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Full text of "Das Gliedmassenskelet der Wirbelthiere mit besonderer Berücksichtigung des Schultur und Beckengürtels bei Fischen, Amphibien und Reptilien"

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Das Gliedmassenskelet 
der Wirbelthiere 

Robert Wiedersheim 



\J-\J 



Ibarvatö flßcfcical Scbool 



HARVARD UNIVERSITY 

Library of the 
Museum of 
Comparative Zoology 



IL 



< 



DAS 



gliedmassenskelet 

DER 

WIRBELTHIERE 

MIT 

BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DES SCHULTER- UND 

BECKENGÜRTELS 

BEI 

FISCHEN, AMPHIBIEN UND KEPTILIEN. 

VON 

DR ROBERT WIEDERSHEIM, 

PKOFKStfOK AS DER UNIVERSITÄT K REIBURG I. B. 



MIT -40 FIGUREN IM TEXTE UND EINEM ATLAS VON 17 TAFELN. 

TEXT. 



JENA. 

VERLAG VON GUSTAV FISCHER 

1892. 



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e 



SEINEM 

LIEBEN FREUNDE 

W. VAN WIJHE 

WIDMET DIESE SCHRIFr 

DER VERFASSER. 



Inhaltsverzeichnis». 



Einleitung 1-4 

«esehichtllchea 5—23 

Hintere Extremität mit besonderer Berücksichtigung des Becken« 

gürtels 24—143 

Sclachier 25—34 

DipnoiT 35 -60 

Knorpelganoiden 60—73 

Knodienganoidi'n 73 — 78 

Tolnostipr 1R—9J. 

Amphibien 84—117 

Urodelen 84—106 

Anuren 106— 117 

Reptilien 117—137 

Chrionh-r 120-125 

Lacertilier 125-131 

Crocodil.- 131-137 

Vögel 137—139 

Säuger 139—140 

Bückblick unf das Becken der Amphibien and Reptilien .... 140 143 
Yordere Extremität mit besonderer Berücksichtigung des Schulter- 

gurtels 143—241 

Seiachier 143—150 

Dipnoer 150—154 

Qanoiden und TeleOBtier 155—183 

Amphibien 183- 222 

Urndtden 185—202 

A m i rrn 2 02-222 

Reptilien 222-241 

f^helntiiftr 222-224 

Saurier 925-933 

fWmlilr ... . ^3->-V>37 

Hurn.Tuslöc.hnr . . . . . . , . : , , , , , , , . . . . 237—241 

Bflckblick nnd Schlngsfolgeningen 242 - 260 

Literatur 2G1 -266 

Erklärung der Abbildungen. 



EINLEITUNG. 



Neben der Frage nach der Urgeschichte des Wirbclthierkopfes 
ist es diejenige nach der Herkunft und morphologischen Bedeutung 
der Extremitäten, welche im Laufe der letzten drei Decennien im 
Vordergrund der Vertebraten-Anatomie gestanden , und eine sehr be- 
deutende Literatur zu Tage gefordert hat. Ihre Beantwortung war 
eine sehr verschiedenartige, sowohl nach ihrer geschichtlichen Entwick- 
lung, als auch nach dem Object der Forschung und den bei letzterer 
massgebenden Gesichtspunkten. Legte man von der einen Seite das 
Hauptgewicht auf embryologische Studien, so wurde in anderen Kreisen 
die Lösung von der vergleichenden Anatomie und der Paläontologie 
erwartet In beiden Lagern wurde mit Anstrengung aller Kräfte ge- 
arbeitet, und nicht selten auch mit Erbitterung gestritten ; bald bewegte 
man sich auf dem Boden der Thatsachen, bald verstieg man sich zu den 
kühnsten und abenteuerlichsten Hypothesen, und wandte Kunsthilfe an, 
wo die natürlichen Hilfsmittel zu versagen schienen. Kurz, es war 
ein schweres Ringen, und eine Vertiefung in die Art und Weise, wie 
gekämpft wurde, gehörte nicht immer zu den angenehmsten Dingen. 
Am unerquicklichsten aber gestaltete sich die Lage für diejenigen, 
welche es sich zur Aufgabe setzten — sei es in Vorlesungen, sei es in 
Lehrbüchern — einen klaren Ueberblick über den jeweiligen Stand der 
Frage zu geben, und sich dann sine ira et studio nach dieser oder 
jener Richtung zu entscheiden. Die Schwierigkeit wuchs noch, wenn 
man, wie dies bei mir selbst der Fall war, selbst im Kampfe gestanden 
hatte, und das eigene Ich also selbst mit in die Wagschale geworfen 
werden sollte. Glaubte man endlich auf festem Grund und Boden zu 
stehen, so war derselbe nach kurzer Zeit schon wieder schwankend 
geworden, so dass man nichts Eiligeres zu thun hatte, als das Vor- 
getragene wieder zu modificiren, oder gar gänzlich zu revociren. 

Wer sich die Mühe geben will, die in den Jahren 1882, 1884, 
1886 und 1888 erschienenen Auflagen meines Lehrbuches, bezw. meines 
Grundrisses der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere (104, 105) 

Wiademheim, OliediuuattnakuU.t der WirhvHlii«rt<. T.-xt. 1 



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I 



einer Vcrgleiehung zu unterwerfen, wird es mir nachfühlen können, 
wie unbefriedigt mich, trotz allen guten Willens, möglichst objectiv 
zu bleiben, jener Passus zur Einleitung in das Gliedmassenskelet 
lassen musste. 

So regte sich in mir schon vor einer Reihe von Jahren der 
Wunsch, selbst Hand anzulegen, und das ganze grosse Gebiet von 
Grund aus sowohl entwicklungsgeschichtlich, als auch vergleichend- 
anatomisch zu bearbeiten, zugleich aber auch alles das, was mir in 
der umfangreichen Literatur von Bedeutung schien, zusammenzutragen 
und kritisch zu verarbeiten. Nur ho konnte ich hoffen, zum er- 
wünschten Ziele gelangen, d. h. ein eigenes sicheres Urtheil gewinnen 
und die gewonnenen Resultate in einer Form zum Ausdrucke bringen 
zu können, von welcher ich annehmen möchte, dass sie sich vielleicht 
auch des Beifalls meiner Fachgenossen zu erfreuen haben wird. In 
wie weit mir dies gelungen ist, muss ich ihrem Urteil Uberlassen, fuge 
aber, um etwaigen naheliegenden Einwürfen gegen den nicht überall 
gleichmüssigen Fluss der Darstellung zu begegnen, hinzu, dass der 
Grund davon theils in der Natur der Sache, theils in dem Umstände 
liegt, dass mir gewisse Fragen von grösserem Interesse erschienen, 
als andere, und dass ich deshalb z. B. den Anamnia und den Repti- 
lien mehr Berücksichtigung angedeihen lies«, als den höheren Wirbei- 
th ieren. Es ist wohl kaum nöthig, dies näher zu motiviren, wenn 
ich im Folgenden einen Ueberblick über die Fragen gebe, welche ich 
vor allen anderen einer Lösung entgegenzuführen mich bestrebt habe. 

1) Wie haben wir uns die Gliedmassen der Vorfahren der heutigen 
Wirbelthiere vorzustellen? 

2) Liegen in den Organisationsverhältnissen der recenten Verte- 
braten, bezw. ihrer Embryonalstadien noch Zeugnissse vor, welche 
ausreichend erscheinen , um auf jene erste Frage eine befrie- 
digende Antwort erwarten zu dürfen? 

3) Was gab den Anstoss zur Umänderung jener eventuell nachweis- 
baren Urgliedmassen in jenen Typus der Extremitäten, wie ihn 
niedere Anamnia heute besitzen? 

4) Welche Gliedmassenform der recenten Wirbelthiere darf als die 
iiiteste betrachtet werden? 

5) In welchen Beziehungen stehen die freien paarigen Extremitäten * 
zum Schulter- und Beckengürtcl? 

6) Sind letztere phyletisch älter oder jünger als die ersteren? 

7) Wenn die Extremitätengürtel phyletisch jünger sind, was gab 
den Anstoss zu ihrer ersten Entstehung, und welchem Mutter- 
boden sind sie entwachsen? 

8) Lässt sich die freie Extremität der terrestri sehen Thiere auf eine 
Fischflosse zurückführen, und, falls sich dieses als möglich er- 
weisen sollte, wo liegen die Anknüpfungspunkte? 



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9) Besteht bezüglich des Organisationsplanes der Flosse und der 
terrestrischen Extremität die Berechtigung, von einem Haupt- 
strahl und von Nebenstrahlen zu sprechen? Wie ist die „Arehi- 
pterygiuni" -Theorie zu beurtheilen? 

10) Wo finden sich unter den heutigen Wirbelthieren die ersten 
Spuren eines »Schulter- und Beckengürtels ? Wie verhalten sieh 
dieselben hinsichtlich des zeitlichen Erscheinens ihrer einzelnen 
Abschnitte in entwicklungsgcschichtlichcr und wie in anato- 
mischer Beziehung? Wie lauten die palHontologischcn Zeug- 
nisse? 

11) Besteht eine Homologie zwischen den Gliedmassengürteln der 
Fische einer-, sowie der Dipnoer und Amphibien andererseits, und 
wo liegen die Anknüpfungspunkte? 

12) Wie verhält sich der Extremitätengürtel der heutigen Amphibien 
und Reptilien zu demjenigen der ausgestorbenen Formen? 

13) Bestehen Anknüpfungspunkte zwischen dem Gliedmassenglirtcl 
der Amphibien und dem der Reptilien? 

14) W r ie ist die allem Anscheine nach bestehende Kluft zwischen dem 
Amphibien- und Reptilienbccken zu überbrücken ? Besitzt ersteres 
eine Pars pubica oder nicht, und wo tritt sie zum erstenmal in 
die Erscheinung? 

15) Wie lautet die Stammes- und Entwicklungsgeschichte der Carti- 
lago epipubis? 

16) In wie weit fördern die bei den Anamnia und den Reptilien ge- 
wonnenen Erfahrungen unsere Kenntnisse des Ex t rem i tüten - 
skeletes der Vögel und Sauger? 

Damit habe ich in kurzen Zügen mein Programm entwickelt, und 
mache dabei zunächst auf drei kleinere Mittheilungen aufmerksam, 
welche ich (106, 107, 108) in den Jahren 1888, 1889 und 1890 ver- 
öffentlicht habe. Dieselben behandeln bereits einen Theil der auf- 
geworfenen Fragen, und die darin gemachten Angaben bestehen auch 
heute noch grösstentheils zu Recht In manchen Punkten aber bin 
ich auf Grund einstweilen gesammelter reicherer Erfahrungen anderer 
Ansicht geworden, und ich werde an den betreffenden Stellen hierüber 
Bericht erstatten. 

Bevor ich nun in den speciellen Theil meiner Untersuchungen 
eintrete, will ich einen Rückblick werfen auf die geschichtliche Ent- 
wicklung des mich beschäftigenden Stoffes, d. h. auf die Literatur. 
Dabei wird es nicht zu vermeiden sein, dnss ich zum Theil längst 
Bekanntes und oft Gehörtes wieder vorbringe; allein, wie der Maler 
darauf angewiesen ist, für sein Bild einen passenden Rahmen zu fin- 
den, falls er ihm zur richtigen Wirkung verhelfen will, so gilt dies 
auch für das von mir zu entrollende Gemälde. Nur unter Beihilfe 
jenes historischen Rahmens bin ich im Stande, diese und jene Frage 

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in daa richtige Licht zu rücken und zu zeigen, wie die eine aus der 
anderen sich häufig mit noth wendiger Consequenz herausentwickelte, 
wie alte, liebgewordene Anschauungen auf Grund neuerer Erfahrungen 
aufgegeben, und durch andere ersetzt werden mussten. 

Indem ich nun dienen Weg betrete, ordne ich den historischen 
Stoff in zwei verschiedene Abschnitte, und zwar so, dass ich zunächst 
eine kurze Uebersicht gebe über die wichtigsten Lehren, soweit nie 
sich mit den Gliedmassen im Allgemeinen befassen. Auf speciellere, 
rein descriptive Verhältnisse gehe ich dabei vor der Hand nicht ein, 
sondern bringe dieselben erst im zweiten Abschnitt, d. h. im An- 
schluss an die einzelnen Capitel, welche die verschiedenen Gruppen 
der Wirbelthiere behandeln sollen, zur Sprache, Dort wird dann auch 
von meinen eigenen Befunden die Rede sein, und erst wenn so das 
grosse Material gesichtet und geordnet vorliegt, werde ich versuchen, 
Alles zu einem Gcsatumtbilde zusammenzufassen. 



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GESCHICHTLICHES. 



.Auf S. 181 — 197 seines grossen Werkes „lieber Entwicklungs- 
geschichte der Thiorc" giebt K. E. von Bär (3) eine Darstellung des 
dem Extrcmitätenskelet der Wirbelthierc zu Grunde liegenden Bau- 
planes, die geradezu eine mustergiltige genannt werden kann. In 
mancher Hinsicht eilt von Bar vorahnend seiner Zeit weit voraus; 
und wenn auch gewisse Punkte, wie z. B. die Annahme, dass Rippen, 
Kiefern und Extremitäten Modificationen einer und derselben Grund- 
form seien, später eine Berichtigung erfahren haben, so hat er doch 
in verschiedenen anderen Beziehungen den Nagel auf den Kopf ge- 
troffen. So tigurirt z. B. auf S. 185 folgender, auf S. 186 des 
Näheren begründeter Satz: 

„Der Schultertheil (d. h. der Schultcrgürtel) der vorderen Extre- 
mität und das Becken der hintoren Extremität sind unbczwcifolt Modi- 
ficationen derselben Grundform." 

Wie einfach und anspruchslos klingen diese Worte, und wie viele 
Wandlungen und Irrwege hat die anatomische Wissenschaft seit jener 
Zeit erfahren müssen, bis sie, wie ich zeigen zu können hoffe, auf 
jenen Satz von Bär's als den allein richtigen Ausgangspunkt wieder 
zurückkehrte ! 

Doch hören wir von Bär weiter: „Die Rumpfglieder (d. h. die 
beiden Gliedmausengürtel der Extremitäten) bilden eine Hülle um 
beide Hauptröhren des Rumpfes, welche in der Mitte des Rumpfes 
mehr oder weniger unterbrochen ist, am vorderen oder hinteren Ende 
aber sich concentrirt. Jede Extremität ist um so enger mit der 
Wirbelsäule verbunden, je mehr der feste Punkt der Bewegung in der 
Gegend fixirt ist, wo die Extremität hingehört. Ist die Gegend, an 
welche nach dem allgemeinen Typus eine Extremität sich lagern 
sollte, sehr beweglich, so entwickelt sich die letztere gar nicht, oder 
rückt von dieser Stelle weg, der Gegend des festen Punktes zu. Aus 
der Stellung im Verhältniss zum Rumpfe geht es aber hervor, dass die 
hintere Extremität die Aufgabe hat , den Rumpf zu schieben und zu 



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stützen, die vordere, ihn zuziehen und zu hoben'). Deshalb liegt in 
der er.steren die Neigung an Querfortsätze , in der letzteren, sieh an 
die der Bewegung dienenden Dornfortssitze zu befestigen." 

Bezüglich der Entwicklung der Extremitäten, welche von Bär, 
wie er ausdrücklich bemerkt, nur an Reptilien, Vögeln und Säuge- 
thieren studirt hat, macht er vor Allem auf die principielle Uebcrein- 
stimmung bei allen jeuen aufmerksam, und sagt dann wörtlich: ^Zu- 
erst zeigen sich schmale, in die Länge gestellte Leisten, die auffallend 
lang sind und dadurch zu beurkunden scheinen, dass die Extremi- 
täten ihrer ursprünglichen Ideenach dem ganzen Rumpfe angehören 2 ); 
die Verdickung des Rückenmarkes in der ganzen Länge des Rumpfes, 
welche sich dann am vorderen und am hinteren Ende concentrirt, 
dürfte auch darauf hindeuten. Diese Leisten liegen zuerst nur auf 
den Bauchplatten, und dehnen sich dann nach oben und nach unten 
aus. Es scheint hiernach, dass die Gegend des Wurzelgelenkes (d. h. 
des Schulter-Hüftgelenkes) sich zuerst bildet und von hier aus die 
Bildung des Wurzclgliedcs (d. h. des Schulter- und Beckengürtels) 
sich nach oben und unten ausdehnt, woraus man später erkennt, dass 
die Extremität nicht nur den Bauchplatten angehört, sondern beiden 
Hauptröhren gemeinsc haftlich ist. Zugleich hebt sich aus der Gegend 
des Wurzelgeleukes eine Erhabenheit hervor, und wir sehen also nach 
aussen auch die übrigen Theile der Extremität sich entwickeln. w 

Im zweiten Theile seines Werkes wird dies weiter ausgeführt, und 
bemerkt, „dass, nachdem man eine ganz kurze Zeit hindurch auf jeder 
Seite einen Wulst in der gsinzen Länge des Rumpfes beobachtet hat, 
jeder Wulst sich in zwei getrennte Leisten, eine vordere und eine hin- 
tere, sammelt, indem die Mitte unkenntlich wird, dass von der Basis 
dieser Leisten aus eine Entwicklung nach oben, nach unten und zu- 
gleich nach aussen fortschreitet. Die Entwicklung nach oben und 
nach unten erzeugt den Rumpftheil der Extremität (Schulter und 
Becken). Die Entwicklung nach aussen erhebt den Kamm jeder 
Leiste zuerst in ein Blatt. Das Blatt thcilt sich dann in einen Stiel 
und in eine Platte (Mittelstück und Endglied). Im Stiele bildet sich 
innerlich ein Gelenk" etc. 

Weiter kommt dann von Bär auf den Verknorpelungsprozess 
zu sprechen, und nachdem er der verknorpelnden Strahlen in der 
Hand- und Fussplatte Erwähnung gethan hat, fahrt er fort: „Es bleibt 

') „Eben aus diesem Verhältnis« scheint es hervorzugehen, dass die vordere 
Extremität mehr Anlage entwickelt, auf Flüssigkeiten zu wirken. Sie ist gewöhn- 
lich die stärkere Flosse, und sie allein wird zu einem Flügel, da ein Thier nicht 
durch die Luft gestoasen, aber wohl durch dieselbe gezogen und gehoben wer- 
den kann." 

■) Diesem Gedanken giebt v. Bär an anderer Stelle anlässlich eines Ver- 
gleiches mit den Wirbellosen noch prägnanteren Ausdruck. 



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nur noch hinzuzufügen, dass die Knorpelkerne gegen die Ränder vor- 
sehreiten, so dass zuerst die Knorpel der Mittelhand- und Mittelfuss- 
knoehon, dann die erste Gliederreihe, darauf die zweite u. 8. w. sich 
bilden." 

Ueber die Reptilien specicll liegen von von Bär, was die Ex- 
treraitätenanlage betrifft, koine genaueren Angaben vor; er verweist 
nur einmal auf ein ähnliches Verhalten mit den Vögeln. Die Anlage 
der Extremitäten der Amphibien hat er, wie es acheint, nicht näher 
studirt. 

Von hohem Interesse hingegen sind die Ergebnisse an Fisch- 
embryonen. Sie sollen aber erst später zur Sprache kommen , und 
ich beschränke mich für jetzt auf die Mittheilung, dass von Bär 
eine „zusammenhängende, wuchernde Leiste" an Knochenfischen — 
denn nur solche scheinen von ihm untersucht worden zu sein — nicht 
wahrzunehmen vermochte. 

An das Referat über K. E. von Bär reihe ich wohl am besten 
die sehr allgemein gehaltenen Ausführungen Rathke's (82) über dio 
Entwicklung des Gliedmasscnskelcts der Wirbeith iere. .Er sagt: 
„Die Grundlage aller Skeletstücko einer Extremität bildet Anfangs 
einen einzigen, ungetheilten Körper, und dieser lässt sich in Hinsicht 
seiner Form cinigermassen mit einem Baume vergleichen, indem der 
mittlere Theil des Körpers gleichsam einen Stamm, das eine für eine 
Seitenhälfte des Schultergerüstes oder des Beckens bestimmte Ende 
die Wurzel, und das andere in eine grössere oder geringere Zahl von 
Strahlen auslaufende Ende die Zweige darstellt. Erst wenn alle diese 
Theile schon angelegt worden sind, und in der ganzen Masse der- 
selben die Verknorpelung beginnen will, gliedert oder theilt sie sich 
in mehrere Stücke, die sich nunmehr zu ebenso vielen einzelnen Knor- 
peln oder Knochen entwickeln. Doch verschmelzen bei manchen 
Thieren sj>äterhin wieder einige von diesen Stücken aufs Innigste, 
wie namentlich dio Metacarpen und Metatarsen der Wiederkäuer." 

In seiner „Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren 
Thiere u , sowie in seinem „Grundriss", welch' letzterer eine wörtliche 
Wiedergabc des betreffenden Passus des erstgenannten Werkes ent- 
hält, meldet Kölliker (63, 64) vom Hühnchen und Kaninchen, dass 
die erste Andeutung der Extremitäten sich in einer leistenförmigen 
Verdickung der Hautplatten zeige, und zwar an ihrem obersten Theile, 
da, wo sie an den Kücken angrenzen. Nach und nach werdo diese 
Leiste dicker, rage schaufelartig auswachsend mehr hervor und nehme 
später mit ihrer Basis oder mit ihrem Ausgangspunkt fast die ganze 
Breite der Hautplatte ein. 

Im Innern derselben liege ein mächtiger Kern gleichmässig rund- 
licher Zellen, die durch eine zarte Membran gegen das bekleidende 
Hornblatt sich abgrenzen. Letzteres besitzt beim Vogel- wie beim 



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Kaninchenembryo an der freien Spitze der Extremität eine Ver- 
dickung. 

Weiterhin botont Kölliker, da«« Arm und Bein ursprünglich 
genau dieselbe Stellung haben, dass aber die Momente, welche die 
später verschiedene Lagerung und Krümmung derselben bewirken, 
schon in der frühesten Fötalzcit an beiden Gliedmasscn wirksam sind. 

„Die Abstammung des Bildungsniateriales für die Gliedmasscn 
anlangend, so ist es nach den bisher ermittelten Thatsachcn in hohem 
Grade wahrscheinlich, da«« dasselbe von den Seitenplatten, oder, ge- 
nauer bezeichnet, von den an die Mittel platten angrenzenden Theilen 
der Hautplatten, welche Kemak Ktppcnhautplatten genannt hat, »einen 
Ursprung nimmt Dieses Blastem erzeugt mit Wucherungen , die an 
bestimmten Stellen in der Kücken- und Bauchwand nach aussen von 
den Urwirbeln und ihren Producten auftreten, den Kxtreniitätengürtel 
und seine Muskeln, und durch oine nach aussen tretende Proliferation 
die eigentliche Extremität Die Gefasse dieser Theile entstehen , wie 
an allen Orten, durch Hercinwachsen der schon vorhandenen Canäle 
unter Mitbetheiligung gewisser Elemente der Extrcmitätenanlage selbst 
und noch entschiedener lässt sich an dm Nerven nachweisen, dass sie 
von den Stämmen der Spinalnerven aus in die Gliedmasse sich hinein- 
bilden. Von einer Betheiligung der Urwirbel an der Entwicklung des 
Skelets der Extremitäten ist bis anhin nichts bekannt; was dagegen 
die Muskeln anlangt, so deuten gewisse Thatsachen auf eine Antheil- 
nahme der Muskelplatten der Urwirbel an der Entstehung derselben." 

In der weiteren Ausführung schränkt Kölliker den letzteren 
Satz wieder ein und spricht sich schliesslich geradezu gegen eine 
solche Annahme aus, indem er den Gliedermuskeln, incl. die Muskeln 
der Extremitätengürtel, eine selbständige Entstehung vindicirt. Er 
sagt: „Nach meinen Erfahrungen beim Menschen und vor Allem beim 
Kaninchen, bei dem ich dio Extremitätenanlagen von den ersten 
Stadien an geprüft habe, entsteht das ganze Extremitätenskelet als 
eine von Anfang an zusammenhängende Blastemmasse, in der vom 
Rumpf gegen die Peripherie zu Knorpel um Knorpel, Gelenkanlage 
nach Gelenkanlage deutlich wird und sich differenzirt, so dass jeder 
Knorpel vom ersten Anfange an selbständig und ohne Zusammenhang 
mit den Nachbarknorpeln sich anlegt zugleich aber auch von seinem 
ersten Entstehen an mit seinen Nachbarn durch die gleichzeitig mit 
ihm deutlich werdenden Gelenkanlagen vereinigt ist." 

Bezüglich der Entstehung der Gelenke betont Kölliker, dass 
alle Theile des Skelets ursprünglich durch Syndcsmosis verbun- 
den sind, dass also ursprünglich „noch indifferente Zellcnmasscn die 
Bindeglieder darstellen". „Diese Zellenmassen sind gleich bei der 
ersten Anlage des Extremitätenskelets gegeben und anfänglich von 
den Elementen nicht zu unterscheiden, die die Knorpel liefern. So- 



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wie dann aber diese Hartgebilde deutlich zu werden beginnen, fangen 
auch die Zwischenglieder an, einen bestimmten Charakter anzunehmen, 
in ähnlicher Weise, wie bei der Diffcrenzirung der knorpeligen Wirbel 
und der Lig. intervertebralia." 

Abgesehen von einigen Bemerkungen K. E. von Bär's, in 
welchen sich, wie oben erwähnt, der Gedanke ausspricht, „dass die 
Extremitäten ihrer ursprünglichen Idee nach dem ganzen Rumpfe an- 
gehören", enthalten die Schriften der bis jetzt erwähnten Autoren 
keinen Versuch, eine Erklärung dos eigentlichen Wesens und der 
morphologischen Bedeutung, wie vor Allem einen Einblick in die Ur- 
geschichte der Wirbclthiergliedmassen anzubahnen. Dies änderte sich, 
als Carl Gegcnbaur im 7. und 8. Dccennium diese* Jahrhunderts 
(33, 34, 35, 36, 37, 39, 41) mit einer grossen Zahl von Arbeiten her- 
vortrat, welche sich fast über das ganze Gebiet der Vertebratcn er- 
streckten und unser Wissen in sehr beträchtlicher Weise vertieften. 
Aber ganz abgesehen davon war es Gegenbaur's Verdienst, ganz 
neue Bahnen der Forschung betreten und den ernstlichen Versuch ge- 
macht zu haben, einen einheitlichen, dem Gliedmasscnskelct silramt- 
licher Wirbelthierc zu Grunde liegenden Organisationsplan nachzu- 
weisen. Er fasste seine Resultate zusammen in der sogenannten 
B Archipterygiura-Theoric a , und diese soll uns im Folgenden be- 
schäftigen. 

Im niedersten Zustand des Flossenskelcts („Archipterygium") findet 
sich ein aus gegliederten Knorpelstückcn bestehender Stamm oder 
Hau ptstrah 1, welchem jederseits 1 ) in einer Längsreihe kleinere, 
gleichfalls gegliederte Stücke (Seitenstrahlen) angegliedert sind. 

Dieses „biseriale Arch ipterygi um" findet sich heute nur 
noch bei jener Abtheilung der Dipnoer, welche durch Ceratodus 
repräsentirt wird; allein auch die Selachicr besitzen z. Th. noch 
Spuren davon, so dass dadurch ein Streiflicht auf die Stammcs- 
geschichte ihrer Gliedmassen fällt. 

Den phylogenetischen Ursprung des zweireihigen Archipterygiums 
sucht Gegenbau r im Kiemenskelet, indem er im Schultergilrtcl 
einen umgewandelten Kiemenbogen erblickt, welcher (wie seine kopf- 
wärts liegenden Nachbarn) ursprünglich mit einer Reihe von Kiemcn- 
strahlen besetzt war. Eine der letzteren Ubertrifft die andern an 
Länge und kann selbst zum Träger der übrigen werden. Damit ist 
die federbartartige Grundform der Ceratodus flösse gegoben. 

Da nun kein Zweifel über die Homologie der freien Brust- und 
Bauchflos8c herrschen kann, so folgt daraus mit Notwendigkeit, dass 
auch ihre centralen, dem Rumpf angeschlossenen Abschnitte, d. h. der 



') In einer früheren Arbeit ging Gegen bau r von einem imperialen 
Archipterygium nus; er gab aber dieses später wieder auf. 



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Beckengürtcl ebenso wie der Sehultergürtel , von einem Kiemenbogen 
abzuleiten sind. Die für diese Deutung aus den entfernten Lage- 
verbilltni8scn des Beckengürtels sich ergebenden Schwierigkeiten be- 
seitigt Gegenbaur durch die Annahme einer im Laufe der Phylo- 
genese in caudaler Richtung vor sich gegangenen Wanderung des be- 
treffenden Becken-Kiemenbogens. 

Von einem ähnlichen Zustande, wie das Flossenskclet der Haie 
ist dasjenige der Ganoiden ableitbar, und die hier auftretende peri- 
pherische Keduction erscheint bei den Teleos tiern noch weiter fort- 
geschritten. Allein nicht nur in ihren peripheren, sondern auch in 
ihren basalen, dem betreffenden Gürtel angefügten Abschnitten hat die 
Ganoiden- und Teleostierflosse eine Modiheation erfahren, indem jene 
Stücke, welche von Gegenbaur als Pro-, Meso- und Meta- 
ptcrygium bezeichnet werden, thcils „rudimentär 1 * geworden, theils 
gar nicht mehr nachzuweisen sind. Verhältnissmässig am constantesten 
erhält sich das Metapterygi um, wovon später noch oftmals die 
Rede sein wird. 

Diese bei den Fischen durch das Archipterygium gewonnene 
Grundlage ist auch bei den höheren Wirbel thieren nachweisbar. Auch 
hier erscheint eine Stammreihe, ein Hauptstrahl, welchem laterale 
SkcUtstücke als Ncbenstrahlen angereiht erscheinen. 

„Von einer anderscitigen, schon bei Selaehiern rudimentär ge- 
wordenen Radien reihe ist keine Andeutung mehr vorhanden. Die An- 
ordnung der Radtenglieder in schräg zum 0 1 i ed in ass e n s tarn m e 
geordnete Reihen — eben der Richtung der primitiven Radien 
entsprechend - ist durch die erfolgte transversale Umgliederung 
verwischt, kann aber in den niedersten Formen nicht unschwer er- 
kannt werden. Aus der Umgliederung gehen neue, quer gerichtete 
Abschnitte hervor, indem quere Reihen von Radiengliedcrn jo mit 
dem entsprechenden GliedstÜckc des Stammes zu längeren Stücken 
sich entwickeln. M 

Uebcr die Art und Weise des Verlaufs der Stammreihe werde 
ich aus praktischen Gründen erst später berichten. 

Die Gegen bau r ' sehe Ijchrc, welche ich im Vorstehenden in der 
Kürze skizzirt habe, eröffnete plötzlich einen weiten Horizont und rief 
selbstverständlich zahlreiche Arbeiten anderer Autoren hervor, welche 
dasselbe Gebiet behandelten. Die Einen verhielten sich zustimmend, die 
Andern ablehnend, wieder Andere nahmen eine Mittelstellung ein. 
Zu den Ersteren gehörten vor Allem die Schüler Gegenbaur 's, 
wie z. B. von Davidoff (19), welcher in einer Reihe von Aufsätzen, 
die das Becken und die Bauchflosse der Fische und Dipnoer behandeln, 
wesentlich auf Grund der Nervenverhältnisse die von Gegenbaur 
postulirte Wanderung des Beckengürtels, sowie die Kiemenbogcnnatur 
des Extremitätengürtels im Allgemeinen zu stützen «suchte. Einen 



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besonderen Nachdruck erhielten die von David oft" sehen Aus- 
führungen durch die daran geknüpften „Bemerkungen" Gegenltaur's. 

Welcher Werth den erwähnten Arbeiten von Davidoff 's beizu- 
messen ist, werde ich später, wenn ich auf die Einzelheiten seiner Beweis- 
führung eintrete, in ausführlicher Weise darzuthun Gelegenheit haben. 

M. Für bringer (30) beleuchtet in seinem grossen Werk über 
die Morphologie und Systematik der Vögel die Wanderungen des Glied- 
massengiirtels der Vertebraten im Allgemeinen und der Vögel insbe- 
sondere. Hier gewinnen die Verschiebungen speciell der vorderen 
Extremität längs des Kumpfes den höchsten Grad unter den Wirbel- 
thicren ; die Vergleichung der verschiedenen Gattungen ergibt in dieser 
Hinsicht ganz ausserordentliche Abweichungen, die in den extremsten 
Fällen (Archaeopteryx und Cygnus) eine Differenz bis zu 
14—15 Wirbeln erreichen. Bei einer Besprechung der verschiedenen 
Gliedmassen theorieen erklärt er sich für die G egen bau r 'sehe; er 
hält sie für die „lebensfähigste". Worauf er diese besondere Lcbens- 
tahigkeit gründet, ist mir dunkel geblieben. 

Die von Swirski (94) über die Entwicklung der Selachicrflosse 
gemachten Angaben beruhen, wie ich später zeigen werde, auf falschen 
Beobachtungen, und da auch die Befundo am Schultergürtel von 
Ilcchteinbryonen z. Th. falsch interpretirt werden, so ist den daraus 
gezogenen Conscquenzen zu Gunsten der G egonbaur ' sehen Arehi- 
pterygiumtheoric kein Gewicht beizulegen. 

In das Jahr 1879 fallen meine eigenen Untersuchungen über den 
Schultergürtel und das Nervensystem von Protopterus annoctens, 
worüber ich zuerst in einem Vortrag (101) und später in einer aus- 
führlicheren Arbeit (102) Bericht erstattet habe. Ich erinnere mich 
noch sehr wohl, wie mich damals die Gegen bau r' sehe Lehre ge- 
fangen genommen hatte, und wie ich mich freute, als ich (102, S. 77) 
die gewonnenen Resultate folgendermasscn zusammenfassen zu dürfen 
glaubte: „Somit lässt sich mit Sicherheit behaupten, dass bei Proto- 
pterus Nervenelemente im Plexus brachialis verlaufen, die man bisher 
nur auf den Tractus intestinalis, die Kreislaufs- und — worauf es hier 
am meisten ankommt — auf die Kespirationsorgano (Kiemen) be- 
schränkt glaubte. Die Extremität erhält nämlich ausser Hypoglossus- 
fasern einen kräftigen Kienumnerven , d. h. einen Ast des Vagus. 
Das ist ein Satz, der in der vergleichenden Anatomie hiermit zum 
erstenmal ausgesprochen wird. Hält man die Thatsachc der Ver- 
sorgung der Extremität durch einen Kiemennerven zusammen mit 
dem, was ich früher schon über die topographischen Verhältnisse der- 
selben, sowie ihre Beziehungen zu den äusseren Kiemen l ) mitgethcilt 



') Letzter« sitzen auf dem oberen freien Ende des Schultergürtels, so dass 
letzterer als Kiementräger fungirt. 



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- 12 - 



habe, so wird man keinen Augenblick mehr daran zweifeln können, 
dass uns in Protopterus ein Thier erhalten ist, dessen primitive 
Organisation uns zu dem Ausspruch berechtigt : die Gegen bau r 'sehe 
Hypothese Uber die Entstehung des Schultergürtels hat aufgehört, eine 
Hypothese zu sein, sie ist zur festen, unumstösslichen Thatsache ge- 
worden. — Die Vordercxtremität von Protopterus ist an ihrem locus 
nascendi, d. h. im Bereich des Schädels, des Visceralskclcts und 
der Kopfnerven liegen geblieben, ein Verhalten, wie es bis jetzt von 
keinem andern Wirbelthiere bekannt ist." 

Seit ich diese sehr zuversichtlich klingenden Worte nieder- 
geschrieben habe, sind zwölf Jahre vergangen — „ tempore mutantur et 
nos mutamur in Ulis". — Die damals festgestellten anatomischen 
Thatsachen bestehen auch heute noch zu Recht, allein sie erfordern, 
wie ich einsehen gelernt habe, und wie ich in einem andern Capitel 
zu zeigen hoffe, eine ganz andere Deutung und Erkliirung. Aus 
diesem Grunde muss ich auch folgende, sicherlich gut gemeinte, auf die 
Entwicklung des Sterlets sich beziehende Bemerkung Salensky's 
(90) *), soweit sie sich auf meine Person bezieht, auf das Entschiedenste 
zurückweisen: .Die Analogie des Schultergürtels mit den Kiemen- 
bogen ist sowohl in der Form dieser beiden Skelcttheilc, als auch in 
der Beziehung derselben zum Achsenskelet ausgedrückt. Die embryo- 
logischen Thatsachen widersprechen dieser Homologie durchaus nicht, 
sondern beweisen dieselbe eher, da der Schultergürtel in den ersten 
Stadien seiner Entwicklung die Form eines Henkels besitzt Endlich 
liefert die Wi cd ershe im ' sehe Entdeckung einer Kieme auf dem 
Schultergürtel von Protopterus unzweifelhafte Beweise fllr die 
Gcgenbaur'sche Hypothese. Daraus folgt, dass der erste Theil 
der G egenb au r' sehen Hypothese, der von der Homologie des 
SchultergUrtcls mit den Kiemenbogen handelt, als eine durch positive 
Beobachtungen bewiesene Thatsache angesehen werden kann. Dieses 
darf nicht vom zweiten Theile der Hypothese behauptet werden, 
welcher das Skelet der freien Extremitäten als eine den Kiemen- 
strahlen homologe Bildung auffasst. Zur Annahme einer solchen 
Homologie genügt nicht die Aehnlichkcit, wie sie sich bei er- 
wachsenen Selachiern ausspricht, sondern es sind sichere embryo- 
logische Beweise nothwendig. »Solche finden sich in der Entwicklung 
des Sterlets keine, da sich der Schultergürtel und das ExtrcmitÄten- 
Skelet unabhängig von einander entwickeln 2 ). 

') Die Uebcrsetzung des betreffenden Passus des in russischer Sprache ge- 
schriebenen Sa lensky' sehen Werkes verdanke ich Herrn Studiosus Walter 
Büttner. 

*) Die Richtigkeit dieses Satzes habe ich, wie ich spater zeigen werde, allen 
Grund, stark in Zweifel zu ziehen (IV). 



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— IS — 



Ich kann hierüber übrigens kein entscheidendes Urtheil abgeben, 
da die Entwicklung der Kiemenbogen bei den Selachiern, welche den 
Ausgangspunkt für die Vergleichung abgeben, noch gar nicht bestimmt 
ist, aber ich hatto es nicht für überflüssig, zu bemerken, dass eine 
genauere vergleichend-embryologische Untersuchung den einzig sicheren 
Weg zur thatsächlichen Entscheidung dieser Frage bietet." 

C. Hasse (51) kommt auf Grund seiner Studien über die Wirbel- 
säule der Fische und Dipnoer bezüglich der „Tectobranchi poly- 
spondyli" zu folgendem Resultat: „Die Thiere besassen im Anschluss 
an die letzte Kiemenspalte paarige Brustflossen, und in der Umgebung 
des Afters ebensolche Bauchflossen mit centralem, axialen, faden- 
förmigen oder biserialen Archipterygium, je nachdem in die vordere 
Extremität lediglich der eine mittlere Kiemenstrahl des letzten Kiemen- 
bogens oder auch alle benachbarten als seriale mit hineingewachsen 
waren. In ähnlicher homodynamer Weise verhielt sich 
dann das Skelet der hinteren Extremität. Dasselbe war 
aber niemals dem der" vorderen homolog, sondern nur 
analog; es war, unabhängig von dem Kiemenskelet, 
selbständig in der Achse der Extremitätenanlage ent- 
standen. Ich lege ein besonderes Gewicht auf diesen 
Ausspruch, insofern ich die Gültigkeit desselben für 
alle mit Extremitäten ausges tatteten Wirbelthiere auf- 
recht erhalte." 

C. Emery (25) tritt sowohl der Kiemenbogentheorie, wie dem 
Archipterygium Gegenbaur's entgegen, und meint, dass man 
letzteres zur Erklärung des Cheiropterygiums nicht nur entbehren 
könne, sondern dass man durch Aufgabe desselben „zu einem klareren 
Verständniss der Beziehungen des Cheiro- und Ichthyopterygiums ge- 
langen kann, als bei Aufrechtorhaltung desselben". 

Emery erblickt in der crossopterygialen Brustflosse von Poly- 
pterus und Calamotchthys den „Uebergang von der ichthyo- 
pterygialen Extremität zur cheiropterygialen". 

Bezüglich der weiteren Ausführungen muss ich auf den speciellen 
Theil verweisen. 



Während die Gegenbau r 'sehe Kicmenbogen-Sehultcrgürtel- 
theorie, sowie die Archipterygiumthcorie auf rein anatomischer Grund- 
lage aufgebaut und bis in's einzelnste Detail mit Aufwendung des 
grössten Scharfsinnes immer mit denselben Hilfsmitteln durchgeführt 
war, begegnen wir einer anderen Lehre von der Urgeschichte der 
Extremitäten, welche zwar ebenfalls auf anatomischem Wege an- 
gebahnt wurde, später aber ihren glänzendsten Ausbau durch embryo- 
logische Forschungen erhielt Sie kann als die Thacher-Mi vart- 
Balfour-Haswell-Dohrn'sche Lehre bezeichnet werden. 



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— 14 - 



Im Folgenden werde ich dieselbe geradeso in ihrer historischen 
Entwicklung beleuchten, wie ich dies mit der ersteren gethan habe. 

Obgleich Maelisc und Humphry schon im Jahre 1871 eine 
der bisherigen Auffassung zuwiderlaufende und in manchen Punkten 
der Thacher-Mi vart- Bai four' sehen etc. Theorie sich nähernde 
Ansicht über die Entwicklung der Extremitäten aufgestellt hatten, so 
vermochten sie doch nicht damit durchzudringen. 

Im Jahre 1877 erschien eine Arbeit J. K. Thacher's, welche 
den anspruchslosen Titel trug: „Median and Paired Fins, a Contribution 
to tlie History of Vertebrate Limb«" (95). Dieselbe bedeutet einen 
Markstein in der Geschichte der vergleichenden Anatomie, und wie 
einst das Erscheinen der G ege n bau r'schen Arehipterygiumtheorie 
das Signal war zu einer auf demselben Gebiet sieh bewegenden lite- 
rarischen Massenproduetion, so rief auch der Th ach er 'sehe Aufsatz 
in den Kreisen der Morphologen eine grosse Aufregung hervor. Man 
begriff die fundamentale Bedeutung der neuen Lehre sofort in ihrem 
ganzen Umfange; allein gleichwohl brach sie sich nur langsam Bahn. 
Die miiehtige Autorität Gegen baur's stand dagegen, und wie einst 
im Mittelalter der Ruf erklang: „Hie Weif, hie Waiblingen", so lautete 
jetzt der Schlachtruf : „Hie Thacher, hie G ege n baur!" Eine Ver- 
mittlung zwischen beiden Gegnern erschien von vorne herein aus- 
geschlossen; siegte Thacher, so war die Gegen baur 1 sehe Kiemen- 
bogentheorie ein für allemal aus der Welt geschafft. 

Was die Thacher 'sehe Lehre anbelangt, so ist sie, worauf 
ich früher schon hingewiesen habe, auf Grund rein anatomischer 
Studien an einem grossen Selachier- und Ganoiden-Material entstanden. 
Ich gebe die Resultate, zu welchen Thacher gelangte, mit dessen 
eigenen Worten wieder: 

„As the dorsal and anal fins were special izations of the median 
folds of Amphioxus, so the paired fins were specializations of the two 
lateral folds which are supplementary to the median in completing 
the cireuit of the body. These lateral folds, then, ar the homologues 
of the WolfTfian ridges, in embryos of higher form«. Here, as in the 
median fins, there were formed chondroid and iinally cartilaginous 
rods. These becamo at least twiee seginentcd. The orad ones, with 
more or less concrcsccnce proximally, were prolonged inwards. 
The cartilages spreading met in the nmldle line, and a latcr extension 
of the cartilages dorsad completed the limb girdle. u 

Und weiter: „The limbs of the Protognathostomi consisted of a 
serics of parallel articulated cartilaginous rays. They may have co- 
alcsced somcwhat proximally and orad. In the ventral pair they had 
extended themselves mesiad until they had nearly or quite met and 
formed the hip girdle. They had not here extended themselves dorsad. 
In the pectoral limb the same state of things prevailed, but was carried 



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- 15 — 



a step further, natnely, by the dorsal extension of the cartilage consti- 
tuting the scapular portion, thus more ncarly forming a ring or girdle." 

In einem zweiten Aufsatz (06) hält Thachcr seinen früheren 
Standpunkt aufrecht, bekämpft die Afchipterygiumtheorie und erkennt 
ihr nur für die Dipnoör einen gewissen Werth zu. Folgende Punkte 
werden betont: die hintere Extremität mit ihrem Gürtel ist entstanden 
zu denken aus einer Reihe einfacher Knorpclstrahlen , welche sich in 
drei Segmente gliedern. Bezüglich der hierbei in Betracht kommenden 
Zahl von Strahlen, bezüglich des Breitegrades des Verwachsungs- 
prozesses angrenzender Strahlen, der Vereinigung der Pars pubica und 
der Entwicklung der Pars iliaca sind noch genauere Untersuchungen 
anzustellen. Dasselbe gilt für die etwa eintretende Reduction in der 
Strahlenzahl bei den Teleostiern und den höheren Vertebraten. Eine 
Vereinigung der Pars pubica beiderseits findet sich bei allen 
Selachiern, mit Ausnahme der Holocephali, bei einigen Teleostiern 
und bei den Dipnoi. Eine Pars iliaca findet sich bei Chimära, bei 
den Rochen, bei den Chondrostei, „apparently" (offenbar? scheinbar?), 
bei den Rochen, sowie endlich bei den Stapedifera. 

Schon im Jahre 1873 hatte G. Mivart in seinen „Lcssons in 
Elementary Anatomy" den Satz ausgesprochen, „that the appendicular 
skeleton is no merc portion of the axial skeleton, but a distinet system 
of parts appended to and more or less closely and variously connected 
with the axial system". 

In einer zweiten Arbeit (78) führt Mivart dieses weiter aus, 
indem er vor Allem die Ansicht bekämpft, dass der Schultergürtel 
genetisch auf Rippen oder auf Kiemenbögen zurückzuführen sei, und 
dass letztere serialc Homologa der Rippen darstellen. 

Beide Extremitäten der Fische, die paarigen wie die unpaaren, 
fallen unter einen und denselben morphologischen Gesichtspunkt, d. h. 
beide gehören zu derselben Kategorie „of peripheral, non-axial 
struetures.* 4 

Wie F. M. Balfour (4) dies bereits in seiner Entwicklungs- 
geschichte der Selachier klar und deutlich ausgesprochen hatte, so 
nimmt auch Mivart an, dass die Gliedmassen der Urvortcbratcn 
einst aus zwei fortlaufenden Seitenfalten bestanden haben müssen, 
welche den Körper beim Schwimmen im Gleichgewicht hielten, und 
in welchen sich serial angeordnete Knorpelstrahlen entwickelten — 
Aus diesen Seitenfalten, und zwar, wahrscheinlich je nach Bedürfniss 
aus verschiedenen Abschnitten derselben, differenzirten sich hei ver- 
schiedenen Selachiern die Brust- und Bauchflossen, während das da- 
zwischen liegende Stück sich rückbildete. 



') Die einzelnen Knorpelstrahlcn nennt Mivart „Pterytfia", die Summe 
derselben „Sympterygium". 



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- 16 - 



Daa vordere (Brustfloaaen-)Paar wucha rascher zu einem größeren 
Apparat heran als daa hintere, die Bauchflossen. 

Allea scheint, nach Mivart, darauf hinzuweisen, daaa die Hart- 
gebilde der un paare n Flosse sich in centripetalcr Richtung entwickeln, 
und daas sie nicht, wie Gegenbaur meint, in centrifugaler Richtung 
erfolgende Auswüchse des Achsenskeletes sind. Daaselbe nimmt er auch 
für die paarigen Flossen an und fasst die ExtremitutengUrtel als Ein- 
wüchse der vereinigten, d. h. unter sich verwachaenen Basalabschnitte 
der freien Gliedmassen auf. Der Schultergürtel gewann einwachsend 
einen Stützpunkt am Schädel , wie ein solcher vo m Becken an der 
Wirbelsäule bei auf dem Festland sich bewegenden Wirbelthieren ge- 
wonnen wurde. Gleichzeitig wuchsen die Extremitäten bei den ter- 
restrisch werdenden Thieren langer aus, gliederten sich, wurden schmäler; 
ob aber diese Verlängerung bei der Herausbildung dea Cheiropte- 
rygiums in der Axenrichtung des Propterygiums oder des Me8opte- 
rygiums erfolgte, ist bis jetzt nicht sicher zu bestimmen. Daa distale 
Ende dea Cheiropterygiums entwickelte sich entweder unter Bei- 
behaltung und weiterer Verbreiterung der bereits existirenden Knorpel 
oder es bildeten sich durch Anpassung neue Knorpel, welche in das 
Cheiropterygium einwuchsen. 

Gleichmässige Entwicklung der hinteren und vorderen Extremität 
musste da eintreten, wo beiden dieselbe locoraotorische Aufgabe er- 
wuchs, wie z. B. bei Enaliosauriern etc., im andern Falle mussten sich 
entsprechende Modifikationen ergeben. 

Erat F. M. B a 1 f o u r war es vorbehalten, die Frage, welche eine 
immer brennendere geworden war, von entwicklungsgeachiehtlicher 
Seite aus in Angriff zu nehmen. Ein bedeutender Anlauf dazu war, 
wie schon erwähnt, von ihm bereits anlässlich seiner Studien über die 
Entwicklung der Selachier, d. h. schon vor dem Erscheinen der 
Thac h er ' sehen Arbeit gemacht worden; allein erst im Jahre 1881 
erschien eine dieses Thema behandelnde Specialarbeit (6). Die hierin 
niedergelegten Resultate will ich kurz referiren. 

Zunächst recurrirt B. auf die von ihm im Jahre 1875 und 187(3 
an Selachier-Embryonen nachgewiesenen seitlichen, dicht hinter dem 
Kiemenapparat beginnenden und bis zum Anus sich erstreckenden 
Hautfaltcn und auf seine Deutung der paarigen Flossen als letzte 
Ueberrestc derselben. 

Die definitive Brust- resp. Bauchflosse entsteht als lappiger Aus- 
wuchs der Epidermis, in welchen mesodermales Gewebe allmählich 
nachrückt. Die Brustflosse ist zuerst der Bauchflosse in der Ent- 
wicklung weit voran, und letztere liegt, weil die primitive Hautleiste 
nicht horizontal, sondern schief nach hinten geneigt ist, mehr ventral- 
wärta ala die Brustflosse. Bald wächst auch Muskelgewebe von den 
Rumpfmyotomen aus in die Extremitätenanlage hinein ; dasselbe bildet 



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zwei Schichten, eine dorsale und eine ventrale, und zwischen diesen 
beiden entsteht das Knorpclskelct. Dieses verhält sich in seiner 
ersten Anlage bei der Brust- und Bauchflosse sehr ähnlich. Hier wie 
dort bildet es ursprünglich eine einzige zusammenhängende Masse mit 
dem zugehörigen Extremitätengürtel, und es erscheint unter rechtem 
Winkel von der Hinterseite desselben abgebogen. Soweit das Knorpel- 
skelet in der freien Flosse liegt, läuft es entlang ihrer Basis parallel 
der Körperlängsachse. Die Aussenseite dieser so gerichteten Knorpel- 
spange setzt sich in eine dünne, in die Flosse einragende Platte fort. 
Letztere ist, was die Brustflosse anbelangt, auf eine beträchtliche, 
d. h. breite, in der hinteren Extremität wenigstens auf eine schmälere 
Strecke einheitlicher Natur. 

In der Folge gliedert sie sich in Strahlen. Diese unter rechtem 
Winkel von der einheitlichen Platte aus erfolgende Gliederung ist aber 
in grosser Ausdehnung bereits geschehen, bevor noch das Gewebe den 
Namen von Knorpelsubstanz verdient. Die Grundplatte, von der die 
Strahlen ausgehen, hat Balfour Basipterygium genannt, und eben 
dieses Basipterygium ist es , welches sich mit seiner proximalen Partie 
in den Schulter- resp. Beckengürtel continuirlich fortsetzt. Später 
gliedern sich die Strahlen vom Basipterygium ab und gliedern sich 
auch selbst wieder; dabei bleibt im Uebrigen die Bauchflosse auf 
embryonalerer, einfacherer Stufe stehen als die Brustflosse. Das Letzte, 
das sich ereignet, ist die Abgliederung des proximalen Abschnittes 
des Basipterygiums vom Becken- resp. Schultergürtel. In der Brust- 
flosse, welche sich viel mehr vom Körper abschnürt, als die Bauch- 
flosse, wird das Basipterygium zum Metapterygium, während sich das 
Meso- und Propterygium secundär abgliedern. 

Alles spricht dafür, dass die einheitliche Knorpelstangc der Brust- 
und Bauchflosse ursprünglich aus einer Verwachsung der basalen 
Enden der Knorpelstrahlen hervorgegangen zu denken ist, ganz so 
wie dies Thacher und Mivart annehmen. Beweisen aber lässt sich 
dies durch die Befunde an Scyllium nicht. Balfour schliesst mit 
den Worten: „The phylogenetie raode of origin of the skeleton both 
of the paired and of the unpaired fins cannot, however, be made 
out without further investigation." 

Es ist wohl kaum nöthig, hervorzuheben, dass durch diese Arbeit 
Balfour's die biseriale Archipterygium- sowie die Kiemen bogen- 
theorie Gegenbaur's einen gewaltigen Stoss erlitt; allein noch 
war der Kampf nicht zu Ende. 

An die Stelle des durch ein dunkles Geschick der Wissenschaft 
allzufrüh entrissenen Freundes trat Anton Dohm, welcher wenigo 
Jahre später die Balfour 'sehen Untersuchungen wieder aufnahm und 
dieselben auf Grund eines ausgedehnten Materiales von Pristiurus- 
und S c y 1 1 i u m - Embryonen weiterführte (21). 

Wi«derahelm GUedotMaenakeUt der Wirbelthiore. Text. 2 



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- 18 — 



Sein erstes Augenmerk richtete Dohm auf die Beziehungen der 
Kumpfmyotome zu der Extremitätenanlage, und es gelang ihm nach- 
zuweisen, dass jedes Myotom an seiner ventralen Seite zwei sack- 
förmige Fortsätze, einen vorderen und einen hinteren entsendet, und 
dass diese Fortsätze sich allmählich verlängern und sich von den zu- 
gehörigen Myotomen abschnüren. Ihre Zahl vermochte Dohm nicht 
sicher zu bezeichnen; für die Brustflosse mögen 12—14, für die Becken- 
flosse 10—12 in Betracht kommen. Naehdem sie sich von den Myo- 
tonien abgelöst haben, verlängern sie sich wiederum und theilen sich je 
in eine ventrale und eine dorsale secundäre Knospe. Es entstehen zu- 
erst aus jedem Myotom vier getrennte Muskelmassen, die erste durch 
Trennung in transversaler, die zweite in horizontaler Richtung. Das 
sind die Elemente, durch deren Auswachsen die ganze Extremitäten- 
muskulatur zu Stande kommt. Die einzelnen Knospenabschnitte 
lassen, der dorsalen und ventralen Flossenfläcbe anliegend, eine mitt- 
lere Zone frei. Die Umwandlung der Zellen in Muskelknospen erfolgt 
erst, wenn alle einzelnen Knospen an ihrer definitiven Stelle ange- 
kommen sind; bis das geschehen, verharren sie alle in ihrer embryo- 
nalen Zellnatur. Ist jenes Entwicklungsstadiuni erreicht, so beginnt 
in der oben erwähnten, von mesodcrmalem Gewebe erfüllten, mittleren 
Zone der Vcrknorpelungsprozess. Letzterer setzt an der Flossenbasis 
ein, gleich darauf aber rückt zwischen je zwei Muskelportionen ein 
Knorpelstrahl gegen die äussere Peripherie der Flosse vor. Die 
einzelnen Knorpelstrahlen divergiren in peripherer Richtung von ein- 
ander, während sie an dem sich allmählich verschmälernden Basaltheil 
der Flosse so enge zusammengedrängt erscheinen, als würden sie aus 
einem einzigen Knorpel hervorwachsen. Dadurch hat sich Balfour 
zur Annahme seines Basipterygiums als einheitlicher Spange 
verleiten lassen. Letztere aber ist erst das Verschmelzungs- 
produet der basalen (proximalen) Enden vorher getrennter 
Einzelstrah lcn. 

Ueber die Anlage des Schultergürtels berichtet Dohm wörtlich 
Folgendes: „Eine andere Knorpelentwieklung greift gleichzeitig am 
vordersten Rande der Flosse, zwischen ihr und den Myotomen des 
Rumpfes, Platz. Sie hat aber eine andere Entwicklung, denn sie umgreift, 
von der Mitte ausgehend, in rascher Entwicklung fast den ganzen Um- 
fang des Körpers dorsalwärts, wie ventralwärts. Es ist die Anlage des 
Schultergürtels." Des weiteren geht Dohm hierauf nicht ein, sondern 
behält .sich weitere Mittheilungen vor. Gleichwohl betont er ausdrück- 
lich, dass der Sehultergürtel von Hause aus nichts mit der Schulter- 
flosse zu thun habe, dass vielmehr eine Angliederung, nicht aber eine 
Abgliederung stattfinde (vergl. pag. 81). 

Die Zahl der in die Brustflosse eintretenden Spinalnerven ent- 
spricht derjenigen der an ihrem Aufbau betheiligten Myotonie. Aus 



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— 19 



ihrer radienartigen, gegen die Flosse zu convergirenden Richtung kann 
man erkennen, dass die Flosse ein concentrirtes Gebilde ist 1 ). 

Alle diese Mittheilungen Uber die metamerische Entstehung der 
Extremitäten-Muskeln, -Knorpelstrahlen und -Nerven gelten in gleicher 
Weise für die Brust- wie für die Bauchflosse. Letzterer fehlt aber 
ein dem Schultergürtel homodynaraer Knorpel. Das Os pubis ist nur 
eine nach innen gerichtete Verlängerung dos durch Verschmelzung der 
Knorpelstrahlen zu Stande gebrachten Skelettheiles. 

Von hoher Bedeutung ist der Befund Dohrn's, dass sich auch 
in dem zwischen Brost- und Bauchflosse liegenden Gebiet der Rumpf- 
myotome in embryonaler Zeit Muskelknospen bilden 9 ), die allmählich 
wieder zu Grunde gehen, und ferner, dass derselbe Vorgang auch an 
den postanalen Myotomen sich abspielt, wodurch der Gedanke nahe 
liegt, es möchte sich hier um die Bildung der Muskeln der unpaaren 
ventralen Flosse handeln. Ist dies richtig, so muss die un paare Flosse 
ebenso wie Brust- und Bauchflosse ursprünglich paarig gewesen sein. 
Da nun auch die dorsale Flosse ihrerseits der bereits bekannten Bil- 
dungsweise der lateralen und ventralen Flossen folgt, so erhellt dar- 
aus der richtige Gedankengang, welcher der T h a c h e r - M i v a r t ' sehen 
Arbeit zu Grunde liegt 8 ). 

Ziehen wir das Facit, so lässt sich nicht verkennen, dass die von 
Thacher inaugurirte neue Lehre von Seiten Dohm'« den weitesten 
Ausbau erfahren hat, und es kann nicht Wunder nehmen, dass sie 
sich von jetzt an auch in immer weitere Kreise der Fachgenossen 
Eingang verschaffte; sie war ein wichtiger Factor geworden, mit dem 
man rechnen musste, und der nicht mehr aus der Welt zu schaffen 



') Die von Dohm erwähnt«' Richtung der Nerven bei der Extremität der 
Kelachier-Embryonen wird, wie au« den von Davidoff' sehen Untersuchungen zu 
ersehen ist (19), bei der erwachsenen Chimära beibehalten; auch die Zahl der- 
selben stimmt hier mit der von Dohm schätzungsweise angenommenen Zahl der 
Muskelknospen von Pristiurus-Embryonen überein. 

*) Ich kann nicht umhin, bei dieser Stelle auf folgenden Passus aus dem 
von B&r'schen Werk aufmerksam zu machen, welcher die Schärfe der Beohaeh- 
tungsweisc des grossen Embryologen im glänzendsten Lichte erscheinen lässt. 
„Für die unpaarigen Flossen zeigt sich zuerst eine zusammenhängende Hautflosse, 
die vom Rücken anfangt, um den ganzen Schwanz herumläuft und unter dem 
Bauche endet. Diese zusammenhängende Hautflosse scheint für sehr verschiedene 
Fische (z. B. Barsche und Karpfen) ganz gleich, so lange keine Flossenstrahlen 
tla sind, doch muss sie für solche Fische, deren Rückenflosse sich bis gegen den 
Kopf erstreckt, auch wohl bis dahin gehen. Später theilt sie nich in so viel Ab- 
teilungen, als der Fisch bleibende unpaarige Flossen erhalten soll. Die bleiben- 
den Flosseuthcile erhalten während der Sonderung Strahlen, die Zwischentheile 
verschwinden gänzlich." 

") Wie Dohm auf Grund seiner Befunde gegen die Gegen baur'sehc 
Theorie zu Felde zieht, mag aus S. 65-70 und S. 82— 89 meiner Arbeit er- 
sehen werden. 

2* 



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war. — Mit eigensinnigem Festhalten am Althergebrachten, mit Deu- 
teln und Flicken war nichts gethan, es hiess nun: Entweder — 
Oder. 

Mir selbst blieb dieser innerliche Kampf so wenig erspart, wie 
Andern, sofern sie überhaupt kämpfen wollten, und es nicht vor- 
zogen, im Schmollwinkel die Mütze über die Ohren zu ziehen. 

Wie sehr ich selbst mit der G egen b au r' sehen Lehre verwachsen 
war, ja, wie ich dieselbe durch eigene Studien selbst einst stützen zu 
können hoffte, habe ich auf S. 11 selbst offen dargelegt Ich werde 
daher kaum nöthig haben , auszusprechen , welche Ueberwindung es 
mich gekostet hat, mich von derselben loszusagen. Und diese Los- 
sage erfolgte denn auch durchaus nicht plötzlich und sprungweise, 
sondern ganz allmählich, indem ich mehrere Jahre hindurch suchte, 
jeden Zoll des alten Terrains so zähe wie möglich festzuhalten. 

Als Zeugnias dafür sei mir gestattet, die betreffenden Abschnitte 
aus meinem Lehrbuch und Grundriss der vergleichenden Anatomie 
der Wirbelthiere wörtlich anzuführen. 

In der ersten Auflage des Lehrbuches, welche in das Jahr 1882;88 
fiel, fahre ich, von der die Brust- und Bauchflossen verbindenden 
Balfour'schen Epitholleiste sprechend, folgendennassen fort: „und 
man könnte daran denken," die Gliedmassen als Ueberbleibsel 
einer früher ununterbrochenen, durch metamer angeordnete Knorpel- 
stäbe gestützten lateralen Flosse aufzufassen. Auch im Uebrigen fusse 
ich, was weiter die Entwicklung der paarigen Flossen anbelangt, ganz 
auf Balfour (6), da mir eigene Erfahrungen damals noch nicht zu 
Gebote standen, und die Dohm 'sehe Arbeit (21) noch nicht er- 
schienen war. 

Dann folgt der Passus: „Es muss zugegeben werden, dass sich 
bei der so verlaufenden Entwicklungsgeschichte der Selachierflosse die 
Möglichkeit einer Ableitung derselben von dem Kiemenbogenapparat 
nicht absehen lässt, obgleich sie andrerseits auch keinen directen Be- 
weis für die Thachcr-Balfour'sche Hypothese liefert" 

Wie wenig Beweiskraft ich damals der letzteren noch zuschrieb, 
beweist der Satz, den ich am Schlüsse des die G eg e n bau r' sehe 
Kiemenbogenhypothcse behandelnden Abschnittes anfügte: „Diese Auf- 
fassung scheint durch den von mir (101) gemachten Befund bei 
Dipnoörn (Protopterus) für die Vorderextrcmität eine sehr bedeutende 
Stütze zu erhalten. Während nämlich der Schulterbogen aller Fische, 
wenn er auch die respiratorische Kammer nach hinten noch ab- 
8chliessen hilft, und also eine den Kiemenbogen sehr benachbarte Lage 
hat, doch immerhin der Peripherie des Rumpfes näher und dem Niveau 
der Kiemenbogen entrückt erscheint, so verharrt er bei Proto- 
pterus in seiner tieferen, mehr centralen Lage. Zweitens trägt er 
zeitlebens funetionirende (äussere) Kiemen, und drittens wird nicht nur 



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- 21 — 



die Schultermuskulatur, sondern die ganze freie Extremität bis zur 
Spitze hinaus zum grossen Theil von Vaguselementen versorgt. Wenn 
dadurch die Ableitung der vorderen Extremität von dem Kicmen- 
bogensystem als sehr plausibel zu betrachten ist, so muss diese auch 
in gleicher Weise für die hintere Extremität möglich sein, denn beide 
besitzen, wie Balfour an Selachiern gezeigt hat (s. oben), principiell 
dieselbe Anlage. Nun erscheint mir aber dies nach der Gegen baur'- 
schen Auffassung schon aus folgendem Grunde nicht möglich. Wir 
treffen nämlich den Beckengürtel, den wir uns von seinem locus nascendi 
nach Gegenbaur mehr oder weniger weit nach rückwärts gewan- 
dert denken müssen, gerade bei Thiercn, wo wir die ursprünglichsten 
Verhältnisse anzutreffen erwarten könnten, wie bei Ganoiden, Dipnoern 
und Selachiern, am „rudimentärsten" und der vorauszusetzenden Form 
eines Kiemenbogens am allerunähnlichsten. Wenn nun Gegenbaur 
diesen Einwand dadurch zu entkräften sucht, dass er alle jene Becken- 
formen ftlr rückgebildet erklärt, so ist durchaus nicht einzusehen, 
warum gerade der central gelegene, also der den äusseren Einflüssen 
nur wenig oder gar nicht exponirte Theil des Beckengürtels eine solch 
bedeutende Reduction erfahren haben soll. Wo ein Reductionsprozess 
am Skelet auftritt, geht er stets von der Peripherie aus und schreitet 
von hier aus proximalwärts fort, so dass die mehr in den Rumpf ein- 
bezogenen Theile erst ganz zuletzt von ihm ergriffen werden (Extre- 
mitätengürtel der Scinke, Amphisbaenen und Gyninophyonen). Viel 
ungezwungener und natürlicher erklärt sich jene Thatsache im Sinne 
Balfour 's, der, wie ich oben schon vorübergehend bemerkt habe, 
das Becken als auf niedriger Entwicklungsstufe stehen bleibend auf- 
fassen gelehrt hat, und so scheint mir, Alles erwogen, die Thacher- 
Mivar t-Balfour'sche Auffassung der Entstehung der paarigen 
Flossen vor der Gegenbaur 'sehen den Vorzug zu verdienen. Ich 
spreche dies aus trotz des von mir selbst gemachten Befundes an 
Protopterus, der — es ist dies nicht zu leugnen — für die Gegen- 
baur 'sehe Hypothese schwer in die Wagschale fällt. Diese lässt 
aber die Entstehung des Beckengürtels gänzlich unerklärt" 

Was das biseriale resp. uniseriale Archiptcrygium betrifft, so wage 
ich in der ersten Auflage meines Lehrbuches keine sichere Entschei- 
dung zu treffen; ich verweise aber auf den von Balfour an Selachier- 
Embryonen gemachten Befund, welcher hier die Anlage eines biserialen 
Archipterygiuras ausschliesst. 

Auch in der im Jahre 1884 erschienenen ersten Auflage des 
Grundrisses zeige ich mich noch schwankend und unsicher, welcher von 
den zwei sich entgegenstehenden Doctrinen ich den Vorzug geben 
soll, der Gegenbaur'schen oder der Thacher-Bal four'schen. 
Das Archipterygium betreffend neige ich mich zu dem biserialen, 
drücke mich aber, im Anschluss an die Besprechung der Urodelen- 



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- 22 - 



gliedmassen sehr vorsichtig folgendermassen aus: „So hätten wir 
also hier wieder die biseriale Urform mit starkem Ueberwiegen 
der einen Radienreihe. Gleichwohl muss man wohl im Auge behalten, 
dass die radiäre Anordnung zu einer Stammreihe, d. h. zu einem 
Hauptstrahl, in früheren Embryonalstadien weniger deutlich hervor- 
tritt, als in späteren, und so kann man eher von ähnlichen, als 
von streng homologen Verhältnissen reden." 

In der zweiten Auflage meines Lehrbuches (1886) bemerke ich, 
dass mir die Gegenbau r 'sehe Hypothese „immer unhaltbarer" er- 
scheine, während ich durch die Thacher-Mi vart-Dohrn'sehe 
Auffassung „das verwickelte Problem auf viel ungezwungenere und 
natürlichere Weise" einer Lösung für fähig halte. Fussend auf den 
einstweilen publizirten Dohm 'sehen Untersuchungen (21), erkläre 
ich mich sowohl gegen das uniseriale, als auch gegen das biseriale 
Archipterygium und recurrire auf die bei Selachier - Embryonen 
ganz gleichmässig neben einander liegenden Flossenstrahlen. Be- 
züglich des Schultergürtels und der freien Brustflosse führe ich, da 
mir dnmals keine eigenen Erfahrungen zu Gebote standen, Dohm 's 
Befunde an (vergl. diese), und dasselbe gilt für daB Becken und die 
Beckenflosse. 

In der zweiten Auflage meines Grundrisses (1888) stehe ich ganz 
auf Seiten Thacher's, Balfour's und Dohm 's. 

Bezüglich der Extremitätengürtel bemerke ich Folgendes: „Ueber 
die Urgeschichte der beiden Extremitätengürtel lässt sich bis jetzt noch 
nichts Sicheres aussagen, denn auch die seiner Zeit von Gegen baur 
aufgestellte Ansicht, dass es sich beim Schultergürtel um einen um- 
gewandelten Kiemenbogen handele, ist, seitdem sich die „Archi- 
pterygiumtheorie" als unhaltbar erwiesen hat, mehr als zweifelhaft ge- 
worden." 

„Hier sind also noch weitere Untersuchungen abzuwarten, und bis 
dahin kann auch die Frage, inwieweit die beiden Extremitätengürtel 
mit einander parallelisirt werden können, keine durchaus sichere Be- 
antwortung erfahren. Gleichwohl aber lässt sich jetzt schon mit einem 
grossen Grad von Wahrscheinlichkeit behaupten, dass es sich zwischen 
beiden nicht um homologe, sondern nur um homodyname Verhält- 
nisse handelt; ja, vielleicht ist ein directer Vergleich dabei überhaupt 
ausgeschlossen (vergl. das Dipnoer-Beckcn)." 

Wenn ich dabei auf das Dipnoör-Becken verwies, so geschah dies, 
weil ich gerade damals mit vergleichend-anatomischen Studien über 
den Beckengürtel (105) beschäftigt war, und dabei auch die in meinem 
Grundriss pag. 101 figurirende Beobachtung gemacht hatte, dass die 
vorderen lateralen Fortsätze des Protopterus-Beckens stets in einem 
Myocomma des grossen Rumpfmuskels liegen. Dies schien mir sehr 
bemerkenswert!) , und der Gedanke lag nahe, das Wirbelthierbecken 



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23 — 



verdanke seine erste Enstehung einem Verknorpelungsprozess eines 
Paares von Myoconiniata , welche ich mit hyalinknorpeligen Bauch- 
rippen gewisser Kiemenmolche parailelisirte , und von denen ich an- 
nahm, dass sie während der Entwicklung in der Linea alba abdominis 
zu einer unpaaren Beckenplatte nachträglich zusammenniessen. 

Ich werde später anlässlich der Besprechung des Dipnocr-Beckens 
darauf zurückzukommen Gelegenheit haben, und beschränke mich flir 
jetzt darauf, zu erklären, dass sich jene Ansicht auf Grund aus- 
gedehnter entwicklungsgeschichtlichcr Studien als unhaltbar erwiesen 
hat. Ich habe dies auch bereits in zwei vorläufigen Mittheilungen 
(107, 108), in welchen ich über die Resultate jener Studien kurz be- 
richtete, ausgesprochen. 

Aus verschiedenen Gründen hat sich die Publicaton der defini- 
tiven Arbeit, die ich hiermit der Oeffentlichkeit übergebe, sehr ver- 
zögert; allein es war dies, wie ich denke, nicht zu ihrem Nachthcil. 
Manches, das mir anfangs zweifelhaft und unsicher schien, konnte ich 
mir immer wieder durch den Kopf gehen und sich klären lassen, An- 
deres, was mir früher als wichtig däuchtc, wurde in den Hintergrund 
gedrängt, und häufig genug ergab sich auch der umgekehrte Fall. 
Kurz, ich glaube behaupten zu dürfen, dass es den in diesen Blättern 
niedergelegten Beobachtungen und Betrachtungen nicht an Zeit zur 
Ausreifung gefehlt hat, und dass ich mein bestes Wollen und Können 
eingesetzt habe, möglichst objectiv zu bleiben. — Wenn sich gleich- 
wohl da und dort Lücken und Mängel herausstellen sollten, so möge 
man mir dies zu Gute halten und bedenken, mit welchen Schwierig- 
keiten ich zu kämpfen hatte, bis das ganze grosse Untersuchungs- 
material in ineinen Händen war. Selbstverständlich war auch der 
ConBervirungsgrad zuweilen nicht der allerbeste, so dass ich, zumal 
bei seltenen Objecten, nicht immer zum erwünschten Ziele kam, und 
eine für den Augenblick unausfüllbare Lücke lassen musste. 

Schliesslich spreche ich allen denjenigen verehrten Fachgenossen, 
die mich durch freundliche Ueberlassung von Material in meiner Ar- 
beit gefördert haben, meinen besten Dank aus. 



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SPECIELLER TIIEIL. 



• I. Hintere Extremität mit besonderer Berücksichtigung 

des Beckengürtels. 

A. Belachter. 

Das Becken der Selachier i,t »ach »einen allgemeinen Fonnver- 
hältnisscn längst auf das Genaueste bekannt, und so kann ich mich 
auf eine einfache Skizze beschränken, welche in einem derartigen 
Rahmen gehalten werden soll, um später die Entwicklungsgeschichte 
innerhalb desselben verständlich machen zu können. 

In der Regel handelt es sich um eine Verschmelzung beider 
Beckenhälften in der ventralen Mittellinie zu einer Masse. In Aus- 
nahmefällen, wie z. B. bei Triakis semif asciatus unddenHolo- 
c e p h a 1 e n , unterbleibt dieselbe, und die engere oder weitere Zwischen- 
zonc ') wird durch fibröses Gewebe ausgefüllt, ein Punkt, auf den ich 
später wieder zurückkommen werde. 

Im Allgemeinen stellt also das ausgebildete Becken eine unpaare, 
von einer wechselnden Zahl von OeflFnungcn durchbohrte, knorpelige 
Querspange dar. Dieselbe unterliegt nach den einzelnen Gruppen 
verschiedenen Formschwankungen, und ich verweise hierbei auf die 
ausführliche Darstellung von von Davidoff (19). 

An der Beekenspange verschiedener Selachier lassen sich in ver- 
schiedener Entwicklung gewisse Fortsätze unterscheiden. Einer der- 
selben, welcher am vorderen Beckenrand genau in der Mittellinie liegt, 
ist unpaar; ich bezeichne ihn auf nebenstehender Figur 1 als Pro- 
cessus epipubicus. Derselbe findet sich durchaus nicht bei allen 
Selachiern, ist aber, da er bei Dipnoörn, Amphibien, Reptilien und 
Säugern zu viel stärkerer Ausprägung gelangt, von hoher morpho- 
logischer Bedeutung. Zwei weitere Fortsätze sind paarig und ent- 
springen seitlich; der eine von ihnen, der Processus iliacus (Text- 

') Nach von Davidoff soll jene Verbindung bei weiblichen Chimftren 
eine lockerere »ein als bei milunlichen. 



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- 25 



figur 1. I.), ist ebenfalls inconstant und erreicht im Holocephalen- 
becken, das sich ohne Weiteres von demjenigen der Haie ableiten lässt, 
die stärkste Entwicklung. Der andere Fortsatz repräsentirt , wie 
D'Arcy W. Thompson (97) l ) mit Recht bemerkt, ein viel con- 
stanteres und typischeres Beckenelement, und soll mit Jeffery Par- 
ker, der diesen Beckentheil zuerst in seiner Bedeutung gewürdigt 
hat, als Processus praepubicus oder Praepubis bezeichnet 
werden. Dieser Fortsatz, welcher auf der Textfigur 1 bei PP an- 
gedeutet ist, ragt nach vorne, d. h. kopfwärts, und häufig zugleich 
etwas lateralwärts hervor. Es scheint sich hierbei um ein uraltes 
Erbstück des Wirbelthierbeckens zu handeln, und Achnliches wird 
uns auch bei den übrigen Vertebraten oft und viel wieder beschäftigen. 
Ob die Ansicht D'Arcy Thompson'», dass jener Fortsatz auf die 



PP Ce P 




Text figur 1. Typus des in allen seinen Theilen ausgebildeten Selachier-Beckens 
ron der Ventralseite. BP Beckenplatte (Ischio-Pubis), /Processus iliacus, PP Processus 
praepubicus, Cep Processus epipubicus, .S'v Gegend der Symphysis ischio- pubica, 
•'•»ramm obturatorium, Bat, Pro, Bad Basale, Propterygium und Radien der Bauchflosse 

„fonnerly greater forward extension of the limb" hinweise, richtig ist, 
wage ich vorderhand nicht zu entscheiden. Jedenfalls zeigt er bereits 
bei den Selachiern (im weitesten Sinne) schon beträchtliche Form- 
und Grösseschwankungen, wenn er auch nie gänzlich fehlt. 

Bei den Holocephalen, Chlamydoselache und den Notidani- 
den tritt er stark zurück, während er bei den Rochen (Torpedo und 



') Professor D'Arcy W. Thompson, der mich kurz nach Veröffentlichung 
meiner vorläufigen Mittheilungen im Anatom. Anzeiger (107) besuchte, und von 
meinen damals schon fertiggestellten, für diese Arbeit bestimmten Abbildungen 
Einsicht nahm, theilte mir mit, dass er selbst im Jahre 1885 ausgedehnte Unter- 
suchungen über das Wirbelthierbecken angestellt habe, dass er aber auf die Ver- 
öffentlichung jetzt verzichte, und mir das Manuscript mit seinen von ihm selbst 
gezeichneten Abbildungen zur freien Verfügung stelle. Ich nahm dieses An- 
erbieten an und verfehle nicht, ihm an dieser Stelle meinen besten Dank ab- 
zustatten, und die Versicherung beizufügen, dass ich die von ihm vertretenen 
Ansichten überall zum Ausdruck zu bringen mich bestreben werde. 



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- 26 - 

Kaja), welche, beiläufig bemerkt, in ihrem Beckenbau weniger primitive 
Verhältnisse zeigen, als die Squaliden, sehr stark ausgeprägt ist 1 ). 

Von früheren Autoren, wie z. B. von von Davidoff, Balfour 
u. A,, ist jener Fortsatz häufig als „proccssus dorsalis" bezeichnet und 
mit dem Ilium verwechselt worden. Die wichtigste Frage ist ohne 
Zweifel die, ob die Hauptmasse des Selachierbeckens, d. h. die eigent- 
liche Beckenplatte, wie ich sie nennen will, einem Ischium oder 
einem Pubis im Sinne der höheren Vertebraten entspricht, oder ob 
sie etwa diese beiden Theile in sich vereinigt Hierüber existierten 
bisher verschiedene Meinungen. Oegenbaur (36, 41) spricht nur 
von einem „ einfachen Knorpelstück", das bei einzelnen Selachiem 
„eine Tendenz zur Theilung in zwei" zeige. Auch von Davidoff 
(19) und D'Arcy Thompson (97) lassen sich auf eine Beantwor- 
tung jener Frage nicht ein, ersterer meint jedoch, dass zu ihrer Lö- 
sung vor Allem eine eingehende Untersuchung der betreffenden Skelet- 
theile bei Amphibien und Reptilien erforderlich sei. — Dieser Satz 
hat seine volle Berechtigung, denn nur auf diesem Wege ist es mir 
selbst gelungen, jeden Zweifel zu beseitigen, und in der Beckenplatte 
der Selachier beide Elemente, ein Pubis und ein Ischium, nachzu- 
weisen. Ich werde den Beweis später liefern. 

Ich wende mich nun zu der Frage nach der Entwicklung des 
Selachier- Beckens, welche ich bei S c y 1 1 i u m e a n i e u 1 a , P r i s t i u r u s 
und Acanthias verfolgt habe. 

Im Voraus muss ich bemerken, dass ich die Befunde Dohm 's, 
wie dies seither auch von Seiten Paul Mayer's (71) geschehen ist, 
durchaus bestätigen kann. 

Auf Tafel I Fig. 1 sieht man einen Querschnitt durch die Schwanz- 
wurzel eines 19 mm langen Embryos von Pristiurus inelanost. 
Die aus der Balfour' scheu Epidermisleiste differenzirte Bauchflosse 
stellt einen paarigen, lappigen Anhang dar, der sich an seinem freien 
Rande zuschärft, kurz vorher aber eine Auftreibung zeigt. In seinem 
Innern bemerkt man ein dichtzelliges, dunkles, mesodermales Blastem, 
welches Uber die ventrale Mittellinie herüber mit dem der anderen 
Seite gürtelartig zusainmenfliesst (•, #). Die Stelle des Zusammen- 
flusses grenzt dorsal-lateralwärts an die Muskelanlage (MK), ventral- 
wärts aber springt sie kielartig aus und verschmilzt bei f mit der 
Epidermis (Ep), welche im übrigen Bereich von ihrer Unterlage blasig 



') Nach A. Smith Woodward (Proceed. Zool. Soc London 1888) erreichen 
die Processus praepubiri bei dem der Kreideformation ungehörigen Rochen 
Cyclo bat is oligodaetylus eine ganz ausserordentliche Lange. Dieselben 
erscheinen hier in zwei lange schlanke, kopfwärts massig divergirende und spitz 
endigende Fortsätze ausgezogen, auch sind die Processus iliaci sehr stark ent- 
wickelt; ein Processus epipubicus ist nicht angedeutet, was offenbar in Correla- 
tion mit der starken Entwicklung der beiden anderen Fortsätze steht. 



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- 27 - 



abgehoben ist Bei Ch., A. V. c. sieht man die Chorda, Arteria und Vena 
caudalis. 

Ganz ähnlichen Verhältnissen begegnet man auf Fig. 2, welche 
einen Querschnitt durch das hinterste Rumpfende eines 15 mm langen 
Embryos von Scyllium canicula darstellt Die Extremitätenlappen 
(HE) erscheinen — und ganz ähnlich verhält sich in dieser Hinsicht 
in gewissen Entwicklungsstadien die Brustflosse — hier an ihrem 
freien Rande noch mehr (im Querschnitt fast zitzenartig) zugespitzt. 
Die dunkle, zellige Innenmasse hängt im Bereich ihrer medianen 
Verbindungszone bei f mit dem Coelomepithel des ventralen Mesen- 
teriums aufs Innigste zusammen. Bei M K liegen Muskelknospen, 
welche sich von den Myotomen Jf 1 abgelöst haben ; dasselbe gilt für 
Fig. 3 und 5, wo man z. Th. noch den Zusammenhang mit den letz- 
teren constatiren kann. 

Mit den Schnitten kopfwärts fortschreitend, geräth man immer 
mehr in den Bereich der Flossenbasis und sieht auf Fig. 3—5, wie 
der Extremitätenhöcker allmählich verstreicht und schliesslich nur 
noch eine leichte Vorwölbung der Rumpfwand darstellt (HE). Stets 
findet sich auch hier im Innern eine Ansammlung jener mesoblastischen 
Zellmasse; dieselbe hängt aber zu dieser Zeit im vorderen Bereiche 
der Flosse, d. h. gerade da, wo sich später die eigentliche Becken- 
anlage findet, in der Mittellinie noch nicht gürtelartig zusammen. 

Dies gibt zu denken, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn 
ich darin die letzten Spuren eines bei den Vorfahren der Selachier 
weiter caudalwärts gelagerten Beckens, oder, was dasselbe bedeuten 
will, einer ursprünglich grösseren Ausdehnung des Coeloms erblicke 

Erwähnenswerth ftir die in Frage stehenden Entwicklungsstadien 
ist noch die auch von Anderen schon beobachtete, im Bereich der Ex- 
tremitätenanlage sich bemerklich machende Erhöhung der noch einschich- 
tigen Epidermis. Ich begegnete dieser Erscheinung, welche wohl als 
ein Reactionszustand auf den durch das wuchernde Mesoblastgcwebe 
gesetzten Reiz aufzufassen ist, bei der ersten Gliedmassenanlage aller 
der von mir untersuchten Wirbclthiere (Fig. 2—5, 23, 24, 54, 81 
bei Ep)*). 

In den bis jetzt geschilderten Entwicklungsstadien ist die Skelet- 
substanz noch nicht differenzirt, und auch das Muskelgewebe ist in 
histogenetischer Beziehung noch weit zurück, was schon daraus zu er- 



«) Bei 10 cm langen Exemplaren von Mustelus laevis liegt an der be- 
treffenden postpelvinen Zone eine vom hinteren Rand der Beckenplatte bis zur 
Cloake reichende starke fibröse Haut, von welcher ebenso wie vom Becken 
selbst der Adductormuskel der Bauchflosse entspringt! — 

*) In Fig. «"> zeigt sich das Coelomepithel dorsalwärts, d. h. in der Urogenital- 
Zone ebenfalls palissadeuartig erhöht. Geradeso würde es sich, falls es ein- 
gezeichnet wäre, auf Fig. 3 und 4 verhalteu. 



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- 28 - 



sehen ist, dass in den Myotonien M l die Coelorahtfhlcn-Derivate noch 
deutlich nachweisbar sind. 

Dieses Ändert sich nun in späteren Stadien derart, dass sich jene 
in der .Schwanzwurzel liegende mesoblastische Gürtelzone wieder löst, 
während die Flosse weiter auswachsend in ihrem Innern eine Reihe 
von getrennten Knorpelstrahlen entstehen lässt. Zugleich differenzirt 
sich die zugehörige Muskulatur und ordnet sich in ein dorsales und 
ein inneres ventrales Lager, d. h. in ein System von Hebern und 
Senkern, bezw. Adductoren. 

Dieser Zustand dauert nicht lange an, indem die einzelnen Radien, 
von vorne, d. h. von der Kopfseite her beginnend, zu einer continuir- 
lichen Knorpelspange zusammenfließen, welche allmählich mit ihrem 
proximalen Ende in die ventrale Rumpfwand einwuchert 

Hier trifft sie auf einen vorher gebildeten, ganz ähnlichen, aus 
indifferentem Mesoblastgewebe gebildeten Gürtel, wie ein solcher viel 
früher bereits weiter caudalwärts entstanden und später wieder ge- 
schwunden war. Indem nun die Wucherungszone des Gürtelknorpels 
von beiden Seiten her immer mehr gegen die ventrale Mittellinie vor- 
rückt, kommt es endlich zu einem Zusammenfluß. 

Zu dieser Zeit bilden also die freien Extremitäten, 
von denen der ganze Verkno rpelungsprozess seinen Aus- 
gang nimmt, eine einzige zusammenhängende Masse mit 
dem Beckengürtel, und letzterer ist geradezu als ein 
Product derersteren zu bezeichnen. 

Man erkennt daraus, wie richtig bereits Balfour den ganzen 
Vorgang beobachtet hat, wenn er (5) bezüglich der Entwicklung des 
Becken- und Schultergürtels von Scyllium bemerkt: „Es findet sich 
jederseits ein Knorpelstreifen, welcher an seinem Hinterrande mit dem 
Basalelement der Flosse zusammenhängt. Dieser Streifen stösst mit 
seinem Genossen der anderen Seite zusammen und vereinigt sich da- 
mit, bevor er sich in wahren Knorpel umwandelt, und obgleich der 
Ileumfortsatz nie sehr bedeutend wird, so ist er doch beim Embryo 
besser entwickelt, als beim Erwachsenen und erscheint anfanglich bei- 
nahe horizontal nach vorn gerichtet." 

Der einzige Fehler, den Balfour begangen hat, ist der, dass er, 
was die erste Anlage des Skelets der freien Extremität betrifft, zu 
alte Entwicklungsstadien untersuchte, bei welchen der Zusammenfluss 
der Einzelradien zu einem Basale bereits erfolgt war. Aus diesem 
Grunde fasste er letzteres als ein primäres anstatt als ein secundäres 
Gebilde auf. Im Gegensatz dazu hat Dohm ganz das Richtige ge- 
troffen, und seine Befunde decken sich bezüglich dieses Punktes, wie 
schon erwähnt, vollkommen mit den meinigen. 

Hinsichtlich der sich hierbei abspielenden Wachsthumsprozesse 
verweise ich auf Fig. 6—12 auf Tafel I. Die Schnitte gehen von der 



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Sehwanzwurzel (Fig. 6, 7) kopfwärts und zeigen bereits den ZuBaramen- 
fluss der medialen Strahlenenden zu einem Stammradius (Fig. 8 — 12, 
SRad). 

Auf Fig. 10 sind die Vorderenden desselben bereits durch zwei 
schmale Knorpelcommissuren in der Mittellinie zu einem starken Gürtel 
(SRad 1 , BP) zusammengetreten, ein Vorgang, welcher auf den nächsten 
beiden Figuren seine Vollendung erreicht Hier, wo das Messer etwas 
schief zur Längsachse des Rumpfes hindurchging, ist auf der eineu 
Seite (rechts auf Fig. 11, links auf Fig. 12) zwischen dem Basale und 
der Gürtelspange so gut wie jede Grenze aufgehoben. Auf der rechten 
Seite der Fig. 12 sieht man lateralwärts im BeckengUrtel eine con- 
centrische Anordnung der Knorpelzellen, und nimmt man ein klein 
wenig ältere Stadien zu Hilfe, so erkennt man, wie an eben dieser Stelle 
eine Resorptionszone im Knorpel auftritt. Die Folge davon ist, das» 
sich der vorderste, in dieser Periode noch gänzlich einheit- 
liche Abschnitt des Basale wieder loslöst; kurz, es kommt 
in der Beckenflossenspange durch eine secundär auftretende Continui- 
täts-Trennung (Einschmelzung) zu einer Abgliederung der freien Ex- 
tremität. So entsteht das Hüftgelenk, und ich werde hierauf 
bei den Ganoiden und den Amphibien wieder zurückkommen. Dass 
dabei die bereits kräftig entwickelte Muskulatur (Fig. 8, 9, M*) eine 
gewisse, wenn auch keine ausschlaggebende Rolle spielt, kann wohl 
keinem Zweifel unterliegen. 

Nach der Anlage eines Ilium habe ich mich in diesen Entwick- 
lungsstadien vergeblich umgesehen; es tritt offenbar erst später auf. 
Uebrigens ist man hierbei sehr leicht Täuschungen ausgesetzt So 
fasste ich den dorsalwärts sich erstreckenden Abschnitt des dichtzelli- 
gen Gewebes M 2 auf Fig. 9 zuerst als einen in der Verknorpelung 
begriffenen Processus iliacus auf, da eine Grenze zwischen ihm und 
dem Knorpelgewebe des Basale so gut wie gar nicht nachzuweisen 
war. Erst später wurde ich durch das Studium älterer Embryonen 
eines Besseren belehrt, und erkannte in jenem Gewebe deutlich die 
Vorstufen von Muskeln, welche sich bei f bereits auch gegen die ven- 
trale Bauchwand hereinziehen. 

Ein Processus praepubicus macht sich schon sehr frühe bemerk- 
lich, tritt aber, wie D'Arcy Thompson (97) richtig bemerkt, bei 
älteren Embryonen fast bis zum Verschwinden zurück, wahrend das 
Ilium, ähnlich wie bei Raja, mehr zur Geltung kommt. Es besteht 
also eine „first preponde rance" des Pubis und Prae- 
pubis Uber das Ilium. 

Was die Nerven anbelangt, so sind sie anfangs nur sehr schwer 
nachweisbar, doch treten sie ziemlich lange vor dem Beginn des Ver- 
knorpelungsprozesses auf. Die Folge davon ist dass die Stelle, wo der 
N. obturatorius heraustritt, ausgespart wird, und der Beckenknorpel 



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— 30 — 



ein Foramen obturntorium bildend, ringartig um denselben- zu 
sammenfliesst. 

Ich verweise zu diesem Zwecke auf die Textfigur Nr. 2, A — F. 
Ebendaselbst sieht man auch, das« das ursprünglich einheitliche Ba- 
sale in der Nähe des Hüftgelenkes ein zweites kleineres Stück von 
sich abgliedert. Dies ist das Propterygium Gegenbaur's. 

Weiter habe ich mich mit der Entwicklung des Skeletes der 
freien Extremität nicht befasst, doch kann ich soviel mittheilen, dass 




Textfigur '_>. Skizze der Entwicklung de* Selaehierbeckens (Acanthias), nach 
Querschnitten, welche mit A l>eginnend in caudalcr Richtung (in verschiedenen Intervallen) 
auf einander folgen. BP Heckenplatte, Fo l Foramen ohturatnrium, SRad Stammradius 
oder Ha «nie, von welchem das aus den vordersten Kadien hervorgegangene Propterv- 
gium Pr sich secundär wieder altgcgliedert hat. Rad elwnfalls secundar vom Ilasale 
abgegliederte Strahlen, von denen jeder nachträglich wieder in kleinere Einzelstücke 

zerfällt. Co Coelom. 

das Basale dem M c ta p t e ry gi um Gegenbaur's entspricht, und 
dass die in seinen proximalen Abschnitt einbezogenen Radien in immer 
grösserer Ausdehnung unter einander verschmelzen. Nachdem so ein 
krilftiges Metapterygium entstanden ist, gliedern sich seine ursprüng- 
lichen Componenten. d. h. die seitlieh aufsitzenden Radien, von ihm ab 
und zerfallen selbst wieder in kleine Knorpelsegmente. Dasselbe gilt 
für die propterygialen Strahlen. Während dieser Vorgänge wächst die 



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- 31 - 



ganze Extremität immer mehr heran , ohne dass dabei ein biserialer 
Aufbau zu bemerken wäre, und hierauf haben ja auch schon Bal- 
four, Dohm und Bunge (8) hingewiesen. So hat letzterer be- 
reits im Jahre 1874 folgenden Satz ausgesprochen: „Auffallend ist es, 
dass sich an der hinteren Extremität der Selachier, die doch der Ur- 
form näher steht, als die vordere, nirgends auch nur die geringsten 
auf ein biseriales Archipterygium hinweisenden Spuren erblicken lassen." 

Auch Qegenbaur (34) selbst macht in seiner Arbeit über das 
Skelet der Gliedmassen der Wirbelthiere im Allgemeinen und der 
Hintergliedmassen der Selachier insbesondere ausdrücklich auf den 
primitiveren, weniger differenzirten Charakter der letzteren im Gegen- 
satz zur Brustflosse aufmerksam. Als die schlagendsten Beispiele führt 
er Centrophorus und Acanthias an. 

Das Mesopterygium der Brustflosse, wie auch das Propterygium 
beider Flossen paare betrachtete Gegenbaur damals als aus einem 
Zusammenfluss vorderster Radien entstanden, während er das Basale 
metapterygii als eigentlichen Stamm der Flosse im Sinne einer ursprüng- 
lich einheitlichen Bildung auffasste. Dadurch kam er zur Begründung 
seines uniserialen A rch i p tery gi ums , an dessen Stelle dann, 
wie schon im allgemeinen Abschnitt auseinandergesetzt wurde, später 
das biser iale Archipterygium trat. 

Die oben gelieferte Beschreibung der Entwicklung des Beckens 
und der zugehörigen Bauchflosse dürfte genügen, um in die betreffen- 
den Verhältnisse aller erwachsenen Selachier einen klaren Einblick zu 
gewinnen. Auf Fig. 13 und 14 gebe ich eine Abbildung der hinteren 
Extremität von A c a n t h i a s und II e p ta n c h u s. Bei beiden sieht 
man, wie sich der Stammradius (Basale) und weiter nach vorne da- 
von das Propterygium (SBcul und Pr) mit der Beckenplatte (BP) 
verbinden, wie also zur Bildung des Hüftgelenkes drei Skelotstüeke 
zusammentreten. Lateral vom Propterygium liegen drei, lateral vom 
Basale dreizehn resp. siebzehn Radien. In der Rückwärtsvcrlängerung 
des Basale von Heptanchus liegen noch zwei; dieselben zeigen aber, 
im Gegensatz zu den lateralen Radien, keine secundäre Abgliederung. 
An der entsprechenden Stelle sieht man bei Acanthias das Copulations- 
organ z. Th. in seinen Umrissen angedeutet. 

In der Beckenplatte von Acanthias findet sich, wie bei Scyllium 
u. A., jederseits ein einziges Foramen obturatorium, bei Heptanchus 
aber, welcher einen breiteren Gürtel besitzt, liegt dahinter noch eine 
zweite Oeffhung (Fig. 13, f). Vergleicht man damit die Beckenplatte 1 ) 
von Chlamydoselachus anguineus (Fig. 15, BP), so erstaunt 



•) Sie ist nach der Schilderung Ga r man' 8 dorsalwärt* gehöhlt, ventralwärts 
gewölbt und besitzt hier eine mediane Lflnguloiate, welche si« h knpfwfirtu gabelt. 
Der hintere Rand ist concav, der vordere convex. 



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I 



32 - 



man über ihre extreme Ausdehnung in der Richtung vom Kopf gegen 
den Schwan« zu, und bemerkt auf der einen Seite derselben sechs, 
auf der anderen sieben Oeffnungen. Lateralwärts schliesst sich an die 
Beckenplatte die Vorwartsverlangerung (SBad 1 ) des Basale (SRad) 
an, welches in jenem Bereich mit zwölf seitlichen Radien besetzt er- 
scheint (12 Rad) ; nach hinten davon, im Bereich des freien Abschnittes 
vom Staramradius 1 ) sitzen weitere dreizehn. Alle 25 seitlichen Radien, 
von denen die meisten dreigliederig sind, folgen sich in gleichmäßiger 
Reihenfolge, sind auch formell einander sehr ähnlich und zeigen mit 
Ausnahme der vordersten 8 ) nirgends die Neigung zum Zusammenfluß ; 
ein Propterygium ist, wie es scheint, nicht vorhanden. 

Dieser meiner Schilderung liegt eine Copie der Gar man' sehen 
Abbildung des Bauchflossenskelets von Chlamydoselachus zu Grunde 
(32), und ich habe allen Grund, ein ganz besonderes Gewicht darauf 
zu legen, da es sich dabei meiner Ueberzeugung nach um Structur- 
verhältnisse von so primitivem Charakter handelt, wie sie uns bei 
keinem anderen recenten Selachier mehr erhalten sind. Dieselben 
sind um so bedeutungsvoller, weil dieser cladodonte Selachier trotz 
seiner verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Notidaniden im System 
noch niederer steht als letztere, und in gewissen Punkten mit den 
ältesten fossilen Haien des mittleren Devon Ubereinstimmt. 

Erinnern wir uns hierbei der am Selachierbecken sich abspielenden 
ontogenetischen Vorgänge, so ist es nicht schwer, bei Chlamydo- 
8 e 1 a c h e einen Zustand als tixirt und typisch geworden zu erkennen, 
welcher von andern Selachiern nur ontogenetisch durchlaufen wird. 
Zugleich wird man aber auch darin die allerschönste Bestätigung der 
Thacher'- und Mivart' sehen Theorie erblicken dürfen. 

Auch Gar man betont den primitiven Typus, allein er verwerthet 
ihn viel zu wenig, indem er sich auf folgenden Satz beschränkt: „The 
peculiar shape of this pelvis suggests an embryonic character of other 
sharks. In embryos the pelvis is longer than in the adult, in com- 
parison with the transverse measurement. An embryo of Heptabranchias 
before me has it half as long as wide, proportions which are inter- 
mediate between thoae of the adult and an adult Chlamydoselache." 

Der amerikanische Forscher hat dabei zwei hochwichtige Punkte 
ausser Acht gelassen, und ich kann mir dies nur daraus erklären, dass 
ihm zu wenige entwieklungsgeschichtliche Erfahrungen über dieses 
Gebiet zur Verfugung standen. 



') Derselbe ist nach hinten spitz ausgezogen und in querer Richtung mehr- 
fach abgegliedert. Von einem Ilium vermag ich nicht« zu erkennen, so daas ich 
Garman nicht verstehe, wenn er bemerkt: „the iliac ridge being continued along 
it« upper side u . Vielleicht handelt es sich um die Spur eines Praepubis. 

a ) Auf der (i arm an' sehen Abbildung kommt dies nicht zum Ausdruck. 



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- 33 - 



Erstens ist jener Abschnitt des Beckens, welchen er als „seitliche 
Zone" beschreibt, und den er durch eine Längsleiste von der Haupt- 
masse abgesetzt sein lasst, nichts Anderes als (wie ich dies oben schon 
angedeutet habe) die directe Vorwärtsverlängerung des Basale plus 
dem latent, resp. indifferent bleibenden Propterygium. Mit anderen 
Worten: es handelt sich hierbei um das Product der unter Bich eine 
Conerescenz eingehenden proximalen Enden der zwölf vordersten 
primären Radien, geradeso wie der nach hinten liegende freie Abschnitt 
des Basale oder Basiptcrygium aus dem Zusammenfluss der 13 caudal- 
wärts liegenden primären Radien hervorgegangen zu denken ist. Dies 
kann so wenig einem Zweifel unterliegen, als der Umstand, dass, 
nachdem einmal das ganze Basale gebildet war, der den vorderen zwölf 
Radien entsprechende Abschnitt desselben medianwärts in die ventrale 
Bauchwand einwucherte, und hier mit seinem Gegenstück zu einer 
unpaaren Beckenplatte verschmolz. Während sich nun aber, wie ich 
dies früher dargothan habe, bei anderen Selachiern das vorderste Endo 
des Basale, unter Bildung eines Hüftgelenkes von der Beckenplatte 
wieder abgliedert, unterbleibt dieser Vorgang bei Chlaraydoselachc, 
indem hier der ganze Prozess um eine Entwicklungs-Etappe früher 
zum Abschluss kommt, und das ganze Bauchflossenskelet , soweit es 
sich dabei um die Beckenplatte und das Basiptcrygium handelt, eine 
einzige compacte Knorpelmasse darstellt 

Ein zweiter Punkt, auf den G arm an zu verweisen versäumt hat, 
betrifft die in der Beckenplatte befindlichen Löcher. Ob ihre Lage in 
der Figur richtig angegeben und eingezeichnet ist, kann ich natürlich 
nicht verbürgen; jedenfalls aber scheinen sie jederseits in beträchtlicher 
Anzahl vorhanden gewesen zu sein, und dies ist, wie mir scheint, von 
hoher Bedeutung und hängt direct mit der grossen Ausdehnung der 
Beckenplatte zusammen. Letztere, resp. ihre Matrix, das Basale, ist 
bei Chlamydoselache offenbar das Product einer ungleich grösseren 
Zahl von primären Radien, als dies bei andern Selachiern der Fall ist. 
So wird z. B. bei S c y 11 i u m u. A. die sich einschiebende schmale 
Gürtelmas8e nur mit einem Nerven in Contact kommen, und durch 
Aussparung eines einzigen Foramen obturatorium mit jenem zu rechnen 
haben. Bei Heptanchus, Raja batis, Chimaera monstrosa 
u. A., wo sich die Beckenplatte bereits etwas verbreitert, treffen wir 
zwei resp. (Chimaera) vier Oeffnungen (Fig. 13), bei Chlamy- 
doselache endlich werden es sechs bis sieben (Fig. 15, Fo l , ttt)> 
und vielleicht handelt es sich hier schon um eine secundär erfolgte Ver- 
minderung einer ursprünglich noch grösseren, vielleicht auf 11 oder 12 
sich belaufenden Zahl. 

Kurz, das Becken des einen Selachiers braucht, wenn auch genetisch, 
so doch nicht seiner ganzen Masse nach streng homolog zu sein dem- 
jenigen eines zweiten Selachiers. Dieser kann ein Plus oder ein Minus 

Wiedorsheim, Qli«lmusen*k«Ut d«r WirUlthiw.. T«*t. :J 



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dem andern gegenüber besitzen, je nachdem es sich in der Genese 
um die Connaseenz einer grösseren oder kleineren Zahl von primären 
Radien zum Aufbau des zur Beckenplatte einwachsenden proximalen 
Basipterygium-Abschnittes handelt 

Mag es sich aber so oder so verhalten: einen fundamentalen 
Satz können wir jetzt schon daraus ableiten, nämlich den: Das 
Selachiorbecken besitzt auf Grund seiner Bildungs- 
geschichte keinen einheitlichen, sondern einen poly- 
meren Charakter. 

B. Dlpnodr. 
1) Ceratodus. 

Der Erste, welcher eine Beschreibung des Ceratodusbeekcns und 
der zugehörigen Bauchflosse lieferte, war A. Günther (49). v. D a v i d o f f 
(19) und Andere sind ihm später darin gefolgt. Am Becken wird die 
Hauptmasse als „Körper" unterschieden, und dieser entspricht jenem 
Theil des Selaehier-Beekens, welchen ich oben als „Becken platte u be- 
zeichnet habe. Der „Körper", welcher keine Spur von Nervenlöchern auf- 
weist, verjüngt sich nach vorn zu in den etwas nach links abweichenden 
Processus impar, in welchem sich ein von Gallertmasse erfüllter Hohl- 
raum befindet, v. David off meint, derselbe sei durch Dehiscenz 
des Knorpels entstanden zu denken, und er scheine mit dem Alter 
des Thieres in directein Verhältnis» zu stehen. Günther knüpft 
keine weitere Bemerkung daran. Ausser jenem un paaren Fortsatz 
finden sich noch zwei laterale, an ihrem Ende gegabelte Fortsätze, und 
dazu kommen noch zwei starke, nach hinten divergirende Knorpel- 
schenkel, in welche sieh der an seinem Hinterrand concav ausge- 
schnittene Beckenkörper fortsetzt. Jeder dieser Schenkel besitzt lateral- 
wiirts eine starke Prominenz (Muskelhöcker) und steht mit einem Knorpel- 
stück in Verbindung, welches die Verbindung der freien Extremität 
mit dem Becken vermittelt, v. D a v i d o f f nennt dasselbe „Zwischen- 
stück" und erwähnt die darauf befindlichen zahlreichen Muskelhöcker, 
sowie das sporadische Vorkommen von Radien (vergl. auch Günther 
(49), welche beweisen, dass dasselbe der Stamm reihe der freien Flosse 
zuzurechnen sei. Seiner ganzen Natur, wie auch den betreffenden Gelenk- 
verbindungen nach gehört das Zwischenstück nach v. David off enge 
dem „Basale" an und ist mit demselben als ein Ganzes zu betrachten. 

