisch-archäologische
System fllr Deutschland ungestalteten , gerade
| hier eingesetzt haben. Vor allem nach dieser
| Richtung war der X. allgemeinen Versammlung
| in Strassburg und Umgegend reiches Studien-
I material geboten, welches den Blick, der an den
Küsten der Nord- Meere sich in weite Zeit fernen
verloren hatte , auf näher liegende , zuerst zur
j Entscheidung zu bringende Aufgaben der deutschen
| anthropologischen Archäologie coneentrirte.
Noch eine zweite für die deutsche anthropolo-
gische Forschung vorzüglich wichtige Frage bietet
sich vor allem in den Rheinlanden zur Lösung
dar: die Stellung der in unseren Gegenden der Vor-
geschichte zuzurechnenden und sie abschliessenden
fränkisch- alemanischen Periode der Reihengräber
einerseits zu der niedergeworfenen Röraerherrschaft.
andererseits zu der auf den Trümmern der letz-
teren liier und auf gallischem Boden neu auf-
blühenden geschichtlichen Kultur der Merovinger
und Carolinger. Auch hietlir hat unser Li nden-
| sch m i t im Rheinland die grundlegenden Ar-
beiten geliefert und wir dürfen mit den grössten
Erwartungen der nahen Vollendung seines Werkes
über die Merovingerzeit entgegensehen. Der X.
allgemeinen Versammlung bot sich auch in dieser
Beziehung reiches Belehrungsmaterial dar.
An die in Strassburg befindlichen der vor-
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73
sionen nähern sich in wichtigen Punkten ihrer
Vollendung. Die Commission zur statistischen Auf-
nahme der somatischen Verhältnisse der moder-
nen Bewohner Deutschlands, Vorsitzender Herr
Virchow, konnte schon bei der VII. Versamm-
lung in Jena (1876) mit der im Wesentlichen vollen-
deten Statistik , und deren kartographischer Dar-
stellung, über die Farbe der Augen, Haare und
Haut der deutschen Schuljugend hervortreten.
Die Hauptresultate sind in dem Berichte! jener
Versammlung publicirt, die definitive Publikation
hat sich aus lasseren und inneren Ursachen ver-
zögert. Herr Virchow legte nun der X. Ver-
sammlung im Aufträge unseres hochverehrten
früheren Generalsekretärs des Herrn Professor
Dr. Ko lim an n (Basel) eine analoge Statistik in
kartographischer Ausführung zunächst für 21
Cantonc der Schweiz vollendet, vor, bei welcher
nach den für Deutschland befolgten Grundsätzen
vorgegangen war. *) Die V ergleichung der Ergeb-
nisse in dienern Nach barlande mit den in Deutsch-
land selbstgewonnenen gibt Veranlassung zur
Aufstellung neuer allgemeiner Gesichtspunkte
flir die Methode der statistischen Berechnung
und deren Darstellung in Kartenform zunächst
für den braunen Typus unserer Bevölker-
ung. Eine hoffentlich nicht zu lange ver-
zögerte Statistik der österreichischen Alpenländer
namentlich Tyrols wird den schweizerischen ganz
analoge Verhältnisse ergeben. Der braune Ty-
pus nimmt in der Richtung gegen das Alpenland
und in diesem selbst so wesentlich überhand, dass
nur eine weit engere Grenzen wählende Classifi-
cirung, als die für Deutsehland bisher verwendete
die hier obwaltenden Unterschiede noch zum Aus-
druck bringen kann. Die Statistik der skandi-
navischen und unserer anderen nördlichen Nach-
barländer wird umgekehrt, sicher wenigstens für
den blonden Typus , eine analoge Erfahrung
machen lassen. Wenn wir also auch dringend
die Vollendung dieser wichtigen Arbeit für un-
ser Vaterland herbei wünschen , so begrüssen wir
es doch mit Genugtuung, dass für die definitive
Publikation noch die genannten Erfahrungen be-
nützt. werden können.
Eine ausreichende Statistik der Schädelformen
der heutigen Bewohner Deutschlands scheint da-
gegen noch für längere Zeit ein frommer Wunsch
bleiben zu sollen. Ueber den Stand der kranio-
metrischen Verhandlungen mit den französischen
Kollegen haben sowohl Herr Schaaffhausen
wie Herr Virchow Berichte erstattet. Eine
•) Uelsjr die Vorgeschichte dieser *tutistixch»’n
Aufnahme in der Schweiz eff. in den Berichten der
VIII, (S. und IX. (S. 9ÜJ Versammlung.
Einigung Über die wesentlichste Frage: der ftlr
Messungen zu verwendenden Schädel horizon-
tale hat sich leider noch nicht herbeiführen
lassen , und es ist zunächst wenig Aussicht zu
einer Verständigung vorhanden: doch bleibt für
Herstellung vergleichbarer Resultate immer der
Comproiniäsweg offen, die Messungen an jedem
Schädel sowohl nach der deutschen, als nach der
französischen Horizontale auszuführen. Für Deutsch-
land kann die Angelegenheit einer statistischen
Aufnahme der modernen Schädelformen aber erst
dann in ein richtiges Fahrwasser kommen, wenn
die Verbesserungen resp. Vereinfachungen der
kraniomet rischen Methoden so weit vorgeschritten
sein werden , dass wissenschaftlich brauchbare
Messungsresultate an Lebenden auch von on-
thropometrisch weniger geübten Beobachtern ge-
wonnnen werden können. Dazu fehlt es noch an
einem ausreichenden Messinstrument, welches die
Beobachtung von der Geschicklichkeit des Beob-
achters möglichst unabhängig und dabei rasch
ausführbar macht. Der bis jetzt verwendete
Stangenzirkel entspricht diflNO Erfordernissen nicht
vollkommen, da die richtige Winkelstellung des-
selben sogar bei Messungen an knöchernen »Schädeln
schwierig, die Messungen mit demselben daher mit
ziemlich weiten individuellen Fehlergrenzen be-
haftet sind.
Herr Geheiinrath Professor Dr. Ecker,
welcher schon im Jahre 1870 im IX. Band des
Archiv’« eine Statistik Über die Körpergrösse der
Rekruten in Baden geliefert hat, brachte die
Fortsetzung dieser Arbeit zunächst für Bayern
und Württemberg in Vorschlag; ein weitergehender
Antrag tür statistische Messungen an Lebenden
wurde auch von Herrn S ch a aff h a us en ein-
gebracht (cf. III. Sitzung).
Die statistischen Messungen an skelettisirten
deutschen Schädeln nehmen wenn auch langsam doch
stetigen Fortgang. Herr J. Ranke hat seine dies-
bezüglichen Untersuchungen in den Beinhäusern
in Bayern in neuerer Zeit von dein altbayeri-
scheo Volk stamm auch auf den „fränkischen“
und schwäbischen sowie auf die Bevölkerung der
einst slavischen Gegenden Bayerns ausgedehnt. Im
Nachbarlande Tyrol arbeitet in derselben Richt-
ung Herr Stabsarzt Dr. Ra bel-Rü ckh ard und
sehr wichtiges Material wurde für verschiedene
deutsche Gauen durch Herrn Schaaff hausen
veröffentlicht.
Herr Schaaffhausen, der Vorsitzende der
Commission zu Herstellung eines Gesammtkata-
logs der kraniologischen (anthropologischen)
Sammlungen Deutschlands , hat den bereits im
letz vergangenen Jahre im Archiv publicirten
2
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74
Messungs-Katalogen der Sammlungen in Bonn
und Göttingen, die von Königsberg und
D a rm Stadt hinzugefügt und weiter die Sammlun-
gen in G i e s s e n und Frankfurt a. M. bearbeitet.
Diese Sammlungen enthalten mehr oder weniger
zahlreich auch sogenannte „deutsche Schädel“
und zwar der Natur der Sache nach vorwiegend
aus der Umgegend der Sanimlungsorte selbst
stammend. Die Sammlungen liefen» sonach auch
Material für die deutsche vergleichende Schä-
delstatistik. Doch darf man, worauf besonders
Herr Scbaaffhausen wiederholt aufmerksam
gemacht hat, nicht vergessen, dass diese Schädel
meist, von dem Secirtische herstammen, d. h. von
Leichen der ärmsten körperlich vernachlässigsten
Bevölkerungsklassen sowie der in Gefängnissen
und Arbeitshäusern Gestorbenen, welche keines-
wegs als wahrhaft typische Können der Gesammt-
bevölkerung gelten können.
Die Commission für Herstellung einer prähisto-
rischen Gesummt kart e Deutschlands, Vorsitzender
HerrF ra as, hatte zum ersten Mal der IX. allgemei-
nen Versammlung einen Karten entwarf und zwar
den des nordöstlichen Deutschlands vorgelegt ; die
X. Versammlung sah einen Theil der Aufgabe
vollendet in jener schon erwähnten prächtigen
Kartenskizze von Süd Westdeutschland. Diese wich-
tige Leistung wäre unmöglich gewesen , wenn
nicht Herr Fr aas in dem bekannten verdienst-
vollen Kartographen Herrn Haupt mann Baron
von Tröltsch (Stuttgart) einen ebenso befähig-
ten wie aufopferungsf.-oudigen Mitarbeiter gefunden
hätte. Wir sind in der Lage , den Mit-
gliedern der Gesellschaft eine verkleinerte Nach-
bildung der Karte in diesem Berichte vorlegen
zu können. Für Bayern brachte Herr Oh Um-
schlag er (München) die drei schon erwähnten
ausgeführten Blätter zu einer prähistorischen
Karte von Oberbayern.
Bezüglich der sonstigen wissenschaftlichen Ar-
beiten innerhalb der Versammlung verweiseu wir
auf die folgenden Verhandlungen.
Die äusseren Verhältnisse unserer
Gesellschaft sind fortdauernd höchst erfreuliche.
D i e Z a h 1 d e r M i t gl i ed er hatte schon
von der X. allgemeinen Versammlung
die Ziffer 2000 überschritten. In Folge
der Anregung in Strassburg hat sich nun eine
neue: die Elsässisclie Gruppe unserer Ge-
sellschaft angegliedert, welche schon heute zwi-
schen 30 — 40 Mitglieder zählt. In ganz Deutsch-
land zeigt dieGesellschaft eine fortdauerndeZunahme.
Unsere finanzi eilen Arbeitsbedingungen sind
in vortrefflicher Ordnung, ebenso die regelmässi-
gen Verbindungen der Mitglieder mit der Ge-
schäftsführung, Dank der Sach kenn tniss und un-
ablässigen aufopfernden Sorgfalt unseres Herrn
Schatzmeisters und seiner schönen Gehülfin. Die
verfügbare Summe für das folgende Jahr beträgt
7740,50 Jf y wozu noch die Summe von 5074 JL
kommt, welche für die Zwecke der statistischen
Erhebungen (Virchow) und die prähistorische
I Karte (Fr aas) aus den Vorjahren reservirt ist.
Auf Vorschlag des Herrn Medieinalrath Dr.
Brückner wurde in der IV. Sitzung die V or-
; stand schuft für das Jahr 1879;o0 durch Ak-
I klamation wie folgt zusammengesetzt:
I. Vorsitzender Herr R. Virchow,
I. Stellvertretender Vorsitzender Herr A. Eck er,
II. Stellvertretender Vorsitzender Herr 0. Fr aas.
Für die Stellen des Generalsekretärs (J. Hanke)
und des Schatzmeisters (J. Weismann) hatte
Statuten mässig in diesem Jahre eine Neuwahl
nicht stattzufinden.
Von Seite des I. Vorsitzenden der X. all-
gemeinen Versammlung Herr 0. Fraas wurde
als Versammlungsort der XI. allgemeinen Ver-
i Sammlung für das Jahr 1880 die Reichshaupt-
1 stadt Berlin vorgeschlagen und mit Zeichen des
allgemeinen Beifalls von Seite der Versammlung
. acceptirt.
Durch Herrn 0. Fraas zur Bezeichnung
eines Lokalgeschäfts ftlhrers für die XI. all-
| gemeine Versammlung in Berlin aufgefordert,
wurde von Herrn Virchow mit Rücksicht
auf dio besonderen Verhältnisse und die für die
XI. Versammlung in Aussicht stehende grössere
Arbeitslast der Vorschlag gemacht, aus« ahm s-
weise zwei Lokal geschäftsführ er zu
wählen, und zwar Herrn Stadtrath Fri ed el und
Herrn Dr. Voss als die Vertreter der beiden
Berliner prähistorisch-archäologischen Sammlungen.
Herr Dr. Voss, welcher der Versammlung an-
wohnte, sprach sein« Bereitwilligkeit zur Ueber-
oabtne der Geschäftsführung persönlich aus ; Herr
Stadtrath Fri edel, schriftlich von der auf ihn
gefallenen Wahl in Kenntniss gesetzt, erklärte eben-
falls in der bereitwilligsten Weise seine Annahme.
Und nun bleibt uns schliesslich noch die Auf-
gabe, allen Jenen den Dauk der Gesellschaft im
Allgemeinen und persönlich auszusprechen, welche
sich um das erfreuliche Gelingen unserer X. all-
gemeinen Versammlung Verdienste erworben haben.
Da haben wir zuerst unseren hochverdienten
LokalgeecbftfUfÜhrer für Strassburg Herrn Profes-
sor Dr. Georg Gorlund, den berühmten
Ethnologen zu nennen, dessen liebenswürdige Für-
sorge und Umsicht, Aufopferung und Sachkennt-
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75
niss den Verlauf der Versammlung getragen und
sie auch üusorlieh zu einer der wohlgelungen-
sten gemacht hat; noch niemals wurde der ge-
gesehäft liehe Theil glatter und befriedigender
abgewickelt als unter seiner Leitung. Liese
Resultate waren aber nicht zu erreichen gewesen
ohne die hochherzige Unterstützung, welche das
Unternehmen in allen betheiligten Kreisen fand.
Wir haben da zunächst Herrn Domkapitular
A. Straub und Herrn Professor Wald ey er
sowie die Präsidenten des Vogesenklubs Herrn
Bibi. Dr. Eutin g (Strassburg) und Herrn
E. Hering (Barr) zu nennen.
Die Leser des Berichts werden sich erinnern,
dass freundliche Einladungen au die IX. allge-
meine Versammlung von Seite der kaiserlichen
Regierung von Elsoss-Lotb ringen durch Herrn
Oberprftsidenten von Möller sowie von Seite
der Strassburger Stadtbehörde durch Herrn
Back, com. Bürgermeister ergangen waren. Die
Worte des Letzteren ; „Dass die anthropologische
Gesellschaft sich in Strassburg des freundlichsten
und entgegenkommendsten Empfanges versichert
halten dürfte — insbesondere würde es sich auch 1
die städtische Verwaltung angelegen sein lassen,
den Mitgliedern der Gesellschaft den Aufenthalt
in Strasslmrg zu einem möglichst angenehmen i
und interessanten zu machen“ wurden in schön-
ster Weise gerechtfertigt. Die kaiserliche Re-
gierung hatte eine namhafte Summe dem Lokal-
GeschUftsführungsausM-huss bewilligt zur Bestrei-
tung der nothwendigen Hauptausgaben, wozu
die Einnahmen der allgemeinen Versammlungen
selbst nicht ausreichen. Aus dieser Summe konn-
ten auch die Ausgrabungs- und Ausstelluugskosten
des Herrn Domkapitular A. Straub (Weiss-
thurmthor-Nekropole), der Extrazug nach Barr
u. m. A. bestritten werden. Von Seite der Stadt-
verwaltung, welche hei Abwesenheit des Herrn
com. Bürgermeisters durch den Beigeordneten
Herrn Buron von K eie hl in mit ausgezeich- ^
neter Zuvorkommenheit und Liebenswürdigkeit j
vertreten wurde , war das Sitzungslokal und das i
Bureau gegeben worden, sowie das gliinzendc
Abendfest in dem Stadthau.se am zweiten Sitz-
ungstage. Die Ausgrabungen auf dem Ödilien- ,
berg wurden auf Kosten des Vogesenclubs be- I
werkst elligt. Die Universität war durch zahl-
reiche persönliche Betheiligung an der Versamm- j
lung sowie durch OefTnung ihrer Museen in her- i
vorrugender Weise vertreten. Aus den höchsten I
Schichten der Bevölkerung wurde lebhafte Theil-
nähme durch Besuch der Sitzungen und Anschluss
an die Ausflüge bewiesen.
Alles vereinigt sich, um die Tage von Strass- I
bürg den Versammelten in bestem Andenken zu
erhalten. Ernste energische Arbeit wurde durch
erhebende festliche Standen unterbrochen. Die
Nasskalte des vorausgehenden Sommers v^ar war-
mem Sonnenschein gewichen, welcher ununterbrochen
wahrend der Versammlungstage glänzte. Wie
hell und farbig sind die Bilder , welche jetzt
aus den Tagen jenes rasch verrauschten schönen
Zusammenseins vor den Augen unserer Erinnerung
stehen : dort sehen wir zuerst das Denkmal Erwin
von Steinbach's sich über das niedrigere Häuser-
meer erheben ; der Zug braust in die Halle ; fröhlichen
Gruss tauschen die aus allen deutschen Gauen
zuströmenden Anthropologen untereinander und
mit dem liebenswürdigen LokalgeschäftsfÜhrer und
begrüssen freudig die alte wiedergewonnene Reichs-
stadt. Dann der Sitzungssaal des Stadthauses dicht
besetzt von einer reichen glänzenden von liebens-
würdigen Damen geschmückten Versammlung voran
die höchsten civilen und militärischen Spitzen des
Reichslandes, die Vertreter der Stadt und der Uni-
versität. Das Festmal mit seinen von Ernst und
Laune getragenen Trinksprüchen. Es klingen wie-
der halbverhallend die Töne der Musikkapelle in’.s
Ohr mit dem Rauschen und Wogen der hoch-
gestimmten Gesellschaft, welche sich in den glän-
zend erleuchteten festlich geschmückten Pracht-
sälen des Stadthauses bewegt. Im raschen
Wechsel des Bildes stehen wir dann um den
aus dor Tiefe befreiten Sarkopbag aus dem die
kundige Hand der Forscher Zeugnisse einer alt ver-
klungenen Zeit hervorheben. Und wer erinnnerte
sich nicht mit freudigem Behagen an jeue langen
wohlbesetzten Tafeln im Schatten der uralten
Linden im Klosterhofe auf dem Berge der heili-
gen Odilie , wo wir so dankbar und froh nach
den heissen Mühen des Bergwegs uns von den
freundlichen Klosterschwestern in der Ordenstracht
des heiligen Franziscus bedienen Hessen. Der Weg
an don geöffneten Hügeln vorbei, der bemoosten
Mauer entlang, der Blick von der steilen Hoch-
warte des Mennelsteinos weit über die sanften
waldgrünen Borgwellen der Vogesen, hinab in
das reizeud von glänzendem Sonnennebel halbver-
hüllte Rheinthal begrenzt von den blauen Linien
der Schwarzwaldborge. Dann der Abstieg. Noch
einmal ein letztes tthermüthiges Aufspru-
deln der Laune bei dem schäumenden kühlen
Trunk in der Waldhütte; nun durch Waldes-
schatten zur Ruine, — dann beginnt es zu
dunkeln. Barr ist erreicht — es kommt der
Abschied von den alten und den neu gewonnenen
Freunden :
Auf frohes glückliches Wiedersehen!
o*
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76
Die der X. allgemeinen Versammlung vorgelegten Bücher und Schriften:
L Herr Pr ofesaor Dr. Friedrieh Bergmann (Strassburg) hatte die X. allgemeine
Versammlung durch die Widmung einer Festschrift geehrt: Thesen zur Er-
klärung der natürlichen Entstehung der Ursprachen. Der geehrten Generalversamm-
lung der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Strassburg vorgelegt von Professor Dr. Fried rieh
Bergmann. Strassburg. Buchdruckerei von G. Fischbach 1879.
Weiter wurde der Versammlung vorgelegt:
2. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Organ der Mün-
chener Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Herausgegeben von W. Gümpcl,
J. Kollmann, F. Ohlenschlager, J. Hanke, N. Rlldinger, J. Würdinger, C. Zittel. Redaktion Johannes
Ran ko und N. Rlldinger. München. Literarisch-artistische Anstalt (Th. Riedel), vormals Cotta’ -
sehe Buchhandlung. II. Bd. Heft 3 und 4. 1878/79.
3. Congr^s international des Am^ricanistes. Troisieme session. — Bruxelles du 23 au 26
Septembre 1879. Programm.
4. Cypern. Seine alten Städte, Gräber und Tempel. Bericht über zehnjährige Forschungen
und Ausgrabungen auf der Insel von Louis Palma di Cesnola. Autorisirte deutsche Bear-
beitung von Ludwig Stern. Mit einem Vorwort von Georg Ebers. Mit mehr als 500 in
den Text und auf 96 Tafeln gedruckten Holzschnitt-Illustrationen, 12 litbographirten Schrift-Tafeln
und 2 Karten. Erster und zweiter Thcil. Jona. Herrmann Costenoble 1879.
5. Handelmann H. : Sechsunddroissigster Bericht zur Alterthumskunde Schleswig-Holsteins:
Mit Holzschnitten. Kiel 1879. Druckerei C. F. Mohr.
G. Derselbe: Schleswig-Holsteinisches Museum vaterländischer Altertbümer. Abtheilung Stein-
und Bronze-Alter. Mit Titelvignette und 43 Holzschnitten. Kiel. Schwere* »che Buchhandlung.
7. Materialien zur Vorgeschichte des Menschen im östlichen Europa. Nach
polnischen und russischen Quellen bearbeitet und herausgegeben von All» in Koh n und Dr. 0. Mehlis.
Erster und zweiter Band. Mit 32 Holzschnitten , 6 lithographirten Tafeln und einer archäolog-
ischen Fundkarte. Jena. Hermann Costenoble. 1879.
8. Mehlis, C., Dr. : Das Grabhügelfeld bei Hagenau und seine Bedeutung für die Kulturge-
schichte. — Aus Kosmos, III. Jahrgang, Heft 5.
9. Noetling, F., z. Z. in Berliu: Ueber das Vorkommen von Ricseukesscln im Muschel-
kalk von Rüdersdorf Mit 2 Tafeln. — Aus der Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft.
Jahrgang 1879.
10. Pansch, Ad.: Einige Bemerkungen über den Gorilla und sein Hirn. Separatabdruck.
11. Pollichia. XXX VT. Jahresbericht. Herausgegeben vom Ausschüsse des Vereins.
Dürkheim a. d. Hart. Buchdruckerei von J. Rheinberger. 1879.
12. Schaaffbausen: Zehn Lappländer in Deutschland. Aus dem Archiv für Anthropologie.
Band XII.
13. Derselbe: Die Post. Essai sur le nez, par E. D. (Desor). Loile 1879. Referat. Am
angegebenen Ort.
14. Derselbe: Referate über die Verhandlungen gelehrter Gesellschaften und Versammlungen.
Ara angegebenen Ort.
15. Tischler, 0.: Ostpreussische Gräberfelder, III. Mit 5 zum Thcil chromolithogiaphirten
Tafeln. Königsberg 1879. In Kommission bei W. Kocl».
IG. Virchow, R. : Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte 1878/79.
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II.
Verhandlungen der X. allgemeinen Versammlung.
Erste Sitzung.
I nhalt : Eröffnungsrede des L Vorsitzenden Herrn 0. Fraa*.— BegrüssungsmlevonSeito de* städtischen Magistrats
dnrch den Herrn Beigeordneten Haron von Keichlin. — Begrn**ung»rede de* Herrn G. (I er 1 and,
Lokalgeschäftsfllhrer der X. allgemeinen Versammlung. — Wissenschaftlicher Bericht über die
Leistungen der deutschen anthropologischen Forschung in» letzt verflossenen Vereinsjabro durch den General-
sekretär Herrn J. Ranke. — Kassenbericht des .Schatzmeister* Herrn W e i u ra a nn. — Geschäftliches
dnrch den I. Vorsitzenden Herrn O.Frua«. — Berichterstattun g der Commissionen .durch die
Vorsitzenden derselben, diellerren O. Fr aas und Schaaff hausen. — LComnimissionsbericht.
Aber die Fortschritte der Herstellung einer prähistorischen Fundkarte ffir
Deutschland durch Herrn 0. Fraa«. Daran anschliessend : 1. Herr Baron von Troeltsch:
1»riihi.storische Fundkurte von Sfldwest- Deutschland. 2. Herr Oh len Schlager: prühi«toriselio
’undkarte von Olierbayern. 3, Herr Wagner: (Karlsruhe) ül>er präli »torische Funde in Boden. —
11. CommisHionsbericht ttbpr die Fortschritte der Herstellung eines Gesamuit-
kutalogs der kraniologischen Sau» m lungen in Deutschland durch Herrn Sehaaff-
hausen.
Per Präsident Herr ö. Fraas eröffnet© di© I herigen Wege , und in ähnlicher Weise die Na-
Sitzung Montag, den 11. August, Vonnittags j turgeschichte des Menschengeschlechtes zu schrei -
9 Uhr mit folgendem Vortrag:
H o c h (i n s e h n 1 i c h e Versammlung!
Wenn es jetzt meines Amtes ist, als diesjähriger
I. Vorstand der deutschen anthropologischen Gesell-
schaft die zehnte Generalversammlung hier in Strass- Zeiten wo Geschichtliches und Sprachliches auf-
burg zu eröffnen, so gestatten Sie mir wohl einen hört, und nichts mehr uns Zeugnis» giebt. von der
kurzen Rückblick auf das vergangene Jahrzehnt, in | Existenz des Menschen , als die oft ärmlichen
welchem das Kindlein unserer Gesellschaft gross ] von Knochen und Werkzeugen, die aus
geworden ist, um heute als zehnjähriger kräftiger | dem Boden ausgegraben werden.
Junge Ihnen vor Augen zu treten. Sie wissen I So trat die Anthropologie seit etwa 10 Jäh-
es Alle recht wohl, namentlich die Aelteren unter I ren in ein verändertes Stadium ein. Der erste
uns, was man früher unter „Anthropologie“ ver- | Anstoss. das Prineip der Association, welches auf
standen hat, und wie uns noch in unserer Jugend wirtschaftlichem Gebiete eine so grosse Rollo
auf den gelehrten Schulen Anthropologie gelehrt spielt , auch auf das der Wissenschaft zu über-
wurde. Man sprach da von einer Körperlehre, j tragen, ging von der Pariser Weltausstellung im
um Uber die Funktionen des menschlichen Kör- | Jahre 1867 aus, dann folgten London und Mn-
pers, anfreehten Gang, Bildung der Hand, Stell- drid, endlich traten auch im Mär/ 1869 Vertre-
ung des Daumens u. s. w. sprechen zu können : I ter der deutschen Wissenschaft in Mainz zusam-
ferner von Seelenlehre, um über die Eigenschaften men. Somit ist Mainz die Geburtsstättc unserer
der Seele, das Erkennen, Fühlen und Wollen im Gesellschaft, wo am 1. April 1869 eine Anzahl
Sinne aristotelischer Philosophie sich ergehen zu Vertreter lokaler Vereine, die miteinander 523
können. Immer dachte man sich dabei die | Mitglieder zählten, zur Constituirung eines deut-
Menscbbeit als fertiges Ganzes, das man erst zu sehen Verbandes zusammentraten. Die isolirten
zergliedern hatte , um auf die einzelnen Theile Vereine sollten innerhalb dieses Verbandes unter
zu sprechen zu kommen. Seit aber die Zoologie sich Fühlung bekommen unter Anschluss an das
und Paläontologie angefangen haben, die organische von Ecker und Lindenschniit gegründete Archiv
Welt nicht als eine abgeschlossen fertige anzu- für Anthropologie. Damit fing ein neues Loben
schauen, sondern als eine in steter Entwicklung in der anthropologischen Wissenschaft an. Wenn
und Entfaltung begriffene zu erblicken, seit diese auch von 843 Mitgliedern, welche die Gesellschaft
Disciplinen rückwärts greifen und der Pa- im 2ten Jahre zählte, nur eine mässige Anzahl Ver-
lüontologe aus d£n ausgegrabenen Resten treter zu der I. General-Versammlung in Sc h wc-
im Boden eine Stufenleiter des Lebens er- rin erschien, um an dem Ort der alten nordischen
stellt, die in der Jotztwelt gipfelnd in der Vor- Steindenkmäler, im Anschluss an die weiter fort-
zeit fusst, seitdem dachte sich auch der Antliro- geschrittene skandinavische Alterthumskunde ihre
pologe, dass er umkehren müsse auf dem seit- Studien zu machen so wurde doch die Schweri-
ben habe. Konnte es sich doch nicht mehr darum
handeln, das Menschengeschlecht als geschaffenes
fertiges Ganze anzusohen und in seine Theile zu zer-
gliedern , soudern rückwärts zu greifen in dio
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ner Versammlung dadurch bedeutungsvoll , dass |
die Gesellschaft hier Normen aufstellte, wodurch I
sie ihrer eigentlichen Aufgabe sieh bewusst wurde.
Zu diesem Zwecke setzte sie 3 Kommissionen nie- ,
der , deren erste die bemerkenswerthesten prähi- I
storischen Ansiedlungen, Befestigungen, Pfahlbau- I
ten , Höhlenwohnungen, Gräber und Grabfelder i
topographisch und kartographisch feststellen sollte, ■
während die zweite eine Statistik der Sehüdelfor- ,
men in ganz Deutschland nach einer übereinstim-
menden Methode der Schädelmessung aufzustellen
hätte. Sie sollte die Aufgabe haben durch Unter-
suchung der Gräberfunde die vergangenenGoschleeh-
ter und durch eine Statistik der lebenden Formen
den deutschen Rassenschädel zu eonstruiren. Die
dritte Kommission endlich sollte alles anthropolo-
gische Material zusaramenstellcn, das in den öffent-
lichen und privaten Sammlungen unseres Vater-
lands vorhanden liegt. Zugleich wurden sKtnmt-
liche deutsche Regierungen um wirksame Maß-
regeln zum Schutz hervorragender prähistorischer
AlterthOmer behufs wissenschaftlicher Erforschung
und jeweiliger oder beständiger Erhaltung an-
gegangen. So waren die Aufgaben präcisirt, als
die dritte Versammlung nach Stuttgart kam.
Die Mitgliederzahl war bereits auf 1358 gestie-
gen. Die Organisation der Gesellschaft in einer
Reihe von Zweigvereinen ohne einen festen Vor-
ort Hess die einzelnen Provinzen dos neuen deut-
schen Reichs in ihrer vollen eigenartigen Beroch- I
tigung. Das Absehen von einem beantragten
Central in useum der Gesellschaft, die Verfügung
über flüssige Geldmittel zu Zwecken der Ausgra-
bung in allen Theilen Deutschlands, die objective
Behandlung schwebender Fragen der Wissenschaft
fern von extremen Richtungen Hessen ganz ent-
schieden auf die Lebensfähigkeit des jungen Ver-
eins schließen, Man merkte daher schon bei der
4t**n Versammlung in Wiesbaden (1472 Mit-
glieder), dass das Kindlein unserer Gesellschaft
nicht an der Kindersterblichkeit zu Grunde gehen
werde. Zwar wurden verschiedene principielle
Fragen hier nicht ohne Animosität besprochen,
die Geister rieben sich in C’ontroversen, aber wir
können sagen, es trug die Gesellschaft wie immer
so auch hier eine Frucht der Versammlung
mit nach Hause. Bereits neigte sich der Schwer- I
punkt des gesellschaftlichen Ströhens nach der ,
Urgeschichte hin. Befassten sich doch die mei- !
sten kraniologischen Arbeiten mit den Gräberschä- I
dein aus alter Zeit und drängte sich die Frage
nach dem germanischen Urschftdel und der deut-
schen Urrasse in den Vordergrund. Am eingeh-
endsten kam diese Frage auf der Sten Dresde- |
ner Versammlung zum Ausdruck. Hier trat
denn auch die Unvollständigkeit des zur Vergleich-
ung vorliegenden Materials erst recht ans Licht,
namentlich die Unkenntnis» des lebenden deut-
schen Schädels und der innerhalb Deutschlands
vorhandenen deutschen Rasse. In Folge dessen
erkannto man die Nothwendigkeit einer statisti-
schen Erhebung über die Farbe der Augen, Haare
und Haut zunächst bei der deutschen Schuljugend.
Um dieso Frage drehte sich vorzugsweise die
Diskussion in Dresden und auch noch bei dor
sechsten Versammlung zu München, auf wel-
cher dio kraniologische Frage , ob man sich bei
der Schädelbestimmung auf rein zoologischen
oder zugleich auf ethnographischen Standpunkt
stellen solle , oben an stund ; glücklicherweise
trat, eine kritisch objective Methode der spekuli-
renden Neigung zu subjektiver Auflassung erfolg-
reich gegenüber. Hatte man sich doch hier spe-
ziell die Aufgabe gestellt, alles Unsichere möglichst
auszuscheiden und nur das aufzunehmen , was
durch eine hinlängliche Fälle von Beweisen als
festgestellt angesehen werden kann. Dio 7. Ver-
sammlung tagte bei einer Mitgliederzahl von 1632
in J e n a. Angesichts des reichen wissenschaftlichen
Materials , das die thüringischen Staaten in dem
neu gegründeten germanischen Museum bieten,
klangen wohl auch die in München angeschlage-
nen Saiten noch nach, und trat sich in dor Schä-
delfrage der rein zoologische und ethnologische
Standpunkt gegenüber ; einzelne Fragon wie die
Keltenfrage wurden selbst nicht ohne Missklang
debattirt. In Betreff der skandinavischen prähi-
storischen Drcithcilung aber einigte sieb die grosse
Mehrheit dahin, dass die nordische Trilogie auf
Deutschland keineswegs in vollem Maose angewendet
werden dürfe. Auf dor 8ten Versammlung in C o n -
stanz bewegten sich dio Verhandlungen fast aus-
schliesslich um die Steinzeit, von der urältesten
Höhlenzeit herab bis zu der jüngoron Steinzeit der
süddeutschen Pfahlbauten ; in den Höhlen des nahen
Jura wurden Fingen nach uräl fester Kunst und
Industrie zum Austrag gebracht, die zu den wich-
tigsten gehören und an die Forschungen in
Frankreich und Belgien anschlossen. Aecbtes und
Falsches wurde hiebei auseinander gehalten und
eine merkwürdig entwickelte Kunstfertigkeit im
Schnitzelu von Renngeweih und schwarzem Bern-
stein erkannt. Endlich tagte im vorigen Jahre die
9te Versammlung in dem meerumschlungenen Lande,
in Kiel und in den beiden grossen Handelsempo-
rien des Nordens, Hamburg und Lübeck. Hier
wurde die Gesellschaft neben dem deutschen anthro-
pologischen Material mit einer solchen Fülle Materials
aus der ganzen Welt beglückt, dass diese Ver-
sammlung einen weit über Deutschland hinaus-
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greifenden Charakter angenommen hat, ohne sieh
speziell mit einem Thema besonders abzugeben.
In der Frage der deutschen Hasse wurde bedeu-
tungsvoll auf das Hereinragen «lavischer Elemente l
hingewiesen. Und so kommen wir denn heute,
nachdem die Zahl der Mitglieder auf mehr als
2000 angewachsen ist, vertrauensvoll in das
alt deutsche nach 200 jährigen Abfall wieder neu
gewonnene Eisass, hierher in das freundliche
Strassburg, den alten Völkersteg wo östliche j
und westliche Männer des arischen Stammes !
wechselten, um einen Stamm im Eisass zu grün- I
den, der an sich urdeutsch, jedenfalls nach allen |
seinen Verhältnissen des Hodens, der Kultur, der
Gewohnheiten und Bedürfnisse des Leben« sich
an die südwestliche Ecke des deutschen Reichs
auf natürlich-organische Weise anschliesst. Ein
Blick auf die ausgestellte Karte, über welche im
Laufe der Verhandlung noch besonders gesprochen
werden wird, zeigt Ihnen , was Sie im Eisass zu
erwarten haben. Es ist ein Land, das seit lange Zeit
schon durch treffliche für ihre Heimat begeisterte
Männer bebaut ist. Haben doch erst im letzten
Jahre die Herren Bleicher und Faudel die
»chätzenswerthesteu Mittheilungen (materiaux pour
une etude prehistorique d’Alsase) veröffentlicht,
so dass uns in der Karte bereits ein Ueberblick
über das Land geboten ist, dessen vt?rschiedene
Theile sich von selbst in das prähistorische Sy-
stem Deutschlands einreihen. Der Schwerpunkt
der elsässer Prähistorie d h. die Fülle alter Denk- ;
male fällt in das fruchtbare , reich bewässerte
Hügelland, das südlich durch den Lauf der Brensch
begrenzt ist, östlich durch die Linie Strassburg,
Hagenau , Niederbronn und westlich durch die
Vogesen. Dort treffen wir die wichtigsten Reste |
aus den ältesten Gräbern der Bronze- und Eisen-
zeit und der jüngeren Steinzeit, während die äl-
tere Steinzeit in das südliche Sundgau fällt. Hier
haben die Herren Tb i essin g und Stoffel vor-
gearbeitet, welche in den Grotten von Oberlarg
und in der Liesbergbohle an der Birs eine voll-
ständig arktische Fauna vergesellschaftet mit äl-
testen Resten von Menschen fanden. Am Oberlauf
der Moder haben die Herrn Schnöringer, Dr.
Rauch und Jäger eine Reihe ähnlicher Reste aus
der Steinzeit gefunden und was die Herrn J acobi
in der Nähe von Strassburg, Herr Stoffel in Gal-
fingen, Herr K übler in Franken und Jettingen
bei Hflningen und Mühlhausen fanden, davon be-
kommen wir vielleicht im Laufe dieser Tage et-
was zu hören. Aermer an Prähistorie ist das
Hügelland in der grossen Ebene zwischen Hünin-
gen und Strassburg, zwischen Rhein und Vogesen j
mit alten und modernen Rheinalluvionen, welches j
als altes Ueberschwemmungsgobiet anzusehen ist,
floss doch noch zu Cäsar's Zeiten der Rhein bei
Mühlhausen. Noch ärmer über ist das Hochge-
birge der Vogesen selbst, die Gegend der grossen
Forste bis zum Kamme des Gebirges, eine Gegend,
welche noch im 1'2. Jahrhundert als unheimliches
Labyrinth , als düstere unzugängliche Wildniss
verschrieen war , deren nächtliches Dunkel wohl
das Heim wilder Thiere, aber keinen Wohnsitz
für Menschen bildete. Sonst wurden im Eisass
die meisten fler jüngeren Steinzeit entstammenden
Funde in der Ackererde von den Bauern gemacht,
daher die Steinbeile als Strahlsteine, Donnersteine
und Donnerkeile etc. , sich in den Glauben des
Volkes verwoben haben. Was sonst noch für
Funde aus früher Zeit gemacht wurden, darüber
werden unsere hiesigen Freunde heute und mor-
gen noch Mittheilung machen.
Ich kann diesen kurzen Ueberblick nicht
schliessen, ohne den ältesten Referenten über el-
sässische Verhältnisse zu citiren, den alten Seba-
stian Münster vom Ende des 15. Jahrhunderts,
.der seine Beschreibung des Elsasses mit folgenden
Worten schliesst „dass ich es im kurtzem sage,
es ist in dem gatitzeu deutschen luud kein ge-
genlieit, die diesem Eisass mag verglichen werden.
Im Sundgau wächst, ein gross gut von körn, an
den bergen kocht sich der gut wein und uf der
Ebene viel fruchtbare olistbäum, man findt auch
ganze wäld mit käatenbänmen uf den bergen. Eben
da findt man köstlich silber im Leberthal do nit min-
der denn 30 Silbergruben sind und was köstlich
waid, das zeigen die guten Münsterkäs, so man
draus bringt.“ Weniger schmeichelhaft ist, was der
alte Kosmograph über die Elsässer sagt : „Das volck
aber, so da drinnen wohnt, verzecht gemeiniglich all
sein Gut, spart nichts in Zukunft und wenn ein-
mal durch kälte, reif oder krieg Unfall kommt,
leiden sie mangel. Man findet nicht einerlei, son-
dern mancherlei volck in diesem lande. Aus
Schwaben, Bayern, Lothringen und Burgund kom-
men sie daher gelaufen und kommen selten wieder
daraus. Die Schwaben aber werden am meisten
da funden. Auch sind trefflich viele kör per der
heiligen im Eisass genug zu sehen , wie auf
Hohenburg zu St. Ottilien u. s. w.“
An den letzten Ort wollen auch wir in den
nächsten Tagen pilgern, um die Körper der hei-
ligen Wissenschaft uns dort näher anzusehen und
von der Höhen herabzublicken auf dies schöne
Land und mit dem Dichter zu sprechen :
„Des Eisass unser Lände) , des isch meineidi
sch een,
Mer hebe’s fest am Bändel und lan’s by Gott
net gehn.“
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Freiherr von Iteirhlin Meldegg:
Hochverehrte Versammlung!
Gestatten Sie mir, dass ich Sie, ehe Sie Ihre
Verhandlungen beginnen, im Namen der Stadt
Strassburg und in Vertretung des leider am Er-
scheinen verhinderten Herrn Bürgermeistereiver-
wnlters in diesen Räumen mit wenigen Worten
willkommen heisse. Ihr Beschluss unserer Ein-
ladung, Ihre X. Versammlung hier abzuhalten,
Folge zu leisten, hat uns hoch erfreut. Seien
Sie überzeugt , dass wir Ihnen herzlichstes
Willkomm entgegenbringen und Ihren Verhand-
lungen mit reger Theilnahme folgen werden. Mö-
gen diese Tage, die Sie hier verleben werden, nicht
nur dazu dienen, Ihre bewährten Erfahrungen
auf edlem, wissenschaftlichem Gebiet zu fördern,
mögen dieselben auch dazu dienen , Ihnen noch
nach langer Zeit eine freundliche Rückerinnerung
an unser schönes Strassburg, an unser herrliches, 1
blühendes Eisass , und an die Sympathien zu
bieten , die wir Ihnen so warm entgegentragen.
In diesem Sinne rufe ich der beginnenden X. General-
versammlung nochmals ein freudiges Willkommen
in Strassburg zu.
Herr Gotland (LokalgeschäftsfÜhrer) :
Hochverehrte Anwesende!
Indem ich als Geschäftsführer der X. General-
versammlung der deutschen anthropologischen
Gesellschaft hier auftrete, um Sie in unserer
Stadt Strass bürg herzlich willkommen zu
heissen, so thue ich das mit hoher, ja ich glaube
sagen zu dürfen, mit ganz besonders berechtigter
Freude. Mir ist es vergönnt als eingesessenem
Strassburger, die erste allgemeine Versammlung
deutscher Gelehrter zu begrüssen, welche auf
dem gerade für uns Anthropologen und Prä-
historiker so besonders klassischen Boden des
Elsasses und seiner ruhmvollen und herrlichen
Hauptstadt Strassbur g tagt. Dass ich mich
dieser Begrüssung als eines der schönsten und
unverhofftesten LeWnsereignisses freue, das, meine 1
Herren , werden Sie begreifen : denn Sie fühlen
ja so gut , wie ich , welch ein historisch unge-
heurer Inhalt in dem kurzen Wort liegt: wir
deutsche Anthropologen tagen in Strassburg.
Und soll es uns Strassburger nicht erfreuen,
eine solche und so zahlreiche Versammlung will-
kommen heissen zu können, die aus allen Theilen
Deutschlands, aus Oesterreich, der Schweiz, trotz
der mit uns gleichzeitig tagenden Schweizer
Natu rforsch er v ersa m m 1 ung , hierher zusammenge-
strömt ist? Und nicht blos das; auch fernere
I>änder nehmen Theil an unseren Bestrebungen.
Zwar scheint uns leider die Stadt des Priamos,
scheint uns Troja seinen verheissenon Vertreter
dennoch vorenthaltcn zu wollen : dafür aber sendet
uns Centralafrika, senden uns die Staaten Bornu,
Wadai , Bagirmi ihren ruhmreichen Erforscher,
dessen belehrenden Worten wir hoffentlich lauschen
dürfen.
So werden Sie uns viel des Interessantesten
bieten. Was aber — und diese Frage, lassen Sie
mich es gestehen, thue ich nicht ohne eine gewisse
Bangigkeit — was bieten wir Ihnen? Zwar
kommt Ihnen die Bevölkerung mit lebhafter
Theilnahme entgegen, ja ich glaube es aussprechen
zu dürfen , dass diese Theilnahme sich über be-
sonders weite Kreise erstreckt, Uber Kreise auch,
welche sonst der theoretischen Wissenschaft ferner
stehen. Denn das ist einer der schönsten und
altbewährtesten Züge im Charakter des elsässisehen
Volkes, dass der Elsässer mit treuster Liebe an
seiner Heimat, mit lebendigstem Interesse an der
Geschichte, dem Ruhme seines Landes hängt.
Wer sich dafür interessirt, dafür etwas bringt,
darf sicher auf Theilnahme in allen Kreisen rechnen.
1 Wio freundlich unserer Gesellschaft die Stadt
und ihre Verwaltung ent gegen kommt, das, meine
Herren , beweisen schon diese Räume , in denen
wir tagen und werden wir auch sonst noch viel-
fach Gelegenheit zu bemerken haben. Und ebenso
sind wir der hiesigen Regierung den lebhaftesten
* Dank schuldig. Se. Excellenz der Oberpräsident
1 von Elsass-Lothringen , Herr Dr. von Möller,
selber Mitglied unserer Gesellschaft, hat mit jenem
j lebhaften Interesse für Kunst, und Wissenschaft,
wofür wir ihm in Elaass nicht dankbar genug
sein können , aufs bereitwilligste auch dafür ge-
sorgt , dass die Tage unseres Beisammenseins
möglichst genussreich sein sollten. Aber auch,
und das ist mir eine hohe Freude , von einein
Privatgrass, einer Privatfestgabe darf ich reden.
Mein College, Herr Professor Bergmann von hier,
hat seine „Thesen zur Erklärung der natürlichen
Entstehung der Ursprachen“ der Versammlung
als wissenschaftliche Gabe und Begrüssung , zu-
gleich aller auch als ernstes wissenschaftliches
Problem vorgelogt: und wenn wir vielleicht dem
W unsche , den er sicher hegt , diese Thesen hier
zu besprechen, bei der hohen Schwierigkeit des
Gegenstandes und der Kürze der Zeit nicht nach-
kommen können, so wird jedenfalls die private
Unterhaltung vielfach an die von ihm angeregten
wichtigen Fragen anknüpfen , welche ja für uns
Anthropologen einen so besonderen Wert haben.
Aber trotz alledem — wir dürfen es uns
nicht verhehlen , dass wir auch mit manchen
Schwierigkeiten hier zu kämpfen haben. — Es
sind ernste Stürme über das schöne Land , in
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welchem wir tagen, dahin gezogen. Beim Brand
der Bibliothek im Jahre 1870 ist di»* Strassburger
Sammlung elsässiscber Alterthümer zu Grunde
gegangen bis auf wenige Reste, welche Sie unter
den Schlitzen der Socilte pour la Conservation
des tnonumenU historiques d'Alsace sehen werden.
Diese Sammlung, deren Grundstock von dem
berühmten Illustrator Alsatine, von Sebüpflin
zusammen gebracht war, enthielt allerdings weniger
prähistorische , als namentlich römische Alter-
thümer. Eine eigentlich centralisirte elsttssische
Landessammlung war sie nicht. Eine solche fehlte.
Ganz naturgemäss ging Vieles von dem Gefun-
denen nach Frankreich; und da ja, wie unser
verehrter Herr Präsident uns eben auseinander-
gesetzt hat, das eigentlich wissenschaftliche Inter-
esse für diese Alterthümer , namentlich für die
prähistorischen , sich erst sehr spät , erst in der
2. Hälfte dieses Jahrhunderts über weitere Kreise
ausgebreitet bat, so kann man sich nicht wundern,
wenn sich die Landesregierungen bis jetzt nicht
allzusehr für diese Gegenstände interessirten.
Höchst rühmenswerth aber ist es, wie viel im
Eisass auf diesem Forschungsgebiet Von Privateu,
von ganzen Gemeinden sowohl wie von einzelnen
Männern gearbeitet, geleistet, gesammelt und gft-
rettet worden ist. Wir haben eine ganze Reihe
wertvoller Museen , von denen ich nur einige
der bedeutendsten nenne. In erster Linie steht,
ausser der schon genannten Sammlung der Societö
pour la Conservation des monument.s historiques
d'Alsace das Museum der Stadt Colmar im Kloster
Unter-Linden , das Museum Engel-Dollfuss in
Dörnach , die reichhaltig»* Sammlung Nessel in
Hagenau , ausserdem die Sammlungen Rauch in
Oberbronn , Jäger in Mietesheim , Dietsch in
Leberau, Senck in Ruffacb, die städtischen Samm-
lungen von Weissenburg (die allerdings vor-
wiegend römisch ist), von Niederbronn, von Zubern
u. s. w. Sie sehen, ejj fehlt uns nicht an Reich-
thümern; Alles, was aus der sog. Steinzeit vor-
handen ist, das finden Sie verzeichnet in den
reichhaltigen Abhandlungen der Herren Dr. Faudel
(Colmar) und Professor Bleicher (Nancy): materiaux
pour une etude prehistorique de l’Alsace, im
Bulletin de la Soctetd d'histoire naturelle de
Colmar von 1877 u. 78. — Ob wir in nächster
Zeit ein Centralinuseuin hier in '■Strassburg be-
kommen werden, steht dahin. Doch hoff* ich zu-
versichtlich. dass die Aufsicht, welche jetzt da
ist, sich Uber kurz oder lang erfüllt und dass
auch dafür Ihr Besuch , meine Herren , nicht
ohne bedeutende Anregung und wichtige Folgen
sein wird.
Da nun die Verhältnisse hier so liegen , wie
1 ich sie geschildert habe, da die Museen fast alle
in Privatbesitz sind, so wird es Sie nicht wundern,
wenn Ihr Geschäftsführer, wenn das hiesige Lokal-
coinite ganz davon abgesehen haben, hier eine Aus-
stellung von solchen Gegenständen, die für uns Inter-
1 esse haben, ins Werk zu setzen. Es war dies
eben nicht möglich : und das, was in Strassburg
zu sehen ist, das werden Sie besser an Ort und
| Stelle sehen, als hier in fremdartiger Umgebung
zusammengehäuft. Von der Sammlung der Sociötc
pour la Conservation des mon. hist., welche unter
| der vortrefflichen Leitung des Herrn Canon icun
! Straub steht, sprach ich schon; Sit* finden dieselbe
| in den Räumen des kleinen Seminars aufgestellt,
i Ebenso habe ich Sie aufmerksam zu machen auf
eine ganz vorzügliche Sammlung , welche aller-
dings modernere, unter diesen aber auch sehr
| alte Schätze enthält, auf die äusserst reichhaltige
Landesmünzsnmmlung. Sie ist in der Bibliothek
| des Schlosses aufgestellt, und ist Herr Bibliothekar
Dr. Müller bereit, sie denjenigen von Ihnen,
welche sie zu sehen verlangen, zu den Stunden,
, die Ihre Mitgliedskarten an geben, oder aber, nach
persönlicher Verabredung, auch später vorzuzeigen.
Das Kupferstich- Kabi net der Stadt Strassburg,
I welches obwohl eben erst im Entstehen , doch
schon sehr viel des Schönen enthält, finden Sie,
wenn auch uns der Gegenstand etwas ferner liegt,
, in den oberen Sälen dieses Hauses zu jeder
I Tageszeit zugänglich ausgestellt.
Aber, meine Herren, uns interessiren nicht
nur die Produkte des Menschen und seine histor-
ischen oder prähistorischen Schicksale — uns
interessirt zunächst der Mensch als solcher und
seine Produkte und Schicksale nur als Ausflüsse
seines Wesens, als Umwandlungs- und Krziebungs-
mittelderso ganz eigenartigen Glosse unter den tellur-
ischen Organismen, welche wir Menschheit nennen.
Auch für das Studium der Anthropologie hat
Strassburg manches Wertvolle und Bedeutend« auf-
zuweisen So bin ich von dreien meiner Collegen,
den Herren Professoren Waldeyer, v. Reckling-
j hausen und Freund beauftragt , Sie zur Be-
i sichtigung ihrer Sammlungen einzuladen. Die
anatomisch-anthropologische Sammlung des Herrn
Waldeyer, die Sie im neuen AnafttmiegehUude
vor dem Spitalthore finden werden, enthält ausser
einer werthvolleu Reihe von Rassenscbädelu auch
die merkwürdigen Schädel uud Skelette der hie-
sigen Ausgrabungen ; die pathologisch-anatomische
Sammlung des Herrn von Recklinghausen, gleich-
falls in der neuen Anatomie, umfasst eine Anzahl
| pathologisch umgebildeter Schädel. Herr Freund
| hat im hiesigen Gynäkologischen Institut eine
Reihe von mehr als 100 Schädeln Neugeborener
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ausgestellt, die er alle in Schlesien selbst ge- j
sammmelt und jetzt, dem hiesigen Institut geschenkt
hat. — Ich mache darauf aufmerksam , dass,
wenn diese Sammlungen auch an verschiedenen
Orten aufgestellt sind, der Besuch derselben doch ,
keine Schwierigkeiten hat , da es in Strasaburg, j
bei der jetzigen Ausdehnung der Stadt, eigent-
liche Entfernungen nicht gibt. Wo aber weit«
Entfernungen zu überwinden sind , wie bei dem
Besuch der Nekropole, da worden Sie Droschken
bereit finden, um Sie hinaus zu führen.
Was aber sind alle die«* Sammlungen gegen
die grosse Sammlung von prähistorischen und
anthropologischen »Schützen, welche die Geschichte
selbst im Eisass aufgehäuft hat , im Lande , auf ;
den Bergen! Einen dieser Berge — das Elsatt
hat viele der Art — einen freilich, der ganz
besonders ausgezeichnet ist, möchten wir Ihnen
zeigen, den Berg, welchen die fromme Sage der
heiligen Odilie geweiht hat. Der hiesige VogeBen-
Clubb hat sich die Freude ausgebeten , Sie zur
Höhe hinaufzugeleiten , wo uns neben dem
wissenschaftlich Lehrreichen die höchste Schönheit
der Natur erfreuen wird. Erlauben Sie mir
hierzu noch einige Worte. Diejenigen Herren,
welche den Berg nicht zu Fuss besteigen, sondern
hinauffahren wollen, werden Wagen am Buhnhof
zu Obereh n heim finden , wo der Eisenbahnzug
anbalten wird. Wir anderen Fussgünger fahren j
mit der Bahn bis Barr, um von dort aus zum
Kloster emporzusteigen. Unter den Linden des
Klosterhofes vereinigen wir uns alle wieder bei
der Frau Oberin za einem einfachen Mittagsmahl.
Dann erst , nach diesem Mahl , beginnt die ge-
meinschaftliche wissenschaftliche Betrachtung der
Alterthümer des Berges und bleibt es der Wander-
lust jedes Einzelnen unbenommen, sich weitere
oder kürzere Wege für »ein Studium zu erwählen:
an Führern wird es für keinen dieser Wege fehlen.
Wir treffen uns dann wieder an dem archäologisch
gleichfalls merkwürdigen Männelstein , um später
von da entweder über die Ruine Lundsherg, oder
wer den Berg hcrubfahren will , über Oberehn-
heim nach Barr zu gelangen.
Gern möchten wir Alles thun, um Ihnen die
Tage hier Äi erfreulichen zu machen; und so
komme ich wieder zu dem zurück , was den
Lebensnerv, die treibende Kruft meiner Worte
bildet — das ist die Freude, die deutsche anthro-
pologische Gesellschaft in so reicher Versammlung
hier bei uns zu sehen. Und so nehmen Sie
freundlich auf, was wir bieten: wo wir vielleicht
nicht ganz so sein sollten, wie wir Dinen gegenüber
so gerne sein möchten, da drücken Sie milde
ein Auge zu: lassen Sie den wannen, glänzenden,
fröhlichen Hauch , welcher die elsässische Luft
durchweht, auch Ihr Herz erwärmen und erheben,
und seien Sie in Strassburg herzlich begrüsst
und willkommen!
Herr J. Ranke (Generalsekretär):
An die festlichen Begrüssungsworte , welche
wir soeben vernommen , lassen Sie mich den
I Bericht anschliessen Uber die wissenschaft-
■ liehen Leistungen der Anthropologie
in Deutschland und zwar namentlich innerhalb
der deutschen anthropologischen Gesellschaft selbst
während des seit der IX. allgemeinen
Versammlung verflossenen Jahres
Mein Stofl ist so reich, dass ich auf Vollstän-
digkeit von vorne herein verzichten muss, um
nur einiges besonders Bedeutsame hervorheben zu
können. Ich habe mich um so kürzer zu fassen,
da unserer Sitte gemäss über wichtige Theile
der anthropologischen Arbeiten, namentlich über
Kraniologie, über anthropologische Statistik und
| anthropologisch- archäologische Lokalforschung d.
h. die sogenannte prähistorische Karte durch die
drei Vorstände der betreffenden Commissionen
Bericht erstattet werden soll. Von unserem ge-
lehrten Herrn Geschäftsführer dürfen wir über-
dies eine Darlegung def neuesten Leistungen auf
dom Gebiete der Ethnologie erwarten.
In allen Einzeldisciplinen unserer weitverzweig-
ten Wissenschaft sehen wir diese in energischem
Fortschreiten und das Bewusstsein der Zusammen-
gehörigkeit der Disciplinen , die concentrische
Richtung der Beobachtungen kommt trotz der in
der Verschiedenheit der llntersuchungsobjecte be-
gründeten Differenz der Methoden zu immer ent-
i schiedenerer Geltung.
Unerl ässlich für den Fortschritt der Anthro-
pologie ist der Ausbau der Grenzgebiete zwischen
ihr uud den verwandten wissenschaftlichen Dis-
ciplinen und zwar durch die Vertreter dieser
Nachbarwisseuschaften selbst. Paläontologie, Zoo-
logie, menschliche Anatomie wuren die ersten,
welche sich den anthropologischen Bestrebungen
angeschlossen haben. Die wissenschaftliche Ar-
chäologie, einst fast nur auf die Erforschung der
Blüthenzeit der antiken Culturen gerichtet , hat
jetzt mit dem entschiedensten Erfolge aueh für
ihre eigenen Spezialaufgaben sich jenen geschicht-
lichen Perioden zugewendet, welche uns Aufschluss
ertheileu Uber die Anfänge, die Wanderungen und
Wandlungen der Cultur an den alten Stätten
höherer Geistesbildung Mehr und mehr werden
dadurch die Lücken ausgefüllt , die Zusammen-
hänge klargelegt zwischen der klassischen antiken
Welt und einem der wichtigsten Forschung*#«»-
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biete der Anthropologie , der Untersuchung der
primitiven UulturäusserungHn der noch rohen Ur-
vülkcr Europa’« , der Ur- und Naturvölker der
gesummten Erde.
Hier beansprucht unsere Wissenschaft die
Unterstützung durch mineralogische, geognostische,
metallurgische, überhaupt technische Untersuch-
ungen. Fachmänner zum Tbeil ernten Ranges
sahen wir sich an der Beantwortung der von der
Anthropologie gestellten Fragen betheiligon. So
hat im laufenden Jahre Herr Fischer (Freiburg),
welcher mit mineralogischer Forschung der An-
thropologie seit lange auf dos Erfolgreichste zur
Seite steht, im Corr. -Blatt unserer Gesellschaft
eine zunächst abschliessende Untersuchung über
die geographische Verbreitung der Steinbeile aus
Nephrit, im letzten Heft des Archivs Uber Ama-
zonensteine, Jadeit und Cliloromelanit besonders
in Europa geliefert; — eine Frage, welche mit
Rücksicht auf den supponirten asiatischen Ur-
sprung dieser Mineralien für die Urgeschichte und
Wanderungen der Europäischen Völker al» von
grosser Wichtigkeit erscheint.
ln erfreulicher Weise haben Linguistik
und ve r gl e ich« nd e Sprac h forsc hu n g ihr
Augonmerk anthropologischen Aufgaben zugowen-
dot, vor allem den Resten ursprünglicher Kultur-
entwicklung, welche sich in den ältesten sprach-
lichen Ueberlieferungeu der Völker erhalten haben.
Vier Publikationen sind es, auf welche ich hier
vorzüglich hinzuweisen habe. — Zuerst die beiden
Untersuchungen des Herrn Fr. H o rn ni e 1 (Mün-
chen) (Corr. «Blatt 1879) über Arier uud Semiten.
An Hand der Kulturwörter namentlich der Thier-
namen werden die Ursitze der Semiten und Arier
als einst nachbarlich und zwar beide in Asien
gelegen bestimmt. Es werden die Ursemiten und
Urindogermanen vom linguistischen Standpunkt
aus als zwei grosse Unterabteilungen einer und
derselben Urrasse (der mittelländischen) erklärt.
Hierbei fallen bedeutsame Streiflichter auf dio
Stellung der semitischen Stämme und Völker in
Afrika und ihr Verhältnis« zu den afrikanischen
Grund he völkerungen. Diese Untersuchung basirt
zum grossen Th eil auf dem eben erst erschienenen
Werke desselben Verfassers : Die Namen der Säuge-
tiere bei den sUdseruitischen Völkern (Leipzig,
J. C. Heinrichs). Dieselbe frachtbare Methode
teilweise in noch umfassenderer Ausführung fin-
den wir verwendet in dem neuen WerkeVämb^ry ’s
Über die primitive Kultur des turkotartarischen
Volkes (Leipzig, Brockhaus). Der gelehrte Verfasser j
entrollt uns ein anschauliches Bild der Culturent- 1
wicklung dieser Stämme, welche mit den wichtig- \
sten Fragen der Anthropologie Asiens, Europa'« |
sowie auch Amerika’« in Beziehung stehen. Mit Ge-
nugtuung erwähne ich hier eines analogen dop-
pelt gekrönten Werkes aus den Kreisen der Uni-
versität dieser Stadt , von der wir uns hier so
gastlich empfangen sehen: Heinr. Zimmer’«
Altindisches Lebens. Die Cultur der vedischen
Arier nach den SamhitA(- Veden) dargestellt (Ber-
lin, Weidmann). Es dringen auch aus diesen
Liedern heimatliche verwandte Klänge aus dem
fernen Indien aus grauer Vorzeit an das Öhr.
Es siud für die wissenschaftliche Antbropolo-
gie der drei alten Continente grundlegende Fra-
gen, welche die genannten Untersuchungen be-
handeln. Einen wichtigen Beitrag zur Anthropo-
logie der neuen Welt und zwar zu dem Zusam-
menhang seiner Bevölkerung mit Asien brachte
eine linguistische Untersuchung des Hm. Wilh.
Herzog: Ueber die Verwandschaft der Yuma-
Sprache mit der Sprache der Aleuten und Eski-
mostämme. Herr Herzog (Z. E. X. VI.) sneht,
vorzüglich gestützt auf die linguistischen Unter-
suchungen des Amerikaners H. S. Gatschet und
unseres 0. Löw, den Nachweis zu liefern, dass dio
Sprache der im Inneren Amerikas (in Arizona) sitzen-
den Stämme mit der Sprache der Tschuktschen an der
Asiatischen Küste nahe verwandt sei. Dadurch wird
für die oft behauptete Besiedelung Amerikas von
Asien und zwar vom Norden zum Süden neues
Bewcismaterial beigebracht.. Mit diesem Nachweis
wären wohl auch für Wanderungen aus centraleren
Gebieten Asiens der Weg gezeigt. Herr Al bin
Kohn weist in seinen neuen Mittbeilungen über
Stein Instrument o aus dem nördlichen und östlichen
Sibirien (Z. E. X, VI.) auf die schon von Wrangel
gesammelten Beweise hin, dass Völker im Hoch-
norden Asiens und zwar speziell die Jakuten
aus einer civilisirteren Gegend etwa vom Baikal-
see oder sogar aus Centralasien nach den eisigen
Regionen des nördlichen Sibiriens gekommen seien.
Nach Wrangel erscheint der Stamm der Jakuten
als Träger einer höheren Cultur , er hat Vieh-
zucht und manche andere ländliche Industrie,
er bewahrt Erinnerungen an eine eigene Schrift-
sprache, seine Märchen erzählen in den eisumstarr-
ten Hütten Nordsibiriens von Gold und Edelsteinen,
Löwen undTiegern einer warmen glücklichen Urhei-
tnath. H. Vämberg nennt sie einen Türkenstamm.
V on beschränkterem Intoresse , aber für die
Ethnographie des modernen Deutschlands hoch-
bedeutsame ist das Stadium der Orts- und Fluhr-
namen und ihrer linguistischen Stellung. Sie
bilden eines der besten in manchen Fällen zu-
nächst das einzige zu Gebote stehende liülfsmittel,
um die verschiedenen, wie geologische Schichtun-
gen über und durch einander liegenden ethnogra-
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pbiscben Schichten, aus denen die modernen Cul-
turvölker zusammengeschmolzen sind, auseinander
zu losen und zu bestimmen, ln Deutschland hat
sich in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit nament-
lich den alten Sitzen slavischer nun germanisirter Be-
völkerung zugewendet. Herr Clemens Cernnik
brachte (Z. E. X. VI.) eine Untersuchung über sla-
visehe (namentlich böhmische) Alterthümer und
Ortsnamen. Er findet , worauf theilweise schon
von anderer Seite aufmerksam gemacht war, dass
durch die Ortsnamen vielfach auf vorgeschicht-
liche Objecte, namentlich auf Gräberfelder hinge-
deutet wurde. Er findet z. B. in den Ortsnamen
die Wortstämme : heilig, Opfer, Leid, Betrübniss,
Urne, Grabhügel, Liebe, aber auch Wache, Gra-
ben, Burg etc. Die Untersuchung verspricht auch
für Deutschlands altslavische Gebiete werthvoll
zu werden. Herr C. Mehlis versucht in diesem
Sinne die Vergleichung der Orts- und Fluhrnamcn
zur Bestimmung der historischen Stellung der
Houbirg, zu benützen, eines, wie dieser Forscher
annimmt, germanischen Ringwalles im Pngnitzthal
in oder an der Grenz«* alt-slavischer Gegend in
Bayern (Archiv XI. III).
Wenden wir uns nun zu den anthropologisch
gewendeten historisch-archäologischen Stu-
dien auf alten Culturstätten. Hier tritt
vor allem der Name eines Mannes hervor, den wir
zu unserer Betrübuiss hier nicht unter uns sehen:
S c h 1 i e rn a n n. Herr Schliemann hat in diesem
Jahre mit Herr Virchow seine Untersuchungen
auf der Centralstätte der alten Cultur des Troischen
Landes fortgesetzt. Wir werden darüber von dem
einen der Forscher selbst Bericht erhalten (III. und
VI. Sitzung). — Unter der Leitung von Georg
Eber1 s hat soeben Herr Ludwig Stern das
berühmte Buch L. Palma di Cesnola: Cy-
p e r n. Seine alten Städte, Gräber und Tempel
in deutscher Sprache erscheinen lassen. Das Werk
im Verlage Costenobles, schön ja reich ausgestat-
tet mit zahlreichen Tafeln wohlgelungener Abbil-
dungen , Holzschnitten und Karten geschmückt
wird nun in der Hand keines deutschen Forschers
mehr fehlen , welcher sein Interesse zugewendet
dem Zusammenhang inner-asiatischen , phönizi-
schen, ägyptischen und alt- helenischen Wesens,
aus deren Durchdringung die antike Culturblüthe
der Mittelmeerlftnder entsprungen ist.
Ein Bindeglied zur Lokalforschung bilden die
in demselben Verlage erschienenen Materialien zur
Vorgeschichte des Menschen im östlichen Europa
nach polnischen und russischen Quellen bear-
breitet von A 1 b i n K o h n und M e b 1 i s. Das
wohlausgestattete Werk füllt eine Lücke der
archäologisch-prähistorischen Forschung aus und
zwar für ein uns Deutschen besonders wichti-
ges Gebiet , dessen Literatur der sprachlichen
Verschlossenheit wegen bisher in der Hauptsache
so gut wie unbekannt und unbenutzt geblieben
war. Der II. soeben erschienene Band bringt
neben archäologischem auch kraniologisches Ma-
terial namentlich aus prähistorischen Fundstätten.
Herr Gundacker Graf Wurmbrand ver-
öffentlichte im Archiv (XI. III.) ausführlich seine
Untersuchungen über das reiche Urnenfeld von
Mariarast. in Steiermark, dessen Fuudobjekte in
Graz und Pest den Anthropologen theilweise
schon Vorgelegen haben. Die Untersuchung der
hier gefundenen Bronzen und der Keramik der
Urnen erscheint von weit mehr als lokalem
Interesse, da das Begräbnissfeld nachweislich bis
an oder in (?) die Zeit der römischen Oecu-
pation jener Gegend heranreicht. Auffallend ist
es, dass sich neben Urnen Acht römischer Technik
hier auch rohere und rohe Waare findet, welche
sich zum Theil an die Pfahlbau-Funde anschliesst.
Die Urnenfelder sind in Süddeutschland selten,
in Norddeutschland bekanntlich sehr häufig, leider
noch nicht. sUmmt.lich ihrer Wichtigkeit entsprech-
end puhlizirt. Von besonderer Bedeutung möch-
ten die schleswig-holsteinischen Felder
sein, deren erste Anlage ungefähr mit der Schluss-
zeit des Mariaraster-Feldes zusammentrifft.. Ich
möchte an Fräulein Mestorf, die leider heute
unter uns fehlt, die Aufforderung richten, die
wichtige Angelegenheit in die Hand zu nehmen.
Unter den Objecten der vorgeschichtlichen Ar-
chäologie und Lokalforsehung fesselten überhaupt
die Ueberbleitoel der Keramik die Aufmerksamkeit
in erhöhtem Maussc. Diese gebrannten Thonscherben,
so gut wie unzerstörbare Reste der menschlichen Thä-
tigkeit und Beweise seiner An Wesenheit, geben uns ein
weit treueres Bild der jeweiligen Kulturhöhe fer-
ner Zeiten als die oft aus entlegenen Gegenden
zu den Fundstellen eingeführten, durch Genera-
tionen bewahrten Objecte aus Bronze , Gold und
Eisen. Frl. Mestorf hat uns (Archiv) über die
moderne Herstellung der jütischen Tattertöpfe
berichtet, welche in gewissem Sinne an die prä-
historische Keramik mahnt. Durch die Unter-
suchungen (Z. E.) von Voss, Veckenstedt,
M. Schneider wurde die Aufmerksamkeit
auf gewisse enge kreisrunde Durchbohrungen
gelenkt , welche man an Urnenscherben be-
obachtete. Die beiden Erstgenannten bringen sie
in Zusammenhang mit supponirten Vorstellungen
des vorgeschichtlichen Alterthums. Sie erklären
diese Löcher als „Weg für die Seele“. Vecken-
stedt beruft sich hierbei auf die Meinung Brok a’s,
dass die in neuerer Zeit mehrfach besprochene:
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Trepanation der Schädel in der
„neolithischen Periode bei Epileptischem
der zweiten krankhaften Seele einen Ausweg ver-
schaffen sollte. Ich habe an Gefässtrflmmern aus
bayerischen Hohlen, bei welchen an Begräbnisse
nicht gedacht werden kann , Durchbohrungen
mehrfach beobachtet. Diese Löcher sind aber
nichts Anderes als Reste einer alten Eisen-
bindung der Töpfe. Das Eisen umgreift von
einem den Hals des GcfÜsses umgreifenden Ei-
senband ausgehend in ziemlich breiteren Streifen
den Gefässbauch und durchbohrt mit den unte-
ren nagelartig spitz zugehenden Enden den Topf-
boden, wo es auf der inneren Seite uuigebo-
gen wurde.
Die Paläontologie ist mit Erfolg bestrebt,
ihre alten Versäumnisse, ihre Bänden gegen das
Studium vom Menschen zu sühnen, sie die einst,
auf das bekannte Dogma Cuviers bauend,
dass der Mensch erst nach dem Aussterben der
grossen diluvialen Dickhäuter in Europa nufge-
treten sei, unschätzbares wissenschaftliches Material
als werthlos bei Seite zu werfen beliebte und
zerstörte. Dieses Jahr hat unsere Kenntnisse
auch in dieser Beziehung wesentlich erweitert.
Herr Virchow berichtete in der IX. Ver-
sammlung über die paläontologischen Untersuch-
ungen Nehring’s namentlich an der diluvialon
Kleinsäugetbier- und Vogelfauna in Thiede und
Westeregeln. Herr Nehring hatte aus den Thier-
resten in den Spalten jener Steinbrüche bewiesen,
dass, zur Zeit des ersten Auftretens des Menschen,
in Thüringen ein Steppenklinm geherrscht haben
müsse, welches diese Gegend in der Diluvialzeit
in Beziehung auf Mikro-Fauna und Flora als
ganz analog den heutigen Steppen Westsibiriens er-
scheinen lässt. Freilich fehlen jetzt auch dort Ma-
muth und Khinocoros, der Riesenhirsch und die ge-
waltigen reissenden Höhlenthiere, mit denen der
Mensch damals die Steppen Mitteleuropas be-
wohnte. Herr Nehring selbst hat diese Studien
zum Theil an den Funden aus den fränkisch-
bayerischen Höhlen fortgesetzt, Uber deren Unter-
suchung ich schon in der letzten allgemeinen
Versammlung in Kiel vorläufig Bericht erstattete,
und welche nun in vier Aufsätzen von den Herren
Zittel, Gümbel. Nehring und dem Berieht-
erstatter im III. Heft der Beiträge zur Anthro-
pologie Bayerns ausführlich veröffentlicht sind.
Herr R. Richter (Saalfeld) hat an einer an-
deren reichen paläontologischen Fundstätte des
Thüringer Diluviums (am rothon Berge an der
Saale) die Beobachtungen Nehring ’s bestätigt.
(Zeitscb. d. deutsch, geolog. G. 1879), so dass nun
die einstige mitteldeutsche Steppe durch Thüringen
und das bayerische Franken constatirt erscheint;
da die Herren Zittel und Fr aas in der Räuber-
höhle bei Regensburg die Reste der asiatischen
Steppenantilope — Ant. Saiga — gefunden,
scheinen die analogen klimatischen Verhältnisse
bis tief in den Süden Deutschlands herabgereicht
zu haben. Ans dieser Zeit haben sich Reste des
Menschen in Mittel- und Süddeutschland erhalten,
geborgen unter der Kalkdecke und im Lehme
der Höhlen und Felsnischen. Das Bild der ani-
malen Umgebung des Menschen in jener Zeit
wurde neuerdings durch den Nachweis einiger
bisher selten oder noch gar nicht beobachteter
Tbiere vervollständigt. Herr Nehring hat unter
den Resten der Fauna aus der Hyänenhöhle bei
Gera den Wildesel erkannt (Z. E. XI. II.),
welchen die Herren Ecker und Rütimeyer für
die quaternäre Fauna von Langeuhrunn constatirt
hatten. Herr H. Richter und Herr Professor
Giebel (Halle) bestimmten in der erwähnten Fund-
stelle fossil Kaninchen und auch das Stachel-
schwein, welches letztere der Referent in
den fränkischen Höhlen (1. c.) aufgefunden hatte.
In dem Unkeler Steinbruch am linken Ufer
des Rheines, welchen Alexander v. Humboldt
für „eine der grössten Merkwürdigkeiten unseres
deutschen Vaterlandes“ erklärt- hatte, w’urde von
Horrn G. Schwarze in Remagen eine im Löss
bisher durch ihren Reichthuin einzig dastehende
paläontologische Fundstelle aus der Diluvialzeit
dos Rheinthaies eröffnet (Verhandl. des natur-
historischen Vereins der preuss. Rheinlande und
Westphalens. Bd. 36). Neben Mamuth und
Rhinoceros tichorrhinus fand er die Reste vom
Renthier (Cervus tarandus priscus) und vom
Moschusochsen, von letzterem den bis jetzt best-
erhaltenen Schädel mit Zähnen Damit ist der
wichtige Nachweis erhärtet, dass alle die.se Thiere
gleichzeitig unser Vaterland bewohnten.
Während am Unkelstein bis jetzt keine Reste
des diluvialen M enschen aufgedeckt wurden,
hat in dor vorhin erwähnten Fundstelle Herr
R. Richter geschnitzte und künstlich vom Men-
schen durchbohrte Knochen gefunden, sowie zwei
Zähne, welche er für menschliche Schneidezähne er-
kannt. Noch für eine andere wichtige diluviale Fund-
stelle Mitteldeutschlands sehen wir den Nachweis
der alten Anwesenheit des Menschen erbracht.
Unter dor Leitung des Herrn Zittel hat Herr
A. Portis ( Paläontogruphica XV. 4.) die be-
rühmten Taubacher Funde untersucht, welche zum
Theil der anthropologischen Gesellschaft in Jena
Vorlagen. Er konnte mit aller Entschiedenheit
die Annahme der Herren Klopffleisch und
Virchow bestätigen, dass auch hier der Mensch
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mit dein Ursiier , mit Maiuuth und Rhinozeros
Merckii zusammengelebt und diese Thiore erlegt
habe. So sehen wir denn auch für Mittel-
deutschland die Anwesenheit des Menschen in
die Mamuthzeit zurückgerUckt.
Aber gleichzeitig hat uns Herr Al bin K o hn
gezeigt , mit welcher Vorsicht wir an die Be-
urtheilung dieser Funde horantreten müssen.
Herr Albin Kohn hat uns in der schon erwähn-
ten Darstellung der neuesten archäologisch-anthro-
pologischen Forschung (Steininstrument« Z. E. X.
VX) im nördlichen und östlichen Sibirien belehrt,
dass die Bewohner jener eisigen Hegenden noch heute
gewissermassen in der Mamuthperiode leben. Die
Russen haben am Ende des 17. Jahrhunderts
diese entlegenen VolksstUmme zum Th eil noch
in der Steinzeit üborrascht, wobei namentlich der
häufige Besitz von N ephrit-Instrumenten uns inter-
essirt. Man findet aber bei ihnen auch Knochen-
geräthe aus Mamuthzahu. Bekanntlich
ist ein beträchtlicher Theil von allem bei uns
zu Kunst- und Industriezweigen verarbeiteten
Elfenbeins ebenfalls fossil, Matuuth, aus dem Eis-
boden Sibiriens entnommen. Wenn wir finden,
dass nach der Eiszeit die Urbewohner Europas,
welches klimatisch sich damals von dem heutigen
Nordsibirien nicht unterschied, wie die modernen
uncivilisirten Nordsibirier Mamuthzahu zu techni-
schen und Kunstzwecken verwendeten, so haben
wir doch gewiss zunächst an ausgegrabene Reste
vielleicht einer mehrtausendjährigen Vergangen-
heit zu denken , welche der noch eisige Boden
wie frisch conservirt hatte. Das Gesagte gilt
ebenso namentlich für Kunstarbeiten in Rennthier-
horn.
Werfen wir auch einen Blick auf die neuesten
an a t o tu i sc h - a nt h r o pol o gi sc h en Fo r sch-
u n gen. Herr Virchow hat bei der letzten allge-
meinen Versammlung die Parole der anthropolog-
ischen Messung am Lebenden ausgegeben.
Unter seiner Leitung hat Herr K oerbin (Z. E.
X. I.) die höchst anerkennenswert hen mühevollen
Messungen veröffentlicht und kritisch bearbeitet,
welche Herr Ja gor an 265 lebenden Indiern
beiderlei Geschlechts und verschiedener Rasse An-
gestellt hat. Herr Virchow (Z. E. X. VI.)
selbst hat an den von Herrn Hagenbeck nach
Europa gebrachten ,, Nubiern“ sehr interessante
Messungen angestellt. So daokenswerth diese
Untersuchungen fremder Völker sind, so müssen
wir uns doch stets daran erinnern, dass un-
sere wichtigsten Aufgaben, welche zu aller-
erst eine Lösung erfordern , als Grundlage zu
allen vergleichenden Studien viel näher liegen.
Die erste und Hauptaufgabe der
I deutschen Anthropologie ist die an-
thropologisch-ethnologische Erfor-
! schung der Deutschen. Ein glänzender An-
fang ist in der allgemeinen Statistik der Farbe
0 der Augen, Haare und Haut gemacht. Eine analoge
Untersuchung erfordern zunächst die Körper-
grössc und vor allem die deutsche moderne
Kraniologie und Gehirnlehre. Hier liegt eine
j gewaltige Aufgabe vor uns , welche nur durch
• gemeinsame Theilnnhme bewältigt werden kann.
1 Was will es heissen im Verhältnis zu den Milli-
onen , auf welche die anthropologische Farben-
statistik Deutschlands sich grttndet, wenn die
' Zahl der Schädel, welche ich von der modernen
bayerischen Bevölkerung bis jetzt kraniometrisoh
aufgenommen , Uber deren Meesungsresultate ich
; verfüge, die Zahl von 2000 erreicht hat. Ich
hoffe, die Publikation der Ergebnisse dieser Unter-
suchung in den nächsten Monaten zu vollenden.
Herr Ecker wird uns wohl selbst die Resultate
seiner neuesten anthropologischen Untersuchungen
namentlich über die Ursachen jener eigentüm-
liche» von ihm in ihrem embryonalen Wesen erkann-
i ten Missbildung der abnormen Behaarung
bei dem Menschen vortragen. Bekanntlich ver-
danken wir Herrn Bartel** (Berlin Z. E. 1876)
die Anregung dieser Frage. Er hat im laufenden
Jahre (Z. E. XI. II.) jener ersten eine zweite Abhand-
lung folgen lassen, welche neben vielem Neuen eine
kritische U ebersicht über das bisher Geleistete bringt,
i Herr Ecker hat im verflossenen Jahre darauf
hinge wiesen, dass er in der abnormen Behaarung
des Gesichte* und anderer Körperteilen bei den
| sogenannten Haar- oder Hundemenseben nichts
1 anderes sehen könne, als eine Rildungsheinmung,
: d. h. eine Persistenz und Fortbildung des om-
I bryonalen Haarkleides, welches bekanntlich den
sich entwickelnden Menschen als eine ziemlich
dichte Flaumdecke bekleidet. In neuester Zeit
! bat Herr Ecke r (Archiv XI. II.) in einem Aufsätze
über gewisse Ueberbleibsel embryonaler Formen in
der Stoissbeingegend diese Anschauung nicht nur
im Allgemeinen sondern auch für die Einzelfälle
der theilweisen Uoberbehaaruug auch für scheinbar
I pathologische Fälle erwiesen. Wir haben nun
die üeberbehaarung unter die Fälle der Miss-
bildungen zu rechnen, welche auf einem anorma-
len Fortbestehen und Fortentwicklung embryo-
naler Verhältnisse beruhen.
Mit Gehirnanatomie fremder Rassen hat
sich in diesem Jahre Herr Mi klucho-Makley be-
schäftigt (Z. E. X. VI.). Herr Benedikt in Wien
hat die früher zum Theil im Berliner medicioischen
Centralblatt vorläufig publicirten Gehirnunter-
| suchungen in einem prächtig ausges tat toten Werke
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Uber Verbreebergehirne publicirt, welche« wir uns
aber, da wir hier von den Österreichischen Unter-
suchungen abzuseben haben, füglich nicht zueig-
nen dürfen. Herr Pansch hat neuerdings die
Gehirnfurchen des Gorilla noch weiter studirt.
Am Geringsten unter allen Httlfewissensc haften
der Anthropologie hat sich bisher an unseren Be-
strebungen die Physiologie? des Menschen
betheiligt. Es mag das zum Theil daher rühren,
dass unter allen zur Hand liegenden animalen
Wesen der Mensch am seltensten das Object der
modernen menschlichen Physiologie zu werden
pflegt. Aber auch in physiologischer Anthropo-
logie bringt unser heuriges Jahr erfreuliche An-
läufe. Herr Ja gor hat bei seinen erwähnten
Untersuchungen lebender Indier (1. c.) auch phy-
siologische Verhältnisse beachtet, wie die Zahl der
Herzschläge und Athemzüge, Entwickelung der
Muskulatur der versch i edenen Kasten , sowie des
Körpergewichtes bei verschiedenen Ernährungs-
weisen. Herrn Virchow’s Untersuchung (Z. E.
X. VI.) der schon erwähnten Nubier ergab neue
entscheidende Gesichtspunkte über eine physio-
logische Erage, welche die Anthropologie seit
Jahren beschäftigt: über die Farbenem-
pfindung der Naturvölker. Lingu-
istische Studien hatten ergeben , dass die
F&rbenbezeichming bei den Naturvölkern eine
sehr mangelhafte sei, besonders häutig fehlen be-
kanntlich unterscheidende Benennungen für grün
und blau. Man hielt daraus den * Schluss für
berechtigt , dass da , wo die sprachliche Unter-
scheidung der Farben nicht vorhanden ist, auch
die physiologische Unterscheidung derselben fehlen
müsse. Bei jenen „Nubiern“ sind nun die unter-
scheidenden Farbenbezeichnungen äusserst mangel-
haft. Abgesehen von einer allgemeinen nament-
lich für gesättigte dunkle Farben verwendeten
Bezeichnung, besitzt nach Munzinger’s Vocabu-
larium die Badanie-Sprache nur die Unterscheid-
ungen von schwarz und weiss , sowie von rotb
(braun). Die exacte Untersuchung mittelst Farben-
tafeln und Fäden farbiger Wolle ergab nun aber,
dass trotz der unläugbar mangelnden und un-
sichern Farben - Benennung bei den Vertretern
dieser StUmme eine feine, in mancher Beziehung
die unsere sogar übertreffende unterscheidende
Farbenemptindung vorhanden ist : was ihnen ab-
gebt, sagt Virchow, ist also nur die sprachliche
Unterscheidung der Farben nicht ihre physio-
logische Empfindung. Die Farbeuunterscheidnng
ist bei diesen Leuten nicht Gegenstand des Ge-
spräches, nur darum mangelt für sie der sprach-
liche Ausdruck! Alle Hypothesen, welche auf
die behauptete mangelnde Farbenemptindung der
1 Naturvölker begründet, wurden , werden damit
^ hinfällig.
Die Frage nach der Farbenempfindung spielt in
das Gebiet der verglei eben den Psychologie
hinüber. Aus diesem wollen wir nur eiue Publi-
kation des Herrn v. Bi sch off erwähnen, welcher
nach brieflichen Mittheilungen des Herrn Dr. med.
| H. Tiedemann in Philadelphia ..Beobachtungen
i an zwei lebenden Chimpansc (mase. et fein.)“
i veröffentlichte. Aus dem anziehenden Bilde,
: welches v. Bischof!' von den Lebeusgewohnheiten
und dem Charakter dipser in einem Käfig tu*
, summenlebendcn , beinahe gleichalt erigen jungen
j Thiere „Adam und Eva“ entwirft, heben wir
das Schlussergebniss hervor, v. Bi s c h of f schreibt
diesen Anthropoiden : Bewusstsein, Denken, Vor-
stellungen, Gefühle, Empfindungen, Willen, Ab-
I sichten, Gedäcbtniss zu. Dagegen mangele ihnen
das Wissen um ihr Wissen, das Bewusstsein von
1 ihrem Bewusstsein, das Selbstbewusstsein, die
I Erkcnntniss und das Nachdenken über das eigne
Ich. Darin erkennt er das Eigentümliche der
! Mensdiennatur , daraus entwickele sich auf der
I einen Seite die Sprache andererseits das Gewissen,
worin die Befähigung zur (Jultur begründet sei.
Nun schiiesseo wir mit einem flüchtigen Blick
auf einige ethnologische Publikationen der
deutschen anthropologischen Gesellschaft. Trotz
de« Mangels an überseeischen Colouien hat sich
deutsche Gelehrsamkeit und Unternehmungslust
stets mit ebensoviel Hingebung als Erfolg den
i ethnographisch - anthropologischen Studien ge-
widmet. Die Verhandlungen des Berliner Zweig-
vereins legten auch in diesem Jahre Zeugnis* ab
von dem Keichthum des wissenschaftlichen Materials,
welches auch in dieser Richtung der Reichshaupt-
stadt zuströmt. Aber nur selten finden die wissen-
schaftlichen Reisenden Gelegenheit zu so exacteu
1 anthropologischen Einzeluntersuchungen , wie wir
sie der eisernen (Konsequenz des Herrn Jagor (cf.
oben) verdanken. Noch immer liegt der Haupt»
' Schwerpunkt der anthropologischen Thütigkeit der
j Reisenden in der Sammlung anthropologischen
i Untersuchungsmaterials (Godef Froy), welches erst
im Vaterlande wissenschaftlich zu bearbeiten ist.
Aber in kraniologischer und in vielen anderen
anthropologischen Beziehungen werden wir doch
erst dann wirkliche definitive Aufschlüsse er-
halten, wenn au Ort und Stelle die Bearbeitung
des wissenschaftlichen Materials vorgenommen
werden kann. In dieser Beziehung begrtissen
wir es mit Freude, dass auch einige uetiausge-
sendete Reisende in Afrika, z. B. Dr. Büchner
(München) sich für Schädelmessungen interessiren.
j Aber noch wichtiger erscheint der von Herrn
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Miklucho-Maklay, dem eifrigen Correspondenten
unserer Gesellschaft, neuerdings angeregte (1. c.)
und schon zum Theil mit eigenen Mitteln ausge-
führte Gedanke, da wo sich europäische Cultur
und Halbcivilisation oder Barbarei direkt berühren,
analog den zoologischen , anthro pologische
Stationen zu gründen, Untersuchuugsstationen
zum Zwecke der anatomischen Erforschung frem-
der Stämme ausgerüstet mit allem Zubehör ana-
tom ische-anthropologischer Beobachtung. Nament-
lich in Beziehung auf eines unserer höchsten De-
siderate: eine vergleichende Gehirnlehre,
erscheinen solche Beobachtungsstationen unerläss-
lich. Doch dürfen wir auch hier das vorhin Ge-
sagte nicht vergessen. Wir können von dem ver-
gleichenden Studium des menschlichen Gehirns
erst dann den wahren Nutzen erwarten , wenn
wir durch Untersuchungen im eigenen Lunde
die wissenschaftlichen Fragen präcisirt und die
Verhältnisse statistisch aufgenommen haben.
Noch wttnschenswerther wäre es freilich, wenn
den anthropologischen Forschern die Unter-
suchung von Vertretern fremderNatio-
n c n in genügender Anzahl zu Hause, wo alle
Hilfsmittel der Untersuchung zu Gebote stehen,
möglich gemacht würde. Auch in dieser Richtung
ist ein werthvoller Anfang gemacht. Herr Hagen-
beck hat eine Caravanengeseilseh aft sogenannter
Nubier (32 Köpfe), nach Deutschland gebracht.
Die Untersuchung (1. e.). welche diese Fremden
namentlich in Berlin gefunden, an welcher sich
unter der Führung Virchow’s N amen wie L e p -
sius, Dillmann, Praetorius, Nachti-
gall, Hildebrandt, Hart mann, Wetz-
stein, Steinthal u. A. betheiligten, hat sich
zu einem wahren Paradigma einer anthropologisch-
ethnologischen Untersuchung gestaltet. Wir kom-
men hier zu einem Ausgangspunkt unserer Be-
sprechung zurück. Handelte es sich doch auch i
hier bei der Untersuchung der Vertreter der I
dunklen semitischen oder hulbsemitischen Stämme,
welche das Gebiet bewohnen, das sich von den Gren-
zen des eigentlichen Aegyptens an der Küste horab
bis zu den Grenzen von Abessynien und vom
rothen Meere bis an den Nil (im Süden zum ;
blauen Nil) erstreckt, um die Frage über die Ur- |
sitze der Hamito - Semiten. Mit dieser erledigt i
sich dann die andere Frage, ob diese Stämme als
eingewandert oder als autochton afrikanisch zu
betrachten seien. Nach Virchow spricht an-
thropologisch Alles für einen asiatischen Ur-
sprung, Alles gegen einen solchen aus Afrika,
„Wie verschieden von der Negerwolle ist ihr
glänzendes langes Haupthaar! — ganz und gar
abweichend aber ist die Gesichts- und Korper-
bildung, welche der arischen vielfach nahe kommt
und mit der semitischen die grösste Verwandt-
schaft zeigt. Dieses hohe und schmale Gesicht,
diese schmale und lange , stark hervortretende
und häufig Uberhängende Nase, diese sanften,
einander genäherten Augen, mit den zarten, langen
Lidern, der vollkommen ortbognathe Kieferbau,
die schmalen und feinen Lippen, die wenig vor-
tretenden Wangenbeine, der lange und stolz auf-
gerichtete Hals , die Schlanke und hohe Gestalt
mit schönem Ebenmass und guter Bildung der
Glieder, die Zierlichkeit von Hand und Fuss —
alles das sind Merkmale , welche wir bei keiner
wahrhaft nigritischen Bevölkerung finden. Alles
ist bei ihnen von den Negern verschieden bis
auf die dunkle, fast schwarze Haut, von der wir
aber wissen, dass sie sich ohne alle Beziehungen
zu Negerblut in analoger Dunkelheit über Süd-
arubien bis nach Indien verbreitet. Virchow
spricht gestützt auf die anthropologische Unter-
suchung die von der Linguistik nach ihren Me-
thoden festgestellte Ansicht aus, dass die semi-
tischen mit den arischen Stämmen, wenn auch
nur in sehr weiter zeitlicher Entfernung näher
zusammen hängen. Er hält die besprochenen
Stämme für nahe verwandt mit den semitischen,
ihre zum Theil schon vor Jahrtausenden — vor
der Blüthe Aegyptens — verlassene Urheimath für
Asien. Feste Zielpunkte für die weitere Forschung
sind damit gewonnen. —
So schließen wir diese lückenhafte Umschau,
welche aber , wie ich hoffen darf, in Ihnen den
Eindruck erweckt hat , dass die Anthropo-
logie sich anschickt, die führende Rolle, welche
sie einst unbestritten unter den Natur- und
Geistes Wissenschaften behauptete, wieder zu er-
langen.
Herr Weisni&llfl (Kassaführer):
Es gereicht mir zu grosser Befriedigung auch am
Ende des diesjährigen Geschäftsjahres nicht nur mit
geordneten, sondern sogar mit recht günstigen
Kassa -Verhältnissen vor Sie traten zu können.
Das Rechnungsjahr hat sich ohne jegliche Störung
und ganz normal abgewickelt, und bin ich in
der angenehmen Lage, den getreuen Mitarbeitern,
den Herren Geschäftsführern und Kassieren der
25 Zweigvereine und Gruppen Namens der Vor-
standschaft meine vollste Anerkennung ob der
geleisteten Enterst Atzung nusdrücken zu können.
Es ist nur eine kleine Gruppe für das laufende
Jahr im Rückstände geblieben, während es im
vorigen Jahre deren 8 waren, woraus sich dann
auch die bedeutende Summe von Rückständen
mit 1005 Mark erklärt.
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89
Wir sind im heurigen Jahre unserm Voran-
schläge bis auf 8 Mitgliederbeiträge nahe ge-
kommen, indem von den 1936 Mitglieder-Be*-
trägen, die wir in den Etat einsetzten, 1928 auch
wirklich eingegangen sind. Die eingezahlten Bei-
träge
vertheilen sich
in
folgender
Art.
Es
zahlten ein:
aus
Basel
7 Mitglieder
21
4
Bonn
26
n
78
B
n
Berlin
375
n
1125
B
„
Carlsrahe
10
30
„
Constanz
33
99
n
„
Danzig
99
297
ji
„
Elberfeld
23
„
09
4
„
Frankfurt a. M.
20
a
60
(mit 14,14 cA U ob er schoss)
„
Freiburg i. B.
68 Mitglieder
204
„
„
Gotha
9
a
27
„
„
Göttingen
3
24
JI
„
Hamburg
57
171
4
„
Heidelberg
29
n
87
4
„
Jena
53
w
159
4
a
Kiel
121
_
363
1»
n
Königsberg
13
ü
39
n
„
Mainz
30
a
90
ji
Mannheim
14
»
42
Sl
München
246
n
738
n
Münster
122
ji
366
n
a
Stralsund
6
18
fi
Stuttgart.
233
a
699
B
n
Weissenfels
79
»i
237
a
n
Würzburg
14
42
t»
demtiocb in Summa 1 695 Mitglieder mit 5085 Mark
Beiträgen; ein Resultat, das gewiss allo Anerken-
nung verdient, insbesondere, wenn man die vielfachen
Schwierigkeiten und die nicht geringe Mühe der
• Erhebungen würdigen will , namentlich in den
Gruppen und Vereinen, die ihre Mitglieder we-
niger concentrirt haben. Kleine Rückstände sind
bei der der maligen Organisation unserer Gesell-
schaft. geradezu unvermeidlich ; — und so sehr
ich auch ein geordnetes Kassawesen , als eine
Grundbedingung des Bestandes der Gesellschaft
anstrebe, ebenso sehr muss ich mich gegen einen
Zwang erklären, der Verstimmung gegen den
Verein erzeugen würde. — Denn, meine hoch-
geehrte Versammlung, würden wir wohl unsere
Vereins-Interessen fördern, wenn wir, wie in man-
chem Vereine geschieht, sagen wollten: Wer
seinen Jahresbeitrag bis zu diesem oder jenem
Tage nicht eingesendet hat, wird als ausgetreten
betrachtet? — Ein derartiges Vorgehen würde
uns schwer schädigen. Es ist lediglich das Inter-
esse an dem Vereine, d. h. an seinen wissen-
schaftlichen Bestrebungen, welches ihm seine
Mitglieder treu bleiben lässt. Die Förderung
dieses Interesses aber müssen wir uns ganz be-
sonders angelegen sein bissen, Jeder nach der
ihm geeignet scheinenden Weise. Können auch
nicht alle durch wissenschaftliche Arbeiten sich
nützlich machen , so gibt es doch für Jeden Ge-
legenheit zur moralischen Unterstützung. In
keinem Falle aber lassen wir die Phrase gelten:
„Ich kann für den Verein nichts tbun !“ die
anthropologische Gesellschaft weiss jedes einzelne
Mitglied zu schätzen, nach welcher Seite hin das-
selbe auch thätig sein mag.
Grossen Werth legen wir daher auf unsere
isolirten Mitglieder, die nach allen Richtungen
bin wirksamen Pionire der Anthropologie; da es
bei ihnen lediglich das wissenschaftliche Inter-
esse ist, welches sie an den Verein kettet, trotz
des Maugels au specieller Anregung durch
regelmässige wissenschaftliche Vorträge, wie solche
von den meisten Ix>kalvereinen ihren Mitgliedern
geboten werden.
Von diesen unser« 233 isolirten Mitgliedern
wurden durch Nachnahme orhoben die Beiträge
von 167 Mitgliedern, während 66 Mitglieder ihre
Jahresbeiträge schon früher eingesendet hatten.
Die Zahl der Isolirten hat gegen das Vorjahr
eine sehr namhafte Mehrung erfahren (233 gegen
168 des Vorjahres), was wir hauptsächlich den
unausgesetzten Bemühungen des Herrn Geheim-
rathes Sch aaffh au sen zu verdanken haben. —
Die Beiträge von 233 Isolirten mit 699 Mark
zu den obigen Beiträgen von 1695 Mitgliedern
der Lokalvereine und Gruppen mit 5985 Mark
ergeben nun die in Rechnung gesetzten 1928
Mitglieder mit 5784 Mark Einzahlungen für das
Geschäftsjahr 1878/79.
Sie sehen also, hochverehrte Herren, dass wir
der so heiss ersehnten Mitgliederzahl von 2000
i nicht nur sehr nahe sind , sondern dieselbe nach
Einrechnung unserer Restanten bereits über«
1 schritten haben. Lassen wir es aber dessenunge-
achtet an neuer Werbung nicht fehlen, und
machen wir recht ausgiebigen Gebrauch von den
hier aufliegenden Formularien zu Beitrittser-
klärungen.
Sicherlich dürfen wir uns der Hoffnung hin-
geben, beim nächsten Congresse auch die hiesige
Stadt als Sitz und Mittelpunkt eines neugegrün-
deten Vereins für die Reicbslande bezeichnen zu
können, eine Sache, die unsern so hochverdienten
Geschäftsführer Herrn Prof. Gerl and gewiss
i nicht mehr ruhig schlafen lassen wird , bis sie
1 sich verwirklicht hat.
Zu den Einnahmeposten des Kassenberichtes
I ist erklärend beizufügen , dass bei den unter
4
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90
Nr. 2 mit 201tf» Mark eingesetzten Zinsen sieh
auch die erzielten Contocorrent-Zinsen befinden,
und dass sich das Kieler Geschäfts-Comite durch
den eingesendeten Ueberschuss von 215*85 Mark
(Nr. G des Berichtes) wiederholt unsere dank-
bare Anerkennung erworben hat. —
Natürlich füllt dieser Einnahmeposten für das
nächste Jahr weg, da das hiesige Comite Druck-
kosten, Stenographen etc. selbstständig deckt und
keinerlei Ansprüche an die Vereinskasse macht,
also auch keinerlei Rückvergütung oder soge-
nannte Abrechnung statt zu finden braucht, wie
dies im vorigen Jahre der Full war.
Bei Nr. 7 der Einnahmen muss ich Ihnen
den Sachverhalt kur/, an geben, wie ihn Herr Prof.
Dr. Kol 1 mann brieflich raittheilte, und erlaube
ich mir daher, das Betreffende vorzuleseu.
..Der Generalsekretär der deutschen anthro- |
pologischen Gesellschaft, erhielt, bis zum Jahre
187(5 ein Freiexemplar des A rch i v s für Anthro-
pologie — Verlag von Vieweg und Sohn in
Braun schweig.
Bei der Uebernahme des General-Sekretariats
durch den Unterzeichneten blieb auf den Wunsch
des verstorbenen Herrn v. Frantzius das Exem-
plar in dessen Bibliothek zu Freiburg. Sein
Testament setzte die Stadt Freiburg i. 13r. zum
Universalerben ein, und diese erhielt auch ftLlsch-
licher Weise mit der Bibliothek die 10 Bände
des Archivs. — Die Bibliothek wurde nach Göt-
tingen verkauft, und ich erfuhr erst spät von ;
dem Testamente des Herrn v. Frantzius.
Das Werk von 10 Bänden war nicht mehr
zu erhalten, ich habe es aber mit Hilfe des Hm.
Prof. Fischer in Freiburg dahin gebracht, dass
mir die Stadt kasse Freiburg den vollen Buch-
händlerpreis der 10 Bände mit 286Mark ausbezahlte.
Indem ich Ihnen diese 286 Mark — d. h.
nach Abzug von 1 Mark Frankatur noch 285
Mark — übersende, bitte ich gefälligst seiner
Zeit um Empfangsbestätigung.“
In einem weiteren Schreiben rflth Herr Prof.
Ko 11 mann das Geld zum „eisernen Fond“ zu
legen und die Zinsen zu ad massieren , da das
Buch jeden Augenblick um ein Drittel des Laden-
preises angeschaflt werden kann, wenn es der be-
treffende General-Sekretär benöthigen sollte. —
Jedenfalls ist es Sache der Vorstandschaft hier-
über zu bcsschliossen. —
Bezüglich der Ausgaben sind wir den von i
der vorjährigen Generalversammlung gehissten Be-
schlüssen vollkommen gerecht geworden und wurde
der Etat gewissenhaft eingehalten.
Es sind dem Reservefond neuerdings 500 Mark
hinzugefügt worden und beträgt derselbe, wie Sie
beim Kapitalvermögen sehen wollon, nunmehr
1000 Mark.
Wir haben 2tens unseren Jahresbericht mit
seinen 3 Beilagen, der so viel Anerkennung ge-
funden hat . mit den vorgesehenen Mitteln voll-
ständig hergestellt und unsere Position für Druck-
k osten zu überschreiten nicht nöthig gehabt.
Die an einzelne Vereine und Personen ge-
währten Unterstützungen sind erhoben worden,
und werden sicher auch gute Früchte tragen.
Vielleicht erstatten uns Herr Prof. Dr. Klop-
fte isch und Herr Dr. Mehlis gütigen Bericht
über die Resultate ihrer Bemühungen? —
Endlich konnte auch der bereits angelegte
Fond von 4526,50 Mark für die stat. Erhebungen
und die präh. Karte, ersterer um 500 Mark und
letzterer uni 200 Mark vermehrt werden, und da
von Herrn Qebeimratb Virchow im Laufe
dieses Jahres 52,50 Mark und von unserm Herrn
Vorsitzenden für die präh. Karte 1UÜ Mark er-
hoben wurden , so stellt sich deren Guthaben an
die Kasse anstatt auf 5226,50 Mark nur noch
auf 5074 Mark, welche verzinslich angelegt sind.
Die Abgleicbung der Einnahmen zu 13748,16
Mark mit den Ausgaben zu 11827,61 Mark er-
gibt also einen Kassarest von 1920,55 Mark, wo-
von 800 Mark in Werthpapieren und 1120,55
Mark in ßuarem vorhanden sind.
Nehmen wir für das nächste Jahr die Bei-
träge von 1940 Mitgliedern ä 3 Mk. zu 5820 Mk.
an und hiezu den diesjährigen Kassarest init
1920,55 Mk , so verfügoii wir über 7740,55 Mark.
Ich bitte nun die hoho Generalversammlung
den statutengemässen Rechnungs-Ausschuss zu er-
nennen und dem Schatzmeister Decharge zu er-
theilen.
Kassenbericht pro 1878/79.
Einnahme.
1 . Kassen vnrrath von vorig. Rech-
nung JL 1688 03 $
2. An Zinsen gingen ein . . . , 201 64 r
3. An rückständigen Beiträgen
aus dem Vorjahre . . . . „ 1005 — »
4. Jahresbeiträge von 1928 Mit-
gliedern für 1879 einfuthlietttt-
lieh einiger Mehrbeträge (21 JL
64 £) 5805 64 ,
5. Für besonders* ausgegebene Be-
richte u. Correapondenzbl&tter * 20 50 .
6. Ueberachuaa de* Geschäftsau*-
achmuea in Kiel, resp. Beitrag
desselben für die Stenographen „ 215 85 „
7. Vergütung der 10 ernten Bünde
des „Archiv* f. Anthropologie“
seitens der Stadt Freiburg im
Breisgau mit 285 — .
8. Rest aus dem Jahre 1877/78,
worüber bereits verfügt . . , 4526 50 .
Zusammen: Ji 13748 16 d
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91
Ausgabe.
. Kür den Ankauf eine» 4°/e
Pfandbriefe« der bayerischen
Hypotheken- u. Wechsel bank
a 500 -ft. zum Rewrvpfond
Verwalt ung*ko»ten ....
Druck d. Correspondenzblatte«
pro 1878
Druck des Kassenberichten,
diverser Circulare etc. . . .
Für die Stenographen )«»i der
Generalversammlung in Kiel
Zu Händen des Herrn General-
sekretär»
Zu Händen de« Schatzmeisters
Für die Redaction de» Corre-
spondenzbluttes .....
Dem Zweigverein in Jena für
Ausgrabungen
Dem Zweigverein in Dürkheim
fTlr Ausgrabungen
Herrn Pfarrer Dahlem in Re-
gensburg .
Herrn Pfarrer Engelhard in
Königsfeld
Kür Berichterstattung . . .
Für die Publikation der sta-
tistischen Erhebungen über die
Farbe der Augen , Haare und
der Haut
Für den gleichen Zweck . .
Für die Publikation der prä-
historischen Karte ....
Für den gleichen Zweck . .
Haar in BMW .... . ,
Zusammen :
496
74«
1«
03
4
2855
67
. j
17«
45
374
80
600
300
—
:
800
-
.
200
-
.
100
-
150
-
150
150
I
; |
344# — .
52 50 .
historischen Karte 1626 — .
17. Für den gleichen Zweck . . „ 100 — .
18. Baar in Kasse 1920 55 .
Zusammen : »45 18748 16 r}.
A. Kapital- Vermögen,
Als „Eiserner Bestand“ aus Einzahlungen von
15 lebenslänglichen Mitgliedern und zwar:
a) 4’ *°/o GroHsh. Bad. Partial-
obligationen von 1866 Lit.C.
Kr. 7387 K 600 -4
bl De« gl. Ui I». Nr. 41185 . , 800 — .
c) Pfandbrief der Khein. Hypo-
theken-Hank, Serie XIV.
Lit. D. Nr. 143 , 800 - .
d) Ke*ervefond 1000 — .
Zusammen: -ff. 2200 —
a) An Werth papieren
b) Haar in fasse . .
ft. 800
. H20
Jt 1920
Zusammen: -.ff, 1020
c) Hiezu die für die »tutistisch.
Erhebungen und die prä-
historische Karte bei Merk.
Fink k Co. deponirten . . . 5074
worüber bereits verfügt.
Zusammen : CA. 6904
Verfügbare Summe für 1870/80.
1. Jahresbeiträge von 1940 Mit-
gliedern k 3 JC JK 5820
2. Baar in Kasse 1920
Zusammen : • 41 7740
Herr I)r. Frans (Vorsitzender.)
Sie werden sich mit mir überzeugt haben, dass
wir auf unsern Schatzmeister stolz sein können, wie
auf ein Juwel. In dieser Zeit, wo es fast zum
guten Ton gehört. Defizit zu haben, eine Gesell-
schaft zu finden , die solche glänzende Resultate
aufzuweisen hat, wie wir sie soeben vernommen
haben, gebührt nnserra Kassier unsere volle Hoch-
achtung und unser aufrichtiger Dank. Ordnungs-
gemäss muss ihm aber doch eine Control« gesetzt
und ein Ausschuss zur Prüfung der Abrechnung
ernannt werden , daher ersuche ich die Herrn,
die voriges Jahr dies Geschäft besorgt haben,
Herrn Kraus und Härchen sich wiederum die-
sem Geschäft zu unterziehen und Herrn Ger-
land, sich diesen beiden Herrn anzuschliessen.
In der IV Sitzung wurde von Herrn Weis-
ninnn der von der Vorstandschaft aufgestellte Etat
vorstehenden Kassen Verhältnissen entsprechend mit-
get heilt:
Etat für das Geschäftsjahr 1879 80.
Verfügbare Somme
.ff
7740 SA
Aufgaben.
1.
V erwalfcungnkosten .
,A
800 —
2.
3.
Druck de» Correspondensblattes
3000 —
Zu Händen de« Generalsekretäre
60« —
4.
Zu Händen des Schatzmeister»
.80« —
5.
Redaction de» Correspondenz-
blatte»
800 —
i
I>ruck de» Kassenberichte« . .
100 -
7.
Stenographen
400 —
: 8.
Herrn Haron Trültsch für die
prähistorische Karte ....
4 0 —
9.
Für Berichterstattung . .
150 —
10.
Für den Rewervefond ....
500 —
11.
Für die «tatist. Erhebungen
500 —
1 12.
Für die prähistorische Kurte
500 —
! 13.
Für unvorhergesehene Aufgalten
190 65
Zusammen: ,A 7740 55 ry
In der gleichen (IV.) Sitzung wurde durch
Herrn Härchen, den Sprecher der Keclmuugs-
Commifision , der Abrechnung pro 1878,79 De-
charge ertbeilt.
Berichterstattung der Commissionen.
1. Die prähistorische Karte.
Herr 0. Frans (als Vorsitzender der Com-
mission) :
Als Berichterstatter für die prähistorische
Karten kommission hala? ich Ihnen mitzutheilen,
dass sieb der Schwerpunkt der Kartenarbeit nach
der Südw'est-Ecko Deutschlands legte, sowie im
vorigen Jahr die Nordost-Ecke den Angriffspunkt
bildete. Ueber diese Arbeit wird Ihnen der Ver-
fertiger unserer Karte, Herr Baron v. TrÖltsch,
ausführlicherer mittheilen. Mir bleibt nur die
4*
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92
Aufgabe, den Förderern derselben , den Herren
Örünewald in Metz , Nessel in Hagenau,
der kaiserl. Universitäts-Landesbibliothek in Strass-
burg. Herrn Wagner in Carlsruhe und Herrn
Frank in Schussenried den Dank der Gesell-
schaft auszusprechen. Ausserdem sind schätzens-
werthe Beiträge zur Karte eingegangen von Rit-
tergutsl>esitzer Udo von Alvensleben zu
Schollene, Kreis Jerichow, Robert Eisei zu
Gera, Dr. A. Richter zu Saalfeld, Professor
Klopfleisch zu Jena, von dem Vorstand dee
kulturhistorischen Museums zu Lübeck, die Ar-
beiten des Herrn Zollinspektors J. Gross, Dr.
R. B 1 a s i u s in Braunschweig und von dem Mu-
seumsdirektor in Kiel Prof. Handelmann.
Herr Baron von Tröltach :
Von der deutschen Gesellschaft für Anthro-
pologie mit der ehrenden Aufgabe betraut, die prä-
historische Karte von Deutschland zu entwerfen,
erlaube ich mir Ihnen Uber meiae Arbeiten in
den letzten 10 Monaten zu referiren.
Das Resultat derselben erblicken Sie in vor-
liegendem skizzirten Tableau.*) Dasselbe umfasst
Süd Westdeutschland und die Schweiz; von dem
angrenzenden Bayern und Frankreich aber nur
soviel , um die ungefähre Fortsetzung der prähi-
storischen Verhältnisse nach Osten und Westen
ersehen zu können.
Einzeichnungen in die Reymann’sche
Karte, weleho dieser Arbeit vorangegangen sind,
erhielt ich nur von Herrn Dr. Mehlis über die
Pfalz, von Herrn Bürgermeister Nessel über die
Grabhügel des Bezirkes Hagenau i. E. ; weniges
über Baden von Herrn Hofrath Ecker und
Uber Württemberg von Herrn Professor Fr aas.
Das gesammte vollständigere Material musste ich
daher erst nach längeren Vorstudien aus über 50,
zum Theil sehr umfangreichen Werken sammeln.
Ich will Sie mit deren Aufzählung nicht er-
müden , möchte aber erwähnen , dass ich hiebei
nur die zuverlässigste Literatur benützte, so z. B.
für K lsass die 15 Bände Bulletins de la socitHe
pour U Conservation de monuments liistoriques
d’Alsace. — Bleicher und Faudel: MattSri-
aux pour une ötude prthistorique d’Alsace u. s. w.
Die Darstellungsweise auf dieser Karte, welche
von mir in Vorschlag gebracht und von der
Generalversammlung in Kiel angenommen wurde,
besteht in folgendem .System : 6 Farben bezeich-
nen die vorgeschichtlichen Perioden und Fund-
stoffe: dunkelroth die ältere, hellroth die neuere
Steinzeit, gelb die der Bronze, blau jene des Ei-
*) Daiwelbe folgt in reduzirtem Maas^tabe dem
Jahre« berichte ul« Beilage,
sens, grün gemischte Funde aus Bronze und Ei-
sen, Neutralfarbe Fundstätten ohne obige Stoffe.
Mit diesen Farben werden nun die einzelnen prä-
historischen Zeichen , die hier unten angegeben
sind, möglichst genau in die lteyrn an n ’sch e
Karte eingetragen und sodann diejenigen von
gleicher Farbe und deren Entfernung etwa 1
Meile beträgt, in grössere oder kleinere von Cur-
ven begrenzte Flächen vereinigt , wie Sie auf
vorliegendem Tableau erblicken. An denselben
erkennen Sie sogleich das in prähistorischer Zeit
bewohnte und eben damit das erforschte prähi-
storische Terrain
Hiebei treten Ihnen zunächst 3 grosse farbige
Hauptzüge vor Augen: der eine läuft von SW.
nach NO., von Genf bis Nördlingen, von diesem
zweigen sich die beiden andern nach Norden ab,
der eine bei Biel bis Worms, der andere bei Sig-
maringen bis Neckarsulm. Diese 3 Hauptstreifen
folgen dem Laufeder Hauptgewässer : dem Rhein,
dem Neckar, der Donau, sowie der Aar und den
Seen der Westschweiz. Die kleineren farbigen
Streifen dagegen entsprechen meist der Richtung
der Nebenflüsse.
Die Hauptgewässer bildeten somit die Haupt-
verkehrsstrassen, ihre Zuflüsse die Verbindungs-
wege in vorgeschichtlicher Zeit. Neckar und
Donau geben uns hiefür die unzweideutigsten Be-
lege, indem wir diese Hauptvorkehrsstrassen durch
die Nebenflüsse Lautor und Erms einerseits, die
Lauchert und Schmiech mit der Eyach ander-
i seits verbunden sehen. Die beiden ersten bilden
sogar eine reine Bronzeverbindungsstrasse.
Ausser diesen Strassen sind aber an den ein-
zelnen farbigen Punkten auch die kleinen Ver-
kehrswege zu erkennen ; so z. B. an diesen 4
rotben Punkten ein solcher zur Steinzeit zwischen
Chflteau Salins und Luneville.
Wie die farbigen Flächen, so haben aber auch
die weisseü ihre Bedeutung. Wir erkennen an
ihnen das in prähistorischer Zeit unbewohnte, wie
das Doch nicht durchforschte Terrain. Zu erste-
rein zählen wir den Kamm der Vogesen und des
Schwarzwaldes, den Murrhardter und Mainhardter
Wald u. a., sowie das schweizerische Hochgebirge.
Zu letzterem aber gehören bedauerlicher Weise
fast die ganze badische Rheinobene und der
grössere Theil von Deutsch-Lothringen. Trotzdem
sind aber auch diese grösseren oder kleineren
weissen Flächen von grossem Werth ; denn sie
1 dienen uns mehr oder weniger als zuverlässige
j Wegweiser bei weiteren Forschungen.
Von besonderem Interesse ist ferner eiue ver-
I gleichende Betrachtung der einzelnen farbigen
Flächen. Wir Anden dieselben zwar in allen
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93
Gependen unserer Karte, aber in ungleicher Ver-
theilang und Starke. Am schwächsten sind die
beiden Steinzeiten , namentlich die ältere , am
stärksten die Metallzeit vertreten. Höchst wich-
tig hiebei ist aber deren geographische Verkeil-
ung. Beide Steinperioden überwiegen nämlich im
Westen, die Metallperiode dagegen im Osten.
Diese Beobachtung fuhrt uns daher unwillkürlich
zu der Annahme, dass die früheste menschliche
Einwanderung von Westen , die zur Bronzezeit
dagegen aus Osten ; vielleicht auch theU weise von
Süden erfolgte Für unsere erste Hypothese ha-
ben wir die beste Begründung durch die beiden
prähistorischen Karten von Frankreich : l . Carte
de la Gaule, öpoque antehistorique (Age de la
pierre) gisements quaternaircs et cavernes. Pub-
lice pur la commission de la topographie des
Gaules. 2. Carte de ln Gaule depuis les
temps les plus reculös jusqu’ a la conquOte
romaine; dressee etc. par la Commission sptfciale
d’aprcs les ordres de 8. M. Pempereur 1869.
Auf diesen Karten finden wir beide Steinzeiten,
namentlich die ältere, in grösseren massigen Grup-
pen westlich der Rhöne und Saöne über ganz
Frankreich vertheilt ; während mir schwache Aus-
läufer gegen die Schweiz und Deutschland Vor-
dringen und in dessen westlichen Grenzgebieten
sich allmühlig in vereinzelten Punkten verlieren.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen wen-
den wir uns zu den speziellen der einzelnen Fund-
stätten.
Wir beginnen zu diesem Zwecke mit der äl-
testen Steinzeit, deren Repräsentanten dieHöb-
len mit geschlageneu .Steinartefakten und Ueber-
reslen von verschiedenen Thieren der arktischen
Periode sind. Hiebet* gehören die Höhlen des Mt. 8a-
U*ve bei Genf, die bei Villeneuve, St. Hippolyte,
Liesberg und Ober-Larg, Pierre la Treiche bei
Toul , die Höhlengruppe bei Schaffhausen , die
Höhlen bei Friedingen an der Donau, der „hohle
Fels“ hei Schelklingen , der „hohle Stein“ bei
Ober-Stotzingen und die „Ofnet“ bei Nördlingen.
ln diese Periode rechnen wir ferner dio Renn-
thierstationen von Egisheim, Munzingen und
jene berühmte an der Quelle der Schüssen.
Reicher finden wir die Steinzeit jüngeren
Alters ausgeprägt ; zwar nur in einzelnen H ö h 1 e n
am Mt. Salfcve, im schweizerischen Jur» bei Oels-
berg, in der Höhle von Cravanebes bei Beifort,
in denen bei Toul, Erpfingen auf der schwäbischen
Alp und Herbrantz bei Lindau. Dagegen sind
höchst zahlreich die Pf n h 1 b a u t e n an fast allen
schweizerischen Seen und an vielen Mooren ; na-
mentlich am Genfer-, Nouchateler-, Bieler-, Mur-
tener- , Sempacher- , Züricher- , PfHftikoner- und
Boden-See , sowie bei Dürrheim unweit Donau-
eschingen. Zu diesen Pfahl Wohnungen gehören
ferner die Packwerkbauten von Nioderwyl bei
Frauenfeld und jene im Steinhäuser Ried, ganz in der
Nähe der an der Schussenquelle gelegenen ltenn-
thierstation. Ueberreste von Wohn un g eu auf dem
Lande zur Steinzeit wurden in dar Schweiz in der Ge-
gend von Biilach, Baden und Meis gefunden. Ausser-
dem aber geben sich auch die Übrigen grossen
rothen Flächen bei Metz, Toul, Landstuhl, Dürk-
heim, Strassburg. Colmar, Oelsberg u. s. w. un-
zweifelhaft als Niederlassnngsplätze aus noolythi-
scher Zeit zu erkennen.
Weit mehr Altorthtimer aber finden wir in der
nun beginnenden Bronzezeit. Sind es zwar nur
die wenigen Höhlen auf dem Mt. Saleve, bei
Delsberg, Toul, Beuron bei Sigmaringen und Er-
ptingon, in welchen neben polirten Steinwerkzeu-
gen auch solche von Bronze gefunden wurden, ko
sind an solcher um so reicher die Pfahlbauten
an den westschweizerischen Seen, besonders an dem
Bieler- und Neuenburger-See mit ihren kostbaren
Waffen und Scbmuekgeräthen. Nach Osten ver-
mindert 6ich die Zahl der Bronze- Pfahlbauten,
so besitzt der Bodensee nur 5. darunter eine
am kleinen Mindli-See, zwischen dein Radoltzeller-
und Ueberlinger-See.
Als weitere Altertbümer der Bronzezeit sind
zu erwähnen : Die Dolmen, theilweise noch der
Steinzeit angehörond. Da solche ihren Hauptsitz
in Frankreich haben, finden wir sie hier auf un-
serem Gebiete nur in wenigen vereinzelten Exem-
plaren z. B. südlich Genf, bei Oelsberg, auf dem
Odilienberg (?), Gross - Limmersberg und Metz.
Die östlichsten liegen bei Schopfheim in Baden
und Hermetswyl, C an ton Aargau.
Grössere Verbreitung haben die Menhire.
Obgleich von den mehr als 100, die Spocklin
einstens auf dem Vogesen kämm zählte, der grössere
Theil zu Grunde gegangen ist, finden wir die-
selben doch noch in einer fortlaufenden Linie von
Diedenhofen über Metz, Saarbrücken, den Kücken
der Vogesen und des schweizerischen Juras in
das nördliche Savoyen ziehend. Ihre östlichste
Verbreitung hal>en sie im oben Rhonethal und
nördlich des Pfäffikoner Sees. Auf dein rechten
Rheinufer, in Baden , Württemberg und Hohen-
zollern fehlen dieselben gänzlich.
Von Crom lech 8 finden wir 5. je einen bei
Bitseh, Mackweiler und auf dem Pnrpurschloss,
2 bei Thann.
Die sogenannten Wagsteino,Spillateine,
Spindelsteine oder pierres branlantes
will ich hier ebenso wenig weiterer Besprechung
unterziehen, als die,, roch es ve nt1 re es“ u. a.,
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deren prähistorischer Werth and Bedeutung noch
nicht genügend ergründet ist. Dagegen verdienen
Erwähnung:
Die Schalensteine. Sie sind bis jetzt nur
in der Schweiz nachgewiesen, wo sie hauptsächlich
in der Umgebung des Genfer-, Neuchüteler- und
Bieler-Sees liegen und von letzterem sich östlich
ziehend , bis an den PfUffikoner - See und Meis
reichen.
Dos Gebiet der Opferstätten ist bis jetzt
noch mangelhaft erforscht ; jedoch dürfen wir im
Elsnss mit fast voller Bestimmtheit den Odilienberg,
den Katzenberg, den Jardin des fees und den
Ziegenberg bei Niederbronn als solche betrachten,
in Schwaben die vulkanischen Kegel des Hegaus,
namentlich den Hohentwiel und Hohenkräben mit
Funden gleich denen der Constanzer Pfahlbaute.
Auch ein grosser Theil der in das Neckar- und
Kerns-Thal vorspringenden Berge, wie die Lochen |
bei Balingen und auf dem Härdtfelde der Ipf,
Goldberg und Hesselberg lieferten ähnliche Funde
in kohliger Erde.
Befestigun gen treffen wir auf den Höhen
des Hardtgcbirgs, der Vogesen (8t. Odilien, Schloss
Landsberg, Frankenburg, Tännichei. Kingeistein
u. s. w.), des schweizerischen und schwäbischen Ju-
ras, wenige auf dem Schwarzwald. Am Rheine
zieht sich von Mummern an eine fortlaufende
Linie von Befestigungen bis Woldahut, von wo
dieselbe , dem Laufe der Aar folgend , sich bis
gegen den Genfer-Soe erstreckt. Auch auf den
Höhen zwischen der Glatt und Limmat und ent-
lang des linken Illerufers sind Verschanzungen
aus keltischer Zeit vorhanden. Ihre Form ent-
spricht derjenigen der zu befestigenden Bergkuppe
und ist daher bald drei-, bald viereckig, bald
oval, am häufigsten aber rund: daher ihr Name
Rund- oder Ring-Wall (in der Schweiz : R e f u -
gien). Ausserdem kommen in der Pfalz noch üalb-
Ilingwälle — Ab s a t z w ä 1 1 e genannt — vor. Sei- |
tener sind in unserem Gebiete die L a n g w ä 1 1 o
Kurze Strecken solcher finden wir bei Saarbrücken,
auf der „rauhen Alp“ im Oberamt Urach (der
u. s. w. Während die Befestigungen der Vo-
gesen, „Heidenmauern“ genannt, meist aus trocke-
nen Mauern bestehen, wie die auf dem Odilien- ,
berge ca. 3 Stunden im Umfange messende, sind
die in den andern Gegenden grossentheils nur
Erdwälle.
Mardellen, bald als Befestigungs-, bald als
Wohnanlage betrachtet, wurden bei Dürkheim !
a. d. H., Uh&teau Sulins, am Rheine im Canton
Aargau und an der Iller bei Memmingen u. a. ,
0. beobachtet.
Wohnstätten, oder wenigstens unzweifel-
hafte Ueberreste solcher, wurden in der Schweiz
bei Baden, bei Bülach, bei Winterthur und Meis
konstatirt.
Giesseroien mit Formen fanden sich bei Eli
im Eisass, bei Echallens nördlich des Genfor-
Sees, am Neuchäteler-, Bieler- und Thuner-See,
nordwestlich von Bern und bei Oberwinterthur.
In grösserer Zahl al>cr als die bisher er-
wähnten prähistorischen Denkmäler, treffen wir die
Begräbnisstätten aus der Bronzezeit:
Die ältesten derselben, vielleicht noch theil-
weise der Steinzeit angehörend, sind die kurzen
Flach grä bei* von nur 70 bis 135 cm Länge mit
Skeletten in hockender Stellung, wie solche z. B.
unter dem Namen lesCachettes in der Gemeinde
Morville les Vic Vorkommen, ferner die von Pierre
Portay (bei Lausanne), die bei Lutry und jene
von Merzhausen bei Freiburg i. Br.
Oefter aber kommen die längeren Flach-
gräber vor. Wenn auch vereinzelt, findet man
dieselben doch auf diesem ganzen Gebiete, Württem-
berg ausgenommen, wo sie fast ganz fohlen.
Weit bedeutender jedoch ist die Verbreitung
der Grabhügel, welche ausserdem in grösseren
oder kleineren Gebieten und in diesen wieder in
Gruppen von verschiedener Grösse auftreten. Die
grösseren Gebiete liegen namentlich
in der Pfalz: zwischen Worms und Zweybrückeu;
im Elsass : itn Hagenauer Forste und bei Ober-
Ehnheim;
in Baden : bei Sinsheim ;
in Württemberg am mittleren Neckar, an der
oberen Donau uud in Hohenzollern, auf dem
Härdtfelde bei Aalen und an der mittleren
Jagst bei Kirchherg;
in der Schweiz: in den Cantonen Zürich und
Bern ;
im bayerischen Grenzgebiete: zwischen der
(«ünz und Iller;
das grösste Grabhügelgebiet aber befindet sich
in dem anstossonden Frankreich : l>ei Aloise,
südlich von Besamen, welches mehrere 1000
Hügel umfasst.
Die Grabhügel haben fast alle die Form eines
Kugelsegments von 2 bis 0 und mehr Meter
Höhe und einen Durchmesser von 5 bis 50 m.
Eine Ausnahme hievon bilden einige wenige mit
ovaler Basis, sowie die langen wallartigen Tumuli
bei Blaubeuren und jener halbmondförmige auf
dem Mt. Vaudois bei Beifort. Derselbe enthielt
ausser Menschen- und Thier-Knochen nur Steinarte-
fakte; seine Länge betrug 400 m, seine Höhe
Über 3 V* m*
In allen Tumuli-Gebieten wechseln Bestattung
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und Leichenbrnnd ziemlich gleichmässig. Die
nicht verbrannten Leichname, wie die Urnen mit
der Asche der verbrannten, sind bald mit blosser j
Erde bedeckt, bald ruhen dieselben in einer von i
grossen Steinplatten errichteten Kammer. Nicht i
selten trifft man in der Mitte des Hügels einen
einzelnen grossen Stein oder einen aus grösseren ,
Steinen gebildeten, meist ringförmigen Steinsatz,
unter welchem in der Regel die Raste des Leich-
nams und die Kohlenplatte, auf der der Todte
verbrannt wurde, sich vortinden. Weit mannig-
faltiger, als die Anlage der Tumuli, sind die in
denselben vorkommenden Inlagen (Beigaben). Die-
selben sind bald reicher, bald ärmer. Je nach
dem Alter bestehen Waffen und Schmuck aus
Bronze , Eisen , oder heidem zugleich , aus Glas,
Gold, Bernstein u. s. w. und selbst das be-
scheidene Steinartefakt zeigt sich in manchen.
Eine fast beständige Beigabe aber bilden die
Urnen. Von den Tumuli unseres Gebietes ver-
dienen besondere Erwähnung die sehr armen auf
dem Härdtfelde bei Aalen, welche fast nur Urnen
enthalten ; die mit Cromlech im Innern auf dem
Todtenbergo bei Mackweiler; jene bei Hagenau i. E.
und Sigraaringen, wegen der grossen Aehnlichkeit
ihrer Beigaben, indem die an beiden Orten ge-
fundenen Brustbleche in Ornamentation so über-
einstimmen, als ob dieselben aus gleicher Stanze
geschlagen wären; die seltensten und kostbarsten
Funde aber enthalten die Tumuli von Grächwyl
bei Bern und Klein - Asperg bei Ludwigsburg.
Beide ergaben Funde von etruskischen Gefitssen,
der letztere sogar griechische Trinkschalen von
Terra cotta mit Figuren und Ornamenten geziert,
wie wir sie an griechischen Vasen so vielfältig
finden. Ueber diesen wohl einzig in seiner Art
bestehenden Fund werden Sie im Laufe unserer
Verhandlungen ausführlicheren Bericht von Herrn
Professor Fr aas erhalten.
Mit den neueren Tumuli haben wir uns aber
schon in die Periode des Eisens begeben und
aus derselben nachträglich folgende Denkmäler zu
nennen :
Die Pf ah Iba ute von La Tene am NeuchAteler-
See mit ihren Eisenwaffen von besonderer typischer
Form, sowie jene von Sipplingen am Ueberlinger-
See. Auch einige mit Bronze gemischte Eisen-
Pfahlbaustationen sind noch am Neuch&teler,-
Bieler- und Boden-See zu erwähnen.
Bergwerke zu Ausbeute des Eisens wurden
auf dem Schweizer- Jura bei Delsberg entdeckt. ;
ebendaselbst Giess- und Schmiede - W erk-
Stätten, dergleichen im Stümpfwalde westlich
Grünstadt in der Pfalz und bei Meis. Spuren
von solchen fand man im Walde südlich von
Nürtingen.
An die späteren Grabhügel reihen sich wohl zu-
nächst die wenigen Urnenfolder der Pfalz, sowie
die gallisch en Grä b er mit Grubsteinen von ogi-
valer Form, wie deren auf der Grenze von Eisass
und Lothringen im Walde von Gross -Limmers-
berg und Zobern auftreten. Mehr noch als diese
dürften die in der Pfalz und bei Strassburg ge-
fundenen Steinsärge der römischen Zeit ange-
hören. Nach diesen folgen wohl die jüngsten, soge-
nannten al lern a n n iseheo Tumuli, so benannt
wegen der in denselben enthaltenen Waffen und des
silbertauschirton Schmucks, wie wir solchen nur
zur alleinannischen Zeit finden. Diesen streng
ausgeprägten Typus zeigten besonders die Tumuli
von Neueneck, Canton Bern, und Altenklingen,
Cantos Thurgau , welche den Uebergang zu den
Reihongräbern bilden. Dieselben verbreiten
sich hauptsächlich im Gebiet zwischen Neckar und
Schwarzwald und ziehen von da, Neckar, Donau
und Rhein überschreitend, in südwestlicher Rich-
tung, der Aar folgend, bis nach Lausanne am
Genfer See. Ausserdem finden wir sie fast in
allen anderen Gegenden, aber seltener und ver-
einzelt. Die Anlage der Gräberfelder ist fast
Überall die gleiche: parallele Lage der einzelnen Grä-
ber unter sich. Ausnahmen bilden die Gräberfelder
von Fronstetten in Hohenzollern und von Beiair,
bei Chesaux sur Lausanne, mit zwei Reihen Grä-
bern übereinander, unten die Männer, oben die
Frauen, das von Balingen in Württemberg mit
radialer Stellung der Gräber, wie bei dem Gräber-
felde von Kleczewo in der Provinz Posen und
jenes von Li verdun bei Nancy, bei welchem im
Westen die Gräber der Männer, Östlich von diesen
die der Frauen und dann jene der Kinder sich
befinden. Ebenso ist der Bau der Gräber fast
überall derselbe, deren Wände sind bald ohne,
bald mit Stein Verkleidung, selten aber gemauert
oder der Boden mit einer Lehralage versehen.
Der Inhalt der Gräber wechselt zwischen ärmeren
und reicheren Beilagen. Besonders reiche Funde
enthalten die Gräberfelder von Beiair, Ulm, Pful-
lingen, Fronstetten, Langenenslingen u. a Als
Charakteristikum der Reihengräberfunde figuriren
die eisernen Waffen : die Spathae (lange Schwerter)
und Scramaaaxe (kurze 8ch werter), die Angonon
(Speere mit Widerhaken), die Umboa (Schild-
buckeln I, sowie die eisernen, silbertausch irten
Scbmnckwaaren. Die beigegobenen Thongefässe
sind meist auf der Drehscheibe geformt, wodurch
sie sich streng von jenen der Grabhügel unter-
scheiden. Nicht selten findet man in den Reihen-
gräbern römische Münzen und selbst christliche
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Embleme, wie Kreuze und dergleichen fehlen !
nicht. Hiomit aber schon in die historische Zeit
geführt, schliesse ich meinen Ueberblirk über die
prähistorischen Verhältnisse von Süd Westdeutsch-
land und der Schweiz.
Ich erlaube mir demselben beixufügen , dass
nur bei so grossem Masstabe, wie diesem, es
möglich ist, so reichhaltigen Stoff auf einer und
derselben Karte deutlich einxuzeichnen. Hei Her-
stellung der Karte aber für unseren Verein wird es
unumgänglich nüthig sein, all dieses Material auf
einige Kartenblftttcr zu vertheilen, welche etwa
folgenden Inhalts wären :
Nr. \. eine Karte der prähistorischen Stoffe,
angegeben in farbigen Flächen und
Punkten,
Nr. 2- Karte der beiden Steinperioden,
Nr. 3. Karte der Metallzeit mit Weglassung
der Reihengräber,
Nr. 4. spezielle Karte der Grabhügel und
eventuell
Nr. 5. eine Reihengr&ber-Karte.
Mein Bestreben ist, Ihnen schon an einer der
nächsten Generalversammlungen eine Bearbeitung
den ganzen deutschen prähistorischen Gebietes vor-
zulegen. l>iess wird mir aber nur möglich sein,
wenn ich auf Ihre regste Unterstützung rechnen j
kann, um die ich Sie Alle recht dringend ge- I
beten haben möchte.
Herr Professor Ohlenschlager:
Ich habe hier einige Versuch sblfttter der
prähistorischen Karte von Bayern mit gebracht
und angeheftet, ich nenne sie Probeblätter, weil
hei der Anfertigung der Platten noch verschiedene
Versuche gemacht wurden, um einzelne Fehler
und Unebenheiten daraus zu entfernen. l)a nun ,
die Anfertigung dieser Karte mit dem grossen
Kart eu unternehmen der deutschen Gesellschaft
für Anthropologie zusammcnhlingt, so möchte ich
mir erlauben . einiges über die Art und Weine
der Kartenbestellung und die abweichenden
Zeichen zu sprechen. Die Vorarbeiten waren,
wie Sie leicht begreifen werden , nicht ohne
Schwierigkeit, da jede Provinz ihre eigenthüm-
lichen Vorkommnisse hat, und die aus früherer
Zeit vorliegenden Arbeiten nicht alle gleich gut
verwendbar waren. Am meisten vorgearbeitet
war in Schwaben, Oberbayern, Pfalz und Mittel-
franken, wo Spuren der Thätigkeit von Stich-
auer, von Kaiser u. A. Vorlagen. Alle diose
Vorarbeiten waren aber in hunderten von Jahres-
berichten und Publikationen der bayerischen
Vereine vertheilt und mussten erst zusammenge-
sucht werden. Die den Drucken zu Grund lie-
genden handschriftlichen Berichte waren tbeii-
weise verschollen , und war es meine Aufgabe,
der ich mich in den letzten fünf Jahren in
meiner Ferienzeit vollständig widmete , dieses
Material, dessen frühere« Vorhandensein ich kannte,
an den einzelnen Orten aufzusuchen. Die Be-
mühungen waren nicht erfolglos, denn es gelang,
dio handlich riftlichen Berichte bis auf ganz wenige
aufzufiuden und für unsere Zwecke dienstbar zu
machen. Namentlich wichtig waren diese da-
durch , dass sie eine Anzahl von nicht veröffent-
lichten Zeichnungen enthielten , zum Theil von
Gegenständen , welche jetzt verschwanden sind,
und die nun auch oftmals die einzige Möglich-
keit bieten, den Funden in den Sammlungen ihre
richtige Stellung anzuweisen. Der vorhandene mög-
lichst vollständig zusammengebrachte Stoff wurde mit
Hülfe genauer topographischer Aufnahmen auch an
die richtige Stelle gesetzt und so war es möglich, in
diesem Jahre die drei ersten Blätter herzustellen.