Was den in der ventralen Mittellinie liegenden Processus impar 
anbelangt, so habe ich bereits bei den Selachiern (S. 24) auf eine 
Bildung aufmerksam gemacht, die ich demselben für homolog erachte. 
Auch v. Davidoff sieht denselben bereits bei Heptanchus an- 
gedeutet, erklärt ihn aber schlechtweg als „rückgebildet", wozu doch 
wahrhaftig kein Grund vorliegt, falls man nicht — und dies scheint 



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allerdings bei v. David off der Fall zu sein — annehmen will, dass 
das Selachicrbeckcn in seiner Stammesentwicklung einst ein Dipnoör- 
Stadium durchlaufen habe. v. Davidoff ftihrt dann folgendennassen 
fort: „Ich kann nicht umhin, hier noch darauf hinzuweisen, dass bei 
den geschwänzten Amphibien solche unpaare, nach vorn gerichtete, 
zuweilen einfache (Proteus), bald aber gegabelte (Salamandrinen) Fort- 
sätze fast allgemein vorkommen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, 
dass die Amphibien gerade in dieser Hinsicht eine primitive Eigen- 
schaft beibehalten haben, während dieselbe bei den höheren Wirbei- 
thieren und den übrigen Fischen fast vollständig verloren gegangen 
ist. Es ist schwer, über die Bedeutung und die Genese dieses Fort- 
satzes etwas Bestimmtes zu sagen. Er dient bei Ceratodus jedenfalls 
zur besseren Fixirung des Beckens an den Rumpf, und seine Grösse 
steht in directem Verhältniss zur Grösse und Leistungsfähigkeit der 
ganzen Gliedmasse. Die Genese ist hingegen dunkel." 

Die lateralen Fortsätze deutet v. D a v i d o f f als die dorsalen Ab- 
schnitte des Beckengürtels und stellt sie in eine Reihe mit denjenigen 
der Plagiostomen, Holocephalen und Knorpelganoiden ; kurz er betrachtet 
sie, wie ich das früher auch that, als das Iii um. Auch die nach hinten 
aussen laufenden Fortsätze, welche die freie Extremität tragen, sollen 
sich („in sehr rückgebildetem" Zustande) bei Haien, am deutlichsten 
und stärksten ausgeprägt aber bei Chimaera finden. 

Die Thatsache ist an und für sich ganz richtig, nur vermag ich, 
zumal bei den Holocephalen, von einer „Rückbildung" nicht nur Nichts 
zu erkennen, sondern finde die betreffenden Fortsätze hier eher noch 
massiger ausgeprägt, als bei Ceratodus. v. Davidoff kommt zu 
folgendem Resultat: „es fehlt somit bei den Haien kein einziger Thcil 
des Ceratodusbeckens, alle Abschnitte sind aber bei den enteren mehr 
oder weniger rückgebildet." 

Auf das Fehlen der Nervenlöcher, welche „gewiss nicht als etwas 
Primitives aufzufassen sind", glaubt er kein besonderes Gewicht legen 
zu sollen. Dass dies eine gänzlich verfehlte Ansicht ist, habe ich 
schon beim Selachier-Becken dargethan, und brauche jetzt nicht mehr 
darauf zurückzukommen. Jedenfalls aber scheint mir das Fehlen der 
Nervenlöcher am Dipnocrbecken sehr bemerkenswert!), lässt sich aber 
nur an der Hand der Entwicklungsgeschichte sicher erklären '). Leider 
fehlte mir hierzu das nöthige Material; allein sie lässt sich, wie ich 
glaube, mit Hilfe der bei Selachiern, Ganoiden und Urodelen gewonnenen 
Thatsachen mit ziemlicher Sicherheit erschliessen. Bevor ich jedoch 
hierauf näher eingehe, habe ich noch das Protopterus-Becken einer 
kurzen Betrachtung zu unterziehen. 



') Im Ucbrigen verweise ich auf einen späteren Abschnitt, wo dieses Um- 
stände» noch einmal gedacht werden wird. 

3* 



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2) Protopterus. 

Im Jahre 1880 (102) habe ich auf die allgemeine Uebereinstimmung 
des Protopterus - Beckens mit demjenigen von Ceratodus aufmerksam 
gemacht, und auch darauf hingewiesen, dass dasselbe zusammt der 
Bauchflosse ganz fehlen könne. Ich knüpfte daran einige Bemerkungen 
Uber den rudimentären Charakter dieser Skelettheile und zog Siren 
lacertina zum Vergleiche herbei. 

Später habe ich in meinem Lehrbuch und Grundriss der vergl. 
Anatomie der Wirbelthiere (104, 105) diesem Capitel eine ganz be- 
sondere Berücksichtigung angedeihen lassen, und wie ich schon er- 
wähnt habe, ist das Protopterus-Becken für mich eine der Veranlassungen 
zu den vorliegenden Studien geworden. Wie dies gekommen ist, und 
wie ich mich dabei gleichzeitig eines doppelten Irrt 1mm« schuldig 
machte, wurde bereits auf S. 22, 23 auseinander gesetzt Erstens fasste 
ich die vorderen lateralen Fortsätze als Processus iliaci auf; zweitens 
glaubte ich sie auf verknorpelnde, später in der ventralen Mittellinie 
zusaramenfliessendc Myocommata und im weiteren Sinn auf Bauch - 
rippen zurückführen zu dürfen 1 ). Beide« ist falsch, denn erstens 
handelt es sich bei jenen Fortsätzen nicht um ein llium, sondern um 
ein Praepubis, und zweitens spricht in der ganzen Wirbelthierrcihe 
keine einzige ontogenetische Thatsache dafür, dass das Becken von 
jenen Fortsätzen au» seine erste Entstehung nimmt; dieselben treten 
vielmehr Uberall erst secundär auf, d. h. erst nachdem sich jener Haupt- 
theil, den ich bei Sclachiern als Bcc kenplatte bezeichnet habe, 
und der auch bei Dipnoern deutlich in die Erscheinung tritt, bereits 
angelegt ist. 

Die Beckenplatte von Protopterus läuft also, ganz ähnlich 
wie bei Ceratodus, in fllnf Fortsätze, zwei paarige und einen unpaaren 
aus, und alle bilden hier wie dort mit der Hauptmasse zusammen ein 
einziges hyalin k norpel iges Continuuin. Der einzige Unter- 
schied Ceratodus gegenüber besteht darin, dass die vonleren paarigen 
Fortsätze (Processus praepubici) bei Protopterus ungleich länger sind, 
indem sie sich, zumal bei jungen Thieren, seitlich sogar bis in die 



') Auf Grund dieser Annahme figurirt in der II. Auflage meines Grund- 
risses noch folgender Passus : „Von dem Dipnoörbeckeii lässt sich jenes Gebilde, 
welches man bei Selachiern als „Becken" zu bezeichnen pflegt, nicht ableiten. 
Die hierbei in Betracht kommende paarige oder unpaarige Knorpelplatte entsteht 
nämlich nicht als verknorpelndes Myocomma zwischen den Rumpfmuskeln, son- 
dern aus dem Zusammenflüsse einiger Basalknorpel der Bauchflosse selbst. 
Man kann also hier — und dies gilt auch für alle Teleostier — von einem 
Becken im Sinne der Dipnocr gar nicht reden. — Es ist wohl kaum uöthig, zu 
bemerken , dass ich diesen Satz heute uicht mehr aufrecht halte , sondern eine 
complete Homologie in der Beckenanlage aller Vertebraten statuire. 



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Nähe der Linea lateralis empor erstrecken (Textfigur 3, PP). Nicht 
selten entspringt von jenen Fortsätzen, und zwar am häufigsten an 
ihrem peripheren Ende, ein zweiter kleinerer Knorpelzinken, der ent- 
weder nur kurz ist, oder, länger auswachaend, das anstossende Myomer 
überschreitet, um im nächsten Myocomma noch eine kleine Strecke 
weiter zu verlaufen (vergl. Textfigur 3). — Ich niuss gestehen , dass 
ich über die Entwicklung und Bedeutung dieses Skelettheiles gänzlich 
im Unklaren geblieben bin , und nur ganz im Allgemeinen lässt sich 
sagen, dass er zur weiteren Fixation 
des Beckens innerhalb der Leibes- 
decken beitragen mag. 

Die Processus praepubici (Fig. 
16, PP), der zwischen den beiden 
Muskelleistcn (Textfigur 3, ML) lie- 
gende mittlere Abschnitt der Becken- 
platte, sowie der dolchartig nach 
vorne gerichtete Processus irapar 
s. Cartilago epipubis (Textfigur 3 
und Fig. 16, Cep) liegen, mit Aus- 
nahme des vorderen Abschnittes der 
letzteren, ganz oberflächlich, nur 
von der äusseren Haut und (der ven- 
tralen Mittellinie entlang) von Fett 
bedeckt. Letzteres erscheint bei Fe 
auf dem Querschnitt (Fig. 17), 
welcher gerade durch die vorderste 
Spitze der Cartilago epipubis (Cep) 
gegangen ist. Diese zeigt Neigung 
zur Verknöcherung, besitzt ein dickes 
Perichondrium und steckt in einer 
fibrösen Hülse (Hü), mit welcher 

dorsal wärts (bei f) alle die in der Linea alba abdomin is zusammen- 
strahlenden Sehnenmassen der Rumpfmuskeln (M l } M 1 ) aufs Engste 
verwachsen sind. Ventral von der fibrösen Hülse liegt das in mehreren 
Abtheilungen (eine mittlere und zwei seitliche) abgekammerte Fett 
(Fig. 17, Fe), und darauf folgt endlich die äussere Haut (Ep). 

Weiter caudalwärts erfährt die Cartilago epipubis eine seitliche 
Corapression, und zugleich beschränkt sich die Ossificationszone auf 
die Peripherie, während das Centrum rein hyalin erscheint. Die fibröse 
Hülle bleibt vor der Hand noch erhalten und dient nach wie vor den 
Rumpfmuskeln zum Ursprung. Dies ändert sich weiter nach hinten 
zu derart, dass die Muskeln schliesslich, nachdem jene Hülle auf- 
gehört hat, direct vom Perichondrium entspringen. 

Endlich verbreitert sich das Epipubis nach beiden Seiten hin 




Textfigur3. Becken von Protopterus, 
von der Ventralseite. Cep Cartilago epi- 
pubis, PP Praepubid, f Inconstanter Fort- 
satz desselben, BP Beckenplattc, Ppo Pro- 
IateraliH posterior, JfZ Muskel- 
leisten, Ae Acetabulum. 



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(Fig. 18, Cep) t rückt immer mehr vom Coelora ab, und kommt mehr 
ventralwärts zu Hegen. Zugleich erscheinen bereits lateral« und dorsal- 
wärts die ttussersten, in einem Myocomma liegenden Enden des Prae- 
pubis (PP l ), und in Fig. 19 ist letzteres in seinem Ursprung am 
vorderen Beckenrand fast in voller Ausdehnung sichtbar (PP). 

Weiter caudalwärts wird die Beckenplatte wieder schmäler, ver- 
dickt sich aber in dorso-vcntraler Richtung. Zugleich öffnet sich im 
Centrum allmählich ein Hohlraum, welcher nach wenigen Schnitten 
wieder verschwindet (Fig. 20, HR), um bald darauf wieder zu er- 
scheinen und sich dann auf eine grössere Strecke durch die Becken- 
platte hindurch fortzusetzen. Seitlich (bei 'M 6 ) erscheinen bereits die 
Extremitätenmuskeln. 

Im Bereich der hinteren lateralen, die Bauchflossen tragenden 
Fortslitze (vergl. Textfigur 8) verbreitert sieh das Becken auf's Neue 
und springt zugleich ventralwärts in eine starke Muskelleiste aus 
(Fig. 21 und Texttigur 3, ML). Seitlich liegen die Bauchtlossen (BFl) 
und die Höhle des Hüftgelenks (f). Bei 2i, N sieht man einen starken 
Nerven in die Extremitätenmuskulatur einstrahlen. 

Die bis jetzt in der ventralen Mittellinie auftretende Fettmasse 
ist jetzt durch lockeres, feinmaschiges Bindegewebe (Bg) ersetzt. — 
Noch weiter caudalwärts verjüngt sich, wie aus der Textfigur 3 zu 
ersehen ist, die Beckenplattc immer mehr, bis sie sich endlich keil- 
förmig zuspitzt. 

Ich bin in der Darstellung des Dipnoör-Beckens absichtlich, und 
zwar aus zwei Gründen, «ehr ausführlich gewesen ; einmal stellt dasselbe 
offenbar eine weitere Fortbildung des Ur-Selachier- resp. des Polypterus- 
beckens dar, und zweitens deswegen, weil in demselben das 
Urodelen-Becken bereits vorgebildet erscheint. Zwischen 
beiden existiren meiner Meinung nach keine principiellen, sondern nur 
graduelle Unterschiede, wie ich dies bereits an anderer Stelle (108) 
erörtert habe. Auch D'Arcy -Thompson erklärt das Dipnoör- 
Epipubis für „the simplest form of epipubis in the Urodeles". Dieser 
Autor lässt sich bezüglich der weiteren Structurverhältnisse des Dipnoer- 
beckens folgendermassen vernehmen: „A small process dorsal to the 
glenoid articulation reminds us of the simplest form of ilium *) in 
Elasniobranchs, but we have no sufficient evidence of their idendity. — 
If these identifications be correct, we have in the Dipnoans a pelvis 
of a highly specialised type, altogether comparable with that of both 
Amphibia and Elasniobranchs, differing froin the latter chiefly in its 
greater antero-posterior elongation. Such a pelvis existing in the 
Dipnoans helps to render probable the existence ot a pelvis of similar 



') Bei l'rotopteru» vermochte ich diesen Fortsatz nicht aufzufinden. 



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type iu those fishcs included among the Crossopterygian Ganoids which 
so many facta point to as the anccstors of thc Amphibia." 

Wie ich schon bemerkt habe, standen mir keine Dipnoer-Embryonen 
zu Gebote, so dasa ich leider über die Entwicklung de» Beckens keine 
ganz bestimmten Angaben machen, sondern dieselbe nur erschliessen 
kann. 

Vor Allem ist — darauf weisen alle Wirbelthiere hin — von einer 
paarigen, bilateral symmetrischen Anlage auszugehen, und es ist mehr 
als wahrscheinlich , dass es sich hier so gut, wie bei Selachiern, um 
ein Einwachsen eines Complexes von Knorpelstrahlen von der freien 
Extremität her handelt. Wie dies des Näheren zu denken ist, vermag 
ich natürlich um so weniger zu sagen, als sich hier dio Frage durch 
den biserialen Charakter der Gliedmasse noch complicirt. Für die 
paarige Anlage spricht u. A. auch der Umstand, dass bei 12 Centi- 
meter langen Exemplaren von Protopterus der Beckenknorpel gegen 
die Mittellinie zu nicht durchaus hyalin, sondern häufig durch faser- 
knorpelige Inseln unterbrochen ist. Ferner erwähne ich den in der 
Beckenplatte befindlichen centralen Hohlraum, der sein Homologon 
in demjenigen des Epipubis von Ceratodus findet 1 ). Weiter aber 
deutet darauf hin das Becken der Ichthyoden, dessen ursprünglich 
paarige Natur später bei Menobranchus und Proteus dargelegt werden 
soll. Ein Hauptunterschied zwischen dem Selachier- und dem Holo- 
cephalen-Becken einer-, sowie dem Dipnoör- Becken andererseits besteht 
in der Ausdehnung desselben in transverseller Richtung. Dies ist ein 
wichtiger Punkt und hat bis jetzt viel zu wenig Berücksichtigung ge- 
funden. Während sich nämlich die Bockenplatte jener Knorpelfische 
Uber die ganze ventrale Bauchwand von rechts nach links hinweg 
erstreckt, erscheint dieselbe bei den Dipnoern fast ganz auf die ventrale 
Mittellinie beschränkt Diese wird nach beiden Seiten hin von der 
schmalen Knorpelplatte nur wenig überschritten, so dass also der 
laterale Beckenabschnitt des Selachier- und Holo- 
cephalen-Beckcns bei den Dipnotfrn gar nicht zum Aus- 
druck gelangt, und da in jenem Abschnitt die Nervenlöcher zu 
suchen wären, so begreift man, dass sich solche im Dipnoer- Becken 
nicht finden können, sondern dass die Extremitätennerven seitlich 
vom Becken die Bauchwand durchbohrend zur freien Extremität ge- 
langen müssen. 

Wenn man sich nun die Frage vorlegt, wo beim Dipnoer-Becken 
die laterale Beckenpartie der Selachier und Chimären verbleibe, so 

') Dass es sich hier um eine frühere Trennung handelt, beweist auch 
das Verhalten der Bauchflosse von Polyodon, wo sich im Bereich des Basale, 
dessen Ursprung aus ursprünglich getrennten Radien keinem Zweifel unterliegen 
kann, hie und da ein von gelatinöser Substan« erfüllter Hohlraum findet (Text- 
figur 11, bei f> 



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glaube ich dieselbe dahin beantworten zu können, dass bei der Ent- 
wicklung des Di pnoör- Beckens die Abschnürung desselben von dem 
einwachsenden Stammstrahl der freien Extremität weiter proximalwärts, 
d. h. näher der ventralen Mittellinie erfolgt, als bei Selachiern. In 
Folge davon haben wir im proximalen Abschnitt des zur Abschnürung 
gelangten Stammstrahles, d. h. in dem sogenannten Zwischenstück 
oder Basale 1 (Textfigur 9, 1, k, 1 bei Ba8 l ) f ein Skeleteleraent zu 
erblicken, das bei Selachiern und Chimttren noch zum Aufbau der 
Beckenplatte (laterale, von Nervenlöchern durchbohrte Partie) verbraucht 
wird, während es bei Dipnoörn zur freien Oliedmasse geschlagen wird. 
Darauf weist in der That auch der Nervenverlauf hin, welcher sich, 
wie von David off ganz richtig bemerkt, am Zwischenstück con- 
centrirt. 

Was die freien Extremitäten der Dipnoör betrifft, so sind sie 
schon oft Gegenstand der Beschreibung gewesen, und Gegenbaur 
erblickt bekanntlich in ihnen die Hauptstütze für sein biseriales Arehi- 
pterygium. Alle Autoren stimmen in zwei Hauptpunkten Uberein, 
nämlich darin, dass Brust- und Bauchflossen in ihrem Aufbau eine 
grosse Aehnlichkeit mit einander besitzen, und zweitens, dass die 
Extremitäten von Protopterus und Lepidosiren bereits in starker 
Rückbildung begriffen sind, während Ceratodus den ursprünglichen 
Charakter bewahrt habe. Aus praktischen Gründen bespreche ich bei 
der Schilderung der Dipnoer- Gliedmassen zugleich die vorderen und 
die hinteren. 

Hören wir übrigens zunächst von Davidoff (19): „Der Stamm 
der freien Flosse besteht aus einer individuell wechselnden Zahl 
von Knorpelstücken, die distalwärts an Grösse abnehmen. Nach 
beiden Seiten gehen Radien aus, und zwar eine ventrale (mediale) und 
eine dorsale (laterale) Reihe. Letztere weist ungleich mehr und reicher 
gegliederte Radien auf, als erstere, welche den äusseren Radien der 
Selachierflosse entsprechen soll. Sehr bomerkenswerth ist das erste 
Stamraglied, nicht nur wegen seiner Grösse, sondern auch deswegen, 
weil es links auf mächtigen Fortsätzen zwei Radien, rechts zwei Basal- 
stücke von Radien trägt, von welchen jedes wiederum zwei Reihen 
von Endgliedern trägt Im Gegensatz dazu wird die Verbindung der 
weiter distalwärts vom Stamm der Flosse abgehenden Radien eine 
immer lockerere. 

Was die Stammreihe der Flosse betrifft, so äussert von Davidoff 
bezüglich des ersten, radientragenden Gliedes derselben den Gedanken, 
es könnte durch Zusammenfluss von Basalgliedern der Radien ent- 
standen sein. Auch Günther hatte schon bemerkt, dass jenes Stück 
möglicher Weise dem zusammengefügten Pro-, Meso- und Äletapterygium 
der Selachier entspreche ; er fügte aber bei, dass dann, diese seine An- 



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— 41 - 



sieht als richtig vorausgesetzt, das Zwischenstück (antibrachial cartilage) 
bei den Selachicrn nicht vertreten sei. von Davidoff verwirft nun 
aber seinen und G ü n the r 's Gedanken und hält jene Gliederung des 
ersten radientragenden Stückes der Stammreihe „in Anpassung an die 
ihm ansitzenden Radien 0 als eine secundäre 1 ) für plausibler. Alle 
jene Differenzirungen — und er macht dabei auch auf die Fortsätze etc. 
des „Zwischenstückes" (Verbindungsstück der Stammreihe mit dem 
Becken) und der andern Glieder der Stammreihe aufmerksam — fuhrt 
von David off auf Muskel Wirkungen zurück. Er fährt dann fort: „Dar- 
über können schwerlich Zweifel entstehen, dass die Stammreihe dem 
Basale des Metapterygium der Selachier entspricht. Die hier vorhandene 
Gliederung kann selbstverständlich kein Einwand dagegen sein, obwohl 
es schwer ist, sich dieselbe bei Ccratodus zu erklären. Sie kommt 
bei einigen Selachiern nur am distalen Abschnitte des Basale vor. 
Denken wir uns aber diese Gliederung bei Ceratodus aus Anpassungs- 
gründen an die Länge der Flosse entstanden, so müssen wir sie dann 
als etwas Secundäres, Erworbenes ansehen. Auch die Entwicklungs- 
geschichte lehrt uns (Balfour), dass jede Gliederung sowohl der 
Radien als auch des Basale ein viel späterer Vorgang ist. Da wir auch 
an der Muskulatur eine den einzelnen Segmenten der Stammreihe ent- 
sprechende Gliederung fanden, so gewinnt diese Ansicht an Wahr- 
scheinlichkeit etc. etc." Wenn von Davidoff dann am Ende des 
betreffenden Passus diese Frage vorläufig nicht entscheiden zu können 
erklärt, so thut er gewiss sehr wohl daran, denn ich werde später 
zeigen, auf welchen Irrwegen und in welchen Trugschlüssen er sich 
bewegt, und wie er sich drückt und windet, um einen Ausweg aus 
dem Labyrinth zu finden, in welches ihn das starre Festhalten an der 
Gegen bau r' sehen Lehre hineingezwungen hatte. Ueberall begegnet 
man einem ängstlichen Suchen und Tasten , um das einst so stolze 
Gebäude der Gegen baur' sehen Doctrin vor dem Zusammenbruch 
zu bewahren; es ist ein ewiges Deuteln und Flicken, eine Luft, in 
der einem nicht wohl werden will. 

Dass sich von Davidoff auf falschen Bahnen bewegen musste, 
ist selbstverständlich, denn seine Marschroute war ihm ja a priori 
gegeben. Sie lautete: von den Dipnoörn zu den Selachiern und von 
diesen zu den Ganoiden und den Teleostiern! — Die einfachen 
Selachier! Sie wissen gar nicht, wie sie dazu kommen, einmal so 
stolze Ahnen, wie die Dipnoör besessen und einst mit einem biserialen 
Archipterygium das Urmeer durchfurcht zu haben. 



') Dieselben Gesichtspunkte ergeben sich für von Davidoff auch bei der 
ßeurtheilnng der »egmeutalen Flosscnmuakulatur; hier sollen sich die Muskeln 
den Skcletstücken „angepasat" (!) haben. 



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Doch Scherz bei Seite! — Das ganze Vorgehen v. Davidoff's 
erscheint um so gezwungener, als er bei Abfassung seiner Ceratodus- 
arbeit die Aufsätze Balfour's (6), von Rautenfeld's (87) und 
'S wir» ki 's (94) bereits kannte. Seine Art der Beweisführung hat 
nichts Ueberzeugendes, mag er die Drehung der Flosse von innen 
nach aussen, oder mag er seinen „Nervus collector u in's Feld 
führen. Letzterem will ich übrigens seine Bedeutung nicht absprechen, 
und wenn ich darin auch in erster Linie eine Stütze für die Bal- 
four-Dohrn'sche Lehre erblicke, so will ich doch die Möglichkeit 
einer Beckenverschiebung in gewissen Grenzen nicht in Abrede stellen. 

Auf S. 153 seiner Arbeit spricht sich von David off erfreut über 
den von mir (101) erbrachten Nachweis der Versorgung der Proto- 
pterus-Brustflosse durch den Vagus aus. Freilich ist seine Freude nur 
von kurzer Dauer, indem er gleich darauf S. 161 — 162 meines Lehr- 
buches (104) citirt und dabei meine Neigung zur Thacher-Mivart- 
B a 1 f o u r ' sehen Theorie constatiren muss. Er polemisirt gegen meinen 
Einwurf, der ihm natürlich sehr ungelegen kommt; allein ich kann es 
durchaus nicht als berechtigt anerkennen, wenn er sagt: „Es ist nicht 
aus dem Auge zu lassen, dass ein Kiemcnbogen, indem er sich zu 
einem Gliedmassen bogen umwandelt, eine andere Function übernimmt. 
War er früher als kiementragender Skelettheil in seinem ganzen 
Umfang nöthig, so genügte nun ein kleinerer Theil desselben, um 
seine Aufgabe als Gliedmassenbogen zu erfüllen. Wenn der Schulter- 
bogen intact bleibt, so erklärt sich dieser Befund durch die Grösse 
der Vorderglicdmasse , durch den Ansatz an derselben fast sämnit- 
licher Seitenmuskeln" etc. 

Wie soll man aber Uber den letzten Satz denken, wenn man erfährt, 
dass von Davidoff kurz vorher auf die fast vollständige Ueber- 
einstimmungder „primitiven" Brust- und Bauchflosse von Ceratodus 
hingewiesen hat. Ich brauche auf den darin, sowie in dem Passus 
Uber die Nervenlöcher (S. 143 und 157) liegenden Widerspruch wohl 
nicht noch besonders aufmerksam zu machen. Was das eine Mal als 
gleichgiltig und nebensächlich erklärt wird, erhält das andre Mal 
plötzlich eine grosse Bedeutung ! ! Nach der Meinung von Davidoff's 
giebt es nur „im eigentlichen Gliedmassenbogen" Nervenlöcher, nie 
aber im Basale metapterygii oder in andern mehr peripher liegenden 
Theilen. Ich führe diesen Satz hier nur vorläufig an , um in dem 
Capitel über die Ganoiden wieder darauf zurückzukommen. Ein 
zweiter Passus lautet : „dafür, dass der Gliedmassenbogen aus der Con- 
crescenz proximaler Radienabschnitte entsteht, spricht keine einzige 
bekannte Thatsache. u Dies sind die eigenen Worte vonDavidoff's, 
der, wie oben schon erwähnt wurde, und wie aus andern Stellen seiner 
Arbeit deutlich zu ersehen ist, Balfour's Resultate an Selachier- 
Enibryonen (C) damals bereits gekannt haben muss! — Das nennt 



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- 43 - 



man den Kopf in den Sand stecken! — Aber man höre weiter! Ich 
habe S. 162 meines Lehrbuches (I. Aufl.) — und von Davidoff 
citirt sogar meine eigenen Worte — deutlich darauf hingewiesen, dass 
B a 1 f o u r „das Becken (im Gegensatz zum Schultergürtel) als auf 
niederer Entwicklungsstufe stehen bleibend auffassen gelehrt habe", 
v. Davidoff aber verkündet mit apodictischer Sicherheit: „darüber 
aber, dass die Hintergliedmasse der Fische, verglichen mit der vorderen 
functionell in Rückbildung begriffen ist, darüber, sage ich, kann gar 
kein Zweifel bestehen, und nur bei Ceratodus treffen wir eine Hinter- 
extremität, die in allen Beziehungen der vorderen naher steht, als die- 
jenige sämmtlicher anderer Fische." Und doch — muss ich noch 
einmal fragen — die Differenzen im Schulter- und Beckengürtel? 

A. Günther (49), dem wir die erste vortreffliche Beschreibung 
der Ceratodusflosse verdanken, betrachtet das die Verbindung der 
freien vorderen Extremität mit dem Schul tergürtel vermittelnde 
Skeletstück (Texthgur 4, c Ba*) („Zwischenstück- von Davidoff) 
als „Vorderarm", und das nächst anstossende Stück der Stammreihe 
als „Basalstück der Flosse". Er macht bei dem letzteren auf gewisse 
Unebenheiten aufmerksam, die darauf hinweisen, dass es aus der Ver- 
schmelzung verschiedener primitiver Stücke hervorgegangen sei. Auf 
Horizontalschnitten konnte er die Spuren hiervon noch deutlich 
erkennen, und die dabei zu Tage tretende Dreitheilung deutet er im 
Sinne eines Pro-, Meso- und Metapterygium der Selachier. Wenn dies 
aber richtig ist, so fällt, wie oben schon erwähnt, natürlich die An- 
nahme, dass das proximal vom ersten radientragenden Basale liegende 
Stück einem Vorderarm zu parallel isiren sei. 

Günther beschreibt die Brustflosse in ihrer bekannten charakte- 
ristischen Structur, und bespricht die aus etwa 26 Einzelgliedern 
bestehende Stammreihe, welcher seitlich in biserialer Anordnung die 
Radien ansitzen. Die vordersten 1 1 oder 12 sind drei-, die folgenden 
zweigliederig, und die letzten endlich bestehen nur aus einem 
Stückchen. — Das Wort diphycerk passt also ebensogut für die 
Flossen wie für das Schwanzende. 

Günther schildert auch die Flossenmuskulatur in ihrer segmen- 
tirten Anordnung, wie ich sie in Figur 16 von Protopterus abgebildet 
habe, ganz richtig, und bemerkt bezüglich der morphologischen 
Bedeutung der Ceratodusflosse im Vergleich mit derjenigen anderer 
Fische: „it is quite evident that we have here a further development 
of the simple pectoral axis of Lepidosircn in the direction towards 
the Plagiostomes." Er zieht auch die Brustflosse von Acipcnser sturio 
zum Vergleich heran und bemerkt, dass letztere dem Verhalten von 
Ceratodus ungleich näher komme als die Brustflosse von Polypterus. 

Auf S. 534 giebt Günther eine schematische Abbildung, 
welche das allmähliche Zustandekommen der Ceratodusflosse versinn- 



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- 44 - 



liehen soll. Ob darin die richtige Erklärung liegt, kann natürlich 
nur auf embryologischer Basis entschieden werden. 

T. H. Huxley (59) erblickt im Gegensatz zu Gegenbaur u. A., 
welche die Staramreihe aU metapterygial betrachten, in derselben 
mcsopterygiale Elemente. Er nennt das proximale Stück (Textfigur 4, 
»— d, Ba l ) „proximales Mesomer 14 , und an dieses seh Ii esst sich die 
Kcihe der distalen Mesomeren. Die propterygiale Zone Gegen baur's 
sieht er durch die proximalen präaxialen, die metapterygiale durch 
die proximalen postaxialen Flossenstrahlen repräsentirt Auf Grund 
dessen unterscheidet Huxley in seinem Archipterygium 1. einen 
mesomeren axialen Mittelstrahl (Stammreihe), welcher bei den Stape- 
difera durch Humerus 1 ), Intermedium, Centrale, Carpale III und den 
III. Finger gehen soll, 2. ein System von präaxialen Parameren 
(Seitenstrahlen) (= Radius und der radialwärts vom Mittelstrahl 
liegenden Abtheilung des Carpus, Metacarpus und der Finger) und 
3. endlich ein System von postaxialen Parameren (Seitenstrahlen) 
( = Ulna und der ulnarwttrts vom Mittelstrahl liegenden Abtheilung 
des Carpus, Metacarpus und der Finger). Auf das präaxiale Gebiet 
entfallen somit der 1. und II. , auf das postaxialc der IV. und 
V. Finger. 

Die Ursteilung der Flosse (Selachior) — sagt Huxley — ist 
horizontal, so dass man eine obere und untere Fläche resp. einen vorderen 
und hinteren Hand unterscheiden kann. Bei Ceratodus hat bereits 
eine Drehung der Art stattgefunden, dass die ursprüngliche ventrale 
Fläche zu einer äusseren, die dorsale zu einer inneren, der Flanke 
des Thieres mehr oder weniger parallel laufenden geworden ist Der 
ursprünglich vordere Rand wird so zu einem oberen (dorsalen), der 
hintere zu einein unteren (ventralen). Bei Acipenser und allen 
Teleostiern prägt sich jene Drehung noch mehr aus. Geradezu 
umgekehrt muss sich die Drehung der Flosse jenes Fisches vollzogen 
haben, aus welchem das erste terrestrische Thier hervorging, d. h. 
hier wurde der ursprüngliche vordere Flossenrand zu dem den Erd- 
boden zunächst berührenden Rand, die ursprünglich dorsale Fläche 
wurde zur äusseren etc. 

Dass es mit der Richtung der Ceratodus-Extremitäten zum Rumpfe 
etwas Besonderes auf sich habe, ist seither auch andern Autoren auf- 
gefallen. So z. B. A. Schneider (91), welcher in dem ersten basalen 
Stück der Stammreihe der Ceratodusflosse einen Humerus resp. Femur, 



') D'Arcy Thompson (97) erklärt das Verbindungsstück, welches beiden 
Dipnoern zwischen dein Extremitätengürtel und der eigentlichen Flosse liegt, für 
ein „Basipterygium" und erblickt bei der Beckenflosse darin das Homologon des 
Femur. Er dehnt aber im Gegensatz zu anderen Autoreu den Begriff des Basi- 
pterygiums nicht auf deu ganzen Achscnstrahl der DipnoSrtiossc aus. 



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- 45 - 



im zweiten, „welches die Neigung zeigt, in Stücke zu zerfallen", einen 
Radius (Tibia) und eine Ulna (Fibula) erblickt Auf weitere Parallelen 
mit den Extremitäten terrestrischer Vertebraten lässt sich Schneider 
nicht ein, dagegen macht er auf gewisse Verschiedenheiten aufmerksam, 
welche bei Ceratodus bezüglich der Form und Stellung zwischen 
Brust- und Bauchflossen bestehen sollen. Er kommt zu dem Resultat, 
dass die einen gegen die anderen um 180° gedreht seien, dass also 
das, was dort ventral liegt, hier dorsal zu liegen kommt und umgekehrt 1 ). 
Indem er bezüglich dieses Punktes auf die Uebereinstimmung mit den 
Vorder- und Hintergliedmassen der terrestrischen Wirbelthiere hin- 
weist, macht er zugleich darauf aufmerksam; dass zwischen der Flosse 
der Dipnoör — er stellt letztere zu den Amphibien ! — und derjenigen 
der Fische kein Vergleich möglich sei, da sich ja bei den letzteren 
die dorsalen und ventralen Flächen der Brust- und Bauchflossen stets 
entsprechen. 

B. Hatschek(50) verdanken wir sehr interessante Notizen über 
das Verhältniss von Flosse und Fuss, sowie der Extremitäten resp. 
einzelner Extremitäten der übrigen Vertebraten im Laufe ihrer Stammes- 
entwicklung. 

Mit den thatsächlichen Beobachtungen Schneider's erklärt 
sich Hatschek vollkommen einverstanden, allein er verwirft dessen 
Erklärung und hat darin, wie ich hiermit selbst ausdrücklich erkläre, 
ganz Recht. Er sagt: die Brustflosse von Ceratodus (und ich kann 
dieses auch gleich auf Protopterus ausdehnen) wird, nach Art der 
Fischflosse nach abwärts und aufwärts, die Bauchflosse dagegen nach 
Art der Extremität der höheren Thiere so nach aufwärts gedreht, dass 
ihre ventrale Fläche an den Rumpf sich anpresst. Die hintere wird 
nämlich offenbar schon mit zum Fortschieben des Körpers am Boden 
verwendet, wie dies bei Protopterus thatsächlich zu beobachten 
ist; die vordere wird noch ganz nach Art der Fischflosse bewegt. 

Hatschek sagt ganz richtig: „Wenn Prof. Schneider die 
verschiedene Stellung der vorderen und hinteren Extremität als 
charakteristisch für die höheren Thiere betrachtet, so übersieht er 
dabei, dass sich die Verschiedenheit nur auf die Stellung des Extre- 
mitätenstiele« (-Stammes) bezieht, dass aber der stützende Theil der 
Extremitäten gleich gelagert ist." Hatschek weist dann auf die 
bedenklichen Consequenzen hin, zu welchen die speciellen Aus- 
führungen fuhren müssen, und wozu Schneider selbst geführt worden 
ist, indem er den Radius der Fibula und die Ulna der Tibia gleich- 
stellen zu müssen glaubte etc. etc. 

In einer Abhandlung, deren Publication in das Jahr 1887 fällt, 

•) Bei Protopterus verhält sich Allo& pLotiko, nur weniger stark aus- 
geprägt. 



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- 46 - 



macht G. B. Howes (56) auf den schwankenden Charakter der 
Ceratodusflossen aufmerksam. Nur das erste Glied der Stammreihe 
(„Zwischenstück" von Davidoff) an beiden Extremitäten paaren, 
sowie die dorsale Reihe der Nebenstrahlen an der Brustflosse be- 
zeichnet er als constant Ob jenes Zwischenglied als Mesopterygium 
zu deuten sei, oder ob es noch mit zur metapterygialen Zone gehört, 
ist vor der Hand nicht sicher zu bestimmen. Vom zweiten Gliedstück 
an erklart er, nach dem Vorgang von Huxley, Balfour und 
Rautenfeld, die ganze Stammreihe bis zur Spitze hinaus für meso- 
pterygial. 

An der ventralen Seite des zweiten Stammgliedes der Brustflosse 
vermochte Howes stets die Spuren eines „in Rückbildung" begriffenen 
„Metapterygiums" nachzuweisen, und dasselbe gilt dann und wann auch 
für die Bauchflosse, in welchem Fall es sich um einen „Rückschlag" 
handeln würde. 

Auf Textfigur 4, a— d gebe ic h einige Copieen der 1., 3., 5. und 
8. Figur auf Tafel I der Howes 'sehen Arbeit, und bemerke dazu, 
dass die Figur C eine Reproduction einer Abbildung darstellt, welche 
von Howes dem Günther 'sehen Aufsatz (49) entnommen ist. Aus 
dieser ist zu ersehen, dass auch Günther schon jenen Strahlen besatz 
am zweiten Basalglied bemerkt hat, wenn er sich auch über seine Auf- 
fassung nicht weiter äussert. Er hat aber ausserdem gezeigt, dass 
auch dem ersten Basalglied („Zwischenglied") der Brustflosse noch 
zwei Radien angeschlossen sein können, die „bereits wieder in ihren 
Einzelstücken zusammengeflossen sind" 1 ). Es wird sich also um ähn- 
liche Verhältnisse gehandelt haben, wie sie auch Howes (vgl. Text- 
figur 4, a und b **) beschrieben und abgebildet hat Auf die auf dem 
ersten Basalstück sitzenden Rauhigkeiten (Textfigur 4, a— d*) und 
die ihnen von Günther gegebene Deutung habe ich schon auf 
S. 43 aufmerksam gemacht, und damit komme ich auf die Frage 
nach der Ontogenie und Phylogenie der Dipnoerflossen. Erstere lässt 
sich aus Gründen , die ich schon früher beim Becken aus einander 
gesetzt habe, nur erschliessen , letztere aber erachte ich auf Grund 
bedeutender palüontologischer Funde als sicher erwiesen. Zugleich 
aber werfen, wie ich zu zeigen hoffe, auch die paläontologischen Er- 
gebnisse auf die Ontogenie ein helles Lieht. Bevor ich mich jedoch 
dazu wende, kehre ich noch einmal zu den Mittheilungen von 
Günther und Howes zurück. Ersterer war bereits vollkommen 
auf dem richtigen Weg, wenn er bei den Basalgliedern an eine Ver- 
schmelzung verschiedener primitiver Stücke dachte. Besonders deut- 
lich — meint Günther — spreche sich das am ersten und zweiten 



') Es wiinle wohl richtiger heissen: Die ihre ursprüngliche einheitliche 
Natur noch bewahrt haben und uoch keine (seeuudäre) Abgliederung erfahren haben. 



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- 47 - 



Basalglied aus, und darin hat er, wie ein Blick auf die Toxtfigur 4, 
a und d beweist, vollkommen Recht. Der hinteren Extremität spricht 
er — und das ist wieder richtig — ein ursprünglicheres Verhalten zu, 
und sieht dies bethfitigt in dem einfacheren Radiensaum, dessen Theil- 



a h 




Textfigur 4, A--(U Proximale Abschnitte (von Ceratodusflossen nach Howe« 
und Gunther. * Eine sich verzweigende („branching") Beckenflosse der rechten 
Seite, dorsale Ansicht, b linke Beckenflosse, C linke Brustflosse, d linke Brustflosse. 
Bm*—B«* erstes bis sechstes Basale des axialeu Mittelstrahls. • Höckerbi (düngen am 
ersten Basale, « * an der ventralen Seite desselben aufsitzende Radien, f solche des 
zweiten Basale, Rad Radien der dorsalen Seite, OMS gespaltener Mittelstrahl. 

stücke noch nicht so lang gestreckt und so reich gegliedert sind, wie 
dies an der Brustflosse der Fall ist. Ferner macht Günther auf die 
ungleich grössere Neigung der Mittelstrahlsegmente zum Zusammen- 
fluss und auf die dadurch bedingte bedeutendere Conerescenz der 
Radien aufmerksam. 



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- 48 - 



Mit der Fassung dieses letzten Satzes kann ich mich nicht ein- 
verstanden erklären , und möchte die an und für sich correcte 
Beobachtung so interpretiren , das» es sich in den betreifenden Fällen 
nicht um eine Neigung jener Mittelstrahlsegmente zum „Zusammen- 
Huss", sondern um Beibehaltung eines primitiven Verhaltens von der 
Embryonalzeit her, d. h. um eine noch nicht ganz durchgeführte Ab- 
gliederung handelt (vgl. die Entwicklung des Stamm -Radius der 
Sclachier- und Sturionenflosse). Aehnliche Schlüsse ergeben sich auch 
für die Radien'). 

Wie stark die Flossenarchitektur noch im Schwanken ist, ersieht 
man aus den nicht selten zwischen rechts und links zu beobachtenden 
Differenzen. 

Von der in der Textfigur 4, a abgebildeten Beckenflosse sagt 
Howes (56): „The axis is for the most part unequally segmented 
and irregulär" .... und an einer andern Stelle: „The rest of the 
skoleton is chiefly remarkable as concerns the axis; this appears to 
bc longitudinally eleft, and made up of a longer preaxial and a shor- 
ter postaxial piecc, both of which are very irregularly segmented. All 
the parameres (Seitenstrahlen) borno upon it, however, are simple 
unbranched rods, which differ from those more generally present only 
as regards their feeble aeginentation." 

Merkwürdigerweise knüpft Howes keine weiteren Gedanken an 
diese, wie ich glaube, sehr wichtige und über einen guten Thcil der 
Urgeschichte der Dipnoerflossen Licht verbreitende Beobachtung. 
Dieselbe scheint mir viel wichtiger als alle seine Spekulationen, die 
sieh um den Nachweis von meta-, ineso- oder propterygialen Elementen, 
d. h. um Gebilde drehen, die, wie wir heutzutage füglich behaupten 
können, - z.gr. Th. von nur secundarer Bedeutung sind. Uebrigens scheint 
auch W. A. Ha« well*), welchen Howes citirt, bereits vor diesem 
auf eine solche Lftngstheilung de« Mittelstrahlcs aufmerksam gemacht 



') Da Günther also die Gliederung de* Stamm- oder Mittelstrahles offen- 
har für das Primäre hält, wird man es auch begreiflich finden, wenn er den Ge- 
danken ausspricht, dass die Verwachsung der Einzelsegmente zu einem Basale 
commune wohl durch die segmental bleibenden, eine undulirende Bewegung ge- 
stattenden Muskeln, sowie durch die eine ausgiebige Bewegung erlaubende 
Kigcnart des Schultor- und ücckengelcnkes verhindert werde. — Dass die An- 
ordnung der Muskulatur bei der Gliederung die Hauptrolle spielt, ist sicher, 
allein es handelt sieh dabei offenbar erst um einen secundären Prozcss, d. h. um 
eine gerade unter der Muskclaction erfolgende Abgliederung vorher einheit- 
licher Knorpelstäbe (vgl. Textfigur 9), 

*) Die Arbeit von W. A. Haswell, On the Structure of the Paired Fins 
of Ceratodus with Rcmarks on the General Theory of the Vertebrate Limb. 
Proc. Linn. Soc. N. S. Wales. Vol. VII war mir leider im Original nicht zu- 
gänglich. Auch hei der sonst so reich ausgestatteten K. Hof- und Staatsbibliothek 
zu München konnte ich mein Ziel nicht erreichen. 



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- 49 — 



zu haben, und auch P. Albrecht schilderte eine in ihrem peripheren 
Abschnitt sich gabelnde Brustflosse eines Protopterus aus der 
Königsberger Sammlung. 

Bevor ich mich nun zu den fossilen Formen wende, will ich noch 
erwähnen, dass nach Howes* Ansicht die paarigen Flossen der Pla- 
giostomen und Dipnoör sich unabhängig von einander entwickelt 
haben, und zwar aus einem Typus, wie er durch die heutigen Chi- 
mären repräsentirt wird. 

In die letzten drei Jahre fällt die Publication der auf die fossilen 
„Selachier" und die Lurchfische sich erstreckenden Arbeiten von 
A. Fritsch (27, 28) und L. Döderlein (20). Letzterer gab nur 
eine kurze, aber sehr werthvolle Notiz über Pl'euracanthus, 
deren Inhalt ich, soweit er sich auf das Gliedraassenskelet erstreckt, 
kurz referiren will. 

Als „Becken" werden zwei getrennte dreieckige Platten be- 
schrieben, allein es ist mir sehr zweifelhaft geworden, ob es sich dabei 
nicht jederseits nur um ein Basale in dem Sinne handelt, wie es auch 
von A. Fritsch aufgefasst wurde, und wie ich es später von gewissen 
Ganoiden schildern werde. 

Nach hinten und aussen davon schliessen sich sechs Knorpel- 
strahlen an, wovon der medianwärts liegende der stärkste, der am 
weitesten lateral liegende der schwächste und kürzeste ist. Der 
mediane Strahl setzt sich nach hinten in etwa 10—12 kurze kräftige 
Glieder fort, die eine Hauptachse mit einzeilig (postaxial) angeordneten 
Radien bilden. Von jedem Gliede der Hauptachse entspringt auf der 
Aussenseite ein zweiter droigliederiger , sehr dicker Soitenstrahl , der 
mit einem feinen Faden zu endigen scheint. „Vom letzten Glied der 
Hauptachse und von den letzten Scitcnstrahlen getragen , tritt ein 
mächtiges stachelähnliches Gebilde auf, das jedenfalls als männliches 
Begattungsorgan aufzufassen ist und borstenartige Seitenstrahlen trägt, 
die oft den weichen Flossenstrahlen vieler Fische ähneln. Sämmtliche 
Elemente der männlichen Bauchflosse, mit Ausnahme der dem Becken 
aufsitzenden Basalglieder, zeigen eine dichte periostale Knochenrinde. 
Diese Bauchflosse ist besonders interessant, da auf eine solche Form 
die Bauchflossen der Selachier, der Störe und des Polypterus ohne 
grosse Schwierigkeit zurückzuführen sind." 

Der Schultergürtel und die Brustflosse erinnern durchaus an die 
betreffenden Verhältnisse von Ceratodus. Beide Schulterspangon 
sind aber ventral nicht mit einander verbunden (geschah wohl ursprung- 
lich durch Knorpel). Ein Höcker trügt die Brustflosse. Die Radien 
der Flosse sind ventral (postaxial) ungleich länger und zahlreicher, 
als diejenigen der dorsalen (prilaxialen) Seite, was, wie ich jetzt schon 
bemerken will, mit den Befunden Fritsch's übereinstimmt. 

Wi«d*rah«im, GliedmMaenak«M der Wirbelthiar«. Text. 4 



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— 50 - 



Dödcrlein macht auf den primitiven Charakter des Pleura- 
canthus- Skcletes aufmerksam und betrachtet es sogar als ursprüng- 
licher, als das der Selaehier, Oanoiden und Dipnoi; aber weder diese 
noch jene können in directer Linie von Pleuracanthus abgeleitet werden. 
Dazu sind sie doch schon in manchen Punkten zu sehr specialisirt, 
und abgesehen davon, sind auch schon aus älteren Erdschichten (Devon) 
Vertreter dieser drei Fischordnungen bekannt. „Pleuracanthus ist 
aber unter allen bekannten Fischformen diejenige, die den ursprüng- 
lichsten Bau besitzt und diejenige, welche der gemeinsamen Stamm- 
form aller echten Fische am nächsten steht. Was Hatteria ist unter 
den Reptilien, das ist Pleuracanthus unter den Fischen." 

Bezüglich der von ihm beschriebenen B Selachier"-FIo8sen sagt 
Fritsch (28): „Gegen alle Erwartung haben sich bei den uns 
beschäftigenden Haifischen mit Beihilfe der Kalkprismen auch die 
knorpeligen Extremitäten ausgezeichnet erhalten, so dass wir an den 
Brustflossen einen Uebergang von dem biscrialen Archipterygium zu 
der Flosse der jetzigen Haie erkennen, während die Bauchflossen, 
namentlich die der Männchen, im Baue vollkommen mit denen der 
jetzigen Squaliden tibereinstimmen." 

Die Gliedmassenreste des Lurchfisches Ctenodus obliquus 
erscheinen mir allzuwenig erhalten, und deshalb möchte ich den 
Restaurationsversuch Fritsch's als einen allzu gewagten bezeichnen, 
um daraus sichere Schlüsse ziehen zu können; nur Eines steht wohl 
sicher fest, dass der Ossifieationsprozess bei Ctenodus obliquus 
ein kräftigerer war, als bei Ceratodus Forsteri. 

Von den Xenacanthides, welche — und dies gilt auch für 
Pleuracanthus — wie Heptanchus sieben Kiemenbögen besa»sen, 
bemerkt Fritsch, dass dieselben den Squaliden unter Anderem im 
Bau der Bauchflossen sehr nahe stehen, während sie bezüglich der 
Brustflossen auf einer primitiveren Stufe stehen geblieben sein sollen. 
Das Männchen besass an der Bauchflosse ein Copulationsorgan ; die 
unregelmässig dichotoraisch sich theilenden Flossenstrahlen sassen 
uniserial (Textfigur 5, a). 

Am proximalen Abschnitt der Bauchflosse erkennt man ein deut- 
liches Basale, und die an seinem Hinterrand liegenden Einschnitte und 
Dellen (Textfigur 5, b Bas*) weinen, wie Fritsch ganz richtig be- 
merkt, darauf hin, dass es aus der Verschmelzung von mehreren 
neben einander liegenden Strahlen entstanden ist. Aehnlich sagt er 
von der Bauchflosse des Xenacanthus -Weibchens (Textfigur 5, a): 
„überhaupt sieht man, dass sie ganz aus einer Anzahl neben 
einander liegender Flossenstrahlen entstanden ist" 

Auch die grosse Breite des zweiten Gliedes des Hauptstrahles 
spricht für seine polymere Entstehung. Es setzen sich, wie die Text- 
figur 5, a zeigt, noch vier selbständige Strahlen an seinem Hinterrande 



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- 51 - 



fest. Auf derselben Figur sieht man auch, dass ein beliebiger Strahl 
von den ursprunglich neben einander liegenden Strahlen Nebenstrahlen 
tragen kann, und darin liegt ein neuer Beweis für das Untypische, 
Schwankende des Meso- und Proptcrygiums der Selachier. 

Was nun die hintere Extremität von Pleuracanthus 1 ) betrifft, 
so ist auch hier, ganz ähnlich wie bei Xenacanthus, ein Basale vor- 
handen, das hier wie dort medianwärts mit seinem Gegenstück in 





Textfigur 5, a und b. Bauchflossen 
eines weiblichen Xenacanthus De- 
cheni. Nach A. Fritsch. JW— Ba»* 
Itasale 1 — 3 des lateralen Hauptstrahlcs, 
Rad Flosscnstrahlcn, Emir, die Stelle, 
„wo man undeutlich einen Embryo zu 
glaubt". - (A. Fr it sc h.) 



Verbindung gestanden zu haben 
scheint. 

Beim Männchen finden sich 
riesige, aus den hintersten Seiten- 
strahlen der Bauchflosse hervor- 
gegangene, mit zwei Rinnen ver- 
sehene Copulationsorgane (Text- 
figur 6, Cop 0), während die Bauch- 
flosse des Weibchens nur auf der dorsalen Seite mit gewöhnlichen Strahlen 
besetzt ist (Textfigur 5, a und b). Eine grössere Zahl von Einzelstrahlen 
(Textfigur 7, Rad) sitzt lateralwärts an dem Hinterrande vom proxi- 
malen Basale (Bas 1 ), während mit dem medialen Abschnitt des letz- 
teren die Stammreihe der Flosse (SRad) in Vorbindung steht — So 
ist also auch die Bauchflosse von Pleuracanthus streng nach uniserialem 
Typus gebaut. Hier wie dort (Xenacanthus) werden die beweglich 



') Bei Pleuracanthus kommen, im Gegensatz zu Xenacanthus, keine Horn- 
atrahlcn in den Flossen vor (A. Fr Usch). 

4* 



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— 52 - 



mit einander verbundenen Elemente des Stammradius durch schief ge- 
richtete, länglich-dreieckige Skeletstückc repräsentirt, welche in der 
Mitte etwas eingeschnürt, an den Rändern aber verdickt sind. 




Textfigur 6, a und b. Bauchflowe de« männlichen PI eu racanth us Oclbergen- 
sis von der ventralen Flache gesehen. Natürliche Grösse, b restaurirt Nach 
A. Fritseh. Bat 1 proximales Basale, CcpO Copulationaorgan. 

Ziehe ich nun das Facit aus den von A. Fritseh für die Bauch- 
flo8sc von Xenacanthus und Plcuracanthus ermittelten Thatsachen, 
so ist in erster Linie zu betonen, dass sie mit derjenigen der recenten 
Dipnoer nichts zu schaffen hat. Sie steht auf einer ungleich primi- 
tiveren Stufe als diese, und lässt sich, wie ich dies später des Näheren 



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- 53 - 

erörtern werde, ganz ungezwungen mit der Sturionen-Bauch- 
flosse in Parallele bringen. Ich verweise deshalb auf letztere und 
werde bei der Besprechung derselben auch die Frage nach der Be- 
deutung des proximalen Basale (Textfigur 5, 6, 7, Bas 1 ) und dem 
Verbleib des Beckens berücksichtigen. 

Ich wende mich nun zu der Brustflosse von Xenacanthus 
und Pleuracanthus, welche beide nach dem biserialen Typus ge- 




Textfigar 7. Linke Bauchflosse des weiblichen Pleuracanthus Oelbergensis (») 
und parallelus (b). Heide restaurirt Nach A. Fritsch. Bai 1 Proximales Basale, 
SRad lateraler Stammstrahl, Rad Flossenstrahlen, welche sich an dem Hinterrand des 

proximalen Basale ansetzen. 

baut sind und deshalb, wie ich dies bereits in dem Referat Uber 
Döderlein (20) bemerkt habe, principicll mit der Ceratodusflosse 
Ubereinstimmen. 

Es ist ein deutlicher, mit einer stärkeren Reihe von postaxialen 
und einer schwächeren von präaxialen Seitenstrahlcn besetzter Stamm- 
strahl vorhanden, der durch eine lange Kette verschieden grosser und 
verschieden geformter Basalia dargestellt wird. Nach der Peripherie 
hin verschmälern sich dieselben beträchtlich, strecken sich in die 



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- 54 - 




Textfigur 8. Rechte Brustflosse von Xenacanthus Dechen! (a). Pleuraeanthus 
Oelbergensis (b) und parallelus (e) von aussen gesehen. Nach A. Fritsch. 
/W — Zfcw* 0 die ltasnlia des Stammstrahles. Rad Ncbenstrahlcn des postaxialcn Randes, 
wovon bei Rad" der vorderste dargestellt ist, rad Nebenstrahlen des präaxialen Randes, 
b und C sind restaurirt, a entspricht den natürlichen Verhältnissen. 



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- 55 — 



zunehmen ist, einst von Scitcnstrahlen besetzt gewesen sein müssen 
Diese Annahme ist schon deswegen vollauf berechtigt, weil Alles 
darauf hindeutet — und ich verweise dabei wieder auf die Be- 
funde von Günther und Howes (vergl. Textfigur 4) — dass der 
ganze Stammstrahl durch Concrescenz von Seitenstrahlen entstanden 
zu denken ist. Wahrend sich nun für die Bildung des Stammstrahles 
der uniserialen Bauchflosse ohne weiteres die an Selachicr-Embryoncn 
gewonnenen Thatsachen zu Grunde legen lassen, erscheint die Sache 
bei dem biserialen Flossentypus ungleich complicirter und um so 
schwerer zu erklaren, als bis jetzt keine entwicklungsgeschichtlichen 
Erfahrungen zu seiner Erklärung*) zur Verfügung stehen. Gleichwohl 
aber hoffe ich im Folgenden zeigen zu können, wie die zweireihige 
Flosse im Laufe der Stammesgeschichte sich ganz allmählich aus der 
einreihigen herausgebildet hat 

Ich gehe dabei zunächst von der unbestreitbaren Thatsache aus, 
dass die Bauchflosse, wie überhaupt die hintere Extremität der Wirbel- 
thiere im Allgemeinen ein einfacheres, primitiveres Verhalten bewahrt, 
als die vordere. J ene bildet also den Schlüssel für die Ur- 
geschichte der letzteren. Ist aber — und darauf weisen 
die Embryonen der Selachier und Ganoiden, sowie die 
fossilen Formen Xenacanthus und Pleuracanthus hin — 
die Entstehung der Bauchflossc nach uniserialem Ty- 
pus eine erwiesene Thatsache, so muss auch die Brust- 
flosse ursprünglich nach demselben Typus, d. h. auch 
sie muss einst uniserial gewesen sein. Ist dieser Satz richtig 
— und ich sehe keinen triftigen Gegengrund — , zeigt also die hintere 
Extremität ein conservativeres Verhalten als die äusseren Einflüssen 
ungleich mehr unterworfene vordere, so werden sich Modificationen 
der primitiven Structuren zunächst an dieser bemerklich machen. 

Dies wird nun durch die Befunde an Xenacanthus und Pleura- 
canthus aufs Schönste bestätigt, insofern sich der biseriale 
Typus in seinem ersten Auftreten als eine secundäre 
Erwerbung der Brust flosso herausstellt. Derselbe ist übrigens 
bereits bei Ganoiden, wie ich später darthun werde, in der Wurzel 
vorgebildet, und dass sich Spuren davon auch schon bei Selachicrn 
finden, haben Gegenbaur und Bunge nachgewiesen. 

Seine höchste Ausbildung erreicht aber der biseriale Flossentypus 
unstreitig bei den recenten Dipnoörn, wie z. B. bei Ceratodus, wo 
er auch bereits die hintere Extremität beherrscht. Gleichwohl aber 
hat diese, wie schon erwähnt, der vorderen gegenüber in gewissen 



') Ich mache dabei auf das Basale 1 aufmerksam , dessen Radienbesatz ich 
bei Protopterna schon vor langer Zeit (102) nachgewiesen habe. 
*) Wo bleiben Caldwetl's Ceratodus-Embryonen t v — 



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Textfigur 9, & — 1. Versuch einer schematischen Darstellung, wie sich die biseriale 
Flusse entwickelt haben mag. u ursprüngliche uniserialo Lage der Flossenstrahlen 
(Solachier-Embryo, Sturionen-Embryo). b Umlagernng derselben, so das« eine postaxiale 
(Rad) und präaxiale (rad) Reihe unterscheidbar wird (gewisse recente Haie). C An- 
bahnung der Holocephalen-Flosse. d Holocephalen-Flosse, die man sich an den punk- 
tirten Linien, *, d. h. im Bereich der präaxialen Reibe, in weiterer Fortbildung gegen 
die Xenacanthus-Brustflosse hin denken kann , Bot Basale , aus der Concrescenx der 
Radien Rott 1 und rad hervorgegangen. © Brustflosse von Poljpterus, pr propterygialer, 
mt metapterygialcr Rand-(Basal-)Strahl; * gespaltener Radius, f Brustflosse von Amia. 
g Brustflosse von Acipenser rutbenus. h Anwachsende , unter sich jederseits mit 
ihren proximalen Enden verschmelzende Mittelstrahlen eines Ur-Dipnoers. 1 Weiter 
fortgeschrittene Anlage der proximalwärts allmäblich verschmelzenden Stammradien 
SRad und SRad 1 . k Weiter gediehene Verschmelzung der letzteren. Ba* 1 proximales 
Basalstdck. 1 Vollendeter Verschmclzungsprozcss beider Stammstrahlen zu einem ein- 
heitlichen Stamm- oder Mittelstrahl (SRad). 



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- 57 - 



Punkten noch ein ursprünglicheres Verhalten bewahrt, und beweist 
dadurch die oben gemachte Annahme, dass sie zeitlich später modi- 
ficirt wurde, als die vordere. 

Wie sind nun die Vorgänge zu denken, welche sich beim Ueber- 
gang von der uniserialen in die biseriale Flosse abgespielt haben? — 
Um diese Frage zu beantworten, muss ich den Weg der Hypothese 
beschreiten. 

Offenbar handelte es sich dabei um eine mit der Aenderung der 
ganzen Flossenform Hand in Hand gehende, und wahrscheinlich 
in Anpassung an dieselbe geschehende Umlagerung der primären 
Knorpelstrahlen, wie sie mir in der Bauchflosse von Xenacanthus 
(vergl. Textfigur 5, a) bereits angebahnt erscheint. 

Jene Umlagerung muss, wie mir die Selachier-, Xenacanthus- und 
Pleuracanthus-Bni8tflo8se zu beweisen scheint, von der Peripherie aus, 
d. h. von der Flossenspitze her, vor sich gegangen sein. Mit anderen 
Worten: ich betrachte die postaxiale Strahlenreihe als die phyletisch 
ältere, die präaxiale als die jüngere (Textfigur 9, a und b bei Rad 
und rad). Mit dem Fortschreiten des Uralagerungs- oder, wenn man 
will, des Drehungsprozesses muss es dann zu einer fächerartigen An- 
ordnung der Strahlen gekommen sein, wie eine solche heute noch der 
Holocephalen- und der Brustflosse von Amia und Polyptorus zu Grunde 
liegt, und wie sie in der Wurzel auch schon bei Rnorpelganoiden vor- 
gebildet erscheint (Textfigur 9, c, d, e, f und g). Während nun aber 
bei der Ganoiden-Brustflosse am Rande, und zwar nur am meta- 
pterygialen (Amia und Polypterus) eine Verschmelzung von Radien 
stattfand, unterblieb dieser marginale Assimilationsprozess bei den Vor- 
fahren der Dipnoßr, bei Xenacanthus, Pleuracanthus und ihren Ver- 
wandten. Hier gewannen die mittleren, central gelegenen Strahlen 
des Fächersystems, welche den Radien ff der Holocephalen- und 
Ganoidenflosse entsprechen (Textfigur 9, d, e, f, g) das Uebergewicht 
über die lateralen Strahlen, sie wuchsen weiter aus (Textfigur 9, h), 
begannen in der Fächermittelachse proximalwärts mit einander zu ver- 
schmelzen und wurden so zum Träger, gleichsam zum Colloctor der 
Seitenstrahlen 1 ). Kurz, es kam durch Zuschuss von beiden Seiten, 
sowohl von der ab origine 9 ) prävalirenden postaxialen, als von der 



*) Ich habe nichts dagegen, wenn man dieses centrale Strahlenbüschcl als 
mesopterygiale Zone der Flösse bezeichnen will, und insofern nähere ich mich 
in meiner Auffassung derjenigen von Huxley und Howes, welche, wie ich 
schon oben erwßhnt habe, den Stammstrahl der biscrialcn Flosse als Mesoptery- 
giutn bezeichnen. 

*) Das in der Textfigur 9, b dargestellte Stadium scheint mir durch die Text- 
figur 8, a eine gute Stütze zu erhalten. Das Verbindungsstück (Bas y ) der Hrust- 
floase von Xenacanthus mit dem Schultergürtel ist im Gegensatz zu Ceratodus 
sehr niedrig und breit; es tragt noch eineu gegliederten Seitenstrahl {Rad a) und 



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schwächeren präaxialen, zur Bildung eines Mittel- oder Stammstrahles, 
welcher sich, wie dies auch nach Analogie mit der Selachier- und 
Ganoidenflosse für die Scitenstrahlen anzunehmen ist, secundär unter 
dem Einfluss der Muskelwirkung mehr und mehr gliederte. Dass der 
Verschmelzungsprozess des in seiner Anlage doppelten Stamm- 
strahles in proximo-distaler Richtung erfolgte (Textfigur 9, b, 1, k, I), 
beweist der von II owes an der Ceratodus-B auch flösse (Textfigur 4, &) 
und der von Albrecht an der Protopterus - Extremität beobachtete 
Fall. In beiden Fällen handelte es sich offenbar um eine Entwicklungs- 
hemmung '). 

Ob ich mit diesen Gedanken Uber die Entstehung der biserialen 
Flosse das Richtige getroffen habe, müssen erabryologische Forschungen 
zeigen. 

Worauf es mir vor Allem ankam, war, meiner Ueberzeugung 
Ausdruck zu geben, dass wir es beim biserialen Archipterygium 
Gegenbaur's keineswegs mit einer primitiven, sondern mit einer 
auf grossen Umwegen zu Stande gekommenen Bildung zu schaffen 
haben, die verhaltnissmassig erst spät, nachdem die uniserialc Selachier- 
und Ganoidenflosse schon längst in der uns bekannten Form florirte, 
in die Erscheinung trat, und mit den Dipnoörn ihren Abschluss er- 
reichte. 

Eis dürfte nicht ohne Interesse sein, auf meine eigene, im Vor- 
stehenden geäusserte Ansicht über die Phylogenic der biserialen Flosse 
gleich diejenige von A. Fritsch folgen zu lassen. Es geschieht dies 
am besten durch eine Reproduction der von ihm S. 44 seines schönen 
Werkes gelieferten schematischen Darstellung (Textfigur 10, a^*k) 
und unter Anführung seiner eigenen erklärenden Worte. 

Aus dieser von Fritsch gemachten Aufstellung erhellt, dass sich 
derselbe im Prinzip der Thacher-Mi vart' sehen Theorie zuneigt, 
dass er aber, was die einzelnen phylogenetischen Etappen in der 
Flossenentwicklung anbelangt, einen und denselben Weg einschlägt, 
wie er bisher von Gegenbaur, Huxley und ihren Schülern ein- 



drei solche (Rad) legen sich dicht dahinter an das zweite Staipmglied, das ihnen 
offenbar »einen Ursprung verdankt , an. Alle fünf proximalen Stammglieder 
(Bas 1 — Z/o« 5 ) scheinen hier einzig und allein von den Seitenstrahlcn der postaxialen 
Reihe erzeugt zu sein. In diesem Hereich besteht also noch der uniserialc 
Flossentypus, wahrend vom sechsten Hasale bis zur Peripherie hinaus bereits die 
doppelte Strahlenreihc angehahnt erscheint. 

Die Xcnacanthus-Brustrlosse ist also, namentlich auch hinsichtlich der wenig 
scharfen I>ifferenzirung de« Basale 1 („Zwischenstück") hinter derjenigen des Cera- 
rodiiH in der Entwicklung noch weit zurück. 

') Ob nicht der gespaltene Strahl bei * in der Textfigur 9, e die Stelle 
andeutet, wo bei der biserialen Flosse der ursprünglich gespaltene axiale Mittel- 
strahl verläuft? - Vgl. auch die Entwicklung der Brustflossen vom Stör. 



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geschlagen wurde. Wie diese, so leitet auch er die Selachierflosse aus 
einer biserialen Urform ab, ohne jedoch den Versuch zu machen, 
diese selbst zu erklären. Während bei c der Liste noch die uniseriale 




Textfigur 10. Versuch einer schematischen Darstellung des Vorganges, mittelst 
dessen sich die paarigen Flossen der Dipnoer und Sei achter entwickelt haben. Nach 
A. F ritsch, a Hypothetische Urform der paarigen Flossen, an der das Basalstück 
noch aus getrennten, gleich starken Strahlen besteht b Atavistische Form der Bauch- 
Bosse eines alten Weibchens von Xenacanthus, wo am Basalstüeke noch die Zusammen- 
setzung aus Strahlen angedeutet ist, und wo sich an den Hinterraud des Basalstückes 
viele verschieden gestaltete Strahlen anlegen. C Bauchflosse eines jungen Weibchens 
von Pleuracanthns Oelbergensis, an der durch die Kerbung des Hinterrandes des Basal- 
stückes die Zusammensetzung an« Flossenstrahlen angedeutet ist. Der zweite Strahl 
wurde zum Hauptstrahl. d Normale Flosse von Ceratodus (biseriales Archipterygium), 
wo bloss der eine starke Flossenstrahl übrig blieb nnd auf beiden Rändern aller Glie- 
der Seitenstrahlen tragt e Brustflosse von Orthaeanthus, wo neben dem Hauptstrahlo 
sich noch ein Nebenstrahl erhalten hat Der Hauptstrahl tragt am dorsalen Rande 
an allen Gliedern Seitenstrahlen, am ventralen Rande erst vom achten Gliede an- 
gefangen, f Brustflosse von Fleuracanthus, wo die Seitcnstrahlcn am dorsalen Rande 
bloss bis zum dreizehnten Gliede des Hauptstrahles entwickelt sind, am ventralen nur 
vom achten bis zum dreizehnten. Homfäden fehlen und der lange Hauptstrahl ragt 
ans der Contour der Flosse heraus, g Brustflosse von Xenacanthus. Der Hauptstrahl • 
ist verkürzt und ragt nicht aus der Contour der Flosse hervor. Das zweite Glied 
entstand wahrscheinlich aus Verschmelzung mehrerer Nebenstrahlen, denn es trägt an 
seinem Hinterrande mehrere Nebenstrahlen. Hornfäden sind an allen Seitenstrahl cn 
entwickelt h Flosse eines recenten Haies, an der noch drei ventrale Soitenstrahlen 
entwickelt sind. Dorsalstrahlen fügen sich an die von dem einst vielgliederigen Haupt- 
strahl übrig gebliebenen Glieder (Pro-, Meso- und Metapterygium). I Flosse eines 
rennten Haies, an der schon keine ventralen Seitenstrahlen mehr vorkommen, k Bauch- 
floa«o des Störes, wo am Hinterrande des Basalstilekes Nebenstrahlen stehen. Am 
Ventralrande zeigt das Basalstück noch zwei Strahlen, ähnlich denen, aus welchen 

das ganze Basalstück entstanden sein mag. 



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Bauchflosse von Pleuracanthus figurirt, erscheint plötzlich, wie ein 
deus ex mach i na, die Ceratodusflosse in vollster Ausbildung, an diese 
schlies8en sich dann, und werden als bereits reducirte Formen aufge- 
faßt, die Flossen von Orthacanthus, Pleuracanthus und Xenacanthus. 
Darauf folgt endlich eine Selachierflosso, wo der biseriale Typus schon 
im Begriff" ist, ganz zu verschwinden, und dies ist bei der zweiten 
Haifisch- und der Störflosse, welche das Endglied der Serie bildet, 
bereits geschehen. Fritsch bewegt sich, wie eine Vergleichung der 
beiden Listen auf Textfigur 9 und 10 zeigt, in einer der meinigen 
diametral entgegengesetzten Richtung, und ich muss es dem Urtheil 
der Fachgenossen Uberlassen, zu entscheiden, welche die grössere 
Wahrscheinlichkeit für sich hat. Eines möchte ich dabei aber zu be- 
denken geben, nämlich das, dass bereits im Devon Selachier, Ganoiden 
und Dipnoör neben einander bestanden, und ferner möchte ich noch 
einmal an die sehr primitive selachoide Bauchflosse von Xenacanthus 
und Pleuracanthus mit ihrem Basale erinnern, an welch letzterem es 
noch nicht einmal zu einer Beckenabgliederung im Sinne der Ganoiden 
zu kommen scheint. Wie sich Fritsch mit diesen Thatsachen ab- 
findet, und wie weit er dann, wenn er dabei das stattliche Becken der 
recenten Dipnoer und die gleichmassig nach einem und demselben 
Grundplan entwickelten Bauch- und Brustflossen derselben in Betracht 
zieht, mit der Statuirung von Ruckbildungserscheinungen gehen will, 
weiss ich nicht — Offenbar liegt der Ursprung der noch nackthäutigen 
und nacktschädeligen ') Xenacanthiden geologisch ungeheuer weit zurück, 
und was ihre Extremitäten anbelangt, so handelt es sich dabei meiner 
Ueberzeugung nach nicht um Rückbildungen, sondern um Verhältnisse, 
welche zum Theil noch ungleich primitiver sind, als diejenigen der 
Selachier, und welche, wie ich später darthun werde, an Ursprünglich- 
keit nur noch von den Sturionen übertroffen werden. 

C. Ganoiden. 

1) Knorpelganoiden. 

Die Knorpelganoiden schliessen sich im Bau sowie in der Ent- 
wicklung ihrer Hintergliedmassen aufs Engste an gewisse Embryonal- 
stadien der Selachier an, und in dieser Hinsicht hätte ich ihre Schil- 
derung füglich direct an jene anreihen können. Wenn ich dies den- 
noch nicht gethan habe, so geschah es nur, weil mir daran lag, die 
oft ventilirte und brennende Frage nach den Beziehungen der Se- 
lachier zu den Dipnot'rn im Zusammenhang zu besprechen. 

Wie über diese, so existirt auch über die Ganoiden eine aus- 

') D.;r Schädel von Xenacanthus besitzt nach A. Fritsch noch keine Deck- 
knoehen. 



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gedehnte Literatur, allein, abgesehen von spärlichen embryologischen 
Notizen (87 , 90), bewegt sich dieselbe fast ausschliesslich auf ver- 
gleichend-anatomischem Gebiet. 

Dass Thacher (95, 96) zu seiner Theorie Uber das uniscriale 
Extremitätenskelet zum grossen Theil durch seine Studien an Knorpel- 
ganoiden gefuhrt worden ist, habe ich früher schon ausgeführt, so dass 
ich hierauf nicht mehr zurückzukommen brauche. 

Wenige Jahre nach dem Erscheinen der Thacher ' sehen Arbeit 
hat sich auch von Davidoff (19) mit Untersuchungen über die 
Bauchflosse der Ganoiden beschäftigt. Er kam dabei zu folgendem 
Resultat. 

„Die Vergleichung der vier untersuchten Ganoiden (Acipcnser 
sturio, ruthenus, Scaphirhynchus cataphractus und Polyodon folium) 
lässt eine Reihe von Formen wahrnehmen, welche mit den Be- 
funden bei Scaphirhynchus beginnt und in Polyodon 
den höchsten Grad der Differenzirung erreicht Diese 
besteht in einer von hinten nach vorne fortschreitenden Gliederung des 
hinteren Abschnittes der Platte P (d. h. des Beckens), während die 
Radien selbst, wie auch der mediale und dorsale Fortsatz (Pars iliaca, 
Thacher, Mivart, Wiedersheim) geringeren Veränderungen 
unterliegen. Diese Differenzirungen sind für die Hintergliedmasse der 
Knorpelganoiden charakteristisch und von den Befunden bei Haien und 
Chimaera so abweichend, dass wir beim ersten Blick in Zweifel sind, ob 
wir hier Uberhaupt alle, die Gliedmassen der Selachier constituiren- 
den Theile, also das Becken, ein Pro- und Metapterygium zu suchen 
haben, oder ob es bloss Theile des Skeletes der Haie sind, welche 
sich auf die Knorpelganoiden vererbten." 

Den Befund bei Scaphirhynchus, wo sich die medialen Enden der 
Baachflossen in der ventralen Mittellinie eine Strecke weit über ein- 
ander schieben und durch Bindegewebe mit einander verknüpft wer- 
den, erklärt von Davidoff in einem späteren Aufsatz für ein primi- 
tives Verhalten, während er das Auseinanderweichen der beiden 
Beckenhälften bei Acipenser sturio und ruthenus, sowie bei Polyodon 
durch die in der Medianlinie „mächtig sich entwickelnde Fettmasse" 
zu erklären sucht. 

Jener Auffassung von Davidoff 's bezüglich einer erst secun- 
där erfolgenden Abspaltung der Polyodon - Bauchflosse trat zuerst 
A. Bunge (9) entgegen und betonte die ursprüngliche Vielgliede- 
rigkeit desselben, allein erst E. von Rautenfeld (87) war es vor- 
behalten, die Irrwege, aufweichen sich von Davidoff bewegt hatte, 
klarzulegen. Er macht zunächst auf die grosse Variationsbreite 
bezüglich der Zahl der Radien und Basalsegmente aufmerksam, und 
kommt betreffs Acipenser sturio, ruthenus und maculosus 
zu folgendem Schluss: „Betrachten wir die ganze Reihe der geschil- 



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derten Verhältnisse, so finden wir alle Uebergänge von den Formen 
mit einer grösseren Zahl von Radien und Basalsegmenten (Acipenser 
ruthenus) au denjenigen mit acht und sieben Radien und mit weniger 
Basalsegmenten (Acipenser sturio und maculosus), die wohl nicht 
ander» als durch Reduetion aus den ersteren entstanden zu denken 
sind. Diese ganz auffallende Coincidenz der Verringerung der Radien- 
zahl mit einer Verringerung der Basalsegmente ist unerklärlich, wenn 
wir vom Da vi doff 'sehen Standpunkte ausgehen, während sie als 
nothwendige Folge erscheint, wenn wir uns mit Thacher die Basal- 
platte als durch Concrescenz ursprünglich getrennt angelegter Radien 
entstanden denken. Zu bemerken ist ferner das wechselnde Verhalten 
der Nervencanäle. Während bei einer Anzahl Flossen trotz sorgfäl- 
tiger Präparation sich keine solchen nachweisen Hessen, fand sich bei 
anderen ein Nervencanälchen und bei der rechten Bauchflosse des 
Exemplares F. waren sogar zwei solche vorhanden." 

Bezüglich der Verhältnisse bei Scaphirhynchus bemerkt von 
Rautenfeld, dass auch hier Uebergangsformen von den Flossen mit 
zahlreicheren Radien (Scaphirhynchus Kaufmanni und Fedschenkoi) 
zu denjenigen mit einer geringeren Radienzahl nachzuweisen seien 
(Scaphirhynchus cataphractus). 

Besonderes Interesse scheint mir ein von von Rauten feld an 
einem 70cm langen Exemplar von Scaphirhynchus cataphrac- 
tus gemachter Befund zu verdienen. Es zeigte sich nämlich hier 
der bei allen Knorpelganoiden medianwärts sich erstreckende Fortsatz 
des Basale nicht nur besonders weit und schlank ausgezogen, sondern 
erschien von der Hauptmasse des letzteren in Form einer rechteckigen 
Platte abgegliedert (Textfigur 11, d, BF) und gelenkig damit verbunden. 
Leider konnte die« nur auf der linken Seite constatirt werden, da die 
rechte Flosse bereits vorher davon entfernt worden war, so dass über 
diese bezüglich dieses Punktes nichts ausgesagt werden kann. 

von Rautenfeld spricht sich über diesen seinen Fund folgender- 
mas8en aus: „Nach Analogie mit der Deutung, welche Wieders- 
heim den von ihm beobachteten Knorpelstücken bei Polypterus gibt, 
würde der Knorpel ß Taf. I Fig. 7, der, wie aus der Beschreibung 
von Sc. cataphr. B hervorgeht, wohl paarig vorhanden gewesen ist, 
als Beckenrudiment zu betrachten sein. Sehr viel wahrscheinlicher 
scheint mir allerdings, im Hinblick auf den negativen Befund bei den 
übrigen Exemplaren von Scaphirhynchus, in diesem Fall eine seeun- 
däre Abgliederung vorzuliegen." Ich werde später zeigen, dass von 
Rauten feld mit seiner ersten Auffassung vollkommen Recht hatte. 

Polyodon folium betreffend, vermochte auch von Rau teu- 
fe ld hier die grosse Mannigfaltigkeit der Formen und der Unregel- 
mässigkeit der Verbindung von Radien und Basalsegmenten zu consta- 
tiren. Wenn sich nun deshalb, meint er, schwer solche Regeln auf- 



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stellen lassen, wie sie bei Acipenser und Scaphirhynchus Geltung 
haben, so sprechen, wie dies in der Figur 16G meines Lehrbuches (in 
Textfigur 11, b 1 reproducirt) zum stärksten Ausdruck kommt, doch 
auch hier eine Anzahl Thatsachen für eine Tendenz sowohl der Radien 



« B^ 





b' 




Textfignr 11. Hinter« Extremität vou 
K norpelganoiden, mit Hinweglassung 
der peripheren Partieen. Fig. b, C, d nach 
von Kautenfeld. O, b, V von Poly- 
odon folium. c von Acipenser rathenua. 
d von Scaphirhynchus cataphractua. Rad 
Radien, ff aecundare Radien, B<u l vor- 
derstes (proximales) Basale, von welchem 

sich in Figur b and d eine Deckenplatte BP abgegliedert hat, * proximal wärt« sich 
erstreckender Fortsatz von äm 1 , f von Gallert erfüllter Hohlraum in J?«* 1 , 2—7 die 
weiter nach hinten (distalwärta) liegenden Basal ia, i. Th. von Nervenlöchern For durch- 
bohrt, BAS Ilaaale commune mit "Processus muscularea Proemu, Pr Propterygium (?) 

(PraepubisV). 




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(Bad), wie der Basalsegmcntc (Bas 1 — Bas 1 ), durch Conerescenz ihre 
Anzahl zu vermindern (Textfigur 11, a, b, b 1 ). 

Wie bei Scaphirhynchus, so zeigt sich auch bei Polyodon 
f o 1 i u m der mediale Fortsatz des Basale mit der übrigen Masse des- 
selben gelenkig verbunden (Textfigur 11, b, BP), also abgegliedert 
Der dieses Gelenk unmittelbar berührende Abschnitt des Basale (•) 
ist verknöchert und von einer Oeffnung durchbohrt 1 ). Distalwarts 
hüngt diese verknöcherte Zone mit der übrigen Basalmasse continuir- 
lich zusammen. In letztere dringen von der Peripherie her zahlreiche 
Spalten herein, und zwar entsprechen dieselben genau den sich an- 
gliedernden sechs Radien, so dass mit Leichtigkeit auf die einstige 
Concrcscenz der Basalplatte aus sechs Einzclradien geschlossen werden 
kann. Aehnliche Gesichtspunkte ergeben sich für die weiter nach 
hinten liegenden Basalsegmente mit ihren zugehörigen Radien (Text- 
figur 11, a,b,b l ). 

Auch bei Polyodon erachtet von Rautcnfeld jenen medialen 
abgegliederten Fortaatz „nicht als Beckenrudiment, sondern als secun- 
düre Abgliederung". 

von Rauten feld nimmt also — und in dieser Hinsicht steht 
er ganz auf dem Thacher-Mivart-Balfour' sehen Boden — eine 
Concrcscenz von basalen Radienenden zu einer grösseren Platte an. 
Andrerseits aber weist er mit Recht darauf hin, wie eine Anzahl von 
Radien aus der Verbindung mit dem Basale metapterygii wieder her- 
austreten, und zwar geschieht dies von der distalen (hinteren) Seite 
her. Da man sicher die reichgegliederte, 18—14 Itadien besitzende 
Beckenflosse von Polyodon als den Ausgangspunkt dieses Reduc- 
tionsprozesses ansehen kann, so genügt eine Vcrgleichung der auf 
Taf. I der von Rauten feld 'schon Arbeit befindlichen Abbildungen, 
um dio Reduction durch die ganze Sturionenreihe hindurch bis zu 
Acipenser sturio und Scaphirhynchus , wo nur noch sieben Radien 
auftreten, ad oculos zu deraonstriren (vcrgl. auch Textfigur 11, a— d). 

Mit diesen Ausfuhrungen von Rauten feld 's, sowie mit dem 
von ihm zwischen der Bauchflosse von Mustelus vulgaris und der Stu- 
rioncn-Bauchflosse angestellten Vergleich bin ich vollkommen einver- 
standen, allein die Schlüsse, die ich daraus ziehe, laufen denjenigen 
von Rautenfeld 's geradezu entgegen. Er sagt S. 32 wörtlich 
Folgendes: „Durch die erwähnten Betrachtungen wurde ich zu der 

') Ich kann hier ergänzend hinzufugen, dasa jene Verknöchcrung * viel 
weiter greifen und daes sich dabei da9 Basale 1 (Tfrw 1 ) zu einem weit längeren 
Fortsatz ausziehen kann, als dies* in der Textfigur 11, a dargestellt ist. In dein 
Fall, den ich dabei im Auge habe, war aber au der betr. Stelle keine Oeffnung 
zu constatiren, und die Ossifieationszonc lag nur perichondral, im Innern eine 
Höhle freilassend. Ein weiterer Hohlraum befand sich peripher, bei t >« der 
Textfigur 11, a. 



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Ueberzeugung gedrängt, dass wir in dem Skelet der hinteren Extre- 
mitäten von Knorpelganoiden weder ein Homologon des Basale meta- 
pterygii, noch des Beckens der Selachier vor uns haben, sondern dass 
dieses Skelet nur den Radien und den durch Verschmelzung von 
Radien hervorgegangenen Thcilen des Gliedmassonskelets der Se- 
lachier homolog sei. Mit Sicherheit zu eruiren waren diese Verhält- 
nisse jedoch nur durch Untersuchungen über die Entwicklung des 
Flossenskeletes von Knorpelganoiden" etc. 

Ich muss gestehen, dass mir dieser Gedankengang von Rauten- 
feld 's sehr verwunderlich vorkommt, denn von allen früheren For- 
schern auf diesem Gebiete war er es, den seine mit grosser Genauig- 
keit und feinster Beobachtungsgabe durchgeführten Untersuchungen 
am ehesten auf den richtigen Weg hätten fuhren müssen. Wenn 
das nicht erreicht worden ist, so vermag ich den Grund davon nur 
darin zu sehen, dass er, sowie sein Lehrer Rosen berg, damals noch 
allzusehr von der G egen bau r 'sehen Lehre beeinflusst, und dadurch 
in der Objectivität des Urtheiles gehindert war. Als wesentlichste 
Entschuldigung mag der Umstand dienen, dass die wichtige Arbeit 
A. Dohrn's über die Entwicklung der Selachier-Flossen zu jener 
Zeit noch nicht vorlag. Allerdings hätten ihn die Bai four 'sehen 
Studien bereits auf den richtigen Weg leiten können, und zwar um 
so mehr, als sie durch das von Rautenfeld zur Verfügung ge- 
wesene embryonale Material in derselben Weise der Vervollständigung 
und Erweiterung fähig gewesen wären , wie dies später seitens 
A. Dohrn's thatsächlich der Fall gewesen ist. 

von Raute nfeld eröffnet seinen Bericht über die an 14 mm 
langen Embryonen von Acipenser ruthenus gewonnenen Resultate 
mit folgenden Worten: „Von einem Basale metapterygii ist in dein 
Skelet der Flosse keine Spur vorhanden, und ebensowenig finden sieh 
etwa Andeutungen an ein Becken. Es liegen vielmehr einfache Knorpel- 
stäbe neben einander, doch sind dieselben durch Zwischenräume von 
einander getrennt, die fast der Breite der Stäbe selbst gleichkommen. 
Solcher in der Bildung begriffener Knorpelstäbe finden sich sowohl in 
der rechten, wie in der linken Flosse je sieben. Das Gewebe derselben 
ist so weit differenzirt, dass man dasselbe mit Sicherheit als Knorpel zu 
erkennen vermag. Die Knorpelstäbe sind völlig von einander getrennt, 
und zwar in ihrer ganzen Ausdehnung, sowohl am proximalen, wie am 
distalen Ende." 

von Rauten feld fährt dann weiter aus, dass im Laufe der 
weiteren Entwicklung die proximalen Enden aller Knorpelstäbe mehr 
und mehr zusammenrücken, und dass es dann zu Verwachsungen 
einiger derselben, und zwar zunächst der vordersten, kommt. Da- 
durch entsteht dasjenige Gebilde, welches von Rautenfeld als 
„Basalplatte" (mein Basale 1 auf Textfigur 11) bezeichnet, und 

Wiedersheim, <»liedm»**enskelet der Wfrbelthiere. Text. 5 



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durch quere Gliederung tritt letztere, sowie die Summe der ba- 
nalen Enden weiter rückwärts liegender Knorpelstäbe („Basalsegmente*) 
(mein Basale 2 — 7 auf Textfigur 11) in einen gewissen Gegensatz zu 
den peripheren Abschnitten der Knorpelstäbe, welche als freibleibende 
Radien zu bezeichnen sind. „Da hierin aber kein principieller Unter- 
schied liegt, so müssen wir den Begriff der Radien weiter fassen und 
auf die ganzen Knorpelstäbe ausdehnen. Die Verschmelzung, durch 
welche die Basalplatte entsteht, braucht jedoch nicht gerade immer die 
proximalen Enden der, wie wir jetzt wohl sagen können, Radien zu- 
erst oder ausschliesslich zu ergreifen. Interessant ist es, dass schon 
Verwachsungen unter den Radien beginnen, während sich noch neue 
Radien anlegen. Die Quergliederungen und die Bildung von Nerven- 
canälen müssen wir wohl als secundäre Vorgänge betrachten. Durch 
den letzteren Umstand wird vielleicht auch die Unregelmässigkeit der 
Nervencanäle bei Knorpelganoiden erklärt 

Mit diesem Satz kann ich mich nicht einverstanden erklären, denn 
es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, dass die Nervencanäle 
primären Ursprungs sind, d. h. dass sie schon in einer sehr frühen 
Embryonalperiode in dem spater verknorpelnden Blastem ausgespart 
werden; auch mögen sie z. Tn. den Interstitien zwischen den primitiven 
Knorpel strahlen entsprechen. Kurz, es ergeben sich dafür ganz die- 
selben Gesichtspunkte, wie ich sie bei der polymeren Anlage des Se- 
lachier-Beckens geltend gemacht habe. — Jedenfalls wird dadurch auch 
die früher schon erwähnte Behauptung von Davidoff 's, dass 
Nervenlöcher nur im Becken, nie aber im Metapterygium oder über- 
haupt im Bereich der freien Extremität vorkommen können, widerlegt. 

von Rautenfeld fährt dann weiter fort: „Auf Grundlage des 
Gesagten können wir, wenn wir das Extrcmitätenskelet der Knorpel- 
ganoiden aus demjenigen der Selachier herleiten, in der durch Ver- 
schmelzung von basalen Radienenden hervorgegangenen Platte (bisher 
von mir Basalplatte genannt) ein Basale propterygii erkennen, 
das zusammen mit den ihm anhängenden Radien dem Proptery- 
g i u m der Selachier homolog wäre. Die bisher als Basalsegmentc be- 
zeichneten Skelettheile können wir nur als basale Radienabsehnitte 
bezeichnen, welche durch Quergliederung der ursprünglich einheitlichen 
Radien enstanden sind; dieselben zeigen gleichfalls eine starke Ten- 
denz, mit einander zu grösseren Knorpelplatten zu verschmelzen.' 4 

Nachdem dann von Rauten feld am Schlüsse seiner Arbeit auf 
die Schwierigkeiten hingewiesen hat, welche durch seine Untersuchungs- 
resultate für die Gegen bau r 'sehe Kiemenbogentheorie entstehen, 
wird man nicht wenig überrascht, von ihm zu hören, dass dieselben 
ebensowenig fürdieThacher-Mivart-Balfour' sehe Hypothese ver- 
werthbar seien. Den Grund davon erblickt er darin, dass sich seiner 
Meinung nach in dem Gliedmassenskelet der Knorpelganoiden 
weder ein Becken, noch ein Basale metapterygy ii nach- 



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weisen lasse. Er sagt: „Es ist das Gliedmassenskelet der Knorpel- 
ganoiden eine reducirte Form, und indem Thacher und Mivart 
iur die Entscheidung der Frage nach der Urform des Gliedmassen- 
skelctes die Verhältnisse derselben zu verwerthen suchten, benutzten 
aie ein Material, das für die Entscheidung dieser Frage nicht mass- 
gebend sein kann." 

So schliesst die an und für sich sehr anerkennenswerthe , und 
einen grossen Fortschritt unseres Wissens bedeutende Arbeit von 
Rautenfeld 's mit einem Misston, der in einem späteren Aufsatz 
von Davidoff's (19) wiederklingt, und nach Kräften zu Gunsten 
seiner eigenen Auffassung verwerthet wird, von Davidoff scheint 
allerdings insofern seine frühere Meinung geändert zu haben , als 
er den in der Bauchflosse von Polyodon herrschenden Organisations- 
plan nun ebenfalls als den „primitiveren" betrachtet, im Uebrigen 
aber spricht er seine Uebereinstimmung mit von Raute nfeld's 
.Schlussfolgerungen aus. Kurz, er ergreift offenbar mit Freude die 
Gelegenheit, Uber die sicher erwiesene polymere Entstehung der 
»Sturionen-Bauchflosse, als Uber einen an einem rudimentären 
r Uckgebildeten Object gemachten, und deshalb nicht massgeben- 
den Befund hinwegzugehen. 

Wie leicht ersichtlich, waren es für die beiden genannten Autoren 
dieselben Punkte, an denen sie Schiffbruch litten. Erstens war für 
sie das Metapterygium der Selachier der „rocher du bronze", der für 
sie als solides, ab origine einheitliches Skeletelement ein fUr allemal 
feststand, und der als ein von den Selachiern her datirendes Erbstück 
auch bei den Ganoiden nachzuweisen war. Zweitens scheinen sie von 
der Entstehung des Selachier-Beckens , obgleich die betreffende Ab- 
handlung Balfour'a (6) bereits am 7. Juni 1881 erschienen war, 
keine Kenntniss gehabt zu haben. 

Bevor ich nun mein eigenes Urtheil Uber die Bauchflosse der 
Knorpelganoiden abgebe, theile ich noch meine Befunde Uber die Ent- 
wicklung desselben bei Acipenser sturio mit. Zugleich ergreife 
ich gerne die Gelegenheit, meinem verehrten Collegen, Professor 
von Kupffer, meinen aufrichtigen Dank für das mir gütigst Uber- 
lassene Untersuchungsmaterial abzustatten. 

Die erste Anlage der hinteren Extremität, welche völlig der- 
jenigen der Selachier (Fig. 5) und Urodelen (Fig. 34) gleicht, 
macht sich bei 8 mm langen Embryonen bemerklich. Die Epidermis 
verdickt sich an der betreffenden Stelle und baucht sich seitlich aus, 
was man über 83 Schnitte hinweg constatiren kann, ohne dass jedoch 
eine mit der vorderen Extremität zusammenhängende Epidermisleiste 
besteht (Textfigur 12, A bei Ep). Im Innern liegt grosszelliges Meso- 
blastgewebe (f), welches dicht an das Ciilom- Epithel grenzt. Nach 
oben davon sind die Myotome (Jf, M). an welchen man eine breite 

5* 



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- 08 - 



Innen- und eine schmälere Aussenschicht unterscheiden kann, in leb- 
hafter AbschnUrung begriffen, und die Muskelknospen (MK) stossen 
mit dem eben genannten Mesoblastgewebe zusammen, ohne jedoch 




Textfigur 12. A und B Querschnitte durch einen 8 und 10 mm langen Embryo von 
A ci pen »er st ur io. C Flfichenschnitt durch einen solchen von 11 mm. D und E von 
15 — 16 mm. I) liegt dorsal und hat die freie Howe nicht erreicht, dagegen ist dies 
bei dem weiter ventral durchgehenden Schnitt E der Fall. Der Pfeil weist in der 
Richtung des« Kopfes. F 1 , F*, F* drei Querschnitte durch die ßauchflosse der rechten 
Seite. Die Schnitte folgen in caudaler Richtung aufeinander. Ueber die weitere Figuren- 
Erklärung vgl. den Text. 



histologisch noch scharf differenzirt zu sein. Der Darm (D) füllt das 
Cftlom (Co) beinahe aus; ventral« an a liegt die grosse Subintestinal- 
vene ( V), dorsalwärts erscheinen die Vornierengänge ( VNG) und dar- 



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— 69 - 



Uber die Aorta (Ao). In der ventralen Mittellinie besteht noch der in 
Fig. 94 von der Seite dargestellte un paare Flossensaum (2*7), welcher 
auch in Textfigur 12, B sichtbar ist. In diesem Stadium erreicht 
der Embryo eine Länge von ca. 10 mm. Die Bauchflossen bilden 
schon einen weit vom Rumpfe abstehenden, Uber 51 Schnitte hinweg 
sich erstreckenden, lappigen, an der Peripherie allmählich sich zu- 
schärfenden Anhang. Auch hier hat sich die zweite Schicht der Epi- 
dermiszellen stark erhoben, während in der obersten Schicht (bei ») 
dieselben grossblasigen Elemente, wie in A angetroffen werden. Letz- 
tere dauern auch in den späteren Stadien noch an. Das Mesoblast- 
gewebe hat sich zum grossen Theil in die freie Extremität hinein- 
gezogen und nimmt hier, in epithelartiger Anordnung (B bei f) eine 
periphere Lage ein (Vorstufe des Muskelgewebes der Flosse). An der 
Basis verdickt es sich, ganz ähnlich, wie ich dies auf Fig. 22 und 
23 von Thymallus und Esox abgebildet habe, und erstreckt sich 
auch ventralwärts zwischen das Cölomepithcl und die äussere Haut 
hinein. Die Abschnttrung der Muskelknospen (MK) dauert fort. 
Von Nerven und Knorpelsubstanz ist zu dieser Zeit noch nichts wahr- 
zunehmen. Die übrigen Bezeichnungen entsprechen denjenigen in A. 
Der Darm ist — und dies gilt auch noch für die späteren Stadien 
(Textfigur 12, C) — von einer tiefschwarzen Masse erfüllt. 

Die seitliche Ausbauchung des Rumpfes steigert sich nun immer 
mehr, und die Flossen, welche mit ihrem Sockelstück nach vorne, 
gegen den Kopf zu gerichtet sind (vergl. den Pfeil in Textfigur 12 
B, £, welcher diese Richtung andeutet), wachsen immer weiter aus. 

Die Textfiguren 12 C, B, £ stellen Flächenschnitte dar. In der 
ersteren ging der Schnitt gerade durch die ventralen Enden der 
Muskelknospen , deren man bei MK 7—8 zählen kann. Zwischen 
ihnen und dem Darm (2)), neben welchem nur noch caudalwärts, in 
der Nähe der bereits vereinigten Vornierengänge ( VNG) ein Rest des 
Cöloms (Co) sichtbar ist, liegt rundzeitiges, dichtes Mesoblastgewebe (f). 
Diese Figur, wie auch die vorhergehende und die beiden folgenden sind 
nur auf einer Seite ganz ausgeführt, auf der anderen in den all- 
gemeinsten Grundrissen skizzirt. 

Während der weiteren Entwicklung ziehen sich die Muskel- 
knospen immer tiefer in das Basalstuck der freien Flosse hinein und 
differenziren sich jetzt rasch. Dies ist bei Embryonen von 15 — 16 mm 
vollkommen erreicht, und zugleich kann man nun sieben deutliche se- 
rial liegende Stäbchen (Radien) unterscheiden, welche in der freien 
Flosse bereits aus Hyalinknorpel bestehen (Textfigur 12, E, bei Sib), 
und seitlich von Muskeln (JiPyM 2 ) flankirt sind. Die hyaline Zwischen- 
substanz ist noch nicht stark entwickelt, und die Zellen zeigen eine 
concentrische Anordnung. Bei D erscheint der Darm, und caudalwärts 
ist eben noch der Anfang der vereinigten Vornierengänge ( VNG) sichtbar. 



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- 70 - 



In einem Flächenschnitt, welcher höher dorsalwärt« liegt (Text- 
figur 12, D) ist die Knorpelstructur der Kadien noch nicht so deut- 
lich ausgesprochen, so dass also auch bei Sturionen, wie bei Selachiem. 
der Verknorpelungsprozess in der freien Extremität einsetzt, um von 
hier aus proximal-, und später auch distalwärts fortzuschreiten. In 
Textfigur 12, D sieht man bei Co das Cölom, und zu beiden Seiten 
der verknorpelnden Radien gut entwickeltes, fächerartig angeordnetes 
Muskelgewebe (M l ,M l ); bei Pg erscheint reichliches Pigment. Geht 
man mit den Flflchenschnitten noch weiter dorsalwärts, so fliessen alle 
Flossenstälichen in ein noch undiffercnzirtes, dichtzelliges Blastem zu- 
sammen, und dasselbe gilt für Flächenschnittc, welche mehr ventral die 
periphere Flossenpartie erreichen. 

Dreizehn Tage später hat der Embryo eine Länge von 19 — 22 mm 
erreicht Einstweilen haben sich die primitiven Radien immer schärfer 
herausgebildet, und die vordersten sind bereits zu dem proximalen, 
auf Fig. 11 mit Bas 1 bezeichneten Stück zusammengeflossen; distal- 
wärts dagegen bleiben sie getrennt und beginnen sich an der Peri- 
pherie abzugliedern. Diesen Vorgang erläutert die Textiigur 12, 
F 1 , F a , F a , welche drei Querschnitte darstellt, die in caudaler Rich- 
tung auf einander folgen. 

Ich fasse nun im Folgenden meine Ansicht über die Hinterextre^ 
mität der Knorpelganoiden kurz zusammen. 

Die Embryonalanlage stimmt mit derjenigen der Selachter-Buuch- 
flösse principiell Uberein. Hier wie dort handelt es sich um eine 
Serie anfänglich völlig von einander getrennter Knorpelstäbchen, 
welche mit ihren medialen Enden mit einander theilweise verwachsen. 
Dieser Verwachsungsprozess beginnt vorne, am proximalen Ende der 
Stäbchenreihe, und sehreitet von hier au« bei den verschiedenen Stu- 
rionen verschieden weit, und unter starken individuellen Schwankun- 
gen *) distalwärts fort In der Regel ist jene Concurrenz bei P o ly od o n 
folium die beschränkteste, doch kann sie in seltenen Fällen eine 
so vollständige werden, wie dies bis jetzt bei keinem anderen Knorpel- 
ganoiden beobachtet wurde. Dies ist aber, wie bemerkt, als eine Aus- 
nahme zu betrachten. Während sich bei Polyodon noch 13 — 14 Einzel- 
radien entwickeln, legen sich bei Acipenser nur noch neun und bei 
Scaphirhynchus acht an, was auf ein secundäres Ausscheiden von 
Radien von der hinteren (distalen) Seite her schliessen lä&st 

Der Verwachsungsprozcss macht sieh bei allen Knorpelganoiden 
proximalwärts in der Serie stets am stärksten bemerklich. Hier fliessen bei 
Polyodon in der Regel 3—8, bei Sturio 3, bei Scaphirhynchus 4 Radien 
zu einer breiten Platte zusammen, welche ich als vorderstes Ba- 
sale (Basale 1 auf der Textfigur 11) bezeichne. In demselben er- 



) Auch unter Schwankungen der rechten und linken Seite. 



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— 71 — 



blicke ich das Propterygium , sowie den vordersten Abschnitt des 
Metapterygiums der Selachicr. Ersteres, welches sich, wie ich ge- 
zeigt habe, bei Selachier-Embryonen erst secundär vom Metapterygium 
abgliedert, bleibt hier für immer mit letzterem verbunden und ist viel- 
leicht durch den auf Textfigur 11 mit Pr bezeichneten Fortsatz am 
vorderen mctapterygialcn Rand angedeutet. Oder sollte darin schon 
ein „Praepubis" vorgebildet sein? — Kurz, es handelt sich bei 
jener Knorpelplatte gleichsam noch um einen indifferenten, basipterygialcn 
Mutterboden, in welchem in der Regel auch noch das Becken latent 
bleibt (Textfigur 11, a, b 1 , C bei •). In manchen Fällen aber gliedert 
sich dasselbe mehr oder weniger vollkommen ab (Textfigur 11, b, d 
bei BP), verbindet sich in Form einer primitiven Symphyse und unter 
mehr oder weniger vollkommener Verknöcherung resp. Verkalkung 
mit seinem Gegenstück. 

Dass diese meine Ansicht bezüglich einer wirklichen Becken- 
anlage bei Knorpelganoiden richtig ist, kann nach dem, was ich Uber 
die Beckenentstehung bei Selachiern zu beobachten Gelegenheit hatte, 
nicht dem geringsten Zweifel unterliegen; handelt es sich doch hier 
wie dort um eine Abgliederung des aus Radien hervorgegangenen 
proximalen Theiles des Stammstrahles. Gleichwohl ist eine directe 
Vergleichung mit dem Selachierbecken nicht zulässig, die Anknüpfungs- 
punkte liegen vielmehr bei den Dipnoörn. Bei diesen habe ich be- 
kanntlich darauf hingewiesen, dass ihre fast ganz auf die ventrale 
Mittellinie concentrirte Beckenplatte nur der medialen Partie des 
Selachierbeckens gleichzusetzen sei, und dass die lateralen Abschnitte 
des letzteren durch das erste Basalglied („Zwischenstück") der Stamm- 
reihe der Flosse repräsentirt sei. Ganz ebenso verhält es sich mit den 
Knorpelganoiden, nur dass sich hier die Beckenanlage als eine noch 
primitivere, ja als die allerprimitivste unter allen VVirbel- 
thieren, herausstellt 1 ). Dass man darin keine Nervenlöcher zu 
erwarten hat, brauche ich nach dem bei den Dipnoern über diesen 



') Es ist wohl kaum nöthig, hinzuzufügen, dass ich die Beckenplatte der 
Starionen ebenso wie diejenige der Dipnoer der medialen Partie eine« Ilio- 
pubis im Sinne der höheren Vertebraten gleichsetze. — Von einem Ilium resp. 
einem Processus iliacus ist keine Rede, was ich deshalb ausdrücklich betonen 
will, weil ich früher (104) die auf Textfigur 11, b' mit Proemu bezeichneten 
accessorischen Muskel-Fortsatze als ein „in metamerem Sinn gegliedertes Ilium" 
nach dem Vorgang von Thacher, Mivart und Balfour au ff aaste. Wie der 
letztgenannte Autor, so verwechselte auch ich damals das ganze proximale Basal- 
glied mit einem Becken, wahrend mir das eigentliche Becken noch unbekannt 
war. Im Uebrigen konnte ich mit mir darüber nicht in's Reine kommen, ob ich 
in der Bauchflosse der Ganoiden „sehr rückgebildete oder vielleicht sehr primitive 
Verhältnisse" zu erblicken habe. Im Jahr 1888 (105) war ich, wie man aus 
S. 109—110 ersehen kann, einer richtigen Beurthcilung schon etwas näher ge- 
kommen, allein zur vollen Klarheit noch nicht durchgedrungen. 



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Punkt Mitgetheilten nicht mehr zu begründen, andrerseits aber wird man 
es nur natürlich finden, dass dieselben lateralwärts davon in dem breiten 
Basale 1 wirklich auftreten. Hier müssten sie auch bei den Dipnoern 
liegen, falls das „Zwischenglied" mehr in die Breite entwickelt wäre, 
da es aber schlank und schmal ist, gehen sie daneben bezw. hinten 
vorbei. 

Was die distal von Basale 1 liegenden, und von von Rautenfeld 
als „Basalsegmente* bezeichneten medialen Abschnitte der Knorpel- 
strahlen anbelangt, so bewahren sie bei Sturio und Scaphirhynchus 
insofern ein einfacheres Verhalten, als sie hier voneinander getrennt 
bleiben (Textfigur 11, c, d, 2 — 7). Bei Polyodon dagegen zeigen sie 
die allerverschiedensten Formzustände und Verwachsungsgrade (Text- 
tigur 11, a, b, 2 — 7), und bahnen so ganz allmählich ein Verhalten 
an, wie es in Textfigur 11, b 1 zum Au »druck kommt. 

Jene ganze Reihe der Basalia, auf die ich bereits (Textfigur 6, 7, 
SRad und Bas 1 ) auch schon bei der ungleich reicher gegliederten 
Xenacanthus- und Pleuracanthus - Bauehflosse aufmerksam gemacht 
habe, betrachte ich, zusammen mit Basale 1 als einen polymeren, 
metapterygialen Stammstrahl, der bei Polyodon auf dem besten Wege 
ist, zu einem einheitlichen Gebilde (Basale commune) zu verwachsen '). 

So zeigt sich in der Bauchflosse dieses Ganoiden eine gewisse 
Annäherung an diejenige von Chlamydoselache und Heptanchus (Tafel 
II, Fig. 15, 13). 

Alles in Allem genommen steht also die Bauch flösse 
der Knorpelganoiden genetisch auf einer niedrigeren 
Entwicklungsstufe als diejenige der Selachier, und 
auch später beruht der Unterschied nur auf der geringeren 
Zahl der in sie eingehenden Knorpelradien. Aus diesem 
Grunde ist der Weg, den von Davidoff und von Rautenfeld 
bei ihren Untersuchungen eingeschlagen haben, ein durchaus ver- 
fehlter. 

Schon ihre Fragestellung 2 ): wo verbleibt das Basale der Selachier, 
was ist bei den Ganoiden daraus geworden, musste sie auf eine falsche 
Fährte bringen. Entwicklungsgeschichtliche Studien an Selachicrn 
htttten sie auf die richtige Spur leiten und hätten ihnen zeigen müssen, 
dass die Sturionenbauchflosse auf einer Stufe stehen bleibt, welche die 
Selachier bereits ontogenetisch durchlaufen. Von einer directen Ablei- 
tung von der Sclachierbauchflosse kann also keine Rede sein. Allerdings 



») Auch D'Arcy Thompson int ganz unabhängig von mir zu derselben 
Auffassung gelangt (97). 

*) Wenn auch jene Autoren diese Frage nicht wörtlich so formuliren, so 
kann sie doch jeder, zumal aus dorn Gang der von Davidoff 'sehen Arbeit 
herauslesen. 



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müssen beide in der Urzeit — dafür legt die Ontogenie deutliches 
Zeugni8s ab — aus einer gemeinsamen Stammform, aus welcher auch 
die Xenacanthiden und Pleuracanthi den hervorgingen, ent- 
sprungen sein, später aber schlugen alle drei Qruppen eine divergente 
Richtung ein. 

Nach den Berichten von A. Fritsch (28) waren bei Xenacanthus 
und Pleuracanthus am proximalen Ende der Bauchflossen jene starken 
Basalia auch schon vorhanden (Textfigur 6, 7, Basl), eine weitere, 
am medialen Ende zu erwartende Abgliederung hatte aber, wie schon 
oben erwähnt, offenbar noch nicht stattgefunden, d. h. ein Becken 
war noch nicht dif ferenzirt Wenn man diese Thatsache mit 
dem grösseren (bis zu 20 und vielleicht mehr Stücken) Radienreich- 
thum zusammenhält, so ist der Qedanke gewiss erlaubt, dass die 
Bauchflosse von Xenacanthus und Pleuracanthus überhaupt 
unter allen bis jetzt bekannton fossilen und rccenten Vertebraten die 
primitivsten Verhältnisse besessen haben muss. 

2) Knoohenganolden. 

Die hinteren Glied massen der Ganoidei holostei haben zum ersten- 
mal von von Davidoff (19) eine eingehendere Schilderung erfahren. 
In seiner ersten Mittheilung spricht er Amia und Lepidosteus ein 
Becken ganz ab und erklärt dasjenige Skeletstück, welches von früheren 
Autoren als „Beckenknochen" bezeichnet worden war, für ein Basale 
metapterygii. Polypterus dagegen soll ein eigentliches Becken be- • 
sitzen, das aus einem „sehr dünnen, platten Knorpelstückchen, welches 
in der Mittellinie eine deutliche Trennung in zwei Hälften aufweist" 
gebildet werde, von David off fügt noch hinzu: „von Wichtigkeit 
ist der Umstand, dass die beiden „Beckenknochen" (d. h. die Basalia 
metapterygii) mit dem eben erwähnten Knorpelstückchen etwas beweg- 
lich verbunden sind, welche Thatsache letzteres nicht ohne Weiteres 
als eine einfache Epiphyse zu beurtheilen erlaubt. Das Hinterende 
des „ Beckenknochens tt stellt bei Amia und Lepidosteus einen 
Gelenkkopf dar, während dasselbe bei Polypterus mächtig ver- 
breitert erscheint und an seinem medialen hinteren Winkel einen 
medianwärts ragenden stumpfen Fortsatz besitzt" 

In einem zweiten, dasselbe Thema behandelnden, und von Ab- 
bildungen begleiteten Aufsatz (19) von Davidoff 's werden diese 
Angaben nicht nur bestätigt, sondern auch, wie folgt, weiter ausge- 
führt. „Erwägt man den Umstand, dass die Knorpelstücke von Poly- 
pterus (welche von Davidoff als „Becken" auffasst) weder als Ansatz 
noch als Ursprungsstätte etwaiger Muskeln dienen, und für das Zu- 
sammenhalten der beiderseitigen Gliedmassen nur von minimaler Be- 
deutung sein können, so ist ihr Schwinden, eben durch den Nicht- 



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gebrauch, bei Amia und Lepidosteus erklärlich. Wir haben allen 
Grund anzunehmen, dass diese Stücke selbst bei Polypterus früher 
mächtiger, als wir sie antrafen, entwickelt waren. Den Anlas« hierzu 
gibt das sporadische Vorkommen eines dritten unpaaren Stückes und 
überhaupt ihre variirende Form und Grösse. Das allmähliche Rudi- 
mentärwerden dieser Knorpelstücke musste nothwendig eine Annäherung 
der beiderseitigen Beckenknochen (wie sie bei Amia und Lepidoateus 
zu beobachten ist) nach sich ziehen. Sie hängen dann durch keine 
Skelettheile mehr zusammen, ihre gegenseitige Fixirung leistete das 
Bindegewebe." von Davidoff wirft die naheliegende Frage auf, wie 
es denn komme, dass das Becken von Polypterus bei dem einen 
Exemplare durch drei, bei dem andern hingegen nur durch zwei 
KnorpelstUcke repräsentirt sei. Seine Antwort lautet folgendermassen : 
„So schwierig diese Frage zu beantworten ist, so glaube ich doch, 
dass es nur die beiden paarigen Knorpel sind, welche mit dem Becken 
homologisirt werden können. Erinnert man sich daran, dass bei den 
Haien das Becken ursprünglich aus zwei Hälften bestanden haben 
muss und dass die Verschmelzung zu einem einzigen Stücke erst ein 
secundärer Vorgang ist, dass ferner bei den Knorpelganoiden die 
beiden Hälften sogar weit auseinander gerückt sind, so werden wir 
ohne Zweifel dem unpaaren Knorpelstück weniger Wichtigkeit bei- 
legen, sondern den paarigen in der Mitte getrennten Stücken den Vor- 
zug geben. Das unpaare halte ich für eine einfache Abgliederung 
der rechten Beckenhälfte, wie solche ja so häufig bei rudimentär 
werdenden Knorpelstücken der Haie und Sturionen vorkommen, z. B. 
am Schultergürtel von Acanthias und an dem Ilium des Acipenser 
ruthenus." 

Zu diesen Ausführungen von Davidoff 's bemerke ich Folgen- 
des: Schon im Jahr 1881 habe ich (103) gezeigt, dass bei Polypterus 1 ) 
allerdings ein wirkliches Becken existire, dass aber die von von 
David off als solches aufgefassten Skeletelemente nicht demselben 
entsprechen, sondern als die Knorpelapophysen der proximalen Basalia, 
wie sie in ähnlicher, allerdings in schwächerer Form, auch Amia 
Lepidosteus und vielen Telcostiem zukommen, zu deuten seien (Text- 
figur 13. a— f bei Ap.) 

Jene Knorpelapophysen sind keineswegs, wie dies von Davidoff 
behauptet, mit den Basalia „etwas beweglich", sondern, wie dies auch 
Flächenschnitte beweisen, recht fest verbunden, kurz, sie sind eben — 



') Damals, wo mir die Verhältnisse der Knorpelganoiden noch nicht genau 
bekannt waren, sprach ich Polypterus überhaupt allein unter allen Oanoiden und 
Tcleostiern ein wirkliches Becken zu. Dabei betonte ich mit Recht, dass jener 
Skelettheil der Knorpelganoiden, den von Davidoff als „Becken" bezeichnete, 
einem Basale metapterygii entspreche. 



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und solches gilt auch für die am distalen Ende vorkommenden Knorpel- 
partieen — die nicht verknöcherten Theile der ursprünglich ganz knorpe- 
ligen Basalia. Dasselbe gilt für die entsprechenden Abschnitte am Ba- 
sale (Textfigur 1 3, f Ap.) von Amia und Lepidosteus, wo sie auch von 
von Davidoff ganz richtig abgebildet werden, ohne jedoch trotz 
ihrer Uebereinstimmung mit Polypterus als Becken aufgefasst zu wer- 




Textfigur 13, a-e. Proximaler Abschnitt der Bauchnosse von Poly pteru«. f. Der- 
selbe von Amia calva. a von einem 27 cm langten Exemplar, b und c von einem 
25 cm langen Exemplar , d von einem 18 cm langen Exemplar, e von einem 28 cm 
langen Exemplar. Am 1 Banale, Ap proximale Apophyse des Basale, BP bcckenplatte 
in verschiedenen Graden ihrer Differerusirung, Rad Radien, f Beckenplatte in der 

Differensirung begriffen, t'ep EpipubU. 

den. Der Grund davon ist um so weniger einzusehen, als ganz dieselben 
Skeletabschnitte beim Hecht und der Forelle wieder als Becken an- 
erkannt werden. 

Das wirkliche Becken wird, wie ich heute mit noch jviel 
grösserer Sicherheit als vor zehn Jahren behaupten kann, durch den 
von von Davidoff bei Polypterus zwischen jenen Apophysen des 



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Basale aufgefundenen „un paaren Knorpel" repräsentirt Demselben 
ist also keineswegs „weniger Wichtigkeit beizulegen" als den paarigen 
Knorpeln, und er darf nicht für eine „einfache" Altgliederung der 
rechten Beckenhälfte angesehen werden, sondern es ist die eine und 
zwar die rechte Hälfte des Beckens selbst, während die linke in 
dein betreffenden Präparate nicht vorhanden gewesen zu sein scheint 

Ich hatte im Laufe der letzten Jahre häufig Gelegenheit, die 
hintere Extremität von Polypterus, gerade mit Rücksicht auf den 
Beckengürtel, zu untersuchen, und ich fand dabei meine oben erwähnte 
Mittheilung stets bestätigt Wenn ich aber bezüglich der phylogene- 
tischen Deutung des Polypterusbeckens einen anderen Standpunkt 
einnehme, als im Jahr 1881, so beruht dies auf den embryologischen 
und vergleichend-anatomischen Studien, die ich Uber das Selachier-, 
Ganoiden- und Teleostierbecken einstweilen anzustellen Gelegenheit 
hatte. Leider standen mir keine Embryonen von Polypterus zu 
Gebot, sondern nur verschiedene Altersstadien des ausgebildeten Thieres. 
Im Ganzen habe ich elf Exemplare untersucht. Bei sieben derselben 
fand ich zwischen den vorderen Knorpelapophysen der zwei Basalia 
einen paarigen Knorpel; bei dreien war er unpaar, bei einem fehlte 
er ganz. In jenem Fall, wo es sich um einen unpaaren Knorpel handelte, 
war die Apophyse der andern Seite lang ausgezogen und 
an ihrer Aussenseite mehr oder weniger tief eingeschnürt, 
als sollte es hier zur Abgliederung kommen. In einem andern Fall, 
den ich in der Textfigur 13, a dargestellt habe, lag die betreffende 
Einkerbung am medialen Rand des sonst noch einheitlichen Knorpels, 
während auf der andern Seite, bei BP, die AbschnUrung der Becken- 
platte vom Basale bereits durchgeführt war. Auf Toxtfigur 18, b ist 
dies beiderseits geschehen, und in c und d der gleichen Figur ist es 
bereits auch schon zur Anbahnung einer Symphyse zwischen beiden 
Seitentheilen gekommen. 

Der Schlussact des ganzen Prozesses ist auf Textfigur 13, e, wo 
der Zusammenfluss ein vollständiger geworden ist dargestellt — 

Somit handelt es sich bei der Entwicklung des Polypterusbeckens 
principiell um ganz denselben Bildungsvorgang, wie wir ihn auch beim 
Sturionenbecken constatiren konnten. Hier wie dort kommt es zur 
AbschnUrung des proximalen Endes des Stammstrahles, d. h. jenes 
Abschnittes der freien Flosse, welchen ich bei den Sturionen als Basale 1 
bezeichnet habe, und an dessen distalen Rand sich eine wechselnde 
Zahl von Radien ansetzt Bei Scaphirhynchus, wo sich, wie oben er- 
wähnt, die medialen Enden der Basalia 1 , resp. die Beckenplatten 
schon berühren, waren es vier solche Radien, und dieselbe Zahl findet 
sich bei Polypterus; hier wie dort baut sich also das Basale aus vier 
Elementen (Radien) auf und die Homologie liegt klar zu Tage. 

Auch die Abgrenzung des Beckens findet bei Polypterus offenbar 



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ganz genau an derselben Stelle statt, wie bei den betreffenden Knorpel- 
ganoiden, so dass sich auch hier dieselben Gesichtspunkte für die 
Vergleichung mit dem Selachier- und Dipnoerbecken ergeben, wie 
ich sie auf S. 39, 40, 71 geltend gemacht habe. Mit einem Worte: Die 
Befunde an den Knorpelganoiden lassen sich direet auf Poly- 
pterus übertragen, zeigen aber, was das Becken speciell anbelangt, 
hier insofern eine weitere Fortbildung gegen die Dipnoer, bezw. gegen 
die Amphibien hin, als es schon zu einer Syraphysenbildung, d. h. zu 
einer Conerescenz beider Beckenplatten in der ventralen Mittellini«', 
und so zu einer derartigen Consolidirung des Beckens kommt, dass 
man dasselbe mit vollem Recht als ein Dipnoörbecken 
im Kleinen bezeichnen kann. Ja, es ist sogar bereits ein 
Processus epipubicus (Texttigur 13, Cep) deutlich ausgeprägt, 
und man kann dessen Zustandekommen vielleicht z. Th. mechanisch 
aus den einwärts-vorwärts wachsenden, und in der Mittellinie schliess- 
lich zusammen8tos8enden proximalen Enden der Basalia erklären (Text- 
tigur 13, b, c, e, bei BP). 

So können wir also in dem uralten Geschlechte der Crosso- 
ptcrygier den ganzen Weg der Beeken-Phylogenese Etappe um Etappe 
verfolgen; ja, der ganze Bildungsprozess spielt sich sozusagen heute 
noch vor unseren Augen ab, indem wir ihn vom Stadium der Indifferenz 
an, bis zur Differenzirung einer anfangs paarigen und später unpaar 
werdenden Beckenplatte stufenweise fortschreiten sehen. 

Von einem Praepubis und llium ist noch nichts zu erblicken; 
beide sind phyletisch jüngere Bildungen, die, wie wir wissen, erst bei 
Selachicrn, Holocephalen und Dipnot'rn in die Erscheinung treten. 

Wenn wir Alles dieses noch einmal erwägen, muss man sich wirk- 
lich fragen, wie von Davidoff dazu kommen konnte, die Knochen- 
ganoiden und die Teleostier „durch Vermittlung" des Polypterus „in 
directer Linie von den Salachiern abzuleiten", und die Sturionen für 
„einen Seitenzweig" zu erklären. „Willst du immer weiter schweifen? 
Sieh', das Gute liegt so nah/ — So möchte man hier unwillkürlich 
ausrufen, denn jener Salto mortale war wahrhaftig unnöthig. — Gerade 
so wenig vermag ich von Rauten feld zu folgen, wenn er das 
Basale von Polypterus nur für ein Propterygium erklärt und demselben 
ein „Becken" (Wiedershei m) und ein „Basale metapterygii" (von 
Davidoff) abspricht. Dass er dabei consequent handelt, kann ihm 
Niemand bestreiten, denn wenn er jene Abglicderung am vordersten 
Abschnitt des „Propterygiums" (von Rauten feld) von Scaphi- 
rhynchus und Polyodon bereits als etwas Nebensächliches betrachtet, 
und ihre hohe Bedeutung nicht erkannt hatte, so wird seine in dem- 
selben Sinne gehaltene Beurtheilung der von ihm ganz richtig als 
homolog erkannten Verhältnisse von Polypterus Niemand befremden. 

Was nun Amia und Lepidostcus anbelangt, so handelt es 



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sich hier offenbar um eine bedeutende Rückbildung, und dem ent- 
sprechend um starke Form- und Grüsseschwankungen der am distalen 
Hände des Basale sitzenden Strahlen (Textfigur 13, f bei Rad). 

Ueber die Homologie des Basale mit demjenigen von Polypterus 
kann kein Zweifel bestehen, wenn auch die Lagebeziehungen beider 
Hälften zueinander bei Polypterus etwas andere sind als bei den 
Übrigen G. holostei. Während nämlich dort ihre Vorderenden unter 
Bildung eines sehr primitiven Hüftgelenkes (Syndesmose) bekanntlich 
an das Becken stossen, fehlt ein solches bei Amia und Lepidosteus. 
Dafür legen sich die proximalen Enden der Basal ia mit ihren kurz 
abgestumpften, durch fibröses Gewebe verbundenen Knorpelapophysen 
etwas Übereinander, während die distalen Enden, welche bei Poly- 
pterus stark verbreitert sind, medianwärts einen Vorsprung erzeugen, 
und durch Bindegewebe in der Medianlinie enge aneinander ange- 
schlossen werden 1 ), weit voneinander divergiren und in einen schon 
von von Davidoff erwähnten rundlichen Gelenkkopf auslaufen 
(Textfigur 13, f). 

Ob, was den Verbleib des Beckens bei Amia und Lepidosteus 
betrifft, von Davidoff mit seiner hierüber (S. 73 u. f.) geäusserten An- 
sicht Recht hat, muss ich dahingestellt sein lassen. Ich kann mir übrigens 
nicht recht vorstellen, aus welchem Grunde das Becken, wenn es ein- 
mal früher vorhanden gewesen ist, später wieder verschwunden sein 
soll, selbst wenn die Extremität, was ja zweifellos der Fall war, eine 
regressive Metamorphose einging. Man denke an Protopterus! Wie 
zäh wird hier das Becken noch festgehalten, obgleich die freie Extre- 
mität eine so starke Rückbildung erfahren hat, dass von einer Be- 
nützung derselben als Locomotionsorgan keine Rede mehr sein kann. 
Deshalb, meine ich, ist wenigstens der Gedanke erlaubt, bei der Ab- 
leitung von Amia und Lepidosteus an solche Knorpelganoiden zu 
denken, bei denen es überhaupt noch gar nicht zur Differenzirung eines 
Beckens aus dem Grundstock des Basale heraus gekommen war. Dieser 
Gedanke liegt um so näher, als sich auch in der Brustflosse (z. B. von 
Amia) eine nahe Verwandtschaft mit derjenigen der 8turionen aus- 
spricht. 

D. Teleostier. 

Dass die hintere Extremität der Teleostier in nahen Beziehungen 
steht zu derjenigen derGanoidei holostei, ist eine altbekannte That- 
sache, und auch von Davidoff hat hierauf wiederholt aufmerksam 
gemacht. Einige Punkte habe ich bereits im letzten Capitel zur 
Sprache gebracht, und mich dort auch sofort gegen dje Behauptung 



•) Zwischen den medialen Rändern der Basalia von PolypteniB spannt »ich 
eine fibröse Membran ajfs, wodurch ein sehr feste» Geföge entsteht. 



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von Davidoff'», das» beim Höcht und der Forelle ein wirkliche* 
Becken existire, gewendet. Ich betone dies hiermit noch einmal, und 
füge noch ergänzend hinzu, dass ich bei sämmtlichen, von mir unter- 
suchten Teleostiern — und die Zahl derselben war eine sehr grosse — 
zu demselben negativen Ergebnisse gekommen bin. Stets traf ich nur 
ein nach Grösse und Form sehr wechselndes Basale, über dessen Homo- 
logie mit demjenigen der Ganoiden kein Zweifel bestehen kann ; auch 
war dasselbe, ähnlich wie bei Knochenganoiden , zuweilen an seinem 
proximalen Ende mit längeren oder kürzeren Knorpelapophysen ver- 
sehen, allein zu einer weiteren Abgliederung habe ich es hier nie 
kommen sehen. Das caudale Ende verbreitert sich dann und wann 
(Physo8tonien) und tritt, ganz so, wie wir dies bei Polypterus bereits 
vorgebildet sehen, und wie dies auch von Davidoff richtig bemerkt 
hat, durch einen medianwärts auswachsenden Fortsatz mit seinem 
Gegenstück in Verbindung. 

Alle diese Verhältnisse sind nach der rein anatomischen Seite 
hin in allen ihren vielfachen Variationen bereits so oft beschrieben 
worden, dass ich nicht weiter darauf einzugehen brauche, und mieh 
gleich der Entwicklung derselben zuwenden kann. 

Was zunächst die einschlägige Literatur anbelangt, so ist sir 
ausserordentlich spärlich, ja, soweit ich sehe, handelt es sich hierbei 
nur um eine einzige Arbeit, die Berücksichtigung verdient, nämlich 
um diejenige von von Rauten feld (87). Dieser Autor hat seine 
Studien an Hechtembryonen angestellt und gezeigt, dass die erste 
Anlage des Skeletes der Bauchflosse bei 13—14 mm langen Exem- 
plaren auftritt. Die Flosse erscheint im Querschnitt dreieckig und 
der inliegende Knorpel reicht fast bis an 's Peritoneum parietale. Er 
ist hier, und auch weiter peripherwärts , sehr scharf gegen die Um- 
gebung abgesetzt, während er distalwärts ganz allmählich in das um- 
gebende indifferente Gewebe übergeht. Zu beiden Seiten liegt die 
Anlage der späteren dorsalen und ventralen Flossenmuskulatur. Der 
Knorpel hat etwa die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen 
Hypothenuse ventral und proximal gerichtet ist, während die kurze 
Kathete dem distalen freien, und die längere dem an den Körper an- 
gehefteten Theil der Flosse entspricht. Nur dieser eine Knorpel wird 
angelegt, und er zeigt in keiner Weise irgend eine Andeutung einer 
Trennung oder Theilung. Dasselbe gilt auch für die folgenden Ent- 
wicklungsstadien. Später erreicht der Knorpel mit seinem proximalen 
Ende fast die Medianebene, so dass die beiderseitigen Stücke sich 
einander bedeutend nähern, und sich gleichsam aus der freien Flosse 
immer mehr herausziehen. Der Knorpel ist nun nach allen Seiten 
scharf begrenzt; an seinem distalen Ende aber zeigt sich eine besondere 
Zone von interccllulärsubstanzarmem Knorpel, die nachher zur Sprache 
kommen soll. Die unpaare ventrale Homblattfalte , welche sich im 



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- 80 - 



vorigen Stadium weit nach vorne erstreckte, ist jetzt im Bereich der 
Buuchflossen geschwunden. Das seiner Entwicklung nach jüngste 
Knorpelgewebe findet sich auch hier in den distalen Partieen. Die 
knöchernen Flossenstrahlen sind vollständig entwickelt. 

In der bereits oben erwähnten, am distalen Ende des Knorpels 
aufgetretenen Zone, welche sich einstweilen bis zur Basis der Flosse 
hin verbreitert hat, und in welcher die hackenfdrmigen Basalendeu 
der knöchernen Flossenstrahlen befestigt sind, treten allmählich — 
und zwar in ihrem lateralen Bezirk — mehrere discrete Knorpel (drei, 
ein mittlerer grösserer, und zwei seitliche kleinere) auf, während in 
den lateralen Partieen des ursprünglich angelegten Knorpels bereits 
die Verknöcherung beginnt. 

Jene secundär entstandenen Knorpel zeigen ein sehr wechsebides 
Verhalten und variiren in späteren Stadien stark nach Zahl (5 — G). 
Grösse und Lage. Auch zwischen der rechten und linken Seite 
zeigen sich hierin grosse Unterschiede. 

von Hauten fei d bemerkt, dass jene ursprünglich angelegte 
Knorpelplatte des Hechtembryos dem bei Knorpelganoiden durch 
Verwachsung von Radien hervorgegangenen Skeletthcil homolog 
ist, das» es sich, mit anderen Worten, beim Hecht um einen Fall von 
Connascenz oder sogenannter verkürzter Ontogenie handelt, indem das 
Skelet der hinteren Extremitäten nicht mehr in Form von getrennten, 
sondern bereits mit einander verschmolzenen Radienabschnitten ange- 
legt wird. „In Betreff der sehr viel später distal von diesem primären 
Extremitätenskelet sich bildenden, in Anzahl und Lage bedeutend 
variirenden Knorpel — fährt von Rautenfeld weiter fort — 
scheinen zwei Möglichkeiten der Deutung vorzuliegen. Wir können 
dieselben nämlich erstens als rudimentäre Bildungen aufTassen, in 
welchem Fall sie den peripheren Radienabschnitten homolog wären, 
während, wie wir sahen, die basalen Abschnitte der Radien sich ver- 
einigt in der einheitlichen Knorpelplatte finden. Zweitens können wir 
in ihnen aber auch secundäre, später erworbene Gebilde erblicken, 
welche vielleicht bestimmt sind, sich weiter zu vererben und zu ent- 
wickeln. In der grossen Unregelmässigkeit dieser Knorpel liegt 
eher ein geringes Plus an Wahrscheinlichkeit für die erste Deutung, 
doch können wir uns nicht mit Sicherheit für eine von beiden ent- 
scheiden. Ebenso wenig wie bei den Knorpelganoiden haben wir also 
beim Hecht ein Homologon des Beckens oder des Basale raetapterygii 
der Selachier." 

Mit dieser Erklärung von Rautenfeld's ist von Davidoff 
nicht einverstanden ; denn er leitet ja, wie ich oben schon mitgetheilt 
habe, die Hechtflosse „durch Vermittlung" des Polypterus von den 
Selachiern ab. 

Was raeine eigene Ansicht betrifft, so werde ich dieselbe erst 



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- 81 



später, nach Mittheilung meiner entwicklungsgeschichtlichen Erfah- 
rungen, die ich hiermit folgen lasse, bekannt geben. 

Die von Balfour bei Selaehier-Embryonen nachgewiesenen Epi- 
dennis-Leisten treten bei Telcostiern ebenfalls, wenn auch in viel 
schwächerem Grade auf, d. h. es handelt sich an Stelle derselben zu- 
weilen nur um eine einfache, wenig prominente Verdickung der Ober- 
haut, welche sich z. B. bei 20 — 23 mm langen Embryonen des Rhein- 
lachseti noch eine ziemlich lange Strecke über die eigentliche Extremi- 
tätenanlage hinaus an der ventralen resp. ventro-lateralen Seite des 
Kumpfes kopfwärts verfolgen Iässt. Einen Zusammenhang mit der 
Brustflossenanlage sah ich nicht 

Die jüngsten Embryonalstadien (20 min), welche mir von der 
Aesche (Thymallus vulgaris) zur Vertilgung standen, zeigen 
folgendes Verhalten (Taf. III, Fig. 22). Ventral liegt die auch von 
von Rautenfeld beim Hecht schon erwähnte unpaare Hornblatt- 
falte. Dieselbe ist von Gallertgewebe {Og) erfüllt und keilt sich mit 
breiter Basis zwischen die beiden Extremitätenanlagen (HE) hinein. 
Sie ist nur durch eine schmale Zone inesoblastischen Gewebes vom 
Cölom, welches durch den Enddarm (D) fast gänzlich ausgefüllt 
wird, getrennt. 

Da, wo die lappig vorragende Flosse der Rumpfwand breit an- 
sitzt, ist bereits ein kleiner Knorpel (Fig. 22, Bas.) aufgetreten, 
welcher die Form eines cylindrischen , mit seiner Längsachse kopf- 
schwanzwärts gerichteten Stäbchens besitzt. In der Umgebung des- 
selben liegt dichtzelliges Mesoblastgewebc , welches sich zum Theil 
conceutrisch anzuordnen, zum Theil aber in medial- ventraler, sowie 
in dorsal - lateraler Richtung in die Flosse einzuwuchern beginnt 
(m s , m'). Dabei lässt es aber anfangs eine centrale Zone frei, so 
dass man unter der verdickten Epidermis (Ep x ) zu beiden Seiten ein 
zellreiches Rinden- und ein helles Mittelfeld (m 2 , m* und h) unter- 
scheiden kann. Jenes dich tzell ige Gewebe steht mit der gegenüber- 
liegenden Seite bei Z gürtelartig in Verbindung und erinnert so an 
frühe Entwicklungsstadien von Selachiern, wie ich sie auf Tafel I, 
Fig. 2 abgebildet habe. Es erstreckt sich aber auch in der seitlichen 
Rumpfwand nach aufwärts bis an die bereits in Differcnzirung be- 
griffene Seitenrumpfmuskulatur M 1 . Centralwärts steht es mit dem 
Coelomepithel . in dessen Bereich reichliches Pigment (Pg) sichtbar 
wird, im Zusammenhang, so dass man zwischen beiden keine Grenze 
statuiren kann, und der Gedanke nahe liegt, dass das Coelomepithel 
überhaupt die Matrix darstellt. 

Jenes Zellgewebe consolidirt sich später, wie dies aus Figur 23 
und 24 ersichtlich wird, immer mehr und wird schliesslich zur Mus- 
kulatur der Flosse. Letztere wächst also nicht etwa aus den Myo- 

Wiederabcim. OliwlmMMiukclet d«r Wlrbelthi*r«. T.it. « 



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toinen unter „Knorpelbildung" ein, sondern entsteht zeitlich später 
in loco. Darin liegt ein bemerkenswerther Unterschied mit den 
Knorpelganoiden und den Selachjern, womit ich aber nicht bestreiten 
will, dass in früherer Embryonalzeit, in welcher auch der Seiten- 
rumpfmuskcl sich noch im Stadium der Indifferenz befindet, eine 
Continuität zwischen beiden Muskelanlagen besteht. 

Auf Figur 23 und 24, wovon erstere auf Salmo salar, letztere 
auf Esox lucius sich bezieht, sind die von der Aesche geschilder- 
ten Entwicklungavorgänge bereits etwas weiter gediehen, und ähnliche 
Stadien haben auch von Raute Ilfeld (87) vorgelegen. Die von 
diesem gegebene Schilderung ist im Wesentlichen correct, und ich 
habe nur Weniges beizufügen. Vor Allem möchte ich auf den .stark 
* verdickten Kpidcrmis-Saum Ep 1 , und auf die grossen Unterschiede 
bezüglich der „unpaaren ventralen Ilornblattfalte" (Gg) hinweisen 1 ). 
Die bei Thymallus erwähnte, in der ventralen Rumpfwand liegende, 
mcsoblastisehe Gürtelzonc (Z) hat sich gelöst und in ihrem geringen 
Reste in faseriges Rindegewebe, umgewandelt (Fig. 23, Bg.)\ beim 
Hecht (Fig. 24) ist sie ganz geschwunden. Die Anlagen der Extremi- 
täten muskeln machen sich bei iw 2 , im 2 im Querschnitt als zwei circum- 
scripte Zellballen bemerklich, welche die Serie der Einzelfächer des 
Runipfmuskels (Fig. 23, M l ) einfach fortzusetzen scheinen. Das 
Centrum der Flosse (Ä) ist hell und wird von spärlichen, gross - 
blasigen Zellen eingenommen. Beim Hecht ist die Entwicklung noch 
nicht weit fortgeschritten, und die Flosse stellt hier eine dünnere Haut- 
falte dar, welche an der Peripherie dieselbe seitliche Conipression 
zeigt, wie ich sie auf Tafel I, Fig. 1 und 2 von einem Selachier- 
Embrvo dargestellt habe. Der Knorpel (Bas) aber hat beim Salm, 
wie beim Hecht, bereits die von von Rauten feld erwähnte Form 
»•iiier dreieckigen Platte angenommen, und diese stösst mit ihrem ven- 
tralen Ende bis dicht an das Cölomepithel (Fig. 24, CoE), d. h. sie 
ist proximalwärts bereits weiter in die Rumpfwand eingewachsen. An 
ihrem proximalen und distalen Rand ist sie etwas verdickt, während 
die mittlere Partie, namentlich von der Ventralfläche her, sich als 
etwas eingesunken darstellt. In Folge davon erscheint die von con- 
centrisch geschichtetem Gewebe umgebene Platte im Querschnitt 
hanteiförmig (Fig. 24. Bas), und wendet man stärkere Vergrössemn- 
gen an, so kann man sich davon überzeugen, dass die Knorpelzellen 
mit ihrer Längsachse rechtwinklig zum Querdurchmesser der Platte 
gestellt sind, und dass sie abgeplattet erscheinen, als wären sie von 
der medialen und lateralen Seite her gestaut (Fig. 24, Bas.). 



*) In den tieferen Lagen stehen die holten Pallissadenzellen in der Epidermis 
ganz regelmässig, in förmlicher Paradeordnung. Aehnliches findet sich auch bei 
Sturionen und Amphibien, vielleicht überhaupt bei allen Wirbelthier-Embryonen. 



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- 83 — 



Die nach vorne, d. h. kopfwärts gerichtete Spitze der dreieckigen 
Knorpelplatte wächst nun immer weiter aus und verlängert sich , wie 
ich an den Embryonen des amerikanischen Saiblings darthun 
werde, endlich in einen langen, mit seinem Gegenstück medianwärts 
convergirenden Stab (Fig. 25 — 33, Bas). Das Vorderende des letzteren 
ist bei Bas in Figur 25 dargestellt, und hier sieht man auch, wie die das- 
selbe rings umgebenden Muskeln (3f 2 ) durch starke Bindegewebs- 
masse (Bg l , Bg x ) von der Rumpfmuskulatur getrennt werden. Ein 
Querschnitt, der durch das hintere Drittel der Knorpelplatte geht 
(die Ebene ist auf Fig. 33 durch eine Querlinie Q angedeutet), zeigt 
die starke Verbreiterung und Auftreibung derselben (Fig. 26, Bas) und 
zugleich eine Anhäufung von zellreichem perichondrischem Gewebe 
an ihrer Peripherie (Pch) l ). Wenige Schnitte weiter caudalwärts 
kommt es an letzterer zu einer Abschnürung von secundären Knorpel- 
strahlen (Fig. 27 — 30, Rad 1 , Rad 2 ), deren Abgliederung vom Haupt- 
knorpel (Bas) in einer durch die auf Fig. 33 durch ff angedeuteten 
Resorptions-Zone erfolgt. Die letztgenannte Figur, wie auch Figur 32, 
stellt einen Flächcnsehnitt dar, welcher parallel der Bauchfläche des 
Embryos hindurchging. Der auf Figur 32 dargestellte Schnitt ging 
höher, d. h. dicht unter dem Cölom, der andere (Fig. 33) tiefer hin- 
durch. Seitlich liegen die knöchernen Flossenstrahlen, und dieselben 
sind auch auf Figur 26—31 im Querschnitt (bei rad) sichtbar; über- 
all liegen sie in loekerem Bindegewebe. 

Wie sind nun diese Verhältnisse im Hinblick auf die Selachier 
und Ganoiden aufzufassen? — Ich bin der Meinung, dass von 
Rautenfeld mit seiner zuerst aufgestellten Ansicht, dass es sich 
nämlich bei den Knochenfischen um rudimentäre Bildungen handelt, 
das Richtige getroffen hat. Mit dem zweiten Satze des genannten 
Autors aber, dass von einem Basale metapterygii im Sinne der Ganoi- 
den und der Selachier bei Teleostiern keine Rede sein könne, kann 
ich mich nicht einverstanden erklilren. Ich betrachte nämlich die 
zuerst auftretende Knorpelplatte (Bas) wirklich als ein Basale, in 
welchem sowohl pro- als metapterygiale Elemente stecken, und stimme 
dann wieder von Rautenfeld zu, wenn er jene Platte dem bei 
Knorpelganoiden durch Verwachsung von Radien hervorgegangenen 
Skelettheil für homolog erklärt, dass es sich also „um einen Fall von 
Concrescenz oder sogenannter abgekürzter Ontogenese handelt, indem 
das Skelet der hinteren Extremitäten nicht mehr in Form von ge- 
trennten, sondern bereits mit einander verschmolzenen Radienab- 
schnitten angelegt wird." Ich gehe aber noch um einen Schritt 
weiter und erblicke in jenem basalen Stück nicht nur das bereits bei 



') Es handelt sich hier offenbar um die „intorcellularsubstanzarmc Knorpel- 
znne" von Knut enfeld's. 

G* 



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— 84 - 



Ganoiden mehr oder weniger einheitliche, und von mir auf der Text- 
figur 11 mit Bas und auf Textfigur 12 mit Ufas bezeichnete Basale, 
sondern »ehe auch noch darin den distal wärts angeschlossenen Radien- 
coraplex, der hier wie dort (incl. Polypterus) in der Regel durch dn-i 
bis vier Stücke dargestellt wird. Bei dieser Auffassung gelangt man 
dazu, die »ecundar sich abgliedernden Radien der Teleostier den 
ebenfalls erst zeitlich spater von den primären Radien sich abschnü- 
renden secundären Radien der Ganoiden und Selaehier gleichzusetzen, 
also jenen Gebilden, welche ich auf Textfigur 11 und Figur 13 mit f* 
bezeichnet habe. Dies scheint mir einen viel grösseren Grad von 
Wahrscheinlichkeit für sich zu haben als die von Ua u tenfeld ' sehe 
Ansicht, weil es sich in der ganzen Ganoidenreihe an der Grenzzone 
zwischen dem Basale resp. den Basalia (Polyodon) einer- und den 
proximalen Enden der anstossenden Radien andrerseits nirgend» um 
Ab-, sondern Ktets nur um Angliederungen handelt. 

Ob es am proximalen Ende des Hauptknorpels, des Basale, bei 
irgend einem Teleostier zu einer Abschnürung oder wenigstens zu 
einer Andeutung einer solchen , d. h. zu einer rudimentären Becken- 
anlage, kommt, weiss ich nicht, und ich kann nur noch einmal con- 
statiren, dass ich bei den von mir untersuchten Gruppen von Knochen- 
fischen weder im embryonalen noch im ausgebildeten Zustande etwas 
Derartiges gesehen habe. Daraus folgt, dass das Becken schon bei 
den Vorfahren der Knochenfische, die in der Reihe der fossienl 
Ganoidei holostei gesucht werden müssen, verloren gegangen sein 
muss. Nachdem dies einmal geschehen war, wuchsen die Basalia viel 
tiefer in die Humpfwand ein und dienten so als gute Fixationspunkt«' 
für die frei bleibenden Theile der Bauchflosse. Vielleicht aber 
stammen die Teleostier, ebenso wie ich dies von den recenten Knochen- 
ganoiden, mit Ausnahme des Polypterus, wahrscheinlich zu inachen ge- 
sucht habe, von Urformen, welche es überhaupt noch nicht zu einer 
Beckenanlage gebracht hatten. Die Entscheidung ist schwierig. 

E. Amphibien. 
1) Urodelen. 

Die hintere Extremität der geschwänzten Amphibien ist schon 
sehr oft Gegenstand der Beschreibung gewesen, während die Ent- 
wicklungsgeschichte im Allgemeinen ziemlich stiefmütterlich behandelt 
worden ist. Dies gilt vor Allem für das Becken, wofür bis jetzt 
eigentlich nur zwei brauchbare Schilderungen existieren. Die eine 
stammt von Dugcs (23), die andere von A. Bunge (9). 

Was die ersterc betrifft, so hat Duges die frühesten Entwick- 
lungsstadien bei Salamaridra und Triton nicht gesehen; die spä- 
teren beschreibt er ziemlich richtig, und vor Allem ist bemerkens- 



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— 85 - 



werth, wie er sümmtliche Theile des Schultergürtels, abgesehen vom 
„Sternum", mit denjenigen des Beckengürtels streng homologisirt. 
Dem Pubis spricht er eine selbstfindige Ossifikation ab. 

46 Jahre nach dem Duges' sehen Werk erschien die Bungo'- 
sehc Arbeit. In der langen Zwischenzeit hatte die Morphologie eine 
gänzliche Umgestaltung erhalten. Eine ungeahnte Fülle von tech- 
nischen Hülfsmitteln, eine Menge neuer Gesichtspunkte, eine allseitige 
Erweiterung des Wissensgebietes und eine zum grossen Theil ganz 
neue Art der Fragestellung — Alles dieses wirkte zusammen , um 
einem so vortrefflichen Beobachter wie Bunge, zumal auf einem 
fast gänzlich unbebauten Felde, von vorneherein schon eine reiche, 
wissenschaftliche Ernte zu verbürgen. 

Vorahnend hat jener damals noch jugendliche Autor auf die 
Tragweite hingewiesen, die auf breiterer Basis durchgeführte Studien 
über das Skelet der Hintergliedmassen nach seiner Ueberzeugung 
haben müssten. Ich führe als Beweis dafür seine Schlussworte & n: 
„Die Frage, welcher der beiden Ansichten, der Gegenbaur-Davi- 
d o f f ' sehen oder Thacher-Mivart' sehen, wir den Vorzug zu geben 
haben, kann zunächst noch nicht entschieden werden. Es wäre denk- 
bar, da#s der Beckengtlrtel der urodelen Amphibien sich jetzt nur 
als eonnascentes Gebilde anlege, dass es sich also um einen Fall von 
verkürzter Entwicklung handle." 

r Ebenso muss auch die Frage nach dem Ursprung des Becken- 
gürtels und seinen Beziehungen zu dem ihm ansitzenden Extrem i täten - 
skelet als eine noch ungelöste bezeichnet werden. Wenn ein Voraus- 
eilen eines oder des anderen Theiles in der individuellen Entwicklung 
für das frühere Auftreten desselben in phylogenetischer Beziehung 
sprechen kann, so muss hier constatirt werden, dass der Beckengürtel 
in seiner Entwicklung stets hinter der Extremität zurückbleibt. Frei- 
lich darf hierauf, weil wir es hier nur mit höheren Wirbelthieren zu 
thun gehabt haben, nicht zu viel Gewicht gelegt werden. Nur eine 
genaue Untersuchung der Entwicklung des Beckengürtels und des 
Extrem itätenskelets von Ganoiden, namentlich von Polyodon, dürfte 
die Frage nach der Herkunft des Beckengürtels entscheiden lassen." 

An einer andern Stelle kommt Bunge auf die von Rosenberg 
nachgewiesene, selbständige Anlage des menschlichen Schambeines 
sowie auf die daran geknüpfte Bemerkung Gegenbaur's zu 
sprechen (S. 25) und fahrt dann folgendennassen fort: „Wenn nun 
das Becken durch eine Concrescenz von Radien entstanden wäre, liegt 
die Vermuthung nahe, dass das Os pubis ein solcher Radius sei, der 
im Lauf der phylogenetischen Entwicklung gegenüber denjenigen 
Radien, welche das Material zur Bildung von Ilium und Ischium her- 
gegeben, sich eine gewisse Selbständigkeit bewahrt habe/ 

Man sieht also, wie zielbewusst Bunge an seine Aufgabe 



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-SC- 



herangetretcn ist, d. h. wie ihm bereits der durchaus richtige Grund- 
gedanke an die polymere Natur des Beckengürtels vorgeschwebt hat 
Allein er beging dabei zwei Unterlassungsfehler, indem er erstens nicht 
tief genug in der Vertebratenreihe mit seinen Untersuchungen ein- 
setzte, und zweitens, indem er auch bei den Amphibien die jüngsten 
Entwicklungsstadien ausser Acht Hess. 

Im Folgenden fasse ich die von Bunge bei Urodelen gewonnenen 
Resultate kurz zusammen. 

Bei Triton cri-status wird der Beckengürtel in einem gewissen 
Entwicklungsstadium jedersoita durch einen einheitlichen Knorpel 
reprasentirt, an welchem man, vom Acetabulum ausgehend, einen 
dorsalen und ventralen Abschnitt unterscheiden kann 1 ). Jener ent- 
spricht einer Pars iliaca, während dieser in seiner morphologischen 
Bedeutung nicht so ohne Weiteres klar liegt Für jetzt sei nur er- 
wähnt, das« er an seinem proximalen Rand eine Incisur besitzt, in 
welcher der Nervus obturatorius eingebettet ist 

In der ventralen Mittellinie sind die beiden ßeckenhälften anfangs 
noch weit von einander getrennt, später nähern sie sich und bilden mit 
ihren medialen Rändern eine feste Symphyse. Während dieses Vor- 
ganges wird der Nervus obturatorius allmählich ganz von Knorpel- 
gewebe umwachsen, und zwar geschieht dies zunächst von der ven- 
tralen und erst später von der dorsalen Seite her. 

Die Anlage des „Epipubis"*) erfolgt sehr spät, d. h. erst, 
wenn die Becken - Symphyse sowie das Foramen obturatum und die 
Bauchmuskulatur vollständig ausgebildet sind. Es handelt sich dabei 
um eine vor der Symphyse erfolgende Anhäufung dicht stehender 
Zellen, die einerseits zwischen die beiden Knorpel zapfenartig hinein- 
ragt, andererseits sich ein wenig kopfwärts erstreckt Die Zellen dieses 
Gewebes tragen den Charakter der Zellen des Perichondriums und bilden 
mit dem Perichondrium des Beckengürtels eine Masse. Später tritt ein 
stabartiger Knorpel darin auf, welcher sich vom Becken deutlich abgrenzt 
und proximalwärts ganz allmählich zu zwei (anfangs sehr kurzen) 
Zinken auswächst 

Daran anknüpfend sagt Bunge wortlich: „Aus dem, was über 
die Entwicklung des Epipubis gesagt worden, ersieht man, dass 
dasselbe siel» erst nach vollkommener Entwicklung des knorpeligen 
Beckengürtels anlegt und daher als secundäres Gebilde, dem keine 
grössere Bedeutung zugemessen werden kann, angesehen werden 

') Bezüglich des Umstatides, (law da« Ilium anfangs die Wirbelsäule uicht 
erreicht, sondern, dicht unter dem Integument liegend, dorsalwart« in indifferentes 
Gewebe sich verliert, weist Bunge auf den Processus iliacus des Holocepha- 
I en -Beckens zum Vergleich hin. 

*) Der Xame „Epipubis" stammt von C. K. Hoffmann, und dieser er- 
blickt darin ein die Bauchwand (voluminöser Enddarm!) stützendes Skeletatüek. 



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- 87 - 



inuss .... Es ist eben ein Gebilde secundärer Art, das ausschliess- 
lich den Amphibien zukommt, wie ja Aehnliches auch bei andern 
Wirbelthieren beobachtet werden kann, z. B. das Hypoischium der 
Saurier .... Der Ansicht Wiedersheim's, dass das Epipubis als 
ein, erst secundär von der knorpeligen Pars pubica resp. deren Ver- 
längerung zur Syiuphysenbildung abgegliedertes Gebilde sei, kann, da 
dasselbe sich als einheitlicher Knorpel vor dem proximalen Ende der 
Symphyse anlegt, gleichfalls nicht beigestimmt werden 1 )." 

Mit dieser Auffassung des Epipubis ist Bunge auf Irrwege ge- 
rathen , doch will ich für jetzt noch nicht weiter darauf eingehen, 
sondern zuvor noch die Frage nach der morphologischen Bedeutung 
der ventralen Beckenplatte berühren. Wie schon erwähnt, erblickt 
Duges (23) in dem proximal vom Foramen obturatorium gelegenen 
Abschnitt derselben ein Pubis, im distalen dagegen ein Ischium. C. 
K. II offmann (54) ist ihm darin gefolgt und meint, ein Pubis lege 
sich bei Urodelen „noch nicht als selbständiger Theil an", weshalb man 
hier nur von einem „Os ischiopubis" sprechen dürfe. J. Hyrtl (61) 
lässt die Sache unentschieden. Sabatier (89) erklärt den caudalen 
Abschnitt der ventralen Beckenplatte, d. h. die pars ischiadica der 
meisten Autoren , für ein „Ischiopubis" , die vordere Partie (pars 
pubica aut.) für eine „Apophysis pubica." Sabatier recurrirt dabei 
auf den Schultergürtel der Chamaeleonidcn, „oii les elements coracoYde 
et precoracoVde n'ont point 6t6 separes." 

„Le bassin de Cameleon comprinn* lateralement .... reprösente 
une forme de transition entre les bassins larges des Lezards et des 
Urodeles, et les bassins «Stroits et comprimes des Anoures. Vu de 
profil et lateralement, cc bassin rapelle bien la forme des bassins des 
Urodeles, et demontre quo le plaque ventrale de ce dernier est formet 
par l'ischion et le pubis reunis." 

Cuvier (18) und Huxley (60) sprechen von einer proximal 
vom Foramen obturatum resp. in der Umgebung desselben platzgrei- 
fenden, selbständigen Verknöcherung und fassen diese als Pubis auf. 

Auch Gcgenbaur (36) sah früher in der ventralen Platte ein 
Ischium und ein Pubis, später aber (40, 41) hat er seine Ansicht 
dahin geändert, dass er in derselben nur ein Ischium erblickt. Auch 
ich selbst ( 100) habe mich früher dieser Ansicht zugeneigt. 

Was nun Bunge betrifft, so meint er, die Frage wäre leicht 
zu entscheiden, wenn es ihm gelungen wäre, nachzuweisen, dass die 



') Mit den Osea marsupialia, meint Bunge, sei keine Parallele möglieh, 
und auch Hyrtl (61) möchte die Cartilago ypsiloidea eher „cum »terno abdominali 
ejusque acceaaoriis, quam cum ossc marsupiali" verglichen wissen. 

M A. Sabatier (89) erblickt darin ein Homologon des „preaternum et 
omosternum" der Anuren und nennt den betreffenden Knorpel „preaternum pelvicn". 



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ventrale Beckenplatte in zwei TheUen angelegt wird, denn in diesem 
Fall würde es Bich selbstverständlich um ein Pubis und um ein Ischium 
handeln. 

Da ihm aber dieser Nachweis nicht gelungen ist und er vielmehr 
zeigen konnte, das« das Foramen obturatum nicht der Ausdruck einer 
primären Grenzzone in der ventralen Beckenplatte, sondern dass das- 
selbe durch Aussparung 1 ) des um den Nervus obturatorius erst 
socundar herumwuchernden Knorpelgewebes entstanden ist, so hält er 
eine Entscheidung der Frage auf Grundlage des vorliegenden Materiales 
für unmöglich. 

Auch von Seiten paläontologischer Befunde, meint er, sei kein 
sicherer Aufschlugt* zu erwarten, da in jenen Fällen, wo eine Ossificatio 
pubis vorliegt, damit noch nicht erwiesen ist, ob eine selbständige 
Knorpelanlage vorhergeht, oder ob es sich [vergl. Cuvier (18) und 
Huxley (60)], was wahrscheinlicher ist, nur um einen secundären Vcr- 
knöcherungsprozes8 in der ursprünglich einheitlichen Knorpelmasse 
handelt. 

Trotz dieser negativen Ergebnisse aber halt Bunge an der 
Ansicht fest, dass, worauf auch die Reptilien hinweisen, im ven- 
tralen Beckenabschnitt urodeler Amphibien „mindestens zwei Bestand- 
theile - , nämlich ein Pubis und ein Ischium, enthalten seien. 

Ich wende mich nun zu meinen eigenen Untersuchungen, die ich 
an Triton alpostris, helveticus, cristatus, am Axolotl, 
Salamandra maculata und atra angestellt habe. Alle diesi* 
Urodelen verhalten sieh entwicklungsgeschichtlich sehr ähnlich, und 
was speciell die Tri tonen anbelangt, so lässt sich zwischen ihnen 
Uberhaupt kaum ein Unterschied constatiren. Ich bespreche zunächst 
die entwicklungsgeschichtlichen Resultate und schliesse daran eine 
Schilderung des ausgebildeten Urodelenbeckens. 

Die bei Selachier- und Teleostier- Embryonen erwähnte, der 
eigentlichen Extremitäten-Anlage vorhergehende und längs der Runipf- 
seite dahinziehende Epidermislciste lässt sich auch bei 7 Vt — 9 mm 
langen Tritonen nachweisen, jedoch tritt sie hier nicht constant auf, 
und stellt, da wo sie vorkommt, nur eine sehr schmale lineare Zone 
verdickten, d. h. mehrschichtigen Hautcpithels dar, welche die Anlage 
der vorderen Extremität nie ganz erreicht. Noch während die Epidermis- 
lciste in grosser Ausdehnung sichtbar ist, macht sich an der Stelle, 
wo die hintere Gliedmasse angelegt wird, eine leichte bilaterale Auf- 
treibung der Rumpfwand bemerklich. Dieselbe beruht auf einer An- 



') Ob b«'i der I.j»gevcrjlnderung de» Nerven eine solche des Beckens während 
der Ontogenese mit Hand in Hand geht, ob also ein Vorrücken des Beckens 
mechanisch zum Einschluss des Nerven beitragen kann, vermochte Bunge nicht 
zu entscheiden. 



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— 89 - 



Sammlung von grossen, runden Mesoblastzellen, welche sich zwischen 
<lie hier stark verdickte Epidermis 1 ) und das Cölomepithel (Fig. 3i, 
HE, Ep f CoE) einschliessen. Dabei stehen sie mit letzterem vielfach 
in so inniger Berührung, dass man beide Elemente nicht von einander 
zu unterscheiden vermag. Auf ähnliche Verhältnisse habe ich auch 
schon bei den Teleostiern hingewiesen, und hier wie dort könute man 
geneigt sein, du* Cölomepithel, wie dies von van Wijhe für die 
Selachier geschehen ist, als die eigentliche Proliferationszone aufzufassen. 
Bemerkenswerth ist, dass sich das Cölom zuweilen diver- 
tikelartig in die vorgebauchte Zellinassc hineinzieht, 
worauf ich bereits früher (107) hingewiesen habe. 

In diesem Embryonalstadium beginnen die, wie alle Gewebe noch 
reichlich von Dotterelementen durchsetzten, in ihre Mikrostructur 
aber bereits gut differonzirten *) Myotomc (M 1 , M x ) eben erst in die 
seitliehe Körperwand einzuwuchern. Dabei sind sie an ihrem unteren 
Rand von reichlichen Mesoblastzellen umgeben und reichen nur erst 
bis in das Niveau der Vornierengänge (VNG) herab. 

Jene Vorbauchung erstreckt sich anfangs nur Uber zwei Segmente, 
nämlich über das 13—10, hinweg, und darin liegt der erste, höchst 
bemerkenswerthe Gegensatz zur hinteren Extremität der Fische, in 
speeie der Selachier und Ganoiden, bei welchen bekanntlich eine un- 
gleich grössere Zahl von Körpersegmenten zum Aufbau der Gliedmassen 
herbeigezogen wird. Wie man sieht, handelt es sich also um einen 
mit der phyletischen Rückbildung von Radien Hand in Hand gehen- 
den Reductionsprozeis. — 

Die Differenzirung der Extremitätenmuskulatur geht von der dor- 
salen nach der ventralen Seite, d. h. im engen Anschluss an die herab- 
rückenden Rumpfmyomeren , vor sich. Während dieser Zeit ist die 
ganze ventrale Körperzone bei 9 — 12 mm langen Tritonen noch von 
einem sehr lockeren, gallertigen Gewebe erfüllt, dessen Formelemente 
aus Spindelzellen mit langen, zarten Ausläufern bestehen. (Fig. 34, 
35, Me). Ganz ventral beginnt das Cloakenlumen (bei Clo) zu 
erscheinen. 

Das im Vorstehenden Geschilderte erhält eine weitere Illustration 
durch Fig. 35, welche einen Flächenschnitt durch einen 12 mm 
langen Embryo von Triton cristatus darstellt. Die Bezeichnungen 
der vorhergehenden Figur gelten auch für diese; letztere ist übrigens, 



') Die betreffenden Epithelien erscheinen hier grösser und saftreicher, und 
ihnen liegen die grösseren Zellen des indifferenten Mesoblaatgewebca innig an, 
während «ich die kleineren dem Cölomepithel näher befinden (Fig. 34, Ep, HE, CoE). 

') Darin liegt ein bemerk enswerther Gegensatz zu den Selachiern, wo die 
Flossenanlagen in einem ungleich früheren, d. h. in einein weit unreiferen 
Embrj onabtadium , in welchem von einer geweblichen Differenzirung der Mus- 
kulatur noch keine Rede ist, erfolgen. 



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— 90 — 



wie man au» der reichlicheren Zell-Ansammlung bei HE ersieht, 
einem etwa« älteren Thier entnommen. Bei DJ ist der Darminhah 
sichtbar, und im Bereich des Unterhautzellgewebes liegt reichliches 
Pigment (Pg). Von differenzirten Extreraitätenmuskeln, wie auch von 
der Darmmuskulatur ist noch nichts wahrzunehmen. 

Jene laterale Ausbauchung der Somatopleura steigert sich nun 
immer mehr; sie wird eireumscripter, nimmt ihre Richtung nach hinten 
und dorsalwärts und tritt schliesslich warzenartig hervor (Fig. 36. 
37, HE). Im Innern verdichtet sich das Gewebe und beginnt sich 
allmählich jederseit« ventral vom Enddarm in die Bauchwand hinein- 
zuziehen. Ganz ebenso verhält es sich bei Salamandra maculata, 
atra und beim Axolotl. So kommt es zu einer Querbrücke *), 
welche den Vorläufer jenes Skelet- Elementes bildet, das ich bei 
Selachiern und Dipnoern als Becken platte bezeichnet habe. 

Die Homologie der Vorgänge liegt auf der Hand. Hier wie 
dort handelt es sich um ein Einsprossen von Bildungsmaterial von 
der freien Extremität her; ja, die Uebereinstimmung wird insofern 
eine noch grössere, als auch bei Urodelen der Verknorpelungsprozess *) 
an der Peripherie, d. h. in der Gliedmassenknospe beginnt (Fig. 
36, F ). Allerdings trifft man hier nicht mehr auf eine Reihe von 
Radien, sondern, wie wir dies auch bei Teleostiern schon gesehen 
haben , auf eine einheitliche Knorpelmasse , aus welcher später der 
Femur hervorgeht. 

Also handelt es sich auch hier um eine abgekürzte Entwicklung, 
und um eine Verwischung der ursprünglichen Verhältnisse. — Das» 
aber letztere, dass mit anderen Worten, die ursprüngliche Polymerie 
des Basalgliedes der Extremität auch bei höheren Vertebraten, wenn 
auch nur in schwachen Spuren, noch nachweisbar ist, werde ich 
im Capitel Uber die Vorderextremität zeigen. 

Unmittelbar auf die knorpelige Anlage des Femur, welch 
letzterer aber fortwährend vor dem Becken in seiner 
Entwicklung voraus ist, folgt diejenige des Beckens, und zwar 
innerhalb jener in der ventralen Bauchwand liegenden M esoblas tarne, 
welche wie ein stark verbreitertes, über mehrere Körpersegmente hin- 
weg sich erstreckendes Myocomma erscheint. Zu gleicher Zeit sieht 
man schon deutlich Nerven (Fig. 36, JV) in die Extremität einstrahlen. 

Femur und Becken legen sich also getrennt an, und darin liegt 
ein bemerkenswerther Unterschied mit den Fischen, allein derselbe 

>) Die eigentliche Proliferationszone für dieses, wenn der Ausdruck erlaubt 
ist, Vorbecken, liegt am unteren Rand der hcrabrückenden Myomereu, da, wo sie 
enge an das Cölomepithcl herantretend, die unterste ventrale Zone des letzteren 
freilassen. 

s ) Bei allen Fischen und Amphibien geht die Verknorpelung des KopfskeleU 
derjenigen der Gliedmassen stets voraus. 



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- 91 - 



ist doch insofern kein sehr grosser, weil zwischen beiden Skeletstückeii 
oft nur eine einzige Zellreihe des Vorknorpelgewebes zu constatiren 
ist. Ja, hier und da kann man Uberhaupt kaum von einer discreten 
Anlage sprechen, und die Abgrenzung ist dann nur durch eine inter- 
cellularsubstanzännere Partie des Knorpelgewebes angedeutet 1 ). Mag 
es sich nun so oder so verhalten, fast regelmässig kommt es, auch 
wenn die Anlage eine getrennte war, sehr frühe zu einem wenigstens 
theilweisen secundären Zusammenfiuss zwischen Femur und Becken, 
der sich hei Tritonen unter Herausbildung des Hüftgelenkes später 
wieder lost, während er bei Spelerpes fuscus (Fig. 42) das 
ganze Leben persistirt. 

Auf ähnlichen Vorgängen beruht wohl auch die Bildung des 
Ligamentum teres im Hüftgelenk höherer Ve rteb raten *), so dass 
man durch die ganze Wirbclihierreihe hindurch Spuren der genetischen 
Beziehungen zwischen dem proximalen Basale ( — denn einem solchen 
entspricht sowohl der Femur als der Humerus — ) und dem phyletisch 
jüngeren Product desselben, dem betreffenden Extremitätengürtel, nach- 
zuweisen im Stande ist. 

Wie nicht anders zu erwarten, legt sich zuerst die ventrale 
Beckenplatte, das Ischiopubis an, und erst später folgt die Pars 
iliaca nach. Letztere entsteht aber nicht etwa als ein Auswuchs 
der ventralen Partie, sondern ganz selbständig, und dies weist 
offenbar auf sehr ursprüngliche Verhältnisse zurück. Auch die bei Proteus 

') Bei einer 27 mm langen Larve von Salamandra maculata bildet das 
proximale Fcmur-Endc mit dem Becken eine einzige Masse, ao dass man in 
diesem Stadium beide überhaupt nicht von einander abgrenzen kann. 

*) Nach Hyrtl (61) findet sich auch im Schultergelenk von Cryptobran - 
ebus, welches für ein „acetabuli pelvici vera imago" erklärt wird, ein Ligamentum 
tcres. Auch soll der Pfannengrund durchbrochen , d. h. nur häutig verschlossen 
»ein. An Stelle eines richtigen Kniegelenks sollen bei jenem Derotrcmcn nur 
„magsae ligamentosae intercalatae" den Femur mit Tibia und Fibula verbinden. 
Hyrtl findet diese Thatsnche „insolita, inaudita, incrcdibilis". Er betrachtet dies 
als ein Stehenbleiben auf einer embryonalen Stufe, welche ja alle Gelenke onto- 
genetisch durchlaufen, und betont, da«» auch bei Menopoma nur eine minimale 
Gelenkhohle vorhanden sei. Sio befindet sich nur zwischen Coudylus eztemus 
femoris und dem Kopf der Fibula, während die Verbindung zwischen Condylus 
internus femoris und Tibia noch eine Syndesmose ist. Auch bei Amphiuma 
und Salamandra beginnt sich ein Kniegelenk erst ganz allmählich heraus- 
zubilden, denn auch hier spielt die syndesmotische Verbindung noch eine grosse 
Rolle. Auch die Ligamenta cruciata sind als letzte Reste jener primitiven Syn- 
desmose zu betrachten. Dies Alles stimmt auch mit dem unbehülflichcn Gang, 
d. h. der geringen Excursionsweitc des Beines jener Urodelen überein. 

Diese Befunde Hyrtl's kann ich bestätigen und insofern noch ergänzen, 
als ich auch bei Proteus nur Syndesmosen im Bereich der Extremitäten auf- 
zufinden vermochte, dagegen traf ich bei Spelerpes und Menobranchus ein 
Knie- und Ellbogengclenk bereits so weit angebahnt, dass man hier von einem 
richtigen Cavum articulare sprechen kann. 



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- 92 - 



und in etwas schwächerem Grade bei deni nahe verwandten Meno- 
branchus vorhandene Durchbrechung des Acetabulum (Fig. 49. 51, 
Fo Ac) ist hierauf zurückzuführen. 

Sehr früh kommt es dann zur Verwachsung der beiden Theile, 
und das Ilium wächst dorsalwärts aus, bis es die Sacralrippe erreicht. 
Dies ist bei 27—28 mm langen Larven von Triton helveticus 
geschehen. Nachdem das Ilium und Ischiopubis einmal mit einander 
verwachsen sind, besteht das Becken jederseits aus einer einheitlichen 
Masse. Dieses Entwicklungsstadium war das jüngste, welches Bunge 
zu Gesicht kam, und aus diesem Grunde blieb ihm das ursprünglichere 
Verhalten unbekannt 

Wie die Fig. 37 zeigt, liegen die drei Theile: Femur (F), Ischio- 
pubis (1P) und Ilium (1) sehr enge neben einander; sie entstehen 
in einem und demselben indifferenten Blastem, worin sie unter all- 
mählicher Entwicklung der hyalinen Intercellularsubstanz gleichsam 
wie drei Inseln auftauchen. 

Von einem Epipubis ist noch nichts zu erblicken ; dasselbe tritt 
erst viel später auf. 

In den folgenden Entwicklungsstadien wächst die freie Extremität, 
deren Knorpclskelet ich später im Zusammhang mit demjenigen der 
vorderen besprechen will, immer weiter aus, während sich die in der 
Mittellinie anfangs weit getrennten Ischio-pubica einander zu nähren 
beginnen. 

Ganz denselben Entwicklungsmodus zeigt auch der Axolotl, 
nur tritt hier Alles erst in ungleich späteren Stadien auf. So fand ich 
z. B. bei 23. mm langen Larven in der hinteren Extremitätenknospe 
noch keine Verknorpelung, sondern nur eine Verdichtung des indiffe- 
renten Mesoblastgewebes. Die Mitte in der zeitlichen Entwicklung 
hält Salamaudra. 

Ehe ich nun den weiteren Verlauf der Entwicklung verfolge, 
inuss ich noch eines Befundes an einer Tritonlarve von 7 mm Länge 
gedenken. Das Thierchen stammte aus einem in der Nähe Frei- 
burgs liegenden Tümpel, in welchem vorzugsweise Triton helve- 
ticus und alpestris vorzukommen pflegt; ich kann aber nicht an- 
geben, welcher von diesen beiden Arten es angehört. 

Ein Cölom ist noch nicht deutlich zu unterscheiden, da der 
massenhaft Dotter einschliessende Darm der Somatopleura dicht anliegt. 
Seine Wand besteht aus einer äusseren Lage mehrreihig angeordneter, 
runder Mesoblastzellen ; nach innen zu iindet sich hohes Epithel. 
Dringt man nun mit Querschnitten vom Kopf her gegen den Enddarm 
vor,, so trifft man ventralwärts davon , zwischen ihm und der Cloake, 
welche bereits eine nach vorn gerichtete, blindsackartige Anlage der 
Harnblase erkennen lässt, einen Zellcomplex von eigentümlicher 
Beschaffenheit. Jeder der betreffenden Zell-Leiber hat eine helle Um- 



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hullung, und diese umgiebt auch zuweilen mehrere Zellen auf ciuninl 
(Textfigur 14, A). 

Jene helle Masse erinnert in ihrem ganzen Verhalten Reagentien 
und Farbstoffen gegenüber aufs Lebhafteste an hyaline Knorpelsub- 
stanz, und ich kann sie für nichts Anderes als eine solche halten. 
Weiter caudalwärt* theilt sich der Zellcomplex in zwei Theile, welche 
dann von da an der Cloake seitlich angelagert bleiben. Die einzelnen 
Zellen liegen aber hier in der Regel nicht mehr isolirt, sondern werden 
meistens zu mehreren von jener hyalinen Substanz packetartig um- 
geben (Textfigur 14, B). 

Ich beschränke mich auf diesen Bericht über den ^tatsächlichen 
Befund, ohne da-ss ich im Stande wäre, eine Erklärung dafür zu liefern. 
Andere Larven von jenem jungen Stadium standen mir nicht zu Gebot, 
und so bin ich nicht in der Lage, anzugeben, ob es sich dabei um eine 
co na tan te oder nur um eine individuelle Bildung handelt. Jedenfalls 
darf man meines Erachtens dabei nicht an eine definitive Beckenbildung 
denken, da die dabei sich abspielenden Vorgänge Allem, was ich sonst 
über die Beckenanlage in der Wirbelthierreibe in Erfahrung bringen 
konnte, zuwiderlaufen; auch das Alter der betreifenden Tritonlarve 
spricht dagegen. 

Ich wende mich nun wieder zu dem in Verknorpelung begriffenen 
Becken von Triton helveticus, welches wir in einem Stadium verlassen 
haben, wo die beidon Hälften der ventralen Platte begannen, einander 
entgegen zuwachsen. Dieser Prozess, welcher sich in proximo-distaler 
Richtung vollzieht, schreitet nun ziemlich rasch fort, so dass sich in 
einem Larvenstadium von 20 mm Länge beide Hälften fast schon 
bis zu unmittelbarer Berührung genähert haben. 

Vergl. hierüber Figur 38 , A — G , welche eine Reihe von der 
Dorsal- nach der Ventralseite vordringender Flächenschnitte darstellt. 
Auf Figur £ sieht man bei Fo y Fo am proximalen Rand der Becken- 
platte eine Einkerbung, in welcher der Nervus obturatorius liegt, in 
der Figur F aber ist derselbe bereits rings von Knorpelgewebe um- 
geben. Daraus folgt, dass der Nerv ursprünglich ganz frei über dem 
proximalen Beckenrand heraustritt, und dass er, wie Bunge dies ganz 
richtig geschildert hat, erst secundär von der ganz einheitlich 
sich anlegenden, und später proximal, d. h. kopfwärts vorwachsen- 
den Verknorpelungszone erreicht und umwachsen wird. Dies geschieht 
zuerst an der ventralen und später erst an der dorsalen Fläche der 
Beckenplatte. Letztere ist also ihrer ganzen Anlage nach 
eine ganz einheitliche Bildung, welche sich so zu sagen wie 
eine weiche, plastische Masse um den Nerv herumlegt und so das 
Kommen obturatorium gleichsam ausspart. 

In Fig. 39 ist der proximale Abschnitt des medianen Bezirks der 



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Textfigur 14. 
Drei von A— C in 

proximo- distaler 
Richtung »ich fol- 
gende Querschnit- 
te durch das hin- 
tere Rümpfende 

eines Triton 
sp. ? Nur die ven- 
trale Partie ist 
dargestellt. Z, Z 
von hyaliner Sub- 
stanz (l'm) um- 
gebene Zellmas- 
sen, welche sieh 
eaudalwärt<i(inB. 
C) allmählich in 
zwei Seik-upar- 
tieen sondern. D 
Darmlumen, wel- 
ehes von Dotter- 
elemenkm erfüllt 
zudenken ist. Die- 
selben siud nicht 
eingezeichnet. F. 
Darnu-pithel , Kp 
H autepithel. m. m 
indifferente, zwi- 
schen Haut- und 

Darm-(Cölom-) 
Rohr liegende Me- 
Noblastzellen. Clo 
Cloake, welche in 
Figur € nach au.»- 
sen durchbricht, 
t vom Cloaken- 
epitli. l aufgenom- 
mene Fremdkör- 
per. 



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Figur 38, G bei starker Vergrößerung dargestellt. Rechts und links 
sieht man dio saftreichen Knorpelzellen in ihren weiten Höhlen liegen. 
Von vorn her schneidet bei BG in der Mittellinie eine Zone dicht- 
zelligen Bindegewebes herein, und dies ist die Stelle, wo später das 
Epipubis entsteht. Nach rückwärts davon trifft man auf einen un- 
gemein schmalen, nur schwer sichtbaren Spaltraum (Sy), in welchem 
in linearer Aufreihung eine Anzahl länglicher und spindelförmiger 
Zellen (f und ff) liegen. Ich habe dieselben in meiner vorläufigen 
Mittheilung (108) Nahtzellen genannt. Sie lassen zahlreiche Mi- 
tosen erkennen, und ihre Formen deuten auf Druckvcrhältnissc 
hin, welche von der Seite her stattfinden. Kurz, wir befinden 
uns in einer mächtigen Proliferationszone, in der eine fortwährende 
Apposition von Knorpelsubstanz orfolgt, bis schliesslich — und die* 
geschieht stets zuerst von der ventralen Fläche her — der symphyseale 
Spaltraum gänzlich verstreicht, worauf dann beide Hälften der ven- 
tralen Beckenplatte in der Mittellinie zusammcnfliessen. In der Hegel 
ist der ganze Prozess bei 22 — 28 mm langen Exemplaren von 
Triton helveticus und alpestris bereits beendigt. Im Uebrigen 
unterliegt jede Concrescenz zahlreichen, individuellen Schwankungen 
und liefert hierdurch eine gute Parallele zur Phylogenese des 
Beckens '). So bleibt z. B. das ausserordentlich flache , schildartige 
Becken von Amphiuma insofern auf einer sehr niedrigen Ent- 
wicklungsstufe stehen, als beide Beckenhülften mit ihren medialen, 
unregelmässig gekerbten Rändern zeitlebens durch eine breite sehnige 
Haut Fig. 41, SH (Sy) in der Mittellinie getrennt sind. In Folge 
davon liegen auch die auf den Knorpel beschränkten Ursprungslinien 
der Adductoren des Oberschenkels weit aus einander. 

Nur ganz vorn neigen sich die Knorpelplatten (Fig. 41, *) nahe 
zusammen und schieben sich hier und da, wie bei S c a p h i r h y n c h u s , 
etwas über einander hinweg. Dabei kommt es aber nicht zu einer 
Verwachsung, sondern nur zu einer bindegewebigen Verlöthung. 

Diese nur proximalwärts erfolgende Borührung beider Becken- 
platten ist deshalb von Interesse, weil man an jungen Exemplaren 
von Proteus, Menobranch u s, Cry ptobranchus und Meno- 
poma deutlich sehen kann, wie die Concrescenz, ganz so, wie ich 
dies bereits von dem sich entwickelnden Salamandrinenbecken berichtet 
habe, ebenfalls vom proximalen Rand aus ihren Anfang nimmt, und 
dann distalwärts fortschreitet. 

Im hinteren seitlichen Bezirk der Beckenplatten von Amphiuma 
(Fig. 41, **) ist eine Ossificationszone aufgetreten, während lateral- 



') Da»» e» bei Älteren Thicrcn wahrscheinlich später wieder zu einer aecun- 
«lären Abgliederung kommt, werde ich bei der Besprechung des Cryptobran- 
ehus- und Menopoma - Beckens zeigen. 



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wärts die rudimentären, mit einer langen Knorpclapophyse versehenen 
Darmbeine (I, I 1 ) zu bemerken sind '). 

Bei Tritonen, Axolotl, Salamandra und Speierpcs 
wird die Verschmelzung in der Kegel nur auf der ventralen Becken- 
Häche eine vollständige, d. b. von der dorsalen Seite schneidet in der 
Medianlinie meist eine tiefe, mehr oder weniger weite Furche ein. 
welche durch fibröses Gewebe ausgefüllt wird, und so die ursprüng- 
liche Trennung andeutet. Ich verweise hierfür auf Fig. 42, Sy, 
und auf Figur 43, 44, BG. Die beiden letzten Figuren beziehen sich 
auf dasselbe Objcct, sind aber bei verschiedener Vergrösserung 
gezeichnet, auch stellt Fig. 44 nur die mediale Partie von Fig. 43 
dar. Beide aber zeigen, wie letztere in der caudalen Hälfte der 
Beckenplatte ventral einen schnabelartigen Vorsprung erzeugt, welcher 
zum Ursprung der Adductoren des Oberschenkels dient. Letztere 
sind auf der Figur 42 sichtbar, allein hier, wo der Querschnitt durch 
die rein hyaline, proximale Partie des Ischiopubis gegangen ist, springt 
jene Zugleiste (Sy) weniger stark vor, wird aber ventral wärts durch 
eine sagittal stehende Platte fibrösen Gewebes (BG) fortgesetzt. Diese 
dient den Adductoren in jener Gegend ebenfalls theilweisc zum Ur- 
sprung'), und in ihrer caudalen Verlängerung tritt dann der oben 
erwähnte Knorpelsclmabel auf (Fig. 43, 44, f). 

Bei Salamandrina perspicillata, deren Becken ich bereits 
im Jahr 1875 in seinen allgemeinen Umrissen geschildert habe*;, 
kommt es zu einem Zusammenfluss der beiden Seitenhälften in ihrer 
ganzen Dicke (Fig. 45 f)- 

In der Höhe der Forami na obturatoria, wo der Symphysenknorpel 
nicht nur ventral-, sondern auch dorsalwärts (gegen das Beckenlumen) 
convex vorspringt, existirt übrigens noch eine kleine, sagittal ge- 
richtete Spalte, welche eine geringe Strecke weit cölomwärta durch- 
schneidet, bald darauf sich aber wieder schliesst, worauf unter be- 
harrlicher Dickenzunahme des Knorpels Alles wieder compact wird, 
wie zuvor. In Fig. 45 liegt bei OZ eine sehr stark sich färbende 
Ossificationszone , in deren Balkenwerk Reste von Knorpelzellen lie- 
gen, zwischen welchen sich eine weitmaschige, faserige Gcrüstsubstanz 
hindurchzieht. — Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf die 



') Hy rtl (61) giebt eine Äusseret geringe Abbildnng des Amphiuma-Bcrkcn*. 
woraus man nicht ersehen kann, was er mit seiner „Cartilago pelvis impar" und 
den „partibus lateralibus geminis" meint. Jedenfalls ist auf der Abbildung eine 
unpaarc Beckenpartie nicht zu erkennen. Im Text wird das AmphiumaBecketi 
gar nicht erwähnt. 

*) Ganz ähnliche Verhaltnisse existiren am Schultergürtel der Raniden 
(vgl. diese). 

») Ebendaselbst gab ich auch eine Besehreibung und Abbildnng des Beckens 
von Geotriton (Spelerpes) fuscus. 



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wabige, hollundermark- 
ähnliche Knochenstruc- 
tur von Spelerpes 
f u a c u 8 verweisen (Fig. 
42). Dieselbe zeigt sich 
auf dem Querschnitt so- 
wohl im Ilium, als im 
Oberschenkel und in der 
Wirbelsäule, kurz, sie 
scheint für das ganze 
Skelet dieses Molches 
charakteristisch zu sein 
und wäre wohl einer 
eigenen histologischen 
Untersuchung werth. 
Säramtliche Knochen be- 
sitzen nur eine sehr 
dUnne Corticalsubstanz, 
während der Binnen- 
raum von Markräumen 
und dem oben genannten 
knöchernen Maschen- 
werk durchzogen ist. An 
zahlreichen Stellen er- 
scheinen die Knochen 
wie zerklüftet und aus- 
genagt, und nicht selten 
finden sich ganze Nester 
von zu Grunde gehen- 
den Knorpelzellen. 

Was das Becken von 
Menobranchus. Pro- 

* 

teus, Cryptobran- 
chus undMenopoma 
anbelangt, so ist es be- 
kanntlich schon oft Ge- 
genstand der Beschrei- 
bung gewesen , allein 
keiner der zahlreichen 
Autoren hat auf die 
mediane Partie dessel- 
ben, worauf es mir hier 
vor Allem ankommt, ein 
genaueres Augenmerk 

Wi*d«nh«im. Oli 





Textfigur 15. Querschnitte durch du Becken Ton Pro- 
teus ang. A. — D folgen »ich in proximo-distaler Richtung. 
1P Ischiopubis, in der ventralen Mittellinie die Adductoren- 
leiate (f) erzeugend, Ae Acetabulum, welches in Figur C 
durchbrochen, bzw. nur durch Bindegewebe (BG) ver- 
schlossen ist, / Ilium, J 1 dasselbe in seiner Diaphyso 
getroffen und hier bereits von einer Knochenzone umgeben, 
welche durch den schraffirten Ton angedeutet ist Im 
Innern liegt Hyalinknorpel, P Femur, Mp Aenssere Haut, 
Bl Blase, D Enddami, UJf Urniere, 0» Cölom. 

T»xt 7 



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gerichtet. Die ineisten sprechen eben schlechtweg von einer „Symphyse", 
keiner aber hat sich die Muhe genommen, der Sache näher auf den 
Grund zu gehen, und dabei auch Querschnitte und Flachenschnitte zu 
Hilfe zu nehmen. Meine eigenen Untersuchungen haben mich nun 
Folgendes gelehrt. 

Die Beckenplntte des Proteus stellt bei den kleinsten mir zur 
Verfügung gewesenen Exemplaren von 12—13 cm Lange eine 
einheitliche langgestreckte Knorpelplatte dar. Dieselbe ist, wie am 
besten aus der Textfigur 15, A — D zu ersehen ist, gegen das Becken- 
lumen zu tief ausgehöhlt, während sie in der ventralen Mittellinie 
unter Erzeugung der schon bei anderen Urodelen erwähnten Adduc- 
toren-Leiste (Textfigur 15 bei f) ziemlich weit vorspringt. 

Proximalwärts verbreitert, distalwärts verjüngt sich die Knorpel- 
platte (Fig. 48). Hier wie dort besitzt sie einen ausgeschweiften 
Rand, welcher in Fortsätze ausläuft. Diese sind am Hinterrand auf 
Fig. 48 und 49 mit ZP 1 bezeichnet 1 ), und man sieht zwischen ihnen 
bei Sy noch eine kleine Spalte als letzte Spur der hier an dieser 
Stelle ihren Abschluss findenden Verwachsung beider Beckenhälften. 
Etwas nach vorn davon bemerkt man bei ** die perichondral 
erfolgende Ossification der Pars ischiadica (vergl. auch Fig. 49). 
Noch weiter nach vorn liegen die grossen Forami na obturatoria (Fo l ), 
und von da erfolgt nun die Verbreiterung der Knorpelplatte (1P) 
vollonds sehr rasch. An ihrer seitlichen vorderen Ecke springt sie in 
einen mächtigen Processus praepubicus (PP) aus, wie er in ähnlicher 
Stärke unter allen Urodelen meines Wissens nur noch bei Spelerpes 
(Geotriton) fuscus vorkommt. Dicht neben der Medianlinie, 
nur durch eine schmale, aber ziemlich tiefgehende Einkerbung von 
einander getrennt, liegen zwei weitere Fortsätze, die auf Fig. 48 und 
49 mit ff bezeichnet sind. Ueber ihre Bedeutung werde ich mich 
erst später erklären , und will für jetzt nur anf ihre Homologa bei 
Amphiuma (Fig. 41, ff) aufmerksam machen. Ausserdem aber 
sei hier noch bemerkt, dass dieselben, wie auch die Processus prae- 
pubici, häufigen individuellen Schwankungen unterliegen, und dass sie 
* auch in einem und demselben Thier zuweilen* asymmetrisch entwickelt 
sind. Aehnliche Variationen kommen auch am distalen Becken- 
rand vor. 

Von einer Trennung in zwei Hälften ist, abgesehen von der 
schon erwähnten Incisur am Hinterrand, welche aber durchaus incon- 
stant ist, an der ventralen Beckenplatte auch an Querschnitten nichts 
zu bemerken, man müsste denn die in der Medianlinie an manchen 
Stellen etwas dichtere Lagerung der Knorpelzellen als eine solche auffassen. 



') Warum D'Arcy Thompson (97) diese Fortsätze am Proteusbecken nicht 
auffinden konnte, ist mir unverständlich geblieben. 



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- 99 — 



Nach der Seite zu verdickt sich die Beckenplatte gewaltig (Fig. 
50, A — D) und ist, wie schon erwähnt (Fig. 49, Fo Ar) , in der Tiefe 
des Acetabuluins durchbrochen. Diese Stelle wird gegen das Cavum 
pelvis zu durch fibröses Gewebe verschlossen (Fig. 50, C bei Ac l und 
BG). Im Ucbrigen hängen alle Beckentheile in der Circumferenz des 
Acetabulums continuirlich zusammen, doch kann es bei etwas älteren 
Thieren an der Stelle Sn auf Fig. 49 nachträglich zu einer Lösung 
und Synchondrosenbildung kommen. 

Die Darmbeine sind auffallend kurz, platt und sanduhrförmig 
eingeschnürt. An beiden Enden zieht sich der Knorpel (vergl. die 
punctirten Linien auf Fig. 49, bei P) bis gegen die Diaphyse herein. 
Die obere Apophyse ist sehr lang und stark gekrümmt (2 1 ), erreicht 
aber nicht die Sacralrippe, sondern strahlt in das fibröse Gewebe des 
Myocommas aus, in welchem das ganze llium regelmässig verläuft. 
Auch bei Menobranchus, zu dem ich mich jetzt wende, liegt das 
llium ganz genau in einem Myocomraa 1 ); allein es ist hier ungleich 
länger, kräftiger entwickelt (Fig. 51, 7), und schiebt sich mit seiner 
vertebralen Knorpelapophyse (F) dorsalwärts Uber die distale Knorpel- 
apophyse (SR 1 ) der Sacralrippe (SR) 2 ) herüber, wobei beide syndes- 
motisch verbunden sind. Ganz ähnlich verhält sich Menopoma*) 
und Cryptobranchus, nur sind hier die Ilia viel stärker ver- 
knöchert 

So nahe auch Proteus und Menobranchus mit einander ver- 
wandt sind, so sehr weichen sie, wie ich schon anno 1877 in meiner 
Monographie des Urodelenschädels gezeigt habe, in ihren Beckenplatten 
von einander ab (vergl. Fig. 48 und 50). 

Während der proximale Rand des Proteusbeckens eingekerbt ist 
und in jene vier oben beschriebenen Fortsätze ausläuft, verlängert 
sich bei Menobranchus das ganze Ischiopubis in einen mächtigen 
schnabelartigen Fortsatz, welcher sich über fast zwei Myomeren hin- 
weg erstreckt und von dessen medialer Kante (Fig. 52, Cr) die 
vorderen zwei Drittel des gewaltigen Adductor des Oberschenkels ent- 
springen. 

Schon im Jahr 1888 habe ich (105) auf diesen Punkt mit folgen- 
den Worten aufmerksam gemacht: „Der letztgenannte Kiemenmolch 



•) Dieselbe Lage hat das llium von Amphiutna und bei manchen Sala- 
mandrinen, wie z. B. beim Axolotl (Fig. 53), wo es nur sehr wenig von dem 
betreffenden Myocomma abweicht. 

*) Bei Menobranchus existirt nur noch eine postsacrale Rippe. 

a ) In einem Falle fand ich bei Menopoma (24 cm) das rechte llium um 
einen Wirbel weiter caudalwärts befestigt , als das linke. In Folge davon war 
ersteres viel länger, wahrend die von rechtswegen dazu gehörige, freiendigend«* 
Sacralrippe viel kürzer blieb. Die linke Sacralrippe hatte dagegen ihre normale 
Lange. 

7* 



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- 100 - 



(i. e. Menobranchus) zeigt in der Organisation seines Beckengürtels 
mit Protoptcrus (und wie ich jetzt erweiternd sagen will, mit den 
Dipnoörn überhaupt) eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit. Hier 
wie dort liegt bauchwärts jene un paare Knorpelplatte, welche sich 
nach vorn zu in einen schlanken, in die Linea alba eingebetteten 
Fortaata auszieht. Wenn nun aber die paarige Anlage des Salaman- 
drinenbecken* eine feststehende Thatsache ist, so ist es mehr als 
wahrscheinlich, dass eine solche auch für das Ichthyodenbecken nach- 
zuweisen sein wird, und diese Annahme erlaubt dann weitere Schlüsse 
auf die Entstehung des Dipnoörbeckens, wie ich sie oben bereits an- 
gedeutet habe." 

Diese meine Annahme ist nun seither von G. Baur (14), welchem 
junge Stadien von Menobranchus zur Verfügung standen, zur Gewissheit 
erhoben worden. Dieser Autor schliesst sich bezüglich der Beckenent- 
wicklung niederer Vertebraten meinen früheren Berichten hierüber in 
allen Hauptpunkten an und meint, von einer Beckenform, wie sie 
Palaeohatteria besass, sei es nur ein kleiner Schritt zum Am- 
phibien-Becken, z. B. zu dem von Menobranchus. „Here the 
gastroid cartilage is greatly developed, pierced only by the sraall 
obturator foramen; only the ischia are ossified; the pubes are not 
distinet from the gastroid cartilage. One stop lower, and we have the 
pelvis of the Dipnoa or Chlamydoselachus , only represented by the 
gastroid cartilage." 

Unter „gastroid cartilage" versteht Baur, wie es scheint, die 
Basis oder Sockelpartie jenes un paaren schnabelartigen Fortsatzes, 
der erst bei der späteren Entwicklung proximalwärts „ formin g the 
long epigastroid portion" auswttchst. Der Deutung, welche Baur 
diesem Fortsatz giebt, kann ich mich nicht an schli essen , doch will 
ich erst bei der Besprochung des Epipubis näher darauf eingehen. 
Ebendaselbst werde ich dann auch über die Auffassung D'Arcy 
Thompson 's Bericht erstatten. 

Die ganze ventrale Beckenplatte des erwachsenen Menobran- 
chus stellt also, wie bei Proteus, eine einheitliche Knorpelmasse 
dar , in welcher nur hinten und aussen die Partes ischiadicae 
knöchern ') differenzirt sind (Fig. 50, 51 **). Zwischen ihnen erhebt 
sich die schwache Adductoren-Crista (Cr) 2 ), während die ganze vordere 
Abtheilung des Ischiopubis (iP) ventralwärta nur wenig gewölbt ist. 
Die ziemlich "weiten Foramina obturatoria (Fo l ) liegen nahe dem 
Aussenrand an der Basis des Schnabelfortsatzes (Cep.) 



*) Manchmal handelt es sich dabei nur um Kalkknorpel. 

•) An dieser Stelle besitzt der Knorpel eine geringere Festigkeit als vorne, 
was wieder auf den zeitlichen Verlauf des Vcrschmelzungsprozeescs zurueksu- 
führen ist. 



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- 101 



Am hinteren Beckenrand springt der Knorpel zwischen beiden 
Partes ischiadicae in Form eines kleinen, unpaaren Höckerchens vor, 
das auch schon Hyrtl (61) bemerkt, aber fälschlicherweise als ein 
selbständiges Stück gedeutet hat, indem er die Worte gebraucht: 
„Frustulum cartilagineum impar, ossibus ischii postice adnexum". 
Immerhin aber ist jene Protuberanz, welche sich auch bei Meno- 
poma und, noch stärker ausgeprägt, bei Cryptobranchus findet, 
sehr bemerkenswerth , da sie meiner Ansicht nach den Vorläufer des 
Hypoischium der Saurier bildet, andererseits aber schon als ein 
altes Erbstück von den Dipnoern her aufzufassen ist. Proteus, 
Amphiuma und die Salamandrinen zeigen nichts Derartiges. 

Die grös8te Dicke besitzt das Becken von Menobranchus, 
wie dasjenige aller Urodelen, in einem, beide Acetabula verbindenden 
Durchmesser. Hier erhebt sich gegen das Cavum pelvis herein ein 
starker Querwulst, und distalwärts davon ist es in derselben Richtung 
tief napfartig gehöhlt. In diese Grübe öffhot sich die durchbohrte 
Hüftgelenkspfanne (Fig. 51, Fo Ac), nachdem man das versehliessende 
Fett und Bindegewebe zuvor entfernt hat. 

Das Becken von Menopoma (Fig. 45) und Cryptobranchus 
(Fig. 47), haben, wie dies bei der nahen Verwandtschaft dieser beiden 
Derotremen nicht anders zu erwarten ist, grosse Aehnlichkeit mit 
einander, so dass ich beide zusammen besprechen kann. 

Die ventrale, von der Cölomseite her kahnartig ausgebauchte 
Beckenplatte ist nur zum Theil, nämlich in ihrem proximalen und in 
ihrem distalen Bezirk unpaar ; im Bereich der medianen, messerscharfen 
Adduetoren-Crista (O, Sy) bleiben beide Hälften mehr oder weniger 
weit von einander getrennt. Ob bei jüngeren Thieren die Connas- 
cenz eine ausgedehntere ist, weiss ich nicht; es erscheint mir dies 
aber auf Grund meiner Erfahrungen an Tritonen-, Axolotl- und 
S ala man der- Larven nicht unwahrscheinlich. 

Hier kommt es nämlich in späteren Stadien bei einer und der- 
selben Species, bei welcher a priori, wie bei allen Urodelen, eine 
Neigung zum Zusammenfluss besteht, und bei welcher letzterer auch 
ganz oder zum grössten Theil in embryonaler Zeit durchgeführt war, 
später wieder zu einer mehr oder weniger ausgesprochenen Lösung, 
zu einer Abgliederung. Der Grund davon liegt nahe; es handelt 
sich, wie ich dies schon in meiner vorläufigen Mittheilung (108) aus- 
geführt habe, offenbar um die Zugwirkung der von der betreffenden 
Stelle entspringenden Muskelmassen, welche ihre Wirkung um so mehr 
bethätigen, als sich der Molch aus einem, bezüglich seiner Fort- 
bewegung ursprünglich wesentlich auf seinen Ruderschwanz ange- 
wiesenen Wasserthier allmählich in ein terrestrisches verwandelt. 
Aehnliche Gesichtspunkte kommen offenbar auch schon bei den Dero- 
tremen in Betracht, und damit hängt wohl auch die schiefe nach 



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- 102 - 



hinten und dorsal wärts gehende Richtung des Iii ums bei Menopoma 
zusammen, wie sie in gleicher Weise bei Cryptobranchus und 
manchen Salamandrinen, wenn auch in etwas geringerem Grade, 
getroffen wird. 

Kurs, in allen diesen Fullen handelt es sich um eine Aufgabe 
der ursprünglichen , genau auf das zunächst liegende Myocomma 
beschrankten Lage des Iii um. Wenn ich sage „ ursprünglichen Lage", 
so denke ich dabei nur an schwimmende , kiemenathmende Amphi- 
bien, nicht aber an Fische, wo, wie z. B. bei den Holocephalen, 
jene Lageverhältnisse nicht zu constatiren sind, insofern hier das 
Ilium, mehrere Myocommata und Myomeren schief Uberkreuzend, zu 
der in derselben ausgesprochenen Metamern* gar nicht Stellung nimmt. 

Das Acetabulum, in welchem alle Beckentheile zu einer einheit- 
lichen Knorpelmasse verbunden sind, ist bei Menopoma und Crypto- 
branchus 1 ) so wenig als bei allen höheren Urodelen durchbohrt. 

Das Ilium wurde schon auf S. 99 geschildert. 



Ich wende mich nun zu jenem Abschnitt des Urodelen-Beckens, 
der unter dem Namen derCartilago epipubis oder ypsiloides*) 
bekannt ist. Derselbe setzt einem klaren Einblick in seine erste An- 
lage deswegen grössere Schwierigkeiten entgegen, als das übrige 
Becken, weil er sich erst in Altersstadien entwickelt, welche seltener zu 
erhalten sind als jüngere, und dann aber wieder als beträchtlich ältere. Ich 
meine damit Tritonen- Larven, die etwa 22— 26 mm messen. Wann die 
Larven diese Grösse erreicht haben, tritt in den Aquarien, wie mir Jeder, 
der sich einmal mit Tritoneuzucht abgegeben hat, bestätigen wird, ein 
grosses Sterben ein, und nur selten gelingt es, das eine und das andere 
Thier durchzubringen. Auch die in Freiheit lebenden, in dem be- 
treffenden Stadium befindliehen Larven sind schwer aufzutreiben, ohne 
dass ich hierfür eine Erklärung beizubringen wüsste. 

Die ersten Spuren eines knorpeligen Epipubis sah ich bei einer 
24 mm langen Larve von Triton alpestris, und zwar genau an 
der Stelle, wo in dem auf Fig. 39 abgebildeten, etwas jüngeren Stadium 
zellreiches, perichondrales Bindegewebe (BG) von vorne her zwischen 
die eben verwachsenden Ischiopubica einschneidet Eine hyalin- 
knorpelige Verbindung mit den letzteren konnte ich hier nicht nach- 
weisen, wohl aber bestand dieselbe bei einer nahezu gleich alten 
Larve von Triton helveticus, sowie bei einem 26 mm langen 



') Iii einem 28 cm langen Exemplar von Cryptobranchus japonicu*, 
das ich meinem Freunde, Prof. HäU in Tokio, verdanke, waren drei postaacrale, 
d. h. candale Kippen vorhanden. Der vierte Caudalwirbel trug nur noch eine 
kurze, unverknöcherte Knorpelapophyse am Processus transversus. 

*) Duges gebraucht dafür den Namen „marsupial cartilage". 



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- 103 — 



Axolotl. In diesen beiden Fällen ging die Knorpelsubstanz des 
Ischiopubis in diejenige des Fpipubis direct über, allein diese Ver- 
bindungsbrücke existirte nur ventralwärts , und wurde, wenn ich mit 
den Flächenschnitten weiter gegen das Cavum pelvis zu vordrang, 
dorsalwärts bald durch jenes zell- und kernreiche Bindegewebe ersetzt. 

Um diese Zeit stellt das Epipubia eine auf dem proximalen Rand 
der Beckensymphyse aufsitzende, spitzhöckerige, durchaus unpaare 
Vorwölbung dar. Diese wächst nur langsam zapfenartig nach vorne 
aus, und gabelt sich 1 ) schliesslich in zwei Aeste. Nachdem dies ge- 
schehen ist, gliedert sich das SockelstUck in der Regel vom proximalen 
Beckenrand ab und bleibt nur noch durch Bindegewebe mit ihm ver- 
bunden. Ich bin Uberzeugt, dass jene Abgliederung durchaus nicht 
immer eine vollständige ist, wenn man nicht eine secundär platz- 
greifende, ausgedehntere Verschmelzung 2 ) annehmen will, wofür ich 
allerdings keine Beweise liefern kann. Von Wichtigkeit in dieser Beziehung 
ist der asiatische Tylototriton, wo nach den unter meiner Leitung 
angestellten und von mir genau controlirten Untersuchungen H. Riese's 
die Beckenplatte mit dem Epipubis in grosser Ausdehnung hyalin- 
knorpelig zusammenhängt. — Diese Thatsache, wie auch die embryo- 
nalen Befunde bestimmen mich, d ie Carti lag o epipubis nicht nur 
für das Salamandrinen-, das Menopoma- und Crypto- 
branchus-Becken, sondorn für dasjenige aller Urodelen 
in Anspruch zu nehmen. Mit anderen Worten: ich erachte 
den unpaaren, schnabelartigen Fortsatz des D i p n o 8 r - und M e n o - 
branch us -Beckens, sowie die neben der Medianlinie liegenden, auf 
Fig 41 und 48 mit ff (Cep) bezeichneten Fortsätze von Proteus 
und Amphiuma für nichts anderes, als für primitive Entwicklungs- 
stufen einer Cartilago epipubis, bezw. für die Rudimente einer solchen ; 
sie muss, darauf weisen die Höhlenbildungen bei Ceratodus, die 
Erfahrungen Baur's (14) am jungen Menobranchus, sowie end- 
lich die oben erwähnten Fortsätze am Amphiuma- und Proteus- 
Becken hin, so gut wie das ganze Beckon, eine paarige Anlage be- 
sessen, und sich als ein Continuum mit dem übrigen Becken entwickelt 
haben. Weiter unterstützt wird diese Auffassung durch das ebenfalls paarig 



.') Jene als secandäre Erwerbungen aufzufassenden Aeste sind bei den ver- 
schiedenen Urodelen sehr verschieden geformt und schwanken auch individuell 
in ihrer Länge. Häufig sind sie asymmetrisch, was sich am meisten bei Crypto- 
branchus und Menopoma ausspricht. Bei jenem kann von dem einen 
Gabelzinken sogar noch ein Seitenzweig ausgehen, welcher in das zunächst lie- 
gende Myocomma eintritt (Fig. 47, Z). Die Hauptzinken (f) liegen auf einer 
fibrösen Haut, welche eine Verbreiterung der Linea alba abdorainis darstellt. 
(Laib.) 

•) Ich erinnere übrigens dabei an dio bereits besprochenen, resp. die noch 
zu erwähnenden Verwachsungszonen im Bereich des Hüft- und Schultcrgelenkes. 



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hinten und dorsalwürts gehende Richtung des lliuina bei Menoponia 
zusammen, wie sie in gleicher Weise bei Cryptobranchus und 
manchen Salamandrincn, wenn auch in etwas geringerem Grade, 
getroffen wird. 

Kura, in allen diesen Fällen handelt es sich um eine Aufgabe 
der ursprünglichen, genau auf das zunächst liegende Myocomma 
beschränkten Lage des Iii um. Wenn ich sage „ursprünglichen Lage", 
so denke ich dabei nur an schwimmende, kiemenathmende Amphi- 
bien, nicht aber an Fische, wo, wie z. B. bei den Holocephalen, 
jene Lageverhältnisse nicht zu constatiren sind, insofern hier das 
Ilium, mehrere Myoeommata und Myomeren schief überkreuzend, zu 
der in derselben ausgesprochenen Metamerie gar nicht Stellung nimmt. 

Das Acetabulum, in welchem alle Beckentheile zu einer einheit- 
lichen Knorpolmasse verbunden sind, ist bei Menopoma und C r y p to - 
branchus 1 ) so wenig als bei allen höheren Urodelen durchbohrt. 

Das lliuin wurde schon auf S. 99 geschildert. 



Ich wende mich nun zu jenem Abschnitt des Urodelen-Beckens, 
der unter dem Namen derCartilago epipubis oder y psiloides*) 
bekannt ist. Derselbe setzt einem klaren Einblick in seine erste An- 
lage deswegen grössere Schwierigkeiten entgegen, als das übrige 
Becken, weil er sich erst in Altersstadien entwickelt, welche seltener zu 
erhalten sind als jüngere, und dann aber wieder als beträchtlich ältere. Ich 
raeine damit Tritonen-Larven, die etwa 22 — 26 mm messen. Wann die 
Larven diese Grösse erreicht haben, tritt in den Aquarien, wie mir Jeder, 
der sich einmal mit Tritonenzucht abgegeben hat, bestätigen wird, ein 
grosses »Sterben ein, und nur selten gelingt es, das eine und das andere 
Thier durchzubringen. Auch die in Freiheit lebenden, in dem be- 
treffenden Stadium befindlichen Larven sind schwer aufzutreiben, ohne 
dass ich hierfür eine Erklärung beizubringen wüsste. 

Die ersten Spuren eines knorpeligen Epipubis sah ich bei einer 
24 mm langen Larve von Triton alpestris, und zwar genau an 
der Stelle, wo in dem auf Fig. 39 abgebildeten, etwas jüngeren Stadium 
zellreiches, pericbondrales Bindegewebe (BG) von vorne her zwischen 
die eben verwachsenden Ischiopubica einschneidet. Eine hyalin- 
knorpelige Verbindung mit den letzteren konnte ich hier nicht nach- 
weisen, wohl aber bestand dieselbe bei einer nahezu gleich alten 
Larve von Triton helveticus, sowie bei einem 26 mm langen 



') In einem 28 cm langen Exemplar von Cryptobranchus japonicu*, 
das ich meinem Freunde, Prof. Bälz in Tokio, verdanke, waren drei postaacrale, 
d. h. caudale Rippen vorhanden. Der vierte Caudalwirbel trug nur noch eine 
kurze, unverknöcherte Knorpelapophyse am Proeessus tranevenms. 

»J Duges gebraucht dafür den Namen „marsupial eartilagc". 



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Axolotl. In diesen beiden Fällen ging die Knorpelsubstanz des 
Ischiopubis in diejenige des Epipubis direct über, allein diese Ver- 
bindungsbrücke exiatirte nur ventralwärts , und wurde, wenn ich mit 
den Flächenschnitten weiter gegen das Cavum pelvis zu vordrang, 
dorsalwärts bald durch jenes zell- und kernreiche Bindegewebe ersetzt. 