Sie umfassen einen Theil des schwäbischen und
oberbayerischen Gebiets. Ueber die Schlüsse, die
sieh aus dem Studium dieser Blätter etwa ziehen
lassen . will ich noch nicht reden , da es erst
geschehen kanu, wenn die ganze Karte vollendet
ist. Nur das möchte ich bemerken , dass die
römischen Fundstellen und Schanzen nicht mit
aufgenornmen wurden, denn dieselben sind viel-
fach an den nämlichen Plätzen, wo sich auch die
prähistorischen Fundstellen linden und es wären
somit die Zeichen über- oder ineinander zu liegen
gekommen. Nur die Hauptstrassen aus römischer
Zeit wurden , soweit sie festgestellt sind , auf
vielfachen W unsch noch eingetragen , während
die Gesanimtdarstellung der römischen Funde
eine besondere Arbeit erfordert , und für diesen
Zweck eine besondere Karte entworfen wurde.
Es ist nun mein inniger Wunsch, dass diejenigen
Herren , welche sich mit der Knrtirung ihrer
Landestheile befassen , die Karten ansehen und
mir Mittheilung machen wollen , welche Fehler
sie entdeckten. Ich glaube, dass durch privaten
Meinungsaustauch mehr gewonnen wird, als durch
öffentliche Diskussion und bitte, mich ducrh
Mittheilungen etwaiger Anstände und Aufstell-
ungen möglichst zu unterstützen.
Herr Wagner (Karlsruhe):
Angesichts dieser Karte habe ich als gr.
badischer Conservator der Alterthümer etwas die
Empfindung de« Angeklagten. Es ist nicht za
verkennen , dass auf ihr ein bedeutender Theil
der süddeutschen Ecke weiss gelassen werden
musste , und dass dieses gerade auf dem badi-
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sehen Gebiet nm meisten der Fall ist, während
die übrigen Länder mehr oder weniger mit farb-
igen Flecken bedeckt erscheinen, mit anderen
Worten, dass die südwestdeutscho Ecke, bezüg-
lich das badische Gebiet, von der Forschung
noch nicht gehörig bearbeitet worden ist. Es ist
dies allerdings zu bedauern , denn gerade jene
Ecke ist für die prähistorische Forschung, wie
für den Anfang der historischen Zeit sehr wichtig.
Die Funde, die hier schon gemacht worden sind
und die Angaben der alten Schriftsteller geben
Beweise dafür. Wir wissen Genaueres über die
Volkszüge, die hier herüber und hinüber statt-
gefunden haben, wir wissen z. B., was der grosse
römische Historiker von allerlei Lumpengesindel
meldet , das sich damals im Zehntlande berum-
trieb, und das unzweifelhaft Spuren seines
Daseins bei uns zurückgeln&en hat. Indessen,
wenn in Baden seither die prähistorische
Forschung den Nachbarländern gegenüber zu-
rückgeblieben ist , so darf ich immerhin auf
das Recht des Angeklagten Anspruch machen,
mildernde Umstände zu plädiren: Fürs Erste sind
ja doch auf dem badischen Theile der Karte
auch einige kräftige farbige Flecken vorhanden,
welche in willkommener Weise erinnern an die
zu ihrer Zeit sehr bedeutenden und mit grosser
Sorgfalt und Umsicht ausgeführten und beschrie-
benen Ausgrabungen in der Umgegend von Sins-
heim durch die Bemühungen des verdienstvollen
dortigen Dekans W i lhe 1 mi, an die seiner Zeit
durch Schreiber, und jetzt durch das verehrte
Haupt unseres badischen Zweigvereins unter-
nommenen Forschungen in der Gegend von Frei-
burg , an die Thätigkeit des Herrn Mayer in
Donnneschingen, des Herrn Lein er in t'onstnnz
u. a. m. Weiter wäre anzutführen, dass seither das
archäologische Interesse in Baden sich mehr «als
sonstwo ganz besonders der Untersuchung der
reichlich vorhandenen römischen Reste zugewendet
hat, so dass, wenn es sich um die graphische
'Darstellung der letzteren handelte, das badische
Gebiet stark, vielleicht nur zu stark, mit farbigen
Linien und Funkten gefüllt erscheinen würde.
Dies legt mir beiläufig die Frage nahe. ob.
wenn doch, bei den Schwierigkeiten, die Grenzen
des Prähistorischen festzustellen, unsere Unter-
suchungen selbst die fränkische und alemannische
Zeit mit herelnzuziehen haben, es sich nicht em-
pfehlen würde, das Römische nicht so prin-
cipiell von denselben auszuschliessen.
Mit der Bitte , um Anerkennung solcher
mildernder Umstände, gluube ich nun aber, wie
es sich für den Angeklagten immerhin geziemen
mag, auch Besserung versprechen zu können,
umsomehr , als niuncho Anzeichen auf wirkliche
Besserung hinzudeuten scheinen. Einer der wich-
tigsten Faktoren, auf welche unsere Bestrebungen
allenthalben rechnen müssen, ist, wie Sie alle
wissen , das aufmunternde und unterstützende
Interesse der öffentlichen Meinung im Lande
selbst. In dieser Beziehung begrüsse ich es be-
sonders dankbar, dass diese Versammlung so nahe
an unsern Grenzen zusainmengekomnien ist , und
ich glaube, dass die Kunde von den interessanten
Verhandlungen, welche hier gepflogen werden,
wenn sie zu uns hinüberdringt , das allgemeine
Interesse aufs Nene für die Bestrebungen der
anthropologischen Gesellschaft wach rufen und
nachhaltig mahnen wird , was etwa bisher ver-
1 säumt ist, noch Kräften nachzuholen.
2. Die kraniologiachen Sammlungen Deutschlands.
Herr Scliaaffhausen :
i Ich kann für den Uesammtkatalog der anthro-
j pologischen Sammlungen Deutschlands Ihnen zwei
I weitere Beiträgo gedruckt vorlegen : 1 . die kra-
niologischen Sammlungen von Königsberg und zwar
die der k. Universität daselbst , sowie die der
Gesellschaft Prussio, von dem Herrn Professor
Kupffer und Herrn Bessel- Hagen aufge-
nommen , und 2. die kraniologische Sammlung
des grossherzoglichen Naturalien-Cabinets im
Schlosse zu Dann Stadt, von mir selbst bearbeitet.
Ich habe der Darmstädter Sammlung schon die
I Nr. 9 gegeben, weil die Kataloge der andern
grösseren Sammlungen schon druckfertig vorlie-
gen, nämlich die vou Leipzig, von Stuttgart und
die der von mir in diesem Jahre aufgenomnienen
Sammlungen von Giessen und von Frankfurt aM.
I Die Veröffentlichung der grossen Kataloge von
Leipzig, Stuttgart und Frankfurt a;M. ist nur
dadurch hinausgeschoben worden , weil ich nach
| dem Vorgang von Ecker im Freiburger Katalog
I es für sehr zweckmässig und dem ursprüngln-heti
| Plane entsprechend halte, für alle Orte auch eiu
Verzeichnis* der etwa vorhandenen prähistorischen
oder ethnologischen Sammlungen hinzuzufllgen.
Ich hübe auch bereits von den oben genannten
Orten das Material für ein solches Verzeichnis*
in Händen , dessen zweckmässige Zusammenstell-
ung mir selbst obliegen wird. Ich gestehe, dass
die Herbeischaffung des prähistorischen und ethno-
logischen Materials fast noch mehr Schwierigkei-
ten macht, als die Zusammenstellung des kraoioine-
t rischen Theiles unseres Gesummt kataloges. Ich
will bei diesem Anlass es nicht unterlassen, den
1 Vorstehern aller der von mir bisher bearbeiteten
, Sammlungen, Herrn Prof. Baron v. Lavalette
St. George iu Bonn, Geh. -Rath Prof. H e n I e iu
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OB
Göttingel), Geh.-Rath Prof. Leuck a rt in Leipzig,
Prof. K r a u $ 8 in Stuttgart , Prof. E c k b a r d in
Giessen, Prof. Lucae in Frankfurt aM sowie
Herrn Prof. R. Hof mann in Darmstadt für
die zuvorkommende Weise, mit der sie mir ihre
Sammlungen zur Verfügung gestellt haben, mei-
nen aufrichtigen Dank auszusprechen. Als Bei-
gabe zu dem kraniologischen Katalog von Königs-
berg ist von Herrn Otto Tischler auch eiu
Verzeichnis» der Sammlung der physikalisch-öko-
nomischen Gesellschaft daselbst angefertigt worden,
das zum Theil hier bereits gedruckt vorliegt. Von
der Sammlung der Gesellschaft Prussia in Königs-
berg hat der zeitige Vorsitzende der Gesellschaft
Herr Dr. Bujack mir auf meinen Wunsch ein
Vorzeichniss aufgestellt. Das Munuscript befindet
sich im Druck. In Bezug auf München , dessen
kraniologischer Katalog vor einigen Jahren bereits
abgefasst ist, hat Professor R üd i n ger es über-
nommen, denselben zu ergänzen und reicher aus-
zustatten. Er würde diese Arbeit bereits ausge-
itlhrt haben, wenn nicht unterdessen die Münchener
Sammlung ein Geschenk von 200 ägyptischen
Grabscbüdeln durch Herrn Dr. Mook aus Cairu
erhalten hätte. Auch diese höchst werth vollen
Schädel will Herr Prof. 1< ü d i n g e r für den Ka-
talog bearbeiten. Wir sind nun mit unserer Ar-
beit schon fast über die Hälfte der grösseren
Sammlungen hinaus, da nur noch die von Ber-
lin und Hallo, sowie von Würzburg , Dresden.
Heidelberg, Jena und Tübingen übrig bleiben, die
ich zum Theil selbst in Jahresfrist noch zu bear-
beiten gedenke. Dann erst werden die Privat-
Sammlungen folgen, unter denen die bedeutendste
die des Herrn Dr. Emil Schmidt in Essen ist,
der die vanderllouve n’scbe Sammlung besitzt,
die er indessen bedeutend vermehrt hat, nament-
lich durch ägyptische Schädel. Er ist mit der
Aufstellung dos Katalogs beschäftigt. Sie sehen,
dass die Arbeit im vollen Gange ist, und ich
hoffe, dass wir in zwei Jahren ein Werk besitzen,
welches das in Deutschland vorhandene anthropo-
logische Material für unsere Wissenschaft in so
vollständiger Weise vor Augen stellt, wie das für
kein anderes Land bisher geschehen ist.
Ich berichte auch über die Verhandlungen in
Bezug auf Herstellung einer internationalen Me-
thode der Schädelmessung. In Kiel wurden Ecker,
Vircbow und ich als Mitglieder einor Commis-
sion erwählt , die mit drei von der Pariser an-
thropologischen Gesellschaft zu wählenden Gelehr-
ten zu diesem Zwecke in Verhandlung treten sollte.
Es fanden vorbereitende Besprechungen sowohl
von Seiten Virchow’s als von mir mit den
Herren Broca und Topinard in Paris statt.
Die Sache stellt sich schwieriger dar, als vielleicht
Manche dachten. Ich habe bei meiner Anwesen-
heit in Paris während der Ausstellung mich mit
den Herren Broca und Topinard eingehend
Über die Frage , wie eine Uebereinkunft in dem
Messverfahren zu erzielen sei , unterhalten und
Broca hat mir seine Einrichtung, die Schädel
auf der Oborkieferrand-Condylus-Linie horizontal
zu stellen lind die Orbitaluchse zu bestimmen,
vordemonstrirt , auch hüben wir zusammen nach
seiner Methode die C&pacität des Schädels mit
Schrot ausgemessen. Ich habe dann in der Sitzung
der Pariser anthropologischen Gesellschaft vom
10. Oktober 1878 meine Ansicht über die Hori-
| zontale des Schädels dargelegt, und Broca hat
darauf erwidert. Es ist zunächst nicht unwich-
tig zu wissen, dass in Bezug auf die meisten bei
uns üblichen SchädcUuaasse mit den Franzosen
leicht eine Vereinbarung getroffen werden kann;
doch wünschen sie, dass man auch die Broca'scbe
Horizontale als die zweckmäßigste anerkenne und
nach Broca’s Methode die CapacitHt bestimme.
Man erwartet von der deutschen Commission Vor-
schläge, die den französischen Mitgliedern derselben
vorgelegt werden sollen. Aber soweit Ist die
Sache in der Thal noch nicht gediehen, da wir
ja in Deutschland über die Horizontale lins noch
nicht geeinigt haben. Es handelt sich zunächst
um eine Prüfnug der nicht nur in Frankreich,
sondern auch anderwärt« z B. bei den Russen
anerkannten B r oca’scben Linie und ebenso um
die Frage, ob Broca1» Methode, die Capacit&t zu
bestimmen, in der Timt zuverlässiger sei, als die
von andern Forschern geübte. Es ist bekannt,
dass Broca jene Linie, welche er als die für die
meisten Schädel richtigste Horizontale empfiehlt,
die nämlich , welche die untere Fläche der Con-
dylen dos Hinterhauptes mit der Mitte des Al-
veolarrandes vom Oberkiefer verbindet, ursprüng-
lich nach dem gewiss richtigen Grundsatz aus-
wählte* dass der Kopf gerade steht, dessen Blick
gerade nach vorwärts gerichtet ist, oder dessen*
Sehachse horizontal verläuft. Er hat zu die-
sem Zweck einen einfachen Apparat konstruirt,
den Orbitostat. Auch B ro ca sagt, der Kopf ist in
seiner natürlichen Stellung, wenn der aufrecht
stehende Mensch gerade aus gegen den Horizont
sieht Die Horzontalebene des Schädels ist be-
stimmt durch die beiden Sehachsen. Aber diese
Ebene ist eine physiologische, sie ist nicht durch
anatomische Puukte bezeichnet , sondern durch
virtuelle. Man findet sie leicht am Lebenden ;
wie findet man sie am Schädel? Er führt jeder-
seits in das Sebloch der Orbita eine Nadel, die
durch eine Vorrichtung durch die Mitte der Or-
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bitaiötfnung geht , iu gleicher Entfernung vom
obern wie vom untern Kunde der Orbita. Der
von diesen Nadeln eingeschlossene Orbitalpinn
entspricht, horizontal gestellt, der natürlichen ho-
rizontalen Stellung des Kopfes. Br och sagt
ferner : Die Orbitalachsen sind sehr wenig ver-
schieden von den Sehachsen, die Papille des ner-
vus opticus steht ohngefähr gleichhoch mit dem
Sehloch und die Mitte der Cornea ist bei hori-
zontal gerichtetem Blick gleichweit entfernt vom
oberen wie vom unteren Rande der Orbita. —
Die Orbitalachse ist keine anatomisch bestimmte
Linie , sie kann nicht zur Stutze dienen , auf
welcher der Schädel ruht, man muss also eine
anatomische Linie aufsuchen , die mit dieser
Sehlinie so nahe wie möglich übereinstimmt.
Diese ist die Alveolen-Condyluslinie, die zwischen
3 Punkten zugleich eine horizontale Ebene dar-
stellt. Schon 1873 verglich Broca (Bullet,
p. 551.1 die gebräuchlichsten Horizontallinien
oder Ebenen mit dem Orbitalplan und mus den
Abweichungswinkel , der, wenn eine jener Linien
gegen diesen sich nach vorne senkt, -f-, wenn
sie sich hebt, — ist. Dieser Coorbitalwinkel ist
für die Alveolen - Condyluslinie nur -j- 0,88,
für die Cauiper’sche Linie 4.68, für die
Baer’sche — 6,51 , für die .1 bering' sehe, die
Broca immer irrthümlich die Merkel'sche nennt,
— 7,96. Diese entfernt sich also mehr von
dem Orbitalplan als die Baer'sche.
Die Breite der Schwankungen* oder die Ver-
änderlichkeit beträgt bei der ersten Linie nur
12°. 65, bei den anderen 19rt. 68, 17°. 32 und
17*. 49. Ein Vorzug der Broca’schen Methode
ist jedenfalls, dass der Schädel auf den beiden
Condylen und dem Alveolarrande sehr leicht
und schnell und sicher aufgestellt ist. Broca
gibt zu , dass es keine Linie zwischen anatomi-
schen Punkten gibt, die für alle Schädel passt,
sondern dass es ethnische und individuelle Unter-
schiede gibt, die mehr oder weniger ändernd
auf alle Ebenen des Schädels wirken, die Median-
ebene ausgenommen. Aber er hält es für un-
umgänglich uüthig, sich über eine anatomische
Horizoutalebene zu einigen, damit die Messungen
verschiedener Beobachter vergleichbar seien. Man
müsse die Ebene suchen , die am unveränder-
lichsten sei und die sich von der horizontalen
Richtung des Schädels am wenigsten entferne,
beide Vorzüge habe, wie aus seinen vergleichen-
den Untersuchungen hervorgehe, seine Alveolar-
Condyluslinie oder die ihr entsprechende Ebene.
Gegen die Darstellung Broca ’s bemerke ich
das Folgende: 1) So richtig es auch ist, die
Horizontalstellung des Schädels mit Hilfe dos
gerade nach vorne gerichteten Blicks zu bestimmen,
so kann doch die Orbitalachse nicht bei allen
Schädeln als mit der gerade nach vorne gerich-
teten Sehachse übereinstimmend angesehen werden.
Bei den von mir Angestellten Versuchen mit dem
Orbitostat , den ich der Güte B roca’s verdanke,
zeigte es sich, dass viele Schädel nach abwärts
blickten , wenn die Nadeln des Orbitost ats hori-
zontal gerichtet waren; brachte man diese Schädel
aber in ihre wahre Horizontale, so waren die
Nadeln nach aufwärts gerichtet. Die Richtung
der Orhit&lachse ist bestimmt durch die Form
; der Ürbitalöffnung und es ist namentlich die
Richtung der oberen Orbital wand grossen Ver-
änderungen unterworfen.
2) Könnte die Orbitalachse der Sehachse ent-
sprechend gehalten werden , so würde sic eine
| vortreffliche Linie für die Horizontalstellung des
! Schädels abgeben, und man kann nicht bebaup-
, ten , dass sie nur virtuell sei , indem ihre Loge
im Sebloch und in der Mitte zwischen dem
oberen und unteren Orbitalrand eine anatomisch
bestimmte ist.
3) Broca ’s Alveolen-Cnodyluslinie ist an
sehr veränderliche Th eile des Schädels angelegt ;
der Zuhnfortsatz des Oberkiefers ist bald kurz
bald lang und richtet sich sogar nach der Körpor-
) grosse und die Condylen springen bald stark
Aber die Schädelbasis vor . bald erscheinen sie
wie in dieselbe eingesenkt. Es ist nicht wahr-
scheinlich, dass so veränderliche Theile eine gesetz-
mässige Horizontallinie f(lr den Schädel geben
sollen. Wenn Broca diese Linie weniger von
der Orbitalebene abweichend findet , als die
anderen empfohlenen Horizontalen , so wird man
vielleicht zu einem anderen Ergebnis kommen,
wenn man alle diese Linien mit der nach der
wirklichen Sehachse jedes Schädels bestimmten
Horizontalen vergleicht. Auch ist die Zahl von
12 Schädeln, die Broca für jede Gruppe wählte,
wohl zu gering, wie er selbst zugesteht, um zu
sicheren Mittelzahlen zu gelangen.
4) ln Broca ’s Darstellung ist das Ent-
wicklungsgesetz nicht berücksichtigt, welches die
Befestigung de* Schädels auf der Wirbelsäule und
die Haltung des Kopfes gegen den Horizont be-
herrscht, wovon auch die Richtung der Ebene des
Hinterhauptloches abhängt. Broca spricht zwar von
ethnischen Unterschieden in Bezug auf die Hori-
zontale, ohne sie näher zu kennzeichnen und doch
ist die Thatsache nicht gleichgiltig, dass bei den
rohen Schädeln eine dureli das Ohrloeli gelegte
Horizontale das Gesichtsprofil an einer tiefem
Stelle schneidet, als cr bei denen einer Cultur-
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rasse der Fall ist. Wenn man durchaus eine
anatomische Linie als Horizontale annehmen
mUsste, so würde sic für die rohen Schädel Etwa
die vom Ohrloch zum Nasengrund, für die andem
die vom Ohrloch zum untern Drittheil der Nasen-
öffnung sein.
5) Ein unlüugbarer Vorzug von Broca's
Horizontale ist der. dass sie nicht nur eine Linie,
sondern eine durch drei Punkte bestimmte Ebene
ist, aber ein Nachtheil ist, dass sie. wie mit Recht
Virchow hervorgeboben lmt, nur am SchHdel und
nicht am Lebenden aufgefunden weiden kann.
6) Hie Aufstellung eines Schädels auf der
B r o c a ’ sehen Horizontale ist ausserordentlich
leicht , aber dieser Umstand füllt doch weniger
in Betracht , als der , ob die Aufstellung der
wahren Horizontale entspricht. Um diese zu
finden , genügt, eine bewegliche Unterlage , die
eine Dtehung des Schädels um seine Querachse
gestattet. Die Horizontale ist für viele Schädel-
müsse glcichgiltig, sie ist nöthig für die Be-
stimmung der Höhe des Schädels und die des
Gesichtswinkels.
Wenn man für die Nothwendigkeit einer
anatomischen Horizontale mit Broea behauptet,
dass ohne dieselbe die Bestimmung der Horizontal-
stcllung nach der Sehachse in das Belieben der
Beobachter gestellt sei , so er wieder«* ich , dass,
wer einen SchHdel nicht gerade zu stellen im
Stande ist, sich mit SchHdel messungen überhaupt
nicht Insassen soll. Ich habe bei Broea mehr-
mals einen Schädel gerade gestellt, er konstatirte
durch Messung, dass die Stellung jedesmal die-
selbe war.
Was nun die Bestimmung der Kapucität des
Schüdels betrifft , so zeichnet sich das Verfahren
B r o c a 's durch die grösste Genauigkeit aller
liei der Füllung des SchHdcls mit Schrot (jau-
geage) , sowie l>ei der Voluiubestimiuung des
letztem (cubage) nöthigen Verrichtungen aus.
Nicht nur die Form aller GefUsse ist genau vor-
ge$**hrioben, auch die Oeffnung des Trichters und
die Schnelligkeit des Einschtittens, sowie die
Gestalt des zum Eiustampfen des Schrots be-
-timmten Stabes. Man hat einen Gehülfen nöthig
und 15 verschiedene Gcf&sse und Vorrichtungen,
doch soll man trotz/ des umständlichen Verfahrens
bei einiger Uebung 20 SchHdel in einer Stunde
ausmessen können; vergl. P. Broea, Instruct.
crnniol. in den Mcmoires de la Soe. d’Anthr. T.
II, 2 S. 1875. Die Zuverlässigkeit der Methode
hat er durch eine vergleichende Volumbestimm-
ung mittelst Quecksilber geprüft. Als Grund-
lage einer sichern Ausmessung betrachtet er die
Vorschrift, das Maximum der Füllung des SchH-
■ dein mit Schrot anzustreben , welches er durch
' möglichst starkes Zusammendrücken des Schrotes
1 mittelst eines Stabes von cigenthüinlieher Ge-
stalt (fuseau) erreicht. Der ungleiche Grad der
: Füllung des Schädels ist gewiss die Ursache,
dass wiederholte Messungen desselben Schädels
oft demselben Beobachter verschiedene Volumina
ergeben. Weil aber die Pflanzenkörner der Hirse,
des Senfes u. n. einen solchen Druck nicht aus-
I halten , sondern zu Mehl gestampft werden , sei
| die Anwendung des 8chrot.s unerlässlich , er
: wendet die Grösse Nr. 8 an.
Ich tadle an diesem Verfahren , dass die
Hauptbedingung einer richtigen Messung dabei
nicht hinreichend gewürdigt ist. die nemlich,
dass der Schrot im messenden GefHss gerade
so dicht gelagert sein muss , wie im SchHdel.
Hier wird er mit grösster Gewalt zusammenge-
presst, dort nur mit einer gewissen Schnelligkeit
cingesehüttet und dann abgestriehen, wie man das
Korn im Scheffel misst. Im Messgeftsse liegen
die Schrotkörner weniger dicht als im Schädel,
die Volumangabe muss also zu gross ausfullen.
Ich habe mit Broea in Paris einen Schädel
au-sgemesäen. ich erhielt ein um mehr als 30 cm.
abweichendes Maas», als er vorher bestimmt hatte.
Er glaubte, es liege in der verschiedenen Schnellig-
keit des Einschtittens und zeigte , dass daidureh
Unterschiede von 35 ccm. sich ergeben können.
Um wie viel mehr wird es also nöthig sein, im
| Messglase den* Schrot gerade so fest zusammen-
I zudrtleken, als es im Schädel geschieht.
Würde man alle Schädel nmdi Broca's
Methode messen , so würden die Maasse freilich
unter einander vergleichbar bleiben, weil sie alle
mit demselben Fehler behaftet wären, aber voraus-
gesetzt , dass meine Yermuthung richtig ist,
dass die nach Broea gefundenen Volumina zu
gross ausfallen, würden sie doch nicht der Wahr-
heit entsprechen. Auf der Pariser Weltausstell-
ung befunden sich FinnenschUdel des anatomischen
Museums von Helsingfors mit Maassangaben von
HUllstcn in dem begleitenden Kataloge. Diese
wegen ihrer Grösse auffallenden Schädel wurden
in Paris nach Broca’s Methode nach gern essen,
man fand noch grössere Zahlen und Unterschiede
von jenen Augaben bis zu 125 ccm.
Es muss erreicht werden, dass die nach ver-
schiedenen Methoden, d. h. mit. verschiedenen
Füllstoffen, sei es Schrot, Hirse oder Sand ge-
machten Bestimmungen ein nahezu gleiches Er-
gebnis» liefern.
Misst man denselben Schädel nach derselben
Methode zehnmal , so erhält man immer kleine
Unterschiede von 5 — 10 Cubik-Centiraeter. Dies
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101
ist aber für die Betrachtung der Schiidol-Kapaei-
tät gar nicht von Belang und wird nie verhütet,
werden können. Ich habe geglaubt , eine prak-
tische Probe würde zum Vergleiche zweier Metho-
den von grossem Interesse sein. Ich habe dess-
hnlb in diesem Sinne an ßroca nach Paris
einen Schädel eines Brasilianers eingesendet, den
ich mehrmals gemessen hatte, so dass ich als
Mnass für seine Kapacitttt 1280 ccm. feststen en
konnte. Diese Maassangabe war dem Briefe in
einem verschlossenen Zettel beigefügt mit der
Bitte , den Zettel erst zu öffnen . nachdem der
Schiidel von Broca nachgemessen sei. Ich bin
begierig, da* Ergebnis* zu erfahren.*)
Wenn man dies Verfahren mit mehreren
Schädeln wiederholt hat, so wird man bald linden,
welche Methode die zuverlässigere ist, und worin
der Beobachtungsfehler der einen oder anderen
begründet ist. Auch empfiehlt es sich, dass der-
selbe Beobachter einen Schädel mit Schrot, Hirse
und Sand nacheinander ausmesse unter strenger
Beobachtung der Rücksicht, dass im Schädel wie
im Messglase die Körner gleich dicht gelagert sind.
Ich halte immer noch die Ausmessung mit
Hirse für eine sehr zuverlässige, die sich auch
bei zerbrechlichen Grabschüdeln anwenden lässt.
Durch Schütteln des Schädels wie des Mess-
glases hat man bald ein Maximum der Füllung
erreicht. Ich schüttle das Glas, wenn es halb
gefüllt ist, 4 bis 5 mal und ebenso oft, wenn
es bis ;»00 ccm. gefüllt ist , man verdichtet
dann die Hirse um cn. 30 ccm. Es würde
zweckmässig sein, dem Messglasc annähernd die-
selbe Form zu geben, die der Schiidel hat, man
würde aber bei solcher Woite des Messglases
5 cc.ro. nicht au der Skaln ablesen können.
Hier will ich bemerken, dass ein französischer
Forscher, Dr. le Bon, aus meinen im Bonner
Schädel-Katalog mitgetheilten Messungen Schlüsse
gezogen hat, denen ich entgegentreten muss.
Er hat nämlich aus den dort, aufgeftlhrten
deutschen Schädeln, nachdem er die sehr grossen
Ausgeschieden , eine mittlere KapacitUt von nur
1422 ccm. herausgerechnet, was zu wenig sei
für den mittleren deutschen Schädel. Er ver-
muthet deshalb einen Fehler in dem Messver-
fahren , welches zu kleine Volumina ergehe. Er
selbst aber beging den Fehler, ohne Weiteres aus
hundert drei und fünfzig Schädeln eines anatomischen
Museums den mittleren Schädel der Bevölkerung
des Landes zu berechnen , ohne nach deren
*) Broca theilt mir unter «lern 11. September
mit, da*w er als Mittel aus zwei Messungen «lie Ca-
pacit.lt des Schädel« zu 1356 ccm bestimmt habe, das
ist 76 ccm mehr, als ich gefunden hatte.
! Herkunft zu fragen. Diese Schädel stammen
zum grössten Theil von dem Sccirtiwche und
werden aus Arbeitshäusern und Gefängnissen,
überhaupt aus Anstalten, in denen die niedersten
Klassen der Bevölkerung sich befinden , an das
anatomische Institut zu Bonn geliefert. Wenn
man bei solchen Schädeln ein kleineres Volumen
findet, als sonst der Bevölkerung des Landes zu-
kommt, so ist dies nicht im Mindesten auffallend,
sondern ganz entsprechend dem geringen Bildungs-
grade der Personen , von denen diese Schädel
j herkommen.
Ich will noch anführen, dass ich in diesem
l Jahre die Schädel des Senk enberguohen Instituts
in Frankfurt a. M. auch in Bezug auf ihre Ca-
pacittt untersuchte. Darunter waren einige, die
Lucae schon früher mit Hirse ausgem essen
hatte. Ich war überrascht, dass die von mir ge-
fundenen Zahlen in den meisten Fällen mit den
von ihm angegebenen nahe übereinstimmten. —
Ich nehme zum Schlüsse Ihre Aufmerksamkeit
noch für eine Mittheilung in Anspruch , die sich
auf einen Besch luss unserer Gesellschaft in der
Generalversammlung zu Schwerin im Jahre 1871
besieht, dessen Ausführung nicht länger verscho-
ben werden sollte. Es handelte sich damals nur
um eine Statistik der Schädelforraen in ganz Deutsch-
; land. Ich glaube, man erkennt jetzt das Bedürfnis# an,
in einem viel weiteren Sinne die Bevölkerung
Deutschlands zum Gegenstände einer anthropoln-
, gischen Untersuchung zu macheu und dem ent-
sprechend wird jener ursprüngliche Beschluss zu
ändern und die Aufgabe der damals gewählten
Commission aufs Neue festzustellen sein.
Um eine Grundlage zu Verhandlungen zu ge-
winnen, habe ich mir erlaubt, bereits im vorigen
Jahre meine Ansichten Aber die Methode und den
Umfang einer solchen Untersuchung niederzu-
schreiben und habe dieselben dem Vorsitzenden
der Commission, Herrn Geh. -Rath Virchow im
Juli 1878 zur Prüfung vorgelegt. Ich erlaube
mir das kürze Programm auch zu Ihrer Kennt-
nis# zu bringen und Ihrer Beurtheilung zu unter-
breiten.
Entwurf
zu statistischen Erhebungen über die
körperliche Beschaffenheit der deut-
schen Bevölkerung.
Am 22. September 1871 beschloss die allge-
* meine Versammlung der deutschen anthropologi-
schen Gesellschaft in Schwerin auf den Antrag
des Vorstandes:
„Die Versammlung möge eine Kommission
wählen behufs Feststellung einer Statistik der
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Schädelfnrinen in ganz Deutschland nach einer
von der letzteren vereinbarten übereinstimmenden
Methode der Schftdelmessung. Vgl. Amtl. Her. 8. 53.
Als Mitglieder dieser zweiten der damals ge-
wählten Commissionen wurden ernannt: Ecker
in Freiburg. His in Dasei. Krause in Döttin-
gen, Virchow in Berlin, 8 ch a a ff h au se n in
Bonn, K öllik er in Würzburg, Lucae in
Frankfurt und W elcker in Halle.
ln der Generalversammlung zu Stuttgart im
Jahre 1872 empfahl Virchow, dem der Vor-
sitz dieser Kommission vom Vorstande Übertragen
worden war, als die wichtigsten Maasse für diese
allgemeine Statistik folgende 7 Maasse:
1) grösste Lünge des Schädels,
2) grösste Breite,
3) grösste senkrechte Höhe,
4) grösster Horizontalumfang.
5) Querumfang vom äussern Gehörgang über I
die vordere Fontanelle gemessen,
6) Diagonaldurchmesser,
7) Capacitüt des Schild eis.
Ecker brachte einen Zusatzantrag ein, näm-
lich zugleich Erhebungen über die Körpergrösse,
über die Farbe der Haare und Augen anzustel-
len, wie er damals schon für Baden Beobachtun-
gen über die Körpergröße nach den Kekrutenlisten
aus einem Zeiträume von ca. 25 Jahren zusam-
mengestellt hatte. Dieser Antrag wurde angc- .
noinmen, vgl. Amtl. Bericht 8. 29.
Virchow wies bei dieser Gelegenheit auf
Verhandlungen über denselben Gegenstand hin, die
bei dem in den nächsten Tagen bevorstehenden
internationalen statistischen Congresse in 8t. Pe-
tersburg zu erwarten seien. Er betonte mit 1
Recht, dass eino internationale Verständigung für
solche Untersuchungen vom höchsten Werthe sei
Die unter seiner Leitung nun zum Abschluss ge-
brachten statistischen Erhebungen über Farbe i
der Augen und Haare in den Schulen müssen |
als ein ungemein wichtiger Beitrag znr Kennt nLss
der Bevölkerung Deutschlands betrachtet werden,
sie bedürfen aber der Ergänzung durch Untersuch-
ungen an Erwachsenen , die auch auf die Kopf-
form und andere Merkmale der Körpergestalt aus-
zudehnen sind.
Es würde sehr schwierig sein, dem ursprüngli-
chen Antrag gemäss, in den verschiedenen Tbei-
len Deutschlands sich Schädel wohl verbürgter
Abkunft in gehöriger Menge zu verschaffen, auch
wird einigermaßen der anthropologische Katalog# |
das Material für die Kenntnis« der Schädelformen
der heutigen Deutschen liefern. Es erscheint
desshalb viel rathsanier, die Kopfform der Leben-
den zu untersuchen, was jetzt um so mehr ge-
rechtfertigt ist , als die Untersuchungen über
Farbe der Haare , der Haut und der Augen in
den Schulen bereits vorausgegangen sind. Ich
halte es für zweckmässig, die Untersuchung auf
wenige Merkmale zu beschränken, denn nicht die
Menge der gemachten Beobachtungen , sondern
nur die Genauigkeit und Zuverlässigkeit derselben
führt zu sicheren Ergebnissen. Manche Beobach-
tungen, die beim Vergleiche verschiedener Hassen
wichtig sind, wie die über die Hautfarbe, Rich-
tung der Augenspalten, Grad des Prognuthismus,
Gesichtswinkel , Horizontale des Schädels können
hier vernachlässigt werden • oder sind als Eigen-
thümlichkeiten nur in besonderen Fällen unzuge-
ben , andere Maasse , wie das des horizontalen
Umfangs und des Querumfangs dos Kopfes, geben
des behaarten Kopfes wegen, nur ungenaue Zah-
len. Wieder andere giebt es. die für eine ge-
naue Untersuchung unüberwindliche Schwierig-
keiten bieten, wie die Bestimmung der Länge der
einzelnen Theile der Gliedmassen , die zum The&l
von der wechselnden Dicke der die Knochen be-
deckenden Weich theile abhängt. Wo es sein kann,
soll man auch am Lebenden die Maasse an ana-
tomischen Punkten des Knochengerüstes nehmen,
weil diese die sichersten sind und den Vergleich
mit Skelet maassen zulassen. Auch empfiehlt es
sich, im Allgemeinen nur solche Maasse zu wäh-
len. die an dem bekleideten Körper zu nehmeu
sind. Man wird bei Sammlung des Materials
nach vorgelegten Fragebogen vorzüglich auf die
Mitwirkung der Aorzte rechnen dürfen. Es sollen
nur erwachsene Deutsche und nur wohlgebildete
Personen, im Alter von 20 — 50 Jahren gemessen
werden, und nur solche, welche nachweislich nicht
von fremder Abkunft sind, also keine Juden, die
einer besondern Untersuchung zu unterwerfen
wären. Uin dem Vergleiche der verschiedenen
Volksstämme mit einander eine gleichmäßige
Grundlage zu geben, müsste in allen Tlieilen des
Landes ein annähernd gleicher Procenttheil der
Bevölkerung gemessen werden. Hierbei empfiehlt
es sich, die Landbevölkerung zn bevorzugen, weil
auf dem Lande der Typus reiner sich erhält als
in den Städten und der Mensch dort auch den
klimatischen Einflüssen und andern natürlichen
Bedingungen seines Daseins mehr ausgesetzt ist
als da, wo er vielfach geschützt gegen solche in
dichter Menge zusammen lebt.
Es Hesse sich die Sache vielleicht so einrich-
ten, dass in Orten bis zu 1000 Einwohnern 2Ü°/0
zu messen sind, also von 1000: 200, die Hälfte
Männer, die Hälfte Frauen, und von diesen die
Hälfte verheirathete , die Hälfte unverheiratete.
In Orten von 1000 bis 10,000 Einwohnern sind
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10% zu messen , also von 10,000: 1000, in
Orten von 10,000 bis 100,000 und darüber sind
5% zu messen , also von 100,000: 5000. Auf
diese Weise würde die Landbevölkerung in den»
Gesammtbilde starker vertreten sein , als die der
Städte, und diese würden zurücktreten im Ver-
hältnis* ihrer Grösse.
Durch diese Untersuchungen würde ein Ver-
gleich der deutschen Volksstämme nach der Stufe
ihrer organischen Entwicklung und nach ursprüng-
lichen Stammesunterschieden möglich sein , und
die Ergebnisse der Untersuchung der Farbe der
Augen und Haare beim Erwachsenen würden
als eine Ergänzung der bei der Schuljugend ge-
wonnenen vielleicht neue Beziehungen oder auch
Berichtigungen erkennen lassen.
Auch würde inan ein Urtheil darüber gewinnen,
ob die dolichocephale und die brachyceph alt» Kopfform
tnit der Körpergröss« und mit der Complexiou der
blonden und der dunkeln Abart in einem Ver-
hältnis» steht. Man würde ferner erfahren, ob
es einen Einfluss der Berufsarten auf die Körper-
grösse, auf die Gestalt der Gliedmassen, auf die
Breite des Kopfes, auf die Gesichtsbildung giebt.
Endlich würden die Unterschiede , die im Ue-
schlechte begründet sind , bei einem so grossen
Materiale mit Bestimmtheit hervortreten.
Die Merkmale und Bestimmungen , auf die
sich die Untersuchung, um leicht ausführbar zu
sein, zu beschränken hätte, sind nach meinem Vor-
schläge die folgenden:
1) Name und Confession, Alter und Geschlecht.
Im französischen Namen des Vaters oder der
Mutter kann die Erklärung der schwarzen Haare
und der braunen Iris liegen.
2) Farbe des Haars : blond , hellbraun oder
dunkel. Es ist zweckmässig, so wenig Kategorieen
aufzust eilen als möglich. Neben den beiden Ge-
gensätzen ist eine Mittelfarbe unentbehrlich , in
der sich jene Elemente in verschiedenem Verhält-
nisse gemischt haben. — Farbe der Augen : blau
oder blaugrau, grünlich gelb, dunkel.
3) Grösse des Körpers.
4) Schulterbreite, sie giebt schon allein ein
Bild des mehr robusten oder schlanken Körperbaues.
5) Spannweite der horizontal ausgestreckten
Arme, sie giebt ein Verhältnis® der obern Extre-
mitäten zu der untern, welches sich mit der Ent-
wicklung des Individuums ändert und mit der
des menschlichen Geschlechtes in einer Bezieh-
ung steht.
6) Länge des Rumpfes, im Sitzen gemessen,
vom Stuhl bis zur Nackenfalte. Diese giebt beiin
Lebenden annähernd die Länge der Wirbelsäule,
deren Verhältnis zur üesainmt länge des Körpers
wieder Ausdruck eines Entwicklungsgesetzes ist.
7) Länge des Kopfes, von der Glabella bis
zum vorspringendsten Funkte des Hinterhauptes
8) Grösste Breite desselben.
0) Senkrechte Höhe desselben, von der Mitte
(des obereu Randes d. R.) des Ohrlochs zur
, Scheitelhöhe. Hierbei ist der Kopf mit gerade
nach vorn gerichteter Sehachse in die Horizontal-
: Stellung zu bringen.
10) Geaichtslänge, vom Haarwuchs zum un-
tern Rande des Kinn’s.
11) Oberkieferlänge, von der Nasenwurzel
zum Ende der obern Schneidezähne. Dieselbe steht
mit der Körpergrösse im Verhältnis«.
12) Grösste Breite des Gesichtes zwischen den
Wangenbogen. Diese ist mit Sicherheit nicht
wohl anders zn messen.
13) Form der Nase, ob sie gerade ist, oder
i Habichtsnase oder Stutznase.
14) Armlänge, von der Schultet höhe zum
Ende des Mittelfingers. Die des Skelettes lässt
sich am Lebenden nicht genau messen.
15) Vorderarmlänge, vom Ellenbogen bis zum
Ende des Condylus der Ulna ; sie giebt annähernd
die Länge dieses Knochens.
16) Länge der Hand , von der ersten , der
Hand nächsten Falte der Handwurzel zum Ende
des Mittelfingers.
17) Beinlänge, von der Höhe des grossen Tro-
chanter zur Fusssohle.
18) Länge des Fasses, von der Ferse zum
Ende der grossen Zehe gemessen.
Ich hege die Hoffnung , dass im Laufe des
Jahres zum Wenigsten Vorbereitungen getroffen
werden können, dieser Aufgabe der II. Commis-
sion näher zu treten und habe durch Mittheilung
j meines Entwurfs nur Ihre Aufmerksamkeit und
■ Ihr Interesse auf diese wichtige Untersuchung
! hinlenken wollen.
Die bisherigen Vorschläge zur Messung der
| menschlichen Körpergestalt, und viele dahin ein-
schlagenden Arbeiten leiden an dem Fehler des
Ueberflusses. Es ist als ob mnn alle Maasse am
Körper habe nehmen wollen, die man überhaupt
nehmen kaun, ohne sich die Frage zu stellen, ob
bei so mühevoller Arbeit für die Wissenschaft
etwas herauskommt. Man weiss aber in der
That mit den gehäuften Zahlentabellen, in denen
jede individuelle Abweichung des kleinsten und
unwichtigsten Körpertheiles eingetragen ist, nichts
anzufangen , während aus dem Studium der all-
gemeinen Körperverbältnisse «ich die wichtigsten
l Naturgesetze ergeben.
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Zweite Sitzung.
Inhalt: Herr Dr. Much: über Kapferbergbau in Noricum in prähistorischer Zeit. — Discuiraion : Herr Kl op-
fleisch. Herr Much. — Herr Klopfleisch: Ausgrabungen bei Jena, zwischen Naumbnrg und
Osterfeld. — Herr O. Fr aas: Heroengräber in Württemberg: Bellereim*«.* und kleiner A«perg. —
Herr Fischer: über geschlagene and geschliffene prähistorwcne Steinwerkzeuge. — HerrJ. Ranke:
Steinzeit in Bayern. — DmcusmioU: Herr Fischer, Herr Fr aas. Herr J. Hanke.
Herr Mlldl (Wien):
Die Resultate meiner Untersuchungen Über
prähistorischen Kupferbergbau in Norikurn sind
soweit gediehen , dass sie es ermöglichen , alle
Erscheinungen daselbst in Zusammenhang zu
bringen , und insbesondere an der Hand der
Funde den gesammien Bergbaubetrieb zu ver-
folgen , so dass sich kaum mehr eine Lücke
findet.
Ich habe über dieselben in neuester Zeit wohl
schon schriftlichen Bericht erstattet und erlaube
mir über diesen Gegenstand desshalb hier noch
zu sprechen , einestbeils weil ich seither durch
Fortsetzung meiner Untersuchungen weitere Re-
sultate erzielt habe , anderntheils , weil ich die
Sache für so wichtig halte , dass ich glaubte,
die Funde Ihnen selbst vorzeigen zu sollen , da-
mit Sie sieb von der Korrektheit meiner Beob-
achtungen selbst überzeugen könnten.
Zunächst nenne ich als eine solche Stelle, wo
in der prähistorischen Zeit Kupferbergbau be-
trieben worden ist , Mitterberg bei Salzburg.
Vor allem ftillt an seiner Lage die vollständige
Abschliessung auf, einerseits begrenzt durch un-
geheure bis nahezu 10000 Fuss aufsteigende
Felssehrofen, andererseits durch ein grosses, pfad-
loses Waldgebirge, das sich bis nahezu 6000 Fuss
erhebt.
Ein zweites solches prähistorisches Kupfer-
bergwerk befindet sich auf der Kelch alpe, süd-
lich von dem Orte KitzbUchcl in Tirol gegen das
Salzachthal zu. Diese Fundstelle ist nicht direkt
durch Felsschroten abgeschlossen , aber es be-
findet sich noch tun 1000 Fuss höher , als d«is
Mitterberger Kupferbergwerk, welches an höchster
Stelle eine Höhe von 4700 Fuss übersteigt,
während das Kupferbergwerk auf der Kelchalpe
5700 Fuss hoch gelegen ist. ln prähistorischer
Zeit war es ringsum durch eiu weit ausgedehntes
Waldgebiet umschlossen, welches die ganze Thon-
schief erzone bedeckte, die sich nördlich von der
Tanernkette in westöstlicher Richtung hinzieht. Die
dritte Stelle prähistorischen Bergbaues in Norikurn
befindet sich auf den» Schutt borg in unmittel-
barer Nilbe von Kitzbüchel. Eine nähere Unter-
suchung ist aber au dieser dritten Stelle kaum
mehr möglich , weil noch heute Bergbau dort
betrieben wird, welcher die Spuren des alten fast,
vollständig verwischt hat
Die Erinnerung an einstigen Kupferbergbau
in den norischen Alpen , ist gänzlich verschwun-
den, kein Name, keine Urkunde, keine Sage meldet
von dessen einstigem Dasein. Dagegen ist aus
einigen alten Urkunden ersichtlich , dass das
Terrain des Kupferwerkes auf dem Mitterberg
durch lange Jahrhunderte hindurch als Alpe be-
nutzt wurde. Es existirt darüber ein Schenkbrief,
mittelst dessen durch die damalige Erzbischöfliche
' Regierung den Besitzern gestattet wurde, den
Wald abzutreiben. Dieser Schenkbrief ist datirt
von 1559 und bezeichnet das Terrain des prä-
historischen Bergwerk«?« als alte Alpenweide.
Eine m>eh ältere Urkunde weiss ebenfalls
nichts von Bergbau daselbst, sondern nur von
' einer alten Alpe.
Eine dritte schriftliche Urkunde , allerdings
anderer Art, als jene beiden, ist eine Steininschrift,
welche in der oberen Zeile vier Zeichen enthält,
zuerst ein R, worauf das Stollenzeichen (7\) folgt,
sodann ein H und ein A; in der zweiten Zeile
darunter befindet sich ein Buchstabe , der für
ein C oder G gedeutet werden kann , dann ein
liegendes X tud nebenbei zwei schwache neben-
einander befindliche Striche. Di«* Buchstaben
sind lateinisch und mit Rücksicht auf die vor-
liegenden Urkunden kommen wir mit diesen
Buchstaben weit über die Zeit der Gothik
hinaus.
Eine fernere Urkunde ist eine Münze von
Kaiser Marcus Didius Severus Julianus von 193,
welche auf dem Terrain «les prähistorischen Berg-
werkes gefunden wurde.
Ich gehe nun über auf einige Fundstücke
und bedau«*re , dass sie zum Tbeil durch den
Transport gelitten haben und in noch weitere
i Stücke zerbrochen wurden, als sie es schon waren.
Die Spuren des alten Bergbaues auf dem
Mitterberg und auf der Kelchalpe kennzeichnen
sich zunächst durch ausgedehnte Gruben, wahr-
scheinlich zum Theil Orte, wo der Bergbau Uber
Tag betrieben wurde, zum Theil von Einseuk-
ungen der unterirdischen Gänge herrtthreud.
(Fortsetzung in Nr*». 10. 1
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römischen , römischen , keltisch-gallischen Periode
sowie derZeit der fränkisch - alemaoischen Reihen-
gräber zugehtti enden archäologischen Alterthtlmer,
welche in derSam ml u d g der Ges eil sch aft für
Erhaltung der geschichtlichen Denk-
mäler des Eisass (im kleinen Seminar) auf-
gestellt sind , sch Hessen sich in Beziehung auf
ihre Wichtigkeit aus dem Strassburger anthropo-
logischen Materiale zunächst die normal- und
pathologisch -anatomischen Sammlungen
im Anatomiegebäude an, von welchen die erstere
eine Anzahl vortrefflich und vollkommen erhal-
tene Skelette und Schädel aus alten Gräbern na-
mentlich von der spätrömischen Nekro|M>leam Weiss-
thurmthore sowie Rassenschlidel besitzt ; aus dem
reichen wissenschaftlichen Material der patho-
logisch-anatomischen Sammlung sind vor allem
die in der Form verbildeten und sonst krankhaft
veränderten Schädel zum Vergleich mit den
künstlich, absichtlich umgeforinten von hervor-
ragender anthropologischer Bedeutung, Das Gy-
näkologische Institut (in der Blauwolkongasse 21)
liesitzt durch Herrn Prof. Freund eine anthro-
pologisch i n teressante Sammlung von Uber
100 8c hä dein Neugeborener. H err Dom-
kapitular A. Straub, Präsident der Gesellschaft
für Erhaltung der geschichtlichen Denkmäler des
F.lsass sowie der hochverdiente LokalgeechäfU-
führer der X. allgemeinen Versammlung Herr
Professor Dr. G. Gerland Übernahmen die Füh-
rung der Mitglieder in dem erstgenannten Museum ;
die Direktoren der anatomischen Sammlungen,
Professor Dr. W aide y er und Professor Dr. von
Recklinghausen, in den Sammlungen des
neuen AnatomiegebäudeB der Universität, Herr
Professor Dr. Freund im gynäkologischen In-
stitut. Herr Professor Dr. Schiinper führte
zu dem unter seiner Direktion stehenden natur-
historischen Museum. Ausserdem waren
noch das Landes- Münzk ab inet im Schloss,
erklärt durch Herrn Bibliothekar Dr Müller,
und die Kup ferst ich santm lung im Stadt-
haus dem Besuch der Anthropologen geöffnet.
Herr Bibliothekar Dr. E u t ing , Präsident des Vo-
gesenclubs, geleitete die Gäste zur Pintform des
Münsters, Herr Universitütskustos Dr. E b r a r d
leitete die Besichtigung seiner inneren Hallen.
Die Lokalgescbäftsi’übrung hatte von der
Aufstellung anthropologischer Sammlungen in
dem Sitzungssäle selbst Umgang genommen,
dagegen wurden von einer Anzahl von Rednern
zum Theil geradezu grossartige .Sammlungen zum
Zweck der Demonstration vorgestellt.
1) Der I. Vorsitzende der X. allgemeinen
\ ersammlung Herr Professor Dr. O F r a a s legte
einige der reichen Fundobjekte vor aus seinen
Ausgrabungen der beiden württembergischen
„Heoengräber“ : „Belle -Remise 11 und „Kleiner
Asperg“. Ans dein erst genannten Grabe die
: galvano-plastische Nachbildung eines prächtig or-
1 naraentirten Bron/.edolchs ; aus dem Frauengrabe
des zweiten goldene Blecbstreifchen und kleinere
getriebene Goldblechornamente, wahrscheinlich der
Besatz eines Gewebes, mit welchem die Asche der
Todten bedeckt war. Dann eine klassisch-gefornite
Terracottaschale glänzend schwarz mit rother atti-
scher Figurenzeichnung und Ornamenten, auf derUn-
terseite mit aufgenieteten ornamentirten Gold-
blechstreifen geschmückt. Das werthvollste Stück
war ein zierliches fein geschwungenes und oma-
mentirtea Goldbora, an der Spitze einen an der
Schnauze geehrten Widderkopf tragend, vielleicht
einst der Handgriff einer Libations- oder Trink-
scbale oder selbständig zu diesem Zwecke be-
stimmt.
21 Herr Dr. V. Gross aus Neuveville
(Bern) , welcher schon bei der VIII. allgemeinen
Versammlung eine so glänzende Ausstellungseiner
Pfahlbaufunde gemacht hatte, hatte auch nach
| Strassburg ebenso zahlreiche wie werthvolle Ob-
jekte gebracht aus seinen neuesten Ausgrabungen
der Pfahlbaustationen in Locras, Lüscherz am Bieler-
I und Estavayer, Stftffis am NeuchiUeler-See. Wäh-
I rend die erste Station ausser einigen Kupfer- und
Bronzegegenständen vorwiegend geschliffene und
feiner behauene Stein-Objekte geliefert hatte, —
von welchen Feuersteinlanzenspitzen bis zu 24 cm
Länge, Feuersteingerätlie in Holzfassungen und
Horn, grosse Serpentinäxte zum Theil in Horn-
fassnng, durchbohrte streithfimmer , ein Dutzend
| Nephrit- und Jadeitbeile , Lanzen , Harpune und
Hämmer aus Hirschhorn und Knochen Vorlagen,
— entstammte der zweiten Station ausser mehre-
ren Thonvasen und 6 Schädeln eine Fülle der
werth vollsten Bronzegegenstände , von denen na-
mentlich eine schön ornamentirte Schale, 15
grosse Armbänder, ein Schm uckgeräthe mit 13
] angeöhrten Pendeloques, eine Gussform aus Bronze
für Bronzebeile, Bronzebeile, Lanzen, 12 Messer
alle omamentirt , Seheereo , Bronzegewandnadeln
bis zu 70 cm lang, Pferdegebisae, ein Schmuck-
stück eines bronzernen Streitwagens etruskischer
Arbeit etc. die Aufmerksamkeit auf sich zogen.
; In hohem Maasse war letzteres auch der Fall mit
i einem Gypsausgusa eines rohen Pfahl bau-Thon-
I scherbens, dessen Vertiefungen sich als 5 tiefe
! Fingereindrücke einer zarten weiblichen prähisto-
i rischen Hand mit woblgebildeten gut geschnittenen
' Fingernägeln erwiesen.
;}) Herr Dr. Mook (Kairo) legte eine nach
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70
hunderten zählenden Sammlung namentlich von
geschlagenen Feuerstein-Instrumenten aus Aegyp-
ten vor. welche er theils bei Heluan ausgegraben,
theils bei Derr in Oberägypten auf dem rechten
Nilufer in der Nähe von Luxor, wo sie zu Tau-
senden sich finden und wohl zum Theil bis in
die historische Zeit hereinragen mögen. (Schaaff-
liausen) gesammelt hatte. Einige von den Ob-
jekten z. B. Lanzenspitzen sind mit ziemlicher
Sorgfalt geschlagen und erinnern an die roheren
Formen der bekannten nordischen Objekte der
sog. jüngeren Steinzeit. Ein Feuersteinsplitterchen
in Holzstiflfassung aus einem Grabe bei Theben
war vielleicht ein chirurgisches Instrument.
4) Herr Pr. jur. Much, der um die anthro-
pologische Forschung so hochverdiente Sekretär
der anthropologischen Gesellschaft in Wien,
Mitglied unserer Gesellschaft , demonstrirte eine
vollständige vielbewunderte Sammlung von Ge-
genständen zu seinem Vortrag über den prä-
historischen Kupferbergbau in Noricum , von
denen wir erwähnen : ein grosses Stück Kupfer-
schraelze und Schlacken , welche noch dos
Loch von der Stange erkennen lässt , mit deren
Hülfe inan sie aus dem Schmelzofen gezogen hat,
kupferne und bronzene innen hohle Pickel, Eimer
und Schöpfkelle aus Holz, auch zahlreiche Leucht-
»pähne , grosse Steinschlfigel aus Stein mit einer
ringförmigen Kinne zur Befestigung der wohl aus
Weidengefiecht bestehenden Handhabe, Klopfsteine,
Reibsteine mit eingetiefton Rinuen zur Zerkleiner-
ung des Gesteins , rohe Töpferwaaren zum Theil
.Schlackenstückchen eingemengt enthaltend u. v. A.
5) Herr Geheimrath Prof. Pr. ßchaaff-
hausen, stellvertretender Vorsitzender der X.
allgemeinen Versammlung , brachte nicht nur
Photographien anthropologisch wichtiger Objekte
namentlich aus dem Rheinland (z. B. eines Lava-
blockes mit eingeschlossenem eisernen Nagel aus
der Gegend von Andernach, des Wildsteines eines
Sagenreichen megalithischen Penkmals im Mosel-
thale bei Trarbnch) zur Vorlage, sondern auch
zahlreiche schone Fundstücke aus fränkischen
Reihengräbera bei Meckenheim in der Nähe von
Bonn : goldene und silberne runde Fibeln, Ohr-
ringe, bronzene Zierscheiben, eine davon mit einem
Rahmen von Elfenbein, Mosaik- und Bernstein-
perlen, Feuerstein und Feuerstahl am Gürtel der
Todten etc. Auch einer der dort ausgegrabenen Schä-
del. ein künstlich verbildeter Mnkro-
c e p h n 1 u s wurde vorgestellt, nach Herrn Schaafl-
hausens Deutung ein Hunnenschädel. Pas für
die Geschichte der Menschheit wichtigste Objekt
dieser Ausstellung war aber der wohlerhaltene
fossile Schädel eines Moschusochsen
l aus der Tiefo eines lehmigen Abhangs des
alten Moselthales bei Moselweins in der Nähe von
Koblenz stammend. Er zeigt am Stirnbein nnd
am Hinterhaupt scharfe unverkennbar von Men-
schenhand herrührende alte Hiebspuren oder Ein-
schnitte, ähnliche auch an der Basis des Horn-
knochenzapfens. Per Schädel war mit einer Art
Kalksinter bedeckt , erst nach der eigenhändigen
Entfernung desselben durch Herrn Schaaff-
h au sen fand letzterer die erwähnten Spuren der
Menschenhand , welche nun Uber allen Zweifel
erhaben die einstige gleichzeitige Bewohnung des
Rlieinthals durch Mensch undMoschusochse erweisen.
G) Herr Domkapitular Straub schmückte
seinen interessanten Vortrag über die Ergebnisse
der Ausgrabungen der spätrömischen Nekropole
am Weissthnrinthore durch Vorlage zahlreicher,
grossentheils photographischer Abbildungen der
wichtigsten Fundobjekte und deren Lagerungs-
weise in don Gräbern.
7) Herr Hauptmann von Tröltsch (Stutt-
gart) und Herr Gymnasialprofessor Oh len Schla-
ger (München) brachten selbstgefertigte Ent-
würfe prähistorischer Karten, der erstere eine
drei Meter hohe prähistorische Uebersichtskarte
Südwestdeutschlnnds und der Schweiz (verklei-
nert dem Bericht beigegeben), der zweite drei
für den Druck in don Beitrügen zur Anthro-
pologie und Urgeschichte Bayerns ausgeführte
Blätter einer prähistorischen Karte Oberbaverns.
Daran schlossen sich die von Herrn Gelieim-
rath Professor Pr. R. Virehow, stellvertreten-
der Vorsitzender der X. allgemeinen Versammlung,
der Gesellschaft im Aufträge des Herrn Prof. Pr.
j J. Ko 11 mann (Basel) vorgelegten Kartenskizzen
| der Resultate der statistischen Aufnahme der
: Farbe der Augen, Haare und der Haut der Schul-
kinder der Schweiz an.
8) Herr Professor Pr. J. Ranke, General-
1 Sekretär der deutschen anthropologischen Gesell-
! Schaft, legte zwei Doppelblätter vor mit Abbild-
| ungen aller bisher in Bayern gefundenen, in den
I dortigen Sammlungen aufbewahrten gesehlitfe-
! nen oder durch Schlagen feiner bearbeiteten prä-
historischen Stein Waffen und Steininstrumente.
Ausserdem im Aufträge von Fräulein M est orf,
Kustos des schleswig-holsteinischen Museums va-
terländischer Alterthümer in Kiel, zwei farbige
Nachbildungen in Gyps : eine Glasperle und ein
Gürtelfragment aus alten schleswig-holsteinischen
Gräbern darstellend.
9) Herr Geheimrath R. Virehow legte weiter
I eine Anzahl vorallem für die Vergleichung mit den
auf deutschem Boden gemachten Funden sehr wich-
tiger Fundobjekte vor, von denen namentlich die
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geschliffenen den unseren ähnlichen Steinbeile /um
Tlieil auf Nephrit , sowie die Ornament irung der
Thonscherben (aut’ der Innenfläche der Gefltssc mit
eingetieften weiss eingefüllten Ornamenten) das
Interesse fesselten.
Wir haben bisher vorwiegend der archäolog-
ischenAusstellungen gedacht unter den
von Herrn Sc haaff hausen vorgelegten, jedoch
auch schon Objecte erwähnt, welche theils der an-
th ropologischen Halft ontologie theils
der Kraniologie zugehörten.
10) Kraniologische Ausstellun-
gen wurden weiter gemacht (cf. oben) von Hm.
V. 0 ross 6 Pfahlbau-Sehftdel , darunter einer
trepanirt. Einer der Schädelfragmcmte wnrde t
für einen Trinkbecher erklärt, gegen welche Deu-
tung jedoch die nicht abgenutzten meist noch
ziemlich scharfen ßruchründer zu sprechen schei-
nen. Herr Dr. K. Krause (Hamburg) stellte
zwei künstlich deformirto makrocephale Schädel
von den Neu-Hebriden vor, Herr Waldeyer 5 '
prächtig erhaltene Scbftdel ans der mehrerwfthnten
sjiftt römischen Nekropole am Weissthurnitbor in
Straesburg , darunter ein künstlich verbildeter
Makrocephalus; dann zahlreiche Scbftdel, theils
normal , theils mit mehr oder weniger ausge-
sprochenem Torus occipitalis, Hinterhanptswuist,
ausserdem Präparate Über das Vorkommen eitles
Trochanter tertius am Femur des Menschen.
12) Zur Kranioinetrie und Abbildung
der Schädel brachten die Herren Krause und
Itanko neue Instrumente. Erstem* ein künstlerisch
vollendet ausgeführtes Instrument um durch Nach-
fahren der äusseren und aller auf der Fliehe be-
findlichen Conturen mit einem berührenden,
verschiebbaren Stifte die Einrisse des Schädels
sowohl als alles Flftchendetail dieselben direkt
in Originalgrösso auf Papier zu übertragen.
J. Hanke’s Pantograph ist ein storch-
sch n abelfthnliches Instrument aus Messing ; an
Stelle eines Stifts zum Nachfahren der Conturen
ist es mit einem rührenförmigen Diopter versehen.
Mit Hülfe dieses einfachen Intruinentes können
alle Linien und Einzelheiten irgend eines unter
einer Glasplatte aufgestellten Objektes: Schädel,
Line, Fibel etc. durch einfaches Nachgehen der
Linien mit dem Diopter nach Ln c ft 'scher Methode
mit grösster Raschheit und Genauigkeit in ganzer,
halber oder viertel» Grösse direkt auf Pupier zur
bildlichen Fi xirung und Messung aufgezeichnet
werden.
Die der N. Vci*sainnilung vorgelegten grösseren
wissenschaftlichen Werke und Abhand-
lungen werden unten zosammengdstellt werden.
Das reiche hisher anfgeführte ebenso werth-
volle wie hochinteressante Studienmaterial wurde
aber au eindringender Wirksamkeit noch weit
übertroffen durch die auf das Sorgfältigste vor-
bereiteten, vom schönsten Wetter Itegünstigten,
vollkommen gelungenen Ausgrabungen und
Besichtigungen urgeschichtlicher Ob-
jekte am Weissthurin thor und auf dem
O d i 1 i e n b e r g •*) ^
Bei den Neubauten am Weissthurint hoi* war
man im vorigen Herbst in der Nähe desselben
auf eine reichhaltige Nekropole gestossen, theils
Gräber nach Art der modernen Kirchhöfe nur in
den Sand ei »geschnitten enthalt end , theils zahl-
reiche schwere unornamentirie Stein - Sarkophage
und nach römischer Weise mit Steinplatten um-
schlossene Grabstellen. Di«' Ausgrabungen dieser
Todtenstadt wurden durch Herrn A. Straub
goleitet und lieferten ausser mehreren spät-
römischen Münzen zahlreiche archäologische Funde,
uamenliclt Glas- und Thonwaaren aus denen sich
der spfttrönnsche Charakter der Fundstelle mit
Sicherheit ergab und welche jetzt in der oben
erwähnten Altertliuius-Sanimlung im kleinen Se-
minar aufliewahrt werden. In den Sarkophagen,
welche sich bis etwa zur Hälfte mH feinein ein-
geschwenitnteu , lehmigen Sand erfüllt zeigten,
waren die Skelettreste der Begrabenen meist ganz
verwest, dagegen zeigten sieh die Skelette der
einfachen Sandgrftber so vollkommen wohlerhalten
und Hessen sich aus dein lockeren Boden so vortrefl-
; lieh ausheben, dass diese ulten anatomischen Funde
zu den basten zu rechneu sind, welche überhaupt
irgendwo gemacht wurden. Von mehreren Ske-
letten fehlt kein Knöchelchen der Hand oder des
Fusses, sodass Herr Waldeyer, dessen ana-
tomischer Sammlung die Knocheniünde zugetheilt
wurden, beabsichtigt, einige derselben nach Art
der anatomischen Skelette montiren und aufstellen
zu lassen, eine Absicht, welche überall Nachahmung
verdient. — In der IV. Sitzung hatten die Herren
Straub und Waldeyer eingehende V or träge über
die Funde der Nekropole gehalten. Im unmittel-
baren Anschluss daran wurden die Mitglieder der
Gesellschaft zu Wagen an eine etwa 1 4 Stunde
vor dem Weissthurmtlior gelegene Stelle gebracht,
wo ein Dutzend Gräber aufgedeckt war, in wel-
chen die woblerhaltenen Skelette frei lagen. In
einer tieferen Grube, von allen Seiten freigear-
•) Nach Schluss der Versammlung uuiehte eine
grössere Anzahl der Theilnehmer noch einen Ausflug
nach llagenan zur Besichtigung der eben*» werth-
vollen wie geschmackvoll nnu für das Studium be-
nützbar iiufgostollten Sammlung urgeschichtlicher Alter-
tküiuer des bekannten elsättsi sehen Alterthunisforscher»
Herrn Bürgermeisters l)r. Nessel in Hagenau.
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beitet, zeigte sich ein vollkommener noch mit
dem schweren Deckstein verschlossener Sandstein-
Sarkophag, der vor den Augen der in mehr-
fachem Kreis das Grab umstehenden Gesellschaft
zum ersten Mal unter Leitung des Herrn Straub
durch die Hebel der Pioniere, welche die Militär-
verwaltung zu diesem Zwecke unentgeltlich ge-
stellt hatte, geöffnet wurden. In den» feuchten
Sande, welcher den Sarkophag etwa zur Hälfte
erfüllte, fanden sich mehrere vollkommen erhal-
tene Glasgefiis.se römischer Form, ein Tbongefitss,
eine auf die Urbs Koma unter Constantin ge-
prägt* Münze und gelinge Spuren von Knochen.
Der zwei t e w i ssensch a f 1 1 i c h e Au s fl u g, wel-
chem der dritte Tag der' Versammlung ganz gewidmet
war, galt den Alterthüineni des durch diese nicht
weniger als durch seine landschaftlichen Schön-
heiten berühmten Odilienberges, eines vorgescho-
benen Ausläufers der Vogesen bei Harr. Das
ganze ziemlich unebene zum Theil in steilen
Sandsteinwänden abfallende Plateau des Odilien-
herges wird von einem mächtigen uralten Uber-
mannshohen Stein wall mit Benützung der natür-
lichen Befestigungsinomente umschlossen, welchem
der Volksmund den Namen H e i d e n m a u e r ge-
geben hat. Die Mauer ist aus gewaltigen Qua-
der-Steinen, welche eine regelmässige Bearbeit-
ung zeigen , und zwischen deren Vagen kleinere
Steine zur Ausfüllung eingesetzt sind, ohne Mör-
tel erbaut. Die Art der Erbauung unterscheidet
diesen Stein-Wall sofort von den aus anderen
Gegenden bekannten Kingwällen der Slaven und
Germanen und weist wie es scheint mit Sicher-
heit auf einen gewissen Zusammenhang mit rö-
mischer Baukunst hin. Darauf deuten auch die
an den Berührung- -stellen je zweier grösseren
Steine ziemlich bäniig auftretenden einander ent-
sprechenden rinnenartigen scharfgeuieisselten Ein-
tiefungen, in welchen mau hie und da noch jetzt
halbvermorschte Eicbenholzstücken sog. doppelte
„Schwalbenschwänze“ finden kann , welche einst
zur stärkeren Befestigung der die Mauer bilden-
den Haupt-Steine gedient haben. Die Heiden-
mnuer umwallt einen unregelmässig ovalen Raum
von ca. 250 Morgen. Die Lokalforscher haben
sich über die Zeitstellung der Mauer noch nicht
geeinigt , am verbroiteaten scheint die Arnahme,
•lass sie römisch «ei etwa aus dem 4ten christ-
lichen Jahrhundert stammend. Trotz der nam-
haft gemachten Anklänge und obwohl sie an einer
gegen das Oertchen Otrott zu gelegenen Stelle
von einem mit Steinplatten gepflasterten „Koiikt-
weg“ durchschnitten werden soll, können wir in
der lleideumauer jedoch keim- normale römische
Befestigung erkennen. Ein Zusammenhang mit
eingesessener Bevölkerung aus spätrömiseher
Zeit scheint aus Grabhügeln hervorzugehen , die
in ihrer unmittelbaren Nähe gefunden worden und
von denen der die Gesellschaft auf das zuvor-
kommendste führende Vogesenelub (die Sektionen
Strassburg und Barr. Präsident der letzteren Herr
E. Hering) eines — du« Grab eines Kindes —
zur Ansgrabung an diesem Tage hatte vorberei-
ten lassen. Es fanden sich in dem Hügel in
einer Steinkiste zwei schönornnmentirte holilge-
triebene bimförmige silberne Ohrgehänge mit Ohr-
ringeu, Theile einer Fibula und der sandige Lehm
des Gralie« war durchsetzt mit feinen , flachen,
gewirkten Goldfäden, welche als Reste eines gold-
durchwebten Stoffes erschienen. Die fl von Hrn.
E. Hering im Jahre 1874 an derselben Stelle
eröffneten Grabhügel hatten ähnliche Ergebnisse
geliefert. In der Anmerkung tbeilen wir die
uns von dem genannten Herrn freundliehst ein-
gesendeten Fundberichte mit*) —
Abgesehen von diesen werthvollen, die Phy-
siognomie der Versammlung für den Tkeiluehmer
wesentlieli bestimmenden äusseren Anregungen pul-
sirte auch aus dem Innern unserer Gemeinschaft
das regste wissenschaftliche Leben.
Die Arbeiten unsorer akademischen Commis-
•) Anfangs October 1*74. Geöffnet 9 Gräber,
6 mit oblongen Särgen, 1 mit fl eubischen Särgen
und 2 ohne Särge, doch mit Kohlen und Knochen.
Grali 1. Tuiuulns von 6 m hiamet. Sarcophag
2.50 cm unter dem Hodennireau. fl der aufrecht
stehenden Steinplatten zeigten jede 1 Einschnitt zu
Schwalbenschwänzen. Fnndobjelcte: 1 kl. Ojiferuiemer,
1 kl. Axt. beide von Porphyr. Keine Knochen mehr,
aber Kohlenfragment*.
Grab 2. Tumnlus von 5 m Oiumet. Sarkophag
2.50 cm unter dem Hodenniveau, gebildet au« be-
hauenen Steinplatten mit < "emon t verbunden, mit Ver-
engerung vom Kopfe nach den Kassen zu. Skelett
lang 1,68 cui; Schädel dünn, länglich. Fundohjekte :
1) ein Paar silberne Ohrringe; 2) Halsband von viel-
farbigen Kügelchen aus gebrannter Erde, Glas,
Agat und Ambra (Bernstein) gebildet; fl) eine Glas-
urne aus grünlichem Glas; 4) ein kleines Opfermesser
von Eisen, jedoch absichtlich zerbrochen ; 5) eine kleine
symbolische Steinaxt; 6) ein Paar silberne Mantel-
Agraffen; 7) ein maariver goldener Ring, an der linken
Ibind . mit symbolischen auf den Sonnencultns sich
beziehenden Zeichen. Ellipse (Car, Omega I Triangle
crayon solaire, Menhir, Alpha) and 2 Mal die Trias
ab erhöhte Punkte; keine Bronze. Auf dem Hing
waren symbolisirt : a) der Sonnenstrahl, pur tin cöne;
b) die Klipse, double conrbe; c) die 4 Jahreszeiten
und die 4 |>ointx caidinaux, 2 rhomlies; dl la Triade,
jiar fl clous plact-s de chaquo efttd du diiujue.
Grab fl. Enthielt. 3 cubische Sarkophage, durch
Sehwalliensehwänze lefr. oben) verbunden und mit ver-
kitteten Steinplatten bedeckt. Ohne Skelette« nur
einige Sehüdeltragment* und 1 Zahn.
Gräber 4 und 5. Sarkophage aus Steinplatten,
mit KniM-henfragiuenten und K • di leitst Cu ke heu.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt ton Professor Dr. Johannes Hanke in München,
Gtntntlucrtlär der Giteliiirhaß.
Nr. 10. Krudlciut jeden Monat. OctobtT 1879.
Bericht über die X. allgemeine Versammlung- der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Strassburg
am ll.t 12. und 13. August 1879.
Nach stenographischen Aufzeichnungen
radigirt von
Professor Dr. Johannes Ranko in München
Generalsekretär der Gesellschaft.
(Fortsetzung der Rede des Herrn Much. II. Sifctg.) 1 mitgebrncht, damit Sie sie in Augenschein nehmen
Auf dem Mitterbergc sind noch solche unter- können. Neben den Leuch tsp&nen von Mittcr-
irdische Stollen zum grossen Theil erhalten, ja sie berg sehen Sie dann ein Stück eines Salzsteins
sind heute noch, nachdem der Mensch sio seit einer aus dem Heidengebirge im Salzbergwerke hei
ungemessen langen Zeit nicht mehr berQlirt hat, Hallein an der Salzach, welches ebenfalls in prä-
in dem Zustande erhalten , in dem sie sich he- historische Zeit füllt. In diesem SalzstÜckc,
fanden, als sie plötzlich aufgegeben werden muss- deren auch zu Hallstatt eine grosse Zahl gc-
ten. Man merkt an diesen Stollen nirgends 1 fanden wurde, sind derartige Leuchtspäne einge-
Spuren der Arbeit von Metallgerütlien ; einzelne ; wachsen. Ausserdem lagen noch Balken hemm
Vertiefungen im Gestein konnten mit Werkzeugen von den Bühuen; Wasserrinneu, Blockleitern, die
aus dem verschiedensten Materiale auch mittels wahrscheinlich durch Feuer hergestellt wurden,
Steingerttthen hergestellt sein. Die Wllnde sind endlich kupferne und bronzene Pickel. Diese letz-
uneben, theilweise ausserordentlich hoch, weit teren haben ohne Zweifel dazu gedient, das durch
die Höhe dieses Saales überragend. Das Los- Feuersetzung theilweise schon zerklüftete Gestein
brechen des Gesteins und das Eindringen in den vollends zu lösen und herauszubrechen. Man
Berg mittels Stollen geschah durch Feuersetzung. findet auch hölzerne Eimer und SehüpfgefUsse
Man findet noch eine grosse Menge halbver- und sogenannte Setztröge , d. i. kleine Troge im
brannten und verkohlten Holzes, daneben auch I Ganzen aus einem Baumstamm verfertiget, mittels
Binnen , in welchen Wasser auf die oberen deren Erze aus den Gruben geschafft wurden.
Bühnen geleitet wurde, um das Feuer zu dampfen. Ich bemerke, dass das Holz sich gut, ähnlich wie
Andere Fundstücke waren Leuchtspäne in uner- \ in den Pfahlbauten erhalten konnte, denn sAmmt-
messlichor Anzahl , deren Zweck nicht naher be- liehe Gruben waren vollständig ersliuft , das
schrieben zu werden braucht; — ich habe einige | Wasser ging bis an das Mundloch der Gruben,
6
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lor»
so da« diese vor der Einwirkung von Luft, !
Lieht und Würine ganz und gar abgeschlossen !
waren.
Unter den zu Tage gemachten Funden sind
zuerst die grossen Schlägel zu erwlihnen , die
dazu dienten , um die grösseren aus den Stollen
gesell n Uten Gesteins- und Erzbrocken zu zer-
trümmern ; sie haben entweder Einkerbungen an
den Kanten oder horumlaufende Rinnen zur Auf-
nahme des Strickes oder der Wiede, mit denen
sie an dem Stiel befestigt wurden. Zn solchen
Schlägeln wurden in Mitterberg Serpentinge-
schiebe verwendet, welche sich die Leute von
den SchuttbUnken der Salzach heraufgoholt haben.
Auf der Kelchalpe dienten dazu die Gneis- und I
Granitfindlinge, welche zur Eiszeit die grossen
Gletscher, die von den Tauern herüberflossen, \
auf der Höbe der Alpe und der Umgebung abge-
lagert haben.
Waren die Erze soweit zertrümmert, dass
das derbe Erz ansgeschieden werden konnte,
so kamen die kleinen, mit tuuhem Gestein durch-
setzten Erzstücke auf die Scheideplatten , wo sie
mittelst der Klopfsteine weiter verkleinert wurden.
(Die Gegenstände vorzeigend.) Sie sehen hier
einen dieser Klopfsteine und eine Platte, die als
Unterlage diente. Letztere erweisen sich als
grössere, plattenfönuige Stücke von Grauwacke,
wie sie in den Stollen eben herausgobrochen
wurden ; sie zeigen alle einen eigenthümlichen
Charakter, wir sehen nämlich bei allen tiefere
oder flachere Grübchen, die durch den häufigen
Gebrauch allmählig entstanden sind. An dieser
Platte hier sind mehrere solche Grübchen sicht-
bar. Wenn der Stein auf der einen Seite abge-
nutzt war, dann kehrte man ihn auf die andere
Seite , um nun auf diesen weiter dnrauf zu
pochen .
War diese Arbeit geschehen, dann wurde die
Verkleinerung der Erze noch weitergeführt, und
zwar auf anderen Steinplatten mit einer nur
wenig konkaven Fläche, auf welcher mittels
eines anderen , konvexen Steines die Erze zu
Schlich zerrieben wurden.
Sie sehen hier derartige Reibsteine aus sehr |
hartem Gestein. Hält man diese gegen das !
Licht, so sieht man , dass sie auf der konkaven,
beziehungsweise konvexen Fläche feine, parallele '
Kiefung zeigen. Diese Kieefn sind offenbar aus '
dem Grunde gemacht, damit die Steine, wenn sie
in Bewegung gesetzt werden, nicht an einander
schleifen , sondern aufeinander rumpeln und so
die Erzstücke zermalmen. Hervorgebracht wurden
diese Ricfeu nur zum Theile mit MetallgerÜthen, |
zum anderen Theile aber gewiss durch Aus-
schleifen mittels eines noch härteren Steines.
Die konkave Platte diente offenbar als Unter-
lage, wie bei den Mühlsteinen der Pfahlbauten,
die konvexe Platte wurde in Bewegung gesetzt,
und vertritt gewissen« nssen die Steile des Läufers,
wie denn überhaupt diese Geräthe mit den Mühl-
steinen der Pfahlbauten die grösste Aehnlichkeit
zeigen , nur dass der Läufer sorgfältiger kon-
struirt wurde , indem er , wie Sio an diesem
Stücke sehen , obenauf eine mehr oder weniger
tiefe Furche erhielt, um darin eine zu beiden
Seiten vorstehende und fassbare Handhabe auf-
zunehmen, welche mittels eines Strickes befestigt
werden konnte, wozu wieder eine um den Stein
herumlaufende Rinne diente, in welche der Strick
gelegt wurde.
War nun das Erz so verkleinert bis zum fein-
sten Schlich, dann wurde es, um die Reinigung
vorn tauben Gestein vollständig durchzuführen,
gewaschen ; man fand in den Gruben auch noch
einen Waschtrog, der sich von denen, die heute
noch bei den Goldwäschern der Zigeuner in Sie-
benbürgen üblich sind , in Nichts unterscheidet.
Die grösseren Stücke derben Erzes kamen auf
den Röstplatz — es gelang mir im vorigen
Jahre einen solchen Röstplatz auszugraben , der
sorgfältig von aufgestellten Steinen tiraschlich-
tet, 5 m lang und 1 m breit war. Hier wurde
das Erz aufgehäuft und angezündet und dann
der eigenen Verbrennung überlassen.
Endlich kam das Erz in die Schmelzöfen und es
musste der Betrieb ein sehr intensiver gewesen sein,
denn es fanden sich sehr viele solcher Plätze, wo
Schmelzöfen gestanden sind.
Es war mir gelungen , einen dersellwn voll-
ständig nuszugraben. Er hatte nur 50 etn.
Breite und Tiefe, bestand auf drei Seiten aus
einer boiläufig ebenso hohen , aus rohen Steinen
aufgeführten Mauer, deren Fugen mit Lehni ver-
strichen waren. Die vierte, nämlich die vordere
Seite wurde nicht vermauert. , sondern mit Erde
und Lehm ausgestampft. Die Lage der Schmelz-
öfen ist gekennzeichnet durch ungeheuere Mengen
von Schlacken, — an einigen Stellen glückte es uns,
vollständige Scblackenstücke, die die ganze auf ein-
mal aus dem Ofen abgeflossene Schlackenm&sse dar-
stellen, zu erlangen. Sie geben das ungefähre Maass,
wie viel Erz in dem Ofen gegeben wurde, und
wie viel Kupfer bei einem Sihmelzgange gewon-
nen werden konnte. Eine solche vollständige
Schlacke sehen Sie hier; es befindet sich hier
vorn ein Loch, das davon herrührt, dass der Ar-
beiter, ehe sie noch erstarrte, sie mit einer Stange
anstiess und weiter zog. Die Neigung des
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Loches, das sich bald auf der einen bald auf
der andern Seite befindet , entspricht genau der
Stellung des Arbeiters neben dein Ofen und der
Neigung der Stange, die er in Hiindcn hielt.
Die Zahl der Schmelzplatze ist eine ungemein
grosse. Sie finden sich in unmittelbarster Nähe
des Bergwerkes sowohl als auch zum Theil über
das ganze Waldgebirge verbreitet; ja man hat
noch auf der andern Seite des Thaies 2-2 */*
Stunden entfernt solche Schlackenplätze gefunden.
Nach dem was wir in kurzer Zeit davon auf-
decken konnten, sind wir zu dem Schlüsse be-
rechtigt, dass es solcher Plätze an hundert oder
noch mehr dort geben mag.
Auf der Kelchalpe in Tirol ist bei der grös-
seren Schwierigkeit der dortigen Verhältnisse die
Untersuchung in dieser Richtung noch nicht so-
weitgediehen, dass man eine ebenso grosse Zahl von
Schmelzplätzen nachweisen könnte; sie finden
übrigens durch die Funde auf dem Mitterberg
vollständige Erklärung.
Ich komme endlich zu Funden, die mit dem
Bergbaubetriebe nicht unmittelbar Zusammenhän-
gen, u. z. zu den Thongefässen. Diese finden sich
zumeist auf den alten Röstplätzon und Schmelz-
plätzen , also auf den Stellen , wo gearbeitet
wurde. Sie sind jedenfalls zur Zeit des Betriebs
des Bergwerks und ohne Anwendung der Töpfer-
scheibe gemacht und enthalten als Beimischung
sehr häufig verkleinerte Schlacken. Der Schluss,
den ich zunächst daraus machen will, ist der, dass
der Betrieb des Bergwerks iu den Händen der ein-
heimischen Bevölkerung war ; denn die römische
Münze zeigt uns nur, dass die Römer, wie überall so
auch hier, sich wahrscheinlich desselben bemächtigt
hatten, die Eingeliornen aber gegen hohe Abgaben
oder unter Pächtern der Erträgnisse weiter arbeiten
Hessen. Die Römer al>er hatten schon gedrehte
Gefüsse, denn da wo Römer wohnten, finden wir
überall gedrehte GeßUse, so beispielsweise im be-
nachbarten Salzburg und in Hallstatt. Die Scher-
ben ungedrehter GefUsse deuten also darauf hin, I
dass der Betrieb des Bergwerkes selbst zur Zeit I
der RömerherTsehaft in den Händen der einheimi- I
sehen Bevölkerung gelogen haben mochte; wenn I
ilir auch nicht die Erträgnisse des Bergbaues zu- I
flössen, so gingen doch die Borgarbeiter aus ihr
hervor.
Ferner deutet auch der Umstand , dass die
Schraelzplätze so ungeheuer weit zerstreut sind,
darauf hin, dass der Betrieb des Bergwerks wahr-
scheinlich nicht im Grossen geschah, sondern in
den Händen sehr vieler Einzelner gewesen ist,
etwa wie heute noch die schwedischen Bauern
I oder die Leute am Balkan im Kleinen den Berg-
bau betreiben, so dass auch damals jeder Einzelne,
der in der Nähe der Erzlager wohnte, neben
seinem Gehöft einen Schmelzplatz hatte.
Was das Alter anbelangt, ho ergeben wohl die
beiden kupfernen Pickel sehr bedeutungsvolle Finger-
zeige ; sie scheinen jedenfalls weit Uber die Periode
des Hallstätter Grabfeldes hinauszuführen t denn
damals wurden die Werkzeuge schon fast durch-
gängig aus Eisen gemacht; auch kann ich nicht
denken , dass bloss auf dem Mitterberge Eisen
gefehlt oder dass man nur im Nothfalle zum
Kupfer gegriffen habe ; das lässt sich in dem
nahen Bereiche des berühmten norischen Eisens
I nicht nnnehmen. Wenn man schon zugeben
I wollte, dass man wegen augenblicklichen Mangels
an Eisen zum Kupfer gegriffen habe, um daraus
Werkzeuge zu machen , weil es eben zur Hand
war ; wie kamen dann die Pickel aus Bronze da-
hiu, welche Bedeutung haben dann diese?
Im Bezug auf die Nationalität der Bergbau-
leute möchte ich noch eine historische Nachricht bei-
fügen. Sie wissen, dass schon ca. 150 Jahren vor
Christus auf den Tauern bei Gastein und Rauris
Gotdbau betrieben wurde u. z. von der einheimi-
schen Bevölkerung; eine Zeit lang nahmen auch
Italer daran Theil, sie wurden aber von der ein-
heimischen Bevölkerung wieder vertrieben. Der
Schluss ist also durchaus kein ungerechtfertigter,
dass auch der Kupferbau in Norikuin von Ein-
heimischen betrieben worden ist.
Nun kann ich noch zur Unterstützung dieser
Ansicht die Beifügung machen , dass wir jüngst
in der Nähe des Bergwerkes auf dem Mitterberg
ein Bauwerk aufgefunden haben , welches als
ein durchaus barbarisches zu bezeichnen ist. Es
besteht aus einem tumulusformigen Felskegel, der
einerseits von einem steilen Abgründe, anderer-
seits von einem doppelten Ringwallsegment um-
schlossen ist. In Niederösterreich haben wir solche
Bauwerke in grosser Zahl ; sie fehlen auch in
•Steiermark, Ungarn, Böhmen, in der Lausitz und
in anderen barbarischen Ländern nicht, und wenn
wir auch dieses Bauwerk nicht in dem Beginn
des Mitterberger Bergbaues setzen dürfen , so
steht es zu ihm doch in zweifelloser Beziehung,
sei es als Oultutstfitte , sei es als Festungswerk,
um die aus dem Salzaehthale zu den Erzlagern
führenden Thal- und Bergpfade zu sperren.
Als gesichertes Resultat meiner Untersuchun-
gen darf wohl betrachtet werden , dass sebou
lange vor der Ankunft der Römer in den nori-
schen Bergen Kupfererze gegraben und Kupfer
ausgeschmolzen wurde unter Anwendung von Ge-
riithen und Werkzeugen, aus Stein, Holz und
G*
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Kupfer und dass insbesondere auf dein Mitterberg,
auf der Kelchalpe, auf dem Schattberg bei Kitz-
büche), wahrscheinlich auch iui Leogangthale und
in den Schladminger Thälern sich prähistorische
Kupferwerke befunden haben, deren Bestand zum
Theile vielleicht bis in die Zeit der Öberöster-
reichischen Pfahlbauten, ntm Theile gewiss bis in
die Zeit des Hallstätter Grabfeldes zurückreicht.
Nehmen Sie dazu den Betrieb der Salzwerke
in Hallstatt und Halleiii , an welch' letzterem
Orte ebenfalls Reste aus der Hallstätter Periode
vorhanden sind; nehmen Sie dazu die historisch-
nachweisbaren Goldbergwerke und Goldwäschen in
Norikum. so kommen Sie zur Ueberzeugung, dass
in diesem Theile der Alpen vor Beginn der Römer-
herrschaft eine fleissige, Bergbau verschiedenster
Art betreibende Bevölkerung sesshaft gewesen ist,
und auf Grund dieses Resultates werden wir wohl
auch die prähistorischen Verhältnisse der Nachbar-
länder beurthoilen müssen.
Auf einige Bemerkungen des Herrn Klop-
ileisch auf deren Mittheilung der Redner ver-
zichtete, entgegnet© Herr Mllfll:
Ich möchte nur noch , um meiue Ansicht zu
rechtfertigen, hinzu setzen, dass die Kunst, Kupfer
zu giessen, bei uns schon in aller frühester Zeit
betrieben worden ist und zwar weit früher, ehe
wir an etruskischen Einfluss denken küuueu.
Schon zur Zeit unserer Pfahlbauten, wo vorwie-
gend nur Stein- uud Knochengcräthe verwendet
wurden, wurde Kupfer gegossen. Sie sehen dort
zwei Stücke, zwei kleine kupferne Aexte, die von
dem Pfahlbau im Mondsee stammen. Sie geben
aber den unwiderleglichen Beweis , dass in einer
Zeit, wo sonst nur Steine und Knochen zu Werk-
zeugen benutzt wurden , man nicht nur Kupfer
hatte, sondern es auch schon zu giessen und zu
formen verstand.
Herr Klopflcisch brachte einen Bericht über
Ausgrabung von Hügelgräbern in der Umgebung
Jena’s, welcher später etwas erweitert im Corre-
spondeuzblatt gedruckt werden soll.
Herr Frans (Vorsitzender) :
Ln Anschluss an das Gehörte gestatten Sie mir
auch eine Berichterstattung über meine diesjährige
Ausgrabung, zu welcher mir das hohe Kultus-
ministerium vonWürttemberg in dankenswerthester
Weise die Mittel bewilligt hat. Die Ausgrabung
geschah in einem unserer hervorragendsten Todten-
litigel , der im vollsten Masse den Namen eines
Heroengrabes verdient. Die württembergischen
Jahrbücher verzeichnen ungefähr 2200 turnuli,
wenn man alle die kleinen, nur lm hohen
HUgeln mit den grossen bis zu 20 m hohen zu-
sammenzählt.
Die kleinen Hügel übergehe ich hier mit
i Stillschweigen , da dieselben trotz mnnniclifacher
1 Untersuchungen, die wir namentlich dem kürzlich
! verstorbenen Finanzratli v. Paulus verdanken,
nichts weniger als sicher erforscht und gekannt
sind. So viel dieser Hügelgräber auch schon ge-
öft'net wurden und so vielerlei Reste an Waffen,
Schmuck und Gerät hen in denselben gefunden
worden sind, so Vieles wurde dabei unbeachtet ge-
lassen, zerstört und verschleudert.
Ich beschränke mich daher auf die Mittheil-
ung meiner Kunde bei der Ausgrabung des sog.
Kleinaspergle , eines Todtenhügels von 58 m
Durchmesser und 6 m Höhe. Derselbe liegt 1 km
von der Statiou Asperg und 2 km vou dem
in April 1877 abgegrabenen Todtenhügel Bei-
remise bei der Stadt Ludwigsburg, üeber die
Funde in letzterem bube ich früher »chon (Kor-
resp.-Bl. 1S77 Nr. (>) einen kurzen Bericht ge-
geben und luge jetzt nur noch bei, dass Beiremise
und Kleinaspergle als ein nach Grösse, Gestalt
und Inhalt sich gleichendes Zwillingspaar anzu-
sehen sind, die beide Einer Zeit angeboren.
Ich nenne die grossen Hügel Fürstengräber, oder
nach dem Vorbilde der Hügel in Kleinasien, welche
Schliemann untersucht hat, Hcroenhügel und be-
daure nur, dass der grosse Hü gelforscher selbst,
den alle hier erwartet haben, nicht unter uns ist,
um seine Hügel mit unseren süddeutschen Hügeln
zu vergleichen. Auf mich wenigstens haben die
Hügel an der Besikabai und bei Iiissarlik , die
ich mit eigenen Augen von den Dardanellen aus
gesehen habe, ganz denselben Eindruck gemacht,
wie etwa unsere schwäbischen Fürstengräber.
Der Hügel „ Kleinaspergle u heisst auch
Franzoseuhügel und geht von ihm die Sago, die
Franzosen hätten iliu in ihren Tschakos zu-
sammengetragen , um von ihm aus die Feste
Hoben asperg mit Erfolg zu beschießen. Der
Volkssage liegt augenscheinlich der richtige In-
stinkt zu Grunde, dass der fragliche Hügel kein
natürlicher Hügel ist, sondern von Menschenhand
aufgeworfen. Mit Vorliebe knüpft dann das Volk
I an die letzte Invasion fremder Völker an. So
wussten die Leute, dass das Hügelpaar durch
menschliche H finde hergestellt worden sei; dass
wir aber iu beiden uralte Todtenhügel vor uns
haben, davon hatte Niemand eine Ahnung. Selbst
Männer vom Fach sprachen bis zur Zeit der Inan-
griffnahme von römischen Wachhügeln und der-
gleichen.
In der Mitte des Todtenhügels „Belremiseu
lag noch die Leiche des Fürsten mit goldner
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-*^p**- ■
1
Gcstoinsfragmente befinden, welche die Hand des
Menschen niemals irgendwie bearbeitete oder be-
nützte , liess es wünschenswert!) erscheinen, eine
kritischo Untersuchung der gesummten in baye-
rischen Sammlungen enthaltenen Steinwaffen
durch Autopsie vorzunehmen. Ich habe mit
Dank die llereitwilligkeit zu con.statiren , mit
welcher mir von Seite der Vorstände der ge-
nannten Sammlungen dieses wichtige wissen-
schaftliche Material eingesendet wurde. Die
Steine wurden von mir mit aufopfernder Unter-
stützung des besten Kenners der geognostiseben
und petrographischen Verhältnisse Bayerns des
Herrn Oberbergdirektors Professor Dr. Güinbel
und der unseres vortrefflichen Mineralogen Pro-
fessor Dr. Haushofer untersucht , welche die
petrographischen Bestimmungen einführten.
Es stellte sich zunächst heraus, dass sich unter
den als prähistorische Steinwaffen in den Samm-
lungen Bayern’s figurirenden Objekten noch zahl-
reich natürliche Gesteine der vorhin bezoieh-
neten Art vorfindeu.
Sehen wir zunächst von den besser bear-
beiteten Waffen und Instrumenten aus Fcuer-
resp. Hornstein , welche wir der sog. , Jüngeren
Steinzeit“ zurechnen müssen , ab , und scheiden
wir alle jene erwähnten Naturspiele aus , so
bleiben für das ganze rechtsrheinische Bayern
bis jetzt nur 135 Stücke übrig.
Da Bayern ohne die Pfalz ca. 1300 |~1 Meilen
besitzt, so kommen auf
10 0 Meilen je 1 Stück.
Diese Zustammenstellung ergibt zunächst die
ausserordentliche Seltenheit der betreffenden prä-
historischen Objekte in unserem Lande. Eine Ver-
gleichung mit nordischen Verhältnissen macht dieses
erste Resultat noch deutlicher. Worsaae (Vor-
geschichte des Nordens, deutsche Ausgabe von J.
Mestorf, S. 35) berichtet, dass in der Landschaft
Schonen laut dem Ergebnis« seit kurzer Zeit be-
triebener Nachforschungen ca. 35000 Steingeräthe
im Erdboden gefunden wurden, welche in der Mehr-
zahl der jüngeren Steinzeit angehören. Die Land-
schaft Schonen hat (Daniel Bd. II S. 850)
118 Q Meilen, es treffen sonach dort 3220
Stück auf je 10 0 Meilen. Das Häufigkeits-
Verhältniss zu Bayern ist also 1 : 3220. Analog
ist es im ganzen Feuersteinbiete des germanisch-
skandinavischen Nordens. An diesem Verhältuiss
ändert es so gut wie Nichts, dass sich einzelne
bayerische Steininstrumente uns entzogen, indem
sie sich in ausserbayerische Sammlungen (z. B.
nach Berlin) verirrt haben.
Wenn wir diese Seltenheit in Bayern mit
der Häufigkeit der feingesehlagenen und gc-
13
| schliffenen Steininstrumente im Norden ver-
gleichen , so ergibt sich von vorn herein , dass
eine Periode der Benützung des geschliffenen
Steines in Bayern niemals nur annähernd die
Bedeutung gehabt haben könne wie im Norden.
Dabei ftllt sofort der fast absolute Unter-
schied des Materials auf. Im Feuersteingebiet
des Nordens verschwinden beinahe die anderen
Gesteinsarten gegen den Feuerstein, welcher fast
ausschliesslich zur Herstellung von Waffen und
Geräthen Verwendung fand. Dagegen wurde im
ganzen diesseitigen Bayern , wie unsere Autopsie
lehrte, bis jetzt niemals ein Instrument aus ge-
schliffenem Feuerstein oder einem analogen Ma-
l terial (Hornstein etc.) gefunden, wenigstens besitzt
keine mir zugänglich gewesene bayerische Samm-
lung ein derartiges Stück. Von relativ gutgeschla-
genen künstlicher geformten (aber nicht geschliffe-
nen) Feuerstein- resp.Hornsteininstrumenten werden
in bayerischen Sammlungen im Ganzen nur 10
Stück aufbewahrt , wahrhaft fein bearbeitete
1 Waffen z. B. Dolche aus Feuerstein, wie sie sich
im Norden so vielfach finden, fehlen hier gänz-
lich.
Das Material der Steininstrumente besteht in
Bayern vorwiegend aus mehr oder weniger
I schiefrigem hornhlendehaltigcm Gestein. Nach
I den Bestimmungen des Herrn Gümbel finden
i sich folgende Mineralien benützt:
Stückzahl.
Nephrit 3
I Kklogit ....... j 2
Grani tischen Gestein (ein Reiber) 1
Amphibolitachiefer (32 -f- 7) and dichte« Am-
phibolgestein (4), und Homblendegnei* (2) 45
Chloritischer Schiefer 19
Diorit und Dioritwhiefer 20
Diaba« und Diabamchiefer 7
Serpentingestein 15
Topfsteiniihnlichcs Gestein 2
Dichter Thonschiefer 1
Quarzit und quarzitische /.um Theil schwarze
Schiefer (31 Ithoniger Lydit (2)| .... 5
Wctzsteinnehiefer 5
Basalt 7
Sandci»unBtcin aus dem braunen Jura ... 1
Bunter Sandstein 1
Thonige* Gestein _ . . 1
135
Trotz dieses Unterschieds im Material sind
die Formen der bayerischen Steinwaffen und
• -Instrumente im allgemeinen die gleichen,
welche sich im Norden finden : durchbohrte
Hämmer und flache Hauen, undurch bohrte Aexte,
Koile und Meissei ; letztere, auf der einen Lang-
seite flach auf der anderen gerundet, stellen wie
es scheint technische Instrumente vor wahrschein-
lich zur Holzbearbeitung.
(Die Abbildungen aller in Öffentlichen bayer-
7
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114
ischen Sammlungen befindlichen geschliffenen
Steingerlithe wurden herumgereicht).
Das schiefrige ampbibolhaltige Gestein , aus
welchem die Mehrzahl der bayerischen geschliffenen
Steingerlithe besteht, besitzt zwar eine gewisse
Zähigkeit , welche meist durch das Schleifen der
Schneiden in der Richtung der Schieferung mög-
lichst ausgenützt wird, seine Härte ist aber nur
die des Peldspaths , sodass die daraus herge-
stellten Instrumente zu einer praktischen tecli-
niehen Verwendung sehr wenig tauglich er-
scheinen.
Das ist gewiss dass wir unsere Stcininstru-
mente nicht als Reste einer wahren prähistorischen
Stein k u 1 1 u r in Bayern auffassen dürfen.
Der Feuerstein ist ein Kultur min oral
analog den K u 1 1 u r m e tu 1 1 e n : Kupfer, Bronze,
Eisen , das gilt aber von der Mehrzahl der ge-
nannten in Bayern in Steingerütben verarbeiteten
Mineralien nicht.
Wo wie in Bayern Feuersteine fehlten, oder
nur ausnahmsweise einzeln zur Verwendung
kamen , war ein Fortschritt zu einer höheren
Kulturstufe gegründet auf die alleinige Benützung
der Steininstrumente, wie sie z. B. im Norden
statthatte, unmöglich, und der Mensch war mit
zwingender Nothwendigkeit schon früh auf die
Benützung der Metalle hingewiesen , welche der
Feuerstein in weiter Ausdehnung ersetzen kann.
Herr von Sehested auf Brüholm (Nor-
wegen) bnt , wie uns Herr Ingvald Undset
berichtet *), die überraschende technische Benütz-
barkeit des Feuersteins und der daraus ge-
fertigten Instrumente der nordischen »jüngeren
Steinzeit“ durch praktische Versuche nachge-
wiesen. Er hat, ohne dass die Schneiden seiner
Feuersteinäxte, Keile, Hobel, Sägen etc. wesent-
lich litten , in kurzer Zeit durch seine Arbeiter
Bäume fällen , die Stämme zum Hausbau her-
riehten , zu Latten und Brettern spalten und
daraus mannigfaches auch feineres Hausgeräth
und andere Dinge des täglichen Gebrauchs her-
steilen lassen. Es ist dadurch der Beweis ge-
liefert , dass unter ausschliesslicher Benützung
des nordischen Feuersteins ohne Metalle die Ent-
wickelung einer höheren Kulturstufe, die auf der
Möglichkeit der Erreichung eines höheren Lobeus-
Comiorts bosirt d. h. eine wahre Steinkultur,
wie sie uns der germanische Norden erkenuen
lässt , möglich war. Das können wir unseren
in Bayern gefundenen Steininstrumenten nicht
nachrühmen. Ihre besten Schneiden lassen —
*) Correap.-Blatt 1879 S. 30.
!
wenn wir von den einzelnen kleinen Feuer-,
Hornstein- Und Nephrit-Instrumenten abseh en —
kaum die roheste Bearbeitung auch weichen
Holzes zu , nur unter Zuhilfenahme von Feuer
(Ankohlung) können grössere Holzarbeiten mit
ihnen ausgeführt werden. Die ausserordentliche
Seltenheit der geschliffenen Steininstrumente in
Bayern scheint aber auch mit aller Sicherheit
darauf hinzudeuten , dass das zur Verfügung
stehende rohe technisch geringwerthige Stein-
material nur selten und ausnahmsweise zu Zwecken
Verwendung fand , zu denen der Feuerstein im
Norden noch benützt wurde , als schon Metall-
werkzeuge in Gebrauch kamen.
In deu Höhlen, welche uns den Beweis er-
bringen, dass der Mensch auch auf bayerischem
Boden gleichzeitig mit dein Rennthier und Höhlen-
bären lebte, finden sich in ziemlicher Zahl jene
rohen Steininstrumente: Splitter, Messer, Schaber
u. a. aus Feuerstein resp. Hornstein, welche wir
aus analogen Fundorten aus ganz Europa kennen,
eine paläolithiscbe Zeit haben wir daher
auch für unsere Gegenden anzuerkennen. Nur
das ist sofort ersichtlich, dass wegen der relativen
Seltenheit und geringeren Grösse des in der
Gegend vorhandenen verwendbaren Materials der
Urmensch in Bayern ein noch viel hülfloseres
Geschöpf, ein noch weit roherer Wilder gewesen
sein und geblieben sein muss, als z. B. an jenen
Kreideküsten , welche den ächten Feuerstein in
beliebiger Grösse reichlich lieferten.
Wenn wir aber auch eine palfiolithische
Periode anerkennen müssen, so bat dagegen eine
wahre neolit bische Periode, eine „jüngere
Steinzeit“, wie wir sie für den Norden anerkennon
müssen, auf bayerischem Boden nach dem jetzigen
Stand unserer Beobachtungen ebensowenig wie eine
wahre Steinkultur jemals bestanden.
Das bildet bis jetzt einen wesentlichen Unter-
schied der bayerischen prähistorischen Verhält-
nisse auch gegen jene des Bodensees und der
Schweiz. Wenn wir dort auch nicht von einer
eigentlichen Steinkultur in der vorhin ange-
deuteten Definition sprechen können , so geben
die dortigen Pfuhlbaufuude u. a. doch den Beweis
einer vorgeschichtlichen Periode, in welcher vor-
wiegend oder wenigstens vielfach Steinmaterial
zur Herstellung von Waffen und Instrumenten
zur Verwendung kam. Es ist ja möglich , dass
in unseren bayerischen Mooren einst noch Pfahl-
bauten der Steinzeit aufgefunden werden , bis
jetzt ist das nicht der Fall gewesen. In Bayern
wurde bekanntlich nur e i n reicher Pfahlbau an
der Roseninsel im Wünnsee durch Herrn Land-
richter von Schab in Starnberg ausgebeutet
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115
und wissenschaftlich beschrieben. *) Steininst ru-
mente fanden sich hier erstaunlich selten. Herr
von Schab fand (abgesehen von Handmühlen,
Quetschern und Schleifsteinen) nur folgende Stcinin-
strumente: ein zerbrochenes und ein ganzes Ne-
phritbeilchen ; aus Feuerstein, ausser einigen
Splittern , ein Messer, eine kleine Söge und ein
Bruchstück einer solchen . eine Pfeil- und eine
Lnnzenspitzc , dann 9 kleine un durch-
bohrte Steinbeile oder Keile, theils aus
Hornblendegestem theils aus Wotzsteinschiofer,
deren durchschnittliche Lange nur 7 cm betragt.
Es fanden sich also unter den Resten der
zahlreichen Menge anderer Objekte eigentliche
SteingcrUthe in verschwindender Minderheit.
Noch ein wichtiges Moment zur Begründung
unserer eben entwickelten negativen Ansicht
bezüglich einer wahren neolit bischen Periode
Baycrn’s liefert die Fundgeschichte der aus
Bayern bisher bekannt gewordenen geschliffenen
Steingerathe. Sie wurden bei uns vorwiegend in Grä-
bern als Grabbeigaben gefunden und zwar der
grössten Anzahl nach in den einst von S l a v e n
bewohnten Gegenden. Herr V i r c h o w u.
A. haben durch die mitgefundenen Münzen deu
Beweis geliefert , dass im slavischen Nordosten
z. B. in Lievland) dieselben geschliffenen und
durchbohrten SteingerUthe wie wir sie in Bayern
finden, als Grabbeigaben bis in das 12. ja 13.
Jahrhundert herein reichen, dass sie dort in Gebrauch j
geblieben sind bis zur Einführung des Christenthums. |
Auch in den Frankengräbern aus dem 8 — 9. Jahr- j
hundert finden sich als Grabbeigaben noch Stein- |
gerüthe.**) Speciell in Bayern hat man z. B. nach dem |
Zeugniss unseres vortrefflichen Archäologen und (
Geschichtsforschers Major Würdinger, ordent- (
liebes Mitglied der kgl. bayerischen Akademie der ■
Wissenschaften, in den Reihengräbern bei Köfering |
einen geschliffenen Steinmeisscl neben vortrefflich
geschmiedeten langen zweischneidigen Schwertern
gefunden. In den Reibengräbern bei Gauding
fanden sich sogenannte „Schleifsteine“ , in den
Reihen gräbern an der Salzach finden sich öfter
„durchlöcherte Steine“, welche als Amulette ge-
dient haben mögen. Bezüglich des Gebrauches
der bearbeiteten Steine zur ReihengrUberzeit ver-
rnuthet der letztgenannte gelehrte Forscher, dass
sie als Wurfgeschosse benützt wurden. Auch die
bei uns öfter in Reihengräbern vorkommenden unge-
schliffenen aber durch natürliche Abschleifung
*) Beiträge zur Anthroi«ilr>gie nnd rrgeKohichtc
Bayern*. Bd. I. Heft 1 und 2.
**) 11. Virchow, Bericht der VIII. allgemeinen
Anthropologen-Versaminlung in Conntanz 1877. S. 84
und 85.
kugoliggerundeten Kiesel hält derselbe für Wurf-
waffen. Sicher haben die geschliffenen Steingerätbe
• als Grabbeigaben aber ausserdem — wie das auch
Herr Würdinger andeutet — eine gewisse
reRgiöse Bedeutung, z. B. als Amulette oder für
gewisse Begräbnissceremonien, und eine bet räch t-
i liehe Anzahl der in Bayern gefundenen gesclilif-
: fenen Steininstrumente haben wohl niemals zu
| anderen als zu Kultuszwecken dienen sollen. Schon
i das leicht brüchige Material spricht zum Theil
wenigstens gegen jede technische Verwendung im
engeren Sinne : thoniges Gestein , Sandsteine,
Basalt !
Abgesehen von den bisher beigebrachten Wahr-
scheinlichkeiten für das relativ junge an und in
die historische Zeit reichende Alter eines grossen
Theils der besprochenen geschliffenen Steinobjekte,
scheinen sich solche auch aus der Form und
Bearbeitung einzelner derselben zu ergeben.
Ein bis zwei Stücke, von denen das ausge-
zeichnetste der historische Verein in München
besitzt, erscheinen wie das bekanntlich im Norden
nicht selten ist, nach verzierten Bronzemodellen
gearbeitet ; andere zeigen was, soviel ich weiss, bis-
her nicht beschrieben wurde : eine N a c li a h m uug
eisengeschmiedeter Formen. Es siud
das zwei wohlgearbeitetc durchbohrte Stein-Aexte
aus schwarzem, auch in der Farbe eisenähnlichem
Material mit nach hinten ausladender Schneide,
wodurch sie gewissermassen an modernere eiserno
Beilformen erinnern. Ihre Oberfläche ist nicht
einfach glatt , sondern wie bei geschmiedeten
Eise ub eilen mit schmalen zum Theil spitzzugehen-
den faeettenähnlichen, etwas unregelmässigen aber
sorgfältig geschliffenen Flächen versehen , was
selbstverständlich weit schwieriger herzustellen
war als die sonst gebräuchliche einfuch glatt«
SchliflflUche.
Bei der für unsere (Jegendon ausnahmsweise
reichen durch Herrn Landrath Mittermaier
Ausgebeuteten Fundstelle geschliffener Steinge-
rät ho in der weitern Umgebung Münchens bei
Inzkofen (Moosburg), wo soviel wir wissen,
niemals slavische Bevölkerung sesshaft war, liegen
I die Verhältnisse etwas anders , worauf wir an
einem andern Ort eingehend zurückkommen
werden; wir werden aber auch hier auf Kultus-
zweck»’ (Begräbnissceremonien und QueUenkultus)
hingewiosen, denen die SteingerUthe einst dienten.
Zum Schluss wollen wir noch die Fruge auf-
werfen , ob uns das zu den in Bayern bis jetzt
gefundenen Steinwaffeu und -Instrumenten ver-
wendete Gesteinsmaterial Etwas berichtet über
die Wanderungen oder Handelsverbindungen ihrer
i ehemaligen Besitzer.
7*
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116
Die drei Nephrite, welche aus Bayern be-
kannt sind , verhüllen ihren primären örtlichen
Ursprung bis jetzt ebenso wie die in Europa
gefundenen Nephritobjekte überhaupt. Dem An-
sehen nach ähneln sie den namentlich von Hrn.
Dr. V. Gross zahlreich in den Schweizer Pfahl-
bauten gefundenen Nephritbeilen (Herr Hofrath
Fischer Freiburg) und mögen vielleicht sekundär
von dort über den Hodensee also vom Süden
und Westen her eingeführt sein.
Zwei im Gindinger Moos bei Dachau gefun-
denen grössere Steinkeile aus einem in Bayern
fremden Gestein der Diubasgruppe sind nach der
Angabe des Herrn Oberbergdirektor Professor Dr.
tiQiubel böhmischen Gesteinsvorkommnissen
ähnlich, was auf eine Einführung oder Wander-
ung von Osten nach Westen deuten würde. Aus
dieser Richtung kam bekanntlich der bayerische
Volksstamm in der Völkerwanderung in seine
nunmehrigen Sitze und von eben daher konnten
sich später am leichtesten slavische Einflüsse bis i
in die Umgebung Münchens verbreiten.
Bezüglich des Materials der bayerischen ge- ,
schlugenen Feuersteinsplitter, Messer, Schaber etc. |
der '„palaeolithischcn“ Zeit stimmen die Forscher:
0. Fraas*) und Zittel**), darin überein, dass
das Gestein wahrscheinlich nus der weiteren oder
näheren Nachbarschaft der Höhlen stamme, in
denen man sie gefunden hat, sodass ihre Her-
stellung an Ort und Stelle mehr als wahrschein-
lich wird.
Dasselbe scheint von der Mehrzahl der wenigen
bessergearbeiteten „neolithischen“ Feuersteinin-
strumente zu gelten, was schon Herr v. Schab
für die obenerwähnten Fundstücke der Rosen-
insel speciell hervorhebt. ***) Ausser der von
*) O. Fr aas, „die Ofnet bei Utzmemniingen im
(bayerischen) flies“, Correnp.-Blatt der deutsch, nnthr,
Ges. 1876 Nro. 8, nagt von den dort gefundenen ge-
schlagenen Feuersteinen : das Material ist ursprünglich
jurassischer Feuerstein, welcher sich aber in der
Nahe auf sekundärer Lagerstätte, namentlich in Botin-
erzt honen lim lei.
**) Zittel (und O. Fr aas), „die Ifihiborhöhle
am Schelmengraben “ il»ei Ktter/.lmusen bayerische
Oberpfalz l, Archiv lkl. V, S. 025, sagt vou den zahl-
reichen dort gefundenen geschlagenen Feuersteinen:
der verarbeitete Feuerstein ist grau, zuweilen gebän-
dert wie er in den oberen Joraschichten der wei-
teren Nachbarschaft (*. B. Kelilheiiu) häutig vor-
kommt-. Theilweise wurde auch Feuerstein aus den
be n a »• h ba r t e n mittleren Kreideschichten und Quurz-
gerölle aus der vorüberfli essenden Nab ver-
urbeitet.
***) v. Schab, ..die 1'fuhlhuuten im Würmsee“,
Beiträge zur Antropolngie und Urgeschichte Bayerns,
1kl. I, S. *14: aueh die Feuersteine scheinen bloe aus
alpinem Gebiet zu stammen; die Flintinasse besitzt
diesem Forscher erwähnten „honiggelben“ Lanzen-
spitze, die auf der Roseninsel gefunden wurde,
fand sich bei Asclmffenburg ein eigentümliches
sägeförmiges Instrument, ein HirschgeweihstUck,
welches in einer Rinne mehrere sägeforinig steh-
ende honiggelbe spitze Feuersteinfraginente ein-
gekittet enthält. Dem Ansehen nach ähnelt dieser
honiggelbe Feuerstein dem nordischen.
Die Herkunft des Materials der übrigen baye-
rischen Steinwaffen und -Instrumente giebt keine
Anhaltspunkte für die Annahme einer Einführ-
ung aus entfernteren Gegenden. Mehrfach ergeben
sich die deutlichsten Spuren davon, dass man zu den
zu schleifenden Steingeräthen Gerölle auswählte,
welche schon durch die natürliche Abschleifung
annähernd die gewünschte Form beeassen ; mehrfach
sind die natürlichen Schliffflächen des Gerölls an
dem Steininstrument noch theilweise erhalten.
Gesteine, denen ganz entsprechend, aus welchen
sich die bayerischen Steininstrumente (abgesehen
von denen aus Feuerstein und Nephrit) geschliffen
zeigen , stehen entweder in der Nähe der Fund-
stellen direkt an , oder sie finden sich in den
Central- Alpen, dem Fichtelgebirg und den auderen
bei der Bildung der diluvialen Gebiete Bayern be-
t heiligten Gebirgsstöcken anstehend, woher sie in
die Gletscher- und Flussgerülle der Fundgegen-
den gelangen konnten. Die grösste Wahrschein-
lichkeit spricht sonach dafür, dass die Mehr-
zahl der bayerischen Steingor Uthe an
Ort undStelle theils aus anstehendem
Gestein, vorwiegend aber aus an Ort
und Stelle gefundenen Gerollen gefer-
tigt wurden; jedenfalls geben sie über Wander-
ungen und Handelsverbindungen ihrer einstmaligen
Besitzer so gut wie keine brauchbaren Aufschlüsse.
Herr Fischer:
Den sehr interessanten Beobachtungen des
Herrn Vorredners möchte ich nur einige Worte
entgegenhalten.*) Es ist oft auch dem geübten
Mineralogen und Petrographen schwer, zu be-
stimmen, ob das Material für Stein Werkzeuge aus
derjenigen Gegend selbst stamme, wo letztere ge-
funden wurden, schon weil durch das Abschleifen
der Oberfläche gewisse Merkmale des frischen
Gesteins verwischt werden. Bei Dioriten, Horn-
blendeseh iefern, Diabasen z. B. möchte wenigstens
keine Utfbereinstinimnng mit den französischen Feuer-
st einen ; welcher Formation sie eingelagert sind, kann
nicht mit Bestimmtheit angegeben werden.
*) Diese Entgegnung nimmt z. B. hei Eklogit u.
a. 0. sclmn Beziehung auf flanke S. 118; sie
wurde nämlich für »len Bericht wegen der Wichtigkeit
der berührten Fragen auf Veranlassung der Aciluktion
etwas weiter «angeführt. (Anmerk. d. Red.)
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117
ich, gerade vermöge der eingehendsten Studien
und Erfahrungen, mich nicht so leicht herbei-
lassen, ohne Vergleichung eines Dünnschliffs vom
zu bestimmenden Beil und eines Dünnschliff* vom
rohen Gestein, woher erstatt abstammen soll,
mich für Identität auszusprechen, denn es können
Gesteinsstücke im Aeussern einander überaus
ähnlich sehen und gleichwohl erkennt man erst
im Dünnschliff Unterschiede sowohl in der feineren
Struktur wie auch im Vorhandensein von Mineral-
best and theilen , die mit freiem Auge oder auch
mit der Lupe gar nicht zu ahnen waren.
Bei den in weniger grossem Massstab über die
Erde verbreiteten Felsarten, wie z. B. beim Eklo-
git kann es wohl möglich werden, vermöge ausser-
gewülmlicher Bestandtheile , z. B eingemengter
Gliinmerblätteheu, mit grosser Wahrscheinlichkeit
oder sogar fast mit Sicherheit zu behaupten, es
sei das Material für ein irgendwo gefundenes
Eklogitbcil aus einer gewissen Gegend, z. B. aus
dem Fichtelgebirge, insoweit der Eklogit anderer
Gebirgszüge glimmerfrei zu sein pflegt. — Bei
ganz glnttpolirten , sehr feinkörnigen, glimmer-
freien Eklogiten würde ich mich aber hüten,
eine Bestimmung der Heimat ohne Abnahme eines
Splitters und eventuelle Herstellung eines Dünn-
schliffs zu wagen.
Solche Entscheidungen werden dem Minera-
logen mitunter schwer sogar bei Beilen, welche
nicht aus Mineral ge m engen (Felsarten), son-
dern aus ein fachen M ineralien hergestellt sind;
z. B. ist es oft sehr misslich, die grasgrünen
Nephrite von Sibirien und jene aus Neuseeland
von einander zu unterscheiden, schon deswegon,
weil etwa 10, 20 oder gar 100 rohe Stücke von
einem und demselben Fundorte auch unter sich
in Farbe, feinerer oder gröberer Textur, spez.
Gewicht u. s. w. gewisse Schwankungen zeigen
können.
Machen wir uns klar, dass für das Zustande-
kommen eines und desselben Minerals an
verschiedenen Orten der Erde bestimmte
Gesetze gewaltet, haben, so müssen es gewisse
mehr weniger zufällige Verhältnisse der Gestalt,
der Nebenbostandtheilo, des Nelnmgesteins u. s. w.
sein, welcbo uns das eine Vorkommnis« vom an-
dern unterscheiden lassen und da ist es gewiss
notli wendig, in seinen Aeusserungcn sehr vorsichtig
zu sein, wenn auf die Aussprüche eines Minera-
logen oder Petrographeu hin eine andere Wissen-
schaft, die Archäologie, vertrauensvoll weitgehende
Schlüsse wie z. B. bezüglich der prähistorischen
Völkerzüge soll w'agen können.
Das Gleiche gilt, aber in noch viel höherem
Grade für die Beile aus Mineral ge m en geu ,
j Felsarten . denn hier summiren sich die Unter-
scheidungsmerkmale je nach der Ausbildung und
dem Vorherrschen des einen oder anderen normalen
Bestandtheils , dann je nach dem Auftreten von
accessorischen Bestandmassen und diese Merkmale
machen sich eben unter dem Mikroskop im Dünn-
schliff viel klarer geltend, als bei dem blossen
I Anblick des frischen Bruchs.
Bei Beilen aus solchem Kieselmaterial endlich,
das neptunischen Formationen angehört , z. B.
Hornstein, Jaspis, Feuerstein habe ich ausser den
feinen Nebcnbestandtheilen (Thon, anorganischen
und organischen Pigmenten), die sich als der
Quarzmaterie meist in staubartig feinen Partikel-
chen emgemengt unter dem Mikroskop erkennen
lassen, auch noch die mikroskopischen Petrefncten
zur Diagnose zu verwert hen gesucht und werde
hierüber bei anderer Gelegenheit berichten.
Solcherlei »Studien werden jedenfalls da noch
das Gefühl der Sicherheit erhöhen, wo man
etwa durch Vergleichung einer Summe von Stein-
beilen mit den in der Nähe ihrer Fundpunkte
anstehenden Gesteinen einen Anhaltspunkt für die
Abkunft, der ersteren gefunden zu haben glaubt.
Herr 0. Fr aas (Vorsitzender):
Es wäre im höchsten Grade auffällig , wenn
die Verhältnisse in Bayern so ganz anderer Art
wären, als die des benachbarten Schwabens. 1 n
ganz Oberschwaben sind keine Stein-
beile gefunden worden, welche aus
dem Material der oberschwäbischen
Geschiebe wären gefertigt w’orden. Herr
Oberförster Frank wird dies bezeugen, der eine
ausgedehnte Sammluug oberschwäbischer Stein-
beile besitzt. Ich wüsste von keinem einzigen
Steinbeil mit Bestimmtheit zu behaupten, es
stamme aus dieser oder jener Lokalität, oder ein
Geschiebe au f/.u weisen, das dem Steinbeilmaterial
identisch wäre. Wir müssen vielmehr einfach
sagen, wir kennen die Heimath dieser Steine mit
Sicherheit nicht. Ich bin hier ganz einverstanden
mit Hofrath Fischer, welcher die eingehendste
mikroskopische Untersuchung des Dünnschliffs für
unerlässlich hält um sich mit Sicherheit Uber
die Natur und Heimath eines Steinbeils oder
eines Geschiebes auszusprechen. Und dazu fehlen
heute noch dio zeitraubenden , mühevollen Vor-
arbeiten. Es genügt sicher nicht die Geschiebe
nur so en bloc zu beurtheilen und kann ich kaum
glauben, dass es in Bayern dem Studium der
Steine leichter gemacht wäre , als in Schwaben.
Ich möchte die Schwierigkeit, die Heimath eines
Steius am verarbeiteten Steinbeil zu erkennen fast
mit der Schwierigkeit vergleichen an einem mo-
118
dornen Messerheft die Art und Heimath des
Hirsch zu erkennen , aus dessen Geweih das
Heft bereitet ist. Was einmal verarbeitet ist,
hat schon eine veränderte Natur angenommen und
ist sehr schwer wieder zu erkennen.
Hiermit möchte ich nur einem Bedenken
Ausdruck gehen, und glaube vielmehr, dass wir*
nicht vorsichtig genug sein können, wenn wir
uns positiv über das Wesen und den Ursprung
der Steinbeile auszusprechen haben.
Herr Banke:
Zunächst erlaube ich mir zu entgegnen, dass
die ohne Einschränkung ausgesprochene negative
Ansicht des Herrn Vorsitzenden bezüglich der
oberschwäbischen Steinbeile doch nicht weniger
wie eine positive für ihro Begründung jene „zeit-
raubenden und mühevollen Vorarbeiten44 voraus-
setzen möchte, welche, wenn auch für andere
Gegenden noch nicht , für die Gebirge Bayern’«
durch Herrn Gümbel in vollständigster Aus-
führung vorliegen.
Die von mir angeführten Schlüsse der Herren
G ü m b e 1 und Haushofer über das Herkommen
der Mehrzahl jener Gesteine , welche zu den in
Bayern gefundenen geschliffenen Steinwaffen und
Steininstrumenten dienten, beruhen auf möglichst
.sorgfältiger womöglich frischen Bruch und Dünn-
schliff benützender Untersuchung. Die pet.ro-
graphischen Kenntnisse meiner Gewährsmänner
namentlich des erstereu im Gebiete der bayer-
ischen Gebirge und jener Gebirge , welche bei
der Bildung der bayerischen Diluvialgerölle
concurrirt haben, sind so ins Einzelne gehend
und speziell, dass in hervorragenden Fällen z. B.
bei Eklogit selbst der Gebirgszug angegeben
werden konnte , wo sich in der Nähe der Fund-
stelle des Steininstrumentes analoge Gesteinsvor-
I kommnissc finden , welche seine Anfertigung an
Ort und Stelle wahrscheinlich erscheinen lassen.
(Wenn wir in den hirschreichen Gebirgsgegen-
i den Bayerns ein Messer von landesüblicher Form
1 mit Hirschhorn griff finden, so sind wir gewiss
nicht berechtigt oder nur veranlasst, auf die Ab-
kunft des Hirschhorns von einem ausländischen
etwa von einem amerikanischen Hirsch zu schliessen,
wir werden ebensowenig a priori annehmen dürfen,
dass z. B. das Material zu den Grünsteinäxten,
welche im grünsteinreichen Fichtelgebirge und
dessen Flussgebieten gefunden wurden , von der
Fremde eingeführt worden sei.)
Dritte Sitzung.
Inhalt: Der 1. Vorsitzende Herr O. Kraus: Geschäftliches. — Herr Dr. V.üroa«: Neue l’fahlbaiwtationcn im
Hieler- und Neuenhurger-See. — Diskussion: Herr Tischler, Herr Ö. Kraus. — Herr R. Krause:
Ueber Schädel der Südseebewohner aus der Sammlung Godefroy in Huuiburg. — Herr R. Krause:
Neuer Zeichen- und Messapimrat für Schädel. — Herr .1. Rank e : Zeirhenapparat für Schädel. —
Herr Sch aaff h a u#e n: Neue prähistorische Forschungen im Rheinlande. — Herr J. Ranke:
Schriftliche Mitt Heilungen von Irl. Me stör f in Kiel. — Diskussion: Herr Tischler. — Herr
Mohlis: Ausgrabungen bei Dürkheim. — Herr Mnok: Steinzeit in Aegypten. — Diskussion:
Herr 0. Fraas, und Geschäft liehen. — Herr Ecker: Ueber die Herstellung einer Statistik der Körper-
größe zunächst fTir Süddeutschland. — Diskussion: Herr J. Ranke, Herr Much, Herr Sch a Uff-
hausen. — Herr Much: Neue Station von M.iinuthjägern. — Herr R. Virchow: Ueber klein-
asiatische Steinzeit um! die trojanischen Heroengräber.
Der Vorsitzende Herr 0. Knuts eröffnet uin
U Uhr morgens die Sitzung.
Er neunt die S. 12 aufgeftthrten Titel der
bei der N. Versammlung eingelaufenen Bücher
und Abhandlungen, indem er sich nur verbreitet
Uber 0. Tischler, ostpreussische Gräber-
felder: „Eino Arbeit , welche mit viel Sorgfalt
und Mühe hergestellt ist; die Fibelbear-
heitung ist vou der ältesten bis zur rö-
mischen Zeit , namentlich in technischer Bezieh-
ung meisterhaft durebgeführt ; ebenso meister-
haft ist die Technik der Glasperlen behandelt.“
Herr V. Gross:
Diejenigen unter Ihnen, welche vor zwei Jahren
auf dem Congress zu Constanz waren , werden
sich wohl der Sammlung von Bronze- und Stoin-
gerüthen erinnern, die ich dort vorgezeigt habe.
Seitdem habe ich mit meinen Ausgrabungen fort-
gefabren und habe am Bielersee hauptsächlich die
neue Steinalterstation Lüseherz (Locras) und am
NeuclnUelersee die Brouzcstationen Stäffis (Esta-
vayer) und Auvernicr ausgebeutet. Die neue
Station Locras, nordöstlich von der schon länger
bekannten Hauptstation gelegen, ist ungefähr 10
Meter von derselben entfernt und von der Grösse
eines .Tucharten. Die PtUhle sind dick und gut
erhalten und erinnern dadurch an die Pfähle der
Bronzezeit. Die Kulturschicht hat eine Höhe von 10
bis 80 Uentimeter und ist theilweise nur mit einer
dünnen Sandlage bedeckt, *o dass man die Aus-
grabungen ziemlich leicht bewerkstelligen konnte.
Einige Arbeiter förderten in wenigen Wochen
viele Artefacten zu Tage, aus denen ich die
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- *
. 119
schönsten Stücke gewühlt habe, uni sie Ihnen [
vorzuzeigen.
Die Steinbeile sind zahlreich, klein aber
hübsch gearbeitet. Sie sind moist aus
inländischem Material mit Ausnahme
eines Dutzends von Exemplaren , welche so-
eben von Herrn Professor Fischer unter- |
sucht worden sind und, seiner Aussage nach, zu
der Zahl der Nephrit- und Jadeitbeile gehören.
• — Vierzig Stück der gewöhnlichen Steinbeilchen
waren noch im Hirschhornheft befestigt, welches
ebenfalls klein ist und an seinem, dem Beil ent-
gegengesetzten Ende . einen Einschnitt in Form
eines V zeigt. Dieser Einschnitt hat , wie ich
mich durch eigene Ansicht überzeugen konnte,
dazu gedient , den keilartigen Vorsprung einer
Holzhandhabe in dem Ilirschhornheft zu befestigen.
Eine andere in unserem Pfahlbau ziemlich häufig
vorkomtnenden Art von Hirschhorn hefte ist fol-
gende: das cylindrischo Hirschhornheft ist aus-
gehöhlt und bildet eine Art Dulle, in welche das
konische Ende der Holzhandhnbe eindringt,
welches oft mit etwas Birkenrinde umwickelt ist,
um das Instrument dauerhafter zu machen. —
Wahrend die näher am Ufer gelegene Station
Locras kein durchbohrtes Steinbeil aufzuweisen i
hat, fand ich deren mehrere in der Station, die
uns beschäftigt. Das eine derselben, vou schwar-
zem Serpentin und auf all seinen Flächen polirt,
ist bemerkenswerth durch die Schönheit und
Vollendung seiner Arbeit und erinnert uns an die
Stücko dieser Art, die man in Dänemark gefunden
hat. Die sehr schön geschliffene und abgerundete
Schneide ist breit und zwar an der inneren Seite
zwei Centimeter breiter, als die innere Flüche des
Beiles , während die äussere Fläche mit zwei
parallelen eingeschnittenen Linien geziert ist. Das
ganze 13 Centim. lange Stück ist schön genrlveitet
und vollständig symmetrisch. Das Loch, bestimmt
das Holzheft autzunehmen, hat einen Durchmesser
von nur 12 Millimeter ; es ist d esshalb nicht an-
zunehmen, dass dies Instrument mit einem solch
gebrechlichen Holzheft versehen , irgend einem
praktischen Zweck gedient hätte, sondern viel- ,
mehr als Luxuswaffe oder Commandostab gebraucht
wurde. — Die Gegenstände von Silex sind weniger
zahlreich als anderswo, aber sie sind sehr schön
gearbeitet und von nicht gewöhnlicher Grösse.
Einige Splitter, die als Sägen oder Messer be-
nutzt wurden , waren noch mit ihrem Holzgriff
versehen, in welchem sie mit Asphalt eingeklebt I
waren. Ein anderes Stück mit ausgezacktem t
Rand steckt in einem Hirschhornheft. Die Pfeil- !
spitzen sind fein gearbeitet und die Lanzenspitzen
von ungewöhnlicher Grösse. Die bedeutendste j
dieser letzteren ist von weissem Silex und mit
einer bewunderungswürdigen Geschicklichkeit ge-
ar beit et. Sie ist 24 cm lang und an ihrer
breitesten Stelle 4 cm breit.
Die Instrumente von Knochen und Hirschhorn
sind zahlreich. Ich habe mehrere umgebogene
Nadeln gefunden , die mit einer seitlichen Oehre
versehen sind ; verschiedenartige Pfriemen, Pfeil-
spitzen von denen einige noch vermittelst Bind-
faden und Asphalt an das Holz befestigt waren.
Ein sehr merkwürdiges Stück, bis jetzt einzig in
seiner Art, ist aus dem Bruchstück eines platten
Knochens (Schulterblatt)? gearbeitet. Man hat
denselben sorgfältig auf einer Seite geschärft, und
sehr geschickt in einem Hirschhornheft befestigt.
Wäre nicht die Differenz in dom angewandten
Material, so würde mau glauben ein sogenanntes
Ras i rin css er aus dem Bronzealter vor Augen zu
haben. — Man hat schon früher in den Pfahl-
bauten der Steinzeit gespitzte Hirschhorneuden
gefunden , die an der stumpfen Seite mit einem
Loch versehen waren und über deren Anwendung
inan im Unklaren war. Ich habe das Glück ge-
habt ein solches Stück in einer Holzhaudhabe zu
linden und somit zu sehen, dass es eine Waffe
oder ein Ackerbaugeräthc war. — Ich fand
ausserdem etwa 30 Stück Hämmer aus Hirschhorn,
wovon einige noch mit ihrer runden oder vier-
eckigen Holzhandlmbe versehen waren. Einer
derselben zeigte an beiden Seiten eingeritzto
Linien als Ornamente. — Was die Holzartefakten
betrifft , so darf ich ausser den oben erwähnten
verschiedenartigen Holzhandbaben ein kleines halb-
kreisförmiges Brett mit Handhabe nicht unbe-
sprochen lassen. Es war durch und durch mit
kleinen Löchern versehen , welche wieder mit
Holzstäbchen ausgefüllt waren. Dazu kommen
noch einige Schalen aus Holz und mehrere vier-
eckige durchbohrte Stücke Holz, die wahrschein-
lich als Netzhalter gebraucht worden sind. —
Von Thonwaaren habe ich nur zwei vollständige
Töpfe gefunden, dabei einige Fragmente, ornamon-
tirt durch FingereindrUcke.
Von Metallgegenständen fanden sieb in der
Kulturschicht vor: ein kleines Stechwerkzeug
von reinem Kupfer, ein kleiner 10 cm langer
Dolch aus domaeiben Metall , ein kleiner Dolch
und eine Haarnadel aus Bronze und endlich erst
vor einigen Wochen ein prächtiges Bronzeschwert
von 68 cm Länge, welches sich durch seine
primitiv schöne Form auszeichnet, die nur in den
Pfahlbauten des späteren Stein- oder Anfang des
Bronzealters vorkommt. Der Griff ist zungen-
förmig abgeplattet und mit vier Löchern für
NiotnUgel versehen.
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120
Die Kultursohieht hat uns ausserdem noch r
zwei menschliche Schädel geliefert , welche
beide von grossem Interesse sind. Der eine
derselben , einem jungen Individuum enge-
hörend, ist allem Anschein nach als Trinkschale j
benutzt worden und bietet dieselben Merkmale
dar, wie der seiner Zeit in Sutz Vorgefundene, den |
Herr Prof. V i r c h o w für eine künstlich zuge- |
richtete Trinkschale halt. Die Pfeilnaht ist voll- |
ständig und misst ungefähr 132 Millimeter; das i
Stirnbein ist in der Kranznaht abgetrennt. Die j
unteren Abschnitte der Parietalia und des Occi-
pitalis fehlen und scheinen künstlich abgebrochen
zn sein. Die allgemeine Form der Schale ist ein
Oval von 14 cm Länge und 13 cm Breite. Der j
zweite Schädel, in meiner Anwesenheit der Kul-
turschicht, einer aus Tiefe von 150 cm entnommen, j
ist auch defekt, aber höchst interessant. Er be- i
steht aus den beiden parietalia , dem linken |
Schläfenbein , der äusseren Seite des Stirnbeins |
und der oberen Hinterhnuptschuppe. Die Form
ist deutlich dolichocephal ; die Scheitelbeinhöcker
sind ziemlich hervorragend , die Näthe sind sehr
zackig und zeigen keine Spur von Verknöcherung,
so dass wir es wahrscheinlich ebenfalls mit dein
Schädel eines jungeD Individuums zu thun haben.