Um diese Zeit stellt das Epipubis eine auf dem proximalen Rand 
der Beckensymphyse aufsitzende, spitzhöckerige, durchaus unpaare 
Vorwölbung dar. Diese wächst nur langsam zapfenartig nach vorne 
aus, und gabelt sich 1 ) schliesslich in zwei Aeste. Nachdem dies ge- 
schehen ist, gliedert sich das Sockelstück in der Regel vom proximalen 
Beckenrand ab und bleibt nur noch durch Bindegewebe mit ihm ver- 
bunden. Ich bin überzeugt, dass jene Abgliederung durchaus nicht 
immer eine vollständige ist, wenn man nicht eine secundär platz- 
greifende, ausgedehntere Verschmelzung 2 ) annehmen will, wofür ich 
allerdings keine Beweise liefern kann. Von Wichtigkeit in dieser Beziehung 
ist der asiatische Tylototriton, wo nach den unter meiner Leitung 
angestellten und von mir genau controlirten Untersuchungen H. Kiese's 
die Beckenplatte mit dem Epipubis in grosser Ausdehnung hyalin- 
knorpelig zusammenhängt. — Diese Thatsache, wie auch die embryo- 
nalen Befunde bestimmen mich, die Carti lag o epipubis nicht nur 
für das Salamandrinen-, das Menopoma- und Crypto- 
branchus-Becken, sondern für dasjenige aller Urodelen 
in Anspruch zu nehmen. Mit anderen Worten: ich erachte 
den unpaaren, schnabelartigcn Fortsatz des Dipnoör- und Meno- 
b ran ch us -Beckens, sowie die neben der Medianlinie liegenden, auf 
Fig 41 und 48 mit ff (Cep) bezeichneten Fortsätze von Proteus 
und Amphiuma für nichts anderes, als für primitive Entwicklungs- 
stufen einer Cartilago epipubis, bezw. für die Rudimente einer solchen ; 
sie muss, darauf weisen die Höhlenbildungcn bei Ceratodus, die 
Erfahrungen Baur's (14) am jungen Menobranchus, sowie end- 
lich die oben erwähnten Fortsätze am Amphiuma- und Proteus- 
Becken hin, so gut wie das ganze Becken, eine paarige Anlage be- 
sessen, und sich als ein Continuum mit dem übrigen Becken entwickelt 
haben. Weiter unterstützt wird diese Auffassung durch das ebenfalls paarig 



.') Jene als aecundäro Erwerbungen aufzufassenden Aeste sind bei den ver- 
schiedenen Urodelen sehr verschieden geformt und schwanken auch individuell 
in ihrer Länge. Häufig sind sie asymmetrisch, was sich am meisten bei Crypto- 
branchus und Menopoma ausspricht. Bei jenem kann von dem einen 
Gabelzinken sogar noch ein Seitenzweig ausgehen, welcher in das zunächst lie- 
gende Myocomma eintritt (Fig. 47, £)• Die Hauptzinken (+) liegen auf einer 
fibrösen Haut, welche eine Verbreiterung der Linea alba abdominis darstellt. 
(Laib.) 

») Ich erinnere übrigens dabei an die bereits besprochenen, resp. die noch 
zu erwähnenden Verwacheungszonen im Bereich des Hüft- und Schultcrgelcnkes. 



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- 104 - 



sich anlegende und später erst wieder vom Beckengürtel sich ab- 
gliedernde Epipubis der Chelonier und Saurier. (Vergl. das 
Capitel über die Reptilien.) 

Die ursprünglich bedeutendere Ausdehnung des Urodelen-Beckens 
in der Längsrichtung kann man auch aus einem Vergleich des noch 
«ehr lang gestreckten lchthyoden- und Derotromen-Beckens 1 ) 
mit dem im antero-posterioren Durchmesser viel kürzeren der Sala- 
mandrinen erschliessen (Fig. 46, 47, 48, 50 und Textfigur 10). 
Das Salamandrinen - Becken ist also, was seine mediale Partie an- 
belangt, in seiner Längen ausdehn ung als reduzirt aufzufassen, und 
zwar ist die Rückbildung von der proximalen nach der distalen (cau- 
dalen) Seite fortschreitend zu denken. Dabei kommt vor Allem die 
Cartilago epipubis in Betracht, welche bei Cryptobranchus z. B. 
noch bis in das dritte praepelvine Myomer hineinragt (Fig. 47, Cep), 
während sie bei Salamandrinen das zweite eben noch erreicht, 
Bei diesem Reductionsprozess mögen die Muskel Verhältnisse eine grosse 
Rolle gespielt haben, doch wage ich hierüber kein sicheres Urtheil 
abzugeben. Ich will nur darauf hinweisen, dass bei Menobranchus 
(Fig. 52) die ganze mediale Beckenpartie bis hinaus zur vordersten 
Spitze des Epipubis, den gewaltigen Extremitätenmuskeln (M*) zum 
Ursprung dient, während letztere sich bei den Dipnoern sowohl wie 
bei den Salamandrinen (Fig. 16, 47) mit ihrem Ursprung auf die ven- 
trale Beckenplatte im engeren Sinne beschränken. Bei Dipnoern 
sehliessen sich also, ganz wie bei D e r o t r e m e n und Salamandrinen, 
an das in der Linea alba liegende Epipubis seitlich die Rumpfmyomeren 
an, welche dadurch mit jenem zusammen eine bedeutendere Festigung 
der Bauchwand erzielen. 

Mit der fortschreitenden Verkürzung und Rückbildung des Epipubis, 
welche bei Spclerpes fuscus (allen Spelcrpes- Arten ?), wo sich, 
wie ich anno 1875 gezeigt habe, gar keine Cartilago epipubis mehr 
anlegt, ihr Maximum erreicht, trat nun auch insofern eine abgekürzte 
Entwicklung desselben ein, als es sich bei Salamandrinen nicht 
mehr paarig anlegt 2 ). 

Von hohem Interesse wären mir junge Larven von Menopoma 
und Cryptobranchus gewesen, allein es blieb beim pium desiderium, 
und ich kann nur mittheilen, dass ich bei einem 12,2 cm langen 
Exemplar von Menopoma Alleghaniense, welches ich dem 



>) Das Menobranchus-Bccken z. B. erstreckt »ich noch Ober 3'/* Myomeren 
hinweg. 

*) Hierfür gibt es ja auch sonst am Skelet der Wirbelthicre analoge Vor- 
gänge; ich erinnere nur an gewisse Carpal- und Tar.*alelementc, für deren bei 
niederen Vcrtebraten paarige Natur bei höheren nicht einmal mehr durch die 
Ontogenese ein Nachweis zu erbringen ist 



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— 105 - 



Sraithsonian-Institution zu Washington verdanke, das Epipubis bereits 
abgegliedert fand. 

Für den rudimentären Charakter der Cartilago epipubis bei 
Derotremen und Sa lamandrinen sprechen auch ihre schwanken- 
den Form- und Grössen Verhältnisse, wie dies bekanntlich überall da 
zu beobachten ist, wo Theile des Organismus in's Schwanken gerathen. 

Eine weitere Etappe in der regressiven Metamorphose dürfen wir 
in der, gleichsam noch vor unseren Augen vor sich gehenden Los- 
lösung des Epipubis von seinem Mutterboden erblicken. Wie langsam 
aber alle derartigen Prozesse verlaufen, und wie zäh das einmal Ver- 
erbte vom Organismus festgehalten, ja eventuell, nachdem es bereits 
fast verloren war, wieder zurückerobert wird, sehen wir an dem Bei- 
spiel von Ty lototriton und den dabei zur Parallele herbeigezogenen 
Verhältnissen des Skeletes der freien Gliedraassen. 

Mit dieser meiner Auffassung der Cartilago epipubis durch die 
ganze Reihe der Urodelen und Dipnoex hindurch ') stehe ich nicht allein. 
Auch D'Arcy Thompson (97) theilt dieselbe, obgleich er es bei 
der einfachen Behauptung bewenden lässt, ohne dieselbe irgendwie zu 
stützen. Er sagt wörtlich : „The pelvis of Urodela is directly compar- 
able with that of Elasmobranchs or Ceratodus. For instance, the prepubis 
is traceable throughout, the ilium of Urodeles has the same relations 
as that of Elasmobranchs and the epipubis of Ceratodus is the close 
precursor of that of Menobranchus or Salamandra." In die Ent- 
wicklungsgeschichte der Amphibien scheint D'Arcy-Thompson 
nicht tiefer eingedrungen zu sein, denn seine Schilderung des Beckens 
von Salamandra maculata besitzt nur einen sehr skizzenhaften 
Charakter und bezieht sich nur auf ältere Stadien. 

Was das Epipubis anbelangt, so soll es sich bei IV4 Zoll langen 
Larven um eine „rounded epipubic prominence, comparable with that 
of Menobranchus" handeln. 

Im Weiteren wird dann ausgeführt: „The epipubis remains rudi- 
mentary until after the ilium begins to ossify, when it rapidly attains 
its adult characters." 

Das ist Alles, und es ist klar, dass man sich danach keine genügende 
Vorstellung von der Entstehung des Epipubis zu machen im Stande ist. 

Hyrtl (61) erklärt sich nicht genau über den fraglichen Knorpel 
und beschränkt sich bezüglich des Menobranchus -Beckens auf die 



') Schon in meinem Lehrbuch und Grundria» der vergl. Anatomie 
der Wirbelthierc habe ich das Epipubis der Salamandrinen mit dem 
Schnabelfortsatz des Dipnoerbeekens parallelisirt. Später schien mir dies wie- 
der unwahrscheinlicher, während ich jetzt zu meiner früheren Auffassung zu- 
rückkehre. 



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Bemerkung: „loco cartilaginis ypsiloidis, tota cartilage pelvis impar, 
in apicem acutum antrorsum producitur." 

Baur (14) bestreitet die Homologie zwischen dem schnabelartigen 
Fortsatz des Menobranchus- Beckens („Epigastroid") und dem Epipubis 
der Salamandrinen. Er gründet seine Ansicht auf die, wie er anzu- 
nehmen scheint, selbständige, von der „gastroid cartilage" unabhängige 
Entwicklung des Epipubis und erklärt es deshalb für eine secundäre, 
von der „gastroid cartilage" unabhängige, spätere Bildung. Das »Epi- 
gastroid" ist nach ihm überall, auch bei Menobranchus, wo er 
dessen Entwicklung studiren konnte, „the anterior portion of the 
gastric cartilage, from which it is developed independently". Das 
lange „Epigastroid" der Chelyiden ist nach Baur homolog dem 
kurzen Epigastroid der Testudineen, ebenso der vonleren Portion der 
„gastroid cartilage" von Salamandern und Dactylethra, mit 
welcher die Cartilago ypsiloides verbunden ist. 

C. K. Hoffmann(54) beschränkt sich auf die Bemerkung: „Ein 
Epipubis geht Proteus, Menobranchus und Amphiuma ab." 



Ehe ich nun eine Zusammenfassung des über das Urodelen-Becken 
Mitgetheilten gebe, schildere ich zuvor noch die Entwicklung des 
Anuren-Beckens. Erst nachdem dieses geschehen ist, werden 
sich, auch unter Berücksichtigung der einschlägigen paläontologischen 
Funde, sichere Anhaltspunkte für das Amphibienbecken im Allgemeinen 
gewinnen lassen. 

2) Anuren. 

Bezüglich der frühesten Entwicklungsprozesse der hinteren Ex- 
tremität der ungeschwänzten Batrachier handelt es sich um ein bis 
jetzt fast gänzlich unbebautes Feld der Morphologie. 

D u ges (23), welcher nur ältere Stadien untersucht hat, beschränkt 
sich auf ganz allgemein gehaltene Bemerkungen über die Lagever- 
änderungen, welche die einzelnen Beckentheile im Laufe der Ent- 
wicklung durchmachen. Er sagt: . . . „alors seulement la baac de 
1'ilium touche celle du cötc* oppose 1 , et Ton trouve deja derriere cette 
base et de chaque cöte* un cartilage ischio-pubien qui se separe aise- 
ment de l'iliaque. Ju.squ'ä cette epoque les deux cuisses, quoique 
fort rapprochees ä leur origine, ne se touchaient pas encore au-dessous 
du rectum, au-dessus duquel elles avaient pris d'abord racine; c'est 
le rauscle droit qui les ram^ne ainsi en bas peu a peu, comme le 
pectoral ramene en dedans les epaules" etc. 

Weiter kommt dann Du ges auf die wechselnde Stellung des 
Li um, bis es schliesslich dem Steissbein ganz parallel gerichtet ist, zu 
sprechen, und beschreibt auch den Verknöeherungsprozess, indem er einen 



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doppelten Modus „une ossification superfieielle et generale et une 
ossification interieure et mödullaire" erwähnt. 

Noch weniger als bei Duges findet man bezüglich der Bocken- 
entwicklung in dem grossen Götte 'sehen Werk über die Unke, so 
dass ich darauf gar nicht einzugehen brauche. 

Weitere Literaturquellen sind mir nicht bekannt geworden, so 
dass ich mich gleich zu meinen eigenen Untersuchungen wenden kann. 

Bei den A n u re n geht bekanntlich, im Gegensatz zu den Urodelen, 
die Entwicklung der hinteren Gliedmassen derjenigen der vorderen 
voraus. Der Zeitpunkt dafUr lässt sich nicht genau feststellen, denn 
es kommen hierbei, zumal bei A 1 y t e s , an welchem Thier ich haupt- 
sächlich meine Untersuchungen anstellte *) , die allergrößten Schwan- 
kungen und Unregelmässigkeiten vor. Letztere scheinen mir direct 
in verschiedenen Ernährungsbedingungen und indirect in der zeitlich 
sehr wechselnden Involution des breiten Ruderschwanzes der Kaulquappe 
ihren Grund zu haben. So trifft man zuweilen Exemplare von 5 cm 
Länge, welche mit solchen von 2,5 cm auf gleicher Entwicklungsstufe 
stehen, ja selbst bei 7—8 cm langen Alytes - Larven traf ich das 
Becken zuweilen ventral noch nicht oder doch nur zum kleinsten Theil 
geschlossen. 

Von einer Epidermisleiste, wie sie als Vorstufe der Extremitäten- 
anlage bei Urodelen zum Theil noch auftritt, lässt sich bei An u reu 
nichts mehr nachweisen. Im Uebrigen entstehen die hinteren Glied- 
massen ganz nach Art derjenigen der ungeschwänzten Amphibien, 
d. h. auch hier handelt es sich an der betreffenden Stelle um eine 
über zwei Körpersegmente (das elfte und zwölfte) hinweg sich er- 
streckende Ansammlung von indifferentem Mesoblastgewebe , welches 
die laterale Rumpfwand allmählich vorbaucht und später erst ventral- 
wdrts von beiden Seiten gttrtelartig zusammenschliesst. Auch bei 
Anuren steht jenes Gewebe, welches aus naheliegenden Gründen gleich 
bei seinem ersten Auftreten eine viel voluminösere, knospenartige Vor- 
ragung bewirkt, als bei Urodelen, mit dem Cölomepithel in aller- 
nächster Verbindung. 

Die Figuren 54—60, welche Querschnitte durch eine 16 mm 
lange Larve von Rana temporaria darstellen, versinnlichen dieses, 
und ich bemerke dazu, dass dieselben caudalwärts beginnen und kopf- 
wärts fortschreiten 2 ). In Fig. 54 ragen die an ihrer Basis ein- 
geschnürten, und an ihrer Oberfläche von dem verdickten Oberhaut- 



>) Alytes ist für derartige Untersuchungen weitaus das günstigste Objekt. 
Alle Verhältnisse sind sehr gross und deutlich, und nirgends stösst man auf den 
bei Rana eaculenta und den Bufonen oft sehr störendeu Pigmentreichthum. 

*) Die Schnitte folgen nicht unmittelbar auf einander, sondern sind stet» 
durch grosse Intervalle getrennt zu denken. 



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epithel überzogenen Knospen (HE) weit hervor 1 ). In Fig. 55 und 
56 erscheinen sie schon etwas abgeflachter, in allen dreien aber liegen 
sie noch hinter dem Cölom, unmittelbar hinter der weiten 
Cloake (Clo), an deren dorsaler Circuraferenz in Fig. 55 und 56 bereit» 
ein Zusammenfluss de« Mesoblastgewebes erfolgt. An eben dieser 
Stelle, nur noch etwas höher, sieht man, wie aus der untersten (ven- 
tralen) Zone (M l ) ein Theil sich absplittert und scheinbar zur Ex- 
tremitätenanlage tritt. Wenn ich nun auch nicht in Abrede ziehen 
will, dass von hier au* wirklich die Diffcrenzirung der Gliedmassen- 
muskulatur ihren Auagang nimmt, so kann ich dafür doch keine 
Beweise erbringen. Geht man nämlich mit den Schnitten weiter 
proximalwärts bis in die Gegend, wo das Cölom (Co) erscheint, so 
sieht man an der dorsalen und spater an der lateralen resp. latero- 
vcntralen Wand desselben jene abgesplitterten Muskelparticen noch weit 
nach vorne ziehen (Fig. 57 — 60, Jlf 1 ). Es erweckt dies den Eindruck 
als würden Rumpf- (Bauch-)Muskeln von der caudalen Seite her als 
zwei bandartige, dem Cölomepithel stete eng anliegende Längszüge 
einwachsen. Näheres kann ich hierüber nicht mittheilen, und ich 
möchte deshalb die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf jenen Punkt 
hinlenken. 

Bei 19 nun langen Larven von Kana temporaria tritt 
die erste Verknorpelung im proximalen Abschnitt des Femur auf, 
gleich darauf folgt diejenige des Untersehenkels, und erst in dritter 
Linie verknorpelt das Becken, und zwar im Gegensatz zu den Urodelen, 
zuerst in seiner Pars iliaca. Darauf folgt allerdings unmittelbar, 
in gesonderter Anlage, die Pars ischio-pubica. Der Grund 
dieser zeitlichen Verschiebung der Verknorpelung kann meiner An- 
sieht nach nur in dem speeifischen Gebrauch der hinteren Extremitäten 
der Anuren liegen. Alles kommt eben hier darauf an, für die 
wichtigen Sprungbeine möglichst früh einen soliden, mit der Wirbel- 
säule sich verbindenden Aufhängeapparat zu erzielen. Ganz gleich ver- 
hält sich Alytcs, nur dass hier in der Hegel der Verkuorpelungs- 
prozess in der freien Extremität schon weiter, bis in die Fussgegend, 
fortgeschritten ist, bevor die Verknorpelung im Becken Platz greift. 
Auch hier legen sich die Pars iliaca und ischio-pubica getrennt an, und 
beide fliessen erst nachträglich miteinander zusammen. Somit stimmen 
die betreffenden Verhältnisse gänzlich mit denjenigen derSalaman- 
drinen überein (vergl. Fig. 87 und 61, bei 1 und LP). 

In Figur 61, welche einen Querdurchschnitt durch eine 50 mm 
lange Alytes- Larve darstellt, sieht man noch bei f die Ein- 
lenkungsstelle der freien Extremität in den Rumpf, und da dies 



') Schnitte, die noch weiter cand&lw&rts als Fig. 54 hindurchgehen, zeigen 
die Extremitätenknoxpc frei vom Rumpfe. 



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- 100 - 



unter einer Einhaltung der Epidermis geschieht, so ist auch letztere 
(bei Ep x ) noch mit in den Schnitt gekommen. Bei Gf und .ZV, N, 
strahlen Gefllsse und Nerven in die Extremitätenanlage ein, und bei 
3f a liegen die zugehörigen Muskeln. Der Femurkopf (FK) und die 
Beckentheile werden allseitig von dickzelligem Mesoblastgewebe um- 
geben, bald aber differenzirt sich auch dieses theilweise in hyaline 
Knorpelsubstanz, und letztere bildet dann starke Verbin- 
dungsbrücken zwischen dem Femurkopf und dem noch 
sehr primitiven Pfannengrund. Aehnliches ist auch bei Ran a 
zu beobachten, und häutig kommt es hier wie dort erst in viel späterer 
Entwicklungszeit wieder zur Ablösung des Caput femoris. — Wie man 
sieht, stimmen auch hierin die Anuren wieder mit den Urodclen 
überein, so dass für beide dieselben Gesichtspunkte gelten, wie ich 
sie auf S. 91 aufgestellt habe. 

Allee in Allem genommen zeigen die Anuren in der Anlage ihrer 
hinteren Extremität insofern noch primitivere Verhältnisse, als die 
Salamandrinen , als ihr Becken später entsteht, als bei den letzteren, 
d. h. erst nachdem die freie Gliedmasse bereits eine höhen; Ausbil- 
dung erreicht hat. 

Nachdem der Zusamraenfluss des knorpeligen llium und Ischio- 
pubis erfolgt ist, consolidirt sich zunächst das llium, indem in seiner 
Diaphysenzone reichlich intercellulare Substanz auftritt (Fig. 62, *). 
Die ganze übrige Knorpelsubstanz erscheint vor der Hand noch sehr 
dichtzellig, bis schliesslich in der Pars ischiadica die hyaline Zwischen- 
substanz ebenfalls vorzuschlagen beginnt. 

In diesem Stadium stehen die Knorpelzellen nur noch an der 
dorsalen Apophyse des llium, sowie an jener Stelle besonders dicht, 
wo zur Zeit die Verwachsung zwischen letzterem und der Pars ischio- 
pubica stattgefunden hat (Fig. 63, f und bei /). 

Nun wächst die Pars iliaca, genau an das nächstliegende Myo- 
corama sich haltend (Fig. 64, 7), rapid in die Länge und zieht sich 
immer weiter dorsalwärta empor. Während dies anfangs in fast senk- 
rechter Richtung geschieht (Fig. 62), nimmt das llium später eine ge- 
neigtere, der Körperlängsachse immer mehr parallel laufende Richtung 
an und beginnt in ihrem Diaphysenabschnitt, d. h. an der Stelle der 
stärksten Belastung und des grössten Muskelzuges, periehondral zu 
verknöchern, wobei der Knorpel allmählich eine sanduhrförmige Ein- 
schnürung erfährt (Fig. 65). 

Während nun so das llium dorsalwärta ausweichst, sind beide 
Beckenhälften lange Zeit in der Mittellinie noch durch eine breite 
Bindegewebszone (Fig. 62, 63, 65, Sy) sehr weit von einander getrennt. 
Dies gilt, wie schon erwähnt, auweilen noch für 7—8 cm lange 
Larven von Alytes, während der Entwicklungsprozeß im Allge- 
meinen bei Rana und Bufo viel schneller verläuft. 



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- 110 - 



Hier wie dort aber beginnt die Aneinandcrlagerung beider Becken- 
hälften distalwärts, verhttlt sich also geradezu umgekehrt wie die 
Urodelen. Darin stimmen aber dann beide wieder mit einander über- 
ein, dass die eigentliche Verwachsung zuerst ventralwärts an der all- 
mählich sich bildenden, medianen Muskelleiste beginnt und von hier 
aus erst später dorsalwärts fortschreitet. 

Auf Fig. 66, a— f habe ich sechs Flachenschnitte abgebildet, 
welche sich auf eine halberwachsene Rana temporaria beziehen. 
Dieselben beginnen mit a am freien, ventralen Rande der medialen 
Crista ischio-pubis und schreiten dann (mit freigelassenen Intervallen) 
dorsalwärts fort. Auf a — e sieht man in der Mittellinie (frühere, bei 
der Symphysenbildung in Betracht kommende Froliferationszone) die 
Querschnitte zweier kleinen Gefäase, welche in einer durch zarte Con- 
turen angegebenen rein hyalinen Knorpelzone liegen. Im Uebrigen 
ist die Verschmelzung von beiden Seiten her eine vollständige. 

Dies gilt nicht mehr für die dorsale Region (f), wo .sich die 
Beckenplatte stark verbreitert, und wo sie in ihrer grösseren Aus- 
dehnung durch eine schmale fibröse Zwischenzone (Sy) in ihre zwei 
ursprünglichen Hälften zerfrillt. 

Von Fig. 66, e an sieht man in der schnabelartig verjüngten, 
und bereits vollkommen einheitlichen Pars ischiadica (*) die Ver- 
knöcherung in vollem Gange. Da» ganze Knorpelgewebc erscheint 
hier zerklüftet, ausgenagt und ist in seinem regellosen, ossificirenden 
Maschenwerk von Osteoblasten erfüllt. Dabei kehrt sich der Ossi- 
nVationsprozess nicht im mindesten an die frühere Symphysenzone; 
die wabigen Räume greifen vielmehr ganz regellos von beiden Seiten 
in einander über. 

Distalwärts von dieser Stelle liegt noch hyalines Gewebe. 

So ergiebt also eine vergleichende Analyse des Urodelen- und 
Anurenbeekens eine nicht zu verkennende Uebereinstimmung in der 
Entwicklungsgeschichte desselben. Derselbe Grundtypus begegnet uns 
hier wie dort, und ich begreife nicht, wie D'Arcy Thompson im 
Anurenbecken eine wesentlich verschiedene Bildung erblicken kann 
und „that it is not easy to compare the two." Im Uebrigen macht 
er mit vollem Recht auf die in vielen Punkten älteren phyletisehen 
Charaktere der Anuren im Allgemeinen gegenüber den Urodelen 
aufmerksam und verwirft die Aufstellung einer etwa bei Proteus be- 
ginnenden und mit den Anuren abschliessenden Stufenleiter, „ a but we 
must Iook upon the Anura as the apex of an eider stock, which gave 
off low down the Urodcles as a side-shoot, and has been in the 
end transcended by it." Dagegen kann ich mich nicht mit diesem 
Autor einverstanden erklären, wenn er behauptet, dass das Anuren- 
becken während seiner Entwicklung eine nur geringe Formänderung 
durchmachen soll; im Gegentheil, letztere ist eine ganz beträchtliche 



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— 111 — 



und viel bedeutendere als bei den Urodelen. D'Arcy Thompson 
würde auch wohl kaum zu dieser Meinung gekommen sein, wenn er 
jüngere Stadien untersucht ') und auch Schnittserien gemacht hatte. 

Dactylethra capensis ist bekanntlich der einzige anure 
Batrachier, welcher, wie C. K. Hoffmann (54) zuerst gezeigt hat, 
eine Cartilago epipubis nach Art der Salamandrinen besitzt 
Darin liege, meint der genannte Autor, der Schlüssel zum Verständ- 
nis« des Anurenbeckens , indem Dactylethra als eine verbindende 
Zwischenform zwischen Urodelen und Anuren zu betrachten sei. 
Dabei wirft er die Frage auf, ob, da er nur ein junges Exemplar von 
Dactylethra untersuchte, nicht die von ihm in der Pars pubica der- 
selben nachgewiesene Verknöcherungszonc später mit dem Ilium zu- 
sammenfliesse. Wenn dies wirklich der Fall wäre, und wenn sich 
auch bei anderen Anuren in embryonaler Zeit in der betreffenden 
Beckenpartie eine discrete, später aber gleichfalls mit dem Ilium zu- 
sammenfliessende Ossificationszone nachweisen Hesse, so würde Hoff- 
mann mit seiner Auffassung eines „Ileopubis" bei Anuren Recht haben. 

Was zunächst Dactylethra betrifft, so habe ich ein altes, voll- 
kommen ausgewachsenes Exemplar zu untersuchen Gelegenheit gehabt, 
und dabei sicher constatiren können, dass jener Zusammenfluss nicht 
stattfindet, sondern dass das knöcherne Pubis durch eine vom Aceta- 
bulum her einschneidende Knorpelzone sowohl vom knöchernen Lach i um 
als auch vom Ilium vollkommen getrennt bleibt (Textfigur 16, A). 
Letzteres sieht man noch deutlicher, wenn man das Becken von seiner 
proximalen (dem Kopf zuschauenden) Fläche her betrachtet Dabei 
erstaunt man über die ausserordentliche Dicke desselben im dorso- 
ventralen Durchmesser, und sieht, wie die beiden Uia mit ihren 
unteren Enden dorsal von den Pubica, in der Mittellinie zusammen- 
rücken und nur noch durch eine sehr schmale, median verlaufende 
Knorpelnaht von einander getrennt bleiben (Textfigur 16, B). Aus 
dieser Abbildung geht auch hervor, dass man am Schambein viel 
richtiger eine proximale und eine distale, d. h. eine köpf- und steiss- 
wärts schauende, als eine dorsale und ventrale Fläche unterscheiden 
kann. — An dem betreffenden Präparat konnte ich auch sehen, dass 
das knorpelige Epipubis nur durch Bindegewebe mit dem übrigen 
Becken verbunden ist, und dass im Acetabulum ein ausserordentlich 
starkes Ligamentum teres und eine tiefe Incisur ausgebildet sind. 

Auch Sabatier (89) gedenkt des Epipubis von Dactylethra, 
und zwar als eines „petit tubercule cartilagineux u e ), das dort die „appen- 
clices cartilagineux" repräsentire , welche er bei den Urodelen als ein 



') Das jüngste von ihm untersuchte Stadium von Rana temporaria war 
„a nearly full-aized t ad pole". 

*) Eine höchst fragwürdige Bezeichnung! — 



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„presternum abdominal" beschrieb. Auf Weiteres lttsst sich Saba- 
tior nicht ein. 

Wie Hoffmann, so betrachtet auch D'Arcy Thompson das 
Becken von Dactylcthra, sowie dasjenige der fossilen, zu den rhachi- 
tomen Amphibien gehörigen Formen Eryops und Cricotus 1 ) als 
die verbindenden Zwischenforraen mit den Urodelen. Die flache und 
verjüngte Sitzbeinregion von Dactylethra vergleicht er mit derjenigen 
von Proteus, „but the separately ossified pubes are not easy to explain 
with reference either to Urodeles or to other Anura". Die proximale 
Platte des Urodelenbeckens erklärt er zwar für „truly pubic", fligt 
aber hinzu: „it is certainly never ossitied in any Urodele". 

Was die zweite von Ho ff mann aufgeworfene Frage anbelangt, 
so ist es mir bei keiner Anurenlarve — und ich habe daraufhin 
Alytos, Borabinator, Bufo und Rana untersucht — gelungen, 
in der Pars pubica einen besonderen Ossificationspunkt nachzuweisen. 
In allen Fallen begann der Verknöcherungsprozess in der Mitte des 
schlanken Ilium und rückte von hier aus sowohl gegen die Extremitas 
vertebralis als auch gegen die Extremitas acetabularis derselben vor. 
Aus diesem Grunde darf die betreffende Ossificationszone nicht als 
Ileopubis bezeichnet werden. 

Ehe ich nun das Anurenbecken verlasse, muss ich noch des 
Nervus obturatorius, resp. des damit vereinigten Nervus 
c r u r a 1 i s und seines Austrittes aus der Beckenhöhle gedenken. 
Derselbe durchbohrt hier die Beckenwand so wenig als bei den 
Dipnoörn, sondern tritt über dem proximalen Rand der Pars pubica 
und zwar an der Stelle heraus, wo letztere durch eine tiefe Incisur 
vom Darmbein getrennt ist. Darin liegt ein bemerkenswerther Unter- 
schied mit den Urodelen, dessen Ursache nicht leicht zu erklären ist. 
Man könnte versucht sein, das Anurenbecken von einer schmalen Ur- 
form abzuleiten, und dann würden sich für jenes negative Verhalten 
dieselben Gesichtspunkte ergeben, wie ich sie fUr das Dipnoör- 
und Ganoiden- Becken aufgestellt habe. Bedenkt man aber, 
wie weit in der Ontogenese der Anuren (Fig. 62) die beiden Becke n- 
hälften auseinanderliegen, so möchte ich don Grund lieber anderswo, 
nämlich in der, schon in embryonaler Zeit erfolgenden Einziehung 
beider Ischio-pubica gegen die Medianlinie hin, suchen (vergl. Fig. 62, 
68, 65). Eine begleitende Ursache mag auch in der Configuration des 
proximalen Randes der Pars pubica, welchen wir uns lateralwärts. 
ähnlich wie bei Proteus und bei zahlreichen anderen Urodelen, aus- 
geschnitten zu denken haben, liegen. Dadurch sind nun Verhältnisse 



') D'Arcy Thompson sagt; „The pelvis of thia „Rhachitomoua" Amphi- 
bians is probably most nearly cotnparablc to that of Menobranchus and Mono- 
poma, from which in turn is dcducible that of the higher Urodeles. 



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geschaffen, wie wir ihnen bei Urodelenlarven deshalb nur vorüber- 
gehend begegnet sind, weil an der entsprechenden Stelle ihres Beckens 
nachträglich noch eine Apposition von Knorpelsubstanz stattfindet, wo 
der anfangs noch ganz frei liegende Nervus obturatorius mit in den 
Bereich der Pars pubica einbezogen wird. — 

Somit sind auch hierin die ungeschwänzten Batrachier auf niedri- 
gerer phyletischer Stufe stehen geblieben, als die heutigen Urodelen. 

Ich wende mich nun zu der schon oft (vergl. die historische Ein- 
leitung zu diesem Capitel) discutirten Frage, wie die ventrale Becken- 
platte der Amphibien in morphologischer Hinsicht zu beurtheiien, 
d. h. ob darin nur ein Ischium oder zugleich auch ein 
Pubis im Sinne der höheren Vertebraten zu erblicken 
8 ei. Ich will gleich bemerken, das» ich mich für letztere Annahme 
entscheide, und ich habe deshalb auch schon im Vorstehenden jeweils 
den Ausdruck „Ischio-pubis" gebraucht. Dies soll nun des Näheren 
begründet und daran zugleich eine zusammenfassende Schilderung und 
kritische Besprechung des Amphibienbeckens im Allgemeinen geknüpft 
werden. 

Wir haben zunächst von einem Becken auszugehen, wie es bei 
Menobranchus vorliegt. Dieses kommt demjenigen der Dipnoer 
so nahe, dass man eigentlich nur von graduellen Unterschieden sprechen 
kann. Gleichwohl aber besitzt es gewisse Eigentümlichkeiten, die es 
auf eine beträchtlich höhere Stufe erheben: 1) eine Pars iliaca, 
2) eine derartige Verbreiterung der Sockelpartie des 
Schnabelfortsatzes, dass der Nervus obturatorius eben 
noch in einen Knorpelrahmen zu liegen kommt und 
S) eine Ossificationszone in der Pars ischiadica. 

Diesen neuen, im Sinne eines Fortschrittes zu deutenden Erwer- 
bungen steht der Verlust der Processus praepubici gegenüber. 
Diese geriethen offenbar dadurch in Wegfall, dass die Pars iliaca als 
ein neues und vortheilhafteres Fixationsmittel des Beckens an ihre Stelle 
trat Dafür spricht auch das Verhalten von Proteus, wo das Ilium 
noch sehr rudimentär und so kurz entwickelt erscheint, dass es die 
Wirbelsäule noch gar nicht erreicht. Dafür aber sind hier die Pro- 
cessus praepubici in voller Ausdehnung erhalten geblieben, und das- 
selbe gilt auch für Spelerpes (Textfigur 16), obgleich hier der Grund 
für ihre Persistenz nicht in einer rudimentären Entwicklung der Uta 
liegt, sondern in dem vollständigen Mangel eines Epipubis. Dass es 
sich auch hier um correlative Beziehungen handelt, zeigt eine Ver- 
gleichung der mit einem mächtigen Epipubis ausgestatteten De ro- 
treinen und der Salamandrinen, bei welch letzteren es oft nur 
noch sehr schwach oder gar nicht mehr entwickelt ist. 

Wiederiheim, GliedmuMiukelet der Wirbelthiere. Text. 8 



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So haben sich also die Vererbungstendenzen des Dipnoerbeckens 
gleichsam auf die zwei niedersten Urodelentypen , Menobranchus 
und Proteus, zumal Übertragen, und was letzterem in der Längenent- 
wicklung des epipubischen Schnabelfortsatzes abgeht, wird durch die 
massige Ausladung der ganzen, vor den Obturatorius-Löchern liegen- 
den, proximalen Partie der ventralen Beckenplatte ersetzt. Ganz Ähn- 
lich verhalten sich in diesem Punkte Cry ptobranch us und Meno- 
pomn, während bei Amphiuma und den Salamandrinen jene 
Knorpelzone ungleich schmäler ist, so dass die Foramina obturatoria 
mehr nach vorne gegen den proximalen Rand der Beckenplatte gerückt 
erscheinen. 

Durch diesen in proximo-distaler Richtung platzgreifenden Reduc- 
tionsvorgang nähern sich jene Löcher wieder mehr dem Verhalten bei 
Menobranchus, und denken wir uns denselben noch weiter gehend, so ist 
das Verhalten der Dipnoor und der Anuren erreicht: der Nervus 
obturatoriu8 liegt frei und dringt durch die Bauchwand selbst hervor. 

Im Allgemeinen solidificirt sich zuerst die distale, der Cloake zu- 
nächst liegende Abtheilung der Beckenplattc, d. h. die Pars isehiadica. 
dann kommt die Pars iliaca an die Reihe, welche mit der Oewinnung 
eines terrestrischen Lebens mehr und mehr prosperirt und zu einem 
wichtigen Strebepfeiler wird, mittelst dessen die Körperlast auf die freie, 
von jetzt an ein mehrarmiges Hebclsystem darstellende Hinterextremitiit 
übertragen wird. — Als letzter, phyletisch jüngster Thcil 
des Beckens, differenzirt Bich das knöcherne Pubis. 
Abgesehen von Dactylethra war hierüber bei den Amphibien so 
gut wie nichts bekannt; nur Huxley (60) hatte schon früher auf 
einen einzigen von ihm beobachteten Fall hingewiesen, in welchem 
er bei Salamandra maculata eine Ossificationszone im proximalen 
Abschnitt der ventralen Beckenplatte constatiren konnte. 

Wenn nun auch diese Entdeckung nicht vergessen wurde, so hat 
man doch nicht das nöthige Gewicht darauf gelegt, weil, ^wfLes 
scheint, dieselbe keiner der späteren Untersucher bestätigen konnte 

Diese Lücke suchte ich auszufüllen , indem ich meinen Unter- 
suchungen ein grosses Material (42 Exemplare von Salamandra 
maculata und 152 von Salamandra atra) zu Grunde legte. Das 
Resultat war, dass ich, was die erstere Art anbelangt, Huxley in 
zwei Fallen bestätigen konnte. Viel leichter und häufiger gelingt der 
Nachweis der Differenzirung eines knöchernen Pubis bei Salamandra 
atra, indem man hier sicher sein kann, unter 6—8 ausgewachsenen 
Thiercn mindestens einmal auf dieselbe zu stossen. In der Regel 
steht die betreffendeVerknöcherung mitderjenigen des 
Ischiums in Verbindung, zieht sich neben der Symphyse nach 
vorne und wendet sich dann lateralwftrts, bis schliesslich das Foramen 
obturatorium von ihr umwachsen wird. Jene Verbindungszone ist 



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entweder stark, und in diesem Falle sogar bei der blossen Präparation 
mit Nadel und Pincette nachweisbar, oder aber so schwach, dass sie 
nur auf Fliichenschnitten und nach Durchfärbung des Präparates sicht- 
bar wird. In ganz seltenen Fällen fehlt sie vollständig, und einen 
solchen Fall traf ich auch einmal bei Salamand ra in neu lata. Hier 
handelte es sich also um eine ganz discrete Anlage eines 
knöchernen Pubis, und diese ging hier nicht von der Syinphysen- 
gegend, sondern von der Umgebung des Foramen obturatorium aus 
(vergl. hierüber die Textfigur 16, D—O). 

In dem zweiten Fall von Salamand ra maculata, welcher ein 
sehr altes Exemplar betraf, war die Verknöcherung der Beckenplatte 
so weit gediehen, dass nur noch die laterale vordere Zone derselben 
zusammt den Processus praepubici knorpelig blieb, und dass man von 
einer Abgrenzung des Pubis und Ischium nicht sprechen konnte; beide 
waren wie aus einem Guss (Textfigur 16, F). Aehnliche Verhältnisse 
traf ich auch zuweilen bei den ältesten Exemplaren von Salnmandra 
atra und auch beim Brille nsalama nder ist dies eine ganz ge- 
wöhnliche Erscheinung. 

Diese Befunde erheischen, meines Eraehtens, ein sehr grosses 
Interesse, nicht allein, weil sie beweisen, dass sich die erste Anlage 
eines Pubis bei recenten Urodelen gleichsam vor unseren Augen heute 
noch vollzieht, sondern auch noch aus anderen Gründen. Erstens 
sehen wir dasselbe sozusagen aus dem Blastem des phyletisch älteren 
Ischium herauswachsen und erst ganz allmählich jene Selbständigkeit 
erreichen, wie sie bei Dactylethra bereits besteht, und wie sie auch 
gewisse paläozoische Urodelen schon besessen haben. Zweitens 
erkennen wir, dass bei ihrer Herausbildung das Foramen obturatorium 
keine massgebende Rolle spielt, sondern dass dasselbe nur mehr wie 
beiläufig in ihre Sphäre gezogen wird. Dies beweist nicht nur der 
Weg, den die Ausbreitung der Verknöeherung in der Regel nimmt, 
sondern auch Dactylethra, wo das Foramen obturatorium, wie bei 
allen Anuren, bekanntlich überhaupt fehlt. Ferner beweisen dies die 
Cope 'sehen Genera Eryops und Cricotus, sowie gewisse Stego- 
cephalen, welche ebenfalls ein wohlabgcgrenztes , aber undurch- 
bohrtes knöchernes Pubis besitzen. 

Nach den schönen Untersuchungen Credner's (16) stimmt das 
Becken mancher Stegocephalen im Uebrigen mit demjenigen der 
recenten Urodelen überein. Es wird nur von einem Sacralrippen- 
paar getragen und besteht aus den seitlichen, annähernd cylindrischen 
Dann-, und den in der Mittellinie zusammenstossenden Sitzbeinen 
(Branchiosaurus, Pelosaurus); bei andern (Hylonomus, 
Petrobates, Discosaurus) kommen noch zwei discrete 
Schambeine hinzu, und zugleich verbreitern sich die costalen 

8- 



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- 116 — 




Textfigur 16. A Becken von Dactylcthra capensis von vorne gesehen, B von 
der Kopfseite her gesehen, C Becken von Rana esculenta von der Seite, D und E 
Becken von Salamaudra atra, F und G von Salamandra in ac u 1 a ta,*H von 
Rranchiosaurus, I von Discosau ru s. In D — I ist da* Becken überall von vorne 
(von der Vcntralseite) dargestellt. Figur H und I nach Credner. / Iiiuni, Ii Ischium, 
P beiw. 2* (bei Rana) Ossificationszonc des Pubis, JP Zusammengeflossene Ischium- 
und Pubiszone (Ischiopubis ossif.), PP Praepubis, Cep Cartilago epipubis, Fo x Foramen 
obtnratum, /' die bei Dactylcthra medianwärts gerichteten, distalen Enden deslllium. 
Beide sind unter sich sowoid wie von den Puhes durch eine kreuzförmige Knorpelzone 
getrennt, deren sagittaler Schenkel mit f und deren transvcrseller mit * bezeichuet ist. 

Ae Acetabulum. 



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- 117 - 



Enden der Dannbeine ') (Iteptiliencharaktere). Die Hüftgelenks- 
gegend blieb knorpelig. 

Was speciell das Becken von Eryops und Cricotus betrifft, 
so ist das Vorderende des Pubis zu einem knöchernen Processus 
praepubicus zugespitzt. Beide ventrale Beckenhälften stossen in der 
Mittellinie zusammen, und indem sie so eine kahnartige Vertiefung bilden, 
erscheint ein Uebergang von dem flachen Becken der Urodelen zu 
dem scheibenförmigen, compressen Ischio-Pubis der Anura angebahnt. 
Aehnliche Verhältnisse weisen nach Cope auch die Pelyco- 
sauria auf. 

Wenn ich jene fossilen Formen zum Vergleich herbeigezogen habe, 
so will ich das nicht in dem Sinne verstanden wissen, als ob ich die 
heutigen Amphibien von jenen ableiten wollte. Es sollte damit nur 
gezeigt werden, dass dem Becken derselben der gleiche Organisations- 
plan zu Grunde liegt, und dass sie deshalb alle auf eine und dieselbe 
Stammform , die bis jetzt allerdings noch nicht bekannt ist . zurück- 
weisen *). 

F. Reptilien. 

Die charakteristischsten Merkmale des Keptilienbeckens demjenigen 
der Amphibien gegenüber bestehen in folgenden vier Hauptpunkten: 
in einer ungleich schärferen Differenzirung des Schambeins, in einem 
proximal gerichteten Abrücken desselben vom Sitzbein; in einem 
stärker entwickelten, an seinem vertebralen Ende zuweilen sich ver- 
breiternden Darmbein, und endlich in einem solideren, auf einem inten- 
siveren Ossificationsprozess beruhenden Charakter im Allgemeinen. 



*) Das Skelet der freien Gliedmassen, bei dessen Aufbau der Knorpel eine 
sehr grosse Rolle spielte, stimmt mit demjenigen der beutigen Urodelen so gut 
wie ganz überein. Der Grad der Ossification des Carpus und Tarsus schwankt 
beträchtlich. 

a ) D'Arey Thompson, welchem die von mir oben geschilderten Ver- 
hältnisse von Salamandra maculata und atra nicht bekannt sein konnten, 
laset sich am Schluss de« über das Amphibienbecken handelnden Capitels seines 
Mnnuscripts folgendennassen vernehmen: „The question of the first origin of the 
bony pubis ia altogether obscure, but if it arosc by the continued ossification of 
such a pelvis as that of Proteus or MenobranchuB, the result would be a 
pelvis not unlikc that of EryopB. But I dare hazard no conjecture as to whether 
we may look upon the pubis of Dactylethra as a stagc in the degeneratiou of 
such a bone, prior to its utter disappearance in the other Anura. 

I feel that though the Anuran pelvis has come down from a very remote 
antiquity, and is most firmly stereotyped in feature, it cannot be so primitive as 
that of the Urodeles. But the pelvis of Proteus probably indicates pretty closelv 
that of the first Amphibia. But I am quite unwilling to believc that the pelvis 
of Dactylethra is in any sensc more primitive than, or anccstral to, that of the 
lower Urodeles." 



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— 118 



Anknüpfungen an das Amphibienbecken finden sich bei der von 
Credner (16) geschilderten, dem Rothliegenden des P 1 a u e n 'sehen 
Grundes entstammenden Palaeohatteria, bei den Plesio- 
sauriern 1 ), bei Hattcria, Telerpeton und bei den Chelouiern. 

Schon viel weiter differenzirt ist das Lacertilier-, und noch 
mehr das Croeodilier- und Dinosaurier-Becken. 

Was zunächst Palaeohatteria betrifft, so liegt, wie eine Ver- 
glcichung der Textfigur 16, I und 17, A zeigt, die Uebereinstimmung 
mit den Stegocephalen klar zu Tage. Da» Becken besteht aus drei 
Knochenpaaren, den beiden Ilien, Ischien und Pubica. Der ganze 
Zwischenraum zwischen den beiden letztgenannten Theilen, welcho 
stark verknöchert waren, scheint von Knorpel eingenommen gewesen 
zu sein. Die llia besitzen an ihrem costalen Ende eine kammartige, 
nach vorne und hinten gerichtete Verbreiterung, wahrend ihr Gelenk- 
pfannen-Ende durch einen vorderen, nach dem Pubicum, und einem 
hinteren, nach dem Ischiuni gerichteten Fortsatz eine gewisse; Aehnlich- 
keit mit dem llium der Dinosaurier gewinnt An das Becken der 
Plesiosaurier dagegen erinnert die Form der nach vorn scheiben- 
förmig ausgebreiteten Pubica und der sich weit nach hinten strecken- 
den Ischia (Textfigur 17, A, A 1 ). 

Auch bei Plesiosa urus ergeben sieh, wie eine Betrachtung 
d»*r Textfigur 17, A-C zeigt, Anknüpfungen an das Amphibien-, noch 
viel mehr aber an da« Chelonierbecken . worauf auch" D'Arcy 
Thompson aufmerksam macht. In Textfigur 17, C theile ich den 
Versuch einer Restauration des Plesiosaurusbeckens nach dem eben- 
genannten Autor, sowie einen zweiten solchen nua dem College of 
Surgeons (Nr. 227). den ich ebenfalls der Arbeit D'Arcy Thomp- 
son 's entnehme, mit. Ich halte ersteren im Ganzen für gelungen, 
und wenn die Foramina obturatoria richtig eingezeichnet sind, so 
würde es sich hier in dem einen Falle (Textfigur 17, A 1 ) um eine 
Trennung derselben durch Knochen, im anderen aber durch Knorpel 
(Textfigur 17, C) handeln. Kurz, es würden die betreffenden Ver- 
hältnisse vollkommen mit denjenigen gewisser Chelonier überein- 
stimmen. Ganz anders, und ahnlieh wie bei Salamandrinen, d. h. late- 
ralwärts von den Schambeinen, müssen die Foramina obturatoria bei dem 
von mir anno 1878 (100) beschriebenen Labyrinth odon Rüti- 
meyeri aus der Trias von Riehen 8 ) gelegen haben, da hier diu 
Sitz- und Schambeine unter Bildung einer engen Kreuznaht nahe zu- 
sammeiisticssen (Textfigur 17, D). 

') Nach einer ganz anderen Kirhtung, nämlich wesentlich nach dem I^aeor- 
tilier-Tyuus hin. war da» Hecken der Ichthyosaurier mit seinem Atabformigen 
l'ubis und Ischium entwickelt. 

*) Das» dieses Thier übrigens nicht zu den Labyrinthodonten , «mdern zu 
den Keptilien zu «teilen i*t, hat Zittel nachgewiesen. 



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- 120 — 



Eine noch einfachere Beckenform mag Telerpeton, wo Pubis 
und Iachium nicht deutlich differenzirt waren, besessen haben, allein 
da ich die betreffenden Verhältnisse nicht aus eigener Anschauung 
kenne, so getraue ich mir hierüber kein sicheres Urtheil zu. 

Was nun Hatteria betrifft, so habe ich Gelegenheit gehabt, 
mehrere Exemplare zu untersuchen. Die Textfigur 17, E stellt ein* 
von mir selbst präparirtes Becken von der Ventralseite dar, welche« 
die natürlichen Verhaltnisse, wie namentlich die Form und Richtung 
der Processus praepubici und den medianen, am hinteren Beckenrand 
ausspringenden Fortsatz, den ich Processus hy poischiadicus 
nennen will, ungleich besser wiedergiebt, als dies von Günther (48) 
und H o f f m a n n (54) geschehen ist. 

Das Hatteria- Becken bildet, worauf auch schon andere Autoren, 
wie vor Allem D'Arcy Thompson und Baur hingewiesen haben, 
eine wichtige, noch sehr wenig differenzirte Ausgangsform für das 
Verständnis» des Reptilienbeckens im Allgemeinen. Das in querer 
Richtung verlaufende Pubis und das Ischium liegen noch verhältniss- 
massig nahe beieinander, d. h. sie werden durch ein noch nicht sehr 
weites Foramen pubo-ischiadicum (Baur) von einander getrennt. In 
der Mittellinie sind sie durch eine durch und durch solide Knorpel- 
zone („gastral cartilago", Baur) mit einander verbunden. Mit anderen 
Worten: der Ossificationsprozess ergreift hier noch nicht die onto- 
genetisch jüngste Partie, welche der medialen Abtheilung des Uro- 
delenbeckens entspricht, und welche, wie diese, einen proximalen 
und distalen Auswuchs erzeugt (vgl. Textfigur 17, E mit Figur 46, 
47, 50). Jener entspricht einem noch nicht abgegliederten Epipubis 
(„Epigastroid" Baur), dieser einem Hypoischium („Hypogastroid" 
Baur), das ich auch schon bei den Dipnotfrn in der Wurzel vor- 
gebildet finde. 

Der Processus praepubicus ist gut ausgeprägt, und etwas nach 
rückwärts von der Stelle, wo er von dem Pubis entspringt, liegt das 
ganz von Knochensubstanz umgebene Foraraen obturatum. Noch 
etwas weiter rückwärts erscheint die Sutura pubo-ischiadica. Das 
Ilium ist kräftig, gedrungen und schiebt sich in der Gegend des 
Acetabulum unter Bildung einer Sutura squamosa dorsalwärts Uber 
das Pubis herüber, was auch hier für eine getrennte Anlage beider 
Theile spricht. 

Von dem Hatteriabecken ist dasjenige aller Chelonier leicht ab- 
zuleiten. 

1) Chelonier. 

Ueber das Chelonierbecken haben Hoff mann (54), D'Arcy 
Thompson (97) und Baur (14) eingehende, von zahlreichen Ab- 
bildungen begleitete, vergleichend anatomische Untersuchungen ver- 



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- 121 - 



öffentlicht. Auch ich selbst habe Hand angelegt, ohne jedoch in jener 
Beziehung damit weiter als meine Vorgänger zu kommen. Wie Bau r 
richtig bemerkt, schliefst sich das phyletisch offenbar sehr alte Becken 




Textfigur 18. A Becken von Makrocbelys nach 0. Baur, B medialer Becken- 
knorpel von Chelys fimbriata, C derselbe von Emydura, D Becken von Sphargis 
coriacea aus D'Arcy Thompion'a Manuscript, Copie nach Hoffmann, E Typus 
des Beckens von Testudo, F derselbe von Chelone. Ctp Cartilago epipubis, Mpl» 
Processus hypoischiadiciiN , P Pubi«, PP Praepubis, 1$ Ischium, Fopi Foramen pubo- 

isebiadicum. 

von Makrochelys und Chelydra zunächst an dasjenige von 
Hatteria an (Textfigur 18, A). Es besitzt ein sehr starkes Epipubis, 



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122 



wie wir einem solchen auch, und zwar noch langer entwickelt, bei 
Chelys, Hydraspis undEmydura begegnen (Textfigur 18, B, C). 
Keduzirter erscheint dasselbe bei Makro elemmys Temminkii 
und bei dein beträchtliche Variationen zeigenden Genus Testudo. 
Im Alter kann es im Epipubis wie in der ganzen medianen Knorpel- 
zone zur Verkalkung bezw. Verknöcherung kommen. 

An Makrochelys und Chelydra schliessen sich Sphargis 
coriacea, dieCinosternidae(Uermatemydidae und S t a u r o - 
ty pidae), und in einer andern Richtung, vielleicht von den Platy- 
8tomidae, entwickelt sich nach Baur die Beckenform der Emy- 
decn und Testudincen, bei welchen die medialen Enden der 
Pubes und Ischia zusammenstossen , und so die grosse zwischen ihnen 
liegende Öffnung auch von der inneren Seite umrahmen (Textfigur 
18, DE). 

Eine von der ursprünglichen Form stark abweichende Configu- 
ration zeigt das Becken von C h e 1 o n e und T r i o n y x. Hier weichen 
die Pubes und Ischia weit auseinander und sind nur noch durch ein 
Ligament, bezw. durch den schmalen, medianen Knorpel, an welchem 
man Übrigens noch ein rudimentäres Epipubis erkennen kann, ver- 
bunden 1 ). 

Bei allen diesen verschiedenen Genera sind die Processus prae- 
pubici stets deutlich, ja z. Th., wie z. B. bei Mac ro lern mys, Emy- 
saura serpentina, Testudo tabu lata und anderen Testudineen, 
sehr stark entwickelt. Dabei zeigen sie eine sehr verschiedene Rich- 
tung, d. h. sie sind bald nach vorne und aussen, bald nach einwärts 
gerichtet. 

Auch die Ischia unterliegen bezüglich ihrer Lage und Form be- 
deutenden Schwankungen; so sind sie z. B. bei Sphargis coria- 
cea, Cino stern um scorpioides und C helonia sehr zurttck- 
gebildct. 



Bezüglich der Entwicklungsgeschichte des (Jhelonierbeckens liegen 
die schönen Arbeiten von Mehncrt (74) vor, und auch ich habe 
schon früher (107) eine kurze Mittheilung hierüber publizirt. 

Rathke (83) ist die erste Anlage des Becken- und Schulter- 
gürtels unbekannt geblieben. Das Knorpelstadium war schon erreicht, 
und jener Autor bemerkt dazu, dass jede Hälfte des vonleren wie 



') Die äusaerste „gpecialisation" tritt uns nach D'Arcy Thompson im 
Hecken von Chely« iuatamata entgegen; hier haben die einzelnen Theile, 
npecicll da« Pubis und Isehium, welche bei Trionyx noch »o ziemlich in einer und 
derselben Ebene liegen, die allergrösaten Lagevenwhiebungen erfahren, so da** 
der Winkel zwischen der Sitzbein- und Schambein-Ebene außerordentlich ftchmal 
geworden ist. 



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123 - 



des hinteren Extremitätengürtels ursprünglich aus einer einheit- 
lichen dreistrahligen Knorpelmasse bestehe. 

Auch D'Arcy Thompson hat sich etwas mit entwieklungs- 
geschichtlichen Untersuchungen hefasst; allein der jüngste Embryo 
von Chelone viridis, der ihm zur Verfügung stand, war einen 
Zoll lang, und dementsprechend zeigte das Becken bereits so ziemlich 
seine definitiven Form Verhältnisse, obgleich noch keine Ossifications- 
centren aufgetreten waren. D'Arcy Thompson legt mit Recht 
seinen Ergebnissen keine grosse Bedeutung bei, indem er zugleich 
auf die „extreme specialisation" verweist, welche sich im Becken von 
Chelone anderen, ungleich primitiveren Chelonier-Becken gegenüber 
bemerklich macht. 

Was nun die von Helmert an Embryonen von Emys taurica 
gewonnenen Resultate anbelangt, so sind dies folgende. 

Der Femur geht in seiner histologischen Differenzirung dem 
Becken voraus. Vom Becken selbst legen sich nur die llia als 
selbständige Knorpel an. Pubes und Ischia beider Beckenhälften 
stehen schon bei ihrer ersten Differenzirung unter einander in der 
Mittellinie im Zusammenhang (cänogenetische Erscheinung). Nach- 
träglich verwachsen alle drei Beckenabschnitte jederseits im Acetabu- 
lum zu einer Masse, und so entsteht auch das Foramen pubo-ischiadi- 
cum. Das Epipubis, Hypoischium, Processus lateralis Pubis (s. prae- 
pubicus) und Tuber ischii sind secundär am Beckengürtel in die 
Erscheinung tretende Gebilde. Das Epipubis ist bei Embryo- 
nen durch eine med iane (spä tcr verstreichende) Furche 
in zwei Hälften getheilt, was auf einen paarigen Ur- 
sprung dieses Becken th ei 1 es zurückweist. Später gliedert 
sich das Epipubis vom Knorpel des Bcckengürtels ab und wird selb- 
ständig. Das knorpelige Hypoischium bildet sich allmählich zurück 
und wird beim ausgewachsenen Thier ausnahmslos vermisst; beide 
Gebilde, das Epipubis, wie das Hypoischium haben, meint Mehnert, 
offenbar bei niederen Vertebraten früher eine grössere Rolle gespielt, 
als dies heutzutage der Fall ist. 

Dass letztere Annahme vollkommen berechtigt ist, glaube ich 
durch meine Mittheilungen über das Dipnocr- und Amphibienbecken 
erwiesen zu haben. Meine in den betreffenden Capiteln ausgesprochene 
Behauptung, dass das Epipubis der DipnoCr und aller Urodelen, mag 
es sich dabei um jenen mit der Bcckenplatte cootinuirlichcn Schnabel- 
fortsatz, oder um eine abgegliederte Cartilago ypsiloides handeln, ein 
morphologisch gleichwertiges Gebilde darstellen, erfährt durch die 
Mehnert 'sehen Befunde eine weitere Stütze. 

Für raeine eigenen entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen 
verfügte ich leider über kein so günstiges Material wie Mehnert. 
Ich machte dieselben an Embryonen von Chelone viridis, welche 



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- 124 - 



ich meinem Freunde, Prof. \V. N. Parker in Oardiff, verdanke. Die 
Präparate waren vortrefflich conservirt, und die kleinsten besassen 
etwa 13 mm Kopf— Schwanzlänge. In diesem Entwicklungsstadium 
ragen die vorderen und die hinteren Gliedmassen schon deutlich als 
lappige oder paddelartige Anhänge hervor, während aber erstere hoch, 
unmittelbar unter der Anlage des Carapax der Rumpfwand ansitzen 
und, ganz wie bei Urodelcn, nach aussen und dorsalwftrts gerichtet 
sind, liegen letztere viel tiefer und hängen mit dem freien Ende, der 
Rumpfwand parallel, ventralwärts herab (Figur G7 a — e). Die auf 
dieser Figur abgebildeten Querschnitte folgen, von a angefangen, in 
proxiino-distaler Richtung aufeinander, ohne sich jedoch unmittelbar 
aneinander anzuschließen; zwischen je zwei fallen vielmehr 10—14 
Schnitte, die auf der Figur nicht dargestellt sind. 

Wie bei den geschwänzten Amphibien, so ist auch bei Chelone 
die Entwicklung der hinteren Extremitäten gegen diejenige der vor- 
deren Btets um ein gutes Stück zurück; sie sind nicht so voluminös 
wie letztere, und obgleich in beiden noch kein Knorpel entwickelt ist, 
so ist doch das indifferente Mesoblastgewebe in der vorderen Extremi- 
tät schon zu viel compacteren, auch auf die Gürtclzone sich erstrecken- 
den Massen zusammengetreten, als in der hinteren. Hier beschränkt 
sich die Ansammlung desselben vorderhand nur auf die freie Extremi- 
tät und greift erst bei 15 mm langen Embryonen auf die ventrale 
Rumpfwand über — Daraus erhellt, das« auch bei Cheloniern 
— und ich kann diesen Satz auch gleich auf die Lncertilier und 
Crocodilier ausdehnen — der Anstoss zur Bildung des 
Gl iedinassenskeletes von der freien Extremität aus- 
geht und dass der centrale Aufhängeapparat, das Gür- 
te lskclet , erst secundär nachfolgt. Dies wird auch durch 
den zeitlichen Verlauf der Verknorpelung bestätigt, denn stets tritt 
diese zuerst im Femur und dann erst im Becken auf. Bei 21 mm 
langen Embryonen kann man dies mit Leichtigkeit verfolgen und auch 
Mehnert ist, wie schon erwähnt, zu demselben Resultat gekommen. 
Bevor die Entwicklung aber so weit fortgeschritten ist, hängt die 
freie Extremität mit der Beckenanlagc im Vorknorpelstadium als 
eine durchaus einheitliche Masse zusammen, so dass man auf Quer- 
schnitten jederseits eine keulenförmige und bald schärfer, lappenartig 
sich abgrenzende Gewebsmasse erblickt, welche mit der der anderen 
Seite ventral von der Harnblase durch eine schlanke Gürtclzone zu- 
sammenhängt. Letztere besteht aus sehr dicht liegenden Zellen, deren 
Continuität nur durch den einstrahlenden Nervus obturatorius 
unterbrochen wird, und wenn die Entwicklung einen gleichmässigen 
Fortgang nähme, so stünde die Ausbildung jener homogenen, ventralen 



') In diesem Stadium erstreckt sich dieselbe über drei Spiiialseginente binweg. 



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- 125 - 



Beckenplatte zu erwarten, wie sie für die Urodelen charakteristisch 
ist Diese Erwartung wird aber nicht erfüllt, insofern sich bald an 
jenen Stellen, wo das bei Chelone später so ausserordentlich geräumige 
Spatiuro puboischiadicum entsteht, das Gewebe aufhellt, resp. ein- 
geschmolzen wird, während die peripheren Thcile sich consolidiren 
und zu verknorpeln beginnen. Dies geschieht zuerst an der Peri- 
pherie jener Stelle, wo später das Acetabulum sich ausbildet, und um 
diese Zeit erinnert das Bild sehr an das Entwicklungsstadium, welches 
ich in Figur 87 und 61 von den Amphibien dargestellt habe. Kurz, 
man kann eine discrete Knorpelanlage des Femur, des anfangs sehr 
kurzen und breiten Ilium, sowie des Ischium und Pubis constatiren 1 ). 
Die beiden letztgenannten Beckenabschnitte liegen aber jetzt noch 
sehr nahe bei einander und rücken erst in einem späteren Stadium, 
welches ich auf Figur 68—71 abgebildet habe, von einander ab, 
während sie zugleich in der Acetabulargegend (Figur 69, f) zusammen- 
flössen. Fast gleichzeitig gilt dies auch für ihr mediales Ende (Fig. 70). 

Um diese Zeit sind die beiden Beckenhälften in der Mittellinie 
noch durch eine sehr dichtzellige, proximal in ein rudimentäres Epi- 
pubis auslaufende Mesoblastzone von einander getrennt (Figur 70, 71 t)t 
bald aber dehnt sich der Verknorpelungsprozess auch auf diese aus, 
wodurch es zu einer völlig knorpeligen Abkammerung des den Nervus 
obturatorius (Fo x ) einschliessenden Foramen pubo-ischiadicum kommt. 

So durchläuft also das Becken von Chelone ein Ur- 
stadium, wie es bei Hatteria und bei den primitiveren 
S chi Id k rö ten forme n typisch und stabil geworden ist. 

Aeltere Embryonen habe ich nicht mehr untersucht, da sich der 
weitere Entwicklungsprozess au» einer Vergleichung des ausgebildeten 
Beckens leicht ableiten lässt 

2) Lacertllier. 

Es liegt in der Natur des Objectes, dass das Becken der Eidechsen 
eine häufigere Bearbeitung erfahren hat, als dasjenige der Chelonier 
und Crocodilier. Dies gilt in anatomischer wie in entwicklungsgeschicht- 
licher Beziehung. 

Eine streng wissenschaftliche und einen weiten Ausblick eröffnende 
Schilderung der embryonalen Verhältnisse verdanken wir A. Bunge 
(9), welcher seine Untersuchungen an Lacerta vivipara anstellte. 
Er behauptet, dass alle drei Beckenabschnitte jederseits eine einheit- 
liehe Knorpelgrundlage besitzen. Darin hat er sich nun allerdings, 
wie ich nachher zeigen werde, getäuscht, allein er bemerkt ganz richtig, 



l ) Zugleich beginnt auch schon da» Skclet des Unterschenkels zu verknorpeln 
(Fig. 70, 71 bei Cr). 



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I 



- 126 - 

daas die Scham- und Sitzbeinspangen ursprünglich einander viel näher 
liegen, als dies später der Fall ist. Ja, das Pubis liege anfangs nicht 
nur transversell, sondern schaue mit seinem peripheren Ende zugleich 
sogar etwas distalwärts. Die Folge ist, dass das beim erwachsenen 
Thier verhältnissmässig umfangreiche Foramen cordiforme (s. pubo- 
ischiadicum) Anfangs noch sehr klein ist. Die medialen Enden des 
Pubis und Ischium berühren sich fast, indem nur eine schmale Zone 
indifferenten Bindegewebes sie von einander trennt. Der Nervus obtu- 
ratorius erscheint von der Knorpelmasse des Pubis rings umschlossen. 
Erst später richten sich die Schambeine nach vorne, d. h. kopfwärts 
auf, und dadurch wird natürlich das Foramen cordiforme vergrössert. 
Zugleich kommt es durch mediales Auswachsen dieser Spangen zu 
einer Symphysis pubis ischii. 

Wahrend C u v i e r die betreffenden Beckentheile von Lacerta eben- 
falls in der von Bunge vertretenen Bedeutung auffasst, erblicken 
M. Für bringer (29) und F. Leydig (69) in dem Ischium ein 
Pubo ischium, in welchem bei jungen Thieren" noch ein Foramen 
obturatorium zu erkennen sei. Das betreffende Loch nennen sie 
Foramen cordiforme; dasselbe thut Hoffmann (54), welcher 
sich im Uebrigen der Cu vi er 'sehen Auffassung anschliesst Den 
Namen „Foramen obturatum" will Hoff mann nur auf den Canal 
im Pubis angewendet wissen, in welchem der Nervus obturatorius 
verläuft 

Bezüglich der von Bunge gegebenen Widerlegung einer ab- 
weichenden Deutung der Einzelstücke des Reptilienbeckens, wie sie 
von Gorski versucht worden ist, stimme ich ihm vollkommen bei, 
und dasselbe gilt auch bezüglich der von ihm der Für brin- 
ger 'sehen Auffassung gegenüber erhobenen Einsprache. 

Wenn Bunge sowohl in der Deutung der einzelnen Becken- 
abschnitte, wie auch in derjenigen der grossen Oeffnung (Foramen cordi- 
forme) Hoff mann folgt, so hat er meiner Ansicht nach vollkommen 
Hecht. 

„Da wir — sagt Bunge — durchaus keine Spur einer getrennten, 
knorpeligen Anlage des Pubis nachweisen können, so ist es klar, das* 
dasselbe nicht secundär zu den beiden andern Bestandteilen hinzu- 
getreten sein kann, und wir müssen die Entstehung desselben anders 
zu erklären, und dabei die Verhältnisse bei den Sauriern mit den bei 
den Amphibien gefundenen in Einklang zu bringen versuchen." 

Mit letzterem Satz bin ich vollkommen einverstanden; allein die 
zwingenden Gründe liegen für mich, wie ich wohl nach meinen Mit- 
theilungen über das Salamander- und Stegocephalenbecken nicht mehr 
des Näheren zu erörtern habe, ganz wo anders, und nicht in der ver- 
meintlichen homogenen Anlage der drei Beckentheile. 

In seinen weiteren Ausführungen verweist Bunge auf Gegen- 



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— 127 - 



baur (36), welcher, gestützt auf die Fensterbildung am Sehultergürtel 
der Saurier, darauf aufmerksam machte, dass auch das zuvor (d. h. bei 
den Urodelen) einheitliche Pubo-Ischium durch Erweiterung des „Poromen 
obturatum" in einen vorderen Schenkel, das Schambein, und in einen 
hinteren, das Sitzbein, gespalten worden sein könnte. Später aber 
gab Gegenbnur (40) diese Anschauung wieder auf, indem er in der 
selbständigen Ossifikation und selbständigen Anlage des Pubis bei 
Säugethieren eine Schwierigkeit fand, und dasselbe als einen secundär 
zum primären Hüftbein hinzugetretenen Bestandtheil betrachtete, „für 
dessen Herkunft noch keine sichere Vorstellung möglich u sei. 

Wie sich heute Gegen baur dazu stellt, weiss ich nicht; ich be- 
zweifle aber stark, dass er nach Bekanntwerden jener wichtigen, paläonto- 
logischen Bindeglieder jenen Einwand auch jetzt noch aufrecht er- 
halten würde. Auch Bunge verweist mit Recht auf das Dactylethra- 
Becken, auf den Labyrinthodon Rütimeyeri (100), sowie endlich auf 
die Huxley 'sehen Mittheilungen (60) über das Salamanderbecken. 
Er wirft unter Anderem auch die wohl berechtigte Frage auf, an 
welcher Stelle des Pubo-Ischium wir uns die Fensterung zu Stande 
gekommen denken sollen. Er sagt: „wenn wir annehmen, dass die- 
selbe einfach in einer Vergrösserung des Foramen obturatorium be- 
standen habe, so Hesse sich dadurch wohl das Verhalten der Land- 
schildkröten, nicht aber das der Saurier erklären. Der Nervus obtura- 
torius tritt bei diesen durch ein besonderes Foramen obturatorium aus 
der Beckenhöhle, das Foramen cordi forme ist durch eine Brücke von 
ihm getrennt; wir müssten denn eine secundäre Einschliessung der 
Nerven annehmen, zu der kein Grund vorliegt. Denken wir uns 
andererseits, dass von dem mittleren Theil des medialen Randes eines 
einheitlichen Pubo-Isehium her eine Reduction des Skelettheilcs sich 
eingeleitet habe, die eine immer tiefer werdende Incisur zu Wege 
brachte, so Hesse sich das Verhalten der Saurier, nicht aber das der 
Landschildkröten erklären. Eine dritte Annahme wäre, dass man die 
Fensterung neben dem Foramen obturatorium, jedoch so, dass der 
mediale Rand der Platte intact bleibt, beginnen lässt. Vergrössert sich 
nun das Fenster nach der medialen Seite hin und durchbricht den 
Rand, so haben wir ein Becken, wie es die Saurier besitzen; nimmt 
es vorher das Foramen obturatorium in sich auf, ohne den medialen 
Rand zu durchbrechen, so ist das Becken der Landschildkröten 
hergestellt; erreicht und durchbricht es hierauf auch den medialen 
Rand, so erhalten wir die Verhältnisse, die uns das Becken der See- 
schildkröten darbietet. Auf diese Weise könnten wir uns die ver- 
schiedenen bei den Sauriern und Cheloniern vorkommenden Formen 
des BeckengUrtels entstanden denken. — Sehen wir nun zu, ob diese 
Annahme durch irgend ein Moment bei der Entwicklung des Becken- 
gUrtels von Lacerta vivipara unterstützt wird, so können wir in der 



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- 128 - 



nt&rken Annäherung der medialen Enden des Pubis und des Ischium 
bei ganz jungen Embryonen in der That ein solches finden." 

Bunge spricht die Vermuthung aus, dass sich bei andern Sauriem, 
wie z. B. bei Monitor oder Uromastix, wo ein knorpelig bleiben- 
der Fortsatz beider Ischia nahe an das Pubis heranreicht, in embryo- 
naler Zeit noch eine vollkommene Umschliessung des Foramen cordi- 
forme werde nachweisen lassen. Am vielversprechendsten aber zur 
Lösung dieser Frage, meint Bunge, wäre wohl die Untersuchung 
von Embryonen der C h e 1 o n i e r ; solche Btanden ihm aber nicht zu 
Gebot. Er betont mit Recht, dass in dem vom Scham- und Sitzbein 
umschlossenen Loch der Chelonier nicht einfach ein Foramen obtu- 
ratorium zu sehen sei (wie Hoff mann annimmt), sondern bei den 
Seeschildkröten ein Foramen cordiforme, mit welchem beide Foramina 
obturatoria verschmolzen sind, bei den Landschildkröten aber jeder- 
scits eine Hälfte des Foramen cordiforme, in welches das Foramen 
obturatorium der Saurier aufgegangen ist. Bunge fährt dann wört- 
lich fort: „Ein Epipubis ist bei den Sauriern nicht nachweisbar; 
die kleinen Knochenstücke, die Hoffmann bei Gecko für „epipu- 
bica" hält, scheinen eher als eine epiphysenartige Bildung gedeutet 
werden zu müssen. Die Duplicität derselben widerspricht durchaus 
dem Begriff des Epipubis, das, wie früher gezeigt worden, bei den 
Amphibien sich vollkommen einheitlich anlegt. Ob das bei Cheloniern 
vor der Vereinigung der Ossa pubis liegende Knorpelstück ein Epipubis 
ist, kann nur die Entwicklung desselben lehren." 

Bunge bezeichnet es als sehr wünschenswerth, dass noch jüngere 
Lacerta-Embryonen , als sie ihm zu Gebote standen, auf den Punkt 
geprüft würden, ob sich nicht ein Entwicklungsstadium nachweisen 
lasse, in welchem der Nervus obturatorius, an dessen Homo- 
logie mit dem gleichnamigen Nerv der Urodelen übrigens nicht zu 
zweifeln sei, noch nicht von Knorpel umschlossen ist. Der Nach- 
weis einer secundären Umschliessung, wie sie bei den Amphibien 
zu constatiren war, würde, meint er, die Homologie des vorderen 
Theiles der ventralen Beckenplatte der Amphibien mit dem Pubis der 
Saurier über allen Zweifel erheben. 

Diesen Nachweis vermochte er nicht zu erbringen; allein trotzdem 
hält er sich, unter ausdrücklicher Betonung des Umstandes, dass keine 
einzige paläontologische Thatsache dagegen spreche, für berechtigt, 
jene Homologie aufrecht zu halten. 

Dass Bunge mit seinen Erklärungsversuchen der Entstehung des 
Foramen pubo-ischiadicum resp. obturatorium nicht das Richtige ge- 
troffen hat, sondern dass dasselbe durch Verwachsung der lateralen 
und medialen Enden des Pubis und des Ischium zu Stande kommt, 
geht aus meinen und Mehnert's Schilderungen des embryonalen 



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— 129 - 



Chelonierbeckens hervor. Auch bezüglich des Epipubis hat er sich 
geirrt, insofern dasselbe, — und ich kann Mehnert (75) hierin be- 
stätigen — ganz wie bei Cheloniem, paarig entsteht. Dasselbe gilt für 
das II y p o - 1 s e h i u ni. Hier wie dort handelt e.s sieh um Verschmelzung 
zweier, ursprünglich mit den medialen Enden der Scham- resp. .Sitz- 
beine eontinuirlich verbundener Zellhöcker. Spater wird dieser Zu- 
sammenhang durch Ausbildung einer trennenden Bindegewebszone ge- 
lost. Beim individuellen Fehlen eines Os hypo-ischium vertritt bei 
Sauriern seine Stelle ein Band, das L i g. h y p o - i s c h i u m (M e hner t). 

Dem Ligamentum medianuui pelvis kommt nach Mehnert bei 
Lacerta vivipara keine „skeleto-viearirendc" Bedeutung zu. Es ent- 
steht in loco nach Art eines intermuskul.iren Bindegewebsseptum. 
Seine Beziehungen ;.um Beekengürtcl fasst Mehnert daher als 
secundiir erworben auf, und auch das Epipubis und Hypo-Ischium 
sollen <lurch ihr spätes Erseheinen in der Ontogenese das unverkenn- 
bare Gepräge von Sceundarbildungcn an sieh tragen, deren Urge- 
schichte noch dunkel ist. Ich muss gestehen, dass mich diese Aeusse- 
rung einigermassen überrascht hat, da Mehnert ein Jahr zuvor durch 
seine schönen Studien an Emvs taurica zu der. wie ich dureh meine 
eigenen Befunde bei Anamnia nachgewiesen zu hab.u glaube, ganz 
richtigen Ansieht gelangt war, das* jene Skeletstiicke bei niederen 
Vertebraten früher offenbar eine grössere li<»lle gespielt haben müssen, 
als dies heutzutage der Fall ist. Nun werden dieselben plötzlich, ohne 
dass ein triftiger Grund dafür angegeben wird, als secundäre Erwer- 
bungen preclamirt und es wird dem Ligamentum medianum sogar jede 
skeleto-viearirende Bedeutung abgesprochen. Beides halte ich für un- 
richtig, und was jenes Band anbetrifft, so war es ebenso gut früher 
durch Hyalinknorpel repräsentirt, als dies für das Becken gewisser 
Schildkröten gilt, wo man, wie z. B. bei Chelono, die betreffende 
Gewebsformation sogar ontogenetiseh noch nachweisen kann. Letzteres 
ist auch bei jungen Exemplaren von Lacerta muralis, bei den 
Aga inen (vergl. mein Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbel- 
thiere), bei Uroma stix und andern Sauriern noch deutlich zu er- 
kennen. Kurz, es handelt sich eben um den letzten Rest einer schon 
von den Amphibien her datirenden, und auch bei Hatteria und den 
meisten Cheloniem persistirenden, medianen Verschmelzung der ven- 
tralen Beckenplatte. In jener medianen Zone kann es auch zur Ver- 
kalkung, bezw. zu einer richtigen Ossification kommen. Dies gilt z. B. 
nicht selten für die zwischen die beiden Vorderenden des Pubis pflock- 
artig sich einkeilende Portio epipubiea: allein darin liegt nichts Spcci- 
fisches für die Saurier, da Aehnliches auch schon bei Protoptcrus. bei 
Salamandrinen (z. B. heim Brillensalaniander) und auch, wie oben er- 
wähnt, bei Cheloniem vorkommt. 

Wio.leniheitn, 01ie.lm«»^n K k t Ui .Ur Wirb. lthiorc. Text 9 



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- 130 - 



In Textfigur 19, A bilde ich einen Flächenschnitt durch die ven- 
trale Partie des Beckens eines 32 Millimeter langen Embryos von 
Lacerta agilU ab. Man sieht darauf die Abgliederung des paarigen 
Hypo-lschium. Schon im nächsten Schnitt bildet das Hypo-lschium 
jeder Seite mit dem zugehörigen Ischium noch eine einheitliche Masse. 
Proximalwärts sind die Ischia bereits verschmolzen und werden durch 
ein dichtes, kleinzelliges Blastem mit den Schambeinen verbunden. 

Die Verwachsung der letzteren erfolgt stets früher als diejenige 
der Sitzbeine, so dass also der Beckcnverschluss zeitlich genau so wie 




Textt'ignr \U. A Flachenschnitt durch die ventrale Partie des Beckens eine* Embryo 
von Lnccrta agili* von mm Länge. B dns Hecken von Lacerta vivipara 
von der Vetitra Weite gesehen. Ep EpidcrmWrand. /* Pubis, Fl' Praepnbis, ventralwärtn 
etwas überhängend, /* I.«chium. welche» bei Sit eine Symphyse bildet. Hplt Hypo- 
Wchium, welches im Embryo aW paarige Masse von den Hinterenden der Ischia »ich 
abgliedert, f dicht/eilige« embryonalem Zwischengewebe, / lliuni mit einem Fortsatz tt. 
der bei Croeodiliern, Dinosauriern und Vögeln zu der mächtigen Pars pracacetxhulari« 
ossis ilei wird. .fr Acet.il.ulmn. in welchem die drei Heckenknochen ohne sichtbare 
Nahtbildtingcn zu einer Masse verschmelzen , Fo x Foramen obturatorium , Vep kalk- 

knorpelige* Epipubi», Lg fibröses Hand. 

bei den Urodelen, d. h. in caudaler Richtung fortschreitend, geschieht. 
Dies ist aus den Querschnitten auf Fig. 72, a, b, (', deutlich zu er- 
sehen. Hier sind alle drei, von reichlichem Pcrichondrium umgebenen 
Beekentheile in der Acetabulargegend noch von einander getrennt, 
und man sieht, w e die in Figur a noch rein transvorsell liegenden 
Pubica in der Mittellinie bereits nahe zusammengetreten sind, und wie 
sie seitlich vom Nervus obturatorius durchbohrt werden. In Fig. C 
sind die Ischia von einer medianen Vereinigung noch viel mehr ent- 
fernt, als dies weiter vorne für die Pubica gilt. In Fig. 73 ist die 
Vereinigung an beiden Stellen bereits erfolgt, und die Ischia formiren, 



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- 131 - 



vcntralwärts keilartig vorspringend, das reine „Sehnabelbeekcn". Auf 
ein noch älteres Stadium bezieht sich die Figur 74, und man sieht 
hier an der Innenseite der eiue einzige Knorpelmasse bildenden Pars 
iliaca und ischiadica bereits eine perichondrische Ossitication auftreten. 
Dorsalwärts ist die Vereinigung mit einem Sacralwirbel schon erreicht, 
und zwar geschieht dies, indem der Querfortsatz (resp. die Sacralrippe) 
weit ventralwürts abgebogen und an seiner lateralen Seite eine Hohl- 
kehle für das Ilium erzeugt wird. 

In der Reihe der übrigen Saurier handelt es sieh, je mehr wir 
uns von den Crassilinguia zu den F i ss i 1 i nguia 1 ) wenden, um 
eine immer grössere Schlankheit und Zartheit der Knochen, eine gleich- 
zeitige Erweiterung des Foramen obturatorium und endlich um eine 
immer steilere Aufrichtung der Schambeine nach vorne gegen die 
Medianlinie zu. Zugleich geht das Ilium in Anpassung an die in der 
Keptilien-Reihe neu erworbenen mechanischen Verhältnisse aus einer 
annähernd senkrechten Stellung allmählich in eine schiefe, nach hinten 
und dorsalwärts gerichtete über. Vorgebildet sehen wir dies schon 
bei Holocephalen und gewissen Urodelen, wenn auch die dortigen Ver- 
hältnisse nicht direct auf die Saurier übertragbar sind 2 ). 

3) Crocodile. 

Wenn sich eine gewisse Verwandtschaft zwischen dem Saurier- 
und Chelonierbecken nicht verkennen lässt, so begegnen wir bei 
Crocodiliern Verhältnissen, welche auf eine ganz eigenartige Entwick- 
lungsrichtung hinweisen. Aus diesem Grunde und auch wegen seiner 
wichtigen Beziehungen zu ausgestorbenen Kuptilienformen hat das 
Crocodilierbecken das Interesse der Morphologen von jeher in ganz 
besonderem Masse erregt und eine grosse Literatur hervorgerufen, 
ohne dass bis jetzt eine Einigung in der Auffassung gewisser Ab- 
schnitte desselben zu erzielen gewesen wäre. Vor Allem bezieht sich 



') Das Os hypoischium hat in der Reihe der eigentlichen Saurier (Iguana, 
Monitor, Urotrops etc.) eine weite Verbreitung. Bei Croiodilen und Chamaeleon- 
ten fehlt es. 

s ) Beim Chamaeleon (7 cm langes Exemplar) steigt das Ilium senkrecht 
gegen die Wirbelsäule empor und ragt mit seiner Spitze bis in die Höhe der Dorn- 
fortsätze der synostotiaeh verschmelzenden Sacralwirbel empor, ho das» jene in 
eine Höhe mit der obersten Rückenkantc zu liegen kommt. Dabei liegt der 
Knochen sehr oberflächlich, dicht unter der äusseren Haut, wie in einer Art von 
fibröser Tasche, und ist mit seiner medialen Wand nur sehr lose durch Band- 
massen an das Sacrum befestigt, während, wie schon erwähnt, das eigentliche 
Ende daran vorbeiläuft und höher hinaufsteigt. — Offenbar handelt es sich hier- 
bei um secundäre, iu Anpassung au die Lebensweise erworbene Charaktere. Ueber 
die eigentümlichen Verhältnisse des Epipubis der Chiumtclcoutcn vgl. meine 
Schrift: Die P hy logen ie der Bcutclknochen ( 1 

9» 



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- 132 - 



dies auf die steil nach vorne und medianwarts gerichteten Skelettheile, 
die von einigen Autoren für eine „Cartilago pyramidalis - erklärt wer- 
den 1 ). Im letzteren Fall — und ich nenne als Vertreter dieser Ansicht 
Leydig, Fttrbringer, Secley und Baur — ist der sonst als 
Isehium bezeichnete Beekenabschuitt als ein Ischio-Pubis aufzufassen. 




Textfijrur 20. Hecken von einem jungen Alligator luciua. A ventrale, B seit- 
liche Ansicht. // llium, /* Isehium. P Pubicum) A'j/ Symphysis ossi» ixohii. F Foramen 
COfdifonne ohturatum. Ii fibröses I tand /.w iscben Symphysis pabil und ischii. t Pari« 
aeetabularis , welche sich zwischen den fortiutta a «]<■•* Ileiunn und das Pubicum ein- 
icliiebt, b Loch in der Pfanne, nach rückwärts von den beiden xusAiniuen«to*scndrn 
Fortsätzen tt und b de-« Ilcuins und IftcbiuttM begrenzt, * Andeutung des .in dieser 
Stelle bei Dinosauriern und Vögeln nach vonie auswach^cndcn Ileiims, G (Jelenkpfantie 
für den Oberschenkel, /, // erster und zweiter Sacralwirbel. AI fibröse Membran zwischen 
den Vorderenden der beiden Seliauibeine und dem letzten Hnuchrip]>cnpaar (HB- 

Baur fusst dabei auf dem Verhalten des Beckens der Pterosa u ri a, 
welche in ihrem „Isehium" ein Loch (Kommen obturatorium nach 
Baur) besitzen sollen. Ich selbst kenne diese Verhältnisse nicht ans 

') C. K. Ho ff in it n n fasst das „I'ubis" als ein Epipubis im Sinne <ler Sala- 
mander auf. Nach S. II aap Ii ton würden die gewöhnlich als < >ssa pubis be- 
zeichneten Knochen den Ossa marsupialia der Monotrcmen und Marsupialier. 
das Isehium aber einem Pubis entsprechen, während das wirkliche Ischium (im 
Sinne Haughton's) mit dem hinteren Abschnitt des Ileum zusammengeflossen 
sein soll — Ich habe diese abenteuerliche Auffassung Haughton's durch das 
Manuscript D'Arcy Thompson s kennen gelernt. 



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- 133 - 



eigener Anschauung, jedenfalls aber kann ich mich so wenig auf die 
Seite jener Autoren, als auf diejenige D ' A rey Thom pso n ' s stellen. 
Dieser erklärt das „Pubis" für ein Praepubis und nimmt dies auch für 
die Chatnaeleonten, Amphisbaenen, den Moro- und Atlantosaurus sowie 
für die übrigen Sauropoda in Anspruch , ). Er fusst dabei auf folgenden, 
nach seiner Ansicht für jenes Skeletstück der Crocodile spezifischen 
Eigenschaften: Ausschluss vom Acetabulum. die von dem Laeertilier- 
pubis gänzlich abweichende Form mit der spateltbrmigen Knorpel - 
apophyse am proximalen Ende, welche durch fibröses Gewebe mit 
ihrem Gegenstück in der Medianlinie verbunden ist, gänzlicher Mangel 
eines Processus praepubicus, eigentümliche und sehr bemerkenswerthe 
Beziehungen zur Muskulatur. 

Ich führe den betreffenden Passus aus D'Arcy Thompson 's 
Manuscript wörtlich an. „There is nothing in the Development of the 
Crocodiles pelvis to render it unlikdy that its „pubis" is really a 
prepubis: though at the same time if it be so. there is no evident 
trace remaining of the true pubis. Though there is a sort of rupture 
or tissure in the subacetabular cartilage which may indicate that here 
is the boundary between pubis and ischium; in which case a very 
distinct part of the pubis would bo really left. There is not the slightest 
trace at any time of an anterior process upon the „pubis". u 

Aus diesen z. Th. mit grossem Scharfsinn angestellten Versuchen, 
zu einer klaren Einsicht zu gelangen, ist jedenfalls eines mit Sicher- 
heit zu entnehmen, nämlich, das* ohne einen Einblick in die Entwick- 
lungsgeschichte kein sicheres Urtheil möglich ist. 

In dieser Beziehung ist seit den Zeiten Rath ke 's (80) so gut 
wie kein Fortschritt zu verzeichnen. Rathke selbst aber untersuchte 
nur Stadien, in welchen Dann-, Sitz- und Schambeine jederseits bereits 
eine zusammenhängende und nirgends unterbrochene Knorpelmasse 
bildeten. Noch sehr kurz waren die Schambeine, im Verhältnis* viel 
kürzer als später; sie waren noch nicht nach vorne gerichtet, sondern 
standen quer, parallel zum Sitzbein. Beide waren nur durch einen 
schmalen Zwischenraum getrennt. Erst später wachsen sie mächtig 
in die Länge aus, nach vorne, und zugleich beginnt sich das Scham- 
bein aus seiner Knorpelverbindung zu lösen und bleibt nur noch durch 
Syndesmose mit dem Sitzbein A*erbunden. 

Diese Beobachtungen Rathke 's kann ich bestätigen, aber auch 
noch insofern erweitern, als mir eine Reihe gut conservirter, jüngerer 



') D'Arcy Thompson sagt hierüber: „The „pubis" of the. Chamaeleon 
is not homologous with that of the Laeertilia or of birds, but with that of th<> 
Crooodile: in other words, it is a prepubis. And the Chamaeleon is not a true 
lizard. but has very close affiuities with the Sauropoda and Ktegosauria, — 
reptiles classed by Marsh with the Dino^aurs." 



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- 134 — 



Embryonen des ceylonesischen C r o c o d i 1 u s biporcatus zur Ver- 
fügung stand. 

Bei 17 mm langen Exemplaren ist, wie ich dies auch von 
Chelone berichten konnte, die Vorderextremität bereits im Vorknorpel- 
stadium angelangt, wahrend die hintere noch wesentlich von indifferentem 
Mesoblaatgewebe aufgebaut wird. Dasselbe zeigt sich im Innern der 
noch paddelartigen, ventral- und lateralwärts gerichteten Gliedmasse 
in zwei Zonen, einer helleren, peripheren und einer compacteren, cen- 
tralen, angeordnet. Aus erstem* entstehen später die Muskeln, z. Th. 
aber erstreckt sieh jene helle Zone auch bereits in zwei, kaum von 
einander zu trennenden, ganz parallel laufenden Zügen , einem mehr 
proximal und einem mehr distal liegenden, in die ventrale Bauchwand 
herein. Dies sind die ersten Andeutungen eine» Pubis und eines 
Ischium, beziehungsweise der mit denselben später in Verbindung 
stehenden Muskulatur (Fig. 77, b, c). Eine Verbindung dieser ziem- 
lich lockeren Gewcbsmassen mit den Somiten (So) — Myomeren sind 
noch nicht differenzirt — vermochte ich in diesem Stadium noch nicht 
nachzuweisen ; dagegen sah ich bereits dicht an der lateralen Seite der 
Arteria iliaca gut entwickelte, gewaltige Nerven, wovon einer als 
Obturatorius deutlich zu erkennen war, in die Extremität ein- 
strahlen (Fig. 77, a, C) 1 ). 

Jenes dunklere, compacte, in der freien Gliedmnssenknospe lie- 
gende Gewebe ist »1er Vorlilufer des Ober- und Unterschenkels, welche 
beide (ycrgl. Fig. 77, <l) eine discrete AnInge zeigen und auch hier, 
wie bei allen bis jetzt geschilderten Wirbelthier- Embryonen, dem zu- 
gehörigen Gürtel in der Entwicklung voraus sind. Die ganze An- 
lage der hinteren Extremität erstreckt sich zu dieser Zeit über drei 
Interspinalsegmente hinweg, und von einer „Fcusterbildung" zwischen 
Pubis und Ischium kann man in diesem, wie auch in den beiden 
nächsten Stadien (Vorknorpel- und beginnenden Knorpel- Stadium), 
noch nicht reden. Eine (J o n t i n u i tä t s tr e n n u n g des noch fast 
ganz einheitlichen, breiten M e s o b 1 a s t g ü r t e 1 s wird, ähn- 
lich wie im U r o d e 1 e n b e c k c n , einzig und allein durch 
den Nervus obturatorius bewirkt. 

Das Entwicklungsstadium, welches ich in Fig. 75 und 70 ab- 
gebildet habe, sehliesst sich fast unmittelbar an dasjenige der Fig. 77 
an. Der Verknorpelungsprozcss ist im Femur bereits in vollem Gang, 
und hat auch schon das Becken in allen seinen drei noch gänzlich 
getrennten Abschnitten , in der späteren Hegio acetabularis ergriffen, 
allein die Intercellularsubstanz ist hier vor der Hand nur spärlich 
entwickelt. Eine Vereinigung des Pubis mit seinem Gegenstücke 



') Bezüglich der übrigen topographischen Verhältnisse verweise ich auf die 
Figurencrklärung. 



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- 135 - 



wird aber noch durch den die Sorna topleura durchsetzen- 
den voluminösen Dottergang verhindert; eine Sym- 
phy senbildung ist also zu dieser Zeit schon aus mecha- 
nischen Gründen unmöglich, und darin liegt für 
das weiter auswachsende Pubis der erste Anstoss, sich 
mit seinem distalen Ende allmählich nach vorwärts zu 
wenden. Die weitere Folge ist, dass der Nervus obturatorius der 
noch fast ganz senkrecht stehenden Beckenwand medianwiirts eng 
angepresst liegt (Fig. 75). In Fig. 76, welche einen um 10 Schnitte 
weiter caudalwärts liegenden Querschnitt darstellt, ist der Durch- 
bruch jenes Nerven bereits erfolgt, und man sieht ihn in die 
allmählich sich differenzirende Adductorenmas.se sich einsenken. Auf 
demselben Schnitt, welcher nicht mehr in den Boreich des Dotter- 
ganges fallt, zieht sich das noch nicht verknorpelte Mastern des 
Ischiums als eine scharf begrenzte Bandmasse in die ventrale Bauch- 
wand herein und greift Uber die Mittellinie hinüber. 

Fig. 78 und 70, a und b stellen Flächenschnitte durch einen 
22 mm langen Embryo dar und dringen dabei in dorso-ventraler 
Richtung vor. Der erste (Fig. 78) hat der starken Körperkrümmung 
wegen die Wirbelsäule zweimal getroffen (vergl. die Erklärung von 
Fig. G8 — 71). Er geht gerade durch die Ebene der Hüftgclcuks- 
pfanne, welche zu dieser Zeit noch nicht durchbrochen, sondern 
noch aus Vorknorpelgewebe gebildet ist. Der Durchbruch erfolgt 
erst später. 

In einem weiter ventralwärts vordringenden Schnitt (Fig. 79, a) 
sieht man den Durchbruch des Nervus obturatorius, welcher durch 
den engen, nahe dem Acetabulura liegenden Schlitz zwischen Pubis 
und Ischium hindurchgeht. Auf der rechten Seite der Figur ist dies, 
da der Schnitt nicht rein senkrecht zur Körperlängsachse verläuft, 
bereits geschehen, und von dieser Stelle an sieht man jene beiden 
Knorpelspangen ihre dicht beim Acetabulum noch parallele Richtung 
aufgeben und ventralwärts genau so divergiren , wie ich dies vom 
Chelonier Becken in Fig. 69 und 70 dargestellt habe. Zwischen ihnen 
liegt eine dichtzellige Verbindungszone, das Pubis ist durch reich- 
liche Abscheidung von hyaliner Intercellularsubstanz in seiner Ent- 
wicklung vor dem Ischium anfangs voraus, und grenzt sich deutlicher 
von seiner Umgebung ab als letzteres. 

Zu einem ventralen Zusaminenfluss des Pubis und Ischium beider 
Seiten kommt es in diesem Stadium noch nicht, und auch bei 25 mm 
langen Embryonen ist die betreffende Verbindung nur eine binde- 
gewebige; später aber fliesst das Ischium und (des lange persUti- 
renden Dotterganges wegen) erst nachträglich auch das Pubis mit 
seinem Gegenstück median wärts zusammen, so dass man jetzt von 
einer Symphysis pubica und ischiadica sprechen kann. 



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- 136 - 



Letztere persistirt, erstere löst sich wieder 1 ), und indem sieh die all- 
mählich verknöchernden Schambeine nach vorn ausstrecken, kommt 
es, ganz wir hei Oheion ia und unter Umständen auch bei La- 
certa, in der Medianlinie zu einem schmalen, fibrösen Band, welches 
die ursprünglich knorpelig zu denkende Verbindung zwischen der 
Symphysis pubis und ischiadien ersetzt. Diese scheidet nun die 
extrem weiten Foramina ischio-puhica. in welchen auch das Foramen 
obturatorium aufgegangen ist. von einander. (Textfigur 20, A.) 

Wahrend dieser Vorgänge bahnen sich noch weitere Verände- 
rungen an , welche das Uroeodilierbcckcn seiner definitiven Gestalt 
entgegenführen. Die Durchbrechung des Fundus acetabuli wurde be- 
reits erwtthnt; gleiclizeitig aber kommt es in jener Gegend, in welcher, 
wie dies schon Rathke ganz richtig beobachtet und beschrieben hat, 
der hyalinknorpelige Dreistrnhl jeder Beekenhalfte zu einer einheit- 
lichen Masse zusammenschiesst insofern wieder zu einer Continuitats- 
trennung, als sich das Pubis davon ablöst und sich gleichsam seine 
ursprünglich selhstständige Stellung wieder zurückerobert. Damit 
aber hat der DiflVrenzirungsprozess an jener Stelle noch nicht sein 
Ende erreicht, sondern es schnürt sieh vom Processus acetabularis ilei 
ein Abschnitt los und wird zu der sogenannten Pars acetabularis 
des Crocodilierbeckens. Es handelt sich dabei also um kein primitives, 
etwa von niederen Reptilien oder gar von den Amphibien her ver- 
erbtes Skeletstück, d. h. um kein rudimentäres Organ, sondern um 
eine neue, secundäre Erwerbung, welche auch bei Vögeln und Siiuge- 
thieren eine grosse Rolle zu spielen berufen ist. 

Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Pars iliaca pelvis des 
Oroeodilbeekens dorsalwilrts immer mehr auswächst und sich nach 
Erreichung der Wirbelsäule so stark in proximo-distaler Richtung ver- 
breitert, wie dies bekanntlich bei keinem anderen recenten Reptil 
oiler Amphibium der Fall ist. In weiterer Fortbildung begegnen wir 
diesem Bestreben der Darmbeine, eine immer grössere Zahl von 
Wirbeln in ihren Bereich zu ziehen, bei Dinosauriern und Vögeln, 
und hier wie dort ist die Ursache dafür in statischen und mecha- 
nischen Momenten zu suchen, welche die hintere Extremität befähigen, 
das Gewicht des Rumpfes, unter gleichzeitiger Entlastung seines 
vorderen Abschnittes, auf sich zu übertragen. 

Bezüglich des D i n os a u r ie r- Beekens getraue ich mir so lange 
noch kein bestimmtes (Jrtheil zu, bis es mir vergönnt ist. mich von den 
dortigen Verhältnissen am Präparat selbst zu unterrichten. Wie sich 

') In den auch beim erwachsenen Becken persistirenden Knorpelapophysen 
am Vonlerende der Schambeine erblickt iluxley (00) mit Recht das Homologon 
der Epipubira. Dieselben bleiben aber, wie ich hinzufügen möchte, gewi.^er- 
niassen latent. Diesen Ausdruck halte ich deshalb für berechtigt, da ich kein«' 
Ab-'c'-nurung derselben vom Pnbis in der Ontogenese constatiren konnte. 



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- 137 - 



D'Arcy Thompson dazu stellt, theilc ich ohne jeglichen Commen- 
tar von meiner Seite im Folgenden mit: „Marsh is therefore wrong 
in saying that Dinosaurs possess (as a new development) a post-pubis 
which is persistent in birds. but did not occur in other Reptiles. The 
faets are probably these: that in the Dinosaurs and their precursors 
the prepubis became vory greatly developed (just as it does in cer- 
tain Chelonians): that while in birds the parte resumed their normal 
proportions, there were other descendants in which the true pubis 
dwindled away, and only the prepubis remained. These included the 
Sauropoda and the Croeodiles, and (probably as the descendants of 
the former) the Chamaeleon. Marsh therefore inverted the ordre of 
things: and instead of saying that the pubis of birds was a different 
structure from that of living reptiles, lie shoidd have said that the 
Crocodile'a pubis was a different structure from that of other reptiles 
and birds and mammals. u 

Nach dem, was ich Ober die Ontogenese des Crocodilierbeckens 
ermittelt und im Vorstehenden mitgetheilt habe, ist es wohl kaum 
nöthig, die principielle Uebercinstimmung riesseihen in allen seinen 
Hauptpunkten mit demjenigen der übrigen Reptilien noch besonders 
hervorzuheben. Alle jene .Spitzfindigkeiten und Deuteleien, wie sie 
von vielen, oben schon erwähnten Seiten an das „Pubis" verschwendet 
wurden, fallen, wie leicht ersichtlich, als bedeutungslos in sich selbst 
zusammen, und es ist kaum zu begreifen, dass man, nachdem 
Rathke für eine richtige Erkenntnis* bereits die Wege geebnet hatte, 
hierin so weit davon abirren konnte. 

G. Vögel. 

Hierüber liegen die eutwicklutigsgeschichtlichen Arbeiten von 
A. Bunge, \V. K. Parker, A. Johnson. V. Menzbier und 
E. Mehnert vor; was spccicll das Hühnchen anbelangt, so findet 
sich Manches auch in den verschiedenen Lehrbüchern über Entwick- 
lungsgeschichte. 

Ich selbst habe eigene Untersuchungen an Enten- und Sper- 
lings- Embryonen angestellt, bin aber dabei Mehnert gegenüber, 
der diesen Stoff au einem viel grösseren Vogelmaterial in ausgezeich- 
neter Weise und erschöpfend durchgearbeitet hat, zu keinen wesent- 
lich neuen Resultaten gelangt. 

Schon Bunge hat ganz richtig beobachtet, wenn er das Becken 
bei Sperling und Huhn im Vorknorpelstadium als eine einheitliche 
Masse bezeichnet. Ischium und Pubis laufen noch nicht parallel zur 
Längsaxe des Ilium, sondern stehen .senkrecht zu derselben. Im 
Knorpelstadium erscheint nach Bunge das Becken nicht mehr ein- 
heitlich, indem das Pubis sich selbständig anlegt. 



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- 138 - 



Später wächst da« Uium weiter proximalwärts aus, das Pubis 
verschmilzt mit dem Iliuin und Ischium; alle drei Abschnitte bethei- 
ligen sich am Aufbau des Acetabulums. 

Bei der Ente zeigt nicht nur das Pubis, sondern auch das Ischium 
eine vom Ilium getrennte, knorpelige Anlage. Später erfolgt der Zu- 
sammenfluß. Bunge bemerkt hierüber: „Diese Erscheinung ist so 
paradox, dass ich mich jeder Deutung enthalte und die Thatsache 
hier nur mittheile in der Hoffnung, dass sie nach Beschaffung M etteren 
Materiales vielleicht Verwerthung finden könnte." 

Die selbständige Anlage des Pubis lässt sich nach Bunge, der 
sich dabei auf die frühere Arbeit von Gegenbaur (138) stützt, aus 
den Verhältnissen des (' r oc od i 1 i e r bec k e n s herleiten. „Hier ist 
das Pubis bekanntlich ein selbständiger, beweglich dem Ischium an- 
gefügter Bestandteil des Beckengürtels geworden; während es hier 
aber seine Selbständigkeit bewahrt, giebt es dieselbe beim Vogel- 
becken durch nachträgliche Verbindung mit dem Ilium und Ischium 
wieder auf und betheiligt sich an der Bildung de« Acetabulum." 

Was die Stellung des Pubis und Isuhium betrifft, so verweist 
Bunge auf die Verhältnisse gewisser Dinosaurier und betont, 
dass dieselbe im Laufe der Vogelentwicklung alle Phasen durchlaufe, 
„die wir uns zwischen der Stellung beim Embryo von Laeerta vivi- 
para und dem erwachsenen Vogel denken können". 

Nach K. Parker entsteht der Beckengürtel aus drei ur- 
sprünglich ganz getrennten Knorpelstücken , welche nach voraus- 
gegangener selbständiger Verknöcherung zu einer Masse zusnmmcn- 
fliessen. Jene drei Stiicke sind das Ilium , Ischium und Pubis. Die 
Pars acetabularis soll ein Theil des Ilium sein, an welchem man wieder 
eine prae- und postaeetabulare Partie unterscheiden kann. 

Ich selbst und Mehnert, der seine Untersuchungen an Em- 
bryonen von L ums r i d i b u n d u s , P o d i c e p s , S t e r n a . A nas, 
Corvus u. a. angestellt hat, sind, wie schon angedeutet, zu ganz 
ähnlichen Resultaten gekommen. Stets geht auch bei den Vögeln der 
Femur in seiner histologischen Differenzirung dem Becken voraus, und 
nie legt sich derselbe, wie dies A. Johnson behauptet hat, mit dem 
Beckenknorpel als einheitliehe Masse an. Dieser, wie alle drei Haupt- 
theile des Vogelbeckens, entstehen also getrennt, später aber, nach 
vorausgegangener selbständiger Verknöcherung, fliessen sie zu einer 
Masse zusammen 1 ). Dabei nimmt jener Theil. den man als eine „Pars 
acetabularis * zu bezeichnen pflegt, allmählich an Grösse zu. 



») Dies gilt für alle wildlebenden Vögel. Beim Huhn dagegen Bind Ilium 
und Ischium, wie Bunge schon constatirt hat, vom ernten Auftreten der Knorpel- 
substanz an ohne jede Trennungsspur verbunden: während sich das l'nbis in 
der Mehrzahl der Fälle noch »clbständig anlegt (Mehnert). 



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bestätigt also die Erwartung, ihn als ein rudimentäres Organ auf- 
fassen zu dürfen, nieht. Genetisch gehört jener Theil zu dem in die 
Pfannenbildung eintretenden Abschnitt des Darmbeines und ossificirt 
auch von letzterem aus. Es handelt sich also um keine vierte Com- 
ponente des Os pelvis (Mehnert). 

Genetisch gehört die Pars acetabularis , wie Bunge ganz richtig 
bemerkt, und wie ich dies auch für die Crocodilier nachgewiesen habe, 
zum Processus ilei acetabularis pubicus und ist als Spina iliaca zu 
deuten. Letztere ossificirt vom lleum aus, während ein „Post- 
uubis 11 im Sinne von Marsh bei Vögeln nicht zur Entwicklung 
kommt. 

Dass das zur Körperlängsnxe, resp. zum Ilium ursprünglich senk- 
recht gestellte Pubis und Ischium der Vögel auf ihren in den Rep- 
tilien wurzelnden Ursprung zurückweist, ist selbstverständlich. In 
der Embryonalzeit fiudet dann eine ganz allmählich sich vollziehende 
Drehung der distalen Enden jener Theile statt, bis sie endlich eine 
Lage einnehmen, wie sie das Dinosaurier- und Vogelbetken charak- 
terisirt. 

H. SSngethiere. 

Bezüglich der anatomischen Verhältnisse des Säugethicrbeekens, 
das in seinem ursprünglichen Typus bekanntlieh noch durch eine Sitz- 
und Schambein-Symphyse charakterisirt ist, verweise ich auf mein 
Lehrbuch und meinen Grundriss der vergleichenden Anatomie. Dort 
habe ich auch die wichtigste Literatur zusammengetragen und dabei 
namentlich auf die schönen Untersuchungen von W. Lee he (C6) ver- 
wiesen. In diesen wird auch der stets später als die übrigen Beeken- 
theile entstehenden Pars acetabularis eine ausführliche Betrachtung 
gewidmet, auf die ich aber hier nieht zurückkommen will, nachdem ieh 
im Vorstehenden ihre Genese bei Crocodiliern und Vögeln geschildert 
und sie als ein Gebilde von seeundärer Bedeutung bezeichnet habe. 
Dasselbe gilt für den Ausschluss des Schambeins von der Hüftgelenks- 
pfanne. Für ungleich wichtiger erachte ich die Frage nach dem Ver- 
bleib des uralten, schon von den Anamnia her datirenden Epi pubis 
bei Säugern. Hierüber habe ich in den letzten drei Jahren eingehende 
Untersuchungen angestellt, und diese haben mir folgende, wie ich 
glaube, nicht uninteressante Resultate ergeben. Erstens konnte 
ich bei j ungen Beutlern einen directen Zusammenhang 
der noch knorpeligen Ossa marsupialia mit dem Sym- 
physe nknorpel des Beckens constatiren und dadurch die 
später zu erwähnenden Befunde Loche 's (68) bestätigen, sowie die 
Conti nuität des Epipubis von Polypterus bis zu den 
Säugethicren erweisen. Zweitens aber erkannte ieh in jenem 
theils paarigen, theils unpaaren Skeletstüek, welches sich in der 



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— 140 - 



Sehambeinsymphyse bei E d e n t a t e n , I n s ec t i v o r e n . C h i r o p t e r e n 
u. A. findet, ein letztes Rudiment des Epipubis- Sockels. In dem 
gleichen .Sinne fasse ich die Puncta ossifientionis am Symphyscnendc 
des menschlichen Schambeines auf. — Es würde mich zu weit führen, 
auf alle die betreffenden Details hier näher einzugehen, und ich ver- 
weise deshalb auf meinen, bereits oben citirten Aufsatz (113), wo man 
üb «r all dies genauen Aufschluss finden wird. 

D'Arcy Thompson (07) bemerkt über die Ossa marsupialia 
wörtlich folgendes: „I believe at present, tliat they are truly prepubes 
and not epipubes: that is to say that they are not primarily in relation 
to the middle line at all, but are segmented oft' from the region of 
the pectincil tubercle. lt is only where they havo become much 
reduced (as in the Kangaroos and above all in the Thylacine) that 
they become approximated in the middle line. In all the more pri- 
mitive forma and especiallv in the Monotremes they are triangulär 
bones, with a very broad base, whose extemal angle is in connection 
with the pectineal tubercle. On tili* theory they are homologous (as 
Haughton long ago suggested) with the „pubis" of the Crocodile. 
The development of this subject would raise the (juestion of the rep- 
tilian connections of the mammatiau pedigree". 

Was die Entwicklung des Säugcthierbeckens betrifft, so legen sich, 
wie mich meine Untersuchungen am Maus - und Ivan i nch enb ecken 
belehrt hüben, das Ilium, Ischium und Pubis getrennt an, und stets 
verwächst dann das llium zuerst mit dem Isehium, während das 
schlanke Pubis am längsten selbständig bleibt. Letzteres erzeugt wie 
Mehnert (73) ganz richtig bemerkt, keine Acetabularfortsätze , da- 
gegen schiebt sich «las Ischium, welches einen Processus iliaeus (aber 
keinen pubicus 1 )) aussendet, allmählich zwischen diejenigen des Ilium. 
d. h. zwischen den Processus ilei aectabularis pubicus und ischiadicus. 
hinein und verbindet sich mit der „Acctahularbodcnplntte des Ilium 4 * 
(Mehnert). So wird also der linden des Acetabulums, theils vom 
Ilium, theils vom Ischium aus gebildet, von welch letzterem sich eine 
Masse zwischen den Processus ischii aectabularis iliaeus und das dor- 
sal«? Ende des Pubis einschiebt. 

Werfen wir nun auf Grund dieser Erfahrungen einen Blick rück- 
wärts, so können wir die Resultate über das Amphibien- und Rep- 
tilienbecken folgendermassen zusammenfassen. 

Jede Beckenhälfte legt sich bei Amphibien im Vorknorpelstadium 

') Somit bleibt bei Säu^ethicren. bei denen das l'ubis an der l'faiiiicnhildiiiig 
Theil nimmt, zwischen Ischium und l'ubis, in andern Fällen, wo jene Hotheiligunfr 
nicht stattfindet, zwischen Ischium und dem cranialen Acctabularfortsatz der* 
Ilium eine Lücke in der rmranduii£ des Acetabulum (Imisura aci tabuli)(Mebnert). 



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141 



als ein zusammenhängendes Blastem an, welches später in zwei 
getrennten Zonen zur Vcrknorjtelung gelangt. Zuerst ergreift diese 
die ventrale Partie, welche das Ischium und das Pubis in sieh 
vereinigt, und später erst die dorsal wärts aufwachsend«! Pars iliaca. 
Letztere ist also phyletisch junger. Sie gelangte erst zur Verbindung 
mit der Wirbelsäule, als das schwimmende Leben aufgegeben und 
der für die terrestrische Bewegung nothwendige Festigkeitsgrad des 
Beckengürtels erreicht wurde, beziehungsweise als bei der durch den 
starken Ruderschwanz resp. durch die Schlängelung des Rumpfes 
bewirkten Locoraotion die Extremitäten (Proteus, Amphiuma) nicht 
mehr an den Körper angelegt, sondern als mehrarmige Hebel auf 
dem Boden aufgesetzt und zu Schreitbewegungen verwendet wurden 
(Menobranchus, Crvptobranchus, Menopoma, Salamandrinen, Anuren). 

Beide Seitenhälften der ventralen Bockenplattc haben die von 
den Schleidern, Ganoiden und Dipnoern her vererbte Tendenz, in der 
Medianlinie zu einer unpaaren Knorpelplatte zusauimenzufliesscn und 
proximalwärts in einen ursprunglich ebenfalls paarig sieh an- 
legenden Fortsatz auszuwachsen. Dieser Processus e p i p u b i c u s , 
welcher ebenfalls als ein altes Erbstück von den Schleidern, Ganoiden 
und Dipnoern her zu betrachten ist, bleibt bei höheren Amphibien 
nicht mehr im Verband mit seinem Mutterboden, «lein Ischio- Pubis, 
sondern schnürt sich allmählich davon los, indem die ganze ventrale 
Beckenplatte bei Salamandrinen in proximo-distalcr Richtung eine He- 
duetion erfährt. Dabei wächst er, neu«' Verbindungen mit der ven- 
tralen Bauchwand gewinnend, an seinem Vonlerende secundär in zwei 
Zinken aus. 

In einem sehr frühen Stadium schon verschmelzen das llium und 
das Ischio- Pubis in der Regio acetabularis zu einer Masse, und nach- 
dem dies geschehen ist, kommt es zu einem Wrknöcherungsprozess. 
Dieser erstreckt sich in der Regel nur auf die Pars ischiadica und das 
llium, kann aber von jener aus auch auf die Pars pubica übergreifen, 
und von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zu einem selbst- 
ständigen Ossiticationsherd in «ler Pars pubica. Dieser ist schon 
dann und wann bei Salamandra angebahnt und bei gewissen fossilen 
Formen, sowie bei Dactylethra bereits regelmässig durchgeführt. Da- 
durch erscheint die zuvor einheitliche ventrale Beckenplatte gewisser- 
massen doppelt eentrirt, und dies findet bei Amnioten schon mito- 
genetisch seinen Ausdruck in einer getrennten Anlage von Ischium 
und Pubis. Da aber eine solche auch für das llium fortdauert, 
so ist der in seinen Einzelgliedern ursprünglich ge- 
trennte, knorpelige Dreistrahl als typisch für alle 
Amnioten zu betrachten. Ischium und Pubis weisen hier (Rep- 
tilien) durch ihre engen gegenseitigen Lagebeziehungen in der Onto- 
genese noch auf die Anamnia zurück , ja, sie können auch hier noch 



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in dieser Lage zeitlebens verharren ( Palaeo hatte ria, Plesio- 
saurus u. A.). Wenn sie später unter Erzeugung eines mehr oder 
weniger geräumigen Foramen ischio-pubieum, resp. obturatorium, aus- 
einanderrücken , so ist hierfür die in der Phylogenese vor sich 
gegangene Aenderung der statischen und mechanischen Verhältnisse 
des Körpers, wobei die Muskulatur eine Hauptrolle gespielt haben 
inuss, in Ansehlag zu bringen. Jene Verhältnisse bedürfen einer 
genaueren Prüfung, und es eröffnet sich hier noch ein weites und 
dankbares Feld für die Untersuchung. 

Auch in der Keihe der Amnioten erhält sich die Neigung der 
ventralen Heckenplatten, in der Mittellinie zu verschmelzen und ein 
Epipubis zu erzeugen (Chelonier, Saurier), von welchem sich auch 
noch bei gewissen Sätigethiergruppcn Spuren nachweisen lassen, und 
aus welchem die Ossa marsupialia der Schnabel- und Beutel- 
thiere hervorgegangen sein müssen 1 ). 

Der am hinteren Beckenrand der Dipnoer und gewisser Urodelen 
in der Mittellinie ausspringende Knorpelzapfen tritt auch noch bei Rep- 
tilien auf, allein er kommt hier genau so, wie dies da und dort für 
das Epipubis gilt, zur Abgliederung. wodurch das in seiner Anlage 
paarige Hypo-Ischium entsteht. Epipubis und Hypo-Ischium, beides 
Erbstücke aus einer grauen Vorzeit, fallen also unter einen und den- 
selben morphologischen Gesichtspunkt; beide sind zwei ursprünglich 
der Hauptmasse der ventralen Beckenplatte angehörige Und erst 
secundär von ihr abgelöste Skelettheile. Während sich aber das 
Epipubis bis auf die Säugethiere fortsetzt, scheint das Hypo-Ischium 
schon in der Reihe der Reptilien zu erlöschen. Spuren davon fand ich 
(1. c.) übrigens auch noch bei gewissen Arten der Beuteltbiere (Pera- 
meles spV). 

') Diese Auffassung habe ich früher (100) schon vortrefen, und auch Leche 
((>S) int in neuester Zeit zu demselben Ergebnisse gelangt. In der betr. Schrift, 
die mir soeben durch die <Jüte des Verfassers zugeht, finden sich die an jungen 
Beutlern gewonnenen Resultate folgcndermasscn zusammengestellt: 

1. „Die Beutel knochen verknöchern in derselben Weise wie die übrigen 
Beckenknochen." 

2. Die Heutelknochen bilden im knorpeligen Zustand ein Continuum mit 
einander und mit der Symphysalgcgend der Schambeine. 

Aus diesen Thatsachen lassen sieh wiederum folgende Schlüsse ziehen: 

1. Die Iteutelknoehen gehören bei den Saugethiercn ursprünglich dem 
Hecken an und sind den übrigen Heckenknochen gleichwertig. Die 
Abgliederung der Heutelknochen vom Pubis, welche beim erwachsenen 
Thier erfolgt, ist somit als ein secundärer Zustand aufzufassen. 

2. Zugleich wird durch diese Thatsachen auch die Auffassung der Beutel- 
knochen als Sehnenossitieationcii im Muse, obliquus abd. internus oder 
pyramidalis entschieden widerlegt. 

Darnach steht der Ableitung der Heutelknochen vom Epipubis der niederen 
Wirbelthierc kein Hindernis* mehr im Wege." 



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- 143 - 



Die Processus praepubiei vererben sich von den Amphibien 
auf die Reptilien und gelangen hier in der Reihe der Chelonier zur 
stärksten Entfaltung. Bei vielen Säugethieren entspricht ihnen die 
Gegend des Tuberculura pectineum, bei anderen liegen sie ganz im 
Bereich des Pubis. 

Wahrend das Vogelbecken unschwer auf dasjenige der Reptilien 
zurückgeführt werden kann, liegt die Urgeschichte des Silugethier- 
beckens noch nickt klar. Baur (14*) leitet dasselbe von einer Form 
ab, wie sie Eryops besass , aber nicht so stark verknöchert, und 
fügt die Bemerkung bei, das Säugcthierbecken verhalte sich zu dem 
von Eryops, wie dasjenige von Ilatteria zu Palaeohatteria. 



II. Vordere Extremität mit besonderer Berücksichtigung 

des SchultergUrtel8.-> 

A. Selachler. 

Bei ausgewachsenen Selaehiorn besteht der Schultergürtel bekannt- 
lich aus einer einheitlichen, knorpeligen, in der ventralen Mittellinie in 
der Regel verschmolzenen Knorpelspangc. Dieselbe hat von Gegen- 
baur (33) schon vor 36 Jahren eine eingehende Schilderung erfahren, 
deren Hauptpunkte im Folgenden mitgetheilt werden sollen. 

Jene Knorpelspange 8 ) läuft bei den Haien dorsalwftrts frei aus 

') Baur nimmt auch die von ihm, wie von Mehnert, aufgestellte drei- 
strahlige Grundform des Amniotcn-Llcckcns im Allgemeinen an, sehlicsst aber 
die ältesten Amnioten davon aus, indem er es für wahrscheinlich halt, dass sie 
eine „continous gastral cartilage as in Neeturus for instance u besessen haben, in 
welcher ein Pubis und ein I sc Iii um zur Verknöcherung kamen. Er fasst seine 
Resultate folgendermaßen zusammen: 

1. Continous gastral cartilage, extending between the femora. Dipnoa. 
Selachia part. 

2. Continous gastral cartilage, in which the ischium developed a separate 
ossincation. Proteida. 

3. Continous gastral eartilage, in which pubis and ischium appeared as 
separate ossifications. Batrachia part, Proganosauria part. 

4. a) Pubic and ischiadic ossifications, extending over whole gastral cartilage, 
Theromorpha, permian Batrachia part. Crocodilia Ptcrosauria? b) Gastral 
cartilage between pubis ane ischium disappearing: appearenee of foramina 
pubo-ischiadica: all other Amuiota. 

8 ) Ueber den Schultergürtel liegt das grosse Werk W. K. Parker'» (79) 
vor. Dasselbe erstreckt sich so ziemlich über a'lc Hauptgruppen der Wirbel- 
thiere, so dass ich hier an dieser Stelle ein- für allemal darauf hinweisen will. 
Es besitzt einen rein deskriptiven izoo tomischen) Charakter. 

3 ) Ihre ventrale Verbindung besteht in eh r Regel aus viel weicherem Kuorpel- 
gewebe als die übrige Skcletmasse; bei Chlamydosel achua und Hexanchus 



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während sie bei den Kochen mit der Wirbclsilule in Verbindung ist. 
Aeanthias — und ähnlich verhalten sieh auch die Kochen — 
hat an der Verbindungsstelle des Schultergurtelt, mit der Brustflosse 
drei halbkugelige Hervorragungen, die boreits anno 1846 von Owen 
beschrieben worden sind; überhaupt unterliegt jene Stelle des .Schuher- 
gürtels bei verschiedenen Haien sehr verschiedenen Form Verhältnissen. 
„In der Nähe «lieser Anfügungsstcllo der Brustflosse finden sich immer 
besondere Gruben, die in ('anäle fuhren." Nur bei wenigen, wie z. B. 
bei ( ' h 1 a m v d <» sc I ae Ii u s. band dt es sieh dort um einen gelenk- 
kopflgen Vorsprung, bei den meisten um eine einfache Leiste. .Jene 
< anäle sind z. Th. ganz regelmässig angeordnet und dienen Nerven 
zum Durchtritt, z. Th. aber Iässt sich eine „Beziehung zu ein- und 
austretenden Thailen nicht feststellen". Jene ('anäle ergeben wichtige 
Anknüpfungspunkte in Bezug auf den Schultergürtel der Ganoiden und 
Teleostier. „Das Verhalten der Canäle und der dazu gehörigen Uefl'nungen 
ist im Ganzen sehr einfach. Der Canal. durch welchen das Nerven- 
stiUnmchen in den .Schulterknorpel eintritt, beginnt (im Grund einer 
Grube) au der Innenseite des Knorpels und theilt sicli regelmässig in 
zwei ( 'anäle. wovon der eine über, der andere unter der Antugestelle der 
Flosse austritt. Diesem Verlauf gemäss theilt sich auch der Nerv in zwei 
Aeste, einen oberen für die Hebeinuskeln, einen unteren für die Senker 
der Flosse/ 4 

„Falls sich die Ausmündungen jener Canäle erweitern, so zeigen 
sieh in den buchtigen Bäumen Muskeln eingelagert 1 ). Die so 
sich ergehende reichen! Sculptur des .Schulterknorpels, Leisten- und 
Fortsatzbildungen setzen sich auch auf die Verhältnisse des durch 
Spangenbildungen ausgezeichneten Schulterknorpels der Bochen und 
weiterhin auf Ganoiden und Teleostier fort." — Soweit Gegen - 
b a u r. — 

Typisch für den Schulterbogen nicht nur der Selachier, sondern 
aller Fische, sowie der Dipnoer ist jene Stelle, wo die Flosse articulirt. 
Was dorsal davon lio<;t, fasse ich als Pars scapularis auf. während 
ich im ventralen Abschnitt des Schulterbogcns das Coracoid resp. 
das noch latente P ro c o rn c o i d re>p. die V la v i c u 1 a der Amphibien 
und Amnioten erblicke. 

Wie das Becken in seiner primitiven Form hei Selachiern nur 

geschieht die Verbindung mir durch fibröses Gewebe. Jlei Aeanthias erscheint 
die l'ar* scapularis mit »lern übrigen Schultergürtel ebenfalls nur durch Band- 
ma.ssc vereinigt, auch bei Chlamydn -elaehus (Garman) ist das dorsale Hude beweg- 
licli von der Hauptmasse abgesetzt. 

1 ) „Die Bildung dieser weifen Küuiuc im Sehulterknorpcl will ich nicht 
geradezu durch die Entwicklung der Muskulatur bedingt aufstellen, sondern nur 
damit als im Causalnexus stehend bezeichnen. Mit der Dicke der durchtretenden 
Nervenstanune hat aber d'e Weite der ('anäle keinen Zusammenhang- iGcpen- 
b a u r). 



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eine einfache, von Nervenlöchern durchbohrte Platte darstellt, so gilt 
dies aueh fUr das infraglenoidale (ventrale) Stück der vereinigten 
Schultergürtelhälften. Gleichwohl aber lftsst der Schultergürtel in 
diesem Bezirk bereits einen höheren DifFerenzirungsgrad , der sich 
durch jene oft ziemlich complizirte Sculpturirung ausspricht, nicht ver- 
kennen, und darin, meine ich, liegt der bereits bei den Sturionen 
sich anbahnende und dann bei den Urodelen typisch werdende 
Dreistrahl des Schultergürtels der höheren Wirbelthiere schon vor- 
gebildet, wahrend das Becken auch hier wie dort das conservativere 
Verhalten erkennen lässt, indem es bei den Amphibien bekanntlich 
noch als eine einfache, den Fisch- und DipnoPr-Typus im Grossen und 
Ganzen bewahrende Knorpelspange angelegt wird. 

Kurz, der Schultergürtel zeigt schon bei niederen Formen der re- 
centen Vertebraten ein höheres, dem primitiveren Verhalten des Beckens 
entfernteres Gepräge, was auch darin seinen Ausdruck findet, dass er 
hoch dorsalwärts auswachsend und den ganzen Kumpf umspannend, 
einen ungleich festeren Aufhängeapparat für die Brustflosse abgiebt, 
als dies seitens des Beckens für die Bauchflosse gilt — 

Dass jener Unterschied erst secundär entstanden ist, kann keinem 
Zweifel unterliegen, und die Frage nach seiner Ursache ist um so 
berechtigter, als ja hier wie dort die Entwicklungsgeschichte auf eine 
und dieselbe metamerische Anlage beider Extremitäten - Paare zurück- 
weist. — 

Die Antwort darauf ist meines Erachtens in erster Linie in den 
topographischen Verhältnissen, d. h. in den Lagebeziehungen der 
Brustflosse zum Rumpfe zu suchen. An dessen Vorderende, dicht 
hinter dem Kopf und dem Kiemenraum liegend, war sie im Kampf 
um's Dasein gleich bei ihrem ersten Auftreten ungleich exponirter 
und äusseren Einflüssen viel mehr ausgesetzt, als die ab origine schon 
ungleich weniger aus der Rumpfwand hervortretende, weiter ventral- 
wärts liegende Bauchflosse. Dazu kam noch der Umstand, dass jene 
auch schon in mechanischer Beziehung mit einer wichtigeren Aufgabe 
betraut war, als die Bauchflosse, in deren Region der musculöse 
Schwanz als wichtigstes Propulsionsorgan des Thieres seine Herrschaft 
auch noch in stärkster Weise geltend macht. 

Alle diese Umstände wirkten zusammen, und auf sie reagirte der 
Organismus in der Weise, dass zur Bildung der Brustflosse eine 
grössere Zahl jener metameren Knorpelstrahlen zusammenschoss, mehr 
Myomeren und mehr Nerven herbeigezogen wurden, als dies bei dem 
Zustandekommen der Bauehflosse der Fall war. Die weitere Folge war 
ein ungleich reicher ausgestaltetes Knorpelskelet, das Auftreten dreier 
mit dem Schulterbogen in Verbindung tretender Basalglieder, eines 
Pro-, Meso- und Metapterygium, und daraus ging mit Noth- 

Wieder.h.im, Oliedmassen.keLt der Wirbelthi.re. Text. 10 



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wendigkeit auch ein starker, als wohl gefestigter Aufhängeapparat fun- 
girender Schulterbogen hervor. 

Auf eine Schilderung der complicirten Architektur des Knorpel 
skelets der Brustflosse einzutreten, halte ich nicht für nothwendig, 
und es mag genügen, zu betonen, dass ich jenen Basal ia, die man 
bisher fiir so hochwichtige und typische Gebilde aufgefasst hat, nur 
einen secundären Werth beimesse. Dieselben schwanken in ihren 
Grössen- und Form Verhältnissen sehr stark, und dies ist erst neuer- 
dings wieder durch Howes (57) dadurch recht deutlich gezeigt 




Textfigur 21. Schulte rgürtel und Brustflosse von Heptanchus. SB, SB 1 Schulter- 
gürtel, hei NL von einem Nervenloch durchbohrt, JV, M$, Mt die drei Basalstücke der 
Flosse, du Pro-, Meso- und Metapterygium. £» knorpelige Flossenstrahlen (Radien), 
a, b in der Achse de« Metapterygium» liegende Radien, t jenseits der letzteren 
Hegender Strahl (Andeutung eines hiscrialen Typu*), FS durchschnittene Hornfäden. 

worden, dass nicht einmal die Dreizahl der Basalia für die Brustflosse 
constant ist, sondern dass (bei Ptcroplatea) sich noch ein viertes 
Stück („Neopte rygi um" Howes) zwischen Meso- und Metaptery- 
gium einschieben und mit demselben gelenkig verbinden kann. — 
Man kann jene grosse Variationsbreite auch sehr wohl verstehen, wenn 
man erwägt, dass, wie ich hier im Voraus schon bemerken will, 
sämmtliche Basalstücke, ganz so wie ich dies bei der Bauchflosse 
bereits des Näheren erörtert habe, durch Connascenz einer wechselnden 
Zahl von Einzel-Radien entstehen. 

Chlaray doselachus (Garman), welcher, wie ich oben ge- 
zeigt habe, ein durch ein ausserordentlich primitives Verhalten aus- 



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gezeichnetes Becken besitzt, zeigt, wie es scheint, in der Brustflosse den 
übrigen Selachiern gegenüber kein besonderes Verhalten 1 ). 

In neuerer Zeit wurde durch eine Notiz Haswell's (52), T. J. 
Parker's (80) und Howes' (58) die Aufmerksamkeit auf die ventrale 
Verbindungszone des Selachier-Schultergürtels gelenkt. So sagt der erst- 
genannte Autor von Heptanchus indicus: 

„The shoulder-girdle is remarkable for the presence in the middlc 
ventral line of a distinet four-sided lozenge-shaped cartilage let in to 
the arch, as it were, in front. This is a condition which I have not 
observed or seen described in any other form: it does not seem to 
occur either in Heptanchus cinereus or Hexanchus griaeus. 
The intereepted cartilage is temptingly like a presternal, but the 
absence of such an dement in the skeleton of any group nearer than 
the Amphibia seems to preclude this explanation." 

An diesen Befund, sowie an die damit »ich deckende und den- 
selben noch erweiternde Schilderung T. J. Parker's knüpft Howes 
einige Betrachtungen, welche darauf hinauslaufen, dass es sich im vor- 
liegenden Fall um ein Skeletstück handle, welches mit dem „Sternum 1 * 
der Amphibien homologisirt werden müsse, denn, sagt er „that the Am- 
phibian stemum is for the most part, if not wholly, a derivative of 
the shoulder-girdle, there can no longer be a question 4 * etc. 

Ich kenne die Verhältnisse von Notida nus indicus nicht durch 
eigene Anschauung; allein Allem nach handelt es sich doch wirklich 
um eine secundftre, in der ventralen Mittellinie erfolgende Abgliederung 
des Schlütergürtels; was aber die Parke r'sche und Howes'sche 
Interpretation desselben anbelangt, so werde ich erst bei den Amphibien 
darauf eingehen können. 

Ich wende mich nun zu der Entwicklungsgeschichte des Selachier- 
Schultergürtels. 

Oben habe ich bereits erwähnt, dass Balfour für die Ent- 
stehung der Bauch- und der Brustflosse einen und denselben Bil- 
dungsmodus statuirt. Auf die Entwicklung des Schultergürtels geht 
Balfour auch in seinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte näher 
ein und lässt sich folgendennassen vernehmen: 

') An der Flosse unterscheidet man ein langgestrecktes, zweigliederiges, dem 
ganzen Flossenrand folgendes Metapterygium , welches nur an einer sehr be- 
schränkten Stelle mit dem Schultergürtel articulirt, während dies von Seiten des 
breiten, dreieckigen Mesoptcrygium in gewaltiger Ausdehnung geschieht. Das 
Mesopterygium ist in den von den Radien und dem Propterygium gebildeten 
Winkel eingeschoben. Es articulirt nicht nur mit einem Fortsatz des Schulter- 
bogens, sondern auch mit dem kleinen Propterygium, welches seinerseits eben- 
falls mit dem Schultergürtel in Gelenkverbindung steht. — Die Knorpelradien 
der Brustflosse sind dreigliedrig; zehn davon sitzen der Seite des Metapterygium, 
zwei dessen Endfläche auf. Im Bereich des Mesoptcrygiums fliesst eine gewisse 
Anzahl zu einer unregelmässigen Platte zusammen. 

10* 



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„Bei Scyllium unter den Elasniobranchiern finde ich, dass jede 
Hälfte de» Brustgurteis sich selbständig als verticaler Knorpelstreif am 
Vorderrande der Flossenanlage und ausserhalb der Muskel- 
platten entwickelt. Bevor das den Brustgürtel bildende Gewebe den 
Charakter eigentlichen Knorpels erlangt hat, stossen die Streifen der 
beiden Seiten ventral zusammen, vermöge einer Differenzirung der 
Mcaoblastzcllen in situ, sodass, wenn der Gürtel in Knorpel umge- 
wandelt ist, derselbe bereits einen ungetheilten Bogen bildet, welcher 
die Ventralseite des Körpers umgürtet. In Zusammenhang mit dem 
hinteren Rande dieses Bogens entwickelt sich in der Höhe der Flosse 
ein horizontaler Knorpelstreif, welcher sich längs der Anheftungsstelle 
der Flosse nach hinten fortsetzt, und, wie im Folgenden gezeigt wird, 
zum Metapterygium des Erwachsenen wird. Mit diesem Streifen 
hängen auch die übrigen Skeletelemente der Flosse zusammen. Die 
Löcher im Brustgürtel enstehen zuerst nicht etwa durch Resorption, 
sondern durch Nichtentwicklung des Knorpels an den Stellen, wo 
bereits Nerven und Gefässe vorhanden sind." 

Im Gegensatz dazu weist Dohm (21), wie ich ebenfalls schon 
mitgetheilt habe, auf gewisse Unterschiede hin , welche sich in der 
Anlage der vorderen und hinteren Extremität bemerklich machen. 
Dieselben bestehen vor Allem darin, dass der Schultergürtel von 
HauBe aus nichts mit der Schulterflosse zu thun haben, dass es sich 
vielmehr um eine A ngliederung, nicht aber um eine Abgliederung 
handeln soll. Der Bauchflosse, sagt Dohm, fehlt ein dem Schulter- 
gürtel homodynamer Knorpel. Im Uebrigen aber vermochte Dohm 
bekanntlich in Bezug auf d'w metamerische Entstehung der Extremitäten- 
Muskeln, — -Knorpelstrahlen und — -Nerven ein ganz übereinstimmen- 
des Verhalten zwischen Brust- und Bauchflosse zu constatiren. 



Meine eigenen entwicklungsgeschichtlichen Studien habe ich an 
Embryonen von Pristiurus, Acanthias, Scyllium und Tor- 
pedo angestellt, und sie haben mich zu folgenden Ergebnissen geführt. 

Die vordere Extremität, welche der hinteren in der Anlage stets 
voraus ist, entsteht alseine lappige, ursprünglich nach vorne, später 
aber nach hinten, aussen und abwärts gerichtete Verbreiterung im 
vordersten Bezirk jener früher schon erwähnten, längs der seitlichen 
Kumpfwand sich hinziehenden Epidermisfalte. An der betreffenden 
Stelle strecken sich die Epidermiszellen ausserordentlich in die Länge 
und grenzen sich dadurch von dem mehr dorsal- und ventralwärts 
liegenden Hautgebiet deutlich ab (Fig. 80). Im Innern jenes lappigen 
Auswuchses, welcher bei verschiedenen Gruppen der Selachier ver- 
schiedene Formverhältnisse zeigt, liegt anfangs nur ein lockeres Meso- 
blastgewebe, welches von dem benachbarten Cölomepithel seine Ent- 



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— 149 — 

stehung zu nehmen scheint; bald aber verdichtet es sich, und gleich- 
zeitig beginnen zahlreiche Gefasse und Nerven cinzuwuchern. Wäh- 
rend dieses Vorganges senken sich auch die Myotome, welche bei 9 mm 
langen Pristiurus-Embryonen noch gehöhlt erscheinen, in jenes Gewebe 
ein, schnüren sich allmählich ab und bilden die von Dohm u. A. be- 
schriebenen „Knospen". 

Von der Anlage der freien Extremität aus zieht sich jenes 
Blastem, der Epidermis dicht anliegend (Fig. 81, A, B), in die Körper- 
wand hinein, und dies geschieht (lateralwärts von den Myomeren) in 
dorsaler Richtung rascher als in ventraler, da hier der abgehende 
Dottersack anfangs ein Hinderniss in den Weg legt (Fig. 81, C). 

Das nächste Stadium kann man als das des Vorknorpels be- 
zeichnen, und auch dieses tritt zuerst in der freien Gliedmasse auf, 
und schlägt, in die Gürtelzone einwachsend, ganz denselben Weg ein, 
wie ich ihn für das indifferente Mesoblastgewebe bereits geschildert 
habe. — Alles dies gilt ebenso für die zeitliche Entwicklung des 
Knorpelgewebes, so dass also zuerst die fächerartig gegen das spätere 
Schlütergelenk convergirenden , und anfangs vollständig von einander 
getrennten Knorpelstäbchen entstehen. Diese vereinigen sich proxi- 
malwärts zu einer Basalplatte. Letztere wächst genau so, wie ich es 
von der hinteren Gliedmasse beschrieben habe, in die Soraatopleura 
ein, zieht sich aber innerhalb derselben, zunächst nicht, wie man nach 
Analogie mit dem Becken erwarten könnte, sehr weit in die ventrale 
Rumpfwand hinein, sondern wächst, wie schon erwähnt, zuerst rasch 
dorsalwärts aus und bildet so die Pars scapularis. Dies ist aber 
nicht so zu verstehen, als ob es sich geradezu um ein wirkliches 
Sicheinschieben des Knorpels in die Rumpfwand handele; ich wollte 
damit nur den Etappengang bezeichnen, welchen der Verknorpelungs- 
prozess einhält Bald beginnt derselbe sich unter Bildung der Pars 
coraeoidea auch ventralwärts auszudehnen, wobei er sich aufs Engste 
an das Epithel des Pericardiums hält, ohne dass ich jedoch genetische 
Beziehungen zwischen beiden hierbei hätte direct nachweisen können. 
Der pericardiale Raum, welcher dorsalwärts bereits durch das Visceral- 
skelet des Cavum branchiale geschützt ist, erhält dadurch auch ven- 
tralwärts eine schützende und stützende Hülle, welche zunächst in der 
Richtung gegen den Kopf 1 ) von beiden Seiten in der Mittellinie zu- 
sammenfliesst, während weiter caudalwärts längere Zeit noch das Vor- 
knorpelstadium persistirt (vergl. Fig. 82 — 84). — Jener Zusammenfluss 
ist also der letzte Act in der Anlage des Schultergürtels, und es existirt 



') Es mu88 hier daran erinnert werden, dass der Schultergürtel derart in 
einer schiefen Ebene zur Körperlängsachse Hegt, dass die freien Enden der 
Scapulae nach hinten, oben und aussen, die Zusammenflussstelle der Coracoide 
nach vorne und ventralwärts gerichtet sind. 



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150 - 



somit auch bei der vorderen Extremität ein Entwicklungsstadium, wo 
dieselbe mit ihrem zugehörigen Gürtel eine einheitliche, nur von Nerven- 
löchern unterbrochene l ) Knorpelmasse bildet, so dass also das Schulter- 
wie das Hüft-Gelenk durch einen Kesorptionsprozess zu Stande 
kommt 

Zum Schluss soll hier noch eine Betrachtung Uber die Lage- 
Beziehungen der Extremitäten-Anlage zum Kiemenraum folgen. 

In Fig. 82 ist letzterer (KR) lateral wärta noch ganz geschlossen. 
Auf weiter naeh hinten liegenden Schnitten öffnet er sich in der be- 
zeichneten Richtung zunächst ventral (bei f auf Fig. 82), bald aber 
liegt er ganzlich frei und wird von der Dorsalseite her nur noch 
durch einen dünnen Hautlappcn (» auf Fig. 83) Uberragt. Ventral 
dagegen ist die freie Extremität (Fig. 83, VE) aufgetreten und bildet 
so für den hintersten Abschnitt des Kiemenraumes gleichsam den 
Boden, ohne dass man jedoch von irgend welchen genetischen Be- 
ziehungen zum Kiemenskelet reden könnte. Gegen solche sprechen 
ja auch schon die gänzlich verschiedenen Muskelverhaltnisse, die ich 
ala bekannt voraussetzen darf, da sie von verschiedenen Seiten, wie 
z. B. von J. W. van Wijhe, genugsam betont und in das rechte 
Licht gerückt worden sind. 

So handelt es sich also bei der Entwicklung des SchultergUrtcls 
und des Beckens der Selachier um prinzipiell gleiche Vorgänge. Hier 
wie dort geht der Anstoss von der freien Extremität aus, während die 
GUrtelbildung nachfolgt. Der einzige Unterschied beruht nur auf 
dem zeitlichen Auftreten der einzelnen Theile, resp. darin, dass das 
im BeckengUrtel der Selachier eben erst sich anbahnende dorsale 
Gürtels tück (das Ilium) am Schul terbogen (Pars scapularis) aus 
Gründen, die ich früher schon dargelegt habe, nicht nur bereits florirt, 
sondern offenbar auch den zuerst nothwendig werdenden, und deshalb 
zuerst sich anlegenden Abschnitt desselben repräsentirt 

B. Dipnogr. 

Wie ich schon früher bemerkt habe, fehlte mir für die Dipnoer 
jegliches entwicklungsgeschichtliche Material, und so kann ich nur die 
späteren Verhältnisse schildern. Dabei handelt es sich, da ich die 
freie Brustflosse bereits mit der Bauchflosse zusammen besprochen habe, 
nur noch um den Schultergürtel. 

Wollte man nun etwa aus der Gleichartigkeit der freien Glied- 
massen auf gleiche oder auch nur ähnliche Gurtelverhältnisse derselben 



*) Die Nervenlöcher fallen nicht in die Schnittebene der Fig. 84. Da« hier- 
bei in Betracht kommende Loch liegt ähnlich wie das Foramen obtarato- 
rium des Beckens, ventral von der Stelle des späteren Gelenkes. 



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- 151 — 



schlie8sen, so würde man bald eine starke Enttäuschung erfahren, da 
beide ausserordentlich verschieden sind. 

Der erste, der eine genauere Beschreibung des Protopterus- 
SchultergUrtels geliefert hat, ist Gegen baur (33). Im Folgenden 
referire ich kurz seine wichtigsten Ergebnisse, ohne mich dabei auf 
Einzelheiten weiter einzulassen. 

Der Schultergürtel besteht aus knorpelig-knöchernen Theilen. 
Beide Hälften sind in der ventralen Mittellinie durch Hyalinknorpel 
zu einer einheitlichen Masse verbunden. Der Knochen ist nicht aus 
dem Knorpel hervorgegangen, sondern beide sind als von einander 
unabhängige Gebilde zu betrachten, d. h. es handelt sich nicht um 
einen knorpelig präformirten, sondern um einen erst secundär hinzu- 
kommenden Deck- oder Belegknochen. Kurz, derselbe ist im Sinne 
einer „Clavicula" aufzufassen, wie Gegenbaur eine solche für 
Anuren und einen Theil der Fische statuirt. 

Die Ausfuhrungen Gegen baur's machen, wenn man sie im 
Einzelnen auf S. 72—77 seines Werkes verfolgt, den Eindruck, als 
würden die an und für sich schon verwickelten Verhältnisse durch 
den grossen Apparat, der in's Feld geführt wird, kunstlich in noch 
complicirtere Formen gepresst. Der Grund davon liegt wohl in der 
Schwierigkeit, die sich auch Gegenbaur bei der Beurtheilung der- 
selben fUhlbar machte, allein ich glaube nicht, dass er dabei den 
richtigen Weg eingeschlagen hat. 

In der im Jahr 1880 von mir veröffentlichten Arbeit über das 
Skelet- und Nervensystem von Lepidosiren annectens (Proto- 
pterus ang.) schenkte ich auch dem Schultergürtel eine eingehende 
Berücksichtigung. Seit jener Zeit habe ich denselben noch öfters, 
und zwar auch an Querschnitten zu untersuchen Gelegenheit gehabt, 
und ich kann nun meine Resultate folgendermassen zusammenfassen. 

Der Schultergürtel von Protopterus liegt mit Ausnahme seines 
oberen (dorsalen) Endes tief in das Fleisch der Rumpfwand eingebettet 
und besteht jederseits aus zwei Abschnitten, welche sich an der Arti- 
culationss teile der freien Extremität scharf von einander abgrenzen. 
Der eine 1 ) stellt eine dünne, von einer fibrösen Hülle umgebene 
Knochenlamelle dar, die sich von der betreffenden Stelle aus zur 
Schädelbasis herüber erstreckt, und die in ihrer Umgebung nirgends 
Knorpel führt. Ich betrachte sie als ein reines Homologon der obersten 
Portion der Pars scapularis der Selachier und Ganoiden, welche aber 
ihre ursprüngliche Knorpelnatur bei Protopterus gänzlich eingebüsst 
hat und jetzt nur noch durch den im Laufe der Phylogenese einst im 



*) Gegenbaur scheint diesen Abschnitt des Schultergürtels bei Protopterus 
ganz übersehen zu haben. Owen und Günther (49) bezeichnen ihn als „Supra- 
scapnla". 



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— 152 




Textfigur 22. A Schultergürtel von Ceratodus von innen und von vorne, A 1 Schul- 
tergurtel von Protopterus. Sehr junges Exemplar. Linke Seite von aussen. Der 
Pfeil giebt die Richtung nach dem Kopfe an. a Scapula resp. „Suprascapula", b innere 
(medianwärts liegende), e* laterale Lamelle der Knochenscheide, C obere Abtheilung de» 
primären Schulterknorpels, d untere Abtheilung desselben, welche bei f mit ihrem 
Gegenstück ventralwärts zusammenflicsst, O Gelenkkopf für die Flosse. B — H stellt 
eine Serie von Querschnitten durch die ventrale Kopf- resp. Kumpfpartie von Prot opterus 
dar, welche vom Kopf her beginnend unter verschiedenen Intervallen caudalwärts fort- 
schreiten. Bp äussere Haut. M Muskelu, KR Kiemenraum, iV Perieard, Hz Hera, C Pars 
coraeoidea des Scbultergürtels, welche von Figur D an eine knöcherne Scheide erhält. 
In Figur E besteht sie nur aus Knochen, während in den drei folgenden Figuren auch wieder 
Knorpelgcwebc auftritt (bei C l ), 7a, Th Glandula thymus in verschiedenen Portionen an- 
geordnet, D Darm, WS Wirbelsäule, Kp „Kopfrippe". In Figur H bezeichnet VE den 
Anfang der Flosse, S Scapula, Of Gefässe der äusseren Kiemen. 



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— 153 - 



Perichondrium entstandenen Knochen ersetzt wird. Bei Ceratodus 
ist die Rückbildung noch nicht so weit fortgeschritten und dies lässt 
sich auch in Anbetracht der Organisation der Flosse gar nicht anders 
erwarten; gleichwohl kommt aber auch hier keine Knorpelgrundlage 
mehr zur Entwicklung. 

Der zweite, ungleich mächtigere Abschnitt des Schulterbogens stellt 
bei 11 cm langen Exemplaren noch eine continuirliche Knor- 
pelspange dar, welche, von den gewaltigen Muskeln der Rumpf- 
wand umgeben, nach unten und vorne strebt, bis sie schliesslich mit 
ihrem Gegenstück zu einer Masse zusammenflicsst An ihrer Peri- 
pherie hat der Verknöcherungsprozess zum Theil schon begonnen. 
Die ventrale Verbindungszone, welche von Knochengewebe auch bei 
älteren Thieren gänzlich frei bleibt, springt kopfwärts schnabelartig 
vor (Textfigur 22, B), verbreitert sich aber nach rückwärts aufwärts 
und umfasst dabei, ähnlich wie bei Selachiern, den Pericardialraum 
schalenartig von seiner ventralen Seite her (Textfigur 22, C). Geht 
man mit den Querschnitten noch weiter caudalwärts, so sieht man, 
dass bei 18 cm langen Exemplaren die von der inneren (dorsalen) 
und äusseren (ventralen) Seite ausgehende, perichondrale Verknöcherung 
schon bedeutende Fortschritte gemacht hat (Textfigur 22, D). Der 
Knorpel kommt dadurch nicht nur zum Theil in eine Knochenscheide 
zu liegen, sondern wird in seiner mittleren Zone (Textfigur 22, 
A und E) bereits zum völligen Schwund gebracht und an der betreffenden 
Stelle durch markhaltiges Knochengewebe ersetzt. Dies ändert sich 
jedoch wieder weiter nach hinten und oben, insofern die äussere (ven- 
trale) Lamelle jener Knochenscheide jetzt aufhört, während die innere 
(dorsale) Lamelle den Knorpel nicht nur bis zu seinem obersten Ende 
begleitet, sondern denselben sogar noch überschreitet, um sich endlich 
durch kurzes straffes Bindegewebe mit der knöchernen Pars scapularis 
zu verbinden (Textfigur 22, A und H). 

Der Schulterbogen ist an seiner ganzen vorderen inneren Fläche, 
wie ein Blick auf die Textfigur 22, £ und H, zeigt, von der Kiemen- 
schleimhaut dicht Uberzogen, und da er mit seinem Gegenstück durch 
eine fibröse, mit den Muskel-Interstitien zusammenhängende, und den 
Herzbeutel zwischen sich fassende Haut verbunden ist, so wird dadurch, 
ähnlich wie bei Fischen, für den hintersten Blindsack des Cavum 
branchiale ein fester Abschluss gebildet Daran betheiligt sich auch 
jenes räthselhafte Skeletstück, welches von Huxley als „Kopfrippe 44 
bezeichnet worden ist 

Was die Verknöcherung des primären, hyalinknorpeligen Gürtels 
betrifft, so hat sie selbstverständlich mit dem Integumcnt nichts zu 
schaffen, sondern ist rein exo-perichondraler Natur. Von einer „Clavi- 
cula tt kann also weder im G ege n ba ur ' sehen, noch in dem Sinne 



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die Rede sein, in welchem ich selbst mit Götte dieselbe auffasse, und 
wortiber ich später noch ausfuhrlicher zu berichten haben werde. 

Alles in Allem genommen ist also — und ich verweise hierbei 
auf die ganz correcte Schilderung Günther's (40) — der Schulter- 
gürtel von Protopterus von demjenigen des Ceratodus principiell 
nicht verschieden. Die Differenzen sind nur graduelle und beruhen, 
wie bereits angedeutet, im Wesentlichen einerseits auf einer Rückbildung 
des supraglenoidalen Abschnittes bei Protopterus, andererseits auf einer 
ungleich stärkeren Entwicklung der lateralen, viel weiter dorsalwärts 
ragenden Knochenscheide bei Ceratodus. Dieselbe zerfallt hier durch 
eine Naht in zwei Abschnitte, einen oberen und einen unteren. Was 
den primären Knorpel anbelangt, so würde er bei jungen Stadien des 
Ceratodus wahrscheinlich noch in derselben Continuität sich erhalten 
zeigen, wie ich dies für Protopterus nachweisen konnte 1 ). Charakte- 
ristisch für beide ist die Verbindung des Gürtels mit dem Schädel, 
und darin liegen Anklänge an Ganoiden und Teleostier. Ebenso han- 
delt es sich bei beiden an der Verbindungsstelle mit der Flosse um 
ein echtes Fischgelenk, d. h. um einen Scapular köpf und eine 
Humcrus -Pfanne. Schwer zu erklären ist die tiefe Einbettung 
des Schultergtirtels in die Kürperwand, und hierüber lässt sich ohne 
Kenntniss der Entwicklungsgeschichte nichts Sicheres aussagen, auch 
wäre nur durch letztere die Antwort auf die Frage möglich, warum 
sich im Gegensatz zu den Selachiem im Dipnoör-Schultergürtel gar 
keine Nervenlöcher nachweisen lassen. — Trotz dieser Differenzen 
aber sind Anknüpfungspunkte an die Selachier leicht zu erkennen, 
und der Dipnoör-Schultergürtel kann geradezu als ein Zwischenglied 
zwischen demjenigen der Selachier und der Knorpelganoiden bezeichnet 
werden. 

Der Schultergürtel von Xcnacanthus und Pleuracanthus 
ähnelt nach den Mittheilungen von A. Fritsch (28) sehr demjenigen 
von Ceratodus. Er scheint bei Xenacanthus weniger deutlich gegliedert 
und gedrungener gewesen zu sein, als bei Pleuracanthus. Fritsch zeigt 
sich übrigens nicht abgeneigt, den Schultergürtel von Pleuracanthus 
auf Grund seiner Gliederung in ein mittleres langes und in ein kurzes 
oberes und unteres Stück mit den Kicmenbogen zu horaologisiren. — 
Dass ich mich hierin nicht auf seine Seite stellen kann, brauche ich 
wohl kaum mehr zu versichern. 

Auch Döderlein (20) macht auf die Uebereinstimmung des 
Pleuracanthus-Schultergürtels mit demjenigen von Ceratodus aufmerksam 
(vergl. oben). 



') Günther bezeichnet die obere, die Aiticulationsstelle for die Flosse 
bildende Knorpelpartie als „humeral cartilage". 



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C. Ganoiden und Tcleostler. 

Bei den Knorpelganoiden , und von hier an bei allen übrigen 
Fischen, tritt, ähnlich wie bei den Dipnoern, zu dem primären Knorpel- 
skelet des Schulterbogens, welches ganz oder theilweiae ossifiziren 
kann, noch ein aus mehreren Knochen bestehendes Sttttzskelet 
Gegen baur (33) sagt hierüber: 

„Bei allen Ganoiden und Teleostiern ist der Schultergürtel aus 
paarigen Seitentheilen zusammengesetzt, die meist aus einem knöchernen 
Bogenstücke als einem Hauptabschnitte bestehen, dem nach innen und 
hinten zwei bis drei andere Stücke angefügt sind. Die letzteren können 
auch aus einem Knorpel bestehen oder durch ein einziges Knochenstück 
vertreten werden. Gelenkverbindungen dieser Theile unter einander 
sind nicht bekannt. Mit dem hinteren Abschnitte ist die Brustflosse 
beweglich verbunden. Diese Stelle bildet zugleich die Grenze des 
aus fester mit einander vereinigten Theilen bestehenden Schultergürtels 
gegen die eigentliche vordere Extremität" 

Was speziell die Sturionen betrifft, so handelt es sich in deren 
Schul tergürtel bekanntlich um ein kräftiges Knorpelstuck, von dessen 
Hauptmasse drei Fortsätze, ein oberer, mittlerer und unterer, ausgehen. 
Der erstere entspricht der Scapula, der letztere dem Coracoid, 
der mittlere Fortsatz aber einer Clav icula (Procoracoid, Gegen- 
bau r). 

Jener ganze Knorpelcomplex lehnt sich nach aussen an einen 
Knochen an, welcher die Kiemenhöhle von hinten her begrenzt und 
ventral wärts von einem zweiten ähnlichen Knochen Uberlagert wird, 
der mit dem der ventralen Mittellinie zusammentrifft; die nach hinten 
und aussen gerichtete, die Flosse tragende Fläche des Mittelstückes 
ist mit fünf in einer Querreihe angeordneten Vertiefungen versehen, 
von denen die fünfte nach aussen hin die ansehnlichste ist Lateral- 
warts sitzt ein stark gewölbter Vorsprung, mit welchem der äussere 
massive Strahl der Brustflosse articulirt. Oberhalb dieser Stelle ist 
der Knorpel in der Richtung gegen den Knochen hinaus von einer 
mächtigen Oeffhung durchbohrt, und auch unterhalb davon liegt ein 
weiter Canal. Beide sind von Muskeln erfüllt, und dieser Umstand 
sowohl wie auch der Nervenverlauf, resp. die hierfür bestimmten Oeff- 
nungen lassen einen Vergleich zu mit dem Schulterbogen der Haie; es 
stellt sich heraus, „dass zwischen beiden Bildungen eine 
klare Homologie besteht" (Gegenbaur). 

Ein Belegknochen findet sich am obersten discreten Knorpelstuck, 
drei weitere am Hauptstück des Knorpels („Supra-, lnfraelaviculare 
und Clavicula"). 

Spatularia verhält sich prinzipiell ebenso wie Sturio, doch ist 



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hier der Knorpel weniger reich skulpturirt '), während der aus drei 
Stücken bestehende Knochenbelag schon bedeutend vorschlägt. Die 
Gelenkfacetten sind weniger zahlreich. 

Bei den Knochenganoiden tritt der Knorpel immer mehr 
zurück, während das Knochenskelet florirt ; auch der primäre Knorpel 
selbst ossifizirt mehr oder weniger stark. „Am einfachsten unter allen 
Ganoiden verhält sich am Schultergürtel von Polypterus der Theil, 
welcher als Flossenträger dem grossen Knorpel der Störe entspricht. 
Es wird dieser Theil aus einer grösseren, durch einen mittleren Knorpel- 
rest in zwei Hälften zerfallende Knochenmasse gebildet , die auch da, 
wo sie dem sie tragenden Knochen aufsitzt, noch knorpelige Partieen 
aufweist. 44 Der äussere Knochen besteht aus mehreren Stücken, 
wovon zwei in der Mittellinie zusammentreffen (Gegen baur). 

Seine Resultate über den Schultcrgürtel der Ganoiden zusammen- 
fassend sagt Gegenbau r: „Die Beziehungen dieses knöchernen 
Gürtels zu dem knorpeligen (welch letzterer von Acipenser bis zu 
Polypterus immer mehr reduzirt erscheint) sind sehr eigentümlich, 
denn es ist bei den Stören (bei Acipenser wie bei Polyodon) nicht zu 
verkennen, dass alle Stücke des knöchernen Gürtels — wir haben 
deren jederseits vier unterschieden — keine selbständigen Skelet- 
bildungen sind, sondern eine knorpelige Unterlage besitzen, auf der 
sie als Deck- oder Belegknochen entstehen 8 ). Es sind bei den Stören 
drei solcher Knochen vorhanden, die jederseits den eigentlichen Gürtel 
bilden. Ein vierter Knochen erscheint in Bezug auf den Gürtel 
accessorisch , indem er sich nicht in die Reihe, sondern mehr nach 
hinten ansehliesst." Gegenbaur vertritt die Ansicht, „dass auch 
den Stören ein ventral abgeschlossener knorpeliger Schultergürtel ur- 
sprünglich zugekommen sein muss". 

Dass diese Meinung ihre volle Berechtigung hat, beweist nicht 
nur ein Vergleich mit den Selachiem, sondern auch die Entwicklungs- 
geschichte der Sturionen, wo jener Abschluss nahezu oder vielleicht 
sogar ganz erreicht wird. 

Man beobachtet also in der Reihe der Ganoiden ein immer stärkeres 
Hervortreten der knöchernen Elemente des Schultergürtels, und zwar 
sind dieselben, sofern es sich dabei um das sogenannte Supra- und 
Infraclaviculare, sowie um die Clavicula handelt, nicht, wie dies früher 
geschehen ist, einfach nur als Deckknochen zu bezeichnen. Kur 
die äussere, an der Körperoberfläche befindliche Lamelle ist ein Pro- 
duet des Integuinentes, worauf auch schon Göldi (42) hingewiesen hat. 

l ) Es lassen sich übrigens die Muskelbuchten und Nervencanäle ohne 
Schwierigkeit auf diejenige von Sturio zurückführen. 

') Man sieht also ein ursprünglich dem Intcgument angehöriges Element 
„allmählich aus seinen Beziehungen zum Integument heraustreten und in die 
Reihe der Bestandteile des inneren Skeletes eich einfügen". 



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„Die innere, dem Knorpel aufliegende Lamelle dagegen ist im An- 
schluss an den Knorpel als exo-perichondrale Ossification entstanden. 
So wird denn die Clavicula der Teleostier und höheren Vertebraten 
nicht mehr als ein Derivat von Dermal- Verknöeherungen, sondern als 
aus dem Perichondrium entstanden zu betrachten sein." Aehnliche 
Gesichtspunkte ergeben sich wahrscheinlich auch für die Teleostier; 
auch hier sind die Claviculartheile als exo-perichondrale Verknöche- 
rungen aufzufassen, welche sich im Anschluss an den Schulterknorpel 
gebildet haben. G ö 1 d i kommt also bezüglich der morphologischen 
Auffassung der Clavicula in der Reihe der Wirbelthiere zu demselben 
Resultat, wie i c h und G ö 1 1 e. 

Ich möchte dazu noch Folgendes bemerken. Den ursprunglichen 
Zustand des Schultergürtels, wie er die Vorfahren der heutigen Stur- 
ionen charakterisirte, haben wir uns so zu denken, wie er bei Selachiern 
heute noch existirt. Zunächst trat dann, wie ich dies an der Hand 
der Entwicklungsgeschichte von Acipenser sturio zeigen werde, 
ein Reductionsprozess der dorsalen Partie des knorpeligen Schulter- 
bogens ein, indem hier das Vorknorpel Stadium nicht mehr überschritten 
wird. Zugleich findet aber ein mit dieser Ausschaltung Hand in 
Hand gehender Ersatz durch das ursprünglich (phylogenetisch) periehon- 
dral entstandene Knochengewebe statt, und letzteres dehnt sich dann 
sekundär sowohl ontogenetisch wie phylogenetisch ventralwärts aus, 
ergreift schliesslich die Gegend des Schultergelenks und endlich auch 
die Pars coraeoidea. Diesen Etappengang des Verknöcherungsprozesses 
kann man nicht nur bei Sturionen, sondern auch bei Dipnoern und 
Teleostiern deutlich verfolgen. Besonders instruetiv aber erweisen sich 
Stör-Embryonen, weil man hier nachweisen kann, wie das oberste Stück 
des knorpeligen Schulterbogens mit der übrigen Knorpelmasse ursprüng- 
lich noch eine continuirliche Masse bildet, und wie es sich im Laufe 
der Ontogenese erst sekundär davon emanzipirt, um dann nur noch 
durch ein Ligament mit dem Schultergürtel in Verbindung zu bleiben. 

So entfremdet sich der Schultergürtel der Fische, von Acipenser 
angefangen, durch die Reihe der übrigen Ganoiden hindurch bis zu 
den Teleostiern, immer mehr den ursprünglichen Verhältnissen, so 
dass man bezüglich der Amphibien in der Phylogenese 
wieder sehr weit zurückzugehen und an Formen anzu- 
knüpfen hat, aus welchen sich einst auch die Ganoiden 
und Dipno6r herausentwickclt haben müssen. Ein Ver- 
gleich der Entwicklungsgeschichte des Stör- und Urodelen-Schulter- 
gürtels wird dies später erweisen. 

Ich kann mich daher mit den Ausführungen Gegenbaur's 1 ), 



') Gegcnbaur sagt: „Das primäre Schulterstück ist hier, d. h. bei den 
Urodelen, von einer einzigen Oeffnnng durchbohrt, welche den für die ventralen 



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welcher den Amphibienschultergürtel auf die Verhältnisse von Poly- 
pterus zurückzuführen geneigt ist, nicht einverstanden erklären, denn 
es ist nicht einzusehen, wie das bei Polypterus schon sehr stark re- 
ducirte Knorpclskelet sckundiir wieder eine Entfaltung gewinnen sollte, 
wie sie bei Amphibien thatsächlich in die Erscheinung tritt, und wie 
sie ihr getreues Ebenbild bereits bei Selachiem und ebenso bei Stör- 
Embryonen besitzt, schon ehe es durch einwachsende Muskoln und 
Nerven zu der oben erwähnten Skulpturirung kommt. Wenn Gegen • 
baur in letzterer etwas für den Sturionen - Schultergürtel Spezifisches 
erblickt, so kann ich ihm hierin nicht widersprechen; allein es ist 
wohl zu beachten, dass es sich, wie schon angedeutet, dabei um sekun- 
däre Verhältnisse handelt, mit deren Erwerbung die Störe sich von 
den Stammformen bereits entfernen und eine eigene gegen die Knochen- 
gnnoiden gerichtete Entwicklung einschlagen. Eine derartige, auf höhen» 
Wirbelthiere sich nicht vererbende Eigenthümlichkeit stellt auch jene 
bereits von Gegenbaur ausführlich gewürdigte Knorpelspange dar, 
welche am Schultergürtel von Amia und Lepidosteus den Muskelcanal 
überbrückt, und welche bei den Teleostiern eine immer selbständigere 
Bildung erlangt („Spangenstttck" Gegenbaur). 

Ich brauche nach dem, was ich oben Uber den Ossificationsprozess 
und die Deutung der einzelnen Theile des Ganoiden - Schultergtirtels 
im Sinne der terrestrischen Vertebraten bemerkt habe, kaum noch 
besonders zu betonen, dass ich mich Gegenbaur nicht anschliessen 
kann, wenn er den den mittleren Theil des Schulterknorpels von aussen 
deckenden Knochen für eine Clavicula im Sinne der Amphibia 
a n u r a und der höheren Vertebraten erklärt J ). Diese Deutung ist 



Schultermuskeln bestimmten Nerven durchtreten lässt. Es ergibt sieh dadurch 
ein Anschluss «n Scyllium, noch mehr an Scymnus unter den Selachiem. Die- 
selbe Oeffhung für die gleichen Nerven findet sich im Schultergürtel der Am- 
phibien, sie fehlt auch bei den Reptilien nicht Da in der vergleichenden Ana- 
tomie die Grössenvcrhältnisse der Theile von untergeordnetem Werthe sind, 
kann da» reducirtc Volum des primären Schulterstückes bei Polypterus nicht 
abhalten, es als Homologon des Schulterstückes der Amphibien anzustehen, aus 
dem Seapula und Coracoid nebst Procoracoid Hieb herausbilden." 

Gegenbaur fügt hinzu, dass er die Zurückführung der betr. Verhältnisse 
der Amphibien auf diejenigen der übrigen Ganoiden und Selachier nicht deswegen 
für unthunlich halte, weil es sich dort nm „ganz andere, fremde Bildungen" 
handle, sondern „weil sie mehr enthalten als nöthig ist, um die Vergleichun? 
in die höheren Wirbelthiere fortzuführen". 

') „Derselbe wird (von Acipenser ausgehend) Bchon bei Polyodon aus- 
gedehnter und weit mehr noch bei Polypterus, wo er schon eine Symphyse 
bildet .... Es ist derselbe Knochen, welcher auch bei den Knochenfischen 
den bei Weitem umfangreichsten Theil des gesammten Schultergürtels bildet und 
daselbst seit Gouan von Vielen als Clavicula angeschen wird. Die Clavicula 
von Acipenser und Polyodon hat daher noch nicht den gleichen Werth, wie jene 
von Lepidosteus, Amia und den Teleostiern, denn sie bringt für sich noch keinen 



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schon deshalb eine gänzlich verfehlte, weil es sich dabei bezüglich des 
jenem Knochen ursprünglich zu Grunde liegenden Knorpels nicht um 
eine Pars procoraeoidea im G e gen bau r 'sehen Sinne, sondern nur 
um eine Pars coraeoidea handeln kann. Damit aber fallt jede Möglich- 
keit der von G e g e n b a u r angestrebten Homologisirung, und ich kann 
es mir füglich ersparen, noch weitere Gründe, deren es allerdings noch 
manche gibt, in's Feld zu führen. Dies gilt natürlich ebenso für die 
Teleostier, an deron Schultergürtel wir den allerwechselndsten, 
wesentlich auf den knorpeligen Theilen beruhenden Form Verhältnissen 
begegnen. Dieselben sind von G egenbau r bereits genau geschildert 
worden, und ich hebe Einiges, was mir von besonderem Interesse 
scheint, daraus hervor. Erstens fehlt jenes Stück, welches bei Ganoiden 
als Infraclaviculare figurirt; ferner entsteht die „Clavicula ohne alle 
Betheiligung von Knorpel , aber dicht an der Anlage des knorpeligen 
Schulterstückes." An der Symphyse beider „Claviculae" findet sich 
zuweilen hyaliner Knorpel vor, ja, er kann sich sogar in's Innere der 
Clavicula hineinerstrecken, wodurch Verhaltnisse sich ergeben, welche 
an Protopterus erinnern. 

Der Schultergürtel der S i 1 u r o i d e n kommt demjenigen von A c i - 
penser am nächsten. „Bei anderen Teleostiern erreicht der dem unte- 
ren Fortsatz der Störe entsprechende Theil nicht mehr die Clavicula, und 
es treten drei Ossificationen auf, davon die eine den oberen, einem Scapu- 
lare entsprechenden, die andere den unteren, einem Procaracoid (mit 
einem Theil des Coraeoid) entsprechenden Theil, die dritte endlich 
das Spangenstück ergreift" (letzteres findet sich bei Cyprinoiden, Sal- 
moniden, Scopelinen, Clupeiden und Characinen; bei allen übrigen 
existirt nur ein oberes laterales Stück, das Scapulare, und ein medianes 
unteres, das Procoracoid). Beide verknöchern selbständig. „Modifica- 
tionen des primären Schultergürtels finden sich bei Cataphracten und 
Gobioi'den. Das ossifizirte Scapulare ist durch einen Knorpelrest vom 
Procoracoid entfernt, und zwischen beide schieben sich vier Basalstücke 
der Brustflosse ein, die in demselben Masse als Scapulare und Pro- 
coracoid auseinanderweichen und sich der Clavicula nähern. Bei 
Gobius sind sie endlich nur durch einen dünnen Knorpelstreif davon 
geschieden. Damit verkümmert das Scapulare, und die Brustflosse 
tritt mit ihren Basalstücken nahe an die Clavicula. Eine andere Modi- 
fikation ist bei Orthagori8cus gegeben ; hier fehlt gleichfalls das Scapu- 
lare vollständig, aber die Basalstücke der Brustflosse sind dem oberen 
Rande des Procoracoid angeheftet." 

Es wäre von hohem Interesse, die Entwicklungsgeschichte der 



ventralen Abschluns des Gürtels zu Stande. Dazu bedarf es noch jenes andern 
Knochens („acccssorische Clavicula"). Beide zusammen sind Analoga der Clavi- 
cula der übrigen Fische, jedoch nur einer ist das Homologon" (G egenbau r). 



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— 160 — 



Cataphracten, der Gobiol'den und von Orthagoriscus be- 
züglich dieses Punktes zu studiren. Bevor dies geschehen ist, lassen 
diese Verhältnisse meines Erachtens keine sichere Beurtheilung zu. 
Bemerkenswerth ist jedenfalls die Trennung aller Radien, deren Zahl 
in maximo fünf beträgt. Der fünfte Strahl wird jedoch in den „Rand- 
strahl " aufgenommen, und diesem dadurch die Articulation mit dem 
Schultergürtel ermöglicht. Es handelt sich also um ganz ähnliche 
Verhältnisse wie bei Acipenser sturio, ruthenus und rhynchaeus. Auch 
hier erreichen fünf KnorpelstUcke den Schultergürtel, bei Spatularia vier. 

Sie convergiren proximalwärts , und dies steigert sich bei Ami a 
derart, dass ausser dem inneren und äusseren Strahl nur noch ein ein- 
ziger zur Articulation mit dem Schultergürtel gelangt. Noch weiter 
gediehen ist dies bei Polypterus, wo die beiden Hauptstrahlen be- 
kanntlich mit ihren proximalen Knorpelapophysen zusammenstossen. 
(Ueber alles dieses vergl. Textfigur 9, e — g.) Wie die von den letzteren 
eingeschlossene Mittelpartie zu deuten ist, liegt klar, und ich habe 
darauf früher schon hingewiesen. Ob sich aber der derselben phylo- 
genetisch zu Grunde liegende polymere Charakter auch in der Onto- 
genese noch ausspricht, kann ich nicht entscheiden, doch dünkt mir 
dies nicht wahrscheinlich, da ich auch auf Flächenschnitten durch die 
Brustflosse von 22 Centimeter langen Exemplaren keine Spur einer 
Gliederung zu erkennen vermochte Ich werde in dieser meiner 
Auffassung der Verwischung der primitiven Verhältnisse auch durch 
meine Erfahrungen an Stör-Embryonen (siehe später) unterstützt 

1) Entwicklungsgeschichte des Sohultergürtela und der Brustflosse 

von Acipenser sturio. 

Soviel ich in Erfahrung bringen konnte, liegt bis jetzt nur eine 
einzige Arbeit, nämlich diejenige von Sälen sky (90), Uber die Ent- 
wicklung der Brustflosse des Sterlet vor. Abgesehen von den von 
Rautcnfeld 'sehen Mittheilungen Uber die Bauchflosse desselben 
Ganoiden sowie von einigen Notizen über gewisse Punkte von Lepi- 
dosteus (Balfour und W. N. Parker) ist dies Uberhaupt der ein- 
zige, auf die Embryogenese der Ganoiden sich beziehende Bericht. 
Wie schon früher erwähnt wurde, stand mir eine Reihe von Stör- 
Embryonen zur Verfügung, und da wesentliche Unterschiede in der 



') Jedenfalls kann man bei den Ganoiden nur von einem metapterygittlcn 
Stammstrahl, dem Einzelradien angereiht sind, nicht aber von einem Pro- und 
Mesopterygium sprechen. Letztere Stücke sind da, wo sie auftreten (Selachier), 
wie ich aus der Entwicklungsgeschichte erkannt habe (s. oben), stets Abgüederungcn 
des mctapterygialen Stammstrahles selbst ; von einer derartigen Abgliederung ist 
aber, wie die Entwicklungsgeschichte lehrt, bei den Sturionen keine Uedr, und 
darauf hat auch schon Sälen sky (90) hingewiesen. 



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Entwicklung zwischen Acipenser sturio und ruthenus kaum existiren 
durften, so werde ich im Folgenden zunächst die Salensky 'sehen 
Ergebnisse einer Betrachtung unterziehen. 

Die ersten Anlagen der vorderen Extremität des Sterlets er- 
scheinen wenige Tage nach dem Ausschlüpfen in Form von zwei 
halbmondförmigen Hervorragungen, welche ziemlich weit hinter dem 
Kopfe zu beiden Seiten des Rumpfes liegen. An der Anwachsungs- 
stelle sind sie verdickt und besitzen einen dünnen, zugeschärften Rand. 
Es handelt sich um Falten der Epidermis, die auf dem Durchschnitt 
eine aus mesodermalem Gewebe bestehende Innenmasse erkennen 
lassen. Letztere legt sich mit ihrem vorderen Abschnitt unmittelbar 
dem sich entwickelnden Schultergürtel an, während weiter nach hinten 
zu das Mctapterygium, die Knorpelstrahlen und die Muskeln entstehen. 
Bald wächst die Flosse stärker aus, und in ihrer anfangs nur aus 
einer Ektodermfalte bestehenden peripheren Partie bilden sich die 
Hornstrahlen. Man kann nun die Strahlen in ihrer spitzwinkeligen 
Lage zum Metapterygium mit denjenigen des zweireihigen Arehi- 
pterygiums von Ceratodus oder des einreihigen von Pro top t er us 
vergleichen. — Der Schultergürtel hebt sich allmählich, etwa in Form 
eines Henkels, deutlicher von seiner Umgebung ab und zeichnet sich 
an der Anheftungsstelle an die Flosse durch dunklere Färbung aus. 
Dies beruht auf der beginnenden Verknorpelung , welche sich gleich- 
zeitig auch in dem Flossenskelet vollzieht Die bis jetzt aufgetretenen 
vier Strahlen verlängern sich und nehmen dabei eine von der früheren 
etwas verschiedene Richtung an, d. h. sie stellen sich immer spitz- 
winkliger zum Metapterygium und streben allmählich unmittelbar dem 
Schultergurtel zu, welchen sie endlich direet berühren, ohne dass man 
vor der Hand von einer gelenkigen Verbindung reden kann. Letztere 
erfolgt erst etwas später, und zugleich tritt zu den vier Einzclstrahlen 
noch ein fünfter hinzu, welcher sich zwischen dem vierten Strahl und 
dem Metapterygium einkeilt. Die Strahlenbildung dauert auch später 
wahrscheinlich während der ganzen Wachsthumszeit des Sterlets an 
der genannten Stelle noch fort, so dass z. B. bei dem drei Monate 
alten Thier ausser dem Metapterygium bereits sechs Strahlen vorhanden 
sind, wovon die vier hinteren mit dem Schultergurtel articuliren, 
während die zwei vorderen sich dem Metapterygium anlagern, ohne 
dass es vor der Hand zu einer Articulation mit letzterem kommt. 
Eine solche bildet sich erst später aus, während die Zahl der se- 
cundären Strahlen gleichzeitig auf drei steigt. In diesem Stadium 
(3. Monat) trennt sich an der Peripherie aller, anfangs gänzlich un- 
gegliederten Strahlen eine zweite kleinere Strahlenreihe ab; ob sich 
aber dieser Prozess auch am Metapterygium abspielt, wagt Salensky 
nicht sicher zu entscheiden ; er hält es aber für unwahrscheinlich und 
scheint geneigter, die am Ende des Metapterygiums auftretenden kleinen 

Wi««Ur8h.im, GLi*dmMs*n«k«l6t der Wlrb.Hhier*. Text. 11 



- 162 — 



Knorpelchen für unentwickelte, secundärc Strahlen in dem oben ge- 
nannten Sinne aufzufassen. Die Schlussworte Salensky's lauten: 
„Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, 1) dass die vorderen Extremi- 
täten viel früher als der Schultergürtel zum Vorschein kommen, un- 
abhängig von ihm sich bilden und erst später mit ihm articuliren; 
2) dass das Skelet der vorderen Extremitäten aus einem basalen 
Theile besteht, welcher in der Basis der Flossenanlage gebildet wird, 
d. h. aus dem Metapterygium, den vier Strahlen und einem Abschnitt 
welcher später die Anzahl der Strahlen vermehrt; 3) dass die zuerst 
gebildeten Strahlen in ihrer Lagerung zum Metapterygium den Typus 
des einreihigen Archipterygiums zeigen, und dass sie erst später mit 
dem Schultergürtel articuliren, und 4) endlich, dass diejenigen Strahlen, 
welche unmittelbar mit dem Metapterygium sich verbinden, später ent- 
stehen und deshalb als secundäre Strahlen bezeichnet werden müssen. 

Diese Beobachtungen Salensky's sind zum grossen Theil correct. 
allein sie bilden doch nur Bruchstücke und sind von sehr wenigen 
Abbildungen begleitet. So erachte ich es in Anbetracht des wichtigen 
Untcrsuchungsobjectes für angezeigt, meine eigenen Erfahrungen in 
extenso wiederzugeben und dieselben durch eine grosse Zahl von 
Figuren zu erläutern. 

In den jüngsten mir zu Gebot stehenden Stadien (6 — 7 Mill.) ist 
die Vorniere bereits angelegt. In ihrer vordersten, dicht an die ven- 
tralen Myotom-Enden heranziehenden Partie besteht sie aus zwei bis 
drei blindgeschlossenen Schläuchen, welche, in der Körperlängsachse 
verlaufend, durch ein von den Myotonien ausgehendes schmales 
Blastem von der äusseren Haut getrennt werden (Fig. 85, VN, f). 
Jenes lockere Blastem zieht sich also in die Rumpfwand hinein und 
zeigt sich an der Stelle, wo die dorsale, fast ganz horizontal ver- 
laufende Rumpfwand allmählich seitlich herunterbiegt, in stärkerer 
Ansammlung. Hier tritt zwei Tage später, d. h. bei 8 mm langen 
Embryonen, die Brustflosse in die Erscheinung, was unter Erhebung 
einer paarigen, scharfrandigen Hautfalte geschieht (Fig. 85, VE), in 
deren Bereich sich die Epidermis verdickt Jene Falte beginnt vorne 
gegen den Kopf zu sehr niedrig, erhöht sich dann, indem sie sich 
dorsal — und etwas raedianwärts richtet, und verflacht sich allmählich 
wieder; sie erstreckt sich über 42 Schnitte hinweg, und erlischt dann 
spurlos, d. h. ohne, wie ich dies eigentlich erwartet hatte, an der seit- 
lichen Rumpfwand weiter zu laufen und sich mit der erst viel später 
auftretenden Bauchflossen-Anlage zu verbinden. Weder in früheren, 
noch in späteren Stadien ist etwas Derartiges nachzuweisen, so dass 
sich also die Sturionen durch dieses negative Verhalten von den 
Selachiern ebenso sehr entfernen, als sie sich den Teleostiern nähern. 

Medianwärts von der Brustflossenfalte liegt nun nach wie vor die 
Vorniere (Fig. 85, VN), und weit von ihr getrennt, d. h. da, wo die 



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ventrale Dottermasse naeb hinten zu bereits zu verstreichen beginnt, 
sind am dorsalen Umfang des Vornieren- Ganges, rechts und links von 
der Aorta, schon die ersten Urnierenbläschen aufgetreten, welche aber 
um diese Zeit noch kein Lumen erkennen lassen. Ein solches er- 
scheint erst viel später, wobei dann die anfangs kugeligen Organe 
zugleich zu kleinen, gewundenen Schläuchen auswachsen. 

Das Innere der Brustflosse ist in diesem Stadium von lockerem 
Mesoblastgewebe erfüllt (Fig. 85 •), das an ihrer Abgangsstelle vom 
Rumpfe am meisten entwickelt ist und sich auch eine Strecke 
weit in die noch sehr dünne Rumpfwand hereinzieht. In dieser 
existirt noch nirgends differenzirte Muskelsubstanz, und von ein- 
wuchernden, den Myotonien derStammzone entsprossen- 
den Muskelknospen in der Weise, wie sie bei Selachiern 
zur Beobachtung kommen, ist bei der Stör-Brustflosse 
weder in diesem noch in irgend einem späteren Entwick- 
lungsstadium die Rede. Im Gegensatz dazu finden sie sich an 
der Basis der Rückenflosse und, wie bekannt, auch an der Bauchflosse 
in typischer Ausbildung. Gleichwohl aber hängt das Mesoblastgewebe 
im Innern der Flosse durch jenen schon erwähnten, schmalen Zug 
lockerer Zellen mit dem lateralen Ende des Myotomen-Sockels zu- 
sammen, und dies wird, wie ich gleich zeigen werde, an gewissen 
Stellen später noch deutlicher (Fig. 85, 86, f). 

Ein weiterer Fortschritt bethätigt sich darin, dass sich die Meso- 
blastzellen rechtwinklig zur Längsachse der Flosse zu stellen und sich 
zugleich, fast nach Art von Epithelien, am Rand derselben anzuordnen 
beginnen, während das Innere heller bleibt und von lockerem Gewebe 
eingenommen wird. Dies gilt aber nur ftlr den freien Theil der Flosse, 
da an der Stelle, wo dieselbe dem Rumpf ansitzt, dichtere Zellballen, 
die hie und da ein Lumen einschliessen können, auftreten. Meistens 
liegen sie in zwei Abtheilungen, doch kann es auch zu einein Zu- 
sammenfluss kommen (Fig. 86, 2B); überall aber bestehen sie aus 
dicht zusammenliegenden, rundlichen, begierig Farbstoff (Alauncarmin) 
aufnehmenden Zellen. Nahe dem jetzt deutlicher diflerenzirten Cölom- 
Epithel liegt eine scharf umschriebene Gewebsplatte, welche sich Uber 
eine grosse Strecke des Rumpfes, d. h. auch noch weit caudalwärts 
von der eigentlichen Brustflossenanlage erstreckt Dieselbe besteht 
zum grossen Theil aus quergestellten, länglichen Zellen (Fig. 86, f), 
ist an ihrem ventralen Ende etwas aufgetrieben (ff) und nach 
hinten zu an verschiedenen Stellen unterbrochen. Ihr dorsales Ende 
steht mit dem lateralen Ende des Myotom-Sockels in lockerer Ver- 
bindung, und letztere wird weiter caudalwärts eine immer innigere. 
40 bis 50 Schnitte nach rückwärts von der Flosse rückt jene Ge- 
websplatte dorsalwärts sehr weit empor und fliesst mit dem ventralen 
Myotomende schliesslich zu einer Masse zusammen. Noch weiter nach 

11* 



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hinten beginnt da, wo <lie ventrale Dottermasse sich allmählich ver- 
jüngt, die schon erwähnte typische Knorpelbildung, und stets bildet 
dann das ventrale Myotomende die Proliferationszone für die sich 
successive abgliedernden , ihrer histologischen Differenzirung secundär 
entgegengehenden Muskelmassen. — Worauf beruhen nun die Diffe- 
renzen zwischen den Sturionen und den Selachiern? — Mit anderen 
Worten : wie kommt es, dass die primitive Art der Muskelbildung in 
der Brustflossenanlage der letzteren verwischt ist? — Der Grund da- 
von beruht auf der mächtigen Dotteransammlung in der vorderen 
Rumpfgegend, wodurch die zarten Rumpfwände einer ganz ausser- 
ordentlichen Dehnung und Spannung unterworfen sind. Dieselben Ge- 
sichtspunkte gelten meiner Meinung nach auch für die Teleostier 
Dazu kommen noch die Lageverhältnisse der Vomiere, welche den 
Weg von den Myotomen zu den Extremitäten gleichsam verlegt oder 
denselben doch auf jenen schmalen, zwischen Vorniere und Integument 
sich hinziehenden Spaltraum beschränkt (Fig. 85, t)- 

Jene Gewebsplatte stellt also die noch auf indifferenter Stufe 
stehende ventrale Rumpfmusculatur dar, und was die Extremität an- 
belangt, so sind hier die früher schon erwähnte dunkle Randzone, 
sowie die mehr rumpfwärts liegenden Zellballen als Vorläufer von 
Muskeln zu deuten. Von einstrahlenden Nerven war in diesem Stadium 
noch nichts nachzuweisen. Jedenfalls kann ich sie nicht übersehen 
haben, da sie, wenn vorhanden, in dem hellen, zcllarmen, im Uebrigen 
nur von spärlichen Spindelzellen durchsetzten Gewebe der Rumpfwand 
deutlich hätten sichtbar sein müssen. Dorsale und ventrale Wurzeln 
der Spinalnerven, resp. Spinalganglien sind übrigens bereits gut ent- 
wickelt. 

In dieses Stadium (8 — 9 mm) fällt das erste Auftreten der hin- 
teren Extremität, deren Entwicklung früher schon ausführlich geschil- 
dert wurde. 24 Stunden später besteht die einzige Veränderung darin, 
dass die der Extremitäten-Muskulatur vorausgehenden Zellmassen an 
der Basis und an den Rändern der Flosse sich regelmässig in com- 
pacte Einzelballen zu gliedern beginnen. An der Basis zählte ich deren 
fünf, an den Rändern 6—7 solche Complexe, und letztere bauchen da 
und dort sogar die Haut buckelig nach aussen vor. 

Nach weiteren 48 Stunden wird das Centrum der Flosse von 
einer hellen, durchaus einheitlichen Zellplatte eingenommen, deren 
einzelne Elemente ziemlich weit auseinander liegen und sich zum 
grössten Theil rechtwinklig zur Längsachse gnippiren. An der Floswen- 
basis zeigen sie sich besonders stark angehäuft und zugleich concentrisch 
geordnet. Ventralwärts in der Rumpfwand hinab erstreckt sich von der 
Flossenbasis an ein dichtes Blastem, an dessen medialer Seite jetzt ein 
starker, dem Cölomepithel dicht angelagerter Längsrauskel in deutlicher 
Differenzirung begriffen ist. Derselbe steht oralwärts jederseits mit 



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der medialen Partie des Visccralskelets in Verbindung (Fig. 87, M l ). 
Weiter caudalwärts mit den Serienschnitten fortschreitend, sieht man 
diesen Muskel allmählich dünner werden, mehr gegen die Flossenbasis 
hcraufrücken und dieselbe schliesslich sogar überschreiten, bis er end- 
lich ganz dorsalwärts mit den ventralen Ausläufern des betreffenden 
Myotoms zusammentrifft. Dabei verliert er da und dort seine einheit- 
liche Natur und erscheint unterbrochen. Zugleich wachsen auch 
Muskelmassen und Nervenstränge durch das in der Flossenbasis be- 
findliche Blastem hindurch, und auch in den Randzonen der Flosse 
selbst taucht Muskelgewebe auf. Kurz, es ist jetzt die histologische Dif- 
ferenzirung in jenen auf Fig. 86 mit ZB } ZB bezeichneten und dort 
noch indifferenten Gewebsm aasen in vollem Gang, und man versteht, 
wie jene durch eingelagerte Muskeltheile am ausgebildeten Schulter- 
gürtel verursachte Sculptur ganz allmählich zu Stande kommt, d. h. wie 
die betreffenden Stellen in der skeletogcnen Grundlage gleichsam aus- 
gespart werden. 

Von Hyalinknorpel ist noch nichts zu sehen, und jene helle, durch 
die ganze Lichtung der Flossenfalte hindurch sich erstreckende Zell- 
platte (Fig. 87, *) muss als Vorknorpel bezeichnet werden. Es 
ist noch zu bemerken, dass die Flosse jetzt nicht mehr senkrecht 
emporgerichtet ist, sondern dass sie eine etwas lateral wärts geneigte 
Lage angenommen hat. 

Die Vorniere ist um diese Zeit kräftiger entwickelt und ähnelt 
nach Form, Lage und Ausdehnung vollkommen derjenigen von Tritonen- 
und Salamander-Larven. Die Urnierenschläuche beginnen sich zu 
winden und zeigen ein schwaches Lumen. 

Nach weiteren 24 Stunden misst der Embryo 11 mm, und dieses 
Stadium ist vor Allem dadurch charakterisirt, dass das erste deutlich 
differenzirte Knorpelgewebe auftritt. Der Verknorpelungsprozess er- 
greift gleichzeitig den proximalen (basalen) Abschnitt der im vorigen 
Stadium geschilderten und auf der Fig. 87 mit * * bezeichneten Vor- 
knorpelplatte, sowie den zunächst liegenden Theil des Schulterbogens ; 
beide zusammen bilden eine gänzlich ungegliederte, 
hyal inknorpelige Masse (vergl. hierüber Fig. 91, 92, Kn und 
Textfigur 23, B bei Kn). 

Aus Fig. 88 und 89 ersieht man, wie die Rumpfwand im Bereich 
des Schulterbogens leistenartig vorspringt, und wie nach vorne und 
einwärts davon die Vorniere (VN) in einem besonderen Raum vom 
Cölom abgekammert ist. Die Kammerwände sind, wie die ganze 
Serosa, ungemein dünn und tief schwarz pigmentirt. Die specielleren 
Vorhältnisse gestalten sich wie folgt: 

Vom Rücken her mit den Flächen-Schnitten vordringend trifft man 
zunächst auf eine lateralwärts von der Vorniere liegende Ansammlung 
von runden Zellen, welche die Rumpfwand vorbauchen. Dies ist die 



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- 1(3(5 



Stelle, wo später der oberste Theil des „suprascapularen" Abschnitte* 
des Schultergürtels entsteht, und wo in keinem Embryonalstadium 
Knorpelgewebe getroffen wird (Fig. 88, S). Geht man mit den 
Schnitten tiefer ventral wart« , so taucht im hinteren Abschnitt ein 
circumscripter Hyalinknorpel auf, wahrend die Zellen der nach vorne 
davon liegenden vorknorpeligen Gewebsmasse vorerst nur eine con- 
centrische Schichtung zeigen. Hier tritt der Verknorpelungsprozess 
erst später auf (Fig. 89, bei 5, •); im Uebrigen zeigen sich auf 
diesem Schnitt die topographischen Verhaltnisse kaum verändert. — 
Geräth man nun mit den Schnitten in den Bereich der freien Extremi- 
tät, so sieht man, wie die breite einheitliche Vorknorpelmasse der 
freien Flosse an ihrem proximalen Ende raedianwärts umbiegt, mit 
jener vorderen, concentrisch geschichteten Masse des Schultergürtels 
zusammenfliesst, und wie zwischen diesem und dem knorpeligen Ab- 
schnitt Muskeln hindurchtreten. So bleiben die Verhältnisse sieben 
Schnitte hindurch (Fig. 90). Endlich wird das Vorderende jener Vor- 
knorpelplatte der Flosse wieder frei, biegt medianwärts herüber zum 
knorpeligen Schultergürtel, verknorpelt und fliesst mit letzterem zu 
einer Masse zusammen. Von nun an bildet der ganze proximale 
(basale) Abschnitt der Flosse mit dem Schultergürtel zusammen jene 
schon erwähnte einheitliche hyaline Knorpelmassc. — Geht man mit 
den Schnitten noch weiter ventralwärts, so sieht man, wie dieselbe sich 
immer schlanker auszieht (Fig. 91), und wie jetzt im distalen Ab- 
schnitte der zuvor einheitlichen Vorknorpelplatte neue Knorpelcentren 
in Bildung begriffen sind (Fig. 92, Rad 1 ). 

Das später infraglenoidal liegende Stück des Schultergürtels, die 
Pars coraeoidea, ist um diese Zeit kaum erst in die Verknorpelung ein- 
getreten; es besteht der Hauptmasse nach noch aus Vorknorpel. Der 
Schultergürtel besitzt also noch keine grosse Ausdehnung und über- 
schreitet die Contactstellc mit der Brustflosse dorsalwärts nur wenig, 
ventralwärts fast gar nicht 

Schon nach 24 Stunden ändert sich dies, indem die Pars cora- 
eoidea stark auswächst; dasselbe gilt in noch höherem Grad für die 
Pars scapularis, welche ihre Richtung nach oben und hinten nimmt. 
Am oberen und unteren Ende des Schulterbogens, wie auch ara 
lateralen Ende der Basalplatte liegt eine starke, in Proliferation be- 
griffene Vorknorpelzone (Toxtfigur 23, A, B, ff). Dringt man mit den 
Querschnitten vom Kopf her caudalwärts vor, so sieht man, wie die 
Pars scapularis, welche hier noch vorknorpelig ist, durch Muskeln 
und einstrahlende Nerven von der übrigen Skeletmasse getrennt wird ; 
allein zwei Schnitte weiter nach hinten stellt der ganze Complex einen 
gänzlich einheitlichen, hyalinknorpeligen Dreistrahl dar (Textfigur 23, B). 
Die Lage- und Formverhältnisse des Schultergürtels, seine nahen Bezieh- 
ungen zur Vorniere etc. erinnern jetzt wieder sehr an diejenigen der 
Urodelen-Larven (vergl. Textfigur 23 mit Fig. 138). 



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- 167 - 



Um zwei Schnitte weiter caudalwärts wird nun auch die Pars 
coracoidea von einem Nerven (und von einem Gefass?) durchbohrt, 
wie dies durch den Pfeil in Textligur 23, B angedeutet ist. Weiter 
nach hinten sieht man nur noch die proximalwärts verdickte Basal- 
platte (Kri), welche nun viele Schnitte hindurch einheitlich bleibt, bis 
schliesslich eine Vorknorpelzone auftritt, welche den peripheren Ab- 
schnitt gegen den proximalen abgrenzt Letzterer bleibt noch eine 
Strecke weit einheitlich. Endlich zeigt sich hier eine Theilung, so 
dass man jetzt im hinteren Abschnitt der Flosse drei durch Vor- 
knorpelgewebe mit einander verbundene, kurze Knorpelstrahlen, wo- 
von einer dem Basale entspricht, zu Gesicht bekommt (Texth'gur 23, D, 
bei En, Rad*). 




Textfigur 23, A — D. Querschnitte durch die rechte Körperhälfte eines Embryos von 
Acipenser sturio. Die Schnitte beginnen bei A kopfwärta und schreiten bis D 
caudalwärts fort. VJS Vordet-Extremität. Kn Gemeinschaftliche Kuorpelplatte für den 
Schultergürtel und die Basalplatte der Flosse, S Pars scapularis, C Pars coracoidea, 
Rad x Radien, M Myotom in seiner Basis getroffen, M l Muskeln der ventralen und seit- 
lichen Körperwand, M* Muskeln der Flosse, Co Cölom, VN Vorniere, tt Proliferations- 
zouen für Knorpehmhstanx, N Nerv. Der Pfeil in Fig. B bedeutet einen weiter caudal- 
wärt* den Schulterbogen durchbohrenden Nervenkanal. Man vergleiche bezüglich der 
übereinstimmenden Formverhältnisse die Fig. B der obigen Serie mit der Tafelfigur 84, 
welche einen Querschnitt durch den Schultergürtcl eines Selachier-Embryos darstellt. 

Noch weiter nach rückwärts wird das ganze Innere der Flosse 
von einem noch unsegmentirten Vorknorpelblastem erfüllt. 

Um diese Zeit besteht also der ganze Skeletcomplex aus einem 
knorpeligen Dreistrahl, dessen Einzclglieder aus der Pars coracoidea, 
scapularis und dem Basalstüek bestehen. Daran schliessen sich peripher- 
wärts drei kleinere Knorpelstrahlen, die in directem Anschluss an das 
Basalstüek in der anfangs einheitlichen Vorknorpelplatte entstanden 
sind. Es handelt sich also, was ich ausdrücklich hervorheben will, 
bezüglich dieser Knorpelstrahlen nicht um eine secundäre Abschnürung 
von der Basalplatte, sondern, wie ich dies schon bei dem vorhergehen- 
den Stadium geschildert und abgebildet habe (Fig. 91, Rad 1 ), um eine 
selbständige Entstehung neuer discreter Knorpelcentren in dem zuvor 
einheitlichen Vorknorpelblastem. Dies gilt genau ebenso fiir den inner- 



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— 168 — 



halb der nächsten 48 Stunden auftretenden, in der Achsenverlängerung 
des Basale liegenden, peripheren KnorpelstrahU. Der Embryo hat nun 
eine Länge von 14 — 15 mm erreicht (Texttigur 24, A— N). 




Textfigur 24, A — H. Querschnitte durch die Brustflosse eines 14 — 15 mm langen 
Embryos von Acipcnscr sturio. Die Schnitte schreiten von vorne her caudalwärts 
fort Pf Versuch einer Reconstruction, C Coracoid, 8 Scapula, Kn Stelle, wo das Basal - 
stück i AWi mit dem Schultergärtel su einer Hasse xusammenßiesst, JW — Bad* 
socundärc Hadien, welche in Fig. N peripherwärta in die Vorknorpelxone l'KZ zu- 
sammenfliessen , bei f in Fig. H taucht das proximale Ende des Jtad* auf, Kn ent- 
spricht der Abgliederungssteile * des Basale oder Haupt strahle» in Fig. X , M 1 , V 
Muskeln N Nerv. Die Pfeile bedeuten Nenrenkanile. 

Der Schultergürtel, welcher nach wie vor ober- und unterhalb 
der Contactstelle mit dem Basalstück eine von Muskeln bezw. Nerven 
eingenommene Durchbrechung zeigt, ist nun ganz knorpelig geworden, 
und in seiner dorsalen Verlängerung sind die ersten Spuren eines 
Knochenherdes erschienen. Dieselben liegen dicht unter dem Integument 
in jenem Bereich, wo, wie schon früher erwähnt, eine Gewebsfonna- 
tion auftritt, welche das Vorknorpelstadium nie überschreitet Die 



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— 169 — 



Ossilications-Zonen sind durch 15 Flächenschnitte, welche vom Rücken 
her ventralwärts vordringen , nachzuweisen. Dabei handelt es sich 
nicht nur um eine, sondern um mehrere dünne, stark lichtbrechende 
Knochenlamellen, welche sich mit einander verbinden, da und dort 
Markräumo einschliessen und namentlich auf der äusseren Seite des 
dorsalen knorpeligen Scapular- Endes scheidenartig herabgreifen. Sie 
liegen dicht dem Perichondrium an und sind von diesem nicht zu 
trennen. 

Mit den Flächenschnitten in der genannten Richtung weiter vor- 
dringend, geräth man beim 16. Schnitt endlich auf das dorsale Ende 
der Pars scapularis des knorpeligen Schultergürtels, welcher als 




Textfigur 25. Flächenschnitte durch die Hrustflossengegend einen 15 — 16 mm langen 
Embryos von Acipenser stnrio. Rechte Seite. Die Schnitte A — P dringen dorso- 
vcntralwärt« vor. 8 Scapula, von der sich bei f eine Spanne abhebt, 7—5 Radien, 
Kn mit dem Schulterbogcn zusammengeflossenes Basalstück, * fibröse SpaDge, P$ Periost, 

M* Muskeln, N, N x Nerven. 



starke, der Vorniere ') dicht aufliegende Leiste lateralwärts vorspringt 
(Fig. 98, S). Diese Verhältnisse persistiren nun 20 weitere Schnitte 
hindurch, und während dieser ganzen Strecke ist der Schulter- 
gürtel von einem mächtigen Perichondrium umgeben. Weiter ventral- 
wärts ist es aber an der Stelle, welche auf Fig. 89 mit f bezeichnet 
int, zur Verknorpelung und zugleich zum Zusammenfluss mit der 
Hauptmasse des Schultergürtels gekommen. Letzterer erhält dadurch 



*) Auch hier sieht man, wie die Vomiere vom Cölom abgekammert ist. 
Die trennende, tiefschwarz pigmentirte Lamelle springt wie ein Zwerchfell in's 
Cölom ein. 



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- 170 - 



einen mit seiner Convexität kopfwärts schauenden, spangenartigen 
Anhang (Textfigur 25, A, t) oder eigentlich einen weiter ventralwärt« 
wieder mit ihm sich vereinigenden Bügel (Textfigur 25, £ und F, t), 
welcher von Nerven, Muskeln und Gefässen durchsetzt wird. Derselbe 
entspricht dem Procoracoid Gcgenbaur's, resp. der Clavicula 
Gtttte's. Nachdem jene Vereinigung geschehen ist, wird der median- 
wärts scharf vorspringende Rand des Schultergürtels noch einmal von 
einem Nervencanal durchsetzt (Textfigur 25, F und G bei N), und 
ein zweiter solcher Ganal geht weiter lateralwärts durch die Skelet- 
masse hindurch (N 1 ). Nachdem dies geschehen ist, sieht man am 
Vorderrand des mit dem Schultergürtel einheitlichen Basabrtückes einen 
theilweise von Nerven und Muskeln eingenommenen Hohlraum, welcher 
gegen den vorderen freien Flossenrand zu von einer später ossifiziren- 
den Masse überbrückt wird (Textfigur 25, H, I, • ). Die Zahl der 
peripheren Knorpelstrahlen ist jetzt auf fünf gestiegen, während aber 
alle proximalwärts scharf differenzirt und hyalinknorpelig sind, fliessen 
sie auch in diesem Stadium noch mit ihren peripheren Enden in eine 
vorknorpelige Masse zusammen. Dies gilt namentlich für die beiden 
am tiefsten ventral- und medianwärts liegenden Strahlen, welche sich 
schliesslich zu einer sehr langen, dünnen Platte vereinigen (Text- 
figur 24, P). 

Nachdem man mit den Schnitten ausser den Bereich der Flosse 
gekommen ist , sieht man , wie der jetzt rings von dickem Perichon- 
drium umgebene Schultergürtel mit der Pars coraeoidea sich der 
Rumpfwand immer enger anlegt und medianwärts leistenartig gegen 
dieselbe vorspringt. Er zieht sich dabei auch auf eine gewisse Strecke 
kopfwärts aus, doch wage ich nicht zu entscheiden, ob man darin die 
erste Andeutung einer Clavicula im Sinne der Amphibien erblicken 
darf. Ventralwärte schliessen jetzt beide Coracoidspangen an der 
Pericardwand beinahe zusammen und werden nur durch spärliches 
fibröses Gewebe von einander getrennt 1 ). 

In den nächsten 10 Tagen macht der Schultergürtel nur insofern 
noch weitere Fortschritte, als der Knorpel sich immer mehr solidificirt, 
d. h. an Intercellular- Substanz gewinnt, und das Vorknorpelgewebe 



') Hei einem etwas Alteren Embryo sah ich auf Schnitten, die schief, und 
zwar in einer von vorne und oben nach hinten und unten geneigten Querebene, 
durch den Körper hindurchgegangen waren, den auf Textfigur 24 mit Rad 1 be- 
zeichneten Knorpelatrahl in einen oberen vorderen und einen hinteren unteren 
Schenkel gespalten. Zwischen beiden verliefen ein Nerv und ein Gefass. Zwei 
Schnitte weiter caudalwSrto flössen die beiden Knorpel proximalwärts zu einer 
von der Scapula abgegliederten, einheitlichen Masse zusammen, an der Peripherie 
derselben blieb aber jene Spaltung noch 5—6 Schnitte weiter nach hinten sicht- 
bar. — Ob dies nicht als eine Andeutung eines biserialen Flossentypus 
aufzufassen ist? — 



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— 171 — 



ganz auf das äusserste Ende der nun sehr gut differenzirten fünf Knorpel- 
strahlen beschränkt ist Zugleich hat sich die Verknöcherungszone dor- 
salwärts von der Scapula bis gegen den Schädel emporgezogen, während 
«ich gleichzeitig die Abschntirung des obersten Endes der knorpeligen 
Pars scapularis sowie des BasalstUckes vom Schulterbogen anbahnt. 
Auch in diesem Stadium fliessen die ventralen Enden der beiden Cora- 
coide nicht knorpelig zusammen, wenn sie auch allerdings nur durch 
einen minimalen Zwischenraum getrennt sind. Ob der Zusammenfluss 
später erfolgt, weiss ich nicht, da ich keine älteren Stadien unter- 
sucht habe. 

Auf eine weitere Schilderung dieses Entwicklungsstadiums brauche 
ich nicht einzugehen, da die beiden letzten Textfiguren zur Erklärung 
genügen. Ich will übrigens bemerken, dass jetzt erst die Rückbildung 
der Vorniere beginnt, während die mit ihren bewimperten Nephrostomen 




Textfigur 26, k— F. Querschnitte durch die linke Brustflosse eines Stör-Em- 
bryos von 11 mm Länge. Dieselben schreiten, bei A angefangen , caudalwärts fort 

t Seitens pross der Hrustflosse. 

in die Bauchhöhle mündende Urniere bereits stattlich herangewachsen 
ist. Beide Nierensysteme sind nach wie vor durch einen weiten Inter- 
vall getrennt. 

Bevor ich nun die über die Entwicklung der Brustflosse von 
Acipenser sturio gewonnenen Resultate zusammenfasse, muss ich 
noch eines Befundes Erwähnung thun, den ich an einem 11 mm 
langen Embryo gemacht habe. 

Auf der rechten Seite ist die Brustflossenentwicklung eine ganz 
normale, und ich verweise dabei auf Textfigur 26. Auf der linken 
Seite ist die ganze Anlage eine voluminösere. Das Vorknorpelblastem 
zieht sich in eine ventral der Flossenbasis ansitzende, wulstartige Ver- 
dickung hinein und ist nahe daran, zu verknorpeln (A bei f). Dieser 
Wulst, welcher auf der rechten Seite gar nicht zu bemerken ist, rückt 
nun, wenn man mit den Schnitten caudalwärts fortschreitet, immer 
weiter peripherwärts , so dass die Flosse nach hinten zu allmählich 
eine rechtwinkelige Knickung erfährt Noch weiter caudalwärts vor- 
dringend, bemerkt man endlich, wie sich an der Stelle jener Knickung 



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— 172 - 



die Flosse spaltet und in dieser Spaltung bis an ihre äusserte (hin- 
terste) Peripherie verharrt (Textfigur 26, A — F). 

Dieser Befund scheint mir im Hinblick auf die Betrachtungen, 
welche ich an die muthraassliche Genese der Dipnoerflosse, sowie an 
den von P. Albrecht bei Protopterus beobachteten Fall geknüpft 
habe, nicht ohne Interesse, Zu bedauern ist nur, dass die peripheren 
Flossenpartieen in dem betreffenden Entwicklungsstadium noch nicht 
»0 weit fortgeschritten waren, um Uber den Verknorpclungsprozess 
und die Anordnung der Radien etwas aussagen zu können. 

Vorstehende über die Entwicklung der Brustflosse des Störs ge- 
machten Befunde lassen sich folgenderniaasen zusammenfassen: 

Die bei den Selachiern und zum Theil auch noch bei Amphibien 
auftretende, der Extremitätenanlage vorausgehende Epidermisleistc 
lässt sich beim Stör nicht mehr nachweisen; auch handelt es sich im 
ersten Stadium der Brustflossenentwicklung nicht mehr um jene ge- 
trennt auftretenden Knorpelstäbchen und die typische Entwicklung 
von Muskelknospen. 

Letztere werden durch mechanische Ursachen unterdrückt, und 
was die ersteren anbelangt, so ist es auch hierin zur Verwischung der 
ursprünglichen Verhältnisse insofern gekommen, als die knorpelige 
Anlage des Schultergürtels und des Basale der Flosse wie aus einem 
Gusse erfolgt. Durch dieses Verhalten, welches im Sinne einer ab- 
gekürzten Entwicklung aufzufassen ist, nähert sich der Stör — und 
zweifellos gilt dies für alle Knorpelganoiden — den Knochenfischen. 
Die erst nachträgliche Entstehung der im Lauf der Entwicklung in 
ihrer Zahl fortschreitenden Knorpelstrahlen ist eine auffallende Er- 
scheinung; es handelt sich hier um eine zeitliche Verschiebung der 
entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge, ja geradezu um eine Umkehrung 
derselben. Mit dem Auftreten der kleinen Stückchen an den peri- 
pheren Enden der Knorpelstrahlen, sowie mit der Abgliederung des 
Basalstrahles vom Schultergürtel schliesst die Entwicklung des Knorpel- 
skeletea ab, und ich will dabei noch einmal an die eigentümliche, 
durch Muskeln und Nerven bedingte Sculptur erinnern. Der Ver- 
knöcherungsprozess tritt verhältnissmässig erst spät auf; er geht vom 
Integument und vom Perichondrium aus, und da er zugleich in seiner 
dorsalen Partie noch auf einer mit dein übrigen Schultergürtel un- 
trennbar zusammenhängenden, vorknorpeligen Grundlage erfolgt, so 
lässt sich daraus mit Sicherheit auf eine Zeit zurücksehliessen , in 
welcher einst der ganze Schulterbogen bis hoch zum Schädel hinauf 
knorpelig präformirt war, d. h. wo es sich um ein Verhalten handelte, 
das bei den Selachiern heute noch besteht 



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2) Entwicklungsgeschichte des 8cbultergürtels und der Bnurtflosse 

der Teleostier. 