Das linke Scheitelbein ist theilweise zerbrochen. I
In der Hinterhauptsschuppe zeigt sich ein Sub-
stanzverlust von runder Form und 30 Millimeter j
Durchmesser. Die Ränder des Loches sind schief
von voruen nach hinten geschnitten und zeigen
keine Spuren von Knochenneubildung. Man kann
aus Vorliegendem schliessen, dass diese Oeffnung .
durch Menschenhand , entweder an einem Leich-
nam oder an einem Lebenden gemacht worden
sei, der dann aber gleich nach der Operation
gestorben wäre. Dieser trepanirte Schädel ist
bis jetzt der einzige in den Pfahlbauten gefundene,
es sind solche aber in Frankreich in den Dolmen
der Lozere häutiger angetroffen worden ; ich hatte
letztes Jahr in der anthropologischen Abtheilung
der Pariser Ausstellung Gelegenheit, deren etwa
fünfzehn zu sehen.
Was das Alter unserer Station betrifft, so ge-
hört sie jedenfalls einer späteren Periode an, als I
der dem Ufer näher gelegene alte Pfahlbau. Sie
bestand zu einer Zeit, wo die Steinwerkzeuge auf
der höchsten Stufe der Vollkommenheit ungelangt
waren und wo aus dem Ausland durch den Tausch-
handel die ersten Kupfer- und Bronzegerftthe zu
den Pfahlbauten kamen.
Bevor ich schliesse , möchte ich noch einige
Worte Über die Bronzestation Estavayer im
Neuchätelersee sagen.
Durch die Tieferlegung des Sees wurden die
Pfähle, die früher 10 Schuh unter Wasser stan-
den, trocken gelegt, so dass die Arbeiter ohne zu
grosser Mühe letzten Winter die Ausgrabungen
machen konnten. Obgleich dieser Pfahlbau nicht
sehr gross ist, hat er doch , wie Sie sehen,
sehr ergiebige Resultate geliefert : schön ver-
zierte Messer mit geschweifter Klinge, Hohl-
meise! und andre Meisel von schöner Form,
viele Armbänder, worunter ein grosses Armband *
mit Kreisornamenten sehr interessant ist, weil cs
uns zeigt, wie die damaligen Bronzekünstler ihre
Bronzesachen reparirten. Das Armband ist ge-
gossen und hat zwei Gussfehler, die wieder gut
gemacht wurden durch Eingiessen eines Bronze-
klümpchens und nachheriger Gravirung auf der
misslungenen Stelle. — Ich fand da ausserdem
eine zweitheilige Gussform aus Bronze für Bronze-
beile, ganz ähnlich der vor einigen Jahren von
Herrn Professor Forel in Morges gefundenen.
Ein besonders schönes Stück ist ein Zierrath, aus
einem kleinem Rad gebildet, (ähnelt den in Hall-
stadt gefundenen Anhängstücken) an welchem
dreizehn kleine Klapperbleche hängen. Ausserdem
fand man eine aus einem Stück vortrefflich ge-
triebene Bronzeschale von 13 cm Durchmesser
und 6 cm Höhe, an deren Aussenseite ausser-
ordentlich schöne Verzierungen eingravirt sind.
Einige an der einen Seite verzierte halbrund ge-
bogene Röhren, wovon eine mit Handhabe ver-
sehen , haben nach der Ansicht des Herrn Dr.
F. Keller zur Garnitur eines Etruskischen
Streitwagens gedient. Zum Schluss noch einige
grosso 60 cm lange Haar- oder besser gesagt
Gewandnadeln mit grossen Köpfen, einige Fibeln,
Stücke von Pferdgebissen, Hinderen etc. etc,
Herr Tischler:
Anknüpfend an die Bemerkungen des Herrn
Vorredners will icli nur einiges hinzufügen. Der
Herr Vorredner sagte , dass diese Bronzestücke
theils gegossen, theils mit Grabstichel bearbeitet
worden seien. Eine genaue Untersuchung ergibt
aber, dass die Sachen nicht gravirt, sondern ge-
schlagen sind. Alle derartigen Stücke, die ich
gesehen habe, sind geschlagen, man sieht deutlich
jeden einzelnen Hammerschlag.
Der Vorsitzende Herr 0. Frnas bemerkt hiezu,
dass ihm der sogenannte Asphalt Birkentheer zu
sein scheine, wie er im Pfahlbau von Steinenhausen
durch Oberförster Frank in zahlreichen Stücken
Bowohl als in Töpfen gefunden wurde. Auf die
Industrie der Theergewinnung aus Birkenrinde
weist auch die grosse Menge dieses Stoffes hin,
der in vielen Pfahlbauten liegt.
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121
Herr R. Krause:
Gestatten 8ie mir ans dem bisher verfolgten
interessanten und mehr unterhaltendem Gebiet
der Anthropologie 8ie in ein spezielleres und etwas
trockneres Gebiet hinüber zu führen. Das be-
kannte Museum Godeffroy in Hamburg, jene un-
erschöpfliche Fundgrube für die anthropologischen
und ethnographischen Verhältnisse der Südsee be-
sitzt von der Insel Malicollo, der zweitgrössten
im Archipel der Neu - Hebriden , 16 Schädel,
welche alle gut erhalten sind, bei denen aber
leider die Unterkiefer fehlen, was sich daraus er-
klärt, dass letztere von der dortigen Völkerschaft
heilig verehrt , als Amulete benutzt und selten
fortgegeben werden. Diese genannten 16 Schädel,
von denen Sie hier zwei Exemplare vor mir sehen,
welche ich der Liberalität des Besitzers verdanke,
sind sämmtlich künstlich deformirt und zwar in
jener oft beschriebenen Weise, die unter dem
Namen Makrokephalie bekannt ist, ein Namen,
der mehr die äussere Erscheinung, als das Wesen
der Deformation betrifft. Trotz dieser Verunstal-
tung zeigen dennoch diese Schädel den rein pa-
puanischen Typus, eine Bemerkung, welche schon
Professor Busk in London betont hat bei Ge-
legenheit der von ihm im Journal of the Anthro-
pological Institut of great Britain and Irland 1877
veröffentlichten allgemeinen Maasse von 8 Malicollo-
«chädeln. Ich habe zur Vergleichung den hier
nebenstehenden normalen Papuaschädel mitgebracht.
Um nun die geschehene Veränderung an den de-
formirtcn Schädeln mit normalen vergleichen zu
können, so steht mir das verhältnissmässig reiche
Material von 195 Papuaschädeln zu Gebote: näm-
lich 60 von mir gemessen und 135, deren Maasse
Dr. A. B. Meyer in Dresden veröffentlicht hat.
[•Bevor ich nun in eine genauere Beschreibung
dieser Malicolloschädel eingehe, muss ich Etwas
vorausschicken Uber die angewandte Schädolmess-
methode, weil wir ja leider in Deutschland noch
keine allgemein acceptirte besitzen. Was die
Horizontale anbetrifft, so habe ich die von Hie-
rin g angegebene benutzt, weil l»ereits Dr. Meyer
auch in derselben Horizontale seine 135 Schädel
gemessen hat ; ebenso wurde der Profilwinkel nach
von I h e r i n g bestimmt. Die Schädelkapazität ist
mit Hirse gemessen, wobei anhaltendes und ener-
gisches Schütteln nicht versäumt wurde. Die
allgemeinen Maasse der Höhe, Breite und Länge
sind mit dem Spengel 'sehen Apparat ermittelt.
Der grösste Horizontalnmfang wurde von der
Olabella aus unmittelbar über dem arcu9 super-
ciliares und dem entferntesten Punkt des Hinter-
hauptes gemessen, nicht also wie Virchow an-
giebt inclusive der Höhe der Augenwülste. Ich
glaubte davon abweichen zu dürfen ira Hinblick
auf die von Welcker und Ranke eingeführte
Berechnung, wobei sie den Schädelinhalt in ein
bestimmtes konstantes Verhältnis^ zum 8cbädel-
umfang gebracht haben. Wenn nun dieser
Schädel um fang als ein treuer Ausdruck des Ge-
hirns verwerthet werdet) soll , dann muss man
alle Zufälligkeiten der Knocbenbildung, alle nicht
wesentlichen Erhöhungen, Exostosen etc. davon
fernhalten. In allen übrigen Dingen habe ich
mich streng an das von Virchow gegebene
Schema gehalten.
Nachdem wir seit längerer Zeit in den ver-
schiedensten Theilen der Welt in historischer und
prähistorischer Zeit eine Reihe von Völkern kennen
gelernt haben, welche durch gewisse Manipulatio-
nen den Schädeln ihrer Neugeborenen eine be-
stimmte Gestalt zu geben bestrebt sind, hatte es
ein gewisses Interesse diese. Sitte auch in der
melanesischen Bevölkerung zu konstatiren, wo sie
bisher noch nicht beobachtet war; denn weder
auf den benachbarten Inseln noch in Neuseeland
finden wir den Gebrauch der Deformation wieder.
Da wir nun wissen, dass zu verschiedenen Zeiten
polynesische Einwanderungen nach der Insel Mali-
collo stattgefunden haben, welche aber immer wieder
veijagt worden und verschwunden sind , indem
das melaneeische Element die Oberhand gewann ;
so ist der Schluss einigermassen berechtigt, dass
die Sitte des Schädeldeformirens nach Malicollo
von den Polynesiern gebracht worden ist, von
welchen längst bekannt ist, dass sie dieser Sitte
stark huldigen.
Wir können nun an diesen hier mitgebrachten
Schädeln sehen, dass die Deformation nach zweier-
lei Richtungen hin erfolgt ist. Zuerst wurde ein
viereckiger oder runder harter Gegenstand auf
das Vorderhaupt gepresst, um die Niederdrückung
der Stirn Wölbung zu besorgen. Dazu benutzte
man eine gewalkte Rinde von Morus papyriferus
„tappa“ genannt. Die zweite Einschnürung er-
folgt in querer Richtung und hatte die Bestim-
mung die Scheidelböhe niederzudrücken und sie
macht sich besonders bemerkbar als eine breite,
quer über den Schädel verlaufende Rinne, die oft
bis ins planum temporale tief hinein reicht. Am
stärksten ist stets die Niederdrückung des Stirn-
beins geschehen und Sie sehen , meine Herren,
hier an diesem Schädel, wie flach und allmählich
das Stirnbein emporsteigt. Der obere Theil des
Stirnbeines , welcher stets ein ausgesprochenes
Manubrium bildet , ist. zu einem Hügel in die
Höhe gewölbt; es entsteht eine Art Querwulst,
bewirkt durch die beiden Einschnürungen, welche
hier gewissermassen gegeneinander arbeiten , der
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Art, dass der freigelassene Theil den Schädels j
dadurch in die Höhe getrieben wird.
Das Wesentliche in dieser Schädeldeformation j
besteht nun darin, dass die Scheitelhöhe, welche j
bei normalen Papuaschädeln 40 — 50 mm hinter j
der Kranznaht zu liegen pflegt , hier bedeutend
weiter nach hinten gerückt ist, sodass sie meist
mit der hinteren Höhe (Virchowj zusammen-
fällt oder gar noch dahinter sich befindet. Der
obere Theil des Hinterhauptes wird dabei kugel-
förmig nach hinten hervorgef lieben. Natürlicher-
weise wird die Zugwirkung , welche das Stirn-
bein abplatten soll, ihren festen Punkt am Hinter-
haupt haben müssen und so hat auch schon
v. Baer an Kbnhlichen Schädeln anderer Völker
oberhalb der linea semieireularis superior eine
Depressiunsfurche beschrieben; indessen weder
B u s k noch ich haben eine Spur davon an den
Malicolloschädeln finden können. Es versteht sich
ausserdem von selbst, dass auch die Hinterhaupts-
Wölbung gelitten hat. ln Folge nun des auf
das Gehirn ausgeübten Druckes entsteht am
Scbädelgrund in der Schlftfengegend eine ©om-
pensatorische Erweiterung und es wird sich daher
die Wirkung der Einschnürung besonders fühlbar
machen im Querdurehinesser, welcher ganz be-
deutend verkleinert erscheint. Stellt man sämmt-
liche an den defonnirten Schädeln genommene
Ma&sse mit den normalen behufs Vergleichung
zusammen , so ergiebt sich als Gesamintrosultat,
dass die Längeninaase sich nicht verändert, haben,
dass aber sämmtliche Breitendurchmesser ver-
kleinert sind , während alle Höhenmaasse zuge-
nommen haben zumal diejenigen, welche die Be-
ziehungen des Mittelhauptes zum Hinterhaupt
ausdrücken. Nur eine Ausnahme findet statt,
das ist die Entfernung des Bregma vom vorderen
Rande des forumcn inagnum oss, occipitis, welch«
in Folge des oben geschilderten Hervortretens
des Stirnl>e»ns sich nicht verändert hat.
Fassen wir nun zunächst die allgemeinen Ver-
hältnisse des Schädels, die 3 Hauptdimensionen
ins Auge, so ergeben sich folgende Mittel werthe:
für die Länge 181,8
Höhe ..... 138,1
,, Breite ..... 127
und die dazu gehörigen Indices lauten:
der Längenhöhenindex 7G
,, Längenbreitenindex 63,8
„ Hohenbreitenindex 106,8
Somit gehören die Malicolloschädel zu den Hypsi-
stenocephalen mit extremer Dolichocephalie, welche
letztere zum Theil auf die Deformation zurück-
zuführen ist, weil der Längenbreitenindex bei
normalen Papuas 72,5 beträgt. Die Sehädel-
kapazität ist ebenfalls verringert und beträgt bei
deuMalicolloschädeln im Durchschnitt nur 1274,2 «c
und bleibt somit weit hinter dem der meisten
andern Völker zurück. Weissbach hat für die
österreichischen Schädel 1423 cc, Ranke für die
altbayerische Bevölkerung 1 4 13 cc, Welcher für
Deutsche sächsischen Stammes 1374 cc gefunden.
Die Angaben, welche der berühmte Kraniolnge
B. Davis macht für die Schädel kapazität der
Bewohner der grossen Kontinent«, sind entschieden
zu hoch gegriffen. Wenn mau nun aus dem
! Hirnraum auf die Constitution der Bewohner von
Malicollo einen Schluss machen darf, so muss
man sie sich als Menschen von mittlerer Statur
und nicht besonders kräftigem Körperbau vor-
stellen und ist mir solches auch von Kapitänen,
welche Malicollo besucht hatten, bestätigt worden.
Der Schädelumfang beträgt 492 mm ; ver-
gleicht man Hirnrauin und Schädelumfang mit
pinandpr, so ergiebt sich, dass dieselben in geradem
Verhältnis« zu einander steheo, indem der Schädel-
umfang mit jeder Zunahme des Hirnraums um
100 cc um circa 16 mm steigt Eine analoge
Aufstellung ist von Ranke für bayerische Schädel
gemacht worden, wodurch er eine Steigerung von
10 mm des Schädelumfangs bei je 100 cc Zu-
nahme des Hirnraums constatirte.
Vergleichen wir ferner die Beseitigung der
verschiedenen Knochen, welche don Sagittalumfang
bilden, so stellt sich heraus, dass das Stirnbein
mit 34,0 pCt., die Pfeilnaht mit 36,3 pCt., das
Hinterhauptsbein mit 29,6 pCt. participirt. Aus
diesen Zahlen ersieht mau eine überwiegende
Entwicklung des Mittelhirns und dies ist über-
haupt bei den Papua* s normal. Nachdem nun in
neuerer Zeit (Hitzig) das Mittelhirn als Centruiu
für den Bewegungsapparat des Körpers erkannt
worden ist, so lag es nahe, bei der that sächlich
überwiegenden Benutzung der Muskulatur bei
diesen uneivilisirten Völkern gegenüber den höhe-
ren geistigen Funktionen hierin den Grund für
das Zurückbleiben des frontalen Gebirntheiles an-
i zunehmen. Indess wäre dieser Schluss ein falscher,
j weil wir andere Völker, z B. die Botokuden ken-
nen, die vielleicht geistig noch niedriger als die
Papua’s stehen und trotz dessen eine grosse fron-
| tale Entwicklung des Schädels zeigen.
Das Hinterhaupt ist durch don erfahrenen
Druck in seiner Entwicklung gehindert und zwar
besonders der untere Theil das Receptaeuluui
eerebelli, welches nur eine durchschnittliche Länge
I von 44,8 nun erreicht, während das Receptaeuluui
| cerebri etwas in die Höhe getrieben ist. Das
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1*23
Stirnbein ist im Allgemeinen schmäler sowohl
vorn als auch oben im Coronaldurchmesser. Die
tuhern frontalia sind wenig zu erkennen und
konnte ihre Distance nur bei 4 von den Malicollo-
schädeln gemessen werden. Hierbei zeigt« es
sich, dass dieselben 6,1 mm weiter auseinander
standen als bei normalen Papua’s. Die arcus
superciliares sind sehr verschieden ausgebildet,
stossen aln?r in der Mitte der Glahella zu einem
hohen Wulst zusammen, wodurch der meist tiefe
Nasensattel entsteht. An 2 Exemplaren, von
denen Sie das eine vor sich sehen , zeigten sich
eomplete persistirende Stirnnfthte. Es ist dies
ein Verhältnis« von 1 : 8 und entspricht merk-
würdiger Weise den von Virchow für die deut-
schen Schädel angegebenen. Für normale Papua’s
ist dies Verhältnis« jedoch nicht zutreffend , weil
sonst von den 195 Schädeln, welche Dr. A
li. Meyer und ich gemessen haben, kein ein-
ziger eine sutura frontis aufweist. W'enn men
diftte anomalen Nähte als compeusatorische Er-
weiterung für anderweitig auftretende partielle
Microceplialien des Gehirns auffasst , so wird es
schwer dies« Ansicht grade hier zu vertreten,
weil ja die auf das Stirnbein ausgeübt« Com-
pression eigentlich solche Erweiterungsgelüste
nicht gestattet, haben wird. Die beiden Scheidel-
beine sind, wie Sie sehen, länger und nach hinten
kugelförmig herausgehaucht , sodass das Hinter-
haupt schnell und schräg nach hinten und unten
ahföllt. Die Hinterhauptsschuppe ist schmäler
und kürzer als gewöhnlich ; Unregelmässigkeiten
in ihrer Bildung zeigten sich selten , und nur
einmal wurde ein linkess laterales Schaltstück,
welches dem dritten Knochenkern Meckels ent-
spricht, beobachtet, ln der hinteren Fontanelle
wurde zweimal ein os apicis squamae oecipitis
gefunden. Die Lambdanaht ist der Sitz zahl-
reicher ossa Wortnianna; im fonticulus Casserii
fanden sich zweimal Schalt knochen.
Indem ich diese Einzelheiten verlasse, möchte
ich nun ein Thema berühren, welches seit einiger
Zeit sehr in den Vordergrund getreten ist, näm-
lich das anatomische Verhalten der Schläfengegend.
Die Malicolloschädel zeigen auch nach dieser
Richtung hin, dass sie einer inferioren Rasse an-
gehören. Bekanntlich ist- die Verbindung der
Schläfenschuppe mit dem Stirnbein typisch für
die anthropoiden Affen. Es wurde nun diese
Eigentümlichkeit an 6 dieser Schädel aufgefunden
und zwar viermal doppelseitiger, zweimal rechts-
seitiger processus front -alis oss. temp. completus;
also entsprechend einem Verhältnis* von 1 : 2,3-
Wenn wir nun bedenken, dass für arische Völker
dies Verhältnis« nuf 1 : 50,3, ferner für normale
Papua auf 1 : 11,5 sich berechnet, so lässt sich
schwer von der Hand weisen, dass auf die Häufig-
keit dieser pithecoiden Bildung die Deformation
einen bestimmenden Einfluss ausgeübt hat. In
der Schläfenfontanellu wurden Schaltknoehen fünf-
mal gefunden, zweimal doppelseitig, dreimal nur
, auf einer Seite; dies beträgt 34 pCt.
Grössere Schwierigkeiten bietet die Schätzung
der sogenannten einfachen Schläfenenge. Steno-
crotaphie (Virchow), ohne anatomische Un-
regelmässigkeiten, denn die mehr odor weniger
geringere Breite der Keilbeinflügel ist kein dafür
brauchbares Maas*, weil sich die compensatorische
> Leistung der Schläfenschuppe und des Stirnbeins
nicht dahei taxiren lässt. Um diesem U ebelstand
abzuhelfen, hat Herr Professor Ranke ein neues
Maass aufgestellt, indem er die Entfernung der
Mitte der Ohröffhung von der Mitte des untern
Augenhöhlenrandes moss und dafür als Mittel-
werthe rechts 80,3 mm, links 80,6 mm fand.
Ich muss indessen gestehen, dass ich diesem Maasse
keinen grossen Werth zuert heile, weil eben auch
hierin das compensatorische Moment der einzelnen
Knochen keinen Anhaltspunkt erhält. Statt dessen
habe ich nun einen andern Weg aufgesucht und
schlage vor, den Abstand des vorderen Randes
^ des Schläfenschuppe am angelus parietalis vom
vorderen Rande der sutura fronte zygomatica
als Maoss für die Schläfenenge zu benutzen. Als
Mittel werth hat sich dafür 31 mn» ergeben und
es zeigt sich nün, dass alle diejenigen Schädel,
' hei denen dieser Abstand unter das Mittel lierab-
| ging, auch die deutlichen Zeichen der Steno-
crotaphie trugen.
Die Verbindung des Scheitelbeins mit dem
Keilbein, die sutura sphenoparietalis hat hei den
; deform irten 8chädeln dieselbe Länge wie bei den
normalen Papua’s, 8,35 mm im Mittel. Diese
Naht ist bei den verschiedenen Völkern sehr ver-
schieden ausgebildet, z. B. Ranke fand hei den
Bayern 15 mm Durchschnitt, während sie bei
Australnegern, Philippinen und Celebesbewohnern
nach Virchow’s Angaben kleiner ist. Die
Breite des grossen Keilbeinflügels beträgt im
Durchschnitt 18 mm, bleibt also wesentlich zurück
hinter don meisten anderen Völkern; für deutsche
beträgt er 25,2 mm, für Uelebesschädol 25,8 etc.
Die Länge der Schläfenschuppe beträgt im Mittel
• 71,5 und Ubortrifft die Regel uni circa 7 mm;
! dies zeigt ebenfalls die Erweiterung des Schädels
in der Schläfengegend. Statt dessen ist die
Schläfensehuppe aber niedriger ab gewöhnlich
und erreicht nur eine Höhe von 40 mm im
Durchschnitt.
Der Gesichtmhädel wird von der Deformation
8*
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124
gar nicht betroffen. Die Nasenbeine sind meistens
lang, stark nach oben gebogen, woraus es sich
erklärt, dass die Reisenden übereinstimmend von
den Adlernasen der Papua' s mit semitischem Ty-
pus berichten. Der Nasenindex beträgt 47,6 mm
und befindet sich also an der Grenze der Leptor-
rhinie zur Mesorrhinie. Eine besondere Ab-
normität zeigte der Oberkiefer, indem bei der
Hälfte die Alveolen der ersten beiden Schneide-
zähne fehlten und an deren Stelle war eine dünne
Knochenplatte getreten. Dies erklärt sich daraus,
dass es auf Malicollo Sitte ist , den Kindern,
wenn sie das mannbare Alter erreichen, die beiden
Vorderzähne auszuschlagen, ln Folge dessen tritt
eine Atrophie der betreffenden Knochenparthie
ein. Bei einem andern männlichen Schädel fanden
sich 6 Backzähne, 3 Molaren und 3 Praemolaren,
e.in Vorkommen, welches auch bei anthropoiden
Affen beobachtet ist.
Dies, meine Herren ist im Allgemeinen das,
was ich Uber diese Malicolloschädel mittheilen
wollte und ich möchte jetzt zum Schluss noch
einige Worte Uber einen neuen Schädel-
in e s s a p p a r a t , welchen mir mein Freund,
der Ingenieur K ä m p in Hamburg construirt hat,
anschliesseu. K» ist dabei das Prinzip des Storch-
schnabels angewendet, was schon früher in ver-
änderter Weise Broca gethan hat. Es wird
nun der zu messende Schädel in der Mitte der
Grundfläche befestigt aufgestellt, dann der Zeichen-
apparat in die bestimmte Entfernung gerückt.
Indem ich nun , wie Sie hier sehen , den einen
Schenkel um die Schädeloberflftcbe herumfflhre,
zeichnet mir ein am andern Schenkel angebrachter
Stift diese Linie auf das nebenbefindlicbe Blatt
Papier. Ferner befindet sich ira ersten Schenkel
eine verschiebbare Nadel, durch welche ich im
Stande hin alle auf der Oberfläche des Schädels
befindlichen Unebenheiten sofort auf das Papier
zu projiciren und auch die Nähte in die Fläche
einzuzeichnen. Es wird dadurch Zeit erspart,
auch habe ich nicht für Aufstellung in einer be-
stimmten Horizontale Sorge zu tragen, weil ich
mir nachher die Zeichnung in jede beliebige
Horizontale legen kann. Es bedarf selbstver-
ständlich auch dieser Apparat zum Gebrauch einer
gewissen Uebang, ist aber entschieden nicht so
zeitraubend und anstrengend wie der Lucae'sche
Zeichenapparat.
Herr J. Ranke:
Es kommt gewöhnlich vor, dass zwei Men-
schen gleichzeitig auf eine Idee kommen. Ich
habe Ihrer Begutachtung hier auch einen Ap-
parat zur Schädelzeichnung vorzulegen,
welcher sich aber auch für Abbildung anderer
Objekte eignet. Das Instrument ist im Wesent-
lichen ein fest in Messing ausgeführter Storch-
schnabel, welcher an Stelle des Zeichenstiftes zum
Nachfahren der Contouren ein entsprechend ver-
ändertes Luca e’schea Diopter trägt. Bei der
Benützung wird wie bei dem bekannten Lucae’-
schen Verfahren der abzubildende Gegenstand unter
eine Glasplatte gelegt und seine Grenzlinien wie
sein lineares Flftchendetail mit dem Diopter nach-
gefahren. Der Bleistift des Storchschnabels zeich-
net hiebei ohne Weiteres diese Linien in ganzer,
halber oder viertel Grösse auf Papier Ausser
für Schädel und Knochen ist der Apparat
auch besonders für die Abbildung von Urnen
mit reicher Ornamentik verwendbar. Beson-
ders hübsch ist es mil diesem Instrument
Nähte des Schädels zu zeichnen, hier kommt die
Natur zu vollkommener Geltung. Der Apparat
ist vom Mechaniker Stölln reu ther in München
sorgfältig ausgeführt und käuflich für 68 Mark.
Herr Sch&affhausen:
Ich führe Sie zunächst in eine Zeit zurück,
welche weit hinter denen liegt, von welchen bis jetzt
hier die Rede war. Sie sehen vor mir den fossilen
Schädel eines Moschusochsen (Abbildg. S. 125) auf-
gestellt. Derselbe ist 1878 in der Nähe von Koblenz
bei Moselweiss 22' tief im diluvialen Lehm*gefunden
worden, der hier auf der rechten Seite des Flus-
ses den Thalabhang bedeckt. Ich habe Uber den
merkwürdigen Fund bereits eine Mittheilung in
der Sitzung der Niederrhein. Gesellschaft vom 9.
Juni dieses Jahres gemacht. Bisher sind sechs
Funde von Kesten dieses Thieres im Diluvium von
Deutschland gemacht worden. Zu den 5 Funden,
die Roemer zusammengestellt, kam noch einer in
Mecklenburg, vgl. Zeitschr. der deutschen geolog.
G. XXX. 1878, S. 563 und dieses ist jetzt der
siebente, welcher den vollständigsten Schädel ge-
liefert hat, den wir von diesem Tbiere der Vor-
zeit besitzen. Ich war nicht bei der Auffindung
zugegen, sondern fand ihn ganz zufällig in einer
Sammlung von Alterthümem bei Koblenz. Ich
begab mich bald an Ort und Stelle und konnte
noch von dem Finder die genauesten Angaben
über die Auffindung des Schädels entgegennehmen.
An den Abhängen des alten Moselthales über dem
Orte Moselweiss wird eine 20 bis 30' mächtige
Lehmschiebt für eine in der Nähe befindliche
Ziegelsteinfabrik abgegraben , bei welcher Arbeit
der Schädel des Moschusochsen biosgelegt wurde,
in kurzer Entfernung davon lag der fast voll-
ständige Epistropheus des Thieres. Leider fiel der
auf einen Baumstamm gelegte Schädel, der ganz
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125
vollständig war, zu Roden, ho das« der Oberkiefer
abbrach. Andere Theile fanden sich nicht , wie-
wohl ich danach suchen lies». Wichtig ist, wegen
des Vergleichs mit dem in der Höhle von Thayin-
gen in der Schweiz gefundenen aus liennthier-
knochen geschnitzten Kopfe eines Moschusochsen,
dass an diesem Schädel von Moselweins der eine
Knochenzapfen für das Horn ganz erhalten ist.
9 Die grösste sagittale Länge der Basis der
Zapfen misst 1 6 1 mm , die grinste Breite des
Kopfes mit den Zapfen gemessen 2 SO. Bei dem
von Roemer entdeckten Schädel vom Unkelstein
misst jene 180, diese 264. Das Thier von Mosel«
wei88 ist also etwas kleiner, aber es ist älter,
wie die geschlossene Nath der Hinterhauptsschuppe
und die stärker abgeschliffenen Zähne zeigen, deren
Kauflächen desshalb grösser sind. Dnwkins
stimmt Bl ai n v i 1 1 e darin bei , dass das Thier
zwischen Rind und Schaaf stehe und weist
Owens Ansicht zurück, dass es dem ßubalus
caffer nahe verwandt sei. Der vorliegende Schä-
del hat die Form des Oberkiefers von Ovis, aber
der letzte linke Backzahn hat zwischen den beiden
Lappen den Schmelzpfeiler , der für die Boiden
charakteristisch ist.
Der Moschusochs ist dus heute am meisten
nördlich gewanderte Thier der Vorzeit , er findet
sich bis Uber den 81.° nördl. B. und wir können
schliessen, dass, als er im Moselth&le lebte, in
diesen Gegenden noch die Gletscherzeit herrschte.
Am Unkelstein fanden sich die Reste dieses
Thierea im Löss des Rheinthals gemischt mit
denen der übrigen Säugethiere der Diluvialzeit.
Der Fund von Moselweins hat aber desshalb einen
ganz besonderen Werth, weil er die in letzter
Zeit mit lebhaftem Interesse aufgeworfene Frage,
ob der Mensch mit diesem Thiere schon gelebt,
in der sichersten Weise löst. Es finden an ihm
sieh unzweifelhaft Spuren der Menschenhand, auf dem
Stirnbein und am Hinterhaupt. Es sind 16 bis
18 gerade und scharfe Einschnitte in den Knochen.
die genau so aussehen, als seien sie durch ein
Feuersteinmesser oder ein Steinbeil gemacht.
Oh r 18 ty hatte schon aus den in Südfrankreioh
gefundenen gespaltenen Röhrenknochen und aus
den in der Nähe gefundenen Steingeräthen den
Schluss gezogen , dass der Mensch auch dieses
Thier gejagt habe. Hior tragen seine Reste den
unmittelbaren Beweis dafür an sich. Der Schädel
war , als ich ihn erhielt , noch von einem fest
haftenden Lehm bedeckt , und hatte an vielen
Stellen eine Kruste von kohlensaurein Kalk. Ich
habe den Knochen , der mürbe ist , mit grosser
Vorsicht gereinigt und fand erst nach der Reinig-
ung diese scharfen Einschnitte. Es befinden sich
einige an der Basis des Hornzapfens ; die Menschen,
welche dos Thier abhäuteten , haben also wohl
diese Schnitte gemacht , um die Haut zu lösen ;
die Schläge auf dem Vorderkopfe sind vielleicht
diejenigen, durch welche das Thier getödtet wor-
den ist. An der Basis des rechten Hornzapfens
nach hinten ist ein *,« Zoll langer Schnitt , auf
der Hinterhauptsfläche rechts ein ebenso langer
und 2 kleine Querschnitte. Vor dem rechten
Hornzapfen an der Basis sind 4 Schnitte bemerk-
bar, der grösste ist 1 Zoll lang, die andern sind
kleiner aber tiefer. Vor dem linken Zapfen sind
2 Schnitte. Auf der Stirne zählt man 8, einer
ist 1 */• Zoll, zwei sind 1 Zoll lang.
Bekanntlich hat Uapellini eigentümliche
scharfe halbmondförmige Einschnitte in Knochen
eines tertiären Walltisches dem Menschen zuge-
schrieben ; man ist wohl jetzt darüber einig, dass die
Schneide eines Stein Werkzeuges solche Schnitte nicht
hervorbringen kann, wohl kann man sich dieselben
durch den abgebrochenen Stosszahn des Narwals
hervorgebracht denken, wenn das Thier hei seinem
Stosse sich zugleich ein wenig um seine Längen-
achse drehte. Die Einschnitte an dem Schädel
des Moschusochsen entsprechen dem Schnitte eines
Steinmessers oder Beils und nicht dem eines
eisernen Werkzeuges. Die eiserne Hacke mit 2
Zinken und einer breiten 8eite, die beim Graben
des Lehms gebraucht wurde, konnte die Schnitte
1 nicht gemacht haben ; deren Flächen sehen nicht
frisch aus, sondern gleichen der übrigen Oberfläche
des Knochens und kein Theil der Hacke, die ich
darauf untersuchte, konnte so scharf einschneiden.
Der Halswirbel dagegen trägt eine Verletzung durch
die Hacke an sich, die sich sofort als solche kennt-
lich macht und das innere weisae Gefüge des
Knochens hlos gelegt hat.
Diese Beobachtung lehrt uns also, dass auch
der Mensch zur Gletscherzeit in dieser Gegend
gewohnt und sich, wie wir schliessen dürfen, vom
j Fleische des Thiereft genährt hat. Der gehrech-
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liehe Schädel war zu wohl erhalten, als das* er
weither geflötet- sein konnte. Diese Schlussfolge-
rung sollte in ganz unerwarteter Weise noch eine
Bestätigung erfahren. Ich forschte in der Ge-
gend dieses Fundes weiter, sah mir die alte
Lehmablagcrung des Thulgeliäuges au , welches
muldenförmige Einschnitte hat. Als ich fragte,
ob früher hier beim Lehmgraben nie etwas ge-
funden worden sei , führte man mich in einer
Enternung von einigen 100 Fuss an eine Mulde
desselben Thalabhanges und ein zuverlässiger
Mann erzählte mir, dass er hier vor einigen
Jahren beim Lehmgraben unter 0 Fuss Lehm,
unter deiu eine 4 Fuss hohe Bimssteinschicht ab-
gelagert war. eine Kohlenschicht von einigen Zoll
Dicke und 6 Fuss Durchmesser gefunden habe, die
wohl eine menschliche Feuerstätte gewesen sein
müsse. Die Erscheinung ist in dieser Gegend ge-
wöhnlich , dass die Hügelkuppen von Bimstein
frei sind, während er in den Mulden und Ein-
schnitten sich abgelagert findet. Nachdem er vom
Vulkan ausgeworfen war, wurde er vom Hegen
in die Thäler und Mulden hinabgeflötzt. Wenn
uun unter einem solchen Bimssteinlager sich eine
Kohlenschicht befindet, die nach ihrer Beschaffen-
heit und Ausdehnung schon von ununterrich-
teten Leuten als ein Feuerheerd des Menschen
bezeichnet wurde, so folgt daraus, dass Menschen
hier gelebt und Feuer angezündet haben, ehe die
Gegend durch einen nahen Vulkan mit Bimsstein
überschüttet wurde. Man kann sich nicht wohl
denken, dass hier der Blitz einen dürren Baum
entzündet haben könnte, der nicht ganz verbrannt,
sondern zum Theil verkohlt sei. Ein solches Er-
eigniss ist in jener Zeit nicht wahrscheinlich und
die ganz gleichmäßige Kohlenschicht spricht da-
gegen ; es bleibt gar keine andere Deutung mög-
lich, als dass sie von Menschen zurückgelassen
war. Wiewohl an der Stelle des Schädelfundes
eine Bimsteinschicht fehlt , kann man doch aus
der Höhe der Lehmablagerung an beiden Fund-
stellen folgern, dass der Moscliusochse einer viel
früheren Zeit angehört, als die ist, in der jenes
vulkanische Ereigniss statt fand.
Ich sammle seit längerer Zeit solche Beob-
achtungen, die sich uuf die letzten vulkanischen
Ausbrüche in unserm Rheinland beziehen und den
Beweis liefern, dass der Mensch schon ein Zeuge
derselben gewesen ist. Ich bewahre den Luva-
block von Playdt bei Andernach, der, als er aus-
einander geschlagen wurde , in der Mitte ein
geschmiedetes Eisen von der Form eines grossen
Hufnagels enthielt , welcher genau in das Loch
hineinpasst. Die Behauptung, dass es sich hier
um eine Fälschung handle, ist ganz unbegründet.
Dannv sind am südlichen Ufer des Lanchcr
See's Pfahlbaureste unter zwei Bimssteinschichten
gefunden worden und in Koblenz wurde bei
einem Hausbau unter einer festen Briteschichl
ein Haufe monsch lieber Knochen und dabei ein
Schädel gefunden, der durch mehrere Merkmale
primitiver Bilduug, die ich 1873 besprochen habe,
ausgezeichnet ist. Zu diesen Thatsachen kommt
nun für die Rheingegend die Spur des Menschen
schon in der Gletscherzeit, und eine Fettenteile
unter dem Bimsstein, so dass wir für die Zeitbe-
stimmung der letzten vulkanischen Erscheinun-
gen am Rhein ganz andere Ansc hauungen gewinnen,
nls bis dahin von den meisten Forschern getheilt
wurden und gerechtfertigt schienen. Ich möchte
bei diesem Anlass noch eine andere Bemerkung
hier anknüpfen , die sieh auf eine Aeusserung
des Herrn Professor Ranke bezieht, die er
gestern machte Ich halte manche der Beweise
für das Zusammenleben von Mammut h und
Menschen nicht für so zweifellos, wie man es
gewöhnlich darstellt. Ich habe schon vor zwei
Jahren die Behauptung aufgestellt, dass die Auf-
findung von Mnmmuthknochen , die der Mensch
bearbeitet hat, noch nicht ein Beweis dafür sei,
dass beide auch zusammen gelebt haben. Es
haben die Menschen der Vorzeit Europa*» ganz
gewiss das fossile Elfenbein gefunden und es ist
vielleicht damals noch so fest gewesen , dass es
bearbeitet werden konnte, was ja heute noch für
i das sihiiischc fossile Elfenbein gilt. Duss der
eben besprochene Schädel aber Spuren der mensch-
lichen Werkzeuge an sich trägt, die auf die
Tödtung des Thieres bezogen werden können, ist
ein ungemein sicherer Beweis für das hohe Alter
des menschlichen Geschlechtes. Auch ist der
Moschusochse ein Zeitgenosse des Mammuth.
Ich spreche jetzt von einem grossart igen, fast ver-
schollenen megalithischen Denkmale ini Moselthal.
(Abbildg. S. 1 20.) Bei der vorigen Versammlung in
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127
Kiel schilderte ich Ihnen einen der schönsten Stein*
ringe des Rheinlundes, den von Otzenhausen und be-
merkte, dass derselbe wie eine grosse Menge anderer
altgermanischer Denkmale vor der Fülle römischer
Funde bei uns gleichsam nie recht zur Geltung
gekommen und dass viele derselben in Vergessenheit 1
geralhen seien, sie werden erst jetzt wieder auf-
gesucht und gleichsam wieder entdeckt. Mit einem
solchen Denkmale unserer ältesten Vorzeit möchte
ich Sie bekannt machen.
An der Mosel bei Trarbach befindet sich * 4
Stunden von diesem Ort in einein Seitentlmle des
Kaudenbachth&les auf einem Bergrücken ein wenig
bekanntes, aber schon vor 200 Jahren genau be-
schriebenes altes Stein-Denkmal, von dem ich zwei
Photograpbieen hier vorlege.
Es gelang mir nicht, nachdem mir vor mehreren
«fahren die Nachricht vom Vorhandensein eines
solchen zugogiingen war, Jemanden zu finden, der
dasselbe gesehen hatte; selbst in Trier fand ich
keinen Archäologen oder Alterthumsfreund, der
mir eine sichere Mittheilung darüber hätte machen
können. Da fiel mir das Buch von Fr. Mcnk,
de« Moselthales Sagen u. e. w. Koblenz 1840 in
die Hund, in welchem „der Wellst ein“ beschrieben,
als ein gallischer Opferaltar, bei dem inan ge-
fallen«: Krieger bestattet habe, gedeutet, eine
darauf bezügliche Sage erzählt und auf Mitteil-
ungen von A. S t o r c k , Darstellungen aus dem
Preuss. Rhein- und Mosellande, Essen und Duis-
burg 1818 hingewiesen wird. Hier findet «ich
ein Bild des Wellsteins , worin er mehr wie ein
Felagebilde der Natur als wie ein Werk von
Menschenhand aussieht. Kr giebt die Höbe zu
18 Fuss an , glaubt abor, dass Wind und
Wetter daran Zerstörungen angerichtet hätten,
wie das ringsum zerstreute Gestein vermuten
lasse. Steine, die 3 Fuss breit, (j Fuss dick und
1 2 Fuss lang sind, liegen durcheiuamh'r auf einem
Haufen, wohl 8 grosse und eine Menge kleiner.
Zwei Tbäler führen in die Nähe des Berges, auf
«lern es steht, und „tausend Menschen konnten
umher in der amphitheatrulLschen Schweifung des
Gebirges stehen und das Heilige schauen und
verehren, was der Priester hier beging.4* Der
Wellst*» in trug aber ehemals auf seiner Spitze
einen Wackelstehl , wie dieselben als Naturbild-
ungen bekannt sind. Gabriel Forry beschrieb
einen solchen in der Revue de deux mondes, der
sich aut kalifornischen Meerbusen in Mexico be-
findet und klingt. Vom Wellstein erzählt man,
dass mau in Trarbach das Getöse hören konnte,
wenn er sich bewegte. Diese Angabe ist für
«•ine Fabel zu halten, denn die gerade Entfernung
von diesem Orte ist l,t Stunde. Im Jahre 1730
warf ein Trarhucher Gymnasiast mit Hülfe eines
Hebels den beweglichen Kopf des Wellsteins hin-
unter. Es gibt eine sehr alte, inehr als zwei-
hundertjährige genaue Schilderung dieses Denk-
mals in einem s«*lten gewordenen Buche. Ein
Rektor der Stadt Trarbach, Johann Hofmann
hat die „Trorbnchische Ehrensäul“ geschrieben,
die 1669 in Stuttgart gedruckt ist. Er sagt, es sei
unmöglich zu glauben, dass der Will- oder Wild-
stein von der Natur selber also dahin gesetzt sei
und das« keine Kunsthand dazu kommen sein
sollte. Auch er giebt 8 grosse Steine an nebst
vielen andern kleinen, die zwischen jenen liegen.
Drei ganz gleiche längliche Steine , die unten
dick und breit sind, sind schräg aufgerichtet und
mit den Spitzen so gegeneinander gestellt, dass
man darunter hinein und wohl hindurch sehen
kann; darüber liegen von einerlei Grösse wage-
recht 4 schwere Steine ganz genau aufeinander.
Zu aller oberst liegt auf dieser viereckigen Säule
ein mächtig grosser und ungeheurer Stein, Über-
zwerg, wie nach der Waag, doch also, dass man
zwischen demselben und dem darunter liegenden
hin und her kunn durchsehen und sollte wohl
Jemand meinen , es würde solcher Stein alle
Augenblick herunterfallen, welcher gleichwohl so
lange Zeit, auch bei den heftigsten Stürmen allda
fest und un verrückt geblieben. Der Verfasser
setzt noch in naiver Weise hinzu: „Zu wünschen
wäre es, dass eine Schrift darau stünde, wodurch
man eigentlich erlernen möchte , wurum solcher
seltsam zusammengefügte Stein den Namen ., Wild-
stem“ anfänglich überkommen oder durch welche
Gelegenheit er eigentlich dahin gesetzet wrordon.“
Die Sage gel>e an , daß« diese Steiufüguag eines
wilden Königs, der alldort seine Ruhstell habe,
aufgerichtetes Grabmal sei. In der Nähe des
Steines habe man gegraben und solche «Sachen ge-
funden , welche dieser Meinung günstig seien.
Ihm ist ee wahrscheinlich, dass bei dein Rückzug
der Hunnen aus den Katalaunischen Feldern, der
durch diese Gegend ging, einer der Könige, die
Attila gleichsam schoarenweiae um sich hatte, das
Leben allda eingebüsst habe und ihm das Grab-
mal aufgerichtet worden.
Es ist auffallend, wie oft in den Rheingegen-
den germanische Alterthümer don Hunnen zuge-
schrieben werden, wozu gewiss die ulten Namen:
Hünengrab, Hünenstoin Veranlassung gaben.
Leider habe ich bis jetzt den Wildstein von
Trarbach nicht gestdieu , denn bei meiner vor
einigen Tagen versuchten Reise dahin war die
Mosel so an geschwollen , dass man bei Reil mit
dem Wagen nicht hinübersetzen konnte und der
Posthalter in Alf inir die Pferde verweigerte.
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128
Ich werde aber Dach Schluss der Versammlung
von hier dahin reisen, weil ich glaube, dass eine
genaue Untersuchung des Wildsteins zunächst
darüber Aufschluss geben wird , ob man es hier
vielleicht nur mit einem über der verwitterten
Grauwacke stehen gebliebenen Quarzitriflfe zu thun
hat, welches wie ein rohes Bauwerk von Menschen-
hand auRsieht, oder ob wirklich die Menschenhand
hier megalithische Blöcke Uber einem Grabe zu-
sammengewälzt hat. Sodann wird vielleicht durch
Nachgrabungen Näheres über die Bedeutung des
Denkmales zu erfahren sein , zumal es in dem
alten Berichte heisst, dass man in der Umgebung
des Steins Gegenstände gefunden , welche denen
bei Götzengebäuden oder heidnischen Kapellen
gefundenen sehr ähnlich geschienen. *)
Zum Schlüsse möchte ich nun noch einen
kurzen Bericht Uber die wiederaufgenommenen
Aufgrabungen auf dem fränkischen Grabfelde in
Meckenheim bei Bonn geben, die für das Rheinische
Provinzial-Museum gemacht worden sind Schon
in den Jahren 1855 bis 1858 wurden in einigen
Gärten an der Westseite des Ortes, die nahe der
alten Umwallung desselben zu liegen scheinen,
Gräber geöffnet. Ueber die damals gemachten Grab-
funde, die sich im Museum des Vereins von Alter-
thumsfreunden in Bonn befinden, habe ich in den
*) Am 14. August begab ich mich nach Trar-
bach und unter gefälliger Führung des Herrn Gym-
nasiallehrers Biind ge ns zum WildltoÜL Es ist in
der That ein Felsenriff, ein Quarzitgang, der die Grau-
wacke durchsetzt und auf einem Berge der andern
Seite des Kaudenbnehthale« über der dort hervor-
sprudelnden mächtigen warmen Quelle findet sich
eine ähnliche Bildung, die den Namen „Bischofs-
hut* trägt. Nach der Thalseite ist die Quarzit-
wand stark verwittert und in horizontaler Richtung
zerklüftet, so dass e* den Anschein hat, als seien hier
genau aufeinander passende Steinblöcke aufeinander
legt. Wenn nun auch die aufstehende Wand des
ilusteins eine Naturbildung ist, so sind doch un-
zweifelhaft die Steinblöcke, die auf der Bergseitc an
jene Wand angelehnt und zum Theil übereinander
gewälzt sind , von Menschenhand in diese Lage ge-
bracht. Da« Ganze sieht einem aus erratischen Blöcken
errichteten megalithischen Grabmale, wie man sie in
Skandinavien und Norddeutschland sieht, so ähnlich,
dass inan an einem gleichen Ursprung nicht wohl
zweifeln kann. Die früher angegebenen Maasse sind
annähernd richtig und man kann unter die 8 schräg
gestellten Blöcke hinabsteigen . wo man bereit«, wie
es scheint, Nachforschungen im Boden gemacht hat.
Ich habe Herrn Bündgens ersucht, versuchsweise
eine Grabung vorzunehmen. Die schweren tafelförmigen
Blöcke sind sicherlich demselben Quarzitriff entnom-
men. wie die noch in ursprünglicher Lage aufrecht-
stehende Wand, es ist dasselbe Gestein und sie haben
dieselbe Breite wie der Quurzitgang. Einige kleinere
stark abgerundete Stücke mögen aus dem Thule hinauf-
geschleppt sein, wo sich solche in den alten Wasser-
läufen finden.
Jahrbüchern dieses Vereins Heft XLIV. u. XLV. 1868
eine ausführliche Mittheilung gemacht. Ich lege
zwei Kupfertafeln zu diesem Aufsatze mit Ab-
bildungen von Grabfunden vor, damit Sie dieselben
mit den jetzt gefundenen Gegenständen, von denen
ich eine Auswahl auf dem Tische hier ausgelegt
habe, vergleichen können. Die damaligen Funde
Hessen diese Gräber schon als fränkische oder
alemannische erkennen, aus dem 5* bis 6- Jahrh.
unserer Zeitrechnung. Die Untersuchung hatte
ein besonderes Interesse, weil sich Grabgeräthe
fanden, die theils auf das Heidenthum theils auf
das Christenthum Bezug haben , eine Zierscheibe
aus Bronze mit dem Schlangenidol , eine Kapsel
mit dem Hackenkreuz, ein Gehänge mit mehreren
an Kettchen befestigten Kreuzen, ln jene Zeit
fällt die Verbreitung des Christenthums in den
Rheinlauden, die im 4. Jahrhundert l>eginnt. Um
die Mitte des 6. sind die Franken Christen, die
Alemannen noch Heiden. Auf diesem Grabfeld
spricht die Bestattung statt des Leichenbrandes
für die christliche Zeit, aber die Arme der Tod-
ten sind noch an der Seite des Körpers herabge-
streckt . das Gesicht mehr oder weniger nach
Osten gerichtet. Bei der letzten Grabung fanden
sich auch noch einige Aschenurnen. Ein Todter
hatte zwischen den Zähnen als Obolus eine kleine
raerowingische Gold-Triens aus dem 6. Jahrhun-
dert im Munde. In den Jahrbüchern des Vereins,
XV, 1 850 bildet S e n c k 1 e r auf Taf. V, Fig. 10 u.
14 aus Combrouse, MomHaires des rois Mörow.
Paris 1873, ganz ähnliche Merowingermünzen
mit der Aufschrift der Münzorte Antonnaco und
Stradiburg ab. Auf uuserer Münze ist die In-
schrift nicht zu entziffern und die Zeichnung des
Kopfes barbarisch , auf dem Revers befindet sich
ein kleines f. Es ist bekannt, dass die heidnische
Sitte des Obolus bis in die christliche Zeit ge-
dauert hat.
Die frühere Annahme, dass bei Zülpich im
Jahre 496 die grosse Alemannenschlocht stattge-
funden habe, nach welcher Clodwig sich taufen
licss, ist allerdings nach neueren Forschungen nicht
mehr haltbar, sie soll am Oberrhein, vielleicht bei
Strassburg geschlagen worden sein. Dieselbe
hatte mir den Gedanken eingegeben, ob vielleicht
die fliehenden Alemannen hier bei Meckenheim,
welches nur 3 Stunden von Zülpich liegt, ihre
Todten begraben hätten. Hat nun auch der Sieg
Clodwigstlber die Alemannen nicht bei Zülpich,
dem alten Tolbiacum, stattgofunden , so zweifelt
man doch nicht, dass hier eine andere und zwar
frühere Schlacht geliefert worden ist, in welcher
die Franken von den Alemannen besiegt wurden.
Die Art der Bestattung, wie sie damals gefunden
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wurde, indem die Todten über einander geschichtet
in einem Grabe lagen, und die grosse Menge der
Waffen deutete auf ein Begräbniss nach der
Schlacht, ln diesem Jahre sind diese Gräber in
grosserer Zahl aufgedeckt worden , etwa 50 an
Zahl und, was bis dahin fehlte, es sind etwa 30
ziemlich vollständige Schädel gewonnen worden.
Es sind darunter solche von Greisen , Weibern
und Kindern , was nicht ausschliosst , dass hier
aut dem gewöhnlichen Todtenfelde auch einmal
gefallene Krieger bestattet worden sind. Unter
30 von mir näher untersuchten Schädeln sind 5
weiblich, 5 sind Stirnnathschädel, 4 ächte Brachy-
ceplialen, 1 ist charnaecephal, 1 ein Makrocephalus,
die übrigen sind mesocephal oder dolichocephal,
sehr rohe Formen sind selten darunter.
Unter den von mir ausgestellten Sachen auf
dem Tische bemerken Sie runde goldene Fibeln
mit blauem und rothem Glasfluss, der in hochge-
stellten Goldkapsuln gefasst ist, eine der fränki-
schen Zeit eigenthUmliche Form, auch eine silberne
und zwei grössere schöne goldene Ohrringe mit
blauen Steinen, die an römische Technik erinnern,
ferner mehrere durchbrochene bronzene Zierschei-
ben, die bei den meisten Todten in der Nähe des
Gürtels gefunden wurden. Lindenschmit hat
neuerdings behauptet, dass diese Zierscheiben nur
zum Pferdeschmuck gehörten, wie heute noch der
deutsche Fuhrmann mit ähnlichen klappernden
Messingscheiben das Kummet seiner Pferde ver-
ziert. liier liegt nur der Fall vor , dass ein
Zierrath , der sonst vom Menschen getragen
wurde, sich als ein Schmuck der Pferde erhalten
hat. Derselbe ist ächt germanisch , in Ungarn
unterscheidet man daran das deutsche Fuhrwerk
vom ungarischen oder slavischen.
Hier ist noch ein Beweis, dass diese Scheiben
nicht zum Pferdeschmuck bestimmt und auf das
Leder aufgenäht waren , sondern vom Menschen
getragen wurden, denn eine derselben war in einen
zierlichen Elfenbeinrahmen gefasst, von dem die
Stücke erhalten sind. Von Interesse sind die
Feuerstahle von aasgeschweifter ovaler Form, wie
sie schon L i n d en schm i.t in Reihengräbern ge-
funden und abgebildet hat. Auch unter diesen
Todten hat fast jeder Mann seinen Feuerstahl und
Feuerstein am Gürtel Es hatte Ermann im
Jahre 1872 behauptet, dass das Feuermacheu mit
Stahl und Stein nicht alt sei, sondern durch die
Araber aus Asien nach Spanien und von da nach
Westeuropa gekommen sei. Er wies auf den
gleichen Zündstoff aus einer Cirsiumart hin, der
bei den Andalusiern wie bei den J acuten in Ge-
brauch sei. Das Vorkommen von Stahl und
Feuerstein in Gräbern aus dem 6. Jahrhundert be-
weist , dass diese Annahme irrig ist. Auch er-
wähnt schon Plinius das Feuerschlagen mit dem
Clavus, worunter man das Eisen verstehen muss.
Unter den Eisenwaffen kommt das lange zwei-
schneidige und das kurze einschneidige, der Scra-
masax, vor. Bemerkens werth ist eine Pfeilspitze
aus Feuerstein unter den zahlreichen Eisengeräthen.
Den meisten Todten ist ein Kamm und ein Topf
oder Trinkbecher beigegeben. Noch heute herrscht,
die Sitte in vielen Gegenden, auch in Meckenheim,
den Todten den Kamm mit in den Sarg zu geben, wo-
mit man ihnen das Haar ausgekäinmt hat. DieThon-
gefässe haben als das häufigste Ornament Reihen
eingedrückter drei oder viereckiger Tupfe. Dann
ist auf die aus Thon gebrannten vielfarbigen Mosaik-
perlen hinzuweisen, die man kaum irgendwo so schön
und zierlich findet wie in den Reihengräbern am
Rhein, ich möchte desshalb glauben, dass diese
Technik damals irgend in Deutschland geübt
worden ist, wenn sie sich auch schon im alten
Aegypten findet. Heute werden in Venedig nach
den alten Mustern noch solche Perlen zur Aus-
fuhr nach Afrika angefertigt. Ich habe bei einer
früheren Gelegenheit eine ganze Schnur dieses
schönen Schmuckes vorgezeigt. Recht itferk-
würdig ist es für den Ethnologen und Kraniolo-
gen, dass unter den Germanen, die hier bestattet
liegen, ein ächter Makrocephalus sich findet von
jener ausserordentlichen Form , die durch künst-
lichen Druck hervorgebracht ist, mit allen Eigen-
thümlichkeiten, die wir an diesen Schädeln kennen,
die nach dem Berichte des Hippocrat.es schon von
den scythischen Anwohnern des Schwarzen Meeres
künstlich hervorgebracht wurden und die in
Gräbern der Krim auch gefunden worden sind.
Dieser Schädel zeigt deutlich den Eindruck zweier
Touren der Binde , er ist ungemein leicht und
dünn und da sich dies häufig findet, ist zu ver-
muthen, dass die Zusammenpressung des Schädels
auf die Verkleinerung der ernährenden Gefässe
einen Einfluss übt. Hior mag die Verdünnung
der Knochen auch durch das Alter des Schädels
zum Theil hervorgebracht sein, denn an verschie-
denen Stellen ist die Schädelwand durchscheinend
oder gar durchbrochen. (Abbildung Seite 130.)
Ich halte diese Schädel, die in unsern rheini-
schen Reihengr&bern Vorkommen, für Hunnen, ln
Köln habe ich schon 1860 unter den in der Ursula-
kirche aufbewahrten Gebeinen einen solchen
Schädel gefunden. Die Kirche steht auf derselben
Stelle, wo der frommen Sage nach 1 1 ,000 christ-
liche Jungfrauen (!) von den Hunnen niedergemetzelt
worden sind.
Ich habe in diesem Sommer einige l(M) der
daselbst befindlichen Schädel durchgesehen und
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130
etwa eia Dutzend unter denselben von auffallend
runder Form gefunden, die sich von den deutschen
Schädeln sofort unterscheiden, einige haben ein
hochgestelltes und eingedrücktes Stirnbein. Die
genaue Untersuchung hat noch nicht stattgefun-
den , weil diese Schädel mit Sammtbinden zum
Theil verhüllt sind. Die Anwesenheit solcher
Schädel, welche eine fremde Bildung oder gar die
der Makrocephalen an sich tragen, kann zur
Bestätigung jener Sage dienen. Man wird im
12. Jahrhundert an einer Stelle, die ein alter
Begräbnissplatz war, die Schädel ohne Auswahl
aufgerafft haben und so sind die von Deut-
schen uiid Hunnen , weibliche und männliche,
Greisen- und Kinderschädel durcheinander in die
Kirche gekommen und dort aufbewahrt worden.
Es lmt Ecker den im Museum zu Mainz be-
findlichen Makrocepbalus aus den Reihengräbern
von Niederolm beschrieben. Ich selbst habe vor
2 Jahren in Darmstadt einen ganz entsprechenden
gefunden, der sicherlich ein alter Grabschädel ist,
über die Herkunft weist» man nichts. Der von
Meckenheim war der dritte aus alten Reihen-
gräborn. Als ich gestern in der hiesigen Ana-
tomie mir die Schädel ansah, die von der römischen
Begräbnisstätte vor dem Weissthurm thor beim
Centralbahnhof herrühren , war ich überrascht,
darunter einen ächten Makrocephalus zu finden.
Ich zweifle nicht , wenn man aufmerksam
suchen wird, so wird man in den Reihengräbern
des 5. und 6. Jahrhunderts noch mehrere solcher
Schädel finden , denn gerade im 5. Jahrhundert
machen die Hunnen ihre Einfälle in Deutschland
und die Schweiz und bis über den Rhein hin.
Auch in der Schweiz sind wiederholt solche
Schädel gefunden worden. Es hat sich ferner
gezeigt, dass die Makrocephalen der Krim
und die in Deutschland gefundenen Hunnen-
und Avarenschädel nicht nur in der ganz
übereinstimmenden Entstellung des Schädels,
sondern auch in andern anatomischen Merk-
malen übereinstimmen und demselben Volke
zugeschrieben werden müssen. Dasselbe
zeigt sich, wenn man die Makrocephalen der
Krim mit den alten Peruanerschädeln vom
Titicaca-See vergleicht.
Es häufen sich überall die Beweise für
den asiatischen Ursprung der mittel-ameri-
kanischen Kulturvölker und wenn ein kranio-
logischer Beweis hinzukommt, ist dieser von
grösstem Werth. Sogar der Weg, den dies
scythiBche Volk seit dem 5. Jahrhundert vor
unserer Zeitrechnung wie nach Westen so
nach Osten gemacht bis zum neuen Welt-
theil, ist durch Schädelfunde in Asien be-
zeichnet. Wenn wir hier so entstellte
Schädel von den Neuhebrideu geseheu
haben, so können ja Völker, die in
gar keiner Beziehung zu einander stehen,
eine gleiche Sitte üben , aber wahrschein-
licher ist , dass Einwanderer vom Festlande
Asiens dieselbe auf die Inseln der Südsee gebracht
haben. Das Grabfeld vor dem Weissthurmthor
wird nach den dort gemachten Münzfunden und
der Beschaffenheit der Grabgefässe dem 4. Jahr-
hundert zugewiesen und damals hatten die Hunnen
noch keine Einfälle in das Rheingebiet gemacht.
Es bietet sich uns aber für den hier gefunden en
Makrocephalus eine andere Erklärung dar. Der
Kaiser Gratianus, der von 375 bis 388
herrschte , verpflanzte nämlich um diese Zeit
Avaren, die die östlichen Grenzen des römischen
Reiches fortwährend beunruhigten, Uber den Rhein
nach Gallien. Avaren und Hunnen sind aber auf
das Nächste verwandt , vielleicht dasselbe Volk.
Es ist gewiss ein grosser Gewinn , wenn wir
aus den Ueberresten der alten Völker selbst und
zwar aus Schädeln, die sich in den entferntesten
Ländern finden, ihren ursprünglichen Zusammen-
hang erkennen und die Richtung ihrer Wander-
ungen vor 2000 Jahren mit grosser Wahrschein-
lichkeit bestimmen können.
Herr J. Ranke:
Ich habe mich eines Auftrags von Fräulein
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Mestorf, Kustos des Museums vaterländischer
Alterthümer in Kiel, zu entledigen. Sie hat mir
Gypeabgüss« zweier archäologisch bedeutsamer
Gegenstände geschickt, auf welche ich Ihre Auf-
merksamkeit lenken soll. Fräulein Mestorf
schreibt darüber:
1. In den Smithonian Reports f. 1877 S. 302
und 303 widmet Herr Professor 8. 8. Halde inan
seine Aufmerksamkeit einer Perle von eigenthüm-
licher Form und Technik, die, wenn die von ihm
angeführten ähnlichen Exemplare wirklich gleicher
Art sind, in Amerika, Afrika und Europa Vor-
kommen. Der verstorbene Morlot, welcher sich
bereits mit diesen Perlen beschäftigte , hielt sie
für phönicisch ; Franks dahingegen erklärt sie
für venetianisches Fabrikat aus dem ] 5. oder
16. Jahrhundert. Eine solche Perle, leider nur
in einer Hälfte erhalten , besitzt das Kieler Mu-
seum vaterländischer Altertbümer aus einem Urnen-
friedhofe bei Oetjendorf im südöstlichen Holstein.
Hinsichtlich der Form und Grösse stimmen sie
mit der in den Smithonian Reports a. a. 0. als
Fig. 2 abgebildeten Perle von Beverley (Canada)
überein ; in der Farbe ist , wie weiter unten er-
wähnt, eine kleine Abweichung. Die Farbenfolge
ist nach Angabe des Verf. bei allen diesen Perlen
von aussen nach innen: blau, weiss, roth,
weis s, mit einem dunklen Kern, bei einigen du nkel-
blau; bei den modernen venetianischen Perlen:
blau, grün, roth. Die Beverley - Perle
unterscheidet sich dadurch, dass der äussero blaue
Ueberfang mit gelb gesprenkelt ist ; bei den
übrigen ziehen der Länge nach hellere
8 1 r e i f e n , welche dadurch hervorgebracht wer-
den, dass die unterlagernde wei&se Schicht der
Länge nach gekerbt ist, folglich die hochliegenden
Rippen durch den blauen GUsfluss hindurch-
schimmern und denselben heller erscheinen lassen.
Die Oetjendorfer Perle zeigt, wie der beifolgende
Gypsabguss veranschaulicht, nachbenannte Farben.
Ueber einen der Länge nach gerippten Cylinder
von schwärzlichgrünem Glase lagern übereinander
sechs Schichten verschieden gefärbter Glasfluss:
*/s mm weiss, */* grün, V* — 1 m,n weis«,
4 mm roth, 1 mm weiss, 1 — 3 mm blau;
mit Ausnahme des äusseren blauen Ueberfanges
alle der Länge nach gerippt. Die farbigen Schichten
treten dadurch zu Tage, dass die Perle in Facetteu-
schnitt nach beiden Enden abschrägt und über
das gebohrte Loch plan abgeschnitten ist , wo-
durch das Sternmuster entsteht, nach welchem
diese Perlen benannt sind.
Die projektirte Untersuchung des Oetjendorfer
Urnenfriedhofes hat noch nicht stattgefunden.
Ausser der Perle besitzt das Kieler Museum von
dorther zwei zertrümmerte Thongefässe
mit verbrannten Gebeinen. Diese Gefässe gleichen
hinsichtlich der Form, des Kornes und der Färbung
des Thons (das eine sogar in don Ornamenten),
den Urnen aus einem Gräberfelde in Lauenburg
(Sterley), von wo das Kieler Museum ausser den
Urnen eiserne Gürtel haken besitzt und wo
auch eine eiserne Nadel gefunden wurde, mit Aus-
biegung unterhalb des halbkugelförmigen bronzenen
Knopfes. Hierdurch ist ein Anhalt für die Alters-
bestimmung des Oetjendorfer Begräbnissplatzes ge-
wonnen. Nun ist indessen zu bemerken, dass die
Perle nicht ans einer wohlerhaltenen Urne ge-
hoben, sondern beim pflügen, mit Urnenscherben
aufgeworfen worden. Ist es nun zwar wahr-
scheinlich, dass die Perle in der Urne lag, welche
von dem Pflugeisen zertrümmert und in Scherben
aufgeworfen wurde, so ist es doch nicht beweg-
lich und folglich kann sie nicht für ein höheres
Alter zeugen, als Herr Franks es diesen Perlen
zuspricht. Um so wünschenswerter wäre es,
zu erfahren, ob und wo und unter welchen Um-
ständen ähnliche Perlen in Deutschland gefunden
sind. Herr Dr. Voss (Berlin) wird vielleicht
nähere Auskunft darüber geben können.
2. Eine Frage , deren Erörterung ich schon
in der vorjährigen Generalversammlung in Kiel
anzuregen beabsichtigte , betrifft die technische
Herstellung eines bronzenen Gürtels, der
vor Jahren nebst anderen Schmucksachen, zwei
Metern und einem kurzen Bronzeschwerte bei
Wennbüttel Ksp. Albersdorf in Dithmarschen in
einer Urne*) mit verbrannten Gebeinen gefunden
worden und sich jetzt im Kieler Museum vater-
ländischer Altertümer befindet. Ich habe ver-
sucht einige Glieder der in viele 8tücke zerrissenen
Kette in Gips abzufonnen. Die Frage, die ich
daran zu knüpfen mir erlaube, lautet: Wie sind
die einzelnen Glieder an einander gefügt? Kein
Archäologe, kein Techniker, den ich gefragt, hat
bis jetzt die Antwort gefunden. Dass die Kette
gegossen ist, leidet keinen Zweifel, aber selbst
mit der Lupe lässt sich keine Spur von Löthung
entdecken, noch von einem 8palt, der mechanisch
zusammengetrieben wäre. Die Glieder sind, wie
die Zeichnung zeigt, geschlossen, das dünne, glatte
Stück dreht sich frei und lose in dem cylinder-
förmigen hohlen Theile des nächsten Gliedes.
Bei vielen ist das dünne Stück dnrchgescblissen,
wodurch zwei kurze Zapfen gebildet werden , die
in den hohlen Cylinder einfassen ; allein diese
Verbindung wäre für den Gebrauch nicht solide
*) Die Urne, .ein runder Krug*, stand angeblich in
einem .2 Ftwn langen, */* Fuhr hohen irdenen GefÄse
mit „erhabenem“ Deckel.* —
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genug gewesen und ausserdem hat eine genaue j
Untersuchung ergeben, dass die unbeschädigten
Glieder ringförmig geschlossen sind. Der Charakter
dieses Grabfundes weist auf eine spät« Periode
der Bronzezeit. Dies wird bestätigt durch das
eine der beiden oben erwähnten Messer, von dem |
nur der bronzene Griff erhalten , während die
Klinge, die, wie der Stumpf zeigt, von Eisen war, ;
zerstört und verloren ist. Ein zweiter Gürtel j
gleicher Art liegt, wenn mein Gedächtnis» sich
nicht täuscht, iin altnordischen Museum in Kopen-
hagen , der einzige , von dem ich bis jetzt
Kunde habe.
Herr J. Ranke schliesst : Ich bitte die
Kenner um gefällige Mitteilungen über die an-
geregten Fragen.
Herr 0. Tischler:
Zn dem prsten Gegenstände erlaube ich mir
zu bemerken : Es kommen in den Grabhügeln ;
und Urnenfeld eru aller Länder dieselben Perlen
vor. In Süddeutsch iand lassen sich in den Hügeln
mit metallischem Inhalt, welche der römischen
Kaiserzeit vorangehen, deutlich 3 Perioden unter-
scheiden. Die Produkte der letzten beiden dürften
zum Theil aus Etrurien und Gallien stammen.
Die Glasperlen sind wahrscheinlich nicht römischen
oder italienischen, sondern ägyptischen Ursprungs,
da Gluswaaren in Rom erst um die Mitte des
1. Jahrhunderts p. Chr, fabrizirt sein sollen. Es
kann daher diese Gattung von Perlen , die auch
mehrfach in Italien gefunden ist, von den Ufern
des Nils hergekommen sein, zumal die Farben
Aehnlichkeit mit denen ägyptischer Glasgefasse
zeigen. Doch ist die Bache aus Mangel an genau
beglaubigtem Material noch nicht als abgemacht
zu betrachten. —
Der zweite Gegenstand der Vorlage, die Her-
stellung jenes Bronzegürtels, ist mir oben so
räthselhaft wie Fräulein Mestorf.
Herr Mehlis:
Bevor ich zu meinem Gegenstände ülK»rgehe,
möchte ich mir einige Bemerkungen erlauben
zum Vortrag des Herrn 8chaaff hausen: Die
Prämissen seines Schlusses aus den zu Mecken-
heim gefundenen Zierscheiben werden durch
verschiedene Zierscheiben, welche ich weiter süd-
lich in den fränkischen Kheingräbern von Wies-
Oppenheim bei Worms gleichfalls in sehr hübscher j
Form fand , vervollständigt , so dass wir hier I
die schönsten Artefakte vor uns haben. Diese
Zierscheiben fanden sich , wie mir der Ent-
decker Dr Köhl versicherte , nur iu Frauen-
gräbern, und da wird es wohl gewagt erscheinen,
diese Zierscheiben mit Pferdeschmuck in Ver-
bindung zu bringen und ich sch Hesse mich der
Meinung des Herrn Schaaffhausen an. dass
diese Zierscheiben am Frauen - Gürtel angebracht
worden sind.
Um nun zu meinem Gegenstand überzugehen,
so will ich daran erinnern . dass die deutsche
anthropologische Gesellschaft die Güte hatte, die
Ausgrabungen bei Dürkheim mit zweimal ge-
währten Geldmitteln zu unterstützen. Im ver-
gangenen Jahre wurden an der nordwestlichen
Seite der Limburg zwei viereckige Schächte ge-
graben , jeder Schacht , der künstlich eingelassen
wurde , hat einen seitlichen Durchmesser von
2 m. ln dem nördlichem Schachte trafen wir
bis in 7 m Tiefe vier Brandschichten an . in
denen Kohlen, Knochen und Scherben mit Spuren
der Drehscheibe sich befanden. In dem obern
Schacht trafen wir dagegen drei Brundschickten
an , die bereits iu Hm Tiefe auttiefen. Schon
aus der Differenz zwischen 7 und 6 m in beiden
Schächten, konnte man schliessen , dass «in Ab-
fall des Grundbodens Ursache dieser Differenz
sein könnte. Um nun die horizontale Ausdehn-
ung der Kulturlagen zu exploriren, schlugen wir
auf V i r c h o w ’s Rath in südwestlicher Richt-
ung des zweiten Schachtes einen ] ] ui langen,
4 n» breiten und bis jetzt in einer Tiefe von
2 m geführten Graben , ein, mit einer Böschung
von 45— 50 Grad, so dass eine Ausschachtung
mit Holzborten nicht nöthig war. Bis zu einer
Tiefe von 60 cm trafen wir nun rein mittel-
alterliche Scherben an . sowie einige Messing-
gegenstände und einzelne eiserne Artefakte. Bei
den Scherben iBt das Mittelalter genau zu er-
kennen an den aussen angebrachten Riefen.
Unter dieser mittelalterlichen Schicht, trafen wir
auf eine weitere Lage , welche sich durch die
auf der Drehscheibe gefertigten G «fasse, besonders
auch durch eine römische Münze kennzeichnen,
I als aus der späteren römischen Periode stammend.
Was diese römischen Münzen betrifft, so ist die»«
| ein Klein-Erz und stammt aus der späteren
Periode. Die Legende ist schwer zu entrttthseln ;
. bei der Bestimmung der Münze kann man sich
' nur nach dem Kopf richten ; sie scheint darnach
nach Christus geschlagen zu sein , nac h der
Strahlenkrone etwa im 3- oder 4- Jahrhundert.
Wir sind nicht nur in den Stand gesetzt
nach diesen Scherben zu behaupten , dass die
Limburg bereit« in der römischen Zeit bewohnt
sein musste , sondern dafür sprechen auch noch
andere Indizien. Es fand sich nicht nur eine,
sondern eine ganze Serie von späteren Münzen,
| von Mitte des 3. bis Ausgang des 4. Jahr-
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133
hundert* , bis Valentiniun , einem der letzten
Imperatoren, am Fusse der Limburg nördlich
vom sogenannten Herzogweiher. Ausserdem
fanden wir die Itekannten Formen von Hingen,
Messern und andern Bronzen, welche entschieden
römischen Ursprungs sind, und mit Berücksichti-
gung auf die der Limburg gegenüber liegenden
Ringmauer , welche in der obere Schicht zahl-
reiche Funde aus derselben Zeit, zu Ende des 3-
oder Anfang des 4. Jahrhunderts liefert, kann
man wohl die gerechtfertigte Behauptung aus-
sprechen , dass wenigstens diese beiden Stellen,
der Ringwall auf Limburg nnd die gegenüber
liegende Ringmauer noch in römischer Zeit oc-
cupirt waren. Auch von den elsässer Ringwällen
stimmt dies ; auf dem Odilienherg hat man bereits
im 1 7. Jahrhundert eine Reihe römischer Münzen
angetroffen , welche Schöpflin in Erwähnung
bringt. Auch diese Römer-Münzen gehören einer
spätere Periode an und sind in die Zeit des
Maximian us Herculeus zu Ende des 3- Jahr-
hunderts zu setzen. Es wird also nach der Ver-
gleichung dieses Römerfundes keinem Zweifel
unterliegen , dass wir hier eine römische Schicht
constatiren können , d. h. eine Kulturwchicht,
welche aus der römischen Periode herrührt..
Nachdem diese 2. Schicht ungefähr bis ein
Meter aufgedeckt worden , trafen wir in den
beideu hier eingehauenen Schächten auf eine
Mörtelschicht , welche sich von Südwesten nach
Nordost regelmässig gegen die Horizontale ab-
neigt. Die erste Schicht war 2,50 m tief, die
/.weite 3,50 m, die dritte hatte eine Tiefe von
5,50 in.*) Kombiniren wir nun am Ende des
Einschnitts die Tiefe mit 2,80 n», so erhalten
wir eine Mörtelschicht , welche sich in einem
Winkel von SO Grad abschrägt. Unter dieser
Mörtelschicht, welche die römische Schicht ab-
schliesst, trafen wir unmittelbar Scherben an, die
keine Spur des Hömereintlusses mehr zeigen. Ich
habe hier einige typische Stücke dargelegt. Sie
erinnern durch ihre Technik , ihren Typus und
ihre Verzierungen an den Rändern an diejenigen,
welche Dr. Much in seinem Vortrag von M itter-
berg erwähnt und zugleich an die vom Bielersce,
sowie an die rohen Gefilsse aus der untersten
Pfahlbautenscbicht im Züricher Museum. Die
Aussenseite , welche häufig mit einer graphit-
ähnlichen Masse Überzogen ist, leistet ganz be-
deutenden Widerstand gegen mechanische Ein-
drücke nnd ist jede Scherbe steinhart zu nennen.
Allein nicht nur auf prähistorische, keine Spur
*) Vgl. d. Verf«.: „Studien“, IV. Abth. 8. 111 bi«
114 mit- Zeichnung der Situation.
1 der Drehscheibe verrathende Scherben , Wirtel
und Senkkegel geriet hen wir, sondern auch auf
Knochen , welche in Massen aufgeschichtet sind.
Herr Professor Fraas hat sich mit grosser
Liebenswürdigkeit der Untersuchung der Knochen
unterzogen.
In Kürze will ich nun die Thierspezies au-
geben , die wir vorfanden: In grösserer Masse
findet man sus screfa ferus, Wildschwein , viel-
leicht auch von sus domesticus, zweitens ganze
und aufgeschlagene Knochen von cervua elaphus,
Edelhirsch, der bereits seit dem 13. bis 14. Jahr-
hundert im Waskenwald ausgestorben ist, drittens
verschiedene Knochen von bos bracbyceros. Nach
Mittheilung des Herrn Professor Fraas könnte
dies kleinhornige Rind zu gegenwärtiger Zeit im
Norden nur in Nordschweden Vorkommen, im Süd-
osten trifft man nach Beobachtungen von Graf
W u rmbrao d nur im südöstlichen Slavonien
dieses sonst verschollene Thier. Andere Skelett-
| theile weisen auf die Anwesenheit von capra und
| ovis hin , deren Art nicht näher zu bestimmen
| war, und verschiedene andere Fragmente zeigen
I uns die Anwesenheit des treuen Haushundes an,
der ehemals die Hütten bewacht hat. Auch
.Spuren von Elenthier glaubt Fraas zu erkennen.
Wenn auch diese Kjökkenmöddinger-
Funde an und für sich keinen grossen archäolog-
ischen Werth haben, so sind doch besonders die Scher-
j ben wichtig für die Bestimmung der verschiedenen
Schichten, die wir nicht nur hier, sondern auch
anderwärts im Rheinthal, westlich und östlich an-
treffen. Allein auch die Metallindustrie ist nicht selten
vertreten. Ich hatte schon im vorigen Jahre die
Ehre, Bronzemesser und Bronzeringe vorzuweisen
und die neuesten Ausgrabungen bringen eine
weitere Anzahl Bronzeringe und Fibelfragmonte
zu Tage. Hier ist ein Bronzering von der rö-
mischen Schicht, der sich unterscheidet durch eine
knopfartige Schliessenform von den einfachen
Armringen der prähistorischen Schicht, die wir
auf der Höhe der Limburg angetroffen haben.
Die Reste von Bronzefibeln deuten auf den so-
genannten la Tine -Typus hin. Fernerhin trifft
man auch die bekannten Wirtel in verschiedener
Struktur zum grossen Theil konisch gebaut auf
horizontaler Oberfläche; andere bestehen aus
einem abgestutzten Doppelkonus, der auf beiden
Endflächen abgeplattet ist. Auf denselben trifft
man sehr häufig Verzierungen, einfache Kreis-
Ornamente an und, merkwürdig, dass sowohl in
Mykenae, als auch in Troja ganz ähnliches vor-
kommt. In der Prähistoric befolgte man eben natur-
gemäß* an verschiedenen Orten dieselbe Technik und
Ornamentationsart, ohne dass desshalb sofort auf
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134
einen ethnologischen Zusammenhang zu schließen
wäre. Die Kjök kenm Ödding er in den Pfahl-
bauten, am Osteeestrande, an den Dardanellen und
am Rheinufer zeigen ganz ähnliche Artefakte auf;
Verschieden sind nur die Produkte der Einfuhr.
Nachdem man die Mörtelschiclit blosgelegt
hat, wird es Aufgabe unseres Zweigvereins sein,
auch die tiefer liegenden Brandschichten aufzu-
decken und es wird sich zeigen, ob die verschie-
denen Brandschichten correspondiren mit den
weiter nach Südwesten liegenden Kulturlagen.
Es ist auffallend, wie jede Kulturschicht sich
in Verbindung findet mit zwei Mörtelschichten ;
die Mörtelschicht schließt, nach oben und unten
die veraschte Erde , die Kohlenstücke , Scherben
und Knochen vollständig ein.
Mit diesen Bemerkungen begnüge ich mich
für diesmal.
Herr Mook (Kairo) :
Gestatten Sie mir, dass ich Ihnen Bericht
gebe über die Resultate der Ausgrabungen, die
ich im Laufe des letzten Winters in Aegypten
vorgenommen habe. Ich möchte gerne die Frage
der ägyptischen Steinzeit nochmals vor ihr Forum
bringen, weil in nächster Zeit von deutscher Seite
wohl nicht mehr viel auf diesem Felde geschehen
wird, da diejenigen, die sich seither für diese Frage
besonders interessirten, theils gestorben, theils in
die Heimath zurückgekehrt sind. Bevor ich je-
doch auf diese Sache selbst eingehe, möchte ich
noch einige Punkte erörtern , die mir von Herrn
V i r c h o w bei der vorjährigen V ersawmlung in
Kiel entgegengehalten wurden. Ich ging desshalb
damals auf eine nähere Erörterung nicht ein,
weil ich selbst fühlte, dass ich noch nicht ent-
gttltig die Frage entscheiden könne, so lange mein
Material nicht ein grösseres wäre.
Der erste Punkt der mir von Herrn Vir chow
entgegengehatten wurde, war der, dass „die
blosse Existenz geschlagener Steine
noch keinßeweisdafür sei, dass sie der
Steinzeit angehören.“
Dieser Satz versteht sich eigentlich von selbst.
Wenn man Gewehrsteine oder Feuersteine findet,
so braucht man dabei nicht sofort an Steinzeit
zu denken. — Der zwoite Punkt war „die
natürliche Entstehung“, und mit Bezug
auf meine Sammlung sprach Herr Vir chow die
Ansicht aus, „dass noch heutigen Tags die Bruch-
stücke sicherer Artefakte immer Gegenstand von
mehr oder minder wohlwollender Beurtheilung
sein können.“ Ich glaube, dass wenn Herr
V i r c h o w meine und die Haimann’ sehe Samm-
lung jetzt sähe, er diesen Satz nicht mehr auf-
recht erhalten würde.
Ich habe vom Novbr. bis Mitt« Detbr. v. In.
wiederum bei Heluan mitM öricke undH er twig,
die leider beide inzwischen gestorben sind, Aus-
grabungen vorgenommen : das Resultat war über-
raschend. Auf einem Raum von ca. 4 qm fanden
sich bis zu einer Tiefe von 2 m 13 — 14 ziemlich
wohlerhaltene Kameelsehädel. Kieferreste von
Hyäne, Zebra, Esel und ein Schädel von Anti-
lope bubalis fand sich nur in der obersten Schichte.
Je weiter wir nach unten kamen, desto ausachiess-
licher fanden sich Kameelsehädel. Diese Funde,
die ich den Münchener Staats - Sammlungen zum
Geschenk gemacht habe, befinden sich noh in den
Händen des Herrn Prof. Rütimeyer zur nä-
heren Bestimmung. Zu erwähnen bleibt, dass
bis in die untersten Schichten Holzkohlen und
Feuersteininstrumente sich vorfanden. Der Ver-
lauf der Kulturschichte schwarzer Erde im gelben
Sande war immer ein muldenförmiger. Jedenfalls
haben wir es dabei mit der ältesten Steinzeit zu
thun, und es liegt auf der Hand, dass dieselbe
immer älter wird, je weiter wir nach unten gelangen.
Mann kann vielleicht darüber in Zweifel sein, ob
schon Menschen in diesen Mulden gewohnt haben
oder ob diese Mulden durch Anschwemmung und
Verschwenunung sich gebildet haben, aber für
die eigentliche Frage macht dies sehr wenig aus ;
der Kernpunkt der Frage wird der sein müssen :
aus welcher Zeit stammen die Instrumente, in
welcher Zeit haben Menschen da gewohnt? An-
haltspunkte geben uns die Knochenfunde und die
Form der Feuersteininstrumente. Will man nicht
annehnien, dass dieselben an Ort und 8telle ent-
standen , aus der Zeit stammen , wo die Wüst«
noch nicht als Ebene existirte, gut: so muss
man wobl annehmen, dass sie aus einer noch viel
früheren Zeit datiren, wo das, was jetzt Wüst«
ist, erst angeschwemmt wurde. Die Formen der
Feuersteininstrumente selbst sind überall die ein-
fachsten , gespaltene und gespitzte Steinsplitter.
Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse auf
der Oberfläche; die Wüste ebnete sich allmählig
durch Regengüsse und Flugsand, die Menschen
wohnen auf glatter Fläche. Hier finden wir
ausser dem gespaltenen Stein auch den rund be-
arbeiteten. Die einzelnen Perioden sind sehr
leicht zu unterscheiden; zunächst begegnen wir
einzelnen Messern, deren Rücken bearbeitet ist.
Die Messer waren noch nicht in Holzstiele ein-
gesetzt und um den Zeigefinger gegen den
scharfen Rand zu schützen, bearbeitet man den
Rücken. Nachdem man das gelernt, spaltet man
den Stein nicht mehr bloss, sondern bearbeitet
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135
ihn ganz rund ; dieses ist den alten Steinzeit- !
Aegyptern derart geglückt, dass man die Lupe j
nehmen muss, um die einzelnen Schlagflächen zu
erkennen. Das ist die letzte Periode. Zum
Poliren und Durchbohren des Steins, wenigstens
nach den seitherigen Funden zu schliessen , ist
man nicht gekommen. Auch in der schönen
H a i m a n n ’ sehen Sammlung , deren seltenste
Stücke ich ihnen vorgelegt habe , findet sich
nichts Derartiges. Dos Volk, welches sich in
Unterägypten dieser Steinmesser bediente , war,
wenn man aus den winzigen Messern einen Schluss
ziehen darf, ein sehr kleines. Nirgends fanden
wir kräftige Instrumente, sondern meist so kleine,
dass ich mir die Frage vorlegen musste: was
wollte und konnte damit gemacht werden? Ganz
anders ist es in Oberägypten auf dem linken
Nilufer bei Theben. Da sind die Steine schon
so gross, wie wir sie ungefähr im Norden finden,
Messer, Meisel und Lanzenspitzen mit denen sich
schon etwas ausrichten lässt.
Wir begegnen auch bei Theben wieder zwei
Perioden an der OberHäche, wir finden rund be-
arbeitete Steine ganz so wie im Norden, neben
einfach gespaltenen und gespitzten Steinen. Ich
habe im Laufe des vorigen Winters Gelegenheit
gehabt, auch das rechte Nilufer in der Nähe
von Luxor zu durchforschen und ich fand drei
Stunden nordöstlich von Luxor bei dem Dorfe
Derr auf einem Raume von einer Stunde im
Umkreis tausende von Messern mit bearbeitetem
Rücken. Ich getraue mir aber keinen Schluss
daraus zu ziehen; die ganze Wüste war mit
Messern Ubersäet, als ob es, so zu sagen, Messer
geregnet hätte. Unter denselben fand ich das
halbmondförmige Messerchen , ganz so wie in
Unterägypten. Das lässt darauf schliessen, dass
wir es hier mit einer und derselben Periode
der Steinzeit zu thun haben, und zwar müssen
wohl auf dem rechten Ufer des Nils bei Luxor
dieselben Menschen gewohnt haben, wie bei He-
luon. Es wäre sonst nicht denkbar, wie da ganz
genau dieselben Formen wieder auftreten. Es
scheint, dass rechts und links vom Nil bei Luxor
mehrere verschiedene Völker gewohnt haben, denn
das Volk, das diese schweren Instrumente auf
dem linken Ufer geschlagen hat, ist jedenfalls
ein ganz anderes als das, welches sich der kleinen
Messerchen bediente. Auf dem ganzen rechten
Ufer bei Derr gibt es fast keinen Stein ausser
offenbaren Splittern , welchen man nicht für ein
fertiges Instrnment halten muss und man wird
nicht behaupten können, dass man es mit den
Bruchstücken eines Fabrikortes zu thun hat,
schon aus dem Grunde , weil nicht nur einzelne,
sondern viele tausende genau dieselbe Form
haben.
Was die Zeit der Entstehung dieser Instru-
mente auf dem linken Nilufer bei Luxor (Theben)
betrifft , so wäre es immerhin möglich, dass ein
Theil, über den man streiten kann, noch in die
historische Zeit hineinreicht. Die alten Aegypter
mögen immerhin mit einzelnen Feuer geschlagen
haben, während bei den rundgearbeiteten Stücken
wohl Niemand behaupten wird , dass die alten
Aegypter sich derselben als Feuersteine bedient
hätten. Für die Verwendung des Feuerstoins
in historischer Zeit kann ich selbt Beweise vor-
legen. Ich habe hier ein kleines Instrument aus
einem Grabe in Theben. Es besteht aus einem
Holzstäbchen , oben ist in ein Harzgemenge ein
Feuersteinsplitter eingesetzt. Es scheint ein
chirurgisches Instrument oder das eines Künstlers,
vielleicht zur Herstellung von Hieroglyphen be-
stimmt, gewesen zu sein. Ferner kann ich noch
einen Pfeil aus historischer Zeit vorlegen , bei
welchem aus Emailmasse eine Pfeilspitze in ein
Rohrstäbchen eingesetzt ist, die wohl schwerlich
dazu diente, um irgend etwas damit zu tödten.
Die Steinzeit selbst scheint vom ersten Katarakt
an vollständig abgeschlossen zu sein. Ich war
wieder bis zum zweiten Katarakt. Ich durch-
stöberte die Wüste rechts und links des Nils
und fand nirgends geschlagene Steininstrumente;
dagegen ziemlich viele von diesen runden Steinen,
die vielleicht als MehlqueUcher oder Schleifstein»1
gedient haben könnten. Einige davon sind so un-
verkennbar gleichmäßig geschliffen, dass sie offen-
bar einem bestimmten Zwecke dienten ; immerhin
können sie noch in historische Zeit hineinragen,
wenigstens habe ich in Nubien gesehen, dass die
Leute das Getreide mit Steinen zermahlen, nur
sind dieselben viel grösser, von Pyramidenform,
so dass sie leicht oben mit zwei Händen gehalten
werden können.
Ich wäre sehr dankbar dafür, wenn diejenigen
Herren, die sich spezieller mit dieser Art von
Steininstrumenten zu befassen Gelegenheit hatten,
über den Zweck derselben ihre Ansicht aus-
sprechen wollten, ebenso in Betreff der rund-
gearbeiteten Stücke vom linken Ufer bei Luxor
und der kleinen halbmondförmigen Messerchen
aus der Gegend von Heluan und Derr.
Herr 0. Fr aas (Vorsitzender):
Herr Dr. Mook hat sich auf eine Verhand-
lung vom vorigen Jahre in Kiel berufen, wo Herr
Virchow noch einige Zweifel an der ägyptischen
Steinzeit gehegt hat. Ich bedauere nur mit Herrn
Mook, dass Herr Virchow noch nicht anwesend
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136
ist , denn ich bin überzeugt, dass er die Zweifel
nunmehr ebenso würde fallen lassen, wie auch die
Herrn Lepsius und Schweinfurth. Gs ist
mit der Wandlung unserer Ansichten eine eigene
Sache. Man hält gerne eine Ansicht so lange
fest, bis Thatsachen als Beweise für eine verän-
derte Anschauung ins Feld rücken, denen gegen-
über man nicht mehr zweifeln kann. Man mag
logische Argumente bringen , welche man will,
eine einzige Thatsache wirft die Logik über den
Haufen, denn was man sieht, wirkt durchschla-
gend. Die Thatsache von der Existenz der egyp-
tischen Steinzeit ist bedeutungsvoll für unsere
ganze Weltanschauung und wir dürfen uns gegen
die Thatsachen nicht versch Hessen, dass alle die vor
uns liegenden egyptischen Steinartefakte mit den
europäischen die grösste Uebereinstimmung zeigen.
Auf dem Tische hier liegen dieselben Konnjuetscher,
wie sie aus den Tiefen des Boden see’s oder den
Schweizer Pfahlbauten hervorgazogen werden, die-
selben Messer, Sägen und Schaber aus Feuerstein,
die man ohne Etikettiruug geradezu verwechseln
würde. Das deutet auf eine Uniformität der
Bevölkerung , welche in Europa wie in Afrika
gleichmässig sich ihre Gerätbe bearbeitete. Die
nächste Consequenz aber, die aus dem Vorhanden-
sein der tausend und abertausend Steinmesser in
der heutigen Wüste sich ergiebt, ist die Annahme,
dass zu jener Zeit der Bereitung der Feuerstein-
geräthe die Wüste in ihrem heutigen Umfang
noch nicht existirte. Es ist uns damit die Wand-
lung der Wüste in Aussicht gestellt, die sicherlich
tun Anfang der afrikanischen OberflUchebildung
noch nicht existirt hat. Es muss vielmehr einst
cino Zeit gegel>en haben, in welcher die trockenen
Winde noch nicht ül»er Zentralafrika wehten, wo
vielmehr die heutige Wüste ein befeuchtetes üppig
sprossendes Land war. Für mich ist das kein
Zweifel mehr, dass die heisse Wüste, durch welche
jetzt unsere Freunde ziohen, in der Zeit, in welcher
die Feuersteine zugeschlagen wurden, noch grünes
Land wur und erst nach der Steinzeit die Wüste
entstund. Die Menschen aber die dort wohnten,
waren in Sitten und Gebräuchen den Menschen
der europäischen Steinzeit gleich. Die Wandlung
ihrer Heimat in Wüste gab dann den Anstoss
zur Auswanderung der Bevölkerung, die sich nach
dem Süden Europa'« zog. Dieselbe Ursache aber,
welche die Bildung der heutigen Wüste ver-
anlasste, hatte auch eine Wandlung der Eiszeit
in Europa zur Folge. Die ersten Einwanderer
in Europa brachten aus ihren Stammsitzen in
Afrika dieselben Sitten und Gebräuche mit, deren
Gleichartigkeit in Europa und der heutigen Wüste
in Afrika uns so Überzeugend vor Augen gerückt ist.
Herr Ecker:
Die meisten der geehrten Mitglieder werden
sich erinnern, dass schon auf der Stuttgarter
Versammlung der Antrag auf Aufstellung einer
Statistik der Körperbeschaffonheit der Bewohner
Deutschlands gestellt wurde und zwar sollte diese
Körpergrösse, Schädelform, Farbe der Haare und
Augen umfassen. Sie wissen, dass bezüglich der
letzteren die Aufstellung der SrhulstatUtik zu
Eude geführt ist und jeden Tag deren Publikation
erwartet wird. Auch bezüglich der Körpergrösse
habe ich schon in Stuttgart der Versammlung
mitgethcilt, dass ich begonnen habe eine statistische
Erhebung , zunächst auf das (Irossherzogthum
Baden beschränkt, vorzunehmen. Man hat auch
versucht, in Preussen , durch eine Untersuchung
bei der Armee, diesem Wunsche nachzukommen ;
es stellten sich aber diesen Untersuchungen an
einer im Dienste befindlichen Bevölkerung unüber-
windliche Hindernisse entgegen. Für mein engeres
Vaterland Baden habe ich diese Untersuchung voll-
endet (Archiv f. Anthrop. Bd. IX ) und habe aus 25-
jälirigcm Durchschnitt, von den Jahren 1840 bis
1865 die betreffenden Daten entnommen; die Resul-
tate habe ich auf einer Karte graphisch dargestellt
und dabei dreierlei Kategorien gemacht: 1) Gegen-
den und Ortschaften in welchen unter 1000 Unter-
suchten 0 bis 10 Prozent, wegen Untermaass Un-
taugliche sich finden. 2) Solche mit 10-20
Prozent. 3) Solche mit über 20 Prozent. Die
erste Kategorie ist auf der Karte hell schraffirt,
die 2te dunkel, die 3te am dunkelsten. Die Karte
hnf auf den ersten Anblick allerdings ein etwas
buntes Ausehen, bei näherer Betrachtung ergeben
sich jedoch ganz deutlich gewisse bestimmte Ver-
hältnisse. Nun ist allerdings bekannt , daas
die Körpergrösse der Bevölkerung von sehr ver-
schiedenen Umständen abhöngt, von der Beschaf-
fenheit des Bodens , ob in Thälern , oder auf
Höhen, von der Beschäftigung, ob Ackerbau oder
Industrie u. s. w. Allein im grossen Ganzen kann
man doch sagen, dass das Etnographische durch-
schlägt.
Mein Antrag geht nun dahin, dass in derselben
Weise zunächst in Bayern und Württemberg vor-
gegangen werden möchte, dass man einen 2öjäh-
rigen Durchschnitt von 1840—1865, welcher
Zeitraum ziemlich friedliche Jahre umfasst, auch
für W ürttemberg und Bayern annehmen möchte. Das
wäre wieder ein Fortschritt für unsere Unter-
suchungen, an welche dann weiter aiigeknüfyft
werden kann.
(Fortsetzung in Nro. 11.)
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1 09
Krone , Goldspangc , Bronzedolch u. s. w. neben
einem vierräderigen Streitwagen t dessen Achsen
und Radnaben kunstvoll mit Kupfer beschlagen
waren. Das Grab war von 3,5 m langen Holz-
dielen umrahmt auf der früheren Erdfläohe auf-
gesetzt , zunächst mit grossen , rohen Felssteinen
zugedeckt und dann 6 m hoch mit Erde über-
schüttet. Ein 2tes seitliches Grab innerhalb des
Hügels war 1,20 m in den natürlichen Boden ein-
gelassen und enthielt gleich dem Hauptgrab die
Reste von Waffen und Sch muck Sachen,
A eheliche Verhältnisse auch im Kleinaspergle
erwartend , beschloss ich diesen Hügel in regel-
rechtem Stollenbau zu bearbeiten, um die über-
mässigen Kosten der Abtragung desselben zu er-
sparen und bemerke zum Voraus , dass ich
namentlich der sonst so vortrefflichen Instruk-
tion des Herrn v. Co hausen gegenüber (Beilage
zun» Correspondenzblatt des Gesommtrereins der
Deutsch. Gesch.- u. Alterth.-Ver. Decbr. 1878) dem
Stolleobetrieb den Vorzug gebe und ihn ebenso
wegen seiner Billigkeit empfehle, als wegen der
Sicherung der Funde, denen man in ihrer natür-
lichen Lage mit aller Behutsamkeit nachgehen
kann. Das Auge schärft sich sehr bald auch
beim Grubenlicht und gewöhnt sich durch das
Dunkel hindurchzusehen, man arbeitet viel ruhi-
ger und aufmerksamer durch vorsichtiges Unter-
graben, während beim Tagebau der Arbeiter von
oben her in den Boden hackt und somit der Fund
mehr der Zerstörung ausgesetzt ist, als beim
Grubenbau.
Ich legte den Stollen genau von West nach
Ost, den Hügel auf der Westseite in Angriff neh-
mend. In Beiremise war die Lage der Skelette
von Süd nach Nord und hoffte ich im Stollen
diese sicherer anzuschneiden, als bei einem Angriff
auf der Süd- oder Nordseite. Ich hatte auch
wirklich das Glück mit 18 m Stollenlänge auf
ein Grab zu stossen. Dasselbe war sorgfältig ab-
gegrenzt, von hölzernen Rahmen von 25 und 26
Ceoiimenter Durchmesser umgeben und maas in
der Breite 2 n», in der Länge 3 m. Das Grab
lag auf der natürlichen ErdflUche und wurde auf
der Sohle des Stollens angefahren. Dasselbe
zeigte sich sorgfältig zugedeckt mit einem Zelt-
teppich. Zeltstangen , welche das Tuch trugen,
waren noch in den Seitenwänden sichtbar , das
Zelttuch selbst war natürlich längst vergangen,
aber der weicho Lelun hatte das Gewebe abge-
drückt. An der ganzen Behandlung des Grabs
und der Anordnung der Grabgegenstände unter
dem Zeltdach war eine wahrhaft rührende Sorg-
falt zu erkennen, mit welcher das Grab behandelt
war. An der Ostwand der Grabkammer stunden
nebeneinander vier prachtvolle grosse Bronze- und
Kupfergefilsse , beziehungsweise eine aus Kupfer
getriebene Wanne (labrum), 1 m im Durch-
messer haltend. Es war das Mischgeftiss für den
Wein , in welchem noch ein hölzerner Sehapfen
lag, leider sehr vergangen, wie mir scheint aus
Birnbnumholz. Das zweite Gefäss ist ein aus
Kupferringen aufgebauter Schöpfeimer, eine soge-
nannte Ciste. Neben dem Eimer stand ein zwei-
henkliges Bronzegefäss mit massiven Henkeln,
verziert mit rein etrurischen Ornamenten. Das
vierte Geftlss war ein rein etrurisches einhenkeli-
ges Gefäss (sog. nasiterna) die Schnauze der
Kanne, sowie der Untertheil des Henkels ist mit
phantastischen Thierköpfen verziert , wie wir sie
sonst nur an etrurischen Arbeiten kennen. Während
dies alles an der Ostseite des Grabe* war, lagen
an der Westseite die eigentlichen Reste der Leiche,
d. h. ein Häufchen Asche und weisse gebrannte
Knochen , mit einem goldverbrämten Tuch einst
sorgfältig zugedeckt; die runden Goldplättchen
und die länglichen Besatzstreifen lagen auf dem
Häufchen Knochen und Asche. Abseits von den-
selben in der eigentlichen Mitte des Grabes lagen
die Kostbarkeiten beigesetzt ; zwei Schalen von
I vollendeter attischer Form , aus lemnischer Erde
gearbeitet. Die Malerei in einer derselben stellt
l roth auf schwarz eine Priesterin dar, die mit einem
brennenden Holzscheit den Opferbrand entzündet.
Der Rand der Schale i3t mit einem Epheukranz
; bemalt und was bisher noch nie gefunden wurde,
j die Unterseite war mit goldener Draperie versehen.
Ebenso mit Goldblech auf der Unterseite drapirt
war auch die 2to Schale , in welcher mit gelb-
grüner Farbe ein Kranz aus Mohn und Binsen auf-
gemalt Ist. Zwischen den Knochenhäufchen und den
Schalen lag ein Holzring aus Ebenholz mit golde-
nem Knopf verziert, der nach seiner Stärke zu
urtheilen, an einen Frauenarm passte. Auch der
weitere Schmuck neben den Schalen, bestehend in
einem goldenen Annschmuck und silberner Kette,
deutet auf eine Frau als einstige Trägerin hin. Kei-
nerlei Waffen, kein Dolch, kein Schwert oder Schild,
die den Männergräben» nicht fehlen, sondern nur
Schnmekgegenstünde, aufs sorgfältigste geai*beitet,
von ausserordentlicher Schönheit. Das merkwür-
digste aber , das noch weiter in des Grabes Mitte
lag, sind zwei goldeno Hörner, nennen Sie es
Füllhorn oder wie Sie wollen. Das Horn ist von
der Gestalt eines Stierhorns, an dem untern Ende
ist. ein Widderkopf angebracht. Das Horn selbst
ist wie das Horn der Kuh oder des Stiers dop-
pelt gekrümmt , ein eiserner Dorn in dem Horn
bildet das Gerüste , um welches Holz gelegt ist,
das Holz »iber ist mit Goldblech belegt , dos auf
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110
Kupferblech aufgelegt, war. Die Ornamente auf
dem Gold sind von grosser Schönheit. Welchem
Zweck mochte das Horn gedient haben? Ich
stelle mir immer vor, dass es der Griff zu einer
Lilmtionsschale gewesen sei, welche oben aufsass,
oder war es ein Instrument um Weihrauch aus
dem G eftiss zu nehmen und auf das Opferfeuer
aufzustreuen. Waren doch die boiden GefUsse
aus Bronze bis an den Rand mit einer mehligen
Masse gefüllt, welche Dorow z. B. in Wies-
baden ebenfalls gefunden hat, aber eine unver-
ständliche korkartige Masse nennt. Anfangs itn
Zweifel , was ich daraus machen sollte , fand ich
beim Erhitzen derselben auf dem Platinablecb an
dem Weihrauchduft, der sich entwickelte, dass sie
mit wohlriechenden Harzen gefüllt waren. Ob
Myrrhen ob Olibanon, war freilich nicht mehr
zu ergründen. So viel aber steht fest, dass die-
ses wohlriechende Harz im Schwabenlande nicht
gewachsen, sondern ebenso sicher importirt war,
wie die Schalen von Athen.
Sie können sich wohl die Aufregung denken,
in die man unwillkürlich gertttb, wenn man der-
artige Funde aus der Graberde hervorzieht. Nicht
minder gross war die Spannung, von dem Seiten-
grab in das Centralgrab in der Mitte des Hügels
zu gelangen. Enthielt das Nebengrab schon
solchen Schmuck , was durfte man erst vom
Hauptgrab erwarten. In der That fuhr der
Stollen genau in der Mitte des Hügels bei 28 m
Stollenlttnge eine Grabkammer an. Das Grab
lag aber nicht auf der Erdflttche, bestund viel-
mehr in einem 2,3 m tiefen Kessel, in welchem
unsere Grubenpfeiler versanken und dem Abbau
die grössten Schwierigkeiten bereitoten. Mit der
grössten Anstrengung sicherte man endlich das
Dach und stieg in die Tiefe. Aber leider fand
sich das Grab — geleert. Beim Ausgraben des
Kessels schon waren die Menge von Menschen-
und Pferdeknochen, die zerstreut zwischen GetUss-
scherben, Eisentheilen, Schneckenschalen und Stein-
stücken lagen, unverständlich. Bald aber stellte
sich heraus , dass man von oben her in einem
Schacht zum Grab niedergegangen war. Vor mir
schon hatte Jemand den Schatz ausgenommen, der
sicher in den 3 und 4 m haltenden gleichfalls von
Holzrahmen umgebenen Grabkessel gelegen hatte.
Herr Fischer:
Ich möchte mir erlauben , mich vom Stand-
punkte des Mineralogen berichtigend über die
Ansichten zu Uusseru, welche Seitens der Archäo-
logen meines Wissens bis jetzt durchweg bezüg-
lich der bloss geschlagenen Steinwerk-
zeuge gegenüber den polirten geltend ge-
1 macht wurden. Man sagt: ein polirtes Werk-
zeug steht höher, reprüsenlirt eine höhere Cul-
turstufe , gegebenenfalls also auch eine spätere
Zeitperiode, als ein blos geschlagenes Man ging
dabei wohl von der Idee aus, jedes polirte Beil,
l gleichviel aus welchem Material, sei vorher zu-
: recht geschlagen worden und wer es nun beim
. blossen Schlagen bewenden Hess , ohne es auch
* noch zu poliren , sei auf einer tieferen Cultur-
: stufe gestanden.
Bei dieser Rechnung hatte man aber ein-
fach versäumt, die Natur der zu Beilen, Messern,
l Pfeil- und Lanzenspitzen verarbeiteten Mineralien
und Felsarten, ferner auch die natürlichen Vor-
kommnisse der letzteren in nähere Betracht-
ung zu ziehen.
Die bloss geschlagenen Stein-Instrumente
bestehen meiner Erfahrung zufolge auf der
1 ganzen Erde (sowohl bei den prähistorischen
Völkern Europas , als bei denjenigen „Wilden“,
welche jetzt noch ihre Werkzeuge aus Stein
fertigen z. B. Australiern, Indianern Anierika's) fast
uusnahmlos entweder aus Q unrz- Varietäten oder
aus Obsidian, d. h. aus — der Hauptsache nach
] — in ihrer Masse gleichartigen (homogenen)
i Mineralsubstanzen , welche die Eigenschaft be-
i sitzen, beim Daraufschlagen mit anderen Steinen
(oder mit dem Hammer) für gewöhnlich einen
muschligen Bruch und scharfe Ränder
(Kanten) zu bekommen, so scharf, wie sie nie-
mals durch die gleiche Manipulation bei Mi-
, neralgemengen (Felsarten) zu erzielen sind.
Sobald diese Eigenschaften der oben go-
i nannten Mineralien (von donen der Obsidian eine
( ungemein viel geringere Verbreitung hat als der
l Quarz) von den prähistorischen Menschen einmal
| auf irgend einem Wege (durch Zufall oder Ver-
such) erkannt waren, wurden sie auch verwerthet
nnd es wurden mit mehr oder weniger Geschick
aus diesen Mineralien Beile, Messer (Schab-
inntrumente) , Pfeil- und Lanzenspitzen
u. 8. w. bergcstellt. Die Anfertigung der beiden
letzteren — nur mit Stein gegen Stein, ohne
Hammer — setzt aber eine Kunstfertigkeit
voraus , die nur derjenige zu ermessen vermag,
welcher nicht bloss theoretisch Uber solche Sachen
abspricht, sondern selbst mit Steinen umzugehen
pflegt und es selbst versucht hat.
Ja schon zur Herstellung nur eines eleganten
nordeuropäischen Feuerstein b ei ls mittelst Zu-
schlagens (wohlgemerkt immer wieder nur mit
Stein) gehörte eine Gewandtheit, die wahrlich
gelernt sein wollte und wenn es sich dann, nach
' dieser ersten schwierigsten Arbeit , noch
i darum handelte , ein solches» Feuersteinbeil —
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111
etwa der Eleganz wegen oder am gewisse Zwecke
besser damit zu erreichen — auch noch zu po-
liren , so gehörte dazu nur Zeit, Geduld , ein
passendes Gestein als Schleifstein und meinethalb
etwas Sinn für Symmetrie in der Herstellung
gleichinässig gewölbter BreitHttchen; aber eine
Kunst erforderte das Schleifen keineswegs mehr;
inan möchte fast sagen , das konnten dann ge-
schickte Kinder besorgen.
Die polirten Beilo aus krystallinischen
Fels arten dagegen (z. B. aus Diorit , Hora-
blendeschiefer, Eklogit u. s. w), welche sowohl
in ganz Europa bei den Pfahlbauten und sonst
da und dort in der Erde zerstreut reichlich ge-
funden werden, als auch aus Amerika (Vereinigte
Staaten , Venezuela, Brasilien, Peru), Neuseeland
u. 8. w. mir bekannt, wurden, sind meinen viel-
fältigen Erfahrungen zufolge vorherrschend aus
Gerollen hergestellu Die Völker sind wohl
bei ihren Wanderungen so gut wie die jetzt
noch bei uns nomadisirenden Zigeuner den Flössen
nachgezogen und halten »ich da, wenn ihre Zttge
durch Gegenden mit krystallinischem Ge-
birge gingen, ans dem Bache ihr Material für
die Beile, Hämmer u. s. w. ausgesucht.
(Auch an fast allen von mir untersuchten un-
zähligen Stein- A muleten, - Idolen aus Amerika,
Asien , Neuseeland u. s. w. konnte ich den G e-
r ö 1 1 charakter der dazu verwendeten Uesteinxstücke
constatiren.)
Aus einem d e r F o r m nach schou passenden
Geröll nun ein Beil mit einer Schneide durch
Schleifen herzustellen, ist uach meinen Begriffen
von Arbeit mit Stein , worüber ein Mineraloge
vom Fach sich wohl ein Urtheil zutruuen darf,
kein so besonderes Kunststück ; auch das könnte
schliesslich ein beliebiger Junge fertig bringen,
wenn er hinreichend lang auf einer harten Unter-
lage mit Wasser und Sand daran arbeitete.
Die aus k ry st all ini sehen Felsarten
hergestellten polirten Beilo waren eben wohl der
allergrössten Mehrzahl nach gar nicht, wie die
Archäologen bisher geglaubt zu haben scheinen,
zuerst zurecht geschlagen , sondern wurden
wie gesagt , vermöge sorgfältiger Auswahl der
Gerölle möglichst sogleich dureh Reiben auf
anderen Steinen in die Beilform gebracht und
dann nachher je nach Belieben , je nach der
Härte und PoliturfÜhigkeit der betr. Gesteine
auch noch glattpolirt, in späteren Perioden sogar
noch mit einem Loch für einen Schaft versehen,
d. h. zuin Sehaftbeil u. s. w. unigewandelt. —
Versuche cs doch jemand einmal, ohncllammer
ein beliebiges Stück Diorit , llornblendoschiofcr,
Eklogit u. a. w. durch blosses ZurechtsohUgen
1 in Beilform zu bringen , es wird ihm bald ent-
leiden! (Die Peruaner, die Neuseeländer so gut
wie die prähistorischen Bewohner Europa’s haben
i mit ganz erstaunlicher Gewandtheit gerade die
zähesten krv st all ini. sehen Felsarten auszulesen
gewusst und vorgezogen; diese erforderten bei
der Bearbeitung die meiste Zeit und Geduld,
lohnten dieselbe aber nachher durch ihre Dauer-
haftigkeit beim Gebrauch reichlich wieder.)
Um nun meine Privatanschauungen in dieser
Streitfrage auf eine möglichst objektive Probe zu
i stellen , consuitirte ich in meinem Wohnorte
i (Freiburg) verschiedene Techniker, erstlich Bild-
hauer, dann die Leute, welche das Strassenpflaster
und die Trottoirs herzustellen haben. Ich fragte
sie (ohne sie ahnen zu lassen, welche Ansicht
ich seihst vertrete, dafür nahm ich einen Zeugen
mit) , ob sie ein durch blosses Schlagen berge-
stclltcs Beil , eine Lanzen- oder Pfeilspitze aus
Feuerstein oder aber ein aus Diorit u. dgl.
durch Schleifen hergestclltes polirte» Beil als die
; schwierigere und kunstreichere Arbeit erachten.
Ganz entschieden und vollkommen un-
abhängig von einander sprachen sie sich
dahin aus, dass jene geschlagenen Werk-
zeuge viel mehr Uebung und Kunstfertigkeit er-
fordern. .
Ich bemerke hiebei noch, dass sich zur Her-
stellung von scharfen Messern, von Lanzen- und
Pfeilspitzen überhaupt nur der Quarz und Ob-
i sidian, nicht aber die krystallin Ischen Gesteine
i eignen.
Nun kommt aber für unsere archäologischen
Erörterungen noch ein anderes hochwichtiges
1 Moment in Betracht , das meines Wissens bisher
gleichfalls ganz unberücksichtigt geblieben war,
i nämlich das natürliche Vorkommen der
| kryxtallinischen Gesteine einerseits und
: dasjenige gewisser neptunischer Formationen
nämlich Jura und Kreide andererseits , worin
j Jaspis und Feuerstein zu Hause sind, wobei für
beide das Auftreten am anstehenden Fels und
1 im Schwemmland in Betracht kommen kann. Um
1 das Verhältnis der anstehenden Gesteine wenigstens
für Europa anschaulich zu machen, lege ich der
! hochansehnlichen Versammlung eine Karte vor,
worauf mit blauer uud grüner Farbe die Vor-
kommnisse der Jura- beziehungsweise Kreidefor-
i mation bezeichnet wurden. In den weiss ge-
lassenen Strecken fehlen also dio Feuersteine etc.,
soweit sie nicht auf sekundärer Lagerstätte auf-
tret en.
Die Völker mussten auf ihren Wanderungen
j ohne Zweifel bald inne werden, dass auf gewissen
| Strecken vorherrschend nur krystallinischo Ge-
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steine Vorkommen und in diesem Fall waren sie
darauf angewiesen , siel» aus solchen ihre Werk-
zeuge zu fertigen; dann kamen sie wieder in
Gegenden, wo ihnen Feuerstein und Jaspis zu
Gebot stand , deren Material für sie zur Her-
stellung s c h a r f s c h n e i d e n d e r W erkzeuge
und Waffen von höchster Bedeutung war und
nachweislich gegebenen Falls bis auf's Aeusserste
ausgenutzt wurde; ja sobald es einmal zur Ge-
winnung fester Wohnsitze gekommen war, konnten
solche Kieselwerkzeuge sogar leicht zu Tauseh-
und Handelsverbindungen Anlass geben.
Meiu Bestreben , hochgeehrte Versammlung,
war es also , durch diesen meinen Vortrag vom
mineralogischen Standpunkt aus gewisse theo-
retische Anschauungen der Archäologen zu be-
richtigen , welche mir Angesichts der oben ent-
wickelten, in der Natur begründeten Verhältnisse
nicht gerechtfertigt erscheinen und welche dahin
gingen, dass erstlich die Herstellung geschlagener
und geschliffener Stein Werkzeuge bei den Völker-
familien zeitlich auseinanderzuhalten sei und
zweitens, dass die blos geschlagenen Steinwerk-
zeuge als Erzeugnisse einer tieferstehenden Cul-
tur gelten müssten gegenüber den polirten. Ich
ersuche nun die Fachmänner , die Sache vorur-
teilsfrei zu prüfen und gelegentlich etwa ihre
widerstrebenden Ansichten den meinigen gegen-
überzus teilen.
(Für den gegenwärtigen Vortrag konnten
die feinpolirtcn Beile aus den nichteuropäischen
Mineralien: Nephrit, Jadeit und Chloromelanit,
welche sich gleichfalls durch ganz immense Zähig-
keit wie auch durch bedeutende Härte aus-
zeichnen, füglich ganz ausser Betracht bleiben.)
Herr 4. Hanke:
Erlauben Sie mir zuerst zu dem Vortrag dos
Herrn Vorredner einige Bemerkungen. In Be-
ziehung auf Benützung von schon durch die
Natur passend geformten Gerollen zur Herstell-
ung nicht aus Feuerstein gefertigter geschliffener
Sieingeräthe stimme ich dem Herrn Vorredner
vollkommen bei. In Beziehung auf Feuerstein,
aut das für uns wichtigste Stein material zur Her-
stellung von Steininstrumenten und Waffen, liegt
die Sache etwas anders als bei den übrigen Ge-
steinen. Man hat im germanisch-skandinavischen
Norden nicht selten , ich möchte sagen , voll-
ständige Schmieden, Werkstätten mit allem Zu-
behör zur Herstellung von Feuerst ein- Waffen und
Instrumenten aufgefunden, wo Rohmaterial, Stein-
kerne und anderer Abfall mit in der Bearbeit-
ung begonnenen, fortgeschrittenen, vollendeten
und misslungenen Objekten daun mit Schlag- und
I Schleifsteinen u. v. n. noch vereinigt zusammon-
I Ingen, so dass wir die ganze betreffende Technik
I Überblicken Da zeigt es sich, dass die Formen,
i die später geschliffen worden sollten , zuerst im
I Rohen dann fein zugebauen wurden , dass man
ihnen zuerst die gewünschte Form durch Zu-
! schlagen gab , um die immerhin sehr mühsame
Arbeit des Feuergteinschleifens abzukllrzen. Das
Museum in Kopenhagen z. B. besitzt mehrere
vollständige derartige Suiten von Steinen je aus
einem Fundplatz in jeglichem Stadium der Be-
arbeitung: gröbere, feinere, feinste Bearbeitung
durch Schlag, dann durch beginnenden, fortgeschrit-
tenen und vollendeten Schliff. Auch darin stimme
ich vollständig mit Herrn Fischer Überein, dass
die oft erstaunlich feine Bearbeitung durch
Schlag , vieler nordischer jüngerer Feuerst ein -
1 geräthe z. B. Dolche , Lanzenspitzen etc.,
welche manchmal Nachahmungen wohlgeformter
Waffen aus Bronze zu seih scheinen, weit mehr
Kunstfertigkeit erforderte , als das Schleifen der
Steine, was schliesslich von jedem geduldigen
| Kinde ausgeführt werden kann. —
Im Anschluss an das Ebengehörte erbitte
ich mir noch für einige weitere Minuten
| Ihre Aufmerksamkeit um Ihnen in Kürze die
i Resultate einer grösseren Untersuchung mitzu-
I theilen über die bis jetzt im rechts-
rheinischen Bayern*) gefundenen ge-
schliffenen prähistorischen Stein-
waffen und Steininstrumente.
Bei der Durchsicht der Jahrbücher unserer seit
dem Ende des 2. Dezenniums dieses Jahrhunderts
j unter dem Protektorate der bayerischen Regierung
I in allen Regierungsbezirken Bayerns gegründeten
J historischen Vereino finden sich nicht selten Er-
wähnungen von Steinwuffen und Steininstrumenten,
welche theils als Einzolfundc theils als Grab-
beigaben verzeichnet sind und meist den Samm-
lungen der historischen Vereine zum Theil auch
der ethnographischen Sammlung und dein baye-
rischen Nationalmuseum in München , dem Gcr-
| manischen Museum in Nürnberg, sowie städtischen
| Sammlungen (Nördlingen) einverleibt wurden
Die Bemerkung des Vortragenden, dass unter
I den aus Oberfranken durch Hrn. Pfarrer Engel-
hart von Seite des ethnographischen Museums
in München unter der Bezeichnnng Stein-
waffen erworbenen Objekten sich in beträcht-
licher Anzahl unbearbeitete Gerolle und natür-
liche mehr oder weuiger auffällig gestaltete
Bie IjÄyerische Rheinpfttlz unterscheidet sich
| in den zu besprechenden Verhältnissen von dem ly-
rischen llauptinn<lc nicht unbedeutend.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
f0r.
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
lietligirt ron Professor Dr. Johannes Ranke in München,
d turralttcr tiur dt r UittUtckafl.
Nr. 11. Erscheint jeden Monat. November 1879.
Bericht über die X. allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Strassburg
am II., 12. und 13. August 1879.
Nach stenographischen Aufzeichnungen
redigirt von
Professor Dr. Joh&nn68 Rank0 in München
Generalsekretär der Gesellschaft.
(Fortsetzung zu Nro. 10.)
Herr Ranke:
Auf die von Herrn Ecker angeregte Frage
erlaube ich mir zu bemerken, dass wir mit der
Aufnahme der Statistik der Körpergrösse der Re-
kruten in Bayern zunächst in Oberbayern schon
begonnen haben. Ich glaube versichern zu können,
dass die betreffenden Behörden, von deren Unter-
stützung wir hiebei abhängig sind, unserem Be-
streben keine Schwierigkeiten in den Weg legen
werdeD. Ich stimme den Ausführungen des Herrn
Ecker im Prinzipe vollkommen zu , doch habe
ich mich bis jetzt nur auf das Ergebnis* eines
Jahres (1875) beschränkt.
Herr Much (Wien):
Ich möchte einige Mittheilungen machen. Es
ist schon längst der Wunsch ausgesprochen wor-
den , dass eine Erhebung der Farbe der Augen,
Haut und Haare der Bevölkerung in Oesterreich
vorgenonunen werde und man hat dem Gegenstand
die vollste
bieten sich ziemlich viele Schwierigkeiten , die
Sache durchzuführen. Vor allem treten unsere
nationalen Verhältnisse hindernd in den Weg.
Wir haben das bei der Versammlung österreichi-
scher Anthropologen in Lailiach gesehen, wo sich
uns die nationale Partei mit Ostentation ferne
gehalten hat. Ich kann Ihnen aber jetzt die er-
freuliche Mittheiluug machen, dass die Erhebung
der Farbe der Haut, der Haare und Augen im
nächsten Jahre bei uns zugleich mit der allge-
meinen Volkszählung vor sich gehen wird und
wir erhalten damit ein reiches Bild , wie es in
Deutschland längst sicher gestellt ist. Die anthro-
pologische Gesellschaft in Wien wird dadurch
wesentlich entlastet und kann nun ihre Aufgabe
nach anderen Richtungen entwickeln und weiter
verfolgen. Es besteht die Absicht, diese Erheb-
ungen in den Mittelschulen fortzufttbren und
durch Erhebungen nach anderen Richtungen zu
kompletiren, was um so leichter durchführbar sein
dürfte, als wir in den Lehr^^^M^Uej^^p^g
«»« .Mw«
10
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138
gewiss werden wir auch den anthropologisch l»e-
deutsamen Erscheinungen hei der Rekrut irung
unsere vollste Aufmerksamkeit widmen.
Herr Sch u aff hausen :
Ich erlaube mir hierbei zu bemerken , dass
ich wünsche, dass solche Arbeiten', die im Auf- 1
trage der Gesellschaft oder für dieselbe unter-
nommen werden, nicht ohne Kenntnis« der Kom-
mission, welche für diese Untersuchungen gewählt
ist, geschehen möchten, damit wir ein nach über-
einstimmendem Schema gesammeltes Material er-
halten. Der Vorsitzende dieser Kommission ist
Virchow und ich wünsche, dass die Kommis-
sion, wfozu Herr Ecker und ich selbst gehören,
davon in Kenntniss gesetzt wird, um ein Schema
für ganz Deutschland festzustellen. Ich glaube,
dass die Untersuchung weiter greifen muss und
nach einem umfassenderen Plane anzulegen ist,
als sich die treffliche Ecker’sche Arbeit zur
Aufgabe gestellt hat.
Herr Much (Wien [Mensch und M amutbj):
Ich werde ihre Aufmerksamkeit nur kurz in |
Anspruch nehmen. Hatte ich gestern Gelegenheit
Uber eine etwas vorgeschrittene Zeit zu sprechen,
so will ich heute anknüpfen an jene Mittheilungen,
welche wir bereits Uber die ältesten Bewohner
von Europa vernommen haben. Die Beweise
für die Gleichzeitigkeit des Menschen mit dem
Mamuth sind noch selten, namentlich wenn wir
uns beschränken nur direkte Beweise im Auge ]
zu behalten. Wir in Niederösterreich waren
etwas glücklicher in der Auffindung solcher Be-
lege. Wir fanden zuerst einen Lagerplatz von
Mamuthjägern an der Thaya bei Joslowitz, wo
Knochen ausgestorbener Dickhäuter zugleich mit
Artefakten, Asche und Kohle gefunden wurden. Graf
Wurmbrand hat sodaun einen ähnlichen Lager- i
platz bei Gobelsburg aufgedeckt und früher schon ;
hatte ich Mamutliknochen mit anhaftenden Kohlen
im Löss bei Göfing, und eben solche Knochen mit :
Feuersteinsplittern auf einem Felde bei Stetten-
hof gefunden. Späterhin — —
| Herr Geheimrath V irchow tritt ein und wird
mit allgemeinem Bravorufen begrüsst.J
Der Vorsitzende: Entschuldigen Sie die
Unterbrechung; wir haben Herrn Virchow, der
soeben angekommen ist, begrüsst.
Redner fährt fort: Neuesten« ist es mir
abermals gelungen, bei Stillfried einen Lagerplatz
von Mamuthjägern aufzuschliessen. Ich hatte diese
Stelle , welche sich durch Funde von Mamuth-
knochen charakterisirte, lange schon im Auge.
Der Besitzer erhob jedoch Einsprache gegen die
Aufgrabung, weil er einen Hinsturz der Lösswand,
in welche er zwei kellerartige Nischen zum Auf-
bewahren von Ackergeräth ausgeholt hatte, be-
fürchtete. Wir sahen das Begründete dieses Ein-
spruchs ein und hatten vorerst nur die Aufgabe,
diese Stelle im Auge zu behalten. Nun w'ar es
ein glücklicher Zufall, dass in Stillfried ein neuer
Bahnhof gebaut wurde, wobei das Terrain be-
deutend erhöht werden musste. Zu diesem Zwecke
w'urde die erwähnte Lösswand abgegraben und da-
durch in einer Höhe von beiläufig 20 Metern bloss-
gelegt; zu unterst zeigte sich eine 2 Meter mächtige
Schicht, in welcher «ich die zerstreuten Reste von
Lagerplätzen der Mamuthjäger befanden. Dieselben
sind gekennzeichnet durch eine nicht unbedeutende
Menge von Knochen des Mamuth, darunter Mahl-
zähnen, insbesondere auch ganzen Unterkiefern,
Stosszähnen, deren Zerfall an der Luft leider un-
aufhaltbar war, und von Knochen der Gliedmassen,
dann von Hirschgeweihstücken und Rückgrats-
wirbeln einer noch anbestimmten Thierart, welche
zugleich mit Kohlen , Asche und mit Artefakten
aus einer braunrothon Hornsteinart, den bekannten
prismatischen Messern, Schabern, unbestimmbaren
Splittern und Steinkernen zum Vorschein kamen.
Bearbeitete Knochen von der Art, wie sie die
französischen und schweizerischen Lagerplätze von
Mamuth- und Renthierjägern gewährten , habe
ich nicht gefunden, noch viel weniger konnte
ich Zeichnungen an den Knochen entdecken. Da-
gegen zeigt das Bruchstück eines Stosszahues
deutlich, dass es schon in alter Zeit abgespalten
worden ist und der Stosszahn eines jüngeren
Thieres ist an seiner Spitze mit den Kerben zahl-
reicher Hiebe überdeckt, welche unzweifelhaft von
Steingeräthen herrühren. Einige dieser Hieb-
fiächen lassen die feinen Furchen deutlich erkennen,
welche die Zähne der Steinaxt nach sich gezogen
haben. Der Zweck dieser Kerben war offenbar
der, den Zahn an der Spitze rauh zu machen,
damit ihn die Hand sicherer f enthalten könne.
Die Mamuthzähne rühren vorwiegend von
jüngeren Thieron her und es scheint, dass haupt-
sächlich diese gejagt worden sind.
Die Fundverhällnisse sind ganz räthselhaft;
denn die Fundgegenstände sind nicht in einer
bestimmten, halbwegs erkennbaren Ordnung ge-
lagert , sondern wirr in die ganze , wie oben
schon erwähnt, etwa zwei Meter mächtige Schicht
zerstreut gewesen.
Die Knochen des Mamuth, die Steinartefakte
und die Kohlen lagen weder in gleicher Höhe
noch überhaupt dicht beisammen, namentlich ist
die meist, sehr zerkrümelte und selten die Grösse
einer Haselnuss (Ibert reffende Kohle durch die
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ganze Masse verth eilt gewesen, so dass es etwa
so aussieht, als ob Alles in einen weichen Brei
von Löss eingerührt worden wäre. Nnr hie und
da vereinigte sich zerkrümelte Kohle und Asche
zu fingerbreiten und horizontal laufenden Streifen,
die nach unten hin allmählich in den reinen Löss
übergingen, nach oben hin zuweilen ganz scharf
abgeschnitten waren. Auch sonst zeigten sich im
Löss dunkler gefärbte Bftnder. welche meistens
horizontal verliefen, mitunter aber doch auch sich
neigten , so dass es den Anschein hatte , als ob
fließendes Wasser an der Gestaltung der Kultur-
schichte init gewirkt hatte. Die Schwierigkeit
der Erklärung der Fundverhaltnisse wird dadurch
noch vermehrt , dass gleichzeitig mit der Ab-
deckung der Kulturschicht künstliche Höhlen
aufgeschlossen wurden, welche in unmittelbarer
Nahe der Lagerplätze, ja sie sogar berührend und
dnrchschneidend in den Löss eingetrieben sind.
Diese Höhlen halten eine Lange von 2 — 3 Metern,
eine Breite von 2 Metern und eine Höhe von
1,60 Metern, so dass ein Mann aufrecht darin
stehen kann , und sind stets in grösserer Anzahl
durch etwa 60 Ccntimeter hohe und im Durch-
schnitte vier Meter lange Röhren, die man natürlich
nur schliefend possiren kann mit einander verbunden.
Solche Höhlen finden sich inNiederösterreich in Über-
aus grosser Menge und bilden bei oder unter manchen
Ortschaften förmliche Höhlenlabyrinthe. Auf die
Existenz derartiger Höhlen in Bayern haben unsere
Freunde in Müuchen schon vor mehr als einem
Jahre aufmerksam gemacht.
Man ist nun in hohem Maosse versucht , die
in unmittelbarer Nahe des Lagerplatzes unserer
Mamuthjäger befindlichen Höhlen mit diesen
letzteren in Verbindung zu bringen. Inden ist
es schon von Anfang klar, dass die Höhlen in
die Lössmasse erst gegraben werden konnten, als
diese bereits erhärtet und so fest geworden war,
dass sie sich selbst als Gewölbe tragen konnte,
während die Reste von den Malzeiten der Mamuth-
jäger, wenigstens hier auf ihrer Lagerstätte in
Stillfried, in den Löss während der Bildung des-
selben eingebettet worden zu sein scheinen.
[Während der Rede der Herrn Much ist von
lebhaftem Zuruf der Versammlung auf das
Freudigste begrüsst Herr V i r c h o w eingetreten,
den ernste Krankheit in der Familie abgehalten
hatte, früher zu erscheinen. Da für die Nach-
mittagssitzung die Vorträge schon festgesetzt
sind , wird auf Antrag des Generalsekretärs
die Sitzung verlängert , um für den mit Span- *
nung erwarteten Vortrug des Herrn Virchow
über seine mit Herrn Schliemann an der tro-
janischen Küste vorgenotmnenen Ausgrabungen
und Untersuchungen Raum zu gewinnen. |
Herr Virchow (über die kloinasiat iseb e
Steinzeit und die trojanischen Heroen-
g r U b e r) :
Herr Schliemann batte ursprünglich die
Absicht, hieher zu kommen, er hat sich alter — un-
nöthiger Weise — durch die Erfahrung abschrecken
lassen, die er bei seinem Aufenthalt in Kissingen
machte, dass durch seine längere Abwesenheit aus
dem Vaterland seine oratorischen Fähigkeiten
etwas gelitten hätten. Es war zum ersten Male
seit vielen Jahren bei der Expedition , die wir
zusammen in den Ida machten , dass die Con-
versation überwiegend in deutscher Sprache vor
sich ging; sonst ist Herr Schliemann, der
überdies amerikanischer Bürger geworden ist, seit
Jahren der deutschen Sprache so sehr entwöhnt,
da«? er glaubte, sich nicht ohne Noth in freier
Rede öffentlich bewegen zu sollen. Dazu kommt,
dass er sehr beschäftigt ist, du er im Begriff
steht , ein grösseres Buch über die trojanische
Angelegenheit zu schreiben.
Bei der Kürze der uns noch bleibendon Zeit
möchte ich meine Bemerkungen über Troja darauf
beschränken , dem Appel des Herrn Vorsitzenden
in Beziehung auf die Untersuchung der Kegel-
gräber zu genügen, und einige allgemeine Eindrücke
wiederzugeben , die mir bei genauer Betrachtung
der trojanischen AlterthUmer gekommen Rind. Ich
wei»> wohl, dass wir Naturforscher nicht berufen
sind, die Frage zu entscheiden, ob das, was auf
Hissarlik aufgedeckt ist, dem alten Troja ent-
spricht. Diese Frage liegt, nicht auf dem Ge-
biete der Naturforschung und auch nicht auf dem
der hier vertretenen Wissenschaft. Niemund
wird aus dem Material, das in so reicher Fülle
in Hissarlik zu Tage getreten ist, ohne eine Reihe
weiterer Vorarbeiten , die erst zu machen sind,
mit Genauigkeit den Nachweis führen, in welches
Jahrhundert die Sachen gehören. Man stellt
sich, wie es scheint, hie und da die archäolog-
ische Chronologie zu leicht vor. Man hat mich
oft gefragt: aus welchem Jahrhundert sind denn
die trojanischen Sachen? Man vergisst dabei, dass
wir mit der chronologischen Untersuchung eigent-
lich erst begonnen haben. Nun ist ja kein Zweifel,
dass an sich diejenigen Länder, welche Sitze ur-
ulter Kultur waren, gegenüber den unsrigen in
einem wesentlichen Vorsprung sich befinden. Wir
müssen die Periode, innerhalb deren geschriebene
Zeugnisse vorliegen , soweit verlängern , dass bei
uns Vieles prähistorisch ist, was in Griechenland
und Kleinasien schon tief iu die Geschichte fällt.
IO*
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Auf der andern Seite dürfen wir aber auch nicht
übersehen , dass gerade in diesen Lindern erst
jetzt die prähistorische Forschung begonnen hat
und dass es sich dort zunächst dämm handelt,
sich erst auseinander zu setzen mit den ver-
wandten Wissenschaften.
So findet sich, um ein Beispiel zu erwähnen,
in dem grossen Werke des langjährigen geolog-
ischen Forschers Tschihatcheff eine Ueihe
von Beweisen zusammengestellt, aus welchen dieser
Gelehrte abzuleiten sich bemühte, dass die Küste
von Kleinasien noch in jüngerer Zeit ins Meer
untergetaucht und wieder emporgestiegeu sei, wo-
bei Ablagerungen aus dem Meere mit empor-
gehoben seien Wenn man aber diese Stellen
genau prüft, so ergiebt sieb, dass diese Ablager-
ungen nichts weiter sind als sogenannte Kjö kken-
M öd d i n g e r, d. h. Stellen , wo Ueberreste von
allerlei, von Menschen benutzten Seethieren, ver-
mischt mit Produkten menschlicher Industrie
sich angosammelt haben. Tschihatcheff selbst
ist so genau in seinen Angaben, dass er anführt,
auf den Bergen um Smyrna Muschelsehaalen nnd
sonstige Seethierreste, vermischt mit alter
Töpferwaare und scharfen Steinstücken,
gefunden zu h»hen. Keiner von uns würde darnach
Bedenken tragen, anzunehmen, dass dies Küchen -
nbfUlle sind. Nun hat Herr H y d e C 1 a r k e die be-
treffende Stelle am Berg Pagus untersucht und die
Natur der Küchenabfälle als solcher constatirt. Sie
sehen daraus, wie Itehutsam inan an solche Fragen
herangehen muss. Wenn aber auch die Vor-
frage entschieden und die Küchenabfälle in ihrer
wahren Natur erkannt sind, so weiss inan immer
noch sehr wenig. Die Frage der Chronologie ist
dann für diese Gegend erst zu machen.
Von den noch sehr vereinzelten „Kfichenabfällen“
abgesehen, gehören die ältesten Sachen, die wir
bis jetzt aus Vorderasien, namentlich aus Gräbern
und Stadtplätzen kennen , der Zeit des polirten
Steines an. Wenn ich z. B. das Material des
Herrn Gross, das uns hier noch vor Augen liegt,
betrachte, so könnte nicht ganz Weniges davon
aus Vorderasien stammen. Ich werde Ihnen
noch heute einige Stücke von polirtem Stein aus
Kleinasien zeigen , welche dem Typus nach ge-
wissen Funden aus Pfahlbauten der Schweiz voll-
kommen entsprechen. Der reichste Boden dafür
ist die Gegend von Sardes. Solche Stücke finden
sich sowohl an der Oberfläche als auch in
Gräbern.