Bei K. E. von Bär (3) findet »ich folgende Bemerkung: „Nach 
einer zusammenhängenden wuchernden Leiste, die der Entwicklung 
beider Extremitäten voranginge, habe ich vergeblich mich umgesehen. 
Auch ist die vordere Extremität sehr viel früher sichtbar, als die 
hintere. Sie erscheint als eine längliche Erhabenheit, die sich bald in 
ein breites ungestieltes Blatt ausdehnt, welches auf einer geringen Er- 
hebung aufsitzt, so dass hier nur die Scheidung in Wurzelglied und 
Endglied kenntlich ist. Das Endglied hat, so lange keine Flossen- 
strahlen in ihm sind, viel Aehnlichkeit mit dem Endgliede in der 
Extremität der Landthiere im Embryonen-Zustande." 

Von älteren Autoren sind noch H. Rathke (82) und K.Vogt 
(99) zu erwähnen ; allein sie befassten sich fast ausschliesslich nur mit 
einer Schilderung der Anlage der „Clavicula" im Sinne Gegenbaur's, 
ohne sich auf Weiteres einzulassen. 

Die von Kupffer Uber das Laichen und die Entwicklung des 
Herings in der westlichen Ostsee angestellten Beobachtungen erstrecken 
sich im Wesentlichen nur auf die äusseren Formverhältnisse. So wird 
z. B. die primordiale Medianflosse geschildert, welche, den Körper 
in der Mittelebene umsäumend, dicht hinter den Gehörblasen be- 
ginnt und sich von hier in gleichmässiger Höhe längs des Rückens 
um das Schwanzende herum erstreckt. Hierauf erreicht sie die Bauch- 
seite und läuft, nur vom After unterbrochen, nach vorne bis an das 
hintere Ende des Nahrungsdotters. Im Innern bemerkt man die fein- 
nadelförmigen , dichtgestellten primordialen Hornstrahlcn. Von den 
paarigen Flossen sind zuerst die fächerförmig gestalteten, senkrecht vom 
Körper abstehenden Brustflossen vorhanden. Um diese Zeit (7. Tag) 
beginnt der Hering auszuschlüpfen und misst 5,2 — 5,3 mm. Schon bei 
9 — 10 mm langen Fischen erscheint die „Clavicula 41 als ein schmaler, 
glänzender Bogen, der mit dem der anderen Seite in der ventralen 
Mittellinie in Berührung tritt. Knorpelige Stücke des Schultergtirtels 
fehlen noch vollständig. Im äuasersten Schwanztheil der Priraordial- 
flosse zeigt sich der Anfang der Bildung definitiver Strahlen. 

Selbst bei 18 mm langen Exemplaren ist von einer Bauchflosse 
„noch keine Spur zu sehen". 

Im Jahre 1880 erschien die Arbeit von G. 'Swirski (94), und 
darin finden sich die ersten genaueren Angaben Uber die Entwicklungs- 
geschichte des Schultergürtels und des Brustflossenskeletes von Esox 
lucius. 'Swirski verneint zunächst das Vorkommen einer Epidermis- 
leiste im Sinne der Selachier und beschreibt dann eine paarige „Haut- 
papille", in welcher sich eine centrale Zellsäule differenzirt. Diese 



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besteht au« mcsoblastischen Elementen und bildet den Vorläufer der 
Schulterspange zusammt der freien Extremität. Das umgebende Oberhaut- 
Epithel besitzt eine eubische Form und hebt sich von der Umgebung 
ab. Die spätere Verknorpelung soll an der Basis jener Zellsäule, 
d. h. in der Gegend des späteren Schultergürtels beginnen und von 
hier auf die freie Extremität fortschreiten. Schultergürtel und Flosse 
sollen also aus einer ursprünglich einheitlichen Knorpelmasse hervor- 
gehen. Bis zu diesem Entwicklungsstadium ist 'Swirski's Dar- 
stellung eine durchaus klare, dies ändert sich aber auf S. 19, wo er 
plötzlich von zwei getrennten Knorpeln, einem grösseren distalen und 
einem kleineren proximalen spricht Ersterer stellt die Scapula dar, 
welche in ein CoracoidstUck ausläuft ; der proximale Knorpel, von dem 
eine getrennte Entstehung angenommen wird, und der, wie es scheint, 
secundär mit der Scapular- resp. Coracoidapange verwächst, soll ein 
Procoracoid vorstellen. Durch jenen Verwachsungsprozess, Uber dessen 
Verlauf 'Swirski nicht recht in's Klare gekommen zu sein scheint, 
wird die zwischen beiden Knorpelstucken ursprunglich vorhandene 
Bucht zu einem Loch abgeschlossen. Trotz der ausfuhrlichen Figuren- 
erklärung fällt es dem Leser doch sehr schwer, sich in die Form- und 
Lageverhältnisse der auf Taf. II abgebildeten Objecto hineinzufinden, 
und es war ein grosser Fehler 'Swirski's, die einzelnen Theile so 
ganz aus ihrem Verband mit der anstossenden Körpergegend dargestellt 
zu haben. Es ist dies im Interesse der an und fUr sich lobenswerthen 
Arbeit ebenso sehr zu bedauern, wie der nicht immer correcte Ge- 
brauch von „proximal" und „distal". — 

Die „Clavicula" tritt schon sehr frUh auf und zwar als ein auf 
beiden Seiten mit Osteoblasten besetzter Strang, welcher „etwas medial- 
wärts vom knorpeligen Schultergürtel" seine Lage hat. Bindegewebe 
und ein Gcfäss trennen beide von einander. 

Bei den Benennungen der drei Gürteltheile legt 'Swirski die 
von Gegenbaur vom Wels gegebene Schilderung zu Grunde. — 

Die Procoracoide sollen mehr gegen die Medianlinie convergiren 
als die Coracoide. Letztere bleiben im Wachsthum gegen die Pro- 
coracoide allmählich zurUck, und während beide anfangs schlank aus- 
gezogen erscheinen, treten sie später mehr zurUck, so dass sich nach 
und nach eine medianwärts convexe Platte herausbildet, in welcher 
sich die drei Löcher, wovon je eines in der Pars scapularis, coraeoidea 
und procoraeoidea liegt, immer mehr ausweiten. Ueber ihre Ent- 
stehung giebt 'Swirski keine nähere Auskunft. 

Die dorsale Spitze der Pars scapularis krümmt sich medianwärts; 
ventral liegt die Pars procoraeoidea und coraeoidea, erstere „proximal", 
letztere „distal" und zugleich dicht unter der Cutis mit ihrem Gegen- 
stück in „disto-ventraler" Richtung convergirend. 

Später, wenn der Dotter allmählich schwindet, rücken die anfangs 



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weit aus einander liegenden Schultergürtelhälften weiter nach abwärts 
gegen die Mittellinie dea Bauches, und während die „Coracoide" sich 
nach und nach rückbilden, legen sich die „Procoracoidc" unterhalb 
des Pericardium an einander, ohne jedoch mit einander zu verschmelzen. 
Ganz dasselbe gilt für die Vorderenden der „Claviculae w . 'Swirski 
macht bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, dass die phyletiseh 
jüngeren Procoracoide zum erstenmal bei Sturionen auftreten, dass sie 
aber schon bei Teleostiern zu viel mächtigerer Entwicklung gelangen 
und, indem sie in der ventralen Mittellinie einander entgegenwachsen, 
das rudimentär werdende Goracoid allmählich ersetzen. 

Man merkt es der ganzen Ausdrucksweise ' S w i r s k i ' s an, 
dass er sich hier auf nicht ganz sicherem Boden bewegt und noch 
vollständig im Banne der G egen bau r 'sehen Lehre steht. Ich be- 
merke jetzt schon dazu , dass das ' S w i r s k i ' sehe Coracoid kein 
solehes sein kann, und dass auch die Schilderungen des Procoracoids 
und der„Clavicula" eine Einschränkung erfahren müssen. Ich komme 
später darauf zurück. 

Vom Spangenstuck, wie es z. B. bei Cyprinoiden auftritt, ver- 
mochte 'Swirski beim Hecht nichts nachzuweisen. Dasselbe legt 
sich bei jenen „ontogenetisch später" an, als die übrigen Theile des 
Schultergürtels. Es handelt sich dabei um eine allmähliche Verwach- 
sung zweier Knorpelfortsätze, wovon der eine von der Spitze der 
Scapula, der andere von der ventralen Umgebung des Scapularloches 
her entsteht 

Die anfangs einheitliche 1 ) „Extrcmitätcnplatte" zeigt an einer be- 
stimmten Stelle einen Einschmelzungsprozess des Knorpelgewebes. 
Dadurch zerfällt sie in eine proximale und eine distale Zone. Letz- 
tere wird durch weitere Theilungen zu den Basalia der freien Extre- 
mität, und diese vermehren sich wieder durch secundäre Theilung. 

Weiteres vermag ich über die 'Swirski 'sehe Arbeit nicht zu 
referiren, da es mir trotz alles redlichen Bemühens nicht gelungen 
ist, aus der Darstellung überall klug zu werden, und ich muss des- 
halb auf S. 89 — 46 der Originalarbcit verweisen; vielleicht dass An- 
dere glücklicher sind als ich und in den dort herrschenden Wirrwarr 
Ordnung hineinzubringen vermögen. 

Dass die Angaben, welche 'Swirski über die Entwicklung der 
Selachier-Flosse beibringt, auf ganz falschen Beobachtungen beruhen, 
habe ich schon in einem früheren Gapitel auseinandergesetzt. Eben- 
daselbst sah ich mich auch veranlasst, seiner freudigen Erregung über 
die von ihm aus der Hecht-Entwicklung zu Ungunsten der T h acher- 
Mi vart-Balfour 'sehen Theorie gezogenen Conseq Uenzen einen 
Dämpfer aufzusetzen. 

') Rathkc, Vogt und Mettenheimer haben an den Embryouen anderer 
Fische jene einheitliche Platte auch schon gesehen. 



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Ich wende mich nun zu meinen eigenen Untersuchungen, welche 
ich an Embryonen von dem Hecht, Labrax, dem amerikanischen 
Saibling, dem Lachs, der Forelle, Aesche und Ellritze 
angestellt habe. Alle diese Teleostier stimmen, abgesehen von dem 
inconstanten Gegenbaur'schen „Spangenstück*, in allen wesent- 
lichen Punkten mit einander überein. 

Ganz ahnlich wie bei Acipenser bildet sich zunächst eine senkrecht 
stehende, paarige, an ihrem freien Rande zugeschärfte und median- 
wärts eingebauchte Epidermisfalte, deren Inneres durch mesoblastisches, 
rundzelliges Gewebe ausgefüllt wird. In letzterem differenzirt sich 
nach und nach eine aus abgeplatteten Zellen bestehende, die äussere 
Form der Falte im Kleinen wiederholende, dunkle Platte, die bald die 
charakteristischen Eigenschaften des Vorknorpels gewinnt. An ihrer 
erweiterten Basis hängt sie mit dem Cölom-Epithel untrennbar zu- 
sammen, während sie gegen den freien Faltenrand zu ohne scharfe 
Grenze mit dem umgebenden Gewebe verschmilzt. Man vergleiche 
hierüber Fig. 96, b bei welche einen Querschnitt durch einen Hecht- 
embryo wenige Tage nach dem Ausschlüpfen darstellt. Einen Zu- 
sammenhang jener Extremitätenfalte mit der Anlage der Bauchflosse 
vermochte ich, wie schon erwähnt, bei keinem einzigen der von mir 
untersuchten Teleostier nachzuweisen. 

In dem betreffenden Entwicklungsstadium konnte ich eine eigent- 
liche Proliferationszone am ventralen Abschnitt der erst in histologischer 
Differenzirung begriffenen Myotome nicht deutlich erkennen, und jeden- 
falls ist eine eigentliche Knospenbildung für die Teleostier aus den- 
selben mechanischen Gründen auszuschliessen, wie ich dieselben bereits 
S. 164 für die Sturionen auseinandergesetzt habe, und wie sie auch für 
die Stellung der primitiven Brustflosse bestimmend sind (vergl. Fig. 85 
und 96). Von einer Bauchflosse ist um diese Zeit noch nichts zu 
sehen. 

In einem nur wenig älteren Stadium ist jene Zellplatte bereits in 
Verknorpelung begriffen. Letztere beginnt an der Peripherie und 
schreitet von hier aus gegen den Rumpf fort; bevor aber letzteres ge- 
schieht, sieht man dicht unter dem Corium, etwas oberhalb von der 
späteren Verbindungsstelle mit der freien Extremität, bereits einen 
Ossifieationsprozess eingeleitet Noch deutlicher erkennt man dies bei 
Lachsembryonen, wovon ich in Fig. 109 und 110 zwei vom Rücken 
her vordringende Flächenschnitte dargestellt habe. Ersterer liegt 
dorsal, letzterer weiter ventral. Die Achse der Flosse durchzieht bei • 
eine dünne Knorpelplatte, an deren Vorder- und Hinterrand (Prolife- 
rations-Zone) in sagittaler Richtung ein starkes Blutgefäss verläuft 
(Gf, Gf l ). Das ganze Flosseninnere wird im Uebrigen aus einem 
rundzelligen Gewebe erfüllt, dessen Elemente sich sowohl an den Rän- 
dern, als auch auf der medialen und lateralen Flüche jener Knorpel- 



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platte nach Art von Epithelicn anordnen. Es handelt sich hierbei um 
die frühesten Entwicklungsstufen der Flossenmuskulatur (vergl. hier- 
über die späteren Stadien: Fig. 111—116, ebenso Fig. 87, die einem 
ähnlichen Stadium von Acipenser sturio entspricht). 

Wie schon in dem auf Fig. 96 dargestellten jüngeren Stadium, so 
sieht man, und zwar noch deutlicher beim Lachs, auch hier die Oberhaut 
an der betreffenden Körperstelle höckerig werden. Unmittelbar dar- 
unter liegen die Ossificationscentren desjenigen (dorsalen) Abschnittes der 
Pars scapularis, welche sich nicht mehr knorpelig präformirt (Fig. 109 bei 
** und ***). Es handelt sich dabei um zwei hinter einander liegende, von 
regelmässig angeordneten, conccntrischen Zellmassen (Osteoblasten) um- 
gebene Knochenherde, in deren Nachbarschaft stets mehrere grosse Blut- 
gefässe verlaufen (Gf,Gf). In dem auf Fig. 110 dargestellten Flächen- 
Schnitt senkt sich der proximale Rand der Extremitätenplatte in jenes 
osteoblastische Zelllager ein, welches, wie man erkennt, weiter ventral- 
würts nur noch einfach vorhanden ist, und verschmilzt damit (vergl. dar- 
über auch Fig. 99 — 105). Noch ein Schnitt weiter ventralwärts — , und 
jede Verknöcherungszone ist verschwunden, während der proximale Rand 
der knorpeligen Extreraitätenplatte mit einer Auftreibung endigt, welche 
noch nicht weiter in den Rumpf einragt, als dies in Figur 111 von 
Labrax dargestellt ist. — Der Zwischenraum zwischen jenen grossen 
Gefässen und der knöchernen Schulterblattanlage wird von grossen 
Spindelzellen (Fig. 109, 110, Sp) eingenommen, welche als Vorstufen 
der auf den Rumpf beschränkten Flosseninuskcln zu betrachten sind. 

Erst wenn der Dottersack sich zu verkleinern beginnt, schiebt 
sich der Knorpel lateralwärts von der Vorniere weiter in den Rumpf 
ein, und zwar richtet er sich zunächst ventralwärts, wobei er hinten 
die Leber und weiter nach vorne das Herz seitlich und von unten 
her umwächst; zu einem Zusammcnfluss von beiden Seiten in der ven- 
tralen Mittellinie kommt es aber nicht. Der Ausdehnung des Knor- 
pels in dorsaler Richtung setzt die sich immer weiter heraberstreckende 
knöcherne Pars scapularis ein Ziel; doch sieht man auf Fig. 99 und 
104 bei S, sowie auf Fig. 121-124 bei Kn x noch deutliche Spuren 
einer Pars cartilaginea der Scapula 1 ). 

Die Reduction dieses Knorpels ist bekanntlich schon bei Acipenser 
angebahnt, bei Spatularia und den Knochenganoiden aber schon bedeu- 
tend fortgeschritten. Gleichzeitig ist hier zu constatiren, wie Knochen 
und Knorpel stets in reeiprokem Verhältniss zu einander stehen, dass 
also das, was an letzterem schwindet, stets durch erstcren ersetzt wird. 
Auf allen den diese Vorgänge erläuternden Abbildungen ist die Pars 

') In Fig. 104 siebt man, wie die Par« cartilaginea der Scapula nicht nur dorsal- 
(boi S), sondern auch noch eine Strecke weit ventralwfirt« in das Osteoblasten- 
Gewebe eintaucht (bei ff). 

Wi<jder»heiro, UliedmawenskoUt der Wirboltliiero . Text. 12 



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08aea der Scapula in tief schwarzem Ton gehalten und mit • * und 
*** bezeichnet. Man sieht dort, wie dieselbe z. Th. auch median- 
wttrts enge dem Knorpel angeschmiegt liegt, und, ihn stellenweise auch 
ganz unterbrechend (Fig. 102, 106—108), weit ventralwärts herabreicht, 
wodurch sie wesentlich zur Festigung beitragt In manchen Fällen, 
wie z. B. beim Hecht, handelt es sich sogar um zwei, durch ein dicht- 
zelliges (osteoblastisches) Gewebe verbundene Knochenlamellen, welche 
spater noch weiter nach oben (Fig. 104 bei • •) und nach unten an- 
wachsen. In letztgenannter Richtung halten sie sich enge an das 
Perichondrium. 

Um nun wieder zu dem in die Rumpfwand einwachsenden Knorpel 
zurückzukehren, so sieht man, wie sich derselbe zwischen der Haut 
um! der Rumpfinuskulatur in einen langen, stabfiirmigen Fortsatz aus- 
zieht, und dass er gleichzeitig auch nach vorne von der Stelle, wo 
spitter die freie Extremität eingelenkt ist, einen kürzeren, aber kraf- 
tigen Auswuchs, das „Procoracoid" 'Swirski 's, erzeugt. Die Folge 
davon ist, dass jener lange stabförmige Fortsatz (das „Coracoid" 
'Swirski's) auf Querschnitten, welche von der Schwanzseite her 
kopfwärts vordringen, lange schon sichtbar wird, bevor man in den 
Rereich der eigentlichen Schulterplatte und die später sich abgliedernden 
Flossenstrahlen geräth (Fig. 97, 103, 117—120 bei f). Man vergleiche 
hierüber auch die Flächenschnitte, welche ich auf Fig. 103, 113-118 
abgebildet habe, und wo die beiden Fortsätze mit f und * bezeichnet 
sind. 

Da* Procoracoid entsteht also nicht selbständig, sondern genau 
so, wie bei Acipenser, nämlich als ein kopfwärts gerichteter Aus- 
wuchs der Extremitätenplatte. An seiner Ursprungsstelle liegt hier 
wie dort ein und derselbe Gefäss- und Nervencanal, welcher bei der 
Entwicklung vom Knorpel ausgespart wird (vergl. Textfigur 25, A — F 
bei f und Fig. 113— 115 bei *>). 

Genau genommen handelt es sich eigentlich an der betreffenden 
Stelle anfangs, d. h. bei jungen Embryonalstadien, nur um eine von 
der Kopfseite her einschneidende Bucht, welche erst später, wenn 
der Procoracoid-Bügel ventralwärts mit der Hauptmasse der Schulter- 
platte secundär verwächst, zum Canal abgeschlossen wird (vergl. die 
Textfigur 25 bei f). 

Ueber die völlige Homologie der Verhältnisse zwischen Sturio und 
den Teleostiern kann bezüglich dieses Punktes kein Zweifel bestehen, 
und 'Swirski hat dies auch richtig erkannt; allein wenn er später 
von einem ventralen Auswachsen des „Procoracoids" und von einer 
Umschliessung des Pericardiums durch dasselbe spricht, so kann ich 
ihm hierin nicht folgen, wenigstens nicht unbedingt. Es handelt sich 
nämlich später um ein Auswachsen nicht allein jenes Fortsatzes, 
sondern mit demselben erstreckt sich zugleich die ganze, schlank sich 



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ausziehende Schulterplattc nach vorne und ventralwärts. Sie wechselt 
dabei derart ihre Lage, dass sie allmählich medianwärts von den 
Rumpftnuskeln verläuft und sich, ganz wie bei Selachiern, Sturionen 
und Urodelen, zwischen letztere und das Cölom-Epithel, resp. den Si- 
nus venosus cordis und das Pericard einbohrt. Die so verlaufende 
Spange (Fig. 101, 102, 106—108, 128 bei *f) ist somit nichts 
Anderes, alseine richtige Pars coracoidea: denn sie er- 
füllt sowohl im topographischen als im morphologischen 
Sinne alle Bedingungen einer solchen (vergl. die Textfigur 27, 
bei C). Dass proeoraeoidale Elemente zugleich in ihr stecken, will ich 
nicht in Abrede stellen ; allein es handelt sich, wenn der Ausdruck er- 
laubt ist, gleichsam noch um ein Latenzstadium derselben. Man wird 
dadurch aufs Lebhafteste an dsis Verhalten der Pars pubica im 
Selachier-, Dipnoer- und Amphibienbecken erinnert, und der Gedanke 
liegt nahe, dass es sich dabei nicht nur um ähnliche, sondern geradezu 
um homologe Verhältnisse handeln könne. Hier wie dort hat man 
einen hervorbrechenden Nerven, und wie das Pubis am Becken, so ist 
das Procoracoid resp. die Clavicula am Schultergürtel der phyletisch 
jüngste, erst secundär sich differenzirende Skelettheil. 

Was nun jenen sehr früh schon auftretenden, eaudalwärts von der 
Extremitrttenplatte sich erstreckenden Fortsatz betrifft, so kann ich 
nicht verstehen, wie ihn ' Swirski Bchlechtweg als „Coracoid" be- 
zeichnen konnte. Mir ist kein Fall bekannt, wo ein Coracoid bei 
irgend einem Wirbelthier durch einen genau in der Körperlängsaehse 
verlaufenden und zugleich schwanzwärts gerichteten Skelettheil dar- 
gestellt würde. Offenbar hat jener Fortsatz weder bei Sturionen, noch 
bei Amphibien ein Homologon, und ich möchte ihn deshalb als eine 
neue Erwerbung in der Reihe der Teleostier betrachten, die wahr- 
scheinlich dazu dient, die Leibeswand zu festigen und zu stützen. 
Dieser Gedanke liegt um so näher, als die ungemein weit nach vorne 
gerückte Leber ein derartiges Festigungsmittel als zweckdienlich er- 
scheinen lHsst (Fig. 113 — 116). 

Ueber all diese complicirten Verhältnisse vergleiche man die Text- 
figur 27, welche ein Reconstructionsbild darstellt. Man sieht, wie 
die Extremitätenplatte, in welcher die ursprünglich unter dem Pro- 
cessus coraeoideus liegende Incisur bei f bereits zu einem Canal ab- 
geschlossen ist, ausser diesem noch zwei andere Canäle besitzt, einen 
dorsalen und einen ventralen. Durch den ersteren, welcher auch auf 
den Querschnitten und Flächeuschnitten , Fig. 100, 114 und 126 bei 
Nerv 1 , sichtbar ist, geht ein kräftiger Nerv, durch den letzteren 
(Fig. 99 und 105, bei Gf l und Fig. 122—124 bei Nerv) ausserdem noch 
ein Gefäss hindurch. In der in der Pars clavicularis (procoraeoidea) 
liegenden Oeffnung konnte ich nur ein Gefäss wahrnehmen; vielleicht 

12* 



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handelt es sich aber auch dort noch um einen Nerven (Fig. 101 und 
127 bei OC). 

Ueber die Homologie dieser Nervenlöcher mit denjenigen bei 
Sturio kann kein Zweifel existircn, und ich verweise zum Vergleich 
auf die Textfiguren 22, 23, 24, 26, aus welchen zu ersehen ist, dass 
auch hier eine Oeffhung weit kopfwärts, die beiden andern aber 
ventral- und dorsal wärts von der Articulationsstelle der Brustflosse 
den SchultergUrtel durchbrechen. 

Bis jetzt habe ich nach dem Vorgange Bunge 's nur von einer 




Textfigur 27, welche ein Ree »n str uc ti on s bild der Hchulter- und Brust- 
flossen-Entwicklung der Telcosticr darstellt. Linke Seit« von aussen. 
ExPl Extremitäten-Platte, von welcher sich später bei ArVE (= Articulationsstelle der 
vorderen Extremität) die Flosseuradicn abgliedern, Processus cartilagineu* scapulae, 
}\>S Pars ossea scapulae, welche sich bei l'o& und toC als Pars ossea des Procoraroidu 
und Coracoids allmählich ventralwärts herabzieht, Fr Processus procoraeoideus der 
Extremitätenplatte. Derselbe wächst erst socundär bei * nach vorne und unten, und 
schliefst die zuvor unter ihm liegende Incisur zu einem Canal ab. Zwei andere Canäle 
liegen bei tt und Bei Protp und iVoai liegt der stabnrtigo Processus postiens und 
auticus der Extremitätenplatte. Bei C im lk-rcich der punktirten Linie wächst in einem 
spateren Entwicklungsstadiuni die Extremit&teuplaUe zu einem Processus coraeoideus 
ventralwärts gegen das Pericard hinab, Op Operculum. 

„ Extremitätenplatte " gesprochen, womit ich ausdrücken wollte, dass, 
wie dies auch bereits von 'Swirski richtig angegeben ist, das Ske- 
let des Schultergürtels und der freien Extremität ursprünglich eine 
einheitliche Masse ausmachen, von welcher sich die Flosse erst secundilr 
in Folge eines im Knorpel platzgreifenden Einschmelzungsprozesse* 
abgliedert. Es handelt sich dabei um den peripheren, resp. distalen 
Abschnitt der Extremitatenplatte, welcher in den Querschnitten 103 und 
104 eben jenen Prozess angebahnt zeigt. Das umgebende Muskel- 
gewebe ist um diese Zeit sehr kernreich und lässt eine kammartige 
Anordnung erkennen. Die obere der an der Knorpelplatte # in den bei- 



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— 181 - 



den genannten Figuren sichtbaren Auftreibung wird zu einem mäch- 
tigen, dorsal und lateral liegenden Randstrahl, während die Übrige 
Masse in kleinere Radien zerfallt. Von einem Basale, welches bei den 
Sturionen noch so deutlich in die Erscheinung trat, kann man hier 
nicht sprechen; es handelt sich vielmehr um eine gleichmässig auf- 
gereihte Strahlenseric, welche sich später mit dem Schulterstück ge- 
lenkig verbindet. 

Ich verweise hierbei auf die Flächenschnitte 118 — 116, welche 
einem noch sehr jungen Stadium entnommen sind, insofern hier die Ab- 
gliederung des eigentlichen Flossenskelets (») noch nicht stattgefunden 
hat. In Fig. 103 und 104 beginnt nun, wie schon erwähnt, dieser 
Prozess, und in Fig. 117 — 124 ist er in vollem Gang. Die Schnitte 
beginnen caudalwärts und schreiten kopfwärts fort. In Fig. 117 sieht 
man bei Rad 1 den grossen Randstrahl, der aber in diesem seinem 
distalen Abschnitte noch keine perichondrische Knochenhülle zeigt; 
ventral davon liegen bei Rad drei kleinere Strahlen. In der ventralen 
Rumpfwand erscheint bei f der Processus posterior der Extremitäten- 
platte, welcher auch in den nächsten Schnitten noch nicht viel an 
Höhe gewonnen hat. In Fig. 118 gliedert sich der Rand strahl (Rad 1 ) 
dreimal ab, wodurch die Serie der kleinen Strahlen dorsal- und lateral- 
wärts um ein Glied vermehrt wird. Dies zeigt Fig. 119, woselbst das 
zweite Abschntlrungsproduct des Randstrahles bei a noch sichtbar ist ; 
schon im nächsten Schnitt aber (Fig. 120 bei o 1 ) ist es mit jenem 
wieder verschmolzen, und zugleich befinden wir uns hier bereits 
in der Zone, wo im starken und blutreichen Pcrichondrium des 
Randstrahles (bei #) Knochengewebe aufgetreten ist. Dieser Schnitt, 
und dies gilt auch für die drei nächsten (Fig. 120 — 123), ist aber 
namentlich deshalb von Interesse, weil man hier in einer zellreichen 
Zone (ZZ) des Hyalinknorpels den Abschnürungsprozess vom Schulter- 
stück (Kn 1 ) geradezu ad oculos demonstriren kann. Man erkennt 
also, dass die Differenzirung der knorpeligen Flossenstrahlcn an der 
Peripherie früher erfolgt, als proximalwärts, und dass die kleineren, 
mehr ventral- und medianwärts liegenden Strahlen, deren jetzt vier 
vorhanden sind (Fig. 117 — 124 Rad), sich früher in voller Ausdehnung 
differenziren, als der Randstrahl. 

Schon in Fig. 120 bei f sieht man, wie der hintere Fortsatz der 
Extremitätenplatte sich allmählich erhebt und sich gegen die dorsale 
Abtheilung der Extremitätenplatte emporstreckt (Fig. 120 — 123, Kn, 
Kn 1 ). In Fig. 122 haben sich beide nahezu erreicht, und in der 
nächsten Figur ist dies bereits geschehen. Jetzt liegen nur noch zwei, 
und in Fig. 124 gar nur noch ein Strahl basalwärts im Perichondrium 
des Schulterbogens. In Fig. 125 ist keiner mehr zu erblicken. 

In Fig. 122 erscheint medianwärts ein starkes, fibröses, dicht am 
Cölom - Epithel hinstreichendes Band (Bf/Z), welches von der obersten 



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- 182 - 



Spitze de» Schulterbogen» ausgeht, und schief nach ein- und abwärts 
zieht; weiter gegen den Kopf zu wird dasselbe durch Knorpel ersetzt, 
welch letzterer schliesslich basalwärts mit dem Schultergürtel zu- 
samtnenfliesst, während er dorsalwärts sich nur enge an denselben an- 
legt (Fig. 124 bei * f ). Noch weiter nach vorne ist der betreffende 
Knorpel, welcher das „ Spange n»tück" (Gegenbaur) darstellt, wieder 
gefcn.stert, doch wird die Lücke durch fibröses Gewebe ausgefüllt (Fig. 
125, bei BgZ'). Wie ich schon früher auf Grund der Gegenbaur'- 
8chcn Untersuchungen mitgetheilt habe, ist das „Spangenstück" in 
seinen ersten Spuren schon bei Ganoiden nachzuweisen und kommt 
durchaus nicht allen Teleostiern zu. Im gegebenen Fall tritt es onto- 
genetisch verhilltnisaniassig spät auf und bewirkt eine Abkämme- 
rung der Muskulatur {MM % ). Jedenfalls ist diesem Skeletstück. 
welches in der Reihe der Knochenfische zu seiner höchsten Entfaltung 
gelangt und mit ihnen wieder erlischt, nur eine secundäre Bedeutung 
beizumessen. 

Noch weiter kopfwttrta verflacht sich der Schulterbogen immer 
mehr und wird von den oben schon erwähnten Oeffnungen durchsetzt; 
zugleich neigt er sich stärker gegen die Horizontale und lagert sich 
an der Ventralseite des Herzbeutels an , bis schliesslich beide Hälften 
in der ventralen Mittellinie auf's Engste zusammenstossen '). 

Aus dem Vorstehenden erhellt, dass das Knorpelskelet der vor- 
deren Extremität der Teleostier zuerst in der freien Flosse entsteht, dass 
es hierauf in die Kumpfwand einrückt, diese eine gewisse Strecke, und 
zwar am meisten ventralwärts , umwächst und dabei ursprünglich 
jederseits einen völlig einheitlichen Knorpelcoraplex („Extremitäten- 
platte") darstellt, an welchem man eine central und eine peripher 
liegende Zone unterscheiden kann. Aus unterer, welche in typischer 
Weise von drei Oeffnungen für Nerven und Gefaase durchbohrt ist, 
und womit sich der knöcherne Schultergürtel eng verlöthet zeigt, geht 
der eigentliche Schulterbogen hervor. Die peripherische Partie glie- 

') Ich will da» Capitel über die Knochenfische nicht abschliessen, ohne 
zuvor noch einer Arbeit von Emery und Simon (24) zu gedenken. Dieselbe 
war mir im Original nicht zugänglich, und ich kenne sie nur aus dem Sc hwal be- 
sehen .Jahresbericht. Darnach haben «ich die beiden Autoren hauptsächlich mit 
dem Spangen»tück und mit Untersuchungen über die Redeutung der Nerven- 
canäle de» Schultergürtels befasst. Ersteres erklären Bie für ein rudimentäre», 
nur auf Grund der Selachier- Anatomie erklärbares Gebilde. Die Nerveneanäle, 
welche, wie 'Nwirski auch annimmt, durch Umwachsen der Nerveu seitens der 
Knorpclsubstanz entstanden zu denken sind, sollen in ihrer Zahl derjenigen der 
Körpersegmente entsprechen, welche am Aufbau des Schultergürtels Theil nehmen. 
„Aus dem Verhalten der Nerven ergibt sich, dass die Dorsovcntrale des Schulter- 
gürtels keine primitive sein kann, sondern eine von einem Zustand abzuleitende, 
in welchem der Schultcrgürtel der Achse des Körpers parallel verlief. Dabei 
fand sich das Foramen coraeoideum hinter dem Foramen scapulare. Die primitive 
Form erhielt sich bei den Belachtem." 



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- 183 - 



dert sich ab, zerfallt in Radien und wird zum Skelet der freien 
Flosse. — Von einer Clavicula im G ogenbaur 'sehen Sinne kann 
man bei Teleostiern so wenig reden, wie bei Ganoiden; hier wie dort 
handelt es sich um einen Knorpelcomplex, welcher ursprünglich (phylo- 
genetisch) in allen seinen Theilen im Perichondrium, d. h. auf knorpe- 
liger Grundlage entstanden zu denken ist. Ein grosser Thcil des 
Knochens entsteht jetzt noch so, ein anderer aber, der dorsal wärts 
vom Schultergelenk zu suchen ist, besitzt jene knorpelige Scapula 
cartilaginea heute nicht mehr und bildet sich in seiner grösseren Aus- 
dehnung als Hautknochen. Enge verwandtschaftliche Beziehungen mit 
den Ganoiden sind nicht zu verkennen. 

D. Amphibien. 

Der Schultergürtel aller Amphibien unterscheidet sich durch zwei 
wesentliche Punkte von demjenigen der Fische und Dipnotfr: 1) durch 
das wohl ausgebildete und typisch gewordene Procoracoid, oder, wie 
ich es jetzt nur noch nennen will, die Clavicula, und 2) durch ge- 
wisse, in der ventralen Mittellinie auftretende Skeletatücke, die, wie 
ich beweisen werde, mit den früher erwähnten ventralen Elementen 
des Schultergtirtels der Selachier genetisch nichts zu schaffen haben. 

Man pflegt dieselben als Sternal- und Episternalgebilde 
zu bezeichnen. 

Die Schultergürtelhülfte jeder Seite bildet ursprünglich einen 
knorpeligen Dreistrahl, an dem man ein dorsales Stück als Scapula, 
resp. als Suprascapula, und zwei ventrale als Coracoid und Cla- 
vicula (Götte) unterscheidet Da, wo diese drei Aeste zusammen- 
stossen, liegt das Schultergelenk, und zwar handelt es sich dabei nicht 
mehr, wie dies bei vielen Fischen und den Dipnoern der Fall ist, 
um eine Protuberanz, sondern um eine Pfanne der Scapula. 

Die geschwänzten Amphibien zeigen, wie nicht anders zu er- 
warten , die ursprünglicheren Verhältnisse des Schultergürtels. Die 
Claviculae sind nach vorne (kopfwärts) gerichtet, wahrend sich die 
Coracoidc als zwei mächtige Knorpelschilder brustwarts Uber einander 
schieben. In den dadurch gebildeten, caudalwärts offenen Winkel 
schiebt sich ein Knorpelplättehen („Sternum" aut.) ein. 

Eine derartige Lagerung der Coracoidplatten und des „Sternums" 
findet sich auch bei vielen Anuren, wie z. B. bei Bombinator, 
Hyla, Pelobates etc.; allein es besteht hier — und dies gilt für 
die ungeschwänzten Amphibien im Allgemeinen — insofern ein be- 
merkenswerther Unterschied gegenüber den Molchen f ), als die Clavicula 

') Bei Siren lacertina finde icli einen Zitsammenfiuss der Clavicula mit 
dem Coracoid, wodurch ein nicht sehr geräumiges, ringsum von Knorpel be- 
grenztes Fenster zwischen beiden zu Stande kommt. Aehnliches hat auch Götte 
(44) bei Menopoma beobachtet, und ich kann diesen seinen Befund bestätigen. 



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Textfigur 28, A-I>. 
Schultergürtel von A m- 
phibicn. A ventralf 
Ansicht des Schulter- 
gürtels der geschwänz- 
ten Amphibien. Die 
Theile sind in natür- 
licher Lage. B Schul- 
tergürtel von Sala- 
mandra mac. Rechte 
Seite, stark vergrößert 
und horixontal ausge- 
breitet. C Schultergfir- 
tcl der Unke, von der 
Ventralseite. D Der 
selbe vom Wasser- 
frosch. &S Suprasca- 
pula, Äfccapuln, CT, CT 1 
Clavicula, C Coracoid. 
£C Epicoracoid, f Hu- 
tnerospfanne , St, St* 
Sternum, OS, OS, 1 Omo- 
Btcnium , Fe Fenster 
«wischen der t'lavica- 
lar- and Coracoid- 



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— 185 - 



zur Körperlängsachse eine quere Richtung angenommen hat und ihr 
freies Ende mit demjenigen des Coracoids unter Erzeugung eines 
Rahmens verschmolzen ist (Textfigur 28). — Bei anderen Anuren, wie 
je. B. bei Rana, erhält der Schlütergürtel dadurch ein festeres Ge- 
füge, dass hier nicht nur die Claviculae, sondern auch die Cora- 
coide in der Mittellinie sich treffen, an einander legen und gewisse 
Verwachsungs Verhältnisse eingehen, worüber ich später noch Genaueres 
zu berichten haben werde. Dadurch wechseln auch die Lagebezie- 
hungen des „Sternums" oder „Xiphisternums" zu den Partes 
coraeoideae, und dazu tritt proximalwärts von der Vereinigungsstelle 
der Claviculae noch ein weiteres Skeletelement , das man als „Epi- 
sternum" oder auch als „Omosternum" zu bezeichnen pflegt 
(Textfigur 28). 

Der Verknöcherungsprozess erfolgt in jeder Spange des ursprüng- 
lichen Dreistrahles selbständig, doch kann es — und dies bildet bei 
den Urodelen die Regel — zum nachträglichen Zusammenfluss der 
einzelnen Knochenherde kommen. Gleichwohl spielt aber gerade hier 
(und dies gilt auch für die meisten Anuren) der Knorpel nach wie 
vor die Hauptrolle; man pflegt dann den übrig bleibenden grossen 
Knorpelrest des Coracoids als Epicoracoid und den der Scapula 
als Suprascapula zu bezeichnen (Textfigur 28). 

Das Mitgcthciltc mag genügen, um dem Leser die betreffenden 
Verhältnisse in so weit wieder in Erinnerung zu rufen, als dies zu 
einem Verständniss der Entwicklungsgeschichte, auf die ich hier den 
Hauptnachdruck zu legen beabsichtige, nothwendig ist. Ich werde 
dabei im Interesse einer klaren Darstellung die Urodelen und Anuren 
getrennt behandeln, zuvor aber noch die fossilen Formen, wie sie 
namentlich durch Credner (16, 17) 1 ) bekannt geworden sind, einer 
kurzen Betrachtung unterziehen. 

1) Urodelen. 

In welchem geologischen Horizonte die directen Vorfahren der 
heutigen Molche zu suchen sind, ist noch unbekannt, da man jenseits 
des Tertiärs bis jetzt keine sicheren Spuren derselben aufgefunden 
hat. Jedenfalls sind sie nicht unmittelbar aus den Stegocephalen 
der Penn- und Kohlenformation hervorgegangen. Wenn auch beide 
in ihrem allgemeinen Habitus mit einander Ubereinstimmen, so be- 
sitzen die Stegocephalen doch in ihrem Schädelbau, in ihrem Haut- 
lenzer und namentlich auch in der Formation ihres Schultergürtels 
so viel Besonderes und Abweichendes, dass man sie in gewissen Be- 

') Die von Fritsch beschriebenen Stegocephalen zeigen sich in ihrem 
Schulter- and Beckengürtel weit weniger gut erhalten, so dass ich dieselben hier 
fuglich übergehen kann. 



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- 180 - 



Ziehungen viel eher den primitiven Formen der Reptilien (Palaeo- 
hattcria, Hatteria), als den heutigen Amphibien anreihen kann. 
Es waren Mischtypen, die sich in dieser Form auf die recenten Verte- 
braten nicht vererbt haben. 

Was speciell den Schultergürtel der Stegocephalen anbelangt, so 
hat derselbe mit den Übrigen anatomischen Merkmalen dieser alten 
Thiergruppe von H. Credner eine sehr eingehende und lichtvolle 
Darstellung erfahren, an die ich mich im Folgenden z. gr. Th. an- 
lehnen werde. 

Während der Schultergürtel der recenten Urodelen wesentlich 
aus Knorpellamellen besteht, und das Knochengewebe in der Regel 
nur eine untergeordnete Rolle spielt, tritt dasselbe bei den Stego- 
cephalen weit mehr in den Vordergrund und verleiht dein ganzen 
Apparat einerseits eine grössere Solidität, andererseits aber zugleich 
auch den Habitus eines Reptilien- Schultergürtels. Das Stern um 
blieb fast ausnahmslos knorpelig; dagegen tritt ventralwärts von ihm 
eine desto ausgedehntere, unpaarige Knochenplatte, dasEpisternum, 
auf, welches in dieser seiner beträchtlichen Entwicklung das auf- 
falligste Element des Schultergürtels aller Schuppenlurche bildet. Be- 
züglich seiner sehr wechselnden Formverhältnisse (bald rundlich, bald 
rautenförmig oder stielartig nach hinten ausgezogen) verweise ich auf 
die Textfigur 29 A — E. Auf die vordere Hälfte der ventralen Epi- 
sternalflächc legen sich beiderseits die ebenfalls vielgestaltigen, knie- 
förmig gekrümmten „Clavieulae" auf. Diese sind medianwärts in der 
Regel stark verbreitert, während sie an ihrem mit der Scapula ver- 
bundenen Ende zugespitzt erscheinen. „Es ist kaum zweifelhaft, dass 
bei einer Anzahl Stegocephalen das Episternum und die Claviculae 
noch in ihrer ursprünglichen Anlage, nämlich als Hautknochen, vor- 
handen waren, bei anderen hingegen bereits in das innere Skelet auf- 
genommen worden sind 1 ), ähnlich wie auch der ventrale Schuppen- 
panzer bei einigen Stegocephalen schon zum Bauchrippensystem ge- 
worden ist. So weisen dieselben z. B. bei Archegosaurus eine 
den Hautknochen des Schädels ganz entsprechende grubige Sculptur 
der Aussenseite auf ; auch sehmiegen sich die nach vorn divergirenden 
Sehuppenreihen des Bauchpanzers genau der spitzen Hinterecke des 
rhombischen Episternums an, ja legen sich auf dessen hier glatte, sich 
schräg abdachende Rander auf, so dass dasselbe augenscheinlich gleich- 
falls dem Hautskelete angehört hat" 

„Die Ooracoide sind meist halbmondförmig und liegen seitwärts, 



') Dies« gilt z. B. für Brandl iosauru s, M ei anerpeton, Discosaurua 
und Hylouoinus, wo Episternum und Schlüsselbeine, wie die übrigen Knorpel- 
knochen, eine ganz glatte Oberfläche besitzen, über welche sich die Reihen des 
Sobuppnnpanzcri» ununterbrochen hinwegerutreckeu. 



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- 187 — 



bezw. nach hinten vom Episternum. Die Scapulae sind schwach 
gebogene stab-, oder löffeiförmige Gebilde, welche sich bei einiger- 
massen günstigem Erhaltungszustande des Schultergürtels thatsächlich 




Textfigur 29, A— E. Schultergürtel von Stegoccphalen (Ventralseite). Nach 
H. Credner. A Branchiosaurus B Pelosauru» C Discosaurus 
D Hylonotnus - 1, E Archegosaurus, circa '/« der natürl. Grosse. V.pt Epistcr- 
niim, Cl Clavicula, 8 Scapula, C Coracoid. — Diese Bezeichnungen lassen sich von 
der Figur C leicht auf die übrigen übertragen, s Kalkpflaster im Sternum oder im 

Knorpel des Coracoids. 

noch mit den nach oben gewandten stielförmigen Fortsätzen der 
Claviculae in Berührung befinden, mit denen sie bei Lebzeiten des 
Thieres in Verbindung gestanden haben." 



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— 188 — 



Entwicklungsgeschichte des Schultergürtels bei 
Tritonen, Salamandra niaculata und atra, bei Proteus 

und beim Axolotl. 

Hierüber liegen, was die jüngeren Embryonalstadien betrifft, 
meines Wissens noch keine Arbeiten vor, die eine besondere Berück- 
sichtigung verdienen, und so kann ich mich gleich zu meinen eigenen 
Untersuchungen wenden. 

Wie bei Fischen, so ist auch bei den geschwänzten Amphibien 
die vordere Extremität der hinteren in der Entwicklung stets voraus. 
Ihre Anlage erfolgt dicht hinter dem Visceralapparat des Schädels, 
aber nicht in gleicher Höhe mit diesem, sondern viel weiter ventral- 
wftrts. Ihr vorderster Abschnitt liegt noch z. Th. in dem ersten, die 
Hauptmasse aber im zweiten und dritten Spinalsegment 1 ). 

Dass es sich bei Urodelenlarven , so wenig als bei Sturionen und 
•Tcleostiern um eine, die Anlage der beiden Extremitätenpaare voll- 
ständig verbindende Epidermis- Leiste handelt, wurde oben schon er- 
wähnt. Besonders weit sah ich dieselbe bei 8 mm langen Larven 
von Salamandra maculata caudalwärts ziehen. 

Die jüngsten Stadien von Tritonen, welche ich zu untersuchen 
(ielegenheit hatte, massen 5—6 mm. Die Vorniere war bereits zu 
erkennen. LateralwUrts von ihrem hinteren Bezirk und zugleich etwas 
ventral von ihr macht sich unter der Haut der Rumpfwand eine 
schwache Ansammlung von Mesoblast-Zellen bemerklich 2 ), oberhalb 
deren sich die zweite Lage der Epidermiszellen pallisadcnartig zu 
verlängern beginnt 

Wir begegnen also hier ganz demselben Vorgang, wie bei der 
Anlage der hinteren Extremität, und auch der weitere Entwicklungs- 
gang verhält sich sehr ähnlich (Figur 33, 34, 35, 54—58). Um diese 
Zeit sind die Myotome der Stammzone bereits nahezu histologisch 
differenzirt, worauf ich auch schon früher hingewiesen habe; bei 
7—8 mm langen Larven ist «lieser Prozess durchgeführt. 

Bei 7Va mm langen Larven von Triton helvcticus sieht man 
jene Ansammlung von Mesoblastgewebe schon viel deutlicher werden 



*) Unter erstem Spinalsegment verstehe ich den Zwischenraum zwischen 
dein Ganglion vagi und dem ersten Spinalganglion, unter dem zweiten und dritten 
denjenigen zwischen dem ersten und zweiten, bezw. zwischen dem zweiten und 
dritten Spinalganglton. 

*) Wenn man mit Flächenschnitten von der Dorsalseite her vordringt, so 
liegt jene meroblastische Zellmassc bei Triton hclveticus zunächst nur im 
Bereich des vierten Myotoms, seitlich von ihm. Weiter ventralwärts greift es 
auch noch anf das fünfte über. Wenn dann später das Vorknorpel- und Knorpel- 
stadium eintritt, so wird der Sthultergürtel in seiner dorsalen Partie durch die 
Vorniere von der Muskulatur thoilweise wieder abgedrängt. 



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- 189 -•- 



und die seitliche Rumpfwand stark vorbauchen. Die Figuren 129 und 
131 erläutern dies. Beide stellen Querschnitte dar, ersterer aber 
liegt weiter kopfwärts, d. h. im Bereiche der Anlage des Sehulter- 
gtlrtels. Rechterseits weicht er von der transverscllen Ebene etwas 
caudalwärts ab, so dass man sich hier zugleich schon in der Gegend 
des proximalen Humerus-Endes befindet, welches mit der Sehulter- 
bogenanlage eine einzige Masse bildet (Figur 129 VE, HK). Es 
handelt sich bereits um das Vorknorpelstadium, und zwar geht 
dabei der Huraerus dem Schul tcrgürtel etwas voraus, worauf auch 
schon Strasser (93) hingewiesen hat Dies ersieht man sehr deutlich 
aus dem weiter caudalwärts liegenden Querschnitt (Fig. 131 , bei f), 
wo sich die Extremitäten weit vom Rumpfe abheben {VE) und ihre 
Richtung ziemlich steil nach oben (dorsalwärts) und etwas nach hinten 
nehmen. Ganz dieselbe Stellung zeigen sie auch beim Axolotl, bei 
Salamandra und Proteus. 

Wir befinden uns hier bereits ausserhalb des Bereiche« der Vor- 
niere, doch ist deren Ausführungsgang (VNG) an der Basis der Myo- 
tonie deutlich zu erkennen. Im Centrum der Extremitätenknospe ( VE) 
zeigen die Elemente den Vorknorpels eine concentrischc Anordnung 
und werden von indifferentem, sehr gefässreichem Mesoblastgewebe 
umgeben. Letzteres steht mit den Myotonien in Verbindung und 
zieht sich als spätere Pars coraeoidea des Schulterbogens weit ventral- 
wart» in die Rumpfwand herab. In letzterer ist dicht nacli aussen 
vom Cölom - Epithel die Muskulatur 1 ) eben in der Differenzirung be- 
griffen (M l ). 

Eine passende Ergänzung für das Verständniss des Mitgetheilten 
giebt Figur 132. Sie stellt einen Flftchenschnitt dar durch die rechte 
Extremität einer 8 mm langen Larve von Triton alpestris. Die 
Knospe ist hier schon weiter ausgewachsen, und in ihrem Centrum 
tritt der Humerus in seinen proximalen zwei Dritteln, sowie die da- 
mit verbundene Schulteranlage {HK, SG) klar hervor. Die Zellen 
des Humerus nehmen distalwärts vom Kopf eine quere Stellung an 
und gehen an der Peripherie, wo bei # ein starkes Blutgefäss er- 
scheint, in das umgebende Gewebe Uber. Letzteres häuft sich unter 
der Haut an und stellt den Vorläufer der Gliedmassen-Muskulatur 
dar; medianwärts erscheint bei M 1 der bilaterale Seitenrumpfinuskel, 
nach einwärts von ihm bei CoE das Cölom -Epithel (vgl. auch das 
entsprechende Stadium des Störs, Figur 87). 

Wie laugsam der Axolotl auch in der Anlage seiner vorderen 
Extremität voranschreitet, und wie weit er dabei hinter den Tritonen 
zurückbleibt, ersieht man aus Figur 130. Diese stellt einen Quer- 



') Dieselbe hängt 4—5 Schnitte weiter caudalwärts mit den Myotomen der 
Stammzone direct zusammen. 



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— 190 — 



schnitt durch eine 12 mm lange Larve dar, und da da« Messer durch 
die höchste Kuppe der Gliedmassen-Anlage ging, so tritt die Differenz 
der Verhältnisse durch einen Vergleich mit Figur 129, 131, 132 klar 
hervor. Man kann beim Axolotl zu dieser Zeit l ) noch keine Schulter- 
bogen- und Humerus-Anlage erkennen. Es handelt sieh vielmehr nur 
erst um eine ganz diffuse, mehr oder weniger dichte, von zahlreichen 
Gcfässen unterbrochene Gewebsmasse, Uber welcher sich die Epider- 
mis ebenso wie bei Tritonen verdickt (Fig. 130, VE, Ep). Von den 
Myotomen wird sie durch die bereits stark entwickelte Vorniere (VN) 
getrennt, so dass man dadurch an die Verhältnisse der Sturionen er- 
innert wird (Figur 85)"). 

Die bis jetzt geschilderten Vorgänge decken sich fast ganz mit 
denjenigen von Proteus, worüber ich bereits früher berichtet habe 
(112). Der einzige Unterschied beruht in der noch steiler nach oben 
gehenden Richtung der Extremitätenknospen, und dieses, noch mehr an 
die Ganoiden und Teleosticr erinnernde Verhalten beruht offenbar 
gerade so wie bei letzteren auf einer stärkeren Ausdehnung des 
Dottersackes. Dadurch erscheint die Gliedmassen- Anlage auch weiter 
dorsalwärts einporgerückt, so daas ihre Basis mit den Myotom-Sockeln 
in einem frühen Entwicklungsstadium geradezu zusammenstösst [vergl. 
Fig. 2 und 8, A meiner früheren Arbeit (112)]. 

Was ich bezüglich der langsameren Entwicklung vom Axolotl ge- 
sagt habe, gilt in noch höherem Grade für den Proteus, wo man 
selbst bei 13 mm langen Exemplaren noch von keinem Vorknorpel- 
stadium reden kann. 

Ich wende mich nun wieder zu Triton helveticus zurück. 
Hier tritt zu einer Zeit, in welcher das Thier eine Länge von 9 mm 
erreicht, das erste Knorpelgcwebe in der freien Extremität auf, und 
zwar in der Diaphysengegend des Humems (Fig. 134, H). Kurz 
darauf, hie und da sogar gleichzeitig, verknorpelt die Stelle des 
Schulterbogens, wo sich später das Gelenk für die obere Extremität 
ausbildet. Um diese Zeit findet sich hier auch schon deutliches 
Muskelgewebe (M*), welches mit der Rumpfinuskulatur in directer 
Verbindung steht. — Die Zellen des Humeruskuorpels zeigen an der 
Peripherie, d. h. da, wo sie in das Vorknorpelblastem eintauchen (♦ »). 
dieselbe Querlage, wie ich sie oben geschildert habe. 

Weiterhin schreitet nun der Verknorpolungsprozess proximalwärts 
fort, bis schliesslich Humerus und Schulterbogen gerade 

') Da« Viseralskelet des Kopfes ist bereit* verknorpelt. 

") Medianwärts von der Extremitfitenknospe treten die Muskelanlagen der 
Rumpfwand bei Färbung mit Borax-Carmin als eine Reihe radiär gestellter, mit 
dem Cölomepithel aufs Engste verbundener, liellleuchtender Punkte hervor, 
eine Eigenthümlichkeit, auf die ich die Aufmerksamkeit der Fachgenossen lenken 
möchte. 



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- 191 - 



so wieder eine einheitliche Masse bilden, wie dies 
bereits im Vorkuorpelstadium der Fall war. Von einem 
Schultergelenk kann man also noch nicht reden, und Alles weist auf 
ein Verhalten zurück, wie es uns bereits von den Fischen her gelaufig 
geworden ist. In diesem Punkt stimmt die vordere Extremität mit 
der hinteren tiberein (vergl. das betreffende Capitel, wo ich auch auf 
die morphologische Bedeutung des Ligamentum teres aufmerksam ge- 
macht habe). 

Nachdem jener Zusammenfluß« vollständig geworden ist, wächst 
der rapid verknorpelnde und zugleich an seiner Peripherie sich ver- 
breiternde Schulterbogen zunächst dorsalwärts bis zur Höhe der 
Wirbelsäule empor und begrenzt dabei direct die Vorniere lateral- 
wärts 1 ). So entsteht also die Pars scapularis ungleich früher 2 ), als die 
Pars coraeoidea (Fig. 135, 138 bei S). und darin liegt ein bemerkens- 
werther Unterschied gegenüber der hinteren Extremität, deren Pars 
dorsal i 8 (Ilium), wie ich gezeigt habe, erst am Schluss der ganzen 
Beckenentwicklung die Wirbelsäule erreicht. Während es aber hier 
zu einem starken Bandapparat zwischen der Sacralrippe und dem 
oberen Ende des Ilium kommt, findet sich ein solcher an der vorderen 
Extremität, wie mein Schüler Iversen dargethan hat, unter allen 
Urodelen einzig uud allein bei Salamandra atra. Ich habe diesen 
Befund selbst nachgeprüft und gesehen, dass sich das stark verbreiterte, 
ganz nach Art einer Sacralrippe geformte, distale Ende der zweiten 
Rippe unter die der Rumpfwand zugekehrte Fläche Scapula resp. 
Suprascapula eine Strecke weit hinunterschiebt und sich durch ein 
lockeres fibröses Band an derselben befestigt. Die Lagebeziehungen 
stimmen also vollkommen mit denjenigen an der hinteren Extremität 
Uberein, und ich verweise dabei auf die Figur 51. — Bei allen übrigen 
Urodelen, wie so auch bei der nahe verwandten Salamandra 
maculata ist nichts Derartiges zu bemerken; überall werden Scapula 
und Suprascapula nur durch die umgebenden Muskeln und die äussere 
Haut an die Rumpfwand befestigt. Ihre Lagebeziehungon zur Vor- 
niere erhellen aus Fig. 137. 

Erst wann bei 12—13 mm langen Tritonenlarven der Schulter- 
bogen auch ventralwärts in die Pars coraeoidea auszuwachsen be- 
ginnt, sieht man in der Gegend des späteren Schultergelenks eine 



*) Man sieht auf der Figur 138 bei VN sehr gut, wie sich die Vorniere 
genau zwischen die dorsal liegenden Myotome M und die ventrale Seitenrumpf- 
muakulatur M l einschiebt Beide erscheinen dadurch wie auseinandergesprengt. 

*) Bei 18 mm langen Axolotln fand ich den Schultergürtel als zarte, 
weit dorsalwärts reichende Spange bereits angelegt, nnd bei solchen von 23 mm 
war auch schon die Pars coraeoidea ziemlich weit ventralwärts ausgewachsen. 
Von einem „Sternutn" war noch nichts zu sehen. Der Hiuneruskopf war mit 
der Scapula zusammengeflossen. 



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— 192 



Einschraelzung auftreten. Der Huineruakopf (H K auf Fig. 133, B, C) 
schnürt sich dabei förmlich aus der Knorpelmasse heraus, wobei die 
Verbindung am längsten am vorderen Umfang desselben persistirt. 
Während dieses Prozesses gewinnt man auf Querschnitten (Fig. 138) 
den Eindruck, als wolle es zur Herausbildung eines Fisch gelenkes 
kommen; dies ist aber nicht der Fall, denn es entsteht eine richtige 
scapulo-coracoidale Pfanne, in welcher der frei werdende Humeruskopf 
später articulirt 

In diesem Stadium ist von einem „Sternum" noch nichts zu er- 
blicken, und die Clavicula hat sich eben erst als kleiner Auswuchs am 
Vorderrande des SchultergUrtels angelegt. Sie liegt dicht unter der 
Haut am Uebergang der seitlichen Kumpfwand in die ventrale, ist 
direct gegen den Kopf zu gerichtet und besteht an ihrem vorderen 
Ende noch aus indifferentem, laserigem und zelligcm Mesoblastgewebe. 
Sie ist wie bei Ganoiden das ontogenetisch jUngste 
Stück des SchultergUrtels und wächst unter langsam fort- 
schreitender Verknorpelung erst viel später weiter kopfwärts aus. 

Längst bevor dies geschehen ist, haben die unteren Enden der 
Coraeoidplatten den Herzbeutel von seiner ventralen Seite her um- 
wachsen und beginnen »ich nun in der Mittellinie ttbereinanderzu- 
sc hieben. Dies geschieht bei Tritonen in der Regel schon bei Larven 
von 14—15 mm Länge; doch wechselt der Vorgang individuell sehr 
stark, so dass man oft bei 11 und 12 mm langen Thieren schon einen 
grösseren Fortschritt bemerkt, als bei viel älteren. Bei Salamandra 
maculata, welche im zeitlichen Verlauf ihrer Extremitäten-Entwick- 
lung zwischen dem Axolotl und den Tritonen etwa die Mitte 
hait, ist jenes Stadium erst mit 20 mm erreicht; doch bildet hier der 
Hinneruskopf mit dem Schultergürtel gewöhnlich noch eine Masse. 

Ich wende mich nun zum sogenannten Stern um der Urodelen. 
l.'eber dessen Entwicklung hat, soviel ich in Erfahrung bringen konnte, 
nur Götte (44) Untersuchungen angestellt. Nach diesem Autor bildet 
sich das „Sternum" aus zwei nach vorne winklig zusammenstossen- 
den und in den caudalwärts gerichteten Winkel der Coraeoidplatten 
eintretenden Knorpelspangen. Sie entstehen in den Inscriptiones 
tendineae der Bauchmuskeln, dicht hinter dem Schultergürtel. An der 
daraus sich bildenden Knorpelplatte befestigt sich eine die Coracoide 
verbindende Membran, und diese verknorpelt da, wo sich ihre 
Ränder an die stemale Knorpelplatte anlegen. Letztere wird dadurch 
gewissermassen zweischichtig, erhält einen rechten und linken Falz 
und hat also einen doppelten Ursprung, d. h. sie ist theäls Appendix 
des SchultergUrtels, theils auf ein Myocomnia der Humpfmuskulatur 
zurückzuführen. — Soweit Götte. — Meine eigenen Untersuchungen 
haben Folgendes ergeben. 

Das „Sternum" entsteht bei allen Amphibien im Bereich des 



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- 198 



M. rectus abdominis, und zwar ursprünglich paarig, im engsten An- 
schluss an die medialen Ränder desselben. Diese sind durch zell- 
reiches, wucherndes Mesoblastgewebe, welches ungemein stark vascu- 
larisirt ist, und von welchem das ventrale Mesenterium der Leber aus- 
geht, anfangs noch weit von einander getrennt, so dass also eine sehr 
breite fibröse Linea alba existirt. Am meisten gilt dies für den Axolotl, 
etwas weniger für Salamandra. Da beide ein sehr primitives Verhalten 
zeigen, so sollen sie vor den bezüglich dieses Punktes schon etwas 
modificirten Tritonen besprochen werden. 

Was zunächst den Axolotl betrifft, so kann hier über die 
paarige Anlage des „Sternums" kein Zweifel bestehen. Wie bei allen 
Amphibien, so setzt auch hier die Entwicklung beider Sternalhälften 
mit ihrem hintersten (am weitesten caudalwärts gelegenen) Abschnitt 
ein und schreitet unter allmählichem Zusammenfluss derselben in der 
ventralen Mittellinie kopfwilrts fort. — Mit jener oben erwähnten 
sternalen Wuchorungszone an den inneren Rändern der geraden 
Bauchmuskeln treten die medialen Enden der Coracoide in nahe Be- 
rührung; allein in keinem Entwicklungsstadium kommt 
es zu einem Zusammenfluss zwischen beiden, und nichts 
weist darauf hin, dass das „Sternum" der Urodelen 
genetisch, bezw. phylogenetisch auf die Pars coracoide a 
des Schulte rgürtels zurückzuführen sei. Da sich mir 
hierfür weder bei den geschwänzten noch bei den ungeschwänzten 
Amphibien irgend welche Anhaltspunkte ergeben haben, so kann ich 
mich mit der Ansicht von T. J. Parker (80) und Howes (58), 
sowie den von Letzterem daran geknüpften Consequenzen, die ich hier- 
mit wörtlich folgen lasse, keineswegs einverstanden erklären: „That 
the Amphibian sternum is for the most part, if not wholly, a derivative 
of the shoulder-girdle, there can no longer be a question; and, although 
the rescarchc8 of Goette leave us in doubt concerning the bypo- (post- 
omo) sternum, they show that that can be no derivative of the costal 
apparatus. Working anatomists will realize in Parker's application of 
Albrecht's terminology the expression of a fundamental difference 
between the sternal skeleton of the Ichthyopsida and Amniota. The 
researches of Goette, Hoffmann, Rüge and others, show the sternum 
of the higher Amniota to consist of a greater costal portion and of 
lesser ones, chief among the latter being the episternum or interclaviclo. 
They suggest (especially if Hoffmann 's assertion that the precoraeoid 
or clavicular bar is, in Mammals, primarily continuous with the spine 
of the scapula) that the interclavicle may be, throughout, the vanishing 
vestige of the coracoidal sternum of the Ichthyopsida. The latter would 
appear, therefore, to have been replaced in time by the roore familiär 
costal sternum, derivative of the hsemal arches (ribs); and, this being 

Wieden h*im, Gliedmasaenafcelet der Wirh«lthieru. T«»l. 13 



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- 104 - 



so, might we not boldly and with advantage, go a step further than 
Parker has donc, and distinguish between a eoracoidal archisienmm of 
the Ichthyopsida, and a ha?moeoracoidal neosternum of the Amniota? 
If this be eonccded, the characters referred to must be incorporated 
in our dingnoses of the two great types nauied." 

Ich möchte mich auch nicht für den von Howe» vorgeschlagenen 
Namen „Archisternum" erklären, sondern ausdrücklich die Bezeichnung 
Stern um beibehalten, da es sich, wie ich noch des Weiteren erörtern 
werde, auch für das Amphibien-Stcrnum um einen costalen Mutter- 
bode n handelt. 

Ich kehre nun nach dieser Abschweifung zur Entwicklung des 
Sternums des Axolotls zurück. Bei 51 mm langen Exemplaren 
zeigt sich also jene, einem verknorpelnden Myocomma, d. h. einer 
knorpeligen Bauchrippe ähnliche Wucherungszone, welche auf der 
Fig. 140 mit f bezeichnet ist. Der Querschnitt, welcher auf dieser 
Figur dargestellt ist, ging durch den caudalwärts gelegenen Abschnitt 
der betreffenden Anlage, d. h. durch jene Zone, wo der Verknorpelungs- 
prozess einzusetzen pflegt. Wenige Schnitte weiter gegen den Schwanz 
zu erlischt die hyaline Substanz, während sie kopfwärts in diesem 
Stadium noch durch zehn Schnitte hindurch zu verfolgen ist. Aller- 
dings wird sie dabei immer dünner und rückt etwas mehr ventralwärts 
herab, so dass sich zwischen ihr und dem M. rectus die freien Cora- 
coidränder mehr und mehr einschieben können (vergl. hierüber Text- 
figur 80, C und L). Bei jener Lagoveränderung spielt der vom M. 
pectoralis major (Fig. 140, 3f Ä ) ausgehende Zug eine bedeutende 
Rolle, ja ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich in jenem Muskel 
auch bezüglich der späteren lappigen Ausgestaltung des Sternums (in 
phylogenetischer Beziehung) ein wesentliches Causalmoment erblicke. 
Für diese Ansicht spricht das ungleich einfachere Verhalten, bezw. das 
gänzliche Fehlen des Sternums bei den Ichthyoden, wo jener Muskel- 
zug in Anpassung an das ausschliessliche Wasserleben offenbar nicht 
zur Bethätigung kommt. 

Geht man nun bei der Betrachtung des betreffenden Axolotl- 
Stadiums noch weiter kopfwärts, so verschwindet, wie schon erwähnt, 
das Knorpelgewebe, allein die Wucherungszone am Rectus-Rand (Fig. 
139, MG) ist noch durch 72 Schnitte hindurch vorhanden. Ferner 
sieht man, wie sich die Coracoidränder (c) weit über einander gescho- 
ben und das zwischenliegende Mesoblastgewebe (a, b, C, d) strang- 
artig mit ausgezogen haben. Diese Faserstränge verlöthen sich auf's 
Innigste mit den ebenfalls in Wucherung begriffenen, freien Coracoid- 
rändern. Durch jene fibrösen Zöge erscheinen in diesem Stadium 
schon die Kuorpeltaschen präformirt, in welche sich später die Cora- 
coidplatten einfalzen. Dies ist aus der Fig. 141, 144, sowie aus der 
Textfigur 30, A— F klar zu ersehen. Beide stellen ein älteres Stadium 



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— 105 - 



dar, in welchem der Axolotl bereits eine Länge von 68 mm er- 
reicht hat, und auf Fig. 147 sehen wir den Schultergürtel eines aus- 
gewachsenen Thieres. Die betreffenden Verhältnisse werden auf 
folgende Weise erreicht. 

Die beiden Knorpelzonen wuchern gegen die Mittellinie vor und 
verwachsen dort allmählich mit einander. Zugleich kommt es, wie 
schon erwähnt, unter Beihilfe von Muskelzug zu zwei ventral- und 
lateralwärts ausspringenden Lamellen oder Lappen, die in der Richtung 
der auf Fig. 139 mit a— d bezeichneten Bindegewebsstränge fort- 
wuehern, so dass die seitliche Verschiebung der dieselben mit der dor- 
salen Mutterlamelle (Textfigur 30, F bei f und *) verbindenden Knorpel- 
Comniissur a priori schon gegeben ist. 

Ganz denselben Vorgängen begegnet man bei Salamandra 
maculata, nur dass hier die Wucherungszonen des Sternums schon 
von Anfang an näher zusammenliegen und sich sehr bald mit ein- 
ander vereinigen. Der Verknorpelungsprozess beginnt hier erat bei 
Larven, die 21 — 25 mm lang sind, und bald sieht man dann 
auch ventral- und latcralwftrts jene zur Bildung der Coracoidtascheu 
bestimmten Lamellen auswachsen (vergl Textfigur 30, K — M). — Von 
Salamandra zu Triton, wo die Bildung des Sternums in der Regel 
bei 21 mm grossen Thiereu beginnt, ist es nur noch ein kleiner 
Schritt, und der ganze Unterschied beruht darauf, dass sich hier das 
Sternum gleich von Anfang an zwischen den viel weiter gegen die 
ventrale Mittellinie sich vorschiebenden Rectus-Hälften unpaar an- 
legt (Fig. 142 und 143). Es handelt sich also um eine Abkürzung 
des ganzen Prozesses; im Uebrigen aber verhalt sich Alles wie beim 
Axolotl (vergl. Fig. 141 mit der Textfigur 30, A— F). 

Auf eine eingehende Beschreibung der Formverhältnissc des 
Sternums erwachsener Urodelen kann ich füglich verzichten, da dies 
ja allbekannte Dinge sind. Es mag genügen, auf die je nach ver- 
schiedenen Familien ausserordentlich grossen Formschwankungen hin- 
zuweisen *), und sicherlich handelt es sich auch um mehr oder weniger 



') Bei Siren lacertina folgt das sehr in die Breite entwickelte Sternum 
dem ganzen Hinterrand der knorpeligen Coracoide bezw. Epicoracoide. Es springt 
caudalwärts in der Mittellinie in einen schnabelartigen Fortsatz aus, während 
sich sein ganzer Vorderrand in eine breite und dünne Lamelle auszieht, welche 
die hinterste Partie der Epicoracoide ventral wärt« überlagert. Eine zweite fi- 
bröse Lamelle liegt dorsalwärts, und in die auf diese Weise gebildete, knorpelig- 
fibröse Tasche sind die hinteren Epicoracoidränder eingefalzt. Es handelt sieh 
also hier, wie ich dies schon oben angedeutet habe, um wesentlich einfachere 
Verhältnisse als bei den Salamandrinen. 

Bei Menopoma besteht das Sternum aus einer sehr breiten und dünnen, 
seitlich in zwei Lappen sich gabelnden Knorpelplatte, welche dorsalwärts mit 
der Linea alba und den Myocommata aufs Engste verwachsen ist. 

Amphiuma besitzt kein Sternum; beide, rein knorpelige Coracoide, bleiben 

13« 



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— 196 - 




Te xtf ig ur 30 A— I. Querschnitte durch «las S tcrnum'und die angrenzenden Gebilde vom 
A xolotl. K — M Ebendieselben von Sala in and ra nia c u 1 a t a (Larve 23 mm). Hier wie 
dort schreiten die .Scbnittc von der caudalen Seite kopfwärt* fort M Mim . rectus abdomini», 
an dessen medialen Rändern (Fig. A bei S) die Vcrknorpclung der Linea alba(£«) beginnt. 
In B und C sind die Knorpclzoncu SS in der Mittellinie beinahe vereinigt, und zugleich 
werden dieselben in der Richtung des Muse, peetoralis major (F) ventralwärts in die beiden 
Lamellen St 1 ausgezogen. In Fig. L und M ist dieser Prozess bei S* erst im Anfang 
begriffen. In die durch jene Lamellen gebildete Tasche falzen sich die Coracoidränder (C) 
ein (vpl. Fig. B -- F). In Fig. F hängen die Lamellen & 1 durch ein schief gerichtetes 
Verbindungsstück (*) mit der dorsahvärts liegenden Hauptplattc (f) zusammen. In Fig. 6 
ist jenes Verbindungsstück nur noch durch filiröses Gewebe angedeutet, und in Fig. H 
ist auch dieses geschwunden; die Coraeoide schieben sich nun allmählich immer mehr 
ühereinander. — Fig. N Sternum von Ranodon sibiricus, und 0 von Salamandra 
nnevia ( Ventralseite I. Bei 6<" , St 1 Gabelung in die beiden kopfwärtu schauendeu 
Lamellen, welche bei den puuktirten Linien vom UaupUtück (S) abgeben. 



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- 197 - 



grosse individuelle Verschiedenheiten. Auf der Textfigur 30, N und 0 
gebe ich eine Skizze des Stemuras zweier in ihrem ganzen Habitus 
sehr primitiver Salamandrinen , des Ranodo n sibiricus und der 
Salamandra naevia. 

Ehe ich die Schilderung des Schultergürtels der Urodelen ab- 
schliesse, muss ich noch zwei Punkte zur Sprache bringen. Der eine 
bezieht sich auf einen fast regelmässig vorhandenen Nervencanal, 
der nicht weit unterhalb der Pfannengegond das Coracoid durchbricht. 
Ich erachte denselben für homolog mit dem an derselben Steile liegen- 
den Nervencanal des Sturionen-Coracoids, und wahrscheinlich entspricht 
demselben auch der caudal- und zugleich basalwärts liegende Canal in 
der Coracoidplatte der Teleostier. Das Homologon des bei Sturio und 
den Telcostiern unter, bezw. hinter dem „Procoraeoid" (Clavicula) be- 
findlichen Canales (resp. der Incisur) erblicke ich in der auf Fig. 147 
bei | sichtbaren Oeffnung. Bei manchen Urodelen besteht an deren 
Stelle nur die Incisura coraco-clavicularis (Amphiuma), die sich, wie 
schon erwähnt, beiMenopoma, Sirenlacertina und den A n ur e n 
zu einem Fenster abschliessen kann. 

Der zweite Punkt betrifft Menobranchus und Proteus. Bei 
ersterem fand ich in der Höhe des Schultergürtels in vier Myocom- 
inata Vorknorpelungen wovon die vorletzte, in deren Bereich das 
kleine Sternum liegt, und die mit der nächstvorderen fast zusammen- 
fliesst, die stärkste, die vorderste aber die schwächste ist. Die Knorpel- 
zonen sah ich unter ftinf Exemplaren nur einmal (Fig. 146). Sie lagen 
ventral und erstreckten sich wenig oder gar nicht an der Seite des 
Rumpfes empor. Ich habe sonst bei keinem Urodelen etwas Derartiges 
angetroffen, auch bei Siren lacertina, Cryptobranehus und Menopoma 
nicht, obgleich Götte(44) von letzterem drei verknorpelte Myocommata 
ausdrücklich erwähnt Es ist mir deshalb der Gedanke aufgestiegen, 
ob es sich bei Götte nicht um einen laptms calami gehandelt haben 
könnte. Sicher wage ich dies allerdings nicht zu behaupten, da 
mir nur ein einziges, und dazuhin noch sehr junges Exemplar von 
Menopoma zur Verfügung stand, und die Möglichkeit nicht aus- 
geschlossen scheint, dass der Vcrknorpelungsprozess erst bei älteren 
Thieren Platz greift. 

Jedenfalls ist der Befund bei Menobranchus ein sehr be- 
merken8werther, da auch der Schädelbau sowie das Becken auf eine 
sehr primitive Stufe zurückweist, und es ist vielleicht die Frage er- 
laubt, ob sich das Episternum der carbonischen und permischen Stego- 



in der Mittellinie weit voneinander getrennt. Die von einem »tark vorspringenden 
Knorpelrand umgebene Humeruspfannc ist durchbohrt, resp. nur durch Binde- 
gewebe geschlossen. 

>) Bei Menobranchus sind abo potentiell 3-4 Sternalanlagen vorhanden. 



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- 198 - 



cephalcn nicht ursprünglich «auf einer, durch einen Zusammenfluss 
mehrerer derartigen hyalinknorpeligen Myocoramata oder Bauchrippen 
gebildeten Knorpelgrundlage entwickelt haben könnte. 

Wohlbekannt mit den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen, 
die zwischen Menobranchus und Proteus bestehen, war ich nicht 
wenig erstaunt, bei letzterem keine Spur jener verknorpelten Myoeom- 
mata aufzufinden. Uebersehen kann ich sie nicht haben, da ich die 
ganze vordere Hälfte des Rumpfes eines jüngeren und eines älteren 
Thieres auch auf Serienschnitten studirte. 

Proteus besitzt in der That keine Spur eines knorpeligen 
Sternums ; dagegen strahlt der hier viel starker als bei Salamandrinen 
entwickelte, innerste Bauchmuskel (Fig. 145, DI 1 ) von jeder Seite her 
ventralwärts in eine derbe, sehnige Platte aus (* f), welche in der 
Längsrichtung des Rumpfes eine grosse Ausdehnung hat. Mit ihr ver- 
schmilzt auch die bindegewebige Kapsel der Leber zu einer untrenn- 
baren, selbst bei mikroskopischer Analyse gänzlich einheitlichen Masse. 
Diese Schnenhaut liegt nun, worauf ich wohl kaum besonders hin- 
zuweisen habe, genau an derselben Stelle, wo bei Menobranchus 
und bei den übrigen Urodelen ein Verknorpelungsprozess Platz greift, 
welcher bei letzteren zur Sternalbildung führt Topographisch stimmen 
die Verhältnisse um so mehr überein, als auch bei Proteus der M. 
pcctoralis major (Fig. 145, M*) von jener sehnigen Haut (bei f) ent- 
springt, wobei er dieselbe durch seine Ursprungssehne (8h) noch 
wesentlich verstärkt 1 ). 

Weiter kopfwärts fliesst die Sehnenplatte mit dem Herzbeutel 
aufs Innigste zusammen, ja das Ilcrz erscheint geradezu in dieselbe 
eingesprengt. Da die Coracoidplatten bei Proteus in der ventralen 
Mittellinie bekanntlich nicht zusammenstossen und somit hier die 
engen, schützenden Lagebeziehungen zum Pericard nicht gewinnen, 
so bildet jene fibröse Membran gewissermassen eine Compensation. 

Es kann, wenn man dio Vorhältnisse der übrigen Amphibien so- 
wie der Selachier, Dipnoer und Sturionen in Betracht zieht, keinem 
Zweifel unterliegen, dass man bei Proteus mit Rückbildungen zu 
rechnen hat, und darauf weist ja, wie ich später noch weiter aus- 
führen werde, auch die freie Extremität zurück, von der wohl der 
erste Anstoss zu jener regressiven Metamorphose ausging. 



Da es sich bei den geschwänzten Amphibien um die ersten recenten 
Wirbelthiere handelt, bei welchen an die Stelle der Fischflossen Glied- 

') Eine weitere Verstärkung erhält die Sehnenplatte durch eine an der be- 
treffenden Stelle auftretende, starke Wucherung des Untcrhautbindegewcbes, 
welches ebenso mit der Ursprungssehne des grossen Hrustmuskcls zu einer Masse 
verschmilzt (vergl. hierüber Fig. 145 bei Cor und Sh). 



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— 199 — 



massen getreten sind, deren Organisationsplan allen übrigen höheren 
Vertebraten zu Grunde liegt, so habe ich bei meinen Untersuchungen 
hier auch auf die Entwicklung der freienExtremität mein ganz be- 
sonderes Augenmerk gerichtet. Dabei konnte ich bis in 's Einzelne die 
Befunde Strass er 's (93) und nach vielen Richtungen auch diejenigen 
Götte's (45) bestätigen; überhaupt ist die 
Differenz zwischen diesen beiden Autoren keine 
so grosse, wie es durch die s. Z. zwischen ihnen 
herrschende Polemik den Anschein gewann. Auf 
letztere zurückzukommen, liegt für mich kein 
Grund vor, und ich verweise deshalb auf S. 45—47 
und 50—51 der Strasser 'sehen Arbeit. Diese 
referire ich im Folgenden nach ihren wich- 
tigsten Resultaten und bemerke zugleich, dass 
ich denselben von meiner Seite an neuen Ergeb- 
nissen nur meine Befunde an Proteus - Em- 
bryonen beizufügen habe; im Uebrigen stimme 
ich mit Strasser, wie schon erwähnt, voll- 
kommen Uberein. 

Die Extremität ragt ursprünglich als flacher 
Höcker hervor, wird bald zapfenartig und 
spaltet sich an der Peripherie in zwei Höcker, 
welche den zwei inneren (tibialen resp. ra- 
dialen) Zehen resp. Fingern entsprechen. Ge- 
nauer präcisirt entsprechen jene eigentlich an- 
fangs dem unteren und sogar etwas nach aussen 
sehenden Rand der nach hinten und aussen vor- 
sprossenden Extremität. Später erst wird jener 
Rand durch Ausbildung der Ellenbeuge zum 
vorderen und inneren. Die übrigen Zehen und 
Finger entstehen erst secundär ulnar- und fibu- 
larwärts von den schon gebildeten. 

Proteus stellt eine Form dar, welche, wie 
ich schon vor einigen Jahren (112) festzustellen 
vermochte, in der Ausbildung ihrer Extremitäten 
auf jener niederen Stufe, wie sie die Salamandrinen 

ontogenetisch durchlaufen, sozusagen stehen geblieben ist. An der hin- 
teren Extremität kommt es nur zur Spaltung in die beiden tibialwärts 
liegenden, d. h. in den I und II Finger, an der vorderen dagegen tritt in 
späterer Erobryonalzeit noch ein dritter (III) Finger hinzu. I n k e i n ein 
Entwicklungsstadium sah ich eine Andeutung, welche 
dafür sprach, dass ursprünglich eine grössere Zahl von 
Fingern vorhanden war. Gleichwohl aber bin ich weit davon 
entfernt, Proteus als eine typische Urform zu betrachten; ich bin 




Textfigur .'U. Rechte 
Hinterextremität von P ro- 
te us ang. Dorflalseite. 
F Femur, T Tibia, welche 
mit zweiCarpaJ- Elementen 
articulirt, Fi Fibula, 1 Ti- 
biale und Carpale 1. I, II 
erster und «weiter Finger- 
strnhl, ? Cnrpal-Elenient, 
dessen Bedeutung dunkel 
ist Erste und zweite Car- 
palreihe ist verwachsen au 
denken. 



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— 200 



vielmehr auf CS rund einer Vcrgleiehung mit Menobranchus so- 
wie meiner Erfahrungen am Schultergürtel überzeugt, dass es sich 
um Verhältnisse handelt', bei welchen sich schon vor so langer Zeit 
eine regressive Richtung geltend machte, dass auch die Ontogenese 
davon in negativem Sinne beeinflusst wurde. — Ich komme später 
ausführlicher darauf zu sprochen und wende mich jetzt zu den Sala- 
raandrinen zurück. 

Wie ich selbst, so sahen auch Strasser und Götte in der 
proximalen Partie des Extremitätenzapfens als besonderes Centrum 
zunächst den Humerus, resp. den Femur sich differenziren. Distal- 
wärts davon findet sich anfangs nur eine un regelmässige, von Lücken 
unterbrochene Zellmassc, wie ich dies auf Fig. 132 und 134 abgebildet 
habe; bald aber ordnet sich dieselbe in zwei, durch Gefasslücken 
getrennte ©ewebssäulen, welche der Vorderarm- bezw. Unterschenkel- 
gegend entsprechen, und die sich an der Peripherie in den Rand einer 
Platte einfügen, welche die axiale Anlage des Carpus (Tarsus) und 
der Zehen darstellt. Jene Zellsäulen entsprechen dem radialen (ti- 
bialcn) und ulnaren (fibularen) Strahl, und ihrer charakteristischen 
Anordnung wegen hat Götte dio von ihnen gebildete Figur ganz 
passend mit einer Leier verglichen. Dieses Blastem, das sich frühe 
schon peripherwärts in die bereits erwähnten zwei Zinken (I und II 
Zehenstrahl) gabelt, stellt meinen Erfahrungen nach um diese Zeit eine 
gänzlich einheitliche Masse dar, wenn dasselbe auch noch nicht über- 
all auf der Stufe des Vorknorpels angelangt ist. Letztere Reserve muss 
ich Götte gegenüber machen 1 ). 

Die Mitte der Carpal-(Tar«al-)Platte durchbohrt, wie Strasser 
ganz richtig gesehen hat, ein starkes Gefäss, und ein solches wird be- 
kanntlich später allgemein bei den Urodelen zwischen Interroedium 
und Ulnare (Fibularc) getroffen (vergl. meine früheren, auf den Carpus 
und Tarsus der Urodelen bezüglichen Arbeiten). 

Von jener Carpal-(Tarsal-)Platte meldet Strasser weiterhin 
wörtlich Folgende«: „Ihr ulnarer (fibularer) Rand lockert sich auf; 
durch mehrere durchbohrende Geßtese sind die Anlagen der ulnaren 
Zehen nur undeutlich, an ihrer Basis, von einander gesondert. Distal- 
wärts erscheint das axiale Blastem der zwei ersten radialen (tibialen) 
Zehen stärker entwickelt und bildet zwei an der Basis durch Gefass- 
lücken begrenzte, distales Fortsätze der axialen Anlage. Die ersten 
Spuren der Vorderarm- oder Unterschenkelknorpel ent- 

'jStrasser Ifwst sich hierüber folgendermassen vernehmen: „Das axiale 
Blastem stellt also im Ganzen eine von Gefasslücken durchbohrte, dadurch netz- 
artige, wenig scharf umgrenzte Platte dar, welche basal aus einem Stiel, weiter 
distal aus einer Masche, endlich aus mehreren Maseheu besteht und aus deren 
distalem Rande einzelne Balken isolirt vorragen; — dies zu einer Zeit, wo der 
Unterschenkel nur Spuren von Knorpel zeigt." 



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- 201 - 



stehen nun in den beiden Gcwebssäulen nach vorhergegangener Auf- 
hellung des Gewebes vollständig unabhängig von dem 
Knorpel des Humerus oder des Feraur 1 ). Ungefähr gleich- 
zeitig damit, aber wieder ohne Zusammenhang mit dem Knorpel des 
Vorderarms oder Unterschenkels, entstehen in den basalen Thcilen der 
zwei stärker entwickelten distalen Zehenachsen und in der Zellmasse 
unmittelbar proximal davon die ersten knorpeligen Scheidewände. u 

Diese Beobachtungen sind vollkommen correet, und was die dis- 
crete Anlage der einzelnen Skelettheile im Knorpclstadium anbe- 
langt, so ist auch Götte bekanntlich für dieselbe energisch ein- 
getreten. Dabei betont er mit Recht, und auch Strasser ist zu ähn- 
lichen Ergebnissen gelangt, dass die Knorpelbildung nicht regelmässig 
in proximo-distaler Richtung fortschreite. Gleichwohl aber, fügt jener 
hinzu, dürfe man nicht für die erste knorpelige Anlage eines jeden 
Skelettheiles eine dauernde Selbständigkeit annehmen, denn auch die 
anfänglich isolirt entstehenden Knorpel confluiren früher oder später 
fast ausnahmslos mit ihren Nachbarn bald mehr, bald weniger deutlich. 
Am schönsten sieht man dies in der Carpal- und Tarsalgegend, wo 
sich säulenartige, in longitudinalcr und transverseller Richtung laufende 
Verbindungszonen einerseits über den Mittelfuss und ihre Zehen, 
andererseits gegen die Unterarm-(Unterschenkel-)Knorpel (letztere auch 
unter sich an ihrem distalen Endo verbindend) hin erstrecken ; ja so- 
gar auch am Knie und an der Hüfte tritt nachträglich ein continuirliches 
Verbindungsnetz von Knorpelgrundsubstanz auf. 

Man sieht, dass Strasser bezüglich dieses Punktes zu ganz den- 
selben Ergebnissen gelangt ist, wie ich sie vom Hüft- und Schulter- 
gelenk im Vorstehenden bereits aufs Genaueste geschildert habe. In 
beiden Fällen handelt es sich bekanntlich um oine theilweise spätere 
Einschmelzung des Knorpelgewebes, bezw. um eine Umwandlung des- 
selben in fibröses Gewebe, und ganz dasselbe gilt auch für weiter 
peripher liegende Synchondrosen. Es hat sich also, wie Strasser 
sich ausdrückt, gezeigt, dass die Bildung einer Gelenkspalto mitten 
im schönsten Knorpel bei Tritoncn und — wie ich hinzufügen 
kann — auch bei Salamandra und beim Axolotl etwas ganz 
Gewöhnliches ist*). 

Einen Versuch, diese eigentümlichen Verhältnisse zu erklären, 
macht Strasser nicht, und der Grund davon liegt wohl darin, dass 



') Der Radius hat statu einen Vorsprung vor der Ulna, während nach 
Strasser Tibia und Fibula gleichzeitig verknorpeln. Letzteres ist, wie ich be- 
merken will, nicht immer der Fall, indem auch hier (so wenigstens hei Triton 
helveticus) die Tibia zuweilen etwas voraus ist. 

*) Bei der Regeneration verlauft, wie Götte gezeigt hat, die Skelet- 
bildung im Wesentlichen wie bei der primären Entwicklung, weshalb sie als eine 
Wiederholung der letzteren bezeichnet werden kann. 



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- 202 



es ihm an reicheren, auch Uber die Fische sich erstreckenden, ent- 
wicklungsgcschichtlichcn Erfahrungen gobrach. Da mir selbst nun 
letztere in ausgedehntestem Masse zur Verfügung stehen, so möchte 
ich jene Lücke ergänzen. 

Bei allen Fischembryonen konnte ich nachweisen, dass das Blastem 
der freien Gliedmasse mitsaromt dem zugehörigen Gürtel in einem 
gewissen Entwicklungsstadium eine einheitliche, mesodermale Masse 
darstellt. In dieser differenzirt sich bei Selachiern an der vorderen 
und hinteren Extremität, bei den Sturionen aber nur noch an der 
letzteren eine Reihe von getrennten Knorpelstäbchen, welche, später 
mit ihren proximalen Enden mehr oder weniger vollständig zusammen- 
fliessend, den Extrem itätengürtel, bezw. die mit demselben verbundenen 
Basalia der freien Extremität formiren. 

Bereits an der Brustflosse der Sturionen begegneten wir einer 
bemerkenswerthen Moditication jenes primitiven Verhaltens. Es handelt 
sich dort insofern um eine Abkürzung der Entwicklung, als der 
Schulterbogen zusammt dem Basale der Flosse direet aus einem Guss, 
d. h. als ein knorpeliges Continuum sich anlegt, ohne dass der ur- 
sprünglich polymere Charakter dieser beiden ontogenetisch noch nach- 
weisbar wäre. Dieses Verhalten repetirt sich nun insofern bei den 
Urodelen, als auch bei ihnen das Basalstück der vorderen und hinteren 
Gliedmasse, d. h. der Huracrus und Femur, sich gleich als gänz- 
lich einheitliche Masse anlegt, welche aber sofort die Tendenz zur 
Verwachsung mit ihrem genetisch zugehörigen Gürtelstück erkennen 
lässt. Aehnliche Prozesse spielen sich auch an der Peripherie ab; 
kurz, wir vermögen auch noch bei Amphibien Wachsthumsrichtungen 
zu constatiren, wie sie bereits bei Fischen (Aufnahme und 
Wiederausschaltung von Radion) angebahnt sind. Wie weit es 
aber bei letzteren bezüglich jener Concrescenzen kommen kann, dafür 
dienen die Teleostier als prägnantestes Beispiel. 

Da ich später auf alle diese Punkte noch einmal zurückzukommen 
Gelegenheit haben werde, so will ich jetzt nicht weiter darauf eingehen, 
sondern mich zur Betrachtung der vorderen Extremität der Anurcn 
wenden. 

2) Anturen. 

Die vorderen Gliedmassen der Anurcn — und dies gilt nament- 
lich hinsichtlich der Entwicklungsgeschichte des Schultorgürtels — 
haben von den verschiedensten Autoren eine viel eingehendere Berück- 
sichtigung erfahren, als diejenigen der Urodelen. 

Schon Dugcs (23) lieferte, soweit es bei den damaligen tech- 
nischen Hilfsmitteln möglich war, eine im Ganzen richtige Schilderung 
der knöpf- oder knospenförmigen, ursprünglich im Kiemensack liegen- 



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— 203 - 



den Anlagen und verfolgte dabei auch die daran sich schliessonden 
weiteren Formveränderungen. 

Unter einem ungleich weiteren Gesichtspunkt bearbeitete 30 Jahre 
später Gegenbaur (33) dieses Capitel und zwar wesentlich vom 
Standpunkte der vergleichenden Anatomie ; doch stellte er auch ent- 
wicklungsgeschichtlichc Untersuchungen an. Da die von ihm erzielten 
Resultate für die Auflassung des Schultergürtels aller terrestrischen 
Vertebraten auf eine lange Reihe von Jahren hinaus von sehr be- 
deutendem Einfluss waren, so will ich etwas genauer darauf eingehen. 

Was die Pars scapularis und coraeoidea anbelangt, so nimmt 
Gegenbaur keinen von den übrigen Autoren abweichenden Stand- 
punkt ein ; wohl aber thut er dies insofern für die kopfwärts gelegene 
Spange des Anuren-Schultergürtels, als er die Pars cartilaginea und 
ossea derselben scharf von einander trennt. Erstere nennt er Pro- 
coraeoid, letztere Clavicula; denn, sagt er, „der Knochen wirkt 
nicht verändernd auf den Knorpel ein, und wenn dieser auch verkalkt, 
so ist er ersterem (d. h. dem Knochen) dadurch noch nicht enger ver- 
bunden, als er vorher es war". Aus diesem Grunde homologisirt G ege n - 
baur diesen Knochen allein mit der Clavicula der Kidechsen, 
und statuirt ihn, wie ich früher des Näheren erörtert habe, auch 
schon für die Ganoiden und Teleostier. Dass letztere Ansicht eine 
irrthümliche ist, brauche ich jetzt nicht noch einmal zu betonen ; da- 
gegen wird es sich darum handeln, diese Frage bei den höheren 
Wirbelthieren einer genauen Prüfung zu unterwerfen. Um jedoch zu- 
nächst bei den Anuren zu bleiben, so sieht Gegenbaur in dem Ver- 
halten ihrer „Clavicula", den Sauriern gegenüber, nur den Unter- 
schied, dass sich bei den ersteren der Knochen „von dem knorpelig 
angelegten Schultergürtel noch nicht frei gemacht habe, vielmehr 
diesen auch da, wo er ganz unabhängig entsteht, halbrinnenartig um- 
wächst Darin liegt die Eigentümlichkeit der Schlüsselbeinbildungen 
der ungeschwänzten Amphibien, wodurch zugleich die Bedeutung dieses 
Knochens am ausgebildeten Skelete verhüllt wird". 

Den Grund, warum sich Gegenbaur zur Anerkennung der 
Pars cartilaginea des betreffenden Spangenstückes als Clavicula ab- 
lehnend verhält, und warum er es ausdrücklich als Procoracoid 
einer solchen gegenüberstellt, fasst er in die Worte zusammen : „es ist 
nicht bekannt, dass die Clavicula mit dem Coracoid eine gemeinsame 
knorpelige Grundlage besässe, es ist das sogar allen Uber das Verhait- 
niss der Clavicula zum Schultergürtel bekannten Thatsachen zuwider- 
laufend." 

Wie weittragend die aus der Gegen baur 'sehen Lehre sich er- 
gebenden Schlüsse für die Auffassung des Schultergürtels der höheren 
Vertebraten, wie der Crocodile, Vögel und Säugcthierc sind, welchen 
darnach ein „Procoracoid" abgesprochen werden rauss, liegt auf der 



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— 204 - 



Hand, und Gegenbaur hat sich auch nicht gescheut, dieselben zu 
ziehen und sie auf Grund eines sehr grossen Materials auf das 
Energischste zu verfechten. 

Der erste Gegner, welcher dieser Auffassung erwuchs, war Götte 
(43), welcher, nachdem er zuvor den ersten Entwicklungsvorgängen der 
Bombinator-Gliedmassen eine kurze Besprechung 1 ) gewidmet hatte, 
die ganze vordere Schultcrspango zusammt ihrem Knochenbelag für 
eine Clavicula erklärte. In einer späteren, sehr umfassenden und 
gründlichen Arbeit hat Götte (44) dies weiter ausgeführt und des 
Näheren erörtert. »Seine Ergebnisse waren für mich so überzeugende, 
dass ich, ohne dass mir damals eigene, auf dieses Gebiet sich erstreckende 
Erfahrungen zu Gebote standen, schon in der I. Auflage meines Lehr- 
buches (106) dafür eintrat. Nachdem ich mich nun in den letzten 
vier Jahren «clbst vielfach mit der Entwicklungsgeschichte der 
Batrachier beschäftigt habe, kann ich dies um so mehr thun und 
steho nicht an, den dadurch erreichten Fortschritt als einen der 
grössten zu bezeichnen, der auf diesem Gebiet der Skeletlehre gemacht 
worden ist. 

Die betreffende claviculare Knorpelstange ist also von dem Knochen 
nicht zu trennen. Letzterer entsteht im Porichondriura, stellt also eine 
periostale Knochenauflagerung dar, welche den unterliegenden Knorpel 
rinnen- und bei einigen Arten auch vollständig, d. h. röhrenförmig, 
umwachst, wobei jener zeitlebens in Verbindung mit seinem Mutter- 
boden, der eigentlichen Scapularspange, bleibt"). 

Was nun jene unpaaren , im medialen Bezirk des Anuren- 
Sehultcrgürtels liegenden Skeletstucke betrifft, die man als Stern um 



') Götte spricht von hügelartigcn Vorragungen, welche unmittelbar unter 
der Oberhaut liegen, und in welche »ehr frühe Blutgefässe von der Aorta ein- 
wachsen, als von Vorläufern der Extremitäten. Die hinteren und die vorderen rollen 
als „compacte Wucherungen der äusseren Segmentschicht im Allgemeinen gleich- 
artig" «ein und etwa zu derselben Zeit entstehen. Die vorderen liegen „ziemlich 
hoch am Eingange in die hinter den Kiemen befindliche Tasche und zur Seite 
der an der Innenfläche der Jtauchwand gelegenen Urniere (Taf. XVI, Fig. 299, 
Taf. XVIL Fig. 319). Später erfolgt eine dorsale und ventrale Ausbreitung der 
Zellmassen". 

Auf S. 469, 616 und 617 kommt Götte auf den morphologischen Werth der 
Vertebratengliedmassen im Allgemeinen zu sprechen; ich möchte aber schon des- 
halb nicht annehmen, dass er die dort geäusserten Ansichten heute, nach 16 
Jahren, noch aufrecht hält und den „typischen Werth" der Extremitäten für einen 
„beschränkten" erklärt, weil er dieselben für würdig befunden hat, ihnen später 
eine Reihe vortrefflicher Untersuchungen zu widmen, die unsere Kenntnisse sehr 
bedeutend gefördert und erweitert haben. 

*) Wie Götte meldet, gibt es auch Anurcn, welchen eine Clavicula spurlos 
fehlt. Es wäre von hohem Interesse, die Entwicklungsgeschichte derselben 
(Ilylaedactylus baleatus, Uperodon raarmoratu m, Diplopelma 
ornatum) zu studiren. 



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205 - 



(Hypo- oder Xiphisternum) und Episternum (Omoster- 
Dum) zu bezeichnen pflegt, so haben sie von jeher das Interesse der 
Morphologen in hohem Masse erregt und dabei eine sehr verschiedene 
Beurtheilung erfahren. 

In früherer Zeit erblickte man in dem mittleren Verbindungs- 
knorpel beider Schultergürtelhälften der Raniden das „Mittelstück des 
Brustbeines". Qegenbaur wies, indem er den coracoidalen und pro- 
coracoidalen Ursprung desselben betonte, die Unhaltbarkeit dieser Auf- 
fassung zurück, indem er hervorhob, dass Sternalbildungen nur köpf- 
und caudalwärts davon gesucht werden können. Das „Xiphisternum" 
ist für Gegenbaur ein echtes Sternum im Sinne der Sauropsiden, 
und auch in seinen Grundzügen (II. Aufl.) und seinem Grundriss der 
vergl. Anatomie hält er daran fest, indem er sagt: „Der rudimentäre 
Zustand der Rippen bei den Amphibien lässt das Sternum nur mit 

dem Schultergtirtel in Verbindung stehen Dieses Lage- 

rungsverhältniss des Sternum hat dessen wahre Bedeutung lange ver- 
kennen lassen, indem man es als Hyposternum auffasste und da« 

eigentliche Sternum in dem medianen Knorpel der Coracoide sah 

Das Vorkommen eines Brustbeins bei den Amphibien und der 
Mangel von Beziehungen zu Rippen geben für die rückgebildete Natur 
der letzteren einen Beweis ab." 

Bezüglich des „Episternum" äussert Gegenbaur (33) keine 
bestimmte Ansicht und beschränkt sich darauf, auf die Verschieden- 
heit dieses Skeletstückes bei Reptilien und Amphibien nach Lage und 
Entwicklung (Dermalknochen resp. knorpelige Präformation) aufmerk- 
sam zu machen. Auch aus späteren Mittheilungen Gegenbaur's 
(36, 41) geht hervor, dass er über die morphologische Bedeutung des 
„Episternum" der Amphibien unschlüssig ist, denn er sagt sehr vor- 
sichtig: „Unter den Amphibien besitzen ein (solches, d. h. knorpelig 
präformirtes) Episternum viele Anuren als ein durch die median 
vereinigten CoracoidstUcke vom Sternum getrenntes und vor dem 
Schultergürtel gelagertes Knochenstück. Wie durch die Trennung 
vom Sternum bedeutende Veränderungen eines ursprünglichen Zu- 
standes eingetreten sein müssen, so ergeben sich solche auch durch 
die veränderten Beziehungen zu den Schlüsselbeinen, welche häufig 
nur an sehr beschränkter Stelle das Episternum berühren oder sogar 
alle Beziehungen zu ihm verloren haben." 

In seiner Entwicklungsgeschichte der Unke berichtet Gbtte Uber 
die ventralwärts allmählich sich über einander wegschiebenden Cora- 
coide und Bchliesst daran eine kurze Notiz Uber die ursprünglich 
paarige Anlage des „Stemums" , welches erat später in eine unpaare 
Platte umgewandelt wird. Diese verschmilzt dann mit der Spitze des 
„Bauchrippenbogens", und dadurch gewinnt das Skelctstück seine nach 
hinten und seitlich divergirenden Fortsätze. Im Gegensatz dazu soll 



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- 206 - 



das Ranidensternum nur dem Mittclstück desjenigen der Unke ent- 
sprechen (d. h. nach Abzug des von der Bauchrippe gelieferten Ab- 
schnittes). 

In der schon oben erwähnten, späteren Arbeit (44) Götte's 
nimmt dieser diese Frage wieder auf und kommt dabei zu folgen- 
dem Resultat: Ein costales Sternum besitzen die Amphibien nicht 
Seine Stelle wird durch Skeletbildungen verschiedenen Ursprungs ein- 
genommen: 1. Knorpelbildungen der Linea alba und der angrenzenden 
Sehnenstreifen des geraden Bauchmuskels, welche genau so wie die 
Cartilago ypsiloides 1 ) als Horaologa von Bauchrippen aufzufassen sind. 
2. Unpaar entstehende Verknorpelung in der Verbindungsmembran 
der Epicoracoide längs ihres Ansatzes an das bauchrippenähnliche 
Stück, woraus die Falze für die Epieoracoidränder hervorgehen. 

Aus diesen beiden Elementen zusammen baut sich das „Sternum" 
von Bombinator und den Urodelen auf, während das R a n i d e n - „Sternum " 
nach Götte einzig und allein demjenigen Abschnitt des Unken- 
„Sternums" entspricht, welcher in der Verbindungsmembran der Co- 
raeoidränder entsteht. Es gehört also, wie Götte meint, ganz zum 
Schultergürtel. 

Das „Episternum" der Anuren entsteht nach Götte aus Fort- 
setzungen der medialen Schlüsselbeinränder. Diese stossen in der 
Mittellinie zusammen und wachsen nach vorn und (bei gewissen 
Formen) auch nach hinten aus. Das nach vorn gerichtete Stück 
(„Episternum") soll sich später abschnüren, während die caudal 
wachsende Partie bei den Raniden eine „kielfbrmige Verbindung" der 
medialen Epicoracoidründer darstellt. Bei Rana verkalkt dieser Kiel im 
Zusammenhang mit den zusammenstossenden Epicoracoidsäumen , und 
zwischen letzteren kommt es zu einer Gelenkverbindung mit richtiger 
Gelenkhöhlo. Eine eigentliche Verschmelzung der Epicoracoide kommt 
nach Götte nirgends vor. — Bufo, Pipa, Bombinator besitzen 
so wenig einen Episternalapparat als die Urodelen. 

So weit Götte. Auf eine Vergleichung seiner Resultate mit 
meinen eigenen werde ich erst später eingehen und dann auch die 
Differenzpunkte zur Sprache bringen. 

Eine ganz vortreffliche und genaue Schilderung der Entwicklung 
der vorderen Extremität der Anuren gab in jüngster Zeit Jordan 
(62). Ich kann seine Resultate in allem Wesentlichen bestätigen und 
stelle dieselben kurz zusammen. 

Die ersten Anlagen fallen mit der Bildung der Kiemenhöhlc 
zusammen. Die vorderen Extremitäten entstehen gleichzeitig mit den 
hinteren. Bezüglich des Zeitpunktes, in dem sie auftreten, lässt sich 
nichts Sicheres bestimmen, denn es schwankt dies ausserordentlich 

') Letztere Auffassung theilte auch ich früher, bin aber, wie ich im Vor- 
stehenden gezeigt habe, gründlich davon zurückgekommen. 



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— 207 - 



nach Lebensalter, Temperatur, Nahrungsverhältnissen etc. Die Grösse 
der Larve ist dabei nicht zu verwerthen. 

Die Anlagen erfolgen hinter dem letzten Kiemenbogen lateralwärts 
von den Wo lff sehen Körpern 1 ) und zwar in Form einer leichten 
Vorwölbung der Leibeswand, die später zu einer immer mehr sich 
verlängernden Papille auswächst. Im Innern bildet sich eine Zellen - 
anhäufung, und schon ehe jener Zellcomplex sich differenzirt, wachsen 
Nerven und GeftUse an. Dann krümmt sich die Anlage „schräg nach 
unten", so dass an ihrer ventralen Seite, nahe der Basis, eine scharfe 
Knickung entsteht. Erst jetzt beginnt sich ihr Gewebe energischer 
zu differenziren, und an der Peripherie treten drei Höcker auf, wovon 
der längste der Anlage des dritten Pingers entspricht. Während der 
ganzen ersten Entwicklungszeit übt die Kiemenhöhle einen charak- 
teristischen (mechanischen) Einfluss auf die Stellung der Vorder- 
beine aus. 

Was das Knorpelskelet betrifft, so entsteht zuerst die Scapula; 
sie verliert sich dorsal wärt« in einem lockeren Gewebsstrang, der sich 
der Wirbelsäule nähert Also eilt die dorsale Hälfte des Schulter- 
gürtels der ventralen in der Entwicklung voraus, und „wir können 
uns — meint Jordan — darüber nicht wundern, da ja in der 
ganzen Wirbclthierreihe die Scapula am constantesten von allen Theilen 
des Schultergürtels auftritt, indem sie die nach dem Rücken zu 
drückende Vorderextremität stützt und zur Insertion der für die Be- 
wegung wichtigsten Muskeln dient, also der wesentlichsten Voraus- 
setzung für den Gebrauch der Vordergliedmasse entspricht, während 
Olavicula und Coracoid in hervorragender Weise nur da zu finden 
sind, wo sie durch eine besondere Lebensweise des betreffenden 
Tbieres noth wendig werden". 

Als zweiter Theil des Schultergürtels erscheint das Coracoid; 
„es verbindet sich früh mit der Scapula zu einem einheitlichen 
Knorpelstreifen, der nur dadurch eine zweitheilige Entstehung ver- 
räth, dass die Enden weiter in der Verknorpelung vorgeschritten sind, 
als die Mitte, das spätere Schultergelenk. Selbständig von diesen 
beiden Stücken entwickelt sich die knorpelige Clavicula und vereinigt 
sich bald mit Scapula und Coracoid" 2 ). 

Ventralwärts bleiben beide Schultergürtelhälften noch längere 
Zeit getrennt, d. h. es existirt nur ein verbindender Zug aus Biude- 
gewebe. Später verwachsen die medialen Enden der Clavicula und 

•) Soll wohl Vorniere heissen, W. 

*) So soll die bekannte, ventralwärts gegabelte Form des Schultergürtels 
entstehen; ich begreife aber nicht, warum Jordan hinzufügt: „Die Ähnlichkeit 
diese» Schultergürtels mit dem der Tcleostier fallt sofort in die Augen." Jeder 
andere Vergleich wäre mir passender erschienen. Sollte es nicht am Ende Urodelen 
statt Teleostier heissen? 



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- 208 - 



des Coracoid8 mit einander und „verlieren sich in einer weichen Zell- 
massc". „Epi- und Hyposternum entwickeln sich erst, wenn das 
Thier schon seine definitive Lebensweise als carnivorer Landbewohner 
führt." Auf eine genaue Schilderung der hierbei sich abspielenden 
Vorgänge geht Jordan nicht ein, ebenso wenig wie auf eine mor- 
phologische Deutung dieser Skelettheile 1 ). 

Der Deckknochen auf der Clavicula entsteht erst, nachdem Cora- 
coid und Clavicula an beiden Enden mit einander verschmolzen 
sind, und der dabei auftretende Verknöcherungsprozess beginnt 
am Schultergelenk, um von hier aus nach der Körpermitte fort 
zuschreiten. 

In der freien Extremität entsteht zuerst der Humerus, und zu- 
gleich theilt sich der einstrahlende Nerv (II. Spinalnerv) unter der 
Humerusanlage in zwei Aeste, welche sich bis in das vordere Drittel 
des Qliedmassenzapfens verfolgen lassen. 

In einem etwas späteren Stadium macht sich die Anlage des 
Radius und der Ulna beraerklich, und gleichzeitig tritt auch der 
Schultergürtel in die Erscheinung, wovon zuerst, wie schon erwähnt, 
die Scapula deutlich wird. Unterdessen sind auch distalwärts in 
der Extremität vier scharf von einander gesonderte Blastemstreifen 
aufgetreten, welche periphere Einkerbungen verursachen und so die 
vier Finger andeuten. Letztere legen sich im Gegensatz zu denjenigen 
der Urodelen „ziemlich gleichzeitig" an; doch finden sich, was den 
Verknorpelungsprozess anbelangt, zeitliche Unterschiede. 

Die Anlage der einzelnen SkeletstUcke erfolgt also in folgender 
Ordnung: Humerus, Scapula, Radius-Ulna, einzelne Car- 
palia,Coracoid, Clavicula, die übrigen Theile der Hand 2 ). 
Alle diese Theile, also auch die Carpalia, entwickeln sich bei den 
anuren Batrachiern „aus gesonderten Knorpelcentren im axialen 
Blastem". Im Allgemeinen geht die Ulnarseite der Radialseite (im 
Gegensatz zu den Urodelen) in der Entwicklung voran. 

Auf dieses Referat der Jordan 'sehen Arbeit lasse ich jetzt die Er- 
gebnisse meiner eigenen Untersuchungen folgen, und ich werde nament- 
lich bei den in der ventralen Mittellinie liegenden Skeletstücken etwas 
länger verweilen müssen, erstens weil ich hier mit Götte (44) nicht 
ganz einverstanden bin, und zweitens, weil in dem Jordan 'sehen Auf- 
satz, wie schon erwähnt, gerade an jener Stelle eine Lücke gelassen ist. 

So wenig wie bei der hinteren Extremität ist auch bei der An- 
lage der vorderen irgend ein Verlass auf die jeweilige Grösse der 



<) Bezüglich der histologischen Fragen schliesst sich Jordan im Allgemeinen 
an Strasser (93) an. Vergl. S. 28. 

«) Wh« die Anlage der einzelnen Carpalia, Metaearpalia und Phalangen be- 
trifft, so verweise ich auf die Originalarbeit, 8. 43. 



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- 209 - 

betreffenden Larve. Die Schwankungen sind ganz ausserordentliche, 
wie leicht ersichtlich aus einer Vergleichung der Fig. 151, 156 und 
157, welche sich auf eine 8 mm grosse Larve von Rana escu- 
lenta, resp. temporaria, mit den Fig. 147 -150 bezw. 155 und 158, 
wovon sich die ersteron auf eine Larve von 47 mm, letztere auf eine 
solche von 50 und 25 mm der Geburtshelferkröte beziehen. Der 
Grund dieser Differenzen liegt offenbar in verschiedenen Ernährungs- 
bedingungen, Wetterverhältnissen, Temperatur des Wassers etc. 

In Fig. 151 , welche sich auf eine 8 mm lange Froschlarve be- 
zieht, bei der ausser den dorsalen Myotomcn noch kein weiteres 
Muskelgewebe entwickelt ist, sieht man die mesoblastischc Zell- 
anhäufung ventral und lateral von der mächtig entwickelten Vomiere 
die seitliche Körperwand linkerseits etwas vorbauchen. Von oben her 
entwickelt sich bei KD eine Hautfalte, die laterale Wand des Kiemen- 
sackes. Rechterseits ist die Verwachsung mit der Rumpfwand bereits 
geschehen, wodurch die Extremitätenanlage in den hintersten Raum des 
Cavum branchiale (KH) zu liegen kommt. Sie ist auch schon bei 
7 mm langen Froschlarven zu erkennen und liegt hier noch etwas 
weiter nach vorne, nämlich ventral vom Vagus- Ganglion, bezw. der 
Ohrkapsel, also noch ganz im Bereich des Kopfes. (Vergl. 
hierüber auch Fig. 152, wo der Schnitt durch den Nervus vagus selbst 
gegangen ist.) Hierin liegt ein bemerkenswerthes Verhalten den Uro- 
delen gegenüber, da bei diesen die Vordcrextremität, wie schon erwähnt, 
eine ziemliche Strecke weiter hinten entsteht. Offenbar liegen also 
bei Anuren auch hier, wie in andern Punkten, wieder primitivere 
Verhältnisse vor, und ich wundere mich, dass von keinem der früheren 
Autoren darauf hingewiesen worden ist. Wie bei Fischen und Uro- 
delen existiren aber auch hier wieder die charakteristischen Lage- 
beziehungen zur Vomiere, die sich in einem etwas weiter vorgerückten 
Stadium, wo bereits eine deutliche Knospe (Fig. 150, 152, VE) in 
die Kiemenhöhle vorragt, zu noch innigeren gestalten. 

Auf diese Verhältnisse ist meiner Ansicht nach bisher viel zu 
wenig geachtet worden, und doch verdienen sie das allcrgrösste In- 
teresse, weil sich daraus, wie ich glaube, sehr wichtige Schlüsse ziehen 
lassen. 

Nach den schönen Untersuchungen Boveri's (15) besteht die 
Niere des Amphioxus aus scgmentalen, zu den Kieraengcfässen in 
wichtigen Beziehungen stehenden Kanälchen, welche in den Peribran- 
chial-Raum ausmünden. Dieselben liegen in jenem unsegmentirten 
Leibesabschnitt, welcher sich dorsalwärts von den Kiemenspalten, 
zwischen der Darmwand , der Rumpfrauskulatur und der dorsalen 
Wand des Peribranchial - Raumes hinzieht Von den dem ganzen 
Kiemendarm entlang sich erstreckenden zahlreichen Segmentalröhrchen 

Wieder. heim. UliedxnMeenskelet der Wirbelthiere. Text. 14 



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- 210 — 



vererben sich nun auf die Uber dem Amphioxus stehenden Vertebraten 
offenbar nur die am weitesten gegen den Kopf zu gelegenen, und hier 
blieb sicherlich auch der ursprüngliche Connex mit der äusseren Ober- 
fläche, bezw. mit dem Peribranchial-Raum des Thieres, was ja dasselbe 
bedeutet, am längsten gewahrt. Nun liegt, wie ich meine, der Ge- 
danke sehr nahe, dass in der ersten Anlage eines Schultergürtels, wenn 
auch nicht das einzige, so doch ein sehr wesentliches Causalmoment 
für die Unterbrechung jener Verbindung zu suchen ist, und ich möchte 
hierbei noch einmal auf Fig. 85, 88, 89, 93, 137, 138, 148—152, 155 
und 158 hinweisen. — Man könnte mir entgegenhalten, dass sich 
diese Behauptung durch die Entwicklungsgeschichte der extremitäten- 
losen Cyclostoinen bestätigen lassen müsste, worauf ich aber erwidere, 
dass hier, wie die Untersuchungen G ö 1 1 e 's (46) gezeigt haben, sicher- 
lich die ursprünglichen Verhältnisse bereits zum grossen Theil ver. 
wischt sind, und das bestärkt mich nur in meiner, auch von A. Dohm 
getheilten Ansicht, dass es sich bei jener Fischgruppe um rückge- 
bildete Formen handelt, welche der Gliedraassen längst verlustig ge- 
gangen sind. Wie sich die Myxinoiden bezüglich der Entwicklung 
ihres Harnsystems verhalten, ist bis jetzt noch nicht bekannt. 

Nach dieser Abschweifung wende ich mich wieder zu den Anuren, 
welche wir in einem Stadium verlassen haben, wo sich die Extremi- 
tätenanlage knospenartig in die Kiemenhöhle vorzuwölben beginnt 
Schon um diese Zeit sieht man den gewaltigen II. Spinalnerv in das 
noch ganz indifferente Blastem einstrahlen. Ich verweise dabei auf die 
Fig. 148—150, welche drei Querschnitte darstellen, wovon der erstere 
am meisten caudalwärts, der letztere am weitesten kopfwärts liegt 
In jenem sieht man bereits eine spärliche, in der Rumpfwand und zwar 
dicht am Cölom-Epithel liegende Zellansammlung (VE), welche durch 
den schon genannten Nerven von den hintersten Schläuchen der 
Vorniere (VN) z. Th. getrennt wird. Bei Z, L sind die Lungen, bei 
VNO die Vornierengänge getroffen, die Myotome (M) sind bereits viel 
besser entwickelt als bei der 8 mm langen Froschlarve (Fig. 151); in 
der Rumpfwand ist aber noch keine Spur von Muskelsubstanz nach- 
zuweisen, und dies lässt die starke Entwicklung jenes Nerven um so 
auffallender erscheinen. Offenbar ist derselbe für die nun im Innern 
des Gliedmassenblastems beginnende Differenzirung von irgend welchem 
Einflu8s. Die Verknorpelung der Wirbelbogen (WB) ist bereits in 
vollem Gang. In einem weiter kopfwärts liegenden Schnitt (Fig. 149) 
ist ein reichlicheres und dichteres Blastem vorhanden, und in seinem 
ventralen Bezirk erscheint die hinterste Wand der Kiemenhöhle, 
welche caudalwärts einen ßlindsack bildet, angeschnitten (KH 1 ). Erst 
im nächsten Schnitt ist das Lumen derselben (bei KH) getroffen, 
und zugleich sieht man ihre mediale Wand etwas vorgetrieben. In 
diesen beiden Schnitten ragt die Vorniere, von der man in Fig. 149 



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211 - 



einen Schlauch (VN 1 ) medianwärts zum Vornierengang abschwenken 
sieht, weit in das Cölom hinein. Zwischen ihr und dem Kiemensack ist 
die Extremitiltenanlage so weit differenzirt, dass man das proximale 
Stuck des späteren Humerus, sowie den, durch jenen Nerven in ein 
dorsales und ein ventrales Stück zerspaltenen Schultergürtel bereits 
vorgebildet sieht. 

Aehnlichen, aber etwas fortgeschritteneren Verhältnissen begegnet 
man auf Fig. 152 — 154. Iiier (Fig. 152) erscheint im Centrum der 
bereits stark ausgewachsenen Knospe eine helle Zone, in welcher lang 
sich ausstreckende zellige Elemente sowie Nervenfasern und Gefässe 
liegen. Weiter nach vorne zu treten wieder, wie dies in der Fig. 158 
bei starker Vergrößerung dargestellt ist, dunklere Massen in der 
Umgebung der zwei, im Querschnitt getroffenen Nerven (N) auf. Es 
handelt sich dabei -sowohl um die Vorstufen des Muskel- als des Knorpel- 
gewebes. Rings um den Kiemensack sind gewaltige Pigmentmassen 
entwickelt, und man sieht die allmählich zweischichtig werdende 
Schleimhaut desselben bei * und *» auf den Gliedmassenwulst sich 
umschlagen, so dass man gewissennassen ein parietales und viscerales 
Blatt unterscheiden kann 1 ). Erst in diesem Stadium sieht man auch 
in der Rumpfwand (Fig. 152) Muskeln erscheinen; ich vermag aber 
über ihren Ursprung keine Auskunft zu geben. 

Wenn man mit den Schnitten noch weiter nach vorne geht, so 
erkennt man, dass die Extremitätenknospe jetzt nicht mehr mit ihrer 
ganzen Breite der medialen Wand des Kiemensackes ansitzt, sondern 
sich auf den Boden desselben herabgezogen hat (Fig. 154, A) und 
mit jenem schliesslich nur noch durch eine Art von Mesenterium ver- 
bunden liegt. Endlich ist auch dieses geschwunden (Fig. 154, B — D), 
und die Extremität ragt nun als ein zapfenartiges, an seiner ventralen 
Seite (bei **) schwach eingeknicktes Organ nach vorne, in der Richtung 
^egen die Schnauze des Thieres. AU dies hat Jordan (62) ganz 
richtig geschildert und dabei auch den mechanischen EinfluBS der 
Kiemenhöhle auf die Wachsthumsrichtung der Extremität betont, wie 
ich dies schon im Jahr 1889 (109), bevor mir die Jordan 'sehe 
Arbeit bekannt war, gethan habe. 

Bei der weiteren Entwicklung springt nun der in das Vorknorpel- 
stadium tretende Humerus mit der damit eine Masse ausmachenden 
Gürtelzone immer deutlicher hervor, letztere zunächst in ihrem dor- 
salen Abschnitt; auch ist die oben schon erwähnte Ellbogenknickung 
jetzt mehr ausgesprochen. — Endlich erscheint im proximalen Ab- 
schnitt des Humerus das erste Knorpelgewebe. Dasselbe hängt mit 
dem Schultergürtel, an welchem gleich darauf ebenfalls der Ver- 



•) Selbstverständlich handelt es sich dabei, auf Grund der Art und Weis«, 
wie sich der Kiemensack entwickelt, ursprünglich um ein Stück der äusseren Haut. 



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- 212 - 



knorpelungsprozess beginnt, aufs Engste zusammen; allein es kommt, 
genau so wie bei Urotlelen, erst secundär zu einem eigentlichen, wenn 
auch nicht so deutlich wie bei diesen ausgesprochenen Zusammenfluß 
beider Knorpelgebiete. Anfanglich sind nämlich alle drei Zonen, 
d. h. die humerale, scapulare und coracoidale, in der Pfannengegend 
durch Vorknorpelgewebe noch voneinander getrennt. Der Zusammen- 
fluss zwischen der coracoidalen und scapularen Knorpelzone erfolgt 
also ebenfalls erst nachträglich; nachdem dies geschehen ist, so 
wuchert die Scapula rasch dorsal wärts empor und erreicht (Fig. 158 
bei 8) die Höhe der Wirbelsäule schon zu einer Zeit, wo die ven- 
tralen Gürtelpartieen noch lange nicht in der Mittellinie zusammen- 
schliessen (Parallele mit den Urodelen). Schnitte, welche weiter kopf- 
wärts durchgelegt sind, als derjenige, welcher auf Fig. 155 dargestellt 
ist, zeigen auch bereits das Vorderarmskelet und einzelne Theile des 
Handskeletes knorpelig angelegt. Zur weiteren Belehrung mögen die 
beiden Flächensehn itte (Fig. 156 und 157) dienen. Ersterer liegt 
mehr dorsal, letzterer, welcher schief durchgegangen ist, namentlich 
rechterseita , tiefer ventral. In Fig. 156 sieht man auf der rechten 
Seite die Humeruspfanne durchbrochen *), weiter dorsal- und ventral- 
wärts erscheint dieselbe knorpelig geschlossen und begrenzt seitlich 
die Pericardialhöhle. Auf der rechten Seite der Fig. 157 erscheinen 
bereits die zwei ventralen Schultergürtelspangen und das von ihnen 
eingerahmte Fenster; nach hinten zu liegt das Coracoid (C), nach 
vorne die Clavieula (Ct), welche auf ihrer medialen und ihrer proxi- 
malen Fläche bereits von einer perichondral sich bildenden Knochen- 
rinne (f) umschient wird. Bezüglich der übrigen, auf den eben ge- 
nannten Abbildungen sichtbaren, topographischen Verhältnisse verweise 
ich auf die Figurenerklärung. 

Ich wende mich nun zu den in der ventralen Mittellinie des 
Schultergürtela liegenden Skeletgebilden , deren Genese ich bei Rana 
temporaria genau verfolgt habe. 

Lange Zeit sind die Coracoid- und Clavicularplatten beider Seiten 
durch einen breiten, von fibrösem Gewebe erfüllten Zwischenraum 
von einander getrennt, nachträglich aber rücken sie näher zusammen, und 
gleichzeitig kommt es zwischen denselben auf jeder Seite zu der be- 
kannten Fensterbildung. Später, wenn sie median wärt« schon näher 
zusammengetreten sind, bemerkt man die ersten Spuren des „Sternums", 
und zwar entsteht dasselbe, genau wie bei Urodelen, an den reich 
vascularisirten Innenrändern des M. rectus abdominis, d. h. in Form 
einer theilweisen Verknorpelung der Linea alba resp. eines Myocommas, 
und da Uber die strenge Homologie zwischen geschwänzten und un- 



*) Sie wird auch bei erwachsenen Thieren aii dieser Stelle nur durch eine 
fibröse Haut verschlossen. 



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213 - 



geschwänzten Amphibien bezüglich dieses Punktes nicht der geringste 
Zweifel bestehen kann, so will ich auch bei Anuren den Ausdruck 
Stern um beibehalten. Dass es sich wie beim Axolotl und Sala- 
mander, so auch bei R a n a ursprünglich um eine paarige Anlage des- 
selben gehandelt hat, beweist die Thatsache, dass sich eine solche heute 
noch im Vorknorpelstadium wiederholt, und dass auch nicht selten in 
der Mitte des noch jugendlichen knorpeligen Sternums eine in 
dorso-ventraler Richtung mehr oder weniger tief einschneidende Delle 
angetroffen wird. 

Auf jene ursprünglich paarige Natur weist auch die in das aus- 
gewachsene Stemum von der Caudalseite her eindringende Incisur 
zurück (vergl. Textfigur 28). 

Fig. 159 — 161 stellen drei in proximaler Richtung (mit grossen 
Intervallen) vordringende Querschnitte durch ein 40 mm grosses 
Exemplar von Rann temporaria dar; der Ruderschwanz war noch 
in voller Ausdehnung erhalten, die vier Extremitäten aber zeigten sich 
bereite sehr weit entwickelt. Der in Fig. 159 abgebildete Schnitt 
geht ziemlich weit caudalwftrte vom Schultergürtel hindurch, und das 
Sternum (f) füllt als eine im Querschnitt linsenförmig erscheinende 
Platte fast den ganzen, im Uebrigen von dichtfaserigem Bindegewebe 
resp. Perichondrium eingenommenen Raum zwischen den beiden 
Seitenhälften des M. rectus abdominis (M l , M l , m 2 ) aus. Bei MG 
und * liegen die eigentlichen Wucherungszonen, von denen die ganze 
Anlage ursprünglich ausging. Von einer paarigen Entstehung ist in 
dem vorliegenden Stadium nichts mehr zu erkennen. 

Neun Schnitte weiter kopfwärts (Fig. 160) hat sich das Gewebe 
der Linea alba noch bedeutend verdickt; letztere ist aber, da die 
Rumpfmuskeln hier weiter medianwärts vorgerückt sind, zugleich 
schmäler geworden. Zu beiden Seiten sind bereite die hintersten Enden 
der freien CoracoidrUnder (bei C) erschienen, welche nun das proxi- 
malwärts stark verjüngte Sternum zwischen sich fassen, ohne jedoch 
damit zusammenzufliessen. Ueber die allgemeinen Forraverhältnisse 
des letzteren gibt ein Flächenschnitt (Fig. 169 bei f), der sich übrigens 
auf ein etwas älteres Thier bezieht, eine klare Vorstellung. Man 
ersieht daraus, dass es sich um diese Zeit um ein flaches, etwa rauten- 
förmiges KnorpelstUck mit abgestumpftem hinterem und spitz auslau- 
fendem seitlichem und einem ebensolchen vordem Winkel handelt. 
Dieser wuchert in das fibröse intercoracoidale Zwischengewebc hinein 1 ), 
verdichtet sich dort zu einer Art von Strang, der kopfwärts in die 
Gewebszone eindringt, aus welcher sich weiter vorne der „Episternal- 
apparat" bildet. 

Dazu bemerke ich noch, dass der vordere, schnabelförmige Fortsatz 

•) Somit ist die Behauptung G egenbau r'f» (33): ,uiemaln lagern eternale 
Theüe zwischen den Coracoiden" nicht richtig. 



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des Sternums nicht mehr, wie dies für die caudalwärts liegende, lappig 
verbreiterte Partie desselben gilt, in das Zwischengewebe des M. rectus 
gleichsam eingegossen liegt, sondern dass er auf die Ventralseite dieses 
Muskels zu liegen kommt und dabei den Mm. pectorales zum Ursprung 
dient. Kr liegt also hier in einem und demselben Niveau mit den 
Coracoid platten und erscheint wie eine mediane Commissur derselben, 
ohne jedoch, was ich ausdrücklich bemerke, mit denselben 
genetisch irgend etwas zu schaffen zu haben. Im Uebrigen 
bildet jetzt das Pcrichondrium eine einzige, zusammenhängende Masse 
zwischen allen diesen Theilen. 

Geht man mit den Querschnitten noch weiter kopfwärts, so ist 
vom Sternum nichts mehr zu erblicken, dagegen sind die beiden 
Epicoraeoidc sehr weit gegen die Mittellinie vorgerückt und lassen 
ihr starkes, perichondrales Gewebe zusammenfliessen (Fig. 161). Von 
dieser allmählich sich ausbildenden Verwachsungszone wird später 
wieder die Kede sein. 

Nach alledem liegt für mich kein Grund vor, mich in der ge- 
netischen Beurtheilung des Steinums von Rana Götte anzuschliessen, 
der, wie oben gemeldet, darin nur denjenigen Abschnitt des Ster- 
nums der Unke erblicken will, welcher in der Verbindungsmembran 
beider Epicoracoidränder entsteht. Das Sternum gehört also nicht zum 
Schul tergürtel; ja, es würde auch, wie aus der gleich folgenden aus- 
führlichen Darstellung der betr. Verhältnisse bei Bombinator erhellt, 
nicht dazu gehören, selbst wenn es aus jener Verbindungsmembran 
hervorginge. Ich verweise dabei auch auf das, was ich Uber die 
Urodelen raitgetheilt habe. 

Dass es bei Raniden, im Gegensatz zu Urodelen und Bora- 
bi na tor, nicht zu jenen Lamellen- bezw. Taschenbildungen kommt, 
beruht, wie klar ersichtlich, auf den in den Wachsthumsgesetzen der 
Coracoidc begründeten, mechanischen Ursachen. Mit andern Worten : da 
es sich hier nichtum eine Uebereinanderschiebung der Coracoidc handelt, 
so kann auch das fibröse und später verknorpelnde Zwischengewebe 
nicht jene Verziehung erfahren. Unter ganz denselben Gesichts- 
punkt fällt das taschenlose Sternum von Menobranchus, von dem 
ich schon im Jahr 1890 Mittheilung gemacht habe. 

Ich lasse nun eine Beschreibung der Entwicklung des Stemums 
von Bombinator folgen, und zwar muss ich dabei ziemlich ausfuhrlich 
verfahren, da es mir darauf ankommt, die prinzipielle Uebereinstimmung 
zwischen den hier und bei den Salamandrincn sich abspielenden Vor- 
gängen zu erweisen. Der einzige Unterschied beruht auf einer zeitlich 
getrennten Anlage der Hauptplatte (Pars dorsalis) einerseits sowie der 
Seitonlaroellen (Pars ventralis) des Sternums andrerseits, und dies hat 
auch Götte richtig beobachtet, aber falsche Consequenzen daraus 
gezogen. 



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- 215 - 



Bei den von mir untersuchten Larven (25 mm Gesammtlänge) 
war der Ruderschwanz bereits in Rückbildung begriffen. Ich beginne 
mit der Betrachtung der am weitesten caudalwärts liegenden Schnitte 




und schreite dann mit denselben kopfwHrts vor; dabei verweise ich auf 
Textfigur 32. In Textfigur A ist die verknorpelte Bauchrippo lateral- 
wärts in ihren beiden üussersten Ausläufern (S, S) getroffen. Sie 



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liegt hier ventral vom M. rectus (M), rückt aber schon wenige Schnitte 
weiter proximalwärts (B) in letzteren selbst hinein und ist nichts 
anderes als ein verknorpeltes Myocomraa. Seitlich entspringt von ihr 
der Pectoralis major (P) und zieht sie (in C und D) in der ventralen 
Mittellinie (bei Z), wo sich zugleich in ihrem Perichondrium eine 
starke Ursprungssehne für jenen Muskel entwickelt, zu einer Leiste 
aus. Dies ist weiter kopfwärts (in E) noch deutlicher geworden. Bereits 
in Figur D sind in der seitliehen Ursprungssehne des grossen Brust- 
muskels zwei Knorpellappen (St 1 ) aufgetreten, welche von den in der 
Mittellinie längst zu einem Hauptstuck mit deutlicher Crista sterni 
verschmolzenen Knorpeln (S) nur durch ein dünnes Perichondrium ge- 
trennt werden. Aehnlich verhalt e« sich in Figur E, doch ziehen sich 
hier die Knorpellamellen (St ') schon viel weiter zwischen den Pectoralis 
major hinein, so dass diesor in eine dorsale und eine ventrale Schicht 
(P 1 , P) zerspalten wird. 

In Fig. F ist das Hauptstuck des Sternums nicht mehr sichtbar; an 
seiner Stelle liegt jetzt ein dicht verfilztes, an Perichondrium er- 
innerndes Bindegewebe, welches bei f v °n der zwischen den M. recti 
liegenden Linea alba ausgeht, tief vcntrnlwärts wuchert und (vergl. 
Fig. G) von den seitlich herandringenden Epicoracoidrändern genau 
so verzogon wird, wie ich dies in Fig. 139 vom Axolotl und (in 
verknorpeltem Zustand) auf Fig. 147 von Triton abgebildet habe. 

In der Textfigur 32, 6 sind vcntralwärts von den Epicoracoiden 
die seitlichen Knorpellamellen (St 1 ) noch sichtbar. Ihr Perichondrium 
geht unmittelbar in jenes fibröse Zwischengewebo (f) Uber, und in der- 
selben Richtung schreitet auch bei älteren Thieren die Verknorpelung 
fort. Gleichzeitig fliessen die Knorpellamellen mit dem Hauptstück (S) 
zusammen, und dieser Vorgang ist bei Unken von 18 mm Kopfsteisslänge 
abgeschlossen (Textfigur 82, H). Die Uebereinstimmung des Sternums 
von Bombinator mit demjenigen der Salamandrinen (vergl. Fig. 144, 
sowie Textfigur 31, 32) ist nun eine vollständige, und man wird mir 
zugeben, dass bei der Entstehung desselben weder bei 
Anuren noch bei Urodelen der Schultergürtel in Be- 
tracht kommen kann, sondern dass sich der gesammte 
Prozess gänzlich unabhängig vo n diesem in, resp. zwischen 
den Muskelmassen der Leibesdecken abspielt. Insofern 
darf man also, wie ich wiederholt betone, auch bei Amphibien von 
einem costalen Sternum sprechen; denn ich sehe keinen Grund ein, 
warum man jene verknorpelnden Myocommata, welche, wie der primi- 
tive Menobranchus zeigt, früher offenbar noch eine ungleich 
grössere Rolle gespielt haben, unter einem andern morphologischen 
Gesichtspunkt auffassen sollte, als die längs der Wirbelsäule liegenden 
Rippen. Dass letztere bei den directen Vorfahren der heutigen Uro- 
delen weiter ventral wärts herabgereicht haben, ist nicht anzunehmen, 



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— 217 - 



denn hierauf weist keine einzige paläontologische Thatsachc hin, und 
diese Annahme ist auch schon aus dem Grunde nicht nöthig, weil sich der 
Verknorpelungsprozess der Myocommata bei Menobranchus in zwei 
getrennten Gebieten, nämlich dorsal und ventral abspielt, ohne 
dass die beiden serialen Knorpelherde irgendwo die Neigung zeigen, 
seitlich zusammenzufliessen. (Vergl. später die Crocodile.) 

Ich kann nur wiederholen, was ich oben schon aussprach, dass 
nämlich meiner Ueberzeugung nach der im Allgemeinen durch einen 
grösseren Knochenreichthum sich auszeichnende Schultergürtel der 
Stegocephalen und anderer fossiler Amphibien und Reptilien ursprüng- 
lich ebenfalls ganz oder doch zum allergrössten Theil, jedenfalls aber 
in seiner episternalen Partie 1 ) auf ähnlicher, knorpeliger Grundlage 
entstand, wie ich sie bei den recenten Amphibien geschildert habe und 
noch weiter zu schildern haben werde. 

Ich bin mir dabei des Gegensatzes zu der Auffassung andrer 
Autoren wohl bewusst, besonders auch derjenigen der Paläontologen 
(z. B. Credner 's), die, wie oben schon gemeldet wurde, das Epistcr- 
num einfach vom Integument aus übernommen sein lassen. Onto- 
genetisch mag dies zuzugeben sein, phylogenetisch halte ich 
diese Annahme für so wenig zulässig, als die ursprünglich inte- 
gumentale Entstehung der knöchernen Pars scapidaris des Dipnoör-, 
Ganoiden- und Teleostier-Schulterbogens (vergl. das betr. Capitcl). 

Was nun die bei Rana allmählich erfolgende Vereinigung der 
Coracoid- und Clavicularplattcn in der Mittellinie betrifft, so habe ich 
darüber Folgendes in Erfahrung gebracht. 

Nach vorne von der Stelle, wo der interepicoracoidale, proximale 
Schnabel des Sternums (vergl. 161—163 und 169) allmählich aufhört, 
ist, wie bereits erwähnt, zwischen den beiden fast zusammenstossenden 
Knorpelplatten (C, C) nur noch ein zellreiches, perichondrales Gewebe 
vorhanden, welches ventralwärts, je weiter man mit den Schnitten 
nach vorne geht, wie ein scharfer Kiel immer mehr vorspringt (Fig. 
162 — 163 bei *), wobei jedoch die äusserste, aus mehreren Lagen stark 
abgeplatteter Zellen bestehende Kante von dem seitlich entspringenden 
grossen Brustmuskel frei gelassen wird. Jenes fibröse Zwischengewebe, 
an welchem dorsalwärts der M. rectus abdominis sich inserirt, und 
welches sich dadurch als eine Fortsetzung der Linea alba docu- 
mentirt, geht ohne scharfe Grenze in die freien Ränder der Epicora- 
coidea, resp. weiter hinten in das Sternum über. Die Zellen sind 
formell Uberall dieselben, nur fehlt in der fibrösen Zone die hyaline 
Untercellular8ubstanz. 

Geht man weiter proximalwärts, so trifft man hier bereits in 



') Aach Götte (44) hat sich bezüglich des Lacertilier-Episternums in ähn- 
licher Weise aasgesprochen. 



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diesem Entwicklungsstadium (Kopf-Stcisslänge 24 mm) einen voll- 
ständigen Z usammcnfluss der beiderseitigen Epicora- 
coidränder zu einer einheitlichen hyalinen Knorpel- 
raasse; allein derselbe erfolgt nur in der ventralen Zone, während 
von dor dorsalen Seite her eine tiefe, von Perichondrium erfüllte 
Spalte auf die frühere Trennung zurückweist (Fig. 165, •*). 

Ventralwärts springt jetzt eine Knorpelleiste ebenso, und weiter 
kopfwärts sogar noch viel stärker vor, als dies hinten bei dem fibrösen 
Zwischengewebe schon der Fall war. Auch hier aber bleibt die eigent- 
liche Leistenkante vom Fleisch des M. pectoralis major, der im 
übrigen selbstverständlich durch seine Zugskräftc als die mechanische 
Ursache für die Entstehung derselben zu betrachten ist, frei. — Jene 
Knorpelleiste zieht sich vom eigentlichen Epicoracoid weiter nach 
vorne, d. h. dem ganzen zwischen diesem und der Clavicula befind- 
lichen Knorpelrahmen entlang, und kommt endlich zur stärksten Ent- 
faltung zwischen den in dor Mittellinie ebenfalls verschmelzenden, 
knorpeligen Clavicularplatten. An der Ventralseite derselben haben 
sich einstweilen (wie auch an andern Stellen des Schultergürtels) die 
Verknöcherungszonen (Fig. 164, Cl) weiter ausgedehnt, allein dieselben 
schliessen in der Mittellinie nicht zusammen, so dass hier die oben 
erwähnte Knorpellciste auf dem Querschnitt schnabelartig vorspringt. 
Ihre freie Kante wird nach wie vor von jenem pcrichondralen , aus 
mehrschichtigen, platten Zellen bestehenden Gewebe eingenommen. 
(Fig. 164, bei •). 

Bei erwachsenen Exemplaren von Ranacsculenta bleibt das oben 
geschilderte Verhalten im Bereich der Vereinigungszone der Claviculae 
so ziemlich bewahrt; im sternalen bezw. coracoidalen Abschnitt des 
Schultergürtels aber greifen wesentliche histologische Veränderungen 
Platz, auf die ich kurz noch eingehen will. 

Wie die Textfigur 33, A zeigt, bleibt das zwischen die Epicora- 
coide wie ein Pflock eingekeilte Sternum (f), das jetzt rings von einer 
Verkalkungszonc umgeben ist, gut differenzirt, ohne, wie man vielleicht 
erwarten könnte, mit den Epicoracoiden zu verschmelzen. Es ist von 
einem ausserordentlich dichtzelligen Perichondrium (•) umgeben, welches 
sich namentlich auf seiner ventralen Seite sehr verdickt Während sich 
dasselbe aber früher direct an die Epicoracoide anschloss (Fig. 160), 
ist es an der Peripherie jederseits zu einer Einschmelzung und zur 
Herausbildung einer Gclenkhöhle (OH) gekommen, so dass jetzt die 
Epicoracoide (C) unter der Herrschaft des grossen Brustmuskels, an 
welchem man mehrere Schichten (3f a , m B ) unterscheiden kann, einer 
gewissen Bewegung fähig sind. Die Epicoracoide zusammt dem 
sternalen Bezirk werden ringsum von einem dichtfaserigen, perichon- 
dralen Bindegewebe (Bg) wie von einer Kapsel umgeben, an welches 
sich in der dorsalen Mittellinie der M. rectus abdominis (M 1 ) inserirt, 



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— 219 - 

während es ventralwärts zu einer derben Leiste ausspringt (Sh), welche 
seitlich mit den sehnigen Ursprungsfasern des M. pectoralis major 
verschmilzt. Dies gilt ebenso für die weiter kopfwärts gelegene 
Partie des Schultergürtcls, welche in Textfigur 33, ß dargestellt ist. 
Wir befinden uns hier in dem Bereich des Zusammenflusses der Epi- 
coraeoide (vergl. Fig. 163) und können constatiren, dass die von der 
Dorsalseite einschneidende, von fibrösem Gewebe erfüllte Incisur (**) 




Textfigur 33, A und B. Querschnitt durch die ventrale Partie des Schultergürtels 
einer erwachsenen Sana esculenta. A liegt weiter caudalwärts als B, so dass das 
Steinum noch in den Bereich des Schnittes fällt. Ueber die Figuren-Erklärung vgl. 

den Text. 



auch jetzt noch besteht, dass aber an ihren Rändern, sowie in der 
vor ihr liegenden Knorpelleiste ebenfalls Verkalkungen Platz gegriffen 
haben. Lateralwärts davon ist der hyaline Knorpel (C) erhalten ge- 
blieben, allein eine von dem Punkto C l ausgehende, fächerartige An- 
ordnung der Knorpelzellen deutet darauf hin, dass im späteren Alter 
der Ossificationsprozess sowohl von der periostalen Knochenlamelle 
K* als auch von dem centralen, filigranartigen, verknöcherten Bülk- 
chennetz VZ noch weiter gegen die Medianlinie vorgedrungen sein 
würde. In jenem Balkenwerk bemerkt man grössere und kleinere 



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Markräume {MB), in welchen Blutgefässe {BT) liegen, und welche von 
Knochenlamellen unischeidet sind. Letztere, wie auch die peripheren 
periostealen Knochenlamellen, habe ich auf den Abbildungen in tief- 
schwarzem Ton gehalten. 

Wie man sieht, bleibt also in der Mittellinie die Vereinigungs- 
zone der Epieoraeoide ventral- und dorsalwärt« unverknöchert Hier 
wie dort persitirt das schon oft erwähnte fibröse Gewebe, mit weichein 
sich dorsalwärts der M. rectus abdominis (Jf ') verbindet, während 
dasselbe, in beharrlicher Anpassung an den grossen Brustmuskel 
(Af 8 , m a ), ventral wärts zu einer stetig sich vergrössernden Zugslei.ste 
[Sh) auswächst. Ich habe aber von keinem Altersstadium die Uebcr- 
7.eugung gewinnen können, dass j ene Leiste mit dem Gebilde, 
das man bei den Raniden bisher als Episternum zu 
bezeichnen gewohnt war, ohne weiteres verglichen 
werden könne. Ich kann mich hierin der Götte 'sehen Auf- 
fassung, wie ich dies später noch eingehender begründen werde, nicht 
anschliessen, sondern muss beide Gebilde für etwas Verschiedenes 
erklären. Ob also das „Episternum" der heutigen Anuren mit dem- 
jenigen der Reptilien und jener fossilen Formen etwas zu schaffen hat, 
betrachte ich noch als eine offene Frage, werde übrigens bei der 
Schilderung der Entwicklungsgeschichte der Reptilien darauf zurück- 
kommen. Beachtenwerth aber ist, dass bei den Stegocephalen die 
medialen Enden der Claviculae von dem vorderen Endo des Episternum 
entweder gar nicht, oder doch nur sehr wenig überragt werden. Man 
halte dagegen zum Vergleich das „Episternum" von Rana (Text- 
tigur 28), und man wird den Unterschied der topographischen Verhält- 
nisse genügend zu würdigen wissen. 

In letzterer Beziehung könnte man bei dem „Episternum" der 
Anuren viel eher an das ebenfalls knorpelig sich anlegende 
Episternum der Säugethiere denken. Leider aber fehlen uns 
dazu bis dato die verbindenden Zwischenformen, wobei nach abwärts 
selbstverständlich nicht an anure Batrachier, sondern zunächst an eine, 
diesen zu Grunde liegende urodelenartigc Stammform zu denken ist. 
Ich erinnere hierbei an die Phylogenie der Beutelknochen (113). 

Jene Verwachsung der beiden ventralen Schultergürtelspangen, des 
Coracoids und der Clavicula, erinnert an den Selachier- und Dipnocr- 
schultergürtel und findet andrerseits wieder eine Parallele im Bccken- 
giirtel derselben , sowie in demjenigen aller Amphibien und gewisser 
Reptilien. Gerade bei Urodelen existiren da und dort Verhältnisse des 
Beckens, welche mit der betreffenden Schul tergUrtelzone von Rana zum 
Verwechseln ähnlich, und welche bei beiden unter denselben mechani- 
schen Bedingungen (Muskelzug) entstanden sind. Ich verweise hierbei 
auf Fig. 42—45 und 165. 



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— 221 - 



Was nun noch einmal das sogenannte E p i s t e r n u m der Raniden 
betrifft, so entwickelt es sich nach Götte, wie schon oben erwähnt, aus 
den medialen Enden der Claviculae, und würde also, wie jener Autor 
dies in gewissem Sinne auch für das Sternum behauptet, genetisch dem 
Schultergürtel zuzurechnen sein. Dies ist nicht richtig. Es bildet sich 
vielmehr dicht vor, d. h. kopfwärts von den Claviculae, legt sich 
also, bevor sich diese vereinigen, in dem von den Bauchmuskeln in 
der ventralen Mittellinie freigelassenen, indifferenten Mesoblastgewebe an, 
d. h. in der jenseits des Schultergürtels sich noch fort- 
setzenden Linea alba abdominis. — Einen genauen Einblick 
. in die ziemlich schwierig zu eruirendeu Verhältnisse gewinnt man nur 
auf möglichst dünnen Flächenschnitten, welche von der dorsalen Seite 
des Thieres allmählich ventralwärts vordringen. Solche habe ich in 
Fig. 16C— 169 dargestellt, und zwar folgen sich dieselben in der an- 
gegebenen Richtung. 

Die medialen Enden der knorpeligen Claviculae (CT) erzeugen 
eine lateralwärts offene Bucht, und die dieselbe begrenzenden 
Lippen sind in dem am weitesten dorsalwärts liegenden Schnitt 
(Fig. 166) noch von einander getrennt. Erst im nächsten Schnitt 
vereinigt sich die vordere Lippe (*) mit der hinteren (Ct). Offenbar 
hat sich Gölte verfuhren lassen, jene für den Ursprungstheil des 
„Episternums" zu nehmen, und ich selbst habe mich anfangs dadurch 
täuschen lassen. Erst als ich mit den Schnitten weiter ventralwärts 
vordrang, erkannte ich nach vorne von jener Lippe, und zwar nur 
durch eine sehr dünne perichondrale Schicht von ihr getrennt, einen 
zweiten paarigen Knorpel (X), welcher sich in dem mit *♦ bezeich- 
neten und schon in den vorhergehenden Schnitten sichtbaren, dicht- 
zelligen Mesoblastgewebe entwickelt 1 ). Gleich bei seinem ersten Auf- 
treten (Fig. 168) kann man erkennen, wie derselbe die Neigung hat, 
in jenes Gewebe weiter einzuwachsen und sich dabei nach vorwärts 
und zugleich median wärts zu richten. Kurz, es handelt sich 
genau um dieselben Vorgänge, wie ich sie von der An- 
lage des Sternums der Amphibien geschildert habe. In 
beiden Fällen kommt es später zur Verwachsung der Seitentheile in 
der Medianlinie, zur theilweisen, perichondral erfolgenden Verknö- 
cherung und vorher schon zu der Bildung jener breiten Apophyse, 
wie sie auf der Textfigur 28 zu sehen ist. 

Es handelt sich also hierbei um eine dem Sternum 
durchaus homologe Bildung, und zugleich wird dadurch der 
Beweis erbracht, dass die urodelen Vorfahren der heutigen Anuren 



') Längere Zeit noch nach dem Zusammenfluss beider Hälften weist eine 
gegen das Cölora zu schauende Delle des breiten, basalen Knorpelabschnittes 
auf die 'paarige Entstehung zurück. 



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— 222 - 



von Formen abstammen, bei welchen «ich der Verknorpelungsprozess 
der Myocommata weiter proximal vom Schultergürtel erstreckt haben 
muss, wie die» heute noch beiMenobranchus (Fig. 146) der Fall ist. — 
Da nun, wie schon erörtert wurde, das Episternum der Stegocephalen 
und Reptilien bezüglich seiner Urgeschichte durchaus noch nicht klar 
liegt, und zwischen ihm und dem mit dem gleichen Namen belegten 
Skeletgebilde der Anuren immerhin bemerkenswerthe Unterschiede 
existiren, so möchte ich vorschlagen, die von W. K. Parker (79) 
dafür aufgestellte Bezeichnung vorderhand wenigstens beizubehalten. 

£. Reptilien. 
1) Chelonier. 

Wie ich hinsichtlich des Beckens bereits näher ausgeführt habe, 
schliessen sich die Schildkröten auch in ihrem Schultergürtel am 
nächsten an die Amphibien an. Wie bei diesen, so muss auch hier 
früher eine knorpelige Sternalplatte, welche später durch die Haut- 
verknöcherung des Plastrons allmählich verdrängt worden ist, vorhanden 
gewesen sein. Aehnliche Prozesse vollziehen sich heute noch bei den 
Rippen, worauf auch schon C. K. Ho ff mann (55) hingewiesen hat. 

Wie bei den anuren Batrachiern, so besteht auch bei den Cheloniern 
am ventralen Abschnitt des Schultergürtels jene Rahmenbildung; allein 
die medialen Enden werden hier nicht knorpelig, sondern nur durch 
ein Band (Lig. coraco-claviculare) mit einander verbunden. Letzteres 
ist aber, wie schon Gegenbaur (33) betont hat, alsein integrirender 
Bcstandtheil des Skeletes zu betrachten. Darauf weisen ganz all- 
mähliche gewebliche Uebergänge (Knochen — Knorpel — Bindegewebe) 
zwischen den beiden Knochen hin. Gegenbaur fasst aber den 
vorderen Schenkel nicht als Clavicula, sondern als „Procoracoid" auf 
und parallelisirt die betreffenden Verhältnisse der Chelonier direct mit 
denjenigen der ungeschwänzten Amphibien, wo jene Verbindungsbrücke 
noch rein knorpelig ist Da bereits durch Rathke das Fehlen eines 
Sternum nachgewiesen und ein Schlüsselbein also auszuschließen ist, 
so darf, meint Gegenbaur, es auch nicht Wunder nehmen, wenn 
von einem Episternum keine sichere Arideutung vorhanden ist „Es 
entspricht dieser Defect vollständig den übrigen hier einschlagenden 
Skeletverhältnissen." 

Auf eine Discussion hierüber einzugehen, ist nach dem, was 
ich bezüglich der Gegenbaur 'sehen Lehre bereits bei den Amphibien 
raitgetheilt habe, nicht mehr nothwendig. 

Eine genaue Beschreibung des Chelonier-Schultergürtels hat Götte 
(44) geliefert, ebenso C.K. Ho ff mann, der letzteren in allen wesent- 
lichen Punkten bestätigt. Beide betonen, dass jede Hälfte ursprünglich, 



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- 223 — 



ganz wie bei Amphibien, aus einem homogenen, knorpeligen Dreistrahl 
bestehe, an welchem das dorsale Stück die Scapula, die beiden ven- 
tralen die Clavicula und das Coracoid darstellen. Wenn man will, so 
kann man auch hier nach erreichter Verknöcherung 1 ) die mediale 
mehr oder weniger breite Knorpelapophyse des Coracoids als Epi- 
coracoid bezeichnen. In dem das ganze Leben dauernden, continuir- 
lichen Verband der Clavicula mit der Scapula erkennen wir den Fort- 
bestand des allen Vertebraten zukommenden, ursprunglichen Verhaltens, 
und durch jenen bleibenden Verband der beiden Skeletstüeke stehen 
die Schildkröten im Gegensatz zu den Sauriern, Vögeln und Säuge- 
thieren, in welchen es im erwachsenen Zustand zu einer Abgliederung 
kommt. 

Junge Embryonalstadien scheinen weder Rathke(83) noch Götte 



Tcxtfignr 34. Typus des Schultergürtels der Schildkröten, von der Ventralseite. 
»V Scapula, Cl Clavicula, C Coracoid, Lee Ligamentum coraco-claviculare, E Epicoracoid, 
Pf Pfanne, R die von dem Coraco-Clavicular-Kahmeu umschlossene Oeffnung. 

(44) zur Verfügung gestanden zu haben. Ich selbst war darin etwas 
günstiger gestellt, allein die Lösung der Hauptfrage, ob sich onto- 
genetisch etwa noch eine Sternalanlage nachweisen Hesse, ist mir nicht 
gelungen. 

Meine Ergebnisse an Chelone viridis waren folgende. 

Bei 15 mm langen Embryonen, bei welchen die Vorniere, 
der Darm und die Leber bereits gut entwickelt sind, stehen die von 
indifferentem Mesoblastgewebe erfüllten, paddelfönnigen Extremitäten 
schon weit vom Rumpfe ab. Sie liegen sehr hoch dorsalwärts, un- 
mittelbar unterhalb und seitlich von der Stammzone des Körpers. 
Von hier aus nehmen sie ihre Richtung, ähnlich, wenn auch nicht in 
gleich starker Weise wie bei Urodelen, nach hinten und oben. Ich 
verweise dabei auf Fig. 170—172, welche drei Querschnitte darstellen, 

») Die primäre Verknöcherung entsteht in allen drei Theilen des Schulter- 
gürtels selbständig, und erst später kommt es zu einer Concrescenz. Darin prägt 
sich, wie Götte richtig bemerkt, schon eine Abweichung vom ursprünglichen 
Verhalten aus. 



PI 




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- 224 — 



die in caudaler Richtung auf einander folgen. Dabei liegen die 
Fig. 170 und 171 18, die Fig. 171 und 172 17 Schnitte auseinander. 
Der Extremitätenwulst erstreckt sich also ziemlich weit caudalwärts, 
und in diesem Stadium schon sprossen in das dichtzellige Gewebe, 
welches sich dorsal- und ventralwärts tief in die Rumpfwand hinein- 
zieht, gewaltige, sich gabelnde Nerven (N) und Gefässe ein. Von 
einem Vorknorpelstadium aber kann man erst später sprechen; allein 
auch in diesem stellt jede Schultergürtelhälfte noch einen einheitlichen 
Complex dar, in welchem sich die proximale Partie des Humerus histo- 
logisch am weitesten differenzirt zeigt. Hier tritt, wie dies bis jetzt 
bei allen übrigen Vertebraten zu constatiren war, bald auch die erste 
Knorpelsubstanz auf ; bevor dies aber geschieht, ist bereits oben in der 
scapularen Gegend eine seitliche Hautfalte, die erste Anlage des 
Carapax, erschienen. Im Vorknorpelstadium sind auf Flächen- 
schnitten die späteren ventralen Schenkel des Schultergürtels noch 
nicht deutlich differenzirt, doch dauert dieser Zustand nicht lange. 

Kurz nachdem die Verknorpelung des Humerus begonnen hat, 
tritt in engster Verbindung damit auch Knorpelgewebe in der späteren 
Pfannengegend auf, jedoch kommt es hier, soviel ich erkennen konnte, 
nicht mehr zu einem secundären Zusamraenfluss. Sowohl die Scapula 
als auch die beiden ventralen Spangen verknorpeln für sich und flicsssen 
i;rst secundär in der Pfannengegend mit einander zusammen. In einem 
Stadium, in welchem der Embryo eine Länge von 22—23 mm 
erreicht hat, ist dieses bereits geschehen, und ich habe das betreffende 
Verhalten auf den Figuren 173 und 174 abgebildet Beides sind 
Fluchenschnitte, und zwar liegt der in Fig. 174 dargestellte 14 Schnitte 
weiter ventralwärts als der andere. In Folge davon erscheint auf letz- 
terem die Knorpelmasse bei S noch einfach , während dort die Gabe- 
lung in eine Clavicula und ein Coracoid bereits erfolgt ist; beide sind 
übrigens noch durch ein dichtes Mesoblastgewebe (t) verbunden. Nach 
der Peripherie zu erscheinen bereits Humerus (!/), Vorderarm (AB) 
und Handskelet (Jfa) in voller Verknorpelung begriffen. Die Muskeln 
sind gut differenzirt 

Die ventralen Thoile des Schultergürtels, namentlich die das 
Coracoid an Volumen anfangs übertreffende Clavicula, wachsen rascher 
aus als die Scapula. Ucber das Verhalten ihres Endes bin ich nicht 
recht in's Klare gekommen ; Alles, was ich darüber zu melden weiss, 
ist, dass sie in ein dichtzelliges, die ventrale Mittellinie erfüllendes 
Gewebe eintauchen, in welchem ich bei den mir zur Verfügung ge- 
wesenen Stadien weder die Andeutung eines Sternum noch eines 
Episternums gesehen habe. Ich kann also die Frage C. K. Hoff- 
raann's, ob letzteres nicht in dem un paaren Stück des Plastrons 
aufgegangen sein könnt«', nicht beantworten. 



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2) Saurier. 

Auch hier ist wieder Hatte ria und der primitive, rhyncho- 
eephalenartige Urvierfüssler Palaeohatteria in den Vordergrund 
zu stellen; denn beide, namentlich aber letztere Form, zeigen nach 
Credner unzweifelhafte Anschlüsse an gewisse Stegocephalen, 
wie namentlich an Discosaurus, Melanerpeton, Petrobatcs 
und Hy lonomus, ja, es handelt sich, wie man aus einer Vergleichung 
von Textfigur 29 und 35 ersehen kann, um eine fast vollständige 
Uebercinstimmung. Da aber Palaeohatteria durch die Form ihres 
an ggestielten, vorne zu einer querrhombiachcn Platte ausgedehnten Epi- 
sternum8, der schwach knieforraig 
gebogenen, spangenartigen Clavi- 
culae, der platten Scapulae und 
rundlichen, fensterlosen Coracoide 
eine grosse Aehnlichkeit besitzt 
mit den entsprechenden Knochen 
von Hatteria und anderen re- 
centen und fossilen Reptilien, so 
wird sie, was Credner mit vol- 
lem Recht betont, und worauf ich 
auch schon beim Becken aufmerk- 
sam gemacht habe, in eine Mittel- 
stellung gedrängt zwischen den 
Lurchen und Reptilien, wenn auch 
die Aehnlichkeit mit den letzteren 
eine ungleich grössere ist. Sehr 
nahe verwandt war nach Cred- 
ner auch das aus denselben Schichten (Perm) stammende Reptil 
Kadaliosaurus, sowie Homoeosaurus Maximilian i aus den 
Solenhofener Schichten, v. Amnion (1) erklärt diesen Saurier ge- 
radezu für die „Hatteria der Jurazeit", doch existiren gewisse Unter- 
schiede. So fehlen dem Homoeosaurus z. B. die Processus uncinati 
der Rippen, und dies spricht doch gegen eine absolute Ueberein- 
stimmung. 

Was die Lac er tili er betrifft, so hat ihr Schultergürtel von 
Gegen bau r (33) seiner Zeit eine sehr genaue Beschreibung erfahren, 
welcher ich Folgendes entnehme. 

Scapula und Coracoid bilden auch hier in embryonaler Zeit eine 
einzige Knorpelmasse, in welcher später ventral und dorsal Ossihcationen 
auftreten, so dass dann nur die Pfannengegend noch als knorpeliges 
Verbindungsstück erscheint. 

Hinsichtlich der C 1 a v i c u 1 a ist zu bemerken, dass sie gleich von An- 
fang an als knöchernes Gebilde auftritt. Gegen bau r sagt, dass bei 

Wi«d«r»heiro, GliodtnaMeMkelet der Wirbolthiero. Text. 15 




T e x t f i g u r & r i. 8chult«rgürtel von F a 1 a e o - 
hatteria, Dach Credner. Ventralscitc. 
S Scapula , C Coracoid , Cl Clavicula , Ep$ 
EpUternum. 



- 226 - 



Vögeln die ( 'lavicula theilweise noch eine knorpelige Grundlage besitze, 
eine Thatsache, die erfürdieSäugethiere noch in weit grösserem Umfange 
zu constatiren vermochte. Er meint, diese Verschiedenheiten mUssten be- 
fremden, und er bemerkt ausdrücklich: „Es handelt sich hier um die 
Aenderung der Anlage eines Skelettheiles . durch welche ein in den 
unteren Abtheilungen nicht knorpelig vorgebildeter Knochen mit der 
Gewinnung einer knoqjeligen Anlage in die Reihe der typischen 
SkeletMücke tritt." 

Bezüglich den E p i s t e r n u m s macht G e g e n b a u r auf seine 
verschiedenen Lagebeziehungen zum Brustbein aufmerksam. Wahrend 
es bei den Sauriern eine grössere oder geringere Strecke weit auf der 
ventralen Fläche desselben liegt, trifft man es bei den Säugern stets 
vorne (d. h. halswärts) davon; dazu kommt, dass es sich bei den 
letzteren immer knorpelig anlegt, während es bei den Sauriern sofort 
als knöcherne Bildung auftritt. Gegenbaur fährt dann fort: „Will 
man in der genetischen Verschiedenheit einen Grund für die ver- 
schiedene Bedeutung finden, so kann man allerdings beiderlei Episternal- 
bildungen nicht zusammenwerfen. Man hat in ihnen Einrichtungen 
zu erkennen, denen bei aller Aehnlichkeit ihres anatomischen Ver- 
haltens doch eine bedeutende Verschiedenheit zu Grunde liegt. Ich 
nehme daher Anstand, jene Episternalbildungen ohne Weiteres an einander 
zu reihen, und wenn ich sie auch nicht für einander fremde Gebilde 
betrachte, so will ich doch constatiren, dass zwischen beiden eine 
grosse Reihe uns noch gänzlich unbekannter Uebergangsstufen ein- 
geschaltet werden muss. Dabei halte ich es für eine gegenwärtig 
noch gar nicht zu beantwortende Frage, ob jene Uebergänge in's 
Episternum der Säugethicre überhaupt als fortlaufende gedacht werden 
können ; denn es schliesst sich keineswegs die Möglichkeit ab, dass bei 
den Sauriern der Endpunkt einer Entwicklungsreihe vorliegt, die erst 
in weit zurückliegender Ferne an Bildungen anknüpft, aus welchen 
der Typus der Säugethicre allmählich hervorging. 41 

Nach den Befunden Götte's (44), die ich auf Grund einer grossen 
Reihe von Untersuchungen eines vortrefflich conservirten Materiales 
von Laeerta agilis im Wesentlichen bestätigen kann, bestehen 
Schultergürtel und Brustbein in früher Embryonalzeit noch aus zwei 
getrennten Hälften. Jede Hälfte des Schultergürtels stellt eine läng- 
liche , schräg von vorne und oben nach hinten und unten ge- 
richtete dünne Platte dar, deren weiches Gewebe aus indifferenten 
Bildungszellen besteht. Mittelst einer Einschnürung in der Längen- 
initte sondert sich eine dorsal«' (Suprascapula) und eine grössere ven- 
trale Hälfte (Scapula und Coracoid) ab. Die Grenze zwischen den 
beiden letzten wird nur durch die Lage der Gelenkpfanne ausgedrückt 
Parallel dem Vordeirand des Coracoids läuft eine lange, medianwärts 
frei auslaufende Spalte, wodurch ein vorderer, schmaler Streifen, die 



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Anlage des .Schlüsselbeines vom hinteren, beilförmigcn Hauptstück 
geschieden wird. Das kleine Nervenloch neben der Pfanne ist bereits 
vorhanden. Das dorsale Ende der Clavicula geht continuirlich in die 
Suprascapula über. Medianwärts verlieren sich alle Theile unmerklich 
in das umgebende Körpergewebe. Die Clavicula enthält zuerst Kalk- 
salze und entwickelt sich bei Sauriem als sog. „secundärer" Knochen, 
aber durchaus nicht selbständig (Gegenbaur), sondern in vollster 
Continuität mit dem Schultergürtel überhaupt. Es ist ein Ast 
des Schulterblattes (R a t h k e), welcher aber nicht in Knorpel, sondern 
gleich in Knochen sich zu verwandeln beginnt. Das Coracoid und 
die Scapula sind in so jungen Stadien, wenn man absieht vom Nerven- 
loch, noch gänzlich un durchbrochen. Das Stern um legt sich als 
dreieckige Platte und zwar zuerst nur mit einer Rippe verbunden, 
an der lateralen Hälfte des Hinterrandes vom Coracoid an und hangt 
mit seinem Gegenstück anfänglich nur durch die Membr. reuniens iuf. 
zusammen. Wahrscheinlich stand das Stern um in noch jüngeren 
Stadien auch noch mit der letzten und vermuthlich auch noch mit der 
vorletzten Halsrippe in Berührung, wie ersteres bei Anguis that- 
sächlich der Fall ist. Somit wäre das erste Auftreten des anfangs 
dreieckigen Sternunis das Resultat des Zusammenflusses resp. der Ab- 
schnürung der distalen Enden von drei Rippen. 

Im Gegensatz dazu ist bei Anguis nur eine Rippe an der 
Sternalbildung betheiligt. — Später bilden sich im Coraco-Scapulare 
die drei bekannten (bindegewebigen) Fenster, und um diese Zeit stellt 
die Clavicula eine Rinne dar, mit einem weichen, nie verknöchernden 
Achsenstrang (späteres Mark). 

Das Sternum ist einstweilen durch Verschmelzung mit zwei weiter 
caudalwärts liegenden Rippen grösser geworden, während die zwischen 
Coraco-Scapulare und Clavicula liegende Spalte auf ein Minimum re- 
duzirt erscheint. — Endlich nähern sich die beiden Hälften des 
Schultergürtels immer mehr der queren Lage, und die medialen Enden 
der Claviculae stossen zusammen und lassen sich an dieser Stelle von 
dem sie umgebenden weichen Blastem nicht abgrenzen. In dieser 
weichen, nicht verknöchernden Brücke nun treten zwei längsverlaufende, 
caudalwärts gerichtete Bänder von Kalksalzen auf, welche lange Zeit 
in der Medianlinie von einander getrennt bleiben. Dies ist die erste 
Anlage des Episternum. Die eigentlichen Schlüsselbeine entstehen 
also nur in den lateralen Theilen der ursprünglich weichen „Clavicular- 
Anlagen". Bezüglich des Episternums ist die paarige Entstehung 
wohl zu beachten, es bildet sich aber nicht auf dem präformirten 
(geschlossenen) Sternum, sondern bevor sich dessen Seitentheile ver- 
einigen. 

In diesem Entwicklungsstadium ist die Clavicula noch nicht 
vom Supraacapulare abgegliedert, die Stcrnalhälften stehen einander 

15* 



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gegenüber, haben sich aber einander mehr genähert, die Rippen sind 
noch nicht abgegliedert 

Spater schieben sich die Coracoide medianwärts über einander, und 
an die Stelle der Markraasse der Claviculae tritt eine innere Knochen- 






Textfipur 36. Drei Abbildungen nach Gölte, welche die Anlage der Clavicnla 
und des E p is te rn u m « bei CnemidophoriiH sp. verrinnt ichen. C stellt das jüngste, 
B das älteste Stadium dar. S Scapula, Cl Clavicula, C Coracoid (mehrfach durch- 
brochen), £p$ Episternum, St Steinum in der Entstehung begriffen, R Rippen. 



bildung (also ähnlich wie bei primären Knochen). Endlich löst sich 
das laterale Ende von der Suprascapula los und liegt nun frei in einer 
Delle am vorderen Rande derselben; doch kommt es nie zu einer 
eigentlichen Gelenkbildung. In ähnlicher Weise differenzirt sich all- 
mählich das mediale Clavicular - Ende vom Episternum. Einstweilen 



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- 229 - 



haben sich die Episternalstreifen je in eine medianwärts offene Rinne 
umgebildet und rücken nun allmählich unter Bildung einer Röhre zu- 
sammen, wobei sie eine axiale Zellmasse einschliessen, die später zu 
Mark wird und ganz so wie dies für die Clavicula gilt, einer inneren 
Verknöcherung anheimfällt. Später stellt das auf der Bauchfläche 
des nunmehr verwachsenen Sternums liegende Ep istern um bekanntlich 
einen soliden, flachen Knochen dar. 

In seiner Arbeit kommt Götte auch auf die oben erwähnte 
Arbeit Gegenbaur's zu sprechen und berichtigt die darin ent- 
haltenen Irrthümer bezuglich des „Procoracoids* etc. Da ich hierin 
vollständig mit ihm einverstanden bin, so lasse ich den betreffenden 
Passus hiermit folgen. 

Das von Gegenbaur als typischer Theil aufgefasste Procora- 
coid ist nichts Anderes, als eine dem Coracoideum angehörige, zwischen 
dem coracoidalen Haupt- und dem angrenzenden Scapular-Fenster aus- 
gespannte Knochenbrücke und kann daher für den Vergleich mit anderen 
Schultergürtelformen, denen das Scapular- oder gar beide Fenster 
fehlen, nicht verwerthet werden. Die Clavicula erscheint also nicht 
in selbständiger Anlage, sondern sie entwickelt sich, wie auch das 
Episternum im Zusammenhang mit dem übrigen Schultergürtel; beide 
sind wahrscheinlich phyletisch ebenfalls auf eine rein knorpelige Anlage 
zurückzuführen. Alle „Fensterbild un gen u sind secundäre Vorgänge in 
der ursprünglich undurchbrochenen Coraco- Scapular- Platte, und ebenso 
ist der ganze Complex des „Procoracoids, Epicoracoids und Cora- 
coids" der Saurier als secundär entstandene Territorien homolog mit 
der einzigen, undurchbrochenen Coracoidplatte der Hatteria, der 
C h e 1 o n i e r und Amphibien. 

Ehe ich mich nun zu meinen eigenen entwicklungsgeschichtlichen 
Ergebnissen wende, will ich noch den Episternalapparat der Enalio- 
saurier, und zwar speciell denjenigen von Ichthyosaurus, kurz 
besprechen. 

Gegenbaur (33) bemerkt darüber. Bei Ichthyosaurus ist ein 
Episternalapparat vorhanden, während ein Sternum fehlt, woraus die 
Unabhängigkeit beider Theile erhellt. Das Episternum ist lateralwärts 
mit der Clavicula verbunden, und letztere lagert bei Ichthyosaurus 
dem ganzen Vorderrand der Scapula breit auf, während bei Eidechsen 
jene Verbindung nie in grösserer Ausdehnung zu constatiren ist 
Gegenbaur fügt hinzu: „damit sind (bei Ichthyosaurus) Ver- 
hältnisse gegeben , die durch ihr Vorkommen im Schultergürtel der 
Fische zum Verständnis« des letzteren nicht wenig beizutragen im 
Stande sind." 

Dieser Satz ist mir unverständlich, denn ich sehe nicht ein, 
warum nicht die Amphibien oder die Saurier zum Vergleich herbei- 
gezogen werden. Dies hat Götte (44) gethan und darauf hingewiesen, 



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- 230 - 



dass Ichthyosaurus im Bau seines Schultergürtels an denjenigen von 
Angu is- Embryonen erinnere, und dass Alles in Allem genommen, 
Ichthyosaurus ein vorzügliches Verbindungsglied zwischen den Sauriern 
und Amphibien darstelle. 

Nach meinen Erfahrungen ragen die Extremitäten-Knospen von 
Lacerta agilis zu einer gewissen Zeit noch steiler nach oben und 
hinten, als dies bei Urodelen der Fall ist Auf dem Flächenschnitt, 
welchen ich in Fig. 175 dargestellt habe, und welcher einem Embryo 
von 7 inro Rumpf länge entspricht, kommt dies natürlich nicht zum 
Ausdruck, allein er zeigt ein anderes bemerkenswerthes Verhalten. 
Trotz des ausserordentlich frühen Entwicklungsstadiums sieht man 
nämlich bereits den Humerus (B) und den Vorderarm (AB) in Ver- 
knorpelung begriffen ; doch besteht die grössere Masse des skeletogenen 
Gewebes noch aus Vorknorpel. Die Schultergegend ist nur durch eine 
stärkere Zellanhäufung, welche von starken Nerven (N) durchbrochen 
wird, angedeutet. Die peripheren Zellschichten, welche sich aus der 
Extremität auch in den Rumpf hineinziehen, steilen die Vorläufer der 
späteren Muskeln vor. In der Leibeswand erscheinen bei So die serial 
liegenden Somitenhöhlen, und auf höher dorsal hindurchgelegten Serien- 
schnitten erstrecken sie sich kopfwärts fortziehend auch Uber den Bereich 
der ventral davon sich anlegenden vorderen Extremitäten. Bei etwas 
jüngeren Stadien ist dies noch deutlicher zu sehen, und ich kann die 
Angaben van B e m m e 1 e n's (7), bestätigen, wonach etwa 7—8 Somiten 
mit ihren epithelialen, stielförmigen Verlängerungen, welche knopflttrmig 
in jener dichten scapularen Zelhnasse endigen, zur Anlage der Vorder- 
gliedmassen zusammentreten. Der Zusammenhang jener Knöpfe mit 
den Soiniten wird jedoch sehr früh gelöst, so dass derselbe in dem 
durch die Fig. 175 repräsentirten Stadium schon nicht mehr besteht 

In Fig. 176 A — F habe ich sechs Flächenschnitte durch die be- 
reits verknorpelte Scapula eines Embryos von 30 mm Gesammtlänge 
unter starker Vergrösserung dargestellt. Die Schnitte, welche, bei A 
anfangend, in dorso-ventraler Richtung auf einander folgen, zeigen auf 
das Allerüberzeugendste, wie richtig Götte beobachtet hat, wenn er 
die Clavicula gradezu als einen Ast oder Auswuchs der Scapula be- 
zeichnet In Fig. A, in welcher ich die Scapula allein in ihrer ganzen 
proximo distalen Ausdehnung zusammt den umgebenden Muskeln ab- 
gebildet habe, erscheint die Clavicula (Cl) am Uebergang ihres vorderen 
in den medialen Rand in Form einer zellreicheren Zone, welche sich 
von dem Hyalinknorpel so wenig als von dem umgebenden Periost 
(Per) trennen lässt In Figur B findet schon eine schärfere Abgrenzung 
statt una< dies steigert sich unter Auftreten einer Incisur in den nächsten 
Schnitten fortwährend, bis es schliesslich in Figur F zu einer voll- 
kommenen Trennung der Clavicula von der Scapula resp. Suprascapuln 
gekommen ist Zugleich ist bereits im Centrum ein von zackigen 



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- 231 



Rändern begrenzter und stark lichtbrechender Knochenherd (Fig. E 
und F bei |) aufgetreten. — Nachdem nun also die Clavicula sich 
von ihrem Mutterboden frei abgehoben hat, zieht sie, wie ich dies nach 
Götte auf Textfigur 36 dargestellt habe, median warte gegen die 
Bauchflache des Rumpfes. Dies geht auch aus der Fig. 181 hervor, 
welche einen etwas ungleich ausgefallenen Flächenschnitt desselben 
Präparates wie Fig. 176 darstellt. Rechts ging das Messer tiefer ven- 
tral hindurch als links, und die Folge davon ist, dass man hier die 
Clavicula (Cl) noch weit lateral und im (Querschnitt, dort aber bereits 
im Längsschnitt, und zugleich durch ein Ligament (Lg) in Verbindung 
mit dem Vonlerrand des Epicoracoids (C) zu sehen bekommt. Bei H 
ist der Hamerns getroffen, bei dem ich aber keine knorpelige Ver- 
bindung mit dem Schultergürtel nachzuweisen vermochte. Bei R l 
kommt es zum Zusammenfluss zweier Hippen, und in den proximalen 
Rand der dadurch angebahnten Sternalplatte ist der hintere Rand des 
Epicoracoids (C) eingelassen. Die Bildung des Stern ums hat Götte 
durchaus richtig beschrieben, so dass ich mich nicht länger damit auf- 
halten will. Bezüglich der ganz wie bei Amphibien (vergl. Fig. 144) sich 
verhaltenden Einfalzung der Epicoracoide in die Sternaltaschen ver- 
weise ich auf die Fig. 180. Ebendaselbst liegt ventralwärts vom Kiel 
des in diesem Stadium (22 mm) von vier Rippenpnaren componirten 
Sternums das bereits in Verknöcherung begriffene, aber in dieser 
Gegend noch deutlich paarige Episternum (Eps). Dasselbe wird 
von dem benachbarten perichondralen Gewebe umschlossen. Vierzig 
(Querschnitte weiter gegen den Kopf zu (Fig. 178) ist von einer paarigen 
Anlage desselben nichts mehr zu sehen, im Innern findet sich das 
gleiche grobwabige, knöcherne Balkenwerk, wie es für die Claviculae 
(CT) charakteristisch ist Letztere liegen hier ziemlich weit 
ventralwärts vom Episternum und werden in der Mittel- 
linie durch eine d ich tzell ige Masse (f) sowohl von ein- 
ander als vom Episternum (Eps) getrennt. Noch drei Schnitte 
weiter kopfwärte (Fig. 177) fliesst das die Schlüsselbeine umgebende 
Gewebe in der Mittellinie zu einer compacten, polsterartigen Masse (f) 
zusammen, bei der aber (in diesem Entwicklungsstadiura wenigstens) 
nichts mehr auf eine paarige Entstehung hinweist. In ihrem Centrum 
erkennt man eine dunklere Partie, und dies ist die vorderste Spitze 
de* Epistemuins. Die Entstehung des knöchernen Episternums findet 
also — dies kann ich mit voller Sicherheit behaupten — in dem die 
Claviculae umhüllenden , bezw. verbindenden , perichondriumartigen 
Blastem statt Eigentliche genetische Beziehungen zu der Clavi- 
cularanlage selbst vermochte ich hier so wenig als bei Crocodilen zu 
eonstatiren, wenn auch die dichtzelligen Anlagen der beiden Skelet- 
stüeke, was ich nicht bestreiten will, bei Lacerta ursprünglich in einer 
und derselben indifferenten Gewebsmasse sozusagen verschwimmen. 



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- 282 - 



Jedenfalls erfolgt erst mit der beginnenden Solidification eine 
scharfe Differenzirung. 

Fig. 179 stellt einen Querschnitt durch einen Embryo dar, welcher 
nicht gemessen wurde; allein Alles spricht dafür, dass er nicht viel 
älter gewesen sein kann, als der zuletzt geschilderte. Das Episternum 
(Ep»)j welches, ganz wie jener ventrale Kiel am Anuren- 
schultergürtel, den umgebenden Muskeln zum Ursprung 
dient, ist hier durchweg unpaar. Der Schultergürtel stellt jederseits 
im Querschnitt eine zierlich gewundene, schlanke Knorpelschlange dar 
(S und C), welche gänzlich einheitlich ist und aus dem schönsten 
Hyalinknorpel besteht. In der Gegend der späteren Suprascapula ragt 
dieselbe bis zur Höhe der Gelenkfortsätzc der bereits gut verknorpelten 
Wirbelsäule empor; ventralwärts schieben sich die beiden Seitenhälften 
etwas übereinander, und dies beweist, dass der Schnitt proximal vom 
Sternum hindurchgegangen ist. 

3) CrooodUe. 

Ueber den Schultergürtel der Crocodilc liegen Untersuchungen 
vor von Kathke (86), Gegenbaur (33), Götte (44), und C. K. 
Hoff mann (55). Jüngeres embryonales Material scheint keinem der 
genannten Autoren zur Verfügung gestanden zu haben, und auch 
Rathke hat offenbar nur ältere Stadien untersucht, von welchen er 
mitthcilt, dass Scapula und Coracoid eine Masse bilden, und dass 
sie beim Embryo verhaltnissmässig breiter seien als später. Das Cora- 
coid berührte bereits das Sternum, und der Humerus sowie Radius und 
Ulna boten nichts Bemcrkcnswerthes. 

Auch Gegenbaur betont, dass Coracoid und Scapula aus einer 
continuirlichen Knorpelanlage hervorgehen, und fügt hinzu: „Dem 
Mangel eines eigentlichen Schlüsselbeines correspondirt die Eigentüm- 
lichkeit des Episternums, das bekanntlich nur durch ein langes, schmales, 
in eine Furche der Vorderfläche der Brustbeinplatte eingelassenes Stück 
vorgestellt wird, welches das Brustbein nach vorne zu überragt. Von 
den Sltugethieren nach abwärts ist dies die erste Episternalbildung, 
welche, wie es scheint, nicht aus Knorpel hervorgeht, und darin 
müssen wir eine Kluft erkennen, die zwischen den homologen Theilen 
der Säugethiere und der Reptilien besteht Sie wird noch erweitert 
durch den Modus der Verbindung mit dem Sternum, die in beiden 
Abtheilungen eine wesentlich verschiedene ist." 

Im Gegensatz zu Gegenbaur erblickt Götte in dem Coracoid 
der Crocodile nicht nur das „Coracoid" der Saurier im Sinue Gegen- 
baur's, sondern stellt dasselbe mit vollem Recht der ganzen Coracoid- 
platte der letzteren gleich. Chamaeleonten und Crocodile stimmen 
durch den Mangel einer Clavicula überein ; da aber bei den Crocodilen 



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- 2S3 - 

ein Epistemum existirt, so berechtigt dies nach G ö 1 1 e (vergl. Lacerta) 
zu dem Schluss, dass in früher embryonaler Zeit Claviculae bestehen 
müssen, welche dann später wieder verschwinden. 

Hoff mann erblickt in dem vorderen verdickten Rand jener 
Membran, welche sich zwischen dem proximalen Rand des Coracoids 
und dem Epistemum ausspannt, die Spur einer Clavicula. Das Epi- 
stemum soll nach Ho ff mann eine paarige Anlage zeigen, und er 
meint, dass es sich hierbei wohl um denselben Entwicklungsprozeß 
handle, wie bei dem Epistemum von Lacerta ; auch vermuthet er, nach 
dem Vorgange Götte's, eine in früher Embryonalzeit auftretende und 
später wieder verschwindende Clavicula. Beweise bringt er keine bei. 

Ich war insofern glücklicher als meine Vorgänger, als mir ziem- 
lich zahlreiche Entwicklungsstadien von Crocodilus biporcatus 
zur Verfügung standen. Die jüngsten hatten ein Längenmaas 
von 17 mm. Die Extremitätenknospen mit dem dichten mero- 
blastischen Gewebe im Innern, welches sich auch noch dorsal und 
ventral in die Rumpfwand hineinzieht, sind bereits gut entwickelt, 
schauen jetzt aber hier nicht mehr dorsalwärts, sondern sind mit der 
Spitze schwach abwärts geneigt (Fig. 182, 183). In ihrer Achse sieht 
man den Humems (Fig. 183, H) bereits im Vorknorpelstadium und 
von einer mächtigen Nervengabel umgriffen, welche auf dem betr. 
Querschnitt bis zum Rückenmark hinauf verfolgt werden kann (w, n l ). 
An der Peripherie deutet die dunkle Zone auf die späteren Muskeln 
hin. Letztere sind um diese Zeit noch nicht einmal in den Somiten 
difFerenzirt Die Präparate sind auch lehrreich für die Entwicklung 
der Harndrüse, der Lunge (VN, Lg), der Leber etc. Das Vorder- 
armskelet ist in weiter caudalwärts liegenden Schnitten bereits in Form 
eines grobzelligen, einheitlichen Blastems sichtbar. 

Die nächsten Stadien habe ich des ausserordentlich stark ge- 
krümmten Körpers wegen nicht in der Länge , sondern nur in 
der Breite geraessen. Es mag sich um etwa 21—23 mm lange 
Thiere gehandelt haben; der Querdurchmesser ihres Rumpfes in 
Schulterhöhe betrug 3 mm. — Der dorsale Abschnitt der Scapula 
war hier nur durch einen sehr schmalen, lang sich ausziehenden 
lockeren Zellhaufen angedeutet. Gegen das Humemsgelenk zu vor- 
dichtet sich derselbe mehr und mehr und erscheint dann im Flächen- 
schnitt (Fig. 184) als eine compacte runde Masse (£), welche bereits 
das charakteristische Aussehen des Vorknorpels zeigt. Hyalinknorpel 
besteht um diese Zeit noch nirgends am Schultergürtel, dagegen ist 
Humerus und Antibrachium , namentlich aber erstem*, bereits ver- 
knorpelt. Das Handskelet befindet sich noch im Vorknorpel- 
stadium (H, AB, Ma). 

Die vordere, an der Peripherie sehr scharfkantige Extremität des 
Crocodilembryos sieht in ihren äusseren Form Verhältnissen jetzt noch 



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gar nicht so au«, als ob sie für ein terrestrisches Leben bestimmt 
wäre; sie ist paddelartig und verspricht viel eher, eine 
Flosse zu werden, ähnlich wie diejenige von Chelonia.. 

An der Peripherie ist sie gegen die Körperseite stark abgeplattet 
und besitzt einen zugeschärften dorsalen und ventralen Rand (Fig. 
184, Mo). Auf dieser Figur sieht man bei UN die Urniere, worüber 
[sowie auch über die Vorniere] ich an anderer Stelle ausführlich berichtet 
habe (109), in mächtiger Entwicklung. In der Kürperwand (M l ) be- 
ginnen sich eben die Muskeln zu differcnziren ; in der freien Extremität 
sind dieselben an der Peripherie als dunkle Zone (Jf 8 ) erkennbar, 
histologisch aber noch nicht differenzirt. 

Ehe ich mich zu einem etwas älteren Entwicklungsstadium wende, 
will ich noch auf das in Fig. 184 sichtbare, erste Auftreten der Clavi- 
cula (Cl) hinweisen. Diese besteht um diese Zeit nur aus einem 
scharf umschriebenen, medianwärts gerichteten Vorsprung der noch 
im Vorknorpelstadium l>efindlichen Scapula (5). 

Bei Embryonen, die 4 nun Schulterbreite besitzen, ist die Sca- 
pula schon gut verknorpelt. Ich habe das betreffende Entwicklungs- 
stndium in vier Flächenschnitten der rechten Körperhälfte dargestellt, 
welche in Fig. 187, A — D in dorso- ventraler Richtung auf- 
einanderfolgen, und in welchen ich nur die Skelettheile eingezeichnet 
habe. In Ep ist die äussere Körperwand durch eine einfache Linie 
dargestellt, bei W ist eben noch die Wirbelsäule zu sehen; bei Ii, R 
sind einige Rippen getroffen. Bei f in Fig. A sieht man, wie das 
vordere Ende der Scapula (S) sich abzuschnüren beginnt, was in 
Fig. B schon weiter gediehen und in Fig. C bereits durchgeführt ist. 
An den beiden letztgenannten Figuren Gesteht aber der Fig. A gegen- 
über der Unterschied, dass die proximale Partie des abgeschnürten 
Stückes, welches nichts Anderes ist als die Clavicula, nicht mehr 
hyalinknorpelig erscheint. Man wird vielmehr an jenes dichtzellige 
Gewebe erinnert, welches den Vorläufer der Clavicula bei Laeerta 
bildet. Weiter ventralwärts besteht dieselbe auch beim Crocodil über- 
haupt nur aus solchem Gewebe, und jede Knorpelspur ist verschwunden. 
Sechs Schnitte weiter ventralwärts ist von der Clavicula nichts mehr 
zu sehen, sondern sie verstreicht im umgebenden Mesoblastgewebe. 
Dagegen trifft man auf das auch bei Laeerta schon erwähnte Nerven- 
loch im Coracoid und sieht die vier vordersten Rippen jederseits xu 
einer Sternalleiste zusammenfliessen. Die vorderste Rippe, welche sich 
an der Sternalanlage betheiligt, entsteht ganz ventral, dicht 
neben demSternum, wächst also nicht etwa erst von der 
dorsalen und lateralen Seite nach vorne ventral- und 
medianwärts (vergl. Menobranchus). Von einem Episternum 
ist in diesem Stadium noch nichts zu sehen. 

Um noch einmal auf die Clavicula zurückzukommen, so stehen 



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also die Croeodile bezuglich ihrer theilwcisc knorpeligen Anlage auf 
einem noch primitiveren, an die Chelonier und Amphibien sich 
anschliessenden Standpunkt, als die Saurier, und man kann mit voller 
Sicherheit behaupten, dass die Rückbildung des Knorpels im Laufe 
der Stainmesgeschichte von der medialen nach der lateralen Seite hin 
erfolgt sein muss. Ich kann also die Vermuthung früherer Autoren, 
dass den Crocodilen ontogenetisch eine Schlüsselbeinanlage zukomme, 
sowie die vollkommen richtige Auffassung Gottes bezüglich des 
Lacert iiier - Sehl üsselbeines bestätigen. 

In Fig. 185 habe ich den Querschnitt eines Embryos abgebildet, 
welcher seinem Alter nach zwischen den beiden zuletzt beschriebenen 
etwa die Mitte hält. Links ging der Schnitt weiter köpf-, rechts weiter 
eaudalwärts durch, und deshalb ist hier ausser der Scapula (S) auch 
schon ein grösserer Theil des Coracoids (C) getroffen. Linkerseits be- 
rühren sich Scapula und Coraeoid beinahe, doch weist noch eine 
schmale, unverknorpelte Zwischenzone auf die ursprünglich getrennte 
Anlage der beiden Knorpel zurück. Auf der rechten Seite, wo der 
Humerus in grosser Ausdehnung getroffen ist, sind die umgebenden 
Muskeln (M 2 ) eben in Differenzirung begriffen. Die Scapula ist um 
diese Zeit nur in dem der späteren Pfanne zunächst liegenden Be- 
reich verknorpelt und erscheint dorsalwärts durch einen Streifen von 
Mesoblastgewebe fortgesetzt. Auch ventralwärts ist die Ausdehnung 
des Schultergürtels noch eine sehr beschränkte, da ihm durch den 
breiten Stiel des Dottersackes (Do) vor der Hand Halt geboten ist 
Auf weiter caudalwfirts Hegenden Schnitten zeigt sich die Verknorpelung 
des Vorderarmskeletes bereits etwas fortgeschritten, und auch in der 
Hand treten die ersten Knorpelspuren auf. 

In der Medianlinie liegt der Oesophagus (Oes) und die Trachea 
(Tra), beide in einem dichtzelligen, das Cölom (Co, Co) in sagittaler 
Richtung ganz durchsetzenden Gewebsstrang, wie in einem compacten 
Mesenterium. Dorsalwärts vom Oesophagus liegen die Aortenwurzeln ; 
sie sind in der Figur nicht besonders bezeichnet. Am Rückenmark 
sind, wie in Fig. 182, 183 und 188, bei SpG die Spinnlganglien 
getroffen. 

Von einer Epistemalanlage habe ich erst bei GO— 65 mm 
langen Embryonen etwas wahrgenommen. Es handelt sich um eine 
deutlich paarige, ventral von der Trachea liegende Ansammlung von 
Mesoblastzellen. Sehr früh schon findet aber ein Zusammenfluss statt, 
wie dies auf Fig. 188 bei * dargestellt ist. Seitlich entspringen die 
Muskeln M M und wenn es sich auch hier nie um Knorpel handelt, 
so bekommt man doch, wie bei Anuren, ganz den Eindruck 
eines genau in der Lin ea alba abdomin is, zwischen den 
ventralen Rumpfmuskeln sich abspielenden Bildungs- 
prozesses. Dieser Eindruck steigert sich noch, wenn man wenige 



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Schnitte weiter caudalwärts das hier sehr breit werdende Episternum 
in voller Verknöcherung trifft (Fig. 189, Eps). Die schmale Knochen- 
platte, von reichlichem Mesoblastgewebe umgehen, zeigt die Neigung, 
in zwei ungleich grosse Stucke zu zerfallen ; doch möchte ich bezweifeln, 
das» dies auf die ursprunglich paarige Anlage zurückweist. 

Fünf Schnitte weiter caudalwärts tritt an der ventralen Fläche 
des einstweilen wieder einheitlich gewordenen Episternuins ein starker 
Kiel (Zugsleiste) auf (bei t unterhalb der Fig. 189), welcher nach 
weiteren 6 Schnitten wieder ganz allmählich verschwindet. Die 
Episternal platte ist nun wieder ganz flach geworden und hat sich be- 
deutend verschmälert. Endlich hört sie feinzugespitzt auf (Fig. 186 
Eps) und wird dann eine grosse Strecke caudalwärts nur noch durch 
indifferentes Mesoblastgewebe fortgesetzt. 

Da, wo das knöcherne Episternum zugespitzt endigt, haben sich 
die Coracoide, welche mit ihrer proximalen Partie in den früheren 
Schnitten (Fig. 188, 189) noch sehr weit dorsal- und lateralwärts 
lagen, einstweilen viel weiter gegen die Mittellinie vorgeschoben, und 
zugleich ist ventralwärts von ihrem medialen Rand jederseits die 
Sternal-Leiste (StL in Fig. 186) aufgetreten. Beide Hälften werden 
durch einen breiten Zug raesoblastischen Gewebes (f) verbunden, und 
man erkennt jetzt schon die Form des späteren, mit den seitlichen 
Taschen versehenen Sternums (vergl. Fig. 186 und 191). Einem Zu- 
sammenfluss desselben steht in dieser Periode, wie ich dies auch für 
die Coracoide bereits ausgeführt habe, noch die breite Dotterpforte 
entgegen. 

Aus dem Mitgetheilten lässt sich Dreierlei entnehmen. Erstens 
entwickelt sich das Episternum in der Richtung von vorne nach hinten, 
zweitens ähnelt es während der Embryonalzeit formell viel mehr 
demjenigen der Saurier, als dies später der Fall ist, und drittens endlich 
erreicht es schon eine hoho Entwicklung, so lange das Sternura in 
seiner Anlage noch sehr weit zurück ist, d. h. lange bevor dasnelbe 
in der Mittellinie abgeschlossen wird. Auch dies erinnert wieder an 
Lacerta. 

Ist letzteres, was erst bei 10 — 12 cm langen Thieren eintritt, er- 
reicht, so schiebt sich das nach wie vor mit weitaus seiner 
grösseren Masse prästernal, d. h. kopfwärts vomSternum 
liegende Episternum mit seinem hin teren, zugespitzten 
Ende auf die ventrale Seite desselben hin. In Fig. 190 sind 
die beiden Sternalleisten (StL) in der Mittellinie noch nicht vereinigt, 
und es erweckt geradezu den Eindruck, als würde diese Vereinigung 
durch das sich dazwischen einkeilende Episternum (Eps) verhindert. 
Alle zusammenstossenden Theile sind von einem mächtigen Perichon- 
driura umgeben, und man begreift jetzt schon, wie leicht vom Manu- 
briuro sterni der Säuger episternale Elemente assimilirt werden können. 



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Weiter caudalwärts erscheint das Episternuni immer mehr auf die 
Ventralseite der Sternalplatte verdrängt, und kommt hier in eine 
Rinne derselben zu liegen (Fig. 191). Auf Fig. 192 ist letztere ver- 
schwunden, und das Episternum endigt mit feinster Spitze auf der 
sternalen Knorpel platte, in deren seitliche Taschen sich die Coracoid- 
resp. Epicoracoidränder einfalzen, wie dies auch schon in Fig. 191 zu 
sehen war. 



Bevor ich die Reptilien verlasse, möchte ich noch gewisse Punkte 
ihres Humerus, sowie desjenigen der Vögel und Säugethiere einer 
Betrachtung unterziehen. Ich meine die am distalen Ende dieses 
Knochens oberhalb des Condylus externus und internus, bezw. Uber 
diesen beiden vorkommenden Cunäle. Dieselben haben im Laufe der 
letzten Jahre von Seiten Ruge's (88) Dollo's (22), Ftirbringer's 
(31) und Baur's (11) eine eingehende Schilderung erfahren, und ich 
werde versuchen, die betr. Ergebnisse zu einem Gesamintbilde zu ver- 
einigen, ohne jedoch damit eine Aufzählung aller der mit jenen 
Canälen ausgerüsteten Reptilien und Säuger verbinden zu wollen. 
Wer sich hierfür interessirt, findet bei Dollo und Baur reichlich 
Gelegenheit, sich aufs Eingehendste zu unterrichten. 

Die primitivsten Wirbelthiere, bei welchen sich ein Canalis 
ektepicondy loideus entwickelt zeigt, sind die aus dem Perm 
stammende Palaeohatteria und der demselben geologischen Horizont 
angehörige Kadaliosaurus; ferner gehört hierher der jurassische 
Homoeosaurus Maximilian! 1 )) sowie der ebenfalls in Solenhofen 
gefundene Saphcosaurus. Nach dem Berichte von von Amnion 
(1) befindet sich bei Homoeosaurus Max. das „kräftige Loch nahe 
beim Condylus radialis, in einer Entfernung von 2 mm vom distalen 
Rande 11 . 

Bei Hatteria sind beide Canäle vorhanden, wie ich mich durch 
eine genaue Präparation selbst überzeugt habe (Textfigur 37, A). Der 
auf der Volarseite in einer Bucht beginnende Canalis entepicondyloideus, 
durch welchen nach Baur der Nervus medianus und die Arteria 
brach ialis hindurchläuft, mündet, wie ich finde, genau auf der Crista 
epicondyloidea interna (Textfigur 37, A bei d) ; der äussere Canal da- 
gegen öffnet sich etwas weiter nach hinten von der entsprechenden 
Crista der radialen Seite. In Folge dessen ist er auch von der Dorsal- 
seite des Humerus sichtbar, was für den inneren Canal nicht gilt. 
Durch den äusseren Canalis epicondyloideus geht überall, wo er vor- 

') Nach Baur (11) soll Homoeosaurus Max. sowie Brithopus, ein 
theoriodontes Reptil aus dem uralischen Perm, sowohl ein äusseres als ein 
inneres epicondyles Loch besitzen. Dadurch würden dieselben also mit 
Hatteria übereinstimmen. 



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kommt — und seine Verbreitung ist, wie ich gleich zeigen werde, eine 
ungemein grosse — der Nervus radialis resp. der Ramus pro- 
fundus dieses Nerven hindurch. Es handelt sich also in beiden 
Fällen im Wesentlichen um Nerv e n canäl e. 

Der Ca na Iis ektepicondyloideus allein findet sich 1 ) wahr- 




Textfigur 37. Humerus-Canäle. A von Hattert a, B von Lacerta ocellata, 
C von der Hauskatze, D vom Männchen. Ce Condylns externus , Ci Condylus 
internus. Bei Hatteria sind beide Canälo, ein GL entepicondyloideua (Pfeil bei •) und 
ein CS, ektepicondyloideus (Pfeil bei 6) entwickelt. Bei Lacerta ocellata liegt der allein 
vorhandene äussere Canal (f) auf der Volarscite noch in der distalen Knorpelapophyse 
de« Huznerus. In D ist ein Processus entepicondyloideus (•) entwickelt, welcher durch 
ein fibröses band fortgesetzt wird. Dadurch entsteht der betr. Canal (fk 

scheinlich bei allen lebenden Lacerten und S c hi 1 dk r ö ten. Auch 
bei fossilen Reptilien trifft man ihn vielfach an. Dabei liegt er aber, 
wie ich an Lacerta ocellata finde (Textfigur 37, B. f) nicht immer 
ganz im Bereich des Knochens. So beginnt er z. B. bei dem eben 

') Zuweilen ist er, wie es scheint, nur durch eine Rinne oder einen Aus- 
schnitt angedeutet. 



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genannten Saurier ventral noch in der distalen Knoipelapophy.se 
radial warts von der Gelenkrolle des Humer us, während er auf der 
dorsalen Seite im Bereich des Knochens, wenn auch dicht über dem 
Knorpel, ausmündet. 

Der Canalis entepicondy loideus allein scheint ursprüng- 
lich bei allen Säugethieren und deren Ahnen vorhanden; bei 
einigen aber, bei welchen die Extremitäten stark modificirt worden 
sind, ist er verloren gegangen 1 ). Er kommt auch den anomodonten 
und theriodonten Reptilien, sowie den Pely cosauriern 
(Copc) zu 9 ). 

Bei Beutlern und gewissen Eden taten liegt an der Stelle des 
äusseren Condylus, wo sich bei Reptilien ein Canal findet, ein Aus- 
schnitt. 

Früher wurden diese Canäle, so wenigstens der C. entepicondy- 
loideus als Schutzmittel für den N. medianus und die Art. brachialis 
bei kletternden, grabenden, greifenden etc. Thi*-ren aufgefasst (Home 
und Tiedemann); bald aber sah man ein, dass diese Erklärung keine 
stichhaltige war. — W. Gruber, der in 38 Fällen beim Menschen 
den M. pronator teres von dem „Processus supracondyloideus humeri", 
welch letzterer beim Menschen in 2,7° o der Fälle vorkommt, ent- 
springen sah, glaubte seine Entstehung damit in Verbindung bringen 
zu können. Mit Recht wurde aber diese Ansieht von G. Rüge be- 
kämpft und jener für efne secundttre Erscheinung erklärt, da sich der- 
artige Verhältnisse nur beim Menschen constatiren lassen. 

Dollo schliesst mit den Worten: „En resume, la veritable utilitd 
des canaux epicondylien» nous est actuellement inconnue". 

Einen der Gründe des allmählichen Schwindens jenes Canales 
erblickt Rüge in den Pulsationen der Arterie, wodurch der betreffende 
Knochenfortsatz usurirt wurde. Als Beispiele werden die Sulci meningei 
des Schädels und die unter dem Einfluss eines Aorta-Aneurysmas 
stehende Wirbelsäule angeführt. — Will man dies auch zugeben, so 
ist doch damit noch keine Erklärung für den Canalis ektepicondyloideus 
gegeben. H. Rüge erblickt in dem Processus entepicondyloideiiB eine 
atavistische, von den Reptilien vererbte Einrichtung. Bei letzteren 
ist seine Entstehung „sehr wahrscheinlich durch die Muskulatur ange- 
gebahnt und ausgebildet worden". 

Wie man aus Vorstehendem ersieht, fehlt es bis jetzt an irgeud 

') Nach Fürbring er findet »ich, wie schon Meckel 1832 nachgewiesen 
hat, auch beim Casuar eiu letzter Rest des Canalis ektepicondyloideus. „Die 
bei den carinaten Vögeln und den Säugethieren zu beobachtenden Ineisuren 
stehen zu diesem Canal nicht im Verhältnis* einer directen Verwandtschaft, 
sondern sind als analoge (bomomorphe), aber zugleich sehr entfernte generelle 
Beziehungen andeutende Bildungen zu beurtheilen." 

*) Der Canal liegt immer im Apophy sen-Theil des Humerus. 



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einer plausiblen Erklärung für das Zustandekommen jener Canäle. 
Dass sie hei Säugethieren als ein uraltes ErbstUck von Reptilien, ja 
selbst von solchen Formen, welche noch amphibien- und reptilienartige 
Charaktere in ihrem Skeletbau vereinigen (Palaoohattcria,Homoeo- 
saurus, Hatteria), betrachtet werden müssen, kann keinem Zweifel 
unterliegen. Darin stimme ich auch mit Rüge überein; ich kann 
ihm aber nicht folgen, wenn er meint, dass die Canäle erst in der 
Reihe der Reptilien entstanden und dabei die Muskelverhältnisse 
von bestimmendem Einflüsse gewesen seien. Ganz abgesehen davon, 
dass ich mir von letzterem Vorgange keine Vorstellung zu machen 
vermag, bin ich auch der Ueberzeugung, dass jene Canäle eine 
viel längere Stammesgeschichte hinter sich haben, und 
dass ihr Ursprung in der polyraeren, auf die Concres- 
cenz von Radien zurückzuführenden Anlage des Rasale 
beruht, wie wir eine solche bei der Selachier- bezw. 
G a n o i d e n - Flosse constatiren konnten. Wie hier die Nerven- 
und Gefltaseanäle (Texth'gur 11, b und d) zum grossen Theil offenbar 
als letzte Rest«' der früheren Intervalle zwischen den primären Radien 
zu deuten sind, so spricht sich dies am distalen Humerusende in ähn- 
licher Weise, und zwar, wie nicht anders zu erwarten, gerade bei dem 
primitivsten Reptil (Hatteria) am deutlichsten, nämlich durch die 
Existenz von zwei Canälen aus. — 

Man wird mir entgegnen, dass, wenn sich dies wirklich so verhalte, 
kein Grund vorliege, warum sich nicht auch am Femur Spuren jener 
Canäle erhalten haben sollten, und zweitens wird man mir einwerfen, 
dass einerseits der Abstand zwischen Hatteria und den Knorpelganoiden 
ein nllzu grosser sei, um zwischen beiden an directe Anknüpfungen 
denken zu können , und dass andrerseits die verbindenden Zwischen- 
formen, wie z. B. die Stegocephalen, nichts Derartiges aufweisen. 
Diese Einwiindc, welche, wie ich zugeben muss, sehr schwer in die 
Wagschalt! fallen , habe ich mir selbst gemacht, und was den ersten 
betrifft, so muss ich die Antwort darauf vorläufig schuldig bleiben. 
Ich denke mir eben, dass aus irgend einem Grund, der wahrscheinlich 
in den Gefäss- und Nervenverhältnissen lag, uralte Einrichtungen in der 
vorderen Extremität als nützlich beibehalten , von der hinteren 
aber, die sonst iin allgemeinen einen primitiveren Charakter zu be- 
wahren pflegt, aufgegeben wurden. 

Der zweite Einwand ist leichter zu entkräften, da es nicht un- 
möglich erscheint, dass jene Canäle bei den alten Lurchen des Car- 
bons und Perms nicht den Knochen selbst, sondern die augenschein- 
lich sehr stark entwickelte, distale Knorpelapophyse des Humerus durch- 
setzten. Beweisen kann ich dies natürlich nicht, allein wenn man 
sich an das, was ich über die Lage der Kanäle bei Homoeosaurus 
und Lacerta ocellata mitgetheilt habe, erinnert, so gewinnt jene 



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Annahme immerhin an Wahrscheinlichkeit. Aehnliclu-s gilt wohl auch 
für Arehegosaurus, und vielleicht lässt »ich der von E. Fraas 
(26) an dem schaufelartig verbreiterten Humerus-Ende von Masto- 
donsaurus giganteus beschriebene „wellige Rand" in gleichem 
Sinne deuten, ja, möglicherweise gehört auch Mctopias hierher. Bei 
den recenten Amphibien — und icli habe deren, namentlich was die 
Urodelen betrifft, eine so grosse Zahl zu untersuchen Gelegenheit 
gehabt, das» mir keine einzige wichtige Form entgangen sein dürfte — 
konnte ich weder im Fcmur noch im Humerus jene Löcher nachweisen. 
Allein trotz dieses negativen Befundes halte ich nicht nur an jener 
oben geäusserten Auffassung fest, sondern möchte dieselbe vielmehr 
noch erweitern, indem ich die Frage aufwerte, ob nicht auch die 
durch eine typische Lage charakterisirten, wichtigsten Foramina nutritia 
an den langen Knochen des Extremitäten-Skelets auf ähnliche Ver- 
hältnisse zurUckdatiren ? Hier eröffnet sich der Forschung noch ein 
weites Feld, und dabei wird die Paläontologie ein gewichtiges Wort 
mitzureden haben. 



Da ich über den Schultergürtel der Vögel und Säugethiere 
früheren Untersuchungen gegenüber zu keinen wesentlich neuen Re- 
sultaten gelangt bin, so verweise ich auf die Arbeiten Oegenbaur's, 
Ruge's, Götte's, Hoffmann's und Fürbringer's. 



Wi*d»rih»im, GHedm.wn.kelet der WirbelUiiero. T*»t. 16 



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RÜCKBLICK UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 



Die Lehre, dass die Extremitäten der Wirbelthiere ursprünglich 
dem ganzen Rumpf«* angehörten, hat durch das Studium der Entwick- 
lungsgeschichte niederer Vertebraten eine Bestätigung erfahren. Vor 
Allem waren es die Selachier, welche gezeigt haben, dass es sich 
bei ihren Vorfahren um eine seriale, in der Zahl den Leibessegmenten 
entsprechende Anordnung der Gliedmassen gehandelt haben muss. 
Dieselben waren charakterisirt durch ein sehr primitives, aus getrennten 
Knorpelstttbchen bestehendes Stützskelet, das sich unabhängig vom 
Achsenskelet in der Peripherie einer bilateral symmetrischen Hautfalte 
entwickelte. Spuren dieser Falte treten in embryonaler Zeit auch 
noch bei Teleostiern und Amphibien auf. 

In Verbindung mit jenen Urgliedmassen standen ebenfalls serial 
angeordnete Nerven und Muskeln, welch' letztere von den Somiten 
aus einsprossten. Ein Becken- und SehultergUrtel existirte damals 
noch nicht. 

Beziehungen zum Kiemenapparat lassen sich onto- 
gene tisch nirgends nachweisen, wenn auch das vordere Ende 
der ExtremiUtten-Anlage in engster Nachbarschaft dazu steht. 