Polirter Stein ist das Material , welches vor
der Hand in KJeinasien als das älteste erscheint.
Allerdings hat es gar keine Schwierigkeit, ge-
schlagene Steine, die wir bei der ersten Be-
trachtung als Feuersteine bezeichnen würden . in
allen möglichen Lokalitäten zu finden, und wenn
Jemand sich daran machte, nach derartigen
Stücken die ,, Städte“ anf Hissarlik zu klassifiziren,
so würde nichts leichter sein, als bis in die Zeit
des geschlagenen Steins (palaeolithische Zeit) zurück-
zukommen. Solche Steine finden sich in allen
Schichten von Hissarlik, sowohl in den obersten,
wie in allen anderen bis auf den Urboden, ln
kurzer Zeit kann man daselbst eine Sammlung
von geschlagenen Steinen machen. Es ist aber
dabei nicht zu übersehen , dass gerade der
Orient für die Interpretation solcher Steine eine
für uns zwar ungewöhnliche, aber sonst sehr
nahe liegende Deutung giebt : das ist der Ge-
brauch, der noch heutigen Tages im Orient statt-
findet, scharfe Scherben und Bruchstücke von kiesel-
haltigen Steinen zu verwenden , um damit jene
eigentümlichen Dreschmaschinen herzustellen, die
auch in ganz Vorderasien noch heute im Ge-
brauch sind. Ich habe selbst in der Troas diese
Geräthe noch in recentem Gebrauche gefunden,
und wir können hoffen, dass in einigen Woeben
im Berliner Museum eine neue trojanische Dresch-
maschine, eine sogonannte doxor»;, eintreffen wird,
die, so wie sie vom Felde gekommen ist, mir
geschenkt wurde. Es sind dies grosse schlitten-
artige Gestelle aus Holz, etwa 1 — 1 */* tu lang,
nach vorn etwas aufgebogen , deren ganze un-
tere Fläche mit scharfen, schneidenden geschlage-
nen Steinen besetzt ist. Diese führt man über das
Korn herüber, so dass dasselbe nach allen Rich-
tungen zerschnitten wird. Daher giebt es Stroh
im Orient nicht, wenigtens nicht in unserem Sinne,
Bondern nur Häcksel. Dies wird sofort auf dem
Felde geschnitten und das Korn daraus gewonnen.
Diese Geräthe sind noch heutigen Tages im
ganzen Orient in vollem Gebrauch. Wenn wir
daher geschlagene Steine durch alle Schichten
von Hissarlik und auch an der Oberfläche von
Ilion novum finden, so ist das für die Chronologie
ganz gleichgültig; daraus kann Niemand etwas
definiren. Am wenigsten ist zu schliessen, dass
die geschlagenen Steine aus dem ersten Steinzeit-
alter stammen.
Allerdings kann man Ausnahmen machen, wenn
es sich um ganz besondere Steine handelt, deren
Import wahrscheinlich ist. Dahin gehören vielleicht
die Obsidiansplittor. Ich habe selbst einen solchen
in der tiefsten Schicht von Hissarlik »nfgchoWn.
ein grosses prächtiges Stück. Nun ist, soweit
ich weiss, bis jetzt kein Fundort in der vordem
Troas bekannt, wo Obsidian vorkommt. Es ist
bei der grossen Ausdehnung der vulkanischen
Erscheinungen daselbst jedoch möglich, dass noch
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145
brios der Alten gehalten wird. Die Lage einiger
Tempel roste, welche in der Nähe von Bntak auf-
gefunden sind, scheinen ungefähr der Stelle des
Tempels des thymbrischen Apoll 7,u entsprechen,
wo nach der späteren IJeberlieferung Achilleus
seine tödt liehe Verwundung erhielt, als er die
geplante Zusammenkunft mit Polyxene , der
Tochter des Priamos , abhalten wollte. An
diesem Flusse giebt es ein paar Tepe’s, von denen
sich einer, der H anai Tepe, durch seine roman-
tische Lage auszeichnet. Auf dem letzten Vor-
sprunge eines Hügelzuges am rechten Ufer des
Flusses erhebt sich der gewaltige Kegel, weniger
hoch als breit, mit einer Basis von erstaunlicher
Ausdehnung, so gross, dass seihst einer der sorg-
fältigsten Beobachter der Neuzeit, Herr Forch-
hammor, der sehr geschickt den Charakter der
einzelnen Hügel unterschieden hat , ihn aus der
Reihe der lirabhügel ausschied. Gerade dieser
Hügel hat sich als die ergiebigste und reichste
Fundstelle erwiesen.
Es stellte sich bei den , noch zu meiner Zeit
fortgesetzten Ausgrabungen heraus, dass er ganz
und gar aus Erde aufgeschüttet ist, dass er aber
aus zwei Haupttheilen besteht: aus einem klei-
neren , oberen und jüngeren , griechischen , und
einem grosseren, unteren, prähistorischen. Auch
hier fand sich zunächst unter der Spitze eine Art
von Mauer aus grossen Steinen, welche den Zweck
gehabt zu haben scheint, das Innere, welches
ganz mit Aschenmasse angefüllt war, zu schliessen,
also wahrscheinlich ein Opferplutz. Im Anfänge
stiess mau, schon in einer Tiefe von 2 — 3 Fuss,
auf menschliche Gebeine, welche von der Be-
stattung einer Mehrzahl von Personen her rühren,
mit Beigaben, welche der griechischen Zeit ent-
sprechen. Damit stimmt die Beobachtung , dass
in der Nähe zahlreiche Ueberreste einer grie-
chischen Stadt mit einer Nekropole vorhanden sind.
Unter dieser verhältnismässig oberflächlichen
Schicht, von derselben durch ausgedehnte Aschen-
sehichten getrennt , folgte die eigentliche Haupt-
masse des Hügels , bestehend aus sehr dichtem
Thon, in welchem dicht, unter der Oberfläche ein
Kranz grosser Steinblöcke eingeschlosseu ist. Das
Innere dieses Theils ist erfüllt von einzelnen Be-
gräbnissen. Da sind in verschiedenen Höhen und
in geringen Entfernungen von einander ungebrannte
Leichen beigesetzt. Wir haben hier also ein
Massengrab. Obwohl zur Zeit , als ich dort
war, nur ein einziger Sektor, höchstens der
zwölfte Theil des Hügels ausgeschnitten war, so
waren doch schon aus diesem Theil sechs Skelette
zu Tage gefördert. Daneben finden sich zahl-
reiche Gegenstände des Hausgebrauches, welche
! nahezu denselben Formen angehören, die ich vor-
hin bei Besprechung der ältesten Schichten von
Hissarlik charakterisirto, überwiegend polirte
Hämmer und Beile , Sägen von Obsidian und
Chaleedon, bearbeitetes Hirschhorn und Knochen,
von Bronze nur zwei Stücke, dagegen eine Masse
von Beigaben, die auf Opferfestlichkeiten hin-
weisen, namentlich Knochen von wilden und ge-
zähmten Thieren , grosse Massen von Austern-
nud anderen Muschelschalen , Haufen von Topf-
geräth, welches Übereinstimnit mit den Thonsachen
aus den alten Schichten von Hissarlik. Ich kann
nicht dafür stehen , ob nicht bei der weiteren
j Ausgrabung vielleicht noch andere Gegenstände
entdeckt worden sind, welche noch mehr Auf-
klärung gewähren. Ich behalte mir daher ein ab-
schliessendes Urtheil vor, bis die Sendung bei
! uns angelangt sein wird. Schon jetzt scheint
alier kein Zweifel darüber zu bleihen, dass der
Hanai Tepe in seinem Gr und theil ein
Zeitgenosse der ältesten Städte von His-
sarli k ist und dass er daher für die Beurtheilung
derselben von hoher Bedeutung ist.
Sie sehen aus diesem Berichte, dass die Unter-
suchung der trojanischen Tumuli, wenn man von
dem Hanai Tepe absieht, viel weniger dankbar
gewesen ist, als man selbst bei bescheidenen Er-
wartungen voraussetzen durfte. Ich würde meine
Reise fast ergebnislos betrachten müssen, wenn
ihr Gegenstand nur die Heroengräber gewesen
! wären. Aber ich fühle mich mehr als ent-
schädigt durch die Anschauung des Lundes und
die genauere Erforschung seiner Verhältnisse,
1 gnnz besonders aber durch die Theilnahme an
den letzten Ausgrabungen auf Hissarlik selbst.
Gewiss wird Niemand eine solche Reise bedauern,
wenn er die Grossartigkeit der Ueberreste sieht,
i welche dort zusammengehäuft sind. Ich beab-
j sichtige nicht, hier in das Einzelne dieser Ergeb-
I nisse einzugehen. Es wird jedoch vielleicht einigen
! Werth für Sie haben, wenn ich kurz das Gosainmt-
| res ul tat meiner Beobachtungen in Bezug auf die
' Chronologie der Funde mittheile:
Weder in Hissarlik, noch in einem der Tumuli,
noch an irgend einem andern Punkte der Troas
haben wir irgend ein Anzeichen von der An-
wesenheit des Menschen vor der Zeit des
I polirten Steins angetroffen; ja, es ist im
höchsten Grade wahrscheinlich , dass auch diese
I Bestimmung noch zu weit zurückgeht und dass
auch die ältesten Funde schon der Metallzeit
i angehören. Wenn wir nun erwägen, dass die
] Troas ganz nahe an dem Punkte des Hellespont
liegt, welcher von jeher die Völkerbrücke zwischen
Asien und Europa dargestellt hat , dass sie hart
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14«
an die Strasse stösst, auf welcher sich in der
Vorzeit die Strömung der Einwanderungen von
Osten nach Westen bewegt haben muss, wenn
wir in Betracht ziehen, wie jede grosse kriegerische
Operation im Alterthum immer wieder diese Stelle
hat benutzen müssen, so ist es gewiss erstaunlich,
dass hier nicht mehr Anhaltspunkte vorhanden
sind , welche sich mit jenen prähistorischen Be«
wegungen in Beziehung stellen lassen. Somit
ist leider zu sagen, dass das, was meines Wissens
die kleinasiatische Forschung bis jetzt zu Tage
gefördert hat, zur Feststellung unserer Chrono-
logie wenig beiträgt. Wollte man sich an Einzel-
heiten halten, so würde man sogar zu den selt-
samsten Schlussfolgerungen kommen. So habe
ich seit Jahren bei unseren Lokalforschungen die
Bedeutung eines Thon-Ornaments geltend gemacht,
welches ich von jeher als spezifisch slavisch an-
gesprochen habe, so spezifisch, dass ich zum
Voraus da, wo ich es in unseren Provinzen finde,
annehme , hier waren Slaven. Dieses Wellen-
Ornamcnt findet sich auch in Hissarlik. Ich
habe in höheren und tiefereD Schichten Scherben
gesammelt, die in dieser Beziehung Ubereinstimmen
mit dem , was ich bei uns slavisch nenne.
Daraus ist chronologisch nichts zu schliessen, denn
dasselbe Ornament ist heute noch in Aegyten
im Gebrauch. Es zeigt sich hier nur die grosse
Zähigkeit der Uebcrlieferung ; der Mensch ist
weit weniger schöpferisch, als nachahmend.
Unzweifelhaft entspricht „die zweite
Stadt'4, diejenige, in welcher sämmt-
licheFunnde gemacht sind, und welche
durch einen gewaltigen Brand zerstört
ist, dem Ilion der Sage. Wie viel von der
Sage selbst historisch ist, kümmert uns zunächst
wenig; die gebrannte Stadt, die Goldstadt, aber
ist eine Thatsoche, und sie wird ein wichtiges
chronologisches Glied bleiben in der Reihe der
Merkmale vorhomerischer Dinge. Die dort
gefundenen Ueberreste gewinnen somit eine kapi-
tale Bedeutung.
Andererseits darf man nicht übersehen , dass
es sich bei vielen Gegenständen , die in der
Trümmerstätt« von Hissarlik zu Tage kamen,
um Import handelt, indem die Gegenstände
nicht in Troja selbst gearbeitet, sondern vielleicht
von weit her eingeführt worden sind. Wie das
Elfenbein wahrscheinlich von Aegypten importirt
ist, so sind unzweifelhaft die Goldschätze von
Osten her eingefUhrt worden. Ich kann in dieser
Beziehung nur bestätigen , dass auch die Gold«
funde, die wir gemacht haben, dem
assyrisch-babylonischen Typus ent-
sprechen und dass Einiges darin ganz
Ubereinstimmt mit Fundstücken von Mykenae,
die Herr Schliemann publizirt hat. Wenn
aber im Allgemeinen für Mykenae anerkannt
wird, dass die werthvollsten Sachen, welche dort
ausgegraben wurden, Importartikel sind, so muss
man dies auch für Hissarlik zugestehen, und wir
werden ein Zeugniss für die Kunstfertigkeit oder
auch nur fllr den Kulturzustand der Bewohner
daraus nicht ableiten können , ebensowenig wie
wir aus römischen oder byzantinischen Funden
in Skandinavien direkt etwas ableiten können für
die Kunstleistung der Bewohner. Für die chrono-
logische Klassifikation gewinnen wir so eine ge-
wisse Basis, jedoch haben wir erst weitere An-
knüpfungen zu suchen , die im Orient weiter
rückwärts liegen müssen ; die Forschungen in
Assyrien u. s, w. werden das Material liefern
für die Zeitbestimmung des vorderasiatischen
Alterthums. Was in Babylon vielleicht
schon historisch ist, das kann in Ilion
prähistorisch sein.
WTie weit wir dann diese Ergebnisse für die
abendländische Chronologie werden verwerthen
können , darüber erlaube ich mir kein Uriheil.
Im Augenblick kann ich nur sagen, dass das
Erreichte, wenn nmn seine Bedeutung für die
Urgeschichte der Völker überhaupt nüchtern prüft,
unser Wissen nur wenig gefördert hat, und dass
namentlich irgend ein Anhalt für die Beurtheilung
der ältesten Völkerbewegungen dadurch nicht ge-
wonnen ist. Vielleicht waren unsere Erwartungen
nach dieser Richtung in der That überschwängliche;
jedenfalls ist es gut, dass die Tbatsachen jetzt in
einer solchen Ausdehnung festgestellt sind, dass die
rein phantastische Behandlung, welche die tro-
janischen Dinge so häufig erfahren haben , auf-
hören muss. Für die Spezialgeschichte sind die
Entdeckungen des Herrn Schliemann von un-
schätzbarem Werthe.
Ich werde mir erlauben, Ihnen heute Nach-
mittag noch einige von den Steinsachen vorzulegen,
welche ich aus Hissarlik und von anderen Punkten
Vorderasiens mitgebracht habe; Sie werden daran
sehen, dass manche Stücke sich den vollendetsten
Steinarbeiten anreihen, die wir aus dem Abend-
londe kennen. Es ist prächtiges Steingerät h, aber
keines aus der eigentlichen Urzeit.
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147
Vierte Sitzung.
Inhalt: Herr Straub: Die Ausgrabung auf dem ap&trttmtHchen Todtenfeid beim Weiasthnnnthor in Strass-
burg. — Herr Waldeyer: Die Schädel der Straasburger Nekropole; toma occinitali«; trochanter
tertiue. — Diskussion : Herr K. Krause, Herr Schaaffhauscn. — Herr R. Virehow: Klein-
asiatische, namentlich trojanische Alterthftmer. — Diskussion: Herr Sepp. — ■ Geschäftliches : Vor*
Stands wähl, K tat Vorlage. Programm des 3. Versamralungiitageadurch Herrn G. Gerl and (cfr. Ein-
leitung S. 20). — Schluss der Verhandlungen der X. allgemeinen Versammlung durch den I. Vor-
sitzenden Herrn 0. Frans.
Herr HtrAub:
Ich habe mit Dank die mir willkommene
Tßinladung angenommen , Ihnen über die Auf-
deckung eines grossen Theils der römischen Be-
gräbnisstätte vor dem Weissthurmthor Bericht zu
erstatten, in der wohlgegründeten üeberzeugung,
dass das Zusammentreffen so vieler Gelehrten in
unsern Mauern auch meinen Forschungen Nutzen
zufiihren wird.
Ueber die Lage und Ausdehnung des alten
römischen Todtenfeldes unserer Stadt, längs der
grossen Heerstrasse von Argen toratum nach Tres
Tabernae, hatten wir längst schon sichere An-
gaben. Als ich im Laufe des verflossenen Som-
mers, nach einer eingehenden Studie Aber die
gallo - römischen Denkmäler des neuerstandenen
Königshofen und Umgegend,*) meine Uebersichts-
karte der Fundstellen entwarf und die rauthmass-
liche Stelle darauf verxeichnete, wo der bekannte
Stadtbaumeister Speckel vor 3 1 1 Jahren 20 stei-
nerne Särge und über 100 Aschenurnen aus-
graben sah,**) da tauchte in mir die Hoffnung
auf, den gewiss noch unberührt gebliebenen, zu
Glacis umgewandelten nördlichen Theil des Cö-
meteriums bei Gelegenheit der Neulmuten unter-
suchen zu dürfen .
Die gehegte Hoffnung sollte schon zu Ende
des Monats September in ErfUUnng gehen. Man
denke sich meine Ueberraschung , als ich am
Tage der Rückkehr von einer Forienreise nach
Westfrankreich erfuhr, dass auf der von mir ins
Auge gefassten Stelle soeben einige Steinsärge
seien gefunden worden — zugleich aber auch
meine Entrüstung, als ich den Platz betrat und
die ehrwürdigen Denkmäler des Altertbums zum
Theil bereits in Stücke zerschlagen sah.
Mein Entschluss war schnell gefasst. Als Präsi-
dent des els&ssischen Vereins für Erhaltung der
geschichtlichen Denkmäler hatte ich ohne Auf-
schub eine Pflicht zu erfüllen.***) Das Vorhandene
•) Leu Antbiuit.es gallo -romaines de Königshofen
(bonlieue de Strasbourg), avec 3 photographies et 5
gravurea intercal&s dans le texte. Strasbourg, 1878.
•*) S. Silbermann. Lokal-Geschichte der Stadt
Straasburg, p. 39.
••*) Sämmtliche Kosten der Ausgrabungen wurden
von der Getiellschaft für Erhaltung der geschichtlichen
Denkmäler des Elsas« getragen.
musste gerettet und sicher gestellt, das noch im
Schoosse der Erde Verborgene, wenn immer mög-
lich, aufgesucht und für die Wissenschaft ver-
wertet werden. 8o that ich denn an demselben
Tage die nötigen Schritte und keiner blieb er-
folglos. Nicht nur wurde ich von der Ver-
waltung der k. Eisenbahnen in Elsass-Lothringen
sofort in der zuvorkommendsten Weise ermächtigt,
die gefundenen Särge einstweilen im Universitäts-
gebäude aufzustellen und Nachgrabungen auf der
Fundstätte zu unternehmen, auch die Militär-
behörde, deren Terrain ich teilweise bei den
neuen Wällen zu betreten hatte, kam meinen
Wünschen auf das Bereitwilligste entgegen und
stellte mir sogar Pioniere zur Verfügung, ge-
wandte und zuverlässige Leute, wie ich sie bei
ähnlichen Unternehmen jedem Altert humsforscher
wünsche. Möge die hohe Verwaltung der Eisen-
bahnen sowohl , als die hiesige Militärbehörde
hier meinen verbindlichsten Dank für ihre kräf-
tige Unterstützung genehmigen. Denselben Dank
spreche ich dem aus unserer Mitte scheidenden
Herrn Oberprttsidenten vou Elsas* - Lothringen,
Excel lenz Dr. von Möller, aus, der jedem
wissenschaftlichen Bestreben für Kunst und Alter-
tbum ein so warmes Interesse entgegeobringt
und mehrmals die Gewogenheit hatte, den Aus-
grabungen persönlich beizuwohnen.
Es kann hier meine Aufgabe nicht sein,
meine Herren, Uber den Lauf der Nachgrabungen
zu berichten, noch mich in Erörterungen einzu-
lassen Uber die einzelnen Vorgänge, worunter
auch unerquickliche, denn es fehlte nicht an ge-
täuschten Hoffnungen , namentlich während der
29 Tage, die ich mit kurzer Unterbrechung bis
Ende November bei Wind und Wetter auf dem
Todtenfelde ausharrte. Meine Tag für Tag bei
jedem Funde sorgfältig eingetragenen Aufzeich-
nungen sollen demnächst erscheinen, und in ein-
facher Erzählung ein nicht unerhebliches Material
für alte Gräberkunde zur Kenntniss bringen.
Heute werde ich mich darauf be>chränkeD,
Ihnen einen Ueberblick Uber das Ganze zu er-
öffnen , die wahrgenommenen Bestattungsweisen
zu kennzeichnen , meine Beobachtungen über die
Leichen mitzutheilen , schliesslich die vorgekom-
menen Mitgaben aufzuzählen und so gut als hier
ir
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148
möglich durch treue Lichtdruckbilder zu ver-
anschaulichen. Manche^, das ich liier übergehen 1
muss, bin ich bereit Ihnen heute Abend auf der
Ausgrabungsstätte .selbst auf Wunsch nach-
zuholen.
Zusammen genommen wurden untersucht un-
gefähr 2.000 m, d. h. die zwei Drittel des noch
bestehenden nördlichen Th eiles des Cometeriums.
Da das Terrain durch die im September vorge-
nommenen PI nuirungs&r beiten bereits um ein Merk-
liches war niederer gelegt worden, so kamen die
Skelette schon in einer Tiefe von 50 bis 90 cm
zum Vorschein, was das Graben in dem festen |
Lehmboden bedeutend erleichterte Nur an einigen j
Stellen liess ich den Hoden tiefer untersuchen,
namentlich in letzter Zeit, wo wir bis auf 2,50
bis 3,70 resp. 4 m unter die ursprüngliche Höhe
stiegen, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass
keine zweite, tiefer liegende Reihe von Gräbern
vorhanden sei.
Geöffnet wurden bisher 116 Gräber, wovon
13 auf dem kleinen, noch unberührt gebliebenen ,
Streifen am Walle nach Westen, die übrigen 103 1
auf der Strecke zwischen der neuen Wallstrasse i
und den früheren , jetzt zugeworfenen Festungs-
gräben nach Osten.*)
Sämmt liehe Gräber sind flache Grabstätten
und weisen auf zwei Bestattungsarten : nach der
ersten wurden die Körper der Todton einge-
äschert und ihre verbrannten Gebeine in Ascben-
urnen beigesetzt, nach der zweiten, die Leich-
name in Särge eingesenkt. Nur bei 4 oder 5
Gerippen fanden sieb keine Spuren von Be-
sargung vor.
Grab urnen mit Asche und verbrannten
Knochenresten oder wenigstens die mit Bestimmt-
heit erkannten Stellen und Ueberbleibscl derselben
fand ich bei den Wällen in blosser Erde, aut
einem sehr beschränkten Raum von höchstens
90 qm, 15 und nur 3 Särge, auf dem grossen
Todtenfelde hingegen nur eine U rn e mit Knochen-
resten. auf 103 Grabstätten. Es ist das in letzten
Tagen erst entdeckte Prachtstück und war ur-
sprünglich in einer hölzernen Kiste verschlossen,
wie die Lage der noch vorhandenen Nägel klar
aufwies. Den Aussagen früherer Arbeiter zufolge
wurden vor meiner Ankunft bei den Wällen zahl-
reiche Aschengeftlsse , hier aber keine, gefunden.
Der westliche, Königshofen zugewandte Theil, wo
das Incinerationssystem vorherrschend »st, scheint
*► Redner gab hier die nöthigen Erklärungen an
der Hand eines iui MuibiSKtuh von 1 : 2000 entworfenen
SituationKplaueä, und wie« zugleich auf die noch nicht
untersuchten zum großen Theil erst sjjäter zugäng-
lichen Stellen des Tndtenfeldes.
also älter zu sein oder einem anderen Volks-
stainme augehört zu haben, wenn nicht religiös»1!
Anschauungen, wenigstens bei einem Theile der
Bewohner Einfluss ausgeübt haben -
Die Särge gehören verschiedenen Kategorien
an. Die einfacheren waren blos aus Holz ge-
fertigt, und zwar nach der Grösserer Nägel zu
urtheilen die noch vorhanden sind, während das
Holz im Lehm spurlos verschwunden ist , aus
dicken Bohlen zusammengesetzt, wenn wir nicht
in einigen wahre Todtenhäume erkennen müssen.
Die meisten sind gegen das Fussende auffallend
zugespitzt.
In einem derselben befand sich ein zweiter
Sarg aus Blei ohne Deckel, woraus abzunehmen
ist, dass ausnah m weise auch Vornehmere in höl-
zernen Särgen eingesenkt wurden.
In diese Klasse gehören die zwei aus ge-
brannten Thonplatten zusammengesetzten Todten-
kisten, die, wie die noch vorhandenen Kl&mmer-
nägel beweisen, von einem Holzsarge umschlossen
waren.
Ein gut erhaltenes Skelett lag auf einer Reihe
aus rother Ziegelerde gebrannter Platten , ver-
sehen mit dem Stempel der VIII. Legion. Ringsuni
waren rohe Bruchsteine angelegt. Da das Grab
noch ununtersucht war, ho darf man annehmen,
dass ein hölzerner, vielleicht spitzwinkliger Deckel
sich über der Leiche erhob.
Grosse quadratische Steinkisten, aus röth-
lichem im Weilerthal gebrochenen Sandstein kamen
bisher 14 vor. Der 15., von mir am letzten
Freitag entdeckte, wird heute Abend vor ihren
Augen geöffnet werden. Sie verjüngen sich nur
wenig gegen das Fussende und zeigen fast säinmt-
lich den eigentümlichen Behau in roh bearbei-
teten eoncentrischen oder geradlinig laufenden ins
Dreieck spielenden Linien. Die Deckel sind zum
Theil oben abgerundet , zum Theil dachartig ge-
formt und an den Ecken mit würfelförmigen
Aeroterien verziert. Von Inschriften oder Zeichen
irgend welcher Art konnte bisher daran nichts
bemerkt werden. Auffallend ist ihre ganze überein-
stimmende Aehnlichkeit mit vielen längs am Rhein
gefundenen und für römisch gehaltenen Stein-
särgen. In dem grössten unter ihnen befand
sich noch ein bleiener Barg mit dachförmigem
Deckel und zwei Griffen.
Während die in Steinsärgen bestatteten Leich-
name nur wenig Reste inehr erkennen Hessen,
kamen die Gerippe der in hölzernen Särgen Hin-
gesenkten vollständig erhalten zu Tage. Durch
das schnelle Verwesen des Holzes war der Lehm
nachgedrungen, hatte die Leichen vollständig um-
flossen und vor dem Einwirken der Luft geschützt,
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149
was in den leeren Räumen der weder luft- noch
wasserdichten Steinkisten nicht geschehen konnte.
Alle lagen dos Gesicht noch oben, die meisten
mit die Seiten entlang gestreckten Armen, bei
einigen jedoch waren die Vorderarme über dem
Unterleib gekreuzt, eine Leiche wurde mit über
der Brust gefalteten Händen gefunden. Bei meh-
reren war dos Haupt etwas seitwärts gegen die
rechte Schulter geneigt.
In von Norden nach Süden streichenden
Reihen lug nur die Mehrzahl der Steinsärge,
wenn den etwas schwankenden Angaben der Ar-
beiter, die über die sechs vor meiner Ankunft
aus dem Boden gehobenen Steinkisten berichtet
haben, Gewicht beizulegen ist. Die in Holzsärgen
Bestatteten reihen sich nur in kleinen Gruppen
von drei oder vier in derselben Richtung neben-
einander, ohne erkennbares System, ohne Unter-
schied des Alters oder Geschlechtes.
Auf 1 0(i hatten 50 dos Angesicht nach Mittag,
35 dasselbe nach Sonnenaufgang gewendet, 6
sahen nach Norden, 2 nach Westen, die übrigen
4 nach Zwischenrichtungen.
Bemerkenswert!! ist, dass die zwei einzigen
nach Osten gerichteten Steinkoffer und zwei eben-
falls orientirte mit Steinplatten ausgelegte Holz-
särge, die gewiss einen höheren Stand verrathen,
weibliche Gerippe umschlossen.
Im Allgemeinen verratheu die Knochenregte
der Erwachsenen einen starken, grossen Menschen-
schlag, einen Volksstamm, in dem Frauen von
1 ui 85 cm Vorkommen , aber nur wenige ein
hohes Alter mögen erreicht haben. Nach dem
Zustand der herrlich erhaltenen, gländend weissen,
fast durchgängig lückenlosen Zähnereihen, wo-
durch sich die Kiefer der Beerdigten au ^zeichnen,
wollen Sachkundige erkennen, dass die Aeltesten
unter ihnen, einen einzigen zahnlosen Greisen aus-
genommen, kaum das vierzigste Lebensjahr er-
reicht haben. Kranke oder verwachsene Zähne
ist noch nicht einer vorgekommen. Gut erhaltene
Kinderleichen werden nur zwei, fast ganz ver-
weste mehrere aufgedeckt.
Dass die unter meiner Leitung blosgelegten
Ueberreste der Entschlafenen stets mit der dom
Grube gebührenden Ehrfurcht umgeben blieben,
bedarf wohl keiner weiteren Bestätigung. Die-
selben wurden nach vollzogener Untersuchung
sofort wieder zugedeekt und den Augen unberech-
tigter Neugierde entzogen. Doch sind einige
Gerippe der Wissenschaft zum Opfer gebracht
und eine Zahl vortrefflich erhaltener Schädel zum
Zweck ethnographischer Studien dem anato-
mischen Museum überwiesen worden ; mehrere
davon sind hier im Sitzungssaal!* ausgestellt.
Es Hegt ausser Zweifel, dass die auf unserm
Todtenfelde der Erde übergebenen Leichname be-
kleidet waren, wenn gleich von den Kleiderstoffen
gar nichts mehr auf uns gekommen ist. Den
Beweis liefern mehrere dazu gehörende Gegen-
stände und Schinucksaclien.
Einige wenige trugen noch Ohren- und
Fingerringe aus dünnem Draht ; zahlreicher
fanden sich die Armbänder vor, meist aus
.spiralförmig gewundenen Erzdrähten, nur einer
aus Holz oder Bein. Theile eines schönen Stirn-
bandes, aus hübschen aufgenähten Goldplättchen
bestehend , zierten noch den Schädel einer Jung-
frau. Unter den Haarnadeln zählen wir eine
goldene und 8 aus Silber, die anderen aus Erz.
Von der Kleidung einiger männlichen Leichen
hatten sich die Gurt- und Schuhschnallen
sammt den zahlreich aufgefundenen Schuh-
nägeln vorgefuuden.
Auffallender Weise wurde nicht eine einzige
der in römischen Gräbern so oft. vorkommenden
Heftnadeln entdeckt und nur 9 römische
Münzen gefunden, wovon 8 aus Constantiniscber
Zeit,*) die 9. dem Kaiser Muximiunus angohörend.
Zwei der Münzen waren durchlöchert uud wurden
mit den entsprechenden Armbändern am Hand-
gelenk gefunden. Die weit überwiegend dem
IV. Jahrhundert angehörenden Geldstücke haben
mich in der Meinung bestärkt, dass dieser Leichen-
hof grossentheils dieser Zeit, der westliche, an
den Wällen durchsuchte Theil aber dem II. und
III. Jahrhundert angehört.
Trotz sorgfältiger Untersuchung fand man im
Munde keines der Beerdigten den heidnischen
Fährgroschen ; eben so wenig konnte bisher auch
nur ein einziges positiv christliches Merkzeichen
wahrgenom inen werden , obgleich in jener Zeit
das Christenthum im Eisass zahlreiche Anhänger
zählte.**) Von Waffen und G erät h schaff en
kamen nur zwei kleine eiserne Aexte und ein
sehr kurzes, fast messerartiges Schwert zum Vor-
schein.
*) In dem an demselben Abend geöffneten Stein-
aarg lagen ebenfalls eine kleine Kupfermünze an* Con-
stuntiniftcher Zeit, mit der Umschrift VRBS (ROMA)
und Angabe de« Prägeorte» CON8(TANTINOPOLIS).
Kaum «ine Stunde, nachdem dieser Vortrag
gehalten war, wurde ein Grab aufgedeckt, in dem
sich nebst Gefämen, Ringen und einem Verschluss
von Hein, ein Beschlag aus Bronze vorfand, auf dem
zwei sogenannte versteckte Kreuze, cruces disaimulaUe,
und zwei gewöhnliche Kreuze in punktirten Linien
♦ungeschlagen nach sorgfältiger Säuberung der Metall-
platte zum Vorschein kamen. Somit wäre du* letzi-
geöffnete Grab die erst« Ruhestätte, die einem Christen
mit Sicherheit kann zug «schrieben werden.
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Um so reichlicher war die Ausbeute an Grab-
gefässen, wovon einige, wohl Liehlingsgegenstände,
ursprünglich in leicht erkennbaren hölzernen Kitt-
chen eingesenkt, während die Libationsgeschirre
umgestUrzt im Sarge lagen. Die meisten wurden
zu H Hupten über den Achseln oder hei den Füssen
gefunden.
Die tliönernen Gefässe sind Schaalen und
Krüge mit und ohne Henkel , meistens aus hell-
gelber, einige aus schwarzer oder röthlicher Erde
gebrannt. Eine rothe Sehaale trägt kleine geo-
metrische Verzierungen, nur zwei können den
GefHssen aus terra sigillata beigezählt werden,
entbehren aber noch des hellen, unverwüstlichen
Glanzes, der die samische Erde auch nach Jahr-
hunderten noch auszeicbnet.
Gefässe aus Thon wurden auf der Wallseite
14 gefunden und nur 3 aus Glas, die Aschen-
Urnen mit gezählt.
Auf dem grossen Todtenfelde hingegen trafen
wir 22 irdene Geschirre und 00 gläserne GefÄsse
der mann ich fach sten Formen, in denen wir un-
streitig Erzeugnisse römischen Kunstfleisses er-
kennen müssen.
Die Reihe eröffnet ein Canthams, ganz in der j
Form und Grösse, mit denselben ausgescbliffenen
Ornamenten versehen, wie der unlängst bei Trier
in einem christlichen Grab aufgefundene doppel-
henklicbe Glaskelch.*) Vielleicht noch wichtiger
als dieses Stück ist eine Schaale mit eiuer aus-
geschliffenen Jagdscene, deren Technik in ver-
schiedenen Einzel nheiten dieselbe Hand verräth,
aus der eine Überaus werthvolle Schaale des
Wu 1 1 r a ff ' scheu Museums zu Cöln gekommen.
Weiter sehen wir hohe gehenkelte Kannen,
worunter ein Frachtstück . dessen schlanker Hals
mit einem aus blauem Glas eingesetzten und
zweischen einem hervorstebenden doppelten Wulst
hinschlängelnden Band geziert ist; Flaschen aller
Art, Bechor und Schaalen , unter diesen letztem
eine mit abwechselnd blauen und karminrothen
Glaspasten besetzt , eine andere aus feinstem
Perlmutterglas in Muschelfomi ; Kannen aus der
bekannten Fattform , wovon eine am Boden die
Inschrift V G'ARANOA trägt; sogenannte Lacry-
matorien oder Balsam- und Kiechfiaschen der ver-
schiedensten Art u. 8. w.
Doch statt mich in eine weitere Aufzählung
dieser interessanten Fundstücke einzulassen , er-
laube ich mir, meine verehrten Herren , Ihnen
eine Abbildung derselben in Lichtdruck vor Augen
*) Siehe Jahrbücher de« Vereins von Alterthums-
freunden im Rheinland*. Heft LXIV, S. 126.
zu legen.*) Sie am allerwenigsten werden ea mir
verübeln, wenn ich diese äusserat zerbrechlichen
Fundstücke der Gefahr des Zerbrechen» nicht aus-
setzen wollte, und vorxog dieselben in den Schaa-
schränken unserer Sammlung stehen zu lassen,
woselbst sie zur Besichtigung ausgestellt bleiben.
Wer die grossartigen Sammlungen unserer rhein-
ländischen , an römischen Grabfunden so reichen
Museen zu Mainz, Wiesbaden, Bonn, Trier und
Cöln gesehen, wird die Analogen leicht erkannt
haben. Erklärung über den theilweisen Goss
der Gläser, über das Aufspinnen der zierlichen
schlangenförmig gewundenen Fäden, übor das
Umlegen von unten nach oben der feinen Ränder
an der Oeffnung, Uber die Kunstfertigkeit , mit
welcher man es verstand die Henkel mit staunen-
erregender 8chärfe anzusetzen und anderes mehr,
muss ich einem Techniker überlassen.
So hat es sich denn wieder bewährt, dass
ein schönes 8tück unserer früheren Kultur-
geschichte im Boden vergraben liegt , dem Ein-
geweihten, wenn es am Tageslicht erscheint, wahr
und treu Bericht erstattend über längst ver-
schwundene Zeiten, als ein ernster, glaubwürdiger
Zeuge, unbestechlich wie der Tod, der die vielen
Hingeschiedenen in die Erde gebettet hat. Glücklich
wer ein auch halbzerrissene* Blatt dieser Kultur-
geschichte findet, noch glücklicher aber und gemein-
nütziger, wer die geheimnisvolle Schrift zu lesen
und vollständig zu deuten vermag. Ich habe dies
Blatt gefunden . aber vieles ist mir ein Rätbsel
geblieben. Welchem Völkerstamm gehören wohl
die aufgedeckten Skelette an , die nach 1 5 oder
16 Jahrhunderten wieder ans Licht treten und
meist so wunderbar erhalten sind , als wären sie
erst vor kurzer Zeit beerdigt worden? Sollen wir
in denselben celtischen oder römischen Ursprung
erkennen? Gehören sie eiuem gemischten Volke
an? Weist irgend etwas auf germanische auf
römischem Boden einheimisch gewordene Ele-
mente hin.
Lauter Fragen, Uber welche die mir ferner
liegenden ethnographischen Studien wohl Bescheid
geben können. Mit Dank werde ich jede Be-
lehrung hierüber entgegennehmen und für meine
dem Druck bereits übergebene Schrift über diese
Grabfunde zu verwert hen suchen.**)
Hier wurden neunzig Abdrücke der verschiedenen
Lichtdnickbilder unter die Anwesenden vertheilt. A li-
drücke der nach Zeichnungen de» Verfassen* herge-
stellten Holzschnitte, betreffend die am Weiwrthumi-
thor aufgedeckten Gräber und Särge waren kurz zuvor
auagegptten worden.
*•) Erscheint nächsten» unter dem Titel : Decou-
verte d'une partie de Tancien cimetihre gallo- romain
d'Argentoratum, ou Rapport« nur le» fouille« *xecut-£es
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151
Herr Wildeyer :
Die Mittheilungen , welche ich über die von
dein Herrn Vorredner ausgegrabenen Schädel zu 1
machen habe, sind nur sehr fragmentarisch und
ktanen es auch nur sein, da die Ausgrabungen
noch fortgesetzt werden und zu einer umfassenden
Untersuchung Ergänzungen noch wünschenswert h
sind. Ich habe eine Anzahl der Schädel , den
Hauptmaassen nach gemessen — und lege Ihnen
einige derselben hier vor. Ausser den Schädeln
haben wir noch manche ziemlich vollständig er-
haltene Skellete bekommen. Schon bei oberfläch-
licher Betrachtung zeigt sich, dass die Schädel
recht gut erhalten sind und es zeigt sich auch
eine gewisse Uebereinstimmung in der Form
Die Messungen , die ich vorgenommen habe,
ergeben, dass die Schädel der mesoccphalen
Form angeboren, bei der das Yerbältniss des so- j
genannten Längen -Breiten-Index 75 — 79 beträgt.
Wenn in neuerer Zeit durch die Herren H. Ranke
und K o 1 1 m a n n daranf aufmerksam gemacht wor-
den ist, dass man unter süddeutschen Reihengräber-
Schideln ausser den dolichocephulen auch
in esocephal e findet, so scheint dies auch der
Grnndtypus dieser Schädel zu sein. Was die
Höhen Verhältnisse anbelangt, so sind sie ortho-
cephale ; eigentliche Höhenschädel oder hypsi-
cephale, niedrige, flache Schädel oder chamae-
cepbale Anden sich bei ihnen nicht. Sonst, zeigen
sich die Schädel im Ganzen wohl gebildet und
keine ins Auge fallenden Eigenthümlichkeiten,
keine abweichenden Bildungen lassen sich erkennen.
Auch bei den übrigen Knochen kann man keine
auffallenden Unterschiede von den sonst bekannten
süddeutschen Skelleten nach weisen. Im Ganzen
und Grossen finden sich sehr kräftig ausgebildete
Formen ; die Arm- und Schenkelknochen zeigen
storko Muskel vorsprünge. so dass wir auf einen
stark entwickelten Stamm zu schliessen haben.
Ich will mich auf diese wenigen Bemerkungen |
beschränken, zumal ich noch über einige andere [
Gegenstände zu sprechen habe. Nur auf einen
Schädel möchte ich ihre Aufmerksamkeit noch
besonders lenken, das ist dieser makrocephale;
er wurde zwar unter den andern, als in gleicher
Weise beigesetzt, aufgefunden, es ist indessen sehr
wahrscheinlich, dass er einem ganz andern Volks-
stamm angehört. Es hat durchaus den Anschein,
prfcs de la porte Blanche, a Strasbourg, sous le»
auMpice« de la Societe pour la Conservation des monu-
ment« historiques d'Alsace, par le chanoine A. Straub.
President de ladite Societe, avec 2 carte», 1 nlanche j
lithographiee, 12 planchee photoglyptique« et ne nom-
hreuee» gravuree Intervalle» dann le texte.
als oh durch eine künstliche Einwirkung diese
Fonn des Schädels entstand.
Dies ist das, was ich über die bis jetzt aus
unserer Nekropole gewonnenen Schädel sagen
wollte.
Erluulien Sie mir nun noch über einige uudere
Untersuchungen Ihnen Mittheilung zu machen.
Es handelt sich zunächst um eine eigentümliche
Bildung an der Hinter ha uptsschuppe des
menschlichen Schädels , welche Ecker als Torus
occipitalis transversus bezeichnet und
welche Fr. Merkel vor etwa 10 Jahren zuerst
bi*schrieben hat. Die bisherige Beschreibung der
Hinterhauptsschuppe ist nicht ganz zutreffend.
Man unterschied bisher zwei quere Nackenlinien,
die obere und die untere. Merkel zeigte zu-
erst , dass drei solcher Linieu vorhanden sind
(Redner zeichnet die typische Form der drei
Nackenlinien an die Tafel und demonstrirt eine
Anzahl Schädel . an welchen dieselben sehr deut-
lich zu sehen waren). Es kommen nun allerlei
kleine Abweichungen an diesen Linien vor; sie
können bald stärker, bald schwächer sein ; an
diesem Schädel liegen sie näher beisammen , an
diesem anderen Schädel sind sie sehr stark aus-
geprägt und jede Linie hat noch einen kleinen
Stachel , doch ist auf diese kleinen Differenzen
kein besonderer Werth zu legen.
Zunächst möchte ich Sie nun darauf auf-
merksam machen, dass diese Linien sich auch an
Kinderschädeln vorfinden, also sich nicht erst im
spätem Alter entwickeln. Merkel erwähnt schon,
dass sie bei Kindern von 5 — 8 Jahren zu sehen
seien. Doch kann man noch weiter zurückgeben :
Hier zeige ich Ihnen zwei Schädel von mensch-
lieben 5- — (-»monatlichen Foetus, an welchen sie
bereits deutlich zu sehen sind. Auch an diesem
hier vorliegenden Schädel eines Neugeborenen
kann man die Spur der Linien schon erkennen —
mehr ausgeprägt erscheinen sie natürlich in
höherem Alter.
Das musste ich vorausschicken, um nun zum
eigentlichen Gegenstand meiner Betrachtungen
übergehen zu können. Wiedemm Merkel hat
schon darauf aufmerksam gemacht , dass hei
manchen Schädeln diese drei Linien nicht zu
unterscheiden seien, an Stelle der beiden obern
Linien treten nämlich ein querer, starker Wulst,
der sich Uber das Hinterhaupt herüber zieht ;
er fand ferner, dass dieser Querwulst vorzugs-
weise hei Schädeln niederer Hassen vorkäme,
während er bei den Europäern, von Merkel
wenigstens , nur sehr selten gefunden wurde.
Merkel hat nur ganz kurz diese anthropologische
Seite des Gegenstandes hervorgehoben, genauer
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152
darauf eingegungon ist neuerdings Ecker. Letz-
terer faud bei einer ganzen Reihe von Schädeln
aus Florida diesen Wulst, den er Torus occi-
pitalis nennt, so stark ausgeprägt, dass es ihm
sehr auffallend erschien, und er am Schlüsse seiner
Arbeit dem Gedanken Raum giebt , dass hierin
vielleicht für gewisse Menschenrassen ein charakter-
istisches Merkmal gegeben sei. Bei Europäern
kommt auch nach Ecker der Tonis nur ver-
einzelt vor, bei Negern ebenso.
Ich habe nun gerade darauf hin aus Anhuts
eines Schädelfundes, der am badischen Rheinufer
heim Bau des Forts Auenheim gemacht wurde
und den ich von meinem Schwager, Herrn In-
genieur - Haupt inann Dillen hurger, erhielt,
Untersuchungen angestellt. Der liier vorliegende
Schädel wurde etwa zwei Meter tief unter dem
Boden gefunden ; derselbe zeigte einen auffallend
stark ausgeprägten Torus. Ich untersuchte dann
die in den hiesigen anatomischen Instituten vor-
handenen Schädel und fand auch bei vielen von
diesen, wie Sie sich an den mitgebrachten Exem-
plaren Überzeugen können, eine Anlage derselben
Bildung und oft sehr stark entwickelt. Ich
möchte daher den Satz aufstellen, dass wenn auch
der Torus occipitalis bei gewissen Völkerschaften
eine charakteristische Bildung vorstellen mag, der-
selbe den Europäern doch keineswegs fehlt und
häufiger angetroffen wird, als man bisher ange-
nommen bat. (Redner demonstrirt eine Anzahl
eUäosischer Schädel mit deutlich markirtem Torus).
Gestatten sie mir nun noch eine zweite kurze
Mittheilung, von der ich glaube, dass dieselbe
unter Umständen auch von anthropologischem
Werthe sein dürfte. Es betrifft dies einen Be-
fund am menschlichen Oberschenkel.
Man hat am menschlichen Oberschenkel schon
vor längerer Zeit einen Knochenvorsprung be-
sprochen, der an der untern Hälfte liegen sollte,
und den W i 1 1 b r n n d und Barkow mit dem
dritten RollliÜgel bei thierischen Oberschenkeln
verglichen haben (Trochanter tertius der Equidae
und Rhinocerotidae). Aus der Lage des von
W i 1 1 b r a n d und Barkow beschriebenen Vor-
sprungs geht nun aber hervor, dass er unmög-
lich mit den Trochanter tertius der Thiere ver-
glichen werden kann, worauf schon W. 0 ruber
mit Recht aufmerksam gemacht hat. Ich möchte
Ihnen aber einen wahren Trochanter tertius auch
bei Menschen zeigen. Er findet sich ziemlich
häufig. Ich habe nicht weniger als sieben
Exemplare in unserer anatomischen Sammlung
aufbewahrt , bei denen eine deutliche Spur des
Trochanter tertius zu bemerken ist. Der ächte
Trochanter tertius ist durch den Ansatz einer
Portion des Mnseulus glutaeus maximus gekenn-
zeichnet. wie es auch in den von mir beobachteten
Fällen beim Menschen ersichtlich war, und liegt
am oberen Ende der Rauhigkeit., die dem grossen
Gcsässmuskel zu Ansätze dient. (Redner demon-
strirt an Zeichnungen und an Präparaten das
Vorgetragene.) — Da wir es hier also mit einer
Tberomorphie zu tlmu haben, scheint mir die
Sache nicht nur im rein morphologischen, sondern
auch anthropologischen Interesse werthvoll genug,
um sie hier vorzubringen.
Herr Krause:
Ich wollte nur bemerken , dass dieser Torus
occipitalis auch auf den Schädeln bei den Papuas
ganz enorm häufig vorkommt, und dass derselbe
mindestens bei einem Drittel immer aufgefunden
wird. Ich habe gerade in Folge dieses häutigen
Vorkommens nicht die Ueberzeugung gewonnen,
dass dies als ein besonderes typisches Merkmal
einey Menschenrasse anzunehmen sei, da er bei
den einen sehr ausgeprägt, bei den andern sehr
wenig und bei einem dritten mit gar keiner Spur
vorhanden ist ; diese Beobachtung hat mich
bedenklich gemacht, anzunehmen, dass beim To-
rus occipitalis eiu eigentlich typischer Charakter
vorliegt.
Herr NclliiaffllHUNcn bemerkt , dass ei auf
den sogenannten Torus als ein gewöhnliches Merk-
mal einer» niederen Schädelbildung schon früher
hingewiesen habe und dass mau ihn als die An-
deutung des Querkammes am Schädel der Anthro-
poiden betrachten könne, der beim weiblichen
Gorilla allein vorhanden sei, während das Männ-
chen auch den hohen Scheitelkamm besitze. Meh-
rere prilhistorische Schädel seiner Sammlung haben
ihn stark entwickelt, ebenso ein Battaschädel.
Die Annäherung des Querwulstes zu der Laml>du-
nabt, also die Kürze des Obern platten Th eils der
Hinterhauptsschuppe ist für den rohen primitiven
Schädel besonders bezeichnend und wieder der
pithekoiden Bildung entsprechend , wo die linca
nuchae fast mit der Lambdanaht zusaiuinenfällt.
Herr Yirchow (kleinasiatische, na-
mentlich trojanische Alterthümer):
Zunächst möchte ich einige Vorlagen zu
dem, was ich heute Mittag erörtert habe, nach-
tragen. Hier ist eine kleine Auswahl des
Seltensten, was im Augenblicke Kleinasien an ge-
schliffenen Stei ngeräthen bietet. Ein
Theil derselben ist mir in freundlichster Weise
von dom Consul Herrn Spiegelthal in Smyrna
übergeben worden, meist Sachen von der Ruinen-
stätte des a 1 1 e n S a r d e s. Darunter befindet
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sich wohl das grösste polirte Steingeräth , da«
aus Kleinasien bekannt ist : ein schönes Serpentin-
beil, 15 cm lang, in der Nahe der Schneide
6 cm breit, nach hinten fast zugespitzt, und kurz
ror dem Ende 3 cm dick, nicht durchbohrt —
eiues der schönsten Stücke aus dieser Periode. —
Ein zweites Stück, weiches der Form nach am
meisten ungewöhnlich ist, stammt von einem jener
berühmten Gräber am Sipylos, wo nach der alten
Tradition das Grab des Tantalos war. Herr
Spiegelthal hat es selbst aus einem der
Gräber genommen. Es ist ein durchweg polirter,
unregelmässig dreieckiger Stein, an welchem zwei
Seiten schräg abgeschliffen sind, so jedoch, dass
die Flächen einander parallel laufen. Die dritte
Seit« ist etwas verjüngt , aber abgerundet und
stumpf. Die obere und untere Fläche sind eben.
Es scheint ein zum Glätten benutzter Stein ge-
wesen zu sein.
Ferner ist hier eine Reihe von kleineren Stein-
keilen, darunter mehrere sehr grüne und an den
Kanten durchscheinende von nephritischem Aus-
sehen*), einzelne von den sonderbarsten Formen,
wie sie Herr Dr. Gross heute Morgen aus den
Pfalbauten des Bieler Sees ausgestellt hatte. Am
meisten eigenthüinlich ist ein ganz kleiner Stein-
meissel von bräunlich grauer Farbe, der eine
grosse Feinheit und Eleganz der Arbeit erkennen
lässt. Er ist nur 3 cm lang, vorn an der sehr
scharfen Schneide 1 cm, hinten nur 4 miu breit
und bis 7 mm dick.
Dann habe ich hier eine Reihe von tro-
janischen Steinsachen. Zunächst einige
geschliffene Beile und Aexte. Dasjenige Stück,
welches ich unter den von mir eigenhändig
erhobenen für das am meisten bemerkenswerthe
halte, ist leider nur Bruchstück. Es ist eine, mit
einem grossen und sauberen Bohrloch versehene
Steinaxt von jener zierlichen, etwas gebogenen Form,
welche an Vorbilder von Bronze erinnert. Fast
jeder, der sie gesehen hat, war überrascht davon,
eine solche „nordische“ Form zu erblicken. Ge-
bohrte Stücke sind auch sonst nicht selten. Das
Sauberste unter dem, was ich mitgebracbt habe,
ist eine kleine, ganz genau gearbeitete Steinkugel,
auf welcher eine Anzahl von Kreisen eingescbliffen
ist , die durch Einschmierung von Kreide auf
dem schwärzlichen Grande ein besonders zierliches
*) Ich legte dieselben in Strasburg Herrn Prof.
Fischer vor, der 2 davon ihrer Härte und ihrem
Aussehen noch als möglicherweise nephritiseh aner-
kannte. Herr Prof. Groth hatte die Güte, ihr spe-
zifisches Gewicht zu bestimmen : der eine ergab 2,800,
der andere 8,3:15. Nur der letztere ist nach dem Ur-
theile des Herrn Fischer als Jadeit anzuzehen.
Ansehen erhalten haben. Indess fehlt es auch
nicht an roheren, undurchbohrten Aexten, die
nur an der Schneide zugeschlitfen sind. Eine
derselben fanden wir im Grunde der ältesten
Stadt; sie gleicht zum Verwechseln einer andern,
j die ich von Sardes besitze.
Daran schließe ich die Vorlage einiger anderer
Proben vonFundstücken, welche derältesten , .Stadt4*
von Hissarlik angehören. Wenn wir die Inter-
i pretation Annehmen, dass die ,, gebrannte“ Stadt,
i wo die vielen Goldsachen gefunden sind, die tro-
janische war, so würden wir diese viel tiefere
,, Stadt*4 als eine vortrojanisebe bezeichnen müssen.
In den drei bis vier Schichten, welche sich inner-
j halb dieser ältesten Periode von Hissarlik unter-
scheiden lassen , zeigt sich eine Art von Thon-
gerät b, welches durchaus den Eindruck der Be-
sonderheitmacht. Eis sind Scherben von geglätteten,
i zum grossen Theil schalenförmigen Gefässen, der
Mehrzahl nach von glänzend schwarzer Farbe,
die das Besondere haben, dass sie eingeritzte Orna-
mente auf der inner nFläche tragen. Gewöhn-
lich sind es sehr tiefe und breite Einschnitte, die
{ mit Kreide oder einer weissen Erde ausgefüllt sind,
meist geradlinig , jedoch auch kreisförmig. Auf
• alle Fälle sind es ganz charakteristische Formen
- der ältesten Periode ; in der höheren und mitt-
> leren Lage fehlen sie mit Ausnahme der Wirtel
ganz. Gelegentlich kommen auch schön rothe,
geglättete Scherben in derselben Tiefe vor, welche
bei uns vielleicht als Zeugnisse römischer Ein-
wirkung angesehen werden würden. Aus der-
selben Tiefe stammen diese eigentümlichen, sehr
starken Henkel.
Endlich habe ich noch oin Paar jener sonderbaren
glatten und seitlich ausgeschnittenen Steine mitge-
bracht, welche für Troja ganz spezifisch sind. Leider
besitze ich davon kein weiter ausgeführtes Exemplar.
Herr Schliemann hat in seinem Buch über
I Troja auf einer Tafel eine grössere Zahl davon in
derjenigen Reihenfolge von höherer zu niederer
| Form abbilden lassen, in der diese Steine sich ohne
| Zwang ordnen lassen. Alle diese Steine bestehen
aus sehr weichem Quarz oder Marmor, sind
platt oder scheibenförmig, an dem einen Ende
verbreitert, an dem andern verschmälert, beider-
seits etwas abgerundet und mit einer Art von
eingeschnittenem Hals versehen. Die schönsten
unter ihnen tragen eine Art roher eingekratzter
Zeichnung auf der einen Breitseite; sie zeigen
hier alle Uebergänge von einer unverkennbar
menschlichen Zeichnung bis zu ganz rudimentären
Einritzungen. Die vollkommneren haben auf dem
obern, kleinern Absatz Ohren und Nase, Augen
and Mund, gelegentlich auch noch weitere Zeich-
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154
nungen. Dann verschwindet einer dieser Theile
nach dem andern, ähnlich, wie bei den Gesichts-
urnen im Nordosten Deutschlands, bis schliess-
lich nichts mehr übrig bleibt , als die äussere
grobe Figur mit ganz glatten Flächen. Von
diesen Gebilden finden sich Hunderte vor. Herr
Schliemann hat sie mit dem Palladion in
Verbindung gebracht. Bekanntlich sollte das
Bild der Pallas als Stein vom Himmel gefallen
und als Idol in Ilion verehrt wordon sein. Es
ist allerdings nicht sicher, ob diese kleinen Stücke
auch Palladien in Miniatur waren, jedenfalls haben
sie etwas sehr Sonderbares, und wenn mun die
Uebergänge von den vollkommneren zu den
roheren durchgeht, so liegt, der Gedanke nahe,
sie für Idole zu nehmen. So viel ist uuzwcifel-
haft, dass sie für uns das am meisten ungewöhn-
liche und überraschende Stück unter den tro-
janischen Steinsachen darstellen. —
Herr V i r c h o w berichtet weiterhin über die
Schulkartcn: Ich habe mich eines Auftrags
zu entledigen, mit dem mich unser alter General-
sekretär, Herr Kol 1 mann in Basel betraut hat.
Derselbe batte die Aufgabe übernommen, unsere
Schulerhebungen in Bezug auf die
Farbe der Haut, Haare und Augen der
Schulkinder in der Schweiz fortzusetzen. Er
hat diese Untersuchung im Laufe des letzten
Jahres soweit gefördert, dass aus 21 schweizer-
ischen Kantonen Berichte vorliegen. Es fehlen
nur noch 4 Kantone: Bern, Genf, Tessin und
Uri, so dass diese Lücke sich bald wird ergänzen
lassen. Es sind nun von unseren Berliner Karto-
graphen nach den Zahlen, welche sich bis jetzt
in der Schweiz ergeben haben, neue Karten herge-
stellt worden. Ich zeige hier die Schweizer Karten
und zugleich die unsrigen. Bei der Vergleichung
ergiebt sich — was übrigens ein besonderer
Glücksfall ist , der mir zur Entschuldigung für
meine Zögerung in der Publikation unserer Karten
dienen kann — dass die Farben auf unseren
deutschen Karten für den Anschluss nicht aus-
reichen. Die Zahl der braunen Elemente in der
Schweiz ist so gross , die der rein blonden so
klein, dass wir mit unseren deutschen Gruppen,
die von ganz anderen Vertheilungs- Verhältnissen
ausgehen, keinen Anschluss finden. Nach unserem
früheren Schema hatten wir als Maximal-Gruppe
für die braunen Schulkinder 26 — 29, als Minimal-
zahl für die rein blonden 9 — 20 pCt, angenom-
men. Es hat sich jetzt aber gezeigt , dass
wir für die braunen noch mehr herauf, für die
blonden noch weiter herunter gehen müssen, um
einen Anschluss an die Schweiz zu finden. Un-
sere Farben genügen nicht, für die Znsammen-
I Stellung. Wenn wir z. B. die braunen darstellen,
1 so setzt die Schweiz gleich mit so viel braunen
ein , dass für die höheren Kategorien eine so
dunkle, fast schwarze Farbe genommen werden
muss, dass man gar nichts mehr von der eigent-
lichen Kartenzeichnung unterscheiden kann. Es
[ sind daher neue Vorsuche gemacht worden, um
; auch für Deutschland die maximalen Kategorien
des Braun und die minimalen des Blond zu
| thcilen ; dieselben genügen aber in der Weise,
wie sie vorliegen, noch nicht. Dadurch ist die
Notbwcndigkeit gegeben, die ganze Anlage zu
verändern.
| In Bezug auf die Sache selber bat Herr Kol 1-
m a n n einen eingehenden schriftlichen Bericht er-
i stattet, aus welchem hervorgeht, dass die Schweiz
am meisten Anschluss findet an die Verhältnisse
Badens, bei denen unsere früheren Karten auch
immer die Schwierigkeiten geboten hatten, dass sie
uns das ganze Land als einen fast homogenen
Körper darstellten. (Die Abhandlung des Herrn
Kol 1 mann wird für das Archiv diesem Berichte
; als Beilage zugegeben , alle Mitglieder erhalten
dieselbe in einer der ersten Nummern des Oorre-
spondenzblattes 1880 gedruckt. D. Red.)
Wir werden ja nun abwarten müssen, was
I diese Erhebungen in der Schweiz weiter ergeben
werden. Für diesmal habe ich unser» besonderen
Dank unserm ehemaligen General - Sekretär aus-
} zudrüeken für die Sorgfalt und Schnelligkeit, mit
! der er sich seiner Aufgabe gewidmet hat. —
• Herr Virchow überreicht ferner in Ma-
1 nuscript eine von Herrn Stabsarzt Dr. Rabl-
Rückhardt in Berlin ausgeftthrte Bearbeitung
von Messungen, welche Herr Dr. Tapp ei ne r sen.
in Meran Uber die tyroler Bevölkerung in der
Nähe von Meran angestellt hat. (Erscheint wie
die obige im Correspond enzblatt und als Beilage
dos Berichts für das Archiv. D. Red.)
Herr Virchow legt weiterhin eine gedruckte
Abhandlung des Herrn Nöth 1 i n g in Berlin vor, in
' welcher derselbe Uber das Vorkommen von Kiesen-
: töplen in dem Muschelkalk von Rüders-
dorf bei Berlin berichtet. Der Vortragende
erinnert an das Wort des Herrn de Mortillet:
| la Prasse veut avoir aussi ms palafittes, und
| befürchtet, dass es noch weniger Beifall finden
werde, wenn man dicht bei Berlin auch Gletscher-
spuren haben wolle. Es handle sich übrigens
• um dieselbe Stelle, an welcher schon vor Jahren,
j namentlich auch durch Herrn Torei 1 , Gletscher-
schliffe nachgewiesen sind, Über welche Herr Orth
auf der Generalversammlung in Constanz berichtet
bat, —
Endlich macht Herr Virchow noch Bcmer-
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klingen über die Schädel-Horizontale: ln der
vorigen Generalversammlung in Kiel wurden die
Herren Sc h a a ff b a usen , Ecker und ich be-
auftragt, uns mit den Vertretern der anthro-
pologischen Gesellschaft in Paris in persönliche
Beziehung zu setzen, uiu womöglich eine gemein-
same Methode für die Aufhellung der Schädel in
der Horizontalen festzustellen. Leider war ich
damals der einzige, der nach Paris katn. Ich
habe mich bemüht . eine Verständigung anzu-
bahnen, habe über gerade bei dieser Gelegenheit
gefunden, worin die Hauptschwierigkeit besteht,
und diese scheint mir unüberst eiglich. Die Frage
der Schädelhorizontale ist für uns in Deutschland
bis zu einem gewissen Grade entschieden, seitdem
auf unserer Generalversammlung in München als
Horizontale eine Linie angenommen wurde, welche
' vom obern Hand des Obrloches zum untern
Hand der Augenhöhle geht. Ich erkenne jedoch
vollständig an, dass es fraglich ist, ob es über-
haupt im strengen Sinne wissenschaftlich ist, eine
konstante Horizontale anzunebmen. Die Frage,
ob es überhaupt eine natürliche Horizontale
giebt , ist noch nicht gelöst und darauf beziehen
sich alle Schwierigkeiten. Schliesslich wird man
doch eine Linie wählen müssen, welche für
lebende Menschen und für Schädel im
gleich en Maa. ss e acceptabel ist. Ich bin Uber
unsere Linie noch nicht einmal ganz im Ein-
verständnisse mit Herrn Sch a aff hausen, viel
weniger mit unseren französischen Collegen. Ich
möchte nun sagen, warum ich das Problem nicht
im Sinne der Franzosen für lösbar halte.
Die französische Horizontale ist auf lebende
Köpfe nur mit der grössten Vorsicht übertragbar,
obgleich sie eigentlich von der Betrachtung der
Lebenden ausgeht. Sie basirt nehmlich auf der
Annahme, dass die Horizontale des Schädels
der Kopfstellung entspreche , welche Jemand an-
nimnit, der auf eine gewisse Entfernung gerade-
aus sieht, am besten ho, dass er dabei einen
fernen Gegenstand fixirt. Das war der Ausgang
für die Erwägungen des Herrn Broca: er suchte
die optische Horizontale.
An sich ist das selbtverstöndlich eine rein
augenphysiologische Frage. Ich habe daher nicht
verfehlt, mich mit hervorragenden Augenphysio-
logen ins Vernehmen zu setzen und ich habe
namentlich von Herrn Donders die Zusicherung
erhalten, dass er sich des Gegenstandes praktisch
annehmen werde, ln Berlin hat Herr Sehöler
die Güte gehabt, eine Reihe von Menschen auf
die Stellung des Kopfes beim horizontalen Sehen
zu prüfen. Dabei hat sich ergeben, was ich schon
vorher nach der einfachen Betrachtung der Kopf-
stollung lebender Menschen behauptet hatte, dass
wenn man eine Anzahl von erwachsenen Menschen
untersucht, sich eine Reihe von Abweichungen er-
giebt, indem bald eine Erhebung Uber, bald eine
Senkung desKopfes unter die Schädel-Horizontale er-
folgt, gleich viel, ob man di efranzösi sehe oder
die deu t sch e H or i zon t a 1 1 in i e an nimmt.
Es ist also schon durch diese Untersuchungen
dargethan , dass es ganz unmöglich ist , eine
Horizontale am Schädel zu finden , welche der
Horizontalstellung des Auges ganau entspricht.
In wie weit die gewöhnliche Horizontalstellung
des Auges bei Erwachsenen übrigens mit der
Primärstellung des Auges übereinstimmt, »st
eine weitere Frage; mir scheint, dass Beschäf-
tigung. Mode, Gewohnheit die erstere in hohem
Maasse beeinflussen und Abweichungen an der
j Primärstellung herbeiführen. Man wird daher
wahrscheinlich darauf ve»”zichten müssen, eine
! Schädel - Horizontale zu finden, welche für alle
| Menschen der natürlichen Sehebene entspricht.
I Nach meiner Auffassung handelt es sich jetzt zu-
| nächst darum , unter den ver>*chiedeuen künst-
i liehen Horizontalen die beste zu suchen, und da
5 meine ich , dass unsere deutsche Horizontale in
I der Thai die beste ist. Ich habe von europäischen
i und von aussereuropäisehen Völkern eine Reibe
I von photographischen Aufnahmen genau in der
1 von uns angenommenen Horizontale anferligen
lassen, und ich finde, dass sie allen Ansprüchen
genügen , dass sie namentlich fern davon sind,
den Eindruck einer gewaltsamen Stellung des
Kopfes zu machen. Wahrscheinlich werden wir
daher auf unserm Standpunkt bleiben müssen ;
jedenfalls kann ich sagen , dass die französische
Horizontale, wie sie jetzt definirt wird, mir un-
annehmbar scheint. Die Annahme dieser Hori-
zontale war aber die conditio sine qua non für
die kraniometrischen Frieden. Können wir sie,
was ich sehr bedaure, nicht annehmen, so wird
nichts übrig bleiben, als dass wir noch eine Zeit
lang warten müssen , elie sieb die Sache voll-
ständig ausgleicheil wird. —
Herr Vi rcho w übergiebt Einladungen zu dem
internationalen (Kongress der Ameri-
kanisten, welcher am 23 — 26. September in
Brüssel stattfindet , sowie Exemplare des Jahres-
berichts der Berliner anthropologischen
Gesellschaft.
Herr Sepp:
Herr V i r c h o w hat soeben Sehaalen vor-
gelegt, welche die Zeichnungen nach Innen ent-
halten. Diese Zierrathe mit solilunären Charak-
teren bilden wohl symbolische Inschriften. Ich
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mache dabei nur darauf aufmerksam, dass das Alter-
thum zwischen Segensbechern und Fluchbechern
unterschieden hat, dass diese Ornamentschaalen sich
häufig zum rituellen Gebrauche in priester liehen
Händen befanden und daraus Segenswasser ge-
spendet, aber auch das Eifarsuchtswasser einge-
tränkt ward, wie es namentlich, aber nicht allein,
bei den Hebräern vorkftmmt. Auch bei Halb-
wilden stossen wir auf solche Schaalen mit Segens-
sprüchen und beim Gottesurtheil mit Flüchen.
Das Ordale des Bitterwassers vollzog sich im
Jehovatempel, indem der Priester, nachdem er
die Verwünschung des Ehebruchs auf Pergament
geschrieben, vom Staub des Tempelpflasters in
ein irdenes Gefltea that, Wasser aus einem hei-
ligen Becken darein goss, und der Beschuldigten
zu trinken gab, ihr zuredend : „Thue dem grossen
Namen Gottes die Ehre, der in Heiligkeit ge-
schrieben, durch kein Wasser ausgelöscht wird.
So Du schuldig, gehe das fiuchbringende Wasser in
Deinen Leib, dass Dein Bauch schwelle und
Deine Hüften schwinden.“ Das Weib sprach Amen
zum Fluch wie zum Schwur, und trank, was im
Falle der Schuld die fürchterliche Folge nach
sich ziehen sollte. Christus schrieb bekanntlich
im Frauenvorhof, wo das geschah, bei Vorführung '
der Ehebrecherin in den Sand. Ich besitze als
Reiseandenken mehrere zierliche Schaalen aus
schwarzem Hadachr Musa oder Mosesstein vom
Sodomsee, dem Meer des Fluches, mit arabischen
Inschriften auf der Innenseite. Layard fand
ähnliche Näpfe von Terracotta mit äusserst merk-
würdigen hebräischen Inscriptionen unter Baby-
lons Ruinen aus der Seleucidenzeit und schreibt j
sie wohl mit Recht den alten Juden zu. Der j
Brauch galt aber ebenso bei anderen Völkern.
Ich erinnere auch an den Orakelbecher Putipbars,
welchen Joseph in Aegypten seinem Bruder Ben-
jamin in den Sack spielte. Er enthielt gewiss
astrologische Zeichen, wie die Araber noch zwölf
Schluss des
Figuren, offenbar Nachbilder der Himmelszeichen,
in den ^Wüstensand zeichnen , um daraus Sand-
orakel zu gewinnen, wie man aus den Linien der
hohlen Hand die Nativität stellt. Vielleicht lohnt
es sich der Mühe, diese meine Bemerkungen mit
der Zeit zu verwerthen ; ich habe gelegentlich
in dem einen oder andern meiner Bücher Notizen
niedergelegt.*)
Herr 0. Fraas (Vorsitzender):
Ich erkläro nunmehr die Versammlung für
; geschlossen. —
Dieselbe hat im Ganzen 10 Stunden 45 Minuten
getagt und es haben während derselben 35 Redner
gesprochen. Die kürzeste Zeit eines Vortrags be-
trägt 4 Minuten, die längste 58 Minuten. Die
! Temperatur in diesem Saal stieg in der I. Sitzung
von 15,5° R auf 18°, in der II. Sitzung von
i 17,5 auf 20®, in der III. Sitzung von 15 auf
20° und in der IV. Sitzung von 18 auf 20 u.
Morgen früh 8 Uhr also auf zum Odilienberg!
*)Pbilo«tratus meldet im Leben des Apollonias
I 6. Ill 14: Nahe bei Tyana ist eine dem Schützer
des Eides. Zeus, geweihte Quelle, genannt Aabamäon.
Redlichen ist das Wasser hold, den Meineidigen folgt
da« Gericht auf dem Fusse nach, wirft «ich auf Augen.
Hände, Küsse, Wassersucht und Abzehrung befällt sie
u. s. w. Eines ähnlichen Brunnens der Prüfung ge-
denkt er in Indien. Vgl. mein „Heidenthum“ Bd. I
181, III 233. Die Hindu'« geben das Wuner von ab-
gewaschenen Götterbildern, die Ashentec* in Afrika
das von blutigen Fetischen zu trinken. Bei den Die-
nern Mosis beruhte der Brunch auf Numeri V 17. Mein
„Leben Jean“, I. Aufl. III 62, II. AuH. V 179. Lay-
ard schreibt (Ninive und Babylon 890 f. 426): ..In
manchen Gegenden de» Orients herrscht bis zum heu-
tigen Tage die Sitte, wenn Jemand krank ist und der
gewöhnliche Arzt nicht zu helfen weis«, einen Zauberer
kommen zu lassen, der dann einen Spruch in ein Oe-
rath, Napf. Schüssel oder Becken schreibt. Wasser
darein giesst und es dem Kranken zu trinken giebt
Die babylonischen Näpfe im brittischen Museum haben
wohl zu ähnlichem Zwecke gedient/ Vgl. mein „Je-
rusalem und das hl. Land*. I. Aufl. I 680, II, AuH. I 8.18.
X. Berichtes.
Rednerliste.
1) Ecker: 8. 136; 2) Fischer: S. 110, 116; 3) Fraas: 8. 77. 91, 108, 117. 118. 120, 135, 156
4) Gerl and: 8. 80; 5) Gros«: S. 118; 6) Klopfleisch: S. 108; 7) Krause: S. 121, 152: 81 Mehlis
S. 132; 9) Mook: S. 134; 10) Much: S. 104, 108, 137, 138; 11) Ohl enschlager: S. 96. 12) Ranke
S. 82, 112, 118, 124, 181, 137; 13) Schaaffhausen: 8. 97, 124, 138, 152; 14) v. Reichlin-Meldegg
S. 80; 15) Sepp: S. 155; 16) Straub: S. 147; 17) Tischler: S. 120, 132; 18) v. Tröl tsch: S. 92
19) Virchow: S. 139. 152; 20) Wagner: S. 96; 21) Waldeyer: S. 151; 22) Weismann: S. 83.
Oraddshler: Seite 76, Zeile 13 ist zu lesen: Derselbe: die Na*e. Der Druekort: Locle.
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141
solche Fundstellen entdeckt werden, und ich darf
schon desshalb keinen entscheidenden Werth darauf
legen, weil sich auch in Griechenland Obsidian
als Bestandtheil späterer Funde erwiesen hat.
Seitdem ich bei meiner Anwesenheit in Athen in
Erfahrung gebracht habe, dass auch auf dem !
griechischen Continent , namentlich im östlichen
Peloponnes vulkanische Punkte existiren, wo Ob-
sidian vorkommt , z. B. in Methuna, so scheint
mir auch für Griechenland der Gedanke, dass
alle Obsidiane auf dem Continent von Melos und
anderen Inseln importirt seien, in den Hinter-
grund treten zu müssen. Vorläufig kann ich
daher nur sagen, dass ich keinen Punkt in Vorder-
asien kenne, wo geschlagene Steine in der Weise
Vorkommen, dass wir sie gleichstellen könnten den-
jenigen Fluiden, welche der ältesten westeuro-
päischen Steinzeit angehören.
Ich darf noch hinzufügen, dass die sogenann-
ten Feuersteine der Troas, wenigstens das Meiste,
was Feuerstein zu sein scheint, meist vulkanische
Sachen sind, wie sie in dor Nähe im Ge-
birge Vorkommen. Namentlich sind abge-
schlagene Scherben von (’halcedon in allen Schichten
von Hissarlik ziemlich häufig.
Ich enthalte mich durchaus, irgend ein Urtheil
darüber ahzugeben, ob nicht eine alte Steinzeit in
Kleinasien noch zu finden ist. Ich sage nur, dass
sie im Augenblick noch nicht gefunden ist. Offenbar
hat auch die älteste der trojanischen Städte nicht«
an sich, was den ältesten Funden der westeuropäi-
schen Kultur entspricht.
Da der Herr Vorsitzende, wie ich höre, in seinem
Vortrage von heute morgens den Wunsch ausge-
sprochen hat, dass ich etwas über die Kegel-
gräber der Troas mittheile, so will ich mich
jetzt vorwiegend diesem Schema zuwenden. Es ent-
spricht dies auch sicherlich der Aufgabe, welche
mich nach Vorderasien zog. Nachdem nämlich
Herr Schliem an n von der Pforte die Geneh-
migung erhalten hatte, wollte er sich an die so-
genannten Heroen-Gräber machen, und da er
es als möglich betrachtete, dass dabei materielle
Ueberreste dieser Heroen zu beben sein könnten, so
rief er mich zu seiner Unterstützung. Da er in
Mykenae, wohin zu kommen ich ihm aus äusseren
Gründen hatte versagen müssen , recht böse Er-
fahrungen gemacht hatte, so konnte ich es ihm
nicht wohl versagen, dabei zu sein. Das Resul-
tat war leider ein unerwartet, geringes. Zunächst
zeigte es sich , das« viele der Hügel , welche
man bisher für Grabhügel hielt , entweder gar
keine Bind, oder dass sie doch nur sehr bedingt
in dieac Reihe gestellt weiden dürfen. Die Hügel,
welche man als Gräber der Heroen bezeichnet e, !
heissen in der türkischen Sprache Tepe’s. Tepe
bedeutet eigentlich einen hervorragenden Hügel
überhaupt. Dieser generelle Name hat aber
in der Troas in der Vorstellung des Men-
schen die Nebenbedeutung bekommen , wie im
Abendlande da'; Wort Tumulus, dass es ein Hü-
gel sei, unter dem Jemand begraben ist. Eine
nicht unbeträchtliche Zahl dieser Hügel hat in
der Tradition eine ganze lawondere historische Be-
deutung erhalten und an einzelne knüpft in der
That die allerälteste Tradition. Da ist ein Grab
unter dem Namen de« Aias, ein andere« unter
dem des Achilleus, ein drittes unter dem des Patroklos.
Sie alle kennen ja die Beschreibung des 23.
Gesanges der Ilinde, wo die Errichtung des Grab-
hügels des Patroklos geschildert wird. Daran
schliessen sich Stellen aus der Odyssee und den
folgenden Dichtern, welche darüber keinen Zweifel
lassen, dass schon zur homerischen Zeit diese und an-
dere Grabhügel vorhanden waren. Daraus folgt, das«
sie auch vor homerisch sein müssen, aber
allerdings noch nicht, dass da« eine oder andere
auch vor trojanisch war. Denn nichts be-
rechtigt. uns, die Ilias geradezu als eine Geschieh ts-
quelle zu benützen.
Ich möchte nun zunächst eine kurze Ueber-
sicht der Tepe’s in der unteren Troas geben :
Am Eingang zum Hellespont macht die West-
küste, welche das steil zum ägäischen Meere ab-
fallende Sigeion trägt, einen durch iSaiidanspülung
verstärkten Vorsprung. Unmittelbar hinter dem-
selben folgt am Hellespont die grosse Bucht, welche
seit alter Zeit, als die Bucht der Archäer bezeichnet
worden ist. Dann kommt wieder ein kleines
Vorgebirge, der Rhoiteion und von da zieht sich
die Küste des Hellespont eine lange Strecke in
wechselnder Höhe, jedoch meist in einer gegen
das Meer steil abfallenden Hohe fort. In dieser
ganzen Ausdehnung giebt es „Grabhügel“, jedoch
die meisten liegen in nächster Nähe der ,, Bucht
der Achäer“.
Auf dem Nordende des Sigeion steht der ur-
alte Hügel, der als Hügel des Achilles be-
zeichnet wird. Nicht weit davon , etwas tiefer
und mehr landeinwärts , indes« immerhin noch
auf einem weit sichtbaren Punkte liegt der des
Patroklos. Dem gegenüber von Rhoiteion
zeigt sich ein dritter hervorragender Hügel, der
des Aias. Darüber waren seit alter Zeit die
Nachrichten so sehr oonsolidirt , dass es de«
ganzen Enthusiasmus moderner Philologen be-
durft hat , die Sache auf den Kopf zu stellen.
Der Graf 0 h o i s e u 1 - G o u f f i o r , französischer
Botschafter in Konstantinopel, veranlasst«; in dor
letzten Zeit de« vorigen Jahrhunderts Grabungen
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in der Troas und zwar zunächst in dem Hügel
des Achilles. Unglücklicherweise geschah dies
aber nicht unter Leitung eines Sachverständigen
oder einer zuverlässigen Person überhaupt. Viel-
leicht war man zu bequem, die Sache direkt an-
zugreifen , oder man glaubte sich sicher auf |
Unterhändler verlassen zu können. Man wandte
sich an ein zweifelhaftes Genie jener Gegend,
einen Juden, der die Ausgrabungen veranstaltete.
Kein Zeuge war anwesend. Es kam eine Reihe
von Dingnn sehr merkwürdiger Art zu Tage :
Glasgefltsse von grosser Schönheit, Metallarbeiten
von sehr zusammengesetzter Art und zwar die i
letzteren von einer künstlerischen Ausführung,
dass gar nicht daran zu denken war, dieselben auf
die Zeit von Achilleus zurückzuführen. Man kam
also auf dem Gedanken, es müsse wohl ein späteres
Grab sein und knüpfte an eine viel erzählte Ge-
schichte aus der römischen Kaiserzeit an. Es
war schon lange in Rom Mode geworden, eine
Reise in diese Gegend zu machen, um das
alte Heimatland, das Land der Uralmen, aufzu-
suchen, wo Aeneas aus einer bekannten göttlichen
Verbindung hervorgegangen sein sollte. So kam
auch C’aracalla in die Troas. Er veranstaltete Feste
ähnlich denen, die Homer bei der Bestattung des
Patroklos Ivesch rieben hat. Schliesslich fehlte dem
Kaiser nur ein todter Patroklos. ln dieser Verlegen-
heit starb plötzlich der Liebling des Kaisers, Festus,
so plötzlich, dass der Verdacht entstand, er habe
ihn vergiften lassen. .Jedenfalls veranstaltete der
Kaiser ein grosses Todtenfest, hielt Wettspiele ab,
wie Achilleus und Hess schliesslich einen grossen
Grabhügel aufüchütten. Diese Nachricht gab den An-
halt, dass Graf C h o i s e u 1 und sein Sachverständiger
Lechevalierzu der Meinung kamen, der unter-
suchte Hügel sei gar nicht der des Achill, sie
hätten vielmehr den Grabhügel des Festus ge-
funden. Damit wurde diesem schönsten Punkte
der Küste in der Meinung vieler Gelehrten seine
alte klassische Unterlage entzogen. Es blieb nun
nichts weiter übrig, als einen neuen Grabhügel
des Achilleus zu suchen und da der des Patroklos
soweit zurück liegt, dass er vom Meer aus nicht gut
zu sehen ist, so entschlossen sich GrafChoiseul
und Lechevalier, einen dritten Hügel dafür zu
nehmen, der noch etwas tiefer liegt, jedoch von
der Küste her weniger verdeckt ist. Der-
selbe wird noch jetzt , wie damals , zu einem
türkischen Kirchhof benützt. Das sollte der
eigentliche Grabhügel des Achilleus sein, nur dass
er im Laufe der Zeit von seiner ursprünglichen
Höhe verloren habe. So ist jene Confusion ent-
standen, bei der zuletzt keiu Mensch wusste, wo
eigentlich der Grabhügel des Achilleus sei. Wir
i selbst bedurften erst einer genaueren Prüfung,
um heruuszubringen, dass der auf einer ganz na-
türlichen Bodenwelle gelegene t ürkische Kirchhof der
von den französischen Herren gemeinte Grabhügel
des Achilleus sei. Von einer Untersuchung des-
selben konnte aus äusseren Gründen keine Rede
sein, indes« bedurfte es derselben auch nicht, um
die ganz willkürliche Interpretation zurückzu-
weisen.
Auf dem Higeion giebt es noch zwei andere
hervorragende Kegel. Der eine, ziemlich in der
Mitte des Küstenrückens, ist soweit sichtbar, dass
es keinen Punkt in einer Entfernung von 2 — 3
Meilen giebt, wo er nicht zu sehen wäre. Von
der Sec aus macht er einen majestätischen Ein-
druck und viele der gewöhnlichen Reisenden halten
ihn für den Acliilleus-HUgel Er trägt deu Namen
des Dimitri-Tepe. Ganz am Ende des Sigeion
nach Süden ragt ein vierter Hügel hervor,
von dem die Besika-Bay ihren Namen bat , der
Besik-Tepe. Er liegt gerade vor dem Vorgebirge
Palaeocastro , welches am Nordende der Besika-
Bucht weit in die See hineinragt und ziemlich
dem Punkte zu entsprechen scheint, wo nach der
alten Sage Herakles die Hesione von den Nach-
stellungen des Meerungeheuers befreite.
Noch weiter südlich, durch einen tiefen Einschnitt
vom Sigeion getrennt, folgt eine vielfach zerschnit-
tene Gruppe tertiärer llöhenzüge, in deren Mitte sich
nochmals ein ganz gewaltiger Hügel erhebt, der
mehr als SO Fuas hoch und mit einer enorm
weiten Basis angelegt ist. Das ist der Ud sehe k-
Tepv, von dein man vielfach angenommen hat,
cs sei der in der Ilias erwähnte Hügel des Aisyetes,
von dein aus Poiites die strategischen Bewegun-
gen der Achäer beobachten sollte. Ich will die viel
untersuchte Stelle, wo Iris in der Gestalt des Po-
iites nach Troja kommt, um Nachricht zu geben
über bedenkliche Bewegungen des Feindes — eine
Stelle, die vielfach erörtert worden ist in Bezug
auf die Frage der Entfernungen der einzelnen
Punkte von einander . nicht besprechen ; es mag
genügen, daran zu erinnern.
Auf der anderen Seite der Ebene, du, wo sich
von Osten her aus den tertiären Höhenzügen ein
niedriger Rücken ziemlich weit gegen die Ebene
| vorschiebt, liegt noch ein kleiner Tepe, der
P a s c h a - T e pe , besonders desshalb viel bespro-
I eben, weil neuere Forscher , namentlich Herr
! Sch li ernenn selbst, annabmen , dass es der
Hügel derßatieia oder nach der Sprechweise
der Götter, der Myrine sei , einer Amazone , die
in der Nähe von Troja begraben sein sollte. Ich
könnte noch eine ganze Reihe von Hügeln auf-
| führen , theils benannte, theils namenlose. Das
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143
Mitgetheilte genügt , um zu zeigen , dass die
Tepö’s in der Troas ungemein zahlreich sind. Auf
die Tep4’s vom Bali Dagh werde ich noch zurück -
kornmen.
Nun muss ich leider sagen, dass eine gewisse
Zahl dieser Hügel ganz und gar Naturbildung
sind. Wir waren auf dieses Ergebnis« nur zum
Theil gefasst. Denn die vulkanischen Erhebungen
liegen weiter südlich, der vordere Theil des Lan-
des ist ganz frei davon. Wir hatten also auch
keinen Grund , an vulkanische Erhebungen zu
denken, obwohl manche der Kegel sehr an ba-
saltische Eruptionen erinnern. In der That ist
auch keiner der Kegel eruptiver Natur. Sie sind
vielmehr aus horizontalen Lagen tertiären Kalks
aufgeschichtet , also Ueberreste ausgedehnterer
Bergmassen, von denen nur einzelne Theile übrig
geblieben sind, welche der Verwitterung und Ab-
spülung Widerstand geleistet haben. So verhält
es sich auch mit dem mächtigen Hügel des heiligen
Demetrius ; zwar fanden sich ganz oben einige
griechische Scherben vor , aber in ganz geringer
Tiefe folgte schon der natürliche Felsboden.
Von einer zweiten Gruppe von Tepc’a ist es
mindestens zweifelhaft., ob es jemals Gräber waren
oder nicht.
Wenn man von den Ergebnissen der Nach-
grabungen von Ch o i s e u 1 und L e c h e v a 1 ie r ab-
sieht , so wissen wir von keinem einzigen der
aufgeztthlten Hügel ganz sicher, ob er ein eigent-
licher GrabhUgel war.
Die beiden Haupthtlgel , welche Gegenstand
der Untersuchung während meiner Anwesenheit
waren, der Besik-Tepc und der Udschek-
Tepe, scheinen, weil sie weit entlegen, und von
riesigen Dimensionen sind , sich den Nachforsch-
ungen bisher entzogen zu haben. In der That,
nur ein Mann von grossem Enthusiasmus und von
so grossen Mitteln, wie Herrn Schliem an n,
konnte sich an diese Sache machen. Bei
den Untersuchungen hat sich heruusgesteUt, dass
der Udschek-Tepd ein künstlicher nügel
ist , der aufgeschüttet ist und zwar sonder-
barer Weise , wenn auch nicht nach dor Me-
thode , so doch im Sinne einer ägyptischen
Pyramide. Schon 2 Fuss unter der Oberfläche
stiessen wir auf eine Mauer aus grossen Steinblöcken,
welche regelmässig zusammengesetzt waren. Bei
der weiteren Grabung hat sich herausgestellt,
dass von der Spitze bis fast zum Boden, 88 — 39
Fuss hoch, ein mächtiger viereckiger, etwas ex-
centriscb gestellter Stock aus Mauerwerk durch-
geht., welcher offenbar den Zweck hatte, dem Ganzen
als Halt zu dienen. Man muss dabei bedenken,
dass die Stürme in dieser Gegend ungemein heftig
sind. Wir hatten mehrmals so heftigen Sturm,
dass wir, obwohl Hissarlik tiefer im Lande liegt
und weit weniger exponirt ist, Furcht bekamen,
davon zu fliegen mit unseren Holzhäusern. In
der Nähe der Küste und auf einer so grossen Höhe
hätten lose Aufschüttungen von Erde allein den Win-
den und dem Wetter kaum Widerstand leisten kön-
nen. Thatsarhe ist, dass ein künstlich aufgebauter
und regelmässig hergestellter Grundstock in dem
aufgeschütteten Hügel von der Spitze bis beinahe
auf den Mutterboden führte, welcher im Cen-
trum um 37 Fuss höher angetroffen wurde , als
im Umfange. Daraus folgt, dass der künstliche
Hügel über einem schon vorher vorhandenen na-
türlichen Kegel errichtet worden ist.
Ich habe die letzte Phase dieser Unter-
suchung nicht mehr mit erlebt, da ich vor ihrer
Vollendung abreisen musste ; ich habe aber wieder-
holt Bericht darüber von Herrn Schliemann
erhalten. Ueber die Methode der Untersuchung
hatten wir uns vorher verständigt. Bei der un-
geheuren Grösse des Hügels und bei der Noth-
wendigkeit, ihn auch künftig als ein weithin
sichtbares Merkzeichen für die Schifffahrt zu er-
halten, kamen wir auf dieselbe Anordnung der Auf-
grabungen , auf welche nach seinem heutigen
Vortrage der Herr Vorsitzende verfallen ist. Es
wurde einerseits ein senkrechter Schacht, angelegt,
der von der Spitze bis auf die Erde geführt
wurde; andererseits wurde an der Basis ein
horizontaler Stollen eingetrieben, welcher sich im
Centrum mit dem Schacht vereinigte. Endlich
ist noch von der Mitte aus eine Reihe von seit-
lichen Gallerien eröffnet worden. Es zeigte sich
so in dem Grunde des gemauerten Thurm es
I eine viereckige Höhlung von 4 — 5 Q Fass Fläche
I und einigen Fuss Höhe , die jedoch nichts ent-
: hielt und unter dem Thurm, nur zum Theil
I von ihm bedeckt, ein nus Polygonsteinen kunstvoll
! errichteter Kreis von 15—18 m Radius. Nörd-
lich von demselben wurde noch eine zweite
[ kreisförmige Mauer von etwa 18 m Radius
aufgedeckt. Es hat sich aber nichts gefunden,
was direkt bewiese, dass die Anlage im Sinne
eines Grabes gemacht ist. Man fand keine
Leichenreste und keine wesentlichen Beigaben,
ausser einigen Scherben und unbedeutenden
Eisensachen nichts. Hier steht es also ganz
dahin, was man aus dem Dinge machen will. In
dieser Beziehung möchte ich daran erinnern, dass
schon in der Odyssee (IV. 584) eine Stelle vor-
kommt , welche vielleicht zur Deutung herange-
zogen werden könnte. Es ist dies die Erzählung,
die Menelaos dem Telemachos macht, wie er bei
der Nachricht von dem Tode seines Bruders Aga-
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144
tncmnon demselben an der Küste von Aegypten
einen Grabhügel (tvfäiog) aufgeschüttet habe.
Vielleicht bietet uns der IT dsc h e k-Tepe ein
analoges Beispiel dar. Wann er errichtet worden
ist, dafür gewährt ausser den Scherben nur noch
die Art der Behauung der Steine in dem Mauer-
kreise einen gewissen Anhalt. Nach der Mittheil-
ung des Herrn Sch 1 io mann zeigt dieselbe eine
jüngere Periode an. Er ist geneigt , ihn für
den Featus in Anspruch zu nehmen. Ein grosser
Theil der im Grunde gefundenen «Scherben ist
nach seiner Auffassung römisch. Jedenfalls
entspricht die Art der Zurichtung der Steine
einer viel späteren Zeit, als die Schichten, welche
man im Grunde von Hissarlik antritlt. Es dürfte
daher etwas schwer sein, auf die Deutung zurück-
zukonunen , dass dies der schon vortrojanische
Hügel des Aisyetes gewesen sei.
Der gleichfalls über 60 Fusg hohe B e s i k -
T e p e hat sich uls ein auf einem Felskegel errichtetes
künstliches Geschtttt ergeben, aber auch in ihm ist
kein eigentlicher Grabfund gemacht worden. Die auf-
geschüttete Erde enthielt freilich zertreute Scherben
vonTopfgeräth ; auch erhielt ich ein zumTheil polirtes
Stein Werkzeug, das vielleicht zum Glätten der Töpfe
benutzt sein mag. Die Topfscherben stimmen in
vielen Stücken mit denen aus den alten Schichten
von Hissarlik Uberein und man wird also an nehmen
müssen, dass man es hier mit Resten einer sehr
alten Zeit zu thun habe. Ob es sich aber um ein
wahres Grab oder einen blossen Gedenkhügel han-
delt, kann ich nicht sagen.
Auch von den anderen Tepe’a der vordem
Troas ist wenig zu sagen, obgleich die Mehrzahl
derselben untersucht worden ist. Der Hügel des
Aias ist schon im voriger» Jahrhundert durch die
Türken durch wühlt worden ; die Hügel des Pa-
troklos und der Batieia sind, jener durch Herrn
Calvert, dieser durch Frau Scbliemann
vor einigen Jahren ohne alles Ergebnis« aufge-
graben worden. Auch wir haben noch zwei namen-
lose Hügel erfolglos untersucht.
Ein wenig mehr hat die Untersuchung der
Tepe’s auf dem llali-Dagh über Bu mir bösch i er-
geben. Es ist dies der Platz, wohin nach der Hypo-
these von Lechevalier die Stätte des alten
Troja verlegt wurde. An der letzten Windung der
Skain ander- Schlucht erhebt sich der jähe Fels, auf
welchem iu der That Reste einer Akropolis, je-
doch ungleich jünger als Hissarlik, erhalten sind.
Auf demselben Felsrücken, etwas weiter nördlich,
gegen die Ebene zu , in herrlicher Lage trifft
man, indem man zu dem Dorfe Bumirbaschi zu-
rückkchrt, 3 Tepe’s von inässiger Grösse, einen
hinter dem andern. Ein vierter ist mehr west-
lich davon angegeben. Der eine von ihnen ist
seit längerer Zeit, jedoch nicht im Alterthume,
als Hügel des Priamos bezeichnet worden ;
dazu hat man dann neuerlich noch den des H c k-
tor hinzugefügt — kurz die ganze Sagengeschichte
i ist dort untergebracht worden. Da diese Hügel
nicht aus Erde, sondern wie viele in unserm Vater-
land, mehr oder weniger aus roher Uebereinander-
, häufung von Steinen bestehen, so suchte Leclie-
valier in diesem Gegensätze einen speziellen Grund,
sie den Trojanern und nicht den Achäern zuzu-
schreiben. Auch von diesen Hügeln sind zwei in der
neueren Zeit untersucht worden und zwar der des
Priamos durch Herrn Frank Calvert. Sonder-
barerweise ergab sich dabei, freilich im Kleinen,
eine ganz analoge Konstruktion, wie die vorhin
vom Udschek-Tepe beschriebene. Der 13 Fuss
hohe Hügel war in der Art aufgeführt, dass in
der Mitte einer grossen Steinschüttung , gleich
unter der Oberfläche, eine viereckige, bis auf den
Boden niedergehende Suhstruktion aus gehauenen,
jedoch nicht gemauerten Steinen errichtet war,
deren Inneres mit losem Stoingerölle gefüllt war.
Der Bau hat also, abgesehen von den Einzelheiten,
viel Aehnlichkeit mit dem des Udschek-Tepe.
Herr Calvert, der auch nichts anderes fand,
als einige Topfscherben, kam auf den Gedanken,
es sei die Unterlage eines grossen Monumentes
I gewesen, auf der eine Statue oder ein Altar ge-
| standen habe. In Bezug auf das Alter der Anlage
| machte er den Schluss, den ich für sicher halte,
[ dass es sich um eine spätere Anlage handele.
Ein anderer dieser Hügel, der neuerdings auf
1 Veranlassung von Sir John Lubbock aulge-
graben worden ist, enthielt nur Steine, welche so roh
übereinander geschüttet waren, dass man anfangs
glaubte , es sei ein zufällig entstandener Stein-
haufon, aber im Grunde fand sich eine kleine,
jedoch leere Steinkammer.
Sie sehen, dass die Ausgrabung der „Heroen-
gräber“ im Ganzen ein sehr undankbares Ge-
schäft gewesen ist. Der einzige grosse und er-
giebige Fund ist von Herrn Calvert, dem Herr
Scbliemann die Mittel zu der Ausgrabung
zur Verfügung gestellt hatte, auf seinem Gute
Batak (bei Atchi Köi), an einem weiter östlich ge-
legenen Punkte der vorderen Troas gemacht worden.
Er hat für uns ein besonderes Interesse, weil
dieser Fund als ein Geschenk der beiden Herren
ganz in deutschen Besitz übergehen wird. Die
! Lage des Platzes ist folgende: Da, wo der Mende-
reh, nachdem er den Bali-Dagh umflossen hat, in
die Ebene einströmt, mündet in ihn von Osten
j her ein kleiner Seitenfluss , der Kimar Su , der
j in der letzten Zeit in der Regel füi* den Tliym-
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
licdigirt von Professor Dr. Johl tunen JianJce in München,
Genrrai—creiär der G ifiUchaft.
Nr. 12. Erscheint jeden Monat. Dezember 1879.
Debor einige bemerknngsnerthe Grabfunde
in der Umgegend von Hannover.
Von E. Struck mann. Amtsrat h.
I. Das Urnenlager in den Stehlinger Bergen.
Etwa 1 0 bis 1 1 km nordwestlich der Stadt
Hannover und etwa 2 km östlich der nach Nienburg
führenden Chaussee beginnt beim Dorfe Behren*
bostol eine Kette dtlnenartiger Sandhügel, welche
im Volk sniumle mit dem Namen der Stehlinger
Berge bezeichnet werden und sich in der Richtung
von Südwest nach Nordost durch die Feldmarken
Behrenbostel und Steblingen bis zum Dorfe Engel-
bostel erstrecken Ein Theil dieser Sandhügel
wurde im Verlaufe des Jahres 1878 abgetragen
»nd das Material zur Schüttung des bei der Höher-
legung des Hannoverschen Bahnhofs erforderlich
gewordenen Bahndammes benutzt. Bei dieser Ge-
legenheit wurden verschiedene Urnen mit ver-
brannten Knochenreston zu Tage gefördert, und
hatte der Eigenthümer des Terrains der Eisen-
bahn-Bauunternehmer Herr Vering in Hannover
die Güte , mich von den gemachten Funden zu
benachrichtigen, die ich am 23. Juli 1878 an
Ort und Stelle besichtigte.
Das Urnenlager beschränkt «ich nach den
bisherigen Beobachtungen auf einen der höchsten
Hügel in den sog. Stehlinger Sandbergen östlich
vom Dorfe Behrenbostel und hart an der Grenze
der Feldmark Stehlin gen ; dieser Hügel erhebt
sich etwa 30 m Uber die benachbarte Ebene, und
wird derselbe von verschiedenen kleineren Sand-
dfinen umgeben. Der von jeder Vegetation ent-
blößte Gipfel besteht aus einem weißlichen,
feinkörnigen, leicht beweglichen Flugsande, »hn- l
lieh wie derselbe an den Dünen der ostfriesischen
Nordsee - Inseln beobachtet wird. Unter diesem
feinen Sande folgt eine 0,40 m mächtige, sehr
grobkörnige und stark eisenschüssige, zu einer
harten steinartigen Masse fest verkittete Sand-
schicht ; in den oberen Lagen ist dieselbe stark
humos und schwarz gefärbt, wahrend die unteren
sehr grobkörnigen und kiesigen Lagen eine rost-
rot he Färbung haben. Am Gipfel des Hügels
findet sich diese eisenschüssige Schicht untor dem
Flugsande erst in einer Tiefe von 5 — G m; an
den Abhängen dagegen verflacht sich der fein-
körnige Sand allmttlig, und an der Basis des
Hügels liegt die eisenschüssige Sandschicht un-
mittelbar unter der Oberfläche. Unter dem eisen-
schüssigen Sande folgen zunächst regelmässig
geschichtete , abwechselnd feinere und gröbere,
gelblich gotärbte Sand- und Kiesschichten mit
violen gröberen Quarz- und Granitgeschieben in
einer Mächtigkeit von 5 — 6 m; darunter lagern
feinere geschichtete Sande, welche von einzelnen
lehmigen Schichten unterbrochen werden, in einer
Gesarointmächtigkeit von etwa 5 in. Dann folgen
blaue zähe Thone der unteren Kreideformatiou.
Beim Abtragen dieses Hügels sind zahlreiche
Urnen zu Tage gefördert, die meisten freilich
zerbrochen , jedoch ein Theil , namentlich der
kleineren, sehr wohl erhalten. Dieselben sind im
Allgemeinen roh, wahrscheinlich mit freier Hand
gearbeitet, ganz ohne Verzierungen ; jedoch zeigon
dieselben sehr verschiedene, zum Theil geschmack-
volle Formen ; es sind theils flachere Schalen,
theils tiefere Töpfe, theils in der Mitte ausge-
bauchte Urnen, einige mit Henkeln versehen. In
verschiedenen diescrGeftls.se. namentlich in einigen
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158
grösseren, welche leider zerbrochen sind, wurden
verbrannte menschliche Gebeine und Asche vorge-
funden. Weitere Beigaben sind nicht vorge-
kommen : die sorgfältigsten von mir dieserhalb
angestellten Nachfragen haben zu keinem Resul-
tate geführt. Die Mehrzahl der Urnen fand sich
in der Mitte des Hügels und zwar in der un-
gewöhnlichen Tiefe von 5 — 6 m unter der
Oberfläche, einige andere am Fusse des Hügels nur
0,5 m unter der Oberfläche. Die Untersuchung an
Ort und Stelle gab mir den Schlüssel zu dieser
ungewöhnlichen Erscheinung. Die säinmtlicheu
Urnen sind entweder in oder unmittelbar unter der
eisenschüssigen Sandschicht vorgekommen ; da wo
dieser Eisensand in der Mitte des Hügels tief unter
der Oberfläche ruht, haben auch die Urnen eine tiefe
Lage; da wo derselbe die Oberfläche fast berührt,
finden sich auch die Urnen nur wenige Fuss unter
dem Boden. Da man nun nicht unnehmen kann, dass
die Urbewohner dieses Landes die Ueberreste ihrer
Todten ursprünglich in der ungewöhnlichen Tiefe
von 5 — 6 m unter der Oberfläche beigesetzt
haben werden, bei der grossen Ausdehnung der j
Sanddünen und bei der ganz gleich massigen, fein-
körnigen* Beschaffenheit des Sandes , welcher von
jeder sonstigen Beimengung frei ist, auch nicht
daran zu denken ist, dass der Hügel künstlich
aufgebracht wurde, so liegt die Vermuthung
nahe, dass erst in späterer Zeit nach der Bei-
setzung Veränderungen in der Oberflttchenbildung
vor sich gegangen sind. Diese Annahme wird 1
durch die geologischen Verhältnisse der Oertlichkeit
sehr wahrscheinlich gemacht. Die schwarze, von
Heidehumus durchdrungene, eisenschüssige Sand-
schicht, welche auf den regelmässig geschichteten
diluvialen Sandschichten ruht, wird ursprünglich,
als die heidnischen Bewohner dieser Gegend sich
die Stehlinger Berge zum Begräbnissplatz aus-
erkoren, die Oberfläche des mit Heidekraut be-
standenen Terrains gebildet haben, wie dieses am
Fusse des erwähnten Hügels noch jetzt der Fall
ist; eist in späterer Zeit wurde ein Theil des
Terrains durch die Wirkungen des Windes durch
den leichten Flugsand überdeckt, welcher sich
dünenartig zusammenhäufte, während das Urnen-
lager in der Tiefe begraben wurde. Diese An-
nahme wird um so wahrscheinlicher, da ein Theil
der Urnen atn Fusse des Hügels hart unter der
Oberfläche gefunden ist. Die geschilderten Ver-
hältnisse dürften jedenfalls auf ein hohes Alter des
Urnenlagers schli essen lassen, da aus historischer
Zeit die Anhäufung der Sanddünen nicht bekannt ist.
2. Kegelförmige Gräber bei Bethen an der Leine.
Das Thal der Leine zwischen Göttingen und
Hannover enthält an vielen Stellen bedeutende
Ansammlungen eines groben diluvialen Fluss-
kieses, in welchem Reste von Elephns primigonius,
Rhinoceros tichorhinus und anderon grösseren Säuge-
thieren der Diluvialzeit nicht selten gefunden
werden. Ein derartiges Kieslager wurde im Jahre
1872 unweit des Dorfes Bethen an der Eisen-
bahn von Hannover nach Cassel, etwa 11,25 km
südlich der Stadt Hannover in der Art aus-
gebeutet, dass sich dadurch eine senkrechte
Kieswand bildete. Es war bei dieser Gelegenheit
den Arbeitern schon längere Zeit aufgefallen,
dass in der weisslichen Kieswand kegelförmige
oder trichterförmige, sehr regelmässige Stellen zu
Tage traten, welche von einer schwärzlichen hu-
mosen Erde ausgefüllt waren ; anfangs blieb diese
Erscheinung unbeachtet, bis einer der Vorgesetzten
Beamten gelegentlich erfuhr, dass in der schwarzen
Erde nicht selten auch Topfscherben gefunden
wurden. Dieses gab Veranlassung, die Sache
näher zu untersuchen und stellte sich dubei heraus,
dass jede der etwa 1,5 m tiefen kegelförmigen
Ausfüllungen auf dem Boden einige mit ver-
brannten Knochenresten angefüllte Todtenurnen
enthielt , welche jedoch grösstentheils schon zer-
fallen waren oder beim Herausheben auseinander
fielen. Man hatte also alte Grabstätten, einen
alten Urnen-Friedhof vor sich. Dabei führte die
Untersuchung eines einzelnen Grabes zu besonders
interessanten Resultaten. Auf dem Boden der
kegelförmigen Grube standen vior kleine Urnen
neben einunder, dieselben waren bedeckt von
einer Steinplatte, und auf dieser lagen die Reste
eines grossen Hirschgeweihes ; das Ganze war bis
zur Oberfläche mit einer schwärzlichen humosen
Erde ausgefüllt ; die Urnen enthielten Asche und
verbrannte Knochen. Bei meiner persönlichen
Anwesenheit waren die Verhältnisse in der in-
zwischen verlassenen Kiesgrube leider nicht mehr
zu erkennen. 3 der kleinen Urnen sind beim
Horausheben zerfallen, die vierte dagegen ist sehr
wohl erhalten und mit der Steinplatte und den
Resten des Hirschgeweihes später in meinen Be-
sitz gelangt.
Die noch vorhandenen Urne ist sehr roh aus
einem feinkörnigen , mil einzelnen groben Sand-
körnern vermengten Lehme gearbeitet, ohne jeg-
liche Verzierung, nur mit schwach nach auswärts
gebogenem Oberrande, unten verjüngt und mit
flachem Boden, aussen schwach rötblich, inwendig
schwarz gefärbt. Die Höhe beträgt nur 9 cm.
der obere lichte Durchmesser 9,5 cm, die Wände
sind List 1 cm dick. Die Deckplatte ist aus
einem gelblichen Kalkstein gefertigt, kreisrund,
in der Mitte reichlich doppelt so dick, als an
den Rändern, und in der Mitte mit einem runden,
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159
sehr sorgfältig gearbeiteten Loche versehen, dessen ;
Zweck mir unverständlich ist. Der Durchmesser
der Platte lwdrägt 37 cm, so dass dieselbe eben (
ausreichte, die vier kleinen Urnen zu bedecken ; ;
die Dicke an den Rändern beträgt 2.00 cm, in ■
der Mitte an der durchbohrten Stelle 4,50 cm;
der Durchmesser des erwähnten kreisrunden
Loches in der Mitte beträgt 3,00 cm. Das in '
verschiedene Theile zerfallene Geweih gehört dom J
gewöhnlichen Edelhirsch an. Bemerken will ich
noch, dass eine ähnliche von Tuffkalk gearbeitete
Platte, jedoch mit weit grösserer mittlerer Oeff- 1
nung mit einigen Urnenresten zusammen beim
Bau der Löhne- Nienburger Eisenbahn in der
Gegend von Rinteln, beim Dorfe Feldheim a. d.
Weser, gefunden worden ist.
Kurzer Bericht über die prähistorischen
Funde and die einschlägige Literatur in
Italien im Jahre 1878.
Von Ihr. Emil Stflhr, Bergwerks-Direktor.
(.Schluss zu Nr. 8.)
Pigorini in seiner schönen Abhandlung j
behandelt nur Gegenstände aus der ersten Eisen-
zeit , veranlasst durch die reichen Funde von
Oppeano. Er schliesst sich im Ganzen den !
Ansichten Cbieriei’s an, und auch er unterscheidet
die beiden lokalen Gruppen derKuganeen und
von Fel sinn. Auch er ist dos Weiteren der 1
Ansicht, dass die Terramare-Leuto von den Alpen
herabgekommen seien , nachdem sie von Asien
kommend die Donau aufwärts gezogen waren.
Dagegen theilt er nicht die Ansicht Chierici’s, die
Leute der ersten Eisenzeit seien vom Meere her
den Po heraufgezogen , sondern es weise im Ge-
gentheil alles dahin, dass sie von Mittelitalien
über den Apennin gekommen seien, und etrus-
kische Bildung mit gebracht hätten.
Pompeo Gaste) franco: Fibule a grandi
coste e ad arco semplice. Bollet. Paletnol. 1
Ital 1878 p. 50- — Bei nebbio unweit Como !
hat man schon früher reiche Gräberfunde aus !
der ersten Eisenzeit gemacht. Davon werden :
zwei ungemein grosse Fibeln beschrieben, die sehr j
starke Rippen auf der Spange haben und von i
der viele lange, zierliche Kettchen herabh&ngen. j
Diese zwei Fibeln sind bis jetzt die einzigen in ,
ihrer Art. Nimmt man die Kettchen weg , so ,
gleichen sie den so seltenen, stark gerippten Fi-
beln , die fast ausschliesslich bis jetzt nur in
Oberitalien gefundon wurdan ; von den 45 be- !
kannten gehören nemlich 38 Oberitalien an, 5 !
der Schweiz und 2 befinden sich im Mnseurn von !
Pesth. Daraus wird geschlossen, sie seien eine i
Eigentümlichkeit des damals Oberitalien bewoh-
nenden Volksstammes, möge man diesen nun um-
brisch oder liguriseh benennen. — An diese Mit-
theilung knüpft der Verfasser Studien über das
relative Alter der verschiedenen, in Oberitalien ge-
fundenen Fibeln. Die ältesten sind die mit glatter,
einfach gebogener Spange; diese werden später
mit gravirten Verzierungen versehen. Noch später
siud die mit kleinen Rippen auf der Spange, denen
dann die mit starken Rippen folgen. Zuletzt
bat etruskischer Einfluss von jenseits des Apen-
nin die gewundenen Fibeln gebracht. Schliess-
lich verspricht der Verfasser eine Karte anzu-
fertigen, auf der alle Necropole der ersten Periode
der Eisenzeit eingetragen sind. Möge er sie bald
vorlegen können.
G. Kroll: Osservazioni al Belucei in-
torno all» sua opinione della fonderia-
officina di Bologna. Boll. Palet. Ital. 1878
p. 180- Bezüglich das grossen Bronzefundes in
Bologna (vide dieses Blatt Nr. 5 und 6) hatte
Belucci der allgemeinen Ansicht Worte gegeben,
man habe darin die Produkte einer Giessorei-
Werkstätte zu sehen, die bei drohender Gefahr
geborgen wurden. Dem tritt Eroli entgegen
und sieht aus den bereits S. 46 ds. Bl. erwähn-
ten Gründen diesen, wie ähnliche Funde als Vo-
tivgeschenke an, irgend einer unterirdischen Gott-
heit geweiht. — Unter den Bronzegerät hen fin-
den sich viele zerschlagen, und zwar immer in
gleicher Weise ; auch diess hält der Verfasser für
religiösen Gebrauch, was ihm am wahrschein-
lichsten scheint, oder aber zu dem Zwecke geschehen,
damit die zerschlagenen Stücke als Geld dienen
konnten. Es sind diess Ansichten , die jedenfalls
noch sehr der Begründung bedürfen, und es ist
wohl am einfachsten mit Belucci und Anderen
anzunehmen , es sei das einfach der Umgiessung
wegen geschehen.
0 Cliieriei: La Pa let nologia Itali-
unu nel Congresso di Budapest. Boll.
Paletnol. Ital. 1878 p 166. — Ist zum grossen Theil
Referat, über den 1876 in Pesth abgehaltanen
Congress. In einigen Italien betreffenden Streit-
fragen nimmt jedoch der Verfasser entschieden
Position, so bezüglich des von Capellini sup-
ponirten plioeänen Menschen, der die, an den
fossilen Knochen des in Monte Aperto gefundenen
Balaeonotus, beobachteten Einschnitte gemacht
haben soll. Er stellt sich hiebei ganz auf den
Standpunkt derjenigen, die bis jetzt den tertiären
Menschen überhaupt, als noch nicht nachgewiesen
ansehen. — Was ferner di« Frage anbetrifft, ob
in Europa eine allgemeine Bronzezeit bestan-
den habe, hält er bezüglich Italiens das für un-
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160
zweifelhaft , beschränkt jedoch diese Bronzezeit
einzig auf die Terramare. Nach den Terre-
maro komme dort sofort die Eisenzeit, und
zwar zuerst durch einzelne Gräber vertreten, die
Zannoui, der bekaunte Entdecker so vieler
Funde im Bolognesichen , noch zur Bronzezeit
rechnet ; Chi erici dagegen meint, dass man sie,
trotzdem, dass die meisten nur Bronzegerätlie und
keine Beste von Eisen enthalten, schon zur ältesten
Eisenzeit ziehen müsse, und sieht sie als U e ber-
gan gs periode zu derselben an. Die grossen
drei Kulturperioden : Steinzeit , Bronzezeit und
Eisenzeit im Ganzen festhaltend, glaubt der Ver-
fasser aber nicht , dass dies* überall so schema-
tisch sich gestaltet habe, indem wohl bei keinem
Volke, aus sich selbst heraus, die Kultur unun-
terbrochen sich entwickelte, sondern die Kultur-
entwicklung durch die Berührung mit auf anderer
Kulturstufe stehenden Völkern, namentlich durch
den Handel, vielfach beeinflusst werden musste.
1*. Strobel : Alcune osservazioni in-
tornu all* uomo fossile. Boll. Paletnol.
Itnl. 1877. p. 148.
Strneyer eNella: Sopra unu memoria
d e 1 Prof. C. do Stefani intitolato:
Sülle tracce attribuito all' uomo plio-
cenico nel Sen es e. Trassunti degli Atti
della R. Academia dei Lincei 1878- p. 31. —
Bezüglich der noch controversen Frage, ob Reste
von tertiären Menschen überhaupt schon ge-
funden worden seien . sind vor allem die als
solch • aufgeführten Funde in Italien interessant.
Noch neuerdings in seinen Vorträgen hat de
Mor titlet in Paris als solche angeführt: Ein
Skelet, gefunden in plioeäner Süss wasserschicht
hei Sa von u (Issel); Schnitte an Baluenotus-
Knochen aus Mergel und gelhern Sande vom
Monte Aperto bei Siena (Capcllini); ge-
ritzte Knochen von S. Giovanni im Arnothale
(Ratnorino); Knochen aus der Knocbenbreccie
des Val d’Arno (Desnoy er»); bearbeitete
Knochen von S. Valentino (Feretti); wozu
noch von einigen gezählt wird der von Cocchi
an den Hügeln dei 1'0 Im o bei Arezzo in blauem
Süss wassert hone gefundene Menschenschädel (For-
syth Major). — Was die verschiedenen Funde
im Val D'Arno betrifft, so ist schon früher
nachgewiesen worden, dass es sehr unwahrschein-
lich ist, sie seien plioeäner Natur; von dem bei
Savonu gefundenen Skelet ist es sehr wahr-
scheinlich geworden, dass es dort später begraben
wurde. Strobel in seiner schon 1877 erschie*
nenen Abhandlung behandelt den Fund all* Oluio
bei Arezzo, und die Balaenotusknochen mit den
Einschnitten vom Monte Aperto, die Capeilini
beschrieb. Was den Schädel von Arezzo be-
trifft, so hat bereits Cocchi 1 867 , der zuerst
über den Fund berichtete, denselben als post-
p 1 i oc U n, oder «{Uaternär ungesehen, während
später Forsyth Major ihn als plioeän betrach-
tete. Strobel berichtet nun, dass Cocchi
seine Ansicht auf einer zu dem Zwecke zusammen-
berufenen Versammlung der S o c i e t a a n t r o p o-
logicu 1876, festhielt und begründete, so dass
dieser Schädel nicht als plioeän angesehen werden
darf. — Bezüglich der Balaenotusknochen vom
Monte Aperto mit den Einschnitten, die
C a p e 1 1 i n i beschrieb und diese als von
coexistirenden Menschen gemacht ansah , bemerkt
St robel, daiss zweifellos solche Schnitte nur mit
schneidenden Werkzeugen gemacht werden konnten,
und dass die Ansicht , als rühren sie von Säge-
fischen etc. her, ausgeschlossen bleiben müsse.
Er giebt dann die Resultate von Versuchen, die
er im Museum von Parma mit verschiedenen
schneidenden Werkzeugen an Knochen von le-
benden wie fossilen Thieren gemacht hat, und
kommt zu dem Resultate, dass mit Kieselmessern
man solche Schnitte nicht hervorbringen könne,
dagegen mit unseren schneidenden Werkzeugen,
aber nicht an frischen Knochen, sondern nur an
fossilen. Desshalb könnten die Schnitte nicht von
plioeänen Menschen herrühren. Ausserdem seien
die Knochen mit den Einschnitten in einer Schicht
gefunden, die nur in tiefer See sich habe ab-
lagern können; von Menschen bearbeitete Kiesel-
geräthe seien allerdings dort in der Nahe eben-
falls gefunden worden, aber niemals in der Schicht
selbst, in der die fraglichen Knochen sich fanden,
sondern gleich an der Oberfläche in weitaus
1 jüngerer Bildung.
Eine so wichtige Frage zur Sprache gebracht,
von einem so bedeutenden Geologen wie Capel-
lini es ist, hat dann weitere Untersuchungen
hervorgerufen. Die Accademia dei Lincei
; in Rom, veranlasst du*%h eine Arbeit von C. de
Stefani, welche derselbe der Akademia vorlegte
und in der er aus geologischen Gründen die Co-
existenz des Ralaenotus mit dem Menschen leug-
nete, bat eine Commission, bestehend aus Sella
und St rüver eingesetzt, um darüber zu be-
richten. Diese kommen zum Schlüsse in ihrem
Bericht, dass das fragliche Fossil in tiefem Meere,
in einer Tiefe von mindestens 1 50 Metern sich ab-
gesetzt habe, also in einer Tiefe, die gänzlich dem
Menschen unzugänglich war ; es könnten somit
die Einschnitte nicht von con temporären Menschen
gemacht worden seiu.
Druck der Akademischen Buchdrvckerei /•’. Straub in München. — Schlau# der Deduktion am 8. Januar 1880.
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Inhalt
Nr. 1. Januar
Zum Neujahr 187«. 8. 1. — Feber Schalcnsteine,
I. uns Schleswig-Holstein. Von J. Mestorf. 8. 8.
— Anthropologische* von Amerika. Von I>r.
0. Löw. 8. <ri, — Sitxungaljerichte «ler LokuWereine.
Sitzung de« ant-hro|>ol<»gii*cln*n Verein)« für Sehlen*
wig-Holstein zu Kiel den 20. D«*zembor 1878. Re-
ferent I>r. Handelmann. 8. 6. — Forrexjton-
dcnzen. 1» An« Aegypten. 2) Au* Neuuiühle bei
Wuixchenfebl . bny. < >herfrunk«*n. 8. 8. Lite-
rarische Anzeigen. 8. 8.
Nr. 2. Februar.
Brief de* Herrn Dr. H. Schliemann , EhrenmitgliiNl
der «leut-ehen unthroi>ologi*ehpn Gesellschaft. 8. 9.
S e h 1 i e ui a n n ’s A usgrubungen in M vkcnä.
Von l*rof. Dr. von Christ. S. 10. — Farbe der
Haare und «1er Haut bei den Alt-C «riechen. S. 16.
Beilage: Hie ai»thro| alogische Ausstellung
in Moskau.
Nr. 3. Mir*.
Heber Verbreitung «1er SteinlMÜl«* uux Nephrit, Jadeit,
Chloroiiielanit. hexomterN in Euro|»a. Von liofrath
Prof. Dr. H. Fi rc her in Freiburg l Baden I. S. 17. —
Feber Schalennteine. II. Ana der Oberpfalx. III. An«
Amerika. 8. 26. — LVlier Hochiteker an« Nor«l-
deutsrhluml. 8. 24. - Li terarisch«* Anzeige 8.24.
Nr. 4. April.
Aufrufan<lieMitgli«'<ler<ler«leut«clien anthropologischem
Gesellschaft lw?trefl* der Herstellung einer Gexniumt-
auHgabe von K. E. v.Baer '«Werken. 8. 2 j. — Neue
anthropologische Memapparate und Messmethoden.
Anthropologische Messungen an lebenden Menschen.
Von Dr. 'Körbin. S. 26. — Bericht über «lie
nordische anthropologisch«; Literatur. Von fng-
vahl U mixet. S. 29. — Kingwälle Ihm Rothen-
burg an «1er Tauber. 8. 61. — Heilige Steine.
1. Aus Sfidltaycrn. S. 62.
Nr. 5. Mai.
Einladung zur X. allgemeinen Versammlung der deut-
schen anthropologisch«*n Gesellschaft zu Strass-
burg. 8. 63. — Künstliche Höhlen in Nmder-
«"»sterreich. Von Dr. M. Much. S. 33. — l’eber
«l«*n neuesten Bronzefnml in Bologna, und ftl»er
«bis Vorkomnnm de« Bernsteins in der Kiuilia in
prähistorischer Zeit. Von Dr. Emil Stöhr. Horg-
werksdirektor. 8. 66. — Materialien zur Vor-
geschichte des Menschen im östlichen Europa.
V’on Albin Kohn und C. Mehlis. S. 88. —
Zur prähistorischen Kartographie der Provinz
Posen. 8. 40. — Prähistorische Würfel. Von W.
Osborn. S. 40.
Nr. 6. Jnni.
Gemauerte Gräber innerhalb der Stadt Stuttgart.
V’on Prof. Dr. O. Fr aas. S. 41. — Ueber «len
neuesten Bronzefund in Bologna, und ül»er das
Vorkommen «lex Bernsteins in der Emilia in prä-
historischer Zeit. Von Dr. Emil Stöhr, Berg-
werkstlirektor. < Schluss.! S. 42. — Zur Statistik
«ler Farbe der Augen un«l «1er Haare in der Schweiz.
8. 46. — Ein slaviscber Burgwall bei Rathenow.
Von v. Al vensleben. Rittergutsbesitzer. 8. 47.
- Kleine Mittheilungen. 1) Fund von drei durch
Menschenhand bearbeiteten Hirschgeweihstücken
aus dem Diluvium in Schlesien. 2) Hei«tnischer B«w
gräbn iss platz bei ScIiw«mU an «ler Oder. 8. 48.
Zweiter Aufruf betreff* «*iner Oesaiunitausgjibe der
Werke von llaer. S. 48.
Sr. 7. Juli.
Di«' Bronzefunde in Bologna. Von .1. Mestorf, Kiel.
S. 49. — Arier un«l Semiten. V’on Dr. Fritz
Bommel, München. S. 52. — Kleine Mit-
theilungen. I) Hochäcker in Norddeutsch lan«l.
2) Ethnographisches Univerntftt*-Mu«eum in Frei-
bnrg in Boden. 8. 56.
Nr. 8. Angast.
Dielt aubvögel und die prähistori«ch«*n Knochenlager.Von
Dr. A. N eh ring. Wolfenbüitel. 8. 57. — Ari»*r
und Semiten. Von Dr. Fritz Bommel . München.
(Schluss.! S. 59. — Kurzer Bericht über «lie prft-
historischen Fnnde mul die einschlägige Literatur
in Italien im Jahn* 1878. Von Dr. Emil Stöhr,
Bergwerksdirektor. S. 61. — Ans der Sitzung des
Zweigvereins Kiel, 27. März 1879. S. 64.
Nr. 9. September.
Bericht über die X. allgemeine Versammlung der
deutschen anthro|silogischen Gesellschaft zu Straxs-
burg am 11., 12. und 16. August 1879, L Tages-
ontnung un«l Verauf der X. allg«*meinen Ä’er-
suminlung. S. 65. — Die der X. allgemeinen Ver-
sammlung vorg«degten Bücher un«l Schriften. 8. 76.
— II. Verhandlungen «ler X. allgemeinen Ver-
sammlung. KrsteSitxiing. 8. 77. — Eröffnungx-
reile «les I. Vorsitzenden 0. Fr aas. 8. 77. —
Begrüßungsrede von Seite des städtischen Ma-
gistrats durch «len Herrn Beigeordneten Baron
von Reichlin- Meldegg. 8.80. - Begrüssungs-
red«> des Herrn G. Gerl and, Isikulgesehäftsfilhrer
«ler X. ullgi'ineinen Versammlung. S. 80. - Wissen-
schaftlicher Bericht über die Isuxtungen der deut-
schen anthropologischen Forschung iiu letztver-
flossenen Vereimyahre durch den Generalsekretär
Herrn J. R a n k e. S. 82. — Kassenbericht des Schatz-
meisters HermWei «man n. 8.8^. - Ueber die Fort-
schritte der Herstellung einer prähistorischen Fund-
karte für Deutschland «Iure h Herrn 0. Fr aas. S. 91.
— PrähistorischeFundkarte vonSüdweetdeutschland,
mit Karte als Beilage. V’on Hrn. Baron v. Tröl t sch.
S. 92. — Prähistorische Fundkarte von Ober-
bayern. Von Herrn Ohlenschlnger. 8. 96. —
Feber prähistorische Funde in Baden. Von Herrn
Wagner. S. 96. — Der Oexawmtkatalog der
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,9
kruniol »gischen Sammlungen Deutschland*. Von
Herrn Schaaff hausen. »S. fl". — Entwurf zur
Erhebung über die körperliche Beschaffenheit der
deutschen Bevölkerung. Von Herrn S c hauff-
hau sen. S. 101. — Zweite Sitzung. S. 104. i
— l'eber Kupferbergbau in Noricum in prähisto- |
rischer Zeit. Von Herrn Much (Wien!. S. 104. t
Nr. 10. Oktober.
l'eber Kupferbergbau in Noricmu in prähistorischer
Zeit. Von Herrn Much! Wien». (Schluss. ) S. 105.
— Heroengräber in Württemberg: Belleremise und
kleiner Aeperg. Von Herrn O. Fra as. S. 108.— l'eber
geschlagene und geschliffene prähistorische Stein-
werkzeuge. Von Herrn Fischer. S. 1 10. — .Steinzeit in
Bayern. Von Herrn J. Hanke. S. 112. — Dritte
Sitzung. S. 1 18. — Neue Pfahlbaustutionen iiu
Hieler-u. Neuenburger-See. Von Hrn. Dr.V.d ros«.
S. 118. — l'eber Schädel der Sfidseebewohner
aus der Sammlung Godefroy in Hamburg. Von
Herrn R. Krause. S. 121. — Neuer Zeichen- und
HwMppont für Schädel. Von Herrn K. Krause.
S. 124. - Zeichenapparat für Schädel. Von
Herrn .1. Ranke. S. 124. — Neue prähistorische
Forschungen im Rheinlande. Von Herrn Schaaff-
hausen. S. 124. — Mittheilungen von J. Me 8-
torf. S. 130. — Ausgrabungen bei Dürkheim a. H.
Von Herrn Mehlis. S. 132. — Steinzeit in
Aegypten. Von Herrn Mook. S. 134. — Ueber
die Herstellung einer Statistik der Köpergrüsse,
zunächst für Süddeutschland. Von Herrn Ecker.
a isa
Nr. 11. November.
Neue Station der Mainuthjiiger. Von Herrn Mach.
S. 138. — l'eber kleinariatiache Steinzeit und die
trojanischen Heroengräber. Von Herrn R. Vi r c h o w.
S. 189. — Vierte Sitzung. S. 147. — Die Aus-
grabungen auf dem sj>ätrömi*chen Todtenfeld beim
Weiwthurmthor in Strassburg. Von Herrn Straub.
S. 147. — Die Schädel der Strassburger Nekro-
pole; ton» occipitalis; trochanter tertius. S. 151.
- Kleinasiatische, namentlich trojanische Alter-
thümer. Von Herrn R. Virchow. S. 152. —
l'eber Schwurechaalen. Von Herrn Sepp. 8.155.
— Schlusswort der X. allgemeinen Versammlung
durch den 1. Vorsitzenden derselben Herrn O.Fraau.
S. 156. — Rednerliste der X. allgemeinen Ver-
sammlung. S. 156.
Nr. 12. Dezember.
Ceber einige bomerkungswerthe Grabfunde in der Um-
gegend von Hannover. 1» Das l'rn« nlager in den
Stehlinger Bergen. 2) Kegelförmige Gräber bei
Bethen an der Leine. Von Herrn Amtsrath
E. St ruck mann. S. 157. — Kurzer Bericht
über die prähistorischen Funde und die ein-
schlägige Literatur in Italien im Jahre 1878.
Von Herrn Bergwerks-Direktor Dr. Emil St ö h r.
f Schluss zu Nr. B.) S. 15®.
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r
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
\
fnr
Anthropologie. Ethnologie und Urgeschichte.
x?.
Jahrgang 10SO.
Kedigirt von
Professor Dr. Johannes Ranke in München
General iekretär der Gesellschaft.
München.
Akademische B uohd r uok erei von F. Straub,
im
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
ltaligirt von Professor Pr. Johanne« Hanke in München,
QmtraUtntiiir der G**«£Uctu\f\.
XI. Jahrgang. Nr. 1. Erwbeint jeden Monat. JaüUür 1880.
Zum Neujahr 1880.
Wir sind in der angenehmen Lage, unsere Mittheilungen an die Gesellschaft mit einer er*
fraulichen Nachricht beginnen zu können.
Nach dem in Strassburg gefassten Beschluss soll der Congress der deutschen Anthropologen
im Jahre 1880, in welchem unsero Gesellschaft das U. Jahrzehnt ihrer Thätigkeit beginnt, zum
ersten Male in der Roichshauptstadt und zwar vom 5.— 12. August tagen. Vorstandschaft
und Lokalcomite sind bemüht, dieser Zusammenkunft, dem Orte der Vereinigung entsprechend, eine
erhöhte Bedeutung zu verleihen; namentlich wurde in Aussicht genommen, mit dieser, der XI. Ver-
sammlung eine allgemeine deutsche anthropologisch -urgeschichtliche Ausstellung
in Berlin zu verbinden.
Auf Veranlassung des derzeitigen I. Vorsitzenden unserer Gesellschaft, des Herrn Geheimrath
Professor Dr. R. Virchow, machte die Vorstandschaft nach Gesammtbeschluss die einleitenden Schritte
zur Verwirklichung dieses Planes zunächst bei der königlich Preussischen Staatsregierung.
Mit freudiger Genugthuung können wir die Mittheilung von der entgegenkommenden
Aufnahme machen, welche an dieser Stelle unser Gesuch gefunden hat. Nach Gesammtbeschluss der
Vorstandschaft wird nun die gleiche Bitte um Unterstützung de9 Unternehmens an die übrigen
deutschen Staatsregierungen, wie wir hoffen dürfen mit dem gleichen günstigen Erfolg, gerichtet werden.
Im Nachstehenden theilon wir die beiden Eingaben und den auf die erste an uns gelangten
Erlass des Königlich Preussischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal&ngelegen-
heiten mit:
München, den 11. November 1879.
An Seine Excellenz den Königlich Preussischen Minister der geistlichen, Unterrichts
und Medicinal- Angelegenheiten Herrn von Puttkam in er.
Euer Excellenz
wollen hochgeneigtest dem ergebenst Unterzeichneten gestatten, im Namen und Auftrag der
deutschen anthropologischen Gesellschaft Nachstehendes vorzutragen.
Die X. allgemeine Versammlung der deutschen Anthropologen, welche in der zweiten August-
woche dieses Jahres in Strassburg tagte, wählte durch einstimmigen, freudigst aufgenommenen Be-
schluss für das Jahr 1880 Berlin als Versammlungsort, als Zeitpunkt der Zusammenkunft wurde
vorläufig die zweite Woche des August in Aussicht genommen.
Die Gesellschaft, 1870 zu Mainz von einer Anzahl hervorragender Gelehrter gegründet, zählt
heute, über ganz Deutschland in Zweigvereinen verbreitet, über 2000 Mitglieder. Ihre Vorstandschaft
I
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bilden für das laufende Vereinsjahr 1879,80 Herr Geheimer -Medicinalrath Professor Dr. R. Virchow
(Berlin) als I. Vorsitzender, Herr Gehei rarath Professor Dr. A. Ecker (Freiburg in Baden) und
Herr Professor Dr. 0. Fr a as (Stuttgart) als stellvertretende Vorsitzende, ausserdem unseren Statuten
gemäss noch als Schatzmeister Herr Lehrer Weismann in München und ebenda der ergebenst
Unterzeichnete uls Generalsekretär. Die Lokalgeschäftsftibrung für Berlin haben die Herren Stadtrath
Fr i edel, Direktor des märkischen Provinzialinuseums und Dr. Voss, Drektorial-Assistent am könig-
lichen Museum, beide in Berlin, Übernommen.
Erlauben nur Euere Excel lenz einige Worte über die Ziele der Gesellschaft. Die eine
unserer Hauptaufgaben ist die wissenschaftliche Erforschung der Denkmäler Deutschlands aus 'der
ältesten vorrömischen Zeit, sowie aus jenen nachrömischen Perioden, in welchen noch eine durch
ausreichende schriftliche Urkunden beglaubigte Geschichte fehlt, um aus diesen Resten der Vorzeit
die Wanderungen und Wandlungen der Stämme auf deutschem Boden , die Geschichte der Bildung
unserer Nation zu reconstruiren. Die zweite, nicht weniger wichtige Aufgabe ist die wissenschaft-
liche Feststellung der heute in unserem grossen Vaterlande bestehenden ethnologischen Ver-
hältnisse durch fachmännische Untersuchungen fassend auf einer möglichst ausgedehnten somatolog-
ischen Statistik. In beiden Richtungen ist Dank der huldvollen Förderung und Unterstützung
unserer insbesondere hei den alljährlichen Hauptversammlungen sich betätigenden Bestrebungen durch
die deutschen Regierungen vor allem jener Preussens schon Manches erreicht aber doch das Meiste
noch zu erreichen.
Auch für die beabsichtigte XI. allgemeine Versammlung unserer Gesellschaft in Berlin
wagen wir es, Euer Excellenz Wohlwollen und geneigte Unterstützung zu erbitten.
Die Gesellschaft tagte bisher womöglich in solchen Städten, wo durch wohlgeordnete und
hervorragende urgesebichtliehe Sammlungen den Theilnehmern Gelegenheit zu Fachstudien geboten
war. Für die VI. Versammlung in München 1875 war mit Unterstützung der Königlich Bayerischen
Staatsregierung aus allen öffentlichen und Privat-Sanunlungen Bayerns eine bayerische anthropologisch-
urgesc hiebt liehe Ausstellung zusnmmengebracht , deren wissenschaftliche Bedeutung allseitige Aner-
kennung fand.
Unsere Gesellschaft wird im kommenden Jahre zum ersten Male in der Reichshauptstadt
tagen. Um diese Zusammenkunft dem Versammlungsort entsprechend vor allen bisherigen würdig
auszuzeichnen und gleichsam Rechenschaft von unseren bisherigen Leistungen zu gehen, ist der Ge-
danke angeregt worden, im Anschluss an diese Versammlung eine
allgemeine deutsche anthropologisch-urgeschichtliche Ausstellung in Berlin 1880
zu veranstalten, wozu, nach einem im Einzelnen festzustellenden Programm, Beiträge aus den Museen
aller deutschen Staaten erbeten werden sollten. Es hat sich zur Verwirklichung dieses Ge-
dankens unter dem Vorsitze des Präsidenten unserer Gesellschaft, des Herrn Geheimrath Virchow,
ein Comitd constituirt, zu welchem die beiden Lokalgeschäftsführer für Berlin, Herr Stadtrath Friedei
und Herr Dr. Voss gehören.
Ein solches Unternehmen kann aber erst dann ernsthaft ins Auge gefasst werden, wenn es des
freundlichen Entgegenkommens der deutschen Staatsregierungea gewiss ist. Wir fühlen uns daher, ehe
wir der Ausarbeitung des Gedankens näher treten, vor allem verpflichtet, Euerer Excellenz die ganz
ergebenste Anfrage vorzulegen, ob Hochdieselben geneigt sind, unserem Unternehmen Ihren wohl-
wollenden Beistand zuzuwenden. Wenn wir uns desselben für versichert halten dürfen, so würden
wir Euerer Excellenz demnächst spezielle Anträge ehrerbietigst unterbreiten.