Ein derartiges primitives Flossenskelet gelangt bei keinem der 
heute lebenden Vertebraten mehr zu definitiver Ausbildung, sondern 
stellt nur eine Durchgangsstufe dar, welche noch während der Onto- 
genese eino Rückbildung bezw. eine Modifikation erfahrt, während gleich- 
zeitig neue Verhältnisse angebahnt werden. Was den Anstoss dazu gab, 
ist schwer zu sagen ; es erscheint aber nicht unmöglich, dass eine Ver- 
kürzung des Cöloms, wie sie thatsächlich nachweisbar ist, und eine in 
Folge davon sich herausbildende eaudale Körperzone eine grosse 
Rolle dabei spielte. Dadurch wurde unter gleichzeitiger Entstehung 
einer Schwanzflosse ein neues, kräftigeres Bewegungsorgan ins 
Leben gerufen, welchem sich die früheren, serialen Gliedmassen unter- 
ordnen und wodurch sie successive an mechanischer Bedeutung verlieren 



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mussten. Ein grosser Theil von ihnen schied deshalb als unnützer 
Ballast aus, und was Übrig blieb, sank von der Stufe ursprünglich in der 
Längsachse des Körpers wirkender Locomotionsorgane zu solchen herab, 
welche zunächst wesentlich mit der Aequilibrirung und Steuerung des 
langgestreckten Körpers beauftragt wurden, kurz, der Rest wurde zur 
Bauch- und Brustflosse. Aus diesen einarmigen Hebeln ging später 
ein mehrarmiges Hebelsystem hervor. 

In jenen paarigen Extremitäten der Fische spricht sich heute noch 
der ursprüngliche Bildungsmodus entweder in der allerreinstcn Weise 
(Brust- und Bauchflosse der Sclachier, Bauchflosse der Knorpelganoiden) 
aus, oder ist derselbe mehr oder weniger verwischt, ohne jedoch 
dadurch ganz zu verschwinden. (Brustflosse der Knorpelganoiden, 
und eine weitere Etappe repräsentirend : Brust- und Bauchflosse der 
Teleostier.) 

Bei allen Wirbelthieren setzt die Anlage der Extremität mit 
Bildung einer mehr oder weniger ausgedehnten Hautfalte ein, in 
deren Bereich das Epithel des Hornblattes eine Erhöhung und eine 
regelmässige, palissadenartige Anordnung der tieferen Zellen erfährt. 
Jene Falte wächst später zu einem lappigen Organ aus, dessen Stellung 
zum Rumpfe eine wechselnde und bei den über den Selachiern 
stehenden Vertebraten offenbar eine von den Verhältnissen des Dotters 
abhängige ist. So kann man z. B. eine dorsale Richtung der Extremi- 
tätenknospe in gleicher Weise an der Brustflosse der Ganoiden und 
Teleostier constatiren, und auch bei vielen Amphibien und den meisten 
Reptilien stehen die Gliedmassen anfangs noch steil nach hinten und 
dorsalwärts vom Rumpfe ab. Bei Anuren wirkt der Kiemonsack auf 
die Stellung der vorderen Extremität modificirend ein. 

Allen Wirbelthieren gemeinsam ist in einem weiteren Entwick- 
lungsstadium das Einwuchern von mesodermalem Gewebe in jene 
primitive Extremitätenknospe, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass 
die Proliferationszone der betreffenden zelligen Elemente in dem nahe 
angrenzenden Cölom-Epithel zu suchen ist. Sehr frühe schon wachsen 
auch Nerven und Gefässe ein, darauf erscheinen Muskeln, und die 
Skeletogenese kommt in Gang. 

Dies ist das Bild, wie es sich bei der Entwicklung der Glied- 
massen aller Vertebraten entrollt, und nachdem ich dasselbe hiermit 
in seinen Grundlinien skizzirt habe, wende ich mich zu den Se- 
lachiern zurück, um bei diesen den ursprünglichen Modus jener 
Bildungsvorgänge näher zu präcisiren. 

Nachdem die Ein Wucherung mesoblastischer Elemente in die ur- 
sprünglich lateral und ventral gerichteten Extremitätenanlagen bereits 
stattgefunden hat, tauchen in jenem Blastem kleine, gegen den Rumpf 
zu mehr oder weniger convergirende Knorpelstäbchen („Radien") 
auf, welche mit ihren proximalen Enden successive in der Rich- 

16* 



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tung von vorne nach hinten untereinander verschmelzen, und so 
schliesslich zu einem Basale (Basipterygium) verbunden werden (Text- 
figur 38, A, B bei Bas). Dieser Basal strahl wächst mit seinem 
Vorderende allmählich immer tiefer in die Rumpfwand ein, fliesst 
endlich mit seinem Gegenstück zusammen und erzeugt so den ersten 
primitiven , von Nervenlöchern durchsetzten Becken- und Schulter- 
gürtel. — 

Beide Ex tremitätengürtel der Selachier sind also 
streng homologe Bildungen, beide sind phyletisch und 
ontogenetisch jünger, als die freien Gliedmassen. 
Letztere sind das treibende Prinzip, unter dessen for- 
mativem Einfluss jene Fixationsapparate in der Rumpf- 
wand entstehen. Becken- und 8 chul tergü r tel sind so- 
mit geradezu als Producte des Skelets der freien Glied- 
massen zu bezeichnen, und da sieausdem von einer Summe 
von primitiven Radien gebildeten Stammstrahl entstehen, 
so besitzen sie, wie letzterer, ab origine einen polyraeren 
Charakter. 

Diese ursprüngliche Art der Extremitätenbildung ist nun, wie 
oben schon bemerkt, bei gewissen Gruppen der Fische bereits ver- 
wischt und zugleich insofern ontogenetisch abgekürzt, als entweder der 
Stammstrahl zusammen mit der Gürtelzone (Brustflosse der Sturionen), 
oder indem die ganze Gliedmassc sofort als einheitliche Knorpelmasse 
sich anlegt. In beiden Fällen handelt es sich später um seeundiire, 
phyletisch unter Muskelwirkung zu Stande kommende Abgliederungen 
der freien Gliedmasse und ihrer Componenten von dem betreffenden 
Gürtclstüek. Letzteres gilt auch für die Selachier und für die Bauchflosse 
der Sturionen. In diesen sämmt liehen Fällen, also bei allen 
Fischen, entsteht das Schulter- bezw. das Hüftgelenk 
secundär, d. h. in Folge eines im Knorpel platzgreifenden 
Einsehmelzungsprozesses 1 ). Um ähnliche Vorgänge han- 
delt es sich auch in der ganzen Reihe der Amphibien, 
d. h. auch hier besteht noch in ausgesprochenstem Masse 
die Neigung zum Zusainmenfluss des Basale der freien 
Extremität mit der zugehörigen Gttrtelzone; ja, die 
Knorpel verbind ung kann sogar die Embryonalzeit über- 
dauern und das ganze Leben persistiren. Auch im Be- 
reich anderer, in der freien Gliedmasse gelegener, knor- 

>) Derselbe Prozess spielt sich auch ab bei der secundaren Abgiiederung der 
Einzelradien, sowie jener Stücke am proximalen Ende des Staromstrahles, welche 
man als Pro- und Mesoptery gium zu bezeichnen pflegt, und in diesem Falle 
ist dann der Stammstrahl als Met aptery gium zu benennen. Erstere besitzen 
einen durchaus atypischen und schwankenden Charakter, und sind dem 
Mctapterygium gegenüber deshalb nur von untergeordneter Bedeutung. 



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peliger Skelettheile kommt es bei Amphibien während 
der Ontogenese zu Sy nchon drosen, welche sich erst 
später wieder lösen (Textfigur 39, B). 

In diesen Verhältnissen liegt der Schlüssel zum 
Verständniss aller jener, in der Reihe der Wirbelthiere 
in so reichem Masse auftretenden, intraarticulären 
Bänder- und Bandscheiben. Der ontogenetisch sich 



vollziehende Uebergang von der Syndesmosis zur Ar- 
ticulatio hat somit eine phylogenetische Parallele. 

Den an der Urodelengliedmasse sich abspielenden , zum 
vorübergehenden Zusammenfluss führenden Prozessen liegt aber 
meines Erachtens noch eine tiefere Bedeutung zu Grunde. Wie 
sich nämlich in dem secundären Zusammenfluss des Femur und 
Humerus mit den zugehörigen Gurtelsttteken die unverkennbare 
Tendenz ausspricht, die ontogenetisch schon vorbereitete Abgliederung 
des Basalstrahles wieder aufzuheben und das Gliedmassenskelet in 
seiner proximalen Partie wieder auf den weniger gegliederten, mehr 
einheitlichen Typus der Fischflosse zurückzuführen, so gilt dies genau 





Fo G 



,t 



Textfigur 38. A, B, C. Sckemati- 
seke Darstellung dreier auf ein- 
ander folgender Entwicklungs- 
stufen der paarigen Extremitä- 
ten der Selackier. Zu Grunde ge- 
legt ist die hintere Extremität. Rad pri- 
mitive Radien, welche in A bei Bat* zu 
einem Baaalstrakl zu verwacksen begin- 
nen. In B ist die* bei Hat beiderseits 
geschehen, und die proximalen Enden des 
H&aalstrahlea neigen sich bei * bereits 
zur Gürtelbildung gegen einander. In < ' 
ist letztere vollendet (bei Gl und bei t 
bahnt sich die Abschnflrung der freien 
Gliedmasse an. Zugleick sickt man auf der 
linken Seite dieser Figur, wie sick an der 
Peripkerie secundäre Itadien abgliedern. 
Fo Foramen obturatorium, Cl Cloake. 



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ebenso für die periphere Zone der Extremität Auch hier macht 
sich das Bestreben geltend, die bereits angebahnte Quergliederung 
wieder zu verwischen und die in der Längsrichtung parallel laufenden 
Radien der Flosse sozusagen wieder zu reconstruiren (Textfigur 39, B). 
Kurzum, es handelt sich um einen in der Ontogenese der geschwänzten 
Amphibien auftretenden Rückschlag, denn anders wüsste ich 
jene Erscheinung nicht zu bezeichnen. 

Uebrigens komme ich auf diese interessanten Verhältnisse später 
noch einmal zurück. 

Es wird sich nun die Frage erheben: wie und wo ist die Um- 
wandlung einer Fischflosse in die Extremität eines Urlurchcs vor 
sich gegangen? — Darauf vermag ich so wenig als Andere eine sichere 
Auskunft zu geben, und nach wie vor bin ich der Ueberzeugung, 
dass die Lösung jenes cardinalen Problems wesentlich von künftigen 
paläontologischen Forschungen zu erwarten ist. Gleichwohl aber 
glaube ich auf Grund meiner, jetzt über alle Hauptgruppen der Verte- 
braten sich erstreckenden, embryologischen Erfahrungen mittheileu zu 
sollen, zu welcher Auffassung ich über jenen Punkt gelangt bin. 

Da es mir bei keiner Selachierform gelungen ist, in der Ent- 
wicklungsgeschichte eine Andeutung eines biserialen Flossentypus nach- 
zuweisen, so betrachte ich, wie ich dies auch früher schon ausgesprochen 
habe, die Selachie r als eine Grundform, welche in ihrer Phylo- 
genie kein Di pno erstad i um durchlaufen haben können. 
Wie bekannt, kommen Sola c hier neben Dipnoern und Ga- 
noiden bereits im Devon vor, ja vielleicht reichen alle drei noch 
bis in den Silur; D i p n o e r und G a n o i d e n sind aber offenbar 
bereits modiiieirte Formen, welche beide in den Urselac Iiiern, aus 
welchen auch PI eu racan th us und X e naca n t hus hervorgegangen 
sein müssen, wurzeln. Diese beiden letzteren, noch sehr primitiven 
Typen liegen auf jener Etappenstrasse , welche sich einerseits in der 
Richtung gegen die Gross opterygier mit dem recenten Poly- 
pterus und den Sturionen, andererseits gegen die recenten Di- 
pnoer abzweigt. Es sind noch, um mich so auszudrücken, Misch- 
formen, welche in der Beckenflosse den Ganoiden- und Selachier-, 
in der Brustflosse aber schon den Dipnoer-Typus in sich vereinigen. 

Ich habe im Laufe meiner Mittheilungen darauf hingewiesen, 
dass die Beckenflosse stets das conservative Prinzip repräsentirt, 
dass sie ursprünglicher, einfacher gestaltet ist und verhältnissmassig 
weniger starken Schwankungen unterliegt, als die Brustflosse. Auf 
die Gründe hierfür will ich vorderhand nicht mehr zurückkommen 
und nur noch einmal betonen, dass der doppelstrahlige , biseriale 
Typus zuerst in der Brustflosse angebahnt, durchge- 
führt wurde, und dann erst in der Beckenflosse auftrat. 



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Spuren dieses Entwicklungsganges liegen ja auch noch in dem reccnten 
Ceratodus vor, worauf ich ebenfalls früher schon aufmerksam ge- 
macht habe. 

Bei der Frage nun, wo sich die terrestrischen Wirbelthiere 
abgezweigt haben, kann es sich meiner Ueberzcugung nach um keine 
Formen von einem besonders radienreichen Flossentypus handeln. 
Gegen einen solchen sprechen die mechanischen, die entwicklungs- 
geschichtlichen sowie die Organ isations- Verhältnisse der Urodelenglied- 
massen überhaupt; wir werden uns also nach einer Fischform umsehen 
müssen, wo eine Heduction der Flossenstrahlen bereits angebahnt war. 
Eine solche aber kann nur auf jenem Seitenwege der oben bezeich- 
neten Etappenstrasse liegen, welcher sich zu den G a n o i d e n abzweigt. 
Hier finden wir die gesuchte Reduction im Flossenskelet, und zugleich 
sehen wir das charakteristische Basalstück (vergl. Textfigur 6 und 7 
bei Bas 1 ) von Pleuracanthus in seiner typischen Lage und Form 
auf die Beckenflosse der Knorpel- und Knochenganoiden fortvererbt 
(vergl. Textfigur 11, 13 und 40). 

Im Folgenden halte ich es nun im Interesse einer klareren Dar- 
stellung für gerathen, die freie Extremität getrennt von der Stammcs- 
entwicklung des Beckens zu besprechen. 

Bei Zugrundelegung einer ganoidenartigen Urform erscheint es 
mir ziemlich einerlei, ob man sich bezüglich ihrer Beckenflosse mehr 
an diejenige der .Sturionen oder an die solcher Ganoiden halten will, 
aus welchen sich diePolypteriden herausentwickelt haben. Zwischen 
beiden bestehen keine prinzipiellen, sondern nur graduelle Unterschiede, 
welche sich auf die mehr oder weniger starke Reduction gewisser 
Flossenstrahlen und auf gewisse Punkte des Beckens beziehen. Immer- 
hin liegen die Verhaltnisse bei Polypterus so, dass, wie ich später zeigen 
werde, eine Anknüpfungsmöglichkeit an terrestrische Formen einer-, 
sowie an die reccnten Dipnoer andererseits von hier aus plausibler 
erscheint, als von den noch primitiver und deshalb indifferenter sich 
verhaltenden Knorpelganoiden aus. 

Dass das Basale der freien Flosse, in welchem vielleicht einige 
propterygiale, im Wesentlichen aber metapterygiale Elemente stecken 
mögen, zum Femur resp. Humerus wird, kann keinem Zweifel 
unterliegen. Für ebenso berechtigt halte ich es, einige der peripher 
sich anschliessenden, getrennt bleibenden Knorpelstrahlen als die 
späteren Bau- Elemente des Unterschenkel- bezw. des Vorderarm- 
skelcta, d. h. der Tibia und Fibula (Radius und Ulna), in 
Anspruch zu nehmen. Welche derselben es sein mögen, ob diejenigen, 
welche am Basale der Sturionen mehr köpf- oder mehr caudalwärts 
aufgereiht liegen, wage ich nicht zu entscheiden, denn dazu müsste 
man vor Allem wissen, in welcher Weise die betreffende Zwischenform 
ihre Flosse zuerst als primitives Stütz- und Hebelorgan auf den festen 
Untergrund aufsetzte. 



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Bei Polypterus möchte ich mich in dieser Beziehung für die 
beiden, inedianwärts liegenden Strahlen (Textfigur 39, A 1 Bad) ent- 
scheiden, erstens, weil diese, resp. die distal sich anschliessenden 
Skeletstücke bei einem künstlichen Versuch, die Flosse auf eine 
Unterlage zu setzen, zunächst mit letzterer in Berührung kommen, und 
zweitens, weil die lateralen Radien (Rad 9 ) schon ihrer ganzen Con- 
figuration nach auf den Aussterbe-Etat gesetzt erscheinen. 

Vor Allem aber ist dabei ausdrücklich zu betonen, dass jene 
Strahlen, mögen sie nun aus dieser oder jener Abtheilung der ur- 
sprünglichen Gruppe stammen, e inander coordinirt sind. Darauf 
weist ja auch die gleichmassige Entwicklung des bei Urodelen aus 
ihnen hervorgehenden Unterschenkel- und Vorderarmskelets zurück. 

Distalwärts vom Basale kann man also bei ter- 
restrischen Wirbelthieren von keinem Hauptstrahl mehr 
reden, und auch bei Fischen ist dies nur in bedingter 
Weise möglich, da ein solcher nur ein secundäres Ge- 
bilde bedeutet, das, wie wir wissen, einer Summe von 
primitiven, ursprünglich ebenfalls einander coordi- 
nirt en Strahlen seine Entstehung verdankt. Aus diesem 
Grunde dürfte es sich empfehlen, den Namen Hauptstrahl ein für allemal 
fallen zu lassen, und dafür den passenderen Ausdruck Basale zu 
gebrauchen. 

Dass es mit der Aufstellung eines Hauptstrahles und mit dem 
Versuch, denselben in seiner Fortsetzung auch am Unterschenkel und 
Vorderarm der über den Fischen und Dipnoörn stehenden Wirbel- 
thiere nachzuweisen, von jeher etwas Missliches hatte, beweist schon 
die Thatsache, dass keiner der zahlreichen Forscher hierin zu einem 
allseitig befriedigenden Resultat gelangen konnte. 

Der Grundfehler aber lag darin, dass man auch für die ter- 
restrischen Vertebraton stets direct von den primitiven Verhält- 
nissen der Selachier ausgehen und ihren langen, als 
Collector für alle Seitenstrahlen dienenden Haupt- 
strahl in toto auch auf jene» übertragen zu müssen 
glaubte. Dazu kam, dass die Ganoiden, weil sie einmal im Ge- 
ruch der „Rückbildung" standen, geradezu in Verruf und fiir un- 
tauglich erklärt wurden, ihrerseits zum Ausbau der Stammesgeschichte 
der Wirbelthiergliedmassen etwas Erhebliches beizutragen. Damit 
befand man sich, wie ich immer deutlicher erkenne, in einem grossen 
und beklagenswerthen Irrthum. 

Was nun die Entstehung des Fuss-Skeletes betrifft, so sieht 
es bezüglich einer Erklärung, d. h. hinsichtlich einer Ableitung desselben 
von einer Fischflosse viel schlimmer aus, als dies, wie ich zu zeigen ver- 
sucht habe, für die beiden, proximal sich anschliessenden Segmente der 
terrestrischen Extremität der Fall ist. Immerhin aber ergeben sich einige, 



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wenn auch nur geringe Anhaitapunkte, und diese bestehen darin, dass 
sich an der Peripherie der Knorpelstrahlen jedes Flossenskelets das Be- 
streben einer Abgliederung und Spaltung von Knorpelelementen zweiter, 
dritter etc. Ordnung kund giebt. 

Es beruht dies unter Anderem auf einer ausgezeichneten Er» 
nährung jener distalen Zone und prägt sich schon in früher Embryo- 
nalzeit durch das Auftreten eines starken RandgefUsses daselbst aus. 

Stellt man sich nun vor, dass unter gleichzeitiger Drehung der 
Extremität durch das Aufsetzen und Anstemmen des Flossenrandes 
auf einer festen Unterlage ein Keizzustand gesetzt wurde, so ist es nicht 
undenkbar, dass jene distale Zone des Knorpelskeletes mit einem 
kräftigen Sprossungsprozess, welcher zur Bildung eines Fuss-Skcletes 
führte, darauf reagirte. 

Insofern würde also letzteres zum grösstenTheil eine neue Erwerbung 
darstellen; ob sich dies aber thatsächlich so verhält, ist schwer zu er- 
weisen, und hierbei muss eben wieder die Lösung des Problems von 
paläontologischer Seite erhofft werden. Gleichwohl aber möchte ich dabei 
auf die Enoliosaurier-Flosse mit ihren sicherlich erst secundär 
angebildeten Phalangen sowie auf die Ontogenie der Cetaceen, wo 
sich bekanntlich ebenfalls noch eine Neubildung von Fingerstrahlen 
am ulnaren Rand bei ßeluga zeigt, hinweisen. Auch gehört hierher 
die schon vor langer Zeit von mir beobachtete Vermehrung dos 
O s c e n t r a 1 e beim Axolotl. Meine Worte lauteten damals : „ Die That- 
sache, dass die Häufigkeit eines doppelten Centrale mit dem Alter des 
Thicres stetig zunimmt, während wir demselben bei jungen Thieren 
nur ausnahmsweise begegnen, alles dies kann die oben als typisch 
hingestellte, ursprüngliche Doppelnatur jenes Stückes als zweifelhaft und 
eine Art secundärer Abspaltung in mehrere Stücke vielleicht als plausibler 
erscheinen lassen" 1 ). — In neuester Zeit hatte ich Gelegenheit, ein 
junges, nur 12,2 cm messendes Exemplar von Menopoma, das ich 
der „Smithsonian- Institution" zu Washington verdanke, auf diesen 
Punkt zu untersuchen. Dasselbe besass sowohl im Carpus wie im 
Tarsus nur ein einziges Centrale! — 

Für alle diese Ausführungen verweise ich auf Textfigur 39, A, 
A 1 — C, auf welcher ich die ausscheidenden Radien schraffirt, die blei- 



') Schon G. Baur (12) hat darauf aufmerksam gemacht, und ich selbst 
habe im speciellcn Theil meiner Arbeit darauf hingewiesen, dass sich bei Uro- 
delen-Larven nicht gleich von Anfang an eine fünfstrahlige, sondern zunächst 
nur eine zweistrahlige, auf die beiden ersten Finger bezügliche Anlage zeigt. 
Erst allmählich kommt es gegen die ulnare Seite hin zur Herausbildung weiterer 
Finger. Auf Grund dieser Thatsachc und des biogenetischen Grundgesetzes könnte 
man annehmen, dass jene auf der Ulnarseite sich anbildenden Finger vielleicht 
erst in der Reihe der Urodelcn erworben wurden. 



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- 250 - 



benden hoU dargestellt habe. Ebendaselbst findet sich auch eine aus- 
führliche Figuren- Erklärung. 

Was die Zeit der Entstehung der ersten, auf ein terrestrisches 
Leben berechneten Gliedmasse betrifft, so handelt es sich jedenfalls 
um eine Erdperiode, die der carbonischen lange vorherging; denn wie 
die paläontologischen Funde beweisen, war das amphibische Geschlecht 
der S te g o c c ph a 1 e n in den Sümpfen der Kohlenformation bereits zu 
völliger Ausbildung gediehen. Während jenes Umbildungsprozesses 
der Gliedmassen, des allmählichen Durchbruches der blindgeschossenen 
Riechgruben, der Entstehung einer Lunge und der Veränderung der 
Kreislaufverhältnisse muss eine ungezählte Reihe von Jahrtausenden 
verflossen sein, eine Zeit, in der man noch keinen eigentlichen Fuss, 
sondern die Mischform eines solchen und einer Flosse anzunehmen hat. 

Um nun noch einmal auf die bei Urodelenlarven sich ausbildenden, 
knorpeligen Tarsal- bezw. Carpalsäulen zurückzukommen (Texttigur 39, 
B, C), so erscheint es mir nicht unmöglich, dass die mittlere derselben 
als distaler Rest eines Strahles gedeutet werden darf, der einst vom 
Os intermediura an proximalwärts zwischen Tibia und Fibula, resp. 
zwischen Radius und Ulna lag, und an dessen Stelle später das 
Ligamentum interosseum getreten ist. 

Darauf scheinen mir auch folgende Enaliosaurier hinzuweisen: 
Sauranodon (Baptanodon, Marsh), Ichthyosaurus und Plio- 
saurus portlandicus (Owen) (Plcsiosaurus Manseli (Hulke). 
Bei allen diesen stossen bekanntlich drei Stücke an den Hamerns. 
Gleichwohl ist aber bei einer Beurtheilung dieser Verhältnisse Vorsicht 
geboten, da es sich auch um secundare Erwerbungen handeln kann. 

Zu Gunsten der genetischen Zusammengehörigkeit der freien 
Extremität und der betreffenden Gürtelzone spricht auch noch bei 
Amphibien und Amnioten der Umstand, dass sich beide ur- 
sprünglich als eine einheitliche Mesoblastmasse anlegen, in welcher 
erst später die einzelnen Knorpelherde auftauchen. Der erste liegt 
stets im Femur bezw. Humcrus, d. h. die Skeletogenese erfolgt, 
genau wie bei Fischen, regelmässig von der Peripherie 
her, um dann erst [zuweilen oft unter gleichzeitiger Verknorpelung 
des Unterschenkels (Vorderarmes)] die central liegenden Gürteltheile 
zu ergreifen. Somit bethätigen sich letztere bis zu den 
höchsten Verteb raten empor als spätere Erwerbungen. 

Indem ich mich nun speziell zur Phylogenese des Beckengürtels 
wende , wird es sich zeigen müssen , ob dieselbe mit derjenigen der 
freien Gliedmasse gleichen Schritt hält, und ob sich dabei etwa schon 
von Anfang an Verhaltnisse angebahnt zeigen, welche in einer un- 
unterbrochenen Reihe ebenfalls zu den Amphibien hinführen. 

Als eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Untersuchungen be- 



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trachte ich den sicheren Nachweis, dass das erste Wirbelthier- 
becken aus einer Abgliederung des proximalen Ab- 




schnittes desBasale der freienFlosse hervorgeht. Unter- 
suchen wir, wo uns diese zum erstenmal in der Keihe der Vertebraten 
entgegentritt. Bei den uralten Formen Pleura- und Xenacantlius 



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ist hiervon noch nicht« zu erblicken, und man kann ihrem ganzen 
Organisationsplan nach mit Bestimmtheit annehmen , daas auch ihre 
Vorfahren in früheren Erdperioden kein Becken besasscn, ein Punkt, 
hinsichtlich dessen sich die T c 1 e o s t i e r einer sicheren Controlle ent- 
ziehen. Was man über die letzteren allein mit Bestimmtheit aussagen 
kann, ist das, dass die polymere Entstehung des Basale ihrer Becken- 
flosse verwischt, und dass die gleich ab ortgine einheitliche Anlage 
desselben, wie diejenige der vorderen Extremität, im Sinn einer ab- 
gekürzten Entwicklung aufzufassen ist. 

Den ersten, wenn ich so sagen darf, schüchternen 
Versuch zu einer wirklichen Beckenanlage machen die 
Knorpelganoidcn; doch herrscht eine, wie es scheint, 
sogar noch individuell waltende Inconstanz. Es handelt 
sich dabei um zwei kleine, eventuell verkalkende Knorpelplatten, die 
sich gegen die Medianlinie den Bauches vorschieben und sich entweder 
nur an einander oder auch über einander legen (Textfigur 40). 

Bei Knochenganoiden und speciell bei dem aus dem Devon 
stammenden Polypterus, dem letzten Ueberbleibsel des uralten 
Crossopterygier- Geschlechtes, ist bereits ein Fortschritt des Beckens 
den Sturionen gegenüber zu constatiren. Offenbar benöthigen die 
Bauchflossen bei Polypterus eine solidere Befestigung in der Rumpf- 
wand, und diese wird dadurch erreicht, dass die beiden Beckenhälften 
medianwärts eng zusammentreten und schliesslich verschmelzen. Zu- 
gleich wächst das so entstandene einheitliche Beckenskelet in der 
ventralen Mittellinie kopfwärts zu dem mehr oder weniger langen 
schnabelartigen Processus epipubicus aus (Textfigur 40). 

Eine Vergleichung mit den bei der Entwicklung des Amphibien- 
beckens sich abspielenden Bildungsvorgängen zeigt, dass sich schon 
jene kleine paarige Beckenplatte der Sturionen mit der Pars ventralis 
des Urodelen- und Anurenbeckens parallelisiren lässt. Wie bei 
letzterem, so ist dieselbe auch bei Knorpelganoiden undurchbohrt, und 
ich nehme keinen Anstand, dieselbe mit der Pars ischio-pubica des 
Amphibienbeckens, wenn auch nicht quantitativ, d. h. nicht in ihrem 
ganzen Umfang, so doch qualitativ, zu homologisiren. Dasselbe 
gilt auch für das Becken von Polyp t er u», in welchem bereits das- 
jenige dcsMenobranchus und der Dipnotfr vorgebildet erscheint 
(Textfigur 40). Beide stammen offenbar von einer gleichartigen Grund- 
form ab, und dabei ist nicht zu verkennen, dass sich das Dipnoörbecken 
demjenigen von Menobranchus schon viel mehr genähert hat, als das- 
jenige von Polypterus; allein es ist noch undurchbohrt wie bei letz- 
terem, und wenn es auch schon bedeutend breiter erscheint, so ist es 
doch mit seiner Masse noch nicht in den Bereich eines Nervus obtura- 
torius gerückt. Dies ist auch bei Menobranchus kaum erst angebahnt 
Kurz, aus allen diesen Verhältnissen erhellt aufs DeuÜichate, in 



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welch' nahen phylogenetischen Beziehungen Crossopterygior, 
Dipnofir und Amphibien zu einander stehen; gleichwohl aber will 
ich nochmals ausdrücklich betonen, dass die Amphibien trotz der viel- 
fachen Uebereinstimmung in der Beckenform und trotz der an terrestrische 
Vertebraten erinnernden Stellung der Bauchflosse der Dipnoör, meiner 
Ueberzeugung nach, nicht aus letzteren hervorgegangen sein können. 
Dagegen spricht die ganze Architektur der Flosse sowie alle ent- 
wicklungsgeschichtlichen Erfahrungen, die ich über die Gliedmassen 




Textfigur 40. Phylogenese den Becken«. In Fig. A, welche da.« proximale Stück 
der Beckenflossen von Pleuracanthu» darstellt, handelt es sich noch um das Latent - 
Stadium des Beckens. Es ist noch in den mit t, t bezeichneten Abschnitten des Basale 
enthalten. B Scaph i rhynchus cataphractus, C Polypteros bichir, D Meno- 
branchus. Au 1 Basale, Ap Knorpelapophysen desselben, P Becken, Rad Kadien, 

Fo Foramen obturatorium. 

der Anamnia gemacht habe; dagegen sprechen aber auch schon die 
oben erwähnten geologischen Thatsachen. 

Wollte man dennoch an die Dipnoörflosse anknüpfen, so müsste 
dies in einem phylogenetischen Stadium derselben geschehen, wo die 
biserialen Strahlen zu dem mittleren Stammstrahl noch nicht voll- 
ständig zusammengetreten waren (vergl. Textfigur 9, Ii und i). Eine 
solche Uebergangsform ist uns aber nicht erhalten, und wenn sie es 
auch wäre, so würde eine Verwerthung derselben in dem obgenannten 
Sinne etwas viel Gezwungeneres an sich haben, als dies von der zuerst 
von mir geäusserten Ansicht behauptet werden kann. 

Wie verhält es sich nun aber mit dem S el a c h i e r - Becken ? — Dass 



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dasselbe, wie die ganze Fiscligruppe der Selachier, ein sehr hohes Alter 
besitzt, ist selbstverständlich ; allein ich glaube nicht, dass es in die Ent- 
wicklungsreihe jenes Beckentypus direct hineingehört, welcher zu den 
Amphibien hinführt. Es hat sich schon sehr früh davon abgezweigt, 
und differenzirt sich weiterhin gegen die Rochen und Chimären, erzeugt 
verhältnissmässig frühe schon eine Pars iliaca, wächst stark in die 
Quere, wird von Nerven durchbrochen, lauter Eigenschaften, die bei 
dem ungleich primitiveren Ganoiden- und Dipnoärbecken nicht, bezw. 
noch nicht existiren und die für eine besondere Entwicklungsrichtung 
sprechen, welche nicht auf das ursprünglich Hehr schmale, in antero- 
posteriorer Richtung lang ausgezogene, und mit einem schlanken Epi- 
pubis versehene Amphibienbecken hinweist. Gleichwohl aber nehme 
ich keinen Anstand, das Selachierbecken mit dem ältesten Beckentheil 
der Amphibien, mit dem Ischiopubis, in gewissen Sinne wenigstens, 
für homolog zu erklären, und einem solchen entspricht selbstverständ- 
lich — allerdings wieder mit einer bestimmten Einschränkung — auch das 
Ganoiden- und Dipnoörbecken. Mit diesen Einschränkungen will ich 
ausdrücken, dass das Selachierbecken in seinen seitlichen Bezirken mehr, 
das Ganoiden- und Dipnoer-Becken aber durch das Fehlen derselben 
noch weniger besitzt, als das Amphibienbecken. Aus diesem Grund 
kann es sich in den betreffenden Fällen auch noch nicht um eine reine 
Homologie des Hüftgelenks handeln. 

Das llium, das sich auch ontogenetisch heute noch als jüngster 
Beckenabschnitt docuraentirt, bildete sich bei den Urlurchen 
sicherlich erst ganz allmählich, und zwar in der Art, dass das nächst- 
liegende Myocomma von dem dorsal auswachsenden Beckenknorpel 
benützt und von demselben sozusagen theilweise assimilirt wurde. 
Dabei schieden die Rumpfmuskeln von jenem allmählich aus, traten 
auf die Pars iliaca über, und gewannen so im Interesse der Extremität 
solidere Ursprungsverhältnisse. 

Die Columna vertebralis erreichte das llium erst, als das betreffende 
Wirbelthier sein schwimmendes Dasein ganz oder theilweise aufgab und 
sich seiner Hinterextremitäten nicht nur als schlagruderartiger, auf 
das Wasserleben berechneter Organe, sondern auch, unter beharrlich 
fortschreitender Ausschleifung des Hüftgelenkes, als Stützorgane 
zu bedienen anfing 1 ). Von diesem Moment an musste die Rumpflast 



') Da bei Menobranehus bereit» eine ausgiebige Verbindung de* llium 
mit der Wirbelsäule besteht und die betreffenden Verhältnisse bei dem nahe 
verwandten Proteus sowie bei Arnphiuma offenbar als regressive zu be- 
zeichnen sind, h*> halte ieh dafür, dass auch jene beiden Ichthyoden, so gut wie 
Arnphiuma, aus irgend welchen Gründen sieh erst secundär an da« Wasserleben 
angepasst haben. Dafür spricht ja auch schon der Bau der freien Extremitäten, 
wie namentlich derjenige des Carpu* und des Tarsus. — 

Bemerkenswert!! und einen weiten Horizont für künftige Forschungen er- 



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in der Beckengegend vor dem Einsinken bewahrt werden, iuusste 
durch die immer mehr erstarkenden Strebepfeiler der Darmbeine, 
welche die Körperlast auf die freie hintere Gliedmasse übertrugen, 
eine Stütze erfahren. Dies wird sich unter gleichzeitiger Verbreiterung 
de» dorsalen, auf immer zahlreichere Wirbel Ubergreifenden Ilium-Endes 
in jenen Fällen noch wesentlich gesteigert haben, wo, wie bei Anuren, 
und dann von den Crocodilen an aufwärts in der ganzen höheren Wirbel- 
thierreihe, die Körperlast immer mehr auf die hinteren Extremitäten über- 
tragen wurde, wahrend die vorderen unter, in ganz bestimmter Rich- 
tung fortschreitender und auf die allmähliche Herausbildung eines 
Greiforgans gerichteter Differenzirung eine Entlastung erfuhren. 

Selbstverständlich wird dies auch in den betreffenden Organisa- 
tionsverhältnissen des Schultergürtels zum Ausdruck kommen müssen, 
worauf ich später noch zurückkomme. 

Um noch einmal zu den ursprünglich in der Mittellinie getrennten 
Partes ischio-pubicae zurückzukehren, so vererbt sich hier die 
Tendenz zu einer Verschmelzung derselben in der Medianlinie zu einer 
unpaaren Platte(„Becken pla t te u ) von den Fischen heraufdieDipnoer, 
Amphibien und Anmieten. Dabei handelt es sich aber aus Gründen 
der Anpassung an die verschiedenartigen Bewegungsverhaltnisse um 
die allervcrsehiedensten Moditicationen, und in allen Fällen repräsentirt 
die mediane Zone der Beckenplatte einen „locus minoris resi- 
stent iae u , welcher auf die von aussen wirkenden Einflüsse eventuell 
wieder mit einer Lockerung, bezw. mit einer mehr oder weniger voll- 
kommenen Abspaltung reagirt 

Die Einflüsse der Muskelwirkung können sich 
aber in noch höherem Masse insofern geltend machen, 
als sie zur Schaffung einer solideren Beckenplatte, 
d. h. zu einem ausgedehnteren, von der ab origine 
schärfer differenzirten Pars ischiadica auf die Pars 
pubica übergreifenden Ossificationsprozess führen. 
Damit erscheint der ventrale Beckenabschnitt jeder- 
seits doppelt contrirt und empfängt den ersten Anstoss 
zu jener weiteren Differenzirung, wie sie sich in der 
allmählich sich anbahnenden und bald auch ontogenetisch 
zu beobachtenden, vom Nervus obturatorius gänzlich 
unabhängigen Anlage des Reptilien-Beckens in Form 
eines getrennten Dreistrahles ausspricht. 

öffnend, ist die Thatsachc, da** da, wo es sich in der Thierreihe um Rückbil- 
dungen handelt, aus der Natur der letzteren häufig auf primitive Verhält- 
nisse zurückgcschlosscn werden kann, dass man also durchaus nicht immer auf 
Verwischungen derselben zu rechnen hat. Es handelt sich sozusagen um eine 
Insuffizienz der genetischen Jiildungskraft , welche .'sich an einem bestimmten 
Punkt in negativer Weise bethätigt. 



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Alle diese Wandlungen überdauert das, einen inte- 
grirenden Bestand thei I des Beckens repräsentirende 
und bezüglich seiner Ausbildung anfangs in Correla- 
tion mit derjenigen der Processus praepubici resp. des 
Iii um stehende Epipubis. 

Ursprünglich als Fixati onsapparat und als Stütze 
der Bauchdecken fungirend, behält es diese Rolle später 
nicht nur bei, sondern tritt, seine paarige Anlage aufs 
Neue bethätigend, in Form der Ossa marsupialia in 
wichtige Beziehungen zum Fortpflanzungsgeschäft und 
erscheint erst bei den Mammalia placentalia auf den 
Aussterbe- E tat gesetzt. 

Was den Schultergürtel anbelangt, so erkläre ich denselben, 
wie schon erwähnt, seiner Onto- und Phylogenese nach für durchaus 
homolog dem Beckengürtel. Während aber letzterer, am hinteren 
Rumpfende und in gesicherterer Lage sich befindend, im Allgemeinen 
primitivere Verhältnisse bewahrt, erscheinen diese beim Schultergürtel 
aus zwei Gründen schon mehr oder weniger früh modifizirt Der eine 
liegt in den topographischen Verhältnissen desselben, der 
zweite in dem Verhalten des Dottersackes. 

Bezüglich der ersteren ist vor Allem die den mechanischen Ein- 
wirkungen des Schwanzes entrücktere, zugleich aber die äusseren Ein- 
flüssen ungleich exponirtere und dadurch gewisse Umbildungen för- 
dernde Lage in Betracht zu ziehen. Dazu kommt die Nähe des 
Herzens mit seinen grossen GefHssen, d. h. günstigere Ernährungs- 
bedingungen. Diese drei wichtigen Factoren mussten dem Schultergürtel 
zu8ammt der Brustflosse gleich von vorne herein einen bemerkens- 
werthen Vorsprung vor der hinteren Gliedmasse verschaffen, was sich 
ja bekanntlich bei allen Fischen schon in der bedeutenderen Volums- 
entfiiltung des ganzen Apparates ausspricht 

Ein nicht geringerer Einfluss wird sich, worauf ich schon früher 
hingewiesen habe 1 ) seitens des Dottersackes bis weit in der Reihe 
der Wirbelthiere herauf bethätigen. Ich meine damit nicht nur die 
eigenartige Stellung der primitiven Extremitäten knospen zum Rumpfe, 
sondern auch die specitische Art der Skeletogenese , welcher mehr 
oder weniger lange Zeit hindurch ein Fortschreiten in ventraler 
Richtung verwehrt wird. Dies hat zur Folge, dass geradezu ein der 
Beckenentwicklung entgegengesetzter Weg eingeschlagen wird, da^s 
also der dorsale, supraglenoidale Abschnitt des Gürtels 
einen Vorsprung vor dein ventralen gewinnt 



») Ich will hierbei auch noch einmal auf den Einflusa, den der Ductus vitelJo- 
intcstinalis bei Crocodilen auf die Entwicklung dee Schambeines hat aufmerk- 
sam machen. 



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— 257 



Diese zeitliche Verschiebung ist sicherlich erst secundär, und zwar 
von da an in die Erscheinung getreten, wo mit den Dotterverhältnissen 
gerechnet werden musste. Letztere darf man als ein in der ge- 
nannten Richtung bestimmendes Moment bei den zwischen Amphioxus 
und den Vorfahren der übrigen Fische einst vorhandenen Zwischen- 
stufen mit Sicherheit noch aussehliessen. 

Die dem llium entsprechende Pars scapularis wird und muss sich 
also zuerst anlegen und solidinciren, um der hervorsprossenden Flosse 
frühe schon als Aufhängeapparat zu dienen, und dieses Bestreben macht 
sich weiterhin auch noch dadurch geltend, dass Verbindungen an der 
Wirbelsäule (gewisse Selachier) und am Kopfskelet (Dipnoer, Ganoidcn 
und Teleostier) angestrebt werden. Das bei Anamnia und Amnioten in 
wichtigen Lagebeziehungen zur Vorniere entstehende Scapulare ist also 
ein uraltes Skeletstück , welches seine Prävalenz vor den ventralen 
Abschnitten des Schultergürtels, deren Mutterboden es darstellt, durch 
die ganze Wirbelthier-Reihe hindurch bewahrt. Dies spricht sich auch 
in seiner frühen Verknöcherung bei denjenigen Fischen aus, wo die 
knorpelige Grundlage bereits eine Involution eingegangen hat und wo 
sich der auf ihr in der Phylogenese entstandene, ursprünglich peri- 
chondrale Knochenbelag unter Beihilfe eines corialen Ossifieations- 
prozesses allein noch fortvererbt. (l)ipnofir, Ganoidcn und Teleostier). 

Erst wenn der Dottersack im Laufe der Entwicklung schwindet, 
beginnt die Knorpclsubstanz unter Aussparung von gewissen, für den 
Durchtritt von Nerven und Gefassen bestimmten Löchern und Ca- 
nälen, und eventuell von dem ebenfalls mit fortrückenden Knochengewebe 
begleitet, in ventraler Richtung fortzuwuchern und eine typische 
Lage zum Herzen, bezw. Herzbeutel zu gewinnen. Dieser 
wird ursprünglich gänzlich von der Seite sowie ventralwärts umwachsen, 
und so eine Knorpelspange hergestellt, welche bei S e 1 a c h i e r n und 
Dipnoern der ventralen Beckenplatte homolog zu erachten ist. 

Wie diese gleich bei ihrem ersten Auftreten potentiell einem 
Ischium und Pubis entspricht, so stecken auch in jener Brustspange 
zwei Elemente: ein Ooracoid und eine noch im Stadium der In- 
differenz sich befindende Clavicula. 

Während aber das Stadium der Indifferenz bei der Beckenplatte 
durch die ganze Reihe der Fische, Dipnoer und fast bei allen 
Amphibien noch fortdauert, wird dasselbe im Schultergürtel schon 
bei den Ganoidcn und Teleostier n aufgegeben, indem vom vor- 
deren Rand desselben die Clavicula als ein anfangs nur schwacher 
Fortsatz auswächst. Dadurch wird eine charakteristische, später immer 
mehr an Bedeutung gewinnende und nachträglich zu einem Fenster 
sich abschliessende Bucht (Incisura coraco-clavicularis) zwischen Clavi- 
cula und dem caudal davon liegenden Coracoid , sowie indirect ein 
breiter, die Rumpfwand umspannender, Skeletcomplex erzeugt. Au* 

Wi«d ersheim, 01iodm»»8cijskelet dir Wirbelthure. Text. 17 



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alledem erhellt , dass das P u b i s für das Becken , die C 1 a v i c u 1 a 
aber für den Schultergürtel den jüngsten Erwerb des ganzen Skelet- 
complexes darstellt. Beides sind homologe Bildungen. 

Wie am Becken die Symphysengegend stets einen Punkt des 
geringsten Widerstandes darstellt, so gilt dies auch für die mediale 
Verwachsungszone der ventralen Partie des Brustgürtels, denn dass 
diese sich erst ganz allmählich im Laufe der Stammesgeschichte ange- 
bahnt hat, beweist das Verhalten sehr primitiver Selachierformen wie 
Chlamydoselache und Hexanchus. 

Schon bei Ganoiden und Teleostiern, bei welchen — und 
dies zeigt sich auch schon bei den Dipnoern angebahnt — die 
knöchernen Elemente über die knorpeligen immer mehr die Oberhand 
gewinnen, kommt es nicht mehr zur Concrescenz, gleichwohl aber 
persistirt nicht nur die Neigung, sondern auch, wie dies eine 
grosse Gruppe der ungeschwänzten Amphibien (Rani den) be- 
weist, die Fähigkeit dazu. Selbstverständlich aber kann es sich in 
dem angeführten Beispiel nicht um eine direetc Fortvererbung des bei 
Selachiern und Dipnoern wahrnehmbaren Verhaltens, sondern nur um 
eine secundäre, in Anpassung an die charakteristische Art der Fort- 
bewegung jener Thiere gemachte Erwerbung handeln. 

Die Rumpf last erscheint ja bei Rana nicht nur wahrend des 
Abstossens beim Sprung, sondern auch, wie man sich durch den Anblick 
jedes ruhig dasitzenden Frosches überzeugen kann, zum allergrössten 
Theil auf die Beckengegend, bezw. die hintere Extremität übertragen, 
während die vordere, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, eine 
Entlastung erfahrt. Ich will damit sagen, dass jene schon bei Fischen 
sozusagen präformirtc Lösung der Schulterspange in der ventralen 
Mittellinie dort typisch werden wird , wo es sich unter Einfluss der 
reicher sich differenzirenden Gliedmassenmuskulatur um die Heraus- 
bildung einer einer immer freieren Bewegung fähigen Extremität handelt, 
welche schliesslich ihre höchste physiologische Stufe in einem Greif- 
organ findet. Jene freiere Bewegung sehen wir aber nicht nur bei 
geschwänzten, sondern auch bei vielen ungeschwänzten Amphibien 
bereits angebahnt, und um noch einmal die hierbei massgebend 
werdenden mechanischen Elemente zu betonen, so will ich neben 
Rana auch an die Art der Fortbewegung z. B. einer Unke und 
der gewöhnlichen Kröte erinnern. 

Man könnte mir dabei H y 1 a als vortrefflichen Springer und doch zu- 
gleich als Besitzer eines un verwachsenen Schultergürtels entgegenhalten, 
allein dieser Einwurf ist nicht nur leicht zu entkräften, sondern stützt 
vielmehr im Hinblick auf die eigenartige (z. gr. Th. kletternde) 
Lebensweise dieses Batrachiers meine oben gemachten Ausführungen. 

Jene ventrale Verwachsung des Schultergürtels liegt also durchaus 
nicht im Interesse einer progressiven Entwicklung der vorderen 
Extremität und wir sehen auch letztere, abgesehen von den Chelo- 



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iiiern, wo besondere Verhältnisse vorliegen, ^tatsächlich von den 
Amphibien an aufwärts in der Wirbelthierreihe eine immer freiere 
Lage gewinnen. 

Erst von den Amphibien an wird die Claviculn und damit auch der, 
ähnlich wie dem Amniotenbecken, jeder Schultergürtelhälfte zu Grunde 
liegende Knorpel dreistrahl durchaus typisch, und wenn man die 
grosse und wichtige Rolle in Erwägung zieht, welche hier der Knorpel 
im Extremitätenskelot spielt, so begreift man, wie weit der Ursprung 
des Amphibien-Geschlechts in der Erdgeschichte zurückdatirt werden 
muss. Hier ist an eine directe Anknüpfung an Formen, wie sie durch die 
Dipnoer und den recenten Polypterus dargestellt werden, nicht zu denken, 
dagegen bietet, wie ich gezeigt habe, der durch seinen grossen Knorpel- 
reichthum sich auszeichnende Sehultergürtel von Stör-Embryonen 
manche Uebereinstimmung, so dass meine bezüglich der Ableitung 
der hinteren Gliedmasse terrestrischer Wirbelthiere gemachten Aus- 
führungen auch hinsichtlich der vorderen die Probe bestehen. 

Doch ist dies nicht so zu verstehen, als ob ich dabei gerade das 
Sturionengeschlecht zum Ausgangspunkt machen möchte, denn das geht 
schon deswegen nicht an, weil hier der Scapularknorpel von der dorsalen 
Seite her auch in der Ontogenese schon ein regressives Verhalten zur 
Schau trägt, während er bei Urodelen- und Reptilien-Embryonen fast 
noch ebenso florirt wie bei Selachiern. 

Es muss sich also um eine Urform gehandelt haben, die sich auf 
jenem oben näher bezeichneten Etappenweg bereits sehr früh, d. h. 
jedenfalls schon, bevor die Sturionen auf den Schauplatz traten, abge- 
zweigt hat Aus diesem einen Heispiel erhellt wieder einmal so recht, 
welch grosse Vorsicht bei Aufstellung von Stammbäumen geboten er- 
scheint, und wie gros« die Masse von Thiergeschlechtern gewesen sein 
muss, von welchen keine Kunde zu uns gedrungen ist, und auch wohl 
nie dringen wird. 

Die immer mehr sich anbahnende Freiheit der vorderen Extremität 
erscheint bereits bei den Reptilien dadurch gefördert dass die Clavi- 
cula, obgleich sie nach wie vor als ein, z. Th. sogar noch knorpelig 
(Crocodile) sich anlegender Ast der Scapula anzusehen ist, an Masse 
den Coracoiden gegenüber zurücktritt 

Schon bei Urodelen und vielen Anuren stehen die Coracoide bezw. 
Epicoracoide in beweglicher Verbindung mit einer an der Bauchseite 
gelegenen Knorpelplatte, die sich paarig anlegt und genetisch auf ein 
verknorpelndes Myocomma, d. h. auf eine Bauchrippe, zurückzu- 
führen ist. Derartige Cos tae abdominales eartilagi n eae müssen, 
wie durch Menobranchus bewiesen wird, bei den Vorfahren der 
heutigen Urodelen in grösserer Zahl vorhanden gewesen sein, und wie 
ich dargethan habe, ist auch das „Um oster n um" derRaniden 
genetisch jenen Bildungen anzureihen. Insofern ist letzteres 



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zusammt dem Stern um der Amphibien ebensowohl cos- 
taler Abstammung wie das Brustbein der Amnioten. 

Von den Amphibien an tritt das Sternum gleichsam compensato- 
risch ein für den Verlust, den der ursprünglich ventralwärts geschlossene 
Schultergürtel erleidet. 

Dabei handelt es sich aber im Gegensatz zu gewissen Selaehiern, 
wo solches vorzukommen scheint, nie um ein Differenz irungs- 
produkt des ,S chulterg U rtel s selbst, sondern stets, wie 
schon erwähnt , um eine Zuhilfenahme von Skelettheilen, 
die ursprunglich der Rumpfwand selbst zugehören, die 
also erst secundär mit dem Apparat der Gliedmassen in 
Verbindung treten. 

Ein Sk«ilctelement, dessen Urgeschichte noch keineswegs ganz 
klar liegt, ist das Episternum gewisser fossiler Amphibien, sowie 
zahlreicher recenter und ausgestorbener Reptilien. Ob in der That 
gewisse genetische Beziehungen desselben zu der Anlage der Clavicula 
existiren, steht dahin, und der Gegenstand muss einer erneuten Prüfung 
unterworfen werden. 

Erst dann wird es sich zeigen, ob es sich nicht auch hierbei, wie 
es mir beim Crocodil geschienen hat, ursprünglich um eine Anlage in 
der Linea alba abdomin is handelt. Sollte sich dieses aber als 
richtig herausstellen, so wäre dabei an die Amphibien zu denken und 
zu erwägen, ob sich jenes Episternum ursprünglich nicht gleichfalls 
auf Grundlage knorpeliger Bauchrippen entwickelt hat. Dies müsste 
kopfwärts von dem eigentlichen Sternum zu einer Zeit erfolgt sein, 
bevor sich die beiden Schultergurtel- und Sternalhiilften in der Mittel- 
linie übereinanderschoben, bezw. verwuchsen. Durch diese Waehs- 
thumsvorgänge wurde dann — so könnte man sich vorstellen — das 
Episternum seinem Mutterboden, der ventralen Leibeswand, allmählich 
entfremdet und, wie sich dies in der Embryogenese von Lacerta 
und vom Crocodil, wenigstens für sein caudales Ende, thatsäch- 
licli heute noch feststellen lässt, auf die ventrale Fläche der über 
ihm sich wegschiel>enden Coracoide und des Sternums gedrängt. — 
Dieses erschiene mir viel natürlicher, als von einem Nachhinten- 
wachsen der Claviculac zu reden, womit ich mich, offengestanden, nie so 
recht befreunden konnte. Daraus würde aber noch der weitere Vortheil 
entspringen, dass das Episternum der Stegocephalen und Reptilien ge- 
netisch sich auch auf das Omosternum der Anuren zurückfuhren liesse. 

So vermochte ich in der vorliegenden Arbeit, die eine Frucht an- 
gestrengter, auf eine Reihe von Jahren sich ausdehnender Untersuch- 
ungen ist, nicht alle Fragen zu lösen, und manche Lücke bleibt noch 
auszufüllen. Immerhin aber darf ich vielleicht Dieses und Jenes als einen 
Fortschritt unseres Wissens vom Bau des thierischen Körpers bezeichnen. 

Villa Helios bei Lindau i. B. den 24. October 1891. 



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LITERATUR. 



1) L. von Ammon, Ueber Homoeosaurus Maxhniliani. Abhdlg. der 

K. Bayr. Akad. d. Wiss. II. Cl. XV. Bd. 1885. 

2) Derselbe, Die permi sehen Amphibien der Rheinpfalz. München 1889. 

(Enth. die gesammte, die fossilen Amphibien umfassende Literatur.) 

3) K. E. von Bftr, Ueber Entwicklungsgeschichte der Thiere etc. 

Königsberg 1828 — 1837. 

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5) Derselbe, Handbuch der vergl. Embryologie. Ueber». von B. Vetter. 

2 Bände. Jena 1881. 

6) Derselbe, On the Development of the Skeleton of the Pai red Eins 

of Elasmobranchii considered in Relation to its Bearings on the 
Nature of the Limb» of the Vertebrata. Proceed. Zoolog. Soc. 
London 1881. 

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Zungenmuskulatur bei Eidechsen und Schlangen. Vorl. Mittheil, 
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schappen te Amsterdam. Afd. Natuurkunde. Zitting van 30. Juni 
1888. Deutsch im Anat. Anz. IV. Jahrg. 1889. 

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N. F. I. Bd. 1874. 

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Dorpat 1880. 

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13) Derselbe, Ueber das Archipterygium und die Entwicklung des 

Cheiropterygium aus dem Ichthyopterygium. 

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masse der Fische. Morphol. Jahrb. Bd. V., VI., IX. 

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Die paarigen und im paaren Flossen der Selachier. Mittheil. a. d. 
zoolog. Station zu Neapel. Bd. V. 1884. 

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Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. III. 1884. 
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mathematii|ues et physiques. Tom. VI. Pari» 1885. 

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25) Derselbe, Ueber die Beziehungen des Cheiropterygiuin zum Ichthyo- 

pterygium. Zoolog. Anz. X. Jahrg. 1887. 

26) E. Frn;is, Die Labyrinthodonten der schwäbischen Trias. Polaeonto- 

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27) A. Fr Usch, Ueber die Brustflosse von Xenacanthus Decheni, Goldt'. 

Zoolog. Anzeiger. Bd. XI. 1888. 

28) Derselbe, Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Performa- 

tion Böhmens. Prag 1879 — 1890. Bd. III. Heft 1. Selachii (Pleura- 
canthus, Xenacanthus). Prag 1890. 

29) M. Fürbri iiger, Die Knochen und Muskeln der Extremitäten bei 

den schlnngenahnlichen Sauriern. Leipzig 1870. 

30) Derselbe, Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der 

Vögel, zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stutz- und Be- 
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31) Derselbe, Ueber die Nervencanäle im Humerus der Amnioten. 

Morphol. Jahrb. Bd. XI. 1886. 

32) S. G arm an n, Chlamydoselachus anguineus Garm. — A living species 

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Bd. XII. Nro. I. 1885. 

33) ('. Gegen bau r, Untersuch, z. vergleich. Anatomie der Wirbelthiere. 

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der Wirbelthiere, b) Brustflosse der Fische. 

34) Derselbe, Ueber das Skelet der Gliedmassen der Wirbelthiere 

im Allgemeinen und die Hintergliedmassen der Selachier insbe- 
sondere. Jeuaische Zeitschr. Bd. V. 

35) Derselbe, Ueber das Archipterygium. Jenaische Zeitschr. Bd. VII. 



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36) Derselbe, Grundztlge der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1870. 

37) Derselbe, Ueber das Gliedmassenskelet der Enaliosaurier. Jena- 

ische Zeitschr. Bd. V. 1870. 

38) Derselbe, Beitr. z. Kenntniss d. Beckens der Vögel. Jenaische 

Zeitschr. Bd. VI. 1871. 
89) Derselbe, Zur Morphologie der Gliedmassen der Wirbelthiere. Mor- 
phol. Jahrb. Bd. II. 1876. 

40) Derselbe, Ueber den Ausschluss des Schambeins von der Pfanne 

des Hüftgelenkes. Murphol. Jahrb. II. Bd. 1876. 

41) Derselbe, Grundriss der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1878. 

42) E. A. G ö 1 d i , Kopfskelet und Schultergurtel von Loricaria cataphracta, 

Balistes capriscus und Acipenser ruthenus. Vergl. anatomisch- 
entwicklungsgeschichtl. Studien zur Deckknochenfrage. Jena 1884. 
48) A. Götte, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 

44) Derselbe, Beitr. z. vergleich. Morphologie des Skeletsystems der 

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46) Derselbe, Entwicklung des Flussneunauges (Petromyzon fluv.). 

I. Theil. Leipzig 1890. 

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50) B. Hatschek, Die paarigen Extremitäten der Wirbelthiere. Ver- 

handl. d. anatom. Gesellsch. auf der III. Versammlung in Berlin, 
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51) C. Hasse, Beitr. z. allgem. Stammesgeschichte der Wirbelthiere. 

Jena 1883. 

52) W. A. Haswell, Studies on the Elasmobranch Skeleton, Proceed. 

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53) C. K. Hoff mann, Amphibien und Reptilien in H. G. Bronn' s 

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54) Derselbe, Beitrage zur Kenntniss des Beckens der Amphibien und 

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60) Derselbe, On the Characters of the Pelvis in the Mammalia ect 

Proceed. Royal. Soc. Vol. XXVm. 

61) J. Hyrtl, l'ryptobranehus japonicus, Schediasma anatomicum etc. 

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62) P. Jordan, Die Entwicklung der vorderen Extremität der Anuren 

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63) A. K tf 1 1 i k e r , Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren 

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64) Derselbe, Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und 

der höheren Thiere. Leipzig 1880. 

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67) Derselbe. Das Vorkommen und die morphologische Bedeutung des 

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68) Derselbe, Zur Morphologie der Beutelknochen. Verhandl. des 

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71) P. Mayer, Die un paaren Flossen der Selachier. Mittheil. a. d. 

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73) Derselbe, Untersuch. Uber die Entwicklung des BeckengUrtels bei 

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74) Derselbe, Untersuch. Uber die Entwicklung des BeckengUrtels der 

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75) Derselbe, Untersuch. Uber die Entwicklung des Os hypoischium 

(Os cloacae), Os epipubis und Ligamentum medianum pelvis bei den 
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76) 11. v. Meyer, Zur Fauna der Vorwelt. Die Saurier des Muschel- 

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77) Derselbe, Reptilien aus der Steinkohlenformation in Deutschland. 

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78) G. Mivart, Notes on the Fins of Elasmobranchs , with Considera- 

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79) W. K. Parker, A Monograph on the Structure and Development 

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88) Derselbe, Ueber die Entwicklung der Schildkröten. Braun - 
schweig 1848. 

84) Derselbe, Ueber den Bau und die Entwicklung des Brustbeins 

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85) Derselbe, Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Leipzig 1861. 

86) Derselbe, Untersuchungen über die Entwicklung und den Körper- 

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der hinteren Gliedmassen von Ganoiden und Teleosticrn. Inaug.- 
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Bd. V. 1879. 

94) G. 'Swirski, Untersuch, über die Entwicklung des SehultergUrtels 

und des Skelets der Brustflosse des Hechtes. Inaug.-Dissert. 
Dorpat 1880. 

95) J. K. Thacher, Median and Paired Fins, a Coutribution to the 

Historv of Vertebrate Limbs. Transact. of the Connecticut Academy. 
Vol. III. 1877. 

96) Derselbe, Ventral Fins of Ganoids. Transact. of the Connecticut 

Academy. Vol. IV. 1877. 

97) D'Arcy W. Thompson, On the Strncture of the Pelvic Girdle, 

and its bearing on the Classification of Vertebrata. Written in 
1885. Manu script. 

98) Derselbe, On the Hind Limb of Ichthyosaurus, and on the Mor- 

phology of Vertebrate Appendages. Rep. Brit. Assoc. Adv. Sc. 1885. 
pag. 1065—1066. 

99) C. Vogt, Embryologie des Salmones. Hist. nat. des poissons d'eau 

douce de l'Europe centrale par Agassiz. Neuchatel 1842. pag. 134. 

100) R. Wiedersheim, Salamandrina perspicillata und Geotriton fuscus. 

Versuch einer vergl. Anatomie der Salamandrinen. Annali del 
Museo civico di storia naturale, Genua 1875. 

101) Derselbe, Das Kopfskelet der Urodelen. Morphol. Jahrb. Bd. III. 

1877. 

102) Derselbe, Labyrinthodon Rutimeyeri. Abband 1. der Schweiz. Palae- 

ontol. Gesellsch. Bd. V. 1878. 

103) Derselbe, Zur Gegenbaur'schen Hypothese Uber die Entstehung 

des ExtremittttengUrtcls. Vortrag, gehalten im medicin. Referat- 
Club zu Freiburg i. B. am 11. Xovbr. 1879. 

104) Derselbe, Morphologische Studien. Heft I. Jena 1880. 

105) Derselbe, Ueber das Becken der Fische. Morphol. Jahrb. VH. 

Bd. 1871. 

17** 



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- 266 - 



106) Derselbe, Lehrbuch der vergl. Anatomie der Wirbelthiere. t. uud 

II. Auflage. 1882. 1886. 

107) Derselbe, Grundriss der vergl. Anatomie. I. und II. Auflage. 

1884, 1888. 

108) Derselbe, Zur Urgeschichte de» Hecken*. Berichte der natur- 

forsch. Oes«] lach, zu Freiburg i. B. Bd. IV. 1888. 

109) Derselbe. Ueber die Entwicklung des Schulter- und Becken- 

gürtels. Anatom. Am. IV. Jahrg. 1889. Nro. 14. 

110) Derselbe, Weitere Mittbeilungen Uber die Entwicklungsgeschichte 

des Schulter- und Beckengürtels. Auatom. Anz. V. Jahrg. 1890. 
Nro. 1. 

111) Derselbe, lieber die Entwicklung des Urogenitalapparates bei 

Oocodilen und Schildkröten. Arth. f. mikr. Anatomie. Bd. XXXVI. 
1890. 

112) Derselbe, Beitrage zur Entwicklungsgeschichte von Proteus au- 

guineus. Arcli. f. mikr. Auat. Bd. XXXV. 1890. 

113) Derselbe, Die l'hylogenie der Beutelknochen. Eine entwicklungs- 

geschichtlich-vergleichend-anatomische Studie. Zeitschr. f. wissensch. 
Zoologie. LIII. Bd. Suppl. 1892. 



I*i«r»rsche HofbmhdnKkewi. Stephan Geibel & Co. i» Alfealurf . 



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ERRATA. 



■ 

- 
- 



- 



Seite 70, 16. Zeile von oben lies: Textfigur 11 anstatt Figur 11. 
, 70, 13. „ „ unten „ Connascenz anstatt Concurrenz. 
„ 82, l. „ „ oben „ Knospenbihlung anstatt Knorpelbildung. 
84, 23. . „ „ „ fossilen anstatt fossicnl. 
89, 13. ,. .. „ r ihrer anstatt ihre. 
89, 6. „ „ unten . Fig. 35 (ig anstatt .Vf. 
95, 19. „ „ oben «, jene anstatt jede. 

99, 1., 2. und 4. Zeile von oben muss es T e x t f i g u r 15 anstatt Fig. 50 heissen. 
101, 19. Zeile von oben lies: Fig. 445 anstatt Fig. 45. 
104, 8. „ „ oben . Textfigur 16 anstatt 10. 
109, 10. „ „ unten _ seinem unstatt ihrem Diaphysenabsehnitt. 
124, 134, 135. Den hier erwähnten Figuren 67, 77 und 7!» soll statt a und b 

A und B beigefügt werden. 
Ute. 11. Zeile von oben lies: 38 anstatt im 

143. 3. . des laufenden Textes lies anstatt „ schon vor 36 Jahren" sc Ii on 

vor nahezu MO Jahren. 
154, 4. „ von oben lies: (49) anstatt (40l. 

164. 2 „ v Knospenbildung anstatt Knorpelbilduug. 

- 167, 3. .. „ unten . Fig. 92 anstatt 91. 

. 170, 14 „ Textfigur 24 N anstatt P. 

. 171, 9. „ Textfigur 23 anstatt 26. 

1711. 3. von einem anstatt aus einem. 

_ 17S, 23. „ die Zahl 103 ist zu streichen, und ebenso auf 

- 1s*. <>. „ . die Zahl W. 

191. 13 „ lies: der Seapula anstatt Scapula. 

., 191. 8. „ „ - n wie auch anstatt wie so auch. 
., 209, 4. - „ oben „ Fig. 148 anstatt 147. 
„ 210, 4. .. _ unten . (Klf x ) anstatt (K/t 1 ). 
_ 216, 22. „ m oben „ Fig. 141 anstatt 147. 
„ 218. 19. und 24. Zeil« von oben lies: 165 anstatt 164. 
r 225, 9. Zeile von oben lies: laii^ gestielten anstatt an ggestielteu. 
.. 233, 22. . m „ _ (.V, ,Y") anstatt («. «'). 
., 233, 19. > .. unten ., /, anstatt L fl . 
.. 231. 8. _ . oben .. (III; anstatt (109). 
.. 2:«, 23. , H'.s anstatt H' 

„ 249, 13. „ „ unten .. Ob centrale anstatt Oseeutrale. 
„ 250, 9. „ ., oben _ blind geschlossenen anstatt blind- 

geschossenen. 

Die auf die Literaturangaben sich erstreckenden , im Text figurirenden 
Zahlen sin<l, so weit sie sich auf Wiedersheim beziehen, auf S. 1 — 130 immer 
um zwei Ziffern höher zu denken. Man lese also z. Ii. anstatt 107 109 etc. Von 
131 bis zum Schluss des Textes stehen überall die richtigen Zahlen. 



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DAS 



GLIEDMASSENSKELET 

DER 

WIRBELTHIERE 

MIT 

BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DES SCHULTER- UND 

BECKENGÜRTELS 

BEI 

FISCHEN, AMPHIBIEN UND REPTILIEN. 

VON 

D" ROBERT WIEDERSHEIM, 

PROFESSOR AN )»EK UNIVERSITÄT FHE1HITRG I. It. 



MIT 40 FIGUKEN IM TEXTE UND EINEM ATLAS VON 17 TAFELN. 

ATLAS. 



.JENA. 

VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 

1892. 



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I 



ERKLÄRUNG DER ABBILDUNGEN. 



Tafeln. 





«\ 1 1 (S t~ III K 1 II V g II 1 l l }£ 


e B e z e 


i c h n u u g e n. 


A 


Auge. 


Eps 


Episteruum. 


AB 


Antibrachium. 


F 


Fem ii r. 


Ac 


Aeetabulum. 


FK 


Femurkopf. 


AH 


Arteria iliaca. 


FKn 


Faserknorpel. 


An 


Aorta. 


Fo 1 


Foramen obturatum. 


Bas 


Basale. 


FoAc 


Foramen acetabuli. 


Bli 


Bauchrippen. 


FS 


Flossensaum. 


Bbll 


Basihranchiale II. 


G 


Gehörorgan. 


BFl 


Bauchflosse. 


GC 


Getasscanal. 


Bg 


Bindegewebe. 


Of 


Gefasse. 


Bl 


Harnblase. 


Gq 


Gallertgewebe. 


BP 


Beckenplatt«' (ventraler 


Gh 


Gehirn. 




Beckenabschnitt). 


GH 


Gelenkhöhle. 


BS 


Blutsinus. 


GK 


Gelenkkapsel. 


C 


Coracoid. 


GV 


Ganglion N. vagi. 


Cep 


Processus epipubicus (Epi- 


H 


Humerus. 




pubis). 


HE 


Hintere Extremität. 


Ch 


Chorda dorsalis. 


HG 


Höhlengrau des Gehirns und 


Cl 


C'lavicula. 




des Rückenmarkes. 


Ch 


Cloake. 


HK 


Humeruskopf. 


CM 


Cartilago Meckelii. 


Hz 


Herz. 


Co 


Cölom. 


L V 


Ilium. 


CoE 


l'ölomepithel. 
Unterschenkel. 


IP. /P 1 Ischio-Pubis. 


Cr 


Js 


Ischium. 


Cr (Sy) Orista der Beckensymphyse. 


KB 


Kiemenbtischel. 


D 


Dannmhr. 


Kch 


Verknöcherungszone an der 


DCxtv 


Ductus Cuvieri. 




Peripherie. 


DE 


Darmepithel. 


KD 


Kiemendeckel. 


DI 


Darm in halt. 


Kie 


Kiemen. 


Do 


Dottergang bezw. Dotter. 


KK 


KiemenbUschel. 


DS 


Dottersaek. 


Kn 


Vereinigtes Scapulare und 


Ep Ep l Epidermis, bezw. erhöhte 




Basale der Brustflosse. 




Epidermis. 


KB, KU Kiemen räum. Kiemenhöhle. 


Epiph 


Epiphysis cerebri. 


L 


Lunge. 



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LAc 


Labiura acetabuli. 


Prt 


Processus transversus. 


Lb 


Leber. 


Pt 


Processus transversi. 


Lg 


Ligament. 


Q 


Quadratum. 


LW 


Leibeswand. 


R 


Rippen. 


Ma 


Man us. 


Rad, Rad 2 Kadien (Knorpelige Flos- 


Mc 


Mucosa der Rachen- 




senstrahlen). 




Siemen- )H<»hle. 


rad 


Knöcherne Flossenstrah- 


MaG 


Markgewebe. 




len. 


MG 


Wucherungszone. 
Muller'sche Gänge, in der 


RF 


Rückenflosse. 


MG 1 


R(K)H 


Rachen-(Kiemen-)Höhle. 




Mitte zusammenfliessend 


RM 


Rückenmark. 




(bei MG). 


S 


Scapula bezw. Anlage der 


MK 


Muskel knospen. 




Scapula. 


M, M\ M 2 


Myotonie, Muskeln der 


SG 


Schultergürtel - Anlage. 


Körperdecken , Muskeln 


Sin. ven. 


Sinns venosus. 




der Extremitäten. 


So 


Somiten. 


m 1 , m 2 


In der Differenzirung 


er* 


Spinalganglion. 




begriffene Muskeln der 


SRad, Sliad 1 Stammradius (Basale). 




Extremität. 


SR, SR 1 


Sacralrippe. 


MR 


Markraum. 


St 


Sternum. 


Mi, 


Myocommata. 


StL 


Sternal -Leiste. 


Na 


Nase. 


SW 


Sacralwirbel. 


NN 1 


Nerv. 


sy 


Symphysis pubis. 


OB 


Obere Bogen. 


Th 


Glandula thymus. 


Obt 


Nervus obturatorius. 


Tra 


Trachea. 


Oes 


Oesophagus. 


UG 


Uraierengang. 


Op, Op l 


Opercnlum. 


UN 


Urniere. 


OZ 


Ossificationszone. 


VA 


Ventraler Abschnitt des 


P 


Pubis. 




Visceralskeletes. 


Pch 


Perichondrium. 


VC 


Vena cardinalis. 


Pchr 


Plexus cborioideus. 


VE 


Vorderextremität. 


PCR 


Pericardialraum. 


vg 


N. vagus. 


Per 


Perichondrium. 


VK 


Vorknorpel. 
Vorniere. 


Pf 


Humeruspfanne. 


VN 


P9 


Pigment. 


VNG 


Voruierengang. 


PP, PP 1 


Processus praepubicus 


VSK 


Visceralskelet. 


(Praepubis). 


WB 


Wirbelbogen. 


Pr 


Propterygium. 


WC 


Wirbelhöhle. 


Prol, Prol 1 


Proliferatiouszone der 
Somiten. 


WS 


Wirbelsäule, 



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Tafel I. 



Fig. 1 — 12. Querschnitte durch das hintere Rümpfende bezw. durch 

die Schwanzwurzel von Hainschembryonen. 
Fig. 1. Pristiurus melonost. (10 mm). A. V. c. Arteria und Vena 

caudalis. 

Fig. 2— 5. Seyllium canicula (15 mm). Die Schnitte gehen vom 
Schwanz aus kopfwärts. f in Fig. 2 bedeutet das ventrale Mesen- 
terium des Darmes. Man beachte auf allen Schnitten da» hohe 
Hautepithel; sehr hoch ist auch das Cölomepithel (Co E) in 
Fig. 5 (Geschlechtsepithel V). In Figur 3 und 4 ist das Cölom- 
epithel nicht eingezeichnet. 

Fig. 6— 8 und 10-12. Seyllium canicula (30 mm). Die Schnitte 
gehen vom Schwanz aus kopfwärts. Epidermis z. Th. abgehoben. 
Auf Fig. G sieht man bei Rad noch die freien Radien, f muskel- 
und knorpelfreier Abschnitt der Bauchflosse, * fibröse Platte in 
Fig. 8. welche in der Ruckwartsvcrlangerung der medianen Partie 
der Beckcnplatte liegt. 

tt Stelle in Fig. 12, wo sich das Hüftgelenk durch einen 
Einschmelzungsprozess im Knorpelgewebe zu bilden beginnt. 

Fig. 0. Pristiurus melanost. t Indifferentes Mesoblastgcwebe, welches 
eine ähnliche Gurtelzone bildet, wie in Fig. 2. 



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- 



Tafel II. 

Fig. 18. Rechte Bauchflosse von Heptanchus, von der Ventralseite, 
f * Secundär abgegliederte Radiensegmente, f Zweites caudalwärts 
vom Foramen obturatum (Fo l ) gelegenes Nervenloch. 

Fig. 14. Rechte Bauchflosse von Acanthias, von der Ventralseite 
(junges Exemplar von 13 cm Dinge), f * Secundär abge- 
gliederte Radiensegmente. Das Copulationsorgan (Cop 0) ist nur 
angedeutet. 

Fig. 15. Dorsale Ansicht des Beckens von Chlamydoselache nach 
Fig. 1 der XI. Tafel der Garman 'sehen Arbeit. " 10 der natürlichen 
Grösse fff Löcher in der Beckenplatte. 

Fig. 16. Topographie der Beckengegend von Protopterus. 

Fig. 17 — 18. In caudaler Richtung fortschreitende Querschnitte durch 
einen jungen Protopterus von circa 12 — 15 cm Liinge. Fe Sub- 
cutanes Fett. In Fig. 18 erscheinen seitlich bei PP, PP 1 die 
lateralen Enden des Praepubis. — Ovar Ovarium. Hü Knöcherne 
Hülse des Epipubis (Cep). 



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Mfdershfim . Olltdma 




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! 



J 



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Tafel III. 



Fig. 19—21. Fortsetzung von Fig. 17 und 18. In Fig. 21 sieht man 
bei ML < ine starke Muskelleiste; bei f ist das Hüftgelenk ange- 
schnitten. — Die Muskulatur ist z. Th. nur durch Sehraftirung 
dargestellt. 

Fig. 22—31. Querschnitte durch das hintere Rümpfende von Teleostier- 
Embryonen. 

Fig. 22. Thvmallus vulg. (20 mm), h Helle centrale Zone in der 
BauchHosse. 

Fig. 23. Salmo salar. Heinerkenswerth ist das ausserordentlich hohe 
Hautepithel (tiefes Stratum). m s , m 3 in Differenzirung begriffene 
Extremitäten-Muskulatur, h Helle centrale Zone in der Bauchflosse. 

Fig. 24. Ksox lucius. Bezeichnung wie auf den letzten Figuren. 

Fig. 20 — 31. Serienschnitte. Amerikanischer Saibling-Embryo. Die 
Schnitte schreiten schwanzwürts fort. 

Fig. 32. Flächenschnitt durch die Basalia des amerikanischen Saib- 
lings. 

Fig. 33. Ein unmittelbar unter dem Cölomepithel hindurchgehender 
Schnitt desselben Präparates. Die Querlinie Q zeigt die Ebene, 
in welcher etwa der auf Fig. 26 abgebildete Schnitt hindurchge- 
gangen ist. n Abgliederungszonc. 




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Tafel IV. 



Fig. 34, 36, 37. Querschnitte durch das hintere Rumpfende von Triton 
alpestris. [Larve von 9 mm (Fig. 34) und 13 mm (Fig. 36, 37).] 

Fig. 35. Flächenschnitt durch das hintere Rümpfende und die Schwanz- 
wurzel einer 12 mm langen Larve von Triton eristatus. 

Fig. 38. A — Cl Flachenschnitte durch dieselbe Körpergegend von 
Triton helveticus (Larve von 20 mm). Die Schnitte dringen suc- 
cessive ventral wärts vor. 

Fig. 39. Flachenschnitt durch die vorderen zwei Drittel der medianen 
Beckenzone (Sy Symphyse) von Triton helveticus (20 mm). f> tt 
Nahtzellen. Bei BG entsteht spater das Epipubis. 

Fig. 40. Querschnitt durch das Becken einer 27 mm langen Larve 
von Salamandra maculata. 

Fig. 41. Becken von Amphiuma. ft> ft (Cty) Paarige Anlage des 
Epipubis; * Zusammenstossende vorderste Abschnitte des Ischio- 
Pubis (IP). SH (Sy) Sehnige Haut an Stelle der Symphyse. 
** Verknücherungszone im Ischium. 



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Tafel V. 

Fig. 42. Querschnitt durch das Becken von Spelerpes fuscus. 

Fig. 43 und 44. Querschnitt durch das Becken von Spelerpes fuscus 

im Bereich des Os ischii, bei schwacher und starker Vergrößerung. 

Z Grosse Knorpelzellen. Kno Zu Grunde gehende Knorpelzellen. 
Fig. 45. Querschnitt durch die Symphyscngegend von Salamandrina 

perspicillata, Oz Ossiticationszonc (Balkenwerk), MR Markräunie. 
Fig. 46. Becken von Menopoma von der Ventralseite, f Processus 

hypo-ischiadieus, ** gabelige Theilung der Cartilago epipubis (Oj>). 

** Os ischii. 

Fig. 47. Becken von Cryptobranehus von der Ventralseitc. Bezeich- 
nungen wie in voriger Figur. Z seeundärer Knorpelzinken der 
einen Gabelhälfte des Epipubis. L dlb. Linea alba abdominis. 

Fig. 48. Becken von Proteus von der Ventralseite. Sy Spur der ur- 
sprünglichen Trennung beider Beckenhälften. ff, ff Paarige 
Anlage des Epipubis, f Unpaarer Abschnitt des Epipubis, welcher 
Cep auf Fig. 50 homolog ist. 

Fig. 49. Seitliche Ansicht des Proteus-Beckens. Sn Naht. Die übrigen 
Bezeichnungen wie auf voriger Figur. 

Fig. 50. Becken von Menobranchus von der Ventralseite, j Processus 
hypo-ischiadicus. Cr Muskelleiste der Symphysengcgend. 

Fig. 51. Dasselbe Becken von der rechten Seite dargestellt. 

Fig. 52. Topographie der Muskulatur in der Beckengegend von Meno- 
branchus, von der Ventralseite. Clo Dr CloakendrÜse. 

Fig. 53. Becken von Siredon pisciformis von der rechten Seite mit 
den umgebenden Muskeln. Der — zeigt nach dem Kopf, VFS 
und DFS ventraler und dorsaler Flossensaum, M\ M ventrale 
und dorsale Myomeren. 



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Tafel VI. 



Fig. 54—60. Querschnitte durch die Anlage der hinteren Extremität 
bei einer 16 mra langen Larve von Rana temporaria. Zwischen 
den einzelnen .Schnitten liegen grosse Intervalle. FS auf Fig. 54 
bedeutet den dorsalen Flossensaum. 

Fig. 61. .Schnitt durch die Anlage der hinteren Extremität einer 50 mm 
langen Larve von Alytes obst. f Spaltraum, d. h. angeschnittene 
Epiderniisfalte (A/) 1 ) an der Einlenkungsstelle der freien Extremi- 
tät in den Kump f. 

Fig. 62. Querschnitt durch das Becken einer 26 mm langen Larve 
von Rana spee? FS dorsaler Flossensaum. 

Fig. 63. Ebenso von einer 25 mm langen Alyteslarve. Bl Stiel der 
Harnblase, t kernreiche, auf die ursprünglich getrennte Anlage 
der einzelnen Beckenabschnitte zurückweisende Zone im Becken- 
knorpel. 

Fig. 64. Becken der rechten Seite einer 18 cm langen Larve von 
Rana paradoxa in situ. Der weist gegen den Kopf zu. VE 
Vordere Extremität, R Bauchseite des Rumpfes, Ep Eingeschnittene 
Epidermis. Sch Richtung gegen den Schwanz, M, M l Dorsale 
und ventrale Mvomeren. 

Fig. 65. Querschnitt durch das Becken einer 77 mm langen Larve 
von Alytes obst. Bei f liegt im MittelstUck des Ileums die erste 
perichondrale Ossifications-Zone, Sy weit offene Symphysen-Gegend. 

Fig. 66. Flachenschnitte durch den ventralen Beckenabschnitt einer 
halb erwachsenen Rana temporaria. Dieselben beginnen bei a 
ventral und schreiten dorsal wärts fort Gf, Gf Blutgefässe, Sy 
Symphyse, * Ossifikation der Pars ischiadica. 



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I 



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Tafel VII. 



Fig. 07. a — e Schwanzwitrts vordringende Querschnitte durch die 
Anlage der hinteren Extremität eines circa 15 mm grossen Embryos 
von Chelone viridis. Skeletgebilde sind noch nicht differenzirt. 

Fig. 08— 71. Vom Kücken her vordringende (vergl. Fig. 68 a, wo die 
Schnittlinien mit abede eingezeichnet sind) Flilchenschnittc eines 
Embryos von Chelone viridis, dessen grosste Rumpibreite 5—6 mm 
betrug. 

Bei f auf Fig. 70 und 71 sieht man die Anlage des Epipubis. 
Das eigentliche Foramen obturatum ist sehr circurascript inmitten 
der dichtzelligen Mesoderm-Masse. 

Fig. 72. a — C Querschnitte durch «las Becken eines 27 mm grossen 
Embryos von Lacerta agilis. Die Schnitte schreiten vom Kopf 
gegen den Schwanz fort. Alle Theile des Beckens sind noch ge- 
trennt, d. h. im Acetabttlum noch nicht zusammengeflossen. SSI 
Synchondrosis sacro-iliaca. 

Fig. 73. a— £ Vom Kopf eaudalwilrts vordringende Querschnitte durch 
einen circa 28 mm grossen Embryo von Lacerta agilis. Sp Vor- 
derste, gänzlich unpaare .Spitze der Symphysis pubis, Syp Sym- 
physis ischii, welche in Fig. g ebenfalls zum totalen Zusammen- 
fluss beider Seitenhillften führt. 

Fig. 74. Querschnitt durch das Becken eines 32 mm grossen Embryos 
von Lacerta agilis. Bei OZ erscheint eine ausgedehnte perichon- 
drale Ossiricationszone. Pe Wucherndes Perichondrium am dor- 
salen Ende des lliums (die Synchondrosis sacro-iliaca erscheint hier 
in den nächsten Serienschnitten). 

Fig. 75 und 76. Querschnitte durch die Anlage der hinteren Extremität 
eines Embryos von Crocodilus biporcatus. Fig. 76 liegt zehn 
Schnitte weiter eaudalwilrts als Fig. 75. 

Fig. 77. a — (l Vom Kopf eaudalwilrts fortschreitende Querschnitte 
durch einen 17 mm langen Embryo von Crocodilus biporcatus. 
Vorknorpelstadium des Femur und Crus. Bei N strahlen starke 
Nerven ein. 



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Tafel VIII. 



Fig. 78 und 79. a und b Drei Flächenschnittc eines Embryo» von 
Crocodilus biporcatus (2 — 2 1 2 mm Querdurehmesser zwischen beiden 
Schenkelfalten gemessen). Dieselben dringen, bei Fig. 78 beginnend, 
in dorso-ventraler Richtung vor. Das Ilium befindet sich noch im 
Vorknorpelstadium. Der ~- zeigt gegen den Kopf. 

Fig. 80. Querschnitt durch die Brustflossen-Anlage eines 9 inm langen 
Pristiurus- Embryos. Somitenhbhlen deutlich. 

Fig. 81. A — C Kopfwärts fortschreitende Querschnitte durch die Brust- 
flossenanlage von Pristiurus melanost. (Embryo von 16 mm Länge.) 

Fig. 82 — 83. Zwei Querschnitte durch die bereits knorpelige Anlage 
der Brustflosse von Pristiurus melanost. (Embryo von 27 mm 
Länge). Die Schnitte beginnen mit Fig. 82 kopfwärts und schreiten 
dann (mit grossen Intervallen) gegen den Schwanz fort. VE Vorder- 
extremität, DM Deckmembran des Kiemenraumes KR, welche 
caudalwärts bei f zunächst loslässt, bis schliesslich in Fig. 83 nur 
noch dorsalwärts bei ** ein Rest davon bestehen bleibt. 



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tt<i 70. | 





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Tafel IX 



Fig. 84. Fortsetzung der in Fig. 82-83 dargestellten Querschnitte 
(Pristiurus etc.) 

Fig. 85. Querschnitt durch die Brustflossen- Anlage eines 6 — 7 mm 
langen Embryos von Acipenser sturio. 

f Meroblastisches Verbindungsgewebe zwischen dem basalen 
Abschnitt de« Myotoms (M ) und der centralen Gewebszone der 
Flosse (*), Prol, ProP dorsale und ventrale Proliferationszone des 
Myotoms, BF dorsaler Flossenraum. 

Fig. 86. Die rechte Brustflosse eines etwas älteren Stör-Embryos im 
Querschnitt bei starker Vergrösserung. ** Hohes Epithel der 
Epidermis, y, tt Gewebsplatte, aus der die ventrale Rumpf- 
muskulatur hervorgeht; ZB, ZB Zusammengeballte Mesoblast- 
zellen, aus welchen die Extremitäten-Muskulatur hervorgeht. 

Fig. 87. Vorknorpelstadium der vorderen Extremität eines 10 mm 
langen Stör-Embryos. ** Basis der Extremitäten platte mit con- 
zentrischer Zell-Anordnung, nach der Peripherie liegen die Zellen 
(*) regellos. 

Fig. 88. Flächenschnitt durch einen 11 mm langen Stör- Embryo, 5 
dorsales Ende der Scapula. 

Fig. 89 — 92. Weiter ventralwärts durchgehende Flächenschnitte des- 
selben Präparates, VK Vorknorpel, f nach vorne von der Scapula 
(S) liegende Vorknorpelmasse, * Nerven- und Get&ssloch, Kn 
Knorpel der Extreinitätenplatte. d. h. des Stammstrahles und des 
Schultergtirtels. 

Fig. 93. Flächenschnitt durch einen 14 — 15 mm langen Stör-Embryo, 
linke Seite. Bors D Dorsale Darmwand, der Schulterbogen (S) 
springt wie ein Vorwerk am Rumpf hervor, medianwärts liegt die 
Vomiere ( VN). 

Fig. 94, 95. Seitliche und dorsale Ansieht eines Stör-Embryos von 
10 mm Länge. 

Fig. 9o\ Querschnitt durch die Anlage der Brustflossen eines Hecht- 
Embryos kurz nach dem Ausschlüpfen. * Centrale Zellplatte 
(Extreinitätenplattcn- Anlage) der Brustflosse. 



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Tafel X. 



Fig. 97 — 102. Fünf Querschnitte durch einen Alteren Hecht-Embryo. 
* Extremitätenplatte, f basaler (ventraler) Rand der letzteren, S 
der am meisten dorsal gelegene Abschnitt des knorpeligen Schulter- 
gürtels, *** Pars ossea der Scapula, z. Th. (bei x, xx) erst in 
der Anlage begriffen. 

Fig. 103—108. Querschnitte durch einen etwas älteren Hechtembryo. 

*f Pars coraeoidea des Schultergürtels. Die übrigen Bezeich- 
nungen wie in Fig. 97 — 102. In Fig. 106 und 107 beachte man 
den scapularen Belegknochen ♦». Bei m 1 , 2 in Fig. 104 sieht man 
sehr deutlich den Uebergang der Rumpfmuskeln in diejenigen der 
Extremität. 



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Tafel XI. 

Fig. 109 und 110. Zwei Fliichenschnitte durch die Brustflosse eines 
Embryos von Salruo salar. Rechte Körperseite von oben gesehen. 
Fig. 109 liegt weiter dorsal als Fig. 110. **, ** 1 Pars ossea der 
Scapula, von Osteoblasten concentrisch umgeben. Lateralwärts 
davon ist die Epidermis höckerig aufgeworfen, Sp Qewebe aus 
Spindelzellen, ZZ 1 grosszelliges Gewebe der freien Flosse; die 
Zellen zeigen in Fig. 110 längs dem Knorpel wie an der Peri- 
pherie eine paradeartige Anordnung. In Fig. 109 fliesst das proxi- 
male Ende des Extremittttenknorpels mit dem Gewebe des scapu- 
laren Belegknochen» zusammen. 

Fig. 111 und 112. Zwei Querschnitte durch einen Embryo von Labrax, 
wovon der erstere viel weiter caudalwärts liegt als der letztere. 
Der Fisch ist in Fig. 111 nicht rein quer getroffen, in Folge 
dessen die Extremitäten platte links continuirlich (», f), rechts aber 
(»', f 1 ) in zwei Stucke getrennt erscheint. In Fig. 112 ist der 
Belegknochen des Schulterbogens sehr stark entwickelt (*#ö, **&). 
während der Knorpel (»f ) in den Hintergrund tritt. Der Schulter- 
knochen stösst mit seiner ventralen Partie (**&) direct an das 
Cöloraepithel, was filr »eine Bedeutung als Coracoid spricht 

Fig. 113— 1 IG. Vier Flflchensehnitte durch einen Embryo von Thy- 
mnllus vulg. Dieselben dringen dorso-ventralwärts vor. 

M a Viscerale Muskeln, *» Pars ossea des Schultergürtels, 
* Extremitatenplatte. * l kopfwiirts schauendes Ende des basalen 
Abschnittes der Ex trenn tüten platte (Procoracoid), f caudalwärts 
schauendes Ende desselben, ZZ Zellgewebe in der freien Extremität, 
ventral von der Knorpel-Einlage. Stark pigmentirte Pericardial- 
und Cölomwand. 

Fig. 117 119. Quere Serienschnitte durch einen Embryo des amerika- 
nischen Saiblings. 

f, t Caudales Ende des centralen (basalen) Abschnittes der 
Extremitatenplatte. * und *», #*• Belegknochen des Schulter- 
gtlrtels, ZZ> ZZ Zellreiche Zone im Knorpel, Kn, Kn 1 Schulter- 
gUrtelknorpel, »f ventraler Abschnitt (Coracoid) des Schultergürtels, 
BgZ. BgZ A , Bindegewebszug, an dessen Stelle weiter kopfwärts 
das „Spangenstück u tritt (Kno, Kno 1 ). 



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Tafel XH. 



Fig. 120—128. Fortsetzung der in Fig. 117—119 dargestellten Serien- 
schnitte (Amerikanischer Saibling). 

Fig. 129. Querschnitt durch die Anlage der Vorderextremität bei 
Triton helveticus (Larve von Vit mm). 

Fig. 130. Ein ebensolcher durch eine 12 mm lange Larve vom Axolotl. 

Fig. 131. Querschnitt durch denselben Embryo wie auf Fig. 129, der- 
selbe ging aber weiter caudalwärts durch den Rumpf durch, so 
dass die freien Extremitäten noch in seinen Bereich kamen, f 
H um erus- Anlage. 

Fig. 132. Flächenschnitt durch die rechte vordere Extremität einer 
8 mm langen Larve von Triton alpestris, von oben (dorsal) ge- 
sehen. SG Schultergürtel-, HK Humeruskopf-Anlage , * von 
Flüssigkeit erfüllter Hohlraum. 



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Tafel XIII. 

Fig. 133. A— C, drei Flächenschnitte durch eine Larve von Triton 
helveticus, welche die secundärc Entstehung des Schultergelenkes 
zeigen. S Scapula, HK Hunieruskopf. 

Fig. 134. Flächenschnitt durch die linke Vorderextremität einer 9 mm 
langen Larve von Triton helveticus, *» Indifferentes Blastem. 

Fig. 135. Flachenschnitt durch eine 13 mm lange Larve von Triton 
helveticus. Der Schnitt traf das Gehirn (Gh) } die Augen (A), das 
Ganglion X. vagi (G V), die Gehörkapsel etc. Die Scapulae (5, 8) 
sind schon stark verbreitert, HG Höhlengrau des Gehirns und 
Rückenmarks. 

Fig. 136. Dasselbe Präparat bei viel tiefer durchgehendem Flächen- 
schnitt. In Folge dessen liegt ein grosser Theil des Visceral- 
skelets zu Tage, M Visceral- und Rumpfmuskeln in directem Zu- 
sammenhang, Q Quadratum, CM Cartilago Merkeiii. 

Fig. 137. Flächenschnitt aus derselben Präparatenserie. Derselbe 
ging etwa in der Mitte zwischen den auf Fig. 135 und 136 dar- 
gestellten Flächenschnitten hindurch. Man ersteht daraus sehr 
gut die nahen topographischen Beziehungen der Vorniere zum 
Schulterbogen (VN und S). 

Fig. 138. Querschnitt durch den Schultergürtel eines 13 mm langen 
Embryos von Triton helveticus. Der Glomerulus zwischen den 
beiden Vornieren ist nicht bezeichnet. 

Fig. 139 und 140. Querschnitt durch die Sternal-Anlagc bei einem 
51 mm langen Axolotl. MG Wucherungszone am medialen Rand 
des M. rectus abdominis, M ! , f, f paarige Anlage des Sternums. 
Com Fibröse Commissur zwischen beiden Recti, d. h. Linea alba, 
von welcher ein Band Lg zur Leber (Lb) zieht, C, C ventrale 
Enden der Coracoide. Ueber alles Weitere vergl. don Text. 

Fig. 141. Querschnitt durch die Sternal-Anlage einer 25 mm grossen 
Larve von Triton alpestris (vergl. den Text). 



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Tafel XIV 



Fig. 142— 143. Fortsetzung von Fig. 141. 

Fig. 144. Querschnitt durch da» Steraum eines 68 mm langen Axo- 
lotk t Mittelstüek der Sternalplatte, *# Seitentheile derselben. 

Fig. 145. Querschnitt durch die ventralen Enden der Coracoide von 
Proteus (13 cm). Sh Sehnenhaut, welche in der ventralen Mittel- 
linie die mediane, zwischen den beiden Seitenhälften des innersten 
Hauchmuskels gelegene fibröse Platte (f) zusammen mit dem 
corialen Bindegewebe (Cor) verstärkt, *, • ventrale Enden des 
innersten Bauchmuskels (m 1 ). Die fibröse Platte f verschmilzt 
mit der Leberkapsel (Lb). 

Fig. 140. Knorpelige Bauchripppen von Menobranchus (B, B), My 
Myocomniata, C Coracoid, Cl Clavicula, NL Kervenloch an der 
Basis der Clavicula, Bbll Basibranchiale II, K, K Kiemenquasten. 

Fig. 147. Schultergürtel und Stemum eines erwachsenen Axolotls. 
Beide Hälften in natürlicher Lage, f Nervenloch caudalwärts von 
der Incisura coraeo-clavieularis, * ein gleiches in der Pars ossea 
des Coracoids resp. der Clavicula, Pf Humeruspfanne, St Sternum. 

Fig. 148—150. Drei Querschnitte durch die Anlage der vorderen 
Extremität bei Alytes obstetr. (Larve von 47 mm). Die Schnitte 
rücken, mit Fig. 148 beginnend, kopfwärts vor. VN 1 Querer 
Vcrbindungscanal der Vorniere mit dem Vomierengang. (Ueber 
alles weitere vergl. den Text und die allgemein gültigen Figuren- 
bezeichnungen). 

Fig. 151. Querschnitt durch die Anlage der vorderen Extremität von 
Kana esculenta (Larve von 8 mm). Links ist die Kiemenhöhle 
(KH) noch nicht vom Kiemendeckel (KD) überwachsen. Man 
beachte die weit kopfwärts bis in den Bereich des Gehirnes (Gh) 
gerückte Extremitäten-Anlage, sowie die topogr. Verhältnisse der 
Vorniere. 



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Tafel XV. 



Fig. 152. Querschnitt durch die Anlage der Vorderextremität einer 
89 mm langen Larve von Alytes obstetricans. 

t Parietales und ft viscerales Blatt des die Kiemenhöhle 
(KH) auskleidenden Epithels. Das viscerale Blatt überzieht die 
Extremitätenknospe (VE). 

Fig. 153. Ein Querschnitt aus demselben Präparat bei stärkerer Ver- 
größerung. » Parietales, +* viscerales Blatt des Epithel» der 
Kiemenhöhle. 

Fig. 154. A— D Querschnitte durch die linke Vorderextremität (FE) 
derselben Larve. Dieselben gehen mit A beginnend kopfwiirts. 
** Ellbogenbeuge. 

Fig. 155. Querschnitt durch die linke vordere Extremität einer 50 mm 
langen Larve von Alytes obst. (starke Vergrösserung). 

Fig. 156— 157. Zwei, 17 Schnitte auseinanderliegende Flächenschnitte 
durch den SchultergUrtel einer 18 mm grossen Larve von Rana 
temporaria. Fig. 156 liegt dorsal, Fig. 157 ventral. Bei » und 
t in Fig. 157 erscheint bereits eine perichondrale Ossifications- 
zone am Coracoid und der Clavicula (C und ClJ. 

Fig. 159—161. Drei Querschnitte durch ein 40 mm langes Exemplar 
von Rana temporaria, um die Sternalanlage (f) zu zeigen. C, C 
Ventrale Enden der Epicoracoide , MG Wucherungszone am 
medialen Rande des M. rectus abdominis. M* y w a M. pectoralis 
major. 



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Tafel XVI. 

Fig. 162 — 165. Vier Querschnitte durch die mediale (ventrale) Partie 
des Schultergurtels von Rana temporaria (24 mm langes Exemplar), 
f Vorderende des Sternums. C, C7 ventrale Enden der Coracoide, 
bezw. der Claviculae, Jtf *, m* M. pectoralis major, ♦ ventrale 
(median gelagerte) Muskelleiste, in welche von hinten her bei *» 
dicht verfilzte» Bindegewebe eingelassen ist. 

Fig. 166 — 169. Vier Flachenschnitte durch die ventrale Partie des 
Schultergurtels von Rana temporaria (Exemplar von 43 mm Kopf- 
Steiaa-Länge). 

XX Anlage des Omosternum, f Stcrnum, ff Intercora- 
coidales resp. interclaviculares Gewebe. *# Fortsetzung der Linea 
alba gegen den Kopf. » Fortsatz der Clavicula. 
Fig. 170-172. Drei vom Kopfe her schwanzwärts fortschreitende 
Querschnitte durch einen 15 mm langen Embryo von Chelone 
viridis. 

t Anlage der ventralen, • der dorsalen Partie des Schulter- 
gurtels bezw. der freien vorderen Extremität (VE). Die Er- 
klärungszeichen der Fig. 170 dienen auch flir die beiden andern 
Figuren. 

Fig. 173 — 174. Zwei Flächonsihnitte durch die rechte Vorderextremität 
eines 22 mm langen Embryos von Chelone viridis, f Fibröses, 
Clavicula und Coracoid verbindendes Zwischengewebe. 

Fig. 175. Flächen schnitt durch die rechte Vorderextremität eines 
7 mm langen Embryos von Lacerta agilis. 

S Indifferentes Mesoblastgewebe an Stelledes späteren Schulter- 
gurtels, So Somitenhöhlen , f Gefass, H und AB Humerus und 
Antibrachium in der ersten Verknorpelung begriffen. 

Fig. 176. A— F Flächenschnitte durch diejenige Stelle der Scapula 
eines 30 mm langen Embryos von Lacerta agilis, wo sich die 
Clavicula (Ct) von der Scapula (S) abzweigt. Per Perichondrium, 
Muskeln. Nur in Fig. A ist die Scapula in ihrem vollen 
Querdurchmesser dargestellt 

Fig. 177— 178. Zwei Querschnitte durch den medialen (ventralen) 
Bezirk des Schultergurtels eines 22 mm langen Embryos von 
Lacerta agilis. Fig. 177 liegt drei Schnitte weiter kopfwärts als 
Fig. 178. 

f Mesodennales Zwischengewebe (Zellpolster), in welches die 
ventralen Enden der Claviculae (Ct) eingelassen sind, Eps Epi- 
sternum, C, C Epicoracoide, M l M. pectoralis major. 

Fig. 179. Querschnitt durch den Schultergurtel eines Embryos von 
Lacerta agilis, woraus die einheitliche Knorpelmasse desselben 
sehr deutlich zu ersehen ist SG Gegend des Schultergelenks. 

Fig. 180. Querschnitt durch denselben Embryo von 22 mm, auf 
welchen sich auch die Fig. 177 und 178 beziehen. Der Schnitt 
ging 40 Schnitte caudalwärts von Fig. 178 hindurch. St Sternura, 
Eps Episternum. 



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Tafel XVII. 



Fig. 181. Flächenschnitt durch denselben Embryo, welchem auch 
die Schnitte A — F auf Fig. 176 entstammen. Letztere liegen aber 
47 Schnitte weiter dorsal als jener. Rechts ging der Schnitt tiefer 
ventral hindurch als links. Die Clavicula (Öl) ist schon gut ver- 
knöchert und mit Markräuraen erfüllt, R 1 Vorderstes Ende der 
Sternalleiste , in welche sich das Coracoid einfalzt, VE 1 Anti- 
brach i um. 

Fig. 182 — 188. Zwei Querschnitte durch einen 17 mm grossen 
Embryo von Crocodilus biporcatus. Fig. 183 liegt 18 Schnitte 
weiter caudalwärts als Fig. 182. Bei f in letzterer Figur sieht 
man die erste Anlage des Humerus und des Schultergürtels 
(Indifferenz-Stadium). In Fig. 183 beachte man die Nervenein- 
strahlung (N, N\ n, n 1 , n 8 ). 

Fig. 184. Querschnitt durch die rechte Vorderextremität eines Embryos 
von Crocodilus biporcatus, der zwischen beiden Humerusgelenken 
einen Querdurchmesser von 3 mm besitzt. Bei Cl sieht man eine 
Andeutung der Clavicula. Der Schultergürtel befindet sich noch 
im Stadium des Vorknorpels, während in der freien Extremität 
die Verknorpelung schon in vollem Gang ist. 

Fig. 185. Etwas älteres Stadium von Crocodilus biporcatus, in welchem 
der Schultergürtel bereits zu verknorpeln beginnt. Rechts ging 
der Querschnitt etwas tiefer durch als links. Dorsalwftrts erstreckt 
sich der Schultergürtel noch nicht weit empor. 

Fig. 18(3. Querschnitt durch die ventrale Partie des Schultergürtels 
eines 75 mm langen Embryos von Crocodilus biporcatus. f, f 
Mesodcrmales , gürtelartig angeordnetes Gewebe zwischen den 
beiden Epicoracoiden (C) bezw. den Sternalleisten (StL) Eps 
Episternum. 

Fig. 187. A— 1> Vier Flächenschnitte durch die Scapula (S) eines 
Embryos von Crocodilus biporcatus von 4 mm Schulterbreite. Bei 
f sieht man die sich abgliedernde Clavicula, WS Wirbelsäule, 
R, R Rippen. Ep Epidermis der seitlichen Rumpfwand. 

Fig. 188— 189. Zwei Querschnitte durch den Schultergürtel eine« 
75 min langen Exemplare« von Crocodilus biporcatus. In der 
Medianlinie erscheint in Fig. 188 bei * ein Querband von dichtem 
Mesoblastgewebe, in welchem wenige Schnitte weiter caudalwärts 
das bereits in Verknöcherung begriffene Episternum (Fig. 189 Eps) 
auftritt. Seitlich entspringen davon die Brustmuskeln M 1 , M*; 
bei C liegen die ventralen Enden der Coracoide. 

Weiter hinten tritt auf der Ventralseite der Episternalplatte 
eine Muskelleiste auf, so dass die Form auf dem Querschnitt wie 
bei | in Fig. 189 erscheint. 

Fig. 190 — 192. Drei in caudaler Richtung sich folgende Querschnitte 
durch die ventrale Partie des Schultergürtels von Crocodilus bipor- 
catus (II 1 a cm langes Exemplar). 

StL Sternalleiste, Eps Episternum, St Stern um. C Coracoid. 



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