Indem wir einem gütigen Bescheid vertrauensvoll entgegensehen, verharren wir ehrerbietigst
Gcneralsckretariat der deutschen anthropologischen Gesellschaft
Professor Dr. Johannes Ranke.
München, Brienner-Strosse 25.
Hierauf erfolgte der nachstehende Erlass, auf welchen, nachdem am 29. Dezember 1879
Gesummt beseht uss der Vorstandschaft erreicht war, das augeschlosseue Dankschreiben, in Verbindung
mit neueil Anträgeu eingeseudet wurde:
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Ministerium Berlin, den 2. Dezember 1879.
der geistlichen, Unterrichte- und Medicinal-Angelegenheiten.
J. No. U 1. 8009.
Ew, Hoch wohlgeboren erwidere ich ergebenst Auf die gefUllige Zu-
schrift vom 11. November d. J., dass ich von dem Entschluss der deutschen
anthropologischen Gesellschaft, ihre nächstjährige Versammlung in Berlin
abzuhalten und mit derselben eine allgemeine deutsche anthropologisck-
urgeschichtlicheAusstellung zu verbinden, mit lebhaftem Interesse Kennt-
niss genommen habe und gern bereit sein werde, sowohl der Versammlung,
als der Ausstellung meine fordernde Theilnahme zuz uw enden.
Ich stelle daher Ew. Hochwohlgeboren anheim, mir baldigst die in
Aussicht gestellten speziellen Anträge hinsichtlich der Punkte zukoramen
zu lassen, hinsichtlich deren dem Gesellschafts vor stände meine Beihfllfe
wünschenswert)! sein möchte.
Der Königlich Preussische Minister
der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten
Puttkammer.
An
den Generalsekretär der deutschen anthropologischen Gesellschaft,
Herr Professor Dr. Ranke
Hoch wohlgeboren zu München.
Euer Exeellenz
München, den 3. Januar 1880.
haben durch hohen Erlass vom 2. Dezember verfl. Jrs. mit Beziehung auf das ehrerbietigste
Anschreiben des Unterzeichneten, in welchem für die im Laufe dieses Jahres in Berlin abzuhaltende
Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft sowie für eine mit dieser Versammlung
zu verbindende allgemeine deutsche anthropologiseh-ursgeschichtliche Ausstellung Euer Exeellenz wohl-
wollender Beistand erbeten wurde, nach beiden Richtungen lebhaftes Interesse sowie fördernde Theil-
nahme hochgeneigt est zugesichert.
Euer Exeellenz wollen mir gestatten, für diese hoch erfreulichen Zusicherungen im Namen
und Auftrag des Vorstandes der deutschen anthropologischen Gesellschaft freudigsten Dank auszusprechen.
Im Anschluss an den Ausdruck des Dankes erlaube ich inir noch dos Folgende vorzutragen.
Der Vorstand der deutschen anthropologischen Gesellschaft hat das in dem Anschreiben vom 11. Nov.
verfl. Jrs. bezeichnete Lokalcomite für die Abhaltung der Versammlung und Ausstellung in Berlin,
bestehend aus dem derzeitigen I. Vorsitzenden der deutschen anthropologischen Gesellschaft , Herr
Geheim-Medicin&lrath Professor Dr. R. Virchow und den beiden Herren Stadtrath Fr i edel und
Dr. Voss mit der Führung aller betreffenden Geschäfte beauftragt. Von dieser Seite aus werden so-
nach auch die speziellen Anträge unterbreitet werden, bezüglich doren dio deutsche anthropologische
Gesellschaft Euer Exeellenz hochgeneigte Unterstützung erbitten möchte. Vor allem wird sich diese
Bitte dahin richten, dass, zum Zweck der genannten Ausstellung, die betreffenden Vorstände der
einem hohen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten unterstehenden
historisch-archäologischen, anthropologisch-urgeschichtliehon sowie palttont.ologischen Landes-, Provinzial-,
Universität«- und Schul-Samml ungen u. a. von Euerer Exeellenz ermächtigt werden, speziell zu be-
zeichnende Gegenstände für die Zeit dor Ausstellung leihweise dem Comitü zu überlassen.
Als Termin für die Versammlung sind nun definitiv die acht Tage vom 5. — 12. August
1. Jrs. festgesetzt worden ; im Hinblick auf die hohe wissenschaftliche Bedeutung der ersten allge-
meinen deutschen anthropologisch-urgescbichUichen Ausstellung würden wir wünschen, dieselbe nach
Beendigung der Versammlung auf 8 — 14 Tage dem allgemeinen Besucht* zugänglich zu machen.
Als Lokal für Abhaltung der Sitzungen der Versammlung sowie für die Ausstellung hat das Lokal-
Comitc mit vorläufiger Zustimmung des Präsidiums des Abgeordnetenhauses Räume des letzteren in
Aussicht genommen.
Indem wir einer wohlwollenden Aufnahme der vorgelegten Bitte entgogensehen , verharren
wir ebrerbietigst Generalsekrotariat der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
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4
Die Schweizer Jagend nach der Farbe der
Augen, der Haare acd der Haat.
Von Profeiwor K oll mann (Berlin).*!
Die Erhebungen liegen aus 21 Kantonen voll-
endet vor: Baselstadt, Baselland, Zürich, Luzern,
Glarus, Thurgau, Appenzell i. R., Appenzell a. R.t
St. Gallen , Graubllndten , Unterwalden ob dem
Wald, Unterwalden nid dem Wald, Schaffhausen,
Zug, Solothurn, Wallis, Aargau, Neuchatel, Frei-
burg, Waadt und Schwyz. Nach fehlen 4 Cantone:
der umfangreiche Kanton Bern, dann Genf, Tessin
und Uri.**) Es ist gegründete Hoffnung, dass noch
in diesem Jahr die Erhöhung auch dort stattfindet.
Erhebungs-Formular.
Kanton
Bezirk
Gemeinde ...... Schulort
Namen und Charakter der Schule
(Primat-, Sekundär., Hcrirkt-, Kantonal-, Privatechule etc.)
Kla**e (in eingetheilten Schulen)
Schulsprache - J
"
Zahl der
unter
l| Jahren
Schüler
von
ll-'6 Jahr.
1. Blaue Angen , blonde Haare,
helle Haut
2. Blaue Augen, robhe Haare,
'
8. Blaue Augen . braune Haare,
helle Haut.
4. Blaue Augen, braune Haare,
branne Haut
5. Graue Augen, blonde Haare,
helle Haut
6. Graue Augen, rothe Haare,
helle Haut
7. Graue Augen , braune Haare,
helle Haut
8. Graue Augen . braune Haare,
braune Haut
9. Graue Augen, schwarze Haare,
braune Haut
10. Braune oder schwarze Augen,
blonde Haare, helle Haut . .
11. Braune oder weh warze Augen,
rothe Haare, helle Haut . .
12. Braune oder »ehwarze Augen,
braune Haare, helle Haut . .
13. Braune oder schwarze Augen,
braune Haare, braune Haut .
14. Braune oder »ehwarze Augen,
schwarze Haare, braune Haut
’
.
15. Andere Farbencombinat innen
Zusammen
den .... 1878. ~
Name de« Lehrers oder Lehrerin
*) Der X. all gern. Vers, vorgelegt v. Hm. Virehow.
**) Bi» zum Tag der Correctur 18./I. 80. war die
Erhebung au» den Kantonen Genf und Uri eingelaufen ;
im Kanton Bern ist die Erhebung im Gange. K.
Die stattliche Zahl der Kantone, welche den
Wünschen der schweizerischen naturforschenden
Gesellschaft so bereitwillig entgegen gekommen,
ergibt schon heute der Ueberblick auf eine
hbchst respektable Summe von Individuen. Mehr
als Million ist untersucht, genau 275,289.
Durch den Ausfall der obenerwähnten Kantone
wird leider das bis jetzt untersuchte Gebiet in
zwei Gauen getrennt, die ungleich an Grösse im
Osten und Westen liegen. Immerhin scheinen
mir die Ergebnisse für die Generalversammlung
der deutschen anthropologischen Gesellschaft in
mancher Hinsicht der Beachtung werth.
In der Schweiz wurde das Formular für diese
Statistik dem deutschen nachgebildet , die Com-
mission hatte eine im Ganzen unwesentliche Aen-
derung vorgenommen, die aus dem nebenstehenden
Formular horvorgebt.
Die statistische Berechnung ist unter der Leitung
des Hrn. Dr. Alb. Guttstadt ausgeführt, der schon
das Riesenmaterial der preussischen statistischen Er-
hebung bearbeitet hat, so dass nach dieser Seit« hin
die volle Zuversicht in die vorliegenden Zahlen zu
setzen ist. Unter seiner Leitung wurden ferner die
vorliegenden Karten angefertigt, nemlich Karte I,
welche zeigt, wie viele von hundert untersuchten
Schulkindern den blonden Typus besassen (Kate-
gorie 1 des Schweizer Formulares i. e. blaue Augen,
I blonde Haare, helle Haut.
Die Karte II stellt dar, wie viel von 100
I untersuchten Scbulkindern den brünetten Typus be-
j sassen (Kateg, 12 — 14 des Schweizer Formulares).
Karte III veranschaulicht die Häufigkeit der
braunen Augen (Kategorien der Schweiz 10 bis
14) auf je 100 Kinder mit blauen Augen (Kate-
gorie 1 — 4 des Schweizer Formulares).
Karte IV gibt endlich die Menge der grauen
Augen (Kategorie 5 — 9 des Schweizer For-
mulares) unter 100 Kindern mit hellen Augen
(Kategorie 1—9.)*)
Im Norden , wo die Schweiz an deutsche
Staaten angrenzt, ist das Resultat der deutschen
statistischen Erhebungen eingetragen. Es ergibt
sich dadurch sofort : dass bei der notorischen
Identität der drei verschied enenTypen,
der beiden blonden und des brünetten, die Schweiz
dennoch manche Unterschiede gegenüber dem
angrenzenden deutschen Gebiet erkennen lässt.
Dio Hänfigkeit der einzelnen Typen ist ver-
schieden und dadurch ist ein zwar mässiger aber
doch schon unverkennbarer Unterschied gegeben.
Ara schwächsten ist der rein blonde Typu*
mit blauen Augen vertreten (Kategorie 1, Karte 1),
*) Die erwähnten Kurten wuren im Sitzungssaul
ausgestellt.
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ö
während der zweite blonde Typus (Kategorie 5)
und der brünette (Kategorie 12 — 14) ungefähr
gleich an der Stärke sind, der brUnette ist laut
Karte 111 und Tabelle 1 immerhin beträchtlicher.
Auf Einzelheiten übergehend bemerke ich zu-
nächst bezüglich des blonden Typus Kategorie 1
die relative Armuth gegenüber Deutschland.
Von 100 untersuchten Kindern hatten blon-
den Typus:
SctiwtU Anprcnceiidra D.ut»chl»nd
2—8 pCt. 1^—20 pCt.
0—10 . 21—30 ,
11—14 ,
Im Kanton Baselland und Aargau sind z. 13.
13 pCt. blond- und blauäugig, im Kanton Zürich
14 pCt., im gegenüberliegenden Baden 21 bis
30 pCt. Ebenso verhält es sich mit dom Canton
Thurgau. Weniger ausgeprägt ist in dieser Hin-
sicht Basclstadt und die Grenzgebiete von Solo-
thurn gegenüber dem Elsa&s; die Differenz ist
nicht so gross und liegt vielleicht dieselbe noch
innerhalb der Fehlergrenze in der Beobachtung.
Baaelstadt (Kategorie 1) hatte .... 14 pCt
Solothurn , 1 * 12 ,
Das angrenzende Elsas» (Kategorie 1) hatte 15 — 20 ,
Der nicht unbedeutende numerische Gegensatz,
der namentlich in den Kantonen B a se 1 1 a n d ,
Aargau, und Zürich in die Augen springt,
bringt auf die naheliegende Vermuthung, dass
der Rheinstrom seit alter Zeit einen trennenden
Einfluss geübt habe, so dass die Typen der beiden
Ufer sich eben in einer bestimmten Menge er-
hielten. Aber die Voraussetzung bedarf doch
noch eingehender Prüfung. Das auf deutscher
Stromseite liegende Gebiet des Kantons Schaff-
hausen verhält sich nemlich trotz der nahezu
völligen Umgrenzung durch das badische Ober-
land somatologisch dennoch wie ein Schweizer
Kanton.
Blonde Bevölkerung in Baden (Kat. 1) 21—30 pCt.
. . im Canton Schaff-
liansen (Kat. 1) nur 9 — 11 *
Wenn nicht irgend welche z. Z. noch un-
bekannte Ursachen das Ergebniss der Statistik
beeinflusst haben , so stehen wir vor einer im
höchsten Grade interessanten Erscheinung. Denn
unter den ungünstigsten Umständen wird hier die
typische Beschaffenheit einer Bevölkerung fost-
gehalteu. Ich Unterlasse es, auf die Tragweite
dieser Erscheinung hinzuweisen , falls keinerlei
störende Einflüsse die Erhebung hier getrübt,
obwohl schon jetzt darauf hingewiesen werden
kann, dass der Kanton Schaffhauscn seine anthro-
pologische Eigenart nicht allein in Bezug nuf
Kategorie 1 oder 5 festhält , sondern dass selbst
der brünette Typus sie durch sein numerisches
Verhältnis deutlich ausdrückt
Schon zur Zeit der alemannischen Einwan-
derung soll bei Schaffbausen ein enger Verkehr
zwischen beiden Ufern bestanden haben. Der
Handelsverkehr soll hier, oberhalb des Wasser-
falls vermittelt worden sein. Schon um das Jahr
1000 existirt ein befestigter Flecken mit regem
Handel. 1501 schliesst sich Schaffhausen mit
seinem Gebiet an die 8 Kantono der Schweiz an.
Hierher noch einige genauere Zahlenangaben
betreffend die Erhebung im Kanton Schaff-
| hausen:
Zahl der Kinder 6506.
nionde
Brünette
Kulpgori.« 1 j ,,g 4 (
1 10.1
! 29,3
27,5 °/°
Baden ....
. 24,3
21,1 .
Bayern ....
. 20,3
21,1 .
Württemberg . .
Elsit&K-Lothrmgen
. 24,4
13,25 ,
. 18.4
25,2 „
Ein kurzer Blick auf die Zahlen lehrt die
Zunahme der Blonden, wenn man sie wie bei
der deutschen Erhebung gemeinsam berechnet,
ohne graue und blaue Augen auszuscheiden.
Werden beide Kategorien getrennt berechnet, so
ergiebt sich ein sehr bedeutender Zuwachs an
grauäugigon Elementen. Der Kanton Schaffhausen
untorscheidet sich also sowohl was die relative
Zahl der Blonden überhaupt, als was diejenige
der Brünetten betrifft von dem angrenzenden
Deutschland.
Aus der Erhebung bezüglich des blonden Ty-
pus (Kategorie 1 des Schweizer Formulares) hebe
ich ferner die Abnahme desselben hervor vom
Norden der Schweiz nach dem Süden. Sehr stark
ist der Gegensatz zwischen den einzelnen Kantonen
nicht , was auch bei der geringen Zahl der cha-
rakteristischen Vertreter kaum möglich, immerhin
1 zeigt sich eine Abnahme imKanton Luzern und Glarus.
In der Westschweiz herrscht io dieser
Hinsicht eine sehr nahe Uebereinstimmung mit
der Ostschweiz. Die Kantone Neuchatel, Waadt
und Wallis verhalten sich sehr übereinstimmend
11 — 14 pCt. während im Kanton Freiburg die
Zahl etwas geringer ist 10 pCt.
Die Menge des zweiten blonden Typus
mit grauen Augen (Kategorie 5 — 9 des
Schweizer Formulares), Karte III, ist bedeutender
als die des blonden, ist grösser als in Deutsch-
land überhaupt und viel grösser als in den an-
grenzenden Gebieten Süddeutschlauds (siehe Ta-
belle 1); dieser zweite Typus nimmt überdies in
weiterem Gegensatz zu dem vorhergehenden gegen
den Süden der Schweiz zu. Allein , soweit die
Untersuchungen jetzt vorliegen , verhält sich die
Ostschweiz anders als die Westschweiz. In der
letzteren sind wieder die drei Kantone Neuchatel,
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6
Waadt und Wallis gleich, d. h. von 101 Kindern
mit hellen Augen (Kategorie 1 — 9) haben graue
Augen (Kategorie fi — fl) 07 — 70 pCt. Im Kauton
Freiburg zeigt sieh eine massige Zunahme von
75 — 80 pCt. In der Ostschweiz liegen dagegen
die Verhältnisse etwa« anders:
Znrich, Schwyz. Thurgau und die hehlen
Ruse! zeigen t»7 70 pCt.
Solothurn. Aarguu. Zug u. Appenzell zeigen 71—74 ,
Schaffhatisen, St. Gallen und Gmuhündten
zeigen 75 — 80 p(’t.
daran reihen sich die übrigen Kantone, in denen
die Kategorie 5 — 9 noch mehr zunimmt : Glarus,
die beiden Unterwalden und Luzern, Was die
letzteren betrifft, so kann eine Deutung erst nach
Vollendung der ganzen Statistik versucht werden.
Für die übrigen Kantone verweise ich zu-
nächst auf das schon erwähnte Verhalten des
Kantons Scbaffhausen, der wie eine Insel sich in
in dieser Beziehung selbst gegen die Schweiz ab-
hebt, und daneben das Verhalten von Baselstadt,
Baselland und Appenzell, die sich hell von dunklem
oder besser mehr grauiiugigen Gebieten trennen.
Die Verth eil ung und die Häufigkeit des brü-
netten Typus, Kategorie 12—14 ist nicht
minder charakteristisch als das Verhalten des
Idond- und grauäugigen. In der Karte II ist
ausgedrückt, wie viel von 100 untersuchten Schul-
kindern braunen Typus (Kategorie 12— 14) hatten.
Es stellt sich heraus, dass das LT ebergewicht ein
sehr beträchtliches. Und es bleibt sich völlig
gleich, selbst dann, wann sämmtliche Kategorien
des blonden Typus 1 — 5 mit denen des brünetten
Typus (Kategorie 10 — 14) verglichen werden.
(Siehe Karte ITI.) Im Osten der Schweiz kommt
dazu noch die scharf ausgeprägte Erscheinung,
dass der braune Typus bis nach Grauhündten
hin immer mehr zunimmt.
Von 100 untersuchten Schulkindern hatten brau-
nen Typus : Scbwcii Atigrrnf. J ►iMiiscUnn A
Solothurn, Argau, Schwyz 21 — 25 pCt. 10 — 15 pt*t.
Sc ha tf hausen. Zürich.
Thurgau u. BL Gallen 26—20 . IG— 20 -
Grauhündten I50-H4 . 21—25 .
Dieses Verhalten des brünetten Typus in der
Ostschweiz bestätigt die Vermuthung Vi r chow’s,
dass ein Theil der dunkeln Bevölkerung aus dem
Süden gekommen sei. Die Ergebnisse der Sta-
tistik in Deutschland legten diese Vermuthung
nahe, dass nach dieser Richtung hin sich die Inteu-
sitUt steigern werde, und die Voraussetzung
hat die Schweizer Statistik glänzend begütigt.
Bis tief nach Mitteldeutschland hinein zeigt sich
das Verbreitungsgebiet, und auf dem Wege dort-
hin trifft dieser brünette Typus mit einem gleich-
falls brünetten zusammen , der einst der Donau
gefolgt ist.
Was die Ausdehnung dieses brünetten Typus
in der Schweiz betrifft , so dürfen wir von dem
Abschluss der Statistik noch werthvolle Ergeb-
nisse envarten. Schliesst sich der Kanton Tessin
an Grauhündten an, oder »n das Wallis? deutet
die stärkere Zunahme der Braunen in den Kan-
tonen Neuchatel, Waadt und Freiburg auf einen
zweiten Strom, der das Rhonethal heraufkarn, um
den Rhein zu gewinnen, wie schon Virchow auf
Grund der deutschen Erhebungen und der Nach-
richten über alte Handelswege vermuthet hat?
Schon jetzt scheint es , als ob zwei gesonderte
Ströme von Braunen nordwärts vorgedrungen
wären: der eine von der Ostschweiz, der andere
von der West Schweiz aus. Die frühere Trennung
ist heute noch angedeutet durch die geringere
Häufigkeit des brünetten Typus in den Kantonen
Aargnu, Schwyz und Solothurn. Innerhalb dieser
helleren , nicht unbeträchtlichen Zone herrscht
ferner, und das ist wie mir scheint sehr beaebtens-
westh eine vollkommene Uebereinstim-
mung mit dem naheliegenden Gross-
herzogthum Baden (Karte II).
Angesichts der U n Vollständigkeit, des Fehlens
gerade höchst wichtiger Gebiete ist die grösste
Zurückhaltung geboten bezüglich eines Versuches
die vorliegenden Ergebnisse mit denen der histo-
rischen Forschung zu vergleichen. Doch soll
eine frappirende Erscheinung nicht unerwähnt
bleiben.
Nach dem Zeugniss der Alten lebten in dem
südöstlichen Theil der Schweiz die Rhätier, eine
Völkerschaft, die mit den Helvetiern nichts gemein
gehabt haben soll. Von den Rbätiorn nehmen
seit Niebuhr neuere Geschicbts- und Sprachforscher
an, dass sie das Stammvolk der Etrusker gewesen
seien, während sie nach einer anderen von Plinius
gemachten Angabe umgekehrt aus nordwärts ge-
flüchteten Horden etruskischen Stammes sich ent-
wickelt haben solleu. Nach Tiberius wurde später
diese alte r hätisehe Bevölkerung der römischen Herr-
schaft unterworfen , und dass es bei dieser Ge-
legenheit an dem Eindringen fremder Elemente
nicht fehlte, dass später wohl noch die Völker-
wogen der Alemannen bis in jene Bergthäler sich
fortbewogt, liegt auf der Hand. Allein dennoch
hebt sich heute das alte rhätische Gebiet, jetzt
Glarus, Appenzell, der südliche Theil von St, Gallen
und das Graubüudtner Land, in sehr bemerkens-
wert her Weise von den übrigen Gebieten der
Schweiz ab.
Würde sich durch die Vollendung der stati-
stischen Erhebung diese ethnologische Gruppe des
Weiteren bestätigen, dann wäre der Schluss be-
rechtigt , dass der alte Volksstamm , der vor
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2000 Jahren in jenen Thälern gehaust, noch I
nicht gänzlich verschwunden ist, es würde ferner
ein Hinweis dafür sein, dass mit dem Eindringen
neuer siegreicher Völker nicht immer auch die (
Vernichtung des Besiegten Hand in Hand geht.
Unter den Vertretern des rein brünetten Typus 1
hätte man dann nach den Nachkommen der alten
Rhätier zu forschen. Allein auch trotz dieses
Fingerzeiges werden die Untersuchungen auf grosse
Schwierigkeiten stossen. Es existiren dort roma-
nische Gebiete , deutsche und italienische. Das
Engadin ist romanisch , und das sog. Oberland,
durch das der Vorderrbein sich seinen Weg bahnt.
Dort nahe dem Schluss des Thaies haben für
Herren H i s und Kütimeyer den Namen die
ihre Dissen tisform gewählt, für Schädel von einer
oft beinahe cubischen Gestalt mit einem Längen-
breiteniudex von SG, 5 im Mittel.
Zum Schluss noch 3 Tabellen , uni 1) die
Vertheilung der drei Typen in Deutschland und
der Schweiz zu erläutern. Die Zahlen der Tabelle 3
waren in beiden Ländern entscheidend für die
Aufstellung der Farbenskala.
2) Eine Tabelle, welche die einzelnen Cantone
nach der Häufigkeit der einzelnen Typen in auf-
steigender Reihe aufzählt.
3) Die Prozentzahlen für die einzelnen Cantone
und für die Kinder unter und über 1 1 Jahren.
Tabelle 1 .
Vergleichung der FurbenskMa zwischen
Deutschland und der Schweiz.
Von W. Buttstädt.
Von 100 untersuchten Schulkindern hatten blon-
den Typus:
Kategorie 1.
FariMMkila.
Ueutichlind
Schweix
9 - 20
2 -s
21—80
9-10
81 -4o
11-14
41—50
15-801
AngrnuMSilc»
51—54
21— :toi
IVul.chUniJ
Von 100 untersuchten Schulkindern hatten b rau-
nen Typus;
Kategorien 9, 10, 11.
ft -10 11 — 15
11 — 15 16—20
16 —20 21 -25
21—25 26 -29
26—29 «SO - 34
Auf 100 Kinder mit. blauen Augen kommen mit
braunen Augen:
Kategorie 1 + 2 + 3 + 12 — 1 00
mithin 8 + 9 + 10 + 11+ 141=
20-40 101-1201 4
41-60 121-140} teSÄ
61—80 141 — 1681
Firtmktk
I tont*: li Und Sch w «ix
Hl — 100 190—250
101—120 251—350
121-140 351—460
141—168 461-1900
Von 100 Kindern init hellen Angen halten graue
Augen:
Kategorien 1+2 + 3+4 + 5+6 + 7+12
+ 13= 100
mithin 4+5+-6 + 7-j-I8=r
30 40 41 — 50 1 An|[renieailn
41 -50 51 - ßo j l><*ut,cUlaml
51 60 67-70
61—70 71 -74
71-74 75—80
81—85
86—97
Tabelle 2.
Auf 100 der untersuchten Kinder kommen:
Kategorie 1.
Blaue lagen, blonde Haare, helle Haut.
Unterwalden o. W. 2 pt't. [Waadt .... 11 pCt.
Glarus .... 7
Luzern .... 7
Unterwalden n. W. 8
) Graubfindten . . 8
I St. Gallen ... 9
Appenzell ... 9
Sehatfliauseii . .10
Zug 10
Freibnrg .... 10
Appenzell i. Khod. 11
Kategorie 5.
Graue Augen, blonde Haare, helle Hant.
Graubfindten .
. 21,1 pCt.
Baselstadt . .
26,0 pL't.
Waadt . . .
. 21,3
IhtHclhind . .
26,2
Wallis
. 22,2
Frei bürg . .
28,3
Zürich . . .
. 23,1
.Appenzell a. M.
27,3
Ziijf ....
. 23,4
Appenzell i. K.
27,3
Glarus . . .
. 23.8
Aurgau . . .
28
Thurgau
Neue hüte 1 . .
. 24.0
Sc hu tf hausen .
29
. 24,6
Luzern . . .
3«
Schwyz . . .
. 25,5
Untenrahlen o.W
34,5
Solothurn . .
St. Gallen . .
. 25,9
. 26.0
:
Unterwalden n.W
47.7
Kategorie 12, 14.
H raune Augen, braune Haare, braune Haut.
Unterwalden n. W. IC pCt.
Haselland
. . 26 pCt.
Unterwalden o. W. 20
Frei bürg . .
. . 2«
Aargau .... 23
Xeuchatol
. . 27
Watiis .... 23
St. Gallen .
. . 27
Zu« 83
Schatfbauaen
. . 27
Appen /Hl i. Khod. 21
Thurgau . .
. . 27
Baselstadt . . . 24
Zürich . .
. . 27
Solothurn . . . 24
Walli» . ,
. . 29
Appenzell a. Khod. 25
Glarus . .
. . 31
Luzern .... 25
Graubündten
. . :*4
Schwyz .... 25
Ill-lS
Angrenzendes Deutschland . .
16 20
21—25
IAngrcniMd*»
DruiKband
Wallis . . .
. 11
NeiichutH . .
. 12
Solothurn . .
. 12
Thurgau . . .
. 12
Baaelland . .
. 13
Aargau . . .
. 13
Schwyz . . .
. 13
Baselstadt . .
. 14
Zürich . . .
. 14
Digitized by Google
8
Tabelle 3-
Berechnung der Karten nach den Procent zahlen .
Kanton
Von 100 untersuchten Schulkindern
einen Typus:
uttten
III.
Von 100
(Kateg. 1
Augen
unte
11 Jahr
IV.
I. II.
bloaden (Kategorie 1) braun an iKateg.
unter j über j au* murr 1 Ober
11 Jahr II Jahr »aoun.r» 1 1 Jahr j 1 1 Jahr
12 121
CU*
umnirp
(Katog. 1—4) kommen mit
braunen Augen {Kat 10 Mi
unter 1 über ! xu-
11 yahrl 11 Jahr lummm
■ 9i Habe« graue
Kategorie 6 9)
über xu-
11 Jahr luramrn
1. Aargau
14
12
1
13 21 24
23
200
244
229
i
69
73
72
2. Appenzell a. Rhod.
10
8
9 II 24 27
25
253
264
271
75
77
77
•1. Appenzell i. Rhod.
12
10
11 1 21 27
24
238
267
244
73
74
73
4. BaaeUtadt ....
16
12
14 . 20 26
24
152
235
200
67
71
69
5. Ranelland ....
14
11
13 ! 25 27
26
247
241
247
70
70
70
6. Bern
—
—
— | — -
—
-
—
—
—
—
7. Freiburg ....
11
8
10 24 27
26
250
315
267
73
78
75
8. Genf
—
—
II |
—
—
—
—
9. Glarus
7
7
7 00 32
31
436
450
460
78
81 .
81
10. Gmnbttndten . .
10
7
8 3 t 36
34
336
375
362
73
77
75
11. Luzern
8
7 24 25
25
400
317
355
83
81
82
12. Neuchatel ....
13
11
12 25 28
27
253
256
247
68
72
70
13. St. Gallen ....
10
8
9 26 28
27
300
315
293
75
78
76
14. Schaffhausen . .
10
10
10 25 29
27
1367
314
338
78
75
76
15. Schwvz
15
12
13 j 25 23
25
181
206
190
66
72
69
16. Solothurn ....
12
11
12 22 27
24
229
235
229
72
72
72
17. Tewin
—
—
— — —
—
—
—
—
—
—
—
18. Thurgau ....
13
10
12 25 29
27
216
263
247
67
72
70
19. Unterwalden n. W.
9
7
8 i 14 18
16
340
400
340
85
8«
85
20. Unterwalden o. W.
1
2
2 21 19
20
1850
1267
1900
97
95
87
22. Waadt
13
10
11 26 31
29
216
263
247
66
57
70
23. Wallis
12
10
11 23 1 24
23
195
211
206
69
71
70
24. Zürich
15
12
14 26 i 28
27
195
222
211
64 1
69
67
25. Zog
n
9
10 1 24 1 22
23
189
206
206
70
75
73
Daß Salben der Steine. gemeiner, weit über die Erde bei ethnisch sehr
Von R. And ree. verschiedenartigen Völkern verbreitet. Die Tschuk-
In dem Aufsatze über die Scbalensteinc (Cor- tuchen an der St. Lorenzbei, also an der Russersten
respondenzblatt 1879 Nr. 1) erwähnt J. Mes- Ostspitzo Asiens, errichten Steinpfeiler auf den
torf auch das Salben und Einölen der Steine Gräbern und salben dieselben mit dem Marke und
bei den Skandinaviern und alten Juden, woran Fctto der Kenthiere (Sauer, Reise nach den
sie dann die Frage knüpft : ob etwa diese Sitte nördlichen Gegenden von Russ. Asien. Weimar
von den Semiten auf die Arier übergegaugen sei? 1803. 236). Die Wakamba Afrika's salben an
Ich möchte diese Frage im verneinenden Sinne einer schwierig zu passirenden Stelle des Ndungu-
beantworten. Wo wir Uebereinstimmungen in Hügelzugs, Made genannt, einen bestimmten Fels-
den Sitten und Anschauungen weit von einander block mit Butter und Fett (Hildebrandt,
getrennter Völker finden, da ist in erster Linie Ztschft. f. Ethnologio, X. 384). Edrisi erzählt
die unabhängige Entstehung derselben anzunehmen von der Stadt Barba am indischen Meere „sie
und dann erst die Frage nach einer Entlehnung sei die letzte unter den Ungläubigen, die an nichts
aufzuworfcn, denn je weiter und eingehender wir glauben, sondern Steine aufstellen und zur Ver-
eine solche gleichartige Sitte oder Anschauung ehrung mit Oel begiessen“ (Bastian, Mensch
über die Erde verfolgen, desto häufiger zeigt sich in der Geschichte, III. 192).
uns das unabhängige Entstehen derselben, womit Die Sache ist aber noch weit häufiger, als
natürlich vielfache Entlehnungen von Volk zu durch diese Beispiele, zu denen also noch die
Volk nicht ausgeschlossen sind. Keinesfalls darf \ alten Juden und Skandinavier kommen, sich dar-
aber in dom vorliegenden Falle ein Borgen des thun lässt; doch habe ich mir eine Notiz
Salbens der Steine von den Semiten angenommen darüber gemacht und greife diese Exeuipel nur
werden, denn dieser Brauch ist ein ziemlich all- aus dem Gedächtniss heraus.
Druck der Akademischen Buchdruckerei F. Straub iw München. — Schluss der Redaktion am 15. Januar 1SUO.
I
j
I
Digitized by GoojjkJ
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Raligirt von Professor I)r. Johannen /tanke in München,
(lfMtaUtcrttur der
XI. Jahrgang. Nr. 2. Erscheint jalen Monat.
Februar 1880.
Einladung'
*ur Beschickung der
Ausstellung anthropologischer und vorgeschichtlicher Funde Deutschlands
welche in Verbindung mit der allgemeinen Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft Im August 1880 in Berlin statt finden wird.
An die Vorstände und Besitzer von anthropologischen nnd vorgeschichtlichen Sammlungen
in Deutschland.
Durch die Generalversammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft , welche iin
■ August vorigen Jahres in Strassburg statt gefunden hat, ist lierlin für das Jahr 1880 als Ver-
sammlungsort gewühlt worden.
Seitens des Vorstandes der Gesellschaft ist demnächst beschlossen, gleichzeitig mit der all-
gemeinen Versammlung eine Ausstellung der wichtigsten anthropologischen nnd
vorgeschichtlichen Funde nach Art der 1875 in München stattgehabten , welche diesmal
das ganze deutsche He ich umfassen soll, zu veranstalten. Fremdes Material ist von dem Plane
ausgeschlossen. Zugleich einigte man sich dahin , dass hierbei nicht bloss eine Ausstellung des
Schönsten und Seltensten ins Auge gefasst , sondern namentlich eine instruktive, übersichtliche Dar-
stellung der für die einzelnen Gegenden eigentümlichen und für den Gang ihrer Cult urent Wickelung
wichtigen Funde geboten werden sollte, um, wenn auch in engem Rahmen, doch ein vollständiges
Bild von dem vorgeschichtlichen Entwickelungsgange und den sehr mannichfaltigen, für die Cultur-
geschichte entscheidenden Beziehungen der einzelnen Theile unseres Vaterlandes zu gewähren.
Wir wenden uns desshalb an Sie mit der ergebensten Bitte, uns bei diesem gemeinnützigen
und patriotischen Werke mit Rath und That gütigst unterstützen, namentlich einschlägige Funde ans
Ihrer Sammlung zu diesem Zwecke unter den weiterhin aufgefUhrtcn Bedingungen einsenden zu wollen.
Andere Länder, Italien, Frankreich, Schweden , Ungarn sind uns mit Ausstellungen dieser
Art vorangegangen ; unsere Ausstellung wird die erste allgemeine sein, welche in Deutschland statt«
findet. Im Hinblick darauf glauben wir nicht fehl zu gehen, wenn wir uns der Hoffnung hingeben,
dass die Betheiligung au der Beschickung eine recht allgemeine sein werde. Die Preussische Staats-
regierung hat ihre Unterstützung bereits zugesagt, und wir rechnen darauf, dass auch die übrigen
Regierungen dein gemeinsamen Werk ihre Hülfe nicht versagen werden.
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Die General- Versammlung wird vom 5. — 12. August stattfinden. Für die Ausstellung ist
eine etwas längere Dauer in Aussicht genommen , welche sich nicht über den August hinaus er-
strecken, mindestens aber 14 Tage betragen soll. Da imlexs die Aufstellung und Ordnung des
Mnterials mancherlei Schwierigkeiten darbieten wird , so bitten wir die Zusendung schon Anfangs
Juli eintreten zu lassen.
Die Ausstellung soll in den Räumen des Prcussischen Abgeordnetenhauses, wo auch die
Sitzungen der deutschen anthropologischen Gesellschaft stattlinden werden , ihren Platz finden. Das
Gebäude ist Staatseigentum und mit genügenden Vorkehrungen gegen Diebstahl oder Beschädigung
durch Feuersgefahr versehen. Zur grösseren Sicherheit wird ein besonderes, als zuverlässig be-
kanntes Aufsicht»- und Bewachungspersonal angenommen und dem ebenso erfahrenen als umsichtigen
Bureau-Vorsteher des Abgeordnetenhauses, Geh. Kecbnungsrnth Kleinschmidt unterstellt werden.
Für die richtige und prompte Zurücksendung der Gegenstände, sowie für gute Verpackung derselben
wird Sorge getragen werden Die Zurücksendung erfolgt in der Regel in derselben Verpackung, in
welcher die Gegenstände eingesandt wurden; es ist deshalb auf gute Emballage (am besten nicht zu
schwache Holzkisten) und gutes Packmaterial besondere Rücksicht zu nehmen. Die Kosten des Rück-
transportes trügt die lokale Geschäftsführung. Auf Verlangen werden auch die Kosten des Her-
transportes übernommen werden. Dringend wird gewünscht , dass eine genaue Adresse für den
Rücktransport mitgeschickt wird.
Um rechtzeitig für die Anschaffung der erforderlichen Sehrfinke und sonstigen Ausstellungs-
Utensilien sorgen zu können , ersuchen wir um möglich umgehende MittheiluDg Uber die Zahl und
Art der Gegenstände, welche Sie die Güte haben werden, für die Aufstellung zur Verfügung zu
stellen, sowie um Bezeichnung des Flächenraums (bei Gewissen und anderen voluminösen Gegenständen
auch der Höhe derselben), welcher henöthigt werden wird. Wenn es thunlich ist, eine ungefähre
Angabe über das Gewicht der Sendung zu machen, so würde dies sehr erwünscht sein. Um Ver-
wechslungen vorzubeugen und zur sicheren und leichten Orientirung ist es dringend wünseheuswerth,
dass jedes Stück mit einer Etiquette versehen sei, auf welcher der Namen der Sammlung, der es
angehört, näher bezeichnet ist. (Vgl. d. Schema 8. 15.)
Da wir gleich mit der Eröffnung den Besuchern einen zuverlässigen Katalog darbieteu
möchten, so bitten wir, uns baldigst, spätestens bis zum 15. April, ein genaues Verzeichnis» der von
Ihnen zu stellenden Gegenstände mit recht genauer Angabe des Fundortes und einer Notiz (eventuell
unter Beigabe von Zeichnungen , Plänen , Modellen u. dgl.) Uber den Charakter der Fundlokalität
(Bnrgwall, Hügelgrab, Urnenfriedliof etc.), sowie über etwaige literarische Besprechung des Fundes
einzusenden.
Die Aussteller sind berechtigt, die Ausstellung unentgeltlich zu besuchen, haben jedoch,
wi« alle Mitglieder der deutschen Gesellschaft seihst, falls sie an den Sitzungen theilnehmen wollen,
ein« Mitgliedskarte für 3 Mark zu lösen. Das Programm der Versammlung selbst wird Ihnen
rechtzeitig zu gestellt werden.
Die Berliner Sammlungen, namentlich die Königlichen Museen und das Mfirkische Museum
der Stadt Berlin werden , um den Raum nicht unnüthig zu schmälern , an der Ausstellung nicht
direkt botheiligt werden. Dagegen wird Sorge getragen worden , dass sie den Mitgliedern der Ver-
sammlung in reichlichem Maasse zugänglich sind , und dass die Aufstellung ihrer Schätze möglichst
übersichtlich geordnet wird.
Im Nachfolgenden gestalten wir uns , Ihnen eine kurze Uebersicbt dessen zu geben , was
nach unserer Auffassung für die Zwecke der Ausstellung vorzugsweise wünsebens werth und geeignet
sein dürfte. Wir stellen jedoch ihrem Ermessen anheim, uns auch andere Gegenstände zu bezeichnen,
welche nach Ihrer Meinung dazu angethan sind, dos Gesammtbild der deutschen Vorzeit zu vervoll-
ständigen.
Von der Einsendung leicht zerbrechlicher Thongeftlsse dürfte im Allgemeinen abzusehen sein,
wenn dieselben nicht von ganz besonderer Bedeutung für die Charakteristik gewisser Perioden sind.
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TJ ebersicht
über die Arten der einzusendenden Gegenstände.
I. Fände der Mammuth- und Renntliierzett, sowie der paläAlltliisclien Periode, um Tu tötend die ersten
Sparen vom Auftreten de* Menschen bis xur Zeit des geschliffenen Steines.
Ein beträchtlicher Theil der Funde , welche dieser Periode angehörcn , ist in naturwissen-
schaftlichen (mineralogischen , paläon tologischen , anatomischen t naturhistorischen) Sammlungen attf-
bewahrt. Wir würden daher denjenigen Herren, an welche wir uns hier zunächst wenden, sehr ver-
bunden sein, wenn sie uns diejenigen, nicht der Alterthumsforschung im engeren Sinne bestimmten
Sammlungen Ihres Gebietes bezeichnen wollten, in welchen Funde der Diluvial- und Eiszeit aufbe-
wahrt sind.
Für die vollständige Darstellung dieser ältesten Zeit wären zunächst dio L&ssfunde von
Bedeutung, wie sie aus den verschiedensten Thcilen unseres Vaterlandes, namentlich aus Mittel- und
Sttddeutschland bekannt sind. An sie schliessen sich die H üblen i'unde, die von den Grenzen
der Schweiz bis nach Westfalen und dem Harz reichen. Natürlich würden hier zunächst die mensch-
lichen Manufakte und solche Stücke , welche die Wirkung des Feuers oder der menschlichen Ein-
wirkung Oberhaupt erkennen lassen, von Bodeutuog sein. Nächstdom würde es jedoch das Interesse
der Ausstellung wesentlich erhöhen und dieselbe dem Publikum lehrreicher machen, wenn charak-
teristische oder gut erhaltene Stücke der alten Thierwelt, sowohl der grossen, als der kleinen, sowie
arktische Pflanzen, beigegeben würden. Gegenstände der eigentlichen Kunsttechnik, sei es auch
nur in guten Modellen , werden natürlich den Hauptgegenstand der Aufmerksamkeit bilden. Wir
begreifen, dass es eine schwere Zumuthung ist, die Originale selbst für die Ausstellung herzu-
leihen ; indess müssen wir doch darauf aufmerksam machen , dass gerade die Anschauung der
Originale bei einer solchen Gelegenheit von höchster Bedeutung wäre. Indem wir daher recht
dringend die Bitte aussprechen, auch solche Hauptstücke der Ausstellung nicht entziehen zu wollen,
sagen wir die ätisserste Sorgfalt in der Aufstellung und die strengste Schonung bestimmt zu. Wo
Schädel oder andere Reste des menschlichen Skelets aus dieser Zeit vorhanden sind,
da bitten wir darum, sie für die Ausstellung gewähren zu wollen. Je spärlicher bis jetzt in
Deutschland solche Funde im LOss und in Höhlen gemacht sind, um so wichtiger wird es sein,
sie einmal vereinigt zu sehen.
In Bezug auf die Moorfun do gilt , soweit sie noch der glacialen und nächst post-
glacialen Zeit angehören , das Nämliche. Hier ist auch für Norddcutschland vielleicht Gelegenheit,
einige Raritäten zu zeigen. Wir möchten bei dieser Gelegenheit sogleich bemerken , dass auch
Moorleichen späterer Zeiten ein sehr lehrreiches Objekt für das vergleichende Studium
bieten würden und dass wir wenigstens um einige charakteristische Exemplare bitten möchten.
Obwohl uns nicht bekannt ist, dass irgendwo in Deutschland prähistorische Funde
der Tertiärzeit gemacht oder angegeben sind, so möchten wir doch nicht verfehlen, diejenigen,
welche im Besitz solcher Funde zu sein glauben, um die Einsendung derselben zu ersuchen.
Ausdrücklich machen wir darauf aufmerksam, dass das Verständnis» der Funde sehr er-
leichtert werden würde , wenn geographische oder goologische Karten der Gegend , oder auch blosse
Skizzen, Ansichten und Durchschnitte, oder Modelle der Fundstellen beigefügt würden. Je grösser
der Maasstab , um so anschaulicher wird der Fall werden. Namentlich wäre die Beigabe etwaiger,
mit Abbildungen versehener Publikationen sehr erwünscht. %
Die Zeit des geschlagenen Steins, die sogenannte p a 1 U o 1 i t h i s c h e Periode
erstreckt sich namentlich im Norden Deutschlands weit über die QuaternUr/eit hinaus. Freilich hat
die Erfahrung gelehrt, dass man an vielen Stellen aus dem blossen Vorkommen geschlagener Steine
sofort auf das höchste Alter der Funde geschlossen hat, während andere Merkmale darthaten , dass
es sich zum Theil um sehr junge Verhältnisse handle. Es wird daher besonderer Aufmerksamkeit
bedürfen, um nur ganz zuverlässige Funde zur Ausstellung gelangen zu lassen.
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Hierher gehören namentlich die Kjökkenmöddinger in Schleswig und die Feuerstein-
werkstätten auf Rügen, denen sich hoffentlich Funde aus dem Binnenlande anscbliessen werden.
Von den Werkstätten erbitten wir namentlich zusammenhängende Reihen von Gerät hen , um sowohl
die Methode der Technik , als die Fortschritte in der Kunstfertigkeit und in der Entwickelung der
Formen darzulegen. Auch wäre es besonders wichtig, die U oberg finge von dem bloss ge-
schlagenen zu dem theilweise geschliffenen Stein an guten Stücken zu zeigen.
Für die Darlegung des Lebens der Menschen in dieser Zeit wird ferner eine übersichtliche
Zusammenstellung der Nahrungsreste (Muschelschalen, Fischknochen, Vogel- und Säugethier-
Gebeine) , sowie der sonstigen Manufakte, namentlich der Reste der Töpferei, der Weberei
und der Bearbeitung von Bein, Holz u. s. w., nothwendig sein.
In beschränktem Maasse halten wir cs für zulässig, die Produkte des natürlichen
Zerspringens von Feuersteinen und ähnlichen Mineralien zu vergleichender Anschauung zu bringen.
II. Funde aus der Zeit des geschliffenen Steines (neolltlilschen /eil), unter Einschluss der Steingerfttbe
nml Stein werk zeuge der späteren /eit.
Ausser einzelnen durch Schönheit und Seltenheit ausgezeichneten Exemplaren, die in der
betreffenden Gegend am häufigsten vorkommenden Typen von bearbeiteten Feuerstein- und anderen
Steinger&then.
Alle Stein werk zeuge aus grünen oder grünlichen Gesteinsarten (Jadeit. Nephrit, Chloro-
melanit. Kklogit, grünem Quarz, grünem Schiefer etc.).
Alle (namentlich ausserhalb Thüringens und Sachsens) gefundenen Geräthe von Kiesel-
schiefer, Basalt und anderen, durch ihre tiefschwarze Farbe und betleutende Härte ausgezeich-
neten Gesteinen.
Aus Mittel- und Süddeutschland, namentlich aus denjenigen Gegenden, wo bisher eine neolithisebe
Periode nicht sicher nachgewiesen ist, wie im diesseitigen Bayern, wären am besten Kämmt liehe
Feuers teingerätlie, beziehentlich SteingerUthe überhaupt, einzusenden. Ebenso würden in dem, wie es
scheint, an Steingeräthen sehr armen Schlesien gefundene Exemplare sehr willkommen sein.
Von besonderem Interesse sind ferner angefangeue und unvollendete Exemplare,
W erkfitättenfonde mit Repräsentation der verschiedenen Formen und Stadien der Herstellung, nament-
lich angefangene Bohrungen von Stiellöeliern, Bohrzapfen und andere in technischer Be-
ziehung wichtige Stücke. Vor Allem sind Stei n Werkzeuge mit Handhaben, Äxte mit
erhaltener Schäftung in möglicher Vollzähligkeit erwünscht.
Sicher constatirte gemischte Funde, in denen Steinwerkzeuge mit Metallge-
rät li e n zusammen gefunden wurden, werden besonders erbeten.
Es sind liier auch die der Steinzeit Angehörigen SchmuckgegenstHnde, durchbohrte
Zähne und Knochen, Muscheln, Bernsteinperlen etc., sowie die Geräthe aus Hirschhorn (Hirschhorn-
Hxte) und Bein anzureihen, welche aus Ansiedelungen (Pfahlbauten) oder Gräben» der Steinzeit .stammen,
namentlich solche, welche mit Stein splittern avmirt sind.
Von grösstem Werthe wird es sein, wenn zusammengehörige Funde von mehr zusammen-
gesetzter Natur, wie sie in Ansiedelungen und Gräbern der neolit bischen Zeit gemacht sind,
aus deu verschiedene« Gegenden Deutschlands eingesendet würden , um unter einander verglichen
werden zu können. Wir erinnern in dieser Beziehung namentlich an die Pfahlbauten in Süd-
deutschland, welche ein so reiches Material zur Darstellung des ganzen socialen Zustandes jener
Zeit darbieten. So gross auch der Anspruch erscheinen mag , den wir hier erheben , so bitten wir
doch die Sammlungen von Bayern, Württemberg und Baden ganz besonders, ihre Schätze unserer
Ausstellung iu freisinniger Weise erschliesseu zu wollen. Die ältesten An Siedlungen nnd
Wohn plätze in Mittel- uud Norddeutschland bieten bis jetzt freilich nur spärlichen Stoff, indess
wird# er sich ergänzen lassen durch die Ausstellung von Gräberfunden, bei denen wir die be-
sondere Bitte aussprechen, auch die Schädel nicht zurückzuhalten.
Neben eiuer Vergleichung des Steingeräthcs wird es namentlich die Töpferei jener Periode
sein, welche die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Bis jetzt ist die Kennt« iss der typischen
Methoden der Thonbereituug, der Formung der GetUsse, der Ornanientrauster dieser Periode noch
keineswegs so gesichert, dass wir für Deutschland eine ähnliche Festigkeit in der Unterscheidung der
einzelnen Katogorieu gewonnen haben, wie es anderswo der Fall ist.
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III. Fand* der Metallzeit (Gegenstände oas Metall and verschiedenen anderen Stoffen), umfassend die
Periode von den ersten Sparen des Metallgebranelies bis zur rollen geschichtlichen Zelt.
Wir unterlassen es. um nicht unerwünschte Differenzen hervorzurufen , hier eine weitere
Unterscheidung in eine reine Bronze-Periode und in verschiedene Eisen-Perioden aufzustellen. Indes*
geben wir den einzelnen Ausstellern gern anheim, ihre Einsendungen je nach ihrer Auffassung mit
besonderer Klassifikation (z. B. altere, mittlere, jüngere Eisenzeit) zu versehen; ja, es wird uns er-
wünscht sein, wenn auch auf der Ausstellung Gelegenheit geboten wird, durch solche Specialbezoieh-
nungen den Werth der Klassifikation zu prüfen.
Diejenigen Gegenden, welche eine besondere neolithische Zeit, soweit es bis jetzt scheint,
nicht gehabt haben, würden eine vollständige Ausstellung aller Waffen und Werkzeuge aus alter
Bronze (neben einer Auswahl der charakteristischen Schmuckgegenstltnde) zu stellen haben.
Im Uebrigen erbitten wir von alteren Bronzen die in der Gegend am häufigsten vor-
kommenden Typen in gnten Exemplaren, namentlich Schwerter, Dolche, Aexte, Halsschmuck und
Halsringe, Gelte (Hohl- und Schaftcelte) , Hün gebecken und Fibeln. Grosses Gewicht dürfte auf
Werkzeuge zum technischen Gebrauch (Meissei, Sagen, Pfriemen etc.), zu legen sein, ebenso
auf Gussformen, Stücke von Rohmetall, unfertige Exemplare (Gegenstände mit Guss-
naht und Gusskern) und Giessereifunde.
Gegenstände aus reinem (gediegenem) Kupfer würden besonders wünschenswert sein.
Von Fundstücken, welche den Typen der Hallstatter Gruppe angeboren (v. S a c k e n :
D. Grabfeld v. Hallstatt, Wien 1868), oder welche altitalische oder rein etruskische
Formen (L i nd en sch m i t : I). Altertbümer u. heidn. Vorzeit, Bd. I H. 3 u. 7» Bd. II H. 2, 3,
5, 8, 11, 12; Bd. III ». m. 0.) zeigen, würden, ausser guten Einzelexemplaren (namentlich Bronfce-
gef&ssen , Eisenschwertern mit Bronze- und Elfenheingriffen oder Bronzeortbündern , eisernen Schuft-
und Hohlcelten), vorzugsweise solche Funde interessiren , in denen neben grosseren Gegenständen
Fibeln, Glas- und Bernstein perlen vertreten sind.
Um über Zcitstellung, Herkunft und Verbreitung der vorrö mischen, init Schm elz-
ein lagen verzierten Gegenstände, welche theils der obengenannten, theils der nächstfolgenden
Periode angehttren , weitere Anhaltspunkte zu gewinnen, wird die Einsendung derartiger, sowie der
Form und Zeit nach ihnen nahestehender Funde (Hals- und Kopfringe , Zierplatten , Fibeln und
Gürtelhaken, namentlich aber zubehörige Schwerter, Theile von Schilden, vor Allem
solche von bronzenen) von höchster Bedeutung sein (L in de nach m id t a„ a. 0. ; Bd. I. H. 4
Tf. 3; H. 6 Tf. 3 Fg. 4 bis 6 ; H. 9 Tf. 1; Bd. II H. 4 Tf. 2; Hf. 5 Tf. 1 ; H. 6 Tf. 1 u. 2;
H. 8 Tf. 3; H. 10 Tf. 3; Bd. III a. m. 0.).
Die Periode des sogenannten La Tfene-Typus (Late Geltic, Celtischer, Gallischer Typus),
hauptsächlich charakterisirt durch eiserne Schwerter mit Eiseuscheiden , bronzene und eiserne Fibeln
mit rUcklaufender , meist als Knopf gestalteter Endigung, gläserne Armringe (Lindenschmit
a. a. 0.: Bd. I H. 1 Tf. 5 Fg. 2-5; Bd. II H. 6 Tf. 3 u. 6 ; H. 7 Tf. 3 ; H. 8 Tf. 4; H. 9
Tf. 3; u. Bd. III a. m. 0.) würde ausser den genannten Gegenständen vorzüglich solche Funde aus-
zustellen haben, bei denen ßronzegefikne, bronzene Gürtelhaken (sogenannte Hakenfibeln) (v. Estorff:
Alterth. d. Gegend v. Uelzen, Hannover 1846, Tf. II Fig. 11), Glasperlen, Scheeren, Kettengehftnge,
Bronzesschmucksachen und Bronzegerftthe anscheinend älteren Styles (bronzene Pincetten , Messer,
Nadeln, Hals- und Armringe) vertreten sind.
Für die östlichen Theile Deutschlands wird es besonders lehrreich sein, wenn für diese
Perioden diejenigen Funde vorgetübrt werden , welche auf Beziehungen zum Süden und Südosten
(Böhmen, Mähren, Ungarn u. s. w.) hinweisen (Hampel: Antiquitös prehistoriques de la Hongrie,
1876 u. 77).
Die Römische Periode würde nach verschiedenen Gesichtspunkten zu repräseutiren sein.
Die dem ehemaligen Römischen Imperium nicht unterworfen gewesenen Theile
Deutschlands hätten in möglicher Vollständigkeit alle irgend wie hervorragenden Funde zu zeigen, ,
namentlich Bronzen mit Fabrik-Stempel, Figuren aus Bronze und Thon, geschnittene Steine,
Fibeln in Gold, Silber, Bronzo und Eisen, sowie andere Sehmucksachen , Gefässe aus Edelmetallen,
Bronze, Glas und Terra sigillata, Bronzemesser und Scheeren, Perlen aus Edelstein, Glas und Bern-
stein, sowie solche Funde, welche durch Münzen speciell bezeichnet sind.
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Sehr nützlich würde es übrigen« sein, wenn bei dieser Gelegenheit eine vollständige Samm-
lung der Fundorte römischer Münzen ausserhalb des Limes hergestellt werden könnt«.
Wir bitten recht dringend um die Einsendung von Lokal -Verzeichnissen , wo möglich unter Bei-
fügung einer Landkarte mit Einzeichnung der Fundstellen. Wir würden dann versuchen, daraus eine
Generalkarte zusammenstellen zu lassen.
Die ehemaligen Provinzen des Römischen Reiches hätten wesentlich eine Sammlung
von Gegenständen, welche zur direkten Vergleichung mit den oben angeführten dienen könnten, vor-
zufilhren. (Die hauptsächlichsten hierbei in Betracht kommenden Gegenstände sind abgebildet bei
Lisch: ,,Romorgräber“, Jahrb. d. Ver. f. Meklenb. Gesch. u. Alterth., Jahrgang XXXV. und Host-
manu: Urnenfriedhof v. Darzan, Braunschweig 1873).
Ausserdem würde eine recht vollständige Sammlung der verschiedenen Typen römischer,
auf deutschem Boden gefundener Waffen, Schmucksachen und Geräthe, namentlich von Schwertern,
Aexten, Beilen, Messern, ein- und zweihenkligen Bronzeeimern , Bronzebecken, Casserolen (mit und
ohne eingepasste Seihgefitsse) auszustellen sein.
ln ähnlicher Weise würde die fränkisch -alemannische und merowingische
Zeit ihre Vertretung zu finden haben. Wahrend die ehemals dem fränkischen Machtgebiete an-
gehörigen Landestheile ausser einzelnen durch «Schönheit und Seltenheit bemerkenswert hen Gegen-
ständen eine möglich vollständige Typensammlung zu bilden hätten, müssten alle hervorragenden
Funde fränkischen Styles aus den übrigen Gegenden Deutschlands vertreten sein. Ganz besonders
wichtig wären Ueberreste der Kunstindustrie der Carolingischen Zeit zum Vergleich mit
den Fuuden der Reihengräber. Die Friesischen und Sächsischen Länder werden ihre Be-
sonderheiten , zu denen ausser Motallgcgenständen merowitigischeo Charakters namentlich Thongefösse
und Holzgerätho gehören, zu zeigen hüben. Wir erinnern speciell an die Brunnengräber und
Steinsärge der Nordseeküste.
Aus dem östlichen Deutschland , würden complette Sammlungen von Metall-, Thon- und
Knochengeräthen aus rein Slavischen und Lettischen Ansiedelungen (Burgwällen,
Pfahlbauten etc.) und Gräbern, sowie die hervorragendsten Fundstücke orientalischen
(arabischen) Charakters (Silbermünzen, Schmucksachen, Kaurimuscheln), vornehmlich solche
aus dem Elbgebiete von Werth sein.
Auch würden die Eisenschwerter mit dreieckigen oder mehrtheiligen , oftmals mit Silber
tauschirten Griffknäufen (altnordischen Charakters) und verwandte gleichzeitige Gegenstände in
möglichster Vollständigkeit vorzuführen sein, um von der Verbreitung dieser Formen eiu Bild zu ge-
währen. (Worsaae: Nordiske Oldsager 1859, Jernalder II. S. 95 bis 122). Hervorragenden Werth
würden speciell für Norddeutschland alle Funde besitzen, welche einen direkten Einfluss der skan-
dinavischen Kultur d&rthun (Schmucksachen, Bracteaten etc.).
Wir enthalten uns in Beziehung auf die Einzelheiten einer weiteren Ausführung, möchten
aber namentlich den Vertretern der Sammlungen in den baltischen Küstenländern be-
sonders an das Herz legen, bei dieser Gelegenheit die Besonderheiten ihrer Gegenden in voller Aus-
führlichkeit vorzuftlhren.
IV. Vergleichende Schädclansste llung.
Im Anschlüsse an die prähistorische Ausstellung scheint es geboten , eine , wenn auch be-
grenzte, so doch möglich ausgewählte Sammlung von Schädeln, welche in Deutschland gefunden
oder von Deutschen hergenommen sind, namentlich von eigentlich römischen, germani-
schen und slavischen Schädeln zu veranstalten. Wir denken dazu einen besonderen Raum zur
Verfügung zu stellen. Da es sich hier vorzugsweise um die anatomischen Museen handelt , so
bitten wir die Vorstände derselben , uns aus ihren Beständen kleine Reihen gut bestimmter Schädel
senden zu wollen, welche den Localtypus der Gegend oder des Stammes wiedergeben. Es ist dabei
natürlich sehr erwünscht, auch ältere Schädel aus Perioden , wo die Bevölkerung weniger gemischt
war , heranzuziehen , um die Frage von dem Einflüsse der späteren Mischung möglich sicher lösen
zu können. —
Bei dieser Gelegenheit können auch Instrumente zur Messung und sonstigen Unter-
suchung anthropologischer Gegenstände mit zur Ausstellung gelangen.
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In allen Fällen, wo über die Auswahl von Gegenständen Zweifel bestehen, bitten wir um
baldigste Mittheilung; wir werden gern bereit sein, nach bestem Wissen Rath zu ertheilen. Da die
Funde aus den einzelnen Theilen des Deutschen Reiches im Allgemeinen in besonderen Abtheilungen
zusammengehalten werden Bollen, so dürfte es von Nutzen sein, wenn die Vorstände von Vereins-
und anderen öffentlichen Sammlungen in gewissen Landestheilcn sich unter einander und mit be-
nachbarten Privatsammlern in Verbindung setzen wollten, um namentlich bei Herstellung der Typon-
aammlungen möglich schöne und vollständige Collectionen zusammenzubringen. Ob zu diesem Zwecke
besondere Lokal-Comites zu bilden wären, geben wir der gefälligen Erwägung anheim. Für das nord-
östliche und Östliche Deutschland wären namentlich Typensammlungen von kleineren Schmuckgegen-
ständen (Fibeln, Perlen etc.) behufs chronologischer Bestimmungen von Uusserster Wichtigkeit und
ersuchen wir desshalb auch die Sammler und Sammlungsvorutände West- und Suddeutschlands, der
Herstellung von Zusammenstellungen dieser Art eine ganz besondere Sorgfalt gütigst widmen zu wollen.
Wir sind übrigens gern bereit, soweit unsere Kenntnis« der deutschen Sammlungen reicht,
unsererseits Vorschläge in Bezug auf das, was unserer Auffassung nach für die Ausstellung von be-
sonderer Wichtigkeit sein würde, zu machen.
Ihrer recht baldigen Antwort (Adresse: Dr. A. Voss, Direktorial - Assistent am König-
lichen Museum, Berlin S. W. Alte Jakobstrasse 167. Für die Ausstellungs-Commission.) sehen wir
demnächst entgegen.
Oie Commission für die Ausstellung vorgeschichtlicher AlterthQmer Deutschlands.
RuS. Vlrthow, Joh. Ranke.
Vorsitzender Generalsekretär
der deutschen Gesellschaft fflr Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte.
A. Von«, E. Frlcdel,
Geschäftsführer des Lokal- Ausschusses für die deutsche anthropologische
Generalversammlung zu Berlin.
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Zur Anthropologie Tirols.
Von Dr. Rabl-It ückhard. (Berlin.) •)
In einem in der Zeitschrift für Ethnologie
Jahrgang 1878 abgedruckten Vortrage hatte ich
die Ergebnisse der Messungen von 14 Schädeln
aus dem Beinhause der alten Kirche St. Peter
bei Meran mitgetheilt. Nach demselben ent-
stammten die Schädel in überwiegender Mehr-
zahl (10) einer ausnehmend broehykcphalen Be-
völkerung mit einem durchschnittlichen LUngen-
breitcn index von 86,12, Hühenbreitenindex 84,63,
Lüngenhühenindex von 72,81. (Vircbow’s Maass-
verfahren), während nur die Minderzahl (4) einen
der Brachykephalie nahe stehenden mesokepbalen
Typus zeigte (L : Br — 78,7 , H : Br = 811,0,
LiH = 70,2).
Erstore Gruppe schloss sich zwanglos an die
graubündtner Schädel von Baer’s, an den Di>eotis-
typus von His, an die Schädel der heutigen
Bewohner des Sckwarzwaldes nach Ecker und
näherten sich denen der heutigen Bewohner
Bayerns nach K o 1 1 m a n n und J. Hanke. Ihre
geringe Höhe aber gestattete es vorläufig nicht,
sie mit einer dieser Gruppen zusammenzuwerfen .
— Aus der hohen Brachykephalie schloss ich,
dass diese Schädel dem ursprünglich nicht ger-
manischen Grundstock der süddeutschen Bevölker-
ung angehörten, zu dem auch die His’ sehen,
Ecker’schen und K ol lm an n* schon Brachy-
kephalcn zu rechnen sind. —
lieber die zweite Gruppe hatte ich mich mit
Rücksicht auf ihre geringe Zahl nur soweit, aus-
gesprochen , dass ich sie dem von H i 3 als alt-
helvetisch bezeiehneten Siontypus nahe stellte. —
Meine Hoffnung, dass mir bald ein grösseres
Material zufliessen würde, bat sich nun erfüllt.
Herr Dr. Tappeincr aus Meran hat seine
Sommerfrische iin vorjährigen Herbst zu zahl-
reichen Messungen an Schädeln aus ßeinhäusern
im Vetz- und Schnalserthal benutzt, und, was
sehr dankenswerth , diese Untersuchungen auch
auf eine grosse Anzahl lebender Bewohner jener
Tbäler ausgedehnt.
Er wird über seine ethnologischen und sprach-
lichen Beobachtungen an anderer Stelle eingehend
berichten ; mir hat er das kraniologische Material
zur Bearbeitung anvertraut, und ich möchte die
Gelegenheit wahrnehmen, die vorläufig gewonnenen
Ergebnisse derselben hier mitzutheilen , weil ich
voraussetze , dass die Frage der süddeutschen
*) Der X. allgem. Vers, vorgelegt v. Hrn.Virchow.
Brachykephalen , der Hanke in so dankens-
| werther Weise näher getreten ist, auf der dies-
jährigen allgemeinen Versammlung der deutschen
i anthropologischen Gesellschaft zu Strassburg wieder
I auf die Tagesordnung kommen wird. — Da ich
erst vor wenigen Tagen an die Arbeit gehen
konnte, muss ich mich auf die augenfälligsten vor-
läufig sicher gestellten Ergebnisse beschränken. —
Herr Tappeiner hat im Ganzen 71 Schädel
aus Beinhäusern u. 3. w. gemessen. Von diesen
kommen 30 auf das Dorf Oetz, 12 auf Sölden,
1 auf Vent im Oetzthal, 6 auf Unsere liebe Frau,
4 auf Karthaus, 18 auf St . Catharina im Schnalser-
thal. — Ehe ich auf die Messung eingehe, möchte
ich mir einige zu recht weisende geographische Be-
merkungen erlauben. Es handelt sich um ein
Gebiet , welches zwei Hauptströmen an gehört :
im Norden dem Inn, im Süden der Etsch. Die
riesigen, z. Theil übergletseherten Gebirgsmassen,
welche diese beiden Flussgebiete von einander
scheiden, werden nun von den beiden uns inter-
essirenden Seiteuthälern in der Weise durch-,
schnitten, dass das Oetzthal ungefähr in südlicher
Richtung vom rechten Innufer sich abzweigt und
mit seinen beiden Endthälcrn, dem Venter- und
Gurgierthal, bis zur übergletseherten Oetztlialer
Centralgebirgsmassc emporsteigt, während auf der
andern Seite der letztem, durch mächtige Ferner
und mehr als 11000' hohe Berghäupter vom
Stromgebiet des Inn geschieden , das Schnalser-
thal in südöstlicher Richtung hinabführt , um
bei Staben in das Etschgebiet , das Vintscbgau-
thal, cinzumündcn. — Zwei Jochübergänge, das
9311' hohe Hochjoch, und das 9493' hohe Nieder-
joch vermitteln die Verbindung zwischen Oetz-
und Schnalserthal, also zwischen Inn- und Etsch-
gebiet. — Dieses eigentümliche geographische
Verhalten ist nun jedenfalls von nicht unter-
schätzbarer Bedeutung für die ethnologische Ver-
teilung der Bevölkerung. —
Das Unterinnthal ist von germanischen Stäm-
men, in Sonderheit von den Bajuvaren, in Besitz
genommen worden. Dieses Element schwindet,
je weiter man in das Oberinnthal vordringt,
immer mehr in einer jetzt freilich sprachlich
gernmnisirten rhätoromanischen Bevölkerung, die
wiederum mit den auch sprachlich nicht deutschen
Bewohnern Graubündtens in unmittelbarem Zu-
sammenhang steht. Das Oetzthal nun gehört dem
Uebergangsgebiet des bis Innsbruck reichenden
| Unter- und Oberinnthal nn.
(Fortsetzung in Nr. 8.)
Druck der Akademischen liuclidruckcrei von F. Straub in München. — Schluss der Deduktion «im 23. Febr. ltitiO.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt ron Professor Dr. Johannen Ranke in München,
0*ntral**frdör der OtttUechafl.
XI. Jahrgang. Nr. 3. . Erscheint jedon Monat. März 1880.
Zur Anthropologie Tirols.
Von Dr. Rabl-Rückhard. (Berlin.)
( Fortsetzung.)
Nach B. Weber sind die Oetzthaler, wie
«ine alt« Ueberlieferung sagt, schwäbischen
Ursprungs, und sollen viel mit den Bewohnern
von Schnals-, Samthai und Ulten in Sprache,
Charakter und Denkweise gemein haben. Ja
der hinterste Theil vom Oetzthal, das Venter-
thal, gehörte bis vor wenigen Jahrzehnten zürn
Landgericht Castelbell und zur Pfarre Unserer
lieben Frau im Schnalserthal „ungeachtet grauen-
volle Ferner Gebirge dazwischen liegen“ sagt
Weber. Vent selbst erscheint in einer Urkunde
vom Jahre 1261 als Vendo Besitzthum des Grafen
von Ulten. „So steht, nach Weber“ die Yer-
muthung auf ziemlich festem Grunde, dass die
ersten Bewohner vom Oetzthal über Schnals und
Passeyer eingewandort seien und zu jenen grossen I
allem annischen Volksbruchstücken gehörten , die
nach Schnals , Deutschhofen u. s. w. zerstreut
sind.
Wir können diese Hypothese Weber’s, so-
weit sie die Besiedelung des Oetzthals vom Vintsch-
gauthal her anninunt, gelten lassen, ohne darum
die Bewohner als Allomannen auzusehen. — Im
Vintschgau nämlich sass zur Zeit der römischen
Eroberung der rhätischo Volksstamm der Vonosten.
Später entwickelte sich hier, wie ich bereits in
meinem oben erwähnten Vortrage auseinander-
setzte, ein reiches römisches Provinzialleben, eine
viel befahrene Hümerstrasse führte vom Etschthal
über Meran durch das Vintschgau ins Innthal
hinauf, und wir stossen nicht nur in Ortsnamen
noch heut Überall auf römische Erinnerungen.
Kurz , wir greifen gewiss nicht fehl , wenn wir
i im Vintschgau eine ursprünglich dichte rhätoro-
manische Bevölkerung voraussetzen, im Gegensatz
zu der germanischen des Innthals unter- und
dicht oberhalb Innsbrucks. — So sind beide
Thäler auch ethnologisch völlig verschiedenen
Stromgebieten zugehörig, dem mächtig anschwel-
lenden Germanenstamm einerseits, der sich, Alles
zurückdrängend und Überfluthend , von Norden
her ins Innthal ergoss und erst im Oberinnthal
allmälig verrinnt , und dem zähen sesshaften,
1 rhätoromani sehen Stamme andererseits , der im
hochkultivirten Etsch- und Vintschgauthal um
die alte Teriolis und Maja Feige und Rebe
pflegte. —
Ist diese Voraussetzung richtig, so müssen
gerade die beiden Seitenthäler, um die es sich
hier handelt, den Uebergang zwischen germa-
nischem und rhätoromanischem Volksstamm auch
in seinen Bewohnern orkennen lassen : es ist wahr-
scheinlich, dass der nördliche Ausgang des Oetz-
thales noch von vorwiegend germanischen Ein-
dringlingen, seien es Allemannen, oder Bajuvaren,
in Besitz genommen wurde , während die Be-
wohner des thaleinwärts gelegenen Gebietes vom
Süden her aus dom rbätoromanischen Stromthal
Uber die Ferner allmälig eingewandert sind. —
Vielleicht begegneten sich auch in den Hoch-
thälern die flüchtigen Reste der rhätoromanlsclien
Urbevölkerung des Inn- und Vintschgauthales,
oder die darin zur Zeit dor germanischen Er-
oberung ansässigen Rhätoromanen wurden von
den Eroberern in ihren unwirklichen Schlupf-
winkeln lange Zeit unbehelligt gelassen und erst
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allmälig mit germanischen Elementen durchsetzt.
— Nur durch die Annahme einer anfangs auch
sprachlich fort bestehenden rhätoromanischen Be-
völkerung im oberen Oetz- und Schnalserthal er-
klären sich die vielen, nur aus dem Lateinischen
ableitbaren Bergnamen jener Thftler. Uebrigens
ist es eine auch underorts gemachte Erfahrung,
dass man in einem von fremden Eroberern in
Besitz genommenen Gebirgslande die Reste der
alten Bevölkerung in den unzugänglichen Seiten-
thälern aufsuchen muss, während die fruchtbaren
Hauptthäler, als leichte Beute in die Hände der
Sieger fallend, hauptsächlich von diesen besiedelt
wurden. —
Hatte nun mein erster Vorstoss iii dieses
streitige Gebiet den vorwiegend nicht germanischen
Charakter der alten Bewohner des zu St. Peter
gehörigen Sprengel« , soweit die Dolichokephalie
das Kennzeichen der alten Germanenschädel ist, j
in ihrer enormen Brachykephalie erwiesen, so be- 1
rechtigon die Messungen des Herrn Ta pp einer
zu einem Schluss, der den oben angcstellten Be-
trachtungen eine gewisse t hat sächliche Grundlage
verschafft. — Herr Tapp einer hat auf seinen
Wanderungen vom Innthal durch das Oetzthal
und Schnalserthal ins Vintschgau von Ort zu
Ort eine Anzahl Schädel und Lebender gemessen,
und es lässt sich nunmehr übersehen, dass ein
zahlreiches in e s o k e p h a 1 e s K I e m e n t am
nördlichen Ausgange des Oetzthal es
vorhanden ist, welches, jo weiter man
in d ie H öh e s teigt, i tnmor mehr zurück-
tritt und im Schnalserthal auf einen
üuKserst geringen Prozentsatz herab-
sinkt. —
Der erste Ort im Oetzthal, wo Herr Tap-
peiner Messungen anstellte, ist Oetz, ein in
ziemlich breiter Thalsohle gelegenes grosses Dorf,
das zweite vom Thalausgaug nach dem Innthal.
Von den 80 Schädeln der Beingruft des dortigen
Friedhofes, die gemessen sind, haben 10 einen
Längenbreitenindex*) von unter 80,0. (Indiees
75,5 - 89, 2.) Das Verhältnis« der Schädel unter
80 zu dem über 80 stellt sich somit für Oetz
auf 50:100 oder auf 33 Vs °o. — Im Dorfe
Sölden , das etwa 7 Wegsstunden weiter thal-
abwärts liegt, fanden sich uuter 12 Schädeln nur
3 raesokephaie, darunter einmal der Index 73,6,
mithin 25°/o. — In Vent stand der einzige auf-
gefundeno Schädel an der Grenze der Mesokephalie
zur Brachykephalie. Somit fanden sich im Oetz-
•) Länge: Sntura misofrontalis bis hervorragendster
Thcil de« Ueciput. Breite: grössere Breite.
thal überhaupt auf 100 brachykephale etwa 48
mesokephale Schädel, d. h. 32,66 °/e. Die im
Schnalserthal, und zwar in Unserer lieben Frau, Kar-
thaus und St Katharina an 28 Schädeln angestellten
Messungen ergaben im schroffsten Gegensatz dazu
nur 2 raesokephaie darunter, d. h. auf 100
Schädel über 80 kommen nur 7,3 unter 80,
d. h. 7,14 •;». — Im Ganzen fanden sich somit
unter 71 Schädeln 16 mesokephale, d. h. 22, 53°/»,
aber für das Oetathal 32,66, für das Schnalser-
thal 7,14 °/o. — In St. Katharina, dem südlichst
gelegenen Punkt des Sehnalserthals, fand sich so-
gar nur 1 mesokephaler Schädel auf 17 hrachy-
kephnle , also 5,5 °/o ! (cfr. die beigegebene Ta-
belle). —
Ei wird nun darauf ankommen, zu erforschen,
in wie weit die Mesokephalie in» Innthale ver-
breitet ist. Ich möchte daher namentlich an die
Facbgenossen in der Universitätsstadt Innsbruck
die Bitte richten, dieser Frage näher zu treten.
Vorerst weist das Ergehn iss der Oetzer Seh&del-
messungen auf die Möglichkeit einer grössem
Verbreitung der Mesokeplmlen im Tiroler Hoch-
gebirge hin, als wir theils auf Grund der in der
vorigen allgemeinen Versammlung von Herrn
J. Ranke gemachten Mittheilungen, theils in
Folge meiner eignen Beobachtungen in 8t. Peter
erwarten sollten. — Bestätig wird aber die von
mir bereits auf einem beschränkten benachbarten
Gebiet aufgefundene Brachykephalie für die Be-
wohner des zu demselben Thalgebiet gehörigen
Sehnalserthals. —
Was die von Herrn Tappeiner »ngest eilten
Messungen an Lebenden betrifft, so belaufen sich
dieselben auf 45 im Oetz-, 48 im Schnalserthal.
Das Dorf Oetz, also gerade die Hauptfundstätte
der mesokcphalen Schädel , ist dabei nicht be-
theiligt, wohl aber Sölden, Längenfeld, Heilig-
kreuz. Vent, Gurg! im Oetzthal, Kurzras, Unsere
liebe Frau. Karthaus im Schnalserthal. - Unter
; all diesen Messungen findet sich nur ein ein-
ziger mesokephaler Mann in Vent (7 79,8).
Alle Andern sind mehr weniger hohe Brachy-
kephalen. — Zum Tbeil hat Herr Tapp einer
auch die Haar- und Augenfarbe vermerkt . und
1 so lässt sich nach weisen, dass sehr hohe Grade
von Brachykephalie (94,1) mit blondem Haar und
grauen Augen vereint Vorkommen. —
leb muss iu Betreff der weiteren Ausführungen
auf unsere beabsichtigte gemeinschaftliche Be-
arbeitung verweisen, und w'ollte nur auf das auf-
fälligste Ergebnis« derselben hier im Voraus auf-
merksam machen. —
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Tabelle des Sch ttd e 1 »ml ice».
Berlin, den 8. August 1879.
Mineralogisch -archäologische
Beobachtungen.
Von H. Fi «eher (Freibur^).
I. U eben teilt Uber die in öffentlichen und PrUlt*
Museen Deutschlands, Oesterreichs, der Schweiz und
Oberltallens vorflnd lieben grösseren Belle aus Ne-
phrit, Jadeit und Chlorouielanlt.
Nachdem meine desfallaigen Untersuchungen
soweit gediehen sind, dass ich nicht mehr viel
Neues von solchen Beilen zur Einsicht uud
Prüfung zu erwarten habe, finde ich es passend,
eine Zusammenstellung zu veröffentlichen, welche
von den nicht gar zu kleinen Beilen ausgehend bis
zu dcu Riesenexemplaren aulsteigt und den früher
wohl nicht geahnten Reichthum solcher Boten
aus dem hohen Alterthum in unseren Gegenden
den Lesern kundgibt.
Zugleich ist es mir eine angenehme Pflicht,
bei diesem Anlass den Museumsdirektoren und
und Privaten , welche mich durch Zusendung
ihrer Fundobjekte mit ihrem Vertrauen beehrten
oder — soweit Statuten dies verwehrten — doch
' mir sachdienliche Mitteilungen zügelten Hessen, „
eine kleine Aufmerksamkeit zu erweisen.*)
Wie aus diesen Listen ersichtlich wird, be-
trugt die Zahl der Beile aus Jadeit und Chloro-
; meluuit zusuinmen etwa 120 und wir können sie
— gegenüber den Nephritbeilen — füglich zu-
sammen betrachten, da jeno beiden Substanzen
einander überaus nah«! stehen lind deren bis jetzt
noch unbekannte Fundstätte möglicherweise eiue
gemeinschaftliche ist.
Es ist hiebei zu bemerken , dass die Jadeit -
' uud Ckloromolunitlteile sümmtlich einer langst
| verklungenen Zeit unzugehüren scheinen, demnach
| ausschliesslich als prähistorisch zu betrachten sein
| werden, während Nephritbeile wenigstens in Neu-
seeland noch bis in die Neuzeit hineinreichen,
i Von den aufgeführten Nephritboilen sind die
10 neuseeländischen Exemplare von der Zeit der
Cook - Förster 'schon Expeditionen an, also erst
etwa seit deu letzten 100 Jahren zu uns ge-
kommen , ebenso die 3 von Otaheiti , die 7
von Neucaledonien und die 2 von Neu-Guinea ;
dasselbe gilt für die 13 sibirischen, also wurden
zusammen 41 solcher Beile von ihren uns gut
bekannten Fundstätten erst in ganz später
Zeit in unsere Hände gofUhrt und es blieben
demnach, da wir für das Exemplar aus NNW-
Amerika gleichfalls mit grosser Wahrscheinlichkeit
die Abkunft aus Sibirien annehiuen dürfen, nur
noch das eine aus Mexico, danu die in der Schweiz
und in Deutschland gefundenen wenigen Nephrit-
beile von irgend nennenswerther Grösse, end-
lich eines aus dem Peloponnes übrig; von den
durch Dr. Schliemann in Troja ausgegrabenen
angeblichen Nephritbeilen kenne ich die Umrisse
noch nicht, glaube aber aus dem mir angegebenen
absoluten Gewichte von 6 derselben vorläufig den
Schluss ziehen zu können , dass keines dieser
letzteren die Länge von 10 cm weit übersteigen
dürfte. Das im Freiburger Museum uufbewahrte
Nephritbeil von Blansingen (zwischen Basel und
Freiburg) mit 11,0 cm Länge bei 4,5 cm
grösster Breite ist meines Wissens in Europa das
grösste der bekannten prähistorischen Ne-
phritbeile und auch von ganz anderer Form als
die historischen.
Diese Erscheinung stimmt sehr gut mit der
schon früher von mir mitgetheilten statistischen
*) Da es von Interesse ist, möglichst viele der
grössten Beile, deren Originale in den verschiedensten
Sammlungen zerstreut sind, in Imitationen in einem
und demselben Museum nebeneinander zu Neben, w»
wurde hietilr u. a. in Mainz, Berlin, Freiburg, Lyon etc.
Vorkehrung getroffen.
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Beobachtung, dass die Fundstätten prähistorischer
Nephritbeile vorerst nicht weiter nörd lieh
als bis zum 48. und 49. n n. B. (Blansingen,
Starenberg-See, Nördlingen) reichen ; daneben ist
bemerkenswerth . dass die meisten prähisto-
rischen Nephritbeile auch nicht einmal nur die
Grösse eines mittelgrossen sibirischen oder neu-
seeländischen erreichen.
Da nun diese drei Mineralien : Nephrit, Jadeit
und Chloromelaoit sehr hart sind und zugleich
zu den zähesten Substanzen gehören, welche die
Mineralogie kennt,*) so würde sich, da die prä-
historischen Menschen keine Sprengarbeiten an
Felsen vorzunehmen in der Lage waren , eigent-
lich schon ganz von selbst verstehen , dass sie
etwa grössere, freiwillig von der Natur abgelöste
Blöcke durch Erhitzen (sofern sie Feuer zu
machen verstanden) und unmittelbar darauf folgen-
des rasches Ab k ü h 1 en zerkleinern mussten, um
aus den Fragmenten Instrumente herzustellen,
widrigenfalls sie darauf angewiesen waren, klei-
nere von der Natur selbst gelieferte Bruch-
stücke hiezu zu verwenden , wie man sie als
Gerolle in Bächen und Flüssen findet. Dass
aber letztere auch bei anderen Mineralien wirk-
lich auf der ganzen Erde hiezu verwendet
wurden, habe ich zufolge meiner vielfältigen Er-
fahrungen an Beilen, Anmieten und Idolen ver-
schiedcnemalc in 'meinen Publikationen betont und
ganz neulich wieder an einer ansehnlichen Zahl
babylonischer Cylinder nndTalismane
aus verschiedenen Quarz Varietäten, Serpentin u. s.w,
aus dem Gratzer Museum bewährt gefunden. Wir
werden demnach zu erwarten haben, dass auch
heute noch an irgend einer Stelle der Erde sich
Geröll« der genannten Mineralien, soweit uns ihre
Heimat noch unbekannt ist, in Bächen und Flüssen
finden und uns die so wichtigen Winke für die
prähistorischen Völkerzüge liefern könnten.
*1 In wie hohem Grade dies der Fall sei. möge
man daraus entnehmen, das» man besonder» bei den
beiden letztem selbst mit den besten Hämmern kaum
Splitter Icwzuachlagen vermag; ja noch mehr. Als
ich vor Kurzem in einer der weitbekannten Stein-
schleifereien zu Waldkirch bei Freiburg dem Ar-
beiter, der da» Geschäft des Stcinsrhneidens mittelst
der Diamant säge besorgt, eine Anzahl Steinbeile
vorlegte, von denen er mir Splitter für die Unter-
suchung absiigen sollte und worunter auch ein Jadeit-
beil war. so erklärte er. die Arbeit sofort, bei allen
vornehmen zu wollen, für das Jadeitbeil bedürfe es
aber einer neu mit Diamant armirten Sägeplatte!
Ich wunderte mich nicht wenig, dass der schlichte
Arbeiter, dem ich auch nicht mit einer Silbe ange-
deutet hatte, welcherlei Steine es seien, dem Jadeit
sogleich beim ersten Anblick seine Härte und Zähig-
keit anmerkte.
Von welcher Stelle der Erde das Material für
I dio prähistorischen Beile au« Nephrit
stamme, von welchem doch in Sibirien, Turkestan
| und Neuseeland Fundstätten bekannt sind, ist bis
! heut«* noch nicht sicher festgestellt. Aus Turke-
I stan sind Blöcke bis zu 100 Zentnern bekannt
! (vgl. Fischer, Nephrit u s.w. pg. 207, 407)»
| angeblich vom Amur liegen (vgl. a. a. 0. pg. 325)
im British Museum Blocke von 3 — 4 Centnern
(diese Sorte bekam ich noch nie selbst zu sehen),
von dem Nephrit von Batugol bei Irkutsk besitzt
das Petersburger Museum einen Block bis zu
456 kg, die Ecole des Minos zu Paris einen von
500 kg ; aus Neuseeland wurde für das Wiener
Museum ein Block von 123,32 kg erworben
(vgl. 8itzgsber. d. Wiener Akad. 1879 XVII.
[17. Juli] pg. 193).
Mit solch“ grossart igen Vorkommnissen ist
auch das Kaliber der oben angeführten Nephrit -
beile aus Sibirien, Neuseeland, Neu-
caledonien, welche seit dem letzten Jahr-
hundert zu uns gebracht wurden, ganz im Ein-
klang, während, wie oben erwähnt, das grösste
mir bekannt gewordene prähistorische Nephrit-
beil (Blansingen) nicht die Länge von 11 — 12 cm
übersteigt. 8ollten diese letzteren demnach von
einem anderen , weniger ausgiebigen Fundorte
! stammen ? F. v. H o c h s t e 1 1 e r, Berwerth u. A.
' denken hiefür an die Alpen, wofür auch die
I erstaunlich grosse Anzahl ganz kleiner Nepbrit-
i meswr u. s. w. aus den neuesten Ausgrabungen
von Mauruch bei Ueberlingen am Bodensee (Mu-
seen von Konstanz und Stuttgart) zu sprechen
scheinen könnte. Höchst seltsam bliebe es dann
übrigens immer, dass auch noch nicht ein einziges
Stück rohen Nephrits in den Alpen gefunden
wurde, während die prähistorischen Völker bei
etwaigen Zügen über die Alpen doch kaum irgend
welche Wege eingeschlagen hüben dürften, die
von den so fleissigen alpinen Geologen und Mine-
ralogen nicht, ebenfalls schon betreten wären.
Merkwürdig erscheint mir ferner, das» mit
Ausnahme eines einzigen . mir noch nicht aus
I Autopsie bekannt gewordenen weissen angeb-
lichen Nephritbeilchens, welches Herr Dr. Sehlie-
mann in Troja ausgrub, mir noch keine weissen
prähistorischen Nephritbeile bekannt wurden. Dem-
nach scheinen die grossartigen, schon im histo-
rischen Alterthum und bis in die neuere Zeit zum
Theil durch Steinbruchsbau ausgebeutet en Vor-
kommnisse von Nephrit im Kuen-lun-Gebirge bei
Khotan in Turkestan, wo gerade farblose, gelblich-
weisse, molkenfarbige Sorten mehr vorherrschend
als grüne sein dürften, entweder den prähistorischen
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Völkern noch nicht bekannt gewesen oder we- J
nigstens von ihnen nicht zu diesem Zwecke aus-
gebentet worden zu sein oder diese Völkerzüge
haben ihre Richtung überhaupt gar nicht über
jene Gegenden (Khotan. Yarkand etc.) genommen,
wo der Nephrit in Lagen von 20 bis 30 Fuss
Mächtigkeit auftritt (vgl. über diesen letzteren
Punkt Fischer, Nephrit pg. 269 sub 1868 v.
Follenberg, pg. 200 ff-, 294 sub Hermann
von Schlagintweit-Sakünlünski, desgl.
pg. «301, 302 sub von Richthofen und
Stol iz k a).
Wie grossartig muss nun im Vergleich
mit all* diesen oben für den Nephrit erörterten
Verhältnissen das Vorkommen von Jadeit und
Chloromelanit an den uns noch unbekannten Fund-
orten sein, wenn die prähistorischen Völker zu
uns nach Europa eine so erhebliche Menge Heile,
wie ich sie nur schon in der Liste auffUhre, ,
darunter solche bis zu einer Lange von 36 cm
mitbrachten ! Sollte es möglich sein — so muss
ich Angesichts obiger Aufzählung immer wieder
fragen — , dass ein so bedeutendes Auftreten
von Mineralien in Europa selbst bis auf den
heutigen Tag den europäischen Mineralogen, vol-
lends bei der Härte und der Elegauz jener Körper
entgangen wäre und wenn es auch dem hin- '
tarnten Winkel der Alpenwelt angehörte?
Und sollte das Material für die urächten, mit |
eingravirten Hieroglyphen versehenen ägypti-
schen Scarabäen aus Chloromelanit (Museen J
von Wien und Wiesbaden) gleichfalls aus den
Alpen stammen, ferner jenes für die verschiedenen |
mir bekannt gewordenen mexicanischen Ja- ,
deitbeile von der Grösse von 3 bis 7, 10, 18 und
22 cm, zum Theil mit mexicanischen Hieroglyphen
bedeckt (Museen von Hasel, Wien, Darms tadt
[Herr Ph. J. Hecker], Hamburg, [II. Hermann,
Strebei]), für dos Jadeitbeil aus der argentini-
schen Republik (Mailänder Museum), endlich für
die 24 cm hohe prächtige mexicanische Chloro-
melanitfigur im Besitz des Herrn Dr. JuriÖ in
Wien!
Neben alledem ist nun noch die grosse An- !
zahl von Jadeit- und Cbloromelanitbeilen in He-
tracht zu ziehen, welche über Frankreich aus-
gestreut gefunden und von meinem hochverehrten
Freunde A. Damour in Paris in der von uns
gemeinschaftlich publieirten Uebersicht (Revue
archöologique 1878 Juillet) aufgezählt wurde,
nachdem alle von ihm persönlich geprüft waren.
Jene französischen Beilo, mit den von mir
aufgeführten zusammen genommen, ergeben doch
schon ein ganz erhebliches absolutes Gesummt-
gewicht von diesen Mineralien (für dessen an-
nähernde Bourtheilung habe ich bei einigen von
unserer Liste das absolute Gewicht angegeben),
welches auf ein wirklich ganz grossartiges Vor-
kommnis« an irgend einem erst noch zu ergründen-
den Orte der Erde schliessen lässt, ebenso gross-
artig , wo nicht noch bedeutender, als die oben
angeführten Nephritmassen von Sibirien , Neu-
seeland etc.*)
Aus dem Umstande schon, dass ich noch nie-
mals, auch nicht an den grössten Jadeit- und
und Cbloromelanitbeilen, eine Spur von Neben-
gestein entdecken konnte, was in gleicher Weise
fast ausnahmlos für die exotischen Nephritbeile
gilt, lässt sich nach mineralogischen Grundsätzen
auf ein Vorkommen grosser homogener Massen
schliessen. wie sie ja für die sibirischen, turkestu-
nischen und neuseeländischen Nephrite auch von
don betreffenden Fundstätten selbst in der That
bekannt sind. Wenn wir uns nach den dem
Jadeit qualitativ, aber bloss scheinbar nächst -
verwandten Silicaten Umsehen , so ist das Vor-
kommen von Skapolith, Prelinitoid unvergleichlich
spärlicher und höchstens der Possauit (aus dessen
Verwitterung die Porzellanerde hervorgeht) ist in
so grossem Maasstab bekannt, dass ein Vergleich
zulässig wäre. Berechnen wir jedoch die Formel
des Jadeit, so darf er nicht, wie der Skapolith,
zu den Singulosilicaten gestellt werden, sondern
reiht sich den Bisilicaten an und zwar zeigt sich
nach meinen Berechnungen der verschiedenen Ana-
lysen, welch’ erstere mir auch A. Damour aus
seinen Erfahrungen bestätigt, das Sauerstoff-
verhältniss von R 0, Ri 0* und Si O* oft wie
1:2:6, aber auch wie 1:2*5, 1:2:7, 1:3:8;
dasselbe gilt für den Chloromelanit. Diese Unbe-
ständigkeit der genannten Verhältnisse kann um so
mehr auffallen , da einerseits die qualitative Zu-
sammensetzung niebtsosehr variirt und andererseits
meine mikroskopischen Untersuchungen an Dünn-
schliffen beider Körper im Allgemeinen grosse
Homogenität CHchweisen konnten, nur ist beim
Chloromelanit oft Magneteiseu ziemlich reichlich
eingessprengt, ausnahmsweise auch Granat. —
Leider ist es mir selbst bis jetzt noch nicht
gelungen, auch nur an einem einzigen Beil oder
rohen Stück dieser Mineralien aus Thibet, China
•) Nur mir allein gingen schon nach einer an-
nähernden Zn nammen zäh 1 ung der für die Bestimmung
des apez. Gewichts zuerst ermittelten absoluten Ge-
wichte Uftw in den letzten 2 Jahren an Nephritbeilen
etwa 600 g. an Jadeitbeilen etwa 15700 g. an Chloro-
inelanitbeilen 2062 g durch die Hand.
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und Hinnah etwas von Nebengestein zu entdecken,
um daraus irgend welche Winke für das Vor-
kommen derselben in dieser oder jener Felsart zu
gewinnen. Kürzlich erhielt ich jedoch von Herrn
A. Damour die Mittheilung, dass vor einer
Keihe von Jahren ein Juwelier in Paris aus In-
dien (? Hinte rindien) eine wahre Schiffsladung von
Jadeit bezogen habe, in Form von grossen ab-
gerundeten Geröllblöcken. Es waren im Ganzen
wohl 10UO kg. Unter dieser kolossalen Masse
wur jedoch ein einziger nicht gar grosser Block
von der schön apfelgrUnen lind smaragdgrünen
Farbe , welche in der Bi jouterie gesucht ist.
Jener Juwelier liess daraus einige Stücke in Form
von Kreuzen, Bracelets, Ohrgehilngeu schneiden,
den Rest der Ladung verkaufte er an verschiedene
Steinschneider. Diese Blöcke seien nun zufolge
Damour’s Bericht wesentlich aus Jadeit ge-
bildet, innigst gemengt mit verschiedenen andern
Mineralien, als: Hornblende, Augit, Quarz, Eisen-
kies, Chlorit etc. Dasselbe möchte nun, wie
Damour glaubt, bei den Jadeiten der daraus
gefertigten prähistorischen Steinbeile der Fall sein.
Ich habe jedoch bis jetzt in den gerade von mir
im Dünnschliff untersuchten Jadeiten solcherlei
Beimenguugeu noch nicht wahrgenommen.
Es gibt aber nun noch einen anderen Punkt,
der bei dieser Mittheilung vou Damour uns
interessiren muss. Es ist dies die Gross-
artigkeit des Vorkommens, die durch die An-
gabe von diesen Riesenblöcken von Jadeit er-
sichtlich wird und so muss nach meinen Begriffen
auch dasjenige Vorkommen gewesen sein, welchem
die Menge der in Europa ausgest reuten Beile
entstammt, worunter sich ja Riesenexemplare von
mehr als 36 cm Länge befinden. Unter der
Menge von prähistorischen Jadeitobjekten,
die mir schon durch die Hände gingen, waren
auch hellgrüne, u. A. ein Exemplar (aus der
Sammlung der Herrn Dr. Riehe in Colmar, vgl.
Corresp. - Bl. 1879 Nr. 3, p g. 23) von schön
grasgrüner Farbe, vermöge welches Umstandes
wir doch vielleicht an jenen (hinter-) indischen
Fundort als Quelle für diese Beile denken dürfen.
Fenier war unter den aus China an mich
gekommenen rohen Jadeitstücken auch eines
von der schön durchscheinenden, blan-
grünen Varietät, wie solche das Material für
verschiedene aus Mexico und auch aus Europa
stammende prähistorische Beile geliefert hat. Unter
den vielen Blöcken zu Paris könnte möglicher-
weise, ohne dass man dies aus der sehr unschön
gefärbten äusseren Gerüllobertläche gerade zu
atmen vermöchte, diese Varietät sich gleichwohl
linden. Ein Jadeitblock, den ich für unser Mu-
seum erwarb, war auf dem frischeu Bruch
bläulich grün, grob- und verworren faserig und
liess mich sowohl im Schliff von Splittern als
auch an einzelnen zertrümmerten Bröckelehen,
die zu Fasern zerfielen, unter dem Polarisations-
mikroskop erkennen, dass dies Mineral, von welchem
noch nie Krvstalle entdeckt wurden, dem mono-
klinen oder triklinen System angehörou muss.
Ob unter der Schaar der in Frankreich aus-
gestreuten Jadeitbeile, welche ich natürlich nicht
aus Autopsie kenne, einzelne mit smaragd- oder
npfelgrüncr Farbe oder wenigstens mit solchen
Flecken sich befinden, ist mir nicht, bekannt.
Um endlich dieses archäologische Rüthsei seiner
Lösung näher zu führen, schien es mir vor Allem
nötliig, die von mir aus eigener Anschauung ge-
wonnenen Erfahrungen einmal so, wie es nun im
Obigen geschah , zusammenzustellen und es wird
nun wohl einem glücklichen Zufall anheim ge-
geben sein, ob wir in irgend einem mineralogischen
Museum oder durch Einsendungen von aussen ein-
mal rohe Exemplare von Jadeit und Cbloromelunit
mit exakter Fundortsangabe erhalten , welche
genau mit den zu Beilen verarbeiteten Varietäten
obiger Mineralien übereinstimmon.
Es ist hier am Platz, dass ich den deutschen
Diplomaten in China, Herrn v. Brandt, ausser-
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Mi-
nister für China in Peking, Herrn Dr. v. Möllen-
dorf, General-Consul in Tien-tsin (bei Peking),
Herrn Bismark, Consul in Amoy, endlich Herrn
v. 8 öden, bis vor Kurzem Consul in Hongkong,
welche mit grösster und anerkennenswerthester Be-
reitwilligkeit mich durch Zusendungen von Mine-
ralien aus China und Mittheilung einscblagendur
Erfahrungen in diesen schwierigen Studien unter-
stützen, meinen verbindlichsten Dank ausspreche.*)
Möchte ihnen ein glückliches Geschick einmal
dasjenige Material in die Hände führen, dessen
wir hier in Europa zur Lösung der oben ven-
tilirten Fragen dringend bedürfen. Interessant
wird sich diese Lösung jedenfalls gestalten ;
sollten sich nämlich diejenigen Gegenden, woher
ich bis jetzt rohen Jadeit bezog, China, Hinter-
indien , später auch als die Heimat derjenigen
Varietäten herausstellen , woraus die in Europa
ausgestreuten Jadeitbeile und -Meisel bestehen,
•| Durch Herrn v. Soden erhielt ich kürzlich
aus Hongkong faxt farblose und dann smaragdgrün«-
Jadeite, die höchst wahrscheinlich aus Hinterimlien
iBirtuah) stammen.
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23
was würden die Archäologen hiezu sagen? und
wie erfreulich wäre die Beantwortung der Frage,
auf welchem Wege die ganz identische Sorte von
grünlichem Jadeit mit eingesprengten, allerwinzig-
sten, honiggelben Körnchen als Meissei nach Ltt-
scherz am Bielersee (Schweiz) und als Prunkbeil
nach Mexico verschlagen wurde ! — Vergessen
dürfen wir bei Alledem nicht, dass die krypto-
krystallinischen Mineralien, wie Nephrit,, Jadeit,
Chlororaelanit. heutzutage begreiflicherweise mehr
als jo die Stiefkinder in der Mineralogie sind und
also eine besondere Aufmerksamkeit Seitens der
roisenden Forscher oder andererseits der Direktoren
grosser Museen unmöglich beanspruchen können.
Um so glücklicher muss dereinst der Zufall sein,
der Licht in das bis jetzt noch waltende Dunkel
der Abkunft jener Prunkbeile zu bringen ver-
möchte, wobei zu bemerken ist, dass letztere in
ihren Fundstätten sich seltsamer Weise Öfter an
römische Niederlassungen ansch Hessen , während
irgend welcher nähere Aufschluss ülier solche
blanke Steinbeile meines Wiesens in der römischen
Literatur nicht zu finden ist.*)
Zum Schluss möchte ich mir, sofern etwa in
obiger Uebersicht irgend etwas von den mir zu-
gegangenen, einschlagenden Objekten nicht mit
aufgenommen sein sollte, hiefür Indemnität er-
bitten. Wer je eine ähnliche Arbeit unternommen
haben sollte, wird cs ermessen, mit welchen
Schwierigkeiten es verbunden ist , aus ganzen
Bergen von Notizen und von Correspond enzen
aus allen Himmelsgegenden das Nöthige auszu-
ziehen und zu ordnen.
Nephrit-Beile und -Meissei.
Estavayer (Neuenburg See): Privatsammlung des
Herrn Kd. Jenner, Ilern, 40 min lang. 30 mm
breit.
Pfahl bauten am Bielersee — 1 1 Stücke : Privatsamm-
lung des Herrn Br. Gross. Ncuvcville, 40—40 mm
lang.
Maurach bei Cebcrlingen — 63 Stücke: Hosgarten-
Muweuni Conntanz, 40— 49 mm lang.**)
*> Da der Kklogit, wenngleich nicht exotisch zn
nennen, vielmehr in Kuropi« mehrfach einheimisch, doch
zu den Ncltenern Felsarten mit geringem Verbreitungs-
bezirk gehört, so habe ich für die aus demselben her-
gestellten grösseren Beile gleichfalls eine Liste 1m»*-
gegeben, da das gröbere oder feinere Korn, ferner das
Vorhandensein oder Fehlen eingemengter weisser
rilimnierbliLttchen für Abkunft aus gewissen (legenden
Winke geben könnten. Er gehört gleichfalls zu den
zähesten Gesteinen.
Hiezu kommen iiu C'nnstanzer Museum noch
etliche 20 Meissel von 40 mm Länge bei 18 mm
Breite bis zu 71 mm Länge bei 20 mm Breite. —
j Pfahlbauten am Bielersee — 5 Stücke: l’rivutsainm-
lung de« Hrn. Dr. Gross, Ncuveville. 50— 59 mm
1 lang.
Pfahlbauten am Bodeniiee - IW Stücke: Kosgarten-
Museum Conntanz, 50 — 59 mm lang. 30-34 mm
breit.
Schafft* IChavannel Bielersee: Privatsammlung de*
Herrn Ed. Jenner, Bern. 50 mm lang, 30 mm
breit
Admiralitätsinseln Neu-Guinea ( Fragment einer Lungen-
spitze): British Museum, min. Abthlg. (London),
50 mm lang, 37 nun lang.
Ueberlingen am Bodensee : PrivuUatninlung de« Herrn
Ullersberger. Ueberlingen, 5 1 mm lang, 35 mm br.
Hauenegg bei C'onstanz: Rosgarten-Museum Conatanz,
53 mm lang. 17 mm breit.
Neuveville: Ethnograph. Museum Freibnrg, 55 miu
lang. 30 mm breit.
An dein Werchelensker Berge bei detn Dorfe Kultuk.
unweit Irkutsk (Sibirien) : Museum Petersburg, 00 mm
lang, 26 mm breit.
Nördlmgen: Städtische Sammlung Nördlingen, 60 mm
lang, 27 mm breit, 35.15 g schwer.
Maurach — 4 Stücke: Rosgurten- Museum Constanz.
60 — 66 mm lang. 30—40 mm breiL^
Neuseeland: Naturhist. Hofmusemn Wien, 60 mm
| lang, 35 nun breit.
Neuseeland: Minern log. Museum Göttingen, 60 nun
lang, 40 mm breit,
| Pfahlbauten am Zürichseo: Archäolog. Museum Zürich,
60 rom lang. 40 mm breit.
Pfahlbauten am Bielersee — 2 Stücke: Privatsamui-
lung des Herrn l)r. Gross, Neuveville, 60 mm lang.
I 35—48 mm breit.
Maurach: Kosgurten-Museum Conntanz, 62 mm lang,
37 mm breit.
Pfahlhanton in der Schweiz: Privutsummlung de* Hrn.
I>r. Gross, Neuveville, 63 mm lang, 47 mm breit.
Pfahlbauten bei Meilen am Zürichs«*»: Archäolog. Mu-
seum Zürich, 66 mm lang, 64 nun breit.
Maurach: Rosgarten-Museum Conntanz, 66 mm lang,
42 nun breit.
Mexico — (V Nephrit): Kthnolog. Museum Basel, 67 mm
i hing, 45 miu breit.
Schweiz: Privatsammlnng des Hm. Dr. Gross, Neuve-
ville, 69 mm lang. 51 mm breit.
Pfahlbauten Issi Meilen am Zürichsee: Antiq. Museum
Zürich, 70 mm lang, 32 mm breit.
Aduiirulitätsin*eln Neu-Guinea ( Fragment einer Lanzen-
spitze): British Museum. 70 mm lang, 32 mm breit,
Peloponnes — (V Nephrite Museum Lyon, 70 mm lang.
40 mm breit.
Neuseeland: British Museum. 70 nun lang, 40 mm breit.
Pfahlbauten am Bielersee: Privat Kamm lung des Hm.
I>r. Gross, Neuveville, 71 nun lang, 19inm breit;
desgl. 71 nun lang, 36 mm breit.
Maurach bei Ueberlingen: Rosgarten-Museum Conatanz,
73 mm lang. 20 mm breit.
Pfahlbauten am Bielersee: Privatsammlung des Herrn
I)r. Gross. Neuveville. 74 mm lang. 13 mm breit;
desgl. 75 min lang, 21 mm breit.
Meilen um Zürichsee: Antiq. Museum Zürich, 76 mm
lang. 38 mm breit.
| Schweiz: Privat Hamm lung des Hm. Dr. Gross, Neuve-
ville, 76 mm lang, 44 mm breit.
! Dorf Pasc hat inskoje bei Krasnojarsk (Sibirien) :*Privat-
saiiunlung de» Herrn L o p a t » n , K rasnojarek. 77 mm
I lang, 50 mm breit.
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24
Meilen am Zürieh&eo: Antiq. Museum Zürich, 80 mm
lang. 40 mm breit.
Maurach am Bodensee: Ro«garten-M useum ( 'onstanz.
80 mm lang. 41 min breit.
Neuseeland: British Museum, min. Abth., 80 mm lang.
50 mm breit.
Locrazl Lti*eherz)am Bielersee: PrivatKammhing des Hrn.
I>r. Gross, Neuveville, 83 mm lang. 27 mm breit.
Wal Ihausen bei Constans : Kosgurl en-Mtweum Constanz :
85 mm lang. 48 mm breit.
Gugend von Krasnojarsk (Sibirien): Privatsammlung
ues Hm. Desor, Neuehatel: 85 mm lang, 60 mm
breit.
Wailhuusen bei Constanz ; Rosgarten-Muwum Count anz,
88 mm lang, 42 mm breit.
Pfahlbauten am Zürichsee: Antiq. Museum Zürich,
00 mm lang, 30 inm breit.
Otaheiti: Mineralog. Museum Königsberg, 00 mm lang,
45 mm breit.
Fluss Linunat bei Zürich: Antiq. Museum Zürich,
03 mm lang. 30 mm breit.
Neuseeland: British Museum, min. Abth.. 93 mm lang,
65 mm breit.
Nouealedonion : PrivaUaiiimlnng des Herrn Schilling.
Hamburg, 95 mm lang. 50 mm breit.
Otaheiti: Natisnalmuseum Budapest, 95 mm lang,
65 mm breit : desgl. 97 mm lang. 50 mm breit.
Neuseeland: Ethnograph. Museum Güttingen, 100mm
lang, 40 mm breit.
Neucaledonien : Privatsainmliing des lb>rm Schilling.
Hamburg, 100 mm lang. 55 mm breit.
Neuseeland: Museum Wiesbaden, 100 mm lang,
62 mm breit.
Oefoliplütze l«ei Gerlafingen am Hielcrsee: Privat-
sammlnng des Hrn. Dr. Gross, Nouveville, 101 miu
lang. 28 mm breit.
Pfahlbauten in der Schweiz: Antiq. Museum Zürich,
104 mm lang, 30 mm breit.
Neuseeland : Mineralog. Museum Basel, 107 mm lang,
43 mm lang.
Blunsingen in Baden (nürill. von Basel I 10 Fu» tief
in der Erde, fern von PfahRwinten gefunden: Mu-
seum Kreiburg i. B., 110 mm lang. 45 mm breit,
210,60 g schwer.
Neucaledonien : Privutsaiumlung des Herrn Schilling,
Hamburg. 110 mm lang, 50 mm breit.
N. N. W. Amerika (? ursprünglich Sibirien): Kthnogr.
Museum Güttingen, 110 mm lang, 56 mm breit.
Neucaledonien : Museum Brannaehweig, 110 mm lang,
5W) mm breit.
Karealnojc, Kreis Minusinsk (Sibirien): Privatsammlung
des Herrn Lopa t in, Krasnojarsk. 115 mm lang,
40 mm breit.
Fluss Raktukasch. Gouv. Jenisseisk (Sibirien): Privat-
sammlung des Herrn hn pH t i n , Krasnojarsk, 120 mm
lang. 55 mm breit.
I >orf Saledejewo am Tsehadobetz. Neln-nfluss der Angara
(Sibirien): Privatsammlung des Herrn Lo patin,
Krasnojarsk. 125 miu lang. 60 mm breit.
Neuseeland: Ethnograph. Museum Güttingen, 125 mm
lang, 60 nun breit.
Neuseeland : Museum Freiburg, 125 min lang, (50 nun br.
Neuseeland: British Museum, min. Abth.. 130 mm
lang. 67 mm breit.
In der Stadt Krasnojarsk (Sibirien): Privut-sammlung
des Herrn Lopatin, Krasnojarsk, 133 mm lang,
40 mm breit.
Neuseeland: Museum Freibnrg. 135 mm lung, 40 mm
breit, 308,50 g schwer.
Neuseeland: British Museum, min. Abth., 140 mm
lang, 50 nun hreit.
Knwnojur.sk (Sibirien): Museum Freiburg. 140 mm
lung. 67 mm breit,
Dorf Saledejewo um Tschadobetz. Nebenfluss der Angara
(Sibirien): PrivaUammlung de* Herrn Lopatin,
Knwnojarsk, 140 mm lang, 70 breit.
Neucaledonien : British Museum, min. Abth., 140 mm
lang 90 mm breit.
Neucaledonien: Museum Graz, 160 mm lang. 105 mm br.
Admiralitfitainseln Neu-Guinea (Fragment einer Lanzen-
spitze): British Museum, 165 mm lang, 35 tum hreit.
Dorf Pintschatschi bei Krasnojarsk (Sibirien): I'rivat-
Kammlung des Herrn Lopatin, Krasnojarsk, 1 70 mm
lang, 50 mm breit.
Neuseeland : British Museum, 180 mm lang. 45mm hreit.
Neuseeland: Mineralog. Museum Halle. 180 mm lang.
85 m tu breit, 575,36 g schwer.
Neucaledonien: British Museum, 195 mm lang.l 10mm br.
Neuseeland — (V Nephrit) : Museum Danustadt, 213 mm
lang, 83 mm breit
Neuseeland: Museum Montpellier, 215 mm lang,
107 mm breit
An dem Wen-helensker Berg beim Dorfe Kultuk. un-
weit Irkutsk (Sibirien): Museum Petersburg, 300 mm
lang, 50 iuui breit*)
Jadeit-Beile und -Meissel.
Spalato (Dalmatien): Museum Agram, 38 mm lang,
32 mm breit.
Sani«**. Lydien (Kleinasien): Privatsammlung de* Hrn.
Prof. Virchow, Berlin, 40 mm lang. 20 mm breit,
17.29 g. schwer.
Final«« liei Genua (Höhle): Mineral. Museum Genua.
40 mm lang, 25 mm breit.
Straussfuri hei Weisscnsec ( Thüringen I: Privutsauuu-
lung des Hrn. Dr. Herbst, Weimar, 40 mm lang.
27 mm hreit.
Ueberlingen am Bodensee: Privatsammlung «les Herrn
U 1 1 er* berge r, L’elierlingen, 43uim lang. 34 mm
breit.
Mexico : Ethnograph. Museum Basel , 45 mm lang.
34 mm hreit.
Pfahlbauten «1er Sehw«>iz : Antiq. Museum Zürich,
47 mm lang. 31 mm breit
Laibach (Pfahlbau): Museum Laibach. 50 mm lang.
•'13 mm hreit.
*) Anmerkung Ich danke «lern Schicksal, dass
es meine durch so viele Zusendungen au* dem Aus-
land wesentlich geförderten mineralogisch-archäo-
logischen Studien soweit schon gedeihen lies«, bevor
die deutsche Zollverwaltung die neue Massregel ein-
fÜhrte, wonach der Versender «*iner Kiste oder «Igl.
in'* Au*lun«l das Hob- und Reingewicht eine* jeden
Packet*, das Reingewicht der einzelnen Waaren selbst
bestimmen, also wägen muss. Da mir meine Zeit
zu derlei Geschäften, welche ich bei der Verantwort-
lichkeit für fremde* mir an vertraute« Gut selbst be-
sorgen müsst«*, zu koätiiar ist, so erkläre ich hiemit
da** ich solange obige Maßregel in Geltung bleibt,
tos dem Ausland keine Sendungen mehr annehme,
welche in dasselbe znrDckkehren müssten , ausser
insoweit schon vom Einsender alle obige Erforder-
nisse erfüllt sind und Im.m der Rücksendung alle Zahlen
die gleichen zu bleihen haben.
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25
Oefeliplfttze liei Gerlafingen (Pfahlbauten) atu Bieter-
see : Privatsaiiunlung den Hin. Dr. Gross, Neuve-
ville. 60 min lang, 36 mm breit.
Pfahlbauten am Bielersee : Privatsamtnlung des Hm.
Dr. Gross, Neuveville, 51 mm lang, HO mm breit;
51 mm lang. 34 nun breit; 52 mm lang. 32 mm
breit ; 53 mm lang, 30 mm breit.
Deutschland Y : Ethnograph. Museum Freiburg. 58 mm
lang. 88 mm breit.
Unteruhldingen am Bodensee : Kong. Museum Con-
stanz. 54 mm lang, 88 mm breit; Schweiz: Privat -
Sammlung de« Hm. Dr. Gross, Neuveville. 54 mm
lang, >tK mm breit.
Rappertsberg l»ei Saarbrücken: Sammlung de« naturli.
verein« Bonn, 57 mm lang, 37 mm breit.
Pfahlbauten am Bielenee: Privatsammlung de« Hm.
Dr. Gross, Neuveville. 5h mnt lang, 23 mm breit;
58 mm lang. 31 mm breit; 60 mm lang. 20 mm
breit ; 00 mm lang. 27 nun breit.
? : von» Centr. Museum Mainz. 60 nun lang. 35 mm br.
Count an x : Kong. Museum Cnnxtunz. 60 nun lang.
40 mm breit.
Y Dalmatien: Museum Triest, 60 mm lang, 45 mm
breit.
Mauruch bei Ueberlingen : Ko*g. Museum Constanz.
61 nun lang. 40 uuu breit.
Cnteruhldingen am Bodenaee : Rang. Museum Con-
ütanx. 62 uuu lang. 39 mm breit.
Pfahlbauten um Bielenee: Privatavmmlung de* Hrn.
Dr. Gross. 63 mm lang, 35 mm breit; 63 ran»
lang, 38 mm breit.
Maurach bei Ueberlingen: Konstunz. 63 mm lang.
42 nun breit.
Hannover: Muneuiu Hannover, 65 nun lang, 40 mm
breit.
Pfahlbauten der Schweiz: Privatsammlung de« Hrn.
Dr. Dor, Bern, 67 mm lang. 35 mm breit.
Privatsuimnlung des Hrn. Dr. Gros«, Neuveville.
68 tiuu lang, 27 mm breit; 68 mm lang, 38 nun
breit; 70 mm lang, 39 nun breit.
V: vom Centr. Museum Mainz, 70 mm lang, 40 min
breit.
Kastell Orlen bei Wiesbaden: Museum Wiesbaden,
70 uuu lang, 43 mm breit.
Olenhusen, Amt Göttingen : Museum Hannover, 70 nun
lang, 50 mm breit.
Baal bei Erkelenz (Rbeinpreuwten): Privatsammlung
de« Hrn. Prof. Sch aa ff hausen, Bonn. 72 mm
lang, 46 nun breit.
Schweiz (Pfahlbauten): Museum Bern, 75 mm lang,
23 um breit.
Mexico: Privutsununlung de« Hrn. Becker. Darm*
stadt, 75 mm lang, 35 mm breit.
Schweiz (Pfahlbauten): Museum Bern. 75 mm lang.
37 mm breit.
Nienburg (Hannover); Museum Hannover, 77 mm lang,
50 miu breit.
Schweiz: Privatsaiiunlung des Hn». Dr. Gros«, Neuve-
ville. 78 nun lang. 18 mm breit.
Apenninen bei Parnm : Museum Triest , 80 mm lang,
40 mm breit.
Pfahlbauten der Schweiz : Museum Zürich . 80 mm
lang. 40 mm breit.
— Privatsammlung de« Hrn. Dr. Gros«, Neuvevlile.
82 nin» lang, 30 mm breit.
Unteruhldingen am Bodenaoe: Rosg. Museum Coustanz.
83 mm lang. 45 mm breit.
Hannover: Museum Hannover, 83 mui lang. 50 mm
breit. 1*0,06 g schwer.
Schwetzingen bei Mannheim : Museum Jena . 87 mm
lang. 40 mm breit, 132,59 g schwer.
Unbekannt : Museum Dresden , 87 mtn lang , 45 mm
breit.
Pampas der urgent. Republik: Museum Mailand. 90
nun lang, 40 mm breit.
Y Deutschland : Museum Wiesbaden , 90 mm lang.
43 min breit.
Basel : PrivaUaimnlung des Hrn. Albert Möller. Bern,
90 mm lang. 50 mm breit.
Wennigsen l Hannover): Museum Hannover, 90 mm lg.,
50 mm breit, 149,17 g schwer.
Lfischerz am Bielenee : Privatwumnlung de« Herrn
Dr. Gros«, Neuveville, 100 mm lang, 45 mm breit.
Mexico: Hofmuseum Wien. 100 miu lang. 45 mtn breit.
? Kheinbuiem: Museum Dilrvklieiiu a. <L H., 100 mm
lang, 47 mm breit.
Heelden bei Millingen zwischen Wesel und Emmerich
I Kheinpreussen) : Museum natur. Verein Bonn, 100 tnm
lang, 50 mm breit
Braunschweig: Museum Braunschweig. 100 mm lang
50 mm breit.
buttrigen < Bielersee l: Privatsaiiunlung des Hrn. Dr.
Gross, ‘Neuveville. 105 mm lang, 15 mm breit.
Leistadt bei Dflrkheim a. d. H.: Museum Dürkheim,
110 mm lang, 45 mm breit.
Ecully (Khönedepartement): Museum Lyon, 110 nun
lang. 47 mm breit.
Unteruhldingen am Bodensee ; Museum Constanz.
110 mm lang, 50 nun breit.
Gonsenheim bei Mainz: Museum Mainz, 110 mm lang,
55 mm breit.
Mersheim (Würtemberg): Museum Stuttgart, 110 mm
lang. 60 mm breit.
Göttingen : Museum Hannover. 120 tnm lang, 48 min
breit. 215,82 g schwer.
Grossher/ogth. Oldenburg : Museum Oldenburg. 125 nun
lang. 60 nun breit, 284,91 g schwer.
Mexico: Privatsaminlung des Herrn Strebei, Ham-
burg, 127 mm lang, 70 mm breit.
Bohlten (Amt Bodenteich I: Museum Hannover. 130 mm
lang. 45 mm breit. Y Jadeit.
Cormons bei Triest: Museum Triest. 130 min lang,
50 mm breit.
Elsa«» : Privatsammlung des Herrn Dr. R i c h e , Col-
mar, 137 mm lang, 53 mm breit.
? Italien: Museum Pavia, 140 mm lang, 50 inm breit.
liAngelage bei Oimahrack: Museum Hannover. 140 mm
lang. 05 mm breit, 376,80 g schwer.
Pfahlbauten am Bielenee: Privatsaiiunlung des Hm.
Dr. Gross. Neuveville, 142 nun lang. 59 mm breit.
Löse herz, Bielenee: Privataumnlongf de« Herrn Dr.
Gross, 148 mm lang, 60 nun breit.
Alsenzthal (Rheinbuiern): Museum Dürkheim. 160 mm
lang, 60 mm breit.
? Deutschland (Moselthal I: Ethnograph. Museum Ber-
lin. 160 mm lang, 60 mm breit.
Burkhardsfelde (Hessen): Museum Wiesbaden. 160mm
lang, 85 min breit. Fragment.
Pfahl hauten am Bielenee: Privatsaminlung de« Hm.
Dr. Groas, Neuveville, 161 mm lang, 60 mm breit.
Maffles bei Ath. Prov. Hainaut, Belgien (Y Jadeit):
Museum Brüssel. 163 mm lang. *0 mm breit, 396.35 g
schwer.
Gonsenheim bei Mainz: Centr. Museum Mainz, 170 nun
lang, 70 mm breit.
Cividale bei Udine: Museum Udine, 170 mm lang.
74 min breit.
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Elsas«: PrivaUuunulung de« Hrn. Dollfuss. Dörnach,
173 mm lang. 59 mm breit, 507,69 g schwer.
Mexico: Privatsammlung des Hm. Strebei, Ham-
burg, 1*0 mm lang, 63 nun breit.
Gonsenheim : Museum Mainz, 1*0 mm lang, 80 mm
breit.
? Deutschland (Moselthal): Ethnograph. Museum Berlin.
210 mm lang, 61 mm breit.
Mexico (v. Humboldts Beil): Ethnograph. Mime um
Berlin, 220 mm lang, 80 mm breit.
Gonsenheim bei Mainz: Centr. Museum Mainz, 230 mm
lang. 80 mn» breit; 230 mm lang, 100 mm breit.
Angebl. Seeland (Dänemark), vielleicht eher aus Frank-
reich : Museum Cassel, 235 mm lang, 67 mm breit.
Frankreich: Museum Hannover, 250 mm lang, 70 mm
breit, 707,20 g schwer.
Höxter, Weetphalen : Museum Münster, 250 mm lang.
80 mm breit.
Frankenhausen (SO Nordhausen): Museum S. D. deR
Fürsten v. Schwarzburg-Hudolstadt in Rudolstadt.
200 nun lang. 110 mm breit.
(«rimmlinghausen: PrivaUammlung de« Herrn Gun-
trura, Düsseldorf, 353 mm lang, 131 mm breit,
1340 g schwer.
Angeblich Seeland I Dänemark! eher Frankreich : Mu-
seum Cassel; 360 nun lang, 84 mm breit.
? Europa: Ethnograph. Museum Dresden. 375 mm laug,
100 mm breit.*)
Chloromelanit - Beile.
(Schmale Meisse] aus diesem Minerale kamen mir
noch keine vor.)
Gent (Belgien): Museum Brüssel, 40 mm lang, 40 mm
breit.
Schweiz (Pfahlbauten): Museum Bern, 44 mm lang,
26 mm breit; 47 mm lang. 30 mm breit.
? Elsass: Museum Freiburg, 50 nun lang, 30 mm breit.
? Mexico (der beigeschriebene Fundort Neuseeland ist
gewiss irrig): Museum Graz, 55 mm lang, 35 mm
breit.
V Elsass: Museum Freiburg, 57 mm lang, 37 mm breit.
Bodensee: Rofg. - Museum Constanz. 60 mm lang,
35 mm breit.
Oaxaca (Mexico) : Museum Mailand . 60 mm lang,
85 mm breit, 105,05 g schwer.
Mexico : Museum Freiburg, 60 mm lang, 40 mm breit.
Bodensee (Pfahlbauten): Museum Constanz, 60 mm
lang, 42 mm breit
Grünberg (Hessen I: Museum Wiesbaden, 65 mm lang,
40 mm breit.
*) lm Museum S. D. des Fürsten von Fürsten-
berg in Üonaueschingen liegt noch ein mittelgrossee
.ladeitbeil aus dein Elsas«, dessen Langen Verhältnisse
ich im Augenblick nicht angeben kann. Schlanke
Meisscl aus Jadeit z. B. von 105 mm Länge bei 15 mm
Breite von Luttrigen (Bielersee) finden sich in der
Sammlung de< Herrn Dr. V, Gtosh in Neuveville :
ebendaselbst liegt noch eine Reihe hier nicht aufge-
ffthrter Beile, bezüglich deren die Diagnose ohne Ab-
nahme von Splittern zwischen Jadeit und Saussurit
noch schwankend blieb. — Von Herrn Prof. Dr. Lo-
visato an der Universität Sassari (Sardinien) wunlen
&n seinem früheren Aufenthaltsort Calabrien (Unter-
Italien) eine Reihe kleiner Jadeit-, Chloromelanit- und
Nephrit-Beile entdeckt, welche nur das oben als Aus-
gangspunkt angenommene Maas« nicht erreichen.
Hodensee: Museum Freiburg, 67 inin lang, 35 mm breit.
Italien: Museum Triest, 70 mm lang. 30 mm breit.
Constanz: Museum Constanz. 70 miu lang, 40 ituu hr.
Gronau (Heesen): Museum Wiesbaden, i0 mm lang.
45 mm breit.
Constanz: Museum Constanz. 75 mm lang, 39 mm br.
Wehen bei Wiesbaden : Museum Freiburg , 85 mm
lang. 45 mm breit.
Pfahlbauten (Bielersee): Privatsammlung dea Herrn
Dr. Gross, Neuveville. 88 mn» lang. 45 mm breit.
Celle bei Hannover: Museum Lüneburg, 90 min lang,
47 mm breit.
China (? angeblich): Hofmuscuni Wien. 90 mm lang.
50 mm breit.
Schwetzingen bei Mannheim: Museum Freiburg, 93uim
lang, 60 mm breit.
Unbekannt: Natiotialinuseum Budapest. 95 min lang.
45 mm breit.
Pfahlbauten (Bielersee! : Privatsammlung des Herrn
Dr. Gross, Neuveville, 106 nun lang 59 nun breit
Heilbronn: Museum Heilbronn, 117 mm lang. 57 mm
breit.
Rovcredo: Museum Koveredo, 120 mm lang, 50 mm
breit; 130 mnt lang. 53 mm breit.
Cremifere (Isfere-Deportenient) : Museum Lyon, I40ium
lang. 50 mm breit.
Dalmatien: Museum Triest, 140 mm lang, 60 mm br.
Belm bei Osnabrück: Museum Hannover, 145 mm lang,
50 mm breit, 374.58 g schwer.
Atacama (Chile): Hofmuseum Wien, 160 mm lang.
55 mm breit.
Niederried bei Aarberg (Canton Hern): Privutsamui-
lung des Herrn Bürki in Bern. 160 mm lang, 65 mm
breit.
Wesselingen bei Bonn: Museum d. nat. Ver. Bonn.
200 mm lang. 73 mm breit.
Loo bei Brüssel : Museum Brüssel . 200 mm lang.
103 mm breit. 406.79 g schwer.
Pfalzkiill bei Trier: Museum Trier, 255 mm lang.
63 mm breit.
Kloppenburg (Oldenburg) : Museum Münster, 290 mm
lang. 95 nun breit.
E k I ogit- Beile.
Edingen bei Heidelberg : Museum Freiburg, 103 mm
lang, 55 mm breit.
Deutachlund: Museum Freiburg, 111 miu lang, 50 mm
breit.
Röcke bei Pützen (Oldenburg): Museum Oldenburg,
120 mm lang, 50 mm breit.
CormOEM bei Triest : Privatsuiumlung des Herrn Dr.
Peru wi ni in Cormons, 130 mm lang. 50 mm breit.
Loiw le Saulnier (Departement de Jura): Privateamra-
lung des Herrn St. Aiuour in Charpy (Dep. de
Jura), 140 mm lang, 50 mm breit.
Oberitalien V: Museum Paria 145 mm lang, 50 mm
breit.
? Deutschland: Museum Wiesbaden, 155 mm lang.
65 mm breit.
Atzenhain (Hessen): Museum Wiesbaden, 195 mm
lang, 60 mm breit.
Elsass : Museum Freiburg, 200 mm lang. 50 mm breit.
Argent. Republik: Museum Mailand, 240 mm lang.
65 mm breit, 685,90 g schwer.
Kleinere Beilchen bis herunter zu 2 cm Länge
liegen in den verschiedensten Museen.
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27
Nachtrag.
Noch während des Druckes obiger Liste liefen
durch die Güte des H. Edmund von Fel len -
berg-Bonstetten, Ingenieurgeologen in Bern,
Beiträge über das Berner und Züricher
Museum bei mir ein, welche mir mit Rücksicht
auf die so hochwichtigen Pfahlbauten zu erheb-
lich erschienen , um sie nicht noch dem obigen
Aufsatze beizufügen.
Nephrit - Beile und -Meissei.
? Lüsche» (Bieleraee): miner. Museum Bern, 40 mm
lang. 38 mm breit.
— Antiquarium Bern, 44 mm lang, 28 mm breit;
44 mm lang. 30 mm breit.
Lattrigen (Bieleraee): min. Museum Bern, 45 mm
lang, 18 mm breit.
? Schaffis (Chavanne) (Bieleraee): Privatsammlung des
Herrn Berchthold Haller in Bern, 45 mm lang,
IW mm breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 46 mm lang, 20 mm
breit.
Lattrigen: min. Museum Bern, 47 mm lang. 35 mm
breit.
— Antiquarium Ben», 47 mm lang. 38 mm breit.
Xenenbnrger See: min. Museum Bern, 48 mm lang,
31 mm breit.
Schaffis : Privatsamrolnng des Herrn B (1 r k i , Bern,
49 mm lang, 135 mm breit.
— Privatxammlung des Hrn. B. Hai 1er, Bern, 50 mm
lang, 26 mm breit,
Lüscherz: min. Museum Bern, 50 nun lang, 37 mm
breit.
Bielerxee: min. Museum Bern, 51 mm lang, 35 mm
breit
Schnffix: Privataammlung »lex Herrn B. Haller. Bern,
52 mm lang, 29 mm breit.
Ueberlingen (Bodensee): Antiq. Museum Zürich. 55 mm
lang, 34 min breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 55 mm lang, 136 nun
breit
Bieleraee: Privatsammlung des Herrn B. Haller,
Bern, 55 mm lang, 43 mm breit.
Oefeliplätze bei Gerlafingen (Bieleraee): Privataamm-
lung »lex Herrn Pr. G ross, Neuveville, 58 mm lang,
29 mm breit.
Kstavuyer ? : Antiquarium Bern, 59 mm lang, 32 mm
breit
Meilen I Zürichsee): antiq. Museum Zürich. 59 mm
lang, 37 nun breit.
Neuenburg See: min. Museum Bern, 60 mm lang,
35 mm breit,
Meilen: antiq. Museum Zürich, 65 mm lang. 37 mm
breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 65 mm lang, 42 mm
breit; 68 mm lung, 39 mm breit.
Mürigen, BielerHce (in e. Bronzestation): Antiquarium
Bern, 69 mm lang. 40 mm breit.
Meilen: antiq. Museum Zürich, 72 mm lang, 35 mm
breit.
Schaffix: Privatsanunlung »lex Herrn Bürki, Bern,
73 mm lang, 26 nun breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 74 mm lang, 45 mm
breit.
I Meilen, antiq. Museum Zürich, 80 mm lang. 42 mm
breit; 85 mm lang, 29 mm hreit.
I Lüscherz: Privatxammlung des Herrn Desor, Nen-
ohatel, 85 mm lang. 43 nun breit.
— Antiquarium Bern, 90 mm lang, 33 mm breit.
, Estavayer (Neuenbg. See): min. Museum Bern. 94 mm
lang, 42 mm breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 94 mm lang, 47 mm
breit.
Limmatfluss bei Zürich : antiq. Museum Zürich, 95 mm
lang, 32 mm breit.
I Meilen: antiq. Museum Zürich, 104 min lang. 33 mm
I breit.
I Estavayer (brauner Nephrit?): Antiquarium Bern,
119 nun lang, 35 mm breit.
Jadeit.
Schaffix (Bieleraee): Privatsammlung de« llrn. Berch-
i thold Haller, Bern, 40 mm lang, 32 mm breit.
— antiq. Museum Zürich, 40 mm lang. 34 nun breit.
! - • Privatsammlung des Hrn. Berchth. Haller, Bern
I 40 mm lang. 39 mm breit.
I Lattrigen (gras grün): Antiquarium Bern. 41 mm lang,
133 mm breit; 45 mm lang, 35 mm breit.
' Lüscherz (Locras): Antiquarium Bern, 51 mm lang,
32 mm breit.
Gerlafingen (Oefeliplätze): Privatsammlung des Herrn
Berchth. Haller, Bern. 52 mm lang, 25 mm breit.
I — miner. Museum Bern, 52 mm lang, 37 nun breit;
55 mm lang, 27 mm breit.
Schaffis (Bieleraee): Privatsammlung de» Hm. Berchth.
Haller, Bern, 56 mm lang, 13 mm breit.
Neuenburger See: Antiquarium Bern. 56 mm lang,
31 mn» breit.
Lattrigen (Bieleraee): Antiquarium Bern, 60 mm lang
25 mm breit.
Gerlafingen (Oefeliplätze): Antiquarium Bern. 60 mm
lang, 35 mm lang.
Estavayer (Neuenb. See): Antiquarium Bern. 60 tum
lang, 39 mm breit.
? Kxfcuvaver (Neuenb. See): Antiquarium Bern, 64 mm
lang. 33 mm breit.
Estavayer (Neuenb. See): Antiquarium Bern, 70 mm
lang. 35 mm breit; 70 mm lang, 40 mm breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 71 mm lang, 15 mm
breit.
miner. Museum Bern. 73 mm lang, 40 mm breit.
— Privatxaimnlung des Hrn. Berchth. Haller, Bern,
75 mm lang, 44 mm breit.
Zürichsee : antiq. Museum Zürich. 79 mm lang, 45 mm
breit.
Gerlafingen (Oefeliplätze) : min. Museum Zürich, 80 mm
lang, 43 mm breit.
Lüscherz: Antiquarium Bern, 97 mm lang, 55 mm
breit.
Estavayer: Antiquarium Bern, 98 mm lang, 39 mm
breit.
Gerlafingen (Oefeliplätze): 112 mm lang. 44 inm breit;
134 mm lang, 07 mm breit.
Lattrigen: Antiquarium Bern, 149 mm lang, 59 mm
breit.
Lüflcherz : Privataammlung de« Herrn Dr. Gross,
Neuveville, 149 mm lang, 61 mm breit.
— Antiq. Bern, Geschenk von Herrn Dr. Gross,
214 mm lang, 68 (?) mm breit.
2*
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28
Chloromelanlt.
Zflrichsee: antiq. Museum Zflrich. 44 mm lang. 20 nun
breit.
Meilen iZfirichseel : antiq. Museum Zflrich, 44 mm lang,
85 mm breit; 46 mm lang, 39 mm breit.
I? Chi.) Bieleraee: Antiquarium Bern, 4? mm lang.
31 mm breit.
Schafft*: Antiquarium Hem, 48 mm lang, 29 mm br.
flattrigen: Antiquarium Bern. 51 mm lang, 30 mm
breit.
Zürichaee: antiq. Museum Zflrich, 51 mm lang. 37 mm
breit.
buttrigen ; Antiquarium Bern . 52 mm lang . 30 nun
breit.
Zürichsee: antiq. Museum Zürich, 53 nun lang. 35 mm
breit.
Wangen I Bodensee): antiq. Museum Zflrich. 65 mm
lang, 40 mm breit.
Bieleraee: Antiquarium Bern, 68 nun lang. 33 nuu
breit; 95 mm lang. 41 mm breit.
Schließlich gingen mir noch folgende Notizen
zu, welche »ich auf bisher nicht genannte
Pfahlbaustationen der Schweiz beziehen und deren
Objecte im Berner Antiquarium liegen:
Jadeit-Heil von der Station Fondanc (Neuenburg See);
78 mm lang. 49 nun breit.
Jadeit-Meiiwel. ebendaher, 68 mm lang. 16 mm breit.
Chloromelnnit-Beil von der Station Gaevautt (Murten-
See) 110 mm lang, 43 mm breit.
ln der Privats&mmlnng den Hm. Dr. Uhl mann
in Münchenbuchsee bei Bern , welcher meinen
Wüu*enn das Verdienst hat. die ernte Sammlung von
l’fahlbaugegenritilnden, wenigstens der Schweiz, ange-
legt zu haben, befinden sich endlich noch folgende '
Beile sänmitlich von Moosseedorf bei Bern: Nephrit. I
52 nun lang. 86 mm breit; Jadeit von 50, 21; 53,33;
56, 13; 56, 31; 70, 34 und von 109, 40 mm Iätnge
beziehungsweise Breiten.
Literaturberichte.
I. AnthropoIoglM-he Sotlie« lon Amerika.
Von 0. Loew.
Der „ American Antiquariun“ Vol. I. Nr. 3.
bringt, folgende Mittheilungen ;
1) Ueber die Bauart bei den nordainerika-
nischen Eingebomen von K. A. Barbor.
Der Verfasser kommt von den primitivsten
Zufluchtstätten auf die Pfahlbauten zu sprechen.
Wie Cooper berichtet, existirto früher am Ontario-
8oe ein Pfahlbautendorf. Nach Cortez hatte der
See Tezcuco zur Zeit der Eroberung Mexicos
grosse Ansiedlungen auf Pfählen aufzuweisen.
Verfasser glaubt, dass man in den nordainerika- I
nischen Seen noch zahlreiche Pfahlbautenreste
entdecken wird ; er bespricht weiter die Bauart
bei den „MoundbuilderH*, hierauf die der neu-
mexicanischen Pueblos*) und verweilt zuletzt beim
Gewölbe- und Bogenbau, welcher in Amerika nur
den Eskimos (Schneeh&usor) und Peruanern be-
kannt gewesen zu sein scheint.
2) Ueber phonetische Elemente in den
amerikanischen Sprachen von R. J. Far-
quharaon.
Es werden die Versuche von Aubin , Jules
Pinart und Manuel Orozo y Berra besprochen,
welche einen phonetischen Charakter altmexica-
niseber Inschriften behaupteten, den die ersten
Autoritäten auf diesem Gebiet entschieden ab-
sprechen. Für überzeugend können die neuen
Versuche nicht gelten.
3) Ein beschriebener Stein von Grave Creeck
Monnd von C. Reid.
Es wird eine angeblich aus einem Hügelgrab
stammende , an hebräische , runische und phöni-
zische Zeichen erinnernde Inschrift kritisch be-
leuchtet und am Schluss gerechter Zweifel über
die Autenticität ausgedrückt. Wahrscheinlich
liegt hier ein modernes Machwerk vor.
4) Biblische Geschichte und heidnische
U Überlieferungen , von Rev. Stephen D.
Peet.
5) Ein mythologischer Text in der Kla-
mathsprache im .südlichen Oregon , von
Albert Gatsehet.
Es wird hier eine gründliche grammatikalische
Analyse der Einleitung einer mythologischen Er-
zählung vorgenommen. Der Verfasser ist seit
mehreren Jahren als Sprachforscher der Erforsch-
ungs-Expedition des Major Powell zugetheilt und
hat mehrere Indianersprachen an Ort und Stelle
gründlich studirt. In Bälde ist von ihm ein
ausführliches Werk Uber die Klamathsprache zu
erwarten, und zwar als Bd II der PowelF sehen
„ Contributions to North- American Ethnology“.
Von den neueren Publicationen der „Smith-
sonian Institution“ haben zwei ein anthropolo-
gisches Interesse, nämlich :
1) „Ueberreste des späteren pniehistori, sehen
Menschen aus Höhlen des Katharina-
Archipels bei Alaska und speciell der
Aleutischen Inseln“ von W. Dali.
Der Verfasser beschreibt ausführlich die auf-
gefundenen Mumien, Gewebsstücke , Waffen und
Geräthe und vertheidigt seine Lieblingstheorie,
dass die Bewohner der Aleulen-Inseln nicht von
*) Ueber die in Neu-Mexico vorhandenen Hainen
hat. Referent in Petermann’n Geographische Mittheil-
ungen 1875 p. *209 ausführlich berichtet.
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29
Asien sondern von Amerika her einwanderten,
für welche Annahme aber die ins Feld geführten
Gründe kaum ausreichen dürften.
2) Die 8culpturen von Santa Lucia Cofium-
alhuapa in Guatemala, von Dr. S. Habel.
Der Verfasser beschreibt hier seine Reisen
und anthropologischen Studien , die er während
seines 7 jährigen Aufenthalts im Staate Guatemala
machte und gibt zahlreiche Abbildungen der auf-
gefundenen Sculpturwerke , welche in mancher
Beziehung an aegyptische Arbeit eriunern , und
theils Menschen- und Thiergestalten theils kunst-
volle Ornamentirungen , theils allegorische Vor-
stellungen wiedergeben. Aus mehreren Werken
geht unstreitig hervor, dass die betreßenden
Völker Menschenopfer darbrachten. Der Fundort
Santa Lucia ist ein kleines Dorf am Fuss des
Vulkans Del Fuego; es war Anfangs der sech-
ziger Jahre, dass ein Mann beim Bearbeiten seines
Feldes den Fund machte. —
Nach den ausführlichen Mittbeilungen im
„Annual Report of the Smithsooian Institution in
Washington, for 1878“ wurden zahlreiche Hügel-
gräber in Wisconsin, Tennessee, Kentucky, Ohio,
Florida und Georgia geöffnet und Skelette, Urnen,
Gerfithe, Waffen und Ornamente zu Tag« gefördert.
Der lü. Jahresbericht des „Peabody Museum
of American Archaeology and Ethnology“ ent-
hält einen mit zahlreichen Abbildungen ausge-
statteten Bericht über bei Trenton in New- Jersey
aufgefundene Steinwerkzeuge aus den Ablager-
ungen der Eiszeit. (Fortsetzung des Artikels im
1 1. Jahresbericht). Ferner Mittheilungen Über
Höhlenfunde in Ohio und über die Kriegskunst
der alten Mexicaner.
Der 11. Jahresbericht dieses Museums ent-
hält: „Herstellung von Töpfen aus Speckstein
bei den Indianern Neu-Englands“ ; „Ueber Erb-
schiiflsgebrftuche bei den alten Mcxicanern“ ferner
»•ine Beschreibung einer Sammlung von Schädeln
aus Steingräbern in Tennessee ; diese Sammlung
enthielt: 5 Dolichocepbalen , 18 Ort.hocephalen,
29 Brachycephalen , 15 Flachsrhädel (mach
flattened i.
II. Zar l’rgMchlehte Cjperas.
Die grossartigen Entdeckungen Cesnolas*)
auf Cypern, welche sich würdig denjenigen
Schliem an ns in Ilion und Mykenae an die Seite
I stellen , werden wohl in einer Reihe von Fach-
zeitschriften gehörig gewürdigt, werden. Ich will
nur auf den ethnographischen Gewinn hinweisen,
welcher aus diesem Werke resultirt. Es ist be-
kannt, dass die Insel Cypern zuerst von phoeni-
zi .sehen und dann von griechischen Colonien be-
setzt war und aus Cos nolas Werke ersehen
wir , welch grossartigen Einfluss diese beiden
| Völker auf die Entwickelung der kyprischen
Kunst ausgeübt haben. Itn südlichen Theile der
j Insel herrschten die phoenizisch - kaunanitischen
Ansiedlungen vor. A m a t h u s , P a p h o s ,
C i t i u m waren semitische Städte ; Soli und
Salamis hatten dagegen griechisches Gepräge,
j I d a 1 i o n war gemischt ; Golgi, Cbytri,
i Curiuin, Lapithus, Carpasia gehörten
dor eigentlichen kyprischen Bevölkerung an.
Welcher Abstammung mag nun diese kyprische
Urbevölkerung gewesen sein. Ich glaube eine
Reihe Anhaltspunkte zu haben , dass die Urbe-
völkerung Cyperns kleinasiatischer, d. h. wahr-
scheinlich arischer Abstammung*) gewesen ist.
Schon Ewald hatte die Ansicht ausgesprochen,
dass die Pboenizier nicht die ersten Bewohuer
Cyperns seien, sondern dass ein den Phrygern
verwandtes Volk aus Kleinasien die Insel zuerst
! betreten habe.
Für diese Ansicht spricht eine Reihe Orts-,
Fluss- und Gehirgsnamen. Ein Fluss Lykus
kam sowohl auf Cypern wie im nördlichen Kleiu-
asien vor. Die Städte Thymbrion; P a 1 a e a
kehren in Mysien , Hyle in Kurien, Pedasus
in Lycien wieder. Auf Cypern werden von
Strabo XIV, (i, 3 Te u k rer genannt, dieT eukrer
waren aber auch ein Volk in Troas. Stadt und
Fluss Lapithus (oder Lapethus) erinnern an
die vorhellenischen Lapithen , die thrako-phrygi-
scher Abstammung gewesen sind. An die Th rako-
Phryger erinnert ferner der Berg Olympus
auf Cypern, auch die Stadt Carpasia erinnert
an die thrakischen Karponticr, Karpeu, Karpo-
dneier und die Insel Karpathos, welche ursprüng-
lich gleich den meisten Sporaden von einer klein-
asiatischen Bevölkerung bewohnt gewesen war.
— Ein reger Verkehr muss einst zwischen der
kyprischen Urbevölkerung und den Staraingenossen
in Troas und Mykenae stattgefunden haben. An
Schliem an ns Funde in Troja erinnern Vasen
mit Masken, ferner die Vasen mit eingeritzter
geometrischer Ornamentik, oft mit einem Eulen -
*) Cypern, seine alten Städte, Gräber und
Tempel. Bericht über zehnjährige Forschungen und
Ausgrabungen auf der Insel von Louis Palma di
C'esnola, deutsch von Ludwig Stern, mit Vor-
wort von Ebers. 2 Theile. Jena 1*79. Costenoble.
*) Wenigstens der Sprache nach, da die au« dem
Alterthum erhaltenen Sprachreste der Phryger und
anderer Kleinasiatcn von Fick, Lagnrde und Fr. Müller
aus dem arUclien Spiuchkreise gedeutet werden.
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30
köpf im Bauch. Ein weit verbreitetes Symbol,
welches Schliemuon mit dem Sanskrit - Namen
Su-asti (ec tan) bezeichnet, findet sich gleich-
falls auf einzelnen Vasen Cyperns, Statuetten mit
Kuhkopf, wie z. B. eine solche in Curium ge-
funden wurde , erinnern an Ähnliche zahlreiche
Funde Schliemanns in Mykenae. ebenso roh ge-
arbeitete Terraeotta-Figuren , welche gewöhnlich
dio kyprische Liebesgöttin darstellen Auffallend
ist ferner, dass die kyprische Schrift, die durch
George Smith, Birch und Brandis ent-
ziffert worden ist, mit der lykischen in Verbind- |
ung gebracht werden kann. — Der Engländer
Hamilton Lang hat 13 kyprische Charaktere
im lykischen Alphabet wiedergefunden. Nicht
nur die Schrift, selbst Sculpturen erinnern an
Lykien. Bei den archäologischen Untersuch-
ungen hat mau gewöhnlich nur die bekannten
Kulturvölker des Alterthums in Betracht gezogen,
ohne zu berücksichtigen, dass gerade das klassische
Alterthum eine Reihe kulturhistorischer Entdeck-
ungen auf bereits verschwundene oder richtiger
später entnationalisirte Völker zurUekgeführt hat.
Die Völker Kleinasiens wie z B. die Phryger,
Lyder, Karer, Lycier haben noch in
historischer Zeit eine nicht unbedeutende Kultur
anfweisen können , die in praebistoriseber Zeit
viel bedeutender gewesen sein muss.
Die verschwundenen uralten Städte Kleinasieus,
wie Gordium, Sardes, von deren Rcich-
thümern und einstiger Pracht die hellenischen
Sagen so viel zu berichten wissen, müssen in
ihren Ruinen Schätze beherbergen , welche zur
Aufklärung eontroverser Fragen der prähistori-
schen Arcbaeologie der Mittelmeerlünder ein Be-
deutendes beitragen können.
Mögen auch diese ihren Cesnola oder
Schliemann finden!
Dr. Ffigicr.
III. Materialien zur Vorgeschichte des Menschen In
Osten ropn.
Nach polnischen und niH-siKchen Quellen von AI hin
Kohn und Dr. C. Mehlis. II. Band. Jena 1879.
Costenoble.
Der zweite Band der Materialien beginnt mit
den Ausgrabungen auf dor tamanischen Halb-
insel und in den Kurganen Südrusslands. Aus
den archaeologischen Beigaben ist ersichtlich,
dass die einstigen Bewohner der tamanischen
Halbinsel und diejenigen, deren Reste in den
Kurganen Ostgaliziens, Podoliens. Lithauens u. s. w.
enthalten sind , ganz verschiedener Abstammung
gewesen sind. — Hierauf wird eine kraniologische
Arbeit Kopernickis in deutscher Uebersetzung
gebracht, die für die Lösung dor Frage nach
der Herkunft und einstiger Verbreitung der
Dolichocephalen vom Reihengräbertypus von be-
sonderer Wichtigkeit ist. — Am ausführlichsten
werden die slavischen Burgwälle besprochen, von
denen einige wie derjenige von Lednagöra im
Posenschen bereits in die historische Zeit hinüber-
füll ren. Die deutschen Forscher sind in der
Thut den Herausgebern für dieses interessante
Werk zum Danke verpflichtet. Möge Hr. Albin
Kohn baldigst den dritten Baud , in dem er die
Literatur Über die praehistorisebe Ethnologie
Russlands bringen will, baldigst vollenden ! Der
vierte archäologische Congress, welcher im August
d. J. in Kasan stattfand, hat gerade, wie ich
aus dem Berichte des Prof. Reinbaud*) ersehe,
die praehistorische Arcbaeologie und Ethnologie
Russlands nicht unbedeutend gefördert.
Dr. Fligier.
IV. Ersuchen
Von der Verlagshandlung der „neuen Encyklo-
pädie der Naturwissenschaften“ Trewendt zu
Breslau zum Bearbeiter der PrÄbistorie
und Archäologie ernannt, ersuche ich alle
Collegen und Freunde mir durch gütige Ueber-
sendung gedruckten Materiales Gelegenheit
zur möglichst vollständigen Darstellung dieser
Disciplin zu geben, Dr. C. Mehlis.
Dürkheim, Februar 1880.
Mittheilungen aus den Zweig-
Vereinen.
Der Anthropologische Verein rn Leipzig.
Nachdem bereits im Dezember 1879 eine
constituirende Vorversaminlung stattgefunden.
wurde am 30. Januar d. J. die erste Sitzung
abgebiilten. Als Vorstand des Vereines fungiren
folgende Herren :
Herr Prof. His als Vorsitzender,
„ I)r. B. Andre e als Stellvertreter des-
selben,
„ Dr. v. I h e r i n g als Schriftführer,
„ Buchhändler Credner als Cassirer.
Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung
mit einer Ansprache, in welcher er die Ziele des
Vereins erörterte, und betonte: es werde das
Bestreben des Vereines sein, nicht sowohl in
seinem eigenen Interesse zu wirken, als nuch im
Anschlüsse an die deutsche anthropologische Ge-
sellschaft sich die Erforschung der anthropologi-
schen Verhältnisse der sächsischen Lande ange-
*) In der Revue Kcientithjue Nr. 42 und 44.
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31
legen Hein zu lassen. Wenn ein früher die 1
gleichen Ziele verfolgender Verein nicht den ge-
wünschten Erfolg gehabt und schliesslich einge-
gangen sei , so habe der Grund davon nur in
einer höchst ungeeigneten Verbindung desselben
mit dem Vereine für Erdkunde gelegen und
sei daher nunmehr dem selbständig gemachten
neuen Vereine eine gedeihliche Entwicklung zu
wünschen und vorauszusagen .
Herr Dr. v. I bering hielt einen Vortrag
Uber die Zähne und ihre künstliche ;
Behandlung bei den verschiedenen 1
M e n sehen rii«,- en. Heu Ausgang bildeten dabei
eine Vergleichung der Zähne des Menschen und
der höherstehenden Affen. Die Uebereinstimmung
ist bekanntlich eine sehr weitgehende, so dass
sich die Unterschiede auf gewisse Variationen
in den Form- und Grössen -Verhältnissen redu-
cireu. Bei den Affen sind die Eckzähne beträcht-
lich grösser als die übrigen Zähne und sie ver-
ursachen dadurch in der gegenüberstehenden Zabn-
reihe eine Lücke , das Diastemma , welches dem
Menschen fehlt. Während bei uns von den drei
grossen hinteren Backzähnen der vorderste der
grösste ist und die hinteren an Grösse abnehmen,
so ist umgekehrt, bei den Alfen die Grössenzu-
nabine eine in der Richtung von vorne nach
hinten fortschreitende. Prüft mau auf diese Ver-
hältnisse hin die verschiedenen Menschenraven, so
ergibt sich , dass die angeführten Unterschiede
keineswegs allgemeine und durchgreifende sind.
Bei den Negern und Papua's ist die Grössenzu-
nahme der Backzähne die gleiche wie bei den
anthropoiden Affen , und wie bei letzteren finden
sich auf der Kauflächo des Backzahnes in der
Regel 5 Höcker oder Tuberkel, gegen 4 bei
unserer Rave. Nur der Eckzahn ist beim
Menschen immer beträchtlich verschieden von
jenem der Affen, doch sind nach Lambert die
Eckzähne bei den Melanesiern beträchtlich grösser
als bei uns, und bedingen da ein, wenn auch
nur ganz unbedeutendes, Diastemma. Anderer-
seits nähert sieb der menschenähnlichste Affe
den wir kennen, der fossile Dryopithecus Fontani
auch in dieser Hinsicht inehr dem Menschen, da
bei ihm die Eckzähne kleiner und steil gestellt
waren. Es sind mitbin in dieser Beziehung die
Unterschiede zwischen Mensch und Affe nur gering,
weit geringer als die innerhalb der Ordnung der
Affen zu beobachtenden. Andererseits aber lehrt
uns die Vergleichung, dass wegen der grösseren
Affenähnlichkeit im Gebisse die genannten schwar-
zen Manschenden als „niedere Ra^en“ bezeichnet
werden dürfen, welche Bezeichnung» weise ja im
allgemeinen mehr auf die vergleichende Kultur-
geschichte sich bezieht als auf die vergleichende
Anatomie.
Sehr mannichfaltig ist die Art wie bei den
verschiedensten Raven die Zähne künstlich be-
handelt weiden. Besonders gebräuchlich sind
künstliche Entstellungen des Gebisses einerseits
itn malaischen Archipel , andererseits bei den
Negern. Bei ersteren wird die Vorderfläche der
Schneidezähne des Oberkiefers glatt gefeilt, oder
es wird uur seitlich das Email abgefeilt, so dass
der Mitteltheil desselben reliefartig erhaben stehen
bleibt. Bei letzterer nur auf den Sundamseln
üblichen Deformirung wird das untere Ende des
Zahnes entweder spitz gefeilt, oder gerade ge-
schliffen. Andere Behandlungsweisen sind in
Afrika üblich, wo die Zähne bald durch Be-
hauen mit Klingen gespitzt werden, bald so be-
arbeitet werden, dass nur die Seitenzacken stehen
bleiben , oder endlich ein oder mehrere Zähne
ausgerissen werden. Diese verschiedenen Deforiuir-
ungs weisen vertheilen sich in ganz charakteristischer
Weise auf bestimmte geographische Regionen
von Afrika. Die Beachtung derselben ist nament-
lich desshalb geboten , weil sie dem Anthropolo-
gen ein Hilfsmittel an die Hand gibt, um die
Richtigkeit der Augaben Uber die Herkunft von
Ravenschädeln zu controliren. Nähere« wird eine
in der Zeitschrift für Ethnologie erscheinende
Abhandlung des Redners bringen.
Im Verlaufe einer längeren Debatte machte
Herr Leuckart auf die kosmetische Bedeutung
der Sitte aufmerksam und wies auf diu Verwend-
ung von Gold hin, wie sie früher auf den Phi-
lippinen dabei vorkam. Herr Andree erinnerte
daran, dass schon bei den alten Aegjptern Gold
(zu Plomben) für die Zähne benutzt worden sei,
Herr Pechuel- Lösch e theilt mit, dass die
Sitte der Zahndeformirung an der Loangoküste
im Aussterben sei. Herr Hesse theilte mit,
dass seinen Erfahrungen zu Folge zumal der Eck-
zahn des Menschen viel variirt, wogegen Herr
Leuckart in dieser Beziehung namentlich des
Weisheitszahnes gedenkt. Herr Jung erwähnt,
dass er im Innern von Australien die Sitte der
Entfernung zweier oberer Schneidezähne nament-
lich bei jenem Stamme gefunden , bei welchem
die Sitte der Aufschlitzung des Penis besteht,
einer Sitte, welche ihre Erklärung zu haben
scheint in dem Wunsche nach kinderloser oder
kinderarmer Ehe.
Herr Dr. Andree legt. Photographien eines
Altenburger Bauernmädchens in den verschiedenen
Stadien seiner Bekleidung vor und knüpft, daran
einige Mittheilungen über die Altenburger
Bauern, deren höchst auffallende Tracht jetzt
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im Eingehen begriffen ist. Ausgezeichnet ist die
letztere bei den Weibern durch die vollständige
Verdeckung des Haupthaares , den Brustpanzer
aus Pappe und die elastischen nur bis zur Knie-
kehle reichenden Rückchen , welche die Formen
des Gesänge* mit überraschender Deutlichkeit her- •
vortreten lassen. Wie die Trachtensammlungen |
des Altenburger Malers Kronbiegel, ferner die
„ historische Nachricht von denen merkwürdigen
Ceremonien derer altenburgischen Bauern von
M. Friderieo Frisio“ Leipzig 1703* endlich das
Werk eben „Sitten , Gebräuche etc. der Alten-
burgischen Bauern von K. F. Hempel.“ Alten-
burg 1S3 , beweisen, ist. die Altenburger Bauern-
tracht stetig im Flusse gewesen und hat die
heutige auffallende Form sich erst im Anfänge
unseres Jahrhunderts herausgebildet. Das Alten-
burger Osterland gehörte zum Gebiete des ehe-
maligen Pleissengaus , war zunächst von Slaven
besiedelt und erhielt später, wie die Ortsnamen
zeigen , auch deutsche Bevölkerung. Die Ger-
inanisirung erfolgte durch die Bisthümcr Zeitz
und Merseburg; einzelne Slavismen haben sich
noch erhalten. Ein Verbot der slavischen Sprache
bei Gericht findet 1327 statt, zur selben Zeit
als dieses Verbot in Leipzig erfolgte. Kurz
charakterisirt der Vortragende die Sitten und
Gebräuche dieser Bauern, unter denen zu Anfang
des Jahrhunderts das Skatspiel erfunden wurde.
Hierauf legte Herr Dr. Pecbuel-Lösch e
Photographien vor von den Eingebornen der
Loangoküste und zum Vergleiche damit von
Deutschen und zwar von Modellen Berliner
Künstler , welche er in der für anthropologische
Photographien wünschenswert hen Weise in ver-
schiedenen Normen hatte aufnehmen lassen, und
welche bei vergleichender Betrachtung keineswegs
ein ungünstiges Ergebnis# hinsichtlich der Körper-
besefaftffenheit jener Negerstämme lieferten.
Kleinere Mittheilungen
Neuer Höhlenlund in der Eifel Bei der Durch-
suchung der Klüfte und Höhlen im Dolomitknlk bei
Gerolstein i/d. Eifel bin ich in der grössten unter den
letztern, dem sogenannten Buchen loch auf interes-
sante Thataachen gestossen, welche mich zur sorgfäl-
tigen Ausgrabung des Höhlenbodens verunlassten. Die
18 meter tiefe Höhle mit einem Haupt- und einem
schmalen Nebensugang, mit mehreren kammerartigen
Ausbuchtungen wies die Spuren von Bewohnung
seitens des Menschen in den verschiedensten Zeiten auf.
Oberflächlich und in den obersten Lehm- und Brand-
schichten fanden sich Scherben folgender Art:
Spärliche mittclalterige, mehrere schwarze mit
germanischen Verzieningsmustern, massenhaftes graues
Geschirr meist gut gebrannt, mit Quanuand gemischt,
theils gut geformt und mit stattlichen Rundstücken
— theils einfacher und aus der Hand geformt, ferner
gewöhnliches gelbes römisches Geschirr . Stücke von
feinen, innen und aussen schwarz gefärbten sowie von
erhaben ornamentirten Sigillat-agefüssen. Auch die
übrigen kleinen Gegenstände dieser Fundschicht
tragen den Typus römischer Zeit, z. B. eine Knochen-
nadel, ein Fingerring von Bronze, eine Kisenzange
und dergleichen.
Diese Scherbenschicht lag über rothem Lehm,
welcher sich mehr oder weniger mit Dolomit-Sand
und Steinen gemengt zeigte und in welchem die
unzweifelhaften Spuren des mit der diluvialen Fauna
gleichzeitig hier lebenden Menschen eingelötet lagen.
l'm heerdartig zusannnengestellte Steine fanden
sich di«* gespaltenen Röhrknoehen grosser Sauget hiere,
dabei durchg. schhigene und abgenutzte fauatgrosae
Stücke von Quarzgeröllen : in «len Winkeln der Höhle
und in einein mit rotheiu Lehm erfüllten Biederem
Gange kamen grössere Thierreste zu Tage, wie
Scbenkelknochen, Wirbel, Rippen, Unterkiefer, Zähne.
Geweihe und Hufknochen — mitten dazwischen immer
die Zerklopfsteine sowie mehrere Knochenpfriemen,
einige andere gebrauchte abgenutzte Stücke die man
als Messer und Marklöffel deuten kann, sowie der zu
einem Schlagwerkzeug »gerichtete Unterkiefer vom
Höhlenbären.
Zu erkennen sind bis jetzt die Reste eines jungen
Klephanten , von Rhinoceros, Riesenhirsch , Pferd,
Kenthier und von stark vertretenen Höhlenbären.
Einzelne Zwischenknochen von Dickhäutern sind
von vollkommenster Erhaltung, «In sie in geschützten
Winkeln von knetbarem Lehm umhüllt lagerten un«l
zeigen eine rothgelbe Färbung im Gegensatz zu den
meisten übrigen, welche bis ins innerste Gewebe tief-
schwarz durchdrungen sind.
In den tiefsten Schichten, den Spalten des Höhlen-
1 salens , befinden sich wieder Knochen und Zähne,
wohl meist von Höhlenbären und anscheinend ohne
Spuren menschlicher Thätigkeit.
So. Exucllenz der Harr Oberberghuuptruann von
Dechen aus Bonn haben sich der Mühe unterzogen,
die Bodenverhältnisse der Höhlen festzustellen.
Pie Fundstücke gelangen in das Provinzial-
Muscutn zu Trier, dessen Director, Herr Dr. Hettner
es übernommen hat. seit meiner Abreise die Aus-
grabung zu Ende zu führen. Eugen Bracht.
Karlsruhe L Baden im October 1879.
Anthropologische Ausstellung in Berlin.
Berichtigung. In Nr. 2 des Corres pondenz-Blattes wurde irrthüiulich als Termin der Anmeldungen
für die Ausstellung der 15. April angegeben. Die Ausstellungs-Commission bittet, die Anmeldungen bis
Ende Mürz nach Berlin gelangen zu lassen.
Druck der Akademischen Buchdruckerei von F. Straub in München . - Schluss der Bedaktion am 11. Mär: lssu.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt rwn J'rvfasor Dr. Johannes Ranke in München,
OrurraUtcrrtar der QtuiUtka) X.
XI. Jahrgang. Nr. 4. ErKheint jeden Monat. April 1880.
Zur Kraniologie Tyrols.
Von Johannen Ranke.
Die Ethnographie Deutschlands bietet uns
Probleme dar, welche durch Untersuchung auf
dem Hoden des deutschen Reichs allein nicht
zum wissenschaftlichen Austrag gebracht werden
können.
In Beziehung auf die Verbreitung der blon-
den und braunen Russe in Deutschland hat
Herr Virchow wiederholt auf dieses Verhält-
nis* hingewiesen. Eines der Ausstrahlungsge-
biete für die braune Rasse musste nach der
deutschen Statistik im Hochgebirge , Welches
Deutschland iin Süden begrenzt, gesucht worden.
In glänzender Weise hat sich dieses Postulat
durch die statistische Aufnahme Über die Farbe
der Augen, der Haare und der Haut der Schul-
jugend der Schweiz (cf. J. Ko lim an». Corr-
Blatt Nr. 1. 1880) bestätigt. Leider steht eine
analoge Untersuchung für die Tyroler Bevölker-
ung wie es scheint noch nicht in erkennbarer
Aussicht.
Meine statistischen kraniologischen Untersuch-
ungen der bayerischen Volksstämme hatten zu
der Ansicht gedrängt, dass, wie das Ausstrahlungs-
gebiet der dolichocephalen (und mesocephalen)
bayerischen BevÖlkerungsbestandtbeile im Norden
Bayerns resp. im altgermanischen Norden zu
suchen ist, umgekehrt das Ausstrahlungsgehiet.
der altbayeriscben Brachycephalie in dem bayeri-
schen und tyroler Hochgebirge gelegen sei.
Einige Hauptresultate der bayerischen Schädel-
statistik wurden schon der VII. und VIII.,
namentlich über der IX. allgemeinen Versamm-
lung der deutschen anthropologischen Gesellschaft.
in Kiel 1878, vorgelegt. Dort wurde auch das
Ergebniss der Untersuchung eines grossen Os.su-
ariums mit den Resten ächter tyroler Hoch-
gebirg8bevülkerung (Unterinn, auf dom
Ritten bei Bozen) mitgetheilt, welches den Zu-
! sammenhang der bayerischen Brachycephalie mit
' den somatischen Verhältnissen der ethnographisch
1 und geographisch sich anschliessenden tyroler
; Hoehgebirgsbevülkerung vollkommen bestätigte
(cf. Bericht über die IX. allg. Vers, zu Kiel. Corr.-
Blatt 1S78. S. 123—125).
Ich hatte damals mit Unterstützung des
( Herrn Professor Dr. Wies er in Innsbruck auch
1 schon über die Th al b e v öl kerun g Tyrols
und zwar zunächst des Innthals um Innsbruck
( Untersuchungen angestellt, im Mai 1877. Da
ich beabsichtige, diese Untersuchungen fortzu-
( setzen, so schien es mir angezeigt, mit der Ver-
| öffentliehung der bisherigen Resultate noch zurück-
1 zuhalten. Seitdem habe ich zu meiner Freude
in Herrn Oberstabsarzt Dr. Rabl-Rückhard
in Berlin , neuerdings in Gemeinschaft mit
Herrn Dr. Tapp ein er in Meran zwei ausge-
zeichnete Mitarbeiter in der wichtigen Frage der
tyroler Kraniologie erhalten. Die ersten Früchte
dieser Studien legte Herr Rabl-Rückhard
in zwei Abhandlungen nieder; die eine erschien
in der Zeitschrift für Ethnologie 1878, die zweite
in diesem Blatt 1880. Nr. 2- 3. 8. 16 — 19.
Das gibt mir Veranlassung , meine bisherigen
Angaben zur tyroler Kraniologie schon jetzt etwas
zu erweitern.
In dem der anthropologischen Sektion der
; 50. Versammlung der Naturforscher und Aerzte
zu München 1877, sowie der VIII. allgemeinen
j Versammlung der deutschen anthropologischen
1
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Gesellschaft in Konstanz ebenfalls 1877 vorge-
legten I, Heft S. 135 der Beitrüge zur physi-
schen Anthropologie Altbayerns (cf. Beitrüge
zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns
Bd. II. Heft I. II. 8. 76. 77.) habe ich den
Satz ausgesprochen :
„ Das Hochgebirge — Bayerns und des
angrenzenden Tyrols — erscheint uns nach dem
bisher Gesagten wenigstens ftlr den altbayrischen
Stamm als das eigentliche physiologische Centrum
höherer Brachycephalie , ein Satz , für den wir
aber wohl , analoge Verhältnisse vorausgesetzt,
eine allgemeine Gültigkeit beanspruchen dürfen.“
8. 136 heisst es dann: „Wir wollen hier zum
Schlüsse noch speciell die Aufmerksamkeit der
Forscher und zwar vor allem der in Tyrol selbst
lebenden auf das tyrolisch-italieniscbe Gebirge
und seine Bevölkerung hinlenken. Deutsch- und
Wälsch-Tyrol erscheint als ein wahres Paradigma
der ethnographischen Forschung innerhalb der
europäischen Völker. .Jlier ist in viel geringerem
Masse als im übrigen Deutschland die historische
Continuitftt durch die Völkerwanderung gestört
worden. Wir können die Züge der germanischen
Völker durch die Thäler und Pässe dieser Länder
an der Hand der Geschichte und Linguistik ver-
folgen und letztere gewährt uns hier wie sonst
fast nirgends, namentlich durch Herrn Steub's
bahnbrechende Forschungen, klare Einblicke in
die Sitze der rätho-romunischen Urbevölkerung
sowie in die Schichtung dieser mit den einge-
wanderten Eroberern. Weit in das Pusterthal
hinein ziehen sich von Osten her Slaven. Durch I
die nordwestlichen Pässe gegen das obere Innthal [
drangen schwäbisch-alemannische Stämme, während
der bayerische Stamm durch den breiten unteren
Thullauf des Inns von Nordosten herauf dann
über die alten Heerwege, welche Cymbern, Gothen
und Longoborden gezogen , Über das Gebirge,
an den wilden Porphyrschluchten des Eisack
hinab in das lachende, rebenumlaubtc Etschland
vordrang , und bayerische Sprache , bayerische ;
Treuherzigkeit und Sitte über den grössten Theil
von Tyrol bis unter den sonnigen Himmel Italiens
verbreitete.“
Um mein specielles Untersuchungsobjekt: den
bayerischen Volksstamm auch in Tyrol
zu verfolgeu , und die Resultate der Mischung
desselben mit der rätbo-ronmniseheu Urbevölker- ,
ung, auf welche jener ja auch in Altbayern ge- .
stossen , näher zu studiren , bot sich nach dem
Gesagten einerseits die Iunthalbevülkerung bis zum
Fm» des Brenner dar und im Gegensatz zu dieser
Bevölkerung des „Landes“, wie der Tyroler sagt,
die Bewohner jenes Theils des Hochgebirge, welch*«»
I die alte Heerstrasse der in das Etschthal ein-
wandernden Bayern in einst rhäto-romanischer
Gegend flankirt.
In breitem Strom hat sich die bayerische
Einwanderung in die fruchtbaren Thäler ergossen
und diese und deren noch zum Weinbau geeigneten
niedrigen Gehänge zunächst in Besitz genommen.
Die romanische Bevölkerung wurde tbeils in die
weniger zugänglichen und unwirthlichefen Soiten-
thälcr , wo sich bekanntlich romanische Dia-
lekte noch bis heute erhalten haben, zum Theil
, auf die Höhe der Berge gedrängt.
Ist diese Annahme richtig , so haben wir in
I dem breiten unteren Thallauf des Inns bis Inns-
bruck in kraniologisclier Hinsicht Verhältnisse
zu erwarten , welche von den im bayeri-
schen Inngebict beobachteten sich wenig unter-
scheiden. Je weiter wir dagegen die Berge und
Beitenthäler des vom bayerischen Stamm besiedel-
ten Theils von Tyrol in die Höhe steigen, desto
reiner sollte sich die alte zum Theil jetzt ger-
manisirte Urbevölkerung auch in den kraniologi-
scheu Verhältnissen zu erkennen geben.
Zwei grössere Untersuchungsreihen , die eine
an der Thalhevölkerung in der Umgegend von
Innsbruck, die andere an der deutschsprecheuden
Gebirgsbevölkcrung iin Dorfe Unterinn auf dem
Kitten bei Bozen, beide also im Wohn-Gebieie
des bayerisch-tyrolischen »Stammes, haben unsere
Voraussetzungen im vollen Masse bestätigt.
Die tyroler Land-Bevölkerung des Innthals
und seiner niedrigen Gehänge um Innsbruck
stimmt in Beziehung auf das Längenbreiten-Ver-
hältniss des Schädels ausserordentlich nahe mit
der Bevölkerung des bayerischen lnngebietes bei
Altöttiug tiberein (cf. die Kurven-Tafel in
der Seperatausgabe (im Archiv) des Berichts der
IX. allgemeinen Versammlung in Kiel »8. 124),
während die tyrol isch -bayerische Gebirgsbevölk-
erung (Unterinn auf dem Ritten) eine ganz über-
mässige Kurzkopfigkeit erkennen lässt. Die unten-
stehende Tabelle ermöglicht eine Vergleichung der
hauptsächlichsten Untersuchungsergebnisse.
Die Zahlen der Tabelle bedürfen kaum einer
Erläuterung. Während unsere Statistik der Längen-
breiten-Indic.es für die bayerische und die tyroler
Innthalbevölkerung (bei Altötting und Innsbruck)
grosse U ebereinst im m ung zeigt, zum Beweis, dass sich
hier wie du ziemlich die gleichen ethnographischen
Mischungsverhältnisse des bayerischen Stammes mit
der rätho - romanischen Urbevölkerung geltend
machten, sehen wir in dem Gebirgsdorfe Unterinn
die Brachycephalie in ihren höchsten Formen soweit
überwiegen, dass wir kaum daran zweifeln hönnen,
hier vorwiegend auf eine andere Rasse und zwar
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3
auf den somatischen Einfluss der gesuchten rätho- I
romanischen Urbevölkerung gcstossen zu sein.
Aus den Untersuchungen der Herren Rabl-
Rückhard und Tappeiner scheint hervorzu-
gehen , dass sich das für die bnyerisch-tyrolisehe
Bevölkerung von uns festgestellte Verhältnis
wiederholt einerseits für die alemannisch-tyrolischen
Bewohner des oberen Innthals und seiner, wie
das Oetzthal , weitgeöffnoten fruchtbaren Seiten-
thftler , andererseits für die an dieses Gebiet
nnzuschli essen de Gebirgsbevölkerung mit stärkerer
rhäto-romanischer Beimischung.
Aus Herrn Tappein er 's Messungen ergibt I
sich (Rabl -Rllck h ard 1. ft. 8. 18): „dass !
ein zahlreiches mesokephales Element am nörd-
lichen Ausgang des Oetzthals vorhanden ist,
welches, je weiter man in die Höhe steigt, immer
mehr zurücktritt und im Schnalserthal auf einen
äusserst geringen Procentsatz herabsinkt.“
Herr Tappeiner hat im Oetzthal im
Ganzen 88 Schädel gemessen und zwar 43 Bein-
hausschädel und 45 von Lebenden (1. c. 8. 18),
letztere zeigten sich alle brachycephal. Unter t
den 88 Messungen ergaben 14 einen Längen- 1
hreitenindex unter 80,0 also ein mesocephales
Maas. Wenn wir die Oetztbaler Bevölkerung im
Ganzen betrachten , so besitzt sie nach diesen
Untersuchungen weniger als Iß0,« Mesocephale ,
(darunter 1 Dolichocophale). Die Zahl der Meso- I
cepbalen im Oetzthal wäre danach nicht unwesent- i
lieh geringer als im Innthal bei Innsbruck,
wo sie nach meinen Beobachtungen 23% erreicht.
Wir werfen bei dieser Vergleichung aber |
verschiedene Dinge zusammen. Nicht das gnnze
Oetzthal dürfen wir seiner Fruchtbarkeit und
Offenheit wegen dem Innthal zurechnen. Diese
Verhältnisse ändern sich von Lengenfeld an, und
schon die Bevölkerung von Sölden , noch ent-
schiedener aber die von den noch weiter thalatif-
wärts gelegenen Orten, in welchen Herr Tap-
peiner Schädel von Lebenden gemessen, ge-
hören f wie die Ortschaften im Schnalserthal der
eigentlichen Hochgebirgsbevölkerung an , unter
welcher wir einen höheren Procentsatz der über-
brachycephalen tyroler Urbevölkerung zn erwarten
haben, was Herrn Tappeiner’s Messungen für
das Schnalserthal in vollkommenster Weise be- j
stätigten. Im oberen Oetzthal mögen jedoch die 1
uralten Verbindungswege nach 80d tyrol die ethno-
graphischen Verhältnisse etwas verschoben haben.
Im Schnalserthal fand Herr Tappeiner die
Mesocephalie noch seltener als ich für Untermn
angegeben habe, im Uebrigen scheinen die kranio-
logischen Verhältnisse beider Lokalitäten sehr !
ähnlich. Ich vermuthe, dass auch das offene j
Oetzthal und das Innthal bei Innsbruck noch
nähere Analogien auf weisen werden als die vor-
läufigen Mittheilungen bis jetzt erkennen lassen,
da bekanntlich die Resultate der altbayerischen
Schftdelstatistik viele Aehnlichkeit zeigen mit den
Ergebnissen der Untersuchungen des Hrn. A. Ecker
Über die Schädel des alemannischen Volks-
stammo8 im badenschen Oberland (cf. München
in naturwissenschaftlicher und medicinischor Be-
ziehung. S. 210. Kraniologisehe Mittheilungen
Uber die Landbewohner Oberbayerns von J. Ranke).
Ich schliesse diese Mittheilung mit dem noch-
maligen Ausdruck der Freude darüber, dass das
ebenso schöne wie interessante Land Tyrol nun
auch seine anthropologischen Schätze für die
Forschung 7.u
erschli essen beginnt
Tthe
Ile.
Index :
Thalbcvölkerung (Innthal)
Gebirgebevölkerung
in Tyrol
(Unterinn auf
L : Br.
!l
Io Bayern:
in Tyrel:
(AltÖtting)
(Innsbruck)
dem Ritten)
73
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10
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1
2
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—
—
93
II
Mittheilungen aus den Zweig-
Vereinen.
Anthropologischer Verein *n Kiel.
Aus der Sitzung vom 8. Juli*).
Der Vorsitzende Herr Professor Pansch be-
richtet über die von ihm mit Frl. Mestorf und
*1 cf. Corr.-Bl. 1879. Nr. 8. Wir heben aus dem um-
fänglichen Bericht des Hrn. Prof. Handolmann hier
noch das heraus, was sich auf Kddelaek Wicht. D. Red.
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4
Herrn Behncke am 21. und 22. März vor-
genommenen Lokalbericht igung der Fund-
etelle bei E d d e 1 a c k , welche laut Er-
gebnis der Nivellirungsversuche gegenwärtig
1,16 m unter der gewöhnlichen Fluthhöhe
liegt. (Ausführliche Berichte über diesen Fund
haben Herr Dr. Hartinunn und Frl. Mestorf
in Nr. 60, 61« 62 und 72 der Itzehoer Nach-
richten veröffentlicht.)
Herr Professor H and el mann bemerkt, dass
nach Urkunde von circa 1 140 die alte Form des
Namens ( Ethelekeswisch) laute, welche ausdrück-
lich darauf bindeute , dass bis zur Eindeichung
dos Land als Wiese und Weide diente. Ausser
tbeils ganzen , theils zerschlagenen Thierknochen,
die als KüchenabfUlle anzusehen sein dürften,
enthält der Eddelacker Fund, abgesehen von
wenigen anderen Stücken, ausschliesslich Fabrikate
der Töpferei und erinnert mannichfach an die
• Ueberreste und Spuren vorgeschichtlichen
Töpfer ei betrieb es, wie solche an anderen i
Stellen z. B. auf der Insel Amruin und der I
Halbinsel Sundewitt sowie auf der dänischen !
Insel Fühnen beobachtet sind. Es Hesse sich
demnach wohl denken, dass in der trocknen und
warmen Sommerzeit, wenn das Meer bei stillem
Wetter zurücktritt, einige Töpfer vom benach-
barten Geestabhang (Kl ave) bei dem sogenannten
Eddelacker Donn hin überfuhren nach der damali-
gen «Eddelacker Plaat“, um dort einige Wochen
oder Monate lang in leicht gebauten Hütten ihr
Gewerbe zu treiben und die Kleischichten und
LehmUger des Wattenmeeres auszu beuten. Ein
solcher Gewerbebetrieb kann sich Jahrhunderte
lang fortgesetzt haben, wodurch sich die grosse
Mannigfaltigkeit des Materials , der Form und
Ornaraentirung erklären würde. Die woblgelungenen
Fabrikate nahmen die Töpfer natürlich mit, wenn
sie zuin Herbst ans Land zurückkehrten, während
sie die Scherbenhaufen nebst den Küchenabfällen
liegen Hessen. Solche Sommerkolonien auf der
Plaat bedurften weder Waffen noch Schmuck
noch sonst viel Gerfith, hatten also auch wenig
Derartiges zu verlieren , und so erklärt es sich,
dass ausser einer Knochennadel , einer Bernstein-
und zwei Glasperlen , zwei hölzernen Küchen-
utensilien und wenigen Eisenresten weiter nichts
gefunden ist. Wirklich bleibende Wohnstätten
pflegen eine ganz andere Mannichfaltigkeit von
verloren gegangenen und weggeworfenen Gegen-
ständen der verschiedensten Art darzubieten.
Zur Erläuterung der Wahrscheinlichkeit eines
solchen nur zeitweiligen Töpfereibetriebs auf der
«Eddelacker Plant“ und ähnlichen Stellen, weist j
Hafer ent nach, dass die No j dfri es oii an ,
der scbleswigschen Westküste viele Jahrhunderte
hindurch in gauz ähnlicher Weise die S alzsiederei
auf dem Vorlande und dem Watt betrieben haben,
indem sie zur Sommerzeit die daselbst vorhan-
denen Lager des Seetorfs (Therw, Therrig, Tu ul)
ausbeuteten und aus der salzhaltigen Asche des-
selben Salz abkoebten. Schon zu Ausgang des
12. Jahrhunderts war das nordfriesische Salz ein
wichtiger Ausfuhrartikel , der im Schleewiger
Stadtrecht besteuert wird. Dio Anfilnge dieses
Industriezweigs reichen also viel weiter zurück,
| ohne Zweifel bis in die vorgeschichtliche Zeit,
und derselbe hat zuletzt noch in den Kirchspielen
Dagebüll und G almsbull (Kreis Tondern)
bis 1782 fortbestanden. Auch geht aus einer
Notiz bei Martin S choo e k : „ Belgium foedera-
tum“ (2. Aufl. Amsterdam 1655), Buch 7 Kap. 8
und Buch 8 Kap. 13, hervor, dass früher in der
niederländischen Provinz Zeel and und zwar ins-
besondere auf der Insel Scbouwen ebenso aus
der Asche des Seetorfs (darria) Salz gesotten
wurde. Noch primitiver wur das noch vor fünfzig
Jahren übliche Verfahren an der Westküste
Jütlands, namentlich auf der Halbinsel Sk al-
lin g, wo man in trocknen und warmen Sommern
einfach deu salzigen Sand der Meeresküste ab-
hob und die daraus gewonnene Salzsoole ver-
| kochte.
Eventuell erscheint die Möglichkeit nicht
I ausgeschlossen , dass auf der Eddelacker Plaat
| neben der Töpferei auch Salzsiederei betrieben
; wäre. Schliesslich deutet Referent hin auf die
I Schilderung einer solchen nur vorübergehend be-
I nutzten Ansiedlung bei den Salzgraben von
Uvinza, welche der Afrikareisende Henry
M. Stanley am 24- Mai 1876 durchwanderte.
(„Durch den dunklen Welttheil“ Bd. I S. 551).
Da heisst es: „ In der Ausdehnung einer Quadrat-
meile ist der Boden mit zerbrochenen Töpfen,
Asche von Feuerstellen, SalzabfÄllen , Klumpen
gebrannten Thons und Ueberresten von Hütten
bestreut.“
Herr Behncke erklärte sich einverstanden
mit der Auffassung, dass auf der Fundstelle bei
Eddelack ein zeitweiliger Töpfereibetrieb bestanden
habe. Andererseits bemerkt Herr Dr. Hart mann:
wenn dio Vermuthung eines grossartigen Töpferei-
betriebs auch Vieles für sich habe, so bleibe es
doch schwer begreiflich , weshalb die Geestbe-
wohner den weit schlechtem Thon der Marsch
oder des Watts zur Töpferei verwendet haben
sollten, während ihnen auf der Geest der schönste
Thon ohne Mühe zu Gebote stand. (Der Vor-
sitzende las am 19. Deeember eine Mittheilung des
Herrn Dr. Hart mann in Maine Itetreffend
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die Fundstelle bei Eddelack. Neuerdings vor-
genommene Tiefgrabungen auf dem angrenzen-
den Felde haben ergeben , dass auch dort in
derselben Bodenschicht zahllose irdene Scherben
eingebettet liegen ; auch ist eine Feuerstolle dort
aufgedeckt worden. Im ganzen erstrecken sich,
so weit jetzt bekannt , die mit Scherben und
Knochen durchsetzten Erdschichten Uber eine
Flüche von 10 m.)
Ans der Sitzung vom 11. November 1S7U.
Der Vorsitzende, Herr Professor Pansch,
theilt, mit, dass der Plan mit den Vereinen in
Hamburg und Lübeck gemeinschaftlich eine Zeit-
schrift hernuszugeben als gescheitert zu betrach-
ten Bei, indem von Lübeck ablehnend geantwortet,
von Hnmburg nur indirect bekannt geworden,
dass man nicht darauf einzugehen geneigt sei.
Herr Geheimrath Thaulow hält darauf Vor-
trag über das altberübmte Steindenkm&l Stone-
henge in England. Nach einer Beschreibung der
Oertlichkeit und des Monumentes iu seinem
gegenwärtigen Zustande (Redner besuchte es im
Jahre 1874), giebt er eine Uebersicbt der ver-
schiedenen Deutungen , welche dasselbe seit
200 Jahren erfahren, und widmet dann der Er-
kl&rung Nilsgons besondere Aufmerksamkeit,
dessen Auffassung er sich anschliesst.
„ Redner legt Gewicht auf die Nachricht des
Hecatfins von eioem Heiligthum des Apollo auf
einer Insel, die Celtica gegenüber liege, auf die
Spuren von einem uralten Baalsdienste , den
Nilsson auch in Schweden nachgewiesen zu
haben glaubt , und auf die Bronzen , welche aus
einer Anzahl von Hügeln auf dem Gräberfelde
bei Stonehenge zu Tage befördert worden. In
der sich an diesen Vortrag knüpfenden Discutsion
ttussert Herr Professor Handelmann, dass er
die allgemeine Ansicht , dass dieses Steindenkmal
ein Heiligthum, ein Sonnentempel gewesen, nicht
in Abrede stellen wolle, wobl aber den phönicischen
Ursprung desselben, aller anderen Gründe zu ge-
schweigeo, schon vom historisch-politischen Stand-
punkte betrachtet. Es sei nicht denkbar , dass
eine Handelsfactorei in der Lage sei, einen so
gewaltigen Bau zu einem Tempel aaszuführen
wie das sogen. Stonehenge , das in seiner Gross-
artigkeit auf eine befestigte Herrschaft schliessen
lasse , auf eine Macht , welche Uber eine grosse
Arbeitskraft zu verfügen habe. Annehmbarer
dünke ihm die Ansicht Kinkels, welcher das
Monument in die Zeit setze, wo die römische
Herrschaft in England ihr Ende fand und das
nationale Gefühl wieder erwachte. Auch gegen
5
etwaigen keltischen Ursprung desselben wisse er
nichts einzuwendeu. Herr Thaulow ineiut,
wenn in den Ländern der Kelten , in Gallien,
derartige Tempel existirt hätten , würde Caesar
nicht darüber geschwiegen haben. Herr Land-
rath Matt hi essen fragt, ob die Kelten Sonnen-
! oder Baalsdienst geübt. Wenn dies nicht der
Fall, so sei die Ansicht des Herrn Thaulow
die ansprechendere. Frl. Mestorf ist der Moin-
j uug , dass man , wenn das Denkmal von einer
| phönicischen Colonie herrühre, wohl erwarten
dürfe ähnliche Tempelbauten zu finden in den
| historisch bekannten phönicischen Colonien , auf
| dem weiten Wege von Phönicien nach England:
I Cypern, Sardinien, Karthago, Gades u. 8. w., wo
indessen so weit bekannt kein Monument existire,
welches an Stonehenge erinnere. Die von den
Herren Nilsson und Thaulow als solche ge-
nannten Denkmäler Giganteia auf Gozzo und
Newgrange in Irland könnten zum Vergleich nicht
angezogen werden, weil in der Form und Con-
struction keine Aehnlichkeit herrsche. Auch die
Bronzen aus den in unmittelbarer Nähe von
Stonehenge liegenden Grabhügeln könnten den
phönicischen Ursprung nicht beweisen, da die in
Nordeuropa vorkommenden Bronzegerät he von den
I in Asien gefundenen so verschieden seien, dass
der Gedanke an einen Import von dort her auf-
j gegeben werden müsse.
Herr Handel mann, welcher über eine dop-
1 pelte Grabkammer bei Kämpen auf Sylt
sprechen wollte, verzichtete wegen vorgerückter
Zeit auf das Wort, und Herr Pansch las zum
Schluss eine Mittheilung von Frl. Mestorf über
ein alterthümliches musikalisches Instrument, eine
sogen. Hummel. Die Hummel, ein der Zither
gleichendes Saitenspiel , ehemals in Schleswig-
' Holstein allgemein verbreitet , ist im Aussterben
| begriffen. Ausser dem der Versammlung vorge-
legten Exemplar , welches sich im Besitz des
Museums vaterländischer Alterthümer in Kiel be-
findet, ist gegenwärtig nur noch ein anderes
bekannt als Eigenthuni des Geheimrath Mich eisen
in Schleswig. (Zur Sitzung am 19. December war
an Frl. Mestorf ein Schreiben auf dio von
ihr in den Localzeitungen ausgesprochene Bitte
um Auskunft Uber das nlterthümliche Saiten-
instrument eingegangen. Ein Leistenmacher aus m
Elmshorn theilt mit, dass er noch vor 10 Jahren
selbst ein solches Instrument für sich angefertigt
habe und ein paar Dutzend Melodien darauf spielen
könne. Auch Uber die Stimmung der Saiten giebt er
Auskunft nnd ist erbütig seine Kunstfertigkeit
auf Wunsah zu produeiren Trotz diesem einen
j modernen „Hummel virtuosen* wird man doch
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Annehmen müssen , dass dieses Saiteninstrument
im Aussterben begriffen ist.)
Ausser der Zither kennt Referent nur noch
e i n Instrument , welches sich init der Hummel
vergleichen lässt : die finische Hantele. Die
der Versammlung vorliegende Abbildung einer
solchen ist nach einem Exemplar, welches ein
schwedischer Gelehrter, Prof. Gustav Rctzius, '
vor einigen Jahren in Karelieo erwarb, das einzige, ,
dessen er in ganz Finlund habhaft werden konnte, i
Audi die Hantele ist im Aussterben , aber sie i
verschwindet nicht spurlos , weil sie in der Tra-
dition fortlebt. Das 'Nationalepos der Finen, j
die Kalevala, erzählt die Geschichte ihrer Ent- i
stehung. Ihr Erfinder ist kein geringerer nls |
der göttliche Held Wäinu-Möinen. Die Töne, t
welche er den Saiten entlockte, waren so lieblich |
und mächtig, dass Menschen und Thiere, ja auch
die leblose Natur davon bezwungen und ihm
untertban wurden. Sein Vermäebtniss ist der
Zauber, der den Klängen der Hantele bis auf
den heutigen Tag eigen geblieben und die Zu-
hörer so mächtig ergreift. Hantele und Hummel
haben mit der Zither auch das gemein, dass der
Spieler sie wagreeht vor sich hin legt. Hat. letzt- I
genannte ihre hauptsächliche Heimath in Tyrol,
so fanden wir die Hummel bis jetzt nur auf der
kimbrisehen Halbinsel, die Hantele in Finland.
Von ethnographischem Interesse wäre es, zu er-
fahren, oh gleichartige Saiteninstrumente auf den
zwischen liegenden Ländergebieten noch bekannt
oder spurlos verschwunden sind.*) J. M.
Aua der Sitzung am 15). December l*7t».
Auf der Tagesordnung stand eine Mittheilung
des Vorstandes über projectirte Ausgrabungen
hei dem Dorfe lmmenstedt in Dithmarschen.
Der Vorstand hatte Frl. Mentorf, welche die
Angelegenheit bisher geleitet , darum ersucht
darüber zu berichten. Das von derselben ein-
gereichte schriftliche Referat wurde von dem
Vorsitzenden, Herrn Prof. Pansch gelesen.
Die kleine Ortschaft lmmenstedt wurde erst
1K05 zur Dorfschaft erhoben. Einer Tradition
zufolge soll dort ehemals ein Kirchdorf gleichon
Namens gelegen haben , dessen Bewohner nach
Fehmarn aus wandelten. Ein Feld in der Nähe
„ des Ortes heisst noch jetzt „ lmmenstedt er Kark-
bof* und dies ist eben dos Terrain , welches für
die Ausgrabungen ins Auge gefasst ist.
*1 Hartmann (Vaterländ. Alterth. in Dorpat)
erwähnt eines musikalischen Instrumenten , welches
der Hnländischon Hantele ähnlich . in Eethland
Könnt- 1 genannt, am Ende de« vorigem Jahrhundert*
noch benutzt sein «oll. Das im Museum zu Dorpat
befindliche Exemplar stammt aus Fellin.
Das Feld war nämlich und ist zum Theil
noch jetzt mit kleinen nur 1 m hohen Hügeln
bedeckt , von denen die meisten zerstört sind,
etliche in diesem Jahre von dem Vorstände des
Dithmarser Museums aufgedeckt wurden. Sie
enthielten Skeletgräber und zwar scheinen
die mit spärlichen Beigaben aus Eisen be-
dachten Todten in hölzernen Särgen be-
stattet zu sein. Dies ist in Holstein eine völlig
neue Erscheinung Die Gräber der Eisenzeit, sind
hier vorwiegend Urnenfriedhöfe; Skoletgräber
waren bis jetzt nur zweimal zur Anzeige gekom-
men , beide aus dem Östlichen Holstein (Siggen-
eben und Prasdorf), beides Flachgräber mit
dürftigen Beigaben aus Eisen, welche letztere
berechtigen, diese Gräber in die ältere Eisenzeit
zu setzen. Ob nun die Immenstedter Griiber
derselben Zeit angehören oder aus den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten herrühren, müssen
die geplanten Untersuchungen Ausweisen. Die
Eisengeräthe , welche bei den Ausgrabungen der
Meldorfor Herren zu Tage gefördert wurden, be-
I stehen in defecten Schnallen und Messern. Erstere
reichen ins 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
zurück. Wie lange aber noch Schnallen dieser
Form hier im Lande getragen sind , wissen wir
nicht. Die Form der Messer deutet auf eine
spätere Zeit. Die Auflösung der Gebeine und
des Holzes ist soweit vorgeschritten , dass die
Untersuchung dadurch sehr erschwert wird. Nichts-
destoweniger glaubten die Meldorfer Herren zu
erkennen , dass die Holzschichten oberhalb und
unterhalb des Skelettes seitlich Zusammenhängen
und in einem gehöhlten Baumstamm bestanden (?),
dos hieH.se mit anderen Worten, dass die Leichen
in Baumsärgen bestattet seien (?) , abermals ein
neue* Moment , wodurch das Interesse für diese
I Gräber noch vermehrt wird. Gelingt es dem
anthropologischen Verein zu oonstatiren, dass die-
selben aus der letzten heidnischen Periode her-
rühren , so füllt er damit eine Lücke in der
Kenntnis* unserer Vorzeit, wofür ihm auch ausser-
halb der Grenzen unseres Landes Dank gespendet
werden wird. Jedenfalls ist die Sache zu wichtig,
als dass er sich dieser Aufgabe entziehen dürfte,
was auch im Allgemeinen zugegeben wurde, ob-
gleich mehrerseits wohlbegründete Einsprache
bezüglich gewisser Nebenumstände erhoben wurde.
— Ein von Herrn Professor Handel mann an-
gekündigter Vortrag über Denkmäler und Oert-
lichkeiten, an welche die Sage vom Nerthusdienst
anknüpft, fiel aus, weil Herr Handelmann sich
wegen Heiserkeit verhindert sah , zu erscheinen.
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7
Der Uebergang des Germanicus über
die Ems im Jahre 16 n. Chr.
Von R. Wagen er zu Langenholzhausen
iFilrsteuthuw Lippe).
Der Ems-Uebergung des römischen Heeres
unter Germanicus kann nach dem schwer ver-
ständlichen Texte der Stelle in Tacitus Annal. 11,8.
nur aus dem Zusammenhänge mit anderen , auf
dieselbe Iuvasion Bezug hallenden Angaben des-
selben Buchs, besonders II. 5., II. 7., und II. 14. ,
einigermaßen befriedigend gedeutet werden.
Nach der II. 5» dargelegten Disposition hatte
Germanicus zunächst den abenteuerlichen Plan
gefasst, das Heer in Schiffen die „FlUase“ hinauf
bis mitten in Deutschland hinein zu bringen.
Dass ein solches Vorhaben auf der Ems, als dem
westlichsten deutschen Flusse nächst dem Rheine,
der unmittelbar ins Meer einmündet , überhaupt
schon deshalb nicht ausführbar war. weil der-
selbe nur theilweise schiß har ist und seinem
ganzen Laufe nach nur dem nordwestdeutschen
Tiefland»» angehftrt, war ohne Zweifel auch dem
Germanicus genau bekannt ; ausserdem stand
dieser, II. 7., unmittelbar vor jener Expedition
ja bereits im Castell Aliso, welches er entsetzt,
und dessen Verbindung mit dein Rheine er durch
neue Befestigungen gesichert hatte, befand
sich also in offenem und ebenen, mithin verhält-
nissmässig gefahrlosen Terrain kaum einen halbem
Tagenmrsch von <jen Ernsquellen entfeint; und
es hätte dazu also Überhaupt des Rückmarsches
von Aliso nach Castra vetera, sowie des Baues
und der Ausrüstung einer Flotte von tausend
Fahrzeugen , endlich der mühseligen Fahrt den
Rhein und den Canal des Drusus hinab durch
die See und das offene Meer bis zur Eius, gar
nicht bedurft l
Germanicus wollte aber überhaupt nicht in
die Ems einlaufen , vielmehr in die Mündung
eines weiter östlich befindlichen Flusses , also
entweder der Weser, oder gar der Elbe, welche
letztere wenigstens in der, von Tacitus II. 14.
berichteten, angeblichen Ansprache des Germanicus
an sein Herr ausdrücklich als Ziel bezeichnet wird.
Wenn er daher mit seiner Flotte dennoch
in die Einsmündung gerieth . kann daran nur
eine irrthümliche Verwechslung der Lokalität, in
Folge ungenügender Ortskenntnis*, Schuld gewesen
sein; Tacitus erachtet es daher, wie später im
Zusammenhänge weiter nachgewiesen werden soll,
auch für nöthig, diesen argen und folgenschweren
Missgriff ausdrücklich zu constatiren, gleichzeitig
aber auch möglichst zu entschuldigen.
Nach Feststellung vorstehender Prämissen
gehen wir zu dem Hauptthema, II 8., Uber.
Der Text lautet, nach Einschaltung einer
von Herrn Schier enberg mitgetheilten Vari-
ante, welche, obgleich an sich nur unbeträchtlich,
doch das Verständnis» der Stelle sehr wesentlich
fördert , nämlich laevo amni statt der früheren
Lesart laevo auine, und bei entsprechender Aeu-
derung der Interpunktion, jetzt folgendermassen :
„Classis Amigiae relicta, laevo amni; erratum-
que in eo , quod non subvexit. Transposuit
militem, dextras in terra» iturum ; ita plures dies
efficiendis pontibus absumpti. Et eques quidem
ac legiones prima ae.stuaria, nondum odcrescente
unda. intrepidi transiere; postremuw auxiliorum
agmen, Batavique in parte ea, . . . .“
Nach dem bisherigen Wortlaute wäre der
Ablativ laevo arnne mit: nau der linken Seite
des Flusses“ zu Übersetzen gewesen. Es würde
nun zwar auch dio jetzt supponirte Lesart laevo
amni grammatisch ebenfalls noch als Form des
Ablativ angesehen und in derselben Weise über-
setzt werden dürfen , wie die frühere , zumal es
ausserdem unzweifelhaft erscheint, dass Germanicus
wirklich an der linken Seite der Ems gelandet
war, indem von Tacitus ja der Uebergang aufs
rechte Ufer mit Bestimmtheit berichtet und be-
schrieben wird ; — — aber die Worte laevo
amni sind doch jetzt viel wahrscheinlicher als im
Dativ, und zwar als durch Attraction vom Dativ
Amisiae in Apposition dazu stehend, zu nehmen,
und danach würde der erste Satz , bis subvexit,
in der Ueberseizung lauten:
„Die Flotte wurde der Ems zurück-
gelassen, dem Flusse links (von der
Weser); und zwar irrte man in dem-
selben, (verwechselte ihn mit der Weser,) weil
sie (die Flotte) nicht weiter hinauffuhr
(uud man sich also vor der Landung nicht erst
genauer orientiren konnte).“ War in diesem »Satze
unzweifelhaft classis Subjekt , so kann dies doch
für den folgende«, mit transposuit beginnenden,
nicht mehr der Fall sein, indem das Heer ja
weder von der Flotte übergosetzt wurde , noch
eine Brücke zum Uebergange benutzte , vielmehr
zuletzt einfach durch den Fluss ging. — Es
bleibt daher nur übrig, als Subjekt für den neuen
Satz Caesar zu substituiren : „ (Germanicus)
brachte das Heer, da dasselbe in die
rechts belegenen Länder marschiren
sollte, (nunmehr) auf die andere Seite.“,
demnach die Stelle so aufzufassen , dass es bei
dem zwar unternommenen , aber schliesslich —
vielleicht wegen Mangels an Baumaterial an der
holzarmen friesischen Küste — misslungenen
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8
Versuche, eine Brücke herzustellen, gehliehen sei,
und die zweite Hälfte des Satzes also zu über-
setzen :
„und so wurden mehre Tage (mit dem
Versuche) eine Brücke zu bauen (noch
vergeblich) hingebrncht.**;
wenn mau dafür nicht lieber annehmen will, dass
sich diese Bemerkung Überhaupt schon auf den,
durch jene verfehlte Landung in der Eins nun
nftthig werdenden , spätem Brückenbau über die
Weser, vor der Schlacht von Idistaviso, beziehen
soll, zumal dieser auffallenderweise von Tacitns
nachher gar nicht wieder bestimmt erwähnt wird,
mithin zu übersetzen:
„und ao mussten (später, wegen dieser
irrthümlichen Landung in der Ems, noch) in ehre
Tage mit dem Baue ei Der Brücke (über
die Weser) hingebracht werden.“
Der Marsch ging nunmehr nach letzterm
Flusse. —
Kleinere Mittheilungen
Hochäcker ln der Provinz Hannover. — Im An-
schluss an die Mittheilung im Correepomtcnzblatt für
1879 (Nr. 7. 8. 56) scheint folgender Passus bemerkcns-
werth , der vielleicht nicht allgemein bekannt ist.
Herr Studienrath Müller in Hannover schrieb 1672
(Zeitschrift des historischen Vereins lur Niederaachsen.
6. 174): „Herr Oberboniteur Best (in Katham an der
Aller) bemerkte in vielen Heiden und Wäldern acker-
furchenartige Flächen, selbst in Gegenden, die so weit
von allem graswüchsigen Boden entfernt liegen , das«
für die Zukunft wohl niemals ein Wiederauf brach
derselben zu Ackerland zu erwarten steht, besonders
da der Boden sehr trockensandiger Natur ist. Herr
Best hat Gegenden gefunden, wo fast alle gemein-
heitlichen Flächen in den Haiden solche Ackerfurchen
zeigten; und dos* dieselben wirklich sehr lange Zeit
beackert gewesen sind, kann man daraus abnehmen,
das# die Stücke selbst auf trockenem Hoden, alle sehr
hoch aufget rieben und die Vorwanden mehrere Fuss
höher als die dagegen schiessenden Stücke sind.
Diese ehemaligen Feldfluren mit ihren in verkehrter
ä-Form gekrümmten Stücken, gerade wie bei unseren
alten Feldlagen , den Vorwanden , den verschiedenen
Richtungen nach der Abdachung der Berge , den
schräg über die Stücke gehenden Feldwegen u. ». w.
sind wirklich sehr auffällig. Am seltsamsten ist es
aber, dass solche Ackerflngen sehr häufig «ich da be-
finden, wo mehrere HügelgräW liegen, wobei oft
einzelne Stücke zwischen zwei Hügeln durchschicsseu,
wohl ein sicherer Beweis, dass die Gräber älter sind,
als diese Ackerkultur in der Haide.
Die Ackerfurchen in Haiden und alten Wäldern
hat Herr Best auf seinen Reisen als Oberboniteur —
(seit 1832, W. K.) sowohl im Lüneburgischen, Stadi-
schen. als auch iui Hoyaschen und Dicpholzschen be-
obachtet. Die grösste Ausdehnung solcher alten Feld-
fluren fand er im Amte Tostedt, wo fast du# ganze
ehemalige Amt Moisburg, ausgenommen nur einig«*
nassgründige Flächen, mit seinen Haideräunien und
alten Markenforsten, welche man fast für Urwälder
halten sollte , durchgängig ackerartig gefurcht ist.
Druck der Akademischen Buchdruckerei ran b\ Straub ii
Die Ackerstücke sind selbst in leichtsandigem Boden
sehr hoch aufgetrieben, oft bis zu 3 Fuss flöhe. Ge-
wöhnlich liegen zwischen dcnscllwn sogenannte Balken
von 4 bi« (> Fuss Breite, welche nicht beackert gewesen
sind und die als Lagerplätze für die aus dem Acker*
lande gerodeten Granitgeschiebe , ursprünglich auch
wohl für die Baumstücken gedient haben. Für den
lang«m Bestand dieser Flächen als Kulturland zeugen
auch die unter der Oberfläche gelagerten und später
blossgelegten Granitblöcke, welche oll mit unzähligen
langen Sc brummt- n bedeckt sind, den offenbaren
»Spuren von den fiberstreichenden Pflugschuaren.
(Diese Schrammen praehistorischer Pflüge dürften
wohl in Wahrheit diluvialen scandinavischen Glet-
schern Angehören und aus der Eiszeit stammen. W. K.l
Die damaligen Ackerbauer scheinen sich — wie
auch natürlich — am häufigsten in der Nähe von
Fluss thälern angesiedelt zu haben ; so scheint hier-
durch die bedeutende Ackerkultur in der Nähe der
Elbmarsch . welche selbst wohl nur als Viehweide
damals benützt wurde, veranlasst zu sein. So findet
man auch auf der hohen Geest in der Nähe der Aller
und «1er Weser, besonders aber an der Hunte im
Amte Diepholz und Frendenberg, hei «len Dörfern
Altdorf. Rockstedt und Rüssen in den Haiden und
Forsten viele ehemalige Ackerfluren. Aber auch in
der Nähe von Mooren, welche damals wohl gromen-
thcils grasreiche Brüche bildeten , erscheinen der-
gleichen. mitunter aber auch so entfernt von Allem
weidefähigen Boden, dass man fast annehmen man,
«lies«* Ackerbauer haben ohne Viehweiden gt»wirt li-
sch aftet. W. Kraus e.
Göttingen, den 16. Decbr. 1879.
Aus der fränkischen Hö hiergegen d. — Neumühle,
den 7. Mär/. 1879. Ich habe im vorigen Sommer
bei Biberbach einige Hügelgräber ausge-
graben . e# waren «lies aber , ausser einein , nur
zusommengeworfene Steinhaufen. ’ Aus diesem einen
brachte ich nur einige zumuu mengefallene Urnen heraus,
von einem Skelet und Schmucksachen fand sich nichts
vor. Höhlen habe ich dienen Winter 4 ausgraben
lassen, davon eine im Wiesentthal zwischen Behr-
ingersiiiühle und Müggendorf, zwei im Püttlachtha 1,
eine hei Bärenfels und eine im Ailsbach thal. In
sümmtlichen Höhlen fanden sich mehrere Aschen-
schichten übereinander und in der untersten Schicht
Stein-, Knochen- und Hornwerkzeuge und eine Menge
zerschlagener und verbrannter Knochen. In einer der-
selben fanden sich auch in der zweiten Schicht zwei
Bronzeringe und eine Fibel. Ausserdem habe ich auch
in einer Höhle nur fossile Knochen ausgegraben und
die kleineren Knochen Herrn Dr. Ne bring in Wolfen-
büttel zur wissenschaftlichen Bearlieitung geschickt.
Mehrere Grabhügel habe ich b»*i Geiselhöhe,
südwestlich von Pott enst ein, geöffnet und in einem
derselben zwei lange Nadeln , einige Schildbuckeln,
einige defekte (»««genstände von Bronz<> und eine sehr
starke, aber ganz roh gearbeitete, eisern«» Lanzenspitze
gefunden. In den übrigen Hügeln waren die 8k«det|e
ohne Beigaben. Ebenso war es unmöglich einen
Schädel herauszxibringen, <la dieselben von den darauf
liegenden Steinen ganz zerdrückt waren. Bis jetzt
habe irh ohngefäbr etliche dreissig Grabhügtd geöffnet
und ca» 12 Höhlen uhd Urwohnnngen ausgegraben.
Sobald bessere Witterung wirtl , werde ich einige
Grabhügel bei Breitenleeau öffnen.
Hans Hoesch.
München. — Schluxx der Deduktion am XI. Mär 3 ISStK
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U i
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
Cfir
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Rcdigirt txm Professor I>r. Johannen Ranke in München,
Otneralstcrrtdr der OttdUrhqfl.
XI. Jahrgang. Nr. 5. Erscheint jeden Monat. Mai 1880.
Ethnographisches von Sumatra’s
Ostküste.
Von F. Ilu gm.
(Hinein Brief de« Herrn Dr. F. Hagen aus
Homburg (bay. Rheinpfalz) d. d. Danjeng-Merawa,
Sumatra'» Ostküste , 27. Sept. 1879 an Herrn
Professor Dr. K. Z i 1 1 e 1 in München entnehmen
wir folgende«:)
Treu dem Versprechen, das ich bei meiner
letzten Anwesenheit in der Münchener anthropol.
Gesellschaft gab, sende ich Ihnen hiemit meinen
ersten Bericht aus dem Lande der so bös ver-
schrieenen Menschenfresser, nämlich der Batta’s
im Innern von Sumatra. Ich wohne augenblick-
lich hart an der Grenze ihrer noch nicht unter
holländischer Hoheit stehenden Länder , die in
jeder Hinsicht beinahe noch völlig unbekannt
sind. Ich spreche hier nur von dem nördlichen
Theil der Battaländer ; der mittlere und südliche
ist schon früher von Junghuhn bereist und be-
schrieben worden (F. Junghuhn, die Battaländer
auf Sumatra, 1 u. II Bd. 1847).
Ich bin natürlich jetzt noch nicht im Stande,
Ihnen umfassende ethnologische Studien über ein
Volk vorlegen zu können, das ich erst seit zwei
Monaten kenne , und dessen Sprache ich noch
nicht verstehe. Meine erste Mittheilung soll sich
nur auf eine einzelne anthropologisch-ethnologisch
immerhin beachten swerthe Thatsache beschränken,
von der Junghuhn, der beste Kenner der Batta’s,
Nichts erwähnt : Die künstliche Verunstaltung
des Penis bei den Batta’s.
Junghuhn (die Battaländer auf Sumatra, Bd.
H, S. 140) erwähnt die aus Holz geschnitzten
monströsen Geschlechtstbeile, z. Th. in Ausführ-
ung des Coitus begriffen , mit denen bei der
| Leichenfeier eines Radjah das Sarggostell und
später das Grab geschmückt wird. Von dem
j nachfolgend beschriebenen Gebrauch jedoch er-
wähnt er Nichts; entweder dass diese Sitte nur
in dem nördlichen unbekannten Theil der Batta-
länder im Schwünge ist, wohin Junghuhn nicht
gelangen konnte , oder dass man ihm dieselbe
verheimlichte (so z. B. wusste nicht ein einziger
der hier ansässigen Pflanzer von dieser sorg-
ftlltig geheim gehaltenen Thatsache , und auch
ich gelangte nur durch einen Zufall zur
Kenntnis«).
Bisher war meines Wissens ein ähnlicher
Gebrauch nur bei den Dajaks bekannt , sowie
eine analoge Mittheilung aus Deutschland durch
: Herrn Professor Rüdinger (in einer Sitzung
der Münchner anthropologischen Gesellschaft).
Während aber bei den Dajak's die glans penis
durchbohrt oder gespalten wird , führt man die
Verunstaltung des penis bei den Battakern auf eine
ganz andere Weise herbei , so dass beide Mani-
pulationen nur den leicht erklärlichen Endzweck
mit einander gemein haben dürften.
Das Verfahren , welches von herumziehenden
einheimischen Medizinverkäufern geübt wird, ist
folgendes : Die Haut des männlichen Gliedes (nicht
auch das praeputium) wird in der Weise mit
den Fingern angespannt , dass sie etwas nach
hinten gegen die 8cbamfuge und stark zur Seite
gezogen wird. Dann schneidet man sie mit einem
scharfen Messer in der Länge von etwa 2 cm
völlig bis auf die Fascie ein und schiebt nun
durch den so entstandenen Schnitt ein kleines,
meist etwa 1 cm grosses, oft aber auch doppelt
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so grosses weisses Steinehen von prismatischer
Gestalt mit abgerundeten Kanton in das Unter-
baut Zellgewebe ; dann lässt man die Haut los,
die vermöge ihrer Elastizität in ihre frühere Lage
zurückkehrend sich über das Steiqchen hinschiebt,
so dass dasselbe schliesslich 1—2 cm von der
Schnittwunde entfernt unter der Haut sitzt, wo-
durch ein Herauseitem verhütet wird. Doch scheint
das Letztere bei dem sicher in hohem Grade statt-
findenden örtlichen Reiz nicht immer zu gelingen:
der Mann, dessen auf solche Weise verunstaltetes .
Glied ich sab. hatte sich als Jüngling diese Stern-
chen vor etwa 25 Jahren einsetzen lassen , um,
wie er sagte, den Weibern zu gefallen, die „wie i
närrisch- auf einen solchen Mann seien. Es waren •
ursprünglich 10 solcher Steinehen, aber nur noch I
vier waren vorhanden ; die übrigen sind im Laufe *
der Zeit , wie er sich ausdrückte , verloren ge-
gangen resp. herausgeeitert. Der nämliche Mann
erzählte mir ferner, vornehme und reiche Radjah’s
der Tobahländer Hessen sich statt der weissen
Sternchen solche von Gold oder Silber einsetzen.
Sehr häufig scheint diese Sitte gerade nicht
zu sein ; es kannte wohl jeder, den ich befragte,
dieselbe, aber unter einem etwa 80 Mann starken
Stamme aus der Gegend des grossen Tobahsee's
(auf dem centralen Gebirgsstock Sumatra's) fand
ich nur einen einzigen Mann , der diese Verun-
staltung wirklich an sich trug.
Die Steinchen bestehen aus einem hellweissen,
halbdurchsichtigen, marmorähn liehen Gestein und
sind in der erwähnten Form zugeschliffen. Sie
sollen sehr selten sein und nur in einer bestimm-
ten Gegend mitten in den Battaländern , weit. ,
hinter dem Tobahsee, verkommen. Die ßattaker,
mit denen ich bis jetzt verkehrte , beziehen sie
nur durch den vorerwähnten Medizinhändler,
a Stück 10 cts engl. Denn diese Steinchen
werden zugleich auch als ohat (Medizin) gegen
allerlei innere Krankheiten angewendet, indem ,
man ein solches einige Tage in eine Schale mit
Wuser legt und dann letzteres trinkt. Sobald
der Stein in'a Wasser kommt, soll er sich lang-
sam auflösen, so dass er nach drei Tagen schon
sehr merklich kleiner geworden sei.
Es gelang mir, drei solcher Steinchen zu er-
halten, und ich werde dieselben, mit der nächsten
Sendung womöglich , zu Ihren Händen gelangen
lassen, behufs fuchwissenschaftlieher Untersuchung.
Mit meinem nächsten Bericht werde ich Ihnen,
wenn ich bis dahin fertig werde, eine Reihe von
Körpermessungen von Battakern übersenden , so-
wie Beobachtungen Uber gewisse pithecoide Bild- ,
ungen, die hier häufig vorzukommen scheinen. ,
Im Jahre 1880 hoffe ich , eine Expedition
in’s Innere des nördlichen Battakergebietes , ins-
besondere in die Gegend des noch halb sagen-
haften Tobahmeeres unternehmen zu können.
Einstweilen beschäftige ich mich mit der Erlern-
ung der Sprache, der Sitten und Gebräuche dieses
hochinteressanten Volkes, das eine wahre Fund-
grube anthropologischer und ethnologischer Merk-
würdigkeiten zu werden verspricht. In einem
der nächsten Berichte hoffe ich auch Material
beisammen zu haben, Ihnen Authentisches über
die so viel verschrieene Anthropophagie der
Batta’s mittheilen zu können.
Mittheilungen aus den Zweig-
Vereinen.*)
I. Leipziger Anthropologischer Verein.
Bericht de« Herrn Dr. I Hering.
Sitzung vom 20. Februar 1880.
Herr Prof. H i s hielt einen Vortrag über die
Entwicklung des Steißbeines des Menschen und
über die Deutung der in der Literatur als Sch wanz-
bildung beim Menschen angeführten Fälle.
H i s berichtet zunächst kur/. Über die Angaben
in Betreff geschwänzter Menschen und insbesondere
über die drei in neuerer Zeit bekannt gewordenen
Fällen von Greve-Virchow, von Neu-
meyr-Ecker, und von F 1 ei ach m a □ n.
Fenier demonstrirt er an Präparaten die von
Ecker in der Steissgegend besch rieben en Bild-
ungen, die 8teissgUtxe, den Steisshaarwirbel, das
Steissgrübchen. Sodann wendet er sich zur Be-
sprechung des Schwanzes bei menschlichem Em-
bryo. Ecker hat bestimmt Partei ergriffen für
den mehr oder weniger •unbestimmt in der Lifc-
teratur lebenden Satz, dass der menschliche Em-
bryo in frühen Perioden einen Schwanz besitzt,
der später sich zurückbilde. Ecker spricht vor-
sichtiger Weise von einem schwanzartigen An-
hang, eine Bezeichnung, auf die His viel weniger
Gewicht legt, als auf die scharfe Präcisirung
dessen, was man Schwanz nennen soll. Da schliess-
lich alle Regionenscheidungen etwas conventioneil
sind, so glaubt er dem üblichen Sprachgebrauch
am meisten gerecht zu werden , wenn er unter
Schwanz einen gegliederten Yon der Fortsetzung
*) Berichtigung: Bei der Uebcrsehrift: Anthro-
•logischer Verein zu Kiel. Au« der Sitzung vom
o. Juli auf der 3. Seite von Nr. 4 d. Blattes, ist die
zugehörige Jahreszahl 1878 weggefallen. Die Mittheil-
ungen beziehen «ich zum Theil auch auf die Sitzung
desselben Vereins vom 27. März 1879. Anmerkung
d. Redact.
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43
der Wirbelsäule durchzogenen und von Theilen
der animalen Leibeswand gebildeten Körperan-
hang versteht , der den After überragt. Beim
menschlichen Embryo glaubte also H i s das
hintere Körperende nur insoweit Schwanz nennen
zu sollen, als es den After bezw. die Cloakonöff-
nung Überragt. Hinsichtlich der Rückbildung
aber hat man sich zu vergewissern , ob zu einer
Zeit dos embryonalen Lebens die Wirbelsäule
mehr Glieder besitzt, als dein bleibenden Zustande
entspricht. H. His gibt nun die Beschreibung
einiger von ihm genauer untersuchten Embryonen
aus der Zeit des ersten Monats. Bei zweien der-
selben, einem Embryo von 71/* mm und einem
von 4 mm Körperlfinge treten die Kürpersegmente
äußerlich sehr deutlich hervor und H i s be-
. stimmte deren Zahl von der unteren Kopfgrenze
ab bis zur Steisaspitze hin auf 35- Ha die Seg-
mente intervertebral liegen , so entspricht dies
34 Wirbeln, einer Zahl, die schon Rosen borg
als die normale hingestcdlt und die auch H. am
Mediumschnitte junger Embryonen 16 — 21.5 mm
K.L. bestätigt hat. Daraus ist zu schliessen, dass
auch bei den sehr jungen Embryonen, die H. be-
nützte, his zur Steissspitze hin genau soviel Seg-
mente da waren , als der späteren Anzahl von
Wirbeln entspricht. Es bildet sieb also
kein gegliederter Abschnitt der Wir-
belsäule zurück. Bei der starken Zusammen-
krümmung junger menschlichen Embryonen er-
scheint der ganze Becken theil des Körpers nach
vorn in die Höhe geschlagen.
ln Betreff des inneren Baues ergiebt sich aus
den Durchschnitten , dass in dem nach vorn in
die Höhe geschlagenen Körperabschnitt die Cloako
bis nahe zur Steissspitze reicht, und etwa 1 */«
bis 2 Wirbelhöhen unterhalb dieser sieb öffnet-.
Der kurz überragende Endabschnitt hat die Cha-
raktere eines ächten Schwanzes. H. kommt dar-
nach zum Schluss, dass der menschliche Embryo
einen kurzen höchstens 2 Wirbolhöhen umfassen-
den Schwanzstummel besitzt, der auch der Rück-
bildung nicht anheimfUllt. Für diesen Stummel
genügt der Ausdruck „Steisshöckcr“.
His kommt auf Ecker*« Beschreihungen
und Abbildungen zurück. Daraus ergibt sich,
dass Ecker bei mehreren seiner Embryonen
einen feinen , nur von Chorda und Haut gebil-
deten Fortsatz gesehen hat, dem His bis jetzt
nicht begegnet ist. His nennt diesen Fortsatz,
dessen Vorkommnis» inconstant sein muss , den
Ecker*schen Sch wanz faden.
Auf Persistenz des Ecker*schen Schwanz-
fadens bezieht His einige der in der Litteratur
beschriebenen Fälle reicher Sch wunzanhänge. Ueber
den Erlanger Fall ist soeben die Beschreibung
von L. Gerl ach erschienen, die zeigte, dass der
Schwanz des fraglichen Fötus eine Chorda dor-
salis , einen ventralen Längsmuskel , aber keine
Knorpel enthielt. Die Zahl der im Körper vor-
; handenen Wirbel hat G. auf 34 bestimmt. Ger-
j lach sch li esst aus dem Vorhandensein des ven-
i tralen Muskels auf dasjenige von Urwirbeln, aus
I dem Vorhandensein von Urwirbeln auf das eiues
Rückenmarkes , das bis zum Ende des Schwanz-
anhanges gereicht haben soll. Diese Folgerung
hält H. für zu gewagt, um so mehr, als ja in
dem Fall kein einziger überzähliger Knorpelwirbel
vorhanden war. — Bezeichnet mau als ächte
Schwanzbildung beim Menschen nur diejenige, in
| denen überzählige Wirbel in axinen Körperan-
hang sich finden , so blieben als „ schwanzartige
Bildungen“: 1) persistirende Schwanzfäden (weiche
Schwänze) ; 2) die Haurschwänze oder Virchow’s
! Sacraltrichosen und 3) allfällige durch totale
Luxation des Steissbeines entstandene, Knochen
enthaltende Kürperanhfinge.
Im Verlaufe der an diesen Vortrag sich an-
schliessenden Debatte trat Herr von Ihering
dafür ein , dass im Verlaufe der Entwicklung
doch eine Reduktion in der Zahl der W’irbel des
Steissbeines eintret« , da ja die normale Zahl 4
Caudalwirbel betrage gegen 5 , wie sie His,
oder 6 , wie sie R o s e n b e r g (in 9 Fällen *)
von 13 cf. p. 129) als Regel antraf, so dass
daher Rosenberg von einer im Verlaufe der
Entwicklung erfolgenden Reduktion der Zahl der
Caudalwirbel spricht.
Herr Geh. Rath Leuckart knüpfte an den
Vortrag des Redners Bemerkungen, die den Stand-
punkt des vergleichenden Anatomen zu der
Schwanzfrage erläuterten. Das Vorragen des
Schwanzes kann allein nicht als Kriterium dienen,
wie die im Innern gelegenen Schwanzwirbel des
Huhnes lehren. Andererseits kann die Lage des
I Afters nicht unbedingt als entscheidend anerkannt
! werden, da dessen Lage z. B. bei den Fischen
I bedeutenden Schwankungen unterliegen kann.
I Wollt« man den hinter dom After folgenden
Körpertheil schlechthin Schwanz nennen, so hätten
viele Fische nur Kopf und Schwanz , wobei in
letzterem die Eingeweide lägen. So ist bei den
Gymnoten der After an die Kehle gerückt , bei
i der jenen nahestehenden Gattung Sternopygus
•) Ek wärt* richtiger zu sagen in 9 von 12 Fällen,
da Embryo 1 ausgeschlossen werden muss, weil l»ei
| diesem ersten 16.5 mm langen Embryo die in distaler
I Richtung fortschreitende Differenxirung der Wirbel-
i säule noch nicht abgeschlossen ist, wie das bei den
I andren über 2 ctm langen der Kall ist.
6*
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liegt der „After hinter dem Auge“. Es bleibt
daher vom vergleichend anatomischen Standpunkte
nur möglich , die Insertion des Beckens an die
Wirbelsäule zum Kriterium zu nehmen, während
da, wo Beckenwirbel fehlen, wie namentlich bei
den Fischen, eine scharfe Sonderung von Rumpf
und Schwanz überhaupt nicht möglich ist.
Herr His meinte, dass dann überhaupt die
Möglichkeit einer scharfen PrUcisirung des Schwanz-
begriffes binwegfalle und je nach dem Stand-
punkte darunter verschiedenes verstanden werden
könne, also der Embryologe und der vergleichende
Anatome hier obenso eine verschiedene Termino-
logie haben könnten, wie in manchen Fällen der
descriptive Anatom und der Chirurg.
Anknüpfend an den Vortrag von His er-
wähnt Dr. Andree die Sage vom geschwänzten
Menschen, der bereits in den Schriften der Alten
spukt und als Homo caudatus hirsutus auf Affen
hinweisen dürfte , wie denn noch neuerdings die
vom Grafen C'astelnau mit einem Fragezeichen
erwähnte „auf allen Vieren laufende zahlreiche
Nation der Cuata‘s“ in Brasilien von v. Martius
(Zur Ethnogr. Amerikas 249) als Simia Paniscus
entlarvt wurde. Blumenbach (De gener. hum.
vur. nat. 94) erwähnt auch die verschiedenen ge-
schwänzten Wundermenschen und bildet (Taf. II
f. 5) einen solchen aus v. Breydenbach's „Reyss
in das gelobt Land“ Mainz 1486 ab. Vor zwfnzig
Jahren wurde discutirt, ob die Niam- Niam ge-
schwänzt seien und die Sage verschwindet erst,
als Lejean, v. Heuglin, Schweinfurth dem Volko
näher kamen. Ueberhaupt tritt der Homo cau-
datus immer mehr zurück , je näher man dem
fraglichen Gebiet« rückt. Kürzlich berichtete der
auf Neu-Britannien ansässige Missionär George
Brown von Kali genannten, mit unbeweglichen
steifen Schwänzen versehenen Menschen auf jener
Insel, die er aber nicht sah und der 1876 ver-
storbene englische Afrikareisende L. Lucas gab
dem Londoner Anthropologischen Institut (Journ.
VI. 192) Bericht über vier aus Borneo stammende
Mekkapilger mit 14 Zoll langen Schwänzen —
nach Hörensagen. Eingehende, auf angebliche
Autopsie gegründete Berichte Uber Schwanz-
menschen von Java und Borneo theilte J. Kögel
im „Ausland“ (1858. 1103) mit. Eine ganze
Anzahl auf die malayische Inselwelt bezügliche
ältere Berichte über Schwanzmenschen hat vWin-
wood Ueade (Savage Africa 477) zusammenge-
stellt ; der niederländische Kapitän L. F. M. Schulze
will in Fort Patas auf Borneo eine geschwänzte
Dajakin gekannt haben (Globus XXXII. 127) und
geschwänzte Albanesen erwähnt J. G. v. Hahn
(Albanesische Studien Heft I. 163). So lange
jedoch nicht die lebenden Individuen oder Prä-
parate vorgestellt sind, hat der Anthropolog sich
skeptisch diesen Angaben gegenüber zu verhalten.*)
Int weiteren Verlaufe der Debatte erinnerte
Prof. Braune daran, dass auch Tumoren und
Missbildungen in der Stelssbeingegend zu Ver-
wechselungen mit schwanzartigen Bildungen An-
lass geben könnten.
II. Münchener anthropologische Gesellschaft.
Bericht des Herrn Bürger.
Ueber die von Hr. Cesnola entdeckten
kyprischen Alterthümer.
(Vortrag den Hr. Prof. Dr. C. B u r s i a n 27. 2. HO
in der unthrojK»). Gesellschaft zu München.)
Bei der Wichtigkeit der Cesnola'schen Ent--
! deckungcn für die prähistorische Archaeologie
erlauben wir uns den Inhalt des eingehenden
Vortrages in Kürze zu skizziren und damit noch-
i mals auf das Werk Cesnola’s binzuweisen.**)
Der Hr. Redner hob hervor, dass die von
General Luigi Palma di Cesnola auf Cypern
gemachten Funde denen, die Schliemann auf den
Hügeln von Hissarlik, wie auf der Stätte des
alten Mykenae gemacht, nicht nur in Bezug auf
materiellen Werth, sondern auch an Bedeutung
1 für die Geschichte der alten Kultur getrost an
I die Seite gestellt werden dürfen.
Zunächst ging HerrBursian zur Beleuchtung der
geographischen Stellung Cypenu über und gab
I sodann eine Uebersicht der Geschicke der Insel
und ihrer Bewohner im Alterthum und damit
| zugleich eine Darstellung der ethnographischen
, Verhältnisse: nachdem die ursprünglich wahr-
; scheinlieh von einem vorderasiatischen (aramä-
! ischen) Stamme bewohnte Insel von Phoenikien
(Tyros) aus colonisirt worden, gerieth sie unter
assyrische Herrschaft: alsdann folgte ägyptische
und persische und nach kurzer Selbständigkeit
unter durchaus hellenischem Einfluss wieder per-
sische Herrschaft, endlich kam die Insel unter
makedonische, ägyptische und zuletzt römische
Botmässigkeit.
Dem Vortrag über die Ausgrabungen selbst,
•) Die im Globus XXXI. 8. 7!» und XXX1L S. 127
’ enthaltenen Mittheilungen über geschwänzte Menschen
j rühren von Dr. Andree her.
**) Cypern, »eine alten Städte, Gräber und Tempel.
J Bericht Tiber zehnjährige Forschungen und Ausgrab-
ungen auf der Insel von Louis Pulnm di Cesnola.
Autoruurtc deutsche Bearbeitung von Ludwig St e rn.
Mit einleitendem Vorwort von Georg Ebers. Mit
i mehr als 500 in den Text und auf 96 Tafeln ge-
! druckten Holzschnitt-Illustrationen, 12 lithographierten
1 Schrifttafeln und 2 Kurten. Jena, H. Costenoble 1879.
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schickte der Redner einen Ueberblick über die '
Lebensschicksale Cesnola’s voraus und begann dann
unter gebührender Hervorhebung seiner bewun-
dernswerthen Ausdauer die Tbätigkeit desselben
auf Kypern zu verfolgen.
Im Jahre 1866 fing C. zuerst an auf einem
niedrigen Hügel im Westen von Larnaka zu
graben ; eine Fehdo hierob mit dem Kaimakam, l
wie später mit dem Generalgouverneur aus einer
undern Ursache endigte mit der Niederlage seiner ,
Gegner.
Immer noch waren die Ausgrabungen, die er
bisher angestellt hatte, nichts als tastende Vor*
suche goblioben, erst mit dem Bezug eines Lands-
hauses bei Dali (Sdalion) begann er mit ge-
schärftem Blick, ausserdem autorisirt durch einen
jährlich erneuerten Ferman , eine systematische
Durchforschung der zwei Nekropolen in der Nähe.
•Seine ersten Funde waren Thongeftbsse sehr ver-
schiedener Perioden, ferner Tcrracottafiguren vom
rohesten Typus bis zu fortgeschrittenerer Technik,
ausserdem Goldschmuck, Waffen und Geräthe von
Erz , endlich , eine vorzüglich erhaltene Bronze-
schale mit eingravirten Darstellungen, die ent- i
schieden jene Vermischung von ägyptischen und i
assyrischen Kunstelementen zeigen, die überhaupt
für die ältere Periode des kyprischen Kunsthand-
werks so ausserordentlich charakteristisch ist;
sie stellen die Huldigungen dar, die einer thron-
enden Güttin dargebracht werden : Opfer und
Reigentanz unter Musikbegleitung. Die Bildung
der Menschenantlitze hat mancherlei Auffallendes,
was auf semitischen Einfluss hinweist.
Dieser sein Erfolg regte zwei Männer an,
seinem Beispiel zu folgen, den französischen Konsul
L'olonna -Ceccaldi und den Amerikaner Hamil-
ton Lang, Direktor einer Filiale der ottomani- 1
sehen Bank; während die Resultate der Arbeit i
des ersten unbedeutend sind, machte letzterer
einen Fund von ausserordentlicher Wichtigkeit i
durch Aufdeckung einer in den Ruinen eines
Apollontempels erhaltenen bilinguon (phoinikisch-
kypriseben) Inschrift, welche den ersten sicheren
Anhalt für die lange vergeblich versuchte Ent-
zifferung der in eigentümlichen Schriftzeichen
(der sogenannten epichorisch-kyprischen Schrift)
abgefassten Inschriften, deren Sprache jetzt als
ein altertümlich griechischer, dem arkadischen I
zunächst verwandter Dialekt erkannt worden ist,
lieferte.
Nach einem Exkurs Uber diese epiehorische
Schrift fuhr der Hr. Redner fort, die Ausgrab-
ungen weiter zu verfolgen , die Cesnola regel-
mässig von gutem Erfolge begleitet auf ver-
schiedenen Ruinenstätten anstellte. Unter seinen
bei Hagios Jorgos in der Nähe von Athienu ge-
machten Funden verdient ein mit Reliefs bedeckter
Sarkophag aus Kalkstein Erwähnung, dessen Bild-
werko eine Jagdscene , ein Gelage , ein Zweige-
spann und die Entauptung der Medusa dar-
stellen.
Als eine noch wichtigere Fundstätte erwies
sich das ebenfalls in der Nähe von Athienu ge-
legene Kapellchen des hl. Photios ; er entdeckte
nemlich dort die Reste eines sehr ausgedehnten
Heiligthums , das eine Menge Statuen aus Kalk-
stein von verschiedener Grösse barg. Cesnola’s
Schätze waren derart zahlreich geworden , dass
er, um sie würdig unterzubringen, ein Museum
in Larnaka errichtete; um aber doch fllr Beine
bedeutenden Auslagen einige Entschädigung zu
haben, ging er mit der Absicht um, seine Funde
zu veräussern ; nach vergeblichen Unterhandlungen
mit Russland gelang es ihm, die Gegenstände
mit Umgehung des behördlichen Verbotes nach
England zu schaffen.
Weitere Ausgrabungen bei Palaeo - Limisso
auf der Stätte des alten Amathus brachten aber-
mals Todtenstätten mit ThongefÜsson von den ver-
schiedensten Formen zum Vorschein, ferner Ulas-
gefässe, Sarkophage von Marmor und Kalkstein,
wovon einer, dessen Ausführung durchaus
griechisch an assyrische Darstellungen sehr stark
erinnert ; eine Silbcrschalo mit theils ägyptischen,
theils assyrischen Darstellungen und rein ägyp-
tische Terracottcn.
Weiter gelang es ihm — ein äusserst wich-
tiger Fund — in der Nähe der Dörfor Kolossi
und Episkopi auf der Stätte des alten Kursion
einen Tempel mit vier unterirdischen Schatz-
kammern zu entdecken, in welchen sich ein ausser-
ordentlich reicher Schatz von Goldschmuck, von
Goldplatten und überaus zahlreichen Gemmen mit
eingravirten Darstellungen verschiedener Stilarten
und einige Gold- und Silberschalen vorfanden.
Zum Schlüsse nahm der Hodner Gelegen-
heit , auf die oben geschilderte Bronzeschale
zurückzu weisen , auf welcher sowohl den Personen
spezifisch ägyptische Attribute, wie Lotos, Sistrou
und dergl. beigegehen erscheinen , als auch die
dazwischen eh enden Säulen unter Anlehnung an
die ägyptische Kunst mit Lotos- und Blumen-
blatt erkapitellen abschliossen , während die Dar-
stellung der Menschenantlitze , die Behandlung
der Haare u. a. deutlich auf assyrischen Einfluss
hinweist. Er machte darauf aufmerksam , dass
dieselbe Verschmelzung ägyptischer und assyrischer
Kunstelemente sich auch hei einer Reihe anderer
Gegenstände, die C. fand, wie hei einer Anzahl
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Goldschalen und vergoldeter Silberschalen , dann
bei einer Anzahl Statuen, Gemmen, Vasen u. s. f.
vorfinde.
Mit der Hinweisung darauf, dass die grosse in
Kurion gefundene Sammlung von Gemmen den
verschiedensten Jahrhunderten angehöre und dass
die einzelnen Stücke zu verschiedenen Zeiten in
den Tempel gestiftet worden seien , sodass uns
in ihnen eine Geschichte des cyprischen Kunst-
Stils erhalten sei, schloss der Herr Redner seinen
mit grossem Beifall aufgenommenen Vortrag.
Literaturberichte.
I. Anthropologische Notizen von Amerika.
Von 0. Loew.
(Fortsetzung zu Nr. 8. S. 28.)
Der „American Antiqua rian“ Vol. II.
Nr. 1 enthält :
1) Ueber das Alter der Tabakspfeife in Eu-
ropa von E. A. Barber.
Verfasser beschreibt die verschiedenen Formen
der Tabakspfeife in ihrer Entwicklung. Manches
lasse schliessen, dass auch in Europa Kräuter in
praehisto rischen Zeiten geraucht wurden — viel-
leicht zu *medicinischen Zwecken.
2) Geber die Religion der Clallam- und Twana-
Indianer von M. Eels.
3) Das National-Museum von Mexico und die
dortigen Opfersteine von F. Bandelier.
Dieses Museum wurde im Jahre 1822 ge-
gründet und besteht aus einem ethnologischen
und einem naturhistorischen Departement. Es
besitzt werthvolle altmexicunische Alterthümer und
publicirt Berichte.
4) Ueber die Quellen der Erkenntniss in Be- !
zug auf praehistorischo Zustande in America
von Rev. D. Peet.
5) Ueber die Etymologie des Wortes Chiehi- j
mecatl von 0. Bruhl.
Verfasser bestreitet die bisherigen Deutungen ;
und leitet das Wort von : cbichic zz bitter und
metl Magney ab, so dass der wahre Sinn
desselben: „Bewohner des Landes des bittern
Magney“ sei.
Vol. H. Nr. 2 enthält: *
1) Ueber die Moundbuilders von J. E. Ste- (
venson.
Verfasser bespricht den Handel. Industrie und
Bau von Erdwerken der praehistorischen Völker
des Mississipi -Thaies.
2) Alaska und seine Einwohner von S. Jakson. I
Verfasser bespricht zuerst die Gletscher, die !
Pelzthiere, Klima und Niederlassungen in Alaska; |
sodann die religiösen Anschauungen , die Sitten
und Lebensweise der Eingebornen. Letztere
stehen auf sehr tiefer Stufe und huldigen theil-
weise dem Cunnibalismns.
3) Eine Fabel der Omaha-Indianer : „Wie das
Kaninchen den Winter todtete“ v. 0. Dorsey.
4) Die Delamare-Indianer in Ohio v. S. Peet.
Verfasser beschreibt die früheren Kriege dieses
Stammes und dessen Ausrottung in den östlichen
und mittleren Staaten.
Von den neueren e t h n o logischen Publi-
cationen der S mit h so n i a n - 1 n s titu ti on
besitzt die von „Col. Garrik Mallery“ Ueber das
Studium der Zeichensprache (study of sygn lan-
guage) bei den nordamerikanischen Indianern,
besonderes Interesse. Verfasser behandelt die
Entwicklung der Zeichensprache im Allgemeinen,
sodann ihre praktische Verwendung zwischen
Völkern verschiedener Sprache, ihre Ausbildung
bei den Indianerstfimmen und die Veischiedenheit
der Ausdrucksweise.
Aus den Abhandlungen der „American
Antiquarian Society.“
The Mexican Calendarstone von Pb.
Valentini.
Verfasser sucht in sinnreicher Art zu be-
weisen , dass die in altmexicanischen Tempeln
aufgefundenen Sculpturen auf Scheiben mit con-
cent rischen Kroisen, die sogenannten „Kalender-
steine“, wirklich die Eintheilung der Zeit dar-
stellen.
Mexican Cop per tools von demselben.
Es werden verschiedene alt-mexicanische Kupfer-
geriithe und ihre Herstellung beschrieben.
II. Anthropologisches aus Japan.
Dolmens in Japan, von E. S. Morse.
Verfasser beschreibt gemauerte (iängo (Dol-
mens) in Japan, die vor etwa tausend Jahren als
Begrübnißsst litten gedient hatten. Pop. Science
Monthly, March 1880.
Derselbe Verfasser hat in den „Metnoirs of
tho scienco departement of tho Univorsity of
Tokio. Japan Vol. I. Part. I eine länger« Ab-
handlung über „Schalenhaufen von Omori“, Japan,
publicirt.
Die Eisenbahn von Jokohaiua nach Tokio
durchschneidet hei der Station Omori solche Kjög-
genmöddings, die sich oft in beträchtlicher Ent-
fernung von der Küste befinden, ein Beweis, dass
das Land in Hebung begriffen ist. Diese Schalen-
haufen zeichnen sich durch die reiche Beimeng-
ung von Topfscherben aus, dagegen sind Stein-
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instrumente eine Seltenheit. Ob dem Canni-
balisnins von jenen Völkern — wahrschein-
lich die Vorvater der jetzt weit nach Norden ge-
triebenen Ainos — gehuldigt worden sei, scheint
noch unentschieden.
III. Anthropologische Notixen aus englischen
Journalen.
Das „Journal of the Anthropologien! Insti-
tute of Greet Britain and Ireland“, Febr. 80,
enthält 2 Artikel über die malayische Rasse.
Keane sucht in» ersten zu beweisen, dass das
Malayen-Inselvolk keine eigne Rasse darstelle,
sondern theils Mongolen, theils Caucasier , theils
Mischlinge dieser beiden sind , ferner dass die |
Sprachen jener Völker ungemischte Abkömmlinge
der Camboja-Sprache in Hinterindien seien. Yule
bespricht im zweiten Artikel Sitten und Sprachen
dieser Völker.
Notes on Fetichism. M. West ropp sucht
zu beweisen, dass der Fetischismus nicht eine
Verkrüppelung einer höheren religiösen Anschau-
ung sei , sondern der Anfangszustand einer reli-
giösen Idee.
On the Kabi Dialect of Queensland
von Max Müller.
On Flint Factories in the North of
Ireland von J. Knowles. Verfasser bespricht
Stellen im nördlichen Irland, wo Feuersteingeräthe
so zahlreich aufgefunden wurden, dass man auf
eine praehistorische Fabrik schließen darf.
On Eskimo Bono Implements v. W. Sollas.
Kleinere Mittheilungen.
I. Schalensteine.
1 . Au» Hannover. V eranlasst durch die im
.lanuarhefte 1879 des C. -Blattes angeregte Kruge
wegen der Schalensteine ist es mir nun endlich
auch gelungen, einen solchen mit ausgehöhlten Näpf-
chen aufzufinden. Der fragliche Stein ist. ein harter
errat. Granit, einige 100 Kilo schwer und ist als
Grundstein unter der Scheune eines Hauern vermauert.
In der Vorderseite ist ein Näpfchen von ca. 7 cm
Weite, welches sich nach unten flach trichterförmig
verengt. Die Ausdrehung ist ganz correct und kann
nur durch Ausreibung entstanden sein, ob sich noch
mehr Näpfchen an diesem Steint* finden, kann erst
durch Hlosslegung des ganzen »Steines wahrgenommen
werden.
In einer der Nummern des vorigen Jahrganges
wurde darauf hingewiesen , wie sich an den Portalen
einiger Kirchen in Sandsteinen ausgeriebene Rillen
fänden und vermothlich zu einer Zeit ihre Entstehung
gefunden , wo noch ein gläubiges Volk jene ausge-
riebene Masse zu Heilzwecken bei Krankheiten ge-
braucht habe. Auch hier Anden sich an vielen Kirchen
in den Dörfern, solche eingegrabene Killen, meistens
an den Thürwänden der West- und Südportale.
An den Eingängen der Kirche zu Badbergen finden
sich diese mit spitzem Instrumente eingegrabene Killen
auf Manneshöhe und auch wohl niedriger, meist pa-
rallel neben einander, zuweilen auch quer durch-
schnitten. Ein alter Mann, welchen ich um die Ent-
stehung dieser Killen befragte, sagte mir, man habe
immer gesagt, unsere Vorfahren hatten ihre WoUW-
spiesse, welche sie zum Schutze auch beim Kirchgänge
liei sieh geführt . an diesen Stellen scharf geschliffen,
wodurch dann die Killen entstanden seien.
Kür die Killen bei dem Westeingange der Kirchen
zu Gehrde hatte man eine andere Deutung: Gleich
nachdem die Kirche erbauet, hals* man einen an der
i Kette gefesselten Wolf vor den Eingang gelegt und
dieser habe dann voll Wuth über den Kirchcnbcsuch
I mit »-Harfen Krallen die Killen in den Stein gekratzt.
— Vielleicht dass eine Mythe vom Bösen br.w. Wolfs-
sage nachträglich eingewoben ist. Die Kirche zu Bad-
bergen wurde nach den Kreuzzügen 1200 — 1225, die
zu Gehrde 150 Jahre später gebaut. In dieser frühen
Zeit war noch der Begriff eines Dorfes nicht vor-
handen. weil die Bauern damals, wie auch noch jetzt,
vereinzelt im Walde, umgeben von ihren Aeckern und
| Weiden, ihre Ackerwirthschaft führten.
G. Tri mp 6, Talge b. Bersenbrück Prov. Hannover.
2. Au» Thüringen. 1) Eine halbe Stunde von
Gera am Kunde eine» kleinen Thälchen», des sogen.
Zaufensgraben«, liegt der •Goldstern4 eine schein-
bar durch l' nterwaschung herabgestUrzte und nun
isolirt liegende Kalksteinbank (Mittlerer Zechstein:
3/ 4 m stark und 2 bis 2*/» m lang und breit). Die
Sage, die sich mit diesem Stein viel beschäftigt ( vide
mein Sagenbuch des Voigtlande*) behauptet: er habe
al» Opferstein gedient und sei einst von seinem er-
höhten Standpunkt gewaltsam herabgestürzt worden.
Man bemerkt an ihm viele Spuren men»chlicher Thätig-
keit, darunter sicher solche, die ihn zu zerkleinern
bezweckten, nämlich ein Sprengloch und mehrere hi»
zu V« n» lange, hi» 20 cm tiefe Kinnen, die jedoch
den Rand de» Steine» nicht erreichen. Die Sage nennt
»ie Blntrinnen. Endlich war Kieselack oder doch seine
Namensvettern ihatig. die Oberfläche anzukratzen.
Zwischen alle dem fallen jedoch 2 Grübchen deutlich
in die Augen (rund, 4 — 5 cm Durchm. bei 4 resp. IJ
cm Tiefe), die ich unbedingt für „Schälchen* halten
muss. Wenn sie inwendig zwar rund, doch nicht
glatt sind, so mag hievon das cavernöse Gestein in
Verbindung mit der nachfolgenden Verwitterung die
Ursache sein. Für angefangene Sprenglöcher sind »io
viel zu wei*. Erwähnen muss ich noch, das* ich mich
deutlich erinnere, wie meine Grosaeltem diesen Stein
j den „Oelgötzen* nannten, eine Bezeichnung, auf die
ich keinerlei Werth lege und die die verschiedensten
' Ursachen haben kann, umsomehr, als ich sie gegen-
wärtig nirgends mehr fand und ebensowenig sagen
kann , ob sie je allgemeiner war : immerhin hat sie
heute Interesse für mich, da wir lesen, dass dergleichen
Näpfchen anderwärt* bia vor Kurzem eingeölt zu
werden pflegten.
Schälchenartige Vertiefungen finden sich ferner
in ziemlicher Anzahl an den «pätgothischen Pfeilern
(feste Bundsandsteinquader) an der Südseite der Kirche
zu l'ntenuhauH bei Gera. Sie für Verwitterungspro-
dukte anzusprechen, ist unmöglich, denn sie befinden
' »ich zwar vorzugsweise an der Wetterseite d. h. der
! Westseite der Pfeiler, wo das harte Gestein ein wenig
I leichter zn bearbeiten war, doch fast alle in ungefähr
' Brusthöhe und nicht eins so hoch, dass e* nicht er-
i reichbar wäre. Ich zählte an den 6 Pfeilern recht»
| und links vom Eingänge 2 solcher runder Schälchen
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von etwa 8 cm Durchmesser bei 8 cm Tiefe, 18 ander«*
haben bei gleicher Tiefe nur 3 — 5 cm Dorvhm. und
eine ziemliche Anzahl Löchervhen von 2 -8 cm
Durchm. möchte ich ausserdem noch für dergleichen
angefangene halten , die man wieder aufgab wegen
zu grosser Härte des Gesteins. Die älteren Kirchen
Weida'« (ans demselben Sandstein und ungefähr dei
nämlichen Bauperiode) zeigen nichts ähnliches.
8) Ein Felsen bei Posterstein (nahe Ronneburg!
soll laut einer Sage den Eindruck von des Teufels
PferdefuHs, tun anderer isolirtcr Fels zwischen Leubs-
dorf und Wetzdorf bei Triptis, von dessen Potex und
einer im Hofe der Kflhnsmünle bei Sehleitz von dessen
5 Krallen zeigen: ich werde suchen, mir darüber Ge-
wissheit zu verschaffen , wohin diese Eindrücke zu
zählen.
4) Weitere Sagen reden von ebendergleichen Ver-
tiefungen als von ehemaligen Taufbecken (Triebes bei
Hohenlauben) und Weih kesseln (Oschitz bei Sehleitz
etc.). Leider wurden diese Denkmäler neuerlich, ohne
näher untersucht worden zu sein, muthwillig zerstört.
Robert Ei sei, Gera.
II. Der anthropologische Verein In Graz. In Graz
hat sieh ein anthropologischer Verein gegründet, dessen
Jahresbericht für 1878 durch Prof. Pr. W. Gnrlitt
veröffentlicht wurde. Die Zahl der Mitglieder beläuft
sich danach auf 53, die sich zur Aufgabe gemacht,
regelmässige Versammlungen mit Vorträgen und Dia-
cnssionen zu halten, Ausgrabungen zu veranstalten
und zu fördern, und Arbeiten im Gebiete der Anthro-
pologie, Ethnologie und Urgeschichte in Steiermark
und den benachbarten Gebieten auszuführen und an-
zuregen. In der ersten Sitzung des Vereines hielt
Gundaker Graf Wurmbrand eine Ansprache über
die Methoden anthropologischer Forschung. Aus den
1 Mittheilungen über die folgenden Sitzungen geht her-
' vor, dass der Verein sofort in thätigster Weise in die
gestellten Aufgaben eintrat. Unter der Führung der
Prof. Fr. Willi. Schulze und Horn es fand eine
Expedition mich Mixnitz statt., um in der Draehen-
höhle am Köthel stein Nachgrabungen anzustellen.
Unter einer Schichte von Höhlenlehm und von Kalk-
sinter befindet sich eine schwärzliche Fundschicht.
Sie besteht aus Knochenresten. Holz- und Knochenasclie
und einer Menge angebrannter Knochenfragmente mit
wenig Ausnahmen dem Höhlenbären angehörig. Die
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass hier Raste von
Mahlzeiten der Menschen aus der Glacialseit vorliegen.
Auf Anregung des Grafen Wurmbrand und
durch das freundliche Entgegenkommen der Schul-
behörden ist eine statistische Aufnahme der Schub
jugend in den politischen Bezirken Pettau und Lutten-
berg nach Nationalität, nach Farbe des Haares, der
Augen und der Haut vorgenommen worden, und diese
wichtigen Erhebungen sollen fortgesetzt werden. Durch
das opferwillige Entgegenkommen des Prof. Dr. Pichler,
des bewährten Vorstandes des antiquarischen Museum*
im Joanneum zu Graz ist die Herausgabe einer Fund-
karte für Stei erinark möglich geworden. Dieses
unentbehrliche Fundament für alle Forschungen auf
dem Gebiete der Urgeschichte ist bereits mit einem
Text von 4 Bogen Stärke veröffentlicht unter dem
Titel: Archäologische Karte von Steiermark zusammen*
gestellt von Dr. Fr. Pichler, Graz im Selbstverlag
des Vereine«. Ko 11 mann, Basel.
Die Ausstellung anthropologischer und vorgeschichtlicher Funde Deutschlands
Im August 1880 in Berlin.
Seine k. k. Hoheit der Kronprinz des deutschen Reichs und vou Prousscn
hat das Protectorat -der Ausstellung zu übernehmen geruht.
Nachträgliche Einladung zu der Ausstellung der deutschen Runendenkmäler.
Auf die Anregung der Herren Professor Müllenhoff und Dr. Henning hat die Aus-
stellungs-Commission beschlossen, den Versuch zu machen, die noch vorhandenen deutschen Runen-
denkmäler auf der Ausstellung zu vereinigen , um zum ersten Male die Gelegenheit lierbeizuführen,
diese Runenschrift durch Vergleichung im Einzelnen festzustellen und durch Prüfung der darin ent-
haltenen Sprachreste den Stamm, von welchem sie herrühren, genauer, als es bisher möglich gewesen
ist, zu bestimmen. Wir richten daher an diejenigen Sammlungen und Sammler, welche im Besitz
solcher Stücke sind, das dringende Ersuchen, uns dieselben, wenn möglich in den Originalien, zu
übermitteln. Wir sagen unsererseits jede erreichbare Sicherheit zu, um dieselben unversehrt an ihre
Besitzer zurUckgelangeu zu lassen.
Die uns bisher bekannt gewordenen Stücke dieser Art sind folgende:
Deutsche Rnnendenkmäler: 1. Lanzenspitze von Kowel ( V olhynien) im Privatbesitz des Herrn
Alexander Szutnowski. 2. Lanzenspitze aus Müncheberg (Mark Brandenbarg). Im Museum des
Vereins für Heimatkunde in Müncheberg. 3. Spange aus Osthofen. Im Museum zu Mainz. 4. Serpentin-
becher aus Monsheim. In Mainz. 5. Spange aus Freimuberaheiw. In Mainz. G. Gewandnadel aus Ems. Im
Privatbesitz. 7. Spange aus Hohenstadt. Im Museum vaterländischer Alterthümer in Stuttgart. 8. l». Zwei
Spangen mit Runeninsclirift aus Nordendorf. Museum zu Augsburg. 10. Goldenes Kreuz aus Nordendorf. Museftm
zu Augsburg. 11. Thonscheibe von Nassen beuren. Museum zu Augsburg. 12, Kästchen mit Runeninschriü im
Museum zu Braun schweig. 13. Bracteat aus Dannenberg. Im Königlichen Münzcabinet zu Hannover.
14. 15. Zwei Bracteate aus Daunenberg. Im Museum des historischen Vereins für Niederdeutschland. Hannover.
16. Bracteat aus Holstein. In Hamburg. 17. Bracteat aus Harlingen. Im Museum de» historischen Vereins
zu Leu warden. Holland.
Sollten irgendwo noch andere Funde, welche in dieser Liste nicht verzeichnet sind, gemacht
sein, so ersuchen wir um die Mittheilung von Nachrichten darüber.
Druck der Akademischen BucMruckerei von F. Straub in München. — Schl u«s der Hedaktion am 27. April WSO.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Jiedigirt von Professor Dr. Johannes Hanke in München ,
OtutralMcrriär irr GtuiUckaß.
XI. Jahrgang. Nr. 6. • Erscheint joden Monat. Juni 1880.
Ein Goldfund in Oberhessen.
Im Gemeindewalde des grossen und in besonders
fruchtbarer Gegend gelegenen Pfarrdorfes Mar-
dorf, eine halbe Meile von dem alten Städtchen
Amöneburg in Oberhewen, wo der heilige Booi-
fucius eine Kirche gegründet, wurden schon »eit
langen Jahren von Zeit zu Zeit alte Goldmünzen
gefunden, die. wie es scheint, einer vorgeschicht-
lichen Zeit angehören. Die Münzen sind rund
und haben die Gestalt eines dicken innen ver-
tieften Knopfes. Die Prägung ist roh und zeigt
auf der inneren vertieften Seite 3, 5 und 6 er-
höhte Kreise und einige Striche, auch einen ver-
zierten Rand. Die Äussere convexe Seite zeigt
verschieden geformte Verzierungen. Das Metall
ist reines Gold und der Goldwerth 20 — 21 Merk.
Die einzelnen Stücke sind in der Präge verschieden
gut erhalten. Bis jetzt war — obgleich ein
Forstort in der Gemeinde seit uralten Zeiten den
Namen der „G o 1 d b e r g“ führt , ein anderer
Theil das „Gold loch“ liiess — von den bekannt
gewordenen Funden kein einziger im Walde selbst
gemacht, sondern die Münzen batten sich in dem
thonigen Anhängsel der Räder von den Wagen
gefunden , welche Holz im Walde geholt hatten.
Am 18- März d. J. befand sich der Schweine-
hirt des Ortes mit seiner Heerde in dem sog.
Goldberge. Seine Frau brachte ihm das Essen
und iiusserte ihrem Manne , dass er sich ganz
ohne Noth dem kalten Winde an der Stelle so
aussetze, wo er sich mit seiner Heerde befände.
Der Mann erwidert lachend : „Vielleicht finde ich
wieder, wie voriges Jahr, ein Goldstück!“ und,
indem er dies sagte, blickte er auf einen Maul-
wurfhaufen, in welchem der kleine Erdenbowohner
nuchstiess und hob zu seiner und seiner Frau
Ueberraschung eins der bekannten Goldstücke aus
der Erde auf. Ein anderer Mann , der in der
Nähe arbeitete fand alsbald in dem Maulwurf-
| häufen ein zweites Stück. Am 22. März , als
die Sache bekannt geworden und überall den
i Leuten gcrathen war, doch an der Stelle Naeh-
1 forschungen anzustellen, zogen dann die Wald-
, eigenthflrner in hellen Haufen hinaus in den Wald
: und fingen an, die Erde an dem Fundorte um-
! zuwühlen. Als nun ein Stück nach dem andern
j zum Vorschein kam, soll die Scene, die sich ent-
i wickelt, jeder Beschreibung gespottet haben. Nach
zuverlässigen Mittheilungen sollen Über 100 Münzen
, gefunden sein. Leider sind die meisten alsbald
I vertrödelt und in die Hände dritter Personen ge-
kommen. In der Nähe des Goldberges, wo der
I Fund gemacht , liegt auf einer Höhe ein alter
Ringwall, die H unnen bürg genannt. Die Ge-
( gend ist zweifellos eine Stätte uralter Kultur
uml e8 sind in nicht weiter Entfernung interessante
Ausgrabungen von Grabstätten keltischen Ur-
j Sprungs gemacht. Es ist anzunebmen, dass sich
die Aufmerksamkeit auf die Alterthümer der
Gegend von Neuem lenkt. (Neue preußische
j Zeitung).
Einem Berichte der „Weserzeitung“ (aus
1 Hessen-Nassau, 26. März) entnehmen wir, dass
auch „Schnallen, Ringe und Bruchstücke von
Schmuekgegenständen aus Gold in ganz ansehn-
: lieber Zahl gefunden worden sind“. Nach einer
j Correspondenz der „Köln. Ztg.“ soll darunter
„ein Kreuz, eine Spange und ein A r in r i n g“
sein. Diese Schmuckgegenständo bezeichnet ein
nachträglicher Bericht in der „Kasseler Tagespost“
als „von sehr primitiver Construction und wie
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die Münzen ohne Zweifel mit anderem Metalle
legirt“ ; derselbe Bericht signalisirt aber auch
einige „kleine Silber münzen mit Thier-
bildern und anscheinenden ScUriftzügen“ , was er
mit Recht für sehr wichtig und für ein seltenes
Vorkommen erklärt. Der Berichterstatter der
„Wes.-Ztg.“ , macht die Bemerkung, dass die
„Prägung entfernt an das bekannte Didrachmon
von Aegina aus dem 6. Jahrhunderte vor Chr.
mit dem Bilde einer Schildkröte erinnere*1. Kr
vermuthet, dass die „Münzen der keltischen Zeit
angehörten“. In ihrer Beschreibung stützt er
sich auf den Bericht eines Augenzeugen im „Mar-
burgor T ageblat t “ .
Das betreffende Referat lautet : „Eine Mit-
theilung des „Marburger Tageblattes“ von vor-
gestern (24. März), den Fund alter Goldmünzen
betreffend, veranlasse gestern einige hiesige Herren,
darunter Schreiber dieses, an Ort und Stelle die
Münzen, sowie das Feld, auf welchem dieselben
noch immer gefunden werden, in Augenschein zu
nehmen. Der Fundort befindet sich an dem Ab-
hange des etwa eine halbe Stunde von Mardorf
gelegenen sogenannten Goldberges und nimmt
einen Raum ein, der etwa 4 bis 5 Meter im
Quadrat misst. Das ganze Terrain , noch jetzt
sumpfig, erscheint , als wenn sich daselbst in
früheren Zeiten Anlagen von Fischteichen befunden
hätten. Die jetzige oberste Bodenschicht besteht
aus schwerem , röthlich weissetn Thone (Lette)
und sind in dieser etwa einen Fuss dicken Lage
sämmtliche Funde gemacht worden. Mit Hacken,
Spaten und Messern wird von den Dorfbewohnern
der Boden aufgewühlt und jedes grössere Btück
Tbon genau untersucht. Kurz vor unserer An-
kunft waren noch ein Goldstück und eine goldene
Schnalle, letztere etwa im Goldwerthe von 30
bis 49 Mark, gefunden worden, nachdem in den
letzten Tagen die hübsche Zahl von unnähernd
150 Stück dieser Goldmünzen an das
Licht befördert, worden war. Io der Grösse ent-
spricht ein solches Goldstück unserem Zehnmark-
stück, nur ist es dicker und schwerer und dabei
nicht flach, sondern napf- oder besser tellerförmig
gebogen. Bei einer Dicke von 2 Millimetern
haben die mitunter regelmässig runden Stücke
einen Durchmesser von 2 (?) Centimetern und ein
Gewicht von 7 */4 Gramm ; entsprechen demnach
au Gold werth beinahe dem Zwanzigmarkstück.
Die auf beiden Seiten befindlichen eigenthUmlichen
Bilder sind anscheinend vermittelst eines Stempels
hervorgebracht worden , es sprechen auch für
diesen Umstand die überall abgerundeten Kanten.
Was nun die figürliche Verzierung der beiden
Seitenflächen anbetrifft, so wird auf der concaven
! Seite der äussere Rand von einer gebogenen.
! schlangenförmigen Thiergestalt mit deutlich ge-
zeichnetem Kopfe und Schwänze und mit 4 oder
5 Paaren von Füssen versehen , eingenommen
j und ist dann der so in der Mitte freibleibende
! Raum mit 5 kräftig hervortretenden Punkten,
etwa 2 Millimeter im Durchmesser, besetzt. Doch
sollen auch Stücke mit 3, 7 oder 9 solcher Punkte
gefunden worden »ein, jedoch ist dem Schreiber
dieses kein solches Exemplar zu Gesichte gekommen.
! Die concave Seite enthält am Aussenrande einen
aus kleinen, gebogenen Blättern zusammengesetzten
Kranz, der sich jedoch nicht völlig schließt. Die
Mitte nimmt eine bim- oder besser retorten-
; förmige Erhöhung ein , neben welcher sich so-
, dann 2 , bei einem Stücke 3 Punkte befinden.
Schriftzeichen enthalten die Münzen nicht. Die
kleinen Striche zu beiden Seiten der erwähnten
Thiergestalt sind wohl nicht als Buchstaben oder
’ Zahlen zu deuten, wie solches an Ort und Stelle
geschah , sondern müssen als Küsse detf molch-
oder schlangenartigen Thieres angesehen werden.
Die gefundene Schnalle, etwa 3 Centimenter lang
, und 2 Centimeter breit , hat eine den Münzen
ähnliche Zeichnung und ist auf der oberen Fläche
: zu den Seiten der inneren Riemenöffnung mit ver-
schiedenen Punktenreihen besetzt. Eine Deutung
I der Münze wäre interessant ; dass dieselbe nicht
I römischen Ursprungs ist, lässt sich sofort erkennen.
| Jedenfalls haben wir es mit seltenen Antiquitäten
! zu thun. Wie diese Schätze an den bezeichnet**
Platz gekommen sein mögen, lässt sich nur ver-
muthen. Schreiber dieses möchte mit seiner
Hypothese darüber noch zurückhalten und ab-
w arten, ob nicht noch weitere Funde weitere An-
i haltspunkto zu einer bestimmteren Muthmassung
| geben. Wie wir erfuhren, beabsichtigt inan von
| Mardorf aus dem deutschen Kaiser ein Exemplar der
1 an seinem Geburtstage gefundenen Schätze, welche
einen Gesammt werth des Goldes von etwa 1000
1 Thaler haben mögen, zum Geschenk zu machen.4
Aus dem zusammengestellten Fundberichte
geht mit unzweideutiger Gewissheit hervor, dass
die Goldmünzen sogenannt« „Regenbogen-
schüsseln“ (leiden) sind, die häufig in Süd-
und Mittel-Deutschland oft vereinzelt, häufig aber
• auch in grosser Menge (in Hunderten) zusammen-
I liegend gefunden werden. In letzterem Falle fand
man sie gewöhnlich in Thon- oder Metall-Geffessen
bewahrt, und es ist sehr wahrscheinlich, dass auch
der Mardorfer Fuod ursprünglich in einem solchen
i GePäss geborgen war , das vielleicht von dem
| ersten Finder nicht beuchtet , zerschlagen oder
• schon in älterer Zeit auf dom Acker verloren
J wurde. Die Schüsselmünzen bestehen immer aus
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f)l
einer Legirung , die dem alten Electron nahe
.kommt, Gold mit starkem Silberzusatz. Fälsch-
lich nennt der Referent der „Kölner Zeitung“
die Münzen Brakteaten. Charakteristisch für
die Iriden ist der Umstand, dass sie sich schon
öfters in der Nähe oder innerhalb von King-
w allen fauden ; so auch hier wieder. Ob man
sie desshalb für „keltisch“ erklären soll, ist eine
andere Frage. Die Genesis dieser merkwürdigen
Goldmünzen ist bis heute wissenschaftlich noch
in keiner Weise aufgeklärt. Thatsache ist, dass
sie sich häufig in Deutschland finden; sie dess-
halb germanisch zu nennen, ist sehr gewagt. Vor
unserer Zeitrechnung liegt ihr Ursprung unzweifel-
haft. Die grosse Bedeutung des Mnrdorfer Fundes
besteht in der Gosellschaftung der übrigen mitge-
fundenen Gold-Alterthümer, die einen werthvollen
vergleichenden Blick auf den Charakter des ganzen
Fundes gestatten werden und desshalb für die Zeit-
bestimmung des Fundes von hohem Werth sind.
Frau kfurt a/M., den 4. April. Dr. //-«.
Literaturbericht.
Die Handelsstrassen der Griechen und
Römer durch das Flussgebiet der Oder,
Weichsel, des Dniepr und Niemen an die
Gestade des Baltischen Meeres. Eine von
der Akademie der Wissenschaften zu Krakau
preisgekrönte archäologische Studie von
J. N. V. S a d 0 W S k i. Jena Herrn. Costenoble.*)
1. IMe geographischen Arbeiten des Ptolemftas
mit besonderer Beziehung auf deren Anwendung ln
dem Werke von v. Sadowskl.
Von Herrn Dr. Kay «er, Astronom.
Claudius Ptolemäus aus Pelusium lebte 150
Jahre nach Christo. Seine bedeutendsten Werke
sind ein grosses astronomisches Buch, magna
constructio (Almagest der Araber) und seine
Geographie, eiu sehr reichhaltiges, gedrängtes
Verzeichnis« von geographischen Positionen, das
in acht Bücher zerfällt. Im ersten dieser Bücher
theilt. der Autor verschiedene Methoden mit , die
ihm bekannte Erdgegeud (Oekumene geheissen, mit
den Celten im Westen, Scythen im Norden, Indern
im Osten und Aetbiopiern im Süden) gemäss der
Kugelgestalt auf die Ebono zu entwerfen. Nach
der einen Darstellungsart setzt er das Auge in die
Meridian-Ebene der Mitte der bewohnten Erd-
*) Der Wichtigkeit dieses sehr verdienst vollen, wenn
auch selbstverständlich im Einzelnen noch zu manchen
Entgegnungen Veranlustuing gebenden Werke» ent-
sprechend bringen wir hier zwei dsw»elbe sachlich be-
handelnde Vorträge in der anthropologischen Seetion
der natnrforsehenden Gesellschaft zu Danzig. 2.r>. II.
1880. D. Ked.
gegend und zwar in don Kugelradius , und lässt
unter dem Auge die Kugel um die Axe sich
drehen. Auf diese Weise erscheinen alle Meridiane
als gerade Linien , die in einem Punkte , dem
Nordpol, sich schneiden. Die Parallelkreise stellen
sich dar als Kreise, aus dem Schnittpunkt be-
schrieben, mit der convexen Seite nach Süden ge-
richtet. Da es Kreise sind, anstatt Ellipsen, so
so hat man es bei Ptolemäus eigentlich nicht mit
perspectivischer C'onstruction zu thun. Er be-
obachtet das richtige Verhältnis zur Kugel bei
dem fiussersten nördlichen Parallelkreise, der durch
Thule unter dem 63. Grade (Moira) Breite ge-
zogen wird , und beim Aequator. Die TheiluDg
bringt er auf dem Paralltd von Rhodus an, um
diesen durch Reisen am meisten durchforschten
Kreis in bester Proportion erscheinen zu lassen.
I Als südlichsten Parallelkreis zeichnet er den, der
Meroe, 15V* n vom Aequator nach Süden ent-
! gegengesetzt liegt. Genauer noch ist die zweite
, Projektion. Hierin wird dem wahren Verhältnis«
i der Parallelen unter einander nachzukommen ge-
| sucht, wenngleich der Vortheil des senkrechten
j Durchschnitts der Parallel- und Meridiankreise
in der ersten Construction aufgegeben ist. Dos
| Auge kommt in den mittleren Meridian der be-
, wohnten Erde und Parallelkreis von Syene 23°
j 50' nördlich vom Aequator. Dieser und die
Parallelen erscheinen wieder als concentrische
I Kreisbogen mit ihrer convexen Seite nach Süden,
t die Meridiane aber als Kreisbogen , deren Con-
| cavität dem mittleren Meridiane zngewendet ist
! und zunimmt , je mehr sie sich von letzterem
entfernen. Die Länge zählt Ptolemäus, wie wir
| heute, nach Graden von 0—180, vom ersten
Meridian durch die insulae fortunatae (Canarische
Inseln) bis zum letzten im Osten Asiens durch
die Ostküste von Anam. Die geographischen
. Namen und Positionen sind ihm zum grossen
; Theile aus «Uten Nachrichten zugekommen, welche
i Marinus von Tyrus behufs einer kartographischen
; Anordnung gesammelt hatte. Wir finden hier
die Positionen über die Grenzen der Völker, ihrer
Wohnstätten, der Gebirge und Flüsse, bei letzteren
nicht allein an den Quellen und Ausmündungen,
sondern auch oft bei ihren Biegungen, nach Länge
und Breite, gezählt in Graden und Minuten, doch
den Commentar immer in knappester Weise. Die
Darstellung von Germanien ist reichhaltiger beim
Ptolemäus als bei seinen Vorgängern Strabo,
| Plinius und Tacitus, da Namen von über 90 Orten
i und vielen Völkerschaften aufgezählt werden,
j Dass diese Angaben von Irrthürnern nicht frei
i sein können, darf uns nicht wundern, waren doch
in den ihm weniger zugänglichen Ländern nur
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Schlitzungen der Entfernungen durch Tagereisen
möglich , wahrend über Aegypten , Griechenland
und Italien genauere Messungen Vorlagen. Zwischen
Oder und Weichsel» welcher letztere Fluss östlich
Germanien von Sarmatien abschneidet , führt
Ptolemftus die Orte Scurguni, Ascaucnlis, Setfdava.
Calisia und weiter nach Süden der Donau zu
Carrodunun» , Budorgis und Asanca auf. Die
Mündungen der genannten Flüsse sehen wir um
zwei Breitengrade zu weit nach Norden versetzt,
ihr Abstand um 1 '/* Längengrade zu nahe. Die
Angabe für die Quelle der Oder fehlt, und von
der Quelle der Weichsel bis zu ihrer Mündung
werden 3° 30' der Breitengrade gerechnet, während
es in Wirklichkeit 4° 50' sind. In Anbetracht
dieser grossen Uugenauigkeiten hat die Deutung
der genannten Ortschaften nicht gelingen wollen.
Ein jüngst erschienenes Werk „Die Handels-
straßen der Griechen und Hörner durch das Fluss-
gebiet der Oder. Weichsel etc., eine preisgekrönte
archäologische Studie von J. N. v. Sadowski,
aus dem Polnischen von A. Kohn enthält S. 38
und ff. das Bemühen des Verfassers, sich den
geographischen Begriffen des Ptolemftus anzu-
passen, die Bedeutung der Fehler zu ermitteln
und zwar nicht blos der principiellen. sondern
auch der zufälligen, und demgemäss eine Karte
im Sinne des Ptolemftus zu schaffen. Auf der
in dieser Weise construirten Karte liest der Ver-
fasser nun alle Orte ab, welche jener in das
Flussgebiet der Oder und Weichsel verlegt. Calisia
fällt bis auf die Minute auf unser Kalisch, Seti-
dava passt ganz auf Znin, Ascaucalis weicht nur
um einige Minuten von der Lage des Dorfes
Osielsk bei Bromberg ab , und Suurgum trifft
mit der Lage von Czersk in WestpreuBsen zu-
sammen, während Budorgis und Carrodunum in
das böhmische und mährische Gebiet hineingehüren.
Auf die in einer der jüngsten Sitzungen der
anthropologischen Bection aufgeworfene Frage, ob
die in dom genannten Werke gemachten Aender-
ungen der Ptolemft’schen Construction dem Prinzip
nach ihre Berechtigung haben, beziehen sich die
folgenden Bemerkungen.
Das Verdienst der ersten Berechnung einer
Gradmessung zur Feststellung des Erdumfanges
kommt dem Eratosthenes (275 v. Cbr.) zu. Indem
er den Schatten des Gnomon’s in Alexandria am
längsteu Tage des Jahres gleich */§• des l'm-
fanges der Skaphe Schale in Halbkugelform,
worin der Zeiger lothrecht stand) und den Sonnen-
stand im Scheitel bei einem Brunnen zu Syene
mit dem Abstand der beiden Städte von 5000
Stadien verglich , schloss er dass der ganze Um-
fang der Erdkugel 50 X 5000 = 250 000 Stadien
betragen müsse. Die genannten Orte liegen aber
nicht genau in einem Meridian. Dass die Alten
diesem Umstande Rechnung zu tragen wussten,
geht aus dem Ptolemftus hervor, welcher lehrt,
dass man den grössten Kreis nehmen könne, der
durch die beiden Scheitelpunkte geht, sobald man
die Lage dieses grössten Kreises in Rücksicht
auf den Meridian kennt. Wird die obige Zahl
von 250000 Stadien dem entsprechend verbessert
und in geographische Meilen übersetzt , so über-
trifft sie die heutige Angabe von 4500 Meilen
vielleicht nur um 50 Meilen. Die Breitengrad-
messung des Eratosthenes war also sehr genau.
Aber schon im Alterthum wurde die Richtigkeit
angezweifelt und das mittelst einer anderen Be-
obachtuugsmethode an Sternen , welche durch
das Zenith der beiden zu vergleichenden Orte
gehen , gewonnene Resultat für besser erachtet,
zu dem sich auch Ptolemftus bequemte. Man
kam auf einen Grad von 500 Stadien und auf
den Erdumfang von 180 000 Stadien. Da die
Grösse des zu Grunde liegenden Stadiums nicht
mit Sicherheit ausgomittelt werden kann, so bleiben
die Bestimmungen der Alten ungewiss. Der
Erdumfang nach Ptolemftus wird zu klein und
zwjirum lltn , wenn Ägyptiach-ptolem&ische Stadien,
ja um l/6, wenn gemein-griechische Stadien gemeint
sind. Insofern haben wir über das Fundament
seiner Geographie keine definitive Ansicht.
Die Feststellung der Längengrade ferner war
für die damalige Zeit eine sehr schwierige Auf-
gabe, da zur Lösung nicht allein gute Uhren und
Zeitbestimmung, sondern auch der direkte Ver-
gleich der Ortszeiten gehören , wie wir
ihn heute durch Chronometer-Expeditionen oder
besser noch durch den Telegraphen erhalten. Daher
mussten Beobachtungen von Erscheinungen , wie
Mondsfinstemisse, welche von verschiedenen Punk-
ten der Erde in demselben Augenblicke wahrge.
nommen werden können, an Stelle der Zoitüber-
tragung treten. Die Differenz der Zeiten , zu
welchen in Arbela am Euphrat und in Carthago
eine Mondsfinsterniss beobachtet wurde, im Betrage
von drei Stunden, veranlasst« Ptolemftus diese Orte,
welche faktisch 31° 30' Längen unterschied (nach
Kiepert 33° 35') haben, um 45 Längengrade aus
einander zu setzen. Herr Prof, v. Sadowski sagt
bei Anführung dieser Vergleichung : „I)a Ptolemftus
nicht annahm, dass er sich in der Schätzung der
Entfernung von Carthago und Arbela fast um
ein Drittel geirrt habe und hierdurch 45 Grade
in einen Raum schiebe, der nur 31° 30' beträgt,
klagt er in seinem Werke, dass die zu Lande
Reisenden nie die KrUmtuungeu des Weges, den
sie zurttckgelegt haben, berechnen, und die Schiffer
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allem Anschein nach die widrigen Winde nicht
in Rechnung ziehen, denn sie schätzen seiner
Ansicht noch die zurückgelegten Entfernungen
fast immer um Vs zu hoch. Hieraus folgte,
dass er das durchschnittliche Abziehen eines Drittels
der ihm gegebenen Entfernungen als Norm auf-
stellte und auf dieser Basis ergänzte er sowohl
östlich von Arbela als westlich von Carthngo
gleichmäßig die Längengrade , — fast überall
um */s zu nahe an einander Leider scheint
diese Anführung des Verfassers nicht klar genug,
denn ein von der gegebenen Entfernung gemachter
Abzug entspricht der Verbreiterung der
L ä n g e u g r a d e und nicht der Näherung.
Dieses allein richtige Verständnis* müsste doch
ein Ptolemäus gehabt haben. Indem der Ver-
fasser weiter den ganzen Umfang der PtoleinUiMhen
Grade von 0 — 180 (Canarische Inseln — Anam.)
anstatt der wahren Grade von 0 — 126, ferner
die Lüngenunterschiedsvergleichungen Alexundria-
Rom, Alexandria-Carthago, Alexandria-Sparta und
Ecbataua-Alexnndria auttuhrt, welche alle in der
That sehr ns he das Verhältnis* 3 : 2 ergeben,
hält er sich überzeugt , eine principielle Grund-
lage der Reduktion gewonnen zu haben, um die
Lage unbekannter Orte zu erforschen.
Das Citat über die Mondfinsternis* steht im vierten
Kapitel des ersten Buches der Ptolemäiscben Geo-
graphie, unabhängig davon die allgemeine Bemerk-
ung über die geringe Uebereinstiinmung der astro-
nomischen Daten mit den auf Land- und Seereisen
gewonnenen im 2. Kapitel des 1 . Buches , an
dieser Stelle aber ohne Mittheilung des
vorzune hm enden Abzuges von *,» , wie nicht
anders aus der im Jahre 158 4 in Köln erschienenen
und von Gerardus Mercator herausgogebenen la-
teinischen Ausgabe zu ersehen ist. Dass Ptolemäu*
die ihm zugekommenen Nachrichten gehörig ge-
prüft und demnach Reduktionen verschiedener
Art angebracht haben wird, um die Entfernungen
der Sphäre anzupassen, möchten wir uls selbst-
verständlich betrachten und ihm nicht das atoreor
type Abziehen von llt zumuthen. Ist nun des
Verfassers Meinung so, dass Ptolemäua ■/» der
ihm von den Reisenden überlieferten Zahl abge-
zogen habe, und scheint es dem Verfasser weiter
erforderlich, von dem dadurch entstandenen Werth
*/i noch einmal zu subtrahiren, so folgt dass die
dem Ptolemäus überlieferte Entfernung um mehr
als das Doppelte (2 V*) von unserer gegenwärtigen
Anschauung abweichen müsste. Setzen wir z. B.,
er hätte als Werth einer gewissen Distanz 900
Stadien in Erfahrung gebracht , so hat er uns
nach Abzug von l,a =. 300 die Zahl 600 über-
liefert. Sollen wir hiervon nun '/a 200 sub-
trahiren, so bleibt nur noch 400 Stadien als end-
giltige Entfernung. Hieraus könnte mau alsdann
nur schließen, aus wie ungenauen Quellen Ptolemäus
geschöpft hat.
Die folgende Zusammenstellung der Längen-
grade einiger anderer von uns aus dem Ptolemäus
gewählten Orte, Uber deren Ident ifhirung mit
der heutigen Geographie kein Zweifel obwalten
kann, und der gegenwärtig dafür geltenden Längen-
grade bezweckt nachzusehen, ob auch hier dieselbe
vermeintliche Reduktion anzuwenden nöthig ist.
Längen: nach
Ptolemäu» Gegenwärtig
Rhenus w. Mündung (Rhein)
26°
4.y
'22°
V
VumIu»- Mündung iQderl . .
42
10
32
0
Vistula-Mündung (Weichsel) .
45
0
20
DunuhiuN'Hicgung (Donau)
4*2
30
36
45
(,'yrene (Grennai
SO
0
39
30
ßyzontium (Konstantinopel) .
56
0
46
Alexandria
60
80
47
30
Tana i »-Mündung (Bonn! . .
67
0
57
0
Tigris-Mündung
*0
O
66
u
Indu>- Mündung
112
0
86
30
SeniantiniHche» Gebirge) Anam)
180
0
126
o
Vergleicht man die gegenUberstehenden Längen -
zahlen, so erhält man allerdings im Allgemeinen
den Eindruck einer von Westen nach Osten ge-
streckten Darstellung und zwar stärker, je mehr
man der Ostgrenze sich nähert. Natürlicher
Weise muss eine von der Milte aus gemachte,
geographische Darstellung nach den Extremen
zu, also im äußersten Westen und Osteu , die
meisten Verzerrungen erhalten. Hier linden wrir,
dass der Osten, wohl fast dio Hälfte der Oekumeue,
am übelsten weggekommen ist. Denn Ptolemäus
zählt vou der Indus- Mündung bis nach Anam
68 Grade, während faktisch es nur 39° 30' sind.
Da nun auf die eine ungefähre Hälfte seiner
Karte fast doppelt zu viele Längengrade kommen,
so kann die andere Hälfte der ganzen im hypo-
thetischen Verhältnis* von 180 : 126 (3:2)
angelegten Karte nur noch eine geringere Streck-
ung als die um ihr zugemuthete an sich tragen.
Da* genauere Verhältnis* für die letztere wird
sich etwa folgendermasseu herausrechnen lassen.
Die ganze Ptolemäi’scbe Karte ist gleich */# unserer
gegenwärtigen, das Pt. Östliche stellt sich auf
der gegenwärtigen als nur 1/z, daher muss mit
Abzug von V*, oder ft/i# dem andern Pt. west-
lichen ll» entsprechen, das heisst es werden hier
die Ptoleruäi’sclien Längen zu unseren sich ver-
halten = 6:5, oiler V« muss von dem Ptole-
mftischen abgezogen werden, um sie zu rektiticiren.
Uiu die Reduktion genauer für unsere Gegend
zu erhalten, müsste namentlich auch die freilich
geringere Verbreiterung im äußersten Westen mit
in Rechuung gezogen werden. Wir sehen aber
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davon ab, einen anderen Reductionswerth zu suchen,
der für den von uns nicht anerkannten im Be-
trage von */a substituirt werden sollte, und schlagen
viel lieber einen mehr praktischen Weg ein, indem
wir einige Vergleiche aus der angeführten kleinen
Tabelle ins Auge fassen. Es kommt ja in der
zu diskutirenden Aufgabe besonders nur auf die
relativen Läogenunterschiede an. Wir stellen
daher die folgenden aus der Ptolemäischen und
aus der gegenwärtigen Geographie gegenüber:
Längen unterschied.
Nach PtolemHus. Gegenwärtig,
Donau-Rhein
15"
45'
14“
45'
Konstantinopel-Oder .
13*
50'
14"
35'
Konstantinopel-Weichsel
11"
00'
10"
15‘
Donn-Cyrene
17u
00'
17°
30'
Donn-Konstantinopel .
11“
00'
10“
25'
Bei so naher U eher eins timinimg der Ptolo-
mäischcn Angaben mit unseren würde wohl Nie-
mand Veranlassung nehmen, die ersteren um Va
zu verkleinern zum Zwecke noch besserer Ueber-
einstimmuug. In wie grosse Verlegenheit würde
man kommen , wollte man in dem folgenden uns
doch vorzugsweise interessirenden Beispiele :
nach PtolemHus. Gegenwärtig.
Weichsel-Oder ... 2° 50' 4° 20'
die von PtolemHus um 1° 30' zu nahe gesetzte
Entfernung dieser Flussmündungen noch mehr
verengern , was in consequenter Absicht geschehen
müsste?
Was nun die Breiten bestimmung des Ptole-
mUus bet rifft , so hat er da , wo er es selbst
konnte , seine eigenen Beobachtungen an astro-
nomischen Apparaten, die für die damalige Zeit
vortrefflich waren , zu Hilfe gezogen. In ferneren
Gegenden verfuhr er systematisch in der Fest-
setzung der Parallelkreise. Diese wurden nach
den Orten , für welche die Beobachtung oder
Berechnung galt, benannt. Seinen ausgebreiteten j
Verbindungen gelang es , die Orte zu ermitteln,
wo der längste Tag im Jahre 12 Stunden (Aequa-
tor) , 1 2 St. 1 5 Min. , 1 2 St. 30 Min. etc. bis
dahin , wo er 20 St. (in Thule) währt. Die ;
Tageslängen werden , wie wir beiläufig bemerken, j
durch Mitwirkung der astronomischen Strahlen-
brechung vergrössert. Eine Reduktion der davon
beeinflussten Breitenbestimmung wird wahrschein-
lich von PtolemHus nicht ausgeführt worden sein,
obgleich derselbe, wie aus seiner Optik hervor-
geht , schon richtige Begriffe Uber die Refraktion
hatte. Die Refraktion beschleunigt, den Aufgang
und verspätet den Untergang der Gestirne. Neh-
men wir nun den Werth der mittleren Hori- |
zontalrefraktiou von 33' an. so wird z. B. für I
die Danziger Breite (54° 21') jene Beschleunig- |
ung und ebenso die Verspätung 5 Zeit-Minuten
betragen, wenn die Mitte der Sonnenscheibe als
Beobachtungsmoment aufgefasst wird , 7 */* Mi-
nuten dagegen , wenn man den ersten Sonnen-
strahl resp. den letzten als Ausgangs- und End-
punkt wählt. Ist eine derartige Verminderung
der Tageslänge nicht berücksichtigt , so muss
natürlich die berechnete Breite zu gross gefun-
den werden , und zwnr für Danzig (streng ge-
nommen gegen wärtig) um 50' im ersten Falle,
um 1* 14*/*' im zweiten. Es könnte somit die
auf der Ptolemäischen Karte wahrzunehmende
Verrückung unserer Breiten zuweit nach Norden
zum Theil diesem Umstande zugeschrieben werden.
Einer anderen irrthümlichen Auffassung in der
Ptolemäischen Darstellung ist von dem Verfasser
gedacht worden , indem er sagt , dass in Folge
der Abplattung der Erde „in den nördlicheren
Gegenden , wo der Einfluss dieser Abplattung
auf die Tageslänge während des Somraersolsti-
tiums sehr stark hervortritt , die nördlichen
Breitengrade in seinen Berechnungen zu weit
gegen Norden verschoben werden.“ Es bezieht
sich diese Bemerkung ebenfalls auf die zu grosse
Angabe der Breite der Weichselmündung von
56 u anstatt 54° 24'. Wie damals durch die
Zeit des Verweilens der Sonne über dem Hori-
zont , so wird auch heute durch Messung der
Höbe des Polarsternes oder eines anderen Ge-
stirnes, dessen Deklination bekannt ist, im Meri-
dian Uber demselben Horizont (Tangential-Ebene
an dem Beobachtungsort) die Polhöhe oder Breite
gefunden. In kartographischen Werken ist es
üblich, die Parallelkreise nach der Breite zu be-
zeichnen ; zu der der Wirklichkeit proportionalen
Darstellung der Längen und Breiten auf genauen
Karten gehört es auch , der Rücksicht auf das
Sphäroid Rechnung zu tragen, da der Unter-
schied der Breite und der verbesserten Breite,
wenngleich die Abplattung der Erde nur gering,
doch auf einige Minuten anwachsen kann. Die
oben angegebene mehr als l ,t° betragende Dif-
ferenz bei der Weichselmündung ist daher am
wenigsten dem Grunde der Abplat tung lieizumessen.
Nachdem wir hiermit die allgemeinen Be-
merkungen über Pr incipi olles geschlossen haben,
geben wir ganz kurz die in dem v. S.’schen
Werke überhaupt gemachten Aendcrungen wieder.
Der Verfasser verändert von der M Und ung der
Weichsel , als einem unbestreitbaren Punkte , aus-
gehend auf dem geographischen Netze des Pto-
lemäus 1) die Längengrade in dem ausführlich
diskutirten Verhältnis , 2) trägt er die Breiten-
grade grösser , im Verhält niss von 4:3, auf.
weil dieses der Breitengradeutfernung zwischen
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Quelle und Mündung der Weichsel 3° 45' anstatt
der wirklichen Entfernung von 4° 45' entspricht,
wobei er 3) unter Quelle der Weichsel don Be-
griff der gewöhnlich im Sommer sich seicht ver-
haltenden Stellen bei Chyby und Pruchno (Fer-
dinand Eisenbahnstationen) dom Ptolemäus in-
sinuirt (V), vermöge der Deutung des sehr knapp
gehaltenen Coimnentars über die O.stgrenze Ger-
maniens und Westgrenze Surmatiens; 4) verschiebt
er den ganzen nördlichen Theil der Weichsel um
einen ganzen Grad nach Osten und 5) verbreitert
er don nördlichen Theil unserer Gegenden (56°
— 54° Pt.) im Verkältniss zum südlichen (52°
— 54° Pt.) Man sieht, dass der Verfasser meh-
reren zufälligen Fehlern auf der Ptolemäischen
Karte zu begegnen nöthig findet. Als Grund für
die Abweichung von der proportionalen Darstell-
ung des Flusses zwischen den für Quelle und
Mündung gegebenen Graden giebt er die Lage
des von Ptolemäus als Wasserscheide zwischen
Weichsel und Niemen gesetzten Vonedischen Ge-
birges an. Da aber offenbar die Mitte dieses
Gebirges auf einen Längengrad , der genau dem
Mittel der Längen der beiden Flussmündungen
entspricht, gebracht ist, und überhaupt den
Mündungen sowohl nach Länge als nach Breite
sich anpassen sollte , so müsste der V erfasser
nach seiner Art und Weiso vollständigster Be-
richtigung erst der Niemenmündnng , welche
Ptolemäus auf ein und denselben Breitengrad wie
die Weicbselmündung gesetzt hat, die zukom-
mende nördlichere Lage und ebenso dem darnach
gerichteten Gebirge zuertheilen ; alsdann würde
für den nördlichen Lauf der Weichsel etwas mehr
Platz geschafft worden sein. Wie hoher Werth
wird hier der Aufführung eines Gebirges beige-
messen , das nicht existirt und das in eine schon
ziemlich terra ineognita gesetzt ist, wo im
entschiedenen Gegensatz zu den Gegenden west-
lich der Weichsel zwar einiger Völkerschaften
aber auch nicht eines einzigen Ortes Erwähnung
geschieht? In der Ptolemäischen Darstellung
finden wir nicht Anhalt genug , um Uber seine
Construction der Lage der Ortschaften zur Weichsel-
quelle und zu den Mündungen der Oder und
Weichsel in’s Klnre zu gelangen. W'enn wir
auch im Allgemeinen geneigt sind, anzunehmen,
dass die nördlichen Punkte auf nautischen Daten
beruhen , welche bei Gelegenheit der Fahrten von
der WeHt-grenze Germaniens aus nach Osten er-
mittelt wurden , während die Erforschung des
südlichen Theiles aus Pannonien von der Donau
her erfolgte, so bleibt es geradezu fraglich , wel-
chem relativen Zusammenhang in der als Ganzes
hingeetellten Karte ein besonderer Vorzug ge-
geben werden soll. Insofern können wir uns
auch nicht von der Not h Wendigkeit der anderen
Aenderungen des Verfassers überzeugt halten. Auf
der, dem v. Sadowski’scheu Werke beigegebenen,
und im Sinne des Ptolemäus verfassten Karte ist
die Oder ganz bei Seite gesetzt wordon. Wollte
aber Jemand mit Hintansetzung der Weichsel
eine Karte eonstruiren , welche als Fundament
die OdennUndung erhielte, und auf diese die
fraglichen Orte beziehen, so würde das Resultat ein
völlig verschiedenes werden. Ausserdem kann uns
der Gedanke, dass auch die Orte unter sich verzeich-
net sein mögen, wenigstens nicht verargt werdon.
2. I>r. Llswauer, das v. Sadowski’sche Werk in
Bezog auf die Archäologie Westpreuasons.
So verdienstlich das Buch für die Forschung
ist , bleibt es immerbin zu bedauern , dass der
Verfasser, als er dasselbe schrieb, die von un-
serer Gesellschaft publizirten Verhandlungen und
Berichte noch nicht gekannt und daher seine
Handelsstrassen in einer Richtung abgesteckt hat,
welche den von uns ermittelten Thatsachen nicht
entspricht. Er lässt auf Grund von Münztünden
ungefähr um 450 v. Ohr. G. eine griechische
Handelsexpedition von Olbia am schwarzen Meere
aus, nach der an der Weichselmündung gelege-
nen Küste stattffndeu, welche von Schubiu längs
des kleinen Flüsschens Lobsonka am westlichen
Rande der Tuchler Haide nach dem Strande zu
vorgedrungen sein soll. S a d o w s k i kann diese
Expedition nach den Funden nur bis Tlukomie
oberhalb Lobsens verfolgen. Weiterhin steckt er
die Strasse, welche Ptolemäus, also etwa 150
n. Ohr., von Carnuntum nach der baltischen
Küste hin angiebt , ebenfalls in dieser Richtung
ab , so dass dieselbe von Bromberg über Osielsk,
dem vermutheten Ascaucalis des Ptolemäus wieder
auf Lobsens zu, an die Lobsonka und dann längs
der Tuchler Haide nach Czersk sich erstreckt
haben müsste. In Czersk findet v. S. das Sknr-
gon des Ptolemäus wieder. Bei der Bestimmung
dieser Route legt der Verfasser des Buches be-
sonderes Gewicht auf seine geographischen Ana-
lysen des Ptolemäi'scken Systems, indess meint
er wiederholt , dass dieselbe auch in allen an-
deren Richtungen die strengste Kritik aushielte,
nämlich in physiographischer und archäologischer
Beziehung. Was Westpreussen anlangt, müssen
wir dem entschieden widersprechen, v. 8. selbst
sagt , Czersk liege an einem Wege , welcher
sich zwischen einer wüsten, menschenleeren
(Tuchler) Haide und einem unwegsamen Sumpfe
hinzieht. Erwägt man nun, dass der Fremde,
welcher von Bromberg oder Osielsk an der Brahe
aus nach dem Meere zustrebt, keinen sicherem
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Weg auffinden könnte als den ununterbrochenen
Höhenzug, welcher gerade von Osielsk aus bis
an die Weichsel zieht und das ganze linke Ufer |
dieses breiten Stromes bis zu seiner Mündung
hin begleitet , und dass wohl kein Zeichen den
Weg zum Meere deutlicher machen könnte, als
dieser grösste Fluss der Gegend, so kann in
der That nur Unbekanntschaft rnit unserer
Gegend es erklären, wenn v. Sadowski die alte
Handelsstrnsse nicht über jene Berge entlang der 1
Weichsel, sondern durch ganz unbewohnte und
unsichere Gegenden verlaufen lässt.
Man könnte denken , es seien auf dem v. S.
angenommenen Wege viele sehr wichtige Alt«r-
thümer , und längs der Weichsel gar keine solche
gefunden worden. Die Sachlage verhält sich nun
aber gerade umgekehrt, v. S. selbst giebt an,
dass man am Wege, welcher nach Czersk (dem
vermeintlichen Skurgon des Ptolemäns) führte,
sich bis jetzt fast gar nicht mit Aufgrabungen
befasst habe. Es fehlten uns somit dort die
weiteren Spuren des etruskischen Handelszugcs.
Dagegen sind prähistorische Funde aus der Zeit
des etruskischen und des römischen Handelsver-
kehrs der Kaiserzeit sicher const atirt in Topolno
zwischen Fordon und Schwetz, Konopot und
Ostrowit auf der Höhe bei Schwetz, Koniorau
und Sibsau gegenüber von Graudenz, Warlubien
bei Neuen bürg , Rielsk , Lichtenthal, Münster-
walde auf den Höhen gegenüber von Marien-
werder, Jacobsmühle bei Mewe , Goscliin, Gerdin,
Dirschau , Prangschin , Danzig — kurz das ganze
linke Weicbselufer entlang, und es ist daher
wohl keinem Zweifel unterworfen, dass von
Bromberg aus die alte prähistorische Handels-
strasse diese Richtung und keine andere nach
dein westpreussischen Bernstein strande verfolgt hat.
Und das nicht nur zur Zeit des Ptolemäus, i
sondern wohl auch schon zur Zeit des Handels ,
mit Olbia. Alt griechische Münzfunde sind bei !
Königsberg, Dorpat und auf der Insel Oesel eon- 1
htatirt worden. Bei St. Albrecht bei Danzig, ,
nahe der Weichsel, wurde eine Münze ans den
Jahrhunderten v. Chr. Geburt, eine barbarische
Nachahmung einer Münze Alexander d. Grossen
gefunden, die zwar einer späteren Zeit als der
Schuldner Münzfund angehört , aber doch die
Richtung der alten Handelsstraße raarkirt. Uns
scheint überhaupt kein Beweis beigebrucht zu
sein , dass etwa 450 v. C'hr. eine griechische Ex-
pedition hiorher gekommen sei , wie Sadowski
dies lehrt ; wir haben durchaus keinen Grund zu |
der Annahme, dass vor Nero irgend ein Mensch aus
den Mitteltneerländern nach Westpreussen gelangt
sei, sondern müssen (? d. Red.) bis zu dieser Zeit- |
Druck der Akademischen Buchdruckerei wn b\ Straub in
periode lediglich einen Zwischenhandel annehmeo.
Und damit hängt ein weiterer Irrthum v. S a-
dowski's Uber unsere Gräberfunde selbst zusam-
men. v. Sadowski nimmt an, dass unsere Stein-
kistengräber (oder Steingräber, wie er sie nennt)
nur Gesichtsurnen enthalten, während „die
dicht in ihrer Nähe stehenden Urnen sich in der
blossen Erde befinden . anders geformt und denen
der angrenzenden Gegenden gemeinsam sind. In
diese schüttete augenscheinlich dos ganze in der
Gegend hausende Volk die Asche seiner Ver-
storbenen, während in den Steingräbern entweder
nur die Ankömmlinge (die etruskischen Handels-
leute) , oder doch nur diejenigen ruhen , welche
mit ihnen in Verbindung und unter ihrem un-
mittelbaren Einfluss stAnden.“ Es beruh! diese
Darstellung nber auf eiuer Unkenntnis» der That-
sachen. Die Steingräber enthalten bei uns so-
wohl Gesichtsurnen , als Gefässe ohne jedes Or-
nament , und zeigen in ihren Beigaben einen so
ganz verschiedenen Charakter , als die Massen-
gräber, dass sie unmöglich derselben Zeit ange-
hören konnten. Bei Gelegenheit der Fundberichte
in unsem Sitzungen ist dies vielfach erwähnt
und an den Fundobjekten selbst demonstrirt
worden. Ist aber die Anwesenheit der etruski-
schen Kaufleute hier unerwiesen, so fällt auch
damit die Behauptung, dass die Ueberreste dieser
Fremdlinge in den Gesichtsurnen begraben liegen.
Im Gegentheil deuten alle bisherigen Untersuch-
ungen darauf hin , dass bereits der Verkehr mit
Olbia die Anregung zu der eigenthümliehen
Keramik unserer Steinkistengräber gegeben hat,
eine Ansicht, welche v. Sadowski selbst übri-
gens für ganz berechtigt erachtet.
Kleinere Mittheilungen.
Urnenfund in einer HOhle ln Schlesien. Lundes*
hut, 4. JulilfeTtt. Das l'ongloineratgestein des dicht an
der Niedervondadt gelegenen Burgberges wird auch
ul» Grundgestein für Bauten benutzt, ln einem dieser
Steinbrilehe trat heute beim Sprengen eine kleine
Hohle zu Tage, welche mit Steingeröll und Erde aus-
gefüllt war. Beim Ausräumen derselben wurde eine
ÄBchen-Ume, wie sie in den heidnischen Begräbnis-
stätten Vorkommen, gefunden, leider aber von den
Arbeitern zertrümmert. Von einer zweiten l'rne be-
merkt« man nur noch Stücke. Diese Höhle, welche
rings von Felsen umschlossen war. scheint weiter Hin
naca dem Burgla-rge zu eine Öffnung gebubt zu haben,
deren Tiefe und Ausgang noch nicht ermittelt werden
konnte, weil nie mit Schutt ausgefüllt ist, dessen Weg*
Schaffung sich schwierig und gefährlich gestaltet. Ob
noch mehrere Urnen darin enthalten sind, konnte da-
her vorläufig nicht festgestellt werden. Dies dürfte
wohl der erste Fall »ein, dass im hiesigen Gebirge unö
zwar in einer Felsenhöhle solche Urnen gefunden
wurden. (8. Nr. 3Ü9 der .Schl es. Ztg.“ v. 6. Juli d. J.k
von der Wengen.
München. — Schl ns* der Redaktion am 27. Mai 1S80.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirl von 1‘rufcssor Dr. Johttnnrs Hanke in München,
GintruUtcrttär der Ot»eii»etia/l.
XI. Jahrgang. Nr. 7. Erscheint jeden Monat. Juli 1880'
Deutsche Anthropologische Gesellschaft.
Einladung zur XI. allgemeinen Versammlung.
Die deutsche anthropologische Gesellschaft hat Berlin als Ort der diesjährigen allge-
meinen Versammlung gewählt und den Di rectorial- Assistenten am Kgl. Museum, Dr. Voss,
sowie den Dirigenten des Märkischen Provinzial-Museums, Stadtrath Friedei um Uebemahme
der lokalen Geschäftsführung ersucht.
Die Unterzeichneten erlauben sieh im Namen des Vorstandes der deutschen anthro|H»-
logischen Gesellschaft die deutschen Anthrojiologen , sowie Freunde antlm»|Hilogischer Forschung
im In- und Auslande zu der
vom 5. bis 12. August <1. J. iu Berlin
im Sitzu UfffUtaale den AbyeortlnetenluniHeH (Lcipsiyerstr. 75 am Dönhofsplats)
statttindendeii Versammlung ergebenst, einziiladen. Das ausführliche Programm derselben liegt
dieser Nummer dos fVirrospondenzblattes hei.
Anmeldungen zur Theilnahiue uu der Versau iiulung werden , namentlich im Falle der
Vorauslwstellung von VVohiiungeii, an die lokalen Geschäftsführer erbeten.
In Verbindung mit der Versammlung wird in den Bäumen de« AbgeoHnetciihaiwes eine
Ausstellung vorgeschichtlicher und anthropologischer hmde Deutschlands
stattfinden, für welche eine Dauer vom 5. bis 21. August in Aussicht genommen ist.
Berlin und M fmehen, den 15. J uni 1 880.
Albert Voss, Ernst Friedei, Johannes Ranke,
Geschäftsführer für Berlin. Geschäftsführer für Berlin. Generalsekretär in München.
(Alte Jakoimtr&n*e 107 SW.) ( Schilt bauerdamm US NW.I ( Briennerst rasse 25.)
b
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Mi neralogisch -archäologische
Beobachtungen.
Von H. Fi «eher (Freiburgk
II. Leber die Fälligkeit der Qnarzrarleläfen , zu '
Werkzeugen u. ». w. »erarbeitet zu werden.
So reichlich die Qnarzsubstanz auch über die
Erde verbreitet ist und so sehr sie nach allen !
Richtungen bekannt zu sein scheinen könnte , so
giebt es doch noch gewisse feinere Verhältnisse, l
welche bis jetzt wenig in Betracht gezogen wurden.
Die mineralogisch wichtigen Einzelheiten in
dieser Beziehung buhe ich in meinen : ,. Kritisch,
mikroak. niiner. Studien“ II. Fortsetzung, Frei-
burg 1873, erläutert. Hier möchte ich Einiges I
vom archäologischen Standpunkt näher er- I
örtern, das eine gewisse Bedeutung gewinnen kann, i
Die reinste Quarzsubstanz , der edle Quarz
oder sog. Bergkrystall, ist ganz farblos und durch-
sichtig ; dessen Bruch — auf den es für unsere
heutige Betrachtung nun besonders ankommt, ist
im Ganzen eigentlich kleinmuschlig, unter der
Lupe gewissermaßen uneben und durchweg mit
vielen mehr weniger feinen, erhabenen, parallel
gelegenen Streifeu behaftet.
Es bedarf jodoeh einiger Vorsicht , um beim
Bergkrystall eine Fläche sofort als Bruch fläche
zu bezeichnen, da die nicht als glatte Krystall-
flttchen erscheinenden Ebenen sehr häutig aus einer
Summe unvollkommen ausgebildeter, dicht neben ■
einander liegender Individuen zusammengesetzt .sind.
Die wahren Bruchflächen des Bergkrystalls
sind mehr weniger stark glas glänzend , über-
haupt etwas glasähnüch. Ein dünner Splitter j
zeigt unter dem Polarisationsmikroskop ein einheit- :
liebes Farbenbild , die einheitliche Polarisation
eines einzelnen mineralogischen Individuums.
Mit Ausnahme der Farblosigkeit gilt alles
Obige so ziemlich auch für die (durch anorganische
oder organische Pigmente) gefärbten Varietäten
des edlen Quarzes, die mit den Kamen Rauch-
«ptarz, Citrin, Amethyst belegt wurden, ebenso
für den Milchquarz.
Aus solchem ganz durchsichtigen Quarz , wie .
derselbe vorzugsweise im Glimmerschiefer, Gneiss
u. 8. w. zu Hause ist, sind wohl nur sehr
wenige prähistorische Instrumente in den Samm-
lungen verbreitet und zwar immer zu geschlagene,
z. B. kleine Lanzenspitzen. Eine solche eriunero
ich mich u. A. im Stuttgarter Museum gesehen
zu haben und dann lag bei Herrn Dr. M o o k
unter Tausenden von ihm und der Familie H a i -
mann in Aegypten gesammelter Hilex-Instru- 1
mente eine feine Lauzenspitze aus gelblichem
Bergkrystall; auch im Berliner Museum sah Herr
I)r. M o o k solche.
Der nur noch in dünnsten Splittern durch-
scheinende sog. gemeine Quarz , welcher mit-
unter auch noch individualisirt und zwar in ziem-
lich grossen Krystallen (z. B. in der Porzellanerde
von Luuterbach bei Zwickau in Sachsen) vor-
konunt, hat nur noch schwach glänzenden Bruch,
was mit den morphologischen Verhältnissen zu-
sammenhängt ; die einzelnen Bruchstellen sind
nämlich nicht mehr ho gross, so tief muschelig,
sondern mehr nur noch uneben, die streifigen
Unebenheiten sind mit der Lupe nur gerade noch
sichtbar. Diese Quarzsorte, wohin auch der sog.
Stinkquarz aus dein Muschelkalk gehört., ist also
noch phanerokrystallinisch.
Je kleiner nuu bei dem Quarz die einzelnen
Individuen werden, desto weniger durch-
scheinend ist die Substanz im G a n z e n in
irgend dickeren Stücken und desto schwächer
glänzend ist auch der Bruch ; zugleich er-
scheint dieser im Kleinen, d. h. mit der Lupe
betrachtet, gar nicht mehr muschelig,
sondern uneben oder feiusplitterig, d. h.
mit vielen winzigen helleren Stellen bedeckt,
welche den durch den Trennungshieb nur halb-
abgelösten Partieen entsprechen. Das sind dann
diemikro - und kryptokrystallinischen
Quarze, unter welchen wir zunächst den Horn-
stein undChalcedon erwähnen, die mitunter
auch in so grossen Brocken verkommen, dass sie
zur Herstellung von Instrumenten (z. B. Hornstein)
Verwendung finden konnten.
Die schön roth gefärbte, mit dem Namen
Ca r n eol belegte Chalcedonvarietit ist in Aegypten
vielfach auch zu Schmuckstücken und sogar zur
Verfertigung feiner Figuren, z. B. sog. Horus-
augeu u. s. w. verwendet worden, der grün und
roth scheckige Chalccdon (sog. Heliotrop) bil-
det z. B. das Material eines schönen kleinen
ägyptischen Scarabttus des hiesigen ethnographischen
Museums.
Von hier geht es nun herunter zum Jaspis
und Feuerstein, welche meist nur noch in
dünneren Kanten oder auch da nicht mehr durch-
scheinend sind; deren Bruch ist gar nicht
mehr glänzend, sondern vollkommen matt,
da die Individuen des Quarzes viel zu winzig
sind, um sich noch einzeln fiir das Auge durch
ihren Glanz geltend zu machen.
Dies gilt sogar ftlr die Betrachtung mit starken
Lupen fast vollständig noch; die Dünnschliffe
dieser Quar/varietUton zeigen unter dem Mikro-
skop die sogenannte Aggregat Polarisation.
Bei diesen Feuerstein- und Jaspisarten tritt
uns aber nun ein morphologisches Moment ent-
gegen, das dem Archäologen von einigem Interesse
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sein kann und dem zu Lieb eigentlich alle obigen '
Auseinandersetzungen gemacht wurden. Hier be- •
gegnet uns nämlich beim kunstlosen Zerschlagen
grosserer Brocken ein ganz g r o s s m u s e h e 1 i g e r i
Bruch mit bogenförmigen erhabenen Streifen und
mit scharfen Kündern ; es bleibt an dem in der
Hand gehaltenen, fixirten Stück an irgend einer
Stelle eine bedeutendere Vertiefung (Contre-
manjue), welcher an dem wegspringenden Stück
eine Erh o h un g (Buckel, Schlagnarbe) entspricht.
(Auch bei Carneol habe ich diesen Bruch zuweilen
bemerkt.)
Mit diesen Verhältnissen hatte der prä-
historische Mensch zu rechnen, wenn er aus Jas-
pis oder Feuerstein Silexinstmmente zurecht -
scblug ; das Gleiche gilt für die Gegenden , wo
Obsidian vurkomint, auch bei dessen Bearbei-
tung (z. B. in Mexico, Unteritalien, Griechenland |
u. s. w.).
Diese Mineralien geben nämlich, was schon
mineralogisch höchst merkwürdig ist, je nach
der Behandlung zweierlei Bruch , beim ge-
wöhnlichen Zerschlagen tritt, wie gesagt, der
muscli 1 ige Bruch auf. Wir finden aber in prä-
historischen Ablagerungen, beziehungsweise Wohn-
stätten in Europa, Afrika, Amerika sogenannte 1
Nuclei (Kernstücke, Werkstücke) von Silex und '
von Obsidian, von cylindrischer Form, länger oder
kürzer, an deren Wänden geradlinige, scharfe
Kanten erkennbar sind; war dieser Vorgang ein- !
mal erzielt, so konnten durch weiteres Darauf- i
schlagen scharfkantige zweischneidige j
Messer gewonnen werden, wie wir solche auch in der I
Thal sowohl aus Obsidian (Mexico u. s. w.), als
aus Feuerstein und Jaspis (Europa, Afrika) kennen. !
Es fragt sich nun zunächst , was an diesem
höchst eigentümlichen Verhält nias von zweierlei
Bruch, wie solches meines Wissens in der Mine-
ralogie einzig dasteht , Schuld sei. Unter dem ,
Mikroskop erkennt man im Dünnschliff bei den .
kryptokryatallinischen Quarzen in der an sich ganz j
farblosen , etwas durchscheinenden Grundsubstanz
oft fremde, theils organische, theils anorganische
Partikelchen, ti B. Eisenoxyd, Thon u. s. w. in !
staubartig feiner Verteilung, da reichlicher, dort
spärlicher, eingestreut. Es können aber weder ]
diese dem Quarz als solchem fremden eingelagerten
Substanzen, noch die Verhältnisse des krypto- |
krystailinischen Zustandes als solchen an dem t
Entstehen von zweierlei Bruch Schuld sein, i
denn der Obsidian , bei dem durch kunstreiche j
Procedur ganz dasselbe Resultat, erzielt werden
kann, ist überhaupt gar nicht krystalüniscb,
vielmehr ganz amorph, das vollendete vul-
kanische Glos. Ja um das Rutbsel noch grösser
zu machen . führt mir die Erfahrung folgendes
Beispiel vor Augen. Unser Museum besitzt einen
sog. Nuclens aus Obsidian von Mexico von etwa
11 cm Länge, 5 cm Breite und 1,5 cm Dicke,
welcher auf der einen Breitseite den natürlichen
muschligen Bruch des Obsidians zeigt , wie man
ihn immer bei kunstlosem Schlagen erhält, aut
der Kehrseite dagegen die geraden Kanten eines
Nucleus aufweifit!
Ich habe dieser seltsamen Erscheinungen halber,
wie wir sic bei Obsidian und Feuerstein wahr-
nehmen, selbst Versuche nngestellt und habe mit
Herrn Dr. Mook einen kopfgrossen Jaspisknauer
aus dem weissen Jura zerschlugen, ohne dass wir
die Lösung jener Frage gefunden hätten. Ich
erkundigte mich nun auch brieflich bei meinem
Freunde Prof. Fraas über diesen Punkt, unter
Beifügung des Gedankens, ob nach seiner An-
sicht etwa die Anwesenheit der Bergfeuchtig-
keit für die Gewinnung von Nucleis mit geraden
Kanten im Spiel sein könnte. Seine Antwort
ging dahin, auch er habe seihst einschlägige Ver-
suche gemacht und bei stundenlangem Anklopfen
von Feuerstein k Dauern an der Nordsee sich über-
zeugt, dass die einen schalig springen, die anderen
geradlinig ; von Aussen könne man dies jedoch
den Knauern nicht anschen. Der Bergfeuchtig-
keit möchte er dabei keinen Einfluss einräumeu.
Auch er habe darüber sich bei Praktikern befragt
und z. B. bei Fabrikanten künstlicher Mühlsteine
die Bestätigung erhalten , es müssten die Feuer-
steinknauer zuvor zerschlagen werden , um zu
wissen , ob sie gerade Flächen bekommen oder
krumschalig springen. Es möchte daher die mole-
culare Anlage bei diesen Verhältnissen im
Spiel sein.
Von Feuerstein kenne ich nun nicht gerade
ein so auffallendes Beispiel, wie das obenerwähnte
von unserem Obsidianstück , aber wie steht es
mit der Molecularanlagerung, an welche ich, wie
aus meiner ganzen Einleitung hervorgeht, auch
schon lebhaft gedacht habe, wenn wir an einem
und demselben Handstück von ganz unbedeutender
Ausdehnung auf den beiden Breitseiten diebeiderlei
Brucharten erkennen V
Es wird jedem Leser dieser Zeilen aus dem
Gesagten einleuchten, dass der Mineraloge durch
die Beschäftigung mit der Archäologie gelegent-
lich noch auf Gesichtspunkte für sein specielistes
Gebiet geführt, wird, die sich den Fachmännern
an und für sich bei weitem nicht so energisch
nufdrängeu und doch andererseits zum reiflichen
Nachdenken und zu Versuchen auffordern Uber
Verhältnisse, welche — wie diejenigen des Bruchs —
bei so gemeinen Mineralkurpern wie Obsidian und
8*
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gar Quarz als eine langst abgemachte, ja ich möchte
sagen , als eine abgedroschene Sache hatten er-
scheinen können. Wir sehen aber zugleich, wie
der unmittelbare Verkehr mit der Natur die Ur-
völker mit Dingen näher bekannt gemacht hat,
die uns jetzt noch in Erstaunen und Verlegen-
heit setzen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht ver-
säumen, darauf hinzudeuten, wie Uber die ganze
Erde hin der Obsidian und Quarz ihre Ver-
wendung fanden , auch bei Völkern , bezüglich
deren dios noch weniger bekannt sein dürfte.
Herr Dr. med. A. Vogt aus Freiburg, welcher
früher lange .Jahre in Australien als Arzt
verweilte, hatte unter einer prächtigen Sammlung
von Waffen aller Art aus Oeeanien , die er
unserem ethnographischer» Museum als Geschenk
einsandte, auch zwei S p e e r e mit S t e i n 8 p i tz e n
eingeliefert, wovon die eine aus Obsidian, die
andere aus körnigem Quarzit hergestellt ist, aber
in der rohesten Bearbeitung, gerade wie beliebige
Hiebe auf die betreffenden Steine ihnen scharfe
Kanten und eine Spitze zu geben vermochten.
Die Wahl des Einsenders konnte, wenn auch
mehr weniger unbewusst, wirklich nicht glück-
licher getroffen werden, da uns auch aus jenen
fernen Gegenden hiemit wieder diese gleichen
Gesteinsarten sich als Material für Lauzenspitzen
präsent iren.
Diese Notizen haben den Zweck , über die
obigen Fragen eine Erläuterung Seitens solcher
Forscher hervorzurufen , welche aus eigener Er-
fahrung dieselbe zu geben vermögen.
III. l'ehcr die Verbreitung von Steiu- Idolen mul
•Amulrten bei den verschiedenen Völkern der Erde.
Es ist schon von vornherein anzunehmen, dass
ein Volk, welches noch keine festen Wohnsitze,
kein festes Eigenthum hat, sondern nomadisch
lebt, sich damit l>egnügen werde, für die aller-
nächsten Lebensbedürfnisse zu sorgen, dass es
sich also bei etwaiger Verwendung von Holz und
Steinen höchstens Waffen und Instrumente
daraus fertige.
Das Tragen von A m u 1 e t e n setzt , wenn-
gleich diese nebenher auch als Schmuck dienen
sollten, doch schon gewisse religiöse Ansch au ungen
von einer höheren Macht voraus, indem die Amu-
lete vor Krankheit, Unglück u. s. w. schützen
sollen. Noch mehr ist dies wohl hei der Her-
stellung von Idolen der Fall, gleichviel ob
diese in kleinem Maasstab zum Tragen am Körper,
zum Aufstellen in Tempeln, zum Beisetzen in
Gräbern bestimmt sind, oder im Grossen aus
mächtigen Holzblöcken , ganzen Feldstücken uud
dergleichen gehauen werden.
Nachdem ich mich nun seit etwa 10 Jahren
damit befasst habe, aus allen mir zugänglichen
mineralogischen und ethnographischen Museen
Europa’ s die Stein-Amulete und -Idole minera-
logisch näher zu bestimmen und nachdem ich die
Resultate hievon in verschiedenen Publikationen
niedergelegt batte, fühlte ich auch dos Bedürfnis«,
mir eine geographische Zusammenstellung zu ent-
werfen, welchen Ländern diese betreffenden Ob-
jekte angeboren und da stellte es sich denn, wie
zu erwarten war, auch heraus, dass vor Allem
die prähistorischen uud historischen Kultur-
, Völker solche Dinge aufzu weisen haben. In
i Afrika finden wir Steinfiguren in Aegypten*)
[Neph. W. pg. 11 Fg. 1, 2; pg. 37 Fg. 48. —
Amuz. Tf. I Fg. 21, 22, 26]. Aus Kleinasien
(und Persien ?) kennen wir die mit eingravirten
Arabesken versehenen , mit Gold , Türkis und
Granat (vielleicht auch Kubin) geschmückten,
eleganten Nephrit- Amulete , die ich einer wohl
mehr als hundertjährigen Vergessenheit und Miss-
achtung zu ehtreissen und in ihre historische
Bedeutung zu restituiren versuchte, (es finden sich
solche abgebildet: Neph. W. pg. 99 u. 100 Fg.
81—86; Min. areh. Stud. Tf. II Fg. 7—13,
Tf. III Fg. 14 — 16) — Aus Assyrien und
Persien stammen die höchst seltenen sogon.
assyrischen, babylonischen uud persepolitaui sehen
, längsdurchbohrten Cy linder mit eingravirten Fi-
I guren und Zeichen (Neph. W. pg. 28 Fg. *20,
! 21, 22).*) — Aus dein übrigen Asien, von wo
ich z. B. chinesischen und sibirischen Nephrit
zu Schmuck und Haushalt ungsgegenständen aller
Art verarbeitet kenne, kamen mir doch keine
geschnittenen oder gravirten Stein-Amulete zu Ge-
sicht (irgendwelche rundliche Steine, vielleicht
Gerolle, sollen die Chinesen gern bei sich tragen
und beständig in der Hand reiben). Idole aus
Stein scheinen mir gleichfalls zu fehlen, wenn-
gleich in China und Japan menschliche und tliie-
*) Für diejenigen Leser, welche sich gern einen
P eberblick über die Formen der besprochenen Ob-
jekte verschaffen möchten, füge ich eine Reihe Ci-
tate von Figuren aus meinen Schriften bei und zwar
unter folgenden Abkürzungen: Neph. W. — Nephrit
und Jadeit u. «. w.. Stuttg. 1875 mit 1H1 Holzschnitten
und 2 chromolith. Tafeln ; Miner, als H i 1 fs w. = Die
Minerulogie als Hilfswiss. f. Archäologie, im Archiv f.
Anthrop. Bd. X.. Braunschw. 1877 mit 3 Tafeln. —
Mjn.-areh.Stud. = Mineralog. archftolog. Studien, in :
Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in
i Wien, VIII. Bd. Nr. 1, 2. 1878 mit 4 Tafeln. — A tua-
zonenst. = Ueber die Herkunft der sog. Amazonen-
I steine etc. im Archiv, für Anthron., IW. XII 1879 mit
I Tafel.
•) Erst vor Kurzem gelang es mir, für unser
ethnogr. Museum einen solchen Cylinder zu erwerben,
I dessen Bilder bei Gelegenheit, publicirt werden sollen.
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61
rische Figuren reichlich in Agalraatolith , Ala-
baster, Nephrit, Lasurstein geschnitten werden.
Aus Indien sah ich keine Arantete aus
Stein, wohl aber Idole aus Stein und Metall.
In Amerika stehen Mexico und Mittel-
amerika oben an mit ihren vielen, meist in
sehr barten Steinen kunstreich ausgeführten kleinen
Stein-Idolen und den riesigen Idol-Ruinen aus Fels-
gestein , wie sie sogar noch in Urwäldern an ge-
troffen werden.
Brasilien hat gleichfalls Einiges aufzu-
weisen, ebenso die Antillen; aus Peru kenne
ich bis jetzt erst Gold-Idole.
Man vergleiche für die soeben genannten Län-
der folgende Abbildungen: Neph. W. pg. 29
Fg. 23; pg. 30 Fg. 32, 33; pg. 31 Fg. 3:»;
pg. 33 Fg. 37, 38; pg. 34 Fg. 41, 42 ; pg. 344,
345 Fg. 121 — 124. — M in. a r ch. Stud. Tf. IV
Fg. 21 a b. — Miner, als Hilfswiss. Tal». VI,
VII, VIII. — Ätna zonen st. Tf. I Fg. 1—7
und 10 - 14.
Was die amerikanischen Amulete betrifft, so
ist ein viereckiges, an den zwei Schmalseiten ver-
tical durchbohrtes Täfelchen (Neph. W. pg. 38
Fg. bö) zweifellos brasilianischer Abkunft. Ein
kleineres, an allen vier Ecken vertikal durch-
bohrtes dunkelgrünes Nephrittäfeleben (Min. arch.
Stud. Tf. III Fg. 17, jetzt im Freiburger Mu-
seum) stimmt vollständig mit der von Hans
Sloane in seiner: Nat. hist, of Jamaica 1725
gegebenen Beschreibung der Amulete dieser Insel.
Von einer ganz grossen Anzahl viereckiger, fünf-
eckiger, ovaler und runder Amulete aus schmutzig
(bläulich-) grünem Nephrit (Noph. W. pg. 38
bis 40 Fg. 49, 51 — 59; Min. arch. St. Tf. I
Fg. 1 — 3), wie ich sie in den verschiedensten
Museen aus alter Zeit herstannnend ohne
irgend exakte Abkunft antraf, war es mir bisher
absolut unmöglich, nachträglich deron Ursprung
mit Sicherheit zu ermitteln, nur wurde mir in
letzter Zeit ihre Abstammung aus Amerika etwas
wahrscheinlicher.*)
Den obengenannten Wohnsitzen von Cultur-
völkern gesellt sich nun seltsamerweise noch
Neuseeland hinzu mit seinen auf das Ele-
ganteste immer aus schön grasgrünem, mitunter
prachtvoll seidenschimmerndem Nephrit von jener
Insel selbst geschnittenen, grossen flachen Fratzen-
bildern , den sog. Tiki’s, wovon in europäischen
Museen meines Wissens etwa 20 Exemplaro ver-
*) Direktoren grosser Museen würden der Wissen-
schaft einen Dienst leisten, wenn sie meine im Obigen
niedergelegten Beobachtungen nach dem Bestand ihrer
Institute vervollständigen wollten.
breitet sein mögen (in Freiburg liegen zwei.)
(Vgl. Neph W. Titelbild.)
Es dürfte der Analogie nach dieser Umstand
allein schon für oine in Neuseeland vor unbe-
stimmt langer Zeit Untergängen e C'ultur sprechen,
ausserdem findet man meines Wissens dort auch
grosse Figuren aus Holz und Stein.
Meine im Obigen niedergelegten Erfahrungen
gründen sich auf den Bestand unseres ethno-
graphischen Universitätsmuseums sowie auf die
Zusendungen aus den mineralogischen uud zum
Theil auch ethnographischen Museen in Deutsch-
land, der Schweiz, Oesterreich, Ungarn, Italien.
Den Bestand der mineralogischen Abtheilung des
I British Museum kenne ich durch eine eingehende
gefällige Mittheilung des Herrn Direktor Nevil
j M aske 1 y ne, wolcbe von Umrisszeichnungen wie
| auch von genauer Angabe der Härte uud des
spez. Gewiehts der betreffenden Gegenstände be-
I gleitet war.
Die Museen, welche ihren Statuten gemäss
1 nichts nach aussen versenden dürfen, durch Be-
such an Ort und Stelle näher kennen zu lernen,
sah ich mich bis heute vermöge meiner äusseren
Stellung keineswegs veranlasst oder aufgemuntert.
Im Ganzen dürfte jedoch in meiner hier ge-
gebenen Uebersicht nichts Wesentliches fehlen
und es geht aus derselben, wie zu erwarten war.
hervor, dass es die alten Culturvölker Asiens,
Afrikas und Amerikas waren, welche sich zu der
Verarbeitung mehr weniger harter und zäher
Steine für Amulete und Idole aufgeschwungen
hatten.
Besonders beachtenswerth scheint es nun, dass
mir auch noch nicht ein einziges Stcin-Amulot
oder -Idol als in Europa gefunden bekannt
wurde. Was Beile betrifft, welche z. B. io
Mexico mitunter mit Durchbohrung zuin An-
hängen versehen wurden (vgl. die Miner, als
| Hilfsw. Tf. VII Fg. 27, 33) und als Prunkbeile
getragen werden mochten, so ist mir sogar hie-
für nur ein einziges etwaiges Analogon aus
Europa durch eine gefällige Mittheilung meines
Herrn Collegen Issol in Genua bekannt geworden,
nämlich ein Fund aus Malta (vgl. Miner, arch.
Stud. pg. 148 — 149 Tf. III Fg. 19) angeblich
aus einem phönizischen Grabe. Da aber be-
züglich dieses gegen die Spitze hin vertikal und
weit durchbohrten beilähnlich geformten Steines
nur von grüner Farbe und polirtcr Oberfläche
die Rede ist, über Durchsichtigkeit u. s. w.
nähere Angaben fehlen, so schiene es immerhin
auch möglich, dass jenes Stück ein flacher Polir-
stein gewesen wäre; ich kenne solcho gegen das
spitze Ende hin vertikal durchbohrte Polirsteine
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62
aus Scbiefergestein . welche an einem Faden ge-
tragen wurden, auch aus der Gegend des Boden-
Hees (wohl aus Pfahlbauten).
Wir sind nach Obigem wohl zur Annahme
berechtigt, dass die prü historischen Völker, welche
Europa auf ihren Wanderungen betraten, sich
n i cb tauf einer Cu 1 tu r s t u f e befunden haben
müssen , welche das Tragen von Amuleten und
die Herstellung von Idolen (wenigstens aus Stein)
involvirte. Als höchste aus Stein verfertigte Zierde
mögen eveutuell die glattpolirten Beile aus Ne-
phrit, Jadeit und Chloroinelanit figurirt haben,
deren Abkunft bekanntlich bis heute noch im
Dunkel liegt.*)
*) Zur Vervollständigung der von mir in Stnuw-
buru (August cL J.l bei der Versammlung der deutschen
iinthn>i*olog. Ges. auf den Tisch des Hauses nieder-
gelegten Kurte für die Verbreitung dieser Beile in
Mitteleuropa (vgl. Corresp.-Bl. Nr. 3. März 1879) kann
ich hier Folgendes beifügen.
Schliemann erwähnt in seinen Berichten über
Troja auch Kunde von Heilen aus sehr hartem, grü-
nem, durchscheinendem Stein. Ich gab bereit« in meinen
Min. arch. Studien pg. lütt Tf. FV Fg. 22 — 25 vorläufige
Notiz hievon. In Strasshurg legte mir nun Herr
Geheiracraih Virchow mehrere, von ihm seihst l«?i
den mit Herrn Schliemann vorgenommenen Aus-
grabungen gefundene grüne polirte kantendurchschei-
nende Beilchen von Bürde* (Lydien) vor. wovon das
eine (zufolge der von Herrn Kollegen Oroth gef. vor-
genommenen Bestimmungen des spez. Gewicht«) mit
2,800 spez. Gewicht die Deutung auf Serpentin , das
ander*» mit 3,335 jene auf Jadeit zulies«.
Die von Herrn Schliemann selbst ausge-
grabenen Beile bekam ich nicht selbst zu Gesicht,
derselbe hatte aber die Gefälligkeit , sie unter der
Aufsicht des Herrn Direktors der luineralog. Abtei-
lung des British Museum durch dessen Assistenten
Herrn Thomas Davies auf ihr spez. Gewicht unter-
suchen zu lassen. Diese 1>eiden Sachverständigen er-
klärten zwölf der von Schliemann in Troja aus-
gegrabenen Beile für Nephrit und zwar wurde von
sechs Exemplaren das spez. Gewicht wirklich geprüft.
Ein weis« es Beil von 455,68 gran Gewicht = 27,34 g
in 3 Fuss Tiefe gefunden, hatte 2,91 spez. Gewicht;
die andern waren grün, dem Neuseeländischen Ne-
phrit in der Karl«» ganz, ähnlich ; sie verhielten sich
folgendermaMen :
liefe (1. Fundes Absolutes Gewicht Spetlf. Gewicht
19 Fuss 518,19 (Jrun
= 31,69 Gramm
2.9!»
26 ,. 317,50 .
= 19,05 ,
2.982
13 . 434,30 .
= 26,06 „
2.95
32 „ 127,80 ,
= 6,46 „
2.972
32 „ 1308,20 „
= 78,52 „
3.27
Bei den ersteren fünf stimmt das spez. Gewicht mit
dem des Nephrits; das letzte mit 3,27 dürfte aber ein
Jadeit (bei welchem in seltenem Fällen auch schon
ein spez. Gewicht unter 3,3 beobachtet wurde) oder
ein .SuuxKurit sein.
.Soweit ich einen Schluss aus dem absoluten (Je-
wicht dieser Beilchen (im Vergleich mit so vielen
andern, die mir schon durch die Hand gingen) ziehen
kann, möchte dos grösste etwa 6 - 7 ciu lang «ein,
die übrigen dem entsprechend kleiner; über deren
Mittheilungen aus denZweigvereinen.
I. Güttingen.
Sitzung vom 14. Mai 1880.
Herr Prof. Ehlers: Demonstration einer ethno-
graphischen Sammlung von den Klantath-Indianem.
Die Sammlung wurde von Herrn Eurer er-
worben, der bei seinen Reisen im der nordAmeri-
kaniseben Westküste sich auch hei den an den
Klatnath-Seeen im Oregongebiet wohnenden Kla-
math- Indianern längere Zeit aufbielt.
Die vorliegende Sammlung bestätigt durchaus
die Annahme, dass die Klamath-Indianer auf sehr
niederer Kulturstufe stehen. Die sehe zahlreichen
Werkzeuge entbehren mit Ausnahme eines Pfeiles,
welcher eine eiserne Spitze besitzt — welche
nach Forer's bestimmter Angabe importirt
werden — aller Metalle. Statt, der Metalle sind
Knochen und Stein im Gebrauch. Sonst findet
man noch verarbeitet rohe Pflanzenfasern, Thier-
häute und -Sehnen, Harze, Muschelschalen.
Von Nahrungs tu i ttel n liegeu vor: Knollen
und Früchte, — meist noch nicht bestimmt.
Gerfttbezum Gewinnen der Nahrung:
Körbe zum Einsammeln der Früchte ; Stücke
rohester Art mit angekohlter Spitze zum Aus-
graben der unterirdischen Knollen und Wurzeln.
Form werde ich noch nähere Erkundigungen einziehen.
Höchst merkwürdig i«t die Angabe von einem wei«ien
Nephritbeil; das wäre da.« erste, von welchem ich
Kenntnis« erhalte, und würde, da ich nur aus Turke-
«tun weiwe Nephrite kenne, einen wichtigen Wink
für die Abkunft ertheilen, während, alle andern grün
sein sollen. Au« Turkestan kenne ich umgekehrt
kein*» grasgrünen Nephrite, sondern nur au« Sibirien
und NeiiHeeland, während mir dunkelbläulich grüne
aus Mittelasien bekannt eind. Ich bemerke hier noch,
da«» von den beiden englischen Mineralogen, den
Hemm Nevil Maske ly ne und Thomas Darios,
die übrigen sec hi aus Troja stammenden Beile des
Herrn Schliemann als gleichfall« au« Nephrit und
z.wur der ganz gleichen Art wie die gewogenen erklärt
werden. Für die Diagnosen jener sechs Beile also,
deren spez.. Gewicht nicht Intitimmt wurde, fällt
die Verantwortlichkeit wie begreiflich ganz den ge-
nannten Herren anheim.
Man sollte denken, wir müssten nun durch diese
immer weiter rückenden Erfahrungen der Heimat
dieser fremden Beile bald auf die Spur kommen. Ei
ist über zu beachten, dass z. B. aus Afrika noch gar
wenige Beobachtungen vorlicgen. Mir ist dorther erst
ein einzige« polirte« Beil — aus Rotheisenstein —
und zwar aus Sennaar kommend, bekannt geworden;
dassellie stammt aus der von dem t Vice- Konsul
Herrn ltoaset zu Khartum unserem ethnographischen
Museum zum Geschenk gemachten reichen ägyptischen
Sammlung. R« dürften solche Beile aber dort sehr
selten sein, da, wie gesagt, nur eine« mit kam, während
ich dein Einsender mündlich noch die Wichtigkeit
solcher Funde ans Herz gelegt und derselbe jedenfalls
sorgfältig darauf geachtet hatte.
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63
Fischangeln, theils mit beinernen Angelhacken,
theils mit einem an beiden Enden xugespitzten, in der
Mitte an der Schnur befestigten KnochenstHbehen.
Fischlanzen , welche die Besonderheit haben,
dass sie unten sich gabeln und an jeder Spitze
lose befestigt eine zweite Spitze tragen , welche
Spitzen an einer langen 4 um den Lanzenschaft
gerollten Schnur befestigt sind, l’feile dreierlei Art :
a) mit gehärteter Holzspitze , für Wasserge-
flügel agd,
b) mit Obsidian spitze (nach Dr. Lang’s Be-
stimmung) zur Jagd auf grössere Tbiere,
c) ein solcher mit Eisenspitze für den Krieg.
Instrumente zur Feuerhereitnng,
aus 2 Hölzern bestehend.
Gefiisse aus Flocbtwerk, gepicht und un-
gepicht. Löffel aus dem Brustbein eines Vogels.
Kleidungsstücke aus Leder, Pelz, Geflecht.
Fäden zum Nähen aus Kehsehnen und Pflanzen-
fasern — einer Kessel. Bürsten aus Ptlnnzen-
wurzeln und Thierhaaren; beinerne Instrumente
zum Kratzen des Kopfes. Messer aus Obsidian.
Schmuckgegenstände. Farben zum Be-
malen des Gesichts , roth und weiss. Hals-
ketten aus Wurzelabschnitten und Muscheln.
Spiele. Medica mente. Steinpfeifen und
Hauchkraut dazu — nicht Tabaek.
Holzstücken mit einem Moos , das antifehril
wirken soll. Einige Zaubermitt el.
Sitzung am 16. D ec ein her 16“'J.
Herr Prof. Krause sprach Uber einige Alter-
thümer, die sich im Laufe des Jahres 1879 in
der Umgegend von Göttingen gefunden haben.
Er legte ein Steinbeil aus Dolerit, — nach der
Bestimmung von Herrn Prof. Fischer in Frei-
burg i B. — vor. Ferner zwei Urnen, in der
Nähe von Grone bei Göttingen ausgegraben, eine
grössere und eine kleinere. Beide sind ziemlich
gut gebrannt, beide mit sog. Mamellen-Ornumenten
versehen; — sie dürften spät mittelalterlichen
Ursprungs sein. Endlich erwähnte er einen sog.
Kiesenstein, südlich von Kosdorf befindlich, einen
nicht sehr grossen Stoin mit fünf flngerähnlichen
Eindrücken, un die sich wie gewöhnlich die Sage
knüpft, der Stein sei von einem Kiesen geworfen
worden. Sodann demonstrirte Herr Prof. E h 1 e r s
mehrere Schädel von den Duke of York-Inseln.
I)r. von Brunn.
II. München.
Die Cent als Atom der deutschen Staatenbildnng.
Auszug aut einem Vortrag des Herrn (». Fink, •Stadt-
richter a. I). (Sitzung den 21. Mai 1#8U.)
Die Cent (een tu centena englisch h u n d red)
— in Bayern auch Dorfgericht genannt —
ist eine Anzahl von 100 freien Männern , 100
Höfen, eine Gemeinde von ungefähr 100 Höfen.
Sie ist die älteste und zugleich kleinste politische
Abtheilung des deutschen Volke.1» , kommt bei
allen germanischen Stämmen , insbesondere bei
I den Angelsachsen, in England noch heutzutage
I als Unterabt heiluug der Grafschaft vor. Noch
| kleinere Abtheilungen , sogenannte Dccanieu
j sind nach Waitz nicht erwiesen. Diese Männer
| versammelten sich regelmässig jeden Neumond
| und Vollmond um Goricht zu halten und Be-
rathschlagungen zu pflegen. Diess geschah
unter dem Vorsitze eines ursprünglich von ihnen
gewählten , später auch erblich gewordenen Be-
amten , des Centenars , Zentgrafen , Dorfriehter*.
Dieser war zugleich auch militärischer Anführer
und häutig auch Gefolgsherr, d. h. das Haupt
. einer freiwilligen Kriegerschaar, die sich um ihn
I sammelte. Uebrigens war er als Richter nach
i germanischer Weise eigentlich nur der Geriehst-
I halter, d. h. er hegte das Gericht, hielt die Um-
j frage , sprach das Urtlieil aus und vollstreckte
I dm<selbo. Die eigentlichen Urtheilsföller waren
i die Centgenoxsen selber. Die Gerichtsbarkeit der
1 Cent war anfänglich eine ganz unbeschränkte,
sie erstrekte sich auf alle Civil- und Strafsachen,
wie denn die Centonen ursprünglich als autonom zu
denken sind. Die Centonen blieben aber nicht
I isulirt, waren es wohl auch von Anfang nicht, in-
dem Stammverwandtschaft und namentlich Kriege
eine nähere Verbindung bewirkten. Es wurde
sodaun ein Herzog gewählt , dem der gemein-
! sehaftliche Oberbefehl übertragen wurde. So ins-
besondere bei den Sachsen bis zur Zeit Karls des
I Grossen. Andere Stämme, wie die Gotheu und
| Frauken hatten Könige (vou chunni das Geschlecht,
| also soviel als vir generosus, patriarchu heissend)
die als solche geboren wurden, während die Her-
zoge gekoren wurden. Zwischen das Koni glimm
und die Cent schob sich nun später als Mittnl-
! in -tanz der Gau oder die Grafschaft (scyre bei
I den Angelsachsen) ein. Der Graf — später auch
Landrichter genannt, ein königlicher Beamter —
entschied mit Zuziehung von Schöffen und in
Gegenwart des Centenars die grösseren Sachen,
I wo es sich um Leben, Freiheit, Grundeigentum,
j Besitz von Leibeigenen u. s. w. handelte. Er
i befehligte auch den Heerbann. Der König oder
I Herzog endlich hatte an seiner Seite einen Hof-
1 lichter, der die Appelationsgerichtsbarkeit aus-
I Olde. Also eine aufsteigende Klimax Dorfgericht,
1 Landgericht, Hofgerieht bildete den deutschen
Staat. ALs verwandte Erscheinungen neben der
1 uralten Cent, stehen da die späteren gutsherrlichen
, oder Hofmarksgerichte — in Bayern und ganz
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64
Deutschland aufgehoben iin Jahre 1848 — und
das Sendgericht — synodus — ein geistliches
UUgegericht dessen Schöffen sendbarfrei MUnner
hiesson. Die staatenbildende Kraft der Centenen
zeigt sich insbesondere auch im Canton Grau-
bünden wo der Zehngerichtebund, sieh mit zwei
arideren Bünden associrt und sc den Canton bildet,
der schliesslich wieder ein Glied der Kidgenossen-
schaft wird. Was bei den Angelsachsen da< hundred
war und noch ist, dürfte der in Wales — also
bei Gelten — vor Heinrich VIII vorkommende
cantref sein. Ganz Wales zerfiel in 50 cantrefs.
HiefUr können Zeugnisse beigebracht werden aus
Taciti Germania , den Kapitularien Karls des
Grossen, dein Sachsenspiegel, den Gesetzen des
letzten angelsfichsichen Königs Eduard des Be-
kenners und andere mehr.
Kleinere Mittheilungen.
Aus Frankreich durch Dr. Bartels (Berlin.)
1. Pari», 4. Februar. Der in» Unterrichtsmini-
sterium bestehende Ausschuss für w i » » e n » c h a f 1 1 i c h e
Reisen und Missionen hat in seiner letzten Sitz-
ung folgende Aufträge vergeben: Uh. Cournuult :
Abzeichnung der seit zwei Jahren in den Schweizer
Seen entdeckten und in den dortigen Museen, na-
mentlich in Lausanne, ausgestellten Alterthfimer des
Brome- lind Steinzeit ult er«; A. Cft »tan: Mission nach
Italien behufs Vergleichs der dortigen Denkmäler mit
den gullo-römischen: I). Khurnuy: Mission muh
Yukutan und Palenque (Mexico) behufs photographi-
scher Aufnahme der dortigen Bauten. Basreliefs und
Inschriften um! Nachgrabung nach Schädeln und
Skeletten: Derembourg: Keine nach Spanien zur
Inventarisirung der auf der Halbinsel zerstreuten ara-
bischen Manuskripte: v. Ujfalvy: Mission nach Süd-
nwtland. Armenien, «las nordwestliche Persien, zu den
Turkomaiis, in da« Becken des Ober-Oxu* und das
afghanische Turkestan mit dem Pamirplatenu als
Objektiv. Diese Reise, welche geographische, anthro-
pologische. ethnographische, archäologische und na-
turgeschichtliche Studien umfassen soll, ist auf zwei
Jahre berechnet; Consta ns: Reise nach England,
um in Spaiding und Cheltenham Manuskripte von dem
Thclien-Romane zu sammeln; Morcl-Fatio: Reise
nach Spanien zur Erforschung der für die Herstellung
der spanischen Kataloge der National bibliothek er-
forderlichen Dokumente und zum Studium des Chro-
nisten Johann Gil von Zu morn (dreizehnte» Jahr-
hundert); Brau de Saint- Pol Lias und K. de
lu Croix: ethnographische Forschungsreise nach
Sumatra; Cuhun: botanische Reise in das arabische
Helku-Land, noch Kurdestan, in die Gegend zwischen
Antiochien ( Antukiehj und Marakieh und in das Dreieck
zwischen Suleimanie und Serdecht; Schräder: oro-
graphische Forschungsreise in die Pyrenäen ; Cr e v a u x :
Forschungsreise in die amerikanische Aequatorgegeml
von Süden nach Norden, von Bnenos-Ayre» naidi dem
A m azonenstrom . Die Missionen der Herren (1uhu]n,
K h a r n a y , C r e v a u x und C j f.al v y sind vor <ler llantl
nur im Prinzip beschlossen, da die bedeutenden Kosten,
mit «lenen sie verbunden sind, eine besondere Kredit*
Druck der Akademismen Buchdruckerei ron F. Straub u
fordern ng bei den Kammern erheischen. D e L a-
h au me du Puy-M ontbrun macht der archäolo-
gischcn Gesellschaft de lu Dröme die Anzeige, da«*
in dem „Nymphenthal«*“ lau de la Gardo-Adhdmar
eine Menge Dmi<len-Altäre aufgedeckt wonlen sind.
(Vossische Zeitung, Berlin 8. Februar 1880.)
2. Paris, 14. Juli. Die Municipalitat von
Pari» lässt alle gallisch-römischen, in Paris sellwt
gefundenen, in dem Musee de Cluny befindlichen Alter-
thüiner in Gyp« abformen , um sie . zu einem t «anzen
vereint, in einem «l«*r Säle der Stadtbibliothek aufzu-
stellen. Da diese für die Geschichte von Pari» so
wichtigen Antiquitäten, meist in Marmor und mit
vielen bildlichen Darstellungen und Inschriften, in dem
genannten Museum nur zerstreut und vereinzelt, viele
HOgar sehr ungünstig, haben Platz finden können, so
ist diese nun erfolgende, historisch geordnete Zusam-
menstellung nur geeignet , diese Denkmäler «ler rö-
mischen Vorzeit, mit welcher «*j*»t eine höhere Kultur
von Pari» und Gallien beginnt , allgemeineren und
gviinillicheren Studien zugänglich zu machen. — Die
, hiesige „geographische Gesellschaft" bereitet «lein )**-
; rühmten Afrika- Reisenden, dem portugiesischen Major
; Serpa Pinto . welcher in diesen Tagen hier erwartet
wird, einen feierlichen Empfang vor. Dieser unter-
nehmende und gelehrte Forscher hat Afrika durch-
reist von Ongunta bis Porl Natal, die Quelle des
i Stromes Kubango entdeckt, die Einmündung desselben
■ in «b*n See Ngumi uufgefunden und «lie Gebirge von
I Kangala durchwandert. Eine» «ler wichtigsten Ergeb-
I nifwe aber «ler Reisen Pinto*» i»t die Entdeckung eine»
I grossen Salzsee» in der Steppe von Kalahari, welchen
; die Bewohner derselben Makarikari nennen. Dieser
etwas flache aber umfangreiche See empfängt »ein
Wasser grfeatentheil» durch die tropischen R«*gen,
welche »ich , wie eine Fluth , vom Himmel ergiewen
und binn«*n wenigen Tagen «las Seebecken mit Wasser
anfüllen. Allein die Sonnengluth saugt dassellx* gro«s«*n-
theil» wieder auf und der Boden de» See» ist dann
überzogen mit einer dichten Salzkruste, welche da*
weite, fliehe Becken wie eine weis»«*, glänzende Kry*
stalldruse erscheinen lässt. Uebrigen» »teilt der See
Makarikari in Verbindung mit dem See Ngavui ver-
möge de» Flusse* Botlette. Die Fluthen «ler tropi-
schen lieg«'» »ind »o gewaltig und fallen, stromartig
»o dicht, «lau», bei der weiten Ebene, welche «ler Bot-
lette durchströmt. derselbe «lie Wa»»ermaHHt>n bald in
den Makarikari , bald in d«*n Ngami ergiesst in rück-
läufiger Strömung, l’ebrigen» »teilt diese» ganz**
Wasser gebiet un«l zwar die Seen Makarikari und
Ngami, sowie «lie Ströme Kubango, Konchi, Tioguc.
Botlette u. ». w. in engster Verbindung. Was das
1 Ethnographische anbetriftt. also «lie Beechntfenhcii
der auf diesen Länderstrecken lebenden Völkerfa-
milicn. z. B. in dem Lan«le «ler Matabeh*». so hat
Pinto eine weinte Kaue an «len Ufern «1«*« Kubango
und des Konchi entdeckt , welche »ich KuMscqtten
i nennen. Diese Kassequen «ind merkwürdigerweise
noch h«*ller an Farbe als wie die Kaukasier und erinnern
ihrer Getrichtsbildung nach an die Chinesen. Die«*
Weissen Central- Afrika» sind nicht sehr zahlreich und
ernähren »ich nur »ehr spärlich , vor allem dadurch,
da»» «ie nur in Familiengruppen von 20— BO Personen
| diese weiten Ebenen und Gebirgsketten nomadi-cii
I durchstreifen, fast nur lebend von JAgd und Fischfang.
Seist verständ lieh sieht man hier allen «li«‘»en mfind-
liehen berichten des Afrika-Forscher» mit lebhaftem
Intere»««* entgegen. Auch Seitens der Regierung »teht
| ihm «lie ehrendste Aufnahme bevor.
i München. — Schluss der Redaktion am 17. Juni 1(&>
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von Professor Th. Johannen Hanke in München,
Getm aUtti ftäi der OnetUehaß.
XI. Jahrgang. Nr. 8. Ericheint jeden Monat. AllgUSt 1880.
Virohow’s Beiträge zur Landes-
kunde der Troaä. Berlin isso.
Professor Pr. W. v. Christ, Mönchen.
S c h 1 i e in a n n’s glänzende Entdeckungen einer
alten Stadtanlage auf der Höhe von Hissarlik
haben die Frage uueh der Lage des homerischen
Ilion von neuem in Fluss gebracht. Man hätte
erwarten sollen , dass die alte Annahme , Troja
habe auf der linken Seite des Skamandar bei Bu-
narbaschi gelegen, durch die von unserem Lands-
mann mit Spate und Schaufel gelieferten Be-
weise definitiv zu Grabe getragen worden sei.
Dem war aber keineswegs so; bedeutende Ge-
lehrte, wie Prof. Stark in Heidelberg und
Rektor Fr ick in Rinteln, sind von neuem für
Bnnarhaschi in die Schranken getreten, und Dr.
Brentano in Frankfurt a. M. hat gar noch einen
dritten Punkt, den Ausläufer des Bergrückens
zwischen dem Dumbrek und dem Krgeköi - Bach
als Stätte der alten Priamosveste aufgestellt. Ich
kann nicht sagen, dass die Schriften jener Ge-
lehrten einen irgend überzeugenden Eindruck auf
mich gemocht haben; aber das haben sie mit
Evidenz erwiesen, dass die Frage , ob auch His-
sarlik eine uralte Niederlassung, die alte Haupt-
stadt des troiseheu Landes gelegen gewesen sei,
sorgfältig von der anderen Frage getrennt werden
müsse, ob denn auch Homer sich an jener Stelle
sein Ilion gedacht habe. Die letztere Frage hat
sich in den letzten Jahren immer mehr auf den
Punkt zugespitzt, ob Homer von dem Schauplatz
seines Heldengedichtes eine genaue, durch An-
topsie erworbene Kenutuiss gehabt habe oder
nicht. In negativem Sinne hat diese Streitfrage
einer unserer gelehrtesten Hellenisten und scharf- i
sinnigsten Kritik«*, Rud. He roh er iu der aka-
demischen Schrift Über die Homerische Eben»*
von Troja beantwortet. Mit schneidigen Watten
suchte derselbe zu beweisen , dass nicht bloss
Homer und die Homeriden nur durch die wan-
dernde Sage KenntDiss vom troischen Lande er-
halten haben, sondern dass auch der zweite Fluss
der Ebene, der Simois, joder Realität entbehre
und nur in der Phantasie der Dichter entstanden
sei. Die Worte H erch er’s waren so entschieden
und zuversichtlich gesprochen , dass sie bei den
Lauen und Ortsunkundigen des Eindrucks nicht
verfehlten ; wem freilich vergönnt war jene ge-
heiligten Stätten der Poesie selbst zu schauen,
dem konnte die wankende Grundlage der kühnen
Schlüsse des gelehrten Kritikers nicht entgehen.
Nur ein Mann , der einer vorgefassten Meinung
zulieb über alles andere wegsah , konnte den
Dumbrek einen Hungerbach nennen und einen
Hahn über denselben wegack reiten lassen. Aber
nachdem einmal scharf und bestimmt gel&ugnet
worden war, dass der Sänger der Ilias das Thal
des Skomander mit eigenen Augen geschaut und
aus der Oertiichkeit selbst die Farben und Töne
zu seinem Bilde genommen habe, musste es dop-
pelt wünschenswert!» erscheinen von der troiseheu
Ebene selbst, insbesondere von ihrer geologischen
Beschaffenbeit und der möglichen Veränderung
ihrer Flussläufe genauere, auf detaillirter Forsch-
ung beruhende Kenntniss zu erhalten. Herr Fr ick
hatte schon auf die Lücken unseres Wissens in
dioser Beziehung hingewiesen und den Wunsch
ausgesprochen , es möchte eines der zahlreichen
archäologischen Stipendien benützt werden , um
eine befähigte Kraft zu einem längeren Aufent-
halt iu der Tronde auszurüsten und der eud-
9
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66
gültigen Behandlung der troischen Frage eine
sichere topographische Grundlage zu verschaffen.
Die Sache ist besser gekommen , als sie der
hartnäckige Vertheidiger von Bunarbaschi zu
hoffen gewagt hatte. Nicht ein junger Archäo-
loge, der erst mit den unerlässlichen naturwissen-
schaftlichen Kenntnissen ausgerüstet werden musste,
ein erprobter Veteran« der Wissenschaft, der wie
kein zweiter bereits im Vollbesitz aller zu einer
solchen Unterzeichnung nöthigen Kenntnisse und
Fertigkeiten war, der Präsident unserer anthropo-
logischen Gesellschaft , Professor V i r c h o w , hat
sich der Aufgabe unterzogen die geologischen
hydrographischen und die sonstigen natürlichen
Verhältnisse der Tronde zu erforschen. Im April
des Jahres 1879 hat derselbe meist in Gesell-
schaft mit Herrn Schliemnnn das Land nach
verschiedenen Richtungen durchstreift , indem er
sich anbei nicht auf die Untersuchung der un-
teren Skamanderehene beschränkte, sondern seine
Forschungsreisen bis zu den Quellen des Ska-
mander und auf die ganze Umgebung der Tief-
ebene ausdehnte. Mit staunenswerther Ausbeut-
ung der kurzen Zeit hat er in den wenigen
Wochen allen Verhältnissen des Landes seine Auf-
merksamkeit zugewendet, die vulkanische Natur
der die Ebene umrahmenden Berge festgestellt,
die Temperatur der Quellen gemessen , die Be-
schaffenheit des Bodens durch eingeschlagene
Löcher untersucht, selbst die Kenntnis« von der
Flora und Fauna der Gegend durch mannigfache
Beobachtungen bereichert. Bald nach seiner
Rückkehr hat dann der grosse Forscher das Er-
gehniss seiner Beobachtungen und Untersuchungen
in einer in den Schriften der k. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin erschienenen Abhand-
lung niedergelegt , die den bescheidenen Titel
führt „Beiträge zur Landeskunde der Troas. Der
Abhandlung, welche auch separat durch die Dllmm-
ler'sehe Verlagshandlung zu beziehen ist, sind
zwei werthvolle Kärtchen beigegeben, eine linear
ausgeführte Erläuterungstafel mit den Namen der
Flüsse, Höhen und Dörfer, und eine farbig ge-
druckte Tafel, welche ein Bild der hydrographi-
schen und geologischen Verhältnisse der vorderen
Troas gibt. Ich weiss nicht, was ich mehr be-
wundern soll, die Kurze der Zeit, in der es dem
Forscher gelang, so reiche und mannigfache Unter-
suchungen abzuschliessen , oder die Gewandtheit
des Schriftstellers, der in einer so anziehenden,
ebenso sehr poetisches Verständnis« wie exakte
Methode bekundenden Weise die Ergebnisse
seiner Untersuchungen dem Leser zu bieten ver-
mochte. Auch wer sich weniger für den ge-
lehrten Streit der Homerkritiker interessirt, wird
j mit Genuss das schöne Buch, und besonders ein-
] zelne Theile, wie die Schilderung von den
Quellen des alten Skamander, des heutigen Men-
dere lesen. Für die Homerforscbung aber und
die Topographie der troischen Ebene hat der
Verf. erst den sicheren Boden geschaffen, der
einen ganz anderen Verlass bietet als die Phanta-
sien des Strabo, und eine ungleich grössere Fülle
von Tbaisachen erschließt, als aus den Deute-
leien der zerstreuten Berichte alter Schriftsteller
je gewonnen werden kann. AU das bedeutendste
Ergehn iss sehe ieh die Konstntirung der That-
sache an , dass an eine ehemalige weite Ein-
buchtung des Hellesponte, wie sie Strabo an-
nahm und mit L e c 1» e v a 1 i e r auch Eckenbrecher in
seine Karte einzeichnete , nicht mehr gedacht
werden kann . indem vielmehr die Küstenmarsch
den in der historischen Zeit am meisten unbe-
rührten Theil der Ebene bildete und die etwaigen
Veränderungen der Ebene seit Homer eher in den
Flussläufen zu suchen sind. Für die alte Kontro-
verse über die beiden Quellen des Skamander,
die lauwarme und die eisigkalt« vor den Thoren
der Stadt, sind von hohem Interesse die genauen
Temperaturmessungen aller Quellen, die bei dieser
Frage in Betracht kommen können. Virchow
glaubt , dass Homer sich auf die eigentlichen
i Quellen des Skamander tief im Gebirg bezogen
haben, die wirklich einen bedeutenden Tempera-
turunterschied aufweisen , indem die eine 8°, 4,
die andere 15°, 8 zeigte. Die Annahme und die
Thatoache ist nicht neu, vor mehr ^ls 5 Jahren
theilte sie mir bei meinem Besuche der Troade
Herr Calvert mit, und schon im Jahre 1872
machte Clarke, Travels p. 145. auf den Tem-
peraturunterschied jener Quellen aufmerksam.
! Aber auch jetzt noch muss ich es für äusserst
| zweifelhaft erklären, dass Homer die dichterische
| Freiheit soweit getrieben habe, die Quellen des
Flusses im Gebirg vor die Mauern der Stadt in
die Ebene zu verlegen. Weit eher wird der
Dichter , wenn er sich überhaupt an die reale
Wirklichkeit hielt und nicht ein freies Phantosie-
gemälde schuf, die Quellen irgend eines kleinen
Zuflusses des Skamander in der unteren Ebene
vor Augen gehabt haben , und da ist es von
Wichtigkeit zu erfahren, dass in den unteren
Skamanderebenen nur die Quellen des von C al v ert
trocken gelegenen Duden eine hohe, fast thermale
I Temperatur aufweisen ; die wärmste von ihnen
i mass 22°, 0, während der gefasste Brunnen von
i Bunarbaschi nur 17°, 4 hatte. Oberhalb jenes
Duden aber nahm schon Ulrich in einem Auf-
I satz des Rheinischen Museums v. J. 1845 die
I Lage des homerischen Ilion an , und wenn man
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von den Schilderungen des Dichters im 2. und
22. Gesang ausgeht , wird man auch immer
wieder auf jene Gegend zurückkotnmcn.
Was aber die brennende Frage nach der
Autopsie des Homer anbelangt , so drückt sich
Virchow wohl in zarter Rücksicht auf seinen
verstorbenen Kollegen Her eher mit grosser
Rückhaltung aus. Er lässt zwar deutlich durch*
blicken , dass er die Ilias , von einzelnen späten
Zusätzen abgesehen, für das Werk eines einzigen
Dichters halte, und dass ihm aus den Schilder-
ungen Homer’s eine lebendige und wahre Natur-
anschauung zu sprechen scheine ; im übrigen fasst
er am Schlüsse seines Ruches seine Ansichten in
folgenden vorsichtigen Sätzen zusammen ; „Die
Gesammtheit dessen , was ich über die Landes-
verhältnisse der Troas mitgetheilt habe , muss,
wie ich denke, Jedermann überzeugen, dass die
homerische Dichtung viel mehr Ortskunde ent-
hält, als man vermut hen konnte, so lange man
die Natur der Troas nur in einom beschränkten
Rahmen betrachtete. Indem ich die Gegenstände
der Betrachtung vervielfältigte, den Rahmen des
Bildes beträchtlich erweitert habe, ist eine Fülle
von Beziehungen hervorgetreten , welche sich in
dem Gedichte wieder spiegeln. Nicht ohne grobe
Willkühr könnte man diese Beziehungen zurück-
weisen und es dem Zufall zuschreiben , dass die
Darstellung wie im Grossen, so in Kleinigkeiten
wahrheitsgetreu ist. Ob der von mir geführte
Nachweis der Wahrheit in der Schilderung der
natürlichen Verhältnisse des Landes und seiner
Bewohner den Fachgelehrten genügen wird , um
auch dio Autopsie des Dichters zuzulassen , muss
ich abwarten. Gesteht man sie nicht zu , so
würde man sich dahin entscheiden müssen, der
voraufgehenden Sage einen so grossen Einfluss
auf die spätere Deutung, eine so ausgebildete
Fortnulirung und Ausführung der auf die Orts-
verhältnisse bezüglichen Stellen zuzuschreiben,
dass ein nicht unbeträchtliches Stück des poeti-
schen Verdienstes der Mythologie zufallen würde.
Mir widerstrebt eine solche Vorstellung, weil
nach meiner Auffassung der Charakter der Dicht-
ung durchgehend ein so einheitlicher und har-
monischer ist , dass die Annahme , wesentliche
Stücke der Dichtung seien nichts weiter als ge-
schickte Ueberarbeitungen fertig überlieferter
Sagen, mir als eine gänzlich unzulässige erscheint“.
Ich denke, auch jeder unbefangone Philologe
wird von einer solchen Mythologie nichts wissen
wollen und in der Hauptsache auf Seite V i r-
c h o w’s treten. Ob damit freilich schon alle
Schwierigkeiten der homerischen Frage gelöst und
die Einheit des Dichtwerkes erwiesen sei, ist eine
andorc Sache, in der sich der Referent in Oppo-
sition zu Virchow stellen muss. Virchow
meint S. 171, dass auch vor einer strengen Kritik
die Darstellung der Ilias bestehen könne, wenn
man nur annehme . dass zu Homers Zeit der
Skamander noch nicht, wie heutzutag der Men-
dere bei Sigeum (Kum-Kale) in's Meer sich er-
j gossen habe, sondern weit östlicher in dein Bette
des heutigen Intepe - Asuiak geflossen sei. Die
j Annahme ist ohnehin eine sehr kühne, da schon
zur Zeit des Strabo oder richtiger schon zur
I Zeit dos Demetrius von Skepsis der Skamander
an derselben Stelle, wo heute der Mendere seinen
Ausfluss hatte, und der Paläskamander des Pli-
i nius einmal nur ein Verlegenheitsfluss der Gram-
matiker gewesen zu sein scheint und danu auch
weit eher in den Winterbetten zwischen dem
i Kalifatli - Asmak und Mendere gesucht werden
muss. Wenn dann aber Virchow fortfährt,
dass man bei solcher Annahme einen grossen
Fluss und eine viel passirte Furt zwischen dein
Schitfslager und Ilion erhalte, so hat er damit
allerdings für die drei Stellen, an denen die Furt
erwähnt ist (XIV 433, XXI 1, XXIV 693), eine
einfache Deutung geschaffen, aber nur um damit
I die Erklärung zweier Stellen im 5. und 11, Ge-
I sang, (V 36 u. 355, XI 499), nach denen die
Troer beim Vormarsch gegen das Schiffslager der
Achäer den Skamnnder zur Linken hatten, völlig
unmöglich zu machen. Um aus diesem Gedränge
herauszukommen , habe ich bereits in tneineui
Aufsatz über die Topographie der Trojanischen
Ebene zu der Hypothese Wolfs von mehreren
Dichtern der Ilias meine Zuflucht genommen,
und ich sehe auch heutzutage nach den genauen
Informationen, welche wir Virchow verdanken,
keinen anderen Ausweg.
Mittheilungen aus den Zweig-
Vereinen.
1. Natur forschende Gesellschaft in llanxlg.
Anthropologische Nectfon.
Sitzung von» 25. Februar 1880.
1. Der Vorsitzende Dr. Lissauer beginnt die
Sitzung mit einem Referat über eine neu er-
schienene Arbeit des Hm. Ossowski in Krakau
, über die prähistorischen Alierthüiner West-
preussens. In den letzien Jahren hat die Akademie
der Wissenschaften zu Krakau ein immer grösseres
Interesse fllr die Urgeschichte der einst polnischen
Länder entwickelt, und die von ihr eingesetzte
archäologische Commission hat sich die Aufgabe
vorgesetzt, die einzelnen ihr zur Verfügung ge-
stellten Abhandlungen auf diesem Gebiet zu ver-
ü*
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f>H
Öffentlichen. („Monuments prebistoriques de Ton- |
cienne Pologne.“ „I. Serie Prass* royale par
Godefroy Ossowski. Cracovie 1879.“) Die vor-
liegende Arbeit des Herrn Os so wski ist die erste
in dieser Reihe und lw»zieht sich besonders auf
den früher polnischen Theil des Königreichs |
Preussen. Wir hegrüssen dankbar das Unter- |
nehmen, weil auf diesem Wege alle die Alter-
th ümer aus unsrer Provinz , welche in polnischen
Sammlungen nufbewahrt werden , und alle Unter-
suchungen polnischer Forscher in W est preussen
unserer Kenntniss und wissenschaftlichen Ver-
werthung zugHngig gemacht werden , lun so
mehr, als die Akademie keine Mittel scheut, die
Arbeiten möglichst schön und reich mit Abbild-
ungen auszustatten. HerrOssowski giebt in die
sem ersten Heft eine sehr sorgfältige, durch viele
Tafeln illustrirte Darstellung von den ihm be-
kannten Hügel- und »Steinkisten-Gräbern unserer
Provinz. Obwohl wir auf Grund vielfacher Unter-
suchungen viele Hügelgräber für Kenotaphien
oder Malhügel halten müssen , und die strenge
Durchführung der Eintheilung der Gräber nach
Herrn 0. manches Bedenken hat, so verdient
das begonnene Werk im Ganzen doch unsere
volle Anerkennung. Mit Interesse erwarten wir
die Fortsetzung der Arbeit.
Herr Ober-Stabsarzt Dr. Fröling berichtete
demnächst 2. „U eher die Ergebnisse der
Untersuchungen des Terrains bei 0 x-
hüft, bezüglich vorhistorischer Alter-
thü mer.“ Nach einer Darlegung des Fund-
b rrains erörterte der Vortragende unter Vorlage
und Demonstration einer grossen Zahl von Ob-
jekten die Resultate seiner höchst interessanten
Studien über Keramik und Ornamentik der Funde.
Ueber diesen wichtigen Vortrag wird hier nur
in Kürze berichtet, weil derselbe unter Bei-
fügung von Abbildungen in den Schriften der
naturforschenden Gestdlsehaft veröffentlicht wird ,
und das Verständnis« der Details vielfach erst
durch die Zeichnungen vermittelt werden kann. —
In den anthropologischen Sammlungen zu Krakau
und Thora befinden sich Gefitssfragmente von
Oxhüft stammend, welche das dem Steinzeitalter
zugeschriebene Schnurornament zeigen. Dies ver-
nnlassteden Vortragenden und Hm. Dr. Lissauer
zu Forschungen auf dem Terrain in der Gegend ,
von Oxhöft , welche Hr. Dr. Fröling demnächst
in 5 Excursionen weiter fortsetzte. Es fanden
sich zunächst in der Niederung, im Kielauer
Brach längs den beiden Ufern der Kielau an
verschiedenen Stellen, welche von Wind und
Regen durchfurcht waren fs bis 1 Meter unter
der jetzigen Oberfläche des Bodens eine 20 — 40
cm mächtige Kulturschicht , bestehend aus einem
Gemenge von Kohlen, Saud, Humus, welche
Einschlüsse von Thonseherben zu Tausenden ent-
i hielt. Diese Gefässreste traten znfolge von Wit-
terungseinflüssen auch vielfach zu Tage. Nach
den Formen und sonstigen in dem Vortrag näher
entwickelten Gründen zu schließen, rühren jene
Scherben nicht von Grahumen her, sondern es
siud die Reste von Geschirren zum täglichen
Gebrauch. Wir finden Formen, die Terrinen,
Tassen, Schalen und Töpfen entsprechen. Die
Technik anlangend, giebt es einige sehr plump
und ungeschickt gearbeitete Geschirr- Reste , bei
welchen die Anwendung der Töpferscheibe aus-
geschlossen werden muss, die überwiegende Mehr-
zahl scheint dagegen auf der Töpferscheibe, oder
wenigstens nach einer Methode angefertigt zu
sein, die das zu formende GefUss auf entspre-
chender Unterlage in notirende Bewegungen ver-
setzte. Die Geschirre wurden jedenfalls in der
Nähe ihres jetzigen Fundortes , wo noch heute
I in Lagern trefflichen Thons das Material reichlich
vorhanden ist, und wohl auch von einheimischen
Töpfern angefertigt.. Die Formen und Verzier-
ungen gehören jener Kulturperiode an , welche
wir nach Vircbow als die Zeit des Burgwall-
Typus bezeichnen. Von hohem Interesse erscheint
j die Ornamentik der GefÄssreste. Wir müssen
dabei im Auge behalten , dass wir es mit den
bescheidenen Anfängen einer Industrie zu thun
haben, welche erst im Laufe der Zeit sich zu
einer höheren Stufe hinnufschwang. Zwar herrscht
noch eine grosse Armuth von Motiven , zwar ist
die Zeiclinuug noch in der Regel ungeschickt
und mit unsicherer Hand entworfen und durch-
geführt , aber wir erkennen darin schon das er-
wachende Stilgefühl und es erregt nicht selten
unsere Verwunderung, wenn wir sehen, mit wie
geringen Mitteln gefällige Muster erzeugt wurden.
Die verschiedenen Ornamente setzen sich aus
wenigen Grundelementen zusammen : Linien , grade,
als Wellen, im Zickzack verlaufend, Punkte,
Grübchen, kurze oder lange Furchen. Die Ver-
wendung dieser Grundtypen in der mannigfach-
sten Zusammensetzung bringt einfache wie rei-
chere geschmackvolle Verzierungen zum Vorschein.
Die Muster sind entweder flach eingeritzt oder
tiefer eingegrnben und kräftiger behandelt. Auf
einzelnen Bruchstücken finden sich Kreise von
7 — 8 mm Durchmesser, die auscheihend mit
einem hohlen cylindrischeu scharfrandigen Instru-
ment etwa 1 nun tief in die Fläche eingegraben
worden sind. Bei anderen Verzierungen sind
ovale »Stäbchenstompei augewendet worden. Es
muss auffallen , dass wir bei den Ornamenten
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die Nachahmung organischer Gebilde, z. B. der
Pflanze entnommen, fast gänzlich vermissen.
Keine BlÄtt^r, Blumen, Früchte, Banken. Wir
könnten freilich bei den bald rund, bald oval
oder eüanzettförmig wie Blättchen gestalteten
Eindrücken dergleichen vertnuthen , aber bestimmt
tritt dieses fast nirgends hervor. Obwohl die
Formen mancher GeftUse durch ihre pingefalzten
Ränder auf den Gebrauch von Deckeln hindeuten,
ist unter den Funden kein Fragment eines Deckels
vorhanden. Waren sie vielleicht aus einem leichter
zerstörbaren Material, etwa aus Holz hergestellt,
und fielen so einem schnelleren Untergange
anheim ?
Es muss ferner autfallen, dass noch keine
Henkel oder auch nur henkelähnliche Ansätze
und Handhaben endeckt wurden , während selbst
die weit unvollkommeneren Gefässe früherer Kul-
turperioden (z. B. der Steinzeit) solche aufweisen.
Es beruht das wohl auf Tradition oder heimi-
schem Brauch , wenigstens auf denselben Ur-
sachen, welche auch die charakteristische Form
und die spezifisch typische Ornamentik zur Folge
hatte, und beide trotz aller Abweichungen im
Einzelnen während der ganzen Periode im We-
sentlichen beibehielt. Wir kommen zu dem
Schlüsse , dass trotz der Arinuth an Motiven,
trotz der geringen Unterschiede in den Formen,
trotz des starren Festhaltens an , wie es scheint,
überlieferten Typen , sich die prähistorische
Töpferei unserer Gegend zu hoher ßlttthe auf-
schwang und innerhalb der vorhandenen engen
Schranken Anerkennungswerthes leistete. Wie
laDge die Industrie bestand, und wodurch sie
unterging , wissen wir nicht , wollen wir uns
nicht durch die Burgwall-Funde anderer Gegendeu,
deren Chronologie sicherer gestellt ist, leiten
lassen. Dass viele Jahrhunderte, vielleicht ein
Jahrtausend darüber verging , beweist die fast
4 Fass starke Sandschicht , welche eine dem un-
fruchtbaren Sande abgerungene Kulturscbicbt und
in ihr die so lange unbeachtet gebliebenen Spuren
einer untergegangenen Industrie gleichsam mit
einem dichten Bahrtuche zudeckte. Die Decke
lüftet sich , das Auferstehungsfest ist eingeleitet.
Bei den Scherben mit Sehnurornament von
Oxhöft, welche sich in den Sammlungen zu
Krakau und Thorn vorfinden, wird angegeben,
dass dieselben von Kiöckenmüddinger (Haufen
von Abfällen von Nahrungsmitteln und Gegen-
ständen des häuslichen Gebrauches) herrühreu.
Um diesen interessanten prähistorischen Kultur-
resten auf die Spur zu kommen, wendete sich
der Voitragende an Hrn. Kaplan Rüscznialski,
welcher sich schon seit Jahren mit der Erfor-
1 schling des Termins bezüglich vorgeschichtlicher
Alterthümer mit grossem Erfolge beschäftigt hat.
, Herr R. theilte bereitwillig die gewonnenen Er-
I fahrungen mit. Wiewohl Herr R. seine Funde
bisher vorzugsweise den Sammlungen in Thorn
zugewendet hat, dachte er doch unbefangen
1 genug, unsere Forschungen nicht als unliebsame
Coneurrenz auf/.u lassen , sondern im Interesse der
gemeinsamen Wissenschaft, deren Resultate ja
Allen zu Gute kommen , in anerkennungswerther
1 Weise zu fördern, wofür der Vortragende öflent-
1 lieh seinen Dank ausspricht. Die von Herrn
Kaplan R. als Fundort der Kiöekerniöddinger
I bezeichnte üertlichkeit liegt in der Nähe des
Ozliöfter Leuchtthurms. Durch unvorsichtiges
Ausgraben der erratischen Blöcke aus der steilen
Lehm wand des Ufers war hier das Erdreich auf
einer Länge von etwa 80—100 Schritten einge-
stürzt und zum Theil bis an den Strand gerollt,
wo seine Einschlüsse zur Entdeckung des angeb-
lichen Kiöckenmöddinger führten. Die in Ge-
meinschaft mit Herrn K. und später mit Herrn
Realschullehrer Schnitze bewirkten Untersuch-
ungen , wobei auch der Herr Leuchtthurms-Auf-
seher seine freundliche Unterstützung lieh , er-
gaben, dass eine 30—40 Centimeter mächtige
Kulturschicht , welche in einer Länge von 50
Schritten einschliesslich der Abrutsche sorgfältig
abgesucht wurde , Scherben und auch einige
Knochen beherbergt.
Unter den Scherben finden sich solche aas
1 älteren Kulturperioden und solche aus neuester
Zeit. Die wenig zahlreichen Knochen vom Schaf,
Schwein u. s. w. erscheinen nicht alt, und kön-
nen möglicherweise in neuerer Zeit mit Dung-
stoffen auf den Acker gekommen sein. Di« äl-
teren Scherben zeigen den Burgwall-Typus zum
Theil allerdings in seiner reichsten und edelsten
Entwicklung. Spuren der Steinzeit, wie Feuer-
steinsplitter oder Scherben mit den für diese Zeit
charakteristischen Ornamenten fanden sich nicht
j vor. Hiernach dürfte die Annahme eines Kiöcken-
möddingers an der bezeichneten Stelle keineswegs
I bestätigt sein.
Hr. Oaplan R. begleitete den Vortragenden
hierauf zum sogenannten „heiligen Berg.“ Er
lagert sich gegen Süden der Oxhöfter Kämpe
i vor, und ist nach Norden durch einen tiefen
Thaleinschnitt von ihr getrennt. Es wurden dort
vor Jahren kreuzweise über einander gelagerte
Schichten verkohlten Holzes gefunden , welche ein
industrieller Schmied in OxhÖft für sein Geschäft
ausgebeutet haben soll. Es sollen daselbst auch
früher zahlreiche Urnen mit verbrannten Men-
schenknochen-Resten zum Vorschein gekommen
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sein. Hr. I)r. FrÖling und Hr. Realschullehrer
Schultz e haben auch dieses Terrain sorgfältig
durchforscht. Es fanden sich wieder Scherben
aus verschiedenen Zeiten stammend vor. Nur
ein Theil konnte von Graburnen herrdhren, und
diese zeigten überwiegend den älteren Burgwall-
Typus. Dagegen wurden andere Gefiässreste ent-
deckt , welche nach Technik und Verzierung auf
ein höheres Alter Anspruch machen durften,
darunter zwei Sorten, welche zumal bei ihrem
Vorkommen mit sehr zahlreichen Feuersteinsplit- I
tern von honiggelber Farbe und einem nach sol-
cher Absplitterung zurückgebliebenen Steinkern
offenbar auf die Steinzeit hin weisen. Das vom
Professor Behrendt aus dem Kiöckenmöddinger
bei Tolkemit entnommene GeftlssstUck mit Orna-
ment von Reiben eingedrückter Stäbchen , gleicht
einem hier gefundenen Scherben. Auf zweierlei
Bruchstücken von GeHissen fand sich das der
Steinzeit eigentümliche Schnurornament. Der
Custos des Thorncr polnischen Museums hatte
früher dem Vortragenden einen Scherben mit
Sclmurornament geschenkt. Die Vergleichung
mit den hier gefundenen Stücken ergab eine '
solche llebereinstiuimung , dass man auf dieselbe
Fundstelle schließen, ja sogar anuehmen kann,
dass sie einem Geläss entstammen. Auch die
anderen, angeblich von einem Oxhöfter Kiücken-
müddinger herstammendon Bruchstücke mit Or-
namenten aus der Steinzeit stimmen mit den
Funden des heiligen Berges vollständig überein,
während sie von den Scherben am LeuchtG.urm
wesentlich unterschieden sind. Die interessanten
Forschungen auf dem Oxhöfter Terrain werden, [
sobald es die Jahreszeit erlaubt, fortgesetzt wer-
den, und zweifellos noch weitere hoch wichtige
Beiträge zur Kunde der Vorzeit liefern. Die
bereits erlangten Resultate enthalten schon sehr
werthvolle Belege zur Geschichte der prähistor-
ischen Keramik und Ornamentik.
11. Anthropologische Gesellschaft in Leipzig.
In der Sitzung vom 1. Juni hielt Herr Di-
rektor Hasse einen Vortrag über das Zwei-
kindersystem.
Anknüpfend au die in den letzten zwei Jahren
erschienene ansehnliche Literatur über die Ein-
führung des Zweikindersysteineg in Deutschland
als eines Palliativmittels gegen die Uebervölker-
ung erörterte der Redner die für und gegen das-
selbe sprechenden Gründe. Von Interesse war
dor Hinweis, da»> neuerdings die französischen
Schriftsteller (Gibert , Levaseur, Bertillon) sich
einstimmig gegen das in Frankreich herrschende
Zweikindersysteiu aussprechen und in ihm die
| Quelle nicht nur der socialen Missstände, sondern
j auch der strategischen Misserfolge (namentlich
mH Hinweis auf die Rekrutenaushebungen) zu
erkennen glauben.
Seine eigenen Anschauungen fasste der Red-
ner in folgenden Resolutionen zusammen :
1) Die sittliche Schuld, Kinder in die Welt
zu setzen, ohne dieselben ernähren zu können, ist
grösser, als diejenige des präventiven geschlecht-
lichen Verkehrs. Wer sich deshalb eine absolut«*
Enthaltung nicht aufzuerlegen vermag, wird unter
zwei Uebeln das kleinere zu wählen haben.
2) Die öffentliche Empfehlung des Zwei-
kindersystems und des präventiven geschlecht-
lichen Verkehrs ist zu verwerfen, weil sie un-
sittlich ist, unsittlich wirkt und gegen das In-
teresse der Gesammthoit verstüsst.
3) Eine allgemeinere Verbreitung des Zwei-
kindersy st eines würde nicht bei den proletarischen
Klassen, welche desselben am meisten bedürftig
wären, Platz greifen, sondern zuerst und zumeist
bei den wohlhabenden Klassen der Bevölkerung,
welche die Mittel und deshalb die Pflicht haben,
eine möglichst grosse Zahl gesunder und gebil-
deter Staatsbürger aufzuerziehen.
4) Für den Staat ist die Uebervölkerung ein
kleineres Gabel, als die Untervölkerung, da seine
Stärke znm Theil in einer grossen Einwohnerzahl
besteht.
5) Da Uöbervölkerungon thatsächlich nur vor-
übergehende Zustände zu sein pflegen, bedarf es
im Interejise der Gesammtheit auch nur vor-
übergehender Palliativmittel. Ein solches ist die
Auswanderung. Dieselbe kann für die Gesammt-
heit. nutzbringend gemacht werden , während die
Einführung des Zweikindersystemes den Orga-
nismus des ganzen Volkes schädigen würde. Von
präventiven Massregeln gegen die Uebervölkerung
kann nur eine gewohnheitsmäßige Verzögerung
der Eheschliessung empfohlen werden.
Io der an den Vortrag sich anschliessenden
Debatte hob Herr Dr. Andree den schädlichen
Einfluss eines präventiven geschlechtlichen Ver-
kehrs bei Naturvölkern hervor. So stirbt auf
den Südseeinseln die Bevölkerung infolge der
Präventivmassregeln aus: ein Verhältniss , das
andererseits auch in auffälliger Weise sich bei
den dem Zweikindersystem huldigenden Sieben-
bürger Sachsen durch Zurückgehen der Bevölker-
ungsziffer kund gibt. Auch Herr Dr. Obst be-
tonte aus eigener Anschauung das Vordringen
das wallachischen Elementes in den Grenzgebieten
der Siebenbürger Sachsen und den degenerirenden
Einfluss , welchen das Zweikindersystem auf die
physische Consitution letzterer ausübt.
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Literaturbericht.
I) i'ut m'Iip l'rwlt tob Wilhelm Arnold.
2. Auflauf, Gotha. Fr. A. Fort li er 1 H80.
E. S. Es freut uns, die zweit« Auflage dieses
interessanten Buches nnzeigen und empfehlen zu
können. Der durch seine Ansiedlung und
Wanderung deutscher Stämme, zu-
meist nach hessischen Ortsnamen
rühmlich bekannte Verfasser gibt in der deut-
schen Urzeit eine äusserst anregend geschrie-
bene Geschichte der deutschen Stämme und ihrer
Gesittung, hauptsächlich seit der Zeit als sie mit
den Römern in Berührung kamen bis zur Gründ-
ung der fränkischen Monarchie. Es behandelt so-
mit das Buch weniger die deutsche Urzeit , als
den Kampf mit den Römern bis in die Völker-
wanderung hinein, und von der eigentlichen Ur-
zeit handelt nur das erste Kapitel, das die vor-
geschichtlichen Wanderungen aus der ursprüng-
lichen arischen Heimath behandelt an Hand
linguistischer Studien. Die andern 7 Kapitel
handeln : vom Kampf mit den Römern , vom
Pfahlgraben und dessen Bedeutung, von der Bild-
ung der neuen Stämme, von der Kulturstufe der
alten Deutschen , von ihrem Kriegswesen , von
ihrer Verfassung und ihrem Recht, vom Glauben
und geistigen Leben.
Der Leser wird in dem äussorst anregend ge-
schriebenen Buche eine Fülle geistreicher Be-
merkungen finden , von denen wir nur eine hier
herausheben wollen , dass nämlich der von den
Römern gegen die streitbaren Germanen errichtete
Pfahlgraben die Germanen befähigte , an dem
Vortheil der Gesittung und Bildung Theil zu
nehmen , da derselbe die Veranlassung wurde,
dass die deutschen Stämme das hnlbnomndische
Leben aufgeben mussten, sie zu Ansiedlung und
Ackerbau nötbigend. Wir empfehlen das Buch
auf s Angelegentlichste allen Gebildeten.
Stö hr.
Kleinere Mittheilungen.
Eigentümlicher Gebrauch bei Beerdigungen
im Posen’schen. Bei Beerdigungen herrscht hier-
selbst unter der polnischen Bevölkerung, wie ich
dieser Tage erfuhr, folgender eigentümliche Ge-
brauch , der z. Th. offenbar in die heidnischen
Zeiten zurückreicht. Wenn der Zug mit einer
Leiche an einen Kreuzweg kommt, so wird
halt gemacht und ein Vers gesungen. Während
dessen werden ein paar Töpfe mit Wasser, welche
man zu dem Zweck mitgenommen, in aller Stille
zur Reite des betr. Kreuzweges niedergesetzt.
Die dies ausgeftlhrt , kehren dann um , wälirend
der übrige Zug sich weiter bewegt.
Bedenkt man , dass allgemein nach altem
Volksglauben bei den Kreuzwegen die Geister
ihr Wesen treiben , so hat man in dem ge-
schilderten Faktum offenbar den Ueherrest eines
alten Kultusgebrauches. Auch utn Hnrz soll
Aehnliches , wie ich zufällig nachträglich höre,
üblich sein. Es wäre interessant zu crmittelu,
ob sich dies bestätigt und der Gebrauch etwa
überhaupt weiter reicht und sich noch andere
neue Momente daran schlicssen. Hierauf die Auf-
merksamkeit zu lenken , ist der Zweck dieser
Zeilen.
Aura. Ali* Wuttke*» . Deutschem Volk«aU*r-
glauhen" Berlin 1809 möchte ich zur Auffassung den
obigen Gebrauch» zwei Momente heranziehen. 8. 4Ö‘>
heisst es daselbst: „ln (MpreusHen wird, wenn der
iAPichenzug Aber die Itorfgrenze oder Tiber einen K reuz-
w eg gebt, ein H a u fen S t rn h dorthin gelegt, damit
der Todte. wenn er in seine frühere Wohnung heim-
kehrt, auf demselben «ich ausruhen könne.*
Dcsgl. S. 440 aus Mähren: „her letzt Verstorbene
muss «len l’ebrigen so lange Wasser auf den Kirch-
hof tragen, hi« ihn ein umlerer davon befreit lablöst l* —
die Tödtvn verlangen nlw> darnach. Vereinen wir
beides, so ergebe sieb etwa Folgendes: Wie die Geister
an «len Kreuzwegen, wie schon oben erwähnt, ihr
Wesen treiben, so sorgte man, wie es scheint, dafür,
«lass «1er Geist «lej« jüngst Ver*torh«*nen dort er, eine
R u h e st ät te und falls ihn «Iflrste , Wtmer fände,
ebenso wie man ja auch eine Trinkschale mit
in*» Grab gab, ja sogar anderweitig «-inen Weg vom
Grube bis zum nächst en Wasser anlcgte . damit
es dem Todten, im Falle er durntc, erleichtert
werde, einen 'Prunk zu finden.* (». meinen Aufs, über
den prähistorischen Osten iin Ausland v. ,1. 1879
8. 127.)
Posen. Dr. W, Schwarz.
Höhlenuntersuchuogen.
1 . Eine Tropfstein höhle mit einer Masse
von Thier- und Menschenknochen ist, der russischen
„Set. Petersburger Ztg.* zufolge , im südöstlichen
Kayon de» ArbeitsbcsirkoH der MonLuncxjicdition im
mittleren Ural gefunden worden. Professor Karpinsk i
hat die Beschreibung des Fundes, welcher der sibi-
rischen Formation angehört übernommen.
Freiberg i. B.
von der W engen.
2. Aus Mähren, 1. Juli 1879 schreibt man «1er
„Augab. Allg. Ztg.“ : Seit mehreren Monaten werden
auf «lein Berge Kotonisch bei Stramberg in Mähren
Ausgrabungen vorgenommen, lau welchen inter-
essante und für die Wissenschaft höchst bedeutende
Resultate erzielt wurden: dieselben werden vom Herrn
Realschullehrer Karl I. Musch ka in Nentitachein in
systematischer allen Anforderungen der Wissenschaft
entsprechender Weise durchgeflihrt. Namentlich sind
es die beiden Höhlen S ch i p k a und T sc h c r t o w a
l>ira (auch Zwergenhöhle genannt), welche die Auf-
merksamkeit des Forschers auf sich lenkten und that-
sttchlich vollste Beachtung verdienen, indem es schon
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jetzt durch die hei den Ausgrabungen zu Tage ge- I
brachten Objekte und durch die Verhältnisse, unter J
welchen diese gefunden wurden, erwiesen ist, dass 1
beide Hohlen von Menschen in vorgeschichtlicher Zeit \
liewohnt waren und /war die erste, deren Decke zum j
Tbeil einge»türzt ist, in der ältesten Steinzeit, (in der
paliiolit bischen Zeit), die andere in einer späteren
Zeit, als der Mensch schon einige Kenntnis* «er Me-
talle hesass. Es ist ferner evident, dass der Mensch
dort gleichzeitig mit dem Mammut li und Höhlenbär
gelebt hat , indem beispielsw'cise verbrannte und be-
arbeitete Knochen noch l Meter unter den Kesten I
dieser Thiere sich vorfanden. Die Fände in der
SehipkahOhle bestehen an* Tausenden von Knochen vor-
siindfluthlu her Thiere als: Maimmith , Rhinoceroa,
Höhlenbär. Pferd, Urstier, Hirsch, Rennthier u. *. w.,
Tausenden von losen Zähnen dieser Thiere , Geweihen,
zahlreichen schön erhaltenen Stein- und Knochenwerk- j
zeugen, welche Gegenstände bis $ Meter unter der |
Oberfläche gefunden wurden. Ausserdem wurden in I
der obersten Schichte sieben Bronzegegenstände ge- |
fanden und zwar ein Hohlbeil tCelt) fünf ioneentri*che
Ringe und ein King mit einem rechtwinkeligen Kreuze |
(Rad mit vier Speichen), ln der Tschertowa Dir» |
wurden gefunden: Knochen von Höhlenbär. Rennthier. 1
Edelhirsch, Rind u. *. w., zahlreiche aucli bearbeitete 1
Geweihstücke , viele sehr gut erhaltene Beingeräthe
und Werkzeuge, al«: durchbohrte Nadeln, Pfriemen,
drei- und vierkantige Pfeilspitzen , rohe und nicht
polirt« Steinwerkzeuge von Feuerstein, Jaspis und
C'hulcedon , Fragmente von den verschiedenartigsten 1
Thongefassen . mit und ohne Graphitflberzug, aus
freier Hand ohne Benutzung der Töpferscheibe ver- ,
fertigt und mit charakt eristischen Ornamenten ver-
sehen , sowie auch dreikantige Bronzepfeilsp'tzen mit
einem Giftloch, durchbohrte Zähne, Muscheln, Schleif-
steine, Spinnwirtel u. s. w. Auf dem Scheitel des
Berges oberhalb dieser Höhle ist inan auf ausgedehnte
Brandstätten gestossen. und es fanden sich unmittelbar
unter dem Rasen nebst zahllosen Thonscherben auch
Scherben von Graphitgefitaicn , Steinwerkzeuge , da-
runter ein 1 1 1 Millimeter langes Messer und eine
durchbohrte |M>lirtt* Kugel, ferner verschiedene Bronze-
nnd Eisengegens* itndc. Dr. Max Bartels. (
Schwanzbildung beim Menschen.
(Entgegnung.)
Der von Herrn Dr. von Ihering redigirte, ,
im Corresponden/.-Blatte laufender Jahrgang, Nr. 5
nbgedruckte Sitzungsbericht de* leipziger anthro-
pologischen Vereins vom 20. Febr. d. J. bringt
einen vom Herrn Prof. H i s gehaltenen Vortrag |
über die Entwickelung des Steigsheins j
beim Menschen und über die Deutung der j
in der Literatur als Schwanzbildung
beim Menschen angeführten Fälle.
Was die Ausführungen des Herrn His über die
anatomischen Verhältnisse der regio coccygea und
die daraus gezogenen Folgerungen anlangt, so
fühle ich keinen Beruf einer Frage an dieser
Stelle näher zu treten, welche noch für längere
Zeit weit eren fach Wissenschaft liehen Erörterungen
an heim fallen dürfte. Doch will ich mir die Be-
merkung erlauben, dass der Unterschied zwischen
der, wenn auch schwankenden doch meistentheils
geringeren, Zahl der persistenten Steissbeinwirbel*)
und den 34 gleichsam typischen Wirbelsegmenten
des menschlichen Embryo die von Herrn Prof.
A. Ecker für diesen Entwicklungsvorgang ge-
wählte Bezeichnung „Rückbildung, Reduction“ zu
rechtfertigen scheint. Auch rücksicbtlich des
SchwanzbegrifTcs glaube ich der Eck er' sehen
Anschauung beistimmen zu müssen, nach welcher
die Benennung der bei verschiedenen Tbieren ver-
schieden geformten Caudalunhänge in erster Linie
der äussern Form nnd nicht dem innern Bau
derselben entnommen wird.
Es überraschte mich, dass Herr His in seinem
Vortrage über geschwänzte Menschen den von mir
Ende Juli v. J. beobachteten, im August photo-
graphirten und beschriebenen und in der Sitzung
der berliner anthropologischen Gesellschaft vom
1 g.-Oc tober 18 7 9 zur Mittheilung gekom-
menen, von pathologischen Complicationen ganz
freien Fall mit Stillschweigen übergeht. Mich
dünkt, dass die photographische Abbildung meioes
Falls keine geringere Beachtung verdient hätte,
als die von ihm erwähnten im Holzstich und als
Lichtbild dargestellten Fälle. Ich scheue mich
nicht, der Ueberzeugung Ausdruck zu geben, dass
ich als ehrlicher und rüstiger Beobachter auf dem
Gebiete der Secraltric kosen auch für meinen Fall
von Schwanzbildung das Recht beanspruchen darf
in der einschlägigen Literatur angeführt, zu werden.
Athen, im Juni 1880.
_ Dr. Bernhard 0 r n s t e i n , Chefarzt.
*) Ich hals* in 4 Fällen das Schwanzbein sogar
nur au» .*5 Stücken bestehend constatirt. Hierunter
zählt das im hiesigen Militärspital aufgestellte Skelet
eines Negers,
Deutsche anthropologische Gesellschaft
Mittheiluug an die Mitglieder.
Wir wir zu unserer Freude erfuhren, besteht die gegründete Hoffnung , dass Seine
KK. Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preussen in Person die prähistorische
Ausstellung am 5. August I. Js. eröffnen werde. —
Wir werden ersucht, die Reihenfolge der Mitglieder der Vorstandschaft, wie sie im Einludungs-
programm zur XI. allgemeinen Versammlung gegeben wurde, richtig zu stellen:
I. Vorsitzender: II r. Vlrchow, II. : llr. Koker, III.: Hr. Frau», <!en.-Sekrct.: Hr. Baake, SchaUmeist. : Hr. Weimuaai.
Druck der Akademischen Buchdruckern ron F. Straub in München. — Schluss der Redaktion an IT. Juli 1880.
Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Bcdigiri ron Professor Pr. Johannes Ranke in München,
Gn\fral*Kr*iär der Gtnü*ch<3j%-
Nr. 9, 10 & 11.*) Erscheint jeden Monat. Sej)t., Okt. U. NoV. 1880.
Bericht über die XL allgemeine Versammlung der deutschen
anthropologischen Gesellschaft zu Berlin
vom 5. — 12. August
in Verbindung: mit der ersten Ausstellung vorgeschichtlicher und
anthropologischer Funde Deutschlands
vom 5. — 21. August 1880.
Nach stenographischen Aufzeichnungen
redigirt von
Professor Dr. Johannes Hanke in München
Generalsekretär der Gesellschaft.
I.
Tagesordnung und Verlauf der XI. allgemeinen Versammlung.
Mittwoch den 4- August. Nachmittags von 4 Uhr an Anmeldung der Theilnehmer an der
Versammlung im Bureau der Geschäftsführung im Abgeordnetenhause. Abends 7 Uhr gesellige Zu-
sammenkunft in den Räumen des Leipziger Gartens, Begrüssung der Gäste durch die Lokalkommission.
Donnerstag den y. August. Von 9,10—12,45: I. Sitzung im Sitzungssaale des Ab-
geordnetenhauses.
Um 10l/s Uhr Vorstellung der Vorstandschaft, der Lokalgeschäfteführer und der Ausstellungs-
kommission vor Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten : dem Kronprinzen des Deutschen
Reiches und Kronprinzen von Preussen, dom Protektor der Ausstellung, der Kronprinzessin
des Deutschen Reiche« und Kronprinzessin von Preussen mit dem Erbprinzen von Sachsen- Meinigen
Um 10*/4 Uhr. Fortsetzung der I. Sitzung unter Anwesenheit der Kaiserlichen und König-
lichen Hoheiten. Um 12 Uhr Eröffnung der Ausstellung prähistorischer und anthro-
pologischer Funde Deutschlands in den Räumen des Abgeordnetenhauses durch den
Protektor derselben Seiner Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen
des Deutschen Reiches und Kronprinzen von Preussen und eingehende Besichtigung
derselben durch die Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten unter Fühlung der Vorstandschaftsmitglieder.
Um 5 Uhr gemeinschaftliches Festmahl im zoologischen Garten.
•) Nr. V — H dt»a (!orrnsi>ondenzblattes mit dem Bericht bestehen analog wie in den Vorjahren au*
den 2 vorliegenden Bogen und den 20 Bogen der separatgedrnckten und schon versendeten Verhandlungen
der XI. allgemeinen Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte
zu Berlin im August 1H80 in stenographischer Aufzeichnung.
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Freitag don 6. August. Von 9 — 1 Uhr: II. Sitzung. Dann Besichtigung der anatomisch-
ethnologischen und der paläontologischen Sammlung der Universität. Nachmittags Besichtigung der
ethnologischen, altnordischen und aegyptisehen Abtheilung des Königlichen Museum’s.
Um 7 Uhr: Ausserordentliche Sitzung der geographischen Gesellschaft
in dem Saale des Architektenhauses zur BegrQssung der Deutschen anthropologischen
Gesellschaft. Abends gesellige Zusammenkunft im Leipziger Garten.
Sonnabend den 7. August. Von 8 — 9 '/* Uhr Anatomische Conferenz. Von 9 V* — 1 2 Uhr
III. Sitzung. Dann Besichtigung des Antiquariums und der Pergamenischen Funde im Königlichen
Museum, der Ausgrabungen von Olympia im Campo Santo am Dom und der indischen Sammlungen
in der alten Börse. Nachmittags Besichtigung dos Pathologischen Instituts und der osteologischen
Sammlung der anthropologischen Gesellschaft in der Charite. Daselbst im Aufträge des abwesenden
Herrn Professors Dr. Munk Demonstration eines Affen mit artificischcm Defekt beider Stirnhirne
und eines anderen mit Defekt des einen Stirnhirns, eines Hundes mit Defekt beider Hinterhnupts-
lnppen und eines anderen mit Defekt des einen Hinterhauptslappens. Besichtigung der geologischen
Landesanstalt, der Anatomie und Thierarxneisehule und des Physiologischen Institus. Abends gesellige
Zusammenkunft im Restaurant, Stadt park.
Sonntng den 8- August. Spreewald-Ausflug. Abfahrt mittelst Extrazugs vom Görlitzer
Bahnhof um 5,15 Uhr Morgens, Ankunft in Vetschau um 7,30. Wagenfahrt nach dom grossen
wendischen Dorfe Burg, um 7 Uhr Kirchgang der Wenden, dann Untersuchung und Ausgrabung
eine« vorwendischen Gräberfeldes am „Lütchenberg“ in nächster Nähe des Dorfes, Urnen mit Leichen-
brand und Bronze fast ohne Eisen. Wagenfahrt nach dem , »Burgberg bei Burg“, wo dessen Boden
und Wall durch mehrere 1 — 3 Meter tiefe Aufschlüsse anschaulich gemacht waren. Frühstück im
Freien in Burg. Vierstündige Kahnfahrt auf 40 von je einem Schiffer stehend mit einer Ruderstange
gestossenen Kähnen, voran ein Musikkahn, durch die schönsten Partien des Spreewaldes an Eiche
vorüber über Lehde nach Lübbenau. Gegen 7 Uhr Festessen im Schützenhaus zu Lübbenau. Abfahrt
nach Berlin um 9,20, Ankunft in Berlin um 11 */* Uhr.
Montag den 9. August. Von 8—10 Uhr Cramometrische Conferenz. Von 10 — 1 Uhr
IV. Sitzung. Von 1 — 3 Uhr Besuch des Märkischen Provinzial-Museums , Besichtigung der im
Münzkabinet des Königlichen Museums veranstalteten Special uusstellung der keltischen und altwendischen
Münzen ; Besuch des christlichen Museums in der Universität.
Uin 3 Uhr BegriLssungsfeier des Freiherrn von Nordenskioeld im Festsaale des Rathhauses.
Um 4 Uhr Festessen zu Ehren der Herren Schliemann und von Nordenskioeld im
Saale de« Kaiserhofs. Abends gesellige Zusammenkunft in Treptow, bengalische Beleuchtung der
Stralowcr Kirche. Konzert der GardescliUtzen-Kapelle.
Dienstag den 10. August. Morgens 8 — 9 Uhr Craniometrische Konferenz. Von 9 — 12 Uhr
V. Sitzung. Nachmittags 1 — 3 Uhr Besichtigung des Königlichen Schlosses und der Waffensammlung
Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Karl im Palais am Wilhelmsplatz.
Um 2 Uhr waren die Mitglieder der Vorstandschaft, der Lokalgeschäftsftihrung und der
Ausstellungskommission mit den Herren Schliemann, von Nordenskiöld und von Hoch-
stetter znm Diner im Neuen Palais in Potsdam geladen bei Ihren Kaiserlichen und Königlichen
Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin des deutschen Reichs und von Preussen.
Um 4 Uhr Mittagessen der übrigen Congressmitglieder und dann gemeinsames geselliges
Zusammensein in der Flora in Charlottenburg.
Mittwoch den 11. August. VI. Schlusssitzung von Morgens 8,20 — 3,30 Nachmittags.
Besichtigung des Zoologischen Museums in der Universität und de« Kunstgewerbemuseums. Abends
7 Uhr gesellige Zusammenkunft in Tivoli auf dem Kreuzberg.
Donnerstag den 12. August. Ausflug nach Potsdam und der „Römerschanze.4* Besich-
tigung des Parkes und Schlosses von Sanssouci , der Altert, hümer-Sammlung Sr. Kaiserlichen und
Königlichen Hoheit das Prinzen Karl des Schlosse« und Parkes von Glienicke. Mittagessen in
Glienicke. Dampfschifffahrt von der Glien icker-Brücke nach der „Römerschanze.“ Mit lebhafter
Begeisterung aufgenommene Ankunft Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten des Kronprinzen
und der Kronprinzessin mit Prinzessin Tochter nud Besichtigung der Ausgrabungen; Vorträge
durch strömenden Regen unterbrochen. Dampferfahrt bei sich aufheiterndem Himmel, endlich bei
vollem Sonnenschein nach Waunsee, gemeinsames Abendessen daselbst. Ankunft in Berlin gegen 1 1 Chr.
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Organisation der Deutschen anthropologischen Gesellschaft bei der XI. Versammlung.
Protektor der Ausstellung:
Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reiches
und Kronprinz von Freussen.
Vorstand der Gesellschaft :
I. Vorsitzender : Geh. Kath Professor Dr. Virchow (Berlin).
II. Vorsitzender: Geh. Rath Professor Dr. Ecker {Freiburg).
III. Vorsitzender: Professor Dr, Fraas (Stuttgart).
Generalsekretär: Professor Dr. J. Ranke (München).
Schatzmeister: Oberlehrer Weis manu (München).
Lokal-GoKehäft sflihrer :
Dr. A. Voss. Direktorial-Assistent am Königl. Museum.
Stadtrath E. Friede!, Direktor des Märkischen Museums.
Ansxt ellnng»-komm I sslon :
Geh. Rath Prof. Dr. Virchow, Vorsitzender.
Generalsekretär Professor Dr. J. Ranke.
Dr. A. Voss.
Stadtrath E. Friedei.
Banapier W. Ritter, Schatzmeister.
I»r. F. Jagor.
Landgerichtsrath Rosenberg.
Baurath Professor Ende.
Dr. Max Kuhn.
Buchhändler C. Künne.
Apotheker Reichert.
Geh. Rechnungsrath Kleinachmidt.
Fräulein J. Mestorf.
Architekt Krause.
Gesehäfts-Komniläsion :
Stadtrath E. Friedei, Vorsitzender.
Dr. Nacbtigal.
Dr. Ed. Thorner.
L. Alfieri.
Lieutenant W. r. Schalenburg.
Abgeordneter Dr. P. Langerbaus sen.
Laodgerichtsrath Hollmaun.
Baumeister Grnnert
Schriftsteller A. Woldt
Kaufmann William SchÖulank.
Geh. Justizrath Deegen.
Geh. Rcgierungmth Di. Meitzen.
Dr. phil. Kurtz.
Maler Schulz-Marienburg.
Dr. med. Körbin.
Dr. med. Bartels.
Kustos Bachholz
A. Verzeichnis« der Aussteller
bei der Ausstellung vorgeschichtlicher und anthropologischer Funde Deutschlands.
Aachen, Städtisches Muiwm
Adolph, Städtisches Mnvcum, Tborn.
Abrendts, Hermann. Müncheberg,
Alten, v, Excel lenz. Oberkammerherr, Con-
»ervator, Oldenburg.
Altena, Westfalen, Vereins-Sammlung.
Altenburg, Sammlung der Geschieht»- and
A3 ten bum ‘forsch enden Gesellschaft des
Osterl andes.
Altona. Sammlung d Herrn Oberst lien'-errant
Franke.
Altona. Städtisches Museum.
Alvensleben. »■, Udn, Ri»<-rgut*b**iljef
and Hauptmann ». D.. Schollene.
Alzey bei Bingen. Sammlung Je* Herrn
Postnirector Wimmer.
Andrtt, I>r., Castos, Bonn
Andrer. Dr., Lcipsig.
Anger, l)r.. Städtisches Museum, Elbing.
Arolsen, Sammlung Sr. Durchlaucht dos
Fürsten su Waldeck und Pyrmont.
Asche flfnburg. Städtische Sammlungen.
Augsburg. Maximilians-Museum.
Aurich. Sammlung des Herrn Seminar lehrer
brande«.
babneke, Dr.. Gymna» -Director,bückeburg.
Hach, M , Conservator, Ulm.
Hahtfeldt Lieutenant, Stade.
Jlaicr. I)r. K., Sradlbibliothekar, Stralsund.
Balve, Sammlung d. H. Apotheker Kremer
Bamberg, Kttnigl Natura lirnkabinet.
Baumann, Prof. Dr. K , Mannheim.
H&ur, Ulrich, München,
Bautzen, Sammlung des H Kud. Reinhardt.
Beissel, lg., Aachen.
Beltz, Dr., Schwerin.
Berlin, Sammlung des Herrn Geh. Med.-
Rath Prof. Dr. Virchow.
berlin, Sammlung dos Herrn Landgerichts-
Rath Kosenberg.
Berlin , Sammlung der Anthropologischen
Gesellschaft.
Berlin, Nachbildungen prähistorischer Ge-
fässe und Gerätbe.
Berlin, Reinig). Museum.
Berl n, Runatgewerke- Muse tun.
Durlin, Märkisc e» Proviaztal- M mi'iio.
Berlin, Ausstellung des Hern* Maler J. R.
Schdi-Marioubarg.
Bernbnrg, Sammlung des Vereins für Ge-
schiebt« und Altert humskunde.
Bets, Dr F., Vorst*«, d, Heilbronn.
Biere, Kr. Calbo, Sammlung des Herrn
Lehrer Rabe.
Biscboff, Dr., Dürkheim a H.
Blansko bei Brünn, Sammlung des Herrn
Dr. Wanket,
10*
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Blasius, Prof, Dr.. Braue schweig.
Blell , Rittergutsbesitzer auf TQngen bei
Wormditt
Bonn, Anatom. Sammlung der Universität.
Bonn, Museum des Natur bittorischen V errins
der Rbeintande und Westfalen.
Bonn. CoUeetiv-Ausstellnng.
Bornemann, Dr., Kisenacb.
Hortfeld, Brandenburg a.H.
Boruwko, Kr. Kotten, Sammlung de* Herrn
v. Delhae«
Borries, Oberst ». D , Weistenfels.
Bracht, K , Maler, Karlsruhe l./B.
Brandenburg, Sammlung des Herrn Bortfeld.
Brandenburg a. H., Sammlung des bisto*
rischen Vereins.
Brandenburg a. H , Sammlung des Herrn
G Stimming.
Brandes, Semiaarlcbrer, Au rieh.
Braun schweig, Herzogi Museum.
Braunschweig, Städtisches Museum.
Braunschweig , Herzogi. Naturhistorisches
Museum
Brecht, Bürgermeister, Quedlinburg.
Bremen, Sammlung des Herrn S. A. Poppe.
Bremen. Städtische Sammlungen für Natur
geschieht« und Ethnographie
Bretlau, Museum schlesischer Alterthiimer.
Breslau, Sammlung des Herrn Sanitätsrath
Grempler.
Brinckmunn, Dr. Justus. Director, Hamburg.
Broili, Apotheker, Ascbaffenburg.
Hroos , Siebenbürgen, Sammlung de* Frl.
Sof v Torrn*
Bruno, Fürst zu Isenburg und Büdingen in
Büdingen.
Brückner, Dr, San -Kath. Nenbrandenburg.
Büchner, Dr C,. Giessen.
Budach, H„ Greifswald.
Budgc, Prof. Dr , Greifswald.
Hückeburg, Sammlung des König!. Bergrath
r- D. Fieiherrn v. L>iickcr.
BUckeburg, Sammlung des Fürst) . Gym-
nasium Adolfinum.
Büdingen, Sammlung Sr Durchlaucht des
Fürsten Bruno zu Isenburg und Büdingen.
Hujack. Dr., Königsberg
Hurgiteinfurt, Sammlung des Fürst 1. Hause»
Bentheim und Steinfurt.
von dem Husscbe-Streithorxt , Freiherr,
Thal« a-.'H.
Calau, Collectsv- Ausstellung von Fand-
gegenständen au* dem Kreise Calau.
Calbe a. d. Mddc, Sammlung d«s Herrn
Obcrprediger Müller.
Cammin i.'Pomm., Domgemeinde.
Cammin i. I’omn, , Sendung des Herrrn
Superintendenten Mein hold.
Carlowitz. v.. Generalmajor, Dresden.
Caro, Dr., Dresden
Carwe , Sammlung de* Herrn von dem
Knesebeck.
Cassel, Sammlung des König!, Museums
u. des Vereins für Hessische Geschichte.
Cbaxloitenburg bei Berlin, Sammlung des
Herrn Stadtrath N. M. Witt-
Coburg. Sammlung de» Anthropologischen
Vereins zu Coburg.
Cobau<en, v , Oberst t. D., Conservator,
Wiesbaden.
Conradi, Kreisrichter a D , Miltenberg.
Conwenti, Dr., Director des West-Preussl-
schen Provinzial* Museums
Cornilt, O-, Conservator, Frankfurt a. M.
CUstrm, Sammlung des Herrn Hauptmann
von Kamieoski.
Dahlem, Pfarrer, Kegensburg.
Danzig, West-Preuss. Provinzial-Museum.
U. irinstadt, Grossherzogi Museum.
Delhac», v., Brröwko, Kr. Kosten.
Dessau. Sammlung d. Herrn Rentier Fraude.
Detmold, Sammlung des naturwissenschaft-
lichen Verein».
Dcnaucschingen, Fürst!. Fürstenberg’sches
Museum
Dorpat, Anal oroi» he Anstalt der Universität.
Dresden, Sammlung de« Herrn Dr. Car'’.
Dresden , Sammlung des Königl. Säch»-
Alterthums- Verein»,
Dresden , König). Mineralog.-geologisches
und prähistorische* Museum.
Dresden, Königl. ethnologisches Museum.
Dreyssigarker, Postdirector a. D.
Dücker, Freiherr F. r., Königl. Prenss.
Bergrath a. P., Bückebur g.
Dürkheim, Sammlung der Fodichia.
| Dürkheim a H, Sammluug des Aherthums-
Vereins.
Duisburg, Sammlung de» Herrn Prof. Dr.
Gentbe.
! Ecker, Prof Dr., Hofrath, Freiburg.
Ehlers, Tbieraizt, Soltau.
| Eisei, K., Gera.
I Eisei, K , VoigtländischeT Verein.
| Eisenach, Ausstellung d. H Dr. Bornemann.
Klbing, Städtisches Museum
F.mden. Sammlung der Gesellschaft für
bildende Kunst and vaterländische
Altei thüraer
, Kmden, Natur forsrhende Gesellschaft.
Ems, Sammlung de* Herrn A- Vogclsberger.
Erfurt, Sammlung des Geschieht»- u. Alter-
thumsvereins.
Ernst, Kaufmann, Seblieben
Eschen b urg. Dr., Director u Sen.-Secrelair.
Essen a. Ruhr, Sammlung des Herrn Dr,
med. F-. Schmidt-
Essen wein, Director, Nürnberg
Fehlall, Rittergutsbesitzer , Nendorf, Kr.
Samter.
Feldmanowski, Director Dr , Posen
Ferber, Dr.. Hamburg.
Fibelkorn, Gutsbesitzer, Warmhof bei Mewo.
Fischer, Hofrath Prof. Dr.
Fischer, Pr., Kealschuldirector, Bernburg.
; Flach, A-, Guben.
Florkowski. C.
Fraas, Prof l>r. 0.. Stuttgart
Frankel, Sanitätsrath Dr. M , Wernburg
Frank. K-, Königl. Oberförster, Scbussenricd.
! Franke, Oberst icutenant, Altona.
Frankfurt a./M. , Sammlung des Herrn Dr.
H Lmmeran
Frankfurt a.,'M. , Sammlung des Herrn C.
A Milan!
I Frankfurt a. M , Städtische bist. Sammlung.
| Frankfurt a-i'O-, Sammlung des historischen
Verein».
I Fraude, Rentier, Dessau
1 Frauenburg, Sammlung des historischen
Vereins für Ermland.
i Freiburg, Museum für Urgeschichte und
Ethnographie an d. Universität Freiburg.
| Freiburg. Anatomische Anstalt der Gross-
b erzog I Badischen Universität Freiburg.
Fritsch, Prof. Dr. v, Halte
Fulda, Sammlung des Herrn Kaufmann
Lang an Stuckbauten.
Fulda, Sammlung des Frei Herrn A. r. Kje-
descl zu Eisenbach auf Stockhausen.
Fulda. Sammlung d Verein» f. Naturkunde-
Fulda, Sammlung des Herrn K Hassetikamp.
Fulda, Simmlung der ständischen Lande* -
bibliotbek.
Garbe, Gross-, Sammlung des Herrn Guts-
besitzer Sieber.
Garcis, Dr., Giessen.
Gelnitz, Dr. H B., Dresden.
Gentbe, Prof. Dr., Duisburg
Gera, Sammlung dos Herrn M. Jahr.
Gera, Sammlung des Herrn M Korn.
Giessen, San mlung des Oberbessiscben
Vereins für Lokalgescbichte.
Göhring, O-, Ingenieur, Lautercrken(Pfals)
Göttingen, Samml. d. Herrn Dr. Pannenberg.
Gotische, Dr., Altona.
, Graba. v„ Hauptmann, Magdeburg.
Graudenz, Sammlung des Herrn Scharlrk.
Graudenz, Ausstnll r Herr C. Florkowski.
Greifswald , Anatomisches Institut der
Universität.
Greifswald, Vereinigte Sammlung der Uni-
versität und des Rügisch-Poramerschrn
Geschichts* Vereins,
Greifswald, Sammlung des Herrn G. Budach. '
Grempler, Sanitätsrath Dr., Breslau.
t»ros»e, Justizratb. Alton bürg.
Grupp, Dr., Brandenbu’g a.H
Gubrn, Collect -Ausstell- aus Privatbesitz.
Guben, Sammlung des Herrn stud, theol.
Sühnel
Guben, Sammlung des Gymnasiums.
Gusow bei Soelow, Sammlung des Herrn
Rentmeister W. Wallbaum.
Ha.ikb, Director Prof. l>r., Stuttgart.
Haenscben, Alex., Taubach.
Hänselmann, Dr, Stadt- Archivar.
Hagenau i.>TL, Abbildungen von Gegen-
ständen aus der Sammlung des Herrn
Bürgermeister H. Nessel.
j Halberstadt, Sammlung des Herrn Prediger
Dr. Zscbiesche
Hall i.W., Sammlung des histor. Vereins
für Württemberg Franken.
1 Halle a. S.. Köulgl Academischrs Minera-
logisches Museum.
: Halle. Samml. des Thüringisch-Sächsischen
Geschickt»- und Alterthumsvereins.
| Halle, Samml. d. Herrn Kaufmann Potzelt.
Halle a .'S. , Sammlung des Herrn Obcr-
postdirector Warnerke.
Halle «.iS., Anatom. Institut d. Universität.
Halle »iS,, Ausstellung de* Herrn Dr. E.
Riebrck.
Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe.
Hamburg, Sammlung des Herrn Dr. Ferber.
Hammeran, Dr , Frankfurt a M.
Hanau, Sammlung de» Bezirks-Verein» für
Hessische Geschichte und Landeskunde
in Hanau.
Handelmann, Prof. Dr., Kiel.
Hannover, Sammlung dos Herrn Amtsrath
C Struckmann.
Hannover, Provinzial-Museum.
Hartmann, Dr., Marne.
H-trtmano, F., Apotheker, Tellingstedt.
Hassenkamp, E , Fulda.
Haupt, Pro!. Dr,, Bamberg.
Haus Jessen, Kr. Sorau , Sammlung des
Herrn Rittmeister a. D. Krug.
Hausmann, Academie-Director und Con-
servator, Hanau.
Heilbronn, Sammlung de« bislor Vereins.
Heintzel, Dr. C., Chemiker, Lüneburg.
Hellinghaus, Dr., Ver.-Secr., Münster i.-W,
Herbst, Dr. G., Geh. Finanzrath, Weimar
Hettnrr, Dr, Director, Trier.
Ilildesheim, Städtisches Museum.
Hilsenbcrg, Oberförster, Wehlen.
Hippauf, Dr., Kreisscbulinspector, Ostrowo.
Hirscbfeld , v. , Re^ierungsratb , Marien-
werder, bistor. \ ereln.
Hoesch, H-, Nenmüble.
llofmann, Prof Dr. R., Director, Darmstadt.
Hohenleuben, Sammlung des He.rrn K. Eisei
in Gera.
Hohenleuben, Samml. des Voigtländiscben
altert hum - für »ebenden Vereins.
Hopfgarten Domänenr ■ th, Donaueschingeo.
Jacob, Dr. G., Römhild.
Jahr, M , Sammlung in Gera.
Juxdzevrjki, L. v., Rechtsanwalt, Posen
Jean, Kaufmann, Hirschberg in der Pfalz.
Jena, Anatomische Anstalt der Universität.
Jena, Germanisches Museum
J entseb. Dr . Oberlehrer, Guben.
Ingolstadt, Sammlung des histor. Vereins.
Kalcber, Archiv-Secietair, Landshut.
Kumiciiski, v., Hauptmann. Lüstrin
Karlsruhe, Grosshcrzogl. Badische Staats-
Alter ihümer- Sammlung
Kiel, Museum vaterländischer Alterthümtr.
Klopfletsch, Prof. Dr., Jena
Knesebeck, v. d-, Rittergntsbes. auf Carwe.
Koebl, Dr., Pfeddersheim.
Köhler, G . Gubrn.
KSHiker, Geh. Hofratb, Prof., Würzburg.
Königsberg, Samml vaterländischer Alter-
tbümer bei dem König!. Staatsarchiv
Königsberg, Provioiial-Museum der pby» -
öconom. Gesellschaft, Königsberg.
Königsberg, Sammlung der König!. Ana-
tomischen Anstalt der Universität.
Königsberg. Museum il. Altert hums-Gesell-
schaft ,,Prussia.“
Königsberg, Sammlung der Firma Susntim
& Becker.
Kollm, Hauptmann, Metz.
Kolziglow. Neu-, bei Barnow, Ausstellung
des H. Rittergutsbesitzer v. Puttkamrr.
Korn, C , Sammlung, Gera.
Korn, G., Gera.
Krahmer, Dr., Gymnasial-Director, Stendal.
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77
Krauir, Gcbr. E. & R-, Berlin.
Kreits, A v, Bibliothekar, Fulda.
Krämer, Apotheker, Balve
Krug, Rittmeister j, D., Haut leiten.
Kuchenbuch, Aralsger.-Kath, Müncheberg.
Kühne, L)r , Oberlehrer, Stettin.
Künzcr, Hürgermeut r Pfordten i(L.
Kupffrr, Prof. Dr., Königsberg.
Landshut, Sammlung de* hittor. Vereint
▼od Xicderbayero.
Lang, Kaufmann. Steckbauten.
Langbein, G., Consistorialrath, Vorttand
in Neuitrelitz
Lapitz bei Ncubrandcnburg, Sammlung der
Herrn Neumann.
Leemant, Prof Dr., Director, Leiden,
Lehe, Sammlung det Herrn H. Scheper.
Lebner, 1 >r. v,, Hofrath, Director, Sig-
mari ugen.
Leiden. Königl. Reicht- Muzeum.
Leipzig, Museum für Völkerkunde.
Leipzig, Autttellung det Herrn Dr Andren.
Leasing, Director, Prot Dr., Berlin,
[.immer, F., Müggendorf.
Lindentrhmit, Prot Dr. L., Mainz.
Loeffelboli v. Kelberg. Frhr. W., Archivar.
Wallerslein.
Luchs, Dr. H , Breslau.
Ludwig, Dr. Hubert. Bremen.
Lübeck , Sammlung des culturhiitnritchen
Muteum*.
Lüneburg, Sammlung de* Chemiker* Herrn
Dr. C. Heinttel.
Lüneburg, Sammlung des Muteum»- Vereint.
Lutterloh, Pastor in Alvesse.
Luttmersen bei Mandeltloh, Sammlung det
Herrn van Stolzenberg.
Maazten, Lehrer, Meldorf.
M aasten, W, stud. phil., Meldorf.
Magdeburg , Sammlung det Herrn Haupt-
raaon v. Graba.
Mainz. Sammlungen der Stadt und det
Alterthumsvercins, vereinigt mit dem
Kiuu -Germanischen Central-Museum*.
Mannheim. Grossberzogl. Hofantiquarium.
Marienwerder, Sammlung det bist Vereint.
Marinnberg, Samtnl- det H. Dr. Marsehall.
Marne, Sammlung des Herrn Hartmann.
Marsch all, Dr , Sammlung Marienburg.
Mayrhofer. Stabsarzt Dr., Speier.
Mehlis, Dr., Dürkheim,
Meiningen , Sammlung det Henneberg.
Alterthumvereina.
Meinbold, Superint., Cammin in Pommern.
Meldorf, Museum dithmarsiseber Alter-
tbümer.
Meldorf, Sammlung des Herrn stud- phil.
W. Maatsen.
Merkel, Prof. Dr., Rostock.
Merseburg, Alterthumtsamralung de* Pro-
vinalaT- Verbandet der Pro*. Sachsen,
Mettorf, Frl. J.
Metz, Städtisches Museum
Meran, Sammlung des Herrn Dr. Toppeiner.
Meyer, Dr. A B . Director. Dresden.
Meyer, Th-, Gymnasiallehrer, Conservator,
Lüneburg.
Milam, C. A, Frankfurt a. M
Miltenberga M , Alterthümersammlung der
Stadt Miltenberg.
Miltenberg, Habel'tche Sammlung aof der
Burg Milt, nber g.
Mockrauer S., To*t.
Müller, Oberprediger, Calbe
Maller, Dr. J. H., Studienrath, Hannover.
Müncheberg, SammJ. d. Herrn H. Ahrendta.
Müncheberg, Sammlung det Vereint für
Heimathskunde.
Müncheberg. Sammlung det Herrn Amu-
gericht*r.ith Kucbenbuch.
M Uneben, Anatomiscbet Institut
München, Anthropologische Gesellschaft.
München, Bayer ethnographisches Museum.
München, König). Bayer. National- Muteum.
München. Königl. geologisches Museum.
Manchen, hittcr Verein von Oberbayern.
München, Autttellung des Herrn Prof. Dr.
Ohlentchläger.
München, Sammlung det Herrn Haar
Münster, Sammlung det Vereint für west-
fälische Geschichte u. Altcrtbumtkunde.
! Müggendorf, Prtvatsammlung de« Herrn I
Friedr. Limmer.
Mummenthey, Vereinsvorstand zu Altena,
Westfalen.
Nehring. Alfred, Oberlehrer, Wolfenbüttel.
Kessel, II., Bürgermeister, Hagenau i. E.
Ncubrandeoburg, Sammlung des Museanu*
Vereint.
Neudorf, Kr. Samter, Sammlung det Herrn
Kittergutsbesitzer Fehlau.
Neumann, Lapitz bei Neubrandenburg. i
Neumühl e bei Waitcbenfeld, Privattamml j
det Herrn H Hötcb.
Neuitrelitz, Grossberzogl. Altertb. -Samml. ;
Neustrelitz , Samml det Herrn Medirinal- I
Rath Dr. Kudolpht.
Nürnberg, Germanisches National- Mutoum.
Ohlenschlager, Prof. Dr , München.
Oldenburg, Grossberzogl. Museum.
Opel. Prof. Pr, Halle.
Osnabrück, Samml. det Museum- Vereine.
Oitermair, Fr. X-. Krcfatsrath, Ingolstadt
Ostrowo, Sammlung de» Herrn Kreittcbul-
Inspector Dr, Hipjpauf.
Pannenberg, Dr. A., Göttingen.
Petersdorff, I>r , Rector, Prrutt. Friedland.
Pfeddersheim bei Worms , Sammlung des
Herrn 1*. K*»*hl.
1’fSrdten i. L., Sammlung des llerTti Bürger-
meister Künzer.
Philippi. l>r., Staattarcbivar, Königsberg.
Pindcr, Ifr., Kgl. Museums- Director, Cassel.
Polnisch- Peterwitz, Sammlung det Herrn
Commcrzicnrath Dr. Websky.
Poppe, S. A., Bremen
Puten, Sammlung det Muteamt der Ge-
sellschaft der Freunde der Wissen*
schäften.
Pose». Sammlung det Königl. Friedrich-
Wilhclros-Gymnaziurosu. (Vivat -Samml.
det Herrn Gymnasial- Director Prof.
Dt. Schwärt«.
Posen. Sammlung des Herrn Reebtzanwalt
L. v. Jazdzewtki
Potzelt, Kaufmann, Halle.
Prem«. Friedland, Sammlung des Herrn
Krctor Dr. Petersdorf.
Puttkamer , ▼. , Rittergutsbesitzer, Neu- 1
Kolzigtow bei Harnuw.
Pyl. Prof. Dr , Greifswald.
Quedlinburg, Alterthumisamml. der Stadt.
Kal>e, Lehrer, Biere
Ranke, Job., Prof., München.
Regentburg. Sammlung des bistor. Vereins.
Reinhardt, R., Bautzen.
Riebeck. Dr E., Halle a./S.
Riedrsrl, Freiherr A. v., Stockhausen bei
Fulda.
Riemberg bei Obemigk, Sammlung det '
Herrn B Scholz.
Römer, Senator, Hildesheim.
Römbild, Samml det Herrn Dr, G Jacob, j
Rosenberg, Landgericbtsrath, Berlin.
Rostock , Ethnographische Sammlung der <
Universität.
Rostock . Sammlung det analom. Instituts
der Universität.
Rüsycki, Dr. v , Thorn. Museum.
Rudolpbi, Dr., Medicinalrath . Neustrelitz.
Rudolstadt. Sammlung Sr. Durchlaucht des
Fürsten zu Schwarzburg-Rudolstadt.
Rüdinger. Prof Dr., München.
Saalborn, Dr . Scbtossprediger, Sorau, N -L.
Sablon bei Metz. Sammlung des Herrn
W. Mey.
Salzwedel, Sammlung dr« Altmärkischen
Vereins für vaterländische Geschichte.
Schaff liauscn , Prof Dr.t Geh. Medicinal-
Rath, Bonn.
Scharink, Sammlung, Graudenz.
Schau fiele, C-, Conservator, Hall i«/W.
Scheper, H., Lebe.
Scheppl g, Oberbaurath a.D., Sonderthausen j
Schlichen. Samml. d. Herrn Kaufm. Ernst.
Schmidt Dr. E , Essen a. Ruhr.
Schollene, Sammlung det Herrn Kitter*
gottbo«itzer und Hauptmann Udo ▼. J
Alventlehen.
Scholz, B., Riemberg bei Obernigk.
Schulz, J.K.S., Maler, Marienburg, Berlin, i
Coppel.
Scbutsenried, Sammlung det Königl. Ober
fönte» Herrn E. Frank.
Schwabe, l)r., Oberstabsarzt, Weimar.
Schwalbe, Prof, Dr., Jena
Schwärt« , Prof. Dr , Gymnasial-Dircctor,
Posen.
Schwarzb.-Kudolst., Sr. Durchlaucht Fürst«.
Schwarze, Prorector, Frankfurt a..O.
Schweifet, Jot, Augsburg.
Schwerin, Sammlung det Grossherzog lieben
Antiquariums und Mecklenburgischen
Geschieh»- Verein».
Sieber, Gutsbesitzer, Gr, Garb«.
Siebe, Dr , Kreitphytikus, Calau.
Sigmanngm , Fümlich Hohenzollcrnscbet
Muteum.
Slabotzewo, Sammlung det Herrn Ritter-
gutsbesitzers Ticdemann.
Stantien Ü£ Becket, Königsberg.
Stic Ja, Prof. Dr., Director, Dorpat.
Stolzenberg , v. , Kiliergutsbciitaer auf
Luttmersen
Söhne), stud. theol.. Guben.
Soidau, Realschuldirector, Giessen.
Soltau, Samml. d. Thierarztes Herrn Ehlers.
Sondeishausen, Sammlung det Vereins für
deutsche Geseh chtt- u. Altorth.- Kunde.
Sorau, N.-L., Ausstellung de» Herrn Schloss-
prcdigi r Dr, Saalboro.
Spalding, Kitterguubesitzer auf Teetzitz
bei Patzig auf Rügen.
Speier, Museum dca hist Vereins der Pfalz.
Stade, Sammlung des Alterthumsvereins.
Stauchitz bei Ricea, Sammlung Sr. Eac.
des Herrn Kammerherrn v. Zehmen.
Stendal, Samml. des Literarischen Vereine.
Stettin, Sammlung des antiquarischen Mu-
seums der Gesellschaft für Pommenich*
Geschichte und AJtrrthumskuode.
Stimming, Ü., Brandenburg a.,'H.
Stock, 1 homaz, Pfarrer, Stockhausen.
Stralsund . Provmzial-Museuui Pdr Neu
Vorpommern und Rügen
Strassburg , Sammlung des anatomischen
Instituts der Universität
Straub, Canomcu», Suassburg.
Struckmann, C., Amtsrath.
Stuttgart, Königl. Naturaheii-Kabinet-
Stuttgart, Königl. Museum vaterländischer
AltenhUmer.
Sznmowski, AI.
Taubacb bei Weimar, Sammlung de« Herrn
A Hanscben.
Teetzitz bei Patzig auf Rügen, Sammlung
des Herrn Rittergutsbesitzer Spalding.
Tellingstedt. Samml. des Herrn Apotheker
F. Hattmann.
Thal« a. Hart, Sammlung des Freiberrn v.
d. Busscho-Streithorst.
Thorn, Städtisches Museum.
Thorn, Museum des Vereins Towarzystwo
Naukowe und Toraniu.
Tiedemanu, Rittergutsbesitzer, Slabotzewo.
Tischler, Dr. O., Königsberg.
'Forma, doli« v., Broos, Siebenbürgen.
Tost, Ausstellung des Herrn S. Mookrauer.
Trier, Sammlung des Provinzial-Museums.
Tüngrn bei Wormditt, Ausstellung des
Herrn Blell.
Ulm, Sammlung des Vereins für Kunst und
Alterthum.
Veitmann, Dr , Staatxarcbivar und Con-
servator, Osnabrück
Vircbow, Geh. Mcdidnalratb, Prof. Dr ,
Berlin.
Vogelsberger, A., Ems,
Voigtei, Dr., Coburg.
Vos*. G., König). Baurath, Emden.
Wagner, Geh. Hofrnth, Dr. E-, Karlsruhe.
Wagner, Prof. Dr. M-, München.
Waldeck n. Pyrmont, Sr. Durchlaucht der
Fürst zu,
Waldeycr, Prof. Dr., Strassburg.
Wallbaucu, W. , Rentmeister, Gusow bei
Seeiuw.
Wallerstein , Kunst- und wissenschaftliche
Sammlungen des Fürstlichen Hauses
Dettingen - Wallerstem.
Wanket, Dr , Blansko.
Warmhof bei Mcwe , Herr Gutsbesitzer
Fibelkorn.
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Warnrcke, Ober-Postdirector, Halle.
W»roke, Georg, Eversen.
Warschau, Ausstellung de« Herrn Al
Szumowski.
Websky, Dr.. Commerzienrath , Polnisch
Petersritz
Weertx, Prof. Dr., Di-tmold
Wehlen, Sammlung de* Herrn K. Itrarbt
und Oberförster Hilscabcrg.
Weimar, Sammlung dc9 Geh. Finaozrath
r>r. Gustav Herbst.
Weimar, Sammlung des Herrn Oberstabs-
arzt Dr. Schwabe.
Weinraann, Jo* , Schloss Dhaun, Reg.-Rez.
Cobtens.
Weissenborn, Pro*, t>r.
Weissenfels, Sammlung des Vereins für
Natur- und Altrrthumskunde.
Welcker. Prof. Dr.
Wiesbaden, Sammlungen de» Königl. Mu-
seum« und des Vereins für Naisauische
Alterthumsk. u. Geschichtsforschung.
Wimmer, Postdlrector, Alzey bei Ringen.
Witt, N M , Stadtrath. Charlottenburg.
Wittkopt, Pastor, Moisburg.
Wölky, Dr . Domvikar, Frauenburg.
Wolfenbüttel, Sammlung de* Ortsverein*
für Geschichte und Alterthumskuude.
Wolfenbüttel , Sammlung des Herrn Dr.
phil. A. Nehmt«.
Würdinger, Major, München.
Würzburg, historischer Verein von Unter-
frauken und Aschaffenburg,
Würzburg , Sammlung der Königlichen
Anatomie.
Xanten a. Kh.. Sammlung de* Niederrheta.
Alterthum*- V ernini.
Zecblia, Apotheker. SaLzwedel.
Zehnen, v , Kammerherr, Stauchitz.
Ziegler. Dr. A. G., WOrzburg.
Zirnmcrinaun. Dr., Wolfenbüttel.
Zfttel, Prof. Df., Müncbeu.
Zschiescbe, Prediger. Halberstadt.
B. Mitglieder- Verzeichnis» der XI. Versammlung.*)
Abarbanell, Dr. med., Sanitäts-Rath.
Abbot. Dr. med.
Abekmg, Dr. med
Adler, Dr. med.
Adler, Geh, Ober- Raurath.
Ahrendta, Partikulier, Müncheberg.
Albert, Mai, MudUchm.
Albrecht, Dr., Professor.
Alfieri, L.
v. Alten. Kammerherr, Oldenburg,
v. Alvensleben, Rittergutsbesitzer, Schol-
lehne.
Anger, I)r., Elbing.
Appel. Ch . Kaufmann.
Ascberson, P., l>r, Professor.
Äscherten. F-, Dr. , Kustos an der Univer-
sitäts-Bibliothek.
Baron v. Auf*«**, Rrichsbevollmächtigter
für Zölle und Steuern
liaer. Dr. med. Sanitsts-Rath.
Raer, G. A-, Kaufmann, Manilla.
Raier , Dr. , Stadtbibliotbekar , Stralsund,
Balmer, Dr., Stabsarzt.
Baltzcr. Fabrikant.
Rardeleben, Dr. Professor, Jena*
Bartels. Dr. med.
Horti, G. C., Journalist.
Rchla, Dr , Arzt, Luckau.
Hehn, W., Maler, Tempelhof bei Berlin,
Reizsei, Ign., Rentner, Aachen.
Reltt, Kob., Dr., Gymnasiallehrer, Schwerin
i. Mecklbg.
Heren dt, Dr., Professor.
Bergan, L., Professor Nürnberg,
Hernard, A., Dr.
Bernhardt . Dr , prakt. Arzt und Dozent.
Bernhard)-, Kaufmann-
Beste], Dr , praktischer Arzt.
Bette, Paul, Vertr. d. Ges. f v. v fllt, Kunst.
Reuster, Dr., Sanitätzrath.
Reyncb, Dr.. Geh Rath, Professor.
Rirkbeck, Norwich in England.
Blasius. Professor, Hraunschweig.
Hl eil, Kittergutsbes., Tilngen b Wormditt.
Htumenthal. Dr. mrd.
Höckmann, Rauraeis err
Roer jun., Dr.
r, Boguslawski. Dr.
Böhm, Meditlnal-Kath, Magdeburg.
Frlir. v. Bönig k, Königsberg i. Pr.
v, d. Borne, Rittergutsbesitzer, Jtenjeuehen
Krhr. ▼. Rranca, Hauptmann, Spandau.
Braune, Professor, Leipzig,
v. Hrrdow, Rittergutsbesitzer.
Breslauer, H , Dr., Professor.
Rrodführrr, Schuldirector, Coburg.
Rrodführrr, Dr., Stabsarzt.
Brönicke. Dr. , Kustos am anatom Institut.
Brückner Dr., Sanatatsrath, Neubranden-
burg.
Brugscb-Rey, II., Professor, Cairo.
Hrugsch, E., Kon »er*, d. ägvpt. Museums,
Cairo.
Rrchn, Osk , Kaufmann. Insterburg
Rruhn, Frau, lost -r bürg
Buchholz. Apotheker.
Hudczies, Schulrorsteher.
Rudach, Utirmachcr, Greifswald
v. Hunsen, Dr.
v. Bunten, T, Legat. -Rath.
Burger, 1.^ Professor.
Busch. Dr.
BBtow, Geh. Kcchn.-Ratli
Caro, Dr.. Dresden.
Castan. L.
Cohn, Albert, Dr.
Collitz, Dr.
Conze, Direktor. Ubarl Ottenburg
Curtiu«, Dr.. Geh Rath u. Professor.
Cwiklinski, Ludwig, Dr., Professor u Kon-
servator der Centr. -Kommission inWietl,
Lemberg
Dahlem, Pfarrer, Kegensbnrg.
Dame*. W., Dr . Professor,
v. Dechen, Wirkt. Geh- Rath, Bonn.
Deegen, Geh. Jcstisrath
Dehn. P., Schriftsteller.
Denso, Landrichter.
Dobrtie, Dr., König], Bibliothekar,
Dönch, Harry, Rinteln.
Dönitz, Dr, Professor, Japan
Frhr v. 1 »Ücker, Bergrath a. I» , litte kobarg
Dziobek. Major, Charlottenburg.
Ecker, Dr, , Geb. Rath u. Professor, Frel-
btirg i, Bf., IL Vorsitzender.
Eggel, Dr
Eggerts, C. G., Assistent der Landbau -
Akademie, Stockholm.
Ehrenreich, Cand. med.
Kichler, Dr., Professor.
Ellenbcrger, Dr.. Professor, Dresden.
Eilenberger, H,. Rentner, Elberfeld,
Ende, Haurath, Professor.
Engel, L»r., Schriftsteller, Röbel i. Mecklen-
burg.
r. Eperjesy, A.. Kammerherr.
Erdmann, Dr., Gymnatial-Lehrer, Zllllichau.
Eriksson, J-, Dr , Botaniker, Stockholm.
Erslev, Dr., Professor, Kopenhagen.
Eulenberg, Geh. Ob.-Mediz. Rath.
Euler, C. Dr., Professor.
Ewald, Dr., Dosent.
Ewald. E., Professor.
Ewald, J„ Dr., Mitglied der Akademie der
Wissenschaften,
v. Eye, Dr.
Falkenitein, Dr. med., Stabsarzt
Feldmancwski , Dr , Konservator am Poln.
Nat.- Museum, Posen.
Fink, G.. Stadtrichter a. D„ München.
Frhr v. Firckt, Mitglied d. Königl. Statist.
Bureau*.
Fischer, l)r-, Direktor, Bornburg
Florscliulz. Dr , Augenarzt, Coburg.
Förster, Dr.
Fraass, Dr., Professor, Stuttgart. III. Vor-
sitzender.
Frank, Eugen, K. Wttrttcmb. Oberlörster,
Schussenrird.
Fränkel, Dr., praktischer Arzt.
Fr Unkel, Sanitäts-Rath, Direktor. Bernburg.
Friedei, K , Stadtra-.b, Lukalgcschäftsfübrer.
Friedencbsen, L„ Sekretär d. g< ographisch
Gesellschaft. Hamburg.
Friedheim, Kaufmann, Crarlottenburg.
Friedländer, l>r., Apotheker.
Fritsch, Dr , Professur,
v. Fritsch. Dr . Professor, Halle
Fürstenheim, Dr. med.
Furtwängler, Dr.
Gcim, M.. Rsnquier.
Gemitz, Geh. Hofrath. Dresden.
Geinitz, Professor, Rostock.
Geliert. K., Kaufmann, Charlottenburg.
Germer, Bauinspektor.
Gesenius, Stadtältester.
Gortt, I>r., Ober- Medizinalrath, NeastreltU-
Gold«chmidt, Heinr., Banquier.
Goltdammer, Dr. med.
Göppert, Dr, Geh. Ob.- Keg. -Rath
Goslicb, Rentier.
Grabower. I>r.
Grawitz, Dr med.
ürrmpler. Sanitäts-Kath, Breslau.
Grave, Dr, tnod. , prakt. Arzt, Tempelbof
bei Bor 1 in.
Gross, Zollinspektor, Lübeck.
Gross, Frau, Lübeck
Grupp, Schriftführer des anlhropol. Verein»
für Brandenburg, Brandenburg a. H.
Güstfeldt, I»r.
Gttterbock, L., Maler.
Güterbock, P., L>r. med.
Güterbock, Bruno, Sind. phil.
Guttstadt, Dr. med.. praktischer Arzt.
Hahn. l>r. med., Oberstabsarzt,
liampel, J., Dr., Conservator am Museum,
Budapest.
Hameran, Dr., Frankfurt a M.
Handel mann, Professor, Kiel
Haudelmaun, Frau Prof., Kiel.
Hartmann, Dr. med., Marne tHolzteinf.
Hartmann, Professor.
Hartmann, Frau.
v. Haaolbcrg, Dr., praktischer Arzt.
Hattwicb. Dr., praktischer Arzt.
Hauebecorne. Geb. Ob -Bergrath. Directwr
H.iunkorst, Dr., Arzt. Greifswald.
Heger, Fr., Assistent am Hofeouseum, Wien.
Heidmann, Prediger, Paren
Heintcel, I)r., Chemiker, Lüneburg.
Henning, Dr., Privatdocent.
Hepke. l)r.. Geh. Legationsrath.
Hesse, Landgerichts- R*tb.
Hesse. Dr., Protektor, Leipzig.
Hcutlass, Hotelbesitzer
Hilgendorf, Dr., Zoologe
Hintzc, W„ Baumeister, Gr Lichterfclde.
Hirscbberg, Dr med , Professor.
Ilirsrhfeld, Paul, Redakteur.
His, Professor. Leipzig.
v. Hoehstetter, Professor, Hofrath, Wien.
Hofory. Dr. ph.
llollmann Landgerichtsrath.
Holtzc, Dr., Professor.
Horscbitz, Dr., Augenarzt. Koburg.
Horst, II. . Gynmasial-Lehrer, Trumsö (Not-
wegen,1.
Hübner, Professor.
Humbert, Legationsrath.
Httttig, Huchdruckereibetitter.
Idel<-r. l>r., Sanitätsrath, Dalldorf b- Berlin.
Israel, Dr, praktischer Arzt-
Jacob, Dr., Rüranild,
jacobi, Baumeister, Homburg v. d. H.
JacoWn, Emil Dr.
Jacobsthal, K.. Professor, Cbarlottenbarg
Jaffc, l>r
v. Jagte, I>r„ Professor.
Jagor. Dr.
•) Wo der Wohnort fohlt, ist Berlin
einzusetzen.
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79
Jaquet, Dr„ praktischer Arzt.
Jaoson, Professor
▼. judzrwiki. Rechtsanwalt, Posen.
Jentsch, l»r., Guben.
Jungck, Ockonomierath.
Jürgen», Dr. med.
für», Chemiker.
Kahlbaum, Dr , Ar«, Görlitz,
v. Kaminxki, Hauptmann, KUitrin.
Karl», Hube«
v. Kessel, Major.
Kirchhof. Bauführer.
Kircblioff, Dr, Prof. Geograph, Halle a IS.
Klara ann Dr., prakt. Arzt, Luckenwalde.
Klein, Dr , SaniUtsraih.
Kleinschmidt, Bureau -Dir vetur des Hauses
der Abgeordneten.
Klopflei. ch. Profrsaor, Jena.
Ko«' hl, Dr., prakt. Ar«, Pfeddersheim.
Kohn, Albin, Schriftsteller. Posen.
Kollmann, Dr., Professor, Hasel.
König, sen.. Kaufmann.
König jr , Kaufmann.
Kürbin, Dr
Korensky, L. Jo*., Professor, Prag
Korn, G., Gera.
Köttgen. Adolph, Maler, Capri.
Kouisutin*, Dr. med.. Petersburg.
Krause, Architekt.
Krause, W. Dr., Professor, Göttingeo.
Krause, Dr , Hamburg
Kuchenbuch, Amtsgcr -Rath, Müncheberg.
Kuhn, Dr. pbil.
Kahn. Dr , Gymnasial-Director.
Kühne, Dr., Vertreter der Gesellschaft für
Pomm. Geschichtskunde, Stettin.
Könne, Buchhändler, Charlottenburg.
K untre, Dr., Rentier, Leipzig.
Kupffcr, Dr., Professor, München.
Kurts, Dr. pb.
Küster, Dr. med , Sanitätsrath.
Küster, Dr., Privatdoxent und Augenarzt,
Leipzig.
Ladcndorn, Dr.
I^aehr, Dr med . Geheimer Sanitätsrath,
Schweizerhof bei Zehlendorf.
Lange, Lehrer, Oderberg
Lange Conrad, Dr., Assistent des König!.
Museums.
Lango, Konrad, Dr., Assistent an der Skulp-
tnren-Galerie des König). Museums.
Lange. Henry, Dr. Geograph.
Laugt-rhans sen, P Dr.
Lang ma nie I, Dr., Premier-Lieutenant a. D„
Mönchen.
Lassar, Dr. med., Dozent.
Lauterbarb, Major.
Lehn arm, Dr. Dozent.
Lehmann, Alfred. Fabrikbesitzer.
I .ebnerd t, Dr med., Sanitätsratb.
Leimbach, Dr., Professor, Sondcrshauscn.
Leisering, Professor, Dresden.
Les§rr. Dr.
Lessing, Jul., Professor,
Lewinstein, Standesbeamter.
Liebo, Dr., Professor
Liebenow Geb. Kecbnungs-Rath.
Löhlem, Dr., praktischer Arzt.
Lorent, Dr , Arzt, Bremen.
Luchs, Ur.. Direktor, Breslau
Lübrsen, Dr.
Lustig, J Dr,, praktischer Arzt.
Lütkemüller, Justizrath.
Frhr. v. Lüttow, Kammrrgerichts-Rath.
Frhr. v. Lüttow, cand jur.
Graf zu Lynar, Schloss Lübbenau.
Magnus, P. Dr., Professor.
Mankiewlcs. Dr., Posen.
Marasse, Dr.
Marcus, Dr med.
Marcuse, Dr., Assessor,
r, Martens, Dr., Professor
Marthe, Dr ph., Oberlehrer.
Martini. Dr. med, praktischer Ar«.
Mattubara, Kaiser) Japanischer Kommissar.
Mayer, DUkonua, Langenau bei Ulm.
Mayer, Dr., Stabsarzt.
Mehlis, Dr, Dürkheim {Pfalz).
Meoger, H. Dr., praktischer Arzt
Meitzen. Dr , Geh. Keg. .Rath, Professor.
Merzenich, Landbaumeister.
Meyer, Adolph, Buchhalter.
Meyer, Alfred, IR ph.
Meyer, Lothar, Dr.
Meyer, Dr., Ludwig.
Meyer, Dr., Geh. Sanitäts-Rath.
Meyer, J„ Dr. Prof-, Direktor der Univ.-
Fol.künik
Möller, Dr., Lehrer an der Thierarzneischule.
Montrlius, Dr., Beamter am Xat -Museum
Stockholm.
Mook, Dr., Cairo.
Morgenstern, Frau Lina.
Morgenstern. M., Zahnarzt,
Moser, James, lh\, Physiker.
Moses, b., l>r med.
| Much. Dr., Wien.
Mühlenbeck, Kittergutabes , Gr.-Wachlin.
Mühsam, Kd., Dr. med.
I Miillenhoff, Karl, Geh. Kcg.-Katb , Prof.
• Müller, Bruno, Kaufmann
i Müller, Oherprediger. Calbe *. M.
1 Nachtigal. Dr.
INatban, Heinrich, Kaufmann.
Natbanson. Dr. mol.
Nchring. Dr , Obwlehrcj, Welffenbiittel.
] Nessel, Xavier, Bürgermeister, Hagenau,
v. Nordenskiueld, Stadtgerichtsrath.
Baron v. Nordenskiocld, Stockholm.
Obst, Dr., Direktor des Musrums Tür Völker-
kunde, Leipzig,
i Oesten, Subdircfctor.
Ohrtmann, Dr., >>anität»rath-
| Ornold, Rechtsanwalt.
Q«h, Dr., Professor
Osborne, W., Rittergutsbesitzer, Dresden.
Palm, Dr. med.
Papprnhrim. I>r., Lübbenau,
v. Patow, Landrath, Kalau.
Paulizky, Amtsgerichts-Kath.
Peters, Dr. , Geh. Obor-Mcdizisal-Rath,
Neustrelitz.
Philipp, Dr.. Arzt.
Pieper, Dr., Professor.
Pinner, Dr,. Professor,
floss. Professor, Leipzig.
Potzelt, II., Kaufmann, Halle a,S.
Pringsheira, Professor,
v. Prollius. *1., Grossherzogi. Meckl ausser*
ordcntl Gesandter etc.
Prüm ui. Emil, Kaufmann.
Graf Pückler, Branitz.
Pudor. K Kaufmann.
de Pulsxky, P. , General-Inspekteur der
Ungar. Museen, Budapest,
Kabl-Kückhardt, Dr. med., Ober- Stabsarzt.
Ranke. Prof., Gen.-Sekretär, München.
Ratzel, Professor München
Rauher. Dr.. Professor. Leipzig.
Kautenberg. Dr , Oberlehrer am Johanneum,
Hamburg.
Reeder. Reg -Rath.
Reiche«, Apotheker.
Reinhardt, Dr. ph., Oberlehrer,
Reis». W., Dr.
Kettig, Reallehrer. Stuttgart.
Richter. Kaufmann
Riebeck, E-, Dr., Freiburg im Hreisgau.
| Kieck, Dr. med., Sanitäts-Kath , Köpenick
hei Berlin.
Riedel, Dr.
v. Rtnecker. Geheimrath, Würzburg.
Rinne, Dr.
Ritter, Wilhelm, Banquier.
Robe), Dr., Realscbullehrer,
Koemcr, Senator, Hildesbeim
Koemer, Dr., Geb. Bergrath, Prof., Breslau.
Koesing, Geh. Rath.
Rebifs. Gerhard, Dr., Afrika-Reisender,
Weimar.
Köhmann, Dr.
Röhricht, Dr.
Roloff, Dr.. Geh. Med. -Rath, Professor.
Rotenberg, Landgerichtsratb.
Rosenthal, L-, Dr. med.
Rosset. C. W,, Halle a. S.
Roth, Dr., Generalarzt, Dresden.
Rubchn, Literat, Alt-Reetz.
Küdinger, l>r., Professor, München.
Rudolphi, I>r,, Mrdiz.-Kath, Neustrelitz L M.
Kuhemann. Schriftsteller.
Sacbsse, Oberpostdirektor.
Mestorf. J., Kustos am Museum, Kiel.
Säger, Fabrikbesitzer.
Salkowski.
Sander, J , Dr. med.
Sander. W., Dr . Dirig.Arzt der Irrenanstalt,
Dalldorf bei Berlin.
Sauer, Dr.. Relerendar
Srhaaffhausen, Professor, Bonn.
Schaal, Maler.
Schaper. Gymna* -Direktor, Deutsch Will-
mersdorf bei Berlin.
Scheidei, Kaufmann, Frankfurt &. M,
Scüerk, Dr.
S«. bierenberg. Kaufmann. Meinberg.
Schilling, Hugo, Hamburg.
Schlesinger, M., Fabrikbesitzer.
Schlesinger, Dr.
| Scbliemann, Dr . Athen.
Schlicmann. Frau. Athen
Schlutter. Rentier, Dresden.
Schmidt- Cabanis, Redakteur.
Scfamidt-Sabatky.
Schmidt, Oskar, stud. m«d.
Schmitz. Apotheker, Lctbraathe
Scbmölder, Kaufmann, Fran .furt a M.
Schneider, Dr., Kustos-Adjunkt i. d. Münz-
sammlung, Wien.
Scbneitler, CT, Dr.
Schniirpel Dr.. Arzt, Zerbst.
Schoch, Dr., Ar«
Scltoene. Ur.. Geh. Ober-Reg. -Rath.
Schönlank, W , Kaufmann.
Schroeder. Professor.
Schlick, Ober-Post sek retair, Danzig.
Schube«. Schriftsteller, Vertreter für
Weissenfels.
v. Schulen bürg. Lieutenant, Charlottenburg,
f Schnitze. Oskar. Dr. med
i Scbulz-Manenburg, Landschaftsmaler
1 Schwand nur, Dr.. Oberamtsarzt, Marbach
in Württemberg.
Schwanz. Direktor, Posen.
Schwartze, Prorektor, Frankfurt n./O.
Seemann, Dr.
Sehexted. Kammerherr. Broholm ( Dänetu. t.
v. Scidhtz, Dr-, Direktorial-Asslstent.
Seile, Apotheker. Kosten.
Sepp, Professor. München.
Siehe, Dr., Kreispliysikus, Kalau.
Silujanoff, Dr., Arzt, Odessa,
Siaoa, Banquier,
Siiuonsohn, Dr. med-, Friednchifclde bei
Berlin.
Söbncl, stud thcolo^., (»üben.
Sommerbrodt. !»r.. Stabsarzt.
Spaamer, Verlagsbur hhandler.
Spieltagen, Otto, Kaufmann-
Stahl, Dr. med
Steinthai. L, Batikdirektor.
Stern. Cr.. Stegliu bei Berlin.
Stieda. Dr., Prof, der Anatomie, Dorpat
Stöckel, Oberstlieutenant, Katibor.
Strack, L>r.. Professor
*• Straswr. Fabrikbesitzer, Rosin in Hühmco.
Straub, F., Buchdrucker cibesitter, München.
Stricker, R., Verlagxbucbfaändler.
Struck mann, Amtsrath, Hannover.
Stübel, A Dr., Geol«»ge, Dresden.
Sukey, Georg. Kaufmann.
Szuk.it>, Professor, Budapest.
Tappeiner, Dr., Meran.
Thiele, Amtsrichter, Sec! ow.
j Thorell, Professor, Stockholm.
Tborner, E«l., Dr med.
. Tbunig, Oberamtmann, Kaiserhof, Kreis
Samter,
Tischler, Dr., Königsberg i, Pr
v. Torraa, Fräulein. Gutsbesitzerin, Ilroos
in Siebenbürgen.
v. Török, Dr., Professor, Klausenburg.
Troskow, Fürst, r. Potsdam.
Undset. Ingwald, Kustos am Museum,
Christian ia
Urbsn, IR. ph., ScbOneberg bei Berlin.
Vater. Dr. med , Ober-Stabsarzt, Spandau.
Veit, Dr. med. Geh. Sanitäts-Rath,
Veit, J„ JDr., Dozent.
Vjedenz, Brrgassessor, Eberswalde.
Vircbow, Dr , (Jeb. Mediz.-Rath, Professor,
I. Vorsitzender.
Vircbow, Ad.
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8«
Virchow, Dr.. anatom. A»*i»trnt. Wftrzlrarg’.
Voigtei, l>r., Coburg.
Vom, Dr. med., Lokal*e*chäfufUhrer.
Wagner, l>r., Geb. Hofrath. Karlsruhe
Wankel, Dr., Hlantko in Mähren
Wattenbach, Dr ph , Prefw*t>r.
Webakr, Dr . Profeaaor.
Wegscbeider. Dr-, Geh. Sanitäti-Kath
Weiaruann, Oberlehrer, München, Schatz*
meioter.
Wobi, H., Professor
Weissenborn, Dr., Hibliothk.u Prof-.Krfart
i Werner, O.. Dr.
Werner, F., Dr. med
Wermch. Dr , Dozent-
Wette 1)', Dr. •
Wettedt, Amt«gericbt*rath, Melldorf.
Wetzstein. Dr , General-Konsul
Wiechel. Hugo, Kiaenbahn:ngeniear. Pirna
Wilaki, Direktor, KummeUbnrg bei Iterlin
Witt, Stadtrath, Charlottenburg.
Wittich, Generallieutenant a. D., Coburg.
r. Wittich. Geh. Rath, Professor. Königs-
berg i. Pr.
Wittmack, Dr., Professor.
Wehl, Dr.
Woldt, A.. Schriftoteller.
Wolff. Alex, Stadtraib.
Wolff, Wilh . Professor.
Wolff. Dr., Dozent
Wolff. Dr., Mediaiaal-Ratl
Wandt Professor. Leipzig.
Wurrebrand. Graf, Ankeottein bei Pettan
(Steiermark).
Walter, Dr.
Zierold, Rittergutsbesitzer, Mietcelfeldr.
Au« Berlin . 201
aus «lern übrigen Deutschland . 175
auHionleutsche Theilnelimer . < <14
(davon miim Oesterreich 15, den skandinavischen Ländern fc,
au« Russland. Griechenland. Aegypten und Japan je 2. aus
England und Amerika je 1).
Summa: 470
Allgemeine
In einem einfachen Zimmer eines Gasthauses
in Mainz trat am 1. April des Jahres 1870 eine
bescheidene Anzahl hervorragender deutscher Ge-
lehrter zur Constituirung einer deutschen Gesell-
schaft für Anthropologie, Ethnologie und Ur-
geschichte , einer deutschen anthropologischen
Gesellschaft zusammen.
Es folgten 10 Jahre ernster ununterbrochener
Arbeit. Wie wesentlich verändert finden wir
nun das Bild.
Im grossen Sitzungssaal» des Abgeordneten-
hauses zu Berlin, duftend von grünen Laub-
gewinden und Zierpflanzen, prächtig geschmückt
mit dem Bild unseres Kaisers, den Fahnen aller
deutschen Länder und den Wappen jener 10
Städte , in denen die vorhergogangenen Con-
gresse getagt in Anwesenheit Ihrer Kaiser-
lichen und Königlichen Hoheiten des
Kronprinzen und der Kronprinzessin
des Deutschen Reiches und von Proussen,
sowie des Erbprinzen von Sachsen-
Meiningen neltst Gefolge und vielen hervor-
ragenden Gästen , — unter anderen die Herren
Admiral S t o s c h . Minister Falk, chinesischer
Botschafter L i f a n g h a o, japanischer Kommissär
Matsubara, Unterstaatssekretär von Gossler,
Gcheimrath Dr. Goeppert, Generaldirektor
Schöne — vereinigte sich unter dem Vorsitze
V i r c h o w ’s die deutsche anthropologische Gesell-
schaft am 5. August 1880 zu ihrer XI. allge-
meinen Versammlung.
Durch alle deutschen Gauen in Zweigvereinen
verbreitet, hat sich die Mitgliederzahl der Gesell-
schaft inzwischen auf 2100 erhoben. Zu dem
Uebersioht.
XI. Congresse hatten sich 470 Thoilnehmer*) ein-
geschrieben ; neben den Namen der besten deutschen
Forscher finden wir in namhafter Anzahl aus3er-
deutsebe Gelehrte, namentlich zahlreiche ausge-
zeichnete Vertreter der anthropologischen Wissen-
schaft ans den österreichischen und skandinavischen
Länder.
Unter dem ebenso zuvorkommenden wie ver-
ständnisvoll die hohe Bedeutung der Angelegen-
heit in ihrer wissenschaftlichen wie in vaterlän-
1 discher Beziehung anerkennenden Vorgänge des
künigl. preussischen Kultusministers von Putt-
kamer hatten alle deutschen Staaten , viele
Fürsten, Städte und Private die kostbarsten Re-
liquien und Schätze der ältesten deutschen Ver-
gangenheit zu der ersten allgemeinen Aus-
stellung vorgeschichtlicher und anthro-
pologischer Funde Deutschlands, welche io
Verbindung mit dem XI. Congress in den Räumen
des Abgeordnetenhauses in Berlin statt fand, gesendet.
Der allgemeine freudige Wetteifer, biefUr das
Beste und Schönste beizusteuern , vereinigte ein
Ansstellungsmaterial, wie es die kühnsten Hoff-
nungen niemals erwarten durften. Aus allen
deutschen Gauen waren anfangend von den
ältesten Spuren der postglacialen Besiedelung
durch den Menschen in ununterbrochener Folge
der Kulturentwickelung bis zum Aufgang des
vollen geschichtlichen Tages in den Zeiten der
Merovinger und Karolinger jene unschätzbaren
mit dem Spaten und der Spitzhaue gewonnenen
•) Die bisher grösste der allgemeinen Versamm-
lungen, jene in München im August 1875, zählte
250 Theilnehmer.
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81
historischen Fragmente vereinigt, aus denen das
kündige Auge des Forschers die älteste Geschichte
unseres Vaterlandes, die Bildungsgeschichte unserer
Nation und ihrer Eintel-Stämme entziffert. Die
vergleichende Nebeneinanderstellung der wich-
tigsten vorhistorischen Fundergebnisse aus den
verschiedenen deutschen Ländern war in wissen-
schaftlicher Beziehung von höchster Wirksamkeit.
Wir sagen nicht zu viel, wenn wir von der Aus-
stellung eine neue Zeit noch concentrirterer, auf
allen Seiten noch mehr zielbewusster Forschung
für unsere Wissenschaft datiren. Das wissen-
schaftliche Programm der Ausstellung bildet nun
das Arbeitsprogramm für die gesammte deutsche
prähistorische Forschung, das grosse Werk des
Katalogs in Verbindung mit meisterhaften photo-
graphischen Nachbildungen der wichtigsten Aus-
stellungsobjekte hat eine bleibende Grundlage ge-
schaffen für ein exaktes vergleichendes Studium
der Vorgeschichte Deutschlands.
Die Ausstellung war ein nationales Werk, an
dessen ebenso glänzender wie fruchtreicher Verwirk-
lichung die gesammte deutsche Nation opferfreudig
mitarbeitete. Kaum eine der ansehnlicheren deut-
schen historischen Schatzkammern hielt mit ihren
wuchtigsten Dokumenten zurück , deren Verlust
oder Zerstörung nicht weniger unersetzlich ge-
wesen wäre als der jener alten Pergamente.
Unseres Kaisers Majestät gewährte in
huldvollster Gnade die beträchtlichen Geldmittel,
wodurch diese grossartige Ausstellung allein
möglich gemacht wurde.
Seine Kaiserliche und Königliche
Hoheit der Kronprinz des Deutschen
Reiches und Kronprinz von Preussen,
übernahm persönlich dos Protektorat der Ausstel-
lung. Vom ersten bis zum letzten Tage Hessen
der Kronprinz und seine hohe Gemahlin
der Ausstellung und den sonstigen Bestrebungen
des Congresses Ihre persönliche Antbeilnahme in
huldvollster Weise zu Theil werden.
Das Präsidium des Abgeordneten-
hauses hatte die Benutzung seiner würdevollen
Räume für die Sitzungen des Congresses sowohl
als für die Ausstellung gestattet.
Das k. preussische Kultusministerium,
dessen energische Anthcilnahme für dos Gelingen
der Ausstellung wie des Congresses entscheidend
war , begrüßte den letzteren mit voller Aner-
kennung der wissenschaftlichen Bestrebungen und
der Stellung, welche sich die deutsche Anthro-
pologie in dem letzten Decennium erworben. Es
erregte die dankbarsten Gefühle, als Herr Unter-
staatssekretär von Gossler als Vertreter der
Staatsregierang zum Schluss seiner mit hoher
Freude aufgenommenen Begrtissungsrede der Zu-
versicht Ausdruck gab, dass dos Jahr 1SS0 nicht
zu Ende gehen werde, ohne dass der Grundstein
zu einem neuen, sagen wir zu dem ersten,
Tempel der anthropologischen Wissenschaft in
Deutschland , zum anthropologisch-ethnologischen
Museum in Berlin, gelegt werde — ein Ver-
sprechen, das inzwischen schon eingelöst wurde!
Wenn wir uns all dieser hohen Ehre freuen,
und dieser Freude offenen rückhaltslosen Ausdruck
geben, so geschieht das in dein Bewusstsein, dass
in den glänzenden Tagen in Berlin die anthro-
pologische Wissenschaft in Deutschland die Stellung
neben den Schwester- Wissenschaften nun auch
äußerlich eingenommen hat , welche der Be-
deutung der in ihrem Forschungskreis liegenden
Probleme, der höchsten, an welche der Menschen-
geist heranzutreten vermag, entspricht.
Die deutsche Anthropologie verdankt dieße
Erfolge vor allem ihrer wissenschaftlichen Führung
durch die Herren Ecker, Fr aas, Ko 11 mann,
Lindenschmit, Sch aff hausen, Virchow.
In Beziehung auf die XI. allgemeine Versamm-
lung in Berlin und die dort errungenen Erfolge
muss aber vor allem der Name Virchow
hervorgehoben werden. Er hat es von Anfang
an verstanden , der deutschen anthropologischen
Forschung den Stempel seines ebenso kritischen
wie umfassenden Geistes aufzudrücken , er hat
ihr nun auch vollständig die Bahn gebrochen
und geebnet, auf der fortzuschreiten eine Lust ist.
Der reiche Kreis ausgezeichneter Gelehrter
und Forscher, welche sich in der Berliner anthro-
pologischen Gesellschaft um Virchow zu sammeln
pflegen: Bastian, Fritsch, Hartmann, Jagor,
Nachtigal und wie die glänzenden Nomen alle
heissen, war durch die ausgezeichnetsten Gäste
aus ausserdeutschen Ländern , welche speziell zu
zu dem Congress der deutschen antliro|>ologischeu
Gesellschaft eiugotroffen waren, vergrößert.
Da war der Hochmeister der kritischen Wissen-
schaft des Spatens, das Ehrenmitglied der deutschen
anthropologischen Gesellschaft: Schliemann
und Freiherr von Nordenskioeld, dem es
zur Bewunderung der Mitwelt gelungen, das
grosse geographische Problem der Jahrhunderte,
die Umschiffung Asiens, zu lösen, da war Oester-
reichs berühmter Naturforscher von Hochstetter
und der Präsident des internationalen anthro-
pologischen Congresses in Budapest F. v. P u 1 s zky,
dann H. Brugsch-Bey aus Cairo, G. Rohlfs
u. v. A. Unser hochverdienter Bastian hatte es
möglich gemacht, indem er hn Flug die letzten
weiten Stationen seiner neuen W eltreise zurück-
legte, noch zum Congress einzutreffen und diesem
11
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82
einen Theil seines wichtigen neugewonnenen 1
wissenschaftlichen Erwerbs vorzulegen.
Mit Freude begrüssten wir die Freunde aus |
dem skandinavischen Norden: neben Montelius,
Thor eil — den Lehrer und Freund v. Norde n-
skioeld’a — , von Sehested auf Broholm — j
den Mann der Steinaxt — und Undset, sowie
die Herren Eggertz, Eriksson, Er sie v,
H. Horst, die sich in vollkommen kollegia- -
lisclier Weise an den Arbeiten des Congresses
betheiligten zum Beweis , dass jene t namentlich j
früher manchmal hervorgetretenen Wissenschaft- j
liehen Differenzen zwischen den skandinavischen j
und deutschen vorgeschichtlichen Forschern ihren
Stachel grösstentheils schon verloren und dass
sich beide auf dem Boden der Thatsaehon in ge- |
meinsamem Streben und Arbeiten, gefunden haben.
Aber das muss hier ausgesprochen werden,
dass kaum Etwas bei dem Berliner Oongresse mit
grösserer Oenugthuung und lebhafterer Fronde
begrüsst wurde als das zahlreiche Erscheinen der
österreichisch - ungarischen Anthropologen. Wir
haben von Höchst etter und von Pulszky
schon genannt, da waren aber auch die anderen
Koryphäen der österreichischen anthropologischen
Forschung: Graf Wu rmbr an d, M n ch , Wankel,
Ilampel, C wiklinkski, Heger, Kö-
rens ky, Schneider, von Strass er,
Szukäts, Tappeiner, von Toeroek,
von Torrn a.
Zur Gründung der deutschen anthropologischen
Gesellschaft, zu Mainz waren auch Vertreter der
anthropologischen Lokal -Vereine von Klagenfurt
und Wien erschienen. Der Natur der Sache ent-
sprechend und gewiss zum grossen Vortheil der
nothwendigen Verallgemeinerung und gleichzeitigen
Lokalisirung der anthropologischen Studien bildete
sich in der Folge unter Führung der anthro-
pologischen Vereine in Wien, Budapest, und Graz
eine Vereinigung der österreichisch - ungarischen
Anthropologen, welche in der an der k. k. Aka-
demie der Wissenschaften zu Wien kreirten Com-
mission für prähistorische Forschung unter dem
Vorsitze von Höchste ttor’s einen Mittelpunkt
bekam, um welchen sie die deutsche anthro-
pologische Wissenschaft bisher umsonst beneidet.
Die deutsche anthropologische Gesellschaft besitzt
aber noch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von
werthen werkthätigen Freunden in Oesterreich-
Ungarn. Von den deutschen Anthropologen wurde
es mit grösster Sympathie aufgenommen, dass
sich bei dem Oongresse in Berlin das Freund-
schaftsbündnis der beiden Bruderstaaten auch in
einem Freundschaftsverhältnis der beiden grossen
mitteleuropäischen anthropologischen Gesellschaften
wiederspiegelte. Die Wahl Kegensburgs als Ort
für die nächstjährige XU. allgemeine Versammlung
erfolgt« nicht ohne den Gedanken, dort den öster-
reichischen Freunden möglichst nahe zu sein.
Eine ganz eigenartige Physiognomie erhielt der
Berliner Kongress durch die lebhafte Betheiligung
der ausgezeichnetsten deutschen Anatomen, welche
in drei speziellen anatomischen und kraniologischen
Conferenzen namentlich die wichtigen Fragen
der Caudnlbildung bei dem Menschen und der
antliropometrischen Messmethoden und manches
Andere behandelten.
Es wäre unmöglich, in Kurze die Fülle des
Studienmaterials zu charakterisiren , welche noch
ausser der Ausstellung dem Congress in Berlin dar- *
geboten wurde. Die Namen der Sammlungen,
welche unter der aufopfernden Führung ihrer
Vorstände ihre reichen Schätze den Mitgliedern
des Congresses schauen Hessen , sind aus dem
Programm ersichtlich. Mehrfach waren in den
betreffenden Sammlungen und Museen Spezialau>-
stellungen der anthropologisch beao.htenswerthesteu
Objekte veranstaltet, um die Uebersicht über das
Wichtigste in der immerhin für alle diese wissen-
schaftlichen Genüsse zu kurz bemessenen Zeit doch
zu einer möglichst vollständigen zu machen. Um
nur Einiges hervorzuheben, nennen wir die anthro-
pologisch-osteologlsche Ausstellung im patholo-
gischen Institut, wo Herr Virchow ausser einer
vollständigen Sammlung seiner Merkmale niederer
Rassen am Schädel auch eine höchst belehrende
Auswahl aus dem reichen kraniologischen Material
und der ethnischen Skelettsammlung namentlich der
anthropologischen Gesellschaft und der von Herrn
B ae r aus Manilla eingesendet on Schädel und Skelette
aus den Philippinen aufgestellt hatte. Vor allein
fesselten die Aufmerksamkeit der Kraniologeo
jene auffallenden und unbestreitbar typischen
niedrigen Schädolformen, die Chuinäcephalen
Virchow’s, wie sie sich relativ auffallend häufig
und in ganz specifischer Ausbildung in den alt-
friesischen Gebieten finden. Herr Virchow
hatte auch zwei prähistorische Skelette, das eine
ausgezeichnet platyknemisch aus einem Grabe der
Steinzeit, vollkommeu montiren lassen. In der
anatomischen Sammlung der Universität war eine
grossartige Spezialausstellung aller in ihr ent-
haltenen RassenschUdel speziell für die Zwecke
der Versammlung veranstaltet, und ebenso in der
paläontologischen Sammlung eineSpezialuusstellung
aller diluvialen Hanptfnnde in Norddeutschland,
wodurch ein volles Bild dieser Periode geliefert
wurde.
Die nahe, auf die innigste Interessenberührung
gegründete Verbindung der deutschen geogra-
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phischen und anthropologischen Studien doeumen-
tirte sich in würdiger Weise bei der Festsitzung
der geographischen Gesellschaft im
Prachtsaale des Architektenhauses durch die geist-
reiche und schwungvolle Rede , mit welcher der
berühmte Präsident derselben Herr Nachtigal
den anthropologischen Congress begrüsste. Wir
heben aus derselben folgenden Theil heraus:
„Wie es das letzte und höchste Ziel
der Erdkunde bleibt, die Räume unseres
Planeten mit ihrer Gestaltung, ihren organischen
und unorganischen Körpern und Stoffen und deren
Kräften als Wohnorte des Menschengeschlechts
und als bestimmende Schauplätze seiner Entwick-
lung und Schicksale zu betrachten und wie die-
selbe damit in das Gebiet der Anthropologie
hinübergreift, so kann auch diese bei der Erfül-
lung ihrer umfassenden Aufgaben die Geographie
nicht entbehren. Indem die Lehre von der mensch-
lichen Gattung die Wesenheit dieser festzustellen,
die Verschiedenheit ihrer einzelnen Zweige und
Gruppen zu erkennen und zu erklären bestrebt '
ist, findet sie bald , dass ein wesentlicher , wenn
nicht der wesentlichste, Factor bei der Aus- und
Umbildung des Menschen in den Lebensbeding-
ungen und Anregungen, welche dieser in den
verschiedenen Theilen der Erde findet, zu suchen
sei. Mag der Einfluss der physischen Länder-
beschaffenheit auf das Wesen der Völker in teleo-
logischem Bedürfnis übertrieben worden sein:
immerhin spielt dieselbe eine Hauptrolle, und je
mehr wir in der Geschichte des Menschenge-
schlechts surückgehen , desto mehr musste dies
der Fall sein. Ucberall hing der Mensch in seiner
Hülflosigkeit von der Scholle ab, auf der er ent-
stand, war in gewissem Sinne ein Product der ihn
umgebenden Natur, und erst, allmählich lernte er
die Kräfte derselben beherrschen, ihre ihm feind-
lichen Gewalten besiegen und sich dienstbar
machen.
„Wenn nun die früheren Stadien des Menschen-
geschlechts, das Wie, Wo und Wann seiner Ent-
stehung, die Triebfedern seiner Entwicklung und
damit die höchsten, philosophischen Probleme und
ihre Lösung recht eigentlich das Endziel der
Anthropologie bilden, so muss diese doch , bei
dem Mangel an zulänglichem Erkenntniss-Material
aus den früheren Perioden , vielfach aus den
späteren Rückschlüsse zu machen, den Entwick-
lungsgang rückwärts zu verfolgen , aus der Er-
kennung und Ausscheidung der Verschiedenheiten
in den einzelnen Theilen der jetzigen Menschheit
die ursprüngliche Wesenheit der Gattung zu er-
gründen suchen. Damit gelangt sie zur Ethno-
logie und durch einen Schritt weiter zur Ethno-
i graphie, in der sie sich nicht mehr mit der Erd-
kunde berührt, sondern deckt.
„Seit Dank Alexander von Humboldt
und Carl Ritter die Geographie aufgehört hat,
im geistlosen Schematismus zu einer statistischen
Ortskunde herabgewürdigt zu werden , sondern
die Beziehungen der organischen Wesen zu der
physischen Beschaffenheit ihrer Wohnorte erforscht,
haben wir die Verbreitungsgesetze der Pflanzen
und Thiere zu erkennen und die Geschichte des
! Menschen mit ganz anderen Augen anzusehen be-
gonnen. Auf diesem Wege ist die Erdkunde zur
f unentbehrlichen Förderin der Anthropologie ge-
worden. In ihrem Lichte wird das Verständnis^
des Einflusses angebahnt, dem der Monsch von
Seiten des Klima’s, der Nahrung uud der ihm
durch die lokalen Verhältnisse aufgezwungenen
Beschäftigung unterliegt. Wir lernen die Gründe
und Bedingungen verstehen, unter denen einzelne
Abtheilungen des Menschengeschlechts in ver-
schiedenen Zeiten zu ungewöhnlich hoher Kultur-
stufe gelangten, während andere, scheinbar eben
so gut veranlagte, zur Stagnation verdammt er-
scheinen ; begreifen, wie in früheren Zeitperioden
günstig gelegene, fruchtbare und mild temperirte
Wohnsitze zur Anregung von Fortschritten in
j der Entwicklung unentbehrlich waren , während
im weiteron Verlaufe der Kulturgeschichte des
Menschengeschlechts die von der Natur gesetzten
Hindernisse mit Vorliebe überwunden und selbst
ein kräftiger Anstoss zum Fortschritt wurden,
hingegen gerade allzu entgegenkommend von der
Natur behandelte Völker zurückblieben.
„Die Erdkunde lehrt den Einfluss trennender
Meere und Wüsten, einigender Flüsse und schei-
dender Gebirge auf den Gang der Verbreitung
der Völkef, ihrer Mischung unter einander und
ihrer Kulturentwicklung erkennen ; sie begründet
die Verschiedenheit des Menschen der Ebene vom
Gebirgsbewohner, der Küstenvülker von den
Binnenländern, des Polarmenschen von dem äqua-
torialen durch die Natur ihrer Wohnsitze ; sie
zeigt uns, wohin ein Volk durch erleichterte Be-
rührung mit anderen und wohin durch räumliche
Abgeschlossenheit gelangt. Freilich steht sie
dabei noch vor vielen Räthseln ; Probleme drängen
sich ihr zahllos auf, und Lösungen werden ver-
sucht, welche der endgültigen Beweise noch harren.
Die gleichen Ursachen scheinen selbst da nicht
gleiche Wirkungen zu haben , wo alle anderen
Bedingungen scheinbar dieselben sind : Beweis,
dass noch unerkannte Factoren mit wirken ; und
dieser sind um so mehr, je höher die Entwick-
lungsstufe ist, welche ein Zweig der menschlichen
Gesellschaft erreicht hat.
11*
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84
„Darum sucht die Anthropologie gern die ein-
facheren Verhältnisse der kulturgeschichtlichen An-
fänge eines Volkes zu ergründen und Erkenntniss-
Material aus der prähistorischen Zeit zu gewinnen,
während die Erdkunde vorzugsweise durch Zu-
fuhr ethnographischen Materials zur Erreichung
des gemeinsamen Endziels beizutragen sucht. Das
Material so zu gewinnen, dass es richtige und die
Lösung der anthropologischen Probleme fördernde
Schlüsse gestattet , wird von Jahr zu Jahr
schwieriger bei der Hastigkeit mit der die Kultur-
völker auch die zurückgebliebenen Abtheilungen
des Menschengeschlechts in das allgemeine Welt-
getriebe ziehen. Die physischen und psychischen
Grundeigenschaften eines Volkes verwischen sich;
Sitten und religiöse Anschauungen gehen ver-
loren und machen eingeführten Platz; Sprachen
verändern sich und werden verdrängt; ganze
Stämme gehen unter oder verschwinden durch
Wanderung, Zersplitterung, fremde Blutmischung.
„Die Zeit drängt, und es wäre zu wünschen,
dass Viele mit so heiligem Eifer die unverfälschten
Zeugnisse der Eigenart der von Kultur wenig
berührten Völker zu fixiren bestrebt wären , wie
Bastian, der vieljäbrige Vorsitzende dieser Gesell-
schaft, den wir hoffen können, in wenigen Tagen nach
seiner erdumspannenden, ethnologischenReise wieder
unter uns zu sehen. Wenn nun auch nicht Jedem,
der das Studium der Erde und seiner Bewohner
zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat , vergönnt
sein kann, ein ebenso reiches Material zusanimen-
zutragen, so ist doch die neuere Erdkunde überall
nach Kräften bestrebt, auch in dieser Beziehung
don Anforderungen der Wissenschaft gerecht zu
werden. Auch Deutschland ist hierin nicht zu-
rückgeblieben, und ich erinnere ausser den eben
berührten Leistungen von Bastian, an die
reichen Ergebnisse der Gazellen-Expedition unter
der Führung des Freiherm von Schleinitz,
an die werthvollen Früchte der Reisen von Reiss
und St Übel, welche demnächst der wissen-
schaftlichen Welt zugänglich gemacht sein werden,
an die verständnisvollen Sammlungen von Jagor,
an die Schätze des G o d eff roy- Museums in
Hamburg und an die werthvollen Beiträge, welche
uns Fritsch, Hartrannn, die Loumjo-Kxpe -
flition , Hildebrandt und Andere aus Afrika
eingebracht haben.
„So ist die Erdkunde unaufhörlich bestrebt,
der Anthropologie die Grundlage zu ihren Ar-
beiten breiter und solider zu gestalten und mit
ihr an der Lösung der höchsten Probleme zu
arbeiten, welche der Lehre vom Menschen vor-
liegen In diesem Gefühle der Solidarität
beider Wissenschaften begrüsse ich im Namen
der Gesellschaft für Erdkunde die Mitglieder der
Deutschen Anthropologischen Gesellschaft auf das
Herzlichste und Ehrerbietigste.“ —
Wrelch prächtiges Bild bot der feierliche
Empfang des F reiherrn von Nordenskioeld
im Festbau des Rathauses , wo derselbe durch
die Vertreter der Stadt, den Chef der Admiralität,
den Vertreter der Staatsregierung. die Präsidenten
der geographischen , der deutschen anthropolo-
gischen und geologischen Gesellschaften und den
Rektor der Universität begiilsst wurde.
Unübertrefflich schön waren die Feste, welche
nach der anstrengenden Arbeit des Tages den
Mitgliedern des XI. Congresses geboten wurden.
Trotz seiner prächtigen Ausstattung und gross-
artigen Dimensionen heiter, liebenswürdig, ge-
schmückt mit geistvollen Trinksprüchen, launigen
Reden und Gedichten war das Festessen der
Versammlung im zoologischen Garten am ersten
Versammlungstage. Aus den Reden bei dem
glänzenden Festbankette zu Ehren Schliem an n‘s
und von Nordensk ioeld'H, an welchem sich
die Mitglieder des Congresses offiziell betheiligten,
sei es gestattet nach dem Berichte des Herrn
A. Wold einige unsere wissenschaftliche Epoche
treffend charakterisirende Worte aus der Begrüß-
ungsrede Virchow’s an die beiden Gefeierten
zu erwähnen.
„Die Signatur unserer Zeit ist es, das bisher
in Einzelbeobachtungen zerstreute Material in
grossen Gesichtspunkten aufzufassen und jene Zer-
splitterung der Wissenschaften zu beseitigen.
Dies ist von dom Augenblick an erfolgt, als die
Wissenschaft anfing praktisch zu arbeiten, wie
wir dies von Nordenskioeld und 8 c h 1 i e -
mann sehen. Diese beiden Männer haben jeder
für sich wohl so grosse Erfolge errungen, wie
kein einziger unter uns, dennoch haben sie beide
früher eine andere Laufbahn gehabt als gegen-
wärtig. Herr Schliemann hot als Kaufmann
klein angefangen ; bevor er seine klassischen Stu-
dien begann, war er gcnöthigt, angestrengt zu
arbeiten ; er hat von Jahr zu Jahr grössere Be-
sitzthümer errungen und als er in ein gewisses
Stadium gelangt war, da „gründete“ er nicht,
sondern ergab sich seiner grossen Forscherarbeit
mit grossen Opfern. Auch Herr von Norden-
skioeld legte seine Bahn in viel bescheidenerer
W'eise an, als sie sich jetzt entwickelt hat. Sein
starker und freier Sinn trieb ihn etwas früh in
Conflikte, die ihn in ein anderes Land brachten,
und als ihn hier mein berühmter Tischnachluir
Toreil zu seinen Glacialreisen aufforderte, war
der Grund zu diesen Dingen noch keineswegs
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gelegt. Herr von Nordenskioeld hat den
Nordpoldienst von der Pike auf erlernt , jetzt
sehen wir ihn umgekehrt den Weg zum Kauf-
mann besch reiten. Grosse Erfolge verdienen es
gefeiert zu werden. Männer die sie erreicht haben,
haben einen Anspruch darauf, sich eine gewisse
Kühe zu gonneu ; diese beiden Männer aber- sind
anders ; das Erreichte ist ihnen nur ein Mittel
zu neuen Unternehmungen. Herr Schliem ann
brütet bereits über eine neue Ausgrabung und
Herr von N o r d ens k i o e 1 d ventilirt gleichfalls
eine neue Reise. Solche Männer brauchen wir;
das ist der Geist der neuen Zeit, dass praktische
Arbeit und Ueberzeugung mit wissenschaftlicher
Gelehrsamkeit Hand in Hand geben. Möge diese
Art der Arbeit reiche Früchte tragen.“
Die beiden offiziellen Ausflüge des Con- i
gresses, der eine zur „Römerschanze“ bei Potsdam,
bei welchem das Erscheinen und die huldvolle An-
thei Inahme des hohen Protektors der Ausstellung
Seiner K. K. Hoheit des Kronprinzen i
mit Ihren K. K. Hoheiten der Kron-
prinzessin und Prinzessin Tochter mit
lebhaftem Jubel begrtUst wurde, — vorher der
Tag im Spreewald — brachten neben ihrer
wissenschaftlichen Ausbeute ebenso ihrer Schön-
heit wegen eindrucksvolle wie interessante Und- j
schaftliehe Genüsse. Die Schönheiten Potsdams •
und seiner Umgegend, die Schlösser mit ihren
ergreifenden historischen Erinnerungen, die Gärten
reich und sinnig geschmückt mit den Kunstschätzen
des klassischen Alterthums , die prächtigen Aus-
blicke über wohlgepflegte Wiesenflächen und alte
Baumgruppen der Parks auf die breiten silber-
blauen Wasserspiegel der Havelseen umfasst von
sanften malerisch geschwungenen grünbewitldeten |
Höhenzügen — sie sind allbekannt, allbewundert.
Aber wer würde es glauben, dass in nächster
Nachbarschaft der modernen Kaiserstadt fast noch
mittelalterliches Volksleben in einer wunderbar
aoinuthendeu Landschaft sich so vollkommen er-
halten konnte, wie das die Spreewaldfahrt be-
wies. Die Eindrücke sind trotz ihrer Seltsamkeit so
freundlich, so zu Herzen sprechend, dass ein Bericht
darüber fast unwillkürlich eine poetische Färbung
annimmt. In dein vorstehenden Programm ist
der allgemeine Verlauf dieses nach jeder Richtung
vollkommen gelungenen , von einer strahlenden
Sonne vergoldeten Ausflugs in den Umrissen dar- !
gelegt. Den allgemeinen Eindruck dos wendischen j
Spreewaldes mögen Jenen, die nn dieser schönen I
Fahrt nicht theiluehmen konnten , einige Stellen i
aus einer handschriftlichen Beschreibung von be- |
freundeter Hand Schilden):
„Wenige Stunden genügen, um den Liebhaber ]
eigenartiger Natur und originellen Volkslebens
aus dem Treiben der modernen Stadt in längst,
vergangene Zeiten zu führen. Freilich der Wald,
welcher dem Spreewald den Namen gab, ist in
grossen Theilen desselben verschwunden ; saftgrüne
üppige Wiesen nehmen seine Stelle ein ; unzählige
Wasserarme der Spree schneiden in scheinbar
willkürlichen Windungen hindurch. Diese Wasser-
arme sind die einzigen Strassen, ja Wege des
Spreewaldes. Flache Kähne gleiten darauf hin,
gestossen von den aufrecht darin stehenden
Männern. Im Wald-Dorfe liegt jedes Haus auf einer
Insel umarmt von schmalen Wasserläufen, die
den Nachbar vom Nachbar trennen, nur schmale
hohe Stege, Banken genannt, führen darüber, der
eigentliche Verkehr geht zu Wasser. Jedes Haus
bat seinen kleinen Hafen mit zwei oder drei
Booten, in denen die Kinder Morgens zur Schule
fahren. Mittags wieder heim ; zu Kahn geht es
zur Kirche, zur Taufe, Trauung oder Beerdigung,
zur Arbeit oder zum Vergnügen.
„Wenn auch die Wiesen durch Vernichtung der
Waldbäume weithin frei geworden sind, hier im
„Dorfe“ glaubt man sich noch mitten im Walde;
stolz und schlank recken sich die Stämme der Erlen
und Fruchtbäume in die Höhe , zwischen denen
die aus braunem Holzwerk gezimmerten Häuser
mit niedergehendem Schilfdach stehen. Im Innern
der Häuser niedrige Stuben mit Holzwänden.
Unter der Decke läuft rings im Zimmer ein Bort
entlang, auf dem ein Iteichthuui an bunten Tellern
aufgereiht steht ; saubere Dielen und einfaches
Geräth , alte Schränke und Truhen mit Holz-
schnitzereien geschmückt; ein grüner breiter
Kachelofen mit umlaufender Bank ; in der Zimmer-
ecke eine mächtige Bettstatt , die zum Schmuck
mit Kissen bis zu dem primitiven Betthimmel
vollgethUrmt ist. Am Fenster blühen Nelken-
stöcke, in der Stube stehen Blumen in Gläsern-
und zu dem sauberen wohithuenden Eindruck ge-
sellt sich eine Empfindung der Freude erregt
durch einen gewissen Schönheitssinn , der sich
überall geltend macht. In der Küche 'ein Reich-
thum an Geräth der oft für drei Familien reichen
könnte.
„Der wendische Bauer ist oft ein reicher Mann
und ein wendisches Mädchen in vollem Putz
reprüsentirt weit mehr Geldwerth nls die Durch-
Schnittsstädterin. Die Weite der Frauenröcke ist
unglaublich, leuchtendes Roth ist die bevorzugte
Farbe. Jedes Dorf hat eine besondere Art, das
kleidsame breite weisse Kopftuch zu binden. Weisse
Tücher mit Spitzenbesatz werden über das schwarze
Sammetmieder geknüpft, bunte sebwerseidene
Schürzen bedecken zum grossen Tbeil den Rock.
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„Gin farbiges Bild des Spreewaldes bietet
namentlich der Sonntag. Stundenweit pilgern
die Leute von allen Seiten zur Kirche. Da sind
die Wasserstraßen und dazwischen die wenigen
schmalen Fusswege belebt von bunten Gestalten.
Wie auf den Flussarmen nur Kahn hinter Kahn
fahren kann, so wandeln auch die Fussgäuger
einzeln hinter einander her. In ein Tuch ge-
bunden tragen Frauen und Mädchen ihre Sonntags-
Schuhe und Strümpfe, die erst vor dem Ort oder
gar erst vor tler Kirchthüre angezogen werden.
„Die Predigt ist wendisch und ebenso das
stark durch die Nase gesungene Kirchenlied. Hat
sich auch die deutsche Sprache ihren Weg ge-
bahnt und wird sie allmählig das Wendische
überwachsen, noch ist Alles undeutsch, wendisch
die Sprache, die Gebräuche, wendisch die Kleidung
und Lebensart, wendisch die Sagen und der Aber-
glaube, überall spuckt vor allem noch der
„ W end eukönig “ .
„Es gibt noch alten Wald , abseits von der
grossen Route gelegen. Ist es idyllisch -still
zwischen den Wiesen, hier herrscht eine feierliche
Stille. Die Bäume bilden hohe Wölbungen über
den Flussarmen gleich Bogen eines Doms. Das
klare braune Wasser erglänzt in reich gesättigten
Tönen, darüber spielen unzählige dunkelblaue Li-
bellen ün zierlichsten Treiben. Ueppig wuchernde
Pflanzen schwanken Uber den Rand des Flusses,
die Bäume senken ihre wunderlich verzweigten
Wurzeln in das feuchte Element , über dessen
glatten Spiegel sie sich selbst beugen. Die Sonne
drängt sich auf die dunkelgläuzenden Blätter
durch das dichte Gezweig der alten Baumriesen,
kaum hört man einen Vogel — auch das Boot
gleitet lautlos mit den Windungen der Spree
durch den schweigenden und doch nicht traurigen
Wald, dessen Kraft, Frische und Xaturschünheit
Bewegung und Ton nicht vermissen lässt.“ —
Es war ein unvergessliches Bild als die lango
Reihe der Kähne unter lieblichem Gesang und
freundlichem Geplauder durch Wiesen und Wald
hinfuhr, vorüber an einzelnen unter Bäumen ma-
lerisch gelegenen Höfen und kleinen Ansiedelungen,
unter hohen schmalen Stegen hin, das Ufer belebt
von den geputzten Landleuten, namentlich aller-
liebsten kleinen Dirnen, die in dem Nationalkost ürn
wie Puppen au&sehen und die vorübergleitenden
Boote mit Blumen bewarfen : pommergei bock,
Grüss dich Gottl
In äusserer wie in wissenschaftlicher Beziehung
war der Besuch der Tausundinselreicher im Spree-
wald, an welchem 260 Mitglieder, darunter zahl-
reiche Damen, theilnahmen, der Glanzpunkt der
Festlichkeiten. Alles war auf das Sorgfältigste
vorbereitet, Alles gelang vortrefflich. Eine speziell
zu diesem Ausflug verfasste Schrift über die Alter-
thünier des Spreewaldes von Vircbow und W. v.
Schulenburg hatte die Erwartungen hoch ge-
spannt, die der durch nichts gestörte Verlauf des
reizenden Festes voll rechtfertigte. Vor allem
verdienen hiefür den Dank der Gesellschaft, nebeu
der Direktion der Görlitzer Bahn, die Herren Grie-
be n o w und vonSchulenburg. welche beide in
der gastlichsten Weise die Rolle der Hausherrn im
Spreewalde übernommen hatten, dann die Herren
Langerhans und noch vorzüglich der Gast-
freund Nordenskioeld's in Berlin , Herr
Kaufmann Schönlank, welcher die gesammte
Mitgliederzahl des Ausflugs in Lübbenau be-
wirthete; derselbe Freund, dessen sinnige Geschenke
das erste Festmahl des Congresses im zoologischen
Garten verschönerten und erheiterten. —
Der schönste Lohn, der einem mühvollen.
die grösste Aufopferung fordernden Unternehmen,
wie es die Vorbereitungen und die Leitung zu
dem XI. Congresse und der damit verbundenen
Ausstellung waren , zu Theil werden kann , ist
das Bewusstsein am Ende, dass Alles in schönster
Weise geglückt ist.
Das ist der Lohn, der im vollsten Maasse
den Männern zu Theil wurde, welche die Arbeits-
last auf ihre Schultern genommen hatten. Die
I Mitglieder der Berliner Lokalausschüsse haben
sich alle den lebhaftesten Dank der Gesellschaft
verdient, aber wir müssen zum Schluss noch drei
Namen speziell hervorheben, die Namen unserer
beiden Lokal - Geschäftsführer für den XI. Con-
gress: Herr Dr. A. Voss und Herr Friedei,
von denen der erstere vorzüglich die äusserst
mühevolle Leitung der Ausstellungsangelegenheiten,
der zweite als Vorsitzender jene des äusseren Ver-
laufs der allgemeinen Versammlung besorgte.
Der dritte ist Herr Geheimrath Kleinschmidt,
der hochverdiente Bureau-Direktor des Abgeord-
netenhauses zu Berlin. Seiner ebenso liebenswür-
digen und aufopfernden wie unübertrefflich ge-
schäftsgewandten Sorgfalt verdankt die Gesellschaft
nicht nur den schönen Verlauf ihrer Sitzungen
und sonstigen Geschäfte im Abgeordnetenhause;
auf seinen Namen in der Ausstellungs-Commission
gründet sich zu nicht geringem Antlieil dos durch
den Erfolg vollkommen gerechtfertigte Vertrauen,
welches die Aussteller bestimmte, ihre kostbarsten
Objekte der Ausstellung zu übergeben. Herrn
| Geheimrath Kleinschmidt gebührt unser
wärmster, innigster Dank, mit ganzer Verehrung
i wird Jeder, der das Glück hatte, ihn näher kennen
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zu lernen , an diesen Mann der altpreussiscben
Pflichttreue zurückdenken. —
Die umfangreichen und wichtigen Arbeiten
des Congresses sowie die neuen Aufgaben fllr das
kommende Arbeitsjahr ergeben die stenographischen
Aufzeichnungen der Verhandlungen , welche wir
durch die uns durch Herrn Kleinschmidt
freundlichst ermöglichte Benützung der für das
Abgeordnetenhaus verfügbaren Einrichtung und
Krüfte in ganzer Vollständigkeit wenige Tage nach
Schluss des Congresses den Mitgliedern der Gesell-
schaft schon übermitteln konnten.
In der dritten Sitzung fand die Neuwahl
der Vorstandschaft statt, es wurden gewählt:
Herr Ecker als I. Vorsitzender,
Herr Fr aas als II. Vorsitzender,
Herr Virchow als III. Vorsitzender.
Schatzmeister und Generalsekretär blieben
statutengein tos im Amte.
Es erscheint uncöthig hier Weiteres hervor-
zuheben. Nur darauf soll noch aufmerksam ge-
macht werden , dass sich die wissenschaftlichen
Verhandlungen der VI Sitzungen, abgesehen von den i
Begrüßungsreden und Commissionsberichten zum
erstenmal durch die festgesetzten Tagesordnungen
programmmäßig und zwar in folgender Weise von
dem Jüngerenzum Aelteren fortschreitend gliederten :
I. Die fränkischen , slavischen , lettischen,
arabischen und skandinavischen Funde in Deutsch-
land. (II., III. und IV. Sitzung.)
II. Die römischen und etrurischen Funde in
Deutschland, (V. Sitzung.)
III. Die altgermanischen und keltischen Funde
in Deutschland. Die alte Bronzezeit.
IV. Die Steinzeit in Deutschland. Die Höhlen-
funde. (VI. Sitzung.)
V. Die Löss- und Moorfunde. Aelteste Urge-
schichte des Menschen in Deutschland. (VI. Sitzung.)
VI. Deutsche Anthropologie. (VI. Situng.)
Ausser dem vorstehend mitgetheilten Pro-
gramm wurde noch eine Anzahl verwandter, über
das Gebiet Deutschlands binausgreifender nament-
lich auch ethnologischer Fragen verhandelt.
Damit schliessen wir diese gedrängte Ueber-
sicht über den äusseren Verlauf der XI. allge-
meinen Versammlung in Berlin.
Die bei dem General-Sekretariate zur Vorlage für die XI. allgemeine Versammlung eingelaufenen
Werke und Schriften.
1) Arnold, Wilhelm: Deutsche Urzeit. II. Auflage. Gotha. F. A. Perthes. 1880.
2) Baier, Rudolf, Dr.‘: Die vorgeschichtlichen Alterthümer des Provinzial -Museums für
Neuvorpommer und Rügen in der Ausstellung prähistorischer Funde Deutschlands. Stralsund 1880.
3) Bartels, Max, Dr. : Ueber Menschenschwänze. Separat -Abdruck aus dem Archiv für
Anthropologie. 1880.
4) Bastian, A. und A. Voss: Die Bronzeschwerter des königlichen Museums zu Berlin.
Berlin, Weidmann’ sehe Buchhandlung 1878.
5) Bönigk, Freiherr v., Major a./D. : Ueber ostpreussische Burgwälle. Königsberg 1880.
6) Brösike, G. , Dr.: Das anthropologische Material des anatomischen Museums der
k. Universität zu Berlin, I. Theil. Separat -Abdruck aus dem Archiv für Anthropologie 1880.
7) Friedei, Ernst, Stadtrath etc : Vorgeschichtliche Funde aus Berlin und Umgegend.
Festschrift für die XI. allgemeine Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft zu
Berlin 1880. Schriften des Vereins für die Geschichte der Stadt Berlin. Heft 17. Berlin 1880.
E. S. Mittler u. Sohn.
8) Führer durch die kgl. Museen zu Berlin. Berlin. Weid mann' sehe Buchhandlung I8S0.
9) Katalog der Ausstellung prähistorischer und anthropologischer Funde Deutschlands zu
Berlin vom 5. — 21. August 1880. Berlin 1880. Druck von C. Berg & v. Holten.
10) Katalog Suplement. Berlin 1880. Stuhr’scbe Buchhandlung tS. Gerstraann).
11) Neumayr und F. Calvert: Die jungen Ablagerungen am Hellespont. Aus den
Denkschriften der k. k. Akademie 1880. 40. Band.
12) Mestorf, J. : Bericht über die Anthropologie in den skandinavischen Ländern. Aus
dem Archiv für Anthropologie 1880.
13) Montelius: Führer durch das Museum vaterländischer Alterthümer in Stockholm,
übersetzt von J. Mestorf, Hamburg. O. Meissner 1876.
14) N o i r , Ludwig : Das Werkzeug und seine Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit.
l. philos. II. technolog. Theil. Mainz. Verlag von J. Dieiner 1880.
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15) Osborne der Hrudischt in Böhmen. Separat-Ahdrnck aus den Sitzungsberichtes
der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis zu Dresden 1878.
IG) Rygh, 0.: Norske Oldsager. Forste Hefte. Chnstiania und Leipzig. Carl Cnobloch 1880.
17) Sammler, der. Internationales Inseraten-Organ. Verlag und Redaktion J, Heinold.
München 1880.
18) Schaaffhausen. H.: Die anthropologischen Sammlungen Deutschland 8. Frankfurt a.;M.
9. Darmstadt. Aus dem Archiv für Anthropologie 18s0.
19) Schwartz, W., Dr., Direktor, Posen: Materialien zu einer prähistorischen Karte der
Provinz Posen mit Nachtrag I und II.
20) Sehested, F.: Til Broholm Oldsager fra Egnen om Broholni Kiobenhavn und Leipig.
F. A. Brockhaus. 1878.
21J Spree wald, der, ' li rov l.rqeiov <r Yfaj , von G J. J. S. a/Gr. Göttingen 1880.
W. F. Kästner.
22) Undsot. Ingvald , Uni vereitelet;* Sämling of Nordiske Oldsager, Kristiania 1878.
A. Cammermeyer.
23) Undset, Iogwold, Norske Oldsager i freraraede Museer, Kristiania 1878 Jae. Dy h wald.
24) Undset, Etudes sur Tage de Bronze de la Hongrie, Christiania und Leipzig 1880.
Carl Cnobloch.
25) Vircbow R. und Schulen bürg W. v : Der Spreewald und der Scblossberg von
Burg ; prähistorisch«* Skizzen, den Mitgliedern der XI. allgemeinen Versammlung der deutschen anthro-
pologischen Gesellschaft Namens der Berliner anthropologischen Gesellschaft dargebracht. Berlin 1880.
ÄViegandt, Hempel k Parey.
26) Virchow, R. : Ueber den Schädel des jungen Gorilla. Auszug aus dem Monatsbericht
der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 7. Juli 1880.
Druckfehler liu stenographischen Bericht Ober die XI. allgemeine Versammlung.
S. 2* 5p. 1 Z. 27 und 2» von ob«n «tau „Nachtigall" li«« „Nachtigal. "
5. 25» Sp. 2 Z. 3 von unten »tau „propriaa“ he« „proeriua."
5 29 Sp. 2 Z. 5 und 6 von unten »Ult „Fugor pollicis corpu»“
lies „Fleier pollici« longus."
5. 50 Sp. I Z. 20 von oben sutt „der Kirchdörfer Burg1" lies „de«
Kirchdorfes Burg.'*
S. 50 Sp. 2 Z. 8 von oben statt ..aber" lies ..eben.''
S. 52 Sp. 2 Z 20 von unten statt „Rautum • lies . Rantum 1
S. 52 Sp. 2 Z. 15 von unten statt „Lerabeko-Burg lies .Lembeka-
Burg "
S. 53 Sp. 1 Z. 2t von oben statt „Cypräno" lies ..CyprBua"
S. 53 t>p. 2 Z. 34 von oben statt „tusebirt , Tuscnirung" lies
„tauaehlrl, Tauachlrueg. '
S. 51 Sp 1 Z 19 von oben statt „Burgwall. die“ lies ..Burgwall, der."
S. Bt) Sp I Z. S von unten statt ..sind'* lies „Ist.“
X SO Sp. 1 Z. 7 von unten statt ,,afu" lies „ave.“
S 80 Sp. I Z, 3 von unten statt , sie zuerst auf“ lies ..es von "
S. 84> Sp. 2 Z 7 von oben statt „hingelegt“ lies „hingestettt "
S. Ni) Sp. 2 Z. 8 von oben statt „fertig und" lies „hinreichend."
S. 80 Sp. 2 Z. 8 von oben statt „ist“ lies „find.“
S 80 Sp. 2 Z. 8 von oben statt „sie'* lies „deren untere« End« '*
S. 80 Sp. 2 2, 9 von oben statt „sie“ lies
S 80 Sp. 2 Z. 18 von oben statt „afu" lies „ava“
S. HO Sp. 2 Z. ly von unten statt „ähnliche" lies „Ihnllch."
S 80 Sp. 2 Z. 15 von unten statt „ethnographischen Zeitschrift“
lies ..Zeitschrift tiir Ethnologie."
S. 80 Sp. 2 Z II von unten statt „Santo“ lies ..Sarnew "
S. 80 Sp. 2 Z. I! von unten statt „da** lies ..der“
S. «0 Sp. 2 Z. 10 von unten statt „wiederhole* lies „wiederholte.“
S. 80 Sp. 2 Z. 7 von unten statt „sarno“ lie* ..Sarnow.“
S- 81 Sp. 1 Z. II von oben »tatt „Sarno“ lie» „SantOW.“
S. 81 Sp. 1 2. 22 von oben »tatt „h«rge*t«IIt ' lies hervorgeb» acht,**
S 81 Sp. 1 Z. 18 von unten statt „Bkimatrisen" lie» „Bleunatriza."
S. 81 Sp. I Z. 18 von unten statt „sie" lies „ihn.'*
S. 81 Sp. 1 Z U von unten »tatt „freie" lies „feine.“
S. 88 statt „Eine spetirll« Betrachtung .... Resultat*' lie»
„Nachdem Herr von TrnlUch dieses Bild der allgemeinen
vorgeschichtlichen Verhältnisse des Landes gegeben hatte,
schildert er die speziellen Fundstätten der einzelnen Perioden
in folgenden Worten."
S. 90 nach „in 4 Karten eintragen'' lies „Schon voriges Jahr bei
der X. allgemeinen Versammlung in Strastburg hat Herr
von Trdltscb es der Deutlichkeit halber für unumgänglich
nüthig erklärt, das so reiche Fundmaterial der einzelnen
Perioden auf mehrere Kartenblätter zu vcrtheilen. Siehe
Seite vn des Bericht» über die X. allgemeine Versammlung.“
S- 101 Sp. I Z 24 von oben statt „Nordens" lies ..Mondsee'a .“
S. 101 Sp. 1 Z. 'äbvon oben statt „Olenkupf“ lies ,, Eberkopf. "
S. 101 Sp- 1 Z. zwon unten statt „Slovenien“ lies „Slavorucn.“
S- 101 Sp. 2 Z. 2*von oben statt „Maria Rust“ lie« „Mario Real“
S. 101 Sp. 2 Z. 28 von oben statt „Winden" lies „Waiden.“
S 101 Sp. 2 Z. 9 von unten statt „normäniveh" lie» ..vorrflmiach "
S. 102 Sp. 1 Z. 20 von unten ist nach „Stilform“ das Wort .jölo**
zu »etten-
S. 102 Sp. I Z. >8 von unten statt „slaviscber“ lies ,.rBmi«Cher.“
S. 102 Sp 2 Z. 7 von oben statt „Manien“ lies „Qertthe "
S. 102 Sp. 2 Z. 18 von unten statt „hämische und syrische“ lies
„botniacha und aorbiacho.“
S. 102 Sp. 2 Z. 1 von unten ist da» Wort „eich“ auszulassen-
S. 108 Sp. 2 Z. 23 von oben »tatt „nicht“ lies „gut “
S 103 Sp 2 Z. 10 von unten statt „M. Rust" lies „Maria Real.“
S. 103 Sp. 2 Z. II von unten statt „Wutsch“ lies ,.W*tCCh-“
S. 103 Sp 2 Z 9 von unten statt „Konfrater" lies . Hofrath."
S. 128 Sp. 2 Z. 13 von oben »tatt „von Dechend“ lies „von Dechen“
S. 128 Sp. 2 Z. 24 von oben statt „und1" lies ..nur.**
S. 129 Sp. 1 Z. 22 von oben statt „der Name" lie« „die Name«.**
S. 130 Sp. I L 30 von oben statt „und“ lies „nur.“
S. I8>J Sp 1 Z. 31 von oben statt „zusammengesetzte" lies „an-
aammeoaeaetiter *'
S. 137 Sp. 1 Z. 5 von oben statt „die wie die" lies „di« wieder.“
S. 137 Sp. 2 Z. 8 von oben statt „Saul" lie» „Satnaon."
S. 138 Sp. I Z. 17 von oben statt ,bei der Uelde * lies „bei Uefd»."
S 188 Sp. 1 Z. 2 von unten statt .jene»" lie» „jener.“
S. 189 Sp 2 7-, 35 von oben statt „bei Fossilen weiblicher Schädeln“
lie» „bei foaailen weiblichen Schldtln •*
S. I3y Sp. I Z. 20 von oben lie» «lau „den andern" lies „Wirr de«
vordem."
S. 139 Sp. 1 Z. 15 von unten statt „anderer" lies „oller.“
S. 140 Sp. 1 7. 82 von oben statt „nennt" lies „kennt"
S. 140 Sp. 1 Z. 84 von oben statt „oebvi" lies „acclivi. '
S. 140 Sp. I Z. i von unten statt „Ländern" lies ..Bindern."
In dem Bericht der kraniometriscben Conterenx 8. 110 Sp 2 Z.3
Ton unten »tatt „fall* eine solche wirklich statt gefunden"
lies „weil er nicht in München anwesend war. Sein Name
sei irrthümlich in den Bericht gekommen. Was die in Dresden
getroffene Vereinbarung betreffe, so" u. *. w.
Druck der Akatlemigchcn Buchdruckerei «w F. Straub in München. — Schluss der Redaktion am 1. November 1880.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
V
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von Rrufasor Dr. Johannen Ranke in München,
Qtntrahecrtfnr der GtulUrhaft.
\! Nr. 12. Er«hnnt jeden Monat. Dezember 1880.
Töpferei in Ceylon.
Hämmern der Töpfe.
Von Br. Jagor, Berlin
nach eigener Beobachtung.
Die Töpferscheibe ist von Holz, hat 27 Zoll
Durchmesser und ragt nur etwa 2 Zoll über den ;
Hoden. Darauf liegt der Formthon , ein Kegel !
von 1 */* Fuss Höhe. Di»* Scheibe wird vou einem
davor hockenden Manne mit den Händen gedreht.
Der Former, der ihm gegenüber hockt, taucht
seine Hände in Wasser, benetzt »fen oberen Theil i
des Thonkegels , formt ihn zu einem Cylinder,
trennt ihn mit einen» Messer von dem Thon- j
klumpen und setzt ihn zum trocknen ab. Ist er
trocken genug , um sich bequem hantiren zu
lassen, so taucht der Töpfer das untere Ende in
Wasser, um es wieder plastisch zu machen und
hämmert auf den angefeuchteten Thon mit einem
hölzernen Schillgel, bis die Oeffnung geschlossen, .
der Boden gebildet ist. Der angefeuchtete Theil
dehnt sich dabei aus, die Form geht aus einer
cylindrisehen in eine kugelige über. Das noch
sehr rohe Getos wird, den Boden nach oben ge-
kehrt, abermals in die Sonne gestellt. Hat es
den gehörigen Grad der Trockenheit erreicht, |
so legt es der am Boden sitzende Töpfer auf
seine mit den Sohlen aneinander gestemmten
Ftoe und bearbeitet es solange mit dem Schlägel,
indem er es zugleich fortwährend um seine Axe •
dreht, bis es eine schöne, glatte, kugelrunde
Oberfläche hat. Während die rechte Hand den
Schlägel führt, drückt die linke mit einem pilz-
artig geformten Steine, einer Art Handamhos, i
gegen die innere Wand des Getoses.
Von den Andaruaneil berichtet Mr. Port»*
man eine andere Methode:
» Nachdem der Thon mit den Händen gut
durchgeknetet worden, formte man daraus einen
festen Körper von der Gestalt des Kochtopfes,
höhlte ihn mittelst einer Muschel aus und ver-
zierte ihn innen und aussen. Zwei Tage liess
nmn ihn trocknen am dritten Tage umgab man
ihn mit Holz und brannte ihn in offenem Feuer.“
Nach einer Abbildung im Tour du Monde 1864
11 167 zu schliessen, scheinen die schön lackirten
und bemalten Getose der halbwilden Volksstämme
in den Wäldern von Peru auf dieselbe Weise ge-
brannt zu sein.
Literaturbericht aus Norwegen
von .1. Mentorf, Kiel.
I. I ndset , Ingmld: Sur l'ägc de bronxe en
Hongrie. Vol. I. ( ’hristiania, < ’arnmemieyer 1880.
158 S. in mit 18 Tafeln u. 82 Fig. in Holzschnitt.
Denjenigen, welche den prähistorischen Studien
ferner stehen, dürfte es auffällig erscheinen, dass
ein Norweger die „ungarische »Bronzezeit“ zum
Gegenstände seiner Forschungen gewählt. Ein
Skandinave (Dr. Hildebrand) war e« auch , wel-
cher vor einem Jahrzehnt zuerst deu Reichthum
prähistorischer Bronzefabrikate in den Sammlun-
gen Ungarns entdeckte, und staunend ob dessel-
ben zugleich deren Bedeutung für das Verständ-
niss der nordischen Bronzekultur erkannte. Und
als der V'erf. des vorliegenden Buches im Jahre
1876 gelegentlich des Anthropologencongresses
selbst nach Budapest kam und die Beschreibung
des Kollegen von der Wirklichkeit weit über-
troffen fand, da beschloss er die ungarische Bronze-
kultur und ihren Einfluss auf die Grenzländer
zum Vorwurf eines speziellen Studiums zu machen,
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90
und die Resultate dieser Forschungen bringt uun
der vorliegende 1. Band eines grösseren Werkes
zur Kenntnis* uud zwar in französischer Sprache,
um derselben einen grösseren Leserkreis zu sichern.
Bevor Dr. Undset an seine eigentliche Auf-
gabe geht , giebt. er in einem ausführlichen
Vorworte die Geschichte des seit Jahren unter
den Prüll istorikerti obech webenden Bronzekultur- |
Streites. Er bekennt, dass er selbst (und Uef. i
kann dies aus früheren Unterredungen mit dem
Verfasser bezeugen) lange geschwankt habe dem
Norden eine eigentliche Bronzezeit zuzusprecheu,
■dass er indess bei fortschreitenden Studien sich
gemüsaigt gefunden . die Existenz einer solchen
anzuerkennen.
Die deutschen Gegner der skandinavischen
Ansichten über die sogenannte Bronzeperiode be-
trachten dieselben als Lehrsätze einer Schule, zu
der alle nordischen Archäologen sich bekennen.
Würden sie die Schriften derselben lesen, so wür-
den sie Anden, dass die skandinavischen Kollegen,
obwohl in den Hauptpunkten einig, in einzelnen
Fragen doch sehr abweichende Ansichten hegen
und ein jeder nur für seine eigenen Auslassungen
haftet. Sehr im Vortheil gegenüber den deut-
schen Kollegen sind die Skandinaven dadurch,
dass sie nicht nur die nordischen und deutsche»
Sammlungen gründlich kennen, sondern auch die
grösseren Museen in ganz Europa durchgearbeitet
und damit Kenntnis* eines ungemein grossen
Materials gewonnen haben.
Gehemmt werden die prähistorischen Forsch-
ungen vielfach dadurch, dass mau die Bronzen
nicht nach ihren typischen Eigentümlichkeiten
zu unterscheiden versteht. Des gedenkt auch
der Verfasser des vorliegenden Buches, dem,
gleich Refer., wiederholt Gräberfunde der Eisen-
zeit vorgelegt wurden, mit der scharf betonten
Bemerkung: Bronze und Eisen zusam-
men! als sei dies ein Beweis, dass eine Bronze-
zeit ohne Eisen a niemals existirt habe. Hier
, liegt aber eine grosse Gefahr für den Werth der
mit riesigem Aufwand von Fleiss und Kosten
vorbereiteten prähistorischen Karten von Deutsch-
land. Was nützt es uns zu erfahren oh, wo
und wie oft Bronzesachen an einem Orte ge-
funden worden , wenn wir nicht wissen , oh es
jene ältesten Typen sind , welche die sogenaunte
Bronzeperiode charakterisiren , oder importirte
italische Waare, oder von jenem Gerät h, welches
unter der Bezeichnung la Tene- oder Hallstatt-
gruppe bekannt ist, oder gar römisch! und des-
gleichen , was nützen uns die Angaben von prä-
historischen Eisenfunden, wenn wir nicht erfahren,
ob es vorrömische, römische, fränkische etc. etc.
Gerttthe sind? — Dr. Undset, welcher auch
dieses Uebelstandes gedenkt, bemerkt dazu, Herr
Lindeuschinit habe wiederholt die Bronzen , welche
der eigentlichen Bronzezeit angehören , von den
obengenannten Gruppen durch die Bezeichn nug
„älteste Bronzen“ unterschieden, es sei wünscheos-
werth , dass die deutschen Forscher sowohl über
die Formen dieser „ältesten“ Bronzen als Über
ihre Zeitstellung sich näher auszuspreeben bewo-
gen fühlet en. „Ich schlage den deutschen Kolle-
gen vor die Diskussion auf das rein sachliche
| Gebiet zu verlegen“, fährt Herr Undset fort,
„das Material , welches wir behandeln , bietet so
viele dunkle Seiten, so viel Ritthselhaftes uud
Zweifelhaftes, dass darob eröffnet© vorurtbeilsfreie
Diskussionen nicht fruchtlos bleiben dürften.“
Nachdem er sämmtlichH Theorien bezüglich
des Ursprunges der europäischen Bronzekultur
geprüft (Nilsäon, Wiberg, Rougemont, Bataillard,
Kurck, Bert r and, Lindenschmit, Worsaae, Hilde-
brnnd etc.), zeigt er, dass sie, wiewohl mit vieler
Gelehrsamkeit und vielem Scharfsinn aufgestellt,
doch t hei Ls hinfällig sind, weil die Funde sie nicht
stützen, zum Theil gar dawider zeugen, theils
i unbewiesen , weil die localen Forschungen noch
^ nicht genügend vorgeschritten sind. Als geeig-
netste Methode das Dunkel zu klären, befürwortet
er, alle einzelnen Kulturgruppen einer gründlichen
Untersuchung zu unterziehen, wie »*r es in dem
vorliegenden Werke mit der ungarischen versucht.
Wer zuerst vor einer Sammlung ungarischer
Bronzen steht , der erblickt völlig neue eigen-
tümliche Formen und zwar in so grosser Menge
und Mannigfaltigkeit, dass kein Zweifel ob ihrer
lokalen Ursprünglichkeit obwalten kann. Schwerter
mit breiter blattförmiger Klinge und schalen-
förmigem Knauf. Hohlcelte deren Randubschnitt
vorn in eine Spitze aufwärts geht. Fibeln mit
mit federnder Spirale, Ringe, Diademe, Dolche,
Sicheln von eigenen Formen und in der Ornamen-
tation eine üppige Verwendung der Drahtspirale,
welche derselben etwas lebeudiges, kräftiges ver-
leiht.
Bemerkenswerth ist ferner, dass die meisten
ungarischen Bronzefunde nicht aus Gräbern
stammen, sondern sogen. Depöts sind , d. h. ab-
sichtlich vergrabene Schätze und zwar von gleicher
Beschaffenheit, wie sie von Sophus Müller in
1 Dänemark, P i g o r i n i in Italien und von Ch a n t r e
in Frankreich beschrieben sind , nämlich theils
Serien fertiger, neuer Ueräthe, theils Sainmelerz
d. h. zerbrochene Gegenstände, Bruchstücke, Guss-
] zapfen u. s. w., theils unfertige und misslungene
j Gussprodukte, Metall harren, Gusszapfen u. s. w.
| und wie enorm solche D6pöt« bisweilen sind.
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91
zeigt z. B. der Fund bei Hamersdorf in Sieben- j
bürgen, wo Bronzegerätbe zun» Gewicht von 400kg
gehoben wurden.
GrEber sind bisher wenige in Ungarn unter- [
sucht, deshalb ist auch die rüthselhafte Erscheinung
auf dein von Baron Nyary aufgedeckten Fried- t
hofe bei Pilin unerklärt geblieben, wo zahlreiche
Beigaben von Mininturgerttth von Bronze ans
Licht gefördert wurden.
Durch das Studium namentlich solcher Funde, ,
in welchen neben ungarischem Gerät h auch fremde \
importirte Waaren verkommen , so wie der Be-
ziehungen zu den Grenz ländern und der Wechsel- i
seitigen Beeinflussung glaubt Verfasser auch den !
Abschluss der ungarischen Bronzezeit feststellen
zu können. Dazu bedarf es jedoch einer genauen
Kenntnis# sftnuntlicher Gegenständ** in ihren Grund-
formen, Abarten und Umbildungen . ihrer Ver-
breitung, Aufnahme in anderen Ländern und der
Umbildungen, die sie dort erfuhren. Dieser Ar-
beit hat Verfasser in dem vorliegenden Werke
sich unterzogen, dessen kürzlich vollendeter erster
Band sich nur mit der Kleiderspange und dem
Schwerte beschäftigt.
Es ist liier nicht der Ort dem Verfasser auf
dem Wege seiner Untersuchungen zu folgen. Nicht
nur die Grundformen, auch alle Varietäten führt
er in Abbildung und Beschreibung vor, mit Nach-
weis ihrer örtlichen Verbreitung, so weit thunlich
sogar ihres numerischen Vorkommens an den
verschiedenen Orten. Dr. Untl*ot findet in der
aus zwei Stücken , dem Bügel und der lewe an
demselben hängenden Nadel, bestehenden ungar-
ischen Fibula die Form, welche der nordischen
Bronzezeit fibula zu Grunde liegt und zwar hält
er die einfachste nordisch** Form, die Drahtfibel
(S. Moutelius Antiqu. sued. Fig. 120», nicht für
di** ursprüngliche, wie Montelius und Hilde-
brand dies ausgesprochen , sondern für eine
späte Umbildung einer ungarischen Grundform.
Naturgemäßer scheint die Theorie der Schweden, (
zu Undset's Gunsten spricht indessen, dass die
einfache Drahtßbel, nicht südlicher als Berliu ge-
funden ist, da man doch annebuien sollte, dass
die Grundform da zu Hause sei, von wo die Ent- ,
Wicklung und örtliche Ausbreitung ihren Aus-
gang genommen. Sie ist der nordischen Gruppe
eigen und jedenfalls jünger als die ungarischen !
Fibeln, welche Undset als Voraussetzung der-
selben betrachtet.
Die Untersuchung der Schwertformen schiiesst |
der Verfasser mit der Frage: woher stammt das
ungarische Schwert? Nicht aus dem westlichen
oder örtlichen Europa, nicht aus Russland. Bert- [
rand sucht die Wiege der europäischen Bronze- j
kuttur im Kaukasus, doch sind die dortigen Kultur-
verhältnisse viel zu unbekannt um solche Muth-
massungen zu stützen. Weniger unwissend sind
wir Dank der Ausgrabungen S c h l i e m a n n ’s
und anderer in Betreff der griechischen Bronzen.
Das kurze Schwert mit breiter Klinge, deren ge-
rade Seitenlinien in der Spitze zusammen treffen,
und mit kurzem Griff, welches -bisher als make-
donisch galt , findet man in Griechenland nicht ;
dahingegen eine andere Form, welche in gewissen
Punkten, z. B. in dem starken Mittelgrat, grosse
Aehnlichkeit mit den ungarischen zeigt und zwar
sind Schwerter gleicher Form auch in anderen
Mittelmeerländern gefunden. Nach Süd-Italieu
z. B kam es früh, nach Ungarn vielleicht auf
östlicherem. Wege. In den Kopenhagener Samm-
lungen liegt ein eisernes Schwert aus Larnaka,
das den ungarischen Bronzesch wertem sehr ähn-
lich ist. und vielleicht eine in ältester Zeit üb-
liche Form veranschaulicht.
Mit der Untersuchung der Bronzeschwerter
bricht der erste Band ab. Solche Arbeiten sind
die Früchte umfassender Studien, Studien, die
man nicht daheim abtlmn kann, sondern weite
Reisen und somit grosse Opfer an Zeit und Geld
erfordern. Solche zu unternehmen würde jüngeren
Gelehrten kaum möglich sein, aber die Regier-
ungen der skandinavischen Reiche zeichnen sich
bekanntlich vor allen anderen dadurch rühmlich
aus , dass sie alljährlich eine Anzahl junger
tüchtig geschulter Männer ausrüsten um auf den
verschiedenen Gebieten des Wissens im Auslande
einzusammeln, was zum Ausbau der Tempel des
Wissens auf eigenem Boden nöthig ist. Jahr für
Jahr lesen wir mit Bewunderung und nicht ganz
ohne Neid was für Summen zu Reisestipendien
für junge Gelehrte ausgesetzt werden. Will
Dr. Undset sein Werk mit derselben Gründ-
lichkeit vollenden, wie er begonnen , da liegt in
den Vorarbeiten noch ein schweres Stück Arbeit
vor ihm, zu deren baldigen Erledigung wir ihm
im Interesse der Wissenschaft freie Bahn und
besten Erfolg wünschen.
II. l'iidset Iugvuld: Kru Norges äldre Jemalder.
.Sepamtabdruck au* den Aorixlger f. nonl. < >hlk. og
Historie. Kopenhagen 18*0. 06 8. in mit ’*0 Figuren
in Holzschnitt.
Bei aufmerksamem Verfolgen der prähistor-
ischen Studien im Norden sieht man, wie un-
richtig es ist die Kulturverhältnisse eines Landes
nach denen der nächstgelegenen Gebiete zu be-
urt heilen. Was für die dänischen Inseln gilt,
gilt nicht immer auch für Jütland; Südschweden
hat einen anderen Character als Mittel- und
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Nordsch weden, und noch ausgeprägter ist gegen-
über den beiden Bmderreichen die Sonderstellung
Norwegens. Die geographische Lage lässt aller-
dings schou darauf sch Hessen , dass das Land
später und spärlicher von den südlichen Kultur-
strömungen berührt worden, aber bemerk enswerth
ist . dass der Osten des Landes eine andere Be-
einflussung erfahten als der Westen, noch merk-
würdiger sind die Spuren, eines schon vor der
Wikingerzeit zwischen Norwegen und den west-
lichen Ländern gepflogenen Seeverkehres, an wel-
chem Dänemark und Schweden nicht Theil gehabt.
Zu diesem Schluss gelangt, der Verfasser nach
einer erschöpfenden Prüfung sämmt lieber gegen-
wärtig vorhandenen Fundobjecte aus der vorge-
schichtlichen Eisenzeit. Die ersten Studien über
diese Kulturperiode veröffentlichte vor Jahren
Professor Rygh, indem er auch in Norwegen
eine Ältere und eine jüngere Periode erkannte,
wie sie bereits in Dänemark unterschieden war :
dann trat Dr. L orange auf mit der Erklärung,
in Norwegen sei bereits eisernes Gertttb im Ge-
brauch gewesen, bevor das Land von römischer
Kultur berührt worden. Zu diesem Ausspruch
fühlte Herr Lorange sich bewogen durch die
Beschaffenheit zahlreicher von ihm gehobener Grä-
berfunde. Herr Uudset bestätigt die Korrekt-
heit dieser Beobachtung. Ist aber mit der Zeit-
stellung der Gräber nicht ganz einverstanden.
Die ältesten Gräber sind kleine niedrige Hügel
mit verbrannten Gebeinen und Kohlen, die bald
Uber den Boden ausgestreut , bald in eine Urne
gesammelt sind, nebst dürftigem durch den Leichen-
brand mehr oder minder zerstörten Ei&engeräth.
Dann kommen Hügel mit kleinen Stein-
kammeru. welche ein Thon- oder Bronzcgefäss '
umschließen mit den verbrannten Gebeinen und
absichtlich zerbrochenen Beigaben.
Danach folgen grosse Steinkammern bald
mit verbrannten Gebeinen , bald mit Skeletten
und unversehrten Grabgeschenken .
Die Urneu sind in den ältesten Zeiten vou
M*hr grobem Thon, und bisweilen in die Kohlen-
und Knochenhaufen hineingegraben ; mitunter
liegen die Knochen in einem Haufen neben der
Urne und diese ist mit Sand gefüllt. In einigen
Gräbern lag nur eine Scherbe auf den Knochen,
in anderen waren letztere mit einem eisernen
Schildbuckel bedeckt. Will man die Waffengräber
den Männern zusprechen , so waren diese spär-
licher bedacht als die der Frauen. Schwerter
wurden z. B. niemals gefunden. In den Frauen-
gräbern fand man Schmuck, Messerchen, Schlüssel I
Druck der Akademischen Buchdruckerei con F. Straub in J
und eiserne Beschläge, welche vermuthen laßen,
dass die Grabgescbenke in ein Kästchen gelegt
waren, von dem nur das Beschläge sicherhalten hat.
Die Abbildungen vou den aus dieaen Gräbern
gehobenen Beigaben , zeigen indessen deutlich,
dass sie nicht gleichzeitig sind mit jenen sogen,
vorrömischen Eisengräbem auf der Insel Born-
holm und in Norddeutschland. Da sind z. B.
keine eisernen Gürtelhaken , keines der charak-
teristischen eisernen Schwerter : dahingegen etliche
Fibeln mit rückwärtsgebogcnem Bügel, die bekann-
ten halbmondförmigen Messerchen , aber danrben
Schmuck und Geräth von viel jüngerem Charakter.
Der Verfasser macht dieselbe Beobachtung und
dürfte Recht haben in der Ansicht , dass die
Geräthe älterer Zeit sich im hohen Norden lange
neben den jüngeren erhalten haben und mit ihnen
zugleich nach dem Norden geführt seien. Damit
wäre aber eine vorrömische Eisenzeit in Norwe-
gen in Frage gestellt. Spuren eines frühen See-
verkehrs erblickt Herr U n d s e t in gewissen
Gräberfunden, welche Gegenstände enthalten, die
weder aus Dänemark noch aus Schweden gekom-
men sein können und die man deshalb für speciell
norwegisch hielt, bis Un d s e t auf seinen Studien-
reisen diese Gegenstände im Ausland«* antraf:
z. B. an der Klhmündung , in England , in Bel-
gien. Dahin gehören unter anderen eine Bügel-
flhula, die unten in einen Thierkopf ausläuft,
ein Bronzekessel eigentümlicher Form (S. Cata-
log der Berliner Ausstellung S. 579 Fig. lAL
fränkische Glasgeftlsse u. s. w. Nach diesen Ge-
genständen zu urtheilen, dürfte der Verkehr um
500 il Chr. bereits bestanden haben und zwar
scheint er von Jütland aus, mit welchem die
Norweger schon um Jahrhunderte früher in Ver-
bindung gestanden, sich allmülig weiter ausgedehnt
zu haben bis nach Belgien und Nordfrankreich
hinunter. Eine Stütze für diese Undset'sche
Hypothese bildet die Erscheinung, dass die oben-
genannten Gräberfunde nur im westlichen Nor-
wegen Vorkommen, wo die erwähnten Metallkessel
sogar als Behälter der verbrannten Gebeine dien-
ten. Dass Norwegen gegen Ende der heidnischen
Zeit direkte Verbindungen namentlich mit Eng-
land und Irland unterhielt und von dort neue
Kulturelemente lieimbrachte , die Sehwe<len und
zum Theil auch Dänemark fremd blieben , Ist
bekannt, der Beweis aber, dass dieser Verkehr
in so frühe Zeit hinauf reicht, wirft völlig neue
Streiflichter auf die norwegische Kulturgeschichte,
weshalb ein weiteres Verfolgen dieser Andeutun-
gen von hohem Interesse sein würde.
en. — Schluss der Redaktion nm ü. rrmlter 1880.
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Inhalt des XI. Jahrgangs. 1880,
Nr. 1. Zum Neujahr 1880. — Die Schweizer Jugend nach der Für Im* der Augen, der Haare und der Haut.
«I. Kollmann. — Da» Salben der Steine. R. Andree.
Nr. 2. Einladung zur Beschickung der Aufteilung anthropologischer und vorgeschichtlicher Funde Deutsch-
land». welche im August 1880 in Berlin stattfinden wird. — Zur Anthropologie Tirol» von Kal»l-
R flckh&rd.
Nr. 8. Zur AnthrO|M>logii> Tirol« (Fortsetzung) von Kahl* |{ ttc khard. — MinemlogMch-urchaolngHche Be-
obachtungen I. H. Fi»t her. — Litemtnrberichte. I. Anthroj>o logische Notizen au« Amerika. O. Löw.
II. Zur 1‘rgeachichte Cypern*. Fligier. 111. Materialien zur Vorgeschichte de» Menschen in Ost-
europa. Fligier. IV. Ersuchen. C. Mehlis. — Mittheilungen »um dem Zweigvereine Leipzig.
— Neuer Höhlenfund an der Eifel. E. Bracht.
Nr. 4. Zur Kraniologie Tvrol*. J. Hanke. Mittheilungen aus dem Zweigvereine Kiel. Der Febergang
des Germanien» über die Ein* i. J. 16 n. Chr. v. R. Wagener. — IlochScker in der Provinz
Hannover. W. Krause. — Aus der fränkischen Höhlengegend. H. Hoescb.
Nr. 5. Ethnographisch«» von Sumatra’* Ostküsto. F. Hagen. — lieber die von Herrn l'esnola entdeckten
(’yprisohen Alterthümer, nach einem Vortrag de» Herrn Buraian in der Münchener unthronolug.
Gesellschaft. — Literaturberichte. Anthropologische Notizen au» Amerika ( Fortsetzung l. Aus Japan.
Au* England. 0. Löw. — Schalemdeine. 1. aus Hannover. G. Triiupe. 2. au* Thüringen.
R. Einet. — Der anthropologische Verein in Graz. Kollmann. Zur Aufteilung anthropologischer
und vorgeschicht lieber Funde Deutschland». — Einladung zur Aufteilung der deutschen Kunemlenkmäler.
Nr. 6. Ein Goldfund in Oberheason von H— n. — Literaturbericht. 1. Die geographischen Arbeiten de*
Ptolemäus mit besonderer Beziehung auf deren Anwendung in dem Werke von v. Sndowski: die
HandelftniMHen der Griechen und Römer etc. Kay «er. 2. Da» von Sadowski’sche Werk in Be-
ziehung auf die Archäologie Westpreweene. — llrnenfiind in einer Höhle in Schlesien. Von der
Wengen.
Nr. 7. Einholung zur XI. allgemeinen Versammlung der deutschen Anthropologischen G ••*«•] l*chuft. — Minera*
logiwh-nrchnohjgische Beobachtungen II. n. Flacher. — Mittheilungen au» den Zweigvereinen:
Göttingen. V. Brunn. München. G. Fink. — Kleinere Mittheilnngen au* Frankreich. Bartel*.
Nr. 8. Virchow*« Beiträge zur Landeskunde der Troa». W. v. Christ. Mittheilungen au* den Zweig-
vereinen. Naturforschende Gesellschaft in Danzig. Anthropologische Section. Li s* an er. — Anthro-
pologische Gesellschaft in Leipzig. — Literaturbericht. Deutsche l’rseit von W. Arnold. Stöhr.
— Eigenthümlicher Gebrauch bei Beerdigungen im Poaen’tchen W Schwarz. — Höhlenunter-
suchungen. Von der Wengen. M. Bartel*. Sehwanzbihlung heim Menschen. Orn*tein. —
Mittheilung nn die Mitglieder.
Nr. 9, 10, 11. (2 Bogen i. Tagesordnung und Verlauf der XL allgemeine» Versammlung. — Organisation
der deutschen anthropologischen Gesellschaft bei der XI. Versammlung. — Verzeichnis» der Aus-
steller. — Mitgliederverzeichni*» der XI. Versammlung. — Allgemeine Cel »ersieht. — Die bei dem
Genemlsekretariate zur Vorlage bei «1er XL allgemeinen Versammlung eingelaufenen Werke und
Schriften. — Druckfehler im stenographischen Bericht ülier «lie XI. allgemeine Versammlung.
Beilage: Verhan.Hu n g e n »1er XI. allgemeinen Versa m m 1 u n g der deutschen ant broi**-
logischen Gesellschaft zu Berlin im August 1880 in stenographischer Aufzeichnung (20 Bogen 1 :
Erat« Sitzung. Eröffnung durch «len l. Vorsitzen» len Herrn Virchow 8. 1. BegrQssungarede
durch »len Vertreter der königl. Staats- Regierung Herrn I'nterstaats-Sekretür von Dossier 8.1. -*•
Einleitung*re»le de* I. Vorsitzenden S. 8. — Hede »les LokalgeschüfUftUiren Herrn Friedei über die
Alterthftmer von B«*rlin und rmgegend 8. 12. — Herr Virchow — Herr Sch lie mann über
Troju S. 16. -■ Herr Virchow Ansprache an Sr. K. K. Hoheit «len Kronprinzen »io* Deutschen
Reiche* un»l von Preusscn. den Protektor «ier Ausstellung 8. 21. —
Zweite Sitzung. Herr Virchow S. 22. — Herr 4. Ranke Wissenschaftlicher Bericht de*
General-Sekretär* S. 24. — Herr Weis mann Bericht de* Schatzmeister* 8. 81. — Herr Schaaff-
hansen Bericht über »lie Arbeiten der Schädelkommisnon S. 33. — Herr Virchow 8.39. — Wahl
von Regena'burg al» Congreaaort für die XII. allgemeine Versammlung und Wahl der
Herren Dahlem und Gral von Walderdorft zu Lok&lgeschilftsftlhrern für dieselbe 8. 40.
WiMemchzttliche Tageiordnung I.: Dir fränkischen , Männchen, lettischen, arabischen und skandina-
vischen Funde in Deutschland Herr Friede! Die Eisenperiode bei IW) in l Fortsetzung »einer Beile
in der ersten Sitzung! 8. 41. — Herr Virchow 8. 44. —
I. Anatomische (Konferenz. Herr Kupffer Feber den GauinenwuDt 8. 44. — Herr Ecker
l’eber den Sc li w u rufort *atz 8. 4»r>. —
Dritte Sitaung. Herr Virchow 8. 46. — Neuwahl der Vorwtandschaft 8. 46. — Zur
obigen wissenschaftlichen Tagesordnung] Herr H and almann S. 47. — Schle*wig-Hol»teini*che King-
uml Burgwälle 8. 47. — Herr Köhl Reihengräberfeld bei Wies-Oppenheira 8. ol. — Herr Mehlis
Ruine Schloss Eck S. 57. — Herr Klopfleisch Wellenornamente 8. 59. — Herr Virchow 8. 60.
— Herr Sc haaff hausen S. 60. — Fräulein Mestorf l’eber Hacksilherfimde S. 60. — Diskussion
8. 60: Herr v* Jazdzew*ki — Herr Virchow — Herr Kühne — Herr Albin Kohn — Herr
Schwartz — Herr Undset — H«mt Montelius — Herr l’ndset — - Herr Virchow 8. 65. —
Etat für «Ins Jahr 1881 8. 65.
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S-»' dnbtg
IW-iSSO
Sr. IS.
Viert« Sitzung. Herr Vircbow Geschäftliches 8. 66. — Herr Hey rieh Ueber den Arche*
opterix S. 66. — Herr Virchow Bericht über die Arbeiten der Kommission für die Statintik der
Kayenvorhältnisae in Deutschland S. 66. — Herr Kollmann Statistik über die Farbe der Augen, der
Haare und der Haut der Schulkinder in der Schwei» und ilber schweizerische Schftdelfonnen S. 68. —
Herr Virchow Geschäftliches S. 71. — Herr Ecker Die Herausgabe der Gerammt- Werke von Carl
Ernst v, Baer S. 71. Herr Virchow Thonornamente der slavischen und fränkischen Zeit.
Difckuasion zu 8. 59. — Herr Tischler S. 72. — Herr Klopfleisch — Herr Mehlis — Herr
Much — Herr Tischler — Herr Witt — Herr Klopfleisch — Herr Virchow — Herr Tisc hier
— Herr Virchow — S. SU. — Herr Ja gor Indische Töpferei S. 8Ü. — Herr Samo S. 81. Herr
Jagor S. 81. — Herr Virchow S. 81. — Zur wissenschaftlichen Tagesordnung I Herr Tischler
Ueber ein OKtprenwuwhe* Gräberfeld S. 81. — Herr Virchow S. 85.
Fünfte Sitzung. Herr Virchow Geschäftlichen und Wellenornamente S. 85. — Herr Klop-
fleisch S. 86. — Herr Frau* Bericht Uber die Arbeiten der Kommission ftkr Herstellung der prä-
historischen Karte S. 86.
Wissenschaftlich« Tagesordnung II : Die römischen und ctrurischen Funde in Deutechland. Herr
Dahlem. Regensburger AHerthümer S. 91. — Herr Vircbow S. 94. — Herr Graf von Wuriu*
brand Ueber prähistorische Töpferei S. 94. — Herr Virchow ßegrflmung der Herren von
Nordenekioeld und Tor eil. — Geschäftliche« S. 99. — Herr Virchow Ueber prähistorische
Chronologie und Handelswege S. 100. - Diskussion Herr Handelmann S. 104. — Herr Dahlem
Ueber die Zeit der Zusammenkunft zur XI. allgemeinen Versammlung in Regensburg S. 104. —
Protokoll der beiden k raniometriaehen Konferenzen 8. 104.
Sechste Sitzung. Herr Virchow S. 106. — Derselbe Ueber di« Ausstellung des Original«
des Archaeopteryx S. 106. — Derselbe Begrüßung de« Herrn Bastian S. 107. — Herr Bastian
Bericht Ober seine neueste Weltreise S. 107. — Herr Fraas Ueber den Archaeopteryx S. 109.
Wissenschaftliche Tagesordnung III: Die altgermanischen und keltischen Funde in Deutschland. Die
alte Bronzezeit. Herr Henning Ueber deutsche Runendenkmäler S. 110. — Diskussion S. 115 Herr
Montelin« — Herr Undset — ■ Herr Henning — Herr Und «et — Herr Henning — Herr
Schuck — Herr Virchow. — Herr Und net Ueber den neuen norwegischen Schiffsfund bei
Snndefjtfrd S. 117. — Derselbe Zur Bronzefrage S. 119. — Herr Schaaffh atmen Ueber Steinwälle
zwischen Bingen und Bonn S. 121. Herr Virchow Geschäftliche« S. 124.
Wissenschaftliche Tagesordnung IV: Steinzeit und HÖhlenfunde vornehmlich in Deutschland. Herr
J. Ranke Nene Funde in Oberfränkischen Höhlen S. 125. — Diskussion Herr Ne h ring — Herr
Ranke — Herr Kraue — - Herr Nehring — Herr Virchow — Herr K]opflei«ch. — Herr
Schaaffhausen Ueber neue Höhlenfunde im Kheinlande S. 128. — Fortsetzung der Diikuanoa
zum Vortrag des Herrn Ranke (S. 125). - Herr Virchow S. 184. — Herr Schuck Zur Runenfragv
S. 184. — Herr Virchow. — Herr Brugsch-Bey Ueber die Steinzeit in Aegypten S. l‘W. — Di«*
kusuion Herr Mook — Herr Virchow. -
Wissenschaftliche Tagesordnung V: Urgeschicht liehe Anthropologie. Iäss- und Moorf'unde. Herr
von Dechen Ueber die Eiszeit in Norddeutachland S. 189. Diskussion Herr Vircbow. — Herr
Ecker Ueber die Nothwendigkcit einer Statistik der Körpergröße in Deutschland S. 140. —
Derselbe Ueber eine Karte der Verbreitung der Reihengräber und über Reihengräberschidel S. 141.
— Ueber Lößfunde S. 141. — Fortsetzung der Diskussion der ägyptischen Steinzeit iS. 148). — Herr
Frans Ueber zufällige Splitterung der Feuersteine mit Rücksicht auf die Verhältnisse Aegyptens
S. 142. — Herr Virchow Ueber ägyptische Steinzeit S. 148. — Herr Ascherson Ueber de-
modernen Ursprung vieler ägyptischer Feuersteinartefacte S. 148. — - Herr Virchow Geschäftliche«
— Ausstellung von Frl. Tor mm S. 148.
Wissenschaftliche Tagesordnung VI: Allgemeine und deutsche Anthropologie. HerT Virchow Ueber
die mikrocephale Familie Becker 8. 148. — Herr J. Hanke Statistik der Körpergrösse der bayerischen
Militärpflichtigen S. 145. — Herr Kollmann Ueber europäische Schädeltypen S. 149. — Herr
Kupffer Ueber die Auffindung der Leiche und den Schädel von Jmnnuel Kant S. 155. — Herr
Virchow Schlussrede S. 158.
Rednerliste im Stenographischen Bericht S. 160.
Die Töpferei in Ceylon. Jagor. — Literat nrbericht. 1. In du et Ingvald: Sur l'äge de bronxe en
Hongrie. 2. Derselbe: Fra Norges fildre Jernalder. J. Meatorf. — Inhaltsverzeichnis« des Jahr-
gangs 1880. — Schluss de« DruckfehlerTerzeichnin*e* zum Bericht. — Titel.
Schlna» des Druckfehlerverzeichnisses zum Bericht:
S. 10 Sp. t /. 20 VOR nnten statt „Thiede, aas dem W’firtemb.“ lie« „Thiede. lui dam Würteml>«rgi$c»i*fl S 121 Sa. S
/. 6 von unten statt „von Decbend“ lies w*«n Dechen ** S. Sp. I Z ft von oben statt „und- lie» ,,nur." S. 1*2 Sp. 2 Z. 3 von oben
statt ..der Name" lies „die Namen“ S. 128 Sp. 2 Z 11 von oben statt „nud“ lies „n«r.“ S 128 Sjp 2 Z. 12 von oben statt „lutammra-
gesetste" lie» „zusammengesetzter " S. 1 27 Sp. 2 Z 28 von oben ist hinter dem Worte „ich“ das Wort „aalbal“ eintusebieben. S. 18'
Sp. 2 Z. 28 von unten statt „Hitch“ lies ..Hoesch " S. 128 Sp. 1 Z, 2U von oben statt „Nussenried“ lies ..Schuitaoried." S. ItS Sp. 1
Z. 2» von oben statt „wochenlang“ lies „ein« Woche lang.“ S 180 Sp. I Z. 24 von oben statt „die wie die’* lies „die wieder " S. IW
Sp 2 Z. 28 von unten statt „Sani“ lies „Samson “ S. ISI Sp. 1 Z. II von unten statt ,,bei der Uelde“ lies „he» Uelde." S 181 Sp. *
Z. 27 von unten statt ..jenes“ lies ..jener.“ S 182 Sp. 1 Z. V von ooten siat „den andern“ lies „nur den v*r«rn “ S- 112 Sp. 2 Z- 14
von oben statt „anderer“ lie* ,, alter. “ S. 183 Sp I Z. 7 von oben statt „bei Fossilen weiblicher Schädeln“ lie« „bis lotlile« w«iMsrf»ew
Schädeln ** S. 138 Sp. 2 Z. 4 von oben statt „nennt“ lies „kennt“ S. 133 Sp. 2 Z 17 von oben statt „oclivi“ lies ,.«CCÜvi. • S. 181
Sp. 2 Z. 27 von oben statt „Ländern“ lies „Bindern “ In dem Bericht der kraoioraetrischen Coolerem R. 105 Sp 2 ?-. 14 von unten
»tatt „falls eine solche wirklich statt gefunden“ lies „weil er nicht in München anwesend war. Sein Name sei irrtbümlich in den
Bericht gekommen. Was die in Dresden getroffene Vereinbarung betreffe, so“ u. s. w.
